Sie sind auf Seite 1von 24

Geschichte der deutschen Literatur des 20.

Jahrhunderts II
2012/2013 (zweite Teilprüfung)

POLITISIERUNG IN DEN 60ER JAHREN

DIE POLITIK IN DEN 1960ERN

- die 60er – das Jahrzehnt der Veränderungsbewegungen > politisch begründete Kulturkrise
- 1968: Mythos > eine Art Chiffre, hinter der sich ein Prozess verbirgt
- neue politische Kultur

1966 zwei Gedichtssammlungen


- E. Jandl – Laut und Luise – engagierte experimentelle Literatur
- E. Fried – undVIETNAMund – pazifistisch, antimilitaristisch

vielfache Gründe:
- ökonomisch: 1963 erste Nachkriegskrise, 1967 Rezession
- 1965/66 – Streiks, Krise, erste Phase der Arbeitslosigkeit
- Eskalation der Unzufriedenheit, des Wunsches nach Veränderung
- die Frauenbewegung, Hippies

- innenpolitische Faktoren 
- Mauerbau 13. August 1961
- die Sowjetunion will ihre Bürger vorm Westen schützen

- außenpolitische Faktoren 
- das Leiden der zivilen Bevölkerung (Vietnam)
- Konsequenzen des Imperialismus

- die kommunistische Partei


- eine deutsche außenparlamentarische Fraktion – Versammlung unterschiedlicher Gruppen am Rande  Proteste,
Kritik, Unruhen (Bonn, Westberlin)
- Legitimationskrise: Autoritätsverfall
- 1968 werden Notstandsgesetze ausgerufen  „repressive Toleranz“ H. Marcuse  Deutschland als tendenziell
repressiver Staat
- Außenparlamentarische Opposition 1966:
1. Friedensbewegung
2. Gegner der Notstandsgesetzgebung und
3. Studentenbewegung  

- Kommune 1 und Kommune 2  freizügig, nackt


- Radikalisierung aus den Reihen der Studenten – daraus entstehen Die Grünen
- Hierarchie  alle Formen (Frauen, Minderheiten, Solidarität mit der 3. Welt)

- die Studentenbewegung > besiegelt das Ende der Nachkriegszeit


- Studenten sind Träger der Proteste  Kritik an Verblendungen und Fehlern aus der Vergangenheit – viele Dozent
aus der NS-Zeit unterrichten noch an Unis und übernehmen keine Verantwortung für die Übeltaten
- die Unis haben keinen Anschluss an die neuen Tendenzen gefunden
- Rudi Dutschke (eine Rede: Hoffnung, dass die Bewegung auf breite Massen übergeht; “der lange Marsch durch
die Institutionen” http://www.youtube.com/watch?v=jPmyIT_wphU)
- Studentenproteste, nachdem ein Stasi-Mitglied einen Studenten umgebracht hatte

- Bildungsdefizit: gg. traditionell-konservative Bildungshierarchie


- Faschismus-Analyse wird verlangt  Nürnberg 1963-1964 NS-Verbrechen
- Kritik an totalitären Strukturen

13
Geschichte der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts II
2012/2013 (zweite Teilprüfung)

POLITISIERUNG DER LITERATUR

- ein Jahrzehnt der Veränderungsbewegungen


- Was hat das alles mit der Literatur zu tun?
- Enzensberger (die Zeitschrift Kursbuch) ist der Wegbereiter der politischen Lyrik; er sagt, die Literatur sei tot
und kritisiert die alte Funktion der Literatur als Illusionsproduktion; nicht imstande der pol. Wirklichkeit gerecht zu
werden, Aufruf zur Selbstbestimmung wegen dem gesell. Funktionsverlust; er will einen neuen Literaturbegriff
- die Einsicht, dass die Literatur zur Oase für die Interessierten geworden ist
- Funktionslosigkeit der Kunst
- idealistische Ästhetik: wollen eine neue Form der Selbstbestimmung, dass das Engagement sinnvoll ist und die
Literatur die Gesellschaft verändert
- Agitproplyrik - propagandistische Literatur = kurze eindringliche Texte
- Kunst des Happenings

- die Antwort der Literatur  Legitimationskrise/Fundamentalkritik (Schulz) von der Straße


- Konsequenzen: Politisierung der Autoren: Medienwechsel
- politische Differenzen und poetische Formensprache: das Gegenbild zur Realität, operative Konzepte im Sinne
Brechts

- Themen: Öffentlichkeit, Politik, Engagement


- revolutionäre Ästhetik: Agitproplyrik, Straßentheater, Graffiti, Protokolle, Dokumentarliteratur
- erst dann spricht man nicht mehr von der Nachkriegszeit
- nachträgliche Thematisierung: Uwe Timm: “Heißer Sommer“ (1968) – beschreibt den Prozess der Revolution als
Prozess der Illusion(??)
- kontinuierliche Weiterentwicklung > neue Welle der Frauenliteratur nach der Politisierungsphase; die Frauen
wollen sich der phallozentrischen Sprache entziehen: Frauenliteratur: K. Struck “Klassenliebe” (Liebe in
revolutionären Umständen, sensible Sprache)
- es entwickelt sich ein neues mündiges Publikum
- Adorno wendet sich von den Studentenbewegungen ab
- Gründe für die Politisierung: Hinterfragung der alten autoritären Strukturen: Kann die Literatur nur
sprachimmanent und nicht politisch sein?

- Politisierung  neue Medien werden engagiert


- neue Poetik
- man will operative Konzepte entwickeln  eine Literatur, die eingreift, kommentiert, kritisiert, sich aufs
Bewusstsein einwirkt

- häufig autobiographisch
- Bernd Vesper – Sohn eines NS-Lyrikers; er besetzt aber eine außerparlamentarische Position:
1) Prozess-Einsicht
2) Drogeneinnahme
3) Reise nach Dublin
- sein Roman Die Reise wurde 1971 geschrieben und 1977 veröffentlicht; Revision der Begeisterung

KONKRETE POESIE

- höchst unterschiedliche Textprodukte und Texttheorien

Ausgangspunkt:
Es war erst mal die Sprache als Material, fast im physikalischen Sinn ein Experimentierstoff, und Sie dürfen nicht vergessen,
dass wir noch zwölf Jahre lang mit einer verlogenen, hoch pathetisierten Sprache konfrontiert waren. Zeitungen, Rundfunk,
sogar in Gespräche, in den Jargon ging das ein, und unsere Sprache, also sagen wir ruhig, die deutsche Sprache auf diese Weise
wieder zu finden, war per se ein Experiment. H. Böll

- im physikalischen Sinne des Wortes


- graphische Konstellationen

13
Geschichte der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts II
2012/2013 (zweite Teilprüfung)

Entwicklung:
- Sprache als Material > „sprachimmanent“: die Sprache als eigenständige Realität
- das Verfahren der Regelabweichung
- H. Heißenbüttel: Befreiung von literarischen Konventionen, aber auch im politisch-ideologischen Sinne (Über
Literatur, 1966)
- Überdruss an gesell. Konventionen, an herkömmlichen Sehweisen, Wahrnehmungsformen und
Denkgewohnheiten > ideologiefreies Sprechen

- Jandl bekannt – konkrete Poesie als Gegengewicht; die Autoren sind nicht an der Wirklichkeit interessiert
- der Gegenstand ist die Sprache; die Materialität der Sprache
- sie zweifeln nicht an der Kommunikationsfunktion, wollen sie aber aufheben
- die Sprache als sprachimmanent betrachtet
- Sprache = Summe von Lauten oder Symbolen
- die konkrete Poesie = experimentell
- ist es möglich, in die Theorie zu flüchten und die Sprache nur als Sprachsystem zu betrachten?

- aber nicht völlig apolitisch (z.B. in einem Gedicht: sau aus usa)
- konzentriert auf die Buchstaben, aber auch politisch

Theorie und Praxis konkreter Poesie

- der Schweizer Autor Eugen Gomringer 1955 den Begriff geprägt und ist der Begründer dieser Tradition
(Konstellationen stellen eine neue Realität her)
- selbstreferentielle Funktion dieser Lyrik (wenn z.B. ein Text ein leeres Rechteck bildet, dann steht das für das
Unsagbare)
- stützt sich auf das “Manifest der konkreten Kunst” von Theo von Doesburg: dass das Bild “keine Anlehnung and
die Natur enthalten darf”
- „konstellationen“ > „mit der Konstellation wird etwas in die Welt gesetzt, es ist eine Realität an sich und kein
Gedicht über“ (1960)
- was bedeuten diese Buchstaben? Schock-Ästhetik – neue Avantgarde (Berufung auf die Avantgarde); Kritik an
Konventionen
- Prinzipien: Reduktion und Kombination der Bauelemente der Sprache: als Schriftbild optisch wahrnehmbare
Sprache: Laut- und Buchstabengedichte (asemantische akustische/visuelle Poesie)
- Autoren versuchen eine nicht-kontaminierte Sprache zu erfinden
- Gedichtsammlung „worte sind schatten“, 1969
http://lyrikline.org/index.php?id=162&L=0&author=eg03&show=Poems&poemId=2916&cHash=4624b23515
- 1966 - 2 Gedichtbände: E. Jandl Laut und Luise, E. Fried undVIETNAMund

- asemantisch, geschlossenes System


- 2 Gedichtsbände – unterschiedliche Zugänge, Beunruhigung der Diskurse – Rückzug in die Sprache
- akustische Poesie – lebt vom öffentlichen Auftritt (E. Jandls Poesie; Jandl ahmt z.B. Waffen nach) –
Sprachgedichte müssen ausgesprochen werden, um zu verstehen, was der Autor sagen will

- die konkrete Poesie bezieht sich auf die materielle Seite der Sprache

DIE WIENER GRUPPE

- schon Ende der 50er – neuavantgardistische Gruppe


- eine Gruppenästhetik, keine einzelnen Autoren
- Negation der herkömmlichen traditionellen Muster
- die Sprache wird zergliedert, dient als Provokation, die Instanz des Autors wird zerstört; häufig Kabaretts
- Auseinandersetzung mit den Bürgern

