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Unkraut ist nicht Weißer Gänsefuß und

Ein weiterer Schutzmechanismus für den


Keimling ist der durch Temperaturwechsel Spreizende Melde
induzierte Ruhezustand, der frostempfind-
liche Arten vor Schäden bei einem zu Der Weiße Gänsefuß ist hierzulande die
frühen Auflaufen durch Spätfröste bewah- häufigste Unkrautart im Maisanbau. Im

gleich Unkraut ren soll.

Samenruhe dauert
unterschiedlich lang
Vergleich zu der zum Verwechseln ähnli-
chen Spreizenden Melde (Atriplex patula),
verhält sich der Weiße Gänsefuß bezüglich
der Keimtemperatur relativ anspruchslos.
Wegen seiner langen Keimperiode findet
Das Keim- und Auflaufverhalten Mit wenigen Ausnahmen sind die Samen der
meisten einjährigen Ackerunkräuter un-
man ihn, im Gegensatz zur Melde, nicht
nur in Sommerungen. Während die Sprei-
von Ungräsern und Unkräutern in Mais mittelbar nach der Reife nicht keimfähig.
Sie befinden sich in einem Ruhezustand.
zende Melde in der Regel erst im späten
Frühjahr, so etwa Ende Mai langsam in Er-
Während dessen holt der zum Zeitpunkt scheinung tritt, kann beim Weißen Gänse-
des Samenfalls oft noch nicht voll ausge- fuß bereits kurz nach der Maisaussaat
reifte Embryo seine Entwicklung nach. Ur- Ende April/Anfang Mai oft ein Massenauf-
sächlich für die Keimruhe können aber treten beobachtet werden, das sich zudem
auch undurchlässige Samenschalen und häufig bis in den Juni hinein erstreckt. Die
verschiedene Keimhemmstoffe sein. Keimtiefe beträgt, wie die der Melde unge-
Obwohl der Zeitpunkt der Keimung ge- fähr 4 cm. Da der Weiße Gänsefuß sehr
netisch fixiert ist, kann der Keimprozess konkurrenzstark ist und zudem eine hohe
durch Umwelteinflüsse mehr oder weniger Samenproduktion besitzt (bis 20.000 Samen
stark variieren. Auch ist es möglich, dass pro Pflanze) sowie die Samen im Boden
keimbereite Samen in eine Keimruhe fallen, sehr lange lebensfähig sind (bis 50 Jahre),
wenn die Keimungsbedingungen für den verdeutlicht einmal mehr, wie wichtig eine
Samen sich als ungünstig erweisen. Darü- effiziente Bekämpfung zum richtigen Zeit-
ber hinaus prägt bereits die Position der punkt ist.
Samen zum Zeitpunkt der Entwicklung an
der Mutterpflanze die Dauer der späteren Knöterich-Arten
Keimruhe.
Die Samen einiger Arten keimen nur Unter den in Mais vorkommenden Knöte-
bei wechselnden Temperaturen; manche rich-Arten besitzen vor allem der Winden-
benötigen sogar Frost, um die Keimruhe zu knöterich (Fallopia convolvolus), der Vogel-
unterbrechen. Bei den meisten Arten führt knöterich (Polygonum aviculare) und der
ferner ein Temperaturwechsel im artspezi- Flohknöterich (Polygonum persicaria) eine
fischen Minimum bzw. Maximum zu herausragende Stellung.
höheren Keimraten. Der Windenknöterich kann bereits rela-
tiv früh keimen (ab März). Dennoch liegt
Jedes Unkraut hat seine Vorlieben seine Hauptkeimzeit zwischen April und
Mai. Wegen des großen Nährstoffvorrates
Hinsichtlich der Keimzeit von Unkräutern (vor allem Stärke) können die Keimlinge
unterscheidet man zwischen Frühjahrs-, rasch und kräftig auch aus Bodentiefen bis
Sommer- und Herbstkeimern. Daneben gibt zu 15 cm auflaufen. Die Keimruhe wird
es Arten, die mit Ausnahme von Frostpe- aufgrund seiner harten Samenschale nur
rioden während des gesamten Jahres kei- während der Wintermonate gebrochen.
