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Tabelle 1
Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Baugewerbe in Deutschland
– 1998 bis 2004
1.1 Bauhaupt- und Ausbaugewerbe
Der
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interne Angelegenheit der Bauwirtschaft
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angesehen. Im günstigsten Fall werden Re-
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gulierungen auf den Prüfstand gestellt und Be I -
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auf ihren Nutzen überprüft; im schlechtes- hä al ie ng
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ten Fall geht man pauschal davon aus, dass ng st
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Deregulierungen von Vorteil für die Wirt-
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schaft als Ganzes sind. Die Bauwirtschaft In ert
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wird auf jeden Fall die positiven externen sie nali- nd e
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Effekte ihrer Regulierungen nachweisen b e
und sich gegebenenfalls auch zu Reformen
Bau-
bereit zeigen müssen. Neue
Demo- unternehmen
Technologien
graphischer
und
• Basel II Wandel
Baustoffe
Unternehmensgrößen Wachsende Zahl von Klein- und Ausgewogener Mix von Groß-, Mittel-
Kleinstbetrieben, Polarisierung und Kleinbetrieben mit stabilem Mittel-
zwischen Groß- und Kleinbetrieben stand
Abbildung 4
Die Zukunft der Globale Märkte
Unternehmenslandschaft
in der Bauwirtschaft Großunternehmer
Projektentwickler
Global players
Regional
Spezialanbieter
verankerte,
qualifizierte
Mittelunternehmen
Arbeitskräfteverleiher
Regionale
Projektentwickler
Lokale Märkte
Quelle:
Kleinunternehmen
Syben, G.: Die Baustelle der
Bauwirtschaft. Unternehmensent- Nischenunternehmen
wicklung und Arbeitskräftepolitik
auf dem Weg ins 21. Jahrhundert.
– Berlin 1999, S. 33
Informationen zur Raumentwicklung
Heft 10.2006 549
der Aktivitäten auf der Wertschöpfungs- le mit anderen Unternehmen verfügen, die
kette etwa in Richtung Vorfinanzierung von bisher nicht ausgeschöpft wurden. Es wird
Bauvorhaben und/oder Betreiben von in- künftig um die breite Diffusion von Innova-
frastrukturellen Großprojekten rechnet sich tionen gerade in die kleinen und mittleren
nur ab einer bestimmten Auftragsmenge, Unternehmen der Branche gehen. Hierbei
die mit positiven Skaleneffekten verbunden ist wichtig, den Besonderheiten der Bran-
ist. Solche Skaleneffekte sind oft nur im glo- che Rechnung zu tragen. Der traditionelle
balen und nationalen, bestenfalls in einem Technologietransfer über Beratung oder
weiten regionalen Rahmen erreichbar. den Aufbau unternehmensinterner Trans-
fermechanismen läuft angesichts der nied-
Für Unternehmen, die nur auf lokalen rigen durchschnittlichen Betriebsgröße in
Märkten tätig sind, ist es durchaus denkbar, der Bauwirtschaft leer. Die Innovationsfor-
dass sie stärker als bisher vorgelagerte Pla- schung hat gezeigt, dass in Klein- und Mit-
nungs- oder nachgelagerte Wartungsleis- telbetrieben die Qualifikation der betrieb-
tungen als Paket anbieten, wenn sie sich für lichen Schlüsselpersonen die kritische Grö-
eine Strategie als Systemanbieter entschei- ße im Innovationsgeschehen ist. Die Dif-
den. Sofern sie sich für die Spezialisierung fusion von Innovationen muss in der Bau-
entscheiden, ist die Ausrichtung auf spezi- wirtschaft daher vor allem über Fort- und
fische Ausbauarbeiten oder Komponenten Weiterbildung erfolgen.
