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Joachim Ringleben

Wahrhaft auferstanden
Joachim Ringleben

Wahrhaft auferstanden
Zur Begründung der Theologie des lebendigen Gottes

Mohr Siebeck
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Ringleben, Joachim:
Wahrhaft auferstanden : zur Begründung der Theologie des lebendigen Gottes /
Joachim Ringleben. - Tübingen : Mohr Siebeck, 1998
ISBN 3-16-146896-1

© 1998 J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen.


Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer-
tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung
des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Über-
setzungen, Microverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektro-
nischen Systemen.
Das Buch wurde von Martin Fischer in Tübingen aus der Bembo Antiqua belichtet,
von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier der Papier-
fabrik Weissenstein in Pforzheim gedruckt und von der Großbuchbinderei Heinr.
Koch in Tübingen gebunden.
Vorwort

Wer über die Auferstehung Jesu Christi reden will, darf dabei weder die
Gottesfrage im Unklaren oder ganz ausfallen lassen noch die Auferstehung
aus dem Zusammenhang mit Wort und Geschichte des historischen Jesus
herauslösen. Unter diesen fundamentalen Defiziten litt evidentermaßen –
auch für einen unvoreingenommenen Beobachter – der unlängst in der Öf-
fentlichkeit entfachte Streit um Auferstehung und leeres Grab. Beide blinden
Flecke sollen hier korrigiert werden – mit spürbaren Folgen für ein besonne-
nes theologisches Urteil.
Ich meine, mit diesem Buch eine durchgeführte Gesamtauffassung der
Auferstehung (einschließlich der österlichen Erscheinungen) zur Debatte
stellen zu können. Sie ist keineswegs bloß als Reaktion auf jene suggestiv
verkürzten Thesen zustandegekommen, sondern schließt an grundsätzliche
Überlegungen zur Eschatologie und zum Begriff des ewigen Lebens an, die
schon vorher veröffentlicht waren.
Zur Begründung einer Theologie des lebendigen Gottes von der Aufer-
stehung her bedarf es wohl einer neuen Auffassung auch vom Verhältnis der
Ewigkeit zur Zeit; eine solche versuche ich zu gewinnen.
Insofern verdankt sich die hier vorgelegte Auferstehungstheologie ganz
dem eigenen Gewicht der Sachfragen und der Konsequenz meiner systema-
tischen Arbeit; jener aktuelle kritische Bezug ist für sie – mit Gründen – eher
peripher.
Für ihren unermüdlichen Einsatz bei der Herstellung des Manuskriptes
bin ich Frau Regine Pfau zu großem Dank verpflichtet.

Göttingen, 30. März 1997 J.R.


Aus dem dritten hauffen werden nu komen und sind
bereit viel furhanden, die werden nicht gleuben, das
Christus sey von den todten aufferstanden, noch sitze
zur rechten Gottes, und was mehr von Christo im
glauben folget. Die werden dem fass den boden aus-
stossen und des spiels ein ende machen. Denn damit
wird der gantze Christus untergehen, Und wird die
welt nichts halten vom kunfftigen leben. So ist denn
Christus nichts mehr. Denn wer das künfftige leben
nicht hoffet, der (be)darff Christus eben so wenig,
als die küe und andere thier des Paradises.
M. Luther, 1538 (WA 50, 269)

Es ist auff erden noch nie (ein) nerrischer, unmug-


licher, verzweiffelter ding gehort noch gesehen, denn
das ein sterbender mensch solte nicht alleine leben-
dig, sondern auch Herr und austeiler des lebens und
aller todten aufferwecker sein.
M. Luther, 1526 (WA 19, 154)
Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Kapitel 1: Auferstehung in der Jesus-Tradition . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Kapitel 2: Gottes eschatologisches Handeln
in der Auferweckung Jesu Christi . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
1. Auferstehung als eschatologisches Ereignis . . . . . . . . . . 28
2. Auferstehung im eschatologischen Horizont . . . . . . . . 36
3. Der handelnde Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
Kapitel 3: Die Erscheinungen des Auferstandenen
als Manifestation seines Lebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
1. Das Wesen der Erscheinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
2. Die Wahrheit der Auferstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
A. Das Sein des Auferstandenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
B. Die Wirklichkeit der Auferstehung . . . . . . . . . . . . . 79
C. »Am dritten Tage – nach der Schrift« . . . . . . . . . . . 88
3. Zur Visionsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
4. Die Begrenzung der Ostererscheinungen . . . . . . . . . . . 100
5. Zur Erscheinung vor Paulus (systematisch) . . . . . . . . . . 102
Kapitel 4: Auferstehung als Neuschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
1. Das leere Grab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
2. Die neue Leiblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
Kapitel 5: Auferstehung als die Mitte von Gottes Heilshandeln . . . . . 117
1. Auferstehung und Schöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
2. Auferstehung und Menschwerdung . . . . . . . . . . . . . . . 124
3. Auferstehung und der irdisch-geschichtliche Jesus . . . . 130
Kapitel 6: Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes . . . . 142
1. Auferstehung und Erhöhung (Himmelfahrt) . . . . . . . . 142
2. Gottes Weitergeben des eigenen Lebens ( Joh 5,26) . . . 150
3. Der Tod des Todes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
4. Pneuma, Dynamis und Doxa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
X Inhaltsverzeichnis

Kapitel 7: Auferstehung und Glaube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183


Exkurs: Die Metapher »Auferwecken« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
Register
Bibelstellen (in Auswahl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207
Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208
Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
11

Kapitel

Einleitung

Virum prudentiorem haberem,


si hoc non crederet.
Kardinal Bembo1

a. Die Botschaft von der Auferweckung des gekreuzigten Jesus von den
Toten durch Gott ist das Fundament des christlichen Glaubens2, und dieser
ist ohne die Auferstehungsaussage ebensowenig historisch wie sachlich zu
bestimmen3. Zugleich ist diese Botschaft die härteste Zumutung an die ver-
ständige Wirklichkeitsauffassung und -einstellung des neuzeitlichen Men-
schen. Gleichwohl fragen auch die heute lebenden Menschen dringlich nach

1 Zu G. Sabinus über Melanchthons Auferstehungsglauben: »Ich hielte ihn für

einen klügeren Mann, wenn er das nicht glaubte«; zit. bei J.G. Herder, Von der Auf-
erstehung, als Glaube, Geschichte und Lehre (1794).
2 Cf. I Thess␣ 4,14, wo p‡sti“ definiert ist! Für Paulus war die Auferstehung drin-

gende »Hauptsache« (†n pr„toi“, I Kor␣ 15,3; cf. Barth, Die Auferstehung der Toten,
aaO.␣ 74 u.␣ 81), und für die ganze frühe Christenheit und Urkirche ist das Oster-
geschehen »der Angelpunkt« (Kittel, aaO.␣ 165) und »Brennpunkt ihres Selbstverständ-
nisses« (Niebuhr, aaO.␣ 23). Luther hat es klassisch formuliert: »Denn wo dieser Artikel
[sc. von der in Christus begründeten Auferstehung] hinweg ist, da sind auch alle ander
hinweg und der Heubtartikel und gantze Christus verloren …« (WA 36, 483, 13f.; cf.
ähnlich 605, 16ff.). Sie ist »grund und ursache und ende aller artikel des glaubens«
(aaO.␣ 605, 20f.), Hauptartikel paulinischer Predigt (523, 25f.; 544, 21f.) und Haupt-
stück christlicher Lehre (524, 32f.), cf. WA 29, 324–335; 49, 727–746 (es geht um das
ganze Evangelium).
3 Nicht nur ist die Auferstehungsbotschaft das centrum Paulinum (Künneth,

aaO.␣ 128), was man insbesondere an Luther zeigen kann, sondern es gilt prinzipiell:
»Es gibt … keinen neutestamentlichen Text, der nicht von diesem Ereignis her ge-
dacht und geschrieben ist« (Koch, aaO.␣ 62), – das wird auch da gelten, wo in einigen
eher peripheren Schriften des NT ausdrückliche Hinweise auf die Auferstehung feh-
len (II Thess, Tit, Philem, III Joh, II Petr, Jud, Jak). Insgesamt gilt nicht nur, daß das
Neue Testament die »Ostersonne im Rücken« hat (Althaus, aaO.␣ 52), sondern grund-
sätzlicher noch, daß es ohne den Auferstehungsglauben gar kein NT gäbe. Wir ver-
danken dem Glauben der ersten Auferstehungszeugen das Neue Testament selber,
denn ohne ihre Erfahrungen des lebendigen Herrn wäre es zu dessen Abfassung über-
haupt nicht gekommen. Insbesondere ist auch die literarische Gattung der Evangelien
eine direkte und spezifische Folge jener Widerfahrnisse, die dann in ihnen berichtet
werden. Schon aus diesen allgemeinen Einsichten dürfte hervorgehen, daß die Auf-
erstehungsaussage kein einfach herauslösbares Traditionselement ist, dessen Eliminie-
rung nicht das Ganze des Christentums im Kern beschädigte.
12 Einleitung

dem ewigen Leben und der Auferstehungsrealität – ob es so etwas gibt und


was es bedeutet –, und die Theologen fragen mit ihnen.
Die Spannung zwischen dem modernen Wirklichkeitsbewußtsein, wie es
alle Zeitgenossen bis ins Alltägliche hinein bestimmt, und der Rede von
Auferstehung wird auch dadurch verschärft, daß das Neue Testament selber
uns die Frage nach der Wirklichkeit der Auferstehung unabweisbar und durch
keine moderne Interpretation umgehbar stellt, indem es betont: ontos egerthe,
vere resurrexit, »er ist wahrhaft auferstanden« (Lk␣ 24,34).
Nun ist freilich auch zu sehen, daß nicht erst in der Neuzeit und ihrem
wissenschaftlich geprägten Weltbild die absurd scheinende Zumutung an der
Vorstellung einer Auferstehung vom Tode empfunden wird. Aristoteles hat
ebenso wie auch Plinius so etwas für selbstverständlich unmöglich gehalten4,
und kraftvoller, als Luther es tut, kann man das Ärgernis und schwer Er-
schwingliche am Auferstehungsglauben kaum aussagen: »Denn die Vernunft
ist da und … siehet schlicht in das Werk, wie es vor Augen ist, daß die Welt
so lang gestanden, und stirbt immer einer nach dem andern, und bleibt alles
tot und verwest und gar zerpulvert im Grab, und ist noch nie keiner wieder-
kommen … Wenn sie [die Vernunft] nun in diesen Artikel gerät und will ihm
nachdenken, so ist es gewißlich gar verloren. Denn es kommen ihr soviel
wunderliche, seltsame, ungereimte Gedanken vor, daß sie muß sagen, es sei
nichts dran …«5

b. Aus dem allen ergibt sich, daß sich das theologische Nachdenken der
Frage nach dem Wirklichkeitscharakter des eigentlichen Ostergeschehens –
als dem Grunde allen christlichen Auferstehungsglaubens – entschlossen stel-
len muß6. Dazu hat die Theologie umso mehr Anlaß, als an keiner Stelle so

4 Arist., De anim. I, 3; 406 b 4f. Im Zusammenhang eines Arguments gegen die

Bewegung der Seele selbst: sie müßte sich im Raum bewegen, örtlich verändern und
d.h. am Körper heraustreten und wieder hineingehen (†xelje‡n – e¢sifinai p›lin); das
würde die für A. absurde Folge einschließen, daß gestorbene Lebewesen wieder »auf-
erstehen« (ün‡stasjai). Cf. Plin., hist. nat. 7, 55 und dazu WA 34/I, 273, 3u.␣ 49, 439,
19ff. Anders in der Heraklit-Überlieferung, frg. B␣ 63.
5 Cf. WA 36, 493, 15–26; cf.␣ 494,15ff.; 504, 22ff.; 530, 10f.; 622, 26–34 (!) u.ö. Cf.

auch: »und hat mich selbs offt wunderlich und frembd angesehen, und ist ein schwerer
Artikel jnns hertz zubringen, wenn ich sehe einen menschen tot hintragen und be-
scharren, das ich doch mit solchen hertzen und gedancken sol davongehen, das wir
werden mit einander widder aufferstehen …« (aaO.␣ 557, 35–558, 14). Auch der un-
gläubige Spott über dies Pfaffengeschwätz ist Luther bestens bekannt (cf. aaO.␣ 601,
27–29; 615, 30; 620, 28f.).
6 R.R. Niebuhr hat in seinem anregenden und klugen Buch »Auferstehung und

geschichtliches Denken« (1960) zu Recht die Überzeugung geäußert, »daß dieses


Ereignis [sc. der Auferstehung Christi] es ist, das uns befähigt, christlich über Gott,
Geschichte und Natur zu sprechen« (aaO.␣ 5). N. hat in diesem Buch selber den Ver-
such unternommen, die Auferstehung als Ausgangspunkt einer neuen und spezifisch
christlichen Konzeption von Geschichte (und geschichtlichem Verstehen!) methodo-
Einleitung 13

wie beim Thema der Auferstehung Jesu Christi die Frage dringlich wird:
was ist zuletzt und in Wahrheit »die Wirklichkeit«7? Damit aber bricht bei
diesem Thema spezifisch die Frage nach der Wirklichkeit Gottes selber auf.
Bei dem Thema Auferstehung zeigt sich definitiv, was man über Gott denkt
bzw. wie man eigentlich Gott denkt.
Wegen dieser Bewandtnis des Auferstehungsthemas ist als erstes folgendes
zu berücksichtigen: Theologisch abwegig ist jede enge Fixierung auf das
Thema dergestalt, daß man über das isolierte Mirakel der Wiederbelebung
eines Leichnams streitet oder über die ganz abstrakte Frage, ob Gott in seiner
Allmacht einen Toten wieder zum Leben erwecken könne, oder über die
noch abstraktere, wenn auch scheinbar hart realistische Frage, ob das Grab
Jesu leer gewesen sei oder nicht8. Alle diese Fragen sollen zwar möglichst
einer Antwort zugeführt werden. Aber sinnvolle Fragen sind es erst in einem
umfassenden Zusammenhang, nämlich der Grundaussage von Ostern, daß
Gott an Christus wirklich gehandelt hat.
Dieser durchgehende Bezug auf einen Begriff vom Handeln Gottes ist
die Eigenart der hier vorgelegten systematisch-theologischen Besinnung über
die Auferstehung9. Ein solcher Begriff ist einerseits ausführlich zu exponie-
ren10 – und zwar sowohl im Unterschied zu sonstigem Handeln, das wir
kennen, wie auch nicht nur in Differenz zu unserem Handeln (also nur ne-
gativ), vielmehr positiv als Handeln Gottes ganz im Zusammenhang von
dessen eigenem Sein11 –, und er ist andererseits im Lichte des Ostergesche-
hens selber zu konturieren12. Derart soll die Auferstehung Jesu Christi kon-

logisch zu reflektieren (cf. aaO.␣ 10), wobei er sich davon leiten läßt, das Auferste-
hungsereignis als »eine kurze Darstellung des Wesens des historischen Geschehens
selbst« zu fassen (11).
7 Cf. Niebuhr, aaO.␣ 5: »Die Auferstehungsüberlieferung (ist) der Punkt, an dem die

gesamte christliche Weltauffassung unter dem Gericht steht (Mk␣ 16,8; Act␣ 26,22–25)«.
8 Insbesondere von der ersten und der dritten Einseitigkeit in der Fragestellung

bestimmt, hat zuletzt das Buch von G. Lüdemann dazu beigetragen, die Auferste-
hungsdebatte in einer wenig hilfreichen Weise in die Medienöffentlichkeit zu brin-
gen. Die falsche Abstraktheit des Zugangs konnte sich nur uninformierten Lesern als
schonungslose Wahrhaftigkeit im kritischen Hinterfragen empfehlen; zur Einzelaus-
einandersetzung siehe im Folgenden passim.
9 Darin hat die vorliegende Schrift eine weitreichende und, weil ungesuchte und

nachträglich festgestellte, erfreuliche Übereinstimmung mit dem neuen Auferstehungs-


buch von I.␣ Dalferth.
10 Der Begriff göttlichen Handelns hat in letzter Zeit überhaupt die Aufmerksam-

keit jüngerer Theologen gefunden: cf. Marburger Jahrbuch Theologie I (hg. von W.
Härle u. R. Preul), 1987 (darin besonders einschlägig der Aufsatz von Chr. Schwöbel,
aaO.␣ 56ff.) und H.J. Körtner: Der handelnde Gott, in: NZSTh 39 (1989), 18–40,
sowie Härle, Dogmatik (1995) 283f.
11 Grundlegendes dazu findet sich in meinem Aufsatz: Gottes Sein, Handeln und

Werden, in: Vernunft des Glaubens (FS W. Pannenberg), 1988, 457–487.


12 R. Bultmann hat in seiner klassischen Abhandlung »Neues Testament und

Mythologie« (1941, Nachdruck 1985) die für das Entmythologisierungsprogramm


14 Einleitung

sequent vom Handeln Gottes am toten Jesus her gedacht und dadurch in
einen Begriff vom göttlichen Leben eingezeichnet werden13. Auf diese Weise
– das ist meine Hoffnung – beginnen auch die historisch umstrittenen Oster-
berichte des Neuen Testamentes über die Erscheinungen des erhöhten Herrn
an seine Jünger zu sprechen. Denn erst in diesem Horizont, d.h. wenn man
versteht, was für eine Art von Geschehen überhaupt und insbesondere im
Hinblick auf Gott hier eigentlich gemeint ist, kann verstanden werden, wo-
von bei »Auferstehung« die Rede ist14. Je isolierter und je mehr aus dem
sachlichen Zusammenhang gerissen man fragt, umso verkürzter und kurzat-
miger müssen auch die Antworten ausfallen15.

c. Ich möchte mit diesem Buch beanspruchen, als Systematiker Schrifttheo-


logie zu treiben. Gerade zu diesem Thema kann es einen angemessenen
Zugang auch für die dogmatische Arbeit nur im theologischen Umgang mit
der hl. Schrift geben. Und es hat sich mir bei der Arbeit die Erfahrung immer
zwingender eingestellt, daß im Vernehmen des Schriftzeugnisses in möglich-
ster Breite und im Hören auf die besondere Redeweise der Schrift das theo-
logisch-systematische Denken auch als Denken an Bestimmtheit gewinnt.
Die vielen im Folgenden herangezogenen biblisch-neutestamentlichen Bele-

schlechthin entscheidende Frage nach dem Status der Rede vom Handeln Gottes – ob
»mythologisch« oder nicht? – ausgeklammert; Näheres dazu in meinem Aufsatz (s.
vorige Anm.), aaO.␣ 457f. Anm.␣ 4. Die Bedeutung dieser Frage auch für die Auf-
erstehungsthematik liegt auf der Hand.
13 Über das Verhältnis von Gottes eigenem und dem ewigen Leben handelt – ohne

durchgehende Berücksichtigung der Auferstehung Christi – mein Aufsatz: Gott und


das ewige Leben. Zur theologischen Dimension der Eschatologie, in: K. Stock (Hg.):
Die Zukunft der Erlösung (1994), 49–87. Den angedeuteten Mangel dieser Abhand-
lung zu ergänzen, ist das eigentliche systematische Anliegen und auch der sachliche
Anlaß des vorliegenden Buches, das Christi Auferstehung und die Eschatologie syste-
matisch ins Verhältnis setzen möchte.
14 Ich bin mit G. Lüdemann einig in der Kritik an theologischen Aussageweisen,

die gegenüber solchen Nachfragen verbale Immunisierungsstrategien aufbauen und


für die das 1. und 2. Kapitel seines Buches etliche, zu Recht als ausweichend oder
ungenügend empfundene Beispiele geben (cf. aaO.␣ 11ff.). Daraus folgt freilich nicht,
wie L. zu meinen scheint, daß jede von seiner eigenen Auffassung abweichende Re-
konstruktion des Auferstehungsgeschehens eo ipso nur apologetisch oder obsolet su-
pranaturalistisch sein müßte!
15 Die irreführende Beschränkung der Auferstehungsfrage auf ein isoliertes, gar

noch quasi biologisch verstandenes Mirakel wird in den Erörterungen der folgenden
Kapitel vor allem in drei Hinsichten korrigiert: 1. durch den Zusammenhang mit
Gottes Handeln und Leben überhaupt (Kap.␣ 2.1. u.␣ 3.; Kap.␣ 5.1. u.␣ 2.; Kap.␣ 6), 2.
durch die eschatologische Allgemeinheit der Auferweckung Jesu (Kap.␣ 2.2.); 3. durch
die wesentliche Bezogenheit der Auferweckungstat auf diesen bestimmten Menschen
Jesus, die nur im Kontext der Glaubensgeschichte Israels verständlich wird (Kap.␣ 5.3.).
Dazu gehört in gewissem Sinne auch die Beziehung des Ostergeschehens auf Jesu
eigenen Auferstehungsglauben (Kap.␣ 1).
Einleitung 15

ge und insbesondere die einläßliche Schriftauslegung zu besonders wichtigen


derselben, die ich immer wieder versucht habe, belegen das schon äußerlich.
Gleichwohl wird nirgends, so meine ich, der genuin systematisch denkende
Theologe zu verkennen sein. Aber es hat eben Folgen, daß wir auch »rein«
systematisch dem sprachlichen Wort »Gott« nur nachdenken können, weil
und insofern wir immer schon vom Wort Gottes herkommen, d.h. der hl.
Schrift.
Darum ist – grundsätzlich – für jede systematische Theologie die Schrift-
auslegung und d.h. die sprachwissenschaftliche (philologisch-historische und
exegetische) Beschäftigung mit dem Wort Gottes unverzichtbar. Systemati-
sche Theologie, wie ich sie verstehe, ist, weil durch ihren grundlegenden
Bezug auf das Wort »Gott« sprachbezogen, stets an die Auslegung der hl.
Schrift rückgebunden und nimmt insofern den Ausgang zu ihrer Selbstän-
digkeit von der Exegese. Alle theologische Exegese aber hat mit dem Wort
Gottes genau darum zu tun, weil sich darin die Dynamis des Wortes Gott
sprachlich ausarbeitet – wofür zentral das Thema Auferweckung Jesu Christi
steht.
Überhaupt scheint mir nötig, daß die Theologie in allen ihren Disziplinen
– d.h. auch den exegetischen Fachdisziplinen – immer neu lernt, auf die
Schrift␣ im Ganzen␣ zu hören. Daß frühere Zeiten in allem vielfältigen Reich-
tum des Schriftzeugnisses eine grundlegende Einstimmigkeit wahrnahmen,
kann nicht bloße Einbildung gewesen sein, so sehr eine solche heute nur
unter historisch-kritischen Bedingungen, und d.h. unausweichlich: sehr viel
differenzierter, zu rekonstruieren ist. Indem die kritische Arbeit am Neuen
Testament darauf auszugehen wieder lernt, wird sie auch von der gefähr-
lichen Tendenz sich weiter entfernen, durch eine gewisse Art der histo-
rischen Nachfrage zuletzt die Geschichte (und Geschichtlichkeit) selber zu
beseitigen16. Was als geschichtlich und als geschichtlich möglich gelten kann,
muß sie bereit sein, sich immer auch aus den Texten selber sagen zu lassen17.
Wo indes wäre das mehr angebracht als bei der Auferstehungsüberlieferung!

d. Zur Vororientierung darüber, was eine systematische Erörterung zum


Thema Auferstehung Jesus Christi leisten kann, ist es unerläßlich, sich zur
exegetischen Debatte dieses Komplexes ins Verhältnis zu setzen. Diese ist nun
bekanntlich seit langem so unübersichtlich und überaus vielfältig, was die

16 Cf. die treffsichere Frage J. Baurs: »Wie stringent ist eine Methode, die dazu

anleitet, die innerkanonischen Differenzen schärfstens herauszuarbeiten, aber im reli-


gionsgeschichtlichen Vergleich auch nur entfernte Ähnlichkeiten als erhellende Ana-
logien zu beanspruchen?« (Sola scriptura – historisches Erbe und bleibende Bedeu-
tung, aaO.␣ 106).
17 Dafür ist grundsätzlich auf die methodologischen Überlegungen in dem beein-

druckenden Buch von R.R. Niebuhr zu verweisen.


16 Einleitung

historischen, literarkritischen und traditionsgeschichtlichen Fragen der neu-


testamentlichen Osterberichte angeht, daß es dem nicht exegetisch arbeiten-
den Theologen kaum möglich ist, dieser Vielschichtigkeit im Ganzen und in
den zahllosen Details genau Rechnung zu tragen – hat doch beinahe jeder
Fachgelehrte, der sich historisch dazu äußert, zu dem ganzen Komplex wie
zu den speziellen exegetischen Einzelfragen eigene, von anderen Positionen
wiederum auf sehr diffizile Weise abweichende Meinungen.
Ehe ich hier im Allgemeinen umreiße, wie ich mit den historisch-kriti-
schen Fragen umzugehen gedenke – auf exegetische Erörterungen werde
natürlich auch ich nicht verzichten können (s.u.) –, sollte man sich zunächst
die ebenfalls seit langem bekannte, ungewöhnlich schwierige Situation nüch-
tern vor Augen halten, wie sie in der den betreffenden Textzusammenhän-
gen eigentümlichen und wohl irreduziblen Disparatheit ihren Grund hat
und auf die, wie die unendliche Literatur zeigt, die exegetische Arbeit mit
immer neuen Versuchen ihrer Aufklärung reagiert hat – bisher ohne ein
anderes Resultat, als wiederum korrigierende neue Versuche zu provozieren.
Daß es in diesem Felde so gut wie nichts gibt, was von den exegetischen
Fachleuten in breitem Konsens akzeptiert wäre, sondern daß hier fast alles –
von Buch zu Buch, von Aufsatz zu Aufsatz – in immer neuer Weise strittig
ist, das muß an der Eigenart dieser Erzählstränge und Texte selber liegen.
In der Geschichte der Theologie und Exegese ist die in ihrer Wider-
sprüchlichkeit offensichtlich nicht auszugleichende Disparatheit der Über-
lieferung immer wieder klar ausgesprochen worden. Ich gebe zur Feststel-
lung dieser eigentümlichen Situation vier Stimmen exemplarisch wieder,
denen in unterschiedlicher Hinsicht erhebliches Gewicht zukommt.
So kann man, um nur eine Stelle herauszugreifen, schon bei M. Luther
lesen: »Die Evangelisten all vier haben nit groß achtung gehabt, daß sie die
geschicht in ain ordnung bringen und nacheinandern erzelen. Ainer schreybt
mer, der ander mynder, der schreibt das, ain ander jhenes stuck«18. Bemer-
kenswert ist sodann, daß der wahrlich mit den schwierigen Detailfragen
nicht unvertraute Lessing im Rückblick dezidiert formuliert: »Ich erwidere:
die Auferstehung Christi kann ihre gute Richtigkeit haben, ob sich schon die
Nachrichten der Evangelien widersprechen«19. Das ermutigt – aus solchem
Munde! – natürlich den Dogmatiker – wenn auch nicht ohne Fühlungnah-
me mit der exegetischen Debatte –, seine am Sachproblem orientierten Fra-
gestellungen nicht völlig vom jeweils letzten Stand der historischen Arbeit
am Detail abhängig zu machen. Vielleicht ist solche relative Unabhängigkeit

18 WA 17/I, 179, 15–17. Cf. 183, 37.


19 Eine Duplik (1778), in: Gesammelte Werke (Rilla), Bd.␣ 8, 25. Lessing verweist
übrigens mehrfach auf vergleichbare Spannungen in profangeschichtlichen Darstel-
lungen, die in der Hauptsache nicht zum Bezweifeln der Sache selber geführt hätten
(cf. aaO.␣ 29, 32f. u.ö.).
Einleitung 17

der Theologie gegenwärtig sogar nötig und heilsam20. Jedenfalls scheint das
die Ansicht von K. Barth gewesen zu sein, der in diesem Zusammenhang auf
einen nicht unwichtigen Umstand aufmerksam macht: »Da steht man viel-
mehr vor den bekannten Dunkelheiten und nicht auszugleichenden Wider-
sprüchen und kann sich wohl wundern, daß bei der Entstehung des Kanons
niemand daran Anstoß genommen zu haben scheint, niemand den Versuch
gemacht hat, die verschiedenen Relationen von diesem für die neutesta-
mentliche Botschaft so grundlegend wichtigen Geschehen einander anzu-
gleichen«21. Es könnte immerhin so sein, daß die Erzählungen über die Be-
gegnung mit dem Auferstandenen darum so widersprüchlich und historisch
geheimnisvoll sind, weil das Ereignis der Auferstehung mehr ist (und anders),
als Berichte darüber narrativ wiedergeben können22. Wie dem auch sei, je-
denfalls ist die historisch komplizierte, so ungemein schwer auflösbare Ge-
mengelage der Ostertexte als Faktum grundsätzlich in Rechnung zu stellen.
Dazu schließlich die gleichfalls gewichtige Stimme eines solchen Kenners
des Urchristentums wie M. Hengel: »In diesen bewegten, für uns dunklen,
aber für die Jünger so herrlich leuchtenden Monaten des Anfangs waren
vielfältige Bewegungen und Entdeckungen neben- und miteinander, ja z.T.
verwirrend »durcheinander« möglich. Die Begegnungen mit dem Auferstan-
denen bilden zusammen mit der Ausformung frühester Erhöhungschristo-
logie einen verschlungenen Knoten, bei dem wir die einzelnen Fäden nicht
mehr fein säuberlich entwirren und chronologisch ordnen können, zumal
die von eschatologischem Enthusiasmus geprägte Vorstellungswelt der ersten
Jünger durchweg nicht den Regeln unserer analytischen Methode ent-
sprach«23.

e. Wenn die Dinge so stehen, und die beschriebene forschungsgeschicht-


liche Situation reflektiert diesen Zustand durchweg, ist zumindest die Frage
nicht abwegig, ob nicht, was die Osterüberlieferung angeht, ein Überliefe-
rungskomplex vorliegt, der einer historisch-kritischen Rekonstruktion fak-
tisch Grenzen setzt, ob vielleicht hier sogar ein Sachverhalt tradiert wird, an
dem die historisch-kritische Erforschung des NT selber an eine Grenze ge-

20 Klagt doch schon derselbe Lessing: »Nein, so tiefe Wunden hat die scholastische

Dogmatik der Religion nie geschlagen, als die historische Exegetik ihr itzt täglich
schlägt« (aaO. 37)!
21 KD IV/I, 369. Cf. auch die an sich nicht unvernünftige Folgerung aus der

disparaten Beschaffenheit der Ostertexte: »Wir sind nicht aufgefordert, von dieser
Begegnung, d.h. von ihrem Wie mehr wissen zu wollen und auch sagen zu können, als
die Berichte selbst sagen« (aaO.␣ 377). Inwiefern sich eine systematisch-theologische
Erörterung doch einer solchen Aufforderung ausgesetzt sieht, wird die folgende Dar-
stellung zeigen.
22 U.a. auch deshalb, weil sie uns – die Leser – selber in das Geschehen mit einbe-

ziehen.
23 Psalm 110 und die Erhöhung des Auferstandenen zur Rechten Gottes, aaO.␣ 72.
18 Einleitung

langt. Jedenfalls aber, mag dies auch dahingestellt bleiben, ist das Recht einer
spezifisch dogmatischen, d.h. den gedanklichen Zusammenhalt und die theo-
logische Einheit in der Auferstehungsüberlieferung sachlogisch rekonstruie-
renden Arbeit zum Thema Auferstehung angesichts jener Situation unbe-
streitbar.
Will man nun weder die beschriebene Situation der Forschung ignorieren,
noch auch weiterer historischer Untersuchung einen möglichen Wert ab-
sprechen, stellt sich für eine in systematischer Absicht unternommene Nach-
frage nach der Auferstehung Jesu Christi und ihrer Wahrheit das Problem,
wie zu verfahren sei, wenn die rein historischen Erklärungsversuche der
Ostertexte hier nicht um eine weitere Variante bereichert werden sollen –
was ohnehin nur ein exegetischer Fachmann überhaupt versuchen könnte –,
andererseits aber auch ohne enge Fühlungnahme mit den einschlägigen neu-
testamentlichen Texten die dogmatische Reflexion theologisch abstrakt blei-
ben müßte. Ich versuche, dem mit einem kombinierten Verfahren gerecht zu
werden.
1. Zugrunde liegen soll eine systematische Lektüre und Auswertung der
Texte unter ständigem Bezug auf einen theologischen Begriff vom göttli-
chen Handeln (s.o.) – was deren eigenem Selbstverständnis entspricht; dabei
liegt es in der Natur der Sache, daß dieser Begriff vom Handeln Gottes selber
zu entfalten ist und sich an den Texten bewähren, sogar inhaltlich konturie-
ren lassen muß24.
2. Konkretisiert wird dies mit dem Versuch, gewisse (eher phänomeno-
logisch zu nennende) Beobachtungen an den speziellen Ostertexten, die
relativ unabhängig von bestimmten historischen Thesen über diese Texte
erhoben und systematisch fruchtbar gemacht werden können, zu jenem theo-
logischen Begriff von Gottes Handeln zu Ostern sachkritisch in Beziehung
zu setzen25. (Auch die historisch orientierte Exegese und Beurteilung der
24 Gottesgedanke und Auferstehung – in beide Richtungen – in Beziehung zu

setzen, impliziert Fragen der folgenden Art: Was bedeutet das Auferstehungsgesche-
hen für Gott selber? Wie verhält sich das neue Leben des Auferstandenen zum eigenen
Leben Gottes? Was hat Gottes Handeln mit dem Tod zu tun? Die Konzentration auf
Gottes Handeln eröffnet den Raum für solche Fragen, und im Sinne solcher Konzen-
tration ist meine Untersuchung betont theologisch. Damit steht man vor weiteren
Fragen systematischer Natur: Was ist überhaupt »Handeln Gottes«, und wie verhält es
sich zu Gottes Sein? Wie ist die Auferstehung Christi als göttliches Handeln zu verste-
hen? Zu welchem Verständnis der Ostererscheinungen führt ein solcher Begriff, bzw.
auch umgekehrt: was tragen die im NT berichteten Erscheinungen des Auferstande-
nen vor seinen Jüngern zum Verständnis von Gottes Handeln bei? Wie ist das Auf-
erstehungshandeln zu Gottes Handeln als Schöpfer und als Vollender der Welt (Pro-
tologie und Eschatologie) ins Verhältnis zu setzen? Wie umgreift das Handeln Gottes
Leben, Wirken und Sterben des historischen Jesus und␣ das neue Sein des erhöhten
Herrn?
25 Es geht um das Verfolgen von Fragen wie: Was ergibt sich aus der Konzentration

auf einen Begriff göttlichen Handelns für das Verständnis der Ostererzählungen in
Einleitung 19

überlieferten Auferstehungsgeschichten und ihrer Authentizität kann – im-


plizit oder explizit – bekanntlich auf sachkritische (»dogmatische«) Stellung-
nahmen faktisch nicht verzichten!)
3. Um zu einem theologischen Verständnis der Sache selbst, die in den
Ostererzählungen angesprochen wird, vorzudringen, scheint es unverzicht-
bar, auf möglichst viele andere einschlägige Texte des NT Bezug zu nehmen
und sie für die theologische Reflexion über Auferstehung fruchtbar zu ma-
chen26. (Im Blick auf I Kor 15,3–8 vor allem ist das in historischer und
systematischer Hinsicht selbstverständlich immer schon getan worden.) Es
gilt, das bei aller Vielstimmigkeit doch erstaunlich einheitliche und im NT
nahezu omnipräsente Zeugnis von der Auferstehung für einen Begriff von
der Sache selber auszuwerten; gleichsam die Bäume wieder in dem Walde zu
sehen, der sie sind, bzw. als diesen Wald. Dabei werden m.E. Textstellen
exegetisch und systematisch wichtig, die sonst eher am Rande der Aufmerk-
samkeit liegen, wenn es um die Auferstehung geht; im Folgenden gehört
dazu die exegetische Bemühung um Texte wie Mt␣ 22,23–33 par.; Joh␣ 5,26;
Röm␣ 4,17 u.a.
Was die historisch-kritische Exegese jeweils für sich zum Gegenstand ihrer
eindringlichen und höchst differenzierten Analysen gemacht hat, kann so
vielleicht wieder auf jenen einen unerhörten Tenor des Neuen Testamentes
zurückbezogen werden, den das Evangelium mit den Worten meint: »Er ist
wahrhaft auferstanden«.

systematischer Hinsicht und was für die Interpretation (und Exegese) der Auferste-
hungstheologie des NT überhaupt? Lassen sich spezifische Züge insbesondere der
Auferstehungsgeschichten – zu welchem Urteil auch immer ihre historische Einschät-
zung gelangt – in ihrer Eigenart verständlich machen? Kommt so auch eine gewisse
Möglichkeit in den Blick, die Auferstehungsbotschaft bei Paulus und überhaupt im
NT aus ihrem Einheitsgrund wieder wahrnehmbar zu machen oder jedenfalls die
wesentliche Dimension ihrer letzten sachlichen Übereinstimmung zu erreichen?
26 Um es nochmals zu betonen: es soll im folgenden nicht aus einem Begriff – dem

des göttlichen Handelns – »deduziert« werden, was Auferstehung ist oder sein muß,
sondern die Auferstehung – eben als Gottes zum Leben aus dem Tode erweckendes
Handeln – soll im Horizont des Gottesgedankens, von Gott selbst her verstanden
werden, – was der Sicht des ganzen NT entspricht. Nur so kann theologische Sach-
haltigkeit in die Debatte um die Auferstehung hineinkommen. Andererseits wird sich
zeigen, daß der Begriff göttlichen Handelns erst durch das ganze Buch hindurch – in
ständiger Bereicherung durch die Auferstehungsthematik – zureichend zu erläutern
ist. Außerdem ist dieser Versuch, Auferstehung und Gottes Handeln in strenger Kor-
relation zu denken, die einzige Weise, um in der Frage nach deren Wirklichkeit und
Wahrheit (ontos egerthe) theologisch weiter zu kommen. So allein wird es möglich,
von vorschnellen weltanschaulichen Fixierungen sich freizumachen, bei denen die
Auferstehungsbotschaft, sei es als Mythologem, d.h. als religionspsychologisch zu ent-
schlüsselnde oder existential zu interpretierende, jedenfalls als vergangene Vorstel-
lungsweise, sei es als ein isoliertes supranaturales Mirakel, dessen Anerkennung als
wunderhaftes Eingreifen göttlicher Allmacht die Aufgabe gehorsamen »Glaubens«
wäre, zu stehen kommt.
20
21

Kapitel 1

Auferstehung in der Jesus-Tradition


Die Sadduzäerfrage Mt␣ 22,23–33 par.1

»Einen Fingerzeig nenne ich, was schon ir-


gend einen Keim enthält, aus welchem sich
die noch zurückgehaltne Wahrheit entwik-
keln läßt. Dergleichen war Christi Schluß
aus der Benennung Gott Abrahams, Isaaks und
Jakobs. Dieser Fingerzeig scheint mir aller-
dings in einen strengen Beweis ausgebildet
werden zu können.«
(G.E. Lessing, Die Erziehung des
Menschengeschlechts (1780), §␣ 46)

a. Der von den sadduzäischen Fragestellern ausgeklügelte Fall (Mt␣ 22,24–


27 par.)2 setzt bereits ihre bekannte Verneinung einer Auferstehung (Mt␣ 22,23
par.) voraus3 und zielt auf die den Auferstehungsglauben ad absurdum füh-
rende Fangfrage an Jesus (Mt␣ 22,28 par.).
Die von Jesus überlieferte, mit Mt␣ 22,29 (Mk␣ 12,24) beginnende Antwort
stößt souverän zur theologischen Tiefe und d.h. den grundsätzlich falschen
Voraussetzungen einer derartig ausgedachten, »theoretischen« Frage vor und

1 Außer den Kommentaren cf. S.A. Fries, Jesu Vorstellung von der Auferstehung

der Toten, ZNW 1 (1900), 291–307 (zur Kritik: A.T. Nikolainen, Der Auferstehungs-
glaube (II), 1946, 39 Anm.␣ 1); A. Suhl, die Funktion der alttestamentlichen Zitate im
Markusevangelium (1965), 67–72; K. Müller, Jesus und die Sadduzäer, in: Biblische
Randbemerkungen (FS R. Schnackenburg), 1974, 3–24; G. Stemberger, Pharisäer,
Sadduzäer, Essener (1991, Stuttgarter Bibelstudien 144); O. Schwankl, Die Sadduzäer-
frage (Mk␣ 12,18–27 par). Eine exegetisch-theologische Studie zur Auferstehungs-
erwartung (1987; Bonner biblische Beiträge 66); K. Huber, Jesus in Auseinander-
setzung. Exegetische Untersuchungen zu den sog. Jerusalemer Streitgesprächen des
Markus-Evangeliums im Blick auf ihre christologischen Implikationen (1995, For-
schung zur Bibel 75), 273–293. – Eine detaillierte Gliederung des Gesprächs bietet
Huber, aaO.␣ 285f.; zur allgemeinen Charakterisierung des Verhältnisses der Mk-Fas-
sung zu den Seitenreferenten, cf. aaO.␣ 287f.
2 Zur genauen biblisch-historischen Interpretation dieses konstruierten Falles, die

hier nicht von Interesse ist, cf. die einschlägigen Kommentare.


3 Cf. auch Act␣ 23,8 mit 6f.; außerdem Josephus, ant. XVIII 1, 4; bell. iud. II, 8, 14.

Differenzierter zur Auferstehungsleugnung der Sadduzäer cf. Stemberger, aaO.␣ 68f.


(Auch Paulus setzte seine Auferstehungsbotschaft Leugnern der Auferstehung entge-
gen: I Kor␣ 15,12.)
22 Kap. 1. Auferstehung in der Jesus-Tradition

kritisiert ungewöhnlich scharf ihre Scheinplausibilität: planôsje4. Als Be-


dingung der Möglichkeit, überhaupt eine derartige Frage sich auszudenken,
wird ein doppelter theologischer Defekt, der zugleich einer des gelebten
Gottesverhältnisses selber ist, festgestellt. Diese religiöse Zurechtweisung5
führt den »Irrtum« der so Fragenden auf eine Unkenntnis der Heiligen
Schriften6 sowie, was wohl auch dafür den Grund hergibt, ein Verkennen der
Dynamis Gottes zurück (Mt␣ 22,29; Mk␣ 12,24)7. Mit diesem Hinweis auf die
Macht des lebendigen Gottes ist das entscheidende Stichwort für alles Fol-
gende genannt8, und ihre völlige Andersartigkeit gegenüber allem Vorstell-
baren läßt die Zuhörer am Schluß über Jesu Ausführungen so heftig er-
schrecken (Mt␣ 22,23).
Es geht bei diesem Stichwort um nicht weniger als die Gottheit Gottes
selber, denn seine lebendige Dynamis bedeutet eben, daß bei ihm oder für
ihn »alles möglich« (p›nta d‚nata) ist (Mt␣ 19,26b; cf. Mk␣ 14,36 u. Lk␣ 18,27
mit 1,37)9. Darum ist ™ d‚nami“ bzw. ¨ dunat·“ Umschreibung des Gottes-
namens selber (Mt␣ 26,64 par., Lk␣ 1,49), und auch Paulus bringt ewige
Dynamis und die Gottheit zusammen (Röm␣ 1,20). Diese Macht des leben-
digen Gottes ist seine »Allmacht« (Mk␣ 10,27) und als solche die Macht über
den Tod (cf. Mk␣ 14,62)10. Die Auferweckung von Toten wird eben dieser
lebendigen Dynamis zugeschrieben: †ge‡retai †n dun›mei (I␣ Kor␣ 15,43b)11,
und daher steht d‚nami“ parallel zu d·xa(Mt␣ 24,30).

4 Dieser explizite Vorwurf des »Irrtums« hinsichtlich Schrift und göttlicher Macht

fehlt bei Lk; vielleicht, weil hier die Lehre Jesu selber betont im Vordergrund steht.
Denn die Lk-Perikope leitet die Auferstehung ganz von Jesu Lehre ab (20, 34) und
gibt anschließend aus der Schrift nur Hinweise (cf. G. Schneider, Ökumenischer Ta-
schenkommentar 3, 2, 1984 2, 405).
5 Ähnlich scharf bedenkt Paulus die Auferstehungsleugner: I Kor␣ 15,36. Freilich

verschweigt Mt auch nicht ein einschlägiges Jünger-Unverständnis (19, 10f.).


6 Unkenntnis der Schrift wird auch Mk␣ 12,10 unterstellt.
7 Auch Paulus spricht von ügnws‡a jeoú (I Kor␣ 14,34b). Der Ausdruck d‚nami“

jeoú␣ findet sich bei Mt und Mk nur hier; cf. Schwankl, aaO.␣ 361–364.
8 Auch Gnilka hebt hervor, die d‚nami“ jeoú verdiene in dieser Perikope haupt-

sächlich die Aufmerksamkeit (EKK II/2 (Markus), 1979, 161). Von daher, d.h. im
Blick auf den durchgängigen Sachgehalt der Perikope, erscheint mir die Gliederung
von Jesu Antwort: 1. die Macht Gottes erläuternd (Mt␣ 22,30 par.) und 2. die Schrift
deutend (Mt␣ 22,31ff par) nur vordergründig richtig, theologisch aber viel zu schema-
tisch; cf. z.B. Schnackenburg, Matthäus: Die neue Echter Bibel (1987), 214; ähnlich
Schmithals, Ökumenischer Taschenkommentar 2,2, 1979, 534; umgekehrt ordnet
Lührmann zu (Handbuch zum NT 3 (Markus), 1985, 204).
9 Cf. Gen␣ 18,14; Hiob␣ 10,13 (LXX), 42, 2; Sach␣ 8,6 (LXX). Cf. auch den korre-

spondierenden Vers Mk␣ 10,27 und dazu u. S.␣ 17.


10 R. Pesch, Das Markusevangelium (Herders Theologischer Kommentar zum NT

II (1977), 232). Auch Huber akzentuiert Auferstehung als »ein Tun der Allmacht
Gottes«, das nicht einfach Fortsetzung der alten Lebensverhältnisse sei (aaO.␣ 281).
11 Cf. Hebr␣ 11,19; Röm␣ 4,21 mit I Kor␣ 6,14 u. II Kor␣ 13,4.
Kap. 1. Auferstehung in der Jesus-Tradition 23

Unverkennbar geht es in Jesu Antwort im folgenden um diese Dimension


lebendigen Gottesglaubens, und für die ganze Frage wird das zugrunde-
gelegte Verständnis von Gott selber als schlechthin entscheidend aufgezeigt.
Die vollmächtige Konzentration auf die Gottesfrage verleiht Jesu Antwort
ihre religiöse Wucht und Unwidersprechlichkeit (Lk␣ 20,40) und hebt sie
weit über eine bloß »schriftgelehrte« Argumentation hinaus.
Das Thema: Gottes lebendige Macht ist auch der eigentliche Hintergrund
von Jesu Ablehnung der fiktiven sadduzäischen Voraussetzung, daß sich im
Himmel die natürliche Geschlechtlichkeit fortsetze (Mt␣ 22,30 par.). Daß die
Auferstandenen »wie Engel« seien, heißt nur, daß die himmlische Herrlich-
keit als von Gott bestimmt eine ganz andere ist12. Insbesondere Lk deutet auf
die Verknüpfung von natürlicher Fortpflanzung und Tod hin und betont
daher die Todesentnommenheit der Auferstandenen (20, 35f.)13, weil ja in
der neuen Welt der Tod nicht mehr ist14. Als nicht mehr von Menschen
natürlich gezeugte Nachkommen, sondern als␣ Kinder Gottes15 sind sie zu-
gleich Kinder der (übernatürlichen16) Auferstehung17.
Der »Irrtum« der Sadduzäer bei ihrer Frage erweist sich also bei näherem
Zusehen, ein Irrtum über den lebendigen und so lebenschaffenden Gott
selbst zu sein und damit als tiefer Unglaube: polÜ planôsje (Mk␣ 12,27b)!
Daraus allein entspringt ein Verkennen der Auferweckung in Herrlichkeit18
wie auch Unglaube an die Schrift, in der ja Gott selber redet19.
Die Texte geben überdies eine besondere Pointe andeutungsweise zu er-
kennen, die das Irrige im vorausgesetzten Gottes- bzw. Auferstehungsver-
ständnis der Sadduzäer noch einmal spezifisch beleuchtet. In dem von ihnen
konstruierten Fall ist nämlich von der geschlechtlichen Fortpflanzung selber
in Auferstehungstermini die Rede!20 Darin steckt – rein sprachlich bereits –

12 Cf. I Kor␣ 15,40; s. auch u. Anm.␣ 47.


13 Cf. I Kor␣ 15,26 und 42b: †ge‡retai †n üfjars‡a.
14 Cf. Offb␣ 21,4.
15 Cf. Mt␣ 5,9 (!), I Joh␣ 3,1f. u. Gen␣ 6,2 (LXX).
16 Cf. I Kor␣ 6,13 u.␣ 15, 50.
17 Cf. Justinus Mart., Dial. 81, 4 (z. St.): tfikna toú jeoú tö“ ünast›sew“ µnte“. Zu

verstehen ist Lk␣ 20,36b als ein Implikationsverhältnis: Söhne Gottes, indem Söhne der
Auferstehung (cf. Grundmann, Theol. Handkommentar III (Lukas), 19716, 374). Weil
damit aber zugleich gemeint ist: »Auferstehung ist Ursache und Voraussetzung der
Gottessohnschaft und der Engelgleichheit, die Gottes Art an sich trägt« (aaO.␣ 375),
kann man auch, wie schon Luther, sagen: Gotteskinder, weil Kinder der Auferstehung
(ähnlich Rengstorf u. Schweizer). Jedenfalls liegt bei Lk der Ton darauf, »daß Gott die
Menschen will, zu ihnen strebt und an ihnen sein Werk tut, eben weil er Gott und als
solcher der Schöpfer ist«, cf. Lk␣ 2,14; 20, 38 (ThWbNT III, 294, 40f.; Rengstorf ).
18 I Kor␣ 15,43a: †ge‡retai †n d·xÔh. Mk␣ 12,26 †ge‡rontai ist pass div.!
19 Cf. Mk␣ 12,26; Mt␣ 22,31, cf.␣ 15,4; 19, 5. Auch der Unglaube an Mose als Gottes

Propheten (Mk␣ 12,26; Lk␣ 20,37) entspringt hier (cf. ThWbNT IV, 869, 12f ).
20 Cf. ünastflsei spfirma␣ (Mt␣ 22,24) bzw. †xanastflsÔh spfirma (Mk␣ 12,19; Lk␣ 20,

28). Dagegen ist I Kor␣ 15,44 zu halten!


24 Kap. 1. Auferstehung in der Jesus-Tradition

die Annahme von so etwas wie einer gleichsam »natürlichen« Auferstehung


in den eigenen Kindern21. In diesem potenzierten Sinn sind die hier von der
natürlichen Fortpflanzung aus denkenden Sadduzäer auch ganz »Kinder die-
ses Äons« (Lk␣ 20,34; cf.␣ 16,8)22. Schon darin, daß sie menschliche Aktivität
zur Fortpflanzung natürlichen Lebens gleichsam in den Himmel hinein-
tragen (oder diesen dadurch ersetzen), liegt ihr abgrundtiefer Irrtum über
Gott und seine in der Schrift bezeugte Macht, die von der himmlischen
Herrlichkeit mit ihrer göttlichen Andersartigkeit (I Kor␣ 15,40) nichts ahnt.
So können sie kaum zu denen gezählt werden, die des neuen Äons würdig
sind, den Gott schöpferisch werden läßt (cf. Lk␣ 20,35)23.
Allein aus einem rechten Verständnis der Gottheit Gottes wird im Duktus
der weiteren Antwort Jesu auch das Zeugnis der Schrift für die Auferstehung
der Toten klar (cf. Mt␣ 22,31 par.)24. Als ein solches Zeugnis führt Jesus Ex␣ 3,6
an, wo Gott sich selber Mose als »der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und
der Gott Jakobs«25 vorstellt.
(Der Ex␣ 3,2 erwähnte »Dornbusch« wird hier vielleicht schon als Sinnbild
von Gottes unvergänglicher Lebendigkeit angeführt (Mk␣ 12,26b; Lk␣ 20,37b)
und deutet verheißungsvoll darauf voraus, daß bei und durch Gott trotz des
Sterbens doch Leben möglich ist26.)
Dies ist die Substanz von Jesu Antwort und insofern der zentrale Vers des
Textes.
Indem »der Gott der Väter«, d.h. der Erzväter, zum Zeugen aufgerufen
wird (cf. Ex␣ 4,5; 1. Kö␣ 18,36; Act␣ 3,13), ist die Abrahamskindschaft als Vor-
bedingung und Garant der Gotteskindschaft herangezogen27 und ist der Ge-
danke göttlicher Erwählung präsent28. Das angeführte Gotteswort hat also
21 Auch Gnilka stellt heraus – in Zustimmung zu dieser These von Rawlinson –,

daß die Nachkommenschaft die Auferstehung ersetzen sollte (cf. aaO, wie o.Anm.␣ 8,
158).
22 Nach Braun ist der Inhalt des von Jesus Abgelehnten: »die Fassung der Auferste-

hung als Fortsetzung der irdischen Existenzweise« (ThWbNT VI, 245, 10f.); bzw. die
Sadduzäer verkennen die Verschiedenheit der beiden Äonen (aaO.␣ 11f.).
23 Zu diesem »Gewürdigtwerden« auch Lk␣ 14,14 (cf.␣ 21,36; Act␣ 24,15 u. Weis-

heit␣ 5,16) sowie Phil␣ 1,27f.; 3,11 u. I Kor␣ 15,34; II Thess␣ 1,5. Rabbinische Parallelen
bei Grundmann, aaO., wie o. Anm.␣ 17, 375.
24 Lk␣ 20,37 betont mehr das »Daß« der Auferstehung (cf. ähnlich IV Makk␣ 7,15; 16,

25) und findet in der Schrift nur einen andeutenden »Hinweis« des Mose (†mflnusen).
25 Cf auch Ex␣ 3,15ff.
26 Als Bild der Auferstehung Christi hat Luther den brennenden Dornbusch auf-

gefaßt, cf. WA 20, 354, 26 bis 355, 28.


27 Cf. Mt␣ 3,9 par. »Daß das göttliche Handeln mit Abraham, Isaak und Jakob für

das Verhältnis Gottes zum Bundesvolk Vorbild und Bürgschaft ist, wird hier [auch
Mk␣ 12,26 par.] als selbstverständlich vorausgesetzt« (ThWbNT III, 191, 30 –34). Da-
her sei auch die Auferstehung für Abrahams Kinder sicher (aaO. Z.␣ 35f.); cf. auch
Mt␣ 8,11. Denn die Bundeszusage ist durch den Tod nicht einfach aufzulösen, cf.
Huber, aaO.␣ 283.
28 Cf. von Rad, Theologie des Alten Testaments I (1969 6), 21f.
Kap. 1. Auferstehung in der Jesus-Tradition 25

»den vollen Klang und Sinn einer Gottesoffenbarung«, und auch Ex␣ 3,14
enthält bereits die Zusicherung einer bleibenden Gegenwärtigkeit Gottes29.
Damit aber ist Jesu »Schriftbeweis« in der Substanz eine Beweisführung aus
dem geoffenbarten Gottesnamen, und d.h. aus dem lebendigen Wesen Got-
tes selber. Die Mt␣ 22,32a par. zitierte Ex-Stelle benennt auch nicht einen
bloß faktischen Sachverhalt (daß Jahve nun einmal der Gott dieser Väter
war), sondern führt dies auf seinen Grund in Gott selber zurück.
Daran hängt nun die folgende Auferstehungsaussage über den »Gott der
Lebendigen« (Mt␣ 22,32b; Mk␣ 12,27a; Lk␣ 20,38a), was ja auch die Einfüh-
rung des Zitates (Mt␣ 22,31a par.) schon erwarten ließ. Denn der hier sich
selbst vorstellende und von sich selbst redende Gott (Mt␣ 22,31b; Mk␣ 12,26c)
setzt sich selber wirksam in seinem göttlichen »Ich«-Wort. †g„ e¢mi (Mt␣ 22,
32a) ist göttliche Selbstsetzung und so allmächtige Sprechhandlung, die auf die
genannten Väter unwiderruflich und bestimmend übergreift, indem sie sie in
den Machtbereich göttlichen Sich-Zusprechens einbezieht. Dies »Ich bin
der Gott von␣ …« ist schon nichts anderes als die sich selbst im Wort manife-
stierende Dynamis Gottes30, die Jesu Zuhörer so fundamental verkennen.
Diese Selbstzusage des lebendigen Gottes ist lebenschaffendes Schöpferwort,
und wie der in kraft dieser d‚nami“ Auferweckte später sagen wird: †g„ e¢mi
a§t·“ (Lk␣ 24,39)31, so hat im Gottesverständnis Jesu der Allmächtige bereits
hier zu Mose gesagt: »Ich␣ bin␣ die Auferstehung und das Leben« ( Joh␣ 11,25).
Davon redet ausdrücklich die zweite Vershälfte unserer Perikope (Mt␣ 22,32b
par.); sie erst exegesiert das Schriftzitat maßgeblich.

b. In diesem allgemeinen, das Einverständnis der Hörer zunächst vorausset-


zenden Satz: »Gott ist nicht Gott von Toten, sondern von Lebenden« wird
der alttestamentliche Glaube an Gott als den »lebendigen Gott« herangezo-
gen32. Als solcher war er nach gemeinjüdischer Auffassung auch ausschließ-
lich ein Gott der noch Lebendigen und nicht der von Toten – in dem Sinne,
daß der lebendige Gott ohne jede Beziehung zu Toten ist und die Gestorbe-
nen außerhalb seines Machtbereichs schattenhaft wesen33.
Nach dem zu Jesu Antwort an die Sadduzäer vorher Ausgeführten drängt
sich hier die Vermutung auf, daß der Meinung, Gott habe gar nichts mit
Toten zu schaffen und sei insofern nur ein Gott der irdisch Lebenden, ein
noch »natürliches« Verständnis von Gottes Lebendigkeit zugrunde liegt, zu-
mal der Tod dabei für Gott eine Art Grenze seiner Macht bildet. Wird voll-

29 Lohmeyer/Schmauch, Meyers Kommentar (Matthäus), 19582, 327.


30 Cf. Joh␣ 6,63. Cf. auch die sprachtheoretischen Ausführungen zu Gottes Selbst-
zusage im »Ich bin …« bei Schwankl, aaO.␣ 125–128!
31 Cf. Mt␣ 14,27 (Mk␣ 6,50; Joh␣ 6,20); Mk␣ 14,62; Lk␣ 20,70; Joh␣ 4,26 (!); 8,18; 9,9;

13,13 u.␣ 19; cf.␣ 18,5.6.8. Cf. auch in der Erscheinung an Paulus: Act␣ 9,5; 22, 8; 26,15.
32 Cf. (LXX) Num 14, 28; Jos␣ 3,10; Y␣ 41, 2; Jes␣ 37,4.17; 49,18b.
33 Cf. Ps␣ 6,6; 30,9f.; 18,11; 115,17; Jes␣ 38,10.18; Bar␣ 2,17; Sir␣ 17,27.
26 Kap. 1. Auferstehung in der Jesus-Tradition

ends dieser scheinbar selbstverständliche Satz herangezogen, um so etwas wie


Auferstehung zu begründen34, so schafft sich geradezu schockartig (cf.
Mt␣ 22,33: †xeplflssonto) die Einsicht Raum, daß der Satz hier in »einem
völlig neuen Sinn, der aus dem Wissen Jesu um die Kraft Gottes und um die
Intention der Schrift kommt«, angeführt ist35. Er ist nach Jesu Argumentation
so zu verstehen: Der eine, wirkliche Gott ist als Gott nicht einer von Toten;
daher gibt es keinen Gott von Toten, sondern überhaupt nur einen solchen
von Lebenden36.
Daß Gott gerade nur ein Gott von Lebenden ist, wird also in radikaler
Umprägung seines gewöhnlichen ( jüdischen) Verständnisses ernst genom-
men. Die verblüffende Logik dieser Zitierung ist, daß, wenn der Satz von
Gott als dem Lebendigen gilt, die zur Zeit Mose, an den Ex␣ 3,6 gerichtet ist,
bereits Verstorbenen in Wahrheit (vor Gott) Lebende sein müssen37. Gott
nennt sich den Gott der Väter lange nach ihrem Tod: also ist sein schöpferi-
sches Verhältnis zu ihnen, sein Erinnern ihr Leben!38 Weil in diesem Sinn ihre
Zeit in Gottes Händen steht (Ps␣ 31,16), darum sind die Väter in Gottes
Herrschaftsbereich lebendig (Mt␣ 8,11). Dieser Gott der Lebenden, den Jesus
vor Augen hat, ist, christlich verstanden, der Gott Jesu Christi, des Lebendi-
gen39.
Zu beachten ist, daß auch »Auferstehung« hier einen spezifischen Sinn
erhält, insofern ausdrücklich von gar keiner besonderen Handlung Gottes die
Rede ist, sondern nur von Gottes (lebendigem) Sein selber (†g„ e¢mi) als Sein
eines Gottes von … (sc. Lebendigen) bzw. Gottes der Väter. Dieses Sein
Gottes in seinem (den Vätern) Zugewendetsein, sein Ausgreifen auf …, Ein-
beziehen von …, ist es, was als solches schöpferisch ist: verewigend. Und in
diesem Sinne geht Auferstehung allein darauf zurück, daß Gott durch sich
und von sich her (als Gott) nur ein Gott der Lebenden (bzw. ein Gott nur von
Lebenden) ist, sein will und sein kann. D.h. ein Gott, für den nur Lebende da
34 Schon Luther fragte: Quis unquam credidisset in illis verbis comprehensam re-

surrectionem? (WA 20, 355, 15f.). Nach der Meinung vieler heutiger Exegeten soll
Jesu Heranziehen dieses Satzes nur das »Daß« der Auferstehung belegen. Aber da diese
auf ein spezifisches Verständnis von Gottes Gottsein und Schöpfersein zurückgeführt
wird, ist doch immer schon ein »Wie« mitgedacht.
35 Grundmann, Theologischer Handkommentar II (Markus), 19777, 332. Zur ge-

naueren Beschreibung s.u. Anm.␣ 43.


36 Cf. Zahn, Kommentar zum NT (19052), 636.
37 Cf. Lührmann, Handbuch zum NT 3 (Markus), 1985, 204. Schmithals (aaO. wie

o. Anm.␣ 8) konstatiert hier ein wesentlich nicht-apokalyptisches Auferstehungsver-


ständnis, aaO.␣ 536.
38 Cf. Mt␣ 8,11; Lk␣ 16,22ff.; Joh␣ 8,56ff. Zumindest in diesem Sinn gilt, daß Mk␣ 12,

27 par. ohne jüdische Parallelen ist (cf. Schniewind, NTD 1 (19526), 159).
39 Es gilt christlich auch (und mehr noch als für Abraham) für Christus: »Gott ist

nicht Vater eines Toten, sondern eines Lebenden« (Schlatter, Erläuterungen zum NT,
1. Bd. (1922), 223). Und daher erstreckt sich auch die Herrschaft des lebendigen
Christus über Lebende und Tote (Röm␣ 14,9).
Kap. 1. Auferstehung in der Jesus-Tradition 27

sind bzw. für den, wer vor ihm ist, eo ipso lebendig ist. »Nur aus der Wirklich-
keit Gottes folgt die Wirklichkeit der Auferstehung«40, und von ihr, als einer
Dynamis-Wirklichkeit, wird der Tod, als eine nicht-letzte Wirklichkeit, durch
Gott selbst begrenzt41. Auferstehung besagt in dem hier dokumentierten
Verständnis Jesu: »Als der Lebendige ist Gott ein Gott der Lebenden«42; er ist
der, der Treue hält ewiglich und nicht fahren läßt das Werk seiner Hände (cf.
Ps␣ 138,8).
Der Irrtum der Sadduzäer gründet in einem Verkennen des lebendigen
Gottes, dessen Macht als göttliche Allmacht von jeder menschlich vorstellba-
ren Macht unendlich verschieden ist (Mk␣ 10,27). Die Tiefe dieses Irrtums
verdeutlicht noch einmal, als Auslegung von Lk␣ 20,38a par., der nur bei Lk
sich findende Halbvers 38b; er spricht es aus, was für Menschen ganz unmög-
lich, allein bei Gott aber möglich ist.

c. Der wichtigste, weil aufschlußreichste Vers der Varianten dieser Perikope


dürfte Lk␣ 20,38b sein, denn er spricht am Schluß den eigentlichen Grund
für␣ die Verneinung und für die positive Aussage von V.␣ 38a (=␣ Mt␣ 22,32b;
Mk␣ 12,27) aus und macht damit dessen überraschend neues Verständnis ex-
plizit: p›nte“ gÅr a§tù zùsin (»Denn alle leben sie ihm (vor ihm, für ihn)«).
Eindeutig ist hier p›nte“ betont, weil 38b eben gegen die im normalen
jüdischen Verständnis von 38a liegende Beschränkung von Gottes Bezie-
hung ausschließlich auf (noch) Lebende gewendet ist und betont: alle, deren
Gott er ist, sind dadurch für ihn auch Lebende. Denkt das übliche Verständnis
jenes Satzes vom natürlichen Leben aus, so wird das hier abrupt umgekehrt:
V.␣ 38b exegesiert »Leben« von Gott her43. Was in Wahrheit Leben heißt, wird
40 Schniewind, NTD 2 (Matthäus), 1937, 216.
41 Cf. KD III/2, 718ff. u.␣ 756ff.
42 Gnilka, aaO., wie o. Anm.␣ 8, 161.
43 Auch sprachlich zeigt diese radikale Umkehrung einen interessanten Aspekt.

Sind im jüdischen Verständnis des Satzes über Gott als Gott der Lebenden (und nicht
der Toten) Subjekt (Gott) und Prädikat (ist einer von …) gleichsam additiv verbunden,
so ändert sich dies Verhältnis im Munde Jesu bzw. nach der Exegese des Satzes durch
Lk␣ 20,38b entschieden. Jetzt bestimmt »Gott« als Subjekt auch das von ihm zu Prädi-
zierende noch durch sich selbst. Daß er es ist, der sich zu Toten nicht, sondern nur zu
Lebenden verhält, qualifiziert auch »Leben« und »Totsein« neu, nämlich ganz von dem
her, was er an sich selber ist. Was Jesu ungewöhnliche Lesart des bekannten Satzes
angeht, so würde Hegel hier von einem »spekulativen Satz« sprechen: »Das Denken
verliert daher so sehr seinen festen gegenständlichen Boden, den es am Subjekte hatte,
als es im Prädikate darauf zurückgeworfen wird, und in diesem nicht in sich, sondern
in das Subjekt des Inhalts zurückgeht« (Phänomenologie des Geistes (Hoffmeister),
19526 , S.␣ 52 (Vorrede).) Der spekulative Satz zerstört die feste Voraussetzung im »Rä-
sonnieren« der Sadduzäer: »Der feste Boden, den das Räsonnieren an dem ruhenden
Subjekte hat, schwankt also, und nur diese Bewegung selbst wird der Gegenstand«
(aaO.␣ 50). Da genau dies durch Jesu Rede tatsächlich geschieht, ist die Reaktion der
»Erschütterung« bei den Zuhörern, die sich in diese »Bewegung« selbst hineingezogen
finden, erklärlich (Mt␣ 22,33)!
28 Kap. 1. Auferstehung in der Jesus-Tradition

ganz aus Gott gedacht und in seiner – der er selber der schlechthin Lebendige
ist – Schöpferperspektive gesehen und nicht in der geschöpflichen Perspek-
tive des sterblichen Menschen; dies ist auch der tiefste Grund für die Unter-
scheidung des jetzigen und des anderen Äons (V.␣ 34f.).
Dieser an Gott selber orientierte Begriff von Leben ist sprachlich durch
den Dativ der Beziehung a§tù44 mit Gott verklammert. Er spricht deutlich
aus, was 38a par. meinte: daß die Menschen im Verhältnis zu ihm (vor ihm
sich wissend) und zugleich in seinem Verhältnis zu ihnen (von ihm gewußt)45
wahrhaft leben, auch wenn sie für andere Menschen tot sein mögen (cf.
Joh␣ 11,25b). Insofern leben sie »für« ihn im Sinne von »vor ihm«, in seinen
Augen. Aber für Gott selber (da) sein, das heißt an seinem Sein und Leben teil
zu gewinnen: Ihm, dem »Gott von Lebenden« (38a par.), zu leben, bedeutet
überhaupt zu leben, nämlich durch Teilhabe an seinem eigenen Leben46. So
»vor Gott« sein, das ist der Inhalt und das Resultat des »jenes Äons Ge-
würdigtwerdens« (35), und Auferstehen ist nichts anderes, als Anteil zu erhal-
ten (tucein) an Gottes Leben selbst47.
Leben ist so verstanden als ein ewiges Sein »mit« Gott, in seiner Gemein-
schaft, und darum ganz anders Leben als das natürliche, weil unmittelbar durch
die ewige Selbstgegenwart des Schöpfers bestimmt. Daß Leben nur Leben ist
als Leben von …her bzw. aus … und ganz bestimmt ist durch sein »Woher«, das
ist hier zu seiner absoluten Vollendung gekommen. Es enthüllt sich, daß der
Genitiv in Verbindungen wie »der Gott Abrahams« etc. (Mt␣ 22,32 par.) ein
gen. possessivus ist und ein qualitatives, ja konstitutives Verhältnis ausdrückt:
daß Gott, indem er spezifisch »ihr Gott« sein will (Hebr␣ 11,16; Offb␣ 21,7), sie
spezifisch als die »Seinen« sein und d.h. leben läßt48: als seine Kinder und so
zugleich »Kinder der Auferstehung« (Lk␣ 20,36b)49.
Sind sie aber in diesem emphatischen Sinn sein Eigen, so kommt das Sein
vor ihm (a§tÔù) einem Sein »in« ihm (†n a§tÔù) sehr nahe. Denn »für Gott«
sind sie allein in seinem Wissen und Wollen bzw. durch es50, der er ein
wirkender und gebender Gott ist.
Sagen diese Texte unmittelbar nur aus, daß Gott ein Gott für die dadurch
Lebenden ist, so ist das eine Aussage über sein lebendiges Sein als Schöpfer:

44 Oder Dat. ethicus; cf. Blass/Debrunner, Grammatik des neutestamentlichen

Griechisch (196512), 121f. u.␣ 123f. (§␣ 188, 192).


45 In diesem Doppelbezug besteht die Relation: coram Deo.
46 Ita … vivunt Deo, ut Deo fruantur (I Petr␣ 4,6), Bengel, Gnomon, z. St.
47 So Schniewind, NTD 1 (Markus) (1937, 151). Schwankl deutet so das Sein wie

Engel: »Ganz Gott zugeordnet, nur von ihm her und auf ihn hin definiert« (aaO.␣ 380).
48 Cf. Bengel, Gnomon, zu Mt␣ 22,32: Haec locuti: Deus tuus, exprimit et bene-

ficium divinum … est infinitum, aeternum. Gottes Liebe erschafft sich nach Luther
das Geliebte (WA 1, 354, 35f.).
49 Schlatter betont, daß allein »Der Mensch, für den Gott sein Gott ist, lebt« (Mar-

kus der Evangelist für die Griechen, 1935, 226).


50 Cf. Schneider, Ökumenischer Taschenkommentar 3, 2 (Lukas), 19842, 407.
Kap. 1. Auferstehung in der Jesus-Tradition 29

Gott ist durch sein Sein (schon) die schöpferische Verwandlung der Vergan-
genheit in lebendige Gegenwart (bzw. bewirkt sie), und er ist selber lebendig
als Leben-gebend ( Joh␣ 5,26) oder Leben-erzeugend (verlebendigend).
Doch schließt dieses Sein als schaffend ein Sich-in-Beziehung-Setzen
schlechthin ein (bzw. ist dies an sich selber), nämlich zu denen, die eben so
vor ihm und für ihn leben. Diese lebendige Zuwendung Gottes zu den an
ihnen selber Toten ist so etwas wie sein schöpferischer Blick51, seine verewi-
gende Erinnerung, seine allmächtige, lebenschaffende Anrede. Daß die To-
ten dadurch, daß sie »für ihn« sind, vor ihm leben, bedeutet eine schöpferi-
sche Aufhebung ihrer (als solche definitiven) Vergangenheit, – derer, die
durch die von Gott ausgehende Einbeziehung in sein eigenes Leben bzw.
durch die lebendige Aneignung ihres Lebens durch Gott zu ewiger Gegen-
wart bei ihm gelangen.
Dieses wirkende und (sich) gebende Sein Gottes für die für ihn Lebenden
ist als ein ihnen Sich-Zusprechen52 am ehesten als schöpferische Inbesitznah-
me durch sein anredendes Wort zu denken: Indem sie von Gott so angespro-
chen werden, daß sie ihm gehören bzw. er ihr Gott ist, sind sie die Seinen, d.h.
lebendig: »wen er verheißend anredet, der kann auch durch den Tod nicht
mehr von ihm getrennt werden, sondern bekommt an seinem Leben teil«53.
Ähnlich hat schon Luther Gottes allmächtiges Wort anläßlich von Jes␣ 26,19
(!) dadurch charakterisiert, daß Gott auch mit den Toten redet, als wenn sie
lebten – und dadurch seien sie wirklich unsterblich54. Luther fügt hinzu:
einen solchen Gott hatte Abraham! Daraus folgert er, daß wer der Verhei-
ßung an Abraham anhängt, denselben Gott hat und etiam mortuus dor-
miendo vivet55.
Auch Luther bringt, wo immer er auf Mt␣ 22,23–33 par. eingeht, das schöp-
ferische Sprechen Gottes mit dem Sein des lebendigen Gottes in Verbindung
und findet in dieser Perikope Gottes auferweckende Kraft als die Macht
schöpferischer Vergegenwärtigung ausgesagt: Si deus et omnium prophe-
tarum, oportet sint vivi, quia deus non est rei, quae non est. Qualis est deus,

51 Cf. Luther z. St.: Coram oculis nostris sunt mortui, Sed in oculis dei vivi (WA

37, 365, 22).


52 Cf. dazu Schweizer, NTD 1 (Markus), 1973, 142.
53 Grundmann, Theologischer Handkommentar II (Markus), 19777, 334. Grund-

mann verweist für Gottes Sich-Geben auf Mk␣ 10,18 (ebd.)! Damit ist ein Bezug
zu␣ dem alten Motiv: bonum est diffusivum sui und insbesondere zu Luthers das Heils-
geschehen überhaupt zusammenfassenden Aussagen über Gottes gütige Selbsthin-
gabe hergestellt, cf. BSLK 650, 651 u.␣ 660 mit 565, 35–566, 2 (!) und WA 26, 505,
38–506, 9.
54 Cf. WA 43, 481, 24ff.; zu dieser Stelle in meinem o. Einleitung, Anm.␣ 13, ge-

nannten Aufsatz, aaO.␣ 73f.


55 Cf. aaO. Z.␣ 35–38. Vorher zitiert Luther die vox coelestis von Gen␣ 26,24: »Ego

sum Deus tuus, Sum Dii Abrahae« (aaO.␣ 22f.).


30 Kap. 1. Auferstehung in der Jesus-Tradition

oportet, sit deus cuius, quod est56. Zu Gottes eigenem Sein als Zuwendung
gehört das Seinlassen dessen, dem er sich zuwendet57. Darum ist für Luther
die Auferweckung Jesu Christi wie der Toten überhaupt nicht ein isoliertes
Mirakel, sondern die Dynamis der Gottheit Gottes: Ideo dicit: »Hoc est no-
men meum in ewigkeit« (cf. Ex␣ 3,15)58.
Das Sterben ist also – paulinisch gesprochen – wesentlich ein der Sünde
(Ab-)Sterben; dagegen: »wer aber lebt, lebt Gott« (Röm␣ 6,10), d.h. in Wahr-
heit lebt, wer Gott lebt. Der paulinische Dativ des (Vor- oder Für-) Gott-
Seins entzieht ebenfalls die Begriffe von Leben und Tod der menschlichen
Perspektive natürlicher Plausibilität bzw. dem, daß sie einen Sinn in sich
selber haben könnten. Ihre »Selbst-Genügsamkeit« (©autù) wird vielmehr
vom Herrn und Gott über Leben und Tod her aufgesprengt und umbe-
stimmt: Röm␣ 14,7f.! »Ihm« leben, »für ihn« leben, besagt damit auch: auf ihn
hin, geöffnet für ihn – und dies auch durch ihn (Phil␣ 1,21; Gal␣ 2,20). Und
genau dieser Herrschaftswechsel, was die Qualifikation von Totsein und Le-
ben angeht, ist in Christi Auferstehung begründet, die seinsbestimmend auf
Tote und Lebende ausgreift (Röm␣ 14,9)59.
Durch ihre Hinordnung auf den lebendigen Gott wird Gott in allen, den
noch Lebenden und den schon Gestorbenen, zu allem für sie (I Kor␣ 15,28),
und ihr wahres Leben ist das ewige als ein allezeit beim Herrn Sein (I Thess␣ 4,
17; Phil␣ 1,23; II Kor␣ 5,8).
So erfüllt sich gerade auch über den Tod hinaus: »Glaubt ihr nicht, so bleibt
ihr nicht« ( Jes␣ 7,9b), denn: »Wer … in Gottes Gemeinschaft steht, hat ewiges
Leben«60.

56 WA 37, 365, 19–21 (1534); cf. die Verdeutschung bei Walch2, Bd. XIIIb, 1902f.:

»Gott kann nicht ein Gott sein, des, das nicht mehr ist, sondern muß ein Gott sein des,
das da ist«. Ähnlich Bengel, Gnomon, zu Mt␣ 22,32: Deus autem non est non entis
Deus: ipse est Deus vivens.
57 Cf. auch zu Mt␣ 22,31–33: »Drumb fragt er: Wolt ir got machen zum Gott der

todten oder sonst eines diengs, das nichts sej, oder kein wesen hab? sondern so er ein
Gott ist, so mus das etwas sein, des Gott er ist, denn es leidet sich nicht, das es also
heissen sollte: Ich bin ein Gott fur mich … Er, Christus deutet es, das alles im lebe. Fur
mir und dir ist Abraham tod, aber Christus saget: mir ist er nicht tod, den ich hab ihn
also gefastt (Hervorhebung J.R.), das ich sein Gott bin, er sol gantz bleiben, auff-
erstehen, und mir ist er albereit lebendig … Den wie Christus gestorben ist und
dennoch Got lebet, also leben auch Abraham und alle heiligen, ob sie gleich sterben.
Und ist Gott ein gerieng arbeit, das er einen todten lebendig macht« (WA 47, 434, 40 –
435, 18).
58 WA 37, 365, 22f. Cf. auch ähnliche Stellen bei Luther zu dieser Perikope WA 37,

545, 18–546, 7; 21, 232, 20 –233, 4; 24, 136, 32–137, 20; 20, 255, 9–17; 36, 530, 20f.
u.␣ 563, 11f.
59 Cf. II Kor␣ 5,15 (!) u. I Thess␣ 5,10 mit 4,14. Zu Christi Herrschaft über Lebende

und Tote s.u. Kap 2.2. (S.␣ 39).


60 Schlatter, Erläuterungen zum NT, 1. Bd. (1922), 223 (zu Mt␣ 22,32); ähnlich Alt-

haus: »Wen Gott einmal in seine Gemeinschaft gerufen hat, den stellt er damit für immer
Kap. 1. Auferstehung in der Jesus-Tradition 31

Das hier sich aussprechende Verständnis der Totenauferstehung in Kraft


göttlicher Lebensmacht ist doch wohl zu unterscheiden von der im zeitge-
nössischen und frühen Judentum anzutreffenden Vorstellung, daß die Väter
(irgendwie) bei Gott leben61, die auch im NT gelegentlich vorausgesetzt
wird (cf. z.B. Mk␣ 9,4; auch Lk␣ 16,22). Im Zusammenhang solcher scheinba-
ren Parallelen wird die Auferstehung in der hier besprochenen Perikope oft
als noch zukünftig aufgefaßt: »Die Väter sind schon bei Gott und harren der
Auferstehung (vgl. Lk␣ 16,23; 4. Makk␣ 7,19; 16, 23)«62. Der richtige Schluß
aus dem dargelegten Verständnis der Perikope muß vielmehr lauten: »Dann
aber ist die Auferstehung der Väter schon geschehen«63. Das Eigentümliche
der interpretierten Aussagen liegt in einer Zeitumkehrung, die auf Gottes
Dynamis zurückgeführt wird: daß, was für uns vergangen ist, kraft schöpferi-
scher »Erinnerung« für ihn Gegenwart, gegenwärtiges Leben ist. Dies gilt
dann ebenso für das, was in unseren Augen noch Zukunft ist: vor Gott zum
Leben zu kommen, ist eins mit der Auferstehung (mag diese für uns, diesseits
des Todes, noch ausstehen). Von hieraus gesehen, hat Schlatter sachlich recht,
wenn er zu dieser Perikope sagt: »Leben und Auferstehung faßt Jesus zusam-
men; eins liegt ihm im anderen«64. Umgekehrt gilt die Zeitumkehrung auch
für das Ereignis der Auferstehung selbst: Wenn es eingetreten ist, wird es
seinen (zeitlichen) Charakter, in der Vergangenheit einmal zukünftig gewe-
sen zu sein, eo ipso ablegen bzw. abgelegt haben und rein sich gegenwärtiges
Leben sein. Einmal auferweckt zu werden, heißt auf seine wahre Gegenwart:
ewiges Leben vor Gott, zuzugehen. Was, leben wir uns selber, »für uns«, noch
unterschieden ist als Vergangenes und Zukünftiges, schon Geschehensein
und noch Ausstehen, Tod nach dem Leben und Leben nach dem Tod, ist
lebendig eins, leben wir Gott, »für ihn«. Aus dieser schöpferischen Integrati-
on der Zeitekstasen ist die Ewigkeit ewiges Leben65.

vor sich zu »ewigem Leben««. (Die christliche Wahrheit, 19584, 660; zu Mk␣ 12,27 par.).
Zu vergleichen ist auch das johanneische mfinein.
61 Cf. z.B. R. Pesch, Das Markusevangelium (Herders Theologischer Kommentar

zum NT II, 1977) 232.


62 Gnilka, Das Matthäus-Evangelium, II. Teil (Herders Theologischer Kommentar

zum NT, 1988), 255. Auch Haenchen stellt als Meinung des Textes fest: die Toten
»werden einst auferstehen« – obgleich sie für Gott jetzt leben (Der Weg Jesu, 1966,
411). Rengstorf findet, daß überhaupt nicht von den jetzt Lebenden die Rede sei –
obwohl doch das Präsens betont ist! – , sondern nur die Hoffnung auf den Schöpfer für
die Zukunft begründet werden solle (NTD 3, 197817, 229; cf. viel richtiger Schweizer,
NTD 3, 1982, z. St).
63 Grundmann, Das Evangelium nach Markus, Theologischer Handkommentar II

(19777), 334; mit Verweis auf Mk␣ 9,4. Umso mehr betont Grundmann auch für Lk␣ 20,
38 die wirkliche Gegenwärtigkeit des »Lebens für Gott« (Theologischer Handkom-
mentar III, 375), mit Hinweis auf IV Makk␣ 7,19; 16, 25 zur Erklärung des Dativs a§tù.
Cf. auch Phil␣ 1,21–23; 3,20f.; Kol␣ 3,3f. u. II Kor␣ 5,1–10.
64 AaO., wie o. Anm.␣ 60, 223.
65 Cf. »Gott und das ewige Leben«, aaO., wie o. Einleitung, Anm.␣ 13, 51f.
32 Kap. 1. Auferstehung in der Jesus-Tradition

d. Wenden wir uns jetzt der Frage zu, ob die Perikope eine authentische
Jesus-Überlieferung darstellt. Die Exegeten sind hierin aus verschiedensten
Gründen uneins. Gegen die Zuschreibung an Jesus und für die Annahme
einer Gemeindebildung plädieren Bultmann66, Haenchen67, Schweizer u.a.68.
Auch Gnilka will die älteste Fassung der Mk-Perikope der judenchristlich-
palästinischen Gemeinde zuweisen69, erkennt aber als Kern der Überliefe-
rung eine historische Reminiszens an70.
Für nicht sicher auszumachen hält H. Braun die Zuweisung an die Ge-
meinde71. Das hängt damit zusammen, daß Braun findet, Jesu Argumentation
entspreche der Art rabbinischer Exegese72. Freilich wird auch eingewandt,
daß die Rabbinen niemals Ex␣ 3,6 als Schriftbeleg für die Auferstehung be-
nutzt haben73. Schniewind dagegen räumt zwar ein, daß es sich hier um den
Stil eines rabbinischen Streitgesprächs handelt, argumentiert dann aber vom
Inhalt der Rede Jesu her: »aber in diesem überkommenen Stil reden die
neuen Worte seiner Verkündigung«74; daher hält er den Text für authentisch:
letztlich »von Jesus selber«75. Auch Grundmann findet hier mehr als ein
Rabbinentum Jesu (wie er andererseits auch einen anderen als einen Gemein-
deursprung annimmt), nämlich: Jesu »Weisheit im Horizont des Reiches
Gottes, von dessen Nahekommen«76. Außer Schniewind und Grundmann

66 Geschichte der synoptischen Tradition (19646), 25 (Debatten der Gemeinde

liegen zugrunde), cf. 51. Bultmann hält Mk␣ 12,26–27 – nicht überzeugend – für
vormarkinisch und hier für einen sekundären Zusatz bzw. Nachtrag, aaO.␣ 25; dagegen
zu Recht Huber, aaO.␣ 289.
67 Cf. »ohne historische Grundlage im Leben Jesu«, vielmehr »von einem christli-

chen Schriftgelehrten erdacht« (Der Weg Jesu, 1966, 411).


68 NTD 1 (1973), 140; ähnlich auch Kertelge, in: Die neue Echter Bibel, Markus-

evangelium (1994), 119.


69 Das Evangelium nach Markus, EKK II/2 (1979), 157. Für V.␣ 26f. postuliert er

hellenistisch-judenchristliche Tradition (ebd.).


70 AaO.␣ 161.
71 ThWbNT VI, 245 Anm.␣ 80.
72 AaO.␣ 245, 15–17 mit Hinweis auf Strack-Billerbeck I, 893–895. Auch Loh-

meyer sieht Jesus hier im Geleise rabbinischen Denkens (Das Evangelium nach Mar-
kus, Meyers Kommentar, 196316, 257, cf. 256, zit. u. S.␣ 26 bei Anm.␣ 99) und schreibt
daher dies »Beispiel des Rabbinentums Jesu« nicht der Urgemeinde zu (aaO.␣ 257).
73 Gnilka aaO., wie o. Anm.␣ 69, 159f.; cf. die Präzisierung 160 Anm.␣ 21.
74 NTD 1 (19526), 158f. Auch Rengstorf argumentiert mit der Selbständigkeit in

der Verwendung der Schrift (ThWbNT VII, 234, 14).


75 AaO.␣ 159.
76 Theologischer Handkommentar II (Markus), 19777, 332; cf. auch die These

eines völlig neuen Sinns, den der Satz »Gott der Lebenden und nicht der Toten« bei
Jesus annimmt (ebd.); s. dazu o. S.␣ 17f.
Kap. 1. Auferstehung in der Jesus-Tradition 33

argumentieren für eine authentische Jesusüberlieferung auch Schlatter77,


Jeremias78, Lohmeyer79, R.␣ Meyer80, Schnackenburg81, Pesch u.a.82.
M.E. zeigt diese Uneinigkeit der Exegeten in der historischen Frage, ob
die Perikope auf Jesus selbst zurückgeht, daß der uneindeutige Sachverhalt
rein literarkritisch nicht zu entscheiden ist. Ausschlaggebend muß daher hier
das inhaltliche Verständnis sein: was an der Textoberfläche wie eine (frag-
würdige) formalistische Schriftauslegung aussieht (»rabbinisch«), das ist in
Wahrheit und der Sache nach Ausdruck eines völlig eigenartigen, neuen und
kühnen Gottesverständnisses83. Dies ist u.a. durch eine bestürzende Direkt-
heit in der Aktualisierung der Gegenwart des Schöpfers und seiner schwer
begreiflichen Dynamis in dem Text präsent. Eben dies paßt aber zu allem,
was wir von Jesu Verkündigung über die paradoxe Nähe des Gottesreiches
auch sonst wissen – mitsamt der Souveränität, mit der er gängigem Fragen
und Reden darüber den Boden entzieht (Mt␣ 22,33f.). Insofern ist es aus
theologischen Gründen das Wahrscheinlichste anzunehmen, dieses Gespräch
bzw. Jesu entscheidende Aussagen darin seien historisch84. Sollte denn Jesus
nicht eine ihm eigentümliche Auffassung über das Thema »Auferstehung«
gehabt haben85, und sollte sie nicht überliefert worden sein?

e. Wenn es nicht auszuschließen, sondern aus sachkritischen Gründen eher


wahrscheinlich ist, daß in der Perikope Mt␣ 22,23–33 par. und besonders im
Zitat von Ex␣ 3,6 mit seinem pointierten Verständnis, das Lk␣ 20,38b formu-
liert, sich der eigene Auferstehungsglaube Jesu ausdrückt, dann ist dieser
Text eine weitere der Spuren für einen spezifisch eigenen Ewigkeitsglauben
Jesu, die im NT sich erhalten haben und an die der Osterglaube der Jünger

77 Cf. u. bei Anm.␣ 88 u.␣ 93.


78 Neutestamentliche Theologie, Erster Teil (1971), 180, Anm.␣ 28 (mit Gründen).
79 Das Evangelium nach Markus (Meyers Kommentar), 196316 , z. St.
80 Cf.: »irgendwie auf Jesu Auseinandersetzung mit den Sadduzäern zurückge-

hend« (ThWbNT VII, 51f.).


81 Er hält den Schriftbeweis nicht für spätere Zutat der ( jüdisch-hellenistischen)

Gemeinde; dagegen spreche die Einheitlichkeit der Perikope und daß sie keinerlei
Anspielung auf Jesu Auferweckung enthalte; cf. Matthäus-Evangelium, in: Die neue
Echter Bibel (1987), 214.
82 Das Markusevangelium (Herders Theologischer Kommentar zum NT II, 1977),

235.
83 Schniewind ist völlig zuzustimmen: »Man muß hier aus der Gesamtheit der

Jesus-Worte denken«, aaO., wie o. Anm.␣ 74, 159.


84 Verschiedene Gründe sprechen ohnehin für eine sehr alte Überlieferung. Wichtig

ist auch, daß das Argument Jesu aus der Thora, also dem einzigen von den Sadduzäern
als verbindlich anerkannten heiligen Text, genommen ist. Die große Untersuchung
von Schwankl kommt zu einem schwankenden Resultat: »letztlich unsicher, … aber
anzunehmen« (aaO.␣ 587, cf. 501–587); Huber findet hier die »historische Reminis-
zenz eines authentischen Jesusgeschehens«, aaO.␣ 291.
85 S.u. bei Anm.␣ 86.
34 Kap. 1. Auferstehung in der Jesus-Tradition

anknüpfen konnte86. Dieser selbst ist freilich nicht schon durch solche An-
schlußmöglichkeiten im Gottesverständnis Jesu selber hinreichend zu be-
gründen87, sondern er ist vielmehr durch das unvorhersehbare und unab-
leitbare Faktum des kontingenten Widerfahrnisses von Erscheinungen des
Gekreuzigten als eines wirklich Auferstandenen und Lebendigen hervorge-
rufen worden. Im Rückblick mögen dann auch jene Spuren und z.T. schwer
verständlichen Aussagen Jesu, wie z.B. die unserer Perikope, sich plötzlich in
ihrer Wahrheit erhellt haben.
Zwei inhaltlich Züge an dieser Perikope sind es nun, die eine Rückfüh-
rung auf Jesu eigene Verkündigung nahelegen.
Einmal, daß die unmittelbar an die Sadduzäer gerichtete und sie voll-
mächtig zum Schweigen bringende Antwort Jesu ein so eigenartiges Auf-
erstehungsverständnis einschließt, daß es zugleich auch in Front gegen die
ausdrücklich nicht angesprochenen Pharisäer und ihre Erwartung einer wun-
derhaften Wiederherstellung der irdischen Verhältnisse in der Endzeit ausge-
sagt ist. Denn das inhaltlich Charakteristische von Jesu Antwort auf die
Frage nach der Auferweckung liegt in folgendem: »Für Jesus ist die Aufer-
weckung nicht die Wiederkehr des alten, vom Tod zerstörten Lebens, son-
dern die Offenbarung der schaffenden Kraft Gottes, die den Menschen in
einen neuen Lebensstand erhebt«88.
Sodann, der entscheidend wichtige Zug, in dem eben Gesagten schon
mitgesetzt, betrifft das eigentümliche Gottesverständnis in der Perikope. Der
Text muß von daher als »ein hochbedeutsames Dokument der Gotteserfah-
rung und Gottesgewißheit Jesu, seines Auferstehungsglaubens« gewertet wer-
den89. Er enthält eben als solches den Hinweis auf »eine wichtige Vorausset-
zung der Entstehung des Glaubens an Jesu Auferstehung«90.

86 Als solche Spuren lassen sich etwa Lk␣ 23,43 und Mt␣ 26,29 par ansprechen. Auch

die Tradition von Jesu Ankündigung seiner eigenen Auferstehung (Mk␣ 8,31; 9,31;
10,34; cf.␣ 16,7) ließe sich damit in Verbindung bringen.
87 Gegen eine mögliche Herleitung des Osterglaubens, demgemäß die Jünger aus

Jesu eigenem Auferstehungsglauben nach seinem Tode einfach folgerecht die Aufer-
stehung hätten erwarten müssen, spricht – außer dem Umstand, daß die Texte ein
gänzlich anderes Bild überliefern – sachlich zweierlei: 1. Die Jünger hätten höchstens
eine (bloße) Entrückung zu Gott erwarten können; 2. durch seinen Fluchtod am
Kreuz hatte Jesus auch in ihren Augen jeden Anspruch bei Gott eingebüßt und war
definitiv widerlegt.
88 Schlatter, Der Evangelist Matthäus (19574), 654. Diese Auffassung von Auferste-

hung hat sich an Jesus selber bewahrheitet, insofern sie auch nicht als einfache Wie-
derkehr eines Gestorbenen zu begreifen ist.
89 R.Pesch, Das Markusevangelium (Herders Theologischer Kommentar zum NT

II), 1977, 235; ähnlich Huber, aaO.␣ 284 u.␣ 291.


