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Gesellschaft für Informatik e.V. (GI) GI. (Hrsg.

): INFORMATIK 2021,
Lecture Notes in Informatics (LNI), Gesellschaft für Informatik, Bonn 2021 723

Geodaten in der Öffentlichen Verwaltung

Modernisierung der öffentlichen Leistungserbringung durch Digitalisierung

Christoph Mengs1, Christian Bender2, Mario Hesse3

Abstract: Digitale Geodaten stellen eine wichtige Querschnittsressource für die öffentliche
Leistungserbringung dar. Durch die INSPIRE-Richtlinie wurden hierzu europaweite Standards
etabliert. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass nicht nur anwendungsbezogene Probleme im Hinblick
auf Datenqualität und Schnittstellen existieren, sondern dass auch die Datenerhebung und deren
Pflege Kommunen, Länder und Bund auf eine harte Probe stellen. In diese komplexe Gemengelage
ist das Onlinezugangsgesetz (OZG) einzubetten, das Bund, Länder und Kommunen dazu
verpflichtet, 575 identifizierte Verwaltungsdienstleistungen auch digital anzubieten. Bei dessen
Implementierung sind Geodaten ein entscheidender Baustein. In diesem Zusammenhang wurden im
Rahmen des Forschungsprojektes Smart Development Infrastructure (SARDINE)
Experteninterviews im Freistaat Sachsen mit Akteuren auf Ebene der Kommunen und des Landes
durchgeführt. Diese zeigen, dass die Zielstellungen der Umsetzung des OZG und der Einbettung
von Geodaten in das Verwaltungshandeln bekannt sind, jedoch Hemmnisse existieren, die dessen
Implementierung erschweren. Der vorliegende Beitrag benennt und systematisiert diese
Problemstellungen und zeigt mögliche Handlungsoptionen auf.
Keywords: Öffentliche Finanzen; Geodaten; E-Government; Geo-Government

1 Einleitung
Digitale Geodaten4 finden eine immer breitere Anwendung innerhalb der öffentlichen
Verwaltung. Von den ersten Ansätzen von analogen Karten hin zu digitalen Geodaten
(1970er), über die Entwicklung gemeinsamer einheitlicher Geodatenmodelle und
interoperabler Geoinformationssysteme (1980er), hin zum Aufbau erster
Geodateninfrastrukturen zum Datenaustausch (1990er) stellt die EU-Richtlinie
1
Universität Leipzig, Institut für Finanzen und Public Management, Kompetenzzentrum für kommunale
Infrastruktur Sachsen, Städtischen Kaufhaus, Universitätsstraße 16, 04109 Leipzig, mengs@wifa.uni-
leipzig.de
2
Universität Leipzig, Institut für öffentliche Finanzen und Public Management, Professur für
Finanzwissenschaften, Augustusplatz 10, 04109 Leipzig, bender@wifa.uni-leipzig.de
3
Universität Leipzig, Institut für Finanzen und Public Management, Professur für Finanzwissenschaften,
Augustusplatz 10, 04109 Leipzig, hesse@wifa.uni-leipzig.de
4
Vgl. Lakes (2019), S. 1348-1349.

cba
724 Christoph Mengs et al.

Infrastructure for Spatial Information in Europe (INSPIRE) den aktuellen


Umsetzungsstand bisheriger Aktivitäten zur Digitalisierung behördlicher Geodaten dar.5
Die Richtlinie 2007/2/EG ist seit 15. Mai 2007 in Kraft und verpflichtet die
Mitgliedstaaten eine Geodateninfrastruktur (GDI) aufzubauen, die die interoperable
Verwendung von Geodaten über Verwaltungsebenen hinweg ermöglicht. Primäres Ziel
einer gemeinsamen europäischen Geodateninfrastruktur ist es, Grundlagen für eine
gemeinschaftliche Umweltpolitik zu schaffen. Darüber hinaus soll eine europaweite
Metadatenharmonisierung erfolgen und somit eine effizientere Verwendung von
Geodaten in allen Verwaltungsleistungen ermöglicht werden.6 Hierbei gilt es, die
Geodateninfrastruktur der Mitgliedstaaten so auszulegen, dass sie „auf optimal geeigneter
Ebene gespeichert, zugänglich gemacht und verwaltet werden […] [sowie] auf kohärente
Art verknüpft und von verschiedenen Nutzern und für unterschiedliche Anwendungen
genutzt werden können“7. Somit ist festzuhalten, dass die Umsetzung von INSPIRE
zunächst eine interne Optimierung der Geodatenhaltung auf allen Ebenen der Verwaltung
verfolgt.8 Die Implementierung sollte in den Mitgliedstaaten stufenweise nach
Priorisierung erfolgen. Insgesamt sieht die Richtlinie 34 Geodaten-Themen vor, die die
gemeinsamen Metadaten sowie Interoperabilität der Geodatensätze und -dienste
sicherstellen sollen.9
Die Verknüpfung digitaler (Geo-)Daten hat einen hohen potenziellen gesellschaftlichen
Mehrwert.10 Durch die Auswertung georeferenzierter Zeitreihen und Echtzeitdaten lassen
sich relevante Entscheidungshilfen für die öffentliche Verwaltung bereitstellen. Die aktive
Nutzung von Geodaten stellt hierbei eine nutzbringende Form der Digitalisierung in Staat
und Verwaltung dar. Darauf gestützte deskriptive Analysemethoden umfassen (1) die
kartographische Visualisierung von Informationen, (2) deskriptive Analysen zur
Erkennung von Mustern, Anomalien und Ausreißern, (3) die Integration der räumlichen
Lage von verschiedenen (Fach-)Datensätzen, (4) Diagrammvisualisierungen, (5) die
Analysen nach topologischen Merkmalen und (6) nach geometrischen Merkmalen.11 Auf
Grundlage dieser Analysemethoden ist es möglich, bereits vorhandene Methoden zur
Auswertung von Fachdaten durch die Betrachtung der räumlichen Lage um eine weitere
Sichtweise zu erweitern, Fachdaten gemeinsam darzustellen und auf mögliche
Zusammenhänge zu untersuchen. Je nach Verfügbarkeit weiterer Fachdaten und der
individuellen Fragestellung können somit bisherige Monitoring- und Planungsprozesse in
5
Vgl. Bernhard und Mäs (2020), S. 105-109.
6
Zu den Zielen von INSPIRE siehe Richtlinie 2007/2/EG, Absatz 1 bis 35.
7
Richtlinie 2007/2/EG, Absatz 6.
8
Jedoch sollen öffentliche Daten, die im gesetzlichen Rahmen erhoben werden – so auch geographische
Informationen – für Private der Zugang erleichtert werden. Folglich gilt es grundsätzlich die GDI-Daten, zur
Verwendung für Dritte, bereitzustellen. Siehe dazu Richtlinie (EU) 2019/1024.
9
Siehe Richtlinie 2007/2/EG, Artikel 5 bis 10 sowie Anhang I, II und III.
10
Vgl. Huang und Ribers/Ullrich (2021), S. 240-246.
11
Siehe dazu Bernhard und Mäs (2020), S. 101-110.
Geodaten in der öffentlichen Verwaltung 725

