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Internationale
Markenpositionierung
2009 / 08
www.detecon.com
Internationale Markenpositionierung und Einsichten aus der Gehirnforschung
Inhaltsverzeichnis
1 Executive Summary............................................................................................. 2
2 Macht der Marken – durch Fehler der Wahrnehmung?....................................... 3
3 Bedeutung von Marken in Technologiemärkten .................................................. 4
4 Internationalisierung und Export von Marken ...................................................... 6
5 Die Nicht-Rationalität der Entscheidung und die Dominanz des Impliziten......... 9
6 Das implizite System verstehen – Ebenen und Abläufe.................................... 13
7 Unterschiedliche Bewertungen und Entscheidungen nach Kultur und Alter ..... 18
8 Case Study: Export einer emotionalen Positionierung ...................................... 20
9 Lektüreempfehlungen........................................................................................ 23
10 Der Autor ........................................................................................................... 24
11 Das Unternehmen ............................................................................................. 25
1 Executive Summary
Was für einen Einfluss haben Marken auf Kaufentscheidungen? Ist eine starke Marke
vorhanden, so wird die Gehirnaktivität zur rationalen Entscheidungsfindung noch mehr
eingeschränkt, denn man hat schon eine ‚gute’ Lösung gefunden. Besonders komplexe
Kaufentscheidungen werden unterbewusst getroffen, da die Kapazität des Bewusstseins bei
der Informationsverarbeitung begrenzt ist.
Rascher Wandel und eine Vielzahl von komplexen, teils erklärungsbedürftigen Produkten
ähnlicher Qualität charakterisieren den Telekommunikationsmarkt. Die Komplexität und der
relativ hohe Preis der Produkte resultieren in einer hohen Bedeutung der Unter-
nehmensmarke bei der überwiegend unterbewusst stattfindenden Kaufentscheidung. Die
Unternehmensmarke verankert die Firma in diesem veränderlichen Markt – sie steht für
Beständigkeit und Konsistenz.
Im Beitrag wird die emotionale Wertepositionierung der Marke eines der international
führenden Mobilfunkunternehmen in den zugehörigen Landesgesellschaften beschrieben.
Diese Unternehmen hatten, bevor sie akquiriert wurden, im Laufe der Zeit unterschiedliche
emotionale Markenschwerpunkte gebildet. Ein Babel der Wertepositionen in
unterschiedlichen Landesgesellschaften darf aber unter einer internationalen Marke nicht
bestehen bleiben.
Die menschliche Wahrnehmung liefert kein exaktes Abbild der Realität. Eintreffende Reize
werden wahrgenommen und in der Wahrnehmung sofort interpretiert. Das lindert die
kognitive Last, bedingt aber auch implizit Interpretationsfehler. Tatsächlich ist die
Wahrnehmung eines Reizes abhängig vom Kontext in dem sie stattfindet. Die
wahrgenommenen Attribute eines Reizes sind ein Gemisch aus den tatsächlichen Attributen
des Reizes und von vorhergehenden und simultan wahrgenommenen anderen Reizen.
Die Graphik erzeugt beim Betrachter zwei Wahrnehmungsirrtümer: Die inneren Quadrate
liegen scheinbar vor den großen Quadraten. Und die inneren Quadrate scheinen
unterschiedlich graue Farben zu haben.
Beides stimmt nicht! Die Farben der inneren Quadrate sind identisch und sie sind auch nicht
hervorgehoben. Unsere Wahrnehmung, unser Gehirn interpretiert diese Graphiken auf der
Basis unserer Erfahrungen und gibt den inneren Quadraten Bedeutungen und
Eigenschaften, die sie gar nicht haben. Tatsächlich beeinflusst der Hintergrund – also in
diesem Fall die großen Quadrate – unsere Wahrnehmung der zentralen Figuren. Der Hinter-
grund strahlt auf die Figur – das innere Quadrat – ab.
Dieses Figur-Grund-Prinzip erlaubt eine Analogie zur Wirkung von Marken. Marken wirken
als Hintergrund. Eine Unternehmensmarke im Hintergrund strahlt auf die Wahrnehmung aller
von dieser Firma dargebotenen Produkte ab. Eine Produktmarke beeinflusst die Wahr-
nehmung der Eigenschaften der Produkte.
Bild 1 verdeutlicht rechts die interpretierte Wahrnehmung von Produkten. Ganz rechts ist ein
fiktives Mobilfunkproduktangebot easymobile in Großbritannien illustriert. Kenner des
britischen Marktes werden dem Produkt von Vodafone einen höheren Wert zuweisen, als
dem gleichnamigen Produkt von easymobile. Dabei sind die Produktnamen identisch! Und
doch bevorzugt der „Markenwissende“ bei gleichem Preis das Vodafone-Produkt. Der Grund
für dieses Urteil ist die im Hintergrund ausstrahlende Unternehmensmarke.
Fa Seife, Palmolive Spülmittel oder Kelloggs Cornflakes sind Produkte, die es schon seit
Dekaden in den Kategorien Seife, Spülmittel oder Cornflakes gibt. Bei Verbrauchsgütern
entwickeln sich Produktkategorien langsam; neue Kategorien werden selten geschaffen.
Deshalb werden dort Marken vor allem zu Produktkategorien aufgebaut. Procter & Gamble
zum Beispiel als eines der erfolgreichsten Verbrauchsgüterunternehmen weltweit bevorzugt
eine „House of brands“-Markenarchitektur. Die Produktmarken wie Pampers, Ariel, Duracell,
Head & Shoulders oder Gillette stehen klar im Rampenlicht. Selten ist jedoch bekannt, dass
diese Marken zu Procter & Gamble gehören. Die Unternehmensmarke ist vergleichsweise
unwichtig beim Kauf.