90 Ebd. Gleichwohl ist es zutreffend (und sachgemäß), daß die Perikope keinerlei

ausdrückliche Anspielung auf die Auferstehung Jesu enthält, was Schnackenburg zu-
gunsten der Echtheit anführt (Matthäus-Evangelium, in: Die neue Echter Bibel, (1987),
214). Auch Pesch findet hier das »Zeugnis einer wichtigen Voraussetzung der Entste-
Kap. 1. Auferstehung in der Jesus-Tradition 35

Auch wenn die Perikope lediglich eine »Verteidigung der Denkbarkeit der
Auferstehung« darstellte91 – tatsächlich ist sie bedeutend mehr! –, ist festzu-
halten: bei Jesu selber »beruht der Glaube an die Möglichkeit einer zukünf-
tigen zwfl« sehr wohl und ganz entscheidend »schon auf dem Gottesge-
danken überhaupt«92. An Christus selber hat Gott freilich diese Möglichkeit
definitiv bewahrheitet, so daß der Glaube an Christus nun einer an die Wirk-
lichkeit der zukünftigen zwfl ist und an Christus selber der (hier artikulierte)
Gottesgedanke Jesu seine eschatologische Wahrheit (für uns) hat (cf.
Act␣ 3,13!).
Wenn es richtig ist, »daß Jesus mit dem Gottesbewußtsein die Gewißheit
des Lebens unmittelbar verband«93, dann ist es, bei der dargelegten Eigenart
seines Glaubens an den mit seiner Zuwendung Leben erweckenden Schöp-
fer94, unausweichlich, Jesus als einen aufzufassen, »der den Auferstehungs-
gedanken in sich trägt«95. Und nur im Zusammenhang seiner Botschaft vom
nahegekommenen Gott ist begreiflich zu machen, daß und warum schon für
Jesus selber »der Auferstehungsgedanke Heilscharakter (besitzt)«96. Auch in
diesen Zusammenhängen ist es wichtig, daß der von Jesus hier behauptete
»Irrtum« letztlich als Unglaube zu verstehen ist (s.o.).
Schließlich muß als ein starker Hinweis auf die Meinung der Tradition,
daß es sich hier um ein zentrales Zeugnis für den Jesus eigentümlichen Got-
tesglauben handelt, auch noch der Umstand berücksichtigt werden, daß der
Perikope in allen drei Evangelien die von der Zinsgroschenfrage der Phari-
säer (Mt␣ 22,15–22 par.) vorhergeht und bei Mt und Mk die nach dem höch-
sten Gebot (Mt␣ 22,34–40 par.) ihr folgt. Diese redaktionelle Anordnung, bei
der es stets um die Gottheit Gottes geht (Gott geben, was Gottes ist; Gottes
lebendige Macht, Gott über alles lieben97), verfolgt offensichtlich die Ab-
sicht, das Jesus eigene, lebendige Verhältnis zu Gott als seinem himmlischen
Vater, dessen Kommen er sich unbedingt verbunden weiß, in den Mittel-
punkt zu stellen.
Auf diesem Hintergrund ist auch die Frage nach dem eigentümlichen
Status des Gesprächs, das unsere Perikope zum Inhalt hat, d.h. ob es ein bloß
theoretisches Streitgespräch sei, nochmals aufzugreifen (s.o.).

hung des Glaubens an Jesu Auferstehung« (Markus, Herders Theologischer Kom-


mentar II/2 (1984), 235).
91 Lührmann, Markus (Handbuch zum NT III), 1987, 204.
92 Gegen Bultmann; cf. ThWbNT II, 866, 11f.
93 Schlatter, Der Evangelist Matthäus (19574 ), 655.
94 S.o. bei Anm.␣ 35.
95 Schlatter, aaO.␣ 650.
96 Cf. Pannenberg, Grundzüge der Christologie (19693 ), 74.
97 Man könnte im Doppelgebot als dem obersten Gebot die inhaltliche Füllung

der luk. Rede vom »Würdigwerden« (sc. des kommenden Äons, Lk␣ 20,35) sehen.
36 Kap. 1. Auferstehung in der Jesus-Tradition

Von der »mehr theoretischen Haltung« dieses »Schulgesprächs« hatte be-


reits J.␣ Weiß gesprochen98. Lohmeyer fand dann hier einen Nachweis der
Auferstehung geführt »in der phantasievollen rabbinischen Weise, die festste-
hende in der Schrift nicht enthaltene Glaubenssätze nachträglich aus Schrift-
worten zu begründen sich müht«99. Entsprechend finden auch andere Exe-
geten, daß solche »schriftgelehrte« Argumentation auf äußerst schwachen
Füßen stehe100. Diese Sicht der Dinge ist aber schon darum ganz abwegig,
weil völlig außer Acht bleibt, daß es um Jesu lebendiges Verständnis von
Gottes schöpferischer Gegenwart geht, für das ein Ausdruck in der Schrift
durch ein produktives Neuverständnis in Anspruch genommen wird. Aber
in dieser wesentlichen Beobachtung steckt noch eine tiefere Einsicht über
das, was in dem in Rede stehenden Text eigentlich vorgeht. Für sein theolo-
gisches Verständnis vom Gottesglauben Jesu her dürfte entscheidend sein zu
sehen, daß hier von Jesus durch die Weise seiner Antwort auf die Fangfrage
der Sadduzäer in actu gezeigt wird, daß, wer nach der Auferstehung als sol-
cher fragt, notwendigerweise schon nach Gott fragt bzw. Annahmen über ihn
voraussetzt. Jesu »Antwort« demonstriert den Zusammenhang, daß allein
richtiges Fragen nach Gott bereits die Frage nach dem ewigen Leben löst
und daß der »Irrtum« der Fragenden nur Ausdruck ihres falschen, weil Gott
verkennenden Gottesverhältnisses ist. Darum lebt, die Frage angemessen zu
stellen, gleichsam schon von der Antwort und praktiziert die richtige Frage-
stellung bereits die Antwort. Denn diese Frage in der rechten Weise zu stellen
(und nicht so wie die Sadduzäer), das heißt bereits, in einem bestimmten
Verhältnis zum lebendigen Gott und seiner schöpferischen Gegenwart zu
leben. Darum ist das wahre Fragen nach Gottes Wirklichkeit an sich schon so
etwas wie ein Teilgewinnen (oder -haben) an dem, wonach gefragt wird.
In diesem Sinn handelt es sich bei dieser Perikope um nichts weniger als
ein »theoretisches« Schulgespräch, sondern vielmehr um eine theologische
Sprachhandlung Jesu von zentraler Bedeutung. Jesus gibt hier nicht eine
»gelehrte Antwort« auf eine theoretische Frage, sondern er nimmt vielmehr
mit seiner Antwort die Fragenden – ihre Situation als Fragende theologisch
qualifizierend – aktiv in sein eigenes Gottesverhältnis hinein.
Aus dieser besonderen »Vollmacht« seines Schriftgebrauchs (cf. Mt␣ 7,29),
d.h. ihrer spezifisch theologischen Wendung ad hominem, erklärt sich erst
die berichtete Reaktion auf seine Antwort: sei es im scheuen Verstummen,

98In: Die Schriften des Neuen Testaments (1. Bd., 1907), 186 (zu Mk).
99Das Evangelium nach Markus (Meyers Kommentar), 196316, 256. Huber dage-
gen erblickt hier ein »typisch jesuanisches Verhalten« – ganz im Unterschied zu rabbi-
nischer und urkirchlicher Argumentationsweise (aaO.␣ 291) und führt diese voll-
mächtige Schriftauslegung auf Jesu besonderes Gottesverhältnis zurück (ebd.).
100 Cf. Haenchen, Der Weg Jesu (1966), 411, der hier bloße Schriftgelehrsamkeit

der Gemeinde am Werk sieht. Weiß (aaO., wie o. Anm.␣ 98, 187) bezweifelt, daß Jesus
eine solche Schlußfolgerung für beweisend gehalten hätte.
Kap. 1. Auferstehung in der Jesus-Tradition 37

das nicht weiter so zu fragen wagt (Lk␣ 20,40; cf. Mt␣ 22,46 u. Mk␣ 12,34b)101,
sei es im Erschüttertwerden durch diese »Lehre« (Mt␣ 22,33; cf.␣ 7,28!). Man
darf wohl sagen, daß in solcher verkündigend praktizierten Exousia sich
eben die Dynamis Gottes in Jesu Worthandlung an seinen Hörern durch-
setzt, von der er zu ihnen redet (cf. Lk␣ 9,43!).

101 Zum Zusammenhang mit Lk␣ 2,46f. cf. ThWbNT II, 685, 8–14 (Greeven).
38

Kapitel 2

Gottes eschatologisches Handeln


in der Auferweckung Jesu Christi

Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist


unsere Predigt vergeblich, so ist auch euer
Glaube vergeblich.
I Kor␣ 15,14

1. Auferstehung als eschatologisches Ereignis

Der Ausdruck eschatologisches Ereignis bedeutet, daß die Auferweckung


Jesu durch Gott nicht ein willkürlicher und isolierter Machtbeweis Gottes an
einem zufälligen Individuum ist, sondern daß Gott hier endgültig die Zu-
kunft und Vollendung aller Menschen und der Wirklichkeit im Ganzen
schöpferisch entschieden, festgelegt und schon heraufgeführt hat. An Jesus
ist vorweg Ereignis geworden, was Gott dem Menschen und seiner Welt
bestimmt hat – die Vollendung im ewigen Leben.
»Die Auferstehung Jesu … ist als das eschatologische Ereignis schlechthin
zu verstehen. Die Auferstehungswirklichkeit ist schon das ≤scaton …«1. Da-
mit ist zunächst gesagt, daß die Auferstehung Jesu Christi nicht nur (oder
auch nur primär) ein zeitliches Geschehen ist, sondern sie ist auch – ebenso
wie die Menschwerdung Gottes – als Ereignis der Ewigkeit zu denken, zu-
gleich aber als dessen Manifestation hier in der Zeit2. Gott läßt von Ewigkeit
her das Eschaton an Christus geschehen und an ihm den Glaubenden offen-
bar werden. Damit ist die Auferstehung nicht weniger als das wirkliche und
endgültige Kommen der Ewigkeit bzw. des ewigen Lebens in die Zeit: also
nicht ein isoliertes Mirakel, sondern der Einbruch der Endvollendung. Das
impliziert umgekehrt auch ein Hineingezogenwerden der Glaubenden in
die Ewigkeit3.

1 Künneth, aaO.␣ 229. K. Barths Bestreitung des eschatologischen Charakters von

Ostern faßt Gottes »reine« bzw. »ewige Gegenwart« eigentümlich un-lebendig auf (cf.
KD I/2, 125f.).
2 »Aber damit [sc. mit Jesu Auferstehung als Antizipation des Eschaton] wird die

Eschatologie selbst zu einem Geschichtsverlauf, während sie ursprünglich die Aufhe-


bung aller Geschichte ist« (C. Stange, Die Auferstehung Jesu, ZSTh 1 (1923), 709), zur
»Geschichtlichkeit« von Ostern cf. auch Barth, KD III/2, 530.
3 Christi dies nunquam cessat (WA 16, 171, 9f.; cf.␣ 37,68–70: ewiger Ostertag).
1. Auferstehung als eschatologisches Ereignis 39

Mit der Auferstehung ist also die letzte Wahrheit über die Welt überhaupt
ans Licht gebracht4, und darum gilt: »Denn dazu ist Christus gestorben und
auferstanden, daß er Herr sei (kurie‚sÔh) über Tote und Lebende« (Röm
14,9) bzw. bekennen wir im Credo: »er wird kommen zu richten die Leben-
den und die Toten«.
Daß sich mit dem Ereignis der Auferweckung Jesu »Gewaltiges in und mit
der Welt vollzieht«5, heißt, die Auferstehung ist der Beginn der Weltvoll-
endung und »Anbruch der Neuschöpfung der Welt«6. Auferweckung zu ewi-
gem Leben – das ist die Weise, wie Gott der Erde treu bleibt, denn dazu
gehört »ein neuer Himmel und eine neue Erde« (II Petr␣ 3,13; cf. Offb␣ 21,1;
Jes␣ 65,17; 66, 22). Darum scheiden sich an der Auferstehung alte und neue
Welt: Die sündenbestimmte Zeitlichkeit bleibt gleichsam verschlossen oder
riegelt sich ab gegen das Neue der kommenden Ewigkeit (I Kor␣ 2,14); erst
Gottes Vergebung und Versöhnung im Kommen des Gekreuzigten und Auf-
erweckten ist die Eröffnung der neuen Wirklichkeit inmitten der alten
( Jes␣ 43,18). Denn nur »wo Vergebung der Sünde ist, da ist auch Leben und
Seligkeit« (Luther)7, d.h. ewiges Leben in der Gegenwart des Geistes Christi,
neues Sein im alten, Leben aus dem Tode, Beginn der Neuschöpfung. Dar-
um ist die Auferstehungshoffnung ganz allein Hoffnung und Sichverlassen
auf Gottes schöpferische Lebensmacht, nicht aber auf irdische Kontinuität
(cf. Ps␣ 73,25f.).
Ostern hat eschatologische Realität: es geht dabei nicht um die glaubende
Erkenntnis der bloßen »Bedeutsamkeit« des vergangenen Golgatha-Gesche-
hens, sondern darum, daß der Weg Jesu Christi der geschichtliche Weg des
sich offenbarenden Gottes ist – ein Weg, auf den die Glaubenden vom Auf-
erstandenen gerufen und mitgenommen werden. Osterglaube ist insofern
nicht Vergangenheits-, sondern Zukunftsglaube8! Ostern als Erscheinen des
Gekreuzigten heißt: Gottes Werk der Weltzuwendung ist nicht abgeschlos-
sen, sondern geht weiter, und der Gekreuzigte lebt; die eschatologische Zu-
kunft der Welt ist sein weitergehendes Leben. So gehören der historische
Jesus und der Christus des Auferstehungsglaubens geschichtlich, nämlich
eschatologisch in der Gottesgeschichte als der Geschichte der kommenden

4 Cf. Dalferth, aaO.␣ 78. Ph. Marheineke formuliert bündig: »Die Wahrheit dieser

Welt ist nicht sie, sondern die andere Welt, nicht das Reich dieser Welt, sondern das
Reich Gottes. Joh␣ 18,36. I Cor␣ 7,31. I Joh␣ 1,15. Luc␣ 17,20.21.« (Die Grundlehren
der christlichen Dogmatik als Wissenschaft. 2. Auflage 1827, 141 (§␣ 240). Zur Erläu-
terung cf. auch aaO.␣ 163f. (§␣ 278).
5 Koch, aaO.␣ 53.
6 Heim, Jesus der Weltvollender, aaO.␣ 186; cf. 192 und zum Anbruch der Endzeit

überhaupt 185ff.
7 Kleiner Katechismus, BSLK 520, 29f.
8 Koch, aaO.␣ 263.
40 Kap. 2. Gottes eschatologisches Handeln in der Auferweckung Jesu Christi

Ewigkeit, zusammen9, und das ist der theologische Sinn der Erscheinungen
des Auferweckten, die Bedeutung von Ostern10.
Mit der Auferweckung ist die eschatologische Vollendung freilich erst
angebrochen11, aber eben der »Anbruch des Eschaton bricht in die Ge-
schichte der Welt ein«12. Mit diesem Eingetretensein des Eschaton, d.h. des-
sen, woraufhin es allein noch wahre Zukunft für die Weltwirklichkeit gibt
und ein neues Denken13, nämlich eine Weisheit, die nicht von dieser Welt ist

9 »Dieser eine Punkt in der Geschichte ist Bürge für das Ende der Geschichte« (L.
Ihmels, Zur Frage nach der Auferstehung Jesu, in: Studien zur systematischen Theo-
logie (FS Haering), Tübingen 1918, 35).
10 Weil das so ist, gibt es im NT auch nicht so etwas wie eine historische Biogra-

phie Jesu, sondern das NT ist implizite und explizite Christologie, d.h. das Evangeli-
um Jesu Christi (Gen. subj. und obj.). Daher enthält das NT auch nicht ein Psycho-
gramm der Jünger, sondern das Bekenntnis der Auferstehungszeugen.
11 Cf. II Kor␣ 3,18 mit I Kor␣ 13,12 und zum Spiegelmotiv ThWbNT II, 693 sowie

zur Vollendung im Anbruch, aaO.␣ 694.


12 Koch, aaO.␣ 55. Zur Geschichtlichkeit des absolut Neuen cf. E. Bloch: »Alle

Möglichkeiten kommen erst innerhalb der Geschichte zur Möglichkeit; auch das Neue
ist historisch« (Das Prinzip Hoffnung, 2. Bd., 556).
13 Entsprechend ist Luther sich schon 1515/16 über die ontologische Bedeutung

dieses Glaubens völlig im Klaren gewesen. In der Römerbrief-Vorlesung deutet er


Röm␣ 8,19 (!) in der Glosse so, daß Paulus hier von dem erwarteten Dienst aller (auch
nicht-menschlichen) Kreatur bei der Verherrlichung Gottes rede: Hunc ergo finem
suum naturaliter expectat (WA 56, 79, 26f.). Die Scholie dazu bietet eine grundsätz-
liche Verhältnisbestimmung zwischen dem philosophischen Denken (insbes. in aristo-
telischer Tradition und scholastischer Manier) und dem Denken, das in biblischer
Tradition ein eschatologisches Wirklichkeitsverständnis zugrunde legt. Der Apostel ist
Vertreter eines Denkens, das zur »Weltweisheit« eine »ontologische« Alternative dar-
stellt: Aliter Apostolus de rebus philosophatur et sapit quam philosophi et metaphysici
(aaO.␣ 371, 1f.).
Das philosophische und scholastische Denken ist nämlich gerichtet in praesentiam
rerum, also daran orientiert, was als Vorhandenes und unmittelbar gegebene Wirklich-
keit vor Augen liegt (aaO.␣ 2f.). Das geht zurück auf die aristotelische Metaphysik, die
gemäß Buch G␣ das Seiende als solches (ens qua ens) untersucht (Met. 1003 a 21ff.).
Weil dies metaphyische Denken auf die Anwesenheit des Anwesenden fixiert bleibt,
gilt ihr ein Noch-nicht-Seiendes in diesem Sinn nicht als ens. Ein solches Denken,
fundamental am Sichtbaren und Greifbaren ausgerichtet, beschäftigt sich allein mit
dessen quidditates et qualitates (aaO.␣ 3) und hat es mit Kategorien wie »essentia«, »ac-
cidens«, »operatio«, »actio et passio«, »motus« etc. zu tun (aaO.␣ 7f.), die alle von der
unmittelbar vorfindlichen Wirklichkeit abstrahierte ontologische Konzepte darstellen.
Genau wegen dieser für die Ratio kennzeichnenden Orientierung gibt es einen
Konflikt zwischen ihr und dem Glauben: Ratio praesentibus soleat niti, fides absentia
complectitur, et ea contra rationem praesentia esse iudicat (WA 42, 452, 23–25). Da-
her entsteht ein Streit um die wahre Wirklichkeit, denn der Glaube geht wesentlich
auf das, was noch nicht sichtbar ist und nur verheißen (Heb 11, 1): Atque haec causa est,
quod non sicut auditus omnium est, ita etiam fides sit omnium. Pauci enim credunt
(aaO.␣ 25f.). Der gesunde Menschenverstand stützt sich aufs Handgreifliche, sichert
sich in empirisch vorhandener Wirklichkeit ab: Reliqua multitudo praesentibus rebus,
quas tangit et palpat, potius, quam verbi vult niti (aaO.␣ 26f.).
1. Auferstehung als eschatologisches Ereignis 41

(I Kor␣ 2,6), ist die Wirklichkeit in einer »Geburtswehe« (Röm␣ 8,22; cf. I
Thess␣ 5,3) begriffen14. Weil die Gestalt des Auferstandenen die Zukunft der
Welt ist, gilt: »die Gestalt dieser Welt vergeht« (I Kor␣ 7,31; cf. I. Joh␣ 2,17).
Die Geschichte geht von Ostern her auf die consummatio mundi zu bzw.

Im Gegensatz dazu philosophiert der Apostel anders, nämlich aus der sich im Ver-
heißungswort ankündigenden neuen Wirklichkeit. Sein Denken transzendiert das
sichtbar vor Augen liegende Gegenwärtige (weg vom intuitus rerum praesentium)
und ist bestimmt von der Wirklichkeit des kommenden Gottes: gerichtet in eas (sc.
res), secundum quod futurae sunt (WA 56, 371, 5f.). Paulus philosophiert theologisch:
auf Grund der »neuen und wundersamen Vokabel »Expectatio creaturae«« (aaO.␣ 8f.).
Theologisch zu denken (sapiemus et videbimus, aaO.␣ 13), heißt daher, die Kreatur
nicht mehr (nur) nach dem zu denken, was sie an ihr selbst unmittelbar ist (non ipsam
creaturam amplius, aaO.␣ 9f.), sondern sie darauf hin zu befragen und zu begreifen
(intendere et quaerere, aaO.␣ 10), worauf sie selber (noch) aus ist: quid creatura ex-
pectet (ebd.).Denn alle Dinge sind noch nicht in ihrer Wahrheit; in ihrer unmittelba-
ren Wirklichkeit weisen sie über sich selbst hinaus (cf. auch WA 34/II, 480f., zit. u.
Kap.␣ 3.2. Anm.␣ 157). Für die theologische Ontologie ist maßgebend, daß alle Kreatur
ihr Sein hat als cupientem id, quod futura/non dum/est (aaO.␣ 30). Weil nichts schon
wahrhaft mit sich identisch ist, gilt: res ipsae essentias suas et operationes et passiones
fastidiunt et gemunt (aaO.␣ 372, 8f.). Das ist die Expectatio creaturae, daß sie de se ipso
tristatur et sibiipsi displicet (aaO.␣ 372, 10). Theologisch denken besagt daher, die Krea-
tur als Geschöpf des kommenden Gottes zu denken (Creaturas esse creaturas, aaO.
372, 25) und d.h. von ihrer zukünfigen Bestimmung her als vorläufige Materie dessen,
was Gott als Form ihrer endgültigen Wahrheit werden läßt: creatura Dei, quae paratur
ad futuram gloriam (aaO.␣ 372, 3f.). Ganz entsprechend hat Luther 1536 die wahre
Wirklichkeit des Menschen eschatologisch gedacht: homo huius vitae est pura materia
Dei ad futurae formae suae vitam (Disp. de homine, Th. 35; WA 39/I, 177, 4f.; cf. die
Thesen 34–38). Das bestimmt auch seine Sicht des Lebens überhaupt: hanc vitam …
non habeo pro vita. Non enim est vere vita, sed tantum larva vitae (WA 40/I, 288, 23–
25, zu Gal␣ 2,20).
Von dieser eschatologischen Wirklichkeitsauffassung ist auch Luthers theologische
Abwehr des scholastischen modus loquendi her motiviert: Sed heu, quam profunde et
noxie haeremus in praedicamentis et quidditatibus, quot stultis opinionibus in meta-
physica involuimur! (WA 56, 371, 11f.; cf. den Hinweis auf Seneca, Ep. 45, 4, aaO.
15f.). Im un-eschatologischen Wirklichkeitsverständnis der herkömmlichen Meta-
physik und der sich ihr anschließenden Theologie liegt Luthers Kritik der Philosophie
und seine Orientierung an der Schrift eigentlich begründet (der Grund latrandi contra
philosophiam et suadendi ad Sacram Scripturam, aaO.␣ 371, 17f.; cf. auch Kol␣ 2,9!).
Bemerkenswert bleibt aber, daß hier in Luthers Sicht ein philosophisches Denken
gegen das andere aufgeboten wird. Paulus »philosophiert spekulativ« von der in der
Schrift bezeugten Offenbarung Gottes her, und seine theologische »Ontologie« be-
trifft das darin mitgesetzte geschichtlich-eschatologische Seinsverständnis. Daher gilt
für eine theologische Ontologie, sich an der eschatologischen Wirklichkeitsauffassung
des Apostels zu orientieren: Igitur optimi philosophi, optimi rerum speculatores fueri-
tis, si ex Apostolo didiceritis Creaturam intueri expectantem, gementem, parturientem
i.e. fastidientem id, quod est, et cupidientem id, quod futura/nondum/est. (aaO.␣ 28–
31; Hervorhebung J.R.).
14 Joh␣ 16,21 verbindet im Bild der Geburtswehe, das schon Jes␣ 26,17 endzeit-

lichen Charakter hat (cf. Offb␣ 12,2) und dort mit der Totenauferweckung zusammen-
hängt ( Jes␣ 26,19), zweierlei: das »Weggehen« Jesu, d.h. sein Sterben (V.␣ 16f.) und die
42 Kap. 2. Gottes eschatologisches Handeln in der Auferweckung Jesu Christi

wird von ihrem Telos im Eschaton her auf es hin gezogen. Unsere letzte
Zukunft ist bei Gott entschieden, und Jesu Verkündigung und Botschaft,
sein Evangelium, ist die eschatologische Dynamis Gottes, die sie als Wahrheit
endgültig durchsetzen wird (Röm␣ 1,16f.).
Insofern ist Ostern kein abgeschlossenes Ereignis der Vergangenheit, son-
dern gerade ein »Zukunftsgeschehen«15. Und eben weil »die angebrochene
Wirklichkeit des neuen Lebens … noch nicht vollendet«, vielmehr noch
strittig ist und auch für den Glauben zwar wirkliches Geschehen, aber noch
nicht definitiv geworden ist, darum ist »das dort und damals an Jesus Gesche-
hene für uns noch unausdenkbare Zukunft«16. So begründet auch unser Reden
von Auferstehung ist, wir vermögen doch nicht restlos auszudenken, was wir
damit sagen17 und vermögen in gewisser Weise nur metaphorisch von diesem
Verborgenen zu reden18.
Auf die Frage, wohin Christus auferstanden sei, darf also nicht einfach
gesagt werden: zu Gott, sondern muß die eschatologische Antwort gegeben
werden: »Er ist auferstanden in das Leben der Zukunft, die Gott dieser Welt
geben wird«19. Das qualifiziert auch seine Gegenwart damals und heute als
eschatologisch: »Ist der Auferstandene uns gegenwärtig, so ist er es von dem
Leben dieser Zukunft her, in das er vorausgegangen ist«20. In diesem eigen-
tümlichen Sinne ist Christi Auferweckung die Antizipation (Vorweg-Er-
eignung) der eschatologischen Zukunft der Welt21.
Für die Auferstehungszeugen, d.h. die dem auferstandenen Herrn Begeg-
nenden, war momentan schon »die Gestalt dieser Welt vergangen« (I Kor
7,31; I Joh␣ 2,17), und ihr Auferstehungszeugnis ist das Zeugnis für die Vor-
läufigkeit (par›gein) unserer Wirklichkeitserfahrung und ist ein Bekenntnis
zu Gottes schöpferischem Handeln als der kommenden Wahrheit dieser Welt.
Insofern ruft die Osterbotschaft uns aus dieser Welt heraus und in Gottes
beginnende Zukunft hinein. Der Auferstehungsglaube ist Übergang, denn »auf
Hoffnung sind wir gerettet« (Röm␣ 8,24). Und darum gehört zum Auferste-
hungsglauben eine eschatologische Existenz der Glaubenden: »Die Nacht ist
vorgedrungen, der Tag ist nahe herbeigekommen« (Röm␣ 13,12a)22. Wir le-

Anfechtung durch seinen Kreuzestod (V.␣ 20; cf. 32), und die Geburt des neuen Men-
schen in seinem Wiederkommen (bzw. als dieses) (V.␣ 22f.; cf. 33). Christi sich wieder
sehen Lassen ist die Geburt des eschatologischen Menschen ( Joh␣ 14,19f.). Auf diesen
Text machte mich mein Kollege J. Martikainen aufmerksam.
15 Moltmann, zit. bei Pannenberg, STh II, 393 A.␣ 73.
16 Pannenberg, aaO.␣ 405 A.␣ 116.
17 Pannenberg, Offenbarung als Geschichte, aaO.␣ 105.
18 Pannenberg, Grundzüge der Christologie, aaO.␣ 70; cf. unten den Exkurs, S.␣ 197ff.
19 Joest, Dogmatik, 1. Bd. (19872), 268.
20 Ebd.
21 Cf. Aristoteles: tÖ dû ≤scaton ürcÉ tö“ pr›xew“ (De an. G 10; 433a 16f.).
22 Dem entspricht ein Leben im Auferstehungslicht (V.␣ 12b-14) als Bekenntnis

zum lebendigen Herrn und Gott (Röm␣ 14,11 u.␣ 9).


1. Auferstehung als eschatologisches Ereignis 43

ben als Glaubende Gott in Christus (Röm␣ 6,11) und, weil die Herrschaft des
Todes gebrochen ist (V.␣ 9), im transitus: »als die da aus den Toten lebendig
sind« (V.␣ 13).
Der eschatologische Charakter der Auferstehung besagt auf diesem Hin-
tergrund: in der Auferweckung Jesu hat Gott die bestimmte Gegenwart Jesu
Christi (insbesondere seines Todes und neuen Lebens) in einem schöpferi-
schen Handlungsakt mit der Zukunft zu einem einheitlichen und unauflösba-
ren Geschehen verbunden, das in der Ewigkeit auch nur eines ist und sich
allein für uns in die zeitliche Geschichte vom Jahre 30 bis zum zukünftigen
Ende aller Geschichte auseinanderlegt und erstreckt23.
Damit ergibt sich ein eigentümlicher Sachverhalt, was das Sein Jesu Chri-
sti betrifft. Zwar gilt mit Nachdruck »der Auferstandene hat in der Geschich-
te seine Existenz«24, – dies aber eben aus der Ewigkeit Gottes her. Das Sein
des Auferstandenen ist nicht einfach wieder das des Irdischen, sondern er ist
derselbe anders, eben eschatologisch. Sein Wirklichsein ist zugleich sein
Ewigsein bzw. sein Zukünftigsein. Was hier zu denken wäre, Antizipation, ist
ein Sein als Sich-voraus-Sein; nur »hier« als zugleich auch »dort«; bei Gott,
indem bei uns und umgekehrt; zeitlich: jetzt schon da als der, der kommt,
und als der endgültig Kommende hier und jetzt.
Christus konnte demnach nur als »Erscheinender« leibhaft gegenwärtig
sein, weil sein Sein zugleich eschatologisches Sein ist. Andererseits hat der
Auferstandene kein bloß subjektives Sein als Bewußtseinsgegenstand (z.B. in
einer »Vision« oder als bloßes Phantasiegebilde), sondern er ist darin »objek-
tiv«, daß er nur so zugegen war, daß er zugleich über die bestimmte Gegen-
wart unendlich hinaus Sein hatte (nämlich Ewigkeit und Zukünftigkeit).
Darum entzog der Lebendige sich in allen Erscheinungen auch immer wie-
der.
So wie der Menschgewordene als endlicher Mensch zugleich Gottes Ge-
genwart war (vere Deus – vere homo), so ist der Auferstandene als konkret
Anwesender zugleich ewige Person im göttlichen Leben. Das Sein des Auf-
erstandenen ist nach seinem ontologischen Status eschatologisch, d.h. ein
Sein, das wirklich ist in der Ausgespanntheit von bestimmter persönlicher
Gegenwart bei den Glaubenden und ewiger Lebendigkeit bei Gott25.

23 Cf. Luthers Versuch vorstellig zu machen, was Ewigkeit ist: »Für Gott ist der

anfang der Welt ja so nahe als das ende, tausent jar als ein tag. Und Adam, der am ersten
geschaffen ist, als der letzte Mensch, der da wird geporn werden. Denn er sihet die zeit
also an, wie des menschen auge zwey ding, die weit von einander sind, ynn einem
augenblick zusammen bringt« (WA 24, 25, 16–20). Zur internen Zeitstruktur dieser
ewigen Simultaneität cf. das zugehörige Zitat u. Anm.␣ 76 (Abschn.␣ 2). In ihr ist auch
das unerläßliche Pro-me ermöglicht!
24 Koch, aaO.␣ 57.
25 Zur genaueren Bestimmung des Status dieser Gegenwart s.u. Kap.␣ 3.1.
44 Kap. 2. Gottes eschatologisches Handeln in der Auferweckung Jesu Christi

Dafür, Auferstehung und Eschaton als einen Geschehenszusammenhang


anzusehen26, spricht auch, daß der gedankliche Gehalt von Jesu Auferste-
hung für die Urchristenheit nicht ablösbar war von der Erwartung einer
allgemeinen Totenauferstehung am Ende der Zeiten27. Das besagt aber, auch
der Wirklichkeitsmodus des Seins Christi als Auferstandener, wie es in den
Erscheinungen sich kundtat, kann nur in diesem Zusammenhang mit der
Enderwartung artikuliert werden28. Das Sein des Auferstandenen zu denken,
bedeutet, die eschatologische Realität von bloßer Halluzination oder dem
Erscheinen eines Totengeistes zu unterscheiden.
Dieser Zusammenhang besagt nun für die erwartete Parousie des Herrn,
also die Wiederkehr Christi am Ende der Zeiten, daß sie selber schon in
Ewigkeit zum Auferstehungsgeschehen dazugehört. Sie ist nur die endgülti-
ge Enthüllung der Auferstehung Jesu Christi, und bei ihr wird der jetzt
verborgene Kyrios als Herr der Welt offenbar29. Die Auferstehung ist als
Überholen aller zukünftigen Zeit schon selber die Vorwegnahme der Par-
ousie, und beides ist nur eine Wirklichkeit30 und zwar eine auf sich zu-
gehende Wirklichkeit. Die Parousie ist das telos des Kosmos (cf. Röm␣ 8,19),
der im Status der Hoffnung ist (V.␣ 20) – wie wir (V.␣ 24), und dies Ziel besteht
in der Freiheit der Herrlichkeit (doxa) von aller Vergänglichkeit (V.␣ 21; cf. I
Kor␣ 15,42).
In dieser Einheit der Parousie mit der Auferstehung liegt eine bedenkens-
werte Umkehrung der Zeit. Wenn der auferweckte Herr in der Parousie
wiederkommt, heißt das: der Vergangene ist der Zukünftige; bzw. aus der
Zukunft her ist ständig gegenwärtig, was in der Vergangenheit war und dort
abgeschlossen ist31. Die Einheit von Auferstehung und Parousie gibt die le-

26 Luther behauptet ausdrücklich Christi Auferstehung und die der Toten am jüng-

sten Tag als ein und dieselbe, als eine einzige Auferstehung (cf. WA 49, 762, 32–763,
21; 764, 28).
27 I Kor␣ 15,13 u.␣ 16; cf. Pannenberg STh II, 392.
28 Ebd.
29 Cf. Künneth, aaO.␣ 255. Auch bereits für Paulus gilt die Apokalypsis des Sohnes

(Gal␣ 1,15f. u.ö.) schon als »antizipierende Enthüllung der Hoheitsstellung Jesu, die in
der bevorstehenden Parousie aller Welt offenbar gemacht werden wird« (Hoffmann,
TRE 4, 495, 42–44). Cf. auch H.W. Bartsch, zit. bei Lüdemann, aaO.␣ 145f.
30 Von einer Parousie redet auch Barth, Die Auferstehung der Toten, aaO.␣ 97. In

der KD gilt die Parousie als eigene Finalität der Auferstehung (IV/1, 361; cf. die Rede
von der ersten Parousie, aaO.␣ 367; cf.␣ 351,352).
31 Wegen der Einheit von Auferstehung und Parousie kann auch Christi Wieder-

kunft zum Gericht nicht im räumlichen Sinn eines »vom Himmel herab« und auch
nicht auf einen bestimmten Ort auf Erden fixierbar vorgestellt werden (cf. Lk␣ 17,20 –
24). Die Parousie Christi als seine endgültige Gegenwart muß mit der lebendigen
Allgegenwart Gottes zusammengedacht werden; s.u. Kap.␣ 3.2.
Von daher, daß der Vergangene als der Wiederkommende und so Gegenwärtige
geglaubt wird, ist Christi Gegenwart im Abendmahl theologisch zu begreifen, das
daher als »Auferstehungssakrament« (Künneth, aaO.␣ 176) zugleich »Wiederkunfts-
1. Auferstehung als eschatologisches Ereignis 45

bendige Ewigkeit als Aufhebung und Umkehrung der Zeit zu denken. Inso-
fern ist mit der Auferstehungswirklichkeit auch eine neue Zeit gesetzt: die
Christus-bestimmte, d.h. Ewigkeits-bestimmte Zeit, das ist die auf ihre Voll-
endung zugehende, schöpferisch aufgehobene Zeit, Zeit im Modus ihrer
ewigen Erfüllung, »Vollzeitlichkeit«32.
Damit aber ist auch eine Neubestimmung der Vergangenheit gegeben, die
der paulinischen Aussage, der Auferstandene herrsche über Lebende und Tote
(Röm␣ 14,9), ontologischen Sinn verleiht. Denn die Öffnung der Todeswelt
hin auf Gottes (im Auferweckten) kommendes Leben bewirkt auch eine
Umwertung und -polung der Vergangenheit (II Tim␣ 1,10). Als der aus Got-
tes Zukunft alle Wirklichkeit neu Bestimmende qualifiziert der lebendige
Christus auch das Vergangene neu; in diesem Sinne hat er die Schlüssel des
Hades in seiner Hand (Offb␣ 1,18; cf.␣ 2,11) und ist sein descensus ad inferos
zu deuten (I Petr␣ 3,19; Eph␣ 4,9!), der zugleich kräftiger Erweis seiner »Erhö-
hung« ist (Eph␣ 4,8–10; cf. FC IX)33. Entsprechend bedeutet der eschatologi-
sche »Augenblick« (†n üt·mw †n ØipÔö £fjalmoú), von dem Paulus I Kor␣ 15,52
spricht, die Gleichzeitigkeit der Lebenden und der schon Toten in der Auf-
erstehung; vor Gott leben sie alle34, und d.h. das Eschaton verwandelt rück-
wärts, gleichsam mit einem Schlag, auch die Vergangenheit. Insofern kommt
im descensus des Auferstandenen nur zum Ausdruck, daß für den ewigen
und lebendigen Gott nichts Vergangenes definitiv abgeschlossen ist, so daß er
dessen schöpferische Möglichkeiten hervorrufen und verwandelt aktualisie-
ren kann und so »alles neu« machen kann (cf. Offb␣ 21,4f.)35.

sakrament« (Rengstorf, aaO.␣ 158) ist. Dagegen bleibt bei Lüdemann, aaO.␣ 199, völlig
unausgemacht, wieso die Mahlpraxis »Erfahrung mit Jesus« soll sein können, wenn es
sich nicht überhaupt um zweideutige Rede handelt. Daß die »Erfahrung von der un-
eingeschränkten Gnade Gottes« zu Ostern unwiderruflich gemacht sei (cf. aaO. ebd.),
ist abstrakte kerygmatische Deutung: die Gnade wird gerade durch das Leben des Ge-
kreuzigten selber »unwiderruflich«! – Auch die bei Joh an der Stelle des letzten Mahles
stehende Fußwaschung reflektiert die dialektische Einheit von zum Vater Gehen und
heilvollem bei den Jüngern Sein, cf. Joh13, 1ff.; besonders V.␣ 1 u.␣ 3 mit 13 u.␣ 14.
32 H.W. Schmidt, Zeit und Ewigkeit, aaO.␣ 299ff. Zur näheren Ausführung s.u.

Abschnitt 2 (S.␣ 43f.).


33 Cf. die zahlreichen bildlichen Darstellungen vor allem in der byzantinischen

Kunst, die durch Christi Sprengung der Pforten der Hölle bzw. des Todesreiches
veranschaulicht, daß die Auferstehung das Abgeschlossene und Definitive der Vergan-
genheit – Herausführung Adams und Evas als Repräsentanten der vorchristlichen
Menschheit – aufgebrochen (oft sind zerbrochene Türen und Riegel bzw. Schlüssel
dargestellt!) hat und sie für die eschatologische Zukunft geöffnet ist.
34 Zu Lk␣ 20,38 s.o. S.␣ 17ff.
35 Zu Gottes schöpferischem Durchdringen der Vergangenheit in kraft seines Le-

bens cf. vom Vf. »Gott und das ewige Leben, aaO.␣ 71f. Im Gesagten ist auch die
Hoffnung einer Restitution aller Opfer der Geschichte eingeschlossen, deren W. Ben-
jamin eingedenk war: »Freilich fällt erst der erlösten Menschheit ihre Vergangenheit
vollauf zu« (Über den Begriff der Geschichte, Th. III, in: Gesammelte Schriften I/2,
694).
46 Kap. 2. Gottes eschatologisches Handeln in der Auferweckung Jesu Christi

Ist Christi Auferstehung das eschatologische Ereignis, so ist mit Christus


selbst schon der »Beginn der ewigen Lebenswirklichkeit« bzw. der »Anfang
der letzten Wirklichkeit« proleptisch gegeben36. Mit dieser Antizipation des
Zukünftigen ist aber die Verborgenheit des neuen Äons unter den Bedin-
gungen des alten verbunden, ja der Zukünftigkeit entspricht wesentlich Ver-
borgenheit. Denn das eschatologische Sein entzieht sich gegenständlicher
Fixierung: die von ihrer Antizipation in Christus auf ihr endgültiges Offen-
barwerden zugehende Wirklichkeit ist als Umkehrung der Zeit unanschau-
lich. Die Zukunft der Welt ist das Mit-sich-Zusammengehen des Perfekts der
Auferstehung, oder auch: sie ist das Auf-sich-Zurückkommen des escha-
tologischen Futurs aus seiner Vorweg-Ereignung in der Auferstehung Jesu
Christi. Darum impliziert der Glaube Hoffnung (Röm␣ 8,24)37, lebt nicht im
Schauen (II Kor␣ 5,7), sondern geht wesentlich auf Unsichtbares (Hebr␣ 11,1)38.
Auch die Begrenzung der Erscheinungen auf einige Wenige dient dazu,
Glauben möglich zu machen ( Joh␣ 20,29).
Aus dem allen folgt zunächst, daß mit der Auferstehung der eschatolo-
gische Charakter des christlichen Glaubens auf dem Spiel steht: »Die Leug-
nung des Wunders der Auferstehung ist nicht nur die Leugnung einer einzel-
nen historischen Thatsache, sondern Leugnung der ganzen prophetischen
Weltanschauung des Christenthums, die an der Auferstehung ihren lebendi-
gen Ausgangspunkt hat.«39

2. Auferstehung im eschatologischen Horizont

a. Ist mit dem im ersten Abschnitt Ausgeführten bereits dargetan, daß die
Auferweckung Jesu »kein isoliertes Wunder« ist40, so ist nun wahrzunehmen,
daß das Neue Testament die eschatologische Allgemeinheit der Auferste-
hung vielfältig und mit Nachdruck betont.
Der Apostel Paulus dankt für die Auferweckung Jesu als für den »Sieg«
schlechthin (über Sünde und Tod), den Gott uns »gegeben hat durch unseren
Herrn Jesus Christus« (I Kor␣ 15,57; Röm␣ 7,25). Daher ist das Sein des Auf-
erstandenen zugleich unser zukünftiges Sein (cf. I Kor␣ 15,49: e¢kwn␣ mit

36 Künneth aaO.␣ 53 u.␣ 68.


37 Cf. R.R. Niebuhrs Aussage über die christliche Hoffnung, die als Interpretation
der Zukunft aufgrund der Auferstehung Jesu sich gründet in der »Erkenntnis, daß die
Gegenwart auf die Zukunft durch die Gestaltung der Vergangenheit gerichtet ist«
(aaO.␣ 136).
38 Freilich nicht im platonischen Sinn! Cf. auch II Kor␣ 4,18.
39 H.L. Martensen, Die christliche Dogmatik, aaO.␣ 297 (§␣ 172). Auch für Luther

fällt mit der Auferstehung alles andere (WA 36, 605, 20 –23).
40 Graß, aaO.␣ 262.
2. Auferstehung im eschatologischen Horizont 47

Röm␣ 8, 24)41, und wir sind vor Gott schon mit Christus auferweckt und in
das »himmlische Wesen« versetzt (Eph␣ 2,6). Insofern hat die Auferstehung
ihren Sinn nicht in sich selber, sondern als Anfang eines sich fortsetzenden
und auf die Glaubenden ausgreifenden eschatologischen Geschehens (Kol␣ 3,
4!)42. Auferstehung ist ein sich selbst fortsetzendes, schöpferisches Wirklich-
keitsgeschehen. Ihre erste Wirkung ist ihr Sichtbarwerden für die Jünger,
d.h. deren Ostererfahrung, und die Erscheinungen des Auferstandenen sind
die sich kommunizierende Auferstehungsrealität und insofern selber escha-
tologisches Geschehen43. Daher gehört zu ihrem Widerfahrnis wesensmäßig
die Bitte »Bleibe bei uns, denn es will Abend werden …« (Lk␣ 24,28)44.
Weil der Sieg Christi uns, den Glaubenden, zugute kommt ( Joh␣ 10,28!),
gilt: »Christi Auferstehung wurde für das sterbliche Geschlecht der Beginn
der Auferstehung zu einem neuen Leben«45. Das gründet in dem einen Ge-
schehenszusammenhang der göttlichen Schöpfermacht (dynamis): »Gott hat
den Herrn auferweckt und wird auch uns auferwecken durch seine Dyna-
mis« (I Kor␣ 6,14; cf. II Kor␣ 4,14). Von daher ist das Auferstehungsgeschehen
vollständig erst als die Einheit von Christi und unserer Auferstehung46. Dies
grundsätzliche Einbezogenwerden der Glaubenden in die eschatologische
Wirklichkeit ist ein Implikat des Glaubens an die Auferstehung Christi selber
(I Thess␣ 4,14; 5,10).
Spezifisch als der Erstling aus den Toten (üparcfl) wurde Christus aufer-
weckt (I Kor␣ 15,20; cf. 23) – das ist der Sinn der Vorwegereignung des Escha-
ton. Damit ist noch einmal gesagt, daß die Auferstehung als ein isoliertes
Faktum als solches nicht zureichend erfaßt ist; sie wird erst begriffen in einem
einheitlichen eschatologischen Wirklichkeitszusammenhang, d.h. in Einheit
mit der wahren Wirklichkeit, die das Sein des kommenden Gottes ist. Darum
gehört es zum ontologischen Status des Auferstandenen, der »Erstgeborene
unter vielen Brüdern« zu sein (Röm␣ 8,29), die er auch »meine Brüder« nennt

41 Dies Sein schließt als Erlösung vom »Leib dieses Todes« (Röm␣ 7,24; 8,32c) die

Hoffnung auf neue Leibhaftigkeit im Geist ein (I Kor␣ 15,44).


42 Insbesondere Luther hat später in diesem Sinn das pro nobis der Auferstehung

Christi betont; cf.: »daß alles das Werk, welches Gott in Christus tut, mir geschieht, ja
mir geschenkt und gegeben sei, so daß seine Auferstehung in mir das wirke, daß ich
auch auferstehen und lebendig werde mit ihm« (WA 10/I, 2, 220, 14–16; cf.␣ 46,337,
12–338, 13). Cf. auch KD IV/1, 363.
43 »Dazu ist Christus mit seiner Auferstehung uns vorgangen und hat uns die Bane

gebrochen und den Weg gemacht, das wir jm nachfolgen söllen« (WA 49, 430, 39f.).
44 Zum Verhältnis zur Endvollendung cf. bei Lüdemann, aaO.␣ 253 A.␣ 570!
45 Gregor von Nyssa, or. catech. 25, 2. Daß die Auferstehung Christi Grund der

Auferstehung der Menschen ist, ist nach R. Staats das die altkirchliche Theologie
bewegende Thema gewesen (cf. TRE 4, 517–519).
46 Cf. wiederum Luther: erst beides zusammen ist »ein volkomene Auferstehung«

(WA 49, 396, 9f.; cf.␣ 397,30 –33). Gott »leibet Christi und unser Aufferstehung in
einander von anfang der Welt bis ans ende« (WA 49, 762, 32f.).
48 Kap. 2. Gottes eschatologisches Handeln in der Auferweckung Jesu Christi

( Joh␣ 20,17b; cf. Mt␣ 28,10). Weil er der »Erstgeborene aus den Toten« ist
(Kol␣ 1,18; cf. 15 und Offb␣ 1,5 mit Ex␣ 4,22), gibt es für uns Auferstehung nur
durch ihn. Denn nicht nur als den ersten hat Gott Jesus Christus auferweckt
(Act␣ 3,26), sondern er hat ihn eben damit zum »Anführer des Lebens« ge-
macht (Act␣ 3,15). Er ist um unsertwillen auferweckt, d.h. zu unserer Gerech-
tigkeit (Röm␣ 4,25). Der »erste aus der Auferstehung der Toten« (Act␣ 26,23)
bestimmt uns zu »Kindern der Auferstehung« (Lk␣ 20,36), wahren Kindern
Gottes (Röm␣ 8,16). Eben als der »Erstling« ist der auferstandene Christus
Inbegriff einer neuen Menschheit, die aus der Schöpfermacht Gottes in
seiner Wahrheit und Gemeinschaft lebt. Mit und in Christus fängt das (wah-
re) Leben für den Menschen erst an, so wie mit Adam Leben als Todes-
richtung (I Kor␣ 15,22 u.␣ 45).
Insofern wird die theologische Anthropologie als Begriff des Menschen
ersten und zweiten Adam nur in ihrem Zusammenhang aufstellen können
(cf. I Kor␣ 15,45–47)47, eben weil Christus als unsere (kommende) Wahrheit48
erst den Begriff von Menschsein überhaupt vollendet. Nimmt man Röm␣ 5,
12ff. nach ihrem grundsätzlichen Gewicht hinzu, so wird man sagen können,
daß christlich das Menschsein des Menschen als die (eschatologische) Ge-
schichte vom ersten zum zweiten Adam begriffen49 und so das Wesen des
Menschen überhaupt geschichtlich gedacht werden muß. Theologisch wird
der Begriff des Humanum »verflüssigt«50.

b. Nicht zufällig wird die Auferweckung an Jesus (†n tù Ihsoú) verkündigt
(Act␣ 4,2); denn eben durch den einen Christus (cf. Röm␣ 5,15–19) kommt die
Auferstehung aller Toten überhaupt (I Kor␣ 15,21), d.h. durch ihn für die
Seinen (23), weil sie in ihm lebendig gemacht werden (22)51.
In diesem Kontext ist kurz auf die Ausführungen des Paulus in I Kor␣ 15
einzugehen. Er betont, daß Christi Auferstehung nur wahr ist, wenn es über-
haupt eine Totenauferstehung gibt bzw. geben wird (13.15c u.␣ 16! cf.

47 Auch Barth betont, daß 1. und 2. Adam als »nicht zwei, sondern einer« zu denken

sind; in: Die Auferstehung der Toten, aaO.␣ 116, cf. 118.
48 Dazu cf. Barth, aaO.␣ 117.
49 Im Sinne einer o¢konom‡a e¢“ tÖn kainÖn ±njrwpon (Ign., Eph␣ 20,1); cf. Eph␣ 1,

10 u. u. Kap 5.1. Anm.␣ 35.


50 So auch Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie 2, 177, der auch

von einer »Historisierung und Prozessualisierung des griechischen Begriffs der mensch-
lichen Wesensnatur« spricht (ebd.). So wie damit der Begriff des menschlichen Selbst-
seins – durch Christus vermittelt – als objektiv im Werden zu sich gedacht werden
muß, so auch subjektiv–individuell als im Zuge der Auferstehungswirklichkeit extern
(neu) konstituiert (cf. Heim aaO.␣ 187 und Dalferth zum »Werden als Person«, aaO.
155f.). In Luthers Gedanke des Simul von Sündersein und Gerechtersein wird diese
Ausspannung des Selbstseins subjektiv und objektiv gefaßt.
51 Auch Mt␣ 27,52f. dürfte legendärer Reflex dieses Zusammenhangs von Christi

und aller Toten Auferstehung sein.


2. Auferstehung im eschatologischen Horizont 49

I␣ Thess␣ 4,14; I Petr␣ 1,21). Das schließt ein, Christi Auferstandensein ist wirk-
lich in der Kraft (und als realer Vorschein) der zukünftigen allgemeinen Auf-
erstehung. Für Paulus ist die Wirklichkeit von beidem eine Wirklichkeit52.
Darum zieht er die Folgerung: wenn die Auferstehung Christi nicht gesche-
hen ist, dann sind die Predigt und der Glaube, der auf Gottes Zukunft hofft,
vergeblich (14f. 17), und es gibt keine Erlösung in Christus (17f.). Fällt mit
Christi Auferstehung auch das Eschaton hin, ist das Leben rein diesseitig
(32b). Denn die Hoffnung auf Christus greift notwendig über dies Leben
auf das zukünftige hinaus (19); anders wären die Christen in wahnhafter
Unwahrheit befangen: »die elendsten unter allen Menschen« (ebd.).
Christus ist also als Auferweckter und Lebender der Garant für eine »le-
bendige Hoffnung« (I Petr␣ 1,3f.). Entscheidend ist in alle Ewigkeit für die
Menschheit, »daß das Haupt der Gemeinde die Herrlichkeit des ewigen Le-
bens hat«53. So ist er selber Fundament und Eckstein seiner Kirche (Eph␣ 2,20;
I Kor␣ 3,11; Act␣ 4,11), ja der »lebendige Grundstein« (I Petr␣ 2,4ff.).
Dieser Zusammenhang ist die objektive Intentionalität von Christi Sein als
lebendiger Herr: er zieht, wie Luther einmal sagt, alle Dinge mit sich54. Er ist
als Auferweckter die lebendige Verheißung: »Ich lebe und ihr sollt auch
leben« ( Joh␣ 14,19; cf.␣ 17,24). Weil Christus »die Wahrheit und das Leben« ist
( Joh␣ 14,6) und als »der Weg« den Zugang zum Vater darstellt (6b), ist er auch
»die Auferstehung und das Leben« (11, 25), d.h. für die Glaubenden Leben
aus dem Tode (25b)55 und ewiges Leben (26; cf.␣ 6,47). Als der Lebendige ist
er »euer Leben« (Kol␣ 3,4) bzw. »mir das Leben« (Phil␣ 1,21). Indem er über
Tote und Lebende herrscht (Röm␣ 14,9; cf. I Thess␣ 4,14)56, werden wir geret-
tet in seinem Leben (Röm␣ 5,10). Eben aufgrund der Auferweckung ist Chri-
stus der Kyrios (Röm␣ 10,9) und wird Gott im Auferstandenen angebetet
( Joh␣ 20,28; cf. Mt␣ 16,16f.). Das bedeutet, daß unter seiner Herrschaft nie-
mand »sich selber lebt oder stirbt« (Röm␣ 14,7), sondern für ihn, den für uns
Gestorbenen und Auferweckten (V.␣ 8; II Kor␣ 5,15). »Ihm leben«, heißt, ihm
dienen (Röm␣ 14,18) und ihm als dem Herrn »stehen oder fallen« (Röm␣ 14,
4b; cf. 10b): als dem, er einzig lebt (11) und daher Retter (10, 9) und Richter
über Lebende und Tote ist (14, 11f.; Act␣ 10,42). Christus gehören, heißt dem
52 Für Paulus gehören Auferstehung Christi und die künftige Auferstehung der
Christen »im selben Ereigniszusammenhang der Endgeschehnisse wesenhaft zusam-
men« (U. Wilckens, Ursprung und Überlieferung der Erscheinungen, in: P. Hoffmann
(Hg.), aaO.␣ 146. Auch Barth redet von dem einen Geschehen (zu I Kor␣ 15,12–19; cf.
Die Auferstehung der Toten, aaO.␣ 86f.). Zu Luther s.o. Anm.␣ 46.
53 Schlatter, Das christliche Dogma (1923), 308.
54 WA 36, 582, 21–25; cf. Joh␣ 12,32.
55 Cf. die Umkehrung: »tot zu sein, ob man gleich lebt« (I Tim␣ 5,6). Zu Joh␣ 11,25

cf. Luther WA 49, 53, 4–54, 2. Mit Christus sind wir schon im ewigen Leben (cf. WA
36, 550, 27f.; 554, 33ff.; 581, 26–28), d.h. nicht mehr im Bereich des Todes (aaO.␣ 31f.).
56 Zum Sinn von Christi Herrschaft auch über die Toten überhaupt s.o. S.␣ 35,

sowie cf. Lk␣ 20,38.


50 Kap. 2. Gottes eschatologisches Handeln in der Auferweckung Jesu Christi

Leben gehören, weil dem lebendigen Gott (I Kor␣ 3,23; 6,19), und nicht aus
sich, sondern aus ihm das Leben zu haben (Gal␣ 2,20), weil Christus der Ge-
storbene selber nur Gott lebt (Röm␣ 6,10f. u.␣ 7,4), und daher nicht mehr
stirbt (6,9), da der Tod keine Macht über ihn hat.
Wer in Christus ist, der ist in der wahren Wirklichkeit: eine neue Kreatur
(II Kor␣ 5,17), denn er hat ontologisch Christus als den neuen Menschen
»angezogen« (Kol␣ 3,9f.). »In« Christus sein, heißt aber nur, ihm als dem Auf-
erstandenen gehören (I Kor␣ 3,23; Röm␣ 7,4), indem man in der Gemein-
schaft seiner Leiden und seines Todes ihn erkennt und damit die Kraft (Dy-
namis) seiner Auferstehung erfährt (Phil␣ 3,10f.; cf. Eph␣ 3,20). Damit aber ist
Christus durch den Glauben »in« denen, die im Glauben »in« ihm sind
(Gal␣ 2,20; Phil␣ 1,21), und diese haben durch Christus Anteil am Leben der
Ewigkeit (Röm␣ 8,11; I Kor␣ 15,22), so daß sie ewig im Leben bleiben und das
Leben in ihnen57.
Diese enge eschatologische Gemeinschaft ist ein Mit-sein mit Christi
Lebensbewegung: unser Mitleiden mit ihm wird auch ein Mitverherrlicht-
werden (Röm␣ 8,17; Kol␣ 3,4), unser Mitgekreuzigtwerden (Röm␣ 6,6; Gal␣ 2,19;
cf. II Kor␣ 13,4) auch ein Mitauferstehen (Röm␣ 6,5; II Kor␣ 4,14; Eph␣ 2,6;
Kol␣ 2,12; 3,1), unser Mitsterben (Röm␣ 6,5 u.␣ 8; II Kor␣ 4,11; Eph␣ 2,5; II Tim
2,10) auch ein Mit-ihm-Leben (Röm␣ 6,8; Gal␣ 2,20; II Kor␣ 4,11; 13,4;
Eph␣ 2,5; II Tim␣ 2,11) und unser Mitbegrabenwerden (Röm␣ 6,4; Kol␣ 2,12)
auch ein zu neuem Leben Gelangen (Röm␣ 6,4)58. So sind die Glaubenden in
allem »Miterben Christi« (Röm␣ 8,17). Denn der Glaube als Versetztsein in
Christus ist ein Hineingezogenwerden in die eschatologische Auferstehungs-
wirklichkeit, die auf uns wartet (cf. II Kor␣ 5,1f. u. Phil␣ 3,20; Kol␣ 1,13; cf.
Joh␣ 12,32). Darum sind die an Christus Glaubenden diejenigen, die »die
Kräfte der zukünftigen Welt« geschmeckt haben (Hebr␣ 6,5), eine eschato-
logische Gemeinschaft, die die Pforten der Hölle nicht überwältigen werden
(Mt␣ 16,18)59.
Das Hineingenommenwerden in die Bewegung auf die endgültige Zu-
kunft vermittelt sich durch das Wort (der Verkündigung) (Hebr␣ 6,5)60, und

57 Cf. WA 36, 685, 34–36.


58 Von Luther im Kleinen Katechismus zitiert (4. Hauptstück; BSLK 517, 3ff.).
59 Weil Christus unser Haupt »hindurch« ist, sind wir es mit ihm (WA 36, 526, 17–

19; 548, 14–16; 567, 23f.). Luther sagt drastisch immer wieder, mehr als die Hälfte von
uns sei daher schon ins Auferstehungsleben hinübergezogen, cf. WA 36, 547, 36f.;
549, 13; 581, 21–25; 563, 17f.; 580, 36f.).
60 Von hier aus ist zu verstehen, daß bei Theologen wie Bultmann, Hirsch, Fuchs

u.a. so etwas wie eine Auferstehung ins Wort in den Vordergrund tritt; cf. Wilckens,
Auferstehung, aaO.␣ 158. Auch Luther kennt einen innigen Zusammenhang von Auf-
erstehung und Auferstehungsverkündigung (s.u. Kap.␣ 3.1. Anm.␣ 104). Ebenso wie für
Bultmann gilt, daß als historisches Ereignis nur der Osterglaube der ersten Jünger
faßbar ist (Neues Testament und Mythologie. Das Problem der Entmythologisierung
der neutestamentlichen Verkündigung. Nachdruck München 1985 (hg. von E. Jüngel),
2. Auferstehung im eschatologischen Horizont 51

den glaubenden Hörern des Wortes geht es wie den Toten, die durch das
schöpferische Wort zum Leben erweckt werden ( Joh␣ 5,24f.; 6,47)61.
Diese Teilhabe im Glauben äußert sich hier als Verwandeltwerden in das
Bild des Kyrios (II Kor␣ 3,18), das wir dort in Ewigkeit tragen werden (I␣ Kor
15,49). Denn wie wir zur Gleichgestalt mit dem Bilde des Gottessohnes
bestimmt sind (Röm␣ 8,29), so auch zum Bilde seiner Auferstehung (Röm␣ 6,
5). Konkret vollzieht sich dies Anteilbekommen in der Taufe als Einbezogen-
werden in die Gemeinschaft des Lebens Christi (cf. Röm␣ 6,3ff.; I Kor␣ 12,13;
Gal␣ 3,27; Kol␣ 2,12) und im Abendmahl als Teilgewinnen an seinem Leib
(I␣ Kor␣ 10,16f.). Und es wird als ein »dem Herrn Leben« lebenslang eingeübt
in der Buße als einer met›noia e¢“ zwfln (Act␣ 11,18; cf.␣ 13,48), die sich – im
Sinne der ersten von Luthers 95 Thesen – täglich im Austragen des peccator
in re, iustus in spe erweist und als solche »vorausblickt auf die Auferweckung
der Toten«62. Paulus hat dies »dem Herrn Leben« z.B. Röm␣ 14,4ff. ethisch
konkretisiert. Seine Paraklese sollte (statt im klischeehaften Schema von In-
dikativ und Imperativ) aus dem Zugleich von noch im alten, todverfallenen
Leben Sein und doch schon im Glauben auf das neue Leben in Ewigkeit
Zugehen begriffen werden. Mit Christus zu leben, ist wegen bleibender
Sünde stets noch immer ein mit Christus sterben Müssen, d.h. aber ein Sein
im eschatologischen Widerspruch, wie ihn Luthers »Simul« festhält.
Unser wahres Leben ist noch »verborgen mit Christus in Gott« (Kol␣ 3,3),
da noch nicht erschienen ist, was wir sein werden (I Joh␣ 3,2a)63. Es geht aber
auf seine endgültige Offenbarung zu: in der Doxa ihm gleich zu sein (I␣ Joh
3,2b; Kol␣ 3,4). Glaube ist insofern Unterwegssein auf dem »lebendigen
Wege« (Hebr␣ 10,19) durch Teilhabe am Perfekt des Christusereignisses als
Grund künftiger Vollendung und in kraft von Gottes Auferstehungsenergie
(Kol␣ 2,12)64. Die »kommende Herrlichkeit«, die an uns offenbart werden soll
(Röm␣ 8,19), ist unser unvergängliches Erbe (I Petr 1,4).

61) und daß der Auferstehungsglaube nichts anderes ist als der Glaube an das Kreuz als
Heilsereignis (aaO.␣ 60f.), ebenso gilt für ihn konsequent, daß der Auferstandene uns
nur im Wort der Verkündigung und nirgends anders begegnet (aaO.␣ 63 u.␣ 61). Das hat
pointierten Ausdruck in der Formel gefunden, Christus sei »ins Kerygma auferstan-
den« (Das Verhältnis der urchristlichen Christusbotschaft zum historischen Jesus, in:
Exegetica, Tübingen 1967, 469), cf. auch u. Anm.␣ 71 und Kap.␣ 3.1. Anm.␣ 119 u.
Kap.␣ 7. Anm.␣ 15.
61 Cf. zu Luthers Auslegung von Jes␣ 26,19 o. S.␣ 19 u. u. Anm.␣ 113.
62 Cf Joest, Dogmatik, 2. Bd. aaO.␣ 482 mit Anm.␣ 6.
63 Cf. zum homo absconditus bei Ebeling, Dogmatik des christlichen Glaubens II,

aaO.␣ 246.
64 Cf. Luther in einem Brief an Fr. Myconius vom 9.1.1541 über diese Teilhabe

der Christen: qui iam conresuscitati, convivificati, concollocati cum Christo in cele-
stibus … ita, ut nihil restet nisi amotio velaminis et enigmatis (WA Br. 9, 303, 9–11).
Daß das wahre Leben noch nicht da ist, aber täglich angeht und fortschreitet, dazu cf.
WA 36, 580, 35f.
52 Kap. 2. Gottes eschatologisches Handeln in der Auferweckung Jesu Christi

Wird so die eschatologische Allgemeinheit von Ostern im Neuen Testa-


ment theologisch reflektiert, so hat die Urchristenheit auch dadurch von der
Auferstehung den Anschein eines isolierten Wunders ferngehalten, daß sie es
von der Heiligen Schrift alten Bundes schon geweissagt und vorangekündigt
bzw. in ihr vorabgebildet fand65. Damit wird die Auferstehung Jesu Christi in
einen heilsgeschichtlichen Zusammenhang gerückt, den sie selber allerdings
auch erst rückwärts erschließt66. Das kommt im Neuen Testament so zum
Ausdruck, daß nach dem Osterkerygma der Auferstandene selber es ist, der
diese Art von Schriftauslegung begründet (Lk␣ 24,25–27. 32 u.␣ 44ff.) und
durch die »Öffnung der Schriften« in den Evangelien deren eigene Konzep-
tion legitimiert, da diese ja ganz von Ostern her geschrieben sind67. Die
eschatologische Geschichte der Auferstehung geht demnach nicht nur auf
die endgültige Zukunft zu, deren Vorschein sie ist, sondern hat ihrerseits eine
vorabbildende Geschichte in der Offenbarungsurkunde der alttestamentli-
chen Heilsgeschichte sich vorausgesetzt.
c. Das im Vorhergehenden biblisch veranschaulichte Verhältnis von Einzel-
heit und Allgemeinheit der Auferstehung Jesu Christi als eines eschatologi-
schen Ereignisses ist noch auf seine systematische Bedeutung hin zu erläu-
tern.
Deutlich wurde, daß Jesus – mit Luther zu sprechen – nicht als persona
privata, sondern als persona publica auferstanden ist68, d.h. eben als der Chri-
stus, als Bringer des Gottesreiches für alle Menschen. Darin ist zunächst im-
pliziert, daß es von Gott her kein Zufall oder nur kontingenter Akt ist, daß er
diesen bestimmten Menschen mit seiner Botschaft und seiner Geschichte
auferweckt hat und nicht irgendeinen Beliebigen. Vielmehr ist es in Gottes
Handeln selber als seinem Handeln mit dieser Welt tief begründet, daß er
den in Israel Gekreuzigten auferweckt hat. Es handelt sich bei der Auferste-
hung also nicht um eine pure Machtdemonstration Gottes (als Beweis einer
abstrakt vorgestellten »Allmacht«), sondern um einen Sachverhalt, der seine
konkrete Wirklichkeit allein im Sinn- und Geschehenszusammenhang gött-

65 Cf. dazu mit einer Fülle von Stellenbelegen Graß, aaO.␣ 262.
66 Wird heute historisch festgestellt, daß Jesu Auferweckung »ein völlig neues
Schriftverständnis mit sich gebracht hat« (Rengstorf, aaO.␣ 143), so hat systematisch
bereits Luther die Eröffnung des klaren Schriftsinns darauf zurückgeführt, daß mit der
Auferstehung »der Stein vom Grab weggewälzt« sei (cf. WA 18, 606, 24–28).
67 Cf. dazu Graß, aaO.␣ 37, 40, 92 u.␣ 252.
68 Christus ist auferweckt als maxima persona (WA 49, 99, 34), darum nicht allein

für seine Person, sondern für die aller Menschen (cf. WA 40/I, 443; 36, 546, 27; 565,
22–24; cf. auch 34/I, 450 –452). Für diese hat daher die Auferstehung schon begon-
nen, ja ist mehr als zur Hälfte schon geschehen: WA 36, 547ff. (primitiae nostrae sthet
oben, mea resurrectio incepta, 549, 6), 562f. u.ö.; cf. auch 161, 32–162, 4. Es geht also
nicht um eine privata resurrectio, sondern um die »gemeine aufferstehung« (WA 36,
565, 22f.). Cf. Ebeling, aaO. II, 323ff.
2. Auferstehung im eschatologischen Horizont 53

licher Zuwendung zur gefallenen Menschheit und von Gottes an seinem


Volk Israel bewiesener Treue zu seiner Schöpfung von Anfang bis zur Voll-
endung hat. Man kann das auch als den Offenbarungskontext der Auf-
erstehung beschreiben, insofern von Jesus Christus als dem Auferstandenen
spezifisch gilt, daß er »durch Gott selbst vor allen anderen als derjenige aus-
gezeichnet (wurde), der Gottes Wesen letztgültig, irreversibel und unüber-
bietbar wahr zum Ausdruck brachte«69 – nämlich in der eschatologischen
Bewahrheitung seiner irdischen Geschichte.
Die eschatologische Spannung von Schon (Antizipation) und Noch-nicht
(Vollendung), die sich darin ausdrückt, daß z.B. für Paulus die Bedeutung der
Einzelauferstehung Jesu nur im Horizont der jüdisch-apokalyptischen Vor-
stellung von einer allgemeinen Totenauferstehung am Ende der Zeiten arti-
kulierbar war (cf. I Kor␣ 15,12ff.), reflektiert das Verhältnis von Einzelheit und
Allgemeinheit im göttlichen Handeln70. (Als vorweggenommenes Eschaton
entspricht die Auferstehung auch noch einmal der Menschwerdung.) Für
uns ist das Ereignis der Auferstehung (als Auferweckung Jesu allein) als Han-
deln Gottes ein zunächst singuläres Geschehen, das doch für Gott schon die
allgemeine Realität aller Menschen (bzw. Glaubenden) in Christus ist (end-
zeitliche Auferstehung aller). Der Glaube an Christi Auferstehung ist dem-
nach der Ort, an dem die eschatologische Realität (das für Gott schon real
Sein) des göttlichen Auferstehungshandelns wahrgenommen wird bzw. (unter
zeitlich-empirischen Bedingungen) partiell zur Auswirkung kommt
(üparcfl␣ I Kor␣ 15,20). Insofern ist jeder Glaubende eine Antizipation der
eschatologischen Wirklichkeit ewigen Lebens in der Zeit, und Glaube ist
selber ein Moment im sich verwirklichenden Eschaton. Denn für den Glau-
ben (im Glauben) ist die Neubestimmung Gottes durch sein Auferstehungs-
handeln als Qualität seiner verborgenen Allgegenwart schon da: er lebt von
dem Leben, das als das ewige Leben an Christus schon erschienen ist71.
69 Dalferth, aaO.␣ 28.
70 Überhaupt steht auch alles Reden von Gott in der Spannung zwischen Be-
stimmtheit und Vereinzelung Gottes, sofern er Gegenstand solchen Redens ist, und
der schlechthinnigen Allgemeinheit, die zum Begriff dieses »Gegenstands« gehört
(und die eigentlich mit dem Wort »Gott« gemeint ist). Die empirische Unauflösbar-
keit dieser Spannung – zwischen der Konkretheit und der Universalität des Gottes-
gedankens – gibt allem Reden von Gott eine eschatologische Richtung mit, sofern
diese Spannung für Gott selber so nicht besteht und auch für uns als durch ihn selbst
zur Auflösung bestimmt gedacht werden muß. Gottes (verborgene) Allgegenwart ist
insofern ein eschatologischer Begriff (cf. I Kor␣ 15,28). – Kaum überzeugend ist die
These von Hirsch, daß die Verknüpfung von Jesu Auferstehung und allgemeiner leib-
licher Auferstehung nachträglich erfolgt sei (aaO.␣ 52 u.␣ 55f.).
71 Von daher wird ebenso verständlich, inwiefern es zu Auferstehungstheologien

kommen kann, die »Auferstehung« sogar primär als Geschehen am Glauben verstehen
(cf. Hirsch, Bultmann, J. Becker), aber auch inwiefern das Wahrheitsmoment, das
solche (»entmythologisierende«) Auffassung in der Sache selber besitzt, dabei zugleich
nur auf theologisch einseitige Weise Berücksichtigung finden kann. Die in der Tat
54 Kap. 2. Gottes eschatologisches Handeln in der Auferweckung Jesu Christi

Freilich muß man sehen, daß in der zeitlichen Spannung zwischen dem
»Erstling« und dem »einst auch wir« (I Kor␣ 15,20ff.) für die ihn bekennenden
Jünger eine enorme Zerreißprobe des Wirklichkeitsverständnisses enthalten
ist. (Darauf hat besonders Dalferth aufmerksam gemacht.) Denn zum einen
zerbrach die Einheit des allgemeinen Erfahrungszusammenhangs, für den die
Disjunktion tot – lebendig unaufhebbar ist72. Zum andern drohte damit auch
die eigene Identität der Erfahrungssubjekte sich aufzulösen73. Allein der Ge-
danke der Antizipation, daß mit Jesu Auferstehung das Kommen der neuen
Welt schon beginnt bzw. begonnen hat, vermag dies fundamentale Kon-
sistenzproblem zu lösen – freilich mit entsprechenden Folgebestimmungen
für das Verständnis von Ewigkeit einerseits, menschlicher Wirklichkeit ande-
rerseits (Verflüssigung des Menschseins bzw. Externkonstitution menschli-
cher Identität).
Man kann das genannte Problem auch so beschreiben: die geschilderte
eschatologische »Aufspannung der Zeit«74 hängt sowohl mit der Bestimmt-
heit des göttlichen Handelns (als Handeln; cf. Christus als »Erstling«) wie auch
der Universalität dieses Handelns (als eines Gottes; cf. allgemeine Totenauf-
erstehung) zusammen. Das besagt: unter den Bedingungen der Zeit stellt sich
das ewige Handeln Gottes als Entzweiung – Dalferth nennt das »interne
Zeitstruktur«75 – in Beginn (Antizipation) und Vollendung, d.h. als Werden
zu sich dar76. Der Bestimmtheit entspricht der perfektische Charakter dieses
Handelns Gottes (†f›paz, Röm␣ 6,10; Hebr␣ 7,27; 9,12), seiner Universalität

wesentliche Beziehung des Sachverhalts »Auferstehung« auf den Glauben muß theo-
logisch selber, soll sie sich nicht in sich – in transzendentalistischer Reduktion – ab-
schließen, vom eschatologischen Handeln Gottes her (in einem realistischen Sinn
verstanden) begriffen werden. Auch Luther beschreibt »Glauben« als Weiterwirken
der Auferstehung (in uns): WA 27, 126, 10 –23 (Z.␣ 21 lies: fides!); cf. u. Kap.␣ 7.
72 Der Begriff »Auferweckung« steht für die Überwindung dieser Disjunktion in

Gott; cf. Dalferth, aaO.␣ 69f. Ist Auferweckung daher kein bloß innerweltliches Ge-
schehen, so doch auch wieder nicht ein ausschließlich nicht-innerweltliches, wie Dal-
ferth möchte (cf. aaO.␣ 79f.). »Auferweckung« steht gerade dafür, daß, was in Gott
geschieht, zugleich innerweltlich bzw. an der Welt manifestiert wird. Zum Wider-
spruch von Kontinuität und Diskontinuität beim Gekreuzigten und Auferstandenen
cf. auch Moltmann, Theologie der Hoffnung, aaO.␣ 180.
73 Dalferth, aaO. 67.
74 AaO. 76.
75 Ebd. Es fragt sich allerdings: Struktur wessen?
76 Cf. dazu Luther: Opera dei non sunt perfecta, donec ad perfectionem perveniant

(WA 24, 20, 6f.). Das wird ausführlicher im Vergleich mit dem Reifen des Embryos im
Mutterleib erläutert und die Spannung zwischen Gottes vollkommen Erschaffen und
für uns noch nicht vollkommen Sein so aufgelöst: »Drumb verstehe es also: wenn es
Gott ausgericht und volendet hat, sind seine werck wol volkomen, aber weil [=␣ wäh-
rend] er noch das werck für yhm hat und daran machet, so ist es nicht volkomen. Nu
ist es also für unsern augen, das er ymmerdar macht und schaffet … Also ist auch Gottes
werck nicht ehe volkomen denn wenn es gemacht ist« (aaO. Z.␣ 23–29; cf.␣ 25,19f.).
3. Der handelnde Gott 55

der eschatologische Charakter im Ganzen77. Zwischen beiden Momenten


vermitteln (zeitlich strukturierte, d.h. aufgrund des Perfektums zukunfts-
orientierte) »Vollzugsformen«78, d.h. Gottes konkretes glaubenerweckendes
Handeln. So bekommt die Relation Wort und Glaube, zumal als Auferste-
hungsverkündigung, ihren Ort in einem eschatologischen »Zwischen den
Zeiten«, d.h. ontologisch den Status des Aufsichzugehens der Vollendung,
inhaltlich: der Realisierung des in Christi Auferstehung Antizipierten.

3. Der handelnde Gott

»Warum wird das bei euch für unglaublich erachtet, daß Gott Tote aufer-
weckt?«- so wird bereits im NT gefragt (Act␣ 26,8; cf.␣ 17,18). Die bloße Be-
rufung auf Gottes Allmacht79 ist freilich zu abstrakt – so wenig sie an sich
falsch ist –, um die sehr formale Frage sinnvoll zu beantworten, ob Gott so
etwas »kann«. Eine konkrete theologische Antwort muß versuchen, Aussa-
gen darüber zu machen, was das Auferstehungshandeln über Gott selber
besagt und wie es im Zusammenhang seines Seins zu denken ist80.
Das NT sagt die Auferweckung Jesu Christi eindeutig und unüberhörbar
als ein spezifisches Handeln Gottes aus, als actio divina (cf. Act␣ 2,32f. 36;
3,26; 5,30f.; Röm␣ 4,24; Gal␣ 1,1; Eph␣ 1,20; Phil␣ 2,9; II Kor␣ 4,14; I Thess␣ 1,10
u.ö.). Insofern ist Auferweckung ein theozentrischer Begriff 81; denn Gott
handelt in Kreuz und Auferstehung Jesu Christi wie als Schöpfer (Röm␣ 4,17),
so auch als Versöhner (Röm␣ 4,5) und als Vollender (Röm␣ 4,17)82.
Die Auferweckungstat Gottes und die Auferstehung Jesu Christi sind in
der Tat Gottes letztgültiges Ja zum Leben und zur Schöpfung, ein Ja, das
gerade am Tod und über ihn (als den »letzten Feind« I Kor␣ 15,26) hinaus
ergeht, so daß dieser zum Durchgang eines aus Gott quellenden Lebens und
dahinein »verschlungen« wird (I Kor␣ 15,54). Aber dies Ja zum Gekreuzigten

77 Zur Entzweiung der Welt in alt und neu cf. Dalferth, aaO.␣ 79.
78 Dalferth, ebd.
79 Sie findet sich schon bei dem frühchristlichen Apologeten Justin (Apol. I, 18,␣ 6:

Mt 19, 26).
80 Dasselbe gilt auch für theologische Formulierungen wie: Gott »bekennt sich« in

der Auferweckung zu Jesus (Althaus, aaO.␣ 54) oder Gott habe sich mit dem toten
Jesus »identifiziert« ( Jüngel, Tod, aaO.␣ 137; Gott als Geheimnis der Welt, aaO.␣ 297ff.,
446ff., 495ff. u.ö. Es geht hier nicht primär um die Frage, ob so etwas tatsächlich und
wie es erfahrbar sei, sondern wie es überhaupt theologisch denkbar ist.
81 Künneth, aaO.␣ 111 u.ö. Auch Rengstorf z.B. betont unter Hinweis auf Act␣ 2,24,

daß der Skopus von Ostern sei: Gott hat gehandelt! (aaO.␣ 32f.). Cf. auch, wie Paulus
Glauben an Gott bestimmt als Glauben an den, der »unsern Herrn Jesus von den
Toten erweckt hat« (Röm␣ 4,24; cf. II Kor␣ 4,14).
82 Dalferth, aaO.␣ 164.
56 Kap. 2. Gottes eschatologisches Handeln in der Auferweckung Jesu Christi

muß eben als ein Vorgang, als ein Geschehen auch in Gott begriffen wer-
den83, als Ja Gottes auch zu sich selber.
Die Auferweckung kommt als die eschatologische Tat der Neuschöpfung
aus der schöpferischen Tiefe von Gottes Leben selbst (I Kor␣ 2,9). Daher wird
sie von Paulus mit der Schöpfermacht Gottes, die aus dem Nichts das Seiende
ruft, in Verbindung gebracht: Gott ist der Lebendigmachende (zwopoioún)
schlechthin in beidem, der Schöpfung und der Totenauferweckung (Röm␣ 4,
17)84. In diesem Zusammenhang wird er auch als der geglaubt, der unsern
Herrn Jesus von den Toten auferweckt hat (Röm␣ 4,2f.; cf. II Kor␣ 1,9). Glau-
ben ist ein Vertrauen auf den schöpferisch lebendigen Gott.
Als schöpferisch Lebendiger ist Gott Geist, und sein Lebendigmachen von
den Toten geschieht durch die Kraft seines Geistes (Röm␣ 8,11), als durch
seine göttliche dynamis (I Kor␣ 6,14; Phil␣ 3,10) und die Energeia »der Kraft
seiner Stärke« (Eph␣ 1,19; Kol␣ 2,12), wie sie sich besonders in Christi Aufer-
weckung und Erhöhung erweist. Letztlich geht es dabei um die wirksame
Macht seiner doxa (»Herrlichkeit«: Röm␣ 6,4; cf. I Petr␣ 1,21), die sich in gött-
licher Schöpfervollmacht gerade am Leiden beweist (I Petr␣ 1,11; cf. Joh␣ 12,
23).
Indem Christus durch die Dynamik von »Gottes gewalt« (WA 26, 331)
auferweckt worden ist, ist er auch in kraft dieser dynamis der Kommende
(II␣ Kor␣ 4,14). Wie er durch sie mit der Auferstehung als Sohn Gottes einge-
setzt wird (Röm␣ 1,4)85, so ist er selber als Auferstandener die d‚nami“ jeoú
(I␣ Kor␣ 1,24), aus der und in der er lebt, wie auch wir es werden (II Kor␣ 13,4).
Die dynamis seiner Auferstehung trägt uns aber auch durch die Gemein-
schaft seiner Leiden und in der Gleichgestalt seines Todes (Phil␣ 3,10). Im
Grunde ist dieselbe dynamis wie bei der Auferstehung auch am Glauben
wirksam, denn das Evangelium, das in der Auferstehung Christi gründet, ist
selber die d‚nami“ jeoú – uns zur Rettung (Röm␣ 1,16; I Kor␣ 1,18). Daher
gilt von den Evangelien: spirant resurrectionem (Bengel)86.
In solcher dynamis äußert sich die spezifische Lebendigkeit Gottes. Genau
die Kraft, mit der Gott sich in der Menschwerdung entäußert hat, ist das Maß
der Kraft, mit der er die Einheit seines Lebens wiederherstellt bzw. bewahrt.
Im selben Grade, wie Gott sich bei der Menschwerdung von sich und in sich
entzweit, setzt er zugleich auch seine Einheit mit sich durch. Insofern ist die
dynamis der Menschwerdung schon die Macht der Endvollendung, und die
Macht der Auferweckung ist die Macht von Gottes Leben, schließlich alles in
allem zu sein (I Kor␣ 15,28). Die Kraft der Auferweckung ist daher auch
schon die Kraft der endgültigen Wiederkunft Christi. Dergestalt ist die Macht

83 Cf. Ebeling, aaO.␣ 308.


84 Genauer dazu s.u. S.␣ 119ff.
85 Cf. dazu genauer u. Kap.␣ 6.2., Anm.␣ 66.
86 Zit. nach Barth, KD IV/2, 147.
3. Der handelnde Gott 57

der Neugeburt der Welt (Act␣ 2,24; Röm␣ 8,18ff.) nichts anderes als die Dyna-
mik des Gottseins Gottes87. Weil zu dieser Lebendigkeit Gottes Selbstent-
äußerung und Selbstrestitution gehören, ist die dynamis theou von einer
eigentümlichen Dialektik von Positivität und Negativität geprägt, die später
genauer zu bedenken ist88. Sie zu begreifen, ist menschlichem Sinn schwer,
und daher verkennt man die dynamis Gottes so leicht (Mt␣ 22,29)89.
Aus diesen Zusammenhängen geht hervor: Die Macht Gottes, vom Tode
aufzuerwecken, muß als die göttliche Macht gedacht werden, überhaupt
Leben zu schaffen (cf. Ps␣ 104,30 u. Ez␣ 37,5) und d.h. überhaupt etwas zu
schaffen90. Gottes schöpferisches Handeln geschieht auch in der Auferste-
hung durch die Weitergabe seines inneren unendlichen Lebens91 in kraft des
Geistes (Röm␣ 8,11).
Die Auferweckung Jesu ist ein (auch geschichtlich) neues Handeln Gottes,
und es beinhaltet das Neue schlechthin92, auch darin, daß es schöpferisch
gerade vom Kreuz ausgeht93. Denn wegen der Auferstehung Christi wird sein
Tod als das Heil verkündet (I Kor␣ 11,26). Aber dies neue Handeln hängt so
eng mit Gott zusammen, daß es sein eigenes Leben betrifft. Freilich muß
Gottes Sein, weil er der Lebendige schlechthin ist, überhaupt als Handeln

87 Daß es bei der Auferstehung um Gottes Gottheit geht, betont Luther immer

wieder (cf. WA 36, 527, 38f.; 529, 38f.).


88 Cf. zum Leben Gottes u.␣ 150ff. u.␣ 162ff.
89 Zur Auslegung dieser Perikope s.o. Kap.␣ 1.
90 Cf. u. S.␣ 150.
91 Genauer dazu Kap.␣ 6.2. Alles Schaffen und Neuschaffen Gottes vollzieht sich als

Teilnehmenlassen an seinem Sein: et inplet ea, quia inplendo ea fecit ea (Augustin,


Conf. IV, 9, 14).
92 Von diesem eschatologischen Novum, das nicht nur weltgeschichtlich neu, son-

dern auch das Neue für die Welt und ihre Geschichte ist, spricht Paulus I Kor␣ 2,9! (cf.
dazu Bloch, Das Prinzip Hoffnung (Bd.␣ 3), aaO.␣ 1407 u.ö.). Dabei ist auch historisch
zu berücksichtigen: »Die Auferstehung Christi von den Toten ist in der Religionsge-
schichte analogielos, aber die apokalyptische Weltverwandlung zu einem noch völlig
Unvorhandenen findet außerhalb der Bibel nicht einmal eine Andeutung« (Bloch,
aaO.␣ 1504). Anders Lüdemann, aaO.␣ 194; cf. auch die folgende Anm.
93 Daher ist unbedingt festzuhalten, daß die Auferstehung nicht das individuelle

Schicksal eines beliebigen Menschen betrifft – und als solches das Neue wäre –, son-
dern eine objektive Bedeutung hat für die Geschichte der Welt, ja mit Jesu Tod
zusammen deren Wendepunkt ist, und zugleich ein Ereignis auch von kosmischer
Bedeutung (cf. Stange, Die Auferstehung Jesu, in: ZSTh 1 (1923), 734f.). Als dies
religiös schlechthin Neue wurde das Ereignis der Auferstehung von den Jüngern
erfahren, und insofern bestimmt auch ihre Perspektive entscheidend mit, als was dies
Ereignis erfahren wird (gegen Lüdemann). Es gilt hier, richtig zu gewichten: »Man
darf die Frage nicht so stellen: wie konnten die Jünger zum Glauben an die Wieder-
belebung ihres gestorbenen Meisters kommen? Die Frage muß vielmehr viel präziser
lauten: Wie konnten die Jünger zu dem Glauben kommen, daß der Lebensausgang
Jesu eine weltgeschichtliche Bedeutung habe?« (Stange, aaO.␣ 735). Nur auf diese Weise
wird man die unbedingte Singularität des Glaubens an die Auferstehung und das
damit verbundene Sendungsbewußtsein historisch angemessen würdigen können.
58 Kap. 2. Gottes eschatologisches Handeln in der Auferweckung Jesu Christi

bzw. darf Handeln Gottes94 nicht als kontingentes, einzelnes Tun, sondern
muß als Vollzug seines ewigen Lebens gedacht werden95. Das kann hier noch
nicht näher ausgeführt werden96; deutlich ist aber, daß Gottes handelnde
Lebendigkeit bzw. sein schöpferisch-lebendiges Handeln als dynamische Ein-
heit von Einheit und (interner) Differenz bestimmt werden muß. So redet
auch Dalferth97 von dem »einheitlichen und in sich differenzierten Hand-
lungsvollzug« göttlicher Lebendigkeit. Statt einer dualen Ontologie von
Ewigkeit und Zeit bzw. Gott und Mensch verpflichtet zu sein, ist eine in sich
differenzierte Einheit bzw. eine Differenz zu denken, in der sich Einheit
lebendig ausarbeitet. Damit aber ist in die Kontinuität göttlichen Seins im-
mer auch schon Negativität eingeschrieben.
Weil lebenschaffendes Leben zu Gottes Sein gehört, ist eine Auferwek-
kung von den Toten wesentlich nur als göttliches Handeln zu verstehen98.
Darum ist theologisch grundlegend von der Auferstehung zu sagen: hier hat
Gott selber und wesentlich allein gehandelt99. Und weil die Auferweckung
Jesu exklusiv göttliches Handeln ist, darum sind die Erscheinungen des Auf-
erstandenen ein wirkliches und unverfügbares Widerfahrnis gewesen, das
Zweifel und Unglaube auch der Jünger vollmächtig überwinden konnte (cf.
Mt␣ 28,17; Joh␣ 20,28), und nicht etwa nur subjektive Phantasie, die dem Be-
wußtsein der Jünger entsprang, oder ein Sichdurchhalten des Glaubens in
kraft übermächtiger Erinnerung o.ä.100. Weil dies durch den lebendigen Gott

94 Zu diesem Begriff cf. auch Graß, aaO.␣ 243ff. u.␣ 326 (Realitätsgrund).
95 Cf. Dalferth, aaO.␣ 203 u.␣ 208 sowie meinen o. Einl. Anm.␣ 11 genannten Auf-
satz. Dalferth bestimmt Gottes Leben als »ursprüngliche Selbsttätigkeit oder ursprüng-
liches Handeln«, sein Sein also als ein Tätigsein (aaO.␣ 228). Schon Ph. Marheineke hat
formuliert: »Die freie Bewegung Gottes aus sich ist das reinste Handeln, dieses aber
ohne Unterschied von seinem Sein« (Die Grundlehren der christlichen Dogmatik als
Wissenschaft. 2. Auflage, 1827, 112 (§␣ 192)). Bei Barth heißt es dann zugespitzt: »Gott
ist, der er ist, in der Tat seiner Offenbarung« (KD II/1, 288, Leitsatz) und grundsätz-
lich: »Gott ist in seiner Tat« (aaO.␣ 305). An Marheineke erinnert Barths Rede von
Gottes Sein als »das durch sich selbst bewegte Sein« (aaO.␣ 301), cf. zu Barths Bestim-
mung von Gottes Sein als Tätigsein, den o. Einl. Anm.␣ 10 genannten Aufsatz von
U.H.J. Körtner, aaO.␣ 21ff.
96 S.u. Kap.␣ 6.2. u.␣ 3.
97 AaO.␣ 279; für den folgenden Satz cf. ebd. 152.
98 Cf. vom Vf. »Gott und das ewige Leben«, aaO., wie o. Einl Anm.␣ 13, 52, 55 u.ö.
99 Dies theologische Selbstverständnis der Auferstehungstexte nicht zu berücksich-

tigen (d.h. es entweder auszuklammern oder religionskritisch zu reduzieren), spricht


schon historisch gegen Lüdemanns Analyse dieser Texte (s.u. Anm.␣ 129).
100 Gegen Bultmanns bekannte existenzielle Engführung führt R.R. Niebuhr zu

Recht ins Feld: »Wie könnte die Kirche oder wie könnten gar einzelne Christen
hoffen, von Gottes Handeln zu sprechen, wenn es nichts für sie gäbe, auf das sie
hinweisen könnten, außer dem Wunder der Gegenwart des Glaubens in ihren Her-
zen? … Ohne eine historische Basis [d.i. Kreuzigung und Auferstehung als historisches
Handeln Gottes und so Ursprung der Kirche] ist der existenzielle »Christus des Glau-
bens« eine unaussprechliche Erfahrung der Religiosität« (aaO.␣ 125). Damit wäre die
3. Der handelnde Gott 59

und ihn allein heraufgeführt worden ist, wird ausschließlich Gott im NT als
Subjekt des Auferstehungshandelns namhaft gemacht und ist die Botschaft,
daß Jesus von den Toten auferweckt worden ist, eine »Gottesaussage im
exklusiven Sinn« (Becker).
Darum muß die Auferstehung als ein spezifischer »Taterweis Gottes«, d.h.
seiner Wirklichkeit und Lebendigkeit, betrachtet werden101. Und der Glaube
an die Auferstehung Christi ist wesentlich nichts anderes als lebendiger Glau-
be an den lebendigen Gott (cf. II Kor␣ 1,9)102.
In diesem Sinn erweist sich Gottes schöpferische Allmacht in der schlecht-
hinnigen Kräftigkeit von Jesu Auferstehungsleben (Phil␣ 3,10).
Daß Gott der ist, »der die Toten lebendig macht«, das ist bereits im Juden-
tum eine Gottesprädikation103. Das NT hat diesen Ausdruck eschatologi-
scher Hoffnung auf Gottes Handeln (cf. Mt␣ 22,31ff.par.) zum Inbegriff der
eschatologischen Wende aller Wirklichkeit gemacht, die von Gott schon
tatsächlich eingeleitet worden ist: in dem Handeln Gottes an dem toten Jesus
(Röm␣ 4,17 u.␣ 24; II Kor␣ 1,9; Hebr␣ 11,3 u.␣ 19). Weil es dabei auch um Gottes
eigenes, inneres Leben (als Dreieiniger) geht, ist Gott exklusiv selber das
Subjekt eines todüberwindenden Tuns104. Denn Todesüberwindung ist prin-

reale Grundlage der Gemeinde und ihrer gemeinsamen Geschichte preisgegeben. Zur
Kritik an Bultmanns Verständnis vom »Handeln Gottes« cf. auch meinen o. Einl.
Anm.␣ 11 genannten Aufsatz, aaO.␣ 457f. (Anm.␣ 4).
101 Ebeling, aaO.␣ 308. Vom »Tatbeweis« spricht auch Barth (KD IV/1, 376), der

entsprechend vom Auferstehungsereignis sagt, es kommuniziere sich selbst und sei


»sein eigener Erkenntnisgrund« (KD IV/2, 150). Lüdemann versichert von der angeb-
lichen Ostervision (cf. aaO.␣ 195), sie sei »eine primäre Erfahrung und trägt die religiö-
se Wahrheit ganz in sich selbst« (261 A.␣ 679), was ihn nicht hindert, diese Vision auf
bestimmte Wünsche zurückzuführen (196).
102 Zuletzt geht es bei der Erörterung der Auferstehung Jesu Christi um die Frage,

ob Gott in Christus wirklich selber in die Welt gekommen ist und von sich aus Ge-
meinschaft mit uns Menschen hergestellt hat (cf. II Kor␣ 5,19ff. u. Hebr␣ 1,2ff.; sowie
Ihmels, aaO.␣ 27f.). Darum ist der Glaube an die Auferstehung wesentlich eins mit dem
Glauben an Gottes Gottheit: »So dringet dich die Folge, daß du die Auferstehung der
Todten mußt glauben, so gewiß als Gott Gott ist« (WA 36, 527). An die Auferstehung
zu glauben, ist nicht schwerer oder leichter, als überhaupt an Gottes Wirklichkeit zu
glauben.
103 Cf. II Makk␣ 7,28 u. ausführlich TRE 4, 486, 14–22 (Hoffmann) sowie u.

Kap.␣ 6.2., Anm.␣ 45. Wilckens weist auf den 2. Lobpreis des 18-Bitten-Gebetes hin:
»Gepriesen bist du Jahwe, der die Toten lebendig macht!« (Auferstehung, aaO.␣ 30).
104 Cf. Gogarten, Ich glaube an den dreieinigen Gott, aaO.␣ 165. Es gibt einen

spezifischen Bezug zwischen dem Auferweckungshandeln und Gottes Subjektsein.


