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Umgang mit Konfliktsituationen

&
Autonomiephase
„Wir wissen alle, wie schwierig es ist, Kleinkinder zu erziehen, aber wer
macht sich schon bewusst, wie schwierig es ist, ein Kleinkind zu SEIN?
Kleinkinder ziehen ständig den kürzeren. Sie sind schwächer,
langsamer, kleiner, sprachlich weniger ausdrucksfähig und
ungeschickter, als fast alle Menschen, die sie kennen. Deshalb stampfen
sie gern in Pfützen herum (weil es so heftig spritzt) und zeigen ihre
Muskeln. Und deshalb können sie auch so schrecklich starrsinnig sein
und sich weigern, zuzuhören oder nachzugeben.
Sie wollen einfach ab und zu auch einmal gewinnen!
(Karp 2015, 157)
Die Autonomiephase:
Ein wichtiger Entwicklungsschritt
„Ich-Entwicklung“: Unterscheidung zwischen sich und anderen
• Selbstkonzept: Wer bin ich?
• Besonders äußere Eigenschaften: Was habe/kann/mache ich? Wie sehe ich aus?
• Vorstellung von Besitz – Was gehört (zu) mir?
• Entwicklung eigener Wünsche und Pläne
• Erleben, dass andere oft nicht entsprechend der eigenen Pläne handeln bzw.
deren Umsetzung sogar aktiv be-/verhindern
• Entwicklung eines differenzierten Spektrums an Emotionen
• Wohlbehagen, Freude, Zuneigung, Belustigung, Frustration, Ärger, Trotz, Furcht,
Überraschung, Kummer, Traurigkeit, Verlegenheit
Die Autonomiephase:
Ein wichtiger Entwicklungsschritt
„Ziele“
• Ausdifferenzierung des Selbstkonzepts
• Entwicklung von Empathie/
Einfühlungsvermögen
• Erweiterung der
Handlungsmöglichkeiten
• Erwerb/Ausdifferenzierung von
Strategien zur Selbstregulation
• Beruhigung, Ablenkung, Umdeutungen, Auswahl
und Kontrolle von Situationen
• Interpersonale  intrapersonale Regulation
• Deutlich größere Autonomie von den
primären Bezugspersonen (in Anlehnung an Zimmer 2012, 52; 61)
„Das Problem“
• Ich-Bewusstsein • Begrenzter Handlungsspielraum
• eigener Wille/eigene Pläne und Ziele • durch die eigenen Fähigkeiten und
Fertigkeiten
• Sprachliche und motorische
• durch das Handeln anderer Menschen
Fähigkeiten, eigene Ziele mitzuteilen
und (theoretisch) selbst zu erreichen • Begrenzte Fähigkeiten zur
Selbstregulation
• Streben nach Autonomie
• Gehirnentwicklung, fehlende Erfahrungen
• Differenzierteres Erleben von
• Keine/geringe Empathiefähigkeit
Emotionen
• Keine theory of mind
 keine Vorstellung von den
Intentionen anderer

• Trotz, Frust, Ärger usw. äußern sich in Wutanfällen: Schreien, hinschmeißen,


hauen, kratzen, spucken, treten, „völlig außer sich sein“
• Kein Durchdringen mit beruhigenden oder ärgerlichen Worten
Theory of mind
• „Unter der Theory of Mind wird die Fähigkeit verstanden, die eigenen
geistigen Zustände und die anderer zu verstehen“ (Kain et al. 2006, 21)

Experiment von Wimmer und Perner (1983)


Kindern unterschiedlichen Alters wird mit Puppen eine Geschichte von Maxi und seiner Mutter vorgespielt
• Maxi und seine Mutter kommen vom Einkaufen und packen die Einkäufe aus
• Maxi legt die Schokolade in den grünen Schrank
• Maxi geht zum Spielen nach draußen. Währenddessen räumt seine Mutter die Schokolade in den
blauen Schrank
• Maxi kommt zurück und möchte Schokolade essen. Testfrage: Wo sucht er die Schokolade?
Fast alle dreijährigen Kinder antworten mit „im blauen Schrank“
 Keine Unterscheidung der eigenen Perspektive und der von Maxi; kein „Hineinversetzen“ möglich
 Mit zunehmendem Alter kontinuierlich mehr richtige Antworten: Fast alle Sechsjährigen antworten mit
„im grünen Schrank“
Wie damit umgehen?
Kommunikationsmodelle in Konfliktsituationen

• Gewaltfreie Kommunikation • Fast-Food-Regel und


nach Rosenberg Kleinkindsprache nach Karp
• Universaler Anspruch: Keine • ‚Kleinkinder sind anders‘: Speziell
Unterscheidung zwischen auf Kinder zwischen 1 und 5
(Klein)Kindern und Erwachsenen Jahren ausgerichtetes
• Begrenzte Einsatzmöglichkeiten Kommunikationsmodell
mit Kleinkindern • Anpassung einiger Ideen der
• Fehlendes Einfühlungsvermögen der gewaltfreien Kommunikation auf
Kinder Konfliktsituationen mit
• Geringe Aufnahmefähigkeit für Kleinkindern
verbale Ansprache in stark emotional
aufgeladenen Situationen
Der Prozess der gewaltfreien Kommunikation
Wie können wir in Konfliktsituationen gewaltfrei handeln? Was können wir sagen?
Wie können wir anderen empathisch zuhören? Was können wir „heraushören“?
Ein Modell mit 4 Komponenten
1. Beobachtungen Konkrete Handlungen, die wir beobachten können und die unser
Wohlbefinden beeinträchtigen, benennen (aber nicht bewerten)