- Gruppenarbeit, Aktionen, Provokationen


- 1958 – Spitze der konservativen Ära

13
Geschichte der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts II
2012/2013 (zweite Teilprüfung)

- patriarchale Autoritäten und die Familie angegriffen als Kleinzelle des Übels
- in den frühen 50er: Friedrich Achleitner, H. C. Artmann, Konrad Bayer, Gerhard Rühm, Oswald Wiener
- F. Archleiter – Architekt, der jetzt Kurzerzählungen schreibt
- H. C. Artmann war starker Individualist; österreichische Tradition der dialektalen Poesie (Wienerisch)
- K. Bayer – Selbstmord (= Ende der Gruppe); war der Talentierteste von allen Mitgliedern der Wiener Gruppe
- die Romane von O. Wiener wurden jetzt erst entdeckt, und zwar in der Tradition Musils
- konkrete, mit Materialien der Sprache arbeitende Dichtung
- Aufhebung der „hierarchischen Struktur des Satzes“
- gegen das Klima der Unterdrückung
- kritische Manifeste; Spiel mit der Sprache
- ihre Werke sind nur bedingt der konkreten Literatur zuzurechnen, weil sie gesellschaftlich engagiert waren,
knüpften an die Avantgarde an (die Kunst musst eine Wirkung erzielen können, wenn sie die Welt erschüttern soll);
provokative, subversive Effekte
- Tradition des Schocks, der Provokation
- Sprachexperiment: Ausdruck und Mittel gegen das restaurative und bornierte kulturelle Klima im
Nachkriegsösterreich
- Funktion: Akt der Widersetzlichkeit gegen gesell. Herrschaftsverhältnisse „Atmosphäre von Ignoranz und
wütender Ablehnung“ (G. Rühm 1967)
- Befreiung von vorgegebenen Normen durch „elementare Reduktion“
- Vorläufer: Dadaismus, Futurismus, Surrealismus
- Montagen aus vorgefertigtem Sprachmaterial
- Poetik der Provokation und des Schocks „poetische Prozessionen“

- später auch Die Grazer Gruppe  Gesellschaftskritik und Gemeinschaftsarbeit (ähnlich wie die Wiener Gruppe)

ERNST JANDL

- konkrete Poesie
- Spiele mit den Sprachzeichen und mit der Sprache
- Wien. Heldenplatz (Hitler-Rede 1938 – die Rede wurde von den Österreichern mit Begeisterung angenommen –
darüber schrieben später viele; später wollten sich die Österreicher nämlich als Opfer präsentieren; in Österreich gab
es keinen Entnazifizierungsprozess)
- die austriakische Renaissance – rückwärtsgewandte Literatur
- das Narrativ der vergangenen Größe des österreichischen Volkes
- bekommt den österreichischen Staatspreis
- konservatives borniertes Klima in Österreich
- Jandl ist ein österreichischer Autor, der die Schuld der Vergangenheit thematisiert

- „akustische Gedichte“, „Lautgedichte“ “Sprechgedichte”; Jandl war der Performer seiner Gedichte und war von
Anfang an berühmt
- anders als die Wiener Gruppe hat er die Poetik der Publikumsnähe verfolgt
- Sprachexperiment und Sprachwitz
http://lyrikline.org/index.php?id=162&L=0&author=ej00&show=Poems&poemId=1230&cHash=4555b5e098
- subjektiv-emotionale Dimension seiner Textproduktion > „Was ich will, sind Gedichte, die nicht kalt lassen“,
1967
- “freude an der manipulation mit dem sprachmaterial und den daraus resultierenden entdeckungen“
- Gedichtband “laut und luise” 1966 > Sprache wird “in verschiedener weise aus dem gewohnten in ein
ungewohntes gleichgewicht gebracht” (Verwechslung von r und l)

lichtung
manche meinen
lechts und links
kann man nicht
velwechsern
werch ein illtum!

13
Geschichte der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts II
2012/2013 (zweite Teilprüfung)

- Parallelen: Dada-Bewegung, Figurendichtungen des Barock, Nonsense Dichtung (er war wiederum ein Poeta
doctus, Nonsens-Dichtung dicht an die Bedeutung gebunden)
- zergliedert die Sprache in die kleinsten Einheiten

- Gruppen: akustische Gedichte


Lautgedichte
Sprechgedichte
- er betont die subjektiv-individuelle Dimension der Gedichte
- er zergliedert die Sprache als Material, an automatisierten Mustern bricht er aus und macht die Sprache zum
Gegenstand
- greift die Möglichkeit an, dass wir mit der Sprache etwas vermitteln – er fragt sich, was verschwiegen wird
- Freude an Manipulation mit dem Sprachmaterial
- entdeckt unterschiedliche Ebenen der Wirklichkeit
- in seiner letzten Phase: Frage der Identität

DOKUMENTARISCHE LITERATUR

Nun gab es die Anschauung, dass der Autor sich aus politischer Anteilnahme heraushalten sollte. Aber war das Leben nicht zu
kurz für diese Objektivität?... Es gab eine entscheidende Frage: Wer braucht meine Arbeit, und kann mein Schreiben helfen, die
Erde bewohnbar zu machen? P. Weiss, 1966

- die These, die Literatur sei tot (Enzensberger will neue Bereiche für die Literatur eröffnen und schaut, welche
Form auf die Wirkungslosigkeit hinweisen kann)
- die Autoren dürfen nicht mehr erfinden, sie können sich keine Fiktion leisten, man muss mit den Fakten eine
Authenzitität erreichen und so Veränderungen vollbringen
- die Autoren klammern sich an historische Fakten und versuchen authentische Literatur zu schreiben (oft mit
Schriften aus Prozessen)
- gegen die Zeitfluchttendenzen von „abstraktem Roman“, absurdem Theater und konkreter Poesie
- aktualisiert das Problem des Verhältnisses der Literatur zur empirischer Wirklichkeit
- Literaturgegenstand: von gesellschaftspolitischer Brisanz, Maßnahme gegen die manipulierende Berichterstattung
der Massenmedien > Objektivität der Darstellung
- Zeitgeschichte als Bühnengeschehen
- Ralf Hochhuth: Der Stellvertreter 1963, „christliches Trauerspiel“
- Heiner Kipphard: In der Sache J. Robert Oppenheimer, 1964 “szenischer Bericht” > Form des Verhörs
- P. Weiss: Die Ermittlung, 1965 Typus des engagierten Schriftstellers (Autoren wollen engagierte Literatur als
Antwort auf alle Ereignisse schreiben; sie behaupten, sie hätten kein Recht, sich zurückzuziehen und Geschichten
zu erfinden; sie sollen ins Leben eingreifen und kritische Meinungen formulieren)

- dokumentarische Dramen  Dokumentarliteratur im Vordergrund; die Literatur soll die Wirklichkeit einholen 
Antwort: die Wirklichkeit entzieht sich der Literatur, Sie wollen deshalb auf Dokumente zurückgreifen
- die Frage nach dem Status von Dokumenten  einige sagen, sie hätten auch keine Wahrheitsdimension
- Objektivität – engagierte politische Antwort auf die Ereignisse in der Literatur als Form der Abwendung von den
Massenmedien (die manipulieren)  aber sind Dokumente nicht auch manipulierbar und nicht nur trockene Fakten,
kein Stoff fürs Literarische? Häufig werden aufgefundene Stoffe bearbeitet.
- Themen: Texte, die sehr provokativ sind mit Themen wie z.B. Auschwitz
- die Stellung des Papstes im 2. Weltkrieg, der sich hätte engagieren sollen
- die Informationen über Verbrechen werden nicht akzeptiert, die Kirche hat nichts unternommen (moralische
Dimension des Stückes – das Drama als christliches Trauerspiel)
- keine Tabus und Beziehungsängste: Verantwortung und Mitschuld der Welt

Das dokumentarische Theater enthält sich jeder Erfindung, es übernimmt authentisches Material und gibt dies, im Inhalt
unverändert, in der Form bearbeitet, von der Bühne wieder. (Notizen zum dokumentarischen Theater, 1968)

13
Geschichte der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts II
2012/2013 (zweite Teilprüfung)

PETER WEISS

- Jude (hörte den Prozessen zu)


- spätere politisch-didaktische Stücke: Gesang vom Lusitanischen Popanz (1967), Viet Nam Diskurs (1968), Trotzki
im Exil (1970), Hölderlin (1971)
- Auffassung von der Bühne als politischem Forum > auf Veränderung abzielt
- in der didaktisch-kritischen Tradition Brechts, sein Theater ist “durch seine Kritik verschiedener Grade bestimmt”:
“Kritik an Verschleierung”, an “Wirklichkeitsverfälschungen“, an „Lügen“
- Dokumentartheater als Gegengewicht zu Massenmedien
- Vertreter eines „realistischen Zeitalters“

- Weiß' Notizen zum dokumentarischen Theater


- die Idee, dass das Material als solches darzustellen ist
- wie kann die Form den Inhalt doch nicht beeinflussen?
- ist das dokumentarische Theater parteiisch?

- später schreibt Weiß didaktische Stücke, zeitgebunden, virulente Themen; diese werden aber nicht positiv
aufgenommen
- ideologisch zu einfach
- Dokumentartheater als Gegenentwicklung zu den Massenmedien

 Die Ermittlung
- Ermittlung der Auschwitz-Prozesse
- ist mit dem Thema verbunden; sehr subjektiv
- schreibt ein Oratorium (Versform im Drama)
- hat Transkripte bearbeitet und daraus ein Oratorium gemacht
- Ästhetisierung des Grauens
- die Form dient der Distanzierung vom Grauen
- setzt sich mit der Belastung Deutschlands auseinander
- hat die Figuren nicht individualisiert, weil sie als universell gelten
- zeigt all die grausamen Elemente aus Auschwitz, aber auch als Leitmotiv – wie alle Angeklagten ihr Unwissen
rechtfertigen
- das Perverse am Drama – keiner hat was gesehen oder gelernt, alle streiten die Schuld ab
- will die Botschaft an die Schweigenden bringen

 Deutsche Lebensläufe
- Lebensläufe der national-sozialistische Täter und die Verstrickung des Einzelnen im größeren geschichtlichen
Zusammenhang

 Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats dargestellt durch die Schauspieltruppe des Hospizes zu
Charenton unter der Anleitung des Herrn de Sade
- 1964 Drama in zwei Akten
- basiert auf wirklichen Ereignissen
- psychiatrische Schriften, die Französische Revolution, historische Reden sind im Drama erhalten, historische
Akten
- nicht rein dokumentarisch, weil alles vermischt ist
- die Welt soll als Bühne fungieren
- Spiel im Spiel – 3 Perspektiven  Ermordung, Marats Perspektive, das Bewusstsein des Autors
- aktuelles Thema –> Möglichkeit der Verwirklichung der Revolution und der Wirkung der Revolution
- die Bühne wird zum „politischen Formen“
- fiktionale Ebene: 2 Zeitebenen, das ganze Drama unter Geisteskranken (Theatrum mundi), die ganze Welt verrückt
- Stoff: Abklänge der Französischen Revolution
- dokumentarische Quellen: die Totenrede de Sades auf Marat, Berichte vom Ende Marats, Aufzeichnungen über
die fr. Psychiatrie zu Beginn des 19. Jahrhundert
- drei Zeit- und Handlungsebenen

