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Zur

Geschichte und Lehre


der

internationalen Gemeinschaft.

Eine

zur Erlangung der Würde

eines Magisters der diplomatischen Wissenschaften


mit Genehmigung
Einer Hochverordneten Juristen-Facultät

der

kaiserlichen Universität zu Dorpat

verfasste Abhandlung^

Witold Zaleski,
Cand. dipl.

DORPAT 1806.

D r II ck von H e i n r i ch L a a k m a n n.
Gedruckt mit Genehmigung der Jiurislen - Facultät der Kaiserlichen Uni-
versität Dorpat.
Dorpat, den 1. März. 1866.

Nr. 40. Dr. A. Bulmerincq,


d. z. Prodecan der Juristen - Facultät.
Vorwort .

Di'ie geschichtliche Entwickelung der Staaten und Völker hat


diese sowohl auf dem Gebiete der geistigen als auf dem der mate-
riellen Interessen dergestalt zu einer Solidarität geeint, dass sie
nicht weiter im Stande sind, sich der Gemeinschaft zu entziehen
und zu isoliren. Andererseits können aber auch die Schicksale
eines einzelnen Staates unmöglich ohne Rückwirkung auf die
übrigen bleiben. Die internationale Gemeinschaft hat sich aber
erst allmälig herausgebildet.
Die antike Staatsidee mit dem Principe der Isolirtheit und
der politischen Ungleichheit unter den Staatsangehörigen selbst,
war der internationalen Gemeinschaft widerlich. Der nationale
Staat war das höchste auf Erden und ihm die Weltherrschaft
zu verschaffen, das Ziel seiner Herrscher. Den Abschluss des
Alterthums bildet die römische Universalmonarchie, welche für
jene Zeit die Entwickelung jedes Völkerrechts als eines Rechts
selbstständiger und gleichberechtigter Staaten behinderte. Das
Mittelalter brachte zur Herrschaft die religiösen Interessen und
das germanische Individualitätsprincip. Die ganze Menschheit
sollte zu einer religiösen Gemeinschaft mit einem geistlichen und
weltlichen Oberhaupte geeint werden. Aber es zeigte sich
bald, dass die religiösen Interessen nicht im Stande seien, die
Menschen zu vereinigen, sie vielmehr vielfach trennen, und dass
eine internationale Gemeinschaft auf diesen Interessen nicht be-
gründet werden kann. Das Individualitätsprincip aber, welches
im Lchnswesen zur Herrschaft kam, machte jede Entwickelung
zur Allgemeinheit unmöglich. Auch dieser Versuch des Mit-
telalters war ein verfehlter.
Mit dem wiederaufgenommenen Studium der classischcn
Literatur verdrängten die politischen Interessen die religiösen,
während das Lehnswesen durch die Idee der Nationalitäten ge-
brochen wurde. Es entstanden grössere Staaten mit coucentrirter
Staatsgewalt, die im Namen dieser Idee um ihre Existenz und
Herrschaft den Kampf begannen. In den Beziehungen der
Staaten kamen nur reinpolitischc Zweckmässigkeitsrücksichten
zur Geltung und versucht ward die internationale Gemeinschaft
auf dem Principe des politischen Gleichgewichts zu begründen.
Die Repräsentanten dieser Richtung waren in der Theorie
Machiavelli und in der Praxis der Cardinal Richelieu. Gleich-
zeitig verbreiteten sich nationalökonomische L e h r e n , deren
Wichtigkeit für die Begründung der politischen Ueberlegenheit
eines Staates schon damals nicht verkannt wurde. So verdankte das
Merkantilsystem seinen Ursprung mehr den Regierungsmassregeln
eines Colbert und eines Cromwell als theoretischen Forschungen,
und diente lange als Richtschnur für die den Staat leitenden
Staatsmänner.
Seit der Mitte des X V I I I J. machte sich eine Reaction
geltend gegen die damaligen sowohl politischen als ökonomischen
Ideen. Die französische Revolution war ein grossartiger Versuch,
diese Reactionsideen auf dem Gebiete der Thatsachen durchzu-
führen. Die wirthschaftlichen Lehren aber, nachdem sie sich
durch die Schule der Physiokraten durchgearbeitet hatten, be-
kamen in A. S m i t h ' s freien Industriesysteme eine neue Rich-
tung. Die Anerkennung der gegenseitigen Abhängigkeit der
Staaten auf dem Gebiete der materiellen Interessen, die Lehre
von der internationalen Arbeitstheilung — waren die Resultate
des neuen Systems. Was die religiösen Ideen des Mittelalters
und die rein politischen der neueren Zeit herbeizuführen nicht
vermocht hatten, versuchten jetzt die materiellen Interessen:
nemlich eine internationale Gemeinschaft. Nachdem die Smith'-
schen Lehren ihren ersten Sieg in England gefeiert hatten,
fingen sie allmälig an, auch auf dem Continente festen Fuss
zu fassen. So in Frankreich, innerhalb des deutschen Zollvereins, in
Belgien, Holland, der Schweiz u. s. w. Endlich scheint auch Oester-
reich sich zum Princip der freien Handelspolitik bekennen zu wol-
len. Aber die den Fortschritt der Menschheit hervorragend bestim-
menden Momente sind nicht die moralischen und ökonomischen.
sondern die intellectuellcn. So wird auch die internationale
^ Gemeinschaft, wenn sie eine dauerhafte sein soll für die Zukunft
!> auf rein intellectuellen Interessen der Menschheit begründet sein,
zumal die moralischen und ökonomischen nur eine Wirkung
der intellectuellen sind.') Für die Gegenwart ist aber freilich
die internationale Gemeinschaft noch vorwiegend auf der Ge-
meinschaft der materiellen Interessen begründet.
In Anleitung des vorstehend Entwickelten beabsichtigen
wir im ersten Theile unserer Abhandlung eine geschichtliche
Entwickelung der internationalen Gemeinschaft, während im
zweiten die Wirkung derselben im Einzelnen dargelegt werden
soll. Indem wir mit dem Ganzen eine weitere Ausführung der
von R. V. M o h l zur Aufgabe des Völkerrechts erhobenen
Pflege der internationalen Gemeinschaft-) versuchen, sind wir
zugleich bemüht gewesen, den Einfluss der politischen Oecono-
mie auf die letztere darzulegen.
Im Völkerrecht stehen die Interessen der einzelneu Staa-
ten denen der intern. Gemeinschaft gegenüber, von welchen
die ersteren durch das Princip der Souveränetät, die letzteren
durch das der intern. Gemeinschaft, repräsentirt sind, gleich wie
auf dem Gebiete der materiellen Interessen neben dem Eigen-
nutz der Gemeinsinn zur Geltung gelangt. Früher wurde
sowol in der Theorie als Praxis vorzüglich das Souveränetäts-
princip betont. Jetzt aber, wo man zur Vermittelung beider das
intern, ßeclitsprincip ausersehen hat, ist man bestrebt die Sou-
veränetät der Staaten zu Gunsten der intern. Gemeinschaft zu
beschränken.
Wir erheben keinen Anspruch, weder auf eine vollständige
noch durchweg auf eigener Forschung beruhende Darstellung.
Namentlich haben wir uns in Bezug auf den ersten Theil darauf
beschränkt, die Entwickelung der internationalen Gemeinschaft
der Völker und der nationalökonomischen Lehren und Auflas-
sungen, nach anerkannten Arbeiten auf diesen Gebieten, mög-
lichst kurz zu skizziren. Ausserdem wird unsere Arbeit als
eine Erstlingsschrift wohl auch auf die einer solchen zukom-
mende Nachsicht Ansprucli erheben dürfen.
Gescilichlliche Enlwickelung der inlernallonalen
Gemeinschaft.

L'histoire du droit des gens nous montre le


genre humaln s'avan§ant vers un avenir de paix et
d'unite. (Laurent, Hist. du droit des Gens. Gand.
T. I, p. VIII.)

1. Das Alterthum.

Im Alterthum waren alle Bedingungen vorhanden um eine


internationale Gemeinschaft unmöglich zu m a c h e n . Der antike Staat
b e t r a c h t e t e sich als die W e l t im Kleinen und schloss sich eifersüchtig
gegen das A u s l a n d , das er als barbarisch u n d unrein betrachtete,
ab. Alles w a r auf den einzelnen Staat b e r e c h n e t , er h a t t e seine
eigenen Götter u n d religiösen Vorstellungen u n d j e d e r Bürger musste
sein persönliches W o h l dem Gedeihen des Vaterlandes zum Opfer
bringen. Selbst die einzigen Berührungspunkte der damaligen Völ-
ker — der K r i e g , und der Handel trennten m e h r als sie b a n d e n .
Carey hat die innige Verbindung zwischen Krieg und Handel in
den Anfangsperioden der Gesellschaft nachgewiesen und zugleich
gezeigt, dass der Krieg nur u m das Handelsmonopol zu erlangen
und alle anderen Völker von demselben auszuschliessen, geführt
wurde
D a s Gesetz des Alterthums *) w a r die Isolirtheit und hat es
sich zur I d e e der Einheit der Menschheit nicht emporgehoben. Viel-
fach h e m m e n d w i r k t e auch das Kastenwesen. Schon die Religion
h a t den Völkern des Alterthums g e l e h r t , dass eine natürliche Un-
gleichheit zwischen sie gesetzt sei und wenn i n n e r h a l b eines n n d
desselben Staates Berechtigte und Rechtlose sich fanden, wie k o n n t e
d a ein F r e m d e r Anspruch auf ein R e c h t e r h e b e n ? D a s Recht des
S t ä r k e r e n w a r d a s einzig geltende in den internationalen Beziehun-
gen u n d die Völker sahen sich gegenseitig als natürliche F e i n d e an,
zwischen denen ein ewiger Krieg galt und j e d e r F r i e d e n u r als Waf-
fenstillstand betrachtet w u r d e . Wenngleich d e m n a c h kein eigentliches
Völkerrecht im Alterthum b e s t a n d , so k o n n t e n dennoch die Staaten
der damaligen Zeit nicht vollständig von internationalen Beziehungen
fern bleiben und w e n n m a n selbst bei den Wilden und Halbwilden
K e i m e des Völkerrechts zu entdecken geglaubt hat so ist es wohl viel
thunlicher d a s j e n i g e , w a s die Völker des Alterthums in ihren inter-
nationalen Beziehungen zu beobachten pflegten, als Vorbereitung
und Material, aus w e l c h e m sich das jetzige europäische Völkerrecht
geschichtlich entwickelt hat, zu betrachten. Deshalb sei es uns gestattet
einzelnes a b e r die Staaten des Alterthums hervorzuheben und d a wir zu-
erst die Theocratien betrachten wollen, so beginnen w i r mit Indien
Das von der N a t u r so verschwenderisch ausgestattete Indien
war der Schauplatz fortwährender Kriege. Zuerst kämpften die
eingewanderten Arier mit den Ureinwohnern u n d als diese zurück-
gedrängt w u r d e n , kämpften sie unter einander. W e n n von interna-
tionalen Beziehungen bei den Bewohnern Indiens die R e d e sein k a n n ,
so gilt dies n u r von den Beziehungen zwischen den arischen Völker-
stämmen. J ü a n u ' s G e s e t z b u c h ist das ersteLehrbuch der diplomatischen
Kunst und obgleich von so h o h e m Alter, k a n n es dennoch ebenbürtig
einer Leistung Machiavelli's zur Seite gestellt w e r d e n . Es enthält
weit ausgesponnene Rathschläge für die Könige über deren Verhalten
zu fremden Mäcliten, über Diplomatie und Kriegführung Ungeachtet
der wesentlich Indien eigentliümlichen Isolirtheit, b e s t a n d e n seit den
frühesten Zeiten Verbindungen zwischen demselben und d e m A b e n d l a n d e .
Ein wichtiger theocratischer Staat w a r Aegypten mit einem
sehr entwickelten K a s t e n w e s e n , obgleich dasselbe niemals die H ä r t e
und Schroffheit erreictite, wie in Indien. E s w a r der Staat des
eifrigsten C o n s e r v a t i s m u s , bis sein Leben endlich an eben dieser
Stabilität zu G r u n d e ging®). Die Aegypter hielten sich für ein be-
vorzugtes Volk, w ä h r e n d draussen die Barbaren und U n r e i n e n , die
verworfenen Geschlechter wohnten. Aegypten w a r das^einzige L a n d ,
wo das Gastrecht nicht geübt w u r d e . T r o t z d e m k o n n t e es w e g e n
seiner günstigen L a g e nicht ganz vom Welthandel und von interna-
tionalen Beziehungen fern bleiben und w u r d e Mittelpunkt eines be-
deutenden H a n d e l s v e r k e h r s . Als Psammetich den Phönikiern und
Griechen alle Häfen öffnete, w a r e n die Zeiten der alten Abgeschlos-
senheit Aegyptens vorüber. Einige von seinen Pharaonen, wie
R a m s e s II. Miamun und die Nachfolger P s a m m e t i c h ' s w u r d e n selbst
E r o b e r e r , wobei ihr Kriegsrecht als ein sehr grausanoies sich erwies.
n
Als Ideal einer Theocrafie erscheint der Staat der Hebräer^).
Als das anserwähltc Volk Gottes betrachteten sie alle übrigen Völker
als u n r e i n e , mit dem Götzendienste befleckte. Obgleich kein kriege-
risches V o l k , haben sie viele Kriege durchfechten m ü s s e n , welche
alle religiöse und d a h e r g r a u s a m e und Vernichtungskriege waren.
Denn mit den sieben Erbfeinden und den Amalekitcrn durfte kein
Bündniss geschlossen werden. Den F r e m d e n w a r früher nicht ein-
mal der D u r c h z u g durch Palästina gestattet und wenn sie sich da
aufhalten wollten, so mussten sie sich wenigstens zu den sieben
Satzungen der Söhne Noe's b e k e n n e n , wo sie dann als Beisasseji
oder Hausgenossen galten. Nach der Eigenthümlichkeit der hebräi-
schen KriegsaufTassung durften die H e b r ü e r am S a b b a t e sich gegen
ihren Feind nicht vertheidigen. Pompejus benutzte dies Vorurtheil
der H e b r ä e r zur E i n n a h m e des T e m p e l s . L a u r e n t fügt zu dieser
T h a t s a c h e folgenden Ausspruch : „II y a dans leur conduite en ap-
„ p a r e n c e insensee, un sublime devouemcnt aux plus g r a n d s intörets
„ d e r h u m a n i t e : ce peuple etait n e m a r t y r et prophete. Un temps
„ v i e n d r a oü tous les j o u r s seront les j o u r s du Soigneur, oü toutes les
„nations seront les peuples de Dieu, et cclcbreront en paix les fetes
„de rEternel«.

U n t e r den kriegerischen Staaten des Alterthums ragt vorzüglich


das Verserreich hervor '"). Der Krieg w a r in j e n e r Zeit der gänz-
lichen Abgeschlossenheit der Staaten ein wichtiges Cnlturmittel, wel-
ches ueben d e m Colonialweseu imd dem H a n d e l die verschiedenen
Völker in B e r ü h r u n g brachte. Die E r o b e r e r waren n u r W e r k z e u g e
in der H a n d Gottes und ihre Tliaten befiirderten den Fortschritt.
D i e persischen Könige waren die e r s t e n , die nach einer Universal-
herrschaft gestrebt haben. Man lindet im Perserreich eine
zweckmässige Einrichtung der Verwaltung u n d des Heerwesens, ein
Steuersystem, welches sich von der systematischen Aussaugung In-
diens fern h i e l t , eine königliche Post zur Beförderung der königli-
chen Briefe und Botschaften. Hier w a r e n zum ersten Male die bis
dahin getrennten lokalen und nationalen Bildungen Asiens : indisches
und hellenisches, ägyptisches und b a k t r i s c h e s , syrisches und arme-
nisches, lydisches und medisches W e s e n zu einem Ganzen vereinigt.

U n t e r den handeltreibenden Völkern des Alterthums sind be-


sonders wichtig die Phönizier und Karfhofier Bei den letzteren
findet man die ersten Soldtruppen, ein Institut, das sich bis in unser
J a h r l n m d e r t hinein erhalten hat. Bei ihnen b e w ä h r t sich die in der
Geschichte bewiesene T l i a t s a c h e , dass die handeltreibenden Staaten
eine weit d r ü c k e n d e r e Herrschaft über die eroberten L ä n d e r ausüben
als die kriegerischen, denn die U n d u l d s a m k e i t ist bei den ersten eine
Handelsspeculation imd ist von j e d e m Monopolwesen unzertrenn-
lich. Die Geschichte von K a r t h a g o ist nicht viel m e h r als ein Be-
richt von K r i e g e n , die z u m Zweck der Monopolisirung des Handels
geführt w u r d e n . Colonien wurden g e g r ü n d e t , um sie von allem Ver-
kehr mit der W e l t auszuschliessen, der nicht durch k a r t h a g i s c h e
Schifl'e und Kaufleute vermittelt w a r . Alle B e w e g u n g e n des Han-
delsmannes w a r e n in das tiefste Geheimniss gehüllt, um das Monopol
zu e r l a n g e n " ) . Die phönicischen S t a a t e n w a r e n blutdürstig in ihrer
Religion, g r a u s a m im Kriege und despotisch im F r i e d e n . Alle i m
W e s e n des Handels wurzelnde Niedrigkeit und Gewaltsamkeit kam
bei den K a r t h a g e r n zum Vorschein.
Griechenland, welches die ersten Keime seiner Cultur dem
Oriente verdankt, behauptete dieselbe Isolirtheit gegenüber allen
übrigen V ö l k e r n " ) . Alle Nichtgriechen galten als B a r b a r e n und
noch I s o c r a t e s behauptete, dass wie der Mensch allen Thieren, so
der Grieche allen B a r b a r e n überlegen sei. E r s t A l e x a n d e r der Grosse,
d e r nach einer Universalmonarchie s t r e b t e , suchte eine Versöhnung
des hellenischen und orientalischen W e s e n s herbeizuführen, und be-
handelte die besiegten Perser auf gleichem F u s s e mit den Griechen.
W e n n also von internationalen Beziehungen die R e d e ist, so gilt dies
blos in Bezug auf die verschiedenen griechischen Völkerschaften.
Doch b e k a n n t e n sich die Griechen in ihren gegenseitigen Streitigkeiten
offen zum Recht des S t ä r k e r e n , obgleich der Krieg bei ihnen weit
humaner und schon bestimmten Regeln unterworfen wurde.
Zweikämpfe und Schiedsgerichte wurden oft zur E r l e d i g u n g von
Feindsebgkeiten gebraucht und es k a m e n keine V e r n i c h t u n g s k r i e g e
m e h r vor. N u r das Unschädlichmachen des F e i n d e s w u r d e erstrebt
und öfters nach E n t s c h e i d u n g des Sieges dem schwächeren Theil
freier A b z u g gewährt. Vorzüglich hat a b e r die Religion auf Minde-
rung der Kriegsübol hingewirkt. Alle T e m p e l und den Göttern
g e w e i h t e Orte w a r e n unverletzliche A s y l e , welche die u n g e b ä n d i g t e
R a c h e l u s t des Siegers h e m m t e n . Die Religion suchte auch die grösste
Schattenseite der hellenischen R a ^ e , ihre Falschheit (Perfidie) zu
mindern. Einen i n t e r n a t i o n a l e n , civilisatorischen Einfluss ü b t e n die
O r a k e l selbst über die hellenische Welt hinaus. Sie verbanden Grie-
chen und B a r b a r e n , d e n n die einen wie die a n d e r n kamen zu den- •.
selben Orakelstätten, um die Götter um R a t h und Hülfe a n z u g e h e n . — ^
Die Griechen w a r e n k ü h n e S e e r ä u b e r , und mit dem Seeraube be-
g a n n e n alle h a n d e l t r e i b e n d e n Völker des A l t e r t h u m s , und kehrten >
zu demselben so oft zurück, als er ihnen vortheilhafter als der Han- i
del schien. Zur' Beförderung des V e r k e h r s zwischen den griechi-
schen Staaten w u r d e n von d e m einen in dem a n d e r e n sog. nQo^fvoi,
welche sich der Fi-emden a n n a h m e n , bestellt. Sie w a r e n eine Art \
von Handelfeconsuln und w u r d e n gewöhnlich in Folge eines Handels-
vertrages {avftßoXu) eingesetzt. Kriegserklärungen und Friedensbedin- \
g u n g e n w u r d e n durch Herolde (x^jjwxtc) Uberbracht, weshalb sie auch \
öffeAo» w a r e n , u n d j e d e Verletzung ihrer Person als das grösste Ver- '
brechen betrachtet w u r d e . — In Griechenland finden sich endlich die i
ersten K e i m e eines politischen Gleichgewichtssystems, welches a b e r die ;
griechischen Staaten dermassen schwächte, dass sie zuletzt den
fremden E r o b e r e r n keinen W i d e r s t a n d zu leisten im S t a n d e w a r e n .
Die Verwirklichung der Universalmonarchie, des Ideals des *
g a n z e n Alterthums, w a r den Römern beschieden. Die g a n z e histo.
rische E n t w i c k e l u n g R o m s und insonderheit die Politik des römischen j

Senats w a r e n darauf gerichtet, den R ö m e r n das Imperium m u n d i zu '


erkämpfen **). D e r Senat befolgte die geschickte u n d unbeugsame ;
(habile et inflexible) Politik, j e d e n F r i e d e n s a n t r a g nach einer verlo- i
renen Schlacht abzuweisen u n d niemals mit einem F e i n d e , der sich j

innerhalb der Grenzen der Republik befand, zu u n t e r h a n d e l n . E r v e r s t a n d '


sich der auswärtigen Kriege zu bedienen, u m inneren Kriegen vorzu- |
b e u g e n , und die Besiegten durch Milde u n d W o h l t h a t e n zu gewinnen, t

i n d e m sie allmälig zur grossen römischen F a m i b e a n g e n o m m e n wur- }


den. D a r a u s e r k l ä r t sich das s t a u n e n s w e r l h e Schauspiel einer Stadt, |
die z u m Volke wird, und eines V o l k e s , das die W e l t umfasst. Die \
internationalen Beziehungen waren deshalb meist kriegerischer N a t u r j
u n d der F r i e d e galt n u r als Folge eines V e r t r a g s . A b e r der Krieg ^
w a r schon b e s t i m m t e n rechtlichen F o r m e n unterworfen, welche den
Inhalt des sog. F e t i a l r e c h t s bilden. U e b e r Krieg und Frieden ent- |
schieden allein der populus und der Senat, die verschiedenen religiösen
Ceremonien a b e r bei Kriegserklärungen u n d Friedensschlüssen waren
dem C o l l e g i u m der Fetialen überlassen. — D a s j u s gentium ist weit ent-
fernt, dem jetzigen Völkerrechte zu entsprechen, es ist n u r ein Privat-
Völker-Verkehrsrecht'*) (quod vero naturalis ratio inter omnes homi-
nes constituit, id apud omnes populos p e r a e q u e custoditur). Dies
Recht w u r d e vom praetor peregrinus in seinem Edlcte zur Richt-
schnur g e n o m m e n . Der F r e m d e w a r in R o m nicht schutzlos ; fand
er keinen Gastfreund, der ihm in Rechtsstreitigkeiten beistehen wollte,
so w a n d t e er sich a n den Patron seines L a n d e s oder seiner Stadt.
F r e m d e konnten für besondere Verdienste um den römischen Staat
das volle Bürgerrecht u n d damit zugleich das jus commercii und
conmtbii so wie das jus honorum durch ein Privilegium e r l a n g e n ,
bis endlich Kaiser C a r a c a l l a allen Freigeborenen der ganzen römi-
schen W e l t m o n a r c h i e das römische Bürgerrecht verlieh. D e r cosmo-
politische Sinn der R ö m e r zeigt sich auch d a r i n , dass der religiöse
Glaube kein Hinderniss bei E r l a n g u n g der Civität w a r . Das Ver-
tragsrecht und das Gesandtschaftswesen w a r e n in R o m sehr entwickelt
und die Person des Gesandten unverletzlich '*). Ungeachtet aller
formell-rechtlichen Beschränkungen k a n n m a n in den internationalen
Beziehungen d e r R ö m e r kein materielles Recht und somit auch keine
Gerechtigkeit finden. Die Republik schloss mit der P l ü n d e r u n g der
Welt und den Bürgerkriegen. Diese letzteren waren mit G r a u s a m -
keiten v e r b u n d e n , welche in so hohem Maasse schwerlich sonst in
der Geschichte vorkommen, und sie endeten mit der Herr-
schaft der rohen Gewalt. W e n n der Krieg das Gesetz der Republik
w a r , so w u r d e der F r i e d e das des Kaiserreichs. Die römische Welt-
herrschaft, das Imperium orbis terrae mit der R o i n a n a p a x galten
selbst bei Philosophen und Historikern der damaligen Zeit für das
Ideal der Menschheit und die einzige Stütze der Welt. Den Unter-
g a n g derselben betrachteten die ersten Christen als identisch mit dem
U n t e r g a n g e des Universums. A b e r dieser Friede w a r n u r ein schein-
barer, vergeblich schloss Augustus den T e m p e l des J a n u s , an den
Grenzen tobte es immerfort, u n d die Barbaren störten die behagliche
R u h e der Herren der W e l t . Aber so imponirend w i r k t e die I d e e
der römischen Universalherrschaft auf die Vorstellungen d e r Völker,
dass sie später in d e m heiligen römischen R e i c h e deutscher Nation
ihre W i e d e r g e b u r t feiern konnte, und auf d e m W i e n e r Congress von
1815 noch gewichtige Stimmen sich erhoben, die ihr Bedauern ü b e r
das Aufgeben dieser welthistorischen Idee aussprachen. — Unter der
römischen Welt-Herrschaft konnte kein Völkerrecht entstehen. Un-
abhängige Staaten, die unbedingte Voraussetzung desselben, existirten
nicht mehr. Alle h a t t e R o m verschlungen und der N a c h k o m m e n -
schaft einen Haufen von T r ü m m e r n als Erbschaft der Weltbeherrscher
hinterlassen. R o m schliesst die Geschichte des Alterthums. E s hatte
das Ideal desselben: die Universalmonarchie verwirklicht und zugleich
seine weltgeschichtliche Mission, die Vorbereitung des Christenthums
zu sein, erfüllt. E s tritt also von der B ü h n e der Weltgeschichte a b ,
u m n e u e n Ideen und d a z u auch neuen Völkern Platz zu m a c h e n .
D a s Leben w a r von ihm gewichen, es musste als leere Schaale zer-
brochen .werden. Die I d e e einer Universalmonarchie hatte aber i m m e r
noch etwas Anreizendes für den Ehrgeiz der Grossen, sodass sie unter
verschiedener, mannigfaltig modificirter Form immerfort wieder hin-
aufbeschworen w u r d e aus dem Reiche der S c h a t t e n , wohin sie die
Weltgeschichte als abgelebte F o r m für die E r z i e h u n g der Menschheit
verwiesen hatte.
W i r haben w a h r g e n o m m e n , dass das Alterthum zur I d e e einer
internationalen Gemeinschaft sich nicht erhoben bat. Jeder Staat
betrachtete sich als den allein b e r e c h t i g t e n , w ä h r e n d alle übrigen
ihm für rechtlos galten, und er allein sollte zur Herrschaft k o m m e n .
Die Verwirklichung'dieser I d e e w a r die römische Universalmonarchie,
welche aber auch die Negation j e d e s Völkerrechts war.
Bei solchen politischen Anschauungen des Alterthums konnten
auch die wirthschaftbchen n u r wenig entwickelt sein und erhoben
sich erst mit der Zeit zu grösserer und zwar solcher T r a g w e i t e ,
dass s i e , wie wir später sehen w e r d e n , sogar eine rückwirkende
Kraft auf die internationalen Beziehungen der Staaten üben k o n n t e n .
Obgleich die Nationalökonomie nebst dem Völkerrechte die j ü n g s t e
der Staatswissenschaften") ist. so k a n n m a n doch w e d e r dem'Alterthunie
noch dem Mittelalter wiithschaftliche Ideen und Grundsätze abspre-
chen '*). Das Charakteristische des ökonomischen Lebens des Alter-
thums b i l d e n : der Mangel an S e l b s t b e s t i m m u n g , indem das Indivi-
duum im Staate aufging und ausserhalb desselben keine Rechte
beanspruchen k o n n t e , die Institute des Kasteuwesens u n d der Scla-
v e r e i , der Mangel an Maschinen und einem M i t t e l s t a n d e , der sich
der freien Pflege der wirthschaftlichen Interessen hingegeben und die
Achtung für die wirthschaftliche Arbeit erkämpft hätte. Bei den
Griechen und R ö m e r n w a r der freie Bürger durch das öffentliche
Staatsloben ganz in Anspruch g e n o m m e n und deshalb j e d e materielle
A r b e i t , mit A u s n a h m e des Ackerbaues für eines freien Bürgers un-
würdig erklärt und mit Geringschätzung u n d Missachtung gebrand-
markt. Die Staaten des Alterthums waren auf E r o b e r u n g e n hinge-
wiesen , n ä h r t e n sich gerne von den F r ü c h t e n fremder Arbeit und
Anstrengung, und w a r e n sehr oft schweren Krisen u n d erbitterten
Parteikämpfen ausgesetzt. Die gewerbliche Industrie w a r sehr un-
vollkommen , es überwog fast überall die Hausindustrie. Das
Alterthum hat sich im Gegensatze zu dem N e u e r e n vorzugsweise mit
der Vertheilung und dem Gebrauch der nationalen Reichthümer
beschäftigt und die moralische Seite viel entschiedener als in der
neueren Zeit betont. So w a r die Mosaische Gesetzgebung darauf
bedacht, einer grossen Ungleichheit des Vermögens vorzubeugen und
der E i n b ü r g e r u n g eines verderblichen P a u p e r i s m u s entgegenzuwirken.
E s sollten von k e i n e m I s r a e l i t e n , sondern n u r von F r e m d e n (z. B.
phönikischen Kauflenten) Zinsen erhoben w e r d e n " ) . Als Grund hierfür
wurde angeführt, dass n u r die A r m e n ein D a r l e h e n nöthig hätten,
diesen a b e r das Darlehen als Pflicht der Nächstenliebe u n d nicht als
Mittel der Bereicherung zu leisten sei.
Volkswirthschaftliche Ansichten finden sich schon bei Socrates,
Piaton und Xenophon , und k o m m e n bei T h u k y d i d e s und Aristo-
teles zu einer höheren Entwickelung. Bei den Römern finden
sich nationtil-ökonomische Ansichten bei den Landbau-Schriftstellern
( d e n Scriptores de R e A g r a r i a und den Scriptorcs de R e Rustica)
imd den J u r i s t e n . Die R ö m e r h a b e n zwar vorzüglich zur Entwicke-
lung des Rechts beigetragen, indessen sind ihrer Gesetzgebung
und ihren legislativen Einrichtungen auch Staats- und volkswirth-
schaftliche Ansichten zu entnehmen, so vorzüglich dem Corpus
juris civilis. Hier w u r d e der die R ö m e r in wirthschaftlicher Bezie-
h u n g so charakterisirende Satz aufgestellt, dass das öffentliche W o h l
dem Privatinteresse vorangehen solle (Salus populi s u p r e m a lex esto).
Auch muss noch in Bezug auf das Alterthum die mangelhafte Arbeits-
theilung auf dem Gebiete des gesammten Wissens hervorgehoben
werden, wodurch die einzelnen Erkenntnisszweige nicht gehörig
getrennt und dadurch einseitig und lückenhaft ausgefallen sind.

2. Das Mittelalter.
Die culturgeschichtliche E n t w i c k e l u n g des Alterthums k a m nicht
zur I d e e einer internationalen Gemeinschaft. Das M i t t e l a l t e r hat
den ersten Versuch gemacht, die Menschheit im N a m e n bestimmter,
namentlich religiöser Interessen zu einer Gemeinschaft zu verbinden.
In wie fern.aber die rebgiösen Ideen im Stande w a r e n , die Menschen
zu einem friedlichen Z u s a m m e n b e s t e h e n und gemeinschaftbchen Han-
deni zu vereinigen, und damti den Fortschrit der Menschheti
befördern, möge die nachfoglende Darelgung erv^ iesien.
Das Mittelalter hat die Vök ler und Staaten der Neuzeti er
gen*"). Dei Grundelmente der neuesten Civilsation sind: das Ch
stenthum, die Germanen und Rom. Dem Chrsitenthume verdanken
wri die Idee der En iheti des Menschengeschelchts. Indem es a
Menschen als gleich vor Got anerkannte, gab es die nothwend
Grundalge, auf weclher ein Gesetz für die Bezeihungen der Vök l
begründet werden konnte. Dei Idee des Vök lerrechts ist also m
dem Chrsitenthunei gegeben und ihre Vorausetzung, die Gelcihheti
aler Menschen. Vom Chrsitenthume entlehnte das Mitelalter die
Idee der Einheit, die durch den Pabst und den Kasier r
sentirt war. Aber auch die Germanen brachten neue Eelmente
Cutlur, die den früheren Zetien ganz rfemd waren. Im Gegen
zur greichsich-römsichen Aufasung des Staates, weclhe den ein-
zenlen Bürger ganz absorbrite und him auserhab l desseblen ken i
Rechte Hess, waren die Germanen die Verkünder der Rechte
Indvidiuums, des en izenlen Menschen. Dei ganze Machtfüel des
antkien Staates und ale seine Rechte wurden unter die en izen
l
Staatsangehörgien getheilt, so dass m i Mitelalter nicht der Staa
sondern der En izen
le herrschte. En ie solche Zerstückeulng aler
Rechte des Staates war die Grundalge des ganzen Lehnswesens
drohte mti dem gänzcilhen Untergange jeder Od 'inung und Cutlu
wenn nciht das Chrsitenthum, eine vorzügcilh friedliche Religion,
die Idee der En iheti der Menschheti geretet häte. Unter dem
flüsse also sowohl der christlichen Rebgoin als des Germanenh tum
hat sich das Vök lerrecht entwcikenl können. Das Lehenswesen w
ein ewgier Krieg, der als eine Art von Procesverfahren zwsich
Oberherr und Vasaeln galt. Dei Uebel des Kreiges vermehrten n
die Sod ltruppen, die von demseb len lebten und sowohl den Fen id
als auch den Freunden verderbcilh waren— . En ie erfreuliche Ersche
nmi g in dieser Zeit war das Rtierthum. Ihm verdankt man,
aus dem Gräuel der damagilen Kreige vereinzelte Erschen iungen d
Humanätit hervoreluchten. Dei riterliche Ehre und Treue kenn-
zecihneten den echten Riter. Aber es fehlte dem ganzen Leh
wesen die friedliche Gesn inung. Dei Idee des Freidens zu vertrete
und für ihre Verbretu ing zu sorgen, war Aufgabe der Kriche.
Conceiln waren m i merfort beflissen, wengistens den Priestern jedes
Bu ltvergeissen zu verbieten, und den Kreig als Queel ales Ueb
— den Frieden als unentbehrliches Erforderniss des ewigen Heils
und als Pflicht christlicher Staaten zu predigen. E s w a r ein Concil
des südlichen Frankreichs, welches zuerst den Gottesfrieden
( T r e u g a D e i ) v e r k ü n d e t e und diese Idee verbreitete sich wie ein
Lauffeuer über F r a n k r e i c h , Itaben und Deutschland. Die Kirche hat
j e d o c h nicht immer den Frieden gepredigt, sondern auch zum Kampfe
aufgefordert. Die heiligen Kriege p a r excellence w a r e n die der
Christenheit gegen die Saracenen u n d Heiden. Gegenüber den
Ungläubigen g a b es damals kein Recht u n d keine H u m a n i t ä t . Ihnen
W o r t zu halten galt für eine grössere S ü n d e , als dasselbe zu brechen.
Die K r e u z z ü g e , neben den Kämpfen d e r P ä b s t e mit den Kaisern,
das wichtigste Ereigniss des Mittelalters, w u r d e n von d e n P ä b s t e n
hervorgerufen und von der feudalen Aristocratie ausgekämpft. Aber
neben der Glut des religiösen Glaubens hat die Abenteuerlust (l'esprit
d'aventure) viel dazu b e i g e t r a g e n , eine grosse Menschenmasse aus
E u r o p a n a c h Asien hinüberzuleiten.