sinnvoll, eventuell in Kooperation mit an-
deren Unternehmen. Die Verwirklichung eines auf Kompetenz-
entwicklung ausgerichteten Szenarios setzt
Auch wenn kleine und mittlere Unterneh-
eine entsprechende Neuausrichtung aller
men sicher nur begrenzt in der Lage sein
Beteiligten voraus. Es kann nicht oft ge-
werden, ihr Produktions- bzw. Leistungs-
nug betont werden, dass eine kompetente
spektrum entlang der Wertschöpfungskette
Bauwirtschaft gut ausgebildete Fachkräfte
zu erweitern, werden sie in Zukunft im-
voraussetzt, die auf dem Stand der Tech-
mer mehr mit der Situation konfrontiert
nik sind und für die auch Dienstleistungs-
sein, dass andere Unternehmen bereits
orientierung selbstverständlich ist. Nur sie
eine Integration verschiedener Funktionen
sind in der Lage, die Innovationspotenziale
anbieten und damit zunehmend Wettbe-
entlang der Wertschöpfungskette zu erken-
werbsvorsprünge entwickeln. Von daher
nen und zu nutzen. Hier spielen Aus- und
ist zwar auch für lokale Unternehmen eine
Weiterbildungseinrichtungen eine beson-
Ausweitung ihres Angebots entlang der
dere Rolle, aber auch die Entscheidungs-
Wertschöpfungskette möglich. Allerdings
träger in Verbänden sowie die Medien der
darf dabei eine kritische Mindestgröße der
Branche. Eine Schlüsselrolle kommt auch
Unternehmen nicht unterschritten werden,
den Unternehmensberatern bzw. den IT-
da nur dann die Potenziale eines verbesser-
Anbietern zu, die deutlich stärker als bisher
ten Prozess- und Innovationsmanagements
die Tauglichkeit ihrer Angebote gerade für
genutzt werden können. Unterhalb dieser
Klein- und Mittelbetriebe überprüfen und
Größe bleibt nur die Rolle des selbständi-
neu ausrichten sollten. Nicht zuletzt wird
gen Anbieters von Teilleistungen.
immer wieder zu überlegen sein, ob und
Unabhängig von der Strategiewahl stellt wann es sinnvoll ist, bei neuen Technolo-
sich für jedes Unternehmen der Bauwirt- gien oder neuen Organisationskonzepten
schaft die Aufgabe, die internen Prozesse entsprechende Innovationsdialoge mit al-
und Schnittstellen zu optimieren. Jedes len Akteuren der Branche politisch anzu-
Unternehmen muss sich dabei mit den vier stoßen und zu begleiten.
strategischen Bezugspunkten Kompetenz-
entwicklung, Kundenorientierung, Schnitt- Rahmenbedingungen: Neujustierung
stellenmanagement und Innovationsma- der Bauregulierungen
nagement auseinandersetzen.
Die Bauwirtschaft arbeitet in einem dich-
Die Konzepte für einen erfolgreichen Um- ten Netz von Regulierungen, die sowohl
gang mit einer Optimierung der betrieb- den Produkt- als auch den Arbeitsmarkt
lichen Abläufe und Schnittstellen sind betreffen. Es ist kein Zufall, dass gerade sie
bekannt und in Modellprojekten erprobt. so viele Regelungen zu befolgen hat. Ihre
Hierbei hat sich gezeigt, dass auch kleine Produkte gestalten Landschaft und Stadt-
Unternehmen über Kooperationspotenzia- bilder und sind in hohem Maße für den
Gerhard Bosch, Dieter Rehfeld:
550 Zukunftschancen für die Bauwirtschaft – neue Erkenntnisse aus der Zukunftsstudie NRW
Umweltschutz, die Lebensqualität und die die Auswirkungen von Veränderungen sollte
Sicherheit der Bürger verantwortlich. Zu- man stärker mit Realexperimenten in Form
dem sind Bauverträge unvollständige Ver- von Modellversuchen experimentieren. Vor
träge, so dass es Regelungen zur Vertrags- allem Eingriffen in das Bauordnungsrecht,
gestaltung und zum Konsumentenschutz in technische Regelwerke, die Handwerks-
geben muss. Die Arbeitsmärkte in der hoch ordnung und die Honorarordnung für Ar-
turbulenten Bauwirtschaft tendieren zur chitekten und Ingenieure sollten Wirkungs-
Unterinvestition in Aus- und Weiterbildung, analysen vorausgehen.