Diese Konstanz der Produktkategorien und der damit verbundenen Qualitätsprodukte gibt es
in Technologiemärkten nicht. Diese Märkte sind charakterisiert durch raschen Wandel und
Fortschritt. Produktkategorien kommen und gehen oft innerhalb von wenigen Jahren. Und
selbst wenn Kategorien relativ beständig bleiben, wie z.B. breitbandiger Internetzugang, so
veralten die der Kategorie zugehörigen Produkte rasch. Während ein Zugang der dritten
Generation im Mobilfunk noch vor wenigen Jahren als das Non-Plus-Ultra galt, so findet man
heute bei der Vermarktung von Produkten fast nur noch 3,5 G oder 4 G als Schlagworte.
Der rasche Wandel und die kontinuierliche Innovation in Technologiemärkten führen zu einer
hohen Bedeutung der Unternehmensmarke für Technologiefirmen. Etabliert sind in diesen
Märkten „Branded house“-Markenarchitekturen. Die Unternehmensmarke dominiert. Kaum
jemand könnte mit den prominenten Produktmarken ‚Callya’, ‚Pay as you talk anynet’, ‚Best
for texter’ oder ‚Best for talker’ etwas assoziieren, ohne die dazu gehörige
Unternehmensmarke Vodafone. Und so ist es dann auch keine Überraschung, wenn unter
den weltweit wertvollsten Unternehmensmarken viele Marken von Technologiefirmen sind.
Der Wert einer Unternehmensmarke liegt in ihrem wirtschaftlichen Nutzen. Alleine durch den
“Hintergrund“ der Marke kann das Unternehmen, im Vergleich zu einem markenlosen
Anbieter, höhere Preise für seine Produkte verlangen. Auch bilanzierungstechnisch kann die
Marke als immaterieller Wert für das Unternehmen begriffen werden. So erlauben
Bilanzierungsvorschriften zwar nicht den Ausweis einer organisch gewachsenen
Unternehmensmarke als Vermögenswert, allerdings ist es erlaubt, den immateriellen Wert
der Marken eines akquirierten Unternehmens auszuweisen.
Es gibt eine Vielzahl von Methoden, um den Wert einer Unternehmensmarke zu ermitteln.
Sie sind so variantenreich, wie ihre Ergebnisse unterschiedlich sind.1 Für die Bewertung
globaler Marken werden häufig die Ergebnisse der Firma Interbrand benutzt. In ihrer Studie
„Best Global Brands 2008“ finden sich unter den zehn werthaltigsten Marken weltweit sechs
Technologiemarken: IBM, Microsoft, GE, Nokia, Intel und Google. Die Unternehmensmarke
IBM hatte danach einen Wert von 59 Milliarden US Dollar, was Mitte 2009 in etwa 50% der
IBM Marktkapitalisierung entsprach.
Interbrand bewertete in Russland Beeline mit 5,5 Milliarden US Dollar in 2006 und MTS mit
4,8 Milliarden US Dollar; Damit sind die beiden Marken dieser Mobilfunkbetreiber die
Werthaltigsten in Russland überhaupt.
1
Mehrere Hundert verschiedene Bewertungsmodelle werden benannt und sie reichen von rein finanzorientierten
Ansätzen über verhaltensorientierte bis hin zu komplexen Kombinationsmodellen. Für den Zweck dieses Artikels
ist ein Abstieg in die Methodenbeschreibung dieser Modelle nicht notwendig
Legende:
= 0% - <25% = ≥25% - <50% = ≥50% - <75% = ≥75% - <100% = 100%
Bild 2 stellt die Nutzung internationaler Marken von Mobilfunkbetreibern in ihren nationalen
Märkten dar. Die Konsolidierung von Mobilfunkbetreibern weltweit ist fortgeschritten und
zumeist mit der Übertragung einer internationalen Marke auf einen neuen lokalen Markt
verbunden.
Aus den Erfahrungen bei der Internationalisierung von Marken konnten fundamental wichtige
Prinzipien des globalen Markenmanagements gewonnen werden. So muss eine globale
Unternehmensmarke einen international konsistenten Wiedererkennungswert bieten. Die
Marke darf sich in verschiedenen Ländern nicht unterschiedlich ‚anfühlen’. Bei der
Internationalisierung muss die Markenpositionierung konsistent - über Zeit, geographische
Zonen und Markenerweiterungen hinweg - stattfinden. Die Positionierung kann lokal für den
Markt angepasst werden, aber die globale Markenbotschaft muss glaubwürdig bleiben.
Konsumenten erwarten von einer globalen Marke mehr als von einer nationalen Marke:
Q eine höhere Qualität der Produkte. Sollten die Konsumenten keinen
Unterschied zur nationalen Marke feststellen, wird die Marke nicht erfolgreich
sein.
Q Innovationsführerschaft. Globale Marken müssen Innovationsführer in den
besetzten Kategorien sein: Erster und Bester am Markt.
Welche Elemente einer Unternehmensmarke sind bei ihrem ‚Export’ in neuen Märkte
unangetastet zu lassen? Und in welchen Bereichen können und müssen feine Anpassungen
vorgenommen werden, ohne dass die Konsistenz der Markenpositionierung vom
Konsumenten in Frage gestellt wird?
Woraus besteht eine solche Markenidentität? In der Literatur werden mehrere Dimensionen
unterschieden:
Q Markenherkunft: „Woher kommt das Unternehmen?“ Beleuchtet wird die regionale,
kulturelle und institutionelle Markenherkunft beziehungsweise Unternehmenshistorie.
Daraus entstehen Glaubwürdigkeit und Authentizität. Der Verweis auf starke regionale
Leistungen, wie zum Beispiel die Erfolgsgeschichte von Dubai als das Aushängeschild
für eine erfolgreiche arabische Wirtschaftspolitik lässt eine arabische Marke gewinnen.
Die kulturelle Herkunft erweist sich jedoch häufig als ambivalent, da es wenige
ausschließlich positiv wahrgenommene Vorbildkulturen gibt. Religionen unterscheiden
sich, und gerade in Entwicklungsländern prägen Stammeszugehörigkeiten das tägliche
Leben. So wurde der Markteintritt einer arabischen Firma in einem afrikanischen Land
vom muslimischen Teil der Bevölkerung begrüßt, während bei christlichen Teilnehmern
von Fokusgruppen bereits der arabische Firmenname zu Skepsis und Misstrauen führte.
