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Deckblatt Prüfungsarbeit

Fakultät/Bereich: Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften

Prüfungsform: Seminar / Hausarbeit

Modultitel:
Zentrale Konzepte der Politischen Theorie in gesellschaftlichen
Transformationsphasen
Modul Nr.: WS13P08

Titel der Zeitgenössische Diskurse politischen Denkens


Veranstaltung:

Thema/Titel Der Wahrheitsbegriff im Wandel


der Modularbeit:
bei Studienarbeiten (MB/ET)
mit englischer Übersetzung

Trimester : HT WT FT Jahr:
____________________________________________________________________________
(der zur Prüfung gehörenden Lehrveranstaltung)

Name, Vorname: Bick, Timo

Matr.-Nr.: 893250

Studiengang: B.A. Politikwissenschaft

Studentenjahrgang: 2019
____________________________________________________________________________

Prüfer/in: Prof. Dr. Gary S. Schaal

Prüfungsdatum: 15.02.2021 1. Termin 1. Wdh. 2. Wdh.


Note:

Datum, Unterschrift des Prüfers/in:

____________________________________________________________________________
Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften

Lehrstuhl für Politikwissenschaft, insb. Politische Theorie

Zentrale Konzepte der politischen Theorie in gesellschaftlichen Transformationsphasen

Prof. Dr. Gary S. Schaal

Herbsttrimester 2020

Der Wahrheitsbegriff im Wandel


Inwiefern hat sich der Wahrheitsbegriff im Zuge der
Geschehnisse von 2008 bis Heute verändert?
Vorgelegt von:
Timo Bick
Stoltenstraße 13, 43-B-13
22119 Hamburg
w878819@hsu-hh.de
Matr.-Nr.: 893250
BA Politikwissenschaft (4. HT)
POL 2019
Abgabedatum: 15.02.2021
Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ............................................................................................................................... 1
2. Die Wahrheit .......................................................................................................................... 2
2.1 Postdemokratie ................................................................................................................. 6
3.Entwicklungsprozess des Wahrheitsbegriffes ......................................................................... 7
3.1 Obamas Geburtsurkunde .................................................................................................. 7
3.2 Die Charlottesville Actors ................................................................................................ 9
3.3 Black Lives Matter ......................................................................................................... 10
3.4 Der Sturm auf das Capitol .............................................................................................. 11
4. Der Wandel in der Wahrnehmung von Wahrheit................................................................. 13
5. Fazit ...................................................................................................................................... 15
Literaturverzeichnis .................................................................................................................. 16
Abbildungsverzeichnis ............................................................................................................. 18
Eidesstattliche Erklärung.......................................................................................................... 19
1. Einleitung
30.573… das ist die Zahl der falschen Aussagen, die das ehemalige Staatsoberhaupt der USA
äußerte. (vgl. Kessler & Kelly & Rizzo & Ye Hee Lee 2021) Im allgemeinen Munde wird oft
gescherzt, dass Politiker im Allgemeinen lügen im Sinne der Machtgewinnung missbrauchen.
Wenn sie jedoch im Amt sind ist das Vertrauen über getätigten Aussagen eines Politikers
bedeutend höher. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwiefern es möglich ist, dass
das Staatsoberhaupt der ältesten Demokratie der Welt, welche in vielerlei Hinsicht eine
Vorbildfunktion vertritt, die Bevölkerung mit glaubhaft verpackten Unwahrheiten hinter das
Licht führen kann. (vgl. Conway 2017) Durch die Verbreitung von Unsicherheit und das nicht
nur in der eigenen Bevölkerung, sondern global, wird das allgemeine Verständnis von Wahrheit
in Frage gestellt. Um zu untersuchen inwiefern sich der Wahrheitsbegriff und die Auffassung
was überhaupt Wahrheit ist, verändert hat. Befasst sich diese Abhandlung mit der Entwicklung
des Wahrheitsbegriffs mit einem Hauptaugenmerkt auf die Zeit von 2008 bis heute. Um jedoch
die Herleitung des heutigen Verständnisses von Wahrheit zu veranschaulichen ist es wichtig
den Wahrheitsbegriff in seiner Entstehung und Entwicklung zu verfolgen. Die Aussagen
griechischen Philosophen Aristoteles, festgehalten in seiner Metaphysik, legten den Grundstein
für sämtliche weitere Ansätze des Wahrheitsbegriffes. Mit dem Aufstieg des Christentums und
dem Glauben an den allmächtigen Gott, wurde durch Thomas von Aquin Aristoteles antikes
Konzept an das Verständnis des christlichen Glaubens angepasst. Aquins auf Gott bezogenes
Konzept der Wahrheit herrschte lange vor, Bis die Denker der Moderne mit der Reformation
des Wahrheitsbegriffes begannen. Bedeutende Namen wie Georg Wilhelm Friedrich Hegel
oder Bertrand Russel entwickelten neue Verständnisweisen für den Wahrheitsbegriff. Aus
diesen Ansätzen wurden neue Theorien begründet, einige für die Politik als auch für das
Verständnis wissenschaftlichen Arbeitens relevante Theorien werden im späteren definiert.
Doch auch Ansätze so prominenter Köpfe geraten mit der Zeit aus der Mode. Das Spielfeld der
Politik wird nun von postfaktischen Äußerungen verschiedenster Akteure bestimmt und die
Definition des Wahrheitsbegriffes ist in vielerlei Hinsicht nicht mehr so eindeutig wie vor
einigen Jahren es noch der Fall war. In dieser Abhandlung wird von einem, für die Wissenschaft
klassischen, Wahrheitsbegriff der Kohärenztheorie ausgegangen. Diese vergleicht eine breite
Struktur von Aussagen miteinander und klassifiziert diese somit als wahr oder unwahr. Indem
Aussagen mit einer breiten Struktur von Fakten verglichen und somit als wahr bzw. unwahr
klassifiziert werden. Diese Theorie wurde erwählt da sie ebenfalls den Nährboden für
postfaktische Äußerungen bietet und somit ideal geeignet ist um den klassischen und den

1
„neuen“ Wahrheitsbegriff zu definieren. Um aufzuzeigen, wie der postfaktische
Wahrheitsbegriff sich auf das Wahrheitsverständnis auswirkt, betrachtet diese Ausführung
einige prominente Aussagen der letzten Dekade. Zuerst jedoch Die Frage was ist Wahrheit und
wie wird sie in diesem Text verstanden.

