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1 Programmatische Grundlagen

In diesem Kapitel sollen jene Grundlagen erarbeitet werden, die das Pro-
gramm der Theorie der Wahrheit betreffen. Der in der philosophischen
Literatur der Gegenwart so geläufige Titel „Theorie der Wahrheit" ( = TW)
kann keineswegs als ein klarer Titel für eine klare Sache angesehen werden.
Ganz im Gegenteil: es bedarf einer eingehenden kritischen Bestandsauf-
nahme der Fragen, die unter diesem Titel abgehandelt werden, um ihm
einen präzisen und inhaltlichen Sinn zu geben.
Um das Programm der Theorie der Wahrheit zu entwerfen und zu charak-
terisieren, wären sehr viele Fragen und sehr viele Aspekte zu berücksichtigen.
Um nicht ins Programmatisch-Uferlose abzugleiten, soll im folgenden der
Versuch gemacht werden, die wichtigsten Gesichtspunkte auf drei große
Fragenkomplexe einzugrenzen. Zu klären ist erstens, was unter einer Theorie
der Wahrheit zu verstehen ist (1.1). Bei dieser Fragestellung handelt es sich
nicht um die Frage, was unter „Theorie" zu verstehen ist, sondern um die
Frage, was der Gegenstand (Inhalt) oder das Thema der Theorie der Wahrheit
ist. Die Frage nach Sinn und Struktur einer explikativ-definitionalen Theorie
wird im zweiten Kapitel behandelt, handelt es sich doch dabei um ein
Thema, das zu den begrifflich-methodischen Grundlagen gehört. Der zweite große
Fragenkomplex hat kritisch-polemischen Charakter: Es handelt sich um eine
eingehende Auseinandersetzung mit jenen Richtungen der Gegenwartsphi-
losophie, die einer „deflationistischen" Konzeption von Wahrheit das Wort
reden (1.2). Ein dritter Fragenkomplex schließlich betrifft den philosophisch-
systematischen Status der Theorie der Wahrheit: Ist diese Theorie eine
selbständige philosophische Disziplin oder Teil einer anderen philosophi-
schen Disziplin? (1.3). Um das Programm der Theorie der Wahrheit genau
zu umreißen, müßten auch die wichtigsten wahrheitstheoretischen Diskus-
sionspunkte, Ansätze und Konzeptionen seit Tarski skizziert werden; dies
soll aber in einem ANHANG am Ende des Buches geleistet werden. Dem
Leser sei daher die Lektüre dieses ANHANGS als Hinführung zur folgenden
Diskussion empfohlen.

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1.1 Was ist eine „Theorie der Wahrheit"? 15

1.1 Was ist eine „Theorie der Wahrheit"?

1.1.1 Allgemeine Charakterisierung

Obwohl, wie vermerkt, die in der Überschrift dieses Abschnitts formulierte


Frage die Inhalte oder Themen einer Theorie der Wahrheit ( = TW) betrifft,
sei eingangs darauf hingewiesen, daß der Ausdruck .Theorie' im Kontext
der Wahrheitsthematik meistens in einem sehr weiten, unspezifischen Sinne
verwendet wird. Er bedeutet hier nicht mehr als „Konzeption", „Auffas-
sung" u. ä. Nur über relativ kleine Teile der Wahrheitsthematik (besonders
über die Wahrheitsparadoxie) kann man „Theorien" in einem einigermaßen
strengen Sinne finden.
Überblickt man die ausufernde wahrheitstheoretische Literatur, so wird
man schnell der Tatsache gewahr, daß unter dem sehr anspruchsvollen Titel
„Theorie der Wahrheit" sehr viele und sehr heterogene Fragestellungen
behandelt werden, die nicht leicht in ein systematisches Konzept einzubrin-
gen sind. Dabei spielen die verschiedensten Gesichtspunkte eine Rolle. Aus
dem ANHANG am Ende des Buches kann zumindest eine gewisse Vor-
stellung von der Komplexität der Entwicklungsgeschichte der wahrheits-
theoretischen Thematik seit Tarski gewonnen werden. Im Gegensatz dazu
sind die Überlegungen in diesem Abschnitt systematisch orientiert.
Der Versuch, in diesem Gestrüpp von Fragestellungen und Zugangswei-
sen, Problemlagen und Lösungsansätzen Einheitlichkeit zu stiften und durch
systematische Zu- und Einordnungen Klarheit zu schaffen, führt zu folgen-
dem Ergebnis: Der Ausdruck .Theorie der Wahrheit' bezeichnet eine Theo-
rie, die sich mit (mindestens) fünf Themenstellungen befaßt und daher aus
(mindestens) fünf Teilen (oder Teil- oder Subtheorien) besteht. Die Themen-
stellungen sind durch die folgenden Stichworte angezeigt:
1. Erklärung (der Bedeutung) des Wahrheitsbegriffs1
2. Kriteriologie der Wahrheit
3. Evaluative Extensionalität von ,,Wahr(heit)"
4. Typologie der Wahrheit

1
Die Ausdrücke .Bedeutung', .Begriff u. a. sind sehr vage. Hier haben sie eine
rein intuitive Anzeigefunktion. Was mit deren Verwendung anvisiert ist, wird sich
im Laufe der weiteren Ausführungen ergeben.

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16 1 Programmatische Grundlagen

5. Stellung und Funktion des Wahrheitsbegriffs im Ganzen der Philosophie


und der Wissenschaften).

Für die entsprechenden Teil- oder Subtheorien sollen hier die folgenden
Bezeichnungen verwendet werden (eine Erläuterung wird an geeigneter
Stelle gegeben):
1'. Explikativ-definitionale TW
2'. Kriteriologische TW
3'. Evaluativ-extensionale TW
4'. Typologische TW
5' Metaphilosophische/metawissenschaftliche (metalogische, metamathe-
matische) TW 2 .

Auf den ersten Blick erscheint die erste Themenstellung unproblematisch,


nicht zuletzt aus dem Grunde, weil sich in der einen oder anderen Weise so
gut wie die ganze Geschichte der Philosophie mit ihr befaßt hat. Den
Wahrheitsbegriff zu erklären, wurde seit eh und je als eine zentrale Aufgabe
der Philosophie betrachtet. Aber eine genaue Charakterisierung und Erläu-
terung der damit verbundenen Aufgabe ist alles andere als leicht, im Gegen-
teil: sie stellt den Wahrheitstheoretiker vor sehr schwierige Probleme. Im
zweiten Kapitel (Abschnitt 2.1.4) wird zu zeigen sein, daß „Erklärung" ein
zweistufiges Verfahren ist, bestehend aus „Explikation" und „Definition"
(daher die Bezeichnung „explikativ-definitionale Theorie der Wahrheit").
An dieser Stelle erweist es sich als angebracht, den Sinn der Erklärung des
Wahrheitsbegriffs und damit die Aufgabe der explikativ-definitionalen TW
dadurch zu erläutern, daß ein schwieriges Abgrenzungsproblem erörtert
wird: das Problem der Abgrenzung der Erklärung des Wahrheitsbegriffs
gegenüber der Aufgabe, ein Wahrheits/fer/Vir*'»«» und eine evaluative Extensio-
nalität von „Wahr(heit)" zu entwickeln, oder anders: das Problem, wie sich
die explikativ-definitionale Subtheorie von der kriteriologischen und der
evaluativ-extensionalen Subtheorie unterscheidet. Diese Unterscheidung ist
nämlich nicht selbstverständlich.

2 Damit wird das Konzept, das der Verfasser in der Einleitung zu Puntel [1987]
vorgelegt hat, teilweise modifiziert. Was dort als „paradoxologische TW" bezeich-
net und als vierte Subtheorie eingestuft wird, erhält hier die Bezeichnung „eva-
luativ-extensionale TW" und wird als dritte Subtheorie betrachtet. Der Grund für
diese Modifikation dürfte auf der Basis der im Haupttext angestellten Überlegun-
gen leicht einleuchten: Die Wabrbtitsparadoxit ist nur ein Aspekt einer allgemeineren
Problemstellung bzw. Aufgabe.

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1.1 Was ist eine „Theorie der Wahrheit"? 17

1.1.2 Abgrenzungsprobleme: das Verhältnis von explikativ-definitionaler,


kriteriologischer und evaluativ-extensionaler Theorie der Wahrheit

[1] Es entspricht einer weit verbreiteten Ansicht, daß man zwischen Begriff
und Kriterium unterscheiden muß. Demnach hat es der Begriff mit der
„Bedeutung" eines Ausdrucks oder dem „Wesen" einer Sache zu tun, wäh-
rend das Kriterium dazu dient, eine (rationale) Entscheidung über Annahme
oder Verwerfung einer den betreffenden Begriff involvierenden Behauptung
herbeizuführen. Sprachlich stellen sich Begriff und Kriterium als Antworten
auf zwei ganz verschiedene Fragen dar: Die natürliche Antwort auf die
Frage „Was heißt X?" ist der Begriff, die auf die Frage „Wie/wodurch/
warum p?" das Kriterium. Es ist nicht verwunderlich, daß diese Unterschei-
dung nicht nur in der ganzen Tradition der Philosophie, sondern auch in
der Gegenwart oft als ein allgemeines Schema für die Behandlung der
Wahrheitsthematik benutzt wird. 3
Mindestens tyvei Gesichtspunkte scheinen den grundsätzlichen Charakter
der Unterscheidung in Frage zu stellen.
[i] Der erste hat es mit dem Status eines „Kriteriums" überhaupt zu tun.
Wenn X Kriterium für Y ist, so muß zwischen X und Y irgendein Verhältnis
bestehen, andernfalls wäre nicht zu verstehen, wie X hinsichtlich Y gerade
jene „Leistung" erbringen können soll, die man ihm zuschreibt und von
ihm erwartet. Aber welcher Art ist dieses Verhältnis? Es scheint, daß je
stärker das Kriterium ist, desto „inniger" seine Verbindung mit der „Sache"
sein muß, für die es ein Kriterium ist. Im höchsten Fall, d. h. im Fall eines
wirklich adäquaten Kriteriums, scheinen Begriff (einer Sache) und Kriterium
nicht mehr unterschieden werden zu können.4 Ist damit die ganze Unter-
scheidung zwischen Begriff und Kriterium hinfallig? Nicht unbedingt! Man
muß nämlich, so scheint es, %wei Arten von Kriterien unterscheiden: innere
und äußere. Die soeben angestellte Überlegung betrifft das innere Kriterium.
Aber nichts hindert uns daran, hinsichtlich jedes Begriffs, jeder Aussage,
jeder Theorie usw. äußere Kriterien ausfindig zu machen. Diese äußeren
Kriterien, wie deren Qualifikation schon sagt, beinhalten nicht jenes Ver-
hältnis mit der Sache, wofür sie Kriterien sind, das im Endeffekt ein
Zusammenfallen von Begriff und Kriterium besagt oder impliziert. Ein

3 Vgl. dazu ζ. B. Rescher [1973] und [1985 b], Davidson [1983], Siegwart [1988],
4 Vgl. Blanshard [1939], bes. Kap. xv und xvi, Puntel [1978] S. 200 ff., Rescher
[1985],

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18 1 Programmatische Grundlagen

äußeres Kriterium beinhaltet die Inbeziehungsetzung eines Begriffs, einer


Aussage usw. zu irgendeinem Faktor, der — aus welchen Gründen auch
immer — für einen Sprecher, einen Theoretiker usw. als „Zeichen" oder als
„Gewähr" der Wahrheit der entsprechenden Aussage, Theorie usw. dient.
In diesem Sinne gibt es im Prinzip so viele äußere Kriterien wie es (mögliche)
Bezugspunkte (in der genannten Perspektive) für eine Aussage, Theorie
usw. gibt. Jede Argumentation, die nicht einfach eine Explizitmachung einer
„Sache" ist, ist in diesem Sinne die Artikulation eines äußeren Kriteriums.
Es scheint daher, daß es angebracht und sachgemäß ist, zwischen einer
explikativ-definitionalen und einer kriteriologischen Subtheorie der Wahrheit
zu unterscheiden. Allerdings kann nur die konkrete Durchführung einer
kriteriologischen Subtheorie „beweisen", daß die Unterscheidung wirklich
sinnvoll und sachangemessen ist. Da dies aber zumindest nicht apriori
auszuschließen ist, wird hier — bis zum Beweis des Gegenteils — an der
Sachangemessenheit der Unterscheidung (im erläuterten Sinne) zwischen
den beiden Subtheorien der Wahrheit festgehalten.

[ii] Der soeben erörterte Gesichtspunkt kann in einer bestimmten Hinsicht


als Ausdruck der „Einsicht" gekennzeichnet werden, daß (inneres) Kriterium
auf Begriff zu reduzieren ist. Ein ^weiter Gesichtspunkt, der in diesem
Zusammenhang zu berücksichtigen ist, kann — wieder in einer bestimmten
Hinsicht — als Ausdruck einer genau entgegengesetzten „Einsicht" betrach-
tet werden, der Einsicht nämlich, daß Begriff nichts anderes ist als Kriterium,
d. h. als eine bestimmte Verfahrensweise, Verifikationsweise u. ä., so daß,
was „Begriff' genannt wird, auf „Kriterium" zu reduzieren ist. Die bekann-
teste Form dieser „Einsicht" ist das berühmte „empiristische Sinnkriterium":
Der Sinn eines Satzes ist seine Verifikationsmethode. Aber es gibt sehr viele
Formen, stärkere und schwächere, dieser „Einsicht". In der Theorie der
Wahrheit erhält sie ihre vielleicht stärkste und wichtigste Artikulation in der
Auffassung, die den Wahrheitsbegriff als das versteht, was die Bedingungen
einer rationalen Assertibilität erfüllt. Damit wird der Wahrheitsbegriff auf
einen epistemischen Begriff reduziert.5
Um grundsätzliche Klarheit über diese Problematik zu schaffen, muß man
drei wichtige Unterscheidungen einführen und geltend machen.
(a) Die erste entspricht der soeben erläuterten Unterscheidung zwischen
innerem und äußerem Kriterium. Dieselbe dabei angestellte grundsätzliche
Überlegung führt dazu, daß man zwischen innerem und äußerem Verifikations-

5 Vgl. ANHANG 4 und 5.

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1.1 Was ist eine „Theorie der Wahrheit"? 19

bzw. Beweisverfahren (u. ä.) unterscheiden muß. Ein inneres Verifikations- bzw.
Beweisverfahren kann als die Darstellung der „Sache selbst" aufgefaßt und
vom äußeren dahingehend unterschieden werden, daß ersteres die mehr
„strukturelle" (statische), letzteres mehr die „operationale" Seite in den
Vordergrund stellt. Es handelt sich aber um zwei Seiten ein und derselben
Sache. In diesem Sinne gibt es für eine Sache nur ein Verifikations- bzw.
Beweisverfahren (und natürlich nur einen „Begriff). Dieser Sachverhalt
müßte genau herausgearbeitet und mit Beispielen erläutert werden. Es dürfte
einleuchten, daß der eigentliche „Ort" dieses „inneren" Verfahrens die
Formalwissenschaften sind. Seine Tragweite ist kaum hoch genug einzu-
schätzen.
Man kann aber unter Verifikations- bzw. Beweisverfahren auch ein äußeres
Verfahren verstehen, in dem Sinne, daß es dazu dient, die Berechtigung der
Behauptung einer Aussage, einer These, einer Theorie u. ä. irgendwie ratio-
nal zu gewährleisten, ohne damit als die Darstellung der inneren Struktu-
riertheit der Sache selbst zu gelten. Versteht man so das Verifikations- bzw.
Beweisverfahren, so gibt es hinsichtlich einer Sache im Prinzip mehr als nur
ein Verifikations- bzw. Beweisverfahren. Und dann ist es offenkundig, daß
zwischen „Begriff" und (äußerer) Verifizierbarkeit/Beweisbarkeit zu unter-
scheiden ist.
Die Konsequenz für die anstehende Problemstellung dürfte klar sein:
Versteht man Kriterium als Verifizierbarkeit/Beweisbarkeit im erläuterten
inneren Sinn, so unterscheidet es sich nicht vom Begriff, „Explikation" bzw.
„Definition" des (inneren) Kriteriums und des betreffenden Begriffs fallen
zusammen. Versteht man aber Kriterium im äußeren Sinne, so handelt es sich
nicht um eine explikativ-definitionale Thematik.
(b) Eine zweite Unterscheidung erweist sich als von nicht geringerer Bedeu-
tung, nämlich die Unterscheidung zwischen prinzipiell möglichem oder ideali-
siertem und konkret möglichem oder wirklich verfügbarem (innerem oder äußerem)
Verifikations- bzw. Beweisverfahren. Man kann in diesem Kontext den
Begriff des „prinzipiell möglichen oder idealisierten Verifikations- oder
Beweisverfahrens" so bestimmen: Ein Verfahren ist als prinzipiell möglich
zu betrachten, solange dessen Unmöglichkeit nicht bewiesen ist. Auf letzteren
Begriff ist gleich einzugehen. Die hier gemeinte prinzipielle (idealisierte)
Möglichkeit ist also nicht ausgeschlossen durch Gründe der Begrenztheit
unserer Leistungsfähigkeit, sei es im „menschlichen" sei es im technischen
oder wie immer gearteten Bereich, auch wenn dieser Begrenztheit ein
prinzipieller Charakter zugeschrieben werden muß (prinzipielle Endlichkeit
aller unserer Unternehmungen).

