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Berlinale

Der bedrohte
Glamour-Konzern

Haribo
Vom Gold- zum
Problembären Wie Berater
planlose Vorstände
verführen
Österreich EUR 9,80 | Schweiz sfr 14,70

Italien, Portugal, Spanien EUR 10,80 |


Benelux EUR 10,00 | Frankreich,

Spanien Kanaren EUR 11,00

TEURE
FEHLSCHLÄGE US-Einstieg vermurkst, Digitalstrategie gescheitert, Milliarden
verpulvert – der Discounter entzaubert sich selbst
Slack bedeutet für Unternehmen in ganz Deutschland: Einfach
zusammenarbeiten. Kommunikation, einer der schwierigsten Aspekte
unserer Arbeit, wird mit Slack einfacher, angenehmer und produktiver.

Die Hotel-Metasuche trivago benutzt Slack, um automatisiertes


Feedback von über 1.400 Mitarbeitern einzuholen, was davor eine
manuelle, zeitaufwendige Aufgabe war. Durch die Analyse des
Feedbacks erfährt das Management, wo konkret Verbesserungsbedarf
besteht, und erhöht so die Zufriedenheit der Mitarbeiter in einem der
am schnellsten wachsenden Unternehmen Deutschlands.

Unter Slack.com gibt es mehr Infos darüber, wie man Arbeitsabläufe in


Teams mithilfe von Kommunikation optimieren kann. slack.com
TASKalfa
Multifunktionssysteme

EDITORIAL STEFFEN KLUSMANN


Chefredakteur MULTITALENTE
MIT DMS-MODUL

Lidls Rolle
rückwärts
KLAUS GEHRIG, CHEF DER SCHWARZ-GRUPPE UND HERRSCHER ÜBER LIDL und Kaufland, hat
ein sehr spezielles Führungsprinzip: Er setzt seinen Topleuten – auch sehr jungen –
ambitionierte Ziele und lässt sie dann laufen. Genügen sie seinen Ansprüchen
nicht, werden sie – finanziell abgefedert – gefeuert. Das System sei so leistungs-
fähig, glaubt Gehrig, dass es schwere Fehler verhindere. Doch dieses Kalkül ist
zuletzt nicht aufgegangen. Der Discountriese Lidl und auch Kaufland haben ein
grausames Jahr hinter sich. Ein teurer Patzer reihte sich an den nächsten. Er über-
nehme die volle Verantwortung, sagt „Handelskrieger“ Gehrig (mm 1/2017) im
Gespräch mit uns, schließlich habe er viel zu spät eingegriffen. Die strategische
Kehrtwende, die er nun einleitet, schildern Sören Jensen und Ursula Schwarzer
in unserer Titelgeschichte ab Seite 22.

SIE HABEN MAL GEBOXT, WAREN MAL IM SILICON VALLEY oder haben irgendwas mit Bil-
dung gemacht? Na, dann werden Sie doch Digitalberater. Der Bedarf an Leuten,
die den Unternehmen helfen, sich zu transformieren, ist enorm. Dass viele ver-
meintliche Experten nur mit dämlichen Buzzwords um sich werfen? So what! Vor-
stände lassen sich gern einwickeln, haben meine Kollegen Philipp Alvares und Eva
Müller herausgefunden. „Die Rattenfänger von Digitalien“ – ab Seite 68.

BMW-CHEF HARALD KRÜGER HAT SICH EINIGES VORGENOMMEN fürs neue Jahr. Vor allem:
Führungsstärke vorleben. Er habe die freien Tage genutzt und ein paar klare Ent-
schlüsse gefasst, erklärte er meinen Kollegen Michael Freitag und Martin Noé,
noch bevor die ihre erste Frage stellen konnten. „Wir wollen die Nummer eins
sein, überall“, kündigte der CEO an. Darauf werde er sein Team verpflichten. Am
Nachmittag sei Vorstandssitzung, da würden einige ins Schwitzen kommen. Der
Mann, der vielen im Haus als zu soft und teamorientiert gilt, zeigt Härte. Krügers
Kampfansage an seine Kritiker und an die erfolgsverwöhnten Kollegen von Daim-
ler – ab Seite 40.

BEIM ZWEITEN BESUCH BINNEN WENIGER WOCHEN fiel Lutz Meier im Büro von Berlina- Die A3-Farb-Multifunktionssysteme der TASKalfa
le-Direktor Dieter Kosslick sofort der Gitarrenkasten am Boden auf. Darin: eine Serie bieten Ihnen neben der Druck-, Kopier-
Telecaster für 15 000 Euro. Männer, denen es schlecht geht, müssten sich was und Faxfunktion die Möglichkeit, Dokumente
gönnen, erklärte Kosslick und hob zu einer beispiellosen Wutrede auf seine Kritiker direkt in den Ordner Ihrer Wahl zu scannen und
gleichzeitig per E-Mail zu versenden. Optimieren
an, die auch meine per Telefon zugeschaltete Kollegin Gisela Freisinger amüsiert Sie Ihren Dokumenten-Workflow mit leistungs-
mit anhörte. Kosslick hat das Filmfest in Berlin zum wohl bedeutendsten Gla- fähigen Multifunktionssystemen von KYOCERA.
mourkonzern der Republik gemacht, nun wird er vom Kulturapparat verjagt. Sei-
nem Nachfolger übergibt er eine Berlinale, die trotz aller Erfolge existenzgefährdet KYOCERA Document Solutions Deutschland GmbH
ist. Warum, schildern Meier und Freisinger ab Seite 100. Infoline 0800 187 187 7
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Herzlichst Ihr KYOCERA Document Solutions Inc.


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F E B R U A R 2 0 18 manager magazin 3
BÄR UND SCHNECKE
Haribos neuer Patriarch ver-
INHALT 2/2018 wirrt seine Topleute Seite 52

TITEL UNTERNEHMEN

22 LIDL Nach Jahren großer 30 PORTRÄT Jim Hagemann Snabe


  rfolge entzaubert sich 
e wird der neue aufsichtsrats-
der Discountdominator selbst.  chef von Siemens. Kann der 
Die Markteinführung in  nette Däne dem forschen
den uSa geriet zur Katastro- CeO Kaeser Paroli bieten?
phe, und in Deutschland
34 EDF Der Staatskonzern soll für
 verliert man Marktanteile.
Frankreich die energiewende
28 einleiten. Doch dazu ist er
NAMEN UND NACHRICHTEN
längst zu schwach.
39 ACHTEN SIE AUF ... ex-red-bull-
8 DEUTSCHE BANK aufsichtsrats- Manager Hans P. Vriens, 
chef Paul achleitner droht der einen Schlaftrunk (sic!)
 erneut juristischer Ärger. groß machen will.
10 WARSTEINER Zwei Frauen sollen 40 BMW CeO Harald Krüger 
nun die biermarke retten. sagt Mercedes und seinen
internen Kritikern im 
11 CONTINENTAL aufsichtsratschef
reitzle will noch 2018 eine
Tochter an die börse bringen.
40
Antriebsstark: „Ich kann 46
Interview den Kampf an.
FÜHRUNGSZEUGNIS Thomas 
auch hart und konsequent Sattelberger sehnt sich nach
12 RWE CeO Schmitz über 
sein“, sagt BMW-Boss Visionären in der effizienz -
den rauswurf von Innogy- Harald Krüger getriebenen republik.
Chef Terium.
48 ERGO aufräumer Markus rieß
14 AIR BERLIN Der Insolvenz -
verwalter will gegen  22
Klum-Risiko:
muss bei dem Versicherer 
mit rückschlägen kämpfen.
alteigner etihad klagen. Die Kollektion
des Models 52 HARIBO Dem neuen Patriarchen
15 STEINHOFF Commerzbank-CeO
kam bei Hans Guido riegel laufen 
Martin Zielke muss um ein
FOTOS: PR, JULIAN BAUMANN FÜR MANAGER MAGAZIN, SLAVEN VLASIC / GETTY IMAGES, MAGNUS MØLLER / DANAPRESS

den Kunden die Führungskräfte weg.


Großdarlehen bangen. nicht an
58 BERND SCHEIFELE Leise, aber 
15 AUSSTEIGER Trucker Marc 
bestimmt hat der Heidelberg-
Llistosella verlässt Daimler.
Cement-Chef den Merckle-
16 FABER-CASTELL Das Stiftege- Clan wieder reich gemacht.
schäft läuft nicht wie erhofft. ein Porträt.
18 HOME24 Oliver Samwer  62 ZF FRIEDRICHSHAFEN Wie CeO
drängt den Möbel versender  Stefan Sommer an einem

19
an die börse.
BOGNER Das Modehaus 
30
Siemens’ neuer
Provinz politiker scheiterte.
ein bodensee-Drama 
Steuermann: mit vielen Verlierern.
hat seine beiden kundigsten  Chefkontrol-
aufsichtsräte verloren. leur Jim Hage-
mann Snabe
20 FRESENIUS CeO Stephan 
Sturm hat sich in den uSa
verkauft.
21 DIE ÖKONOMIE DER ... Kreativ-
cluster.

4 manager magazin F e b r u a r   2 0 18
Titelthemen sind blau hervorgehoben
GIBT UNS DIE KUGEL
Italiens Wirtschaft wird
zum Risiko für die Euro-
Zone Seite 80

107 AUSFAHRT ... mit dem Coupé

100
TRENDS
der Mercedes-E-Klasse.
Nichts hält ewig: 108 CHINA Die Konzernzentralen
68 UNTERNEHMENSBERATER In ihrer Die Berlinale der Techgiganten schaffen
wankt in
Digitalisierungsnot fallen die Netflix-Ära für ihre Beschäftigten wahre
Topmanager zunehmend auf Arbeiterparadiese.
Scharlatane herein.
116 WERTESYSTEM Ein Jojo aus
78 BUSINESS REBEL Tom Segert baut Silber, ein Schirm, der nicht
in Berlin Billigflieger fürs All. nach Warmduscher aussieht,
und ein Schubladentower.
80 KONJUNKTUR Der weltweite
Boom kaschiert, wie schlimm 117 STYLE-COUNCIL Topauktionator
es um Italien steht. Heinrich Graf von Spreti über
sein Small-Talk-Einmaleins.
84 MANAGEMENT Frust statt Auf-
bruch – warum Diversity zur 117 DRESSCODE Pyjamas sind
hohlen Phrase verkümmert. wieder richtig fresh.
87 Interview: Arbeitsrechtler 118 EINE NACHT IM ... schon sehr
Jobst-Hubertus Bauer hält erholsamen „Huus“ in Gstaad.
die Chancen für Frauen
118 IM TRAININGSLAGER MIT ... Triva-
inzwischen für ausreichend.
gos Finanzchef Axel Hefer.
88 BREXIT Deutschen Superrei-
119 WIRTSCHAFTSBUCH David Igna-
chen wie den Henkels droht
tius’ Supermachtkrimi
ein saftiger Steuerbescheid.
„The Quantum Spy“.
90 MAGISCHES VIERECK Henrik
Müller schlägt ein Gegenkon- RUBRIKEN
zept zur US-Steuerreform vor.

PORTFOLIO 3 Editorial
6 Firmen- und Personenregister
92 ATOMFONDS Die Stiftung muss 119 Bestseller

FOTOS: ALAMY / MAURITIUS IMAGES, GISELA SCHOBER / GETTY IMAGES, GÖTZ SCHLESER FÜR MANAGER MAGAZIN, PR
die Milliarden für die Altlasten
120 Impressum
der Kernenergie mehren –
mit ökologisch korrekten und
renditestarken Investments.
92
Vorbild für den deut-
122 WAS MACHT EIGENTLICH ...
Vodafones Ex-Deutschland-
Das dürfte schwer werden. schen Privatanleger? Chef Jens Schulte-Bockum?
Atomfonds-Chefin
98 GELDANLAGE FÜR HEDONISTEN ... Anja Mikus
Uhren der Marke Omega. D A S D I G I TA L E H E F T manager magazin

68
können Sie auch auf jedem beliebigen
98 ... UND FÜR KOPFMENSCHEN Endgerät lesen: optimiert für iPad,
Die Aktie von MercadoLibre, iPhone, Android, Windows und Kindle
Digitalcowboy:
Fire sowie als Web-App für PC/Mac.
dem Ebay Lateinamerikas. Daimler-Chef
Weitere Informationen:
Dieter Zetsche
www.manager-magazin.de/digital
LEBEN

100 BERLINALE Deutschlands


Glamourevent Nummer eins
geht einer unsicheren Zukunft
entgegen – nicht nur wegen
des Zoffs um seinen Chef.

F E B R U A R 2 0 18 manager magazin 5
Titelthemen sind blau hervorgehoben
REGISTER
FIRMEN H S Böhning, Björn 106 J R
Haldex 65 Salesforce 87 Bohr, Bernd 66 Jablonski, Hans 85 Reinhart, Ariane 85
Haniel 89 Schaeffler 11, 15 Borchers, Peter 76 Jahns, Christopher 72 Reithofer, Norbert 42
Hanson 60 Schmitz Cargobull 77 Bornschein, Christoph 77 Jasperneite, Christian 97 Reitzle, Wolfgang 11, 61
Haribo Holding 53 Schwarz-Gruppe 24 Boudih, Mohamed 54 Joussen, Fritz 85, 122 Renzi, Matteo 80
A HeidelbergCement 59 Senvion 15 Brand, Andreas 63 Riegel, Hans 53
A. P. Møller-Maersk 32 HelloFresh 18 Siemens 31 Brandt, Werner 31 K Riegel, Hans Guido 52
Accenture 74 Henkel 89 SinnerSchrader 71 Buberl, Thomas 87 Kaeser, Joe 31 Riegel, Hans-Jürgen 53
Air Berlin 14, 80 HNA 8 Steag 13 Buffett, Warren 53 Kaudewitz, Patrick 27 Riegel, Paul 53
Akorn 20 Home24 18 Steinhoff 95 Kawasaki, Guy 70 Rieß, Markus 49
Aldi Süd 25 Huawei 112 Storck 56 C Kebekus, Frank 14 Rissenbeek, Mariette 106
Alibaba 108 Sustainalytics 95 Cama, Alessandra 10 Keese, Christoph 72 Rogger, Daniel 17
Alitalia 80 I Chrzanowski, Gerd 29 Kehlen, Jörg 56 Rohé, Benjamin 71
Allianz 15, 71 Innogy 12 T Colao, Vittorio 122 Kern, Andreas 61 Rosenfeld, Klaus 15
Amazon 74, 98, 112 Intech 97 Telefónica 74 Cordes, Christoph 18 Kern, Julia 29
Apple 42, 70, 87, 112 Intel 96 Tencent 108
Cramer, Catharina 10 Kirchdörfer, Rainer 89 S
Aptiv 11 Intesa 83 Tesla 42 Samwer, Oliver 18, 74
Cromme, Gerhard 31 Klaus, Manfred 74
Italcementi 60 Thyssengas 38 Sauer, Konstantin 66
Areva 36 Kleinfeld, Klaus 59
ThyssenKrupp 77 Schaeffler, Georg 11, 15
Auto1 74
Torben, Lucie D Klitschko, Wladimir 71
Axa 87 J und die gelbe Gefahr 77 Daum, Martin 15 Klum, Heidi 27
Schaeffler,
Maria-Elisabeth 11
Axel Springer 72, 84 J.P. Morgan 11 Degenhart, Elmar 11, 85 Koç, Hakan 18
TRW 64 Scheer, Nina 97
Tui 85 Del Vecchio, Leonardo 83 Koch, Lennart 77 Scheifele, Bernd 59
B K Depkat, Andrea 53 Koch, Olaf 72 Schinnenburg,
Baidu 111 Kaufland 24 U Dippold, Thomas 17 Kohl, Wolfgang 56 Stephan 50
Bain 76 KfW 14 UniCredit 83 Döpfner, Mathias 72, 84 Köhler, Melanie 29 Schlatter, Martin 56
Kinnevik 18 Uniper 13 Draghi, Mario 80 Kohlhaussen, Schmidheiny, Thomas 61
BASF 61
Kirkland & Ellis 14 Ducker, Peter 20 Christoph 17 Schmitz, Rolf Martin 12
Bayer 71
BCG 74
Klitschko Ventures 71 V Kohlhaussen, Martin 17 Schneider, Reinhard 53
Benteler International 89
KPMG 14 Valeant 95 E Königs, Anita 53 Scholich, Martin 74
Vodafone 122 Eller, Elke 85 Korbmacher, Martin 95 Schönfeld, Jens 89
BMW 41
BrainNet 72
L Volkswagen 43, 74, 85 Esculier, Jacques 65 Koslowski, Thilo 76 Schrader, Matthias 71
Lafarge Holcim 59 Kosslick, Dieter 102 Schrempp, Jürgen 15
Lidl 24 W F Kreibohm, Philipp 18 Schrempp, Wolfgang 15
C Lieferando 84 Wabco 64 Krüger, Harald 40 Schulte-Bockum,
Cemex 61 Faber-Castell,
Lufthansa 77 Walmart 25 Charles Graf von 16 Kucz, Dariusz 56 Jens 122
Coca-Cola 54 Luxottica 83 Warsteiner 10 Kushner, Jared 8 Schütz, Alexander 8
Coles 28 Faber-Castell,
Werhahn 89 Schwarz, Dieter 25
Katharina Gräfin von 17
Comdirect 74 M Wermuth
Faber-Castell, L Seeger, Christiane 29
Commerzbank 74 M. M. Warburg 97 Asset Management 95 Lafont, Bruno 61 Seidel, Sven 24
Conti 11, 85 Woolworths 28 Mary Gräfin von 16
Mazda 42 Lehmann, Dieter 96 Serafinelli, Michel 21
Core 76 Fischer, Daniel 89
McKinsey 74, 82, 85 Lehmann, Frank 27 Shuter, Rob 122
Court Square Capital 16 MercadoLibre 98 X Fischer, Schekib 86
Lévy, Jean-Bernard 36 Siemens, Nathalie von 77
Xiaomi 112 Flöther, Lucas 14 Smith, Christie 87
Ctrip 109 Merck 89 Liegl, Alexander 19
Freitag, Karl-Walter 8 Snabe, Jim Hagemann 31
Metro 72 Lindener, Christian 76
D Microsoft 87 Y Frémaux, Thierry 105
Llistosella, Marc 15 Sommer, Stefan 63
Daimler 11, 15, 41, 70 Mobileye 96 Yoox 83 Friedrich, Holger 76 Starz, Thomas 54
Fröhlich, Babette 85
Danone 56 Monte dei Paschi 83 M Stockhorst, Peter 50
Deininger 17 MSCI 95 Z Fröhlich, Klaus 44
Ma, Jack 110 Strähle, Andreas 29
Delivery Hero 76 MTN 122 ZF Friedrichshafen 63 Macron, Emmanuel 13, 35 Stuber, Michael 85
Deloitte 71, 87 Münchener Rück 49 G Mähler, Robert 56 Sturm, Stephan 20
Gabriel, Sigmar 77 Suckale, Margret 61
Delphi 11 Marasch, Daniel 25
Deutsche Bank 8 N Gauthier, Daniel 61
Marchetti, Federico 83 Sun, Jane Jie 113
Nahrung-Genuss- Gehrig, Klaus 24 Swensen, David 96
Diebold Nixdorf 16 Marchionne, Sergio 82
Gaststätten 54 Geißinger, Jürgen 15 Mattes, Andy 16
Dr. Hans Riegel
NBBJ 113 Gentiloni, Paolo 83 McDermott, Bill 32
T
Holding 53
Niki 14 PERSONEN Gerber, Christoph 84 Tabellini, Guido 21
DriveNow 43 Megid, Alexandra 54
Gluskie, Kevin 61 Tank, Andreas 56
Meissner, Wolfgang 97
Terium, Peter 12
E O Greenfield, Gary G. 16 Merckle, Adolf 59 Teyssen, Johannes 13
Omega 98 Gregory, Robert 71 Merckle, Ludwig 59
Egon Zehnder 87
Omnicom 77 A Grütters, Monika 102 Merckle, Tobias 60
Tietmeyer, Hans 97
Electricité de France 34 Achleitner, Paul 8 Günther, Bernhard 12
Onesquare 14
EnBW 13
Osram 85 Achten, Dominik von 60 Gurdal, Hakan 61
Merkel, Angela 122 V
Eon 13, 77 Michel, Martina 85 Vögl, Juliane 19
Otto 26 Al Sayegh, Ahmed Ali 14 Gutgeld, Yoram 82
Ergo 49, 86 Mikus, Anja 94
Alfter, Marco 53
Essilor 83 Altman, Sam 21 H
Moftakhar, Victor 97 W
Etihad 14, 80
P Andersson, Mats 95
Morrish, Jon 61 Waigel, Theo 96
Paydirekt 76 Haas, Jörg 70 Morrissey, Helena 86
Evonik 96 Appelhoff, Marc 18 Hadid, Zaha 113 Warburton, Max 42
PayPal 76 Moskovitz, Dustin 71 Weber, Jürgen 19
EY 85 Aranda, Michael 26 Hambrecht, Jürgen 61
Pfeifer & Langen 89 Mueller, Robert 8 Wenning, Joachim 49
Arndt, Hans 53 Heckmann,
Phillips 98
F Fritz-Jürgen 61 N
Wermuth, Jochen 95
Faber-Castell 16
Phoenix 59 B Heitmüller, Elke 85
Wiender, Berenike 95
PlanNet 74 Bandmann, Anthony 74 Näger, Lorenz 60 Winterkorn, Martin 43
Facebook 71, 95, 112 Porsche 44, 76 Henkel, Christoph 89 Neumann,
Ferrara 56 Bartsch, Elga 95 Wirth, Alexander 19
Porsche Consulting 26 Baumann, Werner 71 Henzler, Herbert 19 Karl-Thomas 66 Wundrack, Carsten 87
Ferrari 82 Postbank 10 Herbig, Michael 56 Niehuus, Kirsten 106
Baumgärtner, Andreas 19
Ferrero 56 PwC 72 Behr, Giorgio 64 Herdan, Thorsten 97 X
FiatChrysler 80
Benteler, Hubertus 89 Hiesinger, Heinrich 77 O Xi, Jinping 42
Foodora 76 Q Berg, Achim 72 Hloch, Stefan 96 Oletzky, Torsten 49
Foxconn 112 Quirónsalud 20 Berlusconi, Silvio 80 Hofmann, Markus 50 Otto, Jürgen 66 Z
Fresenius 20 Bernhard, Wolfgang 15 Hogan, James 14 Zetsche, Dieter 11, 70
Freudenberg 89 R Bischof, Anna-Maria 53 Hojer, Jesper 26 P Zettelmeyer, Jeromin 83
Fuso 15 Ratiopharm 61 Bischoff, Manfred 15 Hopfen, Donata 84 Paefgen, Franz-Josef 66 Zhengfei, Ren 112
RepRisk 95 Blanchard, Olivier 83 Horten, Heidi 89 Paleari, Stefano 83 Zielke, Martin 74
G Rocket Internet 18 Blume, Oliver 76 Hötzel, Martin 10 Phiesel, Michael 56 Zimmerer, Maximilian 95
Gleiss Lutz 59 RWE 12 Bock, Kurt 61 Hoven, Roland 89 Proctor, Brendan 25 Zingales, Luigi 82
Google 70, 112 Ryanair 95 Bogner, Willy 19 Hucke, Veronika 85 Prophet, Tony 87 Zipse, Oliver 44

6 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
Flexibel handeln –
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NAMEN UND NACHRICHTEN

Hirt und dem Münchener Anwalt


Clemens Hüber speziell zum
Auswahlverfahren von Schütz und
Simon hatte Achleitner versichert,

Frontalangriff
der Nomi nierungsprozess sei „aus-
gesprochen professionell“ gewesen.
„Externe Experten, Headhunter,
Executive Searcher“ hätten „unter-
DEUTSCHE BANKChefkontrolleur Achleitner droht schiedliche Kandidaten“ beurteilt.
Die Kontrolleure hätten „mit einer
Ärger durch US-Ermittler und Sonderprüfungen. ganzen Reihe von Kandidaten“ Ge-
spräche geführt, bevor man sich „auf
eine Kandidatenliste geeinigt“ habe.
So steht es im HV-Protokoll vom 18.
Mai 2017.

W
Ende Dezember machte das In-
as haben ein deut- Kontrolleur Alexander Schütz (50) stitut indes einen Rückzieher. Im
scher Berufsqueng- könnte dabei eine zentrale Rolle Rahmen eines Anfechtungsverfah-
ler und der Schwie- spielen. Er ist das Mittel der Wahl für rens räumte Bank-Anwalt Hans-Ul-
gersohn des US- Freitag, um endlich an Achleitner rich Wilsing (Linklaters) ein, Ach-
Präsidenten gemeinsam? Auf den heranzukommen. Freitag arbeitet leitner habe zumindest im Fall des
ersten Blick: nichts. Auf den zweiten: sich schon lange am Chefaufseher China-Abgesandten Schütz die „Ein-
Paul Achleitner (61). ab. Doch bislang konnte er ihn nicht schaltung externer Experten, Head-
Kleinaktionär Karl-Walter Frei- ernsthaft gefährden. hunter oder Executive Searcher“
tag (63) und Jared Kushner (37) Jetzt bietet Achleitners hetero- lediglich als „allgemeines Element
wachsen sich zu einer Gefahr für den gen besetztes Gremium neuen An- der professionellen Durchführung
tapferen Österreicher an der Spitze lass. Dazu hat sich Freitag im De- des Nominierungsprozesses“ ange-
des größten deutschen Geldhauses zember 2017 über die Riebeck SORGENKIND führt, „ohne konkrete Bezugnahme
aus. Und zwar jeder auf seine Weise. Brauerei AG weitere 200 000 Aktien Die Posse um die auf Herrn Schütz“. Tatsächlich gab
Ernennung von
Reichlich zerknirscht lieferten der Deutschen Bank besorgt. Das Bank-Aufsichts-
es diese externen Prüfungen nicht.
Achleitners interne Detektive im Fall reicht, um eigene Gesuche auf die rat Alexander Die Vorgänge nähren den Ein-
von Immobilientycoon Kushner un- Tagesordnung der Hauptversamm- Schütz macht druck, die Chinesen könnten Ach-
längst einen Zwischenbericht bei der lung (HV) im Mai setzen zu lassen. Achleitner zu leitner als Gegenleistung für ihre Ka-
schaffen
Finanzaufsicht BaFin ab. Ergebnis Im Zentrum seiner Sonderprüfungs- pitalinjektion ihren Gewährsmann
ihrer Forschung: Es gibt Indizien, anträge stehen möglicherweise Schütz aufgedrückt haben. Die
dass Donald Trumps Schwiegersohn strafrechtsrelevante Falschaussagen Deutsche Bank bestreitet das.
oder ihm nahestehende Personen vom vergangenen Aktionärstreffen. Natürlich, erklärt deren Anwalt
oder Firmen bei ihren Geschäften Freitag glaubt genügend Anhalts- Wilsing, hätten die Chinesen mit
FOTOS: SVEN SIMON / IMAGO, ZUMA PRESS / IMAGO, BERND HARTUNG

verdächtiges Geld über die Deutsche punkte dafür zu haben, dass Achleit- ihren „schlussendlich 9,9 Prozent“
Bank gelenkt haben könnten. ner auf der HV 2017 die Anteilseig- die Wahl „einer Person ihres Ver-
Was die BaFin daraus macht, ist ner wissentlich über entscheidende trauens“ in den Aufsichtsrat an-
aber gar nicht mal die größte Sorge Details beim Auswahlprozess der SPÜRHUND gestrebt. Daher habe Schütz bei
der Deutschbanker. Sie fürchten Aufsichtsräte Alexander Schütz und US-Sonder- Achleitner nachgefragt, ob die Mög-
ermittler Robert
vielmehr den Lärm, den US-Sonder- Stefan Simon (48) getäuscht hat. Mueller könnte
lichkeit bestünde, „einen von C-
ermittler Robert Mueller (73) bei Schütz vertritt den skandalum- sich verdächtiger Quadrat/HNA benannten Kandida-
seiner Hatz auf Trump veranstalten witterten chinesischen Mischinves- Geschäfte mit ten“ vorzuschlagen – was dann
wird. Denn ihn werden die Informa- tor HNA (9,9 Prozent), seine Firma dem Trump-Clan praktischerweise auf Schütz hinaus-
annehmen
tionen wohl ebenfalls erreichen – ein C-Quadrat verwaltet deren Aktien, lief. Daraufhin habe sich der Nomi-
gigantisches Reputationsrisiko. Simon ist auf dem Ticket des Emi- nierungsausschuss des Aufsichtsrats
Achleitners andere große Sorge rats Katar (rund 9 Prozent). am 5. März und am 16. März 2017
ist in Frankfurt beheimatet, genauer: Auf kritische Fragen von Hermes- „umfassend mit Schütz als Kandida-
in seinem Aufsichtsrat. Vor allem Fondsmanager Hans-Christoph ten“ befasst. 2
8 manager magazin F E B R U A R 2 0 18
H O P P L A , WA S S O L L
DENN DAS?
Paul Achleitner
wird sich mit
neuen Vorwürfen
auseinander-
setzen müssen
NAMEN UND NACHRICHTEN DEUTS CHE BANK/WARSTEINER

Tatsächlich aber war HNA Mitte März,


die Entscheidung für Schütz war praktisch
gefallen, noch gar nicht zum 10-Prozent-
Aktionär aufgestiegen. Bis zum 15. März
hielten C-Quadrat/HNA lediglich 4,76 Pro-
zent des Deutsche-Bank-Kapitals. Erst
nach der Kapitalerhöhung kletterte der An-
teil auf 9,9 Prozent.
Auch der zweite Antrag auf Sonderprü-
fung richtet sich frontal gegen Achleitner.
Der Vorwurf hier: Die Deutsche Bank habe
in den Postbank-Prozessen seit 2011 wider
besseres Wissen bestritten, dass ausdrück-
liche oder stillschweigende Vereinbarun-
EIN HELLES, BITTE
gen zwischen ihr und der Deutschen Post Catharina
über die Ausübung von Stimmrechten (Ac- Cramer bei der
ting in Concert) beim Postbank-Erwerb be- Markenarbeit
standen. Aufgrund dieser Aussage hatten
das Landgericht und das Oberlandesge-
richt Köln Aktionärsklagen im sogenann-
ten Effecten-Spiegel-Prozess abgewiesen.
2016 waren dann entsprechende Stimm- Wohl bekomm’s
rechtsbindungen und Interessenschutz-
klauseln aus den Verträgen zwischen Bank WARSTEINER Brauereibesitzerin Catharina
und Post aufgetaucht. Die führten zuletzt Cramer setzt alles auf eine Karte.
zu einer Verurteilung der Deutschen Bank
(LG Köln Aktenzeichen 82 O 11/15) wegen

Ü
Acting in Concert und zu weiteren Scha- berraschend bekamen Dutzende Ob das reicht? Keine der großen Pils-
densersatzklagen über 800 Millionen Euro. Gastwirte in Hamburg und Berlin marken leidet so stark. Im Herbst leuchte-
Heikel für Achleitner: Die Kanzlei Bay- im vergangenen Frühjahr Besuch. ten die Berger-Consultants die Lage im
erLaw, die für Freitag arbeitet, wirft ihm Außendienstler von Warsteiner zogen, Pro- Sauerland aus. Ergebnis: Viel zu viele Leute
und seinem CEO John Cryan (57) vor, befläschchen in der Hand, von Theke zu und eine Bürokratie wie im Sozialismus;
dass sie nicht eingeschritten seien, als Theke. Sportliches Ziel der Kommandoak- immer noch laufen vierstellige Darlehen,
BayerLaw sie auf die geheim gehaltenen tion: der Verkauf von 300 Hektolitern Pils. mit denen der Brauer Gastronomen an sich
Vereinbarungen aufmerksam machte. Nur ein Zehntel davon schlug die Drü- bindet, über den Geschäftsführertisch.
Sollte sich auf der HV keine Mehrheit ckerkolonne von Warsteiner-Eignerin Ca- Camas erster großer Auftritt wird daher
für die Anträge finden, will Freitag sein An- tharina Cramer (39) am Ende im Februar die Bekanntgabe von
liegen vor Gericht durchsetzen. Die Bank los. Wieder floppte ein Versuch, herben Einschnitten sein. An die
freilich sieht „für den Vorwurf eines Falsch- die einstige „Königin unter den hundert Jobs könnten gestrichen
vortrags weiterhin keine Grundlage“. Bieren“ unters Volk zu bringen. werden. Bitter für die schollen-
Im Fall Kushner dagegen wird intern Bier lässt sich eben nicht so treue Cramer, die jüngst beim
weiter ermittelt. Die diversen IT-Systeme verkaufen wie ein Energydrink. Weihnachtssingen in Warsteins
der Bank machen es mühsam. Achleitner Darauf hatte Cramer aber ge- „Domschänke“ tapfer mittat.
fehlt schlicht noch der komplette Über- setzt, als sie vor drei Jahren DIE NÄCHSTE, Verkaufen? Nein! Sie setzt al-
B I T T E Alessan-
blick. 1 Sven Clausen/Thomas Werres Ex-Red-Bull-Deutschland-Chef dra Cama soll les aufs Bier. Ihre Hotelkette hat
Martin Hötzel (51) zum starken die Marke retten sie an einen Finanzinvestor ab-
Mann von Warsteiner promotet gestoßen, Liebhabereien wie eine
D I E PA UL-K U RVE hatte. Der modernisierte für Millionen Pferdezucht aufgegeben. Noch gibt es Re-
Gewinnentwicklung der Deutschen Logo, Flaschen und Kästen und heuerte serven. Einen Kredit von US-Investoren
Bank in der Ära Achleitner, in Mrd. Euro Fußballtrainer Jürgen Klopp (50) als Wer- über knapp 90 Millionen Euro hat Warstei-
2,0 befigur an. ner größtenteils getilgt. Die liquiden Mittel
0 Trotzdem ging der Ausstoß seit 2014 um betragen 180 Millionen Euro, bei einem
-2,0
rund 14 Prozent zurück. Seit 2000 brach er Umsatz von knapp 500 Millionen Euro.
gar um mehr als die Hälfte ein. Für Getränke ist also noch eine Weile
-4,0 Auch weil Hötzels Ideen der Eignerin gesorgt. Und billig bleibt’s auch. Eine an-
-6,0 nicht immer genehm waren, mochte er gekündigte Preiserhöhung nahm Cramer
-8,0
seinen Vertrag nicht verlängern. Nun über- zurück, zu gefährlich im Jahr der Fußball-
FOTOS: XAMAX, PR

nimmt Alessandra Cama (50). Als Vor- WM. Nur wird so das Image der Marke wei-
2012 2013 2014 2015 2016 2017 stand beim Marktforscher GfK sammelte ter ramponiert. Genau das wollte Hötzel
die frühere Roland-Berger-Beraterin Erfah- vermeiden. Aber das ist nun nicht mehr
Quelle: Bloomberg Grafik: manager magazin
rung mit Krisenunternehmen. sein Bier. 1 Christoph Neßhöver
10 manager magazin F E B R U A R 2 0 18
CONTINENTAL NAMEN UND NACHRICHTEN

Es würden gegenwärtig Szenarien


durchgespielt, so das Unternehmen,

Reitzles Coup „mit dem Ziel, unsere Organisation


noch flexibler auf die Herausforde-
rungen in der Automobilindustrie
CONTINENTAL Der Zulieferer will Töchter an die auszurichten“. Die Sache sei aber
Börse bringen. Noch 2018 soll es losgehen. noch im frühen Analysestadium.
Das stimmt und ist zugleich nur
die halbe Wahrheit. Der Vorstand

P
lus 11 Prozent an der Börse! die Börse bringen. Insbesondere hat tatsächlich noch keinen finalen
Am ersten Tag! Der US-Zu- Aufsichtsratschef Reitzle, beraten Beschluss gefasst. Auch der Auf-
lieferer Delphi verkündete von J.P. Morgan, drängt zur Eile. Delphi sichtsrat ist nicht komplett einge-
im Mai 2017 seine Aufspaltung in Noch 2018 soll, wenn alle Beteiligten erzielte bunden. Doch der Kurs ist klar.
alte und neue Autowelt. Und beim zustimmen, die erste Sparte Aktien Reitzle hat Vorstandschef Degenhart
Konkurrenten Continental in Han- verkaufen. Contis Strategen wollen 40 Pro- auf seiner Seite, und um die Zustim-
nover staunten sie. mindestens 25 Prozent der Anteile zent mung von Großaktionär Schaeffler
Wenige Monate zuvor hatte die abgeben, jedenfalls anfangs aber die Wertstei- muss niemand bangen. Der Chef-
Conti-Spitze mit der Delphi-Füh- Mehrheit behalten. kontrolleur berät die Schaefflers,
rung verhandelt. Die Rivalen wollten New Conti, so das favorisierte gerung. und in der Regel hören Maria-Eli-
ihr Motorengeschäft fusionieren, an Szenario, bestünde aus drei Teilen Das macht sabeth (76) und ihr Sohn Georg
die Börse bringen und gemeinsam (siehe Grafik): gierig. (53) auf Reitzle.
daran verdienen. So lange, bis der  der Rubber Group, geteilt in die Die Franken hatten schon
Elektroantrieb Benziner und Diesel Bereiche Reifen und Contitech; 2008/09 auf den Verkauf der Rubber
verdrängt. 20 Jahre Restlaufzeit wä-  der Sparte Powertrain, heute ein Group gedrängt. Woraus nichts wur-
ren mindestens geblieben, so die Teil der Automotive Group; sie ent- de. Immerhin trennte Conti das
Prognose der Strategen. hält alles, was nach Benzin und Die- Gummigeschäft damals organisato-
Doch am Ende sagten Vorstands- sel riecht – und sogar ein bisschen risch vom Rest des Konzerns, und
chef Elmar Degenhart (58) und Elektromobilität; dieser Carve-out hilft heute. Die
sein Aufsichtsratsvorsitzender Wolf-  dem technologisch interessantes- Sparte ist als separate Gesellschaft
gang Reitzle (68) den US-Kollegen ten Bereich, den Einheiten Interior organisiert, die Continental AG als
ab. Sie fürchteten, die Aktionäre sowie Chassis & Safety inklusive al- Holding: eine perfekte Struktur für
könnten sie abstrafen. lem, was mit autonomem Fahren, schnelle Börsengänge.
Inzwischen ist aller Kleinmut neuen Mobilitätsdiensten und Info- Daimler, ebenfalls beschäftigt mit
verflogen. Man will die Hochstim- tainment zu tun hat. dem Umbau der Organisation, muss
mung an den Finanzmärkten nut- Die beiden ersten Sparten wären die Holdingstruktur langwierig
zen, sich neu aufstellen und Töchter auch die ersten Börsenkandidaten. vorbereiten und von der Hauptver-
sammlung absegnen lassen. Im
D R Ä N G T Z U R E I L E Aufsichts- Frühjahr 2019 soll es so weit sein.
ratschef Wolfgang Reitzle C ON T I H O CH D R EI
Die mögliche neue Struktur des Zulieferers1
Bei Conti ist ein Sprint möglich.
Zumal die Zahlen stimmen. CEO
F REIE IHO HO L DING Degenhart hat gerade Rekorde ge-
AKTIONÄRE (Schaeffler) meldet: 44 Milliarden Euro Umsatz,
10,8 Prozent operative Rendite.
54 % 46 % Noch sind sie nicht so weit in
C O NTI AG Hannover. Die genaue Struktur ist
44 Mrd. Euro Umsatz,
4,75 Mrd. Euro operatives Ergebnis noch nicht gefunden. Und das aus-
stehende Okay der Arbeitnehmer
Beim Börsengang einer Sparte würde Conti bezahlte Daimler-Chef Dieter Zet-
zwischen 25 und 75 Prozent platzieren. sche (64) jüngst mit rekordverdäch-
tigen zwölf Jahren Beschäftigungs-
1. New Auto
Interior und Chassis & Safety garantie.
18,8 Mrd. Euro Umsatz Die Gespräche und Vorbereitun-
FOTO: SVEN HOPPE / DPA / PICTURE-ALLIANCE

gen laufen. Zumal die Entwicklung


2. Old Auto
Powertrain in Detroit gierig macht. Delphi Tech-
7,7 Mrd. Euro Umsatz nologies und die Schwester Aptiv
3. Conti Rubber
sind heute, addiert, 29,6 Milliarden
Reifen und Contitech Dollar wert. Vor Bekanntgabe des
17,5 Mrd. Euro Umsatz
Splits waren es 21 Milliarden; ein
1 | Ergebnisse: 2017, zum Teil Prognosen. Quelle: Unter-
Plus von 40 Prozent. Bei Conti ent-
nehmen, mm-Recherche Grafik: manager magazin spräche das einem Wertzuwachs um
19 Milliarden Euro. 1 Michael Freitag
F E B R U A R 2 0 18 manager magazin 11
NAMEN UND NACHRICHTEN RW E

„Leider ist etwas


schiefgegangen“
RWE Chef Rolf Martin Schmitz
über den Rauswurf von
Peter Terium, den Kohleaus-
stieg und mögliche Zukäufe.

WECHSELSPIEL
Schmitz (60)
verlor 2012 den
Kampf gegen
Terium um den
RWE-Chefpos-
ten. Im Oktober
2016 kehrten
sich die Verhält-
nisse um.
Schmitz stieg
zum CEO von
RWE auf, Eigen-
tümer der von
Terium geleite-
ten Ökostrom-
tochter Innogy.

MM Herr Schmitz, Ende Dezember wur- Die Kapitalmarktreaktion hat auch uns Marketing, aber kein tragfähiges Ge-
de Peter Terium, Chef der RWE-Betei- überrascht. Die einzige Möglichkeit, als Ak- schäftsmodell. Diese Defizite hätten Sie
ligung Innogy, spektakulär geschasst. tionär darauf zu reagieren, war der Appell schon eher reklamieren müssen.
Warum dieser abrupte Abgang? an den Vorstand, Kosten- und Investitions- Aus dem RWE-Vorstand kam solche Kritik
ROLF MARTIN SCHMITZ Nach einer Innogy- disziplin zu wahren. Das haben wir in ei- definitiv nicht. Im Marketing muss man
Aufsichtsratssitzung gab es eine Ad-hoc- nem Brief angemahnt. den Druck hochhalten, sonst verpufft der
Meldung: Das Ergebnis für 2017 wird um Wie hat Terium auf den Brief reagiert? Effekt. Innogy hat sich sehr schnell als Mar-
rund 100 Millionen Euro verfehlt, die Er- Wir haben keine Antwort erwartet, nur un- ke positioniert, das kostet nun mal Geld.
wartung für 2018 um rund 200 Millionen. sere Haltung zum Ausdruck gebracht. Da- Ich halte die Strategie nicht für falsch. Man
In den darauffolgenden Tagen rutschten mit war es getan. Alles andere ist Sache des muss nur beides tun: strenge Kostendiszip-
die Aktienkurse von Innogy und RWE dra- Innogy-Aufsichtsrats. lin im Stammgeschäft wahren, um dort ge-
matisch ab. Das stand nicht mehr in Ein- Angeblich hat Innogy 300 Millionen nug Geld zu erwirtschaften für Neues.
klang mit den Zahlen. Die Verfehlungen Euro pro Jahr allein für Start-ups, Bera- Wie lange zieht sich die Suche nach ei-
sind nicht so groß, dass man daraus einen ter und Werbung ausgegeben. Stimmt nem Terium-Nachfolger noch hin?
Verlust von in der Spitze 4 Milliarden Euro die Zahl? Ich gehe davon aus, dass der neue Innogy-
Börsenwert für Innogy und noch einmal Das weiß ich nicht. Innogy ist laut Grund- Aufsichtsratschef einen Personalberater
rund 2,5 Milliarden für RWE hätte ableiten lagenvereinbarung eine reine Finanzbetei- beauftragt. Die Nachfolgesuche kann also
können. Der Kapitalmarkt hat in einer Art ligung. Wir nehmen keinerlei Einfluss auf noch mehrere Wochen dauern.
und Weise reagiert, die einen großen Ver- das operative Geschäft. Und das wird auch Nicht nur Innogy macht derzeit Ärger,
trauensverlust zeigt. so bleiben. auch mit der Politik müssen Sie sich
Haben sich Aktionäre bei Ihnen be- Peter Terium soll, so wird kolportiert, auseinandersetzen. Die Energiepläne
schwert? teure Dienstreisen unternommen ha- von Union und SPD sehen den Abschied
Nein, aber es gab entsprechende Analys- ben; Geschäftspartner hätten ihn vom Klimaziel 2020 vor. Und die Details
tenkommentare. Der Tenor war einhellig: zu Events eingeladen. Sind derlei Com- des Kohleausstiegs soll eine Kommis-
Wenn das Ergebnis einbricht, kann ich pliance-Fragen an Sie herangetragen sion bis Ende 2018 festlegen. Zufrieden?
FOTO: BLOOMBERG / GETTY IMAGES

nicht eine Wachstumsoffensive starten und worden? Jetzt muss man erst mal abwarten, was die
Geld ausgeben, ohne zugleich ein Kosten- Compliance-Fragen gehören zu den weni- Parteien entscheiden. In dem, was da auf-
senkungsprogramm anzukündigen. gen Innogy-Themen, die in der Tat im geschrieben wurde, steckt mehr Realismus
Wie konnte es zu dieser Fehleinschät- RWE-Aufsichtsrat besprochen werden als bei Jamaika. Die Runde hatte sich da-
zung kommen? Terium, ein gelernter müssten. Das war nicht der Fall. mals festgebissen an Gigawattzahlen: Wie
Controller, und Innogy-CFO Bernhard Kritik an der Geschäftspolitik von In- viele Kohlekraftwerke sollen möglichst
Günther sind ja keine Anfänger. nogy gab es schon länger. Motto: viel schnell vom Netz? Das will man nun offen-
12 manager magazin F E B R U A R 2 0 18
RW E NAMEN UND NACHRICHTEN

bar elegant lösen. Wenn die Kom- MASSE Seiten einer Medaille. Wir sind das Wie oft haben die Kommunen Sie
mission vertrauensvoll und vertrau- Wie wichtig Sicherheitsnetz für die Energiewen- schon gebeten, die Essener Steag
lich arbeitet, hat sie eine Chance, die Innogy für den de, und das noch viele Jahre lang. zu übernehmen? Der Steinkohle-
RWE-Konzern ist,
Diskussion zu befrieden. Gewinne in RWE gilt vielen als Klimakiller verstromer tut sich schwer, eine
Ein Fonds soll den Strukturwan- Millionen Euro1 Nummer eins. Dividende zu erwirtschaften.
del in den Bergbauregionen abfe- Wir haben einen klaren Fahrplan für Ich kenne die internen Zahlen nicht,
dern, finanziert aus Bundesmit- 3075 Innogy2 die Braunkohle, über den wir unse- habe aber gehört, dass einige Kom-
teln. Warum beteiligen sich die ren CO₂-Ausstoß allein bis 2030 um munen verkaufsbereit sein sollen.
Unternehmen nicht? bis zu 50 Prozent reduzieren. Zeigen Und, interessiert?
Das ist nicht unsere Aufgabe. Ich ha- Sie mir mal den Autohersteller, der Mehr als die Hälfte der Steag-Kraft-
be zwar auch eine Verantwortung für das von sich behaupten kann! werke in Deutschland gehen dem-
die Region, in der wir arbeiten. Aber Sie wollen nicht nur abschalten, nächst in den Ruhestand oder sind
meine Priorität ist es, den Mitarbei- sondern auch Kraftwerke kaufen, schon stillgelegt. Im Ausland gibt es
tern eine Zukunft zu sichern. Wir ha- den Markt konsolidieren … noch Kraftwerke, auf den Philippi-
ben schon rund 2,4 Milliarden Euro Braunkohle/ Sie kennen meinen Standardspruch: nen etwa. Nicht unser Kernmarkt,
vornehmlich für die Rekultivierung Kernenergie Wir schließen keine Option aus. das passt nicht zu uns.
551 Steinkohle/
des Tagebaus zurückgestellt. Gas Ich nenne mal einige. Haben Sie Was wollen Sie mit dem Innogy-
Das wird wohl kaum reichen. 324 Energie- Gespräche mit Eon geführt we- Anteil von 77 Prozent machen?
201 handel
Ich kann unseren Wirtschaftsprü- gen einer Übernahme des Uniper- Der Kurs ist stark abgesackt. Es
fern jedenfalls nicht klarmachen, Pakets? ist ein Klumpenrisiko.
dass wir mehr zurücklegen sollten. BIG VOLT Wir haben uns Uniper sehr genau Wir haben keinen Handlungszwang,
Es gibt keinerlei Indizien dafür. Wer ist der angeschaut. Und dann entschied weil wir sauber finanziert sind. Rund
Europaweit stehen die Zeichen Schwerste im Eon, es an Fortum zu verkaufen. Das 1,5 Milliarden Euro stehen für Akqui-
Energieland?
derzeit auf einen zügigen Aus- Börsenwerte, hat mich überrascht. sitionen oder Neubauten zur Ver-
stieg aus der Kohle. Zum Beispiel in Mrd. Euro3 EnBW will seine Kohlekraftwer- fügung. Wir nehmen uns die nötige
in Frankreich … ke loswerden. Die stehen in Süd- Zeit, um eine wertmaximierende
Eon 19,7
… sehr lustig, die haben ja nur eine deutschland, dort, wo die Kapa- Lösung für Innogy zu finden. Wir
Handvoll Kohlekraftwerke. Innogy 18,5 zität gering ist, die Nachfrage sehen das äußerst gelassen.
Staatspräsident Macron fordert aber hoch. Wäre das was für Sie? Gab es Streit um die Frage des
höhere CO₂-Preise; die Rede ist RWE 10,8 Wir schauen uns jeden Standort an: Innogy-Verkaufs? Wollte Terium
von 30 bis 35 Euro pro Tonne, das Uniper
Was passt in unser Portfolio? Derzeit lieber an die Börse, statt an einen
9,3
wäre das Vierfache von heute. sind es eher Gaskraftwerke. Die sind neuen Großaktionär weiterge-
Eon-Chef Teyssen denkt über günstiger zu bauen. Für die Netzsta- reicht zu werden?
1 | Vor Zinsen, Steuern,
ähnliche Beträge nach. Leiden Abschreibungen (Ebitda), bilitätsreserve planen wir an unse- Nein. Wir haben offen darüber ge-
1. bis 3. Quartal 2017;
müssten darunter vor allem RWE 2 | RWE-Finanz- rem Kernenergiestandort Gundrem- redet, dass wir den Innogy-Anteil ir-
beteiligung (77 %);
und die Braunkohle. Wie wollen 3 | Stand: 10. Januar. mingen ein Kraftwerk mit mehr als gendwann einmal verringern könn-
Quelle: Unternehmen,
Sie dagegen ankämpfen? Bloomberg 600 Megawatt. Wir gehen da ganz ten, das war ihm von Anfang an klar.
Der Kohleausstieg ist doch längst Grafik: mm offensiv ran. Peter sagte immer, ich muss dir so
fest programmiert. Die EU hat gera- viel Gewinn liefern, dass du gar nicht
de beschlossen, die CO₂-Mengen M S E X I T Innogy- auf die Idee kommst, mich loszuwer-
durch das Emissionshandelssystem Kapitän Peter den. Das war sein Antrieb.
Terium musste
weiter zu verknappen. Manchen abheuern
Sie waren 2012 lange Zeit mit im
geht das zu langsam. Ich kann ja ver- Rennen um den Posten des RWE-
stehen, dass der eine oder andere Vorstandsvorsitzenden. Damals
aus opportunistischen Gründen für haben sich die Verantwortlichen
einen hohen CO₂-Preis plädiert, weil für Terium entschieden. Empfin-
er sich Vorteile davon verspricht. den Sie heute eine gewisse Ge-
Aber gesamtwirtschaftlich wäre das nugtuung?
eine Katastrophe. Ausdrücklich: nein. Peter und ich
Eon hat den Aufruf von 51 Un- hatten über die Jahre ein sehr ver-
ternehmen und Verbänden zum trauensvolles Verhältnis, und zwar
Kohleausstieg mitunterzeichnet. bis heute, das will ich ganz deutlich
Wie kam das bei Ihnen an? sagen. Wir waren über Weihnachten
Eon hat keine fossilen Kraftwerke auch schon wieder in Kontakt. Lei-
mehr, die sind alle bei der abgespal- der ist etwas schiefgegangen, und
tenen Uniper. Da ist es leicht, höhere der Aufsichtsrat hat gehandelt. Das
FOTO: BERND THISSEN / DPA

CO₂-Preise zu fordern. Meine Emp- hat aber in keiner Weise mit ihm und
fehlung: mal an die Kunden denken. mir zu tun. 1
Peter Terium und ich waren uns im-
mer einig: Wind und Sonne sowie Das Interview führte mm-Redakteur
konventionelle Erzeugung sind zwei Dietmar Student.

F E B R U A R 2 0 18 manager magazin 13
NAMEN UND NACHRICHTEN A I R B E R L I N

D
ie Mission dürfte ihm
AUSSTEIGER
manch schlechte Stunde Etihad-Aufseher
eingebracht haben. Ahmed Al Sayegh kappte
Ali Al Sayegh, Vize-Chairman der die Verbindung
Abu-Dhabi-Fluglinie Etihad Airways, zu Air Berlin
erhielt im Herbst 2016 den Auftrag,
die wahre Lage des Staatscarriers zu
erkunden. Was er fand, war das
Grauen: verdeckte Milliardenverlus-
te, verschlagene Manager und trost-
lose Beteiligungen im Ausland, vor-
neweg Air Berlin.
Der Sonderermittler handelte.
Erst warf er den langjährigen CEO
James Hogan (61) samt Kumpanen
raus. Dann zog er bei Air Berlin die
Infusionsnadel. Anfang August 2017
stellte Etihad alle Zahlungen an die
Deutschen ein, Air Berlin starb.
Für einen Moment schien der
Albtraum der Araber vorbei. Jetzt
kehrt er zurück.
Die Gläubiger und Nachlassver-
walter von Air Berlin bereiten eine
Milliardenklage vor. Etihad habe Ga-
rantien für die Berliner gegeben und
müsse jetzt für den Schaden auf-
Zahlen, bitte!
kommen, insbesondere für die ge- AIR BERLIN Der ehemalige Großaktionär Etihad aus
platzten Anleihen, sagen sie. Alles in Abu Dhabi soll für die Milliardenpleite aufkommen.
allem eine Summe von 1,5 bis 2 Mil-
liarden Euro.
Anlass dieses Vorstoßes ist ein
dürres Schreiben, das Etihad am
28. April 2017 geschickt hatte. Darin
versicherte der Großaktionär den
Wirtschaftsprüfern von KPMG, man
plane, Air Berlin auch in den nächs-
ten 18 Monaten zu unterstützen. Die schen einen der fünf Sitze im Gläu- zige substanzielle Hoffnung, größere
Prüfer erteilten daraufhin die nötige bigerausschuss ergattert und drängt Geldbeträge für die Gläubiger einzu-
Fortführungsprognose. Sonst hätte auf eine Klage. sammeln. Denn bei der Verwertung
Air Berlin gleich Insolvenz anmelden Doch auch Kebekus und Flöther der Reste von Air Berlin kam bisher
müssen. sind offenbar auf Attacke umge- kläglich wenig herein. Kenner hatten
Etihad bestreitet heute, dass die schwenkt, ermutigt von gleich meh- den Restwert ursprünglich auf 500
Zusage bindend war. Und auch die reren Gutachten. Sämtliche von ih- bis 700 Millionen Euro taxiert. Dann
Herren des Pleiteverfahrens – Insol- nen befragten Experten gelangen zu hieß es, durch Verkäufe käme alle-
venzverwalter Frank Kebekus (53) BRAUCHT GELD dem Schluss, dass Etihad mit seiner mal das Geld für den Übergangs-
und Sachwalter Lucas Flöther Sachwalter Solidaritätsadresse vom April nicht kredit der Staatsbank KfW (150 Mil-
(44) – schienen zunächst unsicher, Flöther hat we- nur unverbindlich ins Blaue gespro- lionen Euro) herein. Nicht mal das
wie hart sie Etihad angehen können. nig eingenommen chen hat. dürfte die Resterampe hergeben.
FOTOS: SARAH DEA, [M] STEFFEN ROTH / WIRTSCHAFTSWOCHE

Zwar stellte Kebekus dem Gläubi- Hinzu kommt, dass die Insol- Entsprechend kampfeslustig sind
gerausschuss Ende vergangenen venzjuristen jetzt keine Rücksicht die meisten Geschädigten, die sich
Jahres einen Vergleich mit den Ara- mehr auf Etihad nehmen müssen. am 24. und 25. Januar zu den nächs-
bern in Aussicht. Der sollte aber nur Lange war unklar, ob die Air-Berlin- ten Gläubigerversammlungen tref-
läppische 15 Millionen Euro einbrin- Tochter Niki eigentlich noch den fen und dort die weiteren Schritte
gen. Der Ausschuss lehnte ab. Arabern gehört und gar nicht ver- festlegen. Wenn es bei der dürftigen
Inzwischen ist mehr Schwung kauft werden kann. Inzwischen ist Insolvenzmasse bliebe, geriete die
drin. Vor allem der Gläubigervertre- BRAUCHT ERFOLG Niki ebenfalls insolvent, Etihad auf Pleite von Air Berlin für sie zum Alb-
ter Keos macht Druck, ein Bündnis Insolvenzver- jeden Fall draußen und der Schon- traum. Dann sollen doch lieber die
der Wirtschaftskanzlei Kirkland & walter Kebekus gang überflüssig. solventen Scheichs und ihre Anwälte
schonte Etihad
Ellis und des Restrukturierungsbe- zunächst Vor allem aber ist eine Klage ge- schlecht schlafen.
raters Onesquare. Keos hat inzwi- gen den alten Ankeraktionär die ein- 1 Michael Machatschke
14 manager magazin F E B R U A R 2 0 18
STEINHOFF/AUSSTEIGER NAMEN UND NACHRICHTEN

Cashe, wer kann AUSSTEIGER


i
STEINHOFF Für die Commerzbank steht ein drei-
stelliger Millionenbetrag auf dem Spiel.