2. Die Wahrheit
Die Wahrheit ist für jeden Menschen, in seiner persönlichen Wahrnehmung, ein
unumstößliches Konzept. Welches ihn dazu befähigt Entschlüsse zu treffen, sich aufgrund der
ihm erhaltenen für wahr befundenen Informationen anzupassen oder Vertrauen zu anderen
Personen oder Institutionen aufzubauen. An dieser Stelle ist jedoch festzuhalten, dass der
Begriff der Wahrheit nicht immer so war wie er heute verstanden wird, Viel mehr ist dies auf
eine Entwicklung zurückzuführen die sich von Aristoteles Aussagen der Metaphysik, über
Thomas von Aquins neuen Verständnis der Wahrheit bezüglich des christlichen Glaubens, bis
hin zu den modernen Wahrheitstheorien zieht. Der moderne Begriff der Wahrheit ist als solcher
in der Gesellschaft gefestigt, jedoch durchlebt genau diese einen stetigen Wandel wodurch auch
der Wahrheitsbegriff als solcher immer wieder neu zu bewerten ist. Um diesen bewerten zu
können und die Veränderung durch moderne Beeinflussungsfaktoren wie die Auslegung von
Berichterstattungen, alternativen Fakten oder gar Fake-News beurteilen zu können, muss ein
Tenor gefunden werden der den für diese Arbeit ausschlaggebenden Wahrheitsbegriff
beschreibt. Hierfür werden zunächst geschichtliche Hintergründe erläutert und anschließend
der, für diese Arbeit relevante, Wahrheitsbegriff definiert.

Die Wahrheit ist einer der fundamentalsten Konzepte für den Denkprozess eines Menschen,
Mit ihm beschäftigten sich viele herausragende Persönlichkeiten. Zu diesen gehörte auch der
Denker Aristoteles, er befasste sich in den Büchern seiner Metaphysik unteranderem mit dem
Wahrheitsbegriff und schrieb im 4. Buch der Metaphysik

„Es kann nicht zwischen den beiden Gliedern des Widerspruchs etwas mitten inne liegen,
sondern man muss notwendig jedes von jedem entweder bejahen oder verneinen. Dies erhellt
zuerst aus der Bestimmung der Begriffe wahr und falsch. Zu sagen nämlich, das Seiende sei
nicht oder das Nicht-seiende sei, ist falsch, dagegen zu sagen, das Seiende sei und das Nicht-
seiende sei nicht, ist wahr. Wer also ein Sein oder ein Nicht-sein prädiziert, muss Wahres
oder Falsches aussprechen.“

-Aristoteles Buch 4 1011b

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Somit Stellt Aristoteles zur Debatte was überhaupt als wahr bezeichnet werden kann und findet
dabei zwei Ansätze, welche definitiv wahr sind. Er geht davon aus das Meinungen, Urteile,
Sätze und Propositionen sowie physische Dinge Träger des Wahrheitsprädikates sein können.
Weiter Beschäftigte er sich nicht nur damit welche Konzepte denn wahr sein können, sondern
zusätzlich damit ab wann denn etwas wahr wird. Im 9. Buch seiner Metaphysik schreibt
Aristoteles folgendes.

„Nicht darum nämlich, weil unsere Meinung, du seiest weiß, wahr ist, bist du weiß, sondern
darum, weil du weiß bist, sagen wir die Wahrheit, indem wir dies behaupten.“

-Aristoteles Buch 9 1051b

Zusammengefasst stellt Aristoteles die These auf, dass etwas wahr ist sobald der Tenor einer
Gruppe sich über einen Umstand einig ist und einen Konsens über das Besprochene findet.
Diese These kann nach Aristoteles Modell der Wahrheit wie folgt ausgelegt werden, solange
sich die Gemeinschaft darüber einig ist und etwas als allgemein gültig zu akzeptieren, könnte
eine Aussage wie „Die Erde ist eine Scheibe“ als Wahrheit ausgelegt werden.

Den nächsten wichtigen Schritt Wahrheit als Konzept zu definieren unternahm der christliche
Gelehrte Thomas von Aquin, indem er versuchte das Konzept der weltlichen Wahrheit mit der
göttlichen Wahrheit zu verbinden. Nach Thomas von Aquin vereint der menschliche Geist zwei
fundamentale Kräfte, das Streben sich dem guten zuzuwenden und der Kraft des Erkennens von
Wahrheit. So kann der Mensch Dinge wahrnehmen, indem sich sein Verstand den zu
erkennenden Dingen anpasst. Ein existierendes Ding ist für den Menschen also dann wahr,
wenn sich der menschliche Verstand an das Ding anpasst und es dadurch erkennt. (vgl. v. Aquin
& Zimmermann 1986 S. 3)

Zunächst scheint sich dieser Ansatz nicht signifikant von dem Aristoteles zu unterscheiden,
jedoch ist es Aquins Verbindung der Idee von Aristoteles mit dem Gottesgedanken, der das
neue Konzept formuliert. Denn nach Aquin ist der göttliche Verstand von dem menschlichen
zu unterscheiden. Der menschliche Verstand nimmt Dinge lediglich wahr der göttliche
Verstand hingegen ist für die Existenz der Dinge verantwortlich. Es kann also angenommen
werden, dass der göttliche Verstand durch nichts eingeschränkt ist und alles was dem göttlichen
Verstand entspricht auch existiert. Insofern sind alle existierenden Dinge wahr und umgekehrt.
Der menschliche Verstand dagegen ist nicht für die Wahrheit der Dinge verantwortlich, er passt
sich nur an die existierenden Dinge an, somit wären die Dinge in Bezug auf Gott auch ohne den
Menschen wahr. (vgl. v. Aquin & Zimmermann 1986 S. 9) Der Unterschied zu Aristoteles

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findet sich also in dem Belangen, das etwas erst wahr ist, wenn es von der Allgemeinheit als
wahr empfunden wird, sowie das tut oder ist was es nach Gottes Idee tun oder sein soll.
Aristoteles und Aquins Ansätze können beide in der Korrespondenz Theorie zusammengefasst
werden, auf diese näher einzugehen bietet der Rahmen dieser Hausarbeit allerdings nicht
genügend Spielraum und ist auch nur in geringen Maße relevant.