Q Markenführung: „Wo ist das Unternehmen kompetent?“ Die Erwartung an eine
internationale Marke ist hoch. Besonders Erfolge, die das Unternehmen als qualitativ
hochwertigen Dienstleistungsanbieter ausweisen, werden in der Markenkommunikation
verwendet.
Q Markenvision: Sie beschreibt die langfristige Entwicklung einer Marke. Innovation und
Technologieführerschaft werden dabei meist in den Vordergrund gestellt. Das ist für den
Export der Marke passend, haben doch gerade Wettbewerber in Emerging Markets
häufig mit Qualitätsproblemen zu kämpfen.
Q Markenpersönlichkeit: „Wenn das Unternehmen eine Person wäre, wie würde sich diese
beschreiben lassen?“ Menschen neigen dazu, Dinge zu beseelen. Daraus ergibt sich
eine Vereinfachung der Interaktion. Besonders die Bildkampagnen zur
Unternehmensmarke setzen diese personelle Repräsentation um. Bestimmte, oft
verwendete Wesensarten sind auf internationaler Ebene übertragbar: Ruhig, bestimmt,
sympathisch und erfolgreich sind angenehme Eigenschaften der repräsentativen
Figuren. Solche Eigenschaften lassen sich oft kulturübergreifend einsetzen. Das
verwendete Werbebildmaterial wandelt sich aber aufgrund von Unterschieden in
Kleidung, Hautfarbe und Aussehen meist fundamental. Die unreflektierte Verwendung
von Bildmaterial in anderen Kulturen und Regionen kann Befremden auslösen und
Distanz erzeugen.
Q Markenleistungen beschreiben den funktionellen Kundennutzen der auf dem Markt
angebotenen Produkte. Träte ein international ambitionierter Anbieter mit einem
qualitativ niedrigwertigen Produkt für die ärmeren Bevölkerungsschichten in einen
Mobilfunkmarkt ein, so konterkarierte das sicherlich seine globale Markenpositionierung.
Q Markenwerte sind die emotionalen Komponenten der Markenidentität. Die neuen
Erkenntnisse aus der Psychologie und Gehirnforschung attestieren ihnen eine hohe,
wenn nicht sogar dominierende Bedeutung für die Kaufentscheidung. Die
interpretierende menschliche Wahrnehmung resultiert, ebenso wie nicht-rational
getroffene Entscheidungen aus emotional basierten Prozessen im Gehirn. Daher ist das
auf Emotionen basierende, neurale Bewertungssystem der Schlüssel zum Verständnis
der Funktionsweise und der Macht einer Marke.
Wichtige Regeln für das Markenmanagement werden in den nächsten Kapiteln aus diesem
Verständnis abgeleitet.
Die Beobachtung dieser ‚Anomalien’ reichte lange Zeit nicht, um das Bild des rationalen
Agenten abzulösen. Erst Einsichten aus der Verhaltensforschung und in die tatsächlichen
Abläufe im Gehirn bildeten das notwendige Fundament für die jüngste Forschung und
revolutionäre Postulate. Wir treffen selten Entscheidungen aus rationalen Erwägungen.
Tatsächlich haben wir Gehirnstrukturen in denen – durch Emotionen katalysiert und
gesteuert – Entscheidungen getroffen werden, ohne dass wir bewusst davon Notiz nehmen.
Wenn nicht rational, wie dann lässt sich solch eine Entscheidungsfindung beschreiben? Was
sind die treibenden Faktoren und welche Vorhersagen können getroffen werden?
Beziehungsweise wie kann dieses neue Wissen zur Vorhersage und Beeinflussung von
Kaufentscheidungen durch das Markenmanagement genutzt werden?
Auf der Basis der in Verhaltensexperimenten geschaffenen empirischen Fakten wurde die
Hypothese aufgestellt, dass im menschlichen Gehirn mindestens zwei unterschiedliche
Systeme 2 die Entscheidungsfindung bewirken. Das implizite und das explizite System.
Das explizite System ist das uns bekannte, kontrollierende Bewusstsein, das rational – auf
der Basis analytischer Fähigkeiten – Entscheidungen trifft. Was ist dann das implizite,
entscheidungstreffende System? Es ist ein System, welches in unserem Gehirn automatisch
entscheidungsfindende Prozesse ablaufen lässt, die schneller als bewusste Erwägungen
ablaufen. Wir Menschen haben keinen bewussten Zugang zu diesen Prozessen und damit
auch keine Kontrolle über sie.
2
Kahneman nennt sie System 1 und System 2.
Dieses implizite System wurde im Rahmen der Evolution entwickelt und findet sich im
Übrigen ebenso bei Tieren. Es setzte sich durch, weil damit die Lebewesen in der Lage
waren, rasch überlebenswichtige Entscheidungen treffen und Probleme schnell lösen zu
können. Nicht wichtig bei dieser evolutionären Entwicklung war es, Logik in ihrer reinen
Form zu implementieren oder normativen Axiomen zu folgen. Trifft ein Mensch also eine
Entscheidung, ohne dass sein kontrollierendes, rationales Bewusstsein partizipiert, wird sich
Rationalität in ihrer reinen Form in seinem Verhalten nicht widerspiegeln. Daher kommt es
zu den Inkonsistenzen zwischen empirisch beobachteten Entscheidungen und Vorhersagen,
die auf der Annahme ökonomisch rational agierender Personen beruhen.
Wie funktioniert dieses implizite System? Mit neurowissenschaftlichen Techniken, wie der
funktionellen Magnetresonanz-Bildverarbeitung oder der Positronen-Emissions-Tomo-
graphie, ist es gelungen, das Geheimnis um die „black box“ Gehirn weiter zu lüften. Das
implizite System – unser Autopilot – funktioniert über Emotionen. Emotionen sind
spezifische, und konsistente Zustände im Gehirn. Gefühle sind die persönliche
Wahrnehmung dieser Emotionen. Nicht alle Emotionen induzieren jedoch Gefühle. Viele
Emotionen verlaufen unterhalb einer Wahrnehmungsschwelle. Tatsächlich arbeitet, wie
beschrieben, der Grossteil des impliziten Steuerungssystems außerhalb der Wahrnehmung.