K
napp 70 Banker drängten sich am schung von Händlern zusammengewürfelt
Dienstagmittag vor Weihnachten und deren Immobilien sowie Markenrechte
auf Einladung des bedrohlich wan- in Sonderfirmen ausgegliedert – ohne An-
kenden Möbelhändlers Steinhoff im Lon- sätze einer Einheit zu bilden.
doner „Millennium Hotel“. Ihre sehnsüch- Das Schauspiel beschäftigt inzwischen Marc Llistosella
tige Erwartung: ein seriöser Rettungsplan. auch Commerzbank-Chef Martin Zielke sagt ade zum Daimler-Onkel.
Stattdessen fühlten sie sich, als seien sie in (55). Sein Haus, für das Gründertochter
eine Comedyshow geraten. und Großaktionärin Angela Krüger- Verwandtschaftliche Nähe hilft im Wirt-
Zwei Wochen war es her, dass Deloitte Steinhoff (46) im Regionalbeirat Nord schaftsleben, so die gängige Meinung.
der Poco-Mutter das Testat verweigert und wirkt, steckt großflächig im Steinhoff- Das muss nicht gleich in Nepotismus
damit den Verdacht auf Bilanzfälschungen Sumpf. Das Institut gehört zum Kern jener ausarten; aber Blutsbande mit dem Chef
verstärkt hatte (eine Prüfung der nieder- Banken, die der Holding eine Kreditlinie bringen häufig einen gewissen Schub –
ländischen Finanzaufsicht gegen den Prü- über 2,9 Milliarden Euro gewährten. Bis das kennen sie auch beim Stuttgarter
fer wegen möglicher fehlerhafter Testate Ausbruch des Chaos wurden davon gut 1,5 Automobilkonzern Daimler. Wolfgang
läuft). Nun bot der Multimilliar- Milliarden Euro gezogen, der Rest Schrempp (68; einst Leiter der Nieder-
denkrämer als Hauptdarsteller ge- „Es gibt ist erst einmal eingefroren. Un- lassung München und später der Dépen-
rade mal Alexandre Nodale auf, einen praktischerweise führen Zielkes dance in Australien) etwa konnte sich
den Chef der französischen Toch- Mannen auch die 750 Millionen noch auf die Hilfe von Bruder Jürgen
ter Conforama.
beträcht- Euro schwere Finanzierung des (73; zehn Jahre CEO) verlassen, auch als
Der 39-Jährige stellte sich den lichen Immobilienablegers Hemisphere der schon ausgeschieden war.
besorgten Geldgebern zunächst in sofortigen an. Insgesamt steht für die Frank- So könnte man erwarten, dass sich
seinem neuen Nebenjob als Vize- furter eine dreistellige Millionen- Aufsichtsratschef Manfred Bischoff
CEO der Steinhoff International
Bedarf summe im Feuer. (75) einschaltete, als sein Neffe in Not
vor, um dann einzugestehen: In an Liqui- Notgeld verschaffen und eine geriet. Doch das hat er ganz offensicht-
der Holding der europäischen dität.“ Pleite der Holding verhindern lich nicht getan. Denn Marc Llistosella
Operationen – neben Conforama sollen der deutsche Alix-Partner (50), als Truckvorstand zuständig für
etwa Kika-Leiner, Poundland und Pepco – Bernd Brunke (47), früher bei Roland Ber- Asien und die japanische Tochter Fuso,
habe man nur noch 18 Millionen Euro an ger, sowie sein britischer Kollege Brian wird Daimler zum 31. März verlassen.
Cash gefunden. Jetzt sei „sofortiger Zugang Horn. Das Nahziel: Zeit gewinnen, um zu Dabei schien der Mann für Höheres
zu Liquidität“ vonnöten. verstehen, was in dem Gestrüpp überhaupt bestimmt. Als Wolfgang Bernhard (57)
Doch statt in die Details einzusteigen, welchen Wert haben könnte. das Amt als Lkw-Chef Anfang 2017 von
schlüpfte Nodale flugs zurück in seine Rolle Viel interne Hilfe können die beiden bei jetzt auf gleich hinwarf, galt Llistosella
als Conforama-Manager und änderte die ihren Gesprächen nicht erwarten. Niemand als aussichtsreicher Außenseiter für die
Stimmlage um 180 Grad: Also bei ihm in im Steinhoff-Reich scheint sich für das gro- Nachfolge; und das nicht nur wegen
Frankreich laufe alles super, er hätte gern ße Ganze verantwortlich zu fühlen. seines berühmten Onkels. Er hatte die
mehr Geld zum Expandieren. Seine Kolle- Auch Nodale weiß, wo sein Herz schlägt. Tochter BharatBenz in Indien aus ihrer
gen aus Großbritannien und den USA hiel- Jüngst legte er sich für seine Conforama Schieflage aufgerichtet, war 2015 zum
ten es genauso: Alles top in ihrer Organisa- einen Mandataire ad hoc zu – eine fran- Fuso-Chef aufgestiegen und galt als einer
tion, gut 100 Millionen Euro brauche man, zösische Spezialität. Außerhalb jeder Öf- für die schwierigen Fälle.
um weiter wachsen zu können. fentlichkeit hält ein gerichtlich von der „Ein Krieger“, sagt einer aus Llisto-
Zurück an der dezemberfrischen Lon- Grande Nation bestellter Krisenmoderator sellas Nähe. „Einer, der Leute begeistern
doner Luft, dämmerte den Geldgebern, alle, die Geld von der Conforama-Gruppe kann“, sagt ein anderer, „aber derart
womit sie es hier zu tun haben. Schon un- haben wollen, zum Verzicht an. unkooperativ und egozentrisch, dass es
FOTO: SILAS STEIN / DPA / PICTURE ALLIANCE

mittelbar nach Deloittes Flucht hatten die Der Mandataire ad hoc hält jetzt auch nicht mehr ging.“ Mit Wolfgang Bern-
Vorstände der operativen Töchter jeden die satte dreistellige Millionensumme in hard kam Llistosella aus, mit seinem
Abfluss von Cash in die Gruppe gestoppt – Frankreich fest, die sich Nodale bei der Hol- eher konsensorientierten Nachfolger
was sich anfangs noch mit deren ganz per- ding geliehen hatte. Damit wird es für die Martin Daum (58) nicht mehr.
sönlicher Sorge vor Haftungsklagen erklä- Dachfirma umso schwieriger, den Multimil- Llistosella mag sich trösten: Sanierer
ren ließ. Nun aber bestätigte sich: Steinhoff liardenkredit des Konsortiums zu bedienen. sind immer gesucht, sei es mit oder ohne
ist gar kein echter Verbund. Ärgerlich für die Commerzbank und ih- mächtige Verwandte. 1 Michael Freitag
Tatsächlich hatten ein paar Hasardeure ren Vorstandschef Martin Zielke.
unter einer Finanzholding eine wüste Mi- 1 Sven Clausen
F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 15
NAMEN UND NACHRICHTEN FAB ER-CA STE LL

Mary und die Diebe


FABER-CASTELL Das schwere Erbe belastet inzwischen
auch die Geschäfte des Stifteherstellers.

rst hatte er kein Glück, dann kam Das Problem wurde jedenfalls per Ver-

E noch Pech dazu. Charles Graf von gleich vor Gericht aus der Welt geschafft.
Faber-Castell (37), von seinem im Charles zahlte 10 000 Euro, nur um nicht
Januar 2016 verstorbenen Vater Anton- kaufen zu müssen. Ein Fest für die Boule-
Wolfgang Lothar Andreas Graf von vardpresse.
Faber-Castell als Nachfolger ins Spiel ge- Der Vorfall wäre lediglich eine kuriose
bracht, muss zusehen, wie seine Stiefmut- Anekdote, würden die Geschäfte besser
ter Mary ihren drei Töchtern den Weg an laufen. Nach dem Rekordjahr 2016/17 mit
die Spitze des feinen Stifteherstellers be- 667 Millionen Euro Umsatz bröckeln die
reitet. Und als wäre das nicht ge- Erlöse im laufenden Geschäftsjahr
nug, wurde bei dem jungen Adligen Charles 2017/18 (bis März) laut Insidern ab.
auch noch eingebrochen. musste Das Minus soll sich auf 5 Prozent
Statt des Weihnachtsmanns
stiegen Diebe kurz vor dem Fest
vom Kauf belaufen. Das Unternehmen be-
streitet die Entwicklung nicht,
in die Wohnung von Graf Charles eines glaubt aber, zumindest mittel-
im Münchener Nobelstadtteil Porsche fristig wieder zulegen zu können.
Bogenhausen ein. Laut Polizei ent- Fragt sich nur, wie.
stand ein sechsstelliger Schaden.
911 Der Maltrend, von dem Faber-
Höchst ärgerlich für Charles, der zurück- Castell zuletzt stark profitiert hat-
sein Geld derzeit zusammenhalten treten. te, ebbt ab. Vor allem aber mangelt
muss. es an Innovationen. Und es wird
Im August rückte der Spross aus bestem immer weniger ausgegeben.
Haus vom Kauf eines Porsche 911 Carrera Die Werbekosten wurden bereits 2016
RS aus dem Jahr 1972 ab. 170 000 Euro soll- halbiert und im Vorjahr sogar noch stärker
te der Sportwagen kosten, der Verkäuferin zurückgefahren. Die Marke droht in der
soll er als Grund für seinen Rücktritt gesagt Kommunikation unsichtbar zu werden.
haben, er müsse Erbschaftsteuern beglei- Statt ein modernes Werk zu errichten,
chen. Vielleicht sind ihm aber auch Zweifel steckt die 256 Jahre alte Firma jährlich viel
an der Werthaltigkeit des Oldtimers ge- Geld in das historische Gemäuer in Stein
kommen. bei Nürnberg. Die Produktionshallen glei-
FOTOS: FABER-CASTELL PRESSEARCHIV, PR

FEINE GESELLSCHAFT
Gräfin Mary und
Stiefsohn Charles

16 manager magazin F E B R U A R 2 0 18
chen einem Industriemuseum. Die Tradition
hat viel Charme, aber auch der wird nicht
Die norddeutsche Art.
kommerziell vermarktet. Die bereits für
2016 versprochene 2000 Quadratmeter gro-
ße Erlebniswelt ist noch immer nicht eröff-
net. Die Arbeiten an dem Projekt ruhen. Of-
fizieller Grund: andere Prioritäten und die
Anfertigung eines neuen Baugutachtens.
Die rund 70 Millionen Euro schwere
Kosmetiksparte wurde saniert, gute Chan-
cen für Übernahmen ließ die Sippe indes
ungenutzt, und so verliert das Familien-
unternehmen zunehmend den Anschluss
an den Wettbewerb.
Viel Gewinn fließt stattdessen in die
Schatullen der Eigentümer. Fast die Hälfte
des Ertrags von 62 Millionen Euro haben
sich die Gesellschafter zuletzt ausgeschüt-
tet. Kritiker fürchten, der Wunsch, die
Finanzämter nach dem Ableben des Patri-
archen schnellstmöglich zu befriedigen,
dominiere allzu sehr die Geschäftspolitik.
Jemand, der die Finanzen ordnen und
optimieren könnte, fehlt. Der Posten des
CFO ist seit dem Weggang von Thomas
Dippold (45) im Oktober 2016 verwaist.
Eigentlich sollte Christoph Kohlhaussen
(53), Sohn des Ex-Commerzbank-Chefs
Martin Kohlhaussen (82), aufrücken
(siehe mm 12/2016), trotz Vorlage zur
Bestellung scheiterte die Kür am Ende im
Aufsichtsrat.
Eine alternative Lösung konnten die
Headhunter von Deininger bislang nicht
präsentieren. Ein aussichtsreicher Kandi-
dat hat zwischenzeitlich abgesagt. Gute
Leute sind offenbar schwer zu finden. Der
Bestellung von CEO Daniel Rogger (50)
im Juni 2017 war bereits ein Geduldsspiel
vorausgegangen. Nach dem ersten fami-
lienfremden Firmenchef wurde über ein
Jahr lang gefahndet.
Marys Töchter haben dafür in den ver-
gangenen Monaten bereits in verschiede-
nen Abteilungen des Unternehmens mit- Wer bietet Lösungen, die exakt zu
gearbeitet, offiziell bisher nur, um sich ein
eigenes Bild zu verschaffen. Doch bis zum Ihren Anforderungen passen?
Einstieg der drei Kronprinzessinnen wird
es wohl nicht mehr allzu lange dauern.
Vor allem die Älteste, Katharina (29),
gilt als ambitioniert. Bis es so weit ist, hält
ihr die Mutter einen Platz im Vorstand
warm. Der angekündigte Wechsel Marys in
den Aufsichtsrat ist bislang nicht vollzogen. Kein Unternehmen ist wie das andere.
Charles hat es dagegen schwer, sich im Deshalb greifen unsere Finanzkonzepte für
schwierigen Premiumgeschäft als Macher
mittelständische Firmenkunden passgenau
zu profilieren. Immerhin darf er sich nun
Honorarkonsul von Brasilien nennen – in JOFJOBOEFS4JFFSIBMUFOTQF[JÝTDIF'JOBO[
www.q-gmbh.com

diesem Fall hat es ausnahmsweise mal lösungen, von denen Ihr Unternehmen spürbar
geklappt, in die Fußstapfen des Vaters zu QSPÝUJFSU1BTTFOXJS[VTBNNFO .FIS[VVOTFSFN
treten. 1 Martin Mehringer
JOFJOBOEFSHSFJGFOEFO-FJTUVOHTTQFLUSVNÝOEFO
Sie unter: XXXOPSEMCEFÝSNFOLVOEFO
NAMEN UND NACHRICHTEN HOME24

W
ie bringt man ein On- wäre das der ultimative Beweis für ABGESTÜRZT Home24 Horrorzahlen ab, selbst für
linegeschäft an die Bör- sein Verkaufstalent. Während Ikea Bewertung von Start-up-Verhältnisse: Das Business
se, das kaum wächst, in Deutschland seinen Onlineum- Home24, schrumpfte zwischenzeitlich sogar
in Mio. Euro
Verluste schreibt und dessen Wert satz zuletzt deutlich um 31 Prozent – bei anhaltenden Verlusten.
Kapitalgeber zuletzt halbierten? auf 304 Millionen Euro steigerte, von jeweils letzter Seit Anfang 2017 wird wieder in
Finanzierungsrunde
Gar nicht. Doch mit einer solchen legte Home24 zeitweilig eine Voll- von Home24- Neugeschäft investiert, was die Er-
Antwort lässt sich Oliver Samwer bremsung hin. Die Firma wuchs 2016 Investor Kinnevik löse ankurbelte. Pünktlich zum Bör-
(45) nicht abspeisen. Seine Holding nur um 4,3 Prozent; der Umsatz lag Gesamthöhe der sengang soll Home24 sich der Profi-
Investitionen in
Rocket Internet hält 43 Prozent der bei 244 Millionen Euro. Home241 tabilität annähern.
Anteile am Onlinemöbelversender Explodiert sind die Verluste, die 1000 Von einem „bodenständigen,
Home24. Und wenn alles glatt läuft, Prozesse des selbst ernannten Ikea- aber ehrgeizigen Unternehmen“
soll das Start-up noch im Frühsom- Killers waren insbesondere in der spricht CEO Kreibohm. Nun ja:
mer aufs Parkett, sagen mehrere In- Lieferkette hochgradig dysfunk- 800 Trotz halbierter Verluste betrug das
sider. Samwer will die allgemeine tional. Das Geschäft basierte weit- Minus in den ersten neun Monaten
Hausse-Stimmung nutzen, bevor die gehend auf Grundlage von Excel- 600
2017 immer noch knapp 20 Millio-
Skepsis zurückkehrt. Tabellen – wie bei Rocket üblich. nen Euro. Wichtig ist der Home24-
Seit dem aus Rocket-Sicht erfolg- Erst als die Managerkinder Marc Truppe, bis zum IPO eine Balance
reichen Börsengang des Kochbox- Appelhoff (39), Sohn des früheren 400 aus Wachstumsdynamik und sinken-
versenders HelloFresh im vergange- Karstadt-Recken, und Christoph den Verlusten zu halten.
nen Jahr werden die Vorbereitungen Cordes (38), Filius des ehemaligen In Gesprächen mit Investoren
200
intensiviert. Der Home24-Vorstand Chefs von Mercedes und Metro, im versucht der Vorstand den Möbel-
führt bereits Gespräche mit poten- Frühjahr 2016 den Vorstand um shop als datengetriebene Techcom-
ziellen Investoren und stellt sich in- Home24-Gründer Philipp Krei- 0 pany zu verkaufen, die jeden Klick
tern börsengerecht auf. Orchestriert bohm (41) verstärkten, wurde es auswertet, um Trends zu erkennen
9/2014 9/2017
werden soll das Ganze wie bei endlich besser. und auf dieser Basis individualisier-
Rocket üblich von den Investment- Das Trio fuhr die Marketing- 1 | Veröffentlichte
te, hochmargige Eigenmarkenmöbel
bankern Berenbergs. ausgaben herunter und stellte das Finanzierungsrunden. zu entwickeln. So sei es in den ver-
Quelle: Unternehmen,
Gelingt es Samwer tatsächlich, Unternehmen auf ein solideres Fun- mm-Recherche gangenen Jahren gelungen, die Brut-
Grafik: mm
Home24 an die Börse zu bringen, dament. In dieser Zeit lieferte tomarge zu steigern, zuletzt soll sie
bei rund 45 Prozent gelegen haben.
SITZGRUPPE Ob sich mit der Story Investoren
Model Eva überzeugen lassen?
Padberg hilft
Home24-CEO
Die Kapitalgeber jedenfalls haben
Philipp Krei- die Bewertung bei der Finanzie-
bohm beim rungsrunde im Herbst 2016 mehr als
Möbelverkauf halbiert. Der schwedische Investor
Kinnevik, dem 17 Prozent von
Home24 gehören, bewertet die Be-
teiligung nur mehr mit 56 Millionen
Euro. Rund ein Viertel des Betrags,
der in das Unternehmen geflossen
ist (siehe Grafik).
Voll auf die eigene Firma setzen
wollte nicht mal mehr Home24-
Gründer Kreibohm selbst. Als Busi-
nessangel verwaltet er längst ein
breites Portfolio. Unter den über
zwei Dutzend Beteiligungen finden
sich Start-ups wie die Logistikplatt-
form FreightHub oder der digitale
Umzugsdienst Movinga.
Am lukrativsten war die An-
schubfinanzierung für den Ex-

Schlussverkauf
FOTO: GERMAN SELECT / GETTY IMAGES

Home24-Angestellten Hakan Koç


(33). Dessen Gebrauchtwagenplatt-
form Auto1 ist inzwischen knapp
HOME24 Oliver Samwer will den Möbelversender drei Milliarden Euro wert. Zumin-
noch vor dem Sommer an die Börse bringen. dest der CEO kann dem geplanten
Börsengang also gelassen entgegen-
sehen. 1 Philipp Alvares de Souza
Soares/Jonas Rest
18 manager magazin F E B R U A R 2 0 18
BOGNER NAMEN UND NACHRICHTEN
A B FA H RT Der Unternehmer

D
ie Aufsichtsratssitzungen und frühere Skirennfahrer
Willy Bogner
des Münchener Sportmo-
deanbieters Bogner liefen
stets recht harmonisch ab. Eigentü-
mer Willy Bogner (75) band die Kon-
trolleure in wichtige Entscheidun-
gen ein und folgte meist ihrem Rat.
Das konstruktive Miteinander
endete, als der Patriarch das Gre-
mium im September 2016 neu be-
setzte – unter anderem mit Herbert
Henzler (76), Ex-Deutschland-Chef
von McKinsey, und Alexander Liegl
(59), Partner der Sozietät Noerr. Den
Vorsitz behielt der ehemalige Luft-
hansa-Grande Jürgen Weber (76).
Seither genoss nur noch einer das
uneingeschränkte Vertrauen des
Patrons: Anwalt Liegl. Bogners lang-
jährige Freunde Weber und Henzler
blieben immer häufiger außen vor.
Selbst von der Abberufung des
Vorstandsvorsitzenden Alexander
Wirth (42) im November 2017 er-

Allein auf weiter Flur


fuhren sie erst im Nachhinein.
Formal war der Alleingang in
Ordnung. Bei einer Kommanditge-
sellschaft auf Aktien – so firmiert BOGNER Das kriselnde Modehaus hat seine
Bogner – haben Aufsichtsräte keine
Entscheidungsbefugnis. Komple- beiden wichtigsten Aufsichtsräte verloren.
mentär Willy Bogner darf allein be-
stimmen, wen er als Vorstand ein-
stellt oder feuert. Die enge Allianz der beiden er- 156 Millionen Euro stabilisiert. Das
Ende Dezember 2017 zogen We- füllt nicht unbedingt die Regeln gu- Ergebnis vor Zinsen und Steuern be-
ber und Henzler die Konsequenz aus ter Corporate Governance. Liegl lei- trägt jedoch nur noch rund zwölf
Bogners Gebaren. Sie legten ihre tet das Münchener Büro der Kanzlei Millionen Euro, vor wenigen Jahren
Ämter nieder. Nachfolger gab es Mit- Noerr, die Bogner schon vielfach zur verdiente Bogner das Doppelte. Da-
te Januar noch keine. Seite stand. 2017 soll das Honorar- durch hat sich auch der Firmenwert
Der freigestellte Wirth, der erst volumen mehrere Hunderttausend binnen kurzer Zeit auf rund 150 Mil-
im September 2016 als Bogner-CEO Euro betragen haben. lionen Euro halbiert.
inthronisiert worden war, trat dem Auf Noerr könnte demnächst Bogner braucht eine Runder-

FOTOS: DANIEL MARTINEK / 13PHOTO, DEFODI / IMAGO, ROBERT SCHLESINGER / DPA / PICTURE ALLIANCE
Alten offenkundig zu selbstgewiss wieder ein großer Auftrag zukom- neuerung. Die Marke ist ergraut, der
auf. „Sowohl Wirth als auch Bogner men: Willy Bogner erwägt, seine E-Commerce verläuft schleppend,
haben einen ausgeprägten Geltungs- Firma in eine Stiftung einzubringen. auch wegen der Uralt-IT.
drang“, sagt ein Firmenkenner. „Das Er denkt über diesen Weg nach, weil Zudem muss sich Baumgärtner
konnte nicht gut gehen.“ es keine Familienangehörigen gibt, mit einer Steueraffäre herumschla-
Fachleute prüfen jetzt, ob sich der die sich für den Skimodehersteller gen. Bogner-Mitarbeitern wurden
frühere Vorstandschef arbeitsrecht- interessieren. Sein Sohn und seine lange Zeit Sachzuwendungen ge-
liche Verfehlungen zuschulden kom- Ehefrau Sonia sind verstorben, währt, etwa begünstigte Personal-
men ließ (siehe mm 1/2018). Dies Tochter Florinda (32) verdingt sich einkäufe, für die das Unternehmen
würde Bogner eine hohe Abfindung ABGANG als Hundeflüsterin. die darauf fälligen Lohnsteuern und
Jürgen Weber
ersparen, Wirths Vertrag läuft noch (o.) und Herbert Das Unternehmen führt jetzt An- Sozialbeiträge zum Teil nicht einbe-
bis 2020. Henzler waren dreas Baumgärtner (53), der zuvor halten und weitergeleitet hat.
Als wohl einziger Aufsichtsrat in nicht über den für Marc O’Polo tätig war. Er gilt als Die 2017 ausgeschiedene Finanz-
den Rauswurf eingeweiht war Liegl, geplanten Raus- Mann mit Geschick fürs Design, hat chefin Juliane Vögl (53) hat sich
wurf des CEOs
der nebenher als Honorarkonsul den informiert indes keine Restrukturierungserfah- selbst bei der Finanzbehörde ange-
Zwergstaat Monaco repräsentiert. rung. Darauf käme es aber an. zeigt, ebenso wie Willy Bogner. Die
Bogner und Liegl pflegen auch pri- Das Modehaus hat zwar nach Aufsichtsräte kommen wohl un-
vaten Umgang, der Patron lässt sich zwei Jahren schrumpfender Erlöse beschadet davon, sie haben in der
von dem Juristen in persönlichen im Rechnungsjahr 2016/17 (Ende: KG aA ja nichts zu melden. Manch-
Dingen beraten. 31. Oktober) den Umsatz bei etwa mal hilft das. 1 Ursula Schwarzer
F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 19
NAMEN UND NACHRICHTEN FRES ENIUS

ab, weil die Unternehmensspitze ih-


G E L I E F E RT U N D
ABGESTRAFT re Gewinnzahlen zu hoch angesetzt
Fresenius-Chef hatte und die Bilanz korrigieren
Stephan Sturm musste. Die US-Pharmaaufsicht FDA
machte eine der drei Produktions-
anlagen zeitweise dicht, weil Akorn
nicht mit den heraufgesetzten Stan-
dards zurechtkam.
Der Ärger mit der Behörde
flammte im Oktober erneut auf.
Gleichzeitig trat Verwaltungsrats-
präsident John Kapoor (74) zurück,
weil der Pharmaunternehmer bei
einem seiner anderen Engagements
Ärzte bestochen haben soll, was er
indes bestreitet.
Sturm legt Wert darauf, dass die
Querelen von gestern nichts mit den
enttäuschenden Akorn-Zahlen von
heute zu tun haben. Die seien darauf
zurückzuführen, dass der Umsatz-
und Gewinngarant Ephedrin, der zur
Behandlung von Augen- und Atem-
wegserkrankungen eingesetzt wird,
früher als gedacht unter Wettbe-
werbsdruck geriet.

Schwächeanfall
Mit diesem Phänomen steht
Akorn aber keineswegs allein da.
Seit die FDA die Zahl der lizenzier-
FRESENIUS Vorstandschef ten Nachahmermedikamente dras-
tisch erhöht hat, brechen auf breiter
Stephan Sturm hat sich in den USA verkauft. Front die Preise ein.
Fresenius konnte sich dem Druck
bisher entziehen, weil der Fokus auf

E
s war ein Start nach Maß. Na- Gehalten aber hat der Vertrauens- Infusionen und anderen in flüssiger
hezu zeitgleich mit seinem vorschuss der Anleger kein Jahr. Seit Form verabreichten Medikamenten
Wechsel auf den Chefsessel vergangenem Sommer fällt die Ak- I M T I EF liegt. Die sind schwerer zu kopieren
Aktienkurse,
des Bad Homburger Gesundheits- tie – und das, obwohl Sturm den ver- indexiert als Tabletten oder Pulver. Die Ana-
dienstleisters Fresenius verkündete sprochenen Umsatz und Gewinn ge- lysten der Schweizer UBS sind aller-
Fresenius, Dax
Stephan Sturm (54) im Sommer liefert hat. dings skeptisch, dass dies so bleibt,
2016 die größte Übernahme der Fir- Der Schwächeanfall nahm seinen 110 und rieten Mitte November, die Fre-
mengeschichte. 5,8 Milliarden Euro Anfang mit Sturms Zukauf Nummer senius-Aktie zu verkaufen. Die Ex-
zahlte er für die spanische Klinik- zwei. Seit sich der Fresenius-Chef 105 perten glauben, dass der überwie-
kette Quirónsalud. Ein paar Monate die US-Adresse Akorn sicherte, ist gende Teil der frisch zugelassenen
später folgte der Kauf des US-Gene- dort die Luft raus. Zweimal jagten Flüssigwirkstoffe künftig von Markt-
rikaspezialisten Akorn für 4,4 Milli- die Amerikaner eine Gewinnwar- 100 neulingen kommen werde; mit ab-
arden Euro. Dazwischen setzte der nung über die Nachrichtenticker, sehbar negativen Folgen für die Fre-
einstige Investmentbanker seine beim dritten Mal gar einen Quartals- 95 senius-Margen.
Ziele steil nach oben. Bis Ende 2020 verlust. „Es scheint so, als ob die Sturm wartet nun ungeduldig auf
sollen Umsatz und Gewinn um min- Akorn-Leute die Griffel fallen gelas- den Moment, an dem das endgültige
90
destens 50 Prozent emporschnellen. sen und sich nur noch mit ihren Ak- Okay der Wettbewerbshüter kommt
Sturms Botschaft war deutlich: tienoptionen beschäftigt hätten“, und er seinen US-CEO Peter Du-
Trotz Chefwechsel läuft die Wachs- lästern sie in Bad Homburg. 85 cker (57) auf Akorn loslassen kann.
tumsmaschine Fresenius weiter auf Tatsächlich muss sich Sturm die Der soll Produktionsanlagen zusam-
Hochtouren – auch wenn die Über- Frage gefallen lassen, ob er die rich- menlegen, Manager austauschen,
80
nahmeziele größer, die Konzern- tige Firma gekauft hat. Und ob er Kosten drücken und vor allem die
struktur komplexer und die Märkte genau genug hinschaute. Er war da- 5/2017 = 100 12/2017 Reserven aus der Akorn-Pipeline
FOTO: ULLSTEIN BILD

schwieriger werden. Die Ansage kam mals CEO und CFO in Personal- schnell zur Marktreife bringen.
bei den Investoren an. Um 20 Pro- union. Es wäre ein Signal, das die Aktie –
Quelle: Thomson
zent legte der Aktienkurs in den Wo- Akorn hat eine durchaus bewegte Reuters Datastream und Sturm – dringend brauchen.
Grafik: mm
chen und Monaten danach zu. Geschichte. 2016 stürzte der Kurs 1 Dietmar Palan
20 manager magazin F E B R U A R 2 0 18
NAMEN UND NACHRICHTEN

C H R I S T I A N S C H Ü T T E ist Redakteur des

DIE ÖKONOMIE DER ... manager magazins mit Hang zu


komplexen volkswirtschaftlichen Themen.

Kreativcluster
Ein neues „Valley“ zu bauen ist Traum aller Politiker. Doch derlei
Ansammlungen schlauer Köpfe sind sehr vergänglich.

S
am Altman hat in ein Wespennest gestochen. Ihm sei Jahrhundert. Anstelle von Patentstatistiken, die es in den alten
in China etwas Verblüffendes aufgefallen, schrieb der Zeiten noch nicht gab, verwenden sie die jeweilige Dichte an
Chef des legendären Start-up-Inkubators Y Combinator künstlerischen und wissenschaftlichen Berühmtheiten als Indi-
kürzlich in seinem Blog: „Strittige Themen zu diskutie- kator für die Kreativität in einer Region.
ren war für mich in Peking leichter als in San Francisco.“ Tatsächlich lassen sich damit frühe Kreativhochburgen aus-
Immer schneller passiere es nämlich in der Bay Area, dass man machen, die eine weit überproportionale Zahl herausragender
sich aus Versehen zum Geächteten mache. Auf die Start-ups wirke Köpfe versammelten, und zwar quer über Fachdisziplinen hin-
das „sehr negativ“: Sprechverbote weg: Das Florenz eines Michelange-
seien Innovationsverbote, viele der lo, das London eines Shakespeare
smartesten Leute wanderten deshalb DIE AUFS TEIG ER oder das Wien eines Mozart dräng-
bereits ab. Eine Erfindung wie Bit- Weltstädte mit dem größten Entwicklungspotenzial 2017 ten nach vorn.
coin sei in der heutigen Kultur San Punktzahl1 Rangänderung
Die Daten belegen, dass es kei-
Franciscos kaum noch vorstellbar – ggü. 2016 neswegs der schon vorhandene
San Francisco 71,1
„zu verrückt, zu gefährlich“. 1 +/- 0 Reichtum war, der die besondere
Natürlich wurde Altman sofort 2 New York 66,7
+/- 0 Kreativität in Gang setzte. Vielmehr
entgegnet, dass ja wohl China kaum Paris 62,3 +10 folgte der Wohlstandszuwachs erst
3
ein Leuchtturm freier Rede sei. Und auf die intellektuelle Blüte. Das Kal-
dass es sehr gute Gründe gebe, wes- 6 Melbourne 59,1
+9 kül heutiger Clusterpolitiker bestä-
halb etwa Rassismus tabu sein sollte. 7 München 58,8
+2 tigt sich also: Wo sich die Besten
Doch der Vorstoß zeigt eine tiefe sammeln, beginnt Reichtum zu
Moskau 56,7
Verunsicherung. Kreativcluster sind 10 +25 sprudeln.
empfindliche Geschöpfe, sie leben 11 Singapur 55,6
+6 Tabellini und Serafinelli erklären
nicht von naturgegebenen Standort- Berlin 53,6 das Entstehen der Kreativhochbur-
-4
vorteilen, sondern von der Qualität 18 gen vor allem mit deren Institutio-
ihrer Köpfe. 1 | Ermittelt aus der Dynamik von Schlüsselindikatoren zu Wirtschafts- und nen: Städte veränderten ihre lokale
Innovationskraft, Lebens- und Regierungsqualität; 128 Städte im Vergleich.
Die Konkurrenz ist groß. Für den Quelle: A.T. Kearney Grafik: manager magazin Kultur, indem sie persönliche und
Traum vom eigenen „Valley“ ziehen wirtschaftliche Freiheiten garantier-
viele Länder neue Infrastrukturen hoch, ja, ganze Städte wie etwa ten. So wurden sie zudem attraktiv für Emigranten, die vor Zen-
Russland in Skolkowo bei Moskau. Andere, die kein Geld haben, sur und Verfolgung flohen.
setzen auf Künstler und Bohemiens, die „kreative Klasse“, die Dazu passt auch die Überschrift, die Sam Altman für seine
der Ökonom Richard Florida vor Jahren zum Wachstumsmotor Blog-Provokation gewählt hat: „E pur si muove“ (und die Erde
ausrief. „Arm, aber sexy“ hieß das Motto in Berlin. bewegt sich doch). Galileo Galilei soll das 1633 gesagt haben, als
Ein Patentrezept hat keiner: Reine Retortenprojekte bleiben die Inquisition den Astronomen mit Arrest belegte. Geniecluster
steril. Und im bunten Berlin-Kreuzberg kämpfen derzeit Akti- vergehen so schnell, wie sie entstehen. Das Florenz eines Michel-
visten gegen den geplanten Google-Start-up-Campus. angelo, das London eines Shakespeare oder das Wien eines Mo-
Eine außergewöhnliche Analyse des Clusterphänomens haben zart verloren ihre Spitzenposition wieder. Selbst ein Silicon Valley
FOTO: MANAGER MAGAZIN

kürzlich zwei historisch interessierte Ökonomen vorgelegt. Gui- ist stets verwundbar. Die Konflikte um die extreme Ungleichheit,
do Tabellini und Michel Serafinelli werteten umfangreiche Daten die Macht der Digitalriesen und die Folgen der Political Correct-
über die klügsten Köpfe in Europa aus, bis weit zurück ins 11. ness lassen es ahnen. 1

F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 21
UNTERNEHMEN

LIDL Sinkende Marktanteile in Deutschland, eine verpfuschte Expansion


in die USA, abgewickelte Digitalprojekte – der Erfolgsfaden von
Konzernchef Klaus Gehrig ist gerissen. Nun suchen der Discounter
und die Schwestergesellschaft Kaufland einen Neuanfang.
22 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
DISCOUNT -
KATHEDRALE
Lidl-Filiale in Culpeper,
Virginia, vor der Eröffnung

DIE
FEHLER-
FOTO: SHAWN THEW / EPA / REX / SHUTTERSTOCK

KETTE
UNTERNEHMEN L I D L

S
chönreden liegt NEU-
Klaus Gehrig (69) nicht. „Eine ein- START
zige Katastrophe“ sei der Marktein-
tritt des Discounters Lidl in den
USA, schimpft er im kleinen Kreis.
Gegenüber dem manager magazin
drückt sich der Herr über weltweit „WENN MAN
rund 10 450 Lidl- und Kaufland-
Filialen und fast 400 000 Mitarbei- EINEN FEHLER
ter etwas zurückhaltender aus: Es sei
„das eine oder andere schiefgegan-
DER
S I T T E N WÄ C H T E R ERKENNT,
MUSS MAN IHN
Jesper Hojer,
gen“ jenseits des Atlantiks. Vorstandsvorsit-
Wohl wahr: Ein hilfloses Expan- zender von Lidl,

KORRIGIEREN.“
sionsteam, zu weitläufige und zu soll das Unter-
teure Geschäfte, überdies an fal- nehmen zu den
Tugenden eines
schen Standorten, und letztlich ent- Discounters Klaus Gehrig, Chef der Schwarz-Gruppe
täuschende Umsätze – das ist Lidl in zurückführen.
Amerika. Großtaten wer-
Den milliardenschweren Anlauf den von ihm
nicht erwartet.
in die USA nach nur neun Monaten
für verpatzt zu erklären ist ein Fias-
ko für die Schwarz-Gruppe und ein
herber Rückschlag für Klaus Gehrig,
deren erfolgsverwöhnten Chef. 2016
hatte ihn eine Jury von manager ma- Kaufland-Märkten wieder viele Arti- Monatsrhythmus das Unternehmen,
gazin zum Manager des Jahres ge- kel einlisten, nachdem er zuvor mehr oder weniger freiwillig. Bei
wählt. Einerseits für seine Lebens- selbst eine deutliche Reduzierung Kaufland wurde die gesamte Deutsch-
leistung, an der die aktuellen des Sortiments eingefordert hatte, land-Leitung ausgewechselt.
Probleme nichts ändern. Anderer- und schob den Einstieg von Kauf- Hier wie da wirkt die Führungs-
seits erhielt er die Auszeichnung für land in Australien an, der eigentlich crew ausgezehrt, an die Stelle erfah-
seinen Mut, als einer der ersten bun- Lidl vorbehalten war. rener Handelsspezialisten treten
desweit operierenden Lebensmittel- „Viele der alten Lidl-Tugenden, oftmals extrem junge Leute in den
händler ins Onlinebusiness einzu- die uns so erfolgreich gemacht ha- 20ern. Ein regelrechter Jugendwahn
steigen und gleichzeitig den Schritt ben, müssen wieder mehr in den sei in der Schwarz-Gruppe ausge-
über den Atlantik zu wagen. Vordergrund treten“, sagt Gehrig. brochen, klagt ein Insider. Wer älter
Im Geschäftsjahr 2015/16 (Ende: Was so viel heißt wie: die Filialen als Mitte 30 sei, habe im mittleren
28. Februar) war Lidl noch um 9,5 stärken, statt die Kraft für aufwen- Management kaum noch Aufstiegs-
DER ABENTEURER
Prozent gewachsen, so rasant wie Lidl-CEO Sven dige Experimente zu verplempern; chancen. Die Jobs, so scheint es den
kein anderer Wettbewerber. Doch Seidel drängte in keine gläsernen Einkaufsparadiese in den Assessmentcentern Durch-
die Marktanteilsgewinne waren teu- die USA und ins mehr bauen und die Komplexität re- gefallenen, bekommen am Ende
er erkauft; die Kosten stiegen schnel- Internet. Beide duzieren, statt die Sortimente zu er- immer die Jüngsten. So wird eine
Expeditionen
ler als die Umsätze. Im laufenden erwiesen sich als weitern. Also wieder mehr sparen 28-Jährige die Kaufland-Tochter in
Jahr wird Lidl nur noch um 5 bis 6 teure Fehl- statt klotzen. Australien führen.
Prozent zulegen. schläge. Seidel Die Rolle rückwärts spiegelt sich Dass er viele seiner Entscheidun-
Anfang 2017 grätschte Gehrig sei- musste gehen. auch in der Personalpolitik. Eine gen wieder revidiert, ficht Konzern-
ner Führungsriege dann hinein: Rochade folgt auf die andere; hoch- boss Gehrig nicht an. „Wenn man
FOTOS: PR (2), MARKUS HINTZEN

Feuerte Lidl-CEO Sven Seidel (44), gelobte Nachwuchskräfte, die auf einen Fehler erkennt, muss man ihn
den er sich ursprünglich sogar als Spitzenpositionen befördert wur- korrigieren“, sagt er. Da sei es ein
seinen Nachfolger an der Grup- den, mussten alsbald wieder ab- „Vorteil, dass die Schwarz-Gruppe
penspitze hätte vorstellen können, treten. nicht an der Börse notiert und somit
fuhr das Digitalgeschäft radikal Seit dem Abgang von Lidl-Chef nicht von den Stimmungen der Ak-
zurück, ließ bei den großflächigen Seidel verlassen Manager fast im tionäre abhängig ist“. Firmengrün-
24 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
L I D L UNTERNEHMEN

der Dieter Schwarz (78) hat Lidl und NACHZÜGLER Frau, drang er darauf, die für 2018 Vorzeigefiliale in Offenau bei Heil-
Kaufland schon 1999 in zwei Stiftun- Filialen von geplante Premiere auf 2017 vorzu- bronn – ein Prachtbau, den Lidl-
gen eingebracht, er selbst hält nur Lebensmittel- ziehen. Gehrig ließ sich darauf ein. Patriarch Schwarz für viel zu auf-
händlern in
noch minimale Anteile. den USA 5412 Doch von vornherein lief alles wendig hält, und der erst recht nicht
Der Senior kommt fast jeden Tag quer. Zwei von Marasch angeheuerte als Blaupause für Amerika taugt. Zu
ins Büro. Er lässt sich regelmäßig einheimische Topmanager wurden hoch, zu schön und mit rund 2000
über die Zahlen unterrichten und be- von der Konkurrenz abgeworben, Quadratmetern viel zu groß, heißt es
hält sich vor, bei wichtigen Vorhaben noch bevor ein einziger Lidl-Laden heute. Die US-Läden von Aldi haben
mitzureden. Das letzte Wort in der 1751 aufmachte. Nach der schlechten Er- im Schnitt nur die halbe Fläche.
Operative hat aber immer Gehrig, fahrung mit Seiteneinsteigern er- Als Lidl im Juni 2017 die ersten
dem Schwarz seit vier Dekaden be- 47
nannte Marasch den Leiter der iri- Geschäfte eröffnete, strömten die
dingungslos vertraut. Lidl Aldi Wal-
schen Landesgesellschaft, Brendan Kunden neugierig herbei. Doch die
Den CEO ärgert es natürlich, dass Süd mart Proctor (43), zum US-Statthalter. Euphorie hielt nicht lange an; Wal-
die jüngsten Irrungen und Wirrun- Möglicherweise war Proctors No- mart und Aldi gelang es, die Klien-
Quelle: Unternehmen
gen in der Neckarsulmer Zentrale Grafik: mm minierung die erste Fehlentschei- tel zurückzuholen. Lidls Einkaufs-
sich negativ aufs Geschäft nieder- dung. Der Ire hatte keine Ahnung tempel verströmten einfach kein
schlagen. Mit einem Bruttoumsatz vom amerikanischen Markt, der sich Discountfeeling, trotz unschlagbar
von 105 Milliarden Euro wird die maßgeblich von Europa unterschei- niedriger Preise. Zudem waren die
Gruppe im Rechnungsjahr 2017/18 det. Und auch Proctors US-Mann- Sortimente nicht richtig auf die
langsamer als in der Vergangenheit
wachsen. Doch dafür gibt Gehrig
20 schaft (Durchschnittsalter Mitte 20)
war mit den Usancen kaum vertraut.
Essgewohnheiten der Amerikaner
ausgelegt, die immer weniger selbst
FILIALEN
nicht dem Management die Schuld, will Lidl 2018 in
Dabei ist schon die Standortaus- kochen.
sondern sich selbst – letztlich habe den USA eröffnen. wahl in den Staaten höchst diffizil. Auch vergaßen die Manager es-
er ja alles genehmigt. Oftmals grenzen wohlhabende Vier- senzielle Dinge. In den Staaten ist
tel an Brennpunktstadtteile, da kann die Stromversorgung unsicher, Hur-
KAPITEL 1: bereits eine Ecke weiter das Umsatz- rikane oder Schneestürme legen im-
DAS DESASTER potenzial um einen zweistelligen mer wieder das Netz lahm. Genera-
IN AMERIKA 2000 Prozentsatz geringer sein.
Die Explorationsteams jedoch
toren gehören deshalb in jeden
Betrieb, der Wert auf eine stabile
QUADRAT-
Vor den USA hatte Gehrig immer METER nahmen die Grundstücke, die gerade Energiezufuhr legt.
großen Respekt. Noch 2007 verwarf umfassten die verfügbar waren, Hauptsache, sie Bei Lidl fehlten die Geräte.
er die Idee, in den gewaltigen Markt ersten Lidl-Läden lagen an einer viel befahrenen Stra- Stromblockaden ließen die tech-
in Amerika,
vorzustoßen. Einige Jahre später war Aldi-Stores sind
ße. Ihre Vorgesetzten begnügten sich nisch hochgerüsteten Läden ohne
er zu dem Risiko bereit; er entschied nur halb so groß. meist damit, die Standorte bei Google Licht und Kühlung, auch die Kassen
sich, zum ersten Mal in ein nicht Maps anzugucken. funktionierten nicht mehr.
europäisches Land einzusteigen. Mit Bei der Konzeption der Shops ori- In der Logistik unterliefen der
dem Verkaufsstart wollte man sich entierte sich Marasch an der Ar- Führungscrew ebenfalls schwere
freilich Zeit lassen, er sollte sorg- chitektur der von ihm lancierten Fehler – eine Folge der von Seidel 2
fältig vorbereitet werden.
Dann kam Seidel. Gehrig hievte READY TO SELL
den damals 40-Jährigen im März Lidls US-Statthalter Brendan
2014 auf Lidls Chefsessel. Der Neue Proctor (helle Hose) eröffnet
war überaus ehrgeizig, mit der er- eine Filiale in Virginia Beach
folgreichen Erschließung der Verei-
nigten Staaten wollte er sich ein
Denkmal setzen.
Schon bald gingen die ersten
Teams der neuen US-Niederlassung
nahe Washington, D. C. auf Stand-
ortsuche. Die Wettbewerber reagier-
ten umgehend. Der Supermarkt-
gigant Walmart senkte spürbar die
FOTO: STEVE HELBER / AP / PICTURE ALLIANCE

Preise. Aldi Süd, schon seit 41 Jahren


in den USA, kündigte an, bis 2022 die
Anzahl der US-Geschäfte auf 2500
zu erhöhen.
Dies wiederum alarmierte Seidel.
Gemeinsam mit dem seit Ende 2015
im Lidl-Vorstand für die USA zustän-
digen Daniel Marasch (40), dem
Sohn einer Cousine von Gehrigs
F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 25
UNTERNEHMEN L I D L

angezettelten Eile. Da von den drei vor-


gesehenen Lägern bei der ersten Laden- „LIDL HAT KAPITEL 2:
VERSCHWENDUNGS-
eröffnung nur eines fertig war, mussten die
Trucks 500 bis 700 Kilometer weit fahren, PALÄSTE SUCHT IN
NECKARSULM
um die verstreuten Geschäfte an der Ost-
küste zu beliefern. Nicht selten kam dort GEBAUT, Im März 2014 hatte Sven Seidel das Amt
Ware mit abgelaufenem Mindesthaltbar-
keitsdatum an. Auch Aktionsartikel er- DIE IN des Lidl-Vorstands mit einem klaren Auf-
trag übernommen: Er sollte die Entschei-
reichten die Shops zu spät oder gar nicht,
weil die Disponenten nicht genau wussten, KEINER dungswege verkürzen, die Komplexität ver-
ringern und die Effizienz steigern. Gehrig
was bereits ausgeliefert worden war.
Dass der Aktionismus in den USA in ei- RELATION traute ihm die Aufgabe zu, Seidel hatte
13 Jahre lang als Berater gearbeitet, zuletzt
nem Debakel enden würde, zeichnete sich
schon Anfang 2017 ab. Gehrig mochte nicht ZUM als Partner von Porsche Consulting. Er galt
als Reorganisationsexperte.
länger zusehen und entließ Seidel. Der hat
inzwischen eine neue Chance bei Otto be- UMSATZ Doch Seidel, ein eloquenter Manager
mit weltgewandtem Auftreten, hatte offen-
kommen, dort darf er sich als Digital-
vorstand versuchen. Im Herbst 2017 ent-
band Gehrig dann Marasch – Familie hin,
STANDEN.“ bar anderes im Sinn. Er wollte Lidl zu nie
dagewesener Größe führen. Der Discoun-
ter sollte wachsen, rasanter als unter Geh-
Klaus Gehrig
Verwandtschaft her – von seiner Verant- rig und schneller als die Konkurrenz.
wortung für die USA. Nur Proctor blieb Geld spielte keine Rolle, die Kassen wa-
verschont, er hatte ja lediglich die Anord- Die Abstimmung mit den Kommunen und ren voll. Da kam es schon mal vor, dass der
nungen der deutschen Bosse befolgt. Bundesstaaten dauert unendlich lange. So Neue auf dem Neckarsulmer Schwarz-
Der neue Lidl-Vorstandsvorsitzende gelang es bis heute gerade mal 47 Märkte Campus eine opulente Zeltfete schmiss, zu
Jesper Hojer (39) und Maraschs Nachfolger aufzumachen, vorgesehen waren 100. Im der er Führungskräfte aus aller Welt ein-
Michael Aranda (49), bis dahin Landeschef laufenden Jahr sollen lediglich rund 20 Fi- fliegen ließ. An die zwei Millionen Euro soll
Spanien, steuern jetzt massiv um. Die Lä- lialen hinzukommen. Auf die Hälfte der der Spaß gekostet haben.
den sollen wesentlich bescheidener aus- 200 von der ungestümen Expansions- Seidel war durchaus beliebt im Unter-
fallen, was Höhe und Fläche angeht. Gene- mannschaft gesicherten Kaufoptionen für nehmen, wegen seiner Großzügigkeit und
ratoren werden eingebaut, aufwendige Grundstücke verzichtet Lidl. weil er den Mitarbeitern zeigte, dass er ihre
Spielereien wie Wärmerückgewinnung ge- Gehrig-Exegeten wollen nicht aus- Arbeit schätzte. Allerorten baute er die
hören der Vergangenheit an. In den USA ist schließen, dass der Allmächtige den Dau- Teams aus, insbesondere im Marketing.
Energie ohnehin spottbillig, sparen einfach men demnächst ganz über das US-Aben- Mit einem Werbebudget, das weit über das
zu teuer. teuer senkt. Zumal die ursprünglich von Aldi hinausreichte, bespielte Seidel alle
Auch das Expansionstempo wird ge- kalkulierten zwei Milliarden Euro für In- Kanäle. Aufwendige TV-Spots wurden ge-
drosselt – zwangsläufig. Die Planer haben vestitionen und Anlaufverluste nicht aus- dreht, Radiosendungen produziert, die Zei-
die amerikanische Bürokratie unterschätzt. reichen werden. tungen seitenweise mit Reklame bestückt
und die sozialen Medien von Instagram
LIDL LÄSST’S KRACHEN über YouTube und Facebook bis Twitter
Der neuen Deutschland-Zentrale in genutzt.
Bad Wimpfen (Modell) fehlt es an nichts Selbst als Sponsor trat Lidl auf – vor
Seidel kein Thema von Belang. Die Firma
unterstützt jetzt diverse Handballmann-
schaften. Das belgische Radsportteam Etixx-
Quick-Step strampelte mit dem Lidl-Logo
auf der Brust bei der Tour de France mit.
In den Geschäften wurden die Sorti-
mente immer breiter. Convenience-Food
und Trüffelpasta lagen in den Regalen, auch
glutenfreie Pizza durfte nicht fehlen.
Mit der Produktvielfalt wuchs die La-
denfläche. Seidel entwickelte ein neues
Filialkonzept mit aus- und einladenden
Eingangshallen, breiteren Gängen, Kun-
dentoiletten und Wickeltischen. Insgesamt
sieben Milliarden Euro steckte er 2015 und
2016 in die Erweiterung und Modernisie-
rung der 10 200 Lidl-Märkte.
Tatsächlich stieg in den meisten Län-
FOTO: PR

dern der Umsatz pro Laden. Gleichzeitig


aber schossen die Kosten in die Höhe. Die
26 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
L I D L UNTERNEHMEN

AUSGELIEFERT
Flächenproduktivität – eine der Kauflands Lieferdienst in
wichtigsten Kennziffern im Handel – Berlin wurde 2017 eingestellt
sank, das Ergebnis sackte ab.
Nach Seidels Rauswurf machte
Gehrig seinem Ärger unüberhörbar
Luft: Lidl habe Paläste gebaut, deren
Umsätze „in keiner Relation zum
Aufwand“ stünden. Man müsse
nicht einen sieben Jahre alten Fuß-
boden rausreißen und einen neuen
verlegen, der nur ein paar Nuancen
heller sei und häufigere Reinigung
erfordere.
Auch die aufgedunsene Zentrale
missfiel dem Konzernchef. Statt zu
dezentralisieren, hatte Seidel dort
rund 1000 Arbeitsplätze geschaffen.
Zusätzliche Stellen gebe es erst wie-
der, wenn der Umsatz um 20 Pro-
zent gestiegen sei, heißt es heute.
„Jetzt wird alles auf null gestellt“, KAPITEL 3: märkte von Kaufland – Tschechien,
so Gehrig. Er will wieder mehr auf KAUFLANDS Polen, Kroatien, Bulgarien, Slowakei
Eigenmarken vertrauen und Seg- ROLLE ZICKZACKKURS und Rumänien – steuern zwar nur
mente wie Bio stärken. Die Organi- RÜCK- rund ein Drittel der Erlöse bei, sind
sationshandbücher müsse man zer- WÄRTS Kaufland war für Senior Dieter aber so profitabel, dass sie die Mut-
reißen und neu schreiben. Und die Schwarz immer ein Herzensanlie- ter ernähren.
Korrespondenz „wird künftig in der gen. 1968 von ihm gegründet, wuchs Osteuropa läuft gut, weil die
Zentrale archiviert und daraufhin der Großflächendiscounter kontinu- überschaubare Angebotspalette den
kontrolliert, ob sie kurz und klar ist“. ierlich und warf auskömmliche Er- regionalen Konsumgewohnheiten
Richten soll das alles Jesper Ho- träge ab. Bis heute sieht der Patron entspricht. Zudem sind die Häuser
jer. Der Seidel-Nachfolger hat seine bei Kaufland nach dem Rechten – meist jünger, sodass dort kein drin-
Karriere bei der Schwarz-Gruppe ab- aber Freude kommt keine mehr auf. gender Renovierungsbedarf besteht.
D E R B E K E H RT E
solviert, zuletzt als Lidl-Einkaufs- Kaufland- Das Management hat die Kette Hierzulande hingegen herrsche
vorstand. Er sei deutlich farbloser als Geschäftsführer vernachlässigt, es investierte zu we- „ein Investitionsstau gigantischen
sein Vorgänger, sagt ein Unterneh- Patrick Kaude- nig in die Läden und entwickelte das Ausmaßes“, klagt ein Kaufland-Ma-
menskenner, „ein Verwalter, den die witz straffte Format nicht weiter. „Die haben die nager. „Es gibt Standorte, die 10 bis
erst das Sor-
Komplexität der Aufgabe schnell timent; nach Kuh zu lange und zu intensiv gemol- 15 Jahre lang nicht modernisiert
überfordern könnte“. Umsatz- ken“, sagt ein Insider. Seit drei Jah- wurden.“ Branchenkenner gehen da-
Hojer übernahm den Job in ei- einbrüchen ren stagniert Kaufland, das mit 21,6 von aus, dass jeder der 650 deut-
nem schwierigen Wettbewerbsum- listete er viele Milliarden Euro etwa ein Viertel zu schen Märkte im Schnitt ein Budget
Artikel
feld – Aldi Süd und Nord stecken wieder ein den Gruppenerlösen beiträgt. Im von mehr als zehn Millionen Euro
Milliarden von Euro in ihre Läden Geschäftsjahr 2017/18 wird die Spar- bräuchte.
und bauen ihre Sortimente massiv te einen Verlust ausweisen. Investiert wird bei Weitem nicht
mit Markenartikeln aus, so wie Lidl Gehrig sah das Unheil bereits so viel. Lediglich einen „höheren
vorher unter Seidel. Die Neckarsul- 2014 kommen. Er hielt den damali- dreistelligen Millionenbetrag“ darf
mer büßten 2017 Marktanteile in DER ZAUDERER gen Kaufland-Chef Frank Lehmann Kaudewitz pro Jahr für die Moderni-
Deutschland ein. Ex-Kaufland- (55) zu Reformen an, doch der ging sierung der Filialen ausgeben. Dabei
Beim Versuch, wieder aufzuho- Chef Frank aus Gehrigs Sicht nicht entschlossen helfen die Kapitalmärkte – Kaufland
len, fällt der Hojer-Truppe nicht viel Lehmann genug zu Werke. Ende 2015 trennte hat vor Kurzem ein Schuldschein-
agierte zu zöger-
Besseres ein, als den Erzrivalen zu lich – jedenfalls er sich von Lehmann und beförderte darlehen in Höhe von einer Milliarde
imitieren: Vergangenen September in der Wahr- Lidl-Vorstand Patrick Kaudewitz Euro aufgelegt.
verkaufte Lidl eine Starkollektion nehmung von (54) an die Kaufland-Spitze. Die finanzielle Lage des Unter-
mit Heidi Klum, das hatte Aldi Süd Gruppenleiter Kaudewitz zettelte eine Revolu- nehmens ist nicht zuletzt wegen der
Klaus Gehrig
mit Jette Joop oder Anastacia vorge- tion an. Kaum etwas sollte bleiben, lange Zeit ausufernden Sortiments-
macht. Doch viele von Klums Leder- wie es war. Sein Pflichtenheft sah at- politik angespannt. Um möglichst
jacken, Pumps und Paillettenkleid- traktivere Filialen vor, gestraffte hohe Werbekostenzuschüsse der Le-
chen blieben in den Grabbelkisten Sortimente und den Einsatz leis- bensmittellieferanten zu ergattern,
liegen. Bei der ersten Aktion wurden tungsfähigerer Manager. hatte der Großdiscounter immer
höchstens 60 Prozent abverkauft. Die Restrukturierung be- mehr Ware ins Programm genom-
FOTOS: PR

Gleichwohl soll es bei den acht ver- schränkt sich im Wesentlichen auf men, die vielfach nur zäh abverkauft
einbarten Staffeln bleiben. Deutschland. Die sechs Auslands- wurde. 2
F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 27
UNTERNEHMEN L I D L