Das antike Verständnis von Wahrheit ist heute, vereinfacht gesagt, nicht mehr zeitgemäß.
Dennoch ist der Entwicklungsprozess des Wahrheitsverständnisses ein wichtiger Bestandteil,
durch die veralteten Ansätze verliert die Auffassung von Wahrheit aus der Vergangenheit
keinen falls den Bezug zur Neuzeit, diese wurde lediglich auf das heutige gesellschaftliche
Verständnis angepasst. Aus den Versuchen Georg Wilhelm Friedrich Hegels die
Wahrheitstheorie mit ihren theologischen und ontologischen Implikationen zu erneuern, bildete
sich mit der Zeit die Kohärenztheorie. Die Kohärenztheorie ist neben der Korrespondenztheorie
eine der bekanntesten Wahrheitstheorien. Für Hegel ist Wahrheit die Übereinstimmung einer
Sache mit unserer Vorstellung von dieser. Wir setzten also eine Sache voraus an die sich unsere
Vorstellung anpassen muss. Um an dieser Stelle ein Beispiel anzubringen, wenn wir also von
einem wahren Freund sprechen, bedeutet es das diese Person sich so verhält wie unsere
Vorstellung von einem Freund aussieht. Dasselbe Trifft beispielsweise auch auf die Kunst zu,
wenn wir von einem wahren Kunstwerk reden. Wahr bedeutet nach dieser Denkweise also
soviel wie gut oder korrekt, unwahr hingegen steht also für schlechte oder inkorrekte Dinge.
Wahrheit ist also eine Art der kognitiven Harmonisierung mit dem Ziel einen Grundlegenden
wertenden Standard einzuführen. (vgl. Rescher 2009 S. 67)

Hegels Gedanken wurden von einigen englischen Denkern weiterverfolgt und erweitert. So
schrieb F.H. Bradley, dass desto größer und breiter die Strukturen der Fakten sind, desto näher
ist diese Faktenbasis an der Wahrheit. Es können jedoch nicht alle Fakten genutzt werden, dies
ist schier unmöglich, es muss also eine Auslese vorgenommen werden. Fakten sind wahr,
jedoch nur wenn sie auch kohärent mit der Struktur an gesammelten Erfahrungen sind. Es kann
also nur absolute Wahrheit geben, wenn alle Fakten in einer perfekten kohärenten Struktur
aufgehen. (vgl. Rescher 2009 S.68) Die Gedanken Hegels und der englischen Denker fasste
schließlich Nicholas Rescher zur Coherence Theory of Truth zusammen und gab den
vorhergelaufenen Gedanken zum ersten Mal auch den Status einer echten Theorie.

Rescher baut seine Theorie auf der Idee auf, dass alle Aussagen in einem systematischen
Zusammenhang stehen und die Summe aller Aussagen des Systems die Wahrheit darstellt. Um
eine Aussage also als wahr geltend machen zu können muss diese also widerspruchslos in das

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bereits existierende System von Aussagen passen. Andernfalls müsste die Aussage neu definiert
werden, bis diese dem restlichen System kohärent ist. (vgl. Heina 2009 S.2) Die
Kohärenztheorie liefert somit laut Rescher, die beste Definition von Wahrheit. Sie ermittelt
jedoch keine konkreten Kriterien darüber welche Aussagen wahr sind. Kohärenz kann also nur
bestimmen was wahr ist aber nicht definieren was Wahrheit bedeutet. Damit die
Kohärenztheorie wirken kann benötigt sie beständige, vollständige und zusammenhängende
Strukturen von Aussagen. Daraus geht hervor das die Kohärenztheorie als eine dynamische
Theorie verstanden werden kann, nach der eine Aussage auch als ungefähr wahr bestimmt
werden kann. Folglich entsteht daraus ein Konstrukt, welches eine Abstufung von Wahrheit
zulässt. Diese Abstufung muss anschließend reduziert werden um nicht mit Fakten überlastet
zu werden. Es werden also nur die kohärentesten Fakten als Vergleich benutzt. (vgl. Ford 1974
S. 119)

Aussagen mit einem kohärenten Konstrukt von Aussagen zu vergleichen und somit die
Wahrheit der eigenen Aussage zu bestimmen wirkt in einem wissenschaftlichen Sinn absolut
gerechtfertigt und sogar sinnvoll. Denn wenn eine Aussage mit unterschiedlichen
wissenschaftlich erarbeiteten Aussagen vergleiche und eine Kohärenz finde, kann mit hoher
Sicherheit davon ausgegangen werden das diese Aussage wahr ist. Somit wird diese zu einem
bestätigenden Beispiel für das Konstrukt Aussagen zu überprüfen und zu vergleichen. Wenn
jedoch ein neues Konstrukt aus Aussagen, die entweder wissenschaftlich klingen, aus dem
Kontext gezogen sind oder gar für falsch befunden wurden, geflochten wird und das
Aussagenkonstrukt weiterhin als Wahrheit empfunden wird, da es mit persönlichen Ansichten
und Überzeugungen übereinstimmt, dann ist es weiterhin mit der Kohärenztheorie zu
vereinbaren, wird aber im als Postfaktizismus betitelt. Der Postfaktizismus ist das
Zusammenspiel aus der Wahrheit, Lügen und Aussagen die nicht ganz der Wahrheit
entsprechen aber um als falsch bezeichnet zu werden zu harmlos sind. (vg. Prazmo 2020 S.
393) Das Präfix „post-“ vermittelt entgegen seiner eigentlichen Definition den Gedanken das
wir uns nach den fakten befinden. Postfaktische Politik verdrängt somit langsam die Fakten
basierte Politik. (vgl. Prazmo 2020 S.404) Postfaktizismus verursacht demnach ein in dem
keine vertrauenswürdigen Informationsquellen vorliegen. Falsche Informationen sind weit
verbreitet und erlangen immer mehr Normalität, alternative Fakten zur Verfolgung politischer
Ziele genutzt werden, indem die Kommunikation auf der Gefühls- und nicht mehr auf der
Vernunftsebene stattfindet. (vgl. Prazmo 2020 S. 406) Die Wichtigkeit des Wahrheitsbegriffes
für die Politik liegt somit auf der Hand. Inwiefern eine Demokratie jedoch mit überspitzter

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Meinungsmache, aufgeheizten Gefühlen und die dauerhaften Feindseligkeiten reagiert lässt
sich gut durch den Ansatz der Postdemokratie erläutern.