Ausser d e m Lehnsadel, der überall a n e r k a n n t w a r u n d überall


seine Vorrechte und Privilegien genoss, w a r die Stellung der übrigen
F r e m d e n keineswegs b e n e i d e n s w e r t h . Sie w a r e n vielfach durch das
sog. H e i m f a l l s r e c h t (droit d ' a u b e n a g e ou d ' a u b a i n e ) , das G r u n d -
r u h r r e c h t , S t r a n d r e c h t und R e p r e s s a l i e n beschränkt.
Neben dieser Ausschliesslichkeit des L e h n s w e s e n s , welche nach
einer Zerspbtterung und Individualisirung aller menschlichen Ver-
hältnisse strebte, erscheint der Kosmopolitismus der Kirche, welcher
alle Menschen zu einem grossen Ganzen unter dem Stellvertreter
Christi auf E r d e n zu vereinigen suchte. Desshalb w a r auch das
Christenthum das internationale B a n d , welches die damaligen christ-
lichen Völker vereinigte. Selbst die zahlreichen P i l g e r , die n a c h
R o m und J e r u s a l e m gingen, w u r d e n zu W e r k z e u g e n der Gesittung.
W e n n das Princip des Lehnswesens das des Stillstandes w a r , so w a r
das Princip der katholischen Hierarchie das der B e w e g u n g . Die
Kirche recrutirte sich aus der ganzen Christenheit o h n e Unterschied
der L ä n d e r und Stände. Sie zog die ganze d a m a b g e Intelligenz an
sich. Die P ä b s t e w a r e n e s , die im Mittelalter die Königswürde
ertheilten und von ihrer A n e r k e n n u n g w a r auch die gegenseitige
A n e r k e n n u n g d e r a n d e r e n Könige und F ü r s t e n bedingt. Auch b e -
zweifelte N i e m a n d bis auf Bonifacius VIII das Recht d e r Päbste,
in T h r o n - u n d a n d e r e n Streitigkeiten zu richten. So k o n n t e n sie
u n g e h o r s a m e F ü r s t e n absetzen u n d widerspenstige Völker mit dem
Interdict belegen. A b e r vorzüglich w a r e n sie als Stellvertreter Christi
berufen , Friedensstifter in j e n e r Zeit zu sein ; sie w a r e n auch die
thätigsten u n d wirksamsten Vermittler des Mittelalters, indem sie
sehr oft als Schiedsrichter auftraten. Gregor VII ist der eigentliche
Begründer der weltlichen Macht der Päbste gewesen ; er fing auch
den Weltstreit mit d e m heiligen Römischen Reich Deutscher Nation
um die Herrschaft der W e l t a n . Dieser j a h r e l a n g e Kampf dauerte
bis an's E n d e des X l l l . J a h r h . , wo auch die Kreuzzüge ihr E n d e
erreichten. Die P ä b s t e blieben Sieger, aber ihre weltliche Macht sowie
die des Lehnsadels waren g e b r o c h e n , die religiöse Glut der Kreuz-
züge w a r verlöscht und damit die L e b e n s e l e m e n t e des Mittelalters
erstickt. Den U n t e r g a n g des Lehnswesens beförderte vorzüglich das
e r n e u e r t e Studium des römischen Rechts. Die Juristen h a b e n die
rechtliche Grundlage für die spätere Allgewalt der europäischen
Monarchen geliefert. Die jetzige Gesellschuft verdankt dem römischen
Rechte das Princip der Legalität und Gleichheit, dem Lehnswesen
das der Freiheit. Das vermittelnde ,Baud der Nächstenliebe oder
d e r Brüderbchkeit knüpfte das Christeuthum. Obgleich wir also d e m
Mittelalter die ersten Bedingungen eines Völkerrechts v e r d a n k e n , so
zeigten sich doch die religiösen Interessen unfähig, eine dauernde
internationale Gemeinschaft zu b e g r ü n d e n . Statt einen allgemeinen
F r i e d e n s z u s t a n d herbeizuführen, w a r e n sie die V e r a n l a s s u n g unend-
licher K r i e g e , in welchen die Macht der Hauptgewalten des Mittel-
alters, nemlich des P a b s t e s , Kaisers und des Lehnsadels allmälig
aufgerieben w u r d e n . Die religiösen Interessen verloren i m m e r m e h r
an Bedeutung, zur Begründung einer dauernden internationalen
Gemeinschaft musste mau zu anderen Principieu seine Zuflucht
nehmen.
Von den allgemeinen politischen Zuständen d<'s Mittelalters
waren auch die wirthschaftlichen Ansichten der damaligen Zeit
vielfach a b h ä n g i g .
Die Volkswirihschaft des Mittelalters w a r auf dem Vorherrschen
der landwirthschaftlichen I n t e r e s s e n , des unbeweglichen Vermögens
gegründetEs w a r eine eigentliche Naturalwirthschaft, wobei die
Staatswirthschaft eiuer grossen Privat- oder Domainialwirthschaft
glich. Das G e w e r b e w e s e n hob sich aber allmälig durch die Zünfte,
eine Institution, die aus eiuer Reaction gegen das L e h n w e s e n und
aus d e m Associationstriebe der Menschen entsprungen ist. Die E i n n a h -
men des Staates bestanden aus N a t u r a l s t e u e r n , F r o h n d e n , Dienstlei-
stungen, aber die laipteikommenquelc war die Doman iai-lWrith-
sehaft.
Von grosem En ifülsse auf die Entwcikeu lng der Vok lswrith-
schaft mi Mitelalter war aber weiderum das Chrsitenthum. Es wo
der maasolseu Vergöterung des Mammons entgegenarbetien und
für eine bessere Vertheu ling der Gü lcksgüter sorgen. Es betrachtete
die Leibe als einziges Mtiel zur Ausöhnung der socialen Gegen
sätze, ohne zu commun-stichen Gütervertheu lingen seine Zuu flcht
zu nehmen und pries die writhschaftcilhe Arbeti als morabschen un
rechtlich zulässigen P]rwerb. Das Znisnehmen für ausgeeilhene Ca-
pitalien hat die Kriche als Wucher bezeichnet, zur Md lierung un
Auh febung des Instituts der Sclaverei viel begietragen und vorzügcilh
die Wohtlhätgiketi angepreisen. Endcilh hat durch Stärkung der
Bande des Fameilnelbens und seine Gesetzgebm i g das Chrsitenthum
grosen En ifu
lss ausgeübt. Heirher gehören unter anderen die Be-
smti mungen über die Hegilung der Sonn- und Feiertage, das Pr
ster-Cölibat, die Umbd liugji der Anscihten über Arbeti und Erwerb
die En ischränkung des Felsichgebrauchs u. a. m.
Indirect hat die Kriche durch Anhäuu fng grosser Masen von
Grund und Boden in der todten Hand auf die writhschaftcilhen V
hältnisse eingewirkt. In den Writhschaftstheorein des Mitelalters
überweigt die efhischsitliche Tendenz, was der religiösen Rcihtung
der Zeit und dem En ifülsse der Krichenväter und Kirchenschriftsteler
zuzuschreb ien ist. Das ganze Mitelalter war der Men iung, dass
wirthschaftliche Verhätlnsise wilkührlich durch Monopoel, Privile-
gien, Presisatzungen und Zinsgesetze geregelt und gestaltet werden
können. Es war also das Zeitalter der Schud l- und Creditgeset
des polizeilchen Taxwesens, der staatlichen und polizeilchen Be-
smti mungen des Armenweseus und der Luxus- und Auw f andge-
setze**). — Der Hande,l der seit den ältesten Zetien am mesiten
begietragen hat, die verscheidenen Vök ler mti en iander in Berührung
zu bringen, so dass Montesqueiu desen Geschcihte mti der G
schichte der n iternatoinaeln Bezeihungen identificirt **), konnte unter
den damagilen herrschenden religiösen Anscihten nur sehr alngsam
eine grössere Bedeutung erlangen. Dei ersten Chrsiten waren dem-
seb len abgeneigt, sie betrachteten h in als Queel des Luxus, von
Auschwefu ingen und verscheidenen Lastern, unter weclhen damasl
Rom sen iem Verfal entgegen ging.
Das erste handetlreb iende Vok l des Mitelalters waren die Ära-
ber^). Muhammed selbst w a r früher K a u f m a n n , weshalb auch der
Islam dem Handelsbetriebe nicht feindlich gesinnt w a r .
Vorzüglich waren es aber die italienischen Städte^ welche während
und durch die Kreuzzüge zu einem weitentwickelten Handel und zu
gleicher Macht emporsteigen, so Venedig, Genua, Pisa, Florenz u. a.
Venedig schloss Handelsverträge mit T u n i s , Aegypten und betrieb
den grossartigsten Zwischenhandel auf dem Mittelmeere. Seine
Blüthezeit fällt in das X I V . J a h r h . Es war bestrebt, die Einfuhr
von Rohproducten und die Ausfuhr von Industrieerzeugnissen
mögbchst zu e r l e i c h t e m , befolgte also Ansichten, welche d e m spä-
teren Mercantilismus zu G r u n d e lagen"*). Von grosser Wichtigkeit
für d a s Mittelalter w a r die E n t w i c k e l u n g des S l ä d t e w e s e n s , welche
das E m p o r k o m m e n des bürgerlichen Mittelstandes begünstigte und
zu Städtevereinen V e r a n l a s s u n g g a b . U n t e r diesen Vereinen ist vor-
züglich die deutsche Hansa von Wichtigkeit Die H a n s a erreichte
mit der Zeit eine völkerrechtliche Bedeutung, indem sie vielfach auf
die a u s w ä r t i g e Politik Schwedens, N o r w e g e n s , D ä n e m a r k s und E n g -
lands von Einfluss w a r . Selbst die E r l a n g u n g der dänischen K r o n e
w a r eine Zeit l a n g a n die Z u s t i m m u n g der H a n s a g e b u n d e n . Die
Verbindung der Städte H a m b u r g und Lübeck bildete die G r u n d l a g e ,
ihr verknüpften sich die Vereine und Gilden deutscher Kaufleute im
Auslande, vorzüglich des gemeinen deutschen Kaufmannes auf W i s b j ' ,
des deutschen Hofes zu N o w g o r o d , des Stahlhofes zu London und
von Brügge. Der H ö h e p u n k t ihrer Macht w a r zur Zeit des Krieges
mit W a l d e m a r IV. Aber im Verlaufe der Zeit lockerte sich allmälig
der Bund, vorzüglich durch die von den dänischen Königen unter-
stützte Auflehnung der holländischen Städte gegen die H a n s a .

3. Die neuere Zeit bis zur französischen Revolution.


Das XV. und X V I . J a h r h . bilden den U e b e r g a n g aus dem
Mittelalter z u r neueren Zeit. Die religiösen Interessen, obgleich sie
ihre frühere B e d e u t u n g verloren hatten , b e h a u p t e t e n dennoch eine
besondere Wichtigkeit in den internationalen Beziehungen. Allmä-
lig t r a t e n a b e r in den Vordergrund rein politische Interessen und
ü b e r n e h m e n n e u e Mächte und Ideen die Leitung der Weltereignisse.
D a s Lehnswesen w u r d e im X V . J a h r h . allendlich gebrochen, wäh-
rend die Reformation und die Religionskriege des X V I . u. X V I I . J a h r b .
unwiderruflich die Einheit des Mittelalters vernichteten*''). Die Re-
formtitioii, ein P r o d u c t des germanischen Geistes, repräsentirte das
Individualitätsprincip g e g e n ü b e r d e m ü n i v e r s a l i s m u s der katholischen
Kirche und des romanischen Geistes. Die Idee der christlichen
Universalmonarchie wurde auigegeben und an ihre Stelle traten
gleichberechtigte u n a b h ä n g i g e Völker und S t a a t e n , die in ihren ge-
genseitigen internationalen Beziehungen die (Jrundsätze des jetzigen
Völkerrechts entwickelten. Mit diesem Auftreten der Staaten und
Völker in der Geschichte k a m auch gleichzeitig das System des poli-
tischen Gleichgewichts zur Geltung. W a s die religiösen Interessen
des Mittelalters nicht v e r m o c h t e n , nendich die dauerhafte Begrün-
d u n g einer internationalen Gemeinschaft, sollte j e t z t durch ein rein
poUtisches Zweckmässigkeitsprincip erlangt w e r d e n . Dies System
w a r aus d e m instinctiven Selbsterhaltungstriebe der Staaten hervor-
g e g a n g e n , um die Schwächereu gegen die Uebergritie des S t ä r k e r e n
zu schützen. E s w a r also ein conservatives P r i n c i p , i n d e m es a b e r
ein politisches w a r , k o n n t e es schwerlich ein Princip für das Völker-
recht a b g e b e n . Die einfachen Thatsachen w u r d e n zum Recht erho-
ben und die Souveränetät der ijtaaten bis zum E x t r e m gesteigert.
Statt eine internationale V e r b i n d u n g der Völker und eine Solidarität
des ganzen Menschengeschlechts anzustreben, führte m a n , durch Auf-
stellung der L e h r e , dass es in Bezug auf die Stauten sowohl natürliche
Verbündete als auch natürliche F e i n d e g e b e , zu einer misstrauischen
gegenseitigen Bewachung der Völker uud trennte sie so m e h r als
dass man sie v e r b a n d .

Das Völkerrecht bedarf einer stetigeren, nicht einer w a n d e l b a r e n


Basis, die mit j e d e r thatsächlichen V e r ä n d e r u n g der Machtverhält-
nisse der einzelnen Staaten und der V e r r ü c k u n g ihrer Grenzen eine
a n d e r e wird. Die eigentlichen B e g r ü n d e r und Repräsentanten dieser
ganzen Richtung waren in der Theorie M a c h i a v e l l i , der die
G r u n d s ä t z e der damaligen Staatskunst; zu einem S y s t e m verarbei-
tete**) und in der Praxis der Cardinal R i c h e l i e u , der in der aus-
wärtigen Politik F r a n k r e i c h s sicli n u r um Zweckmässigkeits- und
politische Rücksichten b e k ü m m e r t e und die internationalen religiö-
sen Interessen ganz v e r n a c h l ä s s i g t e * ' ) . Das Kriegsrecht im X V I .
J a h r h . w a r noch sehr g r a u s a m . Die P l ü n d e r u n g R,oms durch die
Kaiserlichen giebt dazu eiru^n zutretleuden Beleg. Allmälig aber
gelingt e s , die im Gefolge des Krieges auftretenden Uebel zu min-
d e r n . Man fing an, böse kriege (mauvaise g u e r r e ) von guten Kriegen
(bonue gueire; zu unterscheiden. Die ersteren w u r d e n ohne j e d e

2
Rücksicht geführt, bei den giiien w u r d e n wenigstens die Gefange-
neu geschont und gegen Lüsegekl oder selbst ohne dasselbe entlassen.
E i n e traurige Ersctieinung des X V I . und X V I I . J a h r h . waren die
Heligionskritge, welche nach dem Zeugnisse der Zeitgenossen böse
Kriege w a r e n , (irausaiiikeiten wurden von beiden Seiten geübt und
der P'anatismus zu einer bedeuklictien Höhe gesteigert. Man gelangte
bis zur Rechtfertigung des Meuchelmordes. Auch der sogenannte
dreissigjährige w a r ein böser Krieg. G u s t a v A d o l f w a r der Ein-
zige, der ein milderes Kriegsrecht übte. Die Zerstörung Magdeburgs,
welche lange Zeit dem Gr. T ' b e r c l a e s - T i l l y zum Vorwurfe gemacht
wurde, obgleich er nicht den LJefelil zur Zerstörung gegeben hatte,
w a r keine Ausnahmserscheinuug. Viele a n d e r e Städte hatten das-
selbe Lous erfahren. Deutschland verlor den grössten Theil seiuer
Bevölkerung und in vielen verlassenen Dürieru hausten später nur
Wülfe^"). Der VVestphälische Friede schloss den dreissigjährigen und
die Religionskriege ü b e r h a u p t ^ ' ) .
Seit dieser Zeit treten die politischen Interessen in den Bezie-
h u n g e n der Völker in den V o r d e r g r u n d , die religiösen in den Hin-
tergrund. Die Einiieit des Mittelalters ging allendlich zu Grunde,
indem 350 deutsche F ü r s t e n die Landeshoheit erlangten , mit dem
Recht, Bündnisse unter einander und mit fremden Mächten zu
schliessen, nur nicht gegen den Kaiser und das R e i c h , nicht gegen
den L a n d - und Westphälischen F r i e d e n . Deutschland löste sich in
eine F ü r s t e n - Republik auf. Die U n a b h ä n g i g k e i t der Schweiz und
der N i e d e r l a n d e w u r d e a n e r k a n n t . Der Westphälische F r i e d e bildet
die G r u n d l a g e des m o d e r n e n europäischen Völkerrechts und seine
B e s t i m m u n g e n wurden in allen Friedensschlüssen bis zur französi-
schen Revolution e r n e u e r t . Im G e t ü m m e l des dreissigjährigen Krie-
ges erschien des sogen. Vaters der Völkerrechtswissenschai't, Hugo
Grotius Werk de j u r q belli ac pacis. E s w a r sein grosses Ver-
dienst, a n Stelle der G e w a l t das R e c h t als Princip des Völkerrechts
hingestellt zu h a b e n . Seit d e m Westphälischen Frieden beginnen
die beständigen Gesandtschaften , und obgleich m a n die Gesandten
vergoldete Spione naimte, so haben sie doch den Verkehr der
Staaten wesentlich gefördert.
Wenn wir fragen, ob die politischen Intei'essen, durch das
System des politischen Gleichgewichts repiäsentirt, im S t a u d e gewesen,
eine d a u e r n d e internationale Gemeinschaft zu begründen , so sinu
wir zur A n e r k e n n u n g des Gegeutheils gezwungeu^*). Dies System
schützte nicht die kleineu Staaten vor den Uebergriflen der grossen,
denn Oesterreich behielt seine Ueberinacht bis zum Westphälischen
Frieden, um sie später au F r a i i k r e i c l i , durch Ludwig X I V . reprä-
sentirt, zu ü b e r t r a g e n . Das Uebergewicht F r a n k r e i c h s d a u e r t e bis
zum Utrechter Friedensschlüsse. D a n n verhinderte dies System die
fortwährenden Kriege ebenfalls n i c h t , denn die A n s i c h t , dass die
Steigerung der Macht eines einzelnen Staates die a n d e r e n schwäche,
führte zu i m m e r w ä h r e n d e n Interventionen in die inneren Angelegen-
heiten fremder S t a a t e n , um das gestörte politische Gleichgewicht
wiederherzustellen. Desshalb sehen wir auch grosse europäische
Kriege nach k u r z e n Zwischenräumen von neuem b e g i n n e n , wie der
spanische und österreichische Erbfulgekrieg, der sogen, siebenjährige
Krieg, u m die kleineren nicht zu e r w ä h n e n und Preussen ungeachtet
dessen, dass d a d u r c h das frühere politische Gleichgewicht gestört
w u r d e , sich zu einer Grussmacht emporschwingen. Das System des
politischen Gleichgewichts lührte also nur zu einem eifersüchtigen
gegenseitigen U e b e r w a c h e n , ohne den Staaten und Völkern eine Ga-
rantie des friedbchen Zusammenbesteheiis zu g e w ä h r e n . Mau musste
also mit der Zeit e i n s e h e n , dass die iuteruatiünale Gemeinschaft
nicht dauerhaft auf nur politischen Interessen begründet werden
konzite und suchte sie, wie wir der B e t r a c h t u n g der neuesten
Zeit seit der französischen Revolution entuehnien w e r d e n , auf einer
Solidarität der materiellen Interessen zu begründen.

In dieser Periode sehen wir auch die materiellen Interessen an


Bedeutung z u n e h m e n . Die Staatsmänner der damaligen Zeit sahen
sehr bald e i n , dass die Maclit eines Staates wesentlich durch sie
gesteigert wird und so e n t s p r a n g aus ihrer Praxis vielmehr als aus
den Schriften der Theoretiker das erste wirthschallliche System, das
sogen. Mercantilisyslem^'^). Aber auch die grossen Entdeckungen
der neueren Zeil, wie die Erfindung des Schiesspulvers, die E n t d e k -
k u n g des Seewegs nach üstJiidieii und A m e r i k a und der Uebei'gang
aus der mittelalterlichen N a t u r a l - zur Geldwirtlischafl der n e u e r e n
Z e i t " ) , konnten unmöglich ohne Einfluss auf die E n t w i c k e l u n g der
wirthschaftlichen Ansichten j e n e r Zeit bleiben. Der Grundgedanke
des Mercautilsystenis w a r , dass der Reichtliuiu nach der Menge des
Geldes inul der edeleii Mi-tallc v.n bemessen sei und ddss das beste
Mittel einen Staat reich zu machen , in der A n s a m m l u n g von Gold
und Silber bestehe. D a r a n knüpfte sich die L e h r e von der Handels-
b i l a n z , welche für lienjenigon Staat günstiger ausfiel, welcher m e h r
2*
a u s - als einführte, indem der Ueberschuss ihm vom Auslände mit
Gold und Silber bezahlt werden m u s s t e , womit zugleich die Geld-
m e n g e im L a n d e vergrössert w u r d e . Um eine günstige Handelsbi-
lanz einem L a n d e zu verschaffen und die Menge des daselbst circu-
lirenden Goldes und Silbers zu steigern, schlägt dies S y s t e m folgende
Mittel v o r : 1) E r s c h w e r u n g der Einfuhr von F a b r i k a t e n , w e l c h e im
L a n d e selbst fabricirt werden k o n n t e n ohne Rücksicht auf das L a n d ,
a u s welchem sie kamen ; 2 ) E r s c h w e r u n g der Einfuhr aus solchen
Staaten, g e g e n ü b e r welchen die Handelsbilanz sich als ungünstig
erwiesen hat, diese E r s c h w e r u n g e n konnten selbst bis zur Prohibition
gesteigert w e r d e n ; 3) Begünstigung der Ausfuhr durch Rückzölle,
falls inländische E r z e u g n i s s e innerhalb des Landes besteuert w u r d e n ,
oder bei Reexportatidn ausländischer P r o d u c t e , die einen Zoll bei
der Einfuhr bezahlt hatten ; 4) Begünstigung der Ausfuhr durch Prä-
mien (primes d ' e n c o u r a g e n i e n t ) , 5) durch vortheilhafte Handelsver-
t r ä g e — welche besondere Privilegien die diesseitigen Kaufleute und
E r z e u g n i s s e mit Ausschluss aller übrigen Völker sichern sollten-, end
Hch 6 ) durch G r ü n d u n g von Colonien, deren Handel als ein aus-
schliessliches Monopol des Mutterlandes betrachtet werden sollte.
Als eine Folge dieser Principieu trat ein die E r s c h w e r u n g oder selbst
Prohibition der Ausfuhr von Rohstoffen für Fabrikerzeugnis.se und
die Begünstigung der Einfuhr d e r s e l b e n , um die inländische Indu-
strie zu b e b e n , als die am vorzüglichsten dazu g e e i g n e t e , das Geld
aus dem Auslande zu ziehen.
E i n e p r a k t i s c h e Durchführung dieser Principieu w a r das Regie-
rungssystem Colbert's ( 1 6 6 1 — 1 6 8 3 ) , welches von so grossem Ein-
flüsse auf die spätere E n t w i c k e l u n g F r a n k r e i c h s war'**). Nachdem
er die F i n a n z e n g e o r d n e t , die R e n t e herabgesetzt, eine grosse Anzahl
A e m t e r aufgehoben, die Taille möglichst vermindert, viele D o m ä n e n
der K r o n e z u r ü c k g e k a u f t , schritt er zur H e b u n g des Handels und
der Industrie. E r fand hier m a n c h e Vorarbeiten, indem schon F r a n z I
1539 und Heinrich IV 1599 die Ausfuhr von Gold und Silber sowie
die Einfuhr s e i d e n e r , T u c h - und leinener W a a r e n verboten hatten.
U m den inneren H a n d e l zu h e b e n , suchte er die inneren Zolllinien
aufzuheben, was er im J. 1664 n u r theilweise durchzuführen im
Stande war. Dann suchte er die Communicationsmittel zu vermeh-
ren, von ihm r ü h r t der Ganal von Languedoc und theilweise der
von O r l e a n s , welcher erst 1692 beendet wurde. Dünkircheu (1662)
und Marseille ( 1 6 6 9 ) w u r d e n zu freien Häfen erklärt und in ihnen
wie in anderen Städten Versicherungsbehörden ( c h a m b r e s d'assurances)
eröffnet. Von ihm rührt die b e r ü h m t e O r d o n n a n c e de commerce
von 1673, die d e m Code von 1807 zu G r u n d e liegt. U m die Indu-
strie zu h e b e n , befahl er ü b e r a l l , wo noch keine Zünfte existirten,
dieselben einzurichten, was in manchen S t ä d t e n , vorzüglich in Bor-
deaux , grosse Unzufriedenheit erregte. Durch Erschwerung der
Einfuhr fremder Manufacturwaaren und der Ausfuhr einheimischer
Rohstoffe suchte er die Industrie des Landes emporzubringen.
Dazu sollten die ausführlichsten Instructionen und Reglements,
vorzügbch das von 1 6 6 9 , worin die L ä n g e , Breite und Güte der
verschiedenen Stücke, die Art sie zu färben u. s. w. auf's G e n a u s t e
bestimmt w a r e n , dienen. Auch wurden F a b r i k e n auf Staatskosten
a n g e l e g t , so die b e r ü h m t e Gobelinfabrik, eine Tapetenfabrik zu Beau-
v a i s (1664), eine Seifensiederei zu B a y o n n e und viele a n d e r e , vorzüg-
lich hat a b e r Colbert die G e w i n n u n g von Steinkohlen, Eisen-, T u c h -
u n d Leinenfabriken begünstigt. Auf den ausländischen Handel w a r
a b e r das A u g e Colberts am meisten gerichtet. E r sah nach der Reihe
S p a n i e n , d a n n Holland zum ersten handeltreibenden Volke w e r d e n .
Es galt also, solch ein Volk aus seiner hohen Stellung durch
F r a n k r e i c h zu v e r d r ä n g e n , d a m a n zu j e n e r Zeit das E m p o r k o m m e n
eines Staates n u r auf Kosten eines anderen für möglich hielt. Um
die inländische H a n d e l s m a r i n e zu heben, w u r d e ein Differenzialzoll von
50 sous per T o n n e auf alle ausländischen Schiffe gelegt, der zu Strei-
tigkeiten mit E n g l a n d und Holland führte. des aus-
Zur F ü h r u n g
wärtigen Handels wurden an deren
grosse Handels - C o m p a g n i e n ,
Actien die R e g i e r u n g selbst stark betheiligt war, errichtet. So zuerst
eine "Westindische mit einem 40-jährigen Privilegium, dann 1664 eine
Ostindische auf 50 J a h r e , im J. 1669 eine Nordische, welche
aber alle mit d e r Zeit e i n g i n g e n , nur die letzte Levantische hatte
einen besseren F o r t g a n g .
Colbert wird gewöhnlich als Begründer des Prohibitivsystems
F r a n k r e i c h s b e t r a c h t e t , obgleich schon die Tarife von 1632 und 1644
ziemlich hohe Zollsätze enthielten. Seine Zolltarife waren die von
1664 und vorzüglich 1 6 6 7 , durch welche fremde F a b r i k a t e mit so
hohen Zöllen belegt w u r d e n , dass dieselben einem völligen Verbote
glichen. Diese Tarife riefen Repressalien von Seiten Englands und
Hollands hervor, welches letztere alle französischen Waaren aus sei-
nen Häfen ausschloss und zuletzt im J a h r e 1672 zum kriegerischen
Vorgehen nöthigte. Obgleich siegreich, musste Frankreich im Nym-
w e g e r Frieden ( 1 6 7 8 ) die Zolltarife von 1667 z u r ü c k n e h m e n und
g e g e n ü b e r Holland die Tarife von 1664 a n w e n d e n . — Auch begünstigte
Colbert den Z w i s c h e n h a n d e l , denn er s a h , wie durch ihn Holland
reich g e w o r d e n war, und g r ü n d e t e in vielen Städten E n t r e p o t s . Aber
vorzüglich schädlich hat die Administration Colbert's auf den Land-
bau gewirkt. Sully hatte den K o r n h a u d e l ganz frei g e g e b e n , 1661
w u r d e der Getreidehandel ganz v e r b o t e n , obgleich diese Massregel
noch von F o u q u e t h e r r ü h r t e , w u r d e sie später nicht z u r ü c k g e n o m m e n .
E i n e desto grössere Aufmerksamkeit schenkte Colbert der Marine
u n d der Colonialpolitik. Zur H e b u n g der Schifffahrt sollte die Ordon-
n a n c e von 1 6 6 8 , w o d u r c h alle Seeleute in Classen eingetheilt und
zum Seedienst© angehalten w u r d e n , dienen, welches System m a n
später l'inscription m a r i t i m e n a n n t e und durch die G r a n d e Ordon-
n a n c e vom 2 3 . Sept. 1673 und August 1681 vervollständigte. Die
Colonien betrachtete Colbert als Absatzplätze ( d ^ b o u c h e s ) für die
Industrie-Erzeugnisse des Mutterlandes und Ankaufsorte für die von
denselben zu g e b r a u c h e n d e n Robstoffe. Die Colonien w u r d e n von
H a n d e l s - C o m p a g n i e n [verwaltet und seit 1670 j e d e m Fremden der
Zutritt zu denselben verboten. N u r der Handel mit der Metropole
w u r d e ihnen gestattet.
D e n n o c h w a r die französische Colonialpolitik nicht so drückend,
w i e die engbsche u n d C a n a d a , die Antillen und C a y e n n e erhoben
sich a l l m ä l i g , bis sie im Utrechter F r i e d e n grösstentheils verloren
gingen. Die Bestrebungen Colbert's w a r e n darauf gerichtet, Holland
zu ruiniren und seine Erbschaft a n z u t r e t e n , doch r ä c h t e sich Holland
durch Organisation und Betreibung des Schleichhandels auf eine
grossartige W e i s e . D e r Nachfolger C o l b e r t ' s , L o u v o i s , b r a c h t e das
Prohibitivsystem auf seinen Gipfel, i n d e m er selbst den Zwischen-
handel unmögUch machte. Das Colbert'sche System w a r n u r ein
P r o d u c t des b e v o r m u n d e n d e n Geistes, d e r in F r a n k r e i c h d a m a l s auf
seinem H ö h e p u n k t e stand u n d von L u d w i g X I V selbst in die Literatur
eingeführt w u r d e ^ ) . Und w a s w a r e n die Folgen d e s s e l b e n : fran-
zösische L e i n e n w a a r e n und Batiste durften nicht nach E n g l a n d , zum
weiteren E x p o r t a b e r n u r nach London g e b r a c h t w e r d e n ; französi-
sche W e i n e waren s t ä r k e r als die portugiesischen besteuert, und die
Zollsätze für die übrigen E r z e u g n i s s e so w e i t erhöht, bis sie endbch
75 X des W e r t h e s erreicht hatten. Holland a b e r , indem es keine
französischen Erzeugnisse zuliess, u n t e r g r u b die französische Industrie
durch einen weit ausgebreiteten Schleichhandel.
W e n n wir uns j e t z t zur Ausbildung dieses Systems in E n g l a n d
w e n d e n , so finden wir schon Verordnungen von E d u a r d I I I . , Hein-
rich VII. und E d u a r d V I . , welche die Ausfuhr jeglicher Metalle mit
A u s n a h m e von Blei und Zinn, und ein Statut von 1347, welches die
Ausfuhr von W o l l e und die Einfuhr von Tuch verbot^''). Doch
behielten fremde Kaufleute, vorzüglich h a n s e a t i s c h e , b e s o n d e r e Pri-
vilegien bis zur Zeit Elisabeths. Aber die Schiflfahrtspolitik w a r es,
die am stärksten von den mercantilistischen Ansichten beeinflusst
wnrde**). Die erste Schiflfahrtsacte r ü h r t von Richard II ( 1 3 8 1 ) .
Unter Heinrich VII w u r d e bestimmt, dass bestimmte W a a r e n n u r auf
einheimischen Schiffen mit einer Mehrzahl englischer Bemannung
eingeführt werden durften. 1563 wurden die F r e m d e n von der
Küstenschifffahrt und der Küstenfischerei ausgeschlossen. Als Abschluss
aller dieser V e r o r d n u n g e n muss die Navigationsacte v o m 9. Octbr.
1651 angesehen w e r d e n ^ ' ) . Diese von Sir Josua Child als Carta
m a r i t i m a E n g l a n d s bezeichnete Acte enthält zunächst Bestimmungen
in BetreflT der Nationalität d e r Schiffe. Sie müssen vollständig in
England gebaut, ausschliessliches Eigenthum eines E n g l ä n d e r s und
mit einem englischen Capitän und englischer Mannschaft bemannt
sein. Weiter sollte die Küstenschifffahrt den englischen Schiffen
ausschliesslich vorbehalten bleiben. Der Colonialhandel w u r d e zum
Monopol der englischen Rhederei, indem das Mutterland für
alle enumerated articles ein Stapelrecht geniessen sollte. Erst
1766 durften diese Artikel direct n a c h E u r o p a , südlich vom Cap
Finisterre a b verschifft werden. Aus A m e r i k a , Asien und Afrika
durfte eine Einfuhr n u r in englischen Schiffen erfolgen. Der Import
einer R e i h e wichtiger Artikel aus holländischen und deutschen Häfen
w a r ganz verboten. Aus den übrigen europäischen L ä n d e r n durften
W a a r e n n u r in englischen oder den Schiffen des P r o d u c t i o n s - oder
des gewohnheitsmässigen VerschifFungslandes nach E n g l a n d oder den
Colonien g e b r a c h t w e r d e n . F r e i blieb, abgesehen vom Colonialver-
kehr, eigentlich n u r die ausgehende Schifffahrt. Diese Acte sollte
die englische Schifffahrt heben und die holländische S e e m a c h t ver-
nichten. Deshalb betrachtet sie auch A d . S m i t h von ihrer politi-
schen Seite und k o m m t zum Schluss, dass sie die weiseste Handels-
v e r o r d n u n g E n g l a n d s s e i , weil die Sicherheit des Staates der Beför-
d e r u n g seines R e i c h t h u m s v o r a n g e h e n müsse. W i e sich a b e r seit
dieser Zeit die Ansichten v e r ä n d e r t h a b e n , bezeugen die Aussagen
des H r n . G. R . P o r t e r am 1. J u b 1847 vor der P a r l a m e n t s - C o m -
mission * " ) , wo er zugiebt. dass diese Acte wirkHch der Landesver-
tlieidignng wegen erlassen w u r d e , dass sie a b e r diesen Zweck nicht
erreicht, während der g a n z e n D a n e r ilires Bestehens gar keinen
Nutzen hervorgebracht u n d die englische Marine ihre hohe Stellung
trotz d e r Navigationsacte erreicht h a b e . Die Navigationsacte erlitt
i m Laufe der Zeit mannigfache U m a r b e i t u n g e n , so dass nicht weniger
als 144 P a r l a m e n t s - A c t e in Beziehung auf dieselbe erschienen. —
Unter dem Einflüsse dieser Handelspolitik w u r d e n auch mehrere
H a n d e l s v e r t r ä g e geschlossen, als Meisterstück englischer Handels-
politik a b e r der vom englischen Gesandten M e t h u e n am 2T. De-
cember 1703 mit Portugal geschlossene Tractat betrachtet. Wollene
T ü c h e r und alle übrigen Wollenmanufacturen Grossbrittaniens sollten
n a c h diesem V e r t r a g e eingeführt werden auf demselben F u s s e wie
vor ihrer P r o h i b i t i o n , dagegen portugiesische W e i n e bei i h r e m Ein-
tritt in E n g l a n d einen u m einen Drittel niedrigeren Zoll als die fran-
zösischen entrichten. Dieser i m X V H L J a h r h . sehr hochgeschätzte
H a n d e l s v e r t r a g , welcher nach der damaligen U e b e r z e u g u n g die por-
tugiesischen Manufacturen zu G r u n d e gerichtet u n d alles u m l a u f e n d e
Geld aus Portugal nach England gebracht, wird j e t z t ganz an-
ders beurtheilt, indem ihn schon A d . S m i t h für Portugal günstig,
dagegen für Grossbrittanien nachtheilig halten will.

E i n e neue A e r a der englischen Handelspolitik beginnt mit dem


französisch-englischen Handelsverträge vom Jahre 1786. Die hohen
Zölle w u r d e n von beiden Seiten ermässigt, und die französischen W e i n e
u n t e r denselben Bedingungen wie die portugiesischen zugelassen.
A b e r das Wichtigste w a r dabei, dass bei diesem Vertrage zum
ersten Male das Princip der Gegenseitigkeit zur Geltung kam.
Pitt wollte durch denselben den beiden rivalen Nationen ihre
gegenseltge Eifersucht vergessen lassen und durch die Gemeinschaft
der materiellen Interessen verbinden. Die S t ü r m e des J a h r e s 1793
vereitelten indess seine grossen P l ä n e . Vielfach unter dem Einflüsse
der damaligen Ansichten entwickelte sich die Colonialpolitik E n g -
lands *•). I m J. 1710 e r k l ä r t e das Unterh*dus: „ d a s s die E r r i c h t u n g
v o n F a b r i k e n i n den Colonien die T e n d e n z hätte, ihre Abhängigkeit
Ton Grossbritanien z u s c h w ä c h e n . " 1732 wurde die Ausfuhr von
H ü t e n aus einer Provinz in die a n d e r e verboten und die Zahl der
Hutmacherlehrlinge gesetzlich b e s c h r ä n c k t . In Bezug auf das Ausland
w u r d e n a b e r folgende P a r l a m e n t s a c t e erlassen. D u r c h Acts Georg I I I .
(1765) w u r d e die A u s w a n d e r u n g von H a n d w e r k e r n bei schwerer
Strafe verboten. Durch Act 21 Georg III. (1781) w n r d e die Ausfuhr
aller zur W o l l e n - oder Seidenfabrication erforderbeben Werkzeuge
ebenfalls verboten. Act 22 Georg III. ( 1 7 8 2 ) d e h n t das Verbot auf
alle W e r k m e i s t e r aus, die sich mit dem Druck von B a u m w o l l e , Muslin
oder Linnen oder mit der Verfertigung von F o r m e n vmd Geräth-
schaften, die zu dieser Fabrikation gebraucht w e r d e n , beschäftigen.
Act 2.5, Georg III. ( 1 7 8 5 ) d e h n t e das Verbot weiter aus auf die in
Eisen- und Stahlfabriken gebrauchten Geräthschaften und auf die in
denselben beschäftigten Arbeiter. Act 39 Georg III. ( 1 7 9 9 ) er-
streckte das Verbot auch auf die Bergleute in den Kohlengruben. Die
Colonien sollten n u r Rohstoffe produciren und sie gegen Industrie-
erzeugnisse des Mutterlandes eintauschen. D a s Verbot ging soweit,
das die westindischen Pflanzer nicht einmal ihren eigenen Zucker
raffiniren durften, sondern sich n u r mit d e m A n b a u des Zuckerrohrs
beschäftigen sollten. Vorzüglich litt a b e r Indien u n t e r dem Regiment
der Compagnie. In einigen Districten betrug die Quote der zu ent-
richtenden R e n t e nicht w e n i g e r als 60 bis 70 % des ganzen E r t r a g e s .
Neben dem Tabak- und Opinmmonopol war das Salzmonopol
besonders drückend. W e n n dessen ungeachtet der Colonialhandel
Englands i m m e r stieg u n d die Colonien an W o h l s t a n d gewannen,
so soll diess nach A d . S m i t h nicht w e g e n , sondern trotz des Mo-
nopols geschehen sein. Diese engherzige Politik rief die U n a b h ä n -
gigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von N o r d - A m e r i k a hervor
\md obgleich E n g l a n d in F o l g e d e s s e n , wie m a n es allgemein be-
fürchtete, nicht zu G r u n d e g i n g , so hatte es doch die Lasten eines
kostbaren Krieges zu t r a g e n . Auch die Holländer vernichteten auf
den Gewürzinseln einen Theil der G e w ü r z b ä u m c , um dadurch die
Production einzuschränken und ihre Monopolpreise auf den europäi-
schen Märkten zu behaupten. E i n e ähnliche Politik befolgte die
englisch - ostindische C o m p a g n i e , ohne doch dabei grosse Vortheile
erzielt zu h a b e n , bis die P i t t ' s c h e ostindische Bill (1784) ein Con-
trolbureau einsetzte und im J a h r e 1813 der ostindische H a n d e l allen
E n g l ä n d e r n frei gegeben w u r d e . N u r das Monopol des chinesischen
Handels behielt die C o m p a g n i e bis zum J. 1 8 3 4 , in welchem dieses
Monopol und der mercantile C h a r a k t e r der C o m p a g n i e aufgehoben
wurden.

Nachdem das Prohibitivsystem in E n g l a n d und F r a n k r e i c h zur


theilweisen Herrschaft gelangt w a r , k a m es auch in Oesterreich und
Preussen zur A n w e n d u n g . So erliess Joseph I I . im J. 1784 die schärf-
s t e r "Waareneinfuhrverbote und führte Friedrich I I . in Preussen die
französische R6gie ein **). A b e r dennoch blieb das Mercantilsystem
nicht in einer unbestrittenen Herrschaft. Aus einer Reaction gegen
dasselbe entstand die Schule der Physiokraten^ deren U r h e b e r Q u e s -
n a y war*^).
Die Grundsätze dieser L e h r e w a r e n folgende : dass 1) die Quelle
alles Reichthums der L a n d b a u s e i ; 2) er allein einen U e b e r s c h u s s ,
eine R e n t e g e b e ; 3) die technischen Gewerbe das Vermögeu der
Menschen nicht v e r m e h r e n , indem sie nichts zum W e r t h e des Rein-
ertrages des L a n d b a u e s hinzufügen könnten ; 4) eben so wenig k ö n n e
der H a n d e l , der die W a a r e n nur von einem Ort an einen anderen
versetze, den R e i c h t h u m vermehren ; 5) die technischen Gewerbe
und der H a n d e l , wenngleich u n p r o d u c t i v , wirken dennoch günstig
auf den L a n d b a u z u r ü c k , indem sie die G r u n d r e n t e oder das reine
Nationaleinkommen erhöhten. E s müssten also alle H e m m n i s s e des
Landbaues: gutsherrschaffbche Lasten, Zehnten, Frohnden abge-
schafft und der Absatz der L a n d b a u p r o d u c t e durch A u f h e b u n g der
Ausfuhrverbote, durch Verbesserung der Transportanstalten befördert
werden. In Bezug auf die technischen Gewerbe müssten Zünfte und
sonstige Privilegien aufgehoben u n d die freie Concurrenz eingeführt
werden. Der Handel im Innern u n d n a c h Aussen sollte ganz frei
gegeben und die Steuern von der R e n t e der Grundeigenthümer als
einzige G r u n d s t e u e r erhoben w e r d e n . Auch müsse man sich nicht
unfruchtbaren E r s p a r u n g e n h i n g e b e n .
Neben Q u e s n a y , dem L e i b a r z t e Ludwig's X V . u n d d e m Be-
gründer dieser Schule ist besonders Gournay von Wichtigkeit,
welcher den später so b e r ü h m t e n Grundsatz des „laissez faire, laissez
passer" aufstellte. T u r g o t , Minister Ludwig's X V I . , wollte die Grund-
sätze dieser Schule praktisch a n w e n d e n u n d mit Hülfe derselben den zer-
rütteten Staatshaushalt F r a n k r e i c h s wieder aufrichten. Aber er k o n n t e
mit seinen Reformen nicht durchdringen und musste zurücktreten.
Die P h y s i o k r a t e n brachten auf d e m öcouomischen Gebiete das zur Gel-
tung, was die d a m a l i g e Philosophie auf dem des D e n k e n s , nemlich :
das I freie W a l t e n der individuellen Persönlichkeit und die Herrschaft
der Grundsätze der Freiheit und des H u m a n i s m u s in dem allgemei-
nen Menschen- nnd Völkerleben. Die Theorie der Physiokraten w a r
nach H i l d e b r a n d "*) die der Revolution, wogegen der Mercantilismus
als ökonomische Theorie des Ab.solutismus betrachtet w e r d e n könne.
W i r sehen zu E n d e dieser Periode das System des politischen
Gleichgewichts, obgleich i m m e r noch in den internationalen Bezie-
hnngen massgebend nnd selbst später im W i e n e r Congress seine
Anwendung findend, doch allmälig vor anderen Ideen z u r ü c k t r e t e n .
E b e n s o w e r d e n die eifersüchtigen mercantilistischen Ansichten immer
schwächer u n d machen w e n i g e r selbstsüchtigen Auffassungen Platz. E s
w a r also die Möglichkeit vorhanden, die internationale Gemeinschaft auf
einer festeren Basis als der politischen des Systems des Gleichgewichts
zu stützen. Der weitere Verlauf unserer A b h a n d l u n g wird ergeben,
wie diese völkerrechtliche Gemeinschaft auf der Solidarität der ma-
teriellen Interessen begründet werden k o n n t e und w u r d e .