Dieses Tun verweist in so spezifischer und streng einzigartiger Weise auf das handeln-
de Subjekt zurück, daß es dies als wirkliches Subjekt endgültig definiert. Denn das
Auferwecken Jesu ist a. kein natürlicher Vorgang und auch nicht damit verwechselbar,
b. kein bloß innerweltliches Ereignis, das auf ein innerweltliches Subjekt zurück-
verwiese und c. entspricht ihm kein Subjekt von begrenzter, sondern nur eins von
schlechthin schöpferischer Macht, also ein allmächtiges Subjekt. Hinzu kommt noch
etwas: auch das »Resultat« dieses Handelns, das Leben des Auferweckten aus Gott,
60 Kap. 2. Gottes eschatologisches Handeln in der Auferweckung Jesu Christi

zipiell keine menschliche, sondern prinzipiell nur eine göttliche Möglich-


keit; Gott erweist sich auferweckend als der, auf den der Mensch, der im Tod
auf seine letzte Grenze und Ohnmacht stößt, zuletzt ganz angewiesen ist (cf.
Luk␣ 18,27)105 . Indes wird genau so, wie uns Gottes Sein und Handeln entzo-
gen sind, uns auch der Vorgang der Auferweckung und das Sein des Aufer-
standenen entzogen106.
Das spezifische Handeln Gottes an Jesus in der Auferweckung läßt sich
genauer bestimmen als worthaftes Handeln – gemäß der Schöpfung durch das
Wort überhaupt. Wie nach Luthers Verständnis von der Schöpfung im Wort
die Dinge ihr Sein nur im wirklichen Sprechen haben107 und Gottes Wissen
von den Dingen schöpferisch ist108, so daß diese ihr Sein überhaupt nur im
Gewußtsein durch Gott haben, genau so ist es auch bei der Auferweckung109.
Schon für die allgemeine Totenauferweckung gilt, daß sie durch Gottes
allmächtiges Wort »hervorgerufen« wird, »das so gering und nichts scheinet …
und doch so große Dinge tut und so mächtig ist, daß es Himmel und Erde
zerreißen und alle Gräber auftun wird in einem Augenblick. Und wenn du
nur darin bleibest, so sollst du dadurch ewig leben«110. Denn »das Wort hats
und vermags, und mus also geschehen, Denn es ist Gottes eigene krafft und
macht«111. Ebenso kann auch Christi Auferstehung nur als in kraft des schöp-
ferischen Wortes geschehend ausgesagt werden: »Must es doch jnn Christo
definiert das Sein des handelnden Subjektes wesentlich, insofern es sich um ein sich in
seinem Tun als lebendiges Subjekt verdoppelndes Subjekt handelt ( Joh␣ 5,26). Der
Auferweckende – erweckt nicht etwa bloß irgendwie Leben in einem Anderen, son-
dern – teilt sein eigenes Leben mit dem des Auferweckten, läßt ihn in diesem Handeln
sein, wie er, der Handelnde, selbst ist. Das Leben des auferweckten Subjekts ist zu-
gleich das Leben des auferweckenden Subjektes, Gottes, der Christus in sein eigenes
Leben hineinnimmt und ihn ewig daran teilhaben läßt.
105 Dazu Luther: »Wenn ich sterbe, gehe ich in das Nichts; nichts sehe ich, nichts

höre ich. Dann allererst wird Gott erkannt, da erkenne ich, was er sei, nämlich, daß er
aus nichts etwas macht. Bei mir ist Finsternis. Er aber spricht: Es werde Licht und
Leben! Alsdann geschiehts, daß ich aus nichts, aus dem Tode Leben werde« (WA 11,
182, 32–27).
106 »Was keine Creatur vermag, das vermag Ich, Allmechtiger Schepffer« (WA 49,

411, 26).
107 Deus enim vocat ea, quae non sunt, ut sint [cf. Röm␣ 4,17], et loquitur non

grammatica vocabula, sed veras et subsistentes res (WA 42, 17, 16f.). Luther deutet
gleichsam den bekannten Doppelsinn des hebr. dabar (Wort, Sache) theologisch.
108 Cf. Augustin: Et nulla natura est, nisi quia nosti eam (Conf. VII, 4, 6).
109 Schon Israels besondere Geschichte ist für Luther nur als durch Gottes allmäch-

tiges Wort bestimmt und geführt, d.h. hervorgebracht, zu verstehen; cf. WA 14, 567.
110 WA 36, 497, 34–38. Cf.: »Durch sein Wort werden die todten aufferstehen, das

Gott sagen wird: Surgite qui iacetis in pulvere terrae … Durch des Allmechtigen
sprechen wird es geschehen« (WA 49, 414, 8f. u.␣ 12; cf.␣ 411,20f.).
111 AaO.␣ 6f. Cf. auch WA 10/I, 2, 221, 7f.: »Also mechtig ist das wort, das Gott ehe

underligen müßt, eh dis wort sollt unterligen …«. Zum allmächtigen Wort cf. auch
WA 20, 498, 12ff.; 27, 119, 17–36; 120, 16f.; 29, 274, 8–16; 34/II, 208, 6–14; 213, 6–
12; 37, 36, 25–41; 149, 22–150, 9 (»Martine geh herfür«).
3. Der handelnde Gott 61

auch so gehen, da er gestorben und begraben war, Da war auch kein fülen
noch warten des lebens … das hat niemand können begreifen noch denken,
das Christus würde am dritten Tag leben … Noch ist [aber] das wort da, das
jn lebendig spricht, da er noch jm Grab ligt, und wie es sagt, so mus es gesche-
hen …« (cf. Ps␣ 39,9; 140, 3; 148, 5b)112. An der Auferweckung Christi hat sich
endgültig und fortwirkend gezeigt, daß derjenige, zu dem Gott spricht, zu
neuem, ewigen Leben erweckt und schöpferisch am Leben erhalten wird,
auch wenn er gleich stürbe113. Und weil Christus, das Wort schlechthin, ganz
aus der Schöpfermacht Gottes lebt, darum ist sein, des Sohnes und auferstan-
denen Herrn, Wort selber schöpferisch und vermittelt die Auferstehung an
die Glaubenden: Welche seine Stimme hören, die empfangen das ewige Le-
ben ( Joh␣ 10,27f.), denn er hat Worte ewigen Lebens (6,68 u.␣ 63) und auch die
Toten werden durch seine Stimme zum Leben der Auferstehung erweckt
(5,25 u.␣ 28f.). Er als der Auferstandene ist so selber »die Auferstehung und das
Leben« (11, 25) – auch für die Toten. Wie an ihm in seiner Auferweckung, so
wird durch ihn an allen Glaubenden wahr, daß der Mensch wesentlich und
letztlich von Gottes schöpferischem Worte lebt (Mt␣ 4,4)114.
Dies hat seinen ewigen Grund darin, daß Gottes Seinlassen des ewigen
Sohnes ein Sprechen und dieser Gottes ewiges Selbstwort ist115. Weil nach

112 AaO.␣ 36, 496, 11f. u.␣ 34–37. Cf. Barths Aussage über Gottes Tun in der Aufer-
weckung: »ein Jesus Christus überlegener Anderer …, der ihn mit seiner Hand ergrif-
fen und durch sein Wort aus dem Tode ins Leben gerufen hat« (KD IV/1, 369).
113 Das hat wiederum Luther zu Jes␣ 26,19 für die göttliche Zuwendung zu Toten

ausgesagt: Wenn Gott mit ihnen redet, ist es nicht anders, als wenn sie (für ihn) leben
(ac si viverent). Dieses lebendigmachende Anreden von Toten durch Gott ist ein
testimonium efficacissimum, daß jene unsterblich auch im Tode sind (bzw. werden),
um ewig zu leben (in perpetuum vivere). Denn Gottes Wort ist in sich schöpferisch-
mächtig: non frustra loquitur. Wo und mit wem Gott redet, der ist gewiß über den Tod
hinaus (immortalis) (cf. WA 43, 481; zur genaueren Interpretation: »Gott und das
ewige Leben, aaO.␣ 73f.). Dies ist zweifellos auch für Jesu Auferweckung gültig.
114 Diese Stelle bezieht Luther auf den Auferstandenen, cf. WA 36, 496, 36! Er lebt

als solcher nur aus Gottes Macht bzw. lebendiger Gnade (cf. KD IV/1, 335).Im NT ist
es besonders der Hebr, der die schlechthinnige Kräftigkeit des göttlichen Wortes her-
ausarbeitet. Als Wort des selber lebendigen Gottes (3,12 u.ö.) ist auch das göttliche
Wort: »lebendig und wirkend« (4,12). Luther erklärt vivus est: vivificat credentes (WA
57/III 160, 23). Dieses Wort Gottes ist es, das im Sohn die Welt schafft und erhält (1,3b;
11,␣ 3), und hat daher auch, als Gottes »gutes« Wort, die Kräfte (dun›mei“) des kommen-
den Äons, der zukünftigen Welt, bei sich (6,5) und ist mächtig (dunat·“), von den
Toten zu erwecken (11, 19). Gottes eigene ewige Anrede zeugt den Sohn (1,5), setzt
ihn für alle Ewigkeit ein (7,28) und verherrlicht ihn durch sein schöpferisches Wort
(5,5). Dieser redende und anredende Gott (¨ laloún: 12, 25!) ist es auch, der durch
Leiden den »Anführer des Heils« zur Vollendung geführt (2,10), ihn dadurch zu einem
»lebendigen Weg« gemacht hat (10, 20) und so viele Söhne zur Doxa bringt (2,10).
115 Cf. Luthers Auslegung von Joh␣ 1,1 in der Kirchenpostille 1522 (WA 10/I, 1,

180ff.) und dazu A. Beutel, Am Anfang war das Wort. Studien zu Luthers Sprach-
verständnis, Tübingen 1989.
62 Kap. 2. Gottes eschatologisches Handeln in der Auferweckung Jesu Christi

Luther das trinitarische Leben Gottes ein ewiges Gespräch ist116, darum
könnte man bei der Auferstehung von einem (ökonomischen) Hineinspre-
chen Jesu Christi in die Menschheitsgeschichte reden: das ewige Wort als
unaufhörlich zeitliches117.
Wie als schöpferisches Sprechen darf Gottes Handeln am toten Jesus auch
als schaffendes Schauen bestimmt werden118. Auferstehung besagt demge-
mäß, daß Gottes schöpferischer Blick Jesu Leben »verewigt«, d.h. schaffend
Christus als den Lebendigen sein läßt. Denn während wir nur das erblicken
können, was bereits da ist, gilt von Gottes Schauen, daß es schöpferisch und
als solches Grund des Erschaffenen ist: Tu autem quia vides sunt119. Das
besagt für die Auferstehung: Gott schaut Jesus nach seinem Tode als den
Lebendigen in das Leben der Menschheit hinein, d.h. Jesu Leben als ganzes.
In dieser Dimension gilt, daß Gott uns im Verhältnis zu Jesus bzw. »in« Jesus
sieht. Zugleich gilt: Gott hält Jesu Leben als Moment seines eigenen Lebens
ewig fest und erhebt es damit zu ewiger Gegenwärtigkeit ( Joh␣ 5,26). Auch in
solcher Hinsicht ist Gottes Erinnerung schöpferisch. In dieser Dimension
gilt, daß Gott sich selber ewig in Jesus als er selber weiß.
Nimmt man das Dargelegte zusammen, so ist ausgesagt: Gott selber stellt
schöpferisch die Identität des ewig Lebenden ( Jesu Christi als des erhöhten
Herrn) mit dem toten Jesus und seinem vergangenen Leben her. Gott um-
greift mit seinem eigenen Leben diese Identität120, und darum ist Jesu Auf-
erweckung von den Toten nicht ein quasi-biologischer, sondern ein gleich-
sam metaphysischer Vorgang, eben als ein göttliches Handeln, das Zeit und
Ewigkeit vermittelnd durchwirkt.
116 Cf. z.B. WA 46, 59, 26–60, 6 (1538).
117 Cf. Hamanns Diktum: »Weil ich von keinen ewigen Wahrheiten, als unaufhörlich
Zeitlichen weiß: so brauche ich mich nicht in das Cabinett des göttlichen Verstandes,
noch in das Heiligtum des göttlichen Willens zu versteigen …« (Golgatha und Scheb-
limini, Sämtliche Werke (Nadler) III, 303f.). Anders interpretiert hier L. Schreiner in:
J.G. Hamanns Hauptschriften erklärt, Bd.␣ 7 (1956), 100.
118 Dalferth redet von der »Perspektive des göttlichen Schöpfers auf ihn« als Grund

des »Jesus lebt« (aaO.␣ 81), von der »göttlichen Sicht auf Jesus« (aaO.␣ 82), die als »Got-
tes Sicht in ihrer eigentlichen Wahrheit« (ebd.) ebenso »Gottes schöpferische Sicht
seiner selbst« ist (ebd.), wie sie zugleich in den Erscheinungserfahrungen bei den
Jüngern zur »Teilgabe an der Schöpferperspektive Gottes auf Jesus« wird (aaO.␣ 81).
Zur genaueren Interpretation dieser Formeln s.u. Kap.␣ 6.3., S.␣ 168.
119 Augustin, Conf. XIII, 38, 53; cf. VII, 4, 6 (zit. o. Anm.␣ 108). Auch Cusanus

formuliert: videre tuum est creare tuum (De visione Dei XII, in: Philosophisch-Theo-
logische Schriften, Bd. III, 1967, 144). Für den Glaubenden bedeutet das: Et non est
videre tuum nisi vivificare … fontem vitae immittere … et tuam immortalitatem
communicare … caelestis et altissimi atque maximi regni gloriam inaccessabilem con-
donare, hereditatis illius, quae solius filii est participem facere … (aaO. IV, 106).
120 S.o. Anm.␣ 91! Nach Barth ist für Paulus eben Gott selber dies unbegreifliche,

schöpferische Leben: »das Eine, das mitten im Tode sich wandelt in der Erscheinung,
um im Wandel nun erst recht sich als das Eine zu bewähren« (Die Auferstehung der
Toten, aaO.␣ 109).
3. Der handelnde Gott 63

Solches Handeln hat Offenbarungscharakter, und als die »eschatologische


Selbstidentifikation Gottes in Jesus Christus« (Dalferth)121 ist die Auferste-
hung als die endgültige Gottesoffenbarung zu denken. Das liegt auch bereits
in Dalferths Verständnis der Ostererscheinungen als Teilgabe an Gottes
Schöpferperspektive auf Jesus beschlossen122. Insofern überhaupt gilt, daß
eine Selbst-Offenbarung Gottes im eigentlichen Sinne nur am Ende einer
Geschichte möglich ist123, als diese in sich hinein aufhebend124, ist es konse-
quent, in der Auferweckung Jesu das eigentliche Offenbarungsgeschehen, als
Antizipation des Eschaton, zu erblicken125. Anders wird man kaum urteilen
können, wenn denn, was unbestreitbar ist, die Auferweckung Christi eine
Bedeutung auch für Gottes eigenes Sein und Selbstsein (gerade als trini-
tarischer Gott) hat. Gehört demgemäß der auferweckte Jesus zum Wesen
Gottes selber126, so definiert sich im Christusgeschehen Gott selber endgültig
für uns als der, der er und was er ist. Er offenbart sich so durch sein Handeln
als lebendig in der Einheit von Schöpfersein und Totenauferweckung (Röm␣ 4,
17; cf.␣ 8,11).
In der Geschichte göttlicher Selbstvorstellung (als Geschichte auf die Of-
fenbarung von Gottes endgültigem Namen zu) läßt sich so eine Linie von
Ex␣ 3,14 hin zum Offenbarsein des Namens des Kyrios (Phil␣ 2,9f.) ziehen127,
in der Gottes Weltzuwendung sich zu ihrer Vollendung bringt128.
Bei dem allen ist aber grundsätzlich festzuhalten, daß, wie auch immer die
theologischen Näherbestimmungen ausfallen, der Offenbarungscharakter
des Osterereignisses schon ganz elementar damit gegeben ist, daß es sich
dabei um »das konkret geschichtliche Ereignis der Selbstkundgebung Jesu
nach seinem Tode« gehandelt hat129. Das wird im nächsten Kapitel genauer
zu bedenken sein.

121 AaO.␣ 228.


122 S.o. Anm.␣ 118.
123 Cf. Pannenberg, Offenbarung als Geschichte, aaO.␣ 17f. u.␣ 95ff. (2. Th.). Nach

Luther wird Gott sich im ewigen Leben selbst offenbaren, WA 36, 594, 37f.
124 Cf. meinen o. Einl. Anm.␣ 11 genannten Aufsatz, aaO.␣ 459ff.
125 Pannenberg, Grundzüge der Christologie, aaO.␣ 127.
126 Pannenberg, aaO.␣ 128.
127 Cf. Koch, aaO.␣ 49 (mit Berufung auf Lk␣ 24,39; Vulg.) u.␣ 240.
128 AaO.␣ 191.
129 Dies hat K. Barth besonders herausgearbeitet: KD IV/2, 163f. Er unterstreicht

den Offenbarungsstatus der Erscheinung des Auferstandenen durch die zutreffende


Feststellung, daß diese als »Erkenntnis erweckende und begründende göttliche Kund-
gebung und Mitteilung partizipiert … an der Majestät des Willens und der Tat Gottes,
die in ihm offenbar werden« (aaO.␣ 163). Joh␣ 20,28 ist eben dies reflektiert.
Leider hat Lüdemann sein eigenes Postulat, »den eigenen Glauben am Glauben der
ersten Zeugen zu messen bzw. von dort gegebenenfalls korrigieren zu lassen« (aaO.␣ 11)
in dieser Hinsicht, d.h. was die Erscheinungen als Offenbarungserfahrungen betrifft,
überhaupt nicht eingelöst. Das aber wäre von den Texten her gefordert, weil, wenn-
gleich alle religiösen Aussagen faktisch Aussagen menschlicher Subjekte sind (aaO.␣ 29),
64 Kap. 2. Gottes eschatologisches Handeln in der Auferweckung Jesu Christi

Zusammenfassend läßt sich sagen: Gottes Handeln an Christus ist eine


(sich uns aufschließende) Lebensbewegung Gottes, die zugleich als eine Neu-
bestimmung Gottes erscheint130. Diese ewige Bewegung im göttlichen Le-
ben reflektiert sich auch in der Christologie: von der Auferstehung her (als
rückwärts Jesu irdisches Leben qualifizierendem Ereignis) kann es nur eine
»in sich bewegte Christologie« geben131.
Mit dieser Formel ist die eschatologische Bewegtheit des Seins Christi
selber als Ort göttlichen Handelns angedeutet. Gottes Neuschaffen Jesu ist
zugleich und unabtrennbar (eodem actu) die eschatologische »Wiederho-
lung« seines irdischen Lebens. Das besagt: Gott identifiziert den Zukünftigen
mit dem Gewesenen. Der jetzt bei ihm und vor ihm lebt (cf. Lk␣ 20,38) und
von daher bei uns und für uns, der ist nach Gottes Willen zugleich derjenige,
der schon einmal hier bei uns Menschen war132. Daß der Kommende dersel-
be ist wie der Vergangene, das ist Gottes schöpferische Identifikation mit dem
toten Jesus bzw. verdankt sich ihr. Die Dieselbigkeit des erhöhten Herrn mit
dem Irdischen ist selber nicht etwa die selbstverständlich gegebene Identität
der Person Jesu als Substrat göttlichen Handelns (im Sinn einer bloßen Wie-
derbelebung), sondern ist lebendiges Resultat schöpferischen Tuns von jen-
seits des Todes.

deren adäquates Begreifen nicht an dem vorbeigehen kann, was darin, wenn vielleicht
nicht immer explizit erwähnt, so doch der Sache nach vorausgesetzt und mitgedacht
ist – so Lüdemann selber, aaO.␣ 120, cf. 174 ( Joh)! Von der Eigenart der Texte her
gefordert ist die Verbindung von historisch-distanzierter Einsicht und und persönli-
cher Haltung (aaO.␣ 200). Mag sich die Frage nach dem »Wie« der Auferstehung in
einem bestimmten Sinne einer historischen Fragestellung entziehen (bei Lüdemann
wird dieses »Wie« verschieden verwendet: cf.␣ 22,23 u.␣ 26), im Blick auf das hier stets
»mitgedachte« bzw. mitzudenkende Handeln Gottes ist ein Ausweichen auf eine »rein
historische« Rückfrage nach dem, was hinter den Texten steht, abstrakt und sogar
irreführend. (Cf. Niebuhr: »das historische Denken kann nicht hinter das Neue Testa-
ment zurückgehen, sondern kann nur in es eindringen« (aaO.␣ 23); Niebuhr sieht diese
Tatsache als durch die Geschichte der Bibelkritik unwiderlegbar erwiesen an.) Ob-
wohl Lüdemann beansprucht, neben der theologischen Dimension auch die histo-
rische zur Geltung bringen zu wollen, ist die Durchführung so einseitig, daß die
theologische Frage stets umgangen wird. Aber schon eine text-adäquate historische
Nachfrage nach der Entstehung des Glaubens an die Auferstehung Jesu kann nicht an
der Gottesfrage vorbei gestellt werden (s.o. Anm.␣ 99); das ist historisch wegen des
Selbstverständnisses der Texte und theologisch wegen der Begründung solchen Glau-
bens verwehrt. Man muß sagen: den Auferstehungsglauben und die Osterereignisse
rein historisch – was Lüdemann wegen seiner dubiosen Anleihen bei psychologischen
Theoremen auch gar nicht durchhält – erforschen zu wollen bzw. unter methodischer
Ausklammerung der Gottesfrage und in positivistischer Fixierung auf das Empirische,
ist in diesen Kontexten petitio principii.
130 Cf. Künneths Rede vom »Fortschritt«, aaO.␣ 115; zu Gottes Neubestimmung

s.u. Kap.␣ 6.4., S.␣ 174f.


131 Künneth, ebd. Cf. Dalferth, aaO.␣ 159 mit 141 u.␣ 151 (actio).
132 Cf. das Zitat von R.R. Niebuhr, o. Anm.␣ 37.
65

Kapitel 3

Die Erscheinungen des Auferstandenen


als Manifestation seines Lebens

Und es erschienen ihnen diese Worte, als


wär’s Geschwätz, und sie glaubten ihnen
nicht.
Lk␣ 24,11

1. Das Wesen der Erscheinungen

a. Die von Paulus I Kor 15,5–8 berichteten und die in den Evangelien in z.T.
legendenhafter Ausgestaltung erzählten Ostererscheinungen, in denen sich
der Auferstandene seinen Anhängern zu erfahren gab, müssen als exemplari-
sche Manifestation seines verklärten Lebens bei Gott verstanden werden.
Nur dann läßt sich auch begreiflich machen, inwiefern es sich bei diesen
anfänglichen Auferstehungserfahrungen um wirkliche Offenbarung gehan-
delt hat (s.u.; cf. Gal␣ 1,15f. u.␣ 12). Denn Ostern ist das Offenbarwerden der
wahren Wirklichkeit von Jesu Leben und Sterben, d.h. seiner irdischen Ge-
schichte als der Geschichte göttlichen Handelns mit der Welt, und zugleich
das Offenbarwerden der Auferstehungswirklichkeit für die Geschichte1, d.h.
des neuen Lebens Jesu Christi als das Für-uns-werden der ewigen Gottestat.
Die Ostererscheinungen vermittelten die eschatologische Wahrheit dadurch,
daß sie Menschen daran Anteil gaben und sie in die von ihnen offenbarte
Wirklichkeit einbezogen und von diesen weiter bezeugt wurden. Als eine
solche Offenbarung waren die in den Ostergeschichten berichteten Erfah-
rungen in strenger Ausschließlichkeit einzigartig, unvergleichlich und un-
wiederholbar2.
Nach ihrem Sachgehalt handelt es sich bei diesen Offenbarungserfahrun-
gen zu Ostern, wie sich unter Anknüpfung an das im vorhergehenden Kapitel

1 Künneth, aaO.␣ 66.


2 Gegen Gunkel ist zu betonen: die »Erscheinung« antiker Götter als Parallelen zu
den österlichen Erfahrungen anzuführen, ist irreführend (cf. Lüdemann, aaO.␣ 162 u.
A.␣ 577), da bei diesen der zu Gott Erhöhte im irdischen Verkehr mit den Seinen
erscheint; zu dieser dialektischen Einheit des bei Gott und bei uns Seins s.u. S.␣ 65f.; cf.
auch Lüdemann, aaO. A.␣ 578! R.R. Niebuhr hat mit Recht auf den Umstand hinge-
wiesen, daß die Erscheinungen Christi für die Betroffenen so zwingend waren, daß sie
zum Grund von etwas historisch Neuem wurden: der Entstehung der christlichen
Gemeinde, cf. aaO.␣ 113, 148 u.ö.
66 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens

Ausgeführte (S.␣ 52) sagen läßt, um die »Teilgabe an der Schöpferperspektive


Gottes auf Jesus«, die zugleich, wie gesagt, auch »Gottes schöpferische Sicht
seiner selbst« ist3.
Zum Verständnis dieses Teilgewinnens an Gottes schöpferischem Blick
auf den Menschen Jesus ist dreierlei zu bemerken.
Erstens, bei dieser Erfahrung waren die Jünger selber für die Zeit der
Begegnung Jesu mit ihnen verändert, insofern sie vorübergehend an seiner
»Verklärung« (irgendwie) teilhatten4. Vielleicht darf man sagen, sie befanden
sich selber an der Grenze des Entrückt- oder Verklärtwerdens, denn mit
Christus kam ihnen die ewige Welt so nahe, wie das möglich war, ohne ihr
irdisches Leben zu sprengen oder ganz aufzuheben5. Die gegenwärtige Welt
wurde in ihrer Ostererfahrung partiell durchlässig für die zukünftige oder
auch durchsichtig auf diese hin, und zwar dies von Jesus her bzw. an ihm, den
sie real bei sich sahen. »Erscheinung« des Auferstandenen besagt, mit dem bei
ihnen lebendig gegenwärtigen Jesus war die neue Welt unter den Bedingun-
gen der alten da: »Die künftige Welt war auf der Erde, da das geschah␣ …«
(Klopstock)6. Dies einzigartige Ereignis läßt sich nicht auf einen nur psycho-
logisch erfaßbaren Vorgang reduzieren7.
Zweitens, man müßte also sagen, das Wunder der Auferstehung ist von
einem zweiten Wunder, dem an den Jüngern geschehenen, begleitet. Genau

3 Dalferth, aaO.␣ 81 u.␣ 82.


4 Entsprechend, d.h. mutatis mutandis, kann man auch die ekstatische Entrückung
des Paulus (II Kor␣ 12,1ff.) als Vorwegnahme der Heimfahrt zum Herrn (Phil␣ 1,21; II
Kor␣ 5,1ff.) oder als Vorwegnahme der endzeitlichen Gemeinschaft mit dem himmli-
schen Christus auffassen (cf. Lüdemann, aaO.␣ 88).
5 Zweierlei zur Erläuterung: 1. In der neuen Welt selber ist kein abstechender

Kontrast zur »alten« als solcher (mehr) zu erfahren; dieser stellt sich nur in der Perspek-
tive von außen (d.h. vorher bzw. unter den Bedingungen der »alten Welt«) so dar,
nämlich als das total Andere: die völlig unbegreifliche Antizipation der neuen Welt,
ein Wunder und schlechthin unbegreiflich. 2. Die erläuterte Annahme des Textes
erklärt die relative »Selbstverständlichkeit«, mit der die Erzählungen weithin berich-
ten, was sie berichten – bedenkt man, was sie erzählen wollen. Auch wenn beispiels-
weise im Falle des Thomas ( Joh␣ 20,24–29) zunächst Unglauben und völlige Überra-
schung angesichts des schlechthin Unausdenklichen vorhergehen, stellt sich doch das
vertraute Verhältnis zum Herrn auch bei ihm dann wieder ein. Dies »Fehlen des
Sensationellen« unterscheidet die Ostergeschichten auffällig von Abenteuern, wie an-
tike Romane sie zu berichten pflegen. (Cf. Lüdemann, aaO.␣ 253 A.␣ 571).
6 Der Messias, XV, 3f.
7 Pannenberg faßt die Erscheinungen als Manifestation dessen, was im Himmel bei

Gott ist und künftig, am Ende der Zeiten, offenbar werden wird und so das Sehen des
wiederkehrenden Herrn als Vorwegnahme der Parousie, will aber diese Erscheinun-
gen selbst von Christi Wiederkunft noch unterscheiden (cf. Grundfragen systemati-
scher Theologie, 2, 170f.). Diese notwendige Unterscheidung ist freilich bei ihm
verknüpft mit seinem Verständnis der Erscheinungen als »in der Form apokalyptischer
Visionen« sich vollziehend (ebd.).
1. Das Wesen der Erscheinungen 67

genommen, handelt es sich aber nicht um zwei wunderhafte Vorkommnisse8,


sondern um das eine eschatologische Wunder Gottes, das sich primär und für
alle Ewigkeit an Jesus und das sich, im Zusammenhang damit und davon
abhängig, in zeitlich-irdischer Begrenzung an den Jüngern, denen Jesu Be-
gegnung nach seinem Tode widerfuhr, darstellt. Da in den Ostergeschichten
nicht in dieser Hinsicht auf die Befindlichkeit der Jünger reflektiert wird –
außer daß ihr Nichtverstehen, ihre Zweifel und anfänglicher Unglaube und
dann ihre selige Freude berichtet werden –, sondern die Begegnung jeweils
ganz von der Zuwendung ihres lebendigen Herrn bestimmt ist, ist von einer
wunderbaren Verfassung der Jünger, deren eher alltäglicher Bewußtseinszu-
stand gerade betont wird – es fehlt in den Geschichten jede Spur von Ekstase,
Entrückung, Verzückung im Geist u.ä.9␣ –, in den Texten nicht ausdrücklich
die Rede. Freilich liegt über allen Berichten unverkennbar ein scheues Stau-
nen angesichts des Unfaßbaren, dessen beherrschende Präsenz aber ein Re-
flektieren über den eigenen Zustand kaum erlaubt.
Drittens, der unlösbare Zusammenhang beider »Wunder« ist Antizipation
und Anfang dessen, daß Jesus Christus die Seinen endgültig mit in sein Le-
ben hineinziehen wird, d.h. daß alle Glaubenden »mit ihm« auferweckt wer-
den sollen (s.o. S.␣ 40) und daß er sein Auferstehungsleben nicht für sich allein
hat, sondern geradezu für die, die »sein Leib« sind. Das Integrative des Auf-
erstehungsgeschehens, seine eschatologische Allgemeinheit als Kommen der
neuen Welt, ist von Beginn an wirksam. Die Erscheinungen an die Jünger
sind das erste Zeugnis dafür. Sie offenbaren nur, was eo ipso seinen Anfang
nimmt.
Aus diesen Überlegungen folgt, daß das für Ostern bezeugte wirkliche
»Sehen« des Kyrios und seiner Doxa (cf. Joh␣ 20,20. 25; I Kor␣ 9,1) von seinem
eschatologischen Kontext her zu verstehen ist10. Andererseits macht auch die
Begrenzung der Erscheinungen deutlich, daß die Auferstehungswirklichkeit
nur ausnahmsweise, nicht aber dauerhaft und allgemein sichtbar sein kann,
8 Einerseits lassen sich alle von Jesus berichteten »Wunder als signa resurrectionis«

auffassen (cf. Joest, Dogmatik I, 237), andererseits ist fraglich, ob die Auferstehung mit
der Kategorie des Wunders (d.h. einer einzelnen, innerweltlichen wunderhaften Be-
gebenheit) zureichend erfaßt werden kann – Rengstorf empfiehlt, aaO.␣ 90f., den Ver-
zicht auf diese Kategorie –, ebenso kritisiert sie Niebuhr, aaO.␣ 150 –, weil die Aufer-
stehung nicht so sehr etwas in der Welt, als vielmehr Zeichen des Neuen an ihr und mit
ihr bzw. für sie ist: ihre Zukunft in Gott.
9 Solches tritt erst nach Ostern auf: zu Pfingsten!
10 Daß das Sehen selber eschatologisch ist, betont Althaus, aaO.␣ 23. Gegenüber

dem alttestamentlich und neutestamentlich gewohnten Vorrang des Hörens für diesen
Äon gilt von den Auferstehungserscheinungen: »Bestätigend für die neutestamentli-
che Vorläufigkeit des Hörens ist der Vorrang des Sehens bei Johannes, der am stärksten
die eingetretene Präsenz des Eschaton vertritt; ebenso bringt das eschatologisch träch-
tige Osterereignis das Moment des Gesehenhabens vor dem bloßen Hören zur Gel-
tung« (H. Blumenberg, Licht als Metapher der Wahrheit, in: Studium generale 10,
1957, 442f.).
68 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens

solange der alte Äon fortbesteht. In den Ostererscheinungen ist das so reali-
siert, daß auch die eschatologischen Erscheinungen selber nur »stückweise«
da sind (I Kor␣ 13,12). Die Erscheinungen vor den Glaubenden gehören in
die verborgene Geschichte des Gottesreichs, die von Jesu menschlicher Ge-
schichte über das Sehen des Auferstandenen durch einige wenige Zeugen
und über den Glauben der Kirche weitergeht bis zur eschatologischen Schau
der Vollendeten (ebd.). Für uns, die Glaubenden in der Zeit der Kirche, gibt
es eine vergleichbare Begegnung mit dem Auferstandenen darum erst im
Eschaton (I Joh␣ 3,2). Das besagt aber auch, unser Christusverhältnis geht
nicht in der gegenwärtigen Glaubenserfahrung auf; das hat bereits Paulus
gegen die Schwärmer geltend gemacht. Auch das Sehen des Auferstandenen
durch die Osterzeugen war nur eine fragmentarische Vorwegnahme des end-
gültigen Schauens im Eschaton (visio beatifica)11. Dieser vorläufigen Welt
entspricht das Nicht-sehen und Glauben ( Joh␣ 20,29b): praesentia videntur,
creduntur absentia (Augustin)12.
Im Falle von Ostern aber ist von »Erscheinung« zu reden, weil »das ent-
scheidende Erlebnis primär in den Bereich des ›Sehens‹, des ›Sichtbarwer-
dens‹ gehört«13. Freilich ist nachher noch zu berücksichtigen, daß gleichwohl
das Offenbarwerden (s.u.␣ S.␣ 70f.) auch bei diesen Erscheinungen nicht auf
das Sichtbarwerden zu beschränken ist14. Denn es handelt sich um das escha-
tologische Ereignis des Entgegenkommens dessen, der noch kommt, um das
Schon-mit-Sein des Zukünftigen. »Erscheinung« (des Auferstandenen) ist
Erscheinung der Dialektik von gegenwärtiger und zukünftiger Welt. Indem
der Terminus »Erscheinung« hier die Daseinsweise der eschatologischen
Wirklichkeit in der vorläufigen bezeichnet, ist sie weder auf eine massive,
innerweltliche Realität (in gewöhnlicher empirischer Körperlichkeit) noch
auf ein halluzinatorisches »Gesicht« (Vision) zu reduzieren. In ihr ist eine
konstitutive Beziehung auf das Sichtbare und Gewesene (d.h. den Jüngern
von Jesus Bekannte und Vertraute) nur gegeben, um zugleich und daran
dessen Jenseits, das Neue und aus Gottes Zukunft Kommende aufscheinen
zu lassen. Insofern könnte man sagen, Erscheinung meint nur so viel Sich-
zeigen, wie nötig ist, um sichtbar zu machen, daß der, der sich zeigt, mehr ist
als nur das, was er (hier) von sich zeigt. Es handelt sich um ein Sichtbar-
werden (von sich aus), um auch die Grenze solcher Sichtbarkeit zu zeigen15.

11 Das Schauen der Doxa Christi ist nur von Ostern her möglich ( Joh␣ 1,14, cf.

Luk␣ 9,32), das auch den Blick der Evangelien auf Jesus bestimmt (cf. das Bengel-Zitat
o. Kap.␣ 2.b. A.␣ 86).
12 Epist. CXL, VII, 2, 7; MPL 33, 599; cf.␣ 4,10 (600) u. Hebr␣ 11,1; Röm␣ 8,24.
13 Graß, aaO., 188. Interessant ist, daß für dies Sehen im Munde der Maria Magda-

lena dieselbe Formel gebraucht wird ( Joh␣ 20,18) wie von Paulus (I Kor␣ 9,1).
14 Graß, aaO.␣ 189.
15 Cf. Barth, der vom Berühren als Nichtberühren spricht; Der Römerbrief,

aaO.␣ 6. Cf. auch ThWbNT V, 360, 6–11 (Michaelis). W. Pannenberg hat herausgear-
1. Das Wesen der Erscheinungen 69

Dies Sichtbarwerden wird – neben anderen Termini – insbesondere mit


dem Ausdruck ∑fjh (I Kor␣ 15,5–8: »er wurde sichtbar, erschien«) wieder-
gegeben. Dieser Terminus, auch schon in alttestamentlichen Theophanien
(LXX) vieldeutig verwendet16, hält aber das visuelle Moment nur so fest, daß
er zugleich »die Aktivität Jesu bei den Erscheinungen« unterstreicht17. Diese
Hervorhebung läßt eine deponentiale Übersetzung am stärksten zum Aus-
druck kommen: »er ließ sich sehen«18. Wird derart aber »Erscheinung« als das
In-Erscheinung-Treten des erhöhten Herrn selber aufzufassen sein, dann ist
mit ∑fjh␣ primär die objektive Tatsache des Erscheinens ausgedrückt und
erst in zweiter Linie die subjektive Wahrnehmung dessen19. Diese Gewich-
tung zwischen dem sich aufdrängenden Ereignis und seiner dadurch veran-
laßten, bloß rezeptiven Erfahrung von ihm entspricht auch ganz dem Erzähl-
gefälle und -duktus der Ostergeschichten.
Den philologischen und phänomenologischen Beobachtungen entspricht
nun auch theologisch, daß die Initiative zu den Auferstehungserscheinungen
sowohl ganz bei Christus liegt als auch ganz bei Gott. Beides ist nacheinander
zu erörtern; ich fange bei dem theologischen Gedanken an (b) und behandle
dann die christologische Frage der Erscheinungen (c).

b. Theologisch ist festzuhalten, daß der tote Jesus von Gott zum Leben bei
ihm und in seiner Ewigkeit erweckt worden ist und daß eben dies sich in den
österlichen Erscheinungen und im Damaskuserlebnis des Apostels Paulus
manifestiert hat. Nur bei dieser sachlichen Ordnung kann das Mißverständ-
nis vermieden werden, als hätte die Auferweckung zunächst in dem irdischen

beitet, daß sich im Begriff der Erscheinung überhaupt »wirkliche Gegenwart des
Erscheinenden in der Erscheinung und seine Transzendenz gegenüber der einzelnen
Erscheinung« verbinden, cf.: »Erscheinung als Ankunft des Zukünftigen«, in: Theolo-
gie und Reich Gottes (1971), 86.
16 Cf. TRE 4, 492, 34–493, 30; Goppelt, Theologie des Neuen Testaments I,

aaO.␣ 291 u.␣ 283 und Pannenberg STh II, 395 A.␣ 81. J. Jeremias spricht daher für
Ostern von »Christophanien«. Cf. auch ThWbNT V, 324ff. (Michaelis).
17 Graß, aaO. 189. Rengstorf möchte den einschlägigen neutestamentlichen

Sprachgebrauch vom spätantiken fainesjai (wie z.B. »Erscheinungen« im Traum bei


Josephus) abheben (aaO.␣ 121). Anders versteht er etwa fanerousjai␣ ( Joh␣ 21,1 u.␣ 14).
18 TRE, aaO.␣ 492, 39f.; ebenso Lüdemann, aaO.␣ 61. Rengstorf findet in ∑fjh

1.␣ ein Sichtbarwerden aus dem Unsichtbaren und Unzugänglichen (aaO.␣ 56f.) und 2.
ein (exklusives) pass. div.: Gott hat … sichtbar werden lassen (bzw. menschlichen
Augen zugänglich gemacht) (aaO.␣ 57). Von daher sei Act␣ 10,40 sachgemäß. Daß Christi
eigene Aktivität gar nicht gemeint sei (57), scheint mir einseitig und unnötig zuge-
spitzt: cf. Act␣ 1,3! R. gibt selber Beispiele für das aktive Kommen des Herrn (ebd.), cf.
auch Joh␣ 21,1 u.␣ 14.
19 Cf. Graß, ebd. Auch Rengstorf weist »Sehen« im Sinne der Visionshypothese

zurück (aaO.␣ 58), da es sich – schon im NT sei dies entgegengesetzt worden – um


Gottes Sache handelt (aaO.␣ 59). Cf. auch seinen Exkurs I (117); dort wird hervorge-
hoben, daß hier eine visuelle statt einer Wortoffenbarung vorrangig sei (aaO.␣ 117f.,
125).
70 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens

Mirakel der Wiederbelebung eines Toten bestanden, der dann nachträglich –


nach einer Art »Zwischenzustand« – gen Himmel gefahren sei20.
Insofern liegt die Aktivität des Auferweckens und zur Erscheinung bei den
Jüngern Bringens ganz bei Gott und ist eine Tätigkeit; so kann es ausdrück-
lich heißen: »Gott hat ihn erscheinen lassen« (≤dwken †mfanö genfisjai
Act␣ 10,40). Christus wurde demnach wesentlich auferweckt, um zu erschei-
nen: »Im Erscheinen Jesu, in seinem geschichtlichen Offenbaren offenbart
sich das Machtwort Gottes«21. Gottes Auferwecken ist Erscheinenlassen, so
daß man sagen kann, Christus wurde vom Vater her in das Erscheinen aufer-
weckt22. Die österliche Erscheinung des aus dem Tode Lebendigen ist also
nicht ein bloßes »Kundwerden« der Auferweckung für uns23, auch nicht eine
bloße »Erscheinung«, die als etwas Vorletztes auf eine metaphyische Eigent-
lichkeit (das zeitlose Wesen) nur verweist bzw. sie nur kognitiv zugänglich
macht24. Im theologischen Rang der Auferstehungserscheinungen manife-
stiert sich, daß Auferstehung selber auch etwas für die Ewigkeit bedeutet,
womit ein außer- oder übergeschichtlicher Begriff von Ewigkeit, die sich in
zeitlicher Erscheinung nur uneigentlich abbilden könnte, christlich ausge-
schlossen ist.
Gehört die Erscheinung Jesu Christi derart in die Auferstehung hinein, so
ist andererseits auch die Auferweckung nicht von seiner Erhöhung zu trennen.
Das situiert die erschienene Lebendigkeit in Gott selber: »Daß der Gekreu-
zigte zum Leben gekommen ist, ist … nur ein Moment im Geschehens-
zusammenhang seines triumphalen Aufstiegs und himmlischen Machtan-
tritts an der Seite Gottes«25.
Der Auferstandene lebt ganz aus der dynamis Gottes (wie auch wir es
werden mit ihm, II Kor␣ 13,4), so daß sein Leben das Leben Gottes in ihm
oder an ihm ist, weil er ganz in es hineingenommen worden ist: Christi
Leben ist jetzt Gottes eigene Lebendigkeit (cf. Joh␣ 5,26)26. Das qualifiziert
auch sein Sein im Wort und im Glauben. Insofern ist das aktive Sichbe-
kunden und als er selber Kommen des Auferstandenen in den Erscheinungen
auch Selbstvergegenwärtigung des dreieinigen Gottes. Umgekehrt hat der
Sohn, der das Leben in ihm selber hat ( Joh␣ 5,26), teil an des lebendigen
Gottes Herrschaft auch auf Erden: »Wo der auferstandene Christus ist, da ist

20 Bekanntlich nennt bereits Joh Jesu Tod am Kreuz schon sein »Erhöhtwerden«,

cf. Joh␣ 3,14; 8,28; 12, 32.34. Gegen das isolierte Thematisieren der Wiederbelebung
eines Toten als abstrakte Frage wendet sich auch Barth, cf. KD IV/2, 166.
21 Koch, aaO.␣ 179.
22 AaO.␣ 191.
23 Gegen Ebeling, aaO.␣ 302.
24 Pannenberg formuliert im Blick auf Gottes erscheinendes Sein in Jesus: »Er-

scheinung und Wesensgegenwart sind hier eins« (aaO., wie o. Anm.␣ 15, 85).
25 Wilckens, Auferstehung, aaO.␣ 92.
26 Dazu s.u. Kap.␣ 6.2., S.␣ 150ff.
1. Das Wesen der Erscheinungen 71

Gott, und Gott ist dort, wo der Kyrios die Herrschaft hat«27. Im Himmel
regiert ein Mensch, dieser Mensch28. Aus der Macht Gottes hat Christus sein
Leben in Ewigkeit (Hebr␣ 13,8), wie umgekehrt das christliche Verständnis
von Ewigkeit durch seine Auferstehung neu qualifiziert ist29.
Daß Gott mit den Erscheinungen die glaubenden Jünger »in seinen Lebens-
und Wahrnehmungskontext einbezieht«30, besagt also, daß der auferstandene
Jesus Christus die Gegenwart des lebendigen Gottes ist, Selbstoffenbarung
Gottes in Menschengestalt. Das ist im Thomas-Bekenntnis realisiert: »Mein
Herr und mein Gott« ( Joh␣ 20,28)31.
Insofern die Erscheinung des Auferstandenen – wie die Auferweckung
selber – in der Kraft göttlichen Geistes geschieht, gilt von ihr qua Offenba-
rung: der Geist erforscht die Tiefen der Gottheit (I Kor␣ 2,10). Denn alle
Offenbarung geschieht »im Geist«, insofern der Geist Gottes es ist, der als das
Sichoffenbaren Gottes (bzw. der sich offenbarende Gott) zugleich das Sich-
entgegenkommen vom Ort seiner Offenbarung her (bzw. als der Mensch, für
den im Geist überhaupt Offenbarung ist) übergreift und selber ist. Ist alle
Offenbarung eine, wenn auch nicht unvermittelte32, so doch unmittelbare
Gotteserfahrung, so sind die Erscheinungen des im Geist Auferweckten de-
ren anschauliche (räumlich-zeitlich dimensionierte) Selbstgegenwart bzw. -
vergegenwärtigung. Hier erzwingt das Gesehene an ihm selber den Über-
schritt hin auf Gottes unfaßbare Schöpfermacht (im Sinne von Röm␣ 4,17):
als die himmlische d·xa␣ im Angesicht Christi selbst (II Kor␣ 4,6)33. Eben
diese Bewegung ist die – nicht primär psychologisch zu fassende – Bedeu-
tung von »im Geist«. Umgekehrt kann man sagen: wenn Gott sich selber in
einer Erscheinung vergegenwärtigen wollte, konnte das überhaupt kaum an-
gemessener geschehen als in Gestalt eines aus dem Tode Lebendigen. Denn
eben hier ist sichtbare Präsenz an ihr selber schon wunderhaft transzendiert:
im Sehen des Niegesehenen schlechthin34.

27 Künneth, aaO.␣ 119.


28 Cf. WATR, 6, 66 (Nr.␣ 6599), BSLK 1040, 29ff. und Hamann, Briefwechsel
(Ziesemer/Henkel) Bd 1. (1955), 339f. mit Mt␣ 28,18.
29 »Gegenwart einer vergangenen Geschichte … wäre die schlechthinnige Aufhe-

bung der verschiedenen Zeitmodi«, Koch, aaO.␣ 152.


30 Dalferth, aaO.␣ 82.
31 Cf. Dalferth zum vere homo – vere deus, ebd. u. Koch, aaO.␣ 298.
32 Luther weist darauf hin: »Solcher blinder geist ist dieser, das er nicht weis, wie

dem glauben allzeit ein leiblicher anblick wird fur gestellet, darunter er doch ein
anders verstehe und begreiffe« (WA 26, 436, 21–23).
33 Diese Bewegung ereignet sich in genau umgekehrter Richtung wie nach Tillichs

Symbolverständnis, wo Jesus durch Selbstrücknahme im Kreuzestod zum vollkom-


menen »Symbol«, d.h. letztgültige Offenbarung wird, cf. STh II (19582) 134 und
Gesammelte Werke Bd.␣ 1 (Stuttgart 19592), 345 (Religionsphilosophie, 1925).
34 Cf. P. Celan: »es komme, was niemals noch war! Es komme ein Mensch aus dem

Grabe« (Spät und tief; Gesammelte Werke Bd.␣ 1 (Frankfurt a.M. 1983), 36).
72 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens

Von daher beantwortet sich die systematisch wichtige Frage, was die Be-
gegnung mit dem Auferstandenen in den Erscheinungen für die Gottes-
erfahrung der Jünger bedeutet. Das Erscheinen dieses Menschen Jesus – also
nicht die Epiphanie von etwas Übergeschichtlichem – in der Herrlichkeit
Gottes – also nicht ein einfaches Wiederdasein –, d.h. des Gekreuzigten als
des Kyrios, besagt theologisch, daß Gott als der Ewige zugleich zeitlich ge-
genwärtig ist. Der lebendige Herr manifestiert durch sein Erscheinen Gott
als den selber Lebendigen, der in ihm kommt und doch der ewige Gott
bleibt. Das »Daß« des österlichen Gekommenseins des in die Herrlichkeit
Erhöhten zu den Seinen ist der eigentliche Gehalt der Auferstehungsbot-
schaft35: er lebt bei Gott und so zugleich für uns! Die Erhöhung zur Herrlich-
keit der »Rechten Gottes« geschieht zugleich mit dem Erscheinen hier auf
Erden (cf. Joh␣ 14,3!).
Damit ist auch schon gesagt: die Nähe des Auferstandenen ist die leibhafte
Nähe des von Jesus verkündigten Reiches Gottes. Was vorher von ihm zu
hören und zu glauben (allenfalls spurenhaft zu erfahren) war, ist in den Oster-
erscheinungen vorübergehend ganz zu erfahren: als seine Erscheinung. In
ihm ist ganz realisiert und da, was das endgültige Heil bedeutet, der End-
zweck der Schöpfung und ihre Vollendung: Gottes eigenes Reich.

c. In der christologischen Perspektive liegt bei den Erscheinungen das ganze


Gewicht auf dem Umstand, daß sie nur als Selbstvergegenwärtigung des
Auferstandenen verstanden, der Intention der Osterberichte gerecht werden.
Christi Erscheinung ist sein Selbsterweis als aus dem Tode Lebendiger. Verbal
schon betonen die Texte sein Wirken und Herbeiführen der Begegnung36.
Die Erscheinungen werden als seine eigene Zuwendung erfahren: er tritt mit
seinem Kommen und Nahen selber und von sich aus in Beziehung zu den
Menschen, die dadurch zum Glauben kommen. Er gewährt seine Nähe. »Ich
will euch wiedersehen« ( Joh␣ 16,22).
Und schon auf die nach der Katastrophe von Jesu Hinrichtung desorien-
tierten und verzweifelten Jünger paßt die Verheißung genauestens: »In der
Welt habt ihr Angst (jlõfi“), aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden
(nen‡khsa)« ( Joh␣ 16,33b). Weil, wie die Erscheinungen offenbaren, das Mit-
sein des Auferstandenen für das Leben in Ewigkeit essentiell ist, darum gilt:
»das Personsein Jesu kommt als nach außen gehende Tätigkeit in Betracht.
Seine Existenz [sc. als Auferstandener] wird von seiner Wirksamkeit er-
faßt␣ …«37.
35 Gegen Graß, aaO.␣ 294!
36 Cf. dazu Koch, aaO.␣ 72. Zu Christi eigenem Kommen cf. auch KD IV/2, 161,
wo Barth viele neutestamentliche Belege anführt.
37 Koch, aaO.␣ 72. Wohl darum werden weder seine Beschaffenheit oder sein Aus-

sehen noch der »Vorgang« der Auferstehung – wenn überhaupt als eigenständiges
Ereignis von Christi Sichvergegenwärtigen abhebbar! – in den Texten beschrieben.
1. Das Wesen der Erscheinungen 73

Fragt man nach dem »Ort« des Auferstandenen, so ist er nur prozessual zu
bestimmen: er liegt »in dieser göttlichen Wirksamkeit, die diese Welt in ihre
zukünftige Gestalt verwandelt«38. Dem entspricht, daß die Auferweckung
Christi nichts anderes ist als die »Annahme« seines Werkes durch Gott selbst39.
Ist in gewisser Weise das Auferstehen selber das Erscheinen Jesu aus dem
Tode und zwar ein Erscheinen in der Weltwirklichkeit40 – also ganz etwas
anderes als die mirakulöse Belebung eines Toten –, dann ist sein lebendiges
Mit-uns-Sein doch wesentlich, auch wenn es sich nur in einer begrenzten
Anzahl von Erscheinungen visualisiert hat, eine unbegrenzte Mit-Zeitlich-
keit41: »Siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende« (Mt␣ 28,20).
Die in den Erscheinungen sich manifestierende eigene Präsenz Christi läßt
sich aufgrund dieser Zusage und Verheißung nur als von ihm selber aufrecht-
erhaltene bzw. fortgesetzte verstehen.
Für die Erscheinungen ist nicht nur überhaupt der Bezug auf die be-
stimmte Person Jesu von Nazareth, der bis zum Tode am Kreuz gelitten hat,
konstitutiv42, sondern spezifisch ist für diese Erscheinungen – schon phäno-
menologisch –, daß sie das sich an ihm selbst und von ihm selbst her Zeigen
dieses Erscheinenden sind, d.h. eine wirkliche Handlung Christi als Selbst-
bekundung (s.o. zu ∑fjh). Das Sehen des Auferstandenen ist durch diesen
selbst ermöglicht, ist seine Selbstvergegenwärtigung (inkraft göttlicher Le-
bendigkeit): »er hat sich nach seinem Leiden lebendig erzeigt (durch man-
cherlei Erweisungen)« (Act␣ 1,3: parfisthsen ©autÖn zùnta). Schon darin
liegt, daß er anders zu »sehen« war als ein bloß vorhandener, neutraler Ge-
genstand43. Den Gesehenen zu erkennen, ist dann immer noch durch sein
Wort (s.u. S. 73) und zeichenhaftes Handeln (wie das Brotbrechen Lk␣ 24,35),
also eine über das bloße Sehen hinausgehende, teilhabende Beziehung zu
ihm vermittelt und bedingt44. Vielleicht ist darin schon impliziert, daß auch
seine Leiblichkeit keine einfach bloß vorhandene war (s.u. S.␣ 70f.). Diese
Selbstbekundungen ereignen sich je und je aus der Verborgenheit Gottes45
bzw. des Himmels46 heraus, in die hinein der Erscheinende sich jeweils wie-

38 Mildenberger, TRE 4, 559. S. auch u. den Abschnitt 2., S.␣ 76ff.


39 AaO.␣ 558, 25f.
40 Cf. Koch, aaO.␣ 154.
41 Koch spricht, aaO.␣ 243, von sempiternitas.
42 Eben das macht sie zu echten Wiederfahrnissen: »Für die Erscheinungserlebnisse

ist die Beziehung auf eine konkrete Person, auf die Gestalt Jesu, und zwar auf den
Gekreuzigten, konstitutiv« (Ebeling, aaO.␣ 306).
43 Cf. Koch, aaO.␣ 232.
44 »Aber erst indem das Sehen zum Erkennen wird, wird der Glaube an den Auf-

erstandenen geweckt« (Härle, Dogmatik, 313). Cf. Dodd über das nicht sofort Erken-
nen des Christus, zit. bei Lüdemann, aaO.␣ 40 (2.) sowie Lk␣ 24,16; Joh␣ 20,14; 21,4.
45 Althaus, Die Wahrheit des kirchlichen Osterglaubens, aaO.␣ 36. Darum bleibt nach

Althaus an den Erscheinungen auch etwas für uns nicht Bestimmbares, cf. aaO.␣ 22.
46 So Pannenberg, STh II, 397.
74 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens

der der Sichtbarkeit entzieht (Lk␣ 24,31). Zu sagen, daß er aus ihr kommt und
wieder in sie zurückkehrt47, scheint aber schwierig zu denken, wenn denn
die »übergeschichtliche« Gegenwart des Herrn bei den Seinen48 nur als Zu-
gleich von bei Gott und bei uns Sein verstanden werden kann, wie noch zu
zeigen ist (s.u. S.␣ 65f.). Daher wäre der Vorgang des sich sichtbar Machens
und sich der Sichtbarkeit Entziehens eher über die Relation zu den Jüngern
zu bestimmen bzw. auf sie zu beziehen: ihnen wird transitorisch der Zugang
zu seiner Wirklichkeit – auf Erden wie im Himmel – geöffnet, und sie
werden so gleichsam für die Dauer der Begegnung in sein ewiges Leben
hineingenommen, bis ihnen dieser Zugang wieder entzogen ist.
Die eigene Intentionalität dieser Erscheinungen liegt evidentermaßen im
Stiften einer qualifizierten Beziehung zum auferstandenen Herrn derart, daß
er sie von sich aus eröffnet49. In ihrer Erscheinung ist die Auferstehung »Be-
ziehungswirklichkeit«50. Das gehört so spezifisch zur Nähe Jesu Christi bei
den Seinen, daß diese Begegnung sowohl das Erscheinen umgreift – der
Unglaube sieht und erfährt hier nichts oder nicht das Entscheidende (cf.
Act␣ 9,7 u.␣ 22, 9) – wie auch das Erkennen des Erscheinens, das darum nie
ohne Antwort in Bekenntnis und Zeugnis ist51. Man kann sagen, die Erschei-
nungen sind das »Pro nobis« von Auferweckung und Erhöhung, die darin als
uns zugute geschehen zugeeignet werden52. Als der Erscheinende zieht der
Gekreuzigte die Glaubenden in seine heilvolle Nähe. So bedeutet das aktive
Sichbekunden und als er selber Kommen des Auferstandenen, daß die an ihn
Glaubenden in die innergöttliche Liebesgemeinschaft des ewigen Lebens
Gottes hineingezogen werden, auf daß Gott alles in allem sei (I Kor␣ 15,28).
Wie schon der Irdische, so will auch der Erhöhte nicht allein sein, sondern
beruft sich eine Gemeinde. Diese weiß sich ihrerseits eben aufgrund dieses
Ursprungs und des lebendigen Mitseins Christi mit ihr auf dem Wege in die
Endvollendung, die zugleich das Ziel aller Geschichte ist.
Die Ostererscheinungen manifestieren die aktuelle Gegenwärtigkeit des
Auferstandenen und Lebendigen in je unserer Zeitlichkeit – Auferstehung ist
also gerade nicht die Entrückung in eine zeitlose Ewigkeit! – und verweisen
so auf die Bedingung der Möglichkeit unserer Gleichzeitigkeit mit ihm. Nur
so wird denkbar, daß »das Ewigkeitsleben des Auferstandenen das Ichleben
umgreift und in ihm seinen Anfang nimmt«53.
47 Althaus, aaO.␣ 36.
48 Ebd.
49 Cf. Koch, aaO.␣ 199.
50 AaO.␣ 155.
51 Cf. Koch, aaO.␣ 155. Daher ist der formgeschichtliche – zu strikte – Unterschied

von »Erscheinungsgeschichte« und »Bekenntnisformel«, d.h. von Bezeugung der Auf-


erstehung und Erscheinungen des Auferstandenen (cf. dazu Lüdemann, aaO.␣ 161),
sachkritisch zu relativieren.
52 Cf. z.B. WA 12, 518; 37, 30 u.␣ 31; 45, 19; 36, 162 u.␣ 526.
53 Künneth, aaO.␣ 176.
1. Das Wesen der Erscheinungen 75

Von daher läßt sich auch sagen, daß Jesus in die Welt bzw. in die Geschichte
hinein auferstanden ist54. Gilt so die Auferstehung spezifisch der Welt, so ist
aber gerade diese »Geschichtlichkeit« des Auferstandenen das Aufsichzugehen
der Ewigkeit, die sich in Christus an der Welt selber durchsetzt. Christi Stand
der Erhöhung ist aus diesem lebendigen eschatologischen Geschehenszu-
sammenhang ebensowenig zu isolieren55, wie daß Christus als der Gekreu-
zigte in der Geschichte ewig gegenwärtig ist.
Auf die Frage, wie der Auferstandene und Erhöhte selbst aus der Ewigkeit
in unsere Zeit kommt, wie es in anderer Weise schon für den Gedanken der
Menschwerdung gilt, antwortet theologisch der Begriff der Selbstentäus-
serung und -verendlichung des lebendigen Gottes und eschatologisch der
Gedanke des Sichvorauslaufens seiner endgültigen Parousie. So wird mit dem
Satz »er lebt« die Wirklichkeit des Auferstandenen spezifisch qualifiziert56,
denn seine Wirklichkeit ist nichts anderes als die Wirklichkeit ewigen Le-
bens, als die wahre Wirklichkeit von allem, die eschatologische Wirklichkeit.
Auferstehungserfahrung ist Erfahrung seiner ewigen Gegenwart oder auch:
seiner gegenwärtigen Ewigkeit (Mt␣ 28,20).
Jesus Christus kommt in den Erscheinungen als der, der »nach dem Tode«
ihm zugleich ewig entnommen und so auch »vor« ihm ist, eben als der Le-
bende schlechthin, d.h. er kommt als Ewiger so, wie er zeitlich-irdisch war,
nur aber verklärt, ohne Todesverfallenheit, als einer, für den der Tod nicht
(mehr) ist (Offb␣ 21,4).

d. Was sich nach allem bisher Ausgeführten über das Sein des Auferstande-
nen überhaupt bzw. allgemein über sein Leben sagen läßt, kann mit den
eindrucksvollen Schlußsätzen von Luthers Freiheitssschrift (§␣ 30), christolo-
gisch paraphrasiert, so formuliert werden: Aus dem allen folget der Beschluß,
daß Christus lebt nicht in sich selbst57, sondern in Gott und seinem Nächsten
(d.h.: dem Glaubenden); in Gott durch die Auferweckung, im Glaubenden
durch die schöpferische Liebe; durch die Auferweckung fährt er über sich in
Gott, aus Gott fährt er wieder unter sich durch die Liebe, und bleibt doch
immer in Gott und göttlicher Liebe58. Als diese Doppelbewegung muß das
Leben des Auferstandenen begriffen werden, und er hat sein Sein in der
Wirklichkeit dieser Lebensbewegung.
Der ontologische Status der Erscheinungen als Zuwendung zu den (da-
durch) Glaubenden ist als die lebendige Einheit von »aus Gott fahren« und

54 Koch, aaO.␣ 241 bzw. 54 u.␣ 57. Cf. besonders 175: »Der Gekreuzigte und in das
Grab Gelegte erlangt durch Gottes Machtwort Sein in der Welt« (Hervorhebung J.R.).
55 Koch, aaO.␣ 70.
56 Lüdemanns Rede von österlicher »Erfahrung des Lebens« ist unterbestimmt; es

geht spezifisch um die des Lebendigen; cf. aaO.␣ 194.


57 D.h.: für sich selbst, obgleich er das Leben in sich selber hat ( Joh␣ 5,26).
58 Cf. WA 7, 38, 6–10; es folgt das Zitat von Joh␣ 1,51, cf.␣ 3,13!
76 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens

doch »immer in Gott bleiben« aufzufassen.59 Letztlich handelt es sich dabei


um die Dynamis-Wirklichkeit des göttlichen Lebens selber, das Liebe ist (cf.
I Joh␣ 4,16b mit V.␣ 9 und Joh␣ 3,16) – im Zugleich von Gottes Sein bei uns als
Sein bei sich.
Daher ist Christi Gehen zum Vater unausdenklich gut für uns ( Joh␣ 16,7),
weil es zugleich sein Kommen zu uns ist (cf. Röm␣ 4,25). Sein Leben für die
Seinen ist Joh␣ 20,17b so gedeutet: »Ich gehe zu meinem Vater und zu eurem
Vater, meinem Gott und eurem Gott«. Das ist der Sinn des Ostergeschehens,
daß Christus gerade, indem er zum Vater geht, bei uns bleibt bzw. uns mit-
nimmt, so daß sein himmlischer Vater auch unser Vater wird60. So bringt er
uns Gott als Gott für uns. Nur darum ist der Auferstandene zum Vater erhöht
worden, damit er alle Tage bis zum Ende bei den Menschen sein kann
(Mt␣ 28,20). Als Kommen zu den Glaubenden zugleich Sein bei Gott und
Gehen auf das Eschaton zu (und Mitnehmen), d.h. im Kommen Weiterge-
hen und Hinausgehen über das Gegenwärtige zu sein, das ist der eschatolo-
gische Status des Erscheinens Christi.
»Erscheinung« hat also den dialektischen Sinn eines zeitlich bei den Jün-
gern Seins als zugleich Sein in der Ewigkeit. Mit ihm schon kommt die
Ewigkeit, die erst noch kommt, d.h. sein Sein antizipiert das Eschaton. »An-
tizipation« bedeutet ein vorlaufendes Sein, das zugleich noch auf sich zugeht.
Christi Erscheinung ist daher die aus ihrem realen Vorschein in sich zurück-
kehrende vollendete Wirklichkeit61. Daran wird auch deutlich: »Erschei-
nung« bedeutet hier nicht mindere oder schwächere Wirklichkeit, sondern
das proleptische Sein des Eschaton im Irdischen, den Reflex des ewigen
Lebens in die Geschichte, also gerade Manifestation einer höheren, der neu-
en eschatologischen Wirklichkeit, die Wirklichkeit ist in der Dynamik der
Selbstvollendung göttlichen Lebens als der einzigen, letzten und wahren
Wirklichkeit.
In diesem Sinn ist der Auferstehungsglaube nicht der Glaube an ein Über-
weltliches, Jenseitiges. Vielmehr ist es gerade der Trost der Glaubenden, »daß
in Jesus Christus der Himmel der nahe und geöffnete Himmel ist«62, denn
Christus ist im Himmel nur so, daß er zugleich auf Erden ist63. Man kann
59 Bzw. zugleich »über sich in Gott fahren« – in Analogie zu Phil␣ 2,7f. u.␣ 9. Luther
selber formuliert anderenorts: »Denn die Gottheit feret nicht vom Hymel …, sondern
ist ym hymel und bleibt ym hymel, ist aber auch zu gleich auff erden und bleibt auff
erden« (WA 26, 421, 35–37; von den Christen: 422, 21f.) und legitimiert so die o. im
Text vorgenommene Paraphrase.
60 Daher hier auch die Bezeichnung »Brüder« (17a)!
61 Eschatologisch gehört zusammen, was E.Bloch (auf Kunst und Religion ver-

teilt) auseinanderhalten möchte: der Vor-schein der Gegenwart des Auferstandenen ist
zugleich »letzthin Vor-Existenz« (unserer selbst in totaler Betroffenheit); cf. Das Prin-
zip Hoffnung, Bd.␣ 3 (1967), 1414.
62 Koch, aaO.␣ 280; cf. Joh 1,51!
63 Cf. dazu WA 10/I, 2, 303, 23–35 u.␣ 12, 564, 16–27; 26, 343, 35–345, 28.
1. Das Wesen der Erscheinungen 77

daher mit Luther sagen, um die Bedeutung von Christi Sitzen zur Rechten
Gottes für uns zu beschreiben: »Nun ist Himmel und Erden Ein Ding wor-
den«64.
Ist Christi Weggehen sein Kommen65, so ist das Sein seines Erscheinens
eigentlich ein Übergehen. Das entspricht dem durchsichtigen Ineinander-
übergehen der Bestimmungen im ewigen Leben selber, wie etwa dem für das
Eschaton anzunehmenden Zugleichsein von individueller Ichhaftigkeit (als
begrenzt) und von Gott Erfülltsein bzw. lebendiges Moment göttlichen Le-
bens Sein (als unbegrenzt)66. Wenn Gott alles in allem ist (I Kor␣ 15,28)67,
dann sind beispielsweise räumliche und zeitliche Bestimmungen zugleich
gesetzt und aufgehoben, d.h. sie scheinen ineinander (Ubiquität)68. Von da-
her muß das Sein des Erscheinens, in dem der Auferstandene sich als ewig
lebendig erweist, verstanden werden69. Die legendär anmutende Nachricht,
er sei bei verschlossener Tür zu den Jüngern gekommen und plötzlich unter
ihnen gewesen ( Joh␣ 20,19), enthält die eschatologische Wahrheit, daß der
Auferstandene nicht mehr nur von außen (im räumlichen Sinn) da ist – so
wenig er erst recht etwa nur »innen« in den Jüngern wäre70. Luther hat diese
Wahrheit auf die Formel gebracht: »Da er auf Erden war, war er uns zu ferne;
jeztund ist er uns zu nahe«71. Darum hat Luther auch annehmen können,
Christus sei aus dem (durch einen Stein) verschlossenen Grabe (cf. Mk␣ 15,
46; Mt␣ 27,60; cf. Lk␣ 24,2; Joh␣ 20,1) hervorgegangen72.

64 WA 46, 713, 20.


65 Cf. z.B. WA 12, 546f. u.␣ 564f.
66 Cf. auch u. Kap.␣ 6.1., S.␣ 148.
67 Cf. Vf.: Gott und das ewige Leben, Abschn.V, aaO. S.␣ 81ff.
68 Über die Aufhebung irdischer Distanzen und Begrenzungen im ewigen Leben

cf. WA 36, 595, 38–596, 13; 657, 30ff.; 660, 32–35.


69 Luther erklärt es dementsprechend für miteinander wahr, »Das Christus bey den

jüngern sass nach seiner aufferstehung (Lk␣ 24,24), und doch zu gleich nicht bey yhn
war« (WA 26, 414, 25–27; cf. 424f.).Christi Dasein und Nicht-Dasein kann beides
wahr sein (aaO.␣ 413, 20f.). Wie von Christus gilt: »Er sass und as und redet mit yhn,
und ist doch nicht ynn der welt« (aaO.␣ 300, 30f.), ebenso schließt sich nicht aus, »das
Christus leib ym hymel und ym abendmal sey« (aaO.␣ 314, 23f.) – nämlich in der
lebendigen Dynamis von »Gottes gewalt« (aaO.␣ 317, 33f.; cf. 318 u.␣ 414, 22ff.).
70 Cf. Luthers Vergleich von Christi Kommen bei verschlossener Tür und ins Herz

der Jünger, WA 12, 518, 19–519, 8.


71 WA 12, 562, 25f.
72 WA 26, 328, 31f. Luther präzisiert: »Denn er ist ym stein des grabes gewest on

solche begreiffliche weise, Des gleichen ynn verschlossener thür … on raum und stete
seiner grösse gemesse … das yhm alle Creatur so durchleufftig [= durchdringbar] und
gegenwärtig sind …« (aaO.␣ 330, 18–27), ohne daß »die thür … ausgedenet noch sein
leib eingezogen« war (aaO.␣ 334, 3f.) oder es einer besonderen »subtilietet des leibs«
bedurft hätte (aaO.␣ 418, 29–419, 25). Besonders plastisch die Stelle WA 26, 328, 31–
37: »Auff solche weise war der leichnam Christi, da er aus dem verschlossen grabe fur
und zu den jungern durch verschlossene thür kam …, Denn da ist kein messen noch
begreiffen, an welchem ort sein heubt odder fusse sind gewest, da er durch die steine
78 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens

e. Auf diesem Hintergrund läßt sich die Weise seines Sichvergegenwär-


tigens näher bestimmen. Für alle Osterberichte gilt, daß sie sein Kommen als
plötzlich auffassen, d.h. sie erzählen es gar nicht als Kommen, sondern als ein
auf einmal Da-Sein (cf. Mt␣ 28,9; Mk␣ 16,9. 12. 14; Lk␣ 24,15. 36; Joh␣ 20,14.
19. 26; 21, 4)73. Dem unvermittelt in ihrer Mitte Stehen entspricht ein eben-
so wunderhaftes, scheinbar unkörperliches wieder Verschwundensein (Lk␣ 24,
31; anders freilich Mk␣ 16,19 u. Lk␣ 24,50f.)74; oft bricht die Erzählung auch
nach den Worten des Auferstandenen ab (cf. Mt␣ 28,20; Joh␣ 20,17. 20. 29; 21,
13 bzw. 23)75. Mit dem allen ist zum Ausdruck gebracht, daß das Gegenwär-
tig-Werden des Erhöhten sich ohne empirische Kontinuität in Raum, Zeit
und Materie ereignet, als ein absolutes Sich-Setzen, das es als göttliche Spon-
taneität ausweist. Insofern die Erscheinungen des Auferstandenen bloße Vor-
wegnahme der Parousie sind, könnte man sie – mit Vorbehalt – Atome der
Ewigkeit nennen. In ihnen durchdringen sich Vergangenheit – sie sehen den,
den sie schon kennen; insofern handelt es sich eher um »Erinnerung« als um
Vision – und Zukunft76 – sie erfahren den gegenwärtig, der noch kommen
wird; insofern handelt es sich eher um Entrückung (und Zeugenschaft) als
um Vision –, und sie durchdringen sich in einem unteilbaren Jetzt, das als
»Ewigkeitsatom« nur plötzlich da sein und ebenso plötzlich gewesen sein
kann.
Diese Diskontinuität zeigt sich auch im Leersein des Grabes, das das Mo-
ment von Negativität im neuen Sein des Christus bezeichnet77. Das Anwesen
des Auferstandenen ist auf diese Weise in einer Linie gesehen mit der Schöp-
fung als creatio ex nihilo (cf. Röm␣ 4,17); freilich ist die Auferstehung eine
creatio, die den gewesenen Jesus schöpferisch neu sein läßt78. Die Diskonti-
nuität zeigt sich weiter auch in der Mehrheit einzelner, unzusammenhängen-
der Erscheinungen (I Kor␣ 15,5ff.) sowie in ihrem schließlichen Aufhören,

fur und mußte doch ia herdurch, da nam er keinen raum, so gab yhm der stein auch
keinen raum, sondern der stein bleib stein gantz und fest wie vor, und sein leib bleib
auch so gros und dick, als er vor war«. Auch dies wird nur von der lebendigen Gewalt
Gottes her erklärbar (cf. aaO.␣ 331, 20 –31).
73 Anders Graß, der dies nicht als die ursprüngliche Erfahrung wertet, cf. aaO.␣ 188.
74 Dies »Verschwinden« ist nach Lüdemann typisch lukanisch (aaO.␣ 160; er ver-

weist auf Lk␣ 1,38; 2,15; 9,33; Act␣ 10,7; 12,10).


75 Das Verschwundensein ist, dogmatisch geurteilt, nur die unmittelbare Seite seiner

Allgegenwart. Indem Christus vor ihren Augen verschwunden, unmittelbarer Sicht-


barkeit (wieder) entzogen ist, ist er doch zugleich im Abendmahl leibhaftig gegenwär-
tig; cf. Lk␣ 24,30f.! Übrigens gehören das unvermutete Erscheinen (im geschlossenen
Raum) und das plötzliche Entschwinden des Erscheinenden nach J. Jeremias zu den
ältesten Zügen der Osterüberlieferung (Neutestamentliche Theologie, 1. Teil, 288;
anders Lüdemann aaO.␣ 34f.).
76 S.u. Abschn.␣ 2, S.␣ 76f. Zum »Atom der Ewigkeit« cf. S. Kierkegaard, Der Begriff

Angst (Ges. Werke (Hirsch), 11/12. Abt., S.␣ 90; S.V. IV 358).
77 S.u. Kap.␣ 4.1.
78 S. dazu u. S.␣ 110 nochmals.
1. Das Wesen der Erscheinungen 79

d.h. ihrer Beschränkung auf einen begrenzten Zeitraum, durch die sie an der
Partikularität des Historischen (trotz ihrer universellen Bedeutung für den
christlichen Glauben überhaupt) teilnehmen. Das spätere Ausbleiben von
Auferstehungserscheinungen wiederholt gleichsam für die folgenden Gene-
rationen das leere Grab. Dies Sich-Entziehen im Einzelnen der Ostererfah-
rung wie im Ganzen gehört insofern zum Sein des Auferstandenen, als ihm
das Hinausgehen über jedes bestimmte, bloße Hiersein wesentlich ist. Das
Neue Testament stellt selber fest, daß es »unmöglich war, ihn festzuhalten«
(cf. Act␣ 2,24b), was wie vom Tode, so erst recht von allem andern gilt. So
unwiderstehlich gewaltig ist die Macht des göttlichen Schöpfungshandeln an
ihm, durch die der Auferstandene in die eschatologische Dynamik der Ge-
burtswehe einer neuen Welt ewigen Lebens gehört (V.␣ 24a).
Die erwähnte Diskontinuität präzisiert Christi Auferstehungsgegenwart
noch in einer anderen Hinsicht. Nicht der den Jüngern bekannte Jesus
kommt Ostern wieder, in einer einfachen (nur zeitweise unterbrochenen)
Fortsetzung seines irdischen Umgangs mit ihnen. Sondern es ist bei den
Erscheinungen auf einmal einer unter ihnen da, der sich (erst) erweist, der
ihnen vor seinem Tode vertraute Jesus gewesen zu sein79. Das besagt, der
lebendig Gegenwärtige stellt seine Identität mit dem Gewesenen selber aller-
erst dar (in gewisser Weise auch her)80. Das spiegeln die Ostererzählungen im
Motiv des erst in einem zweiten Schritt Erkennens (Wiedererkennens) dessen,
der zunächst für einen anderen gehalten wird81: einen Fremden (Lk␣ 24,16; cf.
31; Joh␣ 21,4), ein Gespenst (Lk␣ 24,36; cf. Mt␣ 14,26), den Gärtner ( Joh␣ 20,
14f.)82, sowie in dem immer wieder berichteten Zweifel (Mt␣ 28,17) und

79 Cf. dazu KD IV/2, 160 –162. Nach R.R. Niebuhr konzentrieren sich die Oster-

erzählungen sogar auf das Wiedererkennen und die Identifizierung, aaO.␣ 148!
80 Das betont auch Barth, KD IV/2, 162 u.␣ 163; Graß spricht aaO.␣ 252 vom »Er-

innerungsmotiv«. Zum »Wiedererkennen« (Emmaus) cf. KD III/2, 566ff. Schon rein


phänomenologisch gibt es einen Strukturzusammenhang zwischen Erscheinen und
Sich-uns-Vorstellen, wie man vergleichsweise, aber treffend vergleichsweise sagen kann:
»Das gleichsam sich-uns-Vorstellende ist somit … geradezu das uns-seinen-Namen-
Nennende« ( J. König, Sein und Denken (19692), 188 A.␣ 1). König bringt dies Merkmal
ausdrücklich mit »Erscheinung« in Verbindung; cf.: »Das hier auftretende mediale sich
(medial z.B. in einem hier spezifisch möglichen fa‡netai) …« (ebd.). Leider ist hier
nicht Raum, Königs Untersuchung des So-Wirkens als Sich-uns-Vergegenwärtigen
genauer darzustellen, sondern muß es bei diesem Wink bleiben.
81 Weil der auferweckte Gekreuzigte derselbe anders ist, muß er seine Identität für die

Jünger oder bei ihnen erst selber herstellen, denn eben darum können sie ihn von sich
aus nicht einfach erkennen (cf. Rengstorf, aaO.␣ 79). Wenn Rengstorf aber die Identität
der Person von der Identität der Erscheinung – als nicht dasselbe – unterscheiden will
(ebd.), sind sowohl der bei ihm zugrundeliegende Begriff der Person wie der Erschei-
nung problematisch, weil offenkundig nicht eschatologisch qualifiziert.
82 Man könnte erwägen, ob nicht die in den Berichten sich zunächst am Grab

findenden Engel auch eine solche Vertreter-Funktion haben, den noch nicht erkann-
ten Auferstandenen zu repräsentieren. Auch Lüdemann weist auf eine Ähnlichkeit
80 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens

Unglauben (Mk␣ 16,11. 13; Lk␣ 24,11. 41; Joh␣ 20,25) den Erscheinungen oder
ihrer Erzählung gegenüber. Erst der Auferstandene selbst knüpft dann durch
seine Anrede (insbesondere namentlich: Joh␣ 20,16; 21, 15ff.)83 oder auch
durch ihn identifizierende Zeichen (Wundmale: Lk␣ 24,39f.; Joh␣ 20,20. 27; 84
Brotbrechen: Lk␣ 24,30f. u.␣ 35; Essen: Lk␣ 24,43; Joh␣ 21,1385) den definitiven
Zusammenhang mit seinem vergangenen Dasein, er identifiziert sich vor
ihnen bzw. für sie und gewährt ihnen Teilnahme an sich, indem er sich jenes
ausdrücklich zueignet, es jetzt als seines und damit sich als selbst dieser er-
weist86.

f. Deutlich ist aus dem allen: der Auferstandene hat nicht die Seinsweise
eines einfach Vorhandenen: »Erscheinen hat keine ruhende Seinsweise, ist
kein Etwas«87. Und genau so, wie die Erscheinung sich der Verdichtung zum
Dinglichen widersetzt (– sie ist ganz verbal zu beschreiben, s.o. S.␣ 62f.␣ –),
entzieht sie sich auch einer distanziert-neutralen Feststellung und Beschrei-
bung88. Die Erscheinungen des auferweckten Gekreuzigten sind der zeitlich-
geschichtliche Reflex eines Ereignisses bzw. Momentes im ewigen Leben
Gottes. Verbal von Erscheinen zu reden, ist legitim, weil ihnen bei dieser
theologischen Verfassung kein Sein im Sinne empirisch-dinghafter Gege-
benheit zukommt. Vielmehr handelt es sich um eine Reflexionswirklichkeit
(d.h. ein Sein in der Einheit von Sichvoraussein und Aufsichzugehen); denn
sein Sein aus Gott und vom Eschaton her durchdringt sich ständig damit, daß
auch sein Sein bei den Jüngern immer reales Rückstrahlen auf sein Sein bei
Gott und in der Endvollendung ist, eben weil er selber nur realer Vorschein

zwischen Engel und Jesus hin (aaO.␣ 172, cf. 146); Mk␣ 16,5 wäre umgekehrt wie in der
Forschung üblich zu interpretieren (cf. Lüdemann, aaO.␣ 40). Albertz will sogar – nach
Lüdemann, aaO.␣ 134 – die Angelophanien aus den Christophanien ableiten.
83 Cf. Joh␣ 10,3 u. Jes␣ 43,1; Mt␣ 28,18; Lk␣ 24,25 u.␣ 44. Moltmann schreibt: »Ohne

vernommene Rede wäre es unwahrscheinlich und doch auch unmöglich gewesen,


den Erscheinenden mit dem gekreuzigten Jesus zu identifizieren. Ohne gehörte Rede
wären die Ostererscheinungen gespenstisch geblieben … In seinen Reden muß so
etwas wie eine Selbstidentifikation vorgelegen haben (»Ich bin es«).« (Theologie der
Hoffnung, aaO.␣ 180).
84 Die Wundmale besagen nicht: Jesus ist wieder da; sondern mit ihnen bekundet

der Gekreuzigte als solcher seine Gegenwart, cf. Koch, aaO.␣ 229.
85 Cf. Act 1,4; 10, 41.
86 D.h. Jesu Identität wird in den Erscheinungen aufgedeckt durch »historische

Zeichen aus dem vergangenen Leben Jesu, die den Zeugen durch ihr Erinnerungsver-
mögen vertraut sind« (R.R. Niebuhr, aaO.␣ 147, cf. zum Brotbrechen 153). Daher
wird gerade die Leibhaftigkeit zum Medium des Wiedererkennens (cf. ebd.). Entspre-
chendes gilt mutatis mutandis von Christi Selbstidentifizierung für Paulus (s. dazu u.
S.␣ 102ff.), weil überhaupt jede historische Gegenwart in Termini der Vergangenheit,
die durch die Erinnerung ausgewählt sind, identifiziert werden muß.
87 Koch, aaO.␣ 180.
88 Cf. o. Anm.␣ 45.
1. Das Wesen der Erscheinungen 81

von seiner (und Gottes) letztgültiger Wirklichkeit ist. Im Sinne solcher Ver-
schränkung von Reflexionsrealitäten (d.h. Realität an ihr selber als Refle-
xion) handelt es sich bei dem Erscheinen des Auferstandenen um eine welt-
lich-überweltliche, d.h. eschatologische Realität.
Diese eigentümliche Doppelseitigkeit von zugleich weltlich-leibhaft und
überweltlich Sein89 bezeichnet das Ineinanderübergehen von Identität (der
Person) und Transzendenz, wie sie für den Erscheinenden charakteristisch
ist: ein merkwürdiges Ineinander von »handfester Leiblichkeit« und »unver-
fügbaren Anwesens und Entschwindens«90. Dies Nebeneinander bzw. »Zwei-
Welten-angehören«91 dürfte für den bestimmten Sachverhalt, um den es hier
geht, bedeutsam und bezeichnend sein – gleichgültig, was davon in der er-
zählerischen Gestaltung historisch als legendäre Ausmalung zu gelten hat92.
Verständlich daran ist der Umstand, daß sich das eschatologische Sein des
Auferstandenen unseren gewohnten Alternativen entzieht (vergangen␣ –␣ ge-
genwärtig, hier␣ –␣ dort, leiblich␣ –␣ himmlisch usw.)93.
Zwar spiegelt das Nebeneinander von körperlicher Berührbarkeit (Mt␣ 28,
9; Lk␣ 24,39; Joh␣ 20,20. 27(?)94) und Unberührbarkeit ( Joh␣ 20,17; cf. I Kor␣ 15,
50) in den Texten zunächst den Umstand, daß die »Leibhaftigkeit« des Auf-
erstandenen95 die Realität seines Ankommens bei und Daseins für die Glau-
benden bedeutet, die immer auch Reflex ihrer eigenen irdischen Leiblichkeit
ist96. Gleichwohl kann man die Erscheinungen nicht als je und je aktuelle
Verleiblichung (Materialisation) einer an sich selber nicht-leiblichen Instanz
vom unsichtbaren Himmel her auffassen. Denn das auf Erden Sein ist dem
89 Cf. Althaus, der von »unvisionärer leibhaftiger Weltwirklichkeit und … geheim-

nisvoller Überweltlichkeit« spricht (aaO.␣ 22), um das eschatologische Geschehen zu


beschreiben (aaO.␣ 23). Cf. Die christliche Wahrheit, aaO.␣ 488/489 sowie auch Ihmels,
Die Auferstehung Jesu Christi (19174), 39 (A.␣ 17).
90 Ebeling, aaO.␣ 305; cf. die Luther-Zitate o. Anm.␣ 68 u.␣ 72.
91 Kittel, aaO.␣ 157; cf.␣ 134,131, 149.
92 Z.B. doch wohl das Essen (Lk␣ 24,42f.; Joh␣ 21,9 u.␣ 13, cf. aber Tob 12, 19 mit

Joh␣ 4,32 u.␣ 34!). Die Legendenbildung bezüglich der drastischen Ausmalung einer
Körperlichkeit des Auferstandenen wird aber gerade dann gut erklärbar, wenn die
ursprüngliche Erscheinung ein reales Bei–ihnen -Sein Jesu selbst in Person war: daran
konnten sich, um es zu veranschaulichen und zu verstärken, sehr leicht übertrieben
ausmalende Züge anhängen, die die o. beschriebene »Doppelseitigkeit« der Erschei-
nungen zurücktreten ließen zugunsten eindeutiger, massiver Innerweltlichkeit.
93 Cf. Kittel, aaO.␣ 150.
94 Cf. I Joh␣ 1,1 mit Joh␣ 1,14.
95 Genaueres dazu s.u. Kap.␣ 4.2. Nach Luther war Christus zugleich »begreiflich«

(circumscriptive; cf. WA 26, 334, 34: »das die augen sehen und die hende greiffen
mügen«) und »unbegreiflich« (diffinitive) da (WA 26, 328, 31ff.; cf.␣ 332,14–18) – analog
wie im Abendmahl (aaO.␣ 336, 5f.).
96 Neuerdings hat noch einmal H.D. Betz betont, daß der massive Realismus, was

die Körperlichkeit des Auferstandenen angeht, nicht als naiver Volksglaube einzu-
schätzen sei; er ist vielmehr theologisch reflektiert und gegen magisch-dämonische
Deutungen gerichtet (zit. bei Lüdemann, aaO.␣ 166).
82 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens

Erhöhten, wie gezeigt wurde, gerade als solchem wesentlich. Ebensowenig


darf man andererseits sagen, daß er nur eine Zeitlang ein »verklärtes Erden-
dasein« geführt habe97. Man sollte demgemäß weder von einer endgültigen
Rückkehr des Auferstandenen in den Himmel noch von einer nur zeitwei-
ligen Rückkehr in die weltliche Seinsweise sprechen98. Denn von Christi
Auferstehung überhaupt (als seinem immer auch bei den Glaubenden in der
Welt Sein), insofern sie gerade die endgültige Rückkehr in die weltliche,
diesseitige Seinsweise ist – denn, wenn auch nach Ostern verborgen, ist sie
dies gerade als himmlische, eschatologische Seinsweise auch99 –, ist sein zeit-
weiliges Erscheinen bei einzelnen Jüngern oder Gruppen von ihnen zu
Ostern auch zu unterscheiden. Christi Rückkehr ist ein für allemal, †f›pax,
und als solche ist sie zu Ostern proleptisch manifestiert und wird sie bei der
Parousie sich eschatologisch darstellen.
Diese Verhältnisse werden nur klar, wenn man festhält: das Erscheinen Jesu
bei den an ihn Glaubenden ist weder einfach die Wiederkehr eines Toten
noch die Vision eines in den Himmel Entrückten, sondern es manifestiert
den Einbruch einer neuen Welt, die sich an ihm als dem Lebenden und sich
Ostern Vergegenwärtigenden darstellt. Denn die Auferstehung Jesu ist schon
die vorweg ereignete Endvollendung100, und in den Erscheinungen des Auf-
erstandenen tritt proleptisch die neue Welt in Erscheinung101 . Die Aufer-
weckung aus dem Tode ist wirklich als Setzung an Jesus; zugleich ist sie
Voraussetzung des Eschaton bzw. dessen Sich-selbst-sich-Voraussetzen. »Er-
scheinung« ist das Sich-Vorlaufen der endgültigen Wirklichkeit, der Vor-
schein ewigen Lebens.
Insofern ist Jesus nach Ostern im wörtlichen Sinne der Mensch, der aus
der (absoluten) Zukunft kam. Denn das Sein des auferweckten Gekreuzigten
ist das Sein des Kommenden bzw. Wiederkommenden – gemäß der eschato-
logischen Logik des Werdens zu sich. Der aus dem Tode Lebendige lebt
ewig, d.h. schöpferisch neu aus seiner Vergangenheit102. Die nachher zu er-
örternde spezifische Auferstehungsleiblichkeit (soma pneumatikon) muß
auch als zeitlich-ekstatisches Sein verstanden werden, d.h. als dem zeitdurch-
dringenden Leben der Ewigkeit entsprechend.
97 Zur Problematik cf. Dibelius, aaO.␣ 117 u.␣ 119.
98 So zu Recht Graß (gegen K. Barth, cf. aaO.␣ 245 A.␣ 1), der aber seinerseits die
»himmlische, eschatologische Seinsweise« ganz von einer welthaft-zeitlichen abson-
dern möchte. Auch das halte ich für ein Mißverständnis eschatologischer Realität.
99 Luther betont die lebendige Nähe des auferstandenen Christus, der nicht im

Himmel – wie gefangen – an einem Ort sitzt (cf. WA 26, 420, 20f. u.␣ 422, 26–27
u.␣ 437, 12!).
100 Cf. das Klopstock-Zitat o. bei Anm.␣ 6.
101 Künneth, aaO.␣ 163.
102 Das Kommen bei verschlossener Tür ( Joh␣ 20,19) deutet auch auf diese quali-

fizierte Wiederholung seiner Vergangenheit, s.o. S.␣ 67. Zum Sachverhalt cf. bei Lu-
ther WA 6, 510, 12f.; 12, 477, 5–8; 23, 147, 9–19; 26, 328, 31ff.; 334, 2–5 u.␣ 17–23 u.ö.
1. Das Wesen der Erscheinungen 83

g. Abschließend ist noch auf den worthaften Charakter aller berichteten


Erscheinungen einzugehen; man hat sie geradezu als verbum visibile apostro-
phieren können103. Sie sind es grundlegend darin, daß erst das Wort des er-
scheinenden Herrn die Erscheinung eindeutig macht104. Zu ihnen gehört,
daß die Selbstvergegenwärtigung des Auferstandenen durch eine Bekundung
seiner Auferstehung von Christus selbst identifiziert wird105. Da es keine
Ostergeschichte ohne Selbstaussage des erhöhten Herrn gibt106 – für das Da-
maskuserlebnis des Paulus hat sie eine Schlüsselfunktion (cf. Act␣ 9,3ff.) –,
kann man von den Erscheinungen als spezifischen Formen einer Wortoffen-
barung sprechen107. Die Worte des Auferstandenen explizieren überhaupt
die eigene Bedeutung der Auferstehung, so daß man von einer »Einheit von
Geschehen und Wort« in den Erscheinungen reden kann108; dies besagt, es
handelt sich um Ereignisse, die ihre eigentümliche Bedeutung mit sich brin-
gen109. Da die sich in ihnen vollziehende Wiederherstellung der Gemein-
schaft mit den Jüngern (auf eine neue Weise) immer auch Vergebung ein-
schließt110 – was im besonderen für des Petrus Ostererfahrung gelten muß111,
cf. Lk␣ 24,34 u. I Kor␣ 15,5 mit Joh␣ 21,15ff. –, haben diese Auferstehungs-
erlebnisse den Charakter eines Sprachereignisses112. Nur im Vorübergehen
ist hier noch gleichsam die andere Seite dieses Vergebungsgeschehens zu
notieren. Christi Sichzeigen aus seiner Erhöhung heraus für die Seinen ist als
Teilgeben an seinem Sein auch deren vor Gott Gebrachtwerden in ihm.
Insofern darf man sagen, daß die Erscheinung des Auferstandenen auf Erden
zugleich die Vertretung der Glaubenden durch ihn vor Gott ist (Röm␣ 8,34).
Christi Erscheinen ist als Vergebungshandeln schon seine Intercessio als Ho-
herpriester im Himmel (Hebr␣ 5,9f.; 7,25; 9,24).
103 Künneth, aaO.␣ 82 u.␣ 85.
104 S.o. S.␣ 70. Für Luther entspricht Christus reden zu hören in seinem Wort ganz
seinen österlichen Erscheinungen, cf. WA 12, 496, 1–3 u.␣ 505, 19–32!
105 Graß betont, daß die Worte des Irdischen und des Auferstandenen eine Einheit

bilden und spricht in diesem Zusammenhang vom »Erinnerungsmotiv« (aaO.␣ 252).


106 Cf. Schlatter bei Künneth, aaO.␣ 71 A.␣ 35 u.␣ 82.
107 Luther beschreibt das Sprechen des Auferstandenen als seinen Lebenserweis

und ordnet es dem Sehen und Erkennen der Jünger vor, cf. WA 21, 223, 20 –36.
108 Cf. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, aaO.␣ 68f.
109 Pannenberg, aaO. ebd. u.␣ 89. Zur Einheit von Faktum und Bedeutung über-

haupt cf. STh II, 386.


110 Cf. II Kor␣ 5,17 u. Röm␣ 4,25. Die Berufung durch den Auferstandenen (cf.

Mt␣ 28,10; Joh␣ 20,17), die mit seinem Erscheinen vorliegt, beseitigt eo ipso die Sünde,
ist Vergebung, weil ein neues Sein im Gottesvolk. Cf. Graß, aaO.␣ 239 sowie Ebeling,
aaO.␣ 301 und Lüdemann, aaO.␣ 194 u.␣ 195.
111 Cf. Althaus, aaO.␣ 42. Bei Lüdemann, aaO.␣ 113, bleibt das Verhältnis von Ver-

gebungswort und Sehen undeutlich (ebenso wie das von Gotteswort und Menschen-
wort bzw. von psychologischem Phänomen und göttlichem Geist, aaO.␣ 123).
112 Cf. dazu auch Graß, aaO.␣ 254. So wie Jesus als Lebendiger sprechend und in

Anspruch nehmend erscheint, ruft er Glauben hervor und eine eigene Zeugenschaft
der Jünger (Ebeling, aaO.␣ 300).
84 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens

Das Sprachereignis der Auferstehungserfahrung selber setzt sich darin fort,


daß sie mit der Aussendung113 zu weiterem Bekennen und Zeugnis der Jün-
ger verbunden ist114. Die Beauftragung zur Verkündigung und Mission ge-
hört zur Intentionalität der Erscheinungen selber.
Überblickt man das Verhältnis von Auferstehung und Wort systematisch,
so lassen sich vier Aspekte bzw. Phasen unterscheiden.
1. Am Beginn steht der Widerspruch zum Tode Jesu in der Verkündi-
gung durch göttliche Boten (Mk␣ 16,5–7; Mt␣ 28,2–7; Lk␣ 24,4–7).
2. folgen die Erscheinungen als Selbstvergegenwärtigung des Auferstan-
denen als zu den Jüngern Sprechender. Sein Wort am Ostermorgen ist die
eschatologische Morgenröte115 . Und wie er selber in diesem seinen Wort
kommt, – so kommt dann im Wort von der Auferstehung der Auferstandene
selbst116. Die pneumatische Christuswirklichkeit ist wortgebunden, weil das
Pneuma als Dynamis der Auferweckung Gottes schöpferisches Wort ist und
weil das Wort der Auferstehungsbotschaft selber Glauben begründendes
Pneuma ist. Man kann auch sagen: durch die Auferstehung wird Jesus selber
das Wort Gottes, das er vorher (als Irdischer) verkündigt hat. Christus ist das
lebendige Wort Gottes, insofern er sein neues Leben Gottes schöpferischem
Allmachtswort verdankt bzw. besser: als dieses Wort allein dieses Leben hat.
Gottes Sprechen in der Offenbarungsgeschichte vom alten Bund her hat sich
im lebenschaffenden Wort der Osternacht definitiv vollendet117.
Indem die Auferstehungszeugen Christus als dies Wort vernehmen, dessen
Wort auch das Wort des Kommenden ist118, vollzieht sich ihre Bewegung
vom Hören zum Schauen – »Rede, daß ich dich sehe!« – als Antizipation des
Weges vom Glauben zur ewigen Schau (II Kor␣ 5,7; I Kor␣ 13,9–12) bzw. vom
irdischen Leben ins Eschaton.
3. Nach Ostern (d.h. nach dem Aufhören der Erscheinungen) begegnet
der Gekreuzigte als der Auferstandene wesentlich nicht (mehr) in der Un-
mittelbarkeit – wenn auch worthaft vermittelter – Schau (oder gar in so etwas

113 So z.B. Joh␣ 20,22. Nach Lüdemann handelt es sich bei dem Zusammenhang

von Erscheinung und Sendung um einen alten Typ von Berichten (aaO.␣ 180).
114 Jesus als den Herrn bekennen und glauben, daß Gott ihn von den Toten aufer-

weckt hat (Röm␣ 10,9), sind zwei Seiten einer Sache. Dies ist, in Gestalt des Glaubens-
bekenntnisses zu dem im Kommen begriffenen Gott und zur kommenden ewigen
Welt, unsere Rettung schlechthin (cf. Röm␣ 4,25 u. Act␣ 17,31!). Cf. Ebeling aaO. II
300 und o. Anm.␣ 112.
115 Cf. Klopstock: »Worte sprechen ihn nicht aus; aber sie sind doch/ seines Lichts

ankündende Dämmerung, werden / Morgenröthe …« (Das Schweigen (1801), in:


Sämmtliche Werke (1856), 5. Band, 35).
116 Nach Luther ist sein Kommen im Wort heute sogar wichtiger und heilsamer, als

wenn er auch gegenwärtig zur Tür hereinkäme, cf. WA 10/I, 2, 237, 8–11!
117 Von hier aus dürften das katÅ tÅ“ graf›“ bzw. auch Hebr␣ 1,1f. zu lesen sein;

s.u. Abschn.␣ 2. C., S.␣ 88ff.


118 Cf. Koch, aaO.␣ 199.
1. Das Wesen der Erscheinungen 85

wie visionärer Entrückung oder mystischer Ekstase), sondern allein durch das
Wort. Das kann so sein, weil das österliche Sehen selber schon vom Wort
herkam und worthaft war. Christus begegnet nun nur in der Verkündigung
(Röm␣ 10,17), und die Verkündigung (von ihm und seiner Auferstehung)
gehört insofern selber zum Christusgeschehen als Auferstehungsgeschehen
(II Kor␣ 5,18f.): das ist die »kirchengründende Predigt« (M.␣ Kähler). Christi
Tod und Leben werden rflmata tö“ zwö“ (Act␣ 5,20 u.␣ 30f.). Dies Wort als
»Medium des Osterglaubens«119 muß zugleich selber als eschatologisch be-
griffen werden120. Denn dies Wort vergegenwärtigt dem Hörer auf Glauben
hin zusammen mit dem Wort Jesu sein Leben und seinen Tod am Kreuz und
in eins damit das Perfektum seiner Auferstehung. In seinem Wort begegnet
der Auferstandene121, der schon als Menschgewordener das Wort in Person
war (bzw. ist: Joh␣ 1,1 u.␣ 14) und der Gottes endgültiges Wort in Gericht und
Vollendung ist (Hebr␣ 1,1f.).
4. Zwischen dem zu 2. und 3. angesprochenen Sachverhalt liegt die Di-
mension einer Textwerdung der Auferstehung als Sprachereignis. Denn die
Ostererscheinungen sind in Gestalt der Evangelien, die von ihnen auch be-
richten, erneut sprachlich verleiblicht worden und sprachproduktiv gewor-
den. Als visuell vergegenwärtigtes Wortgeschehen122 setzen die Erscheinun-
gen des Auferstandenen ihrerseits den Osterglauben frei, der nun auch an den
Texten der Evangelien einen Anhalt hat, nicht aber setzt sich ein vorausgehen-
der Glaube der Jünger, der sich als Zutrauen zu Jesus etwa durch die Katastro-
phe hindurch durchgehalten hätte, produktiv in die Erscheinungen um123.
Würde man entsprechend in den Evangelien nicht eine Reaktion auf die
Ausrufung der Herrschaft Christi durch Gottes Auferweckungstat an ihm
sehen124, sondern die Ausrufung seiner Auferstehung selbst125, dann gehörten

119 Ebeling, aaO.␣ 311. Insofern die o. im Text unter 1. u.␣ 2. benannten Dimensio-

nen des Auferstehungsgeschehens für uns heute als Wort des Kerygma begegnen, ist
für uns die Auferstehung auch als Wortwerdung (Sprachwerdung) und Textwerdung
(dazu gleich im Text 4.) aufzufassen. Bultmanns Auferstehungsverständnis hat hierin
seine teilweise Berechtigung; der Gedanke findet sich auch schon bei Luther, cf. o.
Anm.␣ 104 u.␣ 116 sowie R. Prenter, Spiritus Creator, aaO.␣ 116.
120 Das Auferstehungszeugnis und die Verkündigung vom Auferstandenen sind im

Raum der Sprache das Aufsichzurückgehen der eschatologischen Wirklichkeit auf


ihrem Weg von der Antizipation zur Erfüllung.
121 Cf. Ebeling, aaO.␣ 340–345.
122 Das wiederholt sich gleichsam im Visuellwerden als Text, der das Wort zu lesen

gibt.
123 Cf. Graß, passim u. J. Moltmann: »Die Erscheinungen sind nicht aus dem Glau-

ben der Jünger, sondern ihr Glaube ist aus den Erscheinungen zu erklären« (Der Weg
Jesu Christi, 1989, 239). Cf. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, aaO.␣ 93.
124 Cf. R.R. Niebuhr dazu, daß »Die Evangelien … gänzlich auf Grund der An-

nahme geschrieben sind, daß Jesus durch seine Auferstehung von den Toten zum
Herrn erklärt worden ist« (aaO.␣ 133).
125 Eben mit dieser Alternative setzt Niebuhr sich aaO. auseinander (ebd.).
86 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens

diese Texte nicht nur in das Auferstehungsgeschehen (als Sprachgeschehen)


hinein bzw. zu ihm, sondern wären es an ihnen selber. Auferstehung wäre so
aber reduzierend identifiziert mit dem Kommen des Geistes der Gemeinde
und der Gestaltwerdung von deren Selbstbewußtsein126. Dabei wäre, was
Grund des Glaubens ist – Gottes freie schöpferische Tat am toten Jesus – mit
dessen Folge verwechselt, die der Glaube selber ist samt seiner Verkündigung
und der sie ausdrückenden und bestimmenden Texte127. Dieser Unterschied
aber konstituiert den Glauben als solchen – auch in dem Sinne, daß er selber
nur ist, indem er diesen Unterschied weiß.
Abschließend ist hier noch auf den schon kurz berührten, ganz allgemeinen
Sachverhalt aufmerksam zu machen, daß wegen des unauflösbaren Inein-
anders von religiösem Phänomen (hier: die Erscheinungen des Auferstande-
nen) und sprachlichem Deutungsmuster durch dieses als eine auch sprachliche
Innovation eine neue Realitätssicht eröffnet wird128. Die durch die Oster-
erscheinungen inaugurierte christliche Deutung von »Auferstehung« in Be-
zug auf den toten Jesus verschiebt den Sinn von Realität auf diese eine
Person derart, daß eine neue »Weltansicht« mit einer ihr eigentümlichen,
internen Dynamik freigesetzt wird. Durch das in der Auferstehung Jesu
Christi von den Toten begründete Zusammensprechen eines wirklichen
Menschen mit der göttlichen Realität ist die Erfahrung von Wirklichkeit
anders geworden. Dafür stehen die Erscheinungen des Auferstandenen ein.