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20 1 Programmatische Grundlagen

Daß der Wahrheitsbegriff auf Verifizierbarkeit/Beweisbarkeit zu reduzie-


ren ist, wenn diese als konkret möglich oder wirklieb verfügbar verstanden wird,
erscheint von vornherein als abwegig. Die Konsequenzen wären schlechthin
inakzeptabel. Wie steht es aber mit der Reduzierbarkeit von ,,Wahr(heit)"
auf prinzipiell mögliche oder idealisierte Verifi^ierbarkeit? Die Antwort darauf
dürfte sich aus den Überlegungen über die Unterscheidung zwischen innerem
und äußerem Kriterium bzw. Verifikations-/Beweisverfahren ergeben. Wenn
die prinzipiell mögliche bzw. idealisierte Verifizierbarkeit/Beweisbarkeit im
inneren Sinne verstanden wird, so fallt sie mit dem Begriff (und damit mit
der Explikation/Definition) von ,,Wahr(heit)" zusammen. (Es wäre aber
unangemessen, von einer „Reduzierbarkeit" zu sprechen.) Wird sie aber im
äußeren Sinne genommen, so muß sie vom Begriff der Wahrheit unterschieden
werden.
(c) Mit den beiden genannten Unterscheidungen sind noch nicht alle Mög-
lichkeiten ausgeschöpft. Aus der Geschichte der Formalwissenschaften weiß
man, daß eine weitere Unterscheidung zu machen ist, deren Tragweite kaum
hoch genug eingeschätzt werden kann, die Unterscheidung nämlich zwischen
prinzipiell möglichem oder idealisiertem (im soeben erläuterten Sinne) und
konkret möglichem oder wirklich verfugbarem Verifikations-/Beweisverfah-
ren einerseits und als unmöglich bewiesenem Verifikations-/Beweisverfahren
andererseits. Der Name Gödel taucht hier sofort auf. Hat es einen Sinn, auch
Sätze als wahr zu qualifizieren und anzunehmen, wenn sie in dem zuletzt
genannten Sinne unentscheidbar sind? Gilt auch hier das Bivalenzprinzip,
demzufolge jeder Satz einen der Wahrheitswerte wahr oder falsch hat, un-
abhängig davon, ob ein Verifikations-/Beweisverfahren prinzipiell möglich
oder prinzipiell unmöglich ist?
Dies ist eine äußerst schwierige Frage, auf die hier nicht adäquat einge-
gangen werden kann. Es ist aber wichtig, ihren methodischen Stellenwert
im Kontext des vorliegenden Werkes nicht mißzuverstehen. Daher ist es
angebracht, daran zu erinnern, daß in diesem Abschnitt eine allgemeine
Abgrenzungsfrage zur Diskussion steht, ob es nämlich überhaupt möglich
oder gar notwendig ist, (zunächst) zwischen Begriff und Kriterium, zwischen
Explikation/Definition und Verifikations-/Beweisverfahren zu unterschei-
den. Es hat sich nun hinsichtlich dieser letzten Frage in jedem Falle eine
bestimmte Antwort herauskristallisiert, an der festzuhalten ist: Insofern es
sich um ein äußeres Kriterium bzw. Verifikations-/Beweisverfahren handelt,
muß eine Differenz zwischen Begriff und Kriterium angenommen werden,
die die Unterscheidung zwischen zwei Subtheorien der Wahrheit zur Kon-

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1.1 Was ist eine „Theorie der Wahrheit"? 21

sequenz hat. Wie immer also eine Antwort auf die Frage, ob es überhaupt
sinnvoll oder möglich ist, auch (im erläuterten Sinne) prinzipiell unent-
scheidbaren Sätzen einen Wahrheitswert zuzuerkennen, ausfallen mag, muß
gesagt werden, daß eine solche Antwort nicht über das Schicksal der
Differenz zwischen den beiden genannten Subtheorien entscheiden wird. Sie
ist allerdings von Bedeutung für die konkrete Gestalt(ung) der beiden Sub-
theorien.
Dennoch sei hier — mit aller Vorsicht — zumindest eine Überlegung im
Hinblick auf eine mögliche Antwort auf die genannte Frage mitgeteilt. Der
Begriff der bewiesenen Unmöglichkeit einer Verifi^terharkeitjBeweisbarkeit müßte,
wie es scheint, weiter differenziert werden. Welcher Art ist der angespro-
chene Beweis der Unmöglichkeit einer Verifizierbarkeit/Beweisbarkeit? Es
scheint, daß man zwei Arten eines solchen Beweises unterscheiden muß: eine
beschränkte und eine unbeschränkte wahrheitsqualifizierende Prozedur. Was mit
der ersten gemeint ist, dürfte leicht einleuchten: danach wird ein solcher
Beweis unter ganz bestimmten (beschränkten) Voraussetzungen geführt,
etwa daß ein Satz eines (formalen) Systems mit den Ausdrucksmitteln dieses
Systems prinzipiell nicht entscheidbar ist; oder es werden ganz bestimmte
technische Beweismittel (ζ. B. die sog. Gödelzahl) angewendet, ohne die der
Beweis nicht durchführbar wäre u. a. m. Die Frage ist, welcher Stellenwert
einem so konzipierten Beweis zuerkannt werden sollte. Da es sich hier um
eine prinzipielle Charakterisierung handelt, werden absichtlich keine kon-
kreten Beispiele (etwa Gödels berühmtes Unvollständigkeitstheorem) erör-
tert; dies wäre nur dann sinnvoll und angebracht, wenn die Möglichkeit
bestünde, solche Beispiele genau zu interpretieren — was in diesem Rahmen
ausgeschlossen ist.
Die ^weite Art eines Beweises der oben genannten prinzipiellen Unmög-
lichkeit wäre eine solche, die frei von beschränkten Voraussetzungen, nur für
bestimmte Gebiete sinnvollen technischen Mitteln u. dgl. wäre. Ist eine
solche Beweisart überhaupt konzipierbar? Die Frage soll hier offen gelassen
werden. So irreal und spekulativ sie allerdings auch sein mag, sie ist nicht
nur wichtig, sondern von ausschlaggebender Bedeutung, wenn es sich darum
handelt, eine prinzipielle Antwort auf die allgemeine Frage zu geben, ob
„Wahr(heit)" überhaupt sinnvollerweise Sätzen6 zugeschrieben werden kann,
hinsichtlich deren der Beweis der Unmöglichkeit einer Verifizierbarkeit/
Beweisbarkeit geführt wird (oder werden kann). Im Lichte der angestellten

6
Entsprechendes gilt von Propositionen und kognitiven Instanzen (vgl. Kap. 4).

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22 1 Programmatische Grundlagen

Überlegungen scheint die Antwort zu sein: Wenn der Beweis der genannten
Unmöglichkeit ein beschränkter Beweis (im angegebenen Sinne) ist, so ist
nicht zu sehen, warum die Zuschreibung von ,,Wahr(heit)" zu den betref-
fenden Sätzen nicht sinnvoll, möglich, ja unabdingbar ist; denn ein Beweis
der genannten (beschränkten) Art kann nicht als mit Wahrheit schlechthin
deckungsgleich betrachtet werden. Handelt es sich allerdings um die unbe-
schränkte Art eines Beweises der in Frage stehenden Unmöglichkeit, so hätte
es keinen Sinn mehr, den in dieser imbeschränkten Weise als unentscheidbar
bewiesenen Sätzen noch ,,Wahr(heit)" zuzuschreiben. Es ist nämlich anzuneh-
men, daß ein solcher Beweis der unbeschränkten Art ein Beweis im Sinne
des oben erläuterten inneren Kriteriums wäre; er würde dann in nichts ande-
rem bestehen als in einer — in der Gestalt eines Beweises durchgeführ-
ten — „Explizitmachung" des „Begriffs der Wahrheit" für den einschlägigen
Satz.
Es ist zu betonen, daß es sich hier um rein tentativ-spekulative Überle-
gungen handelt. Immerhin ist damit ein wichtiger regulativer Rahmen für die
in diesem Buch in Angriff genommene Aufgabe geschaffen worden. Es hat
sich nämlich gezeigt, daß zwischen Begriff und Kriterium der Wahrheit
zumindest aus dem Grunde zu unterscheiden ist, weil es äußere Kriterien
gibt, die in jedem Fall nicht mit dem Begriff der Wahrheit identifiziert
werden können. Aber es wurde auch klar, daß diese Unterscheidung im
Falle eines inneren Kriteriums abzulehnen ist. Dies hat sehr wichtige Kon-
sequenzen für eine explikativ-definitionale Theorie der Wahrheit.

[2] Damit ist das erste Abgrenzungsproblem, dem die erste — die expli-
kativ-definitionale — Subtheorie der Wahrheit begegnet, geklärt: Die kri-
teriale (Sub-) Theorie der Wahrheit befaßt sich mit dem äußeren Kriterium
(bzw. den äußeren Kriterien) für Wahrheit. Es gibt aber ein %weites Abgren-
sytngsproblem, nicht minder schwierig und nicht minder wichtig, ja in gewisser
Hinsicht von noch größerer Aktualität als das soeben erörterte erste. Ge-
meint ist die Frage, ob, und wenn ja, wie, zwischen der explikativ-definitio-
nalen und der — wie sie in diesem Buch genannt wird — evaluativ-extensionalen
Subtheorie der Wahrheit zu unterscheiden ist. Die Klärung dieser Frage hat,
wie sich noch zeigen wird, bedeutende Konsequenzen hinsichtlich der in
der Gegenwartsphilosophie so intensiv behandelten wahrbeitstheoretischen The-
matik.
Was ist mit „evaluative Extensionalität" gemeint? Von der Tradition der
Philosophie und der Logik her ist die intuitiv sehr einleuchtende Unter-

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1.1 Was ist eine „Theorie der Wahrheit"? 23

Scheidung zwischen Begriffsinhalt („comprehensio") und Begriffsumfang


(„extensio") bekannt. Diese Unterscheidung hat sich in vielerlei Weise durch
die Zeiten durchgehalten und wird in der einen oder anderen Weise auch
in der Gegenwart vertreten. Sehr verbreitet ist heute das Begriffspaar „In-
tension" und „Extension", wobei allerdings kaum gesagt werden kann, daß
der Ausdruck .Intension' eine einigermaßen einheitliche Bedeutung hat.
Später (Abschnitt 2.1.2) soll dieser Ausdruck zur Bezeichnung eines zentralen
Strukturmoments des zu entwickelnden semantischen Grundrahmens ver-
wendet und erklärt werden. Hier geht es um den Ausdruck .Extension',
und zwar im Kontext der in diesem Abschnitt behandelten allgemeinen
Fragestellung.
Im allgemeinen meint man mit „Extension" die Menge der n-Tupel von
Entitäten, auf die ein Ausdruck bzw. ein Begriff Anwendung findet oder
„zutrifft". Manchmal wird die Bedeutung eines Ausdrucks/Begriffs einfach
auf seine Extension reduziert. Daß dies nicht vertretbar ist, wird später zu
zeigen sein. Aber auch dann, wenn man eine solche Reduktion nicht akzep-
tiert, ist zu sagen, daß zumindest zur vollen Bedeutung — und damit zur
vollständigen Explikation/Definition — eines Ausdrucks/Begriffs auch die
Extension gehört. Das ergibt sich daraus, daß die Intension die Extension
bestimmt, was dahingehend interpretiert werden kann, ja muß, daß die
Intension ohne die dazugehörige Extension funktionslos und unbestimmt
bliebe.
Will man also die gan^e Bedeutung und die vollständige Explikation/Defi-
nition des Ausdrucks/Begriffs ,,Wahr(heit)" herausarbeiten, so muß man
auch dessen Extension angeben. Das besagt: man muß — mindestens — die
grundsätzlichen Merkmale der Menge jener Entitäten genau angeben, denen
„Wahr(heit)" zukommt oder zugeschrieben wird, d. h. die mit ,,Wahr(heit)"
evaluiert werden. Das Resultat ist die Ganzheit der evaluierten Entitäten, also
eine evaluative Extensionalität.
Die mit der Erklärung des Wahrheitsbegriffs verbundene Aufgabe wäre
schon dadurch bewältigt, daß man allgemeine Charakteristika der evaluativen
Extensionalität anzugeben in der Lage wäre. Daß zur Erklärung von
„Wahr(heit)" nicht die explizite Betrachtung jeder einzelnen als wahr evalu-
ierten Entität gehört, ergibt sich aus dem Begriff der Erklärung selbst. Dies
gilt allerdings nur, solange keine Probleme hinsichtlich einzelner als wahr
bezeichneten Entitäten auftauchen. Eine solche problematische Situation
aber ist gerade im Falle des Ausdrucks/Begriffs ,,Wahr(heit)" gegeben. Die
Probleme ergeben sich aus der Möglichkeit, „Wahr(heit)" in selbstreferen-
tiellen Formulierungen zu verwenden, wie:

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24 1 Programmatische Grundlagen

(1) Dieser Satz ist nicht wahr

oder

(2) Diese Proposition ist nicht wahr. 7

Verschärft werden die mit solchen selbstreferentiellen Formulieningen ge-


gebenen Probleme dadurch, daß „Wahr(heit)" iteriert wird, beispielsweise:

(3) (1) ist wahr.

Damit tut sich ein ungemein verwickeltes Problemfeld auf. Wie wichtig
dieser Problembereich für die Gegenwartsphilosophie geworden ist, kann
daran ersehen werden, daß der Ausdruck .Theorie der Wahrheit' heute
meistens als Bezeichnung einer Theorie gebraucht wird, die eine Lösung
der mit der evaluativen Extensionalität hinsichtlich des Ausdrucks/Begriffs
„Wahr(heit)" gegebenen Probleme präsentiert. Die so verstandene „Theorie
der Wahrheit" stellt sich als ein logisch-syntaktisch-semantisches System dar,
in dem — in welcher Weise und aufgrund welcher Kriterien oder Annahmen
auch immer — die genannten Probleme angeblich eine Lösung finden. Man
kann diese Theorie der Wahrheit eine evaluativ-extensionale Theorie der Wahrheit
nennen. 8
Fragt man nun, was gemäß einer solchen Theorie „Wahr(heit)" eigentlich
bedeutet, so ist die Antwort darauf merkwürdig vage und nichtssagend.
Entweder fragt eine so verstandene Theorie überhaupt nicht danach, sondern
befaßt sich von Anfang an explizit nur mit dem Phänomen der Wahrheits-
paradoxie, oder es werden einige wenigsagende und keineswegs überzeu-
gende allgemeine Bemerkungen gemacht oder es wird kurzerhand implizit
oder explizit unterstellt, Tarskis berühmte „Wahrheitskonvention", auf die
gleich Bezug zu nehmen sein wird, gebe die grundsätzliche Bedeutung von
„Wahr(heit)" wieder.
Hier geschieht folgendes: Eine Bedeutung (im Sinne von: Intension) von
„Wahr(heit)" wird in der einen oder anderen Weise vorausgesetzt und erst
auf dieser Basis oder unter dieser Voraussetzung wird versucht, die mit der

7
Daß man nicht nur selbstreferentielle Sätze, sondern auch selbstreferentielle Pro-
positionen anerkennen kann, ja muß, wird von Barwise/Etchemendy [1987] ge-
zeigt.
8
Man könnte auch von „Logik der Wahrheit" sprechen. Vgl. zu dieser Bezeichnung
den Titel eines Aufsatzes von M. Kremer „Kripke and the Logic of Truth" (Kremer
[1988]).

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1.1 Was ist eine „Theorie der Wahrheit"? 25

evaluativen Extensionalität des Wahrheitsbegriffs gegebenen Probleme zu


lösen. 9
Was folgt daraus? Die angestellten Überlegungen scheinen die Konsequenz
nach sich zu ziehen, daß zwischen explikativ-definitionaler und evaluativ-
extensionaler Theorie der Wahrheit nicht unterschieden werden sollte, gehört
doch, wie gezeigt, die evaluative Extension zur Explikation/Definition von
„Wahr(heit)". Wie ist dann die in diesem Buch vorgenommene Unterschei-
dung zwischen den beiden Subtheorien zu rechtfertigen? Darauf ist eine
doppelte Antwort zu geben.
An der gemachten Aussage, daß die evaluative Extension des Wahrheits-
begriffs zur vollständigen Explikation/Definition von „Wahr(heit)" gehört, ist

9 Hier einige Beispiele:


Blau [1987] S. 320 ff. stellt explizit die Frage „Was ist Wahrheit?", „beantwortet"
sie aber nur unter einem abstrakten Hinweis auf die Gedanken der „Korrespon-
denz" und der „Kohärenz", die er dann in einer komplexen „Reflexionsbewegung"
aufgehen läßt.
Kripke [1975] beschreibt den Ausgangspunkt seiner „Theorie der Wahrheit"
wie folgt:
„We wish to capturate an intuition of somewhat the following kind. Suppose
we are explaining the word ,true' to someone who does not yet understand it.
We may say that we are entided to assert (or deny) of any sentence that it is true
precisely under the circumstances when we can assert (or deny) the sentence itself. Our
interlocutor then can understand what it means, say, to attribute truth to (6)
(,snow is white') but he will still be puzzled about attributions of truth to
sentences containing the word ,true' itself. Since he did not understand these
sentences initially, it will be equally nonexplanatory, initially, to explain to him
that to call such a sentence ,true' (.false') is tantamount to asserting (denying)
the sentence itself. — Nevertheless, with more thought the notion of truth as
applied even to various sentences themselves containing the word ,true' can
gradually become clear" (S. 65; Hervorh. nicht im Original).
Hier wird klar, daß eine grundsätzliche Bedeutung bzw. Explikation/Definition
von „Wahr(heit)" im Sinne der Tarskischen Wahrheitskonvention angenommen
wird.
Auch Gupta [1982] (bes. 181 ff.) sieht in Tarskis Wahrheitskonvention eine
„fundamentale Intuition", was wohl als „grundsätzliche Bedeutung" von
„Wahr(heit)" zu verstehen ist.
Etwas anders ist der Ausgangspunkt der von Yablo [1985] präsentierten Theorie:
„We intend that an English sentence of the form ,Ο is P' should be true if
and only if the object denoted by ,α' has the property expressed by ,P', and
false if and only if the object denoted by ,α' lacks that property. (...) Applying
the same principle to the case where ,P' expresses the property of being true,
we get the result that ,α is P' should be true just in case α is true, and false
just in case it is not true" (S. 301).

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26 1 Programmatische Grundlagen

nicht zu rütteln. Es gibt aber %n>ei Gesichtspunkte, die berücksichtigt werden


müssen; sie dürfen allerdings nicht isoliert genommen, sondern müssen
zusammen gesehen und gewürdigt werden.
(i) Der erste ist ein eher pragmatisch-kontingenter (was nicht heißt: unwich-
tiger) Gesichtspunkt. Die Problematik der evaluativen Extensionalität stellt
ein so weites und verwickeltes Problemgebiet dar, daß es sich empfiehlt, es
gesondert zu behandeln. Dies wird durch die heutige Problemlage voll bestä-
tigt. Isoliert genommen reicht allerdings diese Feststellung nicht aus, um
von %»>ei Subtheorien der Wahrheit zu sprechen, sondern nur dazu, etwa
zwischen zwei „Teilen" der explikativ-definitionalen Theorie der Wahrheit
zu unterscheiden.