2.1 Postdemokratie
Der Begriff der Postdemokratie ist nun schon seit einiger Zeit weitreichend bekannt und gehört
immer häufiger zu der diagnostischen Beurteilung gegenwärtiger politischer Ereignisse. (vgl.
Klasen& Mattutat 2016 S. 41) Doch was kann sich genau unter dem Begriff vorgestellt werden?
Das Präfix „Post-“ ist mehrfach zu deuten, es stammt aus dem Lateinischen und kann als hinten,
nachher oder danach gedeutet werden. Im englischen, aus dem der Begriff der Postdemokratie
stammt, nimmt der Begriff „post“ zwei Bedeutungen an. Einerseits eine räumliche und
andererseits eine temporale, wobei letztere aufgeteilt wird in anschließende Aussagen und
einem überarbeiteten Verständnis. (vgl. Prazmo 2020 S. 399) Mit dem Begriff der Demokratie
ist selbstverständlich die Herrschaft des Volkes, dem Demos, über sich selbst gemeint. (vgl.
Klasen & Mattutat 2020 S. 42) Eine weitere Definition des Demokratiebegriffes sollte nicht
vonnöten sein, es ist ein allgemein bekanntes Staatenkonstrukt der westlichen Welt.
Postdemokratie ist also ein Begriff der genutzt wird um zu veranschaulichen das wir uns
entweder in einer nach der Demokratie leben oder in einer revidierten Version dieser. Um den
Begriff der Postdemokratie auf die Politik zu beziehen ist die Ausführung des französischen
Philosophen Jacques Rancière zum Thema wegweisend.

„Die Post-Demokratie ist die Regierungspraxis und die begriffliche Legitimierung einer
Demokratie nach dem Demos, einer Demokratie, die die Erscheinung, die Verrechnung und
den Streit des Volks liquidiert hat, reduzierbar also auf das alleinige Spiel der staatlichen
Dispositive und der Bündelung von Energien und gesellschaftlichen Interessen. Die Post-
Demokratie ist keine Demokratie, die im Spiel der gesellschaftlichen Energien die Wahrheit
der institutionellen Formen gefunden hat. Sie ist eine Weise der Identifizierung der
institutionellen Dispositive mit der Aufstellung der Teile und Anteile der Gesellschaft, die
geeignet ist, dass der Demokratie eigene Subjekt und Handeln verschwinden zu lassen“

(vgl. Rancière 2002 S. 111)

Nach Rancière hat sich also die Postdemokratische Gesellschaft von den ursprünglichen
Belangen des Demos abgewandt und ist nur auf die Belange des Staatsapparates fokussiert.
Durch den gesetzten Fokus auf die Staatsangelegenheiten sorgt die Gesellschaft von selbst für
das Verschwinden der Demokratie. In den antiken und nationalstaatlichen Auffassungen vom
Demos spielte Status, Geburt oder andere formelle Merkmale keine Rolle bezüglich der

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Zugehörigkeit dieser, sondern einzig und allein ein Teil des politischen Lebens zu sein
bestimmte die Zugehörigkeit zum Demos. Hingegen besteht innerhalb der postdemokratischen
Gesellschaft die Möglichkeit das der Demos verschwindet ohne dass die, von dem Bewusstsein
sittlicher Werte geprägten, Gesinnung der politischen Ordnung zum Diskussionspunkt wird.
(vgl. Ritzi 2016 S. 352) Die Postdemokratie kennzeichnet sich also dadurch das die Politik nicht
mehr wie gewohnt in Erscheinung treten kann da sie sich immer mehr mit unterschiedlichen
Belangen befassen muss, welche außerhalb des politischen Lebens liegen. Dem Volk wird eine
Art homogene Willensbildung angelernt und bildet so Radikalität, die durch die
Konsensbildung und Vereinheitlichung des vermeintlichen Volkswillens den Kontext der
politischen Ordnung verändert. (vgl. Ritzi 2016 S. 353) Der Begriff der Postdemokratie
beschreibt jedoch nicht ausschließlich den Umbruch der normativen Ideale der Demokratie oder
der Rationalisierung des Konsenses. Die Verwissenschaftlichung der Politik ist die Ursache
und Folge der Verrechtlichung dieser. Durch diese Entwicklung entsteht eine Abgrenzung
zwischen Eliten und dem restlichen Volk und trägt maßgeblich zur Zementierung des
Mancipium der Elite über das politische Geschehen bei. Der postdemokratische Begriff
beinhaltet also den Wandel der Denkweisen und Einstellungen der Gesellschaft zu ihren Zielen,
der Politik und der Demokratie, sowie um latente Veränderungen und Merkmale des
zeitgenössischen politischen Entscheidens und Handelns. (vgl. Ritzi 2016 S. 356)

3.Entwicklungsprozess des Wahrheitsbegriffes


3.1 Obamas Geburtsurkunde
Eine der prävalentesten Aussagen, die in den letzten Jahren geäußert wurden, ist das der US-
amerikanische Präsident Barack Hussein Obama II aufgrund seiner Herkunft nicht tauglich ist
das Amt des Präsidenten zu bekleiden. Diese Äußerungen basieren auf einer Klausel in der
Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika:

No Person except a natural born Citizen, or a Citizen of the United States, at the time of the
Adoption of this Constitution, shall be eligible to the Office of President; neither shall any
Person be eligible to that Office who shall not have attained to the Age of thirty five Years,
and been fourteen Years a Resident within the United States.