so dass zur Sicherung und Herausbildung
eines Fachkräftestamms Regelungen zur Empfehlung 2: Einführung von Quali-
Bekämpfung dieses Marktversagens gefun- fizierungsverfahren für Unternehmen
den werden müssen. All diese Regelungen bei öffentlichen Ausschreibungen
sind aus guten Gründen geschaffen wor-
den. Im Zusammenspiel mit anderen zu- Um Anreize für Investitionen in Qualifi-
sätzlich geschaffenen Regulierungen kann zierung und die Kompetenzentwicklung
sich ihre Wirkung ändern. Es ist notwendig, von Unternemen zu fördern, sollte – wie in
den hinter den Regulierungen stehenden anderen Ländern – der Zugang zu öffent-
Zielkatalog regelmäßig zu überprüfen sowie lichen Ausschreibungen an den Nachweis
ihre Wirkungen zu evaluieren und die Regu- der technischen, wirtschaftlichen und per-
lierungen gegebenenfalls zu ändern. sonellen Leistungsfähigkeit gebunden wer-
den. Gegenstand eines solchen Qualifizie-
Nicht sinnvoll sind hingegen empirisch rungsverfahrens für Unternehmen wären
nicht fundierte De-Regulierungsstrategien, auch die tatsächlich durchgeführten Perso-
die derzeit viele Anhänger haben, weil es nalqualifizierungen, die in Beziehung zum
fast keine mit Fakten unterlegte Evaluierung Umsatz, zur Zahl der Mitarbeiter oder einer
der Bauregulierungen gibt. Ausgehend von anderen geeigneten Bemessungsgrenze ge-
diesen Überlegungen waren die Experten in setzt werden. Diese Qualifizierungskosten
der Diskussion rund um die Zukunftsstudie würden durch die Zugangsberechtigung
mit ihren folgenden Empfehlungen zur Ver- zu Ausschreibungen honoriert. Allerdings
änderung von Regulierungen auch relativ macht ein solches Qualifizierungsverfah-
vorsichtig: ren nur Sinn, wenn es gleichzeitig gelingt,
Qualitätsbewusstsein als Kultur bei allen
Empfehlung 1: Veränderung von Regulie- Akteuren in der Branche zu verankern. Dies
rungen auf Basis von Wirkungsanalysen gilt auch und vor allem für die öffentlichen
Nachfrager, die in den vergangenen Jahren
Der Bauproduktmarkt ist hoch reguliert. angesichts der Haushaltsprobleme immer
Diese Regulierungen haben ganz unter- stärker den Kostenaspekt auf Kosten der
schiedliche Funktionen, die vom Umwelt- Qualität in den Vordergrund gestellt haben.
schutz über die Sicherheit und das Erschei- Es wäre nicht glaubwürdig, wenn seitens
nungsbild von Gebäuden, die Schaffung der Politik Qualitätsstandards von den Un-
gleicher Wettbewerbsbedingungen bis hin ternehmen gefordert werden, die dann in
zur Qualitätssicherung reichen und histo- der Praxis von öffentlichen Nachfragern
risch und in bestimmten Kontexten ent- unterlaufen werden.
standen sind. Darüber hinaus sind sie ad-
ditiv gewachsen und ist unklar, ob sie im
Empfehlung 3: Stabilisierung
Kontext mit anderen Regulierungen die ur-
der Sozialkassen
sprünglich zugedachten Funktionen noch
erfüllen. Es gibt in Deutschland anders als Der Bauarbeitsmarkt ist aus verschiedenen
in den USA keine empirisch fundierte Wir- Gründen ein besonderer Arbeitsmarkt: Bau-
kungsforschung zu den bestehenden Re- arbeit ist aufgrund der hohen konjunkturel-
(6)
Vgl. Bosch, G.; Philips, P. gulierungen. Daher stützt sich die begon- len und saisonalen Nachfrageschwankun-
(Hrsg.): Building chaos: an in- nene De- und Re-Regulierung oft vor allem gen instabil. Arbeitskräfte müssen häufiger
ternational comparison of de-
regulation in the construction
auf durch Sonderinteressen eingefärbte als in anderen Branchen den Arbeitgeber
industry. – London 2003 Einschätzungen. Dies birgt die Gefahr er- wechseln und dabei auch Perioden der Ar-
(7) heblicher Fehlsteuerungen. In einem zu- beitslosigkeit in Kauf nehmen. Wegen der
Vgl. Bosch, G.; Zühlke-Robinet, nehmend integrierten europäischen Markt durchschnittlich kurzen Betriebszugehörig-
K.: Der Bauarbeitsmarkt: So-
ziologie und Ökonomie einer muss eine Wirkungsforschung vergleichend keit ist es nicht sicher, dass ausbildende Be-
Branche. – Frankfurt/M. 2002 angelegt sein. Bei großer Unsicherheit über triebe von ihren Ausbildungsinvestitionen
Informationen zur Raumentwicklung
Heft 10.2006 551
Abbildung 5
Qualitätssicherung Zentrale Maßnahmen zur
• Sicherung Bekämpfung illegaler Be-
• Verlängerte Haftung schäftigung im Baugewerbe
