Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
): INFORMATIK 2021,
Lecture Notes in Informatics (LNI), Gesellschaft für Informatik, Bonn 2021 723
Abstract: Digitale Geodaten stellen eine wichtige Querschnittsressource für die öffentliche
Leistungserbringung dar. Durch die INSPIRE-Richtlinie wurden hierzu europaweite Standards
etabliert. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass nicht nur anwendungsbezogene Probleme im Hinblick
auf Datenqualität und Schnittstellen existieren, sondern dass auch die Datenerhebung und deren
Pflege Kommunen, Länder und Bund auf eine harte Probe stellen. In diese komplexe Gemengelage
ist das Onlinezugangsgesetz (OZG) einzubetten, das Bund, Länder und Kommunen dazu
verpflichtet, 575 identifizierte Verwaltungsdienstleistungen auch digital anzubieten. Bei dessen
Implementierung sind Geodaten ein entscheidender Baustein. In diesem Zusammenhang wurden im
Rahmen des Forschungsprojektes Smart Development Infrastructure (SARDINE)
Experteninterviews im Freistaat Sachsen mit Akteuren auf Ebene der Kommunen und des Landes
durchgeführt. Diese zeigen, dass die Zielstellungen der Umsetzung des OZG und der Einbettung
von Geodaten in das Verwaltungshandeln bekannt sind, jedoch Hemmnisse existieren, die dessen
Implementierung erschweren. Der vorliegende Beitrag benennt und systematisiert diese
Problemstellungen und zeigt mögliche Handlungsoptionen auf.
Keywords: Öffentliche Finanzen; Geodaten; E-Government; Geo-Government
1 Einleitung
Digitale Geodaten4 finden eine immer breitere Anwendung innerhalb der öffentlichen
Verwaltung. Von den ersten Ansätzen von analogen Karten hin zu digitalen Geodaten
(1970er), über die Entwicklung gemeinsamer einheitlicher Geodatenmodelle und
interoperabler Geoinformationssysteme (1980er), hin zum Aufbau erster
Geodateninfrastrukturen zum Datenaustausch (1990er) stellt die EU-Richtlinie
1
Universität Leipzig, Institut für Finanzen und Public Management, Kompetenzzentrum für kommunale
Infrastruktur Sachsen, Städtischen Kaufhaus, Universitätsstraße 16, 04109 Leipzig, mengs@wifa.uni-
leipzig.de
2
Universität Leipzig, Institut für öffentliche Finanzen und Public Management, Professur für
Finanzwissenschaften, Augustusplatz 10, 04109 Leipzig, bender@wifa.uni-leipzig.de
3
Universität Leipzig, Institut für Finanzen und Public Management, Professur für Finanzwissenschaften,
Augustusplatz 10, 04109 Leipzig, hesse@wifa.uni-leipzig.de
4
Vgl. Lakes (2019), S. 1348-1349.
cba
724 Christoph Mengs et al.
12
Siehe Art. 30, 70 ff. GG.
726 Christoph Mengs et al.
scheint in Bezug auf die Bereitstellung von Geobasisdaten homogen zu sein. In Bezug auf
georeferenzierte Fachdaten kann dies allerdings nicht angenommen werden, da hier
durchaus räumlich heterogene Präferenzen bestehen.19 Technische Lösungen–
insbesondere bei digitalen Anwendungen – rufen in der Regel sinkende Stückkosten bei
Erhöhung der Outputmenge hervor.20 Die Entwicklung und Einführung entsprechender
digitaler Verwaltungsprozesse haben zwar hohe initiale Kosten, die Ausweitung auf
zusätzliche Nutzer dagegen verursachen nur geringe zusätzliche Kosten. In der mittleren
und langen Frist sind somit potenzielle Effizienz- und Kostenvorteile zu heben. Die
Zusammenführung der Aspekte zeigt, dass zentrale Lösungen nicht per se effizienter und
damit gegenüber kleinteiligen dezentralen Lösungen überlegen sind. Beide haben eine
Daseinsberechtigung. In Bezug auf den föderativen mehrteiligen Staatsaufbau ist es
deshalb von hoher Relevanz, funktionierende technische Schnittstellen zu haben, um bei
Bedarf dezentrale Module an zentralisierte Lösungen anbinden zu können. Dies kann als
zentrale Bedingung angesehen werden, sofern Geodaten im Zuge der Digitalisierung der
öffentlichen (Verwaltungs-)Ebenen übergreifend einen Mehrwert bieten sollen.
