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QUERFELDEIN DAS AKTUELLE INTERVIEW

David Lama:
FOTO: HASELBÖCK

„Meine Sponsoren sind wesentlich toleranter als ich“


David Lama ist das heimische Aushängeschild einer jungen, leistungsstarken und bei
internationalen Wettkämpfen höchst erfolgreichen Kletterergeneration. Ein Gespräch
über die WM in China, Sponsoren und warum er wenig von Vorbildern hält.

LAND DER BERGE: Gratulation zum dritten zentriert. Es ist mehr nebenbei mitge-
Platz bei der WM in China. Bist du laufen als jetzt. Heute wird der Wett-
David Lama damit zufrieden? kampf von den Athleten sehr ernst
David Lama: Danke. Für die Umstände genommen. Der Fokus liegt auf der
ck g’schaut
in den rucksa
schon. Ich war ja zwei Tage vor dem Saison und danach kann man auf den
Finale krank und habe da das Beste Felsen gehen. Und das Niveau ist auch
Was darf im Rucksack auf keinen Fall fehlen? rausgeholt, was gegangen ist. Zuvor gestiegen: Die Leute klettern heute
Taschenmesser. war ich fast ein halbes Jahr nicht bei mittlerweile am Felsen einen 9a.
Vorstiegsbewerben mit dabei, und das LDB: Klettern ist heute ein Leistungssport
Der erste selbst bestiegene Berg?
hat gezeigt, dass ich gut mit der Spitze auf hohem Niveau, für den man sich
Großglockner.
mithalten kann. Ohne die Magen- ernsthaft vorbereiten muss. Heißt das für
Du kommst zu einer Hütte. Darm-Grippe wäre sich ein Sieg viel- dich als junger Mensch, dass du fürs
Was tust du zuerst? leicht auch ausgegangen. Training auf vieles wie Disco, Partys,
Socken auslüften. LDB: Vor der WM ist es etwas stiller um oder Ausgehen verzichten musst?
Bergsteigeressen: Spaghetti,
dich gewesen: War China eine Art von Lama: Das sind alles Sachen, auf die ich
Eintopf oder Reisfleisch? „Comeback“ in sportlicher Hinsicht? ohne Probleme verzichten kann. Das
Kaiserschmarren. Lama: Letztes Jahr habe ich mir den interessiert mich nicht sonderlich.
Mittelfußknochen gebrochen, dann Während der Saison muss man dann
Hast du ein „Gipfelritual“? hatte ich das Pfeiffersche Drüsenfie- doch hin und wieder sagen: Jetzt muss
Nein, muss ich mir noch einfallen lassen.
ber, deshalb konnte ich bei den letzten ich in die Halle gehen und trainieren!
Was darf dir bei einer Alpentour nicht Bewerben nicht mitmachen. Dann Das heißt für mich aufs Felsklettern
widerfahren? war ich in Chile, um Big Walls zu verzichten, und das muss ich halt in
Schlechtes Wetter. klettern, und die EM habe ich auch Kauf nehmen, wenn ich im Wett-
ausgelassen. Vielleicht hat man deshalb kampf vorne dabei sein will.
Mit welcher historischen Persönlichkeit
würdest du gerne eine Tour unternehmen? nicht so viel gehört. Danach habe ich LDB: Bei Wettkämpfen trittst du im
Hermann Buhl. mich auf die WM sehr stark vorberei- Boulder und im Vorstieg an: Was machst
tet. Die Bouldersaison ist dann durch- du lieber, wo bist du stärker?
Dein wichtigster Beitrag für aus gut gegangen, da bin ich Zweiter Lama: Meine Stärke liegt in den kurzen
Klima- und Umweltschutz?
Keiner.
im Gesamtweltcup geworden und in Routen und den langen Bouldern
der Kombination habe ich den Ge- (lacht). Nein, ich glaube, dass ich sehr
Welches alpinliterarische Buch samtweltcup gewonnen. Von dem her vielseitig bin. Das zeigt sich schon da-
würdest du empfehlen? kann ich auch mit der letzten Saison rin, dass ich alpin sehr viel mache und
Ich bin kein Leser. sehr zufrieden sein, genauso wie die auch im Wettkampfsport tätig bin. Das
Passionen abseits der Bergsteigerei? Saisonen zuvor. taugt mir gut, und so stelle ich mir
MTB, Rennrad, Skifahren, Essen. LDB: War es früher leichter zu gewinnen meine Zukunft vor: dass ich von allem
und ein Superstar zu sein? ein bisschen was mache und von allem
Deine Lebensphilosophie? Lama: Die Leute haben sich früher ein bisschen was mitkriege.
Alles ausprobieren.
nicht so sehr auf den Wettkampf kon- LDB: Seit August bist du 19 Jahre alt

