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INGO GEISLER VERLAG • WILLMERING

Arbeits- und Fachkunde


für Schuhmacher

Von Max Sahm

6. Auflage 1994
(unveränderter Nachdruck der 4. Auflage 1960)

G
Ingo Geisler Verlag • 93497 Willmering
Mit Genehmigung des Verlages B. G. Teubner, Stuttgart, veranstalteter
reprographischer Nachdruck der „Arbeits- und Fachkunde für Schuhmacher" von
Max Sahm, 4. Auflage 1960. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des
auszugsweisen Nachdruckes und der Wiedergabe, seitens B. G. Teubner, Stuttgart,
vorbehalten.

Gesamtherstellung: Neue Presse Druck GmbH • 94030 Passau


Max Sahm

Arbeits- und Fachkunde


für Schuhmacher
Vorwort zur 6. Auflage

Dieses Fachbuch soll dem lernenden, aber auch dem im Beruf Stehenden, hel­
fen, indem es einen Überblick über die Techniken des Schuhemachens vermit­
telt. Trotz der Problematik, die der unveränderte Nachdruck, mit freundlicher Li­
zenz-Genehmigung des Teubner-Verlages, vor allem hinsichtlich der Abbildun­
gen, birgt, findet der angehende Schuhfachmann für seine praktische Arbeit,
aber auch in der Theorie, viele Anregungen, die mit Vorteil verwendet werden
können.
Zwischenzeitlich weitergehende Arbeitsweisen, wie geklebte Böden, Zwicken
mit Zwicktacker, Einstechen mit Lippenband, Verarbeitung von Kunststoffkap­
pen oder einzelne Schuhtypen und ihre Macharten usw., werden in loser Folge
in der, vom Verlag herausgegebenen, Fachzeitschrift „Der Schuhmacher" ver­
öffentlicht und als Sonderdrucke erscheinen.
Der Werkstoff, der für das Schuhwerk hauptsächlich verarbeitet wird, ist Leder,
dessen richtige Behandlung und Verarbeitung im Betrieb nicht nur Kenntnisse
seiner Herstellung, sondern auch eine sorgfältige Beobachtung erfordert. Des­
halb ist der Beschreibung dieses wichtigen Rohstoffes auch der gebührende
Raum gewidmet.
Alle, die in der Schuhbranche tätig sind, ob im Handwerk oder im Handel, dür­
fen nie vergessen, in welch starkem Maße die Fußgesundheit von der rich1igen
Beschuhung abhängt. Deshalb sind fundierte Kenntnisse auf dem Gebiet der
Fußgesundheit Voraussetzung. Dieses Wissen wird in dem hier in 6. Auflage
vorgelegten, seit Jahrzehnten bewährten und für das handwerkliche Wirken im­
mer noch gültigen Fachbuch hinreichend abgehandelt.

Ingo Geisler

V
VORWORT

Vielerlei Ursachen wirken sich auf die Gesundheit unserer Füße schädigend aus,
verändern schon beim Jugendlichen die Fußformen, machen unsere Füße lei­
stungsschwach und zu einer Quelle von Beschwerden. Mit zunehmendem Alter
entwickeln sich daraus oft ausgeprägte, äußerst schmerzhafte Fußkrankheiten,
sogenannte Belastungserkrankungen, wie Knick-, Senk-, Platt-, Spreizfuß und deren
Begleiterscheinungen, wie Krampfadern, Venen- und Nervenerkrankun­gen. Viele
Mittel versprechen Linderung, doch versagen sie in den meisten Fällen, weil das
Grundübel nicht vom richtigen, fußgesunden Schuh aus ange­gangen wird. Dieser
aber spielt die Hauptrolle sowohl bei der Verhütung als auch bei der Bekämpfung der
Fußleiden und nicht die meist billigen, in unzweckmäßigem Schuhwerk getragenen
Behelfsmittel. Für die Gesunderhaltung des Fußes, für das volle Wiederherstellen
verlorengegangener Leistungsfähigkeit und besonders für das Beheben von
Fußbeschwerden gibt es kein besseres Mittel als den alle Eigen­arten des Fußes
berücksichtigenden Schuh nach Maß. Für den Schuhmacher wird es sich somit
künftig vielfach darum handeln, für Fußkranke geeignetes Schuhwerk herzustellen;
und neben den Wiederherstellungs- und Korrekturar­beiten an Schuhen wird es
seine Aufgabe sein, die falsch Beratenen und der Hilfe Bedürftigen über ihre
Beschwerden aufzuklären. Dazu muß der Schuhmacher imstande sein, einen Schuh von
Grund auf selbst herzustellen. Erst dann beherrscht er die Arbeit seines Faches und
damit die Gmndlagen für eine Handwerkerexistenz mit goldenem Boden. Boden.
Das ist eine gewiß nicht leichte Aufgabe, denn zu jedem einzelnen Gebiet, wie dem
Boden- und Leistenbau, dem Modellieren und Schäftebau, dem Maßnehmen, der
Auswahl, Verarbeitung und Auswertung der Rohstoffe gehören umfangreiches
Wissen und Können. Vom Meister bzw. Orthopädie-Schuhmachermeisier muß
verlangt werden, daß er alle diese Gebiete beherrscht. Jedoch ist schon bei der
Ausbildung des Lehrlings mit dem Erlernen einer einwandfreien Bodenarbeit zu
beginnen. Denn es ist eine unerläßliche Forderung unserer Zeit an das Schuh­
macherbandwerk, den höchsten Leistungsstand zu erreichen, damit es seine
wichtigen Aufgaben für die Fußgesunderhaltung erfolgreich bewältigen kann.
Die Besonderheit der Aufgabe, die Arbeit am Schuh und das dazu notwendige
Wissen darzustellen, machte es erforderlich, zahlreiche Photos und Bilder zur
Veranschaulichung heranzuziehen. Langjährige Erfahrungen· aus meiner Tätigkeit als
Schuhmacher- und Orthopädie-Schuhmachermeister im In- und Ausland und als
Lehrer kamen mir bei der Gestaltung dieser Arbeits- und Fachkunde zugute.

VII
Sie gibt dem Lernbeflissenen die Möglichkeit, sich, gestützt auf seine
Werkstatt-, Berufsschul- und Fachschulerfahrungen, die Grundlagen der
Anatomie, einer gu­ten Bodenarbeit sowie der Leisten-, Modellier- und
Schäftearbeit anzueignen.
Ich hoffe, daß auch dieser 4. Auflage ein Erfolg beschieden ist und daß sie
zur unerläßlichen Leistungssteigerung im Schuhmacherhandwerk beiträgt.

Frankfurt (Main), Frühjahr 1960 MAX SAHM

VIII
INHALT

Erster Teil
Seite Seite
A. Die Auswahl des Bodeuleders 1 b) Die Steifkappe wird auf das
I. Vom Bodenleder und seiner Ge- Futter gezwickt .... . .. ...... 49
winnung ................... .. 1
a) Vom Einkauf des Bodenleders. 1 D. Die Bodenbefestigung ... ......... . 51
b) Fehler der Haut ..... . ... . . . 4 I. Der Einstechdraht . . . .. . . . . . . . 51
1. Naturschäden ............ 4 II. Das Einstechen ..... .......... 53
2. Schnittschäden . . . . . ...... 6 III. Das Einbinden des Fersenteils .. 57
c) Das .Altgerben .............. 6 IV. Das Beschneiden des Rahmens .. 58
II. Das Zerlegen der Haut und der V. Das Einarbeiten des Gelenkleders 60
Bodenlederausschnitt .... . . .. . . 11 VI. Das Ausballen ............... . 62
a) Die halbe Haut und ihre Zer­ VII. Das Aufrichten und Beschneiden
legung . ................... . 11 der Durchaussohlen ......... .. 62
b) Der Ausschnitt des Bodenleders
VIII. Das Rißschneiden .... . ........ 63
aus der Haut ............... 13
IX. Das Nähen und Doppeln der
c) Die Bodenlederzutaten ... .... 13
Durchaussohlen. .... . . ..... . . . . 65
B. Das Zurichten des Boden1eders ... . . 16
a) Die Nähmittel ............. . 65
I. Die Bodenlederteile werden für das
1. Garne und Zwirne ... .... . 65
Zurichten vorbereitet . . ... . .... 16 2.Seide .. . ........... . ..... 68
II. Das Zurichten der Brandsohle .. 19 3. Borsten .. ............ . . . 68
a) Werkzeuge für die Bodenarbeit 19
b) Das Nähen und Doppeln ..... 69
b) DieBrandsohle wird beschnitten 23
c) Das Einarbeiten der Einstech­ X. Der Absatzbau ................ 71
bahn bei der Brandsohle ..... 25 a) Die Nägel .........'......... 71
III. Das Zurichten der Hinterkappe . 31 1. Holznägel ... ............. 71
IV. Das Zurichten der Rahmen ..... 33 2. Metallnägel ............ .. 71
V. Das Zurichten der Steifkappen .. 34 b) Der Absatzbau . ........... . 73
VI. Das Zurichten des Fleck- oder XI. Die Ausputza.rbeiten .... . ...... 79
Absatzleders ..... . ..... . .. .... 36 a} Die Ausputzmittel .......... 79
VII. Das Zurichten der Keder ... . . . . 37 1. Glaspapier . ..... . . . . ..... 79
VIII. Das Zurichten des Gelenkleders .. 37 2.Tragant ............. ... . 79
IX. Das Zurichten der Durchaussohlen 38 3. Kaltpoliertinte ........ ... 79
X. Das Zurichten der Überstemme .. 38 4. Wachse .................. 80
C. Das Aufzw:ickcn der Schäfte ........ 39 5. Oberlederschwär.i:e .... .... 80
I. Die Schäfte werden überprüft und 6. Oberlededaok {Appretur) . . 80
zum Aufzwicken vorbereitet .... 39 b) Der Vorputz .. ............. 81
II. Die Schäfte werden aufgezwickt . 41 c) Der Ausputz .......... ..... 81
a) Das Vorholen ............... 41 d) Der naturfarbige Ausputz ... . 82
b) Das Zwicken des Fersen- und e} Das Ausleisten . . ...... .... . 82
Gelenkteils ...... ........... 43 XII. Da.s Kittverfahren ............ . 83
III. Das Einarbeiten der Steifkappen 47 XIII. Hilfsmittel für die Sohuhmacher-
a.) Die Steifka.ppe wird zwischen arbeit ........................ 84
Besatz und Zierkappe einge­ a) Klebemittel ........... .... . 84
bracht ....... .............. 47 b) Kork ...................... 85

IX
Zweiter Teil
Sc!Le Seite
A. Das Maßnehmen . .. .............. 86 1.Das Herrenschnürstiefel.
I. Das Umzeichnen des Fußes und die Muster mit Ringsbesatz ..... 124
Abnahme der Trittspur .. ....... . 86 2. Das Herrenderbystiefel-Mustor
a) Ein Trittspurgerät wird benutzt . 86 mit Blatt .... .. .. . .. .. ..... 129
b) Farbblätter werden verwendet .. 87 3.Das Herrenschnürschuh-
II. Das Abnehmen der Weiterunaße .. . 88 Muster .................... 131
4. Das Derbyschuh-Mustcr mit
B. Vom gesunden und kranken Fuß .. . !J0
Blatt . .... . ........... .... 135
I.Der gesunde Fuß ....... . ....... !J l
5.Das Dmnenschnürschuh-
a) Das Skelett ...... .. ... ... .... 91
Muster .... ................ 136
l . Das Bein- und Fußskelct.t . .. 91
6. Das Damcnspangcns<'huh-
2.Die Gelenke ..... .......... 94 Must.er ....... .. ........... 138
3. Die Bänder . .... . . ...... ... 95
b) Die Muskeln ... . .... .. . . ..... 97 III.Das Schäftemachen .........._ .. 142
II. Der kranke Fuß .... ... . . . . .. . . . 102 a) Das Oberleder und seine Gerbung 142
1.Die vegetabile Gerbung .. ... 142
C. Der Leistenbau .................. 109 2.Die Alaun- oder Wcißgerbung 144
I.Die Erarbeitung eines Maßleisterui 3.Die Mineralgerbung . ... . . . . . 144
aus dem Roh.klotz ......... . ... . 109 4.Die Sämisch- öder Fettgerbung 145
a) Das Brandsohlenmuster wird her­ 5. Die gebräuchlichsten Oberleder
gestellt . ...... ..... .......... 109 des Schuhmachers .......... 146
b) Das Leistenprofil wird entwickelt 110 6. Die Koll\binationsgerbung . .. 150
II.Die maschinelle Leistenherstellung 113 b) Das Auslegen und Am,fellen .... 150
III.Leistenformen .................. 116 l. Das Auslegen .... . . ... ..... 150
IV. Leistenspitzenformen ............ 118 2. Das Ausfeilen .. ............ 156
D. Das Schüftemachen .............. 119 c) Das Futter . .......... ....... 160
I.Der Schuhmacher muß die Schäfte d) Der Arbeitslauf bei der Anferti­
selbst machen ..... . . . . . . . ...... 119 gung einzelner Schaftartcn . .... 160
II. Das Schäftezeichneo und Modellieren 120 1. Der Herrenschnürstiefe1scha.ft
a) Die Einzeichnungen am Leisten . 120 mit Ringsbesa� ............ 160
b) Die Entwicklung der Leistenkopie 122 2. Der Damen-Derbyschuh mit
c) Das Schaftzeichnen und Modellie- Kappenbcsatz .............. 169
ren verschiedener Muster . . .. .. 124 Saohweiser .. ·. ... ... .... ...... . . ... . 173

X
ERSTER TEIL

A.Die Auswahl des Bodenleders

I.Vom Bodeoleder und seiner Gewinnung


Die Verwendung besten Werkstoffes, der je nach dem Zweck, den erzu erfüllen hat,
auszuwählen ist, und eine fachgemäße Verarbeitung beeinflussen die Güte des
Schuhwerks sehr. Was nützt z.B. dem Träger eines Maßstiefels die durch einen
guten Leisten bedingte Paßform, wenn sie durch Auswa� ungeeig neter Werk­
stoffe und nicht fachgemäße Verarbeitung nach kurzerTragdauer verlorengeht�
Die Auswahl nur bester Ober-und Bodenlederist auch deshalb geboten, weil zur
Anfertigung guter, einwand­
frei. gearbeiteter1\faßstie­fel
eine Gesamtarbeitszeit von
durchschnittlich22 Stunden
gebraucht wird {= rund
drei Arbeitstage). Für eine
derart lange Ar­beitszeit
dürfen nur erst­klassige
Werkstoffe zur Ver­
arbeitung kommen. Sonst
gerät die aufgewandte Ar­
beitszeit in ein nicht zu
rechtfert,igendes :Mißver­
hältnis zum verbrauchten
minderwertigen Werkstoff. 1.1 Der Schuhmacher bei der Auswahl desLeders

a)Vom Einkauf des Bodenleders


Der Einkauf fordert gute Fachkenntnis, Die Vielgestaltigkeit des auf dem Markte angebotenen
Bodenleders macht den Einkauf schwierig. Der Verkauf von Boden­leder nach Gewicht birgt die
Gefahr in sich, daß der Gerber das natürliche Ge­wicht des Bodenleders künstlich erhöht und die
Gerbdauerverringert. Beidesver­ändert zwar denPreis, verschlechtert aberauch die Güte desLeders.
Der „Kilopreis" ist nicht ausschlaggebend. Wer Bodenleder einkauft, sollte sich einprägen, daß es
falsch ist, den Kilopreisdes Leders als allein ausschlaggebend anzusehen. Denn „billiges" Lederist in
derRegelteurerals ein Leder,dessen An-

1
schaffungskosten im Kilopreis höher sind. Nicht die Tatsache, daß beispielsweise
ein Croupon 20,- DM und ein anderer 30,- DM kostet, darf beim Einkauf ent­
scheidend sein, sondern ausschließlich die Überlegung, welches Bodenleder sich
in der Werkstatt am vorteilhaftesten verwerten läßt. Darum sind auch dlie Stärke
des Leders, die Stellung der Haut, vor allem aber das Gewicht im Verhältnis zur
Stärke z u berücksichtigen.
Auch ein gleichmäßig heller Narben darfnicht bestechen. Denn diese gleichmäßige,
schöne, helle Farbe wird fast nur durch B l e i c h e n des Leders mit chemischen
Mitteln erzielt. Jedes Bleichen schädigt aber den natürlichen Zustand der Haut.
Oft sind aber gerade die schönsten Leder wertmäßig die geringsten.
,,Schnellgegerhte" Leder sind schwerer. Die meisten heute im Lederhandel
käuf­lichen Bodenledersorten sind „moderngegerbt" bzw. ,,schnellgegerbt", und
diese Leder sind je Flächeneinheit viel schwerer als das nach altem Verfahren mit
Eichen­lohe in Gruben in einer Dauer von 9···20 Monaten gegerbte
Bodenleder. Der Schuhmacher zahlt daher beim Einkauf von schnellgegerbtem
Leder nicht allein die Hautstoffe, die für ihn von Wert sind, sondern auch Gerb-
und andere Füll­stoffe, die sich beim Eindampfen des Leders zum größten Teil
wieder auswaschen und bis zu 20% des Ledergewichts und darüber ausmachen
können. Eine Ver­gleichsrechnung zeigt folgendes Ergebnis :
Ein schnellgegerbtes Leder kostet z. B. 5,20 DM je kg, ein altgegerbtes 6,50 DM
je kg. Aus altgegerbtem Leder erhält man Herrensohlen, die 200 g je Paa.r wiegen,
während die Sohlen aus schnellgegerbtem Leder gleicher Größe um mindestens
10% schwerer sind, häufig aber noch viel mehr. Nimmt man zu Sohlen aus schnell­
gegerbtem Leder ein Gewicht von 220 g an, so kosten sie bei dem genannten
Leder­preis 1,18 DM.
Die altgegerbten Sohlen, die nur 200 g wiegen, würden dagegen 1,30 DM kost.cn.
Während also das altgegerbte Leder im Kilopreis um 1,30 Dl\iI teurer war als das
schnellgegerbte, macht dieser Unterschied im Sohlenpreis nur noch 12 Dpf aus. ·
Dafür aber ist das altgegerbte Leder in der Güte, in der Haltbarkeit und nicht
zuletzt für die Gesundheit des Fußes jedem a n deren Leder weit überlegen.
Versuch:
Dampfe minderwertiges, billiges und bestes, altgegerbte.s EicheruohledP,r von gleicher Größe und
Stärke gleiclvmäßig wnge ein.
Das minderwertige Leder sche idet einen großen Teil des Gerbstoffes und der Füllmittel aus,
was an dem stark getrübten und schla-mmartig verwandelten Wasser erkenntlich ist.

Minderwertiges Leder hat viele Nachteile. Stark mitGerbstoff gefüllte Leder worden
mitunter mit einem chemischen :Mittel behandelt, um das Ausscheiden des über­
schüssigen Gerbstoffes zu verhüten.
Dieses Leder wird im Trockenzustande äußerst hart, spröde und brüchig.. Kommt
Schuhwerk aus diesem Werkstoff mit ·wasser in Berührung, so saugt sich das
Leder schnell voll, und der Träger hat innerhalb kurzer Zeit nasse Füße,
anderer­seits trocknet es nur sehr langsam und 1mgleichmäßig.
Das im Trockenzustand sehr harte und spröde Leder unterbindet die Beweglieh­
keit des Fußes. Das wirkt um so schädlicher, je dicker die Sohlen bzw. die Boden­
werkstoffe beschaffen sind. Im nassen Zustand fügt es sich dem Drucke des Fußes
und trocknet in der dabei angenommenen Form. Solches Leder hat keine
Trag-enen Form. Solches Leder hat keine Trag-
2
kraft und unt,erwirft sich widerstandslos der krankhaften Veränderung der
Fuß­form. Eine Verwendung für :Maßschuhe und Orthopädieschuhwerk scheidet
somit ganz aus.
Altgegerbtes Leder kommt allein in Frage. Das Wa.sser, in dem das altgegerbte
Leder eingedampft wurde, hat an Klarheit kaum eingebüßt, ein Beweis da.für, daß
das Leder nicht mit überschüssigen Gerbstoffen beschwert ist und beim
Weiter­verarbeiten sehr bald den gewünschten Trockengrad erreicht und sich
anstandslos nach altem Handwerksbrauch verarbeiten läßt.
Im fertig verarbeiteten Zustande, zur Neuarbeit wie zur Reparatur, erfüllt es in
bester Weise alle Erfordernisse. Das Leder folgt durch seine Elastizität den Be­
wegungen des Fußes beim Abrollen, andererseits bietet es Halt und Stütze da, wo
es im Interesse der Gesunderhaltung des Fußes notwendig ist. Die Wasserdichtig­
keit ist, ebenso eine Eigenschaft des guten Leders wie die Dauer11aftigkeit.
Leder ist haltbar gemachte, formfest gegerbte Tierhaut.
Während man in
früheren Jahrhunderten nur das altgegerbte Leder kannte, gibt es heute viele
Die Bodenlederarten unterscheidet man nach dem Gerbverfahren.

Gerbarten :
Altgegerhtc Leder werden mit reiner Eichenlohe in Gruben gegerbt, in denen
der Gerbstoff langsam und allmählich in dünnen Lösungen die Haut durchdringt.
Dieses Gerhverfahren dauert mindestens 12 Monate.
Grubengegerbte Leder, bei denen die Eichenlohe nicht mehr der alleinige
Gerbstoff ist, sondern nur norh als Zwischen.streu für Auszüge und ausländische
Gerbstoffe dient, werden nur wenige Monate in Gruben gegerbt. Diese Leder
werden ,,iclfach fälschlich als „reine Eichenlohgrubengerbung" in den Handel
gebracht.
Gemischgcger li to Leder machen außer einer Grubengerbung noch eine Be­
handlung mit Gerbstoffen im Faß durch.
R c h n e l lgegerbte Leder werden nur im Faß gegerbt.
Beim Altgerhen bleiben die eigentlichen Hautstoffe erhalten. Im Gegensatz zu allen
anderen Gerbarten wird bei der alten Grubengerbung alles peinlichst vermieden,
was die Haut in ihrer Art oder ihrem Aufbau schädigen könnte. Die sogenannt-e
Substanz der Haut (die Eiweißstoffe), dr.r Leim oder, wie man auch sagt, der
„Lobensschleim" der Haut, sollen erhalten bleiben, denn in diesem Lebensschleim
sind die Pasern der Haut eingebettet, und er verleiht ihr die Schmiegsamkeit,
Biegsamkeit, Zähigkeit und die Wasserundurchlässigkeit bei voller Erhaltung der
Porigkeit, d. h. der Atmungsfähigkeit. Diese natürlichen, hochgeschätzten
Eigen­schaften der rohen Haut werden beim Altgerben auch auf das Leder
übertragen. Deshalb darf die Haut aurh den Gerbstoff g,ir nicht so rasch
aufnehmen, sie muß ganz langsam und mit aller Vorsicht vorbereitet und
angegerbt werden.
Die Häute
euro­päischer Rinder (Ochse, Kuh und Kalbin) bezeichnet man als
Für Bodenleder verwendet man vorzugsweise die Haut der Rinder.

„Zahmhäute", die der ausländischen Tiere als ,,\Vildhäute". Die letzteren wurden
vor allem aus den südamerikanischen Staaten Argentinien, Uruguay, Paraguay
und Teilen von Bo­livien und Brasilien, den sogenannten „La-Plata-Staaten",
nach Europa einge. führt.

3
Die frisch abgezogene Haut, Grünhaut genannt, ist bald zu Leder zu verarbeiten,
damit sie vor Fäulnis bewahrt wird. Zum Haltbarmachen verwendet man
vergälltes
Kochsalz. l\fit diesem Salz werden die von Blut und Schmutz befreiten Häute
lückenlos und satt bedeckt und Aasseite gegen Aasseite gestapelt. Konservierend
wirkt auch das vollständige Trocknen der Häute, das da angewandt wird, wo das
Salz nicht in genügenden Mengen zur Verfügung steht. Sie kommen unter der
Bezeichnung „Trockenhäute" in den Handel.

h) Fehler der Haut

Beim Einkauf von Ober- und Bodenleder ist auch auf die Hautfehler zu achten. Die
Haut des Tieres kann durch Schäden in ihrem Wert bed�utend gemindert werden.
1. Naturschäden
Die Dasselfliege verursacht großen Schaden (4.1). Ihre Eier legt sie etwa von Mitte
Mai bis Oktober, am meisten in den Monaten Juni und Juli, an den Haaren des
Weideviehs ab. Schon nach einigen Tagen schlüpfen daraus die jungen Larven, die
sich sofort in die Haut einbohren. Diese Larven wandern nun sechs bis sieben
Monate lang innerhalb des Tierkörpers.
Längere Zeit hindurch sind sie in gehäufter Men­
ge am Schlund zu finden, von da aus wandern
sie dann zum Rückenmarkskanal, bis sie gegen
Ende des Winters und Anfang des Frühjahrs in
der Haut der Rücken- und Lendengegend ange­
langt sind. Hier bohren sie sich Atemlöcher durch
die Haut und verkapseln sich dann. Dadurch ent­
stehen die jedem Viehzüchter bekannten „Dassel-
beulen".
Sind die Larven in diesen Dasselbeulen ausge­
4.1 Dassellliego mH Larve reift, etwa in den Monaten Mai, Juni, Juli, dann
verlassen sie die Beulen durch das Atemloch und
fallen auf den Weideboden, in dem sie sich dann verpuppen.
Aus der Puppe entwickelt sich im Laufe von vier bis sechs Wochen die neue Fliege,
die wieder die Tiere zum Zweck der Eiablage befällt.
Die Dasselfliege verursacht riesigen Schaden, weil sie in manchen Gegenden sehr
zahlreich auftritt und jedes Weibchen bis 500 Eier ablegt. In einem Stück Vieh
entwickeln sich dann Hunderte von Larven, die die Haut zum Einschlüpfen
durch­löchern, um sich beim Verlassen des Tierkörpers erneut Atem­
und Auskriechlöcher zu bohren.
Derartig beschädigte Häute sind zur Herstellung von Oberleder
kaum brauchbar. Für Bodenleder sind sie als ganz minderwertig
zu bezeichnen, weil durch das notwendige Umgehen der Bohr­
löcher beim Bodenlederausschnitt zu große Verluste entstehen;
auch die Güte der Haut ist stark gemindert (4.2).
4.2 Lederausschnitt mit zum größten Teil vernarbten
Löchern, von den Larven der Dassel.fliege verursacht

4
Auch Hautverletzungen führen zu Schäden. Großen Schaden verursachen Stachel­
drahtzäune um Wiesen und Weiden. Juckreize veranlassen die ·weidetiere, sich
am Einzäunungsdraht zu reiben, wobei sie sich die Haut verletzen; es entstehen
mehr oder weniger tiefe Hautrisse und blutende Wunden. Das gleiche ist der Fall,
wenn die Tiere auszubrechen versuqben. Die Stacheldrahtverletzungen sind auch
am fertigen Leder als tiefe Risse sicht­
bar; sie liegen meist im besten Teil der
Haut : im Rücken (Kern und Schild). So
besr,hädigtesLeder, besonders Ober­leder,
ist fast völlig wertlos. Auch am Tiere
abgeheilte und vernarbte Wun­den und
Risse bleiben im Leder als dauernder
Schaden zurück. Die glei­chen
Hautschäden entstehen durch
Dornen- und Heckenrisse (5.1).
5.1 Sohllederstück 5.2 Vernarbtes ßra,ndmal
mit Dornenrissen

Die Besitzer der wilden Rinderherden von Übersee brennen ihren Rindern im besten Teil der
Haut ein Erkennungszeichen ein (5.2). Werden die Besitzer öfters gewechselt, dann k ommen
immer neue Brandmale hinzu, was zu einer großen Wertminderung der Haut führt.

Schäden durch Ungeziefer und Hautkrankheiten. Kot und l\ilist verhärten und bil­den
auf der Haut dicke, feste Krusten. Dadurch wird die Hautatmung gehemmt und
damit das Wohlbefinden der Tiere stark beeinträchtigt. Darüber hinaus
verursachen Kot und Mist, besonders unter 1\!Iitwirkung von Urin, Verätzungen
und Entzündungen der Haut. Das fertige Leder (Oberleder) ist an solchen Stellen
stark aufgerauht oder wird bei farbigen Ledern dunkelfieckig, wodurch es an Wert
verliert. Mangelhafte Reinlichkeit begünstigt auch das Auftreten von Insekten,
Milben sowie von Hautpilzen verschiedener Art. Läuse, Zecken, Milben, Haarlinge
stechen oder beißen das Vieh und saugen oder graben sich in die Haut ein; die
Hautpilze durchwachsen das Hautgewebe. Es entstehen Wunden, Krusten und
Beulen sowie haarlose, flechtenartige,
entzündete, vereiterte Stellen, und
mit­unter löst sich die Haut in ganzen
Fet­zen ab'.

Die befallenen Tiere werden durch Juck­


reize veranlaßt, sich zu scheuern und zu
reiben, wodurch der Ausschlag und die
Wunden nur noch verschlimmert und auf
weitere, bisher gesunde Hautpartien
über­tragen werden. Die fertigen Leder
sind durchlöchert oder dünn und
brüchig, der Narben des Leders ist
eingesun ken oder verborkt und
vernarbt. Die Schäden können
manchmal so weitgehende sein, daß das
Leder (Oberleder) nicht mehr den
geringsten Beanspruchungen stand­hält. 5.3 Schlecht abgezogene, mit Fleischerschnitten
übersäte Haut

5
2. Schnittschäden
Durch fehlerhaften Abzug der Häute und Felle werden alljährlich sehr große
Werte
vernichtet. Als Folge von unsachgemäßem, meist aber leichtfertigem Arlbeiten mit
dem Messer entstehen Schnitte, sogenannte „M:et,zger- oder Fleischerschnitte",
und Kerben in der Haut, die sie in jedem }!'alle entwerten, ganz besonders stark,
wenn sie im Kern, im besten Teil der Haut, liegen. Man kann oft Häute sehen, die
mit solchen Schnitten und Kerben buchstäblich übersät sind (5.3). An den Kerben,
an denen zu tief in die Haut eingeschnitten V\/urde, ohne sie ganz zu durchstoßen,
ist das Leder dünn und reißt bei der geringsten Beanspruchung.
c) Das .Altgerbcn
Der Aufbau der Haut. So wie die Haut nach d(lm Schlachten anfällt, kann sie
noch nicht zu Leder verarbeitet werden. Von der aus drei Schichten (Oberhaut;
Leder­haut, Unterhautbindegewebe) zusammengesetzten Haut verwendet der
Gerber nur die Lederhaut (6.1 u. 2), weshalb er die Oberhaut mit den Haaren
und das Unterhautbindegewebe entfernen muß.
Die Oberhaut, Epidermis ge­
nannt, bestehtauseinerOber­
fläehenschicht(Hornschicht),
-OberMul einer mittleren Schicht {Kör­
nerschlcht)und der den Über­
Papillarschicht gang zur Lederhaut bilden­
· } der Lederhaut den Schleimschicht .

}4., Beider Lederhaut unterschei­


det man zwei Schichten: die
unter der Oberhaut
liegende ,,Papillarschicht", die
Relikulurschic:h am fer. tigen Leder die
fder Lederhaut Bezeichnung Narben trägt.,
und die „Reti­kularschicht",
d. b.. netzför­migeSchicht.
DieanderOher­flächeder
Papillarschicht vor­handenen
� - ....� Durchbrechungen sind
Haarlöcher und Aus­
!nferhuuf­ scheidungsgänge der Fett­
bindegewebe und Schweißdrüsen. Sie be­
stimmen am fert.igen Leder
das Narbenbild, woran auch
◄l-1 SolmiL& durch eine frische Kall>shn11t;,
et;wa 20faoh vergrößert
(Nach Dr. Fritz Stather, Haut- und
Lederfehler)

6.2 Vereinfachte DursteUuag


der Hautschichlen

6
unter Benutzung einer starken Lupe die Haut,gat tung der einzelnen Leder, beson­
ders Oberleder, festzustPllPn ist, (7.1 u, 2). Das UntPrhant hind<>gl,we>hc ist, für
die Lr<lerherstellung wertlos,

Rindshaut Kalbshaut Schafshaut Zicg�nhauf Roßhaut Sclmeinshaut

7.1 Narhenh!l<ler 1.� N'arlw11bildt•r

Die Eichenlohgrubengerhung nach alten Verfahren. Die Hauptarbeit.sgänge wer­


den an Hand von Bildern1), die bei der Herst,dlung altgegerhtfü Vacheleders
auf­genommen wurden, gPzc>igt. Die gesalzenen Häute komnH'l.1 zum \\'eiehPn in
T
I'<'C'ht.­eckige \'i asst>rbchältcr, worin sie h<'i öfterem \Yoehsel tle;.; Wassers 'l.Wl'i
bis drei
Tage verbleiben. Die H äutr sincl dann ganz saulwr und haben clarnwh d wa
dic lksC'haffc>nheit ang<•nommc>n, wil' sie vom 'l'iPrc ahgezogPn \1'tJl'<lt·11.

7.3 Grs.1lzrnr lbutr

7.5 Enthaart wird cnLwcd�r von JI:UHl oder 111lt


J·1nthnarm:ischincn. Dei geschwödoten Häuten
werden die HMre auch durch ,.\Valken." im
Walkfäß gelocl,ert. Hierbei entsteht durch das
Drehen des mit lnuwnrniem Wasser aufgefüllten
Fasses eine gegenseitige Reibung der liiiutc,
woclon,h �ic sich vo11 selbst; cuthnaten,

'1.4 Die Haarlockerung im Äscher

1) Die Bilder wurden in der Va.chcledcrfabrik Jakob Pfeiffer, Inh. Fritz Pfeiffe r, in Eberstadt
bei Darmstadt a.ufgenommmen.

7
Bei der Herstellung von Vacheleder kommen die Häute zum Zwecke der Haar­
lockerung in einen sogenannten „Äscher". Es sind dies mit verdünnter Kalkmilch
gefüllte Kästen oder Becken, in die die Häute eingehängt oder eingelegt werden.
Im allgemeinen kommen die Häute in drei Äscher, die von steigender Stärke
sind. Der Haarlockerungsvorgang selbst dauert etwa fünf bis zehn Tage.
Bei der Herstellung von Sohlleder
er­reicht man dies durch Einlagern
<lcr Häute in Kammern. Von jeder
Luft­zufuhr abgesperrt) kommen die
Häute darin zum „Schwitzen". Dies
ist die J;'olge eines Fäulnisvorgangs,
durch den die Haarwurzeln gelorkert
werden. Aber auch durch das
Auftragen eines Breies aus Kalk,
Schwefelnatrium, Kalziumsulfhydrat
oder rohem Ar­senik auf die Aasseite
der Haut läßt sich die Haarlockerung
erzielen. Diese Art wird mit,
,,Schwöden" der Haut bezeichnet.
8.1 Nach demEnthaaren werdendie Häuteabgespült.
S.2 Das Entfernen der Unterhaut wird auch mit
„Entlleischcn" bezeichnet. Hierbei wird die Haut
mit der Fleisehseite nach oben über dch
„Scher­baum" gelegt und die Unterhaut mit dem
sehr scharfen „Scherdegcn" entfernt.
S.3 Die Blößen gelangen nun in die „Farben" zur
Vorgerbung. Die llezelchnung .Farben" ist auf
die lederartige Färbung der Häute in diesen
ltä­sten zurückzuführen. Die Farben sind
gerbstoff­haltige Brühen, die je nach der Güt.,e des
Leders schwächer oder stilrkcr nngesetzt werden.
Die Häute laufen durch de!\ Fnrbengnng in
immer stärker werdende Brüllen. Je schneller die
Haut in Leder übergeführt werden soll, um so
stärl,er werden dfo Häute in den Farben angcgerbt.
8.4 Nnch dem Angerben in den Farben werden die
Häute oder Croupons In Gruben mit Lohe
„ver­setzt", d. h. die Räut-e werden entsprechend
ihrer Stärke mit Lobe bestreut. Nach jeder Haut
oder Jedem Croupon folgt eine Schicht L<>he. Die
Gru­ben aind im allgemeinen 2.60 m ticC unu
nehmen 60···100 Häute auf. Die Häute kommen je
nach Lederart und Güte zwei- bis vierm.:il zum
Ver• set.zen, bei einer jeweilig steigenden
Zeitdauer von drei bis zu sechs Monaten.

8
Nach nochmaligem Spülen werden die
Häute mit einem „Glättstein" und
einem scharfen, gekrümmten Messer
geglättet und gestrichen, um den noch
in der Haut befindlichen Kalk und
sonstige Unreinlichkeiten auf der
Narbenseite zu entfernen.
Nach diesen Arbeitsvorgängen
be­zeichnet der Gerber die Haut
als ,,Blöße", fertig für das Gerben.
9.1

9.1 Nach dem \'ersetzen wird die Gru\Je mit einem


Deckel abgeschlossen und mit 8teinen beschwert.
Hieraufwird die Grube bis obenhin mit Lohbrühe
aufgefClllt. Durch das Beschweren mit Steinen
wird das Hochkommen drs Grubeninhaltes ver­
hindert. An Stelle der Steine werden auch
am oberenll.ande der Gruben st,arkc
fü·ettcr(Planken) eingeklemmt.

9.2 Nach beendetem Gerbevorgang aus einem der


Sätze werden die Häute oder Croupons aus der
Grube gezogen.

9.3 Die zwischen den Häuten befindliche Lohe wird


nachdemEntleerender GrubezurHerstellungvon
LohbrUhen in besonderen Behältern ausgelaugt.

9.4 Um die fertiggegerbte Ilaut leichter bcar\Jeiten


zu können, trennt mau sie über den Rücken in
zwei Hälften.
9.2
9.5 Nach dem Gerben wird die Haut auf der mit
einem Messerkopf (Reckwalze) versehenen Ma­schine
auf dl'r Aasseite von noch anhafteutlcn losen
Fleischteilen und Lohe:\nhiings,•ln befreit.

9.a

-� .
k;:::c.,...., ,.,._.w....,__....,...,
9
10.1 Um dom Letlcr eine ,•ollkouunen glatte lleschnlfen­ 10.� Die Unuch• und Halst.eile, die '<"On der StoUma­
belt >.u geben, richtet man die llinte nuf der scbine nicht ,::cnügend erfaßt sind. werorn mit dem
Stoßmaschine zn. mn sich drehender Messerkopf', „Recken" auf die Tafel glatt aufgedrtlckt. Damit
wle die über die .tlnut laufcndo gerillte Wnlzo das Leder einen glanzomlen und geschmeidigen
bezeichnet wird, druckt die Haut auf dcu mit, Xru-bcn crhillt, wird es hl<'rnnf abgl'iil L und in den
einer lfetnllpl:itte versehenen drehbarrn Tisch 'l'rockcnrnurn i:cbrachl.
ft'llt. und reckt sie n:ich allen Seiten aus.

10.� Tro\'kr•ncs, nn�1•\\0:1lzh•s L,·,kr, cr�tnprlt

10.1 Jm aui.:cfcuchteten Zustand wird das Ledrr •uu,


Schluss., gewalzt,, d:uni� t':I gcnn:::�ndc
l,\,,ligkeit, und ::ut.r• .\ui;S('hrn Nhält.

U►.6 Die .Altgerber sind im .Altgcruer<•ctb:ind E.V." zusammfügc•scltlosscn.


Seine Mitglieder bedienen :,loh zur besontlcron KenntltchmMhung ihrer
nltgegerbtcn I,edcr eines vom Verband bernusgcbrachten, cesetzlich
geschützten .Alt�•rberstempds, womit auch undrrerseits der Verlxmd <'fne
Gewähr filr ,Ins ,·on s,,incn lliltgliedcm gelicfnte T.edrr Obemimmt.

Gerbmittel. Die EiC"hcnrindc liefert tlcn edelsten Gerbstoff, mit dem auch heute
noch wie in Urzeit,en das beste Leder hergestellt wird.
Auch die Fichtenrinde ist ein s<>hr brauchbarer Gerbstoff; sie liefert jedoch, allein
ou('r in überwiegendem 1Iaß angewandt, ein weniger gutes Leder.
]'ür die weitere Verwendung wird die Rinde gemahlen. Sie erhält dam1 clie
Be­zeichnung „Eichenlohe" bzw. I◄'ichtenlohe (11.1).
Die fertigen Leder erhalten oinen Stempel, aus dem der Hersteller, die Güte des
Leders und seine Gerbdauer zu ersehen sind, z. B.:
10
Vacheledcrfabrik
P.P.

Garantiert
für
in 1beste und
½ · bis reine Eichenlob-
2 jähriger Grubengerbung
Gerbdauer nach altem,
bewährtem Verfahren

11.1 Links: Fichtenrindebüodel,im Korb„Fichtenlohe"


Itecht&: Eichenriodebuodel, im Korb „Eichenlohe"

II. Das Zerlegen der Haut und der Bodenlederausschnitt

a) Die haThe Haut und ihre Zerlegung

Die Hautwerte werden eingeteilt. Für genähte Böden werden zweckmäßig eichen­
lohgrubengegerbte Z a h m vachehäute verarbeitet, weil sie gute Festigkeit
und Haltbarkeit haben und außerdem noch besonders biegsam sind. Bei Neu­
arbeit verwendet man
vorzugsweise halbe
Häute, weil in ilm . en
sämtliche Bodenle­
derteile enthalten
sind. ·w erkstätten,
die in der Hauptsache
mit Aus besserungsar­
beiten beschäftigt
sind, verarbeiten mei­
stens Kerntafeln,
,,Croupons" genannt,
die -durch die Zerle­
gung (Crouponieren)
einer Haut anfallen
(Croupon ist der fran- 11.2 Die Einteliung der Jfaut am lebenden Tier
zösischen Sprache
entlehnt und heißt
Hinterteil.)
Unter Crouponieren
einer Haut versteht
man also das Freile­
gen des wertvollsten
Hautteiles, des Ker­
nes oder der
Kernta­fel, durch das
Ab­schneiden von
Kopf, Hals und Bauch. 1 1 .3 Die Einteilung der halben Raut
11
Wie die einzelnen Hautwerte eingeteilt werden, ist aus den Bildern 11.2 (am
le­benden Tier) und 11.3 (halbe Haut) ersichtlich.
Die Hautwerte werden abgegrenzt. Vor dem Zerlegen einer Haut muß eine
mög­lichst genaue .Abgrenzung der einzelnen Hautwerte zueinander erfolgen.
Am sichersten wird dies dadurch er­
reicht, daß man zuerst die Seite
(Bauch) der Haut mit dem Narben
nach innen so weit flach aufgedrückt
in den Kern hineinschiebt, bis man
auf Widerstand trifft. Dies wieder­
holt man an zwei bis drei Stellen der
Seite, kennzeichnet die Widerstands­
grenze {12.1) und schneidet die Seite
hier ab. Hierbei empfiehlt es sich,
die Schnittstelle etwa 3·--4 cm wei­
ter in den Kern hineinzuverlegen,
damit der Kernübergang zum Teil
noch an der Seite verbleibt1).
Im gleichen Sinne verfährt man mit -��---�-�- .-,
der Abgrenzung d e s Halses vom 12.1 Die Widerstandsgrenze wird gekennzeichnet
eigentlichen Kern (12.2). Ein Tren-
nen des Halskernes vom Halsabfall erfolgt in der Praxis des Maßschuhmachers
nur selten. Man soll das Zerlegen einer Haut in viele Teile nach Möglichkeit
vermeiden, weil hierdurch zu große Verluste durch unvorteilhaftes Ausschneiden
der einzelnen Bodenteile entstehen.

D i e Regel sagt:
Je größer die Fliiche, deBlo varteilliafter das Auslegen, desto geringer die
Abfälle; je kll'iner die Fläche, um so größer die Abfälle, um so größer
die Verluste. ",
Nur beim Ausschneiden derjenigen Bo­
denteile, die aus Halskern und Halsab­
fall genommen werden müssen, wie auch
zur Berechnung derselben ist die Abgren­
zung zu berücksichtigen. Anders beim Le­
derhändler, welcher Halskern und Hals­
abfall für den Yerkauf besonders trennt
und ent.'>prechend bewertet. Die Ausdeh­
nung des Kopfes ist an der Haut leicht
zu erkennen. Gewöhnlich wird der
Kopf nach dem Abschl!ciden der Seite
entfernt. 12.2 Der Hals wird vom Kern abgegrenzt
1) In einigen Gegenden wird auch so verfahren, daß der Schuhmacher Hinterklauc, Yorderteil
und Hals nacheinander bis zum Kern drückt, wobei er mit dem Daumen die ·widerstands­
stellen abfühlt. Diese Stellen werden dann verbunden, so daß der Kern herausgeschnitten
werden kann.

12
b) Der Ausschnitt des Bodenleders aus der Haut
Die zweckmäßige Hautauswahl ist wichtig. Unwirtschaftlich {unvorteilha,ft) ist es,
die zur Herstellung von ein Paar Böden benötigten Bodenzutaten in jedem Falle
aus ein und derselben Haut zu schneiden. Starke Häute eignen sich nicht zum
Ausschnitt von m.ittelstarken oder gar leichten Böden. Durch übermäßiges Aus­
nehmen zu schwer geschnittener Zutaten entsteht ein nicht zu rechtfertigender
Wert- und Arbeitszeitverlust, wobei noch immer die Gefahr besteht, daß das
Schuhwerk zu schwer ausfällt. Umgekehrt verhält es sich bei der Verarbeitung zu
leichter Bodenleder, die in Ermangelung einer kräftigeren Haut aus der gerade
vorhandenen leichteren geschnitten werden. Leichte Zutaten für kräftiges Schuh­
werk zeitigen dieselben Nach teile wie die Verwendung minderwertiger und un­
fachgemäß verarbeiteter Bodenzutaten.
Hieraus ergibt sich die Forderung, stets mehrere Häute von verschiedenen Stärken
im Anschnitt zu haben {genau wie bei der Verarbeitung von Kerntafeln für
Reparaturzwecke), damit jeweils die geeignetste Zutat ausgeschnitten werden
kann.
Nun lassen sich aus ein und derselben Haut auch nicht 6, 7 oder 8 Paar vollständige
Bodenzutaten ausschneiden, sondern es wird entsprechend der Größe und Stellung
der Haut für diese Anzahl Böden immer an Unterfleckleder, Gelenkledler, guten
Brandsohlen und Hinterkappen fehlen. Diesem Mangel wird durch Sonderbe­
schaffung einzelner Köpfe, Hälse und Seiten, woraus die fehlenden Bodenteile
geschnitten werden, abgeholfen.
In welchem Maße eine halbe Haut vorteilhaft ausgewertet werden kann, hängt-im
wesentlichen von ihrer „Stellung" ab. Hierunter versteht man nicht allein das
Mengenverhältnis vom Kern (Croupon) zum übrigen Teil der Haut, sondlern
auch, wie die Haut hinsichtlich ihrer Festigkeit und Gleichmäßigkeit beschaffen ist.
Dies gilt für alle Häute und Felle, gleich, ob zu Unter- oder Oberleder verarbeitet.
Lose, schlappige Häute können, ebensowenig wie beschädigte Häute, niemals eine
gute Stellung haben und wirken sich im Ausschnitt und Zuschnitt verlustbringend
aus. Die großen Nachteile schlechtgestellter Häute und Felle lassen sich sehr an­
schaulich durch das unvorteilhafte Auslegen nachweisen, besonders aber durch
Gegenüberstellungen mit gleich schweren bzw. gleich großen, aber gutgestellten
Häuten und Fellen.

c) Die Bodenlederzutaten
Die Bodenlederzutaten für einfache Böden sind folgende:
1. Brandsohlen 4. Streifstände 7. Gelenkleder
2. Hinterkappen 5. Unterfleckleder 8. Durchaussohlen
3. Rahmen 6. Keder 9. Oberflecke
Aus Bild 14.l ist die allgemein übliche Art des Bodenlederausschnittes zu ersehen,
doch ist ein Abweichen von diesen Regeln in Sonderfällen nicht immer falsch;
Eine
zweckmäßige Verarbeitung anders ausgelegter Bodenteile behebt ohne Zweifel
manche Mängel, die sonst in Erscheinung treten müssen.
Brandsohlen. Man bezeichnet sie als die Grundlage des Schuhwerks, dessen
Tragfähigkeit und Lebensdauer in nicht geringem Maße von ihrer
Beschaffenheit
abhängig sind. Dünne, schlechte Brandsohlen bleiben auch im verarbeiteten Zu-

13
stande kraftlos, die Einstechnaht bekommt keine feste Auflage, die Rahmen fügen
sich nicht fest an den Schaft und Nässe und Schmutz dringen bereits nach kurzer
Tragdauer in das Schuhwerk ein. Brandsohlen müssen aber auch deshalb
kräftig sein, weil sie für den Schuh bei annähernd durchgelaufener Sohle den
einzigen Halt (Zusammenhalt) bedeuten. Versagen die Brandsohlen, dann
ist solches Schuhwerk schnell außer Form getreten, es wird, wie der
Fachmann sagt, ver­latscht, weil die Brandsohlen zu schwach und somit zu
nachgiebig sind. Im all­gemeinen schneidet man die Brandsohle aus der Seite
(Bauch), doch eignen sich

14.1 Der Bodenlederausschnitt aus der halben Haut. Natürlich muß die Haut viel ausgiebiger als hier darge­
stellt. ausgelegt werden. Es soll hier nur angede ute t werden, in welcher Art bzw. aus welchem Hautteil die
einzelnen Bodenteile zu schneiden sind

auch dünne Hälse (Rinder- und Kuhhälse) besonders gut für Brandsohlen,
vor­zugsweise bei Anfertigung von orthopädischem, Sport- und
Arbeitsschuhwerk, wasserdichtem Schuhwerk und Schuhen für Schweißfüße.
Selbst für die Her­stellung von Damenluxusschuhen ist die Verwendung
leichter Halsbrandsohlen dringend zu empfehlen.
Hinterkappen. Sie sind als seitlicher Fersenhalt von besonderer Wichtigkeit
für die Erhaltung unserer Fußgesundheit. Man muß wissen, daß die meisten
Fuß­leiden durch die Knickfußbildung (eine krankhafte Drehung der Ferse
nach außen) eingeleitet werden. Dieser Drehung der Ferse kann durch das
Einbauen kerniger und doch elastisch wirkender Hinterkappen vorgebeugt
werden. Voraus­setzung hierfür ist jedoch, daß die Leistenferse die richtige
Breite hat, dam'it die Kappe auch einen Halt gibt. Eine derartige Kraft können
aber nur kernige und gut verarbeitete Hinterkappen aus dem Halskern oder
Halsabfall aufbringen. Entsprechend der Hautbeschaffenheit lassen sich
mitunter auch Hinterkappen aus der Kratze schneiden. Der Ausschnitt von
Hinterkappen aus Bauch, Klaue oder Kopf ist abzulehnen; diese Hautteile sind
von zu loser Beschaffenheit.
14
Rahmen. An ihnen befestigt man die Durchaussohlen (Sohlen) durch Naht oder
Klebstoff. Die große Beanspruchung des Rahmens beim Gehen (Biegen), durch
Schmutz und Nässe verlangt somit kernigen und biegsamen Werkstoff.
Auch hierfür eignet sich Halskern am besten, nicht aber Seite oder Kopf.
Steifstände. Ein l\1ittel zur Formgestaltung und -erhalt,ung der Schuhspitze und
zum S c hutz der Zehen gegen Stoß und Verletzung sind die Steifstände. Unter
der Voraussetzung fachgemäßer Verarbeitung schneidet man sie allgemein aus der
Flemme (Wampe), doch bei stärkerer Beanspruchung (z. B. Sportschuhwerk}
auch aus dem unteren Teil des Halskernes oder Hals abfalles. Niemals aber
dürfen Steifkappen aus den Klauen geschnitten werden, weil sie dann zu ungleich­
mäßig und spissig sind und sich nicht formgerecht verarbeiten lassen.
Unterfleckleder. Zum Bau der Absätze verwendet man Unterflcckleder. Es soll
in seiner Stärke gleichmäßig, doch nicht zu dick sein. Den festesten Absatz gibt
dünnes, gut verarbeitetes Fleckleder, weil sich dünne Unterflecke im Aufbau
besser und unsichtbarer verbinden und somit auch weniger Gefahr laufen, zu
springen, als solche aus dickem Unterfleckleder. Nicht zu starke Ausschnitte aus
Kopf und Flemme, aber auch aus Seitenabfall, eignen sich am besten. Keder.
Man verwendet sie beim Absatzbau als Ausgleich der Fersenrundung. Die
Keder sollen dieselbe Stärke wie das Unterfleckleder haben, doch vor allem von
fester Beschaffenheit sein, damit sich der Absatzbau leichter und fester
gestaltet. Sie werden vorzugsweise aus Kopf, aber auch aus Halsabfall ausge­
schnitten.
Gelenkleder. li;ntsprcchcnd der Zweckbestimmung des zu hauenden H<:huhes
schncickt man das Gelenkleder ffu' flexible Schuhböden aus Halskern, für zu
versteifende H c h u h g e l c n k e , z . B. bei durchgetretenen Fußgewölben
(Pla.tt­fuß), aus Klauen (Hinterklauen}, die sich wegen ihrer Spissigkeit hierfür
beson­ders eignen.
Durchaussohlen. Als Laufsohlen des Schuhwerks müssen die D.urchaussohlen
in­folge ihrer starken Abnutzung von bester Beschaffenheit sein. Da der hintere
Teil der Sohlen unter den Absatz zu liegen kommt, ist es nicht notwendig, dlaß
sie bis hinten hinaus aus bestem Kernleder geschnitten werden. Zweckmäßig
schneidet man sie aus dem Seitenkern, und zwar so, daß der Absatzteil an
die Schnitt­stelle zwischen Kerntafel und Seite zu liegen kommt. Dieser Teil
der Haut ist noch nicht Vollkern und findet so seine beste Verwertung. Die
besten Durchaus­sohlen schneidet man aus dem Schildkern, mit dem
Absatzteil in die Kratze hinein. Leichtere Durchaussohlen (für
Damenschuhwerk) kann man aus Halskern schneiden, doch nur, wenn die
Struktur der Haut besonders gut ist.
Oberflecke. Den besten (festesten) Kern gebraucht man für Ober.flecke, weshalb
sie nach Möglichkeit dem Rücken der Kerntafel entnommen werden.
Halbsohlen. Der nach Ausschnitt der Durchaussohlen verbleibende Kern findet
für Halbsohlen und Ober.flecke Verwendung.
Ausschnittregeln. Durchaussohlen und Brandsohlen sollen im allgemeinen mit
ihrer Spitze dem Rücken entgegen gelegt werden, dem Zuge der Haut folgend. Auch
Hinterkappen und Rahmen soll man mit ihrer Länge nach Möglichkeit in dieser
Richtung auslegen, weil sich die im Leder vorhandene Dehnbarkeit n icht nach einer
falschen Richtung auswirken darf. Ein regelwidriger Ausschnitt des Bodenleders
kann ebenso wie sein n icht fachgemäßes Verarbeiten zu Fehlergebnissen führen.
15
B. Das Zurichten des Bodenleders

1. Die Boden]edcrteile werden für das Zurichten vorbereitet

Voraussctzm1g für ein einwandfreies Schuhwerk ist eine wirklich gute Boden­
arbeit. Bei dt1re11 Ausführung ist deshalb mit besonderer SorgfalL und Überlegung
zu verfahren.
Beim Eindampfen kann das Bodenleder „versaufen". ,,Eindampfen" ist das
Ein­weichen des Bodenleders.
Rein eichcngrubengcgcrbte Leder werden beim Einweichen nicht so leicht zuviel ·wasser auf­
nehmen, wie misch- oder schnellgegerbteLeder.Das liegt am Ger bstoffund an, derlangsameren
Gerbung, die den Zellenaufbau der Haut nicht beeinträchtigen.
Beim Einweichen werden die kernigen Teile des Leders zuerst in den Weichkübel
eingelegt; denn das Hautgewebe des Kernes ist dichter und fester als da..s anderer
Hautteile, wodurch eine langsamere Wasseraufnahme bedingt ist. Dann legt man
die weniger kernigen Teile und zuletzt die aus dem lockeren, schwammigen
Haut­gewebe geschnittenen Teile ein. Somit ergibt sich für das Einlegen der
Teile fol­gende Reihenfolge: Zuerst Durchaussohlen und Oberflecke, dann die
Rahmen und Hinterkappen, das Fleckleder, die Keder, das Gelenkleder, die
Steifstände und zuletzt die Brandsohlen.
Wegen ihrer Bedeutung für das ganze Schuhwerk müssen die Erandsohlen be­
sonders sorgsam behandelt werden. Vor allem dürfen sie nicht zuviel Wasser auf­
nehmen. Weil öfters nachzusehen ist, ob sie genügend dampf sind, müssen sif•
schon aus diesem Grund im vVeichkübel obenauf liegen. Kleine Einschnitte
(Schnittproben) in die einzelnen Bodenteile lassen den Fortschritt des Dampf­
werdens leicht erkennen. Richtig durchdämpfte Leder haben in der Schnittfläche
eine einheitliche braune Tönung (Farbe), nur teilweise durchdämpfte weisen in
der :Mitte der Schnittfläche einen helleren Streifen auf (16.1 u. 2).
�arben..
seite

16,1
Gut dutcll­
cfümpftes Schnitt­
Lederstürk fläche
Narben•
sctte

16.2
Nur teilweise
durchdämpftes Schnitt•
Lederstück fiiiche

16
Vor dem endgültigen Dampfwerden sind die Lederteile aus dem Wasser zu nehmen.
Vor der vollkommenen Durchsättigung der Lederteile mit Wasser entnimmt man sie
dem Weichkübel, um sie langsam nachziehen zu lassen. Dadurch wird nicht nur
ein allzu starkes Auslaugen der auswaschbaren Gerbstoffe verhindert, son­dern
auch. das Trocknen des Leders beschleunigt.
Der Gerber walzt im letzten Arbeitsga-ng die Haut (10.4), um ihr die notwendige Festigk eit zu
geben. Wenn aber das dampfende Leder hin und 'l'.ieder aus dem Wasser genommen wird, um
es zur Beschleunigung der ,vasseraufnahme mit den Händen durchzuwalken, so verliert es
wieder die durch das Walzen des Gerbers erzielte Festigkeit; seine Güte wird sehr beeinträch­
tigt.
Bodenleder soll fest und elastisch sein, nicht aber weich wie Oberleder.
Das durchdampfte Leder wird gereinigt. Unter dem Reinigen des Leders versteht
man vor allem das Entfernen der Faserbündel (Hautfasern, Muskelfasern) des
Unterhautbindegewebes, die der Aasseite zum Teil noch anhaften, durch das
Ein­dampfen gelockert und beim Scheren oder Falzen der Haut durch den Gerber
oft­mals nicht gründlich genug entfernt werden. Zum Reinigen nimmt man am
zweck­
mäßigsten ein gutes, scharfes Boden­
lederschäifmesser, mit dem
auchgleich­zeitig unebene Stellen
ausgeglichen werden können. Das
Abschärfen der Aasseite mit dem
Schärfmesser er­fordert eine gewisse
Sicherheit; denn allzu schnell kann
das Messer zu tief eingreifen und
dadurch das Lederstück unbrauchbar
machen (17.1).
Das Verschärfen eines Lederteils durch
Verwendung ungeeigneter oder gar stumpfer

Messer ist unzweckmäßig, weil dann nämlich


der beim Schärfen auszuübende Druck
größer sein muß als bei scharfen Messern 17,1 Beim Abschiirfen der Aasseite
und das Gefühl für die Schnittiefe verloren­
geht. zum Reinigen des Leders eine
Wird
Ziehklinge oder ein Glasstück genom­
men, so kann zwar das Leder nicht ein­
geschnitten werden, jedoch ist darauf
zu achten, daß nicht gegen den Zug des
Leders geschabt wird, da es sich sonst
auflockert und der Schaberfolg nur
unvollkommen ist (17.2).
Beim Schärfen des Leders ist auf den
Narben zu achten. Wo der Narben ent­
fernt wird, fehlt dem betreffenden
Stück Leder der Stand bzw. die Kraft.
Vergleicht man zwei gleiche Leder­
stücke (Hinterkappen- oder Brand-
sohlenstücke), so w ird man feststel- n.2 Bier wird gegen den Zug geschabt. 17
len, daß da,s Lederstück mit ganz oder
ti>ilwciso entferntem Narben lappig, das
andere aber fest ist (18.1).
Brandsohlen, Hinterkappen, Rahmen
und Slcifständi> müssen aber Kraft und
Stand haben. Darum ist die möglich­ste
Erh1iltung des Xarhens Gnmdbe­
dingung.
Doch können gewisse Gesichtspunkte
dazu führt'll, ihn l>ei einzelnen
Boden­lederteilen zu cntfrrncn. InfolgA
18.l :r.wcl Lederstock�. Dns cino Ist lappig; !ler seiner glatten uncl festen Rcschaffenheit
Nnrben ist entfernt. D:,s nndcrc ist lht: der bin­det sich der Narben nur schlecht. Dar­
Narben ist nicht entfernt
um muß i>r an allen den Stellen, die
mittels Kleber mit anderen Lederteilen oder "'erkstoffen verbunden wi>r<len
solli>n, ganz oder teilweise entfernt sein, z. B. beim Fleckleder, Gelenkleder und
bei den Kedcrn.
�arben hat auch die unangenehme Eigenschaft, sich besonders bei dünnen oder
abgesdüi.rften Lederteilen durch Einfluß von Feuchtigkeit und Wärme
(Fuß­schweiß, Fußwärme oder durchnäßtem Schuhwerk) nach innen, also
nach derNarbenseite zu, einzurollen. Bei Hinterkappen und Steifständen müssen
die obe­ren Kanten des Narbens in einer Breite von mindestens l .. ·l¼ c m
a.bgeschärft werden, sonst kann der sich rollende Narben, wenn er dem Inneren
des Schuhes zugc-ki>hrt ist, am Fuß (Ferse und Zehen) reiben und die Haut
verletzen.
Vbcr dem Schoßbrett wird ausgereckt. Brandsohlen und Fleckleder müssen vor
ihrer weiteren Verarbeitung über dem Schoßbrett ausgereckt werden, und zwar
dann, wenn diese Bodenteilo aus zugigen oder dünnen Hautteilen geschnitten sind.
Bei festen Bra.ndsohlen aus der Seite der Haut, bei Halsbrandsohlen und bei
kräf­tigem Fleckleder aus dem Kopf erübrigt sich diese )faßnahmo. Das
Ausrecken ge­schieht zweckmäßig über dem Schoßbrott, wobei die · linke Hand
das Lederstück fest an das Brett drückt (festhält) und die rechte das Leder mit
der Zwickzange über die Kante des Brettes zieht. Auf diese Art wird das
Lederstück rundherum gercc-kt (18.2).

Das Aunecken
18.2
über dem
Scboßbrett

18
Das Klopfen und Walzen des Leders festigt das Bindegewebe. ·wenn nach dem
Schiirfon bri einzelnen Lederteilen ein Klopfen notwendig wird, so soll nur leicht
von cfor Aasseite aus da.s fast trnckene Leder geklopft werden; denn durch das
feste Klopfen noch feuchten Leders oder das Klopfen des Narbens kommt es zur
Lockerung des Bindegewebes, und der Stand des Leders geht zum großen Teil
verloren. Vorsichtiges, von der )litt e des Leders aus kreisförmig nach außen
durchgefiilirtes Klopfen führt bei Verwendung eines ganz flachen Klopfliammers
mit breiter l<'lächo am siclwrstm zm· Festigung des Bindegewebes (19.1) .
Das YValzcn des Leders
soll nur mit größter Vor- •
sieht erfolgen, doch nie>
dann, wenn das Leder noch
na.ß ist. Durch die jeweils
einseitige Dehnung wird
<la,s Bindegewebe beim
Walzen übermäßig gezerrt
uncl verliert seine wert­
vollen Eigenschaften.

19.1
Das Klopfen des Leders von
innen nach außen

II. Das Zurichten der Brandsohle

a) Werkzeuge für die Bodenarbeit


Auf Form rmd es Zur
einwau<l­freien Bodenarbeit gehört vor allem ein
Güte kommt an.

ausgesncht gutes Werkzeug. Der tatsächliche Wert eines


vVerk­zeuges liegt nicht nur in seiner l!'orm, sondern
vor allem auch in der Güte des Stahles. Brenneisen
verlieren ihren Wert, wenn sie die Hitze nicht halten,
mögen sie auch noch so genau und formschön
ausgearbeitet sein. Messer sind wertlos, wenn der
Stahl zu weich oder zu hart ist, denn im ersten Fall
verlieren sie sofort an Schärfe und im zweiten
springen sie beim geringsten Widerstand aus, lassen sich
schlecht anfeilen und schärfen.
19.2 Messer (siehe auch Bild 69.2)
Kleines, handliches
a) Zuricht- und Beschneldmesser d) Bescbneid­messer für Rahmen,
b) Stark gebogenes Schärfmesser Riß, Schnitt, Gelenk usw.

d}
c) Schwach gebogenes e) Randmesser zum Ablassen von
Schärf­messer Kanten a) b) c) e}

19
Zu einem Werkzeugsatz für die Bodeuarheit gehfü·en folgende Werkzeuge :
1. Messer (19.2)
2. Zangen (20.1)
3. Raspeln und Feilen (20.2)
4. Brennwerkzeuge (20.3)
5. Sonderwerkzeuge (21.1,
22.1 u. 3)

20.1 Zangen
a) Beißzange
b) Sct1male Zwickzonge
c) Breite Zwlckzangc
d) Knips. oder Drahtzange o) b) c) d)

Raspeln u:nd Feilen


a) b) und c) Schnittraspeln
20.2

d)Absatzraspel
e)Absatzkanteufeile(dic
Anwendung ist ans Biltl 'l"l'
.2 ersichtlich)
f)Stiftenfeil�
g)ört<.1rfeile
h)Dreikantfeile zum
Anfeilen von Messern,
Ziehklingen nsw.
i)Stoßraspel wm
l,nt­fernen von
Unebenhei­ten der
Brandsohlen nach dem
Ausleisten

a) b) c} d} e} f) g} h)
Brennwerl<zeuge
a) Keileisen zum
20.3

Aus­brennen von
Keilabsiit­zen und starken
Sohlen­schnitten
b) Schnitteisen (gewölbt, mit
breiten Schnittkan­ten, für
Reparaturarbei­ten geeignet)
c) Scbn!U,eisen (flach, m it
schmalen Schnitt­kanten,
f.ür Neuarbeit geeignet, l
Satz not­wendig)
d) Gelenk- oder Hohl­

schnitteisen (1 Satz not­wendig)


e) Absatzplatte
f) Kantensetzer
g) Verzierungsrädchen
Damenböden)
(je l für Herren- und
h) Absatzlianteneisen mit
i) Stup prad (1 Satz not­
Yerzierungs.rädchen

k) wendig)
k) Auspulizstahl
20
g)

n)

a) b} c) d} f) h) i) {} m)

21.1 Sonderwerkzeuge
a) Rlßötfner Übenvalken und zum i) Stiftensetzer(zumVorschlagcn
b) Brandsohlenhobel (die Bear­beiten der Sohlen und der Herrnstiftenreihe in die
Anwen­dung Ist aus Bild 28.2 Durch• aussohlcn) Oberflecke)
und 29.2 ersichtlich) 1 Hammer (hiervon eine·n
c) Spitzknochen k) Leistenbaken
d) Putzholz (zum Beidrficken von größe­ren zum Klopfen des
Boden­leders und einen l) Nagelort
Sohlen• und Gelenkschnitt uml kleineren für
Riß nach dem Nähen der m) Rahmenklopfer (die
die übrigen Klopfärbeiren) Anwen­dung ist aus 59.1
�ohlen) g) Ziehklinge (zu Schabezwecken) zu.crsehep)
e) Gfül!schiene (zum Anarbeiten
h) Beschneidhom (dfoAnwenduug n) Rißrollcr (iur Yerbreiterung
der Brandsohlen n<>rh dem ist aus �9.3 ersichtlich) des Sohlenrisses)

21,2 Aufbewahrung der Jlrennwerkzeuge

%1,3 Aufbewahrung der Näh- und


Nagelörter

21
Gutes Werkzeug bedarf einer entsprechend sorgfältigen Behandlung umd Pflege,
damit es seinen ursprünglichen '\Vert nicht verliert. Das Werkzeug kann nur dann
scharf erhalten werden, wen n es für seine Verwendung auf dem Arbeitstisch oder
in greifbarer Nähe gut übersichtlich untergebracht ist. Auf den Werktisch selbst
gehören nur die Werk-
22.1 Plattort, Aufsicht zeuge,
� die im ständigen
Gebrauch sind, und diese
uud Seitenansicht
2
22· �t?:ltena�::f��ct
ht wieder so angeordnet,
22.3 Nagclörtcr, rund• daß die Messer mit den
uud flachkantig Raspeln nicht in Berüh-
tung kommen können.
Besonders ist auf das
Niederlegen der Messer
nach deren Ge. brauch
zu achten. Die Messer­
spitze muß dabei so zu
liegen kommen , daß man
beim Ergreifen eines a n ­
deren Werkzeuges nicht

j hineinfährt.
Auch das Ablegen von
Örtern auf dem Werk­
tisch führt zu Verlet-
zugen, da deren feine Spitzen in dem
Durcheinander eines unordentlichen
Werktisches leicht übersehen werden.
Örter sind nach Größe und Platt-,
Quer-, Bestech-, Stepp- und Nagel­
örtern geordnet an einem Wandbrett
(21.3, 22.1 · .. 3) unterzubringen.
Schnitteisen, Gelenkeisen und alle üb­
rigen Brenneisen werden ebenfalls ent­
sprechend ihrer Zusammengehörigkeit
geordnet an einem Brett aufgehängt,
wozu noch alle übrigen Wcrkzeuge kom­
men, die weniger gebraucht werden und
mit einem Griff zum Aufhängen und
Führen derselben versehen werden kön­
nen (21.2). Haben alle Werkzeuge so
ihren bestimmten Platz, wohin sie nach
jeweiligem Gebrauch zurückgelegt wer­
den, so ·wird man erstaunt sein, wie leer
und übersichtlich der Werktisch er­
scheint (22.4). Das lästige und zeitrau­
bende Suchen hört auf, Verletzungs­
möglichkeiten sind ausgeschaltet, und 22.4 Werktisch

22
von dem typischen Bild
der„ Schusterwerkstatt"
(23.1) ist der Hauptdar­
steller, der „Schuster­
tisch", verschwunden,
keinesfalls aber zum
Nachteil des Schuh­
macherhandwe.rks. Zur
Pflege des Werkzeuges
gehört auch das leichte
Einölen oder Einwach­
sen von wenig gebrauch -
. tenBrenneisen, damitsie
vor dem Verrosten ge­
schützt sind.
23.1 „Schusterwerkstatt"

h) Die Brandsohle wird beschnitten


Die Brandsohlen sind auf dem Narben einzustechen. Damit der glatte Narben beim
Einballen Bindekraft erhält und es späterhin nicht zum „Krachen" des Schuh­
werks kommen kann, wird er leicht, bis etwa zur Hälfte, mit der Ziehklinge oder
mit Glas abgezogen.
Viele Schuhmacher stechen Brandsohlen auf der Aa.sseite ein, kehren also die Narbenseite
dem Fuße zu. Wenn auch in diesem Falle der Narben dem Schuh ein schöneres und gepfleg­
teres Aussehen gibt, so sprechen doch wichtige gesundheitliche Erwägungen gegen eine solche
Bearbeitungsart. Der Schuhmacher muß meistens Schuhe für Füße krankhafter Art machen.
Bei der Gestaltung des Schuhwerkes und der Wahl der Werkstoffe muß das berücksichtigt
werden. Bei körperlichen Anstrengungen kommt es an der Fußsohle zu· stärkeren Schwei ß ­
absonderungen. Diese Schweißabsonderungen sind bei Plattfüßigen weg�n der allgemeinen
Fußschwäche besonders groß. Die im Schweiß enthaltenen Säuren (Essigsäure, Fettsäure)
führen zum Ätzen (Brandigmachen) der Brandsohlen. Nun ist der Narben gegen die Ein­
wirkung der Säurnn besonders wenig widerstandsfähig. Er wird glasig h art, verliert seine
Elastizität und springt durch die Bewegung des Schuhwerkes beim Gehen.
Die Aasseite der Brandsohle aber verhält sich ganz anders. Sie ist schweißaufsaugend und läßt
eine sclmelJe Ausdünstung zu, da sie größere Zwischenräume zwischen den Faserbündeln (das
lockere Geflecht der Hautfaser) hat. Sie wird nicht glasig und springt auch nicht.
Wird die glasig harte �arbenfläche dem Fuße zugekehrt, so bietet sie ihm beim Gehen wenig
Halt unrl Ur<>ifmöglichkeit. Die Zehenarbeit kann dann aueh nur unvollkommen erfolgen. Die
Auftrittsfläehe des Fußes soll aber besondns für Zweckroäßigkeitsschuhwerk und bei Schuh­
werk für kranke Füße rauh und saugfähig, nicht a,ber glatt, hart und luftabdichtcnd sein.
Sind die Brandsohlen auf der Aas- und Narbenseite abgezogen, so werden sie
nach dC'm Lrü;tcnumriß mit einer Zuga, be von etwa 1 cm rundherum ausl'inander­
gcschnitten. Da.s YerfahrC'n , die Brandsohlen mit Hilfe eines vom Leisten ge­
wom1enC'11 Bra,nrlsohlenmm;tcrs herauszuschneiden, die zweite Brandsohle nach
der erstf-n zu formen und auf dem Schoßbrett zu mngieren, darf höchstens für
Jeichtp,; Schuhwt>l'k ( Luxusschuhwerk) n,ugcwandt. werden, nicht aber für die Her­
sklhmg von z,wckmäßi�kcitssclrnlnrcrk.

23
Die Brandsohle wird auf dem Leisten befestigt. Wenn der Brandsohle die Dehn­
barkeit nicht genommen wird, kann es vorkommen, besonders bei dünne1·en, auch
bei dickeren losen Brandsohlen, daß sie im Tragen „wachsen". Die auf der Brand­
sohle ruhende Last des Körpers drückt das Bindegewebe des Leders bei mangel­
hafter Verarbeitung nach allen Seiten auseinander. Beim Feuchtwerden des
Schuhwerks (Schweiß oder Wasser) führt das schnell zum „Verlatschen". Das
schon erwähnte Ausrecken des Bra.ndsohlenleders über dem Schoßbrett sowie das
zusätzliche Klopfen genügen noch nicht, um das „Wachsen" der Brandsohle zu
verhindern. Darum mfü,sen die
Brandsohlen ordnungsgemäß über
die Leisten gewalkt werden. Erst
dann ist ihnen die letzte Dehnbar­
keit genommen.
Zu diesem Zweck heftet man die
noch etwas feuchte, leicht "durch­
geklopfte Brandsohle mit 3/ ,zölli­
gen Stiften mit der Aasseite gegen
den Leisten. Ist der Leisten wie
in Bild 24.2, Pfeil, zur Abstützung
des Fußquergewölbes stäl'ker aus­
gekehlt, so muß die Brandsohle an
dieser Stelle mit einem Kernstück
befestigt werden (Einwalken, 24.1),
bevor mit dem Auszwicken der
Brandsohle begonnen wird. Hier­
nach erfolgt nun ein nicht allzu
kräftiger seitlicher Zug am Groß­
zehenballen, darauf ein Gegenzug
am Kleinzehenballen. Na.eh jedem
24.l Die Brandsohle ist
über den Leisten
24.2 Leisten mit A11skehlung
zum Abstütze11 des Fuß­
Zug wird die Brandsohle seitlich
gewalkt quergewölbes bei Spreiz­ am Lei!lten befestigt. Nun beginnt
fuß
das Auszwicken des Brandsohlen-
gelenkes, an den Ballen beginnend
und abwechselnd einmal innen, einmal außen bis zur Stelle, wo der Absatz beginnt.
Dann erfolgt ein kräftiger Zug nach hinten über die Ferscnmitte und einige
Züge links und rechts davon, anschließend ein kräftiger Spitzenzug und dann
das abwechselnde Auszwicken der Seiten bis zu den Ballen. Nach dem Über­
walken bearbeitet man die Narbenseite der Brandsohle mit der Glättschiene, wo­
bei ein fester Druck ausgeübt werden muß (24.1).
Nach einern anderen Verfahren wird die Brandsohle zuerst an der Leistenspitze festgeheftet.,
den1 ein kräftiger Zug von der Fersenmitte nach hinten folgt. Durch diesen starken Längszug
entstehen besonders bei stärker gesprengten (im Gelenk ausgekehlten) Leisten große Längs­
spannungen, die den Gelenkteil der Brandsohle nur sehr schwer cinzuwalken erlauben. Erst
recht ist dieses Verfahren bei stärk hinter den Groß- und Kleinzehenballen ausgekehlten Lei­
sten für Spreizfüße verfehlt; denn in diesem Falle muß sich die Brandsohle in die ausgekehlte
Mulde zur Abstützung der durchgetretenen Mittelfußköpfchen anlegen (24.2, Pfeil). SViederum
verhindern große Längsspannungen dann das Einwalken. Bei Ausübung von Zw:ang durch
Presse oder Aufnageln eines harten, kernigen Lederstückes würde das Bindege'l'l"ebe leiden.
24
Die Brandsohlen müssen run Leisten seihst beschnitten werden. Wenn die Brand­
sohlen vollständig trocken sind, werden die Walkstifte entfernt (nur die mittleren
Heftstifte bleiben), und das Beschneiden der Brandsohle hart an der Leistenkante
kann beginnen. Vor dem Beschneiden des inneren Gelenkes wird zweckmäßig
der Gelenkverlauf eingezeichnet, denn das freihändige Ausschneiden setzt eine
große Sicherheit in der Messerführung und Formgebung voraus.
Das äußere Gelenk soll nach Möglichkeit voll gelassen werden; denn ein volles
Brand-,ohlengelenk hat weit mehr Tragfähigkeit als ein schmales, eingezogenes,
das dem Fuße, der Hinterkappe und auch dem Absatz kein genügend starkes
Widerlager gibt.
Volle Gelenke sind aber nur dann angebracht, wenn es sich um Schuhwerk für durchge­
tretene, ganz- oder teilversteifte Füße handelt und das Schuhgelenk zur Stüzte des durch­
getretenen Fußes b r e i t und versteift gearbeitet werden muß. In Normalfällen und bei nicht
versteiften Knick- und Senkfußfällen sollen das innere Gelenk möglichst schmal und das ganze
Gelenk beweglich gehalten werden. Dies aber auch nur dann, wenn der Knick- bzw. Senk­
fuß nach neuzeitlichen Erkenntnissen korrigiert wird.
Das Beschneiden beider Brandsohlen muß an dem Leisten selbst erfolgen, wobei
es zweckmäßig ist, an der inneren Fersenseite des linken oder der äußeren Fersen­
seite des rechten Leistens zu beginnen. Dies hat den Vorteil, daß man nach Er­
reichen einer gewissen Sicherheit die innere und äußere Brandsohlenseite in einem
Zug und somit auch genauer und sauberer beschneiden lernt.
Würde man die zuerst beschnittene Brandsohle vom Leisten abnehmen und auf dem Schoß­
brett wieder glattstreichen, damit die zweite B�ndsohle danach geschnitten bzw. geformt
werden kann, wie dies leider noch so oft geschieht, so wäre die ganze Arbeit des Einwalkens
det· dem F\tße angepaßten Leistenform sinnlos.

c) Das Einarbeiten der Einstechbahn


bei der Brandsohle
Das Einarbeiten der Einstechbahn, auch Ran­
gierungsbahn genannt, bei der Brandsohle ist
eine der schwierigsten Arbeiten beim ganzen
Bodenbau und muß darum besonders sorgsam
ausgeführt werden.
Die Absatzlänge wird festgestellt. Zunächst wird
die Absatzlänge für den herzustellenden Boden
festgestellt und l'Uf die Brandsohle übertragen.
Durchschnittlich kann für alle Absätze bis zu
höchstens fünf Stich ein Viertel der normalen
Leistenlänge gerechnet werden. Da <lie meisten
Maßschuhe das Gelenk des Fußes vom inneren
Fersenrand aus abstützen müssen, gibt ein
etwas länger als üblich gehaltener Absatz dem
Schuh bedeutend mehr Tragkraft als ein kür­
zerer Absatz, bei welchem dann ein viel kräfti­
geres Gelenk eingebaut werden muß. Es richtet
sich nach dem Einzelfall, ob bei der Absatzlänge 2�-1 Die Absatzlänge beträgt '/. der Lei­
zu- oder abgegeben werden muß. stenlänge

25
Nach der Fertigstellung des Schuhes muß der Absatz die Richtung zur Leisten­
spitze annehmen, was voraussetzt, daß er im rechten Winkel zur Längsachse des
Leistens aufgebaut wird (25.1). Die durch die Spitzen- und Fersenmitte laufende
Längsachse der Brandsohle wird durch 4 geteilt und auf ein Viertel der Gesamt­
länge von der hinteren Fersenkante aus berechnet. Dann wird im rechten Winkel
zur Längsachse die Absatzfront bezeichnet. Spitze Leisten habell ein sog. Über­
maß von ein, zwei und mehr Stich, das vor der Vierteilung von der Gesamtlänge
abgezogenwerden muß. An der so festgelegten Absatzfront beginnen auch die Ein­
stechbahn, der Anfang und das �nde für das Einstechen der Rahmen.
Häufig wird die Absatzlänge nach Augenmaß bestiill.lllt. Das führt aber zu .Absätzen, die zu
kurz oder zu lang sind, zu falschen Absatzstellungen und unsauberem Übergang vom Gelenk
zum Absatz. Oft bemerkt man erst beim Absatzbau diesen Grundfehler und macht nun den
Absatz entgegen der Rahmenanordnung länger oder kürzer. Durch ein nachträgliches Kür­
zerhalten des Absatzes fehlt dann ein Stück Rahmen und durch ein Längerhalten kommt
ein Stück Rahmen unter den Absatz zu liegen, was einen exakten Gelenkverlauf vei:hindert.
Nach der im Leisten angeord­
Die innere und äußere GelenkJänge wird festgelegt.
neten Lage des Groß- und Kleinzehenballens richtet sieb die innere und äußere
Gelenklänge. Ihre Anordnung zueinander kann sehr unterschiedlich sein (26.1 ).

'

y
1 . •-
·,i
-
t7l

26.1 Die Anordnung der inneren und äußeren Gelenkfänge 26.2 Das.Fcstle1:en derEin­
�ei verschiedenor Lai:c des Groß- und Kleinzehen­ stechbahn an der Ge•
hallens lenkeiomundung

Beim Einstechen der Außeneinstechbahn muß darauf geachtet werden, daß das
innere und äußere Gelenk entsprechend der Gelenkform des Leisten verläuft, d. h. ,
das Innengelenk muß unmittelbar hinter dem Großzehenballen enden und das
Außengelenk unmittelbar hinter dem Kleinzehenballen. Bei mangelhafter Form­
gebung der Einstechbahn ist schlechtes Tragen der Gelenke m1d des Schuhwerkes
die unausbleibliche Folge. Durch genaues Festlegen der Gelenkmündungen beugt
man derartigen Fehlern zweckmäßig vor (26.2, Pfeil a und b).
26
Da.s Festlegen der inneren und äußeren Gelenklänge mit Hilfe des Winkelsystems kann
höchstens für die mengenmäßige Herstellung in Frage kommen, nicht aber für den Schub
nach Maß bzw. für den Einzelfall. An getragenem, zur Reparatur übergebenem Schuhwerk
läßt sich sehr häufig in anschaulicher Weise die Auswirkung unzweckmäßig geformter Gelenke
nachweisen. In den meisten Fällen wird bei Schuhwerk mit vorstehendem Rand das innere
Gelenk zu kurz gehalten, d. h. die Sohle reicht zu weit über die Belastungsstelle des Groß•
zehenballens bei Punkt b in Bild 26.2 hinaus.Dieser Sohlenteil wird nicht mehr belastet, wölbt
sich und führt zum Abdrücken des Gelenkes.
Die Einstechbahn wird vorgezeichnet. Die Entfernung der Einstechbahn von der
Brandsohlenkante ist von zweierlei abhängig:
1. von der Dicke oder Stärke des Schaftmaterials,
2. von der Randgestaltung, ob anliegender oder vorstehender Schnitt.
Gut eingearbeitete Bodenarbeiter machen in dieser ljinsicht oftmals keinen
Unterschied zwischen anliegendem und vorstehendem Schnitt und gleichen den
Unterschied durch eine entsprechende
Führung des Einstechortes aus.
Bei Böden mit vorstehendem Schnitt und
bei Verwendung mittelstarker Oberleder
verläuft die äußere Rißlinie der Ein­
stechbahn (vornherum, vom Groß- zum
Kleinzehenballen) im gleichmäßigen Ab­
stand von durchschnittlich 4 mm von der
Brandsohlenkante (27.1 a).
Ein weiteres Einrücken der Einstechbahn uni die
Spitze herum ist unnötig, wenn die am Einzwick
gewöhnlich zu dick gehaltenen Steifkappen ord­
nungsgemäß dünn ausgcschärftwerden, wodurch
sie nicht übermäßig auftragen können.

Wenn man stärkere Oberlederarten und


Schaftstoffe verwendet, kommt die äußere
Rißlinie weiter nach innen, also etwa
5.. . 6 mm von der Brandsohlenkantc zu
liegen (27.1 b ). Das gilt auch bei Böden
r Die Binstecbb:tltn verlliuft bei a 4.. .5 mm
mit, anliegendem Schnitt. Zum \ orzeich- 27.1 bei b 5. . -6 mm von der llrandsohlcnk:mte
nen de-r ii.nßercn Rißlinie ,•erwcndet man
entweder die Spitze des Beschneidmessers oder man umfährt mit dem ent­
sprechend breit eingestellten Zirkel die Brandsohlenkante. Auch mit einem ge­
nügend breiten Schnitteisen kann die Rißlinie eingezeichnet werden.
Die Rißlinie des inneren Gelenkes soll unabhängig von der Brandsohlenkante in
leichtem Bogen nach innen verlaufen. Hierbei ist zu beachten, daß ein zu volles ·
Gelmk das Schuhwerk übermäßig schwer gestaltet, auch plump wirkt, und eine
ungehemmte freie Abwicklung des Fußes verhindert.. Dadurch trägt sich das
Schuhwerk schlecht, das Nachaußentreten wird gefördert. :Für die Gelenkbreite
sind das Leistengelenk und der Zweck des herzustellenden Schuhwerkes entschei­
dend. Eine Regel hierfül' gibt es nicht, denn die Brandsohlen werden, wie schon er­
"·älmt, im Gelenk oft voll gelassen oder gar hochgewalkt. Nur in wenigen Fällen kann
sich die Gelenkrißlinie dem Verlauf der inneren Brandsohlengelenkkante anpassen.
27
Die Rißlinie des äußeren Gelenkes folgt am besten dem Verlauf der äußeren
Brandsohlengelenkkante. Ein geschweiftes äußeres Gelenk trägt sich nicht immer
gut und wird deshalb selbst bei leichter Damenarbeit heute kaum noch angewandt,
niemals aber bei Herrenarbeit.
Da die Hinterkappen stets kräftig gehalten werden sollen, tragen sie auch nach
dem Einzwicken im Gelenk sehr auf im Gegensatz zu vorn, wo nur das Oberleder
und die Schaftstoffe (Überstemme und Futter} in die Einstechnaht kommen.
Darum muß die innere und äußere Gelenkrißlinie, je näher sie beim Einstechen
an die Absatzfront kommt, mehr und mehr nach innen verlaufen (um etwa 2 mm
mehr, s. Bild 27.1), sonst würde das Gelenk an der Absatzfront zu breit werden.
Ein zu starkes Einrücken an dieser Stelle führt dazu, daß die Gelenkbreite und
somit auch der Absatz zu schmal werden, wodurch die Hinterkappen am ferti­
gen Schuh wie übergetreten aussehen.
Die Rißlinie wird eingeschnitten und geöffnet. Die nunmehr in die Brandsohle ein­
geritzte oder mit dem Schnitteisen bzw. Zirkel eingedrückte äußere Rißlinie wird
zweckmäßig mit einem Messer sehr vorsichtig eingeschnitten, im Sinne des Riß­
schneidens bei den Sohlen. Nur beginnt man auf der linken Seite an der Absatz­
front, die Leistenspitze sich zugekehrt, wobei die Messerspitze nach außen gehal­
ten werden muß (28.1). Voraussetzung dazu ist allerdings, daß die Brandsohle
kräft.ig und kernig genug ist, daß man sie um etwa ein Drittel ihrer Stärke ein­
schneiden kann; denn dünne oder lose Brandsohlen können diese Art des Ran­
gierens nicht vertragen.
Mit einem Rißöffner wird der Riß dann geöffnet und die Brandsohlenkante ent­
sprechend der Rißtiefe mit dem Brandsohlenhobel abgelassen (28.2). So wird ein


t.1 1

28.1 Das Einschneiden der Rlßlinie :IS.2 Das Ablassen der Brnndsohlenkaote

28
29.1 Das Einzeichnen der zweiten Rißlinie 29.2 Das Ablassen der Rißlippe mit dem Brandsohlen­
hobel

gutes Widerlager für die Rahmen geschaffen, und der Boden wird bedeutend trag­
fähiger.
Zwar wird dieses Verfahren vielfach abgelehnt. Das liegt aber daran, daß die Verwendung
schlechten Brandsohlenleders gang und gäbe war und es leider auch heute noch vielerorts ist.
Die zweite Rißlinie wird eingezeichnet und geöffnet. Die so geschaffene kantige
Abstufung rund um die Brandsohle gesti:i,ttet es, mit einem auf 7 mm Weite ein­
gestellten Zirkel die zweite Rißlinie einzuzeichnen. Auch auf dieser Rißlinie schnei­
den Wir die Brandsohle ganz leicht ein (29.1), öffnen den Riß und lassen die Riß­
lippe mit dem Brandsohlenhobel ab (29.2). Die Messerhaltung und -führung ist
hierbei so wie bei der ersten Rißlinie, nur wird jetzt auf der rechten Seite ange­
fangen. Das Einschneiden endet dort, wo bei der ersten Rißlinie zu schneiden
angefangen wurde .
. Das Messer darf nicht so in die Brandsohle einschneiden, .daß der Einstechdraht
beim Anziehen die Einstechbahn zum Einreißen bringt. Bild 29.1 zeigt die richtige
Messerhaltung.
In den Fällen, wo dünnes Brandsohlenleder zur Verarbeitung kommt, ist von dom
Erarbeiten der inneren und äußeren Rißlinie abzusehen, da die Einstechbahn hier­
durch geschwächt wird und der Beanspruchung nicht standzuhalten vermag.
Man hilft sich, indem man die Einstechbahn mit Bleistift vorzeichnet oder mit
der Messerspitze leicht vorritzt, worauf das leichte Abstoßen (nicht Abschärfen)
der äußeren Brandsohlenkante erfolgt. Nach Möglichkeit vermeide man auch das
Vorstechen, vorausgesetzt, daß genügend Sicherheit im Einstechen besteht.

1
1

29
i

l
Die Einstechbahn wird vorgestochen, wenn sie so fertiggestellt
ist. Die Abstände von Stich zu Stich sollen durchschnittlich
7 mm betragen. Für eine feste Gestaltung der Einstechnaht
ist auch die Richtung der Stiche von großer Bedeutung. Eine
rechtwinklige Anordnung der Stiche zur Einstechbahn ist die
allgemeine Forderung, doch lehrt auch hier ,�ieder die Er­
fahrung, daß eine leichte Schrägstellung deshalb einen
festeren Stich ermöglicht und dem Rahmen einen noch festeren
Ha.lt bietet, weil durch die Schrägstellung der Rahmen fester
an die Einstechbahn herangezogen werden kann und hierdurch
eine größere Spannung erhält (30.l, s. auch S. 53 bis 57, Ein­
stechen).
Die Tiefe des Stiches soll nicht meht· als zwei Drittel der
Brandsohlenstärke ausmachen. Tiefere Stichlagen können
unter Umständen durch die Belastung des Fußes zum Durch­
drücken der Stiche nach innen führen, besonders da.rw., wenn
der zur Verwendung kommende Einstechdraht stark ist und
die Brandsohlen wenig kernig sind.
Die Stärke des Einstechortes muß stets der des Ein­
30.1 Beim VorstA!Chen stechdrahtes angepaßt sein, d. h. er soll immer ein wenig
der Einstechbahn
sollen die Stiche schwächer als der Draht gewählt werden. Ein zu feiner Ort
eine leichte führt zum Verbrennen des Drahtes und ein zu starker zur
Schräglage haben
Lockerung der Einstechnaht und Undichtigkeit <les Bodens.
Bereits beim Vorstechen muß Wert, darauf gelegt werden, daß der Einstechort
vorsichtig durch die Rangierungsba.hn ge­
führt wird und die Spitze des Ortes nur
wenig aus der Bahn hervortritt, damit keine
zu großen Löcher entstehen, die sich kaum
mehr schließen können (30.2).
Die vielen beim Einstechen zu beobachtenden
Schwierigkeiten sind in der Mehrzahl auf die Ver­
arbeitung ungeeigneten Brandsohlen- und Näb­
matorials wie auch auf die ungenaue Einarbeitung
der Einstechbahn zurückzuführen. Ist dieselbe
zu breit gehalten, so muß der Stich sehr tief ge­
führt werden, damit die Spitze des Einstechortes
die �ußere Rißlinie erreicht. Dadurch besteht
aber bei jedem Stich die Gefahr, die Brandsohle
durchzustechen. Was das bedeutet, stellt sich
erst nach dem Ausleisten heraus. Die Einstecb­
stirhe liegen unschön auf der Brandsohle und
machen sie uneben. Das muß, besonders bei
empfindlichen und kranken Füßen, zu Bean­
standungen führc-n.Bei zu schmalrangierten Ein­
stechbahnen besteht die Gefahr, daß sie beim
festen Anziehen des Drahtes durchreißen oder
sich nach kurzer Tragdauer des Schuhwerks los­
reißen. ::\fan sei deshalb sehr gewissenhaft bei
der Erarbeitung der Einstechbahn. 30.2 Das Yorstechen der Einstechbahn
lll. Das Zurichten der Hinterkappe
Auf die richtige Hinterkappenlänge und -höhe kommt es an. Die Grundform der
Hinterkappe ist von der Leistenform, dem Schaftschnitt und dem Zweck
des herzustellenden Schuhwerks abhängig. Allerdings unterscheiden sich
Hinterkappen für Herrenstra.ßenschuhwerk auch bei verschiedenen Schaftschnit­
ten nur unwesentlich. :.Vleistens sind die Hinterkappen zu kurz und zu hoch gehal­
ten. Die Länge der Hinter­
kappe soll jeweils der Länge
des Leistens (ohne Übermaß)
entsprechen, wenigstens so­
weit dies der Schaftschnitt zu­
läßt. Schuhwerk (auch Damen­
schuh,verk) trägt sich viel
besser, wenn die Hinterkappen
weit in die Gelenke hinein­
'----'1
1
ragen. Schwache oder kranke 1
1 äußerelänge l---
Füße bedürfen zur Stütze in

f-�y
1

e
fast allen Fällen einer genü­ 1 innere Länge --J

d-- � - � 11
gend langenundkräftigen Hin­
terkappe besonders auf der §
{� - �
J- - - �1:s [
inneren Seite. Darum muß sie
br-------..,....1.
---
hier auch länger als außen ge­ t-. --
halten werden. : :,r ., .,
_i_t:1_� �

1 innere Kappenseife iI au
·· nere nappenlete 1
t/ ·, , , .,, �


Die Höhe der Hinter­
kappe kann nach folgender 31.1 Der Entwurf der Hinterkappenform
Formel berechnet werden:
Zur Leistenlänge (ohne Übermaß) des herzustellenden Stiefels zählt man bei allen
Größen die Zahl 6, teilt das Ergebnis durch 6 und gibt 2 Stich für Zwickeinschlag
hinzu. Beispiel :
Die Lei9tenlänge ist 42 Stich
+ 6
=
48 : 6 8 Stich
+ 2 Stich Zwickeinschlag
10 Stich Kappenhöhe für Herrenstiefel, Größe 42.
Die Hinterkappenform für Herrenstiefel (Gtöße 42) wird entworfen (31.1).
1 . Ein Rechteck von 42 Stich Länge und 10 Stich Höhe zeichnen.
2. Die Hälfte der Leistenlänge (21 Stich +
2 Stich Zugabe für die innere Gelenk­
seite) von a nach b abtragen und Senkrechte c errichten.
3. Bei a und b an den Senk.rechten etwa 1¼ Stich seitliche Kappensprengung ab­
tragen. (Bei Absätzen von 5 Stich Höhe aufwärts beträgt die seitliche Kappen­
sprengung je nach Verlauf des Leistengelenkes 1 ¼ bis 2½ Stich.)
4. Kappenform einzeichnen. Der innere, längere Kappenflügel d läuft im leichten
Bogen nach unten aus, hingegen der äußere e kurz, rund. Für einen besseren
„Schluß" der Hinterkappe senkt man die obere Kappenlinie bei der Senkrechten c
um ½ Stich.

31
Bei Hinterkappen für Halbschuhe und Stiefel mit nicht durchgestepptem Futter
werden die Bogen d unde der beiden Kappen.flügel gleichmäßig in der Form (wie
der Kappen.flügel d) gehalten. Bevor das fertig­
gestellte Kappenmuster verarbeitet wird, muß
man es an den Leisten halten, um es a.uf seine
Paßform zu prüfen. Beim Anlegen der beiden
Kappen.flügel am inneren und äußeren Gelenk
ist festzustellen, ob sie nicht zu weit über die
Vorrangierung der Brandsohle hinausgehen (32.1,
Pfeile), denn in diesem Falle fällt der abge­
schärfte Zwickeinschlag zum großen Teil ab.

Wenn solche Kappenmuster verwendet werden, fällt der


niohtgeschärfte untere Teil des KappenfiügeJs· in die
Einstechnaht. Das führt zu einer Verbreiterung des
Gelenkes, und ein guter Übergang zur Fersenkante
(Absatzkante) wird hierdurch unmöglich gemacht.
Außerdem trägt sich ein solches Gelenk nicht,
denn die Stärke der Hinterkappe läßt an. der Ein-
32.l Das Anlegen der beiden Kappenftügel stechnaht eine feste Verbindung mit der lBrandsohle
am inneren und :l.ußeren Gelenk nicht zu.

Nach dem Zuschneiden werden die Hinterkappen geschärft. Das Schärfen beginnt
an der Narbenseite. Der Narben gibt der Hinterkappedennotwendigen „ Stand",

etwa 2 bis 2¼ Stich. Det dunkle Teil der eingezeichneten Kappe (31.1) zeigt den
er darf deshalb nur außen herum entfernt werden, und zwar in einer Breite von

nicht ausgeschärften Narben. Die Stärke des abzuschärfenden Leders beträgt an


den Kanten etwa ein Drittel der Gesamtkappenstärke und lä-uft bis· zum stehen­
bleibenden Narben hin aus.
Die teilweise Entfernung des Narbens ist notwendig, weil er sich bei Einfluß von Feuchtigkeit
(Schweiß) nach innen rollt, hart und glasig wird, das Futter und Oberleder durchscheuert
und Hautverletzungen verursacht.

Von der Aasseite erfolgt dann das breitere und unmerksam auslaufende
Schärfen nach den Kanten hin. Durch das nachträgliche Bearbeiten mit der Zieh•
klinge oder mit Glas werden bestehende Unebenheiten ausgeglichen.

Die Hinterkappe wird leicht geklopft. In halbtrockenem Zustand werden die Kap­
pen von der Mitte der Aasseite aus leicht geklopft. Harte Schläge müssen vermie­
den werden, damit da-s Bindegewebe der Ha11t nicht leidet. Die Kappe verliert
dadurch ihre Festigkeit. Um unnötige Faltenbildung beim Einzwicken der Hinter­
kappe zu vermeiden, schneidet man bei Pfeil f (31.1) eine Kerbe in Höhe von nicht
mehr als 1 ¼ Stich ein. Wenn die Zwickzugabe richtig gewählt und wenn ordnungs­
gemäß ausgeschärft wurde, erübrigen sich mehrere Kerben.
Das Walzen der Hinterkappe hat wegen der einseitigen Druckwirkung gewebezerstörenden
Einfluß auf die geschärfte Hinterkappe und verformt sie auch ; es ist darum nicht anzuwenden.

32
IV. Das Zurichten der Rahmen

Zuschnitt und Verarbeitung des Rahmens richten sich nach der Bodenart und
nach der Schnittart (ob anliegender oder vorstehender Schnitt, ob schmal oder
breit vorstehend).
Länge und Breite des Rahmens werden abgemessen. Damenrahmen für anliegen­
den Schnitt hält man durchschnittlich 8 mm und für vorstehenden Schnitt
8···10 mm breit, Herrenrahmen für anliegenden Schnitt 10 mm und für vorste­
henden Schnitt 12· · · 14 mm breit. Beim Zuschnitt ist zunächst·auf genauen Schnitt
und Einhalten einer gleichmäßigen Breite zu achten. Die Länge wird zweckmäßig
an der vorrangierten Brandsohle abgemessen.
Solange noch keine genügende Erfahrung im Einstechen da istt werden der abgemessenen
Länge 3···4 mm zugegeben, da die Kappen und Schäfte auftragen und durch das„Einhalten"
des Rahmens im Gelenk und um die Spitze Längenverluste entstehen, die im voraus nur
ungenau bem.essen werden können. Es kann sonst vorkommen, daß der Rahmen angesetzt
oder übermäßig angezogen werden muß, damit er langt. Dadurch entstehen aber Spannungen
im Rahmen, besonders im Gelenk, das sich dann nicht gut anlegt und deshalb schlecht trägt
(s. S. 56: ,,Einstechen").
Vor dem Einstechen des Rahmens ist die innere oder äußere Gelenklänge genau ab­
zumessen. Wenn das Außengelenk oder beide Gelenke im „Plattschnitt" herge­
stellt werden sollen (z.B. bei schwerem und Sportschuhwerk), wird der Rahmen in
der ganzen Länge einheitlich rangiert. Soll der Gelenkschnitt jedoch dünner als
der Sohlenschnitt werden, dann ist es ratsam, einen schon starken Rahmen im
Gelenkteil um etwa 1/3 seiner Stärke abzulassen. Bei mittelstarkem Rahmen ist
ein Ablassen im Gelenk nicht zu empfehlen, weil er sonst an Haltbarkeit verliert.
Vor Beginn des Einstechens ist also ein genaues Abmessen der inneren oder äuße­
ren Gelenklänge notwendig. Der Übergang vom Gelenk zum Schnitteil muß genau
abgegrenzt sein, wenn auf einwandfreie Arbeit Wert gelegt wird, Bei Gelenkhohl­
schnitt muß einer genauen Abgrenzung noch mehr Beachtung geschenkt werden,
denn bei falschen Abmessungen fällt die 'Obergangsstelle vom Gelenk zum Schnitt
unsauber aus.
Die Rangierung des Rahmens richtet sich
nach der Bodenart. Die bekannteste Art
des Rangierens für den in den Platt­
schnitt fallenden Teil des Rahmens ist
das einfache, schräge Ablassen der einen
Rahmenkante um etwa ein Drittel der
Rahmenbreite. Für leichtere Böden
und für Böden mit anliegendem Schnitt
ist diese Rangierungsart angebracht.
Schwere Böden mit vorstehendem
Schnitt benötigen eine festere Ver- a
a b b
ankerung, wie sie bereits bei der Ran- 33.1 Rnngiert� :&ahmen
a) für festeres Schuhwerk
gierung der Brandsohlen erwähnt wur- b) für leichteres Schuhwerk
de, denn sie sind einer stärkeren Be-
anspruchung ausgesetzt. Der schräge Schnitt (33.l b) bietet dem Rahmen kein
festes Widerlager gegen Schaft und Brandsohle. Besser ist die Rangierungsart,
33
wie sie in Bild 33.1 a dargestellt ist. Das stufenmäßige Ablassen des Rahmens er­
gibt eine Kante, die sich fest der auf gleiche Weise rangierten Brandsohlenkante
anzupassen vermag. So entsteht ein festes Widerlager. Die Gegenüberstellung
beider Rangierungsarten in Bild 34.1 läßt ihre Wirkungsweise gut erkennen.

,. ,,­
eingezwickter ,/ eing�zwiclrfer /
Schaft�11 Schaft �/

[in.sfechnoht
I

i 1 Einsfechnahf
I
/ 1

{ Brandsohle he
rr---\�---··· ···· .. + L.,,,.. .
____is;;:;:_:...---..- \ -._-_Bra_._n_i_o-.-l__.
s

,_
-i
_____-t-
Lt---+-
Rahmen
. .A-�-----\
-1 . ?:, Einslechbahn
Einstechbahn t ·
Rahmen

3'l.l Brandsohlen uod Rahmen ; links für fcsoor�s Schuhwerk, rechts für leichteres Schuhwerk

Der Rahmen wird rangiert in derselben Weise, wie es bei der Herstellung der ersten
Rißlinie auf der Brandsohle besprochen wurde. Mit einem Zirkel wird zunächst
die Breite der abzulassenden Kante für den vorstehend zu arbeit enden Rahmen­
teil gekennzeichnet. Unter leichtem, vorsichtigem und gleichmäßigem Druck
schneidet man mit einem scharfen Beschneidemesser eine Rißlinie ein. Das Riß­
schneiden erfolgt genau so wie das für eine zu nähende Sohle. Die abzulassende
Kante liegt links. Das Messer wird in leichter Schrägstellung von rechts nach links
geführt (siehe die Messerhaltung in Bild 28.1). Nun wird der Riß mit dem Riß­
öffner vorsichtig geöffnet und die Kante mit dem Brandsohlenhobel um etwa die
Hälfte der Rahmenstärke abgelassen. Der genau zu . bemessende Gelenkteil des
Rahmens wird von der Aasseite aus entsprechend dünn geschärft. Zum Schluß
wird die obere Schicht des Narbens vom ganzen Rahmen entfernt, damit sich die
Stiche leichter in den Rahmen einziehen können und die Ausputzfarben (Schwärze)
besser einzudringen vermögen. Auch die Aasseite muß gut mit Glas oder mit der
Ziehklinge abgezogen werden.
Der andere Gelenkteil des Rahmens wird zweckmäßig erst dann scharf begrenzt
und durch Unterlegen einer Glasplatte oder dünnen Schärfeplatte fertig geschärft,
wenn man mit dem Einstechen auf 2···3 cm an das Gelenk gekommen ist. Nur so
kann mit größter Sicherheit ein genauer Gelenkübergang erzielt werden ( siehe auch
Seite 57 „Das Einstechen").

V. Das Zurichten der Steifkappen

Die Form der Steifkappen wird bestimmt. Bei Steifständen entwickelt sich das
Muster aus der Leisten- und Schaftform. B e i Schäften mit g e r a d e n Z i e r kap­
p e n bekommt die Steifkappe in den meisten Fällen die gleiche Form und Größe,
34
:,ic ist ihl' also im 1Iuster nur anzupassen. Nun kommt es aber vor, claß der Zwick­
einschlag an den Schäften außergewöhnlich groß ist. Würde die Steifkappe mit
, lern gleichen großen Zwickeinschlag versehen, so wäre mit einer zu großen Falten­
hildung an der Spitze zu rechnen und der geschärfte Zwickeinschlag der Steif­
kappe würde zum großrn Teil abfallen. Dadurch würde der Rahmen zu weit nach
außen kommen, clenn der Zwickeinschlag fällt dann stark in die Einst,echnaht
hinein. Auch das Herausarbeiten einer guten Spit,zenform würde unmöglich ge­
macht. Es ist deshalb notwenrlig, die Schäfte zunächst ordentlich überzustollen,
damit sie auf ihre Pu,ßform geprüft und vom übermäßigen Zwickeinschlag befreit
werden können. Von der jetzigen Größe der Zierkappe fertigt man ein Muster und
schneidet hiernach die Steifstände.
Steifstände, welche zwischen Zierkappe und Besatz oder Blatt ein­
gearbeitet werden solleu, müssen mit ihrem Bogen (ober:e Kante) scharf gegen <lie
Steppnaht oder Kappenverzierung stoßen und somit auch genau die Bogenform
der Verzierungsnaht haben.
Steifstände über das Futter gezwickt müssen über die Verzierung bis
zur Kante der Verzierungskappe reichen . In diesem Falle wird also das Steifkap­
penmuster um die Verzierungsbreite größer.
Schäfte ohn e Zierkappen erhalten im allgemeinen eine Steifkappe in der
Größe, als sei eine Zierkappe am Schaft vorhanden, nur wird der Kappenbogen
fast gerade gehalten und auch etwas dünner und langsamer verlaufeml· ausge­
schärft.
Ste ifkappen für sog. ,,Flügel­
kappen" bekommen ebenfalls eine
Flügelform, nur werden die Flügel
kurz gehalten (35.1). Die dunkleren
Flächen des Bildes stellen die einzel­
nen Steifkappenformen und ihr Ver­
hältnis zu den Zierkappen dar.

Die Steifkappen wei:den geschärft wie


die Hinterkappen, zunächst von der

n
Narbenseite aus und in einer Breite
von etwa 2···2½ Stich rundherum
(35.1 e). Von der Aasseite aus nimmt
man das restliche Schärfen vor, stets
daraufbedacht, daß derÜbergang von
der Mitte nach den Seiten hin ein kaum
merklicher ist und der Einzwick dünn
genug gehalten wird, damit er sich
leicht einzwicken läßt und die Falten­
verteilung und Kantenbearbeitung
ohne Schwierigkeiten vor sich gehen
35.1 Verschiedene Formen der $teifkappe
tl) Steifknppengrößc zum Aufzwlcken aufdas Futter

kann. Das Ausglasen und Klopfen


b) Steifkappengröße zum Einschieben
c) Steifkappengröße für Schäfte ohne Zierkappe
erfolgt wie bei der Hinterkappe.
d) Flügelsteifka1ipe
e) Narbenseite eines geschärften Steifstandes

35
VI. Das Zurichten des Fleck- oder Absatzleders

Vor dem Zuschneiden muß geschärft und geklopft werden. Damit das unenvünschte
Platzen (Reißen) der Absätze vermieden wird, empfiehlt es sich, die Aasseite bis
zum Erscheinen des Bindegewebes der Haut zu reinigen bzw. abzuschärfen. Auch
der Narben muß fast restlos abgezogen werden, da seine Sprödigkeit und Festig-
keit einer festen Verbindung entgegenwirkt. Das
Fleckleder wird zweckmäßig von der Aasseite aus
geklopft, und zwar in fast trockenem Zustand.

Die Größe des Fleckleders wird bestimmt. Das


Rangieren der einzelnen Unterflecke richtet sich
nach dem Oberfleck oder dem Oberfleckmuster.
Die Größe des Oberfleckes ist im allgemeinen
durch die Höhe des Absatzes bestimmt. ·
Flache Absätze bis zu 4 Stich Höhe werden
breit und lang gehalten (englische Form). Für
den Musterentwurf benutzt man die rangierte
Brandsohle, indem man die Ferse bis zur ein­
gezeichneten Absatzlänge mit einem Zirkel um­
fährt, und zwar mit einer Zugabe von ungefähr
l Stich (36.l a). Nach diesem Muster werden die
Unterflecke rangiert, jedoch gibt man in der
Länge, an der Absatzfront, etwa ¼ Stich zu,
damit das Beschneiden der Absatzfront nach
36_1 verschiedene Größen und Formen dem Aufbau des Absatzes genauer durchgeführt
der Absätze werden kann. Übermäßiges Größerschneiden der
Unterflecke ist unzweckmäßig_ und erübrigt sich
überhaupt dann, wenn an der Brandsohle die endgültige Absatzlänge festgelegt
wurde. Nach der Höhe des zu bauenden Absatzes und der Stärke des Fleckleders
richtet sich die zu rangierende Anzahl der Unterflecke.

Absätze von 5 · · · 6 Stich Höhe (amerikanische Form) müssen entsprechend


der Breite und Form der Leistenferse schmal gehalten, untersetzt und in der Form
gefällig gehalten werden. Das Oberfleckmuster wird also schmaler als die rangierte
Brandsohlenferse entworfen, und zwar um annähernd l Stich. Durch das Unter­
set,zen und Schmalhalten des amerikanischen Absatzes verkürzt sich zwangs-
läufig auch der Oberfleck, und zwar um
1½···2 Stich (36.lb u. 36.2a).

Eine feste Regel für das Einrücken des Ober­


fleckes, die Gestaltung der Oberfleckenbreite
und -lä-nge gibt es nicht, denn bei Verwen­
dung starken Schaft- und Kappenwerkstolfes
entsteht eine größere Fersenbreite als bei
dünnen Werkstoffen. Da aUe Regeln für
36.2 Der amerikanische Absatz Oberfl.eckberechnung von der Brandsohlen-

36
breite und -länge ausgehen, würden die nach solchen Regeln geformten Oberflecke im oben
erwähnten Falle zu klein (schmal und kurz) ausfallen, wodurch dann der Absatz eine U-Omög­
lirhe Form erhalten wfüde.Entscheidend für die eigentliche Form und Stellung des Absatzes
ist die gesamte Bodenbreite, wie sie sich nach dem Nähen und Beschneiden der Durchaus­
sohlen ergibt. Die Oberfleckformung nach der Brandsohlenbreite kann nur als eine behelfs­
mäßige bezeichnet werden, und nur der erfa.h.rene Bodenarbeiter ist in der Lage, ein Ober­
flec-kmuster schon bei der Rangierung des Fleckleders annähernd passend zu gestalten.