men (siehe Tabelle auf Seite 8). Auch hin- Obwohl der Vogelknöterich schon im
sichtlich der Keimtiefe unterscheiden sich Februar zu keimen in der Lage ist, liegt
D er Mais bietet aufgrund seiner relativ in Abhängigkeit von Standort und Jahr auf Temperaturschwankungen, das Verhältnis Keimung hemmt, verhält es sich bei Dunkel- die Arten, wobei diese in starkem Maße auch seine bevorzugte Keimzeit zwischen
späten Saat, der langsamen Jugendentwik- 30% bis 70% belaufen. Mais zählt deshalb von Sauerstoff und Kohlendioxid in der keimern umgekehrt. Ökologisch gesehen, von der Jahreszeit und der Bodenart beein- April und Mai. Seine Auflauftiefe beträgt
klung und der weiten Reihenabstände so- bei uns, zusammen mit der Zuckerrübe, zu Bodenluft, die Konzentrationen verschiede- stellt dieser lichtabhängige Mechanismus flusst wird. in der Regel bis 2 cm. Er zählt wie der
wie der sehr guten Nährstoffversorgung im den Ackerkulturen, die ohne effiziente Un- ner Ionen in der Bodenlösung und die eine überlebensnotwenige Maßnahme für Von den etwa 200 in Mais vorkommen- Windenknöterich zu den Kältekeimern, die
Vergleich zu anderen Kulturen gute Ent- krautbekämpfung nicht erfolgreich ange- Feuchtigkeit. Bei einigen Arten wurde zu- den Keimling dar, da er unter einem dichten den Unkräutern werden hier die wichtig- Frost zur Unterbrechung der Keimruhe be-
wicklungsmöglichkeiten für Unkräuter, ins- baut werden können. dem festgestellt, dass sie sogar die Licht- Blätterdach anderer Pflanzen aus Lichtman- sten Arten hinsichtlich ihres Keim- und nötigen. Strenge Winter können daher hin
besondere für Licht bedürftige und Wärme qualität hinsichtlich Intensität und spektra- gel verhungern oder aus größerer Boden- Auflaufverhaltens vorgestellt. und wieder regelrechte „Knöterich-Jahre“
liebende Arten. Da die Konkurrenzkraft Unkrautsamen nehmen ler Zusammensetzung analysieren können. tiefe vergeblich auflaufen würde – denn bescheren.
von Mais vor allem in der Jugendphase bereits vor der Keimung Während bei Lichtkeimern wie Hirten- vornehmlich besitzen die sehr kleinen Samen Die optimale Keimtemperatur des Floh-
sehr gering ist, stellt eine frühe Unkraut- täschelkraut (Capsella bura-pastoris), der Lichtkeimer einen geringen Reserve- knöterich liegt mit > 30°C dagegen deut-
ihre Umwelt wahr
bekämpfung eine zentrale Maßnahme zur Kamille-Arten (Matricaria spp.) und Hüh- stoffgehalt. Auch das nach einer Störung lich über der des Winden- und Vogelknöte-
Ertragssicherung dar. Obwohl Unkrautsamen wie tot im Boden nerhirse (Echinochloa crus-galli) hellrotes durch Eggen und Pflügen auf dem Acker richs (2 - 5°C), weshalb dieser erst im Mai
Die Höhe des Ertragsverlustes bei einer liegen, vermögen sie die Umweltbedingun- Licht (um 660 nm) die Keimung fördert verstärkte Auflaufen bestimmter Unkraut- anfängt zu keimen.
Nichtbekämpfung der Unkräuter kann sich gen genau zu beobachten. Sie registrieren und dunkelrotes Licht (um 730 nm) die arten steht damit im Zusammenhang.