13
Geschichte der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts II
2012/2013 (zweite Teilprüfung)

- die Welt als Bühne, als Irrenhaus, als Schaubude „Denn was wäre schon diese Revolution/ ohne eine allgemeine
Kopulation.“
- die Welt als Bühne der Revolution
- leitmotivisch => der Chor (fiktionale Einschübe, wodurch die Frage nach der Verwirklichung der Revolution
gestellt wird), historische Dramen
- die Unausweichlichkeit der Gewalt
- Marat krazt sich die ganze Zeit
- die dialektische dichotomische Position
Ein resignierte zweifelnder Revolutionär, der an der Revolution zweifelt  de Sade
- Konflikt zwischen den zwei Figuren
- Sprache: stilisiert, Blank- und Knittelvers > Inszenierungscharakter des Schauspiels
- dichotomische Dramaturgie des Stückes: Diskutierspiel mit konträren ideologischen Positionen und zugleich ein
Spiel mit lit. Stilisierungen
- „der Konflikt zwischen dem bis zum äußersten geführten Individuum und dem Gedanken an eine politische und
soziale Umwälzung“
- „Wann werdet ihr sehen lernen / Wann werdet ihr endlich verstehen“

HEINAR KIPPHARDT

 In der Sache J. Robert Oppenheimer


- anhand von Prozessakten schreibt er wie Brecht und Dürrenmatt über die Verantwortung der Wissenschaftler
(hier: des Vaters der Atombombe)
- die Frage nach der Verantwortung der Physiker; Oppenheimer wehrt sich
- in der Form eines Verhörs  typischh für das Dokumentartheater
- Frage: postapokalyptische Zeit – ständige Drohung

DIE LITERATUR DER DDR

- 1946 SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands aus zwei Parteien gegründet) gegründet, “antifaschistisch-
demokratische Umwälzung“ > importierte Revolution
- Heiner Müller, Dramatiker, schreibt über die Entstehung der DDR; als ob die im Osten sich reingewaschen hätten
und sich der Schuld nicht bewusst wären
- antifaschistische Tendenzen wurden ihnen aufgedrängt
- „Sozialismus von oben“
- Spaltung der SED – Partei vs. Volk (reflektiert sich in der Literatur bzw. in der „Kulturpolitik“ – öffentliche
Literatur, die ideologische imprägniert ist, um nur ideologische Ziele zu verfolgen)
- wirtschaftlich verzweifelte Lage
- aufgedrängte Ideologie + nicht nachgeholte Vergangenheitsbewältigung
- Widersprüche der allgemeinen Gesellschaftsverfassung > Literatur
- “Literaturgesellschaft” J. R. Becher > deklarativ sich der humanistischen Pflege verschrieben
- „Aufbau. Kulturpolitische Monatschrift“ seit Sep. 1945

Die neue deutsche fortschrittliche Kultur baut auf dem großem nationalen Kulturerbe des deutschen Volkes auf. Sie… ist
getragen vom kämpferischen Humanismus….Die Werke der Wissenschaftler, Schriftsteller und Künstler müssen die
gesellschaftliche Realität widerspiegeln, sie müssen dem Volke verständlich sein und eine friedliche Aufbaumoral festigen .
Johannes R. Becher

- Quellen: 1. Neuherausgabe bürgerlich-humanistischer Werke, 2. antifaschistische Exilliteratur, 3. sowjetische


Kunstwerke
- „Vorwärts zu Goethe“ J. R. Becher
- 1952 – der planmäßige Aufbau des Sozialismus, 1953 der „neue Kurs“
- 1957 „Bitterfelder Weg“ > Ziel, die „Trennung von Kunst und Leben, die Entfremdung zwischen Künstler und
Volk zu überwinden“
- W. Ulbricht, „Dichter in die Produktion“, „Aufbruch zu einer gebildeten Nation“ „Stürmt die Gipfel der Kultur“

13
Geschichte der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts II
2012/2013 (zweite Teilprüfung)

- die DDR als Mythos; 1917 als Gründungsjahr der DDR (Oktoberrevolution in Russland)
- eine große Kluft zwischen Volk und Partei, Propagande und Wirklichkeit
- schwierige Lage, planmäßiger Aufbau des Sozialismus (Petoljetka)
- Geist der Stalin-Ära  ideologische Verfestigung
- die Literatur und Kultur in der DDR
- 1934 Andrej Zdanov – die Doktrin des nationalistischen Sozialismus  sozialistischer Realismus
- die Wirklichkeit in ihrer revolutionären Entwicklung
- der Realismus aus dem 19. Jahrhundert, das Narrativ der DDR  Entwicklung
- wahrheitsgetreue, konkrete Wirklichkeitsdarstellung
- Literatur mit pragmatischer Funktion – kann sich dem nicht entziehen  Instrument einer Ideologie  diese
Autoren in Vergessenheit (nur H. Müller und Ch. Wolf wurden als Modernisten nicht vergessen)
- 1953 - der Tod Stalins – rigide Kulturkonzepte
- auf welchen Grundlagen? Welche Vorbilder? die Anthologie Das bessere Land
- das Kulturerbe und die Kulturpolitik soll man betreiben (Kulturpolitik – in der BRD gibt es das nicht – Autonomie
der Zeit)
- die Kunst wird an alle vermittelt (in der DDR); aber eine ideologische Doktrin

- der Versuch, an die Klassiker anzuknüpfen


- J. R. Becher (wird Kulturminister der DDR): Poesie = Macht
- Aufbau der Literatur nach Regeln
- die Autoren unter Druck; Autozensur
- Aufbau Verlag  Zeitung (Auswahl aus den Werken von Schiller, Goethe, Lessing); das Programm: man will
Kleist und Schiller marxistisch deuten
- dialektische Funktion der Literatur
- Maxime der DDR: Aufwärts zu Goethe (ein wenig paradox)

- die Quellen:
1) Neuherausgabe der Klassiker
2) antifaschistische Exilliteratur  B. Brecht gründete in Berlin das Berliner Ensemble; auch auf deutsche
Klassiker konzentriert; humanistisches Idealdrama (Nathan der Weise, Mutter Courage...)
3) sowjetische Kunstwerke als Beispiel (von Maxim Gorki Die Mutter – sozialer Bildungsroman); gezielte
Auswahl; von avantgardistischen Autoren ist nicht die Rede

- keine neuen Dramen sind nach dem 2. Weltkrieg entstanden


- Brecht schreibt Elegien => Isolation
- Sammlung von Th. Manns Werken, die an die Arbeitermassen verteilt werden (Aufbau-Verlag)

Was kommt in diesem Kanon überhaupt nicht vor?


Es gibt keine Moderne  die Moderne wird als Beispiel der westlichen Dekadenz abgestempelt (Kafka wurde bis
auf ein Kapitel bis zu den 70er Jahren gar nicht gedruckt)

- rigide starre Konzeption des Sozialismus


- 1952 – planmäßiger Aufbau des Sozialismus

DIE TAUWETTERPERIODE

- Loslassen von den Parteistrukturen


- die planmäßige Politik will mehr auf die Literatur übertragen
- eine große Kluft zwischen den Autoren und dem Volk
- man schickt die Autoren u den Bauern und den Arbeitern, wo sie den sozialen Alltag kennenlernen sollen und
darüber schreiben sollen
- „Der Bitterfelder Weg“ – die Kluft soll überwunden werden, die Arbeiter sollen auch kulturell produzieren und
berücksichtigt werden
- das Ziel ist, die Trennung zwischen Kunst und Leben zu überwinden
- W. Ulbricht formuliert diese Tendenz – man will die Richtung der Kunst beeinflussen und neue Tendenzen in der
Literatur zeigen

13
Geschichte der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts II
2012/2013 (zweite Teilprüfung)

- Ch. Wolf – Der geteilte Himmel


- Massenexodus – 2,5 Millionen Menschen emigrierten aus der DDR

DIE LYRIK DER DDR

- „eine Kantate auf Stalin“


- die Lyrik ist aber eine sehr subjektive Gattung der Selbstverwirklichung – auch in der DDR
- die staatlich angeordnete Literatur konnte nur schlechte Stücke produzieren
- Stephan Hermlin – überlebte das Auschwitz-Lager
- Heinz Kahlau – Antwort auf den Personenkult – das stereotype Bild der Arbeiter als kräftig

- B. Brecht – das Gedicht An die Nachgeborenen – man kann keinen Ausdruck mehr finden für die Verbrechen aus
der Vergangenheit (ich lebe in finsternen Zeiten); er weiß nicht, welche Seite negativ ist
- Buckower Elegien – epigrammatisch beschreibt er die Situation in der DDR nach dem Aufstand am 17. Juni
- sachliche nüchterne Sprache
- die Kluft zwischen der Partei und dem Volk

- Betonung des subjektiven Faktors, Nachdenklichkeit und Sensibilität, subtilere Reflexion, „Lyrikwelle“ >
Selbstvergewisserung des Subjekts

Kurzer Lehrgang
Im mittelpunkt steht
der mensch
Nicht
der einzelne.

- Zäsur in den 70er-Jahren: die Ausbürgerung Biermanns nach seinem Kölner Konzert 16. 11. 1967
- in der Lyrik gibt es zwei Pole:

1) der subjektive Ausdruck


- J. Bobrowski: Sarmatische Zeit, 1961 – chiffrierte Knappheit, große Bildkraft; seine Sammlung Wetterzeichen
- er wurde sowohl in der BRD als auch in der DDR perzipiert  genuin lyrische Tradition
- versucht, die kollektive Schuld auszusprechen
- klassische naturmagische Zauberformeln
- Bobrowski beruft sich auf Klopstock, Hölderlin, Novalis
- universelle Form der Poesie
- eine Art Lyrik der „splendid isolation“

2) die Tradition des Kampfliedes


- W. Biermann gehört dazu

- die Lyrik geht einen anderen Weg


- Becher gegen die Dekadenz und den Formalismus
- Bobrowski – Gedichtesammlung; Bildkraft in chiffrierter Sprache

SARAH KIRSCH

- Landaufenthalt, 1967
- spricht von der sächsischen Dichterschule; sie wird eine ostdeutsche Ingeborg Bachmann genannt
- sie schreibt vom Grauen der Zeit
- bei ihr herrscht existenzielle Unsicherheit
- Botschaft an ihre eigene Zeit  niemand kennt den Ausweg

13
Geschichte der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts II
2012/2013 (zweite Teilprüfung)

RAINER KUNZE

- Sensible Wege, 1968


- in der BRD berühmt
- weicht dem System aus
- beharrt auf dem individuellen Ausdruck
- Vorwurf an die DDR – Kurzer Lehrgang
- Zäsur in den 70er Jahren

WOLF BIERMANN

- fing als Kabarettkünstler an


- seine Sammlungen wurden in der BRD veröffentlicht
- Gedichte mit Noten
- Liedermacher
- Poetik des Fragments und Dissoziation, das Bedeutungsfeld „Utopieverlust“

Im ´Neuen Deutschland´ finde ich


tagtäglich eure Fressen
Und trotzdem seid ihr morgen schon
Verdorben und vergessen
Heut sitzt ihr noch im fetten Speck
Als dicke deutsche Maden
Ich konservier euch als Insekt
im Bernstein der Balladen.