2. Gefühle Erklären, wie wir uns im Zusammenhang mit unseren Beobachtungen fühlen
(ohne den anderen dafür verantwortlich zu machen)

3. Bedürfnisse Unsere Bedürfnisse, Werte und Wünsche, aus denen heraus diese Gefühle
entstehen, mitteilen

4. Bitten Um eine konkrete Handlung bzw. das Unterlassen einer Handlung bitten
(und akzeptieren/neu formulieren, wenn die Bitte abgelehnt wird)
Die Fast-Food-Regel
• Benannt nach dem
Bestellvorgang am Drive-In-
Schalter
• Der-/diejenige, der etwas
bestellen möchte (der/die
Hungrige), spricht zuerst
• Die Bedienung wiederholt
zuerst, was gesagt wurde…
• … und spricht erst dann
selbst/bringt ihr eigenes
Anliegen ein („Das macht dann
fünf Euro, bitte fahren sie vor“)

Bild: Karp 2015, 72


Die Fast-Food-Regel
• Übertragen in eine Konfliktsituation mit einem Kleinkind
bedeutet das
• Der Aufgebrachtere – das wütende Kind – spricht zuerst
„WUÄÄÄH! NEIN! NEIN! WUÄHHH“
• Der/die Erwachsene wiederholt, was das Kind sagt
 Kleinkindsprache: Kurze Sätze, Wiederholungen, Gefühle teilweise
spiegeln
„Du sagst NEIN! NEIN! Du bist wütend! Du bist so wütend auf Mama!“
Ziel: Das Kind soll sich mit seinen Gefühlen wahrgenommen und
verstanden fühlen
Wichtig: Die Kleinkind-Sprache
1. Kurze Sätze:
• „Du bist wütend! Wütend!“ statt „Ich weiß, dass dich das ärgert“
2. Wiederholungen:
• Aufgebrachte Kinder sind kaum für verbale Ansprache zugänglich
• Dieselben kurzen Sätze 3-8x wiederholen, damit das aufgebrachte, wütende Kind
überhaupt etwas davon aufnehmen kann
3. Die Gefühle des Kindes durch Tonfall und Gesten angemessen spiegeln
• Stimme, Mimik und Gestik sind für aufgebrachte Kinder leichter wahrzunehmen
• der/die Erwachsene spiegelt einen Teil der Gefühle/der Aufgebrachtheit des
Kindes wieder (laut Karp mit ca. einem Drittel der Intensität)
• bei positiven Gefühlen tun wir das oft intuitiv: „Jaaaa, du hast es geschafft! Toll!“
Nach der Fast-Food-Regel: Kontakt aufnehmen
• Körperkontakt
• Umarmen, streicheln, Hand auf die Schulter legen
• Flüstern
• um das Thema zu wechseln und wieder Kontakt aufzunehmen
• Den eigenen Standpunkt kurz (!) erklären – das „elterliche aber“:
• erst spiegeln („Du willst nicht gehen! Nicht gehen!), dann mit „aber“ die eigene
Perspektive einleiten („Aber wir müssen jetzt leider trotzdem rein gehen“)
• Zeigen, wie man Gefühle ausdrücken kann
• z.B. „Wenn ich so wütend bin stampfe ich mit den Füßen“
• Darüber sprechen, wie sich Emotionen anfühlen
• „Du warst so wütend, bestimmt hast du dich gefühlt, als ob dein Blut kocht“
• Den Wunsch des Kindes in der Fantasie erfüllen
• „Ich wünschte, wir könnten die Regenwolken wegpusten und länger draußen bleiben“
• Eine Du-Ich-Botschaft formulieren – kurz die eigenen Gefühle erläutern
• „Wenn du mich haust, werde ich sehr wütend.“
Quellen
• Kain, Winfried/Bukovics, Maud/Edtinger, Bernadette/Reithmayr, Sandra/Scharf,
Marion (2006): KLIK - Konflikte lösen im Kindergarten. Weinheim, Basel: Beltz
• Kasten, H. (07.2014): Entwicklungspsychologische Grundlagen der frühen
Kindheit und frühpädagogische Konsequenzen. Verfügbar unter:
https://www.kita-
fachtexte.de/fileadmin/Redaktion/Publikationen/KiTaFT_kasten_2014.pdf
• Holodynski, M. (2006): Emotionen – Entwicklung und Regulation. Heidelberg:
Springer
• Karp, H. (2015). Das glücklichste Kleinkind der Welt. Wie Sie Ihr Kind liebevoll
durch die Trotzphase begleiten. München: Goldmann
• Zimmer, R. (2012). Handbuch Psychomotorik. Theorie und Praxis der
psychomotorischen Förderung (13. Auflage). Freiburg im Breisgau: Herder

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