Studien belegen, dass 95% unserer Entscheidungen unterbewusst, also durch das implizite
System getroffen werden.
Wieso leistet sich die Evolution den Luxus, die Kontrolle durch das Bewusstsein nur in
wenigen Fällen hinzuzunehmen? Die Antwort ist einfach: Es handelt sich vor allem um ein
Energieeffizienz- und ein Kapazitätsproblem. Das Bewusstsein hat ein Kapazitätsproblem
bei der Informationsverarbeitung. Pro Sekunde sendet das Auge 10 Millionen Bit an das
Gehirn, vom Ohr kommen 1 Millionen Bit/s, unser Riechorgan sendet 100.000 Bit/s und der
Tastsinn und Geschmackssinn senden zusammen weitere 100.000 Bit/s. Insgesamt nimmt
ein Mensch also pro Sekunde ca. 11 Millionen Bit wahr. Die geschätzte Kapazität der
Informationsbearbeitung des Bewusstseins ist 40 Bit/s. Anders ausgedrückt 10.999.960 Bit/s
müssen im Gehirn verarbeitet, gefiltert und nach Relevanz sortiert und bewertet werden,
ohne das Bewusstsein zu ‚bemühen’. Diese wahrgenommenen Reize führen dabei zu einer
Vielzahl von unbewussten Entscheidungen und nur 0,0004% der Informationen werden
tatsächlich – aufgrund ihrer bewerteten Bedeutung – an das Bewusstsein ‚ hocheskaliert’.
Das Bewusstsein hat eine begrenzte Kapazität, ist langsam, teuer und einzigartig
3
Das Gehirn macht ca. 2% unseres Körpergewichts aus und verbraucht im ‚Automatikmodus’, sprich ohne
Verwendung des Bewusstseins ca. 5% der körpereigenen Energie. Wenn allerdings bewusst und intensiv
nachgedacht wird, so verbraucht das Gehirn plötzlich 20% der Körperenergie. Rein aus energietechnischer Sicht
ist das für einen Organismus eine Katastrophe. Dieser Mehraufwand an Energie muss über eine entsprechend
gestiegene Nahrungsaufnahme ausgeglichen werden und Nahrung ist eine rare Ressource. Das Bewusstsein hat
damit für den Körper die Rolle eines sehr teuren Edelberaters. Wenn es genutzt wird, er also gefragt wird, so ist
die Antwort meist hilfreich, aber die Kosten des Einsatzes sind auch belastend.
Schließlich ist es dadurch das mächtigste, dominierende Lebewesen auf dem Planeten
geworden. Allerdings ist auch wahr, dass die Mehrzahl der Entscheidungen aus energie-
technischer Sicht ‚kostengünstig’ – also ohne Bewusstsein – getroffen werden.
In Bild 4 ist die Entscheidungsfindung von der Wahrnehmung über die Informationsver-
arbeitung dargestellt. Die ausgewählte Form der Pyramide illustriert ansatzweise die hohe
Anzahl von Entscheidungen die unbewusst getroffen werden, im Vergleich zur niedrigen
Anzahl bewusst getroffener Entscheidungen.
Informationsbearbeitung/Entscheidungsstrategie
Analytische
Evaluierung
40 Bit/s
Bewusste Gefühle
Entscheidungen
95% der
Entscheidungen
werden durch das
implizite Extrinsische
Faktoren
System getroffen (z.B. Situation)
Emotionen/
unbewusste
Gefühle Intrinsische
Faktoren
(z.B. Stimmung)
Reize
Quelle: Detecon in Anlehnung an Plassmann, Kenning „How brands twist heart and mind“
Was haben Marken für einen Einfluss auf die Entscheidungsfindung? Subjektiv starke
Marken entlasten das Bewusstsein bei der Entscheidungsfindung. Die Gehirnaktivität der
rationalen Entscheidungsfindung wird eingeschränkt, denn man hat schon eine ‚gute’
Lösung gefunden. Je stärker eine Marke demnach subjektiv empfunden wird, desto mehr
übernimmt das implizite System die Entscheidung.
2004 wurde eine starke negative Korrelation zwischen Markenvertrautheit und der
benötigten Zeit für eine Kaufentscheidung nachgewiesen. Je vertrauter eine Marke war,
umso schneller wurde die Kaufentscheidung getroffen. Auch diese Beobachtung weist auf
die Entlastung des Bewusstseins hin, da unterbewusste Prozesse deutlich schneller
ablaufen.
Ein überraschendes Ergebnis war, dass die Reaktionszeit umso länger ausfiel, je einfacher
die Kaufentscheidung war. Die Einfachheit einer Kaufentscheidung wird bestimmt durch die
Anzahl der zu vergleichenden Produktcharakteristiken. Wieso sollte das Bewusstsein
häufiger verwendet werden, wenn es weniger Produkteigenschaften zu vergleichen gibt?
Es scheint, dass die begrenzte Kapazität des Bewusstseins bei der Informationsverarbeitung
dazu führt, dass komplexe Entscheidungen vermehrt dem impliziten System überlassen
werden. Die Forschung zeigt, dass je mehr Menschen unter Zeitdruck stehen, mit
Informationen überlastet sind, wenig interessiert sind oder je unsicherer sie hinsichtlich einer
Entscheidung sind, desto mehr übernimmt das implizite System die Führung. Die
Psychologie lehrt, maximal fünf Informationen können vom Bewusstsein gleichzeitig
verarbeitet werden. Damit eignet es sich besonders für die einfachen, zeitunkritischen
Entscheidungen, an denen der Mensch Interesse hat.
Stress beim Kauf schwächt die Rolle des Bewusstseins bei der Entscheidung
Was heißt das übertragen auf Technologiemärkte? Charakterisiert sind die Märkte durch
einen raschen Wandel und durch eine Vielzahl von komplexen, teils erklärungsbedürftigen
Produkten mit ähnlicher Qualität. Auch haben Produkte wie Mobiltelefone und zugehörige
Karten aufgrund ihres hohen Anschaffungspreises Investitionsgutcharakter. Teuer sind sie
verglichen mit anderen nachgefragten Produkten wie z.B. Lebens- oder Reinigungsmitteln.