8 05 2009
und die Kletterszene ist sehr jung geworden. Wie lange kannst
und willst du den Wettkampfsport noch machen?
Lama: Es stimmt: Die Wettkampfszene ist sehr jung, aber es
gibt auch Gegenbeispiele: Salawat, ein russischer Top-Klet-
terer, ist mit 36 Jahren noch Weltmeister geworden. Er war
heuer wieder am Start und hat die Qualifikation dominiert.
Ältere Leute können also durchaus noch mithalten. Wie
lange ich noch bei Wettkämpfen klettern werde, lass ich
jetzt erst einmal offen.
LDB: Du hast ja etliche Triumphe hinter dir. Was war dein
größter Erfolg bzw. dein emotionalster?
Lama: Die zwei Europameistertitel waren schon ein Wahn-
sinn. Beide – Boulder und Vorstieg – beim ersten Mal. Ex-
trem lässig war der erster Boulder-Weltcup-Sieg. Das war
überhaupt mein erste Boulder-Weltcup, bei dem ich mitge-
macht habe. Und der erste Weltcup, wo ich im Vorstieg

FOTO: HEIKO WILHELM/RED BULL PHOTOFILES


gestartet bin und auf Anhieb den zweiten Platz geschafft
habe. Wenn ich es reihen muss: Dieser zweite Platz ist mir
am meisten wert!
LDB: Wie gehst du mit Niederlagen um?
Lama: Das Positive raussuchen! Man lernt viel mehr von
Niederlagen als von Siegen. Logisch ist man enttäuscht. Das
Ziel war in China klar definiert: Ich wollte Weltmeister
David Lamas große Liebe gehört dem Fels, in Wettkampfzeiten heißt es
werden und das ist nicht gegangen. Da ist man jetzt nicht aber darauf zu verzichten.
überglücklich, dass man noch eine Medaille gerettet hat.
Das Ziel ist verfehlt worden, ganz klar. Trotzdem muss man Lama: Absolut nicht! Letztes Jahr habe ich die Sagwand ge-
sich mit dem abfinden, was war, und das hat gepasst. macht, eine Erstbegehung, die in der alpinen Welt für viel
LDB: Siehst du dich eher als Hallen- oder als Felskletterer? Aufsehen gesorgt hat. Wir haben drei, vier Fotos gemacht
Lama: Ich sehe mich zurzeit als Allrounder. Die große Liebe und die waren auch für uns bestimmt. Das ist erst danach
ist sicher der Fels, aber der Wettkampf ist auch etwas, was so gepusht worden. Ich klettere für mich selber und nicht
mich trotzdem extrem motiviert. für irgendwen.
LDB: Verhindert letztlich der Fels die Erfolge in der Halle? LDB: Du lebst als Kletter-Profi mit tollen Sponsoren wie Mam-
Fällst du also beim Wettkampf leistungsmäßig zurück, wenn mut, Red Bull und dem Ötztal. Top-Kletterer wie Alex Hu-
du viel im Fels bist? ber oder Heinz Zak sind erst viel später dorthingekommen, wo
Lama: Absolut. Hallen- und Felsklettern sind extrem ver- du jetzt schon bist: Steigert das den Erwartungsdruck für dich,
schieden. Das kann man miteinander nicht vergleichen, vor oder ermöglicht es dir erst deine Erfolge?
allem, wenn man sich auf den Wettkampf spezialisiert. Lama: Es ermöglicht eher erfolgreich zu sein. Meine Spon-
LDB: Haben deine Mitstreiter im Wettkampf eher die Entschei- soren sind nicht so, dass sie da Druck ausüben. Das mache
dung für die Halle getroffen, oder machen die auch beides? ich schon selber, da ich ja die Leistung bringen will. Meine
Lama: Alle, die vom Felsen kommen, werden sich nie mehr Sponsoren sind wesentlich toleranter wie ich. Es war immer
von dort lösen, und alle, die von der Halle kommen, lösen mein Traum und meine oberste Priorität, vom Klettern zu
sich irgendwann von den Felsen. leben. Und mit dem bin ich jetzt extrem glücklich. Ich
LDB: Wohin wird sich der Alpinismus mit deiner Generation werde sicher mein Leben lang klettern.
entwickeln: Mehr Wettkampf oder mehr Fels? LDB: Wie gehst du mit dem Rummel um, der um deine Person
Lama: Es wird beides nebeneinander existieren: Die Leute gemacht wird?
werden stärker, haben mehr Erfahrung und sie müssen sich Lama: Das lernt man, da kommt man rein. Man bekommt
nicht erst die besten Methoden suchen. Die sind schon wei- eine Routine und weiß, wie man mit den Medien umgehen
tergegeben worden. Und es werden mehr Leute kommen, muss. Es war aber mein Ziel, vom und mit dem Klettern zu
die extrem stark sind und manche werden Expeditions- leben, und von dem her habe ich mit dem umgehen lernen
bergsteiger, manche werden Boulderer oder Sportkletterer. müssen. Wobei das aber nicht heißt, dass es mich stört.
LDB: In der Halle hast du viel Publikum, wirst angefeuert, aber LDB: Peter Habeler hat dich quasi „entdeckt“. Könnte sein Be-
am Fels bist du – abgesehen von Fotograf und Kameramann – reich, das Expeditionsbergsteigen auf die Achttausender, lang-
tendenziell allein. Brauchst du mittlerweile Zuseher, um Leis- fristig auch für dich interessant werden?
tung zu bringen? Lama: Es muss jetzt kein Achttausender sein, aber die gro-
FOTO: GEPA PICTURES/RED BULL PHOTOFILES

Den WM-Titel als Ziel:


Wettkampfklettern ist
längst ein Leistungs-
sport auf sehr hohem
Niveau geworden.