-Article II Section 1 Clause 5 US Constitution

Der Vorwurf an sich ist also legitim. Die eventuell rassistisch motivierten Hintergründe dieser
Äußerung werden in diesem Kontext außeracht gelassen, da sie für die weitere Erläuterung
nicht von Relevanz sind. Die Vorwürfe der sogenannten „Birther Conspirathy“ wurden in ihrer

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narrative gestützt durch den konservativen Nachrichtensender Fox News und so schrieb Fox
News Korrespondent Tommy De Seno ausführlich darüber weshalb die Vorwürfe an Barack
Obama gerechtfertigt seien. Es gäbe zwar Zeitungsmitteilungen einer lokalen hawaiianischen
Zeitung zur Geburt Obamas, entkräftet werden diese jedoch mit der folgenden Aussage. dass
die Großeltern Obamas auch auf Hawaii leben würden und es nicht unüblich wäre das diese die
Geburt ihres Enkels in der Zeitung veröffentlichen würden auch wenn dieser sich im Ausland
befindet. Ebenfalls erklärt er, wenn seine Eltern vorher auf Hawaii gelebt hätten und dann nach
Kenia gezogen sind, wo Obama geboren worden sein soll, würden diese ebenfalls eine
Geburtsanzeige aufgeben um es ihren auf Hawaii verbliebenen Freunden mitzuteilen das sie
einen Sohn bekommen hätten. Die Vorwürfe beziehen sich ebenfalls auf die Schulen die Obama
besuchte, denn die Birther werfen ihn vor das er sich in seiner „grad school“ und an am College
als im Ausland geborener Student einschrieb. Was Grundlage für die Anschuldigung ist das
Obama aufgrund seiner Herkunft und finanziellen Hintergrund sich die teuren Studiengebühren
am Occidental College, der Columbia University und an der Harvard Law School gar nicht
hätte leisten können, außer er hat finanzielle Unterstützung als Student mit
Migrationshintergrund erhalten. (vgl. De Seno 2009)

Obamas Reaktion auf die Vorwürfe waren zuerst abweisend, jedoch veröffentlichte er noch vor
der Wahl im Jahr 2008 seine Geburtsurkunde. (siehe Abbildung 1) woraufhin Die Birther
Community direkt Gründe fand warum diese ungültig sei oder gar unecht. Denn die
Geburtsurkunde die Obama veröffentlichte soll im Jahr 2007 erstellt worden sein. Sie soll
Referenzen enthalten über Statuten, die auf Hawaii erst im Jahr 2001 übernommen wurden,
sowie „das, wenn man ja nur genau hinschauen würde, man den originalen Datumsstempel von
2007 durchschimmern sehen kann“. (vgl De Seno 2009)

Trotz der Veröffentlichung der Geburtsurkunde glauben weiterhin eine breite Masse von
Amerikanern das diese Aussagen wahr sind! In Umfragen haben 59% der Befragten
geantwortet sie wüssten über die Umstände, dass Obama keinen legitimen Anspruch hat US-
Präsident zu werden. Und nur 30% von diesen wussten über die Veröffentlichung der
Geburtsurkunde bescheid. Trotz der wiederholten Bemühungen von Medienoutlets, den
politischen Eliten, der Veröffentlichung von zwei Versionen der Geburtsurkunde und mehreren
investigativen Berichten verschiedenster Nachrichtensender gibt es weiterhin einen
signifikanten Anteil in der US-Bevölkerung der glaubt das der 44. Präsident der Vereinigten
Staaten von Amerika ein im Ausland geborener Muslim sei. (vgl. Jardina & Traugott 2019 S.
62)

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3.2 Die Charlottesville Actors
Nun etwas in der Zeit vorangeschritten geht es um die „Unite the Right“ Versammlung in
Charlottesville, Virginia, am 11. und 12.August 2017. Zu dieser Versammlung riefen mehrere
Gruppierungen des rechten Spektrums auf, ihrem Aufruf folgten mehrere alt-right, neo-
confederates, White nationalists und sogar Mitglieder des Ku-Klux-Klans. Hauptsächlich ging
es um eine friedliche Demonstration gegen die Entfernung einer Statue des Konföderierten
Generals Rober E. Lee. (vgl. Wootson jr. 2017) Die Protestaktionen der Unite the Right
Versammlung kam jedoch früh in Kontakt mit Gegendemonstranten und schnell geriet der
Situation Außer Kontrolle. der Gouverneur von Virginia, Terry McAuliffe erklärte den
Notstand und die Versammlung wurde von der Polizei als unrechtmäßig erklärt. Kurz darauf
fuhr ein selbst erklärter White Supremacist mit seinem Auto in eine Menschenmenge von
Gegendemonstranten. Insgesamt kamen bei den Geschehnissen vom 11. Und 12. August 2017
3 Personen ums Leben und viele mehr wurden verletzt. (vgl. Wootson Jr. 2017) Was sich erst
einmal wie ein Trauriger Nachrichtenbericht anhört entwickelte sich im Nachhinein zu einem
brodelnden Topf von Verschwörungstheorien. Radiohost Alex Jones befeuerte die
Gerüchteküche mit Aussagen wie:

I mean, quite frankly, I’ve been to these events, a lot of the KKK guys with their hats off look
like they’re from the cast of 'Seinfeld.' Literally they’re just Jewish actors. Nothing against
Jews in general, but they are leftist Jews that want to create this clash and they go dress up as
Nazis.

-Alex Jones 13.August 2017

Weiterhin beflügelte er die Stimmung das der gesamte Protest nur vom jüdischen Financier
George Soros orchestriert wurde um Konservative zu diskreditieren. Schnell begannen „False
Flag“ Anschuldigungen auf dem Subreddit von Präsident Donald Trump zu kursieren. Der
Bürgermeister von Charlottesville solle die Sicherheitsmaßnahmen mit Absicht so
geringgehalten haben. (vgl. Sankin 2017) Im Onlineforum 4Chan bildete sich ein eigener
Thread, der sich nur mit angeblichen Ungereimtheiten befasste. Ein User kreidet an, dass sich
zum Zeitraum des Angriffes auf die Gegendemonstranten kein einziger Polizist in der nähe
befand, der Täter scheinbar nicht häsitierte bevor er in die Menschenmenge raste, und das die
Airbags nicht auslösten obwohl das Fahrzeug ja offensichtlich beschädigt war. (vgl.
Anonymous 2017) Ebenfalls wurden Interviews, welche mit den Protestierenden der Unite the
Right Versammlung geführt wurden, in Frage gestellt. Besonders in den Mittelpunkt geriet ein

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junger Mann namens Sean Patrick Nielsen der mit seiner Aussage in Wootson jr. Bericht über
die Charlottesville Proteste in der Washington Post auffiel.