Kaudewitz versuchte, den Wild- Problem nach sich zieht: Wenn die
wuchs einzudämmen. Worauf man Gattin verreist ist, wohnt er am
wirklich verzichten konnte, wusste liebsten im Hotel, weil ihm die Be-
er allerdings nicht. Die altersschwa- dienung der häuslichen Alarmanlage
che IT schaffte es nicht, die Kaufge- zu kompliziert ist.
wohnheiten der Klientel anhand von Dieser ganze Digitalkram interes-
Kassenbons zu analysieren. Kunden- siert Gehrig einfach nicht. Dennoch
karten, die umsatzstarke Stamm- hat er erlaubt, dass seine Mannen in
kunden und ihren Bedarf hätten der Webwelt experimentieren. Bis er
identifizieren können, gab (und schließlich – auch auf Betreiben von
gibt) es nicht. Das einzige Kriterium Schwarz – den Stecker zog.
war die Renner-Penner-Liste: Lang- Ex-Lidl-CEO Seidel hatte eine
samdreher flogen raus. Digitalabteilung mit rund 1000 Mit-
2016 schrumpfte das Sortiment arbeitern aufgebaut und ließ ein
um rund 20 Prozent. Darunter fielen Click-&-Collect-Modell namens Lidl
auch Artikel, die zwar wenig nach- Express entwickeln. Es sah eine
gefragt wurden, aber Kunden in die Kombination aus Onlineorder und
Läden lockten. Bittere Konsequenz: stationärem Handel vor. Dafür er-
Die Konsumenten holten sich ihren richtete Seidel in Berlin eigens kleine
Lieblingschampagner bei der Kon- Filialen, wo auf rund 30 Quadratme-
kurrenz und kehrten nicht mehr tern einige Kühltheken, Regale und
zurück. Kassen standen.
Notgedrungen änderte Kaude- Die Kunden sollten Obst und
witz 2017 den Kurs. Ein Gutteil der Fleisch, Milch und Butter übers Netz
zuvor ausgelisteten Produkte liegt bestellen, in den nächstgelegenen
nun wieder in den Läden. Außerdem Miniladen fahren, dort eventuell
steckt er viel Geld in die Werbung Produkte zurücklegen oder dazu-
und geht mit Kampfpreisen an den packen und dann bezahlen.
Markt. Aktionsware bietet er mit Ab- Als Seidel im Februar 2017 seinen
schlägen von bis zu 50 Prozent an. Job quittieren musste, war es auch
Der Umsatz steigt trotzdem nicht, mit dem Berliner Pilotprojekt vor-
dafür sinken die Margen. bei. Gehrig ließ die Geschäfte, die
Das Hin und Her verunsichert die kurz vor der Eröffnung standen, wie-
Mannschaft enorm. Noch schlim- Wann in Australien die erste der einmotten.
mer indes wirkt sich Kaudewitz’ Kaufland-Filiale eröffnet, steht noch Was blieb, ist ein Lidl-Online-
Personalpolitik aus. Egal ob Vor- nicht fest. Zunächst sollte es 2021 MODELL- shop mit mehr als 25 000 Artikeln,
standsmitglied, Regionalleiter oder sein, dann flog Gehrig selbst auf die VERSUCH von Kinderbekleidung bis zum Kat-
Chefeinkäufer für Obst und Gemü- andere Seite der Erdkugel und zog Die von Heidi zenkratzbaum. Außer Wein und Spi-
se – keiner wusste und weiß, wie lan- den Start auf 2020 vor. Doch das Klum designte rituosen werden keine Lebensmittel
Kollektion war
ge er noch auf seinem Posten bleibt. Vorhaben kann auch abgebrochen ein Flop in
angeboten. Gehrig will das digitale
Bis hinunter zur dritten Führungs- werden, wenn es zu teuer gerät. den Lidl-Filialen Sortiment, das es auch in den Nie-
ebene hat Kaudewitz Dutzende von derlanden und Belgien gibt, interna-
Managern verloren oder aus dem KAPITEL 4: tional ausrollen. Feldversuche in den
Unternehmen gedrängt. DER GEPLATZTE USA und China laufen.
Ausgerechnet in dieser heiklen ONLINETRAUM So schnell wird es jedoch nichts
Lage daheim sucht Kaufland nun werden mit dem globalen Auftritt.
sein Glück in Australien. Einige Für Gehrig muss es stets das neueste Die Lidl-IT ist derart schwach, dass

1000
Grundstücke sind bereits gefunden, Smartphone sein, kürzlich hat er die Besteller bis zu sieben Tage auf
junge Teams – ähnlich unerfahren sich das iPhone X zugelegt. Dessen ihre Pakete warten müssen.
wie die Youngster in den USA – su- Features nutzt er allerdings nur zum MIT- Bei Kaufland währte der Ausflug
chen nach weiteren Standorten. Bruchteil: fürs Telefonieren und ARBEITER nach Utopia etwas länger. Kaudewitz
Auch wenn Lieferanten und Poli- Simsen. Er ist noch nie im Internet hat Lidl zwischen- hatte im Oktober 2016 einen Zustell-
FOTO: DIMITRIOS KAMBOURIS / GETTY IMAGES

zeitlich in seiner
tik den Händler aus Deutschland gesurft, geschweige denn hat er je et- Digitalabteilung dienst in Betrieb genommen, der
willkommen heißen, weil er den was online bestellt. „Wenig versiert“ aufgebaut. auch Frischware zu den Onlinekun-
Wettbewerb ankurbelt – viel leichter sei er im Umgang mit dem World den brachte. Eine Flotte von Liefer-
als Lidls Vorstoß nach Amerika dürf- Wide Web. wagen fuhr durch Berlin, 300 Mitar-
te Kauflands Expansion nach Down Immerhin ließ er sich Anfang beiter vor Ort und 80 in der Zentrale
Under nicht werden. Der Markt ist 2018 eine Mailadresse einrichten, kümmerten sich um den Service.
gesättigt, aufgeteilt zwischen großen damit seine Frau ihn besser errei- Im vergangenen Dezember stellte
Anbietern wie Coles, Woolworths chen konnte – sie ging auf Antarktis- Gehrig das Geschäft ein. Wenn er
und Aldi Süd. kreuzfahrt. Was wieder ein anderes den Lieferdienst hätte richtig ma-
28 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
L I D L UNTERNEHMEN

chen wollen, so Gehrig, hätte er noch IM GLEICHSC H R I T T JUGEND Jahren zum Bereichsvorstand Con-
mal einen satten dreistelligen Mil- Bruttoumsätze in Milliarden Euro
FORSCHT trolling in der Schwarz Unterneh-
lionenbetrag in die Hand nehmen Aldi, Lidl 88,2 menstreuhand. Oder Julia Kern (28),
müssen. Den steckt er lieber in die 75,9 die 2016 als Chefin der Kaufland-Re-
Modernisierung der Filialen. 63,5
gion Nord einen altgedienten Mana-
Kaufland hat den Verkauf übers 53,8
ger ablöste; im Mai 2018 wird sie zur
Internet inzwischen ganz gestoppt. Nord Australien-Obfrau befördert. Des
300 Angestellte werden entlassen. Weiteren Christiane Seeger (29), die
Aus der Traum vom Onlinepionier. schon mit 26 den Kaufland-Einkauf
Gehrig sieht sich beim Onlinege- Süd DIE CHEFIN in Südostasien leitete und jetzt in
schäft nicht in Zugzwang. Er wartet Julia Kern leitet gleicher Funktion den Start in Aus-
mit 28 Jahren die
lieber ab, bis der Markt reifer ist, 2012 20171 tralien mit vorbereitet.
Kaufland-Tochter
nach dem Motto: „Es war noch nie 1 | Schätzung. in Australien Gehrig sagt, er lasse die jungen
Quelle: Planet Retail Grafik: manager magazin
zu spät!“ Auch wenn’s dann womög- Leute arbeiten und erkenne dabei
lich teurer wird. ihre Qualitäten. Er glaubt, dass die
lichen Turmes zukommen. Und er Systeme von Lidl und Kaufland die
KAPITEL 5: bescherte Bad Wimpfen ein weiteres schlimmsten Fehler verhindern.
DAS NACHFOLGE- Hotel: Das „Neue Tor“, an dem Geh- Spätestens in den USA hat sich je-
PROBLEM rig privat wesentlich beteiligt ist, doch gezeigt, welchen Schaden ah-
wurde im vergangenen Herbst fest- nungslose Teams anrichten.
Unterirdische Boulevards und Fit- lich eingeweiht. Wer aus Gehrigs Sicht performt,
nessanlagen, Ruhezonen für Mitar- Lidl ist ein großzügiges Unter- wird befördert. Wenn er findet, dass
DIE EINKÄUFERIN
beiter und begrünte Terrassen – es nehmen, so die Botschaft. Auch Die- Christiane jemand zu selbstbewusst auftritt,
soll an nichts fehlen in der künftigen ter Schwarz begrüßt die Imagepfle- Seeger hat sich den Erfolg des Geschäftsmodells mit
Deutschland-Zentrale von Lidl. Et- ge, er leidet noch immer unter dem in Südostasien dem eigenen verwechselt oder sich
wa 1500 Angestellte werden 2019 Vorwurf unwürdiger Arbeitsbedin- bewährt und grobe Schnitzer leistet, zieht er die
führt jetzt die
den Komplex aus fünf geschwunge- gungen, die sich in den 2000er Jah- Kaufland- Reißleine.
nen Trakten in Bad Wimpfen nahe ren häuften. Einkäufer Down Vor einem Jahr schuf der Patri-
Heilbronn beziehen. Mittlerweile zahlen Lidl und Under arch ein neues Führungsgremium.
„Das erste Mal in der Geschichte Kaufland ordentliche Gehälter, es In dem Exekutivkomitee sitzen ne-
des Unternehmens betreiben wir für gibt Beschwerdestellen fürs Perso- ben Kaudewitz und Hojer auch die
ein Verwaltungsgebäude so einen nal, Krawatten sind verpönt. Und Chefs von zwei Gesellschaften, die
riesigen Aufwand“, sagt Gehrig. seit 2016 gilt konzernweit das Du, Services für Lidl und Kaufland er-
Rund 200 Millionen Euro gibt er für selbst Gehrig ist nur noch der Klaus. bringen. Andreas Strähle (49) leitet
das Hauptquartier aus, 20 bis 25 Mil- Zum neuen Stil gehört auch die die Firma Schwarz Dienstleistung
lionen Euro mehr, als ein reiner Beförderung extrem junger Mana- und kümmert sich unter anderem
Zweckbau kosten würde. ger. Ein Unternehmensberater sagt, um Finanzen. Gerd Chrzanowski
Praktischerweise wohnt Gehrig er komme sich bei Besuchen der (46) ist bei der Schwarz Zentrale
selbst in Bad Wimpfen. Er schätzt Schwarz-Gruppe vor wie in einer Dienste für Immobilien und Infor-
das Städtchen am Neckar. Erst kürz- „Beraterbude, wo sich lauter Univer- mationstechnologie zuständig.
lich ließ er dem Ort eine Lidl-Spende sitätsabgänger tummeln“. Die vier Manager sollen sich im
in Höhe von einer Million Euro für Da ist zum Beispiel Melanie Köh- Alltagsgeschäft abstimmen. Wenn es
die Renovierung eines mittelalter- ler (27). Gehrig ernannte sie vor zwei ums große Ganze geht, hat das Gre-
mium allerdings lediglich beratende
Funktion. Am Ende ist es stets das
allmächtige Duo Schwarz/Gehrig,
das bestimmt, wo es langgeht.
Ein hohes Risiko, sich allein auf
zwei Schlüsselpersonen zu verlas-
sen. Denn aus heutiger Sicht ist kei-
ner der beiden ersetzbar. Gehrig
sucht bislang eher halbherzig nach
FOTO: PEER SCHADER / SUPERMARKTBLOG.COM

einem Nachfolger, seinen Vertrag


hat er zunächst einmal verlängert –
entgegen dem Wunsch seiner Frau.
So versuchen sich jetzt einmal
mehr die beiden alten Granden am
notwendigen Neuanfang. Es könnte
ONLINE LOHNT NICHT ihr letztes gemeinsames großes Ge-
Räumungsverkauf statt Eröffnung fecht sein.
bei den Lidl-Express-Filialen in Berlin
1 Sören Jensen/Ursula Schwarzer
F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 29
LOCKERER
DÄNE
Der neue Siemens-
Chefkontrolleur
Jim Hagemann
Snabe hat nichts
Einschüchterndes
an sich
PORTRÄT UNTERNEHMEN

D HEJ, MR
er Aufsichtsratsvorsitz

NICE
der Siemens AG gilt,
auch wenn das zuletzt
etwas in Vergessenheit
geraten ist, als das
machtvollste Amt in
der deutschen Industrie. Heinrich von
Pierer musste im Zuge der Schmiergeld-
affäre weichen, aber nicht ohne den
damaligen Vorstandsvorsitzenden Klaus
Kleinfeld mitzureißen. Sein Nachfolger
Gerhard Cromme installierte einen Unbe-

GUY
kannten namens Peter Löscher als Chef
und kippte ihn einige Jahre später, als
augenfällig wurde, wie überfordert der
Mann war.
Seitdem schreibt sich Siemens mit K wie
„König Joe“ Kaeser (60). Gerhard Cromme
und mit ihm die anderen Männer und Frau-
en, die den Vorstandschef kontrollieren
und im Zweifelsfall entlassen sollen, wirk-
ten zuletzt so sehr im Hintergrund, dass sie
kaum mehr auffallen.
Ausgerechnet einer der Unauffälligsten
unter ihnen wird nun der neue Königsma-
cher: ein mittelgroßer, drahtiger Däne, der
so gar nichts Einschüchterndes an sich hat,
sondern Lachfältchen um die dunkelbrau-
nen Augen. Jim Hagemann Snabe (52) wen- PORTRÄT
Jim Hagemann Snabe ist
det sich seinen Gesprächspartnern so in-
tensiv zu, dass er schon mal fast mit dem
ein Chefkontrolleur, wie Siemens ihn
Oberkörper über der Tischplatte liegt. noch nicht gesehen hat.
Alphatiergehabe ist ihm fremd.
Wie soll so ein lieber Kerl den starken Kann er Joe Kaeser Paroli bieten?
Joe Kaeser kontrollieren? Zumal der den
früheren SAP-Co-CEO 2013 selbst in sei-
nen Aufsichtsrat holte, als Verbündeten. Von Angela Maier
Snabe, so viel kann man jetzt schon sa-
gen, wird sich alle Mühe geben. Die vergan- Türen braucht, kriegt die Tür innerhalb von  Die Kapitalmärkte haben die Lust auf
genen zwölf Monate hat er als Lehrzeit be- zehn Tagen mit hoher Wahrscheinlichkeit Konglomerate endgültig verloren; immer
griffen. Kreuz und quer über den Globus ein Problem. Und schon haben wir einen mehr Investoren drängen auf Aufspaltung.
flog er, zu allen großen Siemens-Geschäf- Mehrwert aus den Daten“, erzählt er be-  China führt seine Industrie mit Macht
ten, ließ sich durch Werke führen, sprach geistert, in fehlerfreiem Deutsch. und Milliarden an die Weltspitze.
mit Mitarbeitern und Topmanagern. „Ich Vor Weihnachten jettete er mit  Die Digitalisierung schreddert Jahrzehnte
möchte Siemens wirklich verstehen“, sagt Cromme und Kaeser nach New York, laufende Geschäftsmodelle.
er, und das könne er nicht allein durch Frankfurt, Paris und London, um sich den Snabe bringt für seine neue Aufgabe jede
PowerPoint-Präsentationen. Investoren vorzustellen. Snabe habe einen Menge fachlicher und menschlicher Qua-
Wie eng die alte Welt der Turbinen und superentspannten Eindruck hinterlassen, litäten mit. Man hört fast nur Gutes über
Stromnetze, der Züge und Computertomo- berichtet ein Frankfurter Investorenvertre- ihn. Aufrichtig und geradlinig sei er, hoch-
grafen schon mit der neuen, digitalen ver- ter. Er sprühte vor Ideen, wie Siemens intelligent, und er denke vernetzt, sagt sein
bunden ist, hat ihn stets aufs Neue beein- die Digitalisierung weiter vorantreiben früherer Finanzchef bei SAP, Werner
druckt. „Wir haben enorme Kompetenz. könne. Brandt (64), der Ende Januar ebenfalls in
FOTO: KATRIN BINNER FÜR MANAGER MAGAZIN

Ich habe mehr Innovation gesehen, als ich „Ich konnte mich optimal vorbereiten“, den Siemens-Aufsichtsrat einzieht und
erwartet hätte.“ sagt Snabe und strahlt. Die Einarbeitung dort den Prüfungsausschuss leiten wird.
In Siemens’ historischer Lokfabrik im macht ihm einen Riesenspaß – und ist auch Vor allem bei Innovationen sei er „mit sei-
Münchener Stadtteil Allach etwa, wo die notwendig. Der Münchener Konzern mit ner tiefen Kenntnis von verschiedenen In-
Datenanalysten direkt neben den Ingenieu- weltweit 372 000 Mitarbeitern, 83 Mil- dustrien ein wertvoller Gesprächspartner“.
ren sitzen. „Nur durch diese Nähe und die liarden Euro Umsatz und einem Börsen- Keine Frage, der Mann kennt sich aus.
Verknüpfung von mechanischen Vorgän- wert von 104 Milliarden Euro (nach SAP die Als Chief Digital Officer wäre er eine
gen mit Daten erkennt man: Wenn ein Nummer zwei im Dax) wird schon bald ein Wucht. Doch schafft er es auch, den Macht-
Zug mehr Energie beim Schließen von anderer sein. Oder nicht mehr sein. Denn: menschen Kaeser in Schach zu halten? 2
F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 31
UNTERNEHMEN PORTRÄT
1
Das, antwortet Snabe, sei gar nicht nö- te die Welt optimieren“, sagt Snabe. Als
tig. „Was Herr Kaeser und der gesamte Vor- 25-Jähriger heuerte er als Consultant bei
stand in den letzten Jahren für Siemens ge- SAP in Dänemark an; der Walldorfer Kon-
tan haben, ist schon beeindruckend.“ Auch zern optimiert mit seiner Software im-
den teuren Kauf des Ölindustriezulieferers merhin Geschäftsprozesse.
Dresser-Rand am Ende des Ölpreisbooms Mit seiner unkomplizierten Art, seiner
findet Snabe zumindest strategisch richtig. Begeisterung und seinem tiefen Ver-
Dressers kleine Turbinen seien für die de- ständnis für neue Technologien kam er
zentrale Stromversorgung als Ergänzung gut an bei Kunden, Kollegen und Chefs.
zu Wind- und Sonnenstrom viel geeigneter Mit 42 holte ihn SAP-Mitgründer Hasso
als Großkraftwerke. Plattner in den Vorstand und machte
Die Gefahr von Abgehobenheit sieht er ihn bald zum Co-CEO, zusammen mit
schon gleich gar nicht, trotz Kaesers zuletzt dem eher exaltierten Amerikaner Bill
eher robusten Umgangs mit Betriebsräten McDermott.
und Gewerkschaftern. „Menschen werden Das ungleiche Duo harmonierte über
mit zwei Ohren und einem Mund geboren.“ drei Jahre erstaunlich gut – was SAPler
Daran ändere auch Erfolg nichts. Wichtig vor allem Snabes ausgleichender Persön-
sei, dass man offen bleibt. „Und das sehe lichkeit zuschreiben. „Jim hat eine unge-
ich bei allen Vorständen von Siemens.“ wöhnlich gute Integrationsfähigkeit“, sagt
Auf Hierarchien gibt Snabe nicht viel, ein enger Mitarbeiter von früher. „Bei
und noch weniger auf Floskeln. Seine Mee- strittigen Fragen war es immer Jim, der
tings an den Standorten leitet er ein mit: mit einer versöhnlichen Idee, einem
„Ich bin überzeugt, dass alle ihr Bestes ge- gangbaren Kompromiss auf Bill zuging. 2
ben und es gut läuft. Also können wir mehr Er streckt immer wieder die Hand aus –
Zeit damit verbringen, Möglichkeiten für auch wenn der andere sich unmöglich
Verbesserungen zu diskutieren.“ Let’s go. benommen hat.“
Snabe, der LinkedIn und Twitter mag, Am Ende wurden die Grabenkämpfe
weil man „da andere Leute trifft als die, die im Vorstand (auch mit dem anderen
ich normalerweise treffe“, ist neugierig und Plattner-Zögling Vishal Sikka) aber selbst
ganz der Zukunft zugewandt. Er war einer dem duldsamen Dänen zu viel, er ging.
der Ersten in Dänemark, der einen Tesla Hält aber – typisch Snabe – bis heute Kon-
bestellt hat. Den Strom tankt er in Klam- takt. „Bill ist fast wie ein Bruder, wir sind
penborg, einer Villengegend nördlich von eng befreundet“, sagt er, gut drei Jahre
Kopenhagen, wo er mit der Familie wohnt. nach der unsanften Trennung.
Und was ist mit all den Erzählungen,
„Bill ist fast wie ein Bruder“ dass McDermott unbedingt alleiniger
Dank seines Vaters, eines Hubschrauber- CEO werden wollte? „Mich reizte die
piloten, kam Snabe schon als Kind viel he- Möglichkeit, durch Aufsichtsratsaufgaben 3
rum. Der Senior flog für den dänischen Lo- etwas Neues zu lernen“, entgegnet Snabe.
gistiker und Reeder Maersk Arbeiter zu den „Snabe würde nie schlecht über jeman-
FOTOS: MAGNUS MØLLER / DANAPRESS, BJARNE LÜTHCKE / SCANPIX DK / DANAPRESS, THOMAS RABSCH / LAIF

Ölplattformen in der Nordsee. Als Jim zwei den sprechen“, sagt ein Topmanager, der
Jahre alt war, zog die Familie für sieben Jah- ihn oft trifft. Seit seinem Abschied von
re nach Grönland, in die Stadt Nuuk an der SAP zieht er wie ein Wanderprediger des
Westküste, weit weg von allem. Sie lebte digitalen Wandels durch die Lande. Ob er
völlig abgeschnitten. Nachrichten mussten vor dem World Economic Forum (WEF)
auf Band kopiert und mit dem Schiff ver- spricht, in dessen Stiftungsrat er sitzt, vor
sendet werden, das dauerte sieben Tage. den Studenten der Copenhagen Business
Als Schüler programmierte Snabe ein- School oder in den Aufsichtsräten von Al-
fache Spiele, danach studierte er Betriebs- lianz, Siemens oder der weltgrößten Ree-
wirtschaftslehre an der Aarhus School of derei A.P. Møller-Maersk: Stets preist er
Business, mit dem mathematischen die Chancen durch neue Technologien.
Schwerpunkt „Operational Research“. In „Ihr Mehrwert ist größer als das, was
seiner Diplomarbeit entwickelte er Algo- durch sie verloren geht: für die Gesell-
rithmen für das „quadratische Zuord- schaft, für die Unternehmen und für die
nungsproblem“, eine der schwierigsten Menschen.“ Das hat er systematisch beim
Mathematikaufgaben der Welt (und bis WEF analysiert, für diverse Branchen.
heute ungelöst): etwa wie sich die vielen Den Wandel schnell genug zu mana-
Komponenten eines PC so anordnen las- gen sei eine zentrale Führungsaufgabe.
sen, dass die Informationen eine insgesamt Bei der er nun wieder selbst mitmischen
möglichst kurze Strecke zurücklegen (wo- will – in seiner zweiten Karriere als
durch der PC schneller arbeitet). „Ich woll- Berufskontrolleur.
32 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
PORTRÄT UNTERNEHMEN

NORDISCH Anfang 2017 bittet ihn die Familie Für diese Neuorientierung braucht es
1 Jim Hagemann Maersk, den Aufsichtsratsvorsitz in Ko- auch im Aufsichtsrat mehr strategische
Snabe ist, wie sein penhagen zu übernehmen. Snabe, dessen Agilität. Künftig sollen sich die Kontrolleu-
Ziehvater bei SAP,
Hasso Plattner, pas-
Vater zuletzt CEO der Hubschrauber- re mindestens einmal im Jahr grundsätz-
sionierter Segler. tochter war, sagt zu. „Ich war immer Teil lich mit der Strategie beschäftigen. „Man
2 Mit dem däni- des Unternehmens.“ Gleichzeitig läuft kann keine Strategie für 2030 machen, aber
schen Container- die Cromme-Nachfolge auf ihn zu. Nicht eine ambitionierte Richtung festlegen und
schiffriesen
Maersk, dessen Auf-
zuletzt weil Kaeser kräftig für ihn wirbt. dann über Iterationen lernen.“ Unter
sichtsrat er seit „Ein Aufsichtsratsvorsitz ist ein Halb- Cromme datiert die letzte umfassende Dis-
einem Jahr führt, tagsjob“, sagt Snabe. „Die große Frage für kussion der Gesamtstrategie aus dem Jahr
wuchs Snabe auf: mich war: Kann ich beides schaffen, wenn 2014, als Kaeser den Räten seine „Vision
Sein Vater Jan Ha-
gemann Sørensen ich andere Aufgaben abgebe und SAP ver- 2020“ vorstellte.
flog für Maersk He- lasse?“ Dort saß er bis zuletzt auch noch Vier neue, jüngere Kontrolleure sollen
licopters Arbeiter im Kontrollgremium. künftig Cromme-Vertraute ersetzen. Ne-
zu Ölplattformen in Viele SAPler sind geschockt nach Sna- ben Brandt, den Kaeser 2013 schon in den
der Nordsee und
war später CEO des bes Entscheidung. Er galt als „Ziegelstein- Aufsichtsrat der damals frisch börsenno-
Maersk-Bereichs. kandidat“ und Plattners natürlicher Nach- tierten Lichtbeteiligung Osram gebeten
folger an der Spitze. Also hilft Snabe, hatte, sind das: Lanxess-CEO Matthias
Ersatz zu beschaffen und die Intel-Chef- Zachert (50), die Direktorin der London
strategin Aicha Evans nach Walldorf School of Economics und einstige Vizeche-
zu holen. fin des Internationalen Währungsfonds,
Dame Nemat Talaat Shafik (55), und Air-
Lieber Jim, starker Joe Liquide-Chef Benoît Potier (60).
Seine Entscheidung für Siemens hat Sie alle dürften Kaeser in seinem Um-
Snabe sich gründlich überlegt. Die Di- baueifer kaum bremsen. Daher haben die
gitalisierung der physischen Welt wer- altgedienten Räte Werner Wenning (71;
de umfassend werden, erklärt er, aber Bayer), Norbert Reithofer (61; BMW) und
nicht ohne Hardware funktionieren. „An Michael Diekmann (63; Allianz) vereinbart,
Maersk, die 20 Prozent des verschifften Snabe gegenüber dem CEO zu unterstüt-
Welthandels transportieren, und an zen, falls das nötig werden sollte.
Siemens wird man nur schwer vorbei- Erst kürzlich lief es mal wieder in Kae-
kommen.“ Keine App, kein mobiles sers Sinne, als es um den Bonus des Vor-
Endgerät, keine Kryptowährung, kein stands für das vergangene Geschäftsjahr
Computer funktioniert ohne Strom. ging. Der wäre eigentlich deutlich niedriger
Siemens habe das Potenzial, den Wandel ausgefallen, da hohe Goodwills aus dem
zu gestalten und nicht davon getrieben Kauf der US-Softwarefirma Mentor Gra-
zu werden. phics und der mit Gamesa fusionierten
Wenn Snabe redet, glaubt man manch- Windsparte die Rendite auf das eingesetzte
mal, Kaeser zu hören. Ihr Austausch ist Kapital (Roce) stark verwässerten. Die Räte
eng, auch abseits der Gremiensitzungen. entschieden, das Roce-Ziel nachträglich
5 „Kaeser wollte Snabe, weil der aus der In- um die Goodwills zu bereinigen, sodass die
dustrie kommt, auf die Kaeser zuarbei- Boni stabil blieben.
4 tet“, sagt ein Konzerninsider. Von den Investoren hagelt es dafür Kri-
Kaeser will Siemens künftig in zwei tik. „Die Ziele für die Boni rückwirkend an-
Teilen führen: einem Medizintechnik- zupassen geht gar nicht“, schimpft ein Ak-
und einem Industriekonzern rund um tionärsvertreter. „Wenn die Transaktionen
Automatisierung und Stromnetze. Und in Zukunft zu höheren Gewinnen führen,
da spielt Software eine immer größere wird das ja auch nicht herausgerechnet.“
FOTOS: AXEL GRIESCH / FINANZEN VERLAG / LAIF, MANUEL LOPEZ

Rolle. Schon heute beschäftigt Siemens Leicht wird er es nicht haben, der liebe
fast so viele Entwickler wie SAP. Jim, mit dem starken Joe. So mancher bei
Wie Kaeser sieht auch Snabe den Siemens glaubt, Snabe sei nur ein Über-
Mehrwert eines solchen Konstrukts in gangskandidat, bis Kaeser selbst komme.
der Marke sowie in übergreifenden Tech- Für den ist Anfang 2021 als CEO Schluss,
nologien wie Siemens’ offenem, cloud- nach zwei Jahren Cooling-off könnte er
NOBEL basierten Betriebssystem MindSphere. 2023 als Chefkontrolleur zurückkehren.
3 Auf Bill McDermott (r.), der nun alleinige Die Mehrheit soll der Konzern nur noch „Es gibt keinen Plan“, sagt Snabe. „Wir
Spitze bei SAP ist, lässt Snabe bis heute an Geschäften behalten, in denen er die diskutieren miteinander, wer was für Sie-
nichts kommen. 4 In seiner zweiten Zukunft sehe. So ähnlich wie Apple beim mens tun kann.“ Irgendwie erinnert das
Karriere arbeitet er als digitaler Evangelist
(wie in Davos). 5 Joe Kaeser holte ihn in
iPhone: Kernbestandteile wie Mail, Ka- Verhältnis der beiden an die Siemens-Stra-
den Siemens-Aufsichtsrat. lender oder Kamera macht Apple selbst – tegie: Es ist ein iterativer Prozess – und sehr
aber längst nicht alle Apps. spannend zu beobachten. 1
F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 33
BLOCK DES
ANSTOSSES
Der Pannen-
meiler im
elsässischen
Fessenheim

D
er Atem gefriert, ßenden Namen Electricité de France
bildet Wolken wie hört. Das Delikt: Gefährdung Dritter.
ein Kraftwerks- EDF Frankreichs Den Pannenmeiler Fessenheim, mit sei-
kühlturm. Jean (61) nen 40 Jahren auf dem Reaktorbuckel,
wechselt von einem
Präsident Emmanuel empfinden sie im Dreiländereck Frank-
Bein aufs andere. Macron braucht für reich-Deutschland-Schweiz seit Lan-
Der pensionierte Winzer aus dem 600- gem als „tägliche Bedrohung“ (Jean).
Einwohner-Dorf Weckolsheim harrt an seine Energiewende Jean, der Rebenrentier, marschiert
diesem knackig kalten Dezembersams-
tag vor der Polizeistation im elsäs-
den staatlichen Strom- seit den 70er Jahren gegen das Kraft-
werk. Er trägt eine braune Wollmütze
sischen Colmar aus, einem dunkel und Atomgiganten. und eine unscheinbare Nickelbrille über
verglasten Zweckbau. Wie rund 60 Lei-
dens- und Gesinnungsgenossen, die auf
Doch der steckt in der dem dichten, langen grauen Bart. Grü-
ner Parka, grüne Umhängetasche, in der
dem Trottoir der Rue de la Cavalerie Krise – und spielt er das Equipment für die Selbstgedreh-
eine wohlgeordnete Reihe bilden. ten aufbewahrt – der Mann ist fleisch-
Sie alle wollen Anzeige erstatten. russisches Roulette. gewordene Demonstrationskultur.
Mon dieu, es geht gegen den Regie- Die konzertierte Aktion erstreckt
rungschef. Gegen den Umweltminister. sich auf vier weitere französische Städ-
Und gegen den staatseigenen Atomgi- te, allesamt in der Nähe störanfälliger
ganten EDF, der auf den Respekt einflö- AKW. Überall sammeln sich Anrainer
34 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
EDF UNTERNEHMEN

aus Frankreich, Deutschland, Belgien, zunehmend kritischer gegenübersteht. werden muss. Es gibt Wichtigeres zu
Luxemburg und der Schweiz. Und be- Regelmäßig müssen Franzosen fürch- tun, die große Linie zählt. Frankreichs
folgen die Anweisungen der Organisa- ten, ihre Stromheizungen zu drosseln, Präsident Emmanuel Macron (40) ließ
toren: keine Provokationen, keine Ban- weil Meiler mal wieder wartungsbedingt sich Mitte Dezember auf dem Pariser
ner, keine Flaggen; „eine saubere, klar abgeschaltet wurden. Umweltgipfel, zu dem er persönlich
definierte Schlange ist das Ziel“. Alles In den Kapitalmarktarchiven kalli- geladen hatte, von den mehreren Tau-
andere würde als Aufruhr ausgelegt. grafierten die Schriftgelehrten die send Teilnehmern aus aller Welt feiern,
Dass der weltgrößte Nuklearverstro- Misere Mitte November mit „Gewinn- als neuer Klimakönig Europas – Roi
mer EDF das Feindbild aller Atom- warnung“; einen „schwarzen Börsen- du CO2.
bewegten ist, verwundert kaum. Über- montag“ vermerkten die Chronisten Macron will die Energie gerade an-
raschender ist, dass das Unternehmen nach anschließendem Kursrutsch. dersherum wenden als Merkel: Bis 2021
inzwischen auch als Symbol für Ma- Schon seit Ende 2015 notiert die einstige verzichtet er großzügig auf die Kohle,
FOTO: BERND LAUTER / COVERSPOT / IMAGO

nagementversagen taugt: EDF, ehe- Volksaktie EDF nicht mehr im Topindex die in Frankreich nicht einmal 5 Prozent
dem Ausdruck der industriellen Stärke CAC 40, sondern nur noch in der zwei- zur Stromerzeugung beiträgt. An der al-
der Atommacht Frankreich, ist zum Kri- ten Börsenliga. les überstrahlenden Atomkraft indes
senfall verkommen. Finanzielle Groß- Den EDF-Haupteigner Staat (83 Pro- wird vorerst nicht gerüttelt. Macrons
risiken, technische Probleme beim Neu- zent) stören die Kursturbulenzen kaum. Vorgänger Hollande wollte qua Gesetz
bau von Kraftwerken, Strompreisverfall Hauptsache, die Dividende stimmt, den Nuklearanteil bis 2025 von derzeit
und Kundenverluste sind zu nennen so- auch wenn sie mangels Überschüssen 75 auf 50 Prozent verringern; mindes-
wie eine Bevölkerung, die der Kernkraft mit Krediten oder Aktien beglichen tens 17 der insgesamt 58 Meiler hät- 2
F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 35
UNTERNEHMEN EDF

Ausbildungspfade beschritten, die


Elitehochschulen für Ingenieure
(École Polytechnique, École des
Mines). Hinzu kommt: Die Atom-
technik ist für viele eine Frage der
nationalen Sicherheit und des Stol-
zes; Frankreich wird nach dem Bre-
xit die einzig verbliebene Nuklear-
macht in der EU sein.
Gewerkschaften, Politiker, Mana-
ger – alle erfreuten sich daran, dass
Atomkraftwerke jahrzehntelang als
Monetenminen fungierten. Doch die
Elitesymbiose konnte nicht verhin-
dern, dass sich EDF zum Störfall
entwickelte.
Spätestens seit der notleidende
PAT R O N & PAT R O N Reaktorbau des französischen Kon-
Emmanuel Macron
(vorn l.) auf kurrenten Areva 2016 mehrheitlich
EDF-Visite, Chef dem Unternehmen zugeschlagen
Lévy flüstert ein wurde, war es vorbei mit der Volt-
herrlichkeit. Der Staat half mit einer
ten dafür abgeschaltet werden müs- also mithilfe von EDF. Dem Konzern Kapitalspritze, gleichwohl erbte EDF
sen. Nun lässt sich die Staatsgewalt droht eine mehrfache Überforde- einen Sanierungsfall.
damit zehn Jahre länger Zeit. rung. Um die maroden Meiler zu Das präsidial vorgegebene Ziel,
Werbewirksam hat Macron einen modernisieren, sind laut EDF 45 aus dem Verbund eine „hochtourige
Tag vor dem Pariser Treffen von Milliarden Euro nötig; 60 Milliarden Exportmaschine“ (so ein Wettbe-
EDF einen „Plan Solaire“ eingefor- kosten Rückbau und Entsorgung. werber) zu machen, wird kaum auf-
dert. Zwischen 2020 und 2035 soll Obendrauf kommen 25 Milliarden gehen. Der Markt beschränkt sich
der Konzern auf heimatlicher Schol- Solarinvestitionen – mit Aussicht auf wenige Länder. Neue Rivalen aus
le 25 Milliarden Euro in große Foto- auf neue Schulden. Schon jetzt Korea, China und Russland, die über
voltaikanlagen investieren. 30 000 drücken den Stromer mehr als 30 eine erfolgreiche Heimatbasis mit
Hektar sind dafür nötig, was unge- Milliarden Euro Nettoverbindlich- qualifizierten Lieferanten verfügen,
fähr der gleichen Anzahl Fußballfel- keiten. kommen empor. Und: Der Trend
der entspricht. geht hin zu kleineren, flexibleren
EDF-Boss Jean-Bernard Lévy Nukleare Kette von Desastern AKW. Die „small modular reactors“
(62) räumt ein, das ambitionierte Die Beschäftigten fürchten, dass sie können im Zeitalter von Einspeisun-
Vorhaben sei „eine Reaktion auf die am Ende für die monetäre Malaise gen dezentraler, erneuerbarer Ener-
Kommunikation“ der Regierung. Ein geradestehen müssen. Die Gewerk- gien ins Stromnetz einfacher rauf-
Grund für seine Folgsamkeit: Sein schaft Force Ouvrière etwa will „sehr oder runtergefahren werden als der
Vertrag steht 2019 zur Verlängerung wachsam“ beobachten, wie die In- Reaktortypriese EPR, das Standard-
an. Und Lévy möchte gern im Amt vestitionen finanziert werden. Son- produkt der Franzosen.
bleiben. ne? Schön und gut. Solange daraus Ob der EPR (das Kürzel steht für
Überwachen soll das Sonnenpro- „kein Lohndruck“ entsteht. „Europäischer Druckwasserreaktor“)
jekt Nicolas Hulot (62), Frankreichs Die Gewerkschaften sind seit je überhaupt funktioniert, muss sich
Umweltminister. Ein quirliger, beim tragende Säule des Systems EDF. noch erweisen. Es gibt weltweit kein
Publikum beliebter Grüner, der sich Der Konzern beschäftigt 155 000 einziges erfolgreiches Referenz-
gegen die Technokratenressorts Leute und ist Basis der kampfstärks- projekt, sondern nur eine Kette von
Finanzen, Wirtschaft und Agrar ten Arbeiterlobby CGT. Die Funk- Desastern.
jedoch selten durchsetzen kann. tionäre haben die Arbeitsmarkt- Ein finnischer Großauftrag,
Vielen Beobachtern gilt er als reine reformen Macrons geschluckt. schon 2003 hereingekommen? Sollte
FOTO: JEAN MICHEL NOSSANT / SIPA / ACTION PRESS

Marketingfigur. Er darf wortreich er- Dafür verlangen sie jetzt Ruhe an der 2009 ans Netz, ist immer noch eine
neuerbare Energien propagieren, EDF-Front. Baustelle und schon jetzt fünf Mil-
soll dafür die Kreise der Kernkraft „EDF ist überall“, sagt Jens Alt- liarden Euro teurer als geplant.
nicht stören. Anfang November hoff, Leiter der Heinrich Böll Stif- Der Neubau in Flamanville, an
musste er dem staunenden Volk die tung in Paris und Energiefachmann. der Normandieküste, 2004 beschlos-
Botschaft der Laufzeitverlängerung „Der Konzern ist gesellschaftlich bis sen? Sechs Jahre verspätet, sieben
überbringen. in die Regionen verflochten, wo Milliarden Euro Mehrkosten. Hoch-
Es ist im Grunde eine Farce: Den Mitarbeiter auch lokale Amtsträger notpeinlich, weil der Bauherr, anders
CO2-Helden kann Macron nur mit bis hin zum Bürgermeister sind.“ Die als im fernen Finnland, die Geneh-
der hochriskanten Kernkraft mimen, Führungskräfte haben oft dieselben migungsprozesse aus dem Effeff
36 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
EDF UNTERNEHMEN

kennt und heimische Firmen wie Der frühere Finanzvorstand Tho- Cashflow erwirtschaften. Doch von
Alstom zuliefern. Gleichwohl gibt es mas Piquemal (48) warf 2016 spek- 2014 bis 2016 brach das Nettoergeb-
Probleme mit schlechtem Stahl, aus- takulär hin, weil Hinkley den Kon- nis von 3,7 Milliarden Euro auf 2,83
gerechnet am sicherheitsrelevanten zern seiner Meinung nach finanziell Milliarden ein. Im November ver-
Druckbehälter. „Das ist schwer zu überforderte – ein Affront, der im gangenen Jahres musste der Mana-
schlucken“, sagt ein ehemaliger Are- streng korporatistischen Frankreich ger einräumen: Die Wende ist erst
va-Manager. das Auswandern nahelegt. einmal verschoben. Ab 2020, wenn
Das Bauvorhaben Hinkley Point, die Investitionen anziehen, drohe
teuerstes Kraftwerk der Welt (22 Sanierergenie in Nöten Analysten zufolge eine „weitere Ver-
Milliarden Euro), im Südwesten Sein Exchef Lévy, im französischen schlechterung der Kennzahlen“.
Englands gelegen, ist ein Hasard- Manageralphabet Président Di- Intern hat Lévy zwar einiges be-
spiel. EDF trägt zwei, ein chinesi- recteur Général (kurz: PDG), war wirkt, im Vorstand den Generations-
scher Partner ein Drittel der Kosten 2014 angetreten, um aus EDF ein wechsel eingeleitet und jüngere Ver-
für die beiden Reaktoren. „Die Fran- ganz normales Unternehmen zu ma- traute um sich geschart, wie den
zosen spielen russisches Roulette“, GRÜNES GEWISSEN
chen. Der groß gewachsene Mann neuen CFO Xavier Girre (48) oder
sagt Kai Bandilla, der für die Bera- Frankreichs mit dünnem, gewelltem Grauhaar den seit November amtierenden
tung Simon-Kucher das Pariser Büro Umweltminister und schmalen Lippen, der oft ein Chef von EDF Energy, Simone Rossi
leitet. „Geht das Projekt schief, Nicolas Hulot wenig streng wirkt, hat sich in Frank- (48), in dessen Zuständigkeit Hara-

FOTO: JULIEN MATTIA / LE PICTORIUM / PICTURE-ALLIANCE


droht EDF die Pleite.“ reich den Ruf des Sanierergenies er- kiri-Hinkley fällt.
Zwar subventioniert Londons worben. Beim Umbau von Vivendi Doch ein grundlegender Kultur-
Regierung das Vorhaben, garantiert (Medien, Versorgung) verdiente sich wandel fällt schwer. Denn die EDF-
einen exorbitant hohen Strompreis JBL, wie er intern genannt wird, DNA besteht durchweg aus Atomen.
über 35 Jahre. Doch Experten be- ebenso Meriten wie bei der Trans- Viele Topmanager haben entweder
zweifeln, dass die Briten in der formation des Elektronikkonzerns mal ein AKW mitgebaut oder betrie-
Nach-Brexit-Ära das großzügige Thales. ben, sie betrachten das Nukleare als
Sponsoring durchhalten. Zudem Bei EDF scheint das Multitalent Sinn ihres beruflichen Daseins. Und
dräuen auch bei Hinkley technische nun aber an seine Grenzen zu sto- der Konzern wird, wie so viele in
Risiken. Der Bau ist bereits um 15 ßen. Lévy wollte die Gewinne rasant Frankreich, zentral von Paris aus ge-
Monate verzögert. steigern und endlich einen positiven führt. Das erschwert den Über- 2

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UNTERNEHMEN EDF

gang in die neue Sonnen- und Wind- saugstrategie beim Gasnetzbetreiber


welt, über die Städte und Gemein- Thyssengas ab, den EDF mit einem
den autonom vor Ort entscheiden. Partner Mitte 2016 gekauft hat (sie-
Der Sparte Erneuerbare Energien he Kasten links).
fehlt im Konzern bis heute die Ver- Atomare Abenteuer, Finanzpro-
ankerung; sie trägt magersüchtige bleme, strategische Defizite, eine
5 Prozent zum Gesamtgewinn bei. anachronistische Firmenkultur – das
Gegen die Ertragserosion arbeitet Wie EDF mit seiner Beteiligung Staatsungetüm EDF fällt beim Um-
Lévy mit einem Aktionsplan an. Thyssengas umspringt bau selbst hinter die angeschlage-
Er hat die jährlichen Einsparziele nen Konkurrenten Eon und RWE zu-
von 700 auf 800 Millionen Euro er- rück. Frankreichs Investmentbanker
höht, eine Petitesse in einem Kon- nehmen sich die Deutschen gar zum
zern, der Kosten für Einkauf und Vorbild. Sie fordern, dass sich EDF
Personal von 21 Milliarden Euro aus- ähnlich aufspalte, in eine NewCo
weist. Immerhin: Lévys Anteil an (Sonne und Wind, Netze, Energie-
den Aufwendungen ist, im interna- dienste) und eine OldCo (Atom,
tionalen Vergleich, unterdurch- DER EINSTIEG Mitte 2016 Gößmann (57), der zuletzt Produktion im Ausland, Areva). So
schnittlich. Weil die Regierung das kaufte EDF Invest zusam- eher unterklassig beschäf- ließen sich zwei Aktien schaffen, die
Gehalt ihrer Topmanager gedeckelt men mit einem niederlän- tigt war. Ein pflegeleichter in Summe fast doppelt so viel wert
hat, muss er sich mit 450 000 Euro dischen Infrastrukturfonds Typ, der alle zwei Wochen, sein könnten wie EDF heute.
pro Jahr bescheiden. den Dortmunder Gasnetz- berichten Vertraute, in der Zunächst ist das nur ein Gedan-
betreiber Thyssengas EDF-Zentrale vorsprechen kenexperiment, das, wie den Spal-
Verbrannte Erde in Südwest (Umsatz: 236 Millionen müsse. Weil die Franzosen tern zu Recht schwant, „vom politi-
Weitere Notmaßnahme: Beteiligun- Euro). Das Konsortium soll wegen der staatlich ver- schen Willen“ der Grande Nation
gen sollen schneller als vorgesehen stattliche 600 Millionen fügten Salärobergrenze abhängt. Doch das Volk scheinen sie
verkauft werden. Zehn Milliarden Euro an die australische selbst nicht viel verdienen, auf ihrer Seite zu haben. In einer
Euro will Lévy bis Ende 2018 ausbu- Macquarie-Gruppe über- halten sie den Novizen aktuellen Umfrage, unter anderem
chen, vor allem im Ausland. Acht wiesen haben. Nach einer kurz. Gößmann bezieht von der deutschen Heinrich-Böll-
Milliarden hat er schon zusammen. internen Thyssengas- rund 300 000 Euro Gehalt. Stiftung initiiert, befanden drei
Vom Anspruch eines World-Ope- Kalkulation haben die Sein investitionsfreudiger Viertel der Franzosen, das heimische
rators der Energieszene bleibt nicht neuen Eigner geschätzte Vorgänger, der Energie- Energiesystem beruhe zu sehr auf
viel übrig. Davon habe sich der Kon- 70 Millionen Euro zu viel manager Axel Botzenhardt Atomkraft. Und: Bei der Energie-
zern „klammheimlich verabschie- bezahlt. (50), musste gehen. Den wende vertrauen sie vor allem
det“, sagt ein Berater. Franzosen stand nicht der Bürgergenossenschaften, regionalen
Zu Recht, denn die Bilanz ist DIE LOGIK EDF Invest soll Sinn nach strategischen und lokalen Vereinen, nicht den
äußerst bescheiden. In wichtigen Geld für den Rückbau der Großtaten. Stromkonzernen.
Märkten wie Großbritannien wurde französischen Atommeiler In der colmarschen Schlange ist
zuletzt deutlich weniger Strom und mehren. Die Gesellschaft DAS KASSIEREN Das Ge- die Staatsgläubigkeit so gering wie
Gas verkauft. Das Engagement in der legt weltweit Kapital an, schäft von Thyssengas ist die aktuelle Temperatur – nahe null.
Schweiz (EDF hält ein Viertel am Al- das einen langfristig stabi- reguliert. Die Bundesnetz- Wolfram, der pensionierte Real-
piq-Konzern) ist wenig erquicklich: len Cashflow verspricht, agentur garantierte bis schullehrer (Französisch, Erdkun-
Von 2012 bis 2016 türmten sich unter etwa in Immobilien oder Ende 2017 eine durch- de), ist mit seiner Frau aus dem 150
dem Strich 2,5 Milliarden Franken Mautstraßen. Thyssengas schnittliche Rendite von 8 Kilometer entfernten Radolfzell an-
Verluste auf. ist eine der wichtigsten Prozent; ab 2018 sind es 2 gereist. „Bei dem vorherrschenden
In Deutschland finden sich seit Beteiligungen. Prozentpunkte weniger. So Westwind wären auch wir von einem
dem Abschied vom südwestdeut- verwundert es nicht, dass Fessenheim-GAU betroffen“, sagt
schen Versorger EnBW anno 2010 DIE KONTROLLE Die Franzo- die neuen Eigentümer der 73-jährige kleine Mann mit wei-
nur noch Spurenelemente der Fran- sen führen die Firma eng, möglichst viel Geld aus ßem Backenbart und blauer Woll-
zosen. Und viel „verbrannte Erde“, über den Aufsichtsrat und dem Unternehmen ziehen. mütze. Stolz hält er seine Anzeige in
so ein Beteiligter. EDF-Invest-Chef Guil- 111 Millionen Euro Gewinn die Runde, gestempelt und para-
EDF kassierte erst jahrelang üp- laume d’Engremont (42). wurden 2016 an die phiert vom örtlichen Justizpolizei-
pige Dividenden und verkaufte dann Der war früher Rothschild- Gesellschafter überwie- beamten. 35 werden am Ende vorge-
seinen 45-Prozent-Anteil an das Banker; in jenen Tagen hat sen. Hinzu kam ein lassen in der Präfektur.
Land, gerade rechtzeitig vor Fuku- auch Staatspräsident Ma- konzerninternes Darlehen 2018 könnte Fessenheim stillge-
shima – zum De-luxe-Preis von 4,7 cron für die Pariser Invest- über 30 Millionen Euro. legt werden, hoffen die Protestler.
Milliarden Euro. Das grün gerockte mentbank gearbeitet. Zum Für das Jahr 2017 soll Regierung und EDF mögen sich
FOTO: COLOURBOX.COM

Baden-Württemberg forderte später neuen Thyssengas-Chef laut Bundesanzeiger „im nicht festlegen. Es ist ein Koppelge-
830 Millionen Euro zurück, EDF machten die Franzosen Saldo deutlich mehr schäft: Im Elsass soll erst abgeschal-
konterte mit einer Widerklage, den Ingenieur Thomas Geld“ transferiert werden. tet werden, wenn Flamanville läuft.
beides wiesen die Schiedsrichter ab. Und das kann dauern.
Nun zeichnet sich eine ähnliche Ab- 1 Dietmar Student
38 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
UNTERNEHMEN

ACHTEN SIE AUF ...

W
enn es so etwas wie einen
perfekten Karriereab-
schluss gibt, dann hat ihn
Hans P. Vriens womög-
lich gefunden: Er will Träume schenken
statt Flügel verleihen. Der Niederländer
gehörte zu den ersten Mitarbeitern von
Red Bull und war lange US-Chef der Ener-
gydrinkmarke. Nun will er seinen Erfolg
mit einem Schlafmittel wiederholen.
Vriens, inzwischen 52 Jahre alt, ist ein
direkter Typ, der schnell beim Du ist und
lieber englisch spricht, obwohl er seit
Jahrzehnten im Salzburger Land zu Hause
ist. Hier hat er Ende vergangenen Jahres
das Start-up Snoooze gegründet. Die Idee
dazu kam ihm nicht im Schlaf, sondern
während er selbigen herbeisehnte.
Mit seinem Problem ist er nicht allein.
Die Hälfte der Bevölkerung schläft
schlecht, behaupten Studien. Allein in
Österreich werden jährlich rund 65 Mil-
lionen Euro für Einschlafhilfen ausgege-
ben – die Wachstumsraten sind nahezu
zweistellig.
Den Markt will der Marketing- und
Vertriebsspezialist gemeinsam mit sei-
nem Mitgesellschafter, dem Darmstädter
Aromenhersteller Döhler, erobern. Das
Mittel der Wahl besteht aus einer Kräu-
termischung: Zitronenmelisse, Passions-
blume, Hopfen, Lindenblüte, Kaliforni-
schem Mohn und einer hohen Dosis
Baldrian. Nach dem Start in Österreich in
diesen Tagen will Vriens den von Ennstal
Milch abgefüllten Drink bereits im April
in den USA und Osteuropa einführen. Zu
den größten Handelspartnern gehört
Amazon, Gespräche mit Apotheken, Ho-
tels und Duty-free-Shops laufen.
„Das Thema Schönheit hat sich bisher
um drei Aspekte gedreht: Kosmetik, Er-
nährung und Bewegung“, sagt Vriens.
„Aber nichts wirkt effektiv ohne genügend
Schlaf.“ Der Mann versteht sich aufs Ver-
kaufen. Für die Besten der Konsumgüter-
industrie (Procter & Gamble, Red Bull,
Hans P. Vriens
Mars) hat er über 50 Produkte gelauncht, SNOOOZE Einschlafen statt aufwecken:
beim Schokoladenmulti Barry Callebaut
war er der oberste Innovator. Künftig ver-
Der frühere Topmanager von Red Bull hat
treibt er eine Mütze Schlaf für 3,95 Euro einen Schlafdrink entwickelt.
pro umweltfreundlicher Kartondose. Ein
traumhafter Preis fürs Sandmännchen.
1 Martin Mehringer
FOTO: PR

F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 39
V O R S TA N D S C H E F,
nicht Vorstands-
sprecher: Harald
Krüger kommt gut
gelaunt aus dem
Weihnachtsurlaub –
und ziemlich an-
griffslustig

B MW UNTERNEHMEN

DIE H

NUMMER
err Krüger, Sie sind seit Mai 2015
Chef der BMW Group. Wie waren
die ersten zweieinhalb Jahre im
Amt?
HARALD KRÜGER Es ist viel passiert.
Auch vieles, mit dem ich so nicht ge-
rechnet habe. Die Welt ist volatiler

EINS.
geworden. Die deutsche Autoindus-
trie sorgt für Hunderttausende Ar-
beitsplätze, sie investiert Milliarden
Euro in Innovationen und steht
doch am Pranger. Trotzdem bin ich
insgesamt zufrieden.
Das wundert uns. Als Sie den Job
übernommen haben, war BMW
weltweit die Nummer eins der

ÜBERALL.
Premiumhersteller. Inzwischen
liegt Daimler vorn. Ziemlich
deutlich sogar.
Einspruch! Die BMW Group liefert
seit sieben Jahren konstant hohe
Profitabilität ...
... die operative Umsatzrendite
im Autogeschäft ist fast stetig
gesunken, von 11,8 Prozent im
Jahr 2011 auf unter 9 Prozent. Sie
verkaufen 700 000 Autos mehr,


aber der Gewinn stagniert.
2011 war ein Ausnahmejahr. Auf
Konzernebene gerechnet sind wir
der profitabelste Autohersteller.
Absatz, Gewinn pro Auto, Um-
satzrendite: Mercedes liegt über-
BMW Vorstandschef Harald Krüger all vor BMW.
Weil die Konkurrenten das Joint-
will Mercedes vom Thron stoßen. Und dafür Venture-Ergebnis aus China anders
intern härter vorgehen. als wir nicht im Finanzergebnis ver-
buchen. Das beachtet kaum jemand.
Bei gleicher Berechnung lägen wir
FOTO: JULIAN BAUMANN FÜR MANAGER MAGAZIN

vorn. Die Marke Mercedes verkauft


mehr Autos als die Marke BMW, das
stimmt. Aber auch das wird sich än-
dern. 2020 werden wir beim Absatz
wieder die Nummer eins sein. Das
ist mein klares Ziel.
Mutig, mutig! Mercedes verkauf-
te 2017 rund 200 000 Autos mehr
als BMW. 2
F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 41
UNTERNEHMEN BMW

500 KM
Auf das Ziel verpflichte ich mein können dann endlich die große
Team, auch wenn das kein Spazier- Nachfrage komplett befriedigen.
gang wird. Wir wollen die Nummer Und Sie dürfen eins nicht vergessen.
eins sein. Überall. Wir sind gespannt.
Auch bei der Elektromobilität?
sind die Richtmarke für Der Erfolg einer langfristigen Stra-
Da fallen Sie gegenüber Tesla ge- E-Autos. BMW kann tegie lässt sich nicht schon nach zwei
rade ziemlich zurück, weil Sie die Jahren beurteilen. Ein neues Modell
Nachfolger für den i3 und den i8
die volle Batterieladung fällt nicht über Nacht vom Band. Das
gestoppt haben. erst sehr spät liefern. braucht mehrere Jahre. Deshalb
Wie rechnen Sie? Wir liegen Kopf an muss man hier in längeren Zeiträu-
Kopf mit Tesla, haben 2017 mehr als men denken.