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Hühnerhirse und andere mer ausreichend ist. Da die Samen der Hir- Trend wurde bereits auch schon beim Acker- geringer Bodentiefe (< 1 cm) auf. Zusam-
Schadgräser sen generell keinen Kältereiz benötigen, fuchsschwanz (Alopecurus myosuroides) men mit dem Einjährigen Bingelkraut
sind sie jederzeit keimbereit, sofern günsti- beobachtet, wobei es sich bei ihm in umge- (Mercurialis annua) und der Hühnerhirse Schwarzer Nachtschatten Weißer Gänsefuß
Die bei uns vornehmlich in Mais weit ver- ge Keimbedingungen vorherrschen. Früh kehrter Weise verhält. Als typischer Herbst- gehört der Schwarze Nachtschatten zu den
breiteten Unkrauthirsen, allen voran die gekeimte Pflanzen bestocken in der Regel keimer spielte er früher hauptsächlich in Unkrautarten, die mitunter in mehreren
Hühnerhirse, benötigen zur Keimung hohe schnell und sehr stark und bilden viele Wintergetreide eine Rolle und hatte daher „Wellen“ auflaufen. Die nach der Bekämp-
Bodentemperaturen (20 - 30°C) und kei- Blätter aus, bevor sie zu blühen beginnen. in Mais einen untergeordneten Stellenwert. fung aufgelaufenen Pflanzen verursachen
men daher erst im späten Frühjahr (Mitte/ Je später die Keimung erfolgt, umso gerin- Seitdem er aber mehr und mehr auch im bisweilen eine starke „Neuverunkrautung“.
Ende Mai). Die Hühnerhirse zählt zwar ger ist ihre vegetative Entwicklung. Die Frühjahr vorkommt, ist er auch dort von Zwar konkurrieren diese später aufgelau-
ebenso wie viele andere in Mais vorkom- Pflanzen bleiben demzufolge meist klein, Bedeutung. fenen Pflanzen kaum noch mit dem in der Windenknöterich Vogelknöterich
mende Unkrauthirsen zu den typischen gelangen aber dennoch zur Samenreife. In letzter Zeit treten in Mais vermehrt Entwicklung inzwischen stark fortge-
Licht- und Wärmekeimern, nicht jedoch Innerhalb der Hühnerhirse-Populationen auch Fuchsrote Borstenhirse (Setaria pumila, schrittenen Mais (Bestandesschluss!).
wie diese, zu den obligaten Flachkeimern. deutet sich zunehmend an, dass durch den Grüne Borstenhirse (Setaria viridis), Kletten- Dennoch tragen sie aber bei Nichtbekämp-
Der Keimhorizont der Hühnerhirse erreicht häufig frühen Bekämpfungszeitpunkt im borstenhirse (Setaria verticillata) sowie fung zur Auffrischung des Samenvorrates
bis zu 12 cm Tiefe, weshalb die Wirkung Mais später keimende Vertreter, so ge- Fadenfingerhirse (Digitaria ischaemum) und im Boden bei.
eingesetzter Vorauflaufherbizide nicht im- nannte Biotypen, selektiert werden. Dieser Blutrote Fingerhirse (Digitaria sanguinalis) auf. Die Amarant-Arten besitzen sehr hohe
Keimoptimums-Temperaturen (35 – 40°C).
Flohknöterich Ackerstiefmütterchen
Sie zählen daher zu den typischen Licht-
und Wärmekeimern. Der Auflaufzeitpunkt
Hauptkeimzeit der häufigsten in Mais auftretenden Ungräser und Unkräuter (Keimtiefe bis 3 cm) ist vergleichbar mit
dem des Schwarzen Nachtschattens. Aus-
Unkräuter/Ungräser Feb. März. April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. gewachsene Pflanzen vom Amarant gehören
ferner zu den Spitzenkandidaten bezüglich
Weißer Gänsefuß - ++ +++ +++ ++ + + + + - der Samenproduktion (bis 1.000.000).