• „Gläserne Baustelle“
Prävention Sanktionierung
• Abzugsverfahren für Umlagen • Strafbestand für schwere Verstöße
und Beiträge Bekämpfung • Andere „existenzbedrohende“
• Register über „unzuverlässige“ illegaler Sanktionen
Unternehmen Beschäftigung • Zusätzliche Rechtsmittel-
• Verantwortlichkeit von Auftrag- abkommen
gebern • Steuerabzug als „Faustpfand“
Quelle:
Kontrolle Worthmann, G.: Die Internatio-
• Informationspool für Kontroll- und Sanktionsbehörden nalisierung des deutschen Bau-
• Keine Freistellungsmöglichkeiten beim Steuerabzugs- arbeitsmarktes. Arbeitspaket 6
verfahren der Zukunftsstudie Baugewerbe
• Unterstützung für öffentliche Auftraggeber bei Tarif- Nordrhein-Westfalen. – IAT, Gelsen-
treueprüfung kirchen 2003, S. 102
Gerhard Bosch, Dieter Rehfeld:
552 Zukunftschancen für die Bauwirtschaft – neue Erkenntnisse aus der Zukunftsstudie NRW
geber bzw. Hauptunternehmer auf eine re- Auf die Einzelheiten einer solchen Wirt-
alistische Kalkulation unter Anwendung der schaftspolitik, die nicht ohne Makro-Im-
vorgeschriebenen Tarifnormen. pulse auskommen kann, kann hier nicht
eingegangen werden. Auf einen zentralen
Selbstverständlich werden die Generalun-
Punkt muss allerdings hingewiesen wer-
ternehmer hier stark belastet. Wenn man
den: Die Schwäche der öffentlichen Bau-
Illegalität aber ernsthaft bekämpfen will,
nachfrage hat zu einer Unterinvestition in
muss man an den Quellen des Geldflus-
zentralen Bereichen der gesellschaftlichen
ses ansetzen. Die Streichung von Freistel-
Infrastruktur geführt, die auch ein Grund
lungsmöglichkeiten würde dazu beitragen,
für die gegenwärtige Wachstumsschwäche
dass alle Unternehmen gleich behandelt
Deutschlands ist. Man denke hier nur an
werden. Da sich für den Staat und die So-
Schulen, Hochschulen oder die Verkehrs-
zialversicherung solche Abzugsverfahren
infrastruktur.
rechnen, sollten die Generalunternehmen
für den zusätzlichen bürokratischen Auf- Ein wesentlicher Grund für den Einbruch
wand durch Abzüge bei den Steuern und der öffentlichen Investitionen ist die Fi-
Sozialversicherungsbeiträgen kompensiert nanzkrise der Gemeinden, dem Haupt-
werden. investor auf Seiten der öffentlichen Hand.
Seit 1994 haben sich die Investitionen der
Wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik Gemeinden um 30 % in nominalen und
und Verstetigung der öffentlichen Nachfrage mehr als 40 % in realen Preisen verringert.8
Wie kaum in einem anderen Wirtschafts- Eine Reform der Gemeindefinanzen und
zweig ist die Nachfrage nach Bauleistungen dabei vor allem eine Stärkung ihrer Inves-
von der gesamtwirtschaftlichen Lage abhän- titionskraft ist nicht nur eine Vorausset-
gig. Bauprodukte sind langlebige Güter, de- zung der Stärkung gesamtwirtschaftlicher
ren Anschaffung bei schlechter wirtschaftli- Wachstumsimpulse, sondern auch eine Vo-
cher Lage hinausgeschoben wird. Aufgrund raussetzung für die Wiederbelebung und
der hohen konjunkturellen Ausschläge der Stabilisierung der Baunachfrage. Im Unter-
Baunachfrage kann eine längere tiefe wirt- schied zu antizyklischen Konjunkturpro-
schaftliche Krise sogar dazu führen, dass grammen, die nur zeitweise wirken würden,
die Kapazitäten der Bauwirtschaft stärker käme es zudem zu einer Verstetigung der
(8)
einbrechen, als es langfristig notwendig sein Nachfrage. Zudem könnte der in den Pro-
Vgl. Bosch, G.; Rehfeld, D.:
müsste. Zieht dann die Nachfrage wieder gnosen vorausgesagte starke Einbruch der
Zukunftsstudie Baugewerbe
Nordrhein-Westfalen: Zusam- an, kommt es zu Engpässen. Von daher ist öffentlichen Baunachfrage gemildert wer-
menfassung der Einzel-Arbeits- den. Schließlich wirkt der Staat durch eine
pakete. – IAT, Gelsenkirchen eine Stabilisierung der Baunachfrage durch
2003, S. 48 (www.zib.nrw.de/ eine wachstumsorientierte Wirtschaftspoli- Verstetigung seiner Bauinvestitionen auch
fachinfo/pdf_doc/einzelgutach-
tik eine Basis für die Regeneration der Bau- stabilisierend auf die private Baunachfrage.
ten_endbericht_bosch_lang.
pdf) branche. Wenn die öffentliche Investitionsfähigkeit
wieder hergestellt wird, dann kann auch die
Qualität in der Auftragsvergabe wieder an
Bedeutung gewinnen.