2012
100 000 elektrifizierte Autos ver- Wie weit denken Sie voraus?
kauft. Genau das hatte ich verspro- Meine strategische Perspektive reicht
chen. Das war ein echt cooles Bild, mindestens bis 2025. Eigentlich so-
als wir den Vierzylinder ... gar bis 2030. Ich war im vergangenen
... BMWs Münchener Zentrale ... Jahr mit einer Gruppe internationa-
... als Batterie illuminiert haben, sehr TESLA MODEL S ler Unternehmenschefs bei Chinas
emotional. Meine Frau und ich stan- Erst 2012 das Model sine Model 3 in der Staatspräsident Xi Jinping. Der plant
den nebenan auf dem Olympiagelän- S, 2015 das SUV Topversion fast noch viel langfristiger. Und zwar in
de. Wir waren überwältigt. Model X, und jetzt 500 Kilometer. Tesla zwei Phasen: Die erste reicht bis
Sie rechnen Autos mit zusätz- erreicht sogar die ist aktuell konkur- 2035, die zweite bis 2050.
lichem Benzinmotor ein. Solche Mittelklasselimou- renzlos. Für das BMW Ihres Vorgängers
Hybride verkauft Tesla gar nicht. Norbert Reithofer stehen die

2019
Unsere Kunden verlangen Plug-in- Schlagworte „Efficient Dyna-
Hybride, auch weil die reinen Batte- mics“ mit dem frühen Umschal-
riemodelle für lange Urlaubsreisen ten auf sparsamere Antriebe, das
noch nicht ausreichen. Also bieten Project i mit den ersten E-Autos
wir die an und rechnen sie natürlich und ein milliardenschweres Spar-
auch ein. programm. Wofür wird die Ära
Die Stimmung am Finanzmarkt AUDI E-TRON DAIMLER EQ Krüger einmal stehen?
ist eher skeptisch. Ein einziger Der batterieelektri- Keine Elektroarchi- Für den Umbau der BMW Group in
Autotitel lief 2017 schlechter als sche SUV e-tron soll tektur, aber viel eine kundenzentrierte Mobilitäts-
die BMW-Aktie: Mazda. die 500 Kilometer Platz für Batterien: firma und einen Techkonzern.
Viele andere Werte kommen aus schaffen, verspricht Daimlers Einstieg Was heißt das? Wird BMW zum
dem Tief. Unser Abstand zum Wett- Audi. in die EQ-Serie. IT- und Softwarekonzern?
bewerb hat sich nicht dramatisch „Tech“ heißt zunächst, dass wir

2020
verändert. weiter den klaren Anspruch haben,
Wir zitieren den Analysten Max Technologieführer zu sein.
Warburton: „BMW gleicht einem Das übersetzen Ihre Leute gern
Mann in der Midlife-Crisis. Er wie gehabt: 50 PS mehr und ein
verdient gut, er hat ordentlich sportlicheres Fahrwerk.
fürs Alter vorgesorgt; aber er VW I.D. PORSCHE MISSION E Das ist Vergangenheit. Früher, das
FOTOS: CORBIS NEWS / GETTY IMAGES, ABDULSELAM DURDAK / DPA / PICTURE ALLIANCE, PR (4)

wartet schon seit Jahren auf die Ein Bulli, eine Limou- Schneller laden und stimmt, ging es zuerst um die inno-
nächste Lohnerhöhung.“ sine, ein SUV. VW sportlicher fahren: vativsten Motoren. Doch damit kön-
Wir haben unsere Dividende sowohl plant die I.D.-Serie. Porsche-Chef Oliver nen wir uns immer weniger differen-
2016 als auch 2017 erhöht. Aber fi- 2020 soll es los- Blume legt die Latte zieren. Heute geschieht das beim
nanzieller Erfolg kann aus Medien- gehen. hoch. autonomen Fahren und der Elektro-
und Analystensicht langweilig sein. mobilität. Das ist eine ganz neue Di-

2022
Genau! Viele vermissen bei BMW mension. Wir müssen schneller wer-
die Vision, die Aussicht auf das den, Projekte auch mal in 90 Tagen
nächste große Ding. durchziehen. Ein IT-Projekt dauert
Wir starten gerade die größte Mo- manchmal drei Jahre, und dann brin-
delloffensive der BMW-Geschichte. gen wir die PS immer noch nicht auf
Das wirkt wie business as usual. die Straße. Das muss und das wird
Vielleicht reicht das nicht mehr. BMW I VISION DYNAMICS sich ändern.
Autos sind und bleiben unser Kern- Der iNext ein Jahr und BMW an die Muss BMW mehr wie Apple wer-
geschäft. Wir bringen einen neuen zuvor wird eher ein Spitze bringen. Die den?
X2, gehen mit dem großen X7 in ein Showcar, der i Vi- Kunden müssen Ich werde BMW nicht zu irgendei-
hochprofitables Segment, in dem wir sion Dynamics soll jedoch lange darauf nem kundenzentrierten Mobilitäts-
bislang nicht vertreten sind. Wir Maßstäbe setzen warten. konzern entwickeln, sondern zum
bauen den X3 künftig in drei Werken, besten. So wie Apple. Apple verkauft
42 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
B MW UNTERNEHMEN

nicht die meisten Smartphones, aber bekommen. Der Net Promoter Score
die mit dem besten Design, der bes- liefert das Feedback gnadenlos und
ten Technologie und der besten direkt. Zum Schluss kommt die Non-
Kundenbindung. Heute traut sich plusultra-Frage: „Würden Sie BMW
kaum noch ein Kunde, Apples Öko- an Ihre Freunde weiterempfehlen?“
system zu verlassen. Das ist eine rie- Und wer schlecht abschneidet,
sige Wand, nahezu unüberwindbar. den holen Sie an Ihren persön-
Und genau das müssen wir auch lichen Schadenstisch, so wie
schaffen. früher Volkswagen-Boss Martin
Apple gibt es nur einmal. Für Winterkorn?
BMW ist es wie in der konkurrie- Ich habe keinen Schadenstisch. Die
renden Android-Welt. Der Wech- Verantwortlichen hole ich in meine
sel zu Audi oder Mercedes ist Runde, wenn es nicht läuft. Wir wer-
genauso einfach wie der von den die Befragungen weltweit aus-
Samsung zu HTC. rollen und einen Teil der Boni daran
Unsere Kunden dürfen nicht mal an knüpfen. Und am Ende stehen die
einen Wechsel denken. Wir müssen zuständigen Führungskräfte für den
sie am besten kennen, die besten Erfolg gerade.
Kontakte zu ihnen pflegen, die emo- Reicht das wirklich, um Ihre
tionalsten Beziehungen zu ihnen Mannschaft umzupolen?
haben. Unser Ziel für 2025 über all Das ist kein Prozess, den wir 2018
unsere Produkte und Services hin- abschließen. Aber das müssen wir
weg: 100 Millionen zufriedene Kun- A U S FA H RT sicherungsverträge ab. Oder über schaffen, dafür stehe ich. Über NPS
den. Das haben wir in der Strategie Krüger testet unsere Onlinecommunity BMW kann ich die Leute mit der Wahrheit
einen autonom
verankert. fahrenden 7er Connected. Da machen inzwischen konfrontieren. Und werde dies im
Heute haben Sie rund 30 Millio- BMW 1,8 Millionen Nutzer mit, mit viel Po- Zweifel auch tun.
nen Kunden. Übernehmen Sie tenzial nach oben. Über 10 Millionen Herr Krüger, Sie haben immer
sich da nicht? unserer Fahrzeuge sind mit Con- Wert darauf gelegt, nicht durch-
Nein, denn wir bauen unsere Dienst- nected Drive vernetzt. Wir müssen zuregieren, sondern möglichst
leistungen nach und nach aus. Und es zudem schaffen, mehr DriveNow- alle mitzunehmen. Jetzt schwin-
stellen alle Kunden zufrieden. Bei Kunden komplett für uns zu gewin- gen Sie die Peitsche.
Apple habe ich das iPhone, das iPad, WER LIEGT nen, ihnen im Idealfall einen BMW Wer meint, ich führe nur über das
das MacBook; und alles ist genau VORN? oder Mini zu verkaufen. Doch wir Team, liegt falsch. Ich bin überzeugt,
aufeinander abgestimmt. Ich bewege Umsatzrendite, nutzen die Daten noch nicht perfekt. dass moderne Führung beides erfor-
in Prozent1
mich in der Apple-Welt nahtlos von Unser Eindruck ist, dass mindes- dert. Manche Entscheidungen müs-
einem Gerät zum anderen. Genauso BMW Group2, tens die Hälfte Ihrer Manager sen Sie ganz klar von oben treffen.
Daimler AG3
muss es in der BMW-Welt sein. Wer glaubt, sie wüsste selbst am bes- Dann heißt es: Ich habe mir die Dis-
11
einen Neuwagen von uns kauft, ten, was die Kunden wollen, und kussion jetzt lange angehört, aber
muss auch im Service und vom 10 BMW sei längst ein perfekt kun- ich will 100 000 Elektromobile, En-
Händler glänzend bedient werden. denzentriertes Unternehmen ... de der Durchsage. Wer das nicht
Dann bleibt er loyal, erwirbt bei Be- 9 ... vielleicht sind es sogar 80 Prozent. ernst nimmt, bekommt ein Problem.
darf einen Gebrauchtwagen bei uns, Das Selbstbewusstsein bei BMW ist Hat ja funktioniert.
8
fährt DriveNow und finanziert den in der Tat ausgeprägt, und das soll Hoppla! Wir dachten, Ihr Rollen-
Kauf über die BMW Bank. 2013 20174 auch so bleiben ... modell sei eher das eines Vor-
Testbesuche bei Händlern zei- ... viel Glück dann mit Ihren Zie- standssprechers als das eines
gen: Das wird nicht einfach. BMW Automobile, len. Warum sich noch ins Zeug le- Vorstandsvorsitzenden.
Mercedes-Benz Cars
Ja, noch sind wir nicht so weit. Noch 10
gen für Ihren hehren Mobilitäts- Entscheidend ist die richtige Ba-
kennen wir auch unsere Kunden anspruch? lance. Kulturwandel lässt sich nicht
nicht gut genug. Da kommt es vor, 9 Es reicht nicht, nur beim Absatz befehlen. Um einen Konzern stärker
dass einer die erste Kreditkarte vom 8 vorn zu liegen. Qualitätsführer zu in Richtung Kunden zu drehen,
Händler angeboten bekommt, die sein, Nummer eins bei der Kunden- braucht es einen breiten Konsens,
7
zweite von Financial Services und zufriedenheit – dafür müssen sich nicht nur im Vorstand, sondern bei
FOTO: JULIAN BAUMANN FÜR MANAGER MAGAZIN

die dritte vom Vertrieb. Das darf uns 6 unsere Mitarbeiter begeistern. Wie allen. Die Welt ist so komplex ge-
künftig nicht mehr passieren. gut uns das gelingt, können wir mes- worden, die politischen Bedingun-
2013 20174
Wer einen BMW kauft, hat danach sen. Unmittelbar, online, mit dem gen ändern sich so schnell, dass ein
oft lange keinen Kontakt mehr mit 1 | Operative Umsatz-
Net Promoter Score (NPS). Autokonzern nicht mehr von einem
Ihnen. Das ist bei Apple anders. rendite; 2 | inkl. Motor- Kundenbefragungen gab es im- allein gesteuert werden kann.
rad und Financial
Wir lernen die Kunden immer besser Services; 3 | inkl. Trucks mer schon ... Einige Ihrer BMW-Kollegen fin-
und Financial Services;
kennen. Zum Beispiel über die Fi- 4 | Ergebnis zum Ende ... aber früher haben wir die Ergeb- den, dass Sie nach wie vor zu oft
des dritten Quartals.
nanzierung. Viele unserer Leasing- Quelle: Unternehmen nisse in der Regel erst mit einem hal- zaudern und zu langsam ent-
Grafik: mm
kunden schließen über uns auch Ver- ben Jahr Verzögerung auf den Tisch scheiden. 2
F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 43
UNTERNEHMEN

Es gibt immer Leute, die mit einer tisch. Unsere Erfahrung mit dem i3,
Entscheidung unzufrieden sind, die inzwischen überarbeitet mit neuer
lieber noch den einen oder anderen Batteriegeneration, und mit dem
Verbrennungsmotor optimiert hät- Plug-in-Hybrid i8 ist enorm. Da sind
ten. Trotzdem haben wir 2017 viele wir auf der Lernkurve deutlich wei-
klare und mutige Beschlüsse ge- ter als andere. Das hilft uns bei Kos-
troffen. So wurden zum Beispiel die ten und Qualität gleichermaßen.
Ausgaben für Forschung und Ent- Trotz aller Kostenvorteile wer-
wicklung um fast eine Milliarde Euro den Sie mit den E-Modellen an-
erhöht; und 2018 werden wir noch fangs Geld verlieren und danach
einmal drauflegen. Vielleicht haben erst mal weniger verdienen. Wie
mich einige unterschätzt. Ich kann wollen Sie da die Umsatzrendite
jedenfalls hart und konsequent sein. wie versprochen zwischen 8 und
Im Vorstand sitzen sehr starke 10 Prozent halten?
und selbstbewusste Kollegen ne- Das schaffen wir, müssen wir auch.
ben Ihnen. Wir nennen nur Ent- Wir wollen schließlich unsere Zu-
wicklungschef Klaus Fröhlich kunft aus eigenen Mitteln finanzie-
und Produktionsvorstand Oliver ren. Die beschriebene Lernkurve
Zipse. wird uns enorm helfen. Durch die
Ich bin froh, dass ich im Vorstand
durchweg starke Mitspieler habe. „ gemeinsame Architektur für Elektro
und Verbrenner kommen wir auf

VIELLEICHT
Beide sind wichtige Partner für Stückzahlen, mit denen wir schnel-
mich, etwa wenn es um die richtige ler als andere ordentliche Renditen
Technologie für ein Modell oder die erreichen.

HABEN MICH
richtige Wertschöpfungsstruktur Herr Krüger, Sie hatten einen
geht. Aber gehen Sie mal davon aus, schwierigen Start als BMW-Chef,
dass ich da eine sehr klare Meinung Sie sind bei Ihrer ersten großen

EINIGE
habe. Die Produktion kenne ich aus Pressekonferenz auf der Frank-
dem Effeff. Ich habe schon vor furter Automesse IAA zusam-
knapp 20 Jahren mit Joachim Mil- mengebrochen. Hatten Sie da-

UNTERSCHÄTZT.
berg (ehemaliger BMW-Vorstands- nach Zweifel, ob es wirklich die
und Aufsichtsratschef) die globalen richtige Entscheidung war, CEO
Werkspläne gemacht. zu werden?

ICH KANN HART SEIN.


Die Führungsrolle, die Sie in Sa- Nein, die Entscheidung habe ich
chen Elektromobilität für sich nicht in Zweifel gezogen. Aber ich
reklamieren, hat offenbar in habe gelernt, dass auch meine Ener-
einem ganz wichtigen Moment
gefehlt. Sonst hätte BMW jetzt “ gie nicht grenzenlos ist. Ich hatte
mir gerade in der Einarbeitungszeit
einen Ableger des i3 im Handel. zu viel zugemutet.
Sie haben lange gezögert, sich der Straße, Porsche will mit dem Welche Konsequenzen haben Sie
FÜHRUNGS -
dann im Vorstand dagegen ent- FRAGE
Mission E den Maßstab für elek- aus der Erfahrung gezogen?
schieden. Nun müssen BMW- Absatz, in Mio. trische Sportwagen setzen, und Ich achte mehr auf meine Grenzen,
Käufer bis 2022 warten, auf den BMW Automobile1,
selbst VW wird bis dahin so weit nehme mir mehr Zeit nachzu-
i Vision Dynamics, eine Art Mercedes-Benz Cars2 sein. denken und verzichte auf manche
Elektroversion des 3er. 2,5 Wir haben uns 2015/16 sehr bewusst Termine.
Das stimmt nicht. Wir bringen, ne- gegen einen i5 entschieden. Es ist Inwiefern hat Sie das Amt ver-
2,0
ben etlichen Plug-in-Hybriden, 2019 nicht klar, wie schnell die Nachfrage ändert?
einen elektrischen Mini und 2020 1,5 nach Elektroautos in den kommen- Ich bin viel politischer unterwegs.
einen elektrischen X3 ... den Jahren steigt. Also müssen wir Mal geht es um Freihandel, mal um
2013 2017
... die haben alle keine echte Elek- flexibel sein und Größenvorteile Diesel, ich habe es mit unterschied-
troarchitektur, sind allenfalls Marke BMW, nutzen können. Deshalb bauen wir lichsten Leuten zu tun. Angela
Brückenmodelle ... Marke Mercedes den BMW i Vision Dynamics und die Merkel, Donald Trump, Xi Jinping:
FOTO: JULIAN BAUMANN FÜR MANAGER MAGAZIN

... wir werden 2018 mehr als 140 000 2,5 Folgemodelle auf einer Plattform, Solche Erfahrungen prägen; da ha-
Elektroautos verkaufen und 2019 ei- 2,0
die auch für Autos mit Verbren- be ich eine Menge gelernt. Das ist
ne halbe Million davon auf der Stra- nungsmotoren geeignet ist. eine Bereicherung. Wenn Sie mich
ße haben. Das schafft keine andere 1,5 Sie setzen auf Kostenargumente. fragen: Es gibt keine bessere Aufga-
Premiummarke, und dies habe ich Die Konkurrenz will den Kunden- be als die des BMW-Vorstandsvor-
von meiner Mannschaft klar einge- 2013 2017 nutzen optimieren, den Fahr- sitzenden. 1
fordert. 1 | Inkl. Mini und Rolls- spaß.
Royce; 2 | inkl. Smart.
Bis 2022 hat Audi mindestens Quelle: Unternehmen Wir werden sehen, wer mehr Fahr- Das Interview führten die mm-Redakteure
Grafik: mm
zwei reine Elektromodelle auf spaß bietet. Wir sind da optimis- Michael Freitag und Martin Noé.

44 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
,JRU-HIWLÉ
als „Sven Hansen“
Die Rosenheim-Cops, ZDF

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als „Anton Stadler“ Tim Dunker
Die Rosenheim-Cops, ZDF Geschäftsführer
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Die Rosenheim-Cops
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1
Sendetag 3-3 Uhr, Zuschauer gesamt, Seher (Mio.).
UNTERNEHMEN

FÜHRUNGS- T H O M A S S AT T E L B E R G E R ist Mitglied der FDP-Bundestagsfraktion.

ZEUGNIS Bekannt geworden ist der streitbare Personalprofi als Vorstand von
Continental und Deutscher Telekom. Twitter: @th_sattelberger

Die überforderten
Klempner der Macht
Thomas Sattelberger wünscht sich Zukunfts-
designer in Politik und Wirtschaft.

S
ondieren, das riecht schon so komisch. Ecken Jüngst hat sich sogar der CEO von Adidas, Superstar
und Winkel ausschnüffeln, kleinteilig arbeiten, Kasper Rorsted, als Rationalisierer des visionären Mar-
vage bleiben, Konflikte verschieben, Zukunfts- „Deutsch- kenkerns entpuppt. In einem „Stern“-Interview sagte er
bilder ausblenden. Politik erscheint mir viel zu land auf die Frage nach der Seele seines Unternehmens, Adi-
lange schon als Durcharbeiten von Schubladen. Man braucht ein das wolle schlicht „die besten Produkte für Sportler“ an-
kennt das aus der Wirtschaft: immer schön effizient. kreatives bieten. Zuvor war es stets essenziell für die Marke, dass
Aber wer adressiert bei uns eigentlich noch die großen Zukunfts- Sport die Kraft habe, Leben zu verändern.
Fragen, wer sucht dritte Lösungswege? Wer hat noch die bild, so Merkel, Müller und Rorsted sind für mich Klempner
Kraft, andere für große Pläne zu begeistern? wie Unter- der Macht, gefangen in ihren alten Welten, ohne Gespür
und Geschick für die Kraft von Visionen. Exportwelt-
nehmen
OB ENERGIEWENDE, BILDUNG ODER FACHKRÄFTE, ob alternde meister und Industrie 4.0 sind keine packenden Ziele;
Gesellschaft, Migration oder Digitalisierung – wir müs- neue genauso wenig, dass Volkswagen Toyota als größten Au-
sen uns entscheiden: Wollen wir gestalten oder abge- Geschäfts- tokonzern ablöst.
hängt werden, freudig aufbrechen oder einfach nur lust- modelle
los mitmachen? Gotthard-Tunnel oder Flughafen brauchen.“ DEUTSCHLAND BRAUCHT EIN KREATIVES ZUKUNFTSBILD, so wie
Berlin-Brandenburg? Unternehmen neue Geschäftsmodelle brauchen. Macht-
Wir hatten mal einen Bundeskanzler, der pampig er- volle Vorstellungen vom Morgen, Ideale, die unseren
klärte, wer Visionen habe, solle zum Arzt gehen. Schon Verstand und unser Herz erreichen.
damals war sein Satz, der in Analogie zum Ingenieur in Merkels Motto von der Bildungsrepublik Deutsch-
der Wirtschaft den Sozialingenieur in der Politik zum land aus dem Jahr 2008 – das hatte Potenzial: Gezeichnet
wahren Macher erhob, eine Zumutung. US-Manage- wurde ein Land der Chancen, anknüpfend an große libe-
mentgurus würden dazu sagen: „Overmanaged and un- rale Denker wie Ralf Dahrendorf und Hildegard Hamm-
derled“. Vielleicht wollte Helmut Schmidt einen Kon- Brücher. Der Begriff stellte sich leider als Parteitagsrhe-
trapunkt zu seinem Vorgänger setzen, der seine Vision torik heraus. Er hätte sich als überzeugende Strategie
der neuen Ostpolitik mit dem Kniefall in Warschau auf- für einen Talentpool wie Deutschland entpuppen können.
lud: Überschuss an Visionen, Defizit an Management. Nun bahnt sich eine Koalition an, die etwas mehr
Uns täte heute die richtige Mischung gut. Politische Geld für Bildung ausgeben will, immerhin.
und unternehmerische Führung müssten dem wild- Allerdings wird uns das Neue nur gelingen, wenn die
wüchsigen und oft sinnentstellenden Wandel sinnstif- Bildungsreform sich nicht in Strukturdebatten verhed-
tende Visionen entgegenhalten. Sie dürfen nicht in der dert, sondern gemeinsam mit Lehrern und Schulen vo-
Erlösungsideologie der Maschinenoptimierung stecken rangetrieben wird. Von der FDP mitregierte Länder müs-
bleiben. Wir müssen die Frage beantworten, wie wir sen den Beweis antreten, dass dies geht.
künftig leben und arbeiten wollen. Und wenn wir unter digitaler Revolution mehr ver-
Und da haben wir gewaltigen Nachholbedarf. VW- stehen als den Ausbau unseres Glasfasernetzes und den
Chef Matthias Müller, in den USA nach der moralischen Datenschutz, dann müssen wir unser Arbeitsrecht ge-
Dimension der Betrugssoftware gefragt, gab sich ah- nauso neu designen wie das Kartellrecht. Ohne ein po-
nungslos: Ein „ethisches Problem? Ich kann nicht verste- litisches Gesamtpaket aller Sozialpartner wird das mit
FOTO: THOMAS RABSCH FÜR MM

hen, warum Sie das sagen.“ Ähnlich antwortete Bundes- der Digitalisierung nichts. Nur wenn Deutschland und
kanzlerin Angela Merkel, gefragt nach ihrem Anteil am seine Wirtschaft wieder ein Sehnsuchtsort für Ideen und
enttäuschenden Ergebnis der Bundestagswahl: „Ich kann Idealisten wird, gelingt uns die Transformation. Das Po-
nicht erkennen, was wir jetzt anders machen müssten.“ tenzial tragen wir in uns. 1

46 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
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TIME IS THE ESSENCE WE ARE MADE OF


SCHADENREGULIERER
Markus Rieß hat
die deutsche
Allianz wieder flott-
gekriegt und soll
das Kunststück
beim angeschlagenen
Ergo-Konzern
wiederholen
EINE
ERGO UNTERNEHMEN

Oletzky ging, Rieß kam. Der ist ein ganz


anderes Kaliber als Oletzky (den er fast nie
beim Namen nennt, sondern nur als „mei-

VOLLE
nen Vorgänger“ tituliert). Tatsächlich ge-
hört er zu den ganz wenigen, denen die Sa-
nierung der Ergo überhaupt zuzutrauen ist.
Die bisherigen Leistungsnachweise des
gelernten Asset-Management-Spezialisten

SCHADEN
und früheren McKinsey-Mannes sind je-
denfalls beeindruckend. Ausgestattet mit
einem messerscharfen Verstand und einem
hohen Umsetzungsvermögen, hat er in sei-
ner Prä-Ergo-Phase noch jeden Arbeitsauf-

AKTE
trag mit Bravour zu Ende gebracht.
Zusammen mit seinem Mentor, dem da-
maligen Allianz-Vorstand und heutigen
Aufsichtsratschef der Deutschen Börse,
Joachim Faber (67), baute er die institutio-
nelle Vermögensverwaltung des Asseku-
ranzriesen zu einem globalen Giganten aus.
Auch als Sanierer bewährte er sich. Erst
holte er die von der Dresdner Bank in die
ERGO Allianz eingemeindete Fondsgesellschaft
Ein ungeduldiger aus ihrem Tief. Anschließend brachte er als
Vertriebs- und Deutschland-Chef das Ge-
Eigentümer, Verwerfungen schäft im Kernmarkt wieder zum Laufen.
Das Rennen um die Nachfolge von Mi-
im Management, chael Diekmann (63) als Konzernchef al-
marode Substanz – die lerdings verlor er gegen Oliver Bäte (52).
Ein paar Monate später kam das Ange-
Sanierung des drittgrößten bot, die Ergo zu retten. Für das Himmel-
deutschen Versicherers fahrtskommando ließ er sich von Nikolaus
von Bomhard (61), damals Vorstands- und
gestaltet sich schwerer als künftig Aufsichtsratschef des Eigentümers
Münchener Rück, hohe Investitionsmittel
erwartet. und freie Hand in allen operativen und
strategischen Fragen zusichern. Selbst in
den Vorstand des weltgrößten Rückversi-
cherers durfte er einrücken, ein Vorrecht,

B
das Oletzky stets verweigert worden war.
esucher empfängt Mar- neue Organisation samt Strategie. Im Ob die zugesagte Investitionssumme
kus Rieß (52) in diesen Frühjahr wird er einen komplett neuen von netto einer Milliarde Euro reicht, ist
Tagen mit ostentativer Markenauftritt präsentieren, den er sich keineswegs ausgemacht. Denn der Zustand
Gelassenheit. Der Chef von den Kreativgurus der Agentur Jung von der Ergo ist kritisch. Mit der Reform von
des drittgrößten deut- Matt entwerfen ließ. Erstmals seit Langem Geschäftsmodell und Organisationsstruk-
schen Versicherungs- bewegt sich der Lebensversicherer wieder tur brachte Rieß das von zahllosen Reorga-
konzerns ist mit sich und seiner Welt offen- mit konkurrenzfähigen Policen im Markt. nisationen wund gescheuerte Unterneh-
bar im Reinen. Vor einiger Zeit hat er sich Nach zwei Verlustjahren will Rieß nun wie- men an die Belastungsgrenze. Sein frisch
20 Kilo abtrainiert und sein Gewicht an- der schwarze Zahlen verkünden. installiertes Managementteam musste er
schließend gehalten. Der kantige, kahl ra- „Wir sind auf einem guten Weg“, sagt er schon nach wenigen Monaten wieder um-
sierte Schädel und die markante schwarze bei jeder sich bietenden Gelegenheit, sicht- bauen.
Brille sollen Willensstärke und Durchset- lich zufrieden mit sich und seiner Bilanz. Vor allem aber hat beim Großaktionär
zungsvermögen signalisieren. Dabei steht Rieß gefährlich nah an dem ein neuer Vorstandschef übernommen: Joa-
FOTO: FRANK BEER / WIRTSCHAFTSWOCHE

Und ja, der Mann legt los. Seit er vor Punkt, an dem sein Vorgänger Torsten chim Wenning (53). Und dessen Gedulds-
zweieinhalb Jahren das Kommando in der Oletzky (51) im Frühjahr 2014 entnervt faden hat sich in den vergangenen Monaten
Düsseldorfer Zentrale des Ergo-Konzerns aufgab. Auch damals hatte der Konzern als überraschend kurz herausgestellt.
übernommen hat, tauschte er die Füh- kräftezehrende Restrukturierungsschleifen Mit anderen Worten: Der Rettungsauf-
rungsspitze nahezu komplett aus, warf Alt- hinter sich und die Einführung eines neuen trag bei der Ergo ist die erste Mission, bei
lasten ab, begradigte das Geschäftsmodell, Lebensversicherungsprodukts vor sich. Al- der Rieß ein Scheitern ernsthaft einkalku-
verpasste dem größten Schadensfall der lein, die Wende blieb aus. Die Police flopp- lieren muss. Viele Fehler darf er sich nicht
deutschen Versicherungsindustrie eine te, die Zahlen blieben desaströs. erlauben. 2
F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 49
UNTERNEHMEN ERGO

Der Plan für seine zweite Karriere RIESS Die Arbeitnehmervertreter, die

IST AUF
stand bereits weitgehend fest, bevor Jobverluste bei der Ergo Direkt be-
Rieß überhaupt in Düsseldorf ange- fürchteten, rebellierten. Seit Dezem-
kommen war; und der sieht ein Up- ber ist Stockhorst deshalb Geschich-

DISTANZ
date seines Vorgehens als Deutsch- te, zwei alternative Jobangebote im
land-Chef der Allianz vor. Haus lehnte er ab. Ersetzt wird er
Ende 2021 soll aus dem Konzern, durch Sebastian Rapsch (45).

ZUM
der als Multimarkenkonstrukt (DAS,
Hamburg-Mannheimer, Victoria, An die Tür nageln, bis sie stinken
Deutsche Krankenversicherung, Eu- Nicht viel besser erging es Rieß mit

REST
ropäische Reiseversicherung und Markus Hofmann (52), den er von
KarstadtQuelle Direkt) gestartet der Allianz abgeworben und dem er
war und seine Policen über Makler, das Geschäft mit Feuer- und Haft-

DES
Banken, Agenturen und Strukturver- pflichtpolicen überantwortet hatte.
triebe verkaufte, ein fürs digitale Hofmann, ein Fachmann für die
Zeitalter umgerüsteter Monomar- großgewerbliche und industrielle

KONZERNS.
kenversicherer mit einem starken Klientel, zeigte sich mit der Steue-
Vertreterheer werden. Als letztes Re- rung des Massengeschäfts überfor-
likt der einstigen Labelvielfalt könn- dert. Künftig wird er sich als einfa-
te in den kommenden Monaten auch cher Vorstand mit den ihm besser
die Deutsche Krankenversicherung vertrauten Kunden beschäftigen. Als
auf Ergo umgeflaggt werden. Rieß als politisches Zugeständnis an Ersatz für den Chefposten des Ergo-
Dabei ist Rieß keiner, der gern ins die Münchener Rück ausgelegt. Sachversicherers warb Rieß Mathias
ERGOS
operative Geschehen eingreift. Er P ROBLEM-
Unsinn, entgegnet der CEO sei- Scheuber (61) von der Allianz ab, der
kennt zwar die Zahlen bis auf die ZONEN nen Kritikern. Der einstige Von- sich dort bereits in den Ruhestand
zweite Stelle hinter dem Komma. Rote Zahlen Bomhard-Assistent und Strategie- verabschiedet hatte.
Und er zeigt sich energisch, wenn es und ... chef des Großaktionärs habe in der Die grundlegenden operativen
nicht so läuft, wie er es sich vorstellt. Konzernergebnis Krankenversicherung einen guten und organisatorischen Mängel sind
Aber wie schon bei der Allianz denkt in Mio. Euro Job gemacht – trotz der voreiligen allerdings auch im Jahr drei nach
er in großen Linien, nicht im tagtäg- 169 Ausrichtung der DKV auf die mög- Oletzky keineswegs behoben. Ge-
150 1
lichen Klein-Klein. Und wie in Mün- liche Einführung der Bürgerver- werkschafts- und Arbeitnehmerver-
chen hält er auch in Düsseldorf Dis- sicherung nach der Bundestagswahl treter, die auslaufende Haustarif-
tanz zum Rest des Konzerns. 2013. Die Kritiker lasten Muth indes verträge neu verhandeln wollten,
Wenn er mit seiner Limousine in 2014 2017 auch seine führende Rolle bei den versuchten über Monate vergeblich,
die Tiefgarage unter dem Ergo-Platz -40 gefloppten Lebensversicherungspo- an gültige Organigramme zu kom-
nahe dem Rheinufer einfährt, sind licen in den Jahren danach an. men. Vertreter klagen über fehler-
es nur wenige Schritte zum Aufzug, Mächtig geknirscht hat es bei den hafte Provisionsabrechnungen und
der ihn ohne lästige Zwischenstopps Neuverpflichtungen. Dass sich Rieß- Schwierigkeiten, korrekte Buchaus-
-227
in sein Büro auf der 26. Etage bringt. Günstling Kassow und der von der züge über ihre Vertragsbestände zu
Zwischen sich und dem Rest des ... ein schrump- Postbank verpflichtete Vertriebschef bekommen, die ihnen nach Handels-
Unternehmens zog Rieß eine massi- fender Lebens- Harald Christ (45) in tiefer Abnei- gesetzbuch zustehen.
ve Holdingstruktur, die insgesamt versicherer gung verbunden sind, ist kein Ge- Der Ton ist oft noch so rau wie
29 Vorstände ernährt. Den Konzern Marktanteile heimnis. Im Oktober musste sich früher, als die Ergo Drückerkolon-
Ergo Leben2
steuert er mit einem kleinen Kreis in Prozent der Ergo-Chef einen neuen Anführer nen auf Kundenfang schickte. Der
enger Vertrauter, die er von der Alli- 7 für seine Vertretertruppe suchen. für die Betreuung der Makler zu-
anz mitgebracht hat. Loyalität ist für Christ arbeitet künftig lieber als ständige Vertriebsvorstand Stephan
6
ihn allererstes Gebot. Produktmann selbstständiger PR- und Politikbera- Schinnenburg (57) etwa forderte sei-
Andree Moschner (55) und der für 5 ter, als unter Kassow zu dienen. ne Direktoren auf, ihm Kollegen zu
das Deutschland-Geschäft verant- 4 Peter Stockhorst (52), abgewor- nennen, die sich entweder negativ
wortliche Achim Kassow (51) folgten 3
ben vom größten deutschen Direkt- über die Vertriebsziele geäußert hät-
ihrem Mentor aus München. versicherer Cosmos, machte sich ten oder als Minderleister aufgefal-
Nicht immer jedoch bewies er bei 2005 2016 schnell Feinde, weil er die Ergo Di- len seien. Die Genannten wollte
der Zusammensetzung seines Ret- 1 | Inkl. des internat. rekt selbstständig hielt, statt sie zur Schinnenburg dann sinnbildlich an
Krankenversicherungs-
tungskommandos das nötige Fin- geschäfts, das der Ergo digitalen Ideenschmiede für den den Türrahmen nageln und dort so
von der Münchener Rück
gerspitzengefühl. Dass der für das zugeschlagen wird und Konzern zu machen. Im Herbst 2016 lange hängen lassen, bis sie stänken.
Lebens- und Krankenversicherungs- das 2016 einen zweistel- lancierte er gar einen aggressiv kal- Über diese Androhung einer ver-
ligen Millionenbetrag
geschäft verantwortliche Clemens verdiente, geschätzt; kulierten Autoversicherungstarif, schärften Form des Prangers liegen
2 | ehem. Hamburg-
Muth (47) als einer der wenigen aus Mannheimer und Vic- gegen den die Policen des Mutter- manager magazin eidesstattliche
toria Leben kombiniert.
der Oletzky-Ära in der Konzern- konzerns chancenlos waren. Stock- Versicherungen vor.
Quelle: Unternehmen,
spitze überlebt hat, versteht im Kon- Assekurata horst musste das Produkt nach we- Schinnenburg, so geht es aus Un-
Grafik: mm
zern kaum einer. Die Personalie wird nigen Tagen wieder zurückrufen. terlagen arbeitsrechtlicher Ausei-
50 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
ERGO UNTERNEHMEN

nandersetzungen hervor, knöpfte Dividendenausschüttungen bereit. tionen von einer Milliarde Euro. Er-
sich auch einzelne Mitarbeiter vor. Dass der Konzern in einer solchen go-Finanzmann Christoph Jurecka
Bei einem dieser Gespräche drohte Phase überhaupt schwarze Zahlen (43) leistete wenig Widerstand. Er
er, keine Gefangenen zu machen und schreibt und sich der Verlust 2016 macht sich Hoffnung auf den Fi-
jeden zu erschießen, den er dabei er- in Grenzen hielt, verdankt Rieß nanzposten in München, wenn
wische, Ziele infrage zu stellen. Ob- unerwartet günstigen Umständen. Schneider in ein paar Jahren in den
wohl solche Ausfälle gegen den Ver- Der Ergo-Krankenversicherer be- Ruhestand wechselt.
haltenskodex der Ergo verstoßen, kam profitable Teile der aufgelösten Der im Herbst aufgesetzte Ver-
wurde Schinnenburgs Vertrag 2016 Gesundheitsdivision der Mutter zu- kaufsprozess, mit dem die Zahlungs-
um fünf Jahre verlängert. geschlagen, und der Fiskus half mit bereitschaft des Marktes ausgetestet
Schinnenburg äußerte sich nicht. ABGESETZT einer Steuergutschrift in zweistelli- werden sollte, wuchs sich für die Er-
Der Konzern will erst durch die mm- Digitalmann ger Millionenhöhe aus. go allerdings zum Desaster aus. Es
Peter Stock-
Anfrage Kenntnis von den Vorgän- horst muss Schon 2018 sollen die Gewinne begann damit, dass Deutschland-
gen bekommen haben und nimmt gehen allerdings nicht aus Sondereffekten, Chef Kassow die Angebotsunterla-
wie folgt Stellung: „Wir haben um- sondern überwiegend aus dem gen an den zuständigen Fachvor-
gehend eine Prüfung des Sachver- Kerngeschäft kommen. Seit mit Joa- ständen vorbei an die potenziellen
halts eingeleitet. Sollte sich dieser in chim Wenning ein neuer Mann an Investoren verschicken ließ. Als die
der vorgetragenen Form bestätigen, der Spitze der Münchener Rück Verkaufsabsichten kurz darauf
werden wir uns von dem Betroffe- steht, hat auch der Druck des Groß- durchsickerten, fegte ein Empö-
nen trennen. Der Vorfall ist ganz und aktionärs zugenommen. rungsorkan durch die Hierarchien.
gar nicht mit unseren Werten zu ver- Bereits im vergangenen Sommer Die Arbeitnehmervertreter fühl-
einbaren. Wer so etwas sagt, für den rückten die mit hohen Garantiever- ten sich von Rieß verschaukelt, weil
ist bei der Ergo kein Platz.“ ABGESCHOBEN sprechen belasteten Altbestände er versprochen hatte, die Bestände
Getoppt werden die personellen Markus Hof- und für Neukunden geschlossenen der einstigen Victoria und Hamburg-
mann wird vom
Probleme von einem viel banaleren: Sachversiche- Lebensversicherer der Ergo in den Mannheimer in Eigenregie abzuwi-
Eine reibungslos funktionierende IT rungschef zum Fokus von Wennings Bilanzarchi- ckeln. Die Vertreterorganisationen
ist für den Konzern Lichtjahre ent- einfachen Vor- tekten. Drei Milliarden Euro Risiko- rebellierten, weil sie ihren Kunden
fernt. Stimmige und widerspruchs- stand degradiert kapital, hatte Münchener Rücks nicht erklären wollten, wieso ihre
freie Steuerungskennzahlen fehlen Finanzchef Jörg Schneider (59) aus- Altersvorsorge an Hedgefonds ver-
oft. Statt der branchenüblichen gerechnet, würden sich durch einen kauft wird. Und die Unternehmens-
sechs Monate dauerte es fast ein Verkauf freisetzen lassen. Hinzu kundschaft versuchte, ihre Be-
Jahr, um die neuen Lebensversiche- kämen Verkaufserlöse von zwei triebsrenten von der Ergo auf die
rungsprodukte zu kalkulieren. Milliarden und eingesparte Investi- Konkurrenz zu übertragen. Der Ver-
kauf neuer betrieblicher Altersvor-
Rechnen ist Glückssache K U R Z E R G E D U L D S FA D E N sorgeprogramme kam über Wochen
Der Mangel an konkurrenzfähigen Joachim Wenning, fast vollständig zum Erliegen.
Ergo-Oberaufseher und
Policen kostete auch die über Jahre Münchener-Rück-Chef
Die harsche Kritik habe ihn über-
florierende Vertriebspartnerschaft rascht, gibt Rieß intern zu. Zumal
mit der Hypovereinsbank. Der deut- solche Transaktionen anderswo üb-
sche Arm des italienischen Finanz- lich seien. Ende November zog er die
riesen Unicredit verkauft künftig die Notbremse – mit rund 1,5 Milliarden
Produkte der Allianz. Den Wechsel Euro waren auch die besten Angebo-
tütete der einstige Ergo-Vertriebs- te deutlich hinter den Erwartungen
chef Rolf Wiswesser (54) ein, den zurückgeblieben.
Rieß an die frische Luft gesetzt hatte Endgültig vom Tisch sind die Plä-
und der daraufhin zur Allianz ge- ne damit nicht. Wenn sich die ersten
wechselt war. Sanierungserfolge zeigen, die IT-
FOTOS: COSMOSDIREKT / OBS, QUIRIN LEPPERT, DANIEL DELANG FÜR MM

Die uralten, teilweise noch im vo- Systeme laufen und der Konzern-
rigen Jahrhundert programmierten wert steigt, wird in München die
Rechnerkerne sind nicht einmal da- Versuchung wachsen, die ungeliebte
zu imstande, die Ablaufleistungen Beteiligung zu Geld zu machen.
der Lebensversicherungskundschaft Für seinen Aktionär hätte Rieß
korrekt zu berechnen. Die Finanz- seinen Auftrag damit erledigt, die
aufsicht lässt sich regelmäßig über Kassen der Münchener Rück wären
die Reparaturarbeiten informieren. wieder voll. Für ihn persönlich aber
400 Millionen sollen in den Neu- wäre es ein Sieg, der bitter nach Nie-
aufbau der IT-Infrastruktur bis Ende derlage schmeckt. Denn eigentlich
2020 fließen. Geld, das die Ergo aber will er den Konzern als Ganzes er-
erst verdienen muss. Die Münchener halten und bei der Ergo beweisen,
Rück weigerte sich, Kapitalspritzen dass er auch die ganz dicken Bretter
zu setzen, war nur zum Verzicht auf bohren kann. 1 Dietmar Palan
F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 51
DER
PROBLEMBÄR
HARIBO Hans Guido Riegel baut den lange erfolg-
reichen Familienbetrieb im Eiltempo zum
Konzern um – und vergrault massenweise Manager.
HARIB O UNTERNEHMEN

D
er verstorbene Firmen- 2010 gelang es einer Heerschar von An- bietet ausdrücklich, dass ein Nachkomme
chef Hans Riegel sitzt wälten, den familiären Streit beizulegen. von Bruder Paul eine Funktion in dem Ge-
auf einem Thron und Das Bärenreich wurde neu geordnet, mit flecht ausüben darf.
schaut, milde lächelnd, der Haribo Holding entstand eine Dachge- Riegels Vermögen – der Clan wird auf
auf einen Goldbären. sellschaft. Hans Guido, Pauls ältester Sohn 3 Milliarden Euro geschätzt – ging an die
Die Kreatur, den Rü- aus zweiter Ehe, übernahm die Aufgaben ebenfalls von ihm gegründete Kaiserschild-
cken gebeugt, blickt vorsichtig nach oben seines Vaters als geschäftsführender Ge- Stiftung. Lebensgefährtin Anna-Maria Bi-
und streicht dem Patriarchen liebevoll über sellschafter für die Produktion, sein jünge- schof, die zwischenzeitlich als Erbin ge-
den Arm. Papa Bär und seine Geschöpfe rer Bruder Hans Arndt (50), zuvor als Jurist handelt wurde, arbeitet als Guest Relations
bildeten über Jahrzehnte eine untrennbare im Unternehmen tätig, rückte an die Auf- Manager im nun stiftungseigenen Nobel-
Einheit, für sie hat der Alte bis zu seinem sichtsratsspitze. Wirklich frei wurde der resort „Jakobsberg“ im Mittelrheintal.
letzten Atemzug alles gegeben. Die Figur Weg für die dritte Generation aber erst drei Statt ihr verwalten Riegels Vertraute den
steht in der Ecke eines Besprechungsraums Jahre später, nach dem Tod von Hans Rie- Nachlass. Marco Alfter und Reinhard
der Dr. Hans Riegel-Stiftung in der Bonner gel im stolzen Alter von 90 Jahren. Schneider nehmen an einem langen Tisch
Innenstadt und wirkt, als gerate sie allmäh- Die Nachkommen von Anita Königs unweit der kleinen Statue ihres früheren
lich in Vergessenheit. klagten 2012 unbemerkt von der Öffent- Chefs Platz und bringen das Problem auf
In der Firma ist vom Geist des ebenso lichkeit auf mehr Einfluss. Sie scheiterten, den Punkt: „Hans Riegel war das Gesicht
schwierigen wie charismatischen „Mr. Ha- sicherten sich für ihr Schweigen aber we- der Marke nach innen und außen. Jemand
ribo“ schon jetzt kaum noch etwas übrig. nigstens eine nette Abfindung. Ihre stille wie er lässt sich nicht wiederholen.“
Auf Riegels Thron sitzt heute sein Beteiligung, nach mehreren Umfirmierun- Alfter, Riegels Patensohn, war jah-
Neffe Hans Guido (52). Unter dessen relang Pressesprecher des Unterneh-
Ägide ist das Familienunternehmen mens und ist heute Vorstand der Stif-
zu einem echten Problembär mutiert, tung. Exfinanzchef Schneider wacht
der sich einfach nicht dressieren lässt. über das dicke Testament des verstor-
Topleute gehen in Scharen, zentrale benen Patriarchen. Er ist Geschäfts-
Projekte stocken. Nach Jahrzehnten führer der Dr. Hans Riegel Holding,
süßer Umsatzsprünge schmeckt die sitzt im Aufsichtsrat der Haribo Hol-
Gegenwart eher fade. Haribo verfehlt ding und dient sowohl in der Dr. Hans
erstmals seine Ziele. Der Gummibä- Riegel-Stiftung als auch in der Privat-
renhersteller, der zum Weltkonzern stiftung als Vorstand (siehe Grafik Sei-
aufsteigen soll, steckt fest zwischen te 54). Das Vakuum, das Hans Riegel
seiner großen Vergangenheit und ei- hinterlassen hat, können die beiden
ner Zukunft, die noch einem Traum- nicht ausfüllen. Ihre Erklärungen klin-
gebilde gleicht. gen fast schon entschuldigend. „Die
Die Riegels, selbst ernannte Beglü- Mitarbeiter waren emotional gebun-
cker der Nation (Werbeslogan: „Ha- den, der Übergang ist nicht einfach“,
MANN MIT VISIONEN
ribo macht Kinder froh. Und Erwach- Hans Guido Riegel präsentiert sich mit Glaskugel in der Mit-
sagt Schneider. „In solchen Situatio-
sene ebenso“), waren schon immer arbeiterzeitung, gilt vielen aber als Phantom nen gibt es in jedem Unternehmen ge-
eine schrecklich nette Familie. Wäh- wisse Friktionen.“
rend Schwester Anita Königs nicht mittun gen in einer Untergesellschaft gelandet, Das ist richtig – und dennoch viel zu ein-
durfte und enttäuscht dem Alkohol verfiel, wird ausbezahlt und endet in fünf Jahren. fach. Der Alte ging mit den Azubis zu
waren es die Brüder Paul und Hans, die aus Pauls Anteile verteilen sich auf Hans McDonald’s, half Mitarbeitern in finanziel-
dem 1920 von ihrem Vater in einer Wasch- Guido und Hans Arndt sowie deren len Nöten aus und flog manch einen mit
küche gegründeten Betrieb den globalen Schwester Andrea Depkat (49), die als seinem Hubschrauber ins Krankenhaus.
Marktführer für Fruchtgummi und Lakritz Hausfrau in Bonn lebt. Der älteste Spross, Neue Produkte wurden im Betriebskinder-
formten. Paul, ein öffentlichkeitsscheuer Hans-Jürgen Riegel (63), hatte doppelt garten getestet und, wenn die Zeit drängte,
Tüftler, kümmerte sich um die Produktion, Pech. Sein Vater bevorzugte die Kinder aus auch mal in zwei Tagen entwickelt und auf
der machtverliebte Hans um den Rest. Je zweiter Ehe und vermachte ihnen den grö- den Markt geworfen. So wurde auch der
erfolgreicher die beiden wurden, desto ßeren Anteil. In der Firma kam er nie über Hype um das Berliner Eisbärenbaby Knut
mehr litt ihre Beziehung. den Status des Kronprinzen hinaus, 2006 von Hans Riegel umgehend monetarisiert.
Als Paul 2009 starb, kam Hans nicht zur verabschiedete er sich entnervt. Kenner der Die meisten der über 100 verschiedenen
Trauerfeier. Der Appell des Paters („Liebe Familie bezeichnen das Verhältnis der Sorten stammen von ihm. Er lebte Haribo.
findet ihren Weg über jeden Abgrund hin- Halbgeschwister bis heute als angespannt. Doch auch unter dem Patriarchen war
FOTO: ALLEZHOPP FÜR MANAGER MAGAZIN

weg“) verhallte. Längst war ein Streit um Die übrigen 50 Prozent der Anteile lie- nicht alles zuckersüß. Er hatte seine Lau-
die Nachfolge zwischen Pauls vier Nach- gen weiterhin in der Dr. Hans Riegel Hol- nen, die Stimmung im gewerkschaftsfeind-
kommen aus zwei Ehen und dem kinderlo- ding. Erbe des Schatzes ist die gemeinnüt- lichen Bärenreich galt trotz überdurch-
sen Onkel entbrannt. Hans Riegel sprach zige Dr. Hans Riegel-Stiftung, die mit den schnittlicher Bezahlung nie als die beste.
lieber mit Konkurrenten und führte selbst Erträgen des Konzerns Kinder, Wissen- Die Firma ist verschachtelt wie die Mafia
Warren Buffett durch die heiligen Hallen, schaft und Kunst fördern soll. Als Kontroll- und geradezu krankhaft verschwiegen. Ei-
als seine Neffen ranzulassen. Sich von sei- organ dient eine Privatstiftung in Riegels ne österreichische Verwaltungsgesellschaft
nem Lebenswerk zu trennen – undenkbar. Wahlheimat Österreich. Ihre Satzung ver- und eine Bonner Beteiligungs-KG als 2
F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 53
UNTERNEHMEN HA RIBO

Gesellschafter der Holding befreien speist gern in dem urigen Restaurant.


von der Pflicht, Bilanzen vorzulegen. Zu Zeiten der Bonner Republik wurde
Nicht einmal Spitzenkräfte kennen hier so mancher Pakt geschlossen und
die Umsätze. In Meetings dürfen Län- Geschichte geschrieben. Als Riegel
derchefs ihre Zahlen nur mit Indizes mit 18 Jahren einen Autounfall direkt
präsentieren. vor dem Italiener hatte und es laut
„Hans Riegel genoss hohes Anse- wurde, fand er hier Zuflucht.
hen“, sagt Mohamed Boudih von der
Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gast- „Das Wir-Gefühl ist weg“
stätten (NGG). „Seine Aura hat vieles Riegel ist ein kräftiger Mann mit ho-
überstrahlt.“ Riegel hatte Europa im her Stirn, der früher am liebsten hin-
Sturm erobert. Alles, was er mit sei- ter dem Lenkrad eines Porsche 911
nem Helikopter nicht mehr erreichte, GT3 aus seinem Autorennstall Paeo-
interessierte ihn indes kaum noch. nia saß und über den Nürburgring
Mit viel Geschick kaufte der Alte donnerte; ein Hobby für reiche Leute.
schwächelnde Betriebe auf, um die Seit er das Bärenreich lenkt, geht er
Werke für seine Zwecke zu nutzen. nur noch zur Jagd, wohnt im Grünen
Die Länderverantwortlichen genos- und würde am liebsten überhaupt
sen große Freiheiten, was allerdings nicht in Erscheinung treten.
zu einem Markenwildwuchs führte. Riegel, zum zweiten Mal verheira-
Wenn Controller produktivere Ma- tet, ist Vater von zwei Töchtern. Sie
schinen anmahnten, sagte er, man ver- sollen sicher und möglichst normal
diene genug Geld. Hohe Forschungs- aufwachsen. Es hat ein halbes Jahr
ausgaben, um Gelatine für die süßen gedauert, ihn zu dem Treffen zu be-
Bärchen künstlich herzustellen, statt wegen. Dabei stellt sich der scheue
MANN DER MITTE
seriell geschlachtete Schweine zu neh- Der verstorbene Patriarch Hans Riegel lebte Haribo und Anführer, der seinem Onkel sehr ähn-
men, hielt er für unnötig. Ein Waren- wirkte als Gesicht der Marke nach innen und außen lich sieht, als äußerst charmanter Ge-
wirtschaftssystem hat die 7000-Mit- sprächspartner heraus.
arbeiter-Firma, die an 16 Standorten in trale sollte raus aus Bonn, ein modernes Für seine eigentliche Aufgabe, die Pro-
zehn Ländern über 100 Millionen Goldbä- Werk musste her. Der Umsatz sollte sich duktion, hat er kaum Zeit. Wichtiger sei die
ren täglich ausspuckt, bis heute nicht. bis 2020 von 2 auf 4 Milliarden Euro ver- strategische Neuausrichtung. Schließlich
So führten der lähmende Streit um die doppeln, um die Unabhängigkeit zu garan- hat er viel vor. „Haribo ist eine vor allem in
Nachfolge und der Starrsinn des Alten da- tieren. Europa aktive Unternehmensgruppe mit
zu, dass die Führung den Anforderungen Dafür müsste der Goldbär aber die gan- globalen Ambitionen. Dafür waren einige
nicht mehr genügte. 2010 wurde das Un- ze Welt erobern. Kann er das? Veränderungen in der Organisation not-
ternehmen mit externer Unterstützung Hans Guido Riegel glaubt, ja. Er sitzt in wendig“, betont er. „Unser klares Ziel ist
durchleuchtet, es entstand ein Katalog, einer Pizzeria und streichelt den 15 Jahre es, auch zukünftig stärker wachsen zu wol-
randvoll mit ehrgeizigen Zielen. Die Zen- alten Hund des Inhabers. Der Haribo-Chef len als der Süßwarenmarkt weltweit.“
Doch den dazu eingeleiteten Umbau
empfinden viele Mitarbeiter als brachial.
D A S SÜ SSW A RE NP ARADIES UND SEINE BEWO H N ER Nach dem Tod von Hans Riegel hatten es
Wer im Reich der Riegels das Sagen hat zunächst dessen Anhänger schwer. Inzwi-
Erben schen glauben auch andere, dass ihre Mei-
nung nichts mehr zählt. Zahlreiche Aufga-
P A U L R I EG EL H OLD IN G DR. HANS RIEGEL HO L DING ben wurden zentralisiert, das eingeführte
28,6 Hans Guido Riegel 99,99 Dr. Hans Riegel- Prozessmanagement ist umstritten.
28,6 Hans Arndt Riegel Stiftung, Bonn Die Führungstruppe schiebt schlechte
und Kinder 0,01 Dr. Hans Riegel
28,6 Andrea Depkat Privatstiftung, Laune und ergreift die Flucht. Der perso-
und Kinder Österreich nelle Aderlass ist groß, auf allen Ebenen.
14,2 Hans-Jürgen Riegel
und Kinder
„Wir waren stolz, für die Firma zu arbeiten,
doch dieses Wir-Gefühl ist weg“, sagt einer
50 % 50 % der Abtrünnigen. Ein anderer ergänzt: Vor

HARIBO HOLDING
zwei Jahren sei mancher noch Haribo zu-
FOTO: LUDWIK ERDMANSKI / ROBA IMAGES

liebe geblieben. „Jetzt gehen sie.“


Aufsichtsrat: Sogar Neulinge halten es oft nicht lange
Hans Arndt Riegel (Vorsitzender), Peter May Klaus-Peter Meier, Reinhard Schneider aus. Der frühere Coca-Cola-Marketing-
Geschäftsführung: mann Thomas Starz ging im Mai nach nur
Hans Guido Riegel (Produktion), Michael Phiesel (Finanzen), einem Jahr. Vor wenigen Wochen verab-
Dariusz Kucz (Marketing und Vertrieb) schiedeten sich Alexandra Megid, die Lei-
terin der Neuprodukteentwicklung, und
Quelle: mm-Recherche Grafik: manager magazin
der CFO der deutschen Landesgesell- 2
54 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
Ford ST-Line-Modelle

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UNTERNEHMEN HA RIBO

schaft, Jörg Kehlen. Einige VO R WÄ R T S , A B ER gerung und Neugründung wichtiger


von ihnen hatte Marketing- U N T ER P LA N Abteilungen wie Einkauf und Export
Umsatzwachstum im Vorjahres-
und Vertriebschef Martin vergleich, in Prozent
nach Luxemburg sorgte intern be-
Schlatter geholt, der selbst be- reits für reichlich Unmut. Nun wer-
reits nach nicht einmal zwei Jah- 8,1 Zielmarke: 8,0 den in der Steueroase immer mehr
7,5 7,5
ren hinwarf; er hatte sich mehr Zentralfunktionen aufgebaut, die
6,6
Grandezza versprochen. 5,9 6,0 Landesgesellschaft zählt schon
Doch selbst Leute, die über reich- mehr als 50 Mitarbeiter. Selbst die
lich Erfahrung im Mittelstand Markenrechte werden vom Groß-
verfügen, wie der frühere herzogtum aus verwaltet.
Storck-Mann Robert Mähler, Eine heimliche Flucht ins Steuer-
verabschieden sich wieder. Wer paradies? „Die Markenrechte für die
bleibt, klagt: über den großen Druck Dachmarke Haribo sind Eigentum
oder zu schnell laufende Bänder in 2012 2013 2014 2015 2016 2017 der deutschen Gesellschaften“, be-
der Produktion. Der Krankenstand tont Riegel. „Wir haben Luxemburg
Quelle: Euromonitor, mm-Recherche
soll hoch sein. Grafik: manager magazin als Standort für diese Funktionen
Als jüngsten Tiefpunkt empfan- ausgewählt, weil das Land bei in-
den viele die Reaktion des Kon- Deutschland hinnehmen. Inter- ternational agierenden Süßwaren-
zerns auf einen WDR-Bericht, der national läuft das Geschäft deutlich unternehmen beliebt ist und wir
Verstöße gegen Kinder- und besser, aber ebenfalls unter Etat. dadurch die Möglichkeit haben, Spe-
Tierrechte in der Lieferkette an- Um 2020 die angepeilten 4 Milli- zialisten, etwa für weltweit unter-
prangerte. Riegel verweigerte sich arden Euro zu erreichen, hätte Hari- schiedliche Rechtssysteme, an uns
den Kameras. Kritiker beschreiben bo seit 2011 im Jahresschnitt um 8 binden zu können.“
„HGR“ als neureichen Unterneh- Prozent zulegen müssen, derzeit lie- Gut wäre es allerdings auch, die
mer, der in einem Elfenbeinturm sit- SWEET DREAMS gen die Zuwächse des rund 3,2 Mil- alten Mitarbeiter zu binden. Immer-
ze und nur gefilterte Nachrichten Haribo hat in den liarden Euro schweren Konzerns bei hin scheint Hans Guido Riegel er-
vergangenen
empfange, weil er den persönlichen 95 Jahren 2,4 Bil- 6 bis 7 Prozent. Der Heimatmarkt ist kannt zu haben, dass er seine Leute
Kontakt zu seinen Untertanen lionen Goldbären abgegrast, das Potenzial in Zukunfts- stärker mitnehmen muss. Vor weni-
scheue. Die Folge: Es fehlen Leute, produziert, aber märkten wie China überschaubar. In gen Monaten zeigte er sich auf einer
die die ambitionierten Ziele umset- auch andere Top- den USA hat der italienische Multi Mitarbeiterversammlung und ver-
seller im Sorti-
zen könnten. ment Ferrero den Fruchtgummihersteller sprach mehr Offenheit. Es gibt einen
Der Ende 2013 eingeleitete Start Ferrara geschluckt und drängt ins neuen Wertekanon, ein Intranet und
in China stockt. Mit Wolfgang Kohl Kerngeschäft der Bonner. sogar einen neuen Marketing- und
und Andreas Tank sind die wichtigs- Vertriebschef: den früheren Dano-
ten Köpfe weg. Ähnlich sieht es in Trickreich und verschwiegen ne-Mann Dariusz Kucz. Er hat die
den USA aus. Auch wenn Riegel vol- Mit neuen Kassenschlagern tut sich wichtigste und zugleich schwierigste
ler Stolz auf das rasante Wachstum Haribo schwer. Statt auf Schnelltests Position im Konzern. Wie sein Vor-
verweist, ist Haribo spät dran und im Betriebskindergarten setzt das gänger Schlatter muss sich Kucz hin-
kommt erst auf rund 115 Millionen Unternehmen heute auf Marktfor- ter Produktionschef Riegel und Fi-
US-Dollar Umsatz. Der Grundstein schung. Resultat: Bis Neuentwick- nanzer Michael Phiesel einreihen.
für das neue Werk wird erst 2019 lungen im Regal landen, dauert es Phiesel gilt als intelligent und de-
gelegt, eigentlich sollten dort deutlich länger als früher. Alle ein tailverliebt. Der einstige Haribo-
längst Gummibärchen vom Band bis zwei Jahre eine echte Inno- Azubi gehörte zu den Ziehsöhnen
purzeln. vation lautet die Zielvorga- von Hans Riegel, inzwischen harmo-
Priorität genießt die neue be. Jüngster Stolz ist eine niert er prächtig mit Hans Guido.
Fabrik am künftigen Stamm- zuckerreduzierte Variante, Wie konsequent der Süßwaren-
sitz in Grafschaft. Denn trotz die erstmals länderübergrei- hersteller mit der Ära des verstorbe-
Investitionen in Höhe von 300 fend entwickelt und einge- nen Übervaters abgeschlossen hat,
Millionen Euro hakt es auch führt wurde. Jedoch erwies belegt eine weitere Personalie: Nach
dort. Aus dem Umzug zum Jah- sich eine Light-Version bereits Jahrzehnten als Werbemaskottchen
reswechsel wurde nichts, ein vor zehn Jahren als Ladenhüter. hatte Moderatorenlegende Thomas
technischer Schaden sorgt für Dafür steckt der noch immer Gottschalk die Goldbärentüte be-
weitere Verzögerungen. prächtig verdienende Konzern, reits 2015 an Michael „Bully“ Herbig
Bereits Anfang 2017 befand der völlig ohne Bankschulden übergeben. Nun hat der Intimus des
der Aufsichtsrat den Plan als zu auskommt, viel Kraft ins Opti- Alten einen Schlussstrich unter sein
ambitioniert. Prompt musste mieren der Finanzen. Die Verla- Fruchtgummi-Engagement gezogen
Haribo in den vergangenen und auch den Beirat der Dr. Hans
zwölf Monaten erstmals B U L LY M E E T S T O M M Y Riegel-Stiftung verlassen. Die Bär-
einen Umsatzrückgang im Mit Hans Riegel verschwinden chen winken ihm fortan nur noch
seine Vertrauten. 2015 ersetzte
FOTOS: PR

rund 600 Millionen Eu- Michael „Bully“ Herbig (r.) aus dem Supermarkt in Malibu zu.
ro schweren Kernmarkt Thomas Gottschalk als Werbefigur. 1 Martin Mehringer
56 manager magazin
Keiner entscheidet sich gern Individualisierung für
dafür in einer Warteschlange Patienten.
stillzustehen. Besonders, Wenn es um individuelle
wenn man krank ist. Deswe- Therapie geht, muss die
gen braucht es Fortschritt in Wirksamkeit immer im
der Gesundheitsversorgung. Fokus bleiben. Dabei helfen
Echte Alternativen, die uns die Digitalisierung und
selbst entscheiden lassen, technischer Fortschritt und
wie wir warten. Und bei ermöglichen in Zukunft ein-
manchem sogar, ob wir es fachere Gesundheitsvorsorge.
überhaupt tun. Es braucht die
Möglichkeit, jede Minute zu Nähe zu Patienten.
nutzen, damit es uns besser Die Digitalisierung macht uns
geht. Es braucht Apotheken erreichbarer und vernetzter.
mit dem Anspruch, dass Nicht nur privat oder beruflich,
Selbstbestimmung und Un- sondern auch in der Gesund-
abhängigkeit das Wichtigste heitsversorgung. Distanzen
sind. Für jeden Patienten. werden abgebaut und Arzt,
Ob offline oder online. Ob ab- Apotheker und Patient rücken
holen oder liefern lassen. Ob näher zusammen.
Warteschlange oder nicht. Es
gibt kein Richtig oder Falsch. Neuartige Produkte für
Denn das kann jeder Mensch Patienten.
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K O N Z E N T R I E RT E R
KÄMPFER
Bernd Scheifele
plant seinen
nächsten Coup
B E R N D S C H E I F E L E UNTERNEHMEN

beitsstätten zu locken. Vor Jahren war


er etwa als Nachfolger des damaligen
Siemens-Chefs Klaus Kleinfeld (60) im
Gespräch.
Doch Scheifele ist ein treuer Diener
des Ulmer Merckle-Clans, der gut ein
Viertel der Stimmrechte an Heidelberg-
Cement hält. Nach Fehlspekulationen

MARMOR,
und dem Freitod von Patriarch Adolf
Merckle im Jahr 2009 richtete der CEO
dessen angeschlagenes Imperium wie-
der auf. Bis heute ist Scheifele der wich-

STEIN
tigste Ratgeber von Familienoberhaupt
Ludwig Merckle (52). Beim Pharma-
großhändler Phoenix (24 Milliarden
Euro Umsatz), der den Merckles voll-

UND
ständig gehört und den Scheifele früher
selbst führte, geschieht nach wie vor
nichts Wesentliches ohne seine Zustim-
mung.

