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STUTTGART

STUTTGART IN BEWEGUNG
BEWEGUNG
BERICHTE
BERICHTE VON
VON UNTERWEGS
Reallabor für
Reallabor nachhaltige
für nachhaltigeMobilitätskultur,
Mobilitätskultur,Universität
Universität Stuttgart
Stuttgart (Hrsg.)
(Hrsg.)
STUTTGART IN BEWEGUNG
BERICHTE VON UNTERWEGS
Reallabor für nachhaltige Mobilitätskultur, Universität Stuttgart (Hrsg.)
STADTRAUM STAURAUM URBANE STRASSENRÄUME PRESSESPIEGEL
LEBENSRAUM Susanne Scherz 158
Marius Gantert und Antje Stokman 76
14
CASA SCHÜTZENPLATZ DIE MOBILITÄTSSCHULE
WISSEN
STUTTGART IN BEWEGUNG 81 162
befasst sich mit dem Erkenntnis-
20
gewinn aus Theorie- und
Methodenanwendungen, Daten- VOLK OHNE WAGEN?
sammlungen und Analysen. TRANSFORMATIVE WISSEN- Gespräch mit Stephan Rammler

SCHAFT UND REALLABORE 90 WIE EXPERIMENTELL IST DIE


HANDELN Uwe Schneidewind ZIVILGESELLSCHAFT?
24 DIE BÜRGER-RIKSCHA Diskussion mit Sarah-Kristina Wist, Kristin Lazarova,
repräsentiert das gemeinsame 98 Johannes Heynold, Clemens Rudolf und Walter Vogt
Experimentieren zusammen mit TRANSDISZIPLINARITÄT UND 170
Praxisakteuren und die Erzeugung REALLABORE
von umsetzungsbezogenem Rico Defila und Antonietta Di Giulio BERICHTE VON UNTERWEGS
Prozesswissen. 30 178
ZUKÜNFTE PARTIZIPATIV
DAS ROTIERENDE LASTENRAD ENTWICKELN
ERLEBEN Sophia Alcántara, Annika Arnold, Raphael Dietz, REALLABORFORSCHUNG AUS
steht für die Bilder, Geschichten 38 Markus Friedrich und Doris Lindner INTERNATIONALER STADT-
und Reaktionen, die den For- 108 ENTWICKLUNGSPERSPEKTIVE
schungsprozess in der Stadtge- Astrid Ley und Josefine Fokdal
sellschaft wahrnehmbar gemacht VISIONEN VISUALISIEREN 182
haben. KESSELROLLEN 116
48
LERNEN IM REALLABOR
Elke Uhl
ANREIZMODELLE FÜR EIN VORWORTE
124
NACHHALTIGES MOBILITÄTS- 9
VERHALTEN ANIMATED URBANISM AUTORINNEN UND AUTOREN
Christina Knorr und Constanze Heydkamp
132 192
50
PARTNERINNEN UND PARTNER
195
GEMEINSAM EXPERIMENTIEREN DIE STÄFFELE-GALERIE
Rainer Kuhn, Sophia Alcántara, Doris Lindner, 138 DANKE
Eric Puttrowait und Marco Sonnberger 191
58 PUBLIKATIONEN UND
FORSCHUNGSBERICHTE DES RNM
PARKLETS FÜR STUTTGART 197
64 NEUE FORSCHUNGSFORMATE – ABBILDUNGEN
NEUE CHANCEN FÜR DIE STADT? 198
Diskussion mit Marco Sonnberger, Birgit Schneider-
IMPRESSUM
Bönninger, Thomas Becker, Dominik Rudolph und
199
Uwe Schneidewind
150
WOLFRAM RESSEL
Rektor der Universität Stuttgart

REALLABOR FÜR NACHHALTIGE MOBILITÄTSKULTUR. 5 Millionen neue Stadtbewohner kommen jeden Monat
Stuttgart in Bewegung – Berichte von unterwegs dazu. Für die Stadt Stuttgart hat das Thema Mobilität
aus historischen, wirtschaftlichen und geographischen
Bürger-Rikschas, Parklets und Mobilitätskarawanen – Gründen ohnehin einen besonderen Stellenwert.
das sind selbst für eine Universität wie die Stuttgarter, Bessere Luft, vorausschauende Verkehrsplanung und ein
die mit ihren 10 Fakultäten und 160 Studiengängen einladender öffentlicher Raum sind daher zurecht
eine beeindruckende Bandbreite an Themen erforscht Themen, über die das Reallabor für nachhaltige Mobili-
und lehrt, keine alltäglichen Untersuchungsgegen- tätskultur zu einem lebendigen Diskurs angeregt hat:
stände. Konventionelle, traditionelle Forschungsansätze das Projekt-Team hat Zukunftsworkshops konzipiert und
ließen diese Sujets vermutlich unberücksichtigt. umgesetzt, innovative Lehr- und Lernformate erstellt,
Die Herausforderungen unserer Zeit erfordern Methoden öffentlichkeitswirksame Realexperimente durchgeführt,
und Designs, die über die klassischen, disziplinären Parkplätze alternativ genutzt, Mobilitätskarawanen
Herangehensweisen und Wissenszugänge hinausgehen. durch die Stadt geschickt und Stuttgarts Kurzstrecke
Es sind die Schnittstellen, an denen Neues entsteht und par excellence – die Stäffele – neu belebt.
an denen sich Lösungswege für dringende gesell- Die große Bedeutung von Mobilität und Urbanität
schaftliche Fragen und Probleme auftun: Schnittstellen spiegelt sich konsequent auch in den Forschungs-
zwischen Fachdisziplinen ebenso wie Schnittstellen schwerpunkten unserer Universität wider. So ist es nicht
zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. verwunderlich, dass die Universität auch in ihrem zwei-
An diesen Schnittstellen setzt das Format der Real- ten Reallabor, dem „Reallabor Stadt:quartiere 4.0“, zu
labore an, und hierin liegt ein großer Verdienst unseres diesen Themenbereichen forscht – und nicht ohne Stolz
Reallabors für nachhaltige Mobilitätskultur. Gefördert möchte ich erwähnen, dass die Universität Stuttgart
in der ersten „Förderlinie Reallabor“ des Ministeriums die einzige Hochschule in Baden-Württemberg ist,
für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württem- die zwei Reallabore vorweisen kann und damit den
berg, machte sich das Projekt zur Aufgabe, Denk- Anspruch Baden-Württembergs, Vorreiter für Reallabore
anstöße, Praktiken und Visionen für einen Mobilitäts- zu sein, nachdrücklich unterstreicht.
wandel in Stuttgart zu entwickeln. Das Besondere Ein neues Forschungsformat wie das der Reallabore
und Neue am Format des Reallabors ist, dass Forschung zu beflügeln, erfordert ein besonderes Maß an Kreati-
nicht mehr in einer einsamen Stube, aus dem viel vität, Flexibilität, Überzeugungskraft und Begeisterungs-
zitierten Elfenbeinturm heraus betrieben wird, sondern fähigkeit. Denn die Zusammenarbeit mit neuen Part-
von Beginn an gemeinsam mit Partnerinnen und nern über Campusgrenzen hinweg, das Transdiszi-
Partnern aus der Praxis. Das Format der Reallabore plinäre, ist nicht immer einfach – und doch so dringend
stärkt ganz bewusst das Zusammenspiel von Wissen- nötig. Nur mit Transparenz und Kooperation entsteht
schaft und Gesellschaft und produziert an diesen Vertrauen in Wissenschaft und Forschung. Vertrauen,
Schnittstellen Raum für Neues: neue Forschungspartne- das in Zeiten von „Fake News“ ein besonders hohes Gut
rinnen und -partner, neue Untersuchungsgegenstände, ist. Und nur die Zusammenarbeit von Wissenschaft und
neue Debatten. Praxis macht aus Systemwissen „sozial robustes Wissen“,
Das Reallabor für nachhaltige Mobilitätskultur hat das erforderlich ist, um Transformation, um Wandel
eben dies geleistet: Es hat unsere Universität und Stadt anzustoßen. All das hat das Reallabor für nachhaltige
bereichert mit neuen Kooperationen, neuen Themen Mobilitätskultur auf beeindruckende Art und Weise
und neuen Debatten. Es hat im Rahmen unterschied- bewiesen. Meisterhaft hat es das Team unter der
lichster, innovativer Veranstaltungen und auf vielen Leitung von Frau Professorin Antje Stokman verstanden,
Kanälen – analog und digital – einen öffentlichen Dis- Wissenschaft und Gesellschaft, Universität und Bürge-
kurs über Mobilität en gros und über Mobilität im rinnen und Bürger zusammenzuführen. Die vorliegende
Speziellen, also in unserer Landeshauptstadt, angeregt. Veröffentlichung, zu deren Lektüre ich nun herzlich
Urbane Mobilität wird in Zukunft an Bedeutung einlade, verdeutlicht die Leistungen des Reallabors für
gewinnen, leben doch seit knapp einem Jahrzehnt nachhaltige Mobilitätskultur auf anschauliche und anre-
weltweit mehr Menschen in der Stadt als auf dem Land gende Weise.
– insgesamt 3,3 Milliarden Menschen; durchschnittlich

9
THERESIA BAUER CHRISTIAN LÖWE
Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst Umweltbundesamt, Kompetenzzentrum Nachhaltiger Konsum
Baden-Württemberg

Seit langem schon beschäftigt sich die Wissenschafts- Das Reallabor für nachhaltige Mobilitätskultur setzte Deutschland steht vor großen gesellschaftspolitischen mehr Erfahrungen, Geschichten und Bilder gelebter Experi-
politik mit der Frage, wie Ideen aus der Wissenschaft von Anfang an diesen partizipativen und transdiszi- Herausforderungen auf dem Weg zu einer nachhaltigen mente für Nachhaltigkeit. Das Reallabor für nachhaltige
schnellstmöglich und effizient ihren Weg in Produkte plinären Anspruch konsequent um. Das hat sich auch Gesellschaft. Energie-, Mobilitäts- und Ernährungs- Mobilitätskultur hat gezeigt, dass wir eine neue „Kultur des
und Verfahren von Unternehmen finden können. deutlich an der Auswahl und Durchführung der Real- wende sind hierbei die markantesten Schlagwörter Experimentierens“ brauchen, um uns die erforderlichen indi-
Aber für nachhaltige Mobilitätskonzepte oder die nach- experimente im öffentlichen Stuttgarter Stadtraum einer kontrovers geführten politischen und öffentlichen viduellen und gesellschaftlichen Gestaltungskompetenzen
haltige Gestaltung von Städten sind außer der gezeigt. Diskussion über die Zukunftsgestaltung für unser Land. für die Energie-, Mobilitäts- und Ernährungswende in
Wirtschaft auch andere Akteurinnen und Akteure als Ich erinnere mich noch gut an meine eigene Über- Im Kern geht es dabei um die ökologische Trans- unserem Lande anzueignen. Diese Aufgabe können wir
Partnerinnen und Partner für die Wissenschaft gefragt. raschung, als ich zum ersten Mal ein Parklet an den formation und die kulturelle Erneuerung unserer Wirt- nur gemeinschaftlich bewältigen. Hierfür benötigen wir das
Reallabore sind unsere kreative Antwort hierauf. ansonsten vollgeparkten Stuttgarter Straßenrändern schafts- und Lebensweise, also um die nicht leicht zu geeignete Handwerkszeug und den Mut, sich auf Experi-
2013 hat die Expertenkommission „Wissenschaft für sah. Wo sonst nur ein Parkplatz war, befand sich nun beantwortende Frage, wie wir angesichts zunehmender mente und die damit verbundenen Veränderungen einzulas-
Nachhaltigkeit“ der Landesregierung Baden-Württem- ein Fahrradparkhaus oder an einer anderen Stelle eine planetarer Umweltbelastungen und des Klimawandels sen. Die Realisierung von Reallaboren kann ein geeigneter
berg empfohlen, Reallabore im Land zu entwickeln gemütliche Sitzecke. Durch diese ungewöhnlichen zu neuen Formen gesellschaftlichen Wohlstands „Schutzraum“ für das Ausprobieren und Aushandeln einer
und zu etablieren. Die Absicht war klar: Reallabore sollen Interventionen wird man direkt eingeladen, über Mobi- im Sinne einer gelebten Kultur der Nachhaltigkeit in nachhaltigen Zukunft in Deutschland sein.
ein Instrument sein, um Forschungsvorhaben zu den lität und alternative Nutzungsmöglichkeiten von öffent- Deutschland gelangen können.
großen gesellschaftlichen Herausforderungen im lichem Raum nachzudenken. Dieser Frage widmet sich die transformative Nach-
Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung durchzufüh- Ich halte dies für einen der ganz wichtigen Erfolge: haltigkeitsforschung. Ein zentrales Merkmal dieses
ren. Um solche Lern- und Gestaltungsprozesse her- Wissenschaft kommt aus den doch oftmals so ver- Ansatzes ist es, neue Wege der gesellschaftlichen
vorzubringen, braucht es eine gelingende Kooperation schlossenen Campusmauern heraus und regt die kon- Wissensgenerierung zu erproben und Erkenntnisse da-
von Wissenschaft, Praxispartnern, Kommunalverwaltung krete Diskussion mit Bürgerinnen und Bürgern zu rüber zu gewinnen, wie eine experimentellere,
und Bürgerschaft! relevanten Nachhaltigkeitsthemen an. Gerade in Zeiten beteiligungsorientiertere Forschung, die Bürgerinnen
Im selben Jahr haben wir bereits die erste Förderlinie des zunehmenden Populismus und Debatten ohne und Bürger sowie Unternehmen und gesellschaftliche
für Reallabore in Baden-Württemberg, den sogenannten Faktenbasis sind offene Dialoge und konstruktive Organisationen aktiv in den Forschungsprozess ein-
„BaWü-Labs“, ausgeschrieben. Es war mir bewusst, Kooperationen zwischen Forschung, Praxispartnern, bindet, zu tragfähigeren Ergebnissen im Sinne der
welche weitreichenden Möglichkeiten, aber auch mit Bürgerinnen und Bürgern, Kommunalverwaltung Nachhaltigkeit führen kann. Reallabore und die wissen-
Risiken behafteten Ungewissheiten in dieser Förder- und politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern schaftliche Unterstützung sozialer Experimente sind
maßnahme stecken. Mir war auch klar, welche große von ganz besonderer Bedeutung. wichtige Eckpunkte eines neuen Wissenschafts-
Aufgabe die Reallabore mit auf den Weg bekamen: Das Reallabor für nachhaltige Mobilitätskultur hat es verständnisses, in dem die Grundprämisse „Vom Wissen
Sie sollten nicht nur ihre inhaltlichen Fragestellungen hervorragend verstanden, immer wieder unterschied- zum Handeln“ zugunsten eines „Vom Handeln zum
erfolgreich bearbeiten, sondern zugleich den innovativen liche Akteure in die Forschungsprozesse einzubinden. Wissen“ verändert wird.
Forschungsansatz „Reallabor“ mit Leben füllen. Es konnten so ein neues Denken und Lösungsansätze Forschung wird dabei selbst zu einem „gesellschaft-
Ich freue mich daher sehr zu sehen, wie viele Entwick- für eine nachhaltige Mobilitätskultur entstehen. lichen Experimentierraum“, um einerseits konkretes
lungen und Lernprozesse hier stattgefunden haben. Die Es ist völlig klar, dass wir in den drei Jahren Förder- Wissen für gesellschaftliche Transformationspfade her-
Ergebnisse und Lernerfahrungen aus den Reallaboren laufzeit den Mobilitätssektor der Stadt Stuttgart nicht vorzubringen und andererseits dazu beizutragen,
werden wir noch lange beobachten und diskutieren – umstellen konnten. Aber wir haben den Anfang die damit verbundene neue Sozialpraxis zu erproben,
aber für mich ist jetzt schon deutlich: Das Reallabor für gemacht, und ich bin mir sicher, dass damit wertvolle sie für Institutionen und Menschen vorstellbar und
nachhaltige Mobilitätskultur (RNM) war in vielerlei Impulse gesetzt worden sind, die auch in anderen erfahrbar zu machen. Bei Transformationen in Richtung
Hinsicht ein Erfolg! Städten und für andere Forschungsprojekte sehr ge- Nachhaltigkeit geht es immer auch um neue Wahr-
Schon in der Titelwahl zeigt sich das weitreichende winnbringend sind. nehmungsmuster, Bedeutungs- und Sinnstrukturen,
Problemverständnis. Es heißt nicht einfach „Reallabor Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal bei auch um neue institutionelle Rollenverständnisse und
für nachhaltige Mobilität“, sondern „Mobilitätskultur“. allen Beteiligten des RNM für ihr anhaltendes Engage- neue Verantwortungszuschreibungen – also um die
Damit wird deutlich, dass technische Innovationen ment bedanken. Sie haben alle einen wertvollen Beitrag Neustrukturierung von Gesellschaft, Kultur und Alltag
alleine nicht ausreichen. Wir brauchen gleichzeitig auch zur Entwicklung – und zum Erfolg – des Formates insgesamt.
einen kulturellen Wandel: Lebensstile und Gewohn- Reallabor geleistet. Mit diesem Grundverständnis sind wir im Jahr 2015 in
heiten müssen sich ändern, aber auch kommunale Ver- das Stuttgarter Reallabor für nachhaltige Mobilitäts-
kehrskonzepte und gesetzliche Rahmenbedingungen. kultur gestartet: Ausgang offen. Für das Umweltbundes-
Deswegen ist eine Allianz aus Wissenschaft, gesellschaft- amt war das Forschen in Reallaboren, also die experi-
licher Akteurinnen und Akteure, engagierter Bürge- mentelle Erprobung nachhaltiger sozialer Praktiken,
rinnen und Bürger und Kommunalverwaltung dringend Neuland. Als eine zentrale Erkenntnis aus dem Real-
notwendig. labor können wir festhalten: Deutschland braucht viel

Vorworte 11
WOLFGANG FORDERER, PATRICK DAUDE
Landeshauptstadt Stuttgart, Strategische Planung und Nachhaltige Mobilität

Viele Städte überall in der Welt befinden sich in einem Miteinander sowie bessere Bedingungen für die Nah-
Transformationsprozess. Nachdem man sich viele mobilität und Nahversorgung.
Jahrzehnte auf die „Hardware“, also Straßen, Brücken Die teils kontroversen Diskussionen im Laufe des
und Tunnel zum Transport und auch zum Abstellen von Reallabors haben gezeigt, dass zwar viele Bürgerinnen
Fahrzeugen aller Art konzentriert hat, rückt die „Soft- und Bürger den Realexperimenten zustimmen, ein
ware“ immer mehr in den Vordergrund: Da ist einerseits anderer Teil der Bürgerschaft aber eine Abkehr von der
die Nutzung neuer Mobilitätsdienste und -formen, autozentrierten Verkehrs- und Stadtplanung kritisch
die durch die zunehmende Digitalisierung ermöglicht sieht. Dies zeigt, dass der Wandel in der Mobilitätskultur
werden, andererseits ist eine Rückbesinnung auf in Stuttgart zwar erfolgreich begonnen hat, aber noch
den sozialen und kulturellen Wert der Straße als Ort der viel Arbeit vor uns liegt, um seitens der Bevölkerung
Kommunikation und der aktiven Nutzung des Stadt- eine breite Unterstützung für ressourcenschonende und
raums durch die Bürgerinnen und Bürger zu vielfältigen multimodale Mobilitätsformen zu erhalten. Bezeich-
Zwecken zu beobachten. Das Reallabor für nachhaltige nend war hier die Auseinandersetzung um den
Mobilitätskultur zeigt schon in seinem Namen, temporären Wegfall von 17 öffentlichen Parkplätzen für
worauf es ankommt. Es zeigt Politik und Verwaltung in das Realexperiment „Parklets für Stuttgart“ in einem
Stuttgart die realen Defizite und die Chancen für Stadtgebiet mit mehreren Tausend Parkplätzen. Viel-
eine neue und nachhaltige Mobilität auf, und es erwei- versprechend war in diesem Realexperiment die Beteili-
tert den Blick auf die enorme Bedeutung einer neuen gung von Anwohnern und lokalen Händlern, die mit
Kultur des Miteinanders in einer Stadt mit begrenztem viel Engagement und Kreativität die Parklets als
und damit auch sehr kostbarem Stadtraum. wohnumfeldnahe und sichere Treffpunkte für Menschen
Aus „Kleider machen Leute“ hat François Ascher vom jeden Alters etabliert haben.
IVM in Paris das Motto „Die Straße macht die Stadt“ Ein erfolgreiches Beispiel für die langfristige Wirkung
entwickelt. Genau hier setzt das Reallabor an, denn es des Reallabors ist zweifelsohne die Casa Schützenplatz
zeigt uns auch, dass wir schon Vieles haben, es aber im Stuttgarter Kernerviertel. Das dort errichtete
bisweilen nicht wahrnehmen oder schätzen. Stuttgart Parklet hat sich nicht nur zu einem dauerhaften Ort
hat schöne Straßen, die zum Flanieren und Verweilen für Begegnung und Aktivitäten von Nachbarn etabliert,
einladen, unsere Stäffele sind ein einzigartiges sondern die dort aktive Gruppe von Studierenden kam
kulturelles Erbe und gleichzeitig ideale Verbindungs- auch in Kontakt mit einer örtlichen Bürgerinitiative.
wege, wir sind die perfekte „Pedelec-Stadt“ und haben Beide Gruppen arbeiteten fortan gemeinsam für eine
vor allem viele Tüftler und kreative Menschen in der Weiterführung der Casa Schützenplatz und tauschen
Stadtgesellschaft, die den fälligen und notwendigen sich regelmäßig aus, um zusammen mit der Stadt-
Transformationsprozess in Stuttgart aktiv begleiten verwaltung Ideen für die Umgestaltung des Schützen-
wollen. Für sie ist das Reallabor für nachhaltige Mobili- platzes zu realisieren.
tätskultur eine ideale Plattform; für uns in der Verwal-
tung ist es Ansporn und Beweis dafür, dass wir auf
einem guten Weg sind.
Die Ergebnisse des Reallabors sind vielversprechend.
Es hat die Diskussion um eine umweltverträgliche,
sozialgerechte und menschenfreundliche Stadtgestal-
tung und Mobilität in Stuttgart wieder stärker in
den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Ein behutsamer
Umgang mit dem öffentlichen Raum, vor allem in dicht
besiedelten urbanen Gebieten, ist nötig, um die
Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger zu gewähr-
leisten. Das Reallabor hat verdeutlicht, dass der Straßen-
raum nicht nur ein Raum für Autos und Parkplätze ist.
Viele Menschen wünschen sich in ihren Nachbar- Mehr Verkehr als Platz
schaften mehr „Lebensraum“ für ein stärkeres soziales Wilhelmsplatz, Stuttgart-Mitte

Vorworte
STADTRAUM. STAURAUM.
LEBENSRAUM.
Stuttgart als Experimentierraum für eine
nachhaltige Mobilitätskultur
Marius Gantert und Antje Stokman

S
tadt und Region Stuttgart sind in ihrer Ent- darunter sind circa 1,1 Mio. Erwerbstätige (Dispan et
wicklung so stark durch das Auto geprägt wie al., 2015). Unter den 472.000 Erwerbstätigen, die in der
kaum eine andere Metropolregion: Hier produ- Stadt Stuttgart arbeiten, sind 260.000 Einpendler aus
zierte Gottlieb Daimler im Jahr 1886 das erste der Region (55 Prozent), von denen wiederum circa
motorisierte vierrädrige Automobil. Seitdem entwi- zwei Drittel tagtäglich mit dem eigenen Auto in die
ckelte sich die Region Stuttgart mit den Hauptwerken Stadt hinein und wieder herausfahren (Maier-Geissler
von Daimler, Porsche und Bosch sowie einer Vielzahl et al., 2017). Hinzu kommen Auspendler in umge-
weiterer Zuliefererfirmen zum bedeutendsten Auto- kehrter Richtung. Bedingt durch die topographische
STADTRAUM. STAURAUM. LEBENSRAUM.

mobilcluster Europas. Die Automobilindustrie ist Ar- Kessellage der Stadt müssen dabei rund 300 Meter
beitgeber von circa 20 Prozent aller Beschäftigten in Höhendifferenz überwunden oder Tunnel durchfah-
Abb. 1: Die Hauptstätter Straße in Stuttgart im 19. Jahrhundert der Region (Dispan et al., 2015). ren werden. Die Autoverkehrsströme konzentrieren
Wie in vielen europäischen Städten folgte der Wie- sich somit auf wenige Zu- und Durchfahrtsstraßen.
deraufbau Stuttgarts nach dem Zweiten Weltkrieg dem In den Hauptverkehrszeiten verkommt der Stadtraum

WISSEN
Leitbild der autogerechten Stadt (Reichow, 1959). Die zum Stauraum (Abb. 2). Unter den resultierenden
räumliche Trennung von städtischen und ursprüng- Belastungen durch Lärm, Feinstaub und Stickoxide
lich auf engstem Raum nebeneinander stattfindenden leidet insbesondere die innerstädtische Bevölkerung,
Funktionen (wie Wohnen und Arbeiten oder Produk- die teilweise freiwillig oder aus Kostengründen ohne
tion und Verkauf) führte zu einer gesteigerten Mobili- eigenen Pkw lebt. Wie kann also angesichts des dro-
tät von Menschen und Gütern im Alltag: Die stark henden Verkehrskollapses und der gesundheitsge-
zunehmende individuelle Motorisierung ermöglichte fährdenden Luftqualität mehr Mobilität mit weniger
den Traum des Lebens im Häuschen mit Garage und Verkehrsaufwand für die Stadt Stuttgart als nachhalti-
Garten am Stadtrand. Die Folge war ein stark zuneh- ger, gesunder und attraktiver Lebensraum ermöglicht
mender Platzbedarf für den ruhenden und fahrenden werden?
Verkehr. Seit den 1960er Jahren prägen breite, die
Stadt zerschneidende Verkehrsschneisen und raum- Aktuelle Strategien und Projekte: Wie werden
greifende Parkplätze das Stadtbild Stuttgarts: Öffentli- die Menschen in der Region Stuttgart
che Straßen- und Platzräume, wie die Hauptstätter nachhaltig mobil?
Straße, der Charlottenplatz, der Wilhelmsplatz oder Das Ziel, die negativen Folgeerscheinungen des moto-
der Schützenplatz (siehe Beitrag Casa Schützenplatz) risierten Individualverkehrs insgesamt zu verringern
fielen der Dominanz des motorisierten Individualver- und den Wandel von der „Auto-Stadt” zu einer nach-
kehrs zum Opfer. Wo sich bis in das frühe 20. Jahrhun- haltigen Mobilitätsregion zu fördern, ist zwischenzeit-
dert Menschen zu Fuß, in Kutschen oder mit dem lich Konsens aller am Mobilitätsmanagement beteilig-
Fahrrad in einem gemeinsamen Raum bewegten, ten Akteurinnen und Akteure aus Region und Stadt,
dominieren heute parkende und fahrende Autos den Wissenschaft und Industrie. Unter dem Leitsatz „mehr
Abb. 2: Stau und Feinstaubalarm in Stuttgart
öffentlichen Stadtraum (Abb. 1). Lebensqualität in der Landeshauptstadt Stuttgart“
(Abb. 3) wird angestrebt, Staus, Schadstoff- und Lärm-
Stuttgart wurde so zum Opfer seines wirtschaftlichen emissionen und den resultierenden Stress für die Ein-
und stark durch die Automobilindustrie bedingten Er- wohner der Stadt zu reduzieren (Maier- Geissler et al.,
folgs: In der Stadt Stuttgart leben heute rund 600.000 2017). Hinsichtlich einer nachhaltigen Mobilitätskultur
Einwohner, in der Region Stuttgart sogar über 2,7 Mio. bedeutet dies eine Gleichberechtigung aller Verkehrs-
(Statistisches Amt Landeshauptstadt Stuttgart, 2018; mittel bezüglich des Modal Splits und ihre Vernetzung
14 Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, 2015), durch intermodale Angebote, eine Erhöhung des 15
SOZIALE
TEILHABE

Mehr Lebensqualität in der ZUKUNFT INNOVATION


Landeshauptstadt Stuttgart

Abb. 3: Steigerung der Lebensqualität


Weniger Weniger Weniger Weniger durch die aktive Beförderung und
Schadstoffe Lärm Staus Stress gemeinsame Gestaltung einer
nachhaltigen Mobilitätskultur
BEWEGUNG GESUNDHEIT

Mehr Mehr Mehr Mehr


Informationen Verständnis Angebote Teilhabe

Abb. 4: Vom Kompetenzzentrum für Mobilitätstechnologien zu Abb. 5: Kooperative Wissenserzeugung und -anwendung in einem
einer nachhaltigen Kultur der Bewegung ergebnisoffenen Transformationsprozess
STADTRAUM. STAURAUM. LEBENSRAUM.

Anteils an Elektrofahrzeugen, der Ausbau von Car- beziehungsweise zu Motivationen, Routinen und indi- laufenden Debatten zur nachhaltigen Mobilität in Veränderungsprozesse gestaltet werden, um praxis-
und Bike-Sharing-Angeboten und der  Hauptradrou- viduellen Alltagspraktiken wird darüber hinaus kaum Stuttgart werden Zielkonflikte bezüglich wünschens- relevantes Wissen und konkrete Lösungen für die
ten, ein innenstadtweites Parkraummanagement, ein berücksichtigt oder beruht auf allgemeinen Annahmen werter Zukünfte und der Wirksamkeit unterschied- großen gesellschaftlichen Herausforderungen der
bezahlbarer und gut ausgebauter öffentlicher Nahver- zu gesellschaftlichen Trends und Entwicklungen. licher Maßnahmen deutlich (siehe Beiträge Zukünfte Zukunft zu entwickeln (siehe Beiträge Transdiszipli-

WISSEN
kehr und die Rückeroberung von öffentlichem Raum Gleichzeitig belegen aktuelle Debatten, Statistiken partizipativ entwickeln und Visionen Visualisieren). narität und Reallabore und Reallaborforschung aus In-
für eine fußgängerfreundliche Stadt der kurzen Wege und Forschungsergebnisse, dass trotz aller Konzepte Klar ist jedoch, dass Veränderungen der Mobilität in ternationaler Stadtentwicklungsperspektive).
(Forderer, 2017). und Aktionspläne zur Reduzierung des motorisierten Stadt und Region von Individuen und ihrem jeweiligen Das Reallabor für nachhaltige Mobilitätskultur legte
Mit diesem Ziel wurde ein Verkehrsentwicklungs- Individualverkehrs in Stuttgart noch keine Trendwen- Verhalten abhängen (siehe Beitrag Anreizmodelle für seinen thematischen Fokus auf die kulturelle Dimen-
konzept für 2030 (Oehler et al., 2013) formuliert und de im Mobilitätsverhalten erreicht wurde. Zwar exis- ein nachhaltiges Mobilitätsverhalten). Das individuelle sion der nachhaltigen Mobilität. Dabei geht es nicht
mit einem Aktionsplan „Nachhaltig mobil in Stuttgart“ tiert ein mehrheitlicher gesellschaftlicher Wunsch, Mobilitätsverhalten ist wiederum das Ergebnis von nur um Technologien oder Strategien zur Verkehrs-
fortgeschrieben, in dem neun Handlungsfelder iden- den motorisierten Individualverkehr in den Städten zu persönlichen Faktoren (beispielsweise Einstellungen optimierung, sondern vor allem um eine Kultur der
tifiziert und diesen Maßnahmenpakete zuordnet wer- reduzieren (Benthin und Gellrich, 2017), die Anzahl oder Motive) im Zusammenspiel mit umweltbezo- Bewegung, die natürliche Ressourcen schont sowie
den (Maier-Geissler et al., 2017). In den Wintermona- der zugelassenen Pkws steigt indessen aber weiter an genen Merkmalen wie Infrastruktur oder Zugänglich- Gesundheit und körperliche Bewegung unterstützt,
ten wird bei Inversionswetterlagen und besonders (Kraftfahrtbundesamt, 2017) (siehe Beitrag Volk ohne keit zu verschiedenen Mobilitätsvarianten. Aufgrund sozialen Austausch fördert, neue Lebens- und Aufent-
dicker Luft im Kessel „Feinstaubalarm“ ausgelöst, Wagen?). Für eine Reduzierung des motorisierten Indi- der dringenden Notwendigkeit, das Mobilitätsverhal- haltsqualitäten in der Stadt schafft und das Bedürfnis
während Vergünstigungen im ÖPNV die Menschen vidualverkehrs sind in Stuttgart keine konkreten Lö- ten zu verändern, bietet sich der Großraum Stuttgart und das Recht jedes Einzelnen auf Mobilität so um-
zum Umsteigen bewegen sollen. Begleitet werden die sungen in Sicht, obwohl die rechtliche Grundlage für ganz besonders als urbaner Experimentierraum für setzt, dass auch nachfolgende Generationen eine in-
Maßnahmen von der Kampagne „Stuttgart steigt um“. Fahrverbote in deutschen Städten mittlerweile ge- ein Reallabor für nachhaltige Mobilitätskultur an. takte und lebenswerte Umwelt vorfinden (Abb. 4).
Darüber hinaus wurden mit der „Modellregion für schaffen wurde (Bundesverwaltungsgericht, 2018). Das Reallabor für nachhaltige Mobilitätskultur wur-
nachhaltige Mobilität“, der „Modellregion Elektro- Auch im internationalen Kontext konnten bereits Er- Gemeinsam forschen im Reallabor für nach- de mit dem Ziel ins Leben gerufen, Denkanstöße,
mobilität Region Stuttgart“ und dem „LivingLab BWe folge erzielt werden, beispielsweise mit der Einfüh- haltige Mobilitätskultur: Wie wird die Stadt Visionen und konkrete Projekte eines guten und nach-
mobil – Schaufenster Elektromobilität“ gleich mehrere rung einer City-Maut in London oder temporären zum kooperativen Experimentierraum? haltig mobilen Lebens in Stuttgart auf den Weg zu
Modellprojekte durch den Verband Region Stuttgart Fahrverboten in Paris. Gefördert als eines von insgesamt vierzehn Real- bringen. Es soll als Zukunftslabor und kooperative
initiiert, die vor allem auf die Förderung von Elektro- Die Mammutaufgabe der Stuttgarter Stadt- und laboren des baden-württembergischen Ministeriums Plattform dienen, unterschiedliche Akteure der Stutt-
mobilität ausgelegt sind. Regionalpolitik besteht darin, unterschiedliche Inter- für Wissenschaft, Forschung und Kunst entstand seit garter Mobilitätskultur vernetzen, erzeugtes Wissen
essenslagen in Bezug auf die aktuelle und zukünftige 2015 ein neues Forschungsformat für die Kooperation bündeln, zugänglich und diskutierbar machen, sowohl
Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Mobilität der Mobilität strategisch unter einen Hut zu bekommen. von Wissenschaft und Gesellschaft (siehe Beiträge durch sichtbare Umsetzungen im Stadtraum als auch
Zukunft in der Stadt und Region Stuttgart stark vom Dabei scheinen die vorhandenen Strategien und Pro- Transformative Forschung und Reallabore und Neue durch wiederkehrende öffentliche Dialog-Veranstal-
Verkehrsmittel und der Verkehrsinfrastruktur ausge- jekte bisher jedoch kaum zu weitreichender Trans- Forschungsformate – neue Chancen für die Stadt?). tungen, Ausstellungen und eine digitale Projekt-Platt-
hend und mit einem Fokus auf neuen Technologien, formation Anstoß zu geben. Veränderungswillige Die Forschung im Reallabor macht die Stadt zum wis- form (www.r-n-m.net) (siehe Beiträge Stuttgart in
wie der Elektromobilität oder dem autonomen Fahren stehen der Fraktion der Befürworter des Status Quo senschaftlichen Experimentierfeld. Dabei soll nicht Bewegung und Berichte von Unterwegs) (Abb. 5).
aus gedacht wird. Der Bezug zu einer notwendigen unversöhnlich gegenüber, und es wird mit jeweils un- über Menschen und ihr Verhalten geforscht, son-
16 Transformation der vorherrschenden Mobilitätskultur, terschiedlichen „Faktenlagen“ argumentiert. In den dern  gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern reale 17
Kooperationspartner und Netzwerk: einen gesellschaftlichen Wandel hin zu mehr Nachhal- innovativen Ansätze den Weg ins öffentliche Bewusst- Quellen Maier-Geissler, R., Leyva, N.,
Wie können neue Formen der tigkeit vorantreiben (Rückert-John et al., 2014). Sie sein finden, inspirieren sie andere, beeinflussen weite- Willner, R. (2017): Aktionsplan.
Benthin, R., Gellrich, A. (2017): Nachhaltig Mobil in Stuttgart.
Zusammenarbeit aussehen um die entwickeln und erproben aus persönlichen Beweg- re Teile der Gesellschaft und geben Impulse für eine Umweltbewusstsein in Deutsch- 1. Fortschreibung. Stuttgart:
Mobilitätskultur zu verändern? gründen individuelle Lösungsansätze für kollektive gesamtgesellschaftliche Veränderung des Alltagsver- land 2016 – Ergebnisse einer Landeshauptstadt Stuttgart,
Das Reallabor diente als Forum und Netzwerk für neue Nachhaltigkeitsprobleme, wie zum Beispiel den indi- haltens hin zu mehr Nachhaltigkeit. Somit können in repräsentativen Bevölkerungs- Referat Strategische Planung
umfrage. Berlin / Dessau-Roßlau: und Nachhaltige Mobilität,
Partnerschaften: Neben Wissenschaftlerinnen und viduellen Transport von Personen und Gütern per Reallaboren Anstöße zur Transformation von Alltags- Bundesministerium für Umwelt, Abteilung Kommunikation.
Wissenschaftlern aus Verkehrsplanung und Techno- Fahrrad oder den Verzicht auf den Autobesitz zur kulturen „von oben“ (beispielsweise durch neue ord- Naturschutz, Bau und Reaktor-
logiemanagement, aus Architektur und Städtebau, Verringerung von Staus und Luftverschmutzung in nungstechnische und politische Rahmenbedingungen sicherheit (BMUB), Umweltbun- Oehler, S., Seyboth, A.,
desamt (UBA). Scherz, S., Worthmann, M.
Sportwissenschaft und Soziologie wirkten auch stu- Städten (siehe Beiträge Animated Urbanism und Kessel- von Seiten der Stadtverwaltung und Kommunalpoli- (2013): VEK 2030 – Das Verkehrs-
dentische Initiativen, kulturelle Institutionen, Firmen, rollen). Mit ihren Einstellungen und Handlungen tik) und „von unten“ (etwa durch die Verbreitung so- Bundesverwaltungsgericht entwicklungskonzept der
Verbände und Vereine, Politik und Verwaltung sowie entsprechen die Pioniere des Wandels nicht dem ge- zialer Innovationen durch Pioniere des Wandels) in (2018): Luftreinhaltepläne Düs- Landeshauptstadt Stuttgart.
seldorf und Stuttgart: Diesel- Stuttgart: Landeshauptstadt
zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure aus sellschaftlichen Mainstream, werden damit oft mit einen konstruktiven Dialog kommen und sich gegen- Verkehrsverbote ausnahmsweise Stuttgart, Amt für Stadtplanung
Stadt und Region aktiv am Forschungsprozess und in Vorurteilen konfrontiert und müssen diverse organisa- seitig befördern (siehe Beitrag Urbane Straßenräume) . möglich. http://www.bverwg.de/ und Stadterneuerung Abteilung
Lehrveranstaltungen mit (siehe Beitrag Lernen im Real- torische Schwierigkeiten meistern. Aus dieser Situa- Im Reallabor wurden die Stuttgarter Pioniere der nach- pm/2018/9 (Zugriff: 07.03.2018). Verkehrsplanung und Stadt-
gestaltung.
labor). tion heraus entwickeln sie praxistaugliche Antworten, haltigen Mobilitätskultur vernetzt und gestärkt, ihre Dispan, J., Koch, A., Krumm, R.,
Ein besonderes Augenmerk des Reallaboransatzes um ihre Innovationen an die vorherrschenden Rah- Ideen und Projekte im Rahmen von Realexperimenten Seibold, B. (2015): Strukturbe- Reichow, H.B. (1959): Die Auto-
liegt darauf, neue Allianzen für gemeinschaftliche menbedingungen anzupassen und diese gleichzeitig (siehe Beitrag Gemeinsam experimentieren) gefördert richt Region Stuttgart 2015 – gerechte Stadt: ein Weg aus dem
Entwicklung von Wirtschaft und Verkehrs-Chaos. Ravensburg:
Projekte zwischen engagierten Einzelpersonen, Ini- zu verändern siehe Beitrag Wie experimentell ist die und deren Erfahrungen und Ergebnisse ausgewertet Beschäftigung. Schwerpunkt: Otto Maier Verlag.
tiativen und Vereinen aus der Zivilgesellschaft mit eta- Zivilgesellschaft). und reflektiert (Abb. 6). Investitionen. Stuttgart: Verband
blierten Akteurinnen und Akteuren aus Verwaltung, Um das gesellschaftliche Potenzial dieser Pionie- Die experimentelle Erprobung und Umsetzung un- Region Stuttgart, Handwerks- Rückert-John, J., Jaeger-Erben,
kammer Region Stuttgart, M., Schäfer, M., Löwe, C. (2014):
STADTRAUM. STAURAUM. LEBENSRAUM.

Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zu schmieden. rinnen und Pioniere des Wandels besser zu nutzen, terschiedlicher Realexperiment-Ideen (siehe Beiträge Industrie- und Handelskammer Soziale Innovationen im Aufwind
Eine wichtige Rolle spielen dabei die sogenannten werden neue Kooperations- und Beteiligungsstruk- Parklets für Stuttgart, Die Stäffele-Galerie, Rotierendes Region Stuttgart, IG Metall – Ein Leitfaden zur Förderung
„Pioniere des Wandels“ (WBGU, 2011), das heißt Men- turen benötigt, die es ihnen ermöglichen, aus ihrer Lastenrad, Bürger-Rikscha, Mobilitätsschule) bot da- Region Stuttgart. sozialer Innovationen für nach-
haltigen Konsum. Dessau-
schen beziehungsweise Initiativen oder zivilgesell- Nische heraus in eine breitere Öffentlichkeit und in bei die Möglichkeit, Innovationen innerhalb eines Forderer, W. (2017): „Mobilität in Roßlau: Umweltbundesamt
schaftliche Bewegungen, die soziale Innovationen für die  Politik hineinzuwirken. Denn erst wenn ihre definierten Zeitraums und mit einem gemeinsam de-

WISSEN
Stuttgart: Probleme, Lösungen, (UBA).
finierten Ziel zu erproben. Die gleichzeitige wissen- Perspektiven“. In: Antje Stokman,
Elke Uhl (Hg.): Zukunft der Mobi- Statistisches Amt Landeshaupt-
schaftliche Auswertung ermöglichte es den Pionieren litätskultur. Materialien, Bd. 19. stadt Stuttgart (2018): Zusam-
TGART LAND
des Wandels, mit ihren Ideen auf Augenhöhe mit kom- Stuttgart: Internationales Zen- menfassung der Einwohnerent-
STUT trum für Kultur- und Technikfor- wicklung im Januar 2018. https://
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A munalen Entscheidungsträgerinnen und Entschei-
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UP BILI S schung der Universität Stuttgart. www5.stuttgart.de/img/mdb/
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FE TAD dungsträgern in einen Dialog zu treten. Das durch die
DES NG NT T Abb. 6: Forschen in realexperi- item/55064/131716.pdf (Zugriff:
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Realexperimente erworbene Erfahrungswissen steht Kraftfahrtbundesamt (2017): 07.03.2018).
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GIE NU RD Konstellationen, gemeinsam mit nicht nur den Pionierinnen und Pionieren selbst zur
AT RSC NG standes am 1. Januar 2017. Statistisches Landesamt
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O Verfügung, sondern fließt auch in politische Debatten
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N OF als „Pioniere des Wandels“ https://www.kba.de/DE/Statistik/ Baden-Württemberg (2015):
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und Entscheidungen ein. Auf diesem Wege kann es Fahrzeuge/Bestand/b_jahres Eckdaten zur Bevölkerung –
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gängige Regeln, Routinen und Praktiken verändern bilanz.html?nn=644526 (Zugriff: Bevölkerung und Gebiet im Über-
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EN 07.03.2018). blick Region Stuttgart. https://


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und so konkrete und anschauliche Ansätze zur gesell-


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Gebiet/Bevoelkerung/99025010.
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haltigen Mobilitätskultur in urbanen Räumen bieten.


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Umweltveränderungen (WBGU)
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schaftsvertrag für eine Große
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RT UNIVERSITÄT ST E L Zivilgesellschaftliche Praxisakteure

18 19
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Felix Heidenreich

Am Marienplatz begrüßte die Aktivisten und Forscher


wunderbares Frühlingswetter. Der „Markt der neuen
urbanen Mobilität“ bot die Möglichkeit, sich an vielen
Infoständen zu informieren, neue Modelle und
Konzepte kennenzulernen, sich auszutauschen und
Kontakte zu knüpfen. Die Band „Bewegung tut gut“
tat das ihrige, um zugleich eine festliche Atmosphäre
zu schaffen. Auch für nachhaltige Verpflegung war
durch verschiedene Anbieter gesorgt. Der Stau
beschränkte sich glücklicherweise auf die Schlange
vor der Eisdiele.

STUTTGART
IN
Ein Labor, in dem man mitmachen kann, auspro-
bieren, sich zu Wort melden, ja sogar feiern
BEWEGUNG
kann – so präsentierte sich zum Auftakt das
Reallabor für nachhaltige Mobilitätskultur (RNM),
das sich zum Ziel gesetzt hatte, neue Wege in
der Mobilitätspolitik nicht nur zu denken,
sondern auszuprobieren. Um das Projekt der
Öffentlichkeit vorzustellen und die Bürgerinnen
und Bürger, Projektpartner und Initiativen zu Der Tag begann auf der Messe I-Mobility. Dort
verknüpfen, luden das Team um die Projekt- konnte man sich über neue Produkte, Dienst-
leiterin Prof. Antje Stokman zu einem vielfältigen leistungen und Innovationen rund um das Thema
Aktionstag. nachhaltige Mobilität informieren. An einem Doch das Reallabor pflegt nicht nur
eigenen Stand präsentierte das Reallabor seine Geselligkeit, sondern hatte sich auch das
Arbeit. Noch am Vormittag startete von dort dicke Brett einer intensiven inhaltlichen
aus eine „Karawane der Zukunftsmobilität“, um in Auseinandersetzung vorgenommen.
den verschiedensten nachhaltigen Vehikeln Am Nachmittag begann im nahegelegenen
den Weg über den Feuersee im Stuttgarter Westen Theater Rampe eine Fishbowl-Diskussion,
zum Marienplatz im Südteil der Stadt zu finden. die Spezialistinnen und Spezialisten,
Ein breites Spektrum an neuen Mobilitätsformen, Praktikerinnen und Praktiker sowie poli-
-konzepten und -technologien konnte hierbei tisch Verantwortliche versammelte.
erlebt werden. Viele Fußgänger, Rollschuhfahrer, In seinem Auftaktvortrag entwarf Jobst
Skateboarder, unterschiedliche Velo- und Auto- Kraus ein Szenario für die Situation in
mobile von sehr vertrauten bis zu zukunfts- Stuttgart im Jahre 2030. Der ehemalige
weisenden Prototypen nahmen gemeinsam an Studienleiter der evangelischen Akademie
dieser Aktion teil. Bad Boll, der heute im Auftrag der Landes-
regierung zur nachhaltigen Mobilität
forscht, zeichnete das Bild einer grund-
legenden technischen wie kulturellen
Transformation: weniger Arbeit, weniger
Konsum, weniger Mobilität – aber eben auch
weniger Stress, weniger Feinstaub, weni-
ger Treibhausgase, lautete seine Vision.

20 21
Felix Heidenreich Stuttgart in Bewegung

Die anschließende Diskussion mit dem lange


Zeit in Freiburg tätigen Stadtplaner Wulf
Daseking, dem Bürgermeister für Städtebau
und Umwelt Peter Pätzold, dem Geschäfts-
führer des Stuttgarter Verkehrsverbundes
Die Debatte zeigte folglich, wie viel-
Thomas Hachenberger und der Umwelt-
schichtig und komplex das Thema ist:
wissenschaftlerin Monika Zimmermann ließ
Infrastrukturelle Restriktionen, poli-
bald die Zielkonflikte und Differenzen
tische Rahmenbedingungen und eine
aufbrechen, die mit großen Veränderungen
gespaltene Bürgerschaft mit konkur-
immer einhergehen. Während Wulf Daseking
rierenden Interessen erschweren
für eine mutige politische Durchsetzung
die Aufgabe der nachhaltigen Mobilität.
nach der Manier eines „Eisbrechers“ plädierte,
Die Größe dieser Herausforderungen
erinnerte Peter Pätzold daran, dass man
macht jedoch zugleich die Notwen-
Politik nicht einfach über die Köpfe der Men-
digkeit eines Dialogs deutlich und lässt
schen hinweg betreiben könne. Die Region
die Arbeit des Reallabors als wichtigen
Stuttgart habe nun einmal sehr viel aufzu-
Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung in
holen, da in den oft genannten Vorbildstädten
der Metropolregion Stuttgart erscheinen.
wie Kopenhagen die Weichen bereits vor
Das riesige Interesse des Publikums
Jahrzehnten in eine andere Richtung umge-
im vollbesetzten Theater Rampe zeigte
legt worden seien. Vergleiche seien wichtig,
jedenfalls, dass mit der Veranstaltung
müssten aber fair bleiben. Thomas
ein angemessener Auftakt gesetzt
Hachenberger plädierte dafür, die Förderung
wurde.
von Elektromobilität nicht gegen den ÖPNV
auszuspielen: „Elektromobilität machen
wir seit 100 Jahren“, so Hachenberger. Der
ÖPNV brauche auch den Mut zu langfristigen
Investitionen.

Eine schauspielerische Intervention samt


Rotation der Drehbühne brachte das Podium Nach einem Dankeswort von Antje Stokman
noch einmal wortwörtlich in Bewegung wurde der Abend mit einer Ausstellung der
und setzte zugleich den Startschuss für die geplanten Realexperimente, einer Foto-
Teilnahme des Publikums an der Diskussion. Ausstellung der Initiative Stadtraum West
Während sich die Bürgerinnen und Bürger „Straßenräume in Stuttgart – früher und
der Stadt mit ihren Ideen und Forderungen zu heute“ und Vorführungen historischer Filme
Wort meldeten, dokumentierte Illustrator der Verkehrserziehung in Kooperation mit
Thomas Rustemeyer den Diskussionsverlauf dem Haus des Dokumentarfilms und dem
als Graphic Recording. Die Wortmeldungen Stadtarchiv Stuttgart fortgeführt. Die
artikulierten vor allem ein Unbehagen Gespräche dauerten bis in den Abend, so
gegenüber der in Stuttgart prägenden Domi- dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Monika Zimmermann, die zahlrei- nanz des Pkw-Verkehrs. Während Baubürger- des Reallabors viel Gelegenheit hatten,
che internationale Begegnungen meister Peter Pätzold argumentierte, dass Input, Inspirationen und Ideen aufzu-
von Entscheidungsträgern verschiedene Mobilitätsarten ihre Berechti- nehmen. In der anschließenden Arbeit des
koordiniert und entsprechende gung hätten, wurde aus dem Publikum Reallabors sollte das Know-How der
Fortbildungen leitet, erinnerte der Wunsch laut, den Autoverkehr in Stuttgart Bürgerinnen und Bürger noch eine wichtige
daran, dass Stuttgart auch eine weiter zu erschweren. Auch Wulf Daseking Rolle spielen.
internationale Vorbildfunktion schlug in diese Kerbe und forderte radikale
haben könnte – allerdings nur, Maßnahmen: „Nur durch diese können Sie
wenn es die Aufgaben tatsächlich in 20 Jahren als Held dastehen“, appellierte er
mit Ehrgeiz und Durchsetzungs- an Herrn Pätzold.
vermögen angehe.

22
TRANSFORMATIVE WISSEN-
SCHAFT UND REALLABORE
Uwe Schneidewind

D
as aktuelle Interesse an Reallaboren bettet Klassische Methoden der Beobachtung und Model-
sich in eine intensiv geführte Debatte über lierung kommen damit an ihre Grenzen. Das, was in
das Verständnis von Wissenschaft in gesell- der klassischen Erdsystemforschung zu den kom-
schaftlichen Veränderungsprozessen ein. plexen integrierten Klima-, Meeres-, Atmosphären-
Es wird darüber diskutiert, ob es nicht eines neuen und Ökosystemmodellen geführt hat, lässt sich nicht
Typus von Laboren und Experimenten bedarf, durch ohne Weiteres auf das Verständnis komplexer Trans-
den die Wissenschaft gesellschaftliche Veränderungs- formationsprozesse übertragen. Hierfür sind mehrere
prozesse besser versteht und aktiv befördert. Der Wan- Gründe ausschlaggebend:
del von der „Transformationsforschung“ zur „Trans-
formativen Forschung“ und Städte als Reallabore spie- • Sozio-technische Transformationsprozesse über-
STADTRAUM. STAURAUM. LEBENSRAUM.

len dabei eine wichtige Rolle. Der vorliegende Beitrag steigen in ihrer Komplexität oftmals die von ökolo-
zeichnet die wichtigsten Linien und den aktuellen gischen Systemen. Zudem gibt es eine hohe Anzahl
Stand dieser Diskussion nach und liefert damit einen kontextspezifischer Einflussfaktoren.
Rahmen für die Planung, Durchführung und Analyse • Wissen über gesellschaftliche Transformationspro-
von Reallaborprojekten, die Transformationsprozesse zesse wirkt auf Gesellschaften zurück. Durch die

WISSEN
aktiv begleiten und katalysieren. Nutzung wissenschaftlichen Wissens werden die
Veränderungsprozesse beeinflusst. Damit ist eine
Reallabore – zum Verständnis komplexer strikte Trennung von Beobachter und System nicht
Transformationsprozesse möglich. Transformationsforscherinnen und -for-
Die Bedeutung von Reallaboren kann nur vor dem scher sind immer zugleich auch Teil der von ihnen
Hintergrund der gewachsenen Relevanz von sozio- untersuchten Veränderungsprozesse.
technischen Transformationsprozessen begriffen wer- • Die unabhängig von wissenschaftlichen Prozessen
den, deren Verständnis sowohl im internationalen als stattfindenden Transformationsprozesse liefern
auch im nationalen Kontext eine Schlüsselrolle in der heute kaum ausreichende empirische Hinweise auf
Nachhaltigkeitsforschung spielt. Prägendes Kennzei- deren Wirkmechanismen und Erfolgsfaktoren. Eine
chen dieser Transformationsprozesse ist deren Kom- wissenschaftlich angeleitete Intervention in reale
plexität, das heißt die Vielfalt der kausalen Verknüp- politische, soziale und gesellschaftliche Kontexte
fungsmuster, die bei gesellschaftlichen Wandlungen ist damit ein wichtiges Mittel zum besseren Ver-
wirken. Das Zusammenspiel von technologischen, ständnis kausaler Verknüpfungen in diesen Syste-
ökonomischen, institutionellen und kulturellen Fak- men (vgl. hierzu insb. Morton/Williams 2010).
toren ist bisher erst im Ansatz verstanden. Eine „Trans-
formative Literacy“ (Schneidewind 2014b), die zivil- Von der Transformationsforschung zur
gesellschaftliche, politische und ökonomische Ak- transformativen Wissenschaft
teurinnen und Akteure in die Lage versetzt, die All dies erklärt den Experimental Turn, der sich der-
Bedingungen für nachhaltigkeitsorientierte Verände- zeit in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften
rungen zu verbessern und diese aktiv zu befördern, beobachten lässt (vgl. zum Überblick Falk/Heckmann
steht erst am Anfang. Als weitere Herausforderung 2009; Overdest et al. 2010) und dazu beiträgt, bisherige
kommt hinzu, dass eine entsprechende Forschung rein beobachtungs- und modellgestützte Ansätze in
transdisziplinär angelegt sein muss (siehe Beitrag diesen Disziplinen zu bereichern. Der Wissenschaft-
Transdisziplinarität und Reallabore), da die Gestal- liche Beirat Globale Umweltveränderungen (WBGU
tung von Transformationsprozessen die Kopplung von 2011, S. 256) formuliert dazu in seinem Hauptgutach-
Systemwissen, Zielwissen und -kontext sowie akteurs- ten zur „großen Transformation“: „Komplexe Lernpro-
spezifischem  Transformationswissen benötigt (CASS/ zesse und umfassende Innovationen werden zumeist
24 ProClim 1997). nicht durch die Qualität der Krisendiagnosen und 25
situationsspezifische Randbedingungen
• Soziale Experimente haben eine lange Tradition, 2014) besitzen die Erkenntnisse aus quartiersbezo-
insbesondere in der soziologischen Stadtforschung genen Reallaboren ein höheres Maß an städteüber-
Feldbeobachtung Ökologische (vgl. z. B. Campbell 1971), die bis auf die soziolo- greifender Vergleichbarkeit. Die Stadtebene umfasst
Implementierung
gische Chicagoer Schule der Vorkriegszeit zurück- gesamtstädtische Prozesse. Erst auf dieser Ebene wird
(z. B. teilnehmende reicht (vgl. hierzu insb. Groß et al. 2005, S. 65 ff.). die Einbeziehung der Wirkungen von gesamtstädti-
(z. B. Transition Towns)
Beobachtung)
Abb. 1: Einordnung von
Der Soziologe Robert E. Park (1929) hat in Chicago schen Infrastrukturen (Verkehrs-, Erholungs-, Energie-
Wissens- Wissens- Realexperimenten in die Typologie schon in den 1920er Jahren grundlegende Bezugs- infrastrukturen), Politiken und Identitäten möglich,
REALEXPERIMENT
erzeugung anwendung des Experimentierens mit Beispielen rahmen insbesondere zur experimentellen Unter- die für eine große Zahl von Transformationsprozes-
aus dem Stadtkontext
(z. B. kontrolliertes Living (z. B. einzelne technische suchung von sozialen Veränderungsprozessen in sen von Relevanz sind. Zur Beherrschung der mit einer
Lab) Installation) Städten geschaffen. gesamtstädtischen Betrachtung verbundenen Kom-
• Städte sind Orte, in denen sich die sozio-techni- plexität und Kontext-Abhängigkeit kann die Konzent-
Technische schen Gefüge moderner Gesellschaften fast voll- ration des Reallabors auf einzelne urbane Funktionen
Laborexperiment Implementierung ständig abbilden – von der Energie- und Wärmever- (z. B. Mobilität, Wohnen, Ernährung) sinnvoll sein.
sorgung über die Ernährung, die Bereitstellung von
kontrollierte Randbedingungen
Mobilität bis hin zu Bildungs- und Kulturfunk- Offene Fragen der urbanen
tionen –, aber im Vergleich zu Ländern als Bezugs- Reallabor-Forschung
objekt in ihrer Komplexität noch beherrschbar Dass sich die Forschung mit und zu Reallaboren trotz
Ursachenanalysen initiiert, sondern erst mit der Eta- „Das Konzept beruht auf einer starken Interaktion zwi- scheinen. Daher lassen sich in Städten sozio-techni- der gerade skizzierten Anknüpfungspunkte und ersten
TRANSFORMATIVE WISSENSCHAFT UND REALLABORE

blierung überzeugender neuer Orientierungsangebote schen Wissenschaft und Praxis […]. Forscherinnen und sche Dynamiken gut in Experimenten beobachten. Systematisierungen noch am Anfang befindet, macht
und Handlungskonzepte […] und durch die Öffnung Forscher bringen in dieser Konstellation ihr wissen- • Städte sind oft der Entstehungs- und Kulminations- die Vielzahl der derzeit diskutierten offenen Fragen
experimenteller Plattformen, auf denen Bekanntes zu schaftliches Wissen, ihre Methodenkompetenz sowie ihr ort für kulturelle Veränderungen, für veränderte einer Reallabor-Forschung deutlich. Neben der geeig-
Neuem neu arrangiert werden kann.“ Für die wissen- im Vergleich zu den Praxisakteurinnen und -akteuren Lebensstile und damit per se sozialer Experimen- neten Kopplung der skizzierten Ebenen in urbanen
schaftliche Praxis hat dies erhebliche Auswirkungen: handlungsentlastetes Reflexions- und Evaluationsver- tierraum. In ihnen lassen sich gesamtgesellschaft- Reallaboren seien hier nur einige weitere Herausforde-
Die Forschung wird von einer „Transformationsfor- mögen […] ein. Die Praxisseite trägt ihrerseits spezifi- liche Entwicklungen im Reagenzglas beobachten rungen mit kurzen Stichworten angedeutet.
schung“ (WBGU 2011), die Transformationsprozesse sches Erfahrungs- und Handlungswissen bei.“ (WBGU und Erkenntnisse auf höhere Ebenen skalieren.

WISSEN
nur beobachtet und daraus versucht, verallgemeiner- 2016, S. 542)
bares Systemwissen zu generieren, zu einer „transfor- All dies sind Gründe dafür, warum für die aktuelle
mativen Forschung“ (WBGU 2011) beziehungsweise Nach den Erfahrungen der im Jahr 2014 gestarteten Stadtforschung vermehrt Reallabor-Forschungsan-
zur „transformativen Wissenschaft“ (Schneidewind/ Reallaborforschungsinitiative in Baden-Württemberg sätze gefordert werden (vgl. de Flander et al. 2014). Um
Singer-Brodowski 2014), das heißt einer Wissenschaft, sollten Reallabore mehrere Kriterien erfüllen (vgl. diese zu systematisieren, erscheint es sinnvoll, drei
die Transformationsprozesse aktiv begleitet und kata- MWK Baden-Württemberg 2013, S. 30), die auch für die grundlegende Laborebenen zu unterscheiden: die
lysiert, um sie besser zu verstehen. Weiterentwicklung des Reallaboransatzes handlungs- „Haushaltsebene“, die „Quartiersebene“ und die „Stadt- Reallabore
leitend sein können: ebene“ (Abb. 2).
Reallabore – Definition und Ebenen Haushalt
Die Idee des Reallabors greift diesen Experimental 1. das Co-Design und die Co-Produktion des Die Haushaltsebene zielt auf einzelne Haushalte oder
Turn auf. Der Begriff baut dabei auf der von Groß et al. Forschungsprozesses mit der Zivilgesellschaft Wohnblöcke, in denen insbesondere neue Techno-
(2005) geprägten Diskussion zu Realexperimenten auf, und den Praxisakteurinnen und -akteuren, logien oder haushaltsbezogene Interventionsstra-
wendet aber deren kritische Konnotation ins Kon- 2. ein transdisziplinäres Forschungsverständnis tegien untersucht werden (vgl. Liedtke et al. 2014). Für
struktive (Abb. 1). Reallabore schaffen demnach Kon- der  Akteurinnen und Akteure, diese Ebene der Reallabore hat sich international der
Stadtquartier
texte für Realexperimente (siehe Beitrag Realexperi- 3. die langfristige Begleitung und Anlage des Begriff der Living Labs (Bergvall-Kareborn/Stahlbrost
mente), die dazu dienen, Wissen über nachhaltigkeits- Forschungsdesigns, 2009) durchgesetzt. Auf europäischer Ebene besteht
orientierte Transformationsprozesse zu verbessern 4. ein breites, am Forschungsprozess beteiligtes derzeit schon eine umfassende vernetzte Infrastruktur
und solche konkret anzustoßen. Eine mögliche Defini- disziplinäres Spektrum, solcher Living Labs (vgl. www.openlivinglabs.eu).
tion von Reallaboren (nach WBGU) lautet: 5. die kontinuierliche methodische Reflexion des Soziale Interaktionen über eine große Zahl von Haus-
Stadt
Vorgehens, halten hinweg können in diesen Laboren nur teilweise
„Reallabore bezeichnen gesellschaftliche Kontexte, in 6. möglichst eine Koordination der forschenden untersucht werden. Die Quartiersebene umfasst Stadt-
denen Forscherinnen und Forscher Interventionen im Begleitung durch Institutionen, die in trans- quartiere. Quartiere haben den Vorteil, dass sich auf
Sinne von Realexperimenten durchführen, um über disziplinären Prozessen erfahren sind. dieser Ebene die Effekte von kulturellen Identitäten
soziale Dynamiken und Prozesse zu lernen. […] Die Idee und sozialen Diffusionsprozessen beobachten lassen.
des Reallabors überträgt den naturwissenschaftlichen Zur besonderen Bedeutung von Städten als Der Untersuchungsraum bleibt für den Forschungs-
Begriff ‚Labor‘ in die Analyse gesellschaftlicher und Reallabore prozess überschaubar. Durch die weltweit vergleich- Abb. 2: Ebenen von urbanen Laboren
politischer Prozesse.“ Städte haben als Reallabor-Ort einen besonderen bare Substrukturierung von Städten in Quartiere von
(WBGU 2014, S. 93) Stellenwert (vgl. zum Überblick Nevens et al. 2013; vergleichbaren Größenordnungen (vgl. u. a. Tiddens
26 Schneidewind/Scheck 2013). Dies hat mehrere Gründe: 27
Kontextabhängigkeit und Grenzen der Kontrollierbar- gerade die Kraft zur Irritation, die die Begriffe Real- Quellen Grin, J., Rotmans, J., Schot, J. Nevens, F., Frantzeskaki, N., Schneidewind, U., Singer-
keit von Randbedingungen: Das Reallabor unterschei- labor und Realexperiment so wirkmächtig macht, um (Hg.) (2010): Transitions to Gorissen, L., Loorbach, D. (2013): Brodowski, M. (2014): Transfor-
Alexander, C., Ishikawa, S., Sustainable Development. New „Urban Transition Labs: co- mative Wissenschaft, 2. Auflage.
det sich vom naturwissenschaftlichen Labor durch die die Notwendigkeit eines neuen transdisziplinären Silverstein, M., Jacobson, M., Directions in the Study of Long creating transformative action Marburg: Metropolis.
nicht vollständige Kontrollierbarkeit seiner Rand- Forschungsmodus zum Verständnis von Transforma- Fiksdahl-King, I., Angel, S. Term Transformative Change. for sustainable cities“. In: Jour-
bedingungen. Je weitgehender die Kontext- und Situa- tionsprozessen zu diskutieren. (1977): A Pattern Language. New York/London: Routledge. nal of Cleaner Production, 50: Scholz, R. W. (2011): Environmen-
Towns, Buildings, Construction. 111–122. tal Literacy in Science and
tionsabhängigkeit von Realexperimenten in solchen New York: Oxford University Groß, M., Hoffmann-Riem, H., Society. From Knowledge to Deci-
Laboren ist, desto geringer ist die Übertragbarkeit der Erprobung des Reallabor-Forschungsansatzes Press. Krohn, W. (2005): Realexperi- Overdevest, C., Bleicher, A., sions. New York: Cambridge Uni-
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Bergmann, M., Jahn, T., Knob- prozesse in der Wissensgesell- mental Turn in Environmental
und situationsspezifischer Transformationsgewinn Das Land Baden-Württemberg hat mit seinem im Jahr loch, T., Krohn, W., Pohl, C. schaft. Bielefeld: Transcript. Sociology: Pragmatism and New Scholz, R., Tietje, O. (2010):
für die Praxisakteurinnen und -akteure sind daher im- 2014 gestarteten umfassenden Reallaborforschungs- (2010): Methoden transdiszipli- Forms of Governance“. In: Embedded Case Study Methods,
mer wieder in neuen Gleichgewichten auszutarieren. programm eine wichtige Grundlage gelegt, um das Po- närer Forschung. Ein Überblick Hopkins, R. (2011): The Transi- M. Groß/H. Heinrichs (eds.): Thousand Oaks: Sage Publica-
mit Anwendungsbeispielen. tion Companion: Making Your Environmental Sociology: Euro- tions.
tenzial von Reallaboren selbst als forschungspoliti- Frankfurt a. M.: Campus. Community More Resilient in pean Perspectives and Interdisci-
Verallgemeinerbarkeit der Erkenntnisse: Die Verall- sches Realexperiment zu erproben und diesen For- Uncertain Times. Totnes: Green plinary Challenges. Heidelberg: Tiddens, H.C.M. (2014): Wurzeln
gemeinerbarkeit von in Reallaboren gewonnenen schungsmodus weiterzuentwickeln. Die geförderten Bergvall-Kareborn, B., Stahl- Books. Springer: 279–294. für die lebende Stadt. Wie wir die
brost, A. (2009): „Living Lab: Eigenverantwortung von Stadt-
Erkenntnissen unterscheidet sich von denen der Projekte helfen dabei, das oft noch abstrakt wahrge- an open and citizen-centric Liedtke, C., Welfens, M. J., Rohn, Park, R. E. (1929): „The City as teilen stärken können und warum
klassischen quantitativ-empirischen Sozialforschung. nommene Konzept Reallabor ein Stück plastischer approach for innovation“. In: H., Nordmann, J. (2012): Social Laboratory“. In: T. V. diese mehr Wertschätzung verdie-
Daraus ergeben sich insbesondere zwei Entwicklungs- werden zu lassen. Dem Reallabor für nachhaltige International Journal of Innova- „LIVING LAB: user-driven inno- Smith/L. D. White (eds.): Chi- nen. München: Oekom.
tion and Regional Development, vation for sustainability“. In: cago: An Experiment in Social
herausforderungen: 1) Die Suche nach Formen der Mobilitätskultur (RNM) der Universität Stuttgart liegt 1 (4): 356– 370. International Journal of Sustain- Science Research. Chicago: Wanner, M., Hilger, A., Wester-
TRANSFORMATIVE WISSENSCHAFT UND REALLABORE

geeigneten Kopplung von Realexperimenten mit klas- der Bezugsraum der Stadt und Region Stuttgart ability in Higher Education, Chicago University Press: 1–19. kowski, J., Rose, M., Schäpke, N.,
sischen sozialwissenschaftlichen Labor-Experimen- zugrunde. Dieser diente als Experimentierraum für Campbell, D. T. (1971): „Reforms 13 (2): 106–118. Stelzer, F. (2018): „Towards a
as Experiments“. In: Urban Schäpke, N., Stelzer, F., Berg- Cyclical Concept of Real-World
ten, auf Datenauswertungen beruhenden Quasi-Expe- die  kooperative und experimentelle Erforschung und Affairs Review, 7 (2): 133–71. Liedtke, C., Baedeker, C., Hassel- mann, M., Lang, D. (2016): „Ten- Laboratories. A Transdiscipli-
rimenten und herkömmlichen Beobachtungsmetho- Entwicklung nachhaltiger Mobilitätsvisionen und kuß, M., Rohn, H., Grinewit- tative Theses on Transformative nary Research Practice for Sus-
den.  2) Der Rückgriff auf Musterbeschreibungen und -praktiken. Die gemeinsam mit einer Vielzahl von Pra- CASS/ProClim (1997): Forschung schus, V. (2014): „User-integrated Research in Real-World Labora- tainability Transitions“. In: disP,
zu Nachhaltigkeit und Globalem innovation in Sustainable tories“. In: TATup – Zeitschrift The planning review (erscheint
-sprachen für die Übertragung von Erkenntnissen (vgl. xisakteurinnen und -akteuren sowie Studierenden Wandel: Wissenschaftspolitische LivingLabs: an experimental des ITAS zur Technikfolgen- 2018).
Alexander et al. 1977; Hopkins 2011). durchgeführten Realexperimente trugen dazu bei,

WISSEN
Visionen der Schweizer Forschen- infrastructure for researching abschätzung, 3, 25. Jahrgang:
wissenschaftlich initiierte und bürgerschaftliche Pro- den. Bern. and developing sustainable pro- 45–51. (online: www.tatup-jour WBGU (Wissenschaftlicher
duct service systems“. In: Jour- nal.de/tatup163_scua16a.php) Beirat Globale Umweltverände-
Geeignete Akteurseinbindung: Die Forschung in Real- zesse auch für die offizielle Stadtplanung nutzbar zu De Flander, K., Hahne, U., nal of cleaner production, 97: rungen) (2011): Welt im Wandel.
laboren erfordert eine Kooperation mit Praxisakteu- machen und diese auf größere strategische und räum- Kegler, H., Lang, D., Lucas, R., 106–116. Schneidewind, U. (2014a): Gesellschaftsvertrag für eine
rinnen und -akteuren in „transdisziplinären Prozes- liche Zusammenhänge zu projizieren. Die Ergebnisse Schneidewind, U., Simon, K.-H., „Urbane Reallabore – ein Blick in große Transformation. Haupt-
Singer-Brodowski, M., Ministerium für Wissenschaft, die aktuelle Forschungswerk- gutachten. Berlin: German Advi-
sen“ (Scholz 2011, XVII), das heißt in einer Begegnung des Reallabors für nachhaltige Mobilitätskultur zei- Wanner, M., Wiek, A. (2014): Forschung und Kunst (MWK) statt“. In: pnd/ online (Planung sory Council on Global Change.
auf Augenhöhe, die ihre Interessen und Wissensbe- gen, dass das Format Reallabor einen wesentlichen „Resilienz und Reallabore als Baden-Württemberg (2013): Wis- neu denken), III/2014: 1–7.
stände mit gleicher Gültigkeit wie die Interessen und Beitrag dazu leisten kann, den öffentlichen Diskurs Schlüsselkonzepte urbaner senschaft für Nachhaltigkeit. (online: www.planung-neu- WBGU (Wissenschaftlicher
Transformationsforschung. Herausforderung und Chance für denken.de) Beirat Globale Umweltverände-
das Wissen der Wissenschaft wahrnimmt. Nur da- zum Verhältnis zwischen Mobilität und Stadt zu beein- Zwölf Thesen“. In: GAIA – Ecolo- das baden-württembergische rungen) (2014): Klimaschutz als
durch ist gewährleistet, dass sich die Praxisakteu- flussen, die Nutzung des öffentlichen Raums zu verän- gical Perspectives for Science and Wissenschaftssystem. Stuttgart: Schneidewind, U. (2014): „Trans- Weltbürgerbewegung. Sondergut-
rinnen und -akteure nicht als „beforschte Objekte“ dern und bestehende Sichtweisen und Handlungs- Society, 23 (3): 284– 286. MWK. formative Literacy. Rahmen für achten. Berlin: Germany Advi-
den wissensbasierten Umgang sory on Global Change.
empfinden – eine Klage, die in Transformations- muster in Frage zu stellen. Falk, A., Heckman, J. J. (2009): Morton, R. B., Williams, K. C. mit der ‚Großen Transforma-
Forschungsprojekten immer wieder zu hören ist. „Lab Experiments Are a Major (2010): Experimental Political tion‘“. In: GAIA, 22 (2): 82–86. WBGU (Wissenschaftlicher
Ausblick Source of Knowledge in the Science and the Study of Causa- Beirat Globale Umweltverände-
Social Science“. In: Science, 326 lity: From Nature to the Lab. Schneidewind, U., Scheck, H. rungen) (2016): Der Umzug der
Begriffsstrategie: Die Verwendung des Begriffs Real- Reallabore sind im Rahmen der Forschung über Trans- (5952): 535–538. Cambridge: Cambridge Univer- (2013): „Die Stadt als ‚Reallabor‘ Menschheit. Die transformative
labor wird aus unterschiedlichen Perspektiven kontro- formationsprozesse in Mode. Trotz des noch anfäng- sity Press. für Systeminnovationen“. In: Kraft der Städte. Hauptgutach-
vers diskutiert. So gibt es einmal die Ablehnung aus lichen Entwicklungsstands, der berechtigten Beden- Rückert-John, J. (Hg.): Soziale ten. Berlin: German Advisory
Innovationen und Nachhaltig- Council on Global Change.
der Sicht der klassischen Laborforschung, weil das ken gegenüber des Ansatzes und der offenen Fragen keit. Wiesbaden: Springer VS:
Reallabor die konstituierende Bedingung des Labors, spricht vieles dafür, dass der Zugang Reallabor eine 229–248.
nämlich die Kontrollierbarkeit der Randbedingungen, interessante methodische Erweiterung ist, um das
gerade nicht einhalte. Die Akteursakzeptanz wird ge- Verständnis komplexer gesellschaftlicher Transforma-
nauso bemängelt wie die Unnötigkeit eines neuen tionsprozesse zu verbessern. Mit dem Ansatz des Real-
Begriffs angesichts der längst erfolgten Etablierung labors selbst zu experimentieren ist daher genau
von Begriffen und Praxen für experimentelle Designs der  richtige Weg, um diesen methodisch weiterzu-
wie zum Beispiel die der „Modellprojekte“ in der Stadt- entwickeln. Die Erkenntnisse aus dem Reallabor-
Hinweis:
forschung. Die Erfahrungen mit dem „real existieren- Forschungsprogramm des Landes Baden-Württem- Dieser Beitrag ist ein leicht veränderter Nachdruck der Veröffentlichung:
den Sozialismus“ als gesellschaftliches Realexperi- berg und dem in diesem Rahmen geförderten Real- Uwe Schneidewind (2017): „Grüne Labore als Reallabore“. In: Frank
ment im Großmaßstab erklären die Reaktanz gegen labor für nachhaltige Mobilitätskultur leisten dazu Lohrberg, Jasmin Matros: Grüne Labore – Experimente zum Stadtpark von
morgen. Schriftenreihe Lebendige Stadt, Band 9, Hg. Stiftung „Lebendige
den Begriff Reallabor bei vielen, die unter diesen Real- einen wichtigen Beitrag.
28 experimenten leiden mussten. Vermutlich ist es aber
Stadt“. Frankfurt: Societätsverlag: 9–15. (www.lebendige-stadt.de/pdf/
Gruene_Labore.pdf, Zugriff 09.03.2018) 29
TRANSDISZIPLINARITÄT
UND REALLABORE
Rico Defila und Antonietta Di Giulio

T
ransdisziplinarität ist ein Begriff, der sich zum Beispiel nachhaltige Mobilitätskultur fundiert
in  den letzten rund 25 Jahren etabliert hat behandeln zu können, ist es unabdingbar, sich auf
als  Ergänzung vor allem zu Begriffen wie Teilaspekte des Themas zu beschränken, das heißt es
Multidisziplinarität und Interdisziplinarität ist unmöglich, dabei das „Ganze“ in den Blick zu neh-
(s.  zu diesen Begriffen z. B. Jantsch 1972, Klein 1990, men. Gleichzeitig stellt eine solche begrenzte Sicht
Kocka 1991, Streeten 1976, aber auch Balsiger 2005). immer auch eine Reduktion dar, die vor allem komple-

WISSEN
Alle drei Begriffe beziehen sich auf Tätigkeiten, die xen Themen nicht umfänglich gerecht werden kann.
gemeinhin als Kerntätigkeiten von Hochschulen Beim Begriff Transdisziplinarität haben sich insbe-
beziehungsweise von Organen, Organisationen und sondere zwei Bedeutungen herauskristallisiert, die vor
Personen, die dem Wissenschaftssystem angehören, allem im deutschen Sprachraum eine gewisse Domi-
verstanden werden, also auf Forschung (und Lehre). nanz erlangt haben (dazu auch Klein 2010, 2014 oder
Alle drei setzen den Begriff der Disziplinarität voraus, Defila, Di Giulio 1998): In der einen Bedeutung, die
das heißt die Organisation des Wissenschaftssystems maßgeblich mit dem Philosophen Jürgen Mittelstraß
entlang disziplinärer Fachgebiete und Fachkulturen, verbunden wird (z. B. Mittelstraß 1989, 1995), wird das
unabhängig davon, dass und wie sich diese Grenzen erzeugte Wissen in den Vordergrund gestellt: Trans-
konkret gestalten und im Lauf der Zeit verändern. disziplinarität bedeutet hier, dass die Grenzen diszipli-
Multidisziplinarität bezeichnet gemeinhin ein Vor- närer Theorien und Wissensbestände überschritten
gehen, bei dem ein und dasselbe Thema (eine Frage, (transzendiert) werden und ein Wissen erzeugt wird,
eine wissenschaftliche Problemstellung, ein gesell- das eine echte Integration darstellt. In der anderen
schaftliches Problem) aus verschiedenen disziplinären Bedeutung, die maßgeblich mit Soziologinnen und
Perspektiven beleuchtet wird, bei dem diese Pers- Soziologen wie Helga Nowotny oder Michael Gibbons
pektiven aber unverbunden nebeneinander stehen in Verbindung gebracht wird (z. B. Gibbons et al. 1994),
bleiben. Interdisziplinarität bezeichnet ein Vorgehen, werden die beteiligten Akteure in den Vordergrund ge-
bei dem die verschiedenen disziplinären Perspektiven stellt: Transdisziplinarität bedeutet hier, dass bei der
auf ein Thema aufeinander bezogen werden, bei dem Wissensproduktion die Grenzen des Wissenschafts-
angestrebt wird, diese zu einer gesamtheitlichen Pers- systems überschritten (transzendiert) werden, indem
pektive zusammenzufügen, sie also zu integrieren. auch Akteure daran partizipieren, die nicht Teil dieses
Damit soll, das ist der Anspruch, ein Thema umfassen- Systems sind. Diese zweite Bedeutung von Transdiszi-
der betrachtet werden können, als dies möglich ist, plinarität greift die Frage auf nach der Beziehung zwi-
wenn es nur aus einer einzigen Fachperspektive her- schen Wissenschaft und Gesellschaft, das heißt die
aus angegangen wird. Der Wunsch nach einer gesamt- Frage, wie sich Wissenschaft und Forschung zu außer-
heitlicheren Sicht auf die Dinge, und damit nach einer wissenschaftlichen Problemen verhalten sollen, was
mindestens punktuellen Überwindung disziplinärer sie zu deren Bearbeitung und Lösung beitragen sollen,
Grenzen, entspringt einem Spannungsfeld, das For- und welche Rolle dabei außerwissenschaftliche Akteu-
schung (und Lehre) inhärent ist: Um ein Thema wie rinnen und Akteure und deren Wissen spielen sollen. 31
Transdisziplinäre
Diese Frage ist nicht neu, und entsprechend vielfältig sondern um die Zusammenarbeit zwischen Exper-
sind die Antworten darauf – Transdisziplinarität ist tinnen und Experten in der Sache. Expertise ist damit
eine davon (für andere s. z. B. Bäckstrand 2003, Hastie das ausschlaggebende Kriterium der Beteiligung von
2007). Praxisakteuren. Transdisziplinäre Forschung basiert

Forschung basiert da-
Das zweite, akteurorientierte Verständnis von darauf, dass die für eine Forschungsfrage relevante
Transdisziplinarität ist in der Nachhaltigkeits- Expertise oft nicht Forschenden vorbehalten ist, son-
forschung in besonderer Weise verbreitet (dazu z. B. dern vielmehr auch Praxisakteuren zukommt. Die
Jahn, Bergmann, Keil 2012) – es bildet auch den Hin- Grenze zwischen Expertise und Nicht-Expertise ver-

rauf, dass die für


tergrund dieses Beitrags. läuft hier also nicht zwischen Wissenschaft und
Nicht-Wissenschaft. Personen, die dem Wissenschafts-
Was ein akteurorientiertes Verständnis von system angehören, wird nicht lediglich deshalb, weil
Transdisziplinarität beinhaltet sie Teil dieses Systems sind, Expertise zugeschrieben,
Wird Transdisziplinarität akteurorientiert verstanden, sondern nur dann, wenn sie zum Thema, das erforscht

eine Forschungsfrage
bedeutet das also, dass an der Forschung auch Akteure, wird, selbst auch forschend tätig sind. Was wiederum
also Personen oder Organisationen, partizipieren, die bedeutet, dass Angehörige des Wissenschaftssystems
nicht dem Wissenschaftssystem angehören. Diese wer- auch Praxisakteure in einem transdisziplinären Pro-
den nachfolgend Praxisakteure genannt, während die jekt sein können, wenn sie in einem Gebiet über eine
Angehörigen des Wissenschaftssystems, die an der For- Praxis-Expertise, nicht aber über eine Forschungs-

relevante Expertise
schung mitwirken, nachstehend als Forschende oder Expertise verfügen.
als Forscherinnen und Forscher bezeichnet werden. Bei transdisziplinärer Forschung geht es um die
TRANSDISZIPLINARITÄT UND REALLABORE

Im Verständnis des Autors und der Autorin dieses Partizipation von Praxisakteuren am Prozess der Wis-
Beitrags ist transdisziplinäre Forschung eine Variante sensproduktion (z. B. Rohe 2015), das heißt transdiszi-

nicht den Forschen-


interdisziplinärer Forschung. An der Forschung betei- plinäre Forschung ist gemeinsam mit je passenden
ligen sich damit sowohl Forschende aus verschiede- Rollen ausgeführte Forschung. Das wiederum bedeu-
nen Disziplinen als auch Praxisakteure, wobei letztere tet zum einen, dass die Logik der Forschung bei sämt-

WISSEN
ebenfalls einen substantiellen eigenständigen Beitrag lichen Entscheidungen dominant ist und dominant
zur Forschung leisten. Praxisakteure wirken also aktiv sein muss. Transdisziplinäre Projekte sind – nicht aus-

den vorbehalten ist,


als Expertinnen und Experten am Forschungsprozess schließlich, aber in erster Linie – der Logik von Wis-
mit, sie sind nicht lediglich Untersuchungsobjekte, senschaft und Forschung verpflichtet, und das wirkt
Datenlieferanten oder „Echo-Raum“ (dies im Unter- sich auf sämtliche Aktivitäten in einem solchen Pro-
schied z. B. zu Mobjörk 2010, der auch im letzten Fall jekt aus. Zum anderen bedeutet es, dass Praxisakteure

sondern vielmehr
von Transdisziplinarität spricht). Praxisakteure wer- bei zentralen Tätigkeiten und Entscheidungen in
den beteiligt, weil sie bezogen auf das untersuchte einem Forschungsprojekt involviert sein sollten, wie
Thema über eine Praxis-Expertise verfügen, die die zum Beispiel bei der Eingrenzung und Beschreibung
Forschungs-Expertise der Forschenden ergänzt (um des Gegenstands, der untersucht werden soll, bei der
dies abzubilden, können auch die Begriffe „non-certi- Bestimmung der Ziele und Fragen des Projekts, bei der

auch Praxisakteuren
fied experts“ und „certified experts“ verwendet wer- Wahl der Methoden, bei der Formulierung der Ergeb-
den, s. dazu z. B. Collins, Evans 2002, Defila, Di Giulio nisse oder bei der Herstellung der Produkte.
2015). Praxisakteure können während der gesamten
Dauer eines Projekts partizipieren oder lediglich punk- Herausforderungen und Bedingungen des

zukommt.
tuell, sie können als gleichberechtigte Mitglieder des Gelingens transdisziplinärer Forschung
Forschungsteams mitwirken oder als externe Beteilig- Transdisziplinäre Forschung ist trotz der Chancen, die
te, die zwar substantielle Beiträge leisten, aber nicht sie eröffnet, nicht die Regel, sondern die Ausnahme –
Forschungsteam-Mitglieder sind (zu diesen Unter- nicht zuletzt, weil sie ein Unterfangen mit Risiken und
scheidungen siehe Defila, Di Giulio, Scheuermann Nebenwirkungen sowohl für Forschende wie für
2006, S. 216f.). Praxisakteure darstellt. Gelingt sie, sind die gewonne-
Ein solches Verständnis hat verschiedene Implika- nen Ergebnisse breiter abgestützt, decken mehr Facet-
tionen, die auch bedeutsam sind, wenn über das Ver- ten eines Themas ab und erweitern den Horizont aller
hältnis von Transdisziplinarität und Reallaboren Beteiligten. Misslingt sie, stehen Aufwand und Ertrag
nachgedacht wird (in Anlehnung an Defila, Di Giulio in einem schlechten Verhältnis, und die Ergebnisse
2019): sind trotz hohen Aufwands nicht besser, als sie mit
Bei transdisziplinärer Forschung geht es nicht um einem monoperspektivischen Zugang erreichbar ge-
politische Partizipation, um die Mitsprache Betroffener wesen wären. Transdisziplinäre Forschungsprojekte
oder um den Einbezug von Entscheidungsträgern, stellen hohe Ansprüche an die Beteiligten, nicht nur 33
hinsichtlich der Verständigung, sondern auch hin- (z. B. Bergmann et al. 2010, Defila, Di Giulio, Scheuer-
sichtlich der Intensität der Zusammenarbeit und des mann 2006) und Prinzipien, die sich als dienlich er-
zu leistenden Aufwands. wiesen haben, ernst zu nehmen (z. B. Di Giulio, Defila,
Die Herausforderungen in interdisziplinären For- Brückmann 2016), sowie dass denjenigen, die sich dar-
schungsprojekten sind reich dokumentiert, und diese auf einlassen, Unterstützung geboten wird.
finden sich analog auch in transdisziplinären Projek- Schließlich und endlich gelingt transdisziplinäre
ten (z. B. Defila, Di Giulio 2006, 2016 oder Hirsch Forschung nur, wenn den individuellen Rahmen-
Hadorn et al. 2008). Ein Typ von Herausforderungen bedingungen eines Projekts und der daran beteiligten
ergibt sich daraus, dass die Rahmenbedingungen für Akteure (Organisationen wie Personen) Rechnung ge-
solche Forschung im Wissenschaftssystem oft schlecht tragen wird, und zwar sowohl den innerwissenschaft-
sind und dass solche Forschung in der Wissenschaft lichen wie den außerwissenschaftlichen. Das liest sich
nur zögerlich – und in Teilen gar nicht – anerkannt ist. leicht und selbstverständlich, erfordert aber in einem
Ein zweiter Herausforderungstyp ergibt sich daraus, höheren Maße als bei disziplinärer Forschung, dass
dass die Verständigung und Einigung in solchen Pro- rollend geplant wird, dass das Vorgehen stets aufs
jekten Denk- und Arbeitskulturen überbrücken muss, Neue an diese Rahmenbedingungen und an die jewei-
dass es gilt, die verschiedenen disziplinären und pra- ligen Prozessergebnisse angepasst wird (Defila et al.
xisfeldspezifischen Sprachen füreinander zu überset- 2016).
zen, Weltbilder aufeinander zu beziehen, implizites
Wissen zu explizieren, Fachwissen verständlich zu ma- Was Reallabore zu und anstelle von
chen und gegenseitige Vorurteile auszuräumen sowie Transdisziplinarität beitragen
TRANSDISZIPLINARITÄT UND REALLABORE

mit ausgesprochenen und unausgesprochenen Domi- Reallabore sind transdisziplinär, daher gilt das bisher
nanzansprüchen („Imperialismen“) umzugehen. Ein Gesagte für Reallabore ebenfalls. Die interessante Fra-
dritter Typ Herausforderungen ergibt sich schließlich ge ist nun, was von Reallaboren gelernt werden kann
daraus, dass den Beteiligten oftmals das Wissen darum für transdisziplinäre Forschung. Diese Frage kann
fehlt, wie die sozialen und kognitiven Prozesse der heute erst vorläufig beantwortet werden. Es zeichnet
Synthesebildung gut gestaltet werden können, wie sich aber bereits ab, dass es Antworten auf zwei Ebe-
also das Management inter- und transdisziplinärer nen geben wird, auf einer eher praktischen und auf ei-
Prozesse methodisch angegangen werden kann, und ner eher grundsätzlichen Ebene:
dass dieses Wissen (noch) nicht systematisch gesam- Für die eher praktische Ebene ist entscheidend,
melt, gepflegt und weitergereicht wird. dass Reallabore mehr sind als transdisziplinäre Pro-
Was zum Gelingen inter- und transdisziplinärer jekte. Während transdisziplinäre Forschung zwar
Forschung beiträgt, wird ebenfalls seit Langem disku- durchaus beansprucht, gesellschaftlich relevant zu
tiert. Dazu gehört erstens, im Wissenschaftssystem sein und gesellschaftliche Wirkung zu zeigen, dies
förderliche Rahmenbedingungen zu schaffen, etwa aber immer eher ein „auch“ darstellt, wollen Real-
durch die Einrichtung entsprechender Institute inner- labore explizit transformativ tätig sein, und ihre Akti-
halb oder auch außerhalb von Hochschulen (beispiels- vitäten wie etwa Realexperimente sollen unmittel-
weise ISOE, Öko-Institut, Wuppertal Institut) oder barer in der gesellschaftlichen Praxis verankert sein.
durch das Ausschreiben entsprechender Forschungs- Gemäß Beecroft et al. (2018) verfolgen Reallabore Ziele
programme wie der Förderschwerpunkt Sozial-ökolo- in drei grundsätzlich gleichwertigen Dimensionen.
gische Forschung (SÖF) des BMBF oder die Förderlinie Eine Dimension ist die Produktion von Erkenntnissen
Reallabore in Baden-Württemberg (zu letzterer z. B. und neuem Wissen (Forschungsziele), die zweite ist
Wagner, Ertner 2016). Zweitens gehört dazu, dass Stu- das Anstoßen und Begleiten von Transformationspro-
dierende wie fortgeschrittene Forschende die Mög- zessen (Praxisziele), die dritte ist das Anregen und
lichkeit erhalten, die Kompetenzen zu entwickeln, die Unterstützen von Lernprozessen (Bildungsziele). Das
es ihnen erleichtern (oder überhaupt erst ermögli- mag zwar lediglich als gradueller Unterschied zu trans-
chen), sich konstruktiv auf andere Perspektiven inner- disziplinärer Forschung wahrgenommen werden, es
halb und außerhalb der Wissenschaft einzulassen und hat aber weitreichende Konsequenzen. Daraus ergibt
die sozialen und kognitiven Prozesse der inter- und sich unter anderem, dass die Ansprüche an ein Real-
transdisziplinären Verständigung und Zusammen- experiment mit Blick auf erkenntnisbezogene Ziele
arbeit zielführend zu gestalten (z. B. Defila, Di Giulio und diejenigen mit Blick auf transformative Ziele
2006, 2017 oder Misra, Stokols, Cheng 2015). Drittens grundsätzlich gleichgewichtig sind, Forschung also Shared Space
gehört dazu, dass das Bewusstsein dafür geschärft kein Primat genießt. Daraus ergibt sich aber auch, dass Tübinger Straße, Stuttgart-Mitte
wird, diese Prozesse professionell und kreativ anzu- in einem Projekt die Aktivitäten, die nicht zu den
34 gehen, sich also den anfallenden Aufgaben zu stellen Forschungsaktivitäten gezählt werden können, einen
relativ großen Raum einnehmen. Schließlich ergibt dazu ein, sich erneut mit der Frage zu befassen, wo Literatur Defila, R., Di Giulio, A. (2015): Gibbons, M., Limoges, C., Kocka, J. (1991): „Realität und
sich daraus, dass Expertise nicht das einzige Kriterium und wie die Grenze zu ziehen ist zwischen Wissen- „Integrating knowledge: challen- Nowotny, H., Schwartzman, S., Ideologie der Interdisziplinari-
Bäckstrand, K. (2003): „Civic ges raised by the ‚Inventory of Scott, P., Trow, M. (1994): The tät: Erfahrungen am Zentrum für
sein kann, um zu bestimmen, welche Akteure an den schaft und anderen Teilen der Gesellschaft, welche ge-
Science for Sustainability: Refra- Synthesis‘“. In: Futures, 65 (Spe- New Production of Knowledge. interdisziplinäre Forschung Bie-
Aktivitäten eines Projekts partizipieren (können) sol- sellschaftlichen Aufgaben Forschung haben soll, kann ming the Role of Experts, cial Issue Transdisciplinarity The Dynamics of Science and lefeld“. In: Berlin, Akademie der
len. Entsprechend der Mehrdimensionalität von Zie- und darf. Dies wiederum wirft Fragen auf, die ebenfalls Policy-Makers and Citizens in revisited): 123–135. https://doi. Research in Contemporary Wissenschaften zu (Hg.): Einheit
Environmental Governance“. In: org/10.1016/j.futures.2014.10.013 Societies. Thousand Oaks, New der Wissenschaften. Internatio-
len und Aktivitäten gestaltet sich die Zusammenarbeit nicht neu sind, aber immer wieder neu gestellt und be-
Global Environmental Politics, Delhi, London: Sage Publishers. nales Kolloquium der Akademie
mit Praxisakteuren in Reallaboren deutlich komplexer, antwortet werden müssen, wenn vermieden werden 3 (4): 24–41. Defila, R., Di Giulio, A. (Hg.) der Wissenschaften zu Berlin.
vielschichtiger und dynamischer als in transdiszipli- soll, dass sich wissenschaftliche Akteure in eigenen, (2016): Transdisziplinär forschen Hastie, J. (2007): „The Role of Bonn, 25.–27. Juni 1990. Berlin,
Balsiger, Ph. (2005): Transdiszip- – zwischen Ideal und gelebter Science and Scientists in New York: 127–144.
nären Projekten (Seebacher, Alcántara, Quint 2018). abgehobenen Sphären bewegen oder umgekehrt bean-
linarität: Systematisch-verglei- Praxis. Hotspots, Geschichten, Environmental Policy“. In:
Schließlich ist das methodische Vorgehen so zu gestal- spruchen, gesellschaftliche Entscheidungen maßgeb- chende Untersuchung diszipli- Wirkungen. Frankfurt a. M., New Pretty, J., Ball, A. S., Benton, T. Misra, Sh., Stokols, D., Cheng, L.
ten, dass nach Möglichkeit Ziele in allen drei Dimen- lich bestimmen zu dürfen. Dies ist zum einen die Frage nenübergreifender Wissenschaft- York: Campus Verlag. et al. (Hg.): The SAGE Handbook (2015): „The Transdisciplinary
spraxis. München: Wilhelm Fink. of Environment and Society. Los Orientation Scale: Factor Struc-
sionen gleichzeitig erreicht werden. Entsprechend nach der Legitimität und Legitimation dessen, was
Defila, R., Di Giulio, A. (2019): Angeles, London, New Delhi, ture and Relation to the Integra-
kann von Reallaboren gelernt werden, wie feinmaschig Forscherinnen und Forscher tun im Verhältnis zu Beecroft, R., Trenk, H., Rhodius, „Eine Reflexion über Legitima- Singapore: SAGE Publications: tive Quality and Scope of Scienti-
und differenziert mit Partizipation und Kooperation dem, was andere gesellschaftliche Akteurinnen und R., Benighaus, C., Parodi, O. tion, Partizipation und Interven- 519–535. fic Publications“. In: J Transl
(2018): „Reallabore als Rahmen tion im Kontext transdisziplinä- Med Epidemiol, 3 (2): 1042.
umgegangen werden kann hinsichtlich der Ziele, Kri- Akteure tun. Zum anderen ist es die Frage nach der
transformativer und transdiszip- rer Forschung“. In: Ukowitz, M., Hirsch Hadorn, G., Hoff-
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erwarten sind aber auch methodische Beiträge, die Zwecke beziehungsweise nach der Unabhängigkeit der Designprinzipien“. In: Defila, R., mittlung. Intervention – Partizi- S., Grossenbacher-Mansuy, W., geht die Wissenschaft? Über Dis-
Di Giulio, A. (Hg.): Transdiszipli- pation. Interventionsforschung Joye, D., Pohl, Ch., Wiesmann, ziplinarität, Transdisziplinarität
auch in transdisziplinären Projekten, die weniger ex- Forscherinnen und Forscher von dem, was gesell-
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plizite transformative Ziele verfolgen, mit Gewinn ein- schaftlich erwünscht ist. Eine Methodensammlung. Wies- 85–108. book of Transdisciplinary Rese- niz-Welt“. In: Mittelstraß, J.(Hg.):
gesetzt werden können. baden: Springer VS: 75–100. arch. Dordrecht, London: Sprin- Der Flug der Eule. Von der Ver-
TRANSDISZIPLINARITÄT UND REALLABORE

Defila, R., Di Giulio, A., ger. nunft der Wissenschaft und der
Für die eher grundsätzliche Ebene ist entscheidend,
Bergmann, M., Jahn, Th., Knob- Fischer, D., Gölz, S., Kaufmann- Aufgabe der Philosophie. Frank-
dass transdisziplinäre Forschung trotz der Herausfor- loch, T., Krohn, W., Pohl, Ch., Hayoz, R., Schäfer, M. (2016): Jahn, Th., Bergmann, M., Keil, F. furt am Main: Suhrkamp
derungen, die damit einhergehen, und obwohl sie Schramm, E. (2010): Methoden „Was wir noch zu sagen hätten – (2012): „Transdisciplinarity: Bet- Taschenbuch Wissenschaft:
transdisziplinärer Forschung. Briefe an unsere Leserinnen und ween mainstreaming and margi- 60–88.
nicht die Regel, sondern die Ausnahme darstellt, mitt-
Ein Überblick mit Anwendungs- Leser“. In: Defila, R., Di Giulio, A. nalization“. In: Ecological Econo-
lerweile dennoch salonfähig geworden ist: Innerhalb

WISSEN
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„Vorbereitung auf interdiszipli- Di Giulio, A. (Hg.): Transdiszipli- of interdisciplinarity“. In: Frode- Akteure“. In: Defila, R., Di Giulio,
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in der und für die Gesellschaft nachzudenken. Diese Erfahrungen, Konsequenzen“. gelebter Praxis. Hotspots, (Hg.): The Oxford Handbook of transformativ forschen. Eine
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Wildt, J. (Hg.): Neues Handbuch furt a. M., New York: Campus Oxford University Press: 15–30. Springer VS: 155–159.
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Reallabore laden auf einer grundsätzlichen Ebene Lernen effizient gestalten. Lose- Klein, J. T. (2014): „Interdiscipli- Streeten, P. (1976): „The Meaning
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18 (5): 630–647. https://doi. Wagner, F., Ertner, S. (2016):
org/10.1108/IJSHE-02-2016-0030 „Reallabore für nachhaltiges
Wissen – Forschung für uns mit
Zukunft“. In: GAIA, 25 (1): 57–58.

36 37
REALEXPERIMENTE 39

DAS ROTIERENDE
LASTENRAD

Können durch den Einsatz von Lastenrädern Auto-


fahrten ersetzt werden? Welche Rolle können
dabei Lastenräder als Gemeingüter spielen?
Wie lassen sich im Alltag durch die Nutzung von
Gemeingütern Ressourcen schonen? Wie funktio-
niert die Organisation der Gemeingüternutzung
und Pflege?
40 REALEXPERIMENTE DAS ROTIERENDE LASTENRAD 41

Mit Lastenfahrrädern können Erstnutzende handelte und die Nutzungs-


schwere oder sperrige Gegenstände trans- erfahrungen überwiegend positiv waren.
portiert werden, für die sonst meist Dementsprechend erreichte das Real-
nur Autos in Frage kommen. Die Nutzung experiment vor allem neue Nutzerinnen
von Lastenrädern verspricht eine gestei- und Nutzer, die durch den niederschwel-
gerte Lebensqualität durch vermie- ligen Zugang und den Reiz des unge-
dene Umweltschäden sowie durch Ent- wohnten Fahrzeugs zum Ausprobieren
schleunigung und körperliche Aktivität. angeregt wurden. Zusätzlich wurde

„Ich fühle mich wie Durch den Verleih von „Freien Lasten-
rädern“ als Gemeingüter wird die ge-
Wissen über die Eignung verschiedener
Lastenrad-Typen für die Nutzung als

ein kleiner Junge kurz


legentliche Nutzung auch für Menschen Gemeingut gewonnen. Das Ausprobieren
attraktiv, die kein eigenes Lastenrad neuer Verleih-Stationen lieferte Erkennt-
kaufen möchten oder können, aber trotz- nisse über die Eignung verschiedener

vor Weihnachten:
dem auf das Auto verzichten wollen. Typen von Verleihstationen und es
Die Grundidee ist es, Bürgerinnen und wurden neue Nutzerinnen und Nutzer in
Bürger über betreute Verleih-Stationen anderen Stadtteilen erreicht. Weiterhin

Ich habe mein erstes wie Cafés oder Läden an unterschied-


lichen Standorten auf Spendenbasis
Lastenräder zur Verfügung zu stellen. Sie
konnte durch die Erprobung neuer
Ausleihstationen bei mehreren Geschäf-
ten das Interesse geweckt werden, Lasten-

Lastenrad gebucht. fungieren hier als Gemeingüter, die allen


zustehen. Eine automatisierte Online-
räder für ihre eigene Logistik zu nutzen.
Die gewonnenen Erkenntnisse können

Samstag ist Bescherung!“


Buchungsplattform ermöglicht eine un- auch für andere Lastenrad- oder Gemein-
komplizierte Buchung. Ein weiteres Ziel gut-Initiativen nützlich sein. Die Reso-
des Freien Lastenrades ist es, die Auf- nanzen aus den Nutzenden-Befragungen
merksamkeit darauf zu richten, dass Ver- machten allerdings deutlich, dass eine
zicht keine Einschränkung bedeuten konsistent ausgebaute Radinfrastruktur
Kommentar eines Nutzers auf der Webseite lastenrad-stuttgart.de
muss, sondern als eine Bereicherung für eine verstärkte Nutzung von Lasten-
erlebt werden kann – sowohl im Hinblick rädern essentiell wichtig ist. Durch das
auf Automobilität als auch auf persön- Realexperiment erhält diese Forderung
liches Eigentum. zusätzlichen Nachdruck.
Durch das Realexperiment wurde
verdeutlicht, dass Menschen in Stuttgart
ein Interesse an dieser Alternative zum
Auto haben und sie als nützlich und prak-
tisch empfinden: Die Lastenräder wurden
fast jeden Tag gebucht. Die Ergebnisse
einer Umfrage im Rahmen des Realexperi-
mentes zeigen, dass es sich häufig um
42 REALEXPERIMENTE DAS ROTIERENDE LASTENRAD 43

WIRKUNG Da die Initiative Freies Lasten- Grundidee vermitteln. Gelang die Kommu-
rad Stuttgart bereits vor Durchführung nikation dieser Inhalte durch engagierte
als Realexperiment bestand, wollte Hosts, konnte dieser Effekt in ein Ver-
das Realexperiment einen Bewusstseins- ständnis für die gemeinsame Verantwor-
wandel hin zu einer gemeinsamen tung für Handhabung und Pflege
Nutzung von Lastenrädern als Gemeingut der Lastenräder erreicht werden. Vom
erreichen. Vor der Durchführung des Real- Engagement der zentralen Akteurinnen
experimentes wurde die Initiative laut und Akteure der Ausleihstation hängt ab,
ihren eigenen Erfahrungen von den wie gut die Kommunikation mit den
Nutzenden teilweise nur als reiner Dienst- Nutzenden und somit der Verleihvorgang
leister wahrgenommen, obwohl sie gelingt. So konnte weniger durch die
die Lastenräder kostenfrei zur Verfügung Rotation der Verleihstationen der Wirk-
stellen. Des Weiteren sollte die Verbrei- mechanismus der Bewusstseinsbildung
tung der sozio-technischen Innovation erlangt werden, als vielmehr durch
eines frei zugänglichen Lastenrades über engagierte Mitspieler, die als dauerhafte
die Einbindung neuer Hosts erreicht Verleihstationen Teil der Gemeinschaft
werden. Diese konnten Erfahrungen als werden.
Verleiher von Lastenrädern sammeln und Neben den intendierten Wirkmecha-
gleichzeitig konnten die Lastenräder nismen konnten nach der Durchführung
in neuen Quartieren für eine erweiterte des Realexperiments für das Real-
Personenzahl in Stuttgart zugänglich experiment des freien Lastenrades zwei
gemacht werden. Zusammenfassend weitere Wirkungen identifiziert werden,
lassen sich damit aus der Konzeptions- die bei der Konzeption des Experimentes neues Lastenrad angeschafft werden, die Probierfähigkeit des freien Lasten-
phase des Realexperimentes zwei inten- nicht absehbar waren. Beide Wirkungen das in das Ausleihsystem von Freies Las- rades Erfahrungen damit sammeln,
dierte Wirkmechanismen festhalten: können dem nicht-intendierten Wirkme- tenrad Stuttgart integriert wurde. und schafften sich in Folge eigene Lasten-
chanismus der sozio-technischen Inno- Dabei handelte es sich um ein dreiräd- räder für eine geschäftliche oder kommer-
• Bewusstseinsbildung: Bewusstsein für
vationen zugeordnet werden: riges Lastenrad mit mitlenkender vorderer zielle Nutzung an. Auch so konnte die
das Gemeingut (Common) Lastenrad
Ladefläche und elektrischer Unterstüt- Möglichkeit des Ausprobierens zur Ver-
stärken. • Einführung sozialer und technischer
zung, das besonders für die Mitnahme von breitung des Lastenrads führen.
• Einführung sozialer und technischer Innovationen: Durch gesteigerte
mehreren Kindern ausgelegt ist. Durch
Innovationen: Lastenrad als Gemeingut „Probierfähigkeit“ konnten neue Nut-
dieses Angebot konnte die Lastenrad-
über Netzwerke verbreiten. zendengruppen erreicht werden.
gruppe einen hohen Anstieg von jungen
• Einführung sozialer und technischer
Gerade hinsichtlich der Bewusstseinsbil- Müttern als Nutzerinnen verzeichnen.
Innovationen: Verbreitung des Lasten-
dung für das Gemeingut Lastenrad Auch die Kooperation mit Herstellern
rades durch Kooperation mit kommer-
konnten unterschiedliche Effekte beo- von Lastenrädern stellte sich als Wirkung
ziellen Anbietern.
bachtet werden. Betreuende an Aus- dar, die bei der Konzeption des Real-
leihstationen sollten sich sowohl selbst Mit dem Budget, das dem Realexperiment experimentes nicht forciert wurde.
als aktiv im Netzwerk involviert be- durch die Finanzierung des RNM zur So konnten auch Unternehmen oder ins-
trachten, als auch den Nutzenden diese Verfügung gestellt wurde, konnte ein besondere kleinere Dienstleister durch
TRANSDISZIPLINARITÄT UND REALLABORE

44
45

WISSEN
46 REALEXPERIMENTE DAS ROTIERENDE LASTENRAD 47

POTENZIALE Aus dem Realexperiment Überdies könnte eine weitere Einbezie-


konnten insbesondere in der Nachbetrach- hung von Akteuren in Planungsprozesse
tung einige Handlungsempfehlungen für von beispielsweise neuen Quartieren,
eine Verstetigung der Idee beziehungs- Infrastrukturprojekten oder Platzum-
weise der Innovation des Realexperi- gestaltungen erfolgen. Denn für Lastenrä-
ments sowie die Weiterarbeit der Initia- der ist aufgrund der eher geringeren
tive Freies Lastenrad herausgearbeitet Geschwindigkeiten und größeren Breite STUDIERENDE AUSLEIH- Reparaturen an den Lastenrädern

STATIONEN
werden. im Vergleich zum herkömmlichen Fahrrad Kantinchen
freiwillige Spenden

Universität Stuttgart
So bleibt die Frage der Betreuung der eine konsistent ausgebaute Radinfra- HobbyHimmel
Ausleihe der Lastenräder
AbK Stuttgart
Lastenräder durch die Initiative und struktur besonders wichtig. Plattsalat e.V.
...
Sp
die Hosts problematisch, da das Personal en
de

La
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in vielen Hosts bereits ausgelastet ist.

st
in
na

en
Dieser Beitrag ist eine gekürzte und leicht veränderte hm

ra
d
Dies wurde als Stolperstein definiert und Fassung des Kapitels „Freies rotierendes Lastenrad“ en

nu
tz
aus Kuhn et al (2017): Reallabor für nachhaltige

un
kann nur durch eine aktive Einbindung Mobilitätskultur in Stuttgart – Dimensionen eines
REALLABOR
Wissenschaftliche

g
konkreten empirischen Falles. Ein Projektbericht. Auswertung
FÜR NACHHALTIGE
von neuen Mitgliedern gelöst werden, Dessau: Umweltbundesamt.
MOBILITÄTSKULTUR NUTZERINNEN
die den Gedanken eines Lastenrades als UND NUTZER
Gemeingut teilen und ehrenamtlich Expe
rime
nt-Bu
unterstützen. dget
LASTENRAD
Es haben sich aber auch neue Mög- STUTTGART E.V.
lichkeiten für das Leihsystem über VEREIN ALS INITIATOR

die Laufzeit ergeben. Die Einrichtung von


u
ba
öffentlichen Lastenrad-Stellplätzen r
fü ahrr
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LASTENRAD-
INITIATIVEN
n
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könnte durch gesteigerte öffentliche E-BIKE ks u
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tä re IN ANDEREN
STÄDTEN
W par
Sichtbarkeit die Bekanntheit von Lasten- SCHAHL OHG R e

rädern weiter erhöhen und das Problem HOBBYHIMMEL


des sicheren Abstellens lösen. Auch TECHNIK UND
SOLIDARITÄT SPENDER
könnte eine finanzielle Förderung von E.V.
Critical Mass
Stuttgart
Lastenfahrrädern angestoßen werden, da Zivilgesellschaftliche Praxispartner
Bürgerstiftung
Stuttgart

eine selbstfinanzierte Anschaffung für Lastenrad Stuttgart e. V. LHS Stuttgart


SoFa (Colibri e.V.)
Clemens Rudolf, Thomas Becker, Jan A. Lutz Plattsalat e.V.
viele Hosts wie Weltläden oder Vereine …

nicht leistbar ist. Die Stadtverwaltung Koordination Fluss von


ILPÖ – Institut für Landschaftsplanung und
könnte die Verbreitung durch einen Ökologie Ressourcen

einfachen Prozess der Umwidmung von Eric Puttrowait Information

Stellplätzen für Pkw in Lastenrad- und Wissenschaftliche Begleitung


Arbeitsaufwand

Fahrradstellplätze fördern. Auch die Carmen Thome, Hannah Werlitz


Immobilienwirtschaft könnte das Modell Bearbeitungszeitraum
durch Einplanen von Lastenrädern März 2016 – September 2017
für Hausgemeinschaften bei Neubauten Kontakt
www.lastenrad-stuttgart.de
aufgreifen.
KESSELROLLEN
KESSELROLLEN – WIE ROLLT DIE STADT VON MORGEN?
EIN FILM ÜBER DIE STUTTGARTER FAHRRADKULTUR UND
NACHHALTIGE MOBILITÄT.

Roman Högerle mit Felix Länge und Fabian Bazlen Stuttgart. Landeshauptstadt von Baden-Württemberg. Stauhauptstadt.
Oder auch: die Stadt mit dem höchsten Feinstaubanteil in ganz Deutsch-
land. Inmitten des ganzen Staus jedoch findet sich eine erfrischende
Fahrradszene, die tagtäglich dafür kämpft, dass sich die Zustände in der
Landeshauptstadt verbessern. Für eine lebenswertere Stadt. Für die
vimeo.com/kesselrollen
Mobilität der Zukunft. Ein gemeinsamer Treffpunkt dieser Menschen ist
die Critical Mass. Kesselrollen portraitiert diese Menschen und deren Der Titel: Wie rollt die Stadt beziehungsweise Einerseits ist Stuttgart grün und lebenswert, Man könnte nicht meinen, dass man sich hier
Initiativen. Wie rollt denn nun die Stadt von morgen? der Kessel in Zukunft? Die Leitfrage des Films andererseits auch mit vielen Problemen behaf- in einer deutschen Großstadt befindet. Grün
tet. Die Mobilität ist sicher eines der größten. soweit das Auge reicht

Verschiedene Mobilitätsformen auf engstem Winfried Hermann, der Verkehrsminister für Das Automobil als persönlicher Rückzugsraum. Oft schleicht der Autoverkehr durch die Kessel- Während dem Autoverkehr unglaublich viel Björn Geissler sieht das Hauptproblem der
Raum. Immer auch Raum für Konflikte. Baden-Württemberg, nahm sich Zeit für ein Seine Umwelt nimmt man dadurch nur noch metropole. Das Fahrrad ist da meist schneller. Raum zur Verfügung gestellt wird, fristen Fuß- Stadt im Pendlerverkehr, der tagtäglich die
zweistündiges Gespräch. Für ihn könnte begrenzt wahr. gänger und Radfahrer ein Randdasein. Stadt lahm legt.
die Mobilitätswende zügiger vonstatten gehen.

Inselhopping: bei mehr als drei Radfahrern ist Stau: viele Menschen ergeben sich bedauer- Unter dem Stern werden viele Entscheidungen Wo keine sichere Radinfrastruktur geschaffen Die einzige(!) Fahrradstraße dient oft als Park- Fahrradfahren als Teil der Lösung: Auch die
die Stuttgarter Radinfrastruktur schnell über- licherweise täglich diesem Schicksal. pro Auto und nicht pro Mensch getroffen. wird, kann das Fahrradfahren kein Massen- platz und Durchgangsstraße für den Autover- sinnvolle Vernetzung mit öffentlichen Verkehrs-
fordert. phänomen werden. kehr. mitteln und deren Ausbau muss gefördert
werden.

Für viele derzeit „nur“ das beliebteste Freizeit- Stuttgart zu hügelig? Der Heaven and Hell Fahrradindustrie vor Ort: Die Paul Lange & Co KG Der „Radologe“ Roland Wolbold kann aus 40 Geschnitten, zugeparkt, übersehen: das Leben Autofahren als Ausdruck persönlicher Freiheit?
fortbewegungsmittel: das Fahrrad! Cycle Club beweist das Gegenteil. Und das ist Deutschlandvertrieb für Shimano-Fahrrad- Jahren Fahrradhistorie berichten. Das Rennrad eines Radfahrers in Stuttgart Ein antiquiertes Denkkonzept!
ohne Gangschaltung! teile. ist seine Leidenschaft.

Clemens Rudolf von Fahrräder für Afrika vor Beim Rücktrittrennen zeigt sich die hiesige Adrian Giesler, Bike-Punk und umtriebiger Bei sogenannten Nightrides erkundet die Bei Nacht entwickelt die Stadt einen ganz Der Handkarren „Das kleine Parkraumwunder“
den Wagenhallen, die als Werkstatt für so man- Fahrrad-Community ganz entspannt. Fahrrad-Aktivist, als Flaggenschwenker. lokale Fixed Gear Szene die Stadt sportlich. besonderen Charme. Der Verkehr lässt dann gibt der Allgemeinheit auf einem Parkplatz
ches Bastelprojekt dienten. auch nach. öffentlichen Raum zurück.

Mit dem Lastenrad bequem und schnell durch Zwei Seniorinnen unterwegs mit der Bürger- Bis zu 1500 Menschen treffen sich einmal im Die Stadt der schönen Hügel. Stuttgart bietet Immer mehr Menschen finden den Weg zur Cri- … und zu zeigen, dass auch das Fahrrad Teil des
die Stadt: eine Methode, die immer beliebter Rikscha. Ein schönes Projekt, das ältere Men- Monat zur Critical Mass, um Werbung für das viel mehr als Kesselkoller. tical Mass, um die Stadt ganz neu zu erleben … Verkehrs ist.
wird. schen im Nahbereich wieder mobil werden lässt. Fahrradfahren zu machen.
ANREIZMODELLE FÜR
EIN NACHHALTIGES
MOBILITÄTSVERHALTEN
Christina Knorr und Constanze Heydkamp

K
TRANSDISZIPLINARITÄT UND REALLABORE

örperliche Aktivität hat in allen Lebenspha- wöchentlichen Bewegungsziele erreichen. Die Unter-
sen einen gesundheitsfördernden Effekt auf suchung ergab weiterhin, dass die Nutzung des öffent-
die Menschen. Dieser betrifft sowohl die lichen Personennahverkehrs mit einem höheren kör-
physische als auch die psychische Gesund- perlichen Aktivitätsniveau einhergeht als die Nutzung
heit. So begünstigt moderate körperliche Aktivität des motorisierten Individualverkehrs. Die Verkehrs-

WISSEN
unter anderem den Erhalt der körperlichen Funktions- mittel des Umweltverbunds (Fuß, Fahrrad, ÖPNV) sind
fähigkeit im Alter (Vagetti et al., 2014), senkt das Risiko demnach nicht nur emissionsarm, sondern jeder Ein-
vorzeitig zu versterben (Kelly et al., 2014) und hat posi- zelne profitiert im Sinne der Gesundheit von ihrer Nut-
tive Einflüsse auf zahlreiche Erkrankungen wie Dia- zung.
betes Mellitus Typ 2, Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
einige Krebsarten und Demenz (Reiner, Niermann, Welche Determinanten beeinflussen die
Jekauc, Woll, 2013; Vogel et al., 2009). Alltagsaktivität von Menschen?
Aber wie häufig und wie intensiv muss man körper- Trotz des Wissens darüber, dass körperliche Aktivität
lich aktiv sein, um von diesen positiven Effekten zu gesundheitsfördernd auf uns wirkt, entscheiden wir
profitieren? Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) uns im Alltag häufig für ein Verhalten, das diesem Wis-
empfiehlt Erwachsenen pro Woche mindestens 150 sen widerspricht. Welche Gründe es dafür gibt, wird in
Minuten moderate (z. B. flottes Spazierengehen) oder unterschiedlichen wissenschaftlichen Theorien the-
mindestens 75 Minuten intensive (z. B. Ballsportarten) matisiert. Zugrunde liegt jeweils ein spezifisches Men-
körperliche Aktivität (World Health Organization, schenbild, also eine Annahme darüber, ob der Mensch
2010). Sie muss allerdings nicht im Rahmen sportli- beispielsweise rational handelt oder ob ihn soziale
cher Tätigkeiten ausgeführt werden, sondern kann auf oder emotionale Aspekte in seiner Entscheidung be-
vielfältige Weise in den Alltag integriert sein. So ist einflussen.
man beispielsweise körperlich aktiv, wenn Besorgun- Vor dem Hintergrund eines subjektiv geprägten
gen wie etwa Brötchen holen zu Fuß oder mit dem Rad Entscheidungsprozesses gibt es zahlreiche sozial-
erledigt werden (auch aktive Mobilität genannt) oder psychologische Handlungsmodelle, die das Verhalten
sich im Haushalt betätigt wird. der Menschen zu erklären versuchen. Im Kontext der
Chaix et al. (2014) haben herausgefunden, dass 38 nachhaltigen Verkehrsmittelwahl gehören zu den am
Prozent der täglichen Schritte zu bewältigen knapp ein häufigsten angewendeten die Theorie des geplanten
Drittel des Kalorienumsatzes verbraucht sowie ein Verhaltens nach Ajzen (1991), die Theorie des interper-
Drittel der von der WHO empfohlenen wöchentlichen sonellen Verhaltens nach Triandis (1977) und das
moderaten körperlichen Aktivität erreicht wird, indem Norm-Aktivations-Modell nach Schwartz (1977), sowie
Strecken von A nach B zurückgelegt werden. Die Art Kombinationen aus ihnen. Fasst man die entschei-
und Weise, wie wir unsere täglichen Wege meistern, dungsrelevanten Determinanten aus diesen Theorien
50 hat demnach großen Einfluss darauf, ob wir unsere zusammen, sind dies folgende: 51
Trotz des Wissens
• Einstellung: Welche Erwartungen habe ich an eine mittels App dar. Ein Vorteil dieser Methode ist es, dass
Mobilitätsform? Sensoren nicht an Versuchspersonen ausgegeben
• Wahrgenommene Verhaltenskontrolle: Kann ich werden müssen, sondern die Nutzerinnen und Nutzer
das Verhalten selbst beeinflussen oder gibt es von Smartphones ihre eigenen Endgeräte verwenden

darüber, dass kör-


externe Einflussfaktoren? können.
• Affekt: Wie fühle ich mich bei der Nutzung eines Durch diese objektiven Methoden können Erinne-
Verkehrsmittels? rungsfehler vermieden werden, die beim alleinigen
• Intention: Wie beabsichtige ich, mich zu verhalten? Ausfüllen eines Wegetagebuchs auftreten können. Da-
• Soziale Norm: Wie sollte ich mich aus Sicht meines rüber hinaus wird die Dauer eines bestimmten Verhal-

perliche Aktivität
sozialen Umfelds verhalten? tens genau und objektiv erfasst, was eine Über- oder
• Persönliche Norm: Wie sollte ich mich verhalten? Unterschätzung der dafür aufgewendeten Zeit vermei-
• Problemwahrnehmung: Welche Auswirkung hat det. Ein Nachteil dieser Methoden ist jedoch, dass die
mein Verhalten? Sensoren bestimmte Aktivitätsarten aktuell gar nicht
• Gewohnheit: Wie verhalte ich mich üblicherweise? (z. B. Schwimmen) oder nur unzureichend (z. B. Rad-

gesundheitsför-
fahren) erfassen können. Herausfordernd gestaltet
Wie lassen sich bestehende Gewohnheiten, sich bei der Methode des Lifeloggings mittels Kamera
ANREIZMODELLE FÜR EIN NACHHALTIGES MOBILITÄTSVERHALTEN

Einstellungen und Absichten erheben und zudem der Datenschutz, woraus Schwierigkeiten in
beschreiben? der Rekrutierung von Versuchspersonen hervorgehen.
Zunächst ist es von Bedeutung, die Analyse des tat- Ähnlich gestalten sich die Nachteile beim Einsatz von

dernd auf uns wirkt,


sächlich ausgeübten und objektiv messbaren Verhal- Smartphone-Apps zur Erfassung von Mobilitätsdaten.
tens gesondert von der Untersuchung der dahinter- Lee, Anand, Han, Kong und Goh (2016) fassen in die-
liegenden, individuellen Einstellungen, Motive und sem Kontext zusammen, dass mindestens einer der
Beweggründe (Determinanten) zu betrachten. Im Ideal- vier Motivationsaspekte fun, love, money und glory er-
fall verknüpft ein Untersuchungskonzept beide Aspek- füllt sein muss, um die Bereitschaft zur Mitwirkung an

entscheiden wir
te miteinander. sogenannten Mobile-Crowdsourcing-Konzepten mit-

WISSEN
Es gibt verschiedene Methoden, um das mensch- tels App zu generieren. Ein weiterer Nachteil des Ein-
liche Verhalten oder dessen Determinanten subjektiv satzes von Apps ist, dass Personen ohne Smartphone
oder objektiv zu messen. Zu den erstgenannten zählen mit dieser Methode nicht erreicht werden können,
Befragungen in schriftlicher (wie Fragebögen oder sodass zum momentanen Zeitpunkt noch keine App

uns im Alltag häufig


Wegetagebücher) oder mündlicher Form (wie Inter- existiert, die geeignet ist, um repräsentative Mobili-
views). Vorteile dieser Methoden sind, dass mit ihnen tätserhebungen durchzuführen.
alle Aspekte eines Themas abgehandelt und sie auf die
jeweilige Zielgruppe zugeschnitten werden können. Welche Erhebungsmethoden spielten im
Schriftliche Befragungen profitieren zudem von der Reallabor für nachhaltige Mobilitätskultur

für ein Verhalten,


Anonymität der Befragten. Handelt es sich um eine eine Rolle, um aktives Mobilitätsverhalten
Online-Befragung, ist dies in der Regel kostengünstig zu erfassen?
und erste Ergebnisse liegen meist schnell vor. Die Im Rahmen des RNM wurden verschiedene der ge-
Ergebnisse können allerdings aufgrund von Erinne- nannten Methoden angewandt. So kam ein Online-
rungsproblemen verfälscht werden. Auch Verzerrun- Fragebogen zum Einsatz, um die Determinanten des

das diesem Wissen


gen durch soziale Erwünschtheit sind in solchen Mobilitätsverhaltens zu erfassen. Das Verhalten wurde
Selbstberichten möglich. zunächst über den Fragebogen erhoben. Bei einem
Als objektive Erhebungsmethoden können Schritt- kleinen Teil der Personen, die den Fragebogen beant-
zähler, Beschleunigungssensoren und Sensoren für wortet hatten, wurde außerdem eine detailliertere Un-
psycho-physiologische Parameter eingesetzt werden. tersuchung des Mobilitätsverhaltens vorgenommen.

widerspricht.
Zur parallelen Verwendung bietet sich außerdem die Hierfür wurden die Versuchspersonen über die Dauer
Methode des Lifeloggings mittels Kamera an, die im von sieben Tagen mit einem Beschleunigungssensor
Sekundentakt Bilder aus der Ich-Perspektive auf- ausgestattet, zudem erfassten sie alle Wege in einem
nimmt. Hiermit oder durch das parallele Führen eines analogen Wegetagebuch.
Wegetagebuchs können im Datensatz der Bewegungs- Zudem wurde im Rahmen des RNM eine Smart-
sensoren nachträglich die Episoden identifiziert wer- phone-App für Android-Geräte entwickelt, die das Mo-
den, in welchen die Versuchspersonen Wege von A bilitätsverhalten objektiv erfasst. Per GPS-Tracking
nach B zurückgelegt haben und wann sie sich bei- können die gewählten Routen von Versuchspersonen
spielsweise in ihrer Wohnung bewegten. Eine weitere nachvollzogen werden und über die Gyroskopie und
52 objektive Methode stellt das Smartphone-Tracking die Beschleunigungssensoren werden die verwendeten
Verkehrsmittel identifiziert. Von Bedeutung für diese meinen Teil dazu beizutragen, Klimaziele zu errei- Die Wiederholung der einmal erprobten Handlung Sowohl die Determinanten, die unserem Verhalten zu-
App war das Erfassen von intermodalen Routen, das chen, indem ich bewusst meine Wege ganz allgemein beschreibt einen nächsten Schritt zur Aufrechter- grunde liegen, als auch das Verhalten selbst lassen sich
heißt solchen Wegen, die aus einer Kombination von und Autofahrten sowie Flugreisen im Besonderen haltung der langfristigen Verhaltensänderung. Die mit wissenschaftlichen Methoden messen. Dabei wird
Verkehrsmitteln bestehen, und deren Komfort- reduziere. Maßnahmen der Bewusstseinsbildung ent- Verstetigung des intendierten Verhaltens führt zu neu- zwischen subjektiven und objektiven Erhebungsme-
bewertung durch Versuchspersonen. Insbesondere der falten in diesem Stadium der Verhaltensänderung ihre er Gewohnheit, das heißt zur Stabilisierung des thoden unterschieden, die unterschiedliche Vorteile
Datenschutz stellte sich für dieses Projekt als Heraus- initiale Kraft, beispielsweise durch die Anregung eines Verhaltens. und Herausforderungen mit sich bringen. Im Real-
forderung dar. Allerdings weniger in der App-Gestal- öffentlichen Diskurses, der auch moralische Aspekte In jedem Stadium dieses Verhaltensveränderungs- labor spielten in diesem Kontext Online-Fragebögen,
tung als in den Details der Auswahl eines geeigneten aufgreift und subjektiv anspricht. prozesses können unterschiedliche Anreize gesetzt Beschleunigungssensoren, Wegetagebücher und eine
Servers und der dazugehörigen Dienstleistungen. Die In einem zweiten Schritt wird das neue Verhalten werden, die den Menschen den nächsten Schritt er- Smartphone-App eine Rolle.
hohen Anforderungen waren im zeitlichen und finan- vorbereitet. Zu den formulierten Absichten werden in leichtern. Die heutige Motivationsforschung erklärt Auf Basis des gewonnenen Wissens können an-
ziellen Projektrahmen nicht zu gewährleisten, sodass diesem Stadium mögliche konkrete Verhaltensände- menschliches Verhalten als Resultat einer Wechselbe- schließend materielle und immaterielle, positive und
kein Testlauf mit der entwickelten App durchgeführt rungen analysiert. Welche Wege kann ich gänzlich ziehung zwischen Merkmalen der Person (wie Einstel- negative externe Anreize entwickelt werden, die Perso-
werden konnte. reduzieren? Für welche Zwecke und Zielorte kann ich lung oder Intention) und Merkmalen der Situation nen in unterschiedlichen Stadien der Bereitschaft zur
auf andere Verkehrsmittel umsteigen? Wie häufig fah- (Rheinberg, 2008). Die Merkmale der Situation werden Verhaltensänderung ansprechen. Die Bildung von Ver-
Welche Anreizmodelle können nachhaltiges ren Busse und Bahnen? Wieviel kostet es, von A nach B auch Anreize genannt (Nerdinger, 1995). haltensabsichten (Intentionen) spielt dabei eine zen-
Mobilitätsverhalten beeinflussen? zu gelangen? Die Wissensgenerierung wird in diesem Es gibt traditionelle Klassifizierungen von An- trale Rolle und kann unter anderem durch Bewusst-
ANREIZMODELLE FÜR EIN NACHHALTIGES MOBILITÄTSVERHALTEN

Zunächst stellt sich die Frage, für welches Verhalten Stadium aktiv fortgesetzt, indem die Person sich selbst reizmodellen, beispielsweise nach Wirkungsrichtung seinsbildungsmaßnahmen und Möglichkeiten zum
Anreize geschaffen werden sollen. Es ist also ein ge- informiert. (positive und negative Anreize), nach Anreizobjekt unverbindlichen Ausprobieren alternativer Mobilitäts-
meinsames Zielbild darüber notwendig, welches Ver- Anschließend werden die neuen Optionen auspro- (materielle und immaterielle Anreize) oder nach An- optionen ausgelöst werden. Genau in  diesem Bereich
halten als wünschenswert betrachtet wird. So vielfältig biert, also die ursprüngliche Intention in eine Hand- reizquellen (intrinsische und extrinsische Anreize) setzte das RNM mit der transdisziplinären Forschung
die Akteure im Kontext urbaner Mobilität sind, so lung überführt und Gewohnheiten erstmalig durch- (Heckhausen, Heckhausen, 2010; Kunz, Schröder, mittels Realexperimenten an, in denen Bürgerinnen
komplex ist es, ihre Zielvorstellungen in Einklang zu brochen. Der Zugang zu Verhaltensalternativen ist 2011; Laux, Liermann, 2005). Zu den von extern moti- und Bürger alternative Mobilitätsmittel (siehe Beiträge
bringen. Die Kommune hat beispielsweise andere Ab- dabei von großer Bedeutung. Ideale Ansatzpunkte vierenden Anreizen zählen ökonomische Anreize, wie Rotierendes Lastenrad, Bürger-Rikscha, und Mobili-
sichten als ein Automobilkonzern; eine Privatperson bilden sogenannte Gelegenheitsfenster (teachable Zeit- und Geldersparnisse oder Rabatte. Negative An- tätsschule) testen und gewohnte Mobilitätsräume auf
vertritt andere, subjektiv-geprägte Interessen als eine moments, Franke, 2001; Harms, Lanzendorf, Prillwitz, reize hingegen könnten in diesem Zusammenhang alternative Art erfahren konnten (siehe Beiträge

WISSEN
gemeinwohlorientierte Initiative. Selbst innerhalb der 2007), welche als Denk- und Handlungsanstoß für Ver- beispielsweise Strafzahlungen umfassen. Die immate- Parklets für Stuttgart und Die Stäffele-Galerie).
Akteursgruppen gibt es unterschiedliche, teils kon- haltensänderungen dienen. Zu den typischen Umbrü- riellen Anreize unterteilen sich in drei Unterbereiche:
träre Ansichten, denn meist nimmt ein Stakeholder chen einer Lebensphase, die solche Veränderungen Erstens spielerische Anreize (Gamification), die mit
unterschiedliche Rollen ein: als Individuum, das ein ermöglichen, zählen unter anderem das Erlangen des Spaß, Wettbewerb oder Spielmechanik wie Ranglisten
gewisses Mobilitätsverhalten ausübt, als soziales We- Führerscheins, der Antritt einer neuen Arbeitsstelle, oder Punktesystemen locken. Zweitens Anreize durch
sen in einer Gruppe, das anerkannt werden möchte der Umzug in eine neue Stadt oder der Eintritt ins Ren- Infrastrukturverbesserungen, beispielsweise wenn ein
oder als Vertretende des Arbeitgebers, dessen wirt- tenalter. physischer Zugang zu einem neuen Verkehrsmittel ge-
schaftlicher Erfolg gegebenenfalls mit einer bestimm- Es muss aber nicht immer eine grundlegende Ver- schaffen wird, das Design ansprechend gestaltet ist
ten Form der Mobilität eng verknüpft ist. änderung im Leben erfolgen, um das Ausprobieren oder wenn durch digitale Ergänzungen Aufgaben wie
Ganz unabhängig davon durchläuft ein Mensch alternativer Verhaltensansätze attraktiv zu machen: die Ticketbuchung verbessert werden. Und drittens
verschiedene Stadien, wenn er sein Verhalten än- Ein Lastenrad-Parcours bei einer Veranstaltung oder Anreize, die das Image im Sinne der Umweltfreund-
dert  (Transtheoretisches Modell nach Prochaska, temporär günstige Tickets für den ÖPNV regen eben- lichkeit oder der Gesundheit aufgreifen und somit
DiClemente, 1983). Wie bei manchen der eingangs ge- falls zum Ausprobieren an und generieren Erfahrungs- bestimmte Einstellungen und Werte der Zielgruppen
nannten Theorien wird davon ausgegangen, dass wissen, auf das später zurückgegriffen werden kann. ansprechen.
zunächst eine Absicht (Intention) gebildet wird, das Emotionen spielen eine wichtige Rolle dafür, ob an-
eigene Verhalten zu ändern. Dies geschieht, wenn sich schließend der Entschluss gefasst wird, das neue An- Zusammenfassung
die eigene Einstellung gegenüber einer Lösung oder gebot zukünftig häufiger zu nutzen. Solche Möglich- Wir nutzen bestimmte Mobilitätsformen, weil wir bei-
einem Verhalten verändert. Ein möglicher Auslöser keiten des Ausprobierens und Experimentierens mit spielsweise eine positive Einstellung zu ihnen haben,
dafür kann ein bestimmtes Ereignis sein, das die Kon- alternativen Verhaltensoptionen werden durch die weil wir uns gut dabei fühlen, weil wir an ihre Nutzung
sequenzen des eigenen Verhaltens präsent macht. Menschen aktiv gesucht, wenn Handlungsabsichten gewohnt sind, weil sie unseren Normen und Werten
Eine konkrete Erkrankung kann hier ebenso aus- bereits gebildet und vorbereitet wurden. Gleichzeitig entsprechen oder weil wir durch unser soziales Umfeld
schlaggebend sein wie eine intensive Diskussion mit können Menschen, die sich noch vor der Intentionsbil- Zustimmung erhalten, wenn wir sie nutzen. Um Stra-
Freunden oder das Sehen eines Dokumentarfilms. Die dung befinden, adressiert werden, indem sie mit dem tegien zu entwickeln, die das menschliche Verhalten
Auswirkung ist die Auseinandersetzung mit der Frage: Angebot überrascht und positiv beeindruckt werden. aktiv in Richtung einer nachhaltigen Mobilität beein-
Will ich mit diesen Konsequenzen leben oder dafür Auf diese Weise ändert sich möglicherweise die Ein- flussen, bedarf es erstens einer gemeinsamen Zielvor- Hinweis: Dieser Beitrag ist eine verkürzte und veränder-
verantwortlich sein? Ich nehme mir also zunächst vor, stellung zum Radfahren und es wird der Entschluss stellung dazu, welches Verhalten als wünschenswert te Fassung folgenden Artikels: Heydkamp und Knorr
dass ich gesünder leben möchte und schließe daraus, betrachtet wird. Zweitens benötigen wir Erkenntnisse (2017) Denkanstöße für alternative Mobilitätsressourcen
gefasst, dies häufiger zu tun oder ein Lastenrad Probe
der Babyboomer. Der ausführliche Forschungsbericht
dass ich deshalb häufiger zu Fuß gehen oder mit dem zu fahren. darüber, wie wir uns tatsächlich verhalten und warum
54 Fahrrad fahren sollte. Oder ich fasse den Entschluss, wir dies tun.
kann unter folgendem Link heruntergeladen werden:
r-n-m.net › ergebnisse 55
Literatur Lee, C.S., Anand, V., Han, F.,
Kong, X., Goh, D.H.-L. (2016):
Ajzen, I. (1991): „The theory of „Investigating the Use of a
planned behavior“. In: Organi- Mobile Crowdsourcing Applica-
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Menschlicher Maßstab
Schulstraße, Stuttgart-Mitte

56
GEMEINSAM
EXPERIMENTIEREN 
Gesellschaftlichen Wandel gestalten und verstehen
Rainer Kuhn, Sophia Alcántara, Doris Lindner, Eric Puttrowait und Marco Sonnberger

R
eallabore als ein Beteiligungsformat haben wesentlichen methodischen Elementen eines Real-
das Potenzial, die Veränderung der Alltags- labors und gelten als eine hybride Form des Experi-
ANREIZMODELLE FÜR EIN NACHHALTIGES MOBILITÄTSVERHALTEN

kultur in Richtung Nachhaltigkeit aktiv mentierens. Im Vergleich mit anderen Formen des
voranzubringen. Indem sie unterschied- Experimentierens (beispielsweise Feldbeobachtung,
liche  Akteure zusammenbringen, können durch eine Laborexperiment oder ökologische Implementierung)
lösungsorientierte Zusammenarbeit vorhandene Bar- lassen sich Realexperimente zwischen den Polen der
rieren, wie beispielsweise zwischen Zivilgesellschaft Wissensanwendung und der Wissenserzeugung sowie
und Verwaltung, aufgebrochen werden. Der Anspruch, zwischen der Rekonstruierbarkeit von Randbedingun-
bestehende Lebenswelten im Sinne einer nachhalti- gen und einer situationsspezifischen Ausprägung von
gen Entwicklung zu verändern, kann mit dem Partizi- Randbedingungen verorten (vgl. Groß et al. 2005: 19).
pationsverständnis eines emanzipatorischen, demo- So finden sie nicht wie Laborexperimente in geschlos-

WISSEN
kratietheoretischen Konzeptes verknüpft werden, wel- senen Systemen unter kontrollierten Bedingungen
ches darauf abzielt, machtferne Gruppen zu befähigen statt, sondern in einem realweltlichen Kontext, in dem
und zu beteiligen (vgl. Alcántara et al. 2018). Übertra- sich verschiedene, nicht oder nur teilweise kontrollier-
gen auf die Arbeit in Reallaboren kann dies die aktive bare Einflüsse auf den Verlauf eines Realexperimentes
Förderung und Vernetzung von so genannten „Pio- auswirken können. Daraus ergeben sich oftmals un-
nieren des Wandels“ bedeuten. Damit sind Individuen vorhergesehene Wendungen und Ereignisse (im Sinne
oder zivilgesellschaftliche Initiativen gemeint, die unintendierter Handlungsfolgen, vgl. Giddens 1984),
einen Beitrag zur Entwicklung und Etablierung neu- die auf bisher nicht bedachte Möglichkeiten und Her-
artiger Verhaltensweisen in verschiedenen Bereichen ausforderungen verweisen. Realexperimente bieten
der Nachhaltigkeit leisten (vgl. Kristof 2010) und dabei somit die Möglichkeit, Innovationen zu erproben und
häufig Nischen besetzen. Als Initiatoren und Initiato- ihre realweltlichen Auswirkungen zu erfassen und zu
rinnen wirken die Pioniere oftmals in kleinerem Maß- analysieren. Solche Innovationen können neuartige
stab (vgl. WBGU 2011: 9). Für die Verbreitung ihrer soziale Praktiken (z. B. Urban Gardening), aber auch
Ideen sind sie allerdings auf Multiplikatoren und neue Technologien, Produkte und Prozesse (z. B. Apps,
Multiplikatorinnen angewiesen. Reallabore wirken E-Rikschas oder Partizipationsformate) sein, die sich
sich durch entsprechende Vernetzungsaktivitäten und auf die Alltagskultur auswirken. Insgesamt stellt das in
eine aktive Unterstützung dieser zivilgesellschaft- Realexperimenten erworbene Erfahrungswissen einen
lichen Akteure unmittelbar auf deren alltägliches Innovationsvorrat dar, der die Alltagskultur bereichern
Lebensumfeld und das der Multiplikatoren und Multi- und strukturelle Veränderungen anstoßen kann.
plikatorinnen aus (vgl. Grießhammer, Brohmann 2015). Im Hinblick auf Ausgestaltung, Verlauf und inhalt-
Auf diese Weise wird gesellschaftlicher Wandel im liche Schwerpunkte können Realexperimente sehr
Rahmen von Reallaboren nicht nur beobachtet und vielfältig sein. Bisher existiert allerdings noch keine
analysiert, sondern immer auch aktiv vorangetrieben allgemein anerkannte Typologie, die Realexperimente
und gestaltet (vgl. Wagner, Grunwald 2015). anhand bestimmter Charakteristika systematisch un-
terscheidet. Ebenso wenig existiert eine umfassende
Realexperimente als Forschungsmethode Definition von Realexperimenten, welche alle Aspekte
Um Veränderungen anstoßen und beobachten zu kön- abdeckt. In der Literatur werden stattdessen Bedin-
nen, werden in Reallaboren häufig Realexperimente gungen, Wirkungsweisen und Herausforderungen bei
58 durchgeführt. Realexperimente gehören damit zu den der Durchführung von Realexperimenten beschrieben, 59
Abb. 1 Heuristik zur Beschreibung und
Evaluation von Realexperimenten
Wirkmechanismen
Bei der gemeinsamen
Durchführung von
Realexperimenten
Auswahl Beschreibungs- Durchführung Erfolgskriterien
kriterien kriterien

wie beispielsweise in der nachfolgenden Definition Kriterien für ‚gute Reallabore‘ gehören also zu zwei
können gesellschaft-
liche Diskurse ange-
von Best und Roose: „Ein Realexperiment meint ana- Gruppen: 1. Transformationserfolge in der Praxis,
log, dass mit innovativen Technologien, Infrastruk- 2.  Gewinnung verallgemeinerbaren wissenschaftli-
GEMEINSAM EXPERIMENTIEREN

turen, neuen Lebensstilen und andersartigen Wohl- chen Wissens“ (Wagner, Grunwald 2015: 39).
standskonzepten experimentiert wird, deren Erfolg Im Rahmen des Reallabors für nachhaltige Mobili-
aber nicht sicher prognostizierbar ist. Anders als beim tätskultur (RNM) wurden unterschiedliche Elemente

regt, neue Alltags-


planvollen Implementieren ist hier keine bloße Legiti- und Kriterien identifiziert, die für die Beschreibung

WISSEN
mation und Akzeptanz gefragt, sondern aktive Partizi- und Evaluation eines Realexperiments sowohl aus
pation und Kontroverse“ (Best, Roose 2014: 3). wissenschaftlicher als auch aus praxisbezogener Per-
spektive von Bedeutung sind. Diese Elemente und

routinen erprobt und


Evaluation von Realexperimenten Kriterien sind in Abb. 1 in ihren Zusammenhängen
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Pra- schematisch dargestellt.
xisakteurinnen und -akteure nehmen aufgrund ihrer Die einzelnen Beschreibungskriterien waren für
Verortung in verschiedenen Systemen unterschied- alle Realexperimente im RNM identisch und dienten
liche Perspektiven und Prioritätensetzungen im Hin- dazu, die einzelnen Realexperimente zu systemati-

daraus Erkenntnisse
blick auf die Realexperimente ein. Um diesen Blick- sieren und eine gemeinsame Grundlage für einen
winkeln gerecht zu werden, bedarf es eines begriffli- anschließenden Vergleich zu schaffen. Die Auswahl-
chen Instrumentariums zur Beschreibung und Bewer- kriterien als Teil der Beschreibungskriterien bildeten
tung von Realexperimenten, das sowohl die Perspektive den wesentlichen Bestandteil des Leitfadens anhand
der Praxis als auch die der Wissenschaft einbezieht. dessen die durchzuführenden Realexperimente von

für Politik und Ver-


Für die wissenschaftliche Betrachtung ist es wichtig, einer transdisziplinär besetzten Jury ausgewählt wur-
dass die Realexperimente differenziert erfasst und ihre den. Dieser Leitfaden ermöglichte es, eine erste
Wirkungen wissenschaftlich reflektiert werden kön- Qualitätssicherung vorzunehmen und insgesamt eine
nen. Praxisakteurinnen und -akteure hingegen sind möglichst breite Diversität an Realexperimenten zu
weniger an den zugrundeliegenden Wirkmechanis- initiieren. Während die Auswahl- und Beschreibungs-

waltung abgeleitet
men, sondern eher an Erfolgskriterien beziehungs- kriterien eher am Anfang des Forschungsprozesses
weise am tatsächlichen Erfolg oder Misserfolg des zum Einsatz kamen, zielten die Erfolgskriterien darauf
Realexperiments interessiert. Um die unterschiedli- ab, die Transformationserfolge der Realexperimente
chen Vorstellungen von der Definition und Evaluation während und nach ihrer praktischen Umsetzung zu er-
eines erfolgreichen Realexperiments zu verdeutlichen, fassen und zu bewerten. Daher wurden sie in so

werden.
sprechen Wagner und Grunwald von „Qualitäts- und genannten Transformationsworkshops im Sinne des
Erfolgskriterien: Forschung in Reallaboren muss Co-Designs gemeinsam mit den beteiligten zivilgesell-
einerseits die disziplinäre Qualität sichern, anderer- schaftlichen Praxisakteurinnen und -akteure entwi-
seits zusätzliche Standards und Kriterien aufnehmen, ckelt. Bei diesen Transformationsworkshops wurden
die durch Co-Design, Co-Produktion und die Ausrich- den Praxisakteurinnen und -akteure auch Kenntnisse
60 tung auf transformative Problemlösungen entstehen. über wissenschaftliche Methoden vermittelt, so dass
sie auf diesem Wege in die Evaluation und die Aus- kann. Gerade Realexperimente könnten sich durch ih- Verbesserung der Lebensqualität ihrer Umgebung neue Weise zu reaktivieren sowie neue Möglichkeiten
wertung der Realexperimente eingebunden werden ren alltagsweltlichen Bezug als geeignetes Instrument beteiligen und ihre Ideen dazu einbringen möchten. der Fortbewegung zu nutzen. Durch das Zusammen-
konnten. Zur Systematisierung von Realexperimenten erweisen, um entsprechende Wirkmechanismen zu Um eine nachhaltige Alltagskultur und umweltfreund- spiel wissenschaftlicher und zivilgesellschaftlicher
im Sinne der wissenschaftlichen Verallgemeinerbar- identifizieren, zu beforschen und zu erproben. Auf licheres Verhalten zu befördern, bedarf es Beteili- Akteure bei der gemeinsamen Durchführung von Real-
keit wurden zudem Wirkmechanismen als analyti- Grundlage gängiger Theorien zum Themenkomplex gungsmöglichkeiten wie Reallaboren, die eine tatsäch- experimenten können gesellschaftliche Diskurse an-
sches Element in das Konzept integriert. Aus wissen- Verhaltensgewohnheiten und Verhaltensänderung liche Mitgestaltung der eigenen Lebenswelt erlauben. geregt, neue Alltagsroutinen erprobt und daraus
schaftlicher Perspektive ist es von besonderer Bedeu- können folglich auf Basis wissenschaftlicher Literatur Die Möglichkeiten und Ideen, die Menschen dabei ein- wiederum Erkenntnisse für Politik und Verwaltung
tung, die Wirkmechanismen, die Realexperimenten unterschiedliche Wirkmechanismen identifiziert wer- bringen können, sind vielseitig und beinhalten bei- abgeleitet werden. Im besten Fall wird auf diese Weise
zugrunde liegen, in den Blick zu nehmen, um die in- den, die die Verbreitung nachhaltiger Verhaltensmus- spielsweise Tätigkeiten wie Nachbarschaften zu ver- ein gemeinschaftlicher Lernprozess im Wechselspiel
tendierten und nicht-intendierten Wirkungen, die sich ter befördern können. Diese werden im Folgenden in netzen, Werkzeuge und andere Dinge zu teilen oder von Handeln und Wissen möglich, der den Wandel der
aufgrund von sozialen, psychologischen, kulturellen, aller Kürze skizziert: selbst zu reparieren, urbane Gärten zu pflegen, Brach- Gesellschaft aus sich selbst heraus anzustoßen
soziotechnischen und weiteren Prozessen ergeben, • Bewusstseinsbildung (vgl. Abrahamse, Matthies flächen oder zeitweise leerstehende Immobilien auf vermag.
verstehen und nachvollziehen zu können. Eine inten- 2010; Michelsen, Fischer 2017; Kuckartz, Schack
dierte Wirkung meint dabei, dass sie bereits im Vorfeld 2002): Hier basiert die Wirkung von Realexperimen-
des Realexperimentes „geplant“ war, während nicht- ten auf Prozessen der Bewusstseinsbildung bzw.
intendierte Wirkungen erst während des Verlaufes Einstellungsänderung (z. B. Bewusstmachung von
eines Realexperimentes sichtbar werden. Folglich Energieverbräuchen und damit assoziierten
wurden die intendierten Wirkmechanismen vor der CO2-Emissionen durch die Bereitstellung entspre-
Durchführung eines Realexperimentes bestimmt, chender Informationen).
Literatur: Fuchs, D. A., Lorek, S. (2005): Kennedy, E. H., Cohen, M. J., Schneidewind, U., Singer-
während die nicht-intendierten Wirkmechanismen • Empowerment (vgl. Cardigo, Rita 2011; Thøgersen
„Sustainable Consumption Krogman, N. (Hg.) (2015): Brodowski, M. (2014): Transfor-
erst im Laufe oder nach der Durchführung identifiziert 2005; Adams 2008): Hier entfalten Realexperimente Abrahamse, W., Matthies, E. Governance. A History of Putting sustainability into mative Wissenschaft. Klimawan-
GEMEINSAM EXPERIMENTIEREN

wurden. Eine auf diese Weise erzielte Verallgemeiner- alltagsweltliche Wirkung, indem sie Personen dazu (2010): „Informational strategies Promises and Failures“. In: practice. Applications and del im deutschen Wissenschafts-
barkeit der Wirkungen von verschiedenen Realexperi- befähigen, bestimmte Handlungen (wieder) selbst- to promote pro-environmental Journal of Consumer Policy, 28 advances in research on und Hochschulsystem. 2. leicht
behaviour: Changing knowledge, (3): 261–288. sustainable consumption. verbesserte und aktualisierte
menten weitet den Blick für entsprechende Anwen- ständig auszuführen (z. B. Einführung eines E-Rik- awareness and attitudes“. In: Cheltenham: Edward Elgar Auflage, Marburg: Metropolis.
dungs-, Verstetigungs- und Skalierungspotenziale. scha-Services, um Bewohnern und Bewohnerinnen

WISSEN
Steg, L., van den Berg, A.E., Giddens, A. (1984): The Constitu- Publishing.
von Altersheimen individuelle Mobilität zu ermög- de Groot, J.I.M. (Hg.): Environ- tion of Society. Outline of the Sunstein, C. R., Reisch, L. (2014):
mental psychology. An introduc- Theory of Structuration. Kuckartz, U., Schack, K. (2002): „Automatically Green: Behavioral
Realexperimente wirken, aber wie? lichen). tion. Chichester: Wiley: 223–232. Cambridge: Polity Press. Umweltkommunikation gestal- Economics and Environmental
Die Frage, wie bestimmte, nicht-nachhaltige Verhal- • Implementation von Innovationen (vgl. Jaeger- ten. Eine Studie zu Akteuren, Protection“. In: Harvard
tensmuster zustande kommen und wie sie sich verän- Erben et al. 2015; Rückert-John 2013; Rogers 2003): Grießhammer, R., Brohmann, B.
Alcántara, S., Quint, A., Seeba- Rahmenbedingungen und Ein- Environmental Law Review, 38
(2015): Wie Transformationen
cher, A. (2018): „Der Partizipati- flussfaktoren des Informationsge- (1): 127–158.
dern und nachhaltiger gestalten lassen, wird in den Hier entsteht die alltagsweltliche Wirkung dadurch, onsmythos ‚Partizipation in und gesellschaftliche Innovatio- schehens; mit Checklisten für die
Sozialwissenschaften bereits lange und umfassend dass im Rahmen von Realexperimenten soziale Reallaboren muss repräsentativ nen gelingen können. Transfor- praktische Arbeit. Opladen: Thaler, R. H., Sunstein, C. R.
diskutiert (einen Überblick über den Stand der For- oder technische Innovationen implementiert wer- mationsstrategien und Models of
sein‘“. In: Defila, R.; Di Giulio, A. Leske und Budrich. (2009): Nudge. Improving
(Hg.): Transdisziplinär und Change für nachhaltigen gesell- decisions about health, wealth
schung geben beispielsweise die folgenden Sammel- den, die den Beteiligten dabei helfen, bestimmte transformativ forschen. Eine schaftlichen Wandel. Umwelt- Michelsen, G., Fischer, D. (2017): and happiness. London: Penguin
bände: Huddart Kennedy et al. 2015; Cohen, Murphy Handlungen auf nachhaltigere Weise auszuführen Methodensammlung. Wiesbaden: bundesamt (Hg.), Dessau-Roß- „Sustainability and Education“. Books.
2001; Jackson 2006; Reisch, Røpke 2004). Auch wenn (z. B. Bereitstellung von Lastenrädern für den Trans- Springer VS. lau. https://www.umweltbundes In: Michael von Hauff und Clau-
amt.de/sites/default/files/ dia Kuhnke (Hg.): Sustainable Thøgersen, J. (2005): „How May
dieses Thema seit längerem auf der Forschungsagenda port von schweren Gegenständen). Adams, R. (2008): Empowerment, medien/376/publikationen/ development policy. A European Consumer Policy Empower
steht, gibt es bis heute weder ein „soziologisches“ noch • Veränderungen von Rahmenbedingungen (vgl. participation and social work. wie_transformationen_und_ perspective. London: Routledge: Consumers for Sustainable Life-
ein „psychologisches“, „ökonomisches“ oder irgendein Sunstein, Reisch 2014; Thaler, Sunstein 2009; Willke Fourth edition. Basingstoke, gesellschaftliche_innovationen_ 135–158. styles?“ In: Journal of Consumer
New York: Palgrave MacMillan. gelingen_koennen.pdf Policy, 28 (2): 143–177.
anderes Patentrezept, auf dessen Basis wirkungsvolle 2005): Hier werden durch Realexperimente hand- Reisch, L. A., Røpke, I. (Hg.)
Governanceinstrumente und policy mixes zur Verän- lungsbezogene Rahmenbedingungen verändert, Cardigo, C., Rita, P. (2011): „Fos- Groß, M., Hoffmann-Riem, H., (2004): The Ecological Economics Wagner, F., Grunwald, A. (2015):
derung nicht-nachhaltiger Verhaltensmuster entwi- sodass in einer bestimmten Handlungssituation auf tering Sustainable Consumption Krohn, W. (2005): Realexperi- of Consumption. Cheltenham, „Reallabore als Forschungs- und
Practices Through Consumer mente. Ökologische Gestaltungs- Northampton: Edward Elgar. Transformationsinstrument. Die
ckelt werden könnten (Fuchs, Lorek 2005). Aufgrund indirekte Weise andere Handlungsalternativen Empowerment“. In: European prozesse in der Wissensgesell- Quadratur des hermeneutischen
der Komplexität von Alltagskultur und der darin ein- nahegelegt werden (z. B. Verknappung des Park- Advances in Consumer Research, schaft. Bielefeld: transcript. Rogers, E. M. (2003): Diffusion of Zirkels“. In: GAIA Ökologische
gebetteten Verhaltensmuster ist es allerdings auch platzangebotes durch Parklets). 9: 502–503. Innovations. 5. Aufl. New York, Perspektiven für Wissenschaft
Jackson, T. (Hg.) (2006): The London, Toronto, Sydney: The und Gesellschaft, 24 (1): 26–31.
äußerst fraglich, ob ein solches Patentrezept über- Die intendierten und nicht-intendierten Wirkmecha- Cohen, M. J., Murphy, J. (Hg.) Earthscan Reader in Sustainable Free Press.
haupt existieren kann. Nichtsdestotrotz besteht sei- nismen der einzelnen Realexperimente des RNM sind (2001): Exploring Sustainable Consumption. London, Sterling: Willke, H. (2005): Interventions-
tens der Entscheidungsträger und Entscheidungsträ- in den entsprechenden Texten in diesem Band doku- Consumption: Environmental Earthscan. Rückert-John, J. (Hg.) (2013): theorie. Grundzüge einer Theorie
Policy and the Social Sciences. Soziale Innovation und Nachhal- der Intervention in komplexe Sys-
gerinnen aus Politik und Verwaltung aufgrund der ak- mentiert. Amsterdam: Elsevier. Jaeger-Erben, M., Rückert-John, tigkeit. Perspektiven sozialen teme. 4., überarbeitete Auflage.
tuellen sozial-ökologischen Herausforderungen eine J., Schäfer, M. (2015): Wandels. Wiesbaden: Springer Stuttgart: Lucius & Lucius.
große Nachfrage nach Methoden und Maßnahmen, Reallabore als ein Weg zu einer nachhaltigen „Sustainable consumption VS.
through social innovation. A
um alltägliche Verhaltensmuster nachhaltiger zu ge- Alltagskultur typology of innovations for sus-
stalten. Trotz der komplexen Problemstellung bieten Es hat sich im Rahmen des Reallabors für nachhaltige tainable consumption practices“.
einige evidenzbasierte Ansätze Möglichkeitsfelder, in Mobilitätskultur gezeigt, dass eine Vielzahl von Per- In: Journal of Cleaner Produc-

62 denen ein nachhaltiges Verhalten gefördert werden sonen existiert, die sich zunehmend aktiv an der
tion, 108: 784– 798.
63
REALEXPERIMENTE 65

PARKLETS FÜR
STUTTGART

Wem gehört der öffentliche Raum? Wer bestimmt


über dessen Nutzung? Wie kann in einer engen,
zugeparkten Stadt öffentlicher Raum zurück-
gewonnen werden? Wie wirkt sich die Gestaltung
des öffentlichen Raumes auf das Mobilitäts-
verhalten aus? Welche Möglichkeiten kann die
Stadt schaffen, um Parkraum für Autos in Raum
für die Öffentlichkeit zu verwandeln?
66 REALEXPERIMENTE PARKLETS FÜR STUTTGART 67

Ein Parklet ist eine Erweiterung unterschiedlichen Gruppen genutzt wer-


des Fußwegs durch die Umgestaltung von den können. Parklets, die besonders gut
Auto-Stellplätzen zu attraktiven Aufent- angenommen wurden, können zu einer
haltsorten. Dabei wird die erhebliche ständigen Veränderung vor Ort beitragen
Inanspruchnahme von öffentlichem Raum sowie auf andere Orte übertragen werden.
durch parkende Autos thematisiert Das Realexperiment „Parklets für
und in Frage gestellt. In Stuttgart wurden Stuttgart“ arbeitete mit wahrnehmbaren
im Sommer 2016 elf unterschiedliche Veränderungen im Stadtbild und führte
Parklets in mehreren Stadtteilen für zu einer diskursiven Auseinandersetzung
drei Monate aufgebaut. Die Interventionen mit der Frage, wer welchen Anspruch auf
variierten von Sitzgelegenheiten den öffentlichen Raum hat. So wurde eine
über Spielplätze oder Urban-Gardening- kontroverse Diskussion auf unterschiedli-
Flächen bis hin zu Stellplätzen und chen medialen Kanälen wie Facebook,
Ladestationen für Fahrräder. So entstan- Online- und Printmedien angestoßen,
den Treffpunkte im Freien, an denen sich deren Fokus auf dem Umgang mit knap-
ohne Konsumzwang Bekannte verabre- pem Raum in verdichteten Innenstadt-
den und Fremde begegnen konnten. gebieten lag. Dabei tauschten die Befür-
„Patinnen und Paten“ wie beispielsweise wortenden und Ablehnenden der Parklets
benachbarte Bürgervereine oder Argumente aus: Auf der einen Seite domi-
Geschäfte übernahmen die Pflege eines nierten Klagen über unzureichenden
Parklets und somit Verantwortung für ein Parkraum, und auf der anderen Seite
kleines Stück öffentlichen Raums. wurde die Ungerechtigkeit thematisiert,

Was wir brauchen, sind nicht Abhängig vom Standort und der jeweiligen
Gestaltung wurden manche der Parklets
welche durch die Priorität von Autos
bei der Verteilung des öffentlichen Rau-

mehr Parkplätze,
täglich genutzt und boten somit eine mes entsteht. Eine Analyse von Presse-
verbesserte Aufenthaltsqualität im öffent- artikeln, Beschwerden und Kommentaren
lichen Raum, die das soziale Leben vor Ort in den sozialen Medien gab Aufschluss

sondern mehr Flächen bereichert hat. Auch wenn viele Parklets


vor Cafés oder ähnlichen Angeboten stan-
über die verschiedenen Meinungen
und Argumente sowie über die Entwick-

zum Leben! den, wurde deutlich kommuniziert, dass


sie Teil des öffentlichen Raumes und
damit für alle nutzbar sind. Aufgrund
lung der öffentlichen Wahrnehmung
des Themas über die Dauer des Realexpe-
rimentes hinweg.
Kommentar zu einem Online-Artikel der Stuttgarter Zeitung der unterschiedlichen Gestaltungsansätze
wurden je nach Parklet andere Ziel-
gruppen angesprochen: Kinder, Nachbar-
schaft, Einkaufende von ansässigen
Geschäften, Seniorinnen und Senioren,
Autofahrerinnen und -fahrer und so
weiter. Grundsätzlich sollten sie aber von
68 REALEXPERIMENTE PARKLETS FÜR STUTTGART 69
70 REALEXPERIMENTE PARKLETS FÜR STUTTGART 71

PATEN WIRKUNG Im Realexperiment Parklets für öffentlichen Diskussion und einer Verbrei-
Kahma
H&F Bäckerei
Galao
AARON Stuttgart sollte eine Irritation des tung der Idee beitrug. Dadurch, dass
SCHIRRMANN
Gerberviertelverein
Yoga Vidya „STADTLÜCKEN“
Status Quo durch eine (temporäre) An- die Parklets überdies eine Plattform und
Kauf Dich Glücklich!
Haargut und Silberfaden HANNES passung der gesetzlichen Rahmen- einen Ort des Austauschs für nachbar-
Das Lehen ROCKENBAUCH
Lumen bedingungen erreicht werden. Da Parklets schaftliche Interaktion boten, führte der
Plattsalat e.V.
vor Durchführung des Reallabors nicht neue Sozialraum besonders beim Parklet
genehmigungsfähig waren, sollte durch der Casa Schützenplatz zur Ermächtigung
den Test der Parklets im Stadtraum dieser der Nachbarschaft. Diese organisierte sich

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KONRAD

Vorträg
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ZERBE
Status Quo geändert werden. Um die im Umfeld dieses Parklets und führte

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REALLABOR

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Parklets umsetzen zu können, musste das durch eine Verlängerung der Genehmi-

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FÜR NACHHALTIGE

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Amt für öffentliche Ordnung Ausnahme- gung zu einer weiteren Anpassung der

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MOBILITÄTSKULTUR

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STÄDTE-
genehmigungen erstellen. Weiterhin ging Kontextbedingungen, was sich auch

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NETZWERK

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es darum, durch die Parklets eine auf andere Bezirksbeiräte übertrug. So

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„CITIES FOR

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Wissenschaftliche
Auswertung
MOBILITY“ Ko
or STUDIERENDE Entwurf und
Parklets
Änderung des Bewusstseins der Bürge- konnten bei den Parklets neben den
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Grafik/CI
rinnen und Bürger zu erwirken, indem intendierten auch zwei (wünschenswerte)
t-
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ERIKA MAI
JULIANE
aufgezeigt werden sollte, dass der Platz, nicht-intendierte Wirkmechanismen als
Vortrag beim et
THIRDRAIL
GRAFFITI-SHOP
Welt-Kongress
Rau
WINDBIEL den parkende Pkw im Stadtraum einneh- Folge des Realexperimentes beobachtet
PARKLET- Kre mnutz
Lagerung eines Parklets
TEAM
d
Spe ite fü ungse
nde r Ein rlau
men, auch anderen Nutzungsformen werden:
Wiederaufbau eines nB k b
FLÜCHTLINGS- Zub aum auf vo nis
UNTERKUNFT
Parklets GRUPPE ALS anla ehör, V ater n Ma offenstehen könnte. Während der Kon-
STUTTGART- INITIATOREN
ge,
Wer
erle
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Get terial
rän • Empowerment: Ermächtigung von
VAIHINGEN
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UNTERSTÜTZENDE zeptionsphase konnten damit zwei inten-
Di
al
og
teri
al
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- Nachbarschaften durch Schaffung von
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Chlorolast e.V.
dierte Wirkmechanismen festgestellt
Ge ellpl

ati Firma Optiplan


Sozialräumen (Casa Schützenplatz)
St

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Werkstätten und Hausmeister der


ram ng Beschwer- werden:
hm fre

og lu Universität Stuttgart
pr spie ts den-Manage-
und Demokratisierung durch Aneigen-
igu iga

e Baustellen und Bauunternehmen


B rkle ment & Sicher-
Pa Freies Lastenrad Stuttgart
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KULTUR- heitsberatung
• Bewusstseinsbildung: Räumliche Inter- barkeit des Raumes und Bereitstellung
ba ng

Projektraum Lotte
de
Ab olu
u

OBI Feuerbach
SCHAFFENDE
r
h

AK2 Galerie
ventionen verändern die individuellen einer Plattform für Nichtautonutze-
de üllab

DJs
Café Faust
m

junges Ensemble der


Raumwahrnehmungen – dieser Prozess rinnen und -nutzer.
na errm

Musikhochschule
ch

Band
Sp

wird kommuniziert. • Kontextänderung: Verstetigung in


BÜRGERINNEN
UND BÜRGER • Kontextänderungen: Irritation des Form einer (dauerhaften) Anpassung
re
/ Status Quo durch (temporäre) Anpas- der gesetzlichen Rahmenbedingungen.
STABS- ta n
BEZIRKS-
STELLE
MOBILITÄT
en rde
m e
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sung der gesetzlichen Rahmenbedin-
BEIRÄTE Ko sch
SÜD UND
AMT FÜR
Be gungen.
WEST Prüfung der Eig
ÖFFENTLI- nung
der Stellplätze
CHE ORD-
NUNG POLIZEI Damit irritierten die Parklets die üblichen
AMT FÜR
STADTPLA-
NUNG UND STADT individuellen Raumwahrnehmungs-
STUTTGART
STADTER-
NEUERUNG prozesse, indem plötzlich auf dem Park-
Fluss von TIEFBAUAMT platz eine Sitzbank oder ein Garten
Ressourcen ABFALL-
entstanden sind. Diese neuen Räume
Information
WIRT-
SCHAFT wurden überdies unterschiedlich wahrge-
STUTTGART
Arbeitsaufwand
nommen (von „Bretterbuden“ bis „Oasen
der Ruhe“), was zu einer verstärkten
74 REALEXPERIMENTE

POTENZIALE Bei den Parklets wurde ein für eine Verstetigung sind die rechtliche
hohes Verstetigungspotenzial erkennbar. Ermöglichung, finanzielle Sicherung
Nach Abschluss des Realexperimentes sowie personelle Kapazitäten. Die Ver-
kamen verschiedene Anfragen aus der waltung der Stadt Stuttgart setzte
Stadtgesellschaft nach Umsetzung wei- sich äußert kooperativ und zuverlässig für
terer Parklets sowie Beratungsanfragen die Durchführung des Realexperimentes
an das zivilgesellschaftliche Team der ein, erließ die Genehmigung und managte

kontrovers diskutiert. Die Diskussion drehte sich dabei wie gewünscht um die Themen
Erbauerinnen und Erbauer. Auch ergaben die an sie gerichteten Beschwerden.

Die Parklets als „Stadtgespräch“: Auf unterschiedlichsten Kanälen wurde das Projekt

Parklets auf der Straße Diskussionen über die Nutzung des öffentlichen Raums an.
Flächengerechtigkeit und Stadtraumqualität. In den Nachbarschaften stießen die
sich durch zwei Anträge lokaler Bezirks- Wenn diese Kooperation auch in Zukunft
beiräte Verstetigungseffekte wie bestehen bleibt, kann eine Verstetigung
die Schaffung eines rechtlichen Rahmens, gelingen.
auch im Hinblick auf eine kommerzielle
Nutzung durch Außengastronomien.
An einem der Standorte hatte sich zudem
ein eigenständiger Verstetigungsprozess
mit einem Nachbarschaftsverein,
dem Wiederaufbau des Parklets nach
einer Winterpause und einem angekop- Dieser Beitrag ist eine gekürzte und leicht veränderte Fassung
des Kapitels „Parklets für Stuttgart“ aus Kuhn et al (2017):
pelten Urban-Gardening-Projekt entwi- Reallabor für nachhaltige Mobilitätskultur in Stuttgart –
Dimensionen eines konkreten empirischen Falles. Ein Projekt-
ckelt. Maßgebliche Rahmenbedingungen bericht. Dessau: Umweltbundesamt.

Zivilgesellschaftliche Praxispartner
Parklets für Stuttgart
Basil Helfenstein, Kristin Lazarova, Philip Wölki, Carrol Torres,
Hanka Griebenow, Sven Glatz
Koordination
SI – Städtebau Institut, Lehrstuhl Internationaler Städtebau
Raphael Dietz
Umsetzung
Architekturstudierende im Rahmen eines Entwurfsseminars
(Felix Boelcskei, Hend Elhofy, Simon Grothkopp, Felix Haussmann,
Rhabanus Kaehler, Hencong Li, Jesús Martínez Zárate, Fin Oldach,
Nikos Sousanis, Jasmin Steinmetz, Giulia Tucci, Bonny Wen),
verschiedene lokale bürgerschaftliche Akteure als Paten
Bearbeitungszeitraum
März 2016 – September 2017
Kontakt
www.parklet-stuttgart.de
Die Chancen und Heraus- URBANE STRASSENRÄUME
Ein Plädoyer für Versuche aus Perspektive der Stadtverwaltung
forderungen des Zusam- Susanne Scherz

menwirkens zwischen
Stadtverwaltung, Politik D
ie Nutzung und Gestaltung von öffentlichen oder das Parkraumwunder gehen einen Schritt weiter.
Räumen – den Straßen und Plätzen einer Die Nutzungsideen kommen primär aus der Stadtge-
Stadt – ist ein kontinuierlicher Transfor- sellschaft; sie werden von den ideengebenden Akteu-

und bürokratisch un-


mationsprozess, der aus einer gesellschaft- rinnen und Akteuren initiiert und umgesetzt. Mit tem-
lichen Diskussion um Wertvorstellungen erwächst. porären Nutzungen wird zunächst erprobt, wie Aktio-
Kontinuierlich ändern sich dadurch die Ansprüche nen wirken und angenommen werden. Mit dieser Er-
der  Nutzerinnen und Nutzer, die Nutzungen selbst probung vor Ort werden bereits Erfahrungen gewon-

erfahrenen Akteurinnen
und in Folge die Ideen und Vorgaben an die Gestaltung nen – so beispielsweise aus Rückmeldungen von Be-
der Räume. Mit dem Reallabor wurden in Stuttgart troffenen. Einsatzbereiche und Spielregeln können auf
GEMEINSAM EXPERIMENTIEREN

temporäre Aktionen ermöglicht, die aus solchen De- dieser Grundlage systemisch weiterentwickelt werden.
batten entstanden sind. Insbesondere die seit langem Die klassischen Planungs- und Genehmigungspro-

und Akteuren sind Teil


bestehende Diskussion um die Verteilung des öffent- zesse inklusive der politischen Entscheidungsfindung
lichen Raums zwischen dem (ruhenden) Kfz-Verkehr können daher in mehrfacher Hinsicht von versuchs-

WISSEN
und dem Bedarf an Aufenthalts- und Kommunika- weisen Nutzungen profitieren, wobei sich die dar-
tionsorten wurde schlicht in Form von Aktionen sicht- gestellten Vorteile zu einem fortlaufenden Prozess

eines Prozesses, dessen


bar gemacht und Lösungen erprobt. Dem Wunsch entwickeln können: Ein gesellschaftlicher und somit
nach mehr Fläche für urbane Interaktionen wurde so grundlegend bedeutsamer Dialog um die Zukunft
über eine begrenzte Zeit – als Versuch – realer Raum urbaner Räume und Stadtquartiere entsteht. Befür-
gegeben. worterinnen und Befürworter wie auch Menschen, die

Aufwand, aber auch


Planungen, mit denen eine Flächenreduktion für Nachteile durch den Entfall von Parkplätzen befürch-
den Kfz-Verkehr einhergehen, sind in der Regel von ten, begeben sich in einen – durchaus kritischen – Dia-
intensiven Diskussionen möglicher positiver wie nega- log mit der Stadtgesellschaft.
tiver Auswirkungen geprägt. Im klassischen Planungs- Die Aktionen ermöglichen eine Art Probelauf.

dessen Bedeutung nicht


prozess werden diese umfassend analysiert und mit Mit  Blick auf künftige Straßenraumgestaltungen und
den politischen Gremien sowie projektspezifisch mit -nutzungen wird somit nicht nur die Frage nach Art
Stakeholdern oder in vielfältigen Formen der Partizi- und Umfang ermöglicht. Erprobt wird auch, ob die
pation diskutiert. Der tatsächliche Mehrwert oder Ideen einen momentanen Bedarf, einen Trend oder

vernachlässigt werden
auch nachträgliche Anpassungserfordernisse werden ein konsensuales stadtgesellschaftliches Bedürfnis
letztlich mit der Umsetzung ersichtlich. Beispiele für widerspiegeln.
derartige Planungsabläufe sind zahlreich. Als promi- Die Vor- und Nachteile der einzelnen Aktionen kön-
nente Beispiele für Stuttgart sind beispielsweise die nen aus fachlicher Perspektive nicht nur prognosti-

darf.
Umgestaltung der Tübinger Straße zu einem Shared ziert, sondern analysiert werden. So können Bedarfe
Space oder der autofreie Marktplatz in Bad Cannstatt besser konkretisiert werden; Spielregeln, wie beispiels-
zu nennen. Bei herausgehobenen Projekten werden weise der Umgang mit lärmintensiven oder konkurrie-
diese Prozesse bereits heute um das Element des Ver- renden Nutzungen können aus Erfahrungswerten spe-
suchs bereichert. So wurde die Sperrung der Hofener zifisch weiterentwickelt werden.
Straße am Neckar in Stuttgart-Münster zu Gunsten des Letztlich können die bereits durchgeführten Aktio-
Radverkehrs mit einem Versuch begleitet und eva- nen zu weiterem bürgerschaftlichen Engagement in
luiert. Erst auf dieser Basis wurde der politische den Stadtquartieren führen. Der klassischerweise auf
Beschluss für eine dauerhafte Lösung getroffen. einem Top-Down-Ansatz basierende Planungs- und
Die im Kontext des Reallabors umgesetzten Projek- Entscheidungsprozess wird um einen Bottom-Up-
te, insbesondere die Parklets, die Die Stäffele-Galerie Ansatz bereichert. 77
79

WISSEN
Neben diesen Vorteilen ist bei den durchgeführten
Aktionen ein weiterer bedeutsamer Themenkomplex
ersichtlich geworden, der dem Zusammenwirken von
Die Versuche des Reallabors haben die in der Stadt
Stuttgart bereits realisierten Ansätze für Versuche
sichtbar um inhaltliche und prozessuale Facetten er-
81
CASA
Initiativen und Genehmigungsbehörde beziehungs- weitert. Das entstehende bürgerschaftliche Engage-
weise Bezirksbeiräten – den politischen Gremien in ment und dessen Ideenvielfalt sind ein weiterer Im-
den einzelnen Stadtbezirken – zuzuordnen ist und puls für eine stärkere Urbanisierung des städtischen

SCHÜTZENPLATZ
sich im formalen Genehmigungsverfahren spiegelt. Raums und für die zu führende gesellschaftliche Dis-
Bei den Aktionen handelt es sich nicht nur um das kussion. Neue Herausforderungen und Chancen im
Einbringen von Ideen; vielmehr wird und muss von Zusammenwirken zwischen Stadtverwaltung, Politik
den Ideengeberinnen und -gebern die Verantwortung und bürokratisch unerfahrenen Akteurinnen und
für die Aktion, deren Umsetzung, deren Betreuung Akteuren sind Teil des Prozesses, dessen Bedeutung,
und schlussendlich auch deren Beendigung übernom- aber auch dessen Aufwand nicht vernachlässigt wer-
men werden. Die Handelnden müssen sich als verant- den darf. In diesem Sinne kann für mehr Versuche
wortungstragende Partnerinnen und Partner verste- plädiert werden.
hen, die sich aktiv mit dem Genehmigungsverfahren Ob und in welchem Umfang neue Ideen versuchs-
und bei Konflikten mit eventuellen Auflagen aus- weise erprobt werden können, hängt aus fachlicher
einandersetzen. Die Genehmigungsbehörde begleitet Perspektive in großem Maß von dem erforderlichen
daher diese Projekte intensiv, da die Akteurinnen und Aufwand beziehungsweise den Realisierungsmöglich-
Akteure häufig erstmalig mit den Regelungen und keiten ab. So werden gesamte Straßenzüge schwerlich

DER VERSUCH AUS SICHT


Herausforderungen von Sondernutzungen im öffent- probeweise umgestaltet werden können; Ansätze der
lichen Raum in Berührung kommen. City-Logistik werden aber beispielsweise zurzeit in der

DES KANINCHENS
Für die Akzeptanz der Aktionen hat sich deren Re- Stadt Stuttgart zur temporären Erprobung vorbereitet.
URBANE STRASSENRÄUME

levanz für die Stadtquartiere – das heißt für das Leben Die Möglichkeit von Versuchen dieser Art kann und
vor Ort in allen Facetten und mit allen Belangen – als sollte daher weiterhin projektbezogen und zielführend
Schlüsselfaktor herauskristallisiert. Insbesondere da geprüft und genutzt werden. Die möglichen Formen von Gerd Becker
die Stadtgesellschaft mit ihren verschiedenen und sind vielfältig und erstrecken sich von Formaten der
durchaus konträren Interessen im öffentlichen Raum Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern bis hin zu
zusammenkommt, müssen die Aktionen das Potenzial versuchsweisen Anordnungen von Verkehrsregelun-
für einen hohen Quartierswert aufzeigen. Den Bezirks- gen. Der Umfang zur Nutzung dieser Möglichkeiten
beiräten und ihrer Beurteilung der Projektideen hängt letztlich von einer politischen Richtungswei-
kommt daher auf Grund ihrer Funktion und Nähe zu sung und der Schaffung entsprechender Rahmenbe-
den Stadtquartieren eine herausgehobene Rolle zu. In dingungen ab.
das Genehmigungsverfahren fließt diese Beurteilung Das Parklet Casa Schützenplatz begann als
ein. temporäres Realexperiment, wurde aber
Aus Sicht der Verwaltung ist resümierend festzu- schnell von der Nachbarschaft angeeignet
und fortgeführt.
stellen, dass der klassische Genehmigungsprozess mit
seinen formalistisch wirkenden Vorgaben den Erfor-
dernissen experimenteller Ideen gerecht wird und
praxisgerecht sowie projektförderlich zur Anwendung
kommen kann. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
der Genehmigungsbehörde sind jedoch in ihrem
Handeln in hohem Maß auf das konstruktive und ver-
antwortungsvolle Mitwirken der Akteurinnen und
-1-
Akteure angewiesen; die Interaktion mit den Handeln-
den stellt daher einen Schlüsselfaktor dar. Die Sicht-
weise der Akteurinnen und Akteure auf diese Verfah-
ren und die Interaktion mit Organen der Verwaltung
und der Politik kann derzeit nur projektspezifisch ein-
geschätzt werden. Mit der sich ändernden Rolle der
zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteure –
vom Ideengebenden bis zum Projektverantwortlichen
– wäre eine systematische Betrachtung über einen län-
geren Zeitraum durchaus interessant und gegebenen-
80 falls synergiebringend.
Texte und Illustrationen:
Jesús Martínez Zárate
82 CASA CASA 83

DIE GESTALTUNG
ÖFFENTLICHER
RÄUME
Als neuer öffentlicher Raum weist das
Parklet Casa Schützenplatz alle Elemente
Wir überwinden unsere Scheu und fragen den auf, die Gehl (2010), Whyte (1980) und
Speck (2013) für die Gestaltung öffentli-
Initiator. „Chucho“ Martínez Zárate, Stadt- cher Räume vorgeschlagen haben:
planungsstudent aus Mexiko City, gibt uns in
seiner freundlichen und einladenden Art Ein neuer öffentlicher Raum sollte ein
Gefühl von Sicherheit vermitteln:
gerne Auskunft und erklärt: Hier entstehe
ein Parklet, es handle sich um ein Experiment Das Parklet liegt auf einer erhöhten
Plattform und ermöglicht so eine
im Rahmen des Reallabors für nachhaltige ungewohnte Perspektive auf den
Mobilitätskultur (RNM), welches Parkplätze Schützenplatz. Seine Wände vermitteln
Geborgenheit und schirmen die Nutzer
temporär in Kommunikationsraum umzu- vom Verkehr ab. Die Fassade erinnert
wandeln sucht. an ein Haus und verstärkt so das Gefühl
von Privatsphäre.

Das Palettenpodest gleicht das Gefälle des Ein neuer öffentlicher Raum sollte
Platzes aus und erhebt den angebotenen vielseitig sein:
Bürgertreffpunkt über das Niveau des Die beweglichen Sitzmöbel des Parklets
Straßenverkehrs. Diagonal aufgestellte Wän- erlauben den Nutzern, sie nach Wunsch
Der Sonntagsbrunch als Gestaltungs- umzustellen. So können unterschiedliche
mittel: Teilnehmende Studierende des de deuten die Form der Casa an, eines Aktivitäten stattfinden: Freiluft-
Workshops „Lokal Schützenplatz“ inter- stilisierten Häuschens, vereinen Schutz und Brunches, Round-Table-Diskussionen,

N
agieren mit Nachbarinnen und Nachbarn
und erhalten einen Einblick in ihre
eugierig verfolgen wir die ersten Schritte Offenheit. Ein paar alte Stühle und ein Tisch- Privatgespräche, Reden, Konzerte, Film-
vorführungen etc.
Wünsche für den öffentlichen Raum. des Versuchsaufbaus aus unserem chen laden zum Verweilen ein. Das ist neu.
Fenster. Junge Menschen machen sich in uns Das bisher anonyme transitorische Terri- Ein neuer öffentlicher Raum sollte
unbekannter Absicht auf dem Schützenplatz torium eines Verkehrsraumes wandelt sich interaktiv sein:
zu schaffen. Aus Recyclingmaterial – plötzlich zum Begegnungsort. Die Versuchs- Die Fassaden des Parklets werden als
gebrauchten Holzpaletten – errichten sie eine kaninchen verlassen ihren Bau, nutzen Schwarzes Brett für den Austausch
mit der Nachbarschaft verwendet, indem
eigentümliche Installation, die zuletzt hell- das sonnige offene Wohnzimmer und lernen sie Besucher nach ihren Bedürfnissen
blau angepinselt wird. Ist das Kunst? dort ihre Nachbarschaft kennen, die sie und Ideen für den Schützenplatz fragen
und sie über das Projekt informieren.
-2- Sie dienen als Kommunikationskanal für
die Nachbarschaft.
-2-
84 CASA CASA 85

Internationaler Park(ing) Day am Casa Dieses Projekt wird unterstützt von:

Schützenplatz. Lokale Initiativen teilen


Erfahrungen und Ideen zur Verbesserung Anwohnerinitiative am Kernerviertel

nachbarschaftlicher Interaktionsräume:
Deine Straße, Kulturinsel Stuttgart,
Bewegungen am Schützenplatz über einen Tag hinweg
22.August - 26.August 2016 // 7:00 - 22:00h
Lastenrad Stuttgart e. V. und Plattsalat e. V.
Fußgänger 1033 24%
Rad 156 04% 4229
Dienstfahrten 1 393 09% Nutzer / Tag
Mot. 138 03% 43%
Pkw mit 1 Person 1811
Pkw mit+1 Personen 698 17%

bislang nur von fern über den Platz huschen Verteilung (Modal Split)
sahen. Die gemeinschaftliche Rückeroberung Schützenplatz 2016 Stuttgart 2010 2
öffentlichen Raumes nimmt ihren Anfang. Fußgänger Fußgänger
24% Fahrrad 26% Fahrrad
43%
Von den Nachbarinnen und Nachbarn erfah- Motorrad 45% ÖPNV

PLACEMAKING
04%
Dienstfahrten 05% MIV
ren wir von der städtischerseits geplanten 60%
03%
Pkw 24%
09%
Als Teil des Reallabors und als Unter-
Umgestaltung des Platzes und dem Einspruch Pkw 1p

stützung für das Parklet wurden dort im der Anwohner gegen die Idee einer Kreis- 1. z.B. Polizei, Krankenwagen, Post, Delivery service, Taxi, LKW. //
2. VEK 2030 - Das Verkehrsentwicklungskonzept der Landeshaupstadt Stuttgart. Stuttgart 2015 //
casaschuetzenplatz // www.schuetzenplatz.net

intensiven Austausch mit den An- verkehrsanlage. Wir schließen uns der Initia-
wohnern einige Veranstaltungen organi-
siert. Sie hatten einen dreifachen Zweck: tive an und sind überrascht, dass unsere Vor-
den neuen öffentlichen Raums mit stellungen von den kommunalen Planern
Aktivitäten zu beleben, einen Dialog mit
und innerhalb der Bürgerschaft über den
ernst genommen und berücksichtigt werden.
Wert eines lebendigen öffentlichen
Bei unverbindlichen Begegnungen im Parklet
Dieses Projekt wird unterstützt von:

Raums am Schützenplatz anzustoßen


und wichtige Akteure in der lokalen
Gemeinschaft auszumachen und offenbaren sich weitere gemeinsame Interes- Anwohnerinitiative am Kernerviertel

so die Nachhaltigkeit des Projekts zu sen. Wir verabreden Grillnachmittage und Verkehrsaufkommen pro Tag am Schützenplatz
fördern.
Kaffeekränzchen, Public Screenings und 80
Fußgänger 1033 / tag
69 80
Das Ergebnis dieser Aktionen war, dass 07 Anwohner joggen

die Anwohner den Wert regelmäßiger Brunch, Lesungen und eine Oriental Lounge 60
48
06 Anwohner mit Haustieren 56 04 60
43
Aktivitäten erkannt haben und ihnen mit Minztee und marokkanischem Eintopf. 40
46
41 43
53 52
48
18
40

bewusst wurde, welche Rolle sie für die 40 22 39 37


Wir beginnen uns darüber zu wundern, 18 33 36 36
20 31 32 30 30 20
26
Aufwertung und das Engagement 24
19 22 21 20

innerhalb der Nachbarschaft bedeuten. warum wir es so lange als unwidersprochene

11:00

14:00

17:00
13:00
9:00

15:00
8:00

16:00

19:00
12:00

18:00

21:00
10:00

22:00
20:00
Aktivitäten im öffentlichen Raum kamen
sogar über das Reallabor hinaus auf die
Agenda der Nachbarschaft. Pkw 2509 / day 85.9% fahren alleine 163 Tagesdurchschnitt 70.5% fahren alleine
-4- Pkw mit 1 person 1811 / day -1-

85
160 160

140
134 156
140 140
133
60% fahren alleine 138
120 120
113
106 106
100 94 100
98 100 85 100 101
74 89 60% fahren alleine

CASA
93 94
80 80
71 81
89
64
78
59 77 77
72 56 74 79 74
60
65 52 65 68
48 67 65
60
60 59 46 63
57 55 39 53
40 47 46
50 49
40
26 40

35 36
20 20
24 22
15

11:00

14:00

17:00
13:00
9:00

15:00
8:00

16:00

19:00
12:00

18:00

21:00
10:00

22:00
20:00
casaschuetzenplatz // www.schuetzenplatz.net
86 CASA CASA 87

STUDIEN ZUM
ÖFFENTLICHEN
RAUM
In Ergänzung des Reallabors wurde eine REAL-
Reihe von Beobachtungsstudien durch-
geführt, um das Platzumfeld zu analysie- EXPERIMENTE
ren und quantifizierbare Fakten über
vorhandene Nutzungsmuster zu erhalten. Realexperimente bieten die Möglichkeit,
Eine Beobachtungsstudie sammelte Selbstverständlichkeit hingenommen haben, Und wenn einmal ein Regenguss zum Been- Innovationen oder Interventionen
zu erproben und ihre Auswirkungen
Informationen zur Anzahl der Fußgänger, dass einer der schönsten Plätze der Stadt, den eines der Freilufttreffen zwingt, wird wissenschaftlich auszuwerten. Das
Fahrradfahrer, Autos und Servicefahr-
zeuge, die den Schützenplatz überque- umrahmt von denkmalgeschützten architek- gerne das Angebot der Nachbarin angenom- können neuartige soziale Praktiken wie
das gemeinsame Nutzen von Gütern sein,
ren. Eine zweite Studie befasste sich tonischen Perlen des vorletzten Jahrhun- men, die angeregte Unterhaltung bei einem aber auch innovative Prozesse oder
insbesondere mit den „Desire Lines“, den
bevorzugten Routen der Fußgänger, die derts, als Schleichweg zur Umgehung der Glas Wein in ihrer Wohnung fortzusetzen. Produkte, die sich auf Alltagshandlungen
den Platz überqueren. Eine dritte Studie Stuttgarter Dauerstaus und Abstellfläche für So erwachsen aus unverbindlichen Begeg- auswirken. Das in Realexperimenten
analysierte die Parksituation, um zu erworbene Erfahrungswissen stellt einen
unzeitgemäße Individualverkehrsmittel nungen gut nachbarschaftliche Beziehungen, „Innovationsvorrat“ dar, der die Alltags-
ermitteln, wie lang ein Auto durch-
schnittlich auf demselben Platz steht, missbraucht wird. Die Piazza gehört uns und es entstehen Vertrauensverhältnisse und kultur bereichern, aber auch in politische
Entscheidungen einfließen kann
und so schlecht genutzte Räume auszu- wir nutzen sie: für Flohmarkt und Freiluft- Freundschaften. Das wiederum geht nicht (Alcántara et al, 2018).
machen.
Die Ergebnisse der Studien halfen der kino, Bürgerfeste und buntes Treiben. nur mit einem Gefühl der Wärme und Zu-
Nachbarschaft dabei, ihre individuelle gehörigkeit zum Ort einher, sondern hat auch
Wahrnehmung und ihre Vorstellungen zu Inzwischen bewirtschaftet ein Bürgerverein ganz praktische Folgen gegenseitiger Unter-
Fußgängersicherheit, Verkehrs-
überlastung und Parksituation in verifi- die leerstehende Ladenwohnung am stützung und Hilfe. Als etwa mein betagtes
zierbare Fakten in Form von Zahlen und Schützenplatz. Die diversen Aktivitäten rei-
Diagrammen zu übersetzen.
Die Ergebnisse zeigen, wie höchst ineffi- chen vom Adventssingen zu Kunst- und Dieses Projekt wird unterstützt von:

zient Flächen genutzt sind, die von Stadtgeschichtsausstellungen, Literatur-


Privatfahrzeugen belegt werden, und wie soirées, Spieleabenden, Vortragsveranstaltun-
Anwohnerinitiative am Kernerviertel

fußgängerunfreundlich diese Umgebung Bewegungen von Fußgängern am Schützenplatz


ist. Damit helfen sie dabei, eine faire gen, Volksküchenspeisungen und vielem
Diskussionsgrundlage für das Gespräch mehr, was inzwischen mit der Verleihung des
mit der Stadtverwaltung über den Bedarf
Nachbarschafts-Oskars im Bundeswettbe-

tr.
einer Umgestaltung des Schützenplatzes

ans

Kernerstr.
Urb
zu schaffen und so seine Funktion als werb „Die schönsten Nachbarschaftsaktionen
öffentlicher Platz für die Allgemeinheit 2017“ an die Initiative gewürdigt wurde.
zu verbessern.

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Sc

str.
Vera
N
05 m

“Desire lines” - Bewegungen von Fußgängern am Schützenplatz


219 Fußgänger. Überlagerung 26.08.16 von 18:00 - 19:30 Temp. 33°C
24.08.16 von 09:30 - 11:30. Temp. 29°C casaschuetzenplatz // www.schuetzenplatz.net

Das mobile Parklet „Das Kleine Parkraum-


wunder“ des Stuttgarter Designers
Gerhard Wollnitz zu Besuch am Casa
Schützenplatz.
88 CASA CASA 89

Auto wegen seiner Altersschwäche reif für die


Verschrottung wird, bietet mir die Nachbarin
das ihre zur Mitnutzung an. Dieses Car-
sharing ist inzwischen zur festen Einrichtung
geworden. Es besteht schlicht keine Not-
wendigkeit mehr zum Erwerb eines neuen
eigenen Fahrzeugs. Mein für zwei Jahre
im Voraus bezahlter Anwohnerparkschein
ist überflüssig geworden. Ich werde ihn ans
Parklet nageln, um Kritikern zu verdeut-
lichen: Neben der Schaffung von neuem
Lebensraum und Lebensqualität und all den
anderen erfreulichen Entwicklungen, die Zur Einweihung des urbanen Gartens als Erweiterung
es mit sich gebracht hat, hat das Parklet nicht zum bestehenden Parklet pflanzen Studierende der
nur Parkraum gekostet, nein, es hat selbst Universität Stuttgart den ersten Baum am Schützenplatz.

welchen geschaffen. Dauerhaft.

Quellen:

Alcántara, S., Lindner, D., Löwe, C., Kuhn,


Dieses Projekt wird unterstützt von:
R., Puttrowait, E. (2018), Die Kultur des
Experimentierens. Stuttgart: Reallabor für
Anwohnerinitiative am Kernerviertel nachhaltige Mobilitätskultur (Hg.)
Features of the
Bestandteile parklet according to public space design:
des Parklets: Gehl, J. (2010), Cities for People.
Washington: Island Press.

Gehl, J. and Svarre, B. (2013), How to Study


Public Life. Washington: Island Press
-9- Project for Public Spaces (2009), “What is
Placemaking?” https://www.pps.org/
reference/what_is_placemaking (Zugriff:
07.02.2017).

Speck, J. (2013), Walkable city:


How Downtown can Save America, one
1. Sicherheit
1. SECURE 2. Flexibilität
2. FLEXIBLE 3.3.Interaktivität
INTERACTIVE Step at a Time. New York: North Point
Perspective + protection + privacy Movable furniture
Press
Übersicht - Schutz - Privatheit Bewegliches Mobiliar fürallow
vielfältige Walls as communication
Beschreibbare Wände als
different uses
Nutzungsmöglichkeiten channel
Kommunikations-Kanal
Whyte, W.H. (1980), The Social Life of Small
Urban Spaces. New York: Project for Public
Spaces.
90 VOLK OHNE WAGEN ? GESPRÄCH MIT STEPHAN RAMMLER 91

Heidenreich: Lieber Herr Rammler, Entkopplung von Besitz und Nutzung Generationen Automobilbesitz. Wir sind so,
bei der Vorbereitung auf unser Gespräch, kommt. Das Stichwort dazu ist die Sharing historisch betrachtet, in eine raum- und
unter anderem bei der Lektüre Ihres Economy. Im Mobilitätsbereich sind die siedlungsstrukturelle Determination
Buches „Schubumkehr. Die Zukunft der bekannten Trends Carsharing, Ridesharing oder Pfadabhängigkeit geraten. Und diese
Mobilität“, ist mir klar geworden, und autonomes Fahren. Das „Volk ohne Pfadabhängigkeiten finden wir genauso
wie komplex dieses Thema ist. Vielleicht Wagen“ bedeutet also: weg vom Besitzmo- in den mentalen Strukturen vor, die wir in
versuchen wir, dessen wichtigste Aspekte dell und hin zu einer Nutzungsoptimie- Form von Routinen, Gewohnheiten und
ein wenig auszuleuchten. Der Titel, rung von Produkten und Artefakten. Der Lebensstilen entwickelt haben. Diese sind
den Sie für unseren Workshop vorgeschla- Clou dieser neuen Automobilität ist, dass eigentlich gar nicht mehr denkbar,
gen haben, suggeriert, dass es doch sie sehr nutzungseffizient ist. jedenfalls nicht subjektiv, ohne das Privat-
so etwas wie einfache, einleuchtende automobil.
Intuitionen gibt. „Volk ohne Wagen“ klingt, Wie sind wir in diese Struktur Volkswagen,
als müssten wir ganz grundlegend über die sowohl aus technischen als auch aus Aber das würde ja bedeuten, dass die Ver-
das Verhältnis zum Auto nachdenken. mentalen Infrastrukturen besteht, hinein- änderungen genauso langfristig zu denken
Können Sie erläutern, wie Sie sich das vor- gekommen? sind. Wenn es 100 Jahre gedauert hat, die-
stellen und was dies mit Mobilitätskultur se Strukturen aufzubauen, wird es dann
zu tun hat? Diese Mobilitätstechnologie hat mit der auch so lange dauern, um sie wieder zurück-
Massenmotorisierung und dem Fordismus sowie andere Strukturen aufzubauen?
Rammler: „Volk ohne Wagen“ ist natürlich in den USA begonnen. Die nordamerika-
ein Wortspiel. Als Direktor des Instituts nischen Raum- und Siedlungsstrukturen, Ja, das befürchte ich. Der große Nachhal-
für Transportation Design, das zu gerade im Mittleren Westen (Houston, tigkeitsumbau bedeutet die gesamte
100 Prozent durch Drittmittel finanziert Atlanta) sind auf der Basis des Automobils Transformation unserer modernen Kultur,
war, habe ich sehr viel mit den Autobauern entstanden. Die Städte sind dermaßen das gilt für die Energiesysteme, die
zusammengearbeitet, vor allem mit zersiedelt, dass sie gar nicht als Stadt Raum- und Siedlungskultur, die Mobili-
Volkswagen. So kenne ich die Autoindu- in einem klassischen europäischen Sinne tätssysteme, die Gesundheitsversorgung,
strie aus der Innenschau sehr gut. „Volk bezeichnet werden können. Sie sind die Architektur, unsere Sozialversiche-
ohne Wagen“ ist ein Wortspiel mit histori- Muster auf der Landkarte, die man kaum rungssysteme, die staatlichen Strukturen
scher Dimension. Unter dem Begriff auf eine nachhaltige Art und Weise und so weiter. Ich hoffe auf soziale
„Volkswagen“ verstehe ich eine Metapher mit öffentlichem Verkehr oder anderen Quantensprungprojekte, bei denen eine
für das Kulturmodell der Massenmoto- Formen der Mobilität bedienen kann. Gesellschaft es schafft, gezogen von einem
Stephan Rammler ist Gründungsdirektor des Instituts für Transportation risierung, wie wir es seit Anfang des Daran wird sichtbar, wie eng Siedlungs- positiven Leitbild oder auch getrieben
20. Jahrhunderts entwickelt haben: eine struktur und Mobilitätstechnologie mit- durch Zuspitzung krisenhafter Art, etwas
Design (ITD) und hat den Lehrstuhl für Transportation Design & Social Familie, ein oder zwei Autos, womöglich einander zusammenhängen. aus Einsicht zu ändern, bevor es zu spät
ein Eigenheim im Grünen, wie wir es wird. Ich glaube, es ist möglich, dass eine
Sciences an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig inne. aus Nordamerika kennen. Dieses Modell Eine solche Entwicklung nahm nach dem Transformation relativ schnell stattfinden
Er gehört zu Deutschlands kreativsten Mobilitäts- und Zukunftsforschern. ist historisch entstanden und kann sich Zweiten Weltkrieg auch in Deutschland kann, wenn alle gesellschaftlichen Kräfte
verändern. „Volk ohne Wagen“ ist somit Format an und schlug sich in der Debatte Einsicht zeigen, wenn wir unsere Indivi-
2016 erhielt er den ZEIT WISSEN-Preis „Mut zur Nachhaltigkeit“. eine normativ-programmatische Aussage. über die autogerechte Stadt nieder. Die dualinteressen hinterfragen und wenn wir
Wenn wir über die Frage der Nachhal- Umgestaltung der zerstörten Städte ging das eine oder andere an politischen
Im Rahmen des Workshops „Zukunft der Mobilitätskultur“ führte Felix tigkeit, der ethischen und zukunfts- immer stärker in die Fläche, der Prozess Instrumentarien umsetzen. Das wäre das
Heidenreich unter der Überschrift „Volk ohne Wagen? Auf dem Weg in fähigen Mobilität reden, gibt es eigentlich der Suburbanisierung setzte ein. Das Erdöl Möglichkeitsszenario. Das wahrschein-
gar keinen anderen Weg, außer dieses war billig und die Autos waren bezahlbar. liche Szenario ist, dass es sehr viel länger
eine neue Mobilitätskultur“ ein Gespräch mit Stephan Rammler über Kulturmodell in Frage zu stellen. Das heißt Die ökonomische Entwicklung war dauert und schwierig ist.
nicht, dass Sie nicht mehr Auto fahren erfolgreich. Damals hat ja noch niemand
Möglichkeiten und Probleme zukünftiger Mobilitätsformen. können. Es ist einfach eine völlig neue über den Klimawandel oder über die Zu den Treibern von Möglichkeiten
Formatierung der Art und Weise, mit Geopolitik des Erdöls nachgedacht. Die gehören auch jene Trends, die Sie vorhin
Fahrzeugen umzugehen. sogenannten Trente Glorieuses haben dazu angesprochen haben. Sie diagnostizieren,
geführt, dass die Mittelklasse in den dass es ohnehin so etwas wie eine
Und so komme ich zum empirischen Teil Volkswagen eingestiegen ist. Der Begriff Schubumkehr gibt. Hier in der Region wird
der Aussage. In der Tat beobachten wir Eigenheimautomobilkultur drückt aus, gerade debattiert, wie die Automobil-
in den urbanen Regionen weltweit, stark dass das Eine das Andere bedingt: Eine industrie mit der IT-Industrie fusionieren
vorangetrieben durch die IT-Branche Familie, die ein Eigenheim in der Suburbia kann. Wie werden sie zusammenfinden
links: Felix Heidenreich, rechts: Stephan Rammler im Silicon Valley, dass es zu einer gebaut hat, determiniert über viele und welche Konsequenzen wird dies haben?
92 VOLK OHNE WAGEN ?

Wird das unter Umständen die alten


Infrastrukturen noch einmal retten, auf
einem anderen Niveau?
Betrachten wir die Entwicklung in China
im Bereich der Mobilität. China hat
massive Probleme mit der ökologischen
einer etablierten Mobilitätswelt, in der alle
Infrastrukturen aufgebaut sind und soweit
funktionieren. Für die Elektromobilität „Volk ohne Wagen“ –
Das Modell der Share Eco-
Frage und steht vor der Aufgabe, sein oder für die Brennstoffzellenelektro-
Wir leben in einer Zeit, in der wir eine ökonomisches Modell des Wachstums mobilität müssen aber neue Infrastruktu-
doppelte Transformation erfahren. Was mit einer Nachhaltigkeitswende zu verbin- ren aufgebaut werden. Die Frage ist:
meine ich damit? Die eine Transformation den. Das neu entstandene, reiche und Wer bezahlt das? Die Energieversorger, der

nomy sagt, dass man


ist eine Zuspitzung von krisenhaften gut ausgebildete städtische Bürgertum Staat, die Energieversorger im Verbund
Phänomenen, die mit massiver Bevölke- hat ökologische Ansprüche und weiß sie mit dem Staat, die Autobauer? Rein theore-
rungsentwicklung, Urbanisierung, politisch durchzusetzen. Des Weiteren tisch haben die Energieversorger ein
Verdichtung, Emissionsproblemen, Klima- möchte China autonom werden und keine großes Interesse, weil Deutschland auf-

kein Auto im Privatbesitz
wandel, Geopolitik des Erdöls, Digitali- teuren europäischen Mobilitätsprodukte grund der sogenannten Energiewende das
sierung etc. angefangen hat. Es kommt zu importieren. Sie wollen das technologische einzige Land in der Welt ist, welches bis
einer Konvergenz von Trends und Leapfrogging machen, den Froschsprung zu einem Drittel seines Stroms aus regene-
Treibern, die aber für sich allein betrachtet über die in Deutschland und Europa rativen Energiequellen bezieht. Diese

braucht. Viel mehr
schon eine Riesenherausforderung wären. etablierten Infrastrukturen und Systeme Energiequellen sind hoch volatil in ihrer
der Autoindustrie. Denn sie wissen genau, Erzeugung, weil die Wind- und Sonnen-
Die digitale Transformation ist ein Mega- dass kaum einer mit der verbrennungs- kraft nicht stetig verfügbar ist. Man
trend, der gerade über Allem steht. Ich motorischen Technologie der deutschen braucht also eine intelligente Steuerung

braucht man einen einen


würde sogar soweit gehen zu behaupten, und japanischen Hersteller mithalten der Verfügbarkeit, zum Beispiel könnten
dass das Momentum der industriellen kann. Daher sind sie bei der neuen Tech- eine große Anzahl von Elektroautos
Revolution, der Elektrifizierung, der ersten nologie der Elektromobilität ganz vorne mit Batterien einen dezentralen Speicher
Welle der Computerisierung und der dabei und wollen eine eigene Mobilitäts- darstellen. Durch politisch gesteuerte

effizienten Zugang
Mechanisierung im 20. Jahrhundert, dass und Automobilindustrie aufbauen. Standardisierungsprozesse müsste eine
das alles zusammen genommen nicht Sie haben die Erfahrung gemacht, dass das einheitliche Infrastruktur in Europa
einmal das erreicht hat, was die Digitali- Modell „Volk im Wagen“ aufgrund der aufgebaut werden, denn nationalstaatliche
sierung in den nächsten Jahren entwickeln Urbanisierung nicht funktioniert. Es sind Infrastrukturen reichen hier nicht aus.

rund um die Uhr zu güns-


wird. Durch die Digitalisierung entstehen ganz andere Rahmenbedingungen, die Man muss im Grunde mit der Technologie,
unglaubliche Möglichkeiten, moderne eine andere Produktpolitik zur Folge die von unterschiedlichen Herstellern
Mobilitätstechnologie anders zu organisie- haben. Diese determiniert irgendwann mal angeboten wird, überall in Europa Strom
ren und die Mobilität nachhaltig zu auch die Nachfrage in Europa. Ein zweites tanken können. Das kann nur die EU

tigen Preisen, digital


gestalten. Die Impulse kommen von der Risiko ist, aus der Perspektive der deut- garantieren, die hier in die Vorleistung
IT-Branche aus dem kalifornischen Silicon schen Autobauer formuliert: Wir sehen, geht.
Valley. Im Handelsblatt gab es einen dass sich auf der ganzen Welt aufgrund
langen Artikel über die Versuche von von Zwang, politischen Maßnahmen oder Der zweite Aspekt, der auf EU-Ebene statt-

vermittelt, hocheffizient
Apple, mit deutschen Autobauern ins unternehmerischer Strategien sehr viel finden kann, ist eine konzertierte Aktion
Geschäft zu kommen. Ich befürchte, dass ändert, wir kommen aber nicht hinterher. zur Unterstützung des Markthochlaufes
es ein großer Fehler war, dass Daimler Warum? Uns fehlt es an einer konzertier- auf der Nachfrageseite. Aufgrund der
und BMW eine Absage erteilt haben. Ob es ten Aktion zwischen Politik, Staat und geringen Nachfrage sind die Elektroautos

gesteuert.
Google, Facebook, Tesla oder Apple ist, Unternehmen. nach wie vor sehr teuer. Die Autobauer
alle sind in irgendeiner Weise mit neuen können nur günstiger werden, wenn
Produktideen oder Servicemodellen in Wie würden Sie sich eine Politik, eine sie Massenproduktion betreiben. Ein Weg
dieser Branche unterwegs. Sie versuchen, gezielte Strategie einer Umsetzung, dorthin wäre über die staatliche Beschaf-
das Ökosystem der Mobilität neu zu eines Anstoßens dieser Mobilitätswende fungspolitik, die nach ökologischen
denken. Sie denken das Modell der Share auf EU-Ebene vorstellen? Was wäre Kriterien ausgerichtet wird. Die öffentliche
Economy – „Volk ohne Wagen“ – weiter aus Ihrer Sicht der Punkt, wo der Hebel Hand stellt in manchen Bereichen 17 – 25
und sagen, dass man kein Auto im Privat- angesetzt werden müsste? Prozent der Nachfrage des Bruttoinlands-
besitz brauche. Man brauche viel mehr produktes der Bundesrepublik. Allein bei
einen effizienten Zugang rund um die Uhr Die EU kann ganz viel in diesem Bereich der jährlichen Neubeschaffung der
zu günstigen Preisen, digital vermittelt, tun. Es gibt drei klassische Ebenen – Fahrzeugflotten für die öffentliche Hand
hocheffizient gesteuert. Das Auto als Bau- die EU, die Nationalstaaten und die auf Bundesebene, Länderebene, der
stein großangelegter intermodaler logisti- Kommunen –, auf denen die Entscheidun- kommunalen Ebene, außerdem für halb-
scher Ketten. gen herbeigeführt werden. Wir sind in öffentliche Institutionen wie die Kirche,
94 VOLK OHNE WAGEN ? GESPRÄCH MIT STEPHAN RAMMLER 95

die Diakonie, die Sozialstationen und an- Das sind Automatisierung und Robotik, in Europa, bekommt man nur in den
deren liegt ein enormes Potenzial. Solche Vernetzung, Navigation, Infotainment und technologischen Griff, wenn man die Fahr-
Aufträge hätten die Autobauer gern, dann Virtualisierung. zeuge untereinander mit den übergeord-
könnten sie zu günstigeren Preisen neten Infrastrukturen vernetzt. Deswegen
mit Planungssicherheit ihre Produkte am Mit der Automatisierung steht die Idee im werden die Themen der Vernetzung und
Markt platzieren. Dann hätten wir eine Raum, mit autonom fahrenden Roboter- der Automatisierung der Mobilität gern
Situation erreicht, in der auch für die autos sehr effiziente Mobilitätsdienst- als eine Einheit gesehen. Das vernetzt und
anderen Kunden, die freien Käufer am leistungen anzubieten. Man kann damit, autonom fahrende Elektroauto ist die
Markt, die Produkte sehr viel billiger sind.so die Theorie, bestimmte Raum- und Vision der Autoindustrie.
Siedlungsstrukturen bedienen, ohne Es gibt auch eine andere Form der Vernet-
Der zweite Punkt sind Kaufprämien zur dass man Fahrerinnen und Fahrer braucht, zung. Wir können uns auch Mobilitäts-
Unterstützung der neuen Technologien am was natürlich eine starke Konkurrenz systeme vorstellen, in denen alle Verkehrs-
Markt. Ich denke, dass es nicht ohne das gegenüber dem Taxigewerbe und dem träger intelligent und digital über ein
Primat der Politik und staatliche Inter- öffentlichen Verkehr darstellt. Der Haupt- Smartphone miteinander vernetzt sind.
vention gehen wird. Die heutige Form der beweggrund der IT-Firmen im Silicon Firmen wie Moovel bieten nicht nur
Automobilität ist auch nicht im freien Valley sind die Daten, die dabei entstehen. Carsharing und Ridesharing an, sondern
Marktgeschehen entstanden. Es bräuchte Die Daten sind die Währung, mit der versuchen auch die intermodale Integra-
also, gerade unter den knappen Zeithori- die Branche operiert. Die ideale Kund- tion, also die Integration des Autos in
zonten, die die Beschlüsse in Paris vorge- schaft ist hochvernetzt, ständig im Inter- das System aller Verkehrsträger. Das ist
ben, eine massive staatliche Unterstützung net, auch beim Autofahren, weil sie der Weg der nachhaltigen Mobilität,
in Form von Prämien, Kfz-Modifikationen die Hände nicht mehr am Lenkrad haben der jedoch zur Zeit von der Politik und
oder ordnungspolitischen Instrumenten muss. Die Daten zum Konsumverhalten, auch von den Unternehmen nicht be-
wie beispielsweise einer Citymaut. Oslo über Wegemuster werden analysiert, schritten wird. Man möchte gerne weiter-
und Amsterdam haben jetzt angekündigt, der Kundschaft werden individuell zuge- hin am Privatkunden dran bleiben.
dass ab 2025 kein Verbrenner mehr in schnittene Dienste angeboten, für die
den näheren Innenstadtbereich darf. man dann wiederum zahlt. Einige Worte zum Thema Virtualisierung
In Holland dürfen dann sogar keine neuen – Navigation und Infotainment lasse ich
verbrennungsmotorisierten Fahrzeuge Die Verknüpfung von Elektromobilität mal außen vor: Seit langer Zeit gibt
zugelassen werden – eine klare Ansage. mit dem autonomen Fahren ist im Silicon es die Möglichkeit, über das sogenannte
Das ist eine sehr vernünftige Politik, die Valley gerade hochaktuell, und auch in Telependeln, also über sehr gut ausgebaute
nichts mit dem Untergang der Demokratie der deutschen Automobilindustrie ver- Videokonferenzsysteme zu kommunizie-
oder mit Ökofaschismus zu tun hat. sucht man, sich dem Thema anzunähern. ren, ohne den Weg real überwinden
Den klaren politischen Rahmen zu setzen Es gibt gerade Szenarien von Roland zu müssen. Man hat massive Substitutio-
und den Unternehmen Planungssicher- Berger und Co., die sagen, dass 2030 bis zu nen im Bereich der Nachhaltigkeit fest-
heit zu geben, ist in gewisser Weise auch 40 Prozent der Wertschöpfung auf dem stellen können, zum Beispiel durch
marktwirtschaftlich. Das brauchen die automobilen Markt durch das autonome weniger Verbrauch und weniger Emissio-
Unternehmen und auch die Verbraucher, Roboterauto garantiert wird. Ich wage nen. Das war ein ökologisches Erfolgs-
um den Paradigmenwechsel zu machen. es zu bezweifeln, denn ich sehe rechtliche, projekt. Heute ist die Technologie viel
juristische, auch ethische und philosophi- weiter entwickelt und Telependeln wird
Ich würde gerne noch einmal das Thema sche Probleme, die mit der Roboterisie- zum Modell, um beispielsweise in
der Fusion von IT-Industrie und Auto- rung verbunden sind. In den USA ist man schrumpfenden ländlichen Regionen die
mobilindustrie ansprechen. Das große ein Stück weit pragmatischer, aber letzt- medizinische Grundversorgung über
Stichwort ist „autonomes Fahren“, also die lich sind die Fragen auch dort nicht gelöst. Telemedizin oder über E-Health zu
Vorstellung, dass jedes Auto mit anderen Das Thema der Vernetzung ist sehr kom- gewährleisten. Das ist auch ein Innova-
Autos kommuniziert. Können wir aus- plex: Es gibt Autos, die autonom fahren tionsweg, der aber von der Politik bisher
loten, wo nicht nur die Potenziale, sondern ohne in irgendeiner Art und Weise nicht in großem Umfang verfolgt wird.
vielleicht auch Gefahren oder normativ vernetzt zu sein. Sie haben Laserscanner,
fragwürdige Aspekte dieses Trends sind? Infrarotscanner oder Videosysteme, Wir haben verschiedene Technologien wie
sie können ihr Umfeld relativ gut erken- Elektromobilität und Vernetzung ange-
In Bezug auf Mobilität unterscheide ich nen, berechnen und dann fahren. Das sprochen, die eigentlich auf der Ange-
in der Digitalisierung zwischen fünf funktioniert in Nevada oder Texas in der botsseite das Niveau zu halten versuchen.
Innovationskorridoren, die gleichzeitig Wüste. Komplexe, hybride, unüber- Das letzte Beispiel der Substitutions-
auch analytische Perspektiven sind. schaubare Verkehrssituationen wie hier techniken zeigt die ersten Technologien,
96 VOLK OHNE WAGEN ? GESPRÄCH MIT STEPHAN RAMMLER 97

die dafür sorgen, dass weniger Mobilität deren Basis diese enorme internationale Aber können Sie sich vorstellen, die reale die Politik nicht, die sich massiv für das Das ist ein gutes Stichwort, denn die betrieben. Die Ergebnisse waren immer
nachgefragt wird. Was kann man aber auf Arbeitsteilung stattfinden konnte. Jetzt Mobilität durch die virtuelle langfristig zu 1,5-Grad-Ziel einsetzt, obwohl man genau narrativen Strategien sind so etwas wie einsehr abstrakte Szenarien, die umständlich
der Nachfrageseite verändern? Die Men- sind wir kulturell und technologisch ersetzen? weiß, dass es nicht einzuhalten ist, roter Faden, der sich durch Ihr Buch zieht.mit irgendwelchen makroökonomischen
schen sind mehr unterwegs als je zuvor. an einem Punkt angelangt, an dem wir die und die gleichzeitig nicht in der Lage ist, Ein Begriff, den Sie verwenden, ist Kenndaten oder demographischen
Offenbar sind nicht alle Reisen rational Nutzung fossiler Energien wieder zurück- Ich kann mir das sogar sehr gut vorstellen. politisch etwas für dieses Ziel zu tun. Eutopien, also nicht Utopien im Sinne von Wachstumsentwürfen versehen waren.
begründet, sondern manchmal ist es auch schrauben können. Mein Leben besteht zur Zeit aus Schrei- Gerade im Bereich der Mobilität haben wir Szenarien, die irgendwo im Wolken- Das hat ja kein Manager der Welt begriffen.
das Bauchgefühl, das einen in die Ferne ben, Publizieren, Vorträge halten, Reisen, die Entkopplung zwischen weiteren kuckucksheim sind, sondern Eutopien Es musste also konkreter und plastischer
lockt. Ich möchte ein Beispiel nennen, das so dass ich kaum noch zu Hause bin. Wachstumsprozessen und Nachhaltigkeit im Sinne, dass es auch etwas Gutes gibt, werden, so dass wir angefangen haben,
erneut mit der Digitalisierung zu tun hat. Da ich deutschland- und europaweit nicht in keiner Weise hinbekommen. auf das man optimistisch hinplanen kann. die Szenarien in Form des Storytellings zu
Dem soll auch gar nicht widersprochen Wir haben in den 1980er Jahren, Anfang fliege, bin ich auf den Zug angewiesen. Wie kann man angemessen über Nach- vermitteln. Storytelling verkauft sich sehr
werden. Das Modell der kulturellen und der 2000er Jahre eine Globalisierungs- Ich könnte mir sehr gut vorstellen, auf Ja, es gibt ein Primat der Politik. Nachhal- haltigkeit sprechen und wie kann man für gut und wird von der kapitalistischen
auch der ökonomischen Globalisierung welle erlebt, die auf dem Interesse Alternativen zurückzugreifen, beispiels- tigkeit fällt nicht vom Himmel, auch nicht Verständnis werben? Werbeökonomie sehr erfolgreich genutzt.
will ich in keiner Weise in Frage stellen, der Firmen beruhte, billige Arbeit einzu- weise Vorträge über Skype zu halten. Dann unter marktwirtschaftlichen Prinzipien. Dann habe ich mir gedacht, dass wir das
da ich das geopolitisch und friedens- kaufen. Die Arbeit in Asien war billiger könnte ich mehr vortragen, müsste Eine moderne kapitalistische Wachstums- Bei einem Podiumsgespräch wurde mir auch mal für das Gegenteil benutzen
politisch für eine extrem hohe Errungen- als die Transportkosten, deswegen hat zugleich aber weniger reisen und könnte ökonomie setzt einen politischen, norma- vorgeworfen, ich sei ein Apokalyptiker. sollten, nämlich für die Frage der Nach-
schaft und das Zurückgehen in National- man Outsourcing betrieben. Die Folge der geringere Preise verlangen. tiven und auch rechtlichen Rahmen, Dabei habe ich nichts anderes getan, haltigkeit. Das war mein Ausgangspunkt,
staatlichkeit oder Regionalität für internationalen Arbeitsteilung ist eine in dem die Unternehmen ja eigentlich gar als wissenschaftliche Fakten zu referieren. an dem ich mich entschloss, mehr
mentale Dumpfheit halte. Aber es gibt, soziale und kulturelle Globalisierung. Und was ist mit denjenigen, die nicht nicht anders können als Profitmaximie- Es hat mich besonders persönlich ge- narrative eutopische Szenarien, vor allem
denke ich, durchaus Mittelwege. Ich Dort, wo man hinfährt, um zu arbeiten, freiwillig den Verkehr reduzieren wollen? rung zu betreiben. Das führt zu den troffen, weil ich genau das Gegenteil zu im Bereich der Mobilität zu formulieren.
möchte dabei zwischen Mobilität und Ver- dort verliebt man sich vielleicht und Wo sind für Sie die Grenzen der politischen absurden Entwicklungen, dass Ingenieure bewirken versuche. Ich versuche, eine Denn es ist gehirnphysiologisch nach-
kehr unterscheiden. Mobilität definiere gründet eine Familie. So determiniert man Steuerung? anfangen zu lügen. Das liegt in der Logik Lanze für das eutopische oder das anti- gewiesen, dass Menschen eigentlich nur
ich als die Erreichbarkeit von Einrich- über Generationen hinweg internationale des Systems. Wenn wir uns nicht über apokalyptische Reden zu brechen. Wenn dann bereit sind, neue Informationen
tungen, das, was die Amerikaner mit Pendelbewegungen mit dem Flugzeug. Frei nach Max Weber bin ich der Meinung, die Logik des Systems verständigen, dann man sich den Umweltdiskurs seit den in ihr Weltbild einzufügen und ihr indivi-
accessibility bezeichnen. Immer, wenn wir Das kann man nicht aus der Welt schaffen, Politik heißt gestalten und nicht verwal- werden wir nicht umhin kommen, 1970er Jahren, Harald Welzer und andere duelles Verhalten zu ändern, wenn
Aktivitäten verrichten wollen, müssen ohne freiheitliche Kultur in Frage zu ten. Das bedeutet das Durchsetzen gesetz- an anderer Stelle diesen Wachstums- Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das zu einem positiveren Weltbild beiträgt.
wir Räume überwinden. „Verkehren“ stellen. Jetzt sind wir aber in einer Situa- ter Ziele mit den der Politik zur Verfügung prozessen und dieser Art von unternehme- anschaut, dann kann man einen apokalyp- Wenn ich ein relativ konsistentes und
ist ein historischer Begriff, der gar nichts tion, die unter dem Begriff des Robo- stehenden Machtmitteln, auch gegen rischen Strategien Grenzen zu setzen. tischen Mainstreamdiskurs beobachten. nachvollziehbares Bild von dem im Kopf
mit Raumüberwindung zu tun hat, sourcing oder auch der Produktion 4.0 widerstrebende Interessen. Gerade im Die Grenzen müssen vor allen Dingen den Es wird versucht, das Bewusstsein und habe, was möglich ist, dann bin ich
sondern mit „Sich-zur-Kommunikation- diskutiert wird, dass Unternehmen Nachhaltigkeitsdiskurs sind ethische Kri- Nachfragern, den Konsumenten gesetzt gedankliche Räume zu öffnen, Verständnis vielleicht bereit, mich an diesem Projekt
anbieten“. Das heißt, man kommt mit zunehmend begreifen, dass es günstiger terien der Grund dafür, auch mal Zwang werden. Denn die Unternehmen sind nicht für die Notwendigkeit einer schnellen zu beteiligen, weil ich vor Augen geführt
anderen Leuten an verschiedenen Orten ist, Roboter produzieren zu lassen. auszuüben. Wenn unser Verkehrsminister, das Problem. Die Konsumenten und und radikalen Transformation zu erzeu- bekomme, dass es sich lohnt. Das ist
der Welt zusammen. Ein großer Teil der Automatisierung der der eigentlich Automobilitätsminister deren Pfadabhängigkeit sind das Problem, gen, indem man auf die Schwierigkeiten die Stimmung, die wir brauchen, um in
Autoindustrie findet in Europa statt und heißen sollte, bezüglich der viel diskutier- und da muss man Wege finden, wie man (Klimawandel, Untergang ganzer Gesell- eine gesamtgesellschaftliche Nachhaltig-
Die Globalisierung war möglich aufgrund Deutschland ist sogar Vorreiter in der ten blauen Plakette sagt, dass diese in permanentem Gespräch und im Einver- schaften, Bevölkerungsentwicklung, keitstransformation zu kommen.
sehr günstiger fossiler Energien. Das Roboterisierung aller Produktionsprozesse. mobilitätsfeindlich sei, dann läuft etwas nehmen mit den Betroffenen Stück für Geopolitik des Erdöls oder Migration)
ändert sich aufgrund von massiven Aufgrund dessen und wegen der weiterhin schief. Dass die Menschen an Dieselruß Stück die Rahmenbedingungen verändert. hinweist. Mein Ansatz ist eine andere Art
Externalitäten, die bislang nicht internali- geringen Energiekosten wird es in sterben, ist empirisch und epidemologisch Nicht nur die Qualität des Angebots von Rhetorik, die nicht das Wahrschein-
siert wurden. Das Geschenk fossiler absehbarer Zeit zur Rückverlagerung der nachgewiesen. Die Umweltbundesämter wird verbessert (Ausbau der Radwege, liche, aber das durchaus Mögliche in sehr
günstiger Energien zu Beginn des 19. Jahr- Produktion kommen. in Europa wundern sich seit vielen Jahren, Carsharing, Verbesserung des öffentlichen konkreten Szenarien beschreibt. Ich
hunderts ist historisch etwas Einmaliges; warum die Emissionswerte trotz der Verkehrs), sondern auch die Einschrän- mache das aus zwei Gründen. Einerseits,
es ist die Grundllage, die die moderne Meine Vision bezeichne ich als Dorf 2.0. Versprechungen der Hersteller nicht ein- kungen für die Autofahrerinnen und weil ich sehr durch das Buch „Ökotopia“
Kultur überhaupt erst ermöglicht hat, auf Die Menschen in der Zukunft leben in gehalten werden und die Emissionslage -fahrer werden konsequent durchgesetzt. von Ernest Callenbach, einem kaliforni-
einem neuen Konzept von Dorf auf dem immer schlechter wird. Das ist in meinen Die Automobilität wird restriktiv behan- schen Publizistikprofessor, geprägt
Land und sind global mit Hilfe einer Augen Körperverletzung und eine delt, indem Parkplätze abgeschafft worden bin. Das ist das einzige mir be-
extrem leistungsfähigen digitalen Infra- Situation, in der die Politik steuern und werden, der Straßenraum verringert oder kannte Buch über eine ökologische Utopie,
struktur vernetzt, sie arbeiten, kommuni- sogar zwingen muss. Stattdessen ist heute Parkraummanagement eingeführt wird. in dem jemand versucht, ein positives
zieren und reisen virtuell. Die Produktion der Typus des Verwaltungspolitikers Diese Politik wird außerdem im Verein Bild einer Transformation zu einer
findet in der näheren Region statt, gängig – diesen findet man auf der Bundes-, und im Diskurs mit einer Bevölkerung, nachhaltigen Gesellschaft zu beschreiben.
1) Am 27. Februar 2018 entschied genauso wie die Versorgung mit landwirt- Länder- und Kommunalebene 1. Das die sich ernst genommen fühlt, und eben Callenbachs Buch gab der weltweiten
das Bundesverwaltungsgericht in
Karlsruhe, dass Diesel-Fahrverbote
schaftlichen Produkten. Auch wenn die Hauptinteresse besteht nicht im Gestalten, nicht durch das Top-Down-Reglement Bewegung der Grünen einen massiven An-
in Städten unter bestimmten Menschen sich faktisch relativ wenig sondern im Sichern der eigenen Wieder- gemacht. stupser. Des Weiteren habe ich in den
Voraussetzungen ausnahmsweise
möglich sind. http://www.bverwg.
mit ihrem Körper bewegen, sind sie mobil, wahl. So wird es nichts mit der Nachhaltig- letzten Jahren viel sogenannte Zukunfts-
de/pm/2018/9 (Zugriff: 03.04.2018) weil Mobilität im System steckt. keitstransformation. Ich verstehe forschung für die Automobilindustrie
REALEXPERIMENTE 99

DIE BÜRGER-
RIKSCHA

Welche Bedeutung hat selbstorganisierte Mobi-


lität im Alter? Wie kann Menschen mit ein-
geschränkter Mobilität ein neuer Zugang zu
Überschrift
Perro iusciist fuga. Orem ipit, vid ut etum eum quo
vel in num haria volorrum aut alicilia net, et lam inis-
Fortbewegungsmöglichkeiten geboten werden?
Wodurch erreicht man Akzeptanz für eine
qui volloru mquibus eos aut lautem comnis aces as

Fahrrad-Rikscha im Straßenverkehr?
100 REALEXPERIMENTE

Im Alter sind manche Menschen etwas draußen zu unternehmen. Durch


nicht mehr so mobil, wie sie es gerne den Kontakt mit der Rikscha werden
wären. Die alltägliche Versorgung sowie sie für sanfte Mobilitätsformen sensibili-
die Teilnahme am sozialen und kulturel- siert. Das Wohlbefinden der beteiligten
len Leben können wegen der großen Seniorinnen und Senioren hat sich durch
körperlichen Anstrengungen dann oft nur ihre Fahrten in der Bürger-Rikscha
mit Hilfe des Autos ermöglicht werden. gesteigert. Zahlreiche Beobachtungen
Der Verein „Bürger-Rikscha gemeinsam in belegen darüber hinaus, dass die Bürger-
Bewegung e. V.“ in Stuttgart-Vaihingen Rikscha im Straßenverkehr viele positive
bietet eine Alternative: Ehrenamtliche Reaktionen anderer Verkehrsteil-
Fahrerinnen und Fahrer nehmen Seniorin- nehmenden hervorruft und kaum als Hin-
nen und Senioren in einer Rikscha zu dernis wahrgenommen wird.
Ausfahrten mit, was den Alltag der Senio- Die Bürger-Rikscha ist ein Beispiel für
rinnen und Senioren bereichert und der den gesellschaftlichen Wert der (inter-
Gesundheit aller Beteiligten guttut. generationellen) Solidarität, welches sich
So werden Besorgungen auf kürzeren als Grundlage für Realexperimente
Strecken, Ausfahrten zum Mittagessen auf zahlreiche Kontexte des Alltagslebens
oder in den Wald unabhängig von Autos übertragen lässt. Nach dem gleichen
möglich. Die meisten der 16 Gründungs- Grundgedanken könnten auch ehrenamt-
mitglieder des Vereins sind selbst liche Sprachkurse für Geflüchtete,
Seniorinnen und Senioren, die so die Do-it-Yourself-Fahrradreparatur-Work-
Initiative ergriffen haben, ihren Alltag zu shops oder ehrenamtliche Einkaufs-
bereichern. dienste für Menschen mit eingeschränkter
Das Realexperiment konnte im Hin- Mobilität funktionieren.
blick auf das Thema inklusive Mobilität
nachweisen, dass sich durch die Rikscha-
fahrten zu Mittagstischen oder in Parks
das soziale Leben und das Wohlbefinden
der Seniorinnen und Senioren verbessern.
Über die Hälfte der Fahrten hätten ohne
die Bürger-Rikscha überhaupt nicht statt-
gefunden. Die Betroffenen hätten also
das Haus nur halb so oft verlassen. Neuan-
kömmlingen im Stadtteil wird es mit Hilfe
von Orientierungsfahrten in der Rikscha
ermöglicht, sich anschließend sicherer
in der neuen Umgebung zu bewegen. Dies
steigert die Motivation, für nötige Wege
auf das Taxi zu verzichten oder überhaupt
102 REALEXPERIMENTE DIE BÜRGER-RIKSCHA 103

WIRKUNG Der Verein bestand bereits vor anderen Verkehrsteilnehmenden statt.


Durchführung des Realexperiments. Neben diesen intendierten Wirkun-
Der Rikscha-Betrieb wurde allerdings erst gen zeigte das Realexperiment überdies
im Experimentierraum aufgenommen. Wirkungen, die nicht intendiert waren.
Dementsprechend fokussierte sich auch Die Rikschafahrten waren in der Konzep-
das Realexperiment auf die Ziele des tionsphase angedacht, um mit den
Vereins, die Mobilität von Seniorinnen und Seniorinnen und Senioren vorwiegend
Senioren durch zusätzliche Mobilitäts- notwendige Besorgungsfahrten durch-
angebote zu erhöhen und dabei die elek- zuführen. Dieser Aspekt stellte sich
tronische Fahrrad-Rikscha als Verkehrs- über den Verlauf des Realexperimentes
mittel zu etablieren. Damit lassen sich allerdings als Nebenaspekt dar. Die Senio-
zwei intendierte Wirkmechanismen fest- rinnen und Senioren nutzen die Fahrten
halten: viel mehr, um an Orte zu gelangen,
die sie ohne die Rikscha nicht besuchen
• Empowerment: Möglichkeit der Mobili-
konnten. So war der emotionale Aspekt,
tät für Seniorinnen und Senioren.
beispielsweise an einen geliebten Platz
• Einführung sozialer und technischer
in einem Park oder an einen See zu gelan-
Innovationen: Etablierung der Rikscha
gen, eine der Hauptmotivationen der
als Verkehrsmittel.
Mitfahrenden. Die Motivation für die Fahr-
Wird Mobilität als Element beziehungs- ten war damit nicht bloß, Dinge zu erle-
weise Voraussetzung für gesellschaftliche digen, sondern die Mobilität als Erlebnis
Teilhabe verstanden, so kann die Erwei- zu gestalten, wie beispielsweise mit

Die Rikscha ist einfach etwas


terung des Handlungsspielraums der einem gemeinsamen Besuch von schönen
Seniorinnen und Senioren als eine Form Orten. Dies zeigt, dass der Diskurs über
des Empowerments verstanden werden. Lebensqualität im Alter Mobilität explizit
Dieser Anspruch konnte durch die
Rikschafahrten erreicht werden, da die
einschließt.
Auch im Hinblick auf die Systempers- Tolles! Das erinnert mich
an mein Fahrradfahren,
Seniorinnen und Senioren diese ehren- pektive hatte das Realexperiment Wir-
amtlichen Fahrten frei nutzen konnten. kungen. So führte der Einsatz der Rikscha
Die Rikschafahrten zielten überdies zu Irritationen des öffentlichen Systems,
auf eine Etablierung neuer Handlungsrou-
tinen durch Erprobung und Verankerung
neuer Verhaltensweisen, indem die Rik-
da viele Pkw-Fahrende auf der Straße mit
einem nicht erwarteten langsameren
Verkehrsteilnehmer in Form der Rikscha
früher in der Heimat.
scha wie andere Verkehrsmittel die Straße konfrontiert wurden. Das Amt für öffent-
Rikscha-Nutzerin im Interview
nutzte. Gerade damit wurden die anderen liche Ordnung der Landeshauptstadt
Verkehrsteilnehmenden mit dem Einsatz Stuttgart forderte hier eine Sondergeneh-
eines anderen Verkehrsmittels kon- migung, welche nach Gesprächen erteilt
frontiert, während einiger Rotphasen an wurde. Überdies wurden Sondergenehmi-
Ampeln fand überdies ein Austausch mit gungen für die Fahrt in Fußgängerzonen
104 REALEXPERIMENTE DIE BÜRGER-RIKSCHA 105

benötigt, da die Seniorinnen und Senioren Für die Bürger-Rikscha mussten zahlrei-
auch hier ohne die Rikscha nicht mobil che Ausnahmeregelungen für das
gewesen wären. So war die beobachtbare Befahren von Straßen und Befördern von
FLÜCHT- Wirkung des Realexperimentes letztlich Personen mit dem Amt für öffentliche
LINGS-FREUN-
DESKREIS mit einer Reaktion des Systems der Ordnung verhandelt werden. Da es sich
NECKARPARK
öffentlichen Ordnung verknüpft. Für das nicht um kommerzielle Fahrten handelt,
Realexperiment der Bürger-Rikscha sollten aus Sicht des Vereins Ausnahme-
STUDIERENDE FLÜCHTLINGS- lassen sich damit zwei weitere Mechanis- genehmigungen nicht nötig sein oder
JUGENDSCHUTZ-
GRUPPE ROBERT- men ableiten, die als nicht-intendierte in einem schnellen und unkomplizierten
SPENDER
Otto F. Scharr-Stiftung KOCH-STRASSE Wirkmechanismen verstanden werden Prozess ausgestellt werden können.
Albrecht-Locher-Stiftung
sollten: Hier könnte die Verwaltung den Einsatz
EHRENAMT-
durch einfache und damit auch ressour-
• Spenden LICHE FAHRE- • Bewusstseinswandel: Bedeutung von
• Rikscha- und
RINNEN UND censparende Genehmigungsverfahren
REALLABOR Wissenschaftliche
Radtouren
• Vermitteln von
FAHRER
Mobilität im Alter.
FÜR NACHHALTIGE Auswertung Verkehrsregeln unterstützen. Die Bürger-Rikscha eignet
MOBILITÄTSKULTUR • Sammeln von
be
itr
ag • Kontextänderung: Reaktion des Sys-
Fahrrädern
e ds sich für kommunale Senioreneinrich-
Team „Kugelrund“
und Zubehör
Mi
tg
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tems der öffentlichen Ordnung.
Exp im PMGZ Vaihingen
zu
n g Rikschafahrten tungen oder Mehrgenerationenkonzepte
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me ut
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n POTENZIALE Neben Seniorinnen und (paritätischer Landesverband). Weitere
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„WIND IN DEN Rik
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Senioren kann eine (ehrenamtlich betrie- potenzielle Partner sind Diakonie-
HAAREN“
BÜRGER-
RIKSCHA-PROJEKT IN
METZINGEN
Erfahrungsaustausch
RIKSCHA FAHRGÄSTE bene) Rikscha auch Personen jeden Alters Einrichtungen, Mehrgenerationenhäuser,
Gespräche über eigene Rikscha-Angebote Spenden
ZUHAUSE LEBEN E.V. VEREIN ALS mit Mobilitätseinschränkungen durch Seniorenheime, Krankenhäuser, kirch-
INITIATOR
Handicaps mehr umweltfreundliche Nah- liche Gemeindezentren, soziale Vereine,
Re
Ri par
ks at
mobilität ermöglichen. Ähnliche Kon- Bürgervereine sowie Arztpraxen oder
ch ur
EVANGELISCHE
KIRCHE / DIAKONIE
Gründer a en
de
r zepte in der Region wurden angestoßen (physio)therapeutische Praxen.
BÜRGER-
Re

Beteiligung am
pa

regelmäßige Fahrten
und der Verein konnte seine Erfahrungen
Ge ksch

Aktionstag
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FORUM
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GEMEINDEPSYCHIATRISCHES
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Modellprojekt
LAUCHHAU- aus dem Realexperiment an andere inter-
n

ZENTRUM (EVA) „TrotzAlter: unab-


de
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sporadische Einsätze der Rikscha hängig mittendrin“


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LAUCHÄCKER
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essierte Initiativen weitergeben.


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DIE GRÜNEN
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E.V.
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FRAUNHOFER „MORGENSTADT“
Rikscha-Einsätze bei Veranstaltungen Repair-Café
AMT FÜR
LEBENSHILFE VAIHINGEN E.V. GESUND- ÖFFENT-
Regelmäßige Nutzung der HEITSAMT LICHE ORD-
Rikscha
(eigene Fahrten) STADT NUNG Dieser Beitrag ist eine gekürzte und leicht veränderte Zivilgesellschaftliche Praxispartner
Fassung des Kapitels „Die Bürger-Rikscha – Gemeinsam in
STUTT- „’S RÄDLE“ Bewegung“ aus Kuhn et al (2017): Reallabor für nachhaltige Bürger-Rikscha – gemeinsam in Bewegung e. V.
JUGEND- GART BÜRGER- FAHRRAD- Mobilitätskultur in Stuttgart – Dimensionen eines Evelin Bleibler, Olaf Brandt, Walter Vogt, Peter Kungl
konkreten empirischen Falles. Ein Projektbericht. Dessau:
AMT SERVICE GESCHÄFT Umweltbundesamt.
Koordination
„LEBEN
IM ALTER“
ILPÖ – Institut für Landschaftsplanung und Ökologie
Fluss von Eric Puttrowait
Ressourcen
Wissenschaftliche Begleitung
Information
Bianca Llerandi
Arbeitsaufwand
Bearbeitungszeitraum
März 2016 – September 2017
Kontakt
www.rikscha-vaihingen.de
URBANE STRASSENRÄUME

106
107

WISSEN
ZUKÜNFTE PARTIZIPATIV
ENTWICKELN
Sophia Alcántara, Annika Arnold, Raphael Dietz, Markus Friedrich und Doris Lindner

I
n der Mitte der Laufzeit des Reallabors für nach- ermöglicht es, die eher abstrakten gedanklichen
haltige Mobilitätskultur (RNM) wurde ein zwei- Zukunftsvorstellungen in ihren Ausprägungen und
teiliger Visionenworkshop 1 mit Bürgerinnen und Folgen greifbar zu machen (vgl. zu einem ähnlichen
Bürgern aus Stuttgart und Umgebung durch- Vorgehen: Wirth et al. 2014). Ebenso wie auch die
geführt. Ziel war es, wünschenswerte Vorstellungen Stadtplanung und politische Entscheidungsinstanzen
der Bevölkerung zur Mobilität in Stuttgart für das Jahr Modelle zur Untersuchung von Maßnahmen und zur
2030 herauszuarbeiten und miteinander zu verglei- Entwicklung von Szenarien zur Verfügung haben, wird
URBANE STRASSENRÄUME

chen. Der Workshop richtete sich an Bewohnerinnen den Bürgerinnen und Bürgern hier ein Modell zur
und Bewohner aus dem regionalen und lokalen Um- Überprüfung ihrer Visionen an die Hand gegeben.
feld, die weder thematisches Fachwissen noch einen

WISSEN
hohen Grad an Engagement im Mobilitätsbereich Anwendungskontext und Ziele
mitbringen mussten, aber ein generelles Interesse am Im vorliegenden Fallbeispiel wurde der Workshop
Thema der Mobilität haben sollten. Aus dem Real- Mitte des zweiten Reallabor-Jahres durchgeführt.
labor-Team waren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Hintergrund war die Idee, dass die vorangegangenen
der Fachdisziplinen Sozialwissenschaften, Verkehrs- Reallabor-Aktivitäten zur Meinungsbildung der Bevöl-
wissenschaft und Stadtplanung an der Konzeption kerung beigetragen haben und die Ergebnisse des
und Durchführung des transdisziplinären Workshops Workshops diesen Prozess bündeln beziehungsweise
beteiligt, welche in Kooperation mit der Volkshoch- widerspiegeln. Unabhängig vom Zeitpunkt des Verfah-
schule Stuttgart durchgeführt wurden. rens werden die inhaltlichen und prozessbezogenen
Die Frage, wie wir zukünftig mobil sein wollen und Ziele des Workshops durch das transformative For-
sollen ist eng mit der eigenen Lebensführung, mit schungsparadigma, in welches Reallabore eingebettet
unterschiedlichen Prioritäten und dem Ausgleich sind, beeinflusst. Dementsprechend sollen die Work-
zwischen gemeinschaftlichem und individuellem shops sowohl Transformationsprozesse aktiv  anregen
Wohlbefinden verknüpft. Es ist ein Thema, das glei- und Wissen für die Transformation bereitstellen als
chermaßen individuelle Lebensbereiche, stadtpla- auch gemeinsames soziales Lernen fördern. Eine
nerische Vorstellungen oder verkehrswissenschaft- Grundlage für das transformative Paradigma und
liche Maßnahmen berührt. Aufgrund der komplexen die  damit verbundene transdisziplinäre Arbeitsweise
Problemstellung wurde ein Beteiligungsformat entwi- ist die Annahme, dass neue komplexe gesellschaft-
ckelt, das es ermöglichte, die unterschiedlichen Prä- liche Problemlagen eine Neuausrichtung des Selbst-
ferenzen gemeinschaftlich herauszuarbeiten und in verständnisses der Wissenschaft erfordern, welches
gegenseitiger Wertschätzung zu diskutieren. Ein me- darauf abzielt, sowohl die Grenzen zwischen wissen-
thodischer Dreiklang machte die Besonderheit des schaftlichen Disziplinen als auch die zwischen
Workshop-Konzepts aus: die qualitativ beschriebenen Wissenschaft und Gesellschaft zu überwinden (vgl.
Wunschvorstellungen oder Visionen der Teilnehmen- Bogner et al. 2010).
den zur urbanen Mobilität wurden mit Hilfe einer ver- 1) Wir unterscheiden zwischen Visionen und Szenarien. Erstere
kehrswissenschaftlichen Modellierung in Wirkungs- erzählen eine wünschenswerte Vorstellung von der Zukunft,
szenarien 2 übersetzt und mit Visualisierungstools aus letztere beschreiben mittels Modellierung eine Übersetzung
dieser Visionen in mögliche Vorstellungen von der Zukunft mit
der Stadtplanung bildlich dargestellt. Dieses Vorgehen
108 verbindet verschiedene disziplinäre Ansätze und
zugehörigen Entwicklungspfaden (vgl. Giesel 2007, S. 105;
Kosow und Gaßner 2008, S. 9f.). 109
Workshop Teil 1, Samstag 15. Oktober 2016 Workshop Teil 2, Donnerstag 15. Dezember 2016 SZENARIO WUNSCH/ VISION DER BÜRGERINNEN WIRKUNGEN
UND BÜRGER
10:00 Begrüßung (Plenum) 17:00 Begrüßung & Rückschau (Plenum)
10:30 Impulsvorträge (Plenum) 17:25 Kurzvorträge (Plenum) S1 Weniger ist mehr Bescheiden werden, mehr Lokales, Zeit haben Personenkilometer: –35%
Mobilität & Verkehrswissenschaft Verkehrsmodelle – Was ist das? Diese Vision beschreibt eine ent- Wege vermeiden – Home-Office Pkw-Verkehr: –70%
Mobilität & Kommunalpolitik Visionen visualisieren – Wie macht man das? schleunigte Welt mit weniger Verbleibenden Verkehr gezielt verteilen Öffentlicher Verkehr: +50%
Mobilität & Stadtplanung 17:50 Vorstellung der Ergebnisse (Plenum) Arbeitszeit, mehr Home-Office und Urban Gardening statt Parkplätze Rad und Fuß: +50%
11:15 Kaffeepause Von der Vision zum Szenario – die vier Szenarien somit mehr Zeit in Wohnortnähe. Mehr Lebensqualität bei weniger Einkommen weniger Pkw-Stellplätze im Straßen-
11:30 Entwicklung einer Zukunftsvision zum 19:00 Kaffeepause und Arbeitszeit raum erforderlich
Thema Mobilität (Gruppenarbeitsphase I) 19:10 Bewertung der Szenarien (Gruppenarbeitsphase im Siehe S. 116 Die Hälfte der Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
12:45 Mittagspause World-Café-Format) nehmer arbeitet mehrheitlich zu Hause
13:45 Entwicklung einer Zukunftsvision zum 20:30 Zusammenfassung der Diskussionen (Plenum) Virtuelle Besprechungen funktionieren perfekt
Thema Mobilität (Gruppenarbeitsphase II) 21:00 Verabschiedung (Plenum)
15:30 Zusammenfassung mit integrierter Kaffeepause S2 Vernetzt und vielfältig Nutzung multimodaler Verkehrskonzepte Personenkilometer: –10%
(Plenum) Diese Vision kombiniert Anreize im City Maut Pkw-Verkehr: –35%
16:00 Verabschiedung und Ausblick (Plenum) Umweltverbund mit Preissteigerun- Externe Kosten von Verkehr von Nutzenden Öffentlicher Verkehr: +55%
gen im Pkw-Verkehr und nutzt die bezahlt Rad: +50%
Abb. 1: Agenda des ersten und zweiten Workshops Möglichkeiten der Digitalisierung. Fußläufige Erreichbarkeit für Einrichtungen des Fuß: ±0%, da Öffentlicher Verkehr
täglichen Bedarfs billiger wird
Siehe S. 118 Stuttgarter S-Bahn-Ring vollenden
ZUKÜNFTE PARTIZIPATIV ENTWICKELN

Attraktivität des Umweltverbunds steigern:


Konzeption und Umsetzung des Workshops arbeitungsprozess auch visuell festzuhalten, wurden Individualverkehr teurer, öffentliche Verkehrs-
Der Workshop wurde an zwei Terminen durchgeführt, die Diskussionen zusätzlich auch mittels Graphic mittel kostenlos
die in einem Abstand von zwei Monaten aufeinander Recording dokumentiert. Faire Kostenverteilung – wo fallen Kosten an und
folgten. In der Zwischenzeit bearbeitete das wissen- Eine solche Visualisierung einer mündlichen De-

WISSEN
wer zahlt?
schaftliche Team die Ergebnisse des ersten Work- batte kann später dabei unterstützen, die Ergebnisse Mobi-Planung per App (flexibel)
shops. Abb. 1 zeigt das Programm der beiden Work- der Gruppenarbeit im Plenum vorzustellen. In der
shop-Tage. Phase zwischen dem ersten und dem zweiten Termin S3 Individuell und autonom Die Vorstufe zum Beamen! Endlich klappt’s! Personenkilometer: ±0%
Das transdisziplinär zusammengesetzte Team war fand die wissenschaftliche Analyse statt, in der die Diese Vision stellt den geteilten, Carsharing und neue Ansätze Pkw-Verkehr: +15%
jeweils für unterschiedliche Aufgaben verantwortlich. qualitativ beschriebenen Visionen der Bürgerinnen individuellen Verkehr in den Vorder- Autonomer Lieferverkehr Öffentlicher Verkehr: –30%
Die Sozialwissenschaften entwickelten unter Rück- und Bürger mit den Methoden zu Szenarien weiterent- grund; Fahrzeuge werden geteilt, Selbstfahrende Drohne als Transportfahrzeug Rad und Fuß: ±0%
sprache mit den anderen Disziplinen sowie der Volks- wickelt wurden (siehe Beitrag Visionen Visualisieren). aber individuell genutzt. Pkw-Fahrzeuge: –40%
hochschule das Prozessdesign und moderierten die Für diesen Teil des Prozesses waren die im Reallabor weniger Pkw-Stellplätze im Straßen-
Veranstaltung. Dabei wurden sie an den Workshop- beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Siehe S. 120 raum erforderlich
Tagen durch externe Moderatorinnen und Modera- der Verkehrs- und Stadtplanung sowie deren Studie-
toren unterstützt. Für den fachlichen Wissensinput rende verantwortlich. Der zweite Workshoptermin, zu
(Impuls- und Kurzvorträge an beiden Terminen) konn- dem wieder dieselben Bürgerinnen und Bürger einge- S4 Kollektiv und autonom Die Stadt gehört wieder allen! Personenkilometer: ±0%
te ein transdisziplinäres Team aus internen und exter- laden wurden, widmete sich der Vorstellung, Diskus- Diese Vision will eine Welt ohne pri- Stuttgart ohne private Autos: Pkw-Verkehr (inkl. öffentliches
nen Vortragenden gewonnen werden: Die beteiligten sion und Reflexion der Szenarien. Die Teilnehmenden vate Fahrzeuge; Mobilität wird Motorisierter Individualverkehr 2030 –50% wird Ridesharing): –35%
Verkehrswissenschaftlerinnen und Verkehrswissen- erhielten durch die Modellierung und bildliche Dar- öffentlich organisiert, der Straßen- umgesetzt Öffentlicher Verkehr: –30% (Weg-
schaftler gaben Auskunft über die verkehrswissen- stellung eine Vorstellung von der möglichen Umset- raum gehört allen: Öffentliches Feinstaub ade! Wir haben es geschafft! fall Bus)
schaftliche Modellierung, ihre Anwendungsgebiete zung ihrer Zukunftsvorstellungen und den damit Ridesharing ersetzt die privaten Pkw Mobilität ist hauptsächlich öffentlich organisiert Rad und Fuß: ±0%
und die benötigten Faktoren; die Stadtplanerinnen eventuell verbundenen (unerwünschten) Wirkungen und Busse. und wird durch private Sharing-Angebote Pkw-Fahrzeuge: –90%
und Stadtplaner referierten über den Prozess und die und konnten diese im Anschluss kommentieren und ergänzt. Auf ehemaligen Hauptverkehrsachsen Besetzungsgrad steigt von 1,3 auf 2,4
Entwicklung einer stadtplanerischen Visualisierung diskutieren. entstehen Parks. weniger Pkw-Stellplätze im Straßen-
sowie die möglichen Auswirkungen von mobilitäts- Siehe S. 122 raum erforderlich
bezogenen (Infrastruktur-)Maßnahmen auf das ge- Verkehrswissenschaftliche Modellierung
samte Stadtbild. Ein Vertreter der Stadtverwaltung Auf Basis der unterschiedlichen wünschenswerten Abb. 2: Übersicht der entwickelten Szenarien
klärte die Anwesenden am ersten Termin über die Zukunftsvorstellungen entwickelten die Verkehrswis-
kommunalen Gedanken und Strategien für die zu- senschaftlerinnen und -wissenschaftler vier verschie-
künftige Verkehrsentwicklung in der Stadt und Region dene, aber in sich konsistente Szenarien (Abb. 2). Ziel
Stuttgart auf. Im Anschluss an diesen Wissensinput war es dabei, die beschriebenen Wunschvorstellun-
erfolgte die Erarbeitung unterschiedlicher Zukunfts- gen, beispielsweise ob es im Vergleich zu heute mehr
110 visionen in moderierten Kleingruppen. Um diesen Be- oder weniger private Pkws geben wird oder ob der 111
Seminar

Vorbereitung 1. Bürgerworkshop Wissenschaftlicher Städtebauliche Konzept Verkehrswissen- 2. Bürgerworkshop Überarbeitung Ausstellung Dokumentation
Das interdisziplinäre Bürgerinnen und Bür- Workshop Visualisierung 2. Bürgerworkshop schaftliche Der zweite Workshop Visualisierungen Das Seminar an der Uni- und Publikation
Forschungsteam ent- gern entwickeln im Die Mobilitätsvisionen Erste Varianten der Auf Basis der zuvor Modellierung dient der Rückspiege- Unter Berücksichtigung versität Stuttgart endet Das interdisziplinäre
wickelt zusammen mit Rahmen eines ersten werden durch das For- städtebaulichen Visua- gewonnenen Erkennt- lung der Zwischen- der Rückmeldungen mit einer Präsentation Forschungsteam arbei-
Für jedes Szenario wird
der Volkshochschule Workshops in mehre- schungsteam inhaltlich lisierung werden von nisse und Zwischen- ergebnisse an die Bür- aus dem zweiten Work- und Ausstellung der tet die Ergebnisse der
eine auf den Stadtver-
Stuttgart ein Konzept ren Gruppen unter- zu Szenarien verdichtet Studierenden der Ar- ergebnisse wird ein gerinnen und Bürger. shop überarbeiten die stadträumlichen Visua- beiden Workshops auf,
kehr bezogene Wir-
für den Prozess zur Er- schiedliche Mobilitäts- und konkretisiert. chitektur angefertigt. Konzept für den zwei- Den Teilnehmenden Studierenden die stadt- lisierungen und den leitet sie an die teilneh-
kungsabschätzung
mittlung von Mobilitäts- visionen. Widersprüchliche Aus- Grundlage sind die von ten Workshop mit Bür- werden die Szenarien räumlichen Visualisie- Ergebnissen der ver- menden Bürgerinnen
vorgenommen, welche
szenairen und plant die sagen innerhalb der den Bürgerinnen und gerinnen und Bürgern vorgestellt, ihre ver- rungen. kehrsplanerischen Mo- und Bürger weiter und
quantitative Aussagen
ersten Prozessschritte. Szenarien werden neu Bürgern formulierten entwickelt. kehrliche Wirkung dellierung. stellt sie auf einem an-
zu Modal Split und ver-
geordnet, um klar von- und zu Szenarien ver- dargestellt, sowie ihre schließenden Fachtag
gangenheitsbezogener
einander abgrenzbare dichteten Mobilitätsvi- stadträumlichen Aus- der Volkshochschule
Verteilung von Perso-
Szenarien zu erhalten. sionen. Jedes Szenario wirkungen und Poten- Stuttgart mit Teil-
nenkilometern macht
Die vier ermittelten wird auf dem städti- ziale anhand von Visua- nehmenden aus Politik
(„back casting“).
Szenarien dienen als schen und regionalen lisierungen erläutert. und Verwaltung vor.
Durch Gesprächsrun-
ZUKÜNFTE PARTIZIPATIV ENTWICKELN

Basis für die weitere Maßstab dargestellt


Bearbeitung. sowie in konkreten den und TED-Umfragen
stadträumlichen Situa- werden die Rückmel-
tionen auf Potenziale dungen der Bürgerin-
und Qualitäten über- nen und Bürger zu den
prüft. Szenarien eingeholt.

WISSEN
SI Studierende

vhs SI vhs SI SI Zentrum für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung

vhs SI Studierende
SI SI Studierende
SI
Bürgerinnen Bürgerinnen
Zentrum für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung
und Bürger Zentrum für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung
und Bürger Zentrum für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung

Zentrum für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung Zentrum für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung
Studierende

Co-Produktion von Mobilitätsszenarien:


Prozessvisualisierung des mehrstufigen
Workshopformates

112 113
ÖPNV ausgebaut oder reduziert wird, in quantifizierte Sowohl die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Literatur
Kenngrößen zu übersetzen. Dadurch konnten indivi- Wissenschaftler des Reallabors als auch einige der
duelle Vorstellungen von der Wirksamkeit einer Maß- teilnehmenden Bürgerinnen und Bürger gaben an, Alcántara, S., Arnold, A., Kosow, H., Gaßner, R. (2008):

vhs
Lindner, D., Busch, S., Dietz, R., Methoden der Zukunfts- und Sze-
nahme den errechneten Wirkungen prüfend gegen- dass das Format und die Methode eine Atmosphäre er- Friedrich, M., Ritz, C., Sonnber- narioanalyse. Überblick, Bewer-
übergestellt werden. Im Fall des Visionsworkshops zeugt haben, in der eine wertschätzende Auseinander- ger, M. (2018): „Zwischen tung und Auswahlkriterien.
Die Volkshochschule ist als Wunsch und Wirkung – Ein WerkstattBericht 103. Berlin: Ins-
wurden aus den Visionen Szenarien für Mobilität und setzung mit einem gesellschaftlich komplexen und Projektpartner für die Organi- transdisziplinärer Visionswork- titut für Zukunftsstudien und
Verkehr entwickelt. In diesem Zusammenhang konnte kontroversen Thema möglich wurde. Das Konzept und sation der Räumlichkeiten, Teil- shop mit Bürgerinnen und Bür- Technologiebewertung.
nehmeransprache und Termine
auf ein vorhandenes Verkehrsnachfragemodell (vgl. die Anwendung des transdisziplinären Visionswork- gern“. In: Defila, R., Di Giulio, A.
zuständig.
Friedrich 2011) zurückgegriffen werden. Mit diesem shops kann flexibel angepasst werden. So kann ein sol- (Hg.): Transdisziplinär und Wirth, T., Wissen Hayek, U.,
transformativ forschen. Eine Kunze, A., Neuenschwander, N.,
Verkehrsnachfragemodell wurden die Wirkungen für cher Prozess zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Methodensammlung. Wiesbaden: Stauffacher, M., Scholz, R.W.
die in Tabelle 2 abgebildeten vier Szenarien abge- einem Reallabor oder einem analogen Format erfol- Springer VS [im Druck]. (2014): „Identifying urban trans-
schätzt. gen: In der Anfangsphase könnten beispielsweise auf formation dynamics: Functional
Das Institut für Straßen und Bogner, A., Kastenhofer, K., use of scenario techniques to
diese Weise erste Kontakte zu interessierten Bürgerin- Verkehrswesen unterstützt das Torgersen, H. (2010): Inter- und integrate knowledge from
Stadtplanerische Visualisierung nen und Bürger geknüpft werden und die Ergebnisse Projekt mit Fachwissen und Transdisziplinarität. Zur Einlei- science and practice“. In: Tech-
berechnet modellhaft die tung in eine anhaltend aktuelle nological Forecasting and Social
Die verkehrswissenschaftliche Modellierung der Sze- des Workshops als Grundlage für die strategische Pla- Auswirkungen der einzelnen Debatte. In: Bogner, A., Kasten- Change, 89: 115–130.
narien wurde durch eine stadtplanerische, bildliche nung weiterer Aktivitäten dienen, wie zum Beispiel für Szenarien.
hofer, K., Torgersen, H.(Hrsg.),
Umsetzung komplettiert, welche die räumlichen Aus- die Durchführung von Realexperimenten. Des Weite- Inter- und Transdisziplinarität
wirkungen verschiedener verkehrlicher Maßnahmen
verdeutlicht. Für jedes Szenario wurden mehrere
ren ist es denkbar, dass der Workshop – verbunden mit
einem politischen Mandat – den Einfluss der Teilneh-
SI im Wandel? Neue Perspektiven
auf problemorientierte Forschung
und Politikberatung. 1. Aufl.
Das Städtebau Institut ist als
Grafiken angefertigt; jeweils eine Grafik zeigte ein menden auf den politischen Entscheidungsprozess Projektpartner für die stadt-
Baden-Baden: Nomos: 7–21.
http://www.nomosshop.de/_
ZUKÜNFTE PARTIZIPATIV ENTWICKELN

Gesamtstadtbild, das auch die Schnittstellen zur Pe- vor Ort erhöht. räumliche Auswirkung der Sze-
narien zuständig. In diesem assets/downloads/9783832951870
ripherie in den Blick nimmt. Diese Bilder wurden _Einleitung.pdf (Zugriff
Rahmen organisiert es das Se-
durch weitere Ausschnitte ergänzt, die eine bestimmte minar „Visionen Visualisieren“. 27.06.2017).
Situation aus dem Szenario herausgreift, beispiels-
Friedrich, M. (2011): Wie viele?
weise die Gestaltung des Straßenraumes, eines Platzes

WISSEN
Wohin? Womit? Was können uns
oder den Alltag in einem Wohnquartier detailliert be- Zentrum für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung
Verkehrsnachfragemodelle wirk-
schreibt (siehe Beitrag Visionen Visualisieren). Die Das Zentrum für interdiszipli- lich sagen? Tagungsbericht Heu-
näre Risiko- und Innovations- reka 11, Köln: FGSV. http://www.
Ziele der Visualisierung liegen darin, konkrete Um- isv.uni-stuttgart.de/vuv/
forschung ist zuständig für die
setzungsmöglichkeiten aufzuzeigen und den Teil- Steuerung, Moderation und publication/downloads/ 2011_
nehmenden eine Vorstellung von der damit verbunde- Organisation der Bürgerwork- Friedrich_Nachfragemodelle_
shops. Heureka.pdf (Zugriff 04.12.2017).
nen räumlichen Atmosphäre zu geben. Bei der Umset-
zung wurde Wert auf den lokalen Bezug gelegt, so dass Giesel, K. D. (2007): Leitbilder in
auf den Bildern ein hoher Wiedererkennungswert von Bürgerinnen den Sozialwissenschaften.
und Bürger Begriffe, Theorien und For-
der Stadt und Region Stuttgart erreicht wurde. Der schungskonzepte. 1. Aufl. Wiesba-
Die Bürgerinnen und Bürger
Visualisierungsprozess sowie die Vorstellung und entwickeln durch ihr Wissen den: Verlag für Sozialwissen-
Diskussion der Szenarien beim zweiten Workshopter- und ihre Wünsche in Koopera- schaften.
tion mit dem interdisziplinären
min wurde als Lehrveranstaltung für Studierende im Forschungsteam Mobilitätsvisio-
Fachbereich Architektur und Stadtplanung angebo- nen für Stuttgart.
ten, um diesen bereits im Studium Erfahrungen mit
transformationsbezogenen Beteiligungsprozessen zu Studierende
ermöglichen. Studierende bearbeiten die
Mobilitätsvisionen im Rahmen
eines Seminars. ihre Aufgabe ist
Fazit und Ausblick es, die Visionen in stadträum-
Mit der Entwicklung und Durchführung dieses trans- liche Visualisierungen zu über-
Der Beitrag ist eine verkürzte und leicht veränderte Fassung von: setzen.
disziplinären Visionsworkshops ist es gelungen, unter- Alcántara et al. (2018): „Zwischen Wunsch und Wirkung –
schiedliche Wissensformen (wissenschaftliches Wis- Ein transdisziplinärer Visionsworkshop mit Bürgerinnen und
sen, Erfahrungs- und Alltagswissen) mit verschiede- Bürgern“. Weitere Informationen vor allem in Bezug auf die
Umsetzung des Formats finden Sie hier beschrieben. Der aus-
nen Methoden zu kombinieren und dadurch einen führliche Forschungsbericht kann unter folgendem Link herun-
Prozess des gemeinschaftlichen Lernens zu befördern. tergeladen werden: www.r-n-m.net/ergebnisse/
Übersicht der mitwirkenden
Akteure und ihrer Rollen

114 115
Stuttgart alle Kieze mein Kiez
WENIGER IST MEHR
von Tamara Hauenstein, Viviane Peiseler,
Viviane Willig
Kiez Lädle
Ohne besondere verkehrsplanerische Maß-
nahmen entscheidet sich die Mehrheit der
Menschen für einen entschleunigten Lebens- Ergebnisse für Ihren Kiez: Mobilitätsplätzle
stil. Arbeit steht weniger im Mittelpunkt als
heute. Das Leben findet vor allem vor Ort Emmas Lädle 4 min
3
statt. Das Mobilitätsverhalten ändert sich so,
dass Menschen ihre Aktivitäten nach Möglich- Kiez-News
Paulas Lädle 6 min
Kiez Lädle

4
keit nah am Wohnort durchführen. Ortsverän-
Kiez Lädle

1
4 Konzept „Weniger ist mehr“ erlebt Erfolg Nachdem das konzept „Weniger ist mehr“
derungen in die nächste größere Stadt in Stuttgart. schon in neun Stuttgarter Kiezen mit Erfolg
1 Fridas Lädle 10 min umgesetzt worden ist und die Plieninger
werden bevorzugt mit dem ÖPNV gemacht. Stuttgart freut sich! Nachdem sich ein Bevölkerung mit 87 Prozent positiver Reaktion
Das Verkehrsangebot wird so verändert, dass Kiez Lädle
Einstellungswandel in der Gesellschaft für die Stadtentwicklungsmassnahme
2 Karlas Lädle 14 min bemerkmar gemacht hat, die sich für einen stimmte, wird diese jetzt auch im süd-
innerorts mit Ausnahme weniger Hauptver- 2 weniger leistungsorientierten Lebensstil lichsten Kiez Stuttgarts realisiert.
kehrsstraßen eine Regelgeschwindigkeit von mit einem Sinn für Regionalität aus-
sprach, konnten nun positive Schlüsse Zu guter Letzt Entwarnung für alle Au-
30 km/h umgesetzt wird und in Erschlie- Kiez Lädle

aus dem Projekt gezogen werden. toliebhaber - die wichtigsten Stuttgarter


ßungsstraßen die Geschwindigkeit auf Ergebnisse für weitere 3
Straßen werden erhalten und ein hoher
20 km/h begrenzt wird. Rad- und Fußverkehr Kieze in Ihrer Nähe: Konzeptschwerpunkt ist die Optimierung Anstieg an Park-and-Ride-Angeboten am
der vorhandenen Stuttgarter Stadtteile Stadtrand bietet gute Umstiegsmöglich-
haben bei der Gestaltung des Verkehrsan- zu selbstständigen, gleichberechtigten keiten für Pendler und Fernreisende.
gebots Vorrang. Viele Straßen sind als Christas Lädle 9 min Kiez Lädle
Kiezen. Dazu müssen eine hohe Anzahl an
Institutionen vom ehemaligen Zentrum in
Fahrradstraßen gestaltet. Das Angebot im Kiez Lädle
die Peripherie verlegt werden.
öffentlichen Verkehr bleibt ähnlich wie heute. Lenas Lädle 14 min
Beispielsweise sollen von den insgesamt
54 medizinischen Einrichtungen im ehema-
ligen Stadtteil Mitte 49 in die anderen
Da die Menschen für ihre Aktivitäten nach Stadtgebiete umziehen. Im letzten Jahr
Möglichkeit den nächsten geeigneten Ort konnten davon bereits 20 Umzüge reali-
siert werden.
auswählen, sinkt die Personenverkehrs- Ergebnisse für andere Kieze ausblenden?
leistung deutlich um etwa 35 %. Weil die Wege
kürzer werden, können mehr Wege mit dem
Rad oder zu Fuß zurückgelegt werden. Arbeiten im Kiez
Für längere Wege präferieren die Menschen
den öffentlichen Verkehr auch dann, wenn Donnerstag

der Pkw schneller wäre. Die verbleibenden


Pkw-Fahrten werden mit einem höheren
21
Besetzungsgrad durchgeführt. Auf diese
Weise reduziert sich die Verkehrsleistung im Hi! Im Kiezpark gibt
es jetzt WLAN!
Pkw um 70 Prozent. Dafür sind deutlich lass uns gemein-
weniger Fahrzeuge erforderlich, so dass ein sam in der
großer Teil der Stellplätze im Straßenraum Mobilitätsplätzle
Sonne liegen zum
entfallen kann. Die berechneten Wirkungen Arbeiten! :))
unterstellen eine Bewusstseinsänderung bei
fast allen Menschen.
Veranstaltungen
Nächste Termine

Kalender Konzert Kiezorchester


9:00 Uhr Frühstück mit Lene
Donnerstag
11:00 Uhr Spanischkurs

12:00 Uhr Freizeit


21
Ort: Liederhalle (Kiez Mitte)
14:00 Uhr Arbeiten
17:00 Uhr Feierabend

19:00 Uhr Kochen mit Henrik

22:00 Uhr Cocktails Kiez 5 Kieze entfernt


Mobilitätsplätzle
40 min mit ÖPNV
U 9 Vogelsang / U 14 Heslach

Mobilitätsplätzle

WS16/17 matr.Nr.: 2972864

116 VISIONEN
VISUALISIEREN
VERNETZT UND VERNETZT UND VIELFÄLTIG
VIELFÄLTIG
von Beatrice Felix, Philip von Rüdiger und
Isabell Enssle

Restriktive Push-Maßnahmen und angebots-


verbessernde Pull-Maßnahmen werden
kombiniert. Das Verkehrsangebot wird so
verändert, das innerorts mit Ausnahme
weniger Hauptverkehrsstraßen eine Regel-
geschwindigkeit von 30 km/h umgesetzt und
in Erschließungsstraßen die Geschwindigkeit
auf 20 km/h begrenzt wird. Rad- und Fußver-
kehr haben bei der Gestaltung des Verkehrs-
angebots Vorrang. Viele Straßen sind als
Fahrradstraßen gestaltet. Das Angebot im
öffentlichen Verkehr wird ausgebaut
und zuverlässiger. Die Preise für Fahrkarten
werden halbiert. Es wird eine Regio-Maut ein-
geführt. Für die Benutzung der Straßen
wird eine Gebühr von 0,1 €/km eingeführt. Die
Benutzung der Autobahnen ist weiter
kostenfrei. Die Einnahmen aus der Regio-Maut OBERIRDISCH
finanzieren den ÖPNV und die Straßenum- ENTSCHLEUNIGUNG
gestaltung („Straße finanziert Verkehr“). Oberirdische Mobilitätsräume bestehen
Bessere Verkehrstechnik und Straßenausbau aus entschleunigtem motorisiertem
an Engpässen reduzieren die Störungen und
NEUE U-BAHNLINIEN Individualverkehr (MIV), U-Bahnen und
verbessern den Verkehrsablauf. Bis 2030 wird Autospuren, die heute eine große den Slow Modes.
Trennwirkung im Straßenraum bilden,
etwa ein Drittel der Fahrzeugflotte aus
können verschmälert werden. Radver-
Hybrid- und Elektrofahrzeugen bestehen. kehr und Fußgänger, die bislang häufig
Der Motorisierungsgrad nimmt ab, da Gehweg teilen, bekommen dadurch
die Anschaffung von Fahrzeugen durch eine mehr Raum.
SHARED SPACE
Zulassungssteuer verteuert wird. Der öffentliche Raum wird umgenutzt,
Signalanlagen weitestgehend entfernt.
Der Verkehr reguliert sich selbst,
Die Kombination von Push- und Pull-Maßnah- beispielsweise durch Kreisverkehre.
men führt zu einer Reduzierung der Personen- Jeder Verkehrsteilnehmer ist gleich-
verkehrsleistung um 10 Prozent. Diese berechtigt.
Rückgänge resultieren vorrangig aus den
höheren Kosten im Straßenverkehr. Die
preislichen Maßnahmen führen außerdem zu
deutlichen Verlagerungen vom Pkw auf den
ÖPNV, sodass die Verkehrsleistung im
Pkw-Verkehr um 35 Prozent zurückgeht. Das
bessere Verkehrsangebot im öffentlichen
Verkehr und im Radverkehr führt zu Zuwäch-
sen im Bereich des ÖPNV und Radverkehrs.
Der Fußverkehr bleibt nahezu unverändert, da MIKRO-ÖPNV
das preiswerte ÖPNV-Angebot auch von BÜRGER-RIKSCHA
bisherigen Fußgängern genutzt wird. Alle Klare Vorteile gegenüber dem motori-
beschriebenen Maßnahmen sind heute sierten Individualverkehr weisen auch
technisch umsetzbar, erfordern aber gesetz- der Mikro-ÖPNV und die Slow Modes
geberische Maßnahmen auf Bundesebene. auf. Diese können flexibel im Straßen-
netz fahren, da sie keiner Zonenein-
teilung (E-Zone/autofreie Zone) unter- UNTERIRDISCH
liegen. SCHNELLVERKEHR
Die S-Bahnen als schnellstes Angebot
fahren unterirdisch.

118 VISIONEN
VISUALISIEREN
INDIVIDUELL UND
AUTONOM
von Christina Weiß und Anh Hoffmann

Fahrerlose Fahrzeuge sind allgemeiner Stan-


dard. Das vereinfacht das Teilen von Fahr-
zeugen, da die Fahrzeuge selbständig zu dem
Damit die notwendige App je- Das Multiple-Privatauto ist ge- Bei dem Rideshare-Auto handelt Das Single-Privatauto soll Freie Plätze im Straßenverkehr könnten
Ort fahren können, an dem sie benötigt
derzeit verfügbar ist sollen eignet für Familien, Freundes- es sich um eine Art Kleinbus, der lediglich 2 Sitze beinhalten durch mobile Inseln genutzt werden,
werden. Etwa 50 Prozent der Pkw-Wege „Handy schirme“ in der gruppen oder für Arbeitskol- formelle Fahrten ermöglicht. Die und kann sowohl als mobi- z.B. als Cafés, Fitnessstudios, Schnell-Re-
werden mit Privatfahrzeugen zurückgelegt Stadt an logistisch sinnvollen legen. Dieses Auto ermöglicht Rideshare-Fahrten sind staatlich ler Arbeitsplatz als auch als staurants oder Relaxzonen (wie die
(No-Sharing), 50 Prozent mit Carsharing. Punkten postiert werden. Sie mobile Besprechungssituatio- geregelt und Teil des ÖPNV. Sie Schlafgelegenheit für lange Parklets) mit Wifi-Spots.
Im öffentlichen Verkehr wird der Busverkehr dienen als informeller nen und geschäftliche Termine. ersetzen die öffentlichen Busse. Fahrten genutzt werden.
Begegnungsort.
mit Ausnahme nachfragestarker Hauptlinien
eingestellt und durch Carsharing ersetzt.
Der Schienenverkehr bleibt erhalten und wird
nachfragegerecht ausgebaut. Innerorts wird
mit Ausnahme weniger Hauptverkehrsstra-
ßen eine Regelgeschwindigkeit von 30 km/h
umgesetzt. In Erschließungsstraßen wird die
Geschwindigkeit auf 20 km/h begrenzt.
So können selbstfahrende Fahrzeuge auch im
Nebenstraßennetz sicher betrieben werden.
Radfahrer können große Teile des Straßennet-
zes nutzen. Selbstfahrende Fahrzeuge
erhöhen die Kapazität des Straßenraumes,
was bei gleicher Verkehrsstärke zu einem
besseren Verkehrsfluss führt. Apps liefern
zuverlässige multi- und intermodale Informa-
tionen über das Verkehrsangebot.

Die Wege im nicht motorisierten Verkehr


bleiben unverändert. Im motorisierten
Verkehr (Pkw und ÖPNV) wird dagegen das
jeweils schnellere Angebot genutzt. Da
Carsharing-Fahrzeuge einfach gebucht
werden können und die Fahrgäste direkt am
Wunschort abgeholt werden, werden sie
von den Menschen wie private Pkw genutzt.
Die Verkehrsleistung im Pkw steigt um etwa
15 Prozent da der Busverkehr durch Car-
sharing-Fahrten ersetzt wird. Hier entstehen
Leerfahrten, wenn die autonomen Fahrzeuge
„leer“ dorthin fahren, wo sie den nächsten Fahrstreifen Automobilfahrzeuge
Fahrgast aufnehmen. Den Nachteilen der
Leerfahrten steht als Vorteil eine deutlich
geringere Anzahl von erforderlichen Fahrzeu-
gen gegenüber. Die Zahl der Pkw sinkt um
etwa 40 Prozent Deshalb können etwa in
gleichem Umfang Stellplätze im Straßenraum
neu genutzt werden

Fahrradweg

Standstreifen

Gehsteig
Fußgängerübergang, mobil Ein- und Ausstiegssituation

120 VISIONEN
VISUALISIEREN
KOLLEKTIV UND
AUTONOM KOLLEKTIV UND AUTONOM
Stuttgart als Vorzeigestadt für Mobilität – Nach der Städtisches Umsteigen
In der Innenstadt fahren die autonomen Fahrzeuge Umstiegs-
Entwicklung und erfolgreicher Markteinführung
von Jonas Mattes, Daniel Voigt und knoten an – hier besteht die Möglichkeit, den letzten Strecken-
autonomer Fahrzeuge ist die Region Stuttgart
Maximilian Kurz abschnitt zu Fuß, mit der Bahn oder mit Leihfahrrädern zu
Stuttgart als für
Pilotprojekt Vorzeigestadt für Mobilität
ein geteiltes - Nach
öffentliches der Entwicklung und
Ride-
erfolgreicher Markteinführung autonomer Fahrzeuge ist die Region Städtisches
bestreiten. Dadurch kann trotz des vielen Ein- und Aussteigens in
Alle Pkw fahren autonom. Es gibt keine Privat- sharing-Netz. Es kann einfach per App, Anruf oder
fahrzeuge mehr. Alle Fahrten werden mit
Stuttgart Pilotprojekt für ein geteiltes öffentliches Ride-Sharing Netz.
an Stationen
Es kann die
einfach Mitfahrt
per in einem
App, Anruf oder ander Fahrzeuge
Stationen die Mitfahrt in einem n
Umsteigen
der Innenstadt ein flüssiger Verkehrsfluss und ein minimaler
g io In Flächenverbrauch
der Innenstadt fahren fürdie das Ein- und Aussteigen garantiert werden.
Re
autonomen Fahrzeuge
öffentlichen Ridesharing-Systemen durch- gebucht werden.
der Fahrzeuge Durchwerden.
gebucht intelligente
DurchSysteme
intelligente Systeme können Reservierte an
Umstiegsknoten Plätze fürbest
Handwerker
- besteht
- hier oder
die Möglichkeit denbarrierefreie Ausstiegs-
geführt. Hierfür werden Fahrzeuge eingesetzt, können
auf demaufWegdem Weg Leute
mehrere mehrere Leute mitgenom-
mitgenommen werden. Dadurch wird letzten Streckenabschnitt zu Fuß, mit der Bahn oder
punkte
mit ermöglichen,
Leihfahrrädern dassDadurch
zu bestreiten. auch Ausnahmesituationen
kann trotz problem-
die sechs Fahrgäste befördern können. das Verkehrsaufkommen
men werden. Dadurch wird starkdas
reduziert. Für die Stadt bedeutet
Verkehrsauf- los funktionieren.
des vielen Ein- und Aussteigens in der Innenstadt ein
Die Fahrgäste werden, wie beim Pkw, direkt das auch, dass so gut wie keine Parkinfrastruktur mehr benötigt
kommen stark reduziert. Für die Stadt bedeutet
f guter -
verbrauch für das Ein- und Aussteigen garantiertga-
am Startort abgeholt und bis zum Zielort wird. Die hierdurch frei werdenden Flächen kommen dem
das auch, dass
Stadtraum so und
zugute gut wie
könnenkeine
als Parkinfrastruktur
Parkanlagen das Grün-
werden. Reservierte Plätze für Handwerker oder Bar-
zu einer Station des ÖPNV transportiert. rierefreie
b Ausstiegspunkte ermöglichen, dass ,auch
dass
mehr benötigt
netz der wird. Dieund
Stadt erweitern hierdurch
mehr Raumfrei für
werdenden
Fußgänger Ausnahmesituationen problemlos funktionieren.
Anders als beim Carsharing, bei dem die Fahr- ren.
zeuge privat genutzt werden, teilen sich beim Flächen kommen
und Radfahrer dem Stadtraum zugute und
schaffen. U U

Laderöhren
Ridesharing für eine Fahrt mehrere fremde können als Parkanlagen das Grünnetz der Stadt
ne Die vielen Tunnelröhren in
erweitern und mehr Raum für Fußgänger und zo
Personen ein Fahrzeug. Im öffentlichen Ver- ern Stuttgart können in ihren
K
kehr wird der Busverkehr mit Ausnahme nach- Radfahrer schaffen.
Fahrspuren reduziert
fragestarker Hauptlinien eingestellt und durch
Ridesharing ersetzt. Der Schienenverkehr
Laderöhren
werden. Der zusätzliche
Platz kann für Ladeinfra-
bleibt erhalten und wird nachfragegerecht Die vielen Tunnelröhren in
strukturpunkte ermöglichen,
Park im Parkhaus
Stuttgart können in ihren
ausgebaut. Innerorts wird mit Ausnahme Fahrspuren reduziert wer-
Park im Parkhaus dass auch Ausnahmesitua-
weniger Hauptverkehrsstraßen eine Regelge- den. Der zusätzliche Platz
Parkhäuser werdennichtnicht
mehr mehr t tionen
kann für problemlos
Ladeinfrastruk-funktio-
tad
Parkhäuser werden zum Parken ge-
schwindigkeit von 30 km/h umgesetzt. In
zum Parken
braucht! gebraucht!
Sie können umgenutzt Sie
werden und so
ens tur genutzt
nieren. werden:
werden,werden:
genutzt So
so
Erschließungsstraßen wird die Geschwindig- als neuer vertikaler öffentlicher Raum fungie-
nn
kann dieser
dieser für Men-
sowieso
können umgenutzt
ren. So können werden
Parkss entstehen, dieund
Dächer I So kann dieser
schen wenig für Menschen
einladen-
keit auf 20 km/h begrenzt. So können selbst- de Raum neu genutzt
so als neuer vertikaler öffentli- wenig einladende Raum
fahrende Fahrzeuge auch im Nebenstraßen- angeboten werden.
werden. Große
GroßeHauptverkehs-
Hauptverkehrs- Rides
werden. Es werden
cher
achsen Raum
wie diefungieren.
HauptstätterSo können
Straße kön- sammeln neu genutzt
auch einzelne werden.
Spuren
netz sicher betrieben werden. Radfahrer Mitfahrer für den Radverkehr
Parks
nen in ihrem
können entstehen, die verringert
Querschnitt
in ihrem Dächer
Querschnitt wer-
verringert
ein Es werden auch einzelne
oder für Fußgänger re-
können große Teile des Straßennetzes nutzen. -
können bepflanzt
gen reibungslos undDies
ablaufen. neue schafft Spuren
serviert. für den Radverkehr
Selbstfahrende Fahrzeuge erhöhen die Kapa- ebenfalls Raumangeboten
Nutzungen für Radwege, werden.
Grünzüge oder für Fußgänger
zität des Straßenraumes, was bei gleicher und Fußgängerverbindungen.
Große Hauptverkehsachsen wie reserviert.
Verkehrsstärke zu einem besseren Ver-
die Hauptstätter Straße können Drop Off‘s
Off‘s
kehrsfluss führt. Apps liefern zuverlässige werden
in ihrem Querschnitt verringert angefahren
angefahren
multi- und intermodale Verkehrsinformatio-
werden, da der Verkehrsfluss und
nen über das Verkehrsangebot.
das Abbiegen reibungslos
ablaufen. Dies schafft ebenfalls
Alle motorisierten Wege werden entweder mit Raum für Radwege, Grünzüge
Schienenverkehrsmitteln oder mit öffent- und Fußgängerverbindungen.
lichen Ridesharing-Fahrzeugen zurückgelegt.
Die Ridesharing-Fahrzeuge haben eine hohe
zeitliche Verfügbarkeit, so dass ohne lange
Bahn für
für
Fernverkehr
Fernverkehr TAG
Tag
Wartezeiten ähnliche Reisezeiten wie mit Park&Ride TAG zu NACHT zu
einem privaten Pkw erreicht werden können. Park&Ride 2.0
Stuttgart als neues Zentrum für Umstieg auf
Umstieg auf
Nacht
NACHT
Der Tag geht dem Ende zu
Im Mittel erhöht sich der Besetzungsgrad der Mobilität steigt als erstes auf ein
Ride-Sharing
Netz – die meisten Stuttgarter
Fahrzeuge von heute 1,3 Personen auf Stuttgart als neues Zentrum für Mobilität steigt Der Tag geht dem Ende
flächendeckendes Ridesharing- - sind vonzu -der
die Arbeit
meisten zu Hause,
Stuttgarter
2,5 Personen. Höhere Besetzungsgrade sind Netz um.um.
ring Netz Für Fernfahrten
Für stehen
Fernfahrten stehen an den auf demsind Weg
von der
insArbeit
Kinozuoder
Hause,
Stadtgrenzen und Verkehrsknoten Carsharing auf dem Weg ins Kino oder sitzen
nicht möglich, da es Tageszeiten und Räume an den Stadtgrenzen
Fahrzeuge bereit. Besucher und
können hier parken sitzen
mitmit Freunden
Freunden zusammen. Nun wer-
mit disperser Verkehrsnachfrage gibt, Verkehrsknoten Carsharing-Fahr-
und auf das Ride-Sharing Netz umsteigen. Diese den weniger
zusammen. NunPersonenfahrten
werden weniger gebraucht,
Personenfahrten
neue Parkinfrastruktur wird so gebaut, dass sie im
in denen sich die Fahrtwünsche schlecht zeuge bereit.
Falle einer Besucher
weiteren können
Adaptierung des Ride-Sharings gebraucht,
gewartet. Des weiteren die Fahrzeugfl
Weiteren werden
werden die
die otte
bündeln lassen. Die höheren Besetzungsgrade hier parken und
gut umgenutzt werdenaufkönnen.
das Ridesha-
So kann das Gebäu- Fahrzeuge nachts für Lieferfahr-
wird geladen und gewartet.
de zum Laden der Fahrzeuge oder als Logistikzentrum ten genutzt - So kann man
führen gegenüber den anderen Szenarien ring-Netz umsteigen. Diese neue
genutzt werden. Des Weiteren
morgens auf dem Wegwerden
zur die
zu einem höheren Anteil mehrfach besetzter Parkinfrastruktur wird so gebaut, Arbeit sein Paket ent-
Fahrzeuge nachts für Liefer-
spannt im Fahrzeug
Fahrzeuge (Pkw mit mehr als 2 Personen). dass sie im Falle einer weiteren fahrten genutzt: So kann
bekommen.
Die Verkehrsleistung im Pkw sinkt um etwa Adaptierung des Ridesharings Ankommen man morgens auf dem
35 Prozent obwohl der Busverkehr durch gut umgenutzt werden können. Weg zur Arbeit sein
Ridesharing-Fahrten ersetzt wird und So kann das Gebäude zum
In den Randbezirken können Häuser
Paket entspannt
direkt angefahren werden. So wird
zusätzliche Leerfahrten entstehen. Die Zahl Laden der Fahrzeuge oderdas alsRide-Sharing jedem, vom Schul- im Fahrzeug be-
der erforderlichen Pkw sinkt deutlich um etwa Logistikzentrum genutzt werden.
kind bis zum Rentner, ermöglicht. Ankommen kommen.
90 Prozent Im Straßenraum müssen deshalb In den Randbezirken können Häuser direkt angefahren
Stellplätze nur mehr für den Fahrgastwechsel werden. So wird das Ridesharing jedem ermöglicht, vom
vorgesehen werden. Schulkind bis zum Rentner. Bearbeiter: Jonas Mattes
122 VISIONEN
VISUALISIEREN
LERNEN IM REALLABOR
Perspektiven für die transdisziplinäre Lehre
Elke Uhl

R
eallabore werden vor allem als innovatives Forschungsmodus. Forschungsorientierung, norma-
Forschungsformat konzipiert, wahrgenom- tive Orientierung an Nachhaltigkeit, Transdisziplina-
men und bewertet. Doch auch für die Lehre rität und Transformativität gehören zu ihren wesent-
an Universitäten und Hochschulen bieten lichen Charakteristika.
Reallabore besondere Räume, in denen neue Formen Erste Rückblicke auf die Genese der in Baden-Würt-
des Lehrens und Lernens entwickelt und getestet temberg 2015 eingerichteten Reallabore und verglei-
werden können. Als Experimentierfeld vermitteln sie chende Bewertungen ihrer Leistungsfähigkeit be-
ZUKÜNFTE PARTIZIPATIV ENTWICKELN

Impulse für eine generelle Implementierung von scheinigen bei aller Würdigung ihrer Outputs indes
transdisziplinären und transformativen Lehransätzen, ein Desiderat: der Bezug zur Bildung sei in Reallaboren
mit denen Studierende auf die großen Herausforde- ein „oft noch randständige[r] Aspekt“ (Beecroft, Parodi
rungen des 21.  Jahrhunderts angemessen vorbereitet 2016: 5), Lehr- und Bildungsansätze wie service lear-
werden können. ning oder forschendes Lernen seien „noch nicht syste-

WISSEN
Aus den Erfahrungen des Reallabors für nachhal- matisch vollzogen“ (ebd.: 7). Die am Karlsruher Insti-
tige Mobilitätskultur (RNM) der Universität Stuttgart tut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse
sollen einige solcher Impulse vorgestellt werden. Der initiierte Aufarbeitung der Erfahrungen aus vier Real-
vorliegende Beitrag stellt daher das im Reallabor für laboren und der Begleitforschung kommt zu dem
nachhaltige Mobilitätskultur entwickelte Lehr-Design Ergebnis, „dass in der Bildungsdimension von Real-
zur Diskussion. Weil Reallabore noch jung sind, ihre laboren noch ein erhebliches Potenzial liegt“ (ebd: 6)
Ausgestaltung und Verbreitung erst am Anfang ste- und fordert weiterführende konzeptionelle Diskussio-
hen, sind auch die folgenden Darlegungen zur Lehre nen, die sich dem Bildungsbezug widmen.
ein provisorischer „Bericht von unterwegs“. Um dazu einen Beitrag zu leisten, soll im Folgenden
der Bildungsbezug auf der Ebene des universitären
Forschung und Bildung im Reallabor Lehrangebots, wie es das Reallabor für nachhaltige
Reallabore sind Forschungsstätten. Unabhängig da- Mobilitätskultur entwickelt und durchgeführt hat,
von, ob sie als eigenständige und aus einem Hand- vorgestellt werden.
lungskontext heraus sich institutionalisierende „Orte“
oder nur als eine bestimmte „Phase“ der Forschung Lehre: Anfang, Kern und (auch) Ziel des
verstanden werden – ihre besondere Leistungsfähig- Reallabors
keit wird in einem doppelten Forschungsansatz gese- Für das Reallabor für nachhaltige Mobilitätskultur war
hen: Reallabore generieren Forschungsergebnisse für die forschende Lehre, welche sich dem Bildungsauf-
eine Transformation zu mehr Nachhaltigkeit und sie trag für nachhaltige Entwicklung verpflichtet fühlt,
verbessern durch eine enge Zusammenarbeit mit Pra- zentral. Bereits in der Antragsphase gehörten die Ver-
xispartnern und zivilgesellschaftlichen Akteuren in zahnung von Forschung und Lehre und der transdiszi-
konkreten experimentellen Settings zugleich die ge- plinäre, unmittelbare Einbezug der Stadtgesellschaft
sellschaftliche Anschlussfähigkeit dieser Forschungs- zum Kern seines Selbstverständnisses. Das fand sei-
ergebnisse, ja unterstützen reale Veränderungspro- nen  Niederschlag in einem eigens konzipierten
zesse vor Ort. Arbeitspaket „Lehre für Nachhaltigkeit“, dessen Ziel
So gesehen sind Reallabore Stätten der Transforma- darin bestand, ein studienfachübergreifendes, explo-
tionsforschung wie der transformativen Forschung ratives und kooperatives Lehrformat auf der Plattform
(Grunwald 2015, Schneidewind et al. 2016, Schäpke et des Reallabors zu konzipieren, zu erproben und fortzu-
124 al. 2017). In diesem Sinne gelten sie als innovativer entwickeln. Im Mittelpunkt standen Lehrprojekte, die 125
Verortung der transdiziplinären Lehre im RNM
Das Reallabor verfolgte auch ein strategisches Ziel. Auf eine voneinander, miteinander und übereinander
die Frage, wie Bildung für nachhaltige Entwicklung lernende Interaktion zwischen Alt und Jung. Die
Vorbereitung Co-Design der Forschungsfragen systematischer in die Hochschullehre integriert wer- befragten Bürgerinnen und Bürger waren bei der ab-
den kann, hat es mit seinem Lehr- und Lernmodell schließenden Präsentation der Zukunftsszenarien

PROZESS
Realexperimente eine mögliche Antwort gegeben. Dass sich zu den dabei; gewissermaßen mit ihrer eigenen Zukunft
SQ-Workshops bis zu dreimal so viele Studierende konfrontiert, gaben auch sie ein Feedback, das noch
Zukunftslabor
angemeldet hatten als Plätze zur Verfügung standen, einmal zur Vertiefung der Reflexion über kulturelle
dass es Studierende gab, die zu Folgeveranstaltungen Muster von Mobilitätspraktiken beitrug. In der Vor-
Ermittlung von Workshop mit Stake- Workshops mit Bürge- kamen, ohne Creditpoints zu erhalten oder sich nach bereitungsphase der Teamarbeit wurden die im
Forschungsgrundlagen holdern und Initiativen rinnen und Bürgern Abschluss eines Seminars immer noch um ihre Expe- Auftakt-Stakeholder-Workshop des Reallabors von
rimente kümmern, zeigt, dass es auf studentischer anderen Stuttgarter Bürgerinnen und Bürgern entwi-

LEHRVERANSTALTUNGEN
THEMEN- IDEEN FÜR MOBILITÄTS-
SCHWERPUNKTE REALEXPERIMENTE SZENARIEN Seite einen großen Bedarf an inter- und transdiszi- ckelten Mobilitätsvisionen vorgestellt und diskutiert;
SQ-Workshop 2 SQ-Workshop 3
plinären, lebensweltlich relevanten und an Nachhal- insofern wurden Inputs aus dem beginnenden
SQ-Workshop 1
Stadtraum, Mobilität, Zukunft der Kommunikationsstrategien tigkeitsfragen orientierten Lehrformaten gibt. RNM-Forschungsprozess direkt in das Lehrformat
Gesundheit Mobilitätskultur für eine nachhaltige Mobili-
tätskultur eingespeist (vgl. Stokman, Uhl 2017).
Fächerübergreifende Schlüsselqualifikation
Lehrkern waren drei viertägige SQ-Workshops, die un- Die Kommunikationsstrategien für eine nach-
VISUALISIERUNGEN
ter den Konzeptideen „Analysieren“, „Visionieren“ und haltige Mobilitätskultur setzten bei einem realen
Seminar Seminar + Entwurf Seminar Seminar „Kommunizieren“ die Herausforderungen einer nach- Problem an, dem Stuttgarter Feinstaubalarm bei Inver-
Mapping Movement Stadtraum, Stauraum, Animated Urbanism Visionen visualisieren
Lebensraum
haltigen Mobilitätskultur konfigurierten. In allen sionswetterlagen. Im fiktiven Auftrag der Landes-
Workshops wurden die Ergebnisse öffentlich vorge- hauptstadt erarbeiteten die Teams zielgruppenge-
stellt und von einer Jury kommentiert. rechte Kommunikationskonzepte und Kampagnen für
nachhaltige Mobilität, während sie begleitend Wissen
LERNEN IM REALLABOR

Dokumentation und Veröffentlichung


Nachhaltige Mobilitätskultur. Stadtraum, Mo- und Kompetenzen aus kommunikationswissenschaft-
bilität, Gesundheit widmete sich der nachhaltigs- licher, psychologischer und ästhetischer Perspektive

WISSEN
RNM-Prozess Input für die Lehre
ten Mobilitätsform, dem Zu-Fuß-Gehen oder Fahr- erwarben, unterstützt von Medien-Fachleuten aus der
fächerübergreifende Input aus der Lehre radfahren und führte gesundheitswissenschaftliche, Praxis. Dabei setzten sich die Teams mit den von Bür-
Schlüsselqualifikation
stadtplanerische, verkehrswissenschaftliche, sowie gerinnen und Bürgern in einem Zukunftslabor entwi-
curricular eingebunden sozial- und kulturwissenschaftliche Perspektiven zu- ckelten Visionen auseinander, die in der Lehrveran-
sammen. Leitfragen für einen integrierten For- staltung „Visionen visualisieren“ zu städtebaulichen
schungsauftrag waren: Wie ist die Situation bezüglich Szenarien verdichtet, verkehrswissenschaftlich mo-
Abb. 1: Verortung der transdiziplinären Lehre im RNM
einer aktivitätsfördernden Infrastruktur vor Ort? Was delliert und in einen zweiten Bürgerworkshop rück-
müsste geschehen, um den Ort im Sinne einer gesund- gespielt wurden. Dort wurden die Szenarien mit den
heitsfördernden Mobilität zu gestalten? 39 Studieren- Titeln „Weniger ist weniger“, „Vernetzt und vielfältig“,
de aus 15 Fachrichtungen analysierten in interdiszi- „Individuell und autonom“ sowie „Kollektiv und auto-
plinären Teams fünf konkrete Orte in Stuttgart und nom“ auf großen Postern ausgestellt und im World-
entwickelten – basierend auf den noch einmal reflek- Café-Format diskutiert (vgl. Stokman, Uhl 2018).
tierten Ergebnissen ihrer Recherche – Ideen, eine
als sogenannte „fächerübergreifende Schlüsselqualifi- diesem Impulse aufnehmen. Studierende und Lehren- Agenda oder Vision für diesen Ort (vgl. Bott et al. 2016). Bausteine für das Lehrdesign
kationsveranstaltungen“ (SQ) für Studierende aller de sollten von der offenen, sich selbst als fortwähren- Für das Lehrdesign dieser Workshops waren die fol-
Fakultäten angeboten werden konnten. Sie wurden den Lernprozess verstehenden Reallabor-Dynamik an Zukunft der Mobilitätskultur fand als Projekt des genden Überlegungen ausschlaggebend.
flankiert von studiengangsbezogenen Lehrveranstal- der Schnittstelle von Wissenschaft und Stadtgesell- intergenerationellen Lernens im Format einer Zu- Wir wollten bei einer lebensweltlichen Konturie-
tungen, Bachelor- und Masterarbeiten im Themenfeld schaft profitieren. Während der erste SQ-Workshop kunftswerkstatt statt und verband sozial- und ver- rung eines der herausforderndsten Nachhaltigkeits-
des Reallabors. Die erste Veranstaltung, mit der das das Thema gewissermaßen anspielte, wobei das Kon- kehrswissenschaftliche sowie urbanistische Aspekte probleme – der Mobilität – ansetzen, so dass dieses
Reallabor überhaupt startete, war ein Lehrprojekt: Der zept vorab von einem Team aus Wissenschaftlerinnen mit Impulsen aus der Zukunfts- und Mobilitätsfor- zunächst losgelöst von disziplinären Methodenzwän-
Workshop „Nachhaltige Mobilitätskultur – Stadtraum, und Wissenschaftlern entwickelt wurde, waren die schung. Fünf Teams, zusammengesetzt aus Studieren- gen und Erkenntnisinteressen den Studierenden zu
Mobilität und Gesundheit“ eröffnete das Reallabor im folgenden Lehrprojekte in den Gesamtprozess des den und älteren Bürgerinnen und Bürgern (Gasthören- Bewusstsein kommen und bearbeitet werden konnte.
Januar 2015. Co-Designs von Themen, Forschungsfragen und Real- de der Universität), besuchten unterschiedliche Typen Geeignete Einstiege waren Selbstbefragungen des ei-
Unsere Grundidee war, die Lehre nicht als additives experimenten eingebunden und bauten aufeinander von Stuttgarter Mobilitätshaushalten, befragten diese genen Mobilitätsverhaltens. Vom lebensweltlichem
Arbeitspaket zu verstehen, sondern als Querschnitts- auf. Abb. 1 zeigt die Verortung der wichtigsten Lehr- nach ihren Mobilitätsbedürfnissen, -praktiken und Zugang her das „epistemische Objekt“ zu bilden, för-
bzw. rekursive Aufgabe. Sie sollte nicht einfach das projekte im Prozess des Reallabors sowie die Wech- -wünschen und entwickelten darauf aufbauend ein derte das Interesse und Engagement der Studieren-
Thema „Nachhaltige Mobilitätskultur“ aufgreifen, son- selwirkungen zwischen partizipativer Reallaborfor- Zukunftsszenario für den jeweiligen Mobilitätshaus- den. Zugleich sollte das Problem unterschiedlich
dern vielmehr selbst in den partizipativ gestalteten schung und Lehre. halt. Dass Gasthörende in den Teams mitwirkten, ge- skaliert werden, um Wissen über globale Entwicklun-
126 Prozess des Reallabors hineinwirken und zugleich aus nerierte einen besonderen didaktischen Mehrwert: gen mit lokaler Problemidentifizierung verbinden zu 127
die Konfrontation mit anderen Sichtweisen zu einem sich in der darauf folgenden Lehrveranstaltung „Stadt-
gemeinsam erarbeiteten Ergebnis zu kommen. Wich- raum, Stauraum, Lebensraum“. Iterativ rückgekoppelt
METHODE INSTRUMENT KOMPETENZEN tig war, dass die Teams in eigener Regie die Umset- mit dem RNM-Prozess der Generierung und Auswahl
zungsschritte erarbeiteten. Tutoren standen helfend, von Realexperiment-Ideen wurden nun das „Stäffele-
Methoden zur Beschreibung Senior Walking Environmental Audit Tool
aber nie bevormundend zur Verfügung. Lehrende ver- Experiment“ und das Experiment „Parklets für Stutt-
und Bewertung aktivitäts- (revised), Walkability-Checkliste
standen ihre Rolle als Ermöglicher. gart“ geplant und durchgeführt, wobei die Studieren-
fördernder Infrastruktur
Analytische Kompetenzen Die in den Teams erbrachten Forschungsergebnisse den eine Vielzahl von Prozessschritten in Multiakteurs-
Stadtraumanalyse Analyseleitfaden Quartier, Checkliste zur Stadt- wurden zusammengefasst, ausgewertet und in eine konstellationen absolvierten. So wurden die Studie-
raumanalyse: Fortbewegung (Möglichkeiten und Präsentationsform gebracht. Die konkrete Präsenta- renden der Architektur nicht nur zu besseren Raum-,
Ströme), Nutzung (Angebote und Verteilung), tionsform wurde nicht vorgegeben, sondern in den sondern auch zu besseren Prozessgestaltern qualifi-
Raum (Aufenthaltsqualität und Aktivitäten) Teams selbst gewählt und erarbeitet, so dass es zu nar- ziert. Das Experiment Parklet bewirkte zudem unmit-
Qualitative Befragung Diskursiv-dialogische Interviewtechnik, Leitfa- Technisch-organisatorische, interaktive rativen Formen wie Geschichtenerzählen, einem The- telbar einen transformativen Output in Stuttgart.
denentwicklung (SPSS-Prinzip), Datenschutz- und kommunikative Kompetenzen aterstück, der klassischen PowerPoint-Präsentation, Im Seminar „Animated Urbanism – Stadtraum und
richtlinien, Verhaltenskodex Worte, Grafiken oder Zeichnungen kam. Die Teams nachhaltige Mobilität“ nahmen die Studierenden die
präsentierten ihre Ergebnisse vor einer fachkundigen, Realexperimente zum Anlass, um inhaltliche Analy-
Zukunftsszenarien Normativ-narrative Techniken zur Entwicklung Phantasie, Werte- und
interdisziplinär zusammengesetzten Jury, die diese sen in infografische Animationen und Filme zu über-
von Zukunftsszenarien, Future-Headlines, Erzählkompetenzen
nach den Gesichtspunkten Angemessenheit, Origina- setzen, die sich kritisch, plakativ und unterhaltsam
Storytelling
lität und Praktikabilität hinsichtlich des Inhalts sowie mit dem Thema auseinandersetzen. Im Seminar
Kampagnenentwicklung Werkzeugkasten, Faktorenmap (Motivation, Medien- und reflexive der Form durchaus humorvoll kommentierte. Sieger „Visionen visualisieren“ wurden die in einem Zu-
Kontext, Akteure, Mandat) Kommunikationskompetenzen waren alle. Dass der Jury nicht nur Wissenschaftlerin- kunftslabor mit Bürgerinnen und Bürgern erarbeiten
nen und Wissenschaftler, sondern auch Expertinnen Mobilitäts-Visionen zu städtebaulichen Szenarien ver-
Präsentation Bilder, Diagramme, Geschichten, Präsentationskompetenzen und Experten aus der Praxis angehörten – darunter der dichtet. Gemeinsam mit einer verkehrswissenschaftli-
Leiter der Abteilung Mobilität sowie der Pressespre- chen Modellierung wurden sie der Öffentlichkeit zu-
LERNEN IM REALLABOR

Theaterinszenierungen, Videos
cher der Stadt, Persönlichkeiten aus dem kulturellen rückgespiegelt und nach einer erneuten Diskussion
Leben wie die Intendantin des Theater Rampe oder und Auswertung überarbeitet.

WISSEN
Abb. 2: Kompetenzerweb in den Peers wie eine Beirätin der Jugendinitiative der Nach- Darüber hinaus wurden verschiedene Realexperi-
Schlüsselqualifikationen-Workshops:
Analysieren – Visionieren – Kommunizieren haltigkeitsstrategie Baden-Württembergs, empfanden mente im Rahmen von Bachelor- und Masterarbeiten
die Studierenden als Wertschätzung, die ihre Gestal- beforschend begleitet und erzielten dabei zugleich ei-
tungslust beflügelte. nen performativen Effekt, indem sie zur Verbreitung
Generell sollte neben der kognitiven Ebene auch der Idee und der „Ermächtigung“ der Akteure jener
können. Den Bogen vom Globalen zum Lokalen schlu- waren zudem offen für die Bürgerinnen und Bürger. die emotionale, motivationale, ästhetische und ethi- Experimente beitrugen (siehe zum Beispiel Llerandi
gen vor allem die öffentlichen Abendvorträge, die in Sie arbeiteten entweder in den studentischen Teams sche Ebene angesprochen werden. Ziel war es, Wissen 2017, Zárate 2017).
das Lehrformat integriert waren (Frank Oswald: Altern oder besuchten gezielt einige Vorträge und die ab- um die Mobilitätsherausforderungen im inter- und
und Wohnen in der Stadt. Mobilität und Verbundenheit schließende Präsentation der Ergebnisse. Die Beteili- transdisziplinären Zugriff zu vermitteln, zur Schär- Ausblick
als Bedingungen für Wohlbefinden; Stephan Rammler: gung der Bürgerschaft war zudem über das Einspeisen fung der Urteilskraft beizutragen, Motivationen zu Reallabore können nicht alles. Und ob es möglich ist,
Volk ohne Wagen? Auf dem Weg in eine neue Mobilitäts- von Forschungsergebnissen aus dem Reallaborprozess weiterem an Nachhaltigkeit orientiertem Lernen zu das Lernen im Reallabor als eine bestimmte Lehr-
kultur; Reinhold Leinfelder: Willkommen im Anthro- in die Lehrveranstaltungen gegeben. stärken und überfachliche Kompetenzen auszubilden. methodik fest zu verankern, ist eine offene Frage. Auf
pozän. Zukunftskonzepte vermitteln). Aber auch inner- Orientiert am Kompetenzmodell der Bildung für jeden Fall aber können Reallabore Nucleus und Motor
halb der Workshops wurde die Verflochtenheit der Nachhaltige Entwicklung und Ansätze der Feld- und Lehre und Realexperiment sein für die systematische Implementierung inter- und
Stuttgarter Mobilitätskultur mit globalen Prozessen Aktionsforschung aufgreifend, wollten wir themen- Neben den Schlüsselqualifikationsveranstaltungen transdisziplinärer, forschungsorientierter, Bildung für
exemplarisch bewusst gemacht. Als Input sollten fokussiert aktivierendes, projekt- und problembezo- spielten Seminare und Entwürfe eine besondere Rolle, Nachhaltigkeit befördernder Lehre. Sie leisten einen
neueste Forschungsergebnisse das Thema aus ver- genes Lernen befördern. Im Zentrum stand daher ein die zwar curricular an der Fakultät für Architektur und innovativen Beitrag hin zu einer „spezifischen Lehr-
schiedenen theoretischen und praktischen Perspek- Forschungsauftrag im Stuttgarter Stadtgebiet, den die Städtebau eingebunden waren, dennoch die transdis- kultur“, wie sie jüngst der Nationale Aktionsplan Bil-
tiven beleuchten. Um dessen Komplexität zu vermit- Studierenden selbstständig und eigenverantwortlich ziplinären und transformativen Ansätze weitertrieben: dung für nachhaltige Entwicklung gefordert hat
teln, galt es Wissen an der Schnittstelle verschiedener erfüllten, nachdem sie mittels Einführungen in unter- Sie nahmen direkt Bezug auf den Co-Designprozess (BMBF 2017: 54). Für letztere wären freilich auch län-
Disziplinen zusammenzuführen, aber auch Perspekti- schiedliche Methoden und einem „Werkzeugkasten“ von Realexperimenten. Aus dem Auftakt-Stakeholder- gerfristig entsprechende Strukturen, Anreizsysteme,
ven aus der Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft ausgestattet worden waren. Fachübergreifende Metho- workshop flossen erste Anregungen in das Seminar Prüfungsordnungen und Karrieremöglichkeiten an
zur Diskussion zu stellen, um einen inter- wie trans- denkompetenzen auszubilden war ein zentrales Ziel „Mapping Movement“ am Städtebau-Institut, dessen den Universitäten und Hochschulen nötig.
disziplinären Zugang zum Problem erarbeiten zu (Abb. 2). Die Forschungen wurden stets in interdiszi- Ziel es war, Tools für die gezielte Beobachtung des
können. Deshalb haben wir nicht nur Wissenschaftle- plinär zusammengesetzten Teams durchgeführt. Ab- Stadtraums zu erarbeiten, diese in der Analyse ausge-
rinnen und Wissenschaftler, sondern auch Mitwirken- schließende Evaluationen der Lehrveranstaltungen wählter Stuttgarter Mobilitätsräume anzuwenden und
de aus dem Reallabor um Inputs gebeten. So war die ergaben, dass es für die Studierenden am bedeutsams- auf Basis der Analyseergebnisse Ideen für mögliche
Verzahnung von Lehre und Reallaborprozess auch auf ten war, mit Kommilitonen anderer Fächer überhaupt Interventionen zur Beeinflussung des Mobilitätsver-
128 der personellen Ebene gewährleistet. Die Workshops in Kontakt und Austausch treten zu können und über haltens zu entwickeln. Diese Ideen konkretisierten 129
Die Lehrformate
Literatur Llerandi, B. (2017): Die Bürger- Schneidewind, U., Singer-
Rikscha – Ein Mobilitätskonzept Brodowski, M., Augenstein, K.,
Beecroft, R., Parodi, O. (2016): für das Alter? Eine qualitative Stelzer, F. (2016): „Pledge for a
„Reallabore als Orte der Nach- Studie über nachhaltige Mobili- transformative science: a con-
haltigkeitsforschung und Trans- tät im Alter und subjektiv wahr- ceptual framework“. In: Wupper-
formation. Einführung in den genommene Lebensqualität. tal Papers, 191(July), http://nbn-

im Reallabor
Schwerpunkt“. In: Technikfolgen- Masterarbeit, Stuttgart 2017. resolving.de/urn:nbn:de:bsz:
abschätzung. Theorie und Praxis, http://www.rikscha-vaihingen. wup4-opus-64142.
25, H.3/Dez. 2016: 4–8. de/wp-content/uploads/2017/07/
BuergerRikscha-Masterar- Stokman, A., Uhl, E. (Hg.),
BMBF 2017: Nationaler Aktions- beit-LLerandi.pdf (Zugriff: (2017): Zukunft der Mobilitäts-
plan Bildung für nachhaltige 03.04.2018). kultur. Materialien Bd. 19. Inter-
Entwicklung. Der deutsche Bei- nationales Zentrum für Kultur-

sollten selbst in
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Stuttgart 2016. How the implementation of Real-


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WISSEN
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ph-ludwigsburg.de/fileadmin/ Schneidewind, U., Singer-Bro-

diesem Impulse
subsites/8x-0018-t-01/Leitlinien_ dowski, M. (2014): Transforma-
BNE-Hochschulnetzwerk__ tive Wissenschaft. Klimawandel
Stand_10.05.pdf (Zugriff: im Wissenschafts- und Hoch-
03.04.2018). schulsystem. 2., verbesserte u.
aktualisierte Auflage. Marburg:
Metropolis-Verlag.

aufnehmen.
131
VIDEOCLIPS, VISUAL STORYTELLING UND

INSBESONDERE AN DAS REALLABOR-TEAM/ RAPHAEL DIETZ, MARIUS


DANK AN: ALLE SEMINARTEILNEHMER, EXTERNE EXPERTEN SOWIE
INFORMATIONSGRAFIKEN NEHMEN AUS GUTEN
GRÜNDEN EINE IMMER WICHTIGERE ROLLE IN
DER WISSENSVERMITTLUNG EIN. WIE KÖNNEN
DIESE INSTRUMENTE GENUTZT WERDEN, UM
THEMEN UND PROJEKTE DER NACHHALTIGEN

GANTERT UND ERIC PUTTROWAIT


MOBILITÄTSKULTUR ZU VERANSCHAULICHEN?
IM SEMINAR „ANIMATED URBANISM“ DES
STÄDTEBAU-INSTITUTS DER UNIVERSITÄT
STUTTGART WURDEN BEISPIELE ANALYSIERT,
MIT KOMMUNIKATIONSEXPERTEN DISKUTIERT,
STORYBOARDS ENTWICKELT UND MIT
ANIMATIONSSOFTWARE EIGENE VIDEOCLIPS ZU

TEXT: SIGRID BUSCH


THEMEN AUS DEM REALLABOR ENTWICKELT.

Die Videoclips können online angesehen werden:

Vimeo.com

Reallabor Mobilitätskultur

ANIMATED URBANISM 133


1 DER CLIP ZEIGT DEN MOBIITÄTSWANDEL IN 2 ... WIRD HEUTE DOMINIERT VON MOTO- 7 IM CLIP SIEHT MAN DIE ENTSTEHUNG DES 8 DAS PROJEKT UND SEIN INITIATOR BASIL
EUROPÄISCHEN STÄDTEN: DER EHEMALS RISIERTEM INDIVIDUALVERKEHR. PARKLETS „DIE SITZKISTE“, DAS IN NUR HELFENSTEIN WURDEN VON LOKALEN
VON VIELEN GLEICHBERECHTIGT GENUTZTE DIE QUALITÄT DER STRASSE ALS 3 WOCHEN AUS RECYCLING-BAUSTOFFEN AKTEUREN MIT VERPFLEGUNG, STROM UND
STRASSENRAUM ... AUFENTHALTSRAUM GEHT DAMIT HERGESTELLT WURDE. FINANZIELLEN BEITRÄGEN UNTERSTÜTZT.
VERLOREN.

3 WAS WÄRE JEDOCH, WENN NICHT 4 ... ZURÜCKEROBERT WIRD? PARKLETS 9 DIE BEGEISTERUNG FÜR DIE PARKLETS 10 OBWOHL DIE PARKLETS IN STUTTGART
PARKENDE AUTOS DIE STRASSEN PRÄGEN STATT PARKPLÄTZE – EINE INITIATIVE FÜR WAR INSGESAMT GROSS – ALLERDINGS GAB NUR 3 MONATE EXISTIERTEN, KÖNNTEN
WÜRDEN, SONDERN DIESER STADTRAUM MEHR AUFENTHALTSQUALITÄT IN DER ES AUCH EINIGE KRITISCHE STIMMEN, DIE SIE EINE BLEIBENDE WIRKUNG ERZIELEN
WIEDER ... STADT! DIE PARKPLÄTZE VERMISSTEN. - ALS INSPIRATION FÜR ANDERE STÄDTE!

JINGYU TAO, KAIXIN JIAO UND


WAS SIND EIGENTLICH
PARKLETS ?

YIQUAO SUN
5 DIE INITIATIVE, PARKPLÄTZE IN TEMPO- 6 IN STUTTGART WURDEN IM SOMMER 2016
RÄRE PARKS UMZUWANDELN, ENTSTAND ZEHN PARKLETS REALISIERT – ALS BEITRAG
IN SAN FRANCISCO – UND VERBREITETE ZUM REALLABOR FÜR NACHHALTIGE
SICH VON DORT IN DIE WELT. MOBILITÄTSKULTUR.

ANIMATED URBANISM 135


1 UNTER DEM MOTTO „TOM ZIEHT UM“ 2 DREI FREUNDE – TOM, TINA UND TIM – 7 DIESER TEST BEWEIST: WEITERE 8 IN STUTTGART GIBT ES MITTLERWEILE
WERDEN DIE VORTEILE EINES LASTENRADS TREFFEN SICH, UM TOM BEIM UMZUG ZU LASTENRÄDER WERDEN BENÖTIGT! EINE MEHRERE LEIHSTATIONEN, DIE VON EINEM
IM VERGLEICH ZU EINEM AUTO ILLUSTRIERT. HELFEN. TINA IST MIT IHREM LASTENRAD INTERNET-RECHERCHE VERRÄT, WO DAS NETZWERK AUS LASTENRAD-
UNTERWEGS ... NÄCHSTE LASTENRAD ZU FINDEN IST. UNTERSTÜTZERN BETRIEBEN WERDEN.

3 ... WÄHREND TOM MIT SEINEM KLEINEN, 4 DIE DREI FREUNDE TESTEN, WELCHES 9 GLÜCKLICHERWEISE BEFINDET SICH 10 NUN GEHT ES VORAN UND MIT DEM
HALB DEFEKTEN AUTO ANGEREIST IST, TRANSPORTMITTEL BESSER TOMS UMZUG GLEICH NEBENAN EIN KLEINER LADEN, DER ELEKTRO-LASTENRAD DEN BERG HOCH!
DAS STÄNDIG KOSTEN VERURSACHT UND UNTERSTÜTZEN KANN – TIMS AUTO ODER LASTENRÄDER – GEGEN EINE FREIWILLIGE ALLERDINGS HAT TOM NOCH EINIGE
ABGASE PRODUZIERT. TINAS LASTENRAD? SPENDE – AUSLEIHT. SCHWIERIGKEITEN ZU BEWÄLTIGEN ...

WIE LEIHE ICH EIN

GESCHE FALKENBURG,
DARINA SAGNAYEVA
UND JONAS MATTES
LASTENRAD ?

5 WÄHREND TINA FLEISSIG UMZUGSKARTONS 6 ... GESCHAFFT! TINA IST FERTIG MIT DEM
IN DAS LASTENRAD EINLÄDT, KÄMPFT TIM EINLADEN, UND TIM HAT ZUMINDEST EINE
DAMIT, DIE STEHLAMPE IN SEINEM AUTO ZU „LÖSUNG“ FÜR DEN TRANSPORT DER
VERSTAUEN ... LAMPE ENTWICKELT.

ANIMATED URBANISM 137


REALEXPERIMENTE 139

DIE STÄFFELE-
GALERIE

Können Bewegungsräume Menschen in der Nach-


barschaft verbinden? Was bedeutet es, Verant-
wortung für den Zustand oder die Gestaltung der
urbanen Umgebung zu übernehmen? Wie können
wenig genutzte oder vernachlässigte Stadträume
attraktiver gemacht werden? Welche Rolle spielt
dabei das soziale Gefüge der Nachbarschaft?
140 REALEXPERIMENTE DIE STÄFFELE-GALERIE 141

Als Stäffele werden die für die schon lange in der gleichen Nachbar-
Stuttgart typischen Treppenanlagen schaft leben, aber bisher noch nie in
bezeichnet, die speziell in den Hanglagen Kontakt gekommen waren. Durch die
fußläufige Abkürzungen darstellen. Auto- Beteiligung von Menschen aus der Nach-
frei, aber oft in ungepflegtem Zustand, barschaft wurden auch ein Verantwor-
stehen sie symbolisch für wenig genutzte tungsgefühl für den Stadtraum und eine
Mobilitätskorridore, deren Potenzial für Identifikation mit den Interventionen
die Nutzung als öffentlicher Raum entwickelt. So kümmerten sich Nachbar-
nicht ausgeschöpft wird. Im Realexperi- innen und Nachbarn um das Mobiliar
ment sollte das Wechselspiel zwischen im „Wohnzimmer“ und deckten es ab, um
einer kreativen Nutzung der Stäffele es vor Regen zu schützen.
als Aufenthaltsraum für die Nachbar- Durch das Stäffele-Galerie-Prinzip
schaft und ihrer Attraktivität als Verkehrs- entstehen neue Kontakte in der Nachbar-
raum ausgelotet werden. Dafür wurden schaft oder bestehende werden gestärkt.
unter dem Motto „Die Stadt als Haus“ Für ein nachhaltiges Konsumverhalten
ausgewählte Stäffele durch spielerische kann dieser Effekt genutzt werden, indem
Interventionen in „Wohnzimmer“, aufbauend auf diesem Netzwerk die
„Kinderzimmer“ oder „Küche“ verwandelt. gemeinschaftliche Nutzung von Geräten
Das „Wohnzimmer“ bot beispielsweise organisiert wird, Hilfsdienste angeboten
gemütliche Sitzgelegenheiten und eine werden und ähnliches. Nach diesem
selbstbespielbare Galerie für Kunstwerke Prinzip lassen sich viele andere wenig
von Nachbarinnen und Nachbarn, wäh- genutzte urbane Räume wie Sackgassen,
rend es im „Kinderzimmer“ zahlreiche Unterführungen, Fußgängerbrücken,
Spiele zu entdecken gab. kleine Plätze oder vergleichbare räumli-
Im Rahmen des Realexperiments wur- che Stadtlücken beleben.
den verschiedene Veranstaltungen
getestet, die die Stäffele zu Orten für zwi-
schenmenschliche Begegnungen mach-
ten. Insbesondere gesellige, unkompli-
zierte Events wie gemeinsame Mahlzeiten
(„Meet and Eat“) sind ein niederschwel-
liges Mittel, um die Nachbarschaft zu akti-
vieren. Durch den konkreten lokalen
Bezug können auf diese Weise auch soziale
Gruppen zur Teilnahme motiviert werden,
welche bei herkömmlichen Beteiligungs-
formaten normalerweise nicht anzu-
treffen sind. Durch das Realexperiment
trafen erstmalig Menschen zusammen,
142 REALEXPERIMENTE DIE STÄFFELE-GALERIE 143

„20 Jahre lang haben wir nur von


einer Hecke getrennt nebeneinander
gelebt und haben uns jetzt das erste
Mal mit unseren Nachbarn
ausgetauscht.“
Ein Ehepaar bei der „Hocketse“ an der Witthohstaffel

WIRKUNG Die Topografie Stuttgarts und Besucher der Stäffele entdeckten.


bedingt es, dass die Stäffele oft für einen Überdies fand eine Ermächtigung von
kurzen Fußweg nutzbar sind, während Nachbarschaften durch Schaffung von
andere Verkehrsmittel Umwege erfordern. Sozialräumen und offenen Formaten statt.
In der Konzeptionsphase wurde ange- Die Stäffele wurden als eigener Raum der
dacht, diese Wege durch Aufwertung und Begegnung wahrgenommen und
Bespielung den Bürgerinnen und Bürgern die gemeinsamen Gestaltungsmöglichkei-
wieder vermehrt bewusst zu machen, ten durch die einzelnen Interventionen
sodass der intendierte Wirkmechanismus auf den verschiedenen Flächen aufge-
für das Realexperiment wie folgt lautete: zeigt. So bildete das Realexperiment der
Stäffele-Galerie zwei nicht-intendierte
• Bewusstseinsbildung: Qualität der
Wirkmechanismen aus, die positiv wahr-
fußläufigen Mobilität (positive Aspekte
genommene Wirkungen beinhalteten:
durch Laufen)
• Bewusstseinsbildung: Aufenthaltsqua-
Während der Durchführung des Realex-
lität und nachbarschaftlicher Aus-
perimentes waren überdies noch weitere
tausch.
Wirkungen zu beobachten. So wurden
• Empowerment: Ermächtigung von
beispielsweise durch die Umgestaltung
Nachbarschaften durch Schaffung von
durch Urban Gardening oder durch
Sozialräumen und offenen Formaten.
die kulturelle Bespielung auch die Aufent-
haltsqualität und die Möglichkeit des
nachbarschaftlichen Austauschs zu wich-
tigen Faktoren, die die Besucherinnen
DIE STÄFFELE-GALERIE 145

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REALLABOR

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FÜR NACHHALTIGE
MOBILITÄTSKULTUR Wissenschaftliche
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STUTTGART
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CENTER
Fluss von

Ressourcen

Information

Arbeitsaufwand
146 REALEXPERIMENTE DIE STÄFFELE-GALERIE 147

POTENZIALE Die Stäffele-Galerie ist ein neter Räume zu befähigen beziehungs-


Beispiel für ein Realexperiment, in dem es weise sogar proaktiv zu unterstützen. Bei
Veränderungen in der Zielsetzung und den im Rahmen des Realexperimentes
im Ablauf gab. Diese haben dazu geführt, durchgeführten Veranstaltungen waren
dass die Bespielungsarten der einzelnen einige Bürgerinnen und Bürger zugegen,
Stäffele sich änderten und entsprechend die sich ein Mehr an nachbarschaftlicher
angepasst wurden. Aktivität wünschten. Solche Interventio-
Eine Vielzahl von Ideen für Inter- nen sollten daher keine zeitliche Begren-
ventionen und Veranstaltungen auf den zung haben, sondern – je nach ihrem
Stäffele wurden als „Rezepte für die Erfolg – beibehalten, weiterentwickelt
Stadt“ im Büchlein Stäffele à la Carte oder wieder entfernt werden. Der Verweis
gesammelt und als Anleitungen zum auf das Stäffele-Kochbuch als Ideenquelle
Nachmachen aufbereitet. Das Realexperi- empfiehlt sich dafür.
ment war die organisierte Veranstaltungs- Die Stuttgarter Stäffele sind zudem
form, um derartige Interventionen in ein wichtiger Bestandteil des Fuß-
Nachbarschaften zu integrieren. Die wegenetzes der Landeshauptstadt und
Genehmigung der Interventionen beim könnten im Rahmen der angestrebten
Amt für öffentliche Ordnung erfolgte Fußverkehrsförderung mehr in den Fokus
dabei kurzfristig und unkompliziert. Für gerückt werden.
die Zukunft ist jedoch wünschenswert,
Nachbarinnen und Nachbarn direkt in
ihrer Eigeninitiative zur Gestaltung geeig-

Dieser Beitrag ist eine gekürzte und


leicht veränderte Fassung des
Zivilgesellschaftliche Praxispartner
Kapitels „Die Stäffele-Gallerie“ aus Die Stäffele-Galerie
Kuhn et al (2017): Reallabor
für nachhaltige Mobilitätskultur
Johannes Heynold
in Stuttgart – Dimensionen eines
konkreten empirischen Falles. Koordination
Ein Projektbericht. Dessau: Umwelt- SI – Städtebau Institut, Lehrstuhl Internationaler Städtebau
bundesamt.
Raphael Dietz
Umsetzung
Architekturstudierende im Rahmen einer Summer School (Andrea
Birth, Alexandra Broclawski, Alija Dolo, Karim Elghor, Karin Hauser, Lisa
Jehle, Lea Jürgens, Mercan Kilic, Larisa Moise, Nadja Velska Tietz, Dennis
Tilke, Hakan Yilbirt, Hao Xu), verschiedene lokale bürgerschaftliche
Akteure als Unterstützer
Bearbeitungszeitraum
März 2016 – September 2017
Kontakt
https://staeffele.wordpress.com
148 Stäffe l e à l a C a r te Rez ep te für di e St adt 149

Warum ein Kochbuch für die Stadt?

Viele Stadträume um uns herum sind einfach da. Wir durchqueren sie auf dem Weg zur Arbeit
oder zum Einkaufen, wir stellen unsere Fahrräder und Autos in ihnen ab und gelegentlich warten AUFENTHALT VERANSTALTUNG
wir in ihnen auf den Bus. Im Großen und Ganzen erfüllen sie ihren Zweck, darüber hinaus LIEGESTÜHLE KOCHKURS
beschäftigen wir uns wenig mit ihnen. Übertragen auf eine Mahlzeit könnten wir sagen, unsere »
»
Grundlage für Aufenthalt und Aneignung von Raum,
Verantwortungsgefühl und Pflege
» Aufenthalt und Aneignung von öffentlichem Raum
» Erfahrung, wie einfach Selbstmachen ist
» zum Teil Verdrängung vorhandener Gruppen » Vernetzung in der Nachbarschaft
Straßen machen uns satt, aber sie machen uns häufig nicht glücklich. Wie können wir das ändern? » möglicherweise Müll und Lärmbelästigung

Vorbereitung ZUBEREITUNG Vorbereitung ZUBEREITUNG


Wie gelingt es, dass unsere Städte, Straßen und Nachbarschaften mehr sind als einfach nur 3 Stunden,
abhängig von
Nehmt das Stufenmaß von eurer Staffel
und schneidet die OSB-Platte so zu, dass
5 Stunden
+ Aufbau
Im ersten Schritt muss abhängig vom
Budget geklärt werden, ob ein externer

notwendig? Dazu müssen wir uns auf Alternativen zum gewohnten Einheitsbrei besinnen
Liegestuhlvorrat ihr den Liegestuhl anbringen könnt. Evtl. Durchführung Koch eingeladen wird oder jemand aus
Durchführung müsst ihr das Gestell des Liegestuhls an 2 Stunden der Nachbarschaft die Anleitung über-
2 Stunden einigen Stellen zersägen. + Abbau nehmen kann. Hierfür bietet sich die Re-

und einen eigenen Geschmack dafür entwickeln, was uns denn gefällt. Anschließend gilt es nur noch, Vorlauf
spontan / Schraubt das Gestell des Liegestuhls
Vorlauf
2 Wochen+
zeptsammlung von S. 34 an.

1 Monat jetzt an die ausgesägten OSB-Platten Im zweiten Schritt gilt es, Kosten zu kal-
sich nach einem geeigneten Koch umzuschauen oder selbst zum Koch zu werden. Das muss nicht Für
und schaut, ob euer neuer Stuhl noch
eine Aussteifung braucht. Evtl. baucht
Für
4-10 Personen
kulieren und die Nachbarschaft zu einem
Datum einzuladen und zu festen Zusagen
1-2 Personen ihr zusätliche Klötze, damit das Gestell Schwierigkeit zu bewegen. Hier könnt ihr auch ankün-
teuer sein, aber es bedarf etwas Erfahrung. Dieses Kochbuch möchte sowohl Appetit auf Schwierigkeit
handwerklich
richtig aufliegen kann. Fertig! einfach digen, dass eigene Teller und Besteck nö-
tig sind. So reduziert ihr euren Aufwand

Abwechslung machen als auch einige erprobte Grundrezepte empfehlen, aus denen sich eigene
Wichtig: Wenn ihr mehrere Stühle aufstellt, Zutaten und vermeidet Müll durch Pappteller.
Zutaten muss immer ein Geländer und genug Lauf- Kabeltrommel
OSB-Platte breite auf den Stufen frei bleiben. Hierzu Herdplatten Nun heißt es nur noch, eine externe

Kreationen zur Stadtraumgestaltung ableiten lassen. Dabei kann es in seiner Einfachheit auch Schrauben
Liegestuhl
kann ein Hinweis an den Stühlen helfen. Zutaten Herdplatte zu installieren, und mit dem
Kochen zu beginnen. Guten Appetit!
Werkzeuge Kosten
als Vision für eine Stadt zum Mitgestalten verstanden werden, bei der die Küche für Säge
Akkuschrauber
~50€ ohne Koch
~250€ mit Koch

Kochexperimente immer offen steht und nicht mit langem Vorlauf beantragt werden muss. Aber für’s Kosten
~15€ / Stuhl 1

Erste lässt sich eine Küche schon finden.


20 2 21 54 55

Johannes Heynold
Im ersten Teil des Buches werden Installationen vorgestellt, Im zweiten Teil geht es um Veranstaltungsformate. Sie bieten
die eine Infrastruktur schaffen. Hier geht es um die Themen Möglichkeiten ins Gespräch zu kommen und sich etwa über
Aufenthalt, Interaktion und Atmosphäre. Die Installationen das Essen auszutauschen. Daneben lohnt es sich dann auch,
können beliebig kombiniert und erweitert werden. sich über das Drumherum Gedanken zu machen.

AUFENTHALT VERANSTALTUNG
SITZPODEST HOCKETSE
» Grundlage für Aufenthalt und Aneignung von Raum » Aneignung der Nachbarschaft, Zugehörigkeitsgefühl
» möglicherweise Müll und Lärmbelästigung » einfacher Kontaktaufbau für Folgeprojekte
» ideal als spontane Veranstaltung bei gutem Wetter

Vorbereitung ZUBEREITUNG
2 Stunden Nehmt das Stufenmaß von eurer Staffel Vorbereitung ZUBEREITUNG
Durchführung und schneidet die OSB-Platte so zu, 3 Stunden Tragt jeweils einen Stuhl für euch und
3 Stunden dass die Längsseiten gut auf den Stufen + Aufbau einen weiteren aus eurer Wohnung in
+ Trocknen liegen. Nun wählt ihr eine angenehme Durchführung den Straßenraum, wo ihr es selbst ge-
Vorlauf Sitzbreite (~40-50 cm) und schraubt die 4 Stunden mütlich oder interessant findet. Stellt
spontan/2 Monate Platten mit Winkeln von innen mit + Abbau nun noch einen Tisch dazu und stellt
kurzen Schrauben aneinander. Jetzt Vorlauf eine Handvoll Teller, Gläser und Besteck
Für brauchen die Podeste nur noch einen spontan dazu. Nun braucht ihr nur noch Geträn-
2 Personen Anstrich. Fertig! ke und etwas Brot mit Aufstrich, Salate
Schwierigkeit Für oder ähnliches und ihr seid fertig.
handwerklich Tipp: Die Boxen könnt ihr mit Fächern für 2-50 Personen
Kissen oder Zeitschriften versehen. Schwierigkeit Eure Aufgabe ist es nun, das Ganze
Zutaten einfach selbst zu genießen. Früher oder später
1 OSB-Platte werden die ersten Nachbarn fragen,
Winkel Zutaten was ihr macht. Und wenn niemand
Schrauben Stühle kommt, klin-gelt ihr einfach und ladet
Farbe Tisch sie ein.
Werkzeuge Essen
Akkuschrauber Evtl. Musik Tipp: Selbst mitgebrachte Dinge machen
Säge Kontaktliste das Hocketse erst zu etwas Eigenem. Es ist
Farbrolle 1 also gut, wenn nicht gleich alles vorhanden
Kosten ist.
Kosten 3-10€ / Person
40€

26 3 27 52 53
150 DISKUSSION WIE EXPERIMENTELL IST DIE ZIVILGESELLSCHAFT? 151

Wist: In diesem Podium geht es um die Bewohnerinnen noch die Stadt selbst so Das haben wir innerhalb eines Tages
Erfahrungen der Bürgerinnen und Bürger, richtig verantwortlich für diese Räume, aufgebaut und die Nachbarn waren daran
die mit ihren Ideen in Form von Real- was sich in ihrem oft nicht gerade direkt interessiert: Was ist das jetzt? Das
experimenten an diesem Reallabor betei- einladenden Zustand widerspiegelt. Viele kennt man in Stuttgart nun mal nicht.
ligt waren. Zunächst würde ich daher Stäffele werden als zu beschwerlich, zu Für die Feier haben wir dann einfach ein
Im Rahmen der Fachtagung des Umweltbundesamtes „Neue Wege in der gerne die Diskutanten bitten, sich und ihre dreckig oder zu dunkel wahrgenommen, paar Leute auf die Straße eingeladen.
jeweiligen Realexperimente in zwei bis so dass zum Teil größere Wege in Kauf Nach einiger Zeit kam die Polizei und wir
transformativen Umweltpolitik. Sozial-ökologische Perspektiven einer drei Sätzen kurz vorzustellen. genommen werden, was das zu Fuß unter- mussten es wieder abbauen. Zunächst
wegs sein natürlich erschwert. Auf diesen dachten wir, jemand habe sich wegen des
Transformationskultur am Beispiel nachhaltiger Alltagsmobilität“ führte Rudolf: Ich habe die letzten drei Jahre bei beiden Ebenen, dem Potenzial als Ort Lärms beschwert, aber es stellte sich
Moderatorin Sarah-Kristina Wist unter der Überschrift „Wie experimentell ist der Initiative Freies Lastenrad Stuttgart für soziale Kontakte und der öffentlichen schnell heraus, dass es gar nicht um den
mitgewirkt. Die Grundidee ist es, dass Wahrnehmung, haben wir gearbeitet. Lärmschutz ging, sondern um die Frage:
die Zivilgesellschaft? Wie viel Handeln braucht Wissen in der Transformation?“ wir Lastenräder anschaffen und diese Die Stäffele sind ein Stuttgarter Thema, Warum stellt ihr jetzt etwas Anderes
dann an die Bürgerschaft auf Spendenba- dass alle interessiert. Es war auch für mich auf den Parkplatz als ein Auto? Warum
ein Gespräch mit Johannes Heynold (Realexperiment Stäffele-Galerie), sis verleihen. Dabei haben wir uns zweier interessant zu sehen, wie gerne die Presse hat es keine Räder? Das darf da nicht sein
Kristin Lazarova (Realexperiment Parklets für Stuttgart), Clemens Rudolf Mittel bedient: Zum einen gibt es eine über das Projekt berichtet und dass und muss weg. Ein paar Monate später
Open-Source-Buchungssoftware, mit der Stuttgarter mit ausgeschnittenen Zeitungs- haben wir vom Reallabor gehört und
(Realexperiment Rotierendes Lastenrad) und Walter Vogt (Realexperiment die Lastenräder online reserviert werden artikeln zu den Orten kamen und meinten, da uns das Thema nicht mehr losgelassen
können. Und zum zweiten arbeiten wir sie hätten gehört, dass dort etwas Spannen- hat, haben wir uns zusammengesetzt
Bürger-Rikscha) über ihre Erfahrungen während der Zusammenarbeit mit sogenannten Hosts zusammen. Das des passiert. und das Projekt als Realexperiment vor-
im Reallabor für nachhaltige Mobilitätskultur (RNM). sind die Stationen, die das Rad physisch geschlagen, um nicht einfach wieder
an den Ausleihenden übergeben. Das hat Vogt: Ich war 30 Jahre lang am Institut für guerillamäßig Sachen in der Stadt aufzu-
zwei Gründe: Es spart zum einen viel Geld Straßen- und Verkehrswesen der Univer- bauen, was zunächst unser Plan war.
für teure Smart-Key-Infrastruktur und sität Stuttgart und bin seit über 15 Jahren
zum andern schafft man auch einen im Stuttgarter Radforum tätig, insbeson- Wist: Wie kam es denn bei den anderen zu
Begegnungspunkt und einen Austausch dere in der Arbeitsgruppe Pedelecs der Idee, als Mitforschende am Reallabor
über das Lastenrad und was man damit und innovative Fahrradantriebe, die in teilzunehmen? Was war die Motivation zu
machen kann. Stuttgart ein noch weitgehend ungenutztes sagen, wir beteiligen uns?
Potenzial bieten. So entstand auch der
Heynold: Die Stäffele sind eine besondere Kontakt zum Verein der Bürger-Rikscha, Heynold: Bei mir war es so, dass ich an
Form Stuttgarter Mobilitätsräume und in etwa zeitgleich zum Auftakt des Real- einem Seminar am Städtebau-Institut der
bieten sich als per se autofreie Räume labores. Ich fand den Ansatz des Projektes Universität Stuttgart teilgenommen
besonders an, um ihr Potenzial als Begeg- so toll, es ist ökologisch und sozial zugleich habe, in dem Ideen für Realexperimente
nungsräume auszuschöpfen. Als traditio- und produziert dazu noch diese Neben- entwickelt werden sollten. Zusammen mit
nelle Fußwege und Abkürzungen funktio- geräusche, dass man als alter Mensch mal einem Kommilitonen hatte ich die Idee,
nieren sie auf einer sehr menschlichen wieder in die Natur kommt – einfach dass die Stäffele als nachhaltiger Mobi-
Maßstabsebene. Die Räume sind zwischen mit Hilfe der Rikscha. Aktive Mobilität litätsraum stärker berücksichtigt werden
zwei und drei Metern breit. Das heißt, heißt, zu Fuß zu gehen oder Rad zu fahren. könnten. Ein Teil des Seminars war
wenn man aneinander vorbeigeht, könnte Wenn das im Alter beschwerlicher wird der „Markt der Ideen“. Unsere Idee hatte
man sich berühren und sich in die Augen oder auch gar nicht mehr möglich ist, ein sehr gutes Echo, so dass wir im
schauen, das geht bei Schrittgeschwin- dann gilt es Angebote zu schaffen, Anschluss eine Förderung erhielten, um
digkeit natürlich besonders gut. Allerdings die es auch in dieser Situation ermögli- sie weiter zu verfolgen. Die Umsetzung
fehlen dazu bisher die Aufenthalts- und chen, alltägliche Dinge zu erledigen ohne erfolgte dann in einer Summerschool mit
Interaktionsmöglichkeiten. Während des auf Transporte oder andere motorisierte weiteren Studierenden, die ausgehend von
Realexperiments haben wir erprobt, Fahrdienste angewiesen zu sein. unserer Grundidee eigene Interventionen
was in dieser Hinsicht alles möglich sein entwickelt, umgesetzt, beobachtet und
könnte, wenn man die Räume stärker Lazarova: Wir waren zu dritt, Basil, Philipp analysiert haben.
bespielt. Gerade auf der Ebene der Nach- und ich, drei Kommilitonen, die zusam-
barschaft haben dabei die Interventionen men Architektur studiert haben. An Basils Rudolf: Vom Reallabor habe ich von einer
für Kontaktmöglichkeiten gesorgt, Geburtstag haben wir 2015 das erste Mal Mitarbeiterin des Reallabors erfahren,
die einfach herzustellen sind, aber sonst ein Parklet aufgebaut, um auf der Straße als dieses noch in der Antragsphase
nicht zustande kommen. Gleichzeitig zu feiern, da Basil zu Hause keinen Balkon steckte. Auf das Lastenradprojekt wurde
v.r.n.l. Sarah-Kristina Wist, Walter Vogt, Kristin Lazarova, Johannes Heynold, Clemens Rudolf fühlen sich bisher weder Bewohner und hatte und die Wohnung zu klein war. man schon zu einem frühen Zeitpunkt
152 DISKUSSION

Vielleicht brauchen
aufmerksam und ich kann mir auch gar hat den Kreis der Aktiven temporär Vogt: Es war zunächst sehr positiv, dass
kein Reallabor für nachhaltige Mobilitäts- erweitert. Sonst wäre die Umsetzung des nicht nur eine wissenschaftliche Disziplin
kultur ohne Lastenräder vorstellen. Projektes nicht möglich gewesen. Das beteiligt war, sondern gleich mehrere
Wie soll das gehen? Unsere Lastenräder Realexperiment ermöglichte es mir außer- Bereiche abgedeckt wurden. Es ist in der

Wissenschaftle-
haben bei vielen Aktivitäten des Real- dem, auf Augenhöhe beispielsweise Wissenschaft ja nicht grundsätzlich
labors eine Rolle gespielt. Unsere Aufgabe mit Verwaltungsangestellten der Stadt üblich, dass beispielsweise Sozialwissen-
war es somit in gewisser Weise auch, und Politikern auf Bezirksebene zu schaftlerinnen und -wissenschaftler mit
die anderen Realexperimente oder sonstige agieren. Gerade für einen jungen Men- Architektinnen, Architekten und Stadt-
Veranstaltungen zu unterstützen, zum schen war das ein großer Vorteil. planerinnen und Stadtplanern und

rinnen und Wissen-


Beispiel beim Transport von Material oder zivilgesellschaftlichen Initiativen zusam-
Getränken. Letztendlich ist es bei mir Lazarova [lacht]: Genau. Da kann ich mich menarbeiten. Natürlich gab es am Anfang
persönlich die Überzeugung gewesen, dass auch nur anschließen, die Universität einige Unverständnisse. Ich fand es
Lastenräder ein wichtiger Baustein im Rücken als Unterstützer und Partner zum Beispiel erstaunlich, dass plötzlich
für eine nachhaltige Mobilität sind und war enorm wichtig für die Umsetzung. die zivilgesellschaftlichen Initiativen selbst

schaftler auch ab
dass das Reallabor eine gute Plattform Und wir haben durch die Studierenden aufgefordert wurden, Fragebögen zu
dafür sein kann. tatsächlich auch viel Unterstützung entwickeln und auszuwerten. Das ist nicht
für die Gestaltung und den Bau der Park- selbstverständlich, denke ich. Das sind
Wist: Welche weiteren Vorteile hat es lets erhalten. neue Prozesse, die hier in Gang gekommen
denn, in diesem Rahmen aktiv zu werden? sind und dann auch mit Bravour gemeis-

und zu eine Art


Rudolf: Für uns hat sich als Mehrwert tert wurden. Es wird ja gerne mal gesagt,
Vogt: Ein wichtiger Vorteil ist zunächst herausgestellt, dass wir auf die methodi- dass die Wissenschaft ein Transparenz-
einmal die Aussicht auf eine Grundfinan- schen Erfahrungen der Mitarbeiter problem hat. Ich persönlich komme
zierung. Bei uns kam dann noch ein des Reallabors zurückgreifen konnten, aus einer Anwendungswissenschaft. Für
Sponsor mit einer maßgeblichen Summe zum Beispiel bei der Durchführung einer mich war es daher immer sinnvoll, mit

soziales Jahr in der


dazu. Auf der anderen Seite war es natür- Nutzerumfrage. Überhaupt auf die Idee den Studierenden in die Stadtgesellschaft
lich auch die Aufmerksamkeit, die mit einer solchen Befragung zu kommen, den zu gehen. Auch die Architektinnen
dem Projekt in den Medien erreicht werden Fragebogen dann gemeinsam zu ent- und Architekten greifen im Grunde immer
konnte, was wir alleine vielleicht nicht wickeln und die Auswertung durchzu- die Probleme der Stadtgesellschaft auf.
geschafft hätten. Außerdem gibt es immer führen, dabei hat uns das Reallabor sehr Das ist jetzt zwar ein bisschen provokativ,

Stadtgesellschaft,
auch Bedenkenträger, wie zum Beispiel geholfen. Danach haben wir festgestellt, aber vielleicht brauchen Wissenschaft-
das Amt für öffentliche Ordnung, dass wir diese Umfrage auch in anderen lerinnen und Wissenschaftler auch ab und
die natürlich – wie der Name schon sagt – Städten durchführen könnten. Es gibt zu eine Art soziales Jahr [Lachen aus
für die öffentliche Ordnung zuständig sind in Deutschland nämlich noch 44 andere dem Publikum] in der Stadtgesellschaft,

um ein bisschen ge-


und nicht einfach alles laufen lassen freie Lastenradinitiativen, die auch um ein bisschen geerdet zu werden
können. Wenn man es nicht selbst erlebt zivilgesellschaftlich engagiert sind und ein [Applaus].
hat, glaubt man nicht, wie schwer es ist, Interesse daran haben herauszufinden,
Dinge umzusetzen, die erstmal nicht wofür ihre Lastenräder von ihren Nutzern Heynold: Da kann ich mich nur anschlie-
für möglich gehalten werden. Ein Realex- verwendet werden. Wir haben die ßen. Für mich war das Seminar, an

erdet zu werden.
periment, hinter dem die Universität Befragung dann mit 920 Teilnehmenden dem ich teilgenommen habe, auch eine
steht, kann diese Prozesse ungemein bundesweit durchgeführt und die Erkenntnis: Mein bisheriges Studium
erleichtern, da man mit Wissenschaft eine Ergebnisse auf der International Cycling benötigt auch Erdung. Was sind denn die
gewisse Seriosität verbindet. Conference des Umweltbundesamtes Themen, die für die Menschen in Stuttgart
vorgestellt. Das konnten wir nur dank relevant sind? Da hat das Forschungs-
Wist: Finanzierung, Aufmerksamkeit und unserer Anbindung an das Reallabor. Zu- format des Reallabors dem Studium einen
vielleicht eine Art der größeren Legiti- dem profitieren nun auch die Lastenrad- unglaublichen Mehrwert gegeben. Die
mation oder Seriosität also. Gibt es weitere Initiativen in den anderen Städten. vielen unterschiedlichen Beteiligten
Vorteile, die sich für Sie ergeben haben? aus der Wissenschaft, der Stadtverwaltung
Wist: Da treffen also engagierte Bürge- und den zivilgesellschaftlichen Initiativen
Heynold: Im Rahmen der Stäffele-Galerie rinnen und Bürger und gute Ideen auf die haben dafür gesorgt, dass die eigenen
war es ganz klar. Die Zusammenarbeit Wissenschaft. Was waren denn besondere Ideen aus verschiedenen Perspektiven ge-
mit der Universität in Form von Lehrver- Aspekte an der Zusammenarbeit mit prüft und weiterentwickelt werden.
anstaltungen und damit Studierenden als den Wissenschaftlerinnen und Wissen-
Unterstützung und zusätzliche Ideengeber schaftlern?
154 DISKUSSION WIE EXPERIMENTELL IST DIE ZIVILGESELLSCHAFT? 155

Wist: Herr Heynold, Sie haben es schon also zum Beispiel Menschen aus der beziehungsweise die Institutionen, die im beauftragte Studie für ein Stuttgarter Konstellationen nicht möglich gewesen. und gleichzeitig Lastenräder in das
angedeutet: Es ist nicht nur die Wissen- Nachbarschaft. Das hat uns unter ande- Gesundheits- und Altenbetreuungswesen Fußverkehrskonzept, die sich auch mit der Zurzeit herrschen in Baden-Württemberg bestehende städtische Fahrradverleihsys-
schaft, die am Reallabor beteiligt war. Wen rem bei der Auswahl von Paten für die tätig sind. Beim Thema Gesundheit geht es Reduktion von Parkplätzen entlang und in Stuttgart günstige Rahmenbe- tem integrieren.
benötigt es noch, um ein tragfähiges einzelnen Parklets sehr geholfen. Teilweise schlichtweg nicht nur darum gesund bestimmter Hauptrouten beschäftigt hat. dingungen, sowohl in politischer Hinsicht,
Realexperiment auf die Beine zu stellen? waren das tatsächlich Nachbarn, teilweise zu essen, sondern auch darum, im Alter Es gibt bereits viele Schnittstellen, aber als auch aufgrund der Legitimationskrise Wist: Es muss doch auch den Moment ge-
Geschäfte oder lokale Unternehmen, die Freude zu haben, sich austauschen eine Einbettung von Realexperimenten in der Automobilindustrie und dem allge- geben haben, wo sich der eine oder andere
Heynold: Ich glaube, viele Menschen sind vor Ort waren, in der Nachbarschaft. Das zu können und am sozialen Leben teilzu- die Stadtplanung und Stadtentwicklungs- meinen Wohlstand. Wir dürfen auch nicht gedacht hat: Ich schmeiß hin! Ich habe
immer schon mal besser [zustimmendes Ganze kommt dann nicht mehr von der haben. Ich denke, um dies zu ermöglichen, politik fehlt noch. vergessen: Wir sind hier in Stuttgart, keine Lust mehr! Das ist mir alles zu
Lachen der anderen Akteurinnen und Wissenschaft, also von oben, sondern man kann die Fahrradrikscha eine kleine die finanzielle Sachlage ist in Berlin oder kompliziert! Gab es solche Momente und
Akteure]. Je breiter man aufgestellt ist, hat greifbare Ansprechpersonen vor Ort. Stellschraube sein. Wenn man die Begeis- Wist: Wie könnte die Lösung aussehen? dem Ruhrgebiet eine ganz andere. falls ja, wie hat man es geschafft, trotzdem
desto besser verankert ist das Ganze. Man terung für Programme zur Förderung Sollte die Stadt Stuttgart selbst ein Real- Auch das sind Rahmenbedingungen, die weiter zu machen?
kann dabei grundsätzlich vier unterschied- Heynold: Ein weiteres wichtiges Erlebnis ähnlicher Projekte entfachen kann, dann labor eröffnen? es zu beachten gilt.
liche Akteursgruppen nennen: Politik war ein Termin im Bezirksbeirat in ist man an einem kritischen Punkt ange- Heynold: Mir war zum Beispiel in Bezug
und Verwaltung, Wissenschaft, Zivilgesell- Stuttgart-Süd, bei dem wir unser Konzept langt, um eine größere Verbreitung zu Lazarova: Ich weiß es nicht. Vielleicht Heynold: Zum Stichwort Bedenkenträger auf den Abschlussbericht für das Real-
schaft und Wirtschaft. Wichtig sind aber für das Realexperiment vorstellen muss- erreichen. Dort anzusetzen und weiterzu- würde es genügen, Experimenten, Test- würde ich gerne noch etwas sagen. Vor experiment lange nicht bewusst, was da
die verknüpfenden Elemente. Das Realla- ten. Wir erhielten dort sehr positives machen wäre jetzt der nächste Schritt. projekten oder Interimsphasen einen dem Termin beim Amt für öffentliche wirklich von mir erwartet wurde. Ganz
bor hat seine Funktion als Knotenpunkt Feedback, die Idee wurde für gut befunden höheren Stellenwert zuzuschreiben. Es Ordnung hatten wir die Sorge, eine lange zu Beginn im ersten Workshop gab es nur
gut ausgefüllt. und verstanden und wir bekamen viele Lazarova: Im Nachhinein würde ich sagen, muss auch nicht jedes Experiment weiter- Liste mit Auflagen zu erhalten. Man zehn einfache Fragen, die man schnell
Tipps und Kontakte. Es war also die dass mir die Vernetzung mit der Stadt- verfolgt werden. Es wäre jedenfalls kommt eben dort an mit seinen verrückten erarbeitet hatte. Aber am Ende des Realex-
Lazarova: Als Architekturstudentin sehe Politik, vor der man sonst eher Rechen- politik und der Stadtverwaltung gefehlt interessant, über das Experimentieren Ideen und dann sagen die: „Naja, da periments ist dann doch ein fünfzig-
ich mich genau an der Schnittstelle schaft ablegen muss, die hier vieles hat. Nicht bei der Realisierung der Projekte, eine stärkere Beziehung zwischen gesell- könnte es brennen und das ist ein Flucht- seitiger Bericht zusammengekommen. Da
zwischen Wissenschaft und Zivilgesell- ermöglicht hat. sondern eher die Einbettung der Real- schaftlichen Akteurinnen und Akteuren weg, das wäre also keine gute Idee.“ hätte ich mir schon gewünscht, dass das
schaft. Deswegen habe ich auch eine etwas experimente in eine zukünftige Stadtent- und der Stadtplanung sowie Stadtentwick- Und dann weiß man, wie man damit um- klarer gewesen wäre. Für die Wissenschaft-
andere Wahrnehmung. Ich glaube, Vogt: Für die Verstetigung solcher Prozesse wicklung. Teilweise haben die Projekte lungspolitik aufzubauen. gehen muss. Der Termin war im Grunde lerinnen und Wissenschaftler war es
man braucht vor allem die Verknüpfung ist es auch wichtig, entsprechende wirklich etwas bewegen oder Alternativen genommen sehr kooperativ. Wenn es das wahrscheinlich schon, aber für mich
mit der Zivilgesellschaft, auch wenn Schlüsselakteurinnen und -akteure zu aufzeigen können. Ich denke, dass es Heynold: Eine Art Mobilitätsforum wurde die Schnittstelle zwischen Universität oder als zivilgesellschaftlicher Akteur, der
man selbst zivilgesellschaftliche Akteurin identifizieren. Einer der Schlüssel- einige politische Akteurinnen und Akteure von der Stadt Stuttgart ja bereits ange- Zivilgesellschaft und Verwaltung gibt, einfach nur etwas verändern wollte, war
ist. Um Akzeptanz aufzubauen, benötigt akteurinnen und -akteure für die Bürger- gibt, die ähnliche Ziele haben. Im Bezug zu dacht. Ich denke, das wäre ein sehr guter dann funktioniert es sehr gut. Dazu gehört das absolut nicht klar. Das war ein Punkt,
man ein zivilgesellschaftliches Netzwerk, Rikscha ist das Gesundheitswesen den Parklets gab es eine von der Stadt Weg. Momentan werden diese Platt- aber auch, dass das Personal und die an dem es für mich zäh wurde.
formen eher von zivilgesellschaftlichen Kapazitäten zur Verfügung stehen, um
Projekten wie dem Verein Stadtlücken e. V. Leute wie uns zu beraten und man nicht Vogt: So einfach das Thema Mobilität erst
geschaffen. Diesen konstruktiven Aus- Monate lang warten muss und dann einmal klingt, es ist nicht ganz einfach, die
tausch zu ermöglichen, ist für mich eine irgendwann keine Lust mehr hat und den spezifischen Begriffe zu verstehen, die
gesellschaftsrelevante Aufgabe, bei der Faden verliert. damit verbunden sind. Der „Modal Split“
die Stadtverwaltung und Kommunal- ist beispielsweise eines der komplizier-
politik meines Erachtens viel stärker aktivRudolf: Wir hatten manchmal fast das Ge- testen Dinge, die es gibt. Zum Beispiel muss
sein müsste. Auch die Universität könnte fühl, dass wir sogar schon zu sehr im festgestellt werden: Es gibt nicht nur
natürlich im Sinne eines Reallabors eine Fokus der Stadtverwaltung standen, etwa Hauptverkehrsmittel, es gibt auch fußläu-
aktive Rolle dabei einnehmen. bei der Frage, ob Lastenräder in das fige Wege zum öffentlichen Verkehrsmittel
städtische Fahrradverleihsystem integriert oder zum Pkw. Allerdings wird nur
Vogt: Hier möchte ich ergänzen, dass werden sollen. Ich kann mich an einen das genutzte Hauptverkehrsmittel ÖPNV
Studierende auch in der Lage sind, ganz Termin bei der Stadt erinnern, bei oder MIV gezählt. Das heißt, die
andere Ideen zu entwickeln als Akteu- dem es hieß: „Das brauchen wir nicht – nichtmotorisierten Verkehrsarten sind
rinnen und Akteure aus der Verwaltung wir setzen da auf ‘s freie Lastenrad. Die häufig unterrepräsentiert, da bestimmte
oder der Politik. Ihre Unbefangenheit machen das schon!“ Aber Realexperimente Definitionsentscheidungen getroffen
erlaubt es Ihnen, Dinge anzusprechen, sollen ja lediglich einen Impuls setzen worden sind, die danach oft nicht mehr
die sich die Bedenkenträger nicht erlauben und wir als ehrenamtlich agierende hinterfragt werden. Man bekommt
können. Die Wissenschaft kann so neue Initiative können auch nicht die gesamte eine Tabelle mit dem Modal Split und
Impulse liefern, eingefahrene Vorgänge Stadt abdecken. Man könnte man seitens denkt, jetzt weiß man Bescheid, aber
aufbrechen und neue Anstöße geben. der Stadt allerdings einen zweistufigen häufig weiß man gar nicht genau, was da
Zu meiner Zeit an der Universität wären Ansatz verfolgen: Man kann Gemein- gemessen wurde und was nicht. Solche
solche Realexperimente wahrscheinlich schaftslastenräder fördern, vielleicht Sachfragen, die von der Wissenschaft meist
schon allein aufgrund der politischen durch eine Kaufprämie oder ähnliches, auch eindeutig dargestellt werden, müssen
156 DISKUSSION WIE EXPERIMENTELL IST DIE ZIVILGESELLSCHAFT? 157

erst einmal kommuniziert und verstanden schauend hat die Teilnahme am Reallabor
werden. Häufig besteht da seitens zivil- unserem zivilgesellschaftlichen Projekt in
gesellschaftlicher Akteurinnen und jedem Fall gut getan.
Akteure nicht die Geduld, sich belehren zu
lassen oder lange Referate zu hören. Lazarova: Ich würde auch im Nachhinein
Diese sind – und jetzt spreche ich wieder sagen, dass es für sich genommen sehr
als Wissenschaftler – allerdings essentiell, erfolgreich war, zumindest die Zusammen-
um ein gemeinsames Verständnis arbeit zwischen Zivilgesellschaft, Stadt-
von ein und derselben Sache zu erlangen. verwaltung und Wissenschaft, als aktives
Partizipationsformat. Was mir dabei noch
Lazarova: Es geht eben auch um die ein wenig fehlte ist allerdings die Einbin-
Verbindung von Wissenschaft und Praxis. dung der Politik.
Da haben wir uns ziemlich viel vorgenom-
men. In unserem Realexperiment haben Vogt: Ich würde mich wahrscheinlich auch
wir die Forschung in zwei Bereiche wieder beteiligen. Was wirklich ein großer
aufgeteilt: Der stadtgesellschaftliche Nutzen dieses Projekts war – vielleicht
Diskurs, den die Parklets ausgelöst haben, sogar eher als Nebenerscheinung – war
wurde mit sozialwissenschaftlichen die Vernetzung einer Vielzahl von Initia-
Methoden von Angehörigen der Univer- tiven, Gruppen und Akteurinnen
sität analysiert, ihre Wirkung, Nutzung und Akteuren. Das ist ein ganz wichtiger
und Aneignung im Stadtraum wurde Aspekt für die Stadtgesellschaft – das
von uns durch Beobachtungen vor Ort Reallabor als sozialer Kit sozusagen. Und
beforscht. Durch diese Zusammenarbeit noch ein Kommentar zum Wort Experi-
ist es uns letztendlich gelungen, sowohl ment: Der Vorteil eines Experiments ist,
eine wissenschaftliche Betrachtung dass es scheitern darf und sich niemand
als auch den anwendungsorientierten Teil dafür schämen muss. Daher würde ich
der Forschung in unserem Abschluss- vorschlagen, weiter wagemutig mit solchen
bericht unterzubringen. Experimenten fortzufahren und dabei
auch mal die Autofahrer mit einzubinden.
Wist: Als letzte Frage: Würden Sie wieder Man könnte zum Beispiel eine Gruppe
an einem Reallabor teilnehmen? von Autofahrern finden, die sich freiwillig
verpflichtet, 20 Prozent unter dem vor-
Heynold: Frisch von der Uni kommend geschriebenen Tempolimit durch die Stadt
und noch keine klassischen Forschungs- zu fahren [Lachen aus dem Publikum].
formate kennend, würde ich erwarten, Es gibt also tausende von Ansätzen für
dass das immer genau so laufen sollte: Experimente!
dass alle an einem Strang ziehen, dass man
merkt, man ist Teil von einem Netzwerk,
das etwas bewegen will, dass man unter-
schiedliche Perspektiven kennenlernt und
dass man nicht den Eindruck hat, nur zu
reagieren, sondern selbst gestalten zu
können.

Rudolf: Ich würde wieder bei einem


Reallabor mitmachen. Natürlich war der
Forschungsprozess rückblickend nicht
immer einfach. Zu Beginn wusste niemand
so genau, wo das hinführen würde. Aber
jetzt auf diesen doch sehr strukturierten
und kontinuierlichen Prozess zurück-
159

PRESSESPIEGEL 159
PRESSESPIEGEL 160 PRESSESPIEGEL 161
REALEXPERIMENTE 163

DIE MOBILITÄTS-
SCHULE

Wie können Kompetenzen im Umgang mit unter-


schiedlichen Mobilitätsformen in Fahrschulen ver-
mittelt werden? Wie fährt sich ein Elektroauto
und wie lade ich es wieder auf? Kann man in
Stuttgart sicher Fahrrad fahren? Wie komme ich
am schnellsten ans Ziel, mit U-Bahn, S-Bahn oder
sogar zu Fuß?
164 REALEXPERIMENTE DIE MOBILITÄTSSCHULE 165

Der Moment der Fahrausbildung hin zu E-Autos. In einem anschließenden


entspricht dem, was in der Forschung wissenschaftlich fundierten Diskussions-
als ein Gelegenheitsfenster zur Verhaltens- format sollten die Erfahrungen reflek-
änderung bezeichnet wird. Durch tiert und das Bewusstsein für die Diversi-
den praktischen Ansatz können mögliche tät des Mobilitätsangebotes geschärft
Hemmnisse bezüglich der Nutzung werden.
von Carsharing-Fahrzeugen abgebaut und Die Idee der Mobilitätsschule entstand
gleichzeitig erste Erfahrungen in einem durch ein Netzwerk von zivilgesellschaft-
elektrobetriebenen Fahrzeug gesammelt lichen und wissenschaftlichen Akteuren,
werden. Ziel war es, die Fahrausbildung die sich im Reallabor für nachhaltige
(klassisch: die Vermittlung individueller Mobilität begegnet waren. Im Unterschied
Fahrkompetenz) um die Vermittlung von zu den übrigen Realexperimenten stellte
Mobilitätskompetenz zu erweitern. die Mobilitätsschule zwar ein eigenständi-
Das Realexperiment beschäftigte sich ges Projekt dar (gefördert durch das
mit den Möglichkeiten, die Themen Ministerium für Verkehr, Baden-Württem-
Elektromobilität und intermodale Mobili- berg), verstand sich durch die inhaltliche
tät stärker in der breiten Bevölkerung und personelle Nähe zum Reallabor
zu verankern. Durch eine Kooperation mit jedoch immer auch als Teil dessen.
lokalen Fahrschulen wurden Fahrlehr-
linge während ihrer Fahrausbildung ange-
sprochen: zum einen durch das mit Hilfe
des im Projekt entwickelten Modulhand-
buchs „Intermodale Mobilität“ für den
Theorieunterricht; zum anderen, indem
Fahrschülerinnen und –schülern die
Möglichkeit geboten wurde, einige Fahr-
stunden auf einem elektrischen Car-
sharing-Fahrzeug zu absolvieren. Ein Plan-
spiel zur nachhaltigen Mobilität erweiterte
den Kreis der Beteiligten. In einem ganz-
tägigen Workshop wurden Gruppen inter-
essierter Bürgerinnen und Bürger aus
Stuttgart und Umgebung eingeladen, ihre
Mobilitätskompetenzen zu erweitern:
Den Teilnehmenden wurde die Aufgabe
gestellt, verschiedene Wegstrecken
mit unterschiedlichen nachhaltigen Mobi-
litätsformen zu überwinden – vom
klassischen ÖPNV, über Lastenräder bis
166 REALEXPERIMENTE DIE MOBILITÄTSSCHULE 167

WIRKUNG Die Mobilitätsschule zielte im die Teilnehmenden darin, den eigenen verschiedene Alternativen zum Pkw er- vor allem auch mobilitätseingeschränkten
Wesentlichen auf zwei Aspekte ab: Mobilitätsalltag nachhaltiger zu gestalten. probt werden können. Diese offene Schule Personen zu neuer Bewegungsfreiheit
erstens auf Bewusstseinsbildung (Refle- Somit lassen sich für dieses Realexperi- ist selbst mobil, das heißt, sie kann an (Empowerment). Damit ließen sich auch
xion über die aktuelle Verkehrssituation ment zwei intendierte Wirkmechanismen verschiedenen Orten und mit unter- zwei nicht-intendierte Wirkmechanismen
und das eigene Verhalten) und zweitens festhalten: schiedlichen Akteuren umgesetzt werden beobachten:
auf die Implementation von Innovationen und bringt das Thema nachhaltige Mobili-
• Bewusstseinsbildung: Stärkung der • Implementation von Innovationen
(Elektromobilität und alternative tät direkt in den öffentlichen Raum.
Akzeptanz und Nutzung von nachhal- (soziale Innovation): Aktivierung wei-
Mobilitätsformen). Inhaltlich bilden beide Mit einer ersten Erprobung dieser
tigen und alternativen Mobilitätsfor- terer Multiplikatoren, die zuvor in
jeweils einen Bezug zwischen Alter- Idee ging die Bildung neuer Koopera-
men (Inter- und Multimodalität) durch diesem Kontext (thematisch, räumlich)
nativen zur Nutzung des verbrennungs- tionen einher: Es entstand eine Partner-
Information und Diskussion. nicht aufgetreten waren.
motorischen Pkw. schaft mit einer örtlichen Kirchen-
• Implementation von Innovationen: • Empowerment: Begegnungs- und
Die Bewusstseinsbildung sollte insbe- gemeinde, die Ressourcen, beispielsweise
Einbindung von Elektrofahrzeugen Lernort für (Re-)Integrationsprozesse
sondere in den Fahrschulen erreicht Räume, zur Verfügung stellte. Damit
in den Fahrschulunterricht, praktisches (z. B. Menschen mit Migrationshinter-
werden. Das für den theoretischen Fahr- wurden Akteure, die zuvor nicht in diesem
Ausprobieren alternativer Mobilitäts- grund, Personen mit besonderen
schulunterricht entwickelte Modul Kontext (thematisch, räumlich) aufgetre-
formen. Mobilitätsbedürfnissen)
zum Thema nachhaltige Mobilität bot den ten waren, aktiviert (soziale Innovation).
Fahrlehrlingen eine Wissensbasis, um In Gesprächen mit Fahrlehrerinnen und Darüber hinaus ermöglicht die offene
intensiv über Möglichkeiten nachhaltiger -lehrern zeigte sich, dass sich viele zwar Mobilitätsschule eine zusätzliche Erweite-
Fortbewegung zu diskutieren. Zentral als Ansprechpartner für den motorisierten rung der Akteurslandschaft: So engagierte
war dabei, den derzeit dominierenden Verkehr sehen, nicht aber in einer Vor- sich eine Gruppe junger Geflüchteter
Pkw-Verkehr vor dem Hintergrund seiner reiterrolle im Bereich intermodale Mobili- in der offenen Mobilitätsschule, wodurch
Auswirkungen auf Umwelt, Gesundheit, tät (als Pioniere des Wandels). Dafür gibt eine zusätzliche Möglichkeit geschaffen
Infrastruktur und Stadtplanung zu es unterschiedliche Gründe, unter wurde, Anschluss an die Gemeinschaft vor
betrachten. anderem, dass sie es als ihre primäre Auf- Ort zu finden. Das Angebot zum Aus-
Die Implementation von Innovationen gabe verstehen, Fahrlehrlinge zu sicheren probieren verschiedener elektrisch unter-
ist eng verbunden mit dem Erproben und Verkehrsteilnehmenden auszubilden. stützter Fortbewegungsmittel verhilft
Kennenlernen neuer Fortbewegungs- Oder dass sie die eigenen Kompetenzen,
mittel. In den Fahrschulen sollte der prak- beispielsweise bei der Nutzung von
tische Fahrschulunterricht auf einem Mobilitäts-Apps, im Vergleich zu denen
Elektroauto den Fahrschülerinnen und
- schülern bereits zu Beginn ihrer Aus-
bildung Technik und Nutzung eines Elek-
ihrer Fahrschülerinnen und -schüler, eher
gering einschätzen. Aus diesem Grund
entwickelte das Projektteam die Idee
Autofahren können,
nicht müssen
trofahrzeuges nahebringen. Während des der Mobilitätsschule weiter zum Konzept
Planspiels konnten sich die Teilnehmen- der offenen Mobilitätsschule. Die offene
den mit verschiedenen technischen Neue- Mobilitätsschule beschreibt ein Format,
rungen im Mobilitätsbereich vertraut bei dem im öffentlichen Raum für alle
machen (Elektroroller, Pedelec, Rikscha, Interessierten frei zugänglich über nach- Das Motto der Mobilitätsschule
und andere). Beide Ansätze unterstützen haltige Mobilität informiert wird und
168 REALEXPERIMENTE DIE MOBILITÄTSSCHULE 169

POTENZIALE Auch wenn die Fahrschulen Thema Elektromobilität hat der Einsatz
ihre Aufgabe zuvorderst in der Fahraus- von Elektrofahrzeugen den zusätzlichen
bildung sehen, hat das Realexperiment Nutzen, dass bereits der CO2-Ausstoß BÜRO FÜR
GESTALTEN
hier einige Potenziale zur Integration von der Schulungsfahrten drastisch reduziert
KOMMUNIKA-
nachhaltiger Mobilität identifiziert: würde. Eine zweite regulatorische VERKEHRS-
TIONSBÜRO
MINISTERIUM
Eine dafür wichtige Rahmenbedingung Rahmenbedingung betrifft die Relevanz ULMER
BADEN-WÜRT- REALLABOR
bezieht sich auf die Abschaffung der der Inhalte des entwickelten Theorie- TEMBERG FÜR NACHHALTIGE
MOBILITÄTSKULTUR
Automatikregelung, die – nach Aussagen moduls. Würden diese in der Fahraus-
vieler Fahrlehrerinnen und -lehrer – einen bildung prüfungsrelevant, würde ihnen

Pro
wichtigen Baustein für die Verbreitung im Unterricht wesentlich mehr Zeit einge- JUGEND-

jek
tfö
der Elektromobilität darstellt. Diese Rege- räumt werden. INITIATIVE DER

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NACHHALTIG-

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lung führt dazu, dass Personen, die ihre
KEITSSTRA-

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FAHRSCHULEN
Fahrausbildung auf einem Automatikfahr- TEGIE BW lte
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zeug absolviert haben, auch zukünftig , Le
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keine Fahrzeuge mit manueller Gang- Be
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das (automatikbetriebene) Elektrofahr- MOBILITY UG ELECTRIFY Fa h

zeug als Schulungsauto maßgeblich an BW E.V.


E-MOBIL-S INITIIERUNG DURCH
Attraktivität für die Fahrschülerinnen und QUARTIERS- KOOPERATION

-schüler. Zwischenzeitlich deuten ver-


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VERKEHRS-

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schiedene politische Aktivitäten auf eine

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Andreas Hohn, Sebastian Wider, Uwe Clarner,

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Conny Krieger

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Büro für Gestalten STUTTGART
STADTWERKE/
STADTMOBIL
Jan Lutz STELLA
Koordination und wissenschaftliche Begleitung FREIES FLIXBUS
Dialogik gemeinnützige GmbH Fluss von LASTENRAD
STUTTGART
Sophia Alcántara, Annika Arnold, Frank Ulmer Ressourcen

Information
Bearbeitungszeitraum
März 2016 – September 2017 Arbeitsaufwand

(gefördert durch das Ministerium für Verkehr,


Baden-Württemberg)
Kontakt
www.nachhaltigmobil.schule
170 DISKUSSION NEUE FORSCHUNGSFORMATE – NEUE CHANCEN FÜR DIE STADT? 171

Sonnberger: Hinter den Begriffen transfor- Entwicklungstreiberin, insofern begrüße von Akteurinnen und Akteuren aus sehr
mative Wissenschaft, transdisziplinäre ich diesen ganzen Prozess der Reallabore unterschiedlichen Disziplinen zusammen
Forschung, Citizen Science und Reallabore als neues Format sehr und glaube, dass kommen würde, welcher gut in der Stadt-
verbergen sich Formate, die Forschung neu das ein Zukunftsmodell für Stuttgart und gesellschaft vernetzt war und ein in
denken wollen. Es sollen Formate entwi- auch für andere Städte sein kann. die Stadt passendes Thema aufgriff,
ckelt werden, die nicht dem linearen das kontrovers war und genau eine solche
Prinzip folgen, bei dem die Wissen- Schneidewind: Es ist ganz interessant, sich Mischung an Mitwirkenden benötigte.
schaft Grundlagenwissen oder angewand- vor Augen zu halten, wie es zu diesen Es ist sehr schön zu sehen, wie das aufge-
tes Wissen erzeugt, welches im Anschluss Reallaboren gekommen ist. Ende 2009 gangen ist: Was hier ausprobiert wurde
durch die Politik, die Verwaltung, kam die wissenschaftspolitische Sprecherin und die Akzente, die damit gesetzt worden
die Wirtschaft oder auch die Zivilgesell- der Grünen-Fraktion in Baden-Württem- sind, strahlten schon während der Projekt-
schaft umgesetzt wird. Stattdessen sollen berg Theresia Bauer zu meiner Vorstellung laufzeit weit nach außen, waren und
Formate entwickelt werden, in denen des Buches „Nachhaltige Wissenschaft“ sind impulsgebend und motivierend für
gemeinsam Wissen erzeugt wird, in denen nach Berlin. Wir hatten danach ein sehr viele andere, die sich auf einen ähnlichen
die Politik, die Verwaltung, die Wirtschaft gutes Gespräch und ein gutes Jahr später Weg machen wollen.
und die Zivilgesellschaft zusammen war Theresia Bauer Wissenschafts- Die Grundidee, die dahintersteht, ist es,
mit der Wissenschaft Lösungen für drän- ministerin. Sie erinnerte sich an die Ideen sowohl die Wissenschaft zu verbessern als
gende gesellschaftliche Probleme und sagte: Herr Schneidewind, lassen Sie auch zu einer lebendigeren Demokratie
erarbeiten, wie beispielsweise die Energie- uns mal unterhalten, wie wir damit beizutragen. Denn wir haben es heute mit
wende oder die Mobilitätswende. Was weiterkommen. Aus diesem Gespräch einem Wissenschaftssystem zu tun,
können also die Politik, die Verwaltung, entstand dann die Idee, eine Experten- das sich teilweise extrem eng und diszipli-
die Wirtschaft, die Zivilgesellschaft, kommission einzurichten, die folgender när mit Fragen beschäftigt, die es sich
die Wissenschaft und auch die universi- Frage nachgehen sollte: Was können selbst stellt, um akademische Karrieren zu
täre Lehre dazu beitragen, solche koopera- wir tun, um die Wissenschaft stärker in machen. Es geht oft nicht darum, dass
tiven Formen der Wissensproduktion die Prozesse für eine nachhaltige Entwick- die Frage irgendeine Relevanz hat. Es geht
voranzubringen? lung einzubringen? Diese Experten- eher darum, dass sie mit einer tollen
kommission hat dann 2013 den Bericht Methode beantwortet werden kann. Die
Schneider-Bönninger: Es heißt ja so schön „Wissenschaft für Nachhaltigkeit“ abge- einzigen wichtigen Menschen für die
„Die Forschung forscht, die Verwaltung geben, in dem die Idee der Reallabore ganz Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
verwaltet, die Wirtschaft wirtschaftet …“ im Zentrum stand, um neue Formen – gerade im jungen Alter – sind zunächst
Im Rahmen der Fachtagung des Umweltbundesamtes „Neue Wege in Wir als Kulturamt haben beschlossen, von wissenschaftlichen Infrastrukturen die zehn bis fünfzehn anderen Experten in
der transformativen Umweltpolitik. Sozial-ökologische Perspektiven einer mehr sein zu wollen und mehr tun zu zu etablieren, in denen Räume dafür ihrem spezialisierten Feld, welche die
wollen als nur zu verwalten. Wir wollen geschaffen werden, dass Verwaltung, referierten Papiere bewerten und damit
Transformationskultur am Beispiel nachhaltiger Alltagsmobilität“ führte auch Visionen und gemeinsame Lösungen Stadt, Bürgerschaft und Wissenschaft in über akademische Karrieren entscheiden.
entwickeln. Dafür haben wir im Rahmen neuer Form zusammenkommen. Alle anderen sind hingehen völlig irre-
Moderator Marco Sonnberger unter der Überschrift „Neue Forschungs- eines Zukunftslabors im Dialog mit vielen Man erlebt es eher selten als Experten- levant.
formate – Neue Chancen für die Stadt?“ ein Gespräch mit Birgit Schneider- Akteurinnen und Akteuren aus der kommission, dass der Bericht nach Es wird also Forschung betrieben, die
Stadtgesellschaft, der Wissenschaft und der Übergabe nicht in irgendeiner Schub- eigentlich nur bei einer kleinen Gruppe von
Bönninger (Leiterin des Kulturamtes der Stadt Stuttgart), Thomas Becker der Wirtschaft kulturelle Zukunfts- lade verschwindet, sondern wirklich etwas Spezialisten Anklang finden muss und
forschung unternommen, bei der wir der damit passiert. Theresia Bauer hat es ist völlig irrelevant, ob das irgendeine
(Initiator der Initiative Freies Lastenrad Stuttgart), Dominik Rudolph Frage nachgingen: Wie soll die Kultur- sich im Wissenschaftsministerium intensiv Bedeutung hat für die Welt da draußen
(Projektkoordinator für die Stuttgarter Change Labs der Universität Stadt von morgen aussehen und wie darum bemüht – und das ist in solchen und sich jemand anderes dafür interes-
können wir gemeinsam Lösungen dafür Häusern nicht leicht, selbst wenn man an siert. Das schlägt sich dann in der Lehre
Stuttgart) und Uwe Schneidewind (Präsident des Wuppertal Instituts erarbeiten? der Spitze steht – finanzielle Mittel zu nieder, wo Studierende, junge Menschen
Ich sehe die Verwaltung beziehungsweise finden, um etwas auf den Weg zu bringen. in ihrer besten Phase, die mit vielen
für Klima, Umwelt und Energie) über transformative Forschung und die die Kulturverwaltung in diesem Prozess Nach einer entsprechenden Ausschreibung spannenden und relevanten Fragen an die
Rolle der Universität in der Stadt. in einer sehr aktiven Rolle. Einmal als Ende 2014 und der Auswahl Anfang 2015 Universität kommen und sich damit aktiv
Impulsgeberin, aber auch als Instanz, die sind dann die ersten Reallabore in in die Stadtgesellschaft einbringen
viele Fragen stellt und die immer wieder Baden-Württemberg an den Start gegan- könnten, erstmal disziplinäre Kataloge
vor neuen Projekten steht, bei denen gen. Eines davon war das Reallabor für pauken müssen und dadurch kaum
sie sich enorm viel Wissen aus Wissen- nachhaltige Mobilitätskultur in Stuttgart, in Interaktion mit der Stadtgesellschaft
schaft und Wirtschaft hinzu holen kann. welches die Jury begeisterte, da ersichtlich treten können, außer abends in der Kneipe
v.l.n.r. Marco Sonnberger, Birgit Schneider-Bönninger, Uwe Schneidewind, Dominik Rudolph, Thomas Becker Die Verwaltung ist eben auch war, dass dort ein hochinteressanter Kreis mal ein Bier zu trinken. Wie wäre es also,
NEUE FORSCHUNGSFORMATE – NEUE CHANCEN FÜR DIE STADT? 173

das umzudrehen und eine Wissenschaft zu fördern. Dies bedeutet konkret, dass es wenn sie etwas umsetzen wollen.
so zu konzipieren, dass sie von den span- in jedem Semester eine Ausschreibung Es gibt zwar über 70 Studierendengruppen
nenden Fragestellungen aus dem unmittel- gibt, auf die sich Studierende, die eine an der Universität Stuttgart, die sich
baren Umfeld der Stadtgesellschaft spannende Idee haben, um die Gesellschaft für soziale Themen einsetzen. Aber ich bin
und ihren technologischen, kulturellen nachhaltig voranzubringen, alleine mir sicher, dass es auch viele eher passive
und ökonomischen Herausforderungen oder in Gruppen bei uns bewerben können. Studierende gibt, die zwar Lust haben,
ausgeht? So ließe sich die ganze Kraft der Wenn sie daraufhin von der Fachjury noch etwas neben dem Studium zu
Wissenschaft in Geltung setzen. ausgewählt werden, erhalten sie zum einen machen, aber nicht genau wissen, was das
In keiner Weise lässt sich besser lernen, als eine administrative Förderung, das heißt sein könnte. Entweder weil sie keine eigene
sich mit Fragen zu beschäftigen, mit denen beispielsweise, dass sie eine Unterstützung Idee haben oder weil sie sich nicht trauen
sich Interaktion erzeugen lässt, durch bekommen, einen Raum für das Zusam- oder weil sie niemanden kennen. Hier
die das Lernen und auch die Forschung menarbeiten zu finden oder ihnen Kontak- besteht ein enormes Potenzial, Studie-
spannender werden und die gleichzeitig te zur Stadtverwaltung oder zu sozialen rende mit eigenen Ideen zu bündeln und
dazu beitragen, dass in herausfordernden Einrichtungen vermittelt werden. sie mit Studierenden zu vernetzen, die
und emotionsgeladenen Transformations- Darüberhinaus können auch finanzielle keine eigene Ideen, aber die Motivation
themen wie der Mobilitätswende plötzlich Mittel für jedes Projekt zur Verfügung dazu haben, etwas zu verändern.
sehr viele Menschen sich mit neuen gestellt werden. Von der Flüchtlingshilfe
kreativen Ideen in den Prozess einbringen über das Urban Gardening am Campus bis Sonnberger: Herr Becker, was macht die
und somit Plattformen für Diskussion und hin zur Produktion eines nachhaltigen Zivilgesellschaft?
Reflexionsräume schaffen, um sich mit Rohrreinigers wurden bereits die unter-
diesen Veränderungsprozessen auseinan- schiedlichsten Projekte eingereicht, Becker: Als ich Mitte der 1980er Jahre
derzusetzen. was mich natürlich sehr freut. Denn das studierte und später an der Universität
Gerade in einer Zeit, in der die Polarisie- sind allesamt junge Menschen, die arbeitete, wurden neue partizipative
rung von politischen Debatten zunimmt, sich voller Energie an unterschiedlichste Ansätze für Forschung und Entwicklung
abgewogene Argumente und Räume für Probleme heran wagen, dafür freiwillig hauptsächlich im Süden der Welt erprobt.
den Diskurs zunehmend verschwinden, ist rund um die Uhr inklusive Wochenende Diese Art der Aktionsforschung und
es ein riesiges Potenzial für eine lebendige auf ihr Ziel hinarbeiten und uns sagen, andere partizipative Forschungsformate
Demokratie, dass sich die Wissenschaft wie toll es ist, dabei ganz viele Dinge sind die Säulen, auf denen jetzt auch die
in einer solchen Form einbringt. Eine zu lernen, die man im späteren Berufsleben Reallabore als moderne Spielart oder neue
wunderbare Symbiose also und das Real- benötigt und die sie auf ihrem eigenen Weg Ausprägung aufbauen. Ich erwähne das,
labor für nachhaltige Mobilitätskultur weiter bringen, wie zum Beispiel Presse- weil damals ein Großteil der Wissenschaft
zeigt, wie das im besten Fall gelingen kann. arbeit, Kommunikation, die Organisation das absolut nicht ernst genommen hat,
im Team und das Aufbringen finanzieller das hatte für sie mit Forschung nichts
Sonnberger: Ein starkes Plädoyer für die Mittel. Wenn die ganze Energie dann auch zu tun. Als ich von den Reallaboren gehört
Demokratisierung der Wissenschaft. Herr noch für einen guten Zweck eingesetzt habe, war ich daher natürlich sofort
Rudolph, was kann die universitäre Lehre werden kann, ist es relativ einfach nachzu- interessiert. In den vergangenen zwanzig
beitragen? vollziehen, warum das so eine große Moti- Jahren hat sich also zumindest die
vation bei den jungen Menschen her- Aufmerksamkeit für inklusive Forschungs-
Rudolph: Ich arbeite an der Universität vorbringt. Ich glaube, dass man in einem formate, in denen die Zivilgesellschaft
Stuttgart an einem Projekt, das studenti- interdisziplinären und praktisch ange- an der Forschung teilhaben soll, komplett
sches Engagement fördert. Der Hinter- wandten Studium effizienter lernt, verändert. Für mich war dies immer
grund des Projektes ist, dass es – wie da mehr Wissen hängen bleibt, als beim ein zentraler Punkt, daher war es sehr
bereits von Prof. Schneidewind angespro- theoretischen Studium im Frontalunter- spannend zu sehen, wie es in den verschie-
chen – sehr viele Studierende gibt, richt. denen Reallaboren in den letzten Jahren
die Ideen und Energie haben und die sich Um auf die ursprüngliche Frage zurückzu- gelungen ist. Ich denke aber auch, dass da
für Dinge einsetzen möchten, die aber kommen, was die universitäre Lehre noch Luft nach oben ist und dass die Zivil-
in der Vergangenheit von der Universität beitragen kann, so denke ich, dass diese gesellschaft eine noch deutlich größere
leider meistens mit ihren Ideen allein jungen Menschen an der Universität sind, Rolle in Reallaboren spielen könnte.
gelassen worden sind. Dafür gibt es jetzt um etwas beigebracht zu bekommen. Vielleicht müssten dazu Ausschreibungen
die sogenannten „Stuttgarter Change Sie haben Energie und Ideen, aber benö- etwas anders gestaltet und Ressourcen
Verbindung oder Barriere?
Labs“. Wir sind vom Wissenschaftsmini- tigen ab und zu noch etwas Hilfestellung. anders verteilt werden, damit mehr
Hauptstätter Straße, Stuttgart-Mitte
sterium gefördert worden, um transforma- Da bringt es schon sehr viel, wenn sie Koordination, Kommunikation und Inte-
tives interdisziplinäres Lernen gezielt wissen, an wen sie sich wenden können, gration der verschiedenen Mtwirkenden
174 DISKUSSION NEUE FORSCHUNGSFORMATE – NEUE CHANCEN FÜR DIE STADT? 175

schon Durchbrüche geschafft, indem wir großen Unternehmen längst üblich ist. Becker: Ich kann mir vorstellen, dass die
ressortübergreifende Arbeitsgruppen Natürlich braucht man Spezialisten, aber Zusammenarbeit von Stadtverwaltung und
eingerichtet haben. Es gibt beispielsweise es werden auch Kapazitäten für Vernetzer Studierenden etwas leichter zu handhaben
eine AG Kulturelle Stadtentwicklung, benötigt, die das Wissen transferieren ist, als dies aufgrund der unterschiedli-
in der sich verschiedenste Akteurinnen und nutzbar machen können. chen Taktungen von Lehre und Forschung
und Akteure gemeinsam mit den Die Berufungspolitik der Universitäten beim Reallabor der Fall war. Das Reallabor
Nutzungsmöglichkeiten des öffentlichen verzichtet allerdings komplett auf hatte eine Projektlaufzeit von drei Jahren,
Raumes befassen. Diese Prozesse werden die Vernetzer, zu Gunsten einer Selbster- von denen auch noch eine gewisse Zeit
momentan aufgebrochen und das in gänzung mit weiteren Spezialisten. Es gibt als Vorlauf benötigt wurde, bis das Projekt
einem Tempo, das es in den 1980er Jahren derzeit an den Universitäten überhaupt eine Öffentlichkeit erreichen konnte.
nicht gab. Insofern glaube ich, dass keine Bemühungen, Kapazitäten für Dazu kam die Lehrtaktung in Semestern,
momentan gute Rahmenbedingungen für solche Vernetzer zu schaffen, insofern ist die mit den transdisziplinären Projekten
Projekte herrschen, die in Transfer Ihr Punkt zwar absolut richtig, aber man zeitlich übereinstimmen musste, was
denken. muss höllisch aufpassen, dass die, die ein natürlich nicht immer funktionierte.
Umdenken diesbezüglich unbedingt Damit das gelingen kann, müssen noch
Rudolph: Wir sind uns zwar alle einig, verhindern wollen, nicht sofort mit dem große strukturelle Fragen geklärt werden.
dass innovative Forschungsformate eine Argument kommen, man wolle damit die Hinzu kommen gewisse Unverbindlich-
gute Sache sind, aber ich würde noch verkopften Genies aus der Universität keiten von beiden Seiten. Die Zivilgesell-
einwerfen, dass das nicht das einzige ist, drängen. Das wollen wir aber nicht. schaft agiert meist ehrenamtlich und
was für die Gestaltung der Zukunft Wir wollen, dass Kapazitäten geschaffen ist dadurch eingeschränkt, Studierende
benötigt wird. Vor allem bei den techni- werden, um das Wissen dieser Genies springen auch mal bei einer Lehrveranstal-
schen Studiengängen an der Universität endlich für die Gesellschaft nutzbar zu tung ab, wodurch zum Beispiel eine
Stuttgart gibt es so manche Professoren, machen. Auswertung wegfällt und damit Ergebnis-
die wirklich sehr gut darin sind, sich se, auf die man sich verlassen hat. Solche
stattfinden und die vorhandenen Poten- können gegen die zentralen Investitions- gangen. Daher hat das Format der Real- in ein komplexes Problem detailliert Schneider-Bönninger: Dem kann ich nur Dinge kommen vor, wir kennen die
ziale noch besser gehoben werden können. interessen kaum noch etwas ausrichten. labore, welches die Erprobung des Zusam- einzudenken, also klassische Forschung zustimmen. Es gibt nun mal konkrete Probleme, die Antworten dafür müssen wir
In Stuttgart geht es ja noch, aber auch menspiels verschiedener Akteurinnen zu betreiben, die aber weniger die Fragestellungen, die sich besonders dazu aber noch entwickeln.
Sonnberger: Sie sind sich scheinbar alle die Automobilindustrie wird sich verän- und Akteure ermöglicht, eine wichtige kommunikativen und emphatischen eignen, die Wissenschaft mit ins Boot
einig: Wir brauchen die Transformative dern. Städte wie Wuppertal aber, die Funktion. Auch das Thema Finanzierung Fähigkeiten besitzen, um auf die Zivil- zu holen. Wir als Kulturamt sind in einem Rudolph: Ein wichtiger Punkt ist die
Wissenschaft und die Reallabore. sich im Strukturwandel befinden, sind und Strukturen ist enorm wichtig. Das gesellschaft zuzugehen, deren Bedarfe zu Projekt der Stuttgarter Change Labs Kommunikation von Geschaffenem. Ich
Gerne würde ich aber nochmal kritisch erpressbar. Wenn ein Einkaufscenter Ministerium für Wissenschaft, Forschung ermitteln, mit Studierenden an Partizi- involviert. Dabei geht es um das Hegel erlebe es an der Universität immer wieder,
nachfragen. Dass die Forschung forscht, eine gewisse Investition in die Stadt bringt, und Kunst Baden-Württemberg war pationsverfahren teilzunehmen und diese Museum, das neu konzipiert werden soll. dass eine Gruppe von Studierenden
die Verwaltung verwaltet und die kann die Kommunalpolitik dem kaum diesbezüglich sehr eingeengt. Unbüro- dann davon zu überzeugen, dass das Wir sind gemeinsam mit der Universität eine Idee hat, sich engagiert für irgend-
Wirtschaft wirtschaftet hat ja auch einen etwas entgegensetzen. Das heißt, die kratische Aufwandsentschädigungen eine gute Sache ist. In meinen Augen ist einen kreativen Weg gegangen, indem etwas einsetzt und es dann einfach eine
gewissen Sinn. Wenn jetzt aber die Wissen- klassische Governance, also die Art und für zivilgesellschaftliche Akteurinnen und das allerdings auch in Ordnung so. Alle wir mit Studierenden dreier unterschied- Weile dauert, bis sie sich einen Ruf oder die
schaft die Gesellschaft demokratisieren Weise, in der Städte gesteuert worden sind, Akteure passen in die bestehende Förder- Studierenden, die ich innerhalb meiner licher Disziplinen – Philosophie, Architek- Unterstützung von ein paar Professoren
und Studierende gesellschaftliche ist in vielen Bereichen am Ende und logik erstmal überhaupt nicht rein. Das Projekte betreue, müssen auch mal tur und Kunstgeschichte – in einer ersten erarbeitet hat. Nach drei Jahren haben die
Probleme lösen sollen, wie können dafür es stellt sich damit die große Frage, wie die sind Dinge, an denen gearbeitet werden für Klausuren pauken und Dinge auswen- Phase überlegten, wie Hegel für das Studierenden dann allerdings schon ihren
ermöglichende Strukturen geschaffen Governance der Zukunft aussehen kann. muss. dig lernen, um ihr Handwerkszeug zu 21. Jahrhundert übersetzt werden kann Bachelor, verlassen die Universität und
werden, die eine Überforderung der Mit- Wie bringen wir zusätzliche Ressourcen in bekommen. Auch das ist in Ordnung, es und wie das Haus dementsprechend bis merken, dass sie zwar ein tolles Projekt auf
wirkenden verhindern? diese Steuerung mit ein? An diesem Punkt Schneider-Bönninger: Es benötigt in dem sollte da schon zweigleisig gedacht werden.
2020 baulich und inhaltlich neu gestaltet die Beine gestellt haben, welches viel
kann sich eine Zivilgesellschaft stärker ganzen Prozess auch einer Veränderung werden soll. Schon in den ersten Treffen Herzblut gekostet hat, es aber niemanden
Schneidewind: Man muss das auch von engagieren und die Wissenschaft kann sich des Bewusstseins, insbesondere bei der Schneidewind: Sie haben absolut recht mit wurden uns wahnsinnig kreative Ideen gibt, der es fortführt. Daher ist es so
einer anderen Seite aus betrachten. In den einbringen. Für diese neuen Konstellatio- Stadtverwaltung, in der es viele tradierte Ihrem Punkt, denn denjenigen, die von den Studierenden vorgestellt. Es wird wichtig, durch eine konsequente Kommuni-
Stadtverwaltungen und anderen klassi- nen werden gute Formen des Miteinanders und teilweise überkommene Strukturen innovative Forschungsformate einfordern, nun einen öffentlichen Workshop geben, kation nach außen die Sichtbarmachung
schen Institutionen kommen die bisherigen benötigt und das ist alles andere als gibt. Formate wie Reallabore sind inno- wird immer wieder vorgeworfen, sie bei dem auch die Zivilgesellschaft ihre von bereits Erreichtem zu gewährleisten.
Methoden der Arbeitsteilung zunehmend trivial. Wir haben das bei den Agenda-21- vative Demonstrationsprojekte, die zeigen, würden die Wissenschaft aufgeben. Mit Ideen mit ins Portfolio geben kann. Und so
an ihre Grenzen. Es gibt kaum noch Bewegungen der 1990er Jahre gesehen. dass es auch ganz anders gehen kann. einem derartigen Abwehr-Diskurs wird können wir zusammen mit der Wissen- Schneidewind: Das sind alles wichtige
Menschen, die sich in klassischen politi- Damals herrschte eine riesige Aufbruchs- Das inspiriert natürlich. Für die Stadt- eine ganze Bewegung im Keim erstickt. schaft und der Zivilgesellschaft ein völlig Erfahrungswerte im Bezug auf polyzentri-
schen Prozessen engagieren. Stadträte stimmung, aber die Kopplung an verwaltung ist es schon ein Riesenschritt, Deswegen muss immer wieder deutlich neues Museum für das 21. Jahrhundert sche Governance, also auf die Aufgabe,
werden mehr zum retardierenden Moment die klassische Governance und Kommunal- zunehmend in Inhalten und weniger gemacht werden, dass es lediglich schaffen. einen Prozess zu handhaben, der auf kei-
als zum Motor für Entwicklung. Stadt- politik ist zunächst nur schwer gelungen, in Zuständigkeiten zu denken. darum geht, Kapazitäten für diese Art der ner formalen Struktur fußt, bei dem nicht
verwaltungen und die Kommunalpolitik schnell ist fast alles auch wieder einge- Wir haben zumindest im Kulturbereich Forschung zu schaffen, so wie das in klar ist, welche Stelle wofür zuständig ist,
176 DISKUSSION

sondern sich Zuständigkeiten einzelner


Akteurinnen und Akteure erst schrittwei-
se herauskristallisieren. Hier wird deut-
amtlich im Reallabor agieren. Deswegen
müssen wir auch anders über die zur
von Fördermitteln und das Umsetzen von
Projekten und soll dann zusätzlich ehren-
Projekten dienen, da ein derartig lang-
fristiger Prozess, der eine ganz andere Gerade in einer Zeit, in der
die Polarisierung politi-
lich, dass das Thema Zuständigkeit Verfügung stehenden Ressourcen nach- Dimension hat, natürlich für überregio-
plötzlich ganz neu gedacht werden muss. denken. nale Fördergeber wie zum Beispiel die EU
Dazu gehört es auch, Handelnde und besonders interessant ist.
Institutionen zu finden, die eine Kontinui- Schneidewind: Wenn man etwas Dauer- An dieser Stelle bedeutet das für Stuttgart:

scher Debatten zunimmt,


tät gewährleisten, die immer wieder neue haftes schaffen will, bedarf es zunächst mutig sein! Diese Region wird sich be-
Formen der Finanzierung finden, die neue institutioneller Infrastrukturen. züglich ihrer ökonomischen Strukturen
Projekte anstoßen und vorantreiben. Das Wir haben in Wuppertal das Zentrum in den nächsten 15 Jahren komplett
ist natürlich sehr herausfordernd. Ein Transformationsforschung zwischen der verändern, was sich auch auf das Stadt-

abgewogene Argumente
zuständiges Amt für Reallabore wird es so Universität und dem Wuppertal-Institut bild auswirken wird. Wenn es schlecht
schnell wahrscheinlich nicht geben. gegründet. Dort sind Forscherinnen läuft, dann wird sie das Ruhrgebiet des
und Forscher aus allen Fachbereichen 21. Jahrhunderts, wenn es gut läuft, wird
Sonnberger: Polyzentrische Governance involviert, vor allem solche, die eine sie ein maßgeblicher Akzentgeber für

und Diskursräume zu-


hört sich super an – aber wie könnte das gewisse Langeweile in ihrem eigenen Fach die Mobilität der Zukunft. Seien Sie also
konkret aussehen und umgesetzt werden? verspüren und die wieder dahin zurück- mutig! Entwerfen Sie jetzt diese Zukunft!
Wir haben ja schon gehört, dass die kommen wollen, weshalb sie ursprünglich Überwinden Sie das kleinkarierte Denken
Finanzierungstöpfe fehlen, die zeitlichen zur Wissenschaft gekommen sind. Eine der Politik und der Automobilindustrie.

nehmend verschwinden,
Strukturen nicht übereinstimmen und sich solche Institutsstruktur stellt eine kriti- Ihre Chance ist es, die Vorboten der zu-
wahrscheinlich auch die Handlungs- sche Masse und einen Wissenspool dar, um künftigen Entwicklung aufzugreifen und
logiken grundlegend unterscheiden, da Fördermittel für Nachwuchsforschungs- diese bereits heute für Stuttgart zu denken,
unterschiedliche Interessen im Spiel sind. gruppen beim Bundesministerium für zu postulieren und als 15-Jahresprojekt

kann das Engagement


Forschung und Bildung einzuwerben und auszurufen! Dann werden Ihnen sicher
Becker: Wir haben es nun mal mit vielen somit eine personelle Kontinuität zu auch die Fördergelder zustreben, denn
verschiedenen Akteurinnen und Akteuren gewährleisten. Das zweite sind kommuni- in Stuttgart hat man kein Interesse
zu tun, die teilweise in relativ strenge kative Infrastrukturen. Dafür können an der Förderung inkrementellen Klein-

der Wissenschaft ein rie-


Hierarchien eingebunden sind und kaum niederschwellige Formate wie regelmäßige krams, sondern an visionären Projekten
Schnittstellen zueinander haben. Die Zivil- Stammtische oder Kommunikations- und Menschen, die die Fähigkeit haben,
gesellschaft ist eine amorphe Masse, runden etabliert werden, die an einer auch zehn oder fünfzehn Jahre voraus
in der einzelne Akteurinnen und Akteure Hochschule oder einem Forschungsinstitut zu denken.

siges Potenzial für eine


keine formalen Beziehungen zueinander auch einfach aufrecht zu erhalten sind, Genau diese Kraft hat die Wissenschaft.
haben. Wir brauchen also unterschiedliche die Kommunikation erleichtern, Erreichtes Und in dem Reallabor, das sie hier initiiert
Governancen, also Steuerungs- und Orga- sichtbar machen und Handelnde vernet- haben, steckt bereits sehr viel von dieser
nisationsmechanismen, die dann aber zen können. Kraft. Die Wissenschaft darf sich erlauben

lebendige Demokratie be-


auch wieder miteinander verknüpft Das dritte sind konkrete physische Infra- zu denken, was für Oberbürgermeiste-
werden müssen. In einem idealen Real- strukturen. In Wuppertal haben wir rinnen und -bürgermeister, Ministerpräsi-
labor müsste es eigentlich bereits in gemeinsam mit einem lokal sehr engagier- dentinnen und -präsidenten oder auch
der Konzeptionsphase, insbesondere aber ten Immobilienunternehmer eine fünfzig- Automobilmanagerinnen und -manager

deuten.
in der Umsetzungsphase, eine solche tausend Quadratmeter große Fläche heute noch verboten ist, da es eben kein
gemeinsame Steuerung zwischen Wissen- mitten im Innenstadtbereich in einen direkter politischer Prozess ist. Denken
schaft, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und urbanen Garten verwandelt, während eine Sie also das Verbotene, denn dadurch wird
Stadtverwaltung geben. Dabei wäre ehemalige Bahntrasse als Fahrradschnell- die Zukunft vorbereitet. Solche Projekt-
natürlich zu klären, was gemeinsam weg umgenutzt wurde und als Experi- kulissen und ideellen Infrastrukturen
gesteuert werden muss und was polyzent- mentierraum für innovative Raum- und aufzubauen, das ist die besondere Kraft
risch gesteuert werden kann. Und damit Flächenentwicklung dient. Außerdem der Wissenschaft.
geht natürlich auch die Frage einher, wie haben wir gerade ein Projekt gestartet,
diese Steuerung mit Finanzen und Mitteln um den Innenstadtkern Wuppertals – ein
unterlegt werden kann. Während die drei bis vier Quadratkilometer großes
Mitarbeiter der Universität oder der Gebiet – binnen zehn Jahren schrittweise
Stadtverwaltung das zu ihrer Arbeitszeit autofrei zu machen. Das hat im ersten
zählen können, arbeitet die Zivilgesell- Moment viel Widerstand ausgelöst, kann
schaft bereits ehrenamtlich an eigenen jetzt aber als Kulisse für die Einwerbung
BERICHTE VON UNTERWEGS fest: „Wir stehen vor der Schwelle zu
179

einem neuen Mobilitätszeitalter.“


Johannes Heynold Wie genau diese Schwelle zu über-
schreiten sei und welche technologi-
schen, aber auch sozialen Innovations-
Perspektiven sich dabei eröffnen
würden, darüber diskutierten die
Gesprächspartner mitunter kontrovers.
Einig waren sich aber alle darin,
dass es für die Reise auf eine Koopera-
tion aller Akteure ankomme. Real-
labore seien ein gutes Format, um
Veränderung im Kleinen zuzulassen
und zu erproben.

WISSENSCHAFT & GESELLSCHAFT


Knapp drei Jahre lang haben Personen
aus der Wissenschaft, zivilgesell- stationär im Hospitalhof Einblick in die Am darauffolgenden Tag wurde im
schaftliche Initiativen und Vertreter- Forschungsergebnisse, sondern Rahmen der Fachtagung des Umwelt-
innen und Vertreter der Stadt im brachte die entstandenen Berichte auf bundesamtes „Neue Wege in der
Reallabor für nachhaltige Mobilitäts- der Mobilitätsmeile zwischen Hospital- transformativen Umweltpolitik.
kultur (RNM) gemeinsam gearbeitet: platz und Rathaus sprichwörtlich in Sozial-ökologische Perspektiven einer
Handlungsfelder und Forschungs- die Stadt und verknüpfte sie so direkt Transformationskultur am Beispiel
fragen identifiziert, ein Forschungs- mit dem Experimentierraum Stuttgart. nachhaltiger Alltagsmobilität“
design entwickelt, verschiedene zunächst das Reallabor, seine Arbeits-
partizipative Formate erprobt, Real- STUTTGART, MOBILITÄT UND WIR weise sowie die Forschungsergebnisse
experimente konzipiert, durchgeführt der zurückliegenden Jahre vorgestellt.
und wissenschaftlich ausgewertet. Das Finale begann im Foyer des Hospi- Anschließend wurde folgenden Fragen
Zum Abschluss wurden die Ergebnisse talhofs. Ausstellungstafeln in Form nachgegangen: „Wie experimentell
der Öffentlichkeit vorgestellt, mit von Verkehrsschildern erlaubten Ein- ist die Wissenschaft? Wie experimen-
ihr diskutiert und weitergedacht – blicke in die vergangenen drei Jahre tell ist die Zivilgesellschaft? Und wie
ganz im Sinne des transdisziplinären Forschungsprozess. Ein als Bar viel Handeln braucht Wissen in der
und kooperativen Forschungsfor- umfunktioniertes Lastenrad versorgte Transformation?“ Die Forschenden des
mates. Mit vielfältigen Veranstaltun- die Besucherinnen und Besucher mit Reallabors reflektierten ihre Eindrü-
gen waren Bürgerinnen und Bürger, Getränken. Mit einer „lebendigen Sta- cke, Erfahrungen und Einschätzungen
Projektpartner und Initiativen genauso tistik“ zeichneten 30 Stuttgarterinnen des Forschungsprozesses gemeinsam
eingeladen wie die Nachbarschaft und Stuttgarter unter der Leitung mit den in die Realexperimente
und internationale Wissenschaftle- von Martina Grohmann, Intendantin
rinnen und Wissenschaftler. Eine des Theater Rampe, ein künstlerisches
begleitende Ausstellung bot nicht nur Bild der aktuellen Mobilitätskultur
in Stuttgart. Sichtlich unterhalten fand
sich auch das Publikum in der Insze-
nierung wieder.

Zur anschließenden Podiumsdiskus-


sion waren Repräsentantinnen und
Repräsentanten jener Bereiche
geladen, deren Zusammenarbeit
besonders wichtig für das Reallabor
war: Wissenschaft, Zivilgesellschaft,
Wirtschaft und Politik. Diese stellten
180 181
hinsichtlich der Gestaltung einer trans-
formativen Forschung zusammen.
Besonders hervorgehoben wurden die
großen Potenziale eines temporär Das Programm wurde abgerundet
ermöglichten und abgesicherten durch einen vom Radkultur-Kollektiv
„Testraums“ durch Realexperimente. „Kesseln.cc“ organisierten Wett-
Diese sollten durch eine mutige bewerb, bei dem es galt, Kurven und
(Förder-)Politik auch entfaltet werden Hindernisse mit einem Lastenrad und
können. zwei Wassereimern Beladung schnell
und mit wenig Ladungsverlusten zu
Seinen Abschluss fand der Tag in durchfahren.
einem Podiumsgespräch unter dem
Titel „Neue Forschungsformate – Neue Den Ausklang fand die Veranstaltung
Chancen für die Stadt?“, unter ande- mit einer Vorführung des Filmes
rem mit Prof. Dr. Uwe Schneidewind, mit drei Impulsvorträgen im Speakers’
„Kesselrollen“, der ein Portrait der
einem der konzeptionellen Vordenker Corner auf dem Hospitalplatz. In den
Stuttgarter Rad- und Mobilitätskultur
der Reallabore. Trotz einem allge- anschließenden Workshops wurden
zeichnet und dabei auch einige der
meinen Konsens über Sinn, Nutzen die Impulse aufgegriffen, weiter
Akteure Stuttgarts zeigt, die aktiv im
involvierten zivilgesellschaftlichen und Potenzial der Reallabore bot sich diskutiert und auch hinsichtlich
Reallabor mitwirkten.
Akteuren. Dabei wurden zwar noch praktischer Handlungsmaßnahmen
kleinere „Holperer“ auf dem Weg sondiert.
konstatiert (rechtliche Rahmenbedin-
gungen, Management, ehrenamtliche Nach dem Abschluss der Workshops
Tätigkeit), gleichzeitig wurde aber der lud das Reallabor zu einem
großen Wunsch nach weiteren trans- Ausstellungs-Rundgang durch die
disziplinären Forschungsformaten Stadt ein. Vom Hospitalplatz führte
geäußert. der Spaziergang über die Ausstel-
lungsstationen zuerst zur Theodor-
Weitere vertiefende Diskussionsforen Heuss-Straße. Für einen kurzen
unter der Frage „Vom Reallabor zur Moment verwandelte sich die sonst
gelebten Transformation?“ richteten stark befahrene Straße durch einen
den Fokus auf nachhaltige Alltags- Flashmob in eine temporäre Tango-
mobilität und nachhaltige Lebensstile. tanz-Fläche – ein Aufscheinen des
Neben einem inhaltlichen Austausch möglichen Wandels. Danach führte der
fand auch eine weiterführende Rundgang bis zum Rathaus. An jeder
Annäherung an Fragen der Gene- Station wurden Ziele, Methoden und
ralisierbarkeit und Verstetigung des Ergebnisse von Forschenden aus dem
dem Publikum eine spannende Diskus- Reallabor erläutert.
Forschungsformates statt. Das ab-
sion, bei der die Diskutanten klarstell-
schließende Plenum fasste die
ten, dass die neuen Reallabor-Formate
aus dem Reallabor gelernten Punkte
die bestehende Forschung nicht
ersetzen, sondern als eigenständiges
Format bereichern sollten.

WANDEL IST MÖGLICH

Der letzte Tag begann an einer langen


Frühstückstafel auf dem Hospitalplatz,
an dem sich Vetreterinnen und Ver-
treter aus Wissenschaft, Praxis und
Nachbarschaft über Fragen einer
lebenswerten Stadt und die Zukunft
der urbanen Mobilität austauschten.
Das „Forum Realexperimente“ begann
REALLABORFORSCHUNG AUS
INTERNATIONALER STADT-
ENTWICKLUNGSPERSPEKTIVE
Transformative Ansprüche im Globalen Süden
Astrid Ley und Josefine Fokdal
LERNEN IM REALLABOR

WISSEN
ransdisziplinarität als neuerer Forschungs- Beispiele ist der Fokus auf die Gestaltung von Pro-
modus gewinnt zunehmend an Bedeutung, zessen unter Einbezug verschiedener Akteure (soge-
um den Einbezug von breiteren Wissens- nannte Multiakteursprozesse) sowie die Co-Produk-
beständen sowie eine Lösungsorientierung tion von Wissen zusammen mit Praxispartnern als
bei gesellschaftlichen Herausforderungen zu stärken. festem methodischen Bestandteil (Co-Creation vgl.
Im Unterschied zur interdisziplinären Zusammen- Lang et al. 2012).
arbeit wird unter transdisziplinärem Forschen eine Zugleich finden sich in der Stadtforschung, den
Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlerinnen und Planungswissenschaften und in Studien zur internatio-
Wissenschaftlern, sowie Praxisakteuren aus Wirt- nalen Entwicklungspolitik zahlreiche theoretische
schaft, Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft ver- Ansätze und empirische Beispiele für eine inklusive,
standen (Eckart et al.; Lang et al. 2012). Reallabore sind integrierte, nachhaltige (Stadt-)entwicklung. Unter
ein in Deutschland neues Format des transdiszipli- dem Begriff des „communicative turn“ (nach Patsey
nären Forschens und verfolgen das Ziel, wissenschaft- Healey, 1992) wird dort, wenn auch teilweise unter an-
liche Erkenntnisse zu erzeugen, gesellschaftlichen deren Vorzeichen, eine stärkere Prozessorientierung
Wandel anzustoßen und Lernprozesse zu initiieren und Beteiligungskultur erforscht. In diesen Diszi-
(Eckart et al., für eine Definition von Reallabor siehe plinen hat der Begriff Co-Produktion in den letzten
Beitrag Transformative Wissenschaft und Reallabore). Jahren ebenfalls an Bedeutung gewonnen (Herrle et al.
Ein wesentliches Merkmal der Reallabore sind Realex- 2016). Die über Jahrzehnte entwickelten kollabora-
perimente, in denen über einen bestimmten Zeitraum tiven und partizipativen Methoden und Instrumente
Lösungen für an Nachhaltigkeit orientierte Transfor- in gesellschaftspolitisch-planerischen Partizipations-
mationsprozesse erprobt und ausgewertet werden verfahren werden heute zum Teil bei der Gestaltung
(WBGU 2016). von Reallaboren aufgegriffen (Eckart et al.; Parodi et
al. 2017).
Weltweit gibt es ähnliche Ansätze (z. B. Urban Living Ziel dieses Beitrages ist es, die Koproduktion von
Labs und Urban Transition Labs), die allerdings in Wissen als einen wesentlichen Teilprozess des trans-
leicht unterschiedliche Diskurse eingebettet sind und, disziplinären Forschens näher unter die Lupe zu
trotz vergleichbarer Methodik, oft andere Ziele verfol- nehmen und Erfahrungswerte aus dem internationa-
gen (vgl. Schäpke et al. 2017 für einen Überblick). len Kontext – vor allem aus dem Globalen Süden – für
182 Verbindendes Element zwischen den meisten dieser die Diskussion nutzbar zu machen. Denn dort wird 183
Im Kontext der inter-
deutlich, dass es zu einer Verschiebung der Initiierung Transition Experiments hingegen stellen einen stärker
von Wissensproduktionsprozessen kommt. Gezeigt befähigungsorientierten Ansatz dar und fokussieren
werden soll, dass ein Nord-Süd-Perspektivenwechsel dabei eine spezifische Gruppe für die Teilhabe: gesell-
einen wesentlichen Beitrag zur Erforschung und Pra- schaftliche Vorreiter_innen. (…) Reallabore wiederum

nationalen Entwick-
xis der Koproduktion von Wissen leistet (Ley et al. sind hinsichtlich der Gestaltung der Trans-
2017). disziplinarität nicht festgelegt, ähneln aber durch
anzutreffende, intensivere Formen der Kooperation am
Transdisziplinäre Projekte im Globalen ehesten Transition Experiments.“

lungspolitik wird
Norden
Schäpke et al. (2017) liefern bereits eine eingehende Transdisziplinäre Ansätze wie Living Labs und Urban
Darstellung von transdisziplinären Projekten und Transition Labs haben ihren Ausgangspunkt im Globa-
einen Vergleich zwischen diesem und dem Ansatz von len Norden und sind auch vor allem dort verbreitet
Reallaboren. Dabei ist vor allem ihre Darstellung von (siehe z. B. ENoLL Netzwerk für Living Labs; Städte wie

mit Blick auf trans-


REALLABORFORSCHUNG AUS INTERNATIONALER STADTENTWICKLUNGSPERSPEKTIVE

Sustainable (Urban) Living Labs und Urban Transition Genf, Rotterdam und Aberdeen experimentieren mit
Labs von Interesse. dem Format Urban Transition Lab, siehe Nevens et al.
2012). Gemeinsam ist den Beispielen oft eine Ausrich-
Sustainable (Urban) Living Labs mit einem Fokus auf tung an Nachhaltigkeitsfragen, die bestimmt werden

disziplinäre Projekte
anwendungsorientiertem Wissen durch Nutzerein- durch eine spezifische Problemkonstellation in eher
beziehung wurden in den 1990er Jahren mit dem Ziel industrialisierten und weitgehend urbanisierten Län-
eingeführt, nachhaltige Produkte und Dienstleistun- dern: Ein nicht nachhaltiger Lebensstil und Ressour-
gen zu gestalten. Sie sind weniger an einem gesell- cenverbrauch, der verbunden ist mit Umweltbelastun-
schaftlichen Wandel interessiert, die transdisziplinäre gen und dem es maßgeblich im Rahmen von transfor-

ein Bedarf an einer


Zusammenarbeit beschränkt sich auf die Kooperation mativen Projekten zu begegnen gilt.
zwischen Nutzern und der Wirtschaft als Praxisak-
teuren. Empowerment und intensive Einbeziehung Ein anderer transformativer Anspruch:

WISSEN
sind nicht vorgesehen – weshalb Schäpke et al. (2017) Transdisziplinäre Projekte im Globalen Süden

stärkeren Ausrichtung
in Frage stellen, ob der Anspruch des Co-Design oder Ein anderes Bild zeigt der Blick auf Städte in Schwel-
der Co-Produktion hier als erfüllt gelten kann. Schliwa len- und Entwicklungsländern: Diese stehen vor der
und McCormick (in Evans et al. 2016) differenzieren immensen Aufgabe, dem Stadtwachstum zu begeg-
zudem Living Labs in zwei Generationen: einer ersten nen, wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu

am Menschen und
Generation mit stärkerer Nutzer- und Techno- ermöglichen und zugleich Klimaschutzmaßnahmen
logieorientierung, die heute oftmals auch unter dem zu ergreifen. Meist fehlt es dabei weniger an techni-
Label Smart City Labs geführt werden, und einer zwei- schem Wissen als an Konzepten und Fähigkeiten, den
ten Generation von Living Labs, die stärker am Bürger hohen Anspruch an neue Formen der Governance ein-
orientiert sind und über technologische Innovation zulösen. Zugleich leiden diese Städte in vielerlei Hin-

seinen Grundbedürf-
hinausweisen. sicht unter den Bedingungen strukturellen Mangels,
Bei Urban Transition Labs dagegen steht die soziale sozialen Problemdrucks und regionalen sowie globa-
Innovation im Bereich der Nachhaltigkeit im Vorder- lem Wettbewerbsdruck. Es geht um die Entwicklung
grund. Sie dienen als Raum, um Alternativen zu erpro- eines neuen Planungsverständnisses, das die sich neu

nissen deutlich.
ben und zu verbreiten, sind ergebnisoffen, suchen die abzeichnenden Aufgaben, beispielsweise der Umgang
Anbindung an gesellschaftliche Problemlagen und mit der Vielfalt von Akteuren oder der Informalisie-
haben das Empowerment von Akteuren zum Ziel. Im rung von Planungsprozessen, einbezieht und damit zu
Vergleich zu Reallaboren sind sie stärker handlungs- raumrelevanten Lösungen beiträgt.
orientiert und suchen weniger den Einbezug von For-
schung. Die transdisziplinäre Zusammenarbeit wird Zugleich wird durch die komplexe Problemlage ein
durch Transition Teams koordiniert, Experimente altes Dilemma deutlich: Wie lassen sich Umwelt und
durch Stakeholder (im Sinne von Pionieren) organi- Entwicklung gemeinsam denken, ohne dass sie im
siert und durchgeführt. Widerspruch zu einander stehen? Der Wissenschaft-
Letztlich bewerten Schäpke et al. (2017: 47) Living liche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltver-
Labs und Transition Labs im Vergleich zu Reallaboren änderungen (WBGU) versucht einen Weg aus dieser
wie folgt: Zwickmühle zu finden und hebt hervor, dass es um
„Living Labs verfolgen eine Strategie der wissenschaftli- eine Entwicklung innerhalb der planetaren Leitplan-
chen Leitung der Prozesse und beschränken Partizipa- ken geht: keine Begrenzung für die Entwicklung der
184 tion in vielen Phasen auf Information und Konsultation. Ärmsten, sondern die Konsum- und Lebensstile der
weltweiten Mittel- und Oberschichten sollen transfor- Einige dieser Akteure verfolgen einen Befähigungs-
miert werden, damit Armutsbekämpfung und Ent- ansatz und die zugehörigen sozialen urbanen Bewe-
wicklung möglich gemacht werden (WBGU, 2014). gungen beanspruchen für sich, nicht weiter als Ziel-
gruppe, sondern als Partner in der Stadtentwicklung
Im Entwicklungskontext wird daher mit Blick auf wahrgenommen zu werden.
transdisziplinäre Projekte ein Bedarf an einer stärke-
ren Ausrichtung am Menschen und seinen Grund- Co-Produktion wurde in der Planungstheorie und in
bedürfnissen deutlich. Auch in diesem Bereich gibt es Entwicklungsstudien bisher vor allem mit Blick auf die
zahlreiche Projekte, die an den Ansatz des Living Lab Bereitstellung von Infrastruktur und Dienstleistungen
angelehnt sind sowie Institutionen, an denen trans- behandelt (Mitlin 2008; Watson 2014). Co-Produktion
disziplinäre Stadtentwicklungsforschung verankert von Wissen in Schwellenländern und im Entwick-
ist, beispielsweise das African Centre for Cities an der lungskontext ist ein neueres Phänomen. Dabei wird
Universität Kapstadt (siehe für einen Überblick WBGU Co-Produktion von Wissen als ein Lernprozess ver-
REALLABORFORSCHUNG AUS INTERNATIONALER STADTENTWICKLUNGSPERSPEKTIVE

2016: 478f). Unter den anderen Kontextbedingungen standen, in dem Wissen durch die gemeinschaftlichen
wird von den Living Labs jedoch bereits ein stärkerer Interaktionen von zivilgesellschaftlichen Gruppen ge-
Einbezug marginalisierter Bevölkerungsgruppen ge- neriert wird (McFarlane 2006; 2009). Hier wird Co-Pro-
fordert (Cunningham et al. 2012). Transdisziplinäre duktion von Wissen als Befähigung von lokalen Grup-
Projekte müssen sicherstellen, dass realweltlich zu pen verstanden – informelle Bewohner – welche ihre
allererst die Entwicklungsbedürfnisse angesprochen Verhandlungsmacht vis-à-vis dem Staat verstärken
werden. Besser ist noch, wenn zugleich eine Win-Win- (Mitlin 2015) und somit Transparenz und Vertrauen si-
Situation bezüglich der Ressourcenschonung entsteht. chern.
An der Stellenbosch Universität in Südafrika wurden Ein Beispiel soll zu verdeutlichen helfen, wie und
zusammen mit den Bewohnern einer informellen welches Wissen coproduziert wird: Shack Slum Dwell-
Siedlung verschiedene Experimente durchgeführt. Im ers International (SDI) und die Asian Coalition for

WISSEN
Falle des Realexperiments iShack ging es beispiels- Housing Rights (ACHR) werden als Vorreiter dieser
weise darum, die Nutzung alternativer Energiequellen neuen Partnerschaft auf Augenhöhe gesehen. Aus
und ressourcenschonender Bauweisen für Armensied- dem Verständnis der Selbstbefähigung überlassen Kritische Masse
Arnulf-Klett-Platz, Stuttgart-Mitte

lungen zu testen (CST, 2018). zivilgesellschaftliche Allianzen wie SDI und ACHR
die  Wissensgenerierung über die Lebensumstände
Co-Produktion von Wissen im globalen sozial benachteiligter Gruppen und über deren trans-
Kontext formativen Prozess nicht außenstehenden Experten,
Wissenskoproduktion ist ein Teilprozess des transdis- sondern führen mit Unterstützung von Nichtregie-
ziplinären Forschens und hat zum Wesensmerkmal, rungsorganisationen und Universitäten Erhebungen
dass verschiedene Akteure mit Hilfe unterschiedlicher über die Ausbreitung informeller Siedlungen und die
Kooperationsmodi Wissen teilen und hervorbringen. soziale Lage von sozialschwachen Haushalten durch.
Während der Kooperationsmodus bei Living Labs eher Zusammen mit anderen Formen des Research by Doing
einem Konsultationsprozess mit wissenschaftlicher wie der Einführung lokaler Sparclubs oder alternativer
Leitung entspricht, geht es bei Transition Labs und Baulösungen als einer Form des Realexperiments
Reallaboren stärker um Kooperation auf Augenhöhe (genannt setting precedence, deutsch: „Präzedenzfall
und einen befähigungsorientierten Ansatz. Dennoch: schaffen“), soll eine stärkere Verhandlungsmacht ge-
Die transdisziplinären Projekte werden maßgeblich genüber dem Staat ermöglicht werden, um größere
durch die Wissenschaft initiiert und Co-Design und Transformation zu erreichen. Diese Innovationen wer-
Co-Produktion treten erst später hinzu. Oft wird da- den wissenschaftlich aufbereitet und publiziert –
durch der Anspruch auf Co-Produktion bei der Anbah- durch die Praxisakteure selbst (vgl. Boonyabancha,
nung der Forschung nicht eingelöst. Kerr 2015, Chitekwe-Biti 2009, D’Cruz, McGraham, Su-
mithre 2009, Patel et al. 2012, Weru 2004). Wissen-
Im Globalen Süden jedoch ist ein neues Phänomen zu schaft ist hierbei eher Begleiter und Unterstützer.
beobachten: Die Initiierung von transdisziplinären Noch gibt es wenig Forschung zu den Wirkungen die-
Projekten durch die Zivilgesellschaft. Diese haben ser neuen Allianzen in der Stadtentwicklung. Herrle et
ihren Ursprung in dem Umstand, dass viele zivilgesell- al. (2016) zeigen jedoch auf, dass die verschiedenen
schaftliche Organisationen über einen langen Zeit- Co-Produktionsformen zur Wissensgenerierung zu
raum bereits Leistungen erbringen, die in Deutsch- einer Transformation der Kultur der Zusammenarbeit
land oder im industrialisierten Norden der staatlichen zwischen städtischen Armen und Staat geführt haben.
186 Zuständigkeit obliegen. In diesem Sinne werden in vielen Städten Daten, die
in  Selbsterhebungen gewonnen wurden, mit Statisti- Anspruch besteht in einer neuer Governanceform, Literatur Evans, J., Karvonen, A., Raven,R. McFarlane, C. (2009): „Translocal Schäpke, N., Stelzer, F., Berg-
ken der Kommunen zusammengebracht und dadurch welche es ermöglicht, den komplexen Herausforde- (2016): The Experimental City. assemblages: Space, power and mann, M., Singer-Brodowski, M.,
Boonyabancha, S., Kerr, T. (2015): Research in Sustainable Urba- social movements“. In: Geoforum Wanner, M., Caniglia, G., Lang,
ein gemeinsames Wissen über mögliche Handlungsbe- rungen der Stadtentwicklung zu begegnen. Dies ist „Urban Poor Housing Develop- nism. New York: Routledge. 40, 561-567. D.J. (2017): Reallabore im Kontext
darfe generiert. insbesondere vor dem Hintergrund hervorzuheben, ment in Asia: From Target Group transformativer Forschung.
dass bereits Forschungsempfehlungen an die deut- to Negotiating Partner“. In: Healey, P. (1992): „Planning Mitlin, D. (2008): „With and Ansatzpunkte zur Konzeption
Herrle, P./Ley, A./Fokdal, J. through debate. The communi- beyond the state – co-production und Einbettung in den internati-
Ausblick sche Forschungsförderung gerichtet werden, transdis- (Hg.): From Local Action to cative turn in planning theory“. as a route to political influence, onalen Forschungsstand. (Nr.
In den Nachhaltigkeitswissenschaften werden drei Be- ziplinäre Ansätze wie Reallabore auf andere Kontexte Global Networks: Housing the In: Town Planning Review, 63 (2). power and transformation for 1/2017) Leuphana Universität
gründungen angeführt, warum Co-Produktion bedeu- zu übertragen (globale urbane Reallabore auf 50 Jahre, Urban Poor. London: Ashgate. grassroots organizations“. In: Lüneburg, Institut für Ethik und
17–30. Herrle, P., Ley, A., Jachnow, A. Environment & Urbanization 20: Transdisziplinäre Nachhaltig-
tend ist (Polk 2013, 441f): Erstens zur Sicherung der WBGU 2016: 483). (2006): „The Metropolises of the 339–360. keitsforschung.
Relevanz der Forschung, zweitens zur Sicherung der Chitekwe-Biti, B. (2009): South: Laboratory for Innova-
Einbeziehung von anderen Wissensbeständen zur Ein weiteres Wesensmerkmal ist, dass es im Globalen „Struggles for urban land by the tions? Towards better urban Mitlin, D. (2015): „Making Sure Schliwa, G., McCormick (2016):
Zimbabwe Homeless People’s management with new alliances, the ‚Voices of the Poor‘ are „Living Labs: users, citizens and
Lösungsentwicklung und drittens zur Sicherung von Süden zivilgesellschaftlich initiierte Co-Produktions- Federation“. In: Environment Development and Peace Founda- Heard: Why Forms of Transnati- transitions“. In: Evans, J., Kar-
legitimen und brauchbaren Ergebnissen. prozesse gibt. Transdisziplinäre Projekte, die aus die- and Urbanization 21(2): 347–366. tion“. Policy Paper 25, May 2006. onal Activism Can Make a Diffe- vonen, A., Raven, R. (Hg).: The
rence“. In: Herrle, P., Ley, A., Experimental City. New York:
REALLABORFORSCHUNG AUS INTERNATIONALER STADTENTWICKLUNGSPERSPEKTIVE

sen hervorgehen, müssen weniger um ihre Legitimität


CST (Centre for Complex Herrle, P., Ley, A., Fokdal, J. Fokdal, J. (Hg.): From Local Routledge: 163–180.
Alle drei Aspekte haben auch im Kontext des Globalen und Glaubwürdigkeit fürchten als im Globalen Nor- Systems in Transition): http:// (2015) (Hg.): From Local Action to Action to Global Networks:
Südens Bedeutung; jedoch sicherlich in anderer Ge- den. Ein Perspektivwechsel könnte daher eine hilfrei- www0.sun.ac.za/cst/major- Global Networks: Housing the Housing the Urban Poor. London: Watson, V. (2014): „Co-produc-
wichtung. Vordringlich sind in diesem Kontext die che und notwendige Erweiterung des Reallaboransat- project/enkanini-informal- Urban Poor. Farnham: Ashgate. Ashgate. 143–158. tion and collaboration in
settlement/ (23.02.2018). planning–The difference“. In:
Lösungsentwicklung und brauchbare Ergebnisse. Zu- zes fördern. Mit Wechsel der Perspektive erweitern Herrle, P., Fokdal, J., Ley, A., Nevens, F., Frantzeskaki, N., Planning Theory & Practice, 15:
dem geht es bei den Beispielen aus dem Globalen sich Erkenntnisse zum transdisziplinären Forschens Cunnningham, P., Herselman, Nebel, S. (2016): „The New Urban Gorissen, L., Loorbach, D. (2013): 62–76.
Süden über Forschungsziele hinaus im Wesentlichen im globalen Kontext und es wird deutlich, dass erstens M., Cunningham, M. (2012): Agenda: The role of partnerships „Urban Transition Labs: co-crea-
„Supporting the Evolution of between organized civil society ting transformative action for Weru, J. (2004): „Community
um das Empowerment. Hinzu kommt also ein weiterer der transformative Anspruch kontextbedingt ist, zwei- Sustainable Living Labs and and governments in fostering a sustainable cities“. In: Journal of federations and city upgrading:
Aspekt: Teilhabe sichert die Befähigung zu eigenstän- tens Empowerment eine wesentliche Bezugsgröße für Living Labs Networks in Africa“, sustainable future for all in Cleaner Production, 50: 111–122 the work of Pamoja Trust and
digem Handeln (Empowerment) möglicherweise viel die Begründung eines transdisziplinären Ansatzes Download: http://www.ist-africa. cities“. Technical background Muungano in Kenya“. In:
org/home/files/Supporting_the_ paper for the Cities Alliance, Parodi, O., Beecroft, R., Albiez, Environment & Urbanization,
maßgeblicher als es in den Reallaboren erfolgt. darstellt und drittens Methoden der Aktivierung von Evolution_of_Sustainable_ April 2016. M., Quint, A., Seebacher, A., 16(1): 47–62.
selbstinitiierten Co-Produktionsprozessen Anregun-

WISSEN
Living_Labs_and_Living_Labs_ Tamm, K., Waitz, C. (2017): „The
Viele der coproduktiven Ansätze haben ein poli- gen geben können für Kontexte, in die transdiszipli- Networks_in_Africa.pdf. Lang, D., Wiek, A., Bergmann, ABC of real-world lab methodo- WBGU (Wissenschaftlicher
M., Stauffacher, M., Martens, P., logy – From ‘Action Research’ to Beirat Globale Umweltverände-
tisch-emanzipatorisches Ziel und fallen eher in den näre Projekte noch von außen herangetragen werden. D’Cruz, C., McGraham, G., Sumi- Moll, P., Swilling, M., Thomas, C. ‘Participation’ and Beyond“. In: rungen) (2014): Zivilisatorischer
Bereich der Aktionsforschung. Wissenschaftliche Qua- thre, U. (2009): „The efforts of a (2012): „Transdisciplinary re - TRIALOG 126/127 (3–4): 74–82. Fortschritt innerhalb planetari-
litätskontrollen haben dabei weniger Bedeutung. federation of slum and shanty sarch in sustainability science: scher Leitplanken. Ein Beitrag
dwellers to secure land and practice, principles and challen- Patel, S., Baptist, C., D’Cruz, C. zur SDG-Debatte. Berlin: Ger-
Schäpke et al (2017) bemängeln daher, dass Nachhal- improve housing in Moratuwa: ges“.In: Sustainability Science, 7: (2012): „Knowledge is power, many Advisory Council on
tigkeitsziele bei Aktionsforschung nachranging sind. from savings groups to citywide 25–43. informal communities assert Global Change.
Hier gilt es zu überprüfen, welche Nachhaltigkeitsziele strategies“. In: Environment and their right to the city through
Urbanization 21(2): 367–388. Ley, A., Fokdal, J., Herrle, P. SDI and community-led enume- WBGU (Wissenschaftlicher
in welchem Kontext realweltlich von Bedeutung sind. (2017): „Whose Best Practise? rations“. In: Environment and Beirat Globale Umweltverände-
In Kontexten, in denen soziale Gerechtigkeit, Un- Eckart, J., Ley, A., Häußler, E., Learning from Transnational Urbanization, 24(1): 13–26. rungen) (2016): Der Umzug der
gleichheit, Armut und fehlender Zugang zu Ressour- Erl, T. (i.E.): „Leitfragen für die Networks of Urban Poor“. Menschheit. Die transformative
Gestaltung von Partizipations- In: Trialog 122(3): 24–27. Polk, M. (2013): „Achieving the Kraft der Städte. Hauptgutach-
cen vordringlich sind, können die Nachhaltigkeitsziele prozessen in Reallaboren“. In: promise of transdisciplinarity: a ten, Berlin: German Advisory
nicht auf eine Veränderung der Konsumgewohnheiten Defila, R., Di Giulio, A. (Hg.): McFarlane, C. (2006): „Crossing critical exploration of the relati- Council on Global Change.
und Lebensziele reduziert werden. Der transformative Transdisziplinär und transfor- borders: development, learning onship between transdiscipli-
mativ forschen. Eine Methoden- and the North-South divide“. In: nary research and societal prob-
sammlung. Wiesbaden: Springer Third World Quaterly 27: 1413–37. lem solving“. In: Sustain Sci, 9:
VS. 105–135. 439-451.

188 189
190 DISKUSSION WIE EXPERIMENTELL IST DIE ZIVILGESELLSCHAFT? 191
AUTORINNEN UND AUTOREN
Sophia Alcántara Organisationsentwicklung interdisziplinärer Institutionen; Marius Gantert Christina Knorr
M.A., Sozialwissenschaften. Wissenschaftliche Mitarbeiterin am nachhaltiger Konsum. In der Förderlinie Reallabore Dipl.-Ing., MRes., Architektur. Wissenschaftlicher Mitarbeiter am M.A., Sportwissenschaft: Gesundheitsförderung. Wissenschaft-
Zentrum für Interdisziplinäre Innovations- und Risikoforschung (MWK Baden-Württemberg): Co-Leiter Begleitforschungs- Institut für Landschaftsplanung und Ökologie (ILPÖ) der liche Mitarbeiterin am Institut für Sport- und Bewegungs-
(ZIRIUS) der Universität Stuttgart, Bereichsleiterin Transfor- Projekt „Reallabore vernetzen, verstehen, verstetigen“ Universität Stuttgart, Gesellschafter Teleinternetcafe Architektur wissenschaft (INSPO) der Universität Stuttgart. Forschungs-
mation und Partizipation bei DIALOGIK, gemeinnützige (BF-Team Basel). und Urbanismus in Berlin / Hamburg. Forschungs- und Praxis- schwerpunkte: Aktivitätsverhalten von Menschen der Baby-
Gesellschaft für Kommunikations- und Kooperationsforschung. schwerpunkte: Prozesshafte und kooperative Stadtentwick- boomer-Generation im ländlichen Raum. Im Reallabor für
Forschungsschwerpunkte: sozialwissenschaftliche Transforma- Raphael Dietz lungsstrategien; experimentelle Gebäude- und Freiraum- nachhaltige Mobilitätskultur der Universität Stuttgart (RNM):
tionsforschung, insbesondere nachhaltige Entwicklung und Dipl.-Ing., Architektur und Stadtplanung. Wissenschaftlicher Mit- gestaltung; velomobile Stadtraumwahrnehmung. Im Reallabor ab Juni 2016 Koordination der Arbeitspakete mit INSPO-
Bürgerbeteiligung. Im Reallabor für nachhaltige Mobilitäts- arbeiter am Städtebau-Institut, Lehrstuhl Internationaler Städte- für nachhaltige Mobilitätskultur der Universität Stuttgart (RNM): Beteiligung.
kultur der Universität Stuttgart (RNM): Konzeption, Durchfüh- bau der Universität Stuttgart, Mitarbeiter bei asp Architekten hauptverantwortliche Projektkoordination und Öffentlich-
rung und Reflexion der Beteiligungsformate. Stuttgart GmbH. Forschungsschwerpunkte: Nachhaltige keitsarbeit. Rainer Kuhn
Transformation des öffentlichen Raums, Konzeption und Durch- M.A., Soziologie und Politikwissenschaften. Wissenschaftlicher
Annika Arnold führung transdisziplinärer Forschungs- und Lehrformate, urbane Felix Heidenreich Mitarbeiter am Zentrum für Interdisziplinäre Innovations- und
Dr. rer. pol., Sozialwissenschaften. Wissenschaftliche Mitarbei- Potenziale der Energiewende, Stadt am Fluss. Im Reallabor Dr. phil, Dipl. soz., Philosophie und Politikwissenschaften, Risikoforschung (ZIRIUS) der Universität Stuttgart und bei
terin am Zentrum für Interdisziplinäre Innovations- und für nachhaltige Mobilitätskultur der Universität Stuttgart (RNM): wiss. Koordinator am Internationalen Zentrum für Kultur- und der DIALOGIK, gemeinnützige Gesellschaft für Kommunikations-
Risikoforschung (ZIRIUS) der Universität Stuttgart. Forschungs- Koordination der Realexperimente und städtebauliche Visua- Technikforschung (IZKT) der Universität Stuttgart. Forschungs- & Kooperationsforschung. Forschungsschwerpunkte: Partizipa-
schwerpunkte: sozialwissenschaftliche Transformations- lisierung beim Visionsworkshop mit Bürgerinnen und Bürgern. schwerpunkte: Politische Theorie, Kulturphilosophie, tive sowie deliberative, konsensbildende Verfahren. Im Reallabor
forschung, insbesondere zu den Themen nachhaltige Entwick- Wirtschaftsethik, Kulturpolitik. Im Reallabor für nachhaltige für nachhaltige Mobilitätskultur der Universität Stuttgart (RNM):
lung, Energie- und Verkehrswende; Umwelt- und Kultur- Antonietta Di Giulio Mobilitätskultur der Universität Stuttgart (RNM): Moderation Koordination der Zuwendung des Umweltbundesamtes.
soziologie. Im Reallabor für nachhaltige Mobilitätskultur der Dr. phil., Philosophie. Leiterin interdisziplinäre und interuni- von Podiumsdiskussionen.
Universität Stuttgart (RNM): ab Juli 2016 Koordination der versitäre Forschungsgruppe Inter-/Transdisziplinarität (FG Id/Td), Astrid Ley
Arbeitspakete mit ZIRIUS-Beteiligung. Senior Researcher am Programm Mensch-Gesellschaft-Umwelt Constanze Heydkamp Prof. Dr.-Ing., Architektur und Städtebau. Leiterin Lehrstuhl
(MGU) der Universität Basel, Departement Umweltwissen- M.A., Humangeographie. Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Internationaler Städtebau, des Städtebau-Instituts (SI) und des
Gerd Becker schaften. Forschungsschwerpunkte: Gestaltung inter-/transdiszi- Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement internationalen Master-Studiengangs „MSc Integrated Urbanism
Dr. phil., Ethnologie. Anwohner des Schützenplatzes in Stuttgart, plinärer Prozesse in Forschung und Lehre; gutes Leben und IAT der Universität Stuttgart. Forschungsschwerpunkte: and Sustainable Design“ (IUSD) der Universität Stuttgart.
Tätig in der Sozialbetreuung der DRK Flüchtlingsunterkunft nachhaltiger Konsum; Bildung und Nachhaltige Entwicklung. Beteiligung unterschiedlicher Stakeholder an Innovations- Forschungsschwerpunkte: partizipative Stadtentwicklung,
In der Förderlinie Reallabore (MWK Baden-Württemberg):
192

193
am Stuttgarter Killesberg. Letzte akademische Anstellungen am prozessen, Mobilitätskomforttypen und Verkehrsmittelwahl, Governance, Informalität. Im Reallabor für nachhaltige Mobili-
Zentrum für Interkulturelle Studien Mainz und Gastprofessur Co-Leiterin Begleitforschungs-Projekt „Reallabore vernetzen, Entwicklung von Zukunftsszenarien. Im Reallabor für nach- tätskultur der Universität Stuttgart (RNM): Begleitung der
an der Johannes Gutenberg Universität Mainz, Schwerpunkte: verstehen, verstetigen“ (BF-Team Basel). haltige Mobilitätskultur der Universität Stuttgart (RNM): Teilprojekte Realexperimente und städtebauliche Visualisierung.
Visuelle Anthropologie, muslimische Gesellschaften. Rezente Koordination der Arbeitspakete mit IAT-Beteiligung, Betreuung
Feldforschungen zu transkultureller Kommunikation in Marokko Josephine Fokdal von Projekt- sowie Abschlussarbeiten am IAT. Doris Lindner
sowie zu Reindigenisierungsprozessen in Kolumbien, auf den Dr.-Ing., Architektur. Wissenschaftliche Mitarbeiterin am M.A., Empirische Politik- und Sozialforschung. Wissenschaftliche
Marquesa-Inseln und Aotearoa (Neuseeland). Städtebau-Institut, Lehrstuhl Internationaler Städtebau der Johannes Heynold Mitarbeiterin am Zentrum für interdisziplinäre Risiko- und
Universität Stuttgart. Forschungsschwerpunkte: Raumtheorie, M.Sc. Architektur und Stadtplanung. Wissenschaftlicher Mit- Innovationsforschung (ZIRIUS). Forschungsschwerpunkte:
Sigrid Busch Wohnungsbau, Governance und sich schnell urbanisierende arbeiter am Internationalen Zentrum für Kultur- und Technik- Transformative Forschung, Partizipationsverfahren und sozial-
Dr.-Ing., Architektur. Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Räume, besonders in Asien. Leiterin einer Arbeitsgruppe forschung (IZKT) der Universität Stuttgart, Gründer Studio wissenschaftliche Fragestellungen zur nachhaltigen Mobilität.
Städtebau-Institut, Lehrstuhl Internationaler Städtebau der zu Transdisziplinärer Stadtforschung und seit 2016 Mitheraus- JoHey! – Dialog im Raum in Frankfurt a.M., Forschungs- und Im Reallabor für nachhaltige Mobilitätskultur der Universität
Universität Stuttgart. Forschungsschwerpunkte: Governan- geberin der Reihe „HABITAT-INTERNATIONAL – Schriften zur Praxisschwerpunkte: Lokale Öffentlichkeiten; experimentelle Stuttgart (RNM): Konzeption, Durchführung und Reflexion der
ce-Strukturen zwischen privater Wirtschaft, Zivilgesellschaft und internationalen Stadtentwicklung“ beim LIT Verlag. Dialogformate im Stadtraum. Im Reallabor für nachhaltige Beteiligungsformate.
der politisch-administrativen Ebene; strategische Planung und Mobilitätskultur der Universität Stuttgart (RNM): Praxispartner
nachhaltiger Stadtumbau im In- und Ausland; digitale Simula- Markus Friedrich im Realexperiment Stäffele-Galerie; Koordinator interdiszi- Jesús Antonio Martínez Zárate
tion und Visualisierung. Im Reallabor für nachhaltige Mobilitäts- Prof. Dr.-Ing., Bauingenieurwesen. Leiter Lehrstuhl Verkehrs- plinärer Lehrformate und der Abschlussveranstaltung. M.Sc., Integrated Urbanism and Sustainable Design. Wissen-
kultur der Universität Stuttgart (RNM): Betreuung der städte- planung und Verkehrsleittechnik, Institut für Straßen- und schaftlicher Mitarbeiter am Institut für Landschaftsplanung und
baulichen Visualisierungen beim Visionsworkshop mit Bürgerin- Verkehrswesen (ISV) der Universität Stuttgart. Forschungs- Roman Högerle Ökologie (ILPÖ). Forschungs- und Praxisschwerpunkte: Rück-
nen und Bürgern. schwerpunkte: Modellierung von Verkehrsangebot und M.A. Literatur- und Medienwissenschaften. Mit-Initiator des gewinnung, Gestaltung und Sozialentwicklung des Öffentlichen
Verkehrsnachfrage, Planung von Verkehrsnetzen für Straße und Filmprojekts „Kesselrollen“, ein Portrait der Stuttgarter Fahrrad- Raumes, Nachhaltige Stadtentwicklung. Im Reallabor für
Rico Defila öffentlichen Verkehr, Erfassung und Bewertung der Angebots- kultur. Medienmacher und passionierter Radfahrer, der sein nachhaltige Mobilitätskultur der Universität Stuttgart (RNM):
Fürsprecher, Rechtswissenschaft. Stv. Leiter interdisziplinäre qualität in Verkehrsnetzen. Im Reallabor für nachhaltige Hobby zum Beruf gemacht hat und mittlerweile PR-Manager Koordinator des Realexperiments Casa Schützenplatz.
und interuniversitäre Forschungsgruppe Inter-/Transdisziplinari- Mobilitätskultur der Universität Stuttgart (RNM): Verantwortlich beim nahe Stuttgart ansässigen Fahrradhersteller MERIDA &
tät (FG Id/Td), Senior Researcher am Programm Mensch- für die Teilprojekte Ziele und Wirkungserwartungen von CENTURION Germany GmbH ist. Im Organisationsteam der
Gesellschaft-Umwelt (MGU) der Universität Basel, Departement Menschen, Wirkungsermittlung und Simulation. Critical Mass Stuttgart versucht er jeden Monat die Kesselmetro-
Umweltwissenschaften. Forschungsschwerpunkte: Gestaltung pole ein wenig lebenswerter zu machen.
inter-/transdisziplinärer Prozesse in Forschung und Lehre;
AUTORINNEN UND AUTOREN v PARTNERINNEN UND PARTNER

Eric Puttrowait komplexer nachhaltiger Transformationsprozesse in unter- Forschungspartner der Universität Stuttgart
M.Sc., Integrated Urbanism and Sustainable Design. Wissen- schiedlichen Infrastrukturbereichen mit Fokus auf den engen Institut für Landschaftsplanung und Ökologie (ILPÖ) – Prof. Antje Stokman, Julia Hartmann, Marius
schaftlicher Mitarbeiter am Institut für Landschaftsplanung und Wechselwirkungen zwischen technischen, ökonomischen, Gantert, Eric Puttrowait | Städtebau Institut (SI) – Prof. Dr. Astrid Ley, Dr. Sigrid Busch, Raphael Dietz,
Ökologie (ILPÖ) und am Städtebau Institut (SI) der Universität institutionellen und kulturellen Aspekten. Dr. Josefine Fokdal, Wei Jiang | Internationales Zentrum für Kultur- und Technikforschung (IZKT) –
Stuttgart. Forschungsschwerpunkte: nachhaltiger Konsum Dr. Elke Uhl, Nora Heinzelmann, Johannes Heynold, Natalia Pfau | Zentrum für Interdisziplinäre
und nachhaltiges Design; Potenziale des Fahrrads als nachhalti- Marco Sonnberger Risiko- und Innovationsforschung (ZIRIUS) – Prof. Dr. Dr. h. c. Ortwin Ren, Sophia Alcántara,
ges urbanes Verkehrsmittel. Im Reallabor für nachhaltige Dr. rer. pol., Soziologie. Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Dr. Annika Arnold, Doris Lindner, Rainer Kuhn, Dr. Marco Sonnberger | Institut für Sport- und Bewe-
Mobilitätskultur der Universität Stuttgart (RNM): Koordination Zentrum für interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung gungswissenschaft (INSPO) – Prof. Dr. Wolfgang Schlicht, Dr. Daniela Kahlert, Christina Knorr,
der Realexperimente und Projektkoordination. (ZIRIUS) der Universität Stuttgart, Sprecher des Forschungsbe- Dr. Maren Reyer | Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement (IAT) – Steffen
reichs Nachhaltige Entwicklung und Transformation am ZIRIUS, Braun, Constanze Heydkamp | Institut für Straßen- und Verkehrswesen, Lehrstuhl Verkehrsplanung
Charlotte Ritz Co-Leiter der Nachwuchsgruppe DynaMo – Mobilitäts-Energie- und Verkehrsleittechnik (ISV) – Prof. Dr. Markus Friedrich, Emely Richter, Charlotte Ritz
Dipl.-Ing., Umweltschutztechnik. Wissenschaftliche Mitarbeiterin Dynamiken in urbanen Räumen. Forschungsschwerpunkte:
am Lehrstuhl Verkehrsplanung und Verkehrsleittechnik, Institut Sozialwissenschaftliche Energie- und Mobilitätsforschung, Kooperationspartner aus Stadt und Region Stuttgart
für Straßen- und Verkehrswesen (ISV) der Universität Stuttgart. nachhaltiger Konsum, Lebensstilforschung, Risikosoziologie, Landeshauptstadt Stuttgart | Verband Region Stuttgart | Hochschul- und Wissenschaftsregion
Forschungsschwerpunkte: Wirkung von Maßnahmen der Umweltsoziologie, Technikfolgenabschätzung. Im Reallabor Stuttgart e. V. | Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation | Staatliche Akademie der
städtischen Verkehrsplanung, Verkehrsnachfragemodelle. Im für nachhaltige Mobilitätskultur der Universität Stuttgart (RNM): Bildenden Künste Stuttgart | Crossing Borders Stuttgart e. V. | Hochschulgruppe Greening Stuttgart |
Reallabor für nachhaltige Mobilitätskultur der Universität ab Juli 2016 Koordination der Arbeitspakete mit ZIRIUS- Stadtmuseum Stuttgart | Theater Rampe
Stuttgart (RNM): Verantwortlich für die Teilprojekte Ziele und Beteiligung.
Wirkungserwartungen von Menschen, Wirkungsermittlung Zivilgesellschaftliche Praxispartner im Rahmen der Realexperimente
und Simulation im Reallabor für nachhaltige Mobilitätskultur Antje Stokman Bürger-Rikscha Vaihingen – Gemeinsam in Bewegung e. V. | Lastenrad Stuttgart e. V. | Parklets für
der Universität Stuttgart (RNM). Prof. Dipl.-Ing., Landschaftsarchitektur. Leiterin des Instituts für Stuttgart | Park(ing) Day Stuttgart | Die Stäffele-Galerie aka Nachbarschaftsgeschichten | Plusrad
Landschaftsplanung und Ökologie (ILPÖ), Pro-Dekanin der
Thomas Rustemeyer Fakultät für Architektur und Stadtplanung, Mitglied im
Dipl.-Ing., Architektur. Künstlerischer Mitarbeiter am Fachbe- Direktorium des Internationalen Zentrums für Kultur- und
reich Szenografie und Ausstellungsdesign der Staatlichen Technikforschung (IZKT) der Universität Stuttgart (seit 2017:
Hochschule für Gestaltung Karlsruhe (HfG) und Designer (Studio Professorin für Architektur und Landschaft an der HafenCity
194

195
Rustemeyer). Forschungsschwerpunkte: Kooperative Stadt- Universität Hamburg). Forschungsschwerpunkte: Freiraum und
und Projektentwicklung, das Bild der Stadt, öffentlicher Raum, Landschaft als ökologische Infrastruktur, wassersensible
Ausstellungsarchitektur. Für das Reallabor für nachhaltige Stadtentwicklung, prozessorientierte Entwurfs- und Planungs-
Mobilitätskultur der Universität Stuttgart (RNM) zeichnete strategien, experimentellen 1 zu 1-Realisierung urbaner Frei-
er Illustrationen wie die Stuttgartkarte, entwickelte das räume, verbunden mit Reallaboren und Realexperimenten,
Reallabor-Mobil, konzipierte und realisierte die Szenografie der Ausstellungen und Veröffentlichungen. Im Reallabor für
Eröffnungsveranstaltung. nachhaltige Mobilitätskultur der Universität Stuttgart (RNM):
Projektinitiatorin und -leiterin.
Susanne Scherz
Leitende Stadtbaudirektorin, Leiterin der Abteilung Straßenver- Elke Uhl
kehr beim Amt für öffentliche Ordnung der Landeshauptstadt Dr. phil., Philosophie. Geschäftsführerin des Internationalen
Stuttgart. Arbeitsschwerpunkte: Verkehrsmanagement und Zentrums für Kultur- und Technikforschung (IZKT) der Universi-
Verkehrsregelungen, Verkehrsüberwachung, Zulassungs- tät Stuttgart. Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte: Kultur-
und Führerscheinstelle. Im Reallabor für nachhaltige Mobilitäts- und Technikphilosophie, Kultur- und Wissenschaftspolitik,
kultur der Universität Stuttgart (RNM): Fachliche Vertretung Wissenstransfer, public understanding of science. Im Reallabor
der Abteilung Straßenverkehr in relevanten Prozessen des RNM für nachhaltige Mobilitätskultur der Universität Stuttgart (RNM):
sowie Genehmigungsverfahren z. B. für Parklets. Verantwortlich für das Arbeitspaket Lehre für Nachhaltigkeit
sowie die Teilprojekte Öffentliche Auftakt- und Abschlussveran-
Uwe Schneidewind staltungen.
Prof. Dr. oec., Präsident und wissenschaftlicher Geschäftsführer
am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH,
Professor für Innovationsmanagement und Nachhaltigkeit
an der Bergischen Universität Wuppertal, Mitglied des Club of
Rome und des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung
Globale Umweltveränderungen (WBGU). Arbeitsschwerpunkte:
neue Wachstums- und Wohlstandskonzepte sowie die Analyse
DANKE PUBLIKATIONEN UND FORSCHUNGSBERICHTE DES RNM
Das Reallabor für nachhaltige Mobilitätskultur dankt allen beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Praxis- und Der Weg zum Realexperiment – Schlüssel- Real-world experiments as a catalyst for Vorstellungen über die Zukunft des
Kooperationspartnerinnen und –partnern, sowie Studierenden der Universität Stuttgart akteure identifizieren, Kooperationsstruk- public space and public life enhancement. Stuttgarter Mobilitätsystems – Eine
turen aufbauen, Projektideen auswählen The case of Schützenplatz. Leitbildanalyse
A Ahmed Essat, Alexander Fust, Alexandra Bading, Ali Haji, Almedina Hamzic, Andreas Hohn, Andreas Strohmayer, Anja 2018, Eric Puttrowait, Raphael Dietz, Marius 2018, Jesús Antonio Martínez Zárate, 2016, Sophia Alcántara, Dr. Marco
Dauschek, Anna Deckert, Annika Arnold, Annika Hock, Antje Stokman, Antonietta DiGiulio, Assad Irshad, Astrid Ley, August Gantert, Johannes Heynold Marius Gantert, Institut für Landschaftspla- Sonnberger, Zentrum für Interdiszipli-
Gustke B Basil S. Helfenstein, Bianca Llerandi, Bonny Wen C Carina Auchter, Carmen Thome, Charlotte Ritz, Christian in: Transdisziplinär und transformativ nung und Ökologie, Universität Stuttgart. näre Risiko- und Innovationsforschung,
Löwe, Christina Knorr, Christine Ernst, Christine Heinke, Christopher Hinze, Clemens Rudolf, Conny Krieger, Constanze forschen – Eine Methodensammlung. Universität Stuttgart.
Heydkamp, Cornelia Späth D Dan Teodorovici, Daniela Barthel, Daniela Kahlert, Daniela Miller, Daria Patlai, Dessire Velez, Springer. Berlin Stuttgarter Mobilitätsräume
Dipayan Bhowmik, Doris Lindner E Eberhard Schwarz, Eckhard Ernst, Elke Uhl, Emely Richter, Eric Futerfas, Eric Miller, Eric 2018, Raphael Dietz, Wie Jiang, Jana Werkzeugunterstützte Eigenerkundung,
Puttrowait, Evelyn Bleibler F Fahim Mohammadi, Felix Hartmann, Felix Heidenreich, Felix Länge, Felix Wagner, Fin Oldach, Die Kultur des Experimentierens. Melber, Städtebau Institut, Universität interaktive Datengenerierung, -auswer-
Florian Rzepkowski, Frank Heinlein, Frank Oswald, Frank Schweizer, Frank Ulmer G Gerd Becker, Gerhard Wollnitz, Giulia 2018, Reallabor für nachhaltige Mobilitäts- Stuttgart. tung und -visualisierung
Tucci H Hanka Griebenow, Hanna Noller, Hannah Kosow, Hannah Werlitz, Hannelore Schlaffer, Hans-Christian Reuss, kultur, Universität Stuttgart. 2017, Constanze Heydkamp, Institut für
Hans-Georg Schwarz von Raumer, Harald Strauß, Helena Brückner, Helmut Bott, Hend Elhofy I Ines-Ulrike Rudolph, Ingrid Zwischen Wunsch und Wirkung - Ein Arbeitswissenschaft und Technologie-
Münnig-Gaedke, Irene Jung, Isabel Fezer J Jan A. Lutz, Jan Riel, Jana Höffner, Jana Melber, Janine Lancker, Jasmin Insights into and Recommendations from transdisziplinärer Visionsworkshop mit management, Universität Stuttgart.
Steinmetz, Jesus Martínez Zárate, Jingyu Tao, Jobst Kraus, Johann Jessen, Johanna Kretschmer, Johannes Heynold, Jonas Three Real-World Laboratories – Bürgerinnen und Bürgern
Mattes, Jonathan-Leon Finkbeiner, Josefine Fokdal, Julia Hartmann, Julia Zürn, Julian Thomas K Karin Haupt, Katharina An Experience-Based Comparison 2018, Sophia Alcántara, Annika Arnold, Realexperiment Bürger-Rikscha
Bajc, Kristin Lazarova L Laura Loy, Leonard Higi, Lisa Schwarz, Lukas Betzler, Lukas Gesell, Lutz Engel M Manfred Wacker, Oliver Parodi, Colette Waitz, Monika Doris Lindner, Sigrid Busch, Raphael Dietz, 2016, Evelyn Bleibler, Olaf Brandt
Manuel Hielscher, Marco Sonnberger, Maren Reyer, Marie Bues, Marie Launay, Marius Ege, Marius Gantert, Mark Blaschitz, Bachinger, Rainer Kuhn, Sarah Meyer-Soylu, Markus Friedrich, Charlotte Ritz, Marco (Bürger-Rikscha Vaihingen – gemein-
Markus Friedrich, Markus Speidel, Martin Lanzendorf, Martina Baum, Martina Blättner, Martina Grohmann, Matthias Sophia Alcántara, Regina Rhodius Sonnberger sam in Bewegung e. V.) mit Sophia
Rudolph, Max von Schönfeld, Michael Adler, Michael Münter, Michael Waldbauer, Monika Kurz, Monika Renninger, Monika in: GAIA 1-2018 Special Issue: Labs in the in: Transdisziplinär und transformativ Alcántara, Zentrum für Interdiszipli-
Zimmermann, Moritz Hüttmann, Moritz Latuske N Natalia Pfau, Nicklas Pfrommer, Nicolas Leyva, Niko Eleftheriadis, Nikos Real World – Advancing Transdisciplinarity forschen – Eine Methodensammlung. näre Risiko- und Innovationsforschung,
Sousanis, Nil Boushila, Nora Heinzelmann, Nur Dilan Ozdemir O Olaf Brandt, Ortwin Renn, Ozge Yazici P Patricia Fuchs, and Transformations. Oekom, München. Springer. Berlin Universität Stuttgart.
Patrick Daude, Peter Kungl, Peter Pätzold, Petra Schindler-Wilkins, Philipp Wölki Q Quynh Nga Nguyen R Rahaf Nader,
Rahel Häseler, Raiko Grieb, Rainer Kuhn, Raphael Dietz, Reinhard Möhrle, Reinhold Leinfelder, Rhabanus Kaehler, Rico Kommunikation einer nachhaltigen Denkanstöße für alternative Mobilitäts- Determinanten des Mobilitätverhaltens
Defila, Roman Högerle S Sabine Fleck, Sascha Blätterman, Sebastian Klawitter, Sebastian Wider, Sigrid Busch, Silvia Mobilitätskultur. ressourcen der Babyboomer 2016, Dr. Maren Reyer, Prof. Dr.
Korkmaz, Simon Grothkopp, Simon Kübler, Sofia Holder, Sophia Alcántara, Stefan Krüger, Steffen Braun, Stephan Anders, 2018, Helmut Bott, Antje Stokman, Elke Uhl 2017, Christina Knorr, Institut für Wolfgang Schlicht, Institut für Sport-
196

197
Stephan Rammler, Susanne Scherz, Sven Glatz, Sven Matis, Sybille Marquardt T Thomas Becker, Thomas Hachenberger, Materialien Band 20. Institut für Kultur- und Sport- und Bewegungswissenschaften und Bewegungswissenschaften,
Thomas Rustemeyer, Thorsten Erl, Tobias Heinz, Torsten Kirstges, Tran Thi Ha My U Uwe Clarner V Veronika Kienzle, Viola Technikforschung, Universität Stuttgart. (INSPO), Constanze Heydkamp, Institut Universität Stuttgart.
Gerlach W Walter Rogg, Walter Vogt, Weert Canzler, Wei Jiang, Wencong Li, Wolfgang Forderer, Wolfgang Schlicht, für Arbeitswissenschaft und Technolo-
Wolfgang Wehap, Wolgang Ressel, Wulf Daseking Y Yasaman Ahmadi Z Zuyuan Zhu Mobile Research Vehicle giemanagement, Universität Stuttgart. Reallabore als Konzept transformativer
2018, Marius Gantert, Thomas Rustemeyer Wissenschaft – Das Beispiel des Future
in: Co-Machines: – The Mobile Disruptive Die Zukunft der Mobilitätskultur. City Lab: Reallabor für nachhaltige
Sowie allen weiteren Unterstützerinnen und Unterstützern Architecture Handbook. On/Off, Berlin. 2017, Helmut Bott, Antje Stokman, Elke Uhl Mobilitätskultur
Materialien Band 19. Institut für Kultur- und 2016, Sophia Alcántara, Marco Sonnberger,
A Akademisches Orchester der Universität Stuttgart B Bewegung tut gut, Bürger-Rikscha gemeinsam in Bewegung e. V. Mobilitätsvisionen für Stuttgart – Ein Technikforschung, Universität Stuttgart. Antje Stokman, Marius Gantert
C Car2go, Casa Schützenplatz e. V., Critical Mass Stuttgart, CVJM Stuttgart e. V. D Das Kleine Parkraumwunder, Delinquent transdisziplinärer Workshop in Koopera- in: Sammelband. Metropolis Verlag,
Network, doParkour E e-Bürgerbus, Elektrify BW e. V., ELENA Plug-In Hybrid-Electric Vehicle, eMobilS Quartiergaragen tion mit der VHS Stuttgart Stäffele à la carte – Rezepte für die Stadt Weimar (Lahn).
F Fahrradbus, Flanerie – Labor für Gedanken & Gänge, Floid Product Design, Foodsharing Stuttgart, Forum Hospitalviertel e. V 2018, Doris Lindner, Sophia Alcántara, 2017, Johannes Heynold
H Haus des Dokumentarfilms Stuttgart, Hochschule Esslingen – Studienzentrum für nachhaltige Entwicklung, Hospitalhof. Dr. Annika Arnold, Zentrum für Städtebau Institut, Universität Stuttgart. Experimentierraum Stuttgart – Dokumen-
Evangelisches Bildungswerk I Initiative Stadtraum West, InVentus – Universität Stuttgart J Jugendinitiative der Nachhal- Interdisziplinäre Risiko- und Innovati- tation Stakeholderworkshop
tigkeitsstrategie Baden-Württemberg K Kesseln.cc, Kesselrollen L Lastenrad Stuttgart e. V. M Maultaschenrikscha, onsforschung (ZIRIUS), Dr. Sigrid Realexperiment Rotierendes Lastenrad 2015, Julia Hartmann, Marius Gantert,
Mein Fahrradtaxi, Messe Stuttgart, Mitrad Stuttgart, Mobilitätsschule O Opernfahrrad Stuttgart P Park(ing) Day Stuttgart, Busch, Raphael Dietz, Städtebau 2017, Thomas Becker, Jan A. Lutz, Eric Puttrowait, Institut für
Parklets für Stuttgart, Performance Electrics gGmbH R root Longboards S Stadtarchiv Stuttgart, Stadtlücken e. V., Institut (SI), Prof. Dr. Markus Friedrich, Clemens Rudolf (Lastenrad Stuttgart e. V.) Landschaftsplanung und Ökologie,
Stadtmobil Carsharing AG, Stadtwerke Stuttgart, Die Stäffele-Galerie aka Nachbarschaftsgeschichten, Stuttgarter Straßen- Charlotte Ritz, Institut für Straßen- und mit Eric Puttrowait, Institut für Universität Stuttgart.
bahnen AG (SSB) T Theater Rampe, The pilgreens V veloCARRIER GmbH, Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) Verkehrswesen, Universität Stuttgart. Landschaftsplanung und Ökologie,
Z ZIEHL-ABEGG Automotive GmbH Universität Stuttgart. Nachhaltige Mobilitätskultur – Stadtraum,
Realexperiment Parklets für Stuttgart Mobilität und Gesundheit
2018, Basil S. Helfenstein, Kristin Realexperiment Stäffele Gallery 2015, Helmut Bott, Antje Stokman, Elke Uhl
Lazarova (Parklets für Stuttgart) mit 2017, Johannes Heynold (Stäffele Materialien Band 18. Institut für Kultur- und
Raphael Dietz, Städtebau Institut (SI) Gallery aka Nachbarschaftsgeschich- Technikforschung, Universität Stuttgart.
und Sophia Alcántara, Zentrum für ten) mit Raphael Dietz, Städtebau
Interdisziplinäre Risiko- und Innova- Institut, Universität Stuttgart.
tionsforschung, Universität Stuttgart.
ABBILDUNGEN
S. 3 Illustration: Thomas Rustemeyer, S. 72 / 73 Foto: Konrad Zerbe, S. 132 Illustrationen: Thomas Rustemeyer,
studiorustemeyer.com konradzerbe.de studiorustemeyer.com
S. 13 Foto: Michael Haußmann, S. 75 Illustration: Reallabor für nachhaltige S. 134 / 135 Illustrationen: Jingyu Tao, Kaixin
lightnsiper.de Mobilitätskultur, Universität Stuttgart, Jiao und Yiquao Sun
S. 14 Fotos: Stadtarchiv Stuttgart (oben), basierend auf facebook.com S. 136 / 137 Illustration: Jonas Mattes, Gesche
IMPRESSUM
Leif Piechowski, lichtgut-stuttgart.de S. 78 / 79 Foto: Jesús Antonio Martínez Falkenburg und Darina Sagnayeva
(unten) Zárate S. 138 Foto: Johannes Heynold
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S. 16 Illustration: Reallabor für nachhaltige S. 81 Foto: Katharina Bajc S. 141 Foto: Johannes Heynold
Das Copyright für die Texte liegt bei den Reallabor für nachhaltige Mobilitätskultur, Nationalbibliothek. Die Deutsche National-
Mobilitätskultur, Universität Stuttgart, S. 82 Foto: Jesús Antonio Martínez Zárate S. 143 Illustration: Thomas Rustemeyer,
Autorinnen und Autoren. Das Copyright für die Universität Stuttgart (Hrsg.) bibliothek verzeichnet diese Publikation in der
basierend auf Landeshauptstadt Stuttgart S. 83 Foto: Marius Gantert studiorustemeyer.com
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(2014) S. 84 Foto: Mariana Lugo S. 144 Foto: Johannes Heynold
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S. 17 Illustrationen: Reallabor für nachhal- S. 85 Illustrationen: Jesús Antonio Martínez S. 145 Illustration: Reallabor für nachhaltige
Inhabern der Bildrechte. Marius Gantert, Antje Stokman http://dnb.d-nb.de abrufbar.
tige Mobilitätskultur, Universität Stuttgart Zárate Mobilitätskultur, Universität Stuttgart
S. 18 Illustration: Reallabor für nachhaltige S. 86 Foto: Jesús Antonio Martínez Zárate S. 147 Foto: Johannes Heynold
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Mobilitätskultur, Universität Stuttgart S. 87 Illustration: Jesús Antonio Martínez S. 148 / 149 Illustrationen: Johannes Heynold
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S. 20 – 23 Fotos: Kai Effinger, blattkunst.com Zárate S. 150 Foto: Sophia Alcántara
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S. 24 Illustration: Thomas Rustemeyer, S. 88/89 Foto: Katharina Bajc, Illustration: S. 154 Foto: Sophia Alcántara
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S. 26 Illustration: Reallabor für nachhaltige S. 90 Foto: Internationales Zentrum für studiorustemeyer.com
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S. 27 Illustration: Reallabor für nachhaltige S. 94 Illustration: Thomas Rustemeyer, S. 159 Foto: Leif Piechowski, lichtgut-
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S. 30 Illustration: Thomas Rustemeyer, gemeinsam in Bewegung e. V. Zeitung) (oben), Janey Schumacher
studiorustemeyer.com S. 101 Foto: Marius Gantert (Canstatter Zeitung) (unten)
Handzeichnungen
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S. 35 Foto: Eric Puttrowait S. 103 Foto: Bürger-Rikscha Vaihingen – S. 161 Foto: Jaqueline Fritsch (Filder-
Thomas Rustemeyer
S. 38 Foto: Marius Gantert gemeinsam in Bewegung e. V. Zeitung)
S. 43 Foto: Lastenrad Stuttgart e. V. S. 104 Illustration: Reallabor für nachhaltige S. 162 Foto: Annika Arnold
Gedruckt in der Europäischen Union
S. 44 / 45 Foto: Joachim E. Röttgers, Mobilitätskultur, Universität Stuttgart S. 165 Foto: Annika Arnold
graffiti-foto.de S. 106/ 107 Fotos: Kai Effinger, S. 169 Illustration: Reallabor für nachhaltige
S. 47 Illustration: Reallabor für nachhaltige blattkunst.com Mobilitätskultur, Universität Stuttgart
Mobilitätskultur, Universität Stuttgart S. 108 Illustration: Thomas Rustemeyer, S. 170 Foto: Konrad Zerbe, konradzerbe.de
S. 48 / 49 Fotos: Roman Högerle, Felix Länge studiorustemeyer.com S. 172 Fotos: Eric Puttrowait
und Fabian Bazlen, kesselrollen.de S. 112 / 113 Illustration: Reallabor für S. 174 Foto: Konrad Zerbe, konradzerbe.de
S. 50 Illustration: Thomas Rustemeyer, nachhaltige Mobilitätskultur, Universität S. 178 – 181 Fotos: Konrad Zerbe,
studiorustemeyer.com Stuttgart konradzerbe.de
S. 57 Foto: Eric Puttrowait S. 115 Illustration: Reallabor für nachhaltige S. 182 Illustration: Thomas Rustemeyer,
S. 58 Illustration: Thomas Rustemeyer, Mobilitätskultur, Universität Stuttgart studiorustemeyer.com
studiorustemeyer.com S. 116 / 117 Illustration: Tamara Hauenstein S. 187 Fotos: Eric Puttrowait
S. 60 Illustration: Reallabor für nachhaltige S. 118 / 119 Illustration: Beatrice Felix S. 190 / 191 Foto: Joachim E. Röttgers,
Mobilitätskultur, Universität Stuttgart S. 120 / 121 Illustration: Christina Weiß graffiti-foto.de
S. 64 Foto: Konrad Zerbe, konradzerbe.de S. 122 / 123 Illustration: Jonas Mattes
S. 66 Foto: Marius Gantert S. 124 Illustration: Thomas Rustemeyer, r–n–m.net
S. 68 / 69 Foto: Marius Gantert studiorustemeyer.com
S. 70 Illustration: Reallabor für nachhaltige S. 126 Illustration: Reallabor für nachhaltige
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