der öffentlichen Verwaltung verbessert werden. Auch Ad-hoc-Entscheidungen können


durch die Einbindung dynamischer Geodaten schneller und effizienter gefällt werden.
Nach einer weiterführenden Beschreibung des föderalen Staatsaufbaus und der Einbettung
der fortlaufenden Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in das Public Management
wird die INSPIRE-Richtline als Treiberin der Einbeziehung von Geofachdaten in die
Verwaltungsdigitalisierung qualitativ analysiert. Neben einer literaturbasierten
Auswertung werden zudem Ergebnisse einer Expertenbefragung vorgestellt, die im
Rahmen des SARDINE-Projektes im Freistaat Sachsen durchgeführt worden sind und als
Anwendungsbeispiel dienen sollen. Mit der Verknüpfung beider Ansätze sollen neben
einer Beschreibung des Status Quo vor allem Hindernisse und mögliche Lösungsansätze
herausgearbeitet werden, die den Einbezug von Geodaten in das öffentliche Verwaltungs-
handeln betreffen.

2 Implementierung neuer Anwendungen in der öffentlichen


Verwaltung

2.1 Staatsaufbau und Kompetenzverteilung

Die Bundesrepublik Deutschland verfügt über einen zweistufigen Staatsaufbau, bestehend


aus dem Bund sowie den sechzehn Bundesländern.12 Der deutsche Föderalstaat weist
zudem einen dreistufigen Verwaltungsaufbau auf: Hierbei sind die Gemeinden Teil der
Länder, verfügen jedoch gemäß Art 28 Abs. 2 GG über ein verfassungsrechtlich
geschütztes Selbstverwaltungsrecht. Hieraus ergeben sich unterschiedliche
Zuständigkeiten und Schnittstellen, die sich auf das Verwaltungshandeln und folglich auf
die Möglichkeiten und Grenzen der Digitalisierung auswirken. Hinsichtlich der
kommunalen Ebene ist die Ausgangslage bezüglich der Rahmensetzung zum Thema
Digitalisierung heterogen, da diese durch die Länder mitgestaltet wird.
Wesentlich für den bundesrepublikanischen Staatsaufbau ist die ausdifferenzierte
Kompetenzverteilung. So trennt das Grundgesetz nach Gesetzgebungsmöglichkeiten
(Entscheidungskompetenz) und Aufgabenvollzug (Durchführungskompetenz). Die
Finanzierungskompetenz obliegt nach Art. 104a Abs. 1 GG grundsätzlich der
ausführenden Ebene. Hierbei liegt die Entscheidungskompetenz mehrheitlich auf Ebene
des Bundes, wohingegen Durchführungs- sowie Finanzierungskompetenzen eher auf
Ebene der Länder, respektive der Gemeinden, angesiedelt sind. Vor diesem Hintergrund
ist das föderale System Deutschlands als ein ausgeprägtes Verbundsystem mit vielfältigen
Verflechtungen zu charakterisieren.

12
Siehe Art. 30, 70 ff. GG.
726 Christoph Mengs et al.

Der INSPIRE Richtlinie folgend liegt die Entscheidungskompetenz auf supranationaler


