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Johann Wolfgang von Goethe

Seefahrt
Lange Tag' und Nchte stand mein Schiff befrachtet;
Gnst'ger Winde harrend, da mit treuen Freunden,
Mir Geduld und guten Muth erzechend,
Ich im Hafen.
Und sie waren doppelt ungeduldig:
Gerne gnnen wir die schnellste Reise,
Gern die hohe Fahrt dir; Gterflle
Wartet drben in den Welten deiner,
Wird Rckkehrendem in unsern Armen
Lieb' und Preis dir.
Und am frhen Morgen ward's Getmmel,
Und dem Schlaf entjauchzt uns der Matrose,
Alles wimmelt, alles lebet, webet,
Mit dem ersten Segenshauch zu schiffen.
Und die Segel blhen in dem Hauche,
Und die Sonne lockt mit Feuerliebe;
Ziehn die Segel, ziehn die hohen Wolken,
Jauchzen an dem Ufer alle Freunde
Hoffnungslieder nach, im Freudentaumel
Reisefreuden whnend, wie des Einschiffsmorgens,
Wie der ersten hohen Sternennchte.
Aber gottgesandte Wechselwinde treiben
Seitwrts ihn der vorgesteckten Fahrt ab,
Und er scheint sich ihnen hinzugeben,
Strebet leise sie zu berlisten,
Treu dem Zweck auch auf dem schiefen Wege.
Aber aus der dumpfen grauen Ferne
Kndet leise wandelnd sich der Sturm an,
Drckt die Vgel nieder auf's Gewsser,
Drckt der Menschen schwellend Herz darnieder.
Und er kommt. Vor seinem starren Wten
Streckt der Schiffer klug die Segel nieder;
Mit dem angsterfllten Balle spielen
Wind und Wellen.
Und an jenem Ufer drben stehen
Freund' und Lieben, beben auf dem Festen:

Ach, warum ist er nicht hier geblieben!


Ach, der Sturm! Verschlagen weg vom Glcke!
Soll der Gute so zu Grunde gehen?
Ach, er sollte, ach, er knnte! Gtter!
Doch er stehet mnnlich an dem Steuer;
Mit dem Schiffe spielen Wind und Wellen;
Wind und Wellen nicht mit seinem Herzen:
Herrschend blickt er auf die grimme Tiefe
Und vertrauet, scheiternd oder landend,
Seinen Gttern.

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