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Erkenne Dich selbst – Anthropologische Perspektiven I

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Hegel-Jahrbuch
2018

Herausgegeben von
Brady Bowman, Myriam Gerhard, Jure Zovko

Begründet von
Wilhelm Raimund Beyer (†)

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Erkenne Dich selbst
– Anthropologische
Perspektiven I
Herausgegeben von
Brady Bowman, Myriam Gerhard, Jure Zovko

in Verbindung mit
Birgit Sandkaulen

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ISSN 0073-1579

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Satz: Veit Friemert, Berlin
Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck

www.degruyter.com

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Inhaltsverzeichnis
Vorwort der Herausgeber   11
Birgit Sandkaulen
Vorwort   13
Walter Jaeschke, Bochum
De nuptiis philologiae et philosophiae
Zum Abschluss der Ausgabe Hegel: Gesammelte Werke   15

Erkenne Dich selbst – Vernunft und Selbst


Ludwig Siep, Münster
Erfahrung des Bewusstseins oder Vernunft in der Geschichte?   24
Claudia Bickmann †, Köln
Sein und Selbst-Sein.
Hegels Idee der Selbsterkenntnis zwischen Sich-Bestimmen und Sich-Setzen   34
Marc Nicolas Sommer, Basel
Die Selbsterkenntnis des Verstandes   40
Sergey Peruanskiy, Moscow
Anthropological Aspects of Hegel’s Doctrine on the Concept   46
Juan Serey, Viña del Mar
The Concept, Negativity, and the „I“.
On some Difficulties at the Beginning of th Subjective Logic   51
Edgar Maraguat, Valencia
On the Logical Idea of Objective Concept   56
Amrit Mandzak-Heer, Philadelphia
Cognizing Cognition’s Living Conditions.
Anthropological Implications in Hegel’s Logic   60
Achim Wamßler, Berlin
Der Begriff Heimat bei Hegel. Logische und sittliche Perspektiven   65
Silviya Kristeva, Blagoevgrad
The Subjective Relation as a Moment of Determination in Hegel’s Science of Logic   70
Andrei Chitu, Tübingen
Hegels Theorie der Modalitäten und ihre realphilosophische Bedeutung   76
Antonios Kalatzis, Jerusalem
Intelligenz und Logik. Hegels Begriff des „Denkens“ zwischen „wissenschaftlicher Logik“,
Philosophie des subjektiven und des objektiven Geistes   80
Armando Manchisi, Padova, Münster
Die Idee als „sich wissende Wahrheit“   87
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6   Hegel-Jahrbuch 2018

Noam Cohen, Be’er Sheva


Logic and Morality. Contradiction, Good and Evil   93
Norman Schultz, Pittsburgh
Logic and Time – The Diamond Net and the Movement of Spirit   98
Sander Wilkens, Trier
Die Antonymie zwischen Logik, Geschichtsphilosophie und Anthropologie   102
Lars Heckenroth, Köln
Die Substanz als Subjekt. Genese einer anthropologischen Grundbestimmung   107
Lorenzo Sala, Pisa
Is Being Thought? On What Spirit’s Systematic Role can Teach Us
about Hegel’s Identity of Thought and Being   112
Toru Ikeda, Chiba
Das verdoppelte Spekulative im Prozess der Unendlichkeit.
Zur Präzisierung des hegelschen Idealismus in der Umschreibung von
Wissenschaft der Logik und Enzyklopädie   117
Stefan Köchel, Graz, Klagenfurt
Hegels anthropologischer Gesichtspunkt. Eine Annäherung   123
Giovanna Miolli, Padua
Hegel’s Theory of Truth as a Theory of Self-Knowledge   128
Lucas Pétuaud-Létang, Bordeaux
Der Geist als sich selbst erkennende Wahrheit   134
Renate Wahsner, Berlin
Hegels Auseinanderlegen des Konkreten und dessen Aufhebung   139
Justus Schollmeyer, Berlin
Dialektische Theorien zur Lösung von Erfindungsaufgaben   144
Annette Sell, Bochum
Der Mensch im Vorbegriff   150
Thomas Hanke, Frankfurt am Main
Menschliches Denken. Über anthropologische Aspekte
in Hegels Logik-Vorlesungen   155
Florian Ganzinger, Leipzig
Das denkende Lebewesen und der Entschluss rein zu denken   161
Ludwig Krüger, Hagen und Tutzing
Der Mensch als logische Herausforderung. Anthropologie als (Formal)Logikkritik
und Einheit der Vernunft   167
Zhili Xiong, Heidelberg
Spekulative Logik als die Methodologie der philosophischen Anthropologie Hegels   172

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Inhaltsverzeichnis   7

Roland Carspecken, Pittsburgh


Community and Thought. Hegel on Human Nature and the History of Philosophy   177
Joris Spigt, Leuven
The Unity of Oppositions: Reason’s Self-Knowledge   182
Pedro Sepúlveda, Hagen
Die Einheit bei Hegel. Eine Phänomenologie des Begriffs in der spekulativen Phase   187

