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Eine Ganz Normale Sexuelle Gewalt
Eine Ganz Normale Sexuelle Gewalt
von
Johanna Hanfling
aus
Frankfurt am Main
Abgabedatum:
24.11.1997
1
Inhaltsverzeichnis
1. Vorwort S.3
2.2. Phantasien über Frauen und Gewalt am Beispiel von drei Collagen S.13
3. Erklärungsansätze S.35
3.3. Die Rolle der peer-group- blinder Fleck der Sozialwissenschaftler S.50
1
2
3.4. Die Bedeutung von Pornographie für die Entstehung von sexueller
Gewalt S.56
4. Konsequenzen S.71
Literaturverzeichnis S.83
Anlage
Erklärung
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3
1. Vorwort
Mittlerweile ist erkannt worden, daß ein Mensch, der sexualisierte Gewalt
erleben mußte, unter den selben Langzeitfolgen leidet, wie jemand der als
Soldat im Krieg Bombenangriffen ausgesetzt war oder wie jemand, der
gefoltert worden ist.
Sexualisierte Gewalt ist ein schweres psychisches Trauma und als solches ins
internationale Handbuch für psychiatrische Diagnostik (DSM III)
aufgenommen worden.
Genauso wird sexualisierte Gewalt von Menschenrechtsorganisationen wie
amnesty international als schwere Menschenrechtsverletzung bzw. als eine
Form der Folter anerkannt.
Sexualisierte Gewalt hat immer eine massive Verschlechterung der
Lebensqualität zur Folge, egal ob sie einmalig oder wiederholt erlebt werden
mußte.
Besonders gravierend sind die Folgen für die in der Kindheit traumatisierten
Menschen.
Alle Betroffenen jedoch beschreiben die Erlebnisse als Attacken, als Terror
oder Hölle, die irgendwie überlebt werden mußten.
3
4
1.1. Einleitung
In der folgenden Arbeit möchte ich mich mit dem Phänomen der sexuellen
Gewalt auseinandersetzen und analysieren, welche Strukturen für die
Entstehung dieses Problems verantwortlich sind.
Meine Motivation für dieses Thema ist von dem Interesse getragen
wie dieses Problem , welches unendliches Leid verursacht, auf Dauer gelöst
werden kann und welche Maßnahmen und Konzepte ergriffen werden
müssen, um dies zu erreichen.
Dabei beziehe ich sowohl Ergebnisse aus der sozialwissenschaftlichen
Forschung, als auch Erkenntnisse aus der Psychologie ein, da beide
Forschungsgebiete wichtige Erklärungsansätze liefern.
Die bisherige Diskussion konzentrierte sich hauptsächlich auf die Opfer. Das
Ergebnis der einseitigen Beschäftigung mit dem Phänomen der sexualisierten
Gewalt hat zu folgender gesellschaftlicher Situation geführt: Das Phänomen
ist sichtbarer geworden, den Opfern wird eher geglaubt und Hilfe zur
Verarbeitung der Gewalt zugestanden. Eine ernsthafte Auseinandersetzung
damit, wie es möglich ist, daß so viele Männer so etwas tun, findet bis zum
heutigen Tage nicht statt.
Das Phänomen wird weiterhin individualisiert. C.Hagemann-White beschreibt
es folgendermaßen:
“ ...einen unablässigen Strom von verletzten Frauen und Mädchen, jede mit einer
Lebensgeschichte von Verletzungen, über die sie endlich zu sprechen beginnt...und
gleichzeitig das gleichgültige Achselzucken der Gesellschaft in dem fortgesetzten
Fehlen jeglicher strafrechtlicher Konsequenz der Tat, sowie der politischen Abwehr
gegen jede Veränderung dieses Zustandes...“. 1
Die Folge davon ist, daß die Gewalt verwaltet aber nicht verhindert wird.
Das bedeutet, soll dieser “unablässige Strom“ gestoppt und sollen neue
Generationen von Opfern verhindert werden , müssen an erster und
dringlichster Stelle neue Täter verhindert werden. Desweiteren muß ein
1
C. Hagemann-White, Das Ziel aus den Augen verloren? in ifg, 1993, S.58.
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5
2
C. Thürmer-Rohr, Mittäterschaft und Entdeckungslust, Berlin, (1989), S.87-104.
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6
6
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1.)
“ Meine zehnjährige Tochter erklärt nachdrücklich, sie ziehe ihre bis dahin
heißgeliebten Röcke nicht mehr zur Schule an . Die gleichaltrigen Jungen
verbrächten neuerdings die Pausen bevorzugt damit, den Mädchen die Röcke
hochzureißen und unter Grölen nach den Slips zu grapschen. Manchmal sind
sie zu dritt oder mehr, und die Mädchen könnten sich kaum wehren. „Das ist
doch Gewaltverhalten“, schoß es durch meinen Kopf. Keine Frage. Ein
Elternabend stand an, ich würde etwas unternehmen.
Es war ein kläglicher Versuch. Verschämtes Lächeln, Erstaunen,
Kopfschütteln. Was will denn diese Exzentrikerin? Ob ich das nicht zu ernst
nähme? Das sei halt eine spielerische Erscheinungsform, die immer wieder
auftaucht, außerdem die kleinen Mädchen seien auch schon recht kokett.
Antworten, die mir die Lehrerin und Mütter von Söhnen gaben“3
2.)
Gegenüber Mädchen so als Junge...gehörte das zum einen dazu, wirklich
chauvihaft zu sein, will ich heute so sagen...Also wir haben dann z.B., ich
weiß es noch, in der Klasse habe ich auch mitgemacht, so im siebten
Schuljahr gesessen, da saß vor uns eine, die war schon weiter entwickelt und
die hatte einen BH an und wir haben dann hinten, von hinten immer den BH
fletschen lassen. Also ich habe mich da in der Hinsicht sicher nicht von den
anderen Jungs so groß unterschieden, weil es gehörte zum Teil auch wieder
dazu, anerkannt zu werden unter den Jungs, also auch sowas mal
mitzumachen, und heute denke ich, daß das natürlich also z.B. für dieses
3
E. Wörz-Polachowski; In: Sexuelle Gewalt, Hrsg. D.Janshen, Frankfurt a/M, 1991, S.
460.
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Mädchen ganz,ganz heftige Sachen waren, weil ich auch weiß, wie sie sich
dann da verhalten hat und wenn ich dann heute überlege, dann denke ich, das
war ganz schön herbe so“.4
3.)
„Ja, es ging zum Teil nachher auch so, daß wir probiert haben,
Genital,Scheide und so zu berühren, also durch die Hose und jetzt nicht...wir
haben z.B. nie ein Mädchen ausgezogen. Das gibt es ja auch öfter, daß in
Schulen so...viele Jungs auf ein Mädchen gehen und dann...das eine Mädchen
entkleidet wird oder da sonst was mit denen gemacht wird...“ 5
4.)
„O. berichtet, daß in der fünften/sechsten Schulklasse die Jungen fast jede
Pause benutzt hatten,um Mädchen an den Busen zu fassen.“ 6
5.)
„...auf Mädchen ... zugehen, sie umarmen, in den Hintern kneifen, in die
Brust kneifen,
in der geschlossenen Gondel anfassen und so weiter. Das war, was man da
gelernt hatte.
Eindeutig...Das haben alle gemacht“ 7
4
A. Heiliger, C.Engelfried, Sexuelle Gewalt, Frankfurt/Main; New York, 1995, S. 135.
5
a.a.O., S. 135/136.
6
a.a.O., S. 135.
7
a.a.O., S. 134.
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Auf eine subtile Art und Weise werden die Mädchen für das Jungenverhalten
verantwortlich gemacht. Sie seien schließlich“ ... schon ganz schön kokett.“
Die Gegenstrategien der Mädchen, nämlich Hosen statt Röcke anzuziehen,
um den sexuellen Übergriffen zu entgehen, sind defensive Reaktionen. Ob sie
damit Erfolg haben, ist fraglich. Selbst der Versuch einer erwachsenen
Person, einer Mutter, die Situationen der Mädchen zu verbessern, bleibt ohne
Erfolg. Die Mädchen richten sich in ihrem Verhalten nach den Jungen und
müssen nun eigene Bedürfnisse „....den heißgeliebten Rock...“ aufgeben.
Die Mädchen werden in ihrem Unwohlsein überhaupt nicht ernst genommen.
Den Jungen werden keine Grenzen gesetzt.
Durch diese Situation haben die Jungen gelernt, wie sie durch aggressives und
grenzüberschreitendes Verhalten Dominanz über andere erreichen. Sie haben
gemerkt, wieviel Macht ihnen ein solches Verhalten verleiht. Sie haben
gelernt, daß man auf die Art und Weise anderen schlechte Gefühle machen
kann und dadurch Macht über sie erlangt und daß dafür keinerlei negative
Konsequenzen zu erwarten sind.
Die Mädchen haben gelernt, daß Verletzungen ihrer Grenzen in dieser Welt
existiert und daß sie durch ihr Geschlecht in besonderer Weise davon
betroffen sind. Sie haben erfahren wieviel Macht die Jungen besitzen, wenn
noch nicht mal eine erwachsene Person etwas dagegen tun kann. Sie haben
erfahren, wie wenig Macht sie selbst besitzen und daß es anscheinend keinen
Schutz vor solchen Erfahrungen gibt.Eine solche Alltagserfahrung von
Kindern entlarvt sich als Sozialisationsagent zur Einübung der traditionellen
Geschlechterrollen , von „potentieller“ Täter- bzw. Opferrolle.
Das zweite Zitat stammt von einem Mann, der sein Verhalten während seiner
Jugend reflektiert und dabei erkennt, daß er ein Mädchen gedemütigt und
verletzt hat.
Er gibt zu, daß die Grenzverletzungen gegenüber dem Mädchen dazu
dienten, Macht über sie zu haben und dadurch bei den anderen Jungen
anerkannt zu werden. Er deutet in diesem Zitat auch an, welche Erwartungen
an ihn als Jungen gestellt wurden, nämlich “... es gehörte dazu, chauvihaft zu
9
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sein.“ Chauvihaftes Verhalten ist anscheinend etwas, was ein Junge tun muß,
weil er eben ein Junge ist, was eng mit der Vorstellung von Junge -sein
verknüpft ist. Er beschreibt auch, daß sich alle Jungen so verhalten haben
und gibt zu, daß er sich von den anderen Jungen nicht unterschieden hat.