VII. Das Zurichten der Keder

D i e Länge der Keder errechnet sich aus dem Umfang der Leistenfersenkante
unter Zugabe von 2,.. 3 Stich für das Verkürzen des Keders bei der Formgebung.
Die Breite des Kederstreifens soll unter Berücksichtigung eines Vf!rlustes
durch das Spalten 4 · ··5 Stich betragen. Der gespaltene Keder ist durchschnittlich
31/t .. ·4 Stich breit.
Zu schmal gehaltene Keder behindern oft
�,s,�;,�eff{'N
�· .... • ............ __, ......f
eine genaue Aufbauarbeit, weil die Holz-
1üigel zu nahe an der Kante eingeschlagen
werden müssen und die Gefahr besteht,
daß sie bei der weiteren Bearbeitung her­
auskommen oder die Keder wegen ihrer a)
keilförmigen Beschaffenheit beim unfach­
b)
gemi1ßon Aufnageln im Verlaufe des Tra­
gens des Schuhwerks herauswachsen.
Yor dem Spalten zieht man die
Karben- und .Aasseite ordentlich ab, 31,1 Kederstrelfen a) gespalten b) geformt
um eine gute Bindefähigkeit für das
spätere Kleben zu schaffen. Nach dem Spalten bringt man die Kcderstreifen unter
ständiger Bearbeitung mit dem Hammer in die Hufeisenform und klopft sie
leic-bt durch {37.1).

Vlß. Das Zurichten des Gelenkleders

Das entweder aus dem Halskern oder den Hinterklauen zu schueiden<le Gelenk­
leder (s. auch K. 15 und 60) wird von beiden Seiten gut gereinigt, und <ler Narbc-n
wircl dabei gut aufgerauht, um das „Krachen" der Gelenke zu ,·erhindern.
Dann klopft man es in fast trocke-
nem Zustand ordentlich durc-h. Die
Breite und Länge richten sich nach
dem innerhalb der Einstech- und
Einhindena.ht, verhleibenden Raum.
Yorn sollen <lie Gelenkstücke etwa
2 1 {,.. .3 cm über die Ballenliniehinaus­
r�gen, was zur besseren Formhaltung'
des C:elenkesund desSchuhes wesent- 31,2 Die GelenkstOcke gehen 2'/,· ..3 cm liber die Ballen­
lic-h beiträgt {37.2). llnie hinaus

37
rx. Das Znricbten dt>r Dur<'hanssohlt'D
Die Durchaussohlen werden zugeschnitten. Der Zuschnitt erfolgt nac·h ücm Brnud­
sohlcmmuster. Zunächst wird die Aasseite gut gereinigt, und Vnterschiede in <ler
Sohlenstärkc werden durch Ausschärfru ausge&rlfrhen. Das BrandsoMenmu:-tc•r
wird auf die Durchn,ussohle gelegt und mit dem Zirkd nl.Ilfahrm.
Bei mittelmäßig Yorstehendem Schnit.t und mittclstarkem ScJiaft- t11Hl
Kappenwerkstoff muß die Durchaussohlc rundherum <.>twa 1 Stich hrriter gehal­
ten werden als das Brandsohlenmuster.
Durchaussohlcn für anliegenden Schnitt bekommrn eine Zugab<.> Yon
-1 . ••5 mm. Vor dem Umzeichnen muß clcsluilb die Zirkek•instellung entsprcchcncl
erfolgen.
Damit der Gelenkhohlschnitt nicht zu dick ausfällt, nimmt. man ,om Gelenk der
Durchaussohle seitlich in einer Breite von 2½--·3 Stich im Verhältnis der. rnrge­
sehenen Hohlschnittstärke etwas ab. Vorher jedoch muß die innere und äußere
Gelenklänge an der Durchaussohle genau gekennzeichnet werden, um einen schlie­
ßenden Übergang vom Hohlschnitt zum Plattschn.itt der Sohle zu gewä.hrleisten.
In halbtrockenem Zustand werden die Durchaussohlen nunmehr Yon der �litte
aus kreisförmig nach außen hin geklopft.
Der jetzt fertig rangierte Boden muß vor dem Austrocknen bewahrt werden, wenn
er nicht sofort zur Verarbeitung kommt. Zur Aufbewahrung eignen sich Stein�t­
behälter. Auch das Auflegen der Zutaten auf Steinplatten, Einpacken in feuchtes
Papier usw. sind zulässig. Das Austrocknenlassen und gelegentliche Wiederbe­
feuchten schadet dem Leder und dessen Weiterverarbeitung.

X. Das Zurichten de1· Überstemme

Die Auswahl des richtigen Leders ist wichtig. Überstemme dienen dem Schaft als
seitliche Stütze. Sie müssen deshalb aus standhaftem Oberleder geschnitten wer­
den. Durch die stete :Bewegung
des Schuhwerks bei der Abwick­
lung sackt ein loser Überstemm
sehr bald zusammen und führt zu
Faltenbildung, die nicht nur dem
Fuß, sondern auch dem Aussehen
des Schuhwerks schadet. Wenn
auch die Überstemme zwischen
den Schaft zu liegen kommen und
somit nicht sichtbar sind, so darf
doch dafür kein Oberlederabfall
verwendet werden, wie das leider
häufig geschieht.
Die Länge u n d Form der
Ü b e r s t e m m e werden be­
38.1 Überstemme mit Hinterkappe und Steifkappe

stimmt. Sie richten sich nach dem Schaftschnitt und der Länge der Hinter­
kappen und Steifstände, denn sie sollen vorn um etwa 1 cm über die Steifkappen
38
und hinten 1¼·· · 2 cm über die Hinterkappen hinausreichen. Die Gesamtbreite
(also einschließlich 2 Stich Zwickeinschlag) beträgt durchschnittlich 5 · · · 6 Stich
für Damenüberstemme, 6···7 Stich für Herrenüberstemme. Der untere :Bogen der
Überstemme muß dem Schaftverlauf folgen. Vorher aber muß vom Schaft der
übermäßige Zwickzuschlag entfernt sein, damit ein einwandfreies Überstemm­
muster erarbeitet werden kann (38.1).
Das Schärfen der Überstemme soll von der A.asseit.e aus erfolgen, doch ist
es bei Verwendung kerniger Überstemme ratsam, auch die Kante des Narbens
leicht abzustoßen, da sich der Narben des Oberleders durch Einfluß von Feuchtig­
keit (Schweiß) und Wärme rollt und zur Faltenbildung führen kann.

C. Das Aufzwicken der Schäfte

I. Die Schäfte werden überprüft und zum Aufzwicken vorbereitet

Das Überholen der Schäfte geht dem Zwicken voraus. Vor dem Einbringen der
Hinterkappen und Überstemme müssen die Schäfte auf richtigen Sitz überprüft
werden, d. h. es muß festgestellt werden, ob die Zierkappen und Hinternähte
(Hinterriemen) eine gerade Anordnung haben.
Dies läßt sich nur durch ein ordnungsgemäßes Überholen der Schäfte erreichen,
worunter man ein Überzwicken der Schäfte über die Leisten mit nur wenigen
Zwickstiften versteht. Hierdurch läßt sich feststellen,
ob die Zwickzugabe am Schaft nicht übermäßig groß
ist, besonders an der Ferse und der Spitze, wo sie beim
Zwicken wegen zu großer Faltenbildung störend wirkt
und einer guten Kantenausarbeitung hinderlich ist.
Der überschüssige Zwickzuschlag wird etwa ein Stich
hinter den nicht weiter als zwei Stich von der Leisten­
kante entfernt eingeschlagenen Zwickstiften abgeschnit­
ten (49.2).
Wenn durch das Überholen festgestellt wird, daß die Zierkap­
pen schief angebracht sind, soll mau nicht durch stärkeres Vor­
holen des etwas zurückstehenden Kappenfiügels versuchen,
diesen Fehler unsichtbar zu machen, denn dies führt meistens
zu Zwickfalten, die nach dem Ausleisten noch störender wer­
den. Richtiger und in allen Fällen zeitsparender ist es, Fehler
am Schaft auch am Scho.ft selbst zu beheben. Die Paß- und
Tragform des Schuhes würde dagegen sehr leiden, wenn man
versuchte, Nähte, Hinterriemen oder Zierkappen durch einseitige
Zwickmaßnahmen in die richtige Lage zu zerren.
Der Untertritt muß abgeschärft werden, wenn er zu breit
ist. Durch das Überholen, das
dem eigentlichen Zwicken
39.1 Breiter, ungeschiirfter
vorausgeht, nehmen die Schäfte teilweise die Leisten- Quartier-Untertritt

39
form an (besonders wichtig bei Schäften für Ortho­
pädiefälle), wodurch das Zwicken bedeutend erleich­
tert wird. Bei nicht ordnungsgemäß gearbeiteten
Schäften ist der zwischen dem Oberteil und dem
Ringbesatz oder Blatt liegende Untertritt oft zu
breit und nicht ausgeschärft (39.1). Es zeichnen sich
dann die unteren Kanten der Schaftoberteile am Be­
satz oder Blatt ab, wirken bei zu großer Stärke und
Härte des Oberleders im vorderen Teil aufBallen und
Zehen als Druckstellen und können Hautentzündun­
gen hervorrufen. In solchen Fällen müssen der Besatz
oder das Blatt umgeklappt und der Untertritt auf
etwa 1 cm Breite abgeschärft werden.
Die Hinterkappen werden eingehi:acht. Vor dem
Einbringen der halbfeuchten Hinterkappen durch­
näßt man noch einmal besonders deren Zwickein­
schlag, denn das Einzwicken wird dadurch wesent­
lich erleichtert. Nunmehr bestreicht man die Aas -
seit e der Hinterkappe in ihrer ganzen Höhe mit frisch
und dünn angerührtem Wiener Kleber (die beiden 40.1 ·in DasEinldebenderHinterkappe
den llingsbesatzschäften
Flügelenden müssen in einer Breite von 2···2½ cm
von Kleber frei bleiben, damit sich die Kappen seitlich nicht auszeichnen) und
klebt sie mit dem Narben nach innen gegen den Besatz. Hierbei ist auf die rich­
tige Verteilung der inneren und äußeren Kappenlänge zu achten. (Die Kappen­
mitte ist gewöhnlich durch den Keilausschnitt im Zwickeinschlag gekennzeichnet.
Siehe die Herstellung des Kappenmusters, 31.1.)
Bei Schäften mit durchgesteppten Ring­
besätzen muß das Hauptaugenmerk auf
das genaue Abschließen der oberen Kap­
penkante mit. der Besatznaht gerichtet
werden. Die Kappen sind hierbei so fest
wie möglich gegen die Besatznaht zu
schieben. Der Untertritt der Oberteile
muß hierbei auf die Narbenseite der
Kappe zu liegen kommen (40.1), sonst
zeichnet er sich nach außen ab oder hil­
det eine Wulst.
Das Einbringen der Hinterkappen mit dem Nar­
ben na.ch innen gibt ihnen eine größere Festig­
keit, hervorgerufen durch das Zusammenpres­
sen des Narbens beim Umbiegen nach innen.
Nun bestreicht man auch die Narben­
seite in der gleichen ·weise wie die Aas­
seite mit nicht zu dünnem Kleber, damit
er nicht durch das Futter dringen kann,
40.2 Das Spannen des Schaftes Ober dem Knie schlägt das Futter wieder zurück auf die
40
Kappe und drückt es unter gleichmäßiger Verteilung
der Futterfalten gut an. Nachträglich spannt man
den Schaft leicht über das Knie, damit sich Oberle­
der und Futter durch den Längszug entsprechend ver­
teilen können (40.2). Damit die eingeklebten Hin­
terkappen während des Zwickens nicht aus ihrer
Lage können, empfiehlt es sich, sie am Zwickein­
schlag, hinten und an den beiden Flügeln durch ein
Drahtende mit dem Oberleder und dem Futter zu
befestigen.
Das Einbringen der Üherstemme. Die Überstemme
sollen mit der Narbenseite gegen den Scha:.ft liegen.
Sie werden nur hinten und· vorn festgeklebt. E:inten
können sie bis etwa 2 cm über die Kappenflügel
ragen, vorn jedoch nicht mehr als 1 cm über die
Steifkappe (41.1). (Siehe auch Abschnitt „Über­
stemme", Seite 38, Bild 38.1.}

II. Die Schäfte werden aufgezwickt


41 .1 Das Einkloben der trbentemme
Zum Zwicken verwendet man für leichtere Arbeiten seitlich
und vornherum ¾zöllige, für schwerere Arbeiten und für den Fersenteil 1/1zöllige Zwick.
stifte, wodurch keine zu großen Löcher in der Brandsohle entstehen und auch die Leisten ge­
schont werden.

a) Das Vorholen
Der Schuh muß sich später
gut ausleisten lassen. Vor
dem Aufzwicken bestreut
man das Schaftfutter leicht
mit Talkum (Streupulver),
besonders den hinteren Kap­
penteil und die Spitze, um
ein Festkleben des Futters
an den Leisten zu verhindern
und ein gutes Ausleisten zu
ermöglichen.
Zweckmäßig heftet man auch
die Brandsohle außenherum
mit einigen Zwickstiften an
den Leisten, um besonders bei
dünnem oder losem Brand­
sohlenleder ein Abdrücken
der Brandsohlen.kante durch
das Einzwicken des Schaftes 41.2 Das Festheften der
Brandsohle an den
zu verhindern (41.2). Leisten 41.S Das Beilegen eines Rutschriemens

41
Damit sich der Schaft später leichter vom Leisten herunterholen läßt und Falten­
bildungen im Futter vermieden werden, legt man dem Schaft im Fersenteil einen
Rutschriemen aus einem kernigen Stück Abfalleder bei (41.3).
Ein Heftstift wird eingeschlagen. Der zum Aufzwicken vorgerichtete Schaft wird
gerade auf den Leisten gesetzt. Damit das Vorholen erleichtext wird und der
Stiefel einen guten „Schluß" (Sitz) bekommt, muß der Schaft hinteu hochge-
setzt werden, d. h. die untere
Schaftkante wird mit der Lei­
stenfersenkante auf gleiche Höhe
gesetzt und mit einem 1& oder
¾zölligen Stift seitlich der Hin­
ternaht oder beieinem Schaft mit
Hinterriemen in dessen Mitte be­
festigt. Der Heftstift da.rf -jedoch
�- nur im Zwickeinschlagteil ange­
bracht werden, nicht aber in
halber Kappenhöhe oder in der
,- ·�
.. _;:,i,,;,---
:-�
e:: _,,,,_ �

Naht selbst, weil dies zu einer


Beschädigung derselben oder des
Oberleders führt (42.1).
42.I I>ns Hochseli�n d�s Schaftes zum Vorholen

Schäfte aus kräftigem Oberleder und Futter lassen sich schwerer vorholen als solche, die aus
leichteren Zutaten geschnitten sind. Denn je kräftiger und fester die Schaftzutaten, desto
weniger zugig sind sie. Zur Rrleichterung des Vorholens setzt man solche Schäfte 2···2½ cm
höher als die Leistensohlenkante.
Mit der Zwickzange wird der Schaft über den Leisten gezogen. Die Zwickzange
muß nun genau in der Mitte der Schaftspitze angesetzt werden, und der erste
Zug c.'rfolgt nach vorn über die Mitte der Leistenspitze. Nur so ist, es möglich, daß
die Kappe bereits beim ersten Zwickzug ,geracle zu liegen
t kommt und die Verschnürung genau die Mitte des Leistens
einnimmt (42.2).
Damit das Vo rholen des zweiten Schaftes in der gieichen
Stärke erfolgen kann, empfiehlt es sich, die Zierkappe- oder
Besatzhöhe sofort nach dem Vorholzug zu messen und das
):faß aufzuschreiben.
Der zweite Zug liegt seitlich der Spitze, aber doch ziemlich
vorn. Dieser Zug muß vorsichtig und nicht zu kräftig erfolgen ,
da sich der Schaft (Kappe) mangels Halt. auf der gegenüber­
liegenden Seite drehen kann.
Der dritte Zug, unmittelbar gegenüber, kann etwas kräftiger
sein. Zum Ausgleich zieht man den Zwickstift des zweiten
Zuges wieder heraus (die Schaftspitze mit der linken Hand
fest umklammernd, damit der Schaft nicht zurück kann) und
wiederholt den zweiten Zug mit derselben Stärke wie eben
beim dritten Zug.

42.2 Das Yorholen des


Wenn die Schäfte Zierkappen haben, müssen diese nunmehr
Schaftes gerade sitzen, oder die beiden seitlichen Spitzenzüge müssen
42
entsprechend der Zierkappenstellung wiederholt werden, bis
das der Fall ist. Erst dann folgen die beiden Querzüge an
der inneren und äußeren Zierkappennaht, wovon der erste
Zug ·wieder weniger kräftig gehalten wird als der zweite.
:N"ach dem zweiten Zierkappenzug wird dann der erste wieder­
holt-, jedoch diesmal kräftiger als beim ersten Male. Wieder muß
der Verlauf des Zierkappenbogens überprüft werden. Sollte die
Kappe ein wenig schief sitzen, so ist die etwas zurückliegende
Kappenseite erneut kräftig nach vorn zu ziehen. Niemals darf
aber ein Zug nach hinten geführt werden, da dies zur Bildung
von Zerrfalten führt.
Der nächste Zug, der sechste also, liegt etwa 1¼ cm hinter
der Zierkappe und ihm gegenüber der siebente. Der Blick richtet
sich von nun ab nach jedem Zug auf den Blatt- oder Besatz­
bogen, daß derselbe genau in der :Mitte des Leistens liegt bzw.
durch einseitige Zwickzüge nicht verzerrt wird. Abwechselnd
folgt nun in einem Abstand von ungefähr 2½ cm Zug um Zug
bis hinter den Groß- und Kleinzehenballen. Nachdem der vor­
dere Schaftteil fest am Leisten anliegt, (43.1), beginnt man mit 43.1 Die O.bergeholt-e
dem Einzwicken des Fersen- und Gelenkteiles . Vorfußpartie

.N"ach einer anderen Arbeitsfolge kann man zunächst mit dem Einarbeiten der Steifkappe
beginnen und den vorderen Schafttcil vollständig fertig zwicken, um zuletzt zum Zwicken des
hinteren Schaftteiles überzugehen. Einen besonderen Zwickvorteil hat dieses Verfahren nicht.
Richtiger ist es, den Fersenteil so schnell wie möglich zum Einzwicken ·zu bringen, damit die
Hinterkappe nicht trocken wird und der Kleber binden kann.

h) Das Zwicken des Fersen- und Gelenkteils

Futter und Oberleder werden einzeln ausgezwickt. Nachdem der hintere, Heftstift
entfernt ist, wird der Schaft, indem man mit der breiten Zwickzange den hervor­
stehenden Rutschriemen faßt, so weit heruntergeholt', daß der genau bemessene
Zwickeinschlag über die Leistenkante herausragt. Der Rutschriemen ,vird dann
herausgezogen, und es werden Futter und Oberleder im Fersenteil zunächst ein­
zeln ausgezwickt.
Durch da-s Herunterholen des Schaftes kann sich daa Futter seitlich und hintenherum in
Falten legen, besonders wenn die Hinterkappen an Oberleder und Futter nicht oder nur mangel­
haft angeheftet wurden. Auch das Oberleder, das infolge des Vorholens und Herunterziehens
des Schaftes in die Länge gespannt wurde, muß durch Querzüge am KappenteH wieder in
der Länge ausgeglichen werden.
Bei Schäften mit nicht durchgestepptem Futter bedarf daa Auszwicken des Oberleders und
des Futters besonderer Vorsicht, weil sich bei ungleichmäßigem Z,vicken Futter- und Ober­
lederfalten bilden können, wodurch der ganze Schaft verzerrt wird.
Zweckmäßig hält man den oberen Schaftteil (Innen- und Außenteil zusammen­
fassend) mit der linken Hand über dem linken Knie fest und zwickt zunächst das
Futter mit vorsichtigen, leichten Zügen nach unten aus. Dasselbe geschieht an­
schließend mit dem Oberleder (44.1).

43
Futter und Oberleder
müssen nun gleichmäßig
ausgespannt sein, doch
kann es vorkommen, daß
Unterschiede in der
Spannung zwischen bei­
den bestehen. Es ist des­
halb notwondig, den hin­
teren Schaftteil noch­
mals besonders zu span­
nen. Hierzu hält man den
Fersenteil mit der linkrn
Hand fest und streckt
mit der reen.ten den
Schaft nach oben aus
(44.2}.
Das Einzwicken des
Fersenteils beginnt. Zu­
erst wird der Schaft an
den Stellen eingezwickt,
wo die beiden Kappen­
«.1 Das .\u�zwi<·ken d{'S l'utters in ul'r Fcrscoparile
flügel auslaufeJ1 bzw. wo
sie seitlich mit Futter
und Oberleder zusammengeheftet. sind (44.3). l!utter, Kappe, Überstemme und
Oberlc<ler mfü;,-c>n ab<'r zus:imm.en in die Zwirkzange genommen werden.
Ein fesl<'s Hrrunl<'nwit•k<'n des Srhaft<'s darf jPdoth nicht Prfolgen. denn sonst g<'ht die im
\'or hoI<· n rrreiC'hte Lä.nf.(s9pannung (aurh „Schluß" g<'nanut) -verloren, und das gute Passen
des Stiefels wird in Frage gestellt.
Bei Schäften mit Ringsbesätzen
mußbeimEinzwickendesseitlichen
Fersenteiles und des Gelenkes auf
den geraden Verlauf der seitlichen
Besatznaht geachtet werden (45.1,
Pfeil).
Die Hinterkappe wird einge­
zwickt. Nach dem Festheft,en
der beiden Kappen.ß.ügel be­
ginnt man mit dem Ein­
zwicken der Hinterkappe, und
zwar zuerst hinten in der
Fersenmitte. Der die Hinter­
kappe mit dem Oberleder ver­
bindende Heftstich wird zuvor
aufgeschnitten. Mit der breiten
Zwickzangefaßt man zunächst
den Rutschriemen des Futters
und zwickt ihn unter leichtem
Zuge bei. Hierauf erfolgt das
Beizwicken der Hinterkappe,
doch derart, daß der Zwickzug 45.1 Die Besatznnht und Ihr Yerlauf beim Gelenkzwicken
nicht von oben nach unten,
sondern waagerecht verläuft.
Die Kappe muß nach dem Ein­
zwicken fest an der unteren
Leistenkante anliegen, was
zweckmäßig durch leichtes
Beiklopfen mit dem Hammer
während des Beizwickens er­
folgt (45.2).
Bei nicht fest an den Leist-en bei­
gezwickten Hinterkappen ent­
stehen a-n der Absatzkante durch
den später folgenden Absatzbau
Wulstbildungen (Hohlraum zwi­
schen Kappe und Leisten), die den
Absatzbau erschweren und die
Form des Schuhwerks ungünstig
beeinflussen.
Die Kappe wird in Form ge­
bracht. Während die linke
Hand die Leistenferse um•
klammert und der Zeigefinger
gegen die beigezwickte Hinter­
kappe drückt, löst man die
Zange, um nun das Oberleder 45.2 Das Elnzwicl<en Mr Hlnt.:-rl<appe

-15
(Kaht oder Hinterriemen) beizuzwicken und mit einem 1/izölligen Stiften zu be­
festigen (45.1). Auf die gleiche Art werden jetzt die beiden Seiten und dann die
beiden Ecken der Ferse beigezwickt, stets zuerst das Futter, dann die Kappe
und zuletzt das Oberleder erfassend. Mit der Spitzzange verteilt man dann die
in den Zwischemäumen liegenden Falten und bearbeitet mit dem Hammer den
eingezwick:ten Kappenteil. Besonderer Wert muß auf das Herausarbeiten eines
gleichmäßigen und flachen An­
schlages für die Durchaussohle
und denAbsatzkeder gelegt wer­
den (49.2), weil ein runder An­
schlag den Absatzbau wesent­
lich erschwert.
Solange die Kappe noch feucht
ist, soll sie in ihrer ganzen Aus­
dehnung durch leichtes Anklop­
fen an den Leisten in Form ge­
bracht, gewissermaßen anmo­
delliert werden, wodurch sie
formschöner, formbeständiger
und tragfähiger wird.
Die nun an den Kappenenden
einsetzenden, zum Groß- und
Kleinzehenballen führenden Ge-
lenkzüge müssen abwechselnd

und in Abständen von 2--· 2¼
cm erfolgen. 4G.l Das E!nzwlcken des Oberleders und Futters

Im Innengelenk soll der Schaft mehr an­


gelegt a.ls mit besonderer Zugwirkung ein­
gezwickt werden. Ein festes Auszwioken des
Innengelenkes hat oft zur Folge, daß der dem
Stiefel durch das Vorholen eingearbeitete
.,Schluß" wieder verlorengeht.

Das Nach:r;wicken beginnt. Die kräftig­


sten und auch letzten Gelenkzüge liegen
unmittelbar hinter dem Groß- und
Kleinzehenballen. Mit diesen beiden
Zügen beginnt gleichzeitig das Nach­
zwicken des bereits bis zu den Ballen
eingezwickten vorderen Schaftteiles.
• Die Zwickzüge erfolgen wiederum ab­
wechselnd, wobei Futter, trherstemme
und Oberleder zunächst zusammen-
46.2 Das Nachzwlcken des Vorfußteiles gefaßt werden.
46
Alsdann werden Futter und Oberleder jeweils allein nachgezwickt, wobei der
Daumen der linken Hand fest gegen das Oberleder drückt, um ein Zurückgehen
des Schaftes zu verhüten (46.2).
Zum Schlusse faßt man Futter, Überstemme und Oberleder nochmals zu einem
gemeinsamen festeren Zwickzuge zusammen. Die Züge sollen in der Richtung zur
Spitze geführt werden und enden an der Zierkappennaht bzw. am Anfang der
Steifkappe.

lll. Das Einarbeiten der Steifkappen


a) Die Steifkappe wird zwischen Besatz und Zierkappe einge:hrncht
Die Zie1·k appe wird zuerst bis zur Naht zm·ückgeschlageu. Dazu zieht man zuerst
den Zwickst.iften der Spitze heraus, um ihn nach Freigabe der Zierkapp� sofort
wieder in Besatzteil und Futter einzuschlagen, da.mit sich der Besatz oder das
Blatt nicht zurückziehen kann.
Es folgen auf die gleiche Weise die Zierkappensciten und dann die Spiitzenecke,
so daß zum Schluß die Zierkappe frei wird und der darunterliegende Besatz- oder
Blatteil mit Futter faltenlos eingezwickt werden kann. Ein jetzt vorhandener
Zwicküberschuß muß kurz hinter den Zwickstiften abgeschnitten werden.
Die Steifkappe wird festgeheftet und eingezwickt. Die eingezwickte Spitze wird
nunmehr bis zur Kappennaht mit Wiener Kleber bestrichen und die S.tejfkappe
unter Mitverwendung eines Spitzknochens so fest gegen die Kappennaht gcdrüekt.,
daß der Kappenbogen ohne den geringsten Zwischenraum mit der Zierkappen­
naht abschließt. Für eine gleichmäßige Verteilung des Zwickeinschlages auf bei­
den Seiten ist vorher Sorge zu tragen.
Dann heftet man die Steifkappe oben mit zwei halbzölligen Stift,en fest (47.1,
Pfeil a) und zwickt die beiden Ecken des Kappenbogens ein (Pfeil b). Auch hier
ist darauf zu achten, daß sich Kappenbogen und Zierka,ppennaht genau decken.
Beim Einzwicken der beiden Steifkappenfl.ügel kann ein leichter Zug rüclrni.irts
gegen die Kappennaht erfolgen, damit auch beim ·
restlichen Zwicken des Steifstandes kein Zwischen­
raum entstehen kann (Pfeil b in 47.1).
Hierauf folgen ein nicht zu kräfüger Spitzenzug
(47.2, Pfeil a und 48.1, Pfeil a) und die beiden Sei­
tenzüge (47.2. Pfrile b und c).

41.l
Das Einbringen
der Steifkappe

47.2
Die Ha11ptzwick­
z1igc Lei der
;;1eifkappe
Schwieriger ist es jct zt,
dit' beitlc-n Erken dc-r
Spitze sauber cinzuzwik­
ken (48.1, Pfcilr b und
c). Zur möglich. t glrich­
mäßigrn Vert(•ilung der
Falten muß die brl'ite
Zwirk z angli g<>n,rn in
Ül•r ::\litte der SpitzP1wk­
ken angl·:setzt W('r<h•n
{48.�). Dil• sich nun bil­
denden kleineren Falten
wc-rden mit der Spitz -
z a n g e, die jewöils genau
die :Mitte der Falte cr­
faßt,, verteilt. Auf dic-se
Weise gelingt es, alle
Falten wulstfrei einzn­
z,yirken.

4S.l Die Zwirk,.ügc 41!.2 l>ie Fnllenvertfllung


no den l<pilzene�kro mit der breiten Zwkk1,1nge

Der Steifkappe wird sorgfältig gute Form gegeben. Das geschieht durch A.nhäm­
mern und Formklopfen mit einem kleinen Hammer, dessen Platte ganz flach ge­
staltet ist, damit sich beim Hämmern keine Unebenheiten (Mulden) im Leder
bilden kö1men. )fit einer feinen flachen Raspel wird die letzte Form gegeben,
wobei auf das Herausarbeiten ein('r scharfen Kante besonderer Wert zu legen
ist (48.3 u. 4, 49. 1).
Bei wulstigem und ungleichem Steifstandcinsehlag ist es unmöglich, eine glatte
Einstcchna.ht herzu­
stellen und einen
gleichmäßigen Rah­
menverlauf zu erar­
beiten .Weiterhin füh­
ren derartige Zwick­
einschla�ste zu
. Wasserunclichtigkeit
des Schuhwerks und
Lockerung des Rah­
mens.
Etwas schwach aus­
gefallenen Steifstä.n­
48,4 Die gle!chmäßig und scharf ausgear•
den kann man nach
der Formgebung
beitete K:1nto

durch Verbrennen
48,3 Die fertig gezwickte Sleifkappo und Einbrennen von
4R
gutem Ausputzwachs mit Hilfe der Ausputzplattc er­
höhte, federnde Widerstandskraft geben oder sie mit
einem Agoaufstrich versehen.
Die Zierkappe wird wieder eingezwickt. Nun erfolgt das
Einzwicken der Zierkappe, wozu die Zwickstifte wieder
entfernt werden müssen. Es verbleiben nur die beiden
Stifte an den Flügeln der Steifstände und je einer kurz
vor der Spitzenrundung.
Die Steifkappe wird gut mit Wiener Kleber bestri­
chen und die Zierkappe ohne starken Zug vorge­
zwickt. Es folgen die beiden Seiten unmittelbar hinter
den noch festgehefteten Kappenflügeln, zwei weitere
Seitenzüge etwas weiter vom und dann die beiden
Spitzenecken. Anschließend werden die kleineren F11l­
ten mit der Spitzzange gleichmäßig verteilt.
Gutes Formgeben ist wichtig. Die letzte und auch
gründlichste Formgebung geschieht nunmehr mit dPm
leichten, fla.clien Hammer. Diese Arbeit muß nicht
nur äußerst gefühlvoll, sondern auch mit genügend
Zeitaufwand durchgeführt werden. Nähte, Übergangs­
stellen von Hinterka.ppe ins Gelenk und vom Steif.
stand in den nicht versteiften vorderen Schaftteil,
Kanten und Einzwickteil, alles muß durch leichtes
Anklopfen an den Leisten gefestigt und in eine gefäl­
lige Form gebracht werden. Der Abschluß der Zwick­
arbeit besteht im Abschneiden des hinter den Zwick­
49.1 I>n bis ,ur Spitze fertig ge­

stiften stehenden Zwickeinschlagcs (49.1 und 2).


zwickte Schaft nach Entfer­
nung des überl!üssigeo
Zwickcinschlagcs

b) Die Steifk.appe wird auf das Futter gezwickt


Das Oberleder wird zurückgeschlagen. Hierbei sind die 'Arbeiten des Vorholens die
gleichen wie schon vorher besprochen . Damit die Steifkappenhöhe genau der Zier­
kappenhöhe entspricht, klopft man mit dem Hammer auf die Ziernaht. Sie drückt
sich dadurch auf das darunterliegende Futter ab. Nun folgt das Zurückschlagen

49.2 Der fertig gezwickte und auf


Kanten angearbeitete Schaft

49
der Zierka.ppe mit dem daruntel"liegenden Besatz- oder
Blatteil. Hierzu zieht man die Zwickstifte, an <ler
Spitze beginnend, einzeln heraus, um das Oberleder
freizugeben. Die Stifte werden aber sofort wieder im
Futter befestigt, damit es sich nicht wieder zurück­
ziehen kann. Das Oberleder darf aber nur bis 1.11rz
hinter die Zierkappennaht zurückgeschlagen werden.
Alle Zwickstifte, die die innere und äußere Scbaftseite
festhalten, müssen im Oberleder verbleiben (50.1).
Falsch ist es, das Oberleder bis zum Groß. und Klein­
zebenballcn freizugeben und nur das Futter aufgezwickt
zu lassen. Hierdurch entstehen Unterschiede zwischen der
Spannung des Fut;t-crs zum Oberleder, denn es ist kaum
möglich, beim zweiten Vorholen des Oberleders obpe Futter
dieselbe Zugkraft und Zugwirlnmg zu erzielen wie beim ersten
gemeinsamen Vorholen und Kachzwicken mit dem Futter.
:.o.i Die Zw!ckarbei� beim Eln• Zerr- und Futterfalten sind oft die Folgen dieser Zwickart.
kleben der Steifkappe auf
das Futter Das Aufzwicken der Steifkappe auf clas Futter erfolgt
nun in der gleichen Weise wie bei dem Einarbeiten
der Steifkappe zwischen Zierkappe und Besatz. oder Blatteil. Auch das nach­
folgende Zwicken der Zierkappe mit dem Blatt- oder Besatztcil ist wieder das
gleiche wie vorher. Beim Zwicken des zweiten Stiefels oder Schuhes wiederholen
sich alle Arbeitsvorgänge. Dabei sind die dem ersten Stiefel oder Schub gegebene
Ka.ppenhöhe sowie die vordere und hintere Besa.tzhöhe einzuhalten. Sie dürfen
keine Unterschiede aufweisen .

50
D. Die Bodenbefestigung

I. Der Einstechdraht

Vom einwandfreien Einstechen ist die Tragfähigkeit und Wasserdichtigkeit des


Schuhwerks in großem Maße abhängig.
Dem Einstechdraht fällt die Aufgabe zu, den Schaft mit Hinterkappen, Steifstand
und Rahmen so fest an die Brandsohle zu binden, daß eine Lockerung auch nach
längster Tragdauer des Schuhwerks kaum möglich wird. Feuchtigkeit (Wasser,
Schweiß), auch eindringender Schmutz bei nicht festgefügter Einstechnaht zer­
mürben vorzeitig den nicht fachgemäß oder aus minderwertigen Vi'erkstoffen her­
gestellten Draht der Einstechnaht.
Nur ein aus bestem, frischem Hanfgarn (Einstechgarn) unter Verwendung ein­
wandfreien Peches hergestellter Einstechdraht bietet die Gewähr größter Haltbar­
keit. Die Stärke des Einstechdrahtes richtet sich nach der Stärke des Schaft­
und Bodenstoffes und nach dem Zweck des herzustellenden Schuhwerks.
Kräftige und große Böden (z. B. Sport- und Arbeitsschuh·werk) sollte man stets
mit zwei Drähten, die vor der Spitze gewechselt werden, einstechen.
Der Draht verliert beim Durchziehen durch die Einstechlöcher immer mehr an
Festigkeit, die Reibung der Drähte führt hierbei zu ihrer Erhitzung, besonders
dann, wenn der Einstechort zu dünn gewählt ist. Der Draht verbrennt
dadurch, d. h. er wird mürbe.
Der Einstechdraht wird angefertigt. Zunächst muß der Draht „abgewor­
fen" werden, worunter man das Nebeneinanderfügen der geWtiru;chten
Anzahl Fäden vom Hanfgarnknäuel (auch Hanfgarnklingel genannt) zu
einem Draht versteht. Man kann sich hierbei des Ar.mes in Beugestel­
lung bedienen oder, was zweckmäßiger ist, die Fäden durch Ausspreizen
der Arme bemessen. Die durchschnittliche Länge eines Drahtes liegt um
3···3,50 m. Dieses Maß wird mit einem zweimaligen Ausspreizen der
Arme erreicht.
Das Ende des ersten Fadens soll nicht abgerissen, sondern auf dem
Knie aufgedreht und zugleich zur Verfeinerung der Fadcnspitze ausge­
zupft werden. Auf diese Art gewinnt man sofort die Spitze für den zwei­
ten Faden, die auch nochmals besonders ausgezupft und um etwa 4 cm ,
über die Spitze des ersten Fadens hinausgelegt wird (51.1). So geht es
nun auf jeder Seite weiter, bis durch das Zusammenfügen einer entspre­
chenden Anzahl Fäden die gewünschte Drahtstärke erreicht ist.
Die eine Seite der Drahtspitze wird nun mit den Fingerspitzen leicht an­
gefeuchtet, mit der Hand ausgestrichen und dann gepicht. Auf dem Knie
wird sie alsdann gedreht und nochmals mit der Hand gut ausgestrichen. 51.1
51
- - -- • - 1 r,

picht und dann die zweite Spitze üher das Knie gedreht. Erst, jetzt wird der Dra.ht
in der bekannten Weise durch einen in der Wand befestigten Ring gezogen und
am besten mit einem fet.tgaren Stück Oberleder ausgestrichen, um il1m Gleich­
mäßigkeit und Glätte zu geben.
EiustPr-h- und J)oppeldrii.hte dürfen ni<'11t übermäßig gedreht werden, weil sie sich sonst nicht
fla,ch gE>m1g a,n den Rahmen anlegen können und somit zu sehr auftragen. Auch rollt sich ein
zu stark gedrehter Draht und behindert hierdurch das Nähen sehr.
Ein flottes Einstechen ist nur dann möglich, wenn die Drahtspitze (auch Kleispe
genannt) einen gleichmäßigen, nicht zu dünnen, aber auch nicht zu dicken Aus­
lauf hat.

�\
rückläufiges, wende/­
förmiges !1ufdrehender
i Draht.spitze aufdie&r.sfe

Borstenspitze
(Wurzel)

Zu dünn und lang auslaufende Spitzen reißen sehr leicht ab, besonders wenn der Draht beim
Nähen irgendwo hängenbleibt. Bei zu dick und zu kurz auslaufenden Spitzen reißen die Bor­
sten ab, oder man muß, um dies zu vermeiden, den Einstechort (Ahle) viel zu weit durch die
Einstt>chbabn führen, was wieder der Wasserdichtigkeit und Haltbarkeit Abbruch tut.

Das richtige Einsetzen der Borsten ist besonders wichtig.


Die verbreitetste Art, nach der die Borste zum Einsetzen zur Hälfte gespalten wird, schwächt
sie schon im Anfang. Auch finden die mit der einen Borstenhälfte gedrehte Drahtspitze und
die darüber gedrehte andere Borstenhälfte kein genügend festes Widerlager beim Durch-
2.iehen durch die Einstech- oder Nählöcher. Seht häufig führt dies bereits nach wenigen
Stichen zum Strippen der Drahtspitze, oder die Borste reißt bei Anwendung von Zwang ab,
oder sie löst sich vom Draht.

52
die Zwickstiftenreihe der dem Nähanfang gegen­
überliegenden Seite bis zur Spitze um (56.1 u. 2).
Zum Einstechen spannt man den Schuh mit dem
Spannriemen über das linke Knie, die Spitze des
Schuhes gegen den Körper gepreßt, und beginnt
mit dem ersten Stich hinter der Absatzlinie.
Zweckmäßig führt man zuerst einen Leerstich aus,
d. h. im Absatzteil und ohne Rahmen (54.1, Pfeil a).
Mit dem zweiten Stich erfaßt man nun den Rah­
men, darauf bedacht, daß er genau auf die bezeich­
nete Absatzlinie zu liegen kommt. Auf diese Weise
ist der Rahmenanfang gut verankert, wodurch die
Tragfähigkeit des Gelenkes erhöht wird.
Beim Durchstechen des Plattol'tes durch Kappe,
Oberleder und Rahmen muß die Spitze des Ortes
die Rangierungskante des Rahmens treffen. Bei
der abgesetzten Rangierungsform wird die Ort­
spitze in der Rille des Rahmens angesetzt (54.2). su Der ,\nfang des Einstecbens
Während des Durchstechens muß der Daumen der
linken Hand fest gegen Rahmen und Oberleder drücken. Andernfanls kann ein
Zwischenraum zwischen Schaft und Brandsohle entstehen, wodurch ein un­
behindertes Nachführen der Borste beim Herausziehen des Nähortes schlecht
möglich ist. Auch wird in solchen Fällen die Verbindung von Schaft und Rah­
men mit der Brandsohle nie fest genug werden. Im Gelenk wird der Rahmen für
HohL5chnittgelenke wie auch für Böden mit anliegendem Schnitt rundherum
flach gegen das Oberleder gedrückt (54.3).
Bei Gelenkplattschnittund für
Böden mit vorstehendem Schnitt
muß der Rahmen in waagrechter
Halt�ng gegen den Schaft gepreßt
54.2 Der Durchstich durch den Rahmen werden (55.1). Hierdurch legt sich
der Rahmen im ersteren Falle flach
an, im zweiten Fall steht er dagegen
vom Schaft ab.

Beim Einstechen folgt die in der


linken Hand geführte Bol'ste (vor­
her leicht gebogen) sofort dem her•
ausziehenden Ort (55.2), damit sich
das Einstechloch nicht zuziehen
kann, was bei manchenVverkstoffen
möglich ist. Gleich nach dem Aus­
..... tritt der Borstenspitze a.us der
Brandsohle muß die ebenfalls leicht
gebogene Borste des anderen Draht­
endes durch die itangierungsbahn
54.3 Das BeidrQcken des Rahmens Im Gelenk geführt werden, wobei der Rahmen,
54
ohne seineLage zu verändern, leicht
gegen den Schaft gedrückt wird,
bis die Borste aus dem Rahmen
heraustritt.
Xach dem beiderseitigen Durchzie­
hen der Drahtspitzen muß derDraht
,.überlegt" werden (53.2). Hier­
durch erreicht man eine noch festere
Verbindung, da sich eine gut schlie­
ßende Schlinge bildet. Das „Über­
legen" wird so ausgeführt, daß die
auf der linken Seite liegende Draht-
schlinge über die nur kurz heraus- f
gezogene ·Borste gelegt und dann '
der Stich zugezogen wird (53.2).
Nach dem Zuziehen des Stiches 55,l Das Beidrücken des Rahmens bei vorstehendem Schnitt
legt man die linke Drahtseite um
die linke Hand über das Handleder
und wickelt die rechte Drahtseite
kurz hinter dem Stich ein- bis
zweimal um den Griff des Nähor­
tes. In dieser Haltung wird der
Stich nochmals fest zugezogen.
Hierbei kann der Zug mit dem Griff
des Nähortes etwas fester sein als
der der linken Hand (55.3). Das
Herausziehen der Zwickstifte zum
Zwecke des Einstechens soll nie zu
früh geschehen, weil sich der be­
t,reffende Schaftteil sonst wieder
zurückziehen kann.
Im weiteren Verlauf des Einstechens !;S,2 Die Führung der Borste �eim l:!instcchen
ist darauf zu achten, daß der Rah­
men im Innengelenk und um die
Spitze hernm nicht angezogen,
sondern lose haltend beigedrückt
wird. Beim rechten Schuh soll der
Rahmen vom Großzehenbailen bis
zur Spitze und von seiner anderen
Seit.e bis zum Kleinzehenballen an­
gespannt werden. Im äußeren Ge­
lenk wird der Rahmen nur dam1
angezogen, wenn es voll gehalten,
d. h. nicht eingekurvt ist oder wenn
der Schnitt bis zum Absatz vor­
stehend als Plattschnitt gearbei­
tet werden soll. 55.3 )Iandleder und JS'ähort beim Stichanziehen

55
Beim linken Schuh beginnt das .Anspannen des
Rahmens am Kleinzehenballen (bei vollem Ge­
lenk und bei Gelenh-plattschnitt bereits nach
den ersten Einstichen) und hört wieder kurz vor
der Spitze auf, um auf der anderen Seite kurz
hinter der Spitze erneut zu beginnen. Hinter
dem Großzehenballen, im Innengelenk, wird der
Rahmen, wiederum ohne angespannt zu werden,
beigedrückt.
Rahmen, die im Gelenk und um die Spitze herum
(oder bei Innen- und Außenkurven) angespannt wer­
den, bekommen Spannungen, die zum Abstehen des
Gelenkschnittes und zur schlechten Anarbeitung des
Rahmens an die Sohlen führen.Beim Nähen ist darauf
zu achten, daß Hammer, Zange oder sonstige Werk­
zeuge (auch Lederschnitzel) nicht auf dem Boden her­
umliegen, weil sie sich in die Schlingen des Drahtes ver­
fangen können und Anlaß zum Abreißen der Borsten ""
und Drahtspitzen geben. Dadurch wird der Draht oft 56.1 Das Beilegen \nes Drahtendes bei
unbrauchbar. eng angeordnet.eo Stichen

Bei spitzem Schuhwerk liegen die Einstechlöcher um die Spitze herum sehr eng
beieinander, wodurch es zum Durchreißen der Rangienmgsbahn kommen kann.
In solchen Fällen (auch bei
schwachen Brandsohlen) legt
man den Stichen ein Drahtende
bei, damit die Schlingen ein
festeres Widerlager bekommen
(56.1).
Ist der Rahm�n um die Spitze
herum (bis etwa zur Zierkappen.
naht) eingestochen, so muß fest­
gestellt werden, ob die Gelenk­
rangierung des Rahmens die
Gelenkmarkierung der Brand­
sohle genau trifft. Wo dies nicht
der Fall ist, kann man jetzt noch
auf leichte Art den Rahmen zur
genauenAbgrenzungdes Gelenk­
überganges· nachrangieren. Der
Gelenkanfang wird auf der
Narbenseite des Rahmens durch
Einritzen mit der Messerspitze
oder dem Nähort festgelegt und

L
auf einer untergelegten Glas­
platte entsprechend nachran­
giert (56.2).
56.2 Das Nachrn.ngieren des Rahmens
für den Gelenkteil

56
Häufig kommt es vor, daß der für den Plattschnitt rangierte Ra.hmenteil zu lang bemes­
sen wurde, was sich aber erst herausstellt, wenn der Schuh um die Spitze herum einge­
stochen ist. Schärft man diesen zu dicken, in das Gelenk hineinreichenden Rahmenteil
nicht ordnungsgemäß aus, dann ist die Erarbeitung eines gleichmäßigen Hohlschnittes
nie möglich. Wird das Abschärfen aber erst nach dem Einstechen vorgenommen, dann
liegt der Hohlschnitt nicht fest an und wird trotzdem zu dick und zu rund. Ein solcher
Fehler kann auch durch keine sonstigen }faßnahmen, gleich welcher Art, beseitigt werden.
Das Rahmenende muß ebenfalls genau mit der festgelegten Absatzlinie abschließen,
die letzten Stiche müssen ebenso geführt werden wie die ersten. Der letzte Stich
i<,t wieder ein Leerstich. Die Drahtenden werden, sofern sie nöch lang und kräftig
genug sind, nicht abgeschn itten, sondern man verbraucht sie anschließend zum
Einbinden.
Will man nun feststellen, ob die Einstechnaht fest ist, so drückt- man den Rahmen nach oben
und unten. Bewegen sich die Stiche hierbei nicht, dann ist die Einstechnaht fest, andernfalls
hält sie nicht, und Staub und Wasser können in das Schuhwerk eindringen.

III. Das Einbinden des Fersenteiles


Hierunter versteht man das Annähen des unter dem Absatz liegenden Schaft- und
Kappenteiles. Zum Einbinden kann entweder der „Überkantstich" (auch Über­
wmdlingsstich genannt) oder der Kettenstich angewendet werden.
Beim Oberkantstich wird nur mit einem Drahtende gearbeitet. Der Plattort wird
hierbei hinter dem Rahmenende, nach dem Leerstich, von der Schaftseite aus in
die Brandsohle eingestochen und kommt gleich hinter der eingezwickten Kappen­
kante heraus. Nun wird die Spitze des frisch gepichten Drahtendes durch das vor­
gestochene Loch geführt, der Draht nachgezogen und fest angezogen (57.1).
Mit dem Hammer werden dieKappeund der Stich sogleich leicht festgeklopft. Es
folgt der zweite Stich in einem Abstandevon etwa 1 cm, immer v0n der Schaftseite
aus, von wo auch stets das gleiche Drahtende durchgeführt, angezogen und der
Stich festgeklopft wird. So geht es rings um
den Fersenteil herum bis zum Rahmenanfang,
wo das Drahtende auf irgendeine Art verwahrt
wird.
Beim Kettenstich wird mit zwei Drähten gear­
beitet, wovon abwechselnd die eine, dann die
andereDrahtspitzeaußenzu liegen kommt. Man
beginnt mit dem auf dei· Außenseite liegenden
Drahtende und sticht, wie bei der gewöhn­
lichen Einbindenaht mit einem Draht, mit dem
Einstechort von der Oberlederseite aus vor und
zieht das Drahtende a (58.1) nach.
Das Drahtende b wird vor dem festen Zuziehen
des Drahtendes a unter dessen Schlinge durch­
geführt. Jetzt wird in einer Entfernung von
1 cm ein zweites Vorstechloch von der Ober­
lederseite aus gemacht, diesmal aber das
GT,1 Da,s Einbinden der l•'erse mit Über•
kaotstich

57
,.
Drahtende b durchgezogen und das
Drahtende a unter der Schlinge durch­
geführt. So geht es rundherum weiter
(in der Fersenrundung müssen die
Stiche näher zueinander angeordnet
werden als seitlich) bis zum Rahmen­
anfang, wo die beiden Drahtenden ver­
wahrt \Verden.
Vor&techloc Die Kettennaht kann auch so angeordnet
Oro/Jle!!__de werden, daß die Verschlingung der Stiche
nach innen auf die Brandsohle zu liegen

�·
kommt.(Vgl. die beiaen Arten in den Bildern
Voröfechl 58.1 und 3.)
Nachdem die Kappe eingebunden ist,
fürDrahte

klopft man �en Rahmen rundherum


mit dem Hammer leicht und vorsichtig
an (harte Schläge können zur Verlet­
zung und Schwächung der Stiche füh­
ren) und drückt ihn mit nicht zu großem
Druck mit dem Spitzknochen vom Ober­
leder ab.
äS.1 Das Einbinden der Ferse mit Kettenstich. Die
Stiebe sind zum besseren Verstiindnis der Schlln­
genbildung nicht zugezogen

Das Abdrücken des Rahmens vom Ober­


leder erfordert größte Vorsicht. Die Spitze
des Spitzknochens muß ziemlich flach, nicht
scharfkantig und vor allen Dingen vollkom­
men glatt und unbeschädigt sein, andern­
falls das Oberleder sehr leicht beschädigt
werden kann.
Der über die Einstechnaht hinausra­
gende Zwickeinschlag von Jiutter,
Überstemme, Steifkappe und Oberle­
der wird mit einem scharfen i\1esser
bis zur Höhe der Einstechstiche säu­
berlich abgeschnitten. Diese Arbeit
muß besonders vorsichtig ausgeführt
werden, kommt es doch zu oft vor,
daß die Stiche hierbei zum Teil dem
i\'Iesser zum Opfer fallen und die Ein­
stechnaht an diesen Stellen trennt.
aS.2 Der Gelenkeinbau
IV. Das Beschneiden des
Rahmens
Zum einwandfreien Beschneiden des 58.3 Die mlt KeUenstich eingebundene Ferse
Rahmens ist ein haarscharfes Messer
nötig. Ferner muß <ler Rahmen Stand haben, d. h. er muß in sich fest sein, damit
er dem Druck des l\fessers nicht nachgibt, wie dies bei losen und dünnen Rahmen
58
der Fall ist. Daswird erreicht
durch leichtes Klopfen mit
dem Rahmenklopfer (59.1).
Den Rahmenklopfer fertigt man
sich zweckmäßig aus einer alten, �
breiten Flachraspel selbst an. Sie
wird ausgeglüht, die Raspelhiebe
werden ausgefeilt, das eine Ende 1
in einer Breite von 2 cm, glühend,
1
im Schraubstock rechtwinklig '
umgeschmiedet.Hierauf wird der
umgebogene Teil hergefeilt, d. h.
L
es wird nach der vorderen Kante
zu flach zugefeilt und die Run­
dung des umgebogenen Ra.spei­
endes fast gerade gefeilt, damit es
sich gut an den Rahmen und den
Schaft anlegen kann. Die Kante 59.1 Das Rahmenklopfen
muß dann geglättet werden, da-
mit sie das Oberleder nicht beschädigt. Behelfsmäßig kann man den Rahmen, anstatt ihn
zu klopfen, auch mit einer geraden Z,,;ckzange zusammenpressen.
Nun kann der Rahmen beschnitten werden. Bei Verwendung eines gleichmäßig
breit rangierten Rahmens und bei gleichmäßigem Verlauf der Einstecbnaht bleibt
zum Beschneiden nicht viel übrig, und man kann eher von einem Ausgleichen
(Egalisieren) des Rahmens sprechen.
Der Rahmen des anliegenden Schnittes soll vornherumgenau mit der Leistenkante

59.3 Das U.ahmcnbcschneidcn mit dem Boschneidhorn

59
abschließen. Der vorstehende Rahmen soll von oben gesehen auf der äußereu Seite
und vorn herum gleichmäßig breit vorstehen, hingegen auf der inneren Seite fast
oder ganz unsichtbar sein. Denn der Boden soll nach außen herausgearbeitet und
nach innen untergearbeitet- werden, wa.s bereits in der Leistenform zum Aus­
druck kommen muß (59.2, 78.l u. 2).
Das Beschneiden des Rahmens im Gelenk ist für den Anfänger eine nicht ganz un­
gefährliche Arbeit, da das Messer nur allzuleicht das Oberleder treffen kann. l\Ian
verwendet deshalb ein schmales Stück Zinkblech oder ein Beschneidhorn, das dem
Rahmen beim Beschneiden untergelegt wird (59.3). Danach werden die Kanten
des beschnittenen Rahmens im Gelenk etwas abgelassen (worunter ein schmales
Abschärfen zu verstehen ist,), vorausgesetzt, daß die Gelenke anliegend., d. h. auf
Hohlschnitt gearbeitet werden sollen. Bei Plattschnittgelenken dürfen die Rah­
menkanten nicht abgelassen werden, da sich Rahmen und Sohle nicht fest mit-
einander verbinden würden.

V. Das Einarbeiten des Gelenkleders

Unter „Gelenk" versteht man eine bewegliche Verbindung zweier Körper, deren
es im Fuß zur Erfüllung seiner Aufgaben, Tragen und :Fortbewegen des Körpers,
mehrere gibt (s. S. 94, Abschn. ,,Die Gelenke").
Beim Bau des Schuhes für den gesunden Fuß als auch für den biinderschwa.chen,
korrigierbaren Knickfuß ist deshalb darauf zu achten, daß das Muskelspiel
und die Gelenkbewegungen des ]'ußes durch den Schuh keine Einschränkung er­
fahren. Das Schubgelenk soll also biegsam und auch nach den Seiten beweglich
gestaltet werden. Je schmaler und :flacher (dünner) ein Gelenk ist, desto weniger
leistet es den Gelenkbewegungen des l!'ußes Widerstand, desto mehr trägt es zur
Stärkung und Gesundung des Fußes bei. Auch verhindert ein ßlastisches Schuh­
gelenk das so lästige Übertreten des Schuhes nach außen, weil es den dreiseitigen
Bewegungen des Fußes im Gehen keinen Widerstand entgegensetzt. Dadurch
kommt es auch nicht zu dem unaufhörlichen „Kamp( des Fußes mit dem Schuh",
welcher Zehendeformierungen, Haut- und Nagelschäden verursacht. Weniger
bekannt ist auch, daß ein elastisches Schuhgelenk häßliche Faltenbildung im
Vorfußteil weitestgehend verhindert, d. h. zur guten Paßform des Schuhes we­
sentlich beiträgt.
Wo es sich um Schuhwerk für bänderschwache, aber noch voll korrigierbare
Knickfüße handelt, ist das elastische Schuhgelenk ebenso erforderlich wie bei
Schuhwerk für gesunde Füße, nur ist dabei die Abstützung- des Fersenbeins auf
der Innenseite des Fußes, unterhalb der Durchbruchstelle des Sprungbeines,
vermittels eines Fersenkorrektors aus Elastrakork oder Porokrepp unerläßlich;
siehe hierzu auch Bild 61.1, Pfeile a und b, und Bild 61.2.
Hat sich das Fußgewölbe aber schon soweit gesenkt, daß der Belastungsdruck
des Körpers in den Bereich des Schuhgelenkes fällt, so muß dieses als Stütze des
durchgetretenen Fußgewölbes versteift werden, und zwar je nach Stärke des
Belastungsdruckes in unterschiedlichem Maße.
Hilfsmittel zur besonderen Verstärkung oder Versteifung des Schuhgelenkes sind Gelenk­
federn verschiedener Größe, Breite und Stärke, Versteifungsstoffe, zusätzliche Nagelung des

60
Gelenkes, der verfängerte Absatz, der ::lti>gabsatz oder noch wirksamer der Keilabsatz bis
zum Groß- und ]Geinzehenballen auslaufend. Es handelt sich hierbei um Konstruktionen,
die zum Arbeitsbereich des Orthopädie5chuhmachers gehören.
Das Gelenkstück, je nach
Zweckbestimmungein-oder / l
zweischichtig, reicht seitlich
1
1

bis zurEinstechnaht,hinten
J
... __.,,1

bis zur Einbindung und


vorne etwa 2¼···3 cm über
dieBallenliniehinaus (61.3).
·wurden die Rahmen aufder
�arbenseite der Brandsohle Gl.2 Abstützung des Fersenbeins zur Korrektur
de• Knic.kfußes
eingest-ochen, dann muß der b
:Xarben derselben vor dem Gl.l Gelenkform
!1) schmales Schuhgelenk ohne Versteifungsmittel
EinbringendesGelenkleders b) allgemein übliche Gelenkform
gut aufgerauht werden, da­
mitGelenkstück und Brand­
sohle eine gute Bindung bei Gl,3 Der Einbau des Gelenkleders,
ein- oder zwelsch!cht!g
der Verklebung eingehen ,
können. Zum Verkleben
verwendet man heute vor­
zugsweise einen Einkompo­
nenten-Schnellkleber, was
voraussetzt, daß nur voll­
kommen trockenes Gelenk­
leder zur Verarbeitung
kommt. Wo ein doppeltes
Gelenkstück notwendig ist,
oftmals wenn der Hohlraum
zwischenBrandsohle und Rahmenhöhe miteinem Einzelgelenkstück nicht genügend
ausgefüllt wird, muß der Narben des ersten Gelenkstückes ebenfalls gut aufge­
rauht werden, auch deshalb, u m das „Knarren" oder „Krachen" des Gelenkes
zu verhüten. Nach kräftigem Anklopfen oder Pressen des eingeklebten Gelenk­
leders erfolgt das Abschärfen. Es wird so geschärft, daß das Gelenk eine nach den
Seiten hin leicht abfallende Form erhält. Nach vorn zu soll es flach auslaufen.
Es darf zwischen Groß- und Kleinzehenballen, an der Auftrittsfläche also, keine
Rundung aufweisen, weil der Schuh an dieser Stelle flach wie ein Brett aufstehen
muß, wenn er sich gut tragen und dem Träger das Gefühl <:1es sicheren Stehens
und Gebens vermitteln soll.
Ein rundes, nach den Seiten kurz abfallendes Gelenk wirkt plump und beeinträchtigt das gute
Aussehen des Schuhes.
Das Gelenkteil unter der Ferse wird ebenfalls flach ausgeschärft, damit für den
Absatzbau eine sichere Aufbaufläche geschaffen wird. Nun folgt das Bera.speln
und besondere Aufrauhen des fertig geformten Gelenkstückes, damit es sich
mit der nachfolgenden Durchaussohle gut verkleben läßt (62.1).
Wenn eine Gelenkfeder eingearbeitet werden soll, so verankert man diese zweck­
mäßig zwischen zwei Gelenkstücken, wobei besonders auf die gute Verklebung
61
zu achten ist (trockenes, gut aufgerauhtes Gelenkleder
und vorschriftsgemäße Trockendauer des Klebstoffes vor
dem Einmontieren, Anklopfen oder Pressen).
Damit die Gelenkfeder ihre Lage beim Tragen des
8chuhes beibehält, befestigt man die Gelenkstücke zu
beiden Seiten <ler Feder mit einer Reihe Holznägel.

VI. Das Aushallen

Der durch das Einstechen entstandene Leerraum zwischen


Brandsohle und Rahmenhöhe ist auszufüllen, auszuballen.
Der hierfür zur Verarbeitung kommende Werkstoff soll
nicht nur eine gute Tragfestigkeit haben, sondern auch
elastisch sein, damit sich die Härte der Lederbrandsohle
nicht zu ermüdend auf den Fuß auswirkt. Hierzu sind
am besten geeignet Teerfilz, alter Hutfilz und Korkstoff.
Das Einarbeiten hat so zu geschehen, da.ß die Ausballung
die Rahmenhöhe nicht übertrifft, auch in der Mitte nicht
höher wird als an den Seiten. Seitlich und an der Spitze
schließt die Ausballung mit der Einstechnaht a.b, hinten
62.l Das ausgearbeitete Gelenk reicht sie, dünn auslaufend, bis an den Gelenkanfang
nnd die A.usballung (62.1). Vor dem Einkleben muß die Brandsohle, wenn
auf dem Narben eingestochen wurde, ebenfalls aufge­
rauht werden. Teerfi.lz wird entweder mit Wiener Kleber oder mit Pech eingeklebt,
Hutfilz und Korkstoff am besten mit hochwertiger Gummilösung oder Ein­
kornponenten-Schnellkleber.

VII. Das Aufrichten und Beschneiden der Durchaussohlen


Die Durehaussohle wird aufgerichtet. Die halbfeuchte Durchaussohle wird bis nahe
an die Kante mit Wiener Kleber bestrichen und mit drei dünnen 3/�zölligen Stiften
an der Spitze, im Gelenk und in der :B'ersenmit,te aufgerichtet. Ein gleichmäßiges
Anklopfen der Kanten und der gesamten Sohlenfläche ist notwendig, damit eine
gute Bindung mit dem Gelenkstück, der Ausballmasse und dem Rahmen zustande
kommt.
Das Gelenk wird unter Zuhilfenahme des fest anzuspttrmenden Spannriemens
Stück um Stück mit leicht geführten Hammerschlägen gegen den Spar_mriemen
angearbeitet. Den Fersenteil der Durchaussohle nagelt man, um sie besser be­
schneiden zu können, mit. einigen Holznägeln gut 1 cm von der Kante entfernt an.
Hierauf folgt das Ausglätten der Sohle mit der Glättschiene und das Arnh·üc,ken
des Rahmens an die Durchaussohle mit. dem Spitzknochen.
Die Durchaussohle wfrd beschnitten. Bei ordnungsgemäß durchiteführtel· Rangie­
rung der Durclrnussohl.e bedarf es eigentlich nur noch ihres l€'ichten Besc-lmcidens.
Wenn aufPlattschnitt gearbeitet, wir d, ist bis dicht an den R"'hmen zu beschneidE>n.
Der Schnitt soll senkiecht zur Bodenfläche verlaufen, kann ahei: a,uf der Außen­
seite eine leichte Nachaußenstellung bekommen, etwa in demselben �faße wie der
Absatz.
62
Im Gelenk darf die Sohle
bei Hohlschnitt keinesfalls
bis an den Rahmen heran­
geschnitten werden, sie muß
vielmehr eine Kleinigkeit
darüber hinausragen (63.1).
Durch das Unterarbeiten des
Rahmens im Gelenk legt es
sich nicht nur fester an, son­
dern es gestaltet sich auch
im Hohlschnitt flacher, weil
der Rahmen nicht mit hin-
einfällt. 63.1 Der im Gelenk unterarbeitete Rahmen

Das Messer muß im Gelenk besonders vorsichtig geführt werden. Die messerhaltende Hand
liegt während des Beschneidens fest auf dem rechten Oberschenkel auf, während sich der
Daumen zur sicheren Führung des }fossers an das Gelenk des Bodens anlegt und stützt
(63.2). Nach dem Beschneiden von Schnitt und Gelenk wird die .Absatzkante beschnitten.
Hierbei folgt man dem am Scha� sichtbaren Verlauf der Leistenkante unter Belassung von
etwa 2 mm Zugabe. Alsdann wird die Kante im Abstand von l Stich mit einer Reibe Holz­
nägel angenagelt (65.2 und 69,1).
.Auch beim Beschneiden der Durcbaussoble ist mit einem sehr scharfen Messer z.u arbeiten,
ebenso beim nachfolgenden Rißschneiden, denn nur dann läßt sich der Schnitt schön glatt
und gleichmäßig formen. Bei wenig scharfen Messern muß ein besonderer Druck ausgeübt
werden, damit es überhaupt :i;u einer Schnittwirkung kommt. Der Schnitt kann auch nicht
lang gezogen werden, er wird immer wieder unterbrochen, weil das stumpfe .Messer nicht greili.
Dies führt zu einer ungleichmäßigen Schnittbildung.

VIIJ. Das Riischneiden ,,.

Der Riß in die Sohlenkante


dient der Einbettung der Soh­
lennaht,die dadurch vor früh­
zeitiger Beschädigung ge­
schützt werden soll. Gewöhn-
lich wird der Riß in einer
Entfernung von 2 mm von
der Sohlenka.nte angebracht,
doch ist die Kantenbreite des
zur Verwendung kommen­
den Schnitt- bzw. Gelenk­ ...
eisens hierfür ausschlagge­
bend. Mit der Messerspitze

\
wird der Riß meistens in sei­
nem Verlauf festgelegt.
Die Tiefe des Schnittes rich­
tet sich nach der Sohlen­
stärke. Je dicker die Sohle, 63.2 Das Beschneiden der Durchaussohle im Gelenk

63
desto tiefer der Schnitt und
um so gerader die Messerhal­
tung. Die Schnittiefe soll i m
allgemeinen die Hälfte der
Sohlenstärke betragen. Bei
dünneren Sohlen muß der
Stich aber ebenfalls gut ein­
gebettet sein, und man hilft
sich dann durch entspre­
chend schrägere Haltung des
Messers. Ebenso verfährt
man beim Schneiden des Ge­
lenkrisses (64.1).
Die Durchaussohlen sind bei
fachgemäßer Rangierung an
den Seiten des Gelenkes
dünner ausgeschärft, wenig­
stens auf der Seite des Hohl­
'..... schnittes.
Vornherum wird das Messer
nur wenig schräg gehalten,
64.1 Die Messerhaltung beim Rißschneiden im Geleoktell

die Fingerspitzen gleiten dabei zur sicheren Führung des Messers am Sohlen­
schnitt entlang (64.2).
Zum Rißöffnen eignet sich am besten der besonders zugerichtete Rillöffner. Not-­
falls kann ein l Stich breiter Schraubenzieher hierzu Verwendung finden. Das Riß­
öffnen hat mit großer Vorsicht z u geschehen, denn allzu leicht kann das \.Verkzeug
ausrutschen und das Leder
beschädigen . (65.1). Dann
wird dei- Riß mit dem Spitz­
knochen gut ausgerieben und
mit dem Rißriller oder, wenn
man einen solchen nicht zur
Verfügung hat, mit der Spitze
des Plattortes nach unten
noch etwas verbreitert, wo­
durch sich der Draht gut ein­
zubetten vermag (65.2).
Mit demVorstuppen oder Vor­
radeln des Rahmens wird
die Stichgröße für das Nä­
hen und Doppeln der Sohlen
besonders vom Anfänger vor­
her festgelegt. Hierzu wird
der Rahmen mit einer Zahn­
bürste leicht angefeuchtet
und dann mit dem Stupprad
64.2 Die Messerhaltung beim Rißschneiden vornherum vorgeradelt. Es wird beim

6-!
65.1 Das Rißötfoen 65.2 Die zum Nähen
vorgerichtete
Durchaussohle

linken Schuh am inneren Gelenkanfang, beim rechten am äußeren angesetzt (bei


Gelenkplattenschnitt mit vorstehendem Rand bis zum Absatz, jedoch vom Ab­
satzanfang aus) und das Stupprad ohne abzusetzen unter festem Druck bis zum
anderen Gelenkanfang herumgeführt. Ein Unterbrechen oder Absetzen des Stupp­
rades führt z u lmgleichmäßigem Verlauf der Stichanordnung.

IX. Das Nähen und Doppeln der Durchaussohlen

a) Die Nähmitte]

1. Game und Zwil'ne

Der Rohstoff der Schuhmachergarne und -zwirne, welche von besonderer Güte
sein müssen, ist der Flachs.
Flachs, auch Lein genannt, ist eine 1 m hohe, feinstengelige Pfia�ze, die im gemäßigten
Klima, besonders im nördlichen Europa, gedeiht. Der Flachsstengel ent.hält im Innern die zur
Herstellung der Garne notwendige Bastfaser. Zu ihrer Gewinnung muß der auf dem Felde
gelbreif gewordene Flachs mit der \Yurzel ausgezogen und an der Luft getrocknet werden.
Damit sich die Bastfaser von der Rinde und Holzschicht des röhrenförmigen Flachs­
stengels außen und innen lösen kann, wird der Flachs auf großen Wiesenflächen a'll.!lgebreitet,
wo er wochenlang liegenbleibt. Unter dem Einfluß von Sonne, Tau und Regen gedeiht
auf den Halmen ein winziger Pilz; mit seiner Hilfe verwittern die holzigen Schichten, ihr
Gefüge lockert sich und löst sich vom Bast.
Nach einem anderen Verfahren stellt man die Flachsbündel aufrecht in große, heizbare
Zementbottiche und beschwert sie, damit sie nicht nach oben treiben können. Im ,�asser und

65
in der Wärme werden die holzigen Stengel ausgela.ugt; Gärung entsteht; das Wasser trübt
sich und fä.i:bt sich wie dunkles Bier. Gasblasen steigen auf und bilden Schaum, l\Iilliarden
von Bakterien arbeiten an der Zersetzung des Pflanzenleims. Nach einigen Tage11 ist die
Aufschließung der Fasern beendet. Nun wird der Flachs an der Luft sorgfältig getrocknet.
Die Verarbeitung von Flachs
zu Garn.
1. Damit die holzigen Stengel
von den Faserbündeln a.bge­
streift werden können, müssen
sie geknickt werden. Schicht­
weise werden sie in die Knick­
maschine (66.1) geschoben
und zwischen geriffelten Eisen­
walzen durchgedreht. Ein gro­
ßer1'eil der zerbrochenen Holz­
teilchen - man nennt sie
„l::lcheben" - wird schon in
dieser Maschine abgestreift 66•1 Knlckflachs CG.2 Schwiogll!o.chs
Schimmernd wie blondes
Frauenhaar kommen die Faserbündel an den Tag. Ergebnis: K nickflachs.
2. Auf der Schwingmaschine werden die
„Scheben" durch schnellkreisende Holzmesser
oder durch eiserne Schlagwellen YOn der Faser
abgestreift (66.2). Die gereinigte Faser bildet den
Rohstoff für die Leinenspinnerei. Ergebnis :
S c h w ingflachs.
3. Auf der Hechelmaschine wird der Schwing­
flachs durch zahlreiche Stahlnadeln, die aufrund­
laufenden Lederbahnen angebracht sind, ausge­
kämmt {,,gehechelt"), Unreinigkeiten und kurze
Fasern (,,Werg") werden dabei abgestreift (66.3).
Ergebnis : Hechelflachs.
4. Der Hechelflachs kommt nun zur Herstellung
von Flachsgarn in die Lcinenspinnerei, wo er zu­
nächst dachziegelförmig übereinandergelegt und
in ein endloses Faserband verwandelt wird (66.4).
66.S HechclOachs (Aus dem Werg wird Werggarn hergestellt.) Er­
gebnis : Anlegeband.
5. Die Faserbündel werden auf verschiedenen
Streckmas c h i n e n verzogen (gestreckt) und ge­
doppelt. Dadurch werden sie feiner und gleic·h­
mäßiger (67.1). E.'rgebnis: Streckband.
6. Die Bänder werden von der Vorspinn ma­
schine lose zusammengedreht. Noch aber ist das
so gewonnene Garn der ersten Verarbeitungsstufe
locker, verhältnismäßig dick und wenig reißfest
06.( Aolegeband (67.2). Ergebnis: Vorgarn.
66
6T.1 Streckband 61.2 \'orcnm

7. Beim Durchlaufen durch ein heißes Wasserbad wird der Pflanzenleim gelöst,
dann drnhen die schnellaufenden Spindeln der F e i n s p i n n m a s c h i n e n das
Vorgarn zu einem festen Faden zusammen (67.3). Ergebnis: Feingarn.
8. Das Feingarn wird auf der Zwirnmaschine „ge­
zwirnt", d. h., es werden zwei oder mehr Feingarn­
fäden von den Zwirnspindeln zu eineru zweifachen
oder mehrfachen „Zwirn'' zusa.mmengedreht (67.4).
Ergebnis: L e i n e n z w irn.

Es sind vetschiedene Zwirnarten im Handel. Durch


das Zwirnen werden kleine Unebenheiten des Fein­
garnes ausgeglichen, der Faden gewinnt an Gleich­
mäßigkeit und gleichzefüg an Festigkeit. Die Game
können -je nach dem Verwendungszweck des Leinen­
zwimes - fest oder lose, in Rechtsdrehung „S"
oder Linksdrehung „Z" gezwirnt werden.
Auch die verschiedenartige Weiterbehandlung des .
Leinenzwirnes muß sich sorgfältig den Zwecken an-
G7.3 l-'elognrn
passen, denen er als zuverlässiger Nähfaden dienen
soll. Durch Auskochen wird der Leinenz,\irn von
den letzten Unreinigkeiten befreit. In der Bleiche
werden aufkünstlichem oder natürlichem Wege die
Farbstoffe und Pflanzenleime der Fla.chsfaser ent­
fernt.

Lcinenzwirne können in den ,erschiedenst.en Far­


ben, auch ind:inthren, gefärbt werden. Jfänige Zwirn­
sorten erhalten dureh die „Appretur" Geschmeicüg­
keit und eine besondere Glätte zm Verbesserung
ihrer yähfähigkeit, andere Zwirnsorten werde11 weich
erhalten, sie kommen in l\Iat,tausführung in den Han­
del. T)ie Leinenzwirne für die Schuhherstellung er­
halten eine besondere Aufnahmefähigkeit für Pech
und Gleitmittel. GT.4 Leincnzwim

67
Die Handelsaufmachung der Leinen­
garne und -zwirne ist verschiederui.rtig.
Sie werden teils nach Längen in Stück
oder Strangaufmachung, teils nach
Gewicht, auf Knäueln, Holzrollen,
Papphülsen und Pappsternen aufge­
wickelt, zum Versand gebracht (68.1
GS,l Einst.ech• Doppel- BesLecbgnrn und 68.2).
2. Seide
Man unterscheidet echte und „unechte Seide", letztere trägt die Bezeichnung
,,Schappeseide".
Echte Seide wird aus dem Seidengehäuse (Kokon) der Seidenraupe gewonnen. Im
allgemeinen liefert ein Kokon einen sehr dünnen Seidenfaden bis zu· 3000 m
Länge, von der aber nur 300···500m abgewickelt werden können. Mehrere dieser
dünnen Seidenfäden vereinigt, ergeben einen einfachen Seidenfaden. Zur Gewin­
nung des eigentlichen, gebrauchsfertigen Seidenfadens werden zwei, drei und mit­
unter noch mehr solcher einfachen Seidenfäden zu einem Faden vereinigt, der als
gewöhnlicher Faden bezeichnet wird. Er kommt roh oder gefärbt in den verschie­
densten Stärken in den Handel. Echte Seide findet vorzugsweise zum Steppen
der Schäfte Verwendung.
Schappeseide ist an sich auch echte Se.ide.
Kokons, welche durch das Ausschlüpfen
der Schmetterlinge beschädigt wurden
und somit keinen durchlaufenden Sei­
denfaden liefern, sowie nicht fertig ge­
sponnene Kokons, verletzte usw. werden
68,2 Leinenzwirne Sch:ippeseide zu Schappeseide verarbeitet. Da der
Rohstoff derselbe ist wie bei der echten
Seide, steht die erste Güte Schappeseide der echten Seide nicht viel nach. Sie
eignet sich besonders zum Steppen von Schaftgarnituren (68.2).
Seidenersatz ist ein mehrfach gezwirnter (gedrehter) Nähfaden aus bester ägyp­
tischer Baumwolle von besonders gleichmäßiger, glatter Beschaffenheit, zur
Verwendung als Ober- und Unterfaden für Schaftarbeiten aller Art wie auch für
Nadelarbeiten. Seidenersatz ist ziemlich reißfest, doch wenig elastisch, wo­
durch der Faden beim festen Auszwicken einer Naht brechen kann. Er kommt
na.turfarbig, schwarz und braun in den Handel.

3. Borsten
Die besten Borsten werden vom älteren Wildschwein gewonnen, wobei die längs
des Rückgrates wachsenden Borsten, die sogenannten „Ka.mmborsten", die be­
vorzugten sind. Sie müssen bei guter Beschaffenheit genügend stark, in sich fest
und federnd, glatt, rund und möglichst durchscheinend (glasig) sein.
Die Borsten des zahmen Schweines sind weniger stark. Sie werden vor dem
Brühen des geschlachteten Schweines ausgezogen. Zum Geschmeidigmachen der
Borsten verwendet mau Glyzerin, Tragant oder ähnliche :Mittel.
68
b) Das Nähen und Doppeln

Das richtige Nähen gliedert sich in das Gelenknähen und in das Sohlennähen·
oder Doppeln.
Die Beschaffenheit der Drähte. Das Gelenk wird bei Hohlschnitt stets schlank
genäht. Ein schlanker Stich hat mehr auszuhalten als ein kurzer. Schon aus diesem
Grund muß der Gelenkdraht stärker sein als der zum Kurznähen bestimmte.
Da nun das Gelenk mehr auszuhalten hat als die Sohle und noch viel mehr, wenn
- endig, für das Ge­
es mit einer starken Gelenkfeder ausgestattet ist, ist es .notw
lenknähen einen besonders guten und vor allem frischen Draht zu verwenden.
Vollkommen falsch ist jedoch die Verwendung von Drahtenden, denn sie sind
durch das ständige Erhitzen beim Durchziehen des Drahtes durch die Löcher ver­
brannt und haben keine Kraft mehr. Das Trennen der Gelenke ist in den meisten
Fällen auf die Verarbeitung derartiger Drahtenden zurückzuführen.
Nur einen Draht für die ganze Durchausso hle zu verwenden, ist ebenso falsch.
Wird der Draht dünn gehalten, dann ist er vielleicht für das Doppeln recht, für
das Gelenk aber zu schwach, und wird er stark gehalten, dann ist er vielleicht
für das Gelenk gut, aber für das Doppeln zu dick. Wird der Draht aber in einer
mittelmäßigen Stärke gehalten, dann ist er weder für das Gelenk nocb für das
Doppeln geeignet und verliert erst recht seinen Wert, wenn er, fast aufgebraucht
und mürbe, die andere Seite des Gelenkes noch durchnähen soll. Deshalb die For­
derung: für jedes Gelenk einen kurzen und frischen
Draht, ebenso für die Sohlen.
Das Nähen der Gelenke. Man beginnt stets mit dem
Nähen der Gelenke. Hierzu verwendet man einen
Plattort, dessen Stärke sich nach der Gelen kstärke
und der Drahtstärke richtet. Genäht wird mit schlan­
ken Stichen.
Um das Oberleder vor Beschädigungen durch den Ort
und den Draht zu bewahren, reibt man bei schwarzen
Oberledern und bei Lack ein Stück Kernseife oder
Bienenwachs unmittelbar oberhalb des Rahmens da­
gegen. Bei farbigen Ledern ist das Beilegen eines dün­
nen Oberlederstreifens zu empfehlen.
Vor dem Nähen werden Rahmen und Riß leicht an­
gefeuchtet. Der Plattort muß so gehogen sein, daß er
ohne besondere Anstrengung (Abdrücken des Rahmens
und der Sohle) und ohne Druck gegen das Oberleder
durch den Rahmen in den Gelenkriß geführt werden
kann.
Beim Durchstechen des Leders drückt der Daumen der
linken Hand fest gegen die Soblenka.nte unmittelbar
neben dem Durchstich, damit das Gelenk nicht ab­
gedrückt wird. Die Borsten sind stets so durchzu­
führen, daß die Drahtenden beim Durchziehen vorn zu
G9.l Die .Anordnung der Gelenb:­
und Doppelstiche

69
liegen kommen. In dieser Lage der
Drahtenden muß auch der Stich zu­
gezogen werden.
In der Gleichmäßigkeit des Nähern,,
aber besonders auch im gleichmäßigen
Anziehen der Stiche, liegt der tadellose
Verlauf einer Naht begründet (69. 1
und 70.1).
Das Doppeln der Sohle. Der zum
Doppeln bestimmte Querort muß auf
10.I Doppelnaht

die Drahtst,ärke abgestimmt


seinundeine scharfe Schneid­
fläche an der Spitze haben.
Rahmen und Riß werden an­
gefeuchtet; der Spannriemen
hält den Schuh auf dem lin­
ken Oberschenkel in gerader
Stellung fest, der Ort durch­
sticht mit einem festen, aber
sicheren Druck und ohne
Drehbewegung den Rahmen
und die Sohle und soll genau
aus der Rißmitte heraus­
treten. Dabei drückt der Dau-
10.2 Die Handhaltung beim Doppeln

men der linken Hand wie beim Nähen


der Gelenke fest gegen die Sohle. Die
Spitze des ·. Ortes darf höchstens ¼
Stich durch die Rißbahn treten, da das
Loch andernfalls zu groß wird und die
Stiche bei enger Anordnung durchreißen
können.
Auch beim Doppeln müssen die Draht­
enden beim Durchziehen vorn laufen.
Ferner soll man sich nie angewöhnen,
die Borsten nach jedem Stich mit dem
Munde festzuhalten oder gar fallen zu
lassen, um sie jedesmal wieder aufzu­
greifen. Borsten. und Ort Yerbleiben bei
jedem Stich in der Hand (70.2 u. 3).
Nun werden die Stiche mit dem Spitz­
knochen ausgerieben, der angefeuch­
tete Riß wird mit Wiener Kleber be-
• 10.3 Der Laufder Drahtenden heim Doppeln

70
su1c-Len und mit dem Spitzknochen beigedrückt. Die Kanten, die sich infolge
des Druckes mit dem Querort etwas abgehoben haben, ,,.erden leicht, aber gleich­
mäßig angeklopft. Im Gelenk wi.rd, wie beim Aufrichten der Durnhaussohle, der
Spannriemen zum Anklopfen zu Hilfe genommen.
Nun folgt das Beidrücken des Sohlen- und Gelenkschnittes mit dem Putzholz,
worauf die leicht angefeuchtete Sohle mit der Glättschiene geglättet wird.
Beim Überprüfen muß die Sohlenfläche vollkommen flach in der Vorfußpartie
sein, und die Kanten müssen einen gleichmäßigen Verlauf nehmen. Der Boden
ist jetzt für den .Absatzbau vorbereitet.
Nach einem anderen Arbeitsverfahren kann man den Sohlenriß auch mit hochwertiger Gummi­
lösung schließen. Hierzu muß die nach dem Nähen noch feucht ausgeriebene RißriJle voll­
kommen trocknen. Danach wird sie zweckmäßig vermittels eines schmalen Borstenpinsels
mehrmals mit Gummilösung bestrichen. Nach ihrem Eintrocknen wird die R.ißrille wieder
leicht angefeuchtet, vermittels des Spitzknochens, des Putzholzes und der Glättscbiene bei­
gedrückt und mit dem Hammer angeklopft.

X. Der Absatzbau

a) Die Nägel

1. Holznägel
Es gibt deutsche und amerikanische Holznägel. Deutsche sind zweiseitig zuge­
spitzt, und amerikanische haben eine pyramidenförmige, vierseitige Spitze. Die
deutschen Holznägel, auch „Berliner" genannt, schonen die Leisten mehr als die
amerikanischen, da die Nagelspitzen weniger große Löcher verursachen.
Holznägel werden vorzugsweise aus Birkenholz erstellt, aber auch aus Buche und
Ahorn.
Zu ihrer Herstellung werden die entrindeten Stämme entsprechend der Holznagellänge mit
der Kreissäge in einzelne Stammabschnitte (Scheiben) zerlegt. Von hier aus gelangen die
Scheiben oder Platten zur Streifenschlagroascbine und dann zur Spitzenmaschine. In der
Stiftsch.lagma.sehine werden die angespitzten Streifen in einzelne Holznägel zerlegt. Nun
werden die Holznägel in schwefeliger Säure gebleicht. worauf sie in kreisende, geheizte Trom­
meln zum Trocknen kommen. Rchlechte Holznägel werden durch die Sortiermaschine aus­
geschieden.
Gute Holznägel müssen von heller Farbe, leicht glänzend, scharfkantig und beim
Gebrauch trocken sein, weshalb sie an einem t.rockenen Orte aufbewahrt werden
müssen. Trockene Holznägel brechen bei der Probe kurz ab und biegen sich
nicht. Feucht vcrarbeit€'te Holznägel lösen sich bei T1·ockenheit schon bei ge­
ringfügiger Bewegung des Schuhwerks aus ihrer Verbimlung, bieten also keinen
Halt.
Zur Verarbeitung kommen meistens sechs Größen , von 5· ·30 mm Länge und
1,4···2,4 mm Dicke.

2. Metallnägel
Metallnägel werden im Schuhmacberhandwerk für vielerlei Arbeiten benötigt,
wonach sich auch ihre Beschaffenheit richtet.

71
Zum Zwicken und Absatzbau benötigt man Drahtstifte in den Größen von 1/2, ¾
und 1 Zoll. Wie die Bezeichnung sagt, sind sie aus Stahldraht geschnitten, gleich­
mäßig dünn, von verschiedenen Dicken und haben kleine, flache Köpfe (72.1).
Die zum Zwicken noch im Handel befindlichen blauen Stahlzwecken (S-Zwecken genannt)
finden immer weniger Anwendung, da sie nicht allein die Brandsohle zu sehr durchlöchern,
sondern auch die Leisten stark verbrauchen (72.1).

f !1
Gegen das vorzeitige Ablaufen der Oberflecke ver­
wendet man Absatzstifte. Hiervon gibt es die SO·
� genannten Damenstifte von runder Form und in
verschiedenen Größen und Sfärken. Für Herren­
absätze verwendet man entweder die geschnit­
tenen oder die keilförmigen Absatzstifte, die eben­

'
falls in verschiedenen Größen und Stärken geführt
$-Zwecke Dmhtstlftc

werden (72.2).
72.1

Tackse sind im Schuhmacherhandwerk weniger im

l � �
Gebrauch. Sie finden nur gelegentlich als Heftnägel
gute Verwendung, wie beispielsweise zur Erarbeitung
der Leistenkopie beim Schäftemodellieren, bei Klebe­
arbeiten, Befestigung von Weitungen an Leisten und
Tackse Herren- und Damen•

Blöcken. Ihre Hauptverwendung finden sie zum Re.


Absatzstifte
72.2
parieren minderwertigen Schuhwerks (72.2).

Messingstifte sind weicher als Stahlstifte, sie dienen darum als 0berfl.eckstifte für
leichtes und Luxusschuhwerk. Mit Messingstiften beschlagene Oberflecke wirken
nicht so hart im Auftritt, weshalb sie
mit gutem Erfolg in der 0rthopädie­
schuhmacherei zur Verarbeitung
kommen.

Sohlennägel finden· als Verschleiß­


schutz der Sohlen und Oberflecke
von Sport- und Berufsschuhwerk
'l'2.3 Sohlennägel Verwendung. Dementsprechend sind
sie geformt und bezeichnet (72.3).

Nägel für Hochgebirgsschuhwerk.


Hochgebirgsschuhwerk erfordert ei­
nen besonderen Sohlen- und Absatz.
beschlag, damit ein Ausgleiten ver­
hindert wird. Die besten Nägel für
diese Zwecke sind geschmiedet. Es
gibt flach-, rund-, spitzköpfige,
solche mit langem Stiel zum Um.
nieten um die Sohlenkante, andere
mit kurzem Stiel zum einfachen
Einschlagen, ferner einschraubbare
'l'2.4 Hochgebirgsnägel oder sogenannte Stollen (72.4).
72
b) Der Ahsatzbau

Man beginnt mit dem Auf­


richten des Keders. Zuvor
wird die Sohlenkante, An­
schlag genannt, flach aus­
geschärft oder geraspelt. Ein
gewölbter Anschlag bietet
dem Keder kein festes Auf­
lager und verhindert eine
gute Bindung mit dem Ab­
satz.
Der beraspelte Anschlag wird
mit WienerKleber bestrichen
und dann der Keder hinten
in der Mitte mit einem Holz­
nagel geheftet. Von hier aus
wird zunächst die eine und
dann die andere Seite des 73.1 Das Aufoagelo des Keders
Keders mit der Anschlag-
kante gleichgelegt und stellenweise mit Holznägeln geheftet.
Nun wird der Keder beschnitten und mit etwa 1 cm langen Holznägeln genagelt.
Die Nagelreihe soll nach dem formgerechten Beschneiden des Keders nicht weiter
als 1 Stich von der Kante verlaufen. Die vordersten Holznägel schlägt man eben­
falls 1 Stich vor der auf der Durchaussohle bezeichneten Absatzfront ein (73.1).
Das Abschärfen und Beraspeln des Keder!!. Sollte der Keder nicht kräftig genug
gewesen sein, um die Fersenrundung der Durchaussohle auszugleichen, so kann
ein zweiter Keder aufgenagelt werden; a,ndernfalls wird der erste Unterfleck mit
Kleber bestrichen, hinten
und seitlich mit je einem
Holznagel geheftet, ange­
klopft und beschnitten.
Nun folgt das Aufnageln mit
einer Reihe Holznägel, das
feste gleichmäßige Anklopfen
der Kanten, das Abschärfen
des Fleckes und das Bera.s­
peln. Der zweite Fleck
kommt in der gleichen Weise
zum Aufbau (73.2).
Besonders sorgfältig muß das
Niederklopfen der Kanten
durchgeführt werden. Die
Schläge sollen gleichmäßig
fest sitzen und dicht neben- 73.2 Das Aufo:,gel.n des erst-On UoterOecks

73
einanderliegen. Stellen sich hiernach Unebenheiten heraus, so müssen diese durch
Abschärfen und Abraspeln ausgeglichen werden, nicht aber durch einseitiges,
gewaltmäßiges Niederklopfen von Erhöhungen, was zu einem schlechten Tragen
des Absatzes führt.
Falsch jst es auch, ilie durch da.s Niederklopfen der Kanten elll.,stehende Wölbung
in der Fleckmitte flachklopfen zu wollen . Dadurch bekommen die Absa.tzkanten
Spannungen, diefür ein Platzen des Absatzes mit verantwortlich sind. Der erhöhte
Teil muß vollkommen abgeschärft und der Fleck hierauf beraspelt werden (74.1).
Zum weiteren Aufbau des
Absatzes kommen je zwei
Flecke zum Aufkleben und
A�fnageln, vorausgesetzt,
daß nicht zu dicke Flecke
verwendet werden: An
Stelle der Holznägel ver­
wendet man jetzt ½- bis
¾zöllige Drahtstifte. Tore
Größe muß so gewählt
werden, daß sie nicht bis
zur Brandsohle durchdrin­
gen können.
Nach dem Aufnageln müs­
sen die Köpfe der Draht­
nägel mit dem Versenker
versenkt werden, denn sie
stören beim Abschärfen und
74.1 Das Ausschärfen des aufgenagelten Unterflecks Beraspeln der Flecke. Da
sich dieDrahtnäge1, weil sie
rund und glatt sind, mit
der Zeit lockern, ist das
Einschlagen einiger langer,
kräftiger Holznägel zwi­
schen die Stiftreihe an­
gebracht.
BesondereVorsicht ist beim
Einschlagen der Drahtnägel
an den Flecken des Absatzes
geboten; sie müssen etwas
schräg nach innen, hinten
zum Einschlag kommen, in
der Richtung also, die dem
Verlauf der Absatzfront am
fertigen Absatz entsprioht.
Es kann sonst leicht vor­
kommen, daß man beim
Beschneiden des Absatzes
14.2 Das Beschneiden des Absatzes auf ilie Nägel trifft.
74
Drahtnägel, welche beim
Einschlag eine falsche oder
fraidiche Richtung genom­
men haben, soll man besser
hl-'rausschneiden und sie
nicht belassen. Das spä­
tere Hervorkommen eines
Drahtstiftes erfordert mehr
Arbeit, wirkt sich aurh
nac:hteilig für das Aussehen
des Absatzes aus. Zwischen­
durch wird der Absatz au­
ßen herum roh beschnitten
(74.2). 75.I l>as Ub�rprüfen des Absatzea auf scioon wuagerechteo Aufbau

Nachdem die gewünschte Absatzhöhe erreicht ist, wird der mit Kleber be­
strichene Oberfleck mit drei Drahtstiften, die verdeckt eingeschlagen werden,
aufgehcftet. Das Hauptaugenmerk ist hierbei auf die Stellung des Oberfleckes zur
Schuhspitze zu legen, denn der Absatz soll zur Schuhspitze hin gerichtet sein (siehe
auch S. 25: ,,Die Absatzlänge wird festgestellt").
Der Schuh ,vird nun auf eine glatte, waagerechte Fläche gestellt, um zu prüfen,
ob der Absatz überall gleichmäßig aufsteht (75.1). Unwesentliche Erhöhungen be­
seitigt man durch leichte Hammerschläge, größere jedoch durch Abheben des
Oberfleckes und neue Ausrichtung der Absatzoberßäche (75.1).
Der Absatz wird leicht angefeuchtet und in Form
Da.-. Beschneiden des Absatzes.
geschnitten. Flache Absätze erhalten gerade, volle Seitenflächen, und nur bei
höheren Absätzen ist es angebracht, die Flächen etwas zu ziehen, d. h. leicht ein ­
zubuchten. Die jeweilige Form ist in der Hauptsache vom Zweck des Schuhes und
vom besonderen Wunsch
des Kunden abhängig, falls
sie nicht von der Mode be­
stimmt wird.
Heim BesC'hneiden an der
&>hlenkantc ist das Mitführen
desBeschneidhoros zum Schut­
ze des Oberleders anzuraten.
Nachdem der Absatz außen
herum beschnitten ist, wird
dieAbsatzfront beschnitten
(75.2). Der Schnitt muß
--
nach Möglichkeit in einem
Zuge geführt werden und
dem Verlauf der Oberfleck­
kante folgen.
Vorsicht ist beim Erreichen
der Durchaussohle geboten,
damit sienichteingeschnit­
ten wird. Der überstehende 'tli.2 Das .Frontbeschnelcleo d"s Absatzes

6 },'aohk. f. Schuhmacher 75
Keder wkd zweckmäßig von der Seite durchschnitten. Das Messer bekommt
hierbei eine leichte Schrägstellung, auch die Absatzkante muß schräg verlaufen,
wenn der Absatz nicht plump wkken soll. (76.1). Hierauf wird der Oberfleck in
der bekannten Weise gestiftet.
Das Bearbeiten des Absatzes und der Absatzkante. Wiederum wird der Absatz
leicht angefeuchtet, die Absatzkante mit dem Spitzknochen leicht vom Oberleder
abgedrückt und danach gleichgerichtet bzw. abgelassen. Hierzu verwendet man
das Randmesser (76.2).
Eine vorsichtige Handhabung dieses Messers ist geboten, da der Dorn des Messers
leicht in das Oberleder eindringen kann und es beim Ablassen der Kante mit
durchschneidet.
Hierauf wird der Absatz
mit der Kehrseite des
Hammers bearbeitet,. damit
sich clie Absatzflecke noch
fester gegeneinanderpres­
sen. Auch die Absatzkante
wird beigeklopft, damit eine
gute Verbindung zwischen
Keder und Durchaussohle
entsteht (77.1).
Die Absatzkante wird
mjt der Absatzkantenraspel
gleichgerichtet, so daß
sie einen ununterbrochenen
Verlauf mit der Rahmen­
kante nimmt (77.2).
Nun wird. die Hinterkappe
angeklopft, dicht oberhalh
der Absatzkante. Diese Ar­
'16.1 Das Schrägschneiden der vorclcrco Absatzkaote beit hat den Zweck, die
Absatzkante für die nach­
folgenden Arbeiten an det­
selben freizulegen. Um die
Ahsatzkante nicht zu tref­
fen, setzt man die Hammer­
schläge auf einen guten
Kernlederstreifen, der an
der Absatzkante entlang.
geführt wird (77.3). Damit.
ist der Absatz zum Beras­
peln fertig.
Das Gelenk- und Schnitt­
beschneiden. Diese �<\..rbeit
kann ebensogut -vor wie
l - --- nach dem Absatzbau ge­
16.2 Das Ablassen der Sohlenkante mit dem Rauurn�ssn leistet werden. Für den
76
Anfänger ist das Gelenk­
beschneiden nach dem Ab­
satzbau ratsamer, denn
hierdurch wird vermieden,
daß das Gelenk zu tief in
den Anschlag hinein ge­
formt wird, wodurch das
Ausarbeiten einer einwand­
freien Absatzkante unmög­
lich ist. So aber legt die
fertige Absatzkante die
Länge des Hohlschnittes '\j
fest.
1

Das Gelenk \\ird entspre­


j
chend der Form des zur
.
1

Verwendung kommenden
�..J

Hohlschnitteisens beschnit­
77.1 Das Anklopfen des Absatzes

ten. Zweckmiißig läßt man


zunächst die Sohlen.kante
miteinemMesserzugeschräg
nach unten ab, doch darf
die untere Sohlenkantehier­
bei nichts verlieren (78.1).
Alsd,in n setzt man das Ge­
lenkeisenversuchsweiseauf,
wodurch festgestellt. werden
kann, oh und wo noch zu­
viel steht. Zur Vermeidung
eines zu dicken Hohlsclmit­
tes setzt man das Eisen
möglichst flach auf, ,,,.o. 17.2 J)ie Bearbeitung der Sohlenkante mit der Absatzkantenraspel
durc,h der Druck mehr von
oben nach unten geführt
wird, als von vorne gegen
die Sohlenkante. Erst wenn
dns Eisen den Hohlschnitt
gut. und lückenlos aus­
d rürkt, kann er leicht hr­
raspelt und mit, der Zil'h­
klinge noch etwas nac·h­
gezogcn werden. Das Be­
arbeiten mit Glasprtpier
erübrigt sich (78.2).
Der Schnitt wfrd nach dem

heschnittcu, worauf clas Ah­


Nähen nochmals Icichtna<'h­

st uppen bzw. Ahrn,deln dm· 17.3 Das Anklopfon der Hinterkappe

77
Doppelstiche folgt. Der Rahmen
wird leicht angefeuchtet und
das erwärmte Stupprad am An­
fang der Doppelstiche aufge­
setzt. Als Unterlage dient das
Schoßbrett, gegen das die Soh­
lenkante beim Abradeln ge­
drückt ·wird, damit sie sich
nicht abheben kann.
Das Stupprad soll beim ersten
Umfahren nicht abgesetzt wer­
den, weil dies zu ungleichmäßi­
gen Sticheindrücken führt. Beim
Nachradeln besteht diese Gefahr
weniger, weil die Rillen des
Stuppra.des sofort in die des
vorgestuppten Rahmens ein-
;s.1 Das Beschneiden des Geleukea greifen (78.3).
Beim Abradeln farbiger
Schuhe ist das Beilegen eines dünnen Oberlederstreifen.� rundherum notwendig,
damit das Oberleder durch das Stupprad nicht befleckt wird.
Das Absatz- und Schnittberaspeln. Ein gut beschnittener Absatz und Schnitt
erfordert nicht. mehr viel Raspelarbeit. Sie dient nur zum Ausgleich von kleinen
Unebenheiten, die beim Beschneiden
nicht behoben werden können. Beim
Beraspeln des Absat,zes ist das �Iit­
führen des Beschneidhorns zum
Schutz des Oberleders zu empfehlen
(79.1 ).
Die Ra.spei soll bei der Bearbeitung
von gradwandigen Absätzen breit
sein, einen feinen Hieb haben, wo­
durch allzu tiefe Rillen im Leder
vermieden werden und das nachfol-
gende Ausglasen erleichtert wird. 1s.2 JJas frrtig IJearbuitcte <;e1�111<
Für das Beraspeln des Schnittes
verwendet man besser eine schmale
Schnittraspel, denn sie ist handlicher
und läßt sich sicherer führen. Am
Schnittverlauf ändert sich beim Be­
raspeln nichts. Das Abfeilen des
Oberfleckes beschließt die Raspel­
arbeiten.
Das Beschaben und Ausglasen. Die
durch das Beraspeln verursachten
Rillen werden durch die Bearbeitung
mit einer scharfen Ziehklinge besei- 1$.3 Der mit. dem Stupl)rad a.bg<•�i..u1,1HP. R..ihrncu

78
tigt. Ein guter Ausputz
kann nur dann erzielt wer.
den, wenn diese Arbeit mit
peinlichster Sorgfalt durch­
geführt wircl. Dies gilt, ganr.
besonders für den Absatz,
denn durch flüchtiges Aus­
schaben übersehene Rillen
treten am Ausputz 1111ci·­
hittlich hervor und heein­
t.rächtigen das Ausr-rhen
cles ganzen Bodens.
Beim Ausschaben von Ab­
satz und Schnitt müssen
limge Züge geführt werden,
wodurch eine einheitlich
glatte Fläche erzielt wird.
Nun folgt mit gleicher
Sorgfalt das Bcschaben der 79.I Das Bcra.speln dPS Ahsot.z..,
Bodenfläche.
Schnitt und Absatz werden noch mit feinkörnigem Glaspapier ausgeglast, um
jede Rauhigkeit dfä, Leders zu beseitigen. Zum Ausglasen der Bodenfläche ver­
wendet man ein handgroßes Stück gradflächigen Kork, um den das Glaspapier
gelegt wird. Die Bodenfläche bearbeitet mn.n unter festem Druck in kreisför­
migen Bewegungen so lange, bis alle Rillen oder Unebenheiten beseitigt sind.
Zur Erzielung eines tadellosen Ausputzes ist das Nachglasen mit feinstem Glas­
papier zu empfehlen.

XI. Die A usputzarbeiten


a) Die Ausputzmittel
1. Glaspapier
Zum Ausglasen der Schnitt-, Gelenk-, Absatz. und Sohlenflächen verwemiet man
Glaspapier. Pulverisierte Glasabfälle werden in verschiedenen Körnungen, fein bis
grob, auf geleimtes Papier gestreut. Das Waspapier wird z1.1 gebrauchsfertigen
Stücken zweckmäßig so zerschnitten, daß man die Bogen auf der Papierseite mit
der Spitzenrückseite eines alten Messers anreißt, worauf sich die Stücke glatt ab­
reißen lassen.
2. Tragant
Für einen einwandfreien Ausputz müssen die nach dem Ausglasen noch vorhan­
denen feinen Lederfasern geglättet werden. Hierzu verwendet man Tragant. Es
ist diC's getrockneter Pflanzenschleim von besonderen Sträuchern Griechenlands
und Kleinasiens mit hornartigem, durchsichtigem Aussehen.
Zu seinem Gebrauch muß er je nach seiner Dicke einige Tage im Wasser auf.
gelöst werden, bis er zu einer dickflüssigen Masse geworden ist, die leimartige
Eigenschaften hat. Hiermit werden die auszuputzenden Bodenteile vor dem Vor­
brennen leicht eingerieben.

79
3. Kaltpoliertinte
Für einen guten Bodenausputz verwendet man Kaltpoliertinte. S c hwarze
Kaltpoliertinte besteht aus einer Lackemulsion (milchähnliche, schleimige Flüssig­
keit) mit Zusatz von Anilinfarben.
Braune Kaltpoliertinte wird aus emulgierten (zu einer schleimigen Flüssig­
keit verwandelten) Lacken und vVachsen unter Zusatz von natürlichen u. nd künst­
lichen Farbstoffen hergestellt.
4. Wachse
An Stelle von Hartwachs o der zum Nachwachsen ausgeputzter Böden verwendet
man Schmierwachs. Es wird aus besonderen Wachsverbindungen (Tulineral- und
Pflanzenwachs) unter Zusatz von Terpentinersatz hergE:Jstellt.
Beschädigungen am Schaft können durch _R epa­
rierwachs, das in Schwarz und allen Farbenab­
stufungen hergestellt wird, unsichtbar gemacht
werden, falls sie geringfügiger Natur sind. Es
kommt als Knetwachs oder in Form sogenannter
,,Reparierstifte" in den Handel (80.1).
Ausputzwachs besteht aus mehreren \Vachs-
sorten, welche ein Schmelzverfahren durchmachen
80,1 Oben: Reparierwa.chs und mit Teerfarbstoffen gefärbt sind. Es ist unter
der Bezeichnung „Hasenwachs", ,,S<Jhlangen­
unten: Ausputzwa.chs

wachs" usw. in runden, rechteckigen und ovalen


Stücken im Handel und findet als allgemeines Ausputz­
wachs Verwendung (80.1).

5. Oberlederschwärze (Blitzschwärze)
Zum Schwärzen farbigen Schuhwerks verwendet man Blitz­
schwärze {80.2), die aus Anilinyerbindungen und Kohlen­
wasserstoffen zusammengesetzt ist. Das zu färbende Schuh­
werk muß YOr dem SchwäJ:zen mit lauwarmer, guter Seifen­
brühe entfettet werden, da die Schwärze sonst nicht in die
Hautporen eindringen kann. Das Waschen mit scharfen Mit­
teln, wie Salmiakgeist, scharfe Sodalösung, Azeton usw., ist
nach Möglichkeit zu vermeiden, da das Oberleder hierdurch
brüchig und hart wird.
80,2 Oberlederschwärze
6. Oberlederlack (Appretur)
Aus Harz oder Schellack, die in Spiritus aufgelöst werden, stellt, ma.n Oberleder­
lack her. Reine Spiritusappreturen sind aber brüchig, weshalb sie noch einen Zu­
satz von Firnis und Terpentinöl erhalten. Diese Appreturen verleihen dem Ober­
leder nach dem Ausbügeln des Schaftes einen milden Glanz, doch ist ein zu reich­
liches Auftragen zu vermeiden, da das Schuhwerk andernfalls einen lackierten
Charakter erhält, was dem Aussehen nur abträglich ist. Je dünner die Appreturen
aufgetragen werden, desto schöner w:iJ:d der Glanz und desto besser hält die
Appretur. Sie kommt in kleinen Fläschchen in den Handel.

80
b) Der Vorputz

Das Vorbrennen von Absatz, Gelenk und Schnitt. Zunächst wir<l der Sohlenschnit.t
leicht angefeuchtet und die Sohlenkante mit dem Spitzknochen glattgedrückt. Die
abgest:uppte Rahmenkante wird wenig und äußerst gleichmäßig mit dem Rand­
messer abgelassen, etwas befeuchtet und ebenfalls mit dem Spitzknochen leicht
geglättet und nach unten gedrückt. Das Schnitteisen wird ausgewählt, vorsichtig
aufgesetzt und festgestellt, ob es der Schnittstärke entspricht und ob de1· Schnitt
rundherum eine gleichmäßige Stärke aufweist. Machen sich Veränderungen am
Schnitt zum Anpassen an das Schnitteisen notwendig, so sind sie von der Sohlen­
kante, nicht aber vom Rahmen aus vorzunehmen.
Auf den mit Tra,gant eingeriebenen Schnitt setzt man das nicht zu heiße Eisen
erst leicht auf und umfährt den Schnitt unter vorsichtigem Hin- und Herführen
des Eisens. Erst nachdem der Schnitt leicht vorgedrückt ist, wird diese Arbeit mit
vermehrtem Druck wiederholt, bis der Schnitt voll und gleichmäßig ausgedrückt
ist.
In gleicher "\II/eise werden die Gclrnke vorgebrannt, nur ist, ein vorheriges Ablassen
von Kanten nicht mehr notwendig. Auch der Absatz wird mit Tragant befeuch­
tet und mit dem nicht sehr heißen Absat.zeisen vorgebrannt. Hierbei wird gleich­
zeitig die Oberfleckkante mit ausgedrückt,.
Soll der Ausputz schwarz oder farbig werden, so empfiehlt sich auch das Vorbren­
nen der Sohlen- und Oberfl.eckfl.äche mit dem Polierstahl. Das vorherige Befeuch­
ten mit Tragant ist hierhei ebenfalls notwendig. Der Vorputz schließt mit dem
Auf.setzen des „6, bsatzkanteneisens an den beiden vorderen Absatzkanten und an
der Absatzsohlenkahte.

c) Der Auspulz

Der Ausputz schützt den Boden gegen Feuchtigkeit uncl gibt dem: Schuh ein form­
vollendetes Aussehen. Der durch das Vorbrennen bewirkte Glanz verhindert das
Eindringen der Schwärze oder der Farbe in das Leder, weshalb das Bestreichen
aller vorgebrannten Teile, auch des abgestuppten Rahmens, mit nicht zu schar­
fem Salmiakgeist notwendig ist. Erst wenn der Salmiakgeist vollständig einge­
trocknet ist, kann das Schwärzen oder Färben beginnen.
Der Auspntz vollzieht sich am besten und einfachsten, wenn er mit Kaltpoliertinte
ausgeführt wird. Deckt die Schwärze oder Farbe beim ersten Auftragen nicht ge­
nügend, muß es wiederholt werden.
Beim Ausputz wird so vorgegangen wie beim Vorbrenncn. Sohle und Oberfleck
werden nach gutem Eintrocknen der Kaltpoliertinte mit dem nicht zu heißen Aus­
putzstahl bearbeitet, und zwar so lange, bis überall ein matter Glanz entstanden
ist. Hierauf wird Schmierwachs oder gute Schuhkreme aufgerieben. Absatz, Ge­
lenk- und Sohlenschnitt werden auch gebrannt, worauf dann eine hauchdünne
Schicht Ausputzwachs aufgetragen wird. Zwischendurch wird der Rahmen ab.
geradelt, zuerst ohne und dann mit leichtem Einfügen von Wachs, und hiernach
nochmals Absatz, Gelenk und Schnitt. Mit dem Aufsetzen des Kantensetzers
schließt die eigentliche Ausputzarbeit. Das Wachs wird mit einem weichen, wolle­
nen Lappen verrieben, a.lle a.usgeputzten Teile nochmals mit Schmierwachs oder

81
Creme bestrichen und dann leirht
nachgerieben. Wurden alle Vornrhci.
ten µcinlichst durrhgeführt, muß sieh
jetzL ein einwandfreier Ansputz erge­
ben. Das Aufsct1.cu eines Yerziern ngs­
räd<'hens ist dann nur noch im Gelenk
und an der Absn.tzkante angebracht,
denn zm·iel Ver-.i:ierung hat zu,icl zu
v-enlccken! (82.l u. 82.2).