19
Die im Rahmen des Projektes SARDINE durchgeführten Experteninterviews dienen als Grundlage für diese
Einschätzung. Um einen allgemeinen Raumbezug zu erstellen sind homogene Basisdaten notwendig. Anders
gestaltet sich dies für Geofachdaten. So sind erstens die Geofachdatenverfügbarkeit in Form von Quantität und
Qualität über die Gebietskörperschaften hinweg sehr unterschiedlich. Zweitens sind das in der jeweiligen
Verwaltung vorgehaltene Fachpersonal sowie die angewendete technische Ausstattung sehr verschieden.
Zudem weichen die zu erbringenden Aufgaben je Verwaltungsebene voneinander ab. In der Konsequenz
erscheint es als logisch, dass die Präferenzen heterogen ausgeprägt sind.
20
Vgl. de Mello und Ter-Minassian (2020), S. 9-11.
21
Ritz und Thom (2019), S. 613.
22
Vgl. Moon und Welch (2015), S. 436-455.
728 Christoph Mengs et al.
Beginnend mit der ersten Stufe wird eine reine Internetpräsenz zur einseitigen
Informationsversorgung der Unternehmen und privaten Haushalte initiiert. Im
fortschreitenden Prozess der zweiten Stufe öffnet sich der Informationskanal und eröffnet
die Möglichkeit zur beidseitigen Kommunikation. Transmissionsmedien können hier
elektronisch auszufüllende Formulare oder interaktive öffentliche Statistiken sein. Über
reorganisierte Geschäftsprozesse der dritten Stufe werden online Service- und
Finanztransaktionen möglich, sodass beispielsweise Zahlungen direkt online abgewickelt
werden können. Im Zuge der vierten Stufe integrieren sich die Leistungsprozesse in
horizontaler und vertikaler Weise. Ziel ist es, Ebenen übergreifende Aufgabenfelder und
Geschäftsprozesse miteinander zu verknüpfen. Hier setzt auch das OZG nachfrageseitig
an, welches zum Ziel hat, über einen einheitlichen föderativen Portalverbund zur
Nutzbarmachung der OZG-Leistungen zu schaffen. Die fünfte Stufe kann mit dem Begriff
des ‚Self-Governments‘ umschrieben werden, wobei der universelle und zeitlich
unabhängige Zugriff auf Datenbestände und dessen Weiterverwertung die Bürger in die
staatliche Leistungserbringung als Ko-Produzenten involviert.23 Bürger und Staat
interagieren somit auf Konsumenten- und Produzentenseite. Dabei ist die Evolution hin
zur Stufe fünf der übergangslosen Integration kein Automatismus. Vielmehr muss eine
fortschreitende Digitalisierung bekräftigt und forciert werden. Nach ANDERSEN und
HENRIKSEN (2006) wird diese technologisch geprägte Sichtweise der Evolution von E-
Government nicht vollständig gerecht. So wird durch die beiden Autoren herausgearbeitet,
dass Evolutionsstufen durch den Mehrwert entstehen, der für die Nutzer generiert wird
und welche organisatorischen Restrukturierungsimpulse für staatliche Stellen damit
verbunden sind.24
Folglich ist eine Evolutionsperspektive bei der Betrachtung des E-Government Ansatzes
angebracht, welche jedoch um weitere Perspektiven erweitert werden muss. Dabei spielen
neben der Frage, welche technologischen Möglichkeiten die Interaktion zwischen Bürger
und Staat gegeben sind, insbesondere auch die organisationstechnische Ausgestaltung und
die Dimension der Nutzbarmachung eine entscheidende Rolle. So muss der Grenznutzen
23
Vgl. Ritz und Thom (2019), S. 615f.