Anthropologie – Die Seele


Charles Larmore, Providence
Inwiefern soll Selbsterkenntnis philosophisch wichtig sein?   192
Angelica Nuzzo, New York
„Consciousness awakens in the soul“. Anthropology within the Systematic of
Hegel’s Theory of Spirit   201
Stefan Mertens, Potsdam
Worin bestehen eigentlich Hegels anthropologische Perspektiven?   209
Loughlin Gleeson, Sydney
An Evaluative Essentialist and Holistic Reading of
Hegelian Concrete Freedom in Outline: Contra Pippin   216
Önay Sözer, Istanbul
Auf dem Weg der Selbsterkenntnis. Erzitterung als Anfang der Subjektivität
im Sinne von „Selbst“   226
Maik Puzić, Siegen
Die spekulative Dimension der Anthropologie und die Rolle der Gewohnheit   231
Riccardo Martinelli, Trieste
Hegel on Character: Encyclopedia § 395   237
Stefania Achella, Chieti
Die Subjektivität und das Unbewusste   243
Werner Ludwig Euler, Florianópolis
Hegels Entwurf psychischer Krankheit in der Anthropologie der Enzyklopädie   249
Dan Tenne, Tel Aviv
Man and the Science of Man in Kant and Hegel   255
Filippo Bortolato, Padova
The Role of Aristotle’s De anima in the Encyclopaedic Anthropology   261
Christian Hofmann, Hagen
Weltseele oder passiver nous? Zur allgemeinen Substanz des subjektiven Geistes   267
Ulrich Fritz Wodarzik, Lampertheim
Hegels Geistmetaphysik mit Blick auf Plotins Seelenproblematik   272

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8   Hegel-Jahrbuch 2018

Jean-Marie Lardic, Nantes


Que connaît l’anthropologie?   279
Claude Thérien, Trois-Rivières
Contribution à l’esthétique des sensations.
Un parallèle entre l’idée d’une „physiologie psychique“
chez Hegel et la notion de „corps de l’esprit“ chez Valéry   284
Antón Barba-Kay, Washington DC
Hegel on Sleep and Walking   290
Luca Corti, Bonn
Prolegomena für eine heterodoxe Lektüre von Hegels Anthropologie   295

Phänomenologie und Psychologie


Anton Ivanenko, Sankt Petersburg
Der Status der Phänomenologie in den philosophischen Systemen von
Fichte und Hegel   300
Markus Gante, Bochum
Subjektivität und Leiblichkeit bei Hegel und Fichte   303
Héctor Ferreiro, Buenos Aires
Der praktische Geist ist der wirkliche Geist. Zu Hegels Antirepräsentationalismus   310
Brendan Theunissen, Berlin
Ist Hegels Anthropologie eine deskriptive oder eine revisionäre Theorie?
Plädoyer für eine revisionäre Lesart   316
Xabier Insausti, Baskenland
Ein Wir, das Ich, und ein Ich, das Wir ist   322
Ryu Okazaki, Berlin
Die Sache selbst als Subjekt in Hegels Phänomenologie des Geistes   329
Stefan Kühnen, Oldenburg
Zur „anthropologischen“ Grundlage der Bewegung des Anerkennens   334
Misa Sanada, Heidelberg
Die philosophische Anthropologie und die moralische Funktion des Gewissens
in der Philosophie Hegels   340
María del Carmen Paredes-Martin, Salamanca
The Limits and Role of „Verstand“   345
Serena Feloj, Pavia
Natural Intention vs. Objective Teleology. The Notion of Force in the
Preface to the Phaenomenology of Spirit   350

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Inhaltsverzeichnis   9

François Ottmann, Paris


Geist und Buchstabe.
Friedrich Schlegels Prolegomena zu Hegels Theorie des Geistes   356
Denis Kaidalov, Warsaw
Hegel’s Philosophy of Mind and its Reception by Vygotsky   361
Valentin Kanawrow, Blagoevgrad
Das Sein des Geistes ist /k/ein Knochen: Hegel und Lavater   365
Holger Hagen, Hannover
‚Menschenkenntnis‘ und ‚Selbsterkenntnis‘ in der modernen Gesellschaft:
Reflexionen von Freiheit und Verdinglichung   370

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Vorwort der Herausgeber
„Erkenne Dich selbst – Anthropologische Perspektiven“ lautete das Thema des XXXI. Internatio-
nalen Hegel-Kongresses. Der vorliegende Band vereint einen ersten Teil der Beiträge, die im Mai
2016 im Rahmen des XXXI. Internationalen Hegel-Kongresses an der Ruhr-Universität Bochum
vorgetragen wurden. Inhaltlich geht es in diesem ersten Teilband um drei große, weit gefasste
Themenbereiche: 1. Erkenne Dich selbst  – Vernunft und selbst, 2.  Anthropologie  – Die Seele
und 3. Phänomenologie und Psychologie. Der zweite, 2019 erscheinende Teilband umfasst die
Beiträge zu: 1. Phänomenologie und Anthropologie, 2. Naturphilosophie, 3. Rechtsphilosophie,
4. Geschichtsphilosophie, 5. Philosophie der Kunst, 6. Religionsphilosophie und 7. Bezüge und
Diskussionen. Die nun publizierten Texte zeigen die vielfältigen Zugänge zum Thema auf, vermö-
gen aber nicht die zum Teil sehr spannenden und anregenