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Getreide verzehrt, der nun in ihren Gliedmaßen wie Feuer brannte.

CONFESSIO AU G U S TA N A
Vorne in der Klosterkirche stand nun Grünewalds Wandelaltar,

Kirche &
davor saßen im Chorgestühl die Ordensleute. Und dahinter – durch
das kunstvolle Gitterwerk getrennt – durften sich zur Messfeier die
Siechen und Kranken einfinden, die Gefangenen des Leibes und der
Seele. Und nun denke man sich diese unseligen Gestalten, wie sie
sich an Weihnachten an’s Gitter drängten, ihre brandigen Gesichter

Gesellschaft
an die Stäbe pressten und ihre Augen emporhoben zu dem leuchten-
den Altargemälde. „Adam, wo bist du?“ „Hier bei Christus bist du!“
tönt es aus diesem Erlösungsbild.
Befreite musizieren, Gefangene ersehnen Heilsein, Hirten wi-
derfährt Engelsruf und der Heiland ersteht, „dass sich wunder alle
Welt!“ „Im Untergang werden alle Dinge vollbracht“ – auch Gottes
Aufgang. l

Christus und Corona


Buchtipp
aus dem FREIMUND VERLAG

Eberhard Süße
Eberhard Süße Weihnachten im Zeichen
Ich kreise um Gott, um den uralten Turm
der Pandemie
Ich kreise um Gott, um den uralten Turm

Bilderwelten und Meditationen

264 Seiten, Hardcover, bebildert,


– von Jochen Teuffel –
ISBN 978 3 946083 52 8 ➤ 15,80 €

In jungen Jahren fand ich im „Stunden-Buch“ von Rainer Maria Das ahnen wir alle, dass dieses Jahr Weihnachten anders
Rilke die Zeile: „Ich kreise um Gott, um den uralten Turm.“ Und ich
Ich kreise um wusste, dies würde mein Leben fortan prägen – ob als Falke, der sein wird. Die Weih-nachtsmärkte sind abgesagt; Krippen-
Eberhard Süße

Gott, um den im Turm nistet, ob als Sturm, der am Turm rüttelt, oder als großer
uralten Turm Gesang, der ihn rühmt als die Mitte allen Seins. Ein fester Turm ist spiel und Christvesper werden in vielen Kirchen nicht
unser Gott!
Bilderwelten und Meditationen
Alle Flugversuche heben an in diesem Hort, alle Erkundungen stattfinden können. Was als Christfest gemeinschaftlich
nehmen ihn zum Ausgangspunkt, alle Heimkehr hat ihn zum Ziel.
In gar nichts hat er seine Faszination verloren, der uralte Turm. Es gefeiert sein will, scheint nur im kleinen Kreis innerhalb
sei denn, ihm drohe das Vergessen. Das entsandte Wort aber bleibt. Und sein Leuchtfeuer strahlt. So
umkreisen ihn biblische Gestalten, suchende und dienende, verzagte und hoffende, taumelnde und des eigenen Haushalts möglich zu sein. Wo wir sonst auf
beseligte. Aus weiter Ferne tauchen sie auf und werden uns doch ganz nah.
Dem wollen diese Bilderwelten und Meditationen nachsinnen in den vielfältigen Schattierungen des
andere Menschen zugehen und uns einladend öffnen,
Lebens und in seinen Aus-Flügen, es sei im Aufwind oder im Abwind.
heißt es Abstand zu halten und sich zurückzunehmen.
Süße 16 CA IV/2020 CA IV/2020  17 Kirche & Gesellschaft
Vom Wort des Lebens Krippe im Mittelpunkt zu stehen. Diese
findet sich ja auch zuhause unter dem
Sollen wir schon jetzt Weihnachten Weihnachtsbaum. Das Weihnachts-
nachtrauern, bevor die Feiertage anste- evangelium gibt uns vor, wer und wo
hen? Wenn die Vorbereitung auf das seinen Platz zu finden hat, das Jesus-
Weihnachtsfest von eigenen Klagen kind mit Maria und Josef, die Hirten
und Lamentieren bestimmt ist, was kniend davor, im Hintergrund Ochs
Bild: Privat
alles nicht möglich sein wird, bringen und Esel. Nichts wird handgreiflich
Jochen wir uns selbst um die Festfreude. Bes- bewegt, als stünde die Zeit still. Nur das
Teuffel, Dr. ser das Beste an Weihnachten neu ent- eigene Hinsehen ist gefragt. Schau ein-
theol., *1964, decken – das, was uns das Corona- fach hin! Lass dich als Zuschauer in das
ist Pfarrer in Virus nicht nehmen kann. Davon Geschehen hineinnehmen, das Gott für
Vöhringen/Iller.
schreibt der Apostel Johannes in ge- uns alle vorgesehen hat.
Von 2002-2008
war er Dozent
heimnisvoll klingenden Worten: Da mögen die Figuren nach unter-
für Systema- „Was von Anfang an war, was wir schiedlichen Vorstellungen geschnitzt,
tische Theologie gehört haben, was wir gesehen haben modelliert und bemalt worden sein.
am Lutheran mit unsern Augen, was wir betrachtet Und auch die Weihnachtskrippen, in
Theological haben und unsre Hände betastet ha- denen sie sich wiederfinden, haben
Seminary (LTS) ben, vom Wort des Lebens – und das unterschiedliche, mitunter eigenwillige
in Hongkong. Leben ist erschienen, und wir haben Formen, zeigen sich in unterschiedli-
gesehen und bezeugen und verkündi- chen Landschaf­ten. Aber wenn die ist Christus, der Herr, in der Stadt Nicht auf Augenhöhe
gen euch das Leben, das ewig ist, das Krippe aufgestellt und das Weihnacht- Davids. Und das habt zum Zeichen:
beim Vater war und uns erschienen sevangelium gelesen wird, liegt es nicht Ihr werdet finden das Kind in Windeln Auch wenn der Gottessohn sich in die
ist“ (1. Joh 1, 1-2). in unserer Hand, was da geschehen ist: gewickelt und in einer Krippe liegen.“ Hände von Menschen gelegt hat, um
Gottes Sohn, Jesus Christus, von der (Lukas 2,10-12) uns nahe­zukommen, lässt er sich je-
Jungfrau Maria geboren, den Hirten So sollen auch wir den Christus in doch nicht von uns vereinnahmen. Wo
Als stünde die Zeit still mit der Engelsstimme angekündigt: Bethlehem sehen und ihm unseren wir auf das Jesuskind schauen, hat uns
„Fürchtet euch nicht! Siehe, ich ver- Glauben schenken. Was uns heil wer- zugleich Gott im Blick. Die Engel wis-
Weihnachten berührt uns mit dem kündige euch große Freude, die allem den lässt, sind nicht die eigenen Vorha- sen davon ein Lied zu singen: „Ehre sei
menschgewordenen Leben des Gottes- Volk widerfahren wird; denn euch ist ben und Errungenschaften. Angenom- Gott in der Höhe und Friede auf Erden
sohnes. So hat am Weihnachtsfest die heute der Heiland geboren, welcher men sind wir von dem, der von sich bei den Menschen seines Wohlge­
selbst sagt: „Ich bin das A und O, der fallens.“ (Lk 2, 14) Mit Gott im Himmel
Erste und der Letzte, der Anfang und sind wir nicht auf Augenhöhe. Wir
das Ende“ (Offenbarung 22,13), der die bekommen es mit ihm zu tun, mitunter
Liebe in Person ist, durch den Himmel unnahbar fremd, dann schicksalsmäch-
und Erde erschaffen sind, den wir uns tig; wir stolpern mit unseren Fragen,
nicht selbst ausdenken können und der können ihn eben nicht selbst begreifen
in seinem Gericht das letzte Wort be- – Gottes Wort in unserem Ohr: „Mit
halten wird. Im Blick auf die Krippe wem wollt ihr mich also vergleichen,
läuft unser Leben läuft auf ihn zu – dem ich gleich sei?, spricht der Heilige.
Gottes Sohn menschgeworden. Wir Hebt eure Augen in die Höhe und seht!
machen uns keine Illusionen über ein Wer hat all dies geschaffen? Er führt ihr
selbstbestimmtes Leben, sondern las- Heer vollzählig heraus und ruft sie alle
sen uns von Gott einnehmen: „Bei dir mit Namen; seine Macht und starke
ist die Quelle des Lebens, in deinem Kraft ist so groß, dass nicht eins von
Weihnachten
Lichte sehen wir das Licht“ (Ps 36, 10). ihnen fehlt“ (Jes 40, 25f.).
neu entdecken

Teuffel 18 CA IV/2020 CA IV/2020  19 Kirche & Gesellschaft


CONFESSIO AU G U S TA N A

Kirche & Gesellschaft


Kommentar zur
Revision des Zukunfts-
papiers der EKD
„Ehre sei Gott in Hineingeboren sind wir in das Zu- erweist Gott in der Höhe ihre Hochach-
der Höhe!“ sammenleben mit anderen Geschöpfe tung. Ihm traut sie den Lauf der Dinge
Ausschnitt aus
Gottes, wo Wohl und Unwohl von zu und vertraut darauf, dass er in Chri-
dem Bild: Die
Anbetung der Kö-
Ordnungen und Zufügungen abhän- stus uns alles zum Heil zuwenden will.
gen, die wir nicht selbst geschaffen In der Weihnachtskrippe halten wir
Überschrift 2
nige (Ausschnitt)
von Domenico haben. Was alles noch auf uns zukom- keine Figuren in der eigenen Hand. Wir
Ghirlandaio men wird, haben wir nicht selbst in schauen hinein und sehen, wie Gott
(1485-1488 der Hand. So gilt es an Weihnachten sich in Jesus Christus uns vorstellt. Wer
unsere Ehrfurcht vor Gott neu zu ent- in Zeiten der Corona-Pandemie sein
decken. Gott „ehrfürchten“ heißt ja Leben ihm anvertrauen kann, geht nicht
nicht sich vor ihm ängstigen. Die Ehr- an sich selbst zugrunde, sondern findet – von Martin Fromm –
furcht sucht kein Versteck auf, sondern sich zu seinem Heil bei Gott wieder. l

Heil’ge Nacht In der letzten Niedrigkeit.


Auf, laßt uns die Kniee beugen,
Intro ....
Heil’ge Nacht, o laß mich schauen Preisen solche Herrlichkeit.
Dein Geheimnis wundertief! Ew’gen Sohnes Gottesfülle
Wolken regnen, Himmel tauen, Wird im Fleische offenbar.
Da den Sohn der Vater rief, Ew’gen Vaters Liebeswille
Aus der Ewigkeit zu treten Bietet sich uns Menschen dar.
In der Welt Vergänglichkeit, Gott ist groß! Die Engel raunen
All die Völker zu erretten In den Lüften Seinen Ruhm.
In erfüllter Gnadenzeit. Menschenmund lobt stumm im Staunen
Kommt nach Bethlehem zur Hütte, Seiner Liebe Königtum!
Seht der Krippe Königsthron!
Schaut in armer Hirten Mitte Max Josef Metzger (1887-1944),
Gottes ewig einz’gen Sohn! geschrieben zu Weihnachten 1943 im
Gottes Macht will sich bezeugen Gefängnis Brandenburg-Görden.

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