24
Vgl. Andersen und Henriksen (2006), S. 246.
Geodaten in der öffentlichen Verwaltung 729
Digitale Geodaten können als Geoobjekte25 umschrieben werden, die neben einem Raum-
und Zeitbezug eine fachlich-inhaltliche Einordnung erfahren und eine Dynamik darstellen
können.26 Diese dienen als Abstraktionsmöglichkeit von beobachtbaren Objekten, wobei
hier eine Zusammenfassung von mehreren Geoobjekten zu einem aggregierten Geoobjekt
vorgenommen werden kann.27 Digitale Geodaten bilden eine Querschnittsressource, da
diese in unterschiedlichen fachlichen Bereichen eingesetzt werden und somit keine
isolierte Verwendungsmöglichkeit aufweisen. Einerseits kann im Bereich der öffentlichen
Daseinsvorsorge die Erhebung, Haltung und Nutzung von Geodaten selbst Inhalt der
Verwaltungstätigkeit sein.28 Andererseits stellt die Nutzung digitaler Geodaten auch eine
Möglichkeit zur originären Erfüllung von Verwaltungsaufgaben dar, wobei diese als
unterstützende Arbeitsgrundlage dienen.29
25
Das räumliche Referenzieren kann hierbei aus feldbasierten Daten bestehen (z.B. Luftbilder) oder amtlichen
Geobasisdaten.
26
Vgl. Bernard und Mäs (2020), S. 102.
27
Vgl. ebd., S. 102. So kann eine Straße als Geoobjekt bezeichnet werden, während dessen Zusammenfassung
zu einem Straßennetz ebenfalls ein Geoobjekt darstellt.
28
Vgl. Neumann (2019), S. 537.
29
Vgl. ebd., S. 537. Hauptsächliche Aufgabenfelder können indes beispielsweise das Vermessungswesen, den
Umweltbereich, die Gefahrenabwehr und das Meldewesen umfassen.
730 Christoph Mengs et al.
Im Kontext des zuvor definierten Modells nach MOON und WELCH (2015) können digitale
Geodaten nicht nur als Bestandteile einzelner Stufen gesehen, sondern auch als Treiber
einer fortschreitenden Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung betrachtet werden –
schlicht, weil deren analoge Verarbeitung zu aufwändig ist. Das daraus resultierende Geo-
Government bietet demnach die Möglichkeit, durch die Verknüpfung von Basis- und
Fachdaten Leistungsprozesse in der öffentlichen Verwaltung zu optimieren und sie den
Nutzern zur Verfügung zu stellen. Die Visualisierung über Geoinformationssysteme (GIS)
bietet zugleich die Möglichkeit, Daten zu suchen, darzustellen, zu transformieren und mit
weiteren (Fach-)Daten zu verschneiden, wodurch das Geo-Government auch für nicht
originäre Geo-Datensätze nutzbar gemacht werden kann.30
Vor dem Hintergrund der angespannten Fachkräftesituation, welche auch die kommunale
Ebene in den Blick zu nehmen hat, kann die Einbeziehung digitaler Geodaten und die
damit verbundene Nutzung von GIS-Anwendungen zu einer Verschlankung von
Verwaltungsprozessen führen, die personellen Ressourcen schont. Insbesondere bei
repetitiven Prozessen, die wiederkehrend personelle Belastungen erzeugen, kann Geo-
Government Entlastung schaffen.31 Zusätzlich könnten Akteure durch den unmittelbaren
Bezug von Geodaten und deren korrespondierenden Anwendungen Anfragen direkt über
ein mögliches GIS einbinden, wodurch Bürger, Wirtschaft und Wissenschaft direkt auf
Daten zugreifen können, ohne dass ein Mehraufwand in Form einer zusätzlichen Anfrage
in der Verwaltung eingeht. So visualisiert beispielsweise die Stadt Leipzig ihre
Investitionsvorhaben über einen Kartendienst und bietet Interessenten die Möglichkeit,
geplante Investitionsvolumina transparent zu ermitteln.32 Korrespondierend zu dem
evolutorischen Stufenmodell nach MOON und WELCH (2015) kann das Geo-Government
zu einer erweiterten vertikalen und horizontalen Integration von Leistungsprozessen
führen. Das Geo-Government dient somit selbst als Treiber einer fortschreitenden
Verwaltungsdigitalisierung in Bezug auf die Nutzung von Geodaten und kann somit
endogen auf die staatlichen Hierarchieebenen einwirken.