Das dritte Zitat stammt ebenfalls von einem interviewten Mann der über seine
Jugend nachdenkt und beschreibt, wie die Jungen in seiner Klasse sich
verbündet haben , um gemeinsam gegen Mädchen vorzugehen.
In dieser Vorgehensweise ist die Struktur des Männerbundes
wiederzuerkennen, die das weibliche Geschlecht ausschließt und häufig die
Gruppe dazu benutzt, sich aggressiv an Mädchen/Frauen auszutoben.
Sexualisierter Terror wird oft von „Männergruppen „ausgeführt (z.B. im
Krieg). Das Wissen darüber wie man sich in Männerzirkeln zu verhalten hat,
wird von Jungen in der Jungenclique erlernt.
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Zusammenfassung:
Nicht erkannt wird durch diese Vorgehensweise, daß sexuelle Gewalt das
Ergebnis eines langjährigen Lernprozesses ist, welches durch viele
verschiedene Einzelsituationen zustande kommt. Die Erfahrung , die Jungen
machen, daß nämlich auf ihr Verhalten keine negativen Konsequenzen
folgen, ist in diesem Lernprozeß ein wesentlicher Faktor!
Sie erlernen dadurch, daß sexuelle Gewalt, die sie vielleicht in den visuellen
Medien wahrgenommen haben, in der Realität, wenn auch zunächst
abgeschwächt, real ausgeübt werden kann. Das heißt, sie vollziehen den
Schritt von der Phantasie auf die Realitätsebene und erlernen durch das
Gewähren-lassen der Umgebung ,dieses Verhalten als legitim für sich zu
betrachten. Eventuelle Gewissensbisse und schlechte Gefühle bezüglich
dieses Verhaltens, egal ob beobachtet oder selber ausgeübt, können so sehr
einfach verdrängt und/oder abgespalten werden.
Eine oft vertretene Sichtweise ist, dieses Verhalten als das Ausprobieren von
Sexualität zu interpretieren, bzw. als Ausdruck der kindlichen oder
jugendlichen sich entwickelnden Sexualität. Diese Sichtweise liegt ganz im
Sinne der Erklärungsmuster, die sexuelle Gewalt als Ausdruck eines unter
Druck stehenden Sexualtriebes betrachten. Selbstverständlich wird von den
Jungen etwas ausprobiert, was sie irgendwo anders gesehen, gehört und
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Was jedoch Teil des gängigen Männlichkeitsbildes ist, ist die Propagierung,
daß der „ideale“ Mann seine Bedürfnisse und Interessen sexualisiert, also auf
sexuelle Weise Dominanz ausübt oder Kontakt aufnimmt. Diese
Vorstellungen vom „Mann-sein“ internalisieren die meisten Jungen in einem
so frühen Alter, daß sexistische Anmache schon bei 10-14 jährigen Jungen
zu beobachten ist. Nicht selten wagen es manche, ältere Mädchen und
erwachsene Frauen so zu behandeln. Sie sind sich sowohl der Wirkung ihres
Verhaltens sicher, als auch, daß sie keine Reaktionen der sozialen Umwelt zu
befürchten haben.
Wir haben es also mit einem im Kern destruktiven Männlichkeitsideal zu
tun.
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Die folgenden Collagen8 stammen von drei Schülern einer neunten Klasse
einer Gesamtschule in NRW. Sie wurden im Winter 1996 im Kunstunterricht
angefertigt und sind somit hochaktuell. Das Thema für die zu erstellenden
Collagen wurde von der Kunstlehrerin in etwa so formuliert: Die Collagen
sollen eine oder mehrere für euch wichtige Situationen in eurem Leben
darstellen. Ihr könnt die Realität genauso abbilden wie eure Träume.
Ich selber habe alle 28 Arbeiten dieser Klasse gesehen. Diese drei Collagen
waren die einzigen,die auf solch exzessive Art, Phantasien über Frauen und
Gewalt gegen sie zum Ausdruck brachten. Eine weitere sehr auffällige
Collage bestand aus Bildern und Texten aus einer speziellen satanischen
Zeitschrift, die sich der Schüler selber mitgebracht hatte und ließ eindeutig
erkennen, daß der Schüler Interesse am bzw. eine Vorliebe für
Satanismus/Sadismus hat. Alle anderen Collagen stellten in mehr oder
weniger ausgeprägte Weise jugendlichen-typische Themen dar. Bei den
Jungen waren das hauptsächlich Sport, Popbands und Autos. Bei den
Mädchen Mode, Schönheit/Aussehen, Popbands und bestimmte männliche
„Stars“ aus der Musik-und Kinowelt. Spezifische eigene Interessen und
Wünsche waren für mich kaum zu erkennen. Es bleibt offen, ob die
Jugendlichen keine anderen Interessen haben oder sie nicht mehr preisgeben
wollten, weil persönliches in einem schulischen Rahmen behandelt wurde.
Die Collagen haben im Original das Format Din A3.
Bild 1:
Auf Bild 1 ist eine Zusammenstellung von Autos und Frauen zu sehen. Die
dargestellten Frauen sind meistens wenig bekleidet, haben Unterwäsche oder
gar nichts an. Sie sitzen oder stehen in typisch klischeehaften „anzüglichen“
Positionen, die sexuelle Bereitwilligkeit signalisieren sollen. Sie liegen in
Unterwäsche bekleidet auf den Autos oder sitzen mit aufgeknöpfter Bluse
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Die Collagen und die dazugehörigen Bildbeschreibungen der Schüler befinden sich
in der Anlage.
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auf der Kühlerhaube. Im Bild oben links ist nur der Unterkörper der Frau zu
sehen. Der Oberkörper, ihr Kopf sowie ihre Beine und Füße sind
abgeschnitten. In der Vorstellung des Schülers scheint das Wesentliche einer
Frau ihr Unterleib zu sein , möglichst ohne Gesicht und Beine und am
liebsten in Strapse gekleidet. Auffällig ist das kleine Bild in der Mitte. Es ist
die einzige Abbildung einer vollständig nackten Frau, deren Gesicht nicht zu
sehen ist, aber auch nicht ihr Unterleib. Das Bild suggeriert einen
gewünschten, aber nicht ausgeführten Geschlechtsakt.
Der Schüler beschreibt seine Collage als Ausdruck der Pubertät, wie sie bei
Jungen üblich ist. Seiner Meinung nach ist es also normal, sich als Junge
ausschließlich für Autos und Frauen zu interessieren. Dabei scheint es sich
aber überhaupt nicht um eine konkrete Frau zu handeln, die er vielleicht
gerne kennenlernen möchte, sondern um irgendwelche Frauen bzw. deren
Körper. Die Person ist dabei gleichgültig, das heißt, er nimmt Frauen nicht als
Subjekte, sondern als Objekte wahr, die für ihn nur von sexuellem Interesse
sind. Diese Wahrnehmungsweise scheint er zunächst O.K. zu finden,
gleichzeitig aber ist ein gewisser Rechtfertigungsdruck aus seiner
Bildbeschreibung zu entnehmen.
Bild 2:
Im zweiten Bild sind mehrere Musiker, wahrscheinlich von Heavy-metal-
Bands abgebildet, sowie ein männliches Gesicht aus einer Horrorfilmszene.
Im Bild links oben ist auch hier die Darstellung einer kaum bekleideten
jungen Frau in „anzüglicher“ Pose zu sehen. Rechts und links sind
Videocassetten und/ oder Kalender des Pornomagazins „Playboy“ abgebildet,
auf dessen Cover Pamela Anderson Model steht. Diese ist als „Nackt-und
Bikinidarstellerin“ in den Medien populär geworden. Auffällig ist rechts
daneben ein Foto des Schauspielers James Stewart aus dem Filmklassiker
„Fenster zum Hof“ von Hitchcock zu sehen. Der Schüler hat dieses Bild so
eingebaut, als ob der Mann die Frau filmt.
Im Bild unten rechts ist eine Frau im roten Kleid abgebildet. Erkennbar sind
lediglich ihre aufgestützten Arme und ihr Dekolltee, das den Blick auf die
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Brust freigibt. Auch ihr Kopf ist abgeschnitten. Zwischen den Ellenbogen ist
das Wort „Pussi“ eingeklebt worden.
Der Junge beschreibt, daß sich in seinem Bild alles um ein furchteinflößendes
männliches Gesicht dreht. Daneben werden „sex and crime“ als Realität aus
dem Fernsehen anerkannt. Er stellt seine Interessen dar, die aus Musik und
Mädchen bzw. Frauen bestehen. Beides hat bei ihm augenscheinlich den
gleichen Stellenwert, nämlich als Dinge, die man benutzen kann.
Auch bei diesem Schüler ist die Wahrnehmung von Mädchen und Frauen als
subjektlose Wesen zu erkennen. Seine Auseinandersetzung mit dem
weiblichen Geschlecht verläuft nicht anhand realer Frauen, sondern mit
Frauen, die Rollen als Sexobjekte in den Medien spielen. Diese Frauenbilder
haben offensichtlich nichts mit realen Frauen des Alltags gemeinsam.
Verglichen mit Bild 1 ist bei dieser Collage eine gedankliche Verbindung
zwischen Sexualität und Gewalt bzw. Gewalt und Frauen deutlicher
erkennbar. Die männlichen Vorbilder sind entweder Musiker der Heavy-
Metal Szene, spielen in Horrorfilmen oder sind Film-und Fernsehstars.
Bild 3:
Die dritte Collage trägt den Titel „Die nackte Wahrheit“. Darauf abgebildet
sind eine Vielzahl in Strapse bzw. sog. Reizwäsche gekleidete junge Frauen.