(ii) Ein %weiter Gesichtspunkt hat eher fundamentalen Charakter:


„Wahr(heit)" wird schon einzelnen Entitäten (einzelnen Propositionen, Sätzen
und kognitiven Instanzen10) zugeschrieben. Es muß daher erklärt werden,
was „wahr" in Formulierungen wie: ,Es ist wahr, daß Schnee weiß ist' oder
in: ,»Der Schnee ist weiß« ist wahr' bedeutet. Kurz: Die Wahrheit eines
einzelnen Satzes S oder einer einzelnen Proposition Ρ zu erklären, stellt eine
nicht wegdisputierbare Aufgabe dar. Damit wird nicht die (extensional zu
verstehende) gan%e Bedeutung des Prädikats ,wahr' oder des Operators ,es
ist wahr daß', sondern nur die Bedeutung der Wahrheit-eines-Satzes bzw.
der Wahrheit-einer-Proposition expliziert/definiert. Aber diese Explikation/
Definition ist dann die Grundlage fur die Bestimmung der Extension(alität).
Dieser Sachverhalt kann durch einen Hinweis auf Tarski klar gemacht
werden. In seinem 1969 veröffentlichten Aufsatz „Truth and Proof führt
er die Formulierungen ein:

„(1) ,Snow is white' is true if and only if snow is white.


(1') ,Snow is white' is false if and only if snow is not white."

Und er kommentiert sie folgendermaßen:


„Thus (1) and (1') provide satisfactory explanations of the terms ,true' and
,false' when these terms are referred to the sentence jnow is white'. We can regard
(1) and (1') as partial definitions of the terms ,true' and .false', in fact, as
definitions of these terms with respect to a particular sentence.""

10 Vgl. dazu Abschnitt 4.3.


11 Α. Tarski [1969] S. 64 (Hervorh. nicht im Original). Dieselbe These wird in Tarski
[1944] S. 60 vertreten.

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1.1 Was ist eine „Theorie der Wahrheit"? 27

Wie Tarski an anderer Stelle hervorhebt, ist die „allgemeine Definition" von
Wahrheit „in einem gewissen Sinne die logische Konjunktion all dieser
partiellen Definitionen".12
Was in diesem Buch explikativ-definitionale TW genannt wird, ist im Sinne
einer solchen partiellen Definition zu verstehen. Es ist zu bemerken, daß
„partiell" hier nicht besagt, es fehle der Definition ein „intensionales" Teil-
definiens, sondern nur, daß die ganze Extensionalität des „intensionalen"
Definiens nicht herausgearbeitet wird. Nimmt man die beiden erörterten
Gesichtspunkte zusammen, so erweist es sich als berechtigt und angebracht,
in der angegebenen Weise zwischen der explikativ-definitionalen und der
evaluativ-extensionalen Subtheorie der Wahrheit zu unterscheiden.

1.1.3 Bemerkung zur typologischen und metaphilosophischen/


metawissenschaftlichen Theorie der Wahrheit

Keinen ernsthaften Abgrenzungsproblemen begegnen die vierte und die


fünfte Subtheorie der Wahrheit. Sie sollen daher hier nur ganz kurz charak-
terisiert werden.

[1] Daß es verschiedene Typen von Wahrheit gibt, dürfte kaum zu bestreiten
sein. Ausdrücke wie .logische', »empirische', .notwendige', .apriorische' usw.
Wahrheit gehören zum festen Vokabular jeder einigermaßen entwickelten
Philosophie. Diese Thematik ist daher offensichtlich als Teil einer umfassen-
den Theorie der Wahrheit zu betrachten und es dürfte einleuchten, daß die
Bezeichnung „typologische TW" eine passende Bezeichnung ist. Es ist
hinzuzufügen, daß neben der evaluativ-extensionalen gerade diese typolo-
gische Wahrheitsthematik besonders intensiv im Rahmen der Gegenwarts-
philosophie behandelt wird.
Zur näheren Charakterisierung ist es erforderlich, einen doppelten Wabr-
heitstypus zu unterscheiden: einen formalen und einen materialen. Zum formalen
Typus gehören Wahrheiten mit dis^iplinübergreifendem Charakter, d. h. Wahr-
heiten, die in mehr als einer Disziplin (gegebenenfalls in mehr als einer
Gruppe von homogenen Disziplinen) vorkommen (können). Beispiele sind
leicht zu finden, etwa: notwendige — kontingente Wahrheit; apriorische —
aposteriorische Wahrheit; analytische — synthetische Wahrheit usw. Dem
materialen Typus zuzurechnen sind die Wahrheiten mit dis^iplingebundenem

12 Tarski [1944] S. 60.

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28 1 Programmatische Grundlagen

Charakter also die Wahrheiten, die nur für eine Disziplin (gegebenenfalls
für eine Gruppe von homogenen Disziplinen) oder — in einer eher objek-
tiven Perspektive — für einen Bereich spezifisch sind. Auch hier sind
Beispiele leicht anzuführen, etwa: logische Wahrheit, mathematische Wahr-
heit, philosophische Wahrheit, empirisch-wissenschaftliche Wahrheit ( = em-
pirische Wahrheit, wenn man „empirisch" mit „empirisch-wissenschaftlich"
identifiziert), theologische Wahrheit u. ä. Freilich ist es in einigen (mögli-
cherweise vielen) Fällen nicht leicht, vielleicht gar nicht möglich, eine genaue
Grenze zwischen den beiden Typen zu ziehen, solange nicht der genaue Status
der betreffenden Disziplin herausgearbeitet und charakterisiert wird. 13

[2] Die metapbilosopbische\metawissenscbaftlicbe TW befaßt sich mit der Stellung


und der Funktion von Wahrheit im Rahmen der Philosophie und der
Wissenschaft(en). In dieser Perspektive wird Wahrheit als ein bzw. als jener
Meta-Faktor betrachtet, der den Gesamtstatus — d. h. u. a. die Struktur und
die Zielsetzung — der Philosophie und der Wissenschaften) bestimmt. Zu
dieser Subtheorie der Wahrheit gehört beispielsweise die heute so wichtige
Frage, ob Wahrheit das Ziel der Wissenschaft(en)14 und der Philosophie ist.
Dazu zu rechnen sind ferner metalogiscbe Aussagen, etwa die folgenden aus
der Feder Freges:
„Beim Eintritt in eine Wissenschaft hat man das Bedürfnis, vorläufig we-
nigstens eine Ahnung von ihrem Wesen zu erlangen. Man wünscht ein Ziel
zu sehen, dem man zustreben wird, einen Zielpunkt aufzustellen, der die
Richtung gibt, in der man fortschreiten will. Für die Logik kann das Wort
,wahr' dazu dienen, ein solches kenntlich zu machen. In ähnlicher Weise
wie ,gut' für die Ethik und ,schön' fiir die Ästhetik. Zwar haben alle
Wissenschaften die Wahrheit als Ziel, aber die Logik beschäftigt sich in
ganz besonderer Weise mit dem Prädikate ,wahr'..." 15

Sind mit der Nennung der fünf beschriebenen Themenbereiche alle Fragen
und Gesichtspunkte erfaßt, die in der einen oder anderen Weise die Thematik
der Wahrheit betreffen? Dies kann nicht gesagt werden, denn es ist ein
Faktum, daß von „Wahrheit" in vielen weiteren Zusammenhängen die Rede

13 Wie zentral solche Probleme in der Gegenwart sind, kann man schon aus Titeln
von philosophischen Publikationen entnehmen. Ein Beispiel: „Logical and Analytic
Truths That Are Not Necessary" (Zalta [1988]). Übrigens illustriert diese Über-
schrift die im Haupttext vorgenommene Unterscheidung zwischen formalem und
materialem Wahrheitstypus.
14 Vgl. dazu Puntel [1987 a],
15 Frege, „Logik (1897)" in Frege [1983] S. 139.

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1.2 Möglichkeit und Unverzichtbarkeit einer Theorie der Wahrheit 29

ist. So etwa wird nur allzuoft von der Geschichte der Wahrheit16, von der
existentiellen, politischen usw. Bedeutung von Wahrheit, von der Pflicht, von
der Erziehung usw. zur Wahrheit u. v. a. m. gesprochen. So wichtig solche
Gesichtspunkte im Einzelfall und in bestimmten Kontexten auch sein mögen,
so sind sie doch im Hinblick auf eine philosophische Theorie der Wahrheit als
äußere Gesichtspunkte einzuschätzen. Sie sind nämlich als Inbeziehungset-
zungen von Wahrheit zu bestimmten Bereichen zu sehen und zu verstehen.
In diesem Sinne gibt es soviele solche Gesichtspunkte wie Bezugspunkte
für Wahrheit ausfindig gemacht werden können, d.h. im Prinzip endlos
viele. Wollte man sie alle berücksichtigen, so wäre eine Theorie der Wahrheit
mit einem totalen System gleichzusetzen, wodurch sie allerdings dann ihren
bestimmten und klaren Status verlöre.
Wie deutlich geworden sein dürfte, stellt das kurz beschriebene Programm
der umfassenden Theorie der Wahrheit immer noch eine gewaltige Aufgabe
und Herausforderung dar. Es entspricht der Überzeugung des Verfassers
des vorliegenden Buches, daß eine solche Aufgabe nur langsam und schritt-
weise in Angriff genommen werden kann. Hier sollen nur die Grundlagen
für die erste Subtheorie erarbeitet werden. Freilich ist anzufügen, daß diese
Subtheorie die fundamentale und damit die wichtigste ist.

1.2 Möglichkeit und Unverzichtbarkeit einer


explikativ-definitionalen Theorie der Wahrheit

Wie aus den Ausführungen im Abschnitt 1.1 hervorgeht, stellt die explikativ-
definitionale Theorie der Wahrheit das zentrale Stück der umfassenden
Theorie der Wahrheit dar. Doch eine solche Aussage kann heute nicht als
apriori unkontrovers bezeichnet werden. Es gibt eine Richtung innerhalb
der heutigen Philosophie, die die in dieser Aussage enthaltene Voraussetzung
bestreitet, die Voraussetzung nämlich, daß eine explikativ-definitionale Theo-
rie der Wahrheit überhaupt sinnvoll, geschweige denn unverzichtbar ist.

16 Insofern Geschichte und/oder Geschichtlichkeit als ein Wesenszug von Wahrheit


angesehen wird, wäre die entsprechende Thematik zur ersten Subtheorie zu
rechnen. Das Problem mit solchen Ausdrücken und Formulierungen besteht in
ihrer Vagheit und in ihrem fast ausnahmslos deklamatorischen Charakter.

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30 1 Programmatische Grundlagen

Daß eine solche Theorie sinnvoll und unverzichtbar ist, hat seinerseits zur
Voraussetzung, daß sie überhaupt einen eindeutigen, spezifischen, positiv
angebbaren und behandelbaren „thematischen Gegenstand" hat. Diese dop-
pelte Voraussetzung wird heute in zunehmendem Maß in Frage gestellt. Die
von einigen Philosophen daraus gezogene Konsequenz lautet: auf eine
explikativ-definitionale Theorie der Wahrheit kann, ja muß verzichtet wer-
den. Diese Version der Verzichtbarkeitsthese kann man die starke Version
nennen, da sie die Forderung der Verzichtbarkeit ganz konsequent auf den
(angeblichen) Umstand zurückführt, daß die explikativ-definitionale Theorie
keine eigene, spezifische Aufgabe hat.
Die Verzichtbarkeitsthese tritt auch in einer Version auf, die man die
schwache Version nennen könnte. Diese Version bestreitet nicht, daß es einen
spezifischen thematischen Gegenstand gibt, mit dem sich die explikativ-
definitionale Theorie befaßt, erklärt aber diesen Bereich (also den „Begriff
der Wahrheit bzw. dessen Expücans/Definiens) dennoch für verzichtbar im
Bereich der Philosophie, der Wissenschaftstheorie, der Wissenschaften und
sogar des Lebens. Die „Wahrheitsfrage" wird als eine entweder antiquierte
oder als eine unlösbare oder als eine für die Entwicklung und Gestaltung
des theoretischen und praktischen Wissens irrelevante, in jedem Fall als eine
nicht sinnvolle Frage betrachtet, auf deren Behandlung also Verzicht geleistet
werden kann, ja muß.
In diesem Abschnitt soll nur die starke Version der Verzichtbarkeitsthese
erörtert werden. Diese Entscheidung findet ihre Begründung in dem Um-
stand, daß letztendlich nur die starke Version einen wirklich ernstzuneh-
menden Einwand gegen die explikativ-definitionale Theorie der Wahrheit
darstellt. Wird die schwache Version uneingeschränkt vertreten, wird also
behauptet, daß. der Wahrheitsbegriff etwa in allen Fächern oder Disziplinen
verzichtbar ist, so erscheint sie als äußerst unplausibel. Wie kann etwa eine
Logik ohne den Wahrheitsbegriff überhaupt konstruiert werden? Es ist
schwer einzusehen, wie man noch von Logik in unserem (eingebürgerten)
Sinne sprechen könnte. Wie dem auch sei, die schwache Version der Ver-
zichtbarkeitsthese gehört eindeutig in den Bereich des fünften Teils einer
allgemeinen, umfassenden Theorie der Wahrheit, also in den Bereich der
Problematik des Stellenwerts von „Wahrheit" in der Philosophie, in den
Wissenschaften und im Leben.1

1 Vgl. dazu Puntel [1987 a].

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1.2 Möglichkeit und Unverzichtbarkeit einer Theorie der Wahrheit 31

1.2.1 Wahrheitstheoretischer „Deflationismus":


Richtungen und Argumente

[1] .Deflationismus' kann als die vielleicht allgemeinste Bezeichnung für die
verschiedenen Formen der starken Version der Verzichtbarkeitsthese ange-
sehen werden.2 Es kann im Rahmen dieses Buches nicht darum zu tun sein,
alle diese Formen vollständig darzustellen, zu charakterisieren und zu kri-
tisieren. Da die Diskussion in vollem Gang ist, könnte eine solche Aufgabe
in jedem Fall nur in einem sehr provisorischen Sinne in Angriff genommen
werden. Hier geht es vielmehr darum, die Argumente, auf die sich einige
der markantesten Formen der Verzichtbarkeitsthese stützen, einer kritischen
Prüfung zu unterziehen. In einer Hinsicht liegt die argumentative Last beim
Vertreter einer „substantiellen" Theorie der Wahrheit, behauptet er doch,
daß „Wahrheit" einen eigenen (substantiellen) Begriffsgehalt hat. Anderer-
seits kann der Verfechter der Verzichtbarkeitsthese (in ihrer starken Version)
nicht von jeder Beweislast befreit werden, steht doch seine These, die
explikativ-definitionale Theorie habe keinen eindeutigen, positiv angebba-
ren, thematischen Gegenstand, in schroffem Gegensatz zumindest zum in-
tuitiven Wahrheitsverständnis und zu einer bedeutenden Tradition der Theo-
rie^) der Wahrheit. Im Endeffekt muß sich der Verfechter einer explikativ-
definitionalen Theorie darum bemühen, sowohl positive Argumente vor-
zulegen als auch sich mit den „deflationistischen" Argumenten der Gegen-
seite auseinanderzusetzen.
Was ist unter „wahrheitstheoretischer Deflationismus" zu verstehen? Es
handelt sich um eine Tendenz, die nur allgemein charakterisiert werden
kann. Der bekannte Wahrheitstheoretiker H. Field schreibt in einer aus-
führlichen Abhandlung über dieses Thema:
„I take it to be the core of Neurath's and Ayer's view...that the answer is
that it [the correspondence theory] serves no useful purpose at all, and hence
that theorizing about correspondence truth is pointless at best. Any view
that adheres to this position while at the same time (contrary to Neurath)
preserving a use for the word .true* will be called a deflationary conception
of truth."3

Field berücksichtigt nur die Korrespondenztheorie als ernstzunehmende


Theorie der Wahrheit; wegen dieses Umstands können seine Ausführungen

2 Im Zusammenhang mit der wahrheitstheoretischen Thematik scheint dieser Aus-


druck von P. Horwich eingeführt worden zu sein (vgl. Horwich [1982], bes. S. 192).
3 Field [1986] S. 59.

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32 1 Programmatische Grundlagen

eine nur sehr begren2te argumentative Tragweite beanspruchen. Ersetzt man


in der zitierten Stelle .Korrespondenztheorie' durch .(substantielle) Theorie
der Wahrheit', so kann man sagen, daß Field den heutigen wahrheitstheo-
retischen Deflationismus gut charakterisiert.

[2] Der wahrheitstheoretische Deflationismus kann am besten als Resultat


einer Entwicklung verstanden werden, an deren Anfang die allgemein
verstandene Redundanztheorie der Wahrheit und an deren (vorläufigem)
Ende die Disquotationstheorie der Wahrheit steht. Der Deflationismus ist
die (oder vorsichtiger formuliert: eine der) Konsequenzen), die man aus
der Disquotationstheorie ziehen kann bzw. muß.
Es wäre falsch, die Redundanztheorie einfachhin mit der im Sinne des
Deflationismus verstandenen Disquotationstheorie zu identifizieren. So zeigt
H. Field überzeugend, daß F. P. Ramsey, auf den die Redundanztheorie
gewöhnlich zurückgeführt wird, kein wahrheitstheoretischer Deflationist,
sondern ein Vertreter der Korrespondenztheorie war.4 Die allgemeine Ein-
sicht, auf die sich die Redundanztheorie stützt, kann leicht formuliert werden:
„.Schnee ist weiß' ist wahr" sagt nichts mehr, nichts weiteres, übermittelt
keinen anderen oder weiteren Informationsgehalt als „Schnee ist weiß".
Diese Formulierung scheint sehr einleuchtend zu sein; doch dies ist nur
scheinbar so, wie die Diskussionen über die Redundanztheorie gezeigt haben.
So rekurriert Ramsey auf Propositionen, was andere Autoren, wie ζ. B.
Quine, strikt ablehnen.5 In einer gewissen Hinsicht kann man sagen, daß
die reine Disquotationstheorie die konsequenteste Interpretation und Durch-
führung der Redundanztheorie ist. Doch was heißt genau „Disquotation"?
Quine deutet sie noch mit einer eindeutig realistischen Konnotation: Bezug
nehmend auf das berühmte Beispiel
(1) .Schnee ist weiß' ist wahr genau dann, wenn Schnee weiß ist

schreibt er:
„Quotation marks make all the difference between talking about words and
talking about snow. The quotation is a name of a sentence that contains a
name, namely .snow', of snow. By calling the sentence true, we call snow
white. The truth predicate is a device of disquotation."6

4 Vgl. Field [1986] S. 60 ff. Diese Deutung wird bestätigt durch ein postumes Werk
F. P. Ramseys mit dem Titel On Truth (vgl. Ramsey [1989]).
5 Eine ausgezeichnete und leider nicht sehr beachtete Behandlung dieser Fragen
findet sich in Heidelberger [1968].
6 Quine [1970] S. 12.