Zum Aufbau einer europäischen Geodateninfrastruktur ist die INSPIRE Richtlinie 2007
eingeführt und in den Folgejahren durch die Mitgliedsstaaten in nationales Recht
umgesetzt worden – in Deutschland durch die Geoinformationsgesetze des Bundes und
der Länder.33 Die Koordinierungsstelle Geodateninfrastruktur Deutschland (GDI-DE)
wird von Bund und Ländern betrieben, sowie finanziert und unterstützt die GDI-
Aktivitäten der Kommunen.34 Bund und Länder koordinieren demnach ihre Bestrebungen
zum Aufbau einer einheitlichen Geodateninfrastruktur, was durch eine
30
Vgl. ebd., S. 559 f.
31
Vgl. Jaenicke (2007), S. 66.
32
Vgl. Stadt Leipzig (2021).
33
Vgl. Koordinierungsstelle Geodateninfrastruktur Deutschland (2019), S. 13.
34
Vgl. ebd., S. 13.
Geodaten in der öffentlichen Verwaltung 731
Doppelstrukturen aufgebaut und Ineffizienzen geschaffen werden würden. Deshalb hat der
Freistaat eine zentrale Lösung favorisiert.
Während das Staatsministerium für Regionalentwicklung (SMR) organisatorisch
zuständig ist, nimmt der Staatsbetrieb Geobasisinformation und Vermessung (GeoSN)
unter anderem die Aufgaben wahr, die technische Funktionsfähigkeit der GDI Sachsen zu
gewährleisten, ein landesweites Metadateninformationssystem und dezentrale Netzdienste
für die geohaltenden Stellen bereitzustellen.39 Dabei stellt der GeoSN zentral die
Geobasisdaten bereit (GeoBAK) und bietet somit eine zentrale E-Government
Applikation zur Nutzung von sächsischen Geobasisdaten.
Seit 1990 erfolgten im Freistaat Sachsen drei Gebietsreformen: die erste
Kreisgebietsreform (1994/1996), die Gemeindegebietsreform (1998) sowie die
zweigliedrige Verwaltungsreform (2008), bestehend aus der zweiten Kreisgebietsreform
und einer Funktionalreform. Im Ergebnis (und begleitet von fortlaufenden
Gemeindezusammenschlüssen und Eingemeindungen) sank die Zahl von 48 Landkreisen,
sechs Kreisfreien Städten und 1 626 Gemeinden im Jahr 1990 auf zehn Landkreise, drei
Kreisfreie Städte und 419 Gemeinden zum 1. Januar 2021.