Daneben Frauen in Bikinis, Badeanzügen oder Unterwäsche. Im Bild unten
rechts wird selbst diese heruntergezogen, um dem Betrachter den Blick auf
die Brust zu offenbaren. Desweiteren sind links, rechts und oben jeweils
völlig nackte Frauen in unterschiedlichen Situationen dargestellt. Im Bild
oben links ist ein Eingeweide im Hintergrund zu sehen. Darauf wurde eine
Figur geklebt, die aus einem männlichen ,nackten, in Lederjacke gekleideten
Oberkörper besteht und einem Raubtierkopf mit aufgerissenem Maul. In der
Mitte wurde ein Teller dekorativ mit Salat und Toast eingeklebt. Mitten in
diesem Arragement prankt ein blutunterlaufenes, menschliches Gesicht ,
welches in der Mitte aufgefressen wird. Darüber klebt eine Pistole, die so
eingefügt wurde, als ob sie der links daneben abgebildeten nackten Frau in
das Gesäß schießen soll.
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Darunter ist ein kleines Foto von einem Kind, welches auf einem Fenstersims
steht und angekettet ist. Den in sog. Reizwäsche gekleideten Frauen fehlen
die Köpfe. Über ihnen ist eine Motorsäge abgebildet, die die Assoziation
freisetzt, den Frauen seien die Köpfe abgesägt worden. Über der Motorsäge
klebt das Bild eines Mannes, der aus einem Horrorfilm stammen könnte und
darin die Rolle eines „Befehlshabers“ hätte.
Der Schüler stellt in drei knappen Sätzen fest, daß er Interesse an solcher Art
gekleideten jungen Frauen hat. Desweiteren stellt er fest, daß er das Essen
von Mc Donald, sowie Horror- und Actionfilme mag.
Zusammenfassung:
Im Vergleich zu den Praxisbeispielen aus Kap. 2.1. sind die Interessen und
Sichtweisen der Jungen noch deutlicher zu erkennen. Auch deshalb, weil das
gestellte Thema für die Collagen sehr allgemein gehalten wurde. Es wurde
nicht verlangt, eine Collage über die eigene Beziehung zum jeweils anderen
Geschlecht zu erstellen. Diese drei Jungen haben von sich aus diese
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Bildthemen und deren Darstellung gewählt und damit eine Menge über sich
und ihre Wahrnehmungsweise offen gemacht.
Deutlich ist der leichte Zugang zu heutigen visuellen Massenmedien
erkennbar. Die Schüler selbst erklären in ihren Texten, daß sie Horror- und
Actionfilme konsumieren. Darüberhinaus sind vermutlich alle drei Jungen
Konsumenten von Pornofilmen aus Fernsehen, Videothek und
Pornozeitschriften. Der Schüler Nr. 3 ist wahrscheinlich auch Konsument von
sadistischen Pornos und Horrorfilmen. Allerdings ist die Grenze zwischen
normalen Thrillern, Horrorfilmen, Softpornos und sadistischen Pornos so
fließend, daß die Ursache für solche Vorstellungen über Frauen, Sexualität
und Gewalt nicht eindeutig festzumachen ist. Ihre Vorstellungen über Frauen
und Mädchen als sexuell benutzbare Objekte sind allerdings direkt und
unverhohlen.
Die Kunstlehrerin erzähte, daß diese drei Schüler während der Arbeit an den
Collagen nebeneinander saßen und wahrscheinlich auch befreundet sind. Sie
hätten sich wohl gegenseitig „hochgeschaukelt“. Das belegt wiederum,
welche Bedeutung der peer group zukommt. Die Jungenclique erweist sich
bei genauerem Hinsehen als „Trainingslager“ für die Verfestigung solcher
sexistischen Vorstellungen und Verhaltensweisen.( Ich werde in Kapitel 3.3.
näher auf diesen Aspekt eingehen.)
Außerdem vermute ich, daß die Jungen mit ihrem Vorgehen die Grenzen
ihrer Umwelt testen. Sie wollen herausfinden, ob sie sich sowas erlauben
können, nämlich in der Schule solche Bilder abzugeben. Andererseits sind
diese Collagen auch als „Hilferuf“ zu werten. Die Jungen sind mit Horror und
Gewalt aus den Medien vollgepumpt und suchen nach Hilfe zur Verarbeitung
dieser Entsetzlichkeiten. Es ist anzunehmen, daß in diesen Fällen weder eine
angemessene noch grenzsetzende oder orientierungsweisende Reaktion der
Erwachsenen erfolgte. Als Ergebnis kann hier festgehalten werden, daß dies
eine Verstärkung bereits vorhandener sexistischer Denkweisen und
Befindlichkeiten zur Folge hat.
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Tathergang:
„B., F. und S. sind 14 Jahre alt, als sie gemeinschaftlich an ihrer Mitschülerin
sexuelle Gewalt ausüben. B. war drei Monate lang mit dem Mädchen
befreundet, wobei es auch zum Geschlechtsverkehr kam. Im Rahmen der
verhandelten Straftat hält F. das Mädchen fest, fummelt an ihrer Scheide und
faßt an ihren Busen, dann vergewaltigt B. seine ehemalige Freundin und
Mitschülerin, steckt seinen Finger in ihre Scheide, während seine beiden
Kumpels „Schmiere“ stehen, ihm zuschauen und ab und zu die Situation
ausnutzen, um das Mädchen immer wieder zu begrapschen.“ 9
Der Täter F. wurde bei der psychiatrischen Untersuchung, die im Rahmen der
Ermittlungen stattfand, gefragt, ob ihm die Unrechtmäßigkeit seiner
Handlungen bewußt sei. F. antwortete darauf, weil das Mädchen bei
vorherigen Körperkontakten gelacht habe, sei er davon ausgegangen, das
würde ihr gefallen. Auf Vorhalt des Untersuchers, er und seine Kumpels
hätten das Mädchen festgehalten, entgegnete er, das hätten sie immer so
gemacht. Er sei nie auf den Gedanken gekommen, daß man dies auch ohne
Festhalten machen könne.
Desweiteren sei sie ja „nicht ganz sauber“, da sie früher mit B.
Geschlechtsverkehr gehabt habe.
9
a.a.O., S. 159.
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19
A)
Tathergang:
„Nach ersten Übergriffen im Alter von sechs Jahren des Mädchens, begann
der systematische sexuelle Mißbrauch mit ihrem 12. Lebensjahr: er ging zu
ihrem Bett, sie sollte rutschen, sie weigerte sich und er zeigte ihr hundert
Mark. Sie weigerte sich weiterhin, ging aus dem Zimmer, er holte sie zurück,
sie wehrte sich, er legte sie auf das Bett und verlangte, sie soll „lieb zu ihrem
Vater sein“. Sie wehrte sich weiterhin, da schlug der Vater sie mit der Hand
gegen den Kopf. Das Mädchen begriff die Aussichtslosigkeit seiner Lage und
verhielt sich ruhig. Er zog sie dann aus, berührte sie und zwang sie, seinen
Penis bis zur Ejakulation zu reiben. Beim ersten Mal, bei dem der Vater von
ihr verlangte, seinen Penis in ihren Mund zu nehmen, weigerte sich das
Mädchen aus Ekel. Da nahm der Vater den Kopf des Mädchens mit beiden
Händen und preßte ihn heftig gegen sein Glied, so daß das Mädchen keinen
Ausweg mehr hatte und das Glied in den Mund nahm.“ 10
10
a.a.O., S. 183.
19
20
Charakteristisch bei diesem Mann ist zum Einen das vehemente Leugnen der
Taten, zum Anderen die Tochter als Lügnerin darzustellen. Er schreckt auch
nicht davor zurück, die Tochter als geisteskrank und kaltblütig zu bezeichnen,
als ob sie ihn „vernichten“ wolle
Sich selbst stellt er als ehrlichen und anständigen Menschen dar, der
eigentlich nur Mitleid angesichts der „ungeheuerlichen“ Vorwürfe verdient.
Gleichzeitig teilt er mit, welche Rechte er seiner Meinung nach besitzt,
nämlich die alleinige Entscheidungs- und Verfügungsmacht über die anderen
Menschen der Familie.
Diese Rechte werden mit einer solchen Selbstverständlichkeit von dem Täter
formuliert, daß er davon auszugehen scheint, daß dies allgemein
gesellschaftlich anerkannt sei. Er beruft sich auf ein traditionelles
Männlichkeitsbild, in dessen Logik Männer das Familienoberhaupt sind. An
diesem Beispiel lassen sich Vorstellungen über Männlichkeit, dessen Teil
das Vaterrecht ist, rekonstruieren.
Die Vorgehensweise bei diesem Täter ist eine Täter-Opfer-Verkehrung. Diese
ist angesichts der Machtungleichheit zwischen einem erwachsenen Mann, der
gleichzeitig der Vater ist und einem minderjährigen zwölfjährigen Mädchen
kaum glaubwürdig. Die Erklärungen von seiten des Täters stellen eher eine
Umkehrung der Realität dar.
B)
Tathergang:
11
a.a.O., S. 185
20
21
12
Rheinische Post vom 3.7.1997.
21
22
Sexualität gleichgesetzt wird. Der Täter versucht, die Tat zu verleugnen, die
unabhängig vom Ort des Geschehens von ihm ausgeübt wurde. Das stellt eine
Verzerrung der Realität dar.
C)
Tathergang:
„Wuppertal. Unter dem Verdacht, in den vergangenen Jahren weibliche
Mitglieder seiner Kampfschule vergewaltigt zu haben, nahm die Polizei
gestern in Wuppertal einen 49jährigen Mann in seiner Wohnung fest. Drei
Frauen hatten den Verdächtigten, der neben seiner Kampfschule in Elberfeld
weitere in NRW besitzen soll, bei der Polizei angezeigt. Nach Ermittlungen
der Beamten wurde zudem eine minderjährige Jugendliche Opfer des
Mannes. Der Festgenommene bestreitet die Anschuldigungen.
Die Polizei bittet weitere Geschädigte, sich bei der Kripo....zu melden.“ 13
In diesem Fall hat wiederum ein Mann seine berufliche Position zur
Anwendung sexueller Gewalt ausgenutzt. Man muß davon ausgehen, daß er
als Kampfsportlehrer zunächst ein Vertrauensverhältnis zu seinen
Schülerinnen aufgebaut hat. Desweitern muß man vermuten, daß er, bedingt
durch seine berufliche Tätigkeit, die Frauen darin unterrichtet hat, sich gegen
sexualisierte Übergriffe zur Wehr zu setzen. Daher müssen die
Vergewaltigungen dieses Täters als besonders traumatisierend für die Opfer
eingestuft werden. Die Reaktion des Täters ist Verleugnung.
Er schien sich seiner Sache so sicher zu sein, daß er es nicht bei einer
einmaligen Tat beließ, sondern an vielen Frauen zum Täter wurde. Es ist
anzunehmen, daß die Zahl der Opfer wesentlich höher ist, als bisher bekannt.
Dieses wird auch von der Polizei vermutet.
Zusammenfassung:
13
Westdeutsche Zeitung vom 1.3.1997.
22
23
Diese drei erwachsenen Täter zeigen in ihrem Verhalten einige Parallelen auf.
Alle drei haben zunächst eine machtvolle Position bzw. einen Beruf, durch
den sie Macht besitzen. Diese Machtverteilung ist in einer patriarchalisch
strukturierten Gesellschaft die Regel. Alle drei Täter nutzen jedoch diese
Macht, um sexualisierte Gewalt auszuüben. Alle drei scheinen sich ihrer
Sache sehr sicher zu sein, denn durch ihre Position als Vater,
Kriminalkommissar oder Kampfsportlehrer wird ihnen die Rolle des „guten“
Mannes zugeschrieben. Auf diese Vorstellungen von „guten“ und „bösen“
Männern, (Stichwort: Hegemoniale Männlichkeit14), werde ich in Kapitel 3.5.
eingehen.
Sie scheinen sich von dieser Rolle einen solchen Schutz versprochen zu
haben, daß ihnen anscheinend gar nicht in den Sinn kam, sie könnten entdeckt
und strafrechtlich verfolgt werden. In diesem Denkmuster erscheint das
Leugnen der Taten konsequent.
14
J. Kersten, Der Männlichkeitskult, Psychologie Heute, September 1993, S.50-57.
23
24
Beispiel Nr. 1
Beispiel Nr. 2
15
Westdeutsche Zeitung vom 20.6.1997.
24
25
Ein Markt konnte sich entwickeln, deren Ursache nicht die vorhandenen
technischen Möglichkeiten sind, sondern weit verbreitete Bedürfnisse der
männlichen Bevölkerung. Das Bedürfnis nach Unterwerfung anderer, nach
Vergewaltigung und Sadismus in sexualisierter Form scheint so weit
16
Westdeutsche Zeitung vom 9.6.1997.
25
26
Beispiel Nr. 3
„An dieser Stelle soll O., ein besonders bekannter Heiratshändler aus dem
Oberbergischen Land, kurz vorgestellt werden, da er für seine Branche
typisch ist. Seine „Internationale Moderne Partnervermittlung“ brüstet sich
damit, jährlich über 100 Frauen aus den Philippinen an deutsche Männer zu
vermitteln. In der Regel könne er neun von zehn Männern zufriedenstellen,
teilt er in einem Interview dem Kölner Stadt Anzeiger mit (3./4.12.1988).
Der Erfolg von O. liegt sicher auch in seiner offensiven Werbung, die gezielt
auf gesellschaftlich defizitär angesehene Gruppen von Männern
spezialisiert ist, wie Behinderte und Rentner. So verspricht er in seiner
Werbebroschüre: Wenn also Blinde, Beingelähmte, querschnittsgelähmte
Rollstuhlfahrer etc. durch uns einen Partner gefunden haben, so besteht
sicherlich auch für sie eine gute Chance.“ Gleichzeitig wird für die Frauen
mit rassistischen Klischees geworben wie „gefühlvolle, anmutige Philippinin“
oder „Unsere Damen, die meist aus Peru kommen, haben europäische
17
vgl. A. Gallwitz, M. Paulus, Grünkram, Hilden/ Rheinland, 1997.
26
27
Beispiel Nr. 4
„Waren es Anfang der 80er Jahre vor allem die Thailänderinnen und
Philipininnen, die über den Heirats- und Frauenhandel in die Bundesrepublik
kamen, so wird anhand von Presseberichten deutlich, daß ca. Mitte der 80er
Jahre der Markt nach Osteuropa eröffnet wurde.
Beispiel Nr. 5
18
Ministerium für die Gleichstellung von Frau und Mann des Landes Nordrhein-
Westfalen/Dokumente und Berichte 25: Internationaler Frauenhandel, S. 12/13.
(Hervorhebung durch die Verfasserin).
19
a.a.O., S. 18. ( Hervorhebung durch die Verfasserin).
27
28
Seine Aufgabe beschränkte sich nicht nur darauf, die Frauen in ein Bordell
nach Deutschland zu bringen. Gemeinsam mit Peter sah er die Frauen als
„seine“ Frauen an, die eine Einnahmequelle darstellten und daher bei ihrer
Arbeit zu überwachen waren.
Mehrfach in der Woche kam K. zur Kontrolle und zur Überwachung der
Frauen in den Club. ...Von den 50%, die den Frauen von ihrem
Gesamtverdienst verblieben, vereinnahmte K. nochmals die
Hälfte....Nachdem die Tschechinnen ihre Tätigkeit als Prostituierte im Club
aufgenommen hatten, kam B. die Idee einen Katalog zu entwerfen, in dem
alle im Club tätigen Prostituierten abgebildet sein sollten. Dieser Katalog
sollte dann in einem großen Hotel deponiert werden, damit der Nachtportier
interessierten Männern die Frauen des Clubs anbieten könnte.“ 20
Zusammenfassung:
20
a.a.O., S. 98. (Hervorhebung durch die Verfasserin).
28
29
21
vgl. Anlage, Werbebroschüre der Internationalen Partnervermittlung, Institut Aida.
29
30
30
31
Ein Beispiel:
„Sie war erst 15 Jahre alt, als sie erstmals im Juli 1992 festgenommen wurde.
Die Anklagebehörde des Tribunals behauptet, FWS-87 sei mindestens acht
Monate lang regelmäßiger Folter einschließlich Gruppenvergewaltigung und
Versklavung durch die Angeklagten Jankovic, Janjic, Kovac, Vukovic,
Zelenovic, Kunarac und Stankovic sowie durch zahllose andere
unbekannte Soldaten ausgesetzt gewesen.
FWS-87 wurde erstmals am oder um den 3.Juli 1992....festgehalten. Dort
wurde sie von Dragan Zelenovic und drei unbekannten Soldaten
abwechselnd vergewaltigt und verhört. Einer der Soldaten hielt ihr, während
er sie vergewaltigte, eine Waffe an den Kopf....
Zwischen dem 3. und 13. Juli 1992 wurde FWS-87 zusammen mit mindestens
72 anderen muslimischen BewohnerInnen Focas in die Oberschule Focas
gebracht. Fws-87 war eine von meheren Frauen, die von Einzelpersonen und
ganzen Gruppen von Soldaten.....allabendlich.....sexuell genötigt wurde.
Bei den Soldaten handelte es sich um Militärpolizisten, die sich nach dem
örtlichen Kommandeur der Militärpolizei, Cosovic als „Cosas Garde“
bezeichneten. Unter den Tätern befanden sich die Angeklagten Jankovic,
Zelenovic, Janjic und Vukovic. Die Soldaten drohten den Frauen, sie zu
töten, falls sie sich widersetzten.
....wurde FWS-87 von Vukovic vergewaltigt, während andere festgehaltene
Frauen gleichzeitig im selben Raum vergewaltigt wurden. ....führte Dradan
Zelenovic eine Gruppe von Soldaten an, die FWS-87 und eine andere junge
Frau...mindestens fünf Mal zusätzlich...sexuell mißhandelt. Im selben
Zeitraum....von Zoran Vukovic und Dragan Zelenovic vergewaltigt. .....bis
ca. 2. August 1992 festgehalten, wobei FWS-87 und andere Frauen
fortwährend von unzähligen Soldaten und ...Dragan Zelenovic, Zoran
22
Auszug aus der Anklageschrift des Tribunals in Den Haag, Medica mondiale, März 1997.
( siehe Grundlage des Tribunals S. 34 f. )
31
32
FWS-87 und andere Frauen wurden in diesem Haus nicht nur wie
Sexsklavinnen behandelt, sondern auch gezwungen, für die Soldaten zu
arbeiten, das heißt, ihre Uniformen zu waschen, zu kochen und zu putzen.
FWS-87 wurde auch gezwungen, für andere Soldaten in anderen Häusern zu
putzen und zu kochen. ....wurde FWS-87 zusammen mit anderen Mädchen
und Frauen wieder nach Foca...gebracht. Hier wurden sie viele Male von
dem Angeklagten Dragan Zelenivic, Goijko Jankovic und Janko Janjic
vergewaltigt und anderweitig sexuell mißhandelt.
...von Radomir Kovac ...als Sklavin gehalten. ....häufig durch Kovac sexuell
mißhandelt... Am 25. Februar 1993 wurde FWS-87 von Radomir Kovac für
500 DM an zwei unbekannte montenegrinische Soldaten verkauft.“ 23
Zur Erklärung:
23
Medica mondiale, März 1997, S.13/14. (Hervorhebung durch die Verfasserin).
32
33
Die Tatsache, daß ganz normale Männer in einer extremen Situation, wie die
des Krieges, zu brutalen, sadistischen und sehr gefährlichen Sexualstraftätern
werden, ist erstaunlich. Diese Verbrechen würden in einem anderen Kontext,
z.B. hier in Deutschland, zu gesellschaftlichen Reaktionen führen, d.h. den
Ruf nach Verfolgung und härtester Bestrafung des „Triebtäters“ nach sich
ziehen. Anders ausgedrückt, ist das, was der sog. Triebtäter hier tut und als
Ausnahme gilt, in einer Kriegssituation Normalität. Um erklären zu können,
warum bis zu 80% der männlichen Bevölkerung in einer Extremsituation
relativ einfach und schnell zu Vergewaltigern werden, müssen andere
Theorien herangezogen werden, als die des „Ausnahmetriebtäters“.
33
34
24
vgl. H. Sander/ B. Johr, BeFreier und Befreite, Frankfurt am Main, 1995.
34
35
3. Erklärungsansätze
Eine Vielzahl bisher entstandener Theorien beleuchten oft nur eine Seite des
Phänomens.
Ich möchte hier nicht alle Theorien anführen, da dies zu weit führen würde.
Ich habe mich für die Theorien entschieden, die meiner Meinung nach die
wichtigsten Aspekte thematisieren, sowie grundlegende Strukturen aufzeigen.
Andere Theorien, z.B. historische oder psychoanalytische Ansätze, lasse ich
25
J. Kersten, Der Männlichkeitskult, Psychologie Heute, September 1993, S. 52.
36
aus diesem Grund außen vor und gehe stattdessen auf soziologische Analysen
ein.
Die Kapitel 3.1. - 3.3. sind Erklärungsansätze, die sexuelle Gewalt als das
Ergebnis eines Lernprozeß im Lebenslauf von Jungen erklären.
Kap. 3.3. geht auf die Bedeutung der jugendlichen „Clique“ ein,
insbesondere welchen pädagogischen Effekt sie für die Entstehung sexueller
Gewalt hat.
Die Kapitel 3.4. und 3.5. sind Erklärungsansätze, die sexuelle Gewalt als das
Ergebnis eines gesamtgesellschaftlichen, geschlechtsspezifischen
Konditionierungsprozeß verstehen.
Kap. 3.4. setzt sich mit dem Phänomen der Pornographie auseinander,
insbesondere welchen Einfluß diese auf die Entstehung sexueller Gewalt hat.
Sexuelle Gewalt ist ein Unterwerfungsritual, welches immer nur auf der Basis
von Machtungleichheit möglich ist. Sie wird von dem jenigen ausgeübt, der
mehr Macht gegenüber einer anderen Person besitzt. Auf der Grundlage von
Gleichheit wäre eine Vergewaltigung nicht umsetztbar.
37
„PH: Welche Lernprozesse bringen denn einen Mann dazu, eine Frau zu
vergewaltigen?
Selg: Nach meiner Überzeugung müssen wir uns der Entwicklung von Gewalt
und damit auch der sexuellen Gewalt auf mehreren Ebenen nähern: Wir
haben als Βasis die gesellschaftlichen Einflüsse, darüber die Ebene der
Familieneinflüsse und darüber die Ebene der individuellen Persönlichkeit.
Lassen sie mich zunächst auf die gesellschaftlichen Bedingungen eingehen:
Da haben wir zunächst die Dominanz der Männer. Sie bedeutet immer noch
Mangel an Gleichberechtigung für Frauen, politisch, am Arbeitsplatz, in
religiösen Institutionen. Gespiegelt wird die Dominanz der Männer durch die
Medien. Dies geschieht zum Teil noch recht grob, zunehmend aber subtil:
Frauen sind zum Beispiel in den Chefetagen der Massenmedien kaum
vertreten. Aber auch auf dem Bildschirm sind sie entgegen allgemeiner
Einschätzung seltener zu sehen als Männer.“26
Rekonstruktiv heißt das: Wer weniger Macht besitzt ist weniger wert.
26
H. Selg, „Zwei Drittel aller Männer neigen zu Gewalt“, Psychologie Heute, August
1993, S. 34.
38
Wer weniger wert ist, dessen Willen braucht man nicht zu achten, den kann
man sich zu eigen machen. In dieser Denkstruktur ist eine sexualisierte
Gewalttat nichts Unrechtes.
Hier sind Parellelen zur rassistisch motivierten Gewalt erkennbar. Auch diese
ist nur auf der Basis ungleicher Machtverteilung und einer davon
abgeleiteten geringeren Wertigkeit möglich. Diese bietet die Rechtfertigung
für das eigene Gewaltverhalten.
Folglich beruht sexualisierte Gewalt auf ein bestimmtes Denken. Angebliche
Triebbedürfnisse sind da eher unerheblich.
Ein typisches Beispiel ist die Hausarbeit, für die die Mutter nicht bezahlt
wird. Denn Geld ist gleichbedeutend mit Macht und Status/ Wert. Hier läßt
sich ein Zusammenhang erkennen, weil eine Voraussetzung sexueller Gewalt
ist, daß die Person, der man Gewalt zufügt, als wertlos erachtet wird. Die
Anerkennung der Wertigkeit des Gegenübers stellt ein Hinderungsgrund zur
Ausübung von Gewalt dar. Das große Ausmaß sexualisierter Gewalt gegen
Frauen, ist ein Ausdruck dafür, daß es einen allgemeinen Konsens darüber
gibt, daß Frauen als Geschlecht weniger wert sind und daß Männer ein Recht
darauf haben, mehr Macht (als sie und über sie) zu besitzen.
Beobachtet und erlebt werden kann von Kindern in der Regel folgende
Realität: Für Zuwendung, Liebe, Aufmerksamkeit, also die sog.
Erziehungsarbeit, sind meistens Frauen zuständig. Obwohl es sich hierbei um
elementare Grundbedürfnisse handelt, gibt es dafür wenig Anerkennung und
kein Geld. Für die Beschaffung von Geld sind Männer zuständig, bzw. haben
diese die wichtigeren und einkommensstärkeren Arbeitsplätze als die Frauen.
Deutlich wird dieses an der noch immer geltenden Tatsache, daß je höher die
berufliche Position in der Hierarchie, umso geringer der Anteil an Frauen.
Das gilt für die Bereiche Politik, Wirtschaft, Universitäten, Forschung und
sozialer/ medizinischer Dienstleistungssektor gleichermaßen.
Als Beispiel dient hier folgendes Ergebnis: In einer repräsentativen Telefon-
Umfrage eines Meinungsforschungsinstituts aus dem Jahre 1996 wurde 695
Männern zwischen 18 und 49 Jahren die Frage gestellt:“ Ihre Partnerin und
sie bekommen ein Kind. Sie hält ihre eigene Karriere für wichtiger als die
Ihre und verlangt von Ihnen, daß Sie für ein Jahr Erziehungsurlaub nehmen.
Würden Sie darauf eingehen?“ Geantwortet wurde folgendermaßen:
Trotz dieser hohen Zahl der Befürworter nehmen real nicht einmal zwei
Prozent der Männer die Möglichkeit des Erziehungsurlaubs in Anspruch.
Tatsächlich sind es immer noch die Frauen, die, falls vorhanden, neben ihrer
beruflichen Tätigkeit, den großen Teil der Kinderversorgung und Betreuung
übernehmen.27
Desweiteren sind Männer in der Öffentlichkeit präsenter, was aus Sicht eines
Kindes gleichbedeutend damit ist, daß sie eine Menge zu sagen haben, was
z.B. im Fernsehen zu sehen ist.
Desweiteren bedeutet das für Jungen, emotionale Zuwendung als ein typisch
weibliches Verhalten zu erleben. Männer sind meistens für diese Arbeit nicht
zuständig. Als ein Beispiel dient hier das fast völlige Fehlen männlicher
Erzieher und Betreuungspersonen in Kindergärten, Horten, Grundschulen
und ähnlicher Einrichtungen. Beispielsweise ist die Vorstellung eines
Tagesvaters als Pendant zur Tagesmutter zunächst unvorstellbar.
Emotionale Zuwendung jedoch ist Bedingung, um Empathiefähigkeit zu
erlernen. Wird sie als etwas ausschließlich Weibliches erlebt, kann sie von
Jungen nicht, weil „unmännlich“, in die eigene Geschlechtsidentität integriert
werden. Unmännlich ist es auch deshalb, weil keine männlichen
Rollenvorbilder, die zur Identifikation benötigt werden, zur Verfügung
stehen.29 Hier ist wiederum ein Zusammenhang erkennbar. Mangelnde
Empathiefähigkeit bzw. der fehlende Willen sich in das Gegenüber
einzufühlen, ist eine weitere Voraussetzung für die Ausübung von sexueller
Gewalt.
28
S. Petz, Gewalt ist männlich, Süddeutsche Zeitung vom 19./ 20. Oktober 1996, S. 6.
29
vgl. L. Böhnisch, R. Winter, Männliche Sozialisation, Weinheim/ München, 1993.
41
behindern. Beides ist eine Voraussetzung dafür, sexuelle Gewalt ausüben und
diese vor sich selbst und anderen rechtfertigen zu können.
Der männlichen Geschlechtsrolle immanent ist, daß Männern ein Recht auf
Dominanz in allen Lebensbereichen zugestanden wird. Männlichkeit an sich
definiert sich über Dominanz. Als Gleichung könnte gelten:
Männlich ist ein Mann eigentlich nur dann, wenn er dominant (stark und
durchsetzungsfähig) ist. Umgekehrt wird die Eigenschaft Dominanz als
„männlich“ charakterisiert.
(In Kapitel 3.5. werde ich auf Vorstellungen von Männlichkeit näher
eingehen). Dieser Dominanzanspruch als eine Grundlage des gängigen
Männlichkeitsideal ist eine dritte Ursache für das Phänomen der sexuellen
Gewalt.
30
A. Heiliger, C. Engelfried, Sexuelle Gewalt, Frankfurt/ New York, 1995, S. 29.
43
Jungen sollen für ihre spätere gesellschaftliche Rolle fit gemacht werden.
Unter diesem Blickwinkel stellen Gefühle von Traurigkeit, Ohnmacht,
Hilflosigkeit etc. ein Hindernis dar. Auf Dauer stellt sich folgender Prozeß
ein: Da Jungen mit diesen Gefühlen nicht wahrgenommen und gespiegelt
werden, müssen sie diese abspalten und verdrängen. Als
Vermeidungsstrategie gegen die Eigenwahrnehmung dieser Gefühle bewährt
sich Überaktivität, Aggressivität, Laut-sein und andere ähnliche
Verhaltensweisen. U. Schmauch konnte dies bereits in Kindergärten
beobachten:
„ Zugleich aber wird es mit der Zeit typisch für viele, sich der
Körperbewegung als einer Gefühlsabwehr zu bedienen. Ihr aktives und
aggressives Agieren steigt an, wenn ihre Stimmung sinkt, sehr zur Täuchung
der Erwachsenen, die das bequemerweise allzu pauschal als jungenhafte,
wilde Lebhaftigkeit quittieren. Aktive, auch aggressive körperliche Betätigung
soll passives psychisches Erleben abwehren, das den kleinen Jungen hilflos
macht. So sagte mit ein dreijähriger Junge, den ich beruhigend festhalten
wollte, weil er wie gehetzt durch den Raum lief:“ Aber dann merk’ ich doch,
daß ich traurig bin.“32
Bewähren tut sich diese Strategie auch deshalb, weil sie von den
Erwachsenen auch noch positiv bewertet wird. Dies geschieht nicht nur bei
kleinen Jungen, sondern gilt eigentlich für die gesamte Kindheit und Jugend.
Im Laufe einer „normalen“ Jungensozialisation bilden sich also zwei
Strukturen heraus: Da alle unerwünschten Gefühle nicht gefühlt und
31
A. Prengel, Der Beitrag der Frauenforschung zu einem anderen Blick auf die Erziehung
von Jungen, in: Sozialmagazin 7-8/ 1990, S. 36-48.
32
U. Schmauch, Über Mädchen und Jungen, in: Geschlechterbegegnungen, Hrsg. E. Rohr,
L.v. Gisteren, S. 77.
44
ausgedrückt werden dürfen, können Jungen auch nicht lernen, wie man mit
ihnen umgehen kann. Als Kompensation bieten sich dann aggressive und
hyperaktive Verhaltensweisen an, für die es auch noch Lob und Anerkennung
gibt. Das heißt, auf der psychologischen Ebene führt die Verstärkung dieser
Verhaltensweisen zu einer Art Sucht, da Jungen es nicht lernen, mit ihren
negativen Gefühlen anders umzugehen als mit Abwehr, Aggressivität und
Verleugnung, bzw. sie durch Dominanz zu kompensieren.
Böhnisch und Winter bezeichnen dies als die Struktur der Externalisierung:
Folglich werden Jungen und Männer nicht deshalb zu Tätern, weil sie, wie
oft behauptet, unter Mangelerfahrungen in der Kindheit oder ähnlichem zu
leiden haben, sondern weil sie sich weigern zu leiden. Diese Weigerung zu
leiden wird gesellschaftlich durch die oben beschriebenen Muster des
Umgangs mit Jungen gefördert. Den Preis für dieses kollektive Muster der
Leidensverweigerung zahlen die Opfer sexualisierter Gewalt mit ihrer
psychischen Integrität, weil sexuelle Gewalt immer eine Todesnäheerfahrung
ist.
33
L. Böhnisch, R. Winter, a.a. O., S. 127.
45
Böhnisch und Winter nennen sieben Prinzipien, die eine Konsequenz der
Struktur der Externalisierung darstellen. 34 Diese sind:
Das Prinzip Gewalt.
Das Prinzip Benutzung.
Das Prinzip Stummheit.
Das Prinzip Alleinsein.
Das Prinzip Körperferne.
Das Prinzip Rationalität.
Das Prinzip Kontrolle.
Daraus ersichtlich wird, daß die Prinzipien Gewalt, Benutzung und Kontrolle
den Hintergrund für sexualisiertes Gewaltverhalten bilden. Desweiteren
beinhalten sie neben der psychologischen Dimension, auch eine
gesellschaftliche, da diese Prinzipien dem gesellschaftlich erwünschten Bild
von Männlichkeit entsprechen.
34
a. a. O., S. 128-130.
46
zuzufügen. Daran wird deutlich, daß es bei sexueller Gewalt nicht um die
Erlangung von Sexualität geht, sondern um gezielte und gewollte
Unterwerfung, Demütigung und Verletzung in einer sexualisierten Form.
Eine weitere Voraussetzung für die Ausübung von sexueller Gewalt sind
sadistische Neigungen. Diese sind nicht, wie oft behauptet , angeboren,
sondern ebenfalls Folge einer massiven Verleugnung und Verdrängung
eigener Erfahrungen von Verletzt-worden-sein, Klein-sein und Angst. Daraus
entsteht mangelnde Empathiefähigkeit, die wiederum (sexualisiertes)
Gewaltverhalten fördert. Jedoch sind die Übergänge zwischen der scheinbar
„harmloseren“ mangelnden Empathiefähigkeit und dem offensichtlichen
schlimmen Sadismus fließend.
Wie oben erwähnt werden bei Jungen in einer „normalen“ Jungenerziehung
gerade diese Gefühle (Klein-sein, Angst...) ignoriert und übergangen.
In diesem Sinne gilt die Herstellung von Männlichkeit dann als erfolgreich,
wenn diese abgespaltenen und verdrängten Anteile nicht mehr sichtbar sind
und stattdessen Durchsetzungsvermögen, Dominanz bis hin zur Unterwerfung
anderer glaubhaft inszeniert werden. Hierin liegt die gesellschaftliche Ursache
für sexuelle Gewalt.
35
M. Gerstendörfer in einer Anhörung der Bonner SPD-Fraktion über „sexuelle Gewalt
gegen Kinder“, aus: Sexuelle Gewalt üben meist Jungen aus, Frankfurter Rundschau vom
21.01.1997.
48
Folglich bedeutet das, daß Täter sexualisierter Gewalt auf das gesellschaftlich
ihnen zur Verfügung stehende Angebot der Frauenverachtung (bzw. der
gesellschaftlich legitimierten Verhaltensweise des projektiven Hassens)
zurückgreifen, um allgemeinen menschlichen oder spezifisch männlichen
innerpsychischen Konflikten aus dem Weg zu gehen
Erlernt wird diese Konfliktlösungsstrategie, die real keine ist, da sie die
Konflikte nicht löst, zum großen Teil durch das Gewähren-Lassen, oft auch
durch Bestärkung der Umgebung.
Spezifisch männlich sind diese Konflikte deshalb, weil sie aus einer
mangelnden Rollendistanz zum herrschenden Männlichkeitsideal stammen.
36
vgl. W.D. Bukow, Feindbild: Minderheit, Opladen, 1996, S. 24-48.
37
Winter/ Böhnisch, a.a. O., S. 188.
38
S. Petz, Gewalt ist männlich, Süddeutsche Zeitung vom 19./ 20. Oktober 1996, S. 6.
50
„Sie sollen den Jugendlichen einen eigenen Status, einen eigenen Raum
gegenüber und im Kontrast zu Eltern und Erwachsenenwelt geben. Denn in
den ersten Lebensjahren sind die Kinder ganz vom Elternhaus bestimmt,
werden mit für sie zum Teil unverständlichen Erwartungen der
Erwachsenenwelt konfrontiert. In der späteren Gleichaltrigengruppe erhalten
sie zum ersten Mal ihre „eigene Welt“, können hier einen eigenen
„Jugendstatus“ entwickeln und altersspezifische Probleme - wie Sexualität,
Erwachsenwerden, Schülerprobleme - untereinander austauschen. ... Die
Gleichaltrigengruppe soll der sozialen Neuorientierung der Jugendlichen
über die Familie hinaus dienen (Heraustreten aus der Familie). Es werden
andere Menschen kennengelernt, andere Normen, Werte, Weltanschauungen,
Verhaltensweisen. Jugendliche konfrontieren sich damit, übernehmen diese
mehr oder weniger innerhalb der eigenen biographischen Möglichkeiten. Für
die männlichen Jugendlichen verbindet sich mit der Peer-Group das
deutliche Heraustreten aus der mutterdominanten Familie. Das erzwingt die
Loslösung von der Mutter und von weiblichen Verhaltensweisen, die in der
Peer-Group als „unmännlich“ angesehen werden.“ 39
Der Umgang von Jungen untereinander ist geprägt von Konkurrenzdruck und
permanentem Demonstrieren ihrer „Männlichkeit“. Dazu gehört das
„Anbaggern“ von Mädchen, der (gemeinsame) Konsum von Pornographie,
ständige Abwertung von allem Weiblichen, bzw. das, was dafür gehalten
wird. Desweiteren Mutproben in den verschiedensten Variationen, wozu oft
auch körperliche und seelische Gewalt gegen sich und/ oder andere gehört.
„.... so ist zu relativieren, daß dieser eigene Status (in der Jugendclique) sich
in der Regel über die Männerdefinition und damit teilweise wiederum über
die Abwertung von Frauen und Mädchen konstituiert. Die
Gleichaltrigengruppe dient also - im Kontext der Suche nac h einem
Sozialstatus - auch der Entwicklung des (traditionellen) Mannseins.“42
41
a.a.O., S. 80 - 81.
42
a.a.O., S. 80 - 81.
52
„So antwortet ein Jugendlicher auf die Frage, ob er das Bedürfnis hat, zu
anderen Jungen zärtlich zu sein, folgendermaßen:“Klar, das haben wir alle.
Wer das bestreitet, der lügt, oder bei dem stimmt irgendetwas nicht. Wenn ich
jemand gerne mag, möchte ich den auch umarmen können. Aber ich trau
mich meistens nicht, weil, dann heißt es gleich „Der ist nicht ganz richtig“.
Ich will nicht einmal sagen, daß du gleich als Schwuler angesehen wirst, aber
küssen, streicheln, liebhaben, das ist so was Weiches.“ 43
Durch die Unmöglichkeit Körperkontakt, echte Nähe und Wärme bei anderen
Jungen zu finden, lernen Jungen, sich mit diesen Bedürfnisse ausschließlich
auf Mädchen (später auf Frauen) zu beziehen. Dies stellt eine verdeckte
Abhängigkeit von Frauen dar. Denn Jungen lernen es dadurch nie, sich
bezüglich emotionaler Bedürfnisse an andere Jungen zu wenden, also
Freundschaften aufzubauen. Dies zieht sich dann durch ihr ganzes Leben.
43
A. Heiliger, C. Engelfried, a.a.O., S. 73.
53
Auch das ist eine der Ursachen für sexuelle Gewalt. Jede
Unabhängigkeitsbestrebung von Mädchen/ Frauen, z.B. aus der Struktur
„allein - für - den - Freund/Partner - zuständig - zu - sein“, auszusteigen, ist
dann eine existentielle Bedrohung, auf die von männlicher Seite oft mit
(sexueller) Gewalt geantwortet wird. 44
44
vgl. W. Wieck, Männer lassen lieben. Die Sucht nach der Frau, Stuttgart 1988.
54
Zum Aspekt der militärischen Ausbildung, die die meisten jungen Männer
durchlaufen, zitiere ich noch einmal:
Das Militär stellt in diesem Sinne nur die nächste Sozialisationsinstanz zur
weiteren Verfestigung gesellschaftlich erwünschter „Männlichkeit“ dar.
3.4. Die Bedeutung von Pornographie für die Entstehung von sexueller
Gewalt
45
L. Böhnisch, R. Winter, a.a.O., S. 94.
56
Pornographie wird aus dem Blickwinkel des Mannes gedreht. Der männliche
Zuschauer soll sich und kann sich dadurch sofort in die Rolle des männlichen
Pornodarstellers einfühlen und seinen Blick übernehmen. Das allein ist schon
frauenverachtend. Daher fühlen sich Frauen beim Anblick von Pornographie,
auch ohne explizite Gewalthandlungen, in der Regel erniedrigt. Beim
männlichen Pornokonsumenten hingegen findet eine Identifikation statt.
Diese Identifikation ist die Ursache für die Wirkung auf den männlichen
Zuschauer. Er lernt daher folgendes:
57
Frauen sind immer willig, „wollen nur das eine“ und warten darauf.. Sie
wollen von Männern „genommen“ werden und stehen auf „harten“ Sex.
Männer wollen nur „rammeln“ und das stundenlang. Sie können den
Geschlechtsverkehr immer ausüben und sind überhaupt eher „Sexmaschinen“
als authentische und fühlende menschliche Wesen. Die Botschaft, Männer
nehmen und Frauen werden genommen, ist eindeutig. Diese Sichtweise von
männlichen und weiblichen Verhalten und von Sexualität gehört zu den
grundlegenden Ursachen von sexualisiertem Gewaltverhalten!
Pornographie ist also ein weiteres Medium, mit dem etwas über die
Geschlechterrollen gelernt wird. Was da gelernt wird, ist, auf den Punkt
gebracht, daß Frauen reine Sexualobjekte sind. Ansonsten vermitteln Pornos
die gleichen Geschlechterrollenbilder, wie ich sie ausführlichst in Kap. 3.1.
bis 3.3. dargelegt habe. Im Hinblick darauf, wie verbreitet der
Pornographiekonsum unter Jungen ist, wird die Notwendigkeit einer
Thematisierung deutlich.
„Ihre ersten Informationen über Sex beziehen Jungen in der Regel aus der
Pornographie. Es ist üblich, solche Hefte als Onaniervorlagen untereinander
auszutauschen. Wachsender Beliebtheit erfreuen sich die Wochenend-Pornos
der privaten Fersehsender. Sie verringern das Risiko, erwischt zu werden.
Wenn die Eltern ins Zimmer kommen, wird einfach weggezappt. Im
Durchschnitt erreichen die Softpornos auf SAT 1 am Freitagabend rund
150.000 Zuschauer im Alter von 14 bis 29 Jahre.“ 46
Es zeigt sich hier wieder, wie durch die mangelnde Thematisierung bzw.
Grenzsetzung von fragwürdigen Verhaltensweisen eine Verstärkung dieser
erreicht wird. Diesen Prozeß habe ich in Kap. 3.2. als Umkehrung des
Labelingansatzes beschrieben.
46
S. Petz, a.a.O. .
58
48
vgl. Hörfunksendung: 1-Live Nachtsicht im Lauschangriff, Thema: Pornographie, vom
24.2.1997 , WDR 1. Die interviewte Pornodarstellerin (20 Jahre alt) gab an, daß „normale“
Frauen keinen Spaß daran hätten . Weiterhin erzählte sie, daß dies für sie große Schmerzen
bedeutete, die sie verstecken müßte. Die männlichen Pornodarsteller hätten aber großen
Spaß daran, gerade weil sie ihr auf diese Weise Schmerzen zufügen konnten.
49
vgl. a.a.O. .
50
A. Dworkin,“Brief aus einem Kriegsgebiet“, in: PorNo, EMMA Sonderband 5, 1988,
S.86.
60
„Studien zeigen, daß 65 bis 75 Prozent der Frauen in der Pornoindustrie als
Mädchen sexuell mißbraucht wurden, oft innerhalb der Familie, und daß
viele schon als Kinder zu Porno-Objekten gemacht wurden. So berichtet eine
Frau:
„Ich bin ein überlebendes Inzestopfer, Ex-Pornographie-Modell und Ex-
Prostituierte. Die Geschichte meines Inszest beginnt vor dem Vorschulalter
und endet viele Jahre später - das war mit meinem Vater. Ich wurde
außerdem von einem Onkel und einem Gesitlichen mißbraucht... Als ich ein
Teenager war, zwang mein Vater mich bei einem Herrenabend zu sexuellen
Handlungen mit Männern...Mein Vater ist leitender Angestellter und hat ein
Jahreseinkommen von 80.000 (160.000 Mark). Außerdem ist er
Laienprediger und Alkoholiker...Mein Vater war mein Zuhälter in der
Pornographie. Im Alter von 9 bis 16 Jahren hat er mich mehrfach
gezwungen, für pornographische Aufnahmen Modell zu stehen.“ 52
Pornographie ist also eine Dreh- und Angelscheibe, die sexuellen Mißbrauch
von Kindern, sexualisierte Erniedrigung und finanzielle Ausbeutung von
Frauen, sexuelle Diskriminierung und Prostitution miteinander in Verbindung
bringt. Pornographie dient beispielsweise einerseits als
„Einführungsliteratur“, um Frauen zur Prostitution zu zwingen, andererseits
als Vorlage für die Planung von Vergewaltigungen. 53
Pornographie hat schon in Friedenszeiten eine Propagandafunktion, die sich
im Krieg grenzenlos steigert. Dies beweist die Situation im ehemaligen
Jugoslawien. Dort wurden systematische Vergewaltigungen an Frauen
gefilmt und als Pornos verkauft. 54 Gleichzeitig bot dies die Möglichkeit, den
51
a.a.O., S. 80 ff.
52
a.a.O., S. 86.
53
vgl. PorNo, EMMA Sonderband 5, 1988.
54
vgl. Kölner Stadtrevue, 9/ 1996.
61
55
vgl. A. Gallwitz, M. Paulus, Grünkram, Hilden/ Rheinland 1997.
56
vgl. A. Dworkin, „Brief aus einem Kriegsgebiet“, in: PorNo, EMMA Sonderband 5,
1988.
62
In den 70er und 80er Jahren haben sich verschiedene ForscherInnen aus der
Psychologie auch wissenschaftlich mit den Auswirkungen von
Pornographiekonsum beschäftigt. Eines der deutlichsten Ergebnisse daraus
ist folgendes:
57
a.a.O., S.84.
58
J. Rauch, „Die Beweise liegen vor“, in: PorNo, EMMA Sonderband 5,1988, S.32.
63
59
a.a.O., S. 33
60
a.a.O.
64
61
a.a.O.
65
62
a.a.O.
66
Wie anhand dieses Modells zu sehen ist, entspringt sowohl das Positiv- als
auch das Negativbild von Männlichkeit derselben Quelle. Zwar steht das
Positivbild für die „guten“ Männer, an die man(n) sich ein Vorbild nehmen
sollte, während das Negativbild für die „bösen“ Männer steht. Aber beide
beziehen ihre Identität aus den gleichen Vorrechten und auf der Grundlage
der selben „idealen“ Eigenschaften. Es handelt sich also hier um zwei Seiten
der gleichen Medaille. Dazu noch ein Zitat von J. Kersten:
„In diesem Modell hegemonialer Männlichkeit wird nicht nur die sexuelle
Vorherrschaft von Männern, ihre Dominanz auf dem Arbeitsmarkt, sowie ihr
„angestammtes“ Recht der Gewaltausübung gegenüber Fremden und
Feinden legitimiert. Die mit den Praktiken des Nachwuchserzeugers,
Beschützers oder Kriegers - böse Männer müssen und dürfen bekämpft
werden - und Versorgers verbundenen Fähigkeiten sind zugleich Brennpunkt
63
J. Kersten, „Der Männlichkeitskult“, in: Psychologie Heute, September 1993, S.53.
67
Desweiteren wird ein Bild von „Männlichkeit“ propagiert, das all diese
Eigenschaften sexualisiert. Das heißt, daß Dominanz, Aggression und
Kontrolle auf sexualisierte Weise ausgeübt werden kann und/ oder sollte. Klar
wird daran, daß hier die Legitimationsquelle für sexuelle Gewalt liegt.
Transportiert werden diese Bilder von Männlichkeit z.B. in den Medien (u.a.
in Pornos), die Modelle für männliches und weibliches Verhalten abgeben.
eine völlig verzerrte Vorstellung von Sexualität sichtbar. Dazu ein Zitat,
welches genau diesen Aspekt behandelt:
„Auch heute noch wird das Wort Sexualität alltagssprachlich häufig mit
Vorstellungen gefüllt, die zu Beginn der Sexualforschung - Ende des 19.
Jahrhunderts - entstanden sind. So beschreibt Krafft-Ebing Sexualität als
einen „Naturtrieb, der allgewaltig, übermächtig nach Erfüllung
verlangt“(1894, S.1). Nach diesem mechanistischen „Dampfkesselprinzip“
braucht der Mensch dann Triebabfuhr - also Sexualität - wenn der innere
Druck zu stark ist. Dieses Modell ist heute - zumindest in der
sexualwissenschaftlichen Fachdiskussion - verworfen, weil es von einem
eingeengten, orgasmusfixierten Sexualitätsbegriff ausgeht. Sicher gibt es in
jedem Menschen triebhafte Anteile, die nach Erlebnissen oder „Ausleben“ im
weitesten Sinne drängen. Es ist dies jedoch nicht ein unkontrollierbarer oder
zu kontrollierender Sexualtrieb, sondern vielmehr das Bedürfnis nach
Sexualität: „Sexuelles Verhalten ist danach motiviert durch den Wunsch,
sexuelle Erregung und Lust zu erfahren, und nicht durch unangenehme
Innenreize, die durch sexuelle Aktivität beruhigt werden müssen. Nicht weil
wir sexuell erregt sind, haben wir Sexualität; sondern wir produzieren
sexuelle Erregung oder suchen sie auf, um Sexualität erleben zu können“
(Schmidt 1988, S. 303 f.).“ 66
Daran wird deutlich, daß der Glaube an den Triebtäter eine gesellschaftliche
Konstruktion ist, die auf diese Weise die „Normalität“ sexualisierter Gewalt
und die „Normalität“ der Täter zu verleugnen versucht. Anstatt eine
Erklärung in einem vermeintlichen Trieb zu suchen, ist es sinnvoller die
Verknüpfung von Sexualität, Männlichkeit und Gewalt zu untersuchen.