 Die Drahtharfe – eine Sammlung  danach wurde er in der DDR wegen des Gedichts Die Drahtharfe gleich
verboten

 Stasi-Ballade

- Systemkritiker in der BRD und der DDR  uneingeschränktes Auftrittverbot in der DDR  absolutes
Publikationsverbot
- im Herzen war er aber noch immer Kommunist
- 1976 - Ausbürgerung > Protest der ostdt. Intelligenz und ein nachfolgender Exodus von Schriftstellern und
Künstlern (aber auch die systemkonformen Autoren können nach 1976 das Regime nicht mehr bejahen)
- 1976 wurde er aus der DDR ausgebürgert, weil er in Köln ein Konzert vorführte

„1976 war ein Einschnitt in der kulturpolitischen Entwicklung bei uns, äußerlich markiert durch die Ausbürgerung von
Biermann. Das hat zu einer Polarisierung der kulturell arbeitenden Menschen auf verschiedenen Gebieten, besonders in der
Literatur geführt: Eine Gruppe von Autoren wurde sich darüber klar, daß ihre direkte Mitarbeit in dem Sinne, wie sie sie selbst
verantworten konnte und für richtig hielt, nicht mehr gebraucht wurde.“ (Die Dimension des Autors, C. Wolf 1987)

- auch H. Müller schreibt darüber, wie es in der DDR war, über alle Herausforderungen und Hinderungen
- es ist unmöglich, sich Orientierungen zu verschaffen
- Günter Kunert – intellektuelles Spiel; flieht in den Westen; beschreibt von dort aus die Situation in der DDR;
schreibt, die Dominanz und Kontrolle würden das Leben unmöglich machen
- die DDR der 70er als Übergangsgesellschaft  Zerfall, transitorische Situation
- das Nebenprodukt des sowjetischen Untergangs

13
Geschichte der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts II
2012/2013 (zweite Teilprüfung)

DRAMATIK

- sozialistische Bejahungsdramen
- unterschiedliche Entwicklungslinien

1) Regimetreu: „volksdemokratische“ Förderung der Theaterliteratur > eingängige, konventionell gearbeitete


sozialistische Bejahungsdramen > Konfektion, Konvention und Affirmation bestimmt die Praxis der Bühnen
- hoher Stellenwert, große Bedeutung dieser Gattung – dient als Mittel zur Verbreitung kommunistischer Ideen

2) B. Brecht – experimentelle Form des epischen Theaters  Berliner Ensemble, 1949 > Refugium der
Widerspruchskultur
- quasi moderner demokratischer Staat

3) neue Stimmen – die sind wichtig, weil das Nonkonformisten sind; Gegenspieler

- Thomas Brasch (1945-2001) Nonkonformist – Kampf des Individuums mit dem System (marginalisiert); das
Scheitern des Subjekts
- Volker Braun, 1939 – Widersprüche des Sozialismus; Produktionsstücke  in der Tradition des Bitterfelder
Weges (Partizipation der Massen an der Kultur); er weist später auf die Wiedersprüche des Sozialismus hin;
pessimistische dunkle Dramatik
- Peter Hacks (1928-2003) (ein poeta doctus) Nach- u. Neudichtungen antiker Stoffe, Klassizist; tatkräftige
Individuen in Moritz Tasso; seine Werke wurden verboten, wonach er sich antiken Stoffen widmet, weil sie nicht
oder nur schwer zensuriert werden können
- H. Müller (1929-1995)
- Horror-, Koloportage und Montageverfahren

HEINER MÜLLER

- Montageverfahren
- die Geschichte als dysfunktionaler Horrorfilm
- mit dem Aspekt der deutsche Geschichte beschäftigt
- dicht Dramen  tödliche Gedichte, scheiternde Hoffnung
- Kultfigur der DDR; wurde auch in der BRD rezipiert
- auch von der Subkultur aufgenommen
- Bands bearbeiten seine Dramen
- 1970-1976 als Dramaturg am Berliner Ensemble, anschließend an der Berliner Volksbühne, seit 1990 Präsident
der Akademie der Künste der DDR (der Nachfolger Brechts)
- Außenseiterposition von Wiederspiegelungsauftrag des „sozialistischen Realismus“
- marginalisierter Status  seine Dramen wurden oft verboten und nicht aufgeführt
- fing mit Produtkionsstücken an; gab sie auf, weil sie ihn nicht weiterbringen können
- intertextuelle Herausforderung  rezipiert die Literatur der Moderne

- Einflüsse A. Artauds, S. Becketts, der Antike und der Avantgarde


- gegen Inhumanität und Deformationen in den gegenwärtigen Strukturen
- dram. Anfänge: „Produktionsstücke“ > agitatorisches Lehrtheater, antithetisches Lernen

- das Theater der Grausamkeit – radikale Revolutionalisierung des Theaters (die Schauspieler sollten mit ihren
Gesten dramatisch grausam spielen; Extremsituationen des menschlichen Körpers)
- Einfluss: B. Brecht als „Legitimation“ zugleich, „Brecht gebrauchen, ohne ihn zu kritisieren, wäre Verrat“
- die Inhumanität der Gesellschaft  Kritik an der Gesellschaft
- stellt das Negative zur Schau, Pessimismus
- Radikaldramaturgie
- Brecht war sein großes Vorbild, aber er übernimmt von ihm nicht nur, er bricht seine Richtlinien und führt Brechts
Ideen bis zum Paradox
- am Anfang Agitationstheater

13
Geschichte der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts II
2012/2013 (zweite Teilprüfung)

 Die Umsiedlerin – Beispiel des Agitationstheaters; wurde verboten


- greift zu neuen szenarischen Mitteln
- keine Lehre ist vermittelbar
- immer an der Geschichte interessiert
- die nie überwundene faschistische Vergangenheit

- Aufführungsverbot: Die Umsiedlerin, 1961, Einsicht: „Mit dem Realismus geht es nicht.“
- „mir fällt zum LEHRSTÜCK nichts mehr ein“ (Müller 1978), so dass „wir uns vom LEHRSTÜCK bis zum
nächsten Erdbeben verabschieden müssen“

- seine Radikaldramatik:
- offene Montage; Anhäufung von Wissen, Traditionen usw. (der Leser soll die Zusammenhänge erkennen)
- die Realität in Teile zerlegt  wie sin Puzzle-Spiel
- danach: Absage mit dem Realismus  Mythos der Antike werden bearbeitet, genauso wie Shakespeare und die
deutsche Geschichte  obsessiv thematisierte Schwerpunkte
- Scheitern der Revolution
- gegen das Theater, gegen die Theatralisierung der Texte
- der schwarzeste Autor der deutschen Literatur
- das Wühlen im Schlamm der Geschichte

- „Die Realität kann man nur sehen, wenn man sie in Teile zerlegt, in Segmente.“ > Montage, Rolle des Rezipienten
> “Theater als Prozess”
- Quellen: antiker Mythos, Shakespeare-Kosmos und die deutsche Geschichte
- pessimistische Geschichtsauffassung: Aspekt tödlicher Geschichte und scheiternder Revolution, „Text der
Geschichte“
- „Stücke werden, heute mehr... für das Theater geschrieben statt für ein Publikum. Ich werde nicht die Daumen
drehn, bis eine (revolutionäre) Situation vorbeikommt. ... Was bleibt: einsame Texte, die auf Geschichte warten.“
- Poetik: „Auf einem Gelände, in dem die LEHRE so tief vergraben und das außerdem vermint ist, muß man
gelegentlich den Kopf in den Sand (Schlamm Stein) stecken, um weiterzusehen. Die Maulwürfe oder der
konstruktive Defaitismus.“ >
- „Die erste Gestalt der Hoffnung ist die Furcht die erste Erscheinung des Neuen der Schrecken.“
- Dramaturgie  Groteske, Brutalität, Widersprüchlichkeit

 Hamletmaschine (1977, UA 1979)


Ich glaube grundsätzlich, daß Literatur dazu da ist, dem Theater Widerstand zu leisten. Nur, wenn ein Text nicht zu machen ist,
so wie das Theater beschaffen ist, es er für das Theater produktiv, oder interessant. (Müller 1975)

- „Nicht-Drama, Monolog-Collage, phantasmagorischer Bilderbogen, pantomimisches Prosagedicht, Szenerevue


und Zitatmontage“ (Loquai 1993)
- Montage, »Zeitraffer«
- Fragmentarisierung, szenische zitaten- u. assoziationsreiche komplexe Texturen, nur sinnbildliche Handlung:
düstere monologische Reflexion

Zitatenmontage

Das Theater wird erst dann wieder es selbst werden, wenn es dem Zuschauer der Wahrheit entsprechende
Traumniederschläge liefert, in denen sich sein Hang zum Verbrechen, seine erotischen Besessenheiten, seine
Wildheit, seine Chimären, sein utopischer Sinn für die Dinge und das Leben, ja sogar sein Kannibalismus auf einer
nicht bloß angenommenen und trügerischen, sondern inneren Ebene Luft machen. (Artaud 1979)

Ich schlage daher ein Theater vor, in dem körperlichem, gewaltsame Bilder die Sensibilität des Zuschauers, der im Theater wie
in einem Wirbelsturm höherer Kräfte gefangen ist, zermalmen und hypnotisieren. (Artaud 1979)

- Intertextualität: Zitate verschiedenster Provenienz > aus eigenen Stücken, Joseph Conrad, A. Artaud, ee
cummings, Fr. Hölderlin, Charles Manson, Sartrescher Lebens-Ekel, Konsum-Ekel Pasolinis, Nietzsche

13
Geschichte der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts II
2012/2013 (zweite Teilprüfung)

Jeder neue Text steht in Beziehung zu einer ganzen Menge älterer Texte, von anderen Autoren, und verändert auch den Blick auf
sie. Mein Umgang mit alten Stoffen und Texten ist auch ein Umgang mit einer Nachwelt. Es ist ... ein Dialog mit Toten . (Müller
1985)