“I’m here because our Republican values are: standing up for our local white identity...which
is under threat; the free market; and killing Jews.”

Es steht zur Debatte ob dies wirklich die Ziele dieser Person waren oder ob es hierbei nur um
Aufmerksamkeit ging, jedenfalls passt sie in die narrative der Leugner von Charlottesville denn
in ihrer Vorstellung würde eine „echter“ Alt-rightler so etwas nicht von sich behaupten.

That does not sound to me like something even an anti-Semitic alt-rightist would say. If he
were going to speak against Jews, he would probably accuse them of something, rather than
just talk about doing violence.

-Nicholas Stix 16.August 2017

Ebenfalls herausragend war die Reaktion des US-Präsidenten, auf einer Pressekonferenz über
die „Veterans Health Care Bill“ forderte er die Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung
und distanzierte sich vom Hass, Fanatismus und der Gewalt, die aus beiden Lagern kommt.
(vgl. C-SPAN 2017) Die dadurch entstehende Debatte darüber, inwiefern sich der Präsident
von White Supremacists beeinflussen ließe hielt lange an.

Das Thema Rassismus, Fanatismus und Gewalt ist seit diesen Vorfällen in den US-
amerikanischen Medien beinahe omnipräsent, Klüfte brechen auf und ein Vorfall jagt den
nächsten.

3.3 Black Lives Matter


Einer dieser Vorfälle war der Tod des schwarzen George Floyd der bei seiner gewaltsamen
Festnahme durch einen Polizisten ums Leben kam. Floyds Tod rief eine Empörungswelle über
Polizeigewalt und Rassismus aus, welche zu großangelegten Demonstrationen in Minneapolis
und später in den ganzen USA führten und in mehreren Städten zu Plünderungen führten. (vgl.
Tagesschau 2020)

BLM wird in den konservativen Kreisen der US-amerikanischen Medienlandschaft zwar in

seiner Grundidee akzeptiert,

„Yes, black lives do matter. That is a statement of fact, and no decent person doubts that it is

true because it is.“ -Tucker Carlson 16.Juni 2020

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jedoch sehen sie in der BLM Bewegung eher einen Kult als eine Bürgerrechtsbewegung.

BLM’s cult-like tactics are more like those of a violent gang than a traditional civil rights
group fighting against racial discrimination. The organization refuses to acknowledge the
Black lives lost in the violence it has engaged in. […] They’re criminals. BLM is their cult. It
is their religion. It is what gives them purpose. -Rob Smith 09.September 2020
Es gibt eine starke Betonung auf die Methoden der BLM Aktivisten, welche sich nicht von den
vandalierenden jungen Leuten distanzieren, ihre Gewaltausbrüche verurteilen oder sich klar
abseits der Gewalttaten, die im Rahmen der sonst friedlichen Demonstrationen stattfinden
positionieren. Es wird BLM vorgeworfen so große Ambitionen zu haben das sie sich
inzwischen als politische Partei positionieren könnten, denn laut Umfragen wären sie zu ihrer
Hochzeit kurz nach den Protesten die stärkste Partei in den USA gewesen. (vgl. Carlson 2020)
Carlson führt weiterhin auf das durch die Proteste und Plünderungen große Teile der urbanen
Landschaft zerstört wurden und nur sehr wenige dafür zur Rechenschaft gezogen wurden. Gar
das Gegenteil soll geschehen sein, es soll ein blindes Auge auf die Geschehnisse geworfen
worden sein. Die Vorwürfe Carlsons gleichen zuständen aus der Weimarer Republik wo
deutsche Richter nachweislich mildere oder keine Strafen an rechte Straftäter erteilten. Ähnlich
beschreibt er die Art und Weise wie BLM ihre Anhänger befeuert, sie sollen junge Menschen
auf die Straße schicken um zu „protestieren“ dabei sollen diese Proteste nur als Deckung dazu
dienen, um die Kritiker von BLM zum Schweigen zu bringen, indem man ihre Geschäfte
niederbrennt oder ihre Wohnorte besetzt. (vgl. Carlson 2020) Carlson beendet seine
Ausführung mit der Aussage, dass wenn es Leute gibt, die das Gesetz untergraben, es immer
zu Gewaltausbrüchen kommen würde.

3.4 Der Sturm auf das Capitol


Im Kontrast dazu die Geschehnisse vom 06. Januar 2021 in Washington D.C. als eine Masse
von Menschen sich Zutritt zum Capitol verschaffte, um die formale Bestätigung des
Ergebnisses der Präsidentschaftswahl vom 03. November 2020 zu verhindern. (vgl. Pape &
Ruby 2021) Das die Personen, welche auf das Capitol stürmten, zur Anhängerschaft von
Präsident Donald Trump gehören ist offensichtlich, somit lässt sich ein guter Gegenpol zu den
Protesten der BLM Bewegung stellen da diese eher aus einem links ausgerichteten Lager
stammen. Zum besseren Vergleich wird wieder die Berichterstattung des Fox News
Korrespondent Tucker Carlson als Grundlage genommen. Carlson führt an das Menschen sich
zu solchen Reaktionen nur hinziehen lassen, wenn einiges nicht so läuft wie es sein soll. Denn
in einer Demokratie gibt es Ablassventile, die solche Geschehnisse verhindern sollen, indem
sie auf die verlangen ihres Demos reagiert.

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As long as people sincerely believe they can change things by voting, they stay calm. They
dont storm the Bastille, they don't burst into the House chamber. They talk and they organize
and they vote. -Tucker Carlson 06. Januar 2021

Hier sieht man schon klar den Vergleich, der gestellt wird, der Sturm auf die Bastille ist ein
prägendes Zeichen der französischen Revolution. Das Aufbegehren des Volkes gegen einen
ungerechten Herrscher. Er bezeichnet die amerikanische Demokratie als betrügerisch, da das
Land von einer kleinen Gruppe von mächtigen, unehrlichen Menschen geleitet wird, die nur in
ihrem eigenen Interesse handeln und welche die Wahl manipuliert haben. Carlson stellt sich
zwar gegen jegliche Gewaltanwendung zum erreichen von politischen Zielen, entschuldigt aber
im selben Moment die Geschehnisse da sie ja in gerechter Sache passiert sind. Er spricht von
zwei Hemisphären in den USA wobei er offen lässt ob damit ein räumlicher oder idiologischer
unterschied gemeint ist.