Böhnisch und Winter schreiben dazu folgendes:
„In der hohen Bedeutung der „Chiffre“ Sexualität für Männer liegt die enge
Verknüpfung von männlicher Sexualität und Männlichkeit. Begriffe wie
„Potenz“ oder „Potent-sein“ und ihre emotionale Aufladung verbinden die
Ideologie traditioneller Männlichkeit mit einem Verständnis von sexueller
66
L. Böhnisch/ R. Winter, Männliche Sozialisation, Weinheim, München, 1993, S. 183.
69
Da der große Teil der Jungen und Männer durch ihre „normale“ Sozialisation
wenig Kontakt zu ihrem Inneren haben, lernen sie es auch nicht, sich aus sich
selbst heraus zu definieren. Stattdessen unterstützt die, von mir in Kap. 3.2.
beschriebene Struktur der Externalisierung die Strategie, Identität über
„Männlichkeit“ und die damit verbundenen Beweise herzustellen. Also
entpuppt sich sexualisiertes Gewaltverhalten bei genauerem Hinsehen als für
Jungen/ Männer identitätsstiftend.
Als Quintessenz läßt sich nun folgendes feststellen: Auf Grund der Normalität
der Täter ist es wichtig, weder die Täter noch deren Taten zu pathologisieren.
Sexuelle Gewalt ist ein erlerntes Verhalten, welches von ganz vielen, ganz
67
a.a.O., S. 188.
70
4. Konsequenzen
Wie ich nun ausführlich dargestellt habe, sind die Ursachen von
sexualisiertem Gewaltverhalten vielschichtig und stehen in einer komplexen,
gegenseitigen Wechselwirkung. Daher müßte ein Versuch, Maßnahmen zur
Reduzierung von sexueller Gewalt zu ergreifen, auf einem interdisziplinärem
Ansatz beruhen.
Ich möchte in den folgenden Kapiteln Maßnahmen aufzeigen, die nötig sind,
um sowohl kurz- als auch langfristig das Phänomen der sexualisierten Gewalt
zu reduzieren. Ein Teil der hier aufgeführten Vorschläge ist nicht völlig neu,
sondern wurde und wird immer noch zu anderen Problemlagen diskutiert.
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Dies gilt beispielsweise für die Reduzierung der Arbeitszeit zugunsten von
mehr Freizeit oder für die quotierte Vergabe von (Führungs-) positionen/
Arbeitsplätzen an Frauen.
Weiterhin wäre es sinnvoll, die folgenden Maßnahmen nicht vereinzelt
umzusetzen, sondern sie miteinander in Verbindung zu bringen.
Die Suche nach einem alternativen Männlichkeitsideal ist notwendig. Dies ist
in erster Linie Aufgabe von Männern. Zwar hat sich bis heute keine
emanzipatorische Männerbewegung gebildet, die die herrschende männliche
Geschlechtsrolle thematisiert hat. Allerdings gibt es viele vereinzelte
Initiativen, Projekte und Gruppen die einen „männerspezifischen“ Ansatz
vertreten. Dazu gehören antisexistische Männerbüros, Männerberatungsstellen
oder Pädagogen die schwerpunktmäßig mit Männern und Jungen arbeiten.
Böhnisch und Winter, die sich zur kritischen Männerforschung zählen,
schlagen z.B. vor, nach den „anderen“ Männern in der Geschichte zu suchen.
Diese könnten u.a. als neue Vorbilder dienen. Dies wäre ein (Aufarbeitungs-)
prozeß, wie ihn schon die Frauenbewegung durchlaufen hat, als sie auf der
Suche nach neuen weibliche Vorbildern war.
Böhnisch und Winter meinen weiterhin, daß beispielsweise Männer aus den
neueren sozialen Bewegungen als positive Vorbilder dienen könnten. Sie
würden aufzeigen, daß Kraft und Stärke nicht gleichbedeutend mit Dominanz
ist, sondern z.B. Engagement für andere oder das Eintreten für den Abbau
von (männlichen) Priviligien bedeuten kann.
Eine besondere Aufgabe kommt den Medien zu. Sie haben angesichts des
„direkten“ Zugangs zu einer breiten Masse der Bevölkerung eine besondere
Verantwortung. So könnten sie durch neue, alternative männliche
Rollenbilder in Filmen, Serien, der (politischen) Berichterstattung, den
Reportagen etc. eine solche Suche unterstützen.
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A. Heiliger, „Heilung ist nicht möglich“, in: Dossier zu Sexualverbrechern, EMMA
März/ April 1997, S.49.
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Wie ich in Kap. 3.4. aufgezeigt habe, ist Pornographie eine der Ursachen für
sexualisierte Gewalt. Im Hinblick auf die Herstellungsbedingungen, sowie auf
die Folgen von Pornographiekonsum, ist eine Auseinandersetzung auf breiter
gesellschaftlicher Basis dringend notwendig.
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„Das zunehmend propagierte Konzept „Hilfe statt Strafe“ muß dabei mit
noch gesteigerter Skepsis betrachtet werden angesichts der bekannten fast
völlig fehlenden Eigenmotivation von Sexualstraftätern, sich zu verändern.
Ihre Tat ist die Quelle ihrer suchtmäßig verfestigten Lustgewinnung. In ihrer
subjektiven Wahrnehmung gleichen sie ihr Defizit an Männlichkeit und
Machtgefühl durch die Tat aus und somit besteht bei ihnen gar kein
Hilfebedarf, im Gegenteil.“ 70
Notwendig ist es daher, den Tätern, die in der Regel ganz normale Männer
sind, deutlich und spürbar zu vermitteln, daß sie keinerlei Entschuldigung
oder Verständniß für ihr Verhalten zu erwarten haben. Es muß soviel Druck
auf sie ausgeübt werden, daß sie gezwungen werden, ihre Strategie der
Leidvermeidung durch Ausübung von sexueller Gewalt aufzugeben.
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Der Gesetzesentwurf befindet sich in der Anlage.
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A. Heiliger/ C. Engelfried, a.a.O., S. 221.
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Dieser Ansatz ist auch daher nicht glaubwürdig, weil in dessen Logik ein
großer Prozentsatz von Frauen ebenfalls zu Täterinnen sexualisierter Gewalt
werden müßten. Zumindest alle diejenigen, deren Kindheit durch die
Erfahrungen von sexuellem Mißbrauch, Kinderprostitution u.ä. zerstört
wurde. Da dies aber nicht der Fall ist, hat eine „schwierige“ Kindheit in den
Erklärungsversuchen von sexueller Gewalt einen eher geringeren Stellenwert.
Zu einem eindeutigen und anderen Umgang mit Tätern gehört es auch, ihnen
auf breiter gesellschaftliche Basis die Unterstützung zu entziehen und die
Folgen ihrer Taten klar zu benennen.
Dazu ist es wichtig, die Würde der Opfer nicht erneut zu verletzen. So stellt
beispielsweise die Einblendung von Ausschnitten aus Kinderpornos in
Fernsehbeiträgen einen erneuten Mißbrauch der Kinder dar. Ich würde das
sogar als eine Fortsetzung der Gewalt bezeichnen. Denn für die Aufklärung
über Kinderpornographie ist es keineswegs notwendig, Ausschitte aus diesen
Pornos zu zeigen. Das bedient eher voyueristische Bedürfnisse und mißachtet
die Schwere der Gewalt, die die Kinder überleben mußten.
Die Blickwinkel der Täter, nämlich die Kinder als Sexualobjekte zu sehen
und zu benutzen, kann auf diese Weise (meistens nach einer Festnahme)
einem noch breiteren Publikum präsentiert werden. Dies liegt im Sinne der
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-Die „Rückführung“ des Profits, die durch die Ausbeutung von Frauen und
Kindern unter Anwendung sexualisierter Gewalt erwirtschaftet wurde, ist
auch auf andere Formen organisierter sexueller Gewalt übertragbar. Zum
Beispiel erwirtschaftet eine Frau, die im Rahmen des organisierten
Frauenhandels nach Deutschland verschleppt und zur Prostitution gezwungen
wird, für „ihre“ jeweiligen Täter einen Umsatz von bis zu 40.000 DM im
Monat, wovon sie selber in der Regel nur einen Bruchteil erhält.
- Jegliche Gewalt die Eltern gegen ihre Kinder ausüben, sollte unter Strafe
gestellt werden.
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a.a.O., S. 223.
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sozialen Bereich können eine solche Aufgabe nicht bewältigen. Daher wäre
die breite Einstellung von männlichen Betreuern Voraussetzng, um diese
Maßnahmen umsetzen zu können.
Da das Phänomen der sexualisierten Gewalt sehr komplex ist, konnte ich
andere wichtige Aspekte nicht thematisieren. Eine weitere Möglichkeit,
langfristig sexuelle Gewalt zu reduzieren, ist die Beschäftigung mit diesen
Themen.
Zu denen gehört :
-das Problem, daß auch Männer, insbesondere Jungen, Opfer sexualisierter
Gewalt werden. Dieses Phänomen ist jedoch bisher sehr stark tabuisiert. Das
ist eine Folge des gesellschaftlichen Männlichkeitsideals, wonach Männer
Angst und Ohnmacht nicht zeigen dürfen und auch nicht zu Opfern werden.
Allerdings ist dieses Problem auch im Hinblick darauf, daß (viele?)
männliche Opfer sexueller Gewalt selber zu Tätern werden, von Bedeutung.
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- das Problem, daß sexuelle Gewalt in der Zeit des Nationalsozialismus eine
wichtige Funktion hatte, die bis heute nicht aufgearbeitet wurde.
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Literaturverzeichnis:
Bündnis 90/ Die Grünen: Antrag „Den Schutz von Kindern vor
sexualisierter Gewalt verbessern“,
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Hörfunksendung:
Ich versichere, daß ich die vorliegende Arbeit selbstständig angefertigt und
keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Alle Stellen, die
dem Wortlaut oder dem Sinne nach anderen Werken entnommen sind, habe
ich in jedem Falle unter genauer Angabe der Quelle deutlich als Entlehnung
kenntlich gemacht.