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hamburg

Feste Burg
„Viele finden die Türme hässlich, ich
mag sie“, sagt René Gögge über die
Tower des Mundsburg-Zentrums,
das kulturelle Herz von Barmbek.
Multiplexkino, Ernst-Deutsch-Theater
und English Theatre liegen nur
wenige Meter vom Jugendstil-Bahn-
hof Mundsburg entfernt. Und da der
23-Jährige einen der Mundsburg-
Mieter kennt, hat er in 100 Meter
Höhe schon Partys gefeiert.
www.englishtheatre.de
www.ernst-deutsch-theater.de

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Alles so grün!
René Gögge kam per Zufall nach Barmbek. Nun will er nicht mehr weg aus dem früheren Arbeiterviertel

Mayflower
Fotos: Stephan Pflug/Texte: Philip Eicker

Eine der wenigen Café-Blüten in Barmbek-Süd:


Nur wenige Gehminuten von Renés Wohnung
entfernt, liegt das Café May. Die süßen Torten
erinnern ihn an das Café am Markt in Bergen.
Dort, auf Rügen, ist er groß geworden ist. „Wie
ich diese altmodischen Marzipantorten geliebt
habe!“ Seine Favoritin in Barmbek: die May-
Kirschtorte mit der üppigen Sahnedecke.
tägl. 7-21 Uhr, Von-Axen-Str. 2, www.may-cafebar.de

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Kinderspiel
„Ich bin harte Wahlkämpfe gewohnt“,
erzählt René, der für die Grünen in der
Bezirksversammlung Hamburg Nord
sitzt. „In Meck-Pomm wurden wir oft
von Rechten angepöbelt. Im Vergleich
dazu ist Barmbek ein Kinderspiel.“
Bester Ort für Infostände: der Hertie in
der Fuhlsbüttler Straße. Bald wird auch
dieses letzte Kaufhaus in der „Fuhle“
schließen. Als Arbeitsvermittler in Farm-
sen spürt René die Krise jeden Tag: Im
Vergleich zum Vorjahr liegen schon
fünfmal so viele Unterstützungsanträge
auf seinem Schreibtisch.

Lange Reihen Tor zur Welt


Zusammen mit seinem Mitbewohner Felix (21) lebt René in der Imstedt,
in einem von sieben fast identischen Gebäuderiegeln aus barmbektypi- Seit seinem zehnten Lebensjahr steht René im Fußballtor. Inzwischen
schem Rotklinker. Per Gayromeo-Anzeige hat René die Wohnung gefun- spielt er beim schwul-lesbischen Verein Startschuss. Hier trainiert er
den, als er 2005 zum Studium nach Hamburg kam. Nah an Alster und mit Teamchef Carsten im Stadtpark – seinem Lieblingsort, auch wenn
Stadtpark „und alles so grün!“ der schon jenseits der Stadtteilgrenzen liegt. „Toll, dass es mitten in
der Stadt so eine Riesenwiese gibt – zum Glück ohne Grillverbot!“

Schwules Barmbek
Café Contrast: „Der Name passt“, urteilt René über das modern gestal-
tete Café. „In Barmbek liegen Eckspelunke und stylisher Coffee Shop
direkt nebeneinander.“ Fuhlsbüttler Straße 172a, www.cafe-contrast.com

Theaterlokal Flickenschildt: Hans-Jürgen und Fabian servieren frisch


gezapftes Bier und warme Gerichte, bis der letzte Theatergast geht.
Mundsburger Damm 63, Di-So ab 17 Uhr, ✆ 220 51 52

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hamburg

Foto: Stephan Pflug


Christian Tausch (links) leitet die Freiwilligenagentur der Hamburger Aidshilfe, Jörg Korell ist deren Geschäftsführer

Soziales Inventar
Die Aidshilfe feiert Geburtstag. Jörg Korell und Christian Tausch über 25 Jahre Aufklärung und Selbsthilfe