- die Literatur leistet dem Theater Wiederstand


- phantasmagorischer Bilderbogen, Monolog-Collage, pantomimisches Prosagedicht
- alle Formen des Dramas werden zerstört
- ein Dialog mit Toten
- Theater der Grausamkeit (d. Artaud)  Gestikulation, Mimik

CHRISTA WOLF (Landsberg, 1929-)

- private Schicksale im Schatten ideologischer Konflikte


- private Schicksale im Schatten ideologischer Konflikte

 Der geteilte Himmel (1963)


- einfache Liebesgeschichte
- Rita und Manfred  flieht in den Westen, glaubt an den Sozialismus nicht; bleibt in der DDR
- sgn. Ankunftsliteratur: stellt Möglichkeiten des Einzelnen dar, sich in der DDR-Gesellschaft zu verwirklichen
- in Rückblenden erzählt
- Thema der Republikflucht
- Leitmotiv: die Utopie der personalen Ganzheit den Sinnverlusten in der Realität gegenüber

 Nachdenken über Christa T. (1968)


- „subjektive Authentizität“
- autobiographische Elemente
- Spiel mit Fiktionalität, Realität, Authentizität
- sie lässt die Hauptfigur sterben (Leukemie)  unvorstellbar in der DDR-Doktrin
- Absage an ihre sozialistischen Ideale, glaubt nicht mehr an die Ideologie der DDR und an das gemeinsame
Schicksal
- Literatur: „Sie ist revolutionär und realistisch: Sie verführt und ermutigt zum Unmöglichen.“, Lesen und
Schreiben, 1968
- Erlebnis der Ausgeschlossenheit, des Nicht-dazu-Gehörens, die gesell. Integration nicht gelungen

- Wolf versucht authentisch zu schreiben, indem sie auf die kollektive Erfahrung verzichtet  revolutionär
- Erlebnis der Ausgeschlossenheit

 Kassandra (1983)
- fiktive Begegnung mit Kleist
- entwickelt das weibliche Schreiben
- greift zu mythologischen Figuren  Kassandra  Prophetin, die eine Gabe  obwohl sie den König vor dem
Krieg warnt, kann der Krieg nicht gestoppt werden
- Monolog der verrückten Seherin
- antikes Schicksal, aufgeladen mit Aktualität  wie verurteilt den Sozialismus und den Kapitalismus
- Reaktion auf die Ohnmacht der Proteste gegen den Rüstungsschub Anfang der 80er Jahre
- neue Literatur der Frauen – Feminismus und Pazifismus
- kritisiert beide ideologische Lager „Sozialismus oder Kapitalismus“ von einem neuen Standpunkt 
Zivilisationskritik wird zur Weltkoordinate
- behauptet „den Primat der Person“ in „stillen Akten geistiger und physischer Lossagung, in Gesten der
Nichtüberreinstimmung“, Voraussetzungen einer Erzählung: Kassandra, 1983

Eine der ersten Frauengestalten… deren Schicksal vorformt, was dann, dreitausend Jahre lang, den Frauen geschehen soll: daß
sie zum Objekt gemacht werden… Ihre innere Geschichte: das Ringen um Autonomie.

13
Geschichte der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts II
2012/2013 (zweite Teilprüfung)

Wir, ernüchtert bis auf die Knochen, stehn entgeistert vor den vergegenständlichten Träumen jenes instrumentalen Denkens, das
sich immer noch Vernunft nennt, aber dem aufklärerischen Einsatz auf Emanzipation, auf Mündigkeit hin, längst entglitt und als
blanker Nützlichkeitswahn in das industrielle Zeitalter eingetreten ist . (Wolf 1987)

NEUE FRAUENLITERATUR

- Frauenliteratur „Literatur von Frauen, besonders solche, die sich kritisch mit der Erfahrung der Frauen
auseinandersetzt“ Reallexikon 1997
- ausgehend von der 68-er Bewegung, die mit ihrer Forderung nach umfassender Emanzipation dem Feminismus
enormen Aufschwung gegeben hatte > Neue Frauenbewegung
- ideologischer Terminus: Abgrenzung gegen die als fremd oder feindlich empfundene Welt des Männlichen:
emanzipatorische Literatur weiblicher Autorinnen
- Subjektivität, Sensibilität, Natürlichkeit als spezifisch weibliche Gegenmittel zu den männlichen Abstraktionen
- „Die Formen und Formeln der Dichtersprache sind nicht geschaffen, daß ein weibliches Ich sich darin artikulieren
kann.“ C. Reinig 1976
- H. Cixous „Einschreibung des weiblichen Körpers“ > rollenspezifischer Wortschatz?
- V. Stefans Häutungen. Autobiographische Aufzeichnungen, Gedichte, Träume, Analysen“, 1975, Häutung als
Ablösungsprozess von vertrauten soz. Bindungen und tradierten Mustern sex. Beziehungen
- Karin Struck: Klassenliebe, 1973 > auch Selbstfindungsliteratur, Autobiographisches > weibliche
Verständigungstexte; schreibt gegen den Sexismus

Verena Stefan

 Häutungen (1975)
- Kritik an der Sprache
- die Frau versucht sich von den Klischees abzulösen und sucht eine neue Sprache
- unordentliche Syntax  untypischer Satzbau
- muss eine neue Sprache finden, die nicht affiziert vom starken patriarchalen Dogma ist
- verzichtet auf soziale Grenzen
- radikale Entblößung, darstellung der Sexualität der Frauen, die anders als die in den von Männern geschriebenen
Romanen sit

- V. Stefan befasst sich kritisch mit der Erfahrung von Frauen


- emanziaptorische Literatur weiblicher Autorinnen
- Subjektivität, Sensibilität, Natürlichkeit als spezifisch weibliche Gegenmittel zu den männlichen Abstraktionen

beim schreiben dieses buches, dessen inhalt hierzulande überfällig ist, bin ich wort um wort und begriff um begriff an der
vorhandenen sprache angeeckt. […]

wenn ich über heterosexualität schreibe, benutze ich die klinischen ausdrücke. sie sind neutraler, weniger beleidigend,
verfremdender.

die sprache versagt, sobald ich über neue erfahrungen berichten will. angeblich neue erfahrungen, die im geläufigen jargon
wiedergegeben werden, können nicht wirklich neu sein.

ich zerstöre vertraute zusammenhänge. ich stelle begriffe, mit denen nichts mehr geklärt werden kann in frage oder sortiere sie
aus. – beziehung, beziehungsschwierigkeiten, mechanismen, sozialisation, orgasmus, lust, leidenschaft – bedeutungslos. sie
müssen durch neue beschreibung ersetzt werden, wenn ein neues denken eingeleitet werden soll. jedes wort muss gedreht und
gewendet werden, bevor es benutzt werden kann – oder weggelegt werden. 3-4

PETER SCHNEIDER

 Lenz (1973)
- Erzählung von Georg Büchner  verrückte Perspektive  Intertextualität
- Absage an die gesellschaftliche Utopie

Morgens wachte Lenz aus einem seiner üblichen Träume auf. […]

13
Geschichte der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts II
2012/2013 (zweite Teilprüfung)

Schon seit einiger Zeit konnte er das weise Marxgesicht über seinem Bett nicht mehr ausstehen. Er hatte es schon einmal
verkehrt herum aufgehängt. Um den Verstand abtropfen zu lassen, hatte er einem Freund erklärt. Er sah Marx in die Augen:
„Was waren deine Träume, alter Besserwisser, nachts, meine ich? Warst du eigentlich glücklich?

TENDENZWENDE

„Ein Gespenst geht um in Deutschland: die Langeweile. Die ehemals radikalen Schüler sitzen schwitzend über ihre über Bonus-
und Malus-Werten und denken über die Höhe ihrer Pension nach; die ehemals radikalen Studenten sitzen frischrasiert und
gerade an ihren sauberen Schreibtischen und entdecken eine alte und die neue Ordnung, auf jeden Fall eine Ordnung; die
ehemals radikalen Schriftsteller liegen in den warmen Armen der Gewerkschaft, seitdem sind sie ruhig; der Rest der
Bevölkerung scheint, aus Angst vor Entlassung, regelmäßig und unauffällig zu leben. (Tintenfisch, 1975)

- Zeitgeist > Mitte der 70er Jahre: 1972 Reformimpulse


- „Deutschland im Herbst“, 1978
- allgemeine Stagnation und Reflexion
- Entpolitisierung als Erfahrung und Verarbeitung von Individualität
- literarisch: Subjektivität, Autobiographie, Innerlichkeit, Fiktion
- Versenkung ins Historische – Künstlerbiographien: Literatur über Literatur

- Übergangszeit; der Sozialismus von oben funktioniert nicht mehr; die kritischen Stimmen werden immer lauter
- der ideologische Druck (aus den 50ern, 60ern) wird in den 70ern schwach
- die 70er Jahre als Tendenzwende  man wendet sich von etwas ab
- allgemeine Beruhigung, häufig Introspektion
- wieder Subjektivismus in den 70ern ist typisch für diese Periode
- die Autoren sind mit dem Autobiographischen sehr beschäftigt  Nabelschauliteratur(?) – Egoismus, Narzissmus,
sehr auf sich selbst konzentriert
- Peter Weiß (Vietnam), H. M. Enzensberger (Kuba) –> politische Form des Theaters
- die Autoren wenden sich von diesem Engagement ab und wollen das Persönliche zeigen
- literarische Formen von Innerlichkeit und Privatheit gekennzeichnet (Ausdruck von Subjektivität)
- Peter Handkes Dramen und Romane sind ein Beispiel dafür  Wunschloses Unglück  autobiographische
Beschreibung des Todes seiner Mutter; es geht um die Bearbeitung persönlicher Träume usw.; die Mutter wird als
Quelle des literarischen Schaffens dargestellt; Reflexion auf sich selbst als Schriftsteller

- die Sprache und die Welt im Vordergrund


- Identitätsspaltung, Probleme  „Vaterliteratur“  damit will abgerechnet werden
- das Private + neue literarische Formen

MARTIN WALSER

- Erzähler, Dramatiker, Essayist


- sehr angesehen, neue heute aktiv; ein Roman über Goethe
- literarisch-geschichtliche Begriffe Politisierung und Tendenzwende  fing als engagierter Autor an (Kritik am
Kapitalismus), förderte die mündliche Volkstradition, wendet sich dann gegen den Elitebegriff der Literatur  sie
soll nicht nur für die Privilegierten da sein, sondern Aussagekraft und eine Funktion haben

- Thema: die Darstellung bürgerlicher Ehebeziehungen vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Wirklichkeit
- Problem der Identität: die Rollenproblematik und das Dilemma des sozialen Aufsteigers
- Sonnen und Schattenseiten des „Wirtschaftswunders“
- breitausgeführte Romane in satirischer Tonlage, Befindlichkeiten des dt. Mittelstand-Bürgertums
- Das fliehende Pferd, 1978 > Thema: scheiternde Partnerschaftsbeziehungen
von der Figurenkonstellation her ein Vergleich mit Goethes Wahlverwandschaften: zwei Paare begegnen sich, der
Erzähler hat einen Hund namens Otto
- der exemplarische Text der 70er Jahre
- Aufeinanderstoßen kontrastiver Lebensprinzipien, die Entlarvung von Lebenslügen und der Versuch der
Selbstverwirklichung

13
Geschichte der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts II
2012/2013 (zweite Teilprüfung)

- das unmögliche/unerhörte Ereignis  das Altern, die Dimension der Zeitlichkeit; eine Fluchtgeschichte; der
Versuch vor der Zeit zu flüchten: das Unausweichliche zu vermeiden

 Ehen in Philippsburg
- Roman
- die Problematik seines Schaffens  Probleme in der Partnerschaft + Identitätskrisen mit Gesellschaftskritik
- misslungene Kommunikation
- im Roman scheitern alle Ehen wegen der Gesellschaft
- der Identitätszerfall wird auf die ganze Gesellschaft „ausgedehnt“
- Gesellschaftsdruck, dass man sich nicht entfalten kann
- Rückblende, Problematik der Erinnerung
- Partnerschaft in der Gesellschaft wichtig
- detailbesessener Realismus  über die bundesdeutsche Wirklichkeit; Schilderung des kleinbürgerlichen Milieus

- scheinbar einfache Themen – Gesellschaftskritik


- männliche Helden  Außenseiter, aufs Scheitern verurteilt
- der soziale Aufstieg wird als Wunsch demontiert und gezeigt wird die Unmöglichkeit, das aufgezwungene Ziel zu
erreichen
- man nennt ihn einen rein kapitalistische Autor
- die Vermessung der neu entstandenen bundesdeutschen Gesellschaft
- Romane – breit ausgeführt, leicht zu lesen (was von Kritikern als negativ dargestellt wird)
- immer wieder die gleichen Motive
- in den 60er Jahren  Ruhm dank seiner Trilogie

 epische Trilogie: Halbzeit, Das Einhorn, Der Sturz


- epische Trilogie um einen Angestellten: um den Helden und Ich-Erzähler Anselm Kristlein (Halbzeit, 1960, Das
Einhorn, 1966, Der Sturz, 1973)
- ein Büroangestellter, der seinen Weg als Schriftsteller machen will (fast autobiographisch)
- Anselm löst sich von den kleinbürgerlichen Verhältnissen und scheitert als Autor

- die Schwerpunkte seiner Werke: 1) gesellschaftliche Missstände (die Unmöglichkeit, sich zu entfalten)
2) Möglichkeiten des Erzählens darüber

 Das fliehende Pferd


- Novelle
- Partnerschaftsbeziehungen + das Erzählen
- die scheinbar idyllische Lage wird demontiert  in die Richtung der Unmöglichkeit
- der Anfang und das Ende sind gleich  die Zirkularität des Menschenleben
- es gibt keine Stütze im Text, die für die Distanz da wäre; der Leser wird verwirrt
- Intertextualität
- zwei Ehepaare betrachten die Vergangenheit (+ Kritik)
- Hinweis auf Goethe und den Roman Die Wahlverwandtschaften – das gleiche Thema – Problem der
Partnerschaftsbeziehungen
- in beiden Romanen: das scheinbar idyllische Leben
- ironischer Modus, versteckte Namensspiele
- immer das Thema der Erinnerung (wie bei Proust) – die verlorene Zeit will er verewigen; Walser deutet auf die
Notwendigkeit des Vergessens, die Problematik des Erinnerns
- eine Absage an die Möglichkeit der Aufklärerischen Funktion der Literatur
- die Möglichkeit der Selbstverwirklichung wird versagt (sowohl dem Leser als auch der Figur)
- exemplarischer Text der 70er: die Gesellschaft wird detailliert gezeigt; an der Lebensführung wird Kritik geübt
- strenge Novellenstruktur: überholte Form des Erzählens
- die Unmöglichkeit zu erzählen (wie im Mann ohne Eigenschaften – seit diesem Roman spricht man bon der
Unmöglichkeit des Erzählens)
- die Hinterfragung der politischen Dimensionen
- Ich erzähle und die Welt zerbricht
- Krise der Sprache, des Erzählens, der Legitimität der Literatur

13
Geschichte der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts II
2012/2013 (zweite Teilprüfung)

- Ausdruck der Krise der Subjektivität


- die ganze Welt zerfällt, alles ist eine Lüge
- eine wichtige Ebene: Detailreallismus, die Bundesrepublik; kapitalistischer Realismus in der Novelle (schildert
das Leben der zwei Paare, sowohl die guten als auch die schlechten Seiten)
- der kapitalistische Realismus ist keine Epochenkategorie – nur eine Stilkategorie

PETER HANDKE

- provokativer Autor; war vor seiner Anwesenheit auf Miloševićs Begräbnis auch in Kroatien ein Kultautor
- Abwendung von der Geschichte: die Fragen der Selbstverwirklichung des Ichs außerhalb der Gesellschaft >
Rückzug in die ästh. Selbstbespiegelung
- das Thema des Reisens (erwähnt auch die Drava und Morava) – gegen das dominante Narrativ über Serbiens
Schuld
Das Theater als Bedeutungsraum ist dermaßen bestimmt, daß alles, was außerhalb des Theaters Ernsthaftigkeit, Anliegen,
Eindeutigkeit, Finalität ist, Spiel wird – daß also Eindeutigkeit, Engagement etc. auf dem Theater eben durch den fatalen Spiel
und Bedeutungsraum rettungslos verspielt werden. (..) Das Theater als gesellschaftliche Einrichtung scheint mir unbrauchbar
für eine Änderung gesellschaftlicher Einrichtungen.

- Für das Straßentheater gegen die Straßentheater, 1968


- Theatertheater > kann nur ästhetische Wirkung erzielen, aber auch die „Dramaturgie des herrschenden Systems“
erkennbar machen

- die Gruppe 47 . in Princeton – nichts gesellschaftlich Relevantes; die Beschreibungsimpotenz usw.


- die Gruppe löste sich danach auf

- Handke als junger und provokativer Autor


- gesellschaftskritisch und sprachimmanent
- 2 Phasen: 1) sprachkritische Phase
2) egozentrische ich-bezogene Schreibweise
- er sagt: „Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturmes“ (poetologisches Manifest, politische Verstrickungen)
- vom Schreiben erwartet er: über sich selbst klarer zu werden
- die eigene Identität ist ihm wichtig
- die Welt in Worten selber  wird mit Worten hergestellt – die Fiktion ist wichtig
- sprachimmanentes Verfahren  Selbsverfremdung mittels der Sprache (keine gewöhnliche Abbildungstradition;
ein tief manipulatives Instrument; Entfremdung in und mit der Sprache  durch die Darstellung eigener
Schwierigkeiten)
- Fragen der Selbstverwirklichung des Ichs
- man kann nicht so einfach auf die Welt verzichten
- er verändert den Fokus  ästhetische Selbstspiegelung
- kann sich selbst nicht retten, muss mit den Strukturen kämpfen

- Literatuliteratur – sprachlicher Kreis


- eine Konzeption, die gesellschaftskonform ist, die sich der Funktion der Sprache nicht benutzt
- Theatertheater – ilusionsschaffende Tradition des Theaters; Handke kritisiert das vor allem im Hinblick auf die
Funktion der Sprache
- Dramen: nur Texte, nicht im Sinne von Theatetheater  keine Handlung, Dialoge; nur Textblöcke (so schreibt
Handke)
- Warum? Er deutet auf die Spieldimension des Theaters
- gegen politische Formen des Theaters, gegen das Straßentheater
- das Theater im Theater ist zum Spiel geworden, verliert die Kritikspitze, ist unpolitisch, nicht wirksam; verliert die
Grundlage
- keine Konsequenzen auf das Leben
- unmöglich als Veränderung der Gesellschaft
- kann sich nicht gegen sich selbst wenden
- ziemliche engagiert
- das Theatertheater kann nur Illusion schaffen, aber vordergründlich nicht an politische Inhalte bezogen

13
Geschichte der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts II
2012/2013 (zweite Teilprüfung)

- die Aufgabe: die selbstverständlich gewordene Dramaturgie in der Sprache zu entlarven; muss sie mit einer
widersprüchlichen Dramaturgie versehen; muss den Wiederspruch zeigen
- „jede Geschichte, Form des Erzählens, macht mich, meine Situation vergessen“ (Handke)
- um zum Ich zu kommen, muss er ständig an der Sprache arbeiten, die Strukturen und Klischees in Frage stellen
- macht die manipulative Künstlichkeit des Theaters durchsichtig, aber auch durchschaubar

 Publikumsbeschimpfung (1966)
- ununterbrochener vierstimmiger Monolog > „Sprechstück“
- 4 Sprecher – keine Individualisierung
- Anspielung auf die Pop-Kultur
- das Publikum wird, wie der Titel auch sagt, beschimpft
- gleichzeitig Traktat über die Theorie des Dramas
- gegen eine politische Auffassung der Literatur

Es gibt keine Auftritte, keine Dialoge, kein Bühnenbild und keine Pausen, es gibt kein Erlebnis, keine Illusion von Wirklichkeit,
keine Handlung, keine Dramenzeit, kein Gegenüber von Akteuren und Publikum; es gibt keine Intrige und es gibt keine
Hintertür. P. Putz

Die Sprechstücke sind Schauspiele ohne Bilder, insofern, als sie kein Bild von der Welt geben. Sie zeigen auf die Welt nicht in
der Form von Bildern, sondern in der Form von Worten, und die Worte der Sprechstücke zeigen nicht auf die Welt als etwas
außerhalb der Worte Liegendes, sondern auf die Welt in den Worten selber… Sie wollen nicht revolutionieren, sondern
aufmerksam machen.