EISEN ...
Es ist ein eng gezirkelter Kreis, in
dem sich Scheifele bewegt. Manager-
foren oder Verbandsklüngel meidet er
ebenso wie andere gesellschaftliche Er-
eignisse. Lieber stöbert er auf seiner
Jagd im Odenwald das Wild auf – und
das meist allein.
BERND SCHEIFELEDer Chef von Heidelberg- Nun, gegen Ende seiner operativen
Karriere, kann sich Scheifele erstmals
Cement hat ganz im Verborgenen die vorstellen, auch jenseits des abgesteck-
Familie Merckle wieder reich gemacht. ten Terrains Aufgaben zu übernehmen.
In zwei Jahren tritt er als Zementchef
Jetzt zementiert er sein System. ab. Dann steht er bereit für Aufsichtsra-
ts- und Beratermandate. Headhunter
dürften aufmerken, denn Allrounder
seines Schlags sind selten.
Scheifeles Methoden sind ausgefal-
len, manches wirkt geradezu archaisch,
anderes wieder ausgesprochen modern.

D
In Heidelberg hat er seine Art zu führen
ie Hände lässig auf in den Dax-Konzernen gern bemühen, regelrecht zum System gemacht. Die
das Rednerpult ge- um „Produkte“, die er selbstbewusst letzten beiden Jahre an der Spitze will
legt, der Kopf leicht beim Namen nennt: „Beton, Zement der CEO jetzt nutzen, um das Erreichte
nach hinten geneigt, und Sand und Kies“. zu zementieren.
der Blick herausfor- Scheifeles Geschäft ist schlicht, aber Sein Aufstieg begann als Partner der
dernd. Bernd Schei- er beherrscht es wie kein anderer. In Sozietät Gleiss Lutz. Nachdem er dort
fele (59) versteht es, den Ton anzuge- 13 Amtsjahren baute er den Traditions- der Schuler-Voith-Sippe bei einer Real-
ben. Genau einmal im Jahr lässt sich der konzern, der zuvor lediglich in Deutsch- teilung geholfen hatte, machte Scheifele
Chef der HeidelbergCement AG dabei land und Europa stark war, zur inter- Bekanntschaft mit Adolf Merckle. Der
von einer größeren Öffentlichkeit beob- nationalen Nummer zwei aus (rund Familienunternehmer merkte schnell,
achten. Auf der Hauptversammlung des 16 Milliarden Euro Umsatz; siehe Grafik dass der junge Jurist über mehr Talent
Konzerns referiert er dann in 70 dahin- Seite 60). Lediglich der französisch- verfügte, als gute Verträge zu verhan-
rasenden Minuten den Inhalt von rund schweizerische Konkurrent LafargeHol- deln. Er engagierte den 36-Jährigen, dem
50 eng beschriebenen Präsentations- cim ist mit mehr als 23 Milliarden Euro jegliche Führungserfahrung fehlte, und
folien. Es ist ein hoch konzentrierter Umsatz größer. Dafür rühmt sich Schei- erteilte dem neuen CEO von Phoenix
FOTO: BLOOMBERG / GETTY IMAGES

Vortrag, frei gehalten, nie langweilig, in fele, das „bestgeführte Unternehmen den Auftrag, aus verschiedenen Firmen
schwäbischem Tonfall. der Branche“ zu leiten, stabil und frei – steuerlich optimiert – einen veritablen
Scheifele sagt, was gesagt werden von Complianceskandalen, wie sie zu- Arzneimittelgroßhändler zu formen.
muss. Firlefanz verkneift er sich. Bei letzt den Marktführer erschütterten. Unter Merckles Obhut lernte Schei-
ihm geht es statt um „Lösungen“ und Immer wieder mal versuchten Head- fele, wie man in Branchen mit niedrigen
„Systeme“, die etliche seiner Kollegen hunter ihn zu prestigeträchtigeren Ar- Margen das Überleben sichert. Seit- 2
F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 59
UNTERNEHMEN B E R N D S C H E I F E L E

SCHEIFELE GLOBALE
NUMMER
ZWEI
Darüber hinaus hält Scheifele
direkten Draht zu den rund 100

FÜHRT STRAFF ÜBER Ausgewählte Top-


zementhersteller,
Managern der zweiten und dritten
Führungsebene. Ein- bis zweimal im

VERTRAUTE. Kapazitäten in
Millionen Tonnen
Jahr trifft er sie, meist an ihren je-
weiligen Dienstsitzen in aller Welt.

DADURCH HAT ER
pro Jahr1
Bei der Gelegenheit wird auch über
LafargeHolcim die individuellen Ziele und deren

JEDERZEIT
Schweiz 327,1
Einhaltung gesprochen, und die Bo-
HeidelbergCement ni. Läuft es besonders gut, bekom-

DEN DURCHGRIFF.
Deutschland 193,5 men Scheifeles Topshots gern mal
nachträglich einen Schnaps drauf.
UltraTech Cement
Indien 93,0
Diese Freiheit, die sonst vor allem
Familienunternehmern vorbehalten
dem versteht er sich wie kaum ein rechtswidrige Absprachen mit der Cemex ist, nimmt er sich.
Mexiko 92,9
anderer auf aggressives Expandie- Konkurrenz geleistet hatten, wes- Insgesamt geht es in dem Dax-
ren. Und auf eine Sparsamkeit, die halb sie nun eine Strafe von 84 Mil- Votorantim
Konzern noch immer recht familiär
selbst Schwaben staunen lässt. lionen Euro zahlen sollen. Den Fir- Brasilien 57,6 zu. Selbst Scheifeles Ehefrau mischt
Als ihn Ziehvater Merckle 2005 menflieger ließ Scheifele natürlich mit. Als ihr Mann noch Phoenix
von Mannheim ins benachbarte Hei- auch ausmustern. 1 | 2016/2017. führte, soll die Juristin und vierfache
Quelle: Bloomberg,
delberg beorderte, um den dortigen Der Mann führt straff und über mm-Recherche Mutter von zu Hause aus ein wich-
Grafik: mm
Zementhersteller zu sanieren, konn- Vertraute. Dadurch hat er jederzeit tiges IT-Projekt betreut haben.
te Scheifele nahtlos anknüpfen. Weil den Durchgriff. Seine wichtigsten Mitarbeiter witzelten damals, das
der Konzern damals zu klein und zu Partner sind Finanzchef Lorenz Nä- Controlling werde in Heimarbeit ge-
europalastig war, kaufte und errich- ger (57) und sein Vize Dominik von macht.
tete er reihenweise Zementwerke in Achten (52). Mit Landsmann Näger Inzwischen managt die Gattin
Ländern wie Indonesien, Indien, geht Scheifele seit Jahren durch dick hauptsächlich die Forst- und Land-
Georgien oder Russland, wo die Um- und dünn. Schon bei Phoenix hielt wirtschaft der Scheifeles, der Ehe-
weltauflagen überschaubar und die ihm der Zahlenfuchs den Rücken frei. partner wird nur mehr gecoacht, et-
Märkte ausladend sind. In Europa Von Achten wiederum hat Schei- wa in Sachen Öffentlichkeitsarbeit.
indes strich er massenweise Arbeits- fele selbst entdeckt und aufgebaut. So hält sich der HeidelbergCement-
plätze. Der ehemalige BCG-Consultant war CEO nach eigener Aussage auf „aus-
2007 erwarb er für 14 Milliarden ihm bei einem Kostensenkungspro- drücklichen Wunsch“ seiner Frau
Euro den britischen Baustoffkon- jekt aufgefallen. 2007 holte Scheifele DER EIGENTÜMER
mit Auftritten und Stellungnahmen
zern Hanson. Ein Hochrisikodeal, ihn in den Vorstand, um die Neu- Ludwig Merckle „sehr zurück“.
der den Konzern beinahe die Exis- erwerbung Hanson einzugliedern. ist heute der Bei manch freiem Aktionär mag
tenz gekostet hätte. Denn im Zuge Die beiden sind auf einer Wellenlän- Kopf des weit- solche Einflussnahme Befremden
gefächerten
der weltweiten Finanzkrise pochten ge, gleichermaßen schnell und um- Familien- auslösen. Doch auf den Hauptver-
die Banken auf Rückzahlung der triebig, beseelt vom Wachsen und konglomerats sammlungen ging es zuletzt ziemlich
kurzfristigen Milliardenkredite, mit vom Sparen. ruhig zu. Ein kleiner Saal reicht zu-
denen Scheifele und Patriarch meist aus, auf der Kapitalvertreter-
Merckle die Übernahme finanziert bank sitzen dann auch Ludwig
hatten. MERCKLES 100 % Merckle und Bruder Tobias (47).
„Plötzlich hatten die uns am Ha- HABSCHAFT Phoenix Clanchef Ludwig ist für Scheifele
Pharmahandel
ken“, erinnert sich Scheifele. Mit Großhandel, ein verlässlicher Partner. Die beiden
Verhandlungsgeschick, einer Kapi- Apotheken,
respektieren sich und bewegten sich
50 % Wert: 25,52 %
talerhöhung und einer Portion Zollern 6 Mrd. €1 Heidelberg- auf „Äquidistanz“, sagt einer, der die
Glück wand er sich aus der Zwangs- Metall- Cement AG Verhältnisse kennt. Privat haben sie
verarbeitung, Baustoffe,
lage heraus. Umsatz: Wert: keinen Kontakt.
0,5 Mrd. € 4,8 Mrd. €
Mittlerweile läuft die Konzern- 100 % 100 % Zu Lebzeiten von Adolf Merckle
Kässbohrer
maschine besser als je zuvor. Bei der Blauwald Pisten- hielt Scheifele noch recht wenig von
12 000 ha fahrzeuge,
letzten milliardenschweren Neu- Wald und dem Junior. Als die Sippe erwog,
Wert:
erwerbung, dem italienischen Fami- Grundbesitz 0,25 Mrd. €1 Ludwig bei Phoenix zu beschäftigen,
lienkonzern Italcementi, der lange soll Scheifele sinngemäß gesagt
Zeit nur Verluste aufgetürmt hatte, haben: „Den schick ich höchstens
FOTO: RONALD WITTEK / DPA / PA

benötigte der Vorstandschef gerade zum Kopieren. Der kann bei mir als
mal ein Jahr, um ihn profitabel zu Bürobote anfangen.“
machen. Er verringerte das Personal Die Ressentiments sind Ge-
um mehrere Tausend Stellen und er- schichte, seit Scheifele und Ludwig
setzte fast das komplette Manage- Merckle in der großen Not um das
1 | Schätzung. Quelle: Unternehmen Grafik: manager magazin
ment – auch weil sich die Italiener Jahr 2009, als das Merckle-Imperi-
60 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
B E R N D S C H E I F E L E UNTERNEHMEN

um und auch HeidelbergCement gefährlich anderen Seite der Donau, aus Ulm, so wie noch nicht vorzuweisen, aber Mitte 2016
wankten, zusammenstanden. Damals ge- auch Scheifeles Familie. Landsmannschaf- ersetzte er die beiden lang gedienten Mit-
lang es ihnen gemeinsam mit Treuhändern ten also, die sich kennen und dieselbe Spra- glieder Daniel Gauthier (60) und Andreas
und wohlmeinenden Industriegrößen wie che sprechen. Kern (59) durch Ausländer: den Türken Ha-
BASF-Chef Jürgen Hambrecht (71), sowohl Doch die Gemeinsamkeiten reichten kan Gurdal (49), den Briten Jon Morrish
den Zementkonzern als auch Phoenix aus nicht aus. Stattdessen ging Schmidheiny (47) und den Australier Kevin Gluskie (50).
den Klauen der 60 Gläubigerbanken zu be- ein Bündnis mit den Großaktionären der Zudem holten Scheifele und Aufsichtsrats-
freien und zu retten. Nur den Pillenherstel- französischen Lafarge-Gruppe ein. chef Fritz-Jürgen Heckmann (61) die ehe-
ler Ratiopharm mussten sie aufgeben. Scheifele nahm’s sportlich und prophe- malige BASF-Managerin Margret Suckale
Während der quälend langen Verhand- zeite: „Die sind jetzt die nächsten drei Jahre (61) in den Aufsichtsrat.
lungen mit den Unterhändlern der Banken mit sich selbst beschäftigt.“ Tatsächlich Seine Nachfolge hat der CEO – infor-
bewies Ludwig Merckle viel Geschmeidig- fremdelten Schweizer und Franzosen lange mell – längst geregelt. Sein Stellvertreter
keit, was Scheifele beeindruckte. Merckle Zeit miteinander. Zudem ermitteln franzö- von Achten soll übernehmen. Auch für
wiederum ist dem HeidelbergCement-Boss sische Staatsanwälte gegen den früheren Sparringspartner Näger (Vertrag bis Sep-
dankbar, dass er beim Erhalt von Phoenix Konzernchef Bruno Lafont (61) wegen der tember 2019) wird über kurz oder lang
tatkräftig mithalf. Nur deshalb verfügt die Finanzierung von IS-Terroristen. Ersatz kommen.
Merckle-Sippe heute wieder über ein ge- Scheifele dagegen kann sich voll aufs Präsent bleiben wird Scheifele aber weit
schätztes Vermögen von gut zehn Milliar- Geschäft konzentrieren. Bis zum Ende über 2020 hinaus, dann an der Spitze des
den Euro (siehe Grafik Seite 60 unten). seiner Amtszeit wird er sich voraussichtlich Aufsichtsrats. Der genaue Zeitpunkt der

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Der Einsatz und die Loyalität haben sich noch ein paar kleine Zukäufe leisten, das Amtsübernahme ist noch nicht ausge-
für Scheifele durchaus gelohnt. Seine Jah- Business an den Rändern ergänzen. Latein- macht. Mit Merckles Stimmrechten könnte
resgage in Heidelberg lag in den vergange- amerika, Stammgebiet des mexikanischen er direkt in die neue Rolle wechseln. Ver-
nen Jahren zwischen sieben und knapp Zementkolosses Cemex, ist für die Heidel- traute rechnen indes damit, dass er die vor-
zehn Millionen Euro. Außerdem hat er freie berger nach wie vor ein weißer Fleck. Dort gesehene Abkühlungszeit von zwei Jahren
Hand bei Akquisitionen, selbst bei einer könnten sie diverse regionale Familienfir- einhalten wird. HeidelbergCement ist
milliardenschweren wie Italcementi. men erwerben. Auch in den USA tun sich schließlich ein Dax-Wert, da kann die Ein-
Der ganz große Coup blieb Scheifele al- Chancen auf, um das Geschäft zu verstär- haltung der Regeln zur guten Unterneh-
lerdings versagt. Vor ein paar Jahren hätte ken. In China dagegen lässt Scheifele Vor- mensführung nicht schaden. Zumal Heck-
er den Konzern durch eine Allianz mit dem sicht walten. mann den Posten für ihn freihält.
Schweizer Zementriesen Holcim beinahe Er möchte sich auf seine letzten Tage In anderen Kontrollgremien könnte
an die Branchenspitze katapultiert. Sondie- keinen Flop erlauben. Bis zur Übergabe soll Scheifele allerdings sofort loslegen. Er lieb-
rungsgespräche mit dem damals designier- das Ergebnis (zuletzt zwei Milliarden Euro) äugelt bereits mit einem Mandat bei Che-
ten Holcim-Verwaltungsratschef Wolfgang weiter steigen, die Schulden (aktuell neun miekonzern BASF. Da hätte er es nicht weit.
Reitzle (68) und Holcim-Großaktionär Milliarden Euro) will er weiter abbauen. Bis nach Ludwigshafen sind es gerade mal
Thomas Schmidheiny (72) gab es schon. Ansonsten gibt es nicht mehr viel zu tun 26 Kilometer. „Wenn Chefkontrolleur
Es wäre eine naheliegende Lösung ge- für ihn. Selbst den Mangel an Diversity in Hambrecht oder dessen designierter Nach-
wesen, wie Scheifele in anderem Zusam- der Führungsriege des Baustoffkonzerns folger Kurt Bock ihn fragen würden, würde
menhang einmal betonte. Reitzle komme hat Scheifele zumindest in Teilen behoben. er sicher nicht ablehnen“, sagt ein Vertrau-
aus Neu-Ulm, Ludwig Merckle von der Eine Frau hat er im Vorstand zwar immer ter Scheifeles. 1 Thomas Werres
F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 61
GEWONNEN, ABER ...
... Friedrichshafens Oberbürgermeis-
ter Andreas Brand braucht
jetzt einen neuen Chef für ZF
DRAMA
AM
BODENSEE
ZF FRIEDRICHSHAFEN as ist unser Mann.“ Friedrichshafens
Oberbürgermeister Andreas Brand (53)
Stefan Sommer führt will im Sommer 2016 unbedingt, dass
als Vorstandschef Stefan Sommer (55) einen neuen Fünf-
jahresvertrag als Vorstandsvorsitzender
einen Provinzkonzern der ZF Friedrichshafen AG bekommt.
an die Weltspitze – Der Aufsichtsrat des Autozulieferers hat
sich morgens um halb acht zu einer
und muss trotzdem Sondersitzung getroffen, es geht um die
Zukunft des Chefs.
gehen. Irre, oder? Sommer hat vier glänzende Jahre
Es treten auf (und ab): hinter sich. Doch drei Arbeitnehmerver-
treter sind sauer auf ihn. Es gibt Streit
ein erfolgsberauschter um die Werke in Saarbrücken und
Manager, ein miss- Friedrichshafen. Sommer verzögert
FOTOS: HELMUTH SCHAM, HOLGER SPIERING / WESTEND61 / F1ONLINE

Investitionen, es brodelt in der Beleg-


achteter Bürgermeister schaft. Es drohen Gegenstimmen bei
und ein überforderter der Vertragsverlängerung. Ein Makel,
den der Bürgermeister seinem CEO er-
Aufsichtsrat. sparen will. Brand, der den Eigentümer
von ZF, die städtische Zeppelin-Stif-
tung, vertritt, hält ein flammendes Plä-
doyer für Sommer.
Das sichert die Einstimmigkeit. Es
kehrte wieder Harmonie ein am 28. Juni
2016. So schien es jedenfalls.
Anderthalb Jahre später ist Sommer
weg, trotz seines Fünfjahresvertrags. 2
F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 63
UNTERNEHMEN ZF FRIEDRICHS HA FEN

RISKANT GESPIELT ...


… und ein halbes Jahr vor Ablauf der Was Brand da zu lesen bekam, war eine
Amtszeit abgetreten: ZFs ehemaliger
Aufsichtsratschef Giorgio Behr Eloge auf sich selbst. ZF war an der Börse
notiert, praktisch schuldenfrei, zu einem
globalen Vorbild geworden. Die Stadt
Friedrichshafen hatte die Stimmrechte der
Zeppelin-Stiftung an eine Tochtergesell-
schaft ausgegliedert und sich so teilent-
machtet. Die ihr aus dem Börsengang zu-
geflossene Milliarde hatte die Stiftung in
ein Aktienportfolio internationaler Top-
konzerne investiert; sie war so unabhängi-
ger geworden vom Erfolg einer einzelnen
Firma.
Und der Bürgermeister? Wurde welt-
weit bewundert für seine Weitsicht und
2017 „glanzvoll“ wiedergewählt.
Behrs Ausblick blieb Fantasie und plum-
pe Schmeichelei. Brand mochte nicht mit-
träumen. ZF ist nach wie vor zu 100 Pro-
Er ging im Streit mit den Aufsichtsräten.  ein Aufsichtsratsvorsitzender aus der zent ein Stiftungskonzern. Bei der Wahl
Anführer der Revolte: Brand. Ausgerechnet. Schweiz, der das Stiftungsunternehmen ZF zum Oberbürgermeister erhielt Brand im
Chefkontrolleur Giorgio Behr (69), der an die Börse bringen will und damit das März 2017 auch ohne ein Wunder vom Bo-
sich in der Auseinandersetzung auf die latente Misstrauen der lokalen Politiker densee 79,9 Prozent der Stimmen.
Seite von CEO Sommer geschlagen hatte, nur noch weiter bestärkt. Was sich geändert hat: Der Politiker
schied gleich mit aus. Das Vorgehen der Ge- In dem Männerbund knirschte es be- traut dem Aufsichtsratschef seither nicht
sellschafter gefährde seines Erachtens „die reits, als Sommer, Behr und Brand für die mehr so recht. Bestätigt wurde der Arg-
gesunde Weiterentwicklung des Unterneh- Übernahme des US-Zulieferers TRW ge- wohn, als Sommer und Behr dem Bürger-
mens“, begründete er den Rücktritt. Zuvor feiert wurden, durch die ZF in die Liga der meister im Frühjahr 2017 eine weitere gro-
hatte der Aufsichtsrat die von ihm und ganz Großen aufgestiegen war, auf Augen- ße Übernahme antrugen: Wabco.
Sommer angeschobene Übernahme des höhe mit Bosch, Conti oder Magna (siehe Ein belgischer Zulieferer, 2,7 Milliarden
belgischen Rivalen Wabco verweigert. Grafik Seite 66). Euro Umsatz, hochprofitabel und speziali-
Oberbürgermeister Andreas Brand steht Doch Behr wollte mehr. An einem Frei- siert auf Bremssysteme für Nutzfahrzeuge.
jetzt allein da mit dem 37-Milliarden-Um- tag Anfang Januar 2015 überreichte er Sommer wollte ZF fit machen für die neue
satz-Konzern. Über die Zeppelin-Stiftung, dem Oberbürgermeister das Konzept ei- Autowelt. Mit TRW hatte er sich die feh-
der 93,8 Prozent an dem Unternehmen mit nes gänzlich neu modellierten ZF-Kon- lende Technologie für autonom gesteuerte
seinen 137 000 Beschäftigten gehören, hält zerns, geschrieben in Form eines Zeitungs- Pkw zugekauft; von Wabco erhoffte er sich
der Provinzpolitiker alle Macht in seiner artikels und versehen mit einem Abschnitt das nötige Know-how für den computerge-
Hand. Das ist einmalig in der deutschen „So schaffte OB Brand das Wunder am steuerten Truck. Sommer kannte die Bel-
Wirtschaft und kam – in der harmonischen Bodensee“. gier, ZF kooperiert mit ihnen bei Projekten.
Zeit – seiner Vorstellung von einem „funk- Schon 2015 war ein Erwerb diskutiert, aber
tionierenden Staatskapitalismus“ schon als nicht finanzierbar verworfen worden.
ziemlich nahe. Tatsächlich „prallten da
Welten aufeinander“, sagt ein Aufsichtsrat.
BEHR Der Bauerntrick verfängt nicht
Fakt ist: Was da in der Heimat des SCHMEICHELTE: „Projekt Vancouver“ ist auch diesmal teuer.
Schriftstellers Martin Walser ablief, war ein
Bodensee-Drama der besonderen Art. Es „SO 132,50 Dollar pro Aktie kalkuliert Sommer,
gut 6 Milliarden Euro wären das.
handelt, wie viele Tragödien, vom Nicht-
verstehen des anderen. Und taugt nebenbei SCHAFFTE Brand weiß, dass er Sommer und Behr
in solchen Dingen nicht gewachsen ist. Er
als Lehrstück dafür, wie vom Erfolg be-
rauschte Manager ihre Karrieren gefährden OB sucht Rat. Seit die beiden ihn 2014 sehr
kurzfristig über die TRW-Übernahme in-
können – und die Zukunft ihrer Unterneh-
men gleich mit. BRAND formiert haben, hat er sich ein Team aus
Consultants zusammengestellt. Anwälte,
Die Protagonisten sind:
 ein visionärer Vorstandschef, der einen DAS Investmentbanker, ein ehemaliger CEO;
bisweilen diskutiert Brand auch mit ande-
lange belächelten Provinzkonzern schein-
bar mühelos zur Weltspitze geführt hat, WUNDER ren Chefs großer Stiftungen.
Die Ratgeber warnen: Wabco werde zu
aber am Ende nur noch auf sich selbst hört;
AM teuer. Der Übernahmepreis sei unrealis-
FOTO: THOMAS EGLI

 ein Oberbürgermeister, der sich ein biss- tisch, die Prämie auf den aktuellen Kurs lie-
chen Anerkennung wünscht und spürt,
dass ihn Vorstands- und Aufsichtsratschef
nicht ernst nehmen;
BODENSEE.“ ge eher bei 30 statt den von Sommer kal-
kulierten 11 Prozent. Sprich: Wabco werde
mindestens acht Milliarden Euro kosten,
64 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
ZF FRIEDRICHSHAFEN UNTERNEHMEN

einen möglichen Übernahme- WACHSTUMS- nicht mehr auf Ratschläge. Topma- Sommer ruft an, wenn er es für
kampf noch nicht eingerechnet. JAHRE nager berichten, im Vorstand wer- nötig hält. Aus seiner Sicht infor-
Und was, wenn Konkurrenten wie ZF-Ergebnisse1 de vor allem angeordnet, nicht dis- miert er Brand immer als Ersten, oft
Conti, Magna oder der US-Moto- Umsatz kutiert. Der CEO verunglimpfe noch vor Aufsichtsratschef Behr.
in Mrd. Euro
renhersteller Cummins mitbieten? 40
selbst Divisionsleiter in größeren Was der eine für Vorzugsbehandlung
ZF sitzt noch auf rund 7,5 Milli- Runden. Aus einer Sitzung des Ge- hält, genügt dem anderen nicht.
arden Euro Restschulden aus dem 30 samtbetriebsrats rennt er einmal Für die Wabco-Übernahme fasst
TRW-Kauf; dazu kommen rund schreiend hinaus, erbost über des- Sommer den Deal in einer ersten
vier Milliarden Euro Pensionsver- 20 sen kritische Fragen. Aufsichtsräte Präsentation vor dem Stiftungsrat
pflichtungen, die Sommer in seiner warnen, Sommer verliere die Bin- auf wenigen Seiten zusammen, legt
10
Präsentation nicht berücksichtigt dung zu seinen Leuten. erst später nach. Brand reagiert ver-
hat. In dieser Lage die nächste Mil- 2008 2017 Ein Politiker wie Brand ist für halten, sagt nicht Nein, verlangt aber
liardenfinanzierung? „Eine kleine Operativer
Sommer ein Bremsklotz. Weder er eine genaue Prüfung. Sein Okay gibt
Konjunkturdelle und ZF bekäme Gewinn noch Behr hätten den Bürgermeis- es nur, wenn die Chancen die Risi-
in Mio. Euro
Schnappatmung“, warnt ein Ver- ter je ernst genommen, behaupten ken überwiegen.
trauter. Es drängt sich der Ein- 1500 ZF-Manager. Wiederholt habe sich Sommer und Aufsichtsratschef
druck auf, dass Sommer Brand mit 1000 der Vorstandschef, der fürchtet, Behr merken an, die Übernahme sei
Bauerntricks einfangen will. der OB wolle ihn loswerden, ab- nur mit zusätzlichem Eigenkapital
500
Das Stadtoberhaupt will sich schätzig über Brand geäußert. „Das möglich. Ansonsten seien die Ab-
auch nach dem Ende seiner Amts- 0 war fast Verachtung“, sagt ein Auf- schreibungsrisiken zu groß. Ihr Plan:
zeit in Friedrichshafen sehen las- -500 sichtsrat. Brand und andere aus der ZF bringt die Trucksparte an die Bör-
sen können. Die Zeppelin-Stiftung Zeppelin-Stiftung erkennen „ihre se, die Stiftung behält aber die Kon-
2008 2017
gehört der Kommune, sie finan- ZF“ nicht mehr wieder. trolle über die Holding. Erst als die
ziert darüber Schulen, Kindergär- 1 | 2013: nach Verkauf Die Geringschätzung nagt an Arbeitnehmer ihr Veto signalisieren,
von ZF Lenksysteme,
ten, Schwimmbäder. Brand ist 2016: nach Übernahme Brand. Als er erstmals mit Wabco- schließt sich auch Brand an.
von TRW;
durch die Satzung dem Ewigkeits- 2017: Prognose. Chef Jacques Esculier (58) in ei-
prinzip verpflichtet; er will dieses Quelle: Unternehmen,
mm-Recherche
nem Raum steht, stellt Sommer Gedemütigte Stiftungsräte
Erbe nicht verspielen – oder nach Grafik: mm ihm den Mann nicht vor. Sommer lässt neu rechnen. Plötzlich
einem Börsengang und diversen Regelmäßige Treffen mit dem geht es auch ohne Extrakapital.
Fusionen die Kontrolle verlieren, ROBUST GE- Bürgermeister wären ein Leichtes Brands Misstrauen wächst. Den-
so wie die Essener Krupp-Stiftung. HANDELT ... für den CEO. Zum Rathaus sind es noch stimmt er einem vorläufigen
Für einen Politiker ist der Ober- … und verloren: von seinem Büro aus fünf Minuten, Übernahmeangebot zu. Seine Ergän-
bürgermeister ohnehin schon weit Ex-Vorstands- er könnte den OB ohne großen zung, dass er wie bei TRW nur zu-
chef Stefan
gegangen. Als Chef der Stiftung Sommer wollte Aufwand auf dem Stand halten, stimme, wenn auch der Rat der Zep-
wird er von der Landesregierung zu schnell zu viel macht es aber nicht. pelin-Stiftung das Risiko mittrage,
kontrolliert; die hat ihm nach der nimmt Sommer kaum wahr.
TRW-Übernahme signalisiert, dass Der Vorstandschef ist überzeugt:
er im Fall eines Scheiterns nicht Wenn die Due Diligence stimmt, be-
mit Rückendeckung rechnen kann. kommt er das Go. Die Zahlen seien
Das – gescheiterte – Gebot für sogar deutlich besser gewesen als bei
den schwedischen Bremsenherstel- TRW, sagt ein Beteiligter. Auch Wab-
ler Haldex im Spätsommer 2016 co-Chef Esculier zeigt sich verkaufs-
trug er noch mit. Aber Wabco wäre bereit. Sommer wähnt sich am Ziel
rund 15-mal so teuer. Das Risiko ist und spürt nicht, dass er davon noch
ungleich höher. weit entfernt ist.
Stefan Sommer scheint die Be- Hier trifft Politiker auf Manager.
denken Brands und auch der Ar- Der eine vermeidet klare Entschei-
beitnehmervertreter im Aufsichts- dungen, blockiert nicht, sagt weder
rat nicht hören zu wollen. Er sieht Ja noch Nein, hält sich möglichst
nur die Chancen, macht Tempo. lange verschiedene Optionen offen.
Der Vorstandschef will ZF nicht Der andere versteht stets nur Ja.
allein technisch für die Zukunft Als Brand seinen Beschluss dann
rüsten; er will auch die Firmenkul- trifft, spricht er das Nein vor Auf-
tur wandeln. Die Übernahmen sol- sichtsräten klar aus. „Ich bitte Sie als
len ihm helfen, den Provinzmief Gesellschafter, die Übernahme nicht
abzustreifen. Bis heute bekommt weiter zu verfolgen.“ Eine eindeuti-
FOTO: SEPP SPIEGL / IMAGO

ein Teil der Mitarbeiter die „Dreh- ge Ansage.


kreuzzulage“: eine Art Prämie für Sommer macht trotzdem weiter,
die pure Anwesenheit. erkämpft sich die Zusage für eine
Sommer wird mit wachsendem intensivere Prüfung, soll sogar mit
Erfolg eher dünnhäutiger, hört Rücktritt gedroht haben, als Brand 2
F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 65
UNTERNEHMEN ZF FRIEDRICHS HA FEN

seine Bitte später wiederholt. Er werde den ERSTE LIGA Sommer hinterlässt seinem Nachfolger
Stiftungsrat überzeugen, versucht Sommer Die größten Automobilzulieferer der Welt; ein kraftstrotzendes Unternehmen. Die
Stand: Ende 2016
interne Warner zu beruhigen. operative Rendite ist 2017 auf 6 Prozent ge-
Also versichert er den Spitzen der Fried- Gewinn1 Umsatz stiegen, die zentralen Werke sind – wenn
in Prozent in Mrd. Euro
richshafener Politik 24 Stunden vor der keine Aufträge zurückgezogen werden – bis
Bosch 4,7 43,9
Abstimmung, man könne auch eine höhere Deutschland 2022 ausgelastet. Ab 2019 prognostizieren
Dividende ausschütten. Die Stiftungsräte Continental
die Konzernstrategen ein Wachstum von 7
10,3 37,9
fühlen sich gedemütigt. Sie sind doch nicht Deutschland bis 8 Prozent pro Jahr.
käuflich. Die Dividendenerhöhung können Denso2 7,3 37,4
Nun muss Lokalpolitiker Brand
sie selbst durchsetzen. Japan zusehen, wie er die Tradition des Stiftungs-
Die Arbeitnehmer kann der CEO eben- ZF Friedrichsh. 4,6 35,2 unternehmens mit der notwendigen Dy-
Deutschland
falls nicht auf seine Seite ziehen. Das Spar- namik eines Weltkonzerns verbindet. Ver-
programm über 60 Millionen Euro und das Magna 7,3 34,5 lässlich soll ZF sein, aber auch schnell
Kanada
Verzögern bereits zugesagter Investitionen genug für die immer rasanteren Techno-
Hyundai Mobis 7,6 30,1
hat sie verärgert, zumal ZF das beste Jahr Südkorea logiesprünge – das wird mit der derzeitigen
seiner Geschichte hatte und 2016 die Vor- Aisin2 Unternehmensverfassung schwer.
6,4 29,8
standsgehälter verdoppelte. Japan Zunächst einmal benötigt Brand jedoch
IG-Metall-Chefstratege Frank Iwer, Lear 7,7 17,6 einen neuen Chef. Übergangsweise führt
USA
stellvertretender Aufsichtsratschef, signa- Finanzer Konstantin Sauer (58) den Vor-
lisiert aber Sommer: Wenn er das Wabco- Valeo 7,5 16,5 stand, der frühere Audi- und Bentley-Chef
Frankreich
Gebot in eine überzeugende Gesamtstory Franz-Josef Paefgen (71) soll bis Anfang
Faurecia 6,2 15,6
einbette, würden die Arbeitnehmer mitge- Frankreich 2019 den Aufsichtsrat leiten. Brand und
hen. Der CEO macht sich wenig Mühe, er den Arbeitnehmervertretern ist es zu ris-
hält seine Logik für schlagend. 1 | Operativer Gewinn in Prozent des Umsatzes; 2 | Geschäfts- kant, gleichzeitig Vorstands- und Aufsichts-
jahr zum 31.3.2017. Quelle: Unternehmen, mm-Recherche
„Ein so von sich überzeugter Vorstands- Grafik: manager magazin ratsspitze mit ZF-Neulingen zu besetzen.
vorsitzender braucht einen starken Auf- Der nächste Vorsitzende soll im Frühjahr
sichtsratschef, der ihn auch mal bremst“, Damit geht der gemeinsame Weg des so in den Aufsichtsrat berufen werden und
sagt einer der Mächtigen in Friedrichsha- unterschiedlichen Trios zu Ende. Sommer nach einem Jahr die Führung übernehmen.
fen. Doch Giorgio Behr bremst nicht. beklagt sich in der örtlichen „Schwäbi- Ein Kandidat wäre der frühere Bosch-
Im Gegenteil. Er schürt das Misstrauen schen Zeitung“ über die bremsenden Kräf- Vize Bernd Bohr (61), er hat indes signali-
noch. Als Brand Ende März 2017 bei einer te in Friedrichshafen, also die Eigentümer siert, er komme nur als Vorsitzender zu ZF.
Sitzung des Gemeinderats fehlt und Behr des Konzerns. Und fordert „die Freiheit zu Der ehemalige Opel-Chef Karl-Thomas
zum Thema ZF vorträgt, redet er auf ein- tun, was notwendig ist“. Neumann (56) könnte sich auch ein nor-
mal von einem Börsengang. Die Politiker „Das war ein öffentliches Kündigungs- males Aufsichtsratsmandat vorstellen. Als
müssten sich keine Sorgen machen, die Di- schreiben“, sagt einer der Beteiligten. Frie- Vorsitzender ist er keine Option. Die Ar-
vidende sei ihnen sicher. densgespräche scheitern in den Folgemo- beitnehmer lehnen das ab.
ZF an die Börse? Hell aufgeregt verlas- naten mehrfach. Die von Sommer verlangte Für den Vorstandsvorsitz wird Jürgen
sen die Gemeinderäte die Sitzung. Reform der Unternehmensverfassung Otto (53) gehandelt, bis Ende Dezember
Zu dem Zeitpunkt wissen sie noch gar kommt nicht voran. Immer lauter schimpft CEO des Coburger Zulieferers Brose und
nichts von dem geplanten Wabco-Deal, der er über Brand und die Lokalpolitiker. Eine für Brand kein Unbekannter. Otto ist
die Dividende erst mal spürbar schmälern Unterschriftenaktion pro Sommer wird ge- seit 2013 Mitglied des ZF-Aufsichtsrats. Es
könnte. Behr treibt das IPO-Thema selbst stoppt, als ruchbar wird, dass die Leiter der wird aber noch mit anderen Kandidaten
dann noch weiter, als Brand ihn bittet, den Business Units ihren Leuten die Unter- gesprochen.
Punkt Wabco von der Tagesordnung der schrift mehr oder weniger befehlen sollen. Beim Austausch der Topposten wird es
Aufsichtsratssitzung zu nehmen. nicht bleiben. Sowohl in Aufsichtsrat als
Der Chefkontrolleur lädt die Kapitalsei- Kommt jetzt ein Bosch-Mann? auch Vorstand dürfte es weitere Wechsel
te und Teile des Vorstands zu einer Tele- Ende November verabschiedet sich Gior- geben. Die Zahl der Sieger ist gering nach
fonkonferenz. Brand und den Vertreter des gio Behr vorzeitig. Eine Woche später folgt dieser Schlacht.
Minderheitseigners Ulderup-Stiftung, Joa- Sommer. Er kann mit zwei Jahresgehältern Am besten schnitt ausgerechnet einer
chim Meinecke, hat er nicht informiert. Es Abfindung rechnen. ab, der nur am Rand beteiligt war: Wabco-
sind noch wenige Tage bis zur entscheiden- Ein ignoranter Provinzbürgermeister Chef Jacques Esculier. Er ließ ein paar Sätze
den Gremiumsitzung. Behr will offenbar ei- hat den visionären CEO eines Weltkon- über die gescheiterten Gespräche in den
ne Mehrheit gegen den Eigentümer bilden. zerns zu Fall gebracht – typisch deutsch. So Bericht über das zweite Quartal schreiben.
Die Revolte geht schief. Brand hört von sehen das viele in der deutschen Industrie. Und prompt stieg der Wabco-Kurs am ers-
der Einladung und nimmt teil. Als Behr am Die Wahrheit ist komplizierter. Der Vor- ten Tag um 5 Prozent, legte in der Spitze
4. Mai abstimmen lässt und einen nach standschef ist ein brillanter Stratege, sogar um 20 Prozent zu.
dem anderen um sein Votum bittet, wird stimmt. Aber der Erfolg ist ihm zu Kopf ge- Esculier nutzte die Chance. Im Oktober
schnell klar: Die Mehrheit ist gegen Wabco. stiegen, mit ein wenig mehr sozialer Kom- 2017, kurz nach dem Höchststand, verkauf-
Behr bricht die Abstimmung ab. Sommer petenz hätte er das Drama umschiffen kön- te er für 26 Millionen Dollar Aktien.
habe regelrecht gezittert, als er das Ergeb- nen – und seine Übernahme, vielleicht ein So hat der Bodensee dann doch die Bör-
nis hörte, berichtet ein Augenzeuge. wenig später, genehmigt bekommen. se erreicht. 1 Michael Freitag
66 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
von
Teheran
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TRENDS

DIE

RATTENFÄNGER VON

DIGITALIEN UNTERNEHMENSBERATER Wenn’s um die Transformation


von Geschäftsmodellen geht, haben
viele Consultants hauptsächlich Buzzword-
Geschwafel zu bieten. Trotzdem fallen
selbst gestandene Bosse reihenweise darauf rein.

68 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
ILLUSTRATION: EERO LAMPINEN FÜR MANAGER MAGAZIN
1
und Modell sind dabei irrelevant, die Frei-
heiten maximal.
„Was hältst du davon?“, fragt Kawasaki
und grinst. „Klingt wie ein Wunder“, ant-
wortet Zetsche. Er hätte auch Horrorvision
sagen können. Eine, die weder neu noch
besonders durchdacht ist. Aber hey, darf
man sich so viel Skepsis heute noch leisten?
Die Anekdote, die Daimler auf Video
festhielt, beschreibt einen bemerkens-
werten Trend. Deutschlands Vorstände
gieren immer williger nach Beratern, On-
linegurus und sogenannten Evangelisten
wie Kawasaki, die ihnen im Sturm der
Digitalisierung Halt versprechen. Selbst
für abwegige Utopien bekommen die Pro-
pheten Applaus.
Zetsche-Berater Kawasaki hat sich
durchaus Verdienste erworben – in den
Achtzigern etwa, als er für Steve Jobs den
legendären Macintosh mit einer emotiona-
len Apple-Kampagne unter die Leute
brachte. Doch nicht jede Idee hat auch Sub-
stanz, bloß weil sie von einem Guru
stammt. Trotz der fürstlichen Entlohnung
von oft mehreren Tausend Euro Tagessatz
entpuppen sich viele von Agenturen und
Consultants erdachte Zukunftsprojekte als 2
erschreckend banal.
Gewiss, bei technologischen Umwäl-
zungen spielt die Kosten-Nutzen-Abwä-
er Winter ist kurz in Austin, Texas. Schon gung zunächst mal eine untergeordnete
Anfang März brennt wieder die Sonne vom Rolle. Aber gerade weil Managern die Auf-
Himmel. Es ist Freitag, und Dieter Zetsche gabe so unfassbar und gigantisch erscheint,
(64), rotes Käppi, die Hemdsärmel lässig haben es Scharlatane leicht. Die neuzeit-
nach oben gerollt, flaniert mit seinem Be- lichen Rattenfänger stoßen bei Vorständen
rater und Markenbotschafter Guy Kawa- auf eine fatale Mischung aus Unsicherheit
saki (63) durch die Innenstadt. Kawasaki, und Profilierungssucht. Sie wollen unbe-
ein Hawaiianer, der sich als „Tech-Influen- dingt etwas Digitales anstoßen, wissen aber
cer“ verdingt, will mit seinem Boss oft nicht was. Nur zu gern folgen Konzern-
Cowboystiefel kaufen. führer wie Mittelständler den Ratschlägen
Der Daimler-CEO ist 2017 zum ersten der Berater. Je simpler die sich anhören,
Mal zur „South by Southwest“ (SXSW) ge- desto attraktiver.
reist, der wohl bekanntesten Tech- und Zu- „Digitalisierung ist heute ein In-Label
kunftskonferenz der Welt. Zetsche hat vor und wird in ihrem tief greifenden Wesen
zwei Jahren erst davon gehört. Dafür ist er zu wenig verstanden“, klagt etwa Cloud-
jetzt all in – Daimler hat ein eigenes Haus spezialist und Softwareveteran Jörg Haas,
in Austin gemietet und die Ausrichtung ei- der mit dem Verkauf seiner Firma GWI zum
nes SXSW-Ablegers in Frankfurt verkün- Multimillionär wurde. Viele Unternehmen
DAMPF-
PLAUDERER
det. In Stuttgart versteht man sich mittler- würden den Wandel nur simulieren.
weile als Techkonzern, Zetsche wird Berater verführen die Führungskräfte
Google in einer Rede – ganz auf Augenhöhe zum Sneakerkauf, zu bunten Möbeln und
– „Frenemy“ nennen, Freund und Feind zu- banalen Apps oder Butterfahrten ins Sili- 1 „Evangelist“ Guy Kawasaki (r.) beim
FOTOS: PR, SIPA PRESS / ACTION PRESS

gleich. Dabei trägt er die neuen Boots, in con Valley. Fröhlich legen die dann die Kra- Shopping mit Dieter Zetsche. Der Daimler-
Texas ist Dieter der König des Nonkonfor- watte ab und amüsieren sich beim Design- CEO inszenierte sich auf der Tech-
konferenz SXSW als lässiger Innovator.
mismus. Yeeha! Thinking im digitalen Bällebad. Sinnvolle 2 Wladimir Klitschko (M.) im Gespräch
Beim Schlendern durch Austin erzählt Innovationstechniken verkommen dabei mit Facebook-Co-Gründer Dustin
ihm Kawasaki von einer Geschäftsidee: Wa- zum Selbstzweck. Moskovitz und Laurie Segall
rum nicht ein System bauen, mit dem die Die Nebenwirkungen können fatal sein: beim Web Summit 2017 in Lissabon.
Der Boxer will Managern die
Kunden jedes Auto auf der Straße mieten Statt das Überleben zu sichern, mutieren Angst vor der Digitalisierung nehmen.
und abstellen können, wo sie wollen. Marke Transformationsprojekte zur „digitalen
70 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
UNTERNEHMENSB ERATER TRENDS

Eurowings-App nicht mal verlässlich wie vor auf seine Vergangenheit im


einen verspäteten Flug anzeigen. Ring. Rhetorisch klingt der Ex-Boxer
Mit der Konstruktion solcher heute wie ein Lifecoach aus der Pro-
Scheinwelten werden gern Externe vinz. „Ich habe keine Probleme in
beauftragt, intern fehlt das Know- meinem Leben“, sagt Klitschko, „ich
how. Ein höchst lukratives Geschäft: habe Herausforderungen.“ Man dür-
Schon 2016 erhöhte vor allem der fe sich von Problemen nicht „einfrie-
Digitalhype den Umsatz der Unter- ren“ lassen, mahnt er mit der weihe-
nehmensberatungen in Deutschland vollen Aura eines Predigers.
um 7,5 Prozent auf 29 Milliarden Gleich bei drei Auftritten – etwa
Euro (siehe Grafik Seite 74). an der Seite von Facebooks Co-
„Wenn Sie ein Budget durchdrü- Gründer Dustin Moskovitz – preist
cken wollen, schreiben Sie einfach der Boxer mit solchen Plattitüden
,digital‘ an Ihr Projekt“ – diesen Rat- seine Firma Klitschko Ventures an,
schlag an seine Mitarbeiter wollte sie will beim Entwickeln von
Bayer-Vorstandschef Werner Bau- Geschäftsmodellen im digitalen
mann zwar ausdrücklich als Scherz Wandel helfen. „Challenge Manage-
verstanden wissen. Doch in dem ment“ nennt das der frühere Welt-
Bonmot steckt viel Wahrheit. Geht meister im Schwergewicht.
es um die großen Zukunftsthemen, Die Konzerne sind begeistert.
sitzt das Portemonnaie im Topma- SAP engagierte ihn für Design-Thin-
nagement locker – zumal die Kon- king-Workshops, für die Deutsche
zernkassen wegen der guten Wirt- Telekom soll er Mittelständler nach
schaftslage prall gefüllt sind. Digitalia führen. K. o. durch Kompe-
Gleichzeitig bleibt die Digitalisie- tenzsimulation.
rung für viele Manager eine Black- Auch weniger bekannte Groß-
box. Das treibt die Angst. „Die Un- sprecher vermarkten ihre Pseudo-
ternehmen stehen unter enormem Erfahrungen gewinnbringend. Ben-
Druck, und das Geld ist da“, sagt jamin Rohé zum Beispiel beschreibt
Matthias Schrader, CEO der Digital- sich selbst als Unternehmer, Dozent
agentur SinnerSchrader und einer und Investor, seit dem 17. Lebensjahr
der alten Hasen im Business. Laut will er Firmen mitgegründet haben.
einer Studie der Berater von Deloitte Namen nennt der beliebte Vortrags-
fließen bis 2019 allein hierzulande redner vorsichtshalber keine. Seine
175 Milliarden Euro in digitale In- Versuche als Gründer scheiterten
CHRIS - novationen. kläglich an überlebensgroßen Am-
TOPHER bitionen und unterdurchschnitt-
JAHNS Wie Lifecoachs aus der Provinz lichem Können, lästern Branchen-
Der gefeuerte Der Hype lockt immer mehr Tritt- kenner.
EBS-Direktor
wirbt mit Buzz- brettfahrer an. TV-Stars, Politiker, Seine Beziehungspflege scheint
word-Tiraden Sportler – wer etwas auf sich hält, das wettzumachen: Der Gründer-
für seine XU- arbeitet nebenbei als Investor oder partei FDP stand Rohé als Mitglied
University Digitalzampano. Ob Kevin Spacey eines Wirtschaftsnetzwerks selbst in
oder Stefan Raab, Joko Winter- ihrer schwächsten Stunde zur Seite.
scheidt, Karl-Theodor zu Gutten- Heute arbeitet er für den Start-up-
berg oder Philipp Lahm – Kompe- Campus German Tech Entrepre-
tenz spielt dabei kaum noch eine neurship Center, der nahe dem
Rolle. Die prominenten Amateure Berliner Stadtschloss residiert. Fi-
Fassade“, sagt Robert Gregory von dürfen auf Szenekonferenzen wie nanziert wird das Ausbildungs-
der IESE Business School. der DLD oder Bits & Pretzels ihr di- zentrum für Jungunternehmer von
FOTOS: ALBORIS RÖSSLER / DPA / PICTURE ALLIANCE, PR

Wie groß die Lücke zwischen gitales Blendwerk zünden. Und alle Henkel, Innogy und der Wirtschafts-
BENJAMIN
Anspruch und Wirklichkeit ist, be- ROHÉ schauen gebannt zu. kanzlei Noerr.
legt ein simpler Blick auf die Web- Der Unterneh- Vergangenen November reisten Was Rohé für diesen Job qualifi-
sites der Dax-Konzerne. Ob der Ge- mer, Dozent und knapp 60 000 Besucher für eine Wo- ziert? Sprüche wie diese: „Digitale
Investor hat
brauchtwagenshop von Mercedes, die digitale
che nach Lissabon, um beim Web Transformation ist wie Teenagersex.
der E-Post-Brief oder das Kunden- Transformation Summit Gründern, Digitalvorstän- Alle reden drüber, aber keiner weiß,
portal der Allianz. Man muss kein entschlüsselt: als den, Wissenschaftlern und anderen wie es geht.“ Außerdem sei er ein
Spezialist sein, um an deren Konzep- „Teenagersex“ Experten umschlagender Geschäfts- „supernetter Typ“ und Menschen-
tion zu verzweifeln. Während Vor- modelle zu huldigen. Wladimir fänger.
stände und deren Berater von künst- Klitschko etwa. Das breite Kreuz und Über „das Gequatsche“ solch
licher Intelligenz träumen, kann die die dicken Oberarme deuten nach selbst ernannter Experten kann 2
F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 71
TRENDS UNT ERNEHMENS BERATER

1
nach eigener Aussage Tausende
Manager von Porsche, Grohe, DHL
oder Lufthansa zu Digitalexperten
ausgebildet.
Brancheninsider hegen jedoch
große Zweifel an der Seriosität des
Unterfangens. Gegen den Diplom-
kaufmann liegt ein Verfahren wegen
gewerbsmäßiger Untreue vor. Ange-
strengt hat es die EBS, die sich von
ihm um knapp eine halbe Million
Euro betrogen fühlt. Den Großteil
der Gelder soll Jahns seiner Firma
BrainNet zugeschoben haben. Er be-
streitet die Vorwürfe.
Der Prozess geriet zeitweilig ins
Stocken. Der Mann hat sich wegen
psychischer Probleme für „andau-
ernd verhandlungsunfähig“ erklären
lassen. Genug Geisteskraft, um mit
KURZE 2 Buzzwords für sich und seine XU-
Uni zu werben, ist ihm geblieben.
BRÜTER
Pilgerreisen ins Valley
1 Der Medienkonzern Axel Springer Als ebenso beliebtes wie lukratives
legte seinen Berliner Start- Geschäftsfeld haben Bildungsveran-
up-Accelerator Plug and Play PAYDIREKT stalter und Berater Reisen ins Silicon
im November auf Eis. sollte die Valley entdeckt. Agenturen wie die
Ein neues Programm mit Porsche Antwort der
soll mehr Erfolg bringen. Rulebreaker Society führen ganze
deutschen
2 Schon nach einem Jahr ist Schluss: Finanzbranche Trupps von Mittelständlern durch
Peter Borchers wechselte auf PayPal Palo Alto und Cupertino oder bu-
2016 von der Deutschen Telekom werden. Es geriet chen sie bei Google und Co. zum
zu Allianz X, der Digitaleinheit zum Megaflop.
des Versicherers. Nun wurde Besuch ein. Der Suchmaschinen-
sein Company Builder schon wieder riese unterhält auf seinem Campus
eingestellt. in Mountain View eine ganze Abtei-
lung zur Bespaßung solcher Pilger-
sich Bitkom-Präsident Achim Berg gen, die relevant für das Wohl und gruppen.
furchtbar aufregen. Noch mehr ärgert Wehe von Unternehmen sind, wie Die Klienten von PwC haben die
es den erfahrenen Techmanager nur, etwa den Bildungssektor. Weil es Wahl zwischen drei Paketen: Neben
dass manche Konzernlenker deren ihnen an Fachpersonal fürs Digitale der Klassikerdestination („das Val-
„Weisheiten einfach nachplappern“. fehlt, lassen die Firmen viel Geld für ley“) führen die Berater ihre Kunden
Tatsächlich kommt es einem Aus- und Weiterbildung springen. So auch durch Berlin oder während der
ziemlich bekannt vor, wenn Sprin- bekommen 52 Prozent der Teilneh- finnischen Digitalkonferenz Slush
ger-Boss Mathias Döpfner Daten als mer am Executive MBA Digital jungen Start-up-Gründern zu. Ein
„das neue Öl“ preist oder Metro- Transformation der Goethe Univer- paar Tage Programm kosten ohne
Chef Olaf Koch seine Kunden „Su- sität in Frankfurt den Lehrgang vom Flug schnell mehrere Tausend Euro.
perhelden von heute“ nennt. Die Arbeitgeber bezahlt. Üblich sind Ein Digital-Studiosus für Manager,
Einsichten mögen richtig sein, sie bei anderen Fächern 20 Prozent. das auch Verlage als Geschäftsmo-
FOTOS: AXEL SPRINGER, JENS KALAENE / DPA / PICTURE ALLIANCE

sind durch sattsames Repetieren in- Der Geschäftslage-Indikator der dell für sich entdeckt haben.
des zu Binsen degeneriert. Weiterbildungsbranche zeigt des- Inspiriert kehren die Teilnehmer
Bei der Jahresversammlung einer halb steil nach oben: der Umsatz in ihre Büros zurück, ziehen einen
Handelskammer reicht es zumeist, stieg zuletzt um 100 Millionen auf Kapuzenpulli übers Hemd und fal-
wenn die geladenen „Speaker“ sich 1,4 Milliarden Euro. len nicht selten auf den erstbesten
ihr Digitalwissen hauptsächlich an- Von dem Boom möchte auch Digitalconsultant herein. Der lässt
gelesen haben oder wie Springer- Christopher Jahns profitieren. Der dann eine schicke Smartphone-App
Manager Christoph Keese („Ich geschasste Rektor der European programmieren, deren Wirkung
versuche immer, in der Zukunft zu Business School (EBS) plant in Pots- gleich wieder verpufft, weil sie nicht
leben“) eine längere Studienreise im dam die Gründung der XU Exponen- ins bestehende IT-System integriert
Silicon Valley monetarisieren. tial University for Applied Sciences. ist. „Wer Insellösungen ohne Ver-
Wirklich fragwürdig wird es, Im Vorläuferinstitut, das bisher bindung zur gesamten Datenbasis
wenn die Berater in Gebiete vordrin- nicht staatlich anerkannt war, hat er anbietet, steht unter akutem 2
72 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
TRENDS UNT ERNEHMENS BERATER

Scharlatanerieverdacht“, warnt Manfred DISRUP T I O N LO H N T S I CH Wie wenig den Marktführern manchmal


31,4
Klaus, Sprecher der Geschäftsführung von Deutsche Beratungsumsätze, gelingt, zeigt das Projekt Commerzbank
PlanNet, Deutschlands größter Digital- in Milliarden Euro 4.0, mit dem Vorstandschef Martin Zielke
agenturgruppe. (55) unter anderem McKinsey beauftragte.
Ganz oben im Angebot vieler Berater Ziel ist, „80 Prozent aller relevanten Pro-
sind Marketingpakete für soziale Netz- zesse bis Ende 2020 zu digitalisieren“. Rou-
18,9
werke. Nur weil ein Unternehmen seine tiniert projizierten die Berater schicke Fo-
Zielgruppe bei Facebook oder Snapchat lien, die das einheitliche Erscheinungsbild
bezirzt, ändert das noch nichts an der von „Deutschlands disruptiver Bank“ (Ziel-
Wettbewerbsfähigkeit der Produkte. Deren ke) über alle Vertriebskanäle visualisierten.
radikale Orientierung an den Bedürfnissen Passiert ist seit der Vorstellung viel zu
der Kunden hat Techkonzerne wie Amazon wenig – auch wenn es offiziell heißt, 43 Pro-
überhaupt erst groß gemacht. Viele Mana- zent der avisierten Vorgänge seien moder-
ger erliegen dennoch dem Irrglauben, dass nisiert. Beteiligte klagen, die Umsetzung
ein Twitter-Account schon eine Digitalisie- 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 20171 gestalte sich „sehr zäh und langsam“. Zwar
rungsstrategie ist. seien Einzelinitiativen angestoßen worden,
Als wahre Bonanza entpuppt sich der 1 | Prognose. Quelle: BDU Grafik: manager magazin wie eine Baufinanzierungsapp oder ein di-
Digitalhype für die großen Beratungshäu- gitaler Ratenkredit. Vieles aber, was heute
ser. Sie haben sich mit jungen Agenturen not innovating hard enough“ sind für echte zum zeitgemäßen Auftritt einer Bank ge-
eingedeckt und werben reihenweise IT-Ex- Nerds fast Folter. höre, funktioniere nach wie vor nicht.
perten ab. Ein 28-jähriger Programmierer Die Consultinggranden seien sehr Die Abfrage bei Drittbanken zum Bei-
kommt heute schnell auf ein Jahresgehalt „smart“ darin, gängige, aber oftmals „be- spiel. Die nutzen Finanz-Start-ups, damit
von 90 000 Euro. reits überholte Konzepte zu adaptieren Kunden all ihre Konten in einer App ver-
Von den 3000 PwC-Consultants in und als frisch zu verkaufen“, erklärt walten können. Bei der Commerzbank soll
Deutschland sind laut Partner Martin Matthias Schrader, der seine Agentur diese Funktion erst im Lauf des Jahres 2018
Scholich mittlerweile gut 1000 mit Digital- gerade selbst bei Accenture eingebracht verfügbar sein, die Tochter Comdirect bie-
projekten befasst, 500 Millionen Euro wol- hat. Das ist bequem für die Konzernkund- tet sie längst an.
len die Berater bis 2020 in das boomende schaft, die allzu oft ihre Karriere selbst Ein rundum befriedigendes Erlebnis –
Segment investieren. „Die Dynamik hat bei BCG & Co. begann. „Da beauftragt neudeutsch User-Experience – kann Zielke
uns auch überrascht“, sagt Scholich. McKinsey McKinsey.“ dann immer noch nicht bieten. Denn ein
Unter Digitalprofis stehen die großen durchgängig personalisierter Zugang auf
Beratungen in dem Ruf, vor allem teure, Schicke Folien, zähe Umsetzung allen Geräten, über den der Kunde seine
aber wenig innovative „Klischeeprojekte“ Anders als die klassischen Consultants hat Bankgeschäfte erledigen kann, lasse sich
zu verkaufen. Dass PwC sein Experience Schrader schon während der ersten Digi- schlicht nicht umsetzen, erklären Insider.
Center in Frankfurt auf 1200 Quadratme- talisierungswelle eine ganze Reihe von Pro- Das verhinderten die verstaubten Compu-
tern mit „Star Wars“-Tapete (Scholich: „Da jekten mitkreiert, das Onlineauktionshaus ter im Keller.
sind die Kollegen sehr stolz drauf“), Robo- Ricardo oder die Comdirect etwa. Sinner- Nicht nur die Finanzindustrie mit ihrer
tern und bunten Möbeln ausstaffiert hat, Schrader berät nicht nur, sondern entwi- antiquierten IT-Landschaft ist anfällig für
macht es nicht besser. ckelt zugleich konkrete Produkte und digi- teure, aber wenig fruchtbare Digitalprojek-
Auch die McKinsey-Einheit, die sich im tale Beiboote, die die Hamburger für ihre te. Auch die Autobranche lässt sich gern
zwölften Stock des Berliner Rocket-Towers Kunden dann auch betreiben – so wie das verführen. So durfte BCG Digital Ventures
als Nachbar von Oliver Samwer eingemie- Portal Curved, mit dem Telefónica unab- für Volkswagens Finanztochter die Ge-
tet hat, wird in der Szene nur halb ernst ge- hängiger von Google-Anzeigen werden will. brauchtwagenplattform HeyCar bauen, die
nommen. Sprüche auf den Kreuzberger Ein Ansatz, mit dem die legendäre New weitgehend auf das Angebot der beteiligten
Fluren wie „If things are not failing, you’re Yorker Agentur R/GA groß wurde. VW-Händler beschränkt bleibt und kaum
Zusatznutzen bietet. Statt mit überzeugen-
den Vorteilen gegenüber Start-ups wie

SCHARLATANE
Auto1 punkten zu können, das europaweit
Nachfrage und Angebot der Gebraucht-
wagenbranche synchronisiert, musste sich

HABEN ES LEICHT, VW-Manager Anthony Bandmann bei der


Eröffnung mit einer Runde Buzzword-
Bingo bescheiden: HeyCar sei „ein agiles,
WEIL MANAGERN dynamisches und kundenorientiert arbei-
tendes Start-up“.