82.1 MustergOltig l\bge,ituppter Rahmen d) Der naturfarbige Ausputz

Für eiuen er$lklassigen �aturausputz


eignet sich nur hestes grubengcgcrbtes
EichenlohJcder. Auch muß der Absat1.
mit gleichmäßig starkem l<'leckledcr
aufgebaut sein, da man bei dieser
Ausputzart jeden Fleck sieht. Schnitt,
Abstuppung, Gelenk und Absatz wor­
den na.ch dem Beglasen mit Anilin­
farbe, die auf die Farbe des Oberleders
genau abgestimmt sein muß, 1.weimal
bestrichen. Nach dem Einziehen der
82.2 Der Verlauf des vorst�henden Schnittes

Farbe wird Tragant aufgetragen, nun


in üblicher Weise erst ohne und clann
mit farbigem Ausputzwarhs ,.usge­
hra.nnt. Nach
dem Verreiben
des Wachses
zeigt sich ein
einheitlicher,
aber auch
durchsichtiger
82,3 Der nnturfarhige Ausputz

Ausputz, der schöner wirkt als der beste Ausputz mit, far­
biger Kaltpoliertinte (82.3). Die Sohlen- und Oherfle<'k­
fl.ächen werden mit einer :\Iischung von Tragant und Klee­
salz oder Zuckersäure abgerieben, wodurch sie glatt werden
und eine einheitliche helle Färbung erhalten. Das Ausar­
beiten genauer Kanten iclt beim naturfarbigen Ausputz
beson ders notwendig, da sie einen gut sichtbaren Abschluß
bilden (82.4, 83.1 und 2).
Ein flach ausgearbeiteter Boden ist für einen sicheren Auf­
tritt und für ein gutes Tragen notwendig (83.3).

e) Das Ausleisten
Wenn die Leistenkanten bei neuen Leisten vor dem Auf­
zwicken mit Glaspapier abgerundet und das Schaftfutter
2.4 BodcniinskMdcsna.,ur-
farblg ausgoput:r;ten
Bodens

82
im unteren Teil mit Talkum bestreut
wurden, kann die Arbeit nicht sch,,·er­
fa.llen. Sollten sich dennoch Schwierig­
keiten zeigen, so helfen einige vorsich­
tige Hammerschläge auf das Gelenk,
dicht beim Absatz, nach. Auch ein vor­
sichtiges Klopfen gegen die Seiten der
Zierkappe hilft den Leisten lockern.
Durch das Einhängen des Spannrie­
mens in oder um den Griff des Leisten­
hakens erhöht sich die Zugwirkung
S3.1 Die Raarkaot.en beim cntklasslgen Boden

beim Ausleisten. Dabei wird der Schuh


im Schoß festgehalten, die beiden
Hände umklammern die Fersenpartie
{nicht ;i.m Absatz anfassen), Schuh­
spitze gegen sich gerichtet. worauf der
Spannriemen mit dem Fuße anirezogen
wird.
Sollte der Leisten noch immer nicht
nachgeben, muß mit den Schlägen auf
das Gelenk unter gleichmäßigem An­
ziehen des Spannriemens fortgefahren
werden.
83.2 Das fcstanUogonde Gelenk, der vorbil<lllclle Yer·
lauf der Sohlenkante

Ka.ch dem Ausleisten entfernt man mit


der Stoßraspel alle Unebenheiten der
Brandsohle und glättet sie hierauf mit
der Glättschiene. Nun kommen die
Deckbrandsohlen oder Klappenstücke
zum Einkleben, wozu nur frischer Wie­
ner Kleber verwandt werden soll.
Mit dem Säubern und Ausbüge ln des
Schaftes mit einem mäßig warmen Ab­
satzeisen schließt die Bodenarbeit ab.
83.3 Die !loch ausgearbeitete Sohlenfü(che

XII. Das .Kjttverfahren


Dem Kitt,erfahren liegt der Gedanke zugrunde, zur Herstellung und Reparatur
von Schuhen an Stelle von Garn und Nägeln ein chemisches Bindemittel zu be­
nutzen.
Auch das Kittverfa.hren erfordert sachgemäße und gewissenhafte Arbeit. Der
Schuhmacher muß deshalb mit dem Wesen und der Technik des KittYerfahrens
voll und ganz vert,ra.ut sein, a.nderenfa.11s bleiben Mißerfolge nicht aus. Die Güte
einwandfrei gearbeiteter, genähter Böden (Rahmenarbeit) wird auch durch das
Kittverfahren angestrebt. Die altbewährte Arbeit des genähten Bodens muß auf
jeden Fall erlernt sein, wenn die Anwendung des Kittverfahrens den gewünschten
Erfolg haben soll.
83
XIII. Hilfsmittel für die Schuhmacherarheit

a) Klebemittel

Zelluloid-Klebestoffe. Aus Zellulose (aus Holzstoffen gewonnen), die mit einem


Gemisch von Salpeter- und Schwefelsäure behandelt zur Kollodiumwolle wird,
entsteht unter weiterer Verwendung von Kampfer und Alkohol Zelluloid. Dieses
trockene Zelluloid mit Lösungsmitt,el (Aceton, Essigsäure) vermischt, ergibt den
flüssigen Zelluloidklebestoff.
Die Zelluloidklebestoffe zeichnen sich in der Vcrarbeitung durch rasches Trocknen,
große Dehnbarkeit und außergewöhnlich hohe Haltbarkeit aus. Weder Feuchtig­
keit noch Kälte oder Wärme können die damit hergestellten Verbindungen
trennen.
Je nach dem Verwendungszweck des Klebemittels sind in der Zusammen.setzung
verschiedene Abänderungen notwendig. So ist ein Klebestoff für leichtes Damen­
schuhwerk nicht. verwendbar zum Kleben von Hausschuhen aus Kamelhaarstoff
und Filzsohlen. Ebenso ist für stark gefet,tetes Chromleder ein besonders geeigne­
ter Klebest,off geschaffen worden. Dieser Kitt eignet sich auch für alle anderen
Leder, da er schnell trocknet und überall da verwendbar ist, wo auf schnelle Ar­
beit Wert gelegt wird.
Wiener Kleber ist infolge seiner guten Klebekraft, Dehnbarkeit und Ausgiebigkeit
der geeignetste für den Schäfte- und Bodenbau. Gewonnen wird er aus Weizen,
der im gequollenen Zustande zerquetscht und hierauf ausgewaschen wird,
damit die Bestandteile des Weizens, Stärke und Kleber, voneinander getrennt
werden .
Guter vViener Kleber, dPsscn Vcrhreihmg von Vlicn ausging, worauf auch cli<'
Bezeichnung zurückzuführen ist, hat eine wC'ißgraue, clurchscheinendc :Farbe und
ist dünnblättrig.
Er wird zweckmäßig in <1iucr flachen Porzolla.nschale mit Wasser angeset,zt, da. :,;
nach etwa ½···¾. Stunden abgegossen wird, worauf der Kleber durch kräftiges
Umrührnn m:it, einem Holzstäbchen so lange bewegt· wird, bis er Klebkraft be­
kommt. Da.mit der Kleber über Niwht, nieht eintrocknet,, überschüttet man ihn
mit etwas Wasser, d:ts 11m a.nder<'n Morgen wieder abgegossen wird, worauf der
Kleber wieder tüchtig umgerührt werden muß, his er Fäden zieht.
Dextrin-Kleber. Die als Ersat,z für den hochwertigen Wiener Kicher auf dem
Markte befindlichen Kleber (meist fertig in Blechdosen) sind mehr oder weniger
Dextrinklel;>er. Dextrin wirrl u. a. durch Erhitzen von Kartoffelstärke gewonnen
und ist ein im Wasser leicht lösliches, hellgelbes Pulver. Dext,rinkleber ist im trok­
kenen Zustande sehr spröde uml ha,t geringe Bindekraft. Mit Dextrin geklebte
Gegenst,ände sind anfangs steif, durch Bewegungen (Schn.ft und Boden) pulveri­
siert sich der getrocknete Kleber, wodurch auch die Bindekraft aufgehoben wird.
Als Schuhmacherkleber ist er somit wenig geeignet.
Schwarzes und braunes Pech. Schw,trzcs Pech wird am; H, ür.kstii.nclc'11 clcs Holz­
teeres gewonnen. Schwarzpech ist von geringer Bindekraft.
Braunes Pech wird aus Fichtenharz bereitet. Durch Erhitzen wird dem Harz der
Terpentingehalt entzogen, worauf es durch Zufügen von anderen Ölen geschmeidig
84
ZWEITER TEIL

A. Das Mafinehmcn

unter Maßnehmen verstPht nrn11 <hs ('mzr•id111Pn clt>s FuBe,;, \n>durch man <las
Längenmaß, clic Breite und die Fußsohlenform erhält, ferner die Abn:1hme des
Trittspurbilde!'l, welches die Belastungsfläche rlcr Fußsohle deutlich mn,cht, und
das Messen dm; Fußumfa,nges, woclutch tlie WeitP1unnß , e festgestellt werden.

l. Das Umuichnen des Fufü,s und die AhnahmP der Trittspur

Beide Arbeitsgänge werden gleic·bzeit,ig im,;geführt., Ma,11 bedient sich hierbei ent­
weder des ,,'rritt_spurgcrätes" oder der „ Anilinfarbhlätter".

a) Ein Trittspurgerät wird benutzt

Es wird in sitzender Körperhaltung gearbeitet. Unter die mit 8te.mpelfarbe ver­


sehene Gummiplatte des Ge1•iit8 wird ein i\Jaßhlatt von rtwa der gleichen Größe
gelegt. �un wird der :Fuß in waage­
rechter Haltung hei sPnkrecht.er Bein­
stellung auf die Gummiplatte aufgesetzt
(Pernon in sitzender Körperhaltu, ng,
den Fuß leicht belastet), und mit dem
clem Gerät beigefügten Laufrädchen
senkrecht umfahren (86.1).
B<.'im Aufsetzen des Fußes a.uf die Gummi­
platt<' ist darauf zu achten, daß die Zehenlage
nicht <lurch zu kur-.te oder zu spitze Strümpfe
beengt wird. Das fort.ige Rchuhwerk könnte
sonst spät�r vom Kunden als zu kurz oder zu
S<'hmal ahgc!C'hnt WC'rdt'n.
Das Fußumrißzeichnen und Trittspur­
abnehmen in stehender, also vollbela­
steter Körperhaltung führt ebenfalls
zu Fehlergebnissen, weil das hiernach
gebaute Schuhwerk in der Regel zu
weit wird. Auch wenn man den Leisten
schmaler halten würde, als die stehend
genommene Fußumrißzeichnung breit
S6.l Die Trittspurabnahme ist, erhielte man unvollkommene Er-

86
gemacht wird. Zu diesem Zweck bringt man es in Tongefäßen zum Kochen, was
vorsichtig geschehen muß, da sich hierbei Luftblasen bilden, so daß es leicht über­
läuft. Unter dauerndem Umrühren wird dem Harz das Öl zugesetzt, um danach
in kaltes Wasser gegossen zu werden. Hierbei wird die Masse mit den Händen tüch­
tig geknetet und gezogen. Je länger dies geschieht, desto besser. wird die Verbin­
dung von Harz und Öl und um so besser wird das Pech. Gutes Pech muß imWasser
schwimmen und darf bei der Verarbeitung nicht springen. Das im Wasser zu einem
Strang gezogene Pech wird in kleine, handliche Stücke zerschnitten (Schere) und
zweckmäßig mit Talkum bestreut, in pergamentähnliches Papier gehüllt und
an einem kühlen Ort aufbewahrt. In dieser Aufmachung kommt es auch in den
Handel.
Isolierkitt. Zum "\Vasserdichtmachen von Nähten an Schaft und Böden verwendet
man Isolierkitt. Er wird auf die Nähte mit einem weichen Borstenpinsel mehr­
mals aufgetragen und schließt nach dem Trocknen die Nahtlöcher vollkommen ab.

b) Kork

Für Ausgleichsebenen im Schuhwe.rk wird Kork verarbeitet, Gewonnen wird er


von der Korkeiche, die vorzugsweise in Algerien, Spanien und Portugal vor­
kommt. Die Korkgewinnung beginnt im allgemeinen an 15jährigen Bäumen.
Von diesem Alter ab können sie in Zeit­
räumen von acht bis zehn Jahren
100···150 Jahre lang geschält werden.
Die abgeschälten Korkschichten wer­
den zu Stößen übereinandergelegt, mit
Steinen beschwert und getrocknet, wor­
auf die· äußere und die innere Schicht
entfernt werden kann. In großen Kes­
seln setzt man den Kork etwa 5 l\liinu­
ten siedendem Wasser aus, wodurch
seine Güte verbessert wird. Klima, Alter
der Korkeiche und die Zubereitung be­
stimmen die Güte des Korkes, der in
ganzen Stücken oder in Form von ge­
schliffenen Platten in den Handel
85,1 Das Schälen der Korkeiche
kommt.
Kunstkorkplatten (Elastra-Korkplatren) übertreffen den Naturkork bedeutend
an Güte. Sie lassen sich einfacher verarbeiten und sind dauerhaft,er. Es wird
Korkschrot aus besonders elastischem Korkholz neben anderen Stoffen mit
Bindemitteln, wie z. B. Kautschukmilch, in geeignetem Verhältnis gemischt.
Die Massen machen dann ein Reifeverfahren durch und kommen nach einiigen wei­
teren Arbeitsgängen in Plattenform zum Vertrieb. Elastra-Korkplatten werden
hauptsächlich in der Orthopädie-Schuhmacherei zur Herstellung von Ausgleichs­
ebenen und elastischen Einlagen verwendet. Leichter, aber nicht so druckfest
und dauerhaft wie Elastra-Kork ist Flexokork, ebenfalls in Plattenform ver­
schiedener Stärken im Handel.
85
gebnisse, die zu Beanstandungen führen. Jeder Fuß hat seine besondere Eigen­
art; er muß durch das Schuhwerk mehr oder weniger zusammengehalten werden.
Der vollbelastete schwache Fuß liefert als Umrißzeichnung eine krankhafte Fuß­
form, die dem Schuhmacher niemals als Unterlage für den Leistenbau dienen
kann. Nur das Längenmaß ist vom vollbelasteten Fuß für die Leistenarbeit zu
verwenden.
Eine Gegenüberstellung richtig und falsch ab­
genommener Fußumrißzeichnungen (87.l ).
Zeichnung a wurde von einem jugendlichen
Knick-Senk-Spreizfuß in stehender, also
voller Fußbelastung genommen, Zeichnung
b in sitzender, leichter Belastung. Zeich­
nung c zeigt die Unterschiede.
Die äußere gestrichelte Linie stellt die
Fußlänge und Breite des krankhaft ver­

b)
formten Fußes dar. Die größere Länge
und Breite, durch das schwarze Feld u) c)
ac
gekennzeichnet, istdurchdieVerfi h ung 111.1 Richtige unu falsche Fußzeichnuni::c,,
des Fußgewölbes in stehender Stellung
zu erklären. Der Pfeil weist auf die Gefahrenstelle des Knick-Senkfußes hin.
Hiernach gebautes Schuhwerk fällt zu breit a,us; das Fußleiden verschlimmert
sich also trotz Tragens von Maßschuhen.
Bei Verwendung der Fußzeichnung b, bei der der Fuß die sogenannte „Konek­
turstellung" einnahm, kann der Leisten bei fachgemäßer Erarbeitung nicht zu
breit ausfallen, und der bänderschwache Fuß bekommt seitlichen Halt, a.ußerdem
bei sonst richtiger Leistenformung und Bodenarbeit Stütze von unten her.

h) Farbblätter werden verwendet

Das Arbeitsverfahren verändert sich nichL Die den Farbblättern beigefügten Papp­
tafeln werden mit Wasser leicht durchtränkt. 11an läßt sie etwas anziehen und
nach dem Auflegen des Farbblattes, das für jeden Fuß erneuert werden muß, vom
Fuß wie bei Benut,zung des Trittspurgerätes belasten. Die Feuchtigkeit des Kartons
löst die Farbe des aufgelegten Anilinblattes und überträgt sie je nach deT Druck­
stärke, die auf den gesunden oder kranken Belastungsstellen der Fußsohle ruht,
mehr oder weniger stark aufdie Papptafel. So ent, steht die 'frittspur, die die Eigen­
art der Fußbelastung wiedergibt.
Die Unterschiede der I<'üße erfordeni, <laß von beiden Füßen die Umrißzeichnung und Tritt­
spur abgenommen wird, und jeder Leisten muß danach gearbeitet werden. Nux bei der end­
gültigen Formgebung richtet man den einen Leisten nach d0m anderen, soweit dies ohne
Beeinträchtigung der Paßform möglich ist.
Anilin-Farbblätter kann roan auch selbst berst()llcn. Man schneidet zweckmäßig aus hell­
farbigem Schreibpapic-r l3X 35 cm große Stücke, die auf der einen Seite mit einer Lösung
von etwa 10 Gramm violettem, wasserlöslichen Anilin und 1,'4 Liter \Vasscr bestrichen werden.
Nach dem Trocknen erfolgt ein zweiter Anstrich. Dann sind die Blätter gebrauchsfertig. Als
Unterlage dient weißer Karton.

87
II. Das Abnehmen der Weitenma&e

Die abgenommenen Weitenmaße wer,len in einer Zeichnung vermerkt. Fußumriß­


zeichnung und Trittspurbild genügen noch nicht als Unterlagen für den Leisten­
bau. Von der genauen .Abnahme
der Weiten- oder Umfangmaße des
Fußes ist das gute Passen des an­
zufertigenden Maßschuhes sehr ab­
hängig.
Von den Fußweiten.maßen wird
entsprechend der herzustellenden
Schiihart am Leisten „abge­
brochen", d. h., der Leisten wird
an den Stellen, wo der Fuß Halt
benötigt und auch Halt vei·tragen
kann, schwächer gearbeitet, als das
Fußmaß angibt. Um wieviel das
:Niaß schwächer �halten werden
ka.nn, entscheidet auch vor allem
die jeweilige Beschaffenheit des
Fußes, was beim Maßnehmen
Höcker des sofort festgestellt werden muß.
5. Mittelfufiknochens
Die abgenommenen Maße vermerkt
man zweckmäßig an den Stellen der
Fußzeichnung, wo sie :auch am
88.l l!'ußweltenmaßc
l Großzehenballenrnnß 4 Fersenmaß
Fuße genommen wurden.
2 Kleinzehenballenmaß 5 Knöchel- oder Beinlllaß
3 Reihen- oder Spannmaß 6 Scha!t-liöhenrnaß

Das erste abzunehmende Maß ist das „Großzehenballenmaß". Es führt über den
Großzehenballen und über die kleine Zehe (88.1). Beim Abnehmen der Vorfuß­
weitenmaße soll der Fuß ebenfalls leicht auftreten (Person sitzend). Das Maßband
wird ohne besondere Anspannung um den Fuß . herumgelegt, es soll also
nur gut anliegen. Das so
ermittelte Ballenmaß gibt
dem Vorfuß bei ordnungs­
gemäßer Übertragung f!.uf
den Leisten die passende
Vorfußweite, d. h. Groß­
zehenballen und kleine Zehe
haben genügend Raum, um
ihre Aufgaben beiBelastung
erfüllen zu können (88.2).
Das zweite Vorfußmaß geht
ül1er den KJeinzehenballen
und hinter den Großzehen­
ballen. Es wird zweckmäßig

88,2 Das Abnehmen der iVeltenmnße

88
als „Kleinzehenballenmaß" bezeichnet. Von diesem Maß bricht
man für den Leisten durchschnittlich P/2 Stich ab, denn hier
benötigt der Fuß (besonders der Spreizfuß) genügend seitlichen
Halt, auch damit eine weitere Spreizung der Mittelfußknochen
nach außen vermieden und der Ballendruck gegen das Oher­
leder verringert wird.
Da aber nicht jeder Fuß gleichmäßig viel Abbruch vertragen
kann, hilft man sieb zweckmäßig durch entsprechendes An­
spannen des Maßbandes, bis sich ein Widerstand bemerkbt�r
macht, und vermerkt neben dem erst,genommcnen Klcinzehen­
ballen.maß das durch Anspannen erhaltene Leisten.maß (89.1).
Aufdiese Art ist mo.n vor Schaden bewahrt, denn es gibt I<'iUle, wo mehrere
Stiche abgebrochen werden könne n (fleiachigo, fette, lockere l!'üße), und
solche, wo kaum ein Stich Abbruch Vt'rtrag<'•t wird (knochige, sehnige und
atärkcr ausgeprägte Hohlfüße). !'19.l TrltlSf)UJ' mit cln­

Das dritte Maß ist das „Reihenmaß" oder „Spannmaß", das


gdragencn \\'�i­
tt1nrnaßen

vor dem Höcker des fünften Mittelfußknochens über den Reihen oder den Spann
führt. Der Höcker ist bei den meisten Füßen sichtbar und fühlbar ausgeprägt
und an der Fußumrißzeichnung durch eine Ausbuchtung am äußeren Gelenk
erkennbar (s. auch Bild 87.1 u. 89.1, Pfeile). Wie beim vorhergehenden, bricht
man auch an dieRem Maß für den Leistenbau entsprechend dem "Ergebnis durch
das Anziehen des .Maßbandes ab.
.Beide :;}fuße müssen nebeneinander vermerkt werden, <las Leistenmaß am besten cingt'•
�ammert, denn so hat man stets eine genaue Kontrolle, wieviel vom eigentlichen F11ßmaß
abgebrochen wurde.
Nun wird das „Fersenmaß" o!lcr „Backenmaß" abgenommen. Dazu wird die :Ferse
um die vorgesehene Höhe des Absatzes angehoben. Der Vorfuß bleibt da.bei
leicht aufgetreten. Das Maßband wird um den hinteren unteren Fersenrand ge­
führt und geht zur Fußbeuge. Es liegt auch hier am. Fuße fest an, ohne ange­
spannt zu werden. Von dem ermittelten Maße bricht· man nichts ab, denn der
l!'uß benötigt in diesem Teile des Stiefels genügend Bewegungsmöglichkeit. Bei
Halbschuhleisten ist dasAbbrechen von durchschnittlich einem Stich zu empfehlen.
Bei hochgestellter Ferse kann sich das Fersenmaß in einzelnen Fiillen bis zu zwei Stich
gegenüber dem Maß bei aufstehender Ferse verringern. Wenn bei aufstehender Ferse ge­
messen wurde, kann der Stiefel oder Halbschuh im Fersenteil viel zu weit werden.
Für Stiefel benötigt man weiterhin das „Knöchel- oder Beinmaß". Es wird an
der dünnsten Stelle des Beines genommen, oberhalb des Schien- oder Waden­
beinknöchels, etwa in halber Höhe der Fußlänge, seitlich außen gemessen. Für
die Schaftweite (Schaftmuster) bricht man von diesem Maße durchschnittlich
einen Stich ab, jedoch nur dann, wenn es bei der Abnahme nicht angespannt wurde.
Bei dünnem Schaftstoff bricht man von den gesamten Fußweiten für den Leisten­
bau zusätzlich noch etwas ab, bei stärkerem Leder weniger, da es aufträgt und
nicht so zügig ist. Leisten zur Herstellung von schwerem Schuhwerk benöt-igen
umgekehrt eine Zugabe bei allen Maßen; sie muß beim Kleinzehenballenma.ß und
H.eihenmaß zu den angespannt genommenen Maßen gegeben werden.
89
B. Vom gesunden und kranken Fufi

Die dem Schuhmacher in Auftrag gegebene :Maßarbeit ist heute vorzugsweise


für Menschen bestimmt, die durch eine Fußkrankheit in ihrer Leistungsfähigkeit.
gehemmt sind. Diese Aufgabe kann aber ohne Kenntnis vom Bau des menschlichen
Fußes und seinen Jn-ankhaften Veränderungen nicht übernommen werden.

der unserer Vorfahren. Das Wechselspiel der Muskeln, das den Körper gesund er­
Die Lehens- 1uid Beschäftigungsart besonders der Städter ist grundverschieden von

hält, ist bei unserer heutigen Lebens- und Arbeitsweise oft ungenügend. Anderer­
seits gewinnen aber die Muskeln durch häufige Arbeit an Stärke, und je mehr a.lle
Muskeln des Körpers zu gewöhnlichen täglichen Leistungen mit Erholungspausen
herangezogen werden, desto gesünder, ebenmäßiger und kräftiger entwickelt sich
der Körper. Meist haben sich unsere Füße zu Formen entwickelt, ilie i�lles andere
als die Bezeichnung „gesund", ,,ebenmäßig" und „kräftig" verdienen. An dieser
Entwicklung trägt der Mißbrauch unserer Füße die Hauptschuld.
Der Bau <les menschlichen Fußes und seine Muskelanordnung sind zum Gehen
auf dem Erdboden eingerichtet, doch wirkt sich die ebene und harte Beschaffenheit
des Bodens der Straßen, del· Wohnung, der Arbeitsstätte und nicht zuletzt des
Schuh,�rerkes zermürbend auf den Fuß aus. Menschen mit vorzugsweise stehender
Berufstätigkeit sind nun doppelt der Gefahr einer Fußerkrankung ausgesetzt, weil
das ständige Stehen noch schädlicher ist, als das fußschwächt:mde Gehen auf
flachem und hartem Boden.
Landbewohner sind Fußerkrankungen weniger ausgeset,zt, weil si.e mit dem glatten
Asphalt- und Steiupß.asterboden weniger in Berührung kommen als die Städter.
Ihre Fuß- und Beinmuskeln, aber auch die übrigen Üi-gane, können sich auf dem
ungleichmäßigen Boden der Mutter Erde bei ihren täglichen Leistungen kräftigen.
Die Vielgestaltigkeit der ]'uß- und Beinbewegungen sorgt, für eine gut,e Durch­
blutung.
Für gesunde oder normale Füße fertigt der Schuhmacher nur noch selten Miaßschuhe
an. Den weitaus größten Anteil an der Verdrängung des M�1ßschuhes hatte die Ent­
wicklung der Technik, wodurch es möglich wurde, Schuhwerk in großen Mengen
schneller, billiger und vielgestaltiger anzufertigen. 1\1.Iit der Verdrängung der reinen
Handwerksarbeit durch die Maschine bekam auch der Begriff „l\fode" eine andere
Bedeutung. Der im Verhältnis zu anderen Gebrauchsgegenständen des täglichen
Lebens immerhin teure, aber sehr haltbare Maßschuh konnte nicht so oft ge­
wechselt werden. Darum änderte sich die Mode früher auch viel langsamer.
Dies wurde aber mit der Einfühiung des in großen Mengen hergestellten und
billigeren Schuhwerks anders. Die hierzu verwandten Werkstoffe waren aber auch
allgemein von geringerer Güte, es entstanden Nachahmungen aller bis dahin vom
Schubmacherhandwerk verarbeiteten Ober- und Unterleder und Stoffe,, wodurch
jedoch die Tragdauer derartigen Schuhwerks bedeutend herabgesetzt wurde.
90
Von jetzt aber vollzog sich ein schnellerer ·wechsel, bald
,vurde diese, bald jene neu in Erscheinung getretene Schuh­
form als Ersatz für das verbrauchte oder unansehnlich ge­
wordene alte Schuhpaar gewählt. Der Wettbewerb zwang
die Schuhfabriken untereinander sehr bald, nach immer
neuen Mustern, Schnittarten, Farben, Farbenzusammenstel­
lungen zu suchen, die Preise durch noch bessere Arbeits-
verfahren, größere Einkäufe usw. weiter herabzusetzen,
damit ein noch größerer Absatz erzielt werden konnte.
Scholl ;\ ln Aus der Mode wurde ein Schnellauf um den größten Absatz,
und nur teuere Markenschuhe haben heute noch einen Teil
{
•· � der Eigenschaften, die ein wirklich guter Maßschuh hat. Um
[ so mehr hat der Schuhmacher, der Maß-Schuhwerk in Auf­
i- trag nimmt, die Pflicht, sich die Kenntnisse anzu eignen, die
zur ordnungsmäßigen und besten Durchführung allerArbeiten
vorausgesetzt werden müssen.
Vertiefung filr
den oberen Teif
der Kniescheibe

I. Der gesunde Fun


\.-- Ob,rschenhe/knorren

a) Das Skelett

Das fest e Gerüst des menschlichen


Körpers nennt man Skelett; es besteht
aus Knochen, Knorpeln und Bändern.
l
Wadenbein i 1
Zwi,chenknochen-
bona - -
- -4Wl,1!11,I
1. Das Bein- und Fußskelett

Das Beinskelett wird aus dem Ober­


,\ und Unterschenkelskelett gebildet.
- -Schienbein Das Oberschenkelskelett besteht aus nur
einem Knochen, dem „Oberschenkel­
bein". Das ist ein Röhrenknochen (so
genannt, weil er hohl ist), sehr stark,
Innerer oder
hart und fest wie alle- Röhrenknochen
des Skeletts. Das Oberschenkelbein ist
Schienbcin­

der mächtigste Knochen des ganzen


�nuchcl --f:ft
,j-11,11
Äußerer oder

Körpers. Am oberenTeil, auf der inneren


Knöchelgobet Seite, befindet sich der mit einem Hals
b} versehene „Gelenkkopf", der in die
„Ffanne" des Hüftbeins paßt und so
das „Hüftgelenk", ein Kugelgelenk,
bildet. Der mittlere Teil trägt die Be­
zeichnung „Schaft" und der untere ver­
breiterte Teil „Oberschenkelknorren".
In einer Vertiefung daran findet ein
91.1 Fuß- und Beinskelett Teil der Kniescheibe Aufnahme (91.la).
91
und zwar
aus dem Hauptknochen, dem „Schienbein", dem „Wadenbein" und der „Knie­
Das Uotel'schenkelskelett setzt sich aus mehreren Knochen zusammen,

scheibe". Schien- und Wadenbein sind ebenfalls Röhrenknochen, die durch Bänder
und Gelenke fest miteinander verbunden sind. Das auf der Innenseite liegende
Schienbein hat einen di-eieckigen Querschnitt und ist bedeutend stärker als das
außen liegende schlanke Wadenbein, das den Muskeln als Stütze dient.

f,;-- '- Oberschenhelbein Das obere, verbreiterte Ende des Schien­


l
beines bildet zwei Mulden (,,Pfannen"),
die sich mit den Berührungsflächen des
Oberschenkelknochens decken (92.1).
Oberschenkelknochen, oberes Schien­
Kniescheib•

beinende una" Kniescheibe bilden zu­


BeriJhrungslläch• sammen das Kniegelenk. Das untere
erweiterte Ende des Schienbeins bildet
des

den inneren Knöchel, den „Schienbein­


, Oberschenkel·

knöchel", und das untere Ende des


lcnochenl knochens

Wadenbeines den äußerenKnöchel, auch


Pfanne

Wadenbeinknöchel genannt (91.lb) .


. ·"/ Obgleich Schien- und Wadenbein von
gleicher Länge sind, liegt der äußere
Knöchel tiefer als der Schienbein­
knöchel , was durch die tiefere Anord­
nung des Wadenbeines bedingt ist.
Dies ist bei der Herstellung von Halbschul1en
- Schienbein

besonders zu beachten. Damit die äußere


Schaftkante nicht am Wadenbeinknöc:hel
reibt und auch ein guter „Knöchelschluß"
- J zustande kommt, muß die äußere Schaftkante
92.l Dns Kniegelenk in Beugestellung genügend tief'verlaufon.

Form und Anordnung des Schien- und "\Vadenbeinknöchels bilden die „Knöchel­
gabel" zur Einfügung des Fußskeletts (91.la.). Schien- und Wadenbein sind durch
das „Zwischenknochenband" fest miteinander verbunden (91.lb) .

Das Fußskelett ist äußerlich mit einem Gewölhebau zu vergleichen. Es wird gebil­
det von 26 Knochen zuzüglich der zwei unter dem Mittelfußköpfchen angeordneten
Sesambeine. Sie werden in drei Gruppen gegliedert : a) Fußwurzelknochen, b) Mit­
telfußknochen und c) Zehenknochen (93.1 ···4).

Zu a) Zur Fußwurzel gehören sieben Knochen:


1. das Fersenbein, ein mächtiger Fußknochen 4. das erste
2. das Spnmgbein, der oberste, in der Knöchel­ 5. das zweite 1 Keilbein
gabel angeordnete Knochen 6. das di-itte
3. das Kahn- oder Schiffbein 7. das Würfelbein
92
Zehenhnochen Zehenhnochen
Nagelgl1ed
der Großu.>e

Großzehengrundglitd
Hil//eres - ��••·
Zeheng/ied Großzehen­
Grundgelenh
Zehengrundglied-+-4,11. 2 Sesambeine
Kleinzehen­
Grundg•lenh

Hillelluß- Knochen 1 - 5

Drilles Keilbei
Kahnbein
Würfelbein

Sprungbein

Fersenbein

93.2 Skelett von oben

93.1 Skelett von unten


Sprungbein

Zu b) Der Mittelfuß wird von


fünf Mittelfußknochen ge­
Xohnbtir,

bildet: Gro8zthM-Crundg�fenlf

1. Erster oder Großzehen-


mittelfußknochen
2. zweiter lVIittelfußknochen
3. dritter l\fittelfußknochen FuJwurul

4. vierter Mittelfußknochen
5. füntter oder Kleinzehen- 93.3 Skclcttinnenscite
roittelfußlrnochen.
Die unteren verdickten Enden der
Mittelfußknochen heißen „1\fütel­
fußköpfoben".
Zu c) Zur Zehengruppe ge­
hören 14 Zehenknochen.
Die Großzehe hat zwei und die
übrigen Zehen drei Zehenglie­
der. Die a n die lVIittelfußköpf­
chen stoßenden Zehenglieder
werden als „Zehengrundglie­
der" bezeichnet, die nächst- 93.4 Skelettaußenseit,e

93
fulg<'nden als „miLLlcre Zehengliccler'. und. die vorderen als ,.:Xagclglie<ler".
Unter dem Köpfchen des Großzehemnittelfußkuochens hcfinclcn sich z,1·ei Sesam­
hcine. .An ilmen setzen �ich Muskeln des Großzchenballc115 an. Sie clü-ncu dem
Großzchcnballen gleichzeitig als „Rolle'-.
Das Fußskelett hat einen inneren und eiucn äußeren Gewölbebogen. Der äußci·e
wird �chil<let Yon dem l<'crscnhcin-\\'iirfelhein 11n1l <km fünften Mit.telfußknoc·hcn;

Außerer Gewölbebogen Innerer Gtwolbebogon

9�. I a und b G,•wüll>cbogen dl'S J."ull•kcletls

<las innereLängsgewölbe vom schräg nach oben stehenden Fersen- r


bein, dem ihm aufliegenden Sprungbein, dem Kahnbein, dem er­
sten Keilbein und dem ersten :i\Iittelfußknochen (94.la u. b).
Diedrei tief,;ten Punkte des normalen Fußskeletts sind das Fersen­
bein, der Großzehenballen und der Kleinzehenba.llen (94.2). Die /
fünf l\Iittelfußlrnochen bilden unterei.t1u.nder t
(wenn der Fuß nicht belastet ist) vome bei 'f
<len Köpfchen einen Querbogen. :Bei der Be­
lastung des Fußes verflacht er sich, so daß nun
jedes l\fittelfußköpfchen ebenfalls zu einem
Stützpunkt wird (94.2).
-��
a
Ouer• c
2. Die Gelenke bogen

Gelenke verbinden die für die Bewegung be­


stimmten Knochen miteinander, und Bänder
94.2 Die drei Haup�stützpunkt e des Fuß•
sk�letts

halten sie zusa,mmen . Die GelenJ-enden G1/onkonde


sincl mit eitler Knorpelschicht über­
zogen, damit sich die Gelenkereibungs­
Gelenkkap�•I

los bewegen können. Gleichzeitig dient


dieKnorpelschicht auch als nachgiebige
Pufferschieht.

Umschlossen wird da.s ganze Gelenk


von einer aus beiden Knochenenden
herauswachsenden Gelen,kkaspel (94.3).
Auf der Innenseitehat sieeine Sehleim-
GtltnHapsel Ge/tnkhöhle
94.3 Das Gelenk

94
haut zur Absonderung der Gelenkschmiere, die als schlei martige Flüssigkeit die
Gelenkhöhle ausfüllt.
Hüftgelenk und Kniegelenk sind die stärksten und festesten Gelenke des mensch­
lichen Körpers.
Entsprechend den mit einem Gelenk zu vollziehenden Bewegungen unterscheidet
man das „freie Gelenk", ,,straffe Gelenk", ,,Sattelgelenk", ,,Scharnier- oder Win­
kelgelenk" und „Drehgelenk". Die Bewegungsarten kommen durch die verschie­
denen Bezeichnungen zum Ausdruck. Das Kniegelenk ist ein einfaches Schar­
niergelenk, in gebeugter Stellung aber auch ein Drehgelenk, da mit dem Knie in
der Beugestellung eine „Nachinnendrehung" ausgeführt werden kann. Die Haupt­
bewegungen, die im Kniegelenk ausgeführt werden können, sind Beugen und
St.recken des Unterschenkels.
Die Hauptbewegungen des Fußes gehen im Sprunggelenk vor sich. Hierbei unter­
scheidet man die Bewegungen im „oberen Sprunggelenk", gebildet von der Knö­
chelgabel (91.lb)
und dem oberen
Teil des Sprung-
Schiet>bein ___

beines mit der


sogenannten
,,Rolle" (91.la). Sprungbein-, Fer�enbein• Sprungbein

Dieses Gelenk
Kahnbein-Gelen/rflächen

gestattet nur ein


Fußheben und
Kahnbein

-senken. Die seit-


2. Keilbein
1. Keilbein
liehen Fußbewe-
gungen vollzie- Großzehen Hillelfußkncchen
hen sich im un-
teren Sprung- Köpf chen und '-"

gelenk an den des Großzehen-


Gol.nklläche

Berührungsflä- millelfußknochens
eben des Sprung­
Plonnenbond

beines mit dem 95.1 Fußwurzelgelenke


2 s,sambeine

Fersenbein (hin-
terer Abschnitt) und den Berührungsflächen des Sprungbeines mit dem Fersen­
bein und Kahnbein (vorderer Abschnitt) (95.1).
Die übrigen Fußwurzelknochen sind untereinander durch straffe Gelenke ver­
bunden ; ebenso wie der Fußwurzelknochen mit dem l\'Iittelfuß.
Die Verbindung von Mittelfuß mit den Zehengrundgliedern (Berührungsstelle der
Yrittelfußköpfchen mit den ersten Zehengliedem) wird durch Kugelgelenke ver-
mittelt, die von straffen Kapseln umschlossen sind.
Die übrigen Zehenglieder haben Scharniergelenke, durch die Beugen und Strek­
ken der beiden Zehenglieder möglich ist.

3. Bänder
Bänder dienen den Gelenkkapseln a1s Verstärkung und halten die Knochen zu­
sammen. Sie bestehen aus einem fasrigen Bindegewebe und haben eine große Zug­
festigkeit. Das Skelett würde ohne Bänder keinen Zusammenhalt haben
95
.,I
.
€,
Zwischenknochenband

,..
und müßte auseinanderfallen. Die
kräftigsten Bänder des Fußes sind
die Gabelbänder zwischen Schien- und
Wadonbom Wadenbein (Verbindung der Knöchel­
gabel), dann die Knöchelbänder, die
den Zusammenhalt des Schien- und
Wadenbeines mit den Fußwurzelkno­
chen bewirken (96.1).
Von besonderer Bedeutung für die
Knöchelbiinder Ifußgesundheit ist das „Untere Fer-
senbein-Kahnbein-Band". Es verbin­
det das Fersenbein mit dem Kahnbein.
Fußrücken• Beide Knoclien stoßen aber nicht, zu­
bönder sammen, sondern sind durch eine
Lücke voneinander getrennt, die das
Band überbrücken muß. In dieser
Lücke ruht ein Teil des Sprungbein­
kopfes, es wird von unten her durch
das vorerwähnte, mit einer Knorpel­
einlage versehene wichtige Band
(auch „Pfannenband" genannt) ge­
stützt (95.1). Es hat die Aufgabe, das
96.1 Fußwurzelbändor Sprungbein vor dem Abwä.rtssinken
an dieser offenen und somit gefährde-
ten Stelle zu schützen.
Eine Schwächung der Bänder bedeutet
stets eine Gefahr fü,.- <lie Fuß- und
Köi:pergesundheit. Die Gelenk.fläche
des Fersenbeines für das Sprung­
bein hat eine etwas schräg nach vorn
und innen verlaufende Form (mit
einer nach vom und innen abschüssig
verlaufenden Ebene zu vergleichen)
(95.1). Das belastete Sprungbein
rutscht auf dieser schl'ägen. Gelenlc-
9G.2 Skelett des gesunden l'ußcs fläche nach innen vorn ab. Hierdurch
entsteht eine Mehrbelastung der Bän­
der und Muskeln, was auf die Dauer
das gesamte Gehwerk schwächen muß.
Das Sprungbein zwängt sich immer
mehr zwischen Fersenbein und Kahn­
bein (96.2 u. 96.3, Pfeil), wodurch es
zu einer Nachaußendrehung des Fer­
senbeines (Knickfußstellung der Ferse,
Bild 97.1) und des Vorfußes kommt.
So entwickelt sich aus dem Knickfuß
9G.3 Skelett des Plattfußes der Senkfuß (meist verbunden mit
96
dem Spreizfuß) und hieraus schließlich der Plattfuß, ,1·ie er
sich oft mit Zehenentartungen in den verschiedensten Ab­
stufungen und Formen zeigt.
Aueb die übrigen Bänder von Fuß und Bein haben mebr oder weniger
starke Belastungen auszuhalten, und dies ganz besonders bei ein­
seitiger stehender Berufstätigkeit, wie es z.B.bei Schlossern, Bäckern,
Schreinern, Friseuren, Ärzten, Krankenpflegern der Fall ist.

b) Die Muskeln
Muskeln sind aus Muskelfasern zusammengesetzte Bündel,
welche sich zu Muskelschläuchen vereinen. Sie sind reichlich
von Blutgefäßen durchdrungen und mit Nerven verselien.
Die Enden eines Muskels gehen in Sehnenfasern über, die
sich schließlich zu einer Sehne zusammenschließen. An ihrem
Ende spaltet sich die Sehne wieder in Sehnenfasern auf,
welche eine innige Verbindung mit dem Knochen (Ansatz­
stelle) eingehen.
Die Muskeln vollführen die Bewegungen. Zu jedem Muskel
gehen Bewegungsnerven. Sie verteilen sich zu sehr feinen
]'ädchen. Jedes Fädchen läuft in eine Nervenendplatte aus
9r.1 links: cerade Fuß- u.
und stellt hier eine Verbindung mit einer Muskelfaser her. Beinstellung bzw.Achse
Durch einen Nervenreiz wird in der Muskelfaser eine Zu­ rechts: Knickuog der Ferse
nach außen und Nach­
sammenziehung bewirkt. außeodrellung d.Vorfußes
Durch Verletzung oder Erkrankung kann es vorkommen, daß der zuführende Nerv an irgend­
einer Stelle unterbrochen wird. Dann kann sich der zu diesem Nerv gehörige Muskel nicht
mehr willkürlich zusammenziehen. Man spricht von einer l\1uskellähmung.
Auf einen Nervenbefehl hin kann sich ein Muskel zwar zusammenziehen,, nie aber
selbständig wieder ausdehnen. Beim Zusammenziehen verkürzt sich der Muskel
und wird dicker. Das Strecken eines Muskels bewirkt·. jeweils ein Gegenmuskel.
So gibt es daher
Beuger - Strecker
Heber - Senker
Anzieher - Abzieher
Einwärtsdreher - Answärtsdreher usw.
Besonders wichtig ist das Kennenlernen der wesentlichsten Unterschenl.{el- und
Fußmuskeln und ihrer Wirkungsweise.
Muskeln und Sehnen am Untefschenkel und Fuß
A. Vordere }1nskeln des Unterschenkels (dorsale Muskeln, rückwärts, hinten)
1.Vorderer Schienbeinmuskcl (musculus tibialis anterior) Bild 98.1 (12)
Wirkung bei Spielbein: Dorsalflexion = Heben der Fußspitze
Wirkung bei Standbein: Unterschenkel wird an den Fußrücken herangezogen. Bei
Lähmung der Gegenspieler entsteht ein Spitzfuß.
Ursprung: Von der oberen Hälfte der äußeren Schicnbeinfläche ·und. der angrenzenden
Zwischenknochenhaut
Ansatz : Am ersten Keilbein - und vor allem am ersten Mittelfußknochen

97
2.Langer Zehenstrecker (musculus extensor digitorum longus) Bild 98.l (8)
Wirkung bei Spielbein: Dorsalflexion = Heben des ganzen l!'ußes
\Virkung bei Standbein : Unterschenkel wird an Fußrücken herangezogen
3.Langer Großzehenstrecker (musculus extensor hallucis long1.1s) Bild 99.1 (10)
Wirkung bei Spielbein: Strecken der Großzehe und Heben des Fußes
Wirkung bei Standbein : Unterschenkel wird an Fußrücken herangezogen
Ursprung, Verlauf und Ansatz: Langer Zehenstrecker und Langer Großzehenstrecker
entspringen abgestuft von der Vorderfläche dl:ls Wadenbeines und vom Zwischenlu1ochen­
band, der eine auch noch vom äußeren Knochen des Schienbeins. Die Sehnen werden
unter dem queren Band und durch Leitkanäle (Sehnenscheiden) unter dem Kreuzband
des Unterschenkels hindurch über den Fußrücken zu den Zehen geführt, deren End­
glieder sie erreichen.
B. Seitliche (laterale) Muskeln des Unterschenkels (dorsale Muskeln, rückwärts,
hinten)
1. Langer Wadenbeinmuskel (musculus peronaeus longus) Bilder 98.l (6) und 99.1 (12)
Wirkung bei Spielbein: Sen­
kel} des Fußes (Pla.ntarflexion)
bei gleichzeitiger Drehbewe­
gung des Fußes, Hebung des
äußeren und Senkung des
inneren Fußrandes,(Auswärts­
kant1.1I1g) und Abdu1.-tion, Be­
wegung des :Fußes .von der
Körpermitte nach außen

Zu 98.l
1 Wadenheinköpfche11
2 Zwillingswadenmuskel
3 Schollenmuskel
4 Sohlenspanner
5 Sehne des Solllenspanocrs
6 Langer Wadenbeinmuskel
7 KurzerWadenbe.inmuskel
8 Lanp:er Zehenstrecker
9 Dritter Wadenbeinmuskel
10 Langer Großzehenbeugcr
11 Achillessehne
12 vorderer Schlenbeinmnsk�I
13 Queres Unterschenlrnlband
l4 Kreuzband des Unterschenkels
und Fnßes
15 Oberes Halteband der Waden­
belnmuskel
16 Unteres Halteband der Waden-
beinmuskel
17 Fersenbeln
18 Kurzer Zehenstrecker
19 u. 20 Kleinzehenab,ziebcr
21 Kleillzehengegensteller
9S.l Fuß- und lleirunuskelu') 22 Langer Zehenbeuger
23
. Sehne des hinteren Schienbein­
•) Nach Frohses Anatomischen Wandtafeln muskels

98
Wirkung bei Standbein: Andrücken des Fußes auf Boden. Bei Lähmung des Muskels
entsteht ein Spitzklumpfuß
Ursprung, Verlauf und Ansatz: vom oberen, seitlichen Teil des Wadenbeins (Fibula)
und verläuft unter dem äußeren Knöchel zum äußeren Fußrand. Hier biegt er hinter
der Rauhigkeit des 5. Mittelfußknochens in eine Furche des Würfelbeins ein und läuft
quer zur Fußsohle bis zum Keilbein 1 und 1. Mittelfußknochen, wo er gegenüber dem
vorderen Schienbeinmuskel ansetz-t. Zu�ammen mit dem vorderen Schienbeinmuskel
bildet er eine Art Steigbügel (100.1 b), worin das Fußgewölbe gesichert ruht, und der das
Abweichen des stark belasteten 1. Mittelfußknochens nach der Seite verhindern soll.
2. Kurzer Wadenbeinmuskel (musculus peronaeus brevis) Bild 98.1 (7)
Wirkung bei Spielbein: Plantarflexion = Senken der Fußspitze, Pronation = Drehbe­
wegung des Fußes bei gleichzeitiger Hebung d�s äußeren und Senkung des inneren Fuß­
randes (Auswärtskantung) und Abduktion = Bewegung des Fußes von der Körper­
mitte nach außen. Bei Lähmung der Gegenspieler zieht der Muskel den Fuß in Platt­
knickfußstellung.
Ursprung, Ansatz: An der Hinterfläche des Wadenbeins (Fibula), oberer Teil. Rauhig­
keit des 5. Mittelfuß-
knochens
C. Tiefe Mus k e l n d e r
Hinterseite d e s U n­
t e r s c he n k e ls
1. Hinterer Schienbein-
muskel (musculus tibia­
lis posterior) Bilder 99.1
(6) und 98.l (23)
Wirkung bei Spielbein:
Supination = Drehbe­
wegung des Fußes bei
gleichzeitiger Hebung
des inneren Fußrandes,
die Fußsohlen werden

Zu 99.1
1 Dreiköpflger Wadenmuskel
(Zwillingswadenmuskel -
Schollenmuskel)
2 Sehne des Sohlenspanners
3 Schollenmuskel
4 Achillessehne
5 Langer Zehenbeuger
6 Hinterer Schienbeinmuskel
7 Langer Beuger der großen Zehe
8 Zipfelband
9 Vorderer Schienbeinmuskel
10 Langer Strecker der großen Zehe
11 Langer Zehenstrecker
12 Langer Wadenbeinmuskel
13 Queres Unterschenkelband
14 Kreuzband des Unterschenkels
und Fußes
15 Kurzer Zehenstrecker
16 Zwischenknochenmuskel
17 Abzieher der großen Zehe 99.1 Fuß- und Beinmuskeln')

') Nach Frohses Anatomischen Wandtafeln

99
dabei einander zugekehrt (Einwärtskantung), Abduktion = Bewegung des Fußes von
der Seite nach der Körpermitte hin und Plantarfiexion = Senken der Fußspitze
Wirkung bei Standbein: Unterschenkel wird Ferse und Fußsohle genähert
Ursprung, Verlauf und Ansatz: Auf der Rückseite des Schienbeins (Tibia) und Waden­
beins (Fibula) und ihrer sehnigen Zwischenwand.Er verläuft unter dem inneFen Knöchel
und setzt an der Rauhigkeit des Kahnbeins (Tuberositas navicularis) und an der Unter­
seite der drei Keilbeine an.
2. Langer Großzehenbeuger (musculus flexor hallucis longus) Bilder 98.1 (10) und 99.1 (7)
Wirkung bei Spielbein: Plantarflexion = Senken der Fußspitze, Supination = Dreh­
bewegung des Fußes bei gleichzeitigem Heben des inneren Fußrandes, die Fußsohlen
werden dabei einander zugekehrt (Einwärtskantung) und Abduktion = Bewegung des
Fußes von der Seite nach der Körper­
mitte hin
Wirkung bei St-1,ndbein : nähert den Un­
terschenkel der Fußsohle, ·wird also
Sehne deslangen wirksam beim Zehenstand und Ab-
Wadepbeinmuske!s wickeln des Fußes
Sehne deshinleren
Schienbeinmuskels Sehne deskurzen Bei Schwäche oder Lähmung des Mus­
W!1denbeinmuskels
kels ent-steht ein Plattknickfuß.
Ursprung, Verlauf und Ansatz: An der
Sehnedesvorderen
Sdlienbeinmuske/s Hinterfläche des ·wadenbeins (Fibula),
greift auf das Zwischenkmochenband
über, verläuft hinter dem inneren Knö­
chel (MaUeolus medialis), unter dem
Vorsprung des Fersenbeins auf der
inneren Seite, genannt „Balkon", zu
dem Endglied der Großzehe
3.Langer Zehenbeuger (musculus flexor
digitorum longus) Bilder 9S.l (22) nnd
100.l Die Sehne des langen Wadenbeinmuskels t-rittam 99.1 (5)
äußeren Rand des Fußes in die Rinne des Würfel­
beines ein und läuft schief durch die Fußsohle Wirkung bei Spielbein: Supination =
hindurch zum ersten Keilbein Drehbewegung des Fußes bei gleich-
zeitiger.Hebung des inneren Fußran­
des, die Fußsohlen werden dabei einander zugekehrt (Einwärtskantung), .Abduktion =
Bewegung des Fußes von der Seite nach der Körpermitte hin und Plantarfle:rion =
Senken der Fußspitze
Wirkung bei Standbein: unterstützt sehr wesentlich die Abwicklung und den Zehen­
stand. Der l\1uskel ist ein wichtiger Gewölbespanner.
Ursprung, Verlauf und Ansatz: Er entspringt an der Rückseite des Schienbeins ('l'ibia),
geht unter dem inneren Knöchel hindurch und zu den Endgliedern der Zehen 2 bis ein­
schließlich 5. Auf der Unterfläche der Zehenglieder sind die Sehnen durch feste, derbe,
fll8erige Scheiden festgehalten, so daß sie bei Beugung derselben nicht von den Kno­
chen abschnellen können.

D.Oberflächliche Muskeln d e r Hinterseite d e s Unterschenkels, W a d e n m u s k e l n


Die folgenden drei Muskeln bilden die Wade und gehen in eine gemeinsame Sehne über,
die Achillessehne.
1. Schollenmuskel (musculus soleus) Bilder 98.1 (3) und 99.1 (3)
Wirkung beim Standbein: verhindert durch seinen Zug am Fersenbein das Vornüber­
fallen im Fußgelenk

100
Ursprung und Ansatz: Die Fasern seines mächtigen, plattovalen l!'leischbauches gehen
von den Hinterflächen beider Unterschenkelknochen und von zwei Sehnenstreifen dieser
Knochen aus, welche sich in die Fleischmasse einsenken.Die Fasern gehen in die Achil­
lessehne über, die die obere glatte Hinterfläche des Fersenbeinhöckers überläuft und
sich erst am mittleren, rauhen Teil des Höckers ansetzt.
2. Musculus plantaris (in der Abbildung nicht sichtbar)
Dieser Muskel gehört zu den rückgebildeten. Seine Ausbildung ist wechselnd; mit der
Achillessehne verschmolzen, kann er sogar ganz fehlen.
3.Zwillingsmuskel (musculus gastroonemius) Bilder 98.l (2) und 99.1 ( 1 )
Die Wirkung istvielseitig und erstreckt
sich aufKnie und Fußgelenk.Er kann
den Fuß senken, von der Seite an den
Körper heranziehen und den Fuß ein­
wärtskanten. Er kann aber auch die
Wirkung des Schollenmuskels unter­
stützen.
4.Achillessehne (tendo calcaneus Achil­ Abzieher der
les) Bilder 98.l (11) und 99.1 (4) großen Zeh• Abzieher der
·kleinen Zehe
Sie ist die dieser Muskelgruppe gemein­
same kriiJUge Sehne, die am hinteren
Gemefoscho/1/icher
Zehembeuger
oberen Teil des Fersenbeins ansetzt, um Großz,hen-B•ug,r
Kurzer - -- .......;IU

in den Zwillingsmuskel und Schollen­ Zwischonknochon­

muskelüberzugehen.Sieistdie stärkste
Muskeln
Sehne du langon
Sehne im menschlichen Körper. Großzehen-8,ugers

Fußmuskeln (101.1) ).I '


A. Am Rücken:
Kurzer gemeinschaftlicher Zehenstrecker
(gemeinschaftliche Zehenstreckung)
B.An der Sohle: 101.1 Fußsoblenmuskeln
a) Am inneren Fußrand:
Der Abzieher der großen Zehe (.Abziehen der Großzehe)
Der kurze Beuger der großen Zehe (Beugen der Großzehe)
Der Anzieher der großen Zehe (Anziehen der Großzehe)
b) Am äußeren Fußrand sind zwei, nur die kleine Zehe betreffende Muskeln angeordnet:
Der Abzieher der kleinen Zehe (Abziehen der kleinen Zehe)
Der J.71rze Beuger der kleinen Zehe (Beugen der kleinen Zehe)
C.I n der Mitte der Sohle liegen:
Der kurze gemeinschaftliche Zehenbeuger (Beugen des zweiten Gliede s der zweiten bis
fünften Zehe)
Die Zwischenknochenmuskeln
a) Drei äußere (Abzieher der Zehen)
b) Vier innere (Anzieher der Zehen)
(Nicht alle vorstehend angeführten Muskeln sind in den Abbildungen sichtbar, da sie zum Teil
tief liegen.)
Im Zusammenhang mit den Darlegungen über die Anatomie des Fußes siehe auch : M o l lie r, S :
Plastische .Anatomie. Die konstruktive Form des menschlichen Körpers.2.Aufl.München 1938
und Eckhardt, H.: Medizinische Fachausdrücke.