Die im Jahr 2008 durchgeführte Funktionalreform hatte zum Ziel, strukturelle Aspekte der
Aufgabenwahrnehmung zu ordnen. Dies umfasste insbesondere eine stärkere
Kommunalisierung der öffentlichen Aufgaben sowie die Bündelung und Konzentration
im innerstaatlichen Bereich. Für die weitere Betrachtung der Geodaten in der öffentlichen
Verwaltung ist hierbei relevant, dass das Sächsische Verwaltungsneuordnungsgesetz
(SächsVwNG) eine Neuordnung der Landesvermessung, des Liegenschaftskatasters
sowie amtlicher Geobasisinformationen vorsah. Letztlich drückte sich dies im neu
gefassten Sächsischen Vermessungs- und Geobasisinformationsgesetz (SächsVermGeoG)
aus. Die Aufgaben des Vermessungswesens nehmen seither die oberste
Vermessungsbehörde (Staatsministerium des Inneren), die obere Vermessungsbehörde
(Staatsbetrieb Geobasisinformationen und Vermessung Sachsen) und die unteren
Vermessungsbehörden (Landkreise und Kreisfreie Städte) wahr.40 Die obere
Vermessungsbehörde ist zuständig für die Haltung und Bereitstellung von Daten des
Liegenschaftskatasters, die Haltung und Bereitstellung von Daten des
Botenrichtwertinformationssystems sowie die Einrichtung und den Betrieb von
Geodiensten. Die unteren Vermessungsbehörden sind für die Fortführung der Daten des
Liegenschaftskatasters ihres (Kreis-)Gebiets und deren Bereitstellung zuständig. Somit
folgt die im Rahmen der Verwaltungsreform 2008 gefasste SächsVermGeoG mehrheitlich
dem Allokationsziel einer möglichst hohen Zentralität der Aufgabenerbringung im
Rahmen der Haltung und Bereitstellung von Geobasisdaten. Lediglich die Erfassung
verbleibt in der dezentralen Zuständigkeit.
39
Vgl. GDI Sachsen (2021).
40
Siehe §2 Abs. 1 SächsVermGeoG.
Geodaten in der öffentlichen Verwaltung 733
Neben der Erhebung und Bereitstellung von Geobasisdaten ist die Verwendung
georeferenzierter Fachdaten im Rahmen der öffentlichen Leistungserbringung in den
letzten Jahren stetig gewachsen. Im Rahmen des eigenen Forschungsprojektes Smart
Regional Development Infrastructure (SARDINE) sind 15 teilstandardisierte
Experteninterviews41 mit Vertretern aus der Wissenschaft, der Wirtschaft sowie mit
ausgewählten Vertretern auf Landes- und Kommunalebene im Freistaat Sachsen
durchgeführt worden. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass Gebietskörperschaften,
welche Geobasisdaten fortschreiben (Landkreise und kreisfreie Städte), auch über
umfangreiche georeferenzierte Fachdaten in ihrer Verwaltung verfügen. Zudem werden
diese kontinuierlich um weitere Fachdaten ergänzt. Im Gegensatz dazu weisen kleinere
kreisangehörige Gemeinden eine geringere Durchdringung von georeferenzierten
Fachdaten auf – in Teilen existiert diese Form der Datenanwendung in einzelnen (Fach-
)Verwaltungen noch nicht. Dieses Defizit kann zu einer ineffizienteren
Leistungserbringung führen, was sich laut den Befragten in höheren Aufwendungen oder
geringerer Qualität der erbrachten Verwaltungsleistungen ausdrückt. Ein entsprechender
Lösungsansatz liegt in der zielgerichteten Forcierung des Geo-Governments, welches im
Zuge der horizontalen und vertikalen Leistungsverknüpfung auch der kommunalen Ebene
als Nutzer zugänglich gemacht werden muss.
Eine wesentliche Grundlage für die Etablierung eines Geo-Governments ist es, dass Daten
harmonisiert, Schnittstellen geschaffen, die Benutzerfreundlichkeit von Daten und
Anwendungen hergestellt, sowie Systeme weitestgehend interoperabel aufgesetzt werden.