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1.2 Möglichkeit und Unverzichtbarkeit einer Theorie der Wahrheit 33

Aber andere Verfechter der Disquotationstheorie lassen diese realistische


Komponente fallen. Oft wird die Disquotationstheorie so formuliert:
(2) ,S' ist wahr genau dann, wenn S.

Doch diese Formulierung ist zweideutig. Aufgrund seiner Ablehnung der


Quantifikation über Sätze bemerkt Quine dazu, diese Formulierung könne
nur den Sinn haben, daß die Anführung des schematischen Satzbuchstabens
,S' einen Namen für den siebzehnten Buchstaben des Alphabets und keine
Verallgemeinerung bezüglich Sätze produziert. 7 Diese überall in der logi-
schen und philosophischen Literatur mit Zustimmung zitierte Bemerkung
Quines ist aber alles andere als zutreffend. Die Produktion eines Namens
für den siebzehnten Buchstaben des Alphabets setzt nämlich voraus, daß
der siebzehnte Buchstabe des Alphabets dasjenige ist, wofür ein Name
gebildet wird (werden soll). Aber Quine selbst versteht ,S', ,p' u. dgl. als
„schematische ie/^buchstaben" — und nicht als Buchstaben gemäß einem
bestimmten Index im Alphabet. Ist daher ,S' ein schematischer ie/^buchstabe
im Sinne Quines, so ist , ,S'' ein Name für einen schematischen Ja/^buch-
staben, und damit — soz. vermittelterweise — für einen Sat^ selbst. Tarski
selbst macht von (2) in seinem bekannten Aufsatz „Truth and Proof' 8
Gebrauch.
H. Field führt den Begriff der „Disquotationswahrheit" folgendermaßen
ein: Man kann einen substitutioneil gedeuteten Quantor verwenden, um
einen bestimmten Begriff von Wahrheit zu definieren. Das führt dazu, daß
,x ist wahr' definiert werden kann als die unendliche Konjunktion der Sätze
der Form ,wenn χ = »Schnee ist weiß«, dann ist Schnee weiß'; ,wenn χ —
»Gras ist grün«, dann ist Gras grün' usf. Zu den Merkmalen der so definierten
Wahrheit gehören nach Field die folgenden:
(a) .Wahrheit' wird nur für Sätze definiert, die der (ein) Sprecher versteht;
(b) die Eigenschaft, die die Definition artikuliert, kommt den Sätzen un-
abhängig von der Weise zu, in der die Sätze von Sprechern verwendet
werden.

Das Merkmal (b) wird folgendermaßen erläutert und illustriert: der Satz
(c,) wenn Sprecher das Wort ,weiß* abweichend von der gewöhnlichen
Praxis verwenden würden, könnte ,Gras ist weiß' ein wahrer Satz sein

ist nach der Disquotationstheorie äquivalent dem Satz

7
Vgl. a. a. O. S. 12 f.
8
Vgl. Tarski [1969] S. 64.

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34 1 Programmatische Grundlagen

(c2) wenn Sprecher das Wort .weiß' abweichend von der gewöhnlichen
Praxis verwenden würden, könnte Gras weiß sein.'

Eine Korrespondenztheorie unterscheidet sich nach Field von der Disquo-


tationstheorie u. a. dadurch, daß sie die Merkmale (a) und (b) nicht hat und
die Äquivalenz von (ci) und (c2) ablehnt.

[3] Aber wenn dem so ist, hat es überhaupt einen Sinn, an der Verwendung
des dann „leeren" Wortes .Wahrheit' festzuhalten? Hier wird von den (mei-
sten) Disquotationstheoretikern auf die Nützlichkeit des Prädikats
.Wahr(heit)' hingewiesen, indem dieses als eine geschickte Prozedur erklärt
wird. Quine nennt diese Prozedur „semantischen Aufstieg" 10 . S. Soames
erklärt ihre wahrheitstheoretische Relevanz in seht klarer Weise.11 Dies
kommt besonders dann deutlich zum Ausdruck, wenn man eine Verallge-
meinerung vornehmen möchte oder gar genötigt ist, eine solche vorzuneh-
men. Ein logisches Beispiel: Wir sind geneigt, eine Verallgemeinerung des
folgenden Formzusammenhangs zu akzeptieren:
(3) a. Schnee ist weiß —» (Gras ist blau —• Schnee ist weiß)
b. Die Erde bewegt sich —• (die Sonne ist kalt —• die Erde bewegt sich)

Angenommen nun, wir wollen alle Sätze dieser Form behaupten, so zeigt
sich, daß dies nur möglich ist, wenn wir eine Quantifikation vornehmen,
was voraussetzt, daß die Sätze durch Variablen repräsentiert werden. Die
Quantifikation mit Satzvariablen stellt allerdings ein sehr schwieriges Pro-
blem dar. 12 Wenn diese Quantifikation doch vorgenommen wird, so wird

9
Field [1986] S. 58. Zur Problematik des Begriffs der unendlichen Konjunktion
vgl. Kripke [1976] S. 335.
10
Vgl. Quine [1970] S. 10 f.
11
Vgl. Soames [1984] bes. S. 258 ff. Vgl. auch Field [1986] S. 57 ff. Es ist anzufügen,
daß Soames selbst kein Deflationist ist. In einer anderen Arbeit definiert er die
Wahrheit der (singulären) Proposition relativ zu einem „Umstand" (in anderer
Terminologie: relativ zu einer „(möglichen) Welt") folgendermaßen:
Eine Proposition <<0i,...,0n>, P*> ist wahr relativ zum Umstand Ε genau dann,
wenn die Extension von P* in Ε <oi,...,on> enthält.
<<oi,...,o„X P*> ist die durch den Satz ,Pti,...t„' relativ zu einem Kontext C und
einer Zuordnung f ausgedrückte Proposition, wobei P* die durch das Prädikat Ρ
ausgedrückte Eigenschaft und Oi der semantische Gehalt von t, relativ zu C und f
ist (vgl. Soames [1987] S. 72 ff. und unten ANHANG 6.2.4 [3]).
12
Vgl. unten Abschnitt 3.5.3.1.2.

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1.2 Möglichkeit und Unverzichtbarkeit einer Theorie der Wahrheit 35

sie, wie bei Soames, „am einfachsten — wenn auch nicht unumgänglicher-
weise — als objektuale Quantifikation 1. Stufe konstruiert"13. Dieser Kon-
struktion zufolge laufen die Variablen über Sätze, d. h. ihnen werden Sätze
als Werte zugeordnet; sie sind daher Platzhalter für Namen fur Sätze. Dies
führt dazu, daß ein metasprachliches Prädikat benötigt wird, soll die Quan-
tifikation überhaupt vonstatten gehen. Die Autoren, die „Wahr(heit)" im
Sinne der erläuterten Prozedur verstehen, finden ziemlich problemlos das
benötigte metasprachliche Prädikat im Wahrheitsprädikat. Der „semantische
Aufstieg" erzeugt nach diesen Autoren folgende Quantifikation:
(4) Für alle Sätze p, q ( p ist wahr —* (q ist wahr —• p ist wahr)).

Eine äquivalente Formulierung lautet:

(4') Für alle Sätze p, q r{p —» (q —> p))"1 ist wahr.

S. Soames bringt auch ein philosophisches Beispiel. Nehmen wir an, daß
der Philosoph, der den Satz (5) behauptet, als Vertreter des Realismus
anzusehen ist:
(5) Es gibt in irgendeiner Region des Weltraumes ein Duplikat unserer Sonne,
aber wir werden für dessen Existenz niemals (hinreichende) empirische
Belege finden.

Genügt der Hinweis auf diese Behauptung, um den Realisten zu charakte-


risieren? Eine positive Antwort wäre vorschnell, denn sie würde den Um-
stand außer acht lassen, daß die Charakterisierung der realistischen Position
durch den Hinweis auf (5) eine verborgene Quantifikation enthält, die man
etwa so erläutern kann: der Realist vertritt mindestens (5); aber darin ist eine
unendliche Konjunktion bzw. Disjunktion von Behauptungen enthalten, die
man so angeben kann:
(6) Es gibt ein Duplikat unserer Sonne in irgendeiner entlegenen Region des
Weltraumes, aber wir werden für dessen Existenz niemals (hinreichende)
empirische Belege finden können odtr es gibt kein Duplikat der Sonne in
irgendeiner entfernten Region des Weltraumes, aber wir werden niemals
(hinreichende) empirische Belege für seine Nichtexistenz finden können
oder
es gibt intelligentes Leben irgendwo im Universum, aber wir werden niemals
(hinreichende) empirische Belege für dessen Existenz finden können

13 Soames [1984] S. 259.

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36 1 Programmatische Grundlagen

oder

Dieses Verfahren, so wird bemerkt, ist undurchführbar. Es sollte aber


möglich sein, die realistische Position zu definieren, ohne eine unendliche
Liste von disjunktiven Sätzen durchgehen zu müssen. Der „semantische
Aufstieg" stellt nach diesen Autoren eine Prozedur bereit, die die erwünschte
Formulierung der realistischen Position ermöglicht. Quantifiziert man über
Sätze und führt man das metasprachliche Wahrheitsprädikat ein, so kann die
These des Realisten in folgende Formulierung gekleidet werden:
(7) Es gibt mindestens einen Satz s, derart, daß s (im Deutschen) wahr ist, aber
wir werden niemals (hinreichende) empirische Belege zur Stützung von s
finden.

Die dargestellte Nüt^lichkeitsthese kann, muß aber nicht unbedingt, deflatio-


nistisch verstanden werden. Wenn aber der Deflationist den Gebrauch des
Ausdrucks ,Wahr(heit)' nicht schlechterdings für sinnlos erklärt und/oder
verbietet, so muß er mindestens die Nützlichkeitsthese vertreten.
Für die Zielsetzung des vorliegenden Werkes ist ein weiteres Eingehen
auf die deflationistisch orientierten Richtungen weder möglich noch erfor-
derlich. Nicht erforderlich ist eine ausführlichere Darstellung aus dem
Grund, weil die unter 1.2.2 entwickelte Argumentation prinzipiellen Cha-
rakter in dem Sinne hat, daß sie die Unumgänglichkeit einer positiven (oder,
wie im Kontext der Diskussionen über die deflationistischen Tendenzen
gesagt wird, „substantiellen") Erklärung des Wahrheitsbegriffs aufweist.

1.2.2 Prinzipielle Kritik des wahrheitstheoretischen Deflationismus


als Aufweis des positiven und irreduziblen Inhalts
des Wahrheitsbegriffs
1.2.2.1 Vorbemerkung zur kritischen Diskussion über den Deflationismus
Hinsichtlich der Diskussion zwischen wahrheitstheoretischen Deflationisten
und Antideflationisten wurde oben betont, daß beide Parteien die Beweislast
in jeweils unterschiedlicher Hinsicht tragen. Eine sehr einleuchtende Ar-
gumentationsstrategie, die besonders dem Antideflationisten zur Verfügung
steht, besteht darin, daß er seine These durch eine immanente Kritik der
deflationistischen Position erhärtet, etwa indem er nachweist, daß letztere

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1.2 Möglichkeit und Unverzichtbarkeit einer Theorie der Wahrheit 37

inkonsistent, inadäquat, unklar usw. ist. H. Heidelberger14 und G. Forbes15


haben in dieser Hinsicht überzeugende Argumentationen beigesteuert. So
richtet Forbes an den deflationistischen Redundanztheoretiker, der behaup-
tet, „Wahr(heit)" sei keine „reale Qualität", die Frage, ob sein Vorgehen
überhaupt adäquat ist. Der Redundanztheoretiker versucht nämlich, Aussa-
gen, in denen der Ausdruck ,Wahr(heit)' vorkommt, in Aussagen zu über-
setzen, in denen dieser Ausdruck nicht vorkommt, die aber denselben
Informationsgehalt haben sollen; auf diese Weise will er zeigen, daß
„Wahr(heit)" keine „reale Qualität" darstellt. Aber eine Übersetzung, so
bemerkt Forbes, muß adäquat sein, sonst erfüllt sie nicht ihre Aufgabe. Schon
der Umstand, daß wir einsehen, daß eine bestimmte Formulierung denselben
Gehalt hat wie beispielsweise der Satz ,alles, was X glaubt, ist wahr', zeigt
doch, daß wir einen positiven Wahrheitsbegriff haben. Unsere Fähigkeit, so
argumentiert Forbes, einzusehen, daß einige Formulierungen, die der Re-
dundanztheoretiker präsentiert, besser sind als andere, macht deutlich, daß
man an einem substantiellen Begriff der Wahrheit nicht vorbeikommt.
Diese Argumentationsweise ist zwar schlüssig, aber sie ist beweiskräftig
nur im Hinblick auf konkret entwickelte und formulierte Versionen der
Redundanztheorie. Auf solche Versionen einzugehen ist hier, wie schon
bemerkt, weder möglich noch erforderlich.
Ein beliebtes Argument, das oft von Anti-Deflationisten ins Feld geführt
wird, stützt sich auf die „erklärende Rolle", die der Wahrheitsbegriff (an-
geblich) spielt. So wird beispielsweise auf den Erfolg unserer Theorien
hinsichtlich der technischen Zuverlässigkeit und der Vorhersage von Phä-
nomenen hingewiesen und behauptet, dieser Erfolg sei nur durch die Wahrheit
der Theorien zu erklären.16 Viele Autoren konzentrieren sich so ausschließ-
lich auf die Diskussion dieser These, daß die fundamentale Frage, so wie
sie unten behandelt werden wird, völlig in den Hintergrund tritt, was nicht
gerade als ein Beitrag zur Klärung der anstehenden Problematik gewertet
werden kann.17 Damit soll nicht angedeutet werden, daß diese Probleme
nicht real und die einschlägigen Überlegungen ohne Wert sind; aber man
muß sehen, daß der methodische Stellenwert dieser Vorgehensweise im
Rahmen einer wahrheitstheoretischen Aufgabenstellung ziemlich gering ist.

14 Vgl. Heidelberger [1968],


15 Vgl. Forbes [1986].
16 Vgl. dazu ζ. Β. B. Boyd [1983]; Putnam [1978].
17 Als besonders dezidierte Gegner der These von der „erklärenden Rolle" des
Wahrheitsbegriffs sind zu nennen: Horwich [1982] und Williams [1986],

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38 1 Programmatische Grundlagen

1.2.2.2 Prinzipielle methodologische Überlegung


Eine überzeugende Kritik jeder Art von wahrheitstheoretischem Deflatio-
nismus dürfte kaum möglich sein, wenn nicht zunächst einige methodolo-
gische Überlegungen grundsätzlicher Art angestellt werden. Dies soll in
diesem Unterabschnitt in der Weise geschehen, daß gezeigt wird, eine doppelte
Verfahrensweise sei möglich, um die These von der Unhaltbarkeit der defla-
tionistischen Position zu erhärten. Anzufügen ist, daß beide Verfahrenswei-
sen als sich ergänzend zu betrachten sind.
Die erste Verfahrensweise geht von einer Analyse des Ausdrucks
.Wahr(heit)' aus und ihr Ziel ist der Aufweis der These, daß mit diesem
Ausdruck substantiell mehr gesagt und gemeint ist als das, was der Deflationist
behauptet. Es handelt sich also um eine direkte Verfahrensweise, wobei
angenommen werden kann, daß mehrere Formen der Anwendung oder
Konkretisierung dieser Verfahrensweise möglich sind. Unten (vgl. 1.2.2.3)
soll eine dieser Formen entwickelt werden.
Erfahrungsgemäß führt die Anwendung der genannten direkten Verfah-
rensweise nicht immer zum Erfolg. Sowohl in der Perspektive einer syste-
matischen Behandlung der Wahrheitsthematik als auch besonders in kon-
kreten (und hier speziell in ad bominem geführten) Argumentationen dürfte
eine zweite, indirekte Verfahrensweise ausschlaggebend sein. Damit ist fol-
gendes gemeint: Ohne das Wort .Wahr(heit)' zu verwenden und damit auch
ohne die explizit bekundete Absicht, dessen „Bedeutung" zu eruieren, ana-
lysiert man bestimmte „Zusammenhänge" oder „Kontexte" etwa begriffli-
cher, logischer, semantischet, erkenntnistheoretischer, ontologischer usw.
Art. Die Ausdrücke .Zusammenhang' und ,Kontext' sollen hier ganz all-
gemein verstanden werden. Beispiele wären etwa: man entwickelt eine
Theorie des Satzes in der Weise, daß der Satz als eine besonders qualifizierte
sprachliche Entität aufgefaßt wird, für deren volle Erklärung die (weitere)
These aufgestellt wird, daß jeder sinnvolle, bestimmte Satz eine Proposition
oder einen Sachverhalt18 ausdrückt usw. Ferner fragt man, wie „Realität"
(„Welt") zu konzipieren ist; falls man etwa zu dem Ergebnis gelangt, das
Wittgenstein im Tractatus so formuliert hat: „Die Welt ist die Gesamtheit
der Tatsachen [d. h. der bestehenden Sachverhalte], nicht der Dinge"19, so
wird man an der Frage nicht vorbeigehen können, wie der Zusammenhang

18 Wie in der Einleitung vermerkt wurde, sollen die Ausdrücke .Proposition' und
.Sachverhalt' bis auf weiteres als synonyme Ausdrücke betrachtet werden. Dies ist
eine rein terminologische (vorläufige) Festlegung.
19 Tractatus 1.1. (Wittgenstein [1969] S. 11).