- Was sind diese Sprechstücke eigentlich? Schauspiele ohne Bilder (aber kritische Spitze im Hinblick auf die
Sprache als Problem und Instrument der unmöglichen Kommunikation)
- das Wort/die Sprache steht im Vordergrund (klaffende Lücke)
- diese Worte wollen nur aufmerksam machen auf die Entfremdung, die Mechanismen der Sprache
- das Werk ist nicht nur eine Beschimpfung, sondern auch ein Traktat über die Theorie des Dramas - wie das
Theatertheater  aus allen werden Marionetten (die Sprache verbindet und entfremdet; sie ermöglicht die
Verständigung und macht sie gleichzeitig auch unmöglich)
- für Handke ist Ludwig Wittgenstein sehr wichtig: „Die Grenzen unserer Sprache sind die Grenzen unserer Welt“
- auch Robert Musils Mann ohne Eigenschaften ist für ihn von Bedeutung
- Sprache: Realitätssinn
- keine Auftritte, Dialoge, Bühnenbilder, „keine Hintertür“  der Zuschauer kann nicht entkommen, der Zuschauer
bekommt die Rolle
- gesellschaftskritisch und sprachkritisch
- der Autor aus Österreich  Österreicht ist eine dauerhafte Kulisse; er greift permanent österreichische Themen
auf und an

 Kaspar (1968)
- „Sprechstück“
- Elemente von Pantomime und Sprechstück
- manipulative Rolle der Sprache > die Automatismen des menschlichen Verhaltens
- “wie jemand durch Sprechen zum Sprechen gebracht werden kann“ > Sprechfolterung > die Sprache als Medium
der Entfremdung u. Subjektdezentrierung:
Ich möchte ein solcher werden wie einmal ein andrer gewesen ist.
Ich bin, der ich bin.
Ich: bin: nur: zufällig: ich
- Sprache nicht als Ordnung, sondern auch als Dilemma und Verführung zum Klischeedenken
Früher war mir jeder vernünftige Satz eine Last
und jede vernünftige Ordnung verhaßt
doch künftig
bin ich vernünftig.

- Sprache als Medium und als Mittelpunkt des Werkes


- eine historische Person wird zur Figur

13
Geschichte der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts II
2012/2013 (zweite Teilprüfung)

- historischer Stoff; beschreibt aber wie jemand durch das Sprechen zum Sprechen gebracht wird 
Sprachaneignung als Sprachfolter
- Kaspar muss das wiederholen, was auf ihn zukommt
- es geht darum, wie er durch die Sprache um die Identität gebracht wird – er wird zerstört
- Verfügungsgewalt der Sprache über uns selbst
- im Werk: Elemente des Sprechstücks und aus der Pantomime
- es wird alles gezeigt, was mit der Sprache gelernt wird
- Rollen- und Identitätsmuster und Verhalten werden durch die Sprache beigebracht
- Was bleibt? Sprache als Entidividualisierungsapparat
- eine Identität soll hergestellt werden, aber: Ich bin: nur: zufällig: ich.
- Ich bin zum Sprechen gebracht worden – ob er es wollte oder nicht
- die Unmöglichkeit der sprachlichen Konstruktion; was wird eingelernt; gibt es Reste der Freiheit?
- die Verführung zum Klischee-Denken
- sprachexperimentelle Zugänge im Theater: Sprache als Medium im Vordergrund
- wie kommt die Sprache zu stande
- engagiertes vs. ästhetisches Schreiben

 Der kurze Brief zum langen Abschied (1972)


- Roman
- Road-Novel (eine Riese, Anspielung auf die Pop-Kultur)
- Überlappung traditioneller Strukturen
- die Suche nach sich selbst
- Kriminalroman, Reiseroman (selbst im Untertitel steht „Road-Novel“)
- obsessive Selbstbeobachtung
- verkappter Bildungsroman: die Möglichkeiten der Wirklichkeit umspielt und so das „Zerbrechen aller endgültig
scheinenden Weltbilder“ bewirkt
- neues Ich- und Wirklichkeitsgefühl: das Bekenntnis zur individuellen Erfahrung, Zeugnis der Subjektivität,
hinterfragt das vorformulierte System von Verbindlichkeiten
- Flucht-Geschichte
- “So weit ich mich zurückerinnern kann, bin ich wie geboren für Entsetzen und Erschrecken gewesen.“
- neue Elemente, neues Weltgefühl
- Befreiung aus dem Kontext der Sprache – Hinterfragung jeden Status
- Motive aus der Pop-Art
- soll das Publikum ansprechen
- ein bisschen historisch  obsessiver Nabel
- Ich-Erzähler
- ein Entsetzen über die sprachlich vermittelte Welt

DAS NEUE VOLKSSTÜCK


- Mitte der 60er Jahre
- Tendenz, „entfesseltes Theater“ zu machen
- Bezeichnung für Stücke gesellschaftskritischen Inhalts
- signalisiert Interesse an Problemen der Unterschicht
- historisch und formal an Traditionen der Weimarer Zeit gebunden
- Vorläufer: Ödon von Horvath, M. Fleißer Alle meine Söhne
- Vertreter >
- BRD: M. Sperr, R. M. Fassbinder, X. Kroetz
- Österreich: W. Bauer, P. Turrini
- das Volksstück hatte zwei Stufen vor der Vorbelebung in den 70ern:
1. traditionelle Schilderung der bürgerlichen Idylle; das Bauernleben als Idylle (19./20. Jahrhundert); bei Nestroy
aber auch kritische Stimmen
2. kritisches Volksstück; Odon von Horvath
- Alle meine Söhne – das Stück setzt die Tradition des kritischen Volksstücks fort
- das neue Volksstück Mitte der 60er Jahre

13
Geschichte der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts II
2012/2013 (zweite Teilprüfung)

- Hartmann schreibt in süddeutscher Mundart  fekalischer Realismus; Demaskierung aller Konventionen


Dramatiker

- Ähnlichkeiten der Stoffe


- individuelle Ablehnung fixierter sozialer Rollen
- Sprache: das Festhalten an Posen, das Verharren in Phrasen, der Mangel an Personalität
- Themen: unbewusstes Sozialverhalten, Vorurteile, Intoleranz, Triebhaftigkeit, Brutalität
- Darstellungsmittel: Dialekt, Sprachlosigkeit, Gestik
- Verfall der Individualität > Abbau zielstrebiger Handlungen, Beschreibung statischer Situationen
- offenes, experimentierfreudiges, dramaturgischen Konventionen abgeneigtes Theaterwesen
- Körpersprache, Exzessivität, Improvisationen
- Unzufriedenheit mit der Institution Theater > Versuch, die Formen des herkömmlichen Theaters zu brechen

PETER TURRINI

- Nachfolge des kritischen Volksstückes: „Heimatdichter“


- abgewandte Tradition von Artrauds „Theater der Grausamkeit“ > Lust an der Provokation

“Theater ist für mich vor allem Sinnlichkeit, Grausamkeit: Ich will mich von den Gesetzen einer langweiligen, von Psychologie
und Kunstfertigkeit durchsetzten Dramaturgie entfernen, um mich den Abgründen der menschlichen Natur zu nähern. Ich will
das Publikum auf diesen Weg mitnehmen: Schock als Ergebnis und nicht als Selbstzweck.“ Anläßlich der Linzer Aufführung,
1972

 Rozznjogd, UA 1967, dt. 1971

 Sauschlachten, UA 1971
- rudimente Sprache
- der Sohn kann nicht sprechen, sondern nur grunzen
- es wird die Scheußligkeit und die kollektive Aggressivität gegen einen Außenseiter dargestellt
- Darstellung protofaschistischer Denkformen

- Kärtner Mundart
- soziale Not und Sprachnot, Dekonstruktion der ländlichen Idylle
- keine gesellschaftlichen Tabus
- neue kritische Heimatdichtung; als kitschige Idylle dekonstruiert
- Autoren: Theater des Grauens
- Schockdramaturgie und nicht Aufklärungsdramaturgie
- (bei der Veröffentlichung der Werke gibt es eine Mundart-Fassung und eine Standard-Fassung)

- ab der Mitte der 60er – neues Volksstück


- destruiert die Theaterform und das Verständnis der Welt
- Skandaltheater
- Darstellung der Körperlichkeit + exzessive Brutalität auf der Szene

- 3 Autoren dominieren: Botho Strauß (Soziologe, Gesellschaftskritiker), Heiner Müller, Thomas Bernhard
- in den 80ern gibt es immer mehr Frauenstimmen: Elfriede Jelinek expressionistische Stücke, in der
neoavantgardistische Tradition in Österreich
- Wiener Gruppe Abzweigung in der Grazer Gruppe

Gibt es in Deutschland eine Postmoderne?


- die 80er Jahre  das Jahrzehnt der Pluralität
- kein gemeinsamer Nenner, unterschiedliche Traditionen, die Literatur der Nachrevolte, pessimistische Einstellung
 umfassende Textualisierung der Welt  die Welt wird nur im Text simuliert, nicht dargestellt
- Ich ≠ Welt  keine Verständigung, sinnlose Wiederholung des Gleichen
- Position des Theaters  neue Medien miteinbeziehen, die Grenzen der Fiktionalität existieren nicht mehr

13
Geschichte der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts II
2012/2013 (zweite Teilprüfung)

- Ratlosigkeit – radikalipessimistisch
- die Umweltbewegung fängt an, Klimaveränderungen, die 80er sind eine postapokalyptische Zeit
- Handlungs- und Sinnverlust  die Figuren sind ohnmächtig, krank, kommunizieren nicht mehr, nur noch
monologische Blöcke
- Heiner Müller  gar kein Dialog
- die unmögliche Kommunikation und die Unmöglichkeit der politischen oder gesellschaftlichen Wirkung des
Theaters  das Befinden des Individuums darstellen
- Autoren – gesellschaftskritische Diagnostiker
- Kälte, Endzeit, Verfall (B. Strauß), Entindividualisierung (Bernhard), Sprache als Waffe (Jelinek)
- die Literatur hat keine Perspektive

Monolog und Monotonie – Literatur der 80er Jahre

„ In den siebziger Jahren finde sich einer zurecht.“ B. Strauß, 1978


- pluralistisches, widersprüchliches, undeutliches und ratloses Jahrzehnt
- Generalthema der 80er Jahre: Entfremdung in unserer Gesellschaft und das Leiden an ihr > Gesellschafts- und
Kulturkritik, auch postrevolutionäre Resignation
- Rückeroberung der Literatur selber: Revolutionierung der Wahrnehmungsmuster
Tendenzen in der Literatur:
- Anti-Naturalismus und Anti-Illusionismus,
Handlungs-, Geschichts- und Sinnverlust, Ohnmacht und Fremdbestimmung des Individuums inmitten einer
unübersichtlichen Mediengesellschaft
- wachsendes Kälte-, Endzeit- und Untergangsbewusstsein