Hierin liegen jedoch zugleich Hindernisse, die einen weiterführenden Einbezug digitaler
Geodaten erschweren können. Zwar existieren Standardisierungsbemühungen, wie etwa
OGC-Standards, die ebenfalls laufend weiterentwickelt werden. Jedoch zeigt sich nach
den Angaben der Befragten in der Praxis, dass diese oftmals den real existierenden
Bedarfen mit einer gewissen Zeitverzögerung begegnen. Auch wenn Standards in einem
Top-down-Prozess verordnet werden, ist deren Umsetzung zeitlich verzögert. Ursächlich
hierfür sind limitierende Faktoren, wie etwa die personellen und budgetären Kapazitäten
auf kommunaler Ebene. Dies hat nicht zuletzt einen negativen Einfluss auf die
Datenaktualität, da der zugrunde liegende Standard unter Umständen veraltet ist. Auch
wenn zudem durch das OZG vorgegeben ist, dass Verwaltungsdienstleistungen zu
digitalisieren seien, ist dennoch fraglich, in welcher Intensität dies vonstattengeht. So ist
beispielsweise aufgrund des kurzen Umsetzungszeitraumes nach überwiegender
Einschätzung der Befragten davon auszugehen, dass eine große Anzahl von Kommunen
zwar Dienstleitungen im Bereich des ‚Front-Office‘ digital anbieten werden, der zugrunde
liegende interne Verwaltungsablauf des ‚Backoffice‘ jedoch nach wie vor zum Teil analog
abläuft. Auch hier können GIS-Anwendungen bei der Systematisierung und
Implementierung digitaler interner Leistungserstellungsprozesse nach Auffassung der
41
Der Befragungszeitraum umfasst das vierte Quartal 2020 und das erste Quartal 2021.
734 Christoph Mengs et al.
Experten hilfreich sein. Die Aufsetzung stellt Kommunen jedoch vor finanzielle,
personelle und zeitliche Herausforderungen. Um eine Interoperabilität gewährleisten zu
können, ist zudem von Interesse, in welcher Güte und Frequenz Daten erhoben werden
und in welcher GIS-Anwendung diese bereitgestellt werden. So zeigt sich, dass durch die
Nutzung unterschiedlicher GIS-Systeme eine geodatenbasierte interkommunale
Kooperation erschwert wird. Deshalb ist als Lösungsansatz die Aufsetzung von
standardisierten Schnittstellen von Relevanz, um über gebietskörperschaftliche Grenzen
hinweg agieren zu können. Dies ist nicht nur vor dem Hintergrund einer gemeinsamen
Leistungserbringung, sondern auch im Hinblick auf standortpolitische Entscheidungen, zu
sehen, die unter Umständen nicht lokal, sondern regional getroffen werden müssen.
Die bisherigen Ausführungen zur Verwaltungsdigitalisierung sowie zur Verwendung
georeferenzierter Fachdaten der Verwaltung lassen sich verallgemeinern und auf andere
Bundesländer übertragen.42 Die aktuelle Verwaltungsdigitalisierung gilt es als
Organisationsreform zu verstehen, die für den Verwaltungsaufbau eine wiederkehrende
Herausforderung darstellt. Die Verwaltungsdigitalisierung erfolgt zudem in den
Gebietskörperschaften in unterschiedlicher Geschwindigkeit, was sich auf allgemeine und
spezifische Herausforderungen zurückführen lässt. Als Katalysator für den aktuell
ablaufenden Prozess sind neben INSPIRE im Speziellen die Umsetzung des OZG und die
Einführung der E-Akte im Allgemeinen zu nennen.
Die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung wird im Wesentlichen durch die
Größe der jeweiligen Verwaltungseinheit determiniert. Erst bei genügender dezentraler
technischer Ausstattung und personellen Kapazitäten ist es möglich eine eigene
professionelle Georeferenzierung von Fachdaten durchzuführen. Dem stehen Größen- und
Verbundvorteile (economies of scale and scope) entgegen, die u. a. im Rahmen der
Verwaltungsdigitalisierung zu heben sind. Erst ab einer kritischen Verwaltungsgröße
bilden sich Kostenreduktionen aus (Stückkostendegression), sodass es zielführend ist,
möglichst viele Leistungen zentral zu halten. Somit besteht ein klassischer Zielkonflikt
zwischen (kosten-)effizienter Zentralisierung und (handlungs-)effizienter Dezentralität.
Im Rahmen des Forschungsprojekts SARDINE konnten folgende spezifische,
geodatenbezogene Herausforderungen für den Freistaat Sachsen identifiziert werden, die
es zu beachten gilt, um Interoperabilität zwischen den georeferenzierten Fachdaten
herzustellen. Hier zu nennen sind die Standarisierung der Daten sowie die Datenqualität.