2. Die Wahrheit der Auferstehung

A. Das Sein des Auferstandenen


Der eben historisch und systematisch festgestellte Begriff der Auferstehungs-
erscheinungen gestattet zusammenfassende Formulierungen über das eigen-
tümliche Sein des Auferstandenen.
Christus, der auferweckte Gekreuzigte, kommt aus der Zukunft oder aus
der Ewigkeit – diese Aussage ist in ihrem genauen Sinn zu bestimmen durch
die andere, ebenso wahre, daß er der aus seinem Tode, d.h. aus der Vergan-
genheit, Lebendige ist – und umgekehrt. Als der Erste und der Letzte
(Offb␣ 1,4 u.␣ 8) ist er auch der Kommende129. Erst im Begriff des Sichdurch-
126 Cf. ebd.
127 Schon Barth hat betont, daß die Erscheinungen dem Glauben begründend
vorausgehen: KD IV/1, 377.
128 Das zeigt für die Christologie instruktiv M. Hengel, Die christologischen Ho-

heitstitel im Urchristentum, in: H. v. Stietencron: Der Name Gottes, Düsseldorf 1975,


90 –111. Zum Humboldtschen Begriff der »Weltansicht« (überhaupt) einer Sprache
cf. T. Borsche, Sprachansichten. Der Begriff menschlicher Rede in der Sprachphilo-
sophie W. von Humboldts, Stuttgart 1981, besonders Kap.␣ 21 (256ff.).
129 Cf. KD IV/1, 356 u.␣ 358; zur Bedeutung für die Glaubenden: aaO.␣ 362!
2. Die Wahrheit der Auferstehung 87

dringens beider »Richtungen« ergibt sich der volle Sinn des eschatologischen
Status, zu dem er erweckt ist bzw. der sein Auferwecktsein ist. Sein Sein (als
»wahrhaft« Auferweckter und so lebendiger Herr) ist Inbegriff des eschato-
logischen Unterwegsseins der Wirklichkeit zu ihrer Vollendung in Gottes
eigenem Leben.
Daher ist seine Gegenwärtigkeit als schlechthin »entschränkt« zu verste-
hen130, und der Auferstandene ist mit allen Zeiten und allen Menschen als er
selber gleichzeitig – eine Gleichzeitigkeit, die der Glaube wahrnimmt: für
den Glaubenden ist die eigene Zeit immer zugleich die Zeit des lebendigen
Herrn, die von Christi Mit-sein bestimmte Zeit131. Diese wahre Gleichzei-
tigkeit – als die mit Jesus, dem Vergangenen – kann nicht vom Menschen aus
hergestellt werden (etwa qua Einfühlung, Erinnerung o.ä.), denn sie ist nicht
ein Sichzurückversetzen in die Vergangenheit, sondern deren Präsenz in kraft
ihrer Zukunft132.
Vom »Unterwegssein« ist im Sinne einer Antizipation des Ziels aller Wirk-
lichkeit in Christi Person zu reden. D.h. an Christus dem Auferweckten hat
sich vorweg ereignet und realisiert, wozu Gott alle Wirklichkeit eschato-
logisch bestimmt hat. Seine Vollendung zum erhöhten Herrn ist tendenziell
auch die Vollendung aller an ihn Glaubenden und der Welt in ihm und durch
ihn. Im Auferstandenen hat die von ihm bestimmte Wirklichkeit ihre end-
gültige Bestimmung, und seine Gegenwart ist schöpferische Zukunftser-
öffnung133. R.R.␣ Niebuhr hat derart zu Recht von der Auferstehung als
einem »offenen historischen Ereignis« gesprochen134. Denn die Abgeschlos-
senheit und Undurchdringlichkeit des Todes – Index reiner Übermacht der
Vergangenheit als solcher –, der uns in bloße Vergangenheit stößt und jeder
Zukunft – als nicht mehr unserer – beraubt, ist in Christi Auferweckung
grundlegend durchbrochen.
Christus ist also in Person der antizipierte Status der Welt auf ihrem Weg
zur Vollendung. Sein Sein ist das Sichdurchdringen von Vergangenheit und
Zukunft in einer immerwährenden lebendigen Gegenwart, die eschatolo-
gisch verfaßt ist, d.h. auf ihre Vollendung in Gott zugeht135.

130 Cf. das Zitat von H.-D. Betz bei Lüdemann, aaO.␣ 254 A.␣ 579.
131 Cf. die Eingangssätze in Kierkegaards »Einübung im Christentum« (1850),
I.␣ «Anrufung« (Gesammelte Werke (Hirsch), 26. Abt., S.␣ 5). Jede Zeit des Glaubens ist
»unmittelbar zu Gott«!
132 Was die Abhängigkeit der Gegenwart von erinnerter Vergangenheit und anti-

zipierter Zukunft für die – von Augustin her erläuterte – Erinnerung und auch für das
Sein des Auferstandenen bedeutet, kann man im Anschluß an die einschlägigen Re-
flexionen von R.R. Niebuhr (aaO.␣ 86–88) weiterdenken.
133 »Alles geschieht nun in seiner Präsenz, Führung und Kraft« ( Joest, Dogmatik 1,

aaO.␣ 267).
134 Niebuhr, aaO.␣ 151.
135 Cf. Hebr␣ 10,13 mit 2,8b u.␣ 9,28b. Der späte Barth hat das für Christus so

formuliert: »Er selbst begegnet uns hier auch in dem konkreten Sinn als Lebendiger, daß
88 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens

Die Erscheinungen des Auferstandenen manifestieren daher weder bloß


die Vergangenheit des Irdischen noch bloß die ewige Zukunft des Erhöhten.
Sie sind vielmehr das Gegenwärtigwerden jener wechselseitigen Durchdrin-
gung des von Christus bestimmten Weges aller Wirklichkeit aufs Eschaton zu
und des von Gott bestimmten Gezogenwerdens der neuen Schöpfung auf
seine Ewigkeit hin bzw. in sie hinein136. In Christus hat – antizipatorisch –
das neue eschatologische Sein aller Wirklichkeit seine personale Verdichtung
und Gestalt gefunden137. Der ontologische Status dieses Seins als Erscheinung
erklärt sich aus seiner eschatologischen Realität im Sinne des eben erwähn-
ten Sichdurchdringens beider Zeitrichtungen138. Christus ist dergestalt der
Werdestand aller Dinge in kraft der Vorwegereignung des Eschaton an seiner
Person.
Das qualifiziert auch die Gegenwart des Erhöhten jetzt und heute: sie ist
ein Sein im Werden zu sich, d.h. in ewiger Koinzidenz von Jesu Auferste-
hung und seiner Parousie139 oder auch: im Sichdurchdringen seiner Vergan-
genheit (seines gewesenen Lebens und Sterbens) und seiner eschatologischen
Zukunft, die beide in Gottes Allgegenwart eins sind. Christus, der lebendige
Herr, ist jetzt gegenwärtig in der Mächtigkeit des Kommenden, der der ein
für allemal Gekreuzigte ist, und so allgegenwärtig wie Gott selber: ubique et
nusquam. Seine Gegenwart ist die eschatologische Dynamik der Wirklich-
keit in kraft des sich in der Welt an ihr durchsetzenden Lebens Gottes. Der
eigentümliche Schwebe-Charakter seiner im NT beschriebenen »Erschei-
nungen«, d.h. das diesen eigentümliche Ineinander von seiner von sich über-
führenden Realität einerseits, die die Glaubenden, denen Erscheinungen
widerfuhren, von seiner lebendigen Gegenwart gewiß machten, und seiner
»Ungreifbarkeit«, d.h. seiner sich empirischer Nachprüfbarkeit entziehenden

er … sich offenbar gerade hier in Bewegung, auf seinem Weg als gottmenschlicher
Mittler, im Ausschreiten von seinem Anfang her zu dem in ihm schon beschlossenen
und angezeigten Ziel befindet … Als Offenbarer seines Werkes ist er selbst noch nicht
an seinem Ziel, geht er ihm vielmehr selbst entgegen: von dessen Anfang in der
Offenbarung seines Lebens her entgegen dem Ziel seiner noch nicht geschehenen
Offenbarung des in seinem Leben beschlossenen Lebens aller Menschen, der ganzen
Kreatur, ihres Lebens als neue Schöpfung … von dem einen Ostertag dem Tag aller
Tage, dem »jüngsten Tage«, dem Tag seiner letzten, abschließenden Wiederkunft ent-
gegen. Er hat schon im Anfang seines Werkes dieses Ziel … Und antizipierend ist es
in seiner Auferstehung … auch schon erreichtes Ziel … Es ist dieses Ziel aber in
seinem Anfang noch nicht das außer Ihm, auch in der Situation der Welt und des
Menschen erreichte Ziel. Sondern eben jenem auch außer ihm selbst zu erreichenden
Ziel geht er in jenem Anfang und von ihm her entgegen. In diesem Abschluß seiner
Wiederkunft ist er sich selbst noch Zukunft« (KD IV/3, 377f.).
136 Cf. Joh␣ 12,32 u.␣ 6,44: »mit Seilen der Liebe«!
137 Insofern gilt, daß der gegenwärtige Christus seine Auferstehung für unser neues

Leben einsetzt; cf. Joest, aaO.␣ 2, 492.


138 S.o. Kap.␣ 2.1., S.␣ 34 u.␣ 36 und 2.2. S.␣ 44f.
139 S.o. Kap.␣ 2.1., S.␣ 34.
2. Die Wahrheit der Auferstehung 89

Transzendenz (verklärtes Sein bei Gott) andererseits, muß von daher verstan-
den und erklärt werden140. Es handelt sich also nicht um die gewöhnliche,
empirische und alltäglich vertraute, persönliche Gegenwart eines Menschen,
aber auch nicht um ein bloß mentales Erschlossenwerden (»subjektive Visi-
on«) eines unzugänglichen himmlischen oder rein zukünftigen Sachverhalts.
Sondern es geht um ein »neues Sein« in dem spezifischen Sinn der Mani-
festation eschatologischer Dynamis als neuschöpferischer Konstitution des
Personseins aller Menschen sowie der Wirklichkeit überhaupt.
Läßt sich der Wirklichkeitscharakter des Auferstehungsereignisses, der
damit beansprucht wird, noch differenzierter aussagen?

B. Die Wirklichkeit der Auferstehung


Dieser ganzen theologischen Besinnung auf die Auferstehung Jesu Christi
liegt die – auch methodisch realisierte – Einsicht zugrunde, daß es sich dabei
um ein Thema handelt, bei dem aus Sachgründen historische und systema-
tische Fragestellung sich unlösbar durchdringen. So wenig eine (scheinbar)
nur historische Zugangsweise das Thema als solches erreicht – sie verfehlt es
vielmehr schon historisch gesehen, weil sie die maßgeblichen Texte gar nicht
trifft, für die der Zusammenhang ihrer Auferstehungsaussagen mit der Rede
von Gott konstitutiv ist –, so ist es andererseits wegen der ausdrücklichen
Betonung: ontos egerthe (Lk␣ 24,34) unerläßlich, den damit gesetzten Wirk-
lichkeitsanspruch zu klären und zu begründen, wenn denn die systematische
Theologie über den Wahrheitsgehalt des christlichen Glaubens Rechenschaft
geben will141.
Solche theologische Rechenschaft hat eine logische und eine ontologische
Dimension. Das Grunderfordernis einer theologischen Logik der Auferste-
hungsthese besteht wohl darin, deren Konsistenz im Horizont des (christ-
lichen) Gottesgedankens herauszuarbeiten und die Rede von Auferstehung
so theologisch nachvollziehbar zu machen. Diesem systematischen Desiderat
versucht die vorliegende Darstellung durchgehend gerecht zu werden. Einer
ontologischen, den eigentümlichen Wirklichkeitsstatus der Auferstehung auf-
klärenden Darlegung stellen sich andere Schwierigkeiten entgegen, die einer-
seits mit dem Anderssein Gottes überhaupt und andererseits spezifisch mit
der Seinsweise des Eschaton und seiner »neuen Wirklichkeit« (II Kor␣ 5,17)
zusammenhängen. Hier wird weithin nur indirekt (bzw. auch nur negativ)
etwas formulierbar sein142, für das gleichwohl ontologische Relevanz be-
140 Cf. die faszinierende Beschreibung der eigentümlichen Zeitlichkeit der Auf-

erstehungserfahrungen in ihrem dialektischen Zusammenspiel von Gegenwart und


Vergangenheit bei R.R. Niebuhr, aaO.␣ 148f.
141 Cf. Ebeling, aaO.␣ 285.
142 Ebeling verweist hierzu auf die traditionelle via negationis und via eminentiae,

aaO.␣ 304.
90 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens

hauptet werden muß, weil vom theologischen Sinnzusammenhang der Escha-


tologie die Wirklichkeit im Ganzen und die Frage nach der Wahrheit ihres
Seins betroffen ist.
Unbefangen-geradezu kann die scheinbar naheliegende und selbstver-
ständliche Frage: Was ist da (damals) eigentlich geschehen? jedenfalls weder
gestellt noch beantwortet werden. Denn schon die Bestimmung »eigentlich«
impliziert die weiterreichende Frage danach, was überhaupt an Verstehens-
horizonten aufzubieten ist, um adäquat die Wirklichkeit der Auferstehung
(bzw. von so etwas wie Auferstehung) zu begreifen. Denn es handelt sich hier
zweifellos nicht um ein eindeutiges Faktum, das für sich schon evident und
dessen Bedeutung nur noch zu eruieren wäre. Es geht vielmehr – jedenfalls
für heutiges Nachdenken darüber – zunächst und grundlegend darum, wel-
chen Wirklichkeitscharakter dieses »Ereignis« hat: Was ist die Wirklichkeit
von Auferstehung als Wirklichkeit? Bzw. was ist ihr Ereignischarakter als
Ereignis?
Weil nun diese Frage nach dem eigenen Wirklichkeitsstatus durch den
ausdrücklichen Hinweis: ontos auch von den Ostertexten selber dringlich
gemacht wird, ist sie zufriedenstellend weder durch die Reduktion auf ein
subjektives Betroffensein – sei es affirmativ als Glaubensgewißheit, sei es
kritisch als visionäres Erlebnis etc. – zu beantworten, noch auch sachgemäß
durch die apriorische Festlegung auf eine »historische«, d.h. nach den metho-
dischen Standards einer Spezialwissenschaft verfahrende Rekonstruktions-
möglichkeit143 – so sehr eine historisch saubere Klärung der Tatbestände,
soweit sie feststellbar sind, unverzichtbar ist. Damit ist gesagt: ontologische
Vorentscheidungen dürfen – auch nicht in methodologischer Gestalt – einer
um Angemessenheit bemühten, unverengten Wahrnehmung des Sachver-
haltes nicht im Wege stehen.
Der vorhergehende Abschnitt hat nun eine Reihe von Aussagen über das
spezifische Sein des Auferstandenen in theologischem Verständnis gemacht,
deren ontologische Relevanz jetzt nochmals für sich zu erörtern ist. Der
Wirklichkeitsmodus der Lebenswirklichkeit des auferstandenen Christus, wie
er sich in den Erscheinungen bekundet, wurde als eschatologisch bestimmt.
Darunter ist ein Sein verstanden, das, weit entfernt auf gegenwärtiges Vor-
handensein oder gar gegenständliche Realität im empirischen Sinne be-
schränkt zu sein, die von Gott heraufgeführte und in der Durchsetzung be-
griffene endgültige, wahre Wirklichkeit meint.
Über die eigentliche Wirklichkeit der Auferstehung ist damit ein Doppel-
tes gesagt. Zum einen, sie ist als Wirklichkeit schlechthin neu und unver-
143 Für eine tiefgreifende Beunruhigung des säkularen Geschichts- und Wirklich-

keitsverständnisses steht in der Tradition religiöser und biblischer Sprache immer schon
das Wort »Gott«. Auch vom »Handeln« Gottes zu reden, ist unlösbar vom Vorkommen
dieses Wortes in einer bestimmten Art von Erfahrungen und ist auch unverzichtbar,
um theologisch dieses Vorkommen zu begreifen.
2. Die Wahrheit der Auferstehung 91

gleichlich – das ist der mehr inhaltliche Aspekt –, nämlich ein Sein nur im
ontologischen Zusammenhang mit der allgemeinen Totenauferweckung am
Ende aller Dinge144. Indem Christi Auferweckung der Einbruch des ewigen
Lebens Gottes selber in dieser Welt ist, und dieses in dem Auferweckten und
wahrhaft Lebenden ganz präsent ist, hat er nicht eine isolierte Wirklichkeit
für sich, sondern seine ganze Wirklichkeit ist (erst) die eschatologische, neue
Wirklichkeit. Sein Sein ist das des Weggehenden (ins Eschaton Gehörenden)
als des Wiederkommenden (d.h. von da die allgemeine Auferstehung der
Toten Bringenden); demgemäß wird, wie von der neuen Wirklichkeit als
Aufhebung irdischer Wirklichkeit145, so auch von Ontologie nur in dialekti-
scher Brechung durch den eschatologischen Begründungszusammenhang
die Rede sein können146.
Zum andern – das ist der mehr formale Aspekt –, die Wirklichkeit der
Auferstehung ist die von Gott gesetzte Überbietung der bisher bekannten
Wirklichkeit durch ihre Wahrheit. Insofern stellt der Auferstehungsglaube
unausweichlich einen Protest gegen die evidente Welterfahrung da, dessen
ontologische Relevanz eins ist mit der des (christlichen) Gottesglaubens sel-
ber. Denn der Osterglaube ist nur, was er ist, weil er »sich begründet, gefor-
dert, getragen durch eine Wirklichkeit« weiß147, die wirklich ist als Wirklich-
keit über alle Wirklichkeit hinaus: also nicht nur unsere Erkenntnis von
einem uns vorher Verborgenen (bzw. nur dessen Offenbarung), sondern »die
Setzung eines neuen Tatbestandes«148, der ontologisch alles in ein neues
Licht, d.h. einen neuen Seins- und Geschehenszusammenhang hineinstellt.
Von diesem Neuen ist als der Wahrheit der Wirklichkeit überhaupt die
Rede, weil und insofern die Auferstehung als die Wahrheit von Jesu irdi-
schem Leben (und Sterben) verstanden wird. Mit dieser kommt die Wahrheit
allen geschöpflichen Seins überhaupt als dessen eschatologische Wirklich-
keit. Auferstehung gibt Gott als die alles bestimmende Wirklichkeit in dem
Sinn zu denken, daß er die Wahrheit der Wirklichkeit, die sein Leben ist, für
diese (alte) Wirklichkeit selber heraufführt bzw. heraufzuführen im Begriff
ist149. Darin liegt inbegriffen, daß von der Auferstehung Jesu Christi ein real

144 Gegen eine einseitige Reduktion der Auferstehung auf die vorgegebenen apo-

kalyptischen Vorstellungsschemata, in denen sie artikuliert wird, ist mit Ebeling daran
festzuhalten, daß Christi Auferstehung doch »ein Innovationsgeschehen« in sich birgt
– und zwar von denkbar umfassendster Bedeutung (cf. aaO.␣ 306).
145 Zum Kommen des neuen ewigen Lebens als Absterben des alten cf. WA 36,

685, 28–35.
146 Gott erwählt, wie Paulus I Kor␣ 1,28 sagt, das mÉ µnta, d.h. er ruft eine neue

Schöpfung ins Sein, damit die alte (tÅ µnta) destruiert werde.
147 Cf. Althaus, aaO.␣ 38.
148 Althaus, aaO.␣ 60.
149 Das Neue dieser neuen Wirklichkeit ist nicht beziehungslos zu der eodem actu

als alt qualifizierten (Hebr␣ 10,9b, cf.␣ 8,13), sowie auch die persönliche Wirklichkeit
des Auferstandenen neu war (z.B. gegenüber dem Zweifel und der Verzweiflung der
92 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens

veränderndes Licht auf alles menschliche Leben fällt: also auf etwas, das im
letzten betrachtet nur wirklich ist, sofern es geschöpflich ist, angelegt hin auf
diese seine endgültige Wahrheit aus Gott. Darum gilt das neue (eschatologi-
sche) Leben als das eigentliche Leben150. Es ist vom göttlichen Geist be-
stimmt, der wie Ursprung so auch Ziel und so die Kraft der wahren Verwirk-
lichung des Lebens ist151. Darin liegt weiter die grundstürzende ontologische
Bedeutung der Auferstehung inbegriffen, insofern sie der Wirklichkeit im
Ganzen – ihren Seinssinn völlig umpolend – eine Ausrichtung auf ihr letztes
Ziel in Gott mitgibt bzw. in sie einstiftet und sie, d.h. die ganze Wirklichkeit,
in sich als ihre letztgültige Wahrheit hineinziehen will.
In diesem eschatologischen Wirklichkeitsgeschehen – als Geschehen an
unserer Wirklichkeit – bezieht sich die Neuheit, die ihm eignet, sowohl auf
Gott selber wie auch auf die geschaffene Wirklichkeit. Indem Gott sich als
Macht der eschatologischen Wahrheit aller Wirklichkeit über diese Wirk-
lichkeit in der Auferstehung Jesu zum ewigen Leben erwiesen hat, hat er sich
neu bestimmt. Denn er hat sich dadurch neu und spezifisch als der mit Jesus
Christus, dem aus dem Toten Lebenden, Lebendige und d.h. als der sein
Leben auch am Tode Durchsetzende bestimmt. Diese Selbstbestimmung
Gottes zum ewig Lebendigen ist neu, insofern er sich zugleich als der nur als
trinitarischer Gott wahrhaft Lebendige und als der in der Vollendung der
Geschichte Lebendige erwiesen hat. In dieser Hinsicht muß man sagen: die
Wirklichkeit der Auferstehung ist, daß Gott selber sich wirklich verändert
hat – nicht ein anderer Gott, sondern anders Gott und als Gott anders gewor-
den ist152.
Im Zusammenhang von Gottes neuer Selbstbestimmung hat die Auferste-
hung sodann auch die Bedeutung von Neuschöpfung. Das Auferstehungs-
ereignis ist ja der Schöpfung zunächst vergleichbar153, weil es dieselbe abso-
lute Faktizität wie diese hat: es verdankt sich einer wirklichen Setzung bzw.
Äußerung göttlichen Lebens (und ist als solche in ihrem realen Eintreten
unableitbar, wenn auch im Zusammenhang der Schöpfungs- und Heils-
geschichte rückblickend sinnvoll, nämlich vollendend darauf bezogen), in

Jünger) als neues Bei-ihnen-Sein Jesu mit seinem Wort und seiner Geschichte, d.h.
desselben anders, in Aufhebung und Verklärung seines irdischen Seins. Zu diesem
Charakter der Begegnungen mit dem lebendigen Herrn cf. Althaus aaO.␣ 69 u.␣ 45, 86.
150 Cf. II Kor␣ 4,10; 5,4; Röm␣ 5,10; Gal␣ 6,8; Röm␣ 2,7; 5,21; 6,22f. mit Joh␣ 1,4;

5,26; 14, 6.
151 Cf. Pannenberg, STh II, 388.
152 Darauf ist beim Thema »Auferstehung und Menschwerdung« und »Gottes

Leben« zurückzukommen, s.u.␣ 126 u.␣ 174. Übrigens ist diese Neubestimmung Gottes
in der Auferstehung der letzte theologische Grund für die Weltmission (cf. Mt␣ 28,
18–20).
153 Über das systematische Verhältnis von Schöpfung und Auferstehung s. Näheres

u. S.␣ 117ff.
2. Die Wahrheit der Auferstehung 93

der sich die Liebe Gottes zum Geschaffenen als ein von Gott Unterschieden-
sein und doch aus Gott Existieren manifestiert154. Als schöpferische Wirk-
lichkeit aus Gott ist die Auferstehung des Gekreuzigten also weder als bloß
etwas Immanentes (»rein historisch«), noch auch als etwas rein Transzenden-
tes zu fassen155. Sondern sie ist wie die Schöpfung wirklich als Wirklichkeit
begründend (konstituierend), d.h. sie ist, weil gerade das Zustandekommen
(die Setzung) neuer Wirklichkeit betreffend, Wirklichkeit im Übergang und
insofern eschatologische Wirklichkeit. Sie ist aber nicht nur wie Schöpfung
zu denken, sondern auch als Neuschöpfung, d.h. als Gottes vollendende Fort-
setzung seines protologischen Schöpfungshandelns. Dies ist theologisch so-
gar als ein (ewiger) Heilszusammenhang, der sich in sich differenziert, zu
begreifen. Indem die Neuschöpfung im Auferstandenen die »erste« Schöp-
fung in sich hinein aufhebt, sind der ewige Zusammenhang und die (ge-
schichtliche) Differenz bei uns zu denken. Zugleich ist diese Bestimmung
des ontologischen Status der Auferstehung als schöpferisch neuer Wirklich-
keit nur ein Sonderfall des allgemeinen Sachverhaltes, daß theologisch Wirk-
lichkeit überhaupt nicht zureichend, und wahre Wirklichkeit zumal, ohne
Gott verstanden werden kann, d.h. ohne sein Kommen bzw. ihn als den
kommenden Gott (Ps␣ 50,3; Jes␣ 40,10). Hierin ergibt sich auch ein Zusam-
menhang mit dem biblischen Wirklichkeitsverständnis, demgemäß Wirk-
lichkeit »als Feld göttlichen Handelns mit Einschluß seiner eschatologischen
Vollendung« aufgefaßt wird156, was auch eine herkömmliche Ontologie her-
ausfordern muß157.
Zur Präzisierung dessen, daß die mit der Auferstehung gesetzte neue Welt
die vorausgehende in sich aufhebt, ist noch folgendes zu bemerken158. Diese
neue Welt Gottes kommt nicht, »nachdem« die alte vergangen ist, sondern
indem sie kommt, ist die alte im Vergehen begriffen. Das neue Setzen der
eschatologischen Wirklichkeit ist an ihm selber schon das Vergehen und Ver-
gangensein der alten (Hebr␣ 10,9b; Offb␣ 21,4)159, d.h. deren eodem actu Ver-

154 Diese Faktizität der Auferstehung wird unterstrichen bei Kittel: »die Gottes-

wirklichkeit ist da, ist Wirklichkeit« (aaO.␣ 168; cf. auch 169: »Die Gottestat, die Got-
teswirklichkeit, das Wort, das Gott zu der Welt spricht in Seinem Christus« (d.h. dem
Gekreuzigten).)
155 Das Zweite tut mit dem relativen Recht der Einseitigkeit Dalferth, aaO.␣ 79f.
156 Cf. dazu Pannenberg, STh II, 405.
157 Cf. o. Kap.␣ 2.1. Anm.␣ 13 und eine andere ähnliche Äußerung Luthers: »… ein

seltsame Sprache und newe grammatica … Denn er wil, weil wir sollen newe men-
schen sein, daß wir auch ander und new gedancken, verstand und sinne haben, und
kein ding ansehen nach der vernunfft, wie es fur der welt stehet, sondern wie es fur
seinen augen ist, und uns richten nach dem zukünfftigen, unsichtbarn newen wesen,
des wir zu hoffen haben und nach diesem leiden und elenden wesen folgen sol …«
(WA 34/II, 480f.); cf. auch die bekannte Stelle WA 7, 337, 30 –35!
158 Das folgende ist eine Auseinandersetzung mit H. Graß, aaO.␣ 171 u. vorher.
159 Cf. auch o. Anm.␣ 149.
94 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens

zehrtwerden160. Radikalität und Diskontinuität des Neuanfangs161 dürfen


nicht auf die Zeitlinie (als ein Nacheinander) aufgetragen werden. Radika-
lität und Diskontinuität liegen im Handeln Gottes (als schöpferischer Spon-
taneität); insofern sollte man bei der neuschöpferischen Auferweckung als
Setzen neuer Wirklichkeit nicht von bloßer »Umwandlung« reden, bei der
sich »etwas durchhält«162. In Wahrheit geht es um ein radikales Neusetzen
(d.h. göttliches Setzen) Desselben; insofern dies das ihm Vorausgehende in
sich hinein aufhebt, bleibt eben nichts als Substrat einer bloßen Umwand-
lung fixierbar. Was Gott von sich aus neu setzt, ist ganz und ausschließlich
sein Eigenes und nichts mehr für sich, an dem so etwas wie eine Umwand-
lung stattfinden könnte.
Wegen dieser Dialektik von Neuschöpfung hat das Auferstehungsereignis
denn auch ganz spezifische Bezüge auf das Leben des historischen Jesus an
sich selber163. Man kann sie, insofern dieses irdische Leben Jesu als die Anti-
zipation seines erhöhten Lebens bzw. als in ihm durch die Auferweckung
»aufgehoben« zu denken ist, als ein Verhältnis der »rückwirkenden Bestäti-
gung« beschreiben164. Diese Figur der Antizipation ist von der Logik eines
dialektischen Aufgehobenwerdens bestimmt und in das Werden zu sich ein-
zuzeichnen. Werden zu sich meint eben das Einholen der Antizipation in
ihren ihr zeitlich folgenden Ursprung bzw. das Aufsichzurückkommen aus der
selbst sich vorausgesetzten Vorwegereignung des Endes als des wahren An-
fangs. Der ontologisch rückwirkenden Bestätigung entspricht die vorlaufen-
de Realisierung des wahren Anfangs. Das Sichvorauslaufen des Eschaton,
seine Antizipation in der Auferstehung Jesu, betrifft die Realität selber und
im Ganzen, und die Wirklichkeit – als dadurch qualifiziert – hat, ontologisch
gesehen, eschatologisches Sein, eben weil sie ihre Wahrheit in Gottes Werden
zu sich (als Lebendiger) hat. Die Spannung von Antizipation und Vollendung
(bzw. von Neuschöpfung zwischen Schöpfung und Eschaton oder auch: von
Christi Auferweckung und allgemeiner Totenauferstehung) ist die Kraft der
Einheit göttlichen Lebens, das als solches diese Spannung in sich trägt bzw. an
ihr eigentlich lebendig ist165. Das besagt auch: mit dem (antizipatorischen)
»Anfang« ist das Zugehen aufs Ende (als den wahren Anfang) notwendig
160 Cf. Graß, aaO.␣ 164.
161 Gerade daran liegt Graß soviel. Auch Moltmann betont die »Identität im tota-
len Widerspruch« stark und verlegt die Identität zugleich aus der Personkontinuität
Jesu: »extra se in den Gott, der aus dem Nichts Leben und neues Sein schafft« (Theo-
logie der Hoffnung, aaO.␣ 181 u.␣ 182).
162 In seiner Rede von Umwandlung berücksichtigt Graß nicht die eigentümliche

Dialektik eines Übergangs von Zeit in Ewigkeit.


163 Zum Verhältnis von historischem Jesus und auferstandenem Christus s. aus-

führlicher u. S.␣ 130ff.


164 So Pannenberg, STh II, 342, 408 u.ö.; cf. schon »Grundzüge der Christologie«,

aaO.␣ 134ff., 169, 230 u.ö.


165 Cf. Künneths Rede von »innerer Dynamik«, aaO.␣ 53.
2. Die Wahrheit der Auferstehung 95

gegeben: es muß kommen, so wahr Gott Gott ist, d.h. der Lebendige166.
Insofern besagt Antizipation immer167: es ist schon da und auch in sich (!)
vollendet168.
Von hier aus läßt sich vielleicht die oben behauptete Einzigkeit der Aufer-
stehung Jesu Christi (s. S.␣ 55) noch präzisieren. Gerade weil sie (als Antizipa-
tion des Eschaton) schlechthin analogielos ist, ist sie keine partikulare und
damit empirische Gegebenheit, d.h. ein Wirklichkeitsphänomen u.a., son-
dern ist (sinnvoller) Kandidat für die eine Wahrheit aller Wirklichkeit, auf die
diese zutreibt. So manifestiert sie, daß Gottes Handeln an und mit der Welt
deren letztes Wesen und Telos ist. In eschatologischer Hinsicht ist dann die
beschriebene Dynamik von Sich-Vorauslaufen und In-sich-Zurückkehren
nicht einmal schlechthin (exklusiv) singulär, sondern möglicherweise die
verborgene Logik aller Wirklichkeit überhaupt (als auf neuschöpferische
Vollendung zugehender Schöpfung), die eben als Wahrheit von allem in
Christus heraufgeführt und ins Licht getreten ist. Ontologisch steht hier eine
eschatologische Verfassung der Wirklichkeit selber in Frage.
Vor diesem Hintergrund jedenfalls kommt dem Glauben (als immer Auf-
erstehungsglauben) eine ontologisch bedeutsame Erschließungskraft für die
Erfahrung von Wirklichkeit zu. Glaube ist als andere Wirklichkeitserfahrung
primär nicht eine andere »Deutung« derselben Wirklichkeit, sondern ist Er-
fahrung der als Wirklichkeit anderen Wirklichkeit des kommenden Got-
tes169. Diese ist freilich, wie gesagt, nicht abstrakt oder unbestimmt anders,
sondern als bestimmte Negation auf die empirische Wirklichkeit bezogen,
nämlich als ebenso deren interne Dynamik und Triebkraft des Vorhandenen
aufs Eschaton zu wie als deren (nicht abstrakt negierende) Aufhebung.
Sofern der Glaube an dieser Antizipation teilhat und der Ort ist, an dem sie
sich menschlich wiederholt bzw. reflektiert, hat er oder ist er immer zugleich
die Gewißheit ihrer noch ausstehenden endgültigen Erfüllung wie die ihrer
letztgültigen Wirklichkeit schon jetzt. Da wir, wie Luther einmal sagt, die
Kraft der Auferstehung erst im zukünftigen Leben recht erkennen können170,

166 Entsprechend redet Moltmann von der »inneren Notwendigkeit des Christus-
geschehens«, sich eschatologisch durchzusetzen, cf. Theologie der Hoffnung, aaO.␣ 196.
167 Von Prolepse, Antizipation ist in Künneths Auferstehungsbuch durchweg die

Rede, cf. z.B. 243. Ähnlich sprach auch schon I.A. Dorner im einschlägigen Kontext
von »vorgebildetem Ende«, »prophetischen Vorzeichen« (aaO. II 671 u.␣ 667) und von
jenem zugleich als Anfang der Palingenesie der Menschheit (cf. 671). Auch bei Hirsch
ist der Gedanke der Antizipation (cf. aaO.␣ 40) im Zusammenhang zweier Momente
eines Aktes verstanden (cf. 76f.).
168 Cf. die Reich-Gottes-Verkündigung Jesu, insbesondere das Schon und Noch-

nicht; cf. auch das o. S.␣ 56 gegebene Klopstock-Zitat (Mess. XV, 3f.).
169 Cf. o. Kap.␣ 2.1. Anm.␣ 13!
170 WA 21, 225, 20f.
96 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens

ist er der wahren Wirklichkeit irdisch nur sub contrario inne171. Man kann
dies eschatologische Unterwegssein des Glaubens daher auch so bestimmen,
daß die Auferweckung schon etwas das Heil Verwirklichendes ist, als diese
Erfüllung zugleich aber auch etwas Kommendes verbürgt172. Dieses Unter-
wegs des Glaubens zur Vollendung selber läßt sich ebenfalls nur als das Wer-
den zu sich begreifen: als Verwandeltwerden »von Herrlichkeit zu Herrlich-
keit« (II Kor␣ 3,18) – und eben nicht als quantitative Entwicklung von einem
Weniger zum Mehr (II Kor␣ 3,11).
Diese interne eschatologische Ausrichtung des Osterglaubens hat aber stets
zur Voraussetzung, daß er aufruht auf der Wirklichkeit der an Jesus wahrhaft
geschehenen Auferweckung zum Leben. Die Tatsächlichkeit der Auferste-
hung in diesem Sinn173 setzt aus sich heraus das eschatologische Zeugnis des
Glaubens daran frei. Denn in der Erfahrung des Auferstandenen erfahren die
Glaubenden sich in die Wirklichkeit gerufen, wenngleich als eine von Gott
her neu qualifizierte, und das besagt: sie wollen nicht berichten, was ihnen als
Subjekten psychologisch widerfahren ist, sondern kundtun, was sich für die
Welt und an ihr selber wirklich verändert hat: ontos174.
Unbeschadet dessen kann man, da es sich bei der Auferstehung um ein
Handeln Gottes handelt, demgegenüber prinzipiell kein neutraler Augen-
zeugenbericht möglich erscheint, nur in einem solchen Sinne dessen Zeuge
sein, daß man es als zugleich in dieses Geschehen Einbezogener, selbst daran
Teilnehmender und von ihm Bestimmter ist175. Auf die ontologische Frage
nach dem Wirklichkeitscharakter in Bezug auf Raum und Zeit hin betrach-
tet176, ist die Aussage, daß es sich bei der Auferstehung nicht um einen
»raum-zeitlichen Akt« im gewöhnlichen Sinne handelt177 – und daß sie inso-
fern auch nicht »vorstellbar« ist –, zu präzisieren durch die andere, daß es sich

171 Hirsch redet – mit Anklang an Luther – von dem »tiefste(n) heimlichste(n) Ja

Gottes da wo das Herz nichts als Nein versteht und vernimmt« (aaO.␣ 84), denn »es ist
vor Vernunft und Sinnen verborgen, daß er lebendig und daß er der Herr ist« (aaO.␣ 88).
172 Cf. Künneth, aaO.␣ 141.
173 Für die Osterberichte ist charakteristisch die »Form der einfachen freudigen

Bezeugung einer erfahrenen Tatsache« (Graß, aaO.␣ 238).


174 Lk␣ 24,34 hat ontos in der Reaktion auf den Bericht der beiden aus Emmaus

kommenden Jünger sicher den Sinn einer bestätigenden Verstärkung: auch Simon ist
er erschienen (34b; cf. I Kor␣ 15,4f.). So dient die Hinzufügung des ontos gegen mög-
lichen Zweifel über das Widerfahrene der Vergewisserung und Bestärkung.
175 Cf. auch Ebeling, aaO.␣ 294.
176 Cf. die Diskussion bei Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 2,

166f.
177 Cf. Ebeling, aaO.␣ 294. Althaus hat herausgestellt, daß die Betonung der leibhaf-

tigen Realität des Auferstandenen der »antithetisch-notwendige Ausdruck« für die


Sicherung seines Gegenüberseins zu denen, denen er erscheint, ist (aaO.␣ 46) und daß
Ausdrücke wie »objektiv« oder »gegenständlich« zum Gehalt des Ereignisses insofern
gehören, als es nur als transsubjektiv ist, was es ist (cf. aaO.␣ 45).
2. Die Wahrheit der Auferstehung 97

gleichwohl um ein Geschehen auch an Raum und Zeit178 und nicht um


etwas rein Transzendentes handelt179.
Die Frage nach der Historizität der Auferstehung muß also mit der diffe-
renzierten Formulierung beantwortet werden, daß es zwar nicht um einen
»der menschlichen Geschichte in Raum und Zeit gänzlich transzendenten
Sachverhalt« geht180, sondern daß die Auferstehung als ein Ereignis des Über-
gangs von der bekannten irdischen Welt in ein neues und unvergängliches
Leben bei Gott doch als dieses Ereignis selbst sich auch in dieser Welt und so
an ihr vollzogen hat181. In diesem Sinn kann und muß auch bei aller Anders-
artigkeit gegenüber sonstigem »historischen« Geschehen182 doch die Tat-
sächlichkeit der Auferstehung als wichtiges Implikat des Sachverhaltes fest-
gehalten werden183. Die darin liegende Herausforderung des normalen Ver-
ständnisses von Wirklichkeit ist aber dadurch spezifisch qualifiziert, daß diese
neue Wirklichkeit eschatologisch, d.h. noch nicht definitiv da ist, sondern als
im Werden an der alten begriffen. Im Grunde geht es bei diesem Problem um
die metaphysische Frage: muß alles, was in der Geschichte geschieht, darum
auch nur aus der Geschichte stammen und auf sie beschränkt bleiben?!
Inhaltlich ist, was die Frage nach der Geschichtlichkeit der Auferstehung
angeht, zu sagen: die Auferweckung Jesu ist die Antwort (Gottes) auf die
Frage nach dem Sinn und Ziel der Geschichte (Act␣ 17,30f.), die in der Ge-
schichte über die Geschichte der Schöpfung und des Kosmos hinausführt –
ein Sinn, der sich vom antizipierten Ende der Geschichte, ihrer »vorwegneh-
menden Erfüllung« (Tillich) her ergibt und an der Geschichte wirksam
bleibt. Die Auferstehung stellt diejenige reale Verheißung einer Aufhebung
der Geschichte in der neuen Wirklichkeit von Gottes ewigem Leben dar, mit
der selber schon ihre Erfüllung begonnen hat (Mt␣ 28,20) und in der ihrerseits
die Väterverheißungen erfüllt sind (Act␣ 13,33; cf. 29).
Auf dem Hintergrund solcher Überlegungen läßt sich die oben angespro-
chene Wahrheitsfrage zusammenfassend noch einmal aufnehmen. Die Auf-
erstehungsbotschaft hat die Funktion einer Bewahrheitung des Glaubens,
der durch sie begründet wird, insofern sie die Wirklichkeit als Ort der Wahr-
heit Gottes bzw. Gott als die wahre Wirklichkeit bestimmt184. Darum hängt
178 Von hier aus müssen Ebelings Ausdrücke »körperlicher Vorgang« (aaO.␣ 297) bzw.
»physikalisch« wohl verstanden werden. Zur Raum-Frage cf. auch Heim, aaO.␣ 194f.
179 Cf. o. bei Anm.␣ 155; gegen ein »historisches« Verständnis (in diesem Sinn) der

Auferstehung wendet sich auch Moltmann (zit. bei Pannenberg, STh II, 403, A.␣ 114).
180 Pannenberg, STh II, 402.
181 Nämlich vom Grabe in Jerusalem aus, cf. ebd.
182 Zur Frage nach der historischen »Beweisbarkeit« cf. Pannenberg aaO.␣ 405

A.␣ 115.
183 Pannenberg, aaO.␣ 405f.
184 Cf.: »Die Auferweckung Jesu Christi macht eben das wahr, was in seinem Tode

wirklich ist« (KD IV/ 1, 349) – sie tut dies aber eben als neue Wirklichkeit, die jenen
Tod in seine Wahrheit hebt.
98 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens

– erstens – die Wahrheit des Glaubens an der Wirklichkeit der Auferstehung


(I Kor␣ 15,14 u.␣ 17). Sodann wird dadurch – zweitens – die Bindung Gottes,
der hier sich als aus dem Tode Lebendiger erwiesen hat, an ein durch biolo-
gische Gesetzmäßigkeit vollständig definiertes Wirklichkeitsverständnis – als
deren Garant oder auch Inbegriff er insbesondere in vitalistischen Religio-
nen fungiert – durchbrochen.
Schließlich ist – drittens – die Wirklichkeit des Auferstandenen als die
Endgültigkeit des göttlichen Urteils über Jesus von Nazareth die neue Wirk-
lichkeit schlechthin (Mt␣ 28,18). Im »er lebt« ist die Wahrheit aller Wirklich-
keit realisiert. So kann man sagen, daß Gottes Kommen, seine Liebe und
Nähe, wie sie sich in der Auferweckung Jesu eschatologisch manifestiert,
»die eigentliche Wirklichkeit ist«185 . Denn eben in der Auferstehung erweist
sich Gottes den Menschen suchende Liebe als »tatsächlich stärker als selbst
der Tod und damit fundamentaler als selbst die fundamentalste Realität« un-
serer Erfahrung186. Die Wahrheit aller Wirklichkeit ist Ostern erschienen:
daß der, der das erste Wort hat (Gen␣ 1,1; Joh␣ 1,2f.), auch das letzte behält,
und zwar schöpferisch (Ps␣ 90,3).
In diesen Bezügen redet das ontos (Lk␣ 24,34) davon, daß Gott selber sich
in dem Handeln der Auferweckung des Gekreuzigten als der wahre Gott (als
lebendiger Schöpfer) erwiesen hat187, und so meint ontos letztlich die Wahr-
heit Gottes selbst als der alles bestimmenden Wirklichkeit.

C. »Am dritten Tage – nach der Schrift«


a. Daß Christus am dritten Tage nach seinem Tod am Kreuz auferweckt
worden sei, sagen als faktisch geschehen Paulus (I Kor␣ 15,4) und Lukas aus
(Act␣ 10,40, cf. Lk␣ 24,21). In den Evangelien reflektiert sich das in den Vor-
ankündigungen Jesu von seinem Leiden und Auferstehen (Mk␣ 8,31; 9,31;
10, 34; Mt␣ 16,21; 17, 23; 20, 19; cf.␣ 27,64; Lk␣ 9,22; 18, 33; 24, 7. 46; Joh␣ 2,19).
Auch dabei ist das tatsächliche Eingetretensein des Angekündigten sicher
vorausgesetzt. Vielleicht hat dies Motiv im Prozeß Jesu auch irgendeine Rolle
gespielt (cf. Mt␣ 26,61 u.␣ 27, 40).
Paulus (aaO.) und Lukas (24, 46; cf. Joh␣ 20,9) führen die Auferstehung am
dritten Tag ausdrücklich auf die heilige Schrift alten Bundes zurück: katÅ
tÅ“ graf›“, ohne allerdings eine bestimmte Schriftstelle des AT zu nennen.
Obwohl dies vermutlich deswegen unterbleibt, weil das AT nach seiner Ganz-
heit im Blick ist188, als dessen »Erfüllungsgeschehen« das Sterben und Aufer-
185 Dalferth, aaO.␣ 26.
186 Dalferth, aaO.␣ 25f.
187 Cf. Jüngel, Tod (1979), aaO.␣ 137.
188 »Es kann sich nicht um Einzelheiten handeln« (K. Barth, Die Auferstehung der

Toten, aaO.␣ 80), und darum werde »mit gutem Grund keine Stelle zitiert« (ebd.). Cf.
auch Luther, WA 36, 680, 22–27.
2. Die Wahrheit der Auferstehung 99

stehen Christi angesehen wird189, sind doch verschiedene Versuche gemacht


worden, die Bestimmung »am dritten Tag« als eine bestimmte Anspielung im
AT selber nachzuweisen. Da im NT für die Auferstehung selber Psalm 16, 10
herangezogen wird (Act␣ 2,27. 31; 13, 35. 37), konnte das auch nicht ganz
unberechtigt bzw. aussichtslos erscheinen. Insbesondere in Hos␣ 6,2 hat man
eine Vorausdeutung für das Auferstehungsdatum gefunden: »Er macht uns
lebendig nach zwei Tagen, er wird uns am dritten Tage aufrichten, daß wir
vor ihm leben werden« (cf. Dtn. 32, 39 u. Mt␣ 16,21; Lk␣ 9,22; 24, 26; Joh␣ 5,21;
Act␣ 10,40; I Kor␣ 15,4)190. Daß es bei dieser alttestamentlichen Stelle um
Rettung aus äußerster Not und Todesgefahr geht, hat auch eine andere als
mögliche Vorausdeutung auf die Auferstehung empfohlen, an der vom drit-
ten Tag die Rede ist: Jona␣ 2,1. Dies umso mehr, als hierauf die Evangelien
selber Bezug nehmen (Mt␣ 12,39f.; cf.␣ 16,4 u.␣ 27, 63! Lk␣ 11,29f.)191. Auch
spezifische symbolische Bedeutungen der Zahl drei, die sich ebenfalls im AT
finden, könnten hereinspielen192.
Sachlich gewichtiger als solche historisch nicht völlig aufklärbaren Einzel-
bezüge193 dürfte die systematische Bedeutung der Dreitageformel sein194. In
diesem Belang ist zum einen die Kürze des Zeitraums von Jesu Totsein wich-
tig, die durch die Formel »am dritten Tage« (d.h. schon) akzentuiert wird. Die
Kürze der Zeit, die Tod und Auferweckung trennen (cf. Joh␣ 16,16 u.␣ 22; 14,
19), spricht allein schon gegen eine rein psychologische Deutung der Oster-
erfahrung aus einem innerseelischen Umschwung von der Depression zum
Auferstehungsglauben. Zum andern markiert die Formel von der Auferwek-
kung am dritten Tag unübersehbar das Nacheinander von Jesu Tod am Kreuz
und seinem Erwecktwerden durch Gott. Nur im Festhalten eines zeitlichen
Nacheinander kann die Wirklichkeit des Todes und das wirkliche Ereignis der
Auferweckung bewahrt werden. Von dieser Realität der zeitlichen Differenz
her ergibt sich weiter die überaus große theologische Bedeutung der Formel.
189 Goppelt, Theologie des Neuen Testaments, aaO.␣ 297. Zur Sache s.u. b.
190 Als förmlicher »Schriftbeweis« wird Hos␣ 6,2 vor Anfang des 2. Jahrhunderts
nirgends in Anspruch genommen (Goppelt, aaO.␣ 295).
191 Zur kritischen Diskussion des Bezugs auf Hos␣ 6,2 und Jona␣ 2,1 als »Schrift-

beweis« cf. Hirsch, aaO.␣ 44f.


192 Der 3. Tag als Tag der Entsühnung (Num 19, 12. 19; 31, 19) oder als Tag, an

dem der Wiedergeheilte in den Tempel Gottes hineingeht (II Kö 20, 5.8f.; auf diese
Stelle verweist auch Korff, der dennoch meint, die Überzeugung vom 3. Tag als Auf-
erstehungsdatum müsse aus der Erfahrung der Erscheinungen am dritten Tag erwach-
sen sein, aaO.␣ 112, 116) oder auch als Tag der Tempelvollendung (Esr␣ 6,15) könnten
erwogen werden.
193 Zur heutigen exegetischen Diskussion der Dreitageformel cf. Pannenberg, STh

II, 403 und Anm.␣ 111 u.␣ 112 (mit weiterer Lit.).
194 Lüdemann hält sie für traditionell und erwägt unter Hinweis auf Act␣ 20,7;

Offb␣ 1,10 u. I Kor␣ 16,2 (?), ob dies Datum möglicherweise zur Rechtfertigung der
kirchlichen Osterfeier gedient haben könnte (aaO.␣ 131); dabei bleibt ungeklärt, ob das
Datum den Feiertag oder dieser es begründet hat.
100 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens

Denn sie impliziert eine sachliche Bedeutsamkeit der Zeit für die Erhö-
hung Christi und die Ewigkeit seines neuen Seins. Es handelt sich geradezu
um so etwas wie den Hinweis auf die Verewigung der Zeit (und so auch
deren Vollendung) durch die Auferstehung Christi als seine Aufnahme in
Gottes ewiges Leben. So aber ist die Auferstehung nicht Rückkehr in eine
Überzeitlichkeit, sondern umgekehrt das Gegenwärtighalten der Zeitlich-
keit für die Ewigkeit wie auch zugleich die Überwindung der bloßen Ver-
gangenheit Jesu (des Perfektums) zugunsten seiner lebendigen Gegenwart.
Damit aber ist gesagt: nur durch Festhalten der zeitlichen Bestimmung »auf-
erweckt am dritten Tage« kann es gelingen, Gottes ewiges Leben in der
Gemeinschaft mit Christus als wahrhaft lebendig zu denken, und dies so
spezifisch, daß das Nacheinander von Kreuz und Auferstehung als Moment
für die Lebendigkeit dieses Lebens ewig in Geltung bleibt195. Insofern steht
der neutestamentliche dritte Tag für den geschichtlichen, einmaligen Zeit-
punkt des Auferstehungsereignisses und ist zugleich spezifisches Symbol für
dessen Vollendung in Ewigkeit.

b. Nun ist aber auch zu sehen, daß die Angabe »am dritten Tage auferweckt
nach der Schrift« (I Kor␣ 15,4) in unlösbarem Zusammenhang damit steht,
daß ebenso auch das Kreuzesgeschehen als »schriftgemäß«, d.h. als Erfüllung
göttlicher Ankündigungen im AT, verstanden wird: »gestorben für unsere
Sünden nach der Schrift« (I Kor␣ 15,3; cf. z.B. Röm␣ 15,3f. mit Ps␣ 68,10 LXX!).
Für diese Psalmenstelle wird als alttestamentlicher Einzelbeleg meist Jes␣ 53,3–
9 angeführt196. In Wahrheit sieht das Urchristentum auch die ganze Passion
als Verwirklichung alttestamentlicher Vorausdeutungen, die sich an Jesus de-
tailliert erfüllt haben (Mk␣ 14,49; 15, 28; Mt␣ 26,54 u.␣ 56; Lk␣ 18,31; 22, 37;
Joh␣ 19,24. 28. 36f.; Act␣ 8,32–35; 13, 29; 17, 3). Ähnlich ist das Heilsgesche-
hen (cf. Mk␣ 12,10 par.; I Petr␣ 2,6) bzw. das Christusgeschehen überhaupt
als␣ tatsächliche Erfüllung von Weissagungen des AT verstanden worden
( Joh␣ 1,45; 5,39 u.␣ 46f.; 15, 25; 17, 12; Lk␣ 24,44 u. Act␣ 18,28; Röm␣ 1,2).
Hinzu kommt – gleichsam als Engführung dieser Bezüge –, daß, weil Jesus
selber anhand des AT den Sinn von Auferstehung eigentümlich und unver-
wechselbar festgestellt hat (Mt␣ 22,24 par.)197, es einen ebenso historisch wie

195 Barth hat zwar das geschichtliche Nacheinander von Kreuz und Auferstehung

energisch betont (KD IV/1, 350ff.), ist aber überhaupt nicht auf den Sinn, den es für
Gott hat, eingegangen (cf. auch aaO.␣ 357). So auch u. Kap.␣ 5.3., S.␣ 138 (bei Anm.␣ 105).
196 So auch Herder, aaO.␣ 125. Einzelne Verse dieses deuterojesajanischen Textes

werden im NT auffällig häufig auf das Geschick Jesu bezogen: Mk␣ 9,12; Phil␣ 2,7 (V.␣ 3
mit 11); Mt␣ 8,17; I Petr␣ 2,24; I Joh␣ 3,5 (V.␣ 4f.); Röm␣ 4,25; 5,1; I Petr␣ 2,24 (V.␣ 5); I
Petr␣ 2,25 (V.␣ 6); Mt 27,12; Mk␣ 14,49.61; Joh␣ 1,29; Act␣ 5,6–9; 8,32f. (V.␣ 7f.); I Kor␣ 15,3;
I Petr␣ 2,22; I Joh␣ 3,5; Act␣ 14,5 (V.␣ 8f.).
197 S.o. Kap.␣ 1 (zur Frage der Authentizität der Perikope bes. S.␣ 22f.).
2. Die Wahrheit der Auferstehung 101

theologisch strikten und konzisen Zusammenhang ergibt, wenn die Evange-


lien betonen, daß der Auferstandene selber eben den Sinn der Schrift eröff-
net habe, den sie ihrerseits ständig und im ganzen zur Legitimation ihrer
Botschaft von der Auferstehung und von Jesu Sendung überhaupt in An-
spruch nehmen (cf. Lk␣ 24,27 u.␣ 45; Joh␣ 2,22; 12, 16)198.
Hinter der expliziten oder impliziten Aussage »nach der Schrift« steht also
die systematisch entscheidend wichtige These, daß die Geschichte Jesu (ein-
schließlich Kreuz und Auferstehung) nur im prägnanten Zusammenhang mit
der Glaubensgeschichte Israels ihren Sinn erschließt, weil sie ihn von daher
hat (Lk␣ 4,21!). Diese Geschichte Jesu und seines Wortes ist nicht ein kontin-
gentes historisches Faktum, sondern ist, wie insbesondere der tiefreichende
Zusammenhang von Kreuz, Gesetz und Sünde199, gegründet in Jesu Solida-
rität mit den Sündern, zeigt, eingeschrieben in die Geschichte göttlichen
Redens mit seinem Volk (cf. Act␣ 13,32f.!; Hebr␣ 1,1f.). Freilich ist umgekehrt
deren wahres Verständnis auch nicht unmittelbar erreichbar (Lk␣ 24,19–21),
sondern allein vom Gekreuzigten her (v. 26f.).
So sehr die Auferstehung (als Gottes Auferweckungshandeln an Jesus)
wahrhaft neu ist, ja das Neue schlechthin, so wenig ist sie darum vorausset-
zungslos; denn sie hat Voraussetzungen – und unterscheidet sich dadurch von
einem willkürlichen Machterweis – im Gotteswort des AT und in Jesu eige-
ner Botschaft und seinem Wirken200, ohne daß sie aus diesen Voraussetzun-
gen einfach ableitbar wäre, die sich vielmehr erst von ihr her, rückwärts,
erschließen. Die Auferweckung Jesu Christi von den Toten antwortet spezi-
fisch auf göttliches Handeln in der Lebensverheißung des alten Bundes und
auf den Glauben als Lebenserwartung, wie sie im AT bezeugt sind201 und in
der paulinischen Formel von der »Fülle der Zeit« (Gal␣ 4,4) zum Ausdruck
kommt. Das Neue Testament ist in Bezug auf Jesus der sich nahezu überall
Ausdruck verschaffenden Überzeugung, »daß nämlich in ihm – in seinem
Kreuz und Erscheinen – der verborgene geschichtsmächtige Gott, der Gott
Abrahams, Isaaks und Jakobs, offenbar geworden und daß im Erscheinen
Jesu der verborgene Grund der Welt ihnen aufgestrahlt ist«202. Zu betonen ist
dabei, daß es spezifisch angemessen ist, daß das Ende der Geschichte inner-
geschichtlich bzw. daß die Antizipation des Eschaton als das Sichdurchsetzen
der absoluten Wahrheit aller Wirklichkeit an ihr gerade im »Erscheinen« des
zu ewigem Leben Erweckten und im Erscheinen allein sich manifestiert.

198 Dazu mit Bezug auf Graß schon o. Kap.␣ 2.2., S.␣ 42 mit Anm.␣ 65 u.␣ 67.
199 Cf. zur Ablösung des Gesetzes durch die Auferstehung R.R. Niebuhr, aaO.␣ 130
(Paulus) u.␣ 132 (systematisch).
200 Cf. Künneth, aaO.␣ 106ff.; cf. Gogarten, aaO.␣ 166 u.␣ 171.
201 Cf. aaO.␣ 107 sowie das u. zu Röm␣ 4,17ff. Ausgeführte (S.␣ 119f.).
202 Koch, aaO.␣ 198; s. das über die Formel ∑fjh␣ und ihre Analogie atl. Theo-

phanien Gesagte, o. S.␣ 59.


102 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens

»Erscheinung« steht hierbei für das Sichdurchdringen der Zeitekstasen in der


Gegenwart ewigen Lebens ein, in dem sie durchsichtig zusammengehören203.
Die Erfüllung der Geschichte in der Auferstehung Jesu Christi gilt so nach
rückwärts und vorwärts zugleich – und das Eine im Anderen. Dieser rück-
wärtig die Vergangenheit (neu) qualifizierende Bezug kommt in der Einfü-
gung in den heilsgeschichtlichen Zusammenhang von Gottes Handeln mit
Israel zum Ausdruck, in dem Kreuz und Auferstehung als Erfüllung der
Schriften, d.h. als Einlösung der göttlichen Verheißungen und Vollendung
der Hoffnungen Israels seit dem Exodus durch die Treue Gottes, des lebendig
Schöpferischen, verstehbar werden (Gal 4,4). Der vorwärts gerichtete, die
Zukunft erschließende Bezug kommt durch die Verknüpfung insbesondere
mit der spätjüdischen Hoffnung auf eine allgemeine Totenerweckung und so
durch Ausspannung des geschichtlichen Auferstehungsereignisses hin auf die
Vollendung der Geschichte im Eschaton, das es allgemein werden und voll-
kommen realisiert sein läßt (Parousie), zum Ausdruck. Darin liegt, daß Got-
tes Heilshandeln nicht durch den Ausstieg aus der Geschichte sich erfüllt,
sondern es betont gerade die Geschichte als Weg Gottes und Ort seines
Handelns mit den Menschen unwiderruflich.
In diesen Hinsichten ist das katÅ tÅ“ graf›“ christlich von grundlegen-
der theologischer Bedeutsamkeit. »Nach der Schrift« redet davon, daß die
Vergangenheit (Israels) von der ewigen Gegenwart des Auferstandenen leben-
dig in die Zukunft hinein aufgehoben wird. Diese geschichtstheologische
bzw. heilsgeschichtliche Bedeutung der Schrift konzentriert sich in der Rol-
le, die sie auch als Schrift dabei spielt. Denn der tiefste Inhalt der Schrift
(alten Bundes) wird durch Menschwerdung und Auferstehung in den leben-
digen Herrn übersetzt, der als »das Wort« selber auch wieder Schrift und
Wort, nämlich im Text des Evangeliums204 und in der Verkündigung von
ihm 205, wird.
Aus diesen Überlegungen folgt zwingend, daß kein Verständnis von Auf-
erstehung zureichend ist – weil es deren Wirklichkeitsbedeutung gar nicht
erreicht –, das nicht wesentlich berücksichtigt, daß es dabei nicht um ein
beliebiges Handeln Gottes – sozusagen als pure Machtdemonstration ab-
strakter Allmacht – geht, sondern um ein Handeln an und mit diesem be-
stimmten Menschen, Jesus von Nazareth. Nur an ihm konnte sich die Anti-
zipation des Eschaton wirklich ereignen. Darum sind die Bestimmungen »am
dritten Tage – nach der Schrift« für die Theologie der Auferstehung wesent-
lich.

203 S.o. Abschn.␣ 1.


204 S.o. S.␣ 75 und u.␣ 139.
205 S.o. S.␣ 74.
3. Zur Visionsfrage 103

3. Zur Visionsfrage

In dieser vieldiskutierten Frage ist zunächst davon auszugehen, daß der Aus-
druck »Vision« in vielen auferstehungstheologischen Entwürfen in einem
psychologisch nicht präzisierten Sinn verwendet wird206, demgemäß bei den
so verstandenen Erscheinungen etwas geschaut wird (nämlich der Auferstan-
dene), und dies meist in einem irgendwie gesteigerten Bewußtseinszustand,
wobei dann offenbleibt, wie sich das Geschaute zur Tatsache seines Ge-
schautwerdens verhält, z.B. ob es sich bei solcher Vision um ein nur formell
subjektives Vergegenwärtigen eines davon unabhängigen, objektiven Sach-
verhaltes handelt oder um ein überhaupt nur subjektives Gewahren, bei dem
die Frage nach seinem realen, außersubjektiven Anhalt entweder gar nicht
gestellt oder für nicht beantwortbar gehalten oder sogar ausdrücklich negativ
beantwortet wird.
Demgegenüber muß aber theologisch als entscheidend der Umstand ge-
wichtet werden, daß bei den im Neuen Testament berichteten Ostererschei-
nungen diese gerade als wirkliche Selbstvergegenwärtigung des Auferstande-
nen erlebt und bezeugt werden: als sein gnädiges Kommen zu den Jüngern
und so als seine Offenbarung, die zu der Aussage legitimiert und nötigt: er
lebt.
Wenn nun gesagt wird, für die Menschen der Antike habe auch das in einer
Vision Geschaute »objektive Realität«207, so ist weder deutlich, was dann hier
»Schauen« besagt, noch ob es sich dabei um eine rein historische Feststellung
handelt, die das naive Vorurteil einer voraufgeklärten Bewußtseinslage be-
schreibt, das für den heutigen Menschen und Christen obsolet geworden ist.
Aus dem bisher Dargelegten folgt aber, daß das »Sehen« der Erscheinungen
von ihrem eschatologischen Charakter her zu bestimmen ist208. Das kann
man richtig als ein »Sehen im Geist« ausdrücken, wodurch aber die Realitäts-
frage noch nicht entschieden ist209.
Der Begriff »Vision«, einfachhin gebraucht, zieht nun aber zwangsläufig
das, was – im Falle der Erscheinung des lebendigen und erhöhten Herrn bei
206 Cf. zu kritischen Differenzierungen im Visionsbegriff, die auch religionsge-

schichtlich konkretisiert werden, Th. Korff, Die Auferstehung Christi und die radikale
Theologie (1908), 160 –208 (unzureichende Deutungen); zur irrtümlichen Beschrei-
bung als ekstatische Visionen cf. 184ff. (keine Analogie zu den Ostererscheinungen in
der sonstigen Geschichte religiöser Visonen: 187!; weder bei Paulus noch bei den
Erscheinungen vor den Jüngern natürliche oder rein psychologische Visionen: 187).
Überraschenderweise entscheidet sich Korff schließlich aber doch für den Visions-
begriff (cf. 236ff.).
207 So Graß, aaO.␣ 189.
208 S.o. Kap.␣ 2.1. und Kap.␣ 3.1.
209 Lüdemann hält ein »Sehen im Geist« – wohl im Anschluß an Hirschs Rede vom

»Gesicht« – für das ursprüngliche Auferstehungserlebnis (aaO.␣ 181), bestimmt dies


aber sachlich entschieden als Halluzination, s. dazu u. Anm.␣ 212.
104 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens

den Seinen – nur als sich zeigende Grenze des Jenseits gegen das Diesseits
wirklich ist, in das fraglos als unverändert vorausgesetzte Diesseits (bzw. die
Bewußtseinsimmanenz der Jünger) zurück: als psychogenes »Gesicht«210. Was
man gewöhnlich in empirisch-deskriptivem Sinne »Vision« nennt, ist in theo-
logischer Hinsicht – orientiert an den Ostertexten – aber gerade eine reale
Antizipation (Vorwegereignung) der Auferstehungswirklichkeit der Glau-
benden selber durch Teilhabe an der Auferstehung Jesu Christi211. D.h. das
für den Visionsbegriff wesentliche Gegenüber von »Schauen« und »Geschau-
tem« ist in der Ostererfahrung in einer Weise überwunden, die den Visions-
begriff eher ungeeignet erscheinen läßt, den Sachverhalt angemessen wie-
derzugeben. Denn der – zumindest – vom Subjektiven her konzipierte Be-
griff einer Vision läßt das konstitutive Moment des Hineingezogenwerdens
oder -seins in die Sphäre von Auferstehung, d.h. aber ihren eschatologischen
Charakter, konzeptionell unberücksichtigt. Was sich hier ereignet, ist nicht
auf das Schema von (distanziert) sehenden Subjekten und gegenständlichem
Objekt (von mehr oder weniger problematischem Realitätsstatus) abbildbar.
Es handelt sich um ein subjektiv – objektives Integral, in dem die (auch
leibliche) Beziehung auf die Subjekte, die von der Erscheinung überführt
und zum Glauben gebracht werden, wesentlich mit zum Tatbestand gehört.
Das läßt sich nicht auf eine bewußtseinsimmanente (abstrakte) »Gegenständ-
lichkeit« reduzieren212. Die Auferstehungsgläubigen sind – und wissen sich
auch als solche – in das neue Leben des Auferstandenen durch die Erschei-
nungen mit einbezogen und werden von ihm in ihrem eigenen Leben erfüllt
(cf. Gal␣ 2,20). Gerade auch für Paulus relativiert das eschatologische Offen-
barungsgeschehen als eine Erfahrung von Wirklichkeit die Alternative sub-
jektive oder objektive Vision213. Das spricht gegen ein »subjektives Visions-
verständnis«. Denn die Erscheinungen »weisen« nicht nur »hin« auf den
Erhöhten, sondern erschließen für die davon Betroffenen dessen Sein im
Modus der Teilhabe, die ihnen daran gewährt wird214.
210 So die Hirsch’sche Eindeutschung für Vision, cf. aaO.␣ 33ff.
211 S. dazu o. Kap.␣ 2.2. und das einhellige Zeugnis des NT sowie o. S.␣ 56f.
212 Konsequent nimmt diese Lüdemann vor, indem er »Vision« entschieden rein

subjektiv (psychogen) als »Halluzination« versteht (aaO.␣ 226 A.␣ 244 u.␣ 236 A.␣ 350).
Freilich gerät er damit sowohl in Spannung zu seiner eigenen Charakterisierung der
Ostererscheinungen als »Primärerfahrung« (aaO.␣ 261 A.␣ 679; cf. dazu o. Kap.␣ 2.
Anm.␣ 101) wie auch in eklatanten Widerspruch zu seiner von W. Herrmann entlehn-
ten Rede von Jesus als »objektiver Macht« – was eher für eine sogenannte »objektive
Vision« spräche (cf. aaO.␣ 196 u.␣ 262 A.␣ 686). Bei dem von Lüdemann angeführten
Satz »Jesus ergreift, beugt, erhebt und beseligt, liebt … mich« (aaO.␣ 200f.) ist freilich
in der Schwebe gelassen, ob er Lüdemanns eigene Auffassung wiedergibt oder nur
eine Herrmann-Paraphrase darstellt – eine ähnliche Zweideutigkeit wie in der von
Hirsch übernommenen Rede von Jesus als »lebendiger Person« (aaO.␣ 201).
213 Das zeigt der etwas anders gelagerte Fall von II Kor␣ 12,2f.
214 Ebeling will zwar gegen ein »psychologistisch verflachtes Visionsverständnis«

behaupten, daß der Begriff Vision »stets auf etwas (tendiert), was man nicht aus sich
3. Zur Visionsfrage 105

Die Ostererscheinungen vereinen in sich also gerade beides: als sinnlich-


objektive Wirklichkeit sind sie zugleich einer anderen unsichtbaren Wirk-
lichkeit zugehörig. Darum ist der Terminus »Vision« ungeeignet, ohne Miß-
verständlichkeit dies eschatologische Geschehen zu bezeichnen.
Denn der Begriff »Vision« setzt offenkundig subjektiv an und vermag
diese Herkunft in psychologischer Immanenz eigentlich auch nicht zu über-
winden215. Im Falle der österlichen Erscheinungen handelt es sich aber gera-
de – auch im deutlichen Selbstverständnis der Betroffenen! – um etwas von
außen her und spontan sich selbst Zeigendes und Vergegenwärtigendes, d.h.
Erscheinendes bzw. einen (diesen) Erscheinenden.
Also um etwas, das nur so da ist, daß es nicht nur schlechthin »für« die
davon Betroffenen ist216, sondern nur so für sie, daß es als solches unüberseh-
bar wesentlich mehr und anders ist als nur etwas für sie217. Im Für-Sein der
Erscheinung ist diese an ihr selbst ein Sein-von-woanders-her, d.h. statt um
eine Vision handelt es sich um eine Christophanie.
»Vision« ist ein einseitig und primär erkenntnistheoretisch orientierter
Begriff, und er reduziert den Vorgang auf die subjektiv-bewußtseinsmäßige
Seite bei den Betroffenen, und dies unter der Voraussetzung, diese sei die
zunächst und eigentlich wirkliche, sozusagen als fragloser Ausgangspunkt
einer Erkenntnis des Geschehenen. »Vision« verlegt somit den Erkenntnis-
grund unvermeidlich ins visionäre Subjekt, »Erscheinung« dagegen in eine
Selbstkundgebung, die auch – und zwar streng eodem actu – den Zugang zu
ihr erschließt: »Nur indem er kommt, wird er ihnen wahrnehmbar«218. Na-
türlich läßt sich ein so eröffneter »Zugang« zum Geschehen gerade nicht als
eine für sich vorauszusetzende Instanz gegenüber dem diesen Zugang er-
möglichenden Geschehen isolieren.
Die im (subjektiven) Visionsbegriff mitgesetzte Voraussetzung ist schon
religionsphänomenologisch falsch, wie jede Theophanie zeigt. Religiös han-

selbst hervorbringt, sondern was einem widerfährt« (aaO.␣ 299), stuft die Erscheinun-
gen dann aber doch in einen »sekundären Rang« ein, da sie »nicht selbst der Glaubens-
grund« seien, sondern »nur auf Jesus als den Grund des Glaubens hin(weisen)«
(aaO.␣ 301). Die Erscheinungen sind aber nichts anderes als Selbstvergegenwärtigung
des Gekreuzigten und Lebenden als Glaubensgrund!
215 Zur Kritik einer psychologischen Erklärung cf. bes. R.R. Niebuhr, der hierbei

einen »unkritischen Begriff historischer Kausalität« (aaO.␣ 11) diagnostiziert. Ähnlich


aaO.␣ 19, 82 (»Massenhypnose«), 117, 152.
216 Rengstorf will den Visionsbegriff wegen der Beschränkung der Erscheinungen

auf Jesu Anhänger verwenden (aaO.␣ 98); der wesentliche Bezug auf die Glaubenden
ist aber anders zu verstehen, s.u. Kap.␣ 7.
217 Gegen den Terminus »Vision« (als psychologisch bedingte) spricht auch die

zeitliche Begrenzung der Erscheinungen auf die wenigen Jünger der ersten Zeit (cf.
Stange, ZSTh 1 (1923), 716). Spätere Christus-Visionen in der Christentumsgeschich-
te sind mit den Ostererscheinungen nicht vergleichbar.
218 KD IV/2, 161; cf. 164 (Zugang als Offenbarung).
106 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens

delt es sich nicht um eine Vision219, sondern um eine Epiphanie, eine »Er-
scheinung«, die als solche etwas Subjekt-Objekt-Übergreifendes ist und in
diesem Sinn ein Sich-selbst-Manifestieren für … . Die österlichen Erschei-
nungen sind Christophanien als Theophanien (bzw. umgekehrt), und die
Jünger haben nicht »Visionen«, sondern ihnen widerfährt etwas von eigener
Wirklichkeit: d·xa kur‡ou perifilamyen (Lk␣ 2,9)220.
Ein psychologischer bzw. psychogener Begriff der Vision widersetzt sich
dem auch, bzw. er verunmöglicht es, den hier maßgeblichen Sinn von ∑fjh
(als Eigenaktivität des eschatologisch Erstandenen221) als einer Bewegung
von Gott her zu fassen. Denn er kommt über eine bloß innerweltliche Be-
stimmung der Art und Weise des Sehens nicht hinaus, d.h. bleibt auf die
menschlich-subjektive Rezeption der Erscheinung – bestenfalls – fixiert222.
Positiv gewendet gilt: das Sich-selbst-Vergegenwärtigen des Auferstandenen
bestimmt auch die Weise seines Seins – für … bei den ihn Erfahrenden, so
daß deren subjektive Rezeption (oder deren »Organ« dafür) überhaupt nicht
eigens als etwas für sich Seiendes thematisiert werden kann. Was Gott den
Jüngern zu Ostern »bereitet« hat (I Kor␣ 2,9), das läßt sich nicht gnoseologisch
auf ein empirisch vorhandenes, psychologisches Vermögen beziehen und
z.B. einer »visionären Anlage« zuschreiben223. Denn es ist eben das, was vor-
her nicht nur »kein Auge gesehen hat« (ebd.), sondern was sich auch der
Alternative »sehen« oder »visionär erleben« gar nicht fügt. Überhaupt gilt
nicht, daß er, weil sie ihn sehen, lebt, sondern umgekehrt ist es der intrin-
sische Sinn ihrer Erfahrung: weil er lebt, sehen sie ihn. Ihr »Sehen« (d.h. eben
sein Erscheinen für sie) ist nur – und wird auch von ihnen so verstanden – als
sein von ihm ausgehendes und gewirktes Sie-sehen-Lassen. Sie »sehen« we-
der im gewöhnlichen Sinn mit ihren empirischen Augen noch »visionär«,
sondern haben allein von ihm her die Bedingung der Möglichkeit, ihn zu
gewahren.
Offenbar stehen Schwierigkeiten des Visionsbegriffs in der bisher geschil-
derten Art hinter dem Versuch, den im Anschluß an entsprechende Thesen
schon des 19. Jahrhunderts vor allem H.␣ Graß unternommen hat, die Vor-
stellung einer »objektiven Vision« zur Charakterisierung der Ostererfahrun-
gen aufzubieten224. Nun ist diese terminologische Prägung durch eine prin-

219 Im Falle von Ostern schloß die sogenannte »Vision« auch auditive Züge stets

mit ein (Lüdemann, aaO.␣ 192).


220 Cf. u. Anm.␣ 231.
221 S.o. Kap.␣ 3.1., S.␣ 59 u.␣ 62.
222 »Alle Vorstellungen über die Art des Sehens dieser Erscheinung sind unvoll-

ziehbar, sie können alle nur auf die Leugnung des ∑fjh hinauslaufen …« (K. Barth,
Die Auferstehung von den Toten, aaO.␣ 79).
223 Zu I Kor␣ 2,9 cf. Bloch, Das Prinzip Hoffnung, aaO.␣ 1407, 1523, 1547 u.ö.
224 Cf. Graß, aaO. bes. 247ff.; auch Marxen spricht von »objektiver Vision«

(aaO.␣ 119). Pannenberg tendiert zumindest in diese Richtung, wenn er behauptet, die
3. Zur Visionsfrage 107

zipielle Uneindeutigkeit belastet, die es zweifelhaft macht, ob sie den Män-


geln des Visionsbegriffs wirklich abhelfen kann. Denn entweder ist »objek-
tive Vision« etwas, das wirklich in objektiver Weise von außen veranlaßt ist –
dann aber wäre theologisch genau über dies Veranlassende zu reden (was bei
Graß nicht geschieht). Oder der Ausdruck meint nur das wirkliche Sehen
von etwas Wirklichem – was sicher nicht die Meinung von Graß ist –; dann
aber handelt es sich gar nicht um eine »Vision«! Schließlich kann der
Ausdruck »objektive Vision« noch die interne, intentionale Bezogenheit
einer Vision auf einen Gegenstand (Inhalt) meinen; in diesem Fall wäre das
Phänomen aber von einer »subjektiven« Vision überhaupt nicht zu unter-
scheiden.
Freilich ist noch eine Variante dieses dritten Falls denkbar, bei der das
intentionale Objekt als solches der Vision in (bzw. von) dieser selbst noch
einmal unterschieden, d.h. eben als etwas »Objektives« gewußt wird. Dabei
würde es sich um eine Vision handeln, die in sich selber ihres von ihr struk-
turell unterschiedenen Grundes selbst ansichtig wird. D.h. »objektiv« wäre
eine Vision, die evident »weiß«, daß sie nicht nur sie selbst (d.h. nicht nur
»Vision«) bzw. aus sich selbst ist oder sein kann, sondern von ihrem »Gehalt«
(d.h. dem durch sie und in ihr Wahrgenommenen) allein her (begründet)
sein kann. Aber evidentermaßen ist diese strukturelle Differenzierung im
visionären Vorgang selber – falls sie empirisch überhaupt vorkommt bzw. falls
diese Modifikation nicht auch darauf hinauskommt, den Begriff »Vision«
gerade aufzuheben! – noch keineswegs identisch damit, wie es Ostern ge-
schah, »Ihn selber« zu sehen oder auch nur, ihn zu sehen. Es könnte höchstens
bedeuten, ihn als den in Gottes Ewigkeit Erhöhten zu »sehen«, was aber
gerade nicht sein Erscheinen auf Erden einschließt225.
Es bleibt also nur übrig, den Begriff »objektive Vision« im Sinn der ersten
Bedeutungsmöglichkeit, die er bei Graß auch unzweifelhaft hat, zu diskutie-
ren. Aber diese Untersuchung des Begriffs wird nur seine theologische Un-
brauchbarkeit zutage bringen226.

Form der Erscheinungen als »visionäre Erlebnisse« beweise als solche noch nichts ge-
gen deren »Realitätsgehalt« (STh II, 396), cf. Graß, aaO.␣ 292 u.␣ 230 Anm.␣ 2! Zur
»objektiven Vision« cf. schon L. Ihmels kritisch: »Die Auferstehung Jesu Christi«,
aaO.␣ 21ff. u.␣ 36f. (Anm.␣ 12), sowie P. Horn, Der Kampf um die biblische Auferste-
hung des Herrn. Neue Kirchliche Zeitschrift 13 (1902), 241ff. u. E.G. Steude, Die
Auferstehung Jesu Christi. Eine kritische Untersuchung, Leipzig (1888), 18932.
225 Cf. die eingreifende Kritik am Visionsbegriff bei Schlatter, die aus den Sätzen:

»Die Deutung der Vorgänge als Vision entstellt sie tief« und »wurde durch die Gestalt
der Osterereignisse, die uns der Bericht der Jünger zeigt, die Geschichte bekräftigt,
nicht vernichtet« resultiert (Das christliche Dogma, 19232, 309f.).
226 Man kann sagen, der Begriff »objektive Vision« bei Graß ist Index aller von ihm

nicht thematisierten theologischen Fragen. Überhaupt überzeugt sein verdienstvolles


Buch mehr in den gründlichen exegetischen Partien als in den eigentlich systemati-
schen.
108 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens

1. Der Begriff »objektive Vision« ist zum einen widersprüchlich. Denn, wie
oben gezeigt, ist »Vision« als solche stets eine subjektive. »Objektiv« kann
daher in dieser Verbindung eigentlich nicht mehr sagen, als daß eine Vision
als solche immer Schau von etwas ist, d.h. ein visionär geschautes »Objekt«
hat227. Dies wäre der dritte o.g. Fall, bei dem die Unterscheidung von einer
»subjektiven Vision« hinfällig wird. Sobald aber eine Vision als nicht nur aus
dem Subjekt stammend, d.h. nicht nur aus dessen psychologischen und histo-
rischen Voraussetzungen erklärbar beurteilt wird – und das tut der fragliche
Ausdruck bei Graß –, ist sie eben keine »Vision« mehr, sondern bezeichnet
nur die Seite subjektiven Beteiligtseins (Erlebens) eines solchen subjektiv-
objektiven Ereignisses. Für ein solches Ereignis ist die Bezeichnung »Erschei-
nung« jedenfalls entschieden dem Visionsbegriff vorzuziehen, zumal wenn
zugleich versucht wird, den Wirklichkeitsstatus solcher Erscheinung onto-
logisch und theologisch zu präzisieren. »Vision« besagt in solchem Fall kaum
mehr, als daß die beteiligten Subjekte in eine eindeutig außergewöhnliche,
wirkliche Transzendenzerfahrung einbezogen sind, sagt dies aber auf eine
höchst mißverständliche, weil unvermeidlich reduktionistische Weise. Der
problematische Ausdruck »objektive Vision« soll freilich diesen Schein einer
psychologischen Reduktion abweisen, was ihm aber nicht gelingen kann228.
2. Der Begriff »objektive Vision« ist zum andern überflüssig. Denn wenn,
wie Graß schreibt, »Christus wirklich auferstanden (ist) und lebt«229, dann
bedarf es auch keiner Vision mehr, deren Gott sich »bedient« hätte. Das Wun-
der, daß Gott in den Jüngern qua Vision »die Schau des Auferstandenen …
bewirkte«230, ist nicht geringer, als den Auferstandenen bei ihnen erscheinen

227 Es ist bei solcher Sachlage unerfindlich, mit welchem Recht Graß »an der trans-

zendenten Wirklichkeit des in diesen Visionen Geschauten und Geglaubten« festhält


(cf. aaO.␣ 248). Der Verzicht auf eigentlich theologische Explikation kann eben nicht
durch einen suggestiven Ausdruck wie »objektive Vision« kompensiert werden. So
wird bei Graß z.B. nicht deutlich, wie man ein »wirkliches Sehen des Herrn«, nämlich
seiner »selbst« und zwar »von Angesicht zu Angesicht« (cf. aaO.␣ 231, 230) als die »ei-
gentliche, durch den Inhalt Christus« bestimmte Auferstehungsvision von einem späte-
ren, legendären »real leibhaftigen Gegenwärtigwerden des Auferstandenen inmitten
der Jünger« (231) unterscheiden können soll: »Nicht durch eine reale, innerweltlich in
Erscheinung tretende Leibhaftigkeit, nicht durch einen unvisionären Charakter unter-
scheiden sich die Auferstehungserscheinungen von den anderen visionären Erleb-
nissen, sondern dadurch, daß sie und nur sie wirkliche »Christus«-Visionen waren«
(aaO.␣ 232).
228 Die Rede von »objektiver Vision« unterliegt bei Graß u.a. zusätzlich der Zwei-

deutigkeit, ob gemeint ist: es sind nur historisch betrachtet Visionen gewesen, theolo-
gisch aber noch etwas ganz anderes (z.B. eschatologische Prolepsen), oder ob es ei-
gentlich heißen soll: es sind auch theologisch betrachtet Visionen im eigentlichen
Sinne (cf. Graß, aaO.␣ 249), freilich nicht nur dies, sondern zugleich auch »Mittel«
göttlichen Handelns.
229 AaO.␣ 245.
230 Ebd.
3. Zur Visionsfrage 109

zu lassen231. Vielmehr ist Auferstehung als Erscheinen in wirklichem Leben-


digsein (im o. beschriebenen Sinne) eine so direkte und wirkliche Selbst-
gegebenheit, daß eine künstlich herbeigeführte »Vision«, als deren Verursa-
chung ein eigenes göttliches Tun anzunehmen wäre, völlig überflüssig ist.
Darin liegt: »Erscheinung« ist nicht eine bloß subjektive Zugangsweise
zum erhöhten himmlischen Herrn, also bloß ein Vehikel unserer Erkenntnis
davon, daß er jetzt bei Gott ist, sondern Erscheinen gehört unablösbar mit
zum Sinn der neuen Lebendigkeit des Auferstandenen selbst. Nur, weil er
auch hier erscheint, ist er wirklich als ewig Lebendiger auferstanden. Ein
bloßes himmlisches Erhöhtsein wären nicht sein Lebendigsein im eschatolo-
gischen Sinne. Daß er erscheint, definiert sein Lebendigsein als Auferstande-
ner mit. Die Jünger erhielten nicht bloß Kenntnis von einer Auferstehung
Jesu »an sich«, sondern in den Erscheinungen teilte sich auch deren Sinn
selber mit; das Faktum stand für seinen Bedeutungsgehalt: Jesus Christus lebt,
d.h. als Verewigter kommt er und ist bei uns. Die Erscheinungen sind ein
»Taterweis« der Auferstehung232, also dessen, daß Jesus lebt.
Das Ergebnis dieser Überlegungen ist, daß die Erscheinungen des Auf-
erstandenen nicht bloß als subjektive Ahnung, Imagination, Vision oder Hal-
luzination, die sich auf ein Sein Jesu in der Ewigkeit richtet, begriffen wer-
den können, sondern daß sie als die einzigartige Erfahrung von dessen wirk-
lichem Kommen aus seiner Ewigkeit (und d.h. auch mit dieser) in je be-
stimmte Zeitmomente zu denken ist. Der ontologische Status dieser
Erscheinungen bzw. von Erscheinung ist nach Maßgabe des µntw“ °gfirjh
(Lk␣ 24,34) als reale Antizipation des Eschaton zu bestimmen, d.h. als Mani-
festation von Gottes neuer Wirklichkeit inmitten unserer alten. Psycholo-
gische Kategorien wie »Vision«, auch in der eher trüben Fassung als »objek-
tive«, sind nicht ausreichend, dies zu formulieren, weil dabei ein innerwelt-
liches Subjekt als unverändert-fixe Größe vorausgesetzt wird. Theologisch
ist nicht primär zu fragen: wie konnten die Jünger dies erleben, ihn sehen
und erfahren usw., sondern vielmehr: wie konnte er (aus Gottes Ewigkeit)
sich (bei ihnen) vergegenwärtigen?! Das ist die gedankliche Aufgabe, die sich
theologischer Besinnung bei dieser Thematik grundlegend stellt. Dabei ist
auch zu berücksichtigen, daß, wie Jesu Auferweckung das sich vorweger-
eignende Eschaton ist, so sein Erscheinen bei den Jüngern ihr antizipiertes
Sein im Eschaton bedeutet. Das gebrochene österliche Sehen hier ist das
Sichvorlaufen vollendeter Schau dort, und die vorläufige Durchsichtigkeit, in
der hier erkannt wird, ist nur in Kraft der vollkommenen Durchsichtigkeit, in
der alles jetzt schon bei Gott steht (I Kor␣ 13,12).

231 Stange fragt zu Recht (angeführt bei Graß, aaO.␣ 248 Anm.␣ 1, cf. auch 249): ob

die d·xa␣ wirklich nur in einer visionären Schau zu sehen oder als d·xa nicht jenseits
von Vision und äußerlichem Lichtglanz sei (cf. Act␣ 26,13); s.o. bei Anm.␣ 220.
232 Cf. zum »Taterweis« Gottes o. Kap.␣ 2. Anm.␣ 101.
110 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens

4. Die Begrenzung der Ostererscheinungen

Das systematisch Grundlegende zu dieser Frage ist bereits oben in 3.1. (S.␣ 57f.
u.␣ 68f.) gesagt worden, nämlich, daß die Gemeinde noch in der Zeit der
Welt, d.h. der Unvollendetheit existiert und auch daher die neue Wirklich-
keit nur teils fragmentarisch, teils verborgen gegenwärtig ist. Dieser Ab-
schnitt soll das dort Angedeutete weiter konkretisieren.
Von einer Begrenztheit der Erscheinungen ist aufgrund der Geschlossen-
heit der Zeugenreihe, wie sie für die I Kor␣ 15,3–9 aufgezählten Erscheinun-
gen berichtet wird, historisch auszugehen. Offensichtlich werden sie in der
ursprünglichen Paradosis der Urgemeinde (bzw. von dieser) selber als er-
schöpfend, d.h. als alle eigentlichen Ostererscheinungen nennend, verstan-
den233. Das impliziert schon die vorausgesetzte Glaubwürdigkeit der Para-
dosis234, aufgrund derer nicht nur »Apostel« als solche ausgewiesen sind,
sondern auch das Fundament der Gemeinde als definitiv gelegt gilt.
Es steht auch fest, daß spätere »Gesichte«, d.h. visionäre Schauungen in
religiöser Ekstase (Entrückung), als von den ursprünglichen Ostererfahrun-
gen unterschiedene »Geisterfahrungen« ganz anders bewertet wurden (cf.
z.B. Act␣ 22,18!, II Kor␣ 12,1 u.␣ 9; Act␣ 18,9; 23, 11). Das besagt, es existierte
im Bewußtsein der Urchristenheit ein qualitativer Unterschied zwischen der
spezifischen Begründung des Osterglaubens überhaupt, die sich in einer be-
grenzten Anzahl von Erscheinungen des lebendigen Herrn vollzog, und der
allgemeinen Geisterfahrung, zu der – nach Pfingsten! – in manchen Fällen
auch eine pneumatische »Schau« des Erhöhten gehören kann – als sozusagen
abgeleitete Ostererfahrung.
Systematisch betrachtet wiederholt die Begrenztheit der österlichen Er-
scheinungen, d.h. ihr definitives Ende zu einem gewissen Zeitpunkt235 , die
schon für Leben und Verkündigung des irdischen Jesus charakteristische
Struktur von Schon und Noch-nicht, bzw. sie entspricht der auch nach sei-
ner Auferstehung bleibenden Verborgenheit seiner als des eschatologischen
Herrn und wiederkommenden Menschensohnes in dieser Weltzeit. Der
Abschluß der Reihe von Erscheinungen markiert indes auch das »Ein für
allemal« der Auferstehung – so wie es dem wirklichen Tod Jesu am Kreuz

233 Cf. K. Holl, Gesammelte Aufsätze zur Kirchengeschichte, II (Tübingen 1928),

50; Althaus aaO.␣ 18 u.␣ 20.


234 In den Evangelienberichten könnte die Glaubwürdigkeit durch das Auftreten

von zwei Zeugen unterstrichen worden sein (Lk␣ 24,13ff.; Joh␣ 20,1ff.), weil erst deren
Zeugnis gültig ist (cf. Dtn 17, 6; 19, 15; Num 35, 30 mit Mk␣ 14,55ff.; Joh␣ 8,17;
II␣ Kor␣ 13,1; Hebr␣ 10,28; I Tim␣ 5,19).
235 An sich ließe sich noch unterscheiden zwischen der Beschränkung je auf be-

stimmte einzelne Erfahrungen (von Einzelnen oder Gruppen) und zwischen dem
Enden der Erscheinungen überhaupt.
4. Die Begrenzung der Ostererscheinungen 111

und seinem irdischen Leben überhaupt auch zukommt236. Gerade daß die
Erscheinungen enden, unterstreicht ihre ewige Bedeutung »ein für allemal«,
und ihr definitiver Abschluß, als »Himmelfahrt« vorgestellt, macht nur das in
den Erscheinungen sich partiell manifestierende neue Lebendigsein Christi
als universal wirklich kund (cf. Mt␣ 28,18–20) – als das Lebendigsein dessen,
der allgegenwärtig im Hl. Geist wirkt und am Ende wiederkommt. Insofern
entspricht die Himmelfahrt dem †f›pax.
Man kann also sagen, in den faktischen Erscheinungen war ihr Heilssinn
auch schon vollendet (realisiert). Weitere Erscheinungen bzw. ein unbe-
grenztes immer weiter Vorkommen von Erscheinungen hätte unausweich-
lich solche an Jesu unmittelbare Jünger – Paulus stellt einen Grenzfall dar,
s.u. – und solche an alle die, die ihn nicht mehr persönlich kannten, in pro-
blematischer Weise gegeneinander abgestuft, d.h. die letzteren wären immer
mehr losgelöst worden vom Bezug auf Jesus, den Irdischen, wie er für die
genuinen Ostererscheinungen gerade konstitutiv ist, – sozusagen als Erschei-
nungen zweiter Klasse. Demgegenüber ermöglicht gerade das Aufhören der
ursprünglichen Erscheinungen des Auferstandenen den glaubenden Bezug auf
das Ganze der Geschichte Jesu Christi (in Leben, Tod und Auferstehung).
Damit ist ein weiteres angesprochen. Nur aufgrund des definitiven Endes
der Erscheinungen konnte die Auferstehung des Gekreuzigten zum Keryg-
ma (im vollen Sinne) werden, d.h. zu dem durch die Apostel – als kirchen-
gründende Predigt – weiterverkündigten göttlichen Wort, dem erst eigentlich
der Glaube entspricht (cf. Joh␣ 20,29b). Die Begrenzung der Ostererschei-
nungen ermöglicht christlichen Glauben als Glauben an das Wort Gottes
allein, in dem »Erfahrung« nur ein Moment ist. Insofern unterscheidet erst
das Ende der Erscheinungen, was in ihnen noch ungetrennt war: den Glau-
ben an Gottes Wort und unmittelbare Sichtbarkeit237.
Schließlich darf die Begrenzung der Erscheinungen, wie die Überliefe-
rung sie darstellt, auch noch unter einem inhaltlichen Gesichtspunkt be-
trachtet werden, insofern als der Kreis der von ihnen Betroffenen eigentüm-
liche strukturelle Merkmale aufweist238.
Diejenigen, denen Ostererscheinungen widerfahren, haben nämlich so
etwas wie einen exemplarischen Charakter, was sich (mindestens) in dreifa-
cher Hinsicht verdeutlichen läßt.

236 Althaus gibt einen Hinweis mit der Feststellung, daß das Sehen als partielle

»Begegnung mit der Herrlichkeit Jesu« doch »aufs Ganze gesehen, die Niedrigkeit
Jesu nicht« durchbrach (aaO.␣ 65).
237 Althaus will damit auch das Eintreten einer weiteren Unterscheidung verbin-

den: die einer neuen Unmittelbarkeit der Späteren im Verhältnis zu Gottes Handeln
von seiner historischen Vermittlung (cf. aaO.␣ 69).
238 Zum folgenden cf. insbes. Jeremias, Neutestamentliche Theologie, 1. Teil,

aaO.␣ 285!
112 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens

Zum einen werden überliefert bzw. berichtet: Erscheinungen an einen


Einzelnen (Petrus), an ein Jüngerpaar bzw. auch eine geschlossene Gruppe
und an die große Menge der Fünfhundert (I Kor␣ 15,6), so daß in dieser
Hinsicht alle Sozialformen sozusagen vertreten sind: Individuum, Intersub-
jektivität und ein (repräsentatives) Kollektiv, das vielleicht für die universale
Bedeutung des Ereignisses einsteht239.
Sodann geschehen die Erscheinungen sowohl Frauen wie Männern, d.h.
der natürliche und soziale Geschlechterunterschied wird hier religiös neutra-
lisiert oder relativiert, wie es einerseits der Verkündigung und Lebenspraxis
Jesu, andererseits der Auferstehungstheologie des Apostels Paulus entspricht
(Gal␣ 3,28 u.ö.).
Schließlich lassen sich die Erscheinungen auch strukturieren hinsichtlich
des Verhältnisses zu Jesus selbst. Sie betreffen seine engsten Anhänger, sodann
Anhänger im weiteren Sinn (Act␣ 1,22f.), weiter dann Skeptiker wie Jakobus
(I Kor␣ 15,7)240 oder Thomas ( Joh␣ 20,24ff.) und schließlich auch noch den
Extremfall eines fanatischen Gegners: Paulus (I Kor␣ 15,8 – dies zugleich au-
ßerhalb von Palästina).
Diese Beobachtungen stellen heraus, daß im Insgesamt der uns vorliegen-
den Überlieferung faktisch der Kreis aller prinzipiell möglichen Zeugen ex-
emplarisch erschöpft ist. Die historisch eingetretene Begrenzung der Er-
scheinungen paßt – das kann zumindest gesagt werden – eigentümlich zu
diesem strukturellen Sachverhalt. Nachdem in dem so realisierten Umfang
die Erscheinungen alle paradigmatischen Adressaten erreicht hatten, konn-
ten sie gleichsam wieder aufhören. In dieser strukturierten Antizipation stell-
te sich das Ganze des universal ausgerichteten Christusheiles in nuce, d.h.
hier: proleptisch, erschöpfend dar.