4. Die neueste Zeit seit der französiclien Revolution.


Das System des politischen Gleichgewichts, welches in der so eben
verlassenen Periode eine internationale Gemeinschaft begründen sollte,
hatte sich für diesen Zweck als i m a n w e n d b a r erwiesen. W e d e r hatte
es die schwächeren Staaten vor den Uebergriflen der stärkeren ge-
schützt, noch einen dauerhaften Friedenszustand herbeigeführt. Viel-
m e h r führte das b e a n s p r u c h t e Interventionsrecht, welches j e d e r be-
denklichen Steigerung der Macht eines Staates vorbeugen und das
gestörte Gleichgewicht wiederherstellen sollte, zu fortwährenden Krie-
gen. Gegen dieses System und vorzüglich gegen die d a m a l i g e ei-
fersüchtige P o l i t i k , die j e d e Machtsteigerung eines Staates nur auf
Kosten aller übrigen für möglich hielt, erhob sich am E n d e des
X V I I I . J a h r h . eine R e a c t i o n , welche auch in der französischen Re-
volution ihren Ausdruck fand *^). W e i t m e h r a b e r trug die politische
Oeconomie zur Verbreitung g e s u n d e r e r Ansichten u n d einer huma-
neren nnd aufgeklärteren P o b t i k b e i , welchen Einfluss wir später
zu würdigen bestrebt sein w e r d e n .
Der Kampf des revolutionairen F r a n k r e i c h s mit E u r o p a galt
um das Interventionsrecht in die inneren Angelegenheiten desselben,
welches E u r o p a als ein ihm zustehendes R e c h t beanspruchte ^ ) . In
d e r von C o n d o r c e t abgefassten Kriegserklärung F r a n k r e i c h s von
1792 w u r d e dieses Recht entschieden in Abrede gestellt. D e r Kampf
d a u e r t e mit kurzen Zwischenräumen bis zum zweiten Pariser Frie-
den vom 20. Novbr. 1815 und die einzelnen F r i e d e n s v e r t r ä g e wa-
ren n u r Waffenstillstände, durch w e l c h e verschiedene Völker und
Staaten E u r o p a ' s vertheilt, verschenkt, eingetauscht, mediatisirt wur-
den, ganz nach der früheren Ansicht, nach welcher die Grösse und
Macht j e d e s Staates einzig nnd allein nach der Zahl seiner E i n w o h n e r
n n d der Q u a d r a t m e i l e n seines Gebietes bemessen w u r d e , ohne nach
einem inneren Bande der Gesammtlieit zu fragen.
Der E n t w i c k e l u n g des Völkerrechts w a r e n diese grossen Kriege
wenigstens u n m i t t e l b a r gewiss nicht förderlich, so dass ein Völker-
rechtsschriftsteller d a m a l i g e r Zeit, d e r Göttinger Historiker Saalfeld
als Zweck der H e r a u s g a b e einer Darstellung des Völkerrechts mit R e c h t
anführen k o n n t e , zu m a h n e n an ein in Vergessenheit g e r a t h e n e s In-
stitut. Einerseits missachtete Napoleon die R e c h t e der Neutralen
auf d e m Festlande, andererseits beschränkte und beeinträchtigte
E n g l a n d den Seehandel der N e u t r a l e n auf j e d e mögliche W e i s e , so
dass diese Staaten zuletzt um alle ihre Handelsfreiheiten und völ-
k e r r e c h t l i c h a n e r k a n n t e n Befugnisse k a m e n .
Der Wiener Congress^i der diese Kriegsperiode abschliesst, stellte
sich zur Aufgabe die Restauration der Bourbonen und die Durch-
führung des von T a l l e y r a n d aufgestellten Legitimitätsprincips'").
Die W i e n e r Congressacte w u r d e am 9. J u n i 1815 von den Bevoll-
mächtigten der acht Mächte unterzeichnet, welche auch zugleich die
Garantie ihrer Bestimmungen ü b e r n a h m e n . W e n n E u r o p a viel vom
Ehrgeiz Napoleon's gelitten h a t t e , so w a r e n nach T h i e r s Gerech-
tigkeit und Mässigung auch bei den in W i e n v e r s a m m e l t e n nicht zu
finden. D e r Unterschied zwischen den Coalitionsmächten und Na-
poleon bestand n u r d a r i n , dass es ihrer vier g a b , der Ehrgeiz also
eines j e d e n nofhwendig da a n h a l t e n musste, wo der des anderen
anfing. Auf den Napoleonischen C h a r a k t e r des Congresses hat auch
G e r v i n u s aufmerksam gemacht. Die H a u p t t e n d e n z aller Beschlüsse
ging d a h i n , alle möglichen Vorsichtsmaassregeln gegen F r a n k r e i c h
zu treffen. D a z u sollten ein mächtiges Königreich der N i e d e r l a n d e
u n d das H a u s S a v o y e n in P i e m o n t d i e n e n , wesshalb das erste Bel-
gien, das zweite G e n u a b e k a m . Zu diesem Zweck wurden Preussen
mit den R h e i n l ä n d e r n , B a y e r n mit dem P a l a t i n a t e beschenkt. Wir
sehen also, wie der W i e n e r Congress das S y s t e m des politischen
n i e i c h g e w i c h t s wieder zur Geltung b r i n g e n w o l l t e , um auf demsel-
ben eine dauerhafte internationale Gemeinschaft zu b e g r ü n d e n . Ei-
nem im Absterben begrifTenen Princip sollte w i e d e r u m Lebenskraft
eingehaucht werden. Aber vergeblich, d e n n die Geschichte erstrebt
Weiterentwickelung. Die W i e n e r Beschlüsse a b e r , obgleich sie no-
minell bis zur S t u n d e ihre Geltung b e h a u p t e n , sind doch reell schon
vielfach in F r a g e gestellt und wird die factische N i c h t b e o b a c h t u n g
Wühl bald zu einer rechtlichen A u f h e b u n g führen, wenn auch ein-
zelne Bestimmungen längere Dauer beanspruchen werden. Zu die-
sen gehören wohl die Bestimmungen ü b e r die Abschaffung des Neger-
handels ^ die freie Flussschifffahrt u n d die Neutralität der Schweiz.
Die Erklärung vom S. Febr. I8t5 bezeichnete j e n e n Handel als mit
der europäischen Gesittung unvereinbar und forderte alle Staaten auf
sich über die Zeit seiner Abschaffung zu verständigen. Nach dem
Art. 109 sollte die Schifffahrt auf allen Grenzflüssen, sowie auf den
Flüssen, w e l c h e das Gebiet m e h r e r e r S t a a t e n d u r c h s c h n e i d e n , von
dem P u n k t e a n , wo der Fluss schiffbar wird, bis zur M ü n d u n g völlig
frei sein und hinsichtlich des H a n d e l s N i e m a n d e n untersagt w e r d e n
können. Diese Grundsätze wurden auf den R h e i n , die Scheide,
Maas, Mosel, E l b e , O d e r , Weichsel, W e s e r , P o u n d später auch auf
die D o n a u a u s g e d e h n t
D e r P a b s t e r k l ä r t e seine Missbilligung über die unterbliebene
W i e d e r h e r s t e l l u n g des heiligen römischen Reichs. Dagegen k a m e n
noch vor U n t e r z e i c h n u n g des zweiten P a r i s e r F r i e d e n s am "/««.
Septbr. 1815 unter den Kaisern A l e x a n d e r und F r a n z und dem
König F r i e d r i c h W i l h e l m I I I . die heilige Allianz zu Stande**).
Es war ein Versuch die internationale Gemeinschaft auf einem
moralischen Principe, nemlich den Lehren der christlichen Reli-
gion zu b e g r ü n d e n und in kleinerem Massstabe zu wiederholen,
was dem Mittelalter im grösseren missglückt war. Aus den
Grundgesetzen dieses Bundes ist besonders hervorzuheben die
Auff"assung der europäischen Christenheit als E i n e r Völkerfamilie.
Diese Form der E i n i g u n g w a r ein Fortschritt im Gegensatze zur
römisch-christlichen Einheit des Mittelalters. F e r n e r musste als ein
m o d e r n e s Princip gelten die E r h e b u n g der Allianz über die confes-
sionellen und national-politischen Gegensätze h m e r h a l b der europäi-
schen Christenheit und die Proclamirung des christlichen D o g m a s zum
massgebenden Princip für den Völkerverkehr und die gegenseitigen
Verhältnisse der Obrigkeit und U n t e r t h a n e n . Aber in der Anerken-
n u n g eines religiösen D o g m a s als politisches Princip für das öffent-
liche Recht l a g zugleich ein M o m e n t , welches der Richtung der
Zeit entgegen w a r , die d a r n a c h strebte den Staat menschlich zu be-
greifen und zu bestimmen. Die Auffassung der Monarchen als Fa-
milienväter gegenüber ihren Unterthanen und Armeen führte zur
patriarchalischen Staatsidee, welche für n e u e n t s t a n d e n e Staaten pas-
sen k o n n t e , von welcher sich a b e r die europäischen Völker eman-
cipirt hatten. Endlich w u r d e das Versprechen gegenseitiger Hlilfe
von M e t t e r n i c h zu eiuer Garantie des status quo k tout prix ge-
deutet, und führte, statt den Frieden zu begründen, zu fortwährenden
gütlichen und gewaltsamen Interventionen in die inneren Angele-
genheiten fremder Staaten.
Auf d e m Congress zu Aachen (29. Septbr. 2 1 . Novbr. 1818)
w u r d e n die Principieu der heiligen A l l i a n z , zu welcKer alle Staaten
Europa's , den P a b s t a u s g e n o m m e n , eingeladen , und nur E n g l a n d
seinen Zutritt versagt h a t t e , durch das Protocoll und die Erklärung
vom 15. November^ weiter entwickelt. Darin e r k l ä r e n die fünf Haupt-
m ä c h t e , denn F r a n k r e i c h w a r durch die Convention vom 9. October
als fünfte Grossmacht zur P e n t a r c h i e hinzugetreten, dass sie 1) ver-
einigt bleiben, 2) den allgemeinen F r i e d e n aufrechterhalten wollen;
3) F r a n k r e i c h dazu mitwirken w e r d e ; 4) zur R e g e l u n g internatio-
naler Angelegenheiten die fünf Mächte Zusammenkünfte halten wol-
len, dass a b e r bei A n g e l e g e n h e i t e n , die a n d e r e S t a a t e n betreffen,
die Interessirten an den Berathuugen Theil n e h m e n w e r d e n ; und
endlich 5) dass diese Beschlüsse zur Kenntniss aller europäischen
Höfe gebracht w e r d e n sollen. Unmittelbare B'olgen waren die Con-
gresae zu Troppau (Oct. 1 8 2 0 ) , Laybach (1821) und Verona (1822),
und die Intervention der heiligen Allianz in Italien (Oesterreichs)
und Spanien ( F r a n k r e i c h s ) . Man k a m über das Princip der bewaff-
neten Intervention zu Gunsten der Verträge von 1 8 1 5 , st)wohl hin-
sichtlich j e d e r V e r ä n d e r u n g der G e b i e t s g r e n z e n , als j e d e r revolutio-
nairen A b ä n d e r u n g der Regierut\gsfornien überein, eine nothweiidige
Folge des wieder zur Geltung gelangten Systems des politischen
Gleichgewichts. E n g l a n d protestirte gegen dieses Interventionssystem,
a b e r vorzüglich w a r es N o r d a m e r i k a , das noch bis jetzt j e d e Inter-
vention E u r o p a ' s in die Angelegenheiten des anifrikanischen Conti-
nents als gefährlich für den F r i e d e n und die Prosperität der Ver-
einigten Staaten perhorrescirt. E i n e Art von Intervention w a r die
der Quadrupel-Allianz: E n g l a n d s , F r a n k r e i c h s , Spaniens und Portu-
gals , in Folge des Vertrages vom 22. April 1 8 3 4 , in die inneren
Angelegenheiten der pyräneischen Halbinsel gegen die P r ä t e n d e n t e n
Dom Miguel und Don Carlos.
Die Londoner Conferenz der 5 Grussmächte von 1830 in Folge
der belgischen Revolution w a r auch eine praktische A n w e n d u n g des
Interventionsrechts zur Aufrochterhaltung des allgemeinen F r i e d e n s .
Aufgefordert vom Könige der N i e d e r l a n d e , eine friedliche Vermitte-
lung zwischen beiden Thcilen seiner Monarcliie zu übernehmen,
e r k l ä r t e diese Conferenz durch Protocoll vom 20. Deceniber die
Unmöglichkeit der Wiedervereinigung Belgiens mit Holland. Dies
führte zu mannigfachen U n t e r h a n d l u n g e n , welche mit der U n a b h ä n -
gigkeit und ewigen Neutralität Belgiens endeten.
Der im J. 1822 ausgebrochene Aufstand der Griechen zwang
die europäischen Grossmächte zu einer Intervention in die inneren
Angelegenheiten der T ü r k e i . In Folge des Petersburger Prolocolls
vom 4. April 1826 und des Londoner Vertrags vom 6. Juli 1827
boten E n g l a n d , F r a n k r e i c h und Russland ihre Vermittelung der Pforte
an. Die Z u r ü c k w e i s u n g dieser Vermittelungsanträge führte z u r Ver-
nichtung der türkischen Flotte bei N a v a r i n , zur Vertreibung der
A e g y p t e r aus Morea durch die F r a n z o s e n und z u m Kriege zwischen
Russland und der P f o r t e , welcher zu Ungunsten der letzteren mit
d e m Frieden^von Adrianopel (15. Sept. 1829) schloss. D a s L o n d o n e r
Conferenzprotocoll vom 3. Febr. 1830 erklärte Griechenland für
völlig unabhängig und durch den Vertrag der Grossmächte mit
B a y e r n vom 7. Mai 1832 w u r d e Otto von B a y e r n zur griechischen
K r o n e berufen. Die ehrgeizigen P l ä n e des Vicekönigs von Aegypten
Mehemed-Ali führten zu wiederholten Interventionen der europäi-
schen Mächte in die inneren Angelegenheiten d e r Türkei. Zuerst
Russlands allein, welche Intervention mit der Convention von Kutayah
im April 1833 und der Defensiv-Allianz von Unkiar-Iskelessi ( 8 . Juli
1833) schloss. Dann der Londoner Quadrupelallianz vom 1 5 . J u b
1840, an welcher n u r F r a n k r e i c h nicht Theil n a h m . Mehemed-Ali
w u r d e geschlagen und die Integrität der T ü r k e i bewahrt*").
Von den späteren internationalen Actenstücken sind noch her-
vorzuheben: y, Manifeste ä l'Europe'-'- der französischen Revolution
von 1848 von L a m a r t i n e redigirt, worin die V e r t r ä g e von 1815 für
nicht m e h r von Rechtswegen in den Augen der französischen Re-
publik bestehend, bezeichnet w e r d e n , u n d der Londoner Vertrag
vom 8. Mai 1852, der die Integrität der dänischen Monarchie sicherte.
D a s b e m e r k e n s w e r t h e s t e Ereigniss der k a u m verflossenen Zeit ist der
orientalische Krieg von 1853—56 und der Friedensvertrag von Paris
vom 30. März 1856, der denselben schloss. Die wichtigsten völker-
rechtbchen Bestimmungen desselben waren : die A n e r k e n n u n g der
Unabhängigkeit und territorialen Integrität des ottomanischen Reichs
im Art. 7, wodurch die Pforte ausdrücklich in die Gemeinschaft des
öffentlichen Rechts und des Z u s a m m e n w i r k e n s der Staaten Europa's
aufgenommen wurde. Der Vertrag v o m 1 3 . Juli 1 8 4 1 , der den
Bosporus und die Dardanellen für geschlossen e r k l ä r t e , w u r d e erneuert
und das Schwarze Meer für neutral erklärt. Russland und die T ü r k e i
versprachen im Art. 12 die Zulassung von Consulu in den Häfen
dieses Meeres und k e i n e Seekriegsarsenale au dessen Küste zu unter-
halten. Die Schififahrt auf der D o n a u w u r d e nach den Grundsätzen
des W i e n e r Congresses regulirt und in Bezug auf die Älandsinseln
eine Staatsdienstbarkeit constituirt, indem dieselben niemals befestigt
w e r d e n sollten.
Von besonderer Wichtigkeit w a r a b e r das Protocoll Nr. XXIII
vom 14. A p r i l , in w e l c h e m die Bevollmächtigten der vertreteneu
Staaten auf C l a r e n d o n ' s A n t r a g im N a m e n ihrer Staaten den W u n s c h
aussprachen, dass diejenigen europäischen Staaten, zwischen welchen
Streitigkeiten entstehen sollten, ehe sie zu den Wafi'en greifen, die
guten Dienste (les bons Offices) einer befreundeten Macht anrufen
möchten, in wiefern es die U m s t ä n d e gestatten w ü r d e n . Nach C l a r e n -
d o n sollte dies Verfahren d e m F r i e d e n die möglichste D a u e r sichern,
ohne die Unabhängigkeit der Staaten zu b e s c h r ä n k e n . Diesem Prin-
cipe sollten auch etwaige Streitigkeiten der T ü r k e i mit einer der
contrahirendeu Staaten unterliegen (vgl. Art. 8. des Vertrages). N e b e n
dieser allgemeinen B e s t i m m u n g stellte für das Seevölkerrecht die
Erklärung vom id. April j die C a p e r e i , den neutralen H a n d e l und
die Blocade betreffend, wichtige, die vielfachen Differenzen über
diese P u n c t e in entschiedener W e i s e schlichtende B e s t i m m u n g e n auf,
welchen auch die meisten europäischen Staaten beigetreten sind.
Den Völkerverkehr beförderten wesentlicii die Abschaffung der
Bell- und Sundzölle durch V e r t r a g vom 14. März 1857, worin die
interessirten Staaten Dänemark durch Z a h l u n g einer S u m m e von
30,476,325 Rigsdaler zu entschädigen versprachen und die Befreiung
d e r Elbschiflfuhrt von der unter d e m N a m e n Stader oder Brunshau-
sener Zoll bekannten A b g a b e , gegen Z a h l u n g eiuer E n t s c h ä d i g u n g
von 2.857,33873 deutsche T h a l e r an H a n n o v e r durch Vertrag vom 22.
J u u i 1861 zwischen diesem und den a m Zoll interessirten Staaten **).
Die griechischen Angelegenheiten w u r d e n durch den Londoner
Vertrag vom 13. Juli 1863 geregelt. Prinz Wilhelm von D ä n e m a r k
w u r d e als König Georg I. von Griechenland a n e r k a n n t und seinem
Königreiche die Garantie der vertragschliessenden M ä c h t e : Frank-
reich, E n g l a n d und Russland zugesichert. Auch sollte diese Garantie
auf die von E n g l a n d abzutretenden Jonischen Inseln ausgedehnt
werden, und von den, vom griechisclieu Schatze zvi zahlenden Sum-
m e n , für die von den europäischen Wächten garantirte S c h u l d , ein
Theil zur Bildung einer persönlichen Dotation des Königs v e r w a n d t
werden.
Die Bestimmungen des W i e n e r Congresses, welche die Grund-
lage für das gegenwärtige Völkerrecht bilden sollten, sind in der
P r a x i s vielfach missachtet worden und gleichen einem G e b ä u d e , das
von allen Seiten einzustürzen droht. E s lag d a h e r der G e d a n k e
nahe, einen d e m westphälischen und W i e n e r ähnlichen Congress
vorzuschlagen, der die G e g e n w a r t ordnen und die Zukunft sichern
sollte. D a d u r c h k o n n t e die Grundlage für eine allgemeine Pacifica-
tion E u r o p a ' s gewonnen w e r d e n , denn wie L a u r e n t richtig bemerkt**),
müsse m a n v o r einem Kriege, nicht erst n a c h demselben u n t e r h a n -
deln. So sah sich d e n n auch Napoleon IIL v e r a n l a s s t , a n die Sou-
veräne Europa's seinen Brief vom 4. November 1863 zu richten,
worin er dieselben zu einem Congresse nach Paris einlud, der indess
nicht stattfand.
Von den in neuester Zeit in Italien, N o r d a m e r i k a , Mexico u n d
Schleswig-Holstein geführten Kriegen h a t t e der vierjährige (1861—1865)
Bürgerkrieg in N o r d a m e r i k a die Aufhebung der Sclaverei in allen
Staaten der Union zur F o l g e . Das Bestreben F r a n k r e i c h s , durch
Aufrichtung eines Kaiserthrones in Mexico den inneren U n r u h e n u n d
der Misshandlung der F r e m d e n ein Ziel zu setzen, k a n n noch nicht
als mit vollem Erfolge gekrönt betrachtet w e r d e n u n d scheint zur
Zeit die Monroe-doctrin denselben zu beeinträchtigen.
Auch d e r Krieg gegen D ä n e m a r k hat m a n c h e internationale
F r a g e n in A n r e g u n g gebracht, deren Lösung durch den W i e n e r Ver-
trag vom 30. October 1864 und die Gasteiner Convention n u r bean-
standet ist.
Werfen wir einen Blick auf die ganze Periode seit der franzö-
sischen R e v o l u t i o n , so nehmen wir w a h r , d a s s , uneracbtet dessen,
dass das System des politischen Gleichgewichts zur dauerhaften Be-
g r ü n d u n g der internationalen Gemeinschaft als unfähig sich erwies,
es dennoch wieder durch die W i e n e r V e r t r ä g e und die ihnen folgende
P r a x i s zum Ansehen gelangen sollte. Neben demselben suchte m a n
a b e r gleichzeitig die internationale Gemeinschaft auf einem morali-
schen Princip durch die heilige Allianz zu b e g r ü n d e n . Beides findet
seine E r k l ä r u n g in den reactionären T e n d e n z e n , welche sowohl ge-
gen die E r r u n g e n s d i a l t c n der Wjsseuschaff, als vorzQglieli F r a n k -
reichs w ä h r e n d der republikanischen und Napcilconisclien Periode
gerichtet w a r e n . Aber das so zusammengefügte G e b ä u d e konnte
den Einflüssen wechselnder Zeitereignisse nicht Stand halten, w e d e r
fand die politische Balance iiu-en d a u e r n d e n Schwerpunkt, noch b e -
herrschten die religiösen G r u n d s ä t z e dergestalt die Anreizungen der
Staatsraison, dass das Verhalten der Staaten zu e i n a n d e r , über das
vorwiegende Einzelinteresse sich erhebend, einer gleichmässigen Be-
rücksichtigung der Interessen der Gesammtheit Ausdruck g a b . Zur
religiösen V e r k l ä r u n g der Politik w a r die Zeit der materiellen Inte-
ressen nicht a n g e t h a n . E s musste d a h e r eine n e u e der Zeit entspre-
chende Stütze für die völkerrechtliche Gemeinschaft gefunden werden
und in der T h a t ist seit der Mitte des laufenden J a h r h u n d e r t s die
internationale Gemeinschaft auf der Gemeinschaft der materiellen
Interessen b e g r ü n d e t , wenn auch diplomatische V e r h a n d l u n g sich,
und nicht den unleugbar auch die äusseren Staatenverhältnisse
bedingenden materiellen Interessen, die Erfolge der Gegenwart
beizumessen gesonnen sein möchte. Diese n e u e Grundlage verdanken
wir dem W i r k e n der Lehren der politischen Oeconomie, deren wei-
tere Ausbildung und V e r v o l l k o m m n u n g neben den geförderten Ver-
kehrs- und Erwerbsmitteln, insbesondere durch Anwendung des
Dampfes zur Communication und Fabricatiou die drei Hauptmittel
w a r e n , durch welche der Fortschritt des Wissens und ü b e r h a u p t der
Menschheit a m meisten befördert wurden*^).
W i r haben schon bei den P h y s i o k r a t e n eine Reaction gegen
die eifersüchtige und engherzige Politik des Mercantilismus w a h r g e -
nommen, aber vorzüglich w a r es A d a m Smith, der durch die
Veröffentlichung seines W e r k e s über den NationalreichfAum (1776)
m e h r zu d e m Glück der Menschheit beigetragen, als alle S t a a t s k u n s t
von Politikern und G e s e t z g e b e r n , ü b e r die wir sichere historische
Nachricht h a b e n , z u s a m m e n g e n o m m e n zu leisten vermochte*^). Die
Grundprincipien der S m i t h ' s e h e n L e h r e sind folgende. Die Quelle
alles Reichthums ist die Arbeit, um also den R e i c h t h u m zu steigern,
müsse sowohl die Intensität ( E n e r g i e ) , als auch die Extensität (Aus-
breitung) der Arbeit erhöht w e r d e n . Die Arbeit gewinnt an E n e r g i e
1) durch die Arbeitstheilung und 2) durch Einführung von Maschinen.
Die Vortheile der Arbeitstheilung bestehen in der grösseren Geschick-
lichkeit des Arbeiters und in E r s p a r n i s s an Zeit. Selbst die Einfüh-
r u n g von Maschinen m u s s der Arbeitstheilung zugeschrieben werden,
welche einer besonderen Neignng der Menschen, ihre eigenen
Erzeugnisse gegen die anderer einzutauschen, entsprungen ist.
Die Arbeitstheilung ist durch die Ausdehnung des Marktes be-
dingt. Alles a l s o , w a s zur E r w e i t e r u n g des Marktes d i e n t , erhöht
den R e i c h t h u m des Volkes. Dazu gehören gute Communications-
mittel, Freiheit und Sicherheit des V e r k e h r s , ein w i r k s a m e r Rechts-
schutz mit einem guten Münzsysteme. Die Arbeit gewinnt
an Extensität durch Anhäufung von Capitalien und die Art
und W e i s e , wie diese Capitalien verwendet werden. Beides aber
hängt von dem Verhältnisse zwischen der produc/iien und unprodttc-
liven Arbeit a b .
S m i t h h e b t den Unterschied zwischen Gebrauchs- und Tausch-
werth einer Sache u n d will den letzteren einzig durch die Arbeit
bestimmt wissen. Die Arbeit soll das zuverlässige allgemeine Preis-
inaass s e i n , wonach der W e r t h verschiedener W a a r e n zu verschie-
denen Zeiten und Orten verglichen werden k a n n , indem der Preis
der edlen Metalle und der des Getreides kein beständiges Maass a b -
geben können. Der Preis einer W a a r e kann in drei E l e m e n t e zer-
legt werden, nemlich G r u n d r e n t e , Arbeitslohn u n d Capitalzins, welche
auch S m i t h ausführlich analysirt und dabei b e m e r k t , wie die aus-
schliesslichen Privilegien von Corporationen u n d Zünften nachtheilig
auf die Preise eingewirkt haben, indem sie lange Zeit Monopolpreise,
die weit die natürlichen Preise (Productionskosten) übersteigen, auf-
recht erhalten h a b e n . Vorzüglich ausführlich hat A d . S m i t h den
Arbeitslohn behandelt und sein Verhältniss zum Preise der übrigen
Waaren, namentlich der Subsistenzmittel analysirt. Er fand, dass
in sehr fruchtbaren J a h r e n die Nachfrage nach Arbeitern und zugleich
der Arbeitslohn steigt, wogegen in Hungersjahren beides herunterge-
d r ü c k t wird. D a n n hebt er auch die üblen Folgen des in E u r o p a
vorherrschenden Bevormundungssystems. Dies System soll auf drei-
fache Art schädlich wirken und die Ursache der Ungleichheit der
Vermögenszustände sein. E r s t e n s , indem es die Concurrenz zu sehr
beschränkt, wodurch viele von einer productiven Beschäftigung ab-
gehalten w e r d e n , dies geschieht vorzüglich durch die ausschliessli-
chen Privilegien der C o r p o r a t i o n e n ; z w e i t e n s , i n d e m es in anderen
Fällen dieselbe Concurrenz zusehr a u s d e h n t ; u n d endlich indem
dies System den freien Verkeiir von Capital und Arbeit verhindert.
D e n n die Kraft u n d die Geschicklichkeit der H ä n d e ist das einzige,
a b e r auch heiligste, u n d unvevletzliche E i g e u t h u m des A r m e n , und
ihn von dem Gebrauch derselben, wie er es lür nützlieh hält, abzu-
halten, soll die schreiendste Verletzung des uvsprünglicheu Eigen-
thums sein. Mit steigendem Wohlstande der Gesellschaft sollen
Grundreute u n d Arbeitslohn die Tendenz haben auch zu s t e i g e n ,
wogegen der Capitalzins einen entgegengesetzten V e r l a u f h a t . Smith
unterscheidet stehendes und umlaufendes Capital von dem unmittelbar
zur Consumtion verbrauchten ( G e b r a u c h s c a p i t a l ) und nimmt vier
Arten deren V e r w e n d u n g a n : 1) zur E r z e u g u n g von Rohstoffen, 2)
zur Verarbeitung dieser Stoffe für die Consumtion, 3) zur Betreibung
des Grosshandels und endlich 4) zur Betreibung des Detailhandels.
Smith betrachtet als vorzüglich vortheilhaft den inneren H a n d e l ,
weil er am meisten die innere Production befordert; fin weniger
vortheilhaft den auswärtigen H a n d e l , weil er zur Hälfte dem frem-
den L a n d e zu G u t e k o m m t , wogegen der Z w i s c h e n h a n d e l , der Ca-
pital aus d e m L a n d e schafft, um die Pioductivität fremder Industrien
zu h e b e n , den kleinsten Vortheil abwirft. Productiv n e n n t S m i t h
n u r eine solche A r b e i t , die materielle W e r t h e e r z e u g t , alle tibrige
n e n n t er unproductiv. Dahin gehören sowohl die Thätigkeit der Geist-
l i c h e n , J u r i s t e n , Mediciner und Gelehrten ü b e r h a u p t , als auch die
d e r Schauspieler, Musikanten, Sänger, Balettänzer u. s. vv.
Von der grössten Wichtigkeit war aber die K r i t i k , welcher
S m i t h das d a m a l s herrschende Mercantilsystem unterwarf. E r zeigte,
dass der Grundfehler desselben in der Verwechselung von Reichthum
und Geld und in der ungebührlichen H e r v o r h e b u n g der Interessen
der P r o d u c e n t e n g e g e n ü b e r denen der Consumenten liege und wies
die g a n z e U u h a l t b a r k e i t der Handelsbilanztheorie nach. E r zeigte,
dass der H a n d e l , welcher frei zwischen zwei Handelsplätzen geführt
wird, beiden gleichzeitig vortheilhaft s e i , n u r nicht in demselben
Maasse, dass es also ganz falsch s e i , darauf h i n z u w i r k e n , seinen
N a c h b a r zu ruiniren. D e n n ein reicher N a c h b a r verschaffe einen
grösseren Markt für die hiesigen E r z e u g n i s s e u n d der Handel mit
i h m b r i n g e beiden Vortheil. — Dadurch w u r d e die h e r r s c h e n d e An-
sicht, n a c h welcher ein Staat n u r auf Kosten eines a n d e r e n an Macht
gewinnen k o n n t e , ihrer früheren Geltung beraubt u n d die Lehre
von der Solidarität der Staaten auf dem Gebiete der materiellen In-
teressen a n g e b a h n t .
S m i t h betrachtet den Eigennutz als eine so starke Triebfeder
menschlicher H a n d l u n g e n , dass er seinem freien W a l t e n sowohl das
Gedeihen des einzelnen Bürgers als auch d e r Gesellschaft zuschreibt.
D e r Eigennutz soll ein so mächtiges Princip sein, dass e r nicht n u r
im S t a n d e ist, der Gesellschaft zum Reichthum und Gedeihen zu
verhelfen, sondern auch die tausende von Hindernissen zu überwin-
den , welche menschliche Einfalt und Gesetze diesem Fortschritte
entgegengesetzt hoben. Desshalb vindicirt er dem E i g e n n u t z e die
vollständigste Freiheit n u r mit einigen unentbehrlichen Beschrän-
kungen. So will S m i t h in Bezug auf eine besondere Industrie, die
zur Landesvertheidigung d i e n t , sowol die Handelsfreiheit beschrän-
ken als auch einen staatlichen Schutz angedeihen lassen, wo beides zur
H e b u n g derselben n o t h w e n d i g ist. Von diesem S t a n d p u n k t e rechtfertigt
er die engbsche Navigationsacte. Auch ist S m i t h der Meinung, dass
man eine inländische I n d u s t r i e , die im L a n d e einer directen Steuer
unterliegt, gerechter Weise gegen das unbesteuerte Ausland in Schutz
nehmen dürfe. F e r n e r , dass m a n dem Auslande, welches ungebühr-
lich die diesseitigen Erzeugnisse besteuert, das Recht h a b e mit Re-
pressalien zu erwidern. Endlich verlange die H u m a n i t ä t , dass eine
Industrie, die viele H ä n d e beschäftigt und sehr lange beschützt
w u r d e , nicht plötzlich dieses Schutzes beraubt w e r d e . S m i t h hielt
d a h e r die Einführung der Handelsfreiheit in England für eben so
unmöglich als die B e g r ü n d u n g der Republik Utopia oder Oceana.

In Bezug auf die F ö r d e r u n g der inländischen Production beim


auswärtigen Handel durch Ausfuhrprämien bemerkt S m i t h , dass
dieselben den Preis d e r W a a r e n unmässig steigern und noch dazu
die Masse des Volkes mit zwei neuen Steuern belasten. Die eine
Abgabe, um die S u m m e der Ausfuhrprämien zu bezahlen, die a n d e r e
weit grössere, welche durch Steigerung des Preises der W a a r e durch
die g a n z e Masse der Consumenten im L a n d e bezahlt w e r d e n m ü s s e .
Diese Grundsätze wendet er auch auf den Getreidehandel an. Dess-
halb tadelt S m i t h auch die Kornpolitik E n g l a n d ' s , die den inneren
und den Einfuhrhandel e r s c h w e r t , den Ausfuhrhandel dagegen mit
Prämien begünstigt. Die unmittelbaren Folgen einer solchen P o -
litik sollen nach S m i t h die unnatürliche Steigerung der Getreide-
preise und die B e s c h r ä n k u n g des inneren M a r k t e s , selbst in Zeiten
einer Misserndte, n u r auf die inländische Production gewesen s e i n ;
aber auch d a n n soll es m a n c h m a l vortheilhafter gewesen sein, unter
Genuss der P r ä m i e einen Theil der inländischen Production in's Aus-
land zu führen. Kinen Beweis der Mangelhaftigkeit des ganzen
Systems der damaligen Korngesetzgebung J^nglands sah S m i t h in
der K o t h w e n d i g k e i t , w e l c h e die Regierung öfters z w a n g , in Zeiten
grosser Redrängniss die Korngesetze voriibergehend zu suspendiren.
Diese wichtigen, von S m i t h v e r k ü n d e t e n , W a h r h e i t e n k o n n t e n erst
n a c h langen J a h r e n selbst in E n g l a n d zur allgemeinen A n e r k e n n u n g
gelangen.
Sehr ausführlich behandelt ferner S m i t h die Colonialpolitik des
d a m a b g e n E u r o p a ' s u n d die verschiedenen Arten, wie der Colonial-
handel monopolistisch betrieben w u r d e . Als bestes Mittel, das E m -
porblühen einer neuen Colonie zu h e m m e n , führt er auf, sie einer
privilegirten H a n d e l s c o m p a g n i e a n z u v e r t r a u e n . Dieses System sei all-
gemein befolgt w o r d e n , obgleich ein solches Behindern eines Volkes,
allen möglichen Gewinn aus seiner Production zu ziehen und seine
Capitale u n d seine Industrie auf die ihm am vortheilhaftesten schei-
n e n d e Weise zu g e b r a u c h e n , eine Verletzung der heiligsten R e c h t e
der Menschen sei. Aber dennoch sei der Colonialhandel so vortheil-
haft, dass er im Stande s e i , die Nachtheile des Monopols zu über-
winden. D e n n das Monopol begünstige nur eine einzige Classe von
Menschen, w ä h r e n d es den allgemeinen Interessen des L a n d e s schäd-
lich sei. W e n n also der Colonialhandel die E n t w i c k e l u n g der In-
dustrie E n g l a n d ' s befördert h a b e , so sei dies trotz des Monopols ge-
schehen, nicht aber durch dasselbe. Die bis zu seiner Zeit von
England befolgte Colonialpolitik h a b e dem L a n d e n u r Schaden und
Nachtheile zugefugt.