europäischer Ebene. Durchführungs- und Finanzierungskompetenz obliegen hierbei in
Deutschland den Bundesländern, die wiederum Aufgaben an die Gemeinden übertragen
können. Falls auf dieser Ebene eine Aufgabenübertragung erfolgt, hat die Ausgabenlast,
dem Bestellerprinzip folgend – Wer bestellt, muss auch zahlen –, durch die übergeordnete
Ebene getragen zu werden.13
Somit unterliegt die Implementierung der INSPIRE-Richtlinie dem föderalen Wettbewerb
zwischen den Ländern. Dieser enthält zwei Dimensionen: den allgemeinen
Standortwettbewerb und die Möglichkeit einzelner Länder, als Innovationstreiber aktiv zu
werden.14 Beide Aspekte können positive und negative Auswirkungen aufweisen. So wirkt
sich der Standortwettbewerb erstens auf die direkte bedarfsgerechte Bereitstellung von
Geobasisdaten sowie georeferenzierter Fachdaten für Unternehmen und Bürger aus und
zweitens indirekt durch die allgemeine Optimierung der Erbringung öffentlicher
Leistungen.15 Der Innovationstreiber kann positiv als Versuchsfeld für Neuerungen
verstanden werden. Die bessere Lösung wird sich langfristig auch in anderen Ländern
durchsetzen. Negativ kann hierbei der häufig als föderaler Flickenteppich bezeichnete
Zustand der Gleichzeitigkeit einer Vielzahl verschiedener Lösungen verstanden werden.
Insbesondere die überregionale Nutzung von Geodaten wird hierdurch erschwert – ein
Aspekt, der durch den europäischen Impuls eigentlich erleichtert werden soll.
Um aus ökonomischer Perspektive zu entscheiden, inwieweit auf Ebene der Länder die
Umsetzung der INSPIRE-Richtlinie auf die Gemeinden übertragen werden sollte, kann
das Kriterium der allokativen Effizienz herangezogen werden.16 Dieses bemisst erstens
die Beachtung regional unterschiedlicher Nutzerpräferenzen17 und zweitens die
Kostenstrukturen. Falls die Nutzerpräferenzen räumlich stark variieren, gilt es, dieser
Varianz durch eine Dezentralisierung der Leistungserbringung mit Abweichungs-
möglichkeiten zu entsprechen. Falls dies nicht der Fall ist, erscheint nach dem
Effizienzkriterium eine zentrale Lösung als zielführend. In Bezug auf die Kosten der
öffentlichen Leistungserbringung gilt es, die Kostenentwicklung bei Änderung der
Outputmenge zu berücksichtigen. Liegen sinkende Stückkosten vor (sog. Economies of
scale), sind eher zentralisierte Lösungen als kosteneffizient zu betrachten.18
Mit Blick auf die Implementierung der INSPIRE-Richtlinie ist dem Allokationsziel
folgend von einer zentralen Erbringung auszugehen: Die räumliche Präferenzverteilung
13
In dieser Hinsicht weichen die Regelungen der Landesverfassungen vom oben genannten Grundsatz des
Art. 104a Abs.1 GG ab.
14
Vgl. Zimmermann (2019), S. 33-34.
15
Schätzungsweise 80 Prozent der Verwaltungsleistungen verfügen über einen Raumbezug.
16
Vgl. Zimmermann (2019), S. 34.
17
Nutzerpräferenzen umfassen nicht nur die Präferenzen der Verwaltung, sondern auch die der Bürger sowie der
Unternehmen.
18
Ein Leistungsangebot mit sinkenden Durchschnittskosten ist dadurch charakterisiert, dass es hohe Fixkosten
bzw. Kosten der Entwicklung und der ersten Inbetriebnahme gibt. Durch den Zuwachs an Nutzern jedoch kaum
zusätzliche variable Kosten entstehen und die Fixkosten auf eine immer weiter steigende Zahl von Nutzern
verteilt werden.
Geodaten in der öffentlichen Verwaltung 727

scheint in Bezug auf die Bereitstellung von Geobasisdaten homogen zu sein. In Bezug auf
georeferenzierte Fachdaten kann dies allerdings nicht angenommen werden, da hier
durchaus räumlich heterogene Präferenzen bestehen.19 Technische Lösungen–
insbesondere bei digitalen Anwendungen – rufen in der Regel sinkende Stückkosten bei
Erhöhung der Outputmenge hervor.20 Die Entwicklung und Einführung entsprechender
digitaler Verwaltungsprozesse haben zwar hohe initiale Kosten, die Ausweitung auf
zusätzliche Nutzer dagegen verursachen nur geringe zusätzliche Kosten. In der mittleren
und langen Frist sind somit potenzielle Effizienz- und Kostenvorteile zu heben. Die
Zusammenführung der Aspekte zeigt, dass zentrale Lösungen nicht per se effizienter und
damit gegenüber kleinteiligen dezentralen Lösungen überlegen sind. Beide haben eine
Daseinsberechtigung. In Bezug auf den föderativen mehrteiligen Staatsaufbau ist es
deshalb von hoher Relevanz, funktionierende technische Schnittstellen zu haben, um bei
Bedarf dezentrale Module an zentralisierte Lösungen anbinden zu können. Dies kann als
zentrale Bedingung angesehen werden, sofern Geodaten im Zuge der Digitalisierung der
öffentlichen (Verwaltungs-)Ebenen übergreifend einen Mehrwert bieten sollen.

2.2 Public Management im Kontext evolutionärer Entwicklungslinien

Für die Implementierung neuer und digitaler Anwendungen in der öffentlichen


Verwaltung bedarf es eines Instrumentes zur strategischen Umsetzung. Das E-
Government ist ein „Instrument der organisatorischen Gestaltung von Interaktions- und
Kommunikationsbeziehungen sowie Leistungsprozessen innerhalb des Staates wie auch
zwischen dem Staat und seinen Anspruchsgruppen mittels Informations- und
Kommunikationstechnologien“.21 Somit ist das E-Government als eine Umsetzungshilfe
zu verstehen, mit welcher bestehende Prozesse digitalisiert und neue Prozesse in
Bestehende integriert werden. Es ist kein Selbstzweck. Der Weg zum E-Government kann
als evolutionärer Prozess gesehen werden, welcher durch verschiedene Konzepte
beschrieben werden kann. MOON und WELCH (2015) haben hierzu ein Entwicklungs-
stufenkonzept entwickelt, das die unterschiedlichen Digitalisierungsfortschritte
übersichtlich katalogisiert.22

Stufe 1 Web-Präsenz mit passiver Informationsversorgung

19
Die im Rahmen des Projektes SARDINE durchgeführten Experteninterviews dienen als Grundlage für diese
Einschätzung. Um einen allgemeinen Raumbezug zu erstellen sind homogene Basisdaten notwendig. Anders
gestaltet sich dies für Geofachdaten. So sind erstens die Geofachdatenverfügbarkeit in Form von Quantität und
Qualität über die Gebietskörperschaften hinweg sehr unterschiedlich. Zweitens sind das in der jeweiligen
Verwaltung vorgehaltene Fachpersonal sowie die angewendete technische Ausstattung sehr verschieden.
Zudem weichen die zu erbringenden Aufgaben je Verwaltungsebene voneinander ab. In der Konsequenz
erscheint es als logisch, dass die Präferenzen heterogen ausgeprägt sind.
20
Vgl. de Mello und Ter-Minassian (2020), S. 9-11.
21
Ritz und Thom (2019), S. 613.
22
Vgl. Moon und Welch (2015), S. 436-455.
728 Christoph Mengs et al.