Der hohe Preis setzt Personen wegen der finanziellen Bedeutung der Entscheidung unter
Stress. Nach den obigen Ausführungen ist zu erwarten, dass das implizite System bei
solchen Kaufentscheidungen noch stärker eingesetzt wird, als im Konsumgüterbereich mit
einfacheren Produkten. Für den Inhaber einer starken Marke kann es also durchaus
strategisch sinnvoll sein, sich der Vergleichbarkeit der Produkte zu entziehen. Eine höhere
Komplexität der Entscheidung schwächt die Position des Bewusstseins und stärkt über das
implizite System die Marke als Entscheidungskriterium bei der Auswahl.
Die Ergebnisse sind überraschend, weil die Bedeutung des Bewusstseins von uns
Menschen anders eingeschätzt wird. Da wir mit unserem Bewusstsein nur die Spitze des
Eisberges, nämlich das explizite Entscheidungssystem, subjektiv erfahren, überschätzen wir
automatisch die Wichtigkeit dieses Systems und damit die Wichtigkeit der bewussten
Kontrolle und Entscheidung.
Q Persönlichkeit
Psychologie Q Selbstkonzept
Q Stimmung
Implizites System unter der
Bewusstseins-Oberfläche Q Prägungen
Kultur Q Symbolische Bedeutungen
Q Kontext
Q Hirnstrukturen
Neurologie Q Hormone
Q Neurotransmitter
Wie funktioniert das mächtige implizite System? Mit dem Verständnis seiner Funktionsweise
eröffnet sich die Möglichkeit der Manipulation. Wenn starke Marken einen nachgewiesen
kortikal entlastenden Effekt haben, wie können sie dann bestmöglich platziert und in ihrer
Bedeutung für das implizite System aufgebaut werden?
In Bild 5 sind nach Scheier/Held die wesentlichen Komponenten des impliziten Systems
dargestellt. Es wird durch drei Ebenen bestimmt, der Neurologie, der Kultur und der
Psychologie.
Der neurologische Blick auf das implizite System zeigt Hirnstrukturen, Hormone und
Neurotransmitter. Auf der neuronalen Ebene werden Reize wahrgenommen und ihre
Bedeutung ermittelt. Wenn wir über Bedeutungsermittelung reden, so beinhaltet das
zunächst eine Mustererkennung. Stimmen die wahrgenommenen Reize mit Mustern
überein, die schon vorher erkannt und gespeichert worden sind? Passt eine
Reizkombination nicht zu gespeicherten Mustern, so wird das Bewusstsein hinzugeschaltet.
Wenn Muster wie z.B. Farben dann erkannt wurden, wird ihnen neuronal eine Bedeutung
zugewiesen. Diese Bedeutung wird implizit, also ohne bewusstes Nachdenken zugewiesen.
Die Anlage der Bedeutungen dieser Muster geschieht überwiegend im frühen Kindesalter.
Besonders die Kultur belegt Muster mit einer impliziten Bedeutung. Kulturspezifisch
angelegte Muster und ihre Bedeutungen wurden von Kulturwissenschaftlern wie Hofstedte
analysiert. Beispiele für solche Muster sind die viel zitierten Symbole, Rituale und Helden,
die Aufschlüsse auf die ‚tiefer liegenden’ kulturellen Werte und Prägungen geben.
Sensorische Symbolische
Q Geräusche Q Statussymbole
Q Farben Q Personen (fiktive oder reale)
Q Formen wie Helden, Rollenmodelle
Q Struktur Q Rituale und Gesten
Q Bilder
Bedeutungsträger
Q Kontext der Erfahrung Q Worte und Fremdworte
Q Geschichten Q Aussprache und Dialekt
Q Sätze und Idioms
Q Namen
Bild 6: Bedeutungsträger
Bedeutungen werden auch durch persönliche Erfahrungen erlernt, nicht zuletzt ist der
Pawlow’sche Reflex nichts anderes als eine Mustererkennung mit angelernter
Bedeutungszuweisung und deren (positiver– schließlich gibt es etwas zu Essen) Bewertung.
Die Bedeutungsträger, die auch beim Markenmanagement genutzt werden, sind in Bild 6
dargestellt. Neben einfachen sensorischen Reizen wie im Falle des Pawlowschen Reflexes,
sind Sprache, Symbole und Zusammenhänge relevant.
Scheier/Held stellen fest: „Die Dekodierung der gesamten, in einem Signal verdichteten
kulturellen Bedeutung, erfolgt schon nach 1,7 Sekunden“. Die Decodierung erfolgt dabei
vollständig implizit, also automatisch und ohne Einschaltung des Bewusstseins. Das Lesen
eines Werbeslogans in einer Bildanzeige dauert meist deutlich länger. Die implizite
Bedeutung des Bildes ist beim Lesen demnach schon bekannt, die Botschaft wird schon
auf dem Hintergrund der kulturellen Bedeutung verstanden. Die neurowissenschaftlich
aufgeschlüsselte Funktionsweise des impliziten Systems ist in Bild 7 dargestellt. Ist die
Bedeutung eines Musters entschlüsselt worden, so besteht der nächste Schritt zur
Entscheidungsfindung im impliziten System darin, der Bedeutung eine Bewertung folgen zu
lassen. Ist das Muster mit seiner Bedeutung positiv oder negativ? Ist es eine Belohnung oder
ist es eine Bestrafung? Mit Bezug auf eine Marke heißt die Frage: ist diese Marke eine
Belohnung für mich?