101
II. Der kranke Fu.6

Meistens hört die Körperpflege beim Fuße auf, obwohl er bei einseitiger und
schwerer Arbeitsweise, besonders bei stehender Berufstätigkeit, den ersten An­
spruch auf gründlichste Pflege haben sollte.
Sind unsere Füße infolge fortgesetzter Überbeanspruchung geschwächt, so er­
fahren sie durch ungenügende Säuberung eine weitere Schwächung.
Zur ordnungsgemäßen Fußpflege gehört, außer derReinhaltung, zweckentsprechen­
des, gut gepflegtes, die gesunde Fußform nicht beeinflussendes Schuhwerk.
Zu schmales, spitzes, kurzes Schuhwerk unterbindet die normale Fuß- und Bein­
tätigkeit ebensosehr wie Damenschuhwerk mit unvernünftig hohen und schmalen
Absätzen. In solchem Schuhwerk ist ein ausgleichendes Spiel der Muskeln nicht
möglich, denn die eine Muskelgruppe wird in der zwangsläufigen Fehlstellung
dauernd entspannt und die Gegengruppe überdehnt. Dies bedeutet eine Störung
des Muskelgleichgewichtes ; außerdem kommt es zu Gelenkverlagerungen.
Den Gelenkbändern ergeht es durch dieFehlstellung

J
des Fußes eben so wie den Muskeln ; auch sie werden
einseitig überdehnt oder entspannt. So sind es also
mannigfacheEinflüsse,diedenehemalsgesundenFuß
in die eine oder andere Fehlform hineinzwingen,
wenngleich auch schwererwiegende Ursachen in dem
einen oder anderen Falle ausschlaggebend für eine
Fußerkrankung sein können, auf die aber an dieser
Stelle nicht eingegangen werden kann.
Die verbreitetste Fehlform des Fußes ist der erwor­
bene Plattfuß (102.1). Er entwickelt sich aus dem 102.1 Pbttfuß
Knickfuß. (Der Veränderungsvorgang am Skelett
wurde unter dem Abschnitt „Bänder" Bild 96.2 u. 3, 97.1, erläutert). Der auf
die innere Seite des Sprungbeines verlagerte einseitige ;Druck des Körpergewichtes
führt nicht nur zur Abknickung der Ferse nach außen, sondern gleichzeitig zur Sen­
kung des Längsgewölbes.
So entsteht der Knick­
Senkfuß. (Beachte auch
das Trittspurbild in Bild
102.2.) Wird dem Senkfuß
nicht die richtige Hilfe zu­
teil, verflacht sich das
Längsgewölbe mehr und
mehr, bis es schließlich
vollkommen platt auf­
liegt. Der Fuß wird so
zum Knick-Plattfuß
·-- (siehe auch Bild 102.1).
Dieser Entwicklungsgang
hat allerdings viel mehr
a) b) c) d)

Abstufungen als hier dar-


102.2 Trittspuren a.) vom gesunden Fuß, b)vom leichten Hohlfuß, c) vom
schweren Hohlfuß, d) vom Plti.ttfuß

102
gestellt, doch interessieren uns zunächst nur die
augenscheinlichsten.
Der Spreizfuß ist erkenntlich an der außergewöhn­
lichen Verbreiterung des Vorfußes, des Ballenteils
(103.1). Das Röntgenskizzenbild eines „Knick-Platt­
Spreizfußes" (103.2) zeigt eine „Spreizung" der
Mittelfußknochen, besonders des ersten und fünften
(siehe Pfeilrichtung!). Die Ursachen sind ebenfalls
in einer Störung der Muskelarbeit zu suchen. In
den meisten Fällen ist der Spreizfuß eine Begleiter­
scheinung des Knick-Senk- und Knick-Plattfußes,
doch kann er sich auch ohne Knickfußerkrankung
entwickeln. Dann handelt es sich um den Spreiz­
fuß des Hohlfußes. Die krankhafte Spreizung der
Mittelfußknochen ist auf eine Dehnung und somit 103.1 Spreizfuß
Lockerung der Bandverbindung der Mittelfußköpf­
chen zurückzuführen.
Die Ballenhildung ist eine weitere Folge des Spreizfußes durch die Verdrängung
der Großzehe nach außen. Durch das gestörte Muskelgleichgewicht und die Ein­
wirkungen des Bodendruckes kommt es zu dieser Schrägstellung der Großzehe,
wobei in vielen Fällen auch die übrigen Zehen in Mitleidenschaft gezogen ,verden.
Fest gegeneinandergepreßt, ohne Spielraum müssen sie ihre nicht leichte Aufgabe
erfüllen.
Die Zehenlage ist jetzt keine schöne breite, wie die des gesunden Fußes, sondern
eine spitz zulaufende. Dadurch, daß der Großzehenmittelfußknochen nach innen
spreizt, die Großzehe sich aber nach außen verlagert, entsteht am Großzehenbal­
len ein kugelförmiger Vorsprung,
der volkstümlic·h mit „Eallenbil­
Knic•sl•l/ ng d•r
u dung" bezeichnet wird (103.2).
Ferse nach außen Zu spitzes Schuhwerk trägt zur
Hervorlrelen des
Herausbildung und Verschlimme­
inneren Fußrandes rung der Ballenbildung viel bei
infolge Ourchlrel•ns (104.1). Verbildungen der Zehen
des Sprungbeines, und Nägel sind weitere Begleit­
Xahnbet'nes und
erscheinungen des Spreizfußes
1. Keilbtines
(104.2).
Das Einsinken des Querbogens ist
Spreizen --f-11.'1' häufig zu beobachten. Bei der Be­
des 5. Millelfuß­ noch innen sprechung des Fußskeletts wurde
knochens
noch außen Di• sogenannlt
erwähnt, daß die fünf Mittelfuß­
.,Bol/enblldung" köpfcheneinen Querbogen bilden.
Durch das Lockern der Bandver­
Schrägsle/lung dtr
Großzehe noch außen
bindung der Mittelfußköpfchen
bei der Spreizfußbildung kommt
eshäufigzumEinsinkendes Quer­
103.2 :Knick-Platt-Spreizfuß-Skelett bogens (104.3).
103
Nach fachä-rztlichen Darstellungen handelt es
sich aber nicht um ein Einsinken des Querbo­
gens o der „Durchtreten" der Mittelfußköpf­
chen, sondern um eine Hebung der Groß- und
Kleinzehenmittelfußköpfcben, hervorgerufen
durch die erwähnte Störung des Muskelgleich­
gewichtes bei Beginn eines· Fußleidens.
Der Hauptdruck des belasteten Vorfußes ruht
jetzt nicht mehr auf dem Groß- und Klein­
zehenballen, sondern hauptsächlich auf dem
zweiten, dritten und vierten liittelfußköpf­
chen. Häufig liegt der Hauptdruck in der
Mitte, also unterhalb cles dritten Mittelfuß.
köpfchens, dae. sich mit der Zeit in die Brand­
sohle eine l\Iulde bohrt (104.4).
I04.I Gegenüberstellung der Zehen.Jage In
vernünftigem und zu spitzem Sehnil­
werk
links: Gesunde Zellenlage und Sprei1.mög­
lichkeit der Zehen in d�r Vorfußbe­
lastung, ausgeglichene lfuskelarbeit
rechts: Zusammengepreßte ZeheJJlagc, keine
Sprelzmöglichkeit der Zehen, weitere
Verkiimmerung derselben, . gestörte
Muskefarbelt,zunehmende Fußerluan­
k,:mg

104.2 Ve.rkUmmerte
Zehen durch
spitzes Schuh­
werk

Druckstelle durch dcnkonzent.rier­


ten Druck des 3. Mit­
104.4 telfußköpfchens ver­
104.3 Der Querbogen Querbogen „durchgetreten" ursachte Mulde
104
........
, j. I0ä.2 Steilstellun!l des :\!iLtelfußes durch Tragen unvcr­

.... . tt
\J
\> . 1,..
niinWg bohcr Absätze

Wie stark dieses Leiden Yerbreitet ist, läßt


fJtfldrp1.1nld sich in jeder Werkstatt an getragenem Schuh­
werk feststellen. Der „Dienst am Kunden"
.
[._.._

IOä,l :Kennzeichen des Spreizfußes erfordert es, den Fußkranken auf sein Leiden
und auf die weiteren Folgen hinzuweisen.
Auch das kreisrunde Durchlaufen der Sohlen
an dieser Stelle rührt daher (105.1 ) . Bei un­
vernünftig hohen Absätzen kommen die Mit­
telfußknochen in eine Steilst.ellung (105.2).
In solchen Fällen wird der kräftigste Teil
des Fußes, die Fußwurzel, der Hauptauf­
gabe, die Last de'> Körpers aufzufangen,
entzogen und diese Last auf die kleine
Vorfußfläche übertragen. Jeder Schritt, be­
sonders aber das �tehen, wird zur Q,ual, denn
Schwielen, Hühneraugen und sehr schmerz­
hafte Entzündungen sind die Folgen diesrr
einseit,igen Vorfußbelastung (105.3).

iJ
I05.3 Schwielen und Entzündun�en als Mnflge
Begleiterscheinungen des �prcizfußes

Der Hohlfuß zeichnet sich aus


durch einen ausgeprägt hohen 10$.4 Der Hohlful.\
Reihen, ein übertrieben hohes 1�-- gespannte
Gelenk, die mehr oder weniger
starke Klauenstellung der Zehen ' Achillessehne

und die in der Belastung stark


gespannte Achillessehne (105.4).
Die beim Hohlfuß verkürzten
Sohlenmuskeln ziehen die Ferse
nach unten, weshalb die sich am

105
:Fersenbein ansetzende .Achillessehne übermäßig gespannt wird
(zu kurz erscheint) und somit eine gestreckte Haltung einnimmt.
Hohlfüßler laufen daher auf Absätzen von mittelmäßiger Höhe viel
leichter als auf niedrigen, weil hierdurch die Achillessehne mit der Wa­
denmuskulatur eine Entspannung erfährt.
Im Trittspurbild fohlt die Gelenkbelastung oder tritt nur
schwach hervor (102.2). Die Fußstellung ist mehr o der weniger
stark gekrümmt, eine Art Sichelfußstellung. Der Großzehen­
ballen nähert sich der Ferse und der äußere Fußrand ist ge­
krümmt. Die Ferse, von hinten gesehen, nimmt die entgegen­
gesetzte Stellung der Knickfußferse ein (106.1). Meist ist der
Hohlfuß vom Spreizfuß und den vorerwähnten zusätzlichen
Leiden begleitet.
Die Beschwerden des stark ausgeprägten Hohlfußes oder Hohl­
Spreizfußes können mitunter Formen annehmen, die ärztliche
(operative) Eingriffe erzwingen. Doch auch dann ist eine be­
friedigende Behebung aller noch verbleibenden Beschwerden
ohne den zwe.-:kmäßig gearbeiteten orthopädischen Schuh kaum
106.1 Hohlfuß

möglich, denn diese Fehlform ist weit schwieriger durch ärzt­


(rechts) mit
Drehung der
liche Mittel zu behandeln als der Plattfuß.
Ferse nnch
innen

Der Klumpfuß ist diejenige Formveränderung des Fußes, bei der in schweren
Fällen das gesamte Fußskelett um die Längsachse des Fußes gedreht ist. Es
ist zu unterscheiden zwischen angeborenen und nach der Geburt erworbenen
Klumpfüßen. .Angeborener Klumpfuß kann sich vererben. Er ist diejenige Fehl­
form des Fußes, die von allen angeborenen Fehlformen am häufigsten vorko mmt
(106.2 u. 3).
Die nach der Geburt erworbenen Klumpfüße sind zum größte°: Teil auf Erkran­
kungen des Nervensystems zurückzuführen, zum anderen Teil auf Verletzungs­
folgen, wie schlecht geheilte Knöchel-, Fußwurzel- und Unterschenkelbrüche.
Nach fachärztlichen Dar­
stellungen sollen etwa drei
Viertel aller Klumpfüße
angeboren sein und bei
Knaben doppelt so oftvor­
kommen wie bei Mädchen.
Infolge der Verdrehung
des Klumpfußes ist der
Gang sehr erschwert. Bei
geringeren Verformungen
und Verwendung zweck­
mäßig gebauten Schuh­
werks kann das sonst
mühsame Gehen sehr er­
leichtert werden, da es ja
noch über dem äußeren
Fußrand möglich ist.
106.2 106.3
Erworbener Klumpfuß (operiert) Angeborener Klumpfußfall

106
Bei den schwersten Formen jedoch, wo der Fußrücken als Auftrittsfläohe dient,
ist die Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit sehr beschränkt, zumal der Schuh
auch noch die Fehlform des Fußes nach Möglichkeit verbergen soll. Eine zwar
mühevolle, viel Übung und Erfahrung vor­
aussetzende, dafür aber auch eine große
und dankbare Aufgabe des Orthopädie­
Schuhmachers ! 10'7.l Spitzfuß
Der Spitzfuß ist eine Daue1form des Fußes
im Zehenstand, wobei also nur die Fuß­
spitze im Stand und beim Gehen den
Boden berührt, die Ferse hingegen mehr
oder weniger in die Höhegezogenist (107.1 ).
Meist entsteht er durch Verletzungen und
hieraus folgende Verkürzungen der Waden­
muskulatur. Besonders sind Schwerver­
letzte infolge des langen Stilliegens der Ge­
fahr einer Spitzfußbildung ausgesetzt. Da
die Abwicklung des Fußes fehlt (die Ferse
tritt nicht auf), ist der Gang beim Menschen
mit Spitzfüßen stapfend, nicht nachgiebig federnd. Dieser Mangel läßt sich bei
leichteren Verkürzungsfällen durch eine im orthopädischen Schuh eingebaute
Ausgleichsebene fast unsichtbar beheben, größere Verkürzungen werden. durch
Verkürzungsgeräte oder Hilfsglieder (Prothesen) ausgeglichen.

Der Hakenfuß bietet das umgekehrte Bild des Spitzfußes. Die Fußspitze steht
und ist in die Höhe gerichtet, die Ferse allein kommt zum Auftritt {107.2). Der
Hakenfuß wird in der Mehrzahl durch Lähmungen oder Verletzungen der Waden­
muskulatur (Durchschneiden der Achillessehne) verursacht, kommt aber auch
angeboren vor.
Der Gang des Hakenfüßlers ist unbeholfen. Die Ferse stampft hart auf, ein Er­
heben auf die Zehenspitzen ist nicht möglich. Besondere Schwierigkeiten bestehen
beim Treppensteigen und Bergaufgehen,
Ermüdung tritt rasch ein.
Je nachdem der Hakenfuß locker oder
versteift ist, der Vorfuß in Platt- oder
Hohlfußstellung steht, hat man die Ortho­
pädiehilfsmittel zum Erleichtern der Ab­
wicklung auszuwählen. Durch Unterar­
beiten einer Ausgleichsebene aus Kork
oder korkähnlichen Werkstoffen, welche
am Vorfuß am höchsten ist (Vertiefung,
Einbetten der Ferse im sehr niedrig ge­
haltenen Absatz) ,kann dem Hakenfuß zur
Leistungsfähigkeit zurückverholfen wer­
den. Mit Gummizügen, die am hinteren
Fersenteil des Schuhes angebracht und
unterhalb des Knies an einer Kniebau- 101.2 Hakenfuß

107
dage verstellbar befestigt werden, gelingt es, die ausgefallene Fähigkeit der Wa­
denmuskulatur, die Ferse nach oben zu ziehen, zu ersetzen.
Der Schuh für Fußkranke kann kein „Bekleidungsstück" im üblichen Sinne sein,
sondern muß einer „Prothese" gleichgestellt werden, die nicht nur passen, sondern
vor allen Dingen Erfordernisse der Orthopädie erfüllen soll. Fehlstelluugen des
Fußes müssen nach Möglichkeit verbessert, bei unverbesserlichen Formen und
Stellungen soll mit Hilfe von Ausgleichsebenen ein möglichst normales Aussehen
erreicht werden. (108.la···c).

a) b) c)

108.1:l-•·C Die verbesserte Fehlstellung des Fußes


a) Jugendlicher Knickfuß. b) Derselbe Fuß Im Serieuschnh ruit verordneten Einlagen. Die Fehl­
stellung ist mit diesem Mittel nicht behoben. c) Der,iclbe Fuß im Korrekturstiefel nach Maß, i11
ges1mdcr Fuß- und Beinst.ellung

Nicht immer läßt sich ein gutes Arbeitsergebnis ohne Mitarbeit eines Facharztes
erzielen. Fachärztlichen Beratungen muß der Schuhmacher aber zu folgen ver­
mögen. Hieraus ergibt sich von selbst die dringende Forderung, nicht nur ein
tüchtiger Facharbeiter zu werden, sondern in gleich starkem Maße sich fach­
ärztliches Denken zu eigen zu machen. Nur so hat der Nachwuchs des Schuh­
macherhandwerks die Gewähr, eine voll befriedigende .und auskömmliche Lebens­
giundlage zu finden.

108
C. Der Leistenbau

Fußumrißzeichnungeu, Trittspurbilder w1d Weitenwaße dienen im allgemeinen als


Unterlagen für den Leistenbau, doch finden bei der Herstellung von Leisten für
besonders schwierige Orthopädie:fälle auch Fußmodelle aus Ton, Gips oder an­
deren Stoffen Verwendung.
Mit Hilfe diese1· Unterfagen ist es nun mög­
lich, einen,Leisten aus dem „Rohklotz" zu
entwickeln, falls dies notwendig ist, wie
beispielsweise für schwer deformierte Füße.
Leisten für normales .Maßschubwerk und leicht<'
orthopädische Arbeiten stellt man schneller und
einfacher aus ,,Rohleisten" her. Diese sind in
allen Größen und Formen zu beziehen und ba.bcn
genügend Holz, um dem Leisren die gewünschte
Form anzuarbeiten (109.l).

I. Die Erarbeitung eines l\1a6•


leistens aus dem Rohklotz
Roh/eisten

Eine Leistenform wird aus dem Rohklotz


an Hand des besonderserarbeiteten Brand­
sohlenmusters und des Leistenlängsschnit­
tes, welcher auch als Leistenprofil be­
zeichnet wird, herausgearbeitet. 109.t Rohklotz und .Rohleisten

a) Das Brandsohleumuster wird hergestellt


Man benutzt die Fußumrißzeiehnuug und die Trittspur. Damit der Vorfuß in der
Abwicklung, im Augenblick der vollen Belastung genügend Raum in der Schuh­
spitze hat, muß das Brandsohlenmuster mindesten 2 .. ·2¼ Stiche über die Fuß­
spitze hinausreichen. Diese Zugabe wird auch zur Erarbeitung einer gefälligen
Spitzenform benötigt. Schlanke, halbrunde und spitze Schuhformen erfordern
eine entsprechend größere Spitzenzugabe. Z"reckmäßig beginnt man mit der Ar­
beit bei der Brandsohleneinzeichnung mit der Spitzenzugabe an der großen Zehe
(110.1). Von hier aus folgt man dem Trittspurumriß der Großzehe, am Groß­
zehenballen vorbei bis hinter denselben und läßt die Linie für Herrenbrandsohlen
in ein breiteres, für Damenbrandsohlen in ein schmaleres Gelenk auslaufen.
Besonderer Wert ist darauf zu Jegen, daß der Gelenkbogen an der Stelle, wo er
den Absatz trifft (¼ der normalen Leistenlänge), wieder an die Umrißzeichnung
109
der Ferse heranreicht, d. h., man bleibt etwa ¼···¾ Stich
davon entfernt und folgt der Fersenumrißlinie bis zumK.lein­
zehenballen im gleichen Abstande.

Das Einrücken (Schma.lerbalten) derj Brandsohlenzeicbnung im


l!'ersenteil bezweckt einen guten Sitz des Schuhwerks und wirkt
sich bei Verwendung kräftigenKappenstoffes als seitlicher Halt für
Knick- und Senkfußleidende aus.

Vom Kleinzehenba.llen a.us folgt die Brandsohlenlinie eine


kurze Strecke der Zehenumrißzeichnung, um dann ent­
sprechend der Spitzenform schmaler oder breiter in die
Spitzenrundung mit der vorerwähnten Spitzenzugabe aus­
zulaufen.

Das Erarbeiten von Brandsohlenmusrern nach geometrischen


Grundlagen muß für das Maßschuhmacherhandwerk abgelehnt wer­
den, da sich individuelle anatomische Gegebenheiten geometrisch
nicht erfassen lassen.
110.1 Br11.ndsohlenelnr.eichnun11

b) Das Leistenprofil wird entwickelt


Man bedient sich des „Fußprofils", das in der gewünschten Absatzstellung und
Reinhaltung vom Fuße abgezeichnet wird (110.2). Hierbei wird die Fuß- oder
Fersenbeuge am gezeichneten Fußprofil besonders gekennzeichnet, weil an dieser
Stelle das Fersenmaß des Fußes beim Ausarbeiten des Leistens angelegt werden
muß (110.2). Nun beginnt man mit dem Einzeichnen des Leistenprofils (110.3).
Zunächst zieht man sich von der hinteren unteren Fersenkante, der Absatz.
höhe also, = Punkt a, eine Verbindungslinie zum Fersenpunkt b und verlängert
sie um etwa. 2½ bis 3 Stiche,wodurch man zu Punkt c gelangt.
Es handelt sich hlerbei um eine Vorverlegung des Fersenpunktes, denn die Leisten, besonders
die Halbschuhleisten, werden im „Kamm" schmaler gehalten, als der Fuß breit ist, wodurch
ein guter Sitz oder „Schluß", wie sich der Fachmann ausdrückt, erzielt wird. Mit „Kamm"
bezeichnet man den oberen Teil des Leistens, vom oberen
Reihenteil zum hinteren oberen Fersenteil führend. Halbschuh-

__J_____
:,/---
Kammlinie

fuß- oder I I0.3 J-:111zrirhn�n d


Fersenbeug ,les Leist,·n11rottl,
In das l•"11llprofU

110
leisten haben einen schmalen Kamm, Stiefelleisten dagegen einen breiten (111.1). Denn
Stiefel gehen über die Knöchel hinaus, weshalb die obere Leistenpartie entsprechend der
Knöchelstärke breiter sein muß, damit die Knöchel genügend Raum ün Stiefel haben. Halb­
schuhe schließen unterhalb der Knöchel ab, wodurch ein schmalerer Kamm begründet ist.

Von der
a) b)

hinteren Fersenkante a (110.3) wird die hintere


Die hintere Leisteuhöhe wird ermittelt.

Leistenhöhe nach Punkt d abgetragen.


Für die Berechnung der hinteren Leistenhöhe bedient
man sich der gleichen Formel wie für die Berechnung
der Hinterkappenhöhe (S. 31). Danach wird die Hinter­
kappe für eine Schuhgröße von 42 Stich einschließlich
2 Stich Zwickeinscblag 10 Stich hoch. Diese Höhe bnn
auch als normale Leistenhöhe für einen Leisten von
42 Stich Länge bezeichnet werden. Sonderleisten für
kranke Füße und Reitstiefelleisten fallen nicht unter
diese Berechnungsart.

Etwa drei Stich


oberhalb des vorverlegten Fersenpunktes c be­
Die Reihenlinie wird festgelegt.

ginnt man mit der Reihenlinie. Sie verläuft in


einem leichten Bogen nach unten in dieProfil.
111.1 a) breiter Kamm bei Stiefelleisten linie des Vorfußes, deckt sich dann mit dem
b) schmaler Kamm bei Halbschuh-
leisten Zehenprofil, wird bei Punkt e um etwa 2... 3 Stich
in leicht abfallendem Bogen über die Großzehe
hinaus verlängert und schließt hier mit der Sohlenbahn des Vorfußes ab. Punkt /
ist der Ballenauftrittspunkt, wo das Gelenk seinen Anfang nimmt. Von / nach
a führt die Gelenklinie.
Da fast jeder Fuß, mit Ausnahme des Hohlfußes, eine mehr oder weniger starke Gelenkstütze
benötigt, aber auch der schöneren Form willen erhält die Profillinie des Leistengelenkes
eine etwas stärkere Sprengung als die des Fußprofils. Ferner.muß sich die Gelenklinie dem
Gesamtbild des Leistenprofils anpassen, wobei der Zweck des Schuhwerks, die Absatzhöhe,
die Festigkeit des Schaft- und Bodenstoffes mit zu berücksichtigen sind.

Abschließend wird die Kammliuie eingezeichnet. Sie beginnt bei Punkt d und verläuft
in leichtem Bogen zum Anfang der Reihenlinie, oberhalb des Punktes c.

DaserarbeiteteLeistenprofilwird dann
ausgeschnitten und mit Reißbrett­
stiften auf dem Leistenklotz befestigt
(111.2).
Der Leisten wird geschuitteu. DieForm
-
des Leistens wird von Hand oder mit
�iaschine geschnitten.
Mancherorts bedient man sich des
Druckmessers, da es auf einem
�-____·:.___...
·h=-__,/.,
feststehenden Arbeitstisch aufgebaut 111.2 An den Rohklotz geheftetes Leistenprofil

lll
112.2 Dos Leistenformen an der Itaspelschci!Je

ist (112.1). Hiermit wird geschnitzt,


112.1 Das Leistenformen ml� dem Druckmesser
wozu allerdings gründlicheÜbung gehört.
Einfäoher ist das Bearbeiten des Leistenklotzes mit der groben Raspelscheibe
(112.2), die behelfsmäßig auf der Welle der Ausputzmaschine befestigt werden
kann. Bild 112.3 zeigt ein ausgearbeitetes Leistenprofil.
Die nächste Arbeit ist das Herausarbeiten des Brandsohlenumrisses. Dazu wird das
Brandsohlenmuster auf die Sohlenbahn des Leistenklotzes geheftet. Der Holz­
klotz erhält nach Abschluß dieser Arbeit die grobe Leistenform (112.4).

11:M
Dl\8 at.LBgeubeitetc
Leistenprofil

Längs­
achse
112.4
Braodsohlenscbnltt
des Rohklotzes

112.5 Die Längsachse

112
Es folgt nunmehr das Herausarbeiten
des Leistenkammes, der am besten
in der Leistenmitte liegt. Durch das
Einzeichnen einer „Leistenlängs­
achse", von der Spitzenmitte zur
Fersenmitte (über Reihen und
Kamm) (112.5), wird die Kamm.­
Mitte genau festgelegt. Nun wird
113.1 Der fertige Rohlelsten

die weitere Formgestaltung


des Reihens durchgeführt,
derZehen-undBallenpartie,
bis der Rohleisten heraus­
gearbeitet ist (113.1). Mit
dem Ausschneiden des
Keiles ist die Rohleisten­
arbeit erledigt.
Es beginnt das Herausarbei­
ten der Weitenmaße. Von
großer Wichtigkeit ist hier-
bei das genaue Übertragen
der Fußmaße auf den Roh- C
�-'
leisten. Auch diese Arbeiten [!.: . _
113.2 Die letzte Formgebung am Leistenbock

werden au der Raspelscheibe ausgeführt, d: h. so weit, bis die


Maße annähernd herausgearbeitet sind. Die letzte l\fa,ßein­
arbeitung und endgültige Formgestaltung· wird auf dem
Leistenbock durchgeführt (113.2). Es ist dies ein am Boden
fest verankerter Arbeitstisch oder Ständer, auf den ein halb­
kreisförmig ausgekehlter und mit Leder gepolsterter Bock
gestellt ist, auf dem der zu bearbeitende Leisten in allen Stel­
lungen mit Spannriemen festgehalten werden kann.
Auf diese Art entsteht das den jeweiligen Verhältnissen
entsprechend gearbeitete Leistenpaar (113.3).

II. Die maschinelle Leistenherstelltmg


Es handelt sich hierbei um das Herstellen von Leisten für
die Schuhindustrie sowie von „Handelsleisten" und „Roh­
leisten" für das Schuhmacherhandwerk.
Der Schuhmacher braucht auch Roh- und Handelsleisten.
Handelsleisten sind Fertigleisten in allen gangbaren Formen,
113.3 Der fertige die dem Schuhmacher das Selbstherstellen von Leist.an er­
Maßleist,in sparen soll.Rohleisten hingegen sind rohgedrehteLeisten,

113
fast in der Form, wfo sie aus
der Leistendrehbank heraus­
kommen, jedoch ohne vordere
und hintere Ansatzteile, mit
denen sie in der Kopiermaschine
eingespannt waren (111.1).
Diese Rohleisten haben „Holz",
rl. h., sie haben überall reichlich
Übermaß, so daß das Aufar-
1Jeiten von Lederdecken, ge­
nannt Weitungen , und das Ver­
breitern von Leisten durch An­
schläge erspart bleibt.
Handels- und Rohleisten werden
hergestellt
114,1 Transport der Buchenstämme
Für Handelsleisten und Rohleisten
verwendet man i n Deutschland fast
ausschließlich Rotbuchenholz. Die
Baumstämme werden in den Win­
termonaten gefällt. In der Leisten­
fabrik (114.1) werden sie mit der
Pcndelkreissäge in einzelne, der
Länge eines Leistens entsprechende
Stammabschnitte zerteilt (114.2).
Aus diesen Abschnitten wird mit
einer Bandsäge sodann die Form
des Rohklotzes ausgeschnitten
(114.3).
Die Rohklötze haben ein langes
Trockenverfahren durchzuma­
chen. Zunächst werden sie in so­
genannten „Holzdämpfern"
einem Dampfdruck von etwa
114.2 Zerschneiden der Stämme mit der Pendelkreissiige

zwei Atmosphären ausgesetzt,


wodlU'ch dem frischen Holz ein
großer Teil seines Feuchtigkeits­
gehaltes entzogen wird.
Das Lufttrocknen der Roh -
klötze, das an das Dämpfen an­
schließt, dauert je nach der
Größe eines Klot,zes bis zu 11/z
Jahre. Auch jetzt sind die Klötze
(auch als Rohlinge bezeichnet)
noch nicht zur endgültigen Be­
arbeitung fertig. Sie kommen
nunmehr nochmals in Trocken­
kammern, die mit Dampf er­
114,3 Ausschneiden des Rohklotzes wärmt werden.
114
Yollständig trocken darf der
Leisten nicht sein, da er sonst
während der weiteren Arbeits­
gänge wieder}feuchtigkeit auf­
nehmen und quellen würde.
Die dauernde Überwachung
der Rohklötze während der
Trocknung erfordert peinlich­
ste Gewissenhaftigkeit. Eine
Leistenfabrik muß, wenn sie
einen einwandfreien, maßbe­
ständigen Leisten herstellen
will, dauernd einen Bestand
an Rohhölzern auf etwa l 1/2
,Tahre eingeschnitten am Lager 11r..1 Teilansicht des Trockenlagers
haben (115.1).
Nach dem Trocknungsverfahren in den 'frockenkammern werden die Rohklötze
gestapelt, um sich der gewöhnlichen Temperatur wieder angleichen zu können.
Erst jetzt kann die Weiterverarbeitung, die mit dem Drehen beginnt, ihren An­
fang nehmen.
Das Drehen des Leistens wird auf der sogenannten „Leistendrehbank", dei: wich­
tigsten Maschine in der Leistenherstellung, vorgenommen.
Die Drehbank (115.2 u. 116.1) besteht aus einem sehr kräftigen Gestell, auf dem ein
Schlitten, der das sogenannte Kopierrad und den Messerkopf trägt, beweglich an­
geordnet ist.
Ein pendelnder Rahmen, in dem das
l\fosterdes zu drehendenLei!'tens sowie
der Rohklotz eingespannt wird, ist so in
der Maschine aufgehängt, , daß das
Muster vor das Kopierrad und der
Rohklotz vor den Messerkopf zu liegen
kommt. Beim Inbetriebsetzen der Lei.
stendrehbank drehen sich das Muster
und der Rohklotz, während sich der
Schlitten mit Messerkopf und Kopier­
scheibe langsam von rechts nach links
bewegt. Das Kopierrad liegt während
des Drehvorganges fest an dem Muster
und der Messerkopf entsprechend an
dem Rohklotz an.
Durch die drehende Bewegung des
Musters und die Verschiebung des
Kopierrades wird dn.s Muster von dem
Kopierrad in allen Teilen abgetastet
und der Leisten entsprechend durch
den Messerkopf aus dem Rohklotz 11s.2 Die Drehbank
115
hcrnusgeschält,. Die .Drehbank
ist weiterhin mit einer Längen­
und Weit,eneinstellung ver­
sehen, so daß mit Hilfe eines
Musters Leisten mit verschiede­
nen Längen und Weiten herge­
stellt werden können.
Weiterhin kann man Muster
und Rohklotz in gleicher und
entgegengesetzter Richtung
chehen lassen. Durch diese Maß­
nahme lassen sich mit, Hilfe
eines Musters rechte und linke
Leisten herstellen (116.1). Bild
116.2 stellt eine Teilansicht der 116.1 Die Arbeit an der l>rehl.Jank
Dreherei dar.
Nach dem Dreheu werden zunächst die
Drehansätze an Spitze und Ferse des ge­
drehten Leistens durch Sondermaschi­
nen entfernt. Nachdem die Kammlöcher
gebohrt sind (zumAusleisten des Schuh .
werks), wird der Keil des Leistens aus­
geschnitten (116.3).
Die Befestigung des Keiles ist dann
die nächste Arbeit. Nach dem 1<:inschla­
gen von Musternummer, Länge und
Weite auf dem Karnrn des Leistens
wird geschliffen, eine Arbeit, die wohl
die größte Übung und Erfahrung in de!'
Leistenherstellung erfordert. Diese Ar­
beitsstufe Ült allerdings nur dann not­
wendig, wenn die bis jetzt erstellten
Rohleisten zu HandelsleisLen weiter­
verarbeitet werden.
116,2 Teilansicht der Dreherei Durch das Schleifen (117.1) werden die
während des Drehens entstandenen
Drehrillen entfernt. Der Leisten wird
dann noch :mit einem besonderen Wachs
an Lederscheiben poliert (117.2).
Eine letzte Überprüfung beendet die
zahlreichen Arbeitsgänge, die zur Her­
stellung eines Serienleistens als auch
einzelner lVfaßpa.are erforderlich sind
(117.3).

ltG.3 Keila.usschaeiden

116
117.1 Schlcücn

117.S') Der Wcrdegnng des ScrieDleistcns

III. Leistenformen
Man unterscheidet „flachgesprengte" und „starkgesprengte" Leisten. Erstore finden
für die Herstellung von Schuhwerk mit flachen Absätzen Verwendung, die stark­
gesprongten fürsolches mit hohen Absätzen. UnterLeistensprengung versteht man
1. die hochgestellte Leistenferse zumUnterbaueines entsprechend hohen Absatzes,
auch mit „Absatzsprengung" bezeichnet {ll8.l),
2. die leicht vom Boden abstehende Leistenspitze, auch „Spitzensprengung"
genannt (118.2).
Diese ist zum gefahrlosen Gehen notwendig (besonders für die Herstellung kräfti­
geren Schuhwerks), damit die Schuhspitze beim Abstoßen des Fußes, vornehmlich
bei unebenem Boden, nicht hängenbleibt, a.lso einen Spielraum hat, und sich nicht
--
vorzeitig abläuft. Ferner verhindert die Spitzensprengung die Bildung allzu starker
1) Die Bilder 114.1··•117.3 wurden in der Schuhleistenfabrik von Gg. Hartmann in Arfeld
aufgenommen.
117
Gehfalten in der Fußpartie d!.es Schuh­
werks (118.2).
Die Rege) sagt: Je niedriger die Absätze
und je stärker der Stoff für Schaft und
Boden, desto zweckmäßiger ist eine
höhere Spitzensprengung des Leistens ;
je höher die Absätze und je leichter der
Stofffür Schaft und Boden, desto niedri­
ger kann die Spitiensprengung sein.
Leichtes Schuhwerk und Damenschuh­
werk mit hohen Absätzen erhalten be­
sonders bei Luxusausführung kaum eine
l 18.1 Der starkgcsprengte Damenleisten

oder gar keine Spitzensprengung. Für


�:'?JJ}

festeres Straßenschuhwerk kommen


solche von durchschnittlich 7.:. s mm
in Anwendung. Die Spitzensprengungen
für kranke Füße werden persönlichen
Erfordernissen angepaßt.
118.2 Der tlaehgesprengte Herrenleisten
IV. Leistenspitzenformen
Für den 1\laßscbuhmacher kommen nur
,,gesunde" Formen in Frage. Leistenfor­
men und Leistenspitzenformen sollen
im besonderen Maße den gesundheit­
lichen Erfordernissen des Fußes und
dem Zweck des herzustellenden Schuh­
werks angepaßt sein. Eine Beeinflus­
sung durch die mehr oder weniger
fußschädliche „Mode" muß vom Maß­
schuhmach�rhandwerk abgelehnt wer­
den. Sie k�nn sich in reichgestaltiger
Weise und ohne Schaden zu stiften am
Schuhoberteil, dem Schaft, entfalten.
Für das Maßschuhmacherhandwerk
kommen somit nur sogenannte „ge­
sunde Leistenformen" und „Leisten­
spitzenformen" in Betracht (118.3).
118.3 I..eisteorormen

1. Die breit-runde Form, für ]'üße mit breit-runder Zehenlage, gibt den Zehen
eine gute Spreizmöglichkeit im Stand und in der Abwicklung. Besonders geeignet
zur Herstellung von Berufs-, Sport-, Straßenschuhwerk und Korrekturschuh­
werk für Fußkranke.
2. Die gezogene, schlanke, halbbreite Form für entsprechend geformte Füße eig­
net sich besonders für die Herstellung von zweckmäßigem, dabei a.ber doch
modisch wirkendem Schuhwerk.
3. Die ovale Form für die gleichartige Fußform mit spitz-runder Zehenlage ist für
Sportschuhwerk wie für Zweckmäßigkeitsschuhwerk und Luxusausführung
gleich gut geeignet.
118
D. Das Schäftemachen

I. Der Schuhmacher mu.fi die Schäfte selbst machen

Mit der Einführung der Nähmaschine wurde der Schäftemacher selbständig. In


früheren Zeiten stellten die Schuhmacher ihre Schäfte fast ausnahmslos selbst her.
Die Nähte wurden mit der Hand gemacht, was in Anbetracht der hierbei aufzu­
wendenden Sorgfalt eine stets mühevolle Arbeit war.
Durch die Einführung der Nähmaschine, insbesondere der Schuhmacher-Sonder­
maschinen, wie Linksarm-, Säulen-, Knopfloch- und Zylindermaschine, trat gegen
Ende des vorigen Jahrhunderts eine Wandlung ein.
Bisher selbständige Schuhmacher, mit besonderer Eignung für Schäftemachen,
verlegten sieb ausschließlich auf dieses Arbeitsgebiet, zumal sich auch mit der Ein­
führung chromgegerbter, leichterer Ledersorten die Technik des Schäftebaus
ändern mußte. So erlebte das Schuhmacherhandwerk eine Berufsspaltung, die mit
der Zeit als ganz selbstverständlich hingenommen wurde.
Diese Entwicklung hatte zur Folge, daß sich der Schuhmacher· um die Schäfte­
macherei kaum oder überhaupt nicht mehr bemühte. Das minderte aber die
Wirtschaftlichkeit des Schuhmacherhandwerks stark herab.
Das Herausnehmen eines Arbeitsgebietes bedeutet eine störende Unterbrechung
des Arbeitsablaufes. Das Hin und Her zum Schäftemacher erfordert viel Zeit.
Sind die Schäfte zur vereinbarten Zeit nicht fertig geworden oder nicht auf­
tragsgemäß ausgefallen, stellen sich beim Überholen oder Zwicken Mängel oder
Fehler heraus (schiefe Naht, schiefe Kappen, zu kurze �appen, zu große oder enge
Schaftweite, Zerreißen des Futters oder des Oberleders beim Zwicken, Ausreißen
einer Naht und dergleichen mehr), dann ergibt sich nicht nur ein neuer Zeitver­
lu.st, sondern auch eine neue Arbeitsunterbrechung. Wie oft wird hierdurch ein
vereinbarter Lieferzeitpunkt für bestelltes Schuhwerk nicht eingehalten, wie oft
wird die Kundschaft dadurch verärgert und geht dem Meister in Wiederholungs­
fällen schließlich verloren. Derartige Mängel tragen keinesfalls zur Erhaltung und
Steigerung der Berufsfreude bei, denn nicht nur die Kundschaft ist der notleidende
Teil, sondern in weit größerem Maße der Meister selbst.
Durch das Herausnehmen der Schäftemacherei aus dem Schuhmacherbetrieh geht
ihm auch der Teil der Arbeitsaufträge verloren, der an den Schäftemacher weiter­
geleitet werden muß. Der dem selbständig arbeitenden Schäftemacher zu ent­
richtende Schäftemacherlohn ist nicht nur ein Arbeitslohn, sondern ein aus Ar­
beitslohn, Geschäftsunkosten und Gewinn zusammengesetzter Aufwand.
Würde der Schuhmacher seine Schäfte selbst herstellen, d. h. innerhalb seines Be­
triebes, könnte er auch die ruhigere Geschäftszeit nutzbringend auswerten. Durch
das Vergeben der Schäftearbeit entstehen dem Schuhmacher weitere Verluste,

119
falls der Schäftemacher auch das Leder zu den Schäften liefert. Es gehen ihm
nämlich alle mit der Haltung eines eigenen Lederlagers verbundenen Vorteile ver­
loren, wie beispielsweise Einsparungen durch Großeinkauf, Gelegenheitskäufe,
vorteilhafteres Auslegen der Schaftteile usw.

II. Das Schäftezeichnen und Modellieren


Ausgangspunkt f"ür das Schäftemodellieren ist der Leisten. Nach seiner Fertigstel­
lung·muß er für das Erarbeiten des Schaftgrundmusters vorbereitet werden.
Das Schaftgrundmuster soll die :flächenmäßige Form des Leistenkörpers mit den
eingezeichneten Teilmustern wie Oberteil oder Quartier, Hinterteil, Besatz oder
Blatt, Kappe oder sonstige Unterteilungen darstellen. Zum Entwurf des Grund­
musters dient in vielen Fällen ein aus Linien zusammengesetztes Gerüst, das
allgemein als „Winkelsystem" bezeichnet wird.
Die Werkstatterfahrung spricht jedoch gegen die ausschließliche Anwendung des
Winkelsystems, da ein aus dem hiernach entwickelten Schaftmuster gearbeiteter
Schaft vielfach nicht so paßt, wie es notwendig ist. Besonders aber gilt dies für
die Anfertigung von Schäften für Orthopädie-Schuhwerk.
Es ist nun einmal nicht möglich, das jeweils einem Fuß angepaßte räumliche
Liniennetz des Leistenkörpers mit Hilfe einer Winkelzeichnung in ein flächen­
haftes nachträglich noch zu übertragen, oder es sei, daß das nach dem Winkel­
system erarbeitete Grundmuster an den Leisten angeglichen wird. Das aber er­
fordert genügend Erfahrung im Schäftebau, da sonst mehr verdorben als gebessert
wird.
Für den Anfänger im Scbäftemodellieren bedeutet die Verwendung von Hilfslinien eine
große Erleichterung, doch soll er nach Erreichung genügender Sicherheit bemüht sein, sich
ihrer nur in beschränld;em Maße zu bedienen, damit die Fä-bigkeiten zur eigenen Form­
gestaltung gefördert werden.
Das einfachste Hilfsmittel

r .�
für die �rstellung eines
. .paßgerechten Schaftmu­
.

..
;,,
sters ist „die Leistenkopie"
, unter Anwendung weniger
Hilfslinien. Unter Leisten­
kopie versteht man die flä­
chenhafte Abwicklung des
'
! , Leistenkörpers, d. h. seiner
Innen- und Außenseite.

a) Die Einzeichnungen am
Leisten
Man beginnt mit dem Ein­
zeichnen der Längsachse
des Leistens, wie dies be­
120.1 Die Leilltenlitngsachsc reits bei der Erarbeitung
des Leistens erläutert wurde
l28.2 Einzeichnen
des Gelenk­
Vt:l'laufes

120
(120.1). Durch Anlegen eines biegsamen, etwa 2 ...2½ cm breiten Lineals (am be­
sten aus Zinkblech) läßt sich die Achsenmitte über Spitzenmitte und Kamm-Mitte
einwandfrei einzeichnen. Sie wird dann von der hinteren Kamm-Mitte zur unteren
Fersenmitte als Fersenachse weitergeführt (120.1 u. 2).
Nunmehr wird der Verlauf des inneren und äußeren Brandsohlengelenkes festgelegt,
denn die herzustellende Leistenkopie muß bis zu den Brandsohlenkanten reichen,
weshalb das Einzeichnen der Gelenk.breite notwendig ist (120.2). An der Leisten­
längsachse müssen hoch die Zier- oder Vorderkappenhöhe (falls solche angebracht
werden soll), die Blatt- o der Besatzhöhe und die Fuß- oder Fersenbeuge ge­
kennzeichnet werden (120.1).
Das Abtragen der Kappenhöhe und der Blatt- oder Besatzhöhe wird zweckmäßig
nach Augenmaß am Leisten durchgeführt. Zunächst kennzeichnet man die Höhe
für den Besatz oder das Blatt, etwa am Ende des Reihens, da, wo die obere Kante
des Maßba.ndes beim Abnehmen des Großzehenballenmaßes zu liegen kommt.
Entscheidend für die Bestimmung der Blatt- oder Besatzhöhe sind aber auch die Leistenform
und die an das Schuhwerk gestellten Anforderungen. So benötigen z.B. teilweise oder ganz
versteifte Füße einen leichten Einschlupf, der nur durch einen kurzen Besatz oder ein Blatt
möglich gemacht werden kann.Ein Schuh, derandererseit-sschlankwirkensoll, bra.ucht ein langes
Blatt oder einen langen Besatz. Eine allgemeine Festlegung ist darum nicht empfehlenswert,
weil sie in vielen Fällen zu Fehlergebnissen führt.

Die Zier- oder Vorde.-kappenhöhe kann


nach Augenmaß in die Mitte zwischen
Leistenspitze und Blatt- oder Besatz­ a) Fersenbeuqepunkt
höhenpunkt angeordnet werden ; maß­
lieh soll sie ungefähr zwei Drittel der
Blatt- oder Besatzhöhe ausmachen.
Der Fersenbeugepunkt kann (siehe Ab­
schnitt „Leistenbau", S. 109) vermittels
des Fußprofils übertragen werden, indem -
man den Leisten auf das Fußprofil auf­
legt. Da man dieses Verfahren aber nur '
in besonderen Fällen (Orthopädie) anzu­ b) Fersenbeuqepunkt
wenden braucht, kann man sich zur
Bestimmung des Fersenbeugepunktes
auch des Winkelmessers bedienen. Die
Fersenbeuge liegt nämlich bei gerader
Fußstellung (ohne Absatzunterstellung)
durchschnittlich bei 35 Grad (121.la),
bei starkgesprengten :Bußtypen (Hohl­
füßen) bei 40 Grad (121.lb) und bei
Plattfüßen bei 30 Grad (121.lc).
Durch das Hochstellen der Ferse er­
höht sich der Fersenwinkel, und zwar
je Stich um 1 Grad. Das heißt also,
daß die Fersenbeuge bei einer Normal­
form mit vier Stich Absatzunterstellung 121.1 a--·c Die Lage des Fersenbeuge]!)unktes bei
verschiedenen Fußtypen

121
bei 39 Grad liegt. Winkelmäßig wird der Fersenbeugepunkt im Verlaufe des
Schaftmusteraufbaues übertragen.

b) Die Entwicklung der Leistenkopie


1 . Man legt den Leisten mit seiner Innenseite auf ein doppelt liegendes Stück
Musterpapier (denn es müssen die beiden Leistenseiten kopiert werden) und
umzeichnet ihn mit senkrecht gehaltenem Bleistift (122.1).
2. Diese Leistenprofillinien reichen aber beim AnJegen an den Leisten nicht über
die untere Leistenkante und über die am Leisten festgelegte Längsachse hin­
aus, was aber notwendig ist, um
die Leistenkopie zu erarbeiten.
Deshalb ist eine entsprechend große
Zugabe zum abgezeichneten Lei­
stenprofil erforderlich. Sie ist nicht
überall gleich (122.2). Die Zugabe
ist durch die gestrichelte Linie
122.1 Umzeichnen des Lcislenproflls dargestellt. An der Kammlinie des
Leistens bekommt die Profillinie
keine Zugabe.
3. Nun wird das doppelt gelegte Pa­
i pier ausgeschnitten. Damit es sich
i 7cm
i gut an den Leisten anschmiegt,
muß es keilförmige Ausschnitte er­
halten, wobei das Papier ebenfalls
doppelt liegt (122.3).
4. Eines der keilförmig ausgeschnit­
122.2 Zugaben zum Leistenprofil

tenen Papiere heftet man jetzt mit


4...5 Stiftehen, welche mit kleinen
Lederscheibchen unterlegt sind, da­
mit das Papier während des Arbeits­
vollzuges nicht einreißt, gegen die
innere oder äußere Leistenseite.
Am zweckmäßigsten fängt man
dabei an der Fersenpartie an.
Das Papier muß hinten über die
122.3 Kcilausschociden

Fersenachse und unten über die


Leistenkante etwa 1½ cm hinaus­
reichen. Hierauf drückt man es in
der vorderenKammpartie so an den
Leisten, daß es oben und vorne an
der Spitze ebensoviel über die ein­
gezeichnete Längsachse hinausragt
wie an der unteren Leistenkante.
In dieser Lage wird es mit einem
zweiten Stiftehen geheftet. Jedes
weitere Anheften mit Stiftehen
12%.4 Heften des zugerichteten Musterpapiers an den
Leisten

122
muß so durchgeführt werden, daß das Papier von selbst in seine Lage fällt,
d. h., es darf nicht mit Zwang an seinen Platz geschoben werden, da die Kopie
sonst eine falsche Form bekommt und das hiernach gebaute Schaftmuster n icht
paßt. Stellt man nach dem Heften des zwei­
ten Stiftchens fest, daß die Papierverteilung
nach vorne nicht gleichmäßig ist, muß das j
zweite Stiftehen wieder entfernt und das
Papier in die richtige Lage gebracht werden
(122.4).
5. Es folgt die Übertragung der Leistenlängs­
achse auf die einzelnen Papierzacken. Dabei
ist zu bedenken, daß keine Zacke bei der
Übertragung eine falsche Stellung einnimmt
(123.1). Die am Leisten bezeichnete Kappen­
und Besatzhöhe wird bei der Achsenüber­
tragung mit übernommen, desgleichen die
Fersenbeugelage, sofern sie am Leisten fest­
gelegt ist. Auf dieselbe Art wird die untere
Leistenkante von der Spitze bis zur Fersen­
mitte übertragen, ebenfalls der Verlauf der
Brandsohlen- Gelenkpartie (123.2). 123.1 tlbertragen der Längsachse auf das

6. Das Papier wird nun wieder herunterge­


Musterpapier

nommen und dem Verlaufe derübertragenen ,...


Linien folgend ausgeschnitten (123.3). In
gleicher Weise verfährt man mit der anderen
Leistenseite.
7. Die beiden Ergebnisse sollen zu einer Ein­
heit umgewandelt werden, zur sog. ,,Mittel­
kopie" oder „Leistenkopie" .
Die Unterschiede zwischen innerer und äußerer Ko­
pie sind bei geradegehaltenen Leisten meist unwesent­
lich, weshalb man sich in solchen Fällen mit der einen
Seite (Innenseit�) als Leistenkopie helfen kann. Man
benötigt dann also keine Außenkopie und keine Mittel­
kopie. Bei weniger geraden und krummen Leisten ist
jedoch die Erarbeitung der Mittelkopie zu empfehlen.

123.2 tlbertragen der GelenkJinie und der


Sohlenkante auf das ;',fusterpapier

Man legt die Innenkopie, als eile meist


längere, auf ein Stück Modellpapier und
umzeichnet sie genau. Nachdem man sie
weggenommen hat, legt man die Außen­
seite derart auf die gezeichnete Innen-

123.3 Das Au3SOhnelden der Leistenkopie

123
---r4"J,// ,
Hitte/kopielinie
,,, 1

fersenbeugepunkl
\
� 1 8esalLNihe \
��e �
l'liffe/kopitlime ��
Miffelkopiefinie
124,l Die Erarbeitung der Mittelkopie 124.2

kopie, daß sich die Umrisse nach


Möglichkeit decken (124.l). Kleine
Abweichungen sind nichtvon Belang.
Die nächste Arbeit besteht nun dar­
in, eine Mittellinie zwischen beiden
Kopielinien einzuzeichnen, soweit sie
sich nicht decken, wie z. B. bei der
124.S Die fertige Lelitenkopie
hinteren Fersenlinie (124.2) . Kappen.
höhe, Besatzhöbe und die Fersen.
beuge, sofern sie am Leisten festgelegt ist, werden wiederum auf die :Mittelkopie­
zeichnung übertragen. Auf der l\fittelkopielinie wird nun ausgeschnitten, womit
die Leistenkopie fertig ist (124.3).
Ba.llenma.ß und Fersenmaß sind in der fertigen Leistenkopie enthalten, weshalb sie beim
Musterzeichnen nicht mehr besonders übertragen werden müssen.

c) Das Schaft.zeichnen und Modellieren verschiedener Muster

1. Das Herreoschnürstiefel-1\luster mit Ringsbesatz (125.1)

Das Zeichnen des Musters


Zum Schaftzeichnen soll man möglichst mattes, hellfarbiges und festes Papier verwenden.
Als Schneidunterlage dient ein gla.ttes Zuschneidebrett (Ahorn oder Stirnholzbrett) oder, was
weniger bekaunt, aber besonders geeignet ist, eine Zinkblechplatte, worauf sieb äußerst ge­
naue Sohnittk&nten ergeben. Sie ist dem Messer keinesfalls schädlich.

Der Arbeitsablauf beim Zeichnen (125.1)

1. Grundlinie und Senkrechte aufzeichnen (a)


2. An der Senk.rechten die erforderliche Absatzhöhe abtragen (b)
3. Leistenkopie abzeichnen (c). Die Sohlenbahn der Leistenkopie berührt am
Ballen die Grundlinie, hinten die Absa,tzhöhe.
4. Festlegen des Fersenpunktes : Falls er a.m Leisten nicht bezeichnet ist,
trägt man zwei Drittel der Leistenlänge vom Absatzhöhenpunkt b nach der
Grundlinie ab und verbindet beide Punkte durch eine Linie (Gelenklinie d).
Auf der Gelenklinie legt man im Absatzhöhenpunkt b den Winkelmesser an
und bezeichnet den 39. Grad, worüber von Punkt b aus eine Linie (e) zum
124
·-----

�1
125
so ermittelten Fersenbeugepunkt f gezeichnet wird. Bei Scha.ftmuster für
Platt- oder Hohlfüße muß ein entsprechend niederer oder höherer Winkel
abgetragen werden (S. 121).
5. D i e Schaftstellungsl i n i e : Das Schaftoberteil, auch „ Quartier" genannt,
muß eine dem Verlauf des Beines angepaßte Stellung bekommen, d. h., am
fertigen Stiefel darf es weder eine Neigung nach vorne noch nach hinten ha­
ben, da sich der Schaft sonst verzerren würde. Der Schaft muß „Stellung"
haben, wie der Fachmann sagt. Sie wird erreicht, indem man die Fersenlinie e
balbiert ; dadurch erhält man den Punkt g, durch welchen man eine Senk­
rechte zur Grundlinie zieht (h), die sog. ,,Schaftstellungslinie". An ihr wird
auch die Schafthöhe abgetragen.
6. Die Sehanhöh e : Als normale Schafthöhe kann man für Knaben- und
Herrenschäfte die Hälfte des Leistenlängenmaßes verwenden. Mit dieser Höhe
trifft man die dünnste Stelle des Beines, oberhalb des inneren Knöchels, die
sich als Schafta.bschluß am besten eignet. Außerdem steht diese Schafthöhe
im richtigen Verhältnis zur Stiefellänge. Das Abtragen der Schafthöhe geht
nicht von der Grundlinie aus, sondern von der Sohlenbahn der Leistenkopie,
wodurch man zu Punkt i gelangt.
7. D i e Schaftabschluß l i n i e : In Punkt i wird an der Schaftstell'ungslinie
der 98. Grad abgetragen, worüber die Scha.fta.bschlußlinie k nach vorne und
hinten gezogen wird.
8. Abtragen der Beinweit e : Da. nur eine Schaftseite gezeichnet wird, be­
nötigt man auch nur die Hälfte des Beinmaßes. Beträgt dasselbe z. B. 34
Stich, so verwendet man für das Schaftmuster 17 Stich. Die Hälfte hiervon,
also 81/i Stich, trägt man von Punkt i nach vorn und 81/2 Stich nach hinten
ab und gelangt zu den Punkten l und m.
9. Einzeichnen der vorderen und hinteren Quart i e r l i n i e : Durch An­
legen des rechten Winkels an die Schaftabschlußlinie. in Punkt i zieht man
eine kleine Hilfslinie zum Einzeichnen der vorderen Quartierlinie n. Soll die
vordere Scbaftlinie einen paßgerechten Verlauf nehmen, läßt man sie nicht
in den Fersenpunkt f auslaufen, sondern führt sie etwa 1/2 Stich darüber YOr­
bei. Sie mündet unmittelbar unter dem Ferseupunkt f in die Reihenlinie der
Leistenkopie ein.
Zu ihrer Berechnung bedient man sich wieder der Regel, wie sie für die Er­
rechnung der Hinterkappenhöhe angewandt wurde : Zur normalen Leisten­
länge, in Stichen ausgedrückt, zählt man immer die Zahl 6 und teilt das Er­
gebnis durch 6.
Beispiel:
Leistenlänge = 42 Stich, plus 6 = 48, geteilt durch 6 = 8 Stich für die hintere Besatzhöhe
des 42er Stiefels.
Dies so errechnete l\'.faß wird an der hinteren Fersenlinie, vom Absatzhöhen­
punkt b nach oben, Punkt o, abgetragen. Nun kann die hintere Quartierlinie
p von Punkt m na.ch o eingezeichnet werden. Diese Linie darf nicht zu stark
im Bogen verlaufen, da der Schaft sonst in diesem Teil zu eng wird.
126
Beim Zeichnen der Schaftlinien muß man sich bewußt sein, daß es sich um flächenmäßige
Linien handelt, die erst a.uf dem Leisten, ganz besonders aber am Fuße die schärfer gekurvten
Linienführungen erhalten. So kann eine gerade Schnittlinie am Muster aJs leicht gebogene
Linie am Schuh oder Stiefel in Erscheinung treten, eine leicht gebogene Musterlinie als stärker
gebogene Schaftlinie hervortreten usw. Wo also die Schaftzeichnung bereits durch körperhaft
wirkende Linien ausgezeichnet wird (siehe Skizze 125.l a), muß sich der Schaft am Fuß z u
eng und somit fehlerhaft aus'l\'1l'ken.
10. D i e Besatz l i n i e: Hierfür wird eine weitere Hilfslinie benötigt. Vom Be­
satzhöhenpunkt q zieht man nach der Grundlinie die allgemein als „Ballen­
linie" bezeichnete Hilislinie r. Sie mündet jeweils am Ballenpunkt der Leisten­
kopie, das ist die Stelle, wo die Sohlenbahn der Leistenkopie die Grundlinie a
am Ballen trifft. Durch Halbieren der Ballenlinie kommt man bei Verwendung
kräftiger Oberledersorten {Sportleder usw.) zur seitlichen Besatz- oder Blatt­
höhe. BeiVerwendung leichter bis mittelkräftiger Ledersorten, wie beispielsweise
Chevreau und Boxcalf, geht man 1 Stich über die halbierte Ballenlinie, Punkt s.
Leichtes Schaftmaterial ist zugiger und gibt im Zwickprozeß nach, was beim Festlegen der
seitlichen Besatz- oder Bla.tthöhe berücksichtigt werden muß. Andernfalls fällt der Besatz
oder bei Halbschuhen da.s Blatt seitlich zu niedrig aus.
11. Das E i n z e i c h n e n der Besatzbruc h l i n i e : ZumAusmodellieren des Rings­
besatzmusters mit den beiden Besatzflügeln muß eine Modellierlinie ( u), welche
die Mitte des Ringsbesatzes darstellt, eingezeichnet werden. Sie geht durch
den Besatzhöhenpunkt q und verläuft nach hinten und vorn parallel mit der
Besatzhilfslinie t.
Bei Verwendung dünner Oberleder oder zugigen Materials ist es zweckmäßig, die Besatz­
bruchlinie nach hinten um etwa 8 bis 10 mm zu senken. Hierdurch gestaltet sich der Besatz.
ausschnitt hinten schmaler als vorne am Besatzbogen, was eine bessere Paßform ergibt.
Die Besatzbruchlinie (u) in Bild 125.1 hat diesen nach hinten gesenkten Verlauf.
Je nach Höhe der Leistenspitze verläuft die Besa.tzbruchlinie nach vorne a u f der Leisten­
kopiespitze wie in Bild 125.1, ü b e r derselben bei flachen Leistenspitzen und darunter
bei hohen, was durchaus seine Richtigkeit hat, auch wenn die Linienführung bei Eigen­
entwurf eine andere ist als in Bild 125.1 dargestellt.