DIE AUFGABE SO
Auch die Start-up-Zucht via Inkubato-
ren oder Accelerator, einer der Dax-Trends
der letzten Jahre, verfehlt oft ihren Zweck.

GIGANTISCH ERSCHEINT. Zu dieser Einsicht kam jedenfalls Christian


Lindener bei Telefónica Deutschland (O₂).
Der 35-Jährige mit dem üppigem Hips- 2
74 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
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TRENDS UNT ERNEHMENS BERATER

terbart leitet seit knapp einem Jahr der Hochschule für Technik und
den in München ansässigen deut- Wirtschaft in Berlin verfügen 92 Pro-
schen Ableger des Telefónica Start- zent der Führungskräfte in Deutsch-
up-Zentrums Wayra. Doch er musste lands etablierten Unternehmen über
erkennen, dass „zu wenig echter keinerlei Digitalerfahrung.
Nutzen im Telekommunikations- Die aber ist nötig, um Altbewähr-
konzern“ ankam. tes infrage zu stellen. Sonst kann
man sich rasch zum Gespött ma-
Paradiesvögel mit Freiraum chen. So wie die Bankenbranche mit
So hatte Wayra etwa das Team von ihrem Prestigeprojekt Paydirekt. Mit
Volo unterstützt. Heute firmiert der dem neu entwickelten Bezahldienst
Lieferdienst als Teil von Foodora wollten sie den US-Platzhirsch Pay-
und gehört zum börsennotierten Pal angreifen. Viel zu lange hatten
Lieferdienstkonglomerat Delivery die Banker in Frankfurt dabei zuge-
Hero. Der Deal bescherte Telefónica sehen, wie sich die Amerikaner in
zwar einen netten Finanzerlös, leis- ihrem Kerngeschäft breitmachen.
tete aber keinerlei Beitrag zur Digi- Mit einem konzertierten Schlag
talisierung des Konzerns. Mittler- wollten Sparkassen, Privat- und
weile hat Lindener den Inkubator Volksbanken der Schmach ein Ende
vollkommen neu aufgestellt. Geför- bereiten.
dert werden nur noch reife Start- Ein Desaster. Die zahlreichen
ups, die mit Telefónica Deutschland Geburtsfehler wirken rückblickend
an neuen Diensten und Technolo- nahezu unglaublich: Onlinehändler
gien arbeiten sollen. mussten mit jeder Bank einzeln über
Allianz und Springer haben ähn- DIGITAL die Konditionen verhandeln. Beson-
liche Erfahrungen gemacht. Der
Versicherungsriese beerdigte den
NATIVES ders fatal: Das Joint Venture konnte
die Bankkunden mangels Daten-
Inkubatorgedanken jüngst ganz. zugriff noch nicht einmal via E-Mail
Lufthansa, Eon, ThyssenKrupp –
Peter Borchers (47), CEO der ge- Christoph Bornschein
kontaktieren. Obwohl direkte Über-
scheiterten Allianz X, geht. Ihm war von Torben, Lucie und weisungen unter den Nutzern be-
kein nachhaltiger Erfolg vergönnt, die gelbe Gefahr (TLGG) ist MATTHIAS reits beschlossen waren, grätschten
einer der bekanntesten SCHRADER
im Assekuranzkonzern galt er als ist einer der Pio- die Sparkassen mit ihrem Kon-
Onlinegurus im Dax
Nerd, der vom Kerngeschäft wenig niere der Szene. kurrenzprojekt Kwitt dazwischen.
Ahnung hatte. Er hat sich seine Die jahrzehntelange Missgunst un-
Digitalsporen
Der einst gelobte Springer Acce- nisse vorzeigen. Seine Porsche Digi- schon in den
ter den Banken hat dem Paydirekt-
lerator Plug and Play hat ebenfalls tal GmbH, die innovative Dienste 90ern verdient. Team vom Start weg jede Chance
ausgedient. Das Medienhaus legt das rund um die Boliden entwickeln soll, genommen.
2013 gestartete Programm auf Eis pilotiert gerade mal eine kleine App, Die Banker hatten das Projekt un-
und gründet stattdessen gemeinsam die hübsche Routen für den Wo- ter anderem an Bain delegiert, sie
mit Porsche Digital eine neue Start- chenendtrip anzeigt. Vorbild sind die selbst verspürten wenig Lust, ihre
up-Initiative, zu der das erfahrene Ausflugstipps des Porsche-Kunden- Komfortzone zu verlassen. Die IT-
PnP-Team wechseln soll. magazins. Ein digitaler Assistent für Spezialisten der Berliner Agentur
Die Know-how-Infusion kann der Parken, Waschen, Tanken und mehr Core mussten den Albtraum schließ-
Ableger des Zuffenhausener Sport- soll im Laufe des Jahres 2018 auf den lich in Codezeilen pressen. „Das war
wagenbauers gut gebrauchen. An Markt kommen. und ist frustrierend“, sagt Core-Chef
dessen Spitze agiert Thilo Koslowski Während man in Zuffenhausen Holger Friedrich. Nachdem Paydi-
(47), eine besonders produktive die digitale Zukunft offiziell lieber rekt bereits einen dreistelligen Mil-
digitale Dampfmaschine, wie es im in „kleinen Schritten“ erkundet, lionenbetrag verschlang, soll es nun
FOTOS: JONAS HOLTHAUS / LAIF, KIEN HOANG LE / AGENTUR FOCUS

Haus heißt. Bevor Porsche-Chef spricht der Chefdigitale immer noch mit einer weiteren Geldspritze eine
Oliver Blume ihn im Frühjahr 2016 von „End-to-end-Mobilität für den zweite Chance bekommen. Intern
engagierte, hatte er als Analyst fast Porsche-Besitzer“ und der „Opti- glaubt kaum mehr einer daran.
20 Jahre lang beim Marktforscher mierung aller Dinge zwischen dem Mangelndes Verständnis oder gar
Gartner im Silicon Valley die Trends Aufstehen und Schlafengehen mit Borniertheit erklären indes nur ei-
bei smarter Mobilität und Konnek- einer Premiumexperience“. nen Teil des wundersamen Vertrau-
tivität erkundet. Was Typen wie Koslowski hilft: ens, das die deutsche Wirtschafts-
Der 911er-Fan, der fünf Exempla- Die meisten Vorstände sind froh, elite den Digitalgurus – ob seriös
re in der Garage stehen hat, sollte einen Paradiesvogel im Haus zu oder selbst ernannt – entgegen-
der Traditionsmarke digitales Flair haben. Denn selbst fehlt ihnen ein bringt. Die Typen üben offenbar
einhauchen. Doch bislang kann der belastbares Koordinatensystem, in auch eine magische Anziehung aus.
vom operativen Geschäft kaum be- das sie die Vorträge der Berater ein- Der langbärtige Literaturwissen-
leckte Manager nur magere Ergeb- ordnen könnten. Laut einer Studie schaftler und Programmierer Fried-
76 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
UNTERNEHMENSB ERATER TRENDS

rich empfängt in einer alten Villa am Wann- GELUNGEN E I N S Z EN I ER U N G dende. Er gibt selbst zu, dass seine Kunden
see, der Zentrale von Core. „Für mich ist Wie Kunden die Digitalkompetenz der ihn nicht immer verstehen. Sie hängen ihm
das hier konstruktiver Punk“, sagt der führenden Unternehmensberater beurteilen1 trotzdem an den Lippen. Mit seinem Style
Agenturchef und führt über die mit Retro- Accenture 401 vermittelt er genau das, wovon sie ins-
rechnern und Designermöbeln ausstaffier- 1 geheim selbst träumen: eine Prise Jugend
McKinsey 396
ten Flure. Die Bemerkung, Angelina Jolie 2 und Rebellion, erfolgreich sein und dabei
habe hier übernachtet, als Brad Pitt für das BCG 377 lässig bleiben.
3
Weltkriegsdrama „Inglourious Basterds“ Zumal die Verpackung bei Bornschein
Bain 374
in Berlin drehte, macht die Inszenierung 4 nicht alles ist. Gerade geht die von TLGG
perfekt. Deloitte 370 entwickelte Kubikx, eine digitale Reinkar-
5
Oliver Wyman 352 nation von Schmitz Cargobull, an den
6 Markt. Für Lufthansa entwickelten die Ber-
Eine Prise Rebellion
PwC 349
Auch das Bohei, das viele Digitalberater 7 liner ein Konzept zur digitalen Kunden-
um ihr nonkonformistisches Auftreten KPMG 326 bindung. Die Zusammenarbeit mit dem
8
machen, fasziniert Konzernmanager. Sie Energiekonzern Eon verlief hingegen we-
EY2 317
vermuten dahinter kreativen Esprit. 9 niger produktiv.
Christoph Bornschein setzt in dieser Roland Berger 292 Worunter Christoph Bornscheins Ruf
10
Disziplin den Standard. Der Chef von Tor- A. T. Kearney 267
in keiner Weise leidet. Denn in vielen
ben, Lucie und die gelbe Gefahr (TLGG) 11 Fällen stören sich die Auftraggeber gar
pendelt unrasiert und im schlabbrigen Ka- 250 500 nicht daran, wenn ein Vorhaben scheitert.
puzenpulli zwischen Digitalkonferenzen 1 | Befragt wurden mehr als 700 Führungskräfte aus Groß- Solche Fehlschläge seien oft „geradezu
und Dax-Vorstandsbüros hin und her. Der unternehmen; 500 Punkte: sehr hohe Kompetenz, 100 Punkte: erwünscht“, behauptet Lennart Koch,
sehr niedrige Kompetenz; 2 | vor der Übernahme von Etventure.
Beinahejurist, seit der Übernahme seines Quelle: WGMB – Impact Study Grafik: manager magazin
der mit seiner Agentur Taskforce Interims-
Unternehmens durch Omnicom Multimil- manager vermittelt. So könne der Vor-
lionär, beriet Nathalie von Siemens ebenso stand auf höchster Ebene ein Digitali-
wie ThyssenKrupp-Boss Heinrich Hiesin- sierungsprojekt vorweisen und müsse
ger oder Außenminister Sigmar Gabriel. erst mal nichts an seinem Geschäftsmodell
Bornschein redet gern und viel von Cus- ändern.
tomer-Journeys, APIs und digitaler Divi- 1 Philipp Alvares de Souza Soares/Eva Müller

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TRENDS

BUSINESS
Einzelteile verbaut, sondern Massenware
für den irdischen Gebrauch. Wie etwa die
Optik für die Eigennavigation des Satel-
liten im Orbit: Mit einem Weltraumprüf-
siegel kosten Linse, Sensor und Chip im
Einkauf 650 Euro. Simple Systeme für In-
dustrieroboter, die sich leicht umpro-
grammieren lassen, gibt’s in China für nur
20 Euro.
Ein BST-Satellit bringt rund 80 Pro-
zent der Leistung eines nach Raumfahrt-
standards gebauten Modells. Für die
meisten Kunden, sagt Segert, reiche das
absolut aus.
Das erste fertige Erdbeobachtungssys-
tem von BST, rund 80 Kilo schwer und im
Format eines großen Mikrowellengeräts,
arbeitet seit gut zwei Jahren 550 Kilome-
ter über dem Äquator. Die National Uni-
versity of Singapore überwacht damit
Meerwassertemperatur oder Trockenheit
in Waldgebieten. Ein zweiter Satellit war-
tet auf seinen Transport ins All durch eine
Rakete der indischen Raumfahrtagentur,
zwei weitere Systeme sind im Bau.
Den Durchbruch erhofft sich BST,
wenn Erdtrabanten in Serie gebaut wer-
den und das Start-up neben Beobach-
tungs- auch Kommunikationssatelliten
fertigt. Dann nämlich zahlen sich die Ein-

Billigflieger im All kaufsvorteile voll aus, auf die Segert setzt.


Die Prognosen stehen gut: Fürs nächs-
te Jahrzehnt erwartet er jährlich Aufträge
Tom Segert mischt mit seiner für 3000 künstliche Erdtrabanten. Dank
ihrer Erfahrung zähle die BST zu jener
Firma Berlin Space Technologies Handvoll Firmen weltweit, die den Markt
den Satellitenmarkt auf. bedienen können. Skaleneffekte sollen
die Preise dann auf maximal 250 000

W
Euro senken.
ie man mit ein- einer besonders anspruchsvollen High- Demnächst will die BST, die ganz ohne
fachen Mitteln techbranche etabliert: Kosmisches Gerät Wagniskapital und Kredite auf zwei
weltalltaugliche muss im eisigen, strahlungsbelasteten Fast- Millionen Euro Umsatz angewachsen ist,
ILLUSTRATION: OLE SCHLEEF FÜR MANAGER MAGAZIN; FOTOVORLAGEN: PR

Apparate baut, vakuum des Weltalls dauerhaft funktio- ein Joint Venture mit einer Raumfahrt-
das haben Tom nieren. Denn im Orbit lässt sich nichts tochter der indischen Hetero Group star-
Segert (38) und reparieren. ten. Das langfristige Ziel: 1000 Satelliten
seine Geschäftspartner an der TU Berlin Umso kühner der Ansatz der BST: Ihre pro Jahr.
gelernt. Die Satelliten, die dort am Institut Erdbeobachtungssatelliten kosten nur Schon gibt es Übernahmeangebote, et-
für Luft- und Raumfahrt entworfen und rund ein Zehntel dessen, was etablierte wa von der Bremer OHB. Doch der Preis
montiert werden, arbeiten zum Teil noch Wettbewerber wie Airbus oder die Bremer ist Segert „viel zu niedrig“. Einem BST-
nach Jahren in der Umlaufbahn. OHB-Gruppe aufrufen. Je nach Ausstat- Konkurrenten waren in den USA eine
Im Jahr 2010 gründete Segert zusam- tung verlangt BST zwischen zwei und fünf Viertelmilliarde Dollar offeriert worden.
men mit zwei Studienkollegen die Berlin Millionen Euro. Die Firma will damit trotz- So viel hatte Deutschlands einziger bör-
Space Technologies (BST). Das Unter- dem Geld verdienen, weil sie keine teuren, sennotierter Raumfahrtkonzern nicht
nehmen mit 24 Mitarbeitern hat sich in eigens für den Weltalleinsatz entwickelten flüssig. 1 Michael O. R. Kröher

78 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
Deutscher
Mittelstand
at its best

„EY“ und „wir“ beziehen sich auf alle deutschen Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht. ED None.
Wir gratulieren den Gewinnern und
Finalisten des EY Entrepreneur Of The Year
Awards 2017 und freuen uns auf Nominie-
rungen für den Award 2018. Erfahren Sie
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Die Partner des Wettbewerbs Entrepreneur Of The Year:


TRENDS KONJ UNKT UR

DER
ITALIENISCHE
PATIENT KONJUNKTUR Überall in der Euro-Zone gewinnt das Wachstum an
Kraft, nur Italiens Wirtschaft bleibt chronisch krank.
Nach der Wahl könnte sie zur Sollbruchstelle des Euro werden.

E
s war alles perfekt angerichtet für Matteo Renzi. gierenden Partei davon: Obwohl die Konjunktur tatsächlich wie
Grünes Licht umstrahlt den Riesenjet, die letzten versprochen angesprungen ist, sind die Wähler desillusioniert.
Klänge des „Sonnenaufgangs“ aus dem „Zara- Ausgerechnet der Untote Silvio Berlusconi (81) erhält wieder neu-
thustra“ sind verhallt, als der jüngste Premier Ita- en Zulauf. Die Leute spüren, dass ihre Wirtschaft für einen nach-
liens den Neustart seiner nationalen Airline ver- haltigen Aufschwung noch immer viel zu geschwächt ist. De facto
kündet: „Schließen Sie Ihre Gurte. Alitalia hebt wird Italien zur Sollbruchstelle des Euro. Schon beim nächsten
ab! Dieser Take-off Alitalias ist der Take-off Italiens!“ Schock droht eine gewaltige Finanzkrise.
Schön klang das damals im Juni 2015, zu schön, um wahr zu Ein wahres „Wunder“ habe seine Partei geschafft, insistiert
sein. Der gerade mal 40-jährige Renzi, Wahlkämpfer Renzi. Nachfrage und
der sich „Rottamatore“ nennt („Ver- Investitionen wachsen wieder, ge-
schrotter“ der alten Strukturen) hat KRANKES I T A LI EN nauso wie die Zahl der Beschäftigten.
mit seiner Partito Democratico (PD) Reales BIP seit der Finanzkrise, indexiert, Tatsächlich meldet die Industrie –
ein Jahr zuvor bei der Europa-Wahl 100 = Spitzenwert vor der Krise hinter der deutschen noch immer die
über die Populisten triumphiert. Er 112 zweitgrößte in Europa – brummende
will aufräumen, entfilzen, reformie- Deutschland
Exporte wie lange nicht. Italiens
ren und hat dafür monetär Super- 108 Werkzeugmaschinenbauer etwa fei-
triebwerke unter den Flügeln: Das 104 Frankreich erten 2017 ein Rekordjahr mit mehr
Anleiheaufkaufprogramm von EZB- als 10 Prozent Umsatzplus, die Mai-
Chef Mario Draghi hat den Euro 100 länder Börse ist besser gelaufen als
abgewertet, italienische Waren im die im Macron-begeisterten Paris
96
Dollar-Raum um rund 20 Prozent Italien
und auch besser als der deutsche
verbilligt und den Zins für zehnjäh- 92 Dax. Allein die geschundene Fiat-
rige italienische Staatstitel fast hal- Chrysler-Aktie hat seit dem Sommer
88
biert. Auch das Öl ist um die Hälfte gut 70 Prozent zugelegt.
billiger geworden. Nach Jahren des 2008 10 12 14 16 18 „Italien surft auf der Welle des
Niedergangs scheint alles klar für das weltweiten Aufschwungs“, diagnos-
große Comeback – von Italien wie Quelle: Pictet Grafik: manager magazin tiziert das angesehene Prometeia-
von Alitalia. Institut in Bologna. Stimmt, ist aber
Es kam anders. Die vermeintlichen Überflieger sind allesamt auch eine Frage des Niveaus: Die durch Steueranreize stimulierte
abgestürzt: Alitalia steht unter Sonderverwaltung, weil der Partner Inlandsnachfrage nach Werkzeugmaschinen liegt nun gerade wie-
FOTO: WAYNE MASER / TRUNK ARCHIVE

Etihad wie bei Air Berlin den Geldhahn zudrehte. Renzi musste der auf dem Wert von 2007. Insgesamt ist die Wirtschaftsleistung
Ende 2016 abtreten, weil er sich mit einem Verfassungsreferendum noch immer weit niedriger als vor zehn Jahren. Wird das Umfeld
verzockte. Er fährt nun wieder Bahn, im gemieteten Treno PD wieder schlechter, droht sofort der Rückfall in alte Krisenmuster.
kreuzte er zuletzt wochenlang durch die Provinzen, um für die Denn Italien ist längst nicht gesundet.
Parlamentswahl am 4. März zu trommeln. Das gefeierte Wachstum von 1,5 Prozent war 2017 das
Der gefallene „Golden Boy“ will die Reformen, die er begonnen schwächste aller Euro-Länder. Die Jobchancen für den Nachwuchs
hat, vollenden. Aber die Zeit läuft ihm und seiner noch immer re- bleiben im EU-Vergleich katastrophal: Fast jeder Vierte unter 2
80 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
E W I G E R S C H WÄT Z E R
Medienmilliardär
Silvio Berlusconi
war seit 1994 schon
viermal Premier.
Jetzt verspricht er
wieder Reformen.
TRENDS KONJ UNKT UR

30 hat weder Anstellung noch Aus-


bildungsplatz. Renzis großer „Jobs
Act“ eröffnete zwar neue Chancen
und lockerte den Kündigungsschutz
bei Neueinstellungen. Die Mutigen
suchen ihre Zukunft aber weiterhin
im Ausland. Rund 1,5 Millionen Men-
schen sind seit Ausbruch der Finanz-
krise 2008 aus Italien weggezogen.
Ähnlich desolat ist die Verschul-
dung. Ein Sechstel der ausstehenden
Kredite bei den Banken ist notlei-
dend. Die aufgehäufte Staatsschuld
wird so gerade eben bei gut 130 Pro-
zent des BIPs stabil gehalten. Schön,
dass es Yoram Gutgeld, dem Ex-

K Ä M P F E R U M D I E M A C H T Matteo Renzi (o.)


räumte den Premierstuhl für Paolo Genti-
loni (l.), ist aber PD-Parteichef geblieben.
Der 31-jährige Luigi di Maio (ganz l.) führt
im Wahlkampf die populäre Fünf-Sterne-
Bewegung, die Komiker Beppe Grillo
(ganz l., mit Bart) 2009 ins Leben rief.

McKinsey-Partner und Sparkom- solcher Ruinen verschlingt, das fehlt


missar der Regierung, gelungen ist, anderswo für den produktiven Neu-
EURO-
die Kosten des Staatsdienstes unter SPRENGSTOFF anfang.
den Durchschnitt im Euro-Raum zu Staatsschulden in Italiens Autoindustrie überlebte
FOTOS: ALEX MAJOLI / MAGNUM PHOTOS / AGENTUR FOCUS, AUGUSTO CASASOLI / A3 / CONTRASTO / LAIF, ALESSANDRA BENEDETTI

drücken. Spätestens 2019 aber, wenn Prozent des BIPs nur deshalb knapp, weil der von den
die EZB ihr Superdoping absetzt, Deutschland, Fiat-Erben gerufene Italokanadier
Draghis Amtszeit endet und die Zin- Frankreich, Sergio Marchionne den Konzern ra-
Italien
sen steigen, wird es wieder eng. 140
dikal umbaute. In Amerika fusionier-
Die Misere offenbart sich nir- Aber die weltgrößte Kette kommt te er mit Chrysler, das Juwel Ferrari
120
gends so deutlich wie im Pro- nicht aus Italien.“ Starbucks hat den brachte er separat an die Börse. Kräf-
duktivitätsvergleich: Während in 100 Weltmarkt aufgerollt. Das Mutter- tig in neue Technologien investiert
Deutschland oder Frankreich heute 80 land des Espresso blieb bei seinen wurde schon lange nicht mehr.
pro Arbeitsstunde knapp ein Fünftel 60 geliebten Familienbetrieben. Das Musterbeispiel für verpatzte
mehr erwirtschaftet wird als zur Chancen ist indes Alitalia. Als die
2003 2016
Jahrtausendwende, gab es in Italien Teure Zombies Fluglinie noch dem Staat gehörte,
in mehr als anderthalb Jahrzehnten Die Industrie verlor über die Jahre flog sie ab den 90er Jahren Milliar-
praktisch keinen Fortschritt. Das Nützt die EU-Mit- stetig Marktanteile, ihre Stückkos- denverluste ein, frühere Vorstände
gliedschaft dem
macht die Schulden untragbar, lässt eigenen Land? ten sind explodiert. Die Abwertung kamen wegen Konkursvergehen hin-
den Wohlstand in der überalternden Zustimmung in der eigenen Währung, die früher die ter Gitter. Ein Verkauf an den Global
Gesellschaft rapide wegbröseln. Prozent Wettbewerbsfähigkeit gesichert hat- Player Air France-KLM platzte 2008,
Viele Länder hat der Globalisie- Deutschland 77 te, wurde mit dem Euro unmöglich. weil die Regierung in Rom wechselte
rungsboom reich gemacht. Italiens Frankreich 58 Wie sklerotisch die Wirtschaft und der neue Premier Berlusconi ei-
Wirtschaft, die auf persönlichen Be- inzwischen ist, zeigt eine Analyse nen Deal mit „mutigen Kapitänen“
Großbritannien 55
ziehungen aufbaut, konnte davon der OECD: Fast ein Fünftel des ita- aus Italiens Privatwirtschaft vorzog.
kaum profitieren. Luigi Zingales, ein Griechenland 48 lienischen Kapitalstocks war 2013 in Die wiederum waren heilfroh, als
renommierter Chicago-Ökonom mit Italien „Zombie-Firmen“ gebunden – also sie doch noch investitionsbereite
39
italienischen Wurzeln, zitiert am in Unternehmen, die über zehn Jah- Partner fanden. Selbst mit dem Geld
liebsten das Beispiel der Coffee- re alt sind und andauernde Proble- von Etihad konnte die nationale Iko-
Quelle: Eurostat,
shops: „Die italienischen Cafés sind EU-Parlament 10/2017 me haben, wenigstens ihre Kredit- ne aber nicht gerettet werden. Glo-
Grafik: mm
wahrscheinlich die besten der Welt. zinsen zu verdienen. Was der Erhalt bal spielt Alitalia keine große Rolle
82 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
KONJ UNKT UR TRENDS

mehr, im Inland wird sie von den


Billigairlines überflügelt. Die Ak-
ALTE ministerium). Ihr Fazit: Erst wenn
zu dem Cocktail auch noch Popu-

MEISTER
tionäre, zuletzt auf italienischer lismus komme, könne er explosiv
Seite vor allem die Großbanken werden.
Intesa und UniCredit, mussten Genau das aber droht, wenn die
ihre Anteile abschreiben. Allein Stagnation sich festfrisst. Laut ei-
UniCredit beziffert die erlittenen UNTERNEHMEN Italien hat viele ner Umfrage vom Herbst meinen
Verluste auf eine halbe Milliarde starke Familienfirmen, aber nur gut 70 Prozent der unter 45-Jähri-
Euro. Das Desaster hatte sich lange gen, ihr Land bewege sich in die fal-
abgezeichnet und wurde 2016 of- wenige Global Player sche Richtung. Eine knappe Mehr-
fenbar vor dem Referendum Ren- heit würde sogar für den Austritt
zis unter der Decke gehalten. Ex- DIE SIPPEN Die Ferreros machen vor, Italiens aus der EU stimmen.
perten sehen Alitalias allerletzte wie globale Wertschöpfungsketten „Die italienische Krankheit hat
Chance nun unter dem Dach der ZWEITE LIGA funktionieren: Ihr Nutella gibt es einen Namen: Sie heißt Vettern-
Ländergewichte
Lufthansa, als Submarke. im Euro Stoxx 50 heute in mehr als 70 Ländern, das wirtschaft“, urteilt Luigi Zingales
Produktionsnetzwerk umfasst alle in einer großen Produktivitätsstu-
Ausgezaubert Kontinente. Haupterbin Maria die. Loyalität gehe im Zweifel vor
Renzis Ruf als Reformer hat auch Franca Fissolo (83) führt den Leistung. Das räche sich ganz be-
unter der Bankenmisere massiv ge- reichsten Clan Italiens. 2017 wurde sonders in einer Zeit, in der Digi-
litten. Das Skandalinstitut Monte erstmals ein familienfremder CEO talisierung zum alles entscheiden-
dei Paschi (MPS) bezeichnete er an die Ferrero-Spitze geholt. Wei- den Effizienztreiber geworden ist.
bei einem TV-Auftritt Anfang 2016 tere Beispiele für globalen Erfolg Italiens Wirtschaft braucht üp-
als „saniert“ – später kollabierte 36,6 Frankreich sind das Pastaunternehmen Barilla pige Investitionen, eine unfallfreie
die Aktie, die Verluste werden 33,3 Deutschland oder der Baukonzern der Salinis – Reformpolitik und dringend eine
10,2 Spanien
Kleinanleger und Steuerzahler und natürlich Italiens Edeldesigner. neue Managergeneration. Denn
10,1 Niederlande
noch viel kosten. Die „Zen-Phase“, 4,9 Italien die Ära der alten Granden ist vor-
die er sich angeblich auferlegte, hat 4,9 Sonstige DIE AKTIENGESELLSCHAFTEN Börsenno- bei. Leonardo Del Vecchio (82)
seine Magie nicht zurückgebracht. tierte Weltkonzerne à la Nestlé oder verschliss bei seinem Brillenkon-
Linke Gegner in der PD spalten Top 3 im Index, LVMH fehlen Italien. Im Euro Stoxx zern Luxottica zuletzt vier CEOs.
sich ab. Anders als der „Nicht- nach Markt- 50, dem Bluechip-Index der Euro- Nun löst der zweitreichste Italie-
links-nicht-rechts“-Star Macron kapitalisierung, Zone, finden sich gerade noch der ner sein Nachfolgeproblem via
in Mrd. Euro
bleibt Renzi Sozialdemokrat – und Versorger Enel, der – im Weltmaß- Megafusion: Luxottica verschmilzt
stürzt nun genauso ab wie die eu- CAC 40 stab kleine – Ölkonzern Eni und die mit dem Optikriesen Essilor, ita-
ropäischen Schwesterparteien. LVMH Bank Intesa. Die einst stolze Fi- lienische Gestelle und franzö-
Den Aufstand der Außenseiter Luxus 124 nanzbranche wurde im Zuge der sische Linsen liefert künftig ein
1
organisiert die Fünf-Sterne-Bewe- Total Schuldenkrise regelrecht zerhäck- Global Player mit einem Firmen-
gung. Sie stellt junge Bürgermeis- Öl und Gas 116 selt, die Großbank UniCredit und wert von rund 50 Milliarden Euro.
2
terinnen in Rom und Turin und der Versicherer Generali fielen zu- Für ein neues Italien steht Fe-
L’Oréal
liegt in Umfragen mit fast 30 Pro- Kosmetik 104 letzt aus dem EuroStoxx 50 heraus. derico Marchetti (48). Er verkauft
3
zent vorn. Für eine Regierungs- CNH Industrial, hervorgegangen Restbestände von Luxusmarken
bildung wird es trotzdem nicht rei- aus dem Fiat-Konzern, ist bei Land- im Internet, 2009 brachte er sein
DAX
chen, eine Mehrheit ließe sich nach maschinen nach John Deere im- Unternehmen Yoox an die Börse.
SAP
der jüngsten Wahlrechtsreform Software 115 merhin die Nummer zwei der Welt. 2015 folgte die Fusion mit Net-A-
nur durch Bündnisse gewinnen, 1 Bekannte Namen wie Pirelli, Cam- Porter. Als erstes Start-up Italiens
und die „Fünf Sterne“ sind isoliert. Siemens pari oder Salvatore Ferragamo sind schaffte es Yoox so in die Liga der
Elektrotech. 99
Zum Gewinner eines Patts 2 indes Zwerge im Vergleich zu den Unicorns.
könnte der amtierende Regie- Bayer großen internationalen Rivalen. Ob das alte Modell sanierbar ist,
rungschef werden. Mit Paolo Gen- Pharma 86 wird das Nationalheiligtum Alitalia
3
tiloni (63) könne man vorerst wei- DIE AUFSTEIGER Trotz der zähen Krise zeigen. Die Fluglinie steht eigent-
termachen, sagt sogar Berlusconi, FTSE MIB
reüssierten zuletzt einige neuere lich zum Verkauf auf der Resteram-
der wegen einer Vorstrafe derzeit Enel Unternehmen an Mailands Börse. pe, doch die drei Staatskommissa-
kein Amt übernehmen darf. Versorger 52 Neben dem Internethändler Yoox re, die sie derzeit führen, haben
1
Das Horrorszenario eines Ital- stechen der Modehersteller Mon- Gefallen an ihrem Job gefunden.
Eni
exit wäre so erst mal zurück- Öl und Gas 50 cler, die Pharmagruppe Recordati Allen voran Stefano Paleari (52),
2
gestellt. Die Refinanzierung der und die Onlinebank Fineco hervor. gelernter Nuklearingenieur, Pro-
Intesa
hohen Schulden wäre auch bei Bank 48 Für 2018 sind zahlreiche IPOs fessor für Finanzen und Luft-
steigenden Zinsen noch „nicht 3 angekündigt. Antreten wollen etwa fahrtspezialist. Das Trio lässt be-
unbeherrschbar“, zeigt eine Stu- die Spezialitätenkette Eataly reits neue Uniformen von einer
die der Ex-Chefökonomen Olivier Quelle: Stoxx, und der private Betreiber von Topdesignerin entwerfen. Wenn
Bloomberg
Blanchard (IWF) und Jeromin Grafik: mm Hochgeschwindigkeitszügen NTV. schon untergehen, dann bitte mit
Zettelmeyer (Bundeswirtschafts- Stil. 1 Christian Schütte
manager magazin 83
DIVERSITY-
MANAGEMENT
BLUES
Die Bewegung für mehr Vielfalt in den Unternehmen
kommt kaum voran. Das hat sie sich selbst zuzuschreiben.

E
in Morgen im Na klar, erzählt Döpfner, anfangs sei der
November, Widerstand der Männer groß gewesen,
Dverse Media- doch das sei inzwischen anders: „Diversität
Konferenz in Berlin. spiegelt unseren Markt.“ Zudem mache die
In der Landesvertretung Arbeit mit Frauen einfach mehr Spaß. „So
Baden-Württemberg wol- müssen Sie es positionieren!“, ruft er den
len rund 100 Frauen und einige Männer Versammelten zu.
einen Tag lang darüber nachdenken, wie Das Auditorium ist verzückt von so
mehr Frauen in Führungspositionen von viel Aufgeschlossenheit. Dass Döpf-
Wirtschaft und Medien gelangen können. ner eines der wichtigsten Argu-
Es geht, wie immer bei solchen Veran- mente für Diversity vom Tisch
staltungen, um schier übermächtige Hin- wischt („Frauen führen empathi-
dernisse: die Stereotype in den Köpfen, scher? Überzeugt mich nicht“) – fällt
männergeprägte Firmenkulturen, igno- nicht weiter ins Gewicht. Dass sein Vor-
rante Chefs. stand noch völlig frauenfrei ist – ge-
Doch diesmal kommt Erlösung auf die schenkt. Dass es bei Springer trotz der vie-
Bühne, in Gestalt von Mathias Döpfner. len Topfrauen tatsächlich immer noch
Der Springer-Chef zählt auf, wie viele Frau- zugeht wie im letzten Jahrhundert – erfährt
en er in den vergangenen Jahren in Spit- man woanders.
zenpositionen gehievt hat. Die Chefredak- In einem Facebook-Post tut Lieferando-
teure von „Bild“ und „BamS“ – beide Gründer Christoph Gerber seine Wut
weiblich. Auch diverse Führungskräfte im kund: „Kleine Weinstein-Anekdote: Weib-
Verlag seien Frauen, das von Springer liche Mitarbeiterin von Axel Springer wird
mitinitiierte Internetportal Verimi leitet von männlichem Chef (ein Level unter
Donata Hopfen. dem Vorstand) wiederholt angegangen.
84 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
MANAGEMENT TRENDS

Einzelgespräch wird begonnen mit ,Du schlimmsten Worte der englischen Spra- beschäftige gut ausgestattete Stäbe das
siehst ja geil aus. Hast du abgenommen?‘ che? ,Ich komme aus der Personalabteilung ganze Jahr über, ohne dass wirklich etwas
Bei einem zufälligen Zusammentreffen im und organisiere einen Diversity-Work- vorangehe.
Duty-free-Shop kommt dieser von hinten shop‘“, ätzte das Blatt unlängst. In endlo- Wer sich umhört in deutschen Konzer-
heran, riecht an ihr und sagt: ,Du riechst sen Seminaren müssten Manager die Heils- nen, spürt allerdings wenig Selbstkritik.
aber geil.‘ Bei einer Veranstaltung wird sie lehre über sich ergehen lassen, ohne dass Seinen Einsatz will sich niemand kleinre-
von der gleichen Person beim Vorbeigehen man ihnen ehrlich sage: Ja, gemischte den lassen. Diversity-Blues? Nicht bei uns!
,zufällig‘ am Po berührt. Die Mitarbeiterin Teams können „sehr innovativ sein, aber Bei VW nehme das Thema gerade „rich-
wendet sich schriftlich an HR und be- auch komplett scheitern“. Denn sie sind tig Fahrt auf“, sagt die zuständige Expertin
kommt einen Anruf: ,Das Problem ist uns deutlich schwerer zu managen. Elke Heitmüller. Weg von der reinen Kon-
bekannt, aber wir würden dir raten, nichts Fällt die Bewegung also in sich zusam- zentration auf die Frauen, hin zu einer
zu unternehmen, sonst kannst du deine men, noch bevor sie richtig Wirkung ent- „breiten Verankerung“ im Unternehmen.
Karriere bei AS vergessen.‘ – Kurz danach faltet hat? Und das ausgerechnet zu einem Beim Lichtspezialisten Osram sei Diver-
erhält sie eine E-Mail, in der ihr die volle Zeitpunkt, wo die Anti-Sexismus-Kam- sity Teil der Strategie und in jeder Business-
Unterstützung und das korrekte Vorgehen pagne #me too offenbart, wie nötig die Unit präsent, sagt Personalchefin Babette
erklärt wird. Ein Template – aus der AS- Wirtschaft mehr Vielfalt und Gleichbe- Fröhlich. Sie kann keinen Überdruss erken-
Rechtsabteilung.“ rechtigung hätte? nen: „Das Thema wird zunehmend akzep-
Schein und Sein klaffen beim Thema Di- Schuld an der „Diversity-Fatigue“ sind tiert und normal.“ Sie hat sogar einen IT-
versity manchmal recht weit auseinander. nicht allein die Ewiggestrigen. Es ist vor al- Chef zu bieten, der monatelang Elternzeit
Fakt ist: Es kommt kaum etwas voran. lem die Art und Weise, wie die Unterneh- genommen hat.
Zwei Wochen nach der Döpfner-Show men Vielfalt schaffen wollen, die zu enor- „Immer mehr CEOs treiben das The-
trifft sich – wieder in Berlin – die Charta mem Frust führt: Wo Aufbruch nötig wäre, ma“, sagt Elke Eller, Präsidentin des Bun-
der Vielfalt, ein Verein zur Förderung von herrscht Routine, die Männer – die wich- desverbands der Personalmanager und
Chancengleichheit in der Wirtschaft. Viele tigste Zielgruppe – werden bei dem Projekt Personalvorstand bei der Tui. Erst vor Kur-
junge Frauen, überwiegend Personalerin- vernachlässigt. zem hat ihr Aufsichtsrat ein neues Diversi-
nen, die Arbeitsebene. Der halbe Dax ist ty-Konzept verabschiedet. Sie und Kon-
vertreten, die Stimmung gedrückt. Es sei Tolle Vorgaben, aber keiner hakt nach zernchef Fritz Joussen würden über Vielfalt
so mühsam, mehr Diversität in den Kon- Dabei schienen der Fantasie in den Per- nicht mehr reden: „Wir leben sie.“
zernen zu verankern, klagen die Experten. sonalabteilungen zunächst keine Grenzen Auch bei Conti gibt es Rückhalt von
Überall herrsche Wagenburgmentalität. gesetzt. Eine Flut an Maßnahmen und ganz oben, berichtet Diversity-Managerin
In einem Workshop trainiert der Kölner Rankings wurde initiiert, Netzwerke für Martina Michel. Der Autozulieferer will
Diversity-Berater Hans Jablonski die Per- Frauen und LGBTs (Lesben, Schwule, Bi- seinen Anteil von 12,8 Prozent Frauen bis
sonaler in rhetorischer Selbstverteidigung, sexuelle und Transgender) gegründet, 2020 auf 16 Prozent erhöhen. Für CEO
etwa für den Fall, „dass jemand auf Sie zu- Mentoringprogramme, Tests und Trainings Elmar Degenhart und Personalvorständin
kommt und sagt: Warum gründet ihr im- gegen unbewusste Vorurteile (Uncon- Ariane Reinhart sei dies ein Businessziel.
mer nur Netzwerke für Frauen, nie für scious Bias) aufgelegt, Events vom Chris- Oft genug läuft es indes noch so: Vor-
Männer?“ topher Street bis zum Equal Pay Day orga- stände verkünden tolle Vorgaben, die dann
Selbst eingefleischte Aktivisten leiden nisiert. Einige Unternehmen haben heute im Stress der betrieblichen Praxis unter-
inzwischen an Diversity-Depression, sagt mehr als 25 unterschiedliche Diversity-In- gepflügt werden – und keiner hakt nach.
Veronika Hucke. Die überzeugte Vielfalts- strumente im Programm. Selbst in den 2700 Firmen, die sich zur
praktikerin war lange bei Philips in Ams- Doch der ganze D&I-Zirkus verfehle oft Charta der Vielfalt bekennen, gibt sich das
terdam und berät heute Konzerne: „Ge- sein Ziel, kritisiert Michael Stuber, Mittelmanagement laut einer Studie von
fühlt redet man seit 20 Jahren, schiebt die Deutschlands Diversity-Pionier. „Zu viele EY nicht mehr Mühe als der Durchschnitt.
Schuld mal den Frauen, mal den Männern, austauschbare Strategien werden als glo- Schon die gesetzliche Pflicht, sich Ziele
mal den Strukturen zu, nur in der Sache än- bale Standards angepriesen, sind aber häu- zur Erhöhung des Frauenanteils zu setzen,
dert sich nichts.“ fig wenig passend und noch weniger wir- ignorieren viele Unternehmen. Der „Sta-
Die Idee von der Vielfalt („Diversity & kungsvoll.“ Die Masse der Veranstaltungen tusbericht Frauen“ auf der Website der 2
Inclusion“), früher als buntes Happening
belächelt („Diversity & Confusion“), wird
zunehmend zum Reizthema. In den USA MASSIVE
fürchten mittlerweile 44 Prozent der Män- ABWEHR
ner beim Stichwort Diversity um ihre Kar- „Zu viele Gen-

54 % 49 % 66 %
rierechancen, haben die Consultants von der-Diversity-
McKinsey ermittelt, die seit Jahren für Maßnahmen
sind Männern
mehr Diversität trommeln („Women Mat- gegenüber
ter“). Der deutsche FinanzBuch Verlag, der ungerecht.“
sonst Biografien von Börsengurus oder An- der männlichen der männlichen der männlichen
lagetipps vertreibt, zog mit einem Sammel- Befragten Befragten, die sich Befragten, die sich
band gegen die „Quotenfalle“ zu Felde. Quelle: „Women Matter, stimmen zu. der Hürden für der Hürden für
Time to accelerate“,
McKinsey 2017 Frauen bewusst sind, Frauen nicht bewusst
Und der „Economist“ diagnostiziert Grafik: mm stimmen zu. sind, stimmen zu.
eine regelrechte Diversity-Müdigkeit: „Die
F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 85
TRENDS MANAGEMENT

WEIT Umgangston nur wenig ändern. Er


ZURÜCK 39 hat den Konzern schon wieder ver-
Frauenanteil in 34 lassen.
33
Spitzengremien 31 Um Diversity richtig zu veran-
der Wirtschaft, 28 27 kern, müssen die damit verbunde-
in Prozent 25
Aufsichtsräte, 23 nen Ideen in die Prozesse einfließen,
21
Vorstände in Personalentwicklung, Nachfolge-
17
14 15 15 planung, Kompetenzmodelle und
Zielvereinbarungen. Und das ist den
9
meisten Unternehmen zu anstren-
Quelle: „Women Mat-
ter, Time to accele-
gend. Stattdessen wiederholen sie
rate“, McKinsey 2017 FRAN KRE ICH SCHWE DE N ITAL IE N BELGIEN DEUTSCHLAND NIEDERLANDE GROSS- gebetsmühlenartig, dass „vielfältige
Grafik: mm B R I TA N N I E N
Teams innovativer sind und mehr
Umsatz machen“. Und sie verweisen
Commerzbank datiert von 2014. gen Führungskraft in der Geschäfts- auf ihre schönen Trainings und
Beiersdorf hat bis heute keine leitung eines großen Autozulieferers Events.
Vorständin – dabei hatten sich die wurde eröffnet, sie solle sich auf eine Lasst die Zwangstrainings sein
Hamburger vorgenommen, bis Ende Rückgruppierung in eine schlechtere und werft das „D word“ weg, emp-
Juni 2017 „10 Prozent Frauen“ in die Gehaltsklasse einstellen. Gründe fiehlt Helena Morrissey, Britanniens
Spitze zu berufen. Das sei „trotz wurden keine genannt. Die Person Diversity-Queen. Die Leute wollten
intensiver Bemühung“ leider nicht war 50 geworden, mit 53 wäre eine sich nicht als Teil des Problems se-
gelungen, lässt der Aufsichtsrat aus- tarifliche Verdienstsicherung in Kraft hen. Redet lieber über Talente und
richten. An dem Ziel halte man aber getreten. Das wollte der geschäfts- Resultate, fordert Morrissey, über
weiter fest. führende Gesellschafter unbedingt „smartes“ statt „flexibles“ Arbeiten.
Bei HeidelbergCement haben sie vermeiden. Flexibel klinge viel zu sehr nach faul.
die Bemühungen vorerst ganz einge- Verstöße gegen den Diversity- Manches tradierte Diversity-Re-
Z U T R A D I E RT
stellt. Für die nächsten drei Jahre Gedanken gehörten nach wie vor „Sichtbarkeits“- zept wirkt regelrecht zynisch. Spe-
gibt sich der Dax-Konzern mit einem zum „Alltag“, sagt der Frankfurter Trainings für zielle Trainings für Frauen etwa, mit
Frauenanteil von null Prozent zu- Anwalt Schekib Fischer. Manchmal Frauen findet Di- denen diese „ihre Sichtbarkeit erhö-
frieden. Lässt sich auf der Firmen- werden die Bemühungen von oben versity-Beraterin hen können“, wie Beraterin Hucke
Veronika Hucke
website nachlesen. sogar regelrecht torpediert, wie bei regelrecht zynisch lästert. Männer brauchen solche Se-
Und selbst dort, wo Vielfalt prak- der Ergo. minare nicht – sie werden gesehen.
tiziert und gefördert werden soll, Andere Maßnahmen erzeugen
wird sie jeden Tag ausgehebelt. So Werft das „D word“ weg Abwehrreaktionen, weil sie Gräben
wurde dem Manager eines Groß- Der Versicherungskonzern arbeitet aufreißen, so Berater Michael Stu-
unternehmens neulich untersagt, seit Jahren an einer Imagekorrektur, ber, die bislang „weitgehend ge-
während seiner Elternzeit in redu- seit bekannt wurde, dass seine Ver- schlossen waren“.
zierter Form weiterzuarbeiten. Die triebler mit einer Sexorgie in Buda- Das Unconscious-Bias-Training
ZU ABGEDROSCHEN
Chefs brachten wirtschaftliche pest belohnt wurden. Jahr für Jahr Pionier Michael
ist so ein Beispiel. Bei dem aus Har-
Argumente vor. Der wahre veranstaltet die Ergo nun einen Stuber kritisiert vard stammenden Implicit-Associa-
Grund: In der Gesamtbe- großen Tag der Vielfalt, der letzte den ewig glei- tion-Test werden den Teilnehmern
triebsvereinbarung war dies „DiverseCity“ fand Ende No- chen Eventzirkus in schneller Folge Begriffe vorgelegt,
der Personal-
nur für weibliche Beschäftigte vember in Düsseldorf statt. Rita manager aus denen sie Paare bilden müssen.
vorgesehen. Väter in Elternzeit Süssmuth hielt einen Vortrag Karriere mit Mann zu assoziieren und
kamen im Weltbild der („Diversity geht uns alle Familie mit Frau gilt als Hinweis auf
Sozialpartner nicht vor. an“), der stellvertretende unbewusste Denkmuster, die es zu
Kein Wunder, dass NRW-Ministerpräsident überwinden gilt. Der Ansatz stammt
laut A. T. Kearney bis Joachim Stamp sprach, aus der Verhaltensökonomie, er zeigt,
heute jeder dritte Pastorin Henrike Tetz dass Vorurteile nicht allein durch gu-
Mann fürchtet, seine sorgte für die nötige Prise ten Willen aufzubrechen sind. Im
Karriere zu gefähr- Besinnlichkeit auf dem Po- Idealfall löst er ernsthafte Betroffen-
den, wenn er ein fa- dium. NÄCHSTER heit aus, wenn’s schlecht läuft nur
FOTOS: ROBYN TWOMEY / REDUX / LAIF, PR (2)

milienfreundliches Ange- Im Alltag jedoch kämpfen VERSUCH ein diffuses Schamgefühl und inne-
Christie Smith,
bot in Anspruch nimmt. die Vielfaltsbefürworter in die neue Diver-
ren Widerstand. Dann bleibt der auf-
Auch wenn’s ums Al- der Ergo auf recht verlo- sity-Beauftragte klärend gemeinte Test unproduktiv.
ter geht, scheint Vielfalt renem Posten. Die Kultur bei Apple, soll Sinnvoller wäre es, statt „blaming
in der betrieblichen des Hauses setzt noch allzu der Techikone and shaming“ männlichen Mitarbei-
den Sexismus
Praxis vor allem zu ner- oft auf Diffamierung und austreiben. Ihre
tern ihre unbewussten Privilegien
ven – all der „Silberrü- Angst. Selbst ein schwuler Vorgängerin hat aufzuzeigen, empfehlen erfahrene
cken“-Rhetorik zum Vertriebschef wie Harald hingeschmissen. Diversity-Profis wie Hucke. Nur
Trotz. Einer langjähri- Christ konnte an dem rauen dann würden sie verstehen, warum
86 manager magazin
„ MANAGEMENT TRENDS

NICHTS GEGEN
sie sich den Stress mit Diversity antun
sollen.
Problematisch auch: Das Management

FRAUEN,
von Vielfalt erzeugt neue Stereotype, ob-
wohl es die ja aufbrechen soll. „Männer
gelten immer als stark, wettbewerbs-
orientiert und oft unsensibel“, gibt