5. Zur Erscheinung vor Paulus (systematisch)

Die den Christusverfolger Saulus zum Apostel machende Erscheinung des


Auferstandenen an ihn vor Damaskus (I Kor␣ 9,1; Gal␣ 1,15f., Phil␣ 3,8)241 hat
ihn in den Augen der Jerusalemer Urgemeinde und ihrer »Säulen« völlig als
Apostel legitimiert (I Kor␣ 15,8f.). Wichtiger als etwaige Unterschiede zu den
vorliegenden Erscheinungsberichten der Synoptiker und bei Johannes ist
also, daß auch die Erscheinung vor Paulus eine echte Offenbarung des er-
höhten Herrn als des Lebendigen an ihn war (Gal␣ 1,16: üpokal‚yai), die ein

239 Cf. auch Mk␣ 16,9–20 und dazu Lüdemann, aaO.␣ 38f.
240 Spuren: Mk␣ 3,21 u. Joh␣ 7,5.
241 Cf. auch Act␣ 9,3; 22, 6; 26, 13 und möglicherweise II Kor␣ 4,6.
5. Zur Erscheinung vor Paulus (systematisch) 113

wirkliches Sehen des Herrn selbst (I Kor␣ 9,1: tÖn k‚rion ™mùn ©·raka) ein-
schloß und insofern der Christophanie an die Jünger (∑fjh) entsprach242.
Gemeinsam war der Damaskus-Erscheinung und den Erscheinungen vor
den Jüngern, daß Christus von Gott her als der auferweckte Gekreuzigte
offenbar wurde. Dabei ist die Entsprechung zu beachten: das was für die zum
Glauben kommenden Auferstehungszeugen Vergebung war (s.o.␣ 3.1. S.␣ 73) –
freilich spricht auch Paulus von c›ri“: I Kor␣ 15,10 –, das war für den Rab-
binenschüler Paulus, der seine Erfahrung sofort und mit erstaunlicher Klar-
heit und Konsequenz in ihren theologischen Implikationen und Konsequen-
zen gedanklich durchdrungen haben muß, das Evangelium als Freiheit vom
Gesetz (Röm␣ 10,3f.; Gal␣ 3,13. u.␣ 24).
Eine Schlüsselbedeutung kommt dabei m.E. den Worten zu: »Ich bin Jesus,
den du verfolgst« (Act␣ 9,5; bzw.: »warum verfolgst du mich?« V.␣ 4)243. Sie besa-
gen für Paulus, daß er, indem er in den Jesus-Anhängern eigentlich Jesus
selber verfolgt, tendenziell nur die Kreuzigung wiederholt244. Saulus geht in
der Erscheinung an ihn auf, daß sein Tun und Treiben immer schon überholt
ist von dem, der als der Gekreuzigte lebt245. Darum wird das Kreuz Christi das
Zentrum der paulinischen Theologie. Der sich ihm als der bei Gott Leben-
dige erweist, qualifiziert durch diesen Tatbeweis seines Herr-Seins246 das Ver-
halten des Saulus als die Sünde, für die er am Kreuz schon gelitten hat, und
sein Selbsterweis vor Paulus ist Taterweis seiner dadurch bei Gott erwirkten
Vergebung.
Die Erscheinung vor Paulus – heute meist als Lichterscheinung aufge-
faßt247 – war jedenfalls für ihn eine übermächtige Erfahrung von so bezwin-
gender und eindeutiger Evidenz, daß sie am Ort einer extremen Gegen-
instanz248 die unwiderstehliche Macht der neuen eschatologischen Wirk-
lichkeit zu erkennen gibt. Das Ereignis bezeugt die ausgreifende Dynamik
der Auferstehung, die nicht nur auf unmittelbar Prädisponierte, wie die Jün-
ger es trotz ihrer Verzweiflung waren, beschränkt bleibt.

242 Cf. Hoffmann bei Lüdemann, aaO.␣ 65 und 62. ∑fjhn␣ steht auch Act␣ 26,16.
243 Cf. Act␣ 22,7f. u.␣ 26, 14f.
244 Cf. Act␣ 22,4: †d‡wxa ±cri jan›ton.
245 Das ist der eigentliche Sinn von »wider den Stachel ausschlagen« (Act␣ 26,14b).
246 k‚rie: Act␣ 22,8 u.␣ 10; 26, 15.
247 So z.B. Pannenberg, STh II, 396 A.␣ 85. Pannenberg möchte, wie auch viele

Exegeten es tun, die Erscheinung vor Paulus als Hinweis auf die Urgestalt der übrigen
Erscheinungsberichte verstehen (aaO.␣ 397); so etwa erschließt Hirsch das allererste
österliche »Gesicht« an Petrus (cf. aaO.␣ 16ff. u.␣ 21ff.), das von ihm aber nur ohne jede
Textbasis hypothetisch postuliert werden kann. Sollte man nicht annehmen, daß sich
von einer solchen »Urgestalt« mindestens Spuren in der Überlieferung erhalten hät-
ten?
248 Wohl im Blick darauf spricht Lüdemann von der Pauluserfahrung als »einem

äußersten Punkt [so statt: äußeren] des ältesten Osterglaubens« (aaO.␣ 193).
114 Kap. 3. Die Erscheinungen des Auferstandenen als Manifestation seines Lebens

Wenn Gal␣ 1,1 daher betont, Paulus sei nicht durch menschliche Überlie-
ferung (also einen bloß historischen Traditionsstrom, cf.␣ 1,8), sondern durch
eigene unmittelbare Offenbarung Apostel geworden, so heißt das auch: der
Glaube ist nicht an einen direkten Zusammenhang mit dem historischen Jesus
als solchen gebunden, er verdankt sich vielmehr wesentlich einer Selbst-
vergegenwärtigung Christi, die ihn als Glauben allererst begründet. Insofern
bringt erst der Auferstehungsglaube eine wahre Erkenntnis auch des irdi-
schen Jesus und macht sein Wort und seine Geschichte ewig bedeutsam, so
wie umgekehrt die überlieferte (historische) Kenntnis davon sich im Glau-
ben an ihn als den Lebendigen erst erfüllt und vollendet249.
Es ist nicht verwunderlich, daß Paulus aufgrund dieser Erfahrung dazu
kam, den inclusiv universalen Charakter der Auferweckung Christi als Auf-
erstehen der Glaubenden »mit ihm« (s.o. Kap.␣ 2.2.) theologisch herauszuar-
beiten.
Die lebenswendende und lebensbestimmende Gewalt des Erscheinungs-
widerfahrnisses für Paulus läßt sich historisch, psychologisch und theologisch
wohl nicht verständlich machen ohne die Annahme, daß er in seiner voraus-
gehenden religiösen Biographie – insbesondere seiner sich steigernden An-
teilnahme und Abwehr im Verhältnis zur christlichen Gemeinde (cf. Act␣ 7,57
u.␣ 8,1; 8,3; 9,1f.) – auf eine ihm vielleicht bis Damaskus selber verborgene
Weise für diese radikale Umkehr innerlich vorbereitet war (cf. auch Gal␣ 1,15!).
Der blitzartige Umschlag betrifft ihn als seine eigene Wahrheit, insofern sie
ihm gerade den Gott erschließt, mit dem er es in seiner leidenschaftlichen
Verfolgung der Christen im tiefsten immer schon zu tun hatte. Indem er
Christus erkennt – sofort und unwiderruflich –, erkennt er seine eigene
Geschichte mit Gott (bzw. Gottes mit ihm) von deren ihm hier und jetzt
schlagartig offenbarten Telos her (cf. skeúo“ †klogö“, Act␣ 9,15). Er hätte im
Rückblick auf diese Vorgeschichte auch sagen können: »Brannte nicht mein
Herz …« (Lk␣ 24,32), so sehr war das ihn äußerlich umwerfende Licht zu-
gleich schon verborgen in ihm250.
Aus diesem notwendig anzunehmenden Kontext der überwältigenden
Christus-Erfahrung des Paulus läßt sich auch die Frage beantworten, woher
Paulus wissen konnte, daß Jesus es war, mit dem er es zu tun hatte bzw. wie
er dessen Selbstvorstellung251 (Act␣ 9,5b; 22, 8b; 26, 15; †gá e¢mi ûIhsoú“)
verstehen konnte. Der auferstandene Herr identifiziert sich hier für ihn

249 Von da aus wird die Möglichkeit auch der Heidenmission verständlich

(Gal␣ 1,16).
250 Vielleicht ist in des Paulus »drei Tage« dauernder Abgeschiedenheit vom Leben

(Act 9,9) eine Analogie zu Christi Sein im Grabe zu sehen? (cf. auch Act␣ 9,8: °gfirjh).
251 Sie steht bei dieser Erscheinung anstelle der den Auferstandenen identifizieren-

den Worte oder Zeichen in den Evangelienberichten (s.o. Kap.␣ 3.1., S.␣ 69f.). Freilich
ließe sich gegen die theoretisch gestellte Frage auch einwenden: wer sollte es denn
sonst sein?
5. Zur Erscheinung vor Paulus (systematisch) 115

selbst, »und zwar in Termini aus der Erinnerung des Paulus – als derjenige,
der von Paulus verfolgt wird«252. Und für die Jerusalemer Gemeinde dürfte
des Paulus eigenes Bekenntnis zum lebendigen Herrn ausgereicht haben,
seine Erscheinung zu verifizieren.
Aus allem hier Gesagten geht m.E. hervor, daß man den Unterschied
zwischen den Ostererscheinungen der Evangelien und der Erscheinung vor
Paulus nicht übertreiben oder sie gegeneinander ausspielen sollte. Das ent-
scheidende Gemeinsame ist ihr theologischer Kern: daß Jesus selbst gesehen
und erkannt wurde – mit einer unwiderleglichen Gewißheit für die Betrof-
fenen. Für die oft diskutierten Unterschiede ist zu beachten, daß die Situa-
tion, auf die jeweils die Erscheinung bezogen war bzw. in die hinein sie traf,
bei Paulus und bei den Jüngern auch eine je verschiedene gewesen ist.
Die Jünger kannten Jesus leibhaft und persönlich, und sie wurden aus der
Zwischenphase ihrer Verzweiflung über seinen Tod herausgerissen und
durch die Auferstehung in ihrem Glauben an Jesus über die Maßen neu
bestätigt und bestärkt. Bei Paulus ist eine größere Distanz gegeben, er hatte
kein Bild von Jesus, und die Erscheinung hatte in einem bis ins Innerste
seiner Person und seines theologischen Denkens hinein einschneidenden
Geschehen seinen leidenschaftlichen Widerstand zu überwinden. So ist die
Erscheinung des Auferstandenen bei ihm in einer Hinsicht gleichsam distan-
zierter und hat noch stärker als bei den Jüngern den Charakter einer Wort-
Gegenwart, in der anderen Hinsicht aber wurde er in einer äußerst dramati-
schen Umkehrung seines gesamten Innern überwunden und ihm eine, seine
ganze bisherige Lebenshaltung erschütternde Einsicht unwiderstehlich auf-
gezwungen; von daher ist es stimmig, daß der Lebendige ihm von einer
blitzartigen Lichtaura umgeben erscheint253.

252 Cf. R.R. Niebuhr, aaO.␣ 147. Niebuhr macht darauf aufmerksam, daß jede
historische Gegenwart in Termini der Vergangenheit, die durch die Erinnerung aus-
gewählt sind, identifiziert werden muß (ebd.). Cf. o. Anm.␣ 86.
253 Freilich kann das spezifische physische Element der »Lichterscheinung« vor

Damaskus für Paulus nicht eine solche (entscheidende) Rolle gespielt haben, daß es
ihn gehindert hätte, eine Auferstehungsleiblichkeit (soma pneumatikon, I Kor␣ 15,44)
anzunehmen.
116

Kapitel 4

Auferstehung als Neuschöpfung

Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?


Lk␣ 24,5

1. Das leere Grab

Ich gehe davon aus, daß es historisch das Wahrscheinlichste ist anzunehmen,
das Grab Jesu sei leer gefunden worden1. Dies Faktum selber war von Anfang
an nicht strittig2; strittig war vielmehr, aus welchem Grunde: ob im Zusam-
menhang mit Gottes Auferwecken oder, wie die jüdischen Kritiker der Ur-
gemeinde sehr bald behauptet haben, weil die Jünger den Leichnam entfernt
hätten (Mt␣ 28,13)3.

a. Aber mag es historisch damit bestellt sein wie immer, theologisch wichtig
ist, daß schon im NT das leere Grab, als objektives Faktum für sich genom-
men, nicht als Beweis für die Auferstehung gewertet wird4. Der Sachverhalt
wird jeweils sprechend erst durch die Botschaft des Engels und in unlösbarem
Zusammenhang mit dem Erscheinen des Auferstandenen selbst5. Das besagt,

1 Zur historischen Diskussion cf. den umsichtigen Überblick bei Pannenberg, STh

II, 398–402, für den das leere Grab nur eine zusätzliche Bestätigungsfunktion hat
(402). Schon H. v. Campenhausen hält bekanntlich die Grabestradition für alt.
2 Die alte These, das Grab Jesu sei unbekannt gewesen (D. F. Strauß, Leben Jesu für

das deutsche Volk (Leipzig 1864), 312, cf. 596ff. und G. Volkmar, Die Religion Jesu
und ihre erste Entwicklung nach dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft (Leip-
zig 1857), 81ff. sowie die scharfe historische Kritik an ihr bei K. v. Hase, Geschichte
Jesu (Leipzig 1876), 584!), ist mit weniger überzeugender Argumentation von Lüde-
mann erneut vorgebracht worden (aaO.␣ 57f., 134, 141, 191). Gegen diese schwache
Behandlung der Frage ist auch einzuwenden: eben weil das Grab leer war, hat sich kein
Kult bei ihm entwickelt und konnte es allmählich in Vergessenheit geraten.
3 Gegen Lüdemann (aaO.␣ 141) ist zu fragen: warum sollten die Juden die bloße

christliche Behauptung vom Leersein des Grabes akzeptiert – und nur anders inter-
pretiert – haben, wenn der Augenschein sie einfach hätte widerlegen können? Weiter:
ist es vorstellbar, daß der Leichnam Jesu nicht ordentlich begraben wurde?
4 Zum sachlichen Gefälle: Auferstehungserfahrung – Entdeckung des leeren Gra-

bes cf. A. Lindemann (zit. bei Lüdemann, aaO.␣ 129f.). Am ehesten könnte das leere
Grab wohl bei Joh als eine Art »Beweis« gesehen sein (cf. Lüdemann, aaO.␣ 171 u.
A.␣ 601).
5 Nur in diesem theologischen Kontext läßt sich sagen: »die Kirche Jesu Christi

erbaut sich über dem offenen Grabe« (Ihmels, aaO.␣ 27).


1. Das leere Grab 117

das leere Grab an sich kann nicht primär Gegenstand des Glaubens sein6. Die
nur negative Feststellung: »Er ist nicht hier« (Mk␣ 16,6) führt auch nicht zum
Glauben, sondern ins Vieldeutige (z.B. auch zur Vorstellung bloß einer Ent-
rückung in den Himmel!7). Das nackte Faktum hat die Offenheit des Nega-
tiven, eines argumentum e silentio, aber auch die Fruchtbarkeit des Mögli-
chen, denn es weist über sich hinaus.
Darum kann man das leere Grab mit K. Barth als »sprechendes Zeichen«
(KD III/2, 542f., IV/1, 351) ansehen; für den Glauben ist es eben Zeichen für
das angebrochene Eschaton (cf. Ez␣ 37,12–14 mit Mt␣ 27,52f.). Freilich ist es
m.E. kein Zeichen, das auch entbehrlich wäre8; sondern ob man das Grab
leer denkt oder nicht, das entscheidet natürlich über das Verständnis der
Auferstehungsrealität selber. Die Urchristenheit jedenfalls konnte sich eine
wirkliche Auferstehung nur mit dem Leergewordensein des Grabes zusam-
men vorstellen. Sie berief sich dafür auf Ps␣ 16,10 (cf. Act␣ 2,27 u.␣ 31f.; 13, 35
u.␣ 37; I Kor␣ 15,53)9. Daß Jesus wirklich begraben worden ist (I Kor␣ 15,4),
wird wohl nicht nur betont, um die volle Realität seines Todes zu bekräfti-
gen10, sondern auch, um darzutun, daß dieser Tote aus dem Grabe heraus,
also wirklich, erweckt worden sei11. Dabei gilt, daß aus dem Grabe Erweckt-

6 Für Barth ist das leere Grab eine »Nebenbestimmung« des Zeugnisses vom le-
bendigen Christus (KD IV/1, 376), die aber zur Unterscheidung vom Doketismus
sachlich doch unentbehrlich ist (376f.).
7 Demgegenüber ist eine Erzählung vom leeren Grab wie Mk␣ 16,6 gerade eine

»Veranschaulichung der Auferweckungsbotschaft im Kontrast antiker Entrückungs-


legenden« (TRE 4, 499, 45f.). Lüdemanns angebliche Parallelen aus antiken Schrift-
stellern überzeugen sämtlich nicht, sondern schildern ganz anders gelagerte Fälle (cf.
aaO.␣ 135f., 136f., sowie (ganz abwegig) 113f.).
8 Gegen Althaus, aaO.␣ 30f.
9 Lüdemann kann nicht plausibel machen, wie es zum Auferstehungsglauben (sensu

stricto!) kommen konnte, wenn das Grab nicht leer war (cf. 29f.). Auch die beiden
theologischen Argumente, die er gegen das Leersein des Grabes anführt (cf.␣ 59, 3.␣ Abs.),
überzeugen nicht. 1. I Kor␣ 15,50 besagt nur, daß Fleisch und Blut nicht als solche das
Gottesreich erwerben; eben darum redet Paulus ja auch vom sùma pneumatik·n (V.␣ 44)!
Cf. auch das »Verwandeln« (V.␣ 51 u. I Thess␣ 4,15 u.␣ 17 und Lüdemann, aaO.␣ 60.)
2.␣ Der Vergleichspunkt ist scharf festzuhalten: der wirkliche Tod (und nicht das Ver-
wesen) entspricht dem Verwesen des Samenkorns (cf. I Kor 15,36: üpoj›nÔh!). Insge-
samt ist Lüdemanns ganze Konstruktion von einem »unehrenhaften Begräbnis« (cf.
56–58) historisch nicht zwingend; denn Jesu Begräbnis als ehrenvoll (d.h. doch wohl
als normal) darzustellen, wie die Texte es tun, muß nicht schon das Gegenteil voraus-
setzen! Als historische Erklärung reicht der Kontrast zu seinem schmachvollen Tode
völlig aus (cf. aaO.␣ 56, 58).
10 Gegen die Scheintod-Hypothese, die immer nahelag, bzw. gegen Doketismus

jeder Art.
11 Insofern spricht auch I Kor␣ 15,53 (cf. 52) für das leere Grab: Gott erweckt aus

dem Tode, d.h. aus dem Grabe bzw. aus der Sterblichkeit und Verweslichkeit. Cf. auch
Korff, aaO.␣ 138.
118 Kap. 4. Auferstehung als Neuschöpfung

werden nicht einfach identisch ist mit der Wiederbelebung eines Leichnams,
der aus dem Grabe hervorkommend sich den Jüngern zeigte12.
Doch wofür ist das leere Grab denn ein »sprechendes Zeichen«?13 Es ist ein
anschaulicher Verweis weg vom Tod: »Er ist nicht hier« (Mk␣ 16,6), denn
Christi Leben ist »verborgen mit Gott im Himmel« (cf. Kol␣ 3,3) und so auch
bei uns. D.h. es ist Anzeichen dafür, daß der Tod ihn nicht halten kann und
daß sein Leben seinen Tod in sich hinein überwunden hat: als das Leben in
sich und aus sich selbst ( Joh␣ 5,26b). Die Leere des Grabes zeigt es: dem Tod
bleibt nichts übrig, er geht »leer« aus. Und daß er »nicht hier« ist besagt, daß
er selber es ist, der wiederkommt in den Erscheinungen vor den Jüngern.
Von hier aus läßt sich ein wechselseitiger Verweisungszusammenhang zwi-
schen (leerem) Grab, Erscheinung und Auferstehungsglaube feststellen. Die
Negativität des leeren Grabes – als die Fehlanzeige des »nicht hier« – bezieht
sich auf etwas Positives, eben die sich selber vergegenwärtigende Realität
(des Auferstandenen), die aber zugleich andersartig ist, das Grab hinter sich
hat. »Erscheinung« ist nicht von derselben massiven Realität wie der im Grab
nicht vorhandene Leichnam, sondern als Realität auch irgendwie ungreifbar,
nicht festzuhalten oder verfügbar. Der Glaube an die Auferstehung – das
Nein des Grabes mit dem Ja der Gegenwart Christi vermittelnd – ist als
Glaube auf eine übergegenständliche Wirklichkeit bezogen (cf. Hebr␣ 11,1),
die Gewißheit ermöglicht, empirische Verifikation aber ausschließt.
Das leere Grab verkündigt eben damit aber auch: »das Alte ist vergangen,
siehe es ist alles neu geworden« (II Kor␣ 5,17). Denn es zeigt, es gibt keine
unmittelbare Kontinuität mit dem Irdischen, der tot ist, keine einfache Wie-
derkehr und Fortsetzung seines Lebens, das gewesen ist14. Die die suchenden
Jünger anstarrende Leere sagt: das ist endgültig vorbei. Insofern hält das leere
Grab Kreuz und Auferstehung fest, markiert einen unhintergehbaren Ein-
schnitt und ist die unübersehbare Spur dessen, daß hier Leben aus dem Tod
kommt.
Das läßt sich noch weiter denken. Das steinerne Schweigen des Grabes, in
dem der tote Jesus liegt bzw. lag15, entspricht »der tödlichen Stille der Gott-
verlassenheit« in Jesu Agonie16, in der der verzweifelte, fragende und ankla-

12 J. Weiß erklärt von daher das leere Grab: »Christus wird mit einem schon ver-

klärten Leibe das Grab verlassen haben« (Der erste Korintherbrief, KEK 5 (19109),
349); cf. dazu Lüdemann, aaO.␣ 60.
13 »Sprechend« ist dies Zeichen eigentlich erst durch das deutende Wort, dessen es

daher wesentlich bedarf!


14 Darin besteht das Mißverständnis der Maria Magdalena, Joh␣ 20,16f.; V.␣ 17b

wehrt ein allzu handgreifliches Verständnis der Auferstehungsleiblichkeit ab. Auferste-


hung ist eben nicht einfach Rückkehr zu dem bisherigen leibhaftigen Umgang.
15 Cf. die sprechende Formulierung bei Lüdemann: »Endete der Karfreitag also

stumm wie in einer dunklen Höhle …« (aaO.␣ 192).


16 Dalferth, aaO.␣ 43.
1. Das leere Grab 119

gende Schrei des Sterbenden (Mk␣ 15,34) unbeantwortet stehen bleibt. So


wie die Gottverlassenheit am Kreuz Ort von Gottes versöhnender Gegen-
wart ist, so ist die Totenstarre des Leichnams, den sie ins Grab legen, Anhalt
für Gottes neuschaffende Lebendigkeit. An beiden Stellen, im mentalen und
physischen Aufscheinen des Nichts, ereignet sich – darauf kommt es hier an
– Gottes Anwesenheit. Sie ist eine das Nichts negierende, sich vom Nichts
unterscheidende, schöpferische Macht; an beiden Stellen gibt sich das Ge-
heimnis des göttlichen Lebens aus sich selber als Geheimnis der Negativität
zu erfahren17. Das leere Grab manifestiert das schöpferische Geheimnis im
Herzen des Nichts selber ad oculos: »Er ist nicht hier!«
So viel zum leeren Grab als sprechendem »Zeichen«.

b. Grundsätzlich ist seine Bedeutung darin zu sehen, daß es ein Index für die
Tatsächlichkeit der Auferstehung ist und für ihre Wirklichkeit steht. Nichts
anderes nötigt so wie das leere Grab zu fragen, was das ontos egerthe denn
ontologisch besagt18. Es besagt, daß der auferweckte Christus als solcher sein
leibliches Leben wieder in Besitz genommen hat, und das ist gerade nicht das
vereinzelte Wiederbelebtwerden eines Leichnams, das ja wieder nur die
Richtung auf ein erneutes Sterben in sich hätte (wie z.B. der wiedererweck-
te Lazarus noch einmal wird sterben müssen)19. Ontologisch bedeutet die
Macht des Lebens Christi aber gerade den Tod des Todes, und das heißt
endgültiges Leben: aus der Kraft »unauflöslichen Lebens« (zwö“ ükatal‚tou
Hebr␣ 7,16).
Auf diesem Hintergrund hängt am leeren Grab die Wirklichkeit der Auf-
erstehung oder ist das Leersein des Grabes eine Implikation einer als real
gedachten Auferstehung20. Das leere Grab steht dafür, daß Gott in der Auf-
erweckung Jesu sich ganz mit dem ganzen Jesus, und d.h. mit Jesus selbst,
identifiziert hat, mit seinem wirklichen (irdisch-leibhaftigen) Leben als die-
ser einmaligen Person. Gottes Handeln an Jesus betraf nicht nur einen Teil
oder ließ gar einen Rest unberührt. Nichts irdisch noch Aufweisbares bleibt
ausgenommen, d.h. übrig, wenn und in dem Gott Jesu ganzes Leben in seine
Ewigkeit hinein aufhebt: das bekundet das Leersein dieses Grabes. Wenn
man annimmt, das Grab sei nicht leer gewesen, ist die unausweichliche Kon-
sequenz, daß dann der Auferstandene nicht völlig er selbst als diese ganze
Person wäre, sondern nur eine gespensterhafte Verdoppelung, ein farbiger
Schatten seiner selbst, ein vielleicht himmlisches Bild der Person, aber nicht

17 Zur Negativität s.u. Kap.␣ 6.3., S.␣ 162ff.


18 Ebeling, aaO.␣ 297. Ganz vergleichgültigt sollte die Frage nach dem leeren Grab
daher nicht werden, wie z.B. Mildenberger tut (TRE 4, 559, 24ff.).
19 Joh 11, Lk␣ 16,29ff. u.a.
20 Wenn das Grab nicht leer war, reduziert sich der Glaube auf bloße Innerlichkeit

(cf. KD IV/I, 377).


120 Kap. 4. Auferstehung als Neuschöpfung

diese selber, d.h. Jesus Christus selbst21. Jede Annahme über das Nicht-Leer-
sein des Grabes läuft also auf eine Aufspaltung des Seins Jesu Christi hinaus
(Chorismos)22.
Wie hat man theologisch zu verstehen, was mit dem toten Jesus geschehen
ist, wenn der Leichnam weder entwendet wurde noch auch natürlich verwest
ist (cf. Act␣ 2,27 u.␣ 31f.)? Man muß hier denken, daß sich an Jesus in einer Art
»Zeitraffung« antizipatorisch auch im Leiblichen vollzogen hat23, was sich im
Eschaton mit den Leibern aller Gestorbenen begeben wird – so wie Christus
überhaupt unsere Vollendung antizipiert: nämlich, daß sie schöpferisch in
Gottes ewiges Leben aufgehoben werden24. Das Kommen des neuen ewigen
Lebens ist an sich selber das Absterben und Verzehrtwerden des alten, d.h.
dessen Aufhebung25. In einer neuen Welt kann es keine »alten«, d.h. nicht-
leeren Gräber mehr geben!26
Aufhebung bedeutet hier: Gottes Neuschaffen Jesu Christi – in kraft von
Gott als dem Lebendigen – war zugleich und als solches (eodem actu) die
Annihilation des toten Leibes27 – insofern besagt »leeres Grab« gerade, daß
Christus ganz tot war! – und seine Wiedererschaffung28 (cf. o.␣ 68 u. u.␣ 121f.).
Dieser aufhebende Akt Gottes an dem Toten – toto coelo verschieden von
einer biologischen Wiederbelebung – hat eine Analogie an dem Verwandelt-
werden der Lebenden, die von der Parousie überrascht werden (üll›ssejai,
I Kor␣ 15,51 u. I␣ Tess␣ 4,15 u.␣ 17, cf. Hebr␣ 1,12). Insofern weist das leere Grab,

21 Über die Folgen eines Verständnisses der Auferstehung Christi als nicht leiblich

cf. L. Ihmels, Zur Frage nach der Auferstehung Jesu, in: F.S. Haering (1918), 20–35.
22 Gegen Graß, der durchweg Auferstehung als Erscheinung (objektive Vision!)

des Erhöhten vom Himmel her bzw. sie als Erhöhung dahin versteht, und sie so um
ihre spezifische eschatologische Wirklichkeit bringt.
23 Zu solcher »Zeitraffung« cf. im Zusammenhang mit I Thess 4: WA 36, 676, 23f.

u.␣ 677, 29f.


24 Die allgemeine Totenauferstehung bedeutet nicht etwas, wovon die sterblichen

Überreste in den Gräbern unbetroffen bleiben könnten, wie Althaus annimmt, cf.
aaO.␣ 31.
25 Cf. Hebr␣ 10,9b u. WA 36, 685, 28ff.
26 H. Graß nimmt das paulinische »Die Gestalt dieser Welt vergeht …« (I Kor␣ 7,31b)

so auf, daß »die alte im Grab liegende Leiblichkeit [nicht] zur Bildung der neuen
Leiblichkeit dient« (aaO.␣ 171, Hervorhebung J.R.). Aber spricht der Umstand, »daß es
zur Herstellung der neuen Leiblichkeit der Elemente der alten nicht bedarf« (aaO.␣ 163,
cf. 171 u.ö.), schon gegen das leere Grab und nicht gerade eher dafür? Dies wird
deutlich, wenn man bedenkt, daß das Vergehen der »Gestalt dieser Welt« eben auch für
die Elemente der alten Leiblichkeit, und zwar theologisch gleich radikal gelten muß.
27 Cf. WA 36, 676, 23f.
28 Diesen Aufhebungs-Vorgang kann man mit Graß – im Anschluß an II Kor␣ 5,2

– als »ein Verzehrtwerden der alten Leiblichkeit durch die vom Himmel kommende
neue« beschreiben (cf. aaO.␣ 164 mit 170). Unter Bezug auf das von Graß, aaO.␣ 308
(Anm. zu S.␣ 164), Angeführte kann man sagen: indem dem Glaubenden in der Aufer-
stehung von Gott ein sùma pneumatik·n geschenkt wird, wird er sich als er selber
geschenkt.
2. Die neue Leiblichkeit 121

wie gesagt, auf den Abbruch der empirischen Kontinuität (I␣ Kor␣ 15,36) hin
als die Voraussetzung bzw. als intrinsecisches Moment von Gottes Neuschaf-
fen im Geist zu einem neuen pneumatischen Sein. Oder auch: das leere Grab
zeigt, daß wirklich der irdische Christus selbst (mitsamt seinem Tod) in Got-
tes Leben hinein aufgehoben wird. Nach Ostern ist auch im empirischen
Sinne nichts mehr katÅ s›rka von ihm da, weil er selbst ganz lebendiger
Herr ist.

2. Die neue Leiblichkeit

Im 3. Kapitel wurde gezeigt, daß man das Himmlische und das Irdische an
der Realität des Auferstandenen nicht gegeneinander ausspielen kann, da für
sein neues Sein gerade das lebendige Zugleich entscheidend ist, als ein Sein
im Übergang von plötzlichem Kommen und Sichentziehen, von Nähe und
Distanz, von gleichsam körperlichem Dasein und doch Ungreifbarkeit. Die-
se Merkmale sollen in diesem Abschnitt als solche der spezifischen Auf-
erstehungsleiblichkeit unter dem Begriff des »geistlichen Leibes« (sùma
pneumatik·n, I Kor␣ 15,44) weiter bedacht werden. Dabei werden die
paulinischen Aussagen über die eschatologische Auferstehungsleiblichkeit
auf die Verfassung des auferweckten Christus zurückübertragen, weil alles
dafür spricht, daß Paulus sie auch von daher formuliert29.

a. Es geht bei der Leiblichkeitsdiskussion wesentlich um die Frage nach der


Identität des auferstandenen Christus mit dem gekreuzigten Jesus. Diese
Frage ist entscheidend30, weil die Auferstehung nur ist, was sie ist, wenn es
sich um wirklich und ganz denselben Jesus handelt – aus ähnlichen Gründen
wurde im vorhergehenden Abschnitt das leere Grab theologisch verteidigt31.
Das Interesse an der Leiblichkeit des Auferstandenen ist theologisch ein In-
teresse an der »Ganzheit der Neuschöpfung«32 und an der Kontinuität seines
Lebens, also nicht an der isolierten Körperlichkeit als solcher33, sondern an

29 Cf. Rengstorf, aaO.␣ 84f. (zur Paradosis: 83f. u.␣ 86!), Kittel, aaO.␣ 139 u. Graß,
aaO.␣ 149 sowie Lüdemann, aaO.␣ 64 (mit Hinweis auf Delling, A.␣ 229). Im Munde
Christi selbst: Joh␣ 12,23f.!
30 Künneth, aaO. 224.
31 Cf. bes. Anm.␣ 21. Es ist unverständlich, daß Graß davon reden kann, Christus

selbst sei auferstanden, zugleich aber die Leibhaftigkeit bestreitet, aaO.␣ 231f. Auch er
redet von »Wirklichkeit« und »Identität« (232)!
32 Ebeling, aaO.␣ 304, der freilich meint, die Identität der Leibesmaterie anzuneh-

men, sei nur eine vorstellungsmäßige Absicherung. Daß die leibliche Ganzheit den
Auferstandenen von einem Gespenst unterscheide, betont Luther WA 36, 604, 13ff;
633, 35ff. u.␣ 650, 27f; cf.␣ 628,31ff. (Seele allein).
33 Cf. o. Anm.␣ 14; zum Verhältnis altes und neues Leben cf. Althaus, aaO.␣ 30ff.
122 Kap. 4. Auferstehung als Neuschöpfung

der Realität des geschichtlichen Menschen, der ebenso wie er leiblich am


Kreuz litt, als Auferstandener geschichtlich ist34, d.h. mit einem Wort gesagt,
an seiner Wirklichkeit35. Schon darum wird man den Erscheinungsleib und
den »himmlischen Leib« Christi nicht voneinander unterscheiden dürfen36.
Die Auferweckung bestand in dem Schaffen einer neuen, pneumatischen
Leiblichkeit Jesu, die zur Doxa des Kyrios gehört. Dieser Geistleib, den Pau-
lus I Kor␣ 15,44 allen Auferstehenden für das Eschaton verheißt, bedeutet
»ein Leben aus unzerstörbarer Verbundenheit mit dem schöpferischen Geist
Gottes als dem Ursprung des Lebens«37. Dieser Geist, der eben Jesus auch
auferweckt hat (Röm␣ 1,4; 8,2 u.␣ 11), ist die Kraft unauflöslichen Lebens
(Hebr␣ 7,16) und insofern selber lebenschaffend (zwopoioún, I Kor␣ 15,45).
Weil der Geist lebenschaffend ist, entsteht ein geistiger Leib! An genau diesem
lebenschaffenden Geist ist auch des Apostel Paulus Verheißung für unsere
sterblichen Leiber ausgerichtet, die neu lebendig werden sollen (Röm␣ 8,11;
II Kor␣ 4,10), und seine Wirksamkeit erscheint bereits als Sterben und Leben
Jesu an den Leibern der Glaubenden (II Kor␣ 4,10f.; Röm␣ 8,10).
Daß in Christus die ganze Fülle der Gottheit »leibhaft« wohnt (Kol␣ 2,9), ist
daher auch erst nach seiner Auferweckung wahrzunehmen (cf. Joh␣ 1,14)
und endgültig wahr38. Dieser Geistleib in der Dynamis göttlicher Doxa kann
wie nichts anderes davor bewahren, die Auferweckung als bloße Wiederbe-
lebung eines toten Körpers aufzufassen39; er ist gemeint, wenn man von

34 Koch, aaO.␣ 240: Es gibt ohne Leiblichkeit keine Liebe Gottes. Zur Leiblichkeit

als Medium göttlichen Handelns im Geist cf. Dalferth, aaO.␣ 235 u. cf. u. Kap.␣ 5.
Anm.␣ 26.
35 Wilckens, aaO.␣ 96.
36 Mit Künneth, aaO.␣ 224 gegen Althaus, u. dazu cf. Althaus, Die letzten Dinge,

aaO.␣ 121ff.
37 Cf. Pannenberg, Das Glaubensbekenntnis (1972, Siebenstern Taschenbuch 165),

106f. u.␣ 145; Grundfragen systematischer Theologie 2, 168 u.␣ 170; Grundzüge der
Christologie, aaO.␣ 71 u.␣ 172. Daß der geistliche Leib aus der Verbindung mit Gott ist,
was er ist, sagt Luther von unserer und Christi Auferstehung WA 36, 660, 21–26
u.␣ 665, 37–666, 15. Körperliches und Geistiges werden – in polemischer Absicht –
von C.G. Jung töricht gegeneinander ausgespielt, cf. das Zitat bei Lüdemann, aaO.␣ 263
A.␣ 694.
38 Barth spricht von »Gottes Fleisch gewordenem und im Fleisch auferstandenem

Sohn« (KD IV/ 1, 389), um mit der Leiblichkeit der Auferstehung die Endgültigkeit
der Inkarnation zu unterstreichen.
39 Künneth, aaO.␣ 68. Wegen der radikalen Verwandlung geht ein biologisches Ver-

ständnis ganz fehl (cf. Phil␣ 3,21; I Kor␣ 15,53). Das wäre die (theologisch) »absurde
Idee einer nochmaligen und zeitweiligen Rückkehr aus dem Grab in dieses Leben«,
wie Ebeling – nicht ganz präzis – sagt (aaO.␣ 308). Auch die Erscheinung vor Paulus bei
Damaskus läßt sich mit einer solchen Auffassung nicht vereinbaren bzw. ist nicht mit
einem Wiederbelebten zu verwechseln. Gegen dies Mißverständnis wenden sich be-
reits die Kirchenväter (!), cf. die patristischen Belege bei Pannenberg, Grundzüge der
Christologie, aaO.␣ 73f. (A.␣ 68).
2. Die neue Leiblichkeit 123

einem »verklärten« Sein des Auferstandenen spricht40. Darin ist der Bezug zu
einer Leiblichkeit Jesu festgehalten, diese aber trotz der Selbigkeit als neu
und andersartig bestimmt41. Nur so kann die neutestamentliche Auffassung,
daß der erscheinende Herr nicht wie ein irdischer Leib an irdische Schranken
gebunden ist, sondern trotz der unbezweifelten Evidenz seiner Person doch
irgendwie fremdartig und sogar unnahbar wirkt, und vor allem die Beschrei-
bung seiner Erscheinung als göttliche Lichtherrlichkeit (Doxa) verstanden
werden (cf. Lk␣ 24,16. 31. 36; Joh␣ 20,14. 17. 19; Act 9. 3; 22, 6; 26, 13).
Es ist einleuchtend, daß eine solche geheimnisvolle, weil eschatologische
Realität der neuen Leiblichkeit sich näherer objektiver Beschreibung ent-
zieht42. Inhaltlich hängt die Unmöglichkeit einer solchen Beschreibung der
Auferstehung und Leiblichkeit Jesu auch damit zusammen, daß eine Bezie-
hung zum Auferstandenen vermittelt ist durch die Kenntnis seines irdischen
Wirkens43.
Also auch, was die Leibhaftigkeit des Auferstandenen angeht, ist eine radi-
kale Verwandlung trotz alles Zusammenhangs mitzudenken, und gerade bei
ihr44. Denn zwar steht diese Leiblichkeit dafür, daß in der verwandelten Dau-
er von Jesu Sein er er selbst bleibt, in »der unverwechselbaren Konkretheit
dieses menschlichen Lebens«, und daß es wirklich um »die fortwirkende
Mächtigkeit seines Werkes geht, das die endgültige Zukunft dieser Welt be-
stimmt«45. Andererseits ist eine einschneidende Veränderung Bedingung der
Transformation – bzw. schon ihr Vollzug – in das pneumatisch-eschatologi-
sche Sein, denn »Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht erben«
(I␣ Kor␣ 15,50, bzw. nicht die Verweslichkeit die Unvergänglichkeit)46. Gleich-
wohl fand auch am irdischen, todverfallenen Leibe Jesu in der Auferstehung

40 So tritt z.B. nach Schlatter Christus »mit verklärtem Leben« zu den Jüngern,

Dogma aaO.␣ 308. Jesu Verklärung (Metamorphosis, Transfiguratio) auf dem Berge
Tabor (Mk␣ 9,2ff. par.) ist ein Vorschein der Auferstehung ins irdische Leben Jesu (cf.
Mk␣ 9,9; Mt␣ 17,9). Davon muß an Jesus selber irgendwie etwas spürbar gewesen sein.
41 Diese Neuheit betont Luther immer wieder (WA 49, 438. 430. 729 u.ö.); die

Andersartigkeit sichert diese neue Wirklichkeit als wirklich neu und als wirklich (z.B.
gegenüber bloßer Erinnerung, cf. Althaus, aaO.␣ 69); der Auferstehungsleib ist ohne
irdische Gebrechen, cf. WA 36, 636, 24f.
42 Althaus, aaO.␣ 45.
43 Schlatter, aaO.␣ 309.
44 Cf. WA 49, 732f. Soma pneumatikon steht für eine radikale Verwandlung

(ül›ssein, I Kor␣ 15,51), bei der nichts unverändert, also auch keine substantielle Kon-
tinuität erhalten bleibt, die aber doch an demselben irdischen leiblichen Leben ge-
schieht; cf. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, aaO.␣ 72. Dieses Doppelte meint
der Begriff »Aufhebung« (als Beseitigung und Bewahrung zugleich, cf. Künneth,
aaO.␣ 157). Über exegetische Auslegungsmöglichkeiten zu soma pneumatikon cf. Pan-
nenberg, aaO.␣ 71 Anm.␣ 61.
45 Mildenberger, TRE 4, 558.
46 Die Zerstörung des irdischen Leibes ist impliziert (I Kor␣ 6,13; 15, 36f.).
124 Kap. 4. Auferstehung als Neuschöpfung

statt, was Paulus so ausdrückt: »Denn dies Verwesliche muß die Unvergäng-
lichkeit anziehen und dies Sterbliche die Unsterblichkeit« (I Kor␣ 15,53; cf. II
Kor␣ 5,4).
Darin besteht die schöpferische Verwandlung und Verklärung bei der Auf-
erstehung, daß der »Leib dieses Todes« (Röm␣ 7,24b) vom pneumatischen
Leib, dem sùma tö“ d·xh“ (Phil␣ 3,31: »Leib der Herrlichkeit«), überformt
wird – zur Neuheit des Geistes (Röm␣ 7,6). Wie bei Christus es geschah, so
gilt auch für die Christen, daß sie nach der »Erlösung unseres Leibes« (Röm␣ 8,
23) in Christus »des Geistes des Lebens« (Röm␣ 8,2; cf. Phil␣ 3,21; I Kor␣ 15,
44)47 teilhaftig werden sollen. Diese Verwandlung geschieht in der schöpfe-
rischen Dialektik von Verneinung und Bejahung, die Paulus am Gleichnis
vom sterbenden und von Gott neu verleiblichten Samenkorn veranschau-
licht (I Kor␣ 15,36ff.) und die sich im Leben des Christen als mit Christus
Sterben und mit Christus Erwecktwerden vollzieht (Röm␣ 6,3ff.). Nur aus
dieser Dialektik der Schöpfermacht Gottes als Geist kann die Identität der
Person des gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus über den Tod
hinweg, also trotz aller Antithetik des Umbruchs doch eine Kontinuität nicht
preisgebend (vielleicht sie allererst schaffend) verstanden werden48. Das Ge-
heimnis von Gottes neuschaffender Dynamis ist das Geheimnis dieser
Negativität. Es gehört als Zusammenhang von Aufhebung und Verklärung –
durch alle legendäre Ausmalung der Erscheinungsleiblichkeit hindurch aus-
zumachen – unabtrennbar zum theologischen Gedanken der Auferweckung
Jesu zu pneumatischer Leiblichkeit. Diese als Vollendung setzt Destruktion
und Wiederholung zugleich in Kraft (I Kor␣ 15,46; cf. Hebr␣ 10,9 u. Joh␣ 3,6).

b. Der geistliche Leib, von dem Paulus I Kor␣ 15,44 spricht, ist der in Zu-
kunft werdende Leib (V.␣ 37), den Gott gibt (V.␣ 38) und den wir als »Bild des
himmlischen Menschen« (sc. Christus, V.␣ 47) im Eschaton tragen werden
(V.␣ 49)49. Denn Christus ist selber das Pneuma, das lebendig macht
(zwopoioún,V.␣ 45). Dieser pneumatische Leib, mit dem die Vollendung an
Christus proleptisch anbricht, wird von Paulus durch die Stichworte:
üfjars‡a (Unvergänglichkeit, V.␣ 42), d·xa (Herrlichkeit, V.␣ 43a) und
d‚nami“ (Kraft, V.␣ 43b) bzw. üjanas‡a (Unsterblichkeit, V.␣ 53f.) näher ge-
kennzeichnet. Im Verhältnis zu dieser eschatologischen Vollkommenheit der
zukünftigen Leiblichkeit ist unser gegenwärtiger Körper nur als ein schatten-
haftes Vorstadium einzuschätzen50. Indem an Christus vorab die »Fleisches-

47 Luther übersetzt: »des Geistes, der da lebendig macht«.


48 Ebeling, aaO.␣ 304.
49 Cf. WA 12, 336 u.␣ 36, 496, 10f.; 530, 37f.; 595, 31–596, 25; 597, 26f; 599, 13–

15 u. bes. 593, 22ff.; 660, 15ff.


50 Cf. entsprechend Kol␣ 2,17 u. Heim, aaO.␣ 191 u.␣ 193. Luther hat das 1536 auf

die Formel gebracht: homo huius vitae est pura materia Dei ad futurae formae suae
vitam (Disp. de homine, Th. 35; WA 39/1, 177, 3f.).
2. Die neue Leiblichkeit 125

gestalt« (Röm␣ 8,3) zerbrochen und schöpferisch »aufgehoben« wurde, ist sei-
ne Inkarnation verewigt51; darum ist das soma pneumatikon ein christolo-
gisch und theologisch unverzichtbarer Gedanke.
Es ist bei dieser Thematik der neuen Leiblichkeit sicher sachgemäß zu
erwägen, ob nicht, um die eschatologische Allgemeinheit der Auferstehung
Jesu Christi voll zur Geltung zu bringen, die Konzentration auf die individu-
elle Leiblichkeit des Auferstandenen, wie sie in den Osterberichten einseitig
betont wird, zu ergänzen ist durch den paulinischen Gedanken von der Ge-
meinde als Leib Christi (cf. Röm␣ 12,4ff.), ohne aber die eschatologische
Leiblichkeit wiederum hierauf zu reduzieren52. Auch vom Abendmahl als
Teilhabe an dem Leibe Christi her, der die Gläubigen zu seiner Einheit ver-
bindet, dürfte sich dies empfehlen. Denn im Zusammenhang mit der Aufer-
weckung Christi zu einem soma pneumatikon wird Gott durch sein schöp-
ferisches Pneuma auch unser soma auferwecken (I Kor␣ 6,13–14 u. Röm␣ 8,
10f.!). Dann sind unsere Leiber »Glieder Christi« (I Kor␣ 6,15) und dies im
Geist (V.␣ 17), so daß gilt: der Leib (gehört und lebt) dem Herrn und nicht
sich selbst, weil auch der Herr dem Leib (V.␣ 15). Aufgrund dieser Auf-
erstehungsdynamis sind die menschlichen Leiber zum Tempel des lebendigen
Gottes bestimmt (II Kor␣ 6,16) bzw. seines schöpferischen Geistes (I Kor␣ 3,16;
6,19 u. Röm␣ 8,9 u.␣ 11) und sollen in das Herrlichkeitsbild ihres Herrn ver-
wandelt und verklärt werden (II Kor␣ 3,18). Gilt das, dann kann auch die
Auferstehung Christi nicht als die »Wiederherstellung der separaten Wirk-
lichkeit einer von anderen getrennten individuellen Leiblichkeit« begriffen
werden53.
Zu recht findet man in der Betonung der paulinisch verstandenen pneu-
matischen Leiblichkeit des Auferstandenen als seiner verklärten Präsenz je-
denfalls eine Absage an die doppelte Richtung von Spiritualismus und Ma-
terialismus54. Hier wird der Begriff der schöpferischen »Aufhebung« wichtig,
demgemäß dasselbe anders wird. Das soma pneumatikon steht damit jenseits
der Alternative von hellenistischer Spiritualisierung (das Abstraktum einer
»unsterblichen Seele«), gegen die einzuwenden ist, daß das Ewige kein Rest-
produkt sein kann, und von judaistischer Materialisierung55, die auf eine
übernatürliche bloße Verdoppelung hinausläuft und gegen deren naturalisti-
sche Option einzuwenden ist, daß das Ewige keine mechanische Wiederho-
lung sein kann. »Aufhebung« redet davon, daß auch die Leiblichkeit in ihre
eigene Wahrheit gelangt und daß derart das Ewige die wahre »Wiederholung«
des Zeitlichen ist. Von dieser Aufhebung redet der Sache nach Paulus, wenn
51 S.o. Anm.␣ 38.
52 Cf. dazu Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 2, 184f.; zum
Parousie-Gedanken in diesem Zusammenhang cf. 186f.
53 AaO.␣ 185.
54 Cf. Künneth, aaO.␣ 69f. u. Kittel, aaO.␣ 139.
55 So Graß, aaO.␣ 235.
126 Kap. 4. Auferstehung als Neuschöpfung

er als die Logik der Auferstehung formuliert: »daß das Sterbliche verschlungen
werde von dem Leben« (II Kor␣ 5,4; cf. I Kor␣ 15,55 mit 42–44 u.␣ 53f.).

c. Hier ist noch ein kurzer eschatologischer Ausblick anzuschließen. Der


Ausdruck sùma pneumatik·n hat, unbefangen genommen, eine strukturelle
Verwandtschaft zum Wort als einem sinnlich-geistlichen Gebilde. Diese
paulinische Formel für unser himmlisches Sein (I Kor␣ 15,48) spräche also
(auch) von der endgültigen Wortwerdung unseres Fleisches, gemäß dem Satz
Luthers: Sic verbum caro factum est … ut caro verbum fit et homo formam
assumat verbi56. Die Form des Wortes anzuziehen, ist letztes Ziel des Glau-
benden, dessen Glauben selber schon wortförmig ist57. Der eschatologische
»geistliche Leib« ist also, was er ist, als »ins Wort gefaßt«58.
Diesen Bezügen entspricht bei Paulus, daß es dieselbe Dynamis und Doxa
ist, die sowohl das soma pneumatikon konstituiert (I Kor␣ 15,43f.), die als
ewig (Röm␣ 1,20) das Wort des Evangeliums selber schon ist (Röm␣ 1,16) und
als Pneuma die Auferweckung wirkt (Röm␣ 8,11). Gottes allmächtiges Schöp-
ferwort59, das in Christus menschgeworden und zu ewigem Leben erweckt
worden ist, schafft sich im Glauben und in der eschatologischen Verklärung
der Glaubenden zum soma pneumatikon (als von diesem Wort durchdrun-
gen) diejenige Wiederholung, in der Gott sein unerschöpfliches Leben lebt,
weil er (dann) »alles in allem« ist.

56 WA 56, 330, 1–3, cf.␣ 62,18: ut nos verbum efficiamur und WA 1, 28, 26f. S.␣ auch

o. Anm.␣ 50!
57 Cf. WA 56, 330, 3 u.␣ 62, 17 mit 227, 4–6.
58 WA 11, 403, 3.
59 Es läßt sich – wiederum im Anschluß an Luther – auch zeigen, daß und wie die

Schöpfung selber, in eschatologischer Perspektive, worthaft verfaßt ist.


127

Kapitel 5

Auferstehung als Mitte von Gottes Heilshandeln

Ihr irrt, weil ihr weder die Schrift kennt


noch die Kraft Gottes.
Mt␣ 22,29

1. Auferstehung und Schöpfung

Es ist mehrfach betont worden, daß die Auferweckung als Gottes Ja zu dem
gekreuzigten Jesus eine schöpferische Identifikation mit dem Toten, um ihn
so als Lebenden sein zu lassen, darstellt. Ist dieses Festhalten des lebendigen
Gottes an seiner Gemeinschaft mit Jesus auch im Tode und durch ihn hin-
durch bzw. aus dem Tode heraus ein schöpferisches Handeln Gottes, so stellt
sich die Frage, wie sich die Auferstehung zum Schöpferhandeln Gottes über-
haupt, d.h. zur protologisch verstandenen Schöpfung verhält.

a. Mit der Schöpfung hat die Auferweckung zunächst den reinen Ereignis-
charakter eines unableitbaren, Wirklichkeit setzenden göttlichen Tuns ge-
meinsam1. Weil das Auferstehunghandeln sich am toten Jesus vollbringt,
kann es »nur mit dem Ereignis der Schöpfung aus dem Nichts verglichen
werden«2, das es unter den spezifischen Bedingungen menschlicher Er-
fahrung von der nichtenden Macht des Todes (und der das Schöpfungsziel
negierenden Macht der Sünde und dem zur tödlichen Macht verkehrten
Gesetz) »wiederholt«: ein gleichsam unter verschärften, weil als falsche Posi-
tivität des Negativen zu überwindenden Bedingungen potenziertes Sich-
durchsetzen göttlicher Kreativität, die, an nichts Vorhergehendes unmittelbar
gebunden, sich am radikalen Gegenteil ihrer (neu) durchsetzt. Insofern setzt
Gottes Handeln bei der Auferweckung des Gekreuzigten neues Sein nur so,
daß es zugleich das verkehrt Seiende negiert (I Kor␣ 1,28)3.

1 Nach der eindrücklichen Formulierung von H. Bergson sind die Ergebnisse von

wahrhaft schöpferischer Macht »die Unvorhersehbarkeit selber« (Schöpferische Ent-


wicklung, Jena 1912, 229). D.h. doch wohl auch, wo ein absolut Neues, ganz und gar
Singuläres, Unvergleichbares auftritt – wie bei der Auferstehung –, wird die, zumeist
verstellte oder verborgene, Unvorsehbarkeit überhaupt als Offenheit der Wirklichkeit
selbst und im ganzen, ihr Möglichkeitsraum nach vorn schlagartig erfahrbar.
2 R.R. Niebuhr, aaO.␣ 145. Moltmann redet – im Anschluß an E. Bloch – vom

»novum ex nihilo« (Theologie der Hoffnung, aaO.␣ 328).


3 Cf. zu dieser Stelle schon Kap.␣ 3.2., Anm.␣ 146.
128 Kap. 5. Auferstehung als Mitte von Gottes Heilshandeln

Insofern der Tod, aus dem Gott schöpferisch das Leben (Christi) hervor-
ruft, ein sozusagen potenziertes Nichts darstellt, kann sein Auferweckungs-
handeln also mit der ursprünglichen creatio ex nihilo verglichen und jenes
sogar mit dieser auf einer Linie, eben der des Selbsterweises göttlich produk-
tiver Lebendigkeit gesehen werden. Ein Unterschied liegt in dieser Hinsicht
darin, daß die Auferstehung, wie gezeigt, sich auf etwas Vergangenes bezieht
und neue geschichtliche Möglichkeiten der Zukunft freisetzt4, ja das Eine
nur in und mit dem Andern tut!
Ist die Schöpfung aus dem Nichts als Gottes freies Seinlassen von (im
Verhältnis zu ihm) Anderem zu bestimmen, so die Auferweckung Christi als
ein Seinlassen bei sich. Damit ist gesagt, daß die Auferstehung die Schöpfung
auch in dem Sinne wiederholt, daß sich in ihr der eigentliche Grund der
protologischen Schöpfung endgültig manifestiert und so das Schöpfungs-
handeln überhaupt zum Ziel bringt, nämlich die ewige Liebe. Der Gott, dem
mit aller Kreatur auch wir das Dasein verdanken, zeigt sich in Christi Aufer-
weckung zum neuen Leben »unwiderruflich als Gott für uns«5. Darum muß
man mit Paulus und Luther den Auferstehungsglauben als Schöpfungsglau-
ben auffassen6.

b. Insofern die Auferstehung Gottes schöpferisches Mitsein mit Jesus in kraft


seines eigenen Lebens ist ( Joh␣ 5,26) und Gott dabei bleibend wirksam ist als
allmächtiger Grund von Christi ewigem Leben, zu dem wir im Glauben
gehören sollen, zeigt sich darin qualifiziert Gottes sich fortsetzendes Schöpfer-
handeln, als creatio continuata. Daher schließt insbesondere und endgültig
die Auferstehung ein deistisches Gottesverständnis aus7, weil die Auferwek-
kung eben nicht bloß eine isolierte göttliche Machtwirkung ist, um den
Toten zum Leben zu bringen und ihn dann dieser eigenen Lebendigkeit für
sich wieder zu überlassen, sondern weil sie ein definitives und effektives
Sicheinigen des göttlichen Schaffens mit Christus im eschatologischen
Vollendungshandeln ist.
Die Auferstehung ist Gottes eigenes Weiterführen seiner Schöpfung auf
ihr Ziel hin. Darum ist die neue Schöpfung, als die die Auferstehung verstan-
den werden muß, nur die Fortführung der Schöpfung überhaupt bzw. ihr
deren Vollendung antizipierendes sich endgültig Durchsetzen. Indem sie die
neue Wirklichkeit setzt, erweist sich Wirklichkeit überhaupt und als ganze,
nämlich vom Anfang her und auf die Vollendung hin, als Schöpfung bzw.

4 Niebuhr, ebd.
5 Dalferth, aaO.␣ 77.
6 Cf. WA 49, 400ff. u.␣ 437; zu Röm␣ 4,17 s.u. c.
7 So schon J.S. Semler: »die Aufgabe, ob Jesus auferstanden ist, oder nicht, theilet

die Menschen in Christen und Deisten« (Beantwortung der Fragmente eines Unge-
nannten insbesondere vom Zweck Jesu und seiner Jünger, Halle 1779, S.␣ 279).
1. Auferstehung und Schöpfung 129

erweist sie sich gerade vom Ende her als auch am Anfang schon Schöpfung8,
d.h. als ein Sichdurchsetzen der alles bestimmenden Macht Gottes, die in
ewiger Liebe alles in allem sein will (I Kor␣ 15,28).
Ist die Auferstehung »gleichsam ein zweites Schöpfungswunder«9, wo-
durch der Glaube an Gott den Schöpfer noch einmal neu begründet und
vertieft wird, so ist umgekehrt bereits die erste Schöpfung als praeludium
resurrectionis (Calvin) zu bestimmen10.
Weil das göttliche Handeln Ausdruck des einen ewigen Lebens Gottes ist,
knüpft die Vollendung an die Schöpfung an11 und geht die Schöpfung über
die Versöhnung auf die Erlösung zu12, um deretwillen sie überhaupt begon-
nen hat und deren Aufsichzugehen sie ist. Daher ist die Auferstehung die
zweite Schöpfung als das eigene Neuwerden der (sozusagen) ersten auf ih-
rem Wege vom Proton zum Eschaton, der in Wahrheit Weg des Eschaton zu
sich selber (als dem wahren Anfang des Proton) ist. Dieser Weg ist im Kern
der Weg vom ersten Adam zum zweiten als dem mit Gottes Schöpfergeist
Geeinten (I Kor␣ 15,45). Insofern dieser Weg der Schöpfung zu sich als Neu-
schöpfung – von Adam zum Auferstandenen – die innere Bewegtheit von
Gottes eigener Lebendigkeit kreatorisch handelnd darstellt, sind Schöpfung
und Auferstehung von dem einen Tag göttlichen Schöpferhandelns in Ewig-
keit umschlossen13.

c. Der Apostel Paulus hat diese Verschränkungen von Schöpfung und Auf-
erstehung insbesondere in Röm␣ 4,17ff. in einer Art Engführung ins Licht
gesetzt. Dieser Text umgreift durch den Bezug auf denselben lebendigen
Gott die Differenz zwischen Abraham und den Christen in der Gemeinsam-
keit eines Glaubens, der von Abraham sich bis zu den Christen fortsetzt;
darum ist Abraham ebenso am Anfang des Glaubens wie jetzt für die Chri-
sten von Bedeutung, eben als der Vater des Glaubens14. Dieser Zusammen-
hang im Glauben gründet im Bezug auf den einen Gott, und Paulus entfaltet
die in dieser Beziehung auf den lebendigen Gott liegenden Verschränkun-
gen (mindestens) in vierfacher Hinsicht.
1. Es wird die Gott zugeschriebene allgemeine Totenerweckung (über-
haupt) mit der creatio ex nihilo identifiziert (V.␣ 17). Leben aus dem absoluten

8 E. Bloch – allerdings mit kritikbedürftiger Fortsetzung –: »Die wirkliche Gene-

sis ist nicht am Anfang, sondern am Ende …« (Das Prinzip Hoffnung, aaO.␣ 1628).
9 Künneth, aaO.␣ 158.
10 Zu I Kor␣ 15,39 (bezüglich der Differenziertheit der Schöpfung) cf. CR 77, 556.
11 Dalferth, aaO.␣ 232.
12 Cf. zu den drei Grundtypen göttlichen Handelns (Schöpfung, Versöhnung, Er-

lösung) Dalferth, aaO.␣ 203f., 207 Anm.␣ 86 u.␣ 231f.


13 Cf. Barth, Auferstehung der Toten, aaO.␣ 115, 118.
14 Cf. Röm␣ 4,16: tù spfirmati … tù †k p‡stew“ ûAbra›m␣ mit V.␣ 18 u. V.␣ 23: kaÑ d¢

™mô“.
130 Kap. 5. Auferstehung als Mitte von Gottes Heilshandeln

Gegenteil davon zu schaffen, Seiendes sein zu lassen ohne Voraussetzung –


das wird hier zum Prädikat Gottes schlechthin.
2. Der Verheißungsglaube Abrahams ist selber Schöpfungsglaube an diesen
todüberwindenden Lebendigen, insofern die wunderbare Erzeugung von
Nachkommenschaft für Abraham mit der Totenerweckung analog gesetzt
wird15.
3. Alle Bezüge, die der Text anspricht, sind im Glauben (bzw. für ihn), von
dem in jedem Vers die Rede ist (V.␣ 16ff.). An diesem Glauben wiederholt
sich der Widerspruch des Schöpfers gegen das Nichts16 bzw. des Lebendigen
gegen den Tod, insofern er parû †lp‡da †pû †lp‡di (V.␣ 18) ist. Diese Wieder-
holung ist wohl noch qualifizierter, insofern die Dynamik des Glaubens der
Dynamik des schöpferischen göttlichen Handelns selber entspricht; der
Glaube ist demnach der Ort dieser Dynamik Gottes oder auch der Schöp-
fung beim Menschen17.
4. Der Glaube der Christen ist identisch mit dem Glauben an den leben-
digen Gott, an den Abraham geglaubt hat, und er ist es in Abhängigkeit
davon18, nämlich Glaube an den totenerweckenden Schöpfergott, der sich
neu schaffend und aus dem Tode erweckend eben als dieser an Jesus Christus
erwiesen hat19. In Bezug auf den lebendigen und lebenschaffenden Gott gilt:
wie Abraham an die Schöpfermacht des totenerweckenden Gottes glaubte
(4,17 u.␣ 19; cf. o.␣ 1. u.␣ 2.), so glauben wir an diesen Gott als den, der den
gekreuzigten Jesus von den Toten erweckt hat (V.␣ 24: tÖn †ge‡ranta ûIhsoún
… †k nekrùn).
In der Verschränkung dieser Bezüge ist die lebendige Einheit des einen
Glaubens an den einen Gott, der als Schöpfer auch weiter- und neuschaffend
und der als aus dem Tode rufend auch ewiges Leben erschaffend ist, so stark
betont, daß man in dem Nacheinander jener Bezüge letzlich doch nur ein
einziges Handeln Gottes zu erkennen hat, nämlich einen einheitlichen Hand-
lungszusammenhang, der ebenso in sich (zeitlich) differenziert wie in Gott
und für Gott (ewig) eins ist: das Sichfortsetzen der Schöpfung als ihre Vollen-
dung. Dieser durchgehende einheitliche Zusammenhang wird von Paulus
bis in die Gegenwart der Glaubenden als von Gott Gerechtfertigten weiter
verfolgt. Wie der Schöpfung (der Welt) aus dem Nichts (4,17) die Erwek-
kung Jesu vom Tode (weiterführend) entspricht (V.␣ 24), so dieser die Recht-
fertigung der Gottlosen (4,5), weil der Hingabe Jesu an den Tod um der
Sünder willen (V.␣ 25) die Auferweckung um deren Rechtfertigung willen

15 Cf. V.␣ 19: sùma nenekr„menon␣ … nfikrwsi“ (S›rra“).


16 Nach II Clem␣ 1,8 werden die Geretteten aus dem Nichtssein ins Sein gerufen.
17 Cf. †nedunam„jh (vom Glauben; V.␣ 20) mit dunat·“ … kaÑ␣ poiösai (von Gott;

V.␣ 21).
18 Cf. kaÑ d¢ ™mô“ (V.␣ 23).
19 Der aus dem Nichtseienden Sein Schaffende als der aus den Nicht-mehr-Sei-

enden Sein Schaffende (cf. Jüngel, Tod, aaO.␣ 137).


1. Auferstehung und Schöpfung 131

entspricht (ebd.)20. Was an Abraham verheißen wurde, galt schon für uns21,
und darum ist er der Vater: wie seine Rechtfertigung auch um unsertwillen
festgehalten worden ist (V.␣ 22f.), so ist Jesus um unserer Gerechtigkeit willen
auferweckt worden (V.␣ 24). Was dem Vater des Glaubens widerfuhr, erfüllt
sich im Herrn des Glaubens: ûIhsoún tÖn k‚rion ™mùn (V.␣ 24). Weil das so ist,
bedeutet Christsein, durch Bekenntnis zum Herrn und Glauben an Gottes
auferweckendes Handeln an ihm an der Gerechtigkeit und an Gottes Heil
teilzuhaben (Röm␣ 10,9) – eine Gerechtigkeit und ein Heil, in dem sich der
Schöpfer als eins mit dem Vollender erweist22.
Dafür, daß Paulus die enge Aneinanderbindung von Schöpfung und Auf-
erweckung Christi als einen Geschehenszusammenhang verstehen kann, läßt
sich – die Deutung von Röm␣ 4,17ff. unterstützend – auch II Kor␣ 4,6 heran-
ziehen. Sofern hier die Erscheinung des Auferstandenen vor Paulus bei sei-
ner Bekehrungserfahrung in Analogie zur Lichtwerdung bei der Schöpfung
(Gen␣ 1,3) gesehen wird, als sei das in Ewigkeit nur ein Ereignis, sind – gespie-
gelt im Erlebnis des Paulus, das für ihn in metaphysische Tiefen zurückreicht
– theologisch Schöpfung und Vollendung in einer Ewigkeitsparadoxie (das
Heutige als das Voranfängliche bzw. Ewige) ebenso in eins geschaut wie es
für den Zusammenhang von Christi Auferweckung und allgemeiner Toten-
auferstehung bzw. von Ostererscheinungen und Parousie gilt. In solcher
Identifikation des zeitlich Differenten, d.h. auseinander und nacheinander
Seienden, in ewiger Einheit, wird Gottes Ewigkeit als ewiges Leben erfaßbar,
wie es die Figur des Werdens zu sich auf den Begriff bringt23.

d. Steht am Ende der Schöpfung als ihre Vollendung durch Neuschöpfung


hindurch das verheißene Omega, ein »neuer Himmel und eine neue Erde«
(II Petr␣ 3,13; cf. Offb 21,1 u.␣ 5; Jes␣ 65,17 u.␣ 66, 22), so sind in der Antizipa-
tion davon, wie sie sich in den Erscheinungen des Auferstandenen manife-
stiert hat, bereits proleptisch – mit Luther zu sprechen – »Himmel und Erde
ein Ding geworden«24. Diese spannungsreiche und die Existenz der Glau-
benden einer Zerreißprobe aussetzende Diastase zwischen »Schon« und
»Noch nicht« ist die Signatur der geschaffenen Welt im Übergang zur neuen,
ist Kennzeichen ihrer eschatologischen Verfassung. Gleichwohl macht sich
seit der Auferstehung und aufgrund ihrer für die geöffneten Augen des Glau-
bens vielfältig wahrnehmbar, wie »durch die Natur die neue Schöpfung ein-

20 Röm␣ 5,18 spricht von der dika‡wsi“ zwö“ (cf. auch V.␣ 21), und Paulus kann

sogar Christi Auferweckung mit †dikai„jh †n pne‚mati␣ (zitierend) wiedergeben.


21 S.o. Anm.␣ 14.
22 Cf. u. Kap.␣ 6.1. Anm.␣ 30.
23 Zu einem von diesem Begriff zu unterscheidenden prozeßtheologischen Ver-

ständnis einer Vollendung der Schöpfung (H.N. Wiemann, L. Thornton) cf. kritisch
R.R. Niebuhr, aaO.␣ 24–26.
24 WA 46, 713, 20.
132 Kap. 5. Auferstehung als Mitte von Gottes Heilshandeln

herging« und -geht25. Das gilt nicht nur von den Erfahrungen, die der Glaube
an sich selber machen kann, sondern – von ihm aus – auch an der Natur, über
der ein Abglanz der Auferstehungsherrlichkeit liegen kann; z.B. in ihrer »pa-
radiesischen« Schönheit oder auch in ihrer Verklärung in der Kunst – und für
die die pneumatische Leibhaftigkeit des Auferstehungslebens nicht ohne
Bedeutung sein kann26. Die Natur ist durch Gottes Auferstehungshandeln
geheiligt und kann im Licht der Auferstehung in mancher Hinsicht für diese
auch zum Gleichnis werden27. Als Vorläufiges und Vorletztes steht auch die
Natur unter der Verheißung auf endgültige Vollendung im ewigen Leben
Gottes (Röm␣ 8,20f.)28. Dieses Nicht-in-ihr-Gestilltsein und über sich Hin-
ausweisen hat Paulus als Seufzen auch der außermenschlichen Kreatur nach
ihrer Erlösung benannt (Röm␣ 8,19 u.␣ 22). Er begreift damit den status quo
der Wirklichkeit als eine kosmische Geburtswehe (V.␣ 22; cf. Joh␣ 16,21), des-
sen Integral das Kreuz von Golgatha ist. Darum ist die Auferstehung Christi
als persönliche Verklärung Christi zugleich die neue Geburt aus der Todes-
welt (Act␣ 2,24; cf. Hebr␣ 1,5 u. Röm␣ 8,29), indem Christus »der Erstgebore-
ne aus den Toten« ist (Kol␣ 1,18; cf. 15)29. Wie derart die neue »Geburt der
Welt aus der Zuwendung Gottes« entspringt30, der in Christus das Alte ver-
gangen sein läßt und alles neugemacht hat (II Kor␣ 5,17), so ist für den einzel-
nen Menschen die Begegnung mit dem Auferstandenen, dessen Zuwendung
ihn zum Glauben ruft, seine individuelle Wiedergeburt (I Petr␣ 1,3ff.).
Der Auferstehungsglaube impliziert so eine neue (eschatologische) Erfah-
rung der unergründlichen göttlichen Kreativität31. Auferstehung als Schöp-
fung bedeutet: Gott setzt neues Leben aus sich heraus, d.h. aus der Fülle
seiner lebendigen Ewigkeit ein Leben, das an dieser selbst und ihrer Vollen-
dung und Vollkommenheit teilhat – wie es sich mit der Menschwerdung
schon anbahnt. Diese vollendete Selbsterschließung und Selbsthingabe (und
-weitergabe) seines Lebens ( Joh␣ 5,26) überholt die erste Schöpfung, die
schon Seinlassen endlichen Lebens ist, indem sie sie zum definitiven Ort

25 Klopstock, Der Messias XVIII, 111.


26 Eschatologisch und christologisch zu denken wäre das Oetingersche Wort von
der Leiblichkeit als Ende aller Werke Gottes (in: Biblisches und Emblematisches Wör-
terbuch (1776), Nachdruck 1969, 407 (s.v. »Leib«)).
27 Cf. Luthers häufige Gleichnisse für die Auferstehung (der Toten) aus dem Natur-

leben, WA 36, 639f. Indes folgt Luther hier nur dem Apostel Paulus, I Kor␣ 15,35ff. Für
Luther liegen diese Dinge jedem »täglich vor Augen« als ein lebendiges Zeugnis der
Auferstehung (cf. aaO.␣ 645, 15–18): Gott hat derart »uns sein werck zum vorspiel
gestelt [sc. des Heils], was er mit uns machen wil, umb welcher willen er solchs alles
geschaffen hat« (aaO.␣ 646, 10f.).
28 Cf. zu des Apostels eschatologischem »Philosophieren« o. Kap.␣ 2. Anm.␣ 13.
29 Die alte Kirche unterschied eine dreifache Geburt Christi, cf. I. A. Dorner,

Geschichte der Christologie I, 1062f.


30 Cf. Heim, aaO.␣ 185.
31 Cf. Dalferth, aaO.␣ 210.
1. Auferstehung und Schöpfung 133

göttlichen Lebens macht32. Indem Gott schöpferischer Ursprung des Auf-


erstehungslebens ist, gibt er sein innerstes Leben an seine Schöpfung weiter
und bezieht so deren vergehendes Leben ewig in sein eigenes Leben ein33.
Weil der Gott, der in der Weltschöpfung als Ursprung von Leben und ewige
Lebensmacht sich erwiesen hat, sich bei der Auferstehung als allmächtiger
Vollender des Lebens und ewige Lebensfülle erweist, verhält sich die Schöp-
fung zur Auferstehung wie das lebendige Sein Gottes als unvordenklicher
Anfang zu seiner ewigen Vollendetheit. Diese Proportion stellt im zeitlichen
Abbild die Einheit von Gottes immanenter Lebendigkeit heraus, dergemäß
er alles in allem ist bzw. sein wird34.
Im Leben der Auferstehungsgemeinde ist diese neue Schöpfung präsent
im Sakrament, in dessen eschatologisch qualifizierten Naturelementen der
lebendige Herr des Kosmos sich selber gibt.
Dieser auferstandene Herr ist selber die Erfüllung der Schöpfung
(Kol␣ 1,15–18). Seine eschatologische Wirklichkeit ist die Wahrheit der jetzt
noch unvollendeten Schöpfung und begründet deren Angelegtsein auf Voll-
endung in der Auferstehung, d.h. auch den Weg vom »psychischen« zum
»pneumatischen Adam« (I Kor␣ 15,45–49)35. Derart liegt das ihr von Gott
eingestiftete Hoffnungsziel der Schöpfung in der Auferstehungsherrlichkeit
der freien Kinder Gottes (Röm␣ 8,19f.)36. Indem die von der Auferstehung
Christi Ergriffenen sich in ihm zur ewigen Herrlichkeit Gottes berufen wissen
(I Petr␣ 5,10), können sie ihr Beteiligtwerden am Schöpfungsziel (Röm␣ 8,28f.)
nur auf Gottes Wahl vor seiner Schöpfung zurückführen (Eph␣ 1,4).

e. Was die voranstehenden Ausführungen über die lebendige Einheit von


Schöpfung und Auferstehung dargelegt haben, das kann die Dichter-
theologie vielleicht zugleich kürzer und in tiefsinniger Anschaulichkeit zur

32 Cf. Luthers Behauptung: »Und ist also eben das Reich hie auff erden, das her-
nach wird sein jm himel, on das es jtzt zugedeckt und nicht fur augen ist« (WA 36, 569,
33–35).
33 Künneth spricht von Aufgehobensein und »aufhebender Erfüllung«, aaO.␣ 78

u.␣ 52.
34 Luther kann daher sagen: »Ja, das natürliche Leben ist ein Stück vom ewigen

Leben und ein Anfang« (WA 10/I, 1, 200). Dieser durch Sünde und Tod abgeschnit-
tene Zusammenhang wird in der Auferstehung wiederhergestellt, und im Glauben als
Erkenntnis dessen, von dem man lebt, nämlich Christus, gilt: sie »sterben nimmer-
mehr, sondern das natürliche Leben wird gestreckt ins ewige Leben … [ Joh␣ 8,52
u.␣ 11, 25]« (ebd.). Genau dies ist eine Wiederholung des Zusammenhangs von ge-
schichtlichem Jesus und erhöhtem Christus!
35 Cf. E. Bloch: »Denn auch das Menschsein (wie jeder andere »Wesensgrund«)

steht im Prozeß, kann also, im strengen Sinn, nicht einmal einer so ausnahmslosen
Erscheinung wie der Sterblichkeit logische Notwendigkeit verleihen« (Das Prinzip
Hoffnung, aaO.␣ 264).
36 Cf. Künneth, aaO.␣ 156.
134 Kap. 5. Auferstehung als Mitte von Gottes Heilshandeln

Sprache bringen, indem sie den Ostermorgen als ewigen Schöpfungsmorgen


anschaut:
Die Morgenröte war noch nicht
mit ihrem Licht vorhanden;
und siehe, da war schon das Licht,
das ewig leucht, erstanden.
Die Sonne war noch nicht erwacht,
da wacht und ging in voller Macht
die unerschaffne Sonne.
(P.␣ Gerhardt)37

2. Auferstehung und Menschwerdung

Die systematische Beziehung zwischen der Menschwerdung Gottes und der


Selbstidentifikation Gottes mit dem Gekreuzigten in der Auferweckung ist
nur auf dem Hintergrund gewisser herauszustellender Gemeinsamkeiten dar-
zutun.

a. Mit beiden christologischen Hauptthemen ist ein unerwartetes bzw. un-


ableitbares, freies Eingreifen des lebendigen Gottes von Ewigkeit her be-
zeichnet: Gottes selbst (nach seiner zweiten Person im ewigen Sohn) bei der
Menschwerdung und Christi (als des mit Gott nach dem Tod am Kreuz neu
Geeinten) bei den Auferstehungserscheinungen. Diese Gemeinsamkeit
drückt sich darin aus, daß ebenso wie die Auferstehung auf die den Wider-
spruch des Todes überwindende, lebenschaffende Kraft des Geistes so auch
schon die Inkarnation auf eben dessen schöpferische Macht zurückgeführt
wird, die ohne Anknüpfung an vorgegebenes Menschliches Gott an diesem
Menschlichen gegenwärtig sein läßt. Denn daß Gott auch im Menschenge-
schlecht nur mit sich selber anfängt38, ist der theologische Sinn der Überlie-
ferung von der Jungfrauengeburt aufgrund der Zeugung Jesu in kraft des
Geistes39.
Gleichwohl ist, was die Einheit mit Gott in der Menschwerdung und in
der Auferstehung angeht, wie sie sich in Christi Person ereignet (bzw. als
diese Person), sogleich zu sagen, daß in der Auferstehung in einem neuen
Sinn gilt: Gott war in Christus (II Kor␣ 5,19) und die Fülle der Gottheit
wohnte in ihm (Kol␣ 2,9), nämlich nicht nur in einem noch verborgenen,
sondern im eschatologisch-vollendeten Sinn. In der Lebendigkeit des aufer-
37 »Nun freut euch hier und überall«, 3. Strophe, in: Paul Gerhardt, Dichtungen

und Schriften (hg. von E. v. Cranach-Sichart), München 1957, 79; zit. KD IV/2, 427.
38 Cf. KD II/1, 343: Gott »der in seiner Offenbarung so mit sich selber Anfangende

ist der von Ewigkeit her mit sich selbst Anfangende …«.
39 Lk␣ 1,26–31; cf. Mt␣ 1,23.
2. Auferstehung und Menschwerdung 135

weckten Gekreuzigten ist Gott bereits »alles in allem« (I Kor␣ 15,28). D.h.
aber, hierbei wird der Menschgewordene ins ewige Leben, in Gott selber,
aufgenommen und zugleich als solcher bei uns offenbar. Man kann vielleicht
sagen, dabei wird die neue Wirklichkeit, die an sich mit Gottes Menschwer-
dung gesetzt ist (Gal␣ 4,4), für Christus selbst und für uns endgültig durchge-
setzt ist, schöpferisch vollendet. Denn freilich ist bereits die Menschwerdung
(als mit Jesu Lebensanfang gesetzte Inkarnation gedacht) ein wirkliches Er-
scheinen Gottes aus seinem Jenseits bzw. das Erscheinen dieses Jenseits in
unserer Welt, wie umgekehrt gilt, daß der Umstand, daß Ostern der (schon)
Menschgewordene erscheint, diese Erscheinungen auch menschlich ganz
wirklich bzw. wirklich ganz menschlich macht.
Darin ist eine wechselseitige Entsprechung mitgedacht, dergemäß gilt, daß
bei der Menschwerdung das Wort (der ewige Logos) Fleisch wird, so daß bei
der Auferstehung das Fleisch Wort wird, was proleptisch für Christus gilt40
und in der Endvollendung für die Glaubenden41. Im Zuge dessen, daß eben
der menschgewordene und wieder auferstandene Logos als der »Erstgeborene«
(Kol␣ 1,18; Röm␣ 8,29) die Vollendung der Menschheit im göttlichen Leben
einleitet – für den Zusammenhang von ewigem Ausgang vom Vater, In-
karnation und Auferstehung des Logos bildet die Menschwerdung die »Mit-
te« –, gilt ebenso, daß die Menschwerdung Gottes die Menschwerdung des
Menschen vollendet, weil der Auferstandene die vollkommene imago Dei
ist, wie daß mit der vollendeten Menschwerdung Gottes im Auferstandenen
der Menschgewordene auch ganz Gott ist, d.h. die Gottwerdung des Gott-
menschen vollendet ist, was im Thomas-Bekenntnis ausgesprochen wird
( Joh␣ 20,28). Für die Menschen bedeutet das, daß wie schon in der Mensch-
werdung des Gottessohnes, so erneut und unzerstörbar mit der Auferstehung
Gott und Christus vollkommene Gemeinschaft mit sich gewähren, so daß
sich die Menschwerdung Gottes zu eschatologischer Allgemeinheit erwei-
tert: »Bei Gott hat seine Stelle / das menschliche Geschlecht«42. Denn weil
die Fleischwerdung des Wortes (nach Joh␣ 1,14) sich vollendet in der Aufer-
stehung dieses Fleisches, begründet die Auferstehung nicht nur die Gewiß-
heit von der Menschwerdung Gottes in Jesus endgültig43, sondern hat Gott
sich im Auferstandenen auch endgültig zur ewigen Gemeinschaft mit dem
Menschensohn und über ihn zum ewigen Leben mit uns Menschen be-
stimmt.

b. Berücksichtigt man, daß erst im Auferstehungsglauben Menschwerdung


Gottes und das Kreuz von Golgatha zusammen gedacht werden können,
40 S.o. S.␣ 74.
41 Cf. Luthers Rede vom »ins Wort gefaßt sein« (s.o. S.␣ 116) und spezifisch WA 11,
403, 3 u.␣ 36, 497, 37f.; 498, 31f.
42 J.S. Bach, Weihnachtsoratorium, Schluß.
43 Cf. Jüngel, Tod, aaO.␣ 131 u.␣ 137.
136 Kap. 5. Auferstehung als Mitte von Gottes Heilshandeln

ergeben sich Beziehungen von Auferstehung und Inkarnation, die für die
Bestimmung des christlichen Gottesgedankens wesentlich sind.
Das betrifft einerseits das Verständnis von göttlicher Liebe44, die sich so-
wohl im Selbsteinsatz Gottes, der sich im Annehmen der Menschheit und als
Selbsthingabe für die Sünder am Kreuz zeigt, wie eben damit auch darin
erweist, daß Gottes Zuwendung zum Menschen und sein Festhalten an die-
sem auch durch den Tod als äußerste Zuspitzung menschlicher Sündhaftig-
keit und Trennung von Gott hindurch45 schöpferisch die Versöhnung der
Welt mit sich heraufführt. So wie die Menschwerdung die sich herablassende
Liebe Gottes bedeutet, so die Auferstehung deren Vollendung in Herrlich-
keit, so daß Gottes Doxa zugleich Verherrlichung und Selbstverherrlichung
ist – im Namen Jesu Christi (Phil␣ 2,5–11).
Und es betrifft andererseits das Verständnis von göttlichem Leben. Ist in der
Menschwerdung Gott über den unendlichen Hiatus hinweg mit seiner
Lebensmacht bei Jesus, so nimmt er durch die Auferweckung Jesu Leben (als
eines aus dem Tode) in sein eigenes Leben auf. Gemeinsam ist beiden, anein-
ander sich anschließenden göttlichen Lebensvollzügen, daß Jesu wirkliches
Leben zugleich Gottes wahres Leben ist, d.h. daß es in Menschwerdung und
Auferstehung zuletzt um die eine und dieselbe göttliche Lebendigkeit geht.
Darum sind die Auferweckung und die Menschwerdung beide schlechthin
analogielos – wie Gott selber, der mit seinem Leben Wirklichkeit setzt und
neu bestimmt. Für den bei der Menschwerdung zu überwindenden »unend-
lichen qualitativen Unterschied« von Gott und Mensch und für die bei der
Auferweckung zu überwindende Macht des Nichts, die der Tod markiert,
gilt gleichermaßen, daß weder äußerste Differenz noch ein letzter Wider-
spruch des Nichtigen für Gottes Lebensmacht eine Grenze darstellen, son-
dern daß auch sie noch in seinem allmächtigen Leben, das schöpferische
Lebendigkeit ist, in die absolute Selbstdurchsichtigkeit hinein verwunden
werden, die Gottes ewige Doxa ist.
Hängen Menschwerdung und Auferstehung so zusammen, lassen sich die
eine als Beginn und die andere als Zielpunkt des Handelns Gottes auffassen46.
Redet die Inkarnationsvorstellung davon, daß Gott sich verändert und neu
bestimmt hat – uns zu gut, so die Auferstehungsbotschaft davon, daß Gott
sich vollendet hat in Christus – und uns dabei hat –, in Christi Mitsein mit
uns, so daß sein Leben unser ewiges Leben werden soll ( Joh␣ 6,53 u.␣ 56).

44 Der leicht falsch isolierte und verallgemeinerte Satz »Gott ist Liebe« (I Joh␣ 4,8
u.␣ 16) findet seine christliche Bestimmtheit durch den Hinweis auf die Hingabe des
Sohnes (V.␣ 9f.), die als solche das Ziel der Liebe, die Gott ist, ermöglicht und realisiert:
ewiges Leben ( Joh␣ 3,16).
45 Cf. WA 7, 55, 13–17.
46 So auch Künneth, aaO.␣ 123; cf. dort das Gogarten-Zitat 122 A.␣ 46 (Gogarten,

aaO.␣ 166).
2. Auferstehung und Menschwerdung 137

c. Was nun das genauere Verhältnis von Auferstehung und Menschwerdung


angeht, so läßt sich zwar sagen, die Menschwerdung sei vorweggenommene
Auferweckung und die Auferstehung verewigte Menschwerdung47. Gleich-
wohl scheint damit die präzisierende Frage noch unbeantwortet: Ist Aufer-
stehung die Folge und Auswirkung der Inkarnation oder wird mit der
Inkarnationsvorstellung eigentlich nur zurückverlegt, was die Auferweckung
Jesu bedeutet und so von Gott her begründet?
Es ist damit die Frage nach dem Verständnis der Einheit von Gott und
Mensch in Jesus dem Christus in einer bestimmten Hinsicht gestellt. Relativ
leicht scheint aussagbar, wie das Verhältnis von Menschwerdung und Aufer-
stehung nicht bestimmt werden kann. Einerseits nämlich führt es zu Schwie-
rigkeiten, die Inkarnation als mit Jesu Lebensbeginn für sich vollkommen
realisiert (gleichsam schon fertig) und nur für seine Mitmenschen bzw. uns
(noch) nicht erkennbar vorzustellen, so daß die Auferstehung sie nur offen-
bar und erkennbar machte48. Andererseits läßt sich auch nicht sagen, daß die
Inkarnation für das Leben des irdischen Jesus überhaupt noch nicht anzu-
nehmen ist und erst durch die Auferweckung zustande gekommen wäre, so
daß von ihr vor dieser gar nicht die Rede sein könnte49. Aber es ist auch nicht
denkbar, daß die Inkarnation anfänglich noch unvollständig gewesen und
sich erst durch die Geschichte Jesu bis hin zu Kreuz und Auferstehung voll-
endet habe, so daß die Auferstehung Zielpunkt einer sukzessiven Entwick-
lung der Einigung von Gott und Mensch in Christus wäre.
Vielmehr muß hier so etwas wie eine »in sich bewegte Christologie« in
Anschlag gebracht werden50, in die sich die Figur eines »Werdens zu sich«
einzeichnen läßt51. Demgemäß ist zu der – hier einschlägigen und umstritte-

47 Althaus spricht von einer »Präsenz ohne Ende« (Die christliche Wahrheit,

aaO.␣ 491).
48 So wird z.B. bei Thomas von Aquin Auferstehung als (bloße) Bestätigung der

Menschwerdung und als zur Bestärkung des Glaubens an Christi Gottheit geschehen
ausgesagt, cf. STh III q.53 a.1c.
Gegen dies traditionelle Verständnis von Inkarnation als anfänglich vollständig
gegeben hat sich insbes. Pannenberg gewandt und mit guten Gründen die daraus
resultierenden Aporien im Verständnis der Gottheit Jesu aufgezeigt, cf. Grundzüge
der Christologie, aaO.␣ 152ff.
49 Gegen Künneths Position wendet Pannenberg ein, daß Jesus durch die Aufer-

weckung die Gottheit nicht erst empfangen habe (cf. Künneth, aaO.␣ 112ff. und Pan-
nenberg, Grundzüge der Christologie, aaO.␣ 134).
50 Zu diesem treffenden Ausdruck Künneths (aaO.␣ 115) cf. schon o. S.␣ 54. Molt-

mann hat wegen des eschatologischen Sinnes die Christustitel als »dynamische Titel«
bezeichnet: »Es sind darum keine festen Titel, die fixieren, wer er war und ist, sondern
gleichsam offene, gleitende Titel, die das, was er sein wird, verheißend ankündigen«,
und er spricht zugleich von »bewegten und bewegenden Begriffen« (der Sendung), cf.
Theologie der Hoffnung, aaO.␣ 184.
51 Ohne daß es zu diesem Begriff kommt, ist der Sache nach vom Werden zu sich

die Rede bei Barth: »Sein Tod am Kreuz war und ist der vollendete Vollzug der Fleisch-
138 Kap. 5. Auferstehung als Mitte von Gottes Heilshandeln

nen52 – Stelle Röm␣ 1,4 zu sagen, daß sie die von Ewigkeit vorherbestimmte
Einsetzung zur Gottessohnschaft als von der Dynamis der Auferstehung her
realisiert sein läßt53. Das bedeutet, die Auferstehung entscheidet mit rückwir-
kender Kraft, daß Jesus (immer) schon Gottes Sohn war54. Insofern begrün-
det die Auferstehung auch das Bekenntnis zur Inkarnation und artikuliert die
Inkarnationsvorstellung die wirkliche Einheit des Irdischen mit dem Aufer-
standenen55.
Daher kann auch gesagt werden, daß die Auferstehung die Gottheit Jesu
»bestätigt«; sie tut das aber nicht bloß im gnoseologischen, sondern in einem
ontologischen Sinn: mit rückwirkender Kraft56. Auferstehung hat einen
»retroaktiven Sinn«57, indem sie rückwirkend von der Auferweckung aus
begründet, worin Jesu Wesen besteht bzw. bestanden hat: mit Gott eins zu
sein. Indem er es in kraft der Auferweckung ist, war er es auch (schon) im
Sich-Vorlaufen dieser Kraft58. Derart läßt sich eine Beziehung von Auferste-
hung und Menschwerdung denken, bei der diese weder anfänglich vollendet
noch auch erst später verwirklicht oder auch für uns erst durch die Auferste-
hung erkennbar würde59.
Man darf also sagen: Die Inkarnationsvorstellung hält (zu Recht!) fest, daß
im irdischen Leben Jesu sich die Einheit von Gott und Mensch, die die
Auferstehung realisiert, vorausläuft und insofern die Menschwerdung auf die
Auferstehung als ihr eigenes Zusichkommen bezogen ist. Vom Ende her
realisiert sich als Werden zu sich, was sich von Anfang an als auf sich zu-

werdung des Wortes: Dieser Vollendung ging er in jener Ereignisfolge entgegen – aber
doch erst entgegen. Wie konnte, was noch nicht vollendet geschehen war, in Vollendung
offenbar werden? Wie konnte anders als antizipierend offenbar werden, was zwar in
Wahrheit schon, in abgeschlossener Wirklichkeit aber noch nicht geschehen war?« (KD IV/
2, 157). Barths anschließender Bemerkung: »Man müßte sich wohl wundern, wenn es
eine Überlieferung von Jesus gäbe, die von jener antizipierenden Wahrheitsoffen-
barung etwa gar nichts zu berichten wüßte« (ebd.), korrespondiert die frühere Fest-
stellung: »daß auch jene »vorösterliche« Ereignisreihe selbst und als solche dieses Lich-
tes [sc. des Osterereignisses] durchaus nicht entbehrt« (aaO.␣ 151).
52 Cf. dazu Wilckens, Der Brief an die Römer (Röm 1–5), EKK VI/1, 1987 2, 65f.
53 Zur »Verleihung« der Gottheit verweist Künneth auch auf Stellen wie Eph.

1,10f. 21f.; Kol␣ 2,10; Phil␣ 3,31 (Anrufung des Herrennamens, cf. Künneth aaO. 120
Anm.␣ 42).
54 So Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, aaO.␣ 2, 163.
55 Cf. aaO.␣ 171.
56 Pannenberg, Grundzüge der Christologie, aaO.␣ 134, cf. 62f.; zur Ontologie des-

sen cf. 134f. Zur rückwärtigen Bestätigung s. auch schon o. S.␣ 84.
57 AaO.␣ 317. Auch Künneth spricht von einer »Rückbeziehung« im Licht von

Ostern (aaO.␣ 123).


58 So möchte ich Pannenbergs Theorem vom retroaktiven Sinn der Auferstehung

aufnehmen (cf. aaO.␣ 135, 140, 152, 230), indem ich den bei ihm zugrundeliegenden
Antizipationsgedanken mit der Logik des Werdens zu sich verknüpfe.
59 Dazu Pannenberg, aaO.␣ 135f.
2. Auferstehung und Menschwerdung 139

gehend voraussetzt60. Die Paradoxie der sich hier einstellenden Aussagen


drückt die Dialektik der Antizipation aus, dergemäß, weil die Auferweckung
Jesu Christi Antizipation des Eschaton ist, dies auch in der irdischen Ge-
schichte Jesu schon sich proleptisch reflektiert.

d. Ein neutestamentlicher Anhalt für eine derartige Interpretation einer


Dialektik des Heute der Auferstehung und der ewigen Wirklichkeit der
Menschwerdung ist Act␣ 13,33 zu finden. Ps␣ 2,7: u´·“ mou eè s‚, †g„ sflmeron
gegfinnhk› se, sonst im NT modifiziert auf die Taufe Jesu bezogen61, wird
hier im Hinblick auf die Auferweckung Jesu Christi (als Erfüllung der Ver-
heißungen an die Väter) ausgesagt. Seine ewige Geburt wird als eine neue, als
Wiedergeburt in Ewigkeit ausgesagt und er so als der eschatologisch »Erstge-
borene«. Die Auferstehung ist das Weitergeben des Lebens vom Vater an den
Sohn, der so allererst wahrhaft der Sohn ist62. Das schöpferische Wort als
Heute der Auferstehung, in Ewigkeit gesprochen, qualifiziert auch die Ver-
gangenheit ebenso neu wie die Zukunft. Im »Heute« der ins Leben rufenden
göttlichen Anrede an Christus eröffnet sich für den Auferweckten die unab-
sehbare Gegenwart des lebendigen Gottes, die zugleich dessen ewiges Heute
und so unvordenkliche Voraus-Vergangenheit ist (»habe ich dich gezeugt«).
Im Heute der Ewigkeit Gottes ist der Sohn er selbst und sich unendlich
voraus – vom Vater her.
Dieser retroaktive Sinn des Christus betreffenden Schöpferwortes des Va-
ters findet sich auch im Hebräerbrief. Nachdem eingangs die Zusprechung
des Sohnesnamens in eher traditionell unbestimmter Weise mit Ps␣ 2,7 ange-
führt worden ist (1,5a)63, wird das Psalmzitat Hebr␣ 5,5 in einem Zusammen-
hang wiederholt, der die Anrede des »heute« gezeugten Sohnes mit der Ver-
herrlichung Christi (†d·xasen) zum ewigen Hohenpriester in eins setzt64.
Die schöpferische Anrede qualifiziert Christus als den himmlischen Hohen-
priester von Ewigkeit her. Gottes Wort ist schöpferisch – dies sein Sprechen
ist sein »Zeugen« bzw. Gezeugthaben –, indem es mit »rückwirkender Kraft«
heraufführt und an Christus setzt, was er so ist, daß er es ewig gewesen ist.
Wird mit dem Ausdruck »Hoherpriester« Christi Selbstopfer am Kreuz als

60 Entsprechend denkt Pannenberg daher auch die Schöpfung der Welt vom Ende

her, cf. aaO.␣ 169, 237, 407f. u.␣ 378 sowie STh II, 171. In diesen Zusammenhängen
ergeben sich auch paradoxe Aussagen über Gott selbst (und ein Werden in ihm), cf.
aaO.␣ 157, 332 (3.) mit Anm.␣ 3 und meinen Aufsatz: Gottes Sein, Werden und Han-
deln, aaO., wie o. Einl. Anm.␣ 11, bes. 473ff.
61 Cf. Mk␣ 1,11 u. Mt␣ 3,17; Lk␣ 3,22.
62 Cf. Joh␣ 5,26 und s. dazu u. Kap.␣ 6.2. (S.␣ 150ff.) sowie bes. Anm.␣ 65.
63 Cf. auch das Parallelzitat II Sam␣ 7,14 in 1,5b!
64 Genauer: †d·xasen genejönai ürcierfia (Hebr␣ 5,5) – aus der Verneinung einer

Selbst-Verherrlichung Christi; im Zusammenhang mit üllû ¨ lalflsa“ prÖ“ a§t·n


erschlossen; cf. auch 5,6.
140 Kap. 5. Auferstehung als Mitte von Gottes Heilshandeln

Grund dieser Verherrlichung durch Gott angedeutet65, so war bereits vorher


die himmlische Erhöhung dieses Hohenpriesters und insofern auch die Auf-
erstehung als der Moment seiner Verherrlichung als Sohn Gottes ausgesagt:
dielhluj·ta toÜ“ o§rano‚“ (4,14)66. Im Heute des göttlichen Erweckungs-
wortes an den Gekreuzigten ist über die Wirklichkeit »ein für allemal« (cf.
Hebr␣ 7,27; 9,12.28; 10, 10) entschieden, für Vergangenes und Zukünftiges
und so auch über das wahre Sein Jesu Christi als des Menschgewordenen, der
als Auferstandener ewig lebt und so in diesem Augenblick Gottes wird, was
er ist und gewesen ist.
Menschwerdung und Auferstehung sind – dialektisch aufeinander bezo-
gen – Momente des einen göttlichen Lebensvollzuges selbst, der als ewige
Selbstlebendigkeit Vergangenheit und Zukunft schöpferisch umgreift, in-
dem er sie in sich unterscheidet.