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1.2 Möglichkeit und Unverzichtbarkeit einer Theorie der Wahrheit 39

zwischen „Satz", „Proposition (Sachverhalt)", „Tatsache" und „Welt" zu


bestimmen ist. Angenommen ferner, man habe eine Theorie über diesen
Zusammenhang entwickelt, so wird sich die weitere Frage aufdrängen, ob
es nicht sinnvoll, ja unumgänglich ist, eine Bezeichnung für diesen Zusam-
menhang zu verwenden. Hier gibt es prinzipiell drei Möglichkeiten: (i) man
findet in einer „realen" Sprache einen Ausdruck, der (ohne — größere —
Modifikationen) den herausgearbeiteten „Zusammenhang/Kontext" bezeich-
net; (ii) ein Ausdruck ist in einer „realen" Sprache zwar vorhanden, aber
die gestellte Aufgabe kann er nur erfüllen, wenn Modifikationen (in Form
von Präzisierungen usw.) vorgenommen werden; (iii) kein Ausdruck in einer
„realen" Sprache ist für den gewünschten Zweck verfügbar; in diesem Fall
bleibt nichts anderes übrig, als einen völlig neuen Ausdruck zu bilden und
einzuführen. Es wäre hochinteressant und aufschlußreich der Frage nach-
zugehen, wie besonders die Wissenschaften in dieser Hinsicht verfahren.
Daß eine „substantielle" Theorie der Wahrheit heute von vielen in Frage
gestellt wird, muß in diesem weiten methodologischen Kontext gesehen
werden. Die Deflationisten haben ausschließlich die erste Verfahrensweise
im Auge. Aber diese Einstellung ist in jeder Hinsicht inadäquat. Daß eine
zweite Strategie möglich, ja geboten ist, zwingt den Deflationisten zu einer
radikalen Revision seiner Einstellung, des genauen Inhalts seiner These und
seiner Argumentationsstrategie. Die Behauptung nämlich, daß mit der Ver-
wendung des Ausdrucks ,Wahr(heit)' nichts Positives oder Substantielles
gesagt wird, erscheint jetzt zweideutig: Sie kann besagen, (a) daß der
Ausdruck ,Wahr(heit)' überhaupt keinen Zusammenhang bezeichnet, daß er
ein „begriffs-loser" Ausdruck ist, dessen einzige Funktion eine „nicht-
begriffliche" usw. ist; oder die These kann besagen, (b) daß es keinen
(begrifflichen, semantischen, ontologischen usw.) bestimmten Zusammenhang
gibt, der mit Hilfe dieses Ausdrucks bezeichnet werden könnte oder gar
sollte. Diese zweite Alternative ist wieder zweideutig, denn der formulierte
Satz kann bedeuten: (b') Es gibt einen bestimmten (begrifflichen, semanti-
schen, ontologischen) Zusammenhang (oder es mag einen solchen Zusam-
menhang geben), aber für dessen Bezeichnung ist der Ausdruck ,Wahr(heit)'
ungeeignet, oder: (b") es gibt überhaupt keinen solchen oder ähnlichen
Zusammenhang, und zwar unabhängig von Bezeichnungen welcher Art
auch immer.
Die Behauptung von (b") wäre schlechterdings unhaltbar, und zwar völlig
unabhängig von wahrheitstheoretischen Überlegungen. Wenn man davon
ausgeht, daß der Deflationist seine These im Sinne von (a) versteht und
wenn man ihm hypothetisch die Richtigkeit von (a) zugestehen wollte, so

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40 1 Programmatische Grundlagen

würde daraus nicht folgen, daß man den Ausdruck ,Wahr(heit)' für die
Bezeichnung bestimmter Zusammenhänge nicht heranziehen darf; würde
man diesen Ausdruck einführen, so würde man ihm nämlich — mehr im
Sinne einer „festsetzenden" (stipulativen) Definition — einen bestimmten
begrifflichen Inhalt geben. Man muß sehen, daß These (a) eine These über
das Verhältnis zwischen dem umgangssprachlichen Ausdruck ,Wahr(heit)' und
einem ganz bestimmten begrifflichen Inhalt besagt. Die These leugnet, daß
es ein solches Verhältnis überhaupt gibt. Abgesehen davon, daß aus (a) nicht
die Konsequenz gezogen werden kann, die der Deflationist zieht, muß noch
gesagt werden, daß der Deflationist (a) — gemäß der eben gegebenen
Erklärung — nur dann begründeterweise behaupten könnte, wenn er eine
Theorie über das Verhältnis zwischen „umgangssprachlicher Bedeutung"
(wie immer man „Bedeutung" verstehen mag) und (für theoretische Zwecke)
„rekonstruierter Bedeutung" entwickeln würde.
Versteht der Deflationist seine These im Sinne von (b'), so ist daran genau
dieselbe Art von Kritik zu üben, die an die Adresse von (a) gerichtet wurde.
Dies sei noch präzisiert. Entscheidend für eine Theorie der Wahrheit ist die
Frage, welcher „begriffliche Inhalt" dem Ausdruck ,Wahr(heit)' gegeben
oder welcher „Zusammenhang" durch diesen Ausdruck bezeichnet werden
soll. Nicht ausschlaggebend ist die Frage, ob der Ausdruck ,Wahr(heit)'
diesen begrifflichen Inhalt auch in der Umgangssprache (oder in der natürli-
chen oder realen Sprache) hat bzw. ob er einen „substantiellen Zusammen-
hang" auch in dieser Sprache bezeichnet. Wenn eine Theorie der Wahrheit
ein bestimmtes Verhältnis zwischen Wahrheitsdefinition und Verwendung
des Ausdrucks ,Wahr(heit)' in der „realen" oder „natürlichen" Sprache
behauptet, so handelt es sich um eine ganz bestimmte Theorie der Wahrheit.
Einzig entscheidend ist die Frage, ob ein „substantieller Zusammenhang"
aufgezeigt werden kann, den man dann mit dem Ausdruck .Wahrheit'
bezeichnen kann oder gegebenenfalls will. Sollte sich herausstellen — was
schwer vorstellbar ist —, daß dieser Ausdruck auf einen oder den aufge-
zeigten „substantiellen Zusammenhang" — aus welchen Gründen auch
immer — nicht anwendbar ist, so wäre zu sagen, daß man für diesen Zweck
eben einen neuen Ausdruck erfinden müßte.

1.2.2.3 Prinzipielle inhaltliche Argumentation


Es soll in diesem Unterabschnitt eine prinzipielle inhaltliche Argumentation
im Sinne der ersten unter 1.2.2.2 aufgezeigten Verfahrensweise entwickelt
werden. Genauer gesagt, es soll eine Skizze einer solchen Argumentation

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1.2 Möglichkeit und Unverzichtbarkeit einer Theorie der Wahrheit 41

artikuliert werden, und zwar in zwei Schritten: der erste Schritt hat vorbe-
reitend-illustrativen Charakter, der zweite stellt die entscheidende Argumen-
tation dar. Die nachfolgenden Ausführungen haben einen sehr komplexen
Charakter, insofern sie teils Argumentationen ad bominem und teils Aspekte
der im einzelnen erst in den nachfolgenden Kapiteln zu entwickelnden
wahrheitstheoretischen Konzeption enthalten; insofern sind sie in vielfacher
Hinsicht unbefriedigend. Sie verfolgen nur den Zweck, den Nachweis zu
führen, daß eine deflationistische Position im Hinblick auf die Theorie der
Wahrheit nicht haltbar ist.

[1] Um die entscheidende Argumentation in der erläuterten Hinsicht vor-


zubereiten, empfiehlt es sich, auf einige fundamentale Aspekte der Tarskiscben
Wahrheitstheorie Bezug zu nehmen. Tarski legt zunächst folgende informelle
Formulierung vor, die er als die Artikulation des intuitiven und traditionellen
(aristotelischen) Wahrheitsverständnisses betrachtet:
(8) „Eine wahre Aussage ist eine Aussage, welche besagt, daß die Sachen sich
so und so verhalten, und die Sachen verhalten sich eben so und so."20

Aus dieser Charakterisierung gewinnt Tarski jenes „allgemeine Schema",


das als „Adäquatheitskriterium" für Wahrheit oder als „Wahrheitskonven-
tion" allgemein bekannt ist:
(9) „x ist eine wahre Aussage dann und nur dann, wenn p."21

(Dabei wird ,x* durch den Namen einer Aussage der Objektsprache und ,p'
durch eine Aussage ersetzt, die eine Übersetzung von ,x' in die Metasprache
darstellt.)
Zu diesen entscheidenden Schritten ist zu bemerken, daß erstens (8) als
eine treffende und gutgelungene Charakterisierung von zumindst einigen
zentralen Aspekten des „intuitiven Wahrheitsverständnisses" angesehen wer-
den muß,22 daß aber zweitens (9) in keiner Weise als eine adäquate (Teil-)
Formalisierung der in (8) artikulierten informellen Charakterisierung des
Wahrheitsverständnisses betrachtet werden kann, und zwar in mindestens
zweifacher Hinsicht bzw. aus mindestens %n>ei Gründen: (i) Das „Wahrheits-
schema" (9) läßt völlig unanalysiert und damit unbeachtet, was in (8) das
„Sichverhalten der Sachen" treffend genannt wird, (ii) Das „Wahrheits-

20 Tarski [1935] S. 450.


21 Ebd. Zur Problematik der homophonen und nicht-homophonen Theorien der
Wahrheit vgl. Kripke [1976], Abschnitte 1, 2, 5 und 5(a).
22 Vgl. dazu Abschnitt 4.2.2.

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42 1 Programmatische Grundlagen

schema" (9) thematisiert und erklärt überhaupt nicht die entscheidende Rolle,
die das unscheinbare Wörtchen .eben' in (8) spielt. Auf diesen zweiten Punkt
ist im gegenwärtigen Diskussionszusammenhang besonders einzugehen.
Ohne die explizite Nennung des im Wörtchen ,eben' zum Ausdruck
kommenden Gesichtspunktes wäre der Status des rechts von der Äquiva-
lenzformulierung stehenden Satzes völlig unbestimmt. Wie zu sehen sein
wird, ist dieser Punkt schlechterdings entscheidend. In der informellen
Formulierung ist der genannte Status explizit angegeben; aber die
(teil-)formalisierte Formulierung läßt diesen entscheidenden Gesichtspunkt
bezüglich der Bestimmtheit des Status der rechten Seite der Äquivalenzaus-
sage völlig im Dunkel, unexplizit. Es wird sich zeigen, daß dieser Umstand
das proton pseudos der ganzen im Gefolge Tarskis entwickelten Theorie(n)
der Wahrheit und geführten wahrheitstheoretischen Diskussionen ist.
Es ist außerordentlich aufschlußreich zu bemerken, daß Tarski selbst
diesen Punkt in gewisser Weise gesehen, dessen reale Bedeutung und Trag-
weite aber deutlich mißverstanden hat. An einer Stelle seiner zweiten wahr-
heitstheoretischen Arbeit23 befaßt er sich mit folgendem von F. Gonseth24
erhobenen Einwand gegen die semantische Theorie der Wahrheit: Diese
Theorie sei abzulehnen, weil sie einen „gänzlich unkritischen" Realismus
vertrete; in der Tat, so Gonseth, müsse man sagen: „Der Satz ,Der Schnee
ist weiß* muß fur semantisch wahr gehalten werden, wenn der Schnee
tatsächlich [en fait] weiß ist."25 Tarskis Antwort reduziert sich im wesent-
lichen auf die Feststellung, daß der Ausdruck ,in fact' (so gibt er im
Englischen das französische ,en fait* wieder26) ohne irgendwelche Konse-
quenzen weggelassen werden kann. Diese Behauptung erläutert und be-
gründet er folgendermaßen: Der Ausdruck ,in fact' erweckt den Anschein,
daß das Wahrheitsschema (9) einem erkenntnistbeoretiscben Faktor Rechnung
tragen will, also der Frage, unter welchen Bedingungen wir berechtigt sind,
eine Aussage zu behaupten. Das sei aber nicht die Absicht bzw. die Aufgabe
des Schemas (9) (und damit auch nicht der Formulierung (8)). Man könnte
den von Tarski genannten Gesichtspunkt in der Terminologie des vorlie-

23 Vgl. Tarski [1944],


24 F. Gonseth formuliert seinen Einwand, indem er einen von Tarski auf dem 2.
Descartes-Kongreß (Kopenhagen 1936) gehaltenen Vortrag kommentiert (vgl.
Gonseth [1938] bes. S. 187).
25 „La phrase: »La neige est blanche«, est ä tenir pour semantiquement vraie, si, en
fait, la neige est blanche" (a. a. O. S. 188).
26 Die deutsche Übersetzung von J. Sinnreich verwendet den Ausdruck .tatsächlich'
(vgl. Tarski [1944] S. 87).

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1.2 Möglichkeit und Unverzichtbarkeit einer Theorie der Wahrheit 43

genden Werkes so charakterisieren: Tarski will eine expUkativ-definitionale,


keine kriteriologische Theorie der Wahrheit vorlegen.
Dieser Hinweis Tarskis mag zwar als eine korrekte Antwort auf den
Einwand von F. Gonseth angesehen werden; aber Tarski merkt nicht, daß
er gleichzeitig ein fundamentales Strukturmoment seiner Konzeption uner-
wähnt läßt und sie damit mißversteht. Dieser Faktor, dessen Bedeutung für
die ganze Geschichte der Wahrheitstheorie seit Tarski kaum überschätzt
werden kann, kommt in einer Äußerung Tarskis im Kontext seiner Antwort
auf den genannten Einwand zum Ausdruck. Dort heißt es:
„Erstens hätte ich ihn [F. Gonseth] ersucht, auf dem Wort ,,tatsächlich' nicht
zu bestehen, das in der Originalfassung nicht vorkommt und mißverständlich
ist, weil es nicht den Inhalt betrifft."27

Was heißt hier „Originalfassung"? Es ist sicher, daß Tarski Bezug nimmt
auf das Beispiel „ ,Es schneit' ist eine wahre Aussage dann und nur dann,
wenn es schneit", das er schon in seiner Dissertation Der Wahrheitsbegriff in
den formalisierten Sprachen benutzt, um sein berühmtes Wahrheitsschema: „x
ist dine wahre Aussage dann und nur dann, wenn p" zu illustrieren. In dieser
ursprünglichen Formulierung kommt ,in der Tat' (,in fact', ,eben', .tatsäch-
lich') in der Tat nicht vor. Aber Tarskis Bemerkung ist irreführend, denn sie
läßt den fundamentalen Sachverhalt außer acht, daß ihm selbst zufolge die
Aufgabe des Wahrheitsschemas und damit auch des es illustrierenden Beispiels
darin besteht, die Intention der Charakterisierung des allgemein intuitiven
Wahrheitsverständnisses (nämlich (8)) zu präzisieren und ihr eine korrekte
Form zu geben. 28 Aber in der Formulierung (8) kommt das Wort ,eben' an
entscheidender Stelle vor, wie gleich zu zeigen sein wird. 29 Tarskis Fehler
besteht darin, daß er es versäumt, das in diesem entscheidenden Wort
artikulierte intuitive begriffliche Potential in die — seiner Ansicht nach —
präzisierte und korrekte Formulierung (9), d. h. in das Wahrheitsschema,
einzubeziehen. Bedenkt man, daß, wie unter 1.1 gezeigt, konkrete Instanzen
des Wahrheitsschemas von Tarski als vollständige und adäquate Definitionen

27
Tarski [1944] S. 87.
28
Vgl. Tarski [1935] S. 450.
29
Auch in der ursprünglichen polnischen Fassung von Tarskis Dissertation kommt
der Ausdruck .wlasnie' vor, der in der von L. Blaustein besorgten deutschen
Übersetzung mit ,eben' wiedergegeben wird. Die Formulierung (8) lautet in der
polnischen Fassung (vgl. Tarski [1933] S. 4):

„zdanie prawdziwe jest to zdanie, ktore wyraza, ze tak a tak rzeczy sie maja,
i rzeczy maja sie tak wlasnie."

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44 1 Programmatische Grundlagen

der Wahrheit der Einzelsätze begriffen werden, so kann man ermessen,


welche Tragweite und welche Konsequenzen Tarskis Schritt (gehabt) hat.
Um es noch einmal zu sagen: dies ist das proton pseudos aller Theorien der
Wahrheit, die sich so oder so auf Tarskis berühmtes Wahrheitsschema berufen
und sich damit zufriedengeben.
Das Ergebnis dieser Überlegungen liegt auf der Hand: Die Diskussion
um Bedeutung und Stellung des Ausdrucks ,in fact' verlagert sich jetzt auf
eine Interpretation der Formulierung (8). Es ist jetzt im einzelnen zu zeigen,
daß der Ausdruck ,eben' in (8) keineswegs eine erkenntnistheoretische
(kriteriologische) Funktion hat, wie Tarskis Antwort auf den zitierten Ein-
wand von F. Gonseth suggerieren möchte; vielmehr spielt er eine streng
semantische, die Bedeutung von „wahre Aussage" explizierende Rolle. Und
gerade diese semantische Rolle wird von Tarski nicht beachtet und nicht
expliziert. Zwei Gründe seien hierfür angeführt:
(i) In (8) steht das Wort ,eben' in direkter Abhängigkeit eines semantiscben
Explicandum/Definiendum. (8) ist nämlich folgendermaßen zu „desambi-
guieren":
(8') Eine wahre Aussage ist semantisch zu interpretieren als eine Aussage, die
durch folgende Faktoren charakterisiert ist:
(a) die Aussage besagt, daß die Sachen sich so und so verhalten;
(b) die Sachen verhalten sich eben so und so.