ßen Wände reizen mich natürlich ßen, weil ich gar nichts ausschließen gehört für mich immer absolut dazu.
schon. Das hängt jetzt nicht mit dem will. Aber es ist nichts, was ich geplant LDB: Bedeutet es dir etwas, auf dem Gip-
Peter Habeler zusammen. hätte. Das macht für mich nicht fel zu stehen, oder ist der Weg für dich
LDB: Er ist also nicht dein Vorbild ge- „mehr“ Klettern aus als irgendetwas wichtiger?
worden? anderes. Es ist keine besondere Form. Lama: (lacht) Es ist schon beides. Es ist
Lama: Von Vorbildern halte ich relativ Da gibt es andere Herausforderungen lässig, auf dem Gipfel zu stehen, aber
wenig. Ich möchte meine Sachen ma- auch. es geht mir um die Herausforderung,
chen. Mit einem Vorbild verbinde ich LDB: Was macht für dich generell den wie ich rauf komme. Es geht sehr viel
immer eine großartige Leistung, die Reiz am Klettern aus? um den Stil.
ich eigentlich selber machen möchte. Lama: Klettern ist relativ groß. Klet- LDB: Was sind deine nächsten Projekte?
Ich setze mir meine Ziele selber, finde tern reicht für mich vom Bouldern Lama: Im August bin ich mit dem
aber, dass es extrem viele Leute gibt, bis zum Expeditionsbergsteigen. Das Mammut-Team-Trip in Kirgistan un-
die für ihre Leistungen bewundert taugt mir auch so. Innerhalb der gro- terwegs, zudem möchte ich in Italien
gehören. ßen Familie des Kletterns gibt es also eine 1000 Meter hohe, extrem brü-
LDB: Geht es dir am Fels deshalb eher noch so viel, was man machen kann. chige Wand machen, die 200 Meter
darum, Neutouren zu eröffnen, als be- Da findest du immer wieder etwas überhängt. Es gibt bei mir Projekte,
stehende Routen zu wiederholen? Neues, für das man sich motivieren die ich „mitnehme“ – so wie zuletzt
Lama: Erstbegehungen sind sicher kann. Außerdem ist es so lässig, dass die Petit Dru im Mont-Blanc-Gebiet
spannender, es ist immer ein neues man mit Freunden unterwegs ist. Das und Projekte, auf die ich langfristig
Abenteuer und um einiges intensiver, hinarbeite.
als Bestehendes zu wiederholen. Aber LDB: Kannst du dir auch vorstellen, ein-
es gibt auch Touren, die ich unbedingt
wiederholen möchte. Den Sommer
möchte ich unbedingt die Lalidera
i Zur Person mal Bergführer zu werden?
Lama: Ja, das ist sogar eines von mei-
nen Zielen. Weniger wegen dem Füh-
David Lama wurde als Sohn eines nepalesischen
klettern. Also was richtig Klassisches. Bergführers und einer Österreicherin 1990 in ren, sondern weil es mich einfach in-
Genauso haben die Erstbegehungen Innsbruck geboren. Seit seinem 6. Lebens- teressiert. Das Thema Berg beschäftigt
ihren Reiz. Ich sage also nicht: Es gibt jahr wird sein Klettertalent, das Peter Habeler mich sehr stark. Man lernt einfach ex-
bei einem Jugendcamp im Zillertal entdeckte,
nur Erstbegehungen oder nur Wieder- gezielt gefördert und zeigte sich schon in jungen
trem viel beim Bergführer-Kurs, und
holungen. Für mich existiert beides. Jahren hoch erfolgreich bei Kletterbewerben. Mit das ist einfach Wissen, das man sich
LDB: Nachdem du ja mental sehr stark 10 Jahren kletterte er seinen ersten 8a, mit 13 selber nicht so gut aneignen kann.
bist: Sind free solo-Begehungen für dich Jahren 8c. Heute ist er als Profi mit Sponsoren Solange ich im Wettkampf klettere
wie Mammut, Red Bull und dem Ötztal gleicher-
ein Thema oder könnten sie ein Thema werde, wird es das aber zeitlich nicht
maßen bei Wettkämpfen wie am Fels erfolgreich.
werden? www.david-lama.com spielen.
Lama: Nein. Ich will’s nicht ausschlie- Klaus Haselböck

10 05 2009

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