3. Auferstehung und der irdisch-geschichtliche Jesus

Das eschatologische Ereignis von Ostern ist als Auferweckung des gekreuzig-
ten Jesus eine definitiv qualifizierende Neubestimmung der vorösterlichen
Geschichte seines Lebens67. In seinem schöpferischen Handeln am toten
Jesus bestätigt Gott dessen Sterben am Kreuz, indem er es in sein eigenes
Leben hineinnimmt, und bringt so Jesu Geschichte überhaupt zu einer ewi-
gen Erfüllung. Damit gewinnt die Geschichte des Irdischen eine endgültige
Bedeutung, und weil die Auferstehung die Auferweckung dieses Gekreuzig-
ten ist (Mk␣ 16,6; Act␣ 4,10; 2,36; I Kor␣ 1,13), »bleibt der christliche Oster-
glaube für alle Zeiten gebunden an die irdische Geschichte Jesu von Naza-
reth«68.
Wie die damit gegebene unlösbare Beziehung des Auferstehungsglaubens
auf den irdisch-geschichtlichen Jesus genauer zu verstehen ist, soll in einigen
Hinsichten entfaltet werden, weil nur durch diesen Rückbezug der Sinn des
Auferstehungsgeschehens theologisch begriffen werden kann.

65 Cf. Hebr␣ 9,11f. 14.28 (£fjflsetai); 10, 10.12.


66 Cf. auch Hebr␣ 9,24.
67 Von einer definitiven Entscheidung spricht – unter vielen anderen – Pannen-

berg, STh II, 387.


68 AaO.␣ 385. Mit Auferstehung »wird alles auf die Person Jesu Christi selbst kon-

zentriert« schreibt Dalferth im Blick auf das heilsgeschichtliche Verständnis des NT


(aaO.␣ 251). Daher ist er selber in Person – und nicht nur seine Verheißung, sein Werk
und seine Wirkung – alles, worauf es für das Heil ankommt. Und die Teilhabe des
Glaubens an dem durch sein Leben, Leiden und Auferstehen Heraufgeführten ist stets
grundlegend Teilhabe an ihm selber.
3. Auferstehung und der irdisch-geschichtliche Jesus 141

a. Man kann sagen, die Auferstehungserfahrung war »das Wiedererkennen


des Gekreuzigten … als eines Gegenwärtigen, der in die Zukunft weist«69.
Insofern schließt das Ostererlebnis wesentlich die Erfahrung von der Identi-
tät des gegenwärtig Lebendigen mit dem Vergangenen in sich, und dies der-
gestalt, daß in der österlichen Begegnung mit ihm allererst definitiv aufgeht,
wer er war und ist70. Obwohl die Jünger ihn kannten, führt seine Erschei-
nung nach dem Tode doch in neuartiger Weise zum Verstehen und Begrei-
fen, zu Klarheit und unerschütterlicher Überzeugung in Bezug auf seine
göttliche Wahrheit. Ostern identifiziert sich Jesus endgültig für die Seinen,
und dieses Erschlossenwerden seiner wahren Wirklichkeit ist der wesentliche
Inhalt der Auferstehungserfahrung: Lk␣ 24,31f.
Eben daß Derselbe so neu und anders bei den Jüngern und für sie da ist,
ist das, was die Auferstehungserfahrung von ihrem von vorher bekannten
Umgang mit Jesus unterscheidet; er ist anders in dieser Begegnung als vor
der Kreuzigung in ihrer Mitte. Insofern ist gerade wegen der für Ostern (und
den Osterglauben) wesentlichen Dieselbigkeit Jesu Christi auch immer fest-
zuhalten, daß es sich bei den Erscheinungen des Auferstandenen nicht um
eine bloße Wiederkehr, d.h. ein in derselben Weise einfach Wiederdasein
wie vorher, dieses Menschen handelt71. Eben dies Anderssein Desselben ist
aber gerade – inhaltlich – die Etablierung der ewigen Bedeutung dessen, den
die Jünger kannten.
Von daher impliziert der christliche Glaube als begründet in der Auferste-
hung ein spezifisches Verhältnis zum historischen Jesus, und dies so wesent-
lich, daß er von der Beziehung auf diesen nicht nur unablösbar, sondern als
Osterglaube notwendig ein Verhältnis zu diesem ist72.
Wird aber der christliche Glaube dabei auf ein Verhältnis zu dem vergan-
genen irdischen Menschen Jesus reduziert73, so ist das einerseits eine schiefe
Alternative zum Auferstehungsglauben, der ja niemand anderen als eben die-
sen bestimmten Menschen als den ewig Lebendigen meint74. Andererseits ist

69 Ebeling, aaO.␣ 300; zur Identität des Auferstandenen mit dem Irdischen und Ge-

kreuzigten cf. WA 36, 605, 13–15.


70 Cf. aaO.␣ 300.
71 Wie auch H.D. Betz – für Mt! – unterstreicht (zit. bei Lüdemann, aaO.␣ 151); cf

auch Pannenberg, STh II, 390, 400 A.␣ 102 u.␣ 402.
72 Dies betont, indem er Glauben als Gewissensverhältnis zum Menschen Jesus

faßt, von dem der Glaubende sich innerlich im Gottesverhältnis bestimmt weiß, ein-
seitig E. Hirsch, aaO.␣ 41 (cf.␣ 43,49, 50, 73 u.ö.) – einseitig, weil die Auferstehung auf
das Zustandekommen solcher Einheit mit Jesus reduziert wird. Zur Herkunft des
Osterglaubens vom historischen Jesus her cf. aaO.␣ 76, 77, 79 sowie 75 (Titel).
73 So will z.B. Lüdemann bei Destruktion der Auferstehung doch den Zusammen-

hang mit Jesus selbst festhalten, cf. aaO.␣ 12.


74 »Der wirksam Erhöhte bleibt mit der Geschichte engstens verbunden« (Koch,

aaO.␣ 107; zu Kähler!) – dieser Satz gilt nur allgemein von der Geschichte, weil er auch
und zunächst von der besonderen Geschichte Jesu selber gilt.
142 Kap. 5. Auferstehung als Mitte von Gottes Heilshandeln

das eine Position, die selber nur als Restprodukt des überkommenen Auf-
erstehungsglaubens überhaupt verständlich zu machen ist75. Schließlich ist es
gerade eben die religiöse Bestimmung und Besetzung des historischen Jesus,
die, wie eben gesagt, im Auferstehungsglauben ihre theo-logische Fassung
(und damit interne Vervollständigung) erfährt. Damit ist gesagt, die Frage
nach der wirklichen Geschichte Jesu zählt seit Ostern gerade theologisch!76

b. Daß der Auferstandene der Lebendige ist, besagt also, daß die Zeit seines
irdischen Lebens und Wirkens nicht Vergangenheit werden kann, sondern
jeder Zeit wieder zur Gegenwart wird77. Christi neue Lebendigkeit als er-
höhter Herr ist das Sich-gleichzeitig-Machen seiner als dieses geschichtli-
chen Menschen Jesus mit jeder folgenden Epoche78. Jede Deutung der –
nicht eigentlich gemeinten – Auferstehung rein von der Lebensmacht des
irdischen Menschen Jesus her muß mit einem solchen theologischen Ver-
ständnis seiner Lebendigkeit als wahrhaft Auferstandener in Schwierigkeiten
kommen79. Die Auferstehung weist nur insofern eschatologisch in die Zu-

75 Von diesen Spuren des eigentlichen Osterglaubens zehrt auf verborgene Weise

jede reduktionistische Position in der Auferstehungsfrage, wie z.B. an Hirschs Auf-


erstehungsbuch leicht zu demonstrieren ist (s.u. Anm.␣ 79).
76 Das ist bei Lüdemanns Ansatz völlig übersehen. Zur Einheit von vorösterlichem

und nachösterlichem Christus cf. die Erörterung bei Lüdemann, aaO.␣ 200 u. Anm.␣ 699
(zu Fuchs).
77 Gegen die theologisch wenig hilfreiche, schon immer in der liberalen Theologie

beliebte, aber höchst vage Ostern deutende Formel »die Sache Jesu geht weiter« ist zu
sagen: Jesus ist mit »seiner Sache« streng identisch: »es ist Gottes eigenste Sache, in ihm
mit uns geworden zu sein« ( Joest, Dogmatik, 1, 267). Darum ist nichts anderes als Jesus
Christus selbst in Person »der bleibende und in die Zukunft führende »Weg« Gottes
zum Menschen« (aaO.␣ 268).
78 Zur Gleichzeitigkeit s.o. Kap.␣ 3.2., S.␣ 77 (bei Anm.␣ 131). Das gegenwärtige Bei-

uns-Sein und An-uns-Handeln des Auferstandenen ist nichts anderes als das Leben
und Sterben Jesu von Nazareth – integriert in Gottes allmächtiges Wirken hier und
jetzt. Wie einst Gott in Christus auf Erden war, so ist es jetzt Christus in Gott wieder.
Der Auferstandene ist der Gekreuzigte: im gegenwärtigen Leben Gottes.
79 Das zeigt sich deutlich wiederum in Hirschs Auferstehungsbuch. Er muß die

»Lebendigkeit« des vorösterlichen Jesus so stark machen, wenn er von dessen nach-
österlicher Lebendigkeit nicht äquivok reden will, daß als das eigentliche »Geheimnis«
gilt (cf. dazu Althaus, aaO.␣ 21f.), wie in dem Mächtigwerden von Jesu Gottesver-
hältnis über die Jünger nach seinem Tode – ein Mächtigwerden gerade in seinem
Sterben (cf. Hirsch, aaO.␣ 50, 70 u.ö.) – sich »Gottes ewiges Leben selbst« Geltung
verschafft (cf. Jesus Christus der Herr, Göttingen 1926, 40). D.h. auch Hirsch muß
letztlich ein »unergründliches Tun« des lebendigen Gottes (cf. Hirsch, Jesus Christus
der Herr, aaO.␣ 39; zit. bei Althaus 43, cf. Fn 1) voraussetzen als letzten Grund dessen,
was sich »psychologisch und geschichtlich« in Gestalt der als »Gesicht« verstandenen
Erscheinungen manifestiert. Freilich weigert Hirsch sich wegen seines Begriffs von
der »gestaltlosen Ewigkeit« (aaO.␣ 70), diese letzten theologischen Annahmen über ein
Handeln Gottes in dem Geschehen als solche auch explizit zu machen und durchgrei-
fend zur Geltung zu bringen. Verzichtbar aber ist auch ihm die Rede von Gottes
3. Auferstehung und der irdisch-geschichtliche Jesus 143

kunft ewigen Lebens, als sie zugleich in die Vergangenheit des geschichtli-
chen Jesus zurückweist, indem sie dessen Leben in die Ewigkeit mitnimmt.
Man hat das mit Recht so formuliert, daß der Inhalt der Auferstehung die
Vergangenheit ist, die zu ihr führte, nämlich das Leben und Leiden Jesu, das
der lebendige Herr neu vergegenwärtigt80. Die Lebendigkeit des Auferstan-
denen ist das Neuwerden seiner Vergangenheit als Irdischer.
Es ist insbesondere die Selbstidentifikation des auferstandenen Christus für
die Seinen, die, indem er seine Identität mit dem Vergangenen herstellt81, die
Bedeutung gewinnt, durch rückwirkende Neuqualifikation die Vergangen-
heit seines Lebens in die Gegenwart aufzuheben.
Das veranschaulicht vor allem die Emmaus-Perikope (Lk␣ 24,13ff.). Den
sich vom unmittelbaren Geschehen entfernenden (V.␣ 13) und sich an es als
bloß Vergangenes trauernd erinnernden Jüngern (V.␣ 14, 17 u.␣ 19–21) gibt
der Auferstandene zunächst Anlaß, noch einmal zu fragen, was das ihnen
scheinbar völlig bekannte Geschehene eigentlich ist (V.␣ 17 u.␣ 19). Und erst
als er ihnen durch die Zeichenhandlung (V.␣ 30) dann als der Gegenwärtige
selbst evident wird und sie in ihm den Vergangenen wiedererkennen (V.␣ 31),
da erschließt sich genau mit dieser »Erleuchtung« vom Gegenwärtigen her
auch die Vergangenheit als auf ihn hinführend und so als schon seine, d.h. als
in dieser Gegenwart zu sich (und ihnen) kommend. Die Vergangenheit er-
strahlt in kraft dieser Evidenz nicht nur (subjektiv) in einem neuen Licht,
sondern sie zeigt sich selber schon auf dem Wege zu dieser Gegenwart gewe-
sen zu sein: »Brannte nicht unser Herz in uns?« (V.␣ 32) Das kann nur im
Präteritum und fragend ausgesprochen werden! Jetzt kommt auch aus ihrer

lebendigem Handeln bzw. seinem sich als lebendiger Gott Erweisen dennoch nicht
gänzlich. Dieser, auch für seine theologische Position sachlich unvermeidbare, theolo-
gische Kerngedanke der Auferstehungsfrage ist nur radikal minimalisiert bzw. zum
kaum noch kenntlichen Grenzwert zurückgedrängt. Die grell hervorstechende Kritik
am Mythologischen der von Hirsch sog. »wiederbelebten Leiche« (aaO.␣ 32, 59, 67, 88,
90) sollte einem diese in der Natur der Sache liegende Spannung der Hirsch’schen
Konzeption nicht überdecken. (Cf. auch die schillernde Annäherung an die traditio-
nelle Redeweise vom »lebendigen Herrn« bei Hirsch, z.B. aaO.␣ 45, 54, 70, 73! 88).
An der richtigen Diagnose von Hirschs Position durch Althaus: »Der Grund unse-
res Osterglaubens – ist Jesu eigener Osterglaube« (Althaus, aaO.␣ 39) wird schlagartig
klar, daß Hirsch im Grunde die theologische Frage nur verschieben, aber nicht elimi-
nieren kann. Indes auch bei dem, was »im Geheimnis der Gottesbegegnung, die Herz
und Gewissen zuteil wird«, geschieht – nach Hirsch das eigentliche Wunder in der
Begegnung mit Jesus, cf. aaO.␣ 89 –, weiß sich der Glaubende von Gottes lebendigem
Tun selber berührt und im Glauben begründet; d.h. aber Gewissenserfahrung und
Selbstbekundung des Auferstandenen (aus Gottes lebendiger Macht) dürfen nicht so
entgegengesetzt werden, wie Hirsch es tut (cf. dazu Althaus, aaO.␣ 56). Cf. auch die
Unausgeglichenheit zwischen Hirschs erwähnter Rede von »gestaltloser Ewigkeit«
und von Gottes ewiger Liebe (cf. aaO.␣ 70, 72 u.␣ 46, 47, 62).
80 Cf. dazu R.R. Niebuhr, aaO.␣ 46, mit Hinweis auf KD I/2, 117ff, 134 u.␣ 122.
81 Sie dazu o. schon Kap.␣ 3.1., S.␣ 69f.
144 Kap. 5. Auferstehung als Mitte von Gottes Heilshandeln

Vergangenheit sich entgegen, was ihre Gegenwart neu bestimmt; in diesem


Sinne sind ihre vorher »gehaltenen Augen« (V.␣ 16) nun »geöffnet« (V.␣ 31).
Die Gegenwart des Auferstandenen gibt ihnen eine neue Erinnerung bzw.
macht ihr Gedächtnis des Vergangenen neu82, so daß sie es jetzt als auf die
Gegenwart zugehend erinnern können, – eben weil der Auferstandene die
Vergangenheit (als schon sein Kommen zu ihnen) an sich zieht. Der Aufer-
standene ist von hier aus derselbe wie der Gekreuzigte, und der Erhöhte hebt
sein irdisches Leben auf, nimmt es mit in Ewigkeit.
Darum gilt, daß erst die Auferstehung (bzw. der Auferstandene) den Sinn
von Jesu Sendung und Lebensweg und den Sinn der heiligen Schrift er-
schließt ( Joh␣ 2,22; Lk␣ 24,25–27; 44–47). Das ist für jede spätere Epoche des
christlichen Glaubens genauso wie für die anfängliche: »Die Erinnerung an
die Auferstehung ist integrierend für die gesamte Erinnerung an den Men-
schen Jesus … zurückschauend … gewinnt Jesus in der Erinnerung seine
Verständlichkeit von den Auferstehungsbegegnungen her«83.
Primär ist es also so, daß eben die Erfahrung, daß Christus als Auferstan-
dener lebendig für die Jünger da ist, zur Erkenntnis ihrer Erinnerung daran
führte, wie Jesus als ihr Meister war und was er war. Und es verhält sich
gerade nicht so, daß »Erinnerungen daran, wie Jesus war, … zur Erkenntnis
(führten), wie Jesus ist«84, wenngleich überhaupt nicht zu bestreiten ist, was
Graß so formuliert: »Dies Bild des irdischen Jesus hat zweifellos nachgewirkt
in dem Bild des Erhöhten«85. In Wahrheit war eben die Vergangenheit nicht

82 Ganz ähnlich gewinnt Augustin mit seiner »Bekehrung« (bzw. den Augenblik-

ken des »Berührtwerdens« von Gottes Gegenwart (cf. Conf. VII, 17, 23; IX, 10, 24 u.
X, 27, 38)) ein »neues Gedächtnis« seiner biographischen Vergangenheit und von
Gottes Wirken darin, wie das 10. Buch der Konfessionen in minutiösen Analysen der
memoria zur Darstellung bringt. Damit löst sich die Aporie, Gott nicht einfach »im
Gedächtnis«, sondern nur in auch dessen Überschreiten, ihn aber auch nicht »drau-
ßen«, außerhalb des seiner gedenkenden Gedächtnisses, finden zu können (cf. X, 17,
26 u.␣ 24, 35).
83 R.R. Niebuhr, aaO.␣ 91. Aus der historischen Beobachtung, die Niebuhr bei-

bringt: »in der Urkirche diente die Auferstehung gerade der Aufgabe, Jesus in seiner
wahren Gestalt zu enthüllen und alle vorschnellen und Teil-Interpretationen seiner
Person zu berichtigen und zu vervollständigen« (aaO.␣ 22), zieht er mit Recht die
Konsequenz für die systematische Bedeutung, die dem unlöslichen Zusammenhang
von Auferstehung und historischem Jesus zukommt: »die Anerkennung der Priorität
der Auferstehungsüberlieferung (ist) für eine adäquate theologische ratio cognoscendi
erforderlich … Unsere Fähigkeit, den historischen Jesus zu erkennen, hängt davon ab«
(aaO.␣ 21; cf. 23).
84 So einsinnig ableitend Lüdemann, aaO.␣ 116. Welchen Sinn hat im zitierten Satz

das »ist«?!
85 Graß, aaO.␣ 237. Auch Lüdemann konstatiert insoweit zutreffend, es hätten viel-

leicht »Erinnerungen an das historische Zusammensein mit Jesus in Galiläa im Rück-


blick die Formung der Erscheinungsgeschichten geprägt« (aaO.␣ 190). Eben weil der
Bezug der Auferstehung auf den Irdischen für diese wesentlich ist, haben jene Erin-
nerungen die literarische Gestaltung notwendig mitgeprägt (s.u. d.).
3. Auferstehung und der irdisch-geschichtliche Jesus 145

mehr für sich und als solche, sondern nur im Zusammenhang mit der sie neu
bestimmenden Gegenwart erinnerbar. Daher ist es bis heute so, daß das per-
sönliche Bild von Wort und Geschichte Jesu (bzw. das darin zu uns sprechende
Evangelium) und die Auferstehungsbotschaft von Ostern ein unauflösbares
Ineinander darstellen, weil in beidem, und d.h. gerade in ihrem Zusammen-
hang, Gottes Handeln mit dem sündigen Menschen sich manifestiert: »Das
alles ist ein [sc. pneumatischer] Sinnzusammenhang, darin alles sich gegen-
seitig trägt und ins Licht setzt«86.

c. In diesen Verflechtungen von Gegenwart und Vergangenheit kommt zum


Ausdruck, daß Jesu irdisches Leben nur darum im Glauben erinnert wird,
weil es als solches Inhalt der Auferstehung ist. Die Auferweckung als göttli-
ches Handeln richtet sich auf Jesu Leben als ganzes, wie es Inbegriff seiner
Person, seiner Geschichte, seines Wortes und Werkes und seiner Wirkung ist
(cf. I Kor␣ 15,53)87. Nach Jesu Tod kommt es nicht zu einem ganz anderen
(»jenseitigen«) Leben, sondern eben dies bestimmte Leben Jesu ist als ewiges
Leben gegenwärtig88. Das besagt, an seinen Tod grenzt nichts anderes als das
ewige Leben: als das gleichsam »wiederholende« Neusein des Lebens, das vor
jenem Tod gelebt wurde. Das Leersein des Grabes entspricht daher der
Negativität, die das Ewige für eine Vorstellung auf der Zeitschiene, d.h. von
gradlinig fortdauernder Kontinuität hat89. In diesem Sinne ist die Auferwek-
kung Jesu Christi die ewige Restitution seines geschichtlichen Lebens90. Sie
stellt Wort und Geschichte des irdischen Jesus als das endgültige und univer-
sal für alle Menschen gültige Gotteswort und Gotteshandeln schöpferisch
heraus: diese Geschichte des Gekreuzigten als die Geschichte des Heils.
Dieser allgemeine Sachverhalt läßt sich in zwei Hinsichten konkretisie-
rend näher bestimmen, was hier kurz angedeutet werden soll.
Erstens, die Auferstehung hebt Jesu Verhältnis zu den Sündern ins ewige
Leben. Wie der irdische Jesus die Sünder in das neue Leben einer Gemein-
schaft mit ihm hineingenommen hatte, so hat Gott den selber als Sünder

86 Althaus, aaO.␣ 63.


87 Auch daran wird klar, wie abstrakt die Konzentration auf die isolierte Frage der
Leiblichkeit als solcher ist.
88 Daß es sich um dasselbe Leben Jesu handelt, sagt auch Hirsch (aaO.␣ 40, 85, 86;

cf. auch Jesus Christus der Herr, aaO., 40), läßt aber die Frage nach dem Status der
Verklärung (durch das Bei-Gott-Sein) aus (cf. z.B. 56, 70, 73, 88). Zutreffend formu-
liert Barth den Sinn der Todesüberwindung (Röm␣ 6,9): »sein damaliges Leben, Reden
und Handeln, sein Sein auf dem Weg vom Jordan bis nach Golgatha, sein Sein als der
dort Leidende und Getötete wurde und ist als solches sein ewiges und also auch sein an
jedem Tag unserer Zeit heutiges Sein« (KD IV/1, 345).
89 Zur »Umkehrung« des einsinnigen Zeitverlaufs durch das Ewige cf. vom Vf. den

o. Einleitung, Anm.␣ 13 genannten Aufsatz, aaO.␣ 52 u.␣ 54 und o. S.␣ 35.


90 Von hier aus ist Luthers o. zit. Aussage über die »Fortsetzung« des irdischen

Reichs im Himmel zu verstehen, s.o. Anm.␣ 34.


146 Kap. 5. Auferstehung als Mitte von Gottes Heilshandeln

Hingerichteten durch die Auferweckung in sein eigenes endgültiges Leben


aufgenommen und hat so Jesu Anspruch, im Namen seines göttlichen Vaters
Sünde zu vergeben, als seine Wahrheit bestätigt. Diese Bezüge sind im Ver-
hältnis von Kreuz und Auferstehung91 verdichtet. Denn wie das Kreuz für
Jesu extreme und für ihn tödliche Solidarität mit den Sündern steht – als
letzte Konsequenz dieses Verhaltens in einem vom Gesetz bestimmten Le-
bensraum –, so die Auferstehung für Gottes ewige und seine Lebendigkeit als
Liebe bestimmende Solidarität mit den Versöhnten – als letztgültige Beja-
hung jenes Verhaltens. Der radikalen Gottverlassenheit Jesu (als des Sohnes
Gottes) entspricht so – antithetisch und schöpferisch – die ewige Gottes-
gemeinschaft der Kinder Gottes (in einem vom Evangelium bestimmten
Lebensraum). Man kann dafür auch sagen, daß Jesu Sündenvergebung die
wirkliche Antizipation der Lebensvollmacht des auferstandenen Kyrios war92.
Die hiermit aufgezeigte Entsprechung, die das Leben des Erhöhten und
des Irdischen unlösbar miteinander vereinigt, spiegelt sich auch in Jesu Reich-
Gottes-Verkündigung, die natürlich mit dem besprochenen Sachverhalt eng
zusammengehört. Diese Botschaft Jesu muß nämlich selber als proleptischer
Anbruch der Auferstehungswirklichkeit verstanden werden93. Mit der Auf-
erweckung hat Gott selbst Jesu Verkündigung von der eschatologischen
Nähe seines Reiches durch die Tat endgültig bestätigt94, d.h. die in dieser
Verkündigung verborgene gegenwärtige Wahrheit hat sich durch Gottes
Handeln selbst als Realität gesetzt und so jene verifiziert. Was im Wort ( Jesu)
anfing, wurde in der Wirklichkeit bzw. als Wirklichkeit vollendet, und Jesu
Wort ist das Sichvorauslaufen der eschatologischen Realität des Reiches, von
dem es kündet. Der Botschaft Jesu vom Nahe-herbei-Gekommensein (Mk␣ 1,
15) entspricht erfüllend Jesu eigene Auferstehung. Nicht zufällig erschien
das Reich Gottes bereits in Jesu Verkündigung als an ihn selbst gebunden
(Mt␣ 8,13; Lk␣ 12,8f.), und mit seiner Auferstehung war »das Reich mitten
unter ihnen« (cf. Lk␣ 17,21). Dergestalt ist die Königsherrschaft Jesu Christi
die Gottesherrschaft selbst (Eph␣ 5,5; Kol␣ 1,13 u.ö.).
Das, was Jesus verkündigte, wurde an ihm selbst Wirklichkeit, nämlich die
ewige Lebensgemeinschaft mit Gott95. Man könnte sagen: Jesus verkündigte
das Gottesreich, und es kam – der Auferweckte!96 Darin liegt der Rechts-

91 Dazu gleich Näheres.


92 Künneth, aaO.␣ 111; cf. ähnlich auch Dalferth, aaO.␣ 25 u.ö.
93 Cf. Künneth, aaO.␣ 108.
94 So Dalferth, aaO.␣ 202.
95 Cf. Dalferth, aaO.␣ 26 und ausführlicher 25.
96 Von hier aus läßt sich das Falsche an der Alternative ermessen, die in dem be-

kannten Diktum von A. Loisy vorausgesetzt ist: »Jésus annonçait le royaume, et c’est
l’Église qui est venue« (in: L’Évangile et l’Église, Paris 19295, 153). Dies ist ein Beispiel
dafür, wie der Blick auf das Historische sich verzerrt, wenn die theologische Dimen-
sion ausfällt.
3. Auferstehung und der irdisch-geschichtliche Jesus 147

grund für die ersten Glaubenden, Jesu Wort und Geschichte rückblickend
im Licht von Ostern zu verstehen und auszusagen. Denn durch diesen Aus-
gang seiner Geschichte zeigte sich, daß Jesus in der Tat – gleichgültig, wie er
selber davon wußte und ob überhaupt –, wenn er Gottes Kommen verkün-
digte und bezeugte, immer auch schon von (seiner) Auferstehung gespro-
chen hatte97. Ostern enthält die »wahre Bedeutung« von Jesu Sein98.
Auch auf diejenige Korrespondenz ist noch hinzuweisen, daß die Antizi-
pation der allgemeinen Totenauferstehung in der Auferweckung Jesu nur das
»Schon« in seiner Reich-Gottes-Verkündigung selbst wiederholt, aber auch
ebenso eine (empirisch) erst nur partielle Erfüllung ist99.
Zweitens, was für Jesu Leben auszusagen ist, gilt auch von seinem Sterben.
Hier ist kurz der systematische Zusammenhang von Kreuz und Auferstehung
zu berühren. Bereits aus dem zum ersten Punkt Ausgeführten geht hervor,
daß das Auferstehungsereignis nicht zufällig irgendeinen beliebigen Men-
schen betrifft – gleichsam als pure Demonstration göttlicher Macht über-
haupt –, sondern eben diesen Bestimmten und ihn als den Gekreuzigten, der
es »für uns« ist (cf. Röm␣ 4,25!). Das besagt, Auferstehung ist von vornherein
auf Gott (als den Handelnden) und auf die Menschen (als die, denen zugut
Kreuz und Auferstehung stattfanden: pro nobis) bezogen, und ist derart als
Ereignis schon zweistrahlig. Durchaus nicht wird zu einem für sich sinnfreien
– nur als pures Mirakel anzustaunendem – Faktum etwa nur nachträglich
eine Bedeutung hinzugefügt, sondern diese ist ihm als Faktum bereits inne-
wohnend. Zugleich ist der Glaubenssinn von Auferstehung des Gekreuzig-
ten auf ein tatsächliches Sichereignethaben angewiesen: ontos egerthe!100
Ostern enthält derart die Erfahrung vom Sinn des Kreuzes, wie sie im deõ zur
Sprache gelangt101, daß nämlich das Kreuz nicht das Scheitern, sondern die

97 S.o. zu Jesu eigener Auferstehungsverkündigung, Kap.␣ 1. (bes. S.␣ 24).


98 Dalferth, aaO.␣ 24.
99 Cf. Pannenberg, STh II, 393 u.␣ 409. Pannenberg hat an dem eigentümlichen

Verhältnis von Schon und Noch-nicht in Jesu Verkündigung des Reiches den spezi-
fischen Status von »Erscheinung« demonstriert, cf. »Erscheinung als Ankunft des Zu-
künftigen«, in: Theologie und Reich Gottes (1971), 83ff.
100 Es ist die gleiche unsachgemäße Abstraktion wie bei Bultmanns Rede vom

bloßen »Daß des Gekommenseins« Jesu, wenn Joest schreibt: »Der Glaube bedarf
keiner Vorstellung über das Wie der Auferstehung. Ihn trägt das Zeugnis, daß Gott
Jesus Christus auferweckt hat von den Toten, und die Gewißheit: Er ist gegenwärtig
…« (Dogmatik 1, 273). Freilich ist hier ganz unbestimmt, was »Wie« heißen soll. Aber
der Glaube an (das Daß der) Auferweckung impliziert natürlich als solcher schon
Annahmen über das Wie, z.B. des dabei gemeinten Zusammenhangs von Gottes Han-
deln und Tod – so schwer sie theologisch zu artikulieren sein mögen – oder auch über
den Sinn von (gegenwärtigem) »Leben« bei einem zuvor Toten u.ä. Außerdem ist es
gänzlich unsachgemäß, davon zu abstrahieren, daß die Auferstehung sich eben nicht
zufällig an diesem bestimmten Menschen Jesus in Israel und auf dem Hintergrund
seiner Glaubensgeschichte ereignet hat.
101 Mt␣ 16,21 par., Lk␣ 24,26.
148 Kap. 5. Auferstehung als Mitte von Gottes Heilshandeln

Vollendung von Jesu Weg ist, sofern es Gottes Weg mit Jesus und so Gottes
eigenste Sache war. Daher beseitigt die Auferstehung auch nicht etwa das
Kreuz, sowenig sie den Tod Jesu einfach ungeschehen macht102, und ist auch
nicht eine Korrektur des Kreuzestodes – dies gerade nicht! –, sondern seine
ewige Inkraftsetzung103. Die Auferstehung ist die schöpferische Setzung ei-
ner bleibenden Bedeutung von Jesu Tod am Kreuz, worin eben die Heils-
bedeutung seiner Verwerfung (durch Gottes Zorn, vor dem Gesetz) und
seines Abstiegs zur Hölle zugleich mit festgehalten ist104. Gleichwohl ist das
Kreuz nicht an sich selber schon dasselbe wie die Auferstehung; sondern die
auch zu denkende Differenz beider akzentuiert nicht nur die schöpferische
Neuheit göttlichen Handelns am toten Jesus, sondern ebenso die geschicht-
liche Abfolge von beiden (»am drittenTage«) als zeitliches Indiz einer wirk-
lichen göttlichen Lebensbewegung105.
Man darf abschließend sagen: der l·go“ tö“ katallagö“ (II Kor␣ 5,19) ist
ein solcher nur in kraft des l·go“ toú stauroú (I Kor␣ 1,18), den er als sein
konstitutives Moment innehat. Zusammengefaßt ergibt sich für die Verhält-
nisbestimmung von Kreuz und Auferstehung das Folgende.
Die Auferweckung Jesu Christi ist die schöpferische Einbeziehung des
Todes Jesu – als letzter Konsequenz insbesondere seiner Solidarität mit dem
sündigen Menschen – in das ewige Leben Gottes. Das Sein des Auferstande-
nen als Antizipation des Eschaton ist Manifestation der Lebendigkeit Gottes
selbst durch die Neuschöpfung des Lebens Jesu aus dem Nichtsein seines
Todes, d.h. als Transformation des Kreuzes zum Quell unerschöpflichen Le-
bens. Jesu Sterben am Kreuz wird so mitgenommen bzw. verwunden (schöp-
ferisch aufgehoben) auf dem Weg und durch ihn, den Gott mit der Welt geht
oder auch: auf dem Gott die Welt in sein eigenes Leben einbezieht.
Das Kreuz erhält so selber eschatologische Realität als Lebensmoment des
ewigen Gottes und seines Handelns am Menschen. Das Kreuz Christi wird
weder abgelöst durch ein es durchstreichendes und abstrakt negierendes An-
deres (was die Erhöhung wäre) im Sinn einer theologia gloriae, noch ist das
Erscheinen des Auferstandenen eine bloße Erkenntnishilfe zur subjektiven
»Bedeutsamkeit« des Kreuzestodes Jesu (so daß theologia crucis gegen
theologia gloriae ausgespielt werden könnte). Sondern das Kreuz wird durch
102 Cf. Schlatter, Dogmatik, aaO.␣ 309. Ebeling, der zwar auch behauptet, durch die

Auferstehung sei der Tod Jesu nicht rückgängig gemacht, sondern »überwunden«
(aaO. II, 304), wendet sich dementsprechend gegen die Vorstellung einer »Wiederbe-
lebung des Leichnams Jesu« (296), klärt aber das Problem einer positiven Bestimmung
des Verhältnisses nicht wirklich (cf. 303).
103 Cf. Röm␣ 4,25 u.␣ 5,18 (dika‡wsi“ und dika‡wma).
104 Cf. R.R. Niebuhr, aaO.␣ 32f.
105 Diese zeitliche Abfolge von Kreuz und Auferstehung ist in Barths Auferste-

hungstheologie nicht reflektiert (cf. KD IV/1, 350ff.). Tut man es, so wird sie als
Wirklichkeit einer göttlichen Lebensbewegung zum Hinweis auf die Selbstkonstitu-
tion von Ewigkeit, d.h. auf Gottes Neubestimmung als ewig Lebendiger (cf. o. S.␣ 90).
3. Auferstehung und der irdisch-geschichtliche Jesus 149

die Auferweckung gerade in ewige Geltung gesetzt inkraft der aus seiner
Negativität ewiges Leben (neu) schaffenden göttlichen Allmacht. Aufgrund
der Auferstehung ist die Theologie des Kreuzes allererst eine Theologie des
Kreuzes.
Durch die so verstandene Auferstehung ist das Kreuz von Golgatha in die
Geschichte Gottes mit der Menschheit unauslöschlich eingeschrieben und
das Kreuz »objektiv« über der Welt aufgerichtet. D.h. das †f›pax ist nicht als
abstraktes »Gelten« (gleichsam »nur« in Gottes Augen) zu verstehen, sondern
als endgültige Neuqualifizierung des lebendigen Geschichtshandelns des
ewigen Gottes und seiner schöpferischen Weltzuwendung. In einer Weise,
die die (protologisch gedachte) Schöpfung durch ein unvergleichliches Maß
an Intensität und Endgültigkeit überbietet und vollendet, ist im Versöhnungs-
handeln in Tod und Auferstehung Christi Gottes Selbsteinsatz in seiner Welt
zur eschatologischen Vollendung gelangt. Es handelt sich insofern auch um
eine (neue) Selbstbestimmung Gottes als ewig Lebendiger vom Tod Christi
am Kreuz her.

d. Die bisher erörterte lebendige Einheit des Auferstandenen mit dem Irdi-
schen dokumentiert sich nun auch literarisch. Der »Aufhebung« des irdischen
Lebens Jesu in das erhöhte Leben des Auferstandenen entspricht die Aufhe-
bung der Tatsächlichkeit des Wirkens des historischen Jesus in die von Ostern
her entworfenen Evangelien. Denn es ist eine geschichtliche Tatsache, die
auch theologisch bedeutsam ist, daß die Auferstehung (bzw. die Erfahrung von
ihr) eine eigene, neue literarische Gattung generiert hat: die Evangelien106.
»Evangelium« bezeichnet die christliche Basisformel ›Gott erweckte Jesus
von den Toten‹(cf. Röm␣ 1,1 mit V.␣ 3f. u.␣ 16 und 10, 9)107. Daraus folgt:
Die Evangelien reden am Ende (sc. in den Auferstehungsberichten) von
ihrem eigenen Anfang bzw. Ursprung; denn aufgrund der Auferstehung und
von ihr her verkündigen sie. Ohne die Erfahrung der Auferstehung Jesu
wären sie nicht, weil vermutlich nicht von ihm erzählt bzw. dies nicht schrift-
lich niedergelegt worden wäre. Das aber besagt: sie sind als Texte Fortsetzung
dessen, was sie in diesen Texten am Schluß selber erzählen108.
Dieser strukturelle Zusammenhang wirkt sich inhaltlich in den Evangeli-
en mannigfaltig aus109. Ich weise hier nur auf die bekannte Vordatierung von

106 S.o. Kap.␣ 3.1, bes. S.␣ 75.


107 W. Schenk, Evangelium – Evangelien – Evangeliologie (1983), 22.
108 Ich möchte Kählers bekannte Rede von den Evangelien als Dokumenten der

kirchengründenden Predigt in dieser Weise aufgreifen. In dem Gesagten liegt auch das
Wahrheitsmoment an der im Rahmen der Bultmannschen Theologie formulierten
These, Jesus sei ins Kerygma auferstanden – eine These, die an Luther bereits einen
gewissen Anhalt hat; s. auch o. Kap.␣ 2. Anm.␣ 60 u. Kap.␣ 3. Anm.␣ 119.
109 Cf. dazu beispielsweise den Exkurs 4 bei Rengstorf (aaO.␣ 146–155) über

»Österliche Züge im Jesusbilde der Synoptiker«, der kritisch differenziert.


150 Kap. 5. Auferstehung als Mitte von Gottes Heilshandeln

(indirekten) Auferstehungsgeschichten (wie z.B. Lk␣ 5,1–11 u.a.) hin, die die
Einheit des Erhöhten mit dem Irdischen reflektieren. Diese indirekten Oster-
erzählungen verkünden gleichsam auf ihre besondere Weise, daß der Aufer-
standene auch je schon im irdischen Leben (für die Menschen der Geschich-
ten selbst bzw. auch für uns, die Hörer dieser Geschichten) gegenwärtig ist
und wirkt. Man hat also in dem Umstand, daß die Evangelien das Bild Jesu
immer wieder (auch) von Ostern her zeichnen, nicht nur ein literarisches
Verfahren (vielleicht gar problematischer Art) von Texten zu sehen, die
Glaubenszeugnisse sind110, sondern den Ausdruck des theologisch wahren
Sachverhaltes, daß Jesu irdisches Leben durch Ostern wirklich verewigt ist,
d.h. ewig lebendig. Nach der Auferstehung (und von ihr her) gilt: sein irdi-
sches Leben war ewiges Leben. Auferstehung ist »Wiederholung« durch Gott
oder von Gott her (»vor ihm«)111. Von daher liegt in unvergänglicher Gegen-
wärtigkeit Jesu geschichtliches Leben im Osterlicht, ist es auferstandenes
Leben112.

e. Statt von einer Aufhebung des Lebens (und Sterbens) Jesu in das Gottes
kann man auch davon sprechen, daß in der Auferweckung durch Gott Jesu
irdisches Leben, sein Wort und seine Geschichte, zu ihrer Wahrheit gebracht
werden113. Gottes schöpferisches Setzen dieser Wahrheit, das ist der lebendi-
ge Zusammenhang von Kontinuität und Diskontinuität, wie er zwischen
Jesu geschichtlich-irdischem Leben, das am Kreuz endete, und seinem Auf-
erstehungsleben waltet. Gottes Handeln bestimmt sich im Blick auf die Ve-
rifikation und ewige Legitimation Jesu als des Gottessohnes als das wirkliche
Durchsetzen von Wahrheit (als seiner eigenen)114. Eben dies Verständnis der
Auferstehung als der Wahrheit von Jesu Leben qualifiziert auch rückwärts
die Darstellung dieses seines Lebens von Anfang an, wie oben schon zur
Sprache kam115.
Insofern der irdische Jesus nach seiner Wahrheit als Antizipation des er-
höhten Christus aufgefaßt werden muß116, läßt sich auch dies Sichereignen
der Wahrheit Gottes an ihm (durch die Negativität seines Todes hindurch) als

110 Cf. Althaus aaO.␣ 53.


111 Das ist der tiefste Gehalt des »Erkennens« der Jünger von Emmaus und des
Thomas.
112 Cf. Althaus, aaO.␣ 62 (mit Anm.␣ 1): »Das neutestamentliche Zeugnis von Jesus

Christus handelt von Jesu geschichtlichem Leben und von seiner Auferstehung in
einem Atem … das Bild Jesu … liegt im Osterlicht«. Bei Barth heißt es in diesem
Sinne, »daß auch jene »vorösterliche Ereignisreihe selbst und als solche dieses Lichtes
[sc. des Ereignisses von Ostern] durchaus nicht entbehrt« (KD IV/2, 151).
113 Das hebt immer wieder Dalferth hervor, cf. aaO.␣ 81 mit 25 u.ö.
114 Über die Folgen dieses Begriffs von Bewahrheitung für die Frage der Identität

Jesu Christi cf. Dalferth, aaO.␣ 81 Anm.␣ 87.


115 Cf. Dalferth, aaO.␣ 95 Anm.␣ 22 u. o. S.␣ 127f.
116 So Barth, KD IV/2, 151.
3. Auferstehung und der irdisch-geschichtliche Jesus 151

die eine zeitlich-ewige Geschichte eines Werdens zu sich begreifen (cf. o.


S.␣ 84). Freilich kann man auch schon die irdische Lebensgeschichte Jesu als
Werden zu sich verstehen (cf. Lk␣ 2,52)117. Das Auferstehungsleben Christi ist
eben die ewige »Wiederholung« – im qualitativen Sinn Kierkegaards – seines
menschlichen Lebens auf Erden. Wiederholung bedeutet das endgültige Sich-
durchsetzen der Ewigkeit an der Zeit (und in ihr). Inhaltlich ist das nichts
anderes als eine Art Umkehrung: Was schon vergangen ist, wird nun Gegen-
wart des Zukünftigen, d.h., wie wir schon öfter bemerkten, die Vergangen-
heit kommt (neu) aus der Zukunft wieder. So bricht die Zukunft gegenwär-
tig ein als göttliche Bewahrheitung des Vergangenen: das ist der eschatolo-
gische Status der Erscheinungen des Gekreuzigten als des Lebenden.
Aus allem hier Dargelegten ergibt sich zwingend, daß die Auferstehung
(bzw. der Auferstandene) allein im Rückbezug auf den irdischen Jesus selbst
der Grund des christlichen Glaubens ist118.
Schließlich ist das Gesagte noch einmal anders zu wenden119. Durch die
Auferstehung ist der Sachverhalt, daß Jesu Verhältnis zu Gott als seinem
himmlischen Vater in Wahrheit nichts anderes ist als Gottes Verhältnis zu ihm
als seinem ewigen Sohn (und darin auch zu uns als den zur Gotteskindschaft
im Reich Bestimmten), aus seinem Ansichsein in ein Für-ihn-sein (d.h. für
Christus selber) und so auch in ein Für-uns-sein transformiert. Denn Jesus ist
»auch für ihn selbst, in seiner eigenen Relation zum Vater, in die Identität mit
der Gottheit Gottes aufgenommen«120. Dergestalt ist die Auferstehung die
realisierte Wahrheit von Jesu Gottesverhältnis (bzw. seinem aus Gott Sein):
für den Auferweckten und Erhöhten ist die Wahrheit seines Seins als Irdi-
scher (nun) seine offenbare Wirklichkeit, die seine Erscheinungen manife-
stiert haben.

117 Dem kommt Marheineke sehr nahe, cf. Die Grundlehren, aaO.␣ 63.
118 Cf. Pannenberg, STh II, 385.
119 Cf. zum Folgenden in der Sache auch Joest, Dogmatik 2, 463.
120 AaO.␣ 1, 236.
152

Kapitel 6

Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes

Niemand nimmt mein Leben von mir, son-


dern ich selber lasse es. Ich habe Macht, es
zu lassen, und habe Macht, es wieder zu
nehmen.
Joh␣ 10,18

1. Auferstehung und Erhöhung (Himmelfahrt)

Die unzähligen Auferstehungsbilder der abendländischen Kunstgeschichte


haben im Grunde nur eine Botschaft, die unüberhörbar bzw. unübersehbar
ist. Sie lautet: Sieg – wunderbarer Sieg über den Tod, d.h. Sieg über tiefste
Schmach, sinnloses Ende, Vernichtung, Gottverlassenheit, und Sieg durch
wunderbares Neuwerden und Lebendigsein, Wiederherstellung und Her-
aufführen einer neuen Wirklichkeit, göttliche Bestätigung und ewige Sinn-
haftigkeit. Sie malen diesen Sieg als das Wunder schlechthin, als das un-
ausdenklich Neue, das Gott gemacht hat, als das unbedingt Anbetungswür-
dige, das Gott sein ließ.
Denkt man über die theologische Substanz dieser frommen Veranschauli-
chungen – etwa von Grünewald bis Rembrandt – nach, so scheint es ein
Gedanke zu sein, den dieser Sieg vor Augen führt, der Gedanke: Gott selbst
war in der äußersten Negativität, die dem Sieg vorausging, Gott hat selber
eingegriffen und hat das undurchdringliche Dunkel von Golgatha eben
durch sein eigenes Dabeisein wunderbar erhellt (Ps␣ 139,12). Dieser Gedanke
drückt die theologische Kernsubstanz und das eigentliche Wesen der Auf-
erstehungsrealität und des Auferstehungsglaubens aus. Darum hängt der
christliche Glaube ausschließlich am Gekreuzigten, weil er hier und hier
allein das weltüberwindende Geheimnis des göttlichen Lebens und so hier
Gott selber als das Geheimnis der Wirklichkeit findet.
Sieg liegt in diesem Tod am Kreuz, sofern Gott selbst sich seiner angenom-
men und ihn zu seiner Sache gemacht hat. Gottes Handeln am toten Jesus,
das ist seine schöpferische Zuwendung zu diesem Abgrund, ist seine leben-
dige Identifikation mit dem Nichts, das hier aufbrach, das Festhalten des
auferweckten Gekreuzigten in seinem ewigen Blick.

a. Bei der theologischen Beurteilung der relativ späten Erzählung von Christi
Himmelfahrt (Act 1) ist von der historischen Tatsache auszugehen, daß die
1. Auferstehung und Erhöhung (Himmelfahrt) 153

ältesten Zeugnisse des Neuen Testamentes die Auferstehung und die Entrük-
kung Jesu in den Himmel als ein einziges Geschehen aufgefaßt haben (cf.
Phil␣ 2,9; Act␣ 2,36; 5,30f.). Ist das Zusammenfallen von Auferstehung und
Erhöhung offensichtlich die ursprüngliche Auffassung1, so daß Ostern und
Christi Himmelfahrt nicht zeitlich auseinandergelegt werden, so muß man
die zwar bedeutsame, aber einzelne Himmelfahrtserzählung als eine später
ausgegliederte und zu einer quasi-anschaulichen Geschichte mit stark legen-
dären Zügen ausgestaltete Sekundärbildung in kerygmatischer Absicht anse-
hen. Aber selbst, wenn das literarische und historische Urteil anders ausfallen
würde, müßte das theologische Verständnis von Himmelfahrt und Erhöhung
an dieser Stelle sachkritisch orientiert sein2.
Denn bereits der o. exponierte Begriff der Ostererscheinungen, von de-
nen jedenfalls auszugehen ist, nötigt dazu, Erhöhung und Erscheinung (als
Antizipation der Parousie) als sachlich ineinsfallend zu denken3. Nur so kann
auch ein vernünftiger Begriff von der dem Auferweckten eigenen Leben-
digkeit konzipiert werden, demgemäß sein Sein bei Gott (als dem Lebendi-
gen) zugleich sein Sein bei uns ist4. Diesen theologischen Sinn der »Himmel-
fahrt« hat Luther präzis festgestellt: »Er ist in die Höhe gefahren und das
Gefängnis gefangen genommen [Ps␣ 68,19], das ist, er sitzt nicht allein da
oben, sondern ist auch hier nieden. Und eben darum dahingefahren, daß er
hier nieden wäre, daß er alle Ding erfülle und an allen Orten kund sei,
welches er nicht konnte tun auf Erden, denn da konnten ihn nicht alle
leiblichen Augen sehen. Darum ist er dorthin gesessen, da ihn jedermann
sehen kann und er mit jedermann zu schaffen habe, daß er alle Kreatur
erfülle, da er ist überall gegenwärtig und sind alle Ding seiner voll und ist
nichts so groß in Himmel und Erde, darüber er nicht Gewalt habe, daß es tun
muß was er will … Daß er nicht allein alle Kreatur regiere und erfülle (denn
damit ist noch nicht meinem Glauben geholfen noch die Sünde hinweg-
genommen), sondern hat auch das Gefängnis wieder gefangen geführt«5.
Damit ist als theologischer Gehalt von Himmelfahrt die schlechthinnige
Entgrenzung des zu Ostern an Jesus Geschehenen, eben die Universalität der
Auferstehungswirklichkeit, welche die Erscheinungen partikular bekunden,

1 Cf Pannenberg, STh II, 397. Zur engen Verbindung von Auferstehungs- und

Erhöhungsaussagen (mit weiterer Lit.) cf. aaO.␣ 391 Anm.␣ 71.


2 Immerhin kann man fragen, ob nicht in Act␣ 1,11a eine im Text selber angebrachte

Korrektur an etwaiger weltanschaulicher (weltbildhafter) Verselbständigung des be-


richteten Vorgangs zu sehen ist! Denn V.␣ 11b verrät jedenfalls ein Bewußtsein des
Zusammenhangs von Weggehen und Kommen Christi (cf. auch Joh␣ 3,13), der als von
systematisch grundsätzlicher Bedeutung festzuhalten ist. Nur aus ihm wird der theo-
logische Status von »Erscheinung« begreiflich, wie früher gezeigt wurde.
3 S.o. S.␣ 60, 62 u.␣ 65.
4 S.o. S.␣ 65f.; cf. WA 10/I, 2, 303!
5 Cf. 12, 564, 16–26 (1523); ähnlich Walch 2XIIIa, 613 (cf. Eph 4,8–10).
154 Kap. 6. Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes

herausgearbeitet. So wie das geschichtlich Einmalige von Jesu Leben und


Sterben zum Einfürallemal und das Zeitliche zum Ewigen verklärt wird,
eben so ist das geschichtliche Handeln Gottes in der Auferweckung hiermit
als in die Allgegenwart seines Lebens aufgehoben gewußt. Damit ist eine
unbeschränkte Nähe Jesu zur irdischen Menschheit als ganzer eröffnet. Wo
Gott für uns gegenwärtig wird, mit seinem Leben, da ist Jesus Christus mit
gegenwärtig. Anzeichen dafür ist, daß »Jesus Christus« zu einem Eigennamen
wird: das irdische Leben und Sterben Jesu verschmilzt gänzlich mit dem Sein
des Auferstandenen zur Rechten Gottes6. Die »Himmelfahrt« bringt zum
Ausdruck, daß der in Person Auferweckte als zu Gott Erhöhter nun endgül-
tig »der Weg« ist ( Joh␣ 14,6), den er für uns vorausgegangen ( Joh␣ 14,3) und
der er selber für uns geworden ist (cf. I Kor␣ 15,20 u.␣ 32).
Was Himmelfahrt in der Sache bedeutet7, ist in Bekenntnis und Dogmatik
als sessio ad dexteram Dei festgeschrieben8. Damit wird nur auf einen end-
gültigen Ausdruck gebracht, was immer schon integrales Moment der
Selbstbekundung des Auferstandenen war, wie sie die Erscheinungs-
geschichten beschreiben9.

b. Ist die Erhöhung Christi nicht als neue Stufe nach der Auferstehung,
sondern gleichsam als deren »andere Seite« aufzufassen10, so lassen sich im
6 Die »Zeugung« des Gottessohnes in der Auferweckung Jesu (Act␣ 13,33; Ge-
naueres s.o. S.␣ 129) und seine Auferweckung durch Gottes schöpferisches Wort (s.o.
S.␣ 50f.) kommen, sich vollendend, zusammen in der Nennung seines Namens: »Ich
habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!« ( Jes␣ 43,1). Hierbei ist zu beden-
ken: »In Gott ist der Name schöpferisch, weil er Wort ist, und Gottes Wort ist erken-
nend, weil es Name ist … Das absolute Verhältnis des Namens zur Erkenntnis besteht
allein in Gott, nur dort ist der Name, weil er im innersten mit dem schaffenden Wort
identisch ist, das reine Medium der Erkenntnis« (W. Benjamin, Über Sprache über-
haupt und über die Sprache des Menschen, in: Gesammelte Schriften II/1, 148). Im
Namen Jesu Christi, des auferweckten Gekreuzigten, ist das Verhältnis zur Erkenntnis
auch in dem Sinne absolut, daß Gottes schöpferischer Blick auf den toten Jesus und
seine schöpferische Benennung mit dem Christus-Namen als die Erkenntnis, in der
der Gekreuzigte lebt, zugleich Gottes vollendete Erkenntnis seiner selbst ist (cf. o. S.␣ 52
u.u.␣ 168). Und für wen gilt mehr als für den aus der Lebensmacht Gottes Auferstan-
denen: »Der Eigenname ist die Gemeinschaft des Menschen mit dem schöpferischen
Wort Gottes« (Benjamin, aaO.␣ 150)!
7 Der Sache nach geht es um das mit der Himmelfahrts-Vorstellung Intendierte

u.a. Mt␣ 28,20b u. Joh␣ 20,17; cf. Joh␣ 1,14.51; 3,12; 5,19.26; 6,38. 50f.62; 8,21.23; 14,
2–6; 16, 5.30.33; 17, 5ff.
8 Cf. Röm␣ 1,3f.; 8,34; Kol␣ 3,1; I Petr␣ 3,22; Eph␣ 1,20 u.ö. und Lüdemann aaO.␣ 137.
9 Daher ist es zu kurz gegriffen, wenn z.B. Stange in der Himmelfahrtsgeschichte

nur den plastischen Ausdruck für die Vorstellung sehen will, daß die Erscheinungen an
einem bestimmten Zeitpunkt ihr Ende gefunden haben (ZSTh I (1923), 717). Dies
war sachlich immer schon Moment in allen Erscheinungen, insofern sie proleptischen
und d.h. partikularen Charakter hatten, s.o. Kap.␣ 3.4.
10 Cf. dazu Goppelt, Theologie des Neuen Testaments␣ I, 286 (hier auch zur Ge-

schichte des Terminus »erhöhen«).


1. Auferstehung und Erhöhung (Himmelfahrt) 155

Zusammenhang damit einige Wesenszüge des mit Christi Erhöhung zur


Rechten Gottes Ausgesagten verdeutlichen.
Zunächst unterstreicht die Erhöhungsaussage unüberbietbar das Besonde-
re am Sein des Auferweckten, daß er nämlich dem Tode nicht mehr unter-
worfen ist, sondern der höheren und andersartigen Dauer ewigen Lebens
teilhaftig ist. So ist die in Einheit mit der Erhöhung gedachte Auferstehung11
spezifisch unterschieden von sonstigen Totenerweckungen, wie sie aus dem
NT und der Religionsgeschichte bekannt sind; erst diese Zusammenschau
mit der Erhöhung bestimmt Christi Auferstehung im Unterschied von tradi-
tionellen Vorstellungen über so etwas wie vom Tode Wiedererwecktwerden.
Freilich ist die Verbindung beider Themen auch in der anderen Richtung
signifikant. Beides darf nicht in ein Gefälle gebracht werden, so daß einer-
seits Auferstehung nur als die historisch-empirische Bezeugung von Christi
Erhöhung zu ewigem Leben und Wirken bei Gott verstanden würde; dann
wäre Gottes lebendige Gegenwart in der Welt, die sich gerade durch ihn
realisiert, ebenso vergessen wie der Heilssinn des pro nobis von Auferste-
hung. Andererseits sollte die Erhöhung nicht, wie in der traditionellen dog-
matischen Stände-Lehre nahelag, als eigener »Stand« (d.h. im Unterschied
zur Auferstehung) isoliert werden12; dabei bliebe ebenso der Umstand unbe-
rücksichtigt, daß schon die »Höllenfahrt« Christi (descensus ad inferos) Aus-
druck der Herrschaftsübertragung auf ihn ist13, wie auch die Mahlgemein-
schaft des Erhöhten mit den Glaubenden im Sakrament an grundsätzlichem
Gewicht verlöre.
Auferstehung und Erhöhung tun sich beide in den Ostererscheinungen
kund und sagen zusammen das theologisch Entscheidende aus: »Das Mensch-
sein Jesu wird vollendet und verklärt hinein in das ewige Leben Gottes«14.
Diese Verklärung und Vollendung läßt sich aussagen als Erhöhung des
auferweckten Gekreuzigten in den Himmel, d.h. in die himmlische Gemein-
schaft mit Gott (Gal␣ 1,1), aus der heraus er den Seinen erscheint15. Durch die
Erhöhung zu Gott16 vertritt der Auferweckte uns zur Rechten Gottes
(Röm␣ 8,34)17. Dabei ist – nicht nur durch ein adäquates Verständnis von
»Rechter Gottes«18, sondern spezifisch auch aufgrund der Einheit von Erhö-
hung und Auferstehungserscheinungen – die Auffassung von Himmel bzw.

11 Cf. dazu Wilckens, aaO.␣ 92.


12 Dagegen Koch, aaO.␣ 70.
13 Cf. FC IX und Künneth, aaO.␣ 118.
14 Althaus, Die christliche Wahrheit, aaO.␣ 491.
15 Cf. Goppelt, aaO.␣ 286, der von den Erscheinungen als ursprünglich »Offenba-

rungen des Erhöhten von Gott, bildlich geredet, vom Himmel her«, spricht.
16 Cf. Phil␣ 2,8f. (bzw. 5ff.); Act␣ 2,33 u.␣ 36; 5,30f.; 13, 33.
17 Cf. Graß, aaO.␣ 229f. u.␣ 319 Anm.␣ 1 (Diskussion der Frage).
18 Cf. Luthers klassische Festsetzungen in: Daß diese Wort … noch feststehen

(1527), WA 23, 131ff.


156 Kap. 6. Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes

Rechter Gottes als bloßes »Jenseits« im trivial-weltanschaulichen Sinne gera-


de definitiv ausgeschlossen19. Weil in kraft der Erhöhung Christi durch Gott
der Auferweckte und Gott selber ewig zusammen gehören (cf. Röm 1,3 f.)20,
ist die Macht des Auferstandenen21 nun eins mit der Allmacht von Gottes
Liebe, der Wirklichkeit des Heils, deren schöpferische Macht stärker ist als
Sünde und Tod (Röm␣ 8,38f.).
Als der Erhöhte, der zum Vater gegangen ist, ist der zu Gottes Leben
Auferweckte »alle Tage bis ans Ende der Welt« bei den Seinen, als Brüdern
aus diesem Vater (Mt␣ 28,20 u. Joh␣ 20,17!). In diesem Sinne wirkt er als
Erhöhter alle Zeit. Damit ist gesagt, die Gegenwart des Auferstandenen ist
nicht als eine auf der Zeitlinie verlängerte Wirksamkeit, die von der Vergan-
genheit her zu uns kommt, vorzustellen; sondern Auferstehung ist Erhöhung
gerade auch aus der durch Gesetz, Sünde und Tod bestimmten Zeitlichkeit
heraus, so daß Christus kraft seines ewigen Lebens unmittelbar ist zu jeder
Zeit22. Seine Zeit als Lebender und Erhöhter ist Zeit im Modus ihrer ewigen
Erfüllung, »Vollzeitlichkeit«23.
Mit der Erhöhung ist der Auferweckte – das liegt in dem Gesagten bereits
– aufgenommen in die Herrlichkeit (doxa) Gottes, in deren Kraft er aufer-
weckt wurde und deren Abglanz über seinen österlichen Erscheinungen liegt
(cf. I Tim␣ 3,16). Indem Gott selber an den toten Jesus sein eigenes Leben
weitergibt (cf. Joh␣ 5,26 und den nächsten Abschnitt 6.2.) und so sein Leben
mit dem Gekreuzigten (und dessen irdischem Leben) identifiziert, ist die
Erhöhung des Auferweckten so etwas wie die Konstitution der trinitarischen
göttlichen Lebensgemeinschaft (dazu s.u. c.): »Der Mensch Jesus tritt in
Gottes Gottheit ein«24. Insofern das eine, zeitlich vermittelte, Neubestim-
mung des ewigen Gottes als des Lebendigen einschließt, kann man von der
Erhöhung in letztem Betracht auch sagen, daß mit ihr »auch für das inner-
göttliche Leben ein Neues« statthat25.
Zusammenfassend und zum nächsten Abschnitt überleitend läßt sich sa-
gen: insofern die Auferstehung Jesu mit seiner Erhöhung zum Kyrios zusam-

19 Als gänzlich abwegig muß daher Lüdemanns (apologetischer) Hinweis auf (frei-

lich auch für ihn uneindeutige) Erfahrungen aus dem Bereich des Okkultismus gelten
(cf. aaO.␣ 201); eine Kontamination des Auferstehungsglaubens mit dem Spiritismus,
die man sonst nur von der Anthroposophie her kannte (cf. Rittelmeyer, Theologie
und Anthroposophie (1930), 81 mit 28, 40, 50, 57, 117f.). Abgesehen davon, daß das
NT selber schon die Verwechslung mit einem Totengeist abwehrt (Lk␣ 24,36; Mt␣ 14,26),
ist kaum verständlich, wie man eine Offenbarung Gottes spiritistisch mißdeuten kann
(cf. o. S.␣ 34).
20 Cf. Wilckens aaO.␣ 33.
21 Cf. aaO.␣ 41f.
22 Cf. das o. S.␣ 77 über »Gleichzeitigkeit« Gesagte.
23 Cf. zu diesem Begriff Schmidt, Zeit und Ewigkeit, aaO.␣ 297.
24 Althaus, Die christliche Wahrheit, aaO.␣ 491.
25 Ebd.
1. Auferstehung und Erhöhung (Himmelfahrt) 157

menfällt26, ist von Gott her das ewige Heil der Menschheit gestiftet27. Als der
durch Verleihung des Gottesnamens zum Kyrios Erhöhte (Phil␣ 2,9–11) steht
der ewige Christus lebendig der ganzen Welt- und Geschichtswirklichkeit
gegenüber28 – als ihr Richter, der eins ist mit ihrem Schöpfer (Mt␣ 28,18; I
Kor␣ 4,5). Die Auferstehung ist so der Herrschaftsantritt Jesu als des Kyrios:
im Himmel herrscht ein Mensch29.

c. Jesus Christus ist der Kyrios als der von Gott zu seiner Herrlichkeit Auf-
erweckte (Röm␣ 10,9)30. Insofern er dies ist, bleibt er aber der, der er war: der
Menschensohn und leidende Gottesknecht, denn eben als der Gekreuzigte
ist er durch die Auferstehung Kyrios geworden (Act␣ 2,36). Indem Christus
die Menschheit in sein Leben beim Vater mitgenommen hat und so wahrhaft
ihr Kyrios ist, ist seine Erhöhung zum gottgleichen Sein in Ewigkeit auch die
Antizipation der Erfüllung und Vollendung aller Schöpfung31 und er, wie
mehrfach herausgestellt, Anfänger und Vorbild der im Leben Gottes vollen-
deten Menschheit32.
Kyrios ist der zu Gottes ewiger Doxa Auferweckte, indem er zugleich an
Gottes Allwirksamkeit teilgewinnt, d.h. indem er »zur Rechten Gottes«
erhöht wurde – als dem lebendigen Ort seines Kyrios-Seins (Röm␣ 8,34;
Eph␣ 1,20 u.␣ 22). Insofern drückt sich wie schon in der Auferweckung, so
auch in der Erhöhung zum Kyrios – als deren auch Gott selber in seinem
Handeln an Jesus betreffende Seite – Gottes schöpferische Identifikation mit
Leben und Sterben Jesu von Nazareth aus. Daher ist mit der Erhöhung zum
Kyrios die Verleihung der Gottheit ewig verbunden (cf. Eph␣ 1,10f. 21f;
Kol␣ 2,10; Phil␣ 3,21)33.
Dieser Sachverhalt, daß Gottes eschatologisches Handeln am Menschen
Jesus auch Gott selber betrifft und etwas für ihn selbst als den Lebendigen
bedeutet, ist im Thomas-Bekenntnis realisiert ( Joh␣ 20,28), das darum virtu-
ell eine Trinitätslehre impliziert34. Ist die Auferweckung Jesu Christi nicht
anders als seine Erhöhung in den eigenen Lebenszusammenhang Gottes zu
26 Cf. Röm␣ 4,24 u.␣ 14, 9 mit I Kor␣ 15,25; Hebr␣ 1,13; Act␣ 2,34f. u.␣ 10, 42.
27 In ihm ist die Soteria: Act␣ 16,31; 15, 11 (cf.␣ 4,12); Röm␣ 10,9; Phil␣ 3,8f.; 2,11;
I␣ Kor␣ 12,3.
28 Cf. Künneth, aaO.␣ 113.
29 Cf. o. Kap.␣ 3.1., Anm.␣ 28. Althaus formuliert: »Jesus hat Teil bekommen an

Gottes weltgegenwärtiger Gewalt« (Die christliche Wahrheit, aaO.␣ 492, cf. Mt␣ 28,18).
30 Mit Bezug auf diese Pls-Stelle bringt Moltmann das Sein des Erhöhten und

Gottes Handeln zusammen: »Das Bekenntnis zur Person Jesu als des Herrn und das
Bekenntnis zum Werk Gottes, der ihn von den Toten auferweckt hat, gehören un-
trennbar zusammen« (Theologie der Hoffnung, aaO.␣ 150).
31 Künneth, aaO.␣ 157.
32 AaO.␣ 158.
33 Dies legitimiert die Anrufung Christi mit dem Gottesnamen k‚rio“, cf. aaO.

120 Anm.␣ 42.


34 Cf. Joh␣ 1,1; dazu Dalferth, aaO.␣ 117f.
158 Kap. 6. Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes

deuten35, dann stellt die dogmatische Trinititätslehre das konsequente Zu-


endedenken dieser Bezüge dar. Es geht in ihr um das Begreifen dessen, was
Gottes Identifikation mit dem toten Jesus über Gott selber besagt, also dar-
um, ihn aus seinem schöpferischen Handeln als den schlechthin lebendigen
Gott zu verstehen.
Denn erst mit dem auferweckten Gekreuzigten zusammen ist Gott in
Ewigkeit der dreieinig-lebendige, wahre Gott: »Die ewige Dreifaltigkeit
schließt jetzt die Gottmenschheit des Sohnes in sich ein«36. Dieses »jetzt« ist
das Heute ewigen Lebens – siehe dazu schon oben Kap.␣ 5.2. S.␣ 129 –, in dem
die sich mit der Auferweckung Jesu Christi ewig konstituierende Trinität ihrer
eigenen Vollendung inne ist. Diese lebendige Selbstvollendung der Trinität,
die sich in der dialektischen Einheit von Menschwerdung Gottes und Erhö-
hung Christi zu Gottes Rechter in der Auferstehung (s. dazu o. Kap.␣ 3.1.)
ereignet, ist, weil Christi Gehen zum Vater sein Kommen zu uns ist, zugleich
Gottes endgültiges Bei-uns-Sein. Eben das manifestieren die Erscheinungen
des Auferstandenen: die innertrinitarische Gemeinschaft Gottes ist zugleich
seine eschatologische Gemeinschaft mit den Menschen. Noch einmal: »Bei
Gott hat seine Stelle das menschliche Geschlecht«!
Was das als innergöttlicher Lebensvorgang – als Handeln Gottes am Sohn
– bedeutet, ist im nächsten Abschnitt näher zu bedenken (6.2.). Hier ist im
Zusammenhang des Thomas-Bekenntnisses ( Joh␣ 20,28, cf. auch V.␣ 17b!)
noch eine andere trinitarische Spur kurz aufzuzeigen. Insofern nämlich die
Auferstehung Jesu eschatologisch nur im Zusammenhang der der Glauben-
den gedacht werden kann (s.o. Kap.␣ 2.2.), ist damit ein neues Verhältnis von
individueller Unterschiedenheit und gemeinschaftlicher Einheit auch der
Auferstandenen im ewigen Leben anzusetzen. Verwandlung und Verklärung
beseitigen auch die substantielle Absonderung der Individuen voneinander,
die für das irdische Leben kennzeichnend ist; so tiefgreifend muß die Verän-
derung im Eschaton, wenn Gott alles in allen sein wird, gedacht werden.
Eben diese eschatologischen Verhältnisse durchsichtigen Füreinanderseins
im lebendigen Einssein denkt die Trinitätslehre als in Gottes eigener Leben-
digkeit ermöglicht und begründet37.
Als Inbegriff solcher Beziehung des Unterschiedenseins in innigster Ge-
meinschaft wird neutestamentlich der Begriff des Geistes in Anspruch ge-
nommen. Darum ist der zu Gottes Leben erhöhte Kyrios selber nur als der
Geist aufzufassen (II Kor␣ 3,17), aus dessen Lebensmacht er jenseits des Todes
ist38. Sein Geistsein als lebendiger Herr ist die Wirklichkeit seiner Auferste-
35 Zur Aufnahme Jesu in die Trinität cf. WA 41, 86, 29 – 87, 19; 90, 37–40 u.␣ 91,

7–12(!).
36 Althaus, Die christliche Wahrheit, aaO.␣ 491.
37 Cf. hierzu Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 2, 186 u.␣ 185.
38 Es scheint eindeutig zu sein, daß Christi Auferweckung ausschließlich auf Gottes

Schöpfermacht, nicht aber auf Christi eigene Aktivität zurückgeführt werden kann
1. Auferstehung und Erhöhung (Himmelfahrt) 159

hung, und zu deren voller Bestimmung gehört daher die – jeden endlichen
Dualismus von Geist und Materie überwindende – Rede vom sùma
pneumatik·n (s.o. Kap.␣ 4.2.)39.
Die lebendige Dialektik im Sein des Auferweckten, bei Gott zugleich
beim Menschen zu sein, ist Ausdruck dessen, daß er an der Dynamik göttli-
chen Geistseins teilhat40. Darum ist die Erhöhung zum himmlischen Kyrios
nichts anderes als seine Bestimmung zur Diakonie an der Welt (cf. Joh␣ 13,1–
17 u.␣ 15, 12–17)41.
Dies Leben des auferweckten Kyrios aus der Lebensmacht Gottes ist nur,
was es ist, als von sich her übergreifend auf das Leben der im Glauben zu ihm
Gehörigen. Daher ist es in kraft seines Geist-Seins, daß die Glaubenden – im

(cf. Rengstorf, aaO.␣ 30 Anm.␣ 42 (gegen Oepke) und 57 mit Hinweis auf Act␣ 10,40
(cf.␣ 2,24), wo das Erwecken und den Auferstandenen zu sehen Geben ganz Gott
zugeschrieben wird; anders vielleicht Joh␣ 21,1: †fanfirwsen ©aut·n). So hat auch K.
Barth die Auferstehung als rein passives Widerfahrnis an Jesus verstanden, während R.
Prenter Christus sogar nach seiner menschlichen Natur an der Auferstehung beteiligt
sehen will. Nun scheinen alle Stellen des NT, die auf die Macht des Gottessohnes zur
Auferstehung hinweisen, dies immer im Zusammenhang seines besonderen Gehor-
samsverhältnisses zum Vater zu tun (cf. Joh␣ 10,18 mit 17; 12, 1.9.17 mit 10, 40 (d·xa
jeoú); offen ist vielleicht Joh␣ 2,19, cf. aber Rengstorf 30 Anm.␣ 41 dazu; Joh␣ 11,43
ruft Christus mit der Schöpferstimme. Cf. kurz Pannenberg STh␣ II, 388 Anm.␣ 63).
Freilich hat Luther z.B. in Predigten oft die Auferstehung auf Christi Gottheit bezo-
gen: »aus eigner Kraft« (Walch2, Bd. XIIIa, 614; cf. Denz. 539: virtute propria susci-
tatus … surrexit, Toletanum XI, 675 n. Chr.) und hat entsprechend behauptet, wegen
und nach seiner Gottheit habe Christus nicht sterben können (z.B. WA 20, 360, 20ff.;
37, 26, 27–33). Man wird also urteilen müssen, daß die Eigenbeteiligung Christi an
seiner Auferstehung ein sehr spezieller Gesichtspunkt ist, der im Rahmen der sich
konstituierenden Einheit des trinitarischen Lebens geltend gemacht werden müßte;
wozu hier nicht der Ort ist. Dabei wäre die Frage wichtig: ist die Auferweckungstat
ein Handeln Gottes ad extra, so daß die Regel gälte: opera trinitatis ad extra sunt
indivisa? Das partikulare Recht, das jenem Gesichtspunkt so allenfalls zukommen
kann – allerdings unter erheblichen Komplizierungen der Frage –, muß aber stets
gegen die Gefahr abgegrenzt werden, in die theologisch desaströse Folge abzugleiten,
daß die aktive Selbstbeteiligung Christi so stark betont wird, daß damit die Realität
und Ernsthaftigkeit seines Todes (doketistisch) abgeschwächt würde (daher ist z.B.
Künneth dagegen; cf. aaO.␣ 112). Hier kann nur ein genaues Durchdenken der luthe-
rischen Zwei-Naturen-Lehre (communicatio idiomatum) weiterführen. Cf. zur Frage
auch KD IV/1, 334f.
39 Von hier aus erhellt nochmals das Törichte daran, die Begegnung mit dem

Auferstandenen mit sog. »Geistererscheinungen« in Verbindung zu bringen, cf. o.


Anm.␣ 19 u. o. Kap.␣ 4.2., Anm.␣ 37.
40 Von hier aus ergibt sich für das grundlegende (d.h. systematische) Verständnis

von Phil␣ 2,6–11, daß Entäußerung und Erhöhung in Gottes lebendiger Ewigkeit als
ein Geschehen, weil ein göttlicher Lebensvorgang, aufzufassen sind: indem die Entäu-
ßerung geschieht, ist sie bereits Erhöhung, und die Erhöhung ist nichts anderes als die
Kraft der Entäußerung. Entäußerung und Erhöhung beschreiben im Nacheinander
den geisthaften Vollzug von Gottes Selbstunterscheidung als Selbstvermittlung.
41 Cf. Koch, aaO.␣ 56f.
160 Kap. 6. Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes

endlichen Abglanz seiner Doxa an ihnen – im eschatologischen Unterwegs-


sein in sein Bild verwandelt werden (II Kor␣ 3,18).
Und die Aufforderung an die im Glauben vom Herrn neu Bestimmten, sich
nicht der gegenwärtigen Weltgestalt gleich zu gestalten (suschmat‡zesjai),
entspricht nur der Realität, daß eben, wie die Gestalt dieser Welt (schma)
vergeht (I Kor␣ 7,31)42, so auch sie selber nicht mehr aus sich und dieser Welt
leben, sondern in dem Herrn, den sie – als ihre neue Gestalt – »angezogen«
haben (Röm␣ 13,14; Gal␣ 3,27; cf. Eph␣ 4,24; Kol␣ 3,10 u.ö.).
Aus solcher Kyriosbestimmtheit als Geistbestimmtheit läßt sich insbeson-
dere die paulinische Paränese verständlich machen (Gal␣ 2,20; Phil␣ 1,21)43. Es
gilt, in kraft der Auferstehungsrealität, die im eschatologischen Werden zu
sich hin ist, »sich selbst Gott hinzugeben als die aus den Toten Lebendigen«
(Röm␣ 6,13; cf. 14b: ≠pÖ c›rin). Für die mit Christus Auferstandenen macht
es ihr Sein im Glauben aus (Gal␣ 3,26), »zu suchen, was droben ist« (Kol␣ 3,1;
cf. 2: froneõn). »Droben« ist aber unser verborgenes Leben mit Christus in
Gott (V.␣ 3), so daß so Leben heißt, aus der Kraft des Erhöhten in einem
neuen Leben zu leben (Röm␣ 6,4; Gal␣ 5,25).

2. Gottes Weitergeben des eigenen Lebens ( Joh␣ 5,26)

In Aufnahme alttestamentlicher Gottesprädikate (cf. Dt␣ 5,41 u.␣ 39, Dan␣ 6,27)
ist auch für das NT das Leben Gott ursprünglich zu eigen, ihm als »dem
Lebendigen« schlechthin (¨ zùn; cf. Röm␣ 9,26; Mt␣ 16,16; 26, 63; Act␣ 14,15
u.ö.). Er ist an sich selber der, der ewig lebt (Offb␣ 4,9f.; 10, 6; 15, 7) und der
allein die Unsterblichkeit selber hat (1␣ Tim␣ 6,16). Gottes Leben (zwfl) ist
wesentlich seine Schöpferkraft44. Als der Lebendige ist er schöpferisch im
Unterschied zu geschöpflichem Leben; daher ist er der, der überhaupt leben-
dig machen kann (Act␣ 17,25), und zwar auch die Toten ( Joh␣ 5,21; cf.␣ 6,57;
Röm␣ 4,17; II Kor␣ 1,9; I Tim␣ 6,13; dies wird geradezu zu seinem Attribut)45.
Das geschieht insbesondere durch seinen lebenschaffenden Geist (I Kor␣ 15,
45; Joh␣ 6,63).
42 Cf. Graß, aaO.␣ 170 (mit Anm.␣ 2). Für die »Zeugen« des Auferstandenen war das
in den Erscheinungen geschehen, und eben für dies Vergehen steht auch das leere
Grab ein!
43 Cf. dazu bündig das Wesentliche bei Graß, aaO.␣ 264 (mit vielen ntl. Stellen).
44 Cf. Bultmann, Das Evangelium des Johannes (Meyers Kommentar, 196410 ), 195

Anm.␣ 4.
45 Cf. Art. zwopoifiw␣ in: ThWbNT 2, 876f. (Bultmann). Als zwopoioún␣ wird Gott

auch im Corp. Herm. noch bezeichnet (XVI, 8; cf. X, 17; XII, 22). Schon LXX haben
durchweg Gott als Subjekt des Verbums zwopoieõn␣ (aaO.␣ 876, 36). Im NT und bei den
apostolischen Vätern entspricht ihm die Bedeutung »lebendig machen« im soterio-
logischen Sinn (mit Gott, Christus oder dem Pneuma als Subjekt). Für die eschato-
logische Totenauferweckung gebraucht Paulus das Verb Röm␣ 4,17 (cf. I Kor␣ 15,22);
2. Gottes Weitergeben des eigenen Lebens ( Joh␣ 5,26) 161

Über Gottes eigenes Lebendigsein und den Zusammenhang mit dem in


Christus erschienenen neuen Leben macht das Joh.-Evangelium eine denk-
würdige Aussage von erheblicher grundsätzlicher Bedeutung, über die nach-
zudenken sich um so mehr empfiehlt, als die Exegeten ihr meist relativ wenig
Aufmerksamkeit widmen.
»Denn wie der Vater das Leben in ihm selbst hat, so hat er auch dem Sohn
gegeben, das Leben zu haben in ihm selbst« ( Joh␣ 5,26).

a. Zunächst ist der auffälligen Formulierung der ersten Vershälfte nachzuge-


hen, daß Gott der Vater das Leben »in ihm selbst« hat. Das Leben zu sein und
zu haben, das – so wird meistens festgestellt – spricht Gott die schlecht-
hinnige Lebensfülle zu und auch, daß er Lebensursprung an sich und aus sich
ist. Das ist genauer zu durchdenken, um der großen Bedeutung dieser einzig-
artigen Aussage gerecht zu werden.
»Leben in ihm selbst« besagt: Das Leben ist nicht etwas, das außer Gott als
ein Allgemeines schon irgendwie da ist, und er hätte als lebend nur Anteil
daran. Gott hat nicht am Leben teil, wie irgendein lebendiges Wesen, und er
empfängt es nicht von woanders her. Er »hat« es nicht eigentlich, wie ein
Geschöpf eine Eigenschaft hat, die als solche nie nur auf dieses, dessen Ei-
genschaft sie ist, beschränkt ist. Dann wäre Gott nur eine besondere Gestal-
tung des Lebens überhaupt. Sondern er »hat« es nicht eigentlich wie etwas
von ihm Unterschiedenes, sondern ist selber das Leben, das ihm zukommt46.
Gott ist das Leben, das er hat, aus sich und durch sich. Gottes Gottheit besteht
darin, aus sich und in sich selbst quellendes Leben zu sein (cf. Ps␣ 36,10). Gott
selber ist suisuffizientes Leben.
Das Leben nur zu haben und es nicht selber zu sein, bedeutet nicht so
damit identisch zu sein, daß es einem nicht auch wieder genommen werden
könnte. Leben nur zu haben, heißt in kraft des Lebens überhaupt zu leben: als
dessen Teil. Demgegenüber besagt, das Leben in sich zu haben, in kraft von
sich selbst zu leben, und d.h. mit dem Leben selbst streng identisch zu sein.
So ist Gott a§tozùo“, das absolute Leben selbst und als er selbst. Ein solches
Leben in sich selbst zu haben bzw. selber selbst zu sein, heißt unverlierbar
lebendig, ewig zu sein47.
Als Lebendiger schlechthin lebt Gott ganz aus sich selber, ewig, und eben
nicht aus dem Leben überhaupt als einem Übergreifenden, ihm gegenüber
Anderen oder Vorgegebenen. Der lebendige Gott ist sein eigenes Leben; und

parallel zu †ge‡rein␣ steht es Röm␣ 8,11. Zur Gleichsetzung mit †ge‡rein␣ cf. auch II
Kor␣ 1,9 u. Joh␣ 5,21(!). Für die Auferstehung Christi ist es auch I Petr␣ 3,18 gebraucht,
für das Mitauferstehen mit ihm Eph␣ 2,5 u. Kol␣ 2,13.
46 Cf.: quod est vita, et non solum … vivens, Thomas von Aquin STh I q.3, a.3. sed

c. (zu Joh␣ 14,6).


47 Cf.: quia non aliud illi est esse, aliud vivere, quasi possit esse non vivens, Augu-

stin, De civ. Dei VIII, 6 (MPL 41, 231).


162 Kap. 6. Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes

daß er das Leben »in ihm selbst« hat, heißt darum, er beschließt es ganz in sich
selber. Sein Selbst bzw. sein er selbst Sein als Gott ist schlechthin das Leben
selbst, als sein Wesen und seine Existenz in ihrer Identität.
Das hat bereits Anselm von Canterbury auf die Formel gebracht, die sich
als der beste Kommentar zu Joh␣ 5,26a liest: Tu es igitur vita qua vives48. Gott
verdankt sein Leben nur sich selbst, darum ist er zugleich, was er in sich hat.
Oder auch: sein Wesen, das Leben zu sein, manifestiert sich in seinem eige-
nen wirklichen Leben. Er ist lebendig in kraft des Lebens, das er selber we-
sentlich ist49. Sein Wesen ist sich selbst hervorbringendes Leben, also seine
eigene Existenz. Er ist selber das Leben, durch das er und als das er lebt; Gott
ist Grund seiner eigenen Lebendigkeit.
Insofern er das Leben hat, hat er darin nur sich selber bzw. ist er darin er
selbst und nur bei sich selbst. Solcherart das Leben in sich selbst zu haben, das
ist Ewigsein, und Gottes Ewigkeit ist nichts anderes, als das Leben »in ihm
selbst« zu haben. Und das heißt: nicht durch das Leben als ein von ihm
Unterschiedenes, sondern nur durch sich selbst zu leben bzw. durch das Le-
ben als durch sich selbst; Gott ist sein eigenes »Wodurch er lebt« selbst.
Die Formulierung, daß Gott das Leben »in ihm selbst« hat, bestimmt auch
noch das Verständnis der Rede, daß er von sich her (a se) ist, indem er »durch
sich und aus sich selbst« lebendig ist. Denn keineswegs ist Gott von sich selbst
derart unterschieden oder in sich aufgeteilt, daß er selbst, durch den (bzw. aus
dem) er das Leben hat, und er, der es durch ihn (bzw. aus ihm) als sich selbst
hat, wirklich zu unterscheiden wären (bzw. auch nicht er, insofern er das
Leben hat, und er, insofern er auch (selbst) der ist, durch den er es hat). Viel-
mehr ist er selbst sein »Durch sich selbst«, er selber ist das, »woraus er ist«, d.h.
sein eigenes Wodurch und Woraus. Das »durch« (bzw. »aus«) ist also nur die
Selbstunterscheidung, in der Gott als er selber ist und in der gerade sein
eigenes Leben besteht, d.h. lebendig ist. Es handelt sich um eine Selbstunter-
scheidung (selbst durch eben sich selbst), die gerade die Einheit dieses Lebens
als eine selbsthafte (d.h. als seine eigene, von ihm selber her ihm zukommen-
de) Einheit und als eine das Leben beinhaltende Einheit ausmacht. Gott ist
ewig er selbst als das Leben, sofern er in Selbstunterscheidung (aus sich selber
durch sich selber lebend) und Einheit (selbst dies Leben seiend) lebendig er
selbst ist. Er hat das Leben »in ihm selbst«50.

b. Wird durch die denkwürdige Formulierung, daß Gott der ist, der das
Leben »in ihm selbst hat« (5,26a), ausgesagt, was Gott zu Gott macht, so
bringt die zweite Vershälfte – nicht weniger bedeutungsvoll – zum Aus-
48 Prosl. 12: »Du bist also das Leben, durch das du lebst«.
49 Cf.: cui esse et vivere non aliud et aliud est, quia summe esse atque summe vivere
idipsum est, Augustin, Conf. I, 6, 10.
50 Über Gott als das absolute Leben cf. I.A. Dorner, aaO. I (18862 ), 245ff. (§␣ 21)

und 403.
2. Gottes Weitergeben des eigenen Lebens ( Joh␣ 5,26) 163

druck, daß Gott im Weitergeben dieser seiner Gottheit zugleich »der Vater«
ist: »so hat er auch dem Sohn gegeben, das Leben zu haben in ihm selbst«
(5,26b).
Wie im ganzen Joh.-Evangelium Jesus überhaupt »ist, was er ist, durch
Gottes Geben« (cf.␣ 3,35)51, so wird das hier im Hinblick auf das gesagt, was
ihn grundsätzlich als den »Sohn« sein läßt. Er ist nicht nur der vom Vater
Gesandte, sondern – sein Sein überhaupt konstituierend – der, der durch den
Vater lebt (6,57), – als Sohn des lebendigen Gottes (Mt␣ 16,16 par.) der, der
selber das Leben »in ihm selbst« hat.
Entsprechend meint dies »Geben« des Vaters (did·nai) auch ein Handeln
Gottes, das ihm ganz allein vorbehalten ist und einzig seiner Initiative ent-
springt (cf.␣ 3,27; 6,65; 19,11)52. In diesem Falle besteht die Gabe nicht in
einem für Jesus äußerlichen Etwas, sondern dies göttliche Geben »gewährt
ihm Anteil an seinem [sc. Gottes] eigenen inneren Besitz, ohne selbst vom
Reichtum seines Lebens zu verlieren«53.
Was Gott in sich selbst ist, setzt er nach außen, wiederholt er (und damit
wiederholt er sich) im Sohn. Das ist nicht so gesagt, als wäre sein internes
Leben erst wahrhaft Leben dadurch, daß es sein Eigenstes, Leben in und aus
sich zu sein, außerhalb seiner wiederholt. Das würde ja bedeuten, er bringt
sein Leben im Weitergeben an den Sohn für sich (und den Sohn) allererst
hervor. Freilich macht dies Weitergeben den Vater wesentlich erst zum Vater
und macht auch den Sohn insofern zu »dem Sohn«, als er dem Vater wesent-
lich gleich wird in kraft dieses Gebens des Vaters. Dadurch hat der Sohn nicht
so das Leben, wie ein Geschöpf es nur »hat«, sondern er hat es gerade durch
dies spezifische »Geben« des Vaters dergestalt, daß er es ebenso wie der Vater
»in ihm selbst hat«; d.h. das Geben des Vaters ist auch ein Selbständigmachen
ihm gegenüber. Der Sohn ist also kein Geschöpf, sondern Selbstwieder-
holung Gottes in diesem Andern, den er durch sein Geben als seinen Sohn
sein läßt: »Ergo quod dicitur, dedit Filio, tale est ac si diceretur, genuit filium:
generando enim dedit«54.
Insofern das Leben in ihm selber zu haben, den Vater gerade zu Gott
macht, gibt er mit dem Weitergeben davon sein Eigenstes, sein Gott-sein an
den Sohn, damit dieser auch wie der Vater Lebensursprung aus sich sei. Das
Perfekt dieses Gegebenhabens (≤dwken) betont das ein für allemal dieses
Gebens: in Ewigkeit.
51 ThWbNT II, 168, 26 (Büchsel).
52 Diese göttliche Lebensmacht klingt in Joh␣ 10,17f. durch! Cf. R. Schnacken-
burg, Das Johannes-Evangelium, II. Teil (Herders Theologischer Kommentar Neues
Testament, Bd. IV/2, 1971), 108 A.␣ 2.
53 AaO.␣ 142. Schnackenburg ist einer der wenigen Kommentatoren, der näher auf

den spezifischen theologischen Sinn von Joh␣ 5,26 eingeht.


54 »Daß also gesagt wird: er hat dem Sohn gegeben, das ist so, als wenn gesagt

würde: er hat den Sohn gezeugt; zeugend nämlich hat er gegeben«, Augustin, in Joan
tract. XXII, 10 (MPL 35, 1580). Schnackenburg macht auf diese Stelle aufmerksam.
164 Kap. 6. Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes

Daher erscheint im Sohn selbst das ewige Leben, das beim Vater war
(I␣ Joh␣ 1,2), und ist als das Leben schlechthin nun ebenso »in ihm« ( Joh␣ 1,4).
Der Sohn selber ist derart auch »der wahre Gott und das ewige Leben«
(I␣ Joh␣ 5,20).
Durch dies Teilgeben an seinem Leben ist der Begriff von Gottes Leben
als einer lebendigen Ewigkeit bestimmt und verändert. Gottes Leben bleibt
ewig auch im Seinlassen dieser Differenz, die mit dem Sichwiederholen im
Andern als dem Sohn zu seinem Leben gehört55.
Andererseits gibt Gott sein in ihm selber beruhendes Leben an den Sohn
nicht so weg, daß er es dabei gleichsam minderte oder verlöre, also irgendwie
weniger »in ihm selbst« hätte – als beraubte er also sein eigenes Lebendigsein
dadurch56 –, sondern es ist in solcher Weitergabe und Selbstwiederholung
gerade lebendig als eins, das eben derart Leben »in sich selbst« ist, daß es nicht
nur in sich selber bleibt, sondern sich gleichsam zweifach setzt, um darin
erneut mit sich eins zu sein. Im Herausgehen aus sich kehrt dies Leben
zugleich in sich zurück und bleibt im unterscheidenden Außenbezug auf
sich selbst bezogen. Dies ist der christlich neu bestimmte Begriff von Ewig-
keit: ewig sich schenkende Ewigkeit zu sein, als Leben göttlicher Liebe
( Joh␣ 3,35). In der Hingabe seines eigensten Lebens an den Sohn bewahrt
Gott es als sein eigenes. Im Seinlassen des Sohnes ist Gott, und zwar noch
einmal mehr, lebendig, ganz er selbst, Gott der Vater als die absolute Leben-
digkeit: ¨ zùn patflr ( Joh␣ 6,57). Gehört dies Weitergeben zu seinem imma-
nenten göttlichen Leben, dann lebt Gott eben in dieser Weitergabe des Lebens
an den Sohn und hat sein Leben in ihm selbst, indem er es nicht nur für sich
hat (d.h. behält), sondern dem Sohn gibt. Sein in ihm selbst Haben von Leben
als dessen Weitergeben ist Ewiges Leben: das sich wiederholende Leben des
»Vaters«. Sein in ihm selbst Haben von Leben als dessen Empfangen ist Teil-
habe an Gottes Ewigem Leben: das es wiederholende Leben des »Sohnes«.

c. Durch den Vater, der das Leben in ihm selber hat, lebt Christus aus diesem
Leben als »der Sohn« ( Joh␣ 6,57). Wie Gott lebendig und wahr ist (I Thess␣ 1,9),
so ist auch Christus selber wahrer Gott und ewiges Leben (I Joh␣ 5,20), denn
das Leben war »in ihm« ( Joh␣ 1,4; I Joh␣ 1,1;␣ 5,11). Der Sohn ist selber »das
Leben« ( Joh␣ 14,6) und als das Leben schlechthin ist er »die Auferstehung«
( Joh␣ 11,25) – für die an ihn Glaubenden, die letztlich nur in ihm »das wahre

55 Zum trinitarischen Sinn dieser Differenz cf. Dalferth, aaO.␣ 78. Augustin ver-
steht das In-ihm-selbst-Haben des Lebens bei Christus daher, daß er »das Wort«
( Joh␣ 1,1) ist. Cf. aaO. (wie die vorige Anm.) XXII, 9 u.␣ 10. (MPL 35, 1579 u.␣ 1580).
56 Daß Gottes Leben mehr ist als nur das Gegenteil von endlichem Leben, hebt

auch Dalferth hervor: »Es ist dadurch prinzipiell von unserem unterschieden, daß es
anderem als es selbst Anteil an diesem ewigen Leben geben kann, ohne sich aufzulö-
sen« (aaO.␣ 77).
2. Gottes Weitergeben des eigenen Lebens ( Joh␣ 5,26) 165

Leben« (™ µntw“ zwfl, I␣ Tim␣ 6,19) erlangen (II Tim␣ 1,1; Kol␣ 3,4; Phil␣ 1,21 u.
Gal␣ 2,20).
Denn das »Geben« des Vaters (did·nai) hat an ihm selbst Intentionalität:
was dem Sohn gegeben wird, wird »ihm verliehen, um etwas zu tun«57. Der
Sohn setzt somit nur das Wirken des Vaters fort ( Joh␣ 5,17; auf dem Hinter-
grund von 1,1–4!58); darum wird ihm gegeben, auch das Leben zu haben in
ihm selbst. Entsprechend gibt der Sohn (im Abendmahl) an die Glaubenden
weiter, das Leben zu haben »in ihnen selbst« ( Joh␣ 6,53; cf. 37), d.h. das ewige
Leben zu haben (6,␣ 54), das Gott uns in ihm und durch ihn gibt (I Joh␣ 5,11
u. Joh␣ 10,28; 6,33; cf. I Joh␣ 5,20 mit Joh␣ 17,3).
Diese Verknüpfung ist im Kontext von Joh␣ 5,26 bereits dadurch bezeich-
net, daß der Entsprechung in Vers 21, der vom Lebendigmachen handelt:
»wie (der Vater) – so (auch der Sohn)«, eine solche Entsprechung in Vers 26
genauestens korrespondiert59.
Das Leben schaffende und es wieder neu schaffende Handeln Gottes des
Vaters (zwopoieõn, V.␣ 21; cf. I Tim␣ 6,13), das die Toten auferweckt, wird
ausdrücklich auch dem Sohn zugesprochen (cf. Joh␣ 5,21 mit 6,39 u.␣ 54).
Dieser tut nur, was der Vater selber tut ( Joh␣ 5,19).
Ist der schaffende Gott überhaupt der, der die Toten erweckt und lebendig
macht (zwopoioún, Röm␣ 4,17; cf. Jes␣ 26,19; Dan␣ 12,2 u.a.), so begründet
Joh␣ 5,26, warum der Sohn der ist, der die Auferstehung bringt; sein schöp-
ferisches Wort ruft ins ewige Leben (5,␣ 26; cf. 28f. u.␣ 6,63!)60. Christus bringt
durch sein lebendiges Wort (5,␣ 24) zur Auferstehung, die das ewige Leben ist
(6,␣ 54), das der Vater ihm gegeben hat. Auferstehung der Toten ist daher Teil-
haben am Leben, das der Sohn »in ihm selbst« hat ( Joh␣ 14,19). Wie das ewige
Leben als aus der Auferstehung vom Tode entspringend todüberwindendes
und vom Tode nicht mehr unterbrochenes Leben ist ( Joh␣ 11,25)61, so ist das
Weitergeben des eignen Lebens durch den Vater an den Sohn, der es seiner-
seits an die Seinen weitergibt ( Joh␣ 6,53), das eine sich fortzeugende Leben,
ein lebendiger Auferstehungszusammenhang.
Darin ist aber eine kreuzestheologische Vermittlung mitgesetzt. Denn
weil und indem Gott in den Tod Christi am Kreuz kommt und darin sich
gegenwärtig macht (d.h. der stets aus dem Nichts Schöpferische und schaf-
fend Handelnde), darum wird dieser Tod spezifisch zum Ursprung eines
Lebens aus Gottes Macht. Eben am Ort dieses Todes gibt Gott schöpferisch

57 Schnackenburg, aaO. (wie o. Anm.␣ 52), Bd. IV/2, 452 (zu Joh␣ 3,27).
58 Joh␣ 1,4f. spricht auch von der Aufhellung der ewigen Zukunft, cf.␣ 8,12!
59 Bei Philo wird Gott selber presbut›th phgÉ zwö“␣ genannt (Fug et invent 198),

im Joh.-Evangelium der Sohn als »Quelle« beschrieben (7,37f., cf.␣ 4,13f.!).