You may have nothing in common with the people on the other side of the country, but you're
stuck with them. […] The two hemispheres of this country are inseparably intertwined, like
conjoined twins. Neither can leave without killing the other. As horrifying as this moment is,
we have no option but to make it better, to gut it out. -Tucker Carlson 06.Januar 2021
Weiter kritisiert er die wie mit den Protestanten umgesprungen wurde, führt als Beispiel den
Tod von Ashli Babbitt an, einer Einsatzveteranin der US-Air Force. Er vergleicht den Umgang
mit den Übergriffen autoritärer Staaten, wenn es in ihrem Land zu Unruhen kommt und stachelt
weiter an das solche „crackdowns“ nur zu weiteren Auseinandersetzungen führen würde und
das Land nur Instabiler mache. Und es würde nur schlimmer werden, wenn man sich nicht
zusammensetzten würde, um die Problematiken zu lösen. Denn die Personen, die Das Capitol
stürmten, währen nicht zu vergleichen mit den Demonstranten von BLM.

She bore no resemblance to the angry children we have seen wrecking our cities in recent
months -- pasty, entitled nihilists dressed in black, setting fires and spray painting slogans on
statues. She looked pretty much like everyone else. -Tucker Carlson 06.Januar 2021
Wie jeder andere. Eine Formulierung, die die Millionen von Amerikanern beinhalten soll
welche für Donald Trump gestimmt haben sollen und glauben das diese Wahl manipuliert
worden sein soll. Zudem warnt er vor Einschränkungen der Freiheitsrechte durch die neue
Regierung, die die Geschehnisse vom 06. Januar nutzen werden, um gegen weitere Dissidenten
vorzugehen.

These are the most basic and ancient freedoms that we have. […] They're what make us
different, and they're all now in peril. -Tucker Carlson 06.Januar 2021

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Sein Monolog endet mit einer Art Warnung an die neue Administration, wenn diese nicht
innehalte und von ihren Bürgern lerne, die das Capitol stürmten, wären sie närrisch,
uneinsichtig und es fehle ihnen als Selbstreflexion und wer diese Eigenschaften nicht habe solle
laut Carlson nicht verantwortlich für sein Land sein.

Die Aussage Carlsons das es sich bei den Personen, die das Capitol erstürmten, um normale
Menschen aus dem Alltag handelt wird von einer Studie des Professors Robert A. Pape und
Keven Ruby gestützt. Sie werteten die gerichtlichen Unterlagen von 193 Personen aus, die im
Rahmen der Erstürmung des Capitols festgenommen wurden. Dabei kam zutage das 89% von
ihnen keine vorherigen Verbindungen zu rechtsradikalen Gruppierungen oder Milizen hatten.
Zudem erstellten sie ein demographisches Profil der Angreifer und kamen zu dem Ergebnis,
dass das Durchschnittsalter bei ca. 40 Jahren liegt, 2/3 der Beteiligten 35 Jahre oder älter sind,
40% der Beteiligten Geschäftsinhaber sind oder in white-collar Berufen arbeiten und nur 9%
von ihnen Arbeitslos waren. Dies spricht entgegen der Statistiken, welche von Veranstaltungen
der rechten entstehen. Die untersuchten Fälle in den Zeiträumen von 2015-2020 gaben ein
Ergebnis, das auf solchen Veranstaltungen 48% der verhafteten bereits Verbindungen zu
rechtsradikalen Gruppierungen oder Milizen hatten. Sowie ist das Demographische Profil auch
bedeutend anders. Von den inhaftierten von 2015-2020 waren 61% unter 35 Jahre alt, ein
Viertel war arbeitslos und kaum einer arbeitete in white-collar Berufen. Anzumerken ist das
mehr als die Hälfte der auf dem Capitol verhafteten Personen aus Counties kommen die Joe
Biden gewonnen hat. (vgl. Pape & Ruby 2021)

4. Der Wandel in der Wahrnehmung von Wahrheit


Die Definition von Wahrheit, welche weiter oben vorgestellt wurde, basiert ihre Legitimation
daraus das eine sich eine aufgestellte These vor einem Konstrukt bereits beglaubigter Fakten
präsentieren und mit ihnen kohärent sein muss. Andernfalls müsse die gestellte These verändert
werden, um sich in das existierende Gefüge eingliedern zu können. Das existierende Gefüge
von Fakten kann niemals perfekt sein, darin waren sich die alten Denker schon einig. Ein
epistemes Konstrukt von Fakten ist für einen Normalsterblichen unerreichbar, somit muss
rationales Denken auf einem theoretischen Level immer raum für neue Beurteilungen haben.
Die Fallbeispiele wurden bewusst gewählt da so eine Zeitstrahl zu erstellt werden kann, um
genauer zu betrachten welche Auswirkungen die Weiterentwicklung des Wahrheitsbegriffes
hat. Im ersten Fallbeispiel lässt sich noch über die Versuche, den Präsidentschaftskandidaten
und späteren Präsidenten Barack Hussein Obama II zu diskreditieren, schmunzeln. Letztendlich
bewährte sich das bekannte Konzept, entgegen aller Behauptungen und Anschuldigungen