ABER GEGEN ZWANG


Thomas Buberl zu bedenken. Der
CEO des französischen Axa-Konzerns
gilt als überzeugter Diversity-Promoter,
aber: Richtig verstandene Diversity müsse
auch berücksichtigen, dass nicht jeder Kerl


ein Alphatier ist, sondern auch mal ein
Alliierter.
Die Kompetenz, Vielfalt wahrzuneh-
Der Arbeitsrechtler Jobst-Hubertus Bauer men, zu schätzen und zur Geltung zu brin-
warnt vor einer Ausweitung der Frauenquote. gen, gehört „in die Anforderungskataloge
an Führungskräfte“, sagt Carsten Wun-
drack, Partner bei Egon Zehnder. Nur wer
MM Herr Bauer, die SPD will stellt, dass sich von allein kein das Thema wirklich durchdrungen habe,
mehr Frauen in Führungsposi- Fortschritt einstellt. lasse Vielfalt auch tatsächlich zu und
tionen bringen. Sie behaupten, Weitere feste Quoten, etwa für die schleife bei seinen Leuten auf dem Weg
dieses Ziel vernachlässige die Vorstände und die ersten beiden nach oben nicht alles Einzigartige ab, „nur
Belange der Arbeitgeber sträf- Führungsebenen, wären verfas- um dann das Originelle wieder mühsam
lich. Wie kommen Sie darauf? sungsrechtlich bedenklich. Ein außerhalb zu suchen“.
QUOT E N GE GN E R
JOBST-HUBERTUS BAUER Ich habe Anwalt Bauer Unternehmen muss selbst ent- Bei der Veranstaltungsreihe Leaders &
überhaupt nichts gegen mehr will keine scheiden dürfen, wem es eine Daughters, zu der Zehnder Topmanager
Frauen in Führungspositionen, nur Frauenförderung Führungsaufgabe zutraut. Das und Topmanagerinnen mit ihren Töchtern
per Gesetz
etwas gegen Zwangsmaßnahmen. geht den Gesetzgeber nichts an. einlädt, soll das Bewusstsein dafür geschaf-
Noch gibt es keinen Zwang? Die Niederlande sind pragmatischer, fen werden. 2017 kamen in 40 Städten und
Ich befürchte, dass es mit der SPD über sie haben eine Frauenquote für die 26 Ländern mehr als 3500 Topshots zusam-
die bereits existierende Frauenquote für Vorstandsetagen eingeführt. Ist die men, sprachen intensiv über weibliche Am-
Aufsichtsräte hinaus weitere Eingriffe in Chancengleichheit der Geschlechter bitionen, Stereotype am Arbeitsplatz und
die Freiheit der Unternehmer geben wird. nicht schützenswert und würde einen die Härten, denen Karrierefrauen ausge-
Firmen müssen sich ihr Spitzenpersonal staatlichen Eingriff rechtfertigen? setzt sind. Die Teilnehmer schießen Selfies,
so aussuchen können, wie sie es für rich- So einfach ist das nicht. Wenn ich einen knüpfen Kontakte und schwören sich: Die
tig halten. Wenn sie sich Ziele setzen, objektiv besseren männlichen Bewerber Töchter sollen es leichter haben.
müssen die freiwillig sein. nicht einstellen darf, weil ich aus Quoten- Ohne eine „Kultur der Empathie“ bleibe
HeidelbergCement hat sich bis 2020 gründen eine Frau nehmen muss, ver- Vielfalt eine Floskel, sagt auch Tony Pro-
die Zielgröße null gesetzt. Toll! stößt dies gegen das Antidiskriminie- phet, Chief Equality Officer bei Salesforce.
Das gilt nur auf Vorstandsebene und wird rungsgesetz. Der schnell wachsende Cloudanbieter aus
vom Gesetz so zugelassen. Bislang werden eher Frauen diskrimi- San Francisco hat Prophet bei Microsoft
Ist das nicht zynisch? niert. Sie kommen in Männerbastio- abgeworben, er soll dafür sorgen, dass
Es geht nicht anders. Sonst müsste man nen nicht hinein, egal wie gut sie sind. schwarze Frauen und weiße Männer bei
die Verträge der amtierenden Vorstände Besetzungen von Führungsjobs sind ein dem SAP-Rivalen voneinander lernen.
ohne Rechtsgrund vorzeitig beenden. komplexer Prozess. Noten und Zeugnisse Auch Deloitte geht in den USA so vor.
Was ist mit den Ebenen darunter? Da dienen auf höheren Ebenen nur als En- Der Prüf- und Beratungsriese hat angekün-
könnte man extern suchen. tree. Erst nach ausführlichen Interviews digt, seine bislang exklusiv für Frauen, Ho-
Das mag im Einzelfall helfen. Die meisten fällt ein Entschluss: Dem oder der traue mosexuelle oder ethnische Minderheiten
Unternehmen fördern indes lieber den ich den Job zu. gegründeten Gruppen zu schließen. Künf-
internen Nachwuchs. Viele Kandidatin- Genau deshalb gewinnen fast immer tig wird in sogenannten Inklusionszirkeln
nen sind sehr jung und benötigen noch die Männer. Ähnlichkeit flößt Ver- diskutiert, da sitzen dann weiße Männer
Entwicklungszeit. trauen ein. Also berufen Männer am mit am Tisch.
Oft ein vorgeschobenes Argument. liebsten Männer. Deloittes Personalexpertin Christie
Ich habe selbst zwei berufstätige Töchter Da hat bereits ein Kulturwandel eingesetzt. Smith wurde gerade erst von Apple ab-
und mich als einer der Ersten in der Kanz- Männer sind inzwischen deutlich offener geworben. Sie soll die Belegschaft der
leiwelt für Frauen als Partnerinnen ein- für Kandidatinnen. So schlicht, wie Sie Techikone endlich aus ihrer Wagenburg-
gesetzt. Fragen Sie doch mal die Frauen meinen, ticken wir nicht. 1 mentalität herausholen. Ihre schwarze Vor-
selbst. Die Hälfte ist gegen Quoten. gängerin als Vice President D&I hatte bei
FOTO: PR

Die andere Hälfte ist leiden- Das Interview führte mm-Redakteurin Apple bereits nach wenigen Monaten wie-
schaftlich dafür, weil sie fest- Eva Buchhorn. der hingeworfen. 1 Eva Buchhorn
F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 87
TAX-
TIME

H
elmut Horten war ein
Kaufmann mit einem
BREXIT Der Austritt Milliarde Mark steuerfrei in die Schweiz.
Damit ihm so was nicht noch mal passierte,
sehr flexiblen morali- Großbritanniens schrieb sich der deutsche Fiskus 1972 Pa-
schen Kompass. Sei- ragraf 6 ins Außensteuergesetz.
nen Aufstieg betrieb aus der EU könnte Diese „Lex Horten“ entpuppt sich nun,
Deutschlands Kauf- deutsche Hoch- 46 Jahre später, als gefährliche Brexit-Falle.
hauskönig (1909 – 1987) auch, indem er Tritt das Vereinigte Königreich wie geplant
1936 jüdischen Konkurrenten ihr Waren- vermögende teuer zu am Freitag, den 29. März 2019, aus der EU
haus in Duisburg nahm. Mit den Nazis kol-
laborierte er und war doch nach kurzer
stehen kommen. aus, droht deutschen Unternehmern mit
Wohnsitz in Großbritannien am darauffol-
Haft schon 1948 wieder groß im Geschäft. Mitschuldig ist ein genden Montag, den 1. April 2019 – kein
Seinen größten Coup aber landete Hor- Scherz –, eine saftige Steuerforderung.
ten als Steuerflüchtling. Um 1970 expedier-
toter Kaufhauskönig. Betroffen sein könnten einige der pro-
te er sein ganzes Vermögen von über einer minentesten Namen des heimischen Geld-
88 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
B REXIT TRENDS

adels. Wer sich durch die Gesell- WAHL- Anruf in London: Der Mann am genossen nicht vergessen werden,
schafterlisten deutscher Unterneh- INSULA- anderen Ende hält etwa 15 Prozent hat die Stiftung Familienunterneh-
merclans fräst, der findet zahlreiche NER an einem Mittelständler, der in der men im Herbst ein Papier veröffent-
englische Adressen. Bei der Darm- deutschen Provinz angesiedelt ist. licht, das eine Reform der Wegzugs-
städter Pharmasippe Merck (Fami- Der Umsatz der Firma kratzt an der besteuerung fordert. Diese gewönne
lienvermögen: 15 Milliarden Euro) Milliardengrenze, sein Anteil dürfte durch den Brexit „täglich an Bri-
ebenso wie bei den Haniels in etwa 70 Millionen Euro wert sein. sanz“, sagt Stiftungsvorstand Rainer
Duisburg (6,8 Milliarden) oder den Mit Frau und Kindern lebt er seit Kirchdörfer, und hänge „wie ein Da-
Werhahns in Neuss (3,4 Milliarden), Jahren in London: wegen der Inter- moklesschwert“ über den Firmen.
beim Mischkonzern Freudenberg nationalität, der guten Schulen und Ganz so dramatisch ist es noch
(Vileda; 4,4 Milliarden), der rheini- FAMILIE seines Zweitjobs als Finanzinvestor. nicht. Schon bei der Debatte um die
schen Zucker-und-Salz-Dynastie HENKEL Nennen wir ihn Mister X. Die Reform der Erbschaftsteuer hatten
Pfeifer & Langen (Diamant Zucker,
Funny-frisch; 1 Milliarde) oder der
Familie Schwanhäußer, den Erfin-
24
MRD. EURO
Anonymität verbirgt die Herkunft
und Verbindung zu seinem Vermö-
gen, was – please, please – so bleiben
die Lobbyisten den Untergang der
Unternehmersippen prophezeit –
eine Übertreibung, die viele Politiker
VERMÖGEN
dern der Stabilo-Textmarker (500 Mehrere möge. Mister X ist alarmiert. Bei ei- in Berlin nicht vergessen haben.
Millionen). Mitglieder der nem Brexit könnte ihm ein Steuerbe- So heißt es im Bundesfinanzmi-
Bekannte Wahlengländer sind Persil-Sippe scheid von bis zu 20 Millionen Euro nisterium denn auch, bei der „Exit-
auch mehrere Mitglieder der Düssel- leben in London, ins Haus flattern: „Dann müssten wir Tax“ brauche es eine europäische
darunter
dorfer Konsumgüterdynastie Hen- Großaktionär uns fragen: Wie viel ist uns unser Le- Lösung. Zumal nicht ausgemacht
kel, allen voran Christoph Henkel, Christoph ben in England wert?“ Derzeit lasse sei, dass die Finanzämter sofort nach
mit gut 5 Prozent größter Einzel- Henkel. er alle Optionen prüfen, sogar einen dem Brexit sämtliche Stundungen
aktionär (Marktwert: rund 2,3 Mil- Umzug zurück in die Heimat – wider aufheben würden. Denkbar sei eine
FAMILIE
liarden Euro) sowie die Cousins HANIEL Willen: „Meine Kinder fühlen sich mehrjährige Karenzzeit, um solche

6,8
Ferdinand Groos und Konstantin doch längst als Engländer.“ Fragen mit den Briten in Ruhe klären
von Unger. Auch die Sprösslinge kann die zu können.
Nicht mal einer wie der Indus- MRD. EURO Wegzugsbesteuerung nach einem Wenn die Steuer einmal greift,
trielle Hubertus Benteler (Familien- VERMÖGEN Brexit erwischen, selbst wenn sie dann allerdings in aller Breite. Ob-
vermögen: 1,2 Milliarden Euro), des- Auch einige der noch gar keine Firmenanteile besit- wohl laut Gesetz nur Gesellschafter
fast 700 Haniel-
sen drei Kinder in Großbritannien Gesellschafter zen. Besuchen sie auf der Insel In- von Kapitalgesellschaften betroffen
weilen, ist sicher: Seine Benteler sind Wahlbriten. ternat oder Universität und der Erb- sind, „kann die Wegzugsbesteuerung
International AG firmiert seit 2010 fall tritt ein, würde die „Exit-Tax“ auch drohen, wenn der Gesellschaf-
in Österreich. Aber auch dort gilt die FAMILIE sofort fällig. Für Edelinstitute wie ter nur mittelbar – zum Beispiel über
FREUDEN-
sogenannte Wegzugsbesteuerung. BERG Eton oder Felsted, das King’s College vermögensverwaltende Personenge-
Natürlich ist jeder Fall anders. Es
gibt Fristen, Ausnahmen und andere
Kautelen. Doch der Steuerparagraf
4,4
MRD. EURO
oder die London School of Econo-
mics (LSE) könnte es sich als teuer
erweisen, wenn die solvente germa-
sellschaften – an Kapitalgesellschaf-
ten beteiligt ist“, erläutert Daniel
Fischer, Partner bei Andersen Tax &
hat viele der solventen Expats kalt VERMÖGEN nische Nachkommenschaft künftig Legal in Köln. Eine KGaA wie bei
Der Vileda-Clan
erwischt. In Family-Offices und gilt ebenfalls als sicherheitshalber woanders paukt. Merck oder eine KG wie bei Wer-
Kanzleien ist die „Exit-Tax“ ganz anglophil. Hochvermögende wie Katjes- hahn schützt also nur bedingt.
nach oben gerückt – schon weil sich Mitinhaber Tobias Bachmüller, der Was tun gegen den T-Day? Kniff-
viel einträglicher Beratungsbedarf FAMILIE Tochter Marie ans King’s College lig. Aus der Kapital- eine Personen-
WERHAHN

3,4
ergibt. Die drohende Wegzugsbe- ließ, oder Medientycoon Hubert gesellschaft machen? Da müssten
steuerung sei „mittlerweile ein gro- Burda, dessen Sohn Jacob an der die anderen Eigentümer zustimmen,
ßes Thema“ in der Szene, sagt Jens MRD. EURO LSE studierte, würden ihre Erben Haftung und Steuern würden sich
Schönfeld, Partner bei Flick Gocke VERMÖGEN heute wohl eher nach Frankreich erheblich ändern. Eine Stiftung ein-
Schaumburg in Bonn. Von den mehr oder Österreich entsenden. richten? Denkbar, aber der Stifter
als 400 Gesell-
FOTO: DE RUSSE / LE FIGARO MAGAZINE / LAIF, DPA / PICTURE-ALLIANCE

Es geht in der Regel um viele Mil- schaftern hat Der Geldadel muss umplanen, so gibt dann auch Macht aus der Hand,
lionen. Denn wer Anteile von mehr es diverse viel steht fest. Die Hoffnungen so und zwar unumkehrbar. „Das ist eine
auf die Insel
als einem Prozent an einer inländi- verschlagen. mancher Fans der „Tea-Time“, dass echte Nuss“, sagt Roland Hoven,
schen Kapitalgesellschaft hält und die Briten die Selbstisolation noch Partner bei Baker Tilly in München.
ins Ausland umzieht, muss deren FAMILIE abblasen, dürfen seit Dezember als Anteilseigner, die auf Nummer si-
BENTELER

1,2
stille Reserven versteuern. Der Steu- beerdigt gelten. Da einigte sich Pre- cher gehen wollen, ziehen zurück in
ersatz? Meist knapp 30 Prozent. mierministerin Theresa May mit der die EU. Da gibt es ja auch ganz schö-
Dem entgeht nur, wer in der EU EU auf die Eckpunkte zu Finanzaus- ne Plätzchen, zum Beispiel den Wör-
MRD. EURO
wohnen bleibt. Dann kann die Steu- VERMÖGEN gleich, Bürgerrechten und der Gren- thersee. Dort lebt Helmut Hortens
er bis zu zehn Jahre gestundet wer- Die drei Kinder ze zwischen Nordirland zu Irland. Witwe Heidi (76). Sie gilt heute mit
von Patriarch
den. Viele vermögende deutsche Hubertus Seither geht es im Brexit-Poker um einem Vermögen von rund 2,7 Milli-
Wahlbriten konnten ihren Steuerbe- Benteler leben in den größten Brocken, die zukünftigen arden Euro als eine der reichsten
scheid also bisher getrost ignorieren. England. Handelsbeziehungen. Damit die In- Personen Österreichs.
Der Brexit ändert nun alles. teressen ihrer anglophilen Standes- 1 Christoph Neßhöver
F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 89
TRENDS

MAGISCHES H E N R I K M Ü L L E R ist Professor für

VIERECK wirtschaftspolitischen Journalismus an der


Technischen Universität Dortmund.

Angriff aus Amerika


Muss nach den USA jetzt auch Deutschland die Unternehmen-
steuern senken? Ja, aber nicht so plump.

D
onald Trump hatte das Gesetz noch nicht besondere hierzulande genießt die „schwarze Null“
unterzeichnet, da meldete sich bereits der geradezu den Rang eines nationalen Imperativs. Bil-
Bundesverband der Deutschen Industrie EI N S CH N I T T lige Forderungen nach einer Entlastung der Unter-
Körperschaft-
(BDI) zu Wort. „Die USA machen ernst mit steuersätze in nehmen wären politisch hochproblematisch: Wer
der Verschärfung des internationalen Steuerwettbe- ausgewählten die Körperschaftsteuern senken will, muss sagen, wer
werbs.“ Nun müsse auch die Bundesregierung handeln. Ländern, dafür zahlt. Sprich, welche anderen Steuern erhöht –
Sonst würden die Unternehmen ihre Drohung wahr- in Prozent1 oder welche öffentlichen Leistungen gekürzt – werden
machen und „Konzernfunktionen und Investitionen in USA 2017 38,9 sollen.
die USA verlagern“. Dazu kommt, drittens, eine deutsche Sondersitua-
Es war absehbar: Nachdem die Republikaner im Kon- Frankreich 34,4 tion. Viele Unternehmen sind nach wie vor als Perso-
gress ein großes Steuersenkungspaket auf den Weg nengesellschaften verfasst und unterliegen nicht der
Belgien 34,0
gebracht haben, schwappt die Debatte jetzt über den Körperschaftsteuer, sondern der Einkommensteuer.
Atlantik. Einerseits verständlich: Wenn Amerika die Deren Spitzensatz müsste dann folgerichtig ebenfalls
Deutschland 30,2
Besteuerung von Firmengewinnen massiv senkt, müssen sinken. Allerdings sind Firmengewinne und Vermögens-
sich europäische Länder wie Deutschland und Frank- USA 2018 25,8 erträge seit 2000 fast doppelt so schnell gestiegen wie
reich in Acht nehmen, sie liegen OECD-weit nun an der die verfügbaren Einkommen aus Arbeit und Sozialtrans-
Spitze (siehe Grafik). Spanien 25,0 fers. Die erste Einkunftsart zu entlasten und die zweite
Andererseits wirken simple Forderungen, es den USA OECD- weiter zu belasten käme einer Kampfansage an die nor-
gleichzutun, völlig aus der Zeit gefallen. Sie passen nicht Durchschnitt1 24,2 malen Bürger gleich.
in ein Umfeld, in dem die Gewinne hoch sind und die Das bedeutet: Wenn die Wirtschaft eine solche De-
Schweden 22,0
Investitionen niedrig. Es sei denn, man will unbedingt batte anzettelt, kann sie nur verlieren. Statt im Stil der
eine neue Verteilungsdebatte lostreten. 90er Jahre mit Abwanderung zu drohen, sollten die Kon-
Schweiz 21,2
zerne und Verbände lieber Signale aussenden, dass sie
ES GIBT INTELLIGENTERE ANTWORTEN auf die trumpsche Großbrit. 19,0 gewillt sind, den Wohlstand auf faire Art und Weise wei-
Steuerreform. Aber zunächst einmal die paar Fakten: ter zu mehren.
Erstens, Unternehmensteuern tragen heute in den 1 | Ungewichtet.
OECD-Staaten deutlich weniger zu den Staatsein- Quelle: OECD, PwC
Grafik: mm NÖTIG DAZU WÄRE EIN INVESTITIONSPAKT. Der Unterneh-
nahmen bei als vor der Finanzkrise. Das liegt nicht etwa menssektor ist in den vergangenen Jahren zum Netto-
an der schwachen Profitabilität der Firmen (die Ge- sparer geworden – ein auf Dauer unhaltbarer Zustand,
winne entwickeln sich vielerorts sehr dynamisch), son- der den marktwirtschaftlichen Gesellschaftsvertrag in-
dern daran, dass die Staatsquote seit 2007 insbesondere frage stellt (siehe meine Kolumne in mm 12/2017). Ohne
in Europa gestiegen ist. Die zusätzlichen Belastungen eine Modernisierung des Kapitalstocks aber wird die
FOTO: HELENA BRINKMANN / INSTITUT FÜR JOURNALISTIK

indes tragen vor allem die Bürger, in Form höherer Ein- schleichende Erosion der Leistungsfähigkeit dieses Lan-
kommen- und Verbrauchsteuern. des voranschreiten.
Zweitens, die US-Steuerreform kostet den ameri- Von der Politik ist derzeit wenig zu erwarten, sie
kanischen Fiskus geschätzt 1,5 Billionen Dollar an zu- verschleißt sich in Debatten um Flüchtlingsfragen und
sätzlichem Staatsdefizit über die kommenden zehn Jah- Sozialleistungen. Die Initiative ergreifen muss die Wirt-
re. Trump und die republikanische Mehrheit im Kon- schaft. Natürlich können Steuerentlastungen und öf-
gress verschieben damit Verteilungskonflikte in die fentliche Investitionen wichtiger Teil eines solchen Pak-
Zukunft. Eine solche Schuldenpolitik lässt das finanz- tes sein. Aber dann wären sie eingebettet in eine
politische Regelwerk der Euro-Zone gar nicht zu. Ins- Übereinkunft, die auf Gegenleistungen beruht. 1

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Zur Finanzierung der nuklearen Altlasten darf
Anja Mikus 24 Milliarden Euro anlegen. Sie will das
FOTO: GÖTZ SCHLESER FÜR MANAGER MAGAZIN

möglichst ökologisch tun, aber auch nach allen Regeln der Kunst.
Ein interessantes Experiment auch für Privatanleger.

92 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
ÖKO-AKTIVISTIN
CEO Mikus for-
dert mehr als
nur Dividende:
„Wir wollen
gehört werden!“
PORTFOLIO AT OMFONDS

ANTI-ATOMKRAFT-BEWEGUNG
MIKUS’ KLUB DER
GR NEN KAPITALISTEN

er Flur des Bundeswirtschaftsministeriums 1


versprüht an diesem Nachmittag kurz vor

2
Weihnachten das Flair eines historischen
Museums. Unter einem Schild mit der Auf-

5
schrift „Zeiterfassung nicht vergessen“
glänzen die Holzböden wie frisch geboh-

3
nert, ein Reinigungswagen wartet darauf, 4
noch mal durchzufeudeln. Alle Bürotüren
sind geschlossen. Anja Mikus (59), die
30 Jahre lang in Stuttgart, München und
Frankfurt für große Geldverwalter gear-
beitet hat, kann sich an diese Grabesruhe
einfach nicht gewöhnen. Mitte Juni ist sie
angetreten, den sogenannten Atomfonds
aufzulegen, den ersten großen deutschen
Staatsfonds.
24,1 Milliarden Euro soll Mikus so ver-
walten, dass mit dem Geld die Zwischen-
und Endlagerung des deutschen Atom-
mülls finanziert werden kann, bis zum En-
de des Jahrhunderts. Die Summe stammt worten müssen, wenn sie Geld vom „Fonds beweisen, dass sich auch im Stammland
von den Versorgern Eon, RWE, EnBW und zur Finanzierung der kerntechnischen Ent- der Pfandbriefe, Sparbücher und Bundes-
Vattenfall, die nach dem Reaktorunfall in sorgung“ erhalten wollen. Die Fondsma- anleihen hohe Rendite erzielen und hoch-
Fukushima von Bundeskanzlerin Angela nagerin darf das ihr anvertraute Vermögen trabende Pläne umsetzen lassen. So wie das
FOTOS: BLOOMBERG / GETTY IMAGES (2), PR (2), M. NEUGEBAUER / BRAUERPHOTOS

Merkel zu einem Turboausstieg aus der breit und global streuen, in Aktien, Anlei- die Staatsfonds aus Norwegen, den Nieder-
Kernenergie gezwungen wurden. hen, aber auch Immobilien oder hoch- landen oder Singapur seit Jahrzehnten vor-
Bislang sind Mikus und ihre Staats- spekulative Wagniskapitalfonds und Fir- machen. 4,58 Prozent Rendite soll Mikus
fondstruppe zu acht hier, ein Start-up mit- menbeteiligungen. Gerade erst war ein langfristig jährlich erwirtschaften, auf das
ten unter Ministerialbeamten. Das Team Hedgefonds-Grande zum Rapport in der Grundkapital von 17,9 Milliarden Euro. Be-
lässt die Bürotüren offen stehen, damit we- Scharnhorststraße. zieht man die zusätzlichen 6,2 Milliarden
nigstens etwas Leben in die Bude kommt. Einen kleinen Teil des Vermögens muss Euro mit ein, die sie als Risikopuffer im
Es gab schon erste Beschwerden. Aber Un- sie wegen der Auszahlungsverpflichtungen Portfolio hält, sinkt das Profitziel auf 3,3
ruhe zu stiften ist Teil von Mikus’ Strategie. in Zinspapiere anlegen. Mit dem großen Prozent über die gesamten 24,1 Milliarden
„Wir wollen gehört werden“, sagt sie. „Zu- Rest darf ihr Team, das bis Ende 2018 auf Euro. Viele der gut 200 deutschen Pensi-
mindest wenn es um Nachhaltigkeitskrite- rund 25 Experten anwachsen soll, wegen onskassen und Versorgungswerke schei-
rien im Investmentprozess geht.“ des langen Anlagehorizonts von 80 Jahren tern schon an der 2-Prozent-Marke.
Womit wir beim Konzept wären: Mikus laut Mikus „viele interessante Investment- In kaum einem Land der Welt legen die
legt höchsten Wert auf eine soziale und möglichkeiten nutzen“. Bürger so viel Geld zurück und verfügen
ökologische Ausrichtung ihrer Kapitalan- Der Ansatz ist für Deutschland geradezu trotzdem über ein so geringes Nettogeld-
lage. CEOs werden viele Fragen beant- revolutionär. Die Atomfonds-Chefin will vermögen. Die Deutschen kommen nicht
94 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
AT OMFONDS PORTFOLIO

1 MAXIMILIAN 3 JOCHEN Vom Grundsatz her mag Mikus’ GR O S S ES gefunden, die weltweit Unterneh-
ZIMMERER WERMUTH VORBILD
Performanceziel durchaus realis- men auf ihre Nachhaltigkeit hin
Ex-Allianz: Der frühere Portfolio-
Der Chef des Deutschbanker tisch sein. Sie hat kluge Ratgeber um durchleuchten: Sustainalytics, MSCI
aufteilung der
Anlageaus- ist der radi- sich versammelt. Dem fünfköpfigen Yale-Stiftung, und RepRisk. Um Fehlurteile zu ver-
schusses kalste Öko im Anlageausschuss sitzt Ex-Allianz- in Prozent meiden, legt der Atomfonds die
stieg beim Ver- Ausschuss.
sicherer bis Sein Vorbild:
CFO und Münchener-Rück-Auf- Schnittmenge aus allen Bewertun-
zum CFO auf; die Yale-Stif- sichtsrat Maximilian Zimmerer vor, gen zugrunde. Ziel ist, stringenter
Atomfonds- tung – in grün. ebenfalls dabei der Investmentban- als je zuvor ein Destillat der besten
Chefin Mikus ker Martin Korbmacher (ehemals 75 Prozent herauszufiltern.
reüssierte dort 4 M A RT I N
als Fonds- KORBMACHER Dresdner Bank und Credit Suisse)
managerin. Der Ex-Invest- und der schwedische Pensions- „Blackrock ablösen“
mentbanker fondsveteran Mats Andersson. Falls Ohne ausreichende Auswahl an Ak-
2 M AT S bringt viel Ven- 25 Hedgefonds
ANDERSSON ture-Capital- 70 bis 80 Prozent des Risikokapitals 20 Aktien tien kann Mikus nicht arbeiten. Weil
Als CEO von Erfahrung mit. in Aktienfonds investiert werden, 17 Venture nur das schlechteste Viertel ausge-
Schwedens wie ein Ausschussmitglied erwartet, Capital schlossen wird, genügt nicht alles,
14 Private Equity
Pensionsfonds 5 E L G A B A RT S C H sind über den langen Anlagezeitraum was übrig bleibt, den allerstrengsten
10 Immobilien
AP4 verbannte Die Europa- 7 Rohstoffe
er fossile Ener- Chefökonomin ordentliche Renditen fast garantiert. ESG-Ansprüchen. Der Billigflieger
7 Anleihen und
gieanbieter. von Morgan Doch was, wenn die Börsen kurz- Cash Ryanair etwa galt bei Arabesque bis
Stanley schrieb fristig einbrechen und das mächtige zuletzt noch als Beispielunterneh-
ihre Doktorar- Quelle: Yale University
beit über Um-
Kuratorium nervös wird? Was bleibt Grafik: mm
men, trotz des harten Kampfes um
weltschutz. dann von dem hehren Staatsfonds- einen Betriebsrat, ebenso wie Face-
anspruch? Die Erfahrungen sind da book, trotz der umstrittenen Rolle
eher ernüchternd. des sozialen Netzwerks bei der
An Mikus soll es nicht liegen. In Verbreitung von Fake News im US-
ihrem Leben war sie oft vorn mit da- Wahlkampf und dessen Monopol-
WER WEN KONTROLLIERT bei: als eine der wenigen Frauen im macht. Immerhin, Wertvernichter
Aufsichtsrat eines Dax-Unterneh- wie den von einem Bilanzskandal er-
ANLAGEAUSSCHUSS
Vorsitz: Maximilian Zimmerer mens (seit 2015 kontrolliert sie für schütterten Möbelkonzern Steinhoff
berät den Bund die Commerzbank) oder (siehe mm 9/2017) oder den umstrit-
als eine der Ersten in der Führung tenen Pharmakonzern Valeant sor-
KURATORIUM DER STIFTUNG großer deutscher Fondsgesellschaf- tiert das System zuverlässig aus.
Vorsitz: Thorsten Herdan
ten. Zunächst bei der Allianz, wo die Den Anlageausschuss hat Mikus
nickt oder lehnt Investment-
ideen des Vorstands ab gebürtige Kasselerin in den 90ern zu mehrheitlich mit Klimakämpfern
einem Anlagestar aufstieg und die besetzt. Drei der fünf Mitglieder sind
VORSTAND DER STIFTUNG Titelseiten der Börsenmagazine echte Nachhaltigkeitsenthusiasten:
CEO und CIO: Anja Mikus
zierte, später als Chief Investment Mats Andersson hat bis 2016 als
Officer bei Union Investment. Die CEO den schwedischen Pensions-
Quelle: Allgemeine Verwaltungsvorschrift für
die Stiftung „Fonds zur Finanzierung der Fondstochter der Volksbanken ist fonds höchst umweltfreundlich ge-
kerntechnischen Entsorgung“ vom 27.6.2017
Grafik: manager magazin bekannt dafür, öffentlich aufzu- führt. Elga Bartsch, Europa-Chef-
begehren, wenn ihr der Kurs von ökonomin bei der Investmentbank
Konzernbossen nicht passt. Diesen Morgan Stanley, schrieb schon ihre
mal auf 50 000 Euro pro Kopf, weni- rebellischen Geist will sich Mikus Doktorarbeit in Kiel über die Verbin-
ger als Italiener, Franzosen, Dänen, auch beim Atomfonds erhalten. dung von Ökonomie und Ökologie.
Briten, Niederländer, Schweden und Sie gilt seit Langem als Verfech- Der radikalste Öko im Bunde ist
Schweizer sowieso (175 000 Euro). terin grüner Geldanlage. Die Erder- Jochen Wermuth. Er hat bei der
Der Exportweltmeister verdient sich wärmung treibt Mikus derart um, Deutschen Bank als Investment-
dumm und dämlich – und vernich- dass sie 2012 bei Union kündigte und banker ein Vermögen gemacht. Sein
tet die Überschüsse dann durch eine zur Investmentboutique Arabes- Family-Office Wermuth Asset Ma-
ebensolche Anlagestrategie. Gerade que wechselte. Dort baute sie mit nagement ist ein dem Klimaschutz
mal 3 Prozent Rendite erzielten dem Ex-Barclays-Investmentbanker verpflichteter Vermögensverwalter.
die Deutschen laut Allianz Global Omar Selim einen daten- und com- Er ist fest davon überzeugt, dass die
Wealth Report mit ihrem Geldver- puterbasierten Fonds auf, der streng mehr als 20 Billionen Dollar, die in
mögen zwischen 2012 und 2016, in nach ökologischen und sozialen Kri- fossilen Energieanlagen stecken,
den meisten anderen Euro-Ländern terien sortiert und auf gute Unter- stetig an Wert verlieren werden und
fuhren die Bürger 5 Prozent ein. nehmensführung achtet („Environ- Cleantech die nächste große Rendi-
Warum also sollte nun ausgerech- mental, social, governance“, ESG). techance ist. In Präsentationen kün-
net Mikus gelingen, was vor ihr nie- So will Mikus nun auch beim digt Wermuth schon mal an, seine
mandem vergönnt war? Zumal sie Atomfonds vorgehen. Zusammen Tochter Resource Efficiency and
kontrolliert wird von Leuten, die mit Nachhaltigkeitsexpertin Bereni- Energy Firm (REEF) werde „Black-
dem deutschen Volk quasi aus der ke Wiender, die vom Stifterverband rock und Blackstone ablösen“,
Seele sprechen. kommt, hat sie drei Ratinganbieter also den größten Vermögensver- 2
F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 95
PORTFOLIO AT OMFONDS

walter und die größte Private-Equity-Ge- übernahm der US-Chipriese Intel Mobi- Veranstaltung der Fondsgesellschaft Lupus
sellschaft der Welt. leye, und die Kanadier machten einen schö- Alpha in der Alten Oper in Frankfurt sein
Der Mann hat eine blühende Fantasie, nen Schnitt. Modell vor (siehe Grafik Seite 95).
aber er liefert auch. Sein Green Gateway Aber würden Politiker Mikus Milliarden Nach Swensens Vortrag kamen zwei
Fund hat den Wert der Beteiligungen seit für ein riskantes Start-up-Investment bewil- Deutsche auf die Bühne: Dieter Lehmann,
2013 um 160 Prozent gesteigert, gemessen ligen? „Wir werden nicht nur in Anleihen oberster Vermögensverwalter der Volkswa-
an den Kaufgeboten, die der Fonds für sei- und Aktien gehen“, sagt Mikus diplomatisch. gen-Stiftung, und Stefan Hloch, zuständig
ne Firmen erhalten hat. für die Pensionsgelder bei Eon. Ihre jährli-
Mit solch sauberen Investments dürfte Vorbild Yale che Durchschnittsrendite in der vergange-
Mikus im Kuratorium auf keinen Wider- Ginge es nach dem Schweden Andersson nen Dekade: gut 6 Prozent, die Hälfte von
stand stoßen. Bei Techwetten sieht das und Ex-Deutschbanker Wermuth, würden Swensens also. Was denn da schiefgelaufen
schon anders aus. Der Canadian Pension solche Anlagen einen zentralen Bestandteil sei, wollte die Moderatorin wissen. Will-
Plan etwa hat anderthalb Jahre lang mit ei- der Strategie bilden. Für die beiden sind die kommen in Deutschland mit all seinen Vor-
nem eigenen Team zur Zukunft der Auto- Stiftungen der US-Eliteunis Harvard und schriften und Aufsichten, gab Lehmann zu-
mobilität geforscht und ist dann früh in Yale das Vorbild. Yale-Chefanleger David rück. Mit 35 Prozent habe er schon einen
Mobileye eingestiegen, den israelischen Swensen schaffte in den vergangenen 30 enorm hohen Aktienanteil für hiesige Ver-
Sensorspezialisten für selbstfahrende Au- Jahren 12,5 Prozent Rendite pro Jahr. Ver- hältnisse, die Hälfte aber müsse er in Zins-
tos. Das Kalkül ging auf: Zwei Jahre später gangenen November stellte er bei einer papieren halten.

REN DIT EPOTENZIAL MIT ÖKOFILTER


Die Top-Investments des früheren Fonds von Anja Mikus – die Aktien müssen zu den ökologisch und sozial verantwortungsvolle-
ren 75 Prozent der Börsenunternehmen gehören.

Name ISIN Kurs-Gewinn- Dividenden- Gewinn- Kurs- Beschreibung


Verhältnis rendite entwicklung entwicklung
20182 20182, in % 20173, in % 20173, in %

A. O. Smith Corporation / USA US8318652091 26,4 1,0 15,4 23,6 Produziert Wasserkocher,
hohes Energiesparpotenzial
AAC Technologies / CN KYG2953R1149 20,5 1,8 29,6 49,0 Handykomponenten
Aena SME / ES ES0105046009 21,2 2,9 39,7 23,0 Betreibt weltweit Flughäfen
Amadeus IT Group / ES ES0109067019 25,5 1,8 20,7 6,1 IT-System für Flugreservierung
Big Lots / US US0893021032 13,5 1,7 7,0 25,5 Groß im US-Heimdekormarkt
Burlington Stores / US US1220171060 29,1 – 43,5 50,6 US-Billigmodekette
Caterpillar / US US1491231015 20,3 2,0 - 36,5 Baumaschinen
The Children’s Place / US US1689051076 19,7 1,1 76,8 45,6 Preisgünstige Kleidung für
Kinder bis zwölf Jahre
Comerica / US US2003401070 15,3 1,5 -8,4 62,8 US-Bank, bekannt für gutes
Kreditrisikomanagement
D.R. Horton / US US23331A1097 15,4 0,9 17,2 32,2 US-Leader im Eigenheimbau
DSV / DK DK0060079531 23,9 0,5 -18,9 15,6 Margenführer in der Logistik
Essent Group / BM BMG3198U1027 11,5 – 41,5 47,9 Hypothekenversicherer
Garmin / CH CH0114405324 20,2 3,5 12,0 31,1 Marke für Fitness-Tracker
The Home Depot / US US4370761029 26,0 1,9 13,5 10,0 Größte US-Baumarktkette
Infineon Technologies / DE DE0006231004 25,7 1,1 6,2 34,2 Chiphersteller
Inogen / US US45780L1044 80,3 - 77,1 67,6 Tragbare Sauerstoffgeräte
Insperity / US US45778Q1076 22,5 1,1 67,5 47,4 Outsourcing-Personaldienst
Lear Corporation / US US5218652049 10,5 0,9 30,8 7,8 Autositze und -elektronik
Marvell Techn. Group/ BM BMG5876H1051 19,3 1,0 - 70,5 Funkchips für Roboterautos
Mettler-Toledo US5926881054 32,0 – 8,9 23,4 Präzisionswaagen für Labore,
International / US profitiert vom Biotechboom
MSCI / US US55354G1004 28,2 1,2 16,6 9,2 Indexlizenzanbieter,
profitiert vom ETF-Boom
Neste Oyj / FI FI0009013296 16,7 3,1 68,3 32,1 Biokraftstoff (50 Prozent/Ebit)
The PNC Fin. Serv. Group/ US US6934751057 14,7 2,2 -4,9 22,7 Zinsanstieg hilft der Filialbank
Ross Stores / US US7782961038 25,0 0,8 9,5 16,1 „Dress for less“ ist der Slogan
RPC / US US7496601060 16,5 1,4 -41,9 65,8 Ölförderservices, u. a.
Feuerwehr für Bohrplattformen
Sandvik / SE SE0000667891 18,5 2,4 145,1 52,2 Werkzeuge, Bohrer, Stahl
Straumann / CH CH0012280076 38,7 0,8 224,8 30,3 Zahnimplantate
TE Connectivity / CH CH0102993182 19,0 1,6 -16,2 29,0 Stecker und Sensoren
Visa / US US92826C8394 28,8 0,6 11,8 27,3 Kurs verdoppelt seit IPO 2008
Weibo / CN US9485961018 44,3 – 210,9 108,2 Mikroblogging-Dienst in China

1| Topholdings des Arabesque Systematic; 2| Durchschnittsschätzung der bei Bloomberg erfassten Analysten;
3| jeweils letztes Geschäftsjahr. Quelle: Arabesque, Bloomberg, Unternehmen

96 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
AT OMFONDS PORTFOLIO

„ES WIRD
Die Chefinvestorin des Atomfonds hat Das Risiko von Abstürzen lässt sich
einen Dreijahresvertrag, doch sie muss bei auch mit sogenannten Absolute-Return-

ANSTRENGEND!
allen Anlageentscheidungen das Kuratori- Fonds reduzieren, der letzte von Mikus
um der Stiftung hinter sich bringen. Dort betreute Fonds Arabesque Systematic etwa
sitzen die Ministerialen, drei Beamte des steuert seinen Aktienanteil von 0 bis 100

ANTI-
Wirtschaftsressorts mit Thorsten Herdan Prozent, je nach Kurstrend. So soll si-
an der Spitze, ein Fachmann für Energie- chergestellt werden, dass die Strategen

ZYKLISCHES
politik. Zwei Kuratoren stellt das Finanz- rechtzeitig vor einem Crash aus Aktien
ministerium, zwei weitere das Umwelt- aussteigen. Auf solchen Hedgefonds klebe
ressort. Dazu kommen Vertreter der kein Verbotsschild drauf, so ein Mitglied

ANLEGEN
Bundestagsparteien, die das Parlament des Anlageausschusses, gibt aber zu beden-
nach der Wahl noch bestätigen muss. ken: „Richtig interessant wird es, wenn das

VERLANGT
Mit Vermögensanlage hat keines der öffentlich thematisiert wird.“
Mitglieder wirklich Erfahrung, und auch Die Bundestagsabgeordneten von SPD
die RAG-Stiftung zur Abfederung der Fol- und Linke dürften bei allem, worauf das

STAND-
gekosten des Steinkohlebergbaus taugt münteferingsche „Heuschrecken“-Label
nicht als Modell für den Atomfonds: Die klebt, eher zurückhaltend sein. Mikus hofft,

VERM GEN.“
RAG-Stiftung investierte im Wesentlichen die Politiker mit ihrem Nachhaltigkeits-
in ein Asset, den Chemiekonzern Evonik. anspruch gewogen zu halten. Nach dem
Mikus will ihr Kapital breit streuen, sie Motto: viel Grünes und Soziales, dafür aber
setzt ganz auf den Finanzmarkt, um ihr eine Prise rauen Kapitalismus.
Anja Mikus
Renditeziel zu schaffen. Und genau dies Kuratoriumsmitglied und SPD-Bundes-
könnte noch zu größeren Verwerfungen tagsabgeordnete Nina Scheer lobt Mikus
führen – an den Börsen wie im Kuratorium. Turbulenzen auf Kurs hält. Dass man bei dafür, den „Nachholbedarf in der Finanz-
Denn ob Aktien, Anleihen oder Beteili- Rückschlägen sogar mal nachkaufen kann, welt“ anzugehen: „Die UN-Nachhaltig-
gungen abseits der Börse – nach der langen müsse dem Kuratorium wohl erst noch keitsziele müssen sich auch in Investment-
Rallye ist fast alles teuer. „Im Moment sind vermittelt werden, sagt einer. Echte Macht entscheidungen wiederfinden.“
die Renditepotenziale weitgehend ausge- haben die Investmentexperten nicht. „Ei- Zunächst einmal muss Mikus in den
schöpft“, gibt Mikus zu. Zwischenzeitliche gentlich müsste das Gremium Anlagevor- kommenden Monaten jedoch Topleute für
Verluste sind da kaum zu vermeiden. schlägeausschuss heißen“, konstatiert ein den Atomfonds gewinnen, und das wird
Eine Lage, die für Politiker und Beamte anderer. Formal macht der Stiftungsvor- nicht ganz einfach. „Wir zahlen nicht die
in den Ausschüssen höchst heikel ist. „Die stand unter Mikus einen Kaufvorschlag, der Gehälter, die große Assetmanager bieten“,
pfuschen ständig rein“, sagt ein Fondsma- Ausschuss gibt dazu seinen Kommentar und sagt sie. Dafür bekomme ein Geldexperte
nager, der für einen landeseigenen Entsor- das Kuratorium nickt ihn ab – oder nicht. bei ihr vom Start an einen „tollen Über-
gungsbetrieb Kapital verwaltet. Obwohl blick“ und könne viel lernen. Der Staats-
das Geld sicherstellen soll, dass Mülldepo- Eine Prise rauer Kapitalismus fonds als Karrieresprungbrett? Nur wenn
nien noch in 100 Jahren versiegelt sind, Wegen der Niedrigzinsen werden die Geld- Mikus wirklich liefert.
würden die Bürokraten bei Verlusten sofort novizen besonders starke Nerven brau- Bislang wird zwar groß gedacht, aber
hypernervös und drängten auf Aktienver- chen. „Wer in dem Umfeld 5 Prozent Ren- klein gehandelt. Als ihr COO Victor
käufe, „meist zum falschen Zeitpunkt“. dite erzielen will, muss zwischenzeitlich Moftakhar Anfang Dezember 2017 ein
So hätte auch die Deutsche Bundesstif- auch mal Verluste von 40 Prozent aushal- erstes Beratermandat für den Aufbau der
tung Umwelt beinahe viel Vermögen ver- ten können“, sagt Christian Jasperneite, Arbeitsgrundlagen vergab, sorgte er bei
nichtet. Bundesfinanzminister Theo Wai- Chefinvestmentstratege bei M.M. Warburg. den führenden Consultants für lange Ge-
gel und sein Staatssekretär Hans Tietmeyer Und was, wenn die Märkte kollabieren sichter. Die Branchengrößen hatten teils
hatten sie 1990 gegründet, mit umgerech- wie im März 2009, dem Tiefpunkt der Fi- umfangreiche Konzepte eingereicht, bis
net 1,3 Milliarden Euro. Im Dotcom-Crash nanzkrise? Da wären von den knapp 18 Mil- hin zur Personalpolitik und Anlageinfra-
zur Jahrtausendwende gerieten Politiker liarden Euro Risikokapital des Atomfonds struktur.
und Beamte in Panik und hätten am liebs- wahrscheinlich nur mehr 10 stehen geblie- Das nukleare Räumungskommando
ten alle Aktien verkauft. ben. Einen derartigen Einbruch will Mikus verzichtete auf die Rundumpakete und
Tietmeyer, inzwischen frisch emeritier- durch Risikomanagement verhindern, wählte eine kleine Lösung, um zunächst
ter Bundesbankpräsident und noch immer warnt aber schon mal: „Also, es wird an- einmal Formalitäten wie die Eintragung ins
Kuratoriumschef, nordete die Kollegen ein. strengend! Antizyklisches Anlegen verlangt Handelsregister und die Buchhaltung zu
Die Stiftung hielt an ihrer Strategie fest, ab Standvermögen.“ Nur wenn die meisten erledigen. Den Zuschlag bekam die Berliner
2003 erholten sich die Kurse. Das Stiftungs- pessimistisch seien, „sind die Kurse da, wo Intech GmbH, eine Drei-Mann-Bude um
vermögen stieg auf zuletzt 2,1 Milliarden man sie haben möchte“. den ehemaligen McKinsey-Berater Wolf-
Euro, obwohl zwischenzeitlich 1,7 Milliar- Sie hat mit ihrem Kuratorium über ein gang Meissner. Sie hatte ein solches Mi-
den Euro für Projekte ausgezahlt wurden. solches Szenario gesprochen. Wenn es nimalangebot erstellt und war vom Bun-
Dem Atomfonds fehlt ein solch finanz- dann tatsächlich eintritt, sei aber noch mal deswirtschaftsministerium empfohlen
kundiges politisches Schwergewicht im alles anders. Und Kursverluste mithilfe von worden. Für das hatte Intech zuvor bereits
Kuratorium. Mikus muss darauf vertrauen, Futures und Optionen zu begrenzen, ist gearbeitet. So läuft das eben, wenn Minis-
dass ihr Anlageausschuss die Kuratoren bei teuer. teriale mitreden. 1 Mark Böschen
F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 97
PORTFOLIO

GELDANLAGE FÜR ...

HEDONISTEN KOPFMENSCHEN

Mondpreis für die Ebay auf


Astronauten-Uhr Argentinisch
Erstmals wurde eine Omega für mehr als eine MercadoLibre ist die heißeste
Million versteigert. Die Marke hat Potenzial. Internetwette Südamerikas.

A M
m 12. November 2017 ge- nografen, jenes Modell, mit dem die anchmal denke ich, wie schön es gewe-
gen 19 Uhr wurde ich im Nasa 1969 auf dem Mond landete, sen wäre, mit dem Wissen von 2017 im
Hotel „La Réserve“ in Genf bieten Raum zur Preisgestaltung. Jahr 2007 investiert zu haben. Diese
Zeuge eines Weltrekords: Erstmals Eine Investition wert ist insbe- schwachen Momente gehen aber rasch vorüber.
durchbrach der Auktionspreis für sondere die legendäre erste „Speed- Schließlich gibt es auch heute noch Gelegenhei-
eine Armbanduhr der Marke Ome- master Referenz 2915“, die 1957 ten, man muss nur richtig suchen. MercadoLibre
ga die Millionengrenze. Das Be- herauskam. Davon gibt es drei Ver- (MELI) ist so eine Aktie, der E-Commerce-Markt-
sondere an der vom Auktionshaus sionen (2915-1-2-3). Vor gut zwei führer Lateinamerikas.
Phillips für 1,4 Millionen Jahren erst knackte sie Der Konzern verfolgt ein ähnliches Geschäfts-
Schweizer Franken ver- die Preisschwelle von modell wie Ebay, bietet unabhängigen Händlern
steigerten „Omega Tour- 100 000 Dollar. Im De- eine Plattform. So umfassend, dass MELI in Latein-
billon“ von 1947 ist der zember 2015 erzielte dann amerika mit demselben Anspruch auftritt wie Ama-
in Handarbeit (nicht wie eine „Omega 2915-1“ den zon im Rest der Welt: To be the store of everything,
heute computergestützt) Preis von 137 000 Dollar, der Laden, in dem es alles zu kaufen gibt.
hergestellte Tourbillon- den letzten Rekord setzte Lateinamerika ist, was das
gang, der den Beein- eine „Speedmaster“ ver- Internetzeitalter anbelangt, oft UM 6
trächtigungen der Gang- gangenen Oktober bei ei- noch auf dem Stand von 2007. PROZENT
genauigkeit durch die ner Auktion mit 275 000 Der große Schub steht erst noch wuchs der Konzern
Schwerkraft entgegen- Dollar. Es handelte sich an. Der Onlinehandel wächst 2015 in Brasilien,
wirkt. Im Katalog wird um eine fast nie getrage- zwar jedes Jahr um 18 Prozent, auf dem Höhepunkt
der Krise
die Uhr als möglicher- SPEEDMASTER ne und nie polierte Uhr, steuert bisher aber trotzdem nur
Diese „Refe-
weise erster Prototyp renz 2915-2“
die der Sohn des Erstbe- 3 Prozent zum Gesamtumsatz bei. Und 25 Prozent
einer Tourbillonkleinst- kostete 2016 sitzers beim Aufräumen des Digitalkuchens hat sich MELI gesichert.
serie beschrieben. 50 600 Euro wiedergefunden hatte. Das Unternehmen hat seinen Heimatmarkt fest
Rund ein halbes Dut- Nicht jede „Speedmas- im Griff. Die Hälfte der Erlöse stammt aus Brasilien,
zend solcher Modelle ter 2915“ ist mehr als ein Drittel aus Argentinien. Das bedeutet hohe Vo-
wurde in den letzten 40 Jahren auf 200 000 Dollar wert. Die meisten latilität, setzt aber auch hohe Eintrittsbarrieren für
Auktionen angeboten und verstei- dieser oft 60 Jahre alten Stücke zei- die globale Konkurrenz. Im brasilianischen Krisen-
gert, in den 80er Jahren kam bei gen deutliche Gebrauchsspuren. jahr 2015 steigerte der lokale MELI-Ableger seinen
Dr. Crott ein Exemplar für 70 000 Getragene, aber gut erhaltene Umsatz in Dollar gerechnet um 6 Prozent. Das Ge-
D-Mark unter den Hammer, 2007 „Speedmaster 2915-1“ kosten zwi- schäftsmodell scheint also stabil.
zahlte ein Sammler bei Antiquorum schen 100 000 und 120 000 Euro, Billig ist die Aktie nicht. Der Kurs hat sich 2017
in Genf für eine derartige Uhr im je nach Zustand. Die Modelle „2915- fast verdoppelt, MELI ist an der Börse 14 Milliarden
Goldgehäuse 256 000 Franken. 2“ und „2915-3“ sind preiswerter. Dollar wert. Das entspricht mehr als dem Zehnfachen
Die Millionen-Omega zeigt, wel- Alle haben gute Aussichten auf ei- des aktuellen Umsatzes. Aber ich glaube an das Po-
ches Potenzial inzwischen in der nen weiteren Wertzuwachs. 1 tenzial, denke eher an Kaufen als an Verkaufen. 1
Marke steckt. Von Ende der 90er
Jahre an wurde sie unter Führung
FOTOS: BENOIT MAHAUX, PR (2)

des 2010 verstorbenen Swatch- Helmut Crott ist Experte für Georg von Wallwitz ist Vermögens-
Gründers Nicolas Hayek neu posi- Vintage-Uhren und berät verwalter, Fondsmanager und
auch das Auktionshaus Phil- Buchautor. Besonderes Kennzeichen:
tioniert, im oberen Luxussegment. lips. Sie erreichen ihn über sein ausgesprochen scharfer Blick für das
Vor allem die „Speedmaster“-Chro- vintagewatchexpert.com Ungewöhnliche im Gewöhnlichen.