60 Über Luthers Auslegung von Jes␣ 26,19 (Gottes schöpferisches Anreden der

Toten, WA 43, 481) cf. Vf., »Gott und das ewige Leben« (wie o. Einl., Anm.␣ 13),
aaO.␣ 73f.
61 Cf. ThWbNT II, 825, 12ff. (Hanse).
166 Kap. 6. Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes

sein eigenes Leben weiter. Das ist der tiefste Grund dafür, daß der Auf-
erstehungsgedanke allein in Verbindung mit den Gottesgedanken begriffen
werden kann62.
Ist die Auferweckung der Toten im Joh.-Evangelium darauf zurückzu-
führen, daß Christus als Logos und ewiger Sohn das Leben ist und in sich
hat63, so ist er ganz offensichtlich diese Auferstehungsmacht darum, weil seine
eigene Auferstehung in der Gabe des Vaters an ihn, das Leben »in ihm selbst« zu
haben, mitgesetzt ist. Nur wenn Christi eigene Auferstehung in diese Wei-
tergabe des ewigen Lebens durch den Vater wesentlich hineingehört, kann
gesagt werden, daß Christus dazu »erhöht« werden mußte, damit jeder an ihn
Glaubende das ewige Leben habe ( Joh␣ 3,14f.)64. Wovon Joh␣ 5,26 spricht,
das schließt auch insofern die Auferweckung Jesu Christi mit ein, weil das
ganze Evangelium von seiner Auferstehung her den Irdischen und Erhöhten
ewig zusammen und in eins schaut. Daher läßt sich sagen: erst nach der
Auferstehung gilt für den Sohn definitiv, daß er als der Sohn, dem der Vater
es gegeben hat, das Leben in sich selbst hat. Dazu stimmt, daß Act␣ 13,33 die
Auferstehung als das »Heute« der Erzeugung des Gottessohnes gemäß Ps␣ 2,7
aufgefaßt wird65 (cf. Röm␣ 1,466).
Christi Auferstehungswirksamkeit ist nur im Zusammenhang seiner eige-
nen Auferstehung zu begreifen, die in seiner lebendigen Einheit mit dem
Vater gründet, welche als schöpferische Weitergabe ewigen Lebens letztlich

62 Cf. Ebeling, aaO.␣ 303.


63 Cf. ThWbNT II, 871f. V.␣ 25 ist begründet in V.␣ 21 und dieser hat seine Bedin-
gung in V.␣ 19.
64 Cf. V.␣ 16 (≤dwken).
65 »Weil die Auferstehung als eine Erzeugung zu ewigem Leben gefaßt wird, kann

sie mit Ps␣ 2,7 belegt werden« (Haenchen, Kommentar, 353); cf. ThWbNT I, 669
(Büchsel) und VIII, 368, 17–369, 5 (Schneemelcher). Die zum Vergleich sich anbie-
tende Zitation von Ps␣ 2,7 in Hebr␣ 1,5 mit II Sam␣ 7,14! ist schon von Hilarius auf die
Auferstehung bezogen worden (tract. in ps. zu 2.7; Origenes und Augustin deuten auf
die ewige Zeugung); unter den gegenwärtigen Exegeten interpretiert z.B. Heger-
mann das »Heute« auf die österliche Erhöhung (cf. auch 5,5!). Grässer bezieht
Hebr␣ 1,5 eher auf das Jetzt des neuen Äon allgemein (EKK XVII/1, (1990), 75),
spricht aber bei 5,5 auch von der Erhöhung (aaO.␣ 287 u.␣ 289; so schon Michel, Mey-
ers Kommentar (Hebräerbrief, 19498), 49f.).
66 Wilckens lehnt vielleicht zu schnell die Auffassung ab, daß Christus »erst als

Auferstandener zum Sohn Gottes geworden ist« (EKK VI/1, 65). Er meint, Paulus sage
Röm␣ 1,4 nur die Übertragung der Machtstellung des himmlischen Herrschers an den
Auferstandenen aus (ebd.). Dabei bleibt offen, wie Christus für Paulus »als der von
Ewigkeit her zu Gott gehörende Sohn des Vaters« und als der »aus der Höhe vollkom-
mener Teilhabe an seiner Herrlichkeit« Kommende (aaO.␣ 64) ohne jene Macht ge-
dacht werden soll. Althaus formuliert vermittelnd: »durch seine Auferstehung von den
Toten … als Sohn Gottes mit Machtfülle eingesetzt« (NTD 6, 19599 , 7), will die
Auferstehung Christi also als »die Wende in der Geschichte des Sohnes«, d.h. als seine
Einsetzung zum Kyrios, verstehen (ebd.). Vgl. auch ThWbNT VI, 415, 1ff. (Schwei-
zer).
3. Der Tod des Todes 167

im Vater ihren Ursprung hat ( Joh␣ 5,26). Daher spricht schon Joh␣ 17,2 von
der »österlichen Allmachtsverleihung«!67
Das Perfektum von Christi Auferstehung ist der Grund für die Metabasis
derer, die an ihn glauben, zum ewigen Leben (I Joh␣ 3,14). Glaube ist Teilha-
be an diesem Perfektum in der Kraft zukünftiger Vollendung (cf. Joh␣ 5,24)68.
Daher ist das ewige Vollendetsein (aeternum perfectum)69 zugleich die Voll-
endung der Ewigkeit (aeternum perfectum).

3. Der Tod des Todes

Mit dieser Formel, die vor allem für Luthers Verständnis von Tod und Auf-
erstehung Jesu Christi charakteristisch und bekannt ist (cf. auch Hos␣ 13,14
u. Jes 25, 8; 26, 19)70, ist das Neue, das mit Christi himmlischem Sein bei
Gott im Zuge seines Erhöhtwerdens und von Gottes Weitergeben des eige-
nen Lebens an den Sohn eingetreten ist, prägnant bezeichnet. Zugleich gibt
die Formel zweierlei zu denken auf: einmal, was Überwindung des Todes
bzw. Christi Sein jenseits seiner besagt, und sodann, was es mit der Negativität
(des Todes) im göttlichen Leben selber auf sich hat.

a. Die Gottesfeindschaft der Sünde hat in sich die Todesrichtung (Röm␣ 8,6f.),
der die Sünder verknechtet und verfallen sind (Hebr␣ 2,15). Indem Christus
diese Knechtschaft durch Überwindung des Todesstachels in der Sünde
(Hebr␣ 2,14; I Kor␣ 15,55f.) aufgehoben hat, ist damit proleptisch der »letzte
Feind« der Schöpfung Gottes, eben der Tod (I Kor␣ 15,26), besiegt, so daß
antizipiert ist, was am Ende gilt: daß der Tod nicht mehr ist (Offb␣ 21,4).
Doch wie ist dieser »Sieg« über die große Antithese zum ewigen Leben
Gottes zu verstehen? In welchem Sinn gilt, daß der Tod in Christus nicht
mehr herrscht?
Die Antwort liegt in dem Zusammenhang beschlossen, daß der Tod (zu-
nächst) über Christus eben darum nicht mehr Macht hat (Röm␣ 6,9b), weil er
als Auferweckter ganz und gar »Gott lebt« (V.␣ 10b), d.h. aus ihm und für ihn,
in der Macht von Gottes eigenem Leben. In dieser Nähe zu Gott hat der Tod
offenbar keine von Gott trennende und endgültig vernichtende Macht71.
67 So T. Onuki über das ≤dwka, in: Gemeinde und Welt im Johannesevangelium.

Ein Beitrag zur Frage nach der theologischen und pragmatischen Funktion des johan-
neischen »Dualismus«, Neukirchen 1984, 168.
68 Cf. E. Brunners Bestimmung der Auferstehung als perfectum futurum, in: Der

Mittler (19474), 531.


69 Cf. Ebeling, Dogmatik des christlichen Glaubens III (1979), 424.
70 Cf. z.B. WA 36, 530, 15–17 mit Hos␣ 13,14 (Gottheit Gottes!), 543,13; 547,14;

682,28.
71 In Christus erst wird wahrhaft das realisiert, dem das alte Dictum sophistisch

vorgriff, das sagte: Wo der Tod ist, sind wir nicht, und wo wir sind, ist der Tod nicht
168 Kap. 6. Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes

Daraus folgt unmittelbar, daß Christus nicht wieder stirbt (Röm␣ 6,9a),
eben weil er Gottes ewiges Leben teilt. Denn wen Gott zu sich erweckt, den
berührt kein Verderben und keine Verwesung (Act␣ 13,37; cf. 34 u.␣ 36 mit
Ps␣ 16,10). Aber was ist mit dem Tod, den er hinter sich hat: inwiefern kann
er ihn als abgetan hinter sich haben? Dieser Tod mit seinem Sterben bzw.
Gestorbensein ist ja nicht einfach rückgängig gemacht, sondern durch die
Auferstehung eben »überwunden«72. Für dieses – nicht Beseitigen, sondern
– Verwandeln des Todes als solchen (als Vernichtungsmacht) hat Paulus die
Wendung vom »Hineinverschlungenwerden« des Todes in den Sieg des Le-
bens (I Kor␣ 15,54 und II Kor␣ 5,4)73. »Verschlungensein« der Negativität des
Todes bedeutet, daß er Moment der Selbstaffirmation des göttlichen Lebens
ist74. Darum ist die Entmachtung des Todes nur der Ausdruck für eine schöp-
ferische Erweiterung der Lebensmacht Gottes, die eben ihre letzte Antithese
in sich hineinnimmt. Das sieghaft Neue, das mit dem Auferstandenen er-
schienen ist, besteht also darin, daß das ewige Leben selbst nicht ohne den
zeitlichen Tod, zumal diesen Tod Jesu am Kreuz, ist, was es ist. Die Schöpfer-
macht Gottes macht sich das Nichts, dessen Spur der Tod ist, selber dienstbar,
um sich als lebenschaffend – nun nicht mehr aus dem Nichts, sondern aus
dem Tod, d.h. sozusagen am Nichts, zu betätigen75. Gottes Lebendigkeit in
ihrer Allmacht ist auch das nicht-ewige Leben; d.h. das Leben selber wird
anders, es gewinnt einen eschatologischen »Entwicklungscharakter«, wird
verklärt, d.h. ohne auf das Irdisch-Somatische begrenzt zu sein. Gottes Ge-
schichte mit Jesus Christus hat so den Lebensbegriff neu bestimmt; der
christlich verstandene Lebensbegriff ist historisch, weil eschatologisch ge-
worden: statt von der Todesrichtung durchwaltet von der Richtung auf voll-
endetes, ewiges Leben76.
Wenn das Ewige das Zeitliche durchdringt, indem es dieses in sich auf-
nimmt, wird dessen Richtung auf ein Enden hin gleichsam umgebogen. Es
begegnet in sich dem, was es »nach« dem Ende (dem Tod) das neu sein läßt,

(cf. Epikur, Ep. ad Menoikeus). Denn »in ihm« allein ist der Glaubende von seinem
eigenen Tod ewig unterschieden: wo Christus der in Gott Lebendige ist, da ist der Tod
selber tot bzw. vergangen. Cf. WA 49, 99, 24 u. Ebeling, Des Todes Tod. Luthers
Konfrontation mit dem Tode, ZThK 84 (1987), 162–194.
72 Ebeling, aaO.␣ 304 u.␣ 303.
73 Diese paulinische Hoffnungsformel hat einen deutlichen Niederschlag bei E.

Bloch gefunden; cf. Zur Ontologie des Noch-Nicht-Seins (Philosophische Grundfra-


gen I; 1961), 62 und Das Prinzip Hoffnung, aaO.␣ 15, 363, 1290, 1293 u.ö.
74 Bei Luther heißt es, der Tod sei im Leben verschwunden, wie »ein Funke im

Meer« (WA 17/I, 421, 12–29); cf. die alte Formel von Gott als einem pfilago“
o§s‡a“␣ (»Meer des Seins«).
75 Den Vergleich Schöpfung aus dem Nichts und aus dem Grabe zieht Luther WA

36, 650, 18–20.


76 Luther sagt: »er will ein new ewig leben machen aus diesem zeitlichen tod und

verwesen« (WA 36, 530, 21f.).


3. Der Tod des Todes 169

was es »vorher« war, und es so grenzenlos erfüllt. Die zeitliche Richtung nach
vorn (auf das Ende zu, den Tod) erleidet im Ewigen eine Umkehrung77: sie
wird als Zusammengehen des Ewigen mit sich Ort innerer Unendlichkeit,
für die die Todesgrenze bedeutungslos ist. Im ewigen Leben ist die Bewe-
gung nach vorn immer auch die zurück, und die »Zeit« des ewigen Lebens
geht in zwei Richtungen zugleich; das ist seine spezifische Lebendigkeit.
Weil die Lebensbewegung in kraft des Ewigen ein Gegenstoß in sich selber
ist, ist sie mit ihrer »Grenze« in sich unerschöpflich. Die Grenze zum Nichts,
die der Tod überall im Leben und definitiv an seinem Ende ist (bzw. war), ist
durchlässig geworden, d.h. überwunden, weil sie das ewige Leben nicht un-
terbrechen kann, das immer auch schon diesseits ihrer ist; es geht eben an
dieser Grenze mit sich zusammen78.
Mit der Auferstehung hat sich etwas ereignet, was die Zeit selber verändert
hat: eine Metabasis aus dem Tode zum Leben (I Joh␣ 3,14; cf. Joh␣ 5,24). Das
aber ist, wie das eben Ausgeführte zeigt, kein einfacher Übergang, sondern
ein im schöpferischen Übergreifen der endenden Zeit rückwärtiges Neu-
begründen derselben, ihre – eine Umkehrung einschließende – lebendige
»Aufhebung«. Daß Gott mit der Auferweckung des am Kreuz gestorbenen
Jesus die ins Nichts verendende Zeit ins ewige Leben hinein umgewendet
hat, das hat den Tod so verändert, daß seine abgrenzende Macht verschwun-
den ist; dem Tod ist seine eigene Liquidierung widerfahren79. Diese Metabasis
ist es, in deren ontologischer Macht »alles neu geworden ist« (II Kor␣ 5,17;
Offb␣ 21,5).
An diesem neu-schaffenden Definitivum haben die Anteil, die mit dem
zum Leben Gottes Auferstandenen im Glauben verbunden sind; auch sie sind
durch eine Metabasis vom Todesleben zum todüberwindenden Leben hin-
übergeschritten: als (noch) Diesseitige schon jenseits und vom »Jenseits« her
neu diesseitig: als hier im ewigen Leben ( Joh␣ 5,24b) bzw. durch es qualifiziert.
Dieses – gerade auch rückwärts umbestimmende – Überschreiten der
Todesgrenze (metabasis) ist vermittelt durch den, an dem es durch Gottes
Schöpfermacht sich so ereignet hat, daß er selber in seiner Person nichts
anderes ist als dieser Übergang: die Auferstehung und das Leben ( Joh␣ 11,25).
An ihm und so von ihm her wird das Sterben Durchgang ins Leben, so daß
auch die Glaubenden ewig »leben, ob sie gleich stürben« (V.␣ 26). Dies eben

77 Cf. »Gott und das ewige Leben«, aaO., wie o. Anm.␣ 13, 51f. u.␣ 54f.
78 Nach Luther werden wir sehen, »wie er den tod gar auffreiben wird, das man jn
nicht mehr wird spüren und gar nicht anders denken werden, denn es sey nie kein tod
da gewest« (WA 36, 587, 16–18).
79 Wegen dieser definitiven, eschatologischen Entmachtung des Todes ist nicht

einsichtig, warum es bei Ebeling vorsichtig heißt, das Ja Gottes zum Gekreuzigten sei
»nun als Auferweckung von den Toten verstanden« worden (aaO.␣ 308, Hervorhebung
J.R.) – als könne nur von einer (u.a. möglichen) Deutung die Rede sein (cf. der
Kontext)!
170 Kap. 6. Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes

ist Überwindung des Todes im Auferstehungsleben! Für diese ist die Abfolge
von »Auferstehung«, d.h. metabainein, und »Leben«, d.h. unendlich auf die
eigene Zeit zurückzukommen, signifikant. Dieselbe Gewichtung hat auch
der Apostel Paulus beiläufig markiert, wenn er die Lebensmacht des vom
Kreuzestod Auferweckten so beschreibt: »der gestorben ist, ja vielmehr, der
(auch) auferweckt ist« (Röm␣ 8,34). Der beschriebene dialektische Zusam-
menhang von Tod (am Kreuz) und Leben (durch Auferstehung) – als rück-
gewandte Überwindung des Todes – ist in der die erste Aussage überbietend
korrigierenden Zufügung »ja viel mehr« (môllon) sprachlich mitvollzogen.
Da so das ewige Leben gerade am Tode und aus ihm sich erzeugt, können
»weder Tod noch Leben« die an Christus Glaubenden (V.␣ 38) von der schöp-
ferischen »Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Kyrios« trennen
(V.␣ 39; cf. 35)80. Diese Auferstehungsmacht ist göttliche Lebensmacht über
alle Mächte (Eph␣ 1,20ff.). Darum sind Leben und Sterben schöpferisch neu
bestimmt, nämlich ganz von Gottes im erhöhten Herrn lebendiger Ewigkeit
her (Röm␣ 14,7f.).
Insofern liegt in jener Metabasis nicht einfach nur eine Vereinerleiung von
Ewigkeit und Zeit, sondern durch die Umqualifizierung von zeitlichem
Leben zum Ort ewigen Lebens, von jenseits der Todesgrenze her, wird das
zeitliche Leben »kritisch« ( Joh␣ 3,18) von sich selber unterschieden. Indem
die Ewigkeit sich in Christus der Zeit mitteilt, unterscheidet sie sich gerade
auch von ihr81; als so sich in der Zeit mit sich vermittelnde ist die Ewigkeit
das Leben Gottes.
In diesem Sinne ist der Tod post Christum resuscitatum ein (zunächst für
Christus den Lebenden) Vergangenes: »Ich war tot und siehe, ich bin leben-
dig« (Offb␣ 1,18; cf.␣ 2,8). Unter den Bedingungen des alten Äons ist Tod die
Vergangenheit, die nur Vergangenheit ist, d.h. die eine Art »Gegenwart« nur
hat ohne Distanz zu ihr als Vergangenheit, eben als bloß noch vergangenes
Faktum bzw. als etwas, dessen Vergangensein (Gewesensein als solches) die
einzige Weise ist, wie es (irgendwie) gegenwärtig sein kann. Normalerweise
also gibt es kein zeitliches Jenseits für das Totsein selber und für den Toten,
für den mit seinem Tod auch die Zeit aufhört, der dann eben nur noch
vergangen ist. Hier dagegen wird eine (ewige) Gegenwart gewußt – als ein
Jenseits des Todes –, die es für den ist, für den auch der eigene Tod Vergan-

80 Die überwältigende Zuversicht, mit der Paulus Röm␣ 8,38f. formuliert, ist nur

aus der Gewißheit der neuen eschatologischen Wirklichkeit als der letzten Wahrheit
dieser Welt verständlich! Cf. auch über das neue »genos« der Christusgläubigen: »Die
Folge war eine metabasi“ e¢“ üllo geno“, davon das vornehmste in das kleine Golgatha
verpflanzt ist« (Hamann, Metakritik über den Purismum der Vernunft (1784, in: Ge-
sammelte Werke (Nadler) III, 289, 27–29).
81 Cf. Ebeling, aaO.␣ 355. Umgekehrt gilt, daß der Tod in die Vergangenheit gestos-

sen wird: »Vergänglich wird der Tod in der verheißenen Auferstehung« (Moltmann,
Theologie der Hoffnung, aaO.␣ 150).
3. Der Tod des Todes 171

genheit ist. So überwindet dieser ins ewige Leben überführte Tod (Christi)
den Tod als bloße Vergangenheit, indem er ihn als Tod ins Leben selber mit
aufnimmt und so seiner tödlichen Vergangenheitsmacht beraubt82.
Wenn die angeführte Bibelstelle Offb␣ 1,18 nicht nur eine gleichsam chro-
nologische Abfolge ausspricht – und dagegen spricht entschieden der denk-
würdige Zusatz: »… lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit«! –, dann ist in ihr
auch ein sachlicher Zusammenhang impliziert dergestalt, daß sie von einem
spezifischen »Leben aus dem Tode« redet. So erst kann das zu Ende gegan-
gene Leben Jesu von Nazareth als ein in der Dynamis Gottes gerade Anfan-
gendes und so ewig Lebendiges verstanden werden. In diese Richtung
weisen auch paulinische Formulierungen wie »(ihr) gleichsam aus den Toten
Lebende« (Röm␣ 6,13b; 11,15), »als die Sterbenden, und siehe, wir leben«
(II␣ Kor␣ 6,9b)83. Der Sinn dieses »aus« (†k) bestimmt sich nach der dargestell-
ten Logik von Metabasis, die eben eine in ein anderes Genus von Leben ist.
In dem Gesagten deutet sich wieder das Geheimnis der Negativität im
schöpferischen Handeln Gottes an, auf das gleich näher einzugehen ist (b.).
Jedenfalls ist nur in diesem Zusammenhang die paulinische Aussage versteh-
bar, die Tod und Vergehen zur Durchgangsbedingung neuen Lebens macht
(I Kor␣ 15,36)84. Das ist auf den hier erörterten Sachverhalt der »Überwin-
dung« des Todes so zu beziehen, daß eben Sterben und Tod nichts anderes
sind als die Vereinigung mit unserer Auferstehung85: wir sterben – als an den
Auferstandenen und Erhöhten Glaubende – ins ewige Leben hinein, d.h. in
die Aufhebung unseres Sterbens86. Der Abbau des alten Leibes ist das Über-
kleidetwerden mit dem neuen geistlichen (I Kor␣ 15,37f.; II Kor␣ 5,1–4)87. So

82 Die von Jüngel herausgearbeitete totale »Beziehungslosigkeit«, die dem Tod als

solchem zukommt, ist derart überwunden (cf. Jüngel, Tod, aaO.␣ 99f.).
83 Entsprechend redet Althaus von Christus stets als von »dem aus dem Tode Le-

bendigen« (aaO. passim).


84 Cf. auch WA 49, 429, 15–20.
85 Mit dem täglichen Sterben, das wir an unserem Leibe tragen, wird auch das Leben

Jesu daran offenbar (I Kor␣ 15,31 u. II Kor␣ 4,10; cf. dazu WA 36, 609, 36–611, 17).
86 Cf. dazu Luther, WA 52, 248, 31–249, 14; 251, 7–15; 36, 161, 18–162, 17 (cf.

Walch2 XIIIb, 1876f.). Zu Luthers Osterpredigt überhaupt cf. E. Mühlhaupt, D. Mar-


tin Luthers Evangelien-Auslegung, 5. Teil: Die Passions- und Ostergeschichten …,
Göttingen 1950, 262–407.
87 Diesen eigentümlichen Zusammenhang hat Fr. Brunstäd in eindringlichen Über-

legungen zum Phänomen des menschlichen Leichnams und seiner Zersetzung dialek-
tisch zu denken versucht (cf. Gesammelte Aufsätze, 1957, 303ff.). Danach entspricht
eben der natürlichen Verwesung die Überwindung zum geistlichen Leib – in göttli-
cher »Tathandlung« (cf. besonders 306, 310f.). Von hier aus ergibt sich für Br. »der
Weg, der ins Mysterium der Auferstehung führt« (aaO. 306), denn: »Die Auferstehung
ist die geoffenbarte Bedeutung des Todes« (aaO.␣ 311). Bei dem Barock-Dichter D.C.
von Lohenstein liest man: »Ja / wenn der Höchste wird vom Kirch-Hoff erndten ein /
So werd ich Todten-Kopff ein Englisch-Antlitz seyn« (in: Blumen, Hyazinthen, Bres-
lau 1708, 50).
172 Kap. 6. Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes

war auch Paulus selber sich gewiß, eben durch seinen Tod unmittelbar ins
Leben mit Christus zu gelangen (Phil␣ 1,20b-23; II Kor␣ 5,8).

b. Das Geheimnis göttlicher Dynamis und Lebendigkeit bei der Überwin-


dung des Todes hat mit dem Zusammenhang von Negativität und Positivität
zu tun, genauer: mit der Negativität als Ursprungsort neuer Positivität. Die
Voraussetzungslosigkeit (Freiheit) göttlichen Tuns ist nur die äußere Seite
dieses internen Zusammenhangs, dem jetzt nachzugehen ist.
Wie mehrfach deutlich wurde, ist eben dieser Zusammenhang, der nur
scheinbar ein natürlicher ist ( Joh␣ 12,24; cf.␣ 16,21), von Paulus nicht zufällig
für den Gedanken der Auferstehung – als neuer Positivität aus dem Negati-
ven schlechthin in kraft göttlicher Macht – in Anspruch genommen worden
(I Kor␣ 15,36–38; cf. II Kor␣ 5,1–5). Und eben dieser Zusammenhang reflek-
tiert sich – in deutlicher Konsequenz – auch in der paulinischen Rede von
Kraft und Schwachheit. In beiden Kontexten, die eben, als eschatologisch
nur einer, tief zusammengehören, wirkt die Kraft Gottes verborgen am Ort
ihres Gegenteils, der fleischesschwachen und vergänglichen menschlichen
Existenz (cf. II Kor␣ 4,7 mit 10f. u.␣ 16)88. Diese in der irdischen Schwachheit
unaufweisbar-indirekt wirksame Kraft ist Auferstehungskraft – wirksam am
Ort des Todes, eingreifend in seine Macht und diese gerade so überwindend
(cf. II Kor␣ 12,9b)89. Für Paulus waltete dasselbe Gesetz von Schwachheit und
Dynamis auch schon im Leben und Sterben Jesu (II Kor␣ 13,3f.; cf. Röm␣ 1,4),
insofern eben genauestens aus seinem Tod (als Unterliegen unter der Macht
von Sünde, Tod und Gesetz) mit der Auferstehung Gottes Macht siegreich
hervorbricht, wie es dann wieder bei der endzeitlichen Totenauferstehung
bestimmend sein wird (I Kor␣ 15,43b)90. Es handelt sich, vermittelt durch das
Auferweckungshandeln am Gekreuzigten, um ein Überformt- und Auf-
gehobenwerden von Verweslichkeit in Unverweslichkeit (I Kor␣ 15,42b; cf.
V.␣ 50, 53a u. I Petr␣ 1,4), die mit der Herrlichkeit (Doxa) zusammengehört
(Röm␣ 1,23; cf. Röm␣ 8,21), wie sie Gott selber zukommt (Röm␣ 1,23 u.
I␣ Tim␣ 1,17) und das ewige Leben ausmacht (Röm␣ 2,7; cf. I Kor␣ 9,25). Un-
verweslichkeit und Leben sind eins (II Tim␣ 1,10; cf. I Kor␣ 15,52), und sie
kommen der Christusliebe zu (Eph␣ 6,24). Und wie die Niedrigkeit in Herr-
lichkeit (I Kor␣ 15,43a; cf. II Kor␣ 6,8), so wird das Sterbliche vom Leben
verschlungen werden (II Kor␣ 5,4), das die Unsterblichkeit bedeutet (I Kor␣ 15,
53b), die allein Gott selber zukommt (I Tim␣ 6,16). In solchem Umschlagen
in Gottes eschatologischer Dynamis91 wird die Vergänglichkeit dem ewigen
88 Cf. Grundmann, ThWbNT II, 317, 11–15.
89 AaO.␣ 318, 13–15f. Von dieser Dialektik ist bei Luther sehr häufig die Rede; hier
nur einige Stellen: WA 7, 585 (cf. 574 u.␣ 588), 586; 32, 122f.; 1,183, 39–184, 5.
90 Nach Joh␣ 11,4 dient die Schwachheit der d·xa!
91 Verewigung ist Verwandlung, Verklärung und Verherrlichung im Lichte der

Herrlichkeit Gottes, und ewiges Leben bedeutet gerade nicht ein »Perennieren«, son-
3. Der Tod des Todes 173

Leben selber dienstbar gemacht92 und der Tod in den Sieg »hineinverschlun-
gen« (I Kor␣ 15,54b). Die scheinbare »Torheit« Gottes, der entgegengesetzten
Macht in Schwachheit zu begegnen, ist in Wahrheit die Stärke seiner Macht,
die sich am Nicht-Seienden als die stärkere und d.h. schöpferisch erweist
(I␣ Kor␣ 1,25 mit 28). Diese Verkettung ist geradezu strukturell für das Evan-
gelium. Von diesem Geheimnis der Negativität redet Dalferth in universeller
Perspektive, wenn er feststellt, daß, weil »Gottes Handeln immer durch das
Nichtsein hindurch vermittelt«, es überhaupt alle Sachverhalte und Zusam-
menhänge der Welt »durch das Nichtsein hindurch zusammenhält«93. Weil das
so ist, kann mit Hinblick auf Gottes Schaffen überhaupt sinnvoll von »einem
einzigen, in sich differenzierten Handlungsvollzug« geredet werden94. Damit
ist zu Recht festgehalten, daß es im göttlichen Handeln so etwas wie Konti-
nuität nur über Diskontinuität vermittelt gibt. Insofern liegt sie zwar »einzig
in Gottes schöpferischem Handeln«95, – dies ist aber nicht so zu verstehen,
daß unser Rekurs auf den »einen Gott« als solcher schon die Vorstellung von
Kontinuität garantiert, die eben von der Kontinuität dieser unserer Vorstel-
lung gar nicht zu unterscheiden ist. So würde Gott – als formeller Garant –
nur ein Wort für eine sonst nicht gegebene und nur postulierte »Kontinuität«.
Sondern: Gottes schöpferisches Handeln muß als aus sich und in sich »Kon-
tinuität« in radikaler Diskontinuität hervorbringend bzw. stiftend gedacht
werden, d.h. aber als schöpferisch gerade in oder an der Negativität selber: als
die Macht, das Negative an ihm selbst positiv sein zu lassen.
Wir versuchen, uns diesem logischen Kern der Frage durch erneute Be-
zugnahme auf die Auferstehung zu nähern.
Vor und außerhalb der Auferstehung sind Gott und Tod in unbezüglicher
Andersheit voneinander getrennt. Ist der Tod als (sich selber überlassenes)
Zuendegehen, sich ins Nichts Auflösen ein Phänomen des endlichen, irdi-
schen Seins, so ist für Gott gerade die selige Vollendung des in sich ruhenden,
ewigen Lebens kennzeichnend. Grenzt mit dem Tod das Nichts ans Sein und
zehrt das Leben auf, so steht das Leben Gottes in seinem Ganz-Anders-Sein
dem in unnahbarer Ferne, ohne irgendeine Berührung mit Tod und Nichts
gegenüber. Genau das ist unter den Bedingungen der Auferstehung anders:
Gott und Tod lassen sich nicht mehr (einfach) auseinanderhalten. Weil Gott
in seiner Identifikation mit dem toten Jesus jenen unendlichen qualitativen
Abstand von sich selber her überbrückt hat, ist nun der Tod so etwas wie ein

dern Auferwecktsein der Toten aus bzw. in Gottes Lebensmacht (cf. anders Pannen-
berg, Grundfragen systematischer Theologie 2, 156).
92 Ebeling spricht von einer »Intensivierung des Bezugs von Ewigkeit und Zeit« im

Christusgeschehen, aaO.␣ 355.


93 Der auferweckte Gekreuzigte, aaO.␣ 59; cf. 79.
94 AaO.␣ 279.
95 AaO.␣ 79.
174 Kap. 6. Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes

Übergang – statt bloßer Abbruch; d.h. das Sterben wird zu einem Sterben in
Gott und sein ewiges Leben hinein.
Was ist oder bewirkt ein solches schöpferisches Zusammenkommen von
Gott und Tod, wie sie in der Botschaft von der Auferweckung des Gekreu-
zigten zusammengesprochen werden? Es handelt sich um ein Anknüpfen
Gottes über den Hiatus des Nichtseins hinweg. Damit verliert der Tod seine
Eindeutigkeit (als definitives Ende), und zwar durch Integration in Gottes
Leben, und wird so selber zum Möglichkeitsort von Hoffnung über ihn
hinaus. Derart wird mit der Auferstehung die strickte Trennung von Dies-
seits (als heillos auf sich fixierter Endlichkeit) und Gottes Jenseits aufgeho-
ben96. In dieser Weise verändert die Auferweckung Jesu die Wirklichkeit
überhaupt: sie wird mehr als sie selbst in ihrer unmittelbaren Vorfindlich-
keit97.
Doch wie ist alles dieses als von Gott aus möglich zu denken? Deutlich
wurde schon: an Tod und Nichts die es übergreifende schöpferische Macht
zu realisieren, heißt das Nichtsein zu negieren98. Eben dies ist die Frage nach
der innersten Lebendigkeit Gottes selbst, die als solche schon todüberwin-
dend (und nicht nur -aussparend) und schöpferisch ist99. Das besagt, Gottes
Macht, das Nichtsein zu negieren, so daß es zum Ort neuen Seins wird, hat
zu tun mit Gottes eigenem lebendigen Sich-im-Sein-Halten. Weil Gott le-
bendig ist und so Nichtsein durch sich verneint, kann er es in sich aufneh-
men100, und indem er das tut, überwindet er es als isoliertes Negatives außer
sich.
Es ist darum von tiefer Stimmigkeit, daß Hegel, der über den internen
Zusammenhang von Positivem und Negativem wohl am gründlichsten nach-
gedacht hat, die Auferstehung Jesu Christi – so anders im Ganzen seine Sicht
theologischer Fragen ist! – mit lutherischem Anklang in eben demselben
Begriff zu fassen versucht, der formell für sein Verständnis von der Leben-
digkeit des Lebens leitend ist, nämlich »Negation der Negation«: »Der Tod
Christi aber ist der Tod dieses Todes selbst, die Negation der Negation«101.

96 Die sog. »präsentische Eschatologie« im Joh.-Evangelium ist von hier aus ver-

ständlich zu machen.
97 In diesem Sinne habe ich oben vom Werdestand der Schöpfung oder auch von

der Wirklichkeit als Weg zu ihrer Wahrheit geredet.


98 Das muß so streng gefaßt werden, daß am Überwinden des Negativen der

Begriff von Macht selber erst zu definieren ist: »Macht besteht nur darin, sich im
Negativen seiner zu erhalten« (Hegel, Suhrkamp-Werkausgabe, Bd.␣ 13, 234).
99 Cf. über Gott und das Nichts WA 32, 122, 39–124, 16.
100 »So in Gott selbst enthält die Qualität, Tätigkeit, Schöpfung, Macht usf. we-

sentlich die Bestimmung des Negativen« (Wissenschaft der Logik I, (Hg. G. Lasson,
1963, Phil. Bibl. 56), 70).
101 Religionsphilosophie II (Suhrkamp-Werkausgabe, Bd.␣ 17), 292. Cf.: »daß Gott

es ist, der den Tod getötet hat, indem er aus demselben hervorgeht« (ebd. u.␣ 291).
3. Der Tod des Todes 175

Der Tod des Todes entspringt dem innersten Selbstsein Gottes102, das das
Negative mit sich selbst überwindet (Negation der Negation)103. In solcher
Selbstbezüglichkeit der Negativität besteht die eigentliche unendliche Le-
bendigkeit Gottes104 und hat er sein allmächtiges Selbstsein. Mit diesem Ge-
danken der Selbstbezüglichkeit der Negativität ist freilich ein Letztes für den
Gedanken berührt105, der Gottes schöpferische Macht am Tode aus dessen
eigenstem Leben heraus verstehen will: die Auferweckung als Negation der
Negation Gottes im Tod106.

c. Auf diesem Hintergrund kann man sagen, daß das Osterzeugnis abschlies-
send den Glauben an den lebendigen Schöpfer-Gott begründet107. Und um-
gekehrt gilt, daß der christliche Gottesgedanke als solcher von der escha-
tologischen »Durchbrechungserfahrung« bestimmt sein muß, die Ostern be-
deutet108. Christlicher Glaube ist wesentlich der »Glaube, daß sich Gott an
Jesu Tod als Gott erwiesen hat« und gründet insofern überhaupt in dem
»Taterweis Gottes« eben als des lebendigen Gottes109. Wirklich ist Gott (auch
für uns) allein als der, der sich am Gekreuzigten als der Lebendige schlechthin
erweist110. Er ist lebendig als der unbegreiflich Schöpferische (Röm␣ 4,17),

102 Auch Hegel behauptet, daß, indem die Negation in Gottes Wesen immanent

und der Tod Moment in Gott selbst wird, Gott wahrhaft Subjekt ist; cf. Religions-
philosophie I (Suhrkamp-Werkausgabe, Bd.␣ 16), 421–423.
103 Zu dieser Denkfigur (schon vor Hegel) cf. Hist. Wörterbuch der Philos. Bd.␣ 6,

Sp. 686ff.
104 Über Unendlichkeit als Negation des Nichtseins cf. Tillich, STh I, 224 u.␣ 290

mit Hegel, Wissenschaft der Logik I, aaO.␣ 138. Tillich denkt eben wegen dieser Selbst-
bejahung gegen das Nichtsein Gott als lebendigen Gott (Gesammelte Werke XI, 133)
und denkt so das Leben überhaupt (STh III, 456 u.␣ 457) – mit Berufung auf Hegel
(STh I, 306 u.␣ 315f.). Hegel handelt von der Negation der Negation als Quell aller
Lebendigkeit (als sich aus sich erzeugende Bewegung) in: Wissenschaft der Logik II
(aaO. Bd.␣ 57), 16, 33, 58f., 375, 496 (!).
105 Cf. meinen – diese Frage vornehmlich an Tillich genauer diskutierenden –

Aufsatz: »Die Macht des Negativen«, in: G. Hummel (Hg.): Natural Theology versus
Theology of Nature?/Natürliche Theologie versus Theologie der Natur? (Berlin –
New York 1994, TBT 60), 212–234 (bes. 228ff.).
106 Tillich deutet auch »Auferstehung« (und Erlösung) von der Negation des Ne-

gativen her, cf. STh II, 169 u.␣ 179.


107 Cf. Goppelt, Theologie des Neuen Testaments, aaO.␣ 297 (3.).
108 Dalferth, aaO.␣ 212. Es ist daher schlechterdings unerfindlich, wie etwa Hirsch

anders als ganz uneigentlich vom »lebendigen Gott« (bzw. Jesus als lebendigem Herrn)
reden kann, wenn er grundsätzlich »die Ewigkeit … das uns schlechthin in Gestalt-
losigkeit Verborgene« nennt (aaO.␣ 70). Die damit gekoppelte Prämisse: »Der Tod ist
die Grenze alles Wissens« (ebd.) ist theologisch eine schlichte petitio principii!
109 Cf. Ebeling, aaO.␣ 308.
110 Daß an Jesus das Wunder Gottes (sichtbare) »Tat geworden sei«, hält Kittel (Die

Auferstehung Jesu, in: Deutsche Theologie 4 (1937), 163) für den entscheidenden
theologischen Nenner des Christentums: »Gott! Kundmachung der Wirklichkeit des
176 Kap. 6. Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes

der als solcher der totenerweckende Gott ist ( Jes␣ 26,19; Dan␣ 12,2.9), und das
besagt: der Alles (neu) Belebende (I Tim␣ 6,13)111. Gott ist schöpferisch in
kraft seines ewigen Lebens: »das Eine, das mitten im Tode sich wandelt in der
Erscheinung, um im Wandel nun erst recht sich als das Eine zu bewähren«112.
So qualifiziert die Auferweckung Christi das göttliche Leben. Denn die
Auferstehung besteht in nichts anderem, als daß Gott Jesus »in seine Nähe«
holt. Und kann, in Gottes ewige Nähe zu gelangen, etwas anderes sein als
Leben?113 Da kann auch der Tod keine trennende Grenze bedeuten. Wie
Gott diesseits und jenseits des Todes gegenwärtig ist, so heißt in seine Nähe
kommen, neu und anders mit dem eigenen Leben zusammenzukommen,
nämlich auch jenseits des eigenen Todes, und so sich selber neu gegenwärtig
zu werden114.
Die Auferweckung Jesu Christi ist theologisch primär als ein Ereignis im
göttlichen Leben selber zu begreifen, von dem die Ostererscheinungen die
Ausstrahlung in die Menschenwelt, Gottes eschatologisches Ankommen in
seiner Schöpfung, darstellen – ein Ausstrahlen, daß freilich nicht zufällig oder
gar entbehrlich ist, sondern wesentlich zu jenem innergöttlichen Ereignis, als
einem der Liebe Gottes (s.u.), hinzugehört. Aber wie wäre, was Ostern »hier«
geschah, überhaupt zu verstehen, wenn nicht von Gottes eigener, interner
Lebendigkeit her?
Das ist so grundsätzlich zu denken, daß die Gottheit Gottes theologisch
nicht unter Absehen von der konkreten Geschichte dessen auszusagen oder zu
denken ist, den Gott von den Toten auferweckt hat115. Die Geschichte Jesu
Christi und Gottes Handeln als lebendiger Gott gehören untrennbar zusam-
men; jene Geschichte (als irdisch-menschliche) ist die »Geschichte Gottes«116.

lebendigen Gottes an Menschen, auf daß sie diese Wirklichkeit im Glauben ergreifen
möchten« (aaO.␣ 168).
111 Auch Ebeling bestimmt Gottes Sein als Tätigkeit schlechthin, und diese als

»lebenspendendes Leben« (Dogmatik des christlichen Glaubens I (1979), 231 u.␣ 233).
112 Barth, Die Auferstehung der Toten, aaO.␣ 109.
113 »Nichts, was in ihm [sc. Gott] ist, zerfällt oder verlöscht, wird gehemmt oder

gebunden, sondern … ist lauter Lebendigkeit« (A. Schlatter, Erläuterungen zum NT,
1. Bd. (1922), 63). Cf. über Gott als den Lebendigen, für den die Toten leben, schon o.
Kap.␣ 1, S.␣ 17ff.
114 Über die Frage des Ich-Seins im ewigen Leben cf. meinen o. Einl. Anm.␣ 13

genannten Aufsatz, aaO.␣ 67ff., bes. 75f.


115 Cf. dazu Dalferth, aaO.␣ 148f.
116 AaO.␣ 141. Dalferth spricht auch von Gottes »Selbstkonstitution durch interne

Selbstdifferenzierung« (227), um so den Begriff des göttlichen Handelns grundsätz-


lich (und trinitarisch) denken zu können: »als einen intern differenzierten Prozeß
göttlicher Selbstkonstitution, Selbstorganisation und Selbstkommunikation« (aaO.␣ 205,
im Anschluß an Chr. Schwöbel). In diese »Geschichte« der Selbstsetzung göttlicher
Lebendigkeit gehört als wesentliche Neubestimmung das Ereignis der Auferweckung
Jesu Christi wesentlich hinein: als zeitliches Sichvoraussetzen dessen, was Gott in
Ewigkeit ist.
3. Der Tod des Todes 177

Gilt als Essenz des Ostergeschehens, »daß Jesus und Gott unwiderruflich
zusammengehören«117, so bedeutet das gerade angesichts seines Todes am
Kreuz ein neues Konfrontiertssein mit Jesus von Nazareth, der als Auferstan-
dener uns zugut als Gestalt der ewigen schöpferischen Macht Gottes erschie-
nen ist. Darin kommt Gottes Leben – sich als das Leben schlechthin erwei-
send – an uns; denn indem Gott sich mit dem Gekreuzigten identifiziert, hat
er sich neu mit jedem Menschen identifiziert, um ihn in sein ewiges Leben
zu ziehen.
Fragt man, wie denn »die Geschichte des gekreuzigten Jesus von Naza-
reth« überhaupt konstitutiv »auf das Leben Gottes selbst« bezogen werden
kann118 , so ist zum einen davon zu reden, wie Geschichte und Leben Gottes
überhaupt kompatibel werden können, und zum andern, daß sie vom gött-
lichen Handeln umgriffen werden.
Erstens, nur weil und insofern Gott als in sich Lebendiger sein Leben hat
bzw. besser: sein Leben ist (s.o. Abschnitt 6.2.) und darin so etwas wie eine
ewige Geschichte des Werdens zu sich als ewiges Aus-sich-Sein (esse a se im
Sinne von causa sui), kann überhaupt eine zeitliche Geschichte (eben die
Jesu) zu ihm in Beziehung gesetzt werden bzw. kann er sich selber dazu in
Beziehung setzen und kann er sie in die Beziehung zu sich selber als Moment
des eigenen Lebens hineinnehmen.
Zweitens, insofern Gott sein Leben hat als der primär an sich Handelnde,
sein Handeln also Erscheinung seiner Lebendigkeit und sein Leben Vollzug
ewigen Handelns ist, läßt sich das »Verhältnis von geschichtlichem Ereignis
und umfassender Realität göttlichen Handelns«119 konkret so denken, daß
das göttliche Handeln die Wirklichkeit ist, die jenes geschichtliche Ereignis
von Jesu Leben und Sterben derart »umfaßt«, daß es als Ort ihres (seines)
Sichdarstellens und als Moment von Gottes sich als ewig Lebendiger immer
neu Hervorbringens ist und nur von daher »wahrheitsgemäß« in Betracht
kommt120, d.h. das Ereignis der Wahrheit ist ( Joh␣ 14,6).
Beides zusammengenommen, ist zu sagen: dies In-Beziehung-Setzen der
Geschichte Jesu Christi mit Gottes eigenem Leben derart, daß im Leben des
auferweckten Gekreuzigten Gott sein ewiges Leben selber durchsetzt, voll-
zieht und besitzt, ist Sinn der Rede von der ewigen Gemeinschaft von Vater
und Sohn nach der Auferweckung Jesu von den Toten, die Gott selber in
Auferstehung und Erhöhung herstellt. Das entsprechende Handeln Gottes in
dieser Geschichte ist mit dem joh. Wort did·nai (im Perf.) bezeichnet und
hat seinen grundsätzlichen Ausdruck Joh␣ 5,26 gefunden (s.o.␣ 6.2.).
Daß Gott sich mit seinem Auferweckungshandeln zum gekreuzigten Jesus
in schöpferische Beziehung gesetzt hat, bedeutet nun aber immer auch, daß
117 Ebeling, aaO.␣ 307; cf. 309.
118 Formulierungen Dalferths, aaO.␣ 56.
119 AaO.␣ 60 Anm.␣ 42.
120 Cf. H.-G. Geyer bei Dalferth, ebd.
178 Kap. 6. Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes

der Tote und sein abgeschlossenes, vergangenes Leben zu einem wesentli-


chen Moment von Gottes eigenem Leben integriert werden121. Das besagt:
damit der aus dem Tode Lebendige ewig wie Gott selber sein kann, muß auch
sein Tod (als stets schon überwundener) im Leben Gottes durchsichtig prä-
sent sein. So ernsthaft ist zu denken, daß Gott den Tod (auch unsern) in sich
hineinnimmt, daß in der Tübinger Orthodoxie formuliert werden konnte:
»Als Christus starb, war ein Leichnam in der Dreieinigkeit selbst«122. Das
früher behandelte Jesus-Wort über die Toten: »denn sie leben alle vor ihm«
(Lk␣ 20,38; s.o. Kap.␣ 1) erhält so einen unerhört realistischen christologischen
Sinn.
Daß dieser Tote lebt und daß darum Gott der Dreieinige ist, in dessen
Leben der auferweckte Gekreuzigte seinen ewigen Ort hat, daß also Ostern
für die Ausbildung der Trinitätslehre das auslösende Datum ist, ist bereits
oben zur Sprache gekommen (6.1.). Man kann, um die Erhöhung Jesu zum
lebendigen Kyrios als Implikat der Auferstehungserfahrung zu verdeutlichen,
auch sagen: die Auferstehung war Anlaß dafür, daß den Jüngern aufging, daß
Jesu Sein und Geschick ein ewiger Gedanke Gottes war bzw. ist und daß Gott
sich mit diesem Menschen und seinem Leben und Sterben in Ewigkeit so
verbunden hat, daß er sich darin sein eigenes Leben bereitet. Das gibt Gele-
genheit, im Kontext der genaueren Erörterung des göttlichen Lebens, wie sie
hier versucht wird, noch einmal auf die Frage zurückzukommen, wie sich
Gottes schöpferischer Blick auf Jesus (das Ereignis der Auferweckung) und
Gottes schöpferische Sicht seiner selbst (seine innere Lebendigkeit) zueinan-
der verhalten123. Einmal, indem Gott den toten Jesus zusammen mit seinem
vergangenen Leben in sein eigenes Leben hinein »auferweckt«, d.h. mit sei-
nem eigenen Leben schöpferisch identifiziert und zusammenschließt, »sieht«
Gott dieses sein Handeln als sein Leben bzw. ist er sich selber in solchem
Handeln als lebendig mit sich eins durchsichtig. Er weiß sich allmächtig han-
delnd als der Schöpfer und ist seines ewigen Lebens auf lebendige Weise ewig
inne: »hat das Leben in sich selbst« ( Joh␣ 5,26). Sodann, Gottes schöpferische
Sicht seiner selbst ist Gottes ewiges sich als Gott Wissen und aus sich Hervor-
bringen. Darin ist Christi Auferweckung als ewiges Handlungs- und Selbst-
vergewisserungsmoment Gottes selber und seines Wesens als Liebe einbezo-
gen. In Gottes Sicht seiner selbst gehören Weltschöpfung aus dem Nichts und
Auferweckung von den Toten (Röm␣ 4,17ff.) ewig zusammen als der innerste
Quellpunkt seiner Macht und göttlichen Lebendigkeit. In Christi Auferwek-
kung weiß Gott – in schöpferischem Anschauen – seine eigene Lebendigkeit.
121 Es ist eigentlich unerfindlich, wie man diesen metaphysischen Sachverhalt als

Wiederbelebung im biologischen Sinn überhaupt mißverstehen kann.


122 Moriente Christo in ipsa Trinitate funus fuisse (St. Gerlach); zit. nach J. Baur,

Luther und seine klassischen Erben (1993), 305 u. Anm.␣ 53.


123 Mit diesen Formeln Dalferths (cf. aaO.␣ 81 u.␣ 82) wurde o. S.␣ 52 Gottes Han-

deln bei der Auferweckung wiedergegeben.


4. Pneuma, Dynamis, Doxa 179

In solcher Weise ist das Wo des Auferstandenen Gottes Weltverhältnis,


insofern dies in seinem Selbstverhältnis begründet und eingelagert ist. Der
auferweckte Gekreuzigte teilt (gerade auch als Mensch) das Leben Gottes124
und so auch immer die göttliche Wirksamkeit an der geschaffenen Welt125.
Gilt als Grundauffassung des Neuen Testaments: »Leben ist im wesentli-
chen Bezug auf Gott«126 – im Schöpfungsglauben des AT ist das begründet
(cf. Ps␣ 104,29f.) –, so gehört unser menschliches Leben seit Christi Aufer-
weckung nicht nur in diesen Bezug, weil wir es dem Schöpfer verdanken,
sondern wesentlich neu und potenziert deshalb, weil wir zur Teilhabe an
Gottes ewigem Leben berufen sind. Daß Gottes Leben selber ewiges Leben
ist, besagt demgegenüber, daß es nur sich selbst sich verdankt, nur auf Grund
von Gottes eigener Tätigkeit unerschöpfliches Leben ist127. Und die Kraft
(dynamis) von Christi Auferstehung (Phil␣ 3,10) ist nichts anderes als diese
Kraft (dynamis) unauflöslichen Lebens (Hebr␣ 7,16; cf. Eph␣ 1,19f.).

4. Pneuma, Dynamis, Doxa

a. Von den in diesem Abschnitt in ihrem Zusammenhang mit der Auferste-


hung Jesu Christi zu verhandelnden Hauptbegriffen des göttlichen Lebens
ist der des hl. Geistes (Pneuma) in früheren Kapiteln immer schon verwendet
worden. Das war durch den Sprachgebrauch des Neuen Testamentes ebenso
wie durch die Auferstehungsthematik selber nahegelegt und ist jetzt noch
einmal für sich in den Blick zu nehmen.
Ohne daß an dieser Stelle der Begriff des Geistes bzw. des göttlichen
Geistes systematisch entfaltet werden kann, dürfte einleuchten, daß er zum
Lebensbegriff in enger sachlicher Beziehung steht128. Weil der Geist als Ur-
sprung des Lebens überhaupt gedacht werden kann129, ist es plausibel, ihn
auch als Kraft der Auferstehung zu neuem Leben zu denken (Röm␣ 8,11).
Denn es geht beim Reden vom Geist in der Sache immer um das eigentüm-
liche Verhältnis von Negativität und Positivität, wie es im vorhergehenden
Abschnitt (3.) erörtert wurde, insofern mit Geist die sich aus der Negativität
ihrer selbst mit sich vermittelnde Identität und ein im Andern seiner selbst

124 Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie 2, 170.


125 Mildenberger, TRE 4, 559.
126 Koch, aaO.␣ 159.
127 Zur Ergänzung dieses Satzes durch Gottes Liebe-Sein s.u. Kap.␣ 6.4.b., S.␣ 172ff.
128 Cf. beispielhaft P. Tillichs große Darlegung im 3. Bande der Systematischen

Theologie: »Das Leben und der Geist« (aaO. STh III, 21ff.) und dazu meine Analyse
»Der Geist und die Geschichte« (Geist als Dimension des Lebens), in: H. Fischer (Hg.),
Paul Tillich – Studien zu einer Theologie der Moderne (Frankfurt a. M. 1980), 231–
243.
129 Cf. bes. Pannenberg, STh II, 388.
180 Kap. 6. Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes

über den Widerspruch hinweg Zusichkommen und Sichwiederfinden ge-


dacht wird, wie es gleichfalls für den Lebensbegriff kennzeichnend ist. Weil
Gott sein Leben hat und aus sich erzeugt, indem er auch im Andern seiner
mit sich identisch ist – sein Leben ist die lebendige Einheit von Einheit mit
sich und Selbstentäußerung –, und weil das göttliche Handeln als der aktuelle
Vollzug dieses ewigen Lebens gedacht werden muß, ist es zwingend, auch
»den Begriff des Handelns Gottes konsequent pneumatologisch zu entfal-
ten«130 – was eben für das Thema Auferstehung spezifisch relevant ist. Denn
von Pneuma als Inbegriff göttlichen Handelns muß bei der Auferweckung
gesprochen werden, um die Kontinuität Gottes selber in aller empirischen
und menschlichen Nicht-Kontinuität, wie sie der Tod bedeutet, und über sie
hinweg auszusagen: es ist Gott allein – in seinem Geist –, der die Identität des
gekreuzigten Jesus und der unsere zukünftige Identität gegen den Augen-
schein des Nichts lebendig wahrt bzw. wiederherstellt. Denn das pneúma
jeoú (Röm␣ 8,9a), das ist eben das Pneuma dessen, »der Jesus von den Toten
auferweckt hat« (V.␣ 11).
Gottes pneumatisches Handeln, das ist vornehmlich – man könnte sagen:
paradigmatisch – auferweckendes Handeln, und die Auferweckung Jesu von
den Toten ist das pneumatische Geschehen schlechthin131. Denn eben in der
Auferweckung des Gekreuzigten erweist sich der Schöpfer selbst als lebendi-
ges Pneuma bzw. der Geist als selber schöpferisch (creator spiritus). Der Geist
als Vermittlungsmacht über Tod und neues Leben manifestiert sich im Über-
gang vom Tod zur Auferstehung schon beim Tode Jesu selber (Lk␣ 23,46):
indem der Sterbende seinen Geist aufgibt (†xfipneusen), läßt er ihn in Gottes
kreativer Macht aufgehoben sein (»in deine Hände befehle ich mein
Pneuma«)132. Sterben ist – in kraft des lebendigen Geistes – Auferstehen in
Gott. Dieser in Jesu Erhöhung zum ewigen Gottessohn wirksame Geist ist die
Manifestation göttlicher Dynamis (Röm␣ 1,4)133. Und das Leben des Gekreu-
zigten ist Gottes eigener Tatbeweis des pneúma und der d‚nami“ (I␣ Kor␣ 2,4).
Die schöpferische Dynamis Gottes ist als Geist lebenschaffend (zwopoieõn,
Röm␣ 8,11). Was an dem toten Jesus geschah, wirkt dieser schöpferische Geist

130 Dalferth, aaO., 235. Cf. auch den Hinweis auf die trinitarischen Bezüge dieses

Redens vom Handeln als Pneuma: »Im Wirken des Geistes konkretisiert Gott sich
selbst, insofern er sein Leben als Prozeß der Selbstkonkretisierung durch pericho-
retische Ausdifferenzierung von Vater, Sohn und Geist vollzieht. Diese sind, was sie
sind, jeweils nur in und aus den anderen. Durch das ständige Sich-Unterscheiden und
Sich-in-Beziehung-Setzen von Vater, Sohn und Geist ist Gott daher lebendig und
konkretisiert ewig sein göttliches Leben« (aaO.␣ 236).
131 Darum konstituiert sich in diesem Ereignis auch Gottes trinitarisches Leben als

solches; s.o. zur »Erhöhung« (s.o. S.␣ 147f.).


132 Hier vollzieht sich die für die trinitarische Wirklichkeit konstitutive Selbst-

unterscheidung Jesu vom Vater als sein Einssein mit ihm.


133 Der hier genannte »Geist der Heiligung« kommt den Glaubenden als »Gerech-

tigkeit« zugute, s. dazu u. S.␣ 175f.


4. Pneuma, Dynamis, Doxa 181

ebenso an den sterblichen Glaubenden: er macht sie lebendig in ihren Lei-


bern (s„mata, ebd.). Darum ist Christus zu einem sùma pneumatik·n aufer-
weckt, wie auch wir es werden (I Kor␣ 15,44)134.
Die Identität zwischen dem irdischen Jesus und dem auferweckten Christus
ist über die äußerste Negativität von Gerichtszorn und Tod hinweg die über-
gegenständlich lebendige Identität des Pneuma, das schöpferisch wirkt: der-
selbe in radikaler Verschiedenheit. Als dieser sich im Andern seiner lebendig
Fortsetzende ist der Geist auch das Prinzip der Erscheinungen des Auferstan-
denen selber. Das ist so streng zu fassen, daß sein Erscheinen für die (eben
dadurch) Glaubenden genau das Weitergeben des heiligen Geistes ist ( Joh␣ 20,
22)135. Die Erscheinungen des auferweckten Gekreuzigten waren lebendiges
Geistgeschehen (cf. I Kor␣ 12,3)136. Denn eben weil das schöpferische
Kommunikationsgeschehen, das Pneuma ist, das neue Lebensprinzip und die
eigentliche Lebensmacht des Auferweckten und seiner pneumatischen Leib-
lichkeit (sùma pneumatik·n) sind, darum ist der heilige Geist auch Prinzip
aller Weisen, in denen Jesus Christus mit uns, bei uns, in uns und für uns da
ist137. Dergestalt ist das Pneuma des Auferstandenen bzw. er als lebendiges
Pneuma Gottes selber spiritus creator im Verhältnis zu den Glaubenden: als
der wahre Mensch, in dem Gott ist, das pneúma zwopoioún (I Kor␣ 15,45b).
»In« Christus Jesus und durch ihn wird der Geist des Lebens (tÖ pneúma
tö“ zwö“) mächtig (Röm␣ 8,2), und bei denen, »in« denen er anwesend ist, ist
das Leben des Geistes als lebenschaffend wirksam durch ihn (cf. V.␣ 11;
zwopoiflsei). Zu Christus gehören, das heißt daher, sein Pneuma haben
(Röm␣ 8,9b), das Gottes ist (9a). Die Rede vom »Christus in uns« ist Rede
vom Geist als heiligem Geist: sein Geist in unserm Geist, d.h. Gottes Geist am
Orte unseres Selbst. Vom heiligen Geist als Glaubender bestimmt sein, heißt
daher, in der Gegenwart des Gekreuzigten und Auferweckten selbst zu leben:
dem Absterben der Sünde und ihres Leibes abgewandt und dem Geist, der
Leben ist, in kraft von Christi Gerechtigkeit zugewandt (Röm␣ 8,10 u. I␣ Petr␣ 3,
18)138. Denn sein Geist ist Leben durch Gerechtigkeit, und wer »in« Christus
ist (Röm␣ 8,1) bzw. »in« wem Christus ist (8,11), der ist befreit vom Gesetz des
Todes (Röm␣ 8,2), weil dem Gesetz gestorben, um dem Auferweckten zu
gehören (Röm␣ 7,4)139. Christi Tod um der Sünder willen führte zur Aufer-

134 Umgekehrt kann Dalferth sinnvoll sagen: »Die »Leiblichkeit« des Handelns

Gottes ist der Geist« (aaO.␣ 235).


135 Hier ist schon angedeutet, daß Gottes Geisthandeln sein Wirken als Liebe ist, cf.

dazu u. S.␣ 173f. und Dalferth, aaO.␣ 235.


136 Das psychologistische Mißverständnis dieses Satzes liegt ebenso nahe, wie es

nach allem Vorigen ausgeschlossen sein sollte.


137 Cf. Ebeling, aaO.␣ 339.
138 Cf. I Petr␣ 3,22, wo dieser Zusammenhang die Taufe strukturiert.
139 Zum Verhältnis von Gesetz (als tötend) und Auferstehung cf. WA 11, 183, 1–9.
182 Kap. 6. Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes

weckung – unserer Gerechtigkeit wegen (Röm␣ 4,25)140 – und d.h. zur »Ge-
rechtigkeit des Lebens« (5,18)141.
Gottes schöpferische Identifikation mit dem toten Jesus identifiziert auch
unser verfallenes Leben neu – im Geist: weil der Gekreuzigte auferweckt
wurde, kann der peccator zugleich ein iustus sein142.
Auferstehungsglauben heißt, in der Kraft des lebenschaffenden und leben-
erneuernden Geistes zu leben (Röm␣ 8,13b), so daß der Geist des Auferstan-
denen die lebensbestimmende Macht ist (8,9). Das ist Gottes Neuschöpfung
an uns: ein Leben in der »Neuheit des Pneuma« (7,6). Von dessen Macht im
Innersten lebendig bewegt, sind die Glaubenden »Gottes Kinder« (8,14; cf.
15f.) bzw. unterwegs zu diesem ihrem wahren, eschatologischen Sein (V.␣ 23):
reich an Hoffnung durch den heiligen Geist (15, 13). Dieser Geist ist zugleich
die Macht des ewigen Lebens, in das er hineinzieht (Gal␣ 6,8)143. Daher kann
Paulus das Geistgeschehen mit den Worten zusammenfassen: »(daß) die Gna-
de herrsche durch die Gerechtigkeit zum ewigen Leben durch Jesus Chri-
stus, unsern Herrn« (Röm␣ 5,21).
Geist ist die Kraft sich kommunizierenden Lebens, das sich stets neu als es
selber setzt; darum ist sein »Trachten« selber Leben (Röm␣ 8,6). Dies Pneuma
ist auch der Geist des Auferstandenen, der sich weitergeben will, auf daß sich
das Leben des dreieinig-lebendigen Gottes geisthaft im Leben der Glauben-
den wiederhole (cf. den Taufbefehl Mt␣ 28,19).

b. Daß der lebendige Gott »Geist« (Pneuma) ist ( Joh␣ 4,24), ist die eine nahe-
zu definitorische Aussage, die sich im NT über Gott findet. Ihr entspricht –
sicher nicht zufällig – die andere, daß der lebendige Gott »Liebe« ist (I Joh␣ 4,
8b)144. Auf diesen Begriff ist an dieser Stelle im Zusammenhang des Auf-
erstehungsthemas auch kurz einzugehen145.

140 Cf. I Petr␣ 2,24 u.␣ 3,18; 1,21. Über Auferstehung und Rechtfertigung cf. u.a.

Asendorf, Die Theologie Martin Luthers nach seinen Predigten (Göttingen 1988),
116ff. u.ö.
141 Die Rechtfertigungslehre muß als eine geschichtliche Interpretation der bibli-

schen Geschichte verstanden werden; diesen Bezug hat nachdrücklich R.R. Niebuhr
herausgestellt: »Das Evangelium von der Rechtfertigung durch den Glauben bedeutet
nichts ohne die konkreten historischen Ereignisse, die es interpretiert« (aaO.␣ 130).
Diese hinter der Rechtfertigungslehre stehenden geschichtlichen Ereignisse sind eben
Tod und Auferstehung Jesu Christi (cf. aaO.␣ 129), was Niebuhr – unter Verweis auf
Röm␣ 4,25 – für Paulus und den Römerbrief (129f.) und für die Reformation zeigt
(129).
142 So Künneth, aaO.␣ 141.
143 Paulus redet hier genauso vom »Säen« (spe‡rein), wie in eschatologischer Hin-

sicht I Kor␣ 15,36ff.!


144 Hinzu kommt noch die Aussage, daß Gott Licht ist (I Joh␣ 1,5).
145 Cf. o. Anm.␣ 135.
4. Pneuma, Dynamis, Doxa 183

Dieses ganze Buch versucht zu zeigen, »daß die Geschichte Jesu Christi
theologisch nur verstanden werden kann, wenn man sie ganz als Tat Gottes
und zugleich Gott von dieser Tat her ganz neu versteht«146.
Dieses Gott in seinem Gottsein qualifizierende Tun muß als ewige Liebe
gedacht werden, so daß als Wesensaussage gesagt werden kann: Gott ist
Liebe147. Das Liebeshandeln Gottes in der Geschichte Jesu Christi hat seinen
Mittelpunkt in seiner Auferweckung von den Toten, und von dieser her
kann erst mit letztem Wirklichkeitsernst gesprochen werden von »der Liebe
Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn« (Röm␣ 8,39). Es ist die Liebe,
die im unbedingten Selbsteinsatz das Verlorene sucht und zurückbringt und
d.h., das ihr unter der Macht von Sünde und Tod heillos entfremdete Leben
der Geschöpfe erlöst zur Gemeinschaft ewigen Lebens mit Gott. Insofern
dies in der Auferweckung des Gekreuzigten Realität geworden ist, ist die
Macht der Auferstehung die Macht von Gottes allmächtiger Liebe, und das
Thomas-Bekenntnis »Mein Herr und mein Gott« ( Joh␣ 20,28) besagt auch
schon: »Ich bete an die Macht der Liebe«.
Diese Auferstehungsrealität Christi ist, wie im zweiten Kapitel ausgeführt
wurde, eschatologisch auch die Auferstehung aller an ihn Glaubenden (Ab-
schn.␣ 2). Von ihrer Mitte im Auferstehungsereignis an Jesus Christus her
realisiert sich die göttliche Liebe durch die Geschichte hindurch in escha-
tologischer Allgemeinheit ausgreifend und sich betätigend in der Wieder-
vereinigung mit dem Entfremdeten bis zur Vollendung der Welt. Darum
meint der Satz, Gott ist Liebe, im umfassendsten Sinn die Geschichte göttli-
chen Handelns, mit der der dreieinige Gott148 sich in Menschwerdung, Auf-
erweckung und Vollendung in seiner Doxa149 an der Welt als ihre wahre
Wirklichkeit offenbart und durchsetzt150.
Das Ergriffensein von dieser wahren Wirklichkeit, die im Kommen ist, ist
der Glaube an den auferstandenen Christus (Röm␣ 8,34b). An diesem als dem
Erhöhten,durch den wir bei Gott ewig vertreten sind (V.␣ 34c), ist der Glaube
der unüberwindlichen Wahrheit aller Wirklichkeit inne (V.␣ 31 u.␣ 35), die in
Gottes eigenem Selbsteinsatz (V.␣ 32) und in seiner Selbstweitergabe (cf.
V.␣ 32b: p›nta) ihren Grund hat. Weil der aus den Toten Lebendige für den
allmächtigen Zusammenhang über alle Negativität hinweg, ja in ihr (V.␣ 35),

146 Cf. Dalferth, aaO.␣ 149.


147 Zur Präzisierung gegen ein sentimentales oder durch die »humanistische« Um-
kehrung (»Liebe ist Gott«) bestimmtes Verständnis dieses Satzes s.o. Kap.␣ 5.2.b. (S.␣ 126)
mit Anm.␣ 44.
148 Zu Gottes Handeln als Liebe des Dreieinigen cf. Dalferth, aaO.␣ 208.
149 Zum Zusammenhang der Auferweckung Jesu Christi mit Schöpfung und Voll-

endung s.o. Kap.␣ 5.1. und S.␣ 45f.; zu Gottes Selbstverwirklichung als Lebendiger in
Schöpfung und Selbsterniedrigung zur Versöhnung und Vollendung cf. auch Dalferth,
aaO.␣ 207 Anm.␣ 86.
150 Über Gottes Liebeshandeln als Offenbarung cf. Dalferth, aaO.␣ 206.
184 Kap. 6. Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes

einsteht, der die Lebendigkeit der ewigen Liebe ausmacht, darum kennt der
Glaube den Sieg (V.␣ 37), der Gottes Sieg schlechthin ist und als Tod des Todes
ewiger Sieg der Liebe ist, die Gott selber ist (I Kor␣ 15,54f.).
Die Auferweckung Jesu Christi gehört so zu Gottes Sein als Liebe, daß
Gott das, was er für sich ist – innertrinitarische Liebesgemeinschaft von Vater
und Sohn im Geist –, auch nach außen, in seiner Schöpfung, durch freie
Wiederholung seines Lebens an ihrem Orte, sein will. Daß Gottes Leben als
ewiges Leben zugleich die ewige Liebe ist, besagt daher, daß er sein Leben
nicht nur in sich hat und in solchem ewigen Sichselber-Lieben und -Besitzen
ewiges Genügen findet, sondern daß er sein Leben um Anderes erweitert
(Schöpfung), daß er dies Andere in sein Leben aufgrund lebendigen Han-
delns hineinnimmt (Versöhnung) und an seinem Leben ewig teilhaben läßt
(Vollendung). Gottes Leben ist nicht einfachhin Leben, sondern Liebe: im
Sichöffnen für Anderes und In-sich-Hineinnehmen von Anderem ein über
sich hinausgehendes und sich unendlich bereicherndes Leben. Gottes Liebe
ist sein eigenes Leben als integratives Leben: die Hingabe an und Vollendung
von anderem Leben schöpferisch heraufführendes Leben. Gottes Liebe ist
sein eigenes Leben als kommunikatives Leben: er kommuniziert sich – d.h.
sein trinitarisch-kommunikatives Leben – an uns, um uns zu wahrhaft in
Liebe Kommunizierenden zu machen.
Als der so ewig Liebende hat Gott sich in der Geschichte von Jesu Kreuz
und Auferstehung – als der Geschichte seines schöpferischen Verhältnisses
zur Menschheit – neu bestimmt151. Von Neubestimmung ist dabei zu reden,
weil Gottes Liebe Ausdruck seiner Freiheit ist. Die göttliche Freiheit ist nicht
die Beliebigkeit irgendeiner Selbstbestimmung zu etwas und auch nicht eine
akzidentelle Neubestimmung des (gleichsam schon fertig existierenden) gött-
lichen Subjektes. Sondern sie ist die Spontaneität des sich ewig als Gott
Hervorbringens und Selbstverwirklichens Gottes. Darum werden Gottes
Freiheit und Gottes Liebe-Sein als Neubestimmung seiner gefaßt: es handelt
sich um die Neubestimmung Gottes als des in Freiheit sein Leben ewig Re-
stituierenden bzw. um die Neubestimmung als des in Liebe ewig Lebendigen.
Weil die Liebe nicht sozusagen ein Naturgesetz des göttlichen Wesens ist, ist
sie – in Christus – Resultat seiner Neubestimmung, in der Gott ewig und
lebendig mit sich eins ist. Neubestimmung zur Liebe ist die zeitliche Erschei-
nung von Gottes Freiheit, wie sie im Kontext der Auferweckung des gekreu-
zigten Jesus sich handelnd manifestiert152.
Weil und insofern Gott in seinem Handeln ist, was er ist (esse est ope-
rari)153, bedeutet die Tatsächlichkeit der Auferweckung Jesu Christi, daß
Gott sich selber in der Zeit verändert hat – für alle Ewigkeit bzw. von Ewig-

151 Cf. Dalferth, aaO.␣ 131 u.␣ 135.


152 AaO.␣ 161 u.ö.
153 AaO.␣ 203.
4. Pneuma, Dynamis, Doxa 185

keit her für uns in der Zeit154. Diese Neubestimmung Gottes, in der Mensch-
werdung und Erhöhung Christi zu seiner Rechten zusammengehören, ist
eine Veränderung Gottes uns zugut – gleichsam im lebendigen Reagieren
auf die Schöpfung und ihren Fall –, die, wie sie aus Liebe geschieht, doch nur
die Selbstübereinstimmung der ewigen Liebe ist.

c. Das Handeln Gottes in der Auferweckung Jesu Christi hat ein Telos:
unsere Gerechtigkeit vor Gott (Röm␣ 4,25), d.h. unser Leben in der Macht
seiner Liebe. Ihre Dynamis ist die Verklärung unserer »Schwachheit«
(üsjene‡a) in ewiges Leben (I Kor␣ 15,43b; cf. II Kor␣ 13,2f.; 12, 9). Dies
ewige Ziel als erreichtes ist die Verwindung bzw. das Verwundensein unserer
»Verweslichkeit« (fjor›) und unsere »Niedrigkeit« (ütim‡a) in der himmli-
schen Doxa, der göttlichen Herrlichkeit selber, in der Gott lebt (cf. I␣ Kor␣ 15,
42 mit Röm␣ 8,21 sowie I Kor␣ 15,43a mit II Kor␣ 6,8 u. Röm␣ 1,21. 23).
Diese Doxa ist vorweg erschienen am auferweckten Gekreuzigten155, und
sein neues Leben mit den Seinen und für sie, sein Erscheinen bei den ersten
Jüngern und seine Glauben erweckende Kraft für alle späteren Jünger, ist ein
zeitlicher Abglanz dieser unausdenklichen und unvorstellbaren ewigen
Herrlichkeit Gottes selber (Hebr␣ 1,3). Denn der erhöhte Christus ist das
Abbild (bzw. wahre Ebenbild) Gottes eben in der Doxa (II Kor␣ 4,4; Joh␣ 1,14;
II Petr␣ 1,16), durch die er auferweckt wurde (Röm␣ 6,4; cf I Petr␣ 1,21)156.
Der Gott, der Licht werden ließ (Gen␣ 1,3), wie er selber alles verklärendes
Licht ist (I Joh␣ 1,5 u. Ps␣ 139,12), hat mit dem Aufstrahlenlassen seiner Doxa
auf dem Angesichte Jesu Chrisi die ganze Schöpfung vollendet (II Kor␣ 4,6).
Indem er in den Glaubenden dieses selbe Licht zur Erkenntnis Jesu Christi
leuchten läßt, will er uns in dessen und seine Doxa verwandeln (II Kor␣ 3,18).
Was als himmlische Herrlichkeit des verklärten Kyrios Jesus mit seiner Auf-
erstehung vollendet ist, das wartet als vollkommene Verklärung, d.h. ein Sein
ohne Sünde, Tod und irdische Mängel (cf. Röm␣ 8,8 u.␣ 35), auf die, die zu
ihm gehören. Das Eschaton, das mit der Auferstehung Christi antizipiert
wurde, ist auch deren zukünftige Herrlichkeit (Röm␣ 8,17f.: mfillousa d·xa).
Glaube ist das Warten darauf (Tit␣ 2,13), die lebendige Hoffnung auf die
Doxa Gottes als Wahrheit aller Wirklichkeit (Röm␣ 5,2b; Kol␣ 1,27). Diese
verheißene Herrlichkeit bei Gott ist unüberbietbare Lebensvollendung
(I␣ Kor␣ 15,42f.; Röm␣ 8,20f.; II Tim␣ 2,10), worin alle Nichtigkeit durch
Lebensbehinderung und -zerstörung einschließlich des Todes als letztem

154 Daher spricht Dalferth von einer Neubestimmung auch des Gottesverständ-

nisses durch Gott selbst (aaO.␣ 160).


155 Gott hat am toten Jesus seine Doxa offenbart; cf. Jüngel, Tod, aaO.␣ 136.
156 Hier wäre der eigentliche Sachverhalt des (wechselseitigen) »Verklärens« (oder

»Verherrlichens«␣ =␣ d·xasjai) im Joh zu vergleichen (cf. z.B. 12,23.28; 13,31; 17,1.4.


u.␣ 10), s. dazu kurz u. S.␣ 178.
186 Kap. 6. Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes

Lebensfeind ewig überwunden ist157. Weil und indem Gott in Jesus Christus
sich mit seinem ewigen Leben unserm endlichen Leben verbunden hat, dar-
um wird sich alles Negative und Dunkle auflösen in durchsichtiger Klarheit
(Offb␣ 21,23). Alles bloß Sterbliche und sündhaft Abgesonderte ist dann hin-
einverschlungen in den Sieg des Lebens (cf. I Kor␣ 15,54f. mit Röm␣ 8,37), der
Gottes endgültiger Sieg, d.h. der Sieg seiner ewigen Liebe ist (Röm␣ 8,38f.).
Glauben heißt, an dieser Bewegung aller Wirklichkeit auf ihre ewige Wahr-
heit zu unwiderruflich Anteil bekommen (Röm␣ 8,35), in der Gott sich als
Vollender seiner Schöpfung in Herrlichkeit erweist (Röm␣ 11,36).
Gottes schöpferisches Handeln, das in Christi Auferweckung seine Mitte
in der Zeit hat, reicht von der Vorherbestimmung der Glaubenden bis zu
ihrer Verherrlichung (Röm␣ 8,30; cf. 28f. u.␣ 9,23), und am Ende dieser Be-
rufung steht Gottes eigene Herrlichkeit in Jesus Christus (I Thess␣ 2,12;
I␣ Petr␣ 5, 10), in dem wir zur Vollendung berufen sind – mitsamt dem Kosmos
(Röm␣ 8,20f.).
Was der Glaube proleptisch am Auferstandenen wahrnahm und wahr-
nimmt, das wird sich bei seiner Parousie, im Eschaton, endgültig vollenden
(II Kor␣ 3,11), wenn er seine Herrlichkeit schaut ( Joh␣ 17,24), und der Glaube
wird damit eins sein: »Wenn der Christus, euer Leben, sich offenbaren wird,
dann werdet auch ihr mit ihm offenbar werden in der Doxa« (Kol␣ 3,4)158.

d. Die voranstehende Skizze zum neutestamentlichen Begriff der d·xa ist


schließlich noch in eine allgemeinere Betrachtung einzubetten, die seine
umfassenden theologischen Bezüge erhellen soll. Dabei soll er zugleich zu
dem ebenfalls grundlegenden Begriff der göttlichen d‚nami“ ins Verhältnis
gesetzt werden159. Mit dieser systematischen Verhältnisbestimmung von Doxa
und Dynamis erst ist die Erörterung des eigentümlichen Lebens Gottes ab-
geschlossen, wie sie sich von der Machttat Gottes in der Auferweckung
Christi zur Herrlichkeit her ergibt.
Beide Begriffe kommen darin überein, wesentliche Gottesattribute zu sein.
Doxa benennt, vom AT herkommend160, neutestamentlich aber spezifisch
durch LXX geprägt161, wo das griechische Wort erst seine religiöse Bedeu-
tung gewonnen hat162, den göttlichen (himmlischen) Lichtglanz als Aus-

157 Von der Verherrlichung der ganzen Welt (clarificatus) redet Luther WA 34/I,

450 –452; 34/II, 126, 2–10; cf.␣ 36,181f. u.␣ 266, 4–267, 3.
158 Von daher betont Luther immer wieder, der verklärte Leib der Auferstandenen

sei heller als die Sonne, cf. WA 36, 496, 10f.; 530, 37f.; 531, 30f.; 552, 19–21; 675, 34.
159 Dieser Begriff hat hier zur Erläuterung des göttlichen Handelns vom 1. Kap. an

(Mt␣ 22,29b.) eine wichtige Rolle gespielt (cf. auch Kap.␣ 2.3.).
160 Zur Bedeutung der alttestamentlichen kabod cf. ThWbNT II, 241–245 (von

Rad) sowie 245, 35f. u.␣ 246, 4 (Kittel; Art. d·xa).


161 Cf. aaO.␣ 247, 38f. (Kittel); zu Philo cf. aaO.␣ 239, 36ff. (Kittel).
162 AaO.␣ 235, 20f. u.␣ 248, 26ff., s.u. Anm.␣ 165.
4. Pneuma, Dynamis, Doxa 187

druck der göttlichen Erhabenheit und Majestät163, die Gottes Wesen über-
haupt ausmachen164. Wird Gott in seiner Gottheit als basileÜ“ tö“ d·xh“ (y
23, 7ff.; 28, 3; cf. Act␣ 7,2) angesprochen, so ist das »die Aussage des Objekti-
vums schlechthin …, der Gotteswirklichkeit«165. Doxa ist so der »doxolo-
gische« Terminus instar omnium (cf. Lk␣ 2,14; 19, 38; Offb␣ 4,9). Ähnlich
grundsätzlich ist auch der Dynamis-Begriff als Bezeichnung von Gottes
eigenster Wirklichkeit (als Wirksamkeit), so daß er alt- und neutestamentlich
dunat·“ heißen kann (y 88,9; Zeph␣ 3,17; Lk␣ 1,49 u.ö.; cf. Mt␣ 26,64;
Mk␣ 14,62; Lk␣ 22,69)166. Daß Gottes Wesen in seiner »Kraft« besteht167 und
so schöpferischer Grund der Welt ist, diese religionsgeschichtlich auch sonst
bekannte Vorstellung168, wird im AT spezifisch dahingehend verstanden, daß
er ihr Schöpfer und Erhalter eben durch sein Wort (als den besonderen Trä-
ger seiner Kraft) ist (cf. Jer 27, 5; 32, 7)169. Auch neutestamentlich ist die
geschaffene Welt Ausdruck seiner Dynamis und Offenbarung seiner Doxa
(Röm␣ 1,20), und das NT kann – beides zusammennehmend – von der »Herr-
lichkeit seiner Stärke« reden (II Thess␣ 1,9). Als weitere religionsgeschicht-
liche Besonderheit ist die Verwurzelung dieses biblischen Dynamis-Begriffs
in der Erfahrung des Exodus und der Errettungstat Gottes am Roten Meer170
– Errettung aus Todesgefahr! – zu sehen: »Die Kraft Gottes hat … einen
geschichtsgestaltenden und geschichtsbildenden Charakter«171.
Nur vor diesem Hintergrund ist auch die entscheidende Rolle zu verste-
hen, die die beiden Begriffe dynamis und doxa in der neutestamentlichen
Christologie spielen.
Denn »im Christusgeschehen ist Gottes geschichtsgestaltende und die
Geschichte zu ihrem Telos führende Kraft als eschatologisches Geschehen
wirksam«172. Es leuchtet ein, daß auf diese einzigartige Weise die alttesta-
mentliche Vorstellung von göttlicher Dynamis aufgenommen und zugleich
weitergeführt ist. Dabei erweisen sich nun die Begriffe doxa und dynamis als
163 Es gibt fließende Übergänge zu Begriffen wie (göttliche) Ehre, Pracht, Macht,
Glanz (cf. aaO.␣ 251, 3f.).
164 AaO.␣ 240, 27f.; 250, 44; 251, 6 (Kittel); cf. Gal␣ 1,5; I Petr␣ 4,11.
165 AaO.␣ 248, 32. Kittel weist hier auf die völlige Umprägung des Terminus

doxa␣ gegenüber dem Griechentum hin.


166 S. schon o. S.␣ 12.
167 Für das Judentum cf. aaO.␣ 298, 52 (Grundmann, Art. d‚nami“).
168 Zur Stoa (die Gottheit als sich selbst bewegende, unsichtbare Kraft, die die Welt

bewegt) cf. aaO.␣ 289, 27f. u.␣ 288, 49f. Interessant ist der Ausdruck d‚nami“ zwhtikfl
bei Poseidonias (298, 2ff. u.␣ 51f.)
169 Cf. das Tg Jes␣ 48,13, zit. aaO.␣ 296, 42f.
170 AaO.␣ 292f.; Grundmann schreibt: »Damit wird ein Geschichtsereignis, das als

Krafttat Gottes erfahren wurde, gedeutet von einem großen Ziel in der Geschichte
her« (293, 21f.). Weltschöpfung und Geschichtsgestaltung durch Gott fallen so zusam-
men (aaO.␣ 294, 37–39).
171 AaO.␣ 239, 31–33.
172 Grundmann, aaO.␣ 307, 17f.
188 Kap. 6. Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes

– über die Christologie vermittelt – eschatologisch zusammengehörig, wie


jetzt in aller Kürze darzutun ist (cf. Offb␣ 4,11; 5,12; 7,12; Röm␣ 6,4; I␣ Kor␣ 6,
14; II Kor␣ 13,4). Von Gottes eschatologischem Handeln in und an Christus
gilt daher: »Dieselbe Tat ist sowohl auf die d·xa wie auf die d‚nami“ Gottes
zurückgeführt«173.
Der allgemeine Satz dexiÅ kur‡ou †po‡hse d‚namin (y 117, 15f.) steht auch
im Hintergrund der Inkarnationsvorstellung (Lk 1, 35b), die als »schaffendes
Wortgeschehen« aufzufassen ist174. Weil die göttlich-allmächtige Dynamis
zugleich auch als Überwindung der Todesmacht175 und so schöpferischer
Sieg über den Tod gilt176, darum folgt auf die Passion Christi die Herrlich-
keit für ihn (I Petr␣ 1,11): »Die d·xa entsteht aus seinem Tod«177. Denn die
Dynamis Gottes ist »Ewigkeits- und darum Auferstehungskraft«178, und die
Auferstehung von den Toten wird von Jesus selber auf die »Kraft Gottes«
zurückgeführt (Mt␣ 22,29), so wie seine eigene Auferweckung etwa von Paulus
ebenso aus Gottes Dynamis (I Kor␣ 6,14; II Kor␣ 13,4a; cf. auch Act␣ 2,24)179
wie aus Gottes Doxa als gleichsam deren Telos begründet wird (Röm␣ 6,4).
Daß Christus auferweckt und ihm die Doxa gegeben (I Petr␣ 1,12) bzw. er als
Erhöhter »in die (bzw. der) Doxa« aufgenommen wurde (I Tim␣ 3,16), heißt
gleichermaßen, daß er »in der Dynamis« zum Sohn eingesetzt wurde
(Röm␣ 1,4).
Wie Christus durch Übertragung der doxa-Prädikation auf ihn (Hebr␣ 13,
21; I Petr␣ 4,11; Offb␣ 5,12f.) zum k‚rio“ tö“ d·xh“ wird (I␣ Kor␣ 2,8; Jak␣ 2,1),
so ist er ebenso die d‚nami“ jeoú schlechthin (I Kor␣ 1,24) – gemäß Gottes
eigener Lebensdynamis (Hebr␣ 7,16) – und als solche die absolute worthafte
Macht (Hebr␣ 1,3b), wie Licht vom Lichtglanz Gottes (Offb 1,16; Hebr␣ 1,3a).
Wird das wesentlich theologische Attribut der Doxa auch auf Jesus an-
gewandt, so spiegelt sich darin »die ganze Bewegtheit des Gott-Christus-
Verhältnisses«180. Es handelt sich um ein wechselseitiges »Verherrlichungs«-
Geschehen (d·xasjai)181, bei dem der Vater, in dem der Menschensohn
verherrlicht wird ( Joh␣ 17,1), in dessen Tod und Auferstehung seinen eigenen
Namen verherrlicht ( Joh␣ 12,28a) und so im Sohne selbst verherrlicht wird
( Joh␣ 13,31f.), wie er wiederum den Sohn in ihm selbst verherrlicht
173 AaO.␣ 306, Anm.␣ 76.
174 AaO.␣ 301, 30.
175 Cf. bes. aaO.␣ 317f. (Weizenkorn!).
176 Cf. Hebr. 11, 19 mit Röm 4,21 u. Mt 22,29 sowie Mt 19,26 par. (mit Gen 18,14;

Hiob␣ 42,2; Sach␣ 8,6).


177 Kittel, aaO.␣ 252, 36f.; cf. ähnlich auch Joh␣ 12,24ff. u. I Kor␣ 15,36ff.
178 Grundmann, aaO.␣ 317, 11f.
179 Vom Auferstandenen gilt: »Sein Leben hat er aus der Kraft Gottes«, aaO.␣ 305,

18f.; Entsprechendes von der Gemeinde: II Kor␣ 13,4b.


180 Kittel, aaO.␣ 251, 36f.; cf. das Stichwort von der »in sich bewegten Christologie«

(Künneth, aaO.␣ 115).


181 Cf. dazu Bultmann, Theologie des Neuen Testaments (19614), 401.
4. Pneuma, Dynamis, Doxa 189

( Joh␣ 13,32). Weil diese Verherrlichung ebenso mit dem Wirken des irdi-
schen Jesus anfängt ( Joh␣ 17,4), wie sie sich in dem des Erhöhten vollendet,
hat Gott schon verherrlicht wie er noch verherrlichen wird ( Joh␣ 12,28b).
Auch in solchem in sich bewegten »Verklären«182 sind das Eschaton und seine
Antizipation ständig aufeinander bezogen: »Seine Verklärung ist Vorwegnah-
me seiner Eschatologie«183.
Dynamis und Doxa sind daher auch eschatologische Charaktere des am
Ende der Zeiten Wiederkommenden (Mk␣ 13,26; cf. Mt␣ 24,30 u. II Thess␣ 1,7),
d.h. bei seiner Parousie (Mk␣ 8,38; 13, 37; Mt␣ 19,28; 25, 31; I Petr␣ 4,13; 5,1).
Für die Zwischenzeit ist Christus – als selber worthafte d‚nami“ jeoú
(Mk␣ 1,24) – anwesend im Evangelium – als eben dieser Dynamis (Röm␣ 1,16;
I Kor␣ 1,18)184. War schon die doxa am Irdischen (nach Joh) »niemals anders
als durch die p‡sti“« wahrnehmbar185, so sind p‡sti“ und pneúma auf den
Dynamis-Begriff bezogen (I Kor␣ 2,4; Röm␣ 15,19; II Tim␣ 1,7)186. Denn durch
die d‚nami“ jeoú – als ihren Glaubens- und Existenzgrund (I Kor␣ 2,1–5;
Eph␣ 1,19) – hat die Gemeinde ihr pneumatisches Leben, eben in der Auf-
erstehungsdynamik (II Kor␣ 13,3f.; Phil␣ 3,10), in der sie, mit Christus zusam-
men erweckt, von seiner eschatologischen Macht getragen wird (I␣ Kor 6,14
u. Phil␣ 3,21; Joh␣ 10,28f.). Dabei ist auch die künftige Teilhabe der Gläu-
bigen an seiner endgültigen Erscheinung †n d·xÔh (Kol␣ 3,4; Phil␣ 3,21;
Röm␣ 8,17; cf. II Thess␣ 1,10 u.␣ 12 mit y 88, 8; Jes␣ 24,15; 59, 19) antizipiert
in der †lpÑ“ tö“ d·xh“ (Kol␣ 1,27; cf. Röm␣ 5,12), wie es Jesu Verheißung
entspricht (Mt␣ 19,28).
Verband sich immer schon mit dem Doxa-Begriff auch ein Stück escha-
tologische Hoffnung auf »ein Offenbarwerden … der endgültigen Verwirk-
lichung seines [sc. Gottes] Herrschaftsanspruches an die Welt« (cf. Ps␣ 72,19;
57, 6.12; Jes␣ 40,5; 35, 2; 66, 18f.)187, so kehrt er auch zur Bestimmung des
eschatologischen Heilsziels in Christus wieder (Phil␣ 3,21). Die a¢„nio“ d·xa
ist das eigentliche Ziel der Berufung des Menschen durch Gott zum Heil
(I␣ Petr␣ 5,4. 10; I Thess␣ 2,12; II Thess␣ 2,14; II Kor␣ 4,17; II Tim␣ 2,10). Daher
hat nicht schon »der Mensch … der Gegenwart, sondern des Eschaton …
teil␣ an der d·xa«188. Während in Gott schon alles vollendet ist, bewegt sich
182 So übersetzt Luther d·xasjai (»verherrlichen«), z.B. Joh␣ 13,31f.
183 E. Lohmeyer zur als »eschatologische Theophanie« aufgefaßten Verklärungs-
geschichte (Mk␣ 9,2ff.), in: Die Verklärung Jesu nach dem Markusevangelium, ZNW
21 (1922), 183 (zit. ThWbNT II, 252, 11f.).
184 Evangelium ist »die in der Geschichte, und zwar im Christusgeschehen wirken-

de und handelnde Kraft Gottes« (Grundmann, aaO.␣ 310, 30f.), und dessen Verkündi-
gung daher »Fortsetzung der Rettertätigkeit Jesu Christi« (311, 6f.; cf. 310 A.␣ 84).
185 Kittel, aaO.␣ 252,20 (mit Stellen).
186 Cf. Grundmann, aaO.␣ 312, 17ff.
187 Von Rad, aaO.␣ 245, 14–16.
188 Kittel, aaO.␣ 254, 5f. Cf. I Kor␣ 15,43! Zwischen dem noch entbehrenden Jetzt

und künftiger Vollendung ist der Glaube ausgespannt (cf. Röm␣ 3,23 mit 8,18 u.␣ 21).
190 Kap. 6. Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes

die irdische Existenz zwischen Haben und Noch-nicht-Haben189. Aber


dieses lebendige Bewegtsein ist die Dynamis, die in der Selbstbewegung
zwischen Antizipation und Vollendung sich steigert und in sich verklärt:
»Die Brücke zwischen Gegenwart und Eschatologie steckt im üpÖ d·xh“ e¢“
d·xan (II␣ Kor␣ 3,18)«190.

e. In diesen Bezügen von Doxa und Dynamis ist schließlich auch der her-
kömmliche doxologische Schluß des »Vaterunser« zu verstehen (Mt␣ 6,13).
Die Bitte: rúsai ™mô“ üpÖ toú ponhroú (13a) trägt eschatologisches Geprä-
ge191: »die endzeitliche Bewahrung vor dem Herausgerissenwerden aus dem
von Gott verheißenen ewigen Heil«192.
Die Doxologie selber, die der Bitte Erfüllung verheißt, sieht in Gott selber
wesentlich die basile‡a und die d‚nami“ und die d·xa (cf. Offb␣ 4,11; 7,12 u.
außerdem 11, 17f.; 12, 10ff.; 19, 1f.). Das schreibt sich vom AT her und
seinem »Universalismus des Glaubens an die Allmacht Gottes« (I Chr 29,
11f.!)193. Hier, im Herrengebet des Neues Testamentes, sind – in einer die
Heilsgeschichte voraussetzenden und einschließenden Weise194 – Dynamis
und Doxa endgültig vermittelt, sofern es um die »Kraft Gottes, die escha-
tologischen Charakter trägt … und die Welt ihrer Vollendung entgegen-
führt«195, geht.
Dieser das Gebet des Herrn besiegelnde Lobpreis zieht den Blick des
Betenden in einem gewaltigen Aufschwung aufwärts zu Gottes Majestät und
gewinnt von daher Gewißheit für das Gebet. Gottes unfaßbare Größe, seine
dreifaltige Lebendigkeit klingt mit den erhabenenen Wörtern: Basileia –
Dynamis – Doxa an; sein allein ist das ewige Leben und Reich, sein allein ist
die Macht zu dessen Durchsetzung und in ihm allein liegt die unausdenkbare
Erfüllung, wenn er selber alles in allem sein wird. Mit dem letzten Wort
dieses Hauptgebetes der Christenheit, mit dem Wort: Doxa, ist auch auf die
letzte Grenze allen Denkens und Sprechens hingewiesen. Es verspricht die
unfaßbare Wirklichkeit Gottes selber, ohne alle Schranken.

189 AaO.␣ 255, 4.


190 AaO.␣ 254, 43f.; cf.␣ 258,10f.
191 Für den Dynamis-Begriff tritt im Judentum allmählich die eschatologische

Machtentfaltung Gottes in den Vordergrund (cf. schon Jes␣ 2,19; 40, 10; Ez␣ 20,33); sie
wird wesentlich als Überwindung der dämonischen Mächte vorgestellt (cf. Grund-
mann, aaO.␣ 297, 7f.), was sich auch in Mt␣ 6,13a niederschlägt.
192 Kasch, in: ThWbNT VI, 1003, 39f.; cf.␣ 1004,33f.
193 Bertram, in: ThWbNT V, 890, 20f.; cf. zu dynamis aaO. II, 296, 21; 288, 6 und

zu Exousia II, 561, 54.