Wahrnehmung &
Interpretation
Reiz Muster – Wirkung
& Bewertung
Wiedererkennung
Quelle: Nach Dr. Christian Scheier, Dirk Held “Was Marken erfolgreich macht”
Bei der Bewertung ist die dritte Ebene des impliziten Systems, die Psychologie wichtig. Die
Analyse des Belohnungspotenzials erfolgt zeitgleich mit der Bewertung der generellen
Stimmung. Hat der Mensch schlechte Laune oder ist er unter Stress, so trifft zum Beispiel
der Reiz einer Marke auf ein ‚negativ voreingestelltes’ Bewertungssystem. Die
Wahrscheinlichkeit, dass unter solchen Vorraussetzungen eine positive Kaufentscheidung
gefällt wird, ist sicherlich geringer als bei einer positiv gestimmten Person, die die Situation
an sich auch schon als belohnend bewertet.
Die kulturelle Verwendung des Spruchs bei Situationen der Heimkehr und dem Entspannen
nach dem Ankommen wird in seiner Bedeutung reflektiert und zur Bewertung an die
Motivsysteme weitergegeben. Das Balancesystem wird die Situation, die Anzeige und damit
verbunden die beigestellte Marke als belohnend bewerten, weil viele der als positiv
angesehenen Werte angesprochen werden.
Adventure Thrill
Extravagance Rebellion
Impulsivity Courage
Illustration Belohnungsmodell
Balance
Freedom Discovery
Illustration Belohnungsmodell
Stability Control
Quelle: Scheier, Held “ Was Marken erfolgreich macht” 2007; Häusel, Brainscript 2006; TNS 2008
Eine individuelle Situation wird durch ein Motivsystem zusammen mit den „versprochenen
Belohnungspotenzialen“ anderer Motivsysteme in ihrer Wichtigkeit bewertet:
Q Im Motivsystem individuell erreichtes Belohnungspotenzial – wie positiv wird
die Situation zum Beispiel durch das Balance-System bewertet?
Q Wichtigkeit des einzelnen Motivsystems – wie wichtig ist das Balance-System
im Vergleich zu den anderen Systemen?
Unterschiedliche Motivsysteme werden in der gleichen Situation Bewertungen auf Grund von
unterschiedlichen Analysekriterien vornehmen. Die Frage „Wie sehr entspricht die
Bedeutung des erkannten Reizmusters dem emotional erwünschten Zustand oder
verspricht, diesen zu erreichen?“ beantwortet jedes Motivsystem für sich.
Werte, die in diesen Modellen benachbart sind, sprechen in ähnlichem Maße bestimmte
Motivsysteme an, während sie andere „entfernt liegende“ Motivsysteme nicht ansprechen.
Liegen Werte in der Wertekarte an gegenüberliegenden Positionen, so führen sie jeweils nur
in unterschiedlichen Motivsystemen zu Belohnungsversprechen. Aus der Sicht eines
Motivsystems ist ein „naher“ Wert belohnend, während der „entfernt liegende“ Wert abstößt.
Da solche Belohnungsmodelle vorwiegend auf neurowissenschaftlicher Grundlage erarbeitet
wurden, ist die Landkarte der Werte – genetisch bedingt – kulturübergreifend gültig.
4
Zumeist werden drei Grundbelohnungen bzw. die drei wichtigsten Motivsysteme als aufspannende Achsen für
einen Werteraum benutzt. Im Züricher Modell von Bischof werden die drei Grundbelohnungen als Sicherheit,
Autonomie und Erregung bezeichnet, bei dem anschaulichen Modell von Hans Georg Häusel als Balance,
Stimulanz und Dominanz. Häufig zitierte Belohnungsmodelle und deren Autoren sind:
• TNS: „Needscope-Model“
Abenteurer
Stimulation-, Dominanz-,
Freiheitssuchende Statussuchender
3% 6% 20%
11% 8%
6%
19%
13% 13% 10%
Kontroll-
Genießer 24% 22% suchender
32% 13%
Traditionalist,
Harmonisierer
Sicherheitssuchender
Legende:
= Anteil der Konsumententypen in Deutschland nach genutztem Werte-, Motivsystemschwerpunkt bei Entscheidungen nach Häusel
= Anteil der Konsumententypen in Emerging Market Beispiel nach genutztem Werte-, Motivsystemschwerpunkt bei Entscheidungen
Quelle: Emerging Market Primary Market Analysis 2007, Detecon Research 2008, Hans Georg Häusel 2008, LIMBIC ® in TWDI 2006/2007
Deutlich zu erkennen sind die unterschiedlichen Schwerpunkte. Das Beispiel des Emerging
Markets beherbergt nach den Kulturstudien von Hofstedte stark kollektivistisch geprägte
Kulturen. Die Gruppenzugehörigkeit ist wichtig, und das Privatleben ist durch die Familie und
den sozialen Rahmen geprägt. Trotzdem ist der Anteil der Bevölkerung mit dem
Emotionsschwerpunkt „soziale Beziehungen, Freundschaft, Familie und Tradition“ geringer
als in Deutschland. Das liegt im Wesentlichen an den unterschiedlichen Altersverteilungen
der Bevölkerungen.
Die Bevölkerung im Beispiel des Emerging Markets ist jünger. Partnersuche und
Wettbewerb sind für die Bevölkerung aufgrund des Alters im Vergleich mit Deutschland
wichtiger. Den besten Partner zu finden und die meisten Ressourcen für die Nachkommen
zu sichern, sind dort Haupttreiber des Verhaltens. Deshalb treffen 20% der Konsumenten im
Emerging Market ihre Entscheidungen primär zur Verwirklichung der eigenen Ziele und zur
Verbesserung des eigenen Status. Durch die schlechtere soziale Lage gibt es einen
stärkeren Kurzfristfokus. Es ist wichtig, Kontrolle über knappe Ressourcen zu haben.
Entsprechend ist die Zahl der Kontrollsuchenden im Emerging Market Beispiel höher als in
Deutschland.
Das Alter hat einen wesentlichen Einfluss auf die emotionale Orientierung und die
Entscheidungsfindung in unserem Leben. Das im Alter stark vermehrte Auftreten des Stress-
und Angsthormons Cortisol bedingt eine Abnahme der Stressresistenz. Das fördert
sicherheitsbewusste Entscheidungen, wie z.B. im Mobilfunk in eine erhöhte, angeforderte
Qualität der Dienste.