Drama der 80er Jahre

Zur Zeit ist das Irresein, so scheint es, eine ganz gewöhnliche Metapher für das Befinden des Individuums überhaupt, für die
internierten Kräfte seiner Phantasie, inmitten einer Gesellschaft, welche nur zur Raison zu bringen versteht, welche im Namen
der Vernunft eine perverse Unterdrückungsherrschaft ausübt. B. Strauß, 1970

- Spielpläne > Botho Strauß, Thomas Bernhard, H. Müller


- Bestandsaufnahme: moderne Zeit bringt verkrüppelte Menschen hervor
- Themen: Verfall, Entindividualisierung und Selbstthematisierung des Theaters
- Hoffnung auf die Veränderbarkeit der Wirklichkeit aufgegeben > dramat. Sprachverwendung
http://www.youtube.com/watch?v=yYTlDElS7ng&feature=related
- Theater = Irrenhaus  die ganze Welt als verrückte Welt
- Irresein als Metapher für die Darstellung im Theater
- die Figuren versuchen etwas Sinnloses auszusprechen
- Stücke, die um das leere Zentrum kreisen
- bei Botho Strauß werden die Figuren als Kranke dargestellt, weil die Gesellschaft nur solche hervorbringen kann
- die Kunst macht die Wirklichkeit unmöglich
- Th. Bernhard – Todessehnsucht; in seinen Werken: Tod, Mord, Verfall, Angriff
- B. Strauß – Kommunikationslosigkeit; das mentale Theater – keine Handlung, er tut so, als ob es gewöhnliche
Menschen in gewöhnlichen Situationen wären
- Jelinek – kämpferische Aufrufe
- steriler Text, keine Kommunikation  alles nur als Kulisse für die Verlorenheit

THOMAS BERNHARD

- (Kloster bei Heerlen/Niederlande, 1931-1989)


- uneheliches Kind
- Autobiographie in 5 Teile
- Auswirkung des Nationalsozialismus und der katholischen Herrschaft auf das Kind  kritisch  er vergleicht
beides und stellt sie gleich
- skandalöser Autor; provokativ

13
Geschichte der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts II
2012/2013 (zweite Teilprüfung)

- hat verboten, dass seine Stücke in Österreich aufgeführt werden, wegen all der Skandale
- Dramatiker des Verfalls, der Vernichtung und der Katastrophe, der Einsamkeit, der Kälte und der Verstörung, des
Wahnsinns und des Todes „Komödientragödien“
- Rollen: Misanthrop (Der Weltverbesserer, 1979), Wahnsinniger (I. Kant, 1978) und immer wieder Schauspieler
(Ritter, Dene, Voss, 1985,) > exzentrische, neurotische Künstler und Gelehrte
- Themen: Krankheit, Verfall, Tod > in Bezug auf das Individuum und auf die Gesellschaft
- Bühnenräume demonstrieren die hermetische Abgeschlossenheit der Innenwelt
- Kritik der gesell. Konventionen, z. B. “Daß ich Österreicher bin, ist mein größtes Unglück“ Heldenplatz, 1988 >
Haßliebe, Skandale  in seinen Werken: Destruktion des österreichischen Patriotismus
- Übertreibung als Prinzip „Und ich habe meine Übertreibungskunst in eine unglaubliche Höhe entwickelt... Um
etwas begreiflich zu machen, müssen wir überteiben... nur die Übertreibung macht anschaulich...“ Die Auslöschung.
Ein Zerfall, 1986

 Heldenplatz
- greift Österreich an
- als das Stück erschien, war Kurt Waldheim Ministerpräsedent, der sagte, dass das Stück verboten werden müsse
- der Ministerpräsident war aber in der NS-Zeit hoher Offiziert in der Wehrmacht, hat seine Vergangenheit
vertuscht
- das greift Bernhard im Heldenplatz an
- im Werk bringt er einen jüdischen Professor in eine Wohnung am Heldenplatz  dieser merkt, dass dort nichts
anders ist, sondern nur schlimmer und stürzt sich aus dem Fenster
- die Handlung spielt im März 1988 – aktuell, daher noch provokativer, Kritik an der Einstellung der Österreicher,
die die Vergangenheit verdrängen
- in den 80ern werden sie mit der Vergangenheit konfrontiert (Jelinek, Bernhard)

- Bernhard – monozentrisch

 Der Weltverbesserer

 Der Theatermacher
- Komödientragödien – Brechung des Realen
- isolierte, einsame Gegenden, neurotische Figuren

 Ritter, Dene, Voss


- wurde extra für Minetti geschrieben

- Themen: Gesellschaft
- repetitiver Strom der Rede
- der Text hermetisch abgeschlossen
- die Sätze haben eine rhythmische musikalische Form
- „Das Theater ist keine Geffälligkeitssituation“

BOTHO STRAUSS

 Frost
- der Roman, mit dem er berühmt wurde

- Strauß = Geschichstszerstörer  Romane ohne eine wichtige Handlung; die Unmöglichkeit der Handlung
- Themen der Entfremdung und der unmöglichen Partnerschaft
- das leere Reden, Sinnlosigkeit, Plappern usw.
- bei ihm gibt es Dialoge, Illusion der dramatischen Handlung, aber als leere Kulisse – das Aneinander-vorbei-
Kommunizieren  nur leere Floskeln
- das „mentale“ Theater
Das ist nicht narzißtische Isolierung, sondern der Grenzfall: mit wissenschaftlicher Gründlichkeit, mit hoher Disziplinierung der
Kunstmittel, in laboratiorumshafter Keimfreiheit das Schauspielerische zum autonomen System des Theaters zu entwickeln,
tendiert im letzten zur Grenzenlosigkeit: das Schauspielerische als Existenzprogramm zu leben... Strauß, 1969

13
Geschichte der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts II
2012/2013 (zweite Teilprüfung)

- Thema: erfolglose Suche nach Beziehungen


- Kommunikationsprobleme > Symptome einer fehlenden Verankerung der Gestalten im Leben
- Isoliertheit des Menschen > „Rücken an Rücken vereinte“

 Trilogie des Wiedersehens (1976)


- Arrangement sozialer Wirklichkeit entfaltet sich auf der Bühne: das moderne Mangel-Theater
- Dialog bleibt Choreographie, Kommunikation findet nicht statt: statt der dramatischen Sprache >
„Stimmenwirrwarr“
- Renaissance der Dramaturgie Strindbergs
- Figuren verdichten sich zu allegorischen und modellhaften Zeichen
- das Thema der „kranken Zivilisation“

Was ist Glashaus, was ist Welt? Was innen, was außen? Was Automat und was Organ? Nicht mehr zu unterscheiden. Wir fühlen
unseren Kopf Globus werden und gehen auf einer Erde, die sich anschickt, ein einziger Kopf zu werden. Die verschaltete Welt ist
das komplette artificium, die künstliche Kunst nur ihr oberster Verdichtungsgrad. Büchner-Preis Rede, 1989

 Groß und klein


- war schon mit diesem Werk recht bekannt
- Frau auf der Suche nach Beziehungen
- Mangeltheater, nur Beziehungen als Illusion
- keine Handlung, kühle leere Räume
- die wesentlichen menschlichen Beziehungen von Formen der Beliebigkeit und Hilfslosigkeit geprägt

- Strauß als poeta doctus – zitiert viele Quellen (z.B. auch Strindbergs Nora)
- das Leben findet nicht statt, es ist nur als Zitat vorhanden; über Gefühle, aber eigentlich keine Gefühle, keine
Echtheit
- Dramatik des Verlustes sowohl bei Strauß als auch bei Bernhard

- “dezentriertes Theater” – alle Stützen sind verloren gegangen


- sinnentleerte Strukturen
- zeigt auch, wie der Mensch von der Sprache beherrscht wird
- Bild der Undeutlichkeit und Unklarheit, Meister des Undramatischen, des Beiläufigen, des Peripheren und
Marginalen
- ohne besondere Handlung, ohne dramatische Höhepunkte, ohne spezifische Charaktere und Konflikte
- das Theater hat seine eigene Zeit und einen Raum, mediale Künstlichkeit und Reproduzierbarkeit der Welt
- BRD Wirklichkeit: Bild der sterilen Lage, in der sich die Kunst in den 70er befindet
http://www.youtube.com/watch?v=c-4lolQHK6k

ELFRIEDE JELINEK(Steiermark, 1946-)

- in Wien Theaterwissenschaft, Kunstgeschichte, Sprachen und Musik studiert


- Studentenunruhen, Frauenbewegung der 70er Jahre in Berlin, polit. Engagement
- Aspekte der strukturalistischen Semiologie (R. Barthes, Mythen des Alltags, 1957, dt. 1964) mit Perspektiven der
marxistischen Ideologiekritik verbindet
- Poetik der Provokation
- Sprachskepsis (typischh für Österreicher) + provokative Einstellnug + Gesellschaftskritik (sie will schockieren)
- kritisiert die Gefährliche der Ideologien – Faschismus und Feminismus
- Schriftsteller muss gegen die Alltags- und Gesellschaftsmythen anschreiben

„Es ist der fremde Blick der Jüdin, der Frau, der Ausländerin, der Slawin auf das Deutsche, das ihr sehr fremd ist. Wenn wir mit
unserem Wissen von der deutschen Schuld diese Texte zurückprojizieren, bekommen sie ihre Entsetzlichkeit, ihren
schrecklichsten Hohn.“ Wolken. Heim, 1988

 Die Klavierspielerin
- das unmögliche Verhältnis zwischen Mutter und Tochter

13
Geschichte der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts II
2012/2013 (zweite Teilprüfung)

- Intertextualität – die Literatur nicht als Projektion des Ichs, sondern als die Summe von allem

- Jelinek – Marxistin; Agoraphobie, verlässt ein Jahr lang nicht das Haus
- Aspekte der strukturalistischen Semiologie
- Die Liebhaberinnen – da geht es um eine Fabrik in der Steiermark
- bei Jelinek gibt es keine Veränderungen
- Enthmythologisierungsstrategien – Faschismus und Feminismus werden kritisiert und als gefährlich betrachtet
- das Drama Wolken. Heim.  Anspielung auf die Todesfuge und die österreichische Tradition der Heimatdichtung
- formuliert das Wissen, die Schuld, Entsetzlichkeit

 Die Liebhaberinnen
- Roman
- in einer schönen Landschaft, spricht aber von Unschönheiten
- Destruktion der Mythen Liebe und Hass
- Liebe als Mythos und Hass der Frauen gegenüber ihren Männern als einzig genuines Gefühl

13

Das könnte Ihnen auch gefallen