194 »Diese d‚nami“, die eschatologische Kraft ist, ist bereits wirksam im Christus-

geschehen, aus ihr hat Christus seine wunderbare Existenz (Lk␣ 1,35), sie ist wirksam
in seinem Handeln … Diese eschatologische Kraft ist Geschichtskraft, die die Welt
und Geschichte zu ihrem Ziele bringt« (Grundmann, aaO.␣ 308, 9–12).
195 AaO.␣ 308, 5f.
4. Pneuma, Dynamis, Doxa 191

Die drei Wörter reden in ihrem Zusammenhang von einer Einheit von
Sein und Wirken, wie sie nur Gott allein, dem in Ewigkeit Lebendigen, der
das Leben hat in ihm selbst ( Joh␣ 5,26), zukommt. Eine selber lebendige Ein-
heit dergestalt, daß das »Reich« zugleich die »Kraft« ist, die es hervorbringt
und gestaltet, und die »Kraft« auch der ständige Aufbau des »Reiches«, auf das
sie hinführt und von dem sie ausgeht. Diese Einheit ist die »Herrlichkeit«,
insofern sie sich lebendig durchdringt und ihrer vollkommen inne ist, indem
sie im immer neuen Sichöffnen nach außen sich durchsichtig wird als unend-
liches Rückkehren zu sich, ewiges Beisichsein im ewigen Hervorbringen
ihrer selbst. »Herrlichkeit« spricht vom Geheimnis vollendeten Lebens in
sich (als Einheit von Dynamis und Basileia), das in all seiner Bewegtheit doch
nur die durchsichtige und einfache Ruhe des ewigen Lichtes ist.
Versuchen wir zum Schluß noch, die ausgebreiteten Bezüge der Begriffe
Dynamis und Doxa – im Rahmen unseres Themas – in ihrem systematischen
Verhältnis zu bestimmen.
Zunächst ist als der konkrete Kontext des Dynamis-Begriffs das Leben
Gottes in Erinnerung zu rufen. Er insbesondere bestimmt die d‚nami“ als
todüberwindend. Das gilt, insofern die göttliche Lebendigkeit 1. negativi-
tätsüberwindende Macht (Allmacht), 2. Macht zum Lebendigsein (als sich
immer neu verwirklichend, auch im Integrieren des Anderen und Entgegen-
stehenden) und 3. »unauflösliches Leben« ist (d.h. sich identifizierend im
Sichausweiten). Ist schon natürliches Leben nur als ständiges Überwinden
des eigenen Nichtseins zu verstehen (bzw. als produktives Aufhalten der dem
endlichen Leben immanenten Todesrichtung), so ist es als das Leben Gottes
Leben, das sich selber absolut hervorbringt und besitzt, und Leben, das ande-
res Leben aus dem Nichtsein schafft und es schöpferisch am eigenen Leben
teilhaben läßt196. In der Auferweckung Jesu Christi hat Gott die allgemeine,
todesbedrohte Lebensdynamik zu der seines eigenen unsterblichen Lebens
gemacht. Er nimmt so die von ihm geschaffene Lebensdynamik in seine
eigene unerschaffene Lebensdynamik auf; daher ist dieses »Aufnehmen« sel-
ber seiner göttlichen Dynamis (als schöpferisch-allmächtig) spezifisch eigen-
tümlich, ist sein Handeln als Vollzug seines eigenen Wesens.
Derart meint der Begriff d‚nami“ den Selbstvollzug des göttlichen Lebens.
(Wobei zu beachten ist: Gott »hat« nicht eine Dynamis, sondern ist selber die
Dynamis, durch die er lebt: sein absolutes Leben als Leben aus sich und durch
sich!) Der Begriff d·xa geht auf diese göttliche Lebendigkeit in ihrer Voll-
endung (Vollendetheit). Die doxa ist also das immanente Ziel der dynamis,
denn Gott hält sich durch sich selber im Sein und will immer er selber
bleiben. Und die dynamis ist immer schon auf doxa bezogen, d.h. sie ist die

196 »Denn er lebt jnn jm und durch sich selbs, Warumb solt ers denn nicht auch jnn

uns thun, das wir alles allein jnn und durch jn selbs haben konden? (WA 36, 596, 17–
19).
192 Kap. 6. Die Auferstehung Jesu Christi und das Leben Gottes

göttliche Weise der Selbsthervorbringung und -verwirklichung von Gottes


Leben in seiner Vollendung.
Somit kann Gottes Leben – von der Auferstehung Jesu Christi her – nur
als stetige und zugleich immer neue Selbstverklärung und -verherrlichung
gedacht werden, d.h. als schöpferisches Handeln im Bezug auf Anderes, das
ewig bei ihm ist.
Gott hat mit der Auferweckung des Gekreuzigten gehandelt auf sein ab-
solutes, ewig seliges Beisichsein hin, das er als die Macht aus sich selber
quellenden Lebens (Hebr␣ 7,16) ist197. Dieses ewige Leben besitzt Gott in
durchsichtiger Vollkommenheit198 und zugleich vollzieht er es in ständig
neuer Selbstdurchdringung ewig lebendig: in unausschöpflichem Reichtum
immer neuen Er-selbst-Seins. Zu diesem gehört, kraft dieser Macht zum
Lebendigsein, die seine ewige Liebe zum Zeitlichen und Geschaffenen ist,
eine lebendige Gemeinschaft, durch die er ebenso für sich wie auch freier
Grund von allem ist, das er in durchsichtiger Andersheit als Stätte (seines)
ewigen Lebens sein läßt und in diesem Sinne selber »alles in allem« ist199.

197 Gott selbst »ist das leben und ein unausschepflicher abgrund alles guten und

ewiger freude« (WA 36, 599, 16.).


198 Zur Bestimmung der Ewigkeit durch Boethius: Aeternitas … est interminabilis

vitae tota simul et perfecta possessio, cf. meinen Aufsatz »Gott und das ewige Leben«,
aaO., wie o. Einl. Anm.␣ 13, 60ff.
199 Indem Gott unser Alles sein wird, wie Luther schön ausmalt (WA 36, 571, 38–

572, 23; 596, 17–19; 597, 26f.; 599, 13–17), wird er Alles in Allem sein (aaO.␣ 593,
22ff.; 635, 16f.). Zur Interpretation von I Kor␣ 15,28 cf. den eben genannten Aufsatz,
aaO.␣ 81ff.
193

Kapitel 7

Auferstehung und Glaube

Hören sie Mose und die Propheten nicht,


so werden sie sich auch nicht überzeugen
lassen, wenn jemand von den Toten aufer-
stünde.
Lk␣ 16,31

Da der christliche Glaube als in der Auferstehungserfahrung entstanden und


begründet wesentlich eschatologisch bestimmter Glaube ist, ist hier abschlies-
send (und auf diese Zusammenhänge konzentriert) einerseits die unauflös-
bare Bezogenheit der Auferstehung auf Glauben und die Bedeutung, die die
Auferstehung für den Glauben grundsätzlich hat, und andererseits die sol-
chem Glauben einwohnende Hoffnung zu erörtern.

a. Man kann – beispielsweise – schon bei Hegel lesen: »Die Auferstehung


gehört … wesentlich dem Glauben an: Christus ist nach seiner Auferstehung
nur seinen Freunden erschienen; dies ist nicht äußerliche Geschichte für den
Unglauben, sondern nur für den Glauben ist diese Erscheinung«1. Eben das
wußte die Urchristenheit selber auch, wie in einer Predigt von Petrus ausge-
sprochen wird: »Diesen hat Gott auferweckt am dritten Tage und hat ihn
gegeben zu erscheinen, nicht allem Volk, sondern uns, den von Gott vorher
erwählten Zeugen …« (Act␣ 10,40f.; cf.␣ 3,15; Joh␣ 14,22 u.␣ 19!).
Daß die Auferstehungsrealität – der Vorgang der Auferweckung selber
entzieht sich ohnehin der Beschreibung und wird auch nirgends erzählt –
»nur« für Glaubende und nicht für neutrale Zuschauer da ist, muß als positiver
Ausdruck des Sachverhaltes selber begriffen werden. Denn es geht um eine
Wirklichkeit insofern sie göttliches Werk ist, das als solches kein bloß zu
konstatierendes objektives Faktum sein kann, sondern Wirklichkeit – sogar
die absolute Wirklichkeit – für solche ist, die, genau indem sie von ihr er-
reicht werden, zugleich erst Glaubende werden und es – in strikter Korrela-
tion mit diesem Erreichtwerden – von daher sind. Sie erfahren sich notwen-
dig von Gottes Handeln so betroffen und ergriffen, daß sie auch dies ihr
davon Betroffen- und Ergriffensein nur aus diesem Wirklichkeit setzenden
Handeln verstehen können: eben als die »von Gott vorher erwählten Zeu-

1Vorlesungen über die Philosophie der Religion (II), Theorie-Werkausgabe (Suhr-


kamp), Bd.␣ 17, 291.
194 Kap. 7. Auferstehung und Glaube

gen«. Inhaltlich besagt das für die Auferstehungserfahrung: sie konnte sich
nicht – in ungebrochener, erfahrungsmäßiger Kontinuität – abstützen auf
die Kenntnis des vorösterlichen Jesus; vielmehr ist es die Bedeutung der
Selbstbezeugung des Auferstandenen, daß er als derselbe neu erscheint2.
Auch in dieses allein von dem ihnen Erscheinenden ausgehende Sicher-
eignen neuer Wirklichkeit für sie sind die Jünger, denen es widerfährt, not-
wendig so einbezogen, daß ihr zum Glauben daran Kommen und dies Ge-
schehen an ihnen wesentlich eins sind. Daß diese Wirklichkeit überhaupt ist
und daß sie für sie da ist, fällt hier in einem spezifischen Sinn zusammen, weil
es sich eben um die Wirklichkeit handelt, durch deren an sie Gelangen sie
überhaupt die Möglichkeit haben, sie als Wirklichkeit wahrzunehmen3. Diese
Wirklichkeit setzt sich bei ihnen, indem sie sie zum Glauben daran überführt.
Die neue Gegenwart des Gekreuzigten bei ihnen ist, indem sie »im Glauben«
von ihr ergriffen werden, als übergegenständliche Wirklichkeit zugleich auch
ihre eigene neue Wirklichkeit: »Der vom Selbst ergriffene Tod des Mittlers ist
das Aufheben seiner Gegenständlichkeit oder seines besonderen Fürsichseins«4.
Wie der Auferweckte nicht mehr katÅ s›rka gekannt wird (II Kor␣ 5,15f.), so
sind auch die Glaubenden eine kainÉ kt‡si“ »in« ihm (V.␣ 17), eben weil sie
Glaubende nur sind als in sein Auferstehungsleben einbegriffen (V.␣ 15!).
Dies konstitutive Einbezogensein des Glaubens in die Wirklichkeit, an die
er glaubt, weil und indem sie ihn als Glauben begründet5, hat aber auch eine
Kehrseite, die wesentlich dazugehört. Sie ist einsichtig zu machen, indem
man von der scheinbar trivialen Beobachtung ausgeht: Jesus »konnte nur für
jene der Auferstandene sein, die wußten, daß er tot war«6. Denn nur sie
waren überhaupt in der Lage, ihn wiederzuerkennen. Daß der Auferstandene
in seinen Erscheinungen sich für die, die eben dadurch zum Glauben kamen,
selber identifizierte, setzt voraus, daß sie ihn als ihren Herrn wiedererkennen
konnten. Das aber konnten eben nur sie, für die er derjenige war, mit dem sie
eine gemeinsame Vergangenheit hatten. Der Anteil der Jünger an der Ver-
gangenheit des Gekreuzigten ist zugleich auch Jesu Anteil an ihrer eigenen

2 Dies ist die systematische Bedeutung der Erscheinung an Paulus vor Damaskus,

s.o. S.␣ 102ff.


3 Insofern ist die gegenständliche Wirklichkeit des Auferstandenen eine strukturell

andere als z.B. die neutrale Gegenständlichkeit des Kreuzes, das auch ohne Glaube
objektiv konstatierbar war. (Freilich ist das Kreuz nach seiner Wahrheit auch erst (und
allein) im Glauben zu erkennen.) An diesen Unterschied schließt Bultmanns Bestim-
mung an: Auferstehung als die Bedeutsamkeit des Kreuzes. Tillich drückt den Sach-
verhalt als unterschiedliche Akzentuierung mit der zu glatten Formel aus: »daß … das
Kreuz beides ist: Ereignis und Symbol, und daß die Auferstehung beides ist: Symbol
und Ereignis« (Syst.Theol.II (19582), 166).
4 Hegel, Phänomenologie des Geistes (Hoffmeister), 545f.; cf. u. Anm.␣ 15.
5 Nach Kol␣ 2,12 ist der Glaube erfüllt von der Energeia Gottes, der Christus auf-

erweckt hat – und mit ihm die Glaubenden erweckt.


6 R.R. Niebuhr, aaO.␣ 152.
Kap. 7. Auferstehung und Glaube 195

Vergangenheit, und d.h. indem sie ihn von seiner Gegenwart als Auferstan-
dener her in seiner Vergangenheit wiedererkennen, schließt das einen Bezug
auf ihre eigene Geschichte mit ihm ein. So enthält seine Selbstidentifikation
für sie auch ihre eigene Identität (als neu bestimmte).
Daß der Auferstandene nur »für« die Glaubenden ist, was er ist, bedeutet
daher auch: »Nur diejenigen, die an seiner Geschichte teilhatten, konnten
deren Zeichen wiedererkennen«7.
Von daher hängt, daß er nur »für« die Glaubenden da ist, damit zusammen,
daß er »für sie« in den Tod ging: »Jesus war der Mensch, der für sie starb, und
sie waren Menschen, für die er starb«8. Der jetzt neu für sie da ist, ist notwen-
dig zugleich der, der zuvor – bis in seinen Tod hinein, ja bis zum Tode am
Kreuz, – »für sie« da war9. Insofern sind die Erscheinungen Manifestationen
des »Pro nobis« von Jesu Auferweckung und Erhöhung10 als göttlicher Be-
wahrheitung seines »Pro nobis« als Irdischer.
In diesem differenzierten Sinn ist die Auferstehung als »Beziehungswirk-
lichkeit« die Wahrheit des Glaubens (d.h. ihn begründende und an ihm sich
fortsetzende Wirklichkeit): eine »wirkende Wirklichkeit, die ihr Sein nur in
der Relation [sc. zu ihr] erschließt«11. Weil der Auferstandene und von Gott
her Lebendige in der empirischen Welt nicht »objektiv« vorhanden ist, »be-
darf (es) des Sicheinlassens«12 – ein Sicheinlassen, das freilich von eben der
übergegenständlichen Wirklichkeit her, auf die es sich einläßt, sich ermög-
licht und begründet weiß. Diese Notwendigkeit eines wesentlichen Sichein-
lassens auf die nicht verobjektivierbare, weil das Subjekt neu bestimmende
Wirklichkeit der Auferstehung – als Wirklichkeit einer Zuwendung Gottes
– erklärt verschiedene Phänomene, die schon am Anfang mit dem Auf-
erstehungsglauben verbunden sind.
Das eine ist die in solcher Situation unaufhebbare Möglichkeit des Sich-
nicht-Einlassens. Daß von Beginn an neben dem Glauben auch Zweifel und
Unglaube ebenfalls mögliche und reale Reaktionen auf die neue Wirklich-
keit waren, betont das NT selber nachdrücklich (paradigmatisch an Thomas:
Joh␣ 20,24f.; cf. auch Mk␣ 16,14; Mt␣ 28,17; Lk␣ 24,10f. u.␣ 41; Act␣ 17,32).

7 AaO.␣ 152. Gemeint sind die »Zeichen«, durch die der Auferstandene sich den
Seinen zu erkennen gibt, cf. dazu o. S.␣ 70.
8 AaO.␣ 153.
9 In diesem Zusammenhang die Frage zu stellen, wer der Auferstehung »bedurfte«

(Lüdemann, aaO.␣ 263 Anm.␣ 698), ist ebenso abwegig wie die Rede der Anthroposo-
phen von einem »Auferstehungsbedürfnis« (cf. F. Rittelmeyer, Meine Lebensbegeg-
nung mit Rudolf Steiner (1928, 1983 10), 137).
10 Cf. WA 12, 518; 37, 30; 45, 19; 37, 31; 36, 162; 2,140. Zum Pro me von Ostern

cf. noch WA 15, 517, 30 –518, 35; 520, 24–28; 29, 262, 1–265, 14; zu Röm␣ 4,25: 46,
315, 5–316, 20; cf.␣ 49, 160, 10 –163, 35; 29, 328, 1–8.
11 Koch, aaO.␣ 234.
12 AaO.␣ 58.
196 Kap. 7. Auferstehung und Glaube

Das andere ist die Tendenz der frühchristlichen Literatur, die nur den
Glaubenden erschlossene Auferstehungswirklichkeit, und d.h. die Verbor-
genheit des Osterereignisses, in eine öffentliche Demonstration zu verfäl-
schen (ansatzweise schon Mt␣ 28,2ff.; massiv ausgeführt im Hebr.-Evangeli-
um und Petrus-Evangelium)13.
Schließlich und theologisch bedeutsam ist hier die verändernde Kraft der
Auferstehungserfahrung zu beachten. Die Begegnung mit dem Auferstande-
nen ist selber eine Wiedergeburt (cf. I Petr␣ 1,3ff.)14. Und die Auferstehung
Jesu hat nicht nur eine sachliche Parallele, sondern sie setzt sich real fort in
Bekehrung (Lk␣ 15,24 u.␣ 32; Joh␣ 5,25) und Taufe (Kol␣ 2,13; Eph␣ 2,5f. u.
5,14). Darum ist auch gegenwärtig ein zum Glauben Finden nichts anderes
als ein Moment der lebendigen Auferstehungswirklichkeit15: Glaube ist als
solcher ein »mit Christus Auferstehen«16.
Auf die Frage, warum der Auferstandene »nur« den Glaubenden erschie-
nen ist, wäre also theologisch zu antworten: weil die Auferstehung nicht ein
isoliertes Geschehen an Jesus allein ist, sondern das eschatologische Gottes-
verhältnis des Menschen und der Welt – als ihr Heil – betrifft. Die Auferwek-
kung Jesu Christi vom Tode ist als Gottes lebendige Einigung mit Jesus dem
Gekreuzigten sein Heilshandeln für uns, weil jene – als eschatologisches
Handeln – zugleich Gottes lebendige Einigung mit uns ist, nämlich seine
Leben schaffende Nähe bei uns, und dies über den Tod hinaus.
Die Wirklichkeit der Auferstehung ist eschatologische, d.h. auf die End-
vollendung ausgespannte Wirklichkeit17. Diese ist naturgemäß allein »für« den
Glauben, weil der Glaube eben selber auch Moment dieser Wirklichkeit ist.
13 Cf. dazu Heim, aaO.␣ 184.
14 Cf. aaO.␣ 185.
15 Das ließe sich z.B. an Luthers »Sermon von der Bereitung zum Sterben« (1519,

WA 2, 680 –697) genauer durchführen. Gemäß Luthers Regel: »suche dich nur in
Christo und nit yn dir, ßo wirstu dich ewiglich yn yhm finden« (690, 24f.) scheint die
Aneignung des Gekreuzigten (d.h. daß er zum Träger meines Todes wird – sterben mit
Christus (Röm␣ 6,8; 14, 8) – und mich aus meiner Todesnot befreit) so etwas wie die
Auferstehung als Lebendigwerden des Gekreuzigten für mich zu sein. Das Für-mich-
Sein (bzw. Werden) des Gekreuzigten (als eine Art »fröhlicher Wechsel«) steht im
lebendigen Wirkzusammenhang der historischen Auferstehung Jesu vom Tode. Von
hier aus ließe sich ein Wahrheitsmoment in dem Auferstehungsverständnis bei Hirsch
(Auferstehung in unserem Glauben) und bei Bultmann (Auferstehung ins Kerygma)
finden, das auf Luther (einseitig) zurückgeht (cf. o. Kap.␣ 3, Anm.␣ 119).
16 »So ir nu … die Aufferstehung Christi mit dem Glauben gefasset und der selben

krafft und trost empfangen habt, Und also mit jm aufferstanden seid, So muß sich ja
solchs an euch beweisen, das jr es fuelet und bey euch gespueret werde, wie es in euch
angefangen habe zu wircken, das es nicht allein wort, sondern warheit und Leben sey.
Denn welche es nicht also empfinden, denen ist Christus noch nicht aufferstanden«
(WA 21, 266, 20ff.).
17 In der – von W. Marxen propagierten – Formel für die Auferstehung: »Die Sache

Jesu geht weiter« ist das bis zum Nichtssagenden verblaßt und ins Unkenntliche ent-
stellt. Sie findet sich übrigens schon in der freisinnigen Theologie des 19. Jahrhunderts.
Kap. 7. Auferstehung und Glaube 197

Denn der christliche Glaube ist überhaupt nichts anderes als ein Hinein-
gezogenwerden in den Zusammenhang von Kreuz und Auferstehung Jesu
Christi, und die Teilhabe daran †n Cristù ist ein Teilgewinnen auch an der
neuen Wirklichkeit †n Cristù (II Kor␣ 5,15–17). Im Glauben lebt weder das
»alte« Ich noch lebt es sein von der Todesrichtung bestimmtes Leben, son-
dern »in ihm« lebt – als seine eigentliche Wirklichkeit« – das eschatologische
Leben des Auferstandenen, das neue Leben, das die ewige Zukunft des Ich
und der Welt ist (cf. Gal␣ 2,20).
Daß der Auferstandene »für« den Glauben ist, besagt daher, daß allein der
Glaube ihn »erkennt«, und d.h. eben »die Dynamis seiner Auferstehung« als
in der Gemeinschaft seiner Leiden und seines Todes (Phil␣ 3,10). Denn diese
Dynamis (»Kraft«) der Auferstehung kommt gerade auch in der eigenen
Schwachheit der Glaubenden zur Vollendung (II Kor␣ 12,9). Glaube ist so
nichts anderes, als daß »das Leben« (als das Christi aus seinem Tod) in einem
wirksam wird (II Kor␣ 4,12).
Das Sein der Auferstehung wesentlich »für« den Glauben bedeutet, daß
dieser eben nur als »Erkenntnis« des wahren Gottes und seines Christus schon
»das ewige Leben« ist ( Joh␣ 17,3)18. Glauben ist selber nur das lebendige Teil-
gewinnen am Leben des Auferstandenen – vermittelt durch das Hören auf
sein Wort – und so ein sich vom lebendigen Gott selber bestimmt Erfahren
( Joh␣ 5,24).
Weil in Christus der Sieg des Lebens über den Tod erschienen ist (I␣ Kor␣ 15,
54f.) – darum macht die Auferstehung das Kreuz zum Heilsereignis! –, ist der
Auferstehungsglaube an sich selber »Freude im Herrn« (Phil␣ 4,4). Als solche
Freude am Heil nimmt der Glaube etwas von der Doxa vorweg, die er – als
Glaube – noch nicht sieht (cf. I Petr␣ 1,8f.). In solcher Freude realisiert der
Glaube, daß die Auferweckung des Gekreuzigten auf die Rechtfertigung des
Sünders zielt (Röm␣ 4,25)19. Der Gerechtfertigte ist es aber nur als der Beru-
fene: berufen zu neuem Leben (Röm␣ 6,4 u.␣ 12 ff.; Gal␣ 5,6) – darin setzt sich
die Auferstehungswirklichkeit in den Glaubenden fort20 – und berufen zum
Zeugnis von der Auferstehung (cf. Röm␣ 10,9 u. II Thess␣ 2,14)21 – darin setzt

18 Das »Erkennen« (Gal␣ 4,9) ist Lieben (I Kor␣ 8,3; 13, 12).
19 Calvin hat zu II Kor␣ 5,18f. entscheidende Ausführungen über die Rechtferti-
gung aus Glauben gemacht, die wegen des Kontextes auf die Auferstehung zu bezie-
hen sind, cf. Inst. III, 11, 4.
20 Das Auferstehungsgeschehen ist als eschatologisches stets nach vorwärts gerich-

tet, cf. Wilckens aaO.␣ 155f.


21 Zum »Zeugnis« s.o. Kap.␣ 3.1. (S.␣ 74). Gegen die Alternative von historischer

Objektivität und existenzialer Bedeutsamkeit weist Moltmann auf den Charakter des
eschatologischen Zeugnisses hin: »Wenn in diesem Geschehen etwas steckt, was sich
noch nicht verwirklicht hat und auf eine bestimmte Zukunft aus ist, dann wird es
verständlich, daß von diesem Geschehen nicht auf die Weise eines Berichtes über einen
in sich abgeschlossenen Vorgang in historischer Distanz geredet werden kann, sondern
nur auf die Weise einer erinnernden Hoffnung« (Theologie der Hoffnung, aaO.␣ 171).
198 Kap. 7. Auferstehung und Glaube

sich die Auferstehungswirklichkeit im Kerygma fort22. Die Auferweckung


Jesu von den Toten ist genau darum Anhalt zum Glauben, der sie weiter
verkündigt (Act␣ 17,31), weil es bei ihr um die in der Heraufführung durch
Gott begriffene und so zukünftige, endgültige Wirklichkeit geht23.
Der Auferstehungsglaube ist immer Glaube an Gott überhaupt, weil die
Auferweckungstat göttliches Handeln und ein neues Handeln ist, das mit der
Schöpfung zusammen Gottes Werk an der Welt darstellt. Weil so nur theolo-
gisch ausgesagt werden kann, was in der Auferstehung geschehen ist (d.h. was
Gott hier getan hat)24, darum ist die Auferstehung, auch wenn man sie als
historisches Ereignis auffaßt, eine prinzipiell ungesicherte Sache. Sie hat ihre
Präsenz wesentlich im Wort von ihr. Auferstehungsglauben – auf ein Extra
nos angewiesen wie der Vergebungsglaube25 – ist letztlich Glaube an Gottes
schöpferisches Wort26, das in den Erscheinungen an die Jünger und in der
Verkündigung des Evangeliums heute an uns kommt27.
Luthers Auslegung des Zweiten Artikels zufolge ist auch der Glaube an die
Auferstehung eine integrales Moment dessen, was den christlichen Glauben
überhaupt ausmacht, nämlich des Bekenntnisses im Glauben, »daß Jesus
Christus sei mein Herr …«28. Als Herrn aller Wirklichkeit ihn zu glauben,
das heißt im eigentlichen Sinne, ihn auch als den Auferstandenen zu glauben.
Darin sind der (damalige) Glaube der ihm in seinen Erscheinungen Begeg-
nenden (»Auferstehungszeugen«) und der (heute mögliche) Glaube der ihm
im Wort vom Auferstandenen (als seinem Wort) Begegnenden eins als dem

22 Lk␣ 12,8f. ist auch auf den auferstandenen Herrn zu beziehen! Cf. von hier aus

die Kritik an Lüdemann, o. Anm.␣ 51 (Kap.␣ 3.1.). Auch daß »Auferstehung« als ein sog.
»Glaubensgedanke« sich bei Lüdemann (aaO.␣ 201) wie von selbst einstellt, ist nicht
einsichtig zu machen.
23 Darum betont Wilckens, die Wahrheit des ursprünglichen Osterzeugnisses »zeigt

sich nicht am Gewesenen für sich, sondern am Gegenwärtigen, … an den geschicht-


lichen Wirkungen, die es provoziert hat und noch hervorbringt« (aaO.␣ 169).
24 Zum theozentrischen Begriff der Auferstehung cf. o. S.␣ 45ff.
25 Cf. Althaus, aaO.␣ 44f. Gegen Hirsch ist festzuhalten, daß einerseits das Wort kein

»objektiver« Grund des Glaubens ist (cf. aaO.␣ 65, 67, 69 u.ö.) und andererseits ohne
Auferstehung das Evangelium nicht denkbar ist. Hirschs Rede vom Triumphalismus
des Auferstehungsglaubens ist eine groteske Verzerrung (cf. Hirsch aaO.␣ 82ff.; dazu
Althaus, aaO.␣ 76–77).
26 Ein Ewigkeitsglaube (in Hirschs Verständnis von Ewigkeit, s.o. Kap.␣ 6. A.␣ 108)

kann allerdings nur ein »überwissensmäßiges Erahnen« (Hirsch) anstatt wortbezogener


Glaube sein. Das wird bei Lüdemann angeführt (aaO.␣ 202), der sich überhaupt gern
auf Hirschs »Ewigkeitsglauben« beruft (aaO.␣ 194 A.␣ 682; aaO.␣ 155 wird Luther ganz
einseitig herangezogen!).
27 Lüdemann behauptet ganz abstrakt – ohne die Vermittlung im Wort in ihrer

Bedeutung zu sehen –, daß »dieser Jesus« durch den Tod nicht vernichtet wurde,
sondern auch als der nun »Lebendige bei uns ist« (aaO.␣ 201) – was soll das heißen
angesichts der von ihm angenommenen Verwesung (aaO.␣ 198)?
28 BSLK 511, 23–38. Zur Sache cf. auch Ebeling, Der Aussagezusammenhang des

Glaubens an Jesus, Wort und Glaube, Bd.␣ III, 246–269. Cf. Röm␣ 10,9.
Kap. 7. Auferstehung und Glaube 199

Wesentlichen: Begegnung mit dem lebendigen Gott in seinem schöpferi-


schen und lebendigen Wort29.

b. Diese Einsicht ist an dem nicht einzuebnenden Unterschied zu bewähren,


der zwischem dem Glauben der ersten Auferstehungszeugen, der ein Glaube
»auf Grund von Sehen« war30, und dem heutigen Glauben derer, denen
keine Erscheinungen zuteil werden, zunächst besteht. Denn unbestreitbar ist
unser Osterglaube ein Glaube auf das Osterzeugnis derer hin, die ihn gese-
hen haben.
Freilich ist dieser Unterschied zwischen ihnen und uns auch nicht ohne
wesentliche Entsprechungen auf beiden Seiten. Auch für die Adressaten der
Erscheinungen war das Sehen nur mit dem Glauben zusammen gegeben.
Denn, was sie sahen, war wesentlich vermittelt durch das Wort dessen, den sie
sahen. Er war leibhaft-verklärt und worthaft zugleich für sie da. Darum eben
sind die Erscheinungen nur solche für die Glaubenden, und darum stoßen sie
bei anderen auf Zweifel und Unglauben. Daß das Sehen (bzw. Gesehen-
haben) die Notwendigkeit von Glauben nicht beseitigt, sondern – unter den
Bedingungen des irdischen Lebens – zur Kehrseite hat, hat Paulus grundsätz-
lich zum Ausdruck gebracht (cf. I Kor␣ 9,1 u.␣ 15, 8 mit II Kor␣ 5,7). Unser
Glaube ist einer im Zusammenkommen von Hören (und nicht Sehen) und
Glauben. Eben dies reicht aber nach dem neutestamentlichen Christuswort
völlig aus, ist heilssuffizient ( Joh␣ 20,29)31. Die, aus theologischen Gründen32,
begrenzte Zeit des »Sehens« ist für diese Weltzeit vorbei (I Petr␣ 1,8). Durch
seine Gegenwart in seinem Wort (bzw. dem Wort von ihm) wird der Aufer-
standene für uns gegenwärtig im Glauben.
Was ist nun die Bedeutung der Ostererscheinungen für den Glauben heute?
Gehören sie zum Grund des Glaubens, obwohl wir sie selber nicht erfahren?
Man muß als erstes festhalten: der christliche Glaube ist Ostern entstan-
den!33 Darum gründet sich der Glaube an Jesus Christus auf das – als Wort
des lebendigen Gottes – erfahrene neutestamentliche Zeugnis von ihm, aus
dem die Osterbotschaft nicht herausgelöst werden kann, ohne Sinn und
Zusammenhang des Ganzen zu zerstören34. Daraus folgt: wir können über-
haupt nicht an der Ostererfahrung der Jünger (d.h. dem Zeugnis von den
29 Zum wesentlichen Verhältnis von Erscheinung und Wort s.o. Kap.␣ 4.1., S.␣ 74f.
30 Cf. dazu Althaus, aaO.␣ 66. Althaus betont diesen Unterschied (aaO.␣ 65) und
spricht ihm sogar theologische Bedeutung zu (aaO.␣ 66).
31 Zur Interpretation der Stelle cf. Althaus, aaO.␣ 66f.
32 Cf. dazu o. S.␣ 100f.
33 »Das »Sehen« der ersten Zeugen gehört in das glaubenerweckende Zeugnis, das

die Kirche begründet hat, hinein« (Althaus, aaO.␣ 46).


34 »Der Grund des Glaubens ist kein anderer als der ganze Gehalt des ursprüngli-

chen Christuszeugnisses, einschließlich des bezeugten Ostergeschehens. Man kann


hier nichts ausscheiden« (Althaus, aaO.␣ 52). Was dies Eingeschlossensein systematisch
bedeutet, versuchen die o. im Text folgenden Sätze auszusagen.
200 Kap. 7. Auferstehung und Glaube

Erscheinungen an sie) vorbei ein glaubendes Verhältnis zu Wort und Ge-


schichte Jesu gewinnen, weil die Evangelien dies Wort und diese Geschichte
(Kreuz!) eben im Lichte von Ostern und auf es hin (als Wort und Geschichte
des Christus) überliefern35. Am irdischen Jesus auch verkünden sie den auf-
erstandenen Christus36.
Damit ist ein theologisches Verständnis der Zusammenhänge vorgegeben,
das sich so formulieren läßt. Das Wort der Verkündigung, das uns erreicht
und unseren Glauben hervorrufen kann, ist nichts anderes als die Botschaft
der Erscheinungen selber: der Vergangene (schon) ist der Lebende (bzw. der
Lebende auch der Vergangene), und seine Worte (schon) waren (und sind)
Worte ewigen Lebens ( Joh␣ 6,68). D.h. für uns Heutige ist die Verkündigung
des Glaubens an den Auferstandenen »aufgehobene« Ostererscheinung – so
wie die Erscheinungen sich, an ihnen selber worthaft, in Verkündigung (eben
die Evangelien!) übersetzten (s.o. S.␣ 73f.)37. Überdies ist es auch ein integra-
les Moment dieser Verkündigung, daß die, die sie weitergaben, sich dazu von
dem ihnen lebendig Erschienenen selber gesandt wissen! Sein Wort kommt
(an uns) als Wort dessen, der darin wirklich zu uns kommen will, als er selbst,
der »im Wort von der Auferstehung wirksam sich erweisende Christus«38.
Indem wir heute hören, was er damals als Erscheinender getan und gesagt hat
– und was das für sein Reden und Tun als Irdischer bedeutet –, gelangt nur
zur Verwirklichung, daß sein Erscheinen schon Verkündigung war und es für
uns ausschließlich ist. Die Botschaft seines Erscheinens (als aus dem Tode
Lebendiger) kommt heute in der Verkündigung (als Weiterverkündigung) zu
uns. Darum ist, zum Glauben an das Wort des Auferstandenen zu gelangen,
Wiederholung der Ostererfahrung im Glauben39.
Dies kann nur geschehen in der Kraft des hl. Geistes, der uns die Verkün-
digung von Jesu Wort und Geschichte als Botschaft vom Auferstandenen als
das Wort gegenwärtig werden läßt, in dem der lebendige Gott an uns han-
delt. So wird Vergangenes zur eigenen Gegenwart des Glaubens, wird die
Ostergeschichte zur Ostererfahrung im Wort davon. Und in solcher lebendi-
gen »Wiederholung« in der schöpferisch den Zeitunterschied überwinden-
den Gegenwart des ewigen Gottes streift der eigene Glaube das äußerliche
35 Auch bei W. Herrmann wird das ausdrücklich eingeräumt: »Wären sie [sc. die
Osterereignisse] nicht geschehen, so wäre uns das Zeugnis der ältesten Gemeinde von
dem Erdenleben Jesu nicht geschenkt« (Dogmatik, 1925, 83).
36 »Das Osterwunder wird uns nicht für sich, isoliert und nicht historisch-theore-

tisch gewiß. Es wird auch nicht für sich berichtet, sondern inmitten des zur Entschei-
dung rufenden Gesamtzeugnisses von Jesus« (Althaus, aaO.␣ 61), – ein Zeugnis, »das als
Ganzes um Glauben wirbt und die Macht hat, Glauben zu begründen« (ebd.).
37 »Das Bild des geschichtlichen Jesus ist nicht nur geschichtlich-zufällig, sondern

wesentlich-grundsätzlich eingefaßt in die Osterbotschaft von seinen Erscheinungen,


seiner Auferstehung« (Althaus, aaO.␣ 52f.).
38 Künneth, aaO.␣ 81.
39 »Dann wissen wir im Glauben, daß er lebt« (Althaus, aaO.␣ 65).
Kap. 7. Auferstehung und Glaube 201

Verhältnis zu Erfahrungen, die nur Andere vor Zeiten gemacht haben, ab


und findet – frei von äußerer Abhängigkeit von den Berichten Anderer – zu
sich als Glaube und d.h. zur Gleichzeitigkeit mit dem lebendigen Christus.
Er findet von der Schrift als Gesetz zu Christi Selbstwort als Evangelium.
Dann wird dieser selbst uns gegenwärtig, und genau das ist Glaube40.
Auferstehung und Glaube sind beide eine pneumatische Wirklichkeit, und
sie sind es gerade als eine Wirklichkeit. Denn das Pneuma ist wortgebunden,
und der Glaube kommt aus dem Hören der Verkündigung (Gal␣ 3,2;
Röm␣ 10,17 u.␣ 14). Und der Glaube ist pneumatische Wirklichkeit gerade in
kraft der Auferstehung bzw. des Auferstandenen selber, der sich in seinem
Wort lebendig vergegenwärtigt: Christus ist daher »non objectum … in ipso
fide Christus adest«41. Darum ist der Auferstehungsglaube da lebendig – und
ist so erst eigentlich Glaube an die Auferstehung als Glaube in kraft der
Auferstehung –, wo er »im Worte bleibt«42. Und vom Wort her, als die Auf-
erstehungswirklichkeit mit sich bringend, haben »wir auch einen Schmack
der selben durch den Christum inn unserem hertzen empfangen« (cf.
Hebr␣ 6,5)43.
Von hier aus wäre auch das Problem des Verhältnisses von Glaube und
Erfahrung genauer zu erörtern, wozu hier nicht der Ort ist44. Jedenfalls ist es
verkehrt, Wort und Erfahrung gegeneinander auszuspielen45, so daß sie ein
Gefälle bilden derart, daß eine reine Erfahrung primär sei46 und das Wort nur
deren nachträgliche Deutung47. Gerade die Auferstehungserfahrung ist über-
haupt keine Erfahrung ohne ihren – im mehrfachen Sinne – wesentlichen
Wortcharakter, wie gezeigt wurde (s.o. S.␣ 73ff.). Daher ist eine These wie
»am Anfang war nicht der Satz«48 ganz schief, weil die Erfahrungen mit dem

40 »Die Vermittlung durch Menschen wird aufgehoben in der Unmittelbarkeit des

Eindruckes der Wirklichkeit Jesu« (Althaus, aaO.␣ 69).


41 WA 40/I, 229, 15. Luther bestimmt den Glauben auch als das »medium, das

zusamen kopelt me et Christum« (WA 49, 99, 10f.).


42 Cf. WA 36, 498, 31.
43 AaO.␣ 561, 33f.
44 Zur Bedeutung von Erfahrung beim Auferstehungsglauben überhaupt cf. Lu-

ther aaO.␣ 495f.


45 Für Lüdemann steht am Anfang das Kerygma (aaO.␣ 135, cf. 138 zu »Dogma«) als

bloß ein solches (cf. 194), so daß eine davon isolierte »Verifikation« eingefordert wer-
den kann. Der »zentrale Punkt« ist für Lüdemann daher die »Erfahrung« des Ausgesag-
ten (aaO.␣ 194 u.␣ 202 mit 31).
46 Die Berufung Lüdemanns auf Kant ist nicht einschlägig (cf. 261 A.␣ 678).
47 Daß dies schon nicht einmal für das Wort »Gott« zutrifft, hat der englische

Sprachphilosoph I. T. Ramsey gezeigt. »Gott« ist ein key-word, das seinerseits über-
haupt bestimmte »Erfahrungen« erst möglich macht und insofern immer schon in
ihnen präsent ist (cf. Religious Language. London 1957 (Paperback 1963), 51 u.␣ 59;
ähnlich J. Hick, Religious Faith as Experiencing-As, in: G.N.A Vesey (ed.), Talk of
God, London 1969, 20 –25).
48 Lüdemann, aaO.␣ 31.
202 Kap. 7. Auferstehung und Glaube

Auferstandenen als Erfahrungen mit dem lebendigen Gott (s.o. S.␣ 45f.) gar
nicht Erfahrungen von Gott sein konnten49, ohne worthaft erschlossene und
in ihrer Bedeutung gewußte Erfahrungen zu sein50.
Mit diesen Einsichten ist natürlich überhaupt nicht die religiöse Wichtig-
keit von (auch gegenwärtigen) Erfahrungen der Auferstehungswirklichkeit
bestritten. Sie sind für den christlichen Glauben sogar unverzichtbar, insofern
als allein solche Erfahrungen z.B. die Entlastung vom Identitätszwang des
in␣ sich verkrümmten Subjektes (und seiner »Verständigkeit«) herbeiführen
können – Erfahrungen, wie sie sich an glaubenden Menschen machen lassen,
die dann zur lebendigen Anrede Gottes bzw. Christi an uns zu werden ver-
mögen. Die universale Erfahrbarkeit der Realität von Ostern, so fragmentari-
sche Spuren auch immer dem Einzelnen in seinem Glaubensleben zugänglich
werden, ist überhaupt vorauszusetzen; sie sollte allerdings nicht mit pau-
schalen Generalisierungen verwechselt werden. Das gilt besonders in der
Hinsicht, daß, wenn Auferstehung ein historisches Ereignis ist, sie dies nur so
sein kann, daß auch heutige historische Erfahrungen unter dessen Einfluß
stehen. Gegen eine falsche Unmittelbarkeit dabei und überhaupt im Verhält-
nis zum Auferstandenen steht aber die grundlegende Korrelation von Wort
und Glaube ein. In dieser Korrelation ist mitgesetzt, daß schon der historische
Ereignischarakter der Auferstehung als solcher immer vermittelt ist durch die
Erinnerung des Glaubens, der das Ereignis identifiziert hat51.
Die Unmöglichkeit solcher Unmittelbarkeit ist nun genau der Ort des
Glaubens, der unter den Bedingungen des irdischen Lebens zugleich escha-
tologisch ausgerichtet ist. Im Wort hat er real präsent, was die Wahrheit der
im Kommen begriffenen Wirklichkeit ausmacht: der Auferstandene »regiret
durch das Wort, nicht ynn sichtlichem, offentlichen wesen, sondern ist gleich,

49 Lüdemann will freilich die Christuserlebnisse von Gotteserfahrungen abheben

(aaO.␣ 36), was schon phänomenologisch falsch ist. Thomas spricht deren Einheit zu
Ostern zu Recht aus ( Joh␣ 20,28).
50 Auch das Graß-Zitat bei Lüdemann (aaO.␣ 212 A.␣ 94) ist anders zu verstehen, als

L. will.
51 Mit der Berufung darauf, daß Vergangenheit immer nur Vergangenheit für …

(83) bzw. daß im historischen Erkennen Subjekt und Objekt untrennbar sind, will
man nicht die Geschichtlichkeit zerstören (85, 86, 91), stellt R.R. Niebuhr fest: »daß
die Auferstehungsüberlieferung überhaupt nicht zu irgendeiner Vergangenheit gehö-
ren könnte und damit überhaupt kein historisches Ereignis sein würde, wenn sie nicht
durch die Kirche erkannt würde« (aaO.␣ 84) – natürlich durch die Kirche, die ihrerseits
durch diese Erinnerung konstituiert ist! Wenn das stimmt, dann folgt daraus: »Es ist
unmöglich, sich diesem Ereignis in einer anderen Weise als durch die Erinnerung der
Kirche zu nähern« (aaO.␣ 87, cf. 91). Ein solches geschichtliches Verständnis des Ereig-
nisses von Ostern spricht nicht nur gegen Barths »heilsgeschichtliche« bzw. »über-
geschichtliche« Auffassung der Auferstehung (cf. aaO.␣ 75f., 78f., 85f.), sondern auch
gegen die naive Annahme, ein »rein« historischer Zugang zu den kruden Fakten sei
überhaupt möglich.
Kap. 7. Auferstehung und Glaube 203

wie man die Sonne siehet durch eine wolcken, da sihet man wol das liecht,
aber die Sonne selbst sihet man nicht« (WA 36, 569, 19–22). Das Unter-
wegssein der Glaubenden – entsprechend dem Werdestand aller Dinge52 –
kann jetzt nicht im Schauen sich erfüllen; nur der Glaube wird ihm gerecht
(II Kor␣ 5,7)53. Freilich ist die zukünftige Schau der Doxa die Wahrheit und
das Telos des Glaubens ( Joh␣ 17,24), der selber in aller Gebrochenheit schon
einen Abglanz dieser Doxa an sich hat bzw. ein solcher ist54. Nur wie durch
einen Spiegel (II Kor␣ 3,18) und in fragmentarischer Prolepse (I Kor␣ 13,12)
ist im Glauben antizipiert, daß dieser Glaube dahin unterwegs ist, wo die
Glaubenden mit dem Auferstandenen das lebendige Reich innehaben
(Röm␣ 5,17b).

c. Paulus hat Gal␣ 5,5 den engen Bezug des Glaubens, der pneumatisch ist
und rechtfertigt, zur Hoffnung ausgesprochen (cf. I Kor␣ 13,13). Dem systema-
tischen Verhältnis beider Begriffe ist abschließend in der Perspektive der
Auferstehung in einigen Hinsichten nachzugehen.
Weil der Glaube, von der Auferstehung her begründet und auf sie gerich-
tet, eschatologisch bestimmt ist, hat er eine Bezogenheit auf die Zukunft
notwendig in sich, die mit der Auferweckung Jesu Christi von den Toten
schon angebrochen ist. Darum streckt er sich nach vorne aus (Phil␣ 3,13b)
und ist an sich selber (immer auch) Hoffnung: »das wir unser hertz richten
auff ein ander leben und wesen, das noch nicht vorhanden ist und doch
gewislich kommen sol«55. Man kann also sagen: als Hoffnung, die ihm selber
innewohnt, übersteigt der Glaube sich in seinem Anfangen – eben in Rich-
tung auf Vollendung dieses Anfangs. Er ist indes selber Antizipation dessen,
worauf er sich zugleich hoffend richtet.
Die Hoffnung ihrerseits muß Glaube sein, denn sie zielt auf das, was wir
nicht sehen (Röm␣ 8,24f.; Hebr␣ 11,1), weil es im Kommen ist – aber das ist
gerade das Ewige (II Kor␣ 4,18)56.
Eben dies aber ist im Auferstandenen antizipiert und als sein Leben schon
gegenwärtig; in diesem Sinne sind wir »auf Hoffnung gerettet« (Röm␣ 8,24a;
Gal␣ 5,5), denn in Christus haben wir es – in spezifischem Sinn! – mit dem
»Gott der Hoffnung« zu tun (Röm␣ 15,13). Und wie die an Christus, dem
auferweckten Gekreuzigten, erschienene Doxa unsern Glauben und unsere

52 Barth beschreibt die eschatologische Situation der Glaubenden als durch Christi

Kreuz und Auferstehung veränderte sehr schön so: »Sie sind … schon nicht mehr, was
sie waren, [sind] schon, was sie sein werden« (KD IV/1, 349).
53 Zum Nicht-Sehen cf. auch I Petr␣ 1,8; Joh␣ 20,29 u. Röm␣ 8,24f.
54 Ebeling, aaO.␣ 357.
55 WA 36, 544, 34f.
56 Das »Unsichtbare« des NT darf daher nicht platonisch mißverstanden werden;

es entspricht ihm wesentlich und notwendig Glaube (cf. I Joh␣ 3,2a!).


204 Kap. 7. Auferstehung und Glaube

Hoffnung freisetzt (I Petr␣ 1,21) – eine Hoffnung zu Gott! –, so ist diese


Hoffnung des Glaubens »Hoffnung der Doxa Gottes« (Röm␣ 5,2b)57.
Darum sammeln sich in dem Ausdruck »wiedergeboren zu einer lebendigen
Hoffnung durch die Auferweckung Jesu Christi von den Toten« (I Petr␣ 1,
3)58 alle wesentlichen Bezüge dieses Sachkomplexes. Die Hoffnung des Glau-
bens ist lebendig, weil sie sich auf den richtet, der ewig lebt und Christus an
seinem Leben teilgegeben hat. Als Vorschein ewigen Lebens ist Hoffnung
selber lebendig. Darin liegt nun zum einen, daß sie einen lebendig an ihr
wirksamen Grund hat, der in ihr verborgen gegenwärtig ist: »sind jnn die
hoffnung gesetzt, ja zum teil schon gefurt jnn das ewig reich«59. Gerade dies
spannungsvolle Ausgestrecktsein auf das Zukünftige – als das, das schon da
war Рmacht zum andern den Glauben so ȟberschwenglich reich an Hoff-
nung« – in kraft des hl. Geistes (Röm␣ 15,13). In kraft dieser Bezüge weiß sich
der Glaube als Bewegung der Hoffnung eingelassen in Gottes lebendiges
Handeln an der Welt – von Christi Auferweckung her und auf die Vollen-
dung im Eschaton zu. Daraus gewinnt er die Schwungkraft seiner Zuver-
sicht, »daß denen, die Gott lieben, alles zum Guten beiträgt« (Röm␣ 8,28),
denn in seinem Sohn hat Gott ihnen alles schon geschenkt (V.␣ 31f.). Gerade
als Hoffnung also ist der Glaube »Glaube der Wahrheit« (II Thess␣ 2,13b)60.
Christlicher Glaube ist hoffendes schon Bestimmtsein, und christliche
Hoffnung ist glaubendes noch Unterwegssein der Gemeinde durch das, was
Gott als ihr endgültiges Ziel an der Welt durchzusetzen begonnen hat und im
Begriff ist. Die Hoffnung ist bestimmt durch die Antizipation des Eschaton
in der österlichen Parousie des Auferstandenen und der Glaube ausgerichtet
auf seine endgültige Parousie als die eschatologische Wahrheit aller Wirk-
lichkeit. Im Glauben, der eins mit der Hoffnung (und in der Liebe tätig:
Gal␣ 5,6; I Kor␣ 13,13) ist, haben die Jünger Jesu Anteil am eschatologischen
Handeln Gottes, das in der Welt als Werden zu sich wirklich ist.
Die mit allem Gesagten gegebene Rückbindung der Hoffnung an den
Auferstehungsglauben verhindert eine Verselbständigung und inhaltliche
Ausmalung – etwa nach dem Beispiel apokalyptischer Szenarien vom Welt-
ende61 – des Hoffnungszieles gegenüber dem Hoffnungsgrund in der Aufer-
57 I Petr␣ 1,21 werden Glaube und Hoffnung zu Auferweckung und Doxa in Bezie-
hung gesetzt: so wie diese als ein Handeln Gottes an Christus zusammengehören, so
jene als die eine eschatologische Existenz.
58 V.␣ 4 redet vom ewigen Leben!
59 WA 36, 610, 20f.
60 Zu ihm gehört die »Liebe der Wahrheit« (V.␣ 10).
61 So hat seinerzeit schon M. Heidegger zu recht und unter eindringlichem Hin-

weis auf den ursprünglichen »Vollzugszusammenhang« des christlichen Lebens darauf


hingewiesen, »daß das Eschatologische niemals primär Vorstellung ist« (Einleitung in
die Phänomenologie der Religion (1920/21), 3. Kap.: Phänomenologische Expli-
kation des ersten Briefes an die Thessalonicher; §␣ 26: Die Erwartung der Parousie;
in:␣ Gesamtausgabe II. Abt., 60. Bd. (1995), 11). Mit Bezug auf das eschatologische
Kap. 7. Auferstehung und Glaube 205

weckung Jesu Christi (und darüber hinausschießend). Daß die Parousie am


Ende der Tage62 seine Parousie, d.h. die des zu Ostern schon Erschienenen,
und daß eschatologisch beides nur ein Geschehen ist, das sichert die Un-
überholbarkeit des Glaubens (durch eine hypostasierte Hoffnung) und hält
den Glauben in dieser ihm eigentümlichen »Zeitlichkeit«63 seines Unter-
wegsseins zwischen Schon und Noch-nicht64.
Der Glaube ist von der Gegenwart des kommenden Gottes bestimmt und
hat seinen Grund im göttlichen Handeln an dem toten Jesus bei der Aufer-
weckung. Die ihm innewohnende Hoffnung ist an dem eigentlichen Ziel
dieses göttlichen Handelns orientiert und so von der zukünftigen Vollen-
dung eben dies selben göttlichen Handelns für die Welt bestimmt. Weil jener
Grund nur das sich vorlaufende Ziel von Gottes Handeln an der Wirklichkeit
ist und das ewige Ziel der eigentliche Grund jener Begründung des Glau-
bens, bildet das zweieinige Verhältnis von Glaube und Hoffnung eben die
Lebendigkeit des Werdens zu sich ab, in das beide zugleich eingelassen sind.
Es ist mehrfach erörtert worden, wie in diesem Zusammenhang der Ge-
danke der Ewigkeit und des Seins des lebendigen Gottes zu denken sind65.
Hier war der Begriff des christlichen und so spezifisch mit Hoffnung ver-
bundenen Glaubens dazu in Beziehung zu setzen. Dabei hat sich vom neu-
testamentlichen Hoffnungssinn des Glaubens her bestätigt, was von dem
systematischen Begriff des Handelns Gottes als ewig Lebendiger vorgezeich-

ünamfinein␣ (I Thess␣ 1,10) sagt Heidegger daher: »das »Erharren« ist kein vorstellungs-
mäßiges »Erwarten«, sondern ein doule‚ein jeù « (aaO.␣ 112; cf. I Thess␣ 1,9 u.
Eph␣ 2,12!).
62 Wiederum bei Heidegger ist zu lernen, daß der spezifisch christliche Sinn von

Parousie (als »das Wiedererscheinen des schon erschienenen Messias«) mit diesem
Begriff eine gänzlich neue und durch religionsgeschichtliche Vergleiche nicht nivel-
lierbare Struktur verbindet: »Man könnte zunächst denken: das Grundverhalten zur
parous‡a ist ein Erwarten und die christliche Hoffnung (†lp‡“) ein spezieller Fall
davon. Aber das ist ganz falsch! Wir kommen niemals durch die bloße Analyse des
Bewußtseins von einem zukünftigen Ereignis auf den Bezugssinn der parous‡a. Die
Struktur der christlichen Hoffnung, die in Wahrheit der Bezugssinn zur Parousie ist,
ist radikal anders als alle Erwartung. … Das »Wann« ist schon nicht ursprünglich
gefaßt, sofern es im Sinn einer einstellungsmäßigen »objektiven« Zeit gefaßt wird«
(aaO.␣ 102; cf. auch 151).
63 »Aus jenem Vollzugszusammenhang mit Gott erwächst erst so etwas wie Zeit-

lichkeit« (Heidegger, aaO.␣ 114; s.u. Anm.␣ 66).


64 »Dem Christen darf entscheidend nur sein tÖ nún des Vollzugszusammenhanges,

in dem er eigentlich steht, nicht aber die Erwartung eines als zukünftig in der Zeitlich-
keit stehenden abgehobenen Ereignisses« (aaO.␣ 114).
65 Auch Heidegger hält an einem Zusammenhang dieser Begriffe mit der Zeitlich-

keit des Glaubens fest: »Der Sinn der Zeitlichkeit bestimmt sich aus dem Grund-
verhältnis zu Gott, so allerdings, daß die Ewigkeit nur versteht, wer die Zeitlichkeit
vollzugmäßig lebt … Erst aus diesen Vollzugszusammenhängen kann der Sinn des
Seins Gottes bestimmt werden« (aaO.␣ 117).
206 Kap. 7. Auferstehung und Glaube

net war: daß der christliche Glaube eine Weise ist, die Zeitlichkeit als solche
zu leben66.
Daher ist der christliche Glaube – wie sein Name bereits zu denken gibt –
in der Zeit entstanden und (historisch) begründet. Er lebt ganz in der Zeit-
lichkeit, sowohl aus ihr her als auch auf ihre Zukunft zu, und dies gerade
darum, weil mit der Auferweckung Jesu Christi von den Toten im Handeln
Gottes das ewige Leben in unser Leben gekommen ist und es von da an mit
sich trägt – der Vollendung entgegen.

66 Dies ist Heideggers Grundeinsicht (aaO.␣ 80. 82, 104, 116 u.ö.), die in den vor-

ausstehenden Anmerkungen 61–65 an ihrer paulinischen Ausprägung konkretisiert


wird (cf. bes. Anm.␣ 63).
207

Exkurs

Die Metapher »Auferwecken«

Der für uns gestorben ist, damit,


ob wir wachen oder schlafen,
wir zugleich mit ihm leben.
I Thess␣ 5,10

In der Literatur zur Auferstehung wird gelegentlich die Auffassung vertreten,


die Rede von der Auferweckung Jesu nehme die Metaphorik von »Aufwek-
ken« in Anspruch1. Es ist kurz zu untersuchen, wie es sich sprachlich mit
diesen Bezügen verhält (a) und inwiefern die Metaphorik des »Aufweckens«
hier stimmig ist, obwohl der Gekreuzigte doch tot war und nicht schlief,
oder, anders formuliert, ob es Analogien zwischen Schlaf und Tod gibt der-
art, daß die Metaphorik des Weckens auch sachlich für die Auferstehung
einschlägig ist (b).

a. Bekanntlich bevorzugt das NT für den Sachverhalt das Verb †ge‡rein (bzw.
†ge‡resjai, daneben auch ün‡sthmi)2; vielleicht um damit eine »konkrete
Vorstellung vom Handeln Gottes« zum Ausdruck zu bringen3. Das Wort
†ge‡rw4 kann in den verschiedenen Bedeutungen von »aufwecken« (vom
Schlaf: Mt␣ 8,25; vom Tode: Mt␣ 10,8), »aufrichten«5, »sich erheben, aufste-
hen«6, (Tote) »auferwecken« ( Joh␣ 12,1, bzw. »erwecken«: 12, 9) bis hin zu
»vom Tode auferstehen« (Mt␣ 17,9) spielen7.

1 So sagt z.B. Pannenberg, die Rede von der Auferstehung Jesu sei Metapher, weil
das Wort »auferwecken« das Bild des Erwachens aus dem Schlaf nahelege (STh II, 387,
cf. 388 und Grundzüge der Christologie, aaO.␣ 70 u.␣ 189). Andererseits sei aber der
Begriff »Leben« in gar keinem Falle (weder »vor« noch »nach« dem Tode) als Meta-
pher zu verstehen (aaO.␣ 388). Dalferth spricht sogar vom »Bild«-Charakter der Rede
vom Auferwecken/Aufwachen/Aufstehen als »Modell« oder »Denkfigur« für das Han-
deln Gottes insbesondere am gekreuzigten Jesus (cf. aaO.␣ 74f.).
2 Statt ≤gersi“ (Mt␣ 27,53 und Kerygma Petri bei Clem. Alex., Strom. VI, 15, 128)

aber ün›stasi“␣ (Mt␣ 22,13.31).


3 Oepke, ThWbNT II, 334, 19f.
4 Cf. Art. †ge‡rw, ≤gersi“ … in: ThWbNT II, 332ff. (Oepke).
5 In dieser und nicht in der ersten Bedeutung will Oepke den Anhaltspunkt für die

Rede von Auferstehung sehen (aaO.␣ 333, 14)! Sie kann auch soviel wie »gesund ma-
chen« meinen (cf. Jak␣ 5,15).
6 ≤gersi“␣ heißt Sich-Aufrichten, Aufstehen in Ps␣ 138,2 (LXX) und bei Empedo-

kles (personifiziert) das »Erwachen« (frg. 123, Diels-Kranz I, 361, 13).


7 Bemerkenswert ist, daß das Kompositum †xege‡rw␣ – an sich nicht vom Simplex
208 Exkurs. Die Metapher »Auferwecken«

Was die einschlägigen deutschen Wörter angeht, bestehen tatsächlich ähn-


liche sprachliche Beziehungen wie zwischen den schon im Griechischen
sich überlagernden Bedeutungsfeldern. So hat das Wort »wachen« als
Durativbildung zu »erwachen« zu gelten, wozu kausativ »wecken« gehört8.
Die präfigierten Bildungen wie »auferwachen« (als verstärktes Aufwachen)
bzw. »erwecken«, »auferwecken« (als verstärktes Aufwecken) werden in Be-
zug auf vorausgehenden Schlaf oder – wohl zumeist biblisch beeinflußt –
Tod (oder auch Ohnmacht) gebraucht. Übertragene Verwendungen sind für
fast jeden Fall literarisch bezeugt, und allgemein verbreitet ist die metapho-
rische Rede vom Erwachen des Tages, der Natur, eines Gefühles u.ä. Religi-
ös einschlägig ist die Rede von »Erweckung«, nämlich zu einem Leben in
Gott. Das Wort »erstehen« ist früher mit aufstehen gleichbedeutend gewe-
sen9; sonst bedeutet es soviel wie: bestehen, durchstehen, überstehen10; »auf-
erstehen« (als verstärktes Aufstehen) kommt religiös, aber auch in freier
Übertragung vor11.

b. Eine theologische Einschätzung dieses Bedeutungsspielraums, der hier in


knappestem Umriß angedeutet wurde, sowie das Recht der Rede vom me-
taphorischen Sinn der Auferstehungsterminologie kann sich aber erst erge-
ben, wenn man den sachlichen Beziehungen zwischen Schlaf, Tod und Auf-
wecken nachzugehen versucht.
Bekanntlich hat die Antike euphemistisch den Tod als Schlaf bezeichnet12.
Im Neuen Testament korrespondiert der Rede vom Gestorbensein als Schla-

bedeutungsvariant – im Profangriechischen schon »vom Tode auferwecken« oder »auf-


erstehen« heißen kann und in dieser Bedeutung auch bei Paulus vorkommt (I Kor␣ 6,
14), der es zugleich auch in der Bedeutung »ins Dasein rufen« verwendet (Röm␣ 9,17);
cf. hierzu Oepke, aaO.␣ 336f.
8 Genaueres bei Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache

(198922), 771 und 780. Möglich ist auch ein Zusammenhang der zugrundeliegenden
germ. Wurzel mit »lebenskräftig sein« (cf. »wacker«␣ =␣ wachsam, aaO.␣ 772, und »aufge-
weckt«).
9 Cf. mhd. urstende␣ =␣ Auferstehung.
10 Cf. Kluge, aaO.␣ 187.
11 Eine besondere Verwendung von »aufstehen lassen« findet sich bei Luther, I␣ Sam

22,8; cf. ähnlich »erwecken« (II Kö␣ 11,23) u.ö.


12 Nachweise in den Art. kaje‚dw,␣ in: ThWbNT III, 434ff. (Oepke), bes. 436,

15ff. (AT: 438, 25; NT 439, 42ff.) und æpno“, aaO. VIII, 545ff. (Balz), bes. 547, 48ff.
Ich verzichte auf eine kritische Auseinandersetzung mit einzelnen Thesen; cf. im
übrigen im Register s.v. »Schlaf und Tod« (aaO., X/1, 323). Auch im Deutschen wird
der Ausdruck »entschlafen« für sterben gebraucht (»im Herrn entschlafen«). Ur-
sprünglich »zu schlafen beginnen« meinend (cf. »entschlummern« u. überhaupt Kluge,
aaO.␣ 179), klingt im Wort »ent-schlafen« die eigentliche Bedeutung der Vorsilbe – sie
entspricht der Trennung von etwas: »weg (von) …« – stark mit. Was zunächst heißt:
sich vom Leben trennen (ihm weg-sterben), könnte man christlich so akzentuieren:
diesem Leben entgehen (ihm entschlafen) und in das Gottes hinein übergehen (weil zu
ihm erwachen).
Exkurs. Die Metapher »Auferwecken« 209

fen die vom (wieder) Erwecktwerden (cf. Mt␣ 27,52; Act␣ 13,36f.; II Petr␣ 3,4).
Insbesondere aber der Apostel Paulus scheint vom Tod als Schlaf spezifisch
nur im Blick auf die Christen zu reden (I Kor␣ 15,6. 18. 20. 51; cf.␣ 7,39 (?)
u.␣ 11, 30 sowie I Thess␣ 4,13ff.!), und dies wegen der Auferweckung Christi (I
Kor␣ 15,20)13. Daß und insofern für Gott der Tod nur ein Schlaf ist (cf.
Joh␣ 11,11. 13 u.␣ 4), wie er in der Auferweckung Jesu durch Taterweis ge-
zeigt hat, das entmächtigt auch den Tod der Christen (nach der Auferstehung
Christi) zu einem bloßen Schlaf14. Denn jetzt gehören irdisches Leben und
Sterben in eins zusammen gegenüber dem neuen Leben, das wahres Leben
aus Gott ist und zu dem im »Heute« der Auferstehung Alle aus dem alten
Äon erwachen sollen (Röm␣ 13,11a). Jetzt ist das Heil näher gekommen
(V.␣ 11b u.␣ 12b), demgegenüber das irdische Leben bloße »Nacht« ist (V.␣ 12a).
Dieses »Erwachen« besteht in nichts anderem als darin, »den Herrn Jesus
Christus«, d.h. den Auferweckten, »anzuziehen« (V.␣ 14), was schon das wahre
Leben ist. Demgegenüber sind als solche weder das uns bekannte »Leben« –
in Gottes Sicht wie Schlaf! – noch das Sterben selber wirkliches Wachsein
bzw. wirkliche Teilhabe an der wahren Wirklichkeit15. »Vom Schlaf aufwa-
chen« und »von den Toten auferstehen« ist insofern dasselbe, als es heißt, ins
Licht des wahren Tages einzutreten (Eph␣ 5,14!)16.
Von hier aus formuliere ich die systematische These: Der Tod ist der
eschatologische Bruder des Schlafs.
Unser irdischer Schlaf (als »Bruder des Todes«, Il. 14, 231) ist ein empiri-
sches Gleichnis dafür, daß der Tod, eschatologisch verstanden, nur Schlaf ist.
Eschatologisch verstanden besagt, daß nur von Gottes schöpferischem Han-
13 So Rengstorf, aaO.␣ 128; cf. 129. Cf. Luthers Auslegung von Ps␣ 3,6 (WA 5, 88–
90) und bes. 89, 34f. vom überwundenen Tode: ut in qua, sicut in dulci quiete somni,
nobis indubitata et melior exurrectio et vigilia promittatur. Im Choral »Mit Fried und
Freud fahr ich dahin« heißt es: »der tod ist meyn schlaff worden« (WA 35, 439, 2).
14 So auch Luther zu I Kor␣ 15,20; WA 36, 547, 22–33! Weil der Tod in einen

Durchgang zum Leben verwandelt ist, tritt – im Anschluß an I Kor␣ 15,36ff. (cf. Gal␣ 6,8)
– eine neue göttliche Sprache in Kraft: die eschatologische Metaphorik des »Säens«
(WA 36, 643, 29ff. u.␣ 655, 28–30); cf. auch o. Kap.␣ 5 A.␣ 27. Der lutherische Dichter
F.G. Klopstock hat von ihr ausgiebig Gebrauch gemacht, cf. z.B. das bekannte »Saat,
von Gott gesät, dem Tage der Garben zu reifen!« (Der Messias, XI 845 cf. Il. 11, 67–
71).
15 Und nur, weil wir es jetzt dafür halten, werden wir »dann« – von hier aus gesehen

– »sein wie die Träumenden« (Ps␣ 126,1); cf. Eph␣ 5,14 u. I Thess␣ 5,10! Für I Thess␣ 5,7a
gilt: das Schlafen definiert »Nacht«!
16 Nicht nur wach zu sein, sondern faktisch schlafen zu müssen, kennzeichnet das

irdische Leben des Menschen als Geschöpf: »Nun ist gewiß der rhythmische Wechsel
von Tag und Nacht und der auf das engste damit verknüpfte Rhythmus von Einschla-
fen und Aufwachen ein alles durchdringender Zug im Bild unseres Erdendaseins, so
daß ihn wegzulassen, einer Zerstörung dieses Bildes gleichkäme …, und es gehört
zum Phänomen des Schlafes, daß er uns immer nur gleichsam von rückwärts her und
wie aus verborgenen Gründen befällt« ( J. König, aaO., wie u. Anm.␣ 18, 191f.); s.u.
Anm.␣ 21.
210 Exkurs. Die Metapher »Auferwecken«

deln her der Tod in Analogie zum Schlaf gesehen werden kann. Dann aber
ist die Rede vom Tod als Schlaf und der Vergleich beider in Bezug auf das
»Auf(er)wecken« keine vage Metapher oder gar eine Äquivokation, sondern
gründet in der Metabasis (I Joh␣ 3,14), die das Eschaton mit der Zeit vorge-
nommen hat17. Theologisch ist zu fragen: was ist das Leben, wenn der Tod für
Gott nur – Schlaf ist?!
Jedenfalls wird der strikte Unterschied, der an sich zwischen dem Phäno-
men des Weckens und der Totenerweckung empirisch besteht, eschatolo-
gisch relativiert18. Und eschatologisch ist die Metapher des Aufweckens
mehr als eine bloße Metapher. Gleichwohl finden sich wesentliche Merkmale
des Aufweckens auch bei der Auferweckung wieder, wie nun gezeigt werden
soll.

c. Vom Aufwecken gilt: »Durch das Erwachen und also durch ein Anderes, das
zu ihm hinzukommt, wird das Wecken erst, was es ist … Die Bewegung des
Weckens dringt von außen auf den Schlafenden ein und ist insofern von ihm
unabhängig; doch aber ist sie eine Welle, die getragen zu werden verlangt von
der entgegengesetzt gerichteten Bewegung des Erwachens zum Weckenden,
denn wesentlich erwachen wir zum Licht, zum Geräusch und überhaupt zum
Anstoß«19. Entsprechend muß man von Jesu Erwecktsein vom Tode sagen:
weil es ein Auferwecktsein zu seiner Wahrheit aus Gott und bei Gott ist20, der
selber Licht und reine Wahrheit ist (Ps␣ 121,3f.)21, ist er in Wahrheit wach und
ist es absolutes Wachsein und hat seine Wirklichkeit und Wahrheit nur im
wesentlichen und dauernden Wissen um die ihn erweckende Macht Gottes.
Jesu Christi Erwecktsein ist in strenger Identität Wissen von Gottes ihn er-
17 S.o. Kap.␣ 6.3. S.␣ 159f.
18 Diesen Unterschied arbeitet der Philosoph J. König, der den interessanten logi-
schen Bezügen zwischen Wecken und Wachsein subtil nachgeht, zunächst deutlich
heraus: »nur einen Schlafenden können wir wecken; und nur wer erwachen kann,
schläft« und »Der Schlafende schläft nur, d.h. er ist nicht tot; das Wecken weckt nur;
d.h. es macht nur wach, es macht nicht einen Toten lebendig …« (in: Sein und Den-
ken, 19692 , 24 u.␣ 45f.). Trotz dieser klaren Differenz können wir uns Königs Ausfüh-
rungen über das Wecken (aaO. §␣ 9 u.␣ 38, 4.) zur analogen Verdeutlichung nutzbar
machen.
19 König, aaO.␣ 25. Dies Erwachen als Wirkung eines Gewecktwerdens ist wesent-

lich verschieden von einem Von-selbst-Erwachen (aaO.␣ 41 u.␣ 42), denn beim Erwa-
chen unter einem Anstoß gilt: »Wir wissen dann eigens um das Erwachen und um das,
was uns geweckt hat. Wir erwachen dann wesentlich zum Anstoß, zum Licht, zum
Ruf« (aaO.␣ 42, 44). Von diesem Ruf (kaleõn, Röm␣ 4,17) lebt der auferweckte Chri-
stus ausschließlich als vom schöpferischen Worte Gottes (Mt␣ 4,4).
20 S.o. Kap.␣ 5.3., S.␣ 140f. Umgekehrt kann Luther von Gott (in veralteter Rede-

weise) einmal sagen: »wird er aufwachen zu dir« (Hiob␣ 8,6).


21 So spricht König von der Wahrheit, »daß Wachheit an und für sich auf sich selbst

steht. Zur Idee des Wachseins gehört nicht die des Schlafs … Hingegen vom Stand-
punkt des Wachseins aus ist auch, daß es überhaupt Schlaf gibt, bloß Faktum« (aaO.␣ 192,
s.o. Anm.␣ 16).
Exkurs. Die Metapher »Auferwecken« 211

weckt Haben bzw. ihn Erwecken22. Seine neue Existenz als Auferstandener
ist (wissendes) Leben in und aus der konstitutiven Verbindung zu Gott und
in unlösbarer Abhängigkeit von diesem göttlichen Handeln an ihm23. Damit
ist, wie gesagt, das Auferstehungsleben nur die potenzierte Wiederholung24
von Jesu irdischem Verhältnis zu seinem himmlischen Vater bzw. dessen
eschatologische Vollendung.
Man darf also in eschatologisch interpretierter Metaphorik sagen: Christi
Auferwecktsein ist sein Erwachtsein zu sich selbst als aus und von Gott Le-
bendem. Denn alles wirkliche Aufwachen ist ein »zu sich selbst erwachen«25,
d.h. ein zu sich selber Gebrachtwerden, in dem allererst die Entfremdung von
sich, die im Schlaf liegt, für den ist, der sich jetzt als einen weiß, der in ihr
(ihm) befangen gewesen ist.
Derart ist Christi Wissen um seinen Tod als hinter ihm liegend zu verste-
hen26. So wie man erst beim Aufwachen weiß, daß man (nur) geschlafen hat,
bzw. weiß, daß, was hinter einem liegt, Nacht war, die uneigentliche Realität
für das Ich, während man jetzt in der wahren Wirklichkeit, dem Licht des
Tages ist, ebenso ist auch für den Auferweckten sein vorheriges Nicht-bei-
sich-Sein (das Totsein war) Schlaf, und zwar nur Schlaf, d.h. das, was dem
Erwachen vorausgeht. So wird für alle Auferweckten der Tod erst am Ende
nur Schlaf gewesen sein. Was diesseits der Todesgrenze endgültiger Abbruch
vom Nichts her ist, ist jenseits ihrer (von Gott her) ein bloßes Vor- und
Übergangsstadium, »wie eine Nachtwache … wie ein Schlaf« (cf. Ps␣ 90,4
u.␣ 5). Noch einmal: daß der Tod zum (bloßen) Schlaf geworden ist, ist Aus-
druck von Gottes Zuwendung zum toten Jesus. So hat der lebendige Gott
den Tod entmächtigt.
Auch für das Erwachen schon – als ein Aufwachen zu sich selber – trifft zu,
was für die Auferweckung ungleich radikaler gilt: daß sie Kontinuität (des
Ich) stiftet über völlige Diskontinuität hinweg. Daß das Ich sich jeden Mor-
gen neu als es selber und in Identität mit sich über das Dunkel passiv wider-
fahrener Nichtidentität hinweg wiederfindet27, das ist nicht nur ein Phäno-
men von besonderer philosophischer Bedeutung28. Sondern es ist wie ein

22 Cf. König: »daß wir um das Erwachen nur von diesem Weckenden her wissen«

(aaO.␣ 44).
23 Cf. die entsprechende Erwägung Königs (vom Licht des Tages): »Wie muß es

heißen? wach hält? fortfährt uns wach zu halten? fortfährt uns zu wecken? Ist das
Wachhalten sozusagen die Fortsetzung des Weckens?« (aaO.␣ 50 A.␣ 1). Theologisch
muß man dies als »Leben im Geist« ansprechen.
24 Potenziert, insofern unter Überwindung der Nacht äußerster Gottverlassenheit!
25 H. Lipps, Die menschliche Natur (1941), 46.
26 Nach König wissen wir von dem Schlaf »nur von eben diesem Wecken und

Weckenden her« (aaO.␣ 44).


27 Augustin bemerkt: tantum interest inter me ipsum et me ipsum intra moment-

um, quo hinc ad soporem retranseo vel huc inde retranseo (Conf. X, 30, 41).
28 Darauf hat in seinen Überlegungen zum Aufwachen eindrücklich O.F. Bollnow
212 Exkurs. Die Metapher »Auferwecken«

Vorschein jener schöpferischen Identifizierung, aus der Gott den Toten neu
er selbst als Lebendigen sein läßt29.
Unter solchen Aspekten lassen sich Auferstehen und Aufwachen, Tod und
Schlaf analog in Beziehung setzen. Von ihrer eschatologischen Verwirkli-
chung her ist die einschlägige Metaphorik gerechtfertigt, aber zugleich als
bloße Metaphorik überholt30. Das Zitat, das diesen kurzen Exkurs beschlies-
sen soll, redet denn auch nicht eigentlich metaphorisch, sondern, wie die
biblischen Anklänge zeigen, eher typologisch. Hamann bezieht Sterben,
Aufwachen und Auferstehen in kunstvoller Verschränkung folgendermaßen
aufeinander: »Ein sterbender Mensch ist dem von Rausch aufwachenden
Noah gleich … Glücklich derjenige, der eine Decke bey diesem Aufwachen
um sich findt, die ihn einer ewigen Schaam und Schande entzieht …«31. Es
ist nur konsequent, wenn unter diesen Bedingungen auch der Glaube als
etwas verstanden wird, zu dem man nur »erweckt« werden kann32.

hingewiesen: »daß man den Wechsel zwischen Wachen und Schlafen nicht so auffassen
kann, als ob ein in seinem Wesen gleichbleibendes Ich sich im Wachen und im Schla-
fen durchhält oder daß die Stetigkeit der erlebten Zeit jede Nacht nur durch den
Schlaf unterbrochen wird und morgens dann einfach wieder da anknüpft, wo sie am
Abend durch den Schlaf unterbrochen war. Das Ich selber verwandelt sich vielmehr in
diesen Vorgängen, und mit ihm zugleich die umgebende Welt. Der Mensch taucht
jeden Abend in eine größere Tiefe ein, in der sich sein bewußtes Ich … auflöst, und
jeden Morgen baut sich dieses Ich … neu wieder auf« (Mensch und Raum, 1963, 175).
Bollnow zieht diesen notwendigen Schluß aus ganz alltäglichen Erfahrungen, die in
feinen phänomenologischen Beschreibungen analysiert werden (Proust, von Dürck-
heim, cf. aaO.␣ 176–183). Die hier gemachten Andeutungen wären weiterzudenken
anhand von E. Lévinas, Vom Bewußtsein zur Wachheit, in: Ders., Wenn Gott ins
Denken einfällt, Freiburg /München 1985 (Alber), 44–78 (bes. 59ff. u.␣ 72ff.). Lévinas
ist um »das immer von neuem beginnende Erwachen in der Wachheit selbst« (60)
bemüht, um zu einem lebensbezogenen, vertieften Vernunftbegriff zu gelangen, der
den Bezug auf den Anderen (und Gott) einschließt (cf. 64f. u.ö.).
29 Als solch ein vestigium resurrectionis gilt schon für den I Clem jeder neue Tag

(24, 3) – ebenso wie das Aufsprießen der Pflanze aus dem vergehenden Samenkorn
(24, 4f; cf. ähnlich Paulus I Kor␣ 15,35ff. u. M. Luther, s.o. Anm.␣ 14 u. Kap.␣ 5.1., S.␣ 122
bei Anm.␣ 26).
30 Das in der vorigen Anm. Nachgewiesene zieht geradezu umgekehrt die empi-

rischen Sachverhalte als bloße Metaphern des Eschaton an! Cf. im übrigen meine
Studie »Luther zur Metapher«, in ZThK 94 (1997), 336–369.
31 Werke (Nadler), Bd. I, 318, 27–31; cf. mit Gen␣ 9,24 u.␣ 23 und II Kor␣ 5,2–4!
32 KD IV/1, 369 u.␣ 373 und Härle, Dogmatik (1995), 70; cf. o. im Text den Hin-

weis auf die Rede von »Erweckung«. In diesem Sinne lassen sich Parallelen zur Auf-
erweckung sowohl in der Bekehrung (Lk␣ 15,24 u.␣ 32; Joh␣ 5,25) wie in der Taufe
sehen (Kol␣ 2,13; Eph␣ 2,5f. u.␣ 5,14).
213

Lit

Literatur

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216
217

Bibelstellen (in Auswahl)

Mk 8,31ff. 144, 145f., 147, 160,


12,18–27 11ff. 173f., 176, 194
14,9 (Lebende 16, 20, 29, 32, 35, 39,
Mt u. Tote) 147
6,13 180ff.
22,23–33 11ff., 47, 49, 90, 176, I Kor
178, 197 2,9 46, 47, 96
28,20 63, 65, 66, 82, 87, 101, 7,31 (schema) 31, 32, 110, 150
144, 146, 178 15 38f., 43f., 59, 88, 100
15,28 (alles) 20, 43, 46, 64, 67, 116,
Lk 119, 123, 125, 148,
20,27–39 11ff., 38 180, 182
20,38b 17ff., 23, 39, 54, 140, 15,43 12, 13, 114, 116, 162,
168 175, 179
24,13ff. 133f. 15,53 107, 112, 114, 116,
24,32 104, 131, 133 135, 162
24,34 (ontos) 2, 9, 79, 86, 88, 99, 15,54 (ver- 45, 116, 158, 163, 174,
109, 137 schlungen) 176, 187
Joh II Kor
5,26 19, 50, 52, 60, 65, 82, 3,18 30, 41, 86, 115, 150,
108, 118, 122, 129, 146, 175, 180, 193
151ff., 167, 168, 181 4,6 61, 102, 121, 175
11,25 15, 18, 39, 51, 123, 5,17 40, 73, 79, 108, 122,
154, 155, 159 159, 184, 187
14,6 39, 144, 151, 154, 167
16,21 31, 122, 162 Gal
20,28 39, 48, 53, 56, 61, 125, 2,20 20, 31, 40, 94, 150,
140, 147, 148, 173, 192 155, 187
Act Kol
1 142f. 3,3 41, 108, 150
13,33 (Ps 2,7) 87, 91, 129, 144, 145,
156 Hebr
51, 129f., 156, 178
Röm 7,16 109, 112, 169, 178,
1,4 46, 128, 139, 144, 146, 181, 182
156, 162, 170, 178
1,16f. 32, 46, 116, 139, 179 I Joh
4,17 45, 46, 49, 50, 53, 61, 3,2a 41, 58, 193
68, 119ff., 150, 155, 3,14 (metabasis) 157, 159f., 161, 200
165, 168, 200
6,13 (aus den 33, 150, 161 Offb
Toten) 1,18 160f.
218

Namen

Albertz, M. 70 Celan, P. 61
Althaus, P. 1, 20f., 45, 57, 63f., 71, 73, Cusanus 52
81, 86, 100f., 107, 110, 111, 112,
113, 127, 133, 135, 140, 145, 146, Dalferth, I.U. 3, 29, 38, 43, 44f., 48, 52,
147, 148, 156, 161, 188ff. 53, 54, 56, 61, 83, 88, 108, 112, 118f.,
Anselm von Canterbury 152 122, 130, 136f., 140, 147, 154, 163,
Aristoteles 2, 30f., 32 165, 166f., 168, 170f., 173ff., 197
Asendorf, U. 172 Dibelius, M. 72
Augustin 47, 50, 52, 58, 77, 134, 151f., Dodd, C.H. 63
153f., 156, 201 Dorner, I.A. 85, 122, 152

Bach, J.S. 125, 148 Ebeling, G. 41, 46, 49, 60, 63, 71, 73f.,
Balz, H. 198 75, 79, 81, 86f., 94, 109, 111, 112,
Barth, K. 1, 7, 17, 28, 34, 37f., 39, 46, 114, 131, 138, 156, 157, 159f., 163,
48, 49, 51, 52f., 58, 60, 62, 69, 76, 165f., 167, 171, 188, 193
77, 87, 88, 90, 95, 96, 107, 109, 112, Empedokles 197
119, 124, 127, 135, 138, 140, 149, Epikur 158
166, 192f., 202
Bartsch, H.W. 34 Fischer, H. 169
Baur, J. 5, 168 Fuchs, E. 132
Becker, J. 43, 49
Bembo (Kardinal) 1 Gerhardt, P. 124
Bengel, J.A. 18, 20, 46 Gerlach, St. 168
Benjamin, W. 35, 144 Geyer, H.-G. 167
Bergson, H. 117 Gnilka, J. 22
Bertram, G. 180 Gogarten, F. 49, 126
Betz, H.D. 71, 77, 131 Goppelt, L. 59, 89, 144f., 165
Beutel, A. 51 Grässer, E. 156
Bloch, E. 30, 47, 66, 96, 117, 119, 123, Graß, H. 36, 42, 48, 58f., 62, 68f., 72,
158 73, 75, 83f., 86, 91, 93, 96, 97ff.,
Blumenberg, H. 57 110f., 115, 134, 145, 150
Boethius 182 Gregor v. Nyssa 37
Bollnow, O.F. 201 Grünewald, M. 142
Borsche, T. 76 Grundmann, W. 22, 162, 177f., 179f.
Braun, H. 22
Brunner, E. 157 Haenchen, E. 22, 156
Brunstäd, F. 161 Härle, W. 3, 63, 202
Büchsel, F. 153, 156 Hamann, J.G. 52, 61, 160, 202
Bultmann, R. 3, 22, 25, 40, 43, 48, 75, Hanse, H. 155
137, 139, 150, 178, 184, 186 v. Hase, K. 106
Hegel, G.W.F. 17, 164f., 183, 184
Calvin, J. 119, 187 Hegermann, H. 156
v. Campenhausen, H. 106 Heidegger, M. 194ff.
Namen 219
Heim, K. 29, 38, 87, 114, 122, 186 Luther, M. 1, 2, 6, 13, 14, 16, 18, 19,
Hengel, M. 7, 76 20, 28, 29, 30f., 33f., 36f., 38, 39,
Herder, J.G. 1, 90 40f., 42, 44, 47, 50f., 52, 53, 61, 64,
Herrmann, W. 190 65, 66f., 71, 72f., 74, 81, 83, 85, 88,
Hick, J. 191 110, 111, 112f., 114, 116, 118, 121,
Hilarius 156 122f., 125f., 131, 139, 143, 145, 149,
Hirsch, E. 40, 43, 85f., 89, 93f., 103, 155, 157ff., 161f., 164, 176, 179,
131ff., 135, 165, 186, 188 181f., 185f., 188, 191, 192f., 194,
Hoffmann, P. 34, 49, 103 198f., 200, 202
Holl, K. 100
Horn, (P.) 97 Marheineke, Ph.K. 29, 48, 141
v. Humboldt, W. 76 Martensen, H.L. 36
Marxen, W. 96, 132, 186
Ihmels, L. 30, 49, 71, 97, 106, 110 Meyer, R. 23
Michel, O. 156
Jeremias, J. 23, 59, 68, 101 Mildenberger, F. 63, 109, 113, 169.
Joest, W. 32, 41, 57, 77, 78, 132, 137, 141 Moltmann, J. 32, 44, 70, 75, 84f., 87,
Jüngel, E. 45, 88, 120, 125, 161, 175 117, 127, 147, 160, 187
Jung, C.G. 112 Mühlhaupt, E. 161
Justinus (Mart.) 13, 45
Niebuhr, R.R. 1, 2f., 5, 36, 48, 54, 55,
Kähler, M. 75, 131, 139 57, 69, 70, 75f., 77, 79, 91, 95, 105,
Kant, J. 191 117, 118, 121, 133f., 138, 172, 184f.,
Kasch, W. 180 192
Kierkegaard, S. 68, 77, 141
Kittel, H. 1, 71, 83, 111, 115, 165, Oepke, A. 197f.
176f., 178ff. Oetinger, F.Ch. 122
Klopstock, F.G. 56, 72, 74, 122, 199 Onuki, T. 157
Kluge, F. 198 Origenes 156
Koch, G. 1, 29, 30, 33, 53, 60f., 62f.,
64f., 66, 70, 74, 91, 112, 131, 145, Pannenberg, W. 25, 32, 34, 38, 53, 56,
149, 169, 185 58f.,60, 63, 73, 75, 82f., 84, 86, 87,
König, J. 69, 199ff. 89, 96, 103, 106, 112f., 115, 127,
Körtner, U.H.J. 3, 48 128f., 130f., 137, 141, 143, 148f.,
Korff, Th. 89, 93, 107 169, 197
Künneth, W. 1, 28, 34, 36, 45, 54, 55, Paulus 1, 11, 12, 30f., 39, 45, 55, 56,
61, 64, 72f., 84f., 86, 91, 111, 112, 58, 59, 70, 73, 81, 88, 94, 100f.,
113, 115 119, 123, 126f., 128, 136, 102ff., 103, 104, 105, 111ff., 118,
145, 147, 149, 172, 178, 190 119, 120, 158, 160, 162, 171, 172,
179, 184, 189, 193, 198, 199
Lessing, G.E. 6f., 11 Pesch, R. 23
Lévinas, E. 202 Philo (Alex.) 155, 159, 176
Lindemann, A. 106 Plinius (d.J.) 2
Lipps, H. 201 Poseidonias 177
v. Lohenstein, D.C. 161 Prenter, R. 75, 149
Lohmeyer, E. 23, 26, 179
Loisy, A. 136 v. Rad, G. 14, 176, 179
Lüdemann, G. 3, 4, 34, 37, 47, 48, 49, Ramsey, I.T. 191
53, 55f., 59, 63, 64f., 68, 69, 71, 73f., Rembrandt van R. 142
77, 89, 93, 94, 96, 102f., 106f., 108, Rengstorf, K.H. 35, 42, 45, 57, 59, 69,
111, 112, 131f., 134, 144, 146, 185, 95, 111, 139, 149, 199
188, 191f. Ringleben, J. 3f., 21, 35, 48, 51, 53,
220 Namen

67, 129, 135, 155, 159, 165, 166, Semler, J.S. 118
182, 202 Staats, R. 37
Rittelmeyer, F. 146, 185 Stange, C. 28, 47, 95, 99, 144
Steude, G.E. 97
Schenk, W. 139 Strauß, D.F. 106
Schlatter, A. 21, 23, 39, 73, 97, 113,
138, 166 Thomas v. Aquin 127, 151
Schmidt, H.W. 35, 146 Tillich, P. 61, 87, 165, 169, 184
Schnackenburg, R. 23, 153, 155 Volkmar, G. 106
Schneemelcher, W. 156
Schniewind, J. 22 Weiß, J. 26, 108
Schreiner, L. 52 Wilckens, U. 39, 40, 49, 60, 112, 128,
Schweizer, E. 22, 156 145, 146, 156, 187f.
Schwöbel, Ch. 3, 166
221

Begriffe

Abendmahl 34, 41, 67, 68, 71, 115, Ewigkeit (u. Zeit) 21, 28, 33, 34f., 48,
123, 145, 155 52, 60, 62, 63, 66, 68, 84, 90, 121,
Adam 33, 38, 119, 123 130, 135, 141, 144, 146, 151, 154,
Allgegenwart 33, 34, 43, 60f., 65, 66, 156, 158ff., 163, 165, 166, 174f.,
78, 101, 135, 143f., 147, 169 182, 188, 195f.
Allgemeine Totenauferstehung 34, 35, †f›pax 44, 72, 100f., 130, 139, 144,
36ff., 42, 43, 49, 53, 57, 81, 92, 110, 153
119, 121, 137, 155, 162, 178
Allmacht 3, 9, 12, 17, 42, 45, 49, 50, Geburtswehe 31, 47, 69, 122
92, 118, 126, 132, 139, 146, 149, Geist 46, 61, 74, 82, 112, 114, 115, 124,
156, 158, 165, 168, 180, 181 148f., 150, 169ff., 190, 191, 194, 201
Alter Bund (Israel) 4, 14f., 42, 50, 53, Gemeinde 39, 40, 49, 55, 57, 64, 76,
74, 87, 88ff., 120, 129, 137, 177, 180 115, 123, 178, 179, 194
Antizipation 28, 33, 44f., 66, 77f., 84, Gerechtigkeit 38, 120f., 138, 170,
85, 102, 121, 128, 136, 147, 193 171f., 175
Aufwecken 197, 200f. Gesetz 91, 103, 117, 136, 138, 146,
162, 171, 191
Bekenntnis 64, 74, 187, 189f. Glaube 24, 40f., 43, 46, 49, 73, 74, 75,
85f., 101, 104, 108, 116, 120, 121f.,
Christologie (i.s.bewegte) 54, 127, 178 130f., 149f., 157, 159, 171f., 173,
Christus in uns 40, 171, 187 175, 179, 183ff., 202
Gleichzeitigkeit 63, 64, 77, 101, 132,
descensus ad inferos 35, 138, 145 146, 191
Doxa 12, 34, 46, 57, 61, 113, 114, 126, Gott
129, 149, 150, 162, 173, 175f., 177, – Einheit d. Handelns 33, 34, 37, 39,
180ff., 187, 193f. 44, 48, 83, 84, 85, 119, 120f., 123,
Dynamis 12, 15, 17, 21, 32, 37, 46f., 126, 135, 143, 149, 163, 191, 194,
51, 67, 99, 114, 120, 161, 162, 170, 195
176f., 178f., 180ff, 187 – Erinnerung G.s 16, 19, 52
– Für- bzw. Vor-Gott-Sein 18f., 20,
Ereignis 73, 76, 80, 99, 137, 191 35, 39f., 41
Erfahrung 101, 121f., 183, 190f., 191ff. – Handeln G.s 3, 8, 9, 16, 33, 42, 44,
Erhöhung 35, 60, 62, 65, 110, 129, 45f., 47ff., 80, 84, 109, 117, 119,
130, 131, 132, 136, 138, 142ff., 149, 132f., 147, 153, 155, 163, 165f., 167,
156, 175, 178, 185, 186 170, 171, 173, 174, 176, 181, 186, 197
Erinnerung 48, 68, 77, 133f., 192 – Leben G.s 4, 15ff., 46f., 49, 50, 52,
Erscheinung(en) 30, 32, 33, 34, 37, 48, 60, 62, 65f., 82, 84, 90, 109, 116,
55ff., 58f., 60, 63, 64, 65, 66, 69f., 119, 122f., 126, 130, 132, 139, 147f.,
72, 73, 74f., 78, 91f., 95, 99, 100, 150ff., 160, 164, 165, 166, 167, 168,
110, 121, 131, 137, 141, 143, 145, 169f., 181f.
150, 166, 171, 185, 189f. – Liebe G.s 65, 83, 88, 112, 118, 119,
Evangelium 42, 46, 75, 91, 92, 103, 126, 136, 146, 154, 168, 169, 171,
116, 139f., 163, 179, 188 172ff., 182
222 Begriffe

– Neubestimmung G.s 54, 82, 126, ∑fjh 59, 63, 96, 103
138, 139, 146, 154, 166, 174f.
– Rechte G.s 62, 144f., 147, 178 Paränese 41, 150
– Reich G.s 23, 42, 62, 136, 180f. Parousie 34, 65, 68, 72, 78, 92, 115,
– Schöpferwort 15, 19, 41, 50f., 65, 143, 176, 195
74, 88, 116, 129, 144, 149, 153, 155, Pro nobis 33, 37, 64, 118
177, 178, 188, 200 Psychologie 34, 53f., 56, 61, 86, 89,
– Sehen G.s 19, 52, 56, 142, 144, 168 93ff., 95, 171
– Trinität 33, 49, 52, 60, 82, 124, 141,
146, 147f., 149, 153ff., 166, 167f., Rechtfertigung 41, 120f., 138, 172,
170, 173f. 187
Rückwirkende Bestätigung 25, 54, 84,
Heute 121, 129f., 135, 148, 156, 195, 92, 128, 129, 133, 140, 159
199
Himmelfahrt 101, 142ff. Schau (endzeitl.) 36, 58, 74, 99, 176,
Hoffnung 29, 32, 34, 35, 36, 39, 49, 193
120, 123, 158, 164, 172, 179, 187, Schlaf 198ff.
193ff. Schöpfung 13, 45ff., 68f., 116, 117ff.,
129, 139, 150, 158, 165, 168, 170,
Identität Jesu Christi 29, 52, 54, 69f., 173, 174, 175f., 177, 181, 188
81, 84, 104, 111, 114, 131, 133, 140, Schon – Noch nicht 32, 41, 43, 44, 58,
146, 167, 170, 171, 184f. 85, 100, 121, 137, 180, 193, 194, 195
intercessio 73, 145, 173 sessio ad dexteram: s. Gottes Rechte
Sünde 29, 41, 91, 103, 117, 126, 135f.,
Jesus (ird.) 23ff., 84, 100, 104, 109, 146, 157, 162, 171, 173
112, 113, 123, 127, 128, 130ff., 156,
166f., 171, 179, 185, 189, 190, 201 Taterweis 49, 99, 103, 165, 170, 199
Taufe 41, 171, 186, 202
Kreuz 32, 41, 47, 60, 63, 90, 91, 100, Tod 13, 15f., 17, 40, 49f., 65, 77, 118,
103, 109, 122, 125, 129, 130, 136, 126, 135, 146, 155, 157ff., 168, 170,
137f., 139, 142, 155, 159, 174, 184, 173, 186, 197ff.
186, 187 Totenerweckung (rel.-gesch.) 47, 55,
Kyrios 34, 39, 53, 61, 75, 136, 147, 107, 145, 198
148f., 156, 175, 178
Verborgenheit 34, 36, 86, 123, 186
Leeres Grab 3, 68f., 106ff., 135, 150 Vergangenheit 19, 34f., 54, 61, 68, 70,
Leiblichkeit (soma pneumatikon) 37, 72, 77f., 79, 90, 92, 100, 105, 118,
43, 63, 71f., 86, 105, 107, 110, 129, 130, 133f., 141, 160f., 185, 188,
111ff., 122, 135, 149, 161, 171, 176 190, 192
Vergebung 29, 73, 103, 136
Menschwerdung 33, 43, 46, 65, 112, Verklärung 113, 114, 116, 122, 135,
115, 122, 124ff., 144, 148, 175, 178 148, 158, 162, 175f., 179, 182
Metabasis (s. I Joh 3, 14) 160f. Vision 33, 49, 56, 58, 59, 68, 72, 79,
80, 93ff., 96f., 100
Negativität – Positivität 47, 50, 68,
108, 114, 135, 162ff., 169f. Wahrheit 9, 29, 38, 81f., 87f., 91, 123,
Neuschöpfung 46, 47, 54, 81, 82f., 140, 160, 167, 173, 194
110, 111, 118, 119, 138, 158, 172 Werden zu sich 34, 36, 38, 45, 65, 72,
75, 77f., 84, 86, 119, 121, 127ff.,
Offenbarung 15, 24, 43, 53, 55, 61, 93, 141, 150, 167, 194, 195
102, 124, 145, 161, 173, 179 Wiederholung 54, 72, 115, 117, 118,
ontos: s. Lk 24, 34 120, 135, 140, 141, 153, 174, 190, 201
Begriffe 223
Wirklichkeit 3, 9, 30f., 37, 44, 58, 65, Zeitumkehrung 21, 34f., 36, 65, 84,
66, 70f., 76, 79ff., 83, 117, 118, 164, 135, 141, 158f.
165f., 173, 183f., 185, 199 Zukunft 28ff., 68, 72, 76f., 118, 129,
Wort 15, 40f., 45, 60, 70, 73ff., 92, 130, 132f., 141, 155, 157, 193, 194,
101, 105, 108, 116, 125, 136, 144, 196
154, 178f., 187, 188f., 191, 192 Zweifel (Unglaube) 13, 17, 48, 57, 64,
Wunder 56f., 165 69f., 185, 189

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