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Deutschland. Ein Wintermärchen.

Im traurigen Monat November war's, Es wächst hienieden Brot genug


Die Tage wurden trüber, Für alle Menschenkinder,
Der Wind riss von den Bäumen das Laub, Auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust,
Da reist ich nach Deutschland hinüber. Und Zuckererbsen nicht minder

Und als ich an die Grenze kam, Ja, Zuckererbsen für jedermann,
Da fühlt ich ein stärkeres Klopfen Sobald die Schoten platzen!
In meiner Brust, ich glaube sogar Den Himmel überlassen wir
Die Augen begunnen zu tropfen Den Engeln und den Spatzen.

Und als ich die deutsche Sprache vernahm, Und wachsen uns Flügel nach dem Tod,
Da ward mir seltsam zumute; So wollen wir euch besuchen
Ich meinte nicht anders, als ob das Herz Dort oben, und wir, wir essen mit euch
Recht angenehm verblute Die seligsten Torten und Kuchen.

Ein kleines Harfenmädchen sang. Ein neues Lied, ein besseres Lied!
Sie sang mit wahrem Gefühle Es klingt wie Flöten und Geigen!
Und falscher Stimme, doch ward ich sehr Das Miserere ist vorbei,
Gerühret von ihrem Spiele. Die Sterbeglocken schweigen.

Sie sang von Liebe und Liebesgram, Die Jungfer Europa ist verlobt
Aufopfrung und Wiederfinden Mit dem schönen Geniusse
Dort oben, in jener besseren Welt, Der Freiheit, sie liegen einander im Arm,
Wo alle Leiden schwinden. Sie schwelgen im ersten Kusse.

Sie sang vom irdischen Jammertal, Und fehlt der Pfaffensegen dabei,
Von Freuden, die bald zerronnen, Die Ehe wird gültig nicht minder –
Vom Jenseits, wo die Seele schwelgt Es lebe Bräutigam und Braut,
Verklärt in ew'gen Wonnen. Und ihre zukünftigen Kinder!

Sie sang das alte Entsagungslied, Ein Hochzeitkarmen ist mein Lied,
Das Eiapopeia vom Himmel, Das bessere, das neue!
Womit man einlullt, wenn es greint, In meiner Seele gehen auf
Das Volk, den großen Lümmel. Die Sterne der höchsten Weihe –

Ich kenne die Weise, ich kenne den Text, Begeisterte Sterne, sie lodern wild,
Ich kenn auch die Herren Verfasser; Zerfließen in Flammenbächen –
Ich weiß, sie tranken heimlich Wein Ich fühle mich wunderbar erstarkt,
Und predigten öffentlich Wasser. Ich könnte Eichen zerbrechen!

Ein neues Lied, ein besseres Lied, Seit ich auf deutsche Erde trat,
O Freunde, will ich euch dichten! Durchströmen mich Zaubersäfte –
Wir wollen hier auf Erden schon Der Riese hat wieder die Mutter berührt,
Das Himmelreich errichten. Und es wuchsen ihm neu die Kräfte.

Wir wollen auf Erden glücklich sein, Dies ist der erste Teil (Caput I) des satirischen Versepos
Und wollen nicht mehr darben; von Heinrich Heine (1797–1856). Den äußeren Rahmen
dafür bildet eine Reise, die der Autor im Winter 1843
Verschlemmen soll nicht der faule Bauch, unternahm und die ihn von Paris (wo er seit 1831 lebte)
Was fleißige Hände erwarben. nach Hamburg führte.
Insgesamt umfasst der Text des Gedicht-Zyklus 27 Capita.

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