Eindeutig ist auch der Zusammenhang zwischen der Konzentration des stimulierenden
Dopamins und der Innovationsfreudigkeit, bzw. der Nutzung von innovativen Produkten. Je
älter ein Nutzer ist, desto seltener wird er innovative Dienste nutzen. Solch altersbedingte
Ausprägungen des Nutzungsverhaltens im Mobilfunk sind eindeutig belegt.
Als Konsequenz daraus nutzen Mobilfunkanbieter das Kriterium Alter und die damit
einhergehenden Hormon- und Verhaltensänderungen schon lange zur Marktsegmentierung.
Bild 10 zeigt die häufige Verwendung des Parameters „Alter“ als Segmentierungsdimension.
Bei der anschaulich gemachten Bedeutung des Hormonhaushaltes auf die
Entscheidungsfindung überrascht der Hinweis auf unterschiedliche Bewertungen bei Mann
und Frau nicht mehr.
Anbieter
Segment-
kriterium
Misr
Alter
Werte
Einkommen
Nutzung
Arbeitsstatus
Was für Erkenntnisse lassen sich für die Positionierung einer international erfolgreichen
Mobilfunkanbieter-Marke in einem bedeutenden Emerging Market gewinnen? Mit dem
Wissen über die Funktionsweise und Wichtigkeit des impliziten Systems bei der
Entscheidungsfindung, der Kenntnis der lokalen, kulturellen Bedingungen und den
Erkenntnissen zum internationalen Markenmanagement lassen sich nützliche Empfehlungen
ableiten.
Zunächst ist die Positionierung der internationalen Marke auszuarbeiten. Wie beschrieben
können dabei Elemente des Markenauftritts in das Zielland übertragen werden. Die
Konsistenz der Marke im internationalen Auftritt ist zu beachten, aber auch die lokale
Relevanz. Die ‚importierten’ emotionalen Zielwerte der internationalen Marke versprechen
dem Konsumenten eine Belohnung. Diese Belohnung ist im nationalen Kontext zu
analysieren. Die emotionalen Zielwerte sind in diesem Beispiel Energie, Offenheit,
Optimismus, Fürsorge, Einfachheit, Verlässlichkeit und Möglich-Machen. In der
Herkunftsregion erlauben sie eine solide Markenpositionierung als ehemaliger
monopolistischer Anbieter. Was bedeutet das? Viele Werte sind durch Ex-Monopolisten
glaubhaft nicht zu besetzen. Besonders Werte aus dem Bereich „Stimulanz“ und „Abenteuer“
passen nicht zu Ihnen. Ex-Monopolisten bringen nicht neuen Schwung und das Gefühl des
Umbruchs in den Markt, sondern pflegen das wenig aufregende, konservative aber
leistungsstarke Bild des Anbieters der schon immer da war. Demnach wird bei der
Markenpositionierung von ihnen das Balance- und das Dominanz-Motivsystem
angesprochen. Wie wichtig sind die genannten emotionalen Werte im neuen Markt? Auf die
kulturellen Unterschiede bei der Wichtigkeit von Motivsystemen und deren Werte wurde
hingewiesen. Zunächst wird demnach die Relevanz der Werte für die lokale Zielbevölkerung
analysiert. Es zeigt sich in Bild 9, dass die Relevanz der durch die internationale Marke
oktroyierten Werte für den Großteil der Bevölkerung des Ziellandes gegeben ist.
In der Schublade ‚mobile Kommunikation’ tritt die neue Marke gegen die der etablierten
Wettbewerber an. Jeder dieser Wettbewerber hat seine Marke emotional aufgeladen,
verspricht dem impliziten System Belohnung bei einer Entscheidung für sein Produkt. Bei
neurowissenschaftlichen Studien ist aufgefallen, dass nur die bevorzugte Marke - die erste
Wahl – einen kortikal entlastenden Effekt ausgelöst hat. In der Schublade liegt die
bevorzugte Marke wie ein Blatt Papier oben auf, der Käufer sieht es zuerst und greift zu,
beziehungsweise trifft die Entscheidung, aber das darunterliegende Blatt ist verdeckt und
relativ unwichtig. Nur die Erst-Wahl-Marke beeinflusst nachweislich die Kaufentscheidung. In
der Schublade Zweiter zur werden ist unwichtig. Auch ist nachgewiesen worden, dass die
Markenpräferenz zeitlich ziemlich stabil ist. Hat sich eine Marke im impliziten System als
belohnend positioniert, so ist die Verdrängung dieser Marke nur unter großem Aufwand
möglich.
In Bild 11 dargestellt ist die Positionierung der Marken der drei relevanten Wettbewerber im
zu penetrierenden Mobilfunkmarkt; zugleich abgebildet ist die interpretierte Wahrnehmung
der emotionalen Werte der Marke des neuen Anbieters durch die Bevölkerung.
Die Darstellung veranschaulicht die Komplexität der Positionierungsaufgabe. Es besteht
wenig Spielraum zu einer differenzierenden Aufstellung, wenn man alleine den emotionalen
Werten der internationalen Marke folgt.
Adventure
Thrill
Extravagance Rebellion
= Emotionale
Stimulation Dominance Markenpositionierung
Impulsivity Courage des ersten Anbieters
Creativity Risk-willing Victory
Individualism Fight Power = Emotionale
Spontaneity Elite Markenpositionierung
Variety Autonomy Fame Enforcement des zweiten Anbieters
Fun Art Freedom Status
Curiosity Pride Performance
Efficiency = Emotionale
Honour
Markenpositionierung
Ambition
Diligence des dritten Anbieters
Obstinacy
Ease Functionality
Precision
Orden Enabling = Interpretation der
Logic
Pleasure Openness Tolerance Discipline emotionalen Werte der
Justice
Simplicity Duty internationalen
Poetry Flexibility Moral Unternehmensmarke des
Dreaming Obedience Asceticism
F Hygiene neuen Mobilfunk-
Pl ant e
Sincerity
ea as Sensuality Trust
Friendship
Fidelity Cleanness lin betreibers durch die
su y Family Thrift c ip ol
Reliability s t r Bevölkerung des neuen
re Sociability
Homeland Health Quality D i on Marktes
Nature Nostalgia
C
Security Tradition
Balance
Quelle: Darstellung in Wertelandkarte nach Häusel 2008, MLI Ltd 04/2008, Detecon
Bild 11: Markenpositionierung und emotionale Werte der internationalen Marke des Neueinsteigers
Auch wenn eine internationale Marke über ein vor kurzem akquiriertes, in einem nationalen
Markt etabliertes Unternehmen gestülpt wird, ist die Herausforderung für das
Markenmanagement groß. Im schlimmsten Fall ist die emotionale Position der
ursprünglichen Marke entgegengesetzt zum Schwerpunkt der neuen Marke. Das bedeutet,
Bestandskunden würden sich aufgrund ihrer emotionalen Wertepräferenz von der neuen
Marke abgestoßen fühlen. In einem ersten Schritt wird deshalb häufig der ursprüngliche
Schwerpunkt der emotionalen Positionierung belassen.