12. Die Zwic k z u g a b e : Sie beträgt durchschnittlich 2¼ Stich. Zunächst wird


die Leistenkopiespitze auf die Besatzbruchlinie übertragen. Man gelangt so
zu Punkt v. Von hier aus wird die Zwickzugabe nach vorn und unten (w)
gegeben.
Je nachdem die Besatzbruchlinie über oder unterhalb der Leistenkopiespitze verläuft, muß
an der Zwickzugabe entsprechend abgebrochen oder zugegeben werden. Allgemein gibt man
am äußeren Ballen etwa l Stich mehr Zwickzugabe als innen, weil die äußere Leistenseite
gewöhnlich etwas breiter ist als die innere.

13. Die Zier- oder Vorderkappe: Der an der Leistenkopie festgelegte Zier­
kappenhöhenpunkt wird auf die Besatzbruc hlinie übertragen, Punkt x. Eine
rechtwinklige Linie in Punkt x zur Besatzbruchlinie führt zur soeben ein­
gezeichneten Zwickzugabe. Von hier wird 1 cm nach links Punkt y festgelegt,
worin der von Punkt x kommende Zierka.ppenbogen einmündet.
14. Das E i n z e ic h n e n des Besatzbogens: Es ist die letzte Verrichtung, am
Schaftmuster. Etwa 2... 3 mm oberhalb des Besatzböhenpunktes r beginnend,

127
berührt der kurz-rund zu haltende Bcsatzbogen die Ballenlinie s und mündet
in die Besatzhilfslinie t ein. Der Verlauf der eigentlichen Besatzlinie z soll aber
· nicht gerade, sondern leicht nach oben gebogen sein. Das „Heben" der Besa.tz­
linie, wie dieser Vorgang bezeichnet wird, beträgt in der Mitte des Besatzflügels
etwa 3 mm, von der Hilfslinie t aus gemessen.
Würde die Besatzlinie am fertigen Scha.ft gerade verlaufen, so hätte die Besatz:naht xricht
genügend Spannung für das Zwicken und könnte nach unten fallen, wodurch der neue Stiefel
schon das .Aussehen eines getragenen Serienstiefels bekommt.

Das A u s m o dellieren
Zunächst wird das Schaftmuster auf seinen äußersten Linien rundherum ausge­
schnitten. Man erhält so das sog. ,,Grundmuster", denn es dient als Unterlage
zur Herstellung aller Teilmuster, wie Quartier, Besatz, Kappe, und ist gleichzeitig
auch das Futtermuster.
·.,_��•·"':
______..;;•·::::: ---
.·-""-- Das Quartiermuster wird zuge-
schnitten. Man unterlegt dem
---
;,/ ··../ ---
. -
. .. Grundmuster ein genügend
7
großes Stück Modellpapier, um-
. ..· 1

zeichnet die hintere, obere und


....-'/ ,..

vordere Kante des Quartiers und


kopiert den Besatzvedauf mit
dem Kopierrädchen durch . Nach
Wegnahme des Grundmusters
gibt man zur durchkopierten
Besatzlinie l cm Zugabe als
„Untertritt" für das Auflegen
und Ansteppen des Besatzes,
128.1 Das Modellieren des llJngsbesatz-Musters

worauf das Quartiermuster ausgeschnitten wird (128.l , Strichlinien). Um Uneben­


heiten bei der Schaftarbeit zu vermeiden, schneidet man am fertigen Quartier die
hintere untere Ecke in Höhe und Breite von einem Stich ab. Die obere vordere
Kante wird mit einem Bogen versehen.
Zu den Quartieren gehören die Ösenstreifen. Sie dienen zur Verstärkung der vor­
deren Quartierkanten und zum Abschluß des Futters. In Fällen, wo eine Ösen­
Verzierungsnaht angebracht werden soll, benutzt man das entsprechend gehal­
tene Ösenstreifenmuster als Richtmuster für den Verlauf der Verzierungsnaht.
Es ist etwa 2 c m breit und läuft nach unten in einem leichten Bogen aus (Punkt­
linie in Bild 128.1 ).
Das Besatzmuster wird ausgeschnitten. Ein Stück Musterpapier in der Größe von
25 c m X 35 cm wird in derMitte der Länge nach gefalzt. Die Bruchlinie des gefalzten
Papiers wird genau unter die ausgeschnittene und eingezeichnete Besatzbruch­
linie des Grundmusters gelegt, der Zwickzugabe entlang und hinten umzeichnet,
und die Besatzlinie mit dem Kopierrädchen durchkopiert. Nachdem wird das
Muster in der gefalzten Lage, wie umzeichnet und durchkopiert, herausgeschnit­
ten (Voll-Linie in Bild 128.1).
128
Da der Besatz dw·ch seine Länge viel Zugigkeit beim Zwicken aufweist, fällt er
bei Belassung seiner ganzen Länge zu lang aus, weshalb man bei dünnen, dehn­
baren Ledern gut 1 cm hinten am Muster kürzen kann.
Zur Herstellung der Zier• oder Vorderkappenmuster wird in der gleichen Weise wie
beim Besatz die Bruchlinie eines entsprechend großen, gefalzten Papierstückes
mit der des Grundmusters gleichgelegt. Der Kappenbogen wird durchkopiert, die
Zwickzugabe im Spitzenteil um.zeichnet und herausgeschnitten.
Um das Grundmuster als Futtermuster verwenden zu können, muß man es nach
Fertigstellung aller Teilmuster im vorderen Teil etwas verändern. Da da.s Futter
hei Ringsbesatzschäften vorn eine Naht erhält, schneidet man das Grundmuster
vom Besatzhöhenpunkt r (Bild 125.l, schraffierte Linie) bis zur Spitze auf der
Leistenkopielinie aus.
Die Kundenmuster werden aufbewahrt. Nachdem die Teilmuster in der R!;lihen­
folge G111ndmuster, Quartier, Besatz, Kappe aufeinandergelegt sind, Kappe auf­
geklappt, durchschneidet man sämtliche Muster mit zwei parallel angeordneten
Schnitten und schiebt das Ösenriemenmuster zum Zusammenhalt aller Muster
hindurch (129.1). So werden die Kundenmuster, alphabetisch geordnet, in einem
besonderen Musterschränkchen aufbewahrt.
Hinterriemenmuster,
Rutschriemenmuster
und Bordürenmuster
st.ellt man nur dann
besonders her, wenn
sie außergewöhnliche
Größen oder Formen
erhalten sollen, andern­
falls bedient man sich
bereitliegender Fertig­
muster.

129.1 Das fertige, zusammengelegte �1uster

2. Das Berrenderbystiefel-1\luster mit Blatt

Das Zeichnen d e s Musters


Gezeichnet wird genau wie beim Herrenschnürstiefelmuster mit Ringsbesatz. Es
tritt lediglich an Stelle des Ringsbesatzes das Derbybbtt. Die Strichlinie:n (130.1)
zeigen, wieweit für den Entwurf des Derbymusters der Aufbau des Herrenschnür­
stiefelmusters Anwendung findet.
Der Derbybogen nimmt seinen Anfang am Blatthöhenpunkt a (130.1), geht
etwa ¼ Stich über den oberen Teil der Ballenlinie hinaus und stößt ¼··-1 Stich
hinter derselben bei Punkt b auf die Besatzhilfslinie c.
Der B l attbogen. An der Gelenklinie der Leistenkopie von Punkt d nach e trägt
man etwa ein Drittel ihrer Länge ab, wodurch man die Blattlänge bei Punkt f
erhält. Der Blattbogen verläuft von Punkt b über / bis zw· Grundlinie.
129
I
I
/ '
I
I
I

"I
\ /
'

-
130
Die Blattbruchlinie. Sie führt über die höchste Stelle der Leistenkopiespitze
(g) und durch den Blatthöhenpunkt a, wo sie noch 7... 8 Stich nach Punkt h wei­
tergeführt wird. Von Punkt n, aus wird die Laschenzunge eingezeichnet (130.1). Da
das Blatt unter das Quartier zu liegen kommt, muß es am Blattbogen eine Zugabe
(Untertritt) von etwa 1 cm bekommen. Sodann wird die 2½ Stich breite Zwick­
zugabe eingezeichnet.
Die Zier- oder V o r d e r k appe. Die Einzeichnung ist die gleiche wie beim
Herrenstiefelmuster.

D a s Ausmodellieren

Das Quartiermuster. Der Arbeitsgang ist der gleiche wie beim Modellieren
des Herrenschnürstiefelmusters. Das dem Grundmuster unterlegte Stück Modell­
papier wird entsprechend dem Verlauf des Quartiers umzeichnet und der Derby­
und Blattbogen mit dem Kopierrädchen durchkopiert. Hierauf wird ausge­
schnitten (131.1).
Der Ö se n riemen, 2 cm breit, wird entsprechend dem Verlauf der Punktlinie im
Quartiermuster eingezeichnet und ausmodelliert.
Das Derbyl:ilatt. Die Bruchlinie des gefalzten Papierstückes wird mit der des
Grundmusters gleichgelegt, die untere Schaftkante umzeichnet und der Verlauf
der Lasche mit der Zugabe über den Untertritt durchkopiert (131.2). Ausgeschnit­
ten wird auf der umzeichneten
und durchkopierten Linien­
führung.
Im Blattmuster müssen noch die
Punkte a, b, c festgelegt werden,
die man alsdann mit einer kleinen
Lochnadel durchlocht. Sie zeigen
an, an welcher Stelle des Blattes
das Quartier zum Aufsteppen
aufgelegt (aufgeklebt) werden
muß. Die Punkte werden am
Grundmuster bezeichnet und
beim Durchkopieren des Blattes
131,1 Das Modellieren des Quartiers und Ösenrlemens

mit einem Stepport durchstochen.

3. Das Herrenschnürschuh-Muster

Das Zeichnen d e s Musters

Durch den Wegfall des oberen Schaft­


teiles tritt für das Entwerfen von
Halbsohuhmlllltem eine wesentliche
Vereinfachung im Aufbau der Hilfs­
linien ein (132.1). 131.2 Das Modellieren des Derbyblattes

131
l. Hauptlin ien u n d
-punkte fostlegen.
1 Grundlinie und Senkrechte
1 abtragen (a).
1 An der Senkrechten dieer.
\ förderliche Absatzhöhe be­
1 zeichnen (b).
\ Leistenkopie einzeichnen
\ (c), Kappenhöhe d, Blatt­
\ höhe e und Fersenbeuge.
\ punkt f festlegen.
2. Die hin tere Schuh-·
höhe vom Absatzhöhen­
punkt b nach g abtragen.
Sie errechnet sich auf der
gleichen Grundlage, wie si�
zur Bestimmung der hinte­
ren Leistenhöheangewandt
wird:
Zur Leistenlänge,inStichen
ausgedrückt, die Zahl 6 ge­
ben, das Ergebnis durch 6
teilen und 2 Stich hinzu.
geben.
Somit beträgt die hintere
Schuhhöhe bei einem Herren­
halbschuh von 42 Stich Größe
10 Stich.
DieseHöhe ist als äußerste
hintere Schuhhöhe zu be­
·. zeichnen. Eine größere
Höhe führt zu unschönem
Schaftschnitt und trägt
sich auch nicht g11t, weil sie
:,m sehr in die Beuge der
Achillessehne hineinreicht,
worin sich ihre Streck- und
Beugebewegungen bei der
Abwicklung des Fußes voll­
ziehen. Hautverletzungen
und Entzündungen können
die Folgen des zu hohen
hinteren Schaftschnittes
sein.
In vielen Fällen genügt eine
hintere Schuhhöhe von 9 Stich
13:t.1 Der Entwurf des Herrenhalbschu.b•)!usters für die Größe 42, jedoch ist die
132
Fuß- und Fersenbeschatfenheit für die richtige Höhenbemessung entscheidend, wie auch die
Gestaltung der Leistenferse eine nicht unwesentliche Rolle hierbei spielt.

3. Die vordere Schuhhöhe. Die Fersenbeuge t ist die höchste zulässige Stelle
für die vordere Schuhhöhe. Im allgemeinen schließt der geschlossene Schnürschuh
etwa 1 cm unterhalb der Fersenbeuge ab, Punkt h. Durch Anlegen des rechten
Winkels auf der Reihenlinie in Punkt h gelangt man vermittels einer zur Grund­
linie führenden Hilfslinie zu Punkt i. Sie begrenzt in ihrem oberen Tern die vor­
dere Schuhhöhe.
4. D i e seitliche Schuh höhe. Von Punkt i wird an einer Senkrechten nach
Punkt k die seitliche Schuhhöhe abgetragen.
Auch sie wird in der bekannten Weise errechnet, jedoch fällt die Zugabe von
zwei Stich weg. Demnach kann die seitliche Schuhhöhe für die Schuhgröße 42
acht Stich betragen. Dieses Maß ist füi· die äußere Schullhöhe bestimmt,
damit der tiefliegende Wadenbeinknöchel nicht berührt wird. Die Schuhkante
führt bei zu großer seitlicher Schuhhöhe zu Knöchelverletzungen, ferner ist sie
einem guten Schuhschluß hinderlich. Soll die hintere Schuhhöhe niedriger als nach
dem Beispiel errechnet werden, so muß auch die äußere, seitliche Schuhlb.öhe ent­
sprechend tiefer fallen. Bei Verwendung von Schuhleisten mit runden Fersen {pla­
stischer Sohle) muß die äußere Schuhhöhe um 1 Stich niedriger gehalten werden,
bei Schuhgröße 42 also höchstenfalls 7 Stich. Die innere Schuhseite· soll etwa 1 cm
höher sein als die äußere, womit der Fuß auf der belastungsgefährdeten Innen­
seite einen festeren (sichereIJ.) Halt bekommt; außerdem liegt der Schienbein­
knöchel bedeutend höher.
5. Einzeichnen der oberen Schuhkante. Punkt g wird mit Punkt k durch
eine Hilfslinie verbunden, die bis zur Verbindungslinie h-i weitergeführt wird.
Es verbleibt das Einzeichnen der im leichten Bogen verlaufenden oberen Schuh­
kante, bei Punkt h beginnend, wo sie im Bereiche des Punktes k in die Hilfslinie
nach Punkt g verläuft. Der Verlauf der inneren Schuhoberkante ist aus der Zeich-
nung ersichtlich.
6. Einarbeiten des Schaftschlusses. Der gute Knöcbelschluß am Schuh wird
durch eine gute Leistenform, einen im Schaft eingearbeiteten „Schaftschluß" und
durch eine fachgemäß durchgeführte Zwickarbeit gewährleistet.
Den Schaftschluß erzielt man durch ein von Fall zu Fall bemessenes Engerhalten
der Schuhquartiere im oberen Teil. Dünne, zugige Leder vertragen hierbei mehr
Abbruch als festere oder stärkere.
Erreicht wird das Engerhalten, indem man bei der hinteren oberen Schaftkante
bei Punkt g ½ Stich einrückt, um etwa 3 bis 3½ Stich tiefer wieder in die Fersen­
linie der Leistenkopie einzumünden. Dasselbe geschieht an der Reihenlinie bei
Punkt h, nur daß die Einmündung in die Reihenlinie der Leistenkopie etwas tie­
fer, also 5 bis 6 Stich unterhalb des Punktes h, vorgesehen wird. Die obere Schaft.
ecke bei Punkt h wird durch einen leichten Bogen abgerundet.
Der in Schluß gearbeitete obere Schaftteil wird beim •überzwicken über den Lei.sten stark
gespannt, da er jetzt enger als die Leistenkopie ist. Dies wirkt sich nach dem Ausleisten des
Schuhes als eine Spannung aus, wodurch sich die Seitenteile fest an den Fuß anlegen.
7. Der Blattbogen. Vom Blatthöhenpunkt e nach der Sohlenbahn der Leisten­
kopie die bei Bild 125.1, Abschnitt 10, näher besprochene „Ballenlinie" 1 einzeich-
133
nen. Sie wird wie beim Ringsbesatzstiefelmuster halbiert und bekommt nach oben
einen Stich Zugabe, doch nur, wenn dünnes Schaftmaterial zur Verarbeitung
kommen soll, Punkt m. Bei stärkerem bzw. wenig zugigem Schaftmaterial begrenzt
die halbierte Ballenlinie die Breite des Blattbogens oder Blattausschnittes ohne
einen Stich Zugabe nach oben. Von Punkt m aus wird eine kurze Hilfslinie in
Richtung zur hinteren Schuhhöhe gezogen. Nun trägt man an der Gelenklinie
etwa ein Drittel ihrer Länge von der Ballenlinie nach hinten ab, wodurch die
Blattlänge bei Punkt n festgelegt wird. Jetzt wird der Blattbogen eingezeichnet,
bei Punkt e beginnend, bei Punkt m in kurz-rundem Bogen auf die kurze Hilfs­
linie stoßend, um alsdann nach Punkt n hin im schön verlaufenden Bogen in die
Grundlinie auszulaufen.
8. Die Blattbruchlinie u n d Zwickzugabe. Wie beim Herrenderbymuster
mit Blatt führt sie von der höchsten Stelle der Leistenkopiespitze bei Punkt o
nach dem Blatthöhenpunkt e. Nach vorn erhält sie wie bei den vorhergehenden
Mustern eine Zwickzugabe von 21/2 Stich, desgleichen an der Sohlenbahn der
Leistenkopie. Das Kappenmuster wird wie üblich eingezeichnet.
9. Einzeichnen eines Kappenbesatzes. Soll das Halbschuhquartier mit
einem Kappenbesatz versehen werden, so zieht man 2 Stich unterhalb eine Par­
allele zu der Hilfslinie g-k (p). Durch das Einzeichnen zweier Bogen q und r erhält
man eine gefällige Kappenbesatzform. Eine Verzierungsnaht im Ösenteil (s),
welche in einem Abstand von 2½ bis 3 Stich von der Verschnürungskante in
leichter Bogenform verläuft, vollendet das HeITenschnürschuhmuster.

Das Ausmodellieren
Das Quartier- oder Hinterteilmuster wird ausgeschnitten. Das Blatt
wird „aufgelegt", wofür man dem Hinterteil einen 1 cm breiten Untertritt für die
Auflage des Blattes geben muß (134.1). Der Verlauf der hinterei1, oberen und vor­
deren Schuhkante wird auf das
untergelegte Musterpapier durch­
kopiert, desgleichen die vordere
Kante des Untertrittes.
Nach Umzeichnen der Einzwick-
Quarti,r kante wird das Muster ausge­
schnitten. Soll ein inneres und ein
äußeres Quartierteil geschnitten
werden, so muß am Grundmuster
134.1 Das Modellieren des Quartiers und Blattes auch der Verlaufder höher liegen-
den, oberen Schaftkante einge­
zeichnet werden, die ebenfalls durch.kopiert wird. Ausgeschnitten wird dann mit
doppelt gelegtem Musterpapier, doch geht die Schnittführung über die höher
liegende Schaftkante. Nach dem Ausschnitt wird an dem einen Teil der Unter­
schied weggeschnitten, wodurch man das Außenteil erhält. Durch den doppelten
Ausschnitt wird das zweifache Ausmodellieren überflüssig.
Der Kappenbesatz kann auf die ganz belassenen Quartiere aufmon­
tiert werden, so daß in diesem Falle die Quartiermuster unverändert bleiben.
134
Zweckmäßig gibt man jedoch
am Muster unterhalb des Kap­
penbogenverlaufes 1 cm Unter­
trittund schneidet den unteren
Fersenteil ab, wodurch Leder
gespart wird (135.1). Das
Quartiermuster wird durch­
kopiert, umzeichnet und aus­
geschnitten.

/
/
/
135.1 Das Modellieren des Quartiers für
/
( <...>
Kappenbesatz

Für d a s Blatt m u s t er wird \


die Bruchlinie des gefalzten
Musterpapieres mit der Bruch­ \,(
linie des Grundmusters gleich­ \
gelegt, der Blattbogen durch.
kopiert, die Zwickzugabe um­
zeichnet und ausgeschnitten.
Das Kappenmuster wird, wie
besprochen, ausmodelliert.

4. Das Derbyschuh-lUuste:r mit


Blatt
Das Z e i c h n e n des Musters
Der Aufbau ist zunächst der­
selbe wie beim Schnürschuh­
muster. An Stelle des Blatt­
bogens tritt die Einzeichnung
des Derbybogens, wie sie beim
135.2 Der Entwurf
des Derby­

Herrenderby - Stiefelmuster
schuh-Musters
mit matt

mit Blatt erklärt wurde. Die

135.3 Das l\lOdellieren des D�rbyschuh­


Musters

135
Blattbruchlinie führt über die höchste Stelle der Leistenkopiespitze, Punkt a,
durch den Blatthöhenpunkt b bis zur Hilfslinie c (135.2). Hier beginnt der Laschen­
bogen, falls Blatt und Lasche in einem Stück gearbeitet werden sollen, und endet
2 cm vor dem Derbybogen. Da das Derbyblatt unter dem Quartier zu liegen
kommt, benötigt das Blatt einen Untertritt von 1 cm. Die Kappeneinzeichnung
ist die übliche.
Das Ausmodellieren
Das Quartiermuster wird entsprechend dem Verlauf der Voll-Linie (135.3)
durchkopiert und ausgeschnitten, das Blattmuster gemäß der Strichlinie.

5. Das Damenschnürschuh-Muster
Das Zeichnen des Muste1·s
Der Aufbau ist im wesentlichen derselbe wie der des Herrenschnürschuh-Musters
(137.1).
1. Hauptlinien und -punkte festlegen.
Grundlinie und Senkrechte aufstellen.
Absatzhöhe an der Senkrechten abtragen, a.
Leistenkopie mit Blatthöhe und Kappenhöhe einzeichnen.
2. Fersenbeugepunkt festlegen. Vom Absatzhöhenpunkt a nach der Grund­
linie zwei Drittel der Leistenlänge übertragen und durch Linie (Gelenklinie) ver­
binden. Auf derselben im Absatzhöhenpunkt a Winkel von 42 Grad abtragen
(35 Grad zuzüglich 7 Grad für die Absatzhöhe = 42 Grad).
Fersenlinie zur Vermeidung überflüssiger Hilfslinien nicht einzeichnen, sondern
durch Anlegen des Lineals über den 42. Grad den so ermittelten Fersenbeuge­
punkt b an der Leistenkopie festlegen (137.1).
3. Abtragen der hinteren Schuhhöhe wie beim Herrenhalbschuh-Muster c.
Beispiel:
Schuhgröße 40 Stich; 40 plus 6 = 46; 46 : 6 + 2 = 72 + 2 == 9
/3 2/
3 Stich.
4. Einzeichnen der Ballenlinie. Im Blatthöhenpunkt d rechten Winkel auf
Leistenkopie anlegen und wie bisher die Ballenlinie einzeichnen. Durch Halbieren
derselben und 1 Stich Zugabe nach oben gelangt man zum seitlichen Blatthöhen­
punkt e, den man mit der hinteren Schuhhöhe c durch eine Hilfslinie verbindet.
5. Die Bemessung der vorderen Schuhhöhe. Wie beim Herrenschnürschuh­
Muster erwähnt, ist der Fersenbeugepunkt die höchste Stelle für den vorderen
Schuhabscbluß. Soll der Schuh einen tieferen Ausschnitt erhalten, wie dies im
vorliegenden Beispiel der Fall ist, so legt man den rechten Winkel entsprechend
tiefer an der Reihenlinie der Leistenkopie an, Punkt /, und zieht eine Verbindungs­
linie na.ch der Sohlenbahn der Leistenkopie. Von Punkt f aus beginnt das Einzeich­
nender oberen Schuhkantena.ch Punkte.Bei Punkt c und/werden noch, wie schon
beim Herrenhalbschuh erwähnt, der Schuhschluß eingezeichnet und d!ie obere
Schaftecke in Punkt f abgerundet.
6. Die Blattlänge. Sie wird in der gleichen Weise wie bei den Herrenschuh­
Mustern erzielt, Punkt g. Hierauf wird dem Blattbogen vom Blatthöhenpunkt d
nach g die Form gegeben.
136
137.1 DerEntwurf desDamenschnür•

-·-·7
sc'huh-Musters

7. Die Blattbruchlinie.

/
i
,---
Bei gesprengten Damen­
·o
leisten empfiehlt es sich, \ '
die Blattflügel so zu schnei­
den, daß sie näher zusam­ 1'
menkommenund nicht aus­
1'

'.
einanderstehen (137.2). Die
Strichlinie stellt die Flügel­
1
stellung ohne Schluß dar,
die Voll-Linie dieselbe mit '
Schluß. Durch diese Form­
gestaltung erzielt man den

1
sog. ,,Blattschluß", d.h.,das
Blatt legt sich beim Zwicken .i
.X
nicht nur leichter oben an
den Leisten an und verhin­

\
dert Spannungen an der
Blattnaht, sondern es be­
kommt auch einen besseren
seitlichen Schluß. Erreicht
wird dies, indem man die

137.2 Das Modellieren des


Damen-lllatt,os

137.3 Das Modellieren des


Damen-Blattes

Blattbruchlinie vorn an der höchsten Stelle der Leistenkopiespitze, Punkt h, um


etwa l Stich hebt und von hier aus nach dem Blatthöhenpunkt d führt.
Nach der üblichen Zwickzugabe ist das Muster fertiggestellt, falls der Schuh nicht
noch eine Zierkappe, Ösennaht, Kappenbesatz oder andere Verzierungen erhal­
ten soll.

137
D a s Ausmodellieren
Unter der üblichen Zugabe
für den Untertritt wird wie
beim Herrenschnürschuh­
Muster verfahren. Bild
137.3 zeigt in der Strich­
linie das Quartiermuster
und in der Voll-Linie das
Blatt.
6. Das Damenspangen­
schuh-Muster
D a s Z e i c h n e n d-es
Musters
1. Hauptlinien u n d
-pu nkte festlegen. Lei­
stenkopie mit festgelegter
Blatthöhe und Fersen beuge
auf Grundlinie und Senk­
rechte in entsprechender
Absatzhöhe einzeichnen
(138.1).
Hintere Schuhhöhe abtra­
....... gen (a).
Ballenlinie wie üblich ein­
zeichnen und halbieren,
Punkt b.
Hilfslinie von der hinteren
Schuhhöhe a nach b ein­
zeichnen.
·2. Die Spangenhöhc soll
höchstens bis an den Fer­
senbeugepun.kt c reichen,
doch erzielt man bei tieferer
Anordnung im allgemeinen
bessere Paßformen, beson­
138.l Der Entwurf des Damen-
ders bei weniger stark ge­
sprengten Leisten: Auch
1-Spangcn-Mustcrs (Blat.t
untergelegt)
richtet sich die Spangen­
höhe wesentlich nach der Blatthöhe. Soll z.B. das Blatt kurz werden, muß auch
die Spange entsprechend tiefer angeordnet sein, damit der Raum zwischen Blatt­
höhe und Spange nicht zu groß wird und dadurch das Gesamtbild stört. Je
höher das Blatt, desto höher auch die Spange. Bei einer Durchschnittsblatthöhe
kann man die Spange 1 cm unterhalb des Fersenbeugepunktes festlegen, Punkt d.
Wie bei den übrigen Schuhmustern, wird auch hierbei in Punkt d der rechte Win­
kel zur Reihenlinie angelegt und eine Verbindungslinie (e) nach der Hilfslinie
a-b gezogen.
138
� - Die Spangenbreite. Von Punkt b zieht man zur Hilfslinie e eine Parallele
zur Reihenlinie. Im Schnittpunkt / wird der 80. Grad abget.ragen, worüber von
Punkt f eine über den Reihen hinausgehende Hilfslinie g zum Abtragen der Span­
genlänge gezogen wird.
Zu diesen Hilfslinien zieht man 1 cm tiefer eine Parallele h. Wenn die Spange entsprechend
breiter werden soll, muß diese Parallele in größerem Abstande von der Hilfslinie g einge•
zeichnet werden.
4.DieSpangenlänge.Die
Entfernung von Punkt f
nach Punkt d unter Zurech­
-----·-------- ·7
nung von zwei Stich von 1.
Punkt d auf die Spangen­
hilfslinie g übertragen. 1
Punkt i ist sodann die

.
Spangenlänge.
1
5. D a s E i n z e i c h n e n der
Spange. Zweckmäßig be­ 1
ginnt man beim Spange n ­
längenpunkt i, indem man
zunächst den Spangenkopf .
1
einzeichnet. Dann folgt man
dem VerlaufderHilfslinie g, 1
wodie Spangenlinie alsobere
Schuhkante an Punkt/ vor­
bei weitergeführt wird. Den
gleichen Verlauf nimmt die
Spange bei der Hilfslinie h,
berührt alsdann die Hilfs­
linie b-f, um im ovalen
Bogen in den Blatthöhen­
punkt k einzumünden.
6. Das Einzeichnen des
Blattes. Das Blatt kann
unterlegt oder aufgelegt
werden. Im ersteren Falle

139.2 Entwurf
desDamen­
Spangen­
Mustersmlt
aufgeleg­
139.1 Das Modellieren des Damen-1-Spangen-Muster tem Blatt

139
geht man vom Blatthöhenpunkt k 1 Stich tiefer, Punkt 1, und folgt in stets
breiter werdendem Abstand dem ovalen Blattausschnitt, um, wie bei den übrigen
Halbschuhmustern, im guten Drittel der Gelenklinie bei Punkt m in flachge­
haltenem Bogen einzulaufen.
7. Die B l a t tbruchli n ie. Tor Verlauf ist der gleiche wie bei dem vorausge­
gangenen Damenschnürschuhmuster und aus der Zeichnung ersichtlich.
8. Zwickzugabe und Untertritt. DieZwickzugabe ist die übliche. Der Unter­
tritt beginnt bei Punkt J�
und ·wird bei unterlegtem
-----.:.::;;----�-:.=:::::--·-·1
Blatt an dieser Stelle
knapp 1 Stich breit ge­ .
halten, verbreitert sich 1'
jedoch nach der Seite
und unten hin auf 1 cm. · 1
Nachdem der Schuh­ '
schluß beim hinteren 1
Schafthöhenpunkta ein­
gezeichnet ist, wird die
Knopfbefestigungsstelle
1
.
auf der Hilfslinieb-f bei \ 1
Punkt n festgelegt. \ '
2 bis 2½ Stich oberhalb A 1
des Punktes n bekommt / \
\
das äußere Quartierteil \ 1
einen bogenförmigen Ab­
schluß, der in seinem
vorderen Teil aber nicht
breiter als clieSpangesein
darf, damiternichtsicht­
barwird.Hältman diesen
Auslauf kürzer, dann ist
eine Knopfversetzung � ,,.,,,.
/

nach vorn mit Schwierig. / 1 �/ ,,.


keiten verbunden, für die
sonst genügend Spiel­
raum vorhanden ist. /

,,
.........____________"""I\
\
1

'
1
1

------------J
1
1

140.2
Entwurf des
140.1 Das Modellieren des Damen-Spangen-Musters mit 2-Spangen­
aufgelegtem Blatt Musters

140
D a s Ausmo dellieren
Die Voll-Linie (139.1) zeigt den Modellschnitt des Spangen- und Knopfteiles, die
Strichlinie den des „unterlegten Blattes". In Bild J.39.2 ist der Entwurf für das
Spangenmuster mit „aufgelegtem Blatt" dargestellt.
Modelliert wird in der bisher besprochenen Weise. Der Verlauf der Blattlinie
wird in Bild 140.1 durch die Voll-Linie veranschaulicht und der des Quartieres
durch die Strichlinie.
Der Zweispangenschuh (Bild
140.2) hat denselben Aufbau wie
der Einspangenschuh, nur wer­
den für die zweite Spange zwei
weitere, parallel zur ersten Span­
ge laufende Hilfslinien einge­
zeichnet.
Auch der sog. ,,Bindeschuh"
(141.l) wird wie die vorerwähn­
ten Halbschuhmuster entwik­
kelt. Die seitlichen Verzierungs­
ausschnitte müssen sich der Ge­
samtlinienführung des Schaftes
anpassen und werden am Schluß
freihändig eingezeichnet.
Mit der Leistenkopie werden die
Schaftmuster paßgerechter. Ver­
mittels des Leistenkopierverfah­
rens lassen sich unter teilweiser
Mitbenutzung desWinkelverfah­
rens alle Schaftarten in paßge­
rechter und auch formvollende­
ter Weise zusammenstellen. Vor­
aussetzung ist jedoch, daß die
Herstellung der Leistenkopie
fleißig geübt und der Aufbau des
Grundmusters für Stiefel und
Schuhe so erlernt wird, daß die
Anordnung der wenigen Hilfs­
linien auswendig erfolgen kann.
Das Herrenderbyschuh-Muster
mit Quartierverzierung und
„Flügelkappen" (142.1) zeigt in
klarer ,veise, daß es vermittels
der Leistenkopie entschieden
einfacherist, formschöneund vor
allem paßgerechte Schaftmuster
zu entwickeln als unter Zugrun­
delegung eines rein geometrisch
aufgebauten Winkelsystems. 141,l Entwurf des Bindeschuhes

141
m. Das Schäftemachen
a) Das Oberleder
und seine Gerbung
Für die gebräuchlichsten Ober­
leder verwendet man leichte
Rindshäute, Kipse (Bezeichnung
für die Häute des Zeburindes),
Kalb-, Ziegen- , Schaf-, Reh-,
Gems-, Antilopen-, Renntier- und
Reptilienfelle.
Entsprechend der Art der Haut,
dem zur Anwendung kommenden
Gerbverfahren und der .Art der
)fachbehandlung erhält ma,n Le­
der von verschiedenem Aussehen
und mit verschiedenen Eigen­
schaften, wie schwarzes oder far­
biges, mattes oder glänzendes,
rauhes oder glattes, grob- oder
feinnarbiges „ dünnes oder kräf­
tiges, trockenes oder fettiges
(wasserdichtes), mehr oder weni­
ger zugiges, geschmeidiges und
.o:, dehnbares Leder usw. Die zur Ge­
.o., ,rinnung der Blößen notwendigen
.0.1 Vorarbeiten sind im wesentlichen
.o.1 dieselben wie• die bei der Boden­
.r
ledergerbung (s. S. 6 bis 8). Für
?
0

das Gerben werden verschiedene


·o·I
o·r Verfahren angewendet.
.eil
1•
l. Die vegetabile Gerbung
Hierbei finden Gerbstoffe aus dem
Pflanzenreich Verwendung, die
aus Rinden, Holz, Wurzeln,
Früchten und Gallen gewonnen
werden. (Siehe auch S. 7 bis 10.)
Rinden als Gerbstoffe. Eich en­
rin dewit-d von 15-bis20jährigen,
in besonderen Schälwäldern her­
14%.1 Entwurf des Herrendetbyschuh•llusters mit FIOgel-
angezogenen Eichenstämmchen
gewonnen. Geschält wird gewöhn­
lich Anfang Juni, weil dann die
kappen und Knppenbes:1.tz

größte Menge Saft vorhanden ist, wodurch das Schälen leichter fällt.
Fichtenrinde wird von 30- bis 60jährigen oder älteren Bäumen gewonnen.

142
Ferner finden Verwendung W e i d e n r i n d e , T a n n e n ­
r i n d e , Mimosenrinde (von verschiedenen tropischen
Akaziensorten gewonnen), Mangrovenrincle (von
tropischen Sträuchern stammend) u. a. m.
Auch Hölzer finden als Gerbstoffe Verwendung, und zwar
besonders Eichenho l z , K a s t a n i e n h o l z und Que­
brachoho lz. H3.l Yalonea

Quebrachoholz ist von allen Hölzern das wichtigste. Der


Quebrachobaum wächstnicht in Wäldern, so ndern findet
sich in Gruppen in den Ebenen Uruguays, Paraguays
und Brasiliens. Das Holz ist von roter Farbe, sehr fest
und schwer, fast steinart,ig. Die jungen Stämme sind
reicher an Gerbstoffen als die älteren. In Verbindung
mit anderen Gerbstoffen ist Quebracho ein sehr wert­
voller Gerbstoff und ko mmt meist in Form von trocke­ 10.2 Myrobaw.neu
nem oder flüssigem Auszug in die Gerbereien.
Von Blättern, die als Gerbstoff dienen, ist der Sumach zu
nennen. Er besteht aus Blättern und jungen Trieben
mehrerer verwandter Pflanzen, die vorzugsweise in den
Mittelmeerländern wild wachsen. Von grünlicher Farbe,
kommt er vollständig getrocknet in Form zerkleinerter
143,3 Dividivi
Blätter oder zu Pulver gemahlen in den Handel.
Verschiedene Früchte sind als Gerbstoff wertvoll. V a l o n e a nennt man die Frucht­
becher der namentlich in Kleinasien beheimateten immergrünen Eiche (143.1).
Valonea ist ein für die Sohlledergerbung sehr wertvoller Gerbstoff, doch wird er wegen seines
hohen Preises meist nur als zusätzliches Einstreumittel mit der Eichenlohe verwendet. Er
vermittelt dem Narben des gegerbten Leders einen hellen Belag (die „Blume"), der ein Zeichen
der Güte des Leders darstellt.
Myr o b a l a n en sind die Früchte einer in Indien beheimateten Baumgattung, ge­
nannt „Terminalia" (143.2).
Dividivi ist die Schotenfrucht eines in Zentral- und Südamerika wildwachsenden
Strauches. Die Schoten haben im getrockneten Zustande eine S-Form und sind
außen von rötlicher Farbe (143.3).
Algarobilla ist die Schotenfrucht einer in Südamerika wildwachsenden Kiefern­
art. Die Farbe ist ocre (hell ockergelb). Algarobilla findet auch zur KombinatioBS­
gerbung mit Mineralgerbmitteln Verwendung.
Von den Gallengerbstoffen seien Knoppern und Galläpfel genannt. Durch den Stich
der Knoppernzellwespe in die jungen Eicheln der Stieleichen verkümmert die
Eichel und erhält eine größere und unregelmäßigere Form von gelblichbrauner
Farbe. Diese verkümmerte Frucht i�t sehr gerbstoffhaltig und trägt die Bezeich­
nung „Knoppern".
G a l l ä p f e l sind runde, krankhafte Auswüchse auf den Blättern und jungen Ästen
der Eiche, hervorgerufen durch den Stich der Gallenwespe, die in die Öffnung

143
ihre Eier ablegt. Es bilden sich bräunliche Anschwellungen, die sich mit dem
Wachstum der Larve bis zu 2½ cm vergrößern. Die Galläpfel müssen noch vor
dem Ausschlüpfen der Insekten eingesammelt werden.
Bei der vegetabilen Oberledergerbung werden aus den genannten Gerbmitteln
Brühen bereitet, in denen die Blößen so lange angegerbt werden, bis sich der Narben
gleichmäßig entwickelt hat, worauf in der Hauptsache im Fasse ausgegerbt wird.
Für das Anger ben in den Brühen verwendet man Eichen- oder Fichtenlohe und
für das Ausgerben im Faß Auszüge von Quebracho, Fichten usw.
Damit das fertige Leder mehr die Eigenschaften der besten Lohgerbung, der
Eichengerbung, erhält, bringt man sie nochmals in ein Versenk mit Eichenlohe
und Gambierbrühe oder in eine Brühe mit einer starken Lösung von Gambier,
Katechu oder Sumach. Je nach der zu erzielenden Beschaffenheit des Oberleders
ist die Gerbausführung, die Zusammensetzung der Brühen, die Nachbehandlung
usw. eine verschiedene. Nach der Gerbung wird das Leder weiter zugerichtet.

2. Die Alaun- oder Weißgerbung


Die Bezeichnung stammt von der Verwendung des weißen Alaunsalzes, dem noch
Kochsalz zugesetzt wird. Schon den alten Ägyptern war bekannt, daß bestimmte
Salze, wieKochsalz und .Alaun, erhaltende (konservierende) Eigenschaften haben.
Man bezeichnet diese Gerbung auch a.ls „Weißgerbung", weil das Leder hierbei
eine weiße Farbe annimmt. Weißgegerbtes Leder ist nach dem Gerben hart
und steif und bekommt erst durch die Nachbehandlung (Strecken und Stollen)
Weichheit und Geschmeidigkeit. Im Wasser verliert es aber seine Gerbung und
geht hei längerem Kochen in Leim über. Weißgegerbtes Leder eignet sich für
Schuhzwecke nicht besonders und findet vorzugsweise für Luxusschuhwerk Ver­
wendung.

3. 1'1inera1gerbung

Sie ist das bedeutendste Gerbverfahren unserer Zeit, denn die meisten Oberleder
werden heute mineralgegerbt (chromgegerbt). Chromgegerbtes Leder unterscheidet
sich vom lobgegerbten sehr. Seine für Oberleder so wichtige Zugfestigkeit ist viel
größer, und es ist auch gegen äußero Einflüsse, wie Wasser, Hitze und Kälte, als
auch gegen Laugen und Säuren viel widerstandsfähiger. Gewichtsmäßig ist es
leichter als lohgegerbtes Leder, was gerade für Oberleder von besonderem Wert ist.
Gut gegerbtes Chromleder wird selbst in kochendem Wasser kaum beeinflußt.
Das Gerbverfahren geht schnell vor sich (4 bis 12 Stunden), entsprechend der
Haut- bzw. Fellstärke und dem angewandten Gerbverfahren.
Bei der Chromgerbung unterscheidet man das Einbad- und Zweibadverfähren.
Beim Einbadverfahren kommen die Blößen, ähnlich wie bei der Lohgerbung,
in eine fertige Chromlösung, wobei sich das Chromsalz auf der Hautfaser nieder­
schlägt.
Beim Zweibadverfahren wendet man zwei Bäder an. Im ersten Bad dringt
die Chromsäure in die Blößen ein, wodurch sie eine gelbliche Färbung erhalten.
Hierauf kommen die Blößen in ein zweites Bad, in dem die Chromsäure zu
144
Chromoxyd verwandelt wird, das sich mit der Hautfaser innig verbindet und
nicht mehr entfernen läßt.
Im Zweibad gegerbte Leder zeigen im Schnitt eine mehr grünliche, die im Einbad
gegerbten eine mehr bläuliche Färbung.
Nach der Gerbung werden die Leder entsäuert, für schwarz oder farbig weiter
verarbeitet, und erhalten durch eine sachgemäße Zurichtung die dem Chromleder
wertvollen Eigenschaften, wie Weichheit, Zugigkeit, Schönheit des Narbens usw.

4. Die Sämisch- oder Fettgerbung

Die Sämischgerbung wird vorzugsweise mit Tranen (Dorschlebertran und Ton­


fischtran) durchgeführt, ferner kommen Gehirnfett, Eidotter, Kuhbutter, Rüböl
und Leinöl in Anwendung. Andere Fette, wie z. B. Klauenöl, Rinderfett unq. Talg,
dienen mehr als Schmier- und Füllmittel.
An Häuten finden vorzugsweise die Felle des Wildes (Hirsch, Reh, Gemse, Anti­
lope, Gazelle, Renntier) Verwendung, doch eignen sich hierzu auch schwache
Rindshäute, Kalb-, Ziegen- und Schaffelle sowie Spalte.
Der Gerbvorgang. Die Narbenschicht wird zum besseren Eindringen des Öles bzw.
Fettes beim Enthaaren mit entfernt oder aber auf der Spaltmaschine abge­
spalten. Nachdem durch die übrigen Arbeiten in der Wasserwerkstatt die Blößen
erarbeitet sind, werden sie gut gewässert und hierauf unter der Presse ausgepreßt.
Danach werden die Blößen mit Tran bestrichen, worauf sie in einem Walkgerät
¼ bis 1 Tag gewalkt werden.
Hierbei verbindet sich der Tran mit dem in den Blößen noch vorhandenen Wasser
und dringt durch das Walken in das Zellgebilde des Felles ein. Um das Wasser zum
Teil verdunsten zu lassen, werden sie nunmehr in einem warmen Raum aufgehängt.
Hierauf werden sie, wiederum in einem warmen Raum, zu Häufen geschichtet
und weiter erwärmt. Damit sie sich nicht über 40 Grad erwärmen, werden sie zwi­
schendurch umgeschichtet. Sobald eine weitere Selbsterwärmung über 40 Grad
nicht mehr eintritt, ist die Gerbung beendet. Die gerbende Wirkung kommt da­
durch zustande, daß die Trane und Fette den Sauerstoff der Luft aufnehmen und
hierdurch oxydieren und ranzig werden. Die Leder bekommen dadurch eine gelbe
Farbe und einen eigentümlich scharfen Geruch.
Nun folgt das Entfernen des überschüssigen Fettes mit einer Soda- oder Pott­
aschelösung, worauf die Felle unter der Presse ausgepreßt, mit Wasser gut nachge­
waschen und getrocknet werden. Die nachfolgende mechanische Bearbeitung gibt
dem Leder die gewünschte Weichheit und Geschmeidigkeit. :fliiit dem Glattschleifen
auf besonderen Maschinen sind die Leder fertiggestellt.

145
5. Die gebräuchlichsten Oberleder des Schuhmachers

Oberlederart
Fahlle der
Hautart
Rindshäute (Jungtiere)
Hauptsächliche Gerbarl
Lohgerbung und mit Tran geschmiert
1

Chromsport Rindshäut;e (Jungtiere) Chromgerbung


(auch Rindsport
genannt)
Waterproof Rindshäute (Jungtiere) Chromgerbung oder Chrom mit Lohe
verbunden, besonders kräftig gefett�t
Juchten Rindshäute und leichtere Kuhhäute Mit Weiden- u.Birkenrinde. Schmieren
mit . einer 1\1ischung von Tran- und
Birkenteeröl, auch „Juchtcnöl" genannt
N a c h a h m u n g : Lohgerbung und mit
Birkenteeröl durchsetztem Fett nach-
behandelt. Juchtengeruch ist nicht von
langer Dauer.
Rindbox Rindshäute und leichtere Kuhhäute Reine Chromgerbung

Mastbox Mastkalbfelle von 2 bis 5 Monate Reine Chromgerbung


alten Kälbern

Boxcalf Kalbfelle von Kälbern, welche nur Reine Chromgerbung


mit Muttermilch ernährt wurden

Chevreau Ziegenfelle Reine Chromgerbung

Rind\ack Leichte Rindshäute, besonders Kuh- Chromgerbung


häute, Fresscrhäute, das sind Häute
von älteren Kälbern bis zu etwa.
l Jahr, l\1astka.lbhäute
Kalblack Kalbfelle Chromgerbung

Chevreaulack Feine Ziegenfelle Chromgerbung

Roßla.ck Pferdefelle Chromgerbung

FoWenlack Junge Tiere (Fohlen) Chromgerbung

146
Eigenschaften 1Erkennungsmerkmale Verwendung
Geschmeidig, widerstandsfähig Halbe Häute, feinkörniger dichter Schuhwerk für Industrie-
gegen äußere Einflüsse, wasser- Narben durch die Behandlung mit arbeiter u. dgl. mehr
dicht und sehr dauerhaft Tran. Naturfarbig (lohfarbig) und
schwarz (wird nach Gewicht bewer-
tet)
Kräftiges, aber doch geschmei- Halbe Häute mit grobem Preßnar- Sportschuhwerk aller Art
diges, widerstandsfähiges Leder ben (Perlnarben)
schwarz und farbig
Gut wasserabstoßendes Leder Halbe Häute, glatter Naturnarben Berg- und Wintersport-
äußerst geschmeidig und haltbar schwarz und farbig schuhwerk
Kräftiges, aber besonders mildes, Halbe Häute, Narben glatt oder ge- Jagdstiefel, Fischerstiefel,
geschmeidiges, wasserdichtes, krispelt oder aufgepreßt in schief- Touristenschuhwerk, Ka-
dauerhaftes und gegen äußere winkligen Quadraten oder Recht- nalarbeiterschuhwerk
Einflüsse widerstandsfähiges ecken. Narben dieser Art werden
Leder auch „Juchtennarben" genannt.
Sehr angenehmer Geruch
meist schwarz u. braunrot gefärbt
Sehr zähes, festes, aber doch noch Halbe Häute mit grobem Boxcalfnar- �farschstiefel und festeres
geschmeidiges Leder ben, schwarz und farbig Gebrauchsschuhwerk
Volles, kerniges Leder, nicht so Große Felle (100··· 160 dm 2) mit �farschstiefel und festeres
kräftig wie Rindbox, strapazier- Boxcalfnarben und gröber.Am Hals- Herrenstraßenschuhwerk
fähig teil stark sichtbare Streifen „Mast-
riemen" genannt
schwarz und farbig
Weiches, aber doch festes, zähes Ganze Felle (70· · · 100 dm2) mit fei- Herren-, Damen- und
und widerstanruifähige s Leder nem, mildem, durch „Krispeln" er- Kinder-Straßenschuhwerk
zeugtem Boxcalfnarben
schwarz und farbig
Sehr weiches, geschmeidiges und Ganze Felle (40···60 dm2) mit glat- Leichtes Herren- u. Kin-
im Verhältnis zur Stärke sehr tem, sehr mildem Naturnarben. Mitderschuhwerk, besonders
dauerhaftes Leder einer Lupe in Gruppen angeordnete aber für Damenschuhwerk
Haarporen erkennbar aller Art
schwarz, braun und feinfarbig
Glatt.es, hochglä.nzendes Lede1·, Halbe Häute, Naturnarben Lackrei tstiefol, Herren-,
krä.ftig, aber doch geschmeidig. schwarz und feinfarbig Damen-, Kinder- und
Die Narben.körnung ist bei �fast- Luxusschuhwerk
ka.lblack feiner als bei Rindlack
Voiles, kerniges, geschmeidiges Ganze Felle, Naturnarben Luxusschuhwerk a,ller Art
und hochglänzendes Leder schwarz und feinfarbig
Weiches, geschmeidiges und halt- Ganze Felle mit Chevreaunarbung Vorzugsweise für Damen-
bares Leder schwarz und feinfarbig Luxusschuhwerk
Glattes, hochglänzendes und ge- Halbe Häute mit etwas grobem Billigeres Straßen- und
schmeidiges Leder Naturnarben Luxusschuhwerk aller Art
schwarz und feinfarbig
Sehr weiche s, besonders ge- Ganze Felle mit sehr feinem Natur- Hochwertiges Herren- und
schmeidiges, hochglänzendes und narben. 70· . . 130 dm2, von größeren Damen-Luxusschuhwerk
haltbarst.es Lackleder Tieren bis 140 dm2
schwarz und feinfarbig

147
D i e g e b r ä u eh 1 i c b s t e n O b e rI e d e r d e s S e h u h m a c h e r s (Fortsetzung)

Oberlederart Hautart Hauptsächliche Gerbart


Wildleder .A.ntilopenfelle Sämischgerbung
Gazellenfelle (Gerbung mit Tranen, am besten mit Dorschleber-
trau und Thunfischtran)

Rehfelle
Hirschfelle

Wildleder- Rindshäute Sämischgerbung


Nachahmungen,
sogenanntes Kalbfelle
,,Sämischleder"
Ziegenfelle

Nubukleder Rindshä.ute Alaun-Weißgerbung, auch teilweise kombinierte


Gerbung

Kalbfelle

Reptilleder Eidechsenhäute Alaun- und Vegetabilgerbung

Schlangenhäute

Krokodilhä.ute

Reptilleder- .Kalbfelle Mineral-, Vegetabil- oder Kombinationsgerbung


Nachahmungen Ziegenfelle

Futterleder Kalbfelle Vegetabilgerbung

Ziegenfelle Chromgerbung

148
1Eigenschaften Erkennungsmerkmale Verwendung
Äußerst geschmeidig, sehr halt- Ganze Felle, samtartig im Griff und Vorzugsweise z u Damen-
bar, wenig sehmutzempfindlich Aussehen, auf der Fleischseite ZU· Luxus- und Straßen-
und leicht zu reinigen gerichtet schuhwerk und Einsätze
für Herrenschuhwerk
Sehr geschmeidig, weniger halt-
bar und schrnutzempfindlicher als
Antilopen- und Gazellenfelle

Weich und geschmeidig, von Halbe Häute auf der Fleischseite Billigeres Herren-, Da-
guter Tragfestigkeit, trägt aber zugerichtet, tuch- men- u. Kinderschuhwerk
infolge der Dicke sehr auf Ganze Felle artiges Aussehen, und für Einsätze
Gut zu reinigen rauher als Wild-
Jeder und nicht so
Ganze Felle weich irn Griff
Fester als Sämischleder, da der Halbe Häute Der Narben ist Herren- und Damen-
Narben zum Teil erhalten, ge- ganz fein geschlif- schuhwerk und für
schmeidig und dauerhaft fen, daher das Einsätze
Schmutzempfindlicher und Halbe und samtartige Aus-
schwieriger z u reinigen als ganze Felle sehen
Sämischleder
Infolge der hornartigen Narben- Je nach Gattung verschiedene Vorzugsweise z u Damen-,
beschaffenheit weniger geschmei- Zeichnungen. Runde bis ovale, horn- Luxus- und -Straßen-
dig als andere Leder, von teil- artige Narbuog, welche sich seitlich schuhwerk und für Ein-
weise beschränkter Haltbarkeit. verfeinert sätze
die aber durch Aufbügeln vo� Ganze Felle, schwarz u. feinfarbig
Guttaperchastoff erhöht werden
kann Je nach Gattung verschiedenartige
Wenig schmutzempfindlich, Zeichnungen der „Schuppen", woran
leicht zu reinigen echtesSchlangenleder z u erkennen ist
Ganze Häute, schwarz u.feinfarbig

Ganze Häute, Schuppen in der


Rückenpartie sind groß u. viereckig,
seitlich dagegen rund bis oval
Ganze Häute, schwarz u.feinfarbig
Festes, wenig zugiges, aber <lauer- Ganze Felle, wie Kalbleder und Che- Wie bei Reptilleder
hafteres Leder als Reptilleder vreau, fest irn Griff, wenig elastisch,
An stark beanspruchten Stellen gleichmäßig starkes Leder, da die
schwindet die künstliche Nar- Felle egalisiert. Die Reptilnarbung
bung mit der Zeit ist künstlich aufgepreßt.Bei Schlan-
gen- und Krokodilnarbung sind die
Schuppennachahmungen nur ober-
Oächlich betont, während die Schup-
pen bei echtem Reptilleder tief in die
Haut eindringen
Festes, aber doch geschmeidiges Vorzugsweise minderwertige oder be- Als Futterleder ffü Schuh-
und haltbares Leder schädigte Felle, auch als Stückware werk aller Art
im Handel
Weiches, geschmeidiges und sehr braun und feinfarbig
haltbares Leder

149
6. Die Kombinationsgerbung
Mit diesem Gerbverfahren sollen die Eigenschaften der einen Gerbung mit denen
einer anderen Gerbung vereinigt, ergänzt werden, um ein noch hochwertigeres oder
zweckmäßigeres Leder zu gewinnen. So vereinigt man z. B. die Lohgerbung mit
der Mineralgerbung. Die erstere bringt ein volles, festes Leder hervor, hingegen
die Mineralgerbung ein weiches, zartes und zugiges Leder. Weitere häufig ange­
wandte Kombinationsgerbungen sind die Verbindung von Alaunvorgerbung mit
Chromhauptgerbung, Chromhauptgerbung mit vegetabiler Nachgerbung usw. (Be­
a,chte auch die Oberledertafeln S. 146 bis 149.)

b) Das Auslegen und Ausfeilen

1. Das Auslegen

Die Teile sind auszulegen, wie es ihrer Beanspruchung entspricht. Beim Auslegen
kommt es zunächst darauf an, nicht nur möglichst viele Teile aus einem Fell her­
auszuholen, vielmehr sollen die Teile auch bezüglich ihrer Beschaffenheit allen An­
forderungen eines guten Maßschuhes entsprechen. Sie sollen also haltbar sein und
ein schönes Aussehen haben. Dies gilt besonders für die Kappen-, Besatz- und
Blatteile, denn sie unterliegen der größten Abnutzung und gehören zum „Gesicht"
des Schuhwerks. Der Kern ist der widerstandsfähigste und auch schönste Teil des
Felles, weshalb die genannten Teile aus ihnen geschnitten werden.
Die Oberteile oder Quartiere des Stiefels und die Hinterteile des Halbschuhes sind
an gewissen Stellen ebenfalls einer starken Beanspruchung unterworfen. Sie müs­
sen deshalb so im Fell ausgelegt werden, daß sie am fertigen Schuh nicht frühzei-
tiger als die Kernteile verbraucht werden.
Oberteile dürfen aber auch nicht kernig sein, da der Schaft sonst zu s, teif wird,
was die Bewegungen in der Knöchelpartie stark behindern würde. Hinterteile
brauchen ebenfalls nicht zu kernig zu sein, da sie ja durch die Hinterkappen ge­
sichert sind. Quartiere und Hinterteile schneidet man aus dem weniger kernigen
Teil des Felles, aus Hals, Kopf und den Seiten, soweit sich die letzteren hierzu
eignen.
muß man es auf „Stellung",
d. h. auf seine Beschaffenheit untersuchen, denn nicht alle Felle sind gleich stark
Bevor man mit dem Auslegen eines Felles beginnt,

und fest. Gleichzeitig muß das Fell genau überprüft werden, ob keine versteckten
Narbenfehler oder Schnitte auf der Aasseite vorhanden sind. Auf der Narbenseite
sind entdeckte Fehler mit einem Lederfarbstift zu umgrenzen, damit man sie
beim Auslegen der Muster nicht übersieht.
Werden derartige Fellbeschädigungen nicht gleich festgestellt, so kann es vor­
kommen, daß sie in das eine oder andere Schaftteil mit hineinfallen und vielleicht
erst im Zwickprozeß zum Vorschein kommen. In solchen Fällen entsteht unter
Umständen ein größerer Verlust, denn die Arbeit muß wieder aufgetrennt, ein
neues Teil ausgeschnitten und die Arbeit wiederholt ·werden.
150
Diese Fehlerquellen, meist an min­
derwertigen Häuten, vorzufinden,
,erursacht in manchen Fällen ein
äußerst verlustreiches Ausfällen. Der
Kaufpreis für solche Ware ist im
Vergleich zu dem einer erstklassigen
meist wesentlich geringer und er­
scheint somit günstig. Eine genaue
Überprüfung der Auswertungser­
gebnisseläßt aber erkennen, daß sich
solche Felle in der Endrechnung
teurer stellen als das beste Marken­
leder.