Es wird hier deutlich, daß ,eben' ausdrücklich und ausschließlich in einer


semantiscben Reichweite und Rolle erscheint und in diesem Rahmen eine
wesentliche Rolle spielt. Darin die Behauptung eines „gänzlich unkritischen
Realismus" sehen zu wollen, ist ein erkenntnistheoretisches Mißverständnis
der Tarskischen Formulierung, und insofern ist Tarski im Recht, wenn er
dieses Mißverständnis abwehrt. Aber mit dem erkenntnistheoretischen Bade
schüttet Tarski dann doch das semantische Kind aus. ,Eben' kann nämlich
nicht weggelassen werden, weil es zum semantischen Explicans/Definiens
gehört. Man kann es als einen Operator (dafür sei der griechische Buchstabe
,δ' als Symbol benutzt) deuten, so daß dann (8')(b) so zu explizieren wäre:
(8") (b') δ (die Sachen verhalten sich so und so).
(ii) Wenn ,eben' eine rein erkenntnistheoretische Funktion hätte, könnte es
in der Tat weggelassen werden, ohne daß die Bedeutung von „wahre
Aussage" beeinträchtigt würde. Wenn aber ,eben' in (8)/(8') weggelassen
(und nicht zumindest stillschweigend vorausgesetzt) wird, ergibt sich eine
tautologische, unbestimmte, nichtssagende Formulierung, denn der zweite

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1.2 Möglichkeit und Unverzichtbarkeit einer Theorie der Wahrheit 45

Teil (die rechte Seite) von (8) muß eine Differenz zu „...eine Aussage, welche
besagt, daß die Sachen sich so und so verhalten" explizit artikulieren oder
zumindest implizit voraussetzen, andernfalls wäre dieser zweite Teil eine
reine, sinnlose Wiederholung. Es ist für die hier verfolgte Problematik
zunächst gleichgültig, welchen Ausdruck man verwendet, um die charak-
terisierende Differenz kenntlich zu machen. In jedem Fall ist die Formulie-
rung ,die Sachen verhalten sich so und so' ohne ein zumindest implizit
vorausgesetztes ,eben' (bzw. ein gleichbedeutendes anderes Wort) völlig
unbestimmt (vgl. unten).
Es ist überaus symptomatisch, daß auch andere Autoren diesen entschei-
denden Punkt so oder so ansprechen, allerdings ohne dessen Tragweite und
Konsequenzen aufzuzeigen. Ein beredtes Beispiel ist Quine. Bezugnehmend
auf Tarskis berühmtes .Schnee'-Beispiel für das Wahrheitsschema und gegen
den Philosophen polemisierend, der Propositionen annehmen möchte,
schreibt er:
„But he [the philosopher w h o favors propositions] is right that truth should
hinge on reality, and it does. No sentence is true but reality makes it so.
The sentence ,Snow is white' is true, as Tarski has taught us, if and only if
real snow is really white. The same can be said of the sentence ,Der Schnee
ist weiß'; language is not the point. In speaking of the truth of a given
sentence there is only indirection; we do better simply to say the sentence
and so speak not about language but about the world." 3 0

Was Quine sagt, ist nur allzu wahr; aber gerade der von ihm angesprochene
„Umstand" muß explizit gemacht und hinsichtlich seiner Konsequenzen
aufgeschlüsselt, nicht nur nebenbei erwähnt oder behauptet werden. Wo
kommt der Aspekt der „Realität" des Schnees und der „Realität" des
Weißseins von Schnee im Wahrheitsschema (9) ^um Ausdruck? Wollte man
sagen, daß das Schema so interpretieren ist, so wäre nichts dagegen
einzuwenden; aber gerade dieser Umstand zeigt, daß diese Interpretation
eben nicht explizit in (9) enthalten ist. Wird sie als darin implizit enthalten
behauptet, so sollte sie explizit gemacht werden. (9) hätte sich dann als eine
ungeeignete Formulierung herausgestellt.
In einem völlig anderen Zusammenhang schreibt Quine charakteristi-
scherweise:
„Whatever we affirm, after all, we affirm as a statement within our aggregate
theory of nature as we now see it; and to call a statement true isjust to reaffirm
/A"31

30 Quine [1970] S. 10 f.
31 Quine [1975] S. 327 (Hervorh. nicht im Original).

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46 1 Programmatische Grundlagen

Natürlich drängt sich hier sofort die Frage auf, was es heißt, eine Aussage
wiedenpbehaupten. Der Deflationist sieht sich hier mit einem Dilemma kon-
frontiert: Entweder interpretiert er die Wiederbebauptung als eine reine Repe-
tition, in welchem Fall er sich dem Einwand ausgesetzt sieht, daß dies keinen
Erklärungswert hat; oder aber er versteht unter Wiederbebauptung etwas
Positives, Neues, und in diesem Fall sieht er sich genötigt, eben diese
positive, neue, irreduzible, durch die Verwendung des Ausdrucks
,Wahr(heit)' artikulierte „Qualität" explizit zu machen. Diese Überlegungen
haben uns nicht nur zum %weiten, oben angekündigten Schritt, d. h. zur
entscheidenden Argumentation, übergeführt, sondern sind schon selbst ein
Teil dieser Argumentation. Diese ist im folgenden explizit zu entwickeln.

[2] Die Argumentation ist hochkomplex, da sie teilweise ad hominem und


teilweise rein sachlich geführt wird. Der Leser wird gebeten, auf diese
Verwickeltheit zu achten.
[i] Die These des deflationistisch eingestellten Wahrheitstheoretikers faßt
„Wahr(heit)" als eine reine Disquotationsfunktion auf. Konkrete Beispiele
scheinen sehr einleuchtend zu sein. Beachtet man die oben gemachten
Präzisierungen, so läßt sich diese These so formulieren:
(10) ,S* ist wahr genau dann, wenn S.

Wie ist ,S' bzw. S exakt zu verstehen?32 Am besten geht man von dem aus,
was diese Zeichen leisten sollen: sie sollen nämlich irgendwie konkret
erwähnte bzw. gebrauchte Sätze formal anzeigen, ob als Satzvariablen oder
als Satzbuchstaben ist vorerst nicht entscheidend. Entscheidend ist vielmehr,
daß sie von vornherein nicht als irgendwelche sinnlosen Zeichen genommen,
sondern daß sie auf (konkrete, „reale") Sätze abgebildet werden. Wenn man
,S' und S so nimmt, was heißt das genau? Daß man einen Satz in Anfüh-
rungszeichen setzen kann, zeigt, daß sozusagen die „ursprüngliche" oder
„normale" Form des Satzes der Satz ohne Anführungszeichen bzw. ohne
andere Zeichen ist, wie ζ. B.: Der Schnee ist weiß. Daß man den Satz in

32 Strenggenommen müßten diese beiden Symbole in solchen Formulierungen, in


denen über sie gesprochen wird, in (einfache) Anfuhrungszeichen (, ,S'' bzw. ,S')
gesetzt werden. In diesem Fall wäre aber das in einer solchen Formulierung
erwähnte S, das in (10) auf der rechten Seite der Äquivalenzbeziehung als gebrauchtes
S vorkommt, mit dem auf der linken Seite der Äquivalenzbeziehung erwähnten ,S'
leicht verwechselbar. Aus diesem Grunde sollen die beiden Symbole, auch wenn
sie erwähnt werden, dieselbe graphische Gestalt wie in (10) beibehalten.

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1.2 Möglichkeit und Unverzichtbarkeit einer Theorie der Wahrheit 47

seiner normalen Form in Anführungszeichen setzt, heißt, daß man ihn zum
Objekt einer Betrachtung macht, daß man ihn so oder so zu qualifizieren
beabsichtigt: ,S'... Die Disquotationstheorie behauptet nun, daß das Prädikat
,ist wahr', das zur Qualifikation des zum Objekt gemachten Satzes verwendet
wird, nichts anderes „bedeutet" als die „Zurückführung" des zum-Objekt-
der-Betrachtung-gemachten-Satzes auf den Satz-in-seiner-normalen-Form.
Wie leicht einleuchten dürfte, drängt sich jetzt die Frage auf, was der
Satz-in-seiner-normalen-Form ist. Was ist S rechts v o m Äquivalenzzeichen?
Es ist erstaunlich, mit welcher Selbstverständlichkeit seit Generationen
Tarskis „Wahrheitsschema" verwendet und wiederholt wird, als ob klar sei,
was mit S exakt gemeint ist. Das Wahrheitsschema ist nicht falsch o. ä.; es
ist einfach unbestimmt. Es hat keinen Sinn, ein solches Schema zu wieder-
holen, solange nicht gezeigt wird, wie es genau zu verstehen ist. Nun: S ist
zunächst der/ein Satz-insofern-er-nicht-angeführt-wird; aber was ist ein sol-
cher Satz soz. „positiv"? Was ist der Status eines solchen, Satzes? Man sagt:
ein verwendeter Satz, ein Satz der vorausgesetzten, verwendeten Metaspra-
che. Man kann an viele Formen des Status eines solchen Satzes denken: S
kann ein bestimmtes schriftlich bekundetes Sprachgebilde sein; S kann
aufgefaßt werden als ein lautlich geäußertes Sprachgebilde usw., wobei beide
Formen ohne irgendwelche weitere Qualifikation oder „ K r a f t " genommen
werden können.

[ii] Man tut einen wichtigen Schritt vorwärts, wenn man feststellt, daß (10)
die Voraussetzung macht oder die Einsicht beinhaltet, daß S als freistehender
Sat% aufgefaßt wird bzw. werden kann. Der Ausdruck .freistehender Satz'
kann in zweifacher Bedeutung genommen werden. Erstens: S ist freistehend in
dem Sinne, daß es ohne Verbindung mit einem Prädikat oder mit einem
nicht-wahrheitsfunktionalen Operator vorkommt; anders gesagt: S wird
nicht zu einem Namen (,S') gemacht (wie in „ ,S' ist wahr") noch mit einem
Operator (wie ,es ist notwendig, daß' [ „ • S"]) verbunden; wohl aber kommt
S in Verbindung mit einem wahrheitsfunktionalen Operator vor ( =
freistehendj). Zweitens: S ist freistehend in dem Sinne, daß es weder in
Verbindung mit einem Prädikat noch mit einem wahrheitsfunktionalen oder
nicht-wahrheitsfunktionalen Operator vorkommt ( = freistehend2).
Es ist klar, daß die Disquotationstheorie der Wahrheit behauptet, „ ,S' ist
wahr" sei äquivalent mit S, insofern S als freistehend 2 genommen wird. Das
wird durch das Beispiel mit dem ,Schnee'-Satz gut veranschaulicht. Darin
liegt nun das Problem, mit dem sich diese Theorie konfrontiert sieht, das
sie aber mit Hilfe der Unbestimmtheit und Bequemlichkeit der Tarskischen
Formel zu eskamotieren versucht. Wie ist das freistehende 2 S zu verstehen?

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48 1 Programmatische Grundlagen

Um hier klar zu sehen, muß man weiter ausholen. In der Aussagenlogik


werden die wahrheitsfunktionalen Operatoren oft .Junktoren' (englisch:
,truth functional connectives') genannt. Nebenbei bemerkt, ist diese Termi-
nologie im Falle des wahrheitsfunktionalen Operators ,nicht' (.Negation')
inadäquat, da mit diesem Operator kein Satz mit einem (anderen) Satz
„verknüpft" wird. Wenn das Operator-Wort ,nicht' auf geeignete Weise in
einen Satz einbezogen wird, so resultiert ein zusammengesetzter (komplexer)
Satz, der dann falsch ist, wenn die ursprüngliche (Satz-)Komponente wahr,
und wahr, wenn die ursprüngliche (Satz-)Komponente falsch ist. Kurz: der
Wahrheitswert des (komplexen) Negationssatzes ist immer das Gegenteil des
Wahrheitswertes des ursprünglichen Satzes (d. h. des Negatum). Umschrei-
bungen des Operators .nicht' sind u. a.: ,es ist nicht der Fall, daß', ,es ist
falsch, daß' usw. Der Operator .nicht' wird also eingeführt und bestimmt
auf der Basis des Negatum, des ursprünglichen Satzes. Bekanntlich werden
auch alle anderen Junktoren (im eigentlichen Sinne) in entsprechender Weise
charakterisiert.
Die Frage drängt sich auf: Wie ist das Negatum selbst, der „ursprüngliche
Satz (die ursprüngliche Satzkomponente)" selbst zu begreifen? Der ursprüng-
liche Satz ist der einzige, der freistehend2 ist, der also — im Sinne der
sententialen/propositionalen Standardlogik — ohne jeden wahrheitsfunktio-
nalen Operator vorkommt. Im allgemeinen macht man sich darüber keine
Gedanken. Das Negatum wird einfach vorausgesetzt, weil man einen Aus-
gangspunkt braucht, von welchem aus man die Aussagenlogik aufbauen
kann. Zumindest in philosophischer Hinsicht ist diese Situation mehr als
nur unbefriedigend. Die Frage drängt sich nämlich auf, wie der Status des
Negatum, des ursprünglichen Satzes, zu bestimmen ist.
Zunächst ist festzustellen, daß die Situation einigermaßen sonderbar ist.
Bei der Bestimmung des wahrheitsfunktionalen Operators ,nicht', wie oben
gezeigt, wird auf den (vorausgesetzten) Wabrheitswert des Negatum Bezug
genommen; man schreibt also dem Negatum einen Wahrheitswert zu. Fragt
man nun, wie dieser Wahrheitswert zu verstehen (bestimmen) ist, und setzt
man Tarskis Wahrheitstheorie voraus, so ergibt sich folgende kuriose Situa-
tion: man setzt einen „ursprünglichen", freistehende^ Satz voraus; man
schreibt ihm einen Wahrheitswert zu (zumindest wenn man versucht, eine
sententiale/propositionale Logik aufzubauen); auf die Frage, was es heißt,
diesem Satz einen Wahrheitswert zuzuschreiben, antwortet man: dies besagt,
daß man den Satz zunächst als fretstehenden\ Satz (also in Verbindung mit
der durch das Wahrheitsschema artikulierten Äquivalenz, also als vorkom-
mend auf der rechten Seite des Äquivalenzzeichens) betrachtet; dadurch

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1.2 Möglichkeit und Unverzichtbarkeit einer Theorie der Wahrheit 49

wird man dazu geführt, den freistehendenι Satz auch als einen freistehenden2
Satz zu verstehen, da man ja annimmt, daß der auf der rechten Seite des
Äquivalenzzeichens vorkommende Satz S auch ohne Verbindung mit diesem
logischen Zeichen vorkommen kann; und damit ist man wieder dort ange-
langt, wo man gestartet war: die ganze Prozedur ist vollkommen zirkulär,
man hat nichts etklärt.
Offensichtlich wird hier etwas übersehen und übersprungen — mit ge-
waltigen Konsequenzen. Aber was? Jedenfalls etwas, was für die Wahrheits-
thematik von entscheidender Bedeutung ist.
[Iii] Die Frage ist: Welchen Status hat S, wenn es als freistehenden Satz
genommen wird? Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, wird ihm
ein Wahrheitswert und der Status eines Negatum zugeschrieben. Schon daraus
ergibt sich, daß der freistehende2 Satz S dann als eine vollkommen unbe-
stimmte, nichtssagende (linguistische) Entität erscheint, wenn sein Status als
Negatum und sein Wahrheitswert nicht explizit beachtet werden. Diese
„ursprüngliche" Bestimmtheit des in der Gestalt eines freistehenden2 Satzes
vorkommenden Satzes ist herauszuarbeiten. Nun wird diese Bestimmtheit
— negativ, d. h. von der Negation her — als „Negatum" aufgefaßt. Aber
„Negatum" ist die Kehrseite eines „Positum", die Negation die Kehrseite
einer Position. Wie die Negation ein Operator ist, so sollte man konsequen-
terweise auch die Position als Operator betrachten. Dieser Positionsoperator
sei durch das Symbol ,<g>' angezeigt. Der genaue Status des freistehendem
Satzes S ist also explizit zu machen als: ,Position S' bzw.: ,<8> S'.
Wie ist dieser Positionsoperator zu deuten? In einer aussagenlogischen
Perspektive dient er als die Basis für die die (anderen) aussagenlogischen
Operatoren definierende Wahrheitswertfunktionalität; „in sich selbst" wird er
in diesem (sententialen/propositionalen) Kontext nicht expliziert, sondern
(implizit) vorausgesetzt. Das bisherige Ergebnis kann so formuliert werden:
Die sog. „Disquotations"formulierung: , ,S' ist wahr genau dann, wenn S'
hat nur dann einen Sinn, wenn S auf der rechten Seite als mit dem Posi-
tionsoperator ,<g>' versehen aufgefaßt wird, und dies zunächst — d. h. bis
auf weiteres — nur im Sinne einer notwendigen (nicht hinreichenden, noch
weniger im Sinne einer notwendigen und hinreichenden Bedingung); also:
(10') ,S* ist wahr nur dann, wenn ® S.