In Bild 12 ist die emotionale Wertepositionierung der Marke eines international operierenden
Mobilfunkunternehmens in den zugehörigen Landesgesellschaften dargestellt. Der
emotionale Schwerpunkt der Positionierung der Landgesellschaften resultiert aus der
Historie.
Freedom
Discovery
Ziel der
Markenpositionierung Marken-
international positionierung
Land C
Harmony Empowerment
Markenpositionierung Markenpositionierung
Land D Land A
Mar
kenp
osit
Lan ionierun
dB g
Stability Control
Ziel muss sein, dass die Markenessenz einer internationalen Marke eine relevante
emotionale Verbindung zu Konsumenten über Staatsgrenzen hinweg schafft. Ist die
Markenessenz konsistent und glaubwürdig, so besteht Spielraum für kleinere Anpassungen
der Positionierung in einem lokalen Markt.
9 Lektüreempfehlungen
Q Ambler; Braeutigam; Stins; Rose; Swithenby “Salience and Choice: Neural
Correlates of Shopping decisions”, 2004
Q Bargh, John „Losing Consciousness: Automatic Influences on Cosumer
Judgement, Behaviour, and Motivation“, Journal of Consumer Research
Q Burmann, Christoph; Meffert, Heribert, „Theoretisches Grundkonzept der
identitätsorientierten Markenführung“ in Markenmanagement: Identitäts-
orientierte Markenführung und praktische Umsetzung mit Best Practice-
Fallstudien, ed. Heribert Meffert, Christoph Burmann und Martin Koers,
S. 37-72, 2005
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Q Hardy-Vallee, Benoit “Decision-Making: A Neuroeconomic Perspective”, 2007
Q Interbrand Zintzmeyer & Lux, “Best Russian Brands 2007”, 2007
Q Interbrand Zintzmeyer & Lux, “Best Global Brands 2008”, 2008
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judgment and choice”, Nobel Prize Lecture, 2002
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Entlastung” 2002
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Q Norretraders, T., “The User Illusion”
Q Plassmann; Kenning; Deppe; Kugel; Schwindt; Ahlert ”How brands twist heart
and mind: Neural correlates of the affect heuristic during brand choice”
Q Sawhney, Mohanbir “Branding in Technology Markets”, Chaper 11, Kellogg on
Branding
Q Scheier, Christian; Held, Dirk “Was Marken erfolgreich macht”
Q Slovic; Finucane; Peters; MacGregor “Rational actors or rational fools?
Implications of the affect heuristic for behavioural economics”, 2002
10 Der Autor
Dr. Bert Kiel ist Managing Consultant bei Detecon in der Competence Practice Strategie &
Marketing. Nach seinem Studium der Physik an der Universität Bonn promovierte er in
Nuklearphysik an der Universität Erlangen-Nürnberg und beendete gleichzeitig ein Studium
der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hagen mit Schwerpunkten in Marketing,
Organisation & Planung und Umweltökonomie. Zu Detecon wechselte er im Jahre 2000.
Dr. Kiel hat umfangreiche Erfahrung beim Aufbau von Mobilfunkbetreibern und im Interims
Management sowie umfassende Kenntnisse in Unternehmensstrategie, Marketing & Vertrieb
und Wholesale für Festnetz- und Mobilfunkbetreiber. Er arbeitete für eine Vielzahl inter-
nationaler Telekommunikationsanbieter und Regulierungsbehörden.
11 Das Unternehmen
Detecon International ist eines der weltweit führenden Unternehmen für integrierte
Management- und Technologieberatung und entstand 2002 aus der Fusion der beiden
Beratungshäuser DETECON und Diebold. Auf der Basis umfangreicher Kompetenzen im
Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie (engl.: ICT) berät Detecon
Kunden aus allen Schlüsselbranchen. Im Fokus steht dabei der Aufbau neuer
Geschäftsmodelle, die Optimierung bestehender Strategien und die Steigerung der
Unternehmenseffizienz durch Strategie-, Organisations- und Prozessverbesserungen. In
Verbindung mit der herausragenden Technologie-Expertise von Detecon ermöglicht uns dies
eine Beratung entlang der gesamten Wertschöpfungskette unserer Kunden. Die Grundlage
unserer Dienstleistungen bilden das Branchen-Know-how unserer Consultants und unser
gewonnenes Wissen aus erfolgreichen Management- und ICT-Projekten in über 100
Ländern. Detecon ist ein Tochterunternehmen der T-Systems, der Geschäftskundenmarke
der Deutschen Telekom.
Dabei bietet Detecon sowohl horizontale Services, die sich an alle Branchen richten und
beispielsweise Architektur-, Marketing-, oder Einkaufsstrategien umfassen als auch vertikale
Leistungen, die tiefe Branchenkenntnisse voraussetzen. Die besondere Stärke von Detecon
in der ICT-Branche dokumentiert sich in zahllosen nationalen und weltweiten Projekten für
Telekommunikationsanbieter, Mobilfunkbetreiber und Regulierungsbehörden, bei denen der
Aufbau von Netzen und Märkten, die Evaluierung von Technologien und Standards oder die
Begleitung von Mergers & Akquisitions im Mittelpunkt stehen.