h Jörg, Christian: Warum wird die Aidshilfe steht. Unsere Beratungszahlen und Testanfragen ner, für die Aids kein wichtiges Thema mehr ist, für
noch immer gebraucht? schnellen dann sofort in die Höhe. das sie sich unbedingt engagieren müssten.
Jörg: Weil auch nach 25 Jahren Menschen mit HIV le- h Ehrenamt ist nicht gerade sexy. Was treibt
ben und sich auch wieder zunehmend mit dem Vi- h Wie haben sich in 25 Jahren eure die Menschen dennoch zu euch?
rus infizieren. Die Präventionsarbeit ist deshalb nicht Zielgruppen verändert? Christian: Der Wunsch, etwas Sinnvolles zu tun und
weniger geworden, sondern mehr. Christian: Sie haben sich verschoben, aber nicht wirk- dafür zu sorgen, dass es anderen Menschen besser
lich verändert. Der übergroße Teil der Betroffenen geht. Aber es kommen auch Leute und sagen: „Über
h Das spricht nicht unbedingt für sind nach wie vor schwule Männer. Aber auch die Zahl Aids wird zu wenig berichtet, aber ich habe das Gefühl,
deren Botschaften. der heterosexuellen Betroffenen steigt. das ist wichtig.“
Jörg: Früher haben wir es kritisiert, wenn Rita Süss- Jörg: Die Zahl der Drogen gebrauchenden Infizier-
muth sagte: „Aids kriegt man nicht, Aids holt man ten, die in aller Regel Heteros sind, hat abgenommen. h Euer Wunsch zum Fünfundzwanzigsten?
sich“, weil da keine Präventionsaussage drin steckt. Das war früher die zweitgrößte Gruppe. Hier haben si- Jörg: Kontinuität! Und eine klare Ansage, wohin die
Nun ist in 25 Jahren das Wissen um die HIV-Über- cherlich die Präventionsmaßnahmen gegriffen, aber Aidspolitik in Hamburg in den nächsten Jahren ge-
tragung so umfangreich geworden, so dass die jüng- ich glaube auch, dass heute einfach weniger Men- hen soll.
ste Kampagne der AIDS-Hilfen in Deutschland unter schen drücken. Christian: Als Fundraiser wünsche ich mir natürlich
dem Titel läuft „Ich weiß, was ich tu’“. Und wir tun noch mehr Menschen, die uns auch langfristig unter-
einiges dafür, dass das jeder von sich sagen kann! h Die Aidshilfe ist als schwules Selbsthilfe- stützen! Die Aidshilfe braucht nach wie vor Spenden
projekt gestartet. Wer hilft euch heute? und Unterstützer, damit wir den täglichen Häuser-
h Aids scheint aber nur noch ein Thema zu Christian: Das hat sich seit Mitte der 90er Jahre deut- kampf um den nächsten Euro ein wenig friedlicher
sein, wenn Prominente betroffen sind. lich verschoben. Mittlerweile haben wir ein Verhältnis gestalten können. INTERVIEW: STEFAN MIELCHEN
Jörg: Es gibt nach wie vor einen hohen Aufklärungs- 50 zu 50 von Männern und Frauen. Diese Verteilung ist
bedarf, den man besonders stark spüren kann, wenn für eine soziale Einrichtung eigentlich wunderbar. Ich
Aidshilfe Hamburg, Spendenkonto: Hamburger Sparkasse,
prominente Fälle durch die Medien gehen. Da merkt kann mich über den Zustrom generell nicht beschwe- Kontonummer 1282 119 492, BLZ 200 505 50
man, welche Verunsicherung in der Bevölkerung be- ren. Aber leider gibt es heute ganz viele schwule Män- www.aidshilfe-hamburg.de

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 www.hinnerk.de

Protest Vielfalt Gedenken


Zeichen setzen gegen die gewaltsame Auflösung ei- Im November 2008 ist Hamburg der bundesweiten Bereits seit 1992 erinnert der Künstler Tom Fecht
ner Homosexuellen-Demo in Moskau: Mit einem so „Charta der Vielfalt“ beigetreten, um ein Zeichen mit seinem Projekt „Namen und Steine“ an Men-
genannten Rainbowflash demonstrierten am Ham- gegen Diskriminierung im öffentlichen Dienst zu set- schen, die an den Folgen von Aids gestorben sind.
burger Rathausmarkt ein Dutzend Menschen mit ei- zen. Die SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Gabi Do- Der Titel ist dabei wörtlich zu nehmen, denn die Na-
ner Luftballonaktion gegen Homophobie. Der Pro- busch kritisiert nun, dass der Senat bislang die Be- men der Verstorbenen sind zur Erinnerung an sie in
test wurde über das Internet weltweit organisiert. nachteiligungen aufgrund der sexuellen Identität Stein gemeißelt. In St. Georg wurden das Projekt vor
Auch in russischen Städten stiegen Ballons mit per- nicht zum Thema gemacht habe. Sie fordert ein Ge- 15 Jahren als „Windrose II“ vor der evangelischen
sönlichen Botschaften in die Luft. Während der NDR- samtkonzept, dass alle Bediensteten einschließe: Kirche installiert. Am 11. Juni wird dies dort ab 20 Uhr
Grand-Prix-Party auf dem Spielbudenplatz hatten „Gleich welchen Geschlechts oder Alters, welcher mit der Lesung „Spuren in Stein“ von Folkert Bocken-
Demonstranten auf dem Balkon des Schmidt-Thea- Religion, Herkunft, sexuellen Identität, ob mit Be- tien gefeiert. Gäste sind unter anderem Rita Süss-
ters zahlreiche Regenbogenfahnen geschwenkt. hinderung oder ohne.“ www.charta-der-vielfalt.de muth (CDU) und Ex-Aidspastor Rainer Jarchow.

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hamburg

Wohin geht dein nächster

Kurztrip?
Michael (33), Lehrer: Nach Stock-
holm. Das ist so schön! Es erinnert
mich an Hamburg. Ein wunderbarer
Stadturlaub!

Christian (31), Speditionskaufmann:


Nach New York, einen Kumpel besu-
Horst (52), Angestellter, und Kurt (49), Hospizleiter: Nach Hamburg! Wir kommen aus Hannover, sind aber chen. Ich habe einen günstigen Flug
fast jedes Wochenende hier. Dann machen wir Radtouren durch die Stadt und gehen in die Szene. bekommen. Eine tolle Multikulti-Stadt!

Roland (29), Student: Nach Ham- Simon (22), Student: Nach Kopen- Torsten (50), Bäcker: Nach Sylt, ich Hendrik (22), Student: Mit dem Zug
Fotos: Stephan Pflug

burg, ich lebe sonst in Stuttgart. hagen. Da kommt man auch spontan liebe die Insel. Das Wetter ist meistens nach Aachen, um Freunde zu besu-
Schöne Stadt! Ich habe gerade viele gut hin. Ist aber nicht mein Reiseziel gut, und ich kenne dort eine wunder- chen. Am liebsten würde ich nach
Kurztrips hinter mir – allerdings in Nummer eins. Zuletzt war ich in Bres- bare Pension. Dann jogge ich, fahre Argentinien fliegen – aber das ist wohl
den USA. Dort habe ich studiert. lau und habe eine Freundin besucht. Rad und schwimme viel. zu weit für einen Kurzurlaub!

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