Sowohl das Kleinblütige Franzosen- Kamille Rote Taubnessel
Vogelmiere + + +++ +++ ++ ++ ++ ++ ++ +
kraut (Galinsoga parviflora) als auch das
Windenknöterich - + +++ +++ ++ + - - - - Behaarte Franzosenkraut (Galinsoga ciliata)
Hühnerhirse - - - ++ +++ +++ ++ + - - keimen von Ende Mai/Anfang Juni bis in
Kamille-Arten + +++ +++ +++ +++ ++ + + ++ + den Spätsommer hinein. Sie besitzen eine
Ackerstiefmütterchen + ++ +++ + - - - - ++ ++ sehr rasche Entwicklung, d. h. sie blühen
Vogelknöterich + + +++ +++ ++ + + + - - bereits 4 – 8 Wochen nach ihrer Keimung.
Die Auflauftiefe beträgt bis 2 cm.
Rote Taubnessel + + +++ ++ + + ++ ++ ++ + Klettenlabkraut Vogelmiere
Da die Samen sowohl des Schwarzen
Klettenlabkraut + ++ +++ ++ + + + + ++ + Nachtschattens als auch der Amarant- und
Schwarzer Nachtschatten - - - +++ +++ ++ + + - - Franzosenkraut-Arten bis zu mehreren
Persischer Ehrenpreis + ++ +++ +++ + + + ++ + + Jahrzehnten im Boden lebensfähig sind,
Flohknöterich - - + +++ ++ ++ ++ - - - führt die erstmalige Etablierung dieser Ar-
Spreizende Melde - - - ++ +++ ++ ++ + - - ten zu einer lang anhaltenden Verseuchung
der Ackerfläche.
Amarant-Arten - - - ++ +++ +++ +++ ++ - - Persischer Ehrenpreis Franzosenkraut
Ackerfuchsschwanz + + ++ ++ + - - ++ +++ +
Vogelmiere, Kamille-Arten,
Franzosenkraut-Arten - - - ++ +++ +++ ++ + - -
Ackerstiefmütterchen und Co.
Fingerhirse-Arten - - - - ++ +++ ++ + - -
Borstenhirse-Arten - - - + +++ +++ ++ + - - Sie zählen zwar allesamt wegen ihrer deut-
lich niedrigeren Temperaturansprüche
streng genommen nicht zu den charakteri-
Schwarzer Nachtschatten, stischen Maisunkräutern, sind aber den- Spreizende Melde Amarant
Amarant- und noch seine häufigsten Begleiter und sollen
deshalb nicht unerwähnt bleiben.
Franzosenkraut-Arten Mit Ausnahme des Ackerstiefmütter-
Schwarzer Nachtschatten, Amarant- (Ama- chens (Viola arvensis) haben Vogelmiere
ranthus spp.) und Franzosenkraut-Arten (Stellaria media), Kamille-Arten, Rote
(Galinsoga spp.) sind ausgesprochene Taubnessel (Lamium purpureum), Kletten-
Spätkeimer und zählen wegen ihrer hohen labkraut (Galium aparine) und Persischer
Hühnerhirse Ackerfuchsschwanz
Temperaturansprüche zu den charakteristi- Ehrenpreis (Veronica persica) zumindest
schen Maisunkräutern. eines gemeinsam; sie keimen außer in Frost-
Der Schwarze Nachtschatten (Solanum perioden das ganze Jahr über, auch wenn
nigrum) benötigt für seine Keimung wech- ihre Keimung hauptsächlich im Frühjahr
selnde Temperaturen zwischen 10°C und und Herbst stattfindet. I
25°C. Die Hauptkeimzeit liegt zwischen
Ende Mai und Anfang Juni. Zu diesem Dr. sc. agr. Jörg Mehrtens, Hohenheim
Zeitpunkt läuft er in der Regel zügig aus Fingerhirse Borstenhirse

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