Als Mittel zur Abhülfe schlägt S m i t h die F r e i g e b u n g des Co-


lonialhandels vor. N u r m ü s s e diese F r e i g e b u n g nicht plötzbch ge-
schehen, d e n n dies sei der Fluch des Mercantilsystems, dass sowohl
die A n w e n d u n g desselben als seine Aufhebung mit sehr gefährlichen
Uebeln verbunden ist. Die privilegirten Handelscompagnien seien
a b e r ein öffentliches Uebel ( u n m a l p u b l i c ) und ein vernichtendes
E l e m e n t (un fleau destructeur) für die ihrem R e g i m e n t unterworfe-
nen L a n d e .
Zuletzt resumirt S m i t h die Pflichten einer weisen Regierung
in der Erfüllung dreier Bedingungen. Zuerst in d e m Schutze gegen
äussere Angriffe ; sodann in der H a n d h a b u n g des Rechtsschutzes und
der Gerechtigkeit im L a n d e selbst u n d endlich in der Errichtung
und Unterhaltung solcher öffentlicher Anstalten und Institutionen,
welche die Kräfte und Mittel eines P r i v a t m a n n e s übersteigen.
Dieses von A d . S m i t h b e g r ü n d e t e freie Industriesystem wurde
später von seinen grossen S c h ü l e r n : einem M a l t h u s und Ricardo
in E n g l a n d , S a y , G a r n i e r in F r a n k r e i c h , R a u , H e r m a n n , Hoff-
mann, v. T l i ü n e n in Deutschland u . v . a . vervollständigt. Aber
auch das entgegengesetzte Prohibitiv- und Schutzzollsystem fand
m a n c h e A n h ä n g e r in E n g l a n d , F r a n k r e i c h , N o r d a m e r i k a u n d Deutsch-
land.
Von den deutschen Nationalökonomen suchte aber Adam
Müller die Volkswirthschaftslehre auf die G r u n d s ä t z e d e r Restau-
ration, die die n e u e Zeitrichtung nicht a n e r k e n n e n u n d die mittel-
alterlichen Ideen wieder zur Geltung bringen wollte, zurückzuführen**).
E r betrachtete das Mittelalter als ein zuerstrebendes Ideal und das
Lehnswesen als die Verwirklichung der w a h r e n Freiheit. Desshalb
w a r für A d . M ü l l e r die S m i t h ' s c h e Theorie eine einseitige Lehre
der brittischen Industrie und Geldwirthschaft, welche auf dem
Contincnte keine A n w e n d u n g finden dürfte. Die M ü l l e r m a n g e l n d e
historische Bildung führte ihn zu vielen Widersprüchen und zu
dem W u n s c h e , die Gutshörigkeit, die F r o h n d i e n s t e und das s t r e n g e
Zunftwesen wiederhergestellt zu wissen.
Vom S t a n d p u n k t e der Schutzzolltheorie trat F r i e d r i c h List
gegen A d a m S m i t h auf**). E r fasste seine Anklagen in die drei
W o r t e : Cosmopolitismus, Materialismus nnd Particularismus. Haupt-
aufgabe des menschlichen Strebens sei E r h a l t u n g , Ausbildung und
V e r v o l l k o m m n u n g der Nationalität. — Die Völker der gemässigten
Zone vollführten ihre Aufgabe innerhalb vier Entwickelungsstufen:
des Hirtenlebens, des Ackerbaues, der Ägricultur und Industrie, und
des Ä g r i c u l t u r - , I n d u s t r i e - und Handelswesens. — Diese Theorie
der vier Enttvicheltingssfufen, obgleich der Geschichte Grossbrit-
tanniens e n t n o m m e n , passt nicht einmal auf dieselbe vollständig.
Nach der SchnlznolUheorie verlangte L i s t , für w e n i g und für
ganz cultivirte Völker F r e i h a n d e l , für mittlere Entwickelungsstufen
ein Schutzsystem.
Aehnliche Ansichten wurden auch von Schriftstellern anderer
Nationen vertheidigt, wesshalb es nicht zu v e r w u n d e r n ist, dass die
S m i t h ' s c h e n Ansichten nur allmälig in die P r a x i s allgemeinen E i n g a n g
fanden. Nach langem tliatkräftigen und dennoch thatenlosen W i d e r s t r e -
ben d r a n g erst die E r k e n n t n i s s durch, dass die Staaten auf d e m Gebiete
der materiellen Interessen von einander abhängig seien und dass die
Befriedigung der mannigfachen Bedürfnisse der Neuzeit n u r durch
die internationale Arbeitstheilung bewerkstelligt werden k ö n n e . Eng-
land k a m zuerst zu dieser Einsicht und in diesem L a n d e erkämpfte
d a h e r auch das Princip des F r e i h a n d e l s seinen ersten S i e g , Veran-
lassung g e n u g , n m uns zuerst der englischen Handels- und Zollreform
zuzuwenden
Die ersten Versuche einer Handelsreform wurden schon von
P i t t gemacht, i n d e m er 1786 einen auf d e m Principe der Recipro-
cität gegründeten Handelsvertrag mit F r a n k r e i c h schloss und 1787
alle Zollgesetze zu einem Ganzen einte. Aber der später ausgebro-
chene Krieg vereitelte seine P l ä n e . Nach Wiederherstellung des
Friedens k a m e n meist Prohibitivmaassregeln zur Geltung, vorzüglich
in Bezug auf den K o r n h a n d e l . U n t e r Karl I I . w a r die Einfuhr des
fremden Getreides erschwert w o r d e n , unter Wilhelm III. und Marie
a b e r eine Ausfuhrprämie von 5 Shill. pr. Qu. zur Begünstigung des
Ausfuhrhandels festgesetzt. Dagegen w u r d e im J. 1773 die Einfuhr
des Getreides schon bei einem W a i z e n p r e i s e von 48 Shill. zollfrei
g e s t a t t e t , w ä h r e n d die P r ä m i e n u r bis zum P r e i s e von 44 Shill. be-
zahlt w e r d e n , d a n n a b e r auch j e d e Ausfuhr verboten sein poUte.
Bis z u m J. 1792 w a r E n g l a n d ein Ausfuhrland für Getreide und erst
von diesem J a h r e an fing es a n , der ausländischen Production zur
D e c k u n g der inländischen Consumtion zu bedürfen.
I m J. 1814 wurdeu alle Ausfuhrzölle auf Getreide aufgehoben,
a b e r auch zugleich alle Ausfuhrprämien und im J. 1815 die Einfuhr
fremden Gretreides n u r bei einem W a i z e n p r e i s e von 80 Shill. pr.
Qu. und d a r ü b e r erlaubt. Dieser Preissatz w u r d e im J. 1822 auf
70 Shill. pr. Qu. herabgesetzt und zugleich die Einfuhrzölle nach
einer gleitenden Scala berechnet. Indess fanden die von A d . S m i t h
v e r k ü n d e t e n G r u n d s ä t z e eine i m m e r weitere V e r b r e i t u n g , den ersten
Anstoss zu einer Reform g a b e n aber die durch B a r i n g dem Parla-
m e n t e überreichten kaufmännischen Petitionen des J. 1820, welche
F r e i g e b u n g des Handels verlangten. In Folge dessen w u r d e u Par-
laments-Commissionen zur U n t e r s u c h u n g der Sachlage e r n a n n t , vor-
züglich d a die h e r r s c h e n d e Noth eine Abhülfe verlangte. Die erste
Periode der Reform umfasst die J. 1822 bis 1830 und k a n n als die
H u s k i s s o n ' s c h e bezeichnet w e r d e n , denn er w a r es, der die meisten
bezüglichen Maassuahmeri durchführte. So hob er im Budget 1823
die V e r b r a u c h s s t e u e r auf Salz b e i n a h e gänzlich auf u n d ermässigte
im J. 1824 die Zölle auf rohe S e i d e , Wolle, Rum. Die grössten
ZoUreductionen gingen a b e r im J. 1825 vor sich, wo 3,676,000 S Sterl.
a n Zöllen aufgegeben wurden.
Auch die strengen Schifffahrtsgesetze w u r d e n gemildert. Schon
1810 schloss E n g l a n d mit P o r t u g a l einen Reciprocitätsvertrag, welcher
die Gleiciistellung der Schiffe beider Staaten in den Schiffsabgaben
und Zöllen für die L a d u n g b e z w e c k t e . 1815 w u r d e ein ähnlicher
Vertrag mit N o r d a m e r i k a zu S t a n d e gebracht. Als Preussen im J.
1822 ein erhöhtes Tonnengeld fremden Schitfen auferlegte, erlangte
Huskisson in den J. 1823 und 1824 vom P a r l a m e n t e , dass der
R e g i e r u n g gestattet w e r d e , Reciprocitätsverträge mit fremden Mächten
zu schliessen, welche auch wirklich mit den meisten europäischen
Staaten und den frei g e w o r d e n e n spanischen Colonien in Amerika
geschlossen w u r d e n .
Im J. 1825 erfolgte auch eine E r m ä s s i g u n g der strengen Colo-
nialpolitik. Die SeidenzüUe w u r d e n , mit Aufhebung der fridieren
Prohibition, im J. 1826 auf 30 % vom W e r t h e festgesetzt, ungeachtet
der Petition der Londoner Seidenfabrikanten, die auf E r h a l t u n g des
Schutzes gerichtet war. Aber d a s Verbot der Maschinenausfuhr
w u r d e aufreclit erhalten. 1823 u n d 24 erfolgte die vollständige Ver-
einigung Grossbrittanniens und I r l a n d s zu demselben Zollsysteme.
W a s die Handelsgcsetzgebuug betrifft, so w u r d e n 1825 s ä m m t -
liche Zollgesetze in 11 Statute z u s a m m e n g e b r a c h t u n d das Verhält-
niss des Principals zum Factor wesentlich verbessert.
Die Noth des J. 1826 rief eine Agitation gegen die Korngesetze
hervor. Am 1. Septbr. wurden diese Gesetze zeitweilig suspendirt
und im J. 1828 eine gleitende Scala festgesetzt, wo bei 70 sch. per
Qu. W a i z e n die Einfuhr ganz frei w a r , bei niedrigerem Preise die
Zölle i m m e r stiegen, bis sie bei 55 Shill. per Qu. 30 Shill. erreicht
hatten, was einer Prohibition gbch. I m Budget des J. 1830 w u r d e n
die Bier-Accise u n d die von Häuten u n d Fellen abgeschafft und die
Zölle auf west- und ostindischen Zucker herabgesetzt.
In solcher Weise b a h n t e H u s k i s s o n überall den späteren R e -
formen den W e g .
Die zweite P e r i o d e (1830—1841) w a r eine ü e b e r g a n g s p e r i o d e .
E s w a r die Zeit der grossen Parlamentsreform ( 1 8 3 2 ) , der E m a n c i -
pation der Sclaven in Westindien (1834), der E r n e u e r u n g des Privi-
legiums der ostindischen Compagnie, durch welche sie ihren mercan-
tilen C h a r a k t e r verlor, der Reform des A r m e n w e s e n s und der Post-
reform (1839). Viele H a n d e l s v e r t r ä g e wurden geschlossen: mit
O e s t e r r e i c h , dem Zollverein, D ä n e m a r k u. a. m. 1838 begann der
Feldzug V i l l i e r s gegen die Korngesetze im P a r l a m e n t . A b e r vor-
züglich wichtig w a r die Commission des P a r l a m e n t s vom J. 1840
zur U n t e r s u c h u n g der Einfuhrzölle, die alles Material für die späteren
Reformen lieferte.
Die w i c h t i g s t e , dritte Periode der englischen Handelsreform
beginnt mit d e m Ministerium von R o b e r t P e e l ( 1 8 4 1 — 1 8 4 6 ) . Er
b e g a n n seine R e f o r m a n t r ä g e am 9. F e b r . 1842 mit einer n e u e n her-
abgesetzten gleitenden Scala für Getreidezölle. D e r höchste Zollsatz
w a r 20 Shill. pr. Q u . W a l z e n bei einem Preise von 50 Shill. und der
Zoll n a h m i m m e r a b , bis er bei einem Preise von 7.3 Shill. n u r 1
Shill. b e t r u g und bei 74 Shill. die Einfuhr zollfrei sein sollte.
Als conditio sine q u a non der grossen ZoUreductionen des J.
1 8 4 2 , der grössten seit denen des J. 1825, verlangte P e e l die Ein-
führung einer E i n k o m m e n s t e u e r von 3 %. W a s aber die Reform
des Zolltarifs betraf, so schlug er v o r , alle Einfuhrverbote aufzuhe-
ben, Rohstoffe mit einem nominellen Zoll von 5 ^ ad valorem,
Halbfabrikate mit 10 % u n d fertige W a a r e n mit 20 % zu verzollen.
So führte P e e l das Princip des freien Handels ein, obgleich er noch
eine Zeit lang dem H a n d e l mit Getreide, Zucker und theilweise mit
fertigen W a a r e n Schutz angedeihen Hess. Seine Anträge wurden
vom P a r l a m e n t e a n g e n o m m e n . Im J. 1843 w u r d e n die Ausfuhrver-
bote von W e r k z e u g e n der I n d u s t r i e , I n s t r u m e n t e n u n d Maschinen
zurückgenommen. Das J. 1845 brachte a b e r eine k ü h n e und umfas-
sende Zollreform. Die Baumwolle w u r d e zollfrei, die Accise auf
Glas und von Auctionen abgeschafft.
In Bezug auf Handelsverträge stellte R i c a r d o den Antrag, dass
E n g l a n d auf keine Gegenseitigkeit w a r t e n , sondern seine Häfen allen
Nationen ohne Unterschied freigeben solle. Indien w u r d e von einem
drückenden Zollsystem befreit und bekam einen gleichmässigen
Zolltarif.
Den stärksten Angriffen w a r e n a b e r die Korngesetzte ausgesetzt.
Seit 1838 bildete sich eine Anti-corn-law-League, die mit einer Pe-
tition der Manchester H a n d e l s k a m m e r um völlige Abschaffung der
K o r n g e s e t z e , von C o b d e n a b g e f a s s t , ins Leben trat. I h r e Thätig-
keit b e s c h r ä n k t e sich bis 1843 auf Manchester, in diesem J a h r e aber
siedelt sie sich nach London über, wo sie aus einer localen zu einer
nationalen P a r t e i w i r d . Das P r o g r a m m des J. 1843 w a r völlige und
.sofortige A u f h e b u n g , nicht n u r der G e t r e i d e g e s e t z e , sondern aller
Monopole und aller Schutzmaassregeln zu Gunsten des L a n d b a u e s ,
der Industrie und Schififahrt, also der freie u n g e h i n d e r t e Verkehr
und Handel (libre behänge — free trade). Die L e a g u e b e m ü h t e sich.
die Pächter zn überzeugen, dass das P a r l a m e n t nicht die Kraft h a b e ,
einen Getreidepreis sowol zu erhalten als auch zu heben und dass die
F u r c h t , bei Aufhebung der G e s e t z e , mit fremdem Getreide überflu-
thet zu w e r d e n eine reine Chimäre w ä r e . Dann suchte sie nicht n u r
die F a b r i k a r b e i t e r , sondern auch die l a n d b a u e n d e Bevölkerung zu
gewinnen und auf die P a r l a m e n t s w a h l e n einen Einfluss zu ü b e n .
Die eigentlichen B e w e g g r ü n d e der L e a g u e w a r e n der W u n s c h der
Industriellen, von einer aristokratischen Gesetzgebung befreit zu wer-
den, und der Ehrgeiz eines reichen u n d gebildeten Mittelstandes,
m e h r Einfluss auf die Regierung des Landes a u s z u ü b e n . Dazu k'am
noch die Kartoffelkrankheit im J. 1845 und viele b e d e u t e n d e Staats-
.männer England's bekannten sich allmälig zum Princip des freien
Getreidehandels, so Lord J o h n R ü s s e l im Briefe a n seine Londoner
W ä h l e r , wo er die Noth des Landes der Kartoffelkrankheit und dem
Gesetz vom J. 1842 z u s c h r e i b t ; d a n n Lord M o r p e t h , Macaulay
u. V . a. Das J. 1846 b r a c h t e die gewünschte Entscheidung. In
seiner Budgetvorlage m a c h t e P e e l den Antrag, den Zoll auf Talg um
die Hälfte und den auf fremdes Bauholz beträchtlich herabzusetzen.
Die Seidenwaaren *sollten mit 1 5 ^ , die übrigen fertigen W a a r e n
mit 10% vom W e r t h e verzollt w e r d e n , die Zölle auf ausländischen
und Colonialzucker herabgesetzt w e r d e n . W a s a b e r die Korngesetze
betritTt, so schlug P e e l bis zum 1. Febr. 1849 eine n e u e gleitende
Scala v o r , die mit 10 Shill. pr. Qu. bei einem Preise von 48 Shill.
nnd darunter beginnt u n d bis zu 4 Shill. bei einem Preise von 53
und d a r ü b e r herabsinkt. Vom 1. F e b r u a r 1849 sollte nur ein fester
Zoll von 1 Shill. pr. Qu. erhoben werden. Zur Entschädigung des
Landbanes für den aufgehobenen Schutz sollte eine bestimmte Siunmc
zur Beförderung der D r a i n a g e den Landbesitzern zur Verfügung ge-
stellt w e r d e n und einige Ausgaben, die auf dem G r u n d e und Boden
lasteten, wie die Kosten der Polizei in I r l a n d , der medicinischen
Hülfe in E n g l a n d und Schottland und die Verfolgung der Verbrecher,
auf das Pieichsbudget übergeführt werden. Als die durch das Haus
der Gemeinen a n g e n o m m e n e Bill zum Hause der Lords k a m , setzte
der Herzog von Wellington die Unmöglichkeit a u s e i n a n d e r , in Col-
lision mit der Krone und dem U n t e r h a u s e zu treten n n d die Lords
mussten sich fügen, um ihr Ansehen nicht völlig zn verlieren.

Dies w a r d e r letzte Sieg P e e l ' s , indem er durch ein Misfranens-


votum des P a r l a m e n t s in F o l g e einer irischen Bill zum Rücktritt ge-
zwungen w u r d e , worauf Lord John Rüssel erster Lord des Schatzes
wurde. A b e r auch die L e a g u e , n a c h d e m sie ihr Ziel theilweise er-
reicht hatte, löste sich zeitweilig auf.
Die erste Tarifreform des neuen Ministerium w a r die H e r a b -
setzung der Differential-Zölle zu Gunsten des Colonialzuckers. Durch
Acte T o m 18. August 1846 sollte der Zoll auf fremden Zucker 21 Shill.
pr. Ctr. betragen mit einer jährlichen Herabsetzung, bis er vom 5. Juli
1851 a b den Betrag für Colonialzucker, nemlich 14 Shill. erreicht,
ohne Unterschied ob derselbe durch Sclaven oder freie Arbeit erzeugt
war. Doch g e l a n g es dem Lord Bentinck und der Schutzzollpartei,
noch auf zwei J a h r e , den Differentialzoll zu Gunsten der westindi-
schen Pflanzer bis zum 5. Juli 1854 zu verlängern, dann aber sollte
jeglicher Zucker mit 10 Shill. pr. Ctr. verzollt w e r d e n .
Jetzt k a m die Reihe an die Schiflfahrtsgesetze. Bis zum J. 1847
w a r die von uns oben erörterte Navigationsacte mit wenigen Aus-
n a h m e n in voller Kraft. Schon hatten a b e r die Riciprocitätsverträge
m a n c h e s an ihr verändert. Im J. 1847 b e a n t r a g t e Ricardo die Er-
n e n n u n g einer Specialcommission des Unterhauses zur Beprüfung der
Navigationsacte. **). Diese Commission verhörte 34 Z e u g e n , denen
sie bis 8060 F r a g e n gestellt hatte. 20 d a v o n , unter i h n e n , Porter,
Director des statistischen D e p a r t e m e n t s im Handelsministerium, w a r e n
für die Aufhebung der Navigationsgesetze. Dazu k a m n o c h , dass
Preussen im N a m e n des Zollvereins den Handelsvertrag vom 2. März
1841 kündigte, dessen Gegenseitigkeit nicht vollständig w a r . So ver-
einigte sich alles, um die Abschaffung der Navigationsgesetze her-
beizuführen, w a s auch wirklich am 26. J u n i 1849, mit A u s n a h m e der
KüstenschiffTahrt und der Bestimmungen in Bezug auf die Nationali-
tät der englischen Schiffe, u m mit den 1. J a n u a r 1850 in Kraft zu
treten, zu S t a n d e k a m .
Im Budget von 1860 w u r d e die E r l a s s u n g der Abgabe auf Mauer-
steine und die Aufhebung der letzten Ausfuhrzölle, nemlich auf Kohle,
festgesetzt. Als das Ministerium D e r b j ' im J. 1852 ans R u d e r k a m ,
fürchtete m a u einen Rückschritt auf dem W e g e der Haudelsref'orm.
Aber ein von Villiers g e s t e l l t e r , von Lord Palmerston amendirter
A n t r a g : dass die verbesserte L s g e des L a n d e s eine Folge des Frei-
handels sei und dass die Aufrechterhaltung und fernere E n t w i c k e l u n g
einer Freihandcispolitik dem Gemeinwohl entschieden entspreche;
w u r d e vom P a r l a m e n t e a n g e n o m m e n und so das Freihandelssystem
zum Staatsprincipe erhoben. Auch die Budgetvorlage von D ' I s r a e l i ,
in welcher er die Grundbesitzer durch Erlassen der Hälfte der Steuer
auf Malz und Hopfen und durch Verdoppelung der Häusersteuer in
den Städten zu entschädigen suchte, w u r d e vom P a r l a m e n t e ver-
worfen nnd das Ministerium trat a b .
Von grosser Wichtigkeit war die Finanz-Vorlage von G l a d s t o n e
vom 18. April 1853. Die E i n k o m m e n s t e u e r sollte noch bis 1860
mit jährlicher Reduction b e h a l t e n , a b e r auch auf Irland ausgedehnt
werden, 4 Mill. irischer Schuld aber der Staat ü b e r n e h m e n . Die E r b -
schaftssteuer, die A b g a b e von allen Vermächtnissen beweglichen Ei-
g e n t h u m s , sollte auch auf die von unbeweglichem ausgedehnt wer-
den. Diese Maassregeln sollten in den Stand setzen, die Verbrauchs-
steuer auf Seife ganz aufzugeben. In Bezug auf den Zolltai-if w u r d e
vorgeschlagen: Aufhebung aller Abgaben, die nicht einträglich w a r e n ,
Befreiung der Manufacte von Zöllen, nur fertige W a a r e n sollten mit
nicht m e h r als 10 % vom W e r t h e und Seidenwaaren mit 15 % ver-
zollt w e r d e n ; Einführung fester Zölle (nach Maass und Gewicht) an-
statt der W e r t h z ö l l e ; möglichste Aufhebung d e r Differentialzölle ;
E r m ä s s i g u n g der Einfuhrzölle um die Hälfte von 13 Gegenständen
der Nahrung, einschliesslich Thee, F r e i g e b u n g von 123 Artikeln und
E r m ä s s i g u n g bei 133. Die Zahl der zollpflichtigen Artikel w a r auf
360 reducirt.
Im J. 1854 w u r d e die Cabotage in Gi-ossbrittannien freigegeben.
Mit d e m Ausbruch des orientalischen Krieges (1853—56) galt es die
Mittel zur D e c k u n g der Kriegskosten aufzubringen. Gladstone
schlug im Budget 1854 v o r : Verdoppelung der Einkommensteuer,
E r h ö h u n g der Malzsteuer, der Abgabe vom schottischen und irischen
W h i s k y und der Zuckerzölle.
Auch das Kriegsbudget des Sir Cornewall L e w i s für 1855 ent-
hielt Zoll- u n d A b g a b e n e r h ö h u n g e n , unter der Bedingung der Wei-
derherabsetzung der Zölle nach beendigtem Kriege.
Die W i r k u n g e n des Freihandels in E n g l a n d bestanden vorzüglich
in der Verhinderung plötzlicher und e x t r e m e r S c h w a n k u n g e n in den
Preisen. England w u r d e zum W e l t m a r k t , die Mittel der arbeitenden
Classen wurden vermehrt und durch Erleichterung des Z u g a n g s für alle
möglichen W a a r e n deren Preis herabgesetzt. Durch A u f h e b u n g der
Korngesetze b e k a m der Arbeiter wohlfeileres u n d besseres Brod, und
weil die Industrie in Schwung gerieth, w a r e n die Arbeitslöhne nicht
n u r nicht gefallen, sondern stiegen durch E r h ö h u n g der Nachfrage.
I m J. 1859 erloschen die langen Annuitäten, w o d u r c h die Schulden-
last um beinahe 27« Mill. vermindert wurde und man m
i Stande
war, die letzten ZoUreductionen in Folge des französischen Handels-
vertrages durchzuführen * ' ) .
W e n d e n wir uns nun nach Frankreich., so b e k a n n t e sich die
Revolution zu den Grundsätzen der P h y s i o k r a t e n ^ " ) , aber bald in
einen Krieg mit ganz E u r o p a verwickelt, setzte sie wieder die bereits
aufgeiiobeneu Zollämter ein. Der Tarif von 1791 ermässigte die
Bestimmungen des vom J. 1664. Der von 1793 w a r ganz prohibi-
tionsmässig. Der Höhepunkt wurde erreicht in den Decreten von
Berlin ( 2 1 . Nov. 1806) und Mailand (17. Sept. 1 8 0 7 ) , wodurch das
Continentalsystem eingeführt w u r d e . Dies a b e r w a r auch das gol-
d e n e Zeitalter des Schleichhandels. Von einer versöhnenden N a t u r
w a r der Tarif von 1 8 1 6 , w u r d e a b e r durch das Zollgesetz v o m 1.
Octbr. 1822, welches bis zu den letzten Zeiten galt und nur theil-
weise durch die Gesetze von 1836 und 1841 modiflcirt w u r d e , sehr
verschärft.
F r a n k r e i c h beharrte a m längsten beim Prohibitiv- und Schutz-
systeme, obgleich seit 1846 viele Stimmen in der Presse für freihändle-
rische G r u n d s ä t z e P r o p a g a n d a machten"*), vorzüglich M i c h e l C h e -
valier, G a r n i e r und W o i o w s k i . E r s t die Pariser Industrieaus-
stellung vom J. 1855 zeigte die französische Industrie als hinreichend
entwickelt, die Concurrenz des Auslandes zu ertragen. Zum Bruch
mit d e m alten System k a m es erst seit d e m Briefe des Kaisera Na-
poleon III. vom 5. J a n u a r 1860, welcher ein ganzes P r o g r a m m wirth-
schaftJicher Reformen enthielt""^). Aufhebung der Zölle auf Wolle
und B a u m w o l l e , allmälige H e r a b s e t z u n g der T a x e n auf Zucker u n d
Kafte, Verbesserung der Communicationsmittel, Aufhebung des P r o -
hibitivsystems in Zollsachen und Handelsverträgen mit dem A u s l a n d e
— das sollten die G r u n d s ä t z e der Kaiserlichen Handelspolitik wer-
den. Die Folgen Hessen nicht lange auf sich w a r t e n . Am 23. Ja-
n u a r 1860 w u r d e zu Paris von B a r o c h e , Rouher, Cowley und
C o b d e n der britlisch-französische Handelsvertrag unterzeichnet und
auf G r u n d l a g e des Art. 3 des Senatus - Consulte vom 2 3 . D e c e m b e r
1852, welcher d e m Staatsoberhaupte die Schliessung von Handelsver-
trägen ohne Zuziehung der Genehmigung des gesetzgebenden Kör-
pers gestattet, in F r a n k r e i c h publicirt. Durch diesen Vertrag hat
E n g l a n d alle Hemmnisse entfernt und ohne Rückhalt sich z u m Frei-
handelsystem b e k a n n t " ^ ) , F r a n k r e i c h dagegen das Prohibitivsystem
verlassen u n d sich einem massigen Schutzzollsysteme zugewendet.
Die A u f h e b u n g der Einfuhrzölle auf alle Manufakturartikel hat E n g -
]and nielit mir auf Fjarikreich, sondern auf alle S t a a t e n , ohne auf
Reciprocität zu warten ausgedehnt und dadurch^alle Reste des Schutz-
zollsystems beseitigt. Die Wichtigkeit des Vertrages leuchtet hervor
aus dem officielten Beric/if., welcher a m 24. J a n u a r im Monit. univ.
Nr. 71 veröfl'entlicht wurde**). D e r Bericht unterscheidet beim eng-
lischen Tarif: 1) alle F a b r i c a l e , insbesondere P a r i s e r Artikel u. s. w . ;
2) Seiden-Gewebe aller A r t ; 3) Wein und 4) B r a n n t w e i n . Alle Fa-
cate, deren Ausfuhr nach E n g l a n d 60 Mill. b e t r ä g t , werden späte-
stens in 2 J a h r e n zollfrei zugelassen. D e r V e r t r a g bestimmt voll-
ständige Zobfreiheit für die Seiden-Gewebe. Der Weinzoll soll sofort
von 5 Shill. pr. Gallon auf 3 Shill. herabgesetzt u n d vom 1. April
1861 auf 1 Shill. für W e i n e , die weniger als 1 5 ^ (später 1 8 ^ )
Alkoholgehalt h a b e n , ermässigt werden. Die Importeure sollen voll-
ständig den englischen Branntweinspi'oducenten gleichgestellt w e r d e n
und n u r 5 P e n c e (nach dem Additionalartikel vom 27. F e b r . ) für die
Steuererhebungskosten zuzahlen.
Die Veränderungen des französischen Tarifs bestehen in Fol-
g e n d e m : 1) Aufhebung der Prohibition : 2) Ersatz derselben durch
Zölle, die w ä h r e n d d e r ersten Periode des Vertrages (bis zum 1.
October 1864) nicht 30 ^ und später nicht 25 ^ übersteigen dürfen ;
3) Revision der Zölle auf gewisse, nicht prohibirte Artikel, bei denen
die meisten Sätze das a n g e g e b e n e M a x i m u m nicht e r r e i c h t e n ; 4)
• Ermässigung d e r Zölle auf Steinkohlen und Koaks ; 5) E r m ä s s i g u n g
der Zölle auf Eisen uud Stahl.
Durch die Snpplementar-Conventionen vom 12. October und 16.
N o v e m b e r 1860 w u r d e n die französischen Zollsätze a b e r m a l s ermäs-
sigt, so dass sie nicht m e h r 30 u n d 25 sondern n u r 15 und 10 %
des W e r t h e s b e t r a g e n . Die im Art. 13 verabredete Umwandlung
der WerthzöUe in specifische w u r d e später seitens E n g l a n d aufgege-
ben. Frankreich blieb bei diesem Vertrage nicht stehen. Durch
Gesetze vom 5. und 2 3 . Mai 1860 u n d die Decrete vom 16. J a n u a r
luad 24. F e b r u a r 1861 ist die Verzollung von Rohstoffen, beziehungs-
weise von wichtigen Colonialwaaren wesentlich erleichtert und durch
Gesetz vom 3. Juli 1861 der H a n d e l mit französischen Colonien ganz
frei gegeben "*).
In weiterer E n t w i c k e l u n g derselben Grundsätze schloss F r a n k -
reich a m 1. Mai 1861 einen Handelsvertrag u n d eine Schifffahrts-
Convention mit Belgien. Zollermässigungen erfolgten in demselben
selbst für solche A r t i k e l , welche in d e n Supplementar-Conventionwi
vom 12. October und 16. N o v e m b e r 1860 nicht berücksichtigt vi^aren,
und der SchifFtährtsve^rag w a r auf den Principe der Gleichheit basirt.
In demselben J a h r e w u r d e am 29. April zu Constantinopel ein
Handelsvertrag zwischen Frankreich tind der Türkei unterzeichnet,
welcher fünf J a h r e Gegenstand der U n t e r h a n d l u n g w a r und die Con-
vention vom 2 5 . November 1838 modiücirte'•*). Die W a a r e n mussten
früher bei ihrer Einfuhr in die T ü r k e i einen Zoll von 5 die aus-
geführten einen von 12 % entrichten, jetzt w u r d e n beide Zollsätze
gleichmässig auf 8 % festgesetzt, mit einer jährlichen E r m ä s s i g u n g
um ein Procent, bis der Zoll zu einer festen T a x e von 1 % herabge-
stiegen ist. Die Durchgangszölle, welche früher 3 X betrugen, wurden
auf 2 % ermässigt und nach 8 J a h r e n sollten sie n u r 1 % b e t r a g e n .
W a s die französiche Schifffahrtsgesetzgebung betrillt, so erklärte
die R e g i e r u n g , g e g e n ü b e r englischen Requisitionen im F r ü h j a h r 1862,
dass sie eine A b ä n d e r u n g derselben nicht durch Verträge mit fremden
Mächten, sondern i m W e g e d e r G e s e t z g e b u n g zu S t a n d e b r i n g e n " ) werde.
Auf Vorschlag des Handelsministers R o u h e r w u r d e vom Kaiser
der Handelsrath im J. 1862 mit einer „ E n q u e t e sur la m a r i n e m a r -
c h a n d e " beauftragt und der Bericht desselben im verflossenen J a h r e
publicirt. D e r H a n d e l s r a t h e r k l ä r t e sich; 1) für völlig abgabenfreie
Nationalisirung (francisation) a u s w ä r t s g e b a u t e r Seeschiffe mit Inbe-
griff aller G e g e n s t ä n d e der Einrichtung und A u s r ü s t u n g , und für
eine t e m p o r ä r e zollfreie Zulassung aller Rohstoffe, welche zur Er-
b a u u n g , Einrichtung und Ausrüstung von Seeschiffen aller Art be-
stimmt s i n d ; 2) für die Aufhebung der Differentialabgaben von fremden
Flaggen ( s u r t a x e s d e pavillon) drei J a h r e nach der zollfreien Zu-
lassung der Materialien für den Schiffbau; 3 ) für die einstweilige
Beibehaltung der bestehenden Tariferhöhung bei der Einfuhr aus
europäischen Zwischenhäfen ,(surtaxes d ' e n t r e p o t ) , jedoch n u r für
die Zeitdauer von 6 J a h r e n . Die Schifl'sabgaben, welche von der
ausländischen Schifffahrt im iudirecten V e r k e h r mit F r a n k r e i c h zum
Betrage von 4 F r . 50 Ct. per T o n n e (droits d e t o n n a g e ) erhoben
werden, übergeht der R a t h mit Stillschweigen"*).
D e r Bi-it lisch - Belgische Handels- und Schiff fahr Isver trag vom
2 3 . J u l . 1862 bildet eine weitere E n t w i c k e l u n g der Principieu des
französisch-englischen von 2 3 . J a n u a r 1860.
Diese Vorgänge im europäischen W e s t e n konnten nicht ohne
Einfluss auf den deutschen Zollverein bleiben. Wenngleich derselbe
auf den Grundsätzen des preussischen Zollgesetzes vom 26 Mai 1818
beruht, so ging m a n docli in der folgenden Zeit vielfach von diesen
ab, weil die Schutzpartei einen überwiegenden Einfluss auf den
ZoUconferenzen erlangte
Nach dem preussisclien Zollgesetz sollte ein Einfuhrzoll von
fremden W a a r e n von 15 Sgr. per Ctr. und eine V(Ml)iauelissteuei',
welche bei F a b r i k - und Manufacturwaaren 10 X des W e r t h e s nicbl
übersteigen sollte, erhoben w e r d e n . Doch erfolgten bald (lieilweise
Erhöhungen der T a r i f s ä t z e , die sich durch den Vergleich der Pe-
riode 18'7ai ( P r e u s s e n ) mit der Tarifperiode des Zollvereins 18*"/:,^

ergeben " " ) .


N u r allmälig bildete sich eine F r c i h a n d e l s p a r l e i und es ent-
s t a n d e n F r e i h a n d e l s - V e r e i n e in H u m b u r g , Berlin uud Stettin (1847
bis 1 8 5 1 ) . A m strengsten war das Prohibitivsystem in Oesterreich
aufrechterhalten, bis zuletzt der Minister B r u c k eine Reform der
ganzen Zollgesetzgebung durchzuführen u n t e r n a h m " ) .
Die F o r t s e t z u n g des deutschen Zollvereins erfolgte im J. 1853
durch den Verlrag vom 19. Februar zwischen Oesterreich n n d Preussen
und durch die Verträge vom 4. April zwischen den Zullvereinsstaaten,
w o d u r c h die D a u e r des Zollvereins bis z u m 3 1 . December 1865 ga-
rantirt w u r d e '*). Diese V e r t r ä g e w a r e n ein Sieg Oesterreichs über
P r e u s s e n ; ausserdem w u r d e noch besonders verabredet, dass im J. 1860
Commissarien seitens Oesterreichs und des Zollvereins zusammen
k o m m e n sollten, um eine mögliche Zolleinigung Deutschlands herbei-
zuführen. J e d e m Staate w u r d e gestattet, Handelsverträge mit frem-
den Mächten zu schliessen, n u r musste er vor Eröffnung der Unter-
h a n d l u n g e n die a n d e r e n T h e i l n e h m c r des Zollvereins autFordern, be-
sondere E r k l ä r u n g e n ü b e r ihre resp. Interessen ihm mitzutheilen,
und vor Auswechselung der Ratificationen die Verträge, ihrem ganzen
Inhalte n a c h , den übrigen Zollvereinsstaaten zur Aiuiahme vorstellen.
Auf Grund des T r a c t a t s von 1853 fanden diplomatische Verhand-
lungen in den J. 1858—1860 mit Oesterreich statt, a b e r erfolglos.
Im J . 1860 trat P r e u s s e n , unter ausdrücklicher Z u s t i m m u n g sei-
ner Z o l l v e r b ü n d e t e n , in V e r h a n d l u n g mit F r a n k r e i c h , um einen so
ausgebreiteten Markt wie den französischen nicht g e g e n ü b e r E n g l a n d
\ind Belgien zu verlieren '•'). Die V e r h a n d l u n g e n , die lange dauerten
u n d sehr schwierig w a r e n , suchte Oesterreich durch seine Circular-
depesche vom 10. Juli 1 8 6 2 , wo es eine Handels- und Zolleinigung
des gesammten oesterreichisclicn Staates mit dem Zollverein vorschlug,
zu durchkreuzen"*). E n d l i c h , \vm\\Q am S.Atigust 1862 der französisch-
4
:>()

preussic/ie Handels- und Schifffuhrlsrerlrag und eine Lilerarconvention


unterzeichnet, die Auswecliselung der Katificatitinsurlcundc sollte aber
erst nach dem Zutiitt aller übrigen Zollvereinsslaatou ziun Vcjtrage.
statt linden. E s erhob sich iiuless eine starke Opposition gegen diesen
Vertrag, namentlich versagten Bayern, W ü r t t e n i b e r g und Grossherxog-
thum Hessen ihre Z u s t i m m u n g . Im preussischen Atigcorducten-Hausc
erlangte jedoch der Vertrag die weitaus ü b e r w i e g e n d e Jlajorität von
264 Stimmen gegen 12, w ä h r e n d die prcussische R e g i e r u n g in dei-
Depesche vom 20. August 1862 an ihre Gesandten in München und
Stuttgart erklärte, dass sie nur in der Durchführung des nüt F r a n k -
reich verabredeten \md a m 2. August mitcrzcichneten Tarifs die
G r u n d l a g e für eine fernere segensreiche PJntwickelung des Zollvereins
erblicke, und dass sie d c m g e m ä s s eine definitive Ablehnung der Ver-
träge vom 2. August als den Ausdruck des Willens iuifrrissen miisse,
den Zollverein mit Preussen nicht fortzusetzen.
Im Uebrigcn i.'^t der Zollverein weit entfernt, grosse finanzielle
Vortheile Preussen zu g e w ä h r e n , indem es feststeht, dass preussisclu'
Zollämter einen beträchtlichen Theil ihres Gewinnes an Bayern,
W ü r t t e m b e r g und Hessen a b g e b e n .
Als Motiv zur E i n g e h u n g dieses Handelsvertrages gab Preussen
die N o t h w e n d i g k e i t a n , bei dem U e b e r h a n d u e h m e n des Freihaudels-
systems in W e s t e u r o p a den Zollvereinstarif durchgreifend zu refoi'-
miren u n d sofort die Reclite der meistbegünstigten Nation tractateu-
mässig sich zu sichern. Die gegen den Vertrag erhobenen Einwändi'
waren folgende: 1) dass die von allen Seiten als nothwendig aner-
k a n n t e Reform des Voreinstarifs nicht im W e g e eines Tractats hätte
vollzogen w e r d e n sollen; 2 ) dass Preussen vor Eröffnung der Ver-
h a n d l u n g e n mit F r a n k r e i c h zunächst mit Oesterreich über die Wei-
teren twickelung des Tractats von 1853 hätte verhandeln sollen ;
3) dass Preussen dabei ein eigenmächtiges Verfahren beobachtet und
eine verletzende Nichtachtung seiner Zollverbündeten an den Tag
gelegt. Von einzelnen V e r t r a g s b e s t i m m u n g e n grifi' m a n vorzüglich
den Art. 31 an, nach welchem F r a n k r e i c h auf dem F u s s e der meist-
begünstigten Nationen behandelt werden sollte, u n d der Zollverein
sich verpflichtet, d e m Differcntialzollsysteme ein E n d e zu m a c h e n .
D e m Art. 2 3 , welcher die Aufhebung der D u r c h g a n g s a b g a b e n be-
handelt, w u r d e vorgeworfen, dass er die Autorität des Bundes durch
einen Zollvereinstractat einschränke und den Art. 17 und 18 die
U e b e l s t ä n d e des Werthzollsystems. Auch w u r d e geltend gemacht
getreu den Art. 8 die Rcfreiung von j e d e r inneren Steuer der fran-
•/.(isisciien W e i n e , Branntweine u n d F e t t e , welclie die E i n g a n g s a b -
g a b e erlegt hatten und gegen den Art. 2.^ die Bohnndliing auf glei-
chem F u s s e der beiderseitigen U n t e r t h a n e n hinsiclillicli des Verkehrs
nnd Gewerbebetriebs.
Die Vortheile des neuen Tarifs bestellen aber d a r i n , dass er
dem Zollverein die Ausfuhr von W a a r e n m i t d e r e r nnd oidinairer
Qualität, wie sie für die ('onsumtion der Massen b e r e c h n e t sind, er-
heblich erleichtert, F r a n k r e i c h dagegen eine Zollermiissigung für fei-
nere Waaren und L u x u s g e g e n s l ä n d e sichert. Auch richteten sich
m a n c h e AngrifFe gegen die E r m ä s s i g u n g der Wcinzülle auf 4 Thlr.
für Wein in F ä s s e r n und Flaschen per 1 Ctr. mit Beseitigung der
Uebergangszülle. D a s g a n z e J a h r 1863 verfloss in U n t e r h a n d l u n g e n .
Die Schriften für und gegen den V e r t r a g tauchten unterdessen in
Masse auf, von welchen wir n u r den Art. von Prof. Dr. S c h a f f t e ;
der yreussisch- französische Handelsvertrag volkswirthschaftlich und
politisch befrachtet., hervorheben"). Als Ergebniss seiner Untersn-
chnngen betrachtet er Folgendes : „ W i r ( s c . Dr. S c h ä f f l e ) halten den
„ H a n d e l s v e r t r a g für u n a n n e h m b a r , sowohl vom Standpunct n a t i o n a l e r
„Politik im Allgemeinen, als speciell von dem der Handelspolitik und
„selbst der Freihandelspolitik. W i r fordern vor Allem Sicherung
„des Fortbestandes des Zollvereins über 1866 und Sicherstellung der
„Handelsbeziehungen zu Oesterreich über denselben T e r m i n h i n a u s ,
„und k ö n n e n früher einen definitiven Abschluss mit F r a n k r e i c h w e d e r
„im Interesse der handelspolitischen „ S t a b i l i t ä t " im Allgemeinen,
„noch im I n t e r e s s e der E r h a l t u n g des Zollvereins, noch endlich im
„Interesse einer nachhaltigen Reform unseres allerdings reformbe-
„dürftigen, a b e r autonom zu reformirenden Tarifes finden. W i r ver-
„werfen mit einem W o r t den Handelsvertrag, wie er geboten ist u n d
„für jetzt u m der E r h a l t u n g des Zollvereins und um einer rationell
„liberalen Handelspobtik w i l l e n " . Als unvermeidliche Folgen eines
solchen Verwerfens betrachtete m a n in Preussen : Verlust des Mark-
tes, den die vereinsländische Industrie bis zu der Zeit in F r a n k r e i c h
errungen h a t t e ; Preisgebung des dort n e u eröffneten, viel umfang-
reicheren Marktes au die später schwer zu v e r d r ä n g e n d e englische
und belgische I n d u s t r i e ; L ä h m u n g der auf das Vereinsgebiet gerich-
teten industriellen und commerciellen Thätigkeit und endlich Spren-
g u n g des Zollvereins mit allen seineu Coiisequenzeu. Dennoch wur-
den im Laufe des J. 1864 auf G r u n d l a g e des angegriffenen Vertrages

4*
Vertrüge zur Fortdauer des deutschen Zoll- und Handelsrereins am
28. J u n i , 1 1 . Juli und 12. Ockdter von siimmtlichcn Iruheren Zoll-
veveinsstaatcn geschlossen, im Schlussprolocnll rom 12. Octbr.
a b e r verabredet, dass der Vereinstarif gleichzeitig mit dem französi-
schen H a n d e l s v e r t r ä g e in Wirksanikeit treten solle. Dies führte zu
Unterhandlungen mit F r a n k i e i c h und z u r U n t e r z e i c h n u n g des Pro-
tocolls rom 14. December 1H64. wodurcli die Verträge vom 2. August
1862 erläutert und theilweise abgeändert w u r d e n und für die Aus-
führung der Verträge d e r bestimmte Termin des 1. Juli 186.5 von
beiden Seiten a n g e n o m m e n w u r d e .
Endlich schritt auch Oesterreich zur E r n e u e r u n g und entspre-
chenden A b ä n d e r u n g und E r w e i t e r u n g des zwischen ihm und dem
Zollvereine b e s t e h e n d e n Haiulels- und Zollvertrages vom IS). F e b r u a r
1853 durch den Vertrag rom 11. April 1865. Dieser soll wie der
französische und alle Zoll verein v e r t r a g e vom I . J u l i 1865 zur Geltung
k o m m e n und wie die genannten bis zum 3 1 . Decuibr. 1877 in Kraft
bleiben. Im Art. 25 w u r d e b e s t i m m t : „Beide Thcile behalten sich
„vor, über w e i t e r g e h e n d e Verkchrserleichterungcn und über mög-
„lichste A n n ä h e r u n g der beiderseitigen Zolltarife und demnächst über
„ d i e F r a g e der allgemeinen deutsehen ZoUeinJgung in V e r h a n d l u n g
„zu t r e t e n " . E s wird weiter beiderseits a n e r k a n n t , dass die Auto-
nomie eines j e d e n der paciscirendcu Theilc in der Gestaltung seiner
Zoll- und H a n d e l s g e s c t z g c b u n g hierdurch nicht hat b e s c h r ä n k t wer
den sollen.
A m 4. März 1865 schloss F r a n k r e i c h einen Handels- und Schiff,
fahrtsrertrag und eine lAterarconvenlion mit den Haiisestädlen, durch
welche die hanseatischen SchitYe in directer F a h r t vom französischen
T o n n e n g e l d e befreit w u r d e n . Im Handelsverträge zicischen dem Zoll-
verein und Gi'ossbriftannien vom 30. Mai 1865 wird der Zollverein
im Art. 7 im V e r k e h r mit den brittischen Colonien und auswärtigen
Besitzungen nicht nur der meistbegünstigsten Nation, sondern selbst
d e m Mutterlande gleich gestellt. Ein Zugeständniss, welches in die-
ser A u s d e h n u n g k e i n e m L a n d e bisher g e m a c h t w u r d e . Auch schloss
d e r Zollverein am 22. Mai 1865 einen Handelsvertrag mit Belgien
und ist im Begriff ähnliche V e r t r ä g e mit Italien und der Schweiz zu
schliessen. Auch Oesterreich scheint die Bahn des F r e i h a n d e l s be-
treten zu w o l l e n , indem es nicht n u r schon einen Z o l l - , Handels-
und Schifffahrtstractat mit Grossbrittannien geschlossen, sondern auch
über die Schliessung ähnlicher V e r t r ä g e mit F r a n k r e i c h U n t e r h a n d -
liingcn angokiiiiprt Iiat. Naclidctn mit Grossbrittannien am 16. De-
c e m b e r 1865 geschlossenen Handelsvertrage sollen brittische Artikel
der Urprodiiction oder d e r I n d u s t r i e , vom 1. J a n u a r 1867 a b , bei
deren Einfuhr in Oesterreich mit nicht m e h r als 25 % des Werthes,
mit Zuschlag der Transport-, Versicherungs- und Commissionsspesen
verzollt w e r d e n , vom 1. J a n u a r 1870 aber das M a x i m u m dieser
Zölle 20 % des W e r t h e s s a m m t Zuschlag nicht übersteigen. Ausge-
n o m m e n sind von diesen Maximalsätzen die Gegenstände der Staats-
uionopolien: Tabak, Kochsalz und Schiesspulver. D e r Vertrag ist
auf 10 J a h r e geschlossen, vom 1. J a n u a r 1867 gerechnet (Preuss.
Handelsarchiv, 1866, Nr. 3).
F r a n k r e i c h verfolgte seine n e u e Handelspolitik vveiter und schloss
einen Handels- und Schiff fahr fsvei-frag mit Ifalien (vom 1 3 . Juli 1862
und 17. J a n u a r 1 8 6 3 ) , welche mit dem 1. F e b r u a r 1864 in W i r k -
samkeit treten sollten, mit der Schweiz aber am 30. Juni 1864 fol-
g e n d e Verträge : einen H a n d e l s v e r t r a g , einen Vertrag über die Nie-
derlassung der Schweizer in F r a n k r e i c h und der Franzosen in der
Schweiz , eine Uebereinkunft zum gegenseitigen Schutze des litera-
r i s c h e n , künstlerischen und gewerblichen Eigenthuins ; endlich eine
Uebereinkunft über n a c h b a r l i c h e Verhältnisse nnd die Beaufsichtigung
der G r e u z w a l d u n g e n . In diesen Verträgen w a r die französische Re-
gierung b e m ü h t , auf die französischen Israeliten alle die Begünsti-
g u n g e n a u s z u d e h n e n , welche die übrigen französischen Unterthanen
in der Schweiz schon geniessen, um durch einen internationalen Act
die J u d e n e m a n c i p a t i o n , w e l c h e Frankreichs Gesetze befördern, auch
' a u s w ä r t s zur Geltung zu bringen^"). Am 6. August 1863 w u r d e in
Turin ein Handcis- und Schifffahrfsverfray zwischen Grossbrittannien
und Italien geschlossen.
Einen mächtigen Bundesgenossen haben a b e r Schutzzolltheore-
tiker au den Vereinigten Staaten von Xorä-Ameriliu gefunden. Nach
E r l a n g u n g der Unabhängigkeil beschloss der Congress, u m nicht zur
directen Ücsteuerung zu greifen, alle fiideralcn Ausgaben durch Be-
steuerung des internationalen Handels zu decken. Die ersten Zoll-
(arife w a r e n .ziemlich massig. Der erste von 178!) erhob sich nir-
gends iiber 7 % vom W e r t h e , wurde a b e r durch die späteren von
1 7 9 1 , 1794 erhöht nnd 1812 in Folge des Krieges mit E n g l a n d ver-
do])pelt. Der Aufschwung der englischen Industrie erregte den Neid
der A m e r i k a n e r und rief den strengen Schutzz(jlltarif von 1816 mit
Zollsätzen durchschnittlich 3.'') "/» vom W e r t h e ins Leben. Aber bald
bildete sieh eine F r e i h a n d e l s p a r t e i im Süden, vorzüglich in Südcaro-
lina, welche den Schutzzüllnern des Ostens gegenüber trat. Doch
siegten die Schutzzöllner und brachten im J. 1828 einen Tarif mit
d u r c h g e h e n d höheren Positionen zu S t a n d e . Da stieg die Agitation
und 1832 erklärte Südcarolina die Zollgcsetze der Union innerhalb
seines Staatsgebietes für null und nichtig. D e r Norden sah sich zum
Nachgeben g e z w u n g e n und 1833 k a m ein Vergleich zu S t a n d e , wo-
nach, von 1835 b e g i n n e n d , die Zölle successiv auf 20 X reducirt
w e r d e n sollten. Nach einer abermaligen E r h ö h u n g bis auf 35 % im
Tarif von 1842 siegten die freihändlerischen Ansichten im .1. 1846.
Im Tarif dieses .lahres wurdeu die Durchschnittssätze auf 24 %
ermässigt und betrat P r ä s i d e n t P i e r c c mit Entschiedenheit die frei-
händlerischc Bahn im Tarif von 1 8 5 7 , der bis zum F r ü h j a h r 1861
in Kraft blieb. Da brach der Bürgerkrieg aus. Man b r a u c h t e viel
Geld zur F ü h r u n g cksselbeu und wollte zur directen Besteuerung
nicht seine Zuflucht n e h m e n . So k a m der Morill-Tarif im Mai 1861
zu S t a n d e , der in seiner letzten Revision vom 1. Juli 1864 eine
solche Höhe erreichte, dass er in vielen Fullen der Prohibition gleich
kommt. Obgleich nun zur Zeit der B ü r g e r k r i e g b e e n d e t , ist doch
die Schutzzollpartei so m ä c h t i g und sind die Finanzen in eiuer so
bedenklichen L a g e , dass an eine baldige Aufhebung des M o r i l l - T a -
rifs nicht zu d e n k e n i s t " ) .
Selbst der ferne Osten erschloss sich dem Europäischen H a n d e l .
Das lange Zeit hermetisch verschlossene China musste in die Ver-
t r ä g e von N a n k i n g ( 1 8 4 2 ) , Tientsin (1858) und von P e k i n g (1860)
einwiUigen'**) und Japan schloss i m J. 1854 und vorzliglich seit 1858
H a n d e l s v e r t r ä g e mit verschiedenen europäischen und nordamerikuui-
schen S t a a t e n ' » ) .
So sehen wir im Verlaufe der Zeit die nu\terielleu Interessen
i m m e r m e h r , an internationaler B e d e u t u n g g e w i n n e n und das was
das System des politischen G l e i c h g e w i c h t s , selbst in seiner verbes-
serten Auflage durch die W i e n e r Verträge, nicht im Stande war
dauernd zu b e g r ü n d e n , mit weit mehr Glück v e r s u c h e n : nemlich die
B e g r ü n d u n g der internationalen Gemeinschaft. Seitdem die politische
Oekonomie als Grundsatz aufgestellt h a t : d a s s auf dem Gebiete der
materiellen Interessen die Staaten und Völker von einander abhängig
sind, dass die Befriedigung der manigfacheu Bedürfnisse der Gegen-
w a r t nur durch die internationale Arbeitstheilung erfolgen k ö n n e und
dass das W o h l u n d Gedeihen eines Staates dasjenige aller übrigen
fitrdero — w a r die M(»gliclikeit dieser B e g r ü n d u n g gegeben. Es war
dasselbe iisych(3l(>gisehc Princi[), welelies ö m i t h als das Einzel- wie
das Gesamnitwohl am meisten fördernd dargestellt hat — nemlich
der aufgeklärte P]goisnnis, der hier zum internatioiuilen Princip er-
hoben w u r d e .
W e n n wir einen letzten Blick auf die geschichtliche E n t w i c k e -
lung der Idee der internationalen Gemeinschaft werfen, so sehen
wir das Alterthum mit seinem Geiste der Ausschliesslichkeit und
Isolirtheit sich nicht zur Idee einer Gemeinschaft der Völker erheben
und kein Princip für die Bcgi'ündung derselben abgeben. E r s t das
Mittelalter, indem es die ganze Menschheit als eine einzige FamiHe
zu betrachten lehrte und diese Menschheit durch die Gemeinschaft
der religiösen Interessen zu verbinden s u c h t e , machte ein Völker-
i'ccht möglich. Aber es zeigte sich b a l d , dass die religiösen I n t e -
jessen nicht im S t a n d e s e i e n , die Menschen dauernd zu verbinden,
dass sie zu joner Zeit, wo ihr Einfluss überall selbst auf dem Gebiete
der Wirthschaft fühlbar war, nicht nur erbitterte Kämpfe nicht verhindert,
sondern sie sogar hervorgerufen haben. Desshalb mussten sie, nach-
dem die erste Glut des religifisen Glaubens vorüber w a r , einem
neuen reinpolitischen Principe, dem des Systems des ])olitischen Gleich-
gewichts beim E i n g a n g e der neueren Zeit weichen. Dieses System,
das auf einem Gleichgowicht der Macht der verschiedenen Staaten
basirt w a r , führte zu (siner eifersüchtigen P o l i t i k , zu fortwährenden
Kriegen und Interventionen, um das gestörte Gleichgewicht wieder
herzustellen, ohne eine d a u e r n d e internationale Gemeinschaft begrün-
den zu k ö n n e n . Erst die N a t i o n a l ö k o n o m i e , durch Aufstellung der
Lehre von der Solidarität der Staaten auf dem Gebiete der materiellen
Interessen, m a c h t e eni friedliches Zusammenleben der Völker nnd
eine internationale Gemeinschaft möglich*"'). Es ist also die völker-
rechtliche Gemeinschaft der Gegenwart auf dieser Solidarität der
materiellen Interessen der Völker begründet. Aber das vorherr-
.schendc Moment in der Bestimmung des Fortschritts der Menschheit
bilden die intellectuellen E l e m e n t e derselben, wogegen die moralischen
lind (iconomischen n u r Folgen des intellectuellen Znstandes der Ge-
sellschaft sind**')- I^ass es nicht die moralischen sind, beweist unter
anderen die Tliatsache, dass z. B. auf die A b n a h m e der zwei grössten
und verbreitetsteii U e b e l : der religiösen Verfolgung uud des kriege-
rischen Geistes weder sittliche Gefühle noch moralische Lehren, son-
dern die Thätigkeit des menschlichen V e r s t a n d e s und die Erfindungen
u n d E n t d e c k u n g e n , welche der Mensch im Verlauf der Zeit gemaciit
hat, eingewirkt haben''^). Andererseits ist einem j e d e n beträchtlichen
Fortschritte in der materiellen Civilisation ein Fortschritt in dem
Wissen v o r a u s g e g a n g e n . W i r möchten daraus den Schluss ziehen,
dass in Zukunft die internationale Gemeinschaft auf den rein intel-
lectuellen Interessen der Menschheit b e g r ü n d e t w e r d e n wird.
I n d e m wir hiermit die geschichtliche Entwickelung der interna-
tionalen Gemeinschaft abschliessen, wenden wir uns jetzt der Auf-
gabe dieser Gemeinschaft zu.
II.
Die Aufgabe der internationalen Gemeinsciiaft.

II y a un principe rjui regit la Creation entiere,


l'unite dans la variete, l'harmouie. ( L a u r e n t . Hist.
du droit des gens. T. I. Pröface. 1850.)
Die Harmonie der internationalen Interessen ist
eine vollkommene und alle Naturgesetze wirken hin
auf die Begründung der Freiheit und des Friedens in
der ganzen Welt. C a r e y , Grundlagen d. Socialwissen-
schaft. Deutsch v. A d l e r , 1864 B. UI. Cap. XLV § 2.

I).' e r Staat ist n u r ein Glied in der Reihenfolge der verschiede-


denen F o r m e n des menschlichen Z u s a m m e n l e b e n s und über demsel-
ben steht die h u m a n e , internationale Gemeinschaft. Doch betrachtete
man bis zu den letzten Zeiten als Grundlage j e d e s Völkerrechts das
atomistische N e b e n e i n a n d e r b e s t e h e n unverbundener, verschiedener,
von einander ganz unabhängiger Staatsindividueu***), u n d w a r daneben
b e s t r e b t , die Souveränetät der S t a a t e n , ihre U n a b h ä n g i g k e i t vor j e -
der B e s c h r ä n k u n g möglichst zu schützen von ihrer Selbstständigkeit
aber möglichst wenig aufzugeben.
Die Interessen der einzelnen Staaten w u r d e n durch das Princip
der Souieränetä(^ die der Gesammtheit der Völker durch das der
internalionalen Gemeinschaft vertreten. Zum Begriff der Souveränetät
gehört a b e r nicht nothwendig die Eigenschaft der Absolutheit, so
dass diese U n a b h ä n g i g k e i t sehr wohl relativ aufgefasst w e r d e n k a n n ,
und die B e s c h r ä n k u n g derselben durch das Völkerrecht zu Gunsten
einer höheren Rechtsordnung der Menschheit, keine principielle
Schwierigkeit bereitet E s wird also Aufgabe des Völkerrechts
sein, bei möglichstem Schutz und Garantie der Souveränetät und Un-
abhängigkeit der Staaten, durch geordnetete V e r b i n d u n g der Staaten
unter e i n a n d e r sowohl die Lebenszwecke j e d e s einzelnen Volkes als
die des gesammten Menschengeschlechts zu fordern
Ein ähnliches Gegenüberstehen zweier sich modificirender Prin-
cipien finden wir auch auf d e m Gebiete der materiellen Interessen.
Nach dem unbeschrankten staatlichen Rcvormundnngssystem des
MercantiHsmus gelangte man zum Princip des „laissez faire, laissez
l)asser" der Physiokraten'**), welches auch im S m i t h ' s c h c n freien In-
dustriesysteme maassgcbend w u r d e . Smith betrachtete den Eigennuli.
als auch zugleich das Gemeinwohl am besten fördernd und verlangte
u n b e s c h r ä n k t e individuelle Freiheit. Ausser den Interessen der ein-
zelnen Menschen giebt es a b e r noch höhere allgemein menschliche,
welche der E i g e n n u t z , der n u r das Einzelwohl vor Augen hat, nicht
berücksichtigt. Diese erfordern ein höheres P r i n c i p , welches sich
befähigt erweist, den Ausschreitungen und nachtheiligen Folgen des
oft auf das äusserste a u s a r t e n d e n E i g e n n u t z e s , vorzubeugen, diesel-
ben gut zu m a c h e n und das allgemeine menschliche W o h l zu för-
dern. Ein solches Princip k a n n kein a n d e r e s sein als der Gemein-
sinn., welcher in der F o r m von Associationen, und in der grössten
derselben dem Staate, seinen wohltbätigen Einfluss übt. So möchte
auch J. S. M i l l das Princip des laissez faire bei der E r z i e h u n g ,
beim Schutz der Kinder und j u n g e r L e u t e , bei der Armengesetzge-
b u n g , Colonisation u. a. m . b e s c h r ä n k t wissen*").
Die Souveränetät und die internationale Gemeinschaft werden
durch V. K a l t e n b o r n als zweiPrincipien des Völkerrechts, das erste als
subjectives das zweite als objectives aufgefasst, und sollen diese bei-
den sich gegenseitig ergänzen und tragen*'*'). Diese Gegenüberstel-
lung anei-kennend, e r k e n n t v. Mohl als Aufgabe des Völkerrechts die
Pflege der internationalen Gemeinschaft *•'••). Zur Vermittelung beider
Principien hat B u l m e r i n c q das internationale Rechtsprincip auser-
sehen""), während I. II. F i c h t e das blosse Rechts- nnd Vertragsver-
liältniss nicht als das höchste Ziel'wissen will. l u d c s s erkennt auch
er a n , dass die Rechtsidee die sichernde Grundlage bleiben müsse,
innerhalb deren die .„ergänzende Gemeinschaft^^ zwischen Staaten und
Völkern sich erzeugen k ö n n e ^')-
Als Zweck des Völkerrechts haben sowohl v. M o h l ^ ' O als
Bulmerincq"^) die Weltrechtsordnnng angesehen. Fallati er-
wartet, in seiner Genesis der Völkergesellschaft, v o n der Geschichte
d e r Zukunft die Verwirklichung der Vnlkermouarchie, in welcher
(Mnerseits Ein S t a a t , unter freier A n e r k e n n u n g der übrigen in Ge-
meinschaft mit Vertretern derselben den ganzen Völkerstaat einer
andererseits nicht blos rechtlich, sondern auch durch natürbchc
Rande zusammengehaltenen Völkermenge zu beherrschen haben
würde"*). Auch construirt I. H. F i c h t e für die Zukunft einen
Bund der civilisirteii Staaten auf gleiche G r u n d s ä t z e des ergänzenden
Wohlwollens hin Dieser Bund sei die Stufe des Wellslaatenbiindes
in welchem die Idee der Menschheit zum ersten Male von allen mit
Bewustsein gefasst und ihrer vollständigen Organisation entgegenge-
führt w e r d e .
Nach B l u n t s c h l i üben die sich wechselseitig beschränkenden
und ergänzenden Ideen der Nafionalität und der HuTtianitäf t'men unver-
k e n n b a r e n Einfluss auf das heutige Staatsleben. Als mächtigstes und
gradezu entscheidendes Staatsprincip sei die Nationalität erst in unse-
ren T a g e n prf)clamirt worden. Im H i n t e r g r u n d e noch, a b e r nn dem
fernen Horizonte deutlich wahrzunehmen als der schöne Leitstern
einer zukünftigen Politik, erscheine die höchste Idee der H u m a n i t ä t ,
welche den Schwächsten und den Mächtigsten als Brüder verbindet,
alle Nationen und Staaten zu der Einen Menschheit zusammenfasst
und die Seele eine« langsam heranwachsenden, g e m e i n s a m m e n Welt-
und Menschenrechts ist.
V. K a l t e n b o r n und v. M o h l n e h m e n im Völkerrecht neben
der Lehre von, der Souveränetät eine der internationalen Gemein-
schaft au , welcher sie auch eine selbstständige Stellung vindiciren.
B u l ni e r i u c c i , indem er das System des Völkerrechts durch das inter-
nationale Rechtsprincip belebt wissen will, betrachtet die Lehre von der
internationalen Gemeinschaft als Ursache der verschiedenartigen Coti-
cessionen, zu welchen die Souveränetät der verschiedenen Einzel-
staaten zur V e r w i r k l i c h u n g der rechtlichen Beziehungen der Völker,
sich verbindet
D i e S o u v e r ä n e t ä t der Staaten äussert sich in den verschiedenen
Hoheitsrec/ifen^ k a n n also nur in der A u s ü b u n g derselben zu Gunsten
der internationalen Rechtsgemeinschaft beschränkt werden. Diese
z u b e s c h r ä n k e n d e n Hoheitsrechte des Staates sind folgende: die Gc-
selz^gebungsfioheif, Jicstiz/ioheit, Polizei- und Finanzhoheit und Sorge
für die Cultur.
Demgemäss werden wir weiter unten die Lehre v o n der internatio-
nalen Gemeinschaft nach diesen Hoheitsrechten darzustellen versuchen.
Die allgemeinen G r u n d s ä t z e dieser L e h r e , deren nothwendige
V o r a u s s e t z u n g in der G e l t e n d m a c h u n g der völkerrechtlichen Souve-
i'änetät mit allen ihren F o l g e r u n g e n besteht, sind nach v. M o h l fol-
gende"**): kein Staat ist s c h u l d i g , diejenigen Mittel, welche er zur
P^rrcichung seiner eigenen Aufgabe bedarf, für die Zwecke a n d e r e r
Staaten zu v e r w e n d e n ; die Aufgabe eines gcsittigten Staates ist
nflthigen Falles a u c h , die Lebenszwecke fremder zu fördern u u d in
m ö g b c h s t weiter A u s d e h n u n g mit a n d e r e n Staaten über die Gegen-
stände vernünftiger Völkergemeinschaft sich zu verständigen ; endlich
ist ein Staat g e g e n ü b e r von solchen S t a a t e n , w e l c h e die Verpflich-
tung einer geregelten Gemeinschaft nicht e i n r ä u m e n , auch seinerseits
zu Leistungen entsprechender Art nicht v e r b u n d e n .
Die allgemein a n e r k a n n t e n und wichtigsten Regeln des gegen-
wärtigen practischen Völkerrechts sind der Zahl nach sehr b e s c h r ä n k t .
G u i z o t formulirt sie in folgender W e i s e * " ) : a) D e r F r i e d e ist der
normale Zustand der R e g i e r u n g e n und V ö l k e r , der Krieg a b e r eine
Ausnahme, zu deren A n w e n d u n g ein rechtlicher Grund v o r h a n d e n
sein m u s s , b) Die Staaten sind in Bezug auf ihre inneren Angele-
genheiten ganz u n a b h ä n g i g und w e r d e n regiert und constituirt nach
eigenen ihnen als berechtigt scheinenden Principien und F o r m e n , c)
So lange die Staaten in F r i e d e n leben , darf keiner von ihnen sich
etwas zu Schulden k o m m e n l a s s e n , w o d u r c h die i n n e r e R u h e eines
a n d e r e n gestört w ü r d e . Und d) ein S t a a t darf sich n u r d a n n in
die i n n e r e n Angelegenheiten eines fremden Staates einmischen, w e n n
seine eigene R u h e und Sicherheit durch die Vorgänge in demselben
b e d r o h t sind. Bei dem heutigen Z u s t a n d e der europäischen Gesell-
schaft ist die Achtung des Völkerrechts und die B e o b a c h t u n g des-
selben für j e d e n Staat ein dringendes Bedürfniss u n d eine pflicht-
mässige V o r s i c h t , denn j e d e r E h r g e i z , der in unseren T a g e n , mit
Missachtung des V ö l k e r r e c h t s , die W e l t bewegt, uin nur seine
W ü n s c h e zu befriedigen, ist eben so v e r w e g e n wie verbrecherisch.
Im Verlauf von drei J a h r h u n d e r t e n fielen die drei grössten Reiche
der Geschichte, nemlich Karl's V . , Ludwig\s X I V . u n d Napoleon's,
weil sie das Völkerrecht missachtet und verletzt hatten und dies -
Völkerrecht, n a c h d e m es drei grosse Niederlagen erlitten hatte, zeigte
sich doch am E n d e stärker als das Kriegsgetiie und iler K r i e g s r u h m .
Schliesslich muss b e m e r k t w e r d e n , dass zur F ö r d e r u n g der in-
ternationalen Gemeinschaft ausdrückliche Verträge und Ileberein-
künfte nicht unbedingt nothwendig s i n d , ' d a s s werui m a n nur in
Bezug auf gewisse H a n d l u n g s w e i s e n zum E i n v e r s t ä n d n i s s gelangt
ist, dasselbe Ziel auch durch einseitige Anordnungen in jedem
einzelnen Staate erreicht wei'den k a n n . Als («arantie für deren Be-
folgung, m u s s die von L a u r e u t als beste Garantie tür die Beobach-
tung des Völkerrechts betrachtete aufgeklärte ötlentlichc Meinung
dienen ""').
Gl

1. D a s V o i ' l i ä l t n i s s <lei' S t a a t e n i n B e z u g a u f die


(icsctzgebung.

Die Staaten der internationalen Gemeinschaft sind zur Herbei-


führung einer Weltrechtsordnung verpflichtet, sie müssen d a h e r in
ihrer particuUiren Gosetzgebmig nicht nur dieselbe nicht verhindern,
soiulern möglichst fördern. Desshalb muss die Gesetzgebung eines
solchen Staates nicht blos keine dem Völkerrechte widersprechenden
Bestimmungen enthalten, sondern auch demselben entsprechende
Sat/.ungen aufnehmen. W a s aber im Einzelnen

1) die äbereinstimmende internationale Gesetzgebung

betrifft, so ist bis jetzt in Bezug auf dieselbe das Wenigste gesche-
hen " " ) . Die verschiedenen Völker haben sich in ihrer historischeu
Entwickelung verschieden ausgebildet und eine Abspiegelung der
besonderen Individualität eines j e d e n derselben k a m auch in ihrer
Gesetzgebung zur E r s c h e i n u n g . E s w ä r e also unvernünftig, ein ein-
ziges für alle Staaten und Völker überall geltendes Gesetzbuch zu
verlangen. Doch sind einzelne Rechtsgebiete vcjrhanden, auf wel-
chen ('S wünschenswert!! w ä r e , dass die Staaten der internationalen
Gemeinschaft gleiche Grundsätze zur Geltung bringen m ö c h t e n , so
vorzüglich in der Ilandolsgesctzgebung, beim gerichtlichen Verfahren,
bei den Strafgesetzen. Aber der Durchführung einer gemeinschaft-
lichen Gesetzgebung stehen m a n c h e Schwierigkeiten im W e g e . Ein-
mal die Beeinträchtigung der Unbeschränkthcit der theilnehnienden
Staaten bei später w ü n s c h c n s w e r t h erscheinenden A e n d e r u n g e n oder
Aufhebungen einzelner Gesetze und zweitens die Schwierigkeit, eine
vollständige Gleichförmigkeit der gemeinschafthchen Gesetzgebung
zu erhalten. Abhülfe gegen das erste Uebel findet v. M o h l in der
j e d e m Staate gegebenen Möglichkeit, nach geschehener Aufkündigung
wieder von der Gemeinschaft zurückzutreten. Zur Herbeiführnu"-
einer Gleichmässigkeit in der Gesetzgebung m ü s s t e aber j e d e r Staat
darauf verzichten, einseitige A n o r d n u n g e n v o r z u n e h m e n , Zusätze zu
machen, authentische Auslegungen zu erlassen und einer zusammentre-
tenden gemeinschaftlichen Gesetzgebungscommission die Ausarbeitung
allgemeiner Normen überlassen. Andererseits müsste für gleich-
G2

massige gerichtliche A n w e n d m i g und ü b e r e i n s t i m m e n d e n bindenden


Gerichlsgebrancli gesorgt w e r d e n , m-ozu ein g e m e i n s a m e r oberster
Gerichtshof oder Cassationsliof erforderlich w ä r e .
Als erster Versuch einer übereinstimmenden Gesetzgebung k a n n
die allgemeine deutsche Wechselordnung betrachtet w e r d e n ^"'^), die
von einer im J. 1847 in Leipzig z u s a m m e n g e t r e t e n e n Commission
entworfen, auf Grund eines Reichseinführungsgesetzes vom 26. Novbr.
1848 zur W i r k s a m k e i t vom 1. Mai 1849 bestimmt und von den meisten
deutschen S t a a t e n , n u r nicht Schaumburg-Lippe, a n g e n o m m e n w u r d e .
F e r n e r gehört hierher das allgemeine deutsche HandelsgesetzMich
welches in Gemässheit des Bundesbeschlusses vom 18. Decbr. 1856 von
einer besonderen Commission in N ü r n b e r g und H a m b u r g vom 2 1 . .Januar
1857 bis 12. März 1861 ausgearbeitet und in den meisten deutschen
Staaten eingeführt w u r d e . Zur Herbeiführung einer allgemeinen deul-
scheti Citnlprocessordnung aber trat a m 1 5 . September 1862 in Han-
nover eine von den meisten deutschen Staaten, Preussen ausgenom-
men , beschickte Civilprocesscommission z u s a m m e n , welche bei der
ersten Lesung einen E n t w u r f ausgearbeitet '"•*) und am 15. .Januar
1865 die zweite L e s u n g des Entwurfs begonnen hat.

W a s die

2) internationale Bestellung von Rechtsbehörden

betrifft, so k a n n dies n u r bei kleinen Staaten nothwendig sein, welche


einmal nicht die Mittel h a b e n , besondere oberste Gerichte einzurich-
ten, falls sie a b e r auch solche hätten, nicht im Stande w ä r e n , diesel-
b e n zu beschäftigen. Sie sind also g e z w u n g e n , b e n a c h b a r t e grössere
Staaten zu e r s u c h e n , die bei denselben vollständig eingerichteten
Gerichte, gegen eine festzustellende E n t s c h ä d i g u n g in Anspruch neh-
men zu dürfen

2. Das Verhältniss der Staaten in Bezug auf


die Justizliolieit.

Hier k o m m e n in Betracht die internationale Prärentivjustiz und


Civiljnstiz., das internationale Verfahren in Strafsachen u n d d a s Asyl-
recht mit der F r a g e der Auslieferung.

Die i n t e r n a t i o n a l e R e g e l u n g
1) der Präventivjustiz
zur Abvvolu- drulioudor KecldsVorletzuugou ist wissenscliaftlicli hei-
ualic gar uiclit bearbeitet worden ' " " ) . Ks unterliegt a b e r keinem
Zweifel, dass die Staaten der internationalen Gemeinschaft nicht nur
wirklich eingetretenen Rechtsstürungen atif eigenem Gebiete, sondern
auch den von anderen Staaten zu befürchtenden, entgegenzutreten
haben. Zu solchen Vorbeugungsnnissregeln zum Schutze anderer
Staaten gehören die Vcr])flichtuug über eine, gegen einen fremden
Staat beabsichtigte Rechtsstiirnng, Mittheilung zu m a c h e n und j e d e r
ähnlichen Rechtsstörung von eigenem Gebiete aus rechtzeitig verhin-
dernd entgegen zu treten. Die nolhweudigen Bedingungen eines
solchen Auftretens sind, dass nur gegen objectiv und subjectiv wahr-
scheinlich zu e r w a r t e n d e H a n d l u n g e n und im Nothfalle, mit verhält-
nissmässigcn Vorbeugungsmassregelu und gegen E n t s c h ä d i g u n g ver-
letzter R e c h t e Dritter einzuschreiten sei. E s m u s s a b e r auch die
Wahrscheinlichkeit des Erfolges vorauszusehen sein. Zu solchen
Vorbeugungsmassregelu gehören: die V e r s e t z u n g von Flüchtlingen
in das innere L a n d ; Besetzung der G r e n z e zur Z u r ü c k h a l t u n g der
U n t e r t h a n e n von Einfällen in den N a c h b a r s t a a t ; Verbote von Ver-
einen , B e s c h l a g n a h m e vcui W a l l e n , Schiften; Verhaftung von Ver-
dächtigen u. s. w. Hierher gehören auch die internationalen Verab-
r e d u n g e n über die B e h a n d l u n g der Heimafhlosen.
W a s die

2) internationale Civiljnstiz
a n l a n g t " " ) , so w a r die Idee eines allgemeinen friedlichen V e r k e h r s
dem Alterthum ganz fremd. Bei den R ö m e r n galt j e d e s V o l k , das
kein besonderes Bündniss juit R o m abgeschlossen hatte, für rechtlos,
und ein R ö m e r , so l a n g e er hi F e i n d e s h a n d W i e b , als bürgerlich
nicht existirend. E r b r e c h t , Familieurecht und G r u u d e i g e n t h u m blie-
ben d e m Freuulen unzugänglich, der F r e m d e e r w a r b nicht aus R ö -
mischem T e s t a m e n t und die E h e eines R ö m e r s mit einer F r e m d e n
war keine gültige. Allmälig milderte sich die Strenge dieser
Aulfassung. Alle F r e m d e , die mit R o m in Handelsverbindungen
standen, w u r d e n als rechtsfähig betrachtet u n d das j u s gentium auf
den H a n d e l s v e r k e h r a n g e w e n d e t . D a s materielle Privatrecht w u r d e
unter R ö m e r n und F r e m d e n als ein besonderes Standesrecht Beider
behandelt, das den R ö m e r überall begleitete. Der Rechtszustand
w u r d e erst ein überall gleicher, als C a r a c a l l a allen freien E i n w o h n e r n
des Reiches das römische Bürgerrecht verlieh. Im Mittelalter ent-
wickelte sich das sog. System der persönlichen Rechte., nach welchem
.Jedermann n a c h d e m Rechte des Volkes hem-theilt w u r d e , dem er
durch A b s t a m m i m g a n g e h ö r t e . Das System der persönlichen R e c h t e
wurde durch das der Terrilorialrechle später v e r d r ä n g t , welches
w i e d e r in der A n w e n d u n g der Gesetze auf alle P e r s o n e n und Sachen,
die sich in dem Gebiete des Staates befanden, bestand. Die Theorie
des späteren Mittelalters w a r aber die der Statuta personalia., realiu
und mixta, welche sich neben d e m System der Territorialrechte
entwickelt und sich bis in die neuesten Zeiten erhalten hat. Die
G r u n d l a g e dieser Theorie i s t , dass der Gesetzgeber n u r ftn- seine
U n t e r t h a n e n und n u r in Beziehung auf den zu seinem Territorium
gehörigen G r u n d b e s i t z , für b e i d e a b e r ausschliesslich Bestimmungen
treffen k ö n n e . Die Person an sich w u r d e den Gesetzen der H e i m a t h ,
die Sache den Gesetzen des O r t s , wo sie b e l e g e n , und die Hand-
lung den Gesetzen des Orts, wo sie v o r g e n o m m e n wird, unterworfen.
Diese beiden letzten T h e o r i e n , obgleich vielfach modificirt, beherr-
schen jetzt sowohl die Ansichten der Gelehrleu als die Gesetzgebung
<ier Staaten. Der starre Grundsatz: dass der einzelne Staat die
A n w e n d u n g auswärtigen Rechts im Bereiche seines Gebiets vollstän-
dig vermöge seiner Souveränetät ausschliessen k ö n n e , muss aber zu
Gunsten der internationalen Gemeinschaft gemildert und die Herbei-
führung einer W e l t r e c b t s o r d n u n g ermöglicht werden.
Das n e u e internationale Recht stellt den Grundsatz auf, dass in
privat- wie in strafrechtlicher Beziehung der F r e m d e dem Untertha-
nen nicht nachgesetzt wird, vielmeTir mit diesem gleiche Rechtsfähig-
keit geniesst. N u r nach französischem R e c h t steht dem Fremden
das droit natural nicht a b e r das droit civil zu. Völkerrechtlich an-
e r k a n n t ist auch das R e c h t der U n t e r t h a n e n in einen a n d e r e n Staat
a u s z u w a n d e r n , u n d die E n t l a s s u n g aus d e m Unterthanenverbande
ist durch die künftige Aufnahme in einen a n d e r e n Staat bedingt.
W a s die Form der Rechtsgeschäfte betrifft, so ist allgemein an-
e r k a n n t , dass sie dann als gültig ü b e r a l l zu b e t r a c h t e n s e i , wenn
dieselbe den Gesetzen des Orts entspricht, an welchem j e n e s Rechts-
geschäft errichtet worden , nach der Regel „Locus regit actum".
Nicht nur die einem fremden Staat a u g e h ö r e n d e n physischen Perso-
nen , sondern auch die juristischen w e r d e n als solche von j e d e m
anderen Staate anerkannt. Die Rechts - und Handlungsfähigkeit
iSfalus) einer Person wird nach der L e x domicilii, dem Heimaths-
rechte derselben beurtheilt, n u r mit einigen A u s n a h m e n , so in Bezug
auf die Sclaverei und Leibeigenschaft, den bürgerlichen T o d , die
Minderung der bürgerlichen E h r e , die B e s c h r ä n k u n g der Rechtsfä-
higkeit aus confessionellen Gründen u. s. w . , welche Fälle nicht nach
der Lex domicilii der Person , sondern nach denjenigen Gesetzen
beurtheilt w e r d e n m ü s s e n , welchen sonst das in R e d e s t e h e n d e Ge-
schäft unterliegt.
Dingliche Rechte sind nach den Gesetzen des Orts zu beurtheilen,
wo die betreflende Sache sich zu der Zeit befand, als die H a n d l u n g
oder das E r e i g n i s s , durch welche das Recht an der Sache afficirt
sein soll, v o r g e n o m m e n w u r d e . Hier erleidet auch die Regel „ L o c u s
regit a c t u m " bei der U e b e r t r a g u n g dinglicher Rechte sowohl an L n m o -
bilien als Mobilien eine A u s n a h m e , i n d e m in diesem F a l l e die L e x
rei sitae allgemeine Gültigkeit erhält. Sowol der Besitz einer Sache,
als auch die F ä h i g k e i t einer Person E i g e n t h u m zu e r w e r b e n , die
Fähigkeit der Sache Gegenstand des P r i v a t e i g e n t h u m s zu s e i n , die
F o r m e n der freiwilligen U e b e r t r a g u n g des E i g e n t h u m s sind nach der
Lex rei sitae zu beurtheilen. Nur bei der Rei vindicatio tritt ein
Unterschied zwischen unbeweglichen und beweglichen Sachen ein ;
die ersteren sind nach der L e x rei s i t a e , die zweiten nach d e r Lex
domicilii des Besitzers zu vindiciren. E i n e ähnliche Unterscheidung
findet auch bei den J u r a in r e aliena statt.
Bei den Obligationen entscheidet i-egelmässig das a m Domicile
des Schuldners geltende Recht. Doch ist diese A n w e n d u n g der L e x
domicilii des Schuldners nicht a u s n a h m l o s . D e n n sowohl die Gesetze
des Entstehungs- als Erfüllungsortes h a b e n keinen u n b e d e u t e n d e n Ein-
fluss. E i n e allgemeine A u s n a h m e bilden die Obligationen aus D e -
licten u n d diesen analogen Zuständen.
Das Familienrecht ist im Allgemeinen der L e x domicilii der
betreffenden Personen unterworfen.
Im Erbrecht k o m m t es darauf an, ob die Erbschaft als Univer-
salsuccession betrachtet w i r d , durch welche die vermögensrechtliche
Persönlichkeit des Erblassers auf den E r b e n ü b e r g e h t •, dieser Ueber-
gang k a n n n u r in Gemässheit der Gesetze des L a n d e s geschehen,
d e m die Persönlichkeit des Erblassers zur Zeit des Todes a n g e h ö r t ,
also nach den Gesetzen des Domicils, welches der Erblasser zuletzt
hatte. Oder die Erbfolge wird als eine Singularsuccession betrach-
tet, d a n n k o m m e n wie im Sachenrecht überhaupt die Gesetze des
5
Orts der Sache zur Geltung'. Die Fa-ld'olge in die MiibilieTi wird ge-
wöhnlich als eine Universalsuccession beti-achtet und nach der Lex
domicilii beurtheilt. E i n e Erbfolge in Immobilien, w e n n sowohl die
L e x domicihi als die Lex rei sitae die Immobilien als Theile einer
das g a n z e Vermögen des E r b l a s s e r s unifassenden Universalsuccession
ansehen, wird nach der ersteren bem-thellt. F i n d e t das Gegeiitluul
statt, so w e r d e n die einzelnen Sachen der L e x rei sitae unterworfen.
I m Clvilprocess beruht die allgemein gültige Publica fides der
von den Behörden eines Staates innerhalb der Grenzen ihrer Zu-
ständigkeit aufgenommenen A c t e auf einem allgemeinen Gewohn-
heitsrechte. Auch kommen die G e r i c h t e , nach einer allgemeinen
völkerrechtlichen P r a x i s , den Requisitionen fremder Gerichte behufs
Instruction der bei diesen a n h ä n g i g e n Rechtsstreitigkeiten n a c h . Es
folgt aus dem Grundsatz der gleichen Rechtsfähigkeit der F r e m d e n
und E i n h e i m i s c h e n , dass niemals einem F r e m d e n um dieser Eigen-
schaft willen die Recbtshüife gi^weigert w e r d e n darf. Die von einem
competenten auswärtigen Gerichte gefällten Urtheile sind u n t e r der
Voraussetzung, dass ein wirklicher Rechtsstreit stattgefunden hat
und nicht e t w a ein nach den einheimischen Gesetzen als betrüglich
zu bezeichnendes Verfahren nacligcwieson weideiK k a n n , anzuerken-
nen., o h n e Rücksiclit d a r a u f , olj ^•un dem bctrefl'endcii auswärtigen
Staate Reciprocität beobachtet wird. (Joiiipeteiit im iiitornationalen
Sinne s i n d : 1 ) die Gerichte d(\s S k i a l c s , in wclciieni der B e k l a g t e
sein Dfunicil h a t , für alle p(>i-s(inlichen Kiageii und alle dinglichen
Klagen, welche bewegliche Sachen bflrclfen, insoCern das F o r u m rei
sitae nicht compctent i s t : 2) die, («criclitc des S t a a t e s , nach dessen
Recht eine Vertragsobligatiim beurlheilt werden muss, si^feru der
Schuldner daselbst sich [icrsönlicli anfhiilt oder ein erhebliches Ver-
mögen besitzt, für alle Klagen a u s j e n e r Obligaiinu ; 3) die (Jerichto
des Staates, in wclclioni ein Debet begangen ist. für die aus diesem
Delicte h e r r ü h r e n d e n Klagen auf Schadensersatz ; 4) die Gerichte des
Staates, in w e l c h e m Sachen oder F o r d e r u n g e n mit Arrest belegt sind,
bis zum Betrage dieser Sachen oder F o r d e r u n g e n , für die Haupt-
s a c h e , zu d e r e n Sicherung Arrest angelegt i s t ; 5) die Gerichte des
Staates, in welchem die Sache belegen ist, für alle dinglichen Klagen,
welche unbewegliche oder bewegliche Sachen betrctfen, die d a u e r n d
au einem Orte zu bleiben bestimmt sind ; G) endlich dasjenige Ge-
richt des Staates, d e m die Parteien sich freiwillig unterworfen haben.
Die Vollstreckung auswärtiger Urtheile ist a u s s e r d e m noch davon
abhängig, dass der Inlialt des Urtheils niclit auf E t w a s gerichtet ist,
das nach einheimischen Gesetzen als unzuUissig oder unsittlich zu
betrachten ist u n d k a n n von der R e g i e r u n g bei m a n g e h i d e r Recipro-
cität mitersagt w e r d e n .
W a s endlich

3) das internationale Verfahren in Strafsachen und


4) das Asylrecht und die Auslieferung
betritit'*"^), so w a r nach römischen Gesetzen jedes auf römischem
Boden v e r ü b t e D e b e t , a u s g e n o m m e n wenn G e s a n d t e sich desselben
schuldig m a c h t e n , von den römischen Gerichten und zwar von dem
in späterer Zeit allgemein gültigen Forum delicti commissi zu bestra-
fen. Bei einem im Auslande verübten Verbrechen w u r d e n in frühe-
rer Zeit selbst römische Bürger ausgeliefert, w a s aber bei der späte-
ren Weltherrschaft nicht stattfinden k o n n t e , wogegen Auslieferungen
F r e m d e r von a n d e r e n Staaten auch später v o r k a m e n . D e m germa-
nischen S y s t e m der persönlichen Rechte entsprach e s , dass das Fo-
rum domicilii als das zunächst geltende aufgestellt w ^ r d e . Neben
das F o r u m delicti commissi und das F o r u m domicilii stellten die
deutschen Criminalisten des X V I . und X V I I . J. noch ein Forum de-
prehensionis auf. W a s den gegenwärtigen Stand der F r a g e betrifft,
so lassen sich j e n a c h d e m m a n die Nothwendigkeit, zur H e r s t e l l u n g
einer R e c h t s o r d n u n g für das g e s a m m t e Menschengeschlecht beizutra-
gen, a n n i n n n t oder nicht, eine kosmopolitische und eine selbstsüchtige
Auffassung unterscheiden.
Die kosmopolitische Rechtsansicht stellt dem Staate eine doppelte
Aufgabe. E i n m a l soll er i m m e r , wo n u r eiue Möglichkeit besteht,
Vorbeugungsmassregeln zum Schutze des Rechtes trefi'en, auch w e n n
dasselbe zunächst a u s s e r h a l b seines Gebietes liegt. Sodann a b e r muss
er auch durch Beihülfe zu den gesetzlichen Strafen zur Herstellung
der W e l t r e c h t s o r d n u n g m i t w i r k e n . U n d zwar hat er durch die eige-
nen Gerichte u n d n a c h seinen eigenen Gesetzen seine bleibenden
oder v o r ü b e r g e h e n d e n U n t e r t h a n e n zur Strafe zu b r i n g e n , welche
ein auswärtiges Recht verletzt h a b e n , sei es im diesseitigen, sei es
im fremden Gebiete. Durch Auslieferung an den verletzten Staat
a b e r soll e r ( a u s g e n o n n n e n den F a l l einer beabsichtigten Ungerech-
tigkeit oder unmenschlichen H ä r t e ) Beihülfe leisten, w e n n eine straf-
b a r e Verletzung des fremden Rechtes zwar auf fremdem Gebiete u n d
von F r e m d e n , d. h. seiner Gewalt zur Zeit der Begehung in keiner
Weise U n t e r w o r f e n e n , b e g a n g e n w u r d e , er aber der T h ä t e r später
i r g e n d w i e habliaft g e w o r d e n ist. Die selbstsüchtige Auffassung a b e r
verpflicbtet den Staat, seine eigene R e c h t s o r d n u n g gegen Angriffe zu
schützen und nach etwaiger Verletzung wieder herzustellen, räumt
ihm a b e r ü b e r diese Thätigkeit hinaus weder Rechte noch Pflichten
ein. W e i l die G r u n d s ä t z e der kosmopolitischen und andererseits der
selbstsüchtigen Auffassung schwer consequent durchzuführen sind,
so k o m m t in der P r a x i s der Staaten ein vermittelndes System zur
A n w e n d u n g , dessen Aufgabe darin besteht, bei wesentlicher A n n a h m e
des kosmopolitischen Grundsatzes, diejenigen F o l g e r u n g e n desselben
zu beseitigen, welche dem sie durchführenden Staate allzugrosse
Opfer oder nicht wohl zu ü b e r w i n d e n d e Verlegenheiten bringen.
W e n d e n wir uns jetzt zur P r a x i s :
a) E s herrscht vollkommene E i n s t i m m u n g unter allen Staaten
d a r ü b e r , dass ein j e d e r Staat das Recht hat, die von seinen eigenen
Unterthanen., im eigenen G e b i e t e , gegen ihn selbst oder gegen Mit-
unterthanen u n t e r n o m m e n e n Verbrechen nach seinem G u t d ü n k e n zu
verhindern, beziehungsweise zu bestrafen.
b) E b e n s o ist Einstimmigkeit d a r ü b e r , dass j e d e r Staat berech-
tigt i s t , Aualänder w ä h r e n d ihres Aufenthaltes in seinem Gebiete
seiner Polizei- und R e c h t s g e s e t z g e b u n g zu unterwerfen, d e m g e m ä s s
auch die einheimischen Strafgesetze gegen sie a n z u w e n d e n wegen
der von ihnen gegen ihn selbst oder gegen seine U n t e r t h a n e n w ä h -
rend dieses Aufenthaltes b e g a n g e n e n Verbrechen.
c) F e r n e r ist d a r ü b e r keinerlei principielle Meinungsverschie-
denheit unter den europäisch gesittigten Staaten, dass ein Staat das
Recht u n d dass er die Pflicht hat, Verbrechen zu bestrafen, welche
von seinen bleibenden oder vorübergehenden Unterthanen in seinem
eigenen Gebiete gegen auswärtige Staaten oder deren Angehörige
begangen werden.
d) Bei Bestrafung eines Unterthanes wegen eines im Auslande
begangenen Verbrechens findet keinerlei U e b e r e i n s t i m m u n g statt. Die
mittlere Theorie enthält d a r ü b e r folgene S ä t z e : Der Staat gewährt
jeder fremden R e c h t s o r d n u n g in sofern Schutz, als er die von eigenen
U n t e r t h a n e n gegen sie b e g a n g e n e n Verbrechen bestraft, gleichgültig,
ob dieselben im eigenen Gebiete oder, u n e n t d e c k t , im fremden Lande
begangen w u r d e n , gleichgültig ferner, ob sie Privat- oder öffentliche
Rechte v e r l e t z t e n ; und zwar bestraft er nach eigenem Verfahren und
nach eigenem Gesetze, auch ohne Aufforderung des Verletzten, und
selbst bei Verweigerung der Gegenseitigkeit. Hiervon machen nur
ganz untergeordnete Vergehen und die Fahnenflüchtigkeit eine Aus-
nahme. Bei der A n w e n d u n g dieser Grundsätze k ö n n e n die Staaten
in vier Gruppen eingetheilt werden. Die einen bestrafen ihre Unter-
thanen grundsätzlich g a r nicht. Hierher g e h ö r e n : England, Nord-
a m e r i k a und F r a n k r e i c h . Die der zweiten Gruppe bestrafen unbe-
dingt : Oesterreich, Preussen, B a y e r n u. s. w. Zur dritten Gruppe
gehört W ü r t t e m b e r g , welches n u r unter Bedingung d e r Gegenseitig-
keit dazu schreitet. Die vierte Gruppe bestraft nur einzelne be-
stimmte Arten von V e r b r e c h e n , so Belgien, Holland u n d Sardinien.
e) Verschiedene Ansichten herrschen darüber, ob ein Ausländer
für die im Auslande gegen den Staat oder gegen einen seiner Unter-
thanen begangenen Verbrechen., falls er später in die Gewalt dieses
Staates gelangt, zu bestrafen sei. E n g l a n d und A m e r i k a halten streng
a m G r u n d s a t z e von der Territorialität der Verbrechen u n d bestrafen
gar nicht. Sämmtliche deutsche Staaten, Holland, Russland und Nor-
wegen halten a m entgegengesetzten G r u n d s a t z e fest, dass d e r Staat
vollkommen berechtigt s e i , auch ausländische Verletzer seiner Ge-
setze n a c h eigenem Rechte zu bestrafen, wenn er derselben auf er-
laubte Weise habhaft w e r d e n k a n n . Frankreich a b e r bestraft nur
Diejenigen, welche die Sicherheit des französischen Staates angegriffen
oder seine Siegel gefälscht haben. Gegen einzelne F r a n z o s e n m
i
Auslande von Ausländern b e g a n g e n e Verbrechen sollen dagegeu un-
gestraft bleiben.
f) Die Bestrafung eines Ausländers wegen eines im Auslande
und gegen dasselbe begangenen Verbrechens k a n n n u r in d e m Falle
vorkommen, wo kein unmittelbar betheiligter Staat die gerichtliche
Verfolgung für sich in Anspruch n e h m e n will. N u r wenige Gesetz-
gebungen enthalten d a r ü b e r B e s t i m m u n g e n , die O e s t e r r e i c h s , Bay-
erns u n d S a c h s e n s , und treten strafend auch in diesen Fällen ein.
W a s endlich
g) das Asylrecht und die Auslieferung betrifft, so sind folgende
Grundsätze von der mittleren Theorie aufgestellt w o r d e n : „ u n b e d i n g t e
Verweigerung der Auslieferung eigener Unterthanen ; freie Entschei-
d u n g der R e g i e r u n g über die Zulassung fremder U n t e r t h a n e n und
Vorschreibung beliebiger Bedingungen der A u f n a h m e ; NichtausUefe-
r u n g politischer Flüchtlinge u n d Auslieferung w e g e n grosserer gemen ier
V e r b r e c h e n " . Die Staaten können n a c h ihrer P r a x i s in dieser B e z i e h u n g
in drei Abtheilungen gruppirt w e r d e n . Zur ersten gehören diejenigen
Staaten, deren Grundsatz einer Seits u n b e d i n g t e Aufnahme fremder
F l ü c h t h n g e ist u n d welche anderer Seits die Auslieferung auf ein sehr
geringes Mass b e s c h r ä n k e n , indem sie nemlich n u r nach vorangegan-
genem, eine Gegenseitigkeit zusicherndem V e r t r a g e und auch d a n n
bloss in einzelnen schreienden Fällen von P r i v a t v e r b r e c h e n auslie-
fern. H i e r h e r gehören E n g l a n d und N o r d a m e r i k a . Die Staaten der
zweiten Abtheilung: F r a n k r e i c h , Belgien u n d die Schweiz lassen
in der Regel Flüchtige z u , behalten sich aber im einzelneu Falle
lüerin A u s n a h m e n nach i h r e m Gutbeünden v o r ; politische V e r b r e -
cher w e r d e n von ihnen niemals, gemeine nur in bestimmten schwe-
reren Fällen ausgeliefert. Zur dritten G a t t u n g gehören die deutschen
S t a a t e n , w e l c h e sich sowohl die Zulassung als die Auslieferung aller
Arten von fremden F l ü c h t h n g e n grundsätzlich vorbehalten, daher
befähigt u n d geneigt sind zu beliebigen Verträgen mit a n d e r e n Staa-
ten. Auch k ö n n e n hier politische Flüchtlinge ausgeliefert w e r d e n .
W a s die Bestrafung von F r e m d e n betrifft, so muss bemerkt
werden, dass zu den im L a n d e gewöhnlichen noch die besondere
Strafe der Ausweisung aus d e m L a n d e hinzukommt. Endlich k a n n
eine allgemeine Verpflichtung, die von den Gerichten eines fremden
Landes gefällten Urtheile zu vollziehen, bei der grossen Verschieden-
heit der Strafgesetze u n d wegen vieler politischer Rücksichten nicht
unbedingt verlangt w e r d e n .

3. Das Verhältniss der Staaten in Bezug auf die


Polizeiliolieit.
Hier k o m m t in Betracht

1) die internationale Sorge für die Bevölkerung.


Seit d e r Z e i t , als M a l t h u s alle socialen Uebel auf die zu
r a s c h e V e r m e h r u n g der Bevölkerung zurückgeführt, w a r m a n b e m ü h t ,
der U e b e r v ö l k e r u n g durch verschiedene Massregeln, vorzüglich a b e r
durch Begünstigung der Auswanderung entgegenzuwirken Ob-
gleich m a n sich später ü b e r z e u g t e , dass wenigstens bis jetzt in kei-
n e m S t a a t e E u r o p a ' s eine absolute U e b e r v ö l k e r u n g , höchstens eine
relative zu befürchten w ä r e und dass eine w o h l g e o r d n e t e Aus-
wanderung diese U e b e r v ö l k e r u n g nicht zu verhindern im Stande
sei, wol aber das Land ärmer an Capitalien und Arbeits-
kräften mache, so war doch schon der Weg betreten und
w u r d e es unniüglicli, den grossen Zug der A u s w a n d e r u n g aus E u r o p a
gewaltsam in seiner F o r t b e w e g u n g zu bindern. Die Aufgabe der
internationalen Gemeinschaft kann aber hier bestehen in der
möglichsten Bekämpfung der Unwissenheit in Aiiswanderungsfragen,
in harter Jicslrafung j e d e s seelenverkäuferischen T r e i b e n s , strenger
U e b e r w a c h n n g der Answandererschiirfahrt, wirksamer Verpflichtung
der Consuln, welche in A m e r i k a etc. aiigeslellt sind, auch den Aus-
wanderern mit R a t h und That behüKlich zu sein " ' ) . Die meisten
A u s w a n d e r e r ziehen nach A m e r i k a , und zwar zur Hälfte aus Irland,
der a n d e r e Theil aus der Schweiz und dem westlichen u n d südwest-
lichen Deutschland " - ) . Die nachtheiligen wirtlischaftlichen Folgen
der Allswanderung bestehen zunächst darin, dass die Volkszahl statt
a b z u n e h m e n , durch die gesteigerte V o l k s v e n n e h r u n g bald w i e d e r zu
derselben Höhe steigen, also die znbeseiligende U e b o r v ö l k e r u n g wie-
der eintreten würde. E i n e weitere nacidheiligo Folge besteht in
einem gi-ossen Capilalverlustc und endlich d a r i n , (hiss nur die kräf-
tigsten Leute aus dem Mittelstände a u s w a n d e r n , indem U e b e r r c i c h e
CS nicht w o l l e n , Proletarier es nicht können. N u r im F a l l e einer
colonisatorischeu A n s w a n d c n u i g , wo der a u s g e w a n d e r t e Theil des
Volkes mit der zuriickgcblicbeneii Jlaiiptuiasse wirthschaftlich ver-
b u n d e n bliebe und die Möglichkeit entstände, das Proletariat aus
dem Staate zu entfernen und in diesen Colonien nützlich zu beschäf-
t i g e n , w ü r d e ein wirklicher Vortheil für das Mutterland e r w a c h s e n .
Aber die verschiedenen von E n g l a n d g em a chte n Versuche haben ge-
zeigt, dass die Re.gierung liier fast ganz machtlos ist und d a n n be-
steht das deutsche Proletariat aus heriintergckoninienen H a n d w e r k e r -
familien , welche das hotlhungslosestc nnd für A u s w a n d e r u n g und
Colonisation untauglichste Proletariat bilden.
In keinem L a n d e ist das Auswandcruiigsgcschäft so zur kauf-
männischen Spcculation g e w o r d e n und so gut (U'gauisirt wie in Deutsch-
land. Bremen venlaiikt den Aufschwung seiner Rhederei thcilweJse
dem T r a n s p o r t deutscher Ansiedler nach A m e r i k a , so wie auch neuer-
dings H a m b u r g viel bei demselben g e w i n n t " ' ' ) . Die Bremer R h e d e r
haben zu diesem Zweck Agenturen in ganz Deutschland eingerichtet
und noch in den Auswanderer Briefen einen mächtigen Bundesge-
nossen e r h a l t e n " * ) . E s ist also gerecht zu verlangen, dass die Staaten
k e i n e VogeliVeiheit der A u s w a n d e r u n g g e w ä h r e n , sie im Gegentheile
möglichst unschädlich wie für die Betheiligten s e l b s t , so auch für
die einzelnen Staaten machen. Musterhaft in dieser Hinsicht sind
die bremischen Gesetze über Auswandererschifffahrt. E i n e Vorschrift
vom 14. Juli 1854 verlangt Cautionen von den R h e d e r n , nnd enthält
B e s t i m m u n g e n über d e n , den Passagieren zulassenden R a u m , und
den m i t z u n e h m e n d e n Proviant. E s giebt ähnliche Vorschriften in
H a m b u r g ( 3 . J u n i 1850 und 26. F e b r . 1855), F r a n k r e i c h (15. J a n u a r
1855), den Vereinigten Staaten von N o r d a m e r i k a (2. März 1855) und
ein ausführliches englisches Gesetz vom 30. J u n i 1 8 5 2 , w o n a c h es
u n t e r A n d e r e m den königlichen Agenten in C a n a d a etc. anempfohlen
ist, ihre N a c h w e i s u n g e n für A u s w a n d e r e r unentgeltlich zu ertheilen.
E s bestehen sowol in Bremen als in H a m b u r g eine Deputation
für d a s A u s w a n d e r e r w e s e n und ein Nachweisungsbüreau für Aus-
w a n d e r e r , deren Berichte veröffentlicht w e r d e n . So liegt schon d e r
sechste Bericht der H a m b u r g e r Deputation für die .fahre 1862 bis
1864 vor. Diesem Berichte e n t n e h m e n wir, dass in der P e r i o d e 1855
bis 1864 die Zahl der A u s w a n d e r e r , welche nach fremden Welttheilen
befördert wurden, über H a m b u r g 2 0 9 , 8 8 9 , ü b e r Bremen 270,236,
wogegen über Liverpool 1,038,179 b e t r u g " ^ ) . Auch sind Massregeln
zur Sicherung des ersten U n t e r k o m m e n s der Eintreffenden durch An-
M'eisung oder Ankauf von G r u n d s t ü c k e n u. s. w. wünschcnswerth.

2) Die internationale Gesundheitspflege (Medizinalpolizei)


umfasst zunächst die sehr wichtigen internationalen

a) Vorkehrungen gegen die Einschleppung ansteckender Krankheiten


und die Quarantäneverordnungen.

Ein erster Versuch w a r die Pariser Sanitäts-Convention vom 3. F e b r .


1852, an welcher alle Mittelmeerstaaten, Russland, Grossbrittanien und
P o r t u g a l sich betheiligten " " ) . E s w u r d e ein Sanitätsreglement ausge-
arbeitet, welches sich vorzüglich auf die Pest, das gelbe Fieber und die
Cholera b e z o g , a b e r auch a n d e r e a n s t e c k e n d e Krankheiten wie den
T y p h u s , bösartigeBlattern u. a. berücksichtigte. In der Sanitätsconven-
tion w u r d e n die verschiedenen Q u a r a n t ä n e m a s s n a h m e n , ihre verschie-
d e n e A n w e n d u n g , die Sanitätsabgaben und die Organisation d e r Sanitäts
V e r w a l t u n g vereinbart, u. die Geltung derselbenn auf 5 J a h r e verabredet.
Auf G r u n d l a g e dieser Convention kam es im April 1859 zu einem Con-
gresse der betheiligten Staaten in Paris, zur Ausarbeitung eine rdefiniti-
ven U e b e r e i n k u n f t " " ) , a b e r die Beschlüsse der Abgeordneten sind nicht
zur Ausführung g e k o m m e n . Dennoch w u r d e durch Gesetz vom 30.
Juni 1859 die P a r i s e r Sanitätsconvention in T o s k a n a zur Ausführung
g e b r a c h t " * ) , u n d erbess die preussische R e g i e r u n g am 3 . J u b 1863
Massregeln gegen die E i n s c h l e p p u n g der orientabschen Pest durch
den Schiffsverkehr"*). In F r a n k r e i c h w u r d e n neue Quarantäne-
massregeln gegen die Einschleppung des gelben Fiebers durch den
Schiffsverkehr a m 7. September 1863 erlassen ' * " ) , und mit Italien
a m 24. J u n i 1864 eine n e u e V e r a b r e d u n g getroffen. — Die Verhee-
r u n g e n , welche im verflossenen J a h r e die Cholera in Aegypten und
dem Türkischen Reich verursachte und ihre allmälige Verbreitung
in die a n g r e n z e n d e n europäischen Staaten, b e w o g e n die französische
Regierung, durch ein Circulär des H. D r o u y n d e L h u y s vom 1 3 .
October 1865 alle europäischen Staaten zu einer Conferenz in Con-
sfantinopel einzuladen, wo mit Zuziehung wissenschaftlicher Autori-
täten allgemeine Massregeln zur V e r h i n d e r u n g der Verbreitung, und
Vorkehrungen zur Bekämpfung dieser Krankheit getroffen werden
Süllen. Zur Beschickung dieser Conferenz haben sich die meisten
Regierungen bereit erklärt.
b) Einen wichtigen Theil der Gesundheitspflege bilden die Vor-
schriften , welche die Reinigung und Ventilation der FabrikräJtme.,
die R e g u l i r u n g der Arbeit der Kinder, jugendlicher Personen und
F r a u e n u n d ü b e r h a u p t die Dauer der Arbeitss.eit in F a b r i k e n betref-
fen. Die grossen F a b r i k u n t e r n e h m u n g e n g e w ä h r e n sowohl für die
kunstmässlge und wohlfeile Herstellung von K u n s t w a a r e n , als für das
Volkseinkommen im Grossen einen grossen Nutzen, ohne dabei
m a n c h e r Schattenseiten zu e n t b e h r e n , die auf die Gesundheit und
Sittlichkeit der F a b r i k a r b e i t e r von nachtheiligem Einflüsse sind. Dazu
gehören : die v e r d o r b e n e Luft in den gedrängten W e r k s t u b e n , die Nacht-
arbeiten, die frühzeitige und übermässige Anstrengtmg der Kinder, die
mangelhafte geistige und sittliche Pflege der kleinen Kinder, endlich
die übermässige Arbeitsdauer der E r w a c h s e n e n beider Geschlechter"*).
Was insbesondere die Beschäftigung der Kinder in den Fabriken
anlangt;, so müsste darauf hingewirkt w e r d e n : 1) dass in allen oder
in gewissen Arten von F a b r i k e n Kinder unter einem gewissen Alter
gar nicht gebraucht w ü r d e n ; 2) dass von diesem Alter an bis zu dem
J a h r e der in der Regel erreichten vollen Arbeitskraft die Kinder
schonend, nur eine gewisse Zahl von Arbeitsstunden täglich und mit
U n t e r b r e c h u n g durch Ruhestunden , zur Arbeit angehalten w ü r d e n '
3) dass ihnen der Besuch der Schule gestattet w e r d e ; und 4) dass
die R ä u m e , in denen sie a r b e i t e n , gehörig gelüftet und überhaupt
der Gesundheit zuträglich eingerichtet w ü r d e n . Dies letztere b e z i e h t
sich auf alle F a b r i k r ä u m e ü b e r h a u p t . In England k a m es zuerst im
J. 1802 zu einer Bill, welche die Arbeit der Lehrlinge in den W o l -
len- u n d Baumwollenspinnereien reguliren sollte ' " ' 0 . Später k a m e n
ähnliche Acte in den J. 1819 und 1825 vor. Von vorzügUcher W i c h -
tigkeit ist die Acte vom 29. August 1833, gemeinhin factory act ge-
nannt. Nach ihr ist es verboten Kinder unter 9 J a h r e n in den durch
Dampf- oder W a s s e r m a s c h i n e n in Betrieb gesetzten F a b r i k e n arbeiten
zu lassen. Bis zum 13. J a h r e k ö n n e n sie n u r 9 Stunden tägUch
oder 4 8 Stunden wöchentlich, bis zum 18. J a h r e 12 Stunden täglich
oder 69 Stunden w ö c h e n t l i c h , u n t e r keiner Bedingung aber in der
N a c h t beschäftigt w e r d e n . F ü r die Mahlzeit sind l ' / i , für die Schule
2 Stunden tägbch bestimmt. Zur Vollziehung des Gesetzes wurdeu
4 Fabrikinspectoren ernannt. In der folgenden Zeit w u r d e n durch
die Bill vom 1 5 . März 1844 die Arbeitsstunden der Kinder von 8
auf 6V« — 7 , a b e r auch das Minimum des Alters von 9 auf 8 J a h r e
reducirt. E i n e Bill vom 6. J u n i desselben J a h r e s bestimmt die Ar-
beitszeit für Mädchen und F r a u e n jeglichen Alters auf 12 St. täglich
und im J. 1847 (8. J u n i ) w u r d e für alle E r w a c h s e n e die Arbeitszeit
auf 10 St. täglich festgesetzt. Weitere Gesetze waren die vom .5.
August 1850, 20. August 1853, G. August 1861. Als E r g ä n z u n g aller
dieser Bestimmungen erschien die „Acte zur E r w e i t e r u n g der F a c t o r y -
Acte 1 8 6 4 " ' ' ' ^ ) . Obgleich die F a b r i k a n t e n gegen die lästigen For-
malitäten k l a g t e n , so zeigte doch die Erfahrung dcil Nutzen der factoiy
act. In/fV«MA-mcA wirkten in ähnlicher Kiciituug S i s m o n d i und M.
V i l l e r m e und k a m es endlich zum Gesetz vom 22. März 1844. Die
Kinder müssen wenigstens 8 J a h r e alt sein und können bis zum 12.
Jahre nur 8 St., bis ziun 16. J a h r e 12 St. täglich beschäftigt wer-
den. Die Nachtarbeit ist Kindern unter 13 J a h r e n u n b e d i n g t ver-
boten , den AcUeren n u r in besonderen Fällen. Die R e g i e r u n g soll
darauf Acht g e b e n , dass die Kinder in gesunden R ä u m e n beschäf-
tigt, zur Schule geschickt u n d gute Sitten iu den W e r k s t ä t t e n er-
halten werden. Die provisorische R e g i e r u n g reducirte durch ein
Gesetz vom 2. März 1848 das Maximum der täglichen Arbeit auf
10 Stunden in Paris und 11 in den D e p a r t e m e n t s . Dies Maxinmni
w u r d e aber später durch Gesetz vom 9. S e p t e m b e r 1848 auf 12 St.
erhöht. Ein Gesetz vom 22. F e b r u a r 1851 bestimmt die Arbeitszeit
der Lehrlinge, lür diejenigen, die nicht 14 J a h r e alt sind, auf 10 St.,
für ältere bis 16 J a h r auf 12 St. täglich, mit dem Vcrb(jtc dieselben
bis 16 J a h r e n in der Nacht zu beschäftigen. Die englische Bill von
1844 und ein französisciies Gesetz vom 3. J a n u a r 1813 verbieten
Kinder unter 10 Jaliren in B e r g w e r k e n arbeiten zu lassen ''•'*). —
Aehnliche Anordnungen enthalten die preussischen Verordnungen
vom 6. April 1839 und 16. Mai 1853, eine bayrische vom 1 5 . J a n u a r
1840, badische vom 4. März 1840. In Bayern und Preussen müssen
die Kinder wenigstens 9 J a h r alt sein und k ö n n e n in B a y e r n bis z u m
12. J a h r e in Preussen bis zum 16. J a h r e n u r 10 Stunden täglich be-
schäftigt w e r d e n . P r e u s s e n verlangt einen 3 - j ä h r i g e n vorausgegan-
genen Besuch der Schule, B a y e r n , dass sie täglich 2 St. dieselbe be-
suchen. Die Nothwendigkeit einer internationalen V e r e i n b a r u n g in
Bezug auf diese Arbeitsverhältnisse besteht ausser in allgemeinen
h u m a n e n Rücksichten noch d a r i n , dass S t a a t e n , welche solche Be-
schränkungen übermässiger Arbeit bei sich einführen, gegenüber sol-
chen S t a a t e n , welche a n d e r e G r u n d s ä t z e verfolgen, im N a c h t h e d e
bleiben und leicht von diesen im Preise unterboten w e r d e n können.
W ü n s c h e n s w e r t h also w ä r e , dass m a n sich über allgemein anzuwen-
dende Grundsätze v e r s t ä n d i g e , w e l c h e später j e d e r einzelne Staat
durch specielle V e r o r d n u n g e n bei sich zur Geltung bringen w ü r d e

3) Internationaler Schatz der industriellen Thätigkeit.

Hier k o m m e n zuerst die sogenannten


«) Erfindungsprimlegien., Gewerbspatente (patents, brevets d'invention)
in Betracht***). Sie werden gewöhnlich für E r z e u g u n g in Art und Ge-
stalt neuer K u n s t w a a r e n , nicht a b e r für E n t d e c k u n g von neuen Natur-
gesetzen oder neuen Eigenschaften der Körper ertheilt. Man unter-
scheidet: E r t i n d u n g s p a t e n t e im engeren Sinne als Belohnungen für
ganz n e u e E r f i n d u n g e n , P a t e n t e für die weitere Verbesserung einer
von einem Anderen gemachten Erfindung und endlich P a t e n t e fiii-
die Einführung einer im Auslande b e k a n n t gewordenen Erfindung
(brevet d'importation). Um dem Missbrauche und den Nachtheilen
der P a t e n t e vorzubeugen werden folgende V^orsichtsmassregeln ge-
troffen: a) P a t e n t e werden n u r für ein neues und eigenthümliches
Kunstmittel ertheilt, b) eine auf Antrag der R e g i e r u n g angestellte
Untersuchung durch Sachverständige prüft ob die Erfindung erheblich
und nützlich sei u m ein .Schutzrecht zu v e r d i e n e n , c) es wird eine
Gebühr ( P a t e n t t a x e ) , die während der D a u e r des P a t e n t s jährlich
oder in m e h r e r e n Zeitpunkten erhoben wird, festgesetzt; d) für die
D a u e r des P a t e n t s wird ein k u r z e r Zeitraum bestimmt, und bei Nicht-
g e b r a u c h in gewisser Frist geht ein bewilligtes P a t e n t v e r l o r e n ; endlich
e) m u s s eine deutliche u n d vollständige Beschreibung der Erfindung
gebefert w e r d e n . In der P r a x i s der P a t e n t e r t h e i l u n g sind zwei Rich-
t u n g e n v e r t r e t e n : die eine hält die Vorprüfung der Neuheit und E i g e n -
thümlichkeit für nothwendig, die a n d e r e p r ä s u m i r t diese Eigenschaften
und ertheilt das P a t e n t bis zum Beweise des Gegeutheils. Durch
beide wird a b e r sehr unvollkommen der ganze Z w e c k der P a t e n t -
institute erreicht, welcher nemlich darin besteht, die Kosten u n d B e -
m ü h u n g e n zu vergüten, die auf eine n e u e Erfindung verwendet w e r d e n
mussten, und durch diese Aussicht auf Ersatz u n d Gewiim Andere
zu weiteren Erfindungen zu e r m u n t e r n . Desshalb ist das Princip des
P a t e n t w e s e n s vielfach bestritten worden *'^'). So griff'Lord Stanley
als Vorsitzender einer parlamentarischen, zur Prüfung der englischen
Patentgesetzgebung niedergesetzten Commission, in einer Sitzung der
Liverpooler H a n d e l s k a m m e r i m August v. J. vielfach die P r a x i s a n .
E r hob die colossale Anhäufung von P a t e n t e n , welche aus der Un-
mögUchkeit, zwischen wichtigen und unwichtigen Erfindungen zu
unterscheiden, entspringt, hervor und bezeichnete als u n m i t t e l b a r e
Folge d a v o n , dass viele P a t e n t e nur auf Speculation g e n o m m e n wer-
den, dass grosse Capitalisten j e d e s P a t e n t , das ihnen in den W e g
k o m m t , aufkaufen und sich ein Monopol in mehr als einem Geschäfts-
zweige verschaffen; endlich die kostspieligen Patentprocesse einem
reichen F a b r i k a n t e n j e d e Verletzung unbestraft l a s s e n , w ä h r e n d sie
den unbemittelten Mann ruiniren und von Verfolgung seines Rechts
abhalten. Das Patentinstitut hat sich im Laufe des gegenwärtigen
Jahrhunderts über ganz E u r o p a verbreitet, und n u r die Schweiz,
N o r w e g e n , Griechenland und die T ü r k e i haben es nicht a n g e n o m m e n .
Aber sowohl die Erfindungs- als auch Einführungspatente würden
illusorisch, selbst für den ertheilenden Staat nachtheilig w e r d e n , wenn
sie keine Geltung und keinen Schutz ausserhalb der Grenzen des
eigenen L a n d e s hätten. Einen solchen Schutz k a n n n u r eine inter-
nationale Vereinbarung g e w ä h r e n , welche sich auch auf die Fabrik-
zeichen ausdehnen muss. Diesem ist auch grösstentheils in den
neuen Handelsverträgen R e c h n u n g getragen und dem gewerblichen
Eigenthume ein internationaler Schutz zugesichert w o r d e n . So be-
stimmt z. B. die französisch-belgische literarisch-artislisch-indusfrielle
Convention vom 1.Mai 1861 einen gegenseitigen Schutz von Fabrikzeichen
( m a r q u e s de fäbrique) und industrieller und Fabrikmodelle und Zeich-
nungen (dessins ou modales industriels et de fabrique), der preussisch-
französische Handelsvertrag vom 2. Aug. 1862, Art: 28 und der jiingste
Handelsvertrag ztvischen Oesterreich und Grossbrittanien vom 16. Decbi'.
1865 im A r t : I X : dass die Unterthanen der einen der beiden vertrag-
schbessenden Mächte in den Gebieten d e r anderen hinsichtlich des
Eigenthumsrechtes an gewerblichen Marken und anderen Bezeichnun-
gen , sowie an Mastern und Modellen fiir Industrie-Erzeugnisse den
gleichen Schutz geniessen sollen wie die eigenen U n t e r t h a n e n " " ) .
b) Von grosser Wichtigkeit für die F ö r d e r u n g der industriellen
gewerblichen Thätigkeit sind die Industrieausstellungen ü b e r h a u p t und
vorzüglich die internationalen""). Sie sind die grossen F e s t e der In-
dustrie und Arbeit, vorzüglich w i r k s a m durch die p e r s ö n b c h e B e r ü h r u n g
ausgezeichneter Producenten und für die Ausgleichung und Ineinander-
bildung getrennter Handelsgebiete und H a n d e l s s y s t e m e , d e m n a c h die
E n t w i c k e l u n g des Freihandels befördernd. Die nationalen Industrieaus-
stellungen beginnen mit d e m J. 1798 in P a r i s , die Weltausstellun-
gen 1851 in London " ' ) . D e r erste G e d a n k e gehört den F r a n z o s e n ,
bei denen die ersten localen Ausstellungen (1798, 1801, 1802, 1806,
1819, 1823, 1827 u. s. w. bis 1849) stattfanden, von F r a n k r e i c h aus
wurden sie in Belgien, Preussen, Oesterreich u n d Spanien hei-
misch. Die deutschen Zollvereinsstaaten k a m e n später überein, allge-
meine Zollvereinsausstellungen zu v e r a n s t a l t e n , welche in der T h a t
stattfanden : 1842 zu Mainz, 1844 zu Berlin und 1850 zu Leipzig.
Die Idee einer Industrieausstellung aller Völker w u r d e von den
Franzosen a n g e r e g t , aber erst von den E n g l ä n d e r n 1851 zu London
im Glaspalaste im H y d e p a r k unter dem P a t r o n a t des Prinzen Albert
zu Stande gebracht. Aus 94 Staatsverbänden kamen 17,062 Aus-
steller. Von kleinerem Erfolge w a r die „Industrieausstellung aller
Nationen in N e w - Y o r k " in den J a h r e n 1853—1854. I m J. 1854 ver-
anstaltete m a n eine „allgemeine Ausstellung deutscher Industrie- und
Gewerbserzeugnisse" in München. Die dritte Weltausstellung war
im J. 1855 im Industriepalaste auf den elysäischen F e l d e r n zu P a r i s ,
welche sich durch einen niehr kosmopolitischen Charakter und durch
eine grössere Zahl der Aussteller (über 20,000) vor der Londoner
auszeichnete. Die vierte vom J. 1862 im Kensington Palast umfasste
ausserdem noch eine Ausstellung von Kunsterzeugnissen lebender
Artisten, sowohl Bildhauer als M a l e r , eine archäologische u n d eine
Blumenausstellung •**). Doch w a r e n ihre R e s u l t a t e nicht so günstig
wie im J. 1 8 5 1 ; die Zahl der täglich B e s u c h e n d e n , welche d a m a l s
bis auf 109,915 gestiegen w a r , v e r m i n d e r t e sich bis auf 6 7 , 8 9 1 , die
Kosten der Herstellung w u r d e n niclit einmal g e d e c k t , wogegen m a n
im J. 1851 einen schönen Gewinn m a c h t e . Der Palast in Kensing-
ton w u r d e auseinander g e n o m m e n , wogegen der Glaspalast nach Sy-
denliam übersiedelte. Die fünfte Weltausstellung fand 1865 in Dnblin
statt und die sechste soll im J. 1867 für die Zeit vom 1. April bis
3 1 . October zu P a r i s dauern '^^).
Die B e d e u t u n g solcher Industrieausstellungen für die F ö r d e r u n g
der internationalen Gemeinschaft braucht nicht erst besonders h e r v o r g e -
hoben zu w e r d e n . Sie haben zur Verbreitung friedlicher Gesinnun-
gen zwischen den S t a a t e n , zur Aufhebung der nationalen Isolirtheit
und der verschiedenen Prohibitivsysteme, zur gegenseitigen Auf-
munterung und löblichen Rivalität auf dem Gebiete der Industrie
mächtig beigetragen u n d sind die besten Beweise für die N o t h w e n -
digkeit einer internationalen] Arbeitstheilung. Bei dem Ueber-
h a n d n e h m e n der materiellen Interessen in der G e g e n w a r t haben sie
eine grosse wirthschaftbche B e d e u t u n g e r l a n g t , neben welcher a b e r
auch eine sociale nicht v e r k a n n t w e r d e n darf. So hob der Prinz
N a p o l e o n in seiner R e d e bei der Schliessung der Pariser Ausstel-
lung von 1855 hervor : „dass die Anfeindungen und der Nationalhass
von der Isolirung h e r r ü h r e n , und es häufig genüge, die Völker mit
einander in V e r b i n d u n g zu setzen, um sie einander zu befreunden."

4) Internationale Regelung des Verkehrs und des Handels.


V

Die Staaten der internationalen Gemeinschaft haben das unbe-


strittene Recht, in V e r k e h r mit a n d e r e n Staaten zu treten und k ö n n e n
von k e i n e m derselben davon abgehalten w e r d e n . Andererseits ha-
ben sie a b e r auch die VerpfUchtung, diesen V e r k e h r möglich günstig
für die Anderen einzurichten und k ö n n e n sich nicht dieser interna-
tionalen Verpflichtung entziehen. Als Beförderungsmittel des Ver-
kehrs der Völker ist zuerst

a) das Post-, Eisenbahn- nnd Telegra))henv:esen

zu n e n n e n . Die grosse B e d e u t u n g der Communicationsmittel für die


materiellen und wirthschaftlichen Interessen braucht nicht besonders
hervorgehoben zu w e r d e n Beim Postwesen k o m m t es vorzüglich
auf Raschheit, Bequemlichkeit, Sicherheit und Billigkeit an *^''). Seit
1840 h a b e n auf die E n t w i c k e l u n g des Postwesens u n d die Ausbildung
des E i s e n b a h n w e s e n s , die englische Postreform von R o w l a n d Hill
und die Erfindung des elektromognctisdien Telegraphen mächtig ein-
gewirkt. England v e r d a n k t R. H i l l die H e r a b s e t z u n g des Portos
auf den Miniinalsatz von einem P e n n y und die Einführung der Post-
nuirken. Auch in F r a n k r e i c h w u r d e das Porto im J. 1844 herabge-
setzt und durch das Gesetz vom 20. Mai 1859 auf 20, respective 30
Cent, bestimmt. Von den deutschen Staaten hat Preussen zuerst
eine Postreform begonnen, indem schon im J. 1844 eine E r m ä s s i g u n g
des Briefportos erfolgte, w ä h r e n d Minister von der H e y d t a m 1. Ja-
n u a r 1850 den höchsten Satz auf 3 Silbergroschen herabsetzte. Später
w u r d e n Dampfschiflfahrtsverbindungen, wie die zwischen Stettin und
P e t e r s b u r g seit 1850, mit Schweden und N o r d a m e r i k a durch die Bre-
men - N e w y o r k e r und Haniburg - N e w y o r k e r Dampfschifffahrtscourse
hergestellt und fahrende Expeditionsbureaus auf den Eisenbahnen
eingerichtet. Auf der Dresdener Postconferenz (1847) suchte man
einen Verein der deutschen Postverwaltungen und Staatsregierungen
zu gründen, welcher auch wirklich durch den preussisch-österreichi-
schen Postvertrag vom 6. April 1850 in Berlin als ein deutsch-öster-
reichischer Postverein in's Lel)eu gerufen w u r d e . E i n e Revision des
Postvercinsvertragcs erlolgte am 5. D e c e m b e r 1851 auf der ersten
deutschen Postconferenz in Berlin. Diesem Vereine gehören ausser
Oesterreich und Preussen mit ihrem gesammten Gebiete, a l l e , aber
auch n u r deutsche L ä n d e r au und er tritt allen nichtdeutschen Staaten
g e g e n ü b e r als Einheit auf. Dieser deutsch - österreichische Postver-
einvertrag w u r d e am 18. August 18(50 wieder erneuert""). Von
internationalen Postübereinkünften sind noch zu nennen : der zwi-
schen Grossbrittannien und Belgien vom 19. October 1844 und vom
~). Juli 1862'-"), und der Postvertrag zwischen Preussen im Auftrage des
deutschen Postvereins und Grossbrittanniens, welcher am 13. October
1862 zu London geschlossen w u r d e '•'*). Auch hat Preussen Postver-
träge mit den Niederlanden am 18. September 1863 " " ) , mit Spanien
und P o r t u g a l geschlossen, welche letzteren nüt d e m 1. Juli 1864 in
Kraft treten sollten ""'). D e r neueste von den preussischen Postver-
trägen ist der mit Russland, der zu St. P e t e r s b u r g a m '^7io. August
1865 geschlossen w u r d e und mit dem '/is. .Januar 1866 seine Aus-
führung erhalten sollte " " ) •
Weil das Postwesen ein mächtiges Beförderungsmittel des Ge-
werbfleisses und der Bildung ist, so erscheint diese gemeinnützige
Seite des Postwesens als H a u p t s a c h e und der Reinertrag flir die
Staatscasse n u r als eine u n t e r g e o r d n e t e Z u g a b e '**). D a s Mangelhafte
des internationalen PostverJjelirs riihrt vorzüglich d a h e r , dass er
ausschliesslich auf Sepai'at-Verträgen zvrischen den direct interessirten
a n g r e n z e n d e n Staaten b e g r ü n d e t ist und k e i n e allgemeinen völker-
rechtlichen V e r a b r e d u n g e n vorhanden sind. Der erste Versuch einer
internationalen Postreform w u r d e von der im Mai und J u n i 1863 in
P a r i s z u s a m m e n g e k o m m e n e n internationalen Postconferenz versucht.
Die Veranlassung d a z u war der Bericht des H r n . B l a i r an den nord-
anierikanischen Staatssecretair W . H. S e w a r d ü b e r die Nothwendig-
keit einer internationalen Postreform. 15 Staaten betheiligten sich
a n den B e r a t h u n g e n dieser Conferenz. Die Hauptaufgaben einer in-
ternationalen Postreform bestehen in einer E r m ä s s i g u n g der Porto-
taxen, in einer Vereinfachung des Postdienstes u n d d e r Vervollkomm-
n u n g und E r w e i t e r u n g der Leistungen der Postanstalt. Die Confe-
renz setzte die G r u n d s ä t z e fest, welche den späteren Post vertragen
zu G r u n d e liegen sollen. Sie b e s t i m m t e , welche Gegenstände im
internationalen V e r k e h r vermittelst der Post befördert w e r d e n m ü s -
sen oder k ö n n e n . I n Bezug auf einen internationalen Portotarif soll
derselbe nach Massgabe der Entfernung s t e i g e n , zugleich a b e r er-
klärt die Conferenz als angemessen, zu einer und derselben Posttax-
zone die grösstmöglichste Anzahl von Ländernjheranzuziehen. F ü r die
Taxation der internationalen Correspondenz soll ein und dasselbe
G r a m m e n s y s t e m mit Decimaltheilung a n g e w a n d t und der einfache
Portosatz n a c h folgendem Verhältnisse bemessen w e r d e n : 15 Gram-
m e n oder d a r u n t e r für einzelne Briefe und 40 Gr. für Correcturbo-
gen, Geschäftspapiere und W a a r e n p r o b e n unter B a n d " " ) . Weiter
folgen Bestimmungen über P o s t a n w e i s u n g e n , Frankirung einfacher
und r e c o m m a n d i r t e r Briefe u. s. w .
A n die P o s t v e r t r ä g e schliessen sich u n m i t t e l b a r die Telegra-
phenverfräge an. Hier ist zunächst der deutsch - österreichische Tele-
graphenverein zu nennen, der durch den Vertrag vom 2 5 . Juli 1850,
mit N a c h t r a g vom 14. October 1 8 5 1 , g e g r ü n d e t , durch den Vertrag
vom 16. N o v e m b e r 1857 e r n e u e r t w u r d e *''*). P r e u s s e n und Oester-
reich haben im N a m e n dieses Vereins mit Russland Telegraphenver-
träge a m 26. September 1854 und a m 15. März 1860 '^*), mit F r a n k -
reich und Belgien a m 29. J u n i 1855 u n d am 30. J u n i 1858 geschlos-
sen. Ein T e l e g r a p h e n v e r t r a g zwischen Belgien, Frankreich, den
Niederlanden, Sardinien und der Schweiz w u r d e a m 1. September
1858 unterzeichnet. I m verflossenen J a h r e am 17. Mai w u r d e von
den meisten europäischen S t a a t e n zu P a r i s ein internationaler Tele-
graphenverfrag gesclilossen, der mit dem 1. J a n u a r 1666 iu Kraft
getreten ist. Von den einzelnen Bestimmungen ist Folgendes her-
vorzuheben. Die T a x e zwischen den correspondirenden Staaten soll
eine gleichförmige sein. Das Minimum der T a x e gilt für eine De-
pesche von 20 W o r t e n . Als Münzeinheit soll der F r a n k gleich 40 Kr. Oe.
W , gelten. Die Depeschen w e r d e n in S t a a t s - , Dienst- und Privat-
depeschen eingetheilt. Diese Convention soll periodischer R e v i s i o n ,
w e l c h e von Conferenzen ausgeübt wird, unterliegen. Die erste der-
artige Conferenz wird 1868 in Wien stattfinden Auf Grund die-
ses internationalen T e l e g r a p h e n - V e r t r a g s w u r d e ein deulsch-öslerrei-
chischer zu Schwerin am 30. Septmbr. 1865 geschlossen.
E i n e der grössten E n t d e c k u n g e n der Neuzeit, welche vorzüglich
den V e r k e h r der Völker erleichtert hat, w a r die A n w e n d u n g des
Dampfes zu Reisezwecken. Unter den vielen W o h l t h a t e n fortschrei-
tender Wissenschaft sind w e n i g e wichtiger als diese Verkehrserleich-
terungen. Die FAsenbahnen haben viele Vorurtheile der Völker durch
V e r m e h r u n g des V e r k e h r s in ausserordentlicher A u s d e h n u n g berich-
tigt, ihre gegenseitige Feindseligkeit vermindert und ihre A c h t u n g
gegen einander v e r m e h r t . Deshalb verdienen sie den vollen völker-
rechtlichen S c h u t z , selbst ungeachtet der vielen wirthschaftlichen
Vortheile, die sie den einzelnen Staaten b r i n g e n . E s wird also viel
zur B e g r ü n d u n g einer internationalen Gemeinschaft eine Beschützung
und F ö r d e r u n g sowohl des P e r s o n e n - als auch W a a r e n v e r k e h r s auf
den E i s e n b a h n e n beitragen '*^).
Von grosser Wichtigkeit für den internationalen Verkehr der
Staaten sind die verschiedenen

b) Münz-, Mass- nnd Gewichtsierhälfnisse.

W a s das Münzwesen betrifft, so m u s s hier zunächst berücksichtigt


werden: ob einfache oder d o p p e l t e , resp. dreifache W ä h r u n g anzu-
n e h m e n u n d ob Gold- oder Silberwährung vorzuziehen sei Doch
ist die Verurtheilung der doppelten W ä h r u n g , mit einem vom Gesetz
aufgestellten stabilen Werthverhältnisse zwischen Gold und Silber,
fast allgemein. W a s die einzelnen Staaten betrifft , so besteht
sie noch i-echtlich in F r a n k r e i c h , obgleich m a n daselbst thatsächlich
zur reinen G o l d w ä h r u n g a b m ä l i g übergeht und in Belgien, wo die
D o p p e l w ä h r u n g in der Sitzung des R e p r ä s e n t a n t e n h a u s e s vom 5. März
1861 beschlossen wurde. Einfache und zwar G o l d w ä h r u n g haben
E n g l a n d seit 1 8 1 6 , die Vereinigten Staaten von N o r d a m e r i k a durch
6
Gesetz vom 2 1 . F e b r u a r 1853 und thatsächUch die Schweiz seit d e m
Gesetz v o m 3 1 . J a n u a r 1860. Holland verliess die D o p p e l w ä h r u n g
u n d ging durch Gesetz vom 26. N o v e m b e r 1847 zur blossen Silber-
währung über, welche auch durch den W i e n e r Münzvertrag vom
24. J a n u a r 1857 für Deutschland sanctionirt w u r d e . W a s die a n d e r e
Frage, Gold- oder Silberwährung, betrifft, so soll das rationelle
P r i n c i p , nach A d . W a g n e r ' * " ) , auf niederen Culturstufen bei min-
der w o h l h a b e n d e n Völkern die Silber-, bei steigendem W o h l s t a n d e ,
E r h ö h u n g der U m s a t z g r ö s s e n , höheren Wirthschafts- u n d Culturstu-
fen, s t ä r k e r e r Betheiligung a m W e l t v e r k e h r e die G o l d w ä h r u n g ver-
langen. In concreto sei a b e r die Nothwendigkeit, die Gold- a n Stelle
der S i l b e r w ä h r u n g in Deutschland u n d a n d e r e n L ä n d e r n ähnlicher
L a g e einzuführen, in der G e g e n w a r t streitbar. Die U n h a l t b a r k e i t
d e r reinen Silberwährung w e g e n des Silberabströmens n a c h Asien
hätten die F r e u n d e des Goldes noch nicht bewiesen u n d mit d e m
wahrscheinlichen Sinken des G o l d w e r t h e s , wegen der seit 1848 ein-
getretenen Massenproduction in Kalifornien und A u s t r a l i e n , werde
auch eine Baisse des Silberwerthes nicht ausbleiben, d e n n die beiden
Metalle verträten sich gegenseitig u n d theilten dieselben Geschicke.
E i n e a n d e r e wichtige F r a g e ist die W a h l der Münzeinheit und
diejenige über den Vorzug der Decimal- oder d e r Duodecimalrech-
nung. D e r deutsche H a n d e l s t a g zu Heidelberg in seiner vierten
Sitzung vom 7. Mai 1861 h a t sich für eine sog. Mark (Drittel-Thaler
= Vü fl- österr. W . ) , der volkswirthschaftbche Congress zu Stuttgart
<1861) für die G o l d w ä h r u n g mit einer H a u p t g o l d m ü n z e von 20 F r a n k ,
erklärt '*•). Von internationalen Verabredungen kann hier der
deutsche Münzvertrag vom 24. J a n u a r 1857 e r w ä h n t werden ' ' ' ' ) ,
welcher das Zollpfund V
(a K i l o g r a m m ) als Münzgewicht, mit einem
30 T h a l e r f u s s e , 45 Guldenfusse österreichischer W ä h r u n g und 52 Va
Guldenfusse süddeutscher W ä h r u n g , für Deutschland feststellt, mit
einer zur „ E r l e i c h t e r u n g des gegenseitigen V e r k e h r s " bestimmten
Goldmünze, G o l d k r o n e g e n a n n t (gleich V50 Pf. f. G . ) . D e r dritte
deutsche H a n d e l s t a g , der i m September v. J. zusammen kam,
h a t sich für Herstellung einer deutschen Münzeinheit erklärt. Als
Rechnungseinheit soll die M a r k (Drittel-Thaler) mit directer Theilung
in 100 Pfennige dienen. Die sog. süddeutsche W ä h r u n g soll aufge-
h o b e n u n d statt der ganzen und h a l b e n K r o n e eine Vereins - Gold-
m ü n z e , 77 Va Stück auf das Pfund Gold von Vio Feinheit (also gleich
d e m 2 0 - F r a n k e n s t ü c k ) , eingeführt w e r d e n
So einpfiehlt auch der 5. internationale statistisciie Congress zu
Berlin (1863) die b e s t e h e n d e n Münzeinheiten auf eine kleine Zahl
zurückzuführen, j e d e Einheit, soweit angemessen, deciinal zu theilen,
alle Münzsorten nach dem metrischen S y s t e m e zu b e s t i m m e n und
alle in derselben Feinheit von "/lo fein u n d Voi Zusatz auszuprägen.
Die internationale V e r e i n b a r u n g soll durch Zusammenberufung eines
Specialcongresses zu Stande gebracht w e r d e n '**).
Beim Masssysteme handelt es sich um A\ifstellung zweier Ur-
masse, eines für die L ä n g e n e i n h e i t u n d eines für die Gewichtsein-
heit '^*). Huyghens schlug im J. 1673 die L ä n g e des Secunden-
pendels als Masseinheit vor. Aber eine von der französischen R e -
gierung im J. 1790 niedergesetzte Commission erklärte sich gegen
diese Längeneinheit und schlug v o r , durch G r a d m e s s u n g , wie sie
im J. 1735 in P e r u von der A c a d e m i e festgestellt w u r d e und die
Toise du Pdrou e r g a b , die Entfernung des Pols vom A e q u a t o r zu
bestimmen und deren zehnmillionsten Theil als Masseinheit festzu-
stellen u n d mit d e m N a m e n „ M e f e r " zu b e z e i c h n e n ' * * ) . Danach
w u r d e auch die Gewichtseinheit n o r m i r t . Das metrische Masssy-
stem verbreitete sich bald. So w u r d e es für den gewöhnlichen Ver-
k e h r in B e l g i e n , H o l l a n d , S a r d i n i e n , S p a n i e n , P o r t u g a l , Griechen-
l a n d und in m e h r e r e n c e n t r a l - und südamerikanischen Staaten an-
g e n o m m e n u n d in wissenschaftlichen U n t e r s u c h u n g e n wird es allge-
m e i n , ausser in E n g l a n d , angewandt. D e r deutsche Zollverein be-
stimmte das Zollpfund als ein halbes Kilogramm und eine in F r a n k -
furt (1861) zur B e r a t h u n g eines einheitlichen M a s s - und Gewichts-
systems z u s a m m e n g e t r e t e n e Commission sowie der erste deutsche
H a n d e l s t a g zu Heidelberg erklärten sich für das Meter u n d das
metrische System mit der in F r a n k r e i c h üblichen N o m e n k l a t u r , in-
dem sie die Aufstellung eines einheitlichen Masssystems als L ö s u n g
einei- i n t e r n a t i o n a l e n , keineswegs blos nationalen F r a g e b e t r a c h t e t e n .
Hier ist also durch die i m m e r verbreitetere A n n a h m e des metrischen
Systems das Möglichste für die F ö r d e r u n g der internationalen Ge-
meinschaft g e t h a n . So hat die Bundestagscommission für Mass und
Gewicht a m 1. D e c e m b e r 1865 einen E n t w u r f der Mass- und Ge-
wichtsordnung für ganz Deutschland, mit dem rein metrischen
System als G r u n d l a g e , ausgearbeitet und ist es zu e r w a r t e n , dass
dieser E n t w u r f eines allseitigen E i n v e r s t ä n d n i s s e s sich zu erfreuen
h a b e n wird ' ^ ^ ) . Auch bildete sich in F o l g e der P a r i s e r Ausstellung
v o n 1855 iu E n g l a n d ein internationaler Verein für die E i n f ü h r u n g
eines allgemeinen Masssystems, zu w e l c h e m m a n das französische
auserkor.
c) D a s grosse Mittel der Arbeitsgliederung zwischen Völkern
ist d e r auswärtige Handel ^^^). Ihm verdankt m a n die vermehrte
Leistung der productiven Kräfte der Welt im g a n z e n , die Einsicht,
dass der W o h l s t a n d imd das Gedeihen anderer L ä n d e r eine Quelle
des W o h l s t a n d e s u n d d e r Fortschritte j e d e s einzelnen i s t ; endlich ist
a u c h das Gefühl der Brüderlichkeit unter den Menschen , welches
durch moralische Einflüsse nicht zur Geltung k o m m e n k o n n t e , j e t z t
durch das Bewustsein der Gemeinschaftlichkeit der Interessen be-
g r ü n d e t worden '^^). Die grosse und rasche Zunahme des inter-
nationalen H a n d e l s ist die hauptsächliche Garantie des Weltfriedens.
Die Vorbedingungen des H a n d e l s s i n d : Rechtssicherheit u n d ausge-
bildete V e r k e h r s a n s t a l t e n , durch welche erst die freie Concui-renz
als harmonische Vermittelung der Güter und Bedürfnisse sich zu be-
thätigen vermag '*"). Auch sind die laut g e w o r d e n e n Besorgnisse,
als k ö n n e ein Volk in allen W a a r e n z w e i g e n durch ein a n d e r e s unter-
boten, oder d a d u r c h die Concurrenz mit d e m Auslande erschwert
w e r d e n , dass alle E i n k o m m e n s z w e i g e in derselben Volkswirthschaft
zugleich relativ hoch stehen, ganz u n b e g r ü n d e t . Die Handelspolitik
der Völker h a t verschiedene Entwickelungsstufen d u r c h g e m a c h t . Mit
der Abschliessung der Nationalitäten und grösserer Staatsganzen, mit
gesteigerter R e g i e r u n g s m a c h t im X V I . J h . , wird der Ruf nach natio-
naler P r o h i b i t i o n , nationalem Industriescluitze i m m e r lauter. Im
allgemeinen Bewustsein der damaligen Zeit w a r der nationale Staat
das höchste zwischen H i m m e l und E r d e , u n d m a n glaubte, dass der
nationale V e r k e h r wie die g e s a m m t e nationale Production und I n d u s t r i e
nur auf Kosten des ausländischen V e r k e h r s so wie des ausländischen
R e i c h t h u m s ü b e r h a u p t wachsen k ö n n e . So w u r d e die Handelspolitik auch
der gesittigsten Völker von diesem S t a n d p u n k t e aus m e h r als ein Krieg
Aller gegen Alle. " " ) • E r s t a l l m ä b g tauchte die Idee einer weltwu-th-
schaftlichen Solidarität der Nationen auf, welche zum S y s t e m der freien
internationalen Concurrenz mit dem Principe der Gegenseitigkeit führte,
die a b e r eine H e b u n g durch geeignete Staatsmassregeln specifisch natio-
naler Eigenkräfte nicht ausschliesst. Die i n t e r n a t i o n a l e Arbeitsthei-
lung h a t ü b e r a l l , wo die Production von besonderen Naturbedin-
gungen abhängt, ihre Berechtigung und ihren W e r t h . Aber
n e b e n d e r weltwirthscbaftlichen organischen E i n h e i t , w e r d e n i m m e r
Nationalwirthschaften v o r h a n d e n sein. Es kommt also darauf a n ,
das i'ichtige Mass zn lullten. Dn- Kosmopolitismus ergänzt die natio-
nalen Schwächen und m a n w ü r d e auf die V o r t h e i l e , welche der
auswärtige H a n d e l zufolge der Verschiedenheit d e r Natur- u n d Kunst-
erzeugnisse der L ä n d e r g e w ä h r t , ganz verzichten, wenn m a n durch
s t a r k e Einfuhrzölle b e w i r k e n wollte, dass alle G e g e n s t ä n d e des Ver-
b r a u c h s i n n e r h a l b des L a n d e s h e r v o r g e b r a c h t w ü r d e n . D e s h a l b ist
auch die Handelsfreiheit das allgemein zu e r s t r e b e n d e Ziel. Auch
in der P r a x i s der europäischen Staaten k o m m e n freihändlerische G r u n d -
sätze i m m e r entschiedener zur G e l t u n g . Die Einfuhrverbote werden
allgemein abgeschafft und die Zölle von rohen Stoffen und Kunst-
w a a r e n i m m e r vei-ringert "'*''). A b e r Steuerzölle w e r d e n noch l a n g e
bestehen aus rein finanziellen G r ü n d e n und Schutzzölle k ö n n e n nicht
plötzlich, o h n e m a n c h e Störungen in den wirthschaftlichen Verhält-
nissen h e r v o r z u b r i n g e n , aufgehoben w e r d e n . W a s die Ausfuhrzölle
beti-ifft, so ist m a n schon zur U e b e r z e u g u n g g e k o m m e n , dass sie
vielfach verdienen aufgehoben zu w e r d e n und in der P r a x i s der eu-
ropäischen Staaten sind n u r w e n i g e von i h n e n , wie z. B . von nicht
wollenen L u m p e n , P a p i e r h a l b z e u g oder g r o b e r P a p p e und von alten
Schiffstauen im Zollverein und F r a n k r e i c h (Gesetz vom 16. Mai 1863)
zurückgeblieben. Einfuhrzölle^ insofern sie Steuerzölle s i n d , sucht
m a u zu rechtfertigen aus d e m G r u n d e , dass sie der Staatscasse un-
entbehrlich und eine F o r d e r u n g der Gerechtigkeit aus Rücksicht auf
die inneren Anschläge (Accise) sind. Doch müssten solche W a a r e n ,
deren A n k a u f wegen ihrer U n e n t b e h r b c h k e i t oder grossen Nützlich-
keit, nicht als Zeichen der Steuerfähigkeit angesehen w e r d e n k ö n n e n ,
uiöglichst von Einfuhrzöllen befreit bleiben. Die wirthschaftlichen
Nachtheile d e r Durchgangszölle sind auch allgemein a n e r k a n n t und
diese Zölle v o m 1. März 1861 im deutschen Zollverein, durch Ueber-
einkunft der Vereinsstaaten ganz aufgehoben w o r d e n . Aber die grösste
Schattenseite j e d e s Schutzsystems bildet der Schleichhandel., der ausser
seinem demoralisirenden Einflüsse noch die Staatscasse u m einen
Theil der ZoUeinnahraen bringt.
Alle früheren k ü n s t b c h e n Beförderungsmittel des H a n d e l s , w i e :
Handels- und Ausfuhrprämien, privilegirte Handelsgesellschaften,
Stapelrechte, die ausschliessliche Berechtigung d e r nationalen Handels-
flagge in den Colonien durch das sog. Colonialsystem, die diflerentiellen
Begünstigungen in der Zulassung zu nationalen Seehäfen, der Vor-
behalt der Küstenschifffahrt für nationale Schiffe, sind volkswirth-
schaftlich nicht zu rechtfertigen. Die w i r k s a m s t e n internationalen
Mittel, den Welthandel zu fördern und zu beschützen, s i n d : Handels-
u n d Schifffahrfsverträge, ZoUvereinigungen, internationale Verabre-
dungen zum Schutz des Handels der Neutralen u n d das Institut der
Handelsconsulate.

«) Die H a n d e l s - und Schiffartsverträge

w e r d e n meistentheils gleichzeitig geschlossen und s i n d , seitdem das


Princip der Handelsfreiheit einer der F u n d a m e n t a l s ä t z e der R e g i e r u n g
in Grossbrittannien geworden (seit 1850) u n d seit dem französisch-
englischen Handels vertrage vom 2 3 . J a n u a r 1860 auch auf dem Con-
tinente durch das sog. System der westeuropäischen Handelsver-
t r ä g e ' i n ein n e u e s Stadium ihrer geschichtliche E n t w i c k e l u n g getre-
ten. A m 16. April 1862 e r k l ä r t e der Handelsminister R o u h e r bei der
P r e i s b e w e r b u n g in P o i s s y , dass das Princip der Handelsfreiheit die
G r u n d l a g e der Handelspolitik des französischen Kaiserreichs bleiben
w e r d e '"•*). F r a n k r e i c h hat auch wirklich dies Princip so viel es für
den Augenblick möglich w a r zur practischen A n w e n d u n g in seinen
V e r t r ä g e n mit G r o s s b r i t t a n n i e n , Preussen im N a m e n des deutschen
Zollvereins, B e l g i e n , Italien und der Schweiz gebracht. Selbst die
F r e i g e b u n g der Küstenschifffahrt ( C a b o t a g e ) in E n g l a n d hat g a r keinen
nachtheiligen Einfluss auf die inländische Schifffahrt ausgeübt.
Die n e u e n H a n d e l s v e r t r ä g e enthalten gewöhnlich jetzt Bestim-
m u n g e n ü b e r die gegenseitige Aufhebung d e r Verbote d e r Ein - und
Ausfuhr und die ihre Stelle e i n z u n e h m e n d e n Zölle. Sie enthalten
kein Versprechen m e h r , die Einfuhr aus einem S t a a t e mit geringeren
Zöllen zu belegen als aus den ü b r i g e n , es wird i m Gegentheil ge-
wöhnlich a u s b e d u n g e n , an allen Zollermässigungen u. a. Bewilligun-
gen Theil zu n e h m e n , welche j e d e m ' d r i t t e n S t a a t e später zugesagt
werden. Die zuerstrebende Gegenseitigkeit wird nicht g e r a d e in der
Gleichheit der beiderseitigen Zollsätze gesucht, denn ein S t a a t , der
sich m e h r als ein a n d e r e r vom strengen Schutzzollsysteme entfernt
hat und noch einen Schritt in dieser Richtung thun will, k a n n sich
damit b e g n ü g e n , dass der a n d e r e seine V e r b o t e aufgiebt und seine
Zölle beträchtlich erniedrigt ' " ^ ) .
W a s die Schifffahrtspolitik betrifft, so suchte m a n , seit C o l -
b e r t s Z e i t e n , eine b l ü h e n d e H a n d e l s m a r i n e , welche für die Kriegs-
seemacht zahlreiche und geübte Seeleute ausbilden u n d beschäftigen
sollte, durch alle möglichen Mittel herbeizuführen. Solche Mittel
w a r e n : E r h e b u n g einer A b g a b e ( T o n n e n g e l d ) von fremden Schiffen,
w e n n sie in einem inländischen Hafen a i d e g e n , höhere Einfuhrzölle
von W a a r e n im F a l l e der Einfuhr auf fremden Schiffen u n d Abhal-
ten derselben von gewissen Handelsgeschäften. In den meisten
Schifffahrtsverträgen der letzten J a h r e wird a b e r die T e n d e n z i m m e r
k l a r e r , eine gegenseitige Aufhebung der A b g a b e n , welche den Aus-
l ä n d e r n zu Begünstigung der einheimischen Handelsschifffahrt aufge-
legt w u r d e n , zu stipuliren, so dass bald eine gleiche B e h a n d l u n g d e r
fremden und der Schiffe des eigenen L a n d e s eintreten wird
Sehr wichtig für den Handel sind

;9) die ZoUcartelle und Zollvereinigungen.

Hier ist vornemlich d e r deutsche Zollverein zu e r w ä h n e n '®^). Auf


Grundlage des preussischen Zollsystems von 1818 w u r d e er in den
J. 1828 — 1 8 3 4 durch Vereinigung des preussisch - hessischen, des
bayerisch - württembergischen Vereins, des Königreichs Sachsen und
des thüringischen Zoll- u n d Handelsvereins gegründet. Jedes Mal
auf 12 J a h r e geschlossen, w u r d e er immerfort e r n e u e r t und a l l m ä b g
traten viele a n d e r e S t a a t e n Deutschlands demselben zu. Im J. 1853
w u r d e ein Handels- u n d Zollvertrag mit Oesterreich geschlossen und
dessen D a u e r so wie die des ganzen Zollvereins bis zum 3 1 . D e c m b r .
1865 stipulirt. Man verabredete übereinstimmende Gesetze über
E i n - , Aus- und D u r c h g a n g s a b g a b e n , welche n u r im W e g e der Ue-
bereinstimmung sämmtlicher Contrahenten a b g e ä n d e r t w e r d e n sollten.
Ausserdem sollte eine Gleichheit des Münz-, Mass- u n d Gewichts-
systems herbeigeführt und zwischen den Vereinsstaaten Freiheit des
Handels u u d Verkehrs erstrebt w e r d e n . D e r Zollverein hat auf die
Betriebsamkeit imd den W o h l s t a n d Deutschlands wohithäfig gewirkt,
viele n e u e G e w e r b s u n t e r n e h m u n g e n hervorgerufen, dem B i n n e n h a n d e l
und dadurch der G ü t e r e r z e u g u n g grössere Lebhaftigkeit gegeben,
ein Beispiel massiger Schutzzölle aufgestellt und die Achtung
des Auslandes erworben. Im J. 1864 war der F o r t b e s t a n d des
deutschen Zollvereins, wie wir schon früher gesehen h a b e n , ziemlich
bedroht, doch k a m es endlich in den Verträgen vom 28. J u n i , 1 1 .
Juli und 12. October 1864 zur E r n e u e r u n g des Zoll- u n d Haudels-
vereins mit einem sehr herabgesetzten Tarife u n d d u r c h den V e r t r a g
mit Oesterreich vom 1 1 . April 1865 w u r d e die F o r t d a u e r des deut-
schen Zollvereins im B u n d e mit Oesterreich für die D a u e r vom 1.
Juli 1865 bis zum 3 1 . D e c e m b e r 1877 gesichert u n d eine allgemeine
deutsche Zolleinigung a n g e b a h n t .
Zu den Zollvereinigungen m u s s auch theilweise die Ueberein-
kunft zur Herbeiführung gleichmässiger Zölle bei d e r Zuckerbesteue-
rung, insbesondere hinsichtlich der Rückzölle ( d r a w - b a c k ' s ) , zwischen
Frankreich, Grossbrittannien, den Niederlanden u n d Belgien, ge-
schlossen zu P a r i s a m 8. N o v e m b e r 1 8 6 4 , zählen Es wurde
ein Minimum des Ausbringens von Zucker bei d e m Raffiniren pro-
visorisch v e r e i n b a r t , bis eine gemeinschaftlich zu e r n e n n e n d e Com-
mission eine definitive Scala festsetzte. Man k a m ü b e r e i n , keine
d r a w b a c k ' s für Melasse und Syrup zu g e w ä h r e n , den Eingangszoll
für Melasse und S y r u p in Belgien von 90 auf 15 F r . von 100 Kil.
herabzusetzen und für raffinirten Zucker die Eingangszölle den draw-
back's gleichzustellen. Diese zuletzt g e n a n n t e V e r e i n b a r u n g wird,
wenn das wirkliche Ausbringen ermittelt w i r d , zur Aufhebung des
Protectionssystems im I n n e r e n und der Ausfuhrprämien nach Aussen
führen und zugleich die liberale T e n d e n z dieser internationalen Con-
vention z u r practischen Geltung bringen. Die Anschreibung in d e n
Fabriques de sucre abonnees w u r d e auf 1475 G r a m m e n per Hektoliter
Saft und per Grad des Dichtigkeitsmessers b e i der T e m p e r a t u r von
15 Centigraden erhöht.
Von grossem Einflüsse auf den V e r k e h r der Völker sind die
internationalen Bestimmungen über

y) den Handel der Neutralen

E s giebt beinahe keine Z e i t , in welcher nicht ein Krieg zwischen


zweien oder m e h r e r e n S t a a t e n geführt wird, es ist aber Aufgabe
der internationalen Gemeinschaft, die üblen W i r k u n g e n desselben
möglichst zu begrenzen u n d die an d e m Kriege nicht betheiligten
Staaten in ihren Handelsinteressen zu schützen und vor j e d e r
Beeinträchtigung zu bewahren. Die geschichtliche E n t w i c k e l u n g
des Handels der Neutralen würde uns zu weit f ü h r e n , es sei
n u r b e m e r k t , dass die Erklärung vom IS. April 1856, der zu Paris
v e r s a m m e l t e n Bevollmächtigten d e r europäischen S t a a t e n , die Auf-
g a b e hat, die P r a x i s d e r G e g e n w a r t zu ordnen. Die Bestimmungen
dieser E r k l ä r u n g sind folgende: 1) dass die Caperei abgeschafft ist
und b l e i b t ; 2) dass die neutrale F l a g g e die feindliche W a a r e deckt,
mit A u s n a h m e d e r K r i e g s c o n t r e b a n d e : 3) dass die neutrale W a a r e ,
mit derselben A u s n a h m e , unter feindliche F l a g g e nicht w e g g e n o m m e n
w e r d e n d a r f ; 4) endlich, dass die Blocade, u m verpflichtend zu sein,
wirklich b e s t e h e n , d, h . durch eine hinreichende Macht ausgeübt
werden muss. Die meiaten europäischen Staaten traten dieser Er-
k l ä r u n g bei, wie m a n es u. a. auch aus d e m Berichte des G r . W a -
l e w s k i (vom JuU 1858) an den Kaiser ersehen k a n n . In Nordame-
rika w u r d e a b e r der W u n s c h l a u t , den internationalen Schutz des
P r i v a t e i g e n t h u m s noch weiter a u s z u d e h n e n und der P r ä s i d e n t P i e r c e
in seiner Botschaft an den Congress ( D e c e m b e r 1856) e r k l ä r t e , nur
u n t e r dieser Bedingung der P a r i s e r E r k l ä r u n g beitreten zu wollen.
Aehnliche Grundsätze verfolgte auch die Bremer Seerechts • Agitation
in ihrer E r k l ä r u n g vom 2 . D c m b r . 1859 und C o b d e n in einem
an das englische P a r l a m e n t in der Sitzungsperiode von 1862 vorge-
stellten Project '•"'). D a s N ä h e r e d a r ü b e r gehört in die L e h r e über
die Neutralität ü b e r h a u p t , welche einen Bestandtheil des Völkerpro-
cesses oder des formellen V ö l k e r r e c h t s , insbesondere des gewaltsa-
men Verfahrens d e s s e l b e n , bildet. W i r wollten hier n u r die Bezie-
h u n g dieser Bestimmungen zum Welthandel a n d e u t e n .
Die Bedeutung des Instituts

rf) der Handelsconsulate

für den V e r k e h r und H a n d e l der Völker w u r d e sehr früh erkannt


und ähnliche E i n r i c h t u n g e n finden wir schon bei den Griechen und
R ö m e r n . Vorzüglich im Mittelalter w u r d e es a b e r Sitte, dass F r e m d e in
Handelsstädten und Staaten am Mittelmeere eigene nationale Rich-
ter, Consuln g e n a n n t , erhielten. Von dieser N a t u r w a r e n die Al-
d e r m ä n n e r der H a n s a . Sie w a r e n die W i e g e der stehenden Gesandt-
schaften welche, indem sie sich seit dem E n d e des X V I . J a h r h .
i m m e r m e h r entwickelten, die Consuln ihrer früheren hohen Bedeu-
tung b e r a u b t e n u n d sie zu einfachen Handelsconsuln herabdrückten.
E i n e A u s n a h m e machen noch bis j e t z t die Consuln in der L e v a n t e
( d a n s les Echelles du Levant u n d in A f r i k a ) , wo m a n völkerrecht-
lich zwischen Gesandten und Consuln nicht streng unterscheidet.
Die Stellung der Consuln in christlichen Staaten ist durch zahl-
reiche Staatsverträge aus der neueren Zeit ziemlich gleichmässig
festgesetzt, vorzüglich seit d e m spanisch-französischen V e r t r a g e von
1769, so dass es allgemein a n e r k a n n t w u r d e , dass das R e c h t , Con-
suln in fremden Staaten zu e r n e n n e n , auf dem V ö l k e r r e c h t e , ohne
vorläufige besondere Uebereinkunft, b e r u h e " ' ) . Doch sind Verträge,
welche das Verhältniss und die Bestellung von Consuln regeln, bis in
die neuesten Zeiten geschlossen w o r d e n . So enthält z. B. der P a r i s e r
F r i e d e vom 30. März 1856 auch Bestimmungen über die Zulassung
von Consuln in den Häfen des schwarzen Meeres. Eine Consutar-
übereinkunft w u r d e auch zwischen F r a n k r e i c h und Spanien zu Madrid
am 7. J a n u a r 1862 geschlossen, welche die Bestimmung hat, in mög-
lichst a u s g e d e h n t e r u n d k l a r e r W e i s e die bürgerlichen R e c h t e ihrer
beiderseitigen U n t e r t h a n e n u n d die Befugnisse der mit d e m Schutze der
letzteren beauftragten Consularagenten abzugrenzen E i n e ähnliche
Consularübereinkunft schlossen später Frankreich u n d Italien zu P a r i s
a m 26. Juli 1862, welche sich a b e r n u r bezieht auf die A b g r e n z u n g
der wechselseitigen Rechte, Vorrechte u n d Befreiungen der Consuln,
Viceconsuln und Consularagenten, d e r K a n z l e r und Secretaire, sowie
der Dienstbefugnisse und Obliegenheiten, denen sie beziehungsweise
in den beiden L ä n d e r n unterworfen sind * ' ^ ) .
Hiermit schliessen w i r die B e t r a c h t u n g ü b e r die internationale
R e g e l u n g u n d den Schutz des Verkehre und Handels der Völker
ab, zugleich aber auch diejenige Seite der Pflege der internatio-
nalen Gemeinschaft, auf w e l c h e die Lehren der Nationalökonomie
den b e d e u t e n d s t e n , w e n n nicht ausschliesslichen Einfluss übetn.

4. Das Verhältniss der Staaten in Bezug auf


die Cultur.
Die Culturhoheit begreift in sich das Verhältniss des Staates
zur Kirche, zur Wissenschaft und Kunst. W a s zunächst

1) das Verhältniss zor Kirche


anlangt, so erzeugt die Religion die schlechthin universalste Gemein-
schaft: sie überschreitet j e d e persönliche S c h r a n k e , j e d e n Volks-
und Culturunterschied ' ' * ) . Die Kirche hat e i n e n , die Grenzen
eines einzelnen Staates überschreitenden O r g a n i s m u s , kann daher
auch in der Regel nicht bloss von einem einzelnen Staate bestimmt
werden.
W a s zunächst die .Anerkennung u n d den Schttfz, welcher letz-
lere n u r eine F o l g e d e r ersteren ist, betrifft, so sind die allgemeinen
V o r b e d i n g u n g e n folgende: j e d e Religionsgemeinschaft, welche einen
A n s p r u c h auf A n e r k e n n u n g m a c h t , darf nicht in ihren Grundsätzen
gegen die Sittlichkeit verfehlen, die politische Wohlfahrt des einzel-
nen Staates gefährden u n d endlich die R e c h t e a n d e r e r schon aner-
kannter, sowohl religiöser als bürgerlicher Genossenschaften ver-
etzen. I n Bezug auf die Gesetzgebung der Kirche und die Kirchen-
ämlerbeselzting muss aber die Kirchenhoheit (jus circa sacra)
vom Kirchenregimente (jus in Sacra) unterschieden werden " * ) .
Die mittelalterliche A n s i c h t , welche j e d e Kirchenhoheit des
Staates läugnet und verwirft, k a n n als aufgegeben betrachtet wer-
den. Die Ausbildung des D o g m a s , das sogenannte Kirchenregiment,
wird in der Regel der Kirche überlassen. E i n e völbge Trennung
von Staat u n d K i r c h e , wie sie in N o r d a m e r i k a statt findet, w o alle
religiösen Gemeinschaften als Privatgesellschaften betrachtet und be-
handelt w e r d e n , ist unmöglich durchzuführen, d a die Kirche m e h r als
eine blosse Privatgesellschaft ist. Vielfältig wird a b e r in der G e g e n w a r t
die religiöse Bekenntnissfreiheit als ein P r i v a t r e c h t a n e r k a n n t und d e m
Staate die eigentbche Kirchenhoheit überlassen. Diese Kirchenhoheit
umfasst, die U n a b h ä n g i g k e i t der Kirche in ihren D o g m e n , Satzungen
und ihrer Disciplin v o r a u s g e s e t z t , das Recht der Anerkennung einer
Kirche als S t a a t s - , L a n d e s - oder Dissidenzkirche oder S e c t e , das
Schultrecht^ die sog. advocatio ecclesiae, und das Aufsichtsrecht über
die Kirche zur Vorbeugung einer Rechtsverletzung (jus inspiciendi und
cavendi). Zum Aufsichtsrecht gehört als v o r b e u g e n d e Einrichtung
das Placet ( p l a c i t u m r e g i u m ) u n d das Recht der Beschwerde wegen
Missbrauchs als repressives Staatsmittel (appellatio a b a b u s u pote-
statis ecclesiasticae oder recursus propter a b u s u m ) . — Die Nothwen-
digkeit einer internationalen V e r a b r e d u n g tritt da e i n , wo m e h r e r e
Staaten ein Interesse h a b e n , die kirchlichen Angelegenheiten einer
und derselben Religion in ihren respectiven Gebieten auf überein-
s t i m m e n d e W e i s e zu regeln " ' ) . F e r n e r k ö n n e n im Gebiete eines
Staates heilige O r t e liegen, zu denen Gläubige aus a n d e r e n Staaten
zu pilgern pflegen, w.o es d a n n darauf a n k o m m t , diesen Pilgern einen
internationalen Schutz, eine ungestörte Reise nnd die freie A u s ü b u n g
ihrer religiösen H a n d l u n g e n zu g e w ä h r e n und möglicher Weise die
E r r i c h t u n g besonderer A n s t a l t e n : Hospitäler, Klöster, selbst Kirchen
zu gestatten. Vorzüglich aber k o m m t hier in Betracht das Verhält-
niss katholischer S t a a t e n oder s o l c h e r , die katholische U n t e r t h a n e n
haben , z u m P a b s t e , d e m die i n n e r e Gesetzgebung der katholischen
Kirche und die Kirchenämterbesetzung in derselben zusteht. Seit
den frühesten Zeiten (dem X V . J a h r h . ) haben Staaten zur R e g e l u n g
der kirchlichen Angelegenheiten mit dem P a b s t e V e r t r ä g e , sog. Con-
cordate abgeschlossen " * ) . Die neuesten Concordate sind das baye-
rische vom J. 1 8 1 7 , dastösterreichische vom 18. August 1 8 5 5 , das
württembergische vom 8. April 1 8 5 7 , das badische vom 28. J u n i
1859 u. s. w. Dieselben beziehen sich vorzüglich auf die Gesetzge-
b u n g u n d die Kirchenämterbesetzung der katholischen Kirche.

2) Das Verhältniss znr Wissenschaft.

Der einzelne Staat sowohl, als die internationale Gemein-


schaft m u s s das geistige Leben der Menschheit möglichst schützen
und befördern. Hier handelt es sich um die A n e r k e n n u n g und den Schutz
des geistigen Verkehrs von L a n d zu L a n d mit H i n w e g r ä u m u n g der
territorialen S c h l a g b ä u m e . Die darauf bezüglichen practischen Mass-
regeln zu formuliren, u n t e r n a h m der im September 1858 zu Brüssel
versammelte Congress u n d der Verein deutscher Buchhändler im Oc-
tober 1857 zu Leipzig ' " ) . D e r Congress forderte die internationale
A n e r k e n n u n g des literarischen und artistischen E i g e u t h u m s von der
Gesetzgebung aller civilisirter V ö l k e r , selbst iu E r m a n g e l u n g der
Reciprocität, die absolute Gleichstellung der ausländischen mit den
einheimischen Autoren und die möglichste Befreiung der ersteren
von besonderen Förmlichkeiten mit einer auf gleichförmigen Grund-
lagen b e r u h e n d e n Gesetzgebung. E r forderte auch eine Gleichstellung
der literarischen W e r k e mit musikalischen Compositionen und W e r -
k e n der zeichnenden Kunst, u n d bestimmte, dass das R e c h t des Au-
tors zeitlich b e s c h r ä n k t sein m ü s s e , die Frist a b e r , nach deren Ab-
lauf das W e r k zum Gemeiugute werden solle, erst mit dem T o d e
des Autors und seines überlebenden E h e g a t t e n b e g i n n e n und 50 J a h r e
dauern solle. Man formulirte auch das ansschliessbche Recht des
A u t o r s , öffentlich gehaltene L e h r v o r t r ä g e , Predigten sowohl einzeln
als in S a m m l u n g e n , Plaidoyers und politische- Reden aber n u r in
S a m m l u n g e n zu publiciren. D a s R e c h t der Uebersetzung sollte dem
Verfasser ausserhalb des Landes innerhalb drei J a h r e n , falls er eine
pubbcirt, innerhalb 10 J. ausschliesslich zustehen. Das Recht des
Autors sollte sich auf die Aufführung d r a m a t i s c h e r oder musikalischer
W e r k e und auf A r r a n g e m e n t s ü b e r die Motive des Originalwerks,
der Schutz a b e r auch auf die Application der zeichnenden Kunst auf
Industrieerzeugnisse sich erstrecken. Endlich sprach der Congress
den W u n s c h aus, dass die Zölle abgeschaflt oder wenigstens reducirt
und vereinfacht w ü r d e n , alle F ö r m l i c h k e i t e n , die den Buchhandel
h e m m e n , abgeschafft, die Posttarifs herabgesetzt, möglichste Erleich-
terungen für den T r a n s p o r t der D r u c k s a c h e n eingeführt und zoll-
freies Z u r ü c k k o m m e n von unverkauften Büchern gestattet werde.
Diese Beschlüsse des Brüsseler Congresses w u r d e n grösstentheils den
später geschlosseneu internationalen V e r t r ä g e n zu G r u n d e gelegt. So
schloss F r a n k r e i c h mit Belgien eine literarisch - artistisch-industrielle
Convention am 1. Mai 1 8 6 1 , welche eine E r w e i t e r u n g derjenigen
v o m 22. August 1852 erstrebte. A m 6. April 1861 w u r d e zwischen
F r a n k r e i c h und R u s s l a n d ein Vertrag z u m Schutz von Erzeugnissen
des Buchhandels u n d der Kunst geschlossen. Ausserdem sind von den
neuesten internationalen V e r a b r e d u n g e n noch zu n e n n e n : die Ueber-
einkunft wegen gegenseitigen Schutzes der R e c h t e an literarischen
Erzeugnissen und W e r k e n der Kunst zwischen F r a n k r e i c h u n d Italien,
geschlossen zu Turin a m 29. J u n i 1862 die a m 2. August 1862
zu Berlin unterzeichnete Literar - Convention zwischen P r e u s s e n und
F r a n k r e i c h , w e l c h e s p ä t e r , durch das Protocoll vom 14. D e c e m b e r
1864 zur E r k l ä r u n g u n d theilweisen A b ä n d e r u n g der V e r t r ä g e vom
2. August 1862 vervollständigt w u r d e , die Uebereinkunft zwischen
Belgien und Preussen vom 28. März 1863 zu gegenseitigem Schutz
des E i g e n t h u m s an W e r k e n der^ Literatur und K u n s t , an gewerb-
lichen Mustern und an F a b r i k z e i c h e n '**'), eine ähnliche vom 30.
J u n i 1864 zwischen F r a n k r e i c h u n d der Schweiz " " ' ) . u. v. a.
Die Wissenschaft hat zuerst den selbstsüchtigen nationalen
S t a n d p u n k t verlassen und einen kosmopolitischen C h a r a k t e r angestrebt.
Die Gelehrten haben die hohe B e d e u t u n g der Arbeitsvereinigung, der
Association auf geistigem Gebiete e r k a n n t und in der gegenseitigen
Mittheilung von Erfahrungen und E r f i n d u n g e n , in der gegenseitigen
U n t e r s t ü t z u n g bei wissenschaftlichen Untersuchungen die Garantie des
Fortschrittes gesehen. D a s auf dem geistigen Gebiete errungene
w u r d e durch Popularisiren zum G e s a m m t e i g e n t h u m e Aller und j e -
dem w u r d e g e s t a t t e t , vom B a u m e der E r k e n n t n i s s zu kosten. So
ist auch der Fortschritt der neueren Civilisation aus der Geschichte
des W a c h s e n s u n d der V e r b r e i t u n g des intellectuellen Wissens zu
entnehmen. W i r k o m m e n hier auf ein Gebiet, welches die breiteste
A n w e n d u n g des P r i n c i p s : laissez faire, laissez passer verlangt. Die
Aufgabe des einzelnen Staates wie der internationalen Gemeinschaft
besteht hier d a r i n , den Wissenschaften, soweit es das W o h l des
einzelnen Staates und der Staaten der Gemeinschaft verstattet, die
möglichst grösste Freiheit zu g e w ä h r e n , gewissermaassen die Prin-
cipien des Freihandels auf den geistigen Verkehr der Menschen
anzuwenden. Die Staaten sind dabei zur w i r k s a m e n Unterstützung
derjenigen wissenschaftlichen U n t e r n e h m u n g e n verpflichtet, welche
ohne ilir Z u t h u n und die ihuen zu Gebote stehenden Mittel g a r nicht
zu Stande gebracht w e r d e n k ö n n t e n .
Das jetzige J a h r h u n d e r t ist auch zum Zeitalter wissenschaft-
licher , statistischer , volkswirthschaftlicher, Wohlthätigkeits - Con-
gresse u. a. m. geworden. WissenschafÜiche Expeditionen wur-
den auf Kosten verschiedener Regierungen u n t e r n o m m e n , Prämien
von A k a d e m i e n u n d wissenschaftlichen Vereinen für Lösung sowohl
technischer als rein wissenschaftlicher F r a g e n , ohne B e s c h r ä n k u n g
auf eine bestimmte Nationabtät ertheilt.
Von grosser iuternationaler B e d e u t u n g sind die statistischen
Congresse, welche indess o h n e bereitwillige U n t e r s t ü t z u n g der verschie-
denen Regierungen wahrscheinlich nicht zu Stande g e k o m m e n sein
w ü r d e n . Jedenfalls würden a b e r ihre Bestimmungen ganz nutzlos sein,
w e n n sie nicht bei der Durchführung der amtlichen Statistik in den
einzelnen Staaten zur G e l t u n g k o m m e n sollten. Auch sind die Kräfte
und Mittel einer Privatperson nicht im S t a n d e , alle die Schwierig-
keiten zu überwinden, welche der Ansammlung des statistisch
nothwendigen Materials im Wege stehen. Die Bedeutung der
Statistik ist ferner darin begründet, dass sie den einzig zu-
verlässigen Massstab abgiebt, wonach der Fortschritt, sowohl
auf dem Gebiete der moralischen, als auch ökonomischen und
intellectuellen Interessen wenigstens annähernd bemessen werden
kann Sie ist sogar im S t a n d e , ziemlich zuverlässige D a t e n
ü b e r die Gesetzmässigkeit in den scheinbar zufälligsten Erscheinungen,
nemlich den willkührlichen menschlichen H a n d l u n g e n zu liefern
und dadurch die Möglichkeit zu g e w ä h r e n , die W i r k u n g e n jeder
E r s c h e i n u n g des socialen L e b e n s und jeder Regierungsmassregel
in ihren vielfachen Beziehungen auf die menschliche Gesellschaft, der
W a h r h e i t sehr a n n ä h e r n d , zu bemessen. Sie giebt ferner das zuver-
lässigste Material für die Geschichte a b . I n A n b e t r a c h t aller die-
ser Leistungen liegt es im Interesse auch der internationalen
Gemeinschaft, die Entwickelung eines so wichtigen Massstabes
des menschlichen Fortschritts mögbchst zu fördern und die An-
sammlung des Materials nach Kräften zu unterstützen. Auch
h a b e n sich die statistischen Congresse, welche 1853 zu Brüssel, 1855
zu P a r i s , 1857 zu W i e n , 1860 zu London u n d zuletzt 1863 zu Berlin
tagten, ausser mit der Organisation der amtlichen Statistik, der
Statistik des G r u n d e i g e n t h u m s , der P r e i s e u n d L ö h n e , der Gesundheit
u a d Sterbüchkeit der Civil - u n d Miiitärbevölkerung, des [Versiehe-
rungswesens u. v. a. sicli mit allgemeinen internationalen F r a g e n , wie die
internationale Einheit der Masse u n d Gewichte u n d Einführung des
Gregorianischen Kalenders, beschäftigt
D e r Wissenschaft bleibt es vorbehalten, das grosse P r o b l e m der
Einheit in der Vielheit (l'unit^ dans la diversite), der H a r m o n i e des
menschlichen Z u s a m m e n l e b e n s zu l o s e n , welche die nothwendige
V o r b e d i n g u n g zur E n t w i c k e l u n g u n d E r r e i c h u n g aller menschlichen
L e b e n s z w e c k e ist.
Anmerkungen.
1) J. St. Mill, System der Logik. Deutscli von Schiel. 2. Aufl. 1862.
Buch VI. Cap. X. § 7 ; Cap. 11. S 2. Backle, Gesch. d. Civilisation in England.
Deutsch von Enge. 1860. Bd. I, 1. Cap. 4.
3) R. V. Mohl, Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Bd. I. 1860. S. 579
ff. (Die Pflege der internationalen Gemeinschaft als Aufgabe des Völkerrechts).
3) Carey, Grundlage der Socialwissenschaft. Deutsch von Adler. 1863.
B. I. S. 296 fr.
4) In Bezug auf das Alterthum zu vergleichen : Laurent, Histoire du droit
des gens. Gand. 1850—64. B. I—III und Maaritias Mttller-Jochmns, Das allgemeine
Völkerrecht. 1848.
5) Fallati, Tübinger Zeitschrift für Staatswissenschaften. 1850. S. 150 ff.
6) DttllCker, Geschichte des AUerthums. Aufl. 2. 1655. Bd. U. S. 92 ff.
7) Dnncker, a. a. 0 . Bd. II. S. 120 ff.
8) Daocker, a. a. 0 . B. I. S. 49 ff.
9) Duncker, a. a. 0 . B. I. S. 501 ff.
10) Duncker, a. a. 0 . B. II. S. 592 ff.
11) Duncker, a. a. O. B. I. S. 299 ff. Beer, Geschichte des Welthandels.
B. I. 1860.
12) Carey, a. a. 0 . B. I. S. 313. Ueber Karthago's Handel zu vergleichen:
Napoleon III., Histo/re de Jules Cesar. T. I. 1865. S. 96 ff.
13) Bnncker, Geschichte der Griechen. B. I u. II. Carey, a. a. 0 . B. I.
Cap. 9. S 3 u. 4.
14) Ueber die Politik des römisch. Senats und die Behandlung der unter-
worfenen Völker zu vergleichen : NapoUon III., Histoire de Jules Cesar. T. I. Livre
I. Chap. III. S 3 et 11.
15) Ahrens, Juristische Encyclopädie. Wien 1857. S. 284.
16) Ueber die focdera aequa und non aequa, iiber die berühmte Clausel:
„Majestatem populi Romani coraiter conservare", über die römischen und latini-
schen Colonien und die Stellung der dedititii, zu vergleichen : Napoleon HL, Hist.
de Jules Cesar. T. I. Livre I. Chap. III. § 3 und Mommsen, Römische Ge-
schichte. 2. Aufl. B. I. 1856. S. 389 ff.
17) R. V. Mohl, Gesch. u. Literatur d. Staatswissenschaften. 1858. B. III.
S. 295 ff.
18) Kautz, Theorie u. Geschichte d. Nationalökonomik. 1860. B. II. S. 51 ff.
19) 5. Mose. 15,6. 23,20. 2fi,12.
20) Ueber das Mittelalter zu vergleichen : Laurent, Hist. du droit des gens.
B. IV—VII. Pütter, Beiträge zur Völkerrechts-Geschichte. 1843. Ueber das Lehns-
wesen : Guizot, Hist. de la Civilisation en Europe. Legon 4, und Hist. de la Civi-
lisation en France. Le^ons 32—41.
21) Kautz, a. a. 0 . B. II. S. 180 ff
22) Luxusgesetze Friedrich's II. in Italien, Jagos I. (1234) in Aragon,
Eduard's III. (37. Edward III., c. 8 fl'.) in England, Philipp's IV. in Frankreich
(1294). Vergl. Roscher, System der Volkswirthschaft. 5. Aufl. 1864. B. I. § 2 3 6 .
23) Montesquieu, Esprit des lois. Livre XXI. Chap. V. L'histoire du com-
merce est celle de la communication des peuples.
24) Beer, Geschichte des Welthandels. B. I.
25) Carey, a. a. 0 . B. I. Cap. IX. S 7.
26) Beer, a. a. 0 . B. I. S. 242 ff.
27) Laurent, Hist. du droit des gens. T. Vni—X.
28) R. V. Mohl, Gesch. u. Literat, d. Staatswissenschaften. B. III. 1858.
Monogr. No. XVII. S. 522 ff.
29) Ranke, Französische Geschichte. B. II. 1854. S. 271 ff.
30) Ranmer, Geschichte Europa's seit dem XV. Jahrh. 1834. B. III. S. 606 ff.
31) Wheaton, Histolre du progris du droit des gens. Ed. 3. 1853. T. I.
32) Ueber die Theorie des Systems des politischen Gleichgewichts und seine
historische Entwickelung zu vergleichen: Ortolan, Du domaine international et de
l'equilibre politique. Paris, 1851. S. 133 tf.
33) Adam Smith, Wealth of nations. Französisch von Garnier. Edition
Blanqui. 1843. Band II. Buch IV. Schflz, Grundsätze der Nationalökonomie. 1843.
S. 17 ff. Kautz, a. a. 0 . B. II. S. 243 ff. Roscher, a. a. 0 . B. I. S. 106. v. Mohl,
Gesch. u. Liter, d. Staatswiss. B. III. S. 296 ff.
34) Kautz, a. a. 0 . B. II. S. 223 ff. und Roscher, System d. Volkswirthsch.
B. I. S. 222.
35) Joubleau, Etudes sur Colbert. 1856. T. 1 et II. Ranke, Französische
Geschichte. 1855. B. III. S. 215 ff. A. Smith, a. a. 0 . Band II. Buch IV. Cap. IX.
Carey, a. a. O. B. II. Cap. 21. S 3 und B. III. Cap. 52. S 4.
36) Buckle, a. a. 0 . B. I, 2. Cap. 11.
37) Ad. Smith, a. a. O. Band II. Buch IV. Carey, a. a. O. B. I. Cap. 17.
38) RentZSCh, Handwörterburch der Volkswirthschaftslehre. Art. Schiff-
lahi-l. S. 726 ff. Asher, Aus den Verhandlungen der Special-Coramission des Par-
laments über die Navigationsacte. Berlin 1848. D e u t s c h e s S t a a t s w ö r t e r -
buch. B. IX. S. 212 ff.
39) Ranke, Englische Geschichte. 1861. B. III. S. 392 ff'.
40) Asher, a. a. 0 . S. 27 tf. D i e e n g l i s c h e N a v i g a t i o n s a c t e . Aus
ileni Englischen von F. S. Hamburg. 1848.
41) Carey, a. a. O. B. I. Cap. 11, 12 und 13. Roscher, Kolonien, Kolo-
iiiiilpolitik und Auswanderung. 2. Aufl. 1856. S. 205 ff.
42) Carey, a. a. 0 . B. II. Cap. 24. § 1.
43) Ad. Smith, a. a. 0 . Band II. Buch IV. Cap. IX. Joubleau, a. a. 0 . B.
II. S. 210 ff. SchttZ, a. a. 0 . 24 ff. Kautz, a. a. 0 . B. II. S. 336 ff. R. v. Mohl,
:i. a. 0 . Bd. III. S. 298 ff. Roscher, System der Volkswirthschaft. B. I. S. 107 ff.
44) Hildebrand, Die Nationalökonomie. 1848. B. I. S. 8 ff.
45) Ueber die unmittelbaren Ursachen der französischen Revolution zu ver-
gleichen : Buckle, a. a. 0 . B. I, 2. Cap. 14.
46) Zu vergleichen : Wheaton, Histoire du progres du droit des gens. B. II
und Deutsches Staatswörterbuch. B. V. S. 666 ff. (Art. Congresse und Friedens-
schlüsse von Berner).
47) Thiers, Histoire du Consulat et de l'Empire. T. XVHI. 1861. S. 338 ff.
Gervinus, Geschichte des XIX. Jahrh. B. I. S. 174 ff.
48) Heffler, Das europ. Völkerrecht der Gegenwart. 4. Aufl. 1861. S. 451 ff.
49) D e u t s c h e s S t a a t s w ö r t e r b u c h . B. L Art. heilige Allianz. S. 169 ff.
,50) Ueber den Verlauf der orientalischen Frage zu vergleichen: Guizot,
Memoircs pour servir a l'histoire de mon temps. T. IV. S. 38 ff. S. 324 ff. T. V
und T. VI. S. 37 ff.
51) P r e u s s i s c h e s H a n d e l s a r c h i v . 1861. B. II. S. 5 ff.
52) Laurent, a. a. 0 . B. X. S. 486.
53) Buckle, a. a. 0 . B. I, 1. Cap. 4.
54) Ad. Smith, Wealth of Nations. Franz. von Garnier. Edition Blanqui.
B. I u. II. 1843. Buckle, a. a. 0 . B. II. Cap. III. S. 421 ff. Kaotl, a. a. 0 . Bd. II.
S. 405 ff Hildebrand, a. a. 0 . S. 14 ff. R. V. Mohl, a. a. 0 . B. III. S. 299 ff.
Roscher, a. a. 0 . B. I. S. 110.
55) Hildebrand, a. a. 0 . S. 35 ff.
56) Carey, a. a. 0 . B. II. Cap. 24. § 1- Hlldebrand, a . a . 0 . S. 58 ff.
Kautz, a. a. 0 . B. II. S. 670 ff.
57) Richelot, Histoire de la Reforme commerciale en Angleterre. T. I et II.
Paris 1853. Tooke und Newmarch, Geschichte und Bestimmung der Preise. Deutsch
von A s h e r , 1859. B. II. S. 188 ff. Beer, Geschichte des Welthandels. B. III.
S. 260 ff.
58) D i e e n g l i s e h e N a v i g a t i o n s a c t e . Protokolle des Zeugenverhörs,
aus dem Englischen von F. S. Hamburg 1848. A u s d e n V e r h a n d l u n g e n
der S p e c i a l - C o m m i s s i o n d e s P a r l a m e n t s ü b e r die N a v i g a t i o n s - A c t e
von A s h e r . Berlin. 1848.
59) Carey, a. a. 0 . B. I. Cap. XVIII. S 8.
60) Joublean, Etudes sur Colbert. 1856. B. II. S. 222 ff.
61) Beer, a. a. 0 . B. III. S. 16 ff.
62) Annuaire des deux Mondes. 1860. S. 5 ff.
63) Preuss. Handelsarchiv. 1860. B. I. S. 148 ff. u. 169 ff.
64) Ebendas. 1860. Bd. I. S. 329 ff.
66) Ebendas. 1862. B. II. S. 17 ff.
66) Aegidi und Klanhold, Das Staatsarchiv. B. I. Nr. 64.
67) Preuss. Handelsarchiv. 1862. B. II. S. 17 ff. u. 81 ff
68) Bremer Handelsblatt. 1865. S. 455 ff. u. 465 ff.
69) Beer, a. a. O. B. IH. S. 14 ff.
70) Tooke und NeTmarch, a. a. 0 . B. Ii. S. 234 ff.
71) Richelot, a. a. 0 . B. II. S. 421 ff.
72) Annuaire des deux Mondes. 1853—1854. S. 504 ff.
73) Zu vergleichen: V o r w ä n d e und T h a t s a c h e n . Berlin. 1862.
74) A n n u a i r e d e s deux Mondes. 1862—1863. S. 532 ff.
75) Deutsche Vierteljahrs-Schrift. 1862. B. 99. S. 254 ff.
76) Expose de la Situation de l'Empire, presente au Senat et au Corps Le-
.aislatif le 17 F^vrier 1865.
77) Bremer Handelsblatt. 1865. S. 127, 133, 145.
78) Beer, a. a. 0 . B. III. S. 384 ff!
79) Beer, a . a. 0 . B. III. S. 397 ff,
80) «Plus un pays est riche et prosp^re, plus il contribue ä la richesse et
ii la prosperite des autres". Discours de l'Empereur des Fran^ais ä l'ouverture de
la Session de 1860.
81) J. St. Mill, System der Logik. Deutsch von Schiel. 1863. Band II.
Buch VL Cap. 10. § 7 ; Cap. 11. §2.
82) Buckle, a. a. 0 . B. I, 1. Cap. 4.
83) R. V. Mohl, Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. B. I. 1860. S. 662.
84) Deutsches Staatswörterbuch. B. IX. S. 552 IT.
85) R. V . Mohl, a. a. 0 . B. I. S. 588.
86) D i c t i o n n a i r e de I ' E c o n o m i e P o l i t i q u e . 1854. T. II. S. 19.
87) J. St. Mill, Grundsätze d. polit. Oeconomie. Deutsch von Soetbeer.
2. Aufl. 1864. S. 714 ff.
88) V. Kaltenborn, Kritik des Völkerrechts. 1847. S. 256 ff.
89) R. V. HoM, a. a. 0 . B. L S. 587 ff.
90) Balmerlncq, Systematik des Völkerrechts 1858. S. 241 und 348.
91) J. H. Fichte, System der Ethik. B. II. 2. 1853. S. 343.
92) R. V. Mohl, a. a. 0 . B. I. S. 742.
93) Bulmerincq, Das Asylrecht. 1853 S, 156.
94) Zeitschrift f. d. gesammt. Staatswissenschaft. Tübingen. 1844. B. I. S. 601.
95) J. H. Fichte, a. a. 0 . B II. 2. S. 344 ff.
96) Blantschli, Geschichte d. allg. Staatsrechts u. der Politik. 1864. S. 659 ff.
97) Bulmerincq, Systematik des Völkerrechts. Dorpat 1858. S. 238.
98) R. V. Mohl, a. a. 0 . B. I. S. 593 ff.
99) Guizot, M6moires pour servir a Thistoire de mon temps. 1861. Paris.
T. IV. S. 1 ff.
100) Laurent, Histoire du droit des gens. T. X. S. 302.
101) R, V. MohJ, a. a. 0 . B. 1. S. 602 ff.
102) Beer, Geschichte des Welthandels. B. III. 1864. S. 26 ff.
103) Beer, a. a. 0 . B. III. S. 30 ff.
104) Peterssen und Struckmann, Entwurf einer allgemeinen deutschen Civil-
processordnung. Hannover. 1864.
105) R. V. Mühl, a. a. 0 . B. I. S. 604 ff.
106) R. V. Mühl, a. a. 0 . B. I. S. 605 ff. und 671 ff.
107) Bar. Das internationale Privat- und Strafrecht. Hannover. 1862.
Hefter. Das europ. Völkerrecht d. Gegenwart. 4. Aufl. 1861. S. 68 ff. R. T. Mohl,
a. a. 0 . B. I. S. 610 ff.
108) Bar, a. a. 0 . s. 504 ff. Hefter, a. a. 0 . ö. 118 ff. Bulmerincq, Das
Asylrecht. 1853. R. v. Mohl, a. a. 0 . B. I. S. 637 ff.
109) Roscher, Kolonien, Kolonialpolitik und Auswanderung. 2. Aufl. 1856.
S. 342 ff. Roscher, System d. Volkswirthschaft. B. I. S. 553 ff. Rau, Lehrbuch
d. polit. Oekonomie. B. II. 2. 5. Aufl. 186.3. § 3r)0 u. 350 a. D e u t s c h e s
Staatawörterbuch. B. I. S. 582 ff. J. St. Mill, Grunds.itze d. polit. Oekonomie.
Buch I. Cap. XIII. S 4, B.' H, Cap. XIII. S 4, B- V, Cap. XI. § 14.
110) WappäUS, Allgemeine Bevölkerungsstatistik B. I. 1859. S. 48 ff.
111) Roscher, Kolonien, Kolonialpolitik und Auswanderung. S. 362 ff.
112) WappäUS, a. a. 0 . B. I. S. 100 ff.
113) Die Auswanderung über Hamburg und Bremen im J. 1864 betrug
19,947 Personen, von welchen 17,073 nach New - York allein gingen. Bremer
H a n d e l s b l a t t . 1865. S. 27.
114) WappäUS, a. a. 0 . B. I. S. 139.
115) B r e m e r H a n d e l s b l a t t . 1865. S. 325 ff u. 348 tt.
116) P r e u s s . H a n d e l s a r c h i v . 1860. B. I. S. 458 ff.
117) Ebendas. 1859. B. I. S. 456.
118) Ebendas. 1860. B. I. S. 458 ff.
119) Ebendas. 1863. B. II. S. 61. ff
120) Ebendas. 1863. B. II. S. 286.
121) Rau, Lehrbuch' d. polit. Oekonomie. B. l. 7. Aufl. 1863. S 398 a
u. 398 b, B. n. 2. 5. Aufl. 1863. $ 202 a.
132) D i c t i o n n a i r e de I ' K c o n o m i e Politique. B. I. S. 698 ff.
123) P r e u s s . H a n d e l s a r c h i v . 1864, B. IL S. 289 ff.
124) D e u t s c h e s Staats Wörterbuch. B. III. S. 491 ff.
• 125) R, V. Mohl, a. a. 0 . B. I. S. 617. ff.
126) Ran, Lehrbuch d. polit. Oekonomie. B. II. 2. S 203 a u. 204. J. St. MUl,
Grundsätze d. polit. Oekonomie. Deutsch V. Soetbeor, 2. Aull. 1864. Buch V.
Cap. X S 4. D e u t s c | h e s S t a a t s w ö r t e r b u c h . B . I I I . S. 416 ff.
127) M. Chevalier, Weltausstellung von 1862. Berlin. 1863. S. 68. Bre-
m e r H a n d e l s b l a t t , 1865. S. 329 ff.
128) D i c t i o n . de l ' E c o n o m . P o l i t i q u e . B. II. S. 135 ff.
129) Preuss. Handelsarchiv. 1866. Nr. 3.
130) Rau, Lehrbuch d. polit. Oekonomie B. IL 2. § 225. RentZSCh, Hand-
wörterbuch d. Volkswirthschaftslehre. 1865. S. 490ff. D i c t i o n . d e l ' E c o n o m .
P o l i t i q u e . B. L S. 746 ff. D e u t s c h e s S t a a t s w ö r t e r b n c h . B. V. S. 313 ff.
131) Beer, a. a. 0 . B. n i . S. 63 ff.
132) A n n u a i r e d e s d e u x M o n d e s . 1862—1863. S. 399 ff. M. Chevalier,
Weltausstellung von 1862. Deutsch Berlin. 1863.
133) B r e m e r H a n d e l s b l a t t . 1865. S. 407, 418, 448 u. 458.
134) Heffler, a. a. 0 . S. 410 ff. Roscher, System d. Volkswirthschaft. B. I.
S. 95 ff, 177 ir. M. Chevalier, a. a. O. 8. 54 ff.
135) Beer, a. a. 0 . B. i n . S. 17 ff. D e u t s c h e Vierteljahrschrift.
1858. B. 83. S. 55. ff.
136) Deutsches Slaatsworterbuch. B. VIII. S. 558 ff.
137) Preuss. Handelsarchiv. 1862. B . I I . S. 133 ff.
138) Ebendas. 1862. B. II. S. 497 ff.
139) Ebendas. 1863. B. II. S. 596.
140) Ebendas. 1864. B. II. S. 35 ff.
141) Ebendas. 1865. Nr. 39. S. 341 ff.
142) Rau, Lehrbuch d. polit. Oekonomie. B. III. 5. Aufl. 1864. § 205 iX.
143) B re m e r H a n d e 1 s b 1 a 11. 1865. S. 331, 399, 409,428,438,446,456 u. 468.
144) Deutsches Staatswörterbuch. B. VIH. S. 560 ff.
145) P r e u s s . H a n d c 1 s a r c h i v . 1860. B. I. S. 295 ff.
146) B r e m e r I l a n d i ' l s b l a t t . 1865. S. 463. Pr e u ss. Han de 1 sa r ch i v.
1866. Nr. 3.
147) Ran, Lelnbuch d. i)olit. Ockoiiouiic. B. II, 2. § 258 ff. Buckle, Gesch.
d. Civilisation in England. B. I, 1. S. 187 ff.
148) Rau, Lehrbuch d. polit. Oekonomie. B. 11,2. % 232 ff. D e u t s c h e s
S t a a t s Wörterbuch. B. VIL S. 65 ff.
149) Beer, Gesch. d. Welthandels. B. III. S. 167 If.
150) Deutsches S l a a t s w urterbuch. B. VIT. S. 81 ff.
151) Roscher, System der Volkswirthschaft. B. I. S. 288 ff.
152) Deutsche VierteIjahrschrift. 1857. B. 78. S. 1 ff.
153) Bremer Bandeisblatt. 1865. S. 349 ff.
154) Engel, Beschlüsse d. statistisch. Congresses zu Berlin (1863). 1864. S. 19.
155) D e u t s c h e s S taa ts w ö rte r b u ch. B. VL S. 554 tX. Rau, Lehrbuch
der polit. Oekonomie. B. II, 2. § 230 ff.
156) Engel, Beschlüsse d. stallst. Congresses zu Berlin. S. 53 ff.
157) B r e m e r H a n d e l s b l a t t . 1865. S. 437 ff.
158) Roscher, System, d. Volkswirthschaft. B. I. S. 410 ff. Rau, a. a. Ü.
B. II, 2. S 273 ff. Buckle, a. a. 0 . B. I, 1. S. 239.
159) J. St. Mill, Grundsätze d. polit. Oekonomie. S. 422 ff.
160) Deutsches StaatBwörterbuch. B. IV. S. 634 ff.
161) R. V. Mohl, Staatsrecht, Völkerrecht u. Politik. B. I. S. 618 ff.
162) SchOz, Grundsätze d. Nationaloekonomie 1843. S. 223 ff.
163) Ran, a. a. O. B. II 1. § 123 ff, B. II 2. § 'i05 ff- B- IU. S 443 ff.
164) M. Chevalier, Weltausstellung von 1862. S. 70 ff.
165) Rau, a. a. 0 . B. II. 2. S 303 ff.
166) Ebendas. B. II. 2. S 272 ff. D e u t s c h e s S t a a t s w ö r t e r b u c h . B. IX.
S. 204 ff
167) Hetrter, Das europ. Völkerrecht d. Gegenwart. S. 413 ff. Rau, a. a.
0. B. II. 2. S 297.
168) P r e u s s H ä n d e 1 s a r c h i v. 1864. IL S. 581 ff.
169) Heffter, a. a. 0 . S. 255 ff.
170) A n n u a i r e d e s d e u x M o n d e s . 1862—1863. S. 398.
171) Rau, a. a. 0 . B. II. 2. § 302. Heffter, a. a. 0 . S. 415 IV. D e u t -
s c h e s S t a a t s w ö r t e r b u c h . B. IV. S. 656 ff.
172) Beer, a. a. 0 . B. III. S. 40 ff.
173) Preuss. Hande 1 sarchiv. 1862. B. U. S. 22 ff.
174) Ebendas. 1862. B. II. S. 325 ff.
175) J. H. Fichte, System der Ethik. B. H, 2. S. 422 ff.
176) Bluntschli, Allgemeines Staatsrecht. 3. Aull. 1863. B. II. S. 259 ff
D e u t s c h e s S t - d a t s w o r t e r b u e h . B. V. S. 564 ff.
177) R. T. Mohl, a. a. 0 . B. I. S. 623 ff.
178) D e u t s c h e s S t a a ts w ö r te rbuch. B. V. S. 701 ff.
179) D e u t s ehe V i e r t e l j a h r s c h r i f t . 1859. B. 85. S. 185 ff.
180) P r e u s s . H a n d e l s a r c h i v . 1862. B. II. S. 408 ff.
181) P r e u s s . H a n d e l s a r c h i v . 1863. B. I. S. ,374.
182) Ebendas. 1864. B. IL S. 238 ff.
183) J. St. Mill, System d. Logik. Bd. II, Buch VI, Cap. 11 % l. Bnckle,
a. a. 0 . B. I, 1. Cap. 1. S. 19 ff.
184) Ad, Wagner, Die Gesetzmässigkeit |in den scheinbar willkührlichen
Handlungen. 1864. Kolb, Handbuch der Statistik. 4. Aufl. 1865. Anhang. Wap-
päUS, Allgemeine Bevölkerungsstatistik. 1861. B. II. S. 385 ff.
185) Bulletin de la Commission Centrale de Statistique, Bruxelles T. VI.
S. 1—260. Engel, Beschlüsse des intern, statistisch. Congresses zu Berlin. 1863.
T h e s e n .

1) In der AVeltgeschichte muss m a n den Antheil der göttlichen


W c l t o r d n u n g von dem der menschhchen Freiheit trennen. Die
göttliche W e l t o r d n u n g äussert sich in den unveränderlichen
Gesetzen der geschichtlichen Ereignisse, die menschliche Frei-
heit aber durch den entscheidenden Einfluss hervorragender
Individuen und R e g i e r u n g e n .

2) Die internationale Gemeinschaft, die im Mittelalter auf religiösen


Interessen, in der n e u e r e n Zeit auf dem System des politischen
Gleichgewichts gestützt war, ist j e t z t auf der Gemeinschaft d e r
materiellen Interessen begründet. In der Zukunft kann sie
aber eine festere Basis in der Gemeinschaft der rein intellec-
tuellen Interessen finden.

3) Es giebt ftir Völker ebenso unheilvolle F r i e d e n s z u s t ä n d e , wie


glückliche vortheilhafte Kriege ; denn der Krieg ist kein abso-
lutes Uebel, der F r i e d e nicht ein unbedingt zu erstrebendes Gut.

4) J e d e r Staat hat zur Aufgabe nicht nur die L e b e n s z w e c k e der


eigenen U n t e r t h a n e n zu fördern, sondern auch die anderer
Staaten und ü b e r h a u p t die des gesammten Menschengeschlechts.

5) Auf dem Gebiete der materiellen Interessen sind die Völker von
einander abhängig und k a n n die Befriedigung der mannigfa-
chen Bedürfnisse der G e g e n w a r t n u r durch die internationale
Arbeitstheilung erfolgen, w a s nothwendig zum F r e i h a n d e l führt.

6) Deutschland repräsentirt in E u r o p a das Individualitäts - , Frank-


reich das kosmopolitische P r i n c i p ; wie d a s letztere sich zu
k e i n e m Föderativ S t a a t e umbilden w i r d , so k a n n das erstere
zu k e i n e m Einheitestaats w e r d e n .

7) Die beste G a r a n t i e für die Beobachtung des Völkerrechts ist die


aufgeklärte öffentliche Meinung.

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