Zwei-Weg-Kommunikation zwischen Verwaltung und Bürger mit


Stufe 2
elektronischen Formularen, interaktiven öffentlichen Statistiken und Daten
Reorganisierte Geschäftsprozesse mit online Service- und
Stufe 3
Finanztransaktionen

Stufe 4 Horizontal und vertikal integrierte Leistungsprozesse


Übergangslose Integration unterschiedlicher öffentlicher Informationen
Stufe 5 und Leistungen und die Verfügbarkeit auf weiteren Medienträgern und
Technologien

Beginnend mit der ersten Stufe wird eine reine Internetpräsenz zur einseitigen
Informationsversorgung der Unternehmen und privaten Haushalte initiiert. Im
fortschreitenden Prozess der zweiten Stufe öffnet sich der Informationskanal und eröffnet
die Möglichkeit zur beidseitigen Kommunikation. Transmissionsmedien können hier
elektronisch auszufüllende Formulare oder interaktive öffentliche Statistiken sein. Über
reorganisierte Geschäftsprozesse der dritten Stufe werden online Service- und
Finanztransaktionen möglich, sodass beispielsweise Zahlungen direkt online abgewickelt
werden können. Im Zuge der vierten Stufe integrieren sich die Leistungsprozesse in
horizontaler und vertikaler Weise. Ziel ist es, Ebenen übergreifende Aufgabenfelder und
Geschäftsprozesse miteinander zu verknüpfen. Hier setzt auch das OZG nachfrageseitig
an, welches zum Ziel hat, über einen einheitlichen föderativen Portalverbund zur
Nutzbarmachung der OZG-Leistungen zu schaffen. Die fünfte Stufe kann mit dem Begriff
des ‚Self-Governments‘ umschrieben werden, wobei der universelle und zeitlich
unabhängige Zugriff auf Datenbestände und dessen Weiterverwertung die Bürger in die
staatliche Leistungserbringung als Ko-Produzenten involviert.23 Bürger und Staat
interagieren somit auf Konsumenten- und Produzentenseite. Dabei ist die Evolution hin
zur Stufe fünf der übergangslosen Integration kein Automatismus. Vielmehr muss eine
fortschreitende Digitalisierung bekräftigt und forciert werden. Nach ANDERSEN und
HENRIKSEN (2006) wird diese technologisch geprägte Sichtweise der Evolution von E-
Government nicht vollständig gerecht. So wird durch die beiden Autoren herausgearbeitet,
dass Evolutionsstufen durch den Mehrwert entstehen, der für die Nutzer generiert wird
und welche organisatorischen Restrukturierungsimpulse für staatliche Stellen damit
verbunden sind.24
Folglich ist eine Evolutionsperspektive bei der Betrachtung des E-Government Ansatzes
angebracht, welche jedoch um weitere Perspektiven erweitert werden muss. Dabei spielen
neben der Frage, welche technologischen Möglichkeiten die Interaktion zwischen Bürger
und Staat gegeben sind, insbesondere auch die organisationstechnische Ausgestaltung und
die Dimension der Nutzbarmachung eine entscheidende Rolle. So muss der Grenznutzen
23
Vgl. Ritz und Thom (2019), S. 615f.
24
Vgl. Andersen und Henriksen (2006), S. 246.
Geodaten in der öffentlichen Verwaltung 729

der Implementierung von E-Government Anwendungen einen Mehrwert erkennen lassen,


der einerseits eine Restrukturierung von Prozessen der staatlichen Leistungserbringung
rechtfertigt und andererseits einen erkennbaren Zugewinn für dessen potenzielle Nutzer
offeriert. Ist dies nicht der Fall, kommt der Evolutionsprozess trotz gegebener technischer
Möglichkeiten zum Erliegen.
Neben der Integration von E-Government aus einer evolutionstechnischen Sichtweise sind
dessen Antriebskräfte zu benennen, die eine permanente Umsetzung von staatlich-
analogen hin zu staatlich-digitalen Prozessen befördern. Prozesse können exogen
angestoßen und beschleunigt werden, wobei ein Schock von außen auf ein bestehendes
(Verwaltungs-)System einwirkt. Dagegen beschreibt ein endogener Schock, dass eine
Veränderung systemisch bedingt ist und demnach aus sich selbst heraus entsteht. Beide
Perspektiven, die exogene, wie auch die endogene Sichtweise zeigen Ansätze auf, warum
die Integration von E-Government, insbesondere in Bezug zu Geodaten, entlang der oben
aufgezeigten Stufen erfolgt. So kann die INSPIRE-Richtlinie als exogener Schock für die
kommunale Ebene gesehen werden, da diese im Rahmen ihrer Aufgabenzuteilung zur
Mitwirkung verpflichtet sind. Endogene Prozesse hingegen, die aus sich selbst heraus
entstehen, können abseits rechtlicher Vorgaben in der Verwaltungsdigitalisierung selbst
gesehen werden. Das evolutionäre Stufenmodell nach MOON und WELCH (2015)
verdeutlicht, wie ein endogener Prozess zu einer zunehmenden
Verwaltungsdigitalisierung führen kann, wenn er Wirtschaftlichkeitsvorteile verspricht.