In Bezug auf die Standardisierung gilt es technische Standards43, wie die verwendete
Software oder verwendete Koordinatensysteme44, zu harmonisieren, um den
42
Vgl. Zern-Breuer et al. (2020).
43
In einigen öffentlichen Aufgabenbereichen existieren bereits einheitliche Austauschstandards. Beispielhaft zu
nennen sind XPlanung, die eine verlustfreien Datenaustausch zwischen Bauleitplänen, Regionalplänen und
Landschaftsplänen sicherstellen.
44
Innerhalb der Kernverwaltung wird das von der GDI vorgegebene Koordinatensystem einheitlich genutzt.
Allerdings gilt dies nicht für die Gesamtheit des öffentlichen Sektors. So weisen einige öffentliche
Unternehmen andere Koordinatensysteme auf, wodurch der Datenaustausch regelmäßig mit Fehlern
einhergeht.
Geodaten in der öffentlichen Verwaltung 735
4 Fazit
Die vierte Phase der Verwendung von digitalen Geodaten in der Verwaltung wurde durch
die EU-Richtline INSPIRE angestoßen. Im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie konnten
die Mitgliedstaaten im Rahmen des Aufbaus der GDI sowie der Umsetzung der 34
Geodaten-Themen eigene Schwerpunkte setzen – wodurch u. a. verschiedene Standards
entstanden.
Die Georeferenzierung von Fachdaten ist ein weiterer Prozess, der durch die Einführung
von INSPIRE einen deutlichen Schub erlebt hat. Hierbei ist die Anwendung von Geodaten
im Rahmen der öffentlichen Leistungserbringung Teil der Verwaltungsdigitalisierung.
Ziel ist es, ein Geo-Government zu implementieren, um Verwaltung und deren Leistungen
effizient auszugestalten.
Die Umsetzung der Verwaltungsdigitalisierung im Bereich der Verwendung von
Geodaten wird im Freistaat Sachsen durch allgemeine Herausforderungen, wie
Handlungsfähigkeit und Zuständigkeit, erschwert, sowie durch spezifische
Herausforderungen, wie Fragen zur Standarisierung und der Datenqualität. Dies wurde
durch die Analyse von geführten Experteninterviews im Rahmen des Projektes SARDINE
nochmals verdeutlicht. Eine zunehmende kommunale Kooperation in diesem Bereich, wie
auch der vertiefte Erfahrungsaustausch der Kommunen untereinander kann demnach
dabei helfen, die Herausforderungen, vor denen die kommunale Ebene insgesamt steht, zu
bewältigen.
736 Christoph Mengs et al.
5 Literaturverzeichnis
[AH06] Andersen, K. V.; Henriksen, H. Z.: E-Government maturity models: Extension of the
Layne and Lee model. Government Information Quarterly, 23(2), 236–248, 2006.
[BM20] Bernard, L.; Mäs, S: Digitale Geodaten, in: Klenk, T.; Nullmeier, F.; Wewer, G. (Hrsg.):
Handbuch Digitalisierung in Staat und Verwaltung, 1. Auflage, Springer-Verlag
Wiesbaden, Seiten: 101-110, 2020.
[Ri07] Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union: Richtlinie 2007/2/EG
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2007 zur Schaffung einer
Geodateninfrastruktur in der Europäischen Gemeinschaft (INSPIRE), in: Amtsblatt der
Europäischen Union (Hrsg.): L 108/1 vom 25. April 2007.
[Ri19] Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union: Richtlinie (EU)
2019/1024 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über offene
Daten und die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors, in:
Amtsblatt der Europäischen Union (Hrsg.): L 172/56 vom 26. Juni 2019.
[MT20] de Mello, L.; Ter-Minassian, T.: Digitalisation. Challenges and Opportunities for
Subnational Governments, OECD Working Papers on Fiscal Federalism, 2020.