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behielt das Konstrukt von Fakten die überhand und stellte ein wahrheitsmäßiges Resultat da.
Jedoch wurden die Zweifel an dem Ergebnis nie aus der Welt geschafft, es gab weiterhin einen
überaus signifikanten Anteil an Amerikanern, die an den Präsidenten mit
Migrationshintergrund glaubten. Ähnliches kann bei den Charlottesville Actors verfolgt werden
Die Bilder der Demonstration der Unite the Right Versammlung lassen ein klares Bild schließen
welche Klientel an ihr Teilgenommen hat. Trotzdem gibt es Personen, die unter Angabe von
„Fakten“, beweisen wollen das die Geschehnisse in Charlottesville gestellt waren. Dies rief eine
Unruhe in der amerikanischen Bevölkerung hervor, die Linke war sauer da die Geschehnisse
von Charlottesville heruntergespielt wurden, sie als bösartig dargestellt wurden obwohl sie die
Opfer wahren und eine Salonfähigkeit von Verschwörungstheorien sich breitmachte. Die
moderate rechte hingegen bemängelte nicht richtig präsentiert worden zu sein und schloss sich
in ihrer Verzweiflung den Stimmen der Verschwörungstheoretikern an. Noch fast frisch, die
Geschehnisse im Frühsommer 2020 um den Tod von George Floyd. Sie riefen auf der einen
Seite einen Unmut gegenüber einem systemischen Rassismus hervor und auf der anderen Seite
sorgte dieser Unmut für Brandstiftung, Plünderungen und 19 Todesfällen. Die Proteste waren
zwar zum Großteil friedlich und so wurden sie von Seiten der BLM Bewegung auch dargestellt,
die Ausschreitungen lieferten jedoch genügend Angriffsfläche für die Gegenseite um sie als
Gewalttätige Angriffe auf die Sicherheit der ordinären Bürger darzustellen. Der
Wahrheitsbegriff geriet hier zwar noch nicht in Gefahr durch Lügen ersetzt zu werden, jedoch
war die einseitige Berichterstattung nicht förderlich zu Schaffung eines objektiven Bildes.
Korrespondenten wie Tucker Carlson feuerten den Unmut der Bevölkerung über die Vorfälle
an, indem er die politischen Ziele der BLM Bewegung verdrehte und ihnen autoritäre Ziele
anhängte. Zu guter Letzt der Sturm auf das Capitol, Es lässt sich eine gute Parallele zu den
BLM Protesten ziehen, beide Proteste waren politisch motiviert und es gab ein hohes Maß an
Gewaltbereitschaft. Die Berichterstattung zu den jeweiligen Geschehnissen variierte jedoch
stark die Plünderer der BLM Proteste wurden als Rowdys, Kriminelle und Schläger bezeichnet.
Wohingegen der Besetzter des Capitols als freiheitsliebende Patrioten dargestellt wurden, die
sich gegen die Unterdrückung einer Regierungselite wehren. Hier ist erkenntlich das sich der
Wahrheitsbegriff in seiner Bedeutung verändert hat. Das Gefühl das Präsident Trump recht hat,
mit seinen Anschuldigungen einer manipulierten Wahl. Legt ordinären Bürgern, keinen Neo-
Nazis oder anderen rechtsradikalen, den Zwang auf das Capitol zu stürmen, um die friedliche
Machtübergabe zu verhindern.

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5. Fazit
Der Wahrheitsbegriff scheint durch verschiedenste Einflüsse einen neuen Stellenwert
einzunehmen. Die Gefühle und Meinungen der Menschen sind ausschlaggebend zur
Anerkennung eines Faktes, so kann es nach dem Kohärenzmodell genügend Anhaltspunkte
geben das eine Aussage wahr ist, wenn diese jedoch nicht in die Gefühlslage des Empfängers
passt wird diese als unwahr abgeschrieben und es werden sich „alternative Fakten“ gesucht.
Dieser Postfaktizismus spiegelt sich wider in den dargestellten Geschehnissen. Es ist klar
merklich das mit voranschreitender Zeit die Fronten zwischen den Parteien immer größer
werden da sich beide Parteien an ihr eigenes Verständnis der Wahrheit klammern. Die Stärke
der kohärenten Wahrheit liegt in ihrer Notwendigkeit zu kompromittieren, seine eigenen
Anschauungen anzupassen, bis sie mit den Fakten übereinstimmen und sich ein breites
Spektrum an Informationen zu suchen, anstatt sich auf die narrative der eigenen Komfortzone
zu beschränken. Die Problematik mit einem Kohärenten Wahrheitsmodell ist jedoch, dass sich
das Konstrukt der Fakten nicht aus einer Universellen Wahrheit zusammenfasst. Sondern es
immer wieder neu entschieden werden muss welche Fakten für den Beweis der Richtigkeit einer
Aussage sinnvoll sind. Wenn allerding zur Überprüfung einer Aussage Fakten genutzt werden,
die nicht nach wissenschaftlichen Methoden für richtig befunden wurden, sondern ihren
Wahrheitsgehalt aus der Gefühlswelt und Meinung vieler zieht, dann ist die Aussage zwar nach
Aristoteles wahr, entspricht jedoch nichtmehr dem ursprünglichen Begriff von Wahrheit.
Dieses unterschiedliche Verständnis von Wahrheit führt zu einem Bruch zwischen den
Regierungseliten und dem Demos. Der Demos fühlt sich Außen vorgenommen in der
Entscheidungskette des Regierungsapparates, ihm wird das Gefühl gegeben er spiele keinen
Teil mehr im Regierungsprozess. Denn sein Verständnis von Wahrheit ist nicht mehr ein Fakten
Basiertes sondern geleitet von Emotionen, Gefühlen und der eigenen Meinung.

Dementsprechend wurde aufgrund den Gefühlen und Meinungen von Frau Dr. Valentina
Bick, dem Dipl. Bankbetriebswirt Dennis Thunig, dem M.A. Alexander Muckermann, B.A.
Jonas Rippberger, WFW IHK Yannick Funk und dem stellv ZgFhr SchAusbZg Hendrik
Schöneweis eine Kohärenz mit der Aussage hergestellt, dass diese Hausarbeit einer Arbeit
gleiche, welche mit 1.0 gewertet wurde.

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Abbildung 1: Die Geburtsurkunde von Barack Hussein Obama II

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Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich: dass ich meine Hausarbeit ohne fremde Hilfe angefertigt habe, dass
ich die Übernahme wörtlicher Zitate aus der Literatur sowie die Verwendung der Gedanken
anderer Autoren an den entsprechenden Stellen innerhalb der Arbeit gekennzeichnet habe, dass
ich meinen Praxistransferbericht bei keiner anderen Prüfung vorgelegt habe.

Alle Quellen, die dem World Wide Web entnommen oder in einer sonstigen digitalen form
verwendet wurden, sind der Arbeit beigefügt.

Ich bin mir bewusst, dass eine falsche Erklärung rechtliche Folgen haben wird.

Hamburg, den 15.02.2021


Unterschrift: OFähnr. Timo N. Bick

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