98 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
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Glamourevent ringt um seine Zukunft.
FOTO: YVONNE SZALLIES / INTRO

100 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8


Z A M PA N O G E S U C H T
Wenn Dieter
Kosslick die
Stars auf dem
roten Teppich
herzt (hier die
Chinesin Yu
Nan), kann die
Party losgehen.
Nur wer folgt
auf Kosslick?
D
B E R L I NAL E
LEBEN

ieter Kosslick läuft wie angestochen


zu seinem Schreibtisch und wedelt
mit dem Buchvertrag von Hoffmann
und Campe. Eben unterschrieben.
Die können sich auf was gefasst ma-
chen, die deutschen Regisseure,
Politiker und Journalisten. All diese
Idioten, Kleingeister und Würst-
chen, die ihn absägen wollen.
Im Stundentakt träfen Solidari-
tätsadressen ein, erzählt er, aus L. A.
von Martin Scorsese, von den Festi-
valdirektoren aus Venedig und
Cannes. Kosslick überlegt kurz laut,
wie es wäre, wenn er demnächst bei
einem der anderen Filmfeste anheu-
erte, Rache kann so befreiend sein.
Dieter Kosslick (69) hat in seinen
fast 17 Jahren als Chef die Berlinale
auf Augenhöhe mit Cannes und Ve-
nedig gebracht. So sieht er das jeden-
falls. Und diese Leistung lässt er sich
ordentlich vergüten, mit 300 000
Euro Jahresgehalt.
Tatsächlich ist die Berlinale jenes
deutsche Kulturereignis, das glo- mens Christoph Hochhäusler (ein

PARTY-
bal am meisten Aufsehen erregt, Name, den Kosslick nur mit Verach-
weit vor Documenta, Bayreuth oder tung ausspricht), unterschrieben
Elbphilharmonie. Sie ist auch das von rund 80 Filmemachern, darun-

FESTIVAL
Filmfest mit dem größten Publikum ter so berühmten wie Volker Schlön-
FOTOS: OLIVER RATH / BILD, GERMAN SELECT / GETTY IMAGES, JENS KALAENE / DPA / PICTURE ALLIANCE

weltweit: eine halbe Million Zu- dorff und Fatih Akin. Sie fordern,
schauer in elf Tagen, das schafft dass die Veranstaltung nach der Ära
sonst keiner. Kosslick erneuert werden muss. Sie
Wenn in Berlin die roten Tep- Berlinale legen Restaurants und sei zu einem Brei geworden, sagen
piche ausgerollt werden, kommen BERLINER NÄCHTE
Klubs Extraschichten ein, die Preise einzelne Kritiker. Zu groß, zu un-
alle: Branchengrößen, Promis, Poli- Vom Kinosessel steigen aufs Doppelte, die Klatsch- übersichtlich, zu unbeweglich.
tiker, Kulturschaffende und immer auf den Dance- blätter übertrumpfen sich mit Son- Seinen Abgang hatte Kosslick
mehr Geschäftsleute. Das Festival ist floor: Für die derausgaben. Ausnahmezustand, elf sich anders vorgestellt. Sein Vertrag
Feier des Maga-
zu einer Geldmaschine geworden. zins „Bunte“ Tage und Nächte lang. läuft 2019 aus, er hätte gern noch ein
100 000 Touristen reisen laut Inves- legt Schauspieler Am 15. Februar geht’s wieder los. paar Jahre als Präsident über der
titionsbank Berlin allein fürs Film- Lars Eidinger Und ausgerechnet jetzt, wo Kosslick Berlinale gethront, mit einem neuen
fest in die Hauptstadt, dazu kom- auf (o.). Altstar verkünden will, was für tolle Filme künstlerischen Direktor an der Seite,
und Bösewicht
men 20 000 Fachbesucher. An die Udo Kier (ganz er diesmal wieder ergattert hat (ob- der die Feinarbeit erledigt. Aber
125 Millionen Euro spült das Ereig- o.) im „Bor- wohl das Geschäft verflixt schwierig nach der Schlammschlacht ist für
nis demnach pro Jahr in die Kassen. chardt“. Tanz- geworden ist), bricht diese Diskus- ihn klar: 2019 ist er raus.
Partylocations sind lange im Vo- wütige Aktricen sion los über ihn und die Zukunft Kulturstaatsministerin Monika
(o. r.) bei der
raus ausgebucht, das Gerangel um Ufa-Party. seiner Berlinale. Was heißt hier Dis- Grütters muss jetzt gucken, wie sie
Einladungen, Filmtickets und Hotel- kussion; Majestätsbeleidigung! der Berlinale ihren „Platz in der
zimmer am Potsdamer Platz beginnt Ausgelöst von einem Brief, mit- Champions League sichern“ kann.
ebenfalls schon Monate vorher. Zur initiiert von einem Regisseur na- Darauf haben auch die Kosslick-Kri-
102 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
B E R L I NAL E
LEBEN

BERLINALE: tiker keine Antwort. Denn Deutschlands


Glamourkonzern Nummer eins muss

DIE HOTSPOTS
Kinonerds ebenso zufriedenstellen wie
Autogrammsammler, Filmrechtehändler,
Sponsoren und die heimische Kultur-
bürokratie.
Elf Tage durchfeiern: Wer wann Dabei geht es nur mehr am Rande da-
rum, gegen den ewigen Konkurrenten
wo ankommt. Einladung vorausgesetzt. Cannes zu punkten. Die alte Rivalität um
die besseren Filme, die prominenteren
AUFTAKT ERSTER SAMSTAGABEND Stars und die hochkarätigere Jury ist
Heiß begehrt – wegen des roten Teppichs – Für alle Filmschaffenden, Stars, Regisseure längst nebensächlich. Die Herausforderer
ist die Berlinale Opening Night am Don- und Produzenten ist die Medienboard heute heißen Netflix und Co. Deren Se-
nerstag direkt nach dem Eröffnungsfilm im Berlinale Party von Filmförderin Kirsten rien erschüttern das Filmgeschäft mehr,
Berlinale Palast. Extrem schwer, bei der Niehuus im „Ritz-Carlton“ am ersten als es Ton-, Farb- oder Animationsfilm je
Gala auf die Gästeliste zu kommen. Beson- Samstag das zentrale Branchenevent. Mit vermocht haben.
ders in diesem Jahr, weil Wes Anderson, einem Haken: Es herrscht akute Platznot, Hollywood konzentriert sich nur noch
sehr zur Freude von Dieter Kosslick, mit das Luxushotel ist gnadenlos überfüllt. auf Blockbuster und liefert immer weni-
großem Hollywood-Tross anreist. Auf allen ger festivaltaugliches Material. Gehypt
Etagen wird vegetarisches Essen gereicht HOCHKARÄTERTREFF wird, wer eine Serie dreht oder darin mit-
(Kosslick ist Vegetarier); in jeder der sechs Die lässigste Party ist zweifelsohne die Di- spielt. Doch Netflix und Amazon gelten
Etagen wird das Œuvre eines Spitzenkochs rectors Night vom BVR (Bundesverband bei Filmfesten als Agents Provocateurs.
serviert. So richtig hot ist die unterkühlte Regie) – kein roter Teppich, keine Presse, Eine paradoxe Situation: Die Zuschau-
Treppenhaus-Location des Berlinale aber höchst exklusiv. Ähnlich wie der er sind süchtig nach Bewegtbildern, auch
Palasts indes nicht. Deshalb werden schon Empfang von Studio Babelsberg im „Soho weil die Streamingdienste die Nachfrage
nach kurzer Zeit viele der Stars abtrünnig House“, zu dem auch Hochkaräter aus anheizen. Für die deutsche Filmbranche
und machen sich auf den Weg ... Hollywood gern kommen. war 2017 das zweitbeste Jahr in ihrer
Geschichte, mit rund 125 Millionen Kino-
FORTGANG JEDES LAND ’NE FETE zuschauern und einer üppigen Zweit-,
... in Richtung „Stue“-Hotel, die hippere Und dann sind da noch die Partys der Dritt- und Viertvermarktung.
Adresse. Dort lädt Partytier Nico Hofmann, Verleiher, Länder und Sponsoren. Sehr
Chef der Ufa, ein. Das Fest ist klein, aber beliebt: die Dutch Cocktail Party und The Mehr statt weniger Brei
rauschend. Im vergangenen Jahr legte Finnish Party in Berlin (vor allem bei Nur leider: In Zeiten des Alles-ist-über-
Trystan Pütter als DJ auf; es herrschte aus- Kampftrinkern) sowie der Audi Berlinale all-und-jederzeit-für-jeden-verfügbar
gelassene Stimmung. „Da muss man auf- Brunch, der NRW-Empfang und jener können Filmfeste allein mit dem Verspre-
passen, sich nicht gleich am ersten Abend des FilmFernsehFonds (FFF) Bayern, chen von Exklusivität und Premiere nicht
zu verschwenden“, warnt eine Insiderin. immer am zweiten Donnerstag. mehr viel gewinnen. Sprich: Die Berlinale
braucht ein neues Geschäftsmodell. Viel-
leicht am Ende sogar noch mehr von dem,
DIE LOCATIONS e
was die Revoluzzer so hassen: Brei.
traß Das Ausufernde, das Vielschichtige,
Tors 14 7
Friedrichstadt- das Für-jeden-ist-was-dabei, der Netz-
Palast werkeffekt: Bei alldem ist Berlin dem eli-
Alt-Mo
abit tären, abgeschotteten Cannes weit vo-
Friedrichstr

9
raus. South by Southwest, Burning Man,
Powder Mountain, Web Summit, LeWeb
Al 1 Hotel Adlon
to Schloss – die Techelite liebt Klassentreffen. Und
na nden 2
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Unter den Li 6
er Bellevue Grand Hyatt
ße

St 1 3 Berlin ist nicht nur digital, sondern kann


r. 17. Juni 11 10 The Mandala Hotel
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Straße des
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4 Berlin Marriott Hotel auch Party.


er

Tiergarten
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5 The Ritz-Carlton
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13 Unter Kosslick ist das Filmfest zu ei-


Hofjäge

Gr

4 Potsdamer
aße 6
5 Platz Leipziger Str
Hotel de Rome
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ner Art Konzern angewachsen, der sich


7 Soho House
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Zoologischer 2 3 über zig Sparten diversifiziert hat. Zusätz-


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Waldorf Astoria
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Garten

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liche Kinos eröffneten, das einst kleine


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12
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Berlinale Martin-
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Kinderfilmfest ging in einer großen Sek-


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Kur Palast Gropius-Bau 9 Grill Royal


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15 für
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Bocca di Bacco für deutsche Produktionen wurden ge-


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Lietzenbu
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r ger Str 12 Sale e Tabacchi schaffen sowie abseitigere Reihen wie das
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13 Bricks Club
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14 Kopps (Vegan)
Kulinarische Kino mit Filmen rund ums
Pri

Park am Essen.
Hohenstaufenstraße Gleisdreieck 15 Grosz
Spielstätten Noch wichtiger aber ist das, was Koss-
Quelle: mm-Recherche Grafik: manager magazin
lick und seine Truppe drum herum 2
F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 103
DER EKLAT
B E R L I NAL E
LEBEN

aufgezogen haben: all jene Events, den des Potsdamer Platzes lässt sich
die das Kulturereignis in eine Art beobachten, wie die Berlinale sich
Messe einbetten. versilbert. Neobarocke Säulen tragen
Die Initiative Talents etwa iden- die geschmückte Decke, dazwischen
tifiziert die High Potentials des inter- Wilhelm II. in Öl, eine Handvoll
nationalen Films und lädt sie nach gedrechselte Tische, mit Silber ein-
Berlin. Der (Ko-)Produzententreff gedeckt. Der Kaisersaal ist ein Über-
soll Finanziers für neue Stoffe fin- bleibsel aus dem kriegszerstörten
den. Und der European Film Market „Grand Hotel Esplanade“, ein magi-
ist zum zentralen Rechtehandelsplatz scher Ort einer Stadt, in der kaum
geworden: 10 000 Händler, Produ- etwas zusammenpasst. Er wird nur
zenten und Einkäufer strömen in die für besondere Anlässe geöffnet.
deutsche Hauptstadt und schließen Während des Filmfests findet
Schätzungen eines amerikanischen dort allabendlich der Berlinale
Experten zufolge Deals in Höhe von Dining Club statt, eine der erlesens-
einer Dreiviertelmilliarde Euro ab. ten Veranstaltungen. Im Laufe des
Kosslick hatte immer mehr als Abendessens taucht Kosslick regel-
nur den Film im Fokus, ihm ging es mäßig mit den Stars der jeweiligen
stets ums Business. Heute gilt das Galapremiere auf und beschert den
Festival als der Industrietreff. Gästen ein intimes Erlebnis.
Im Ewerk bringen die Granden Karten für die Plätze erhalten nur
des Rechtehandels jedes Jahr bei ei- Firmen, die sich einkaufen, für 2700
nem Dreigängedinner über 400 aus- Euro pro Tisch. Kosslick achtet da-
gewählte Topfilmleute zusammen, rauf, dass die Exklusivität gewahrt
die besten Nachwuchstalente, die bleibt. Denn die Schlange der Inte-
mächtigsten Produzenten und Dis- ressenten werde von Jahr zu Jahr
tributoren. Zum Ausfechten der länger, berichtet Kathrin Schafroth,
Vertragsdetails treffen sie sich im die die Sponsoringabteilung leitet.
historischen Gropius-Bau und in Derzeit hat die Berlinale 35 Sponso-
den Hotelsuiten. ren. Viele andere nutzen die Zug-
kraft der Berlinale mittlerweile gue-
Meister in Sponsorenpflege daheim die Begehrlichkeit steigert. rillamäßig, ohne offiziell zu zahlen.
Kosslicks Bilanz kann sich sehen las- Die Berlinale-Bären sind bekannt, Schafroth sind diese Mitsurfer ein
sen: Das Budget hat sich mehr als sie kleben in China großflächig auf echter „Dorn im Auge“.
verdoppelt, auf gut 25 Millionen Bussen. Die ökonomische und gesell-
Euro. Der Steuerzahler trägt nur Wo er kann, bauchpinselt Koss- schaftliche Bedeutung der Berlinale
noch weniger als ein Drittel, früher lick seine Finanziers. Nur einmal hat reklamiert Kosslick für sich. Ent-
war es mehr als die Hälfte. Zwischen er auf einer Pressekonferenz verse- sprechend raumgreifend entfaltet
FOTOS: WOLFGANG WIDE, EDUARDO PARRA / GETTY IMAGES, HELENA FIKEROVÁ, JENS KALAENE / DPA / PICTURE ALLIANCE

drei und vier Millionen Euro dürften hentlich den falschen Getränkelie- sich der Direktor, der vor seiner
allein die Ticketverkäufe bringen. feranten genannt, der richtige war Berufung Redenschreiber, Journalist
Das Gros der Erlöse steuern die dann schnell weg. und Filmförderer war. Links und
Sponsoren bei, schätzungsweise In einem Saal von feudalem Ge- rechts zieht er noch je einen Stuhl
acht Millionen Euro. Dieses Ge- pränge hinter den Spannbetonfassa- heran, um seine Arme abzule-
schäft hat sich unter Kosslick ver- gen, und macht die Brust breit un-
fünffacht. term braunen Kaschmir-V-Aus-
Sponsoren zu betüdeln ist Koss- schnitt.
licks große Gabe. Jeder will bei der F Ü H R U N G S D E B ATT E Wes Anderson, den versponne-
Berlinale dabei sein und Kultur tan- Regisseure wie nen amerikanischen Märchenerzäh-
ken. Im Berlinale Palast werden für Fatih Akin, Vol- ler („Grand Budapest Hotel“, „Royal
ker Schlöndorff
die Geldgeber Champagner-Loun- und Christoph
Tenenbaums“), hat Kosslick bereits
ges eingerichtet, wo Bosse wie Audi- Hochhäusler (v. im Sommer überredet, mit seinem
CEO Rupert Stadler oder Glashütte- o.) haben für die neuen Animationsfilm „Isle of Dogs“
Chef Thomas Meier ihre Kunden Erneuerung der nach Berlin zu kommen, um das
Berlinale unter-
bespaßen können, bevor dann mal schrieben. Kirs-
Festival zu eröffnen. Den Streifen
90 Minuten, mal mehrere Stunden ten Niehuus (r., bekam er allerdings erst vor ein paar
Kunstkino verabreicht werden. mit Dieter Koss- Tagen zu sehen, Gott sei Dank ist er
Der Auto- und der Luxusuhren- lick) bringt sich gut, „vorher handeln wir ja nur mit
als Nachfolgerin
hersteller dürfen gar eigene Preise des Festivalchefs Luftgeschichten“.
stiften, der chinesische Klunkerkon- in Position. Anderson ist ein alter Berlinale-
zern Leysen stattet die Ehrengäste Freund, wird aber auch von Cannes
aus, weil das bei der Kundschaft und Venedig umschmeichelt. So wie
104 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
B E R L I NAL E
LEBEN

dienstlichen Anlässen annehmen.


Upgrades im Flugzeug sind tabu, ge-
bucht wird möglichst günstig, selbst
wenn dafür in Helsinki umgestiegen
werden muss.
Cannes sei „Zirkus“, sagt Til
Schweiger, einer der Hitlieferanten
des deutschen Filmbusiness. „Diese
ganzen Poser und Produzenten, die
Schwanzvergleich betreiben, depri-
mieren mich.“ Für Schweiger liegt
die Zukunft des Films in Berlin, je-
denfalls die des deutschen.
Kann also durchaus sein, dass die
Berlinale mit ihrem Halligalli die
besseren Chancen hat zu überleben.
Denn in Zukunft geht es nicht mehr

BERLINER
darum, dem anderen kurz vor
Drucklegung des Programms noch
ein paar Filme oder Regisseure ab-

RIVALEN
Gus van Sant („My Own Private Ida- zuziehen oder den prominenteren
ho“, „Good Will Hunting“). Er Juryvorsitzenden zu präsentieren.
kommt 2018 ebenfalls nach Berlin, Topfilme, Topdarsteller und Top-
zusammen mit Hauptdarsteller Joa- weltpremieren zu finden wird zu-
quin Phoenix. Den Teil seines Jobs nehmend schwieriger. Der letzte
hat Kosslick also erfüllt. Wettbewerb an der Côte d’Azur war
Für die klassischen CEO-Aufga- streckenweise so müde, dass man-
ben haben sie beim großen Rivalen che Fachbesucher lieber im Bett blie-
Cannes einen Präsidenten berufen. ben, statt sich morgens um halb
Pierre Lescure, früher Chef beim neun ins Palais des Festival zu
Pay-TV-Konzern Canal Plus, sitzt schleppen.
Festivaldirektor Thierry Frémaux Das Problem: Die großen Holly-
vor und kümmert sich um die Zah- wood-Studios liefern heute vor al-
len. In Cannes ist das Budget mit lem wenige, aber teure Blockbuster,
rund 20 Millionen Euro etwas knap- am liebsten Fortsetzungen vom Ka-
per als in Berlin, aber die öffent- liber „Star Wars“. Kosslick kann sich
lichen Zuwendungen sind höher und noch gut erinnern, dass er 2002 bei
die Sponsorengelder auch. jedem Studio aus zehn Filmen aus-
Die Festivals könnten unter- suchen konnte. „Heute sind es null.“
schiedlicher nicht sein. Berlin ist Ort Hauptsache, exklusiv. Wenn an Mit Fließbandproduktionen kann
für Entdeckungen, wie es das irani- SONNEN-
der Côte d’Azur im Hotel „Eden kein Festival etwas anfangen. Und
sche Kino vor ein paar Jahren war. V E RW Ö H N T Roc“ die extravagante Amfar-Gala das System Harvey Weinstein, der
Cannes versteht sich immer noch als In Cannes und steigt, bei der die Gäste fünf- oder Berlin und Cannes verlässlich mit
erste Adresse für die Dinosaurier des Venedig gibt es sechsstellige Beträge auf den Tisch Stars versorgte und gegeneinander
Wärme und
Autorenfilms. In Berlin findet in Strand, in Berlin legen, sperrt die Polizei das halbe ausspielte („I hate Cannes, I love
Kosslicks verzweigten Sektionen Schneematsch. Cap d’Antibes ab. Stars wie Leonar- Berlin“, sagte er einmal zu Frémaux),
noch der eigenwilligste Geschmack George Clooney do DiCaprio mieten keine Suiten, um seine Autorenfilme ins Pro-
sein Objekt, in Cannes halten sie (ganz o. l.), auch sondern ganze Villen. Die meisten gramm zu drücken, ist spätestens
auf der Berlinale
verzweifelt die Illusion hoch, sie gern gesehener Partys jedoch werden in den Klubs seit den Enthüllungen über ihn dem
FOTOS: BS / BESTIMAGE, IAN LANGSDON / EPA / REX FEATURES

könnten autoritativ vorgeben, wohin Gast, fährt am Meer oder auf den Superjachten Untergang geweiht.
die Reise geht. per Taxiboot in russischer, asiatischer und arabi- Die Independentszene ist schon
Berlin ist kalt, Cannes warm, Ber- Venedig ein. scher Milliardäre geschmissen. länger ausgetrocknet. Dem an-
Cate Blanchett
lin ist Volksfest, Cannes elitär. Nor- (o.) wird in spruchsvollen, aber populären Er-
male Menschen werden in Cannes diesem Jahr Jury- Zirkus gegen Halligalli zählkino geht seit der Finanzkrise
gar nicht erst reingelassen. Für präsidentin in Während Frémaux schon mal den vor gut zehn Jahren das Geld aus.
Wettbewerbspremieren sind Smo- Cannes. Privatflieger eines Geschäftsfreunds Die internationalen Investoren wol-
king und Abendkleid vorgeschrie- in Anspruch nimmt und sich bei len ihre Kosten schnell einspielen.
ben, die Tickets werden nach einem Bedarf zum Staatspräsidenten Kaum einer kann es sich mehr leis-
kafkaesken System vergeben. Wer durchstellen lässt, darf Kosslick wie ten, auf Berlin oder Cannes zu war-
eins ergattert, kann sich nicht sicher in jedem Staatsbetrieb Sponsoren- ten, nur um einen Film uraufzu-
sein, dass er auch reinkommt. geschenke nur gegen Quittung zu führen. 2
F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 105
B E R L I NAL E
LEBEN

Die größte Gefahr für die Filmfes- Moszkowicz, Chef der mächtigen
te geht indes von Netflix und Co. Produktionsfirma Constantin Film
aus. Deren Serien ziehen immer („Fack ju Göhte“). Das sehen auch
mehr Kapital, Regisseure und Dar- andere Größen der Zunft so. Stefan
steller ab. Nicht zuletzt weil selbst Arndt, der in einer knarzigen grauen
mittelprächtige Schauspieler dort Villa im Stadtteil Schöneberg hin-
pro Folge bis zu einer halben Million ter seinem alten Produzententisch
Dollar einstreichen können. sitzt und das Zimmer vollqualmt,
fordert einen mutigen Schritt. Er ist
Umarmen oder verjagen? aus der alten längst in die neue Welt
Doch Streamingprodukte fassen eingetaucht. Zweimal Goldene Pal-
Kosslick und Kollegen nur mit spit- me in Cannes geholt, einmal den
zen Fingern an. Cannes hatte im Oscar. Die TV-Serie
letzten Jahr ganze zwei Netflix-Fil- „Babylon Berlin“,
me im Wettbewerb, verhängte aber Deutschlands Ball
nach einer aufgeregten Debatte ei- im Spiel des Serien-
nen Bann über Streamingproduktio- hypes, hat der Pro-
nen. Berlin sieht das Ganze etwas duzent in 60 Länder
entspannter. Der Wettbewerb soll verkauft. Regisseur:
zwar – vorerst – lediglich Filmen mit Tom Tykwer, Er-
Kinoauswertung vorbehalten blei- folgsfilmer – und
ben, wie Kosslick betont. Gleich- diesjähriger Jury-
zeitig versucht er eine Umarmungs- chef der Berlinale.

NEUE WELT
strategie und bläst seit Jahren eine Hätte eine Kandidatin wie Kirs-
Sektion speziell für Serien auf. ten Niehuus (58), der reges Interesse
Es könnte sich auszahlen. Der an der Kosslick-Nachfolge nachge-
Unternehmensberater Klaus Gold- sagt wird, das Zeug, das Filmfest der
hammer, der mit der Firma Goldme- Hauptstadt um- und auszubauen?
dia für das Wirtschaftsministerium Die langjährige Geschäftsführerin
FOTOS: KYLE JOHNSON / THE NEW YORK TIMES / REDUX / LAIF, NETFLIX / COURTESY EV / EVERETT COLLECTION / DPA / PICTURE-ALLIANCE, ALLSTAR / AMAZON STUDIOS

ANDERE LIGA
das Potenzial der Branche unter- Männer wie der Filmförderung im Medienboard
sucht hat, glaubt, dass die ganzen Reed Hastings Berlin-Brandenburg ist eine Frau der
Streamer und andere Bewegtbild- (o.) von Netflix Gegensätze, im Kleinen wie im Gro-
und Jeff Bezos
vermarkter der Berlinale guttun. (l.) von Amazon ßen. In jungen Jahren zog sie durch
Seine Logik: Wer Neues macht, verändern die Kaliforniens Hippiekommunen,
braucht dafür neue Kanäle und muss Lage für die heute trägt die Juristin Rolex und
sich – trotz Digitalisierung – irgend- Festivalmacher Siegelring. Der öffentliche Dienst
völlig. Mit Serien
wo treffen. Warum nicht auf der Ber- wie „Dark“ (o.) hat sie geprägt, sie ist mehr Apparat-
linale?! Das Filmfest organisiert, teils und „The Man in schik als ausgewiesene Cineastin.
systematisch, teils un- the High Castle“ Aber in dem Ruf stand Kosslick vor
geplant, was US-Autor (l.) in ihren seiner Ernennung auch.
Streamingdiens-
Bruce Sterling die ten ziehen sie Dem heiklen Thema Serien je-
„Hollywood film ad- Talente und Auf- denfalls steht Niehuus offen gegen-
hocracy“ nennt, tem- merksamkeit über. Diese Entfesselung gefalle ihr
porär große Dinge in von jenen Filmen „ausgesprochen gut“, gab sie zu Pro-
ab, für die sich
attraktivem Umfeld. per Pferd ein, Ange- Festivals interes- tokoll. „Gute Serien sind auch
Die Berlinale bringt la Merkel schaute sieren, und Maßstäbe fürs Kino.“ Seit 2015 un-
eine zerstreute In- mit Kanadas Pre- attackieren terstützt der Medienboard die Pro-
dustrie zusammen, die sonst nur vir- mier Justin Trudeau noch auf einen deren Aura der duktion von Serien mit Fördergel-
Exklusivität.
tuell existiert. Drink vorbei. dern. Niehuus kann sich vorstellen,
Und feiern kann Berlin. Die Bei der Kosslick-Nachfolge spielt sich einiges von der texanischen
Nächte beginnen mit Empfängen in solch Glamour keine Rolle. Der South by Southwest (SXSW) ab-
Hotels und Lounges, in Pop-up- Findungskommission gehören ne- zuschauen, der Hohen Messe aller
Klubs und Bars, mit den Eignern des ben Kulturstaatsministerin Monika Techies.
Studio Babelsberg im „Soho House“, Grütters der Berliner Senatskanz- Ob eine solche Festivalchefin von
im „China Club“ oder im „Stue“ mit leichef Björn Böhning an sowie Ma- den Filmpuristen geduldet würde?
Ufa und „Gala“. Und sie enden meist riette Rissenbeek, Chefin der Ex- Alles eine Frage des Leidensdrucks.
im „Borchardt“. Das Szenelokal in portorganisation von German Films. Noch ist Deutschlands größte Gla-
der Französischen Straße hat dann Ein Funktionärstrio, Avantgarde mourveranstaltung kein Sanierungs-
länger geöffnet als sonst. Ins „Wohn- sieht anders aus. fall. In zwei, drei Jahren aber viel-
zimmer der Berlinale“ ritt vergange- Es gehe zu wie bei einem Buch- leicht schon.
nes Jahr eine Schauspielerin sogar halterverband, ärgert sich Martin 1 Gisela Maria Freisinger/Lutz Meier
106 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
LEBEN

AUSFAHRT M I C H A E L O. R. K R Ö H E R testet jeden Monat


ein anderes Führungskraftfahrzeug.

Der Dandy-Mercedes
Das Coupé der E-Klasse ist eine gelungene Mischung aus Eleganz
und Technik. Nur die Assistenzsysteme sind nicht ausgereift.

D
ie Coupés, so will es die Tradition den Fond ist nicht ganz einfach, das Dach sitzt hinten
bei Mercedes, bekommen stets das tief. Coupé eben.
raffinierteste Design der jeweiligen TECHNIK Am Fahrverhalten gibt’s nichts zu mäkeln. Der Drei-
Baureihe. Dadurch werden sie zum 333 PS literbenziner und der Allradantrieb sorgen für souverä-
Wunschobjekt für all jene, die nur (E400-4matic- nen Vortrieb. Insbesondere im Dynamic-Modus ist das
Coupé)
noch gelegentlich vier Sitzplätze be- Coupé ein echter Sportler. Das Fahrwerk ist perfekt ab-
nötigen, für die ein zweisitziger Sportwagen aber zu 245 kW gestimmt, die Lenkung gibt sorgfältig Rückmeldung,
wenig bequem oder zu auffällig ist. ohne anstrengend zu wirken, Windgeräusche treten erst
Das neue Coupé der E-Klasse ist länger (zwölf Zen- 183 g/km jenseits von 240 Stundenkilometern auf. Der Motor darf
timeter), breiter (sieben Zentimeter) und deutlich ver- CO₂-Emission leise grollen und kernig grummeln, im Tempomatbe-
spielter als der Vorgänger. Die Front wirkt kraftvoll, DYNAMIK trieb auf der Autobahn sorgt die Neunstufenautomatik
auch dank der großen Lufteinlässe, die Seitenlinie ist 5,3 Sekunden für niedrige Drehzahlen und sparsamen Spritverbrauch.
markant, das Heck schwingt aus in einer gebogenen Beschleunigung Dafür sind die Assistenzsysteme noch immer nicht
von 0 auf 100 km/h
Spoilerlippe. Diese elitäre Eleganz setzt sich im Innern ganz ausgereift. Der autonome Fahrbahnwechsel zum
fort. Beim Testwagen wurden dort leuchtend weiße mit 250 km/h oder nach dem Überholen klappt noch prima. Auf der
mattschwarzen Lederoberflächen kombiniert, die Lüf- Spitzen- Berliner Stadtautobahn, wo die Fahrspuren enger sind
terdüsen im Cockpit muten wie kleine Turbinentrieb- geschwindigkeit als draußen auf dem Land, verliert der Spurhalteassis-
werke an, und beim Einsteigen reicht einem ein elek- PREIS ab tent bei Regen indes regelmäßig die Peilung, lenkt in
trisch ausfahrender Halter die Gurte über die Schulter. 64 807 Euro Kurven gefährlich in Richtung Leitplanke oder auf die
FOTOS: ANDREAS CHUDOWSKI FÜR MM, PR

Nicht alles, was gut aussieht, ist allerdings praktisch. Nachbarfahrbahn. Die Spracheingabe ist so umständ-
So versperren die dicken, flach ansteigenden A-Säulen lich zu bedienen, dass sich Ziele im Navi schneller per
einen nicht unerheblichen Teil des Sichtfelds. Die Buchstabenrad eingeben lassen.
große, am Oberrand der Frontscheibe montierte Ka- Aber nicht ärgern, sondern durchatmen und das neu
meraanlage und der weit herausragende Innenspiegel angerührte Innenraumparfüm genießen. Riecht nach
rauben zusätzlich Durchblick. Auch das Einsteigen in Daybreak. Chilliges Fahren! 1

F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 107


CHINAS
ARBEITERPARADIESE
KONZERNZENTRALEN Von Alibaba über Baidu bis Tencent – die
Techgiganten der Volksrepublik bieten ihren Mitarbeitern
heute ideale Bedingungen in supermodernen Bürolandschaf-
ten. Die Headquarter zeugen vom neuen Selbstbewusstsein,
auch gegenüber den Erzrivalen im Silicon Valley.

108 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8


CTRIP
Hongqiao, der
gigantische Ver-
kehrsknoten-
punkt Shanghais,
verknüpft den
zweiten großen
Flughafen der
Stadt mit ihrem
größten Bahnhof.
Da war es nahe-
liegend, den
benachbarten
Bürokomplex
in Form von
Hochgeschwin-
digkeitszügen
zu bauen. In
mehreren dieser
futuristischen
Bürozüge
residiert das On-
linereiseportal
Ctrip mit 12 000
seiner insgesamt
37 000 Beschäf-
tigten. Konzern-
chefin Sun ist
bekannt als
Frauenförderin,
deshalb gibt es
auch einen gro-
ßen Kindergarten
im Erdgeschoss,
neben Restau-
rants, Cafés, Tee-
läden und einem
Supermarkt.

FOTO: DYCJ / IMAGINECHINA / PICTURE-ALLIANCE


der Mitte liegen
an einem künst-
FOTOS: PETER BENNETTS, KIM KYUNG HOON / REUTERS, IMAGO, CHINA FOTO PRESS / IMAGO, ZHEJIANG DAILY / DPA / PA

lichen See meh-


rere Villen in
alter chinesischer
Bauweise. Dort
residieren die
Vorstände sowie

ALIBABA der legendäre


Gründer Jack
Ma, wenn er aus-
Restaurants,
einen großen
Starbucks, Rei-
Die Farbe Orange nahmsweise mal nigung, Fitness-
dominiert da ist. studio, Bank,
den Campus des Der Alibaba- Supermarkt,
E-Commerce- Campus weit vor Friseur und Rei-
Giganten Aliba- den Toren der sebüro. Die rund
ba. Natürlich aufstrebenden 30 000 Beschäf-
sind auch die Zehn-Millionen- tigten auf dem
Fahrräder, mit Metropole Campus können
denen viele der Hangzhou ist hier in unmittel-
Beschäftigten eine kleine Stadt barer Nähe ihres
über den weitläu- für sich. Es gibt Arbeitsplatzes
figen Campus fast alles erledi-
kurven, orange gen. Nur zum
lackiert. Schlafen müssen
Die acht mehr- sie nach Hause
stöckigen Ge- fahren. Und das
bäude wurden in ist bei Alibaba
Hufeisenform oft sehr spät am
angeordnet. In Abend.

110 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8


C H I NA LEBEN

BAIDU
Weitläufig, licht-
durchflutet, mit
viel Glas und in
dominantem
Weiß präsentiert
sich das Head-
quarter von
Baidu, der mit
Abstand führen-
den chinesischen
Suchmaschine.
Rund 5000 der
insgesamt
46 000 Beschäf-
tigten arbeiten in
den Gebäuden im
Nordwesten Pe-
kings. Im Hai-
dian-Bezirk
haben sich in un-
mittelbarer Nähe
zu den Eliteunis
auch viele High-
techkonzerne an-
gesiedelt. Der
Kampf um die
Talente tobt hier
besonders heftig.
Baidu bietet sei-
nen Mitarbeitern
daher alle mögli-
chen Annehm-
lichkeiten – bis
hin zu Ruhe-
oasen in Form
von Iglus (siehe
oben). Nach dem
Essen sind sie
sehr begehrt.

F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 111


TENCENT durchbuchstabierten Bürogebäu-
den. A ist in traditionell chinesi-
Der Internetkon- schem Stil gehalten, dort residiert
zern mit Sitz auch Firmengründer Ren Zheng-
in Shenzhen gilt fei. In B sitzen die Finanzer, in F
als beliebtester die Forscher und Entwickler und in
Arbeitgeber in
China. Das J ist die Huawei Universität unter-
Unternehmen gebracht.
verlangt viel, be- Jedes der elf Gebäude beherbergt
zahlt aber gut mehrere Restaurants – thailändi-
und hat einiges
zu bieten – auch sche, koreanische, japanische. Allein
architektonisch. in A werden Speisen aus mehr als
Drei Brücken zehn verschiedenen chinesischen
verbinden die Küchen angeboten. Die Mitarbeiter
beiden über 200
Meter hohen können sich aussuchen, wo sie essen
Türme, jede trägt wollen. Shuttlebusse bringen sie
einen symboli- während der Mittagszeit von A nach
schen Namen: K. Wer nach dem Lunch ein wenig
Gesundheit, Kul-
tur und Wissen. ausspannen möchte, kann in sepa-
Auf der Gesund- raten Ruheräumen die Füße hoch-
heitsbrücke wur- legen.
den eine Saftbar, Arbeiterparadies China. Während
ein Fitnesscen-
ter, ein Basket- die Fabriken Foxconns noch für die
ballfeld und eine alte Volksrepublik stehen, die Werk-
300-Meter-Lauf- bank der Welt, an der ein Millionen-
bahn errichtet. heer von Wanderarbeitern unter
Fast 600 Millio-
nen Dollar frühkapitalistischen Bedingungen
haben die von bis zur Erschöpfung malocht, zeigt
NBBJ entworfe- Huawei, wie das moderne China
nen Türme ge-
kostet.
tickt. Denkfabrik statt Fließband,
Hightech statt Lowtech. Ein kapita-
listisches System, das seinen Werk-
tätigen nach wie vor viel abverlangt,
ihnen aber auch viel bietet. Nicht
unähnlich den Techgiganten im Sili-
con Valley.
Die Monumente dieses – auch po-
litisch gewollten – Wandels sind die
Headquarter der führenden Digital-
konzerne des Landes. In den vergan-
genen Monaten und Jahren haben
neben Huawei vor allem Alibaba,
Baidu, Ctrip, Tencent und Xiaomi

F
Bürolandschaften errichtet, die den
ährt man von der trast nicht größer sein. Auf dem futuristischen Zentralen von Apple,
südchinesischen Areal von Foxconn stehen schmuck- Google, Facebook oder Amazon in
Metropole Shen- lose Fabrikhallen und Wohnsilos, nichts nachstehen. Wie zum Be-
zhen aus auf der um die Netze gespannt sind, damit weis, dass man sich mit den US-
Autobahn in Rich- die Selbstmörder nicht auf dem Bo- Rivalen auf Augenhöhe sieht –
tung Nordwesten, den aufschlagen. Huawei dagegen architektonisch, inspirativ und auch
kommt man nach ein paar Kilome- hat einen Campus vom Feinsten ge- geschäftlich.
tern an eine interessante Kreuzung. baut: viel Grün, künstliche Seen, Welch ein Unterschied zu
Auf den grünen Hinweisschildern Tennisplätze, Basketballfelder, ein Europa, wo viele altehrwürdige In-
stehen in weißen Lettern keine Orts- Vier- und ein Fünfsternehotel. Eines dustrieikonen ihre Zentralen in
FOTOS: TERRANCE ZHANG / NBBJ, PR

angaben, sondern Firmennamen. mit sechs Sternen ist gerade im Bau. schmucklose Kasernen verwandeln,
Rechts geht es ab zu Huawei, dem Stünden dazwischen nicht noch ein verkehrsoptimiert an irgendwelchen
Telekommunikationskonzern, links paar Bürogebäude – man könnte das Autobahnzubringern gelegen, als
zu Foxconn, dem Auftragsfertiger Gelände glatt für einen Club Med Signal an die Investoren, dass man
für Apple & Co. halten. wirklich keinen Cent verschwendet.
Obwohl nur ein paar Meter von- Rund 30 000 Beschäftigte arbei- Besonders ausgeprägt ist das Spar-
einander entfernt, könnte der Kon- ten bei Huawei in den elf von A bis K fieber beim Autokonzern PSA, der
112 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8
C H I NA LEBEN

bei seinem Neuzukauf Opel gleich


mal die Wasserspender im Rüssels- HUAWEI wie im Westen und allerlei Annehm-
lichkeiten rund um den Arbeitsplatz,
Art museale Blaupause. Besichtigen
lässt sich das in einem irren Projekt
heimer Headquarter hat abmontie- Vor den Toren den sie oft nur zum Schlafen ver- von Huawei.
ren lassen. Daheim in Paris sind die Dongguans in der lassen. Kostenlose Taxifahrten für Weil der Telekommunikations-
Flure so eng, dass man zu zweit südchinesischen schwangere Mitarbeiterinnen, Sport- riese rapide wächst, errichtet er in
kaum aneinander vorbeikommt. Es Provinz Guang- arenen und feinstes Essen sind in vie- Dongguan, rund 70 Kilometer nörd-
dong lässt der
lebe die Käfighaltung. Telekommunika- len Konzernen selbstverständlich. lich von Shenzhen, gerade ein neues
Das ist in China kaum mehr ver- tionskonzern So mancher Techcampus gleicht Headquarter für rund 25 000 For-
mittelbar. Tencent hat soeben zwei – Huawei derzeit einer kleinen Stadt: Fitnessstudios, scher und Entwickler. Noch ist das
von der amerikanischen Architek- Stätten euro- Supermärkte, Reinigungen, der un- Areal eine riesige Baustelle. Mit ei-
päischer Geistes-
tenfirma NBBJ entwickelte – gigan- geschichte vermeidliche Starbucks, Kindergär- nem schwarzen Mercedes aus der
tische Bürotürme mitten in Shen- nachbauen – von ten, Restaurants – es fehlt an nichts. Firmenflotte wird der Besucher über
zhen fertiggestellt, ein in Stahl, Glas der Pariser Der Haidian-Bezirk im Nordwes- die schlammigen Wege chauffiert.
und Stein gegossener Ausdruck des Sorbonne über ten von Peking, Sitz von Baidu, dem Ungläubig starrt er aus dem Fens-
das Heidelberger
gestiegenen Selbstbewusstseins des Schloss bis zur chinesischen Google. Von oben be- ter: Ist das rechts nicht Brügge? Und
Facebook-Konkurrenten. Amazon- Oxford Uni- trachtet sind Baidus futuristische da hinten nicht Verona? Während
Erzrivale Alibaba hat ein weitläufiges versity. In dem Glas- und Stahlgebäude wie das man noch nach Orientierung sucht,
Areal am Rande von Hangzhou in gigantischen Unendlichzeichen angeordnet, sie taucht links bereits Oxford auf. Und
Komplex sollen
eine Art „Work, eat, and entertain“- demnächst rund sollen die unendliche Zukunft des noch ein Stück weiter vorn das Hei-
Mall verwandelt, die Metropole ent- 25 000 Forscher Internetkonzerns symbolisieren. delberger Schloss.
wickelt sich neben Peking, Shanghai von Huawei ar- Drinnen Kletterwände, Swimming- Alles keine Halluzinationen: Hua-
und Shenzhen zunehmend zum vier- beiten und leben. pool, Tischtennishalle und in der wei baut in seiner künftigen For-
ten Techcluster der Volksrepublik. ersten Etage weiße, igluartige Ruhe- scherzentrale die historischen Stät-
Eine Bonanza für Architekten aus räume – getrennt nach Geschlech- ten der europäischen Kultur- und
aller Welt. Sämtliche Stars der Bran- tern. Der Arbeitsplatz als hochmo- Geisteswissenschaften nach. Eine
che arbeiten in China an Großpro- derne Wohlfühloase. Hommage in Mörtel und Stein. Und
jekten. Der Kreativität sind kaum Europa, früher das große Vorbild ein Zeichen größter Symbolik: Eu-
Grenzen gesetzt, Geld spielt bei den für industrielle Innovation, dient ropa war gestern, China ist morgen.
Prestigebauten oft keine Rolle. den Techgiganten heute eher als eine 1 Wolfgang Hirn
Bei der Hauptverwaltung von
Ctrip, Chinas führendem Online-
reiseportal, war das jedenfalls so. Die
neue Zentrale war eines der letzten
Meisterstücke der britischen Star-
architektin Zaha Hadid, bevor sie
2016 überraschend mit 65 starb.
In unmittelbarer Nähe des
Shanghaier Verkehrsknotenpunkts
Hongqiao (Flughafen plus Bahnhof)
entwarf sie den futuristischen Soho-
Komplex, in dem Ctrip der Haupt-
mieter ist. Die länglichen Gebäude
sind einem Hochgeschwindigkeits-
zug nachempfunden. In den „Bürozü-
gen“ arbeiten für den Reisevermittler
12 000 Leute. Es gibt mehrere Eingän-
ge und Lobbys. In Gebäude 8 resi-
diert das Topmanagement mit Jane
Jie Sun (48) an der Spitze. Sie steht
für die neue Führungsgeneration,
die weiß, dass sie ihren Mitarbeitern
mehr schuldet als nur eine monat-
liche Gehaltsüberweisung.
Auch im Kapitalismus der Kom-
munistischen Partei ist mittlerweile
ein Kampf um Talente entbrannt,
vor allem in der Techindustrie. Dort
übersteigt die Nachfrage nach Soft-
wareingenieuren und IT-Spezialis-
ten das Angebot bei Weitem. Spit-
zenkräfte verlangen heute Gehälter
F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 113
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116 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8


ST I L
LEBEN

HEINRICH GRAF VON SPRETI

STYLE-COUNCIL
über seine
Small-Talk-Tricks.

Die Taktik des


Small Talks

S
mall Talk – das Wort sagt mein Beruf einfacher. Ich bin eben
es eigentlich schon: eine kein Wissenschaftler mit Schwer-
kleine, leichte Konversa- punkt Quantenmechanik oder
tion. Dramatische Kran- plancksches Strahlungsgesetz, mein
kengeschichten, Monologe über den Insiderwissen über den Kunstmarkt
Sinn des Lebens, eitle Selbstdarstel- taugt da schon eher als Input für ein
lung oder bohrende Fragen über po- spannendes Gespräch.
litische Einstellungen sind tabu. Ich
beginne bei einem gesetzten Essen
gern während der Vorspeise die Kon-
„ Kommt meine Tischdame zu
spät, wird sie zunächst ignoriert: Ich
frage keinesfalls nach dem Grund
versation mit der Tischdame zur Oft beginne der Verspätung, denn natürlich S C H Ö N E R S C H L U M M E R N (von oben):
Rechten, während des Hauptgangs ich mit der möchte die Geschichte mit der ge- kariert im Hipsterlook von Polo Ralph
wechsle ich zur Linken, bei der samten Runde geteilt werden. Also Lauren, 130 Euro; von Schiesser,
Frage: Wenn 175 Euro; von Sleepy Jones, 155 Euro;
Nachspeise binde ich die Gäste Sie jetzt setze ich erst mal meine bis dato ge- von Derek Rose, 210 Euro.
gegenüber ein. Falls die beiden zu nicht hier führte Plauderei fort.
meinen Seiten mir unbekannt sind, wären, was Komplimente wirken immer als
taste ich mich langsam vor. würden Sie Initialzündung für einen erfolgrei-
Wichtig ist: zuhören. Oft beginne dann chen Small Talk. Mit einer Einstiegs-
ich mit der Frage „Wenn Sie jetzt frage dagegen sollte man vorsichtig DRESSCODE
machen? Ein
nicht hier wären, was würden Sie sein: Ich kenne jemanden mit Ihrem
dann machen?“ Ein verlässlicher
verlässlicher
Eisbrecher.
Namen. Sind Sie verwandt? Schlafanzug
Eisbrecher. Ski fahren, Drachenflie- Im schlimmsten Fall kommt
gen, Rolling-Stones-Konzert, See-
reise, mit den Kindern in den Zoo ge-
hen – schon läuft das Gespräch.
“ dann gepresst als Antwort: der Ex,
der ungeliebte Onkel oder das
schwarze Schaf der Familie. Das
Der Künstler Julian Schnabel trägt
sie auch tagsüber: Pyjamas wurden
Alternativ bietet sich die Frage Thema will dann erst mal wieder ge- zu seinem Markenzeichen. Damit
an, wie man den Gastgeber kennen- wechselt werden. war er seiner Zeit weit voraus, denn
gelernt hat. So kommt eins zum inzwischen sind Schlafanzüge wie-
anderen, und man befindet sich in- An dieser Stelle schreiben Menschen mit Stil der salonfähig, auch tagsüber. Viele
über Fragen des guten Geschmacks.
mitten einer vielleicht amüsanten Diesmal Heinrich Graf von Spreti (64), Designer besinnen sich auf die
Konversation. Gewiss macht es mir Präsident von Sotheby’s Deutschland. ästhetische Bettruhe jenseits von
Sweatpants und ausgeleierten T-
Shirts. Der Siegeszug der Schlaf-
ZEITLUPE anzüge begann in den 30er Jahren

Nostalgischer Purist mit dem „Hays Office“-Code. Holly-


woods Filmstars durften nur ge-
meinsam im Bett zu sehen sein,
Für Wissenschaftler und Techniker vor 60 Jahren entwickelt, wenn beide einen Pyjama trugen, so
legt Omega sein Kultmodell „Railmaster“ neu auf: Wie früher wie Doris Day, Clark Gable oder
ist der Master-Chronometer Magnetfeld-resistent, mit bis zu Cary Grant. Später galten sie dann
15 000 Gauß aber wesentlich robuster. Das Edelstahlgehäuse wur- über Jahrzehnte als ziemlich spießig.
de auf 40 Millimeter für optimale Ablesbarkeit vergrößert und die Das ist jetzt vorbei. Zu Recht. Denn
Wirkung der Vintage-Superluminova verstärkt. Der Lollipopzeiger Prüderie ist eine Frage der Haltung
tickt mit -4 bis +6 Sekunden Gangtoleranz täglich. 4500 Euro. und nicht des Nachthemds.
FOTOS: PR

F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 117


BRIEFING
LEBEN

EINE NACHT IM

„Huus“, Gstaad
Stilvoll runterkommen
in den Schweizer Bergen.

D
er Name passt. Von außen mer hängt ein Rucksack mit Trink-
wirkt das „Huus“ mit seinen flasche und Fernglas. Ein „Mountain
Balkonen fast klobig, innen Concierge“ wählt die Skiausrüstung
jedoch sieht das Skihotel aus, wie vor Ort aus, zwei Range Rover ste- IM TRAININGSLAGER MIT
INSIDER
eine Herberge in modernem skandi- hen bereit: Glacier 3000, das schnee-
navischen Design eben auszusehen
„Refuge
L’Espace“: sichere, anfängerfreundliche Ski- Axel Hefer (40)
hat: heimelig und cool. Große Fens- Gebirgslounge gebiet, liegt 30 Minuten entfernt.
ter, dunkle, warme Töne (Pflaume, mit Rundblick Woanders mögen die Berge mar- CFO der Hotelsuch-
Moos, Bronze, Grau, Gold), Leder,
auf 2860 Metern.
Liegestühle mit kanter und der Après-Ski wilder sein, maschine Trivago, die
Holz, Glas, Karowolldecken. Kuhfell am in Gstaad ist es dafür umso roman- 2016 an die Börse ging.
2015 kaufte der Private-Equity-In- Abgrund, nur bei tischer. Kein Chalet darf mehr höher
gutem Wetter,
vestor Marwan Naja (Miteigentümer Holzofenapfel- als drei Stockwerke gebaut werden, Herr Hefer, warum ausgerechnet
der internationalen Privatschule tarte mit Café es gibt so viele Kühe wie Einwohner, Freeletics? Was ist für Sie der
Surval Gstaad), ein gebürtiger Liba- Refuge (mit neben den Porsches parken die Trak- Kick daran?
Whisky-Cream).
nese, das angestaubte Steigenberger- Die Spezialität: toren. Vor allem im Februar, wenn Freeletics ist ein intensives Fit-
Hotel gemeinsam mit dem Tiroler Weichkäse der globale Geld- und Hochadel sei- nessprogramm ohne Geräte. Trai-
Hotelier Günter Weilguni für rund mit Trüffelöl. ne Zöglinge von den nahegelegenen niert wird ausschließlich mit dem
www.refuge
26 Millionen Franken. Weitere 12 Mil- lespace.ch Privatschulen abholt. Dann wird die eigenen Körpergewicht. Eine App
lionen Franken kostete der Umbau. Welt in Gstaad zum Dorf. macht die Fortschritte sicht- und
Zum Versacken lädt schon die 1 Viola Keeve messbar.
Lobby ein mit ihren 500 Büchern, Wie kamen Sie dazu?
dem Kamin, orangeroten Sofa und q Info Die Vorbereitung des Börsengangs
der deckenhohen Bar. Durch die bo- „Huus“, 4-Sterne-Superior, DZ ab 324 Euro, von Trivago war extrem stressig, ich
Gstaad-Saanen, www.huusgstaad.com
dentiefen Fenster hat man einen Die Reise wurde unterstützt von Schweiz bin viel gereist und habe einen Aus-
grandiosen Bergblick. In jedem Zim- Tourismus. gleich für Körper und Geist gesucht,
den ich zeit- und ortsunabhängig be-
treiben kann.
Haben Sie einen Trainer, oder
sind Sie Autodidakt?
Die App ist Trainer und Ansporn.
H O M E AWAY F R O M H O M E Im „Huus“ Wie oft trainieren Sie?
fühlt man sich wie zu Hause. Fünfmal pro Woche, meistens mor-
Und die Kinder kann man im Inter- gens vor der Arbeit.
nat um die Ecke abliefern. Und wenn keine Zeit bleibt?
Die Zeit muss man sich nehmen.
Auch wenn das bedeutet, 60 Minu-
ten früher aufzustehen.
Ihr größter Erfolg?
Immer wieder gegen sich selbst an-
zutreten und dabei festzustellen, wie
man an sich selbst wächst.
Was lehrt Sie Freeletics fürs
Leben?
Selbstdisziplin und Entschlossen-
heit. Oder anders gesagt: sich Ziele
zu setzen und sie konsequent zu
FOTOS: PR, MARK NOLAN (2)

verfolgen.
Ihr Motto?
Ganz oder gar nicht. 1

118 manager magazin F E B R U A R 2 0 1 8


B RIEFING
LEBEN

5
BESTSELLER

1 (2) ELON MUSK


Ashlee Vance, Elon Musk,
Finanzbuch, 19,99 Euro

2 (3) FOOTBALL LEAKS


Rafael Buschmann,
Michael Wulzinger, DVA, 16,99 Euro

3 (1) DIE GANZE GESCHICHTE


Yanis Varoufakis,
Kunstmann, 30 Euro

4 (8) CRYPT OCOIN S


Aaron Koenig,
Finanzbuch, 16,99 Euro

5 (7) WEM GEHÖRT D I E W E LT ? A B W E H R Die Nato rüstet sich zum Kampf


Hans-Jürgen Jakobs,
gegen neue Superintelligenzen, das
Knaus, 36 Euro
Foto zeigt die Übung „Locked Shields“
6 (5) SOUVERÄN INVESTIEREN IN
INDEXFONDS UND ETFS
Gerd Kommer, WIRTSCHAFTSKULTUR
Campus, 32 Euro

7 (4 ) DIE KREBSMAF I A
Oliver Schröm, Niklas Schenck,
Bastei Lübbe, 20 Euro
Agentenspiele
US-Autor David Ignatius siedelt seinen neuen Spionage-
8 ( 1 2 ) REICHT UM OHNE G I E R
Sahra Wagenknecht,
roman in der IT-Welt an. Realistischer geht’s kaum.
Campus, 19,95 Euro

D
9 (–) PORSCHE ie Entwicklung des Quantencom- Maulwurf in den Reihen der CIA. Das recht
Wolfram Pyta, Nils Havemann,
Jutta Braun, Siedler, 28 Euro puters gilt als eines der entschei- konventionelle Katz-und-Maus-Spiel be-
denden technologischen Wettren- zieht seinen Reiz aus der Kühle, mit der
10 (–) E S WA R E N E I N M A L B A N K E R nen der Gegenwart. Google, Intel, IBM und Ignatius auf die Agentenszene blickt, die er
Leonhard Fischer, Arno Balzer,
Ecowin, 24 Euro
Microsoft forschen mit Hochdruck an für die „Washington Post“ mehr als ein
Quantenchips, die die Leistung heutiger Vierteljahrhundert redaktionell begleitet
Ein Ex-Investmentbanker und ein Rechner um ein Vielfaches übertreffen und und in mehreren Bestsellern verarbeitet
Wirtschaftsjournalist erklären den
Finanzkapitalismus für gescheitert.
der künstlichen Intelligenz hat ( „Der Mann, der niemals
zum Durchbruch verhelfen lebte“). Er zeigt die Agency
11 (–) THE FOUR sollen. Besonders weit ist als rüden Laden voller Vor-
Scott Galloway, ein kanadisches Start-up, urteile, die die Mission fast
Plassen, 24,99 Euro
das von Goldman Sachs und zum Scheitern bringen.
1 2 ( 9) S O N S T K N A L LT ’ S ! Amazon-Gründer Jeff Bezos Protagonist Harris Chang,
Matthias Weik, Götz W. Werner, finanziert wird – und vom der den Maulwurf aufspüren
Marc Friedrich, Eichborn, 10 Euro
US-Geheimdienst CIA. soll, leidet unter dem ver-
13 (–) HERRSCHAFT D E R D I N G E Die Minifirma auf der steckten Rassismus seiner
Frank Trentmann, Payroll des Spionagediens- Kollegen, die den Amerika-
DVA, 40 Euro tes inspirierte US-Autor ner mit chinesischen Wur-
14 (13) T O O L S D E R T I TA N E N David Ignatius zu seinem zeln trotz seines Armeeein-
Timothy Ferriss, neuem Plot, den er zum satzes im Irak-Krieg nicht als
Finanzbuch, 29,99 Euro Wettkampf der Supermäch- einen der Ihren anerkennen.
David Ignatius
15 (6) A115 – DER S TU R Z
te hochjazzt, mit Verweis auf THE QUANTUM SPY Das liefert Chang fast dem
die erbitterte Rivalität um W. W. Norton & Company, Gegner aus. Eine Agentin
Thomas Middelhoff,
336 Seiten, 22,97 Euro
LangenMüller, 24 Euro die Atombombe im 20. Jahr- wiederum hat mit Sexismus
FOTO: LUCA LOCATELLI / INSTITUTE

hundert. zu kämpfen.
Die Bestsellerliste wird exklusiv für mm In „Quantum Spy“ wollen nicht nur die Ignatius ist kein literarisches Krimigenie
von der Fachzeitschrift „buchreport“ in
Kooperation mit Media Control ermittelt. Sie Amerikaner das Schicksal der privaten For- wie John le Carré, er erzählt seine Story in
basiert auf den Abverkäufen aus circa 3700 schertruppe kontrollieren (die hier nicht großen Teilen über Dialoge, viele Szenen
repräsentativ ausgewählten Verkaufsstellen. in Kanada, sondern in Seattle sitzt), auch spielen in Hotels und Konferenzsälen. Aber
die Chinesen sind hinter der bahnbrechen- das Buch ist packend inszeniert. Nicht nur
den Technik her. Ihr Informant ist ein für Quanten-Nerds. 1 Eva Buchhorn
F E B R U A R 2 0 1 8 manager magazin 119
Der Businessclub des manager magazins

IMPRESSUM / SERVICE
V O RT R A G
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Ericusspitze 1, 20457 Hamburg Telefon: (040) 30 80 05 66, Fax: (0 40) 30 07-29 66;
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Jens Schulte-Bockum?
Der frühere Vodafone-Deutschland-Chef überwarf sich mit der
britischen Mutter – jetzt düst er als COO von Johannesburg aus durch Afrika.

V
erspricht die Arbeit sich in manchen Regionen im ver-
bei einem Mobilfunker gangenen Geschäftsjahr mehr als
Abenteuer? Normaler- verdoppelt.
weise eher weniger. Die neue Dynamik hat es Schul-
Doch Jens Schulte-Bockum (51) hat- te-Bockum angetan. Nashörner, die
te mehr davon, als ihm lieb war. Es mit Sendern vernetzt werden, ein
waren die Zeiten, als bei seinem Ex- Uber-Klon im Iran oder Instant-
Arbeitgeber Vodafone kaum etwas Überweisungen via Handy („unsere
voranging. Die britische Konzern- Wachstumsrakete!“) – aus dem jun-
mutter wollte mit ihrer Deutsch- genhaften Mann mit dem breiten
land-Tochter schneller expandieren Gewinnerlächeln sprudeln die Anek-
und setzte Schulte-Bockum einen doten nur so heraus. Statt wie früher
Aufpasser in den Board. Das passte daheim ein Geschäft nur zu verwal-
dem Deutschland-Chef gar nicht, er ten, darf er jetzt die afrikanische Sa-
verkrachte sich mit der Führungsrie- vanne mit dem Internet beglücken.
ge in London und warf im Mai 2015 „Dieser Job ist noch spannender,
entnervt hin. als ich es mir vorgestellt hatte“,
Danach wurde es ruhig um Schul- schwärmt er. Über seinen früheren
te-Bockum. So ruhig, dass schon das möchte er gar nicht mehr reden.
Aufploppen einer Mail über ihn zum Bei MTN dient Schulte-Bockum
Ereignis wurde. Die Meldung, dass seinem alten Vodafone-Gefährten
der Deutsche in Südafrika beim Mo- Rob Shuter als COO. Ein Job, der ihn
bilfunker MTN anheuert, ging Ende regelmäßig nach Lagos, Guinea oder
FOTOS: HERMAN VERWEY FÜR MANAGER MAGAZIN, AMIN AKHTAR / VODAFONE INSTITUTE / CC BY-ND 2.0 / FLICKR.COM

2016 völlig unter. Dabei war der Teheran führt, wo er sich um die
Schritt nur konsequent, das nächste lokalen MTN-Ableger kümmert.
Abenteuer eben. Shuter hatte Schulte-Bockum nach
Schulte-Bockum wollte raus aus dessen Abgang in Düsseldorf ange-
der Branche oder wenigstens raus worben. Den größten Teil des Jahres
aus dem gesättigten Europa. Zur Ab- GOOD TIMES lebt er seitdem in einer Gated Com-
wechslung mal in einem Wachs- In seiner neuen Heimat munity in Johannesburg, dort hat er
tumsmarkt arbeiten – das war sein vermeidet Jens Schulte- ein Haus gemietet. Seine Frau fliegt
Ziel. Bockum Autofahrten im ab und zu aus London ein, die jünge-
Dunkeln, ansonsten ge-
Bei MTN, dem südafrikanischen nießt er das Leben in Johannesburg – ren Töchter gehen auf britische In-
Marktführer (Umsatz 2016: 10,3 Mil- sofern er nicht unterwegs ist. Als Chief ternate.
liarden US-Dollar), betreut er neben Operating Officer von MTN, dem Langfristig will der gebürtige
Schwellenländern nun auch High größten Mobilfunkanbieter des Konti-
nents, absolvierte er 2017 mehr als 50
Westfale zurück nach Europa. Sein
Risk Markets wie den Sudan oder Sy- Übernachtflüge. Bei seinem vorherigen Vertrag in Südafrika laufe noch drei
rien, sein neuer Konzern betreibt Arbeitgeber Vodafone hat sich der Jahre, sagt Schulte-Bockum. Dann
dort überall Mobilfunknetze. Wich- Ex-Meckie als Statthalter der Deutsch- folgt vielleicht schon der nächste
land-Dependance (auf dem Foto mit
tige Kennzahlen weisen, trotz aller Angela Merkel) mit Vittorio Colao
Schritt. „Ich bin mit Anfang 50 ja
Gefahren, nach oben: Die mobile Da- (M.) verkracht, seinem Boss in London. noch im besten Manageralter.“
tennutzung der MTN-Kunden hat Wie schon Vorgänger Fritz Joussen. 1 Philipp Alvares de Souza Soares

Das nächste manager magazin erscheint am 16. Februar 2018. Bis dahin täglich: www.manager-magazin.de

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20. FEBRUAR 2018

HAMBURG

.CON 2018
FEMALE LEADERSHIP
KONFERENZ
SABINE ECKHARDT TINA EGOLF KATJA KRAUS
ProSiebenSat.1 Media Clue Jung von Matt/SPORTS

MOUNIRA LATRACHE TINA MÜLLER DR. SIGRID NIKUTTA


Connected Business Douglas Berliner Verkehrsbetriebe (BVG)

ASTRID POSNER SANDRA REHDER DR. REBEKKA REINHARD


Expertin für Transformation BOLD Philosophin, Autorin, Speakerin
und Führung

PROF. DR. SABINE REMDISCH DR. CHRISTINA REUTER PETRA SCHARNER-WOLFF


FOTOS: BVG / Rose Photography (1), Tanja Kernweiss (1)

Leuphana Universität / Airbus Defence and Space / Otto Group


Stanford University KION Group

BIBIANA STEINHAUS JULIE LINN TEIGLAND MIRIAM WOHLFARTH


FIFA-Schiedsrichterin EY RatePAY

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