Die Frage ist erneut zu stellen: Wie ist ,<£)', der Positionsoperator; noch
genauer (jetzt im „inhaltlichen" Sinne) zu deuten? Eine der Deutungsmög-
lichkeiten besteht darin, ,<£>' pragmatisch-epistemisch als „ist behauptbar", als

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50 1 Programmatische Grundlagen

„Assertibilität", zu verstehen. Es ist zu betonen, daß dies eine der Deutungs-


möglichkeiten von ,(8)' ist, und zwar eine solche, die im Kontext der in
diesem Abschnitt behandelten Thematik eine unmittelbar wichtige argu-
mentative Rolle spielen kann. Welchen Stellenwert diese pragmatisch-episte-
miscbe Komponente im Ganzen der in diesem Buch anvisierten Theorie der
Wahrheit hat, werden die Ausführungen über die Wahrheitsträger und deren
Zusammenhang im Abschnitt 4.3 zeigen. Es wird sich dort herausstellen,
daß die Wahrheit des Satzes eine hochkomplexe Angelegenheit ist, bei der
sowohl die durch den wahren Satz ausgedrückte wahre Proposition als
auch das System der assertiblen Sätze zu berücksichtigen sind. Um die
nachfolgenden Ausführungen nicht mißzuverstehen, muß der gegenwärtige
Kontext also genau beachtet werden: hier wird gegen den wahrheitstheo-
retischen Deflationismus zu zeigen versucht, daß das als Disquotation ge-
deutete Wahrheitsschema Tarskis in keiner Weise als eine Erklärung des
Wahrheitsbegriffs aufgefaßt werden kann. Der zu erläuternde Hinweis auf
die pragmatisch-epistemische Deutung des '-Operators hat also eine eher
kritisch-kontingente als eine streng systematische Funktion.
Man kann sagen: Ein freistehende^ Satz S hat nur dann einen Sinn, wenn
er zumindest als ein assertibler Sat% verstanden und genommen wird. Es ist
nicht zu sehen, wie diese Behauptung bestritten werden könnte. Daß ein
Satz S als freistehend2 gewöhnlich mit so großer Selbstverständlichkeit
betrachtet wird, dürfte aus der impliziten Voraussetzung zu erklären sein,
daß er mindestens mit einem pragmatischen Faktor in Verbindung gebracht
wird, oder vorsichtiger: werden kann, nämlich mit der Kraft der Behauptung
oder mit „assertiver Kraft". Die Frage nach dem Status von S bestimmt
und präzisiert sich schlagartig, wenn dieser Faktor beachtet wird. Daß S als
ein Sprachgebilde genommen/verstanden wird, das (zumindest) behauptbar/
assertibel ist, macht die entscheidende Qualifikation des freistehendem Satzes
S aus.
Diese Analyse ist in gewisser Hinsicht trivial; allerdings handelt es sich
um jene Art von Trivialität, die in der Philosophie oft völlig übersehen, ja
vergessen wird. S auf der rechten Seite des Äquivalenzschemas ist zu
verstehen — und dies ist eine minimale Bestimmung — als „S ist assertibel".
Daraus ergibt sich mindestens folgendes: Wenn ,S' mit dem Prädikat ,ist
wahr' verbunden wird und wenn der damit gebildete Satz in einer Äqui-
valenzbeziehung zu einem als Behauptungssatz (genauer: behauptbaren Satz)
aufzufassenden Satz S gesetzt wird, so ist klar, daß „wahr" mindestens einen
Bezug zu „assertibel" beinhaltet. Heißt das, daß die richtige Erklärung von
„Wahr(heit)" durch die „performative Theorie der Wahrheit" gegeben wird,

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1.2 Möglichkeit und Unverzichtbarkeit einer Theorie der Wahrheit 51

d. h. durch die Theorie, die die These aufstellt, „Wahr(heit)" sei keine
Eigenschaft eines Satzes, sondern die Anzeige einer Performanz, eines Voll-
zugs?33 Ob diese Theorie richtig ist oder nicht, wird sich daran entscheiden,
wie man „Behauptungssatz" weiter analysiert.
[iv] Ein weiterer einleuchtender Schritt ist damit getan, daß man feststellt,
mit der Assertibilität von S sei immer schon ein rationaler Anspruch ver-
bunden: einen Satz S behaupten, heißt, den Anspruch erheben, eine mit dem
Satz S verbundene Geltung mit rationalen Mitteln einzulösen; der Satz S
wird als rational assertibel betrachtet. Es ergibt sich, daß hier das Prädikat
,ist wahr' in Verbindung mit dem angeführten Satz ,S' in Bezug gesetzt
wird zu der herausgearbeiteten Qualifikation von S, nämlich den sog.
Assertibilitätsbedingungen (genauer: den Bedingungen für eine rationale
Assertibilität) von S. Heißt das, daß „Wahr(heit)" ein „epistemischer" Begriff
und daß die „richtige" Theorie der Wahrheit eine epistemische Theorie ist?
Ein solcher Schluß wäre vorschnell; denn die Analyse des Status des
freistehende^ Satzes S (auf der rechten Seite der Äquivalenzformel, die den
Ausgangspunkt für die hier entwickelten Überlegungen bildet) ist noch
nicht zu Ende.
Der freistehende2 Satz S hat mindestens den Status von „(rational) asserti-
bel". Der Vertreter der Disquotationstheorie müßte daher anerkennen, daß
das auf der linken Seite der Äquivalenzformel vorkommende Prädikat ,ist
wahr' mindestens einen solchen „Inhalt" oder eine solche „Bedeutung" hat.
Damit wäre diese Theorie als widerlegt anzusehen. Hieße dies aber dann
nicht, daß das Wahrheitsprädikat eine pragmatische bzw. epistemische Be-
deutung hätte? Dazu ist zu sagen, daß dies dann der Fall wäre, wenn man
es bei der bisher durchgeführten Analyse beließe. Aber man kann zeigen,
daß diese Analyse lediglich einen Aspekt eines größeren Zusammenhangs
herausgreift. Führt man die Analyse weiter und durch, so gelangt man zu
einem anderen Ergebnis, denn es stellt sich heraus, daß „Wahr(heit)" mehr,
weiteres und anderes als nur die Qualifikation „(rational) assertibel" bein-
haltet. Dies ist im folgenden skizzenhaft zu leisten.
Man kann ein entscheidendes Argument ins Feld führen, um zu zeigen,
daß das Prädikat ,ist wahr' (in Verbindung mit ,S') zwar in Beziehung zum
(möglichen) Behauptungsakt bezüglich S und zu den Bedingungen für die
rationale Assertibilität von S gebracht werden kann, ja muß, daß aber
„Wahr(heit)" auf einen dieser Aspekte oder auf beide nicht reduziert werden

33 Zur performativen Theorie vgl. Puntel [1978], S. 73 ff.

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52 1 Programmatische Grundlagen

kann. Das Argument stützt sich auf den fundamentalen Umstand, daß der
Ausdruck .(rational) assertiber noch unbestimmt, unvollständig ist: es fehlt
die Präzisierung .(rational) assertibel als ...'. Die Füllung der Pünktchen ist
in der hier interessierenden Perspektive der entscheidende Faktor. Ein Satz
S ist (rational) assertibel als so und so qualifizierter Sat%. Beispiele sind etwa:
als wichtiger Satz, als mit großen Konsequenzen beladener Satz, als wahr-
scheinlich akzeptierbarer Satz, als sinnvoller/sinnloser Satz. Hier wird nun
der eigentliche Stellenwert von „Wahr(heit)" ersichtlich: ,,Wahr(heit)" ist
eines der Beispiele, eine der Instanzen für die Füllung der genannten Pünkt-
chen: Ein Satz S ist (rational) assertibel als wahr. Damit ist gezeigt, daß
„Wahr(heit)" nicht mit „(rationale) Assertibilität" identifiziert werden kann.
Und damit ist auch der methodisch-systematische Ort einer unverkürzten
und adäquaten, d. h. anti-deflationistisch orientierten Theorie der Wahrheit
aufgezeigt. Die Füllung der drei Pünktchen mit /tls wahr' ist der Gegenstand
und die Aufgabe einer explikativ-definitionalen Theorie der Wahrheit. Es
zeigt sich, daß „(rationale) Assertibilität" ein Faktor ist, ohne den der
freistehende2 Satz S nicht verständlich wäre, daß aber dieser Faktor nicht
als das Definiens von ,,Wahr(heit)" betrachtet werden kann. Er hat in
wahrheitstheoretischer Hinsicht so etwas wie eine „Vermittlerfunktion".
Später (im Kapitel 4) wird zu zeigen sein, welche genaue Rolle die
pragmatisch/epistemische Dimension in wahrheitstheoretischer Hinsicht
spielt.
Es hat sich somit gezeigt, daß der wahrheitstheoretische Deflationist
fundamentalen Vermengungen und konsequenzenreichen Mißverständnissen
erliegt. Was die „Nützlichkeitsthese" angeht, kann sie selbstverständlich in
einem wahrheitstheoretisch völlig harmlosen Sinne, d. h. ohne irgendwel-
chen argumentativen Bezug zum Deflationismus, vertreten werden. Es ist
nämlich klar, daß mit einer anti-deflationistischen, d. h. einer „substantiel-
len", Erklärung des Wahrheitsbegriffs die These ohne weiteres kompatibel
ist, derzufolge der Wahrheitsbegriff vorzüglich geeignet ist, Generalisierun-
gen der oben beschriebenen Art vorzunehmen. Daraus folgt keineswegs,
daß die ganze „Funktion" des Wahrheitsbegriffs nur in seiner Fähigkeit
besteht, solche Generalisierungen zu ermöglichen.

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1.3 Die Theorie der Wahrheit 53

1.3 Die Theorie der Wahrheit: eine selbständige


philosophische Diszplin oder Teil einer anderen
philosophischen Disziplin?

1.3.1 Problemstellung und Aufgabe

In der Einleitung wurde der (intraphilosophische) interdisziplinäre Charakter


der Wahrheitsthematik als das allgemeine Charakteristikum der hier anvi-
sierten Theorie der Wahrheit angegeben. Und oben unter 1.1 wurde die
Theorie der Wahrheit als eine umfassende Theorie mit fünf Teilen bzw.
Subtheorien bestimmt. Es drängt sich nun die Frage auf, ob sie als eine
selbständige philosophische Disziplin oder als Teil einer anderen philoso-
phischen Disziplin zu betrachten und, wenn das zweite zutreffen sollte, wie
diese Disziplin zu charakterisieren und zu benennen wäre.
Zunächst ist eine Präzisierung des Ausdrucks .interdisziplinär' im Kontext
der in der Einleitung angestellten Überlegungen vorzunehmen. Die Ver-
wendung dieses Ausdrucks nimmt hier Bezug auf eine faktische Problemlage
und Terminologie. Die Ausdrücke ,Logik', ,Sprachphilosophie', .Erkennt-
nistheorie' und ,Ontologie' werden heute in bestimmter Weise faktisch ver-
wendet und akzeptiert. Man wird zwar kaum sagen können, daß sie — mit
Ausnahme etwa der Logik — wirklich wohldefinierte, präzis entwickelte
und gegenüber anderen Fächern genau abgegrenzte Disziplinen bezeichnen;
dennoch kann man sagen, daß es einen gewissen Bestand an thematischen
Problemstellungen und methodischen Verfahren gibt, der jede der genannten
Disziplinen charakterisiert. Insofern ist es berechtigt und verständlich, wenn
die Interdisziplinarität (im erläuterten Sinne) als das allgemeine Charakteri-
stikum der hier versuchten Theorie der Wahrheit angegeben wird.
Man kann nun versuchen, die im Titel dieses Abschnitts aufgeworfenen
Fragen auf der Basis der faktischen Terminologie und des faktischen Verständ-
nisses der vier beteiligten Disziplinen zu beantworten. Wenn man die Frage
nur in diesem Sinne verstehen will, nimmt man allerdings in Kauf, daß die
faktisch vorhandene Terminologie und das faktisch vorhandene Verständnis
als berechtigt akzeptiert werden (können). „Berechtigt" heißt hier dann
soviel wie: „wohlbenannt und wohl situiert in systematischer Hinsicht".
Aber diese Annahme dürfte kaum zu rechtfertigen sein. Zwar ist es, wie
noch zu zeigen sein wird, außerordentlich schwierig, ein systematisches
Konzept von Philosophie zu entwickeln, aber in diesem Umstand sollte man

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54 1 Programmatische Grundlagen

keinen Grund für die endgültige Sanktionierung einer faktischen Situation


erblicken. Andernfalls hätte man hinsichtlich der hier zur Diskussion ste-
henden hochtheoretischen Thematik das fragwürdige Prinzip der Normati-
vität des Faktischen akzeptiert.
Nichtsdestotrotz ist es vernünftig, zunächst die aufgeworfenen Fragen auf
der Basis, der faktisch gegebenen und verstandenen vier Disziplinen (Logik,
Sprachphilosophie, Erkenntnistheorie und Ontologie) zu behandeln. Danach
wird dann zu fragen sein, ob auf der Basis anderer Annahmen hinsichtlich
des Konzeptes einer systematisch orientierten Philosophie andere Antworten
möglich oder gar erforderlich sind. Allerdings muß zu beiden Formen eines
Versuchs der Beantwortung der genannten Fragen allgemein bemerkt werden,
daß das Ergebnis des hier gewählten wahrheitstheoretischen Ansatzes schon
vorweggenommen wird bzw. werden muß. Dies ist unvermeidlich, da sonst
keine bestimmte Antwort auf die gestellten Fragen gegeben werden kann.
Aus diesem Grunde wird manches nicht ganz verständlich und nicht ganz
überzeugend sein. Dies muß in Kauf genommen werden; der Leser wäre
daher gut beraten, wenn er diese Ausführungen nach vollendeter Lektüre
des ganzen Werkes noch einmal lesen würde.
Die erste Teilfrage ist so zu formulieren: Bildet die Theorie der Wahrheit
gegenüber den genannten vier (bzw. anderen) Disziplinen eine selbständige
Disziplin? Eine positive Antwort wäre nur dann zu begründen, wenn eine
der beiden folgenden Bedingungen als erfüllt betrachtet werden könnte: (i)
Die Theorie der Wahrheit enthält einzelne (wichtige, zentrale) thematische
Aspekte, die von keiner der vier Disziplinen bzw. von keiner anderen
Disziplin erfaßt werden, (ii) Bedingung (i) ist zwar nicht erfüllt, aber die
Thematisierung des Zusammenhangs aller (wichtigen, zentralen) Aspekte kann
keiner der genannten (bzw. ungenannten) Disziplinen zugeordnet werden.
Wie ersichtlich, hängt eine Antwort auf die zweite Teil/rage von der Stel-
lungnahme zur ersten Teilfrage ab.
Wie oben bemerkt, soll ein Beantwortungsversuch zunächst auf der Basis
der faktischen Situation, d. h. der Annahme, die vier genannten Disziplinen
bestünden zu Recht, erfolgen; erst danach soll auf einer geänderten Basis
eine möglicherweise anders lautende Antwort auf die gestellten Fragen
gegeben werden. Aber bevor beide Versuche unternommen werden, muß
eine grundsätzliche Klärmgsvorarbeit geleistet werden. Es muß nämlich zu-
nächst gefragt werden, wo die Kriterien für die Beantwortung der Frage zu
suchen sind. Diese Kriterien betreffen die Frage, unter welchen Gesichts-
punkten eine bestimmte Disziplin einen — wie immer zu konzipierenden

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1.3 Die Theorie der Wahrheit 55

— Bezug zur Wahrheitsthematik aufweist bzw. umgekehrt unter welchen


Gesichtspunkten die Wahrheitsthematik in Beziehung zu einer bestimmten
Disziplin zu setzen ist.

1.3.2 Kriterien

Zunächst sollen die Kriterien kurz angegeben und erläutert werden; erst
danach soll ihre Anwendung auf die anstehende Frage erfolgen.
Ein erster Versuch, das ganze wahrheitstheoretische Panorama zu über-
blicken, führte zu der unter 1.1 dargelegten Bestimmung der umfassenden
Theorie der Wahrheit. Eine erneute Erörterung dieses immensen Gebietes
soll jetzt unter dem Gesichtspunkt des Verhältnisses zwischen der Wahr-
heitsthematik und den philosophischen Disziplinen erfolgen. Je nachdem,
wie sich dieses Verhältnis gestaltet, ergeben sich verschiedene Verhältnis-
weisen, denen verschiedene Disziplinen zugeordnet werden können bzw.
müssen. Dieser Versuch führt zu einer Unterscheidung von vier Kategorien
von (philosophischen) Disziplinen.
(i) Zunächst sind philosophische Disziplinen zu nennen, die Voraussetzungen
und joder Implikationen der Wahrheitsthematik (speziell der Erklärung des
Wahrheitsbegriffs) enthalten (= Kriterium,). Hier wird „Voraussetzung" im
Sinne Strawsons verstanden: eine Behauptung (oder ein Satz) A set^t eine
Behauptung (einen Satz) Β voraus dann und nur dann, wenn Α weder wahr
noch falsch ist, es sei denn, Β ist wahr; oder anders formuliert: die Wahrheit
von Β ist eine notwendige Bedingung für die Wahrheit oder Falschheit von
A. 1 Auf die Diskussionen, zu denen diese Bestimmung des Voraussetqmgs-
begriffs Anlaß gegeben hat, kann hier nicht eingegangen werden. Die
allgemeine intuitive Idee dürfte aber klar sein. Auch dürfte ersichtlich sein,
daß Voraussetzung und Implikation verschiedene „Verhältnisweisen" arti-
kulieren. Hinsichtlich der Anwendung des Voraussetzungs- bzw. Implika-
tionsbegriffs auf die anstehende Problematik ist zu bemerken, daß die
Ausdrucksweise ,eine Thematik bzw. ein Begriff bzw. eine Disziplin setzt
eine bestimmte (andere) Disziplin voraus' als eine elliptische Formulierung
zu verstehen ist; gemeint ist: alle Aussagen, die in der Behandlung (oder
Erklärung) einer Thematik bzw. Disziplin aufgestellt werden, sind wahr oder
falsch nur unter der notwendigen Bedingung, daß die Aussagen, die eine
bestimmte (andere) Disziplin macht, wahr sind.

1 Vgl. Strawson [1952] S. 175.

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56 1 Programmatische Grundlagen

(ii) An zweiter Stelle ist die Kategorie jener Disziplinen zu nennen, die für
sie konstitutive „Instanzen" oder „Entitäten" in der Weise enthalten, daß
für deren Bestimmung der Wahrheitsbegriff unentbehrlich ist ( = Kriterium2)
(iii) Ferner gibt es Disziplinen, die Begriffe oder Instanzen oder Entitäten
enthalten, auf die (der) Wahrheit(sbegriff) (in nicht konstitutiver Hinsicht)
angewandt wird, mit dem Ergebnis, daß diese Begriffe/Instanzen/Entitäten
(weiter) qualifiziert werden und, möglicherweise, (neue) Probleme aufwerfen
( = Kriterium3).

(iv) Schließlich können Disziplinen ausgemacht werden, die die umgekehrte


Anwendung ermöglichen im folgenden Sinne: sie enthalten Begriffe, die auf
die Wahrheitsthematik bzw. auf den Wahrheitsbegriff angewandt werden mit
dem Ergebnis, daß Wahrheit weiter bestimmt oder qualifiziert wird (—
Kriterium^) oder sie enthalten (oder stellen bereit) Verfahrensweisen (Pro-
zeduren), die die „Handhabung" der Wahrheitsthematik (des Wahrheitsbe-
griffs) ermöglichen oder regeln ( = Kriterium^).
Diese Kriterien können leicht im Sinne einer ersten Konkretisierung oder
Anwendung erläutert werden, wodurch schon eine teilweise Klärung einiger
Zusammenhänge erzielt wird.
Wenn man „Wahrheit" in irgendeiner Weise als einen ontologisch rele-
vanten Begriff versteht (wie dies in der vorliegenden Arbeit geschehen
wird), so kann gesagt werden, daß eine prädikatenlogische Sprache erster
Stufe (mit Identität), der man eine Standardsemantik zuordnet, eine Onto-
togie von Objekten zur Voraussetzung hat; umgekehrt wäre zu sagen, daß eine
objektontologische These (das objektontologische Dogma 2 ) eine prädika-
tenlogische Sprache erster Stufe (oder kurz eine Prädikatenlogik erster Stufe)
gekoppelt mit der Standardsemantik voraussetzt. Dies ist ein Beispiel für die
Anwendung von Kriteriumi. Ein anderes Beispiel: Wenn das Explicans oder
Definiens des Wahrheitsbegriffs etwa den Begriff des Sachverhalts oder der
Tatsache enthält, so wird jene Disziplin, die sich mit Sachverhalten bzw.
Tatsachen befaßt, von der Erklärung des Wahrheitsbegriffs impliziert.
Für die Anwendung von Kriterium2 lassen sich sehr leicht Beispiele von
Disziplinen anführen. Mindestens drei der genannten Instanzen/Entitäten
lassen sich angeben: Satz, Erkenntnis, Proposition, wobei für „Satz" und
„Erkenntnis" auch leicht die einschlägige Disziplin genannt werden kann
(Sprachphilosophie bzw. Erkenntnistheorie), während die Frage, zu welcher

2 Vgl. Einleitung S. 3.

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1.3 Die Theorie der Wahrheit 57

Disziplin „Proposition" zu rechnen ist, alles andere als leicht beantwortbar


ist. Nimmt man eine sehr weit verbreitete und akzeptierte (semantische)
Bestimmung des Satzes ernst, so ist der Satz eine sprachliche Entität, die
wahr oder falsch sein kann. Was „Erkennen" anbelangt, so lautet die
berühmte, auf P. Gettier3 zurückgehende Bestimmung: Erkennen ist „true
justified belief. Zwar gibt es (seit kurzem) Versuche, den Wahrheitsgesichts-
punkt aus der Bestimmung von Erkennen zu eliminieren; aber solche
Versuche (zumindest diejenigen, die auf eine Redundanztheorie der Wahrheit
rekurrieren) bestätigen zunächst, daß Erkennen in Beziehung zu Wahrheit
gesetzt wird. 4 Wenn man Propositionen annimmt, so geht der Wahrheits-
begriff — ganz analog zum Satz — in die (zumindest im umfassenden Sinne
verstandene) Bestimmung dieser Entität ein. Ob man nun die Proposition
der Disziplin „Sprachphilosophie" („Semantik") oder „Ontologie" oder einer
anderen Disziplin zuordnet, ist ein sehr schwieriges Problem, das hier nicht
entschieden werden kann bzw. soll. Jedenfalls gehört diese Disziplin zur
Kategorie jener Disziplinen, die das Kriterium2 erfüllen. Es ist hinzuzufügen,
daß zwischen dieser Kategorie von Disziplinen und der Wahrheitsthematik
ein ganz besonders enges Verhältnis besteht, und zwar aus dem Grunde,
weil die genannten „Entitäten" als die eigentlichen Wahrbeitsträger aufzufas-
sen sind. Darauf wird später ausführlich einzugehen sein (Abschnitt 4.3).
Aber schon jetzt wird deutlich, daß dieser Umstand eine entscheidende
Bedeutung für die Bestimmung der Disziplin hat, der die Theorie der
Wahrheit zuzurechnen ist.
Beispiele für die Anwendung von Kriterium3 lassen sich ebenfalls sehr
leicht angeben. Es seien drei genannt, die für die Zielsetzung des vorliegen-
den Werkes deswegen sehr wichtig sind, weil sie einige Teile (Subtheorien)
des unter 1.1 skizzierten Begriffs einer umfassenden Theorie der Wahrheit
wesentlich beleuchten. Das erste Beispiel ist die Anwendung des Wahrheits-
begriffs auf Sätze bzw. Propositionen bzw. Erkenntnisse verschiedener Dis-
ziplinen. So spricht man von „logischer", „mathematischer", „naturwissen-
schaftlicher", „philosophischer" usw. Wahrheit. Es handelt sich also um
jenen Bereich, der unter 1.1 als „materiale Typologie" charakterisiert wurde.
Das zweite Beispiel ist von ganz besonderer Aktualität: Wird der Wahrheits-

3 Vgl. Gettier [1963],


4 Einen solchen Eliminationsversuch unternimmt Lehrer [1974], Kap. 2. Eine scharf-
sinnige Kritik und Widerlegung dieser These findet sich in Casullo [1986].

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58 1 Programmatische Grundlagen

begriff auf Sätze und Propositionen5 angewandt, so werden diese Entitäten


zwar weiter bestimmt, aber dies geschieht um den Preis, daß die berühmte
Wahrheitsparadoxie entsteht. Nicht weniger wichtig für die umfassende
Theorie der Wahrheit ist das dritte Beispiel: der Wahrheitsbegriff wird auf
die Wissenschaft und die Philosophie überhaupt, auf jene große Dimension
also, die man die Dimension der Theoretizität nennen kann, angewandt,
besonders im Hinblick auf die Festsetzung ihres Zieles. Ob eine solche
Anwendung als möglich, sinnvoll, oder gar unumgänglich zu betrachten ist,
bildet den Gegenstand einer noch in vollem Gang befindlichen Kontro-
verse.6
Kriteriurai klärt den Fall der Anwendung von Begriffen und Prozeduren
auf den Wahrheitsbegriff. Beispiele von Begriffen, die auf den Wahrheitsbe-
griff angewandt werden, sind leicht zur Hand. Zu dieser Kategorie gehören
modale Begriffe wie „notwendig", „möglich", „kontingent"; erkenntnis-
theoretische Begriffe wie „apriori", „aposteriori", „vernünftig" (im Sinne
von „Vernunftwahrheit"), „faktisch" (im Sinne von „Tatsachenwahrheit")
usw. Kurz: es handelt sich um das, was unter 1.1 „formale Typologie" der
Wahrheit genannt wurde. Beispiele für Prozeduren im Hinblick auf die
Wahrheitsthematik sind vor allem Entscheidungsprozeduren, also das große
Gebiet der ^HahtYizitskriteriologie. Dieses Gebiet ist so umfassend und so
wichtig, daß es unter 1.1 als eine eigene Subtheorie der umfassenden Theorie
der Wahrheit bestimmt wurde. Aus welcher Disziplin bzw. aus welchen
Disziplinen werden solche Prozeduren entnommen? Auch diese Frage ist
schwer zu beantworten. Sicher gehören zumindest die wichtigsten Proze-
duren zur Erkenntnistheorie.

1.3.3 Einige vorläufige Ergebnisse

Bevor einige vorläufige Folgerungen aus den obigen Überlegungen und


Festlegungen getroffen werden, ist eine Vorbemerkung zu einigen weitver-
breiteten wahrheitstheoretischen Bezeichnungen am Platz. Welcher Disziplin
bestimmte Wahrheitstheorien zugerechnet werden wollen, zeigen sie durch
die Selbstbezeichnung an. Das gilt besonders für die „semantische", die

5 Bis vor kurzem wurde die Auffassung vertreten, daß es (nur) Sätze sind, die, wenn
sie als wahr qualifiziert werden, die Wahrheitsparadoxie erzeugen. Aber Barwise/
Etchemendy [1987] haben gezeigt, daß auch die Anwendung des Wahrheitsbegriffs
auf Propositionen zur Wahrheitsparadoxie führt.
6 Vgl. dazu Puntel [1987 a],

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1.3 Die Theorie der Wahrheit 59

„epistemische" und die „pragmatische" Theorie der Wahrheit. Daß diese


Theorien behaupten, der Wahrheitsbegriff sei ein „semantischer" bzw. ein
„epistemischer" bzw. ein „pragmatischer" Begriff, besagt, daß er als ein zu
einer dieser Disziplinen gehörender Begriff verstanden wird. In welchem
genauen Sinne, d. h. auf der Basis welcher Kriterien ist aber diese Zuge-
hörigkeit zu einer Disziplin zu verstehen? Am einleuchtendsten dürfte viel-
leicht der Fall des semantischen Begriffs sein: das Kriterium der Zugehörig-
keit des Wahrheitsbegriffs zur Semantik ist der Umstand, daß „Wahr(heit)"
als eine Eigenschaft einer semantischen Entität, nämlich des Satzes, bestimmt
wird. Hier kommt also Kriterium 2 zur Anwendung. Nicht so eindeutig kann
die Antwort auf die Frage ausfallen, ob dasselbe Kriterium 2 der Charakte-
risierung der beiden anderen Theorien zugrunde liegt. In ihrer wohl be-
kanntesten Form behauptet die „epistemische" Theorie der Wahrheit, daß
der Wahrheitsbegriff in dem Sinne ein „epistemischer" Begriff ist, daß er
die „Assertibilitätsbedingungen" bezeichnet. Aber „Assertibilitätsbedingun-
gen" beziehen sich auf Sät\e, sie bestimmen oder qualifizieren Sätze. Die so
verstandene „epistemische" Theorie nimmt also den Satz als jene Entität an,
die durch Wahrheit (weiter) bestimmt/qualifiziert wird. Aber „Satz" ist eine
linguistische Entität, gehört also zu einer anderen Disziplin als der Erkennt-
nistheorie. Man sieht leicht, daß der These, die Theorie der Wahrheit (im
Sinne der „epistemischen" Theorie) müsse der Disziplin „Erkenntnistheorie"
zugerechnet werden, nicht Kriterium 2 , sondern Kriterium« zugrunde liegt:
der Umstand, daß auf die sprachliche Entität ,Satz' bestimmte Prozeduren
(die Assertibilitätsbedingungen) angewandt werden und daß in diesen Pro-
zeduren die Bedeutung des Begriffs „Wahr(heit)" erblickt wird, wird als
Kriterium dafür angesehen, daß die daraus resultierende Theorie Teil der
Erkenntnistheorie ist. Mit dieser Feststellung ist die Frage nicht entschieden,
ob die Heranziehung von Kriterium« berechtigt ist oder nicht; auf diese
Frage soll im folgenden eingegangen werden.
Vergleicht man die vier herausgearbeiteten Kriterien miteinander, so
dürfte es nicht schwer sein einzusehen, daß sie hinsichtlich der hier anste-
henden Frage nach dem Verhältnis von Wahrheitsthematik und philosophi-
scher Disziplin (bzw. philosophischen Disziplinen) nicht die gleiche Rolle
spielen. Daß Kriteriumi und Kriterium 3 in der disziplinbestimmenden Per-
spektive nicht mit Kriterium 2 und Kriterium« konkurrieren können, dürfte
leicht einzusehen sein. Eine Disziplin, die nur Implikationen und/oder Vor-
aussetzungen (der Erklärung der Bedeutung) eines bestimmten Begriffs
enthält, kann angesichts des Umstands, daß es andere disziplinbestimmende
Kriterien gibt, nicht als die „eigentliche Heimat" dieses Begriffs betrachtet

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60 1 Programmatische Grundlagen

werden. Implikationen und Voraussetzungen eines X sind sehr wohl in der


Weise konzipierbai; daß sie in einer anderen Disziplin als X liegen. Auch
Kriterium3 dürfte leicht ausscheiden, denn es setzt voraus, daß bestimmte
Entitäten innerhalb einer Disziplin vorhanden sind, auf die der Wahrheits-
begriff appliziert wird. Zwar mag man so weit gehen zu behaupten, daß
zumindest zur vollständigen Bestimmung dieser Entitäten der Wahrheits-
begriff unentbehrlich ist; aber dieser Umstand hat nicht die unbedingte
Konsequenz, daß der Wahrheitsbegriff — und die entsprechende Theorie
— Teil dieser Disziplin ist. Dies ergibt sich schon daraus, daß es mehrere
Disziplinen gibt, die „Entitäten" enthalten, in bezug auf welche der Wahr-
heitsbegriff zur Anwendung gelangt.
Es bleiben also Kriterium2 und Kriterium« übrig. Auch bezüglich dieser
Kriterien dürfte eine Entscheidung möglich und begründbar sein. Kriterium»
ist gegenüber Kriterium3 ein eindeutig externes Kriterium in dem Sinne, daß
bei seiner Anwendung die einer Entität zugeschriebene Wahrheit schon
vorausgesetzt wird; sie wird deswegen vorausgesetzt, weil sie (weiter) be-
stimmt und qualifiziert wird. Modale Begriffe und kriteriologische Proze-
duren setzen schon voraus, daß eine Entität als „wahr" bezeichnet wird und
daß als ausgemacht gilt, was darunter zu verstehen ist. Hingegen betrifft
Kriterium2 gerade diesen letzten Fall, nämlich den Fall, daß allererst geklärt
wird, was (d. h. welche Entität) überhaupt und in welchem Sinne als wahr
bezeichnet wird. Aus diesem Grund kann nur dem Kriterium2 eine wirklich
disziplinbestimmende Rolle zugeschrieben werden.
Die erste im Abschnitt 1.3.1 gestellte Teilfrage lautet: Ist die Theorie der
Wahrheit als eine selbständige Disziplin anzusehen? Es wurde festgelegt,
daß eine positive Antwort nur dann begründbar wäre, wenn eine von den
zwei dort genannten Bedingungen als erfüllt angesehen werden könnte. Man
kann jetzt feststellen, daß — auch unter der Voraussetzung der oben be-
schriebenen faktischen Problemlage — keine der beiden Bedingungen als
erfüllt betrachtet werden kann. Man kann nicht zeigen, daß die Theorie der
Wahrheit wesentliche Aspekte enthält, die von keiner der vier beteiligten
Disziplinen erfaßt werden können; auch kann man nicht zeigen, daß die
Theorie der Wahrheit Zusammenhänge thematisiert, die in diesem Verband
von Disziplinen nicht thematisierbar sind. Vielmehr ergibt sich, daß die
Theorie der Wahrheit grundsätzlich einer bestimmten philosophischen Dis-
ziplin zuzurechnen ist, allerdings so, daß die Verbindungen zu (den) anderen
Disziplinen nicht ignoriert, geschweige denn geleugnet, sondern anerkannt
und explizit gemacht werden.

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1.3 Die Theorie der Wahrheit 61

Dies führt dazu, daß die %u>eite Teilfrage akut wird: Welcher Disziplin ist
die Theorie der Wahrheit direkt zuzuordnen? Hier ist die oben getroffene
Unterscheidung genau zu berücksichtigen, nämlich die Unterscheidung zwi-
schen der faktischen Annahme, daß in der gegenwärtigen Situation und
gemäß der gegenwärtigen Terminologie nur die vier Disziplinen „Logik",
„Sprachphilosophie", „Erkenntnistheorie" und „Ontologie" als Kandidaten
fungieren, und der prinzipiellen Annahme, daß eine ganz andere (systema-
tische) Konstellation von Philosophie denkbar bzw. wünschbar (und viel-
leicht durchfuhrbar) wäre.
Zunächst sei die Frage auf der Basis der faktischen Annahme gestellt.
Wenn nur die vier genannten Disziplinen, so wie sie heute verstanden werden,
als Kandidaten in Betracht kommen, zu welcher sollte die Theorie der
Wahrheit gerechnet werden? Legt man einer Entscheidung das Kriterium2
zugrunde, so scheidet die als reiner Kalkül aufgefaßte formale Logik schnell
aus, da diese Disziplin nicht die „Heimatdisziplin" einer der Entitäten ist,
denen „Wahr(heit)" zugeschrieben wird. Macht man die (später ausführlich
zu behandelnde) Voraussetzung, daß die drei wichtigsten Wahrheitsträger
der Satz, die Proposition und die kognitive Instanz sind, so lassen sich zwei
dieser Entitäten eindeutig jeweils einer der drei Disziplinen zuordnen: der
Satz gehört in die Sprachphilosophie, die kognitive Instanz in die Erkennt-
nistheorie. Je nachdem, welcher dieser Entitäten man den Vorzug gibt, wird
man entsprechend sagen müssen, daß die Theorie Teil der entsprechenden
Disziplin ist. Es ist interessant zu bemerken, daß die traditionelle (im Sinne
von: vor der sprachlichen Wende vertretene) Philosophie die Theorie der
Wahrheit eindeutig als Teil der Erkenntnistheorie betrachtete, und daß die
moderne Philosophie, in deren Mittelpunkt die Sprache steht, die Theorie
der Wahrheit ebenfalls eindeutig der Sprachphilosophie (der Semantik) zu-
ordnet. Freilich kann heute nicht mehr gesagt werden, daß die Situation
eindeutig ist. In diesem Buch wird die Auffassung vertreten, daß dem Satz
(und damit der Sprachphilosophie) gegenüber der kognitiven Instanz (und
damit der Erkenntnistheorie) eindeutig der Primat zukommt; allerdings wird
dabei eine besondere Konzeption von Sprachphilosophie vorausgesetzt bzw.
entwickelt.
Zu welcher Disziplin gehört aber die Proposition? Diese Frage ist deshalb
schlechterdings zentral, weil in diesem Buch die Auffassung ausführlich
entwickelt werden soll, daß die Proposition der zentrale Wahrheitsträger ist.
Die Beantwortung der soeben gestellten Frage hängt natürlich entscheidend
davon ab, was unter Proposition verstanden wird. Die Meinungen gehen
diesbezüglich gewaltig auseinander, wie aus Abschnitt 6.2 des ANHANGS

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62 1 Programmatische Grundlagen

hervorgeht. Nimmt man die hier zu vertretende Position vorweg, so ist die
Proposition zumindest nicht eindeutig der Sprachphilosophie zuzuordnen;
der Grund liegt darin, daß die Proposition, wie diese Entität hier erklärt
werden wird, eine zwar spracbabbängige, aber dennoch nicbtspracblicbe Entität
ist. Heißt das, daß die Proposition in die Ontologie gehört? Dies erscheint
zunächst als sehr plausibel, da hier im Anschluß an Wittgensteins Tractatus
die Welt als die Gesamtheit der Tatsachen (d. h. der bestehenden Sachverhalte
oder — in der Terminologie dieses Buches — der bestehenden Propositionen)
verstanden wird. Andererseits ist die Proposition, insofern ihr allererst Wahr-
heit zugeschrieben wird (werden soll), (noch) nicht Bestandteil der Welt: sie
hat einen eigenartigen Zwischenstatus. Allerdings ist die wahre Proposition
die bestehende Proposition (die Tatsache in der Terminologie des Tractatus)
und diese ist Bestandteil der Welt. Wollte man die Proposition der Ontologie
zurechnen, so wäre die hier zu entwickelnde Theorie der Wahrheit grund-
sätzlich als Teil der Ontologie zu betrachten. Aber eine solche Auffassung
wäre auf der Basis der faktischen Situation zumindest miß verständlich. Unter
der gemachten Voraussetzung wäre es also besser; die Wahrheitstheorie als
den beiden Disziplinen, Sprachphilosophie und Ontologie, zugehörig auf-
zufassen.
Die letzte Formulierung ist zweifellos unbefriedigend. Dieser Umstand
weist darauf hin, daß eine wirklich befriedigende Antwort die gemachte
Voraussetzung (die faktische Situation) aufgeben muß und die prinzipielle
Frage nach einem Konzept einer systematisch orientierten Philosophie stellen
müßte. Der entscheidende Gesichtspunkt in dieser Hinsicht ist das Problem
einer Neubestimmung der Ontologie. Doch an dieser Stelle möge nur der
Hinweis auf diese Aufgabe genügen.

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