[GD21] GDI Sachsen, Geodateninfrastruktur Sachsen,
http://www.gdi.sachsen.de/inhalt/devgdi/gdisn/gdisn.html, Stand: 15.04.2021.
[HRU21] Huang, S.; Ribers, M. A.; Ullrich, H.: Der gesellschaftliche Mehrwert verknüpfter
Daten: Algorithmen als Entscheidungshilfen bei Antibiotikaverschreibungen, in: DIW
Wochenbericht, Nr.13 und 14 (88), S. 240-246, 2021.
[IT21] IT-Planungsrat, OZG-Umsetzungskatalog, https://www.it-
planungsrat.de/DE/ITPlanungsrat/OZG-
Umsetzung/Digitalisierungsprogramm/06_DigPro_OZG_Katalog/DigPro_OZG_Katal
og_node.html;jsessionid=F984272028317BDE7B7B007342B50EBF.2_cid322, Stand:
15.04.2021.
[Jk07] Jaenicke, K.: Verfahren zur Berechnung der Wirtschaftlichkeit GIS-unterstützter
Prozesse, Dissertation zur Erlangung des Doktors der Naturwissenschaften, Technische
Universität Münster, Münster, 2007.
[Ge19] Koordinierungsstelle Geodateninfrastruktur Deutschland: Geodatendienste im Internet.
Ein Leitfaden, 4. Auflage, Frankfurt am Main, 2019.
[Lt19] Lakes, T.: Geodaten, in: Baur, Nina/Blasius, Jörg (Hrsg.), Handbuch Methoden der
empirischen Sozialforschung, 2. Auflage, S. 1345-1352, 2019.
[MW15] Moon, M. J.; Welch, E. W.: Managing e-government, J. L. Perry & R. K. Christensen
(Hrsg.), Handbook of public administration (3. Aufl., S. 436–455), San Francisco:
Wiley, 2015.
[Nc19] Neumann, C.: Geodaten – Anwendungsfeld und Pionier des E-Government, in: Digitale
Verwaltung. Vernetztes E-Government, 2. Auflage, Erlich Schmidt Verlag, Berlin,
Seiten: 535-564, 2019.
Geodaten in der öffentlichen Verwaltung 737
[RT19] Ritz, A.; Thom, N.: Public Management. Erfolgreiche Steuerung öffentlicher
Organisationen, 6. Auflage, Springer-Verlag, Wiesbaden, 2019.
[St21] Stadt Leipzig, Investitionen der Stadt Leipzig,
https://haushalt.leipzig.de/de/uebersicht_investitionen.asp?mm=8, Stand: 29.04.2021.
[Sä16] Sächsisches Geodateninfrastrukturgesetz vom 19. Mai 2010 (SächsGVBl. S. 134), das
durch Artikel 2 des Gesetzes vom 26. Oktober 2016 (SächsGVBl. S. 507) geändert
worden ist, 2016.
[St17] Staatsbetrieb Geobasisinformation und Vermessung: Umsetzung INSPIRE im Freistaat
Sachsen (SAX4Inspire), Dresden, 2017.
[Ve17] Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern zum gemeinsamen Ausbau und
Betrieb der Geodateninfrastruktur Deutschland (Verwaltungsvereinbarung GDI-DE),
2017.
[Zr20] Zern-Breuer, R.; Seckelmann, M.; Regös, N.; Lorei, H.; Kruse, K. A.; Brunzel, M.:
Voruntersuchung zur Einführung eines einheitlichen Geodatenmanagements in
Rheinland-Pfalz, Speyrer Arbeitshefte Nr. 245, Speyer, 2020.
[Zh19] Zimmermann, H.: Fiskalföderalismus – Vor- und Nachteile dezentraler
Entscheidungsstrukturen – eine finanzwissenschaftliche Ableitung, in: Schweisfurth, T,;
Wallmann, W. (Hrsg.): Haushalts- und Finanzwirtschaft der Kommunen in der
Bundesrepublik Deutschland, Schriften zur öffentlichen Verwaltung und öffentlichen
Wirtschaft, Band 242, Seiten: 29-47, 2019.