2.3 Geo-Government: Digitale Geodaten im Kontext des Public Managements

Digitale Geodaten können als Geoobjekte25 umschrieben werden, die neben einem Raum-
und Zeitbezug eine fachlich-inhaltliche Einordnung erfahren und eine Dynamik darstellen
können.26 Diese dienen als Abstraktionsmöglichkeit von beobachtbaren Objekten, wobei
hier eine Zusammenfassung von mehreren Geoobjekten zu einem aggregierten Geoobjekt
vorgenommen werden kann.27 Digitale Geodaten bilden eine Querschnittsressource, da
diese in unterschiedlichen fachlichen Bereichen eingesetzt werden und somit keine
isolierte Verwendungsmöglichkeit aufweisen. Einerseits kann im Bereich der öffentlichen
Daseinsvorsorge die Erhebung, Haltung und Nutzung von Geodaten selbst Inhalt der
Verwaltungstätigkeit sein.28 Andererseits stellt die Nutzung digitaler Geodaten auch eine
Möglichkeit zur originären Erfüllung von Verwaltungsaufgaben dar, wobei diese als
unterstützende Arbeitsgrundlage dienen.29

25
Das räumliche Referenzieren kann hierbei aus feldbasierten Daten bestehen (z.B. Luftbilder) oder amtlichen
Geobasisdaten.
26
Vgl. Bernard und Mäs (2020), S. 102.
27
Vgl. ebd., S. 102. So kann eine Straße als Geoobjekt bezeichnet werden, während dessen Zusammenfassung
zu einem Straßennetz ebenfalls ein Geoobjekt darstellt.
28
Vgl. Neumann (2019), S. 537.
29
Vgl. ebd., S. 537. Hauptsächliche Aufgabenfelder können indes beispielsweise das Vermessungswesen, den
Umweltbereich, die Gefahrenabwehr und das Meldewesen umfassen.
730 Christoph Mengs et al.

Im Kontext des zuvor definierten Modells nach MOON und WELCH (2015) können digitale
Geodaten nicht nur als Bestandteile einzelner Stufen gesehen, sondern auch als Treiber
einer fortschreitenden Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung betrachtet werden –
schlicht, weil deren analoge Verarbeitung zu aufwändig ist. Das daraus resultierende Geo-
Government bietet demnach die Möglichkeit, durch die Verknüpfung von Basis- und
Fachdaten Leistungsprozesse in der öffentlichen Verwaltung zu optimieren und sie den
Nutzern zur Verfügung zu stellen. Die Visualisierung über Geoinformationssysteme (GIS)
bietet zugleich die Möglichkeit, Daten zu suchen, darzustellen, zu transformieren und mit
weiteren (Fach-)Daten zu verschneiden, wodurch das Geo-Government auch für nicht
originäre Geo-Datensätze nutzbar gemacht werden kann.30
Vor dem Hintergrund der angespannten Fachkräftesituation, welche auch die kommunale
Ebene in den Blick zu nehmen hat, kann die Einbeziehung digitaler Geodaten und die
damit verbundene Nutzung von GIS-Anwendungen zu einer Verschlankung von
Verwaltungsprozessen führen, die personellen Ressourcen schont. Insbesondere bei
repetitiven Prozessen, die wiederkehrend personelle Belastungen erzeugen, kann Geo-
Government Entlastung schaffen.31 Zusätzlich könnten Akteure durch den unmittelbaren
Bezug von Geodaten und deren korrespondierenden Anwendungen Anfragen direkt über
ein mögliches GIS einbinden, wodurch Bürger, Wirtschaft und Wissenschaft direkt auf
Daten zugreifen können, ohne dass ein Mehraufwand in Form einer zusätzlichen Anfrage
in der Verwaltung eingeht. So visualisiert beispielsweise die Stadt Leipzig ihre
Investitionsvorhaben über einen Kartendienst und bietet Interessenten die Möglichkeit,
geplante Investitionsvolumina transparent zu ermitteln.32 Korrespondierend zu dem
evolutorischen Stufenmodell nach MOON und WELCH (2015) kann das Geo-Government
zu einer erweiterten vertikalen und horizontalen Integration von Leistungsprozessen
führen. Das Geo-Government dient somit selbst als Treiber einer fortschreitenden
Verwaltungsdigitalisierung in Bezug auf die Nutzung von Geodaten und kann somit
endogen auf die staatlichen Hierarchieebenen einwirken.

2.4 Die INSPIRE-Richtlinie als Treiberin des Geo-Governments

Zum Aufbau einer europäischen Geodateninfrastruktur ist die INSPIRE Richtlinie 2007
eingeführt und in den Folgejahren durch die Mitgliedsstaaten in nationales Recht
umgesetzt worden – in Deutschland durch die Geoinformationsgesetze des Bundes und
der Länder.33 Die Koordinierungsstelle Geodateninfrastruktur Deutschland (GDI-DE)
wird von Bund und Ländern betrieben, sowie finanziert und unterstützt die GDI-
Aktivitäten der Kommunen.34 Bund und Länder koordinieren demnach ihre Bestrebungen
zum Aufbau einer einheitlichen Geodateninfrastruktur, was durch eine
30
Vgl. ebd., S. 559 f.
31
Vgl. Jaenicke (2007), S. 66.
32
Vgl. Stadt Leipzig (2021).
33
Vgl. Koordinierungsstelle Geodateninfrastruktur Deutschland (2019), S. 13.
34
Vgl. ebd., S. 13.
Geodaten in der öffentlichen Verwaltung 731

Verwaltungsvereinbarung zwischen beiden Ebenen zudem rechtlich abgesichert ist.35 Die


Nationale E-Government Strategie (NEGS) beschreibt dabei die Ziele und
Handlungsfelder für das E-Government in Deutschland und konzentriert sich auf die
Anwendung und Gestaltung der Informationstechnik im Aufgabenbereich der öffentlichen
Hand.36 Über das Onlinezugangsgesetz (OZG) sollen bis Ende 2022 zudem 575
Verwaltungsdienstleistungen auch in digitaler Form angeboten werden. Überdies sind
Bund und Länder verpflichtet, ihre Verwaltungsportale miteinander zu einem
Portalverbund zu verknüpfen. Das korrespondierende OZG verpflichtet Bund, Länder und
Kommunen hierzu und wird durch einen Umsetzungskatalog aller
Verwaltungsdienstleistungen, welcher jedoch nicht Teil des originären Gesetzes ist,
ergänzt.37 Die Nutzung von Geodateninfrastrukturen, beispielsweise über GIS-
Anwendungen, stellt dabei einen wesentlichen Baustein dar, sodass digitale
Verwaltungsprozesse entstehen können, die zu einer Simplifizierung und Verkettung von
Verwaltungshandeln führen.
Bevor auf die Ergebnisse der Experteninterviews im Rahmen des SARDINE-Projektes
näher eingegangen wird, wird zunächst auf die Umsetzung der INSPIRE-Richtlinie im
Freistaat Sachsen abgestellt. Hierbei werden zudem die Gebiets- und Funktionalreformen
im Freistaat mit betrachtet, die beachtliche Auswirkungen auf die Aufgabenwahrnehmung
der sächsischen Kommunen haben. Dies kann letztlich als Grundlage für die heutige
Nutzung von Geodaten in der sächsischen öffentlichen Verwaltung gesehen werden und
bildet somit die Ausgangslage für heutige endogene Entwicklungslinien.

3 Fallbeispiel Geodaten: Der Freistaat Sachsen

3.1 Geobasisdaten: Zwischen der Umsetzung der INSPIRE-Richtlinie und der


Gebiets- und Funktionalreform 2008

Die Umsetzung der INSPIRE-Richtline in nationales Recht erfolgte im Freistaat Sachsen


durch die Verabschiedung des sächsischen Geodateninfrastrukturgesetzes (SächsGDIG),
wodurch die geohaltenden Stellen zur Durchführung bestimmter technischer und
organisatorischer Maßnahmen verpflichtet sind.38 Sachsen hat zur Umsetzung der
INSPIRE Vorgaben ein System der zentralen Komponenten eingeführt, welches sich von
der Systematik anderer Bundesländer unterscheidet. Nach INSPIRE sind die geohaltenden
Stellen dafür zuständig, Informationen bereitzustellen. Dies schließt die Pflicht mit ein,
Daten mit Metadaten zu beschreiben, zu standardisieren und darzustellen. Dies trifft im
weiteren Sinne auf alle Kommunen und jede Landesbehörde zu. Selbst bei einer
weitestgehenden Standardisierung wäre nicht ausgeschlossen, dass hierdurch
35
Vgl. Verwaltungsvereinbarung GDI-DE.
36
Vgl. Koordinierungsstelle Geodateninfrastrukturen Deutschland (2019)., S. 80.
37
Vgl. IT-Planungsrat (2021).
38
Staatsbetrieb Geobasisinformation und Vermessung (2017), S. 3.
732 Christoph Mengs et al.

Doppelstrukturen aufgebaut und Ineffizienzen geschaffen werden würden. Deshalb hat der
Freistaat eine zentrale Lösung favorisiert.
Während das Staatsministerium für Regionalentwicklung (SMR) organisatorisch
zuständig ist, nimmt der Staatsbetrieb Geobasisinformation und Vermessung (GeoSN)
unter anderem die Aufgaben wahr, die technische Funktionsfähigkeit der GDI Sachsen zu
gewährleisten, ein landesweites Metadateninformationssystem und dezentrale Netzdienste
für die geohaltenden Stellen bereitzustellen.39 Dabei stellt der GeoSN zentral die
Geobasisdaten bereit (GeoBAK) und bietet somit eine zentrale E-Government
Applikation zur Nutzung von sächsischen Geobasisdaten.
Seit 1990 erfolgten im Freistaat Sachsen drei Gebietsreformen: die erste
Kreisgebietsreform (1994/1996), die Gemeindegebietsreform (1998) sowie die
zweigliedrige Verwaltungsreform (2008), bestehend aus der zweiten Kreisgebietsreform
und einer Funktionalreform. Im Ergebnis (und begleitet von fortlaufenden
Gemeindezusammenschlüssen und Eingemeindungen) sank die Zahl von 48 Landkreisen,
sechs Kreisfreien Städten und 1 626 Gemeinden im Jahr 1990 auf zehn Landkreise, drei
Kreisfreie Städte und 419 Gemeinden zum 1. Januar 2021.
Die im Jahr 2008 durchgeführte Funktionalreform hatte zum Ziel, strukturelle Aspekte der
Aufgabenwahrnehmung zu ordnen. Dies umfasste insbesondere eine stärkere
Kommunalisierung der öffentlichen Aufgaben sowie die Bündelung und Konzentration
im innerstaatlichen Bereich. Für die weitere Betrachtung der Geodaten in der öffentlichen
Verwaltung ist hierbei relevant, dass das Sächsische Verwaltungsneuordnungsgesetz
(SächsVwNG) eine Neuordnung der Landesvermessung, des Liegenschaftskatasters
sowie amtlicher Geobasisinformationen vorsah. Letztlich drückte sich dies im neu
gefassten Sächsischen Vermessungs- und Geobasisinformationsgesetz (SächsVermGeoG)
aus. Die Aufgaben des Vermessungswesens nehmen seither die oberste
Vermessungsbehörde (Staatsministerium des Inneren), die obere Vermessungsbehörde
(Staatsbetrieb Geobasisinformationen und Vermessung Sachsen) und die unteren
Vermessungsbehörden (Landkreise und Kreisfreie Städte) wahr.40 Die obere
Vermessungsbehörde ist zuständig für die Haltung und Bereitstellung von Daten des
Liegenschaftskatasters, die Haltung und Bereitstellung von Daten des
Botenrichtwertinformationssystems sowie die Einrichtung und den Betrieb von
Geodiensten. Die unteren Vermessungsbehörden sind für die Fortführung der Daten des
Liegenschaftskatasters ihres (Kreis-)Gebiets und deren Bereitstellung zuständig. Somit
folgt die im Rahmen der Verwaltungsreform 2008 gefasste SächsVermGeoG mehrheitlich
dem Allokationsziel einer möglichst hohen Zentralität der Aufgabenerbringung im
Rahmen der Haltung und Bereitstellung von Geobasisdaten. Lediglich die Erfassung
verbleibt in der dezentralen Zuständigkeit.

39
Vgl. GDI Sachsen (2021).
40
Siehe §2 Abs. 1 SächsVermGeoG.
Geodaten in der öffentlichen Verwaltung 733

3.2 Georeferenzierte Fachdaten: Digitalisierung der Verwaltung und die


Verwendung georeferenzierter Fachdaten

Neben der Erhebung und Bereitstellung von Geobasisdaten ist die Verwendung
georeferenzierter Fachdaten im Rahmen der öffentlichen Leistungserbringung in den
letzten Jahren stetig gewachsen. Im Rahmen des eigenen Forschungsprojektes Smart
Regional Development Infrastructure (SARDINE) sind 15 teilstandardisierte
Experteninterviews41 mit Vertretern aus der Wissenschaft, der Wirtschaft sowie mit
ausgewählten Vertretern auf Landes- und Kommunalebene im Freistaat Sachsen
durchgeführt worden. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass Gebietskörperschaften,
welche Geobasisdaten fortschreiben (Landkreise und kreisfreie Städte), auch über
umfangreiche georeferenzierte Fachdaten in ihrer Verwaltung verfügen. Zudem werden
diese kontinuierlich um weitere Fachdaten ergänzt. Im Gegensatz dazu weisen kleinere
kreisangehörige Gemeinden eine geringere Durchdringung von georeferenzierten
Fachdaten auf – in Teilen existiert diese Form der Datenanwendung in einzelnen (Fach-
)Verwaltungen noch nicht. Dieses Defizit kann zu einer ineffizienteren
Leistungserbringung führen, was sich laut den Befragten in höheren Aufwendungen oder
geringerer Qualität der erbrachten Verwaltungsleistungen ausdrückt. Ein entsprechender
Lösungsansatz liegt in der zielgerichteten Forcierung des Geo-Governments, welches im
Zuge der horizontalen und vertikalen Leistungsverknüpfung auch der kommunalen Ebene
als Nutzer zugänglich gemacht werden muss.
Eine wesentliche Grundlage für die Etablierung eines Geo-Governments ist es, dass Daten
harmonisiert, Schnittstellen geschaffen, die Benutzerfreundlichkeit von Daten und
Anwendungen hergestellt, sowie Systeme weitestgehend interoperabel aufgesetzt werden.
Hierin liegen jedoch zugleich Hindernisse, die einen weiterführenden Einbezug digitaler
Geodaten erschweren können. Zwar existieren Standardisierungsbemühungen, wie etwa
OGC-Standards, die ebenfalls laufend weiterentwickelt werden. Jedoch zeigt sich nach
den Angaben der Befragten in der Praxis, dass diese oftmals den real existierenden
Bedarfen mit einer gewissen Zeitverzögerung begegnen. Auch wenn Standards in einem
Top-down-Prozess verordnet werden, ist deren Umsetzung zeitlich verzögert. Ursächlich
hierfür sind limitierende Faktoren, wie etwa die personellen und budgetären Kapazitäten
auf kommunaler Ebene. Dies hat nicht zuletzt einen negativen Einfluss auf die
Datenaktualität, da der zugrunde liegende Standard unter Umständen veraltet ist. Auch
wenn zudem durch das OZG vorgegeben ist, dass Verwaltungsdienstleistungen zu
digitalisieren seien, ist dennoch fraglich, in welcher Intensität dies vonstattengeht. So ist
beispielsweise aufgrund des kurzen Umsetzungszeitraumes nach überwiegender
Einschätzung der Befragten davon auszugehen, dass eine große Anzahl von Kommunen
zwar Dienstleitungen im Bereich des ‚Front-Office‘ digital anbieten werden, der zugrunde
liegende interne Verwaltungsablauf des ‚Backoffice‘ jedoch nach wie vor zum Teil analog
abläuft. Auch hier können GIS-Anwendungen bei der Systematisierung und
Implementierung digitaler interner Leistungserstellungsprozesse nach Auffassung der
41
Der Befragungszeitraum umfasst das vierte Quartal 2020 und das erste Quartal 2021.
734 Christoph Mengs et al.