Beispiel für gute und schlechte Fellaus­ 151.1 Das Auslegen eines hochwertigen Felles
nutzung (151.1).

1. Ein erstklassiges Boxcalffell von 10¾


Quadratfuß
l Fuß kostet 5,00 Dl1, zusammen also
53,75 DM. Ausgelegt wurden:
2 Paar Herren-Ringsbesatzschäfte mit
Kappen
1 Paar Herrcn-Derbystiefel mit Blatt
und Kappen und
4 Herrenderbyschuh-Quartiere.
Das sind zusammen rund 3½ Paar
Herrenschäfte mit gut 3 Fuß je Paar.
l Paar stellt sich demnach auf 53,75 DM
: 3,5 rund = 15,36 D:.\1.
2.Ein minderwertiges, fehlerhaftes Fell
mit lappigem Kopf und lappigen Seiten
(151.2 u. 3). Die Ausfellmöglichkeit ist
infolge starker Narbenbeschädigung und 151.2 Verlustreiches Auslegeneines minderwertigen Felles
stark hervortretender Halsfalten und
Adern entsprechend gering.Fellgröße =
11 ½ Fuß. 1 Fuß kostete 3,35 DM, zu­
sammen 38,52 DM.
Es können aber nur 2 Paar Schäfte aus­
gefe!Jt werden, nämlich
1 Paa;r Herren-Ringsbesatzschäfte mit
Kappen und
1 Paar Herren-Derbyschuhe mit Kappen.
Auf l Paar Schäfte entfallen somit 11 ½
Fuß: 2 = 5¼ Fuß, oder 1 Päät stellt sich
a,uf38,52 DM : 2 = 19,26 DM.
i'lfit demAbfalldieses minderwertigen
Felles läßt sich nichts Besonderes an- 151.S Schäden eines minderwertigen Felles

151
fangen. Kaum verwendbar für Lederfutter, kann es bestenfalls zu Klappenstücken,
Rutschriemen und dergleichen verarbeitet werden, wofür aber die Preise für Ab­
falleder zugrunde gelegt werden müssen.
Das Beste ist doch das Billigste. Die Minderwertigkeit des Felles (151.2) bezieht
sich nicht nur auf seine schlechte Stellung, sondern auch auf die Güte. Schlecht­
gestellte Felle oder Häute erfahren nicht die sorgsame und eingehende Pflege bei
der Lederherstellung, welche die Güte eines Markenleders begründet. Schlechtes
Tragen und vorzeitiges Abnutzen sind die Kennzeichen der nur scheinbar billigen
Lederarten, durch deren Verarbeitung auch noch der Kunde geschädigt wird.
Von großem Vorteil ist auch, wenn mau stets mehrere Felle Zll.ID Auslegen bereitlegt
und mehrere Schäftepaare zugleich auslegt. Dies kommt vorzugsweise bei schwar­
zem oder gleichartigem farbigen Leder in Betracht.
Die Erfahrung lehrt nämlich, daß beim Ausfällen einzelner Schäftepaare aus gut­
gestellten Fellen durchschnittlich drei Quadratfuß je Paar benötigt werden, hin­
gegen können beim Ausfällen von sechs, acht, zehn Paar Schäften und mehr in
einem Arbeitsgang und aus mehreren Fellen Ersparnisse von ½ bis 3/4 Fuß je
Paar erzielt werden. Es wird dies durch das viel vorteilhaftere Ineina.nderlegen
größerer und kleinerer Teilmuster mit verschiedenen Formen ermöglicht.
So gibt es schmale, lange Felle und auch breite, kurze (153.1). Es kann sich ein
Fell bereits durch seine Form zum Auslegen bestimmter Muster eignen, weshalb
die Felle und Muster beim Auslegen gegeneinander abgestimmt werden müssen.
Beim Auslegenist zu berücksichtigen, daß einige Teile besonderem Verschleiß unter­
worfen sind, wie z. B. die Blätter und Besätze, die man aus diesem Grunde aus
dem besten Teil des Felles oder der Haut, nämlich dem Kern, schneidet.
Quartiere oder Oberteile für Stiefelschäfte werden weniger stark beansprucht,
müssen auch geschmeidig sein, damit die Bewegungen in der Knöchelpartie nicht
gehemmt werden und der Schaft sich gut anlegt. Hals, Kopf und die Seiten eignen
sich hierfür am besten, sofern die letzteren nicht zu lose im Gefüge sind. Auch die
Hinterteile für Halbschuhe werden in diesen Teilen des Felles ocier der Haut aus-
gelegt.
Betrachtet man bei getragenem Schuhwerk die Stellen, die am häufigsten überholt
werden müssen, so findet man bei Stiefeln, daß sie am Quartier, hinten, oberhalb der
Hinterkappe brüchig werden. Es ist dies eine Bewegungsstelle der Achillessehne
beim Abwickeln des Fußes. Die Bewegung ist hier um so größer, je niedriger der
Absatz ist. Zwar ist frühzeitige Abnutzung nicht immer hieraus abzuleiten, son­
dern sehr häufig auch aus einer schlechten Stellung der Leistenferse oder des
Schaftmusters ocl.er aus dem gleichzeitigen Einwirken aller Einflüsse.
Immerhin muß dieser besonders beanspruchten Stelle durch eine entsprechende
Anordnung des Quartiermusters beim Auslegen Rechnung getragen werden. An
dieser Stelle des Quartiers muß das Leder möglichst kernartig sein.
Ist es einmal nicht möglich, das Teil so zu legen, dann hilft man sich damit, die gefährdete
Stelle durch Unt.erkleben eines dünnen Kernstückes mit verstärkter Gummilösung zu festigen.
Dasselbe gilt bezüglich der Halbschuhqua.rtiere an der oberen hinteren Schaft.
kante, die weniger durch die Bewegungen des Fußes als durch das An.ziehen ohne
Schuhlöffel in Mitleidenschaft gezogen werden.

152
Sind diese Stellen nicht fest genug ausgeschnitten oder unterlegt, dann geht zu­
nächst der im Schuh eingebaute Schluß verloren, und durch die Überbeanspru­
chung des Schuhes beim nachlässigen Anziehen kommt es zum Brechen der hin­
teren Naht.
Diese besonders gefährdeten Stellen sind an den Quartiermustern und den Besatzmustern
(153.1) durch schraffierte Linien gekennzeichnet.

153.1 Vorteilhafte• Auswerten des :F'cllcs durch Auslegen mehrerer Schäftepaare in einem Arbeit,Sgang

Beispiel für das Auslegen mehrerer Schäftepaare aus mehreren Fellen, 5 Chevreaufelle von
a) 4¼ Fuß, b) 5 Fuß, c) 4¼ Fuß, d) 4 Fuß und e) 4¼ Fuß (153.1), zusammen also 22¼
Quadratfuß. Ausgelegt sind nachstehende Schä.ftepaare, die zur Überprüfu ng auf jedem
Schaftteil nurneriert sind:
Nr. 1 =1 Paar Herren-Ringsbesatzschäfte mit Kappen Gr.42
2 =1 -Derbyhalbschuhe " 43
3 =1 -Ringsbesatzschäfte „ 42
4= 1
5 =1 ,, -Derbyhalbschuhe ,, ............. ..
" 43
6 = 1 ,, Da.rnen-Knöchelspangenschuhe ......... . . ......... ... " 40
43 .
7= 1 -Zweispangenschuhe ........... . .......... . .. . " 39
8 = 1 ,, Herren-Blatthalbschuhe mit Kappen ........... . ...... 43
9=1 ,, 43
9=1 ,, ,, " 42
,, 10 = 1 „ Knabenschnürschuhe,, " 40
153
Das sind zehn Paar Schäfte aus 22½ Quadratfuß oder 209,02 dm2 Leder � 2¼
Fuß oder 20,90 dm2 je Paar, obwohl die Felle nicht immer ganz ausgewertet
sinrl.

154.1 und 2 DerOcksichtigung der Zugrichtung des Felles beim A11slegen

Beim Auslegen soll auch die Zugrichtung des Felles berücksichtigt werden. Der
Zug geht vom Rücken nach den Seiten. Der Zug in den Klauen und in den Flem­
men entspricht dem Richtungsverlauf der vorderen und hinteren Klauen, ist
also ein etwas schräger (154.1 und 2).
Ein Fell muß nach Möglichkeit auch so ausgelegt werden, daß die einzelnen Teile
gleichmäßig zum Ausschnitt kommen, d. h. das Fell wird in der Mitte gebrochen
oder geknickt, damit der Verlauf dieser „Rückenlinie" deutlich 1?ichtbar ·wird. (In
den Abbildungen durch die weiße Linie veranschaulicht.)
Wenn z. B. ein Besatz auf der einen Fellseite ausgelegt wird, soll der zweite auf
die andere Seite zu liegen kommen .

Die Teile sollen also spiegelbildlich, d. h. gleichmäßig im Fell,


ausgelegt werden, damit sie zusa=enpassen und sich.am Schub
vor allen Dingen gleichmäßig tragen.

Teile üher den Rücken hinwegzulegen, ist grundsätzlich


falsch, denn der ist spröde und brüchig, zeichnet sich am
fertigen Schuh durch erhöhten Glanz aus und reißt sehr
leicht bei schärferem Zwicken (154.3).
Blatt- oder Besatzteile, die eine Zier- oder Vorderkappe
erhalten, läßt man nur 1---1¼ cm unter die Kappen
gehen. Dementsprechend knickt man das Muster im
Spitzenteil um, wodurch unter Umsi;änden die Kappen
IG4.3 Falsches Auslegen für diese Schäfte gewonnen werden (151.1 und 154.1).

154
b C

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g
f

h ; .____h-- t m
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: 1S1
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tJ.,.,.

111
l 11
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1&5.1 Die gebr:iuchlichsfon SchäftemacherwerkzeUge


a) Knopfbefestigung3za.nge f) Umbughamrner n) Bleibesoliwerer
b) Verzierungsloohzange g) Kopierrädchen o) Klo.mmern zum Festbalten der
c) Knopflochzange h) Schuhmacherscliere Scbaftmusoor an dWumzubugen­
d) Ösenlochza�iie l) gebogene Ablaßschere den Scbaftteile
e) Zirkel zum Ubertragen der k) schmale Zuschneidemesser p) Stepport
Abmessungen von einem 1) breites Oberlederschärfmesser q) Ausrelbbolz
auf dec anderen Schaft m) schmales Oberlederscbärfmesser r) Abzieh- oder Scbmirgelbolz

155
2. Das Ausfällen .,.,.
Das roheAusschneiden der
ausgezeichneten Schaft.
teile .bezeichnet man als
Ausfeilen. Beim Ausle­
gen der Muster ist schon
zu berücksichtigen, daß
sie keine Umbugzugabe
haben, was beim Ausfällen
erst recht zu beachten ist.
Ging es beim Auslegen
knapp zu, dann ergeben
sich beim Ausfeilen immer
noch Möglichkeiten, das 156.1 Das Ausziehen des Oberlederteiles
eine oder andere Teil etwas
vorteilhafter zu drehen bzw. das Fell an der fehlenden Stelle etwas auszuziehen,
wodurch Fläche gewonnen wird.
Die Oberteile werden nach allen Seiten ausgezogen. Als Oberteile werden alle Ober­
lederteile des Schaftes, wie Kappen, Blatt oder Besatz, Quartier oder Hinterteil und
sonstige äußere Gamiturteile, bezeichnet. Nachdem die Oberteile ausgefällt sind,
müssen sie ausgezogen werden, und
zwar nicht nur in Zugrichtung, son­
dern nach allen Seiten. Wird diese
Arbeit unterlassen, so haben die Teile
am fertigen Schuh Gelegenheit zum
„Wachsen", d. h.- das Oberleder gibt
dem Druck des Fußes nach, dehnt
sich infolge des ihm belassenen Zuges
aus, worauf sich das bekannte Bild
des „verlatschten'' Schuhes ent­
wickelt. Ausgezogen wird mit der
breiten Zwiokzange auf dem Zu­
schneidebrett (156.1 ).
Nach dem Ausziehen werden die
156.2 Das Zuschneiden mit Bugzugabe
Oberteile zugeschnitten. Kanten, die
umgebugt werden sollen, erhalten
eineBugzugabevon5--- 6mm (156.2),
alle übrigen Kanten werden mit dem
aufgelegten Muster gleich geschnit­
ten, wofür der Ausdruck „offen­
kantig" gebraucht wird (156.3).
Chevreau-Zierkappen und -besätze
wird man stets umbugen, hingegen
Boxcalf-pierkappen und -besätze in
den meisten Fällen „offenkantig"
156.3 Das offenkantige Zuschneiden schneiden, da. sich das Boxcalfleder
156
infolge seiner festeren Beschaffenheit im Kern zum Umbugen schlecht eignet.
Beim Zuschneiden ist darauf zu achten, daß das Messer nach Möglichlrnit nicht
abgesetzt wird, so daß der Schnitt in einem Zuge verläuft. Dies wird erreicht,
indem das auf dem Schaftteil liegende Muster mit einem abgerundeten, flachen
Metallstück (am besten Blei) beschwert wird, wobei das auszuschneidende Schaft­
teil nun so gelegt werden muß, daß das Umschneiden des Musters ohne Verkramp­
fung der Handstellung gelingt. Dies gilt vor allem für den offenkantigen Ausschnitt
von Besätzen, Blättern und sonstigen offenkantigen Verzierungsschnitten, wie
Flügelkappen, Hinterbesätzen usw. (156.3).

Beim Schneiden aufHolz kann die Messerspitze infolge des ausgeübten Druckes zu
Das Schneiden auf einer Zinkblechplatte ermöglicht besonders glatte Schnittkanten.

tief eindringen, oder sie findet durch das ungleichmäßige Gefüge des Holzes un­
gleichmäßigen Widerstand, was zu einem unsauberen Schnitt führt. Zwar weiß
ein erfahrener Zuschneider diesen Mängeln zu begegnen, doch dem weniger ge­
übten gelingt das nicht so leicht. Anders aber beim Schneiden auf Zinkblech,
in das die Messerspitze nur den Bruchteil eines Millimeters einzudringen vermag,
was sich auch bei ungleichmäßigem Druck nicht ändert-, so daß jeder Anfanger
sehr bald in der Lage ist, genaue, offenkantige Schnitte herzustellen.
Zum Schneiden auf Zinkblech sind dünne und dünn ausgeschliffeneMesser nicht
angebracht, da die Spitze beim Schneiden schwankt. Am besten eignen sich hierzu
kurz geschliffene Messer mit dickem Rücken.

Vierkantholz, das an einem Ende in einen Griff ausläuft. Die vier Flächen werden
Zum Scharfhalten der Messer benutzt man ein etwa 40 cm langes und 3 cm breites

mit Schmirgelpapier {besser noch mit Schmirgelleinen) beklebt, jedoch so, daß
die erste Fläche das gröbste Schmirgelpapier erhält, die nächstfolgende eine
Nummer feineres und so weiter bis zur vierten Fläche.
Das Messer wird nun aufder gröbsten Seite des Abziehholzes abgezogen, wobei auf
eine gerade Messerhaltung zu achten ist, damit die Schneide nicht 111nd wird. Es
wird dann die nächstfeinere ]fläche benutzt und so weiter bis zur feinsten, auf
der das Messer etwas länger als auf den übrigen abgezogen wird, d. h. so lange,
bis die Messerschneide keinen Grat mehr hat. Ist das Messer wieder stumpf ge­
worden, so ist es nicht notwendig, es
wiederum auf allen vier Flächen abzu­
ziehen, sondern es genügt das Abziehen
auf den beiden feineren (155.1).

Die Kanten offenkantig geschnittener


Schaftteile müssen gebrochen werden,
damit sie nicht zu dick wirken und
wie umgebugte Teile aussehen. Ent­
sprechend dem Arbeitsvorgang ge­
braucht man auch die Bezeichnung
„Abstoßen der Kanten". Es wird auf
der Schärfeplatte durchgeführt-, wobei
die Spitze des Zusohneidemessers bei
flacher Messerhaltung die Sohärfplatte 151.l Dus Abstoßen der Kanten

157
ganz leicht berührt (157.1) und die
Kante von sich wegstößt. Ein äußerst
scharfes Messer ist für diese Arbeit un­
erläßlich.
Die abgestoßenen Kanten werden hier­
auf geschwärzt oder gefärbt und, was
weniger bekannt ist, geleimt. Ein über
den Zeigefinger gezogenes, feuchtes Lei­
nenläppchen wird so lange auf einer
Leimplatte gerieben, bis sich etwas
Leimmasse gelöst hat, die dann in die
Kanten von der Aasseite aus fest ein- 1ss.1 Das Kantenbearbeiten
gerieben werden. Der Schärfstein dient
hierbei als Unterlage (158.1). Derart bearbeitete Kanten sind von um.gepugten
kaum zu unterscheiden.
Die Kanten müssen äußerst gleichmäßig ausgeschärft werden, denn hiervon ist die
Erarbeitung einer tadellosen Umbugkante und Steppnaht im besonderen Maße ab­
hängig. Die Schärfbreite bei dünneren Lederarten beträgt 5... 7 mm, bei stärkeren
8,. ,10 mm. Das Hauptaugemnerk ist beim Schärfen darauf zu legen, daß das Leder
an der Stelle, w o die Steppnaht liegen wird, nicht zu dünn ausgeschärft wird,
da sonst die Gefahr des Ausreißens beim Zwicken oder Ausleisten besteht.
Das Schärfmesser muß
dünn und möglichst stark
gebogen sein, wodurch das
Schärfen k:urzrunder Aus­
schnitte bedeutend erleich­
tert wird. Geschärft wird
ebenfalls . auf der Schärf­
platte, niemals aber auf dem
_Zuschneidebrett (158.2).
Gradlinige Kanten werden
ohne Zuhilfenahme von
Werkzeogen umgebugt. Die
geschärften Teile werden
mit Umbugzement oder
Gummilösung bestrichen.
Nach dem Trocknen wird
158,2 Das Schii.rfen
auf der Schärfplatte umge­
bugt, wobei auf Gleich­
mäßigkeit das Hauptaugenmerk zu richten ist. Es empfiehlt sich, das Schaft­
muster des umzubugenden Teiles genau auf seine Narbenseite aufzulegen und
mit kleineren Klammern (155.1, 158.2) festzuhalten, wodurch ein genaues Um­
bugen möglich ist.
Zweckmäßig führt man beim Umbugen die umzubugende Kante durch die auf der
Schärfeplatte ruhende linke Hand, wobei der Zeigefinger die Kante i n der ge­
wünschten Breite umlegt. Der nachfolgende Daumen der rechten Hand drückt
alsdann die umgelegte Kante fest an (159.1).
158
Innere Bogen, wie Blatt­
oder Besatzausschnitte, wer­
den auf die gleiche Weise um­
gebugt, nur müssen die Kan­
t.en zur Behebung von ,
Spannungen beim Umlegen
eingeschnitten werden. Die
Tiefe der Einschnitte richtet
sich nach der Umbugbreite,
soll abei' nie mehr als
zwei Drittel derselben be­
tragen.
Die Abstände der Einschnitte 1!;9,1 Das Bugen
sollen so eng wie möglich
angeordnet sein,dennjeenger
sie zueinander liegen, desto
schöner wird der Bogenum­
bug. Weit voneinander und
ungleichmäßig liegende Ein­
schnitte führen zu ungleich­
mäßigenund eckigenUmbug­
kanten (159.2 und 3, 166.2,
170.1).

Äußere Bogen, wie Span­


genköpfe, Blattbogen, wer­
den mit einer spitzen Messer­
spitze oder mit einem Stepp­
ort umgebugt. Das Wichtig­
ste ist hierbei das gleich­
mäßigeFalt.enlegen, wodurch
159.2 Das Bugen innerer Bogen_ (Besatzbogen)

allein eine schöne Rundung


erzielt wird. Der Arbeitsvor­
gang ist in Bild 159.3 wieder­
gegeben.
Nachdem die Teile umgebugt
sind, werden die Kanten mit
dem Umbughammer leicht
angeklopft. Soweit die Teile
mit Untertritt versehen sind,
muß dieser ebenfalls ausge­
schärft werden, damit er sich
am aufliegenden Teil nicht
abzeichnet und am Fuße nicht
drückt. Damit sind die Ober­
teile zum Steppen vorgerich­
tet. 159.3 Das Bugen äußerer Bogen

159
c) Das Futter
Gutes Drellfutter ist aus dreifach gezwirntem Baumwollgarn geweht. Das Gewebe
muß sehr dicht (geschlossen) sein, wodurch das Futter Stand und Festigkeit erhält.
Bei minderwertigen Futtern werden diese ganz. oder teilweise fehlenden Eigenschaften durch
,,Appretieren" (Zoriohten) vorgetäuscht.Durch festes Reiben und Zerdrücken solchen minder­
wertigen Futters bröckelt die Appretur ab und das Gewebe erscheint danach durchsichtig,
verliert seine Festigkeit- (Stand) und wird lappig.
Aber auch das gute Futter bedarf einer leichten Zurichtung, gewöhnlich aus Dex­
trin und Kartoffelmehl, damit es sich besser verarbeiten (zuschneiden) läßt. Denn
nicht zugerichtete Futter rollen sich an den Schnittkanten, das Gewebe öffnet
sich hier und gibt somit Anlaß zum Einreißen. Bei der Reib- und Zerdrückprobe
bleiben aber gute Drelle in sich fest und werden nicht' durchscheinend.
Das Futter ist durch die Ausscheidungen des Fußes, besonders des feuchten Fußes,
starkem Verschleiß unterworfen. Die im Fußschweiß enthaltene Essigsäure und
Fettsäure zermürbt die Faser des Futtergewebes sehr schnell, hauptsächlich aber,
wenn das Schuhwerk nicht genügend Zeit zum Ausdünsten bekommt. Maßschuhe
sind dieser Gefahr weit mehr ausgesetzt als Schuhe aus dem Kasten. Da sich
nicht jeder ein zweites Paar Maßschuhe erlauben kann, so bekommt sie der zu­
friedengestellte Kunde nicht mehr vom Fuße, was naturgemäß zu einem vorzeiti­
gen Verschleiß führen muß.
Ein vom Fußschweiß verbranntes und zerfetztes Schuhfutter läßt sich nicht aus­
wechseln oder sonstwie ausbessern. Ist das Futter zerstört, fehlt dem Oberleder
der Schutz vor den erwähnten zerstörenden Einflüssen, es wird ebenfalls vorzeitig
mürb und brüchig.
Das Futter wird entsprechend der Schaftart zugeschnitten. Stiefelschäfte erhalten
im allgemeinen ein Durchausfutter und Halbschuhschäfte aus Futterleder und
Drell zusammengesetzte Futter, falls sie nicht ganz mit Futterleder ausgestattet
werden sollen. Die Art des Zuschnittes ist aus dem. Arbeitsgang des Schäfte­
machens zu ersehen.

d) Der Arbeitslauf bei der Anfertigung einzelner Schaftarteo

l. Der Herrenschnürstiefelschaft mit Ringsbesatz


Das Futter wird zugeschnitten und eingelegt. Das Futter wird nach dem Grund­
muster ausgeschnitten und erhält hinten eine Nahtzugabe von 1 cm, ebenso vorn
von der Leistenkopiespitze bis etwa 1 cm oberhalb des Besatzhöhenpunktes
(161.1).
Unter „Einlegen des Futters" versteht man das Einbringen der Rutschriemen,
der Ösenriemen, der Bordüren und Struppen.
Rutschriemen dienen dem guten Einschlupf des Stiefels als auch zum Schutz
des Futters. Das Muster dafür wird nicht für jedes Paar Schäfte neu erstellt, son­
dern ist ein Einheitsmuster. Es wird in der Höhe um 1 ... 1¼ cm niedriger als der
160
SJa;snwpun.19 Schaft gehalten, ist oben
sap 3/U!//JDlFJS 2¼••-3 cm breit und er­
weitert sich nach unten im
allgemeinen auf 5,.. 6 cm.
Weil das Schuhfutter in sehr
vielen Fällen beiderseits der
Ferse achnell durchgescheuert
llfDU.lalJnJ und viel zu früh auabesserungs-
bedürftig wird, sollen die
8/>f:J(!Jaliu_,a a.10 Rutschriemen im unteren Teil
genügend breit, etwa 10··· 12
cm, gehalten werden, damit sie
die gefährdeten Futterstellen
ge�ügend abdecken (161..2).
Die Ösenriemen �erden
entsprechend dem Ösenrie­
menmuster geschnitten und
bekommen keinerlei wei­
tere Zugaben, wenn das Mu­
ster 2 cm breit gehalten ist.
Bordüren werden zum
Abdecken des Futters an
der oberen Schaftkante b e ­
nötigt. Sie werden, teils mit
der Firmenbezeichnung be­
druckt, fertig bezogen oder
aus Futterleder und Abfall­
leder, wie die Rutsch- und
Ösenriemen, geschnitten.
Ihre Breite beträgt durch­
·schnittlioh 2¼ cm, die
Länge entspricht dem Maß
der Beinweite in der ge­
l6l.l Der Zuschnitt des wünschten Sohafthöhe.
Stiefelfutters
Vor dem Einlegen dieser
Teile muß das Futter hinten
znsammengesteppt werden.
Damit das Futter nicht zu
füllig wird, denn es nimmt
ja den Innenraum des Stie­
fels ein, der um etwas enger
ist als die Schaftaußenseite,
steppt man es hinten eim�
Kleinigkeit ab (161.1), und
zwaroben3mm, in derMitte
etwa 4 mm, nach unten
IGl.2 Das Einkleben der Futt-ergarnlturen 5 mm.
161
Nun versieht man die abgesteppte
Futterzugabe im mittleren Teil mit
1 cm breiten E:inschnitten, um Span­
nungen zu beheben, dann legt man
sie auf dem sog. Ausreibeholz mit dem
Umbughammer um, worauf zunächst
die Rutschriemen, 1 cm von der obe­
ren Kante entfernt, leicht mit Kleber
eingeheftet werden.
162.I Da9 Aufsteppen der Futtergarnituren Es folgen die an den Enden abge­
schärften Bordüren und hierauf die
Ösenriemen, die man vorn
und oben etwa 2 mm über
das Futter hin,�usgehen
läßt. Zum Schlusse werden
die Struppen eingebracht,
dazu wird scharf unter der
Bordüren.kante in dem
Rutschriemen und durch
das Futter hindurch ein der
Breite der Struppe ange­
paßter Einschnitt gemacht,
durch welchen die Struppe
herausragt (161.2). Nach
demEinlegenwirdgesteppt,
l62.2 Die gesteppte Futtergarnitur und zwar ohne Unterbre-
chung der Steppkante fol­
gend. Das Futter wird da­
nach ein Stich von der oberen Bordü­
J renkante abgeschnitten, damit es
nicht �o�steht (162.1 u. 2, 163.2).
Das Futter wird in die Quartiere ein­
gebracht. Die umgebugten Quar -
tierteile werden h:inten -durch eine
1 mm breite Naht von der Aasseite
aus zusammengesteppt, die Naht aus­
gerieben (162.3) und dann ein Hinter­
riemen mit guter, echter Seide aufge-­
steppt (163.1). Der Hinterriemen er­
hält oben eine Zugabe von 1 cm zum
Einschlagen um die Quartierkanten.
Die Quartiere werden nun rundherum
in einer Breite von etwa. 2 cm mit
Gummilösung bestrichen, desgleichen
die Futter, und nach dem Trocknen
gegen die zusammengesteppten Quar­
162.3 Dl>S Na.htausrelben tierteile geklebt. Hierbei beginnt man
162
an der Hinternaht der
Quartierteile, die genau
auf die Hinternaht des
Futters aufgelegt wird;
gleichzeitig bleibt man
bedacht, daß die Ober­
kante der Quartiere mit
der Bordüre genau ab­
schließt (163.2).
Nun werden die oberen
Quartierkanten auf die
obere Bordürenkante ge­
legt, zunächst nach der
IG3.1 Der aufgesteppte lllntertleruen

einen und dann nach


der anderen Seite hin.
Diese Arbeit wird zweck­
mäßig über dem Knie
erledigt, wodurch sich
der Schaft der Fußru n ­
dung besser anpaßt und
auch verhütet ·wird, daß
das Futter zu weit e i n ­
gelegt wird.
Zuletztwerden dieÖsen­
teile des Quartiers ge­
gen die Ösenriemen des
Futters gedrückt, doch
so, daß die letzteren vorn
163.2 Das Einlegen des Futters

und oben 2 mm vorste­


hen. Dieser vorstehende
Teil wird zum Ablassen
der Naht nach dem
Absteppen der Kanten
benötigt (163.3). Sollte
das Futter im Ösenteil
über die Quartierkanten
herausragen, muß der
überstehende Teil abge­
schnitten werden.
Nun werden die Kanten
rundherum mit dem
Umbughammer flach-
geklopft und gesteppt
IG3.3 Das eingelegte Futter

(164.1). Hierauf wird der überstehende Teil der Ösenriemen mit der Scheren­
spitze abgela-ssen, was jedoch sehr vorsichtig geschehen muß, damit die Stiche
nicht beschädigt werden (164.2).

163
Die gesteppte Kante wird
nochmals leicht geklopft,
geschwärzt oder gefärbt und
von der Futterseite aus mit
dem bereits besprochenen
Leimläppchen bearbeitet.
Damit die Struppen einen
festeren Halt bekommen,
steppt man sie im Anschluß
an dieseArbeiten nochmals
mit Quartier und Futter
zusammen (164.2).

Der Schaft wird zusammen­


genadelt. Die demFutter an
der Schaftspitze bis ober-
164.1 Die gest.eppten Quarticrkanten

halb des Besatzhöhenpunktes belassene Nahtzugabe wird nach a.ußen ungeklebt


umgebugt, die beiden Quartierteile oberhalb der Fersenbeuge mit einer Kfammer
zusammengehalten und von der Fersenbeuge aus bis zur Futterspitze zusa.m.men­
genadelt. Von der Fersenbeuge bis zur Besatzhöhe der Quartiere werden große
Stiche gemacht, da sie ja nach der Fertigstellung des Stiefels wieder amfgetrennt
werden, und von hier ans bis zur Spitze kleine (164-.3). Mit dem Ausreiben der
Futterhandnaht ist der Schaft fertig zum Überstellen.
Der Schaft wird über den Leisten gestellt, d. h. der bis hierhin gearbeitete Scha,ft

164.2 Das Ablassen des überstehenden ösenriemena

164.3 Der zusammeugenadcUc Sch.aft

164
wird für das Aufsetzen des Ringsbesatzes übergezwickt, aber nicht sehr fest
und mit wenigen Heftstellen.
Das Futter wird hinten leicht hochgesetzt oder es schließt mit der Fersenkante
des Leistens ab. In dieser Lage wird es festgeheftet und dann so weit vorgezwickt,
bis die Zange auf größeren Widerstand beim Anziehen des Futters stößt. Ein
schärferes Zwicken ·würde nicht allein den Schaft zu weit vorfallen lassen, sondern
auch zum Zerreißen des Futters führen.
Hieraufführt man je einen Zug zu beiden Seiten der Spitze aus, dann beiderseits
abwechselnd bis zu den beiden Ballen in Abständen von 3 ... 4 cm die folgenden
Züge. Das Futter muß jetzt fest aufliegen.
Sollen die Obe!'teile einen guten Schluß bekommen, d. h. eine für ihren festen
Sitz um die Knöchelpartie erforderliche Spannung, dann müssen die Quartiere
in dieser Schaftstellung leicht nach vorn ausgezwickt w�rden.
Der Quartieruntertritt wird rundherum mit Kleber bestrichen, worauf im vor­
deren Teil vorgezwickt wird. Die Zwickzange erfaßt zunächst das untere Ende
am Ösennahtteil, zieht es leicht nach vorn, doch so, daß sich keine Zerrfalten
bilden, tmd dann wird angeheftet. Dasselbe wiederholt sich auf der Gegenseite.
Der zweite Zug folgt etwa 2½ cm neben dem ersten, der nächste wieder­
um auf der anderen Seite. Dies wiederholt sich in gleichen Abständen 3- bis
4-mal (165.1). Die Arbeit
muß schnell vor sich ge­
hen, damit der Kleber
am seitlichen Untertritt
nicht eintrocknet. Nun
wird der Schaft hinten
zur vorgesehenen Höhe
heruntergezogen und
festgeheftet, das Futter
an den Seiten leicht an­
gezogen und im Gelenk
befestigt, worauf die 165.1 Der teilweise übergestelltc Schaft
Quartierseiten ebenfalls
leicht angezwickt und
nach jedem Zug an das
Futter angeklopft, wer­
den (165.2).

Die Ringshesatzschäfte
werden besätzt oder auf­
montiert. Fertig umge­
bugt oder offenkantig
beschnitten, muß der
Besatz zunächst auf
seine Länge überprüft
werden. Hierzu wird der
Besatzbogen im Besatz­
höhenpunkt aufgelegt,
der Besatz nach beiden 165.2 Der Qbergestellte Schaft

165
Seiten zugleich angespannt
und dann mit je einem Stift
am Groß- und Kleinzehen­
ballen geheftet (166.1).
Nun umfaßt die linke Hand
mit festem Griff im Besatz­
bogenteil den Leisten,
während die rechte den
einen Eesatzfl.ügel fest nach
hinten zur Nahtmitte zieht,
um festzustellen, ob die
Flügellänge stimmt. Sollte
sie sich als zu lang heraus­
stellen, so bezeichnet man
l6G.1 Das Abmessen der Besatzlänge durch einen Eindruck mit
dem Daumennagel die rich­
tige Länge (166.1). Dasselbe geschieht mit dem anderen Besatzflügel.
Die Schnittkanten werden darauf hin abgestoßen und die beiden Besatzflügel durch
eine Naht verbunden (166.2).
Der vordere Teil des Quartieruntertrittes wird jetzt mit Kleber bestrichen und,
damit er nicht zu schnell trocknet, mit Wasser leicht betupft. Dasselbegeschieht
am hinteren Teil des Quartieruntertrittes, worauf der Besatz an der bezeichneten
hinteren Besatzhöhe, in genauer Nahtmitte, aufgelegt und so weit vorgeholt wird,
daß der Besatzbogen den festgelegten Besatzhöhenpunkt erreicht.
Hierauf wird der Besatz vorn mit einem Zwickstift geheftet, mit Daumen und
Handballen beiderseits gleichmäßig angespannt und geheftet. Dieser Arbeitsvor­
gang (166.3) wird als das „überholen" des Besatzes bezeichnet.
Der Besatz wird zu beiden Seiten der Spitze heruntergeholt, dall;Il, ebenso etwas
weiter zurück und abwechselnd, einmal hüben, einmal drüben bis zu den beiden

166.2 Die Bcsatzuaht

166,3 Das 1Jberholen (Besätzen) des Schaftes

166
Zchenballen. Dies erst ist eigentliches „Überstellen".
Nach jedem Zug muß der Besatzbogen überprüft
werden, ob er schön rund und gleichmäßig ver­
läuft, so, wie er am Schaftmuster ge,1,;eichnet und
auch ausmodelliert wurde. Beim seitlichen Herunter­
ziehen der Besatzfl.ügel ist ebenfalls aufeinen gleich­
mäßigen Verlauf der oberen Kanten Wert zu legen.
In dieser Lage werden sie leicht geklebt, und die
Kanten rundherum angeklopft.
Die Zierkappen werden an der Zierkante ebenfalls
leicht mit Kleber bestrichen, auf dem im Besatz
bezeichneten Zierkappenhöhenpunkt gerade an­
gelegt und die beiden Kappenfl.ügel seitlich ange­
drückt, wobei ein leichter Zug beiderseits nach
rückwärts ausgeübt mrd. Hierdurch legt sich die
Zierkappenspitze fest an die Leistenspitze an, wo-
161.1 Das trberstellen der Zier-
durch eine allzu große Faltenbildung an der Spitze kappe
vermieden wird. Das Hauptaugenmerk muß darauf
gerichtet sein, daß die Zierkappe ge­
rade aufgerichtet wird, wa,s durch
ein teilweises Einzwicken gut zu
überprüfen ist (167.1).
Nachdem Kappe und Besatz gut an­
getrocknet sind, wird der Schaft vom
Leisten heruntergenommen und ge­
steppt. Damit der Besatz am Anfang
der Verschnürung nicht einreißen
kann, was ja schon du.roh ein
schweres Ausleisten, besonders aber
bei zu scb,malen Besatzausschnitten,
161.2 Der gesteppte SchafL möglich ist, wird an dieser Stelle ein
kleines, nach oben abgerundetes
Lederscheibchen unterlegt, das mitgesteppt wird (167.2, Pfeil a).
Besatz und Kappe werden gesteppt. Gute und
starke Seide für den Oberfaden und ein fester
Unterfaden sind ebenso Grundbedingung für t:)c::J Q.'7CJ ·
das Halten einer Besatz- und Kappennaht, wie !111111 1 ""

.n.
!iE··II 4L ;a
eine gut geregelte Spannung des Ober- und o,.,,....,.,,,"''·"'"''""'"'""""'•"""'"'
Unte,fadens. Eine gu<e Sp•nnung liegt vo,, wenn
sich Ober- und Unterfaden gleichmäßig stark l� .
anziehen lassen, wodurch sich die Fäden oben �
und unten auch gleichmäßig ins Leder oder u,,,,,.,,,.,.,,.<l>l,Ob,c/aden ,....
,,, ...,.,,,,,
Futter einziehen.
Durch eine gleichmäßige, aber zu leichte Span­
nung bleibt die Naht locker. Das führt zu den-
selben Folgen wie eine ZU lockere Einstech- oder Ob,r-undV,r.,fad,og/•i"'"•'•9"P••nt

Doppelnaht. 16'1.8 Richtige und fal5che Spa.D.llUilgen

167
Ist an einer Naht der untere Fa.den nach
oben durchgezogen, dann ist entweder die
obere Spannung übermäßig star.k oder die
untere z u schwach. Kommt der Oberfaden
unten zur Sicht, ist die Schiffchenspannung zu
stark oder die Spannung des Oberfadens zu
schwach.Nähte mit durchkommendem Ober­
oder Unterfäden können nie haltbar sein,
weil die Stiche hervorstehen undl sich daher
leicht durchscheuern oder sonst beschädigt
werden können (167.3).
Die zweckmäßigste Maschine für das
Schäftesteppen ist die „Linksarmma­
schine". Mit ihr lassen sich fast alle
168,1 Die Linksarmmaschine Schäftearbeiten ausführen (168._l).
Sondermaschinen kommen vorzugs­
weise in Betrieben zur .Anwendung,
welche sich mit der Herstellung von
Reit-, Marsch-, Jagd- und Sportschuh­
werk befassen.

rigsten Stepparbeiten am Schaft, kommt


Das Besatzsteppen ist eine der schwie­

es doch darauf an, daß die Naht bzw.


die Doppelnaht, falls der Besatz eine
solche erhalten soll, genau ausfällt.
Hierzu gehört eine durch viel Übung
zu erreichende Sicherheit.
Besondere Schwierigkeit ,,erursacht das
Steppen des Besatzbogens, der
ohne Unterbrechung durchgesteppt
werden muß, andernfalls der Naht­
verlauf leicht ungleichmäßig ausfallen
kann, was zu einer starken Beeinträch­
tigung des Gesamtbildes führt.
Beim Steppen der Besatzflügel muß
der Schaft mit beiden Händen fest an­
168.2 Die Handhaltung beim Steppeo des Besatzes

spannt werden, damit sich die Naht nicht einsteppt (168.2). Ist die Spannung an
der Maschine nämlich eine feste, wie dies für das Steppen von Besätzen, Blättern
und Kappen notwendig ist, dann wird die Naht eingehalten. Das hat zur Folge,
daß besonders der weniger dehnbare Unterfaden beim tüchtigen Auszwicken des
Schaftes reißt, wodurch die Naht keinen Halt mehr hat und bereits nach kurzem
Tragen des Schuhwerks aufgeht.
Dasselbe gilt bezüglich der Zierkappennaht. Ihr wird außerdem beim Steppen
ein Streifen Futter unterlegt, damit sie gegen ein Ausreißen beim Zwicken besser
gesichert ist (aus Bild 40.1 ersichtlich).
Das Lochen der Ösenteile zum Befestigen der Ösen und Haken folgt und als
Abschluß das Untersteppen der Lasche. Die Steppnaht für die Lasche verläuft

168
im Besatzbogen auf den Quartierteilen, dicht hinter der Besatzkante (167.2,
Pfeil b).
Nicht zu vergessen ist das Abzeichnen der Schäfte im vorderen Futterteil auf links
und rechts, da durch eine Verwechslung der Schäfte die Paßform des Schuhwerks
in Frage gestellt werden kann. Damit sind die Schäfte für die Bodenarbeit fertig.

2. Der Damen-Derbyschuh mit Kappenbesatz


Der Schaft für diese Schuhart setzt sich zusammen aus Bla,tt, Quartieren oder
Hinterteilen, Kappenbesatz, Zierkappe, Futterleder und Blattfutter.
Oberteile und Futter werden ausgeschnitten. Das Ausfeilen geschieht nach den
beschriebenen Regeln. Hiernach werden alle Oberteile ausgezogen, nach den Teil­
mustern zugeschnitten und zum Steppen vorgerichtet.
Als Futterleder kommt vorzugsweise Chevreau- und Kalblcderfutter zur Ver­
arbeitung. Es wird auch aus den Abfallteilen nicht
voll ausgewerteter CheTTeau- und Kalblederfelle
geschnitten.
Auch die Futterlederteile müssen vor dem eigent­
lichen Zuschnitt nach allen Seiten gut ausgezwickt
werden.
Das Blattfutter soll aus dem Futterstück so ausge­
schnitten werden, daß die Blattbruchlinie des Mu­
sters schräg, etwa unter 45 Grad, zum Fadenverlauf
des lt'utters liegt, ,vodurch das Futter eine größere
Dehnbarkeit erhält, sich leichter zwicken läßt und
auch im Tragen weniger Roißmöglichkeit bietet L.,,
(169.1 ). 169.1 Der Ausschnitt dc.s '.Blllitrutt.ers
Die vorgerichteten
Schaftteile werden zu­
sammengesetzt. Zu­
erst nimmt man das
Blatt und das Blatt­
futter vor. Da sich ein
aus Drell geschnitte­
nes Blattfutter zum
Abdecken der durch
die Verlängerung des
Blattes gebildeten
Lasche nicht eignet,
erhält das Futter im
Blattbogen nur einen
kleinen Ansatz von
1 cm Breite zum An­
kleben und Anstep­
pen eines Lederla­
schenfutters (169.2).
Dieses Laschenfutter IG9.2 Die zugerichteten Einzelteile des Do.men-Derby-Schuhes

169
bekommt außen herum eine Zugabe von 2 ... 3 m m zum Ablassen der Kante nach
dem Steppen. (169.2 b) sind Verstärkungsscheibchen aus kernigem, mittelkräf.
tigem Oberleder oder aus Köperfutter, clie als Nahtschutz für die Derbyecken
dienen.
Nun wird das Blatt auf das Blattfutter aufgeklebt, wobei aber nur die Laschen
mit der Aasseite gegeneinandergeklebt werden dürfen. Dann wird die Laschen­
kante abgesteppt (170.1).
Nach dem Ablassen des überstehenden Laschenfutters werden auf der Narben­
seite des Blattes die im Blattmuster festgelegten Punkte für das Einlegen der
Quartiere mit Bleistift übertragen (170.1 u. 172.1).
Die Quartierlederfutter
erhalten oben, vorn und
im Derbybogen eben­
falls eine Abfaß-zugabe
von 2... 3 mm und unten
i m Blattbogen des Quar­
tiers eine solche von
1 cm (170.2).
Die Hinternahtkanten
Eisen9arnband apercho/einen
werden abgestoßen, da­
beigelegt ufgebügelt

mit die Naht nicht


drückt, die Teile Narben
Die abgesteppte
gegen Narben genau zu­
Laschenkante mit
sammengelegt und hin­
überstehendem
ten zusammengesteppt.
Laschenfutter

110.l Zuaerichtete Scho.ftteile Nachdem die Naht aus­


gerieben ist, sind die
Quartjerfutter zum Ein­
legen in die Quartier­
oberi,eile fertig.
Die Quartieroherleder­
teile werden mitunter aus
weichem oder wenig
standhaftem Oberleder
geschnitten, z. B. Wild­
170.2 Zugaben am Quartierlederfutter leder, dünnes Chevreau­
leder, auch Schlangen-,
Eidechsen-, Krokodilleder usw. Man verstärkt dann die hieraus geschnittenen Teile
durch Aufbügeln von Guttaperchaleinen auf die Aasseite. Diese Leinenteile werden
ohne jede Zugabe, genau wie das Muster, ausgeschnitten und mit dem heißen
Bügeleisen aufgebügelt (169.2 u. 170.1).
Damit die Ösen einen festen Halt bekommen, verstärkt man die Ösenteile durch
Unterkleben von 2 cm breiten Futterstreifen (169.2, Pfeil d u. 170.1). Sollen die
Verschnürungslöcher ohne Ösen bleiben, so verstärkt man mit dünnen, aber ker­
nigen Oberlederstreifen. Untergeklebt wird ebenfalls mit Gummilösung, damit die
Ösenteile nicht zu steif werden.

170
Die umgehugten Teile iur Kappcnhesätze erhalten hinten eine Naht, worauf die
Kanten 1 cm breit mit Kleber bestrichen und gegen die Quartiere geklebt werden.
Die Kappenbesä.tze bekommen hinten, oben, eine Zugabe von 1 cm zum Ein­
schlagen um die Quartierkanten (169.2 u. 170.1). Die Zugabe muß gut a.usgeschä.rft
sein, damit die durch die Quartiere und den Kappenbesatz gebildete Oberkante
nicht zu dick ausfällt und hin.durchdrückt. Nach dem Aufklebenwird derKappen­
besatz abgesteppt. (170.2)
Da die Hinternaht des Schuhes sowohl durch falsches Anziehen als auch durch
unfachgemäßes Ein.leisten bei Ausbesserungsarbeiten sehr in Mitleidenschaft ge­
zogen wird, schützt man sie durch Beilegen eines Eisengarnbandes, wozu sich ein
in der Mitte geteiltes Stück Struppenband am besten eignet. Es wird mit Gummi­
lösung dicht an die Oberkante geklebt, damit es beim Absteppen der Kanten noch
mitgefaßt wird (170.1).
Die Zugabe des Kappenbesatzes wird dann um die Quartierkante und den Eisen­
garnstreifen geschlagen und mit Gummilösung festgeklebt.
Die Quartiere werden in das L;derfotter eingelegt. Quartiere und Futterteile werden
an den oberen und vorderen Kanten 2 cm breit mit Gummilösung bestrichen und
dann nach dem Trocknen gegeneinandergeklebt. Man verfährt hierbei genau so wie
beim Einlegen der Quartiere in die Stiefelfutter. Die Hinternabt der Quartierteile
muß auf die des Futters zu liegen kommen, wobei das Futterleder um die Ablaß­
zugabe an der Oberkante herausragt. Alsdann wird die eine Quartierseite gegen
das Lederfutter geklebt, wobei auf das gleichmäßige "Überstehen der Ablaßzugabe
des Lederlutters oben und vorn am Osenteil zu achten ist; in gleicher Weise
wird die andere Seite eingelegt (170.2). Die Kanten werden noch geklopft und
abgesteppt (170.2), die Futterkanten abgelassen, gefärbt und geglättet.
Das Blatt wird jn die Quartierteile eingelegt. Das im Blattbogen des Quartieres
1 cm überstehende Lederfutter (170.2) muß zum Einlegen des Blattes einge­
schnitten werden.
Der Verlauf des Ein­
schnittes wird am l\fo­
ster bezeichnet. Hierzu
legt man das Blatt­
muster entsprechend
den Einzeichnungen im
Grundmuster genau auf
das Quartiermuster auf
(der Blattbogen des
Quartiers muß auf die
Kennpunkte des Blattes
zu liegen kommen), hält
die beiden Muster mit 2
Klammem indieser Lage
fest und sticht mit dem a
Stepport am Ausgangs­
punkt des Laschenbo- Die durchschnittene Lederfutterzugabe
gens durch das Quar- 111.1 Das Einlegen des Blattes in die Quartlerteile

171
tiermuster (171.1). Von
diesem Punkte aus wird
ein schräg nach unten,
vorn, verlaufender Ein­
schnitt in das Quartier­
muster gemacht. Dieser
Einschnitt wird dann am
' Lederfutter bezeichnet
und beim Einschneiden
des Futters durch die er­
wähnte Zugabe weiterge­
führt (171.1). Der am
Auslauf des Derbyhogens
172.l Das auf die Markieruugspunkte eingelegte Quartier überstehende Teil der Zu­
gabe wird abgeschnitten
(171.1). Nun ist das Ein­
legen des Blattes möglich.
Der Blattbogenteil des
Quartiers wird mit Kleber
auf die Kennpunkte des
Blattes aufgeklebt(l72.l),
der Schaft herumgedreht
und dieZugabedles Leder­
futters an das Blattfutter
geklebt (172.2).
Da.mit das Blatt an den
Derbyecken nicht einrei­
ßen kann, bekommt es an
diesen Stellen etwa 2 cm
112.2 Das auf das Blattfutter aufgeklebte Quartierfutter

breite, runde, kernige Lederscheibchen unterklebt (169.2, Pfeil b). Zuerst wird
die linke Blattseite in das Quartier eingelegt und gesteppt, dann die rechte.

Das Steppen des Blattes. Nachdem der Kleber gut trocken ist, steppt man zweck­
mäßig zuerst nur das Oberleder, wobei das Futter mit dem Futterquartier zurück­
geschlagen wird. Beste starke Seide bzw. bestes Nähmaterial und gute gleich­
mäßige Fadenspannung sind bei diesen Nähten Grundbedingung, wenn sie halten
sollen. Hierauf wird das Futter gesteppt, und zum Schluß folgt eine Durchstepp­
naht, im Bedarfsfalle auch eine Doppelnaht, die das Futter mit dem Oberteil ver­
bindet; d iese jedoch nur von der Mitte des Blattbogens aus, weil das Futter für
das Einbringen der Hinterkappen im Gelenk offenbleiben muß (173.1). In gleicher
Weise geht das Einlegen und Steppen auf der anderen Blattseite vor sich.
Nachdem die Ösenteile zur Aufnahme der Ösen gelocht sind, schließt die Schaft­
arbeit mit dem Zusammennadeln oder Zubinden der Ösenteile (173.2).
Derby-Schaftschnitte können in vielen Abarten erstellt werden, denen sich auch
die Stepparbeiten anzupassen haben. Der Derbyschaft (173.3) hat außer der
Kappenbesatzverzierung noch eine Ösennahtverzierung und eine Zierkappe. Fer-
172
Crouponieren 11. 12 Kaltpoliertinte 79. 80 Sämischgerbung 145
Keder 15. 73. 74 Scha.ftgarnituren 161. 162
Damenstiften 72 Keilbeine 93. 95. 96 Schappeseide 68
Dasselfliege 4 Kern 11. 12. 15 Schärfen (Bodenleder) 17. 32.
Dextrin-Kleber 84 Kettenstich 57 35
Doppeln 69·--71 Klebemittel 84 - (Oberleder) 39. 158
Drahtnägel 72 Klebeverfahren 83 Schnittberaspeln 78
Durchaussohlen 15. 62···63 Klopfen 18. 19 Schnittbeschneiden 76. 77
Klumpfuß 106. 107 Schwärze 80
Eichenlohe 10. 143 Knickfuß 97. 102 Schwielenbildung 105
Einbinden 57. 58 Kniegelenk 92 Schwöden 8
Eindampfen 16. 17 Kombinationsgerbung 151 Seide 68
Einstechbahn 27···30 Kork 85 Seidenersatz 68
Ein.stechen 53···57 Korrektionsschuhwerk 108 Senkfuß 102
Entfleischen 8 Skelett 91···96
Enthaaren 7 Leisten (Maß) 109···113 Sohlen 13···15
- (Roh-, Handelsware) 113 Sohlennägel 72
Fatbblätter 87 Leistenformen 118 Spitzfuß 107
Feilen 20 Leistenkopie 120···124 SpittLzange 20
Fersenbein 93···96 Leistensprengung 117. 118 Spreizfuß 103. 104
Fersenbeuge 110. 111. 121 Linksarmmaschine 168 Sprungbein 91. 93. 95. 96
Fichtenlohe 10. 143 Loh- oder Altgerbung 2. 3. 6 Steifstand 16. 34. 35. 47
Flügelkappen 35 Stuppen 77. 78
Fußkrankheiten 102··· 108 Maßnehmen 86···89
Fußwurzelbänder 96 Metallnägel 71. 72 Tackse 72
Fußwurzelknochen 93 Mineralgerbung 145 Tragant 79
Futter 160. 161. 170 Modellieren 122··· 142 Trittspur 86. 89. 102. 109
Futtereinlegen 163··· 165 Muskeln 97···101
Futtersteppen 162. 163 Übei.-holen 39. 166
Überkantstich 57
Nägel 71.72 Überstellen 165·..167
Garne 65···68 Narbenbeschaffenheit 6
Gebirgsnägel 72 Überstemme 38. 39
Narbenfehler 4···6 Unterflecke 15
Gelenkbeschneiden 76. 77
Gelenkeinbau 37. 60···62
Gelenkfeder 6 1 Oberfleck 13. 15. 36 Veget.abilgerbung ( Oberleder)
Gelenkleder 13. 15. 37 Oberlederarten (Tabellen) 143 ·
Gelenknähen 69 146···149 Vorholen 41. 42
Gerbarten (Bodenleder) 3 Oberlederlack 80 Vorputz 8-1
- (Oberleder) 143. 144. 151 Oberlederschwärze 80
Gerbstoffe 3. 10. 143···151 Oberlederverarbeitung · Wachse 80
Glaspapier 79 156···159 Wadenbein 91. S2
Grünhäute 3 Örter 21. 22 Walzen 19
Weitenmaße 88. 89
Pech 84. 85 Werktisch 22. 23
Haarlockerung 7
Hakenfuß 107 Pflege des Werkzeuges 22. 23 Werkzeuge (BodeDt) 19···22
Plattfuß 102 - (Schäfte) 155
Hand.Jeder 55 Wiener Kleber 84
Hauteinteilung 11. 12 Würfelbein 93
Hautfehler 4···6 Rahmen 15. 33. 34
Hautkrankheiten 5 Rahmenbeschneiden 58···60 Zehenerkrankungen 102
Herrnstiften 72 Rahmenklopfen 58···60 Zehen1..,1ochen 93
Hinterkappe 31. 32. 38···41 Rangieren 23···38 Zelluloid-Kleber 84
Hohlfuß 105. 106 Raspeln 20···22 Zierkappen 35.42. 43.46···49.
Hohlschnitt 77 Rißöffnen 64 121
Holznägel 71 Ri.ßschneiden 63. 64 Zuschnitt 156, 157
Rohklotz 109 Zwi.ckstifte 72
Kahnbein 93. 95. 96 Rohleisten 109. 113 Zwirne 65···68

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