Experten hilfreich sein. Die Aufsetzung stellt Kommunen jedoch vor finanzielle,
personelle und zeitliche Herausforderungen. Um eine Interoperabilität gewährleisten zu
können, ist zudem von Interesse, in welcher Güte und Frequenz Daten erhoben werden
und in welcher GIS-Anwendung diese bereitgestellt werden. So zeigt sich, dass durch die
Nutzung unterschiedlicher GIS-Systeme eine geodatenbasierte interkommunale
Kooperation erschwert wird. Deshalb ist als Lösungsansatz die Aufsetzung von
standardisierten Schnittstellen von Relevanz, um über gebietskörperschaftliche Grenzen
hinweg agieren zu können. Dies ist nicht nur vor dem Hintergrund einer gemeinsamen
Leistungserbringung, sondern auch im Hinblick auf standortpolitische Entscheidungen, zu
sehen, die unter Umständen nicht lokal, sondern regional getroffen werden müssen.
Die bisherigen Ausführungen zur Verwaltungsdigitalisierung sowie zur Verwendung
georeferenzierter Fachdaten der Verwaltung lassen sich verallgemeinern und auf andere
Bundesländer übertragen.42 Die aktuelle Verwaltungsdigitalisierung gilt es als
Organisationsreform zu verstehen, die für den Verwaltungsaufbau eine wiederkehrende
Herausforderung darstellt. Die Verwaltungsdigitalisierung erfolgt zudem in den
Gebietskörperschaften in unterschiedlicher Geschwindigkeit, was sich auf allgemeine und
spezifische Herausforderungen zurückführen lässt. Als Katalysator für den aktuell
ablaufenden Prozess sind neben INSPIRE im Speziellen die Umsetzung des OZG und die
Einführung der E-Akte im Allgemeinen zu nennen.
Die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung wird im Wesentlichen durch die
Größe der jeweiligen Verwaltungseinheit determiniert. Erst bei genügender dezentraler
technischer Ausstattung und personellen Kapazitäten ist es möglich eine eigene
professionelle Georeferenzierung von Fachdaten durchzuführen. Dem stehen Größen- und
Verbundvorteile (economies of scale and scope) entgegen, die u. a. im Rahmen der
Verwaltungsdigitalisierung zu heben sind. Erst ab einer kritischen Verwaltungsgröße
bilden sich Kostenreduktionen aus (Stückkostendegression), sodass es zielführend ist,
möglichst viele Leistungen zentral zu halten. Somit besteht ein klassischer Zielkonflikt
zwischen (kosten-)effizienter Zentralisierung und (handlungs-)effizienter Dezentralität.
Im Rahmen des Forschungsprojekts SARDINE konnten folgende spezifische,
geodatenbezogene Herausforderungen für den Freistaat Sachsen identifiziert werden, die
es zu beachten gilt, um Interoperabilität zwischen den georeferenzierten Fachdaten
herzustellen. Hier zu nennen sind die Standarisierung der Daten sowie die Datenqualität.
In Bezug auf die Standardisierung gilt es technische Standards43, wie die verwendete
Software oder verwendete Koordinatensysteme44, zu harmonisieren, um den
42
Vgl. Zern-Breuer et al. (2020).
43
In einigen öffentlichen Aufgabenbereichen existieren bereits einheitliche Austauschstandards. Beispielhaft zu
nennen sind XPlanung, die eine verlustfreien Datenaustausch zwischen Bauleitplänen, Regionalplänen und
Landschaftsplänen sicherstellen.
44
Innerhalb der Kernverwaltung wird das von der GDI vorgegebene Koordinatensystem einheitlich genutzt.
Allerdings gilt dies nicht für die Gesamtheit des öffentlichen Sektors. So weisen einige öffentliche
Unternehmen andere Koordinatensysteme auf, wodurch der Datenaustausch regelmäßig mit Fehlern
einhergeht.
Geodaten in der öffentlichen Verwaltung 735

Datenaustausch weniger fehleranfällig zu gestalten. Zudem ist es notwendig, die


fachspezifischen Standards in Bezug auf die Georeferenzierung zu beachten. Geodaten
sind als Teil der ressortübergreifenden und somit ressortunspezifischen Basisinfrastruktur
der Verwaltung zu verwenden.
Die Datenqualität umfasst laut den Befragten insbesondere die Vermeidung von
Messfehlern bei der Erhebung und beim Verschnitt sowie bei der Integration in ein
gemeinsames Geoinformationssystem, wobei die Qualität der georeferenzierten
Fachdaten den Ansprüchen aller potentiell nutzenden Fachressorts und nicht nur dem der
erstellenden Einheit genügen muss. Insbesondere die Auflösung ist darunter zu fassen.
Dies stellt wiederum hohe Anforderungen an die Standardisierungen der Datenerfassung,
die jeweils deutlich über den konkreten Anwendungsfall hinausgehen dürften, um spätere,
im Einzelnen noch unbekannte Verknüpfungsmöglichkeiten mit weiteren Daten zu
gewährleisten. In vielen Bereichen der öffentlichen Leistungserbringung ist es trotz
bestehender Kompetenzverteilung zielführend, eine vertiefende Kooperation anzustreben,
sei es, um die Leistung gemeinsam zu erbringen, oder um einen Daten- und
Erfahrungsaustausch zu betreiben.

4 Fazit
Die vierte Phase der Verwendung von digitalen Geodaten in der Verwaltung wurde durch
die EU-Richtline INSPIRE angestoßen. Im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie konnten
die Mitgliedstaaten im Rahmen des Aufbaus der GDI sowie der Umsetzung der 34
Geodaten-Themen eigene Schwerpunkte setzen – wodurch u. a. verschiedene Standards
entstanden.
Die Georeferenzierung von Fachdaten ist ein weiterer Prozess, der durch die Einführung
von INSPIRE einen deutlichen Schub erlebt hat. Hierbei ist die Anwendung von Geodaten
im Rahmen der öffentlichen Leistungserbringung Teil der Verwaltungsdigitalisierung.
Ziel ist es, ein Geo-Government zu implementieren, um Verwaltung und deren Leistungen
effizient auszugestalten.
Die Umsetzung der Verwaltungsdigitalisierung im Bereich der Verwendung von
Geodaten wird im Freistaat Sachsen durch allgemeine Herausforderungen, wie
Handlungsfähigkeit und Zuständigkeit, erschwert, sowie durch spezifische
Herausforderungen, wie Fragen zur Standarisierung und der Datenqualität. Dies wurde
durch die Analyse von geführten Experteninterviews im Rahmen des Projektes SARDINE
nochmals verdeutlicht. Eine zunehmende kommunale Kooperation in diesem Bereich, wie
auch der vertiefte Erfahrungsaustausch der Kommunen untereinander kann demnach
dabei helfen, die Herausforderungen, vor denen die kommunale Ebene insgesamt steht, zu
bewältigen.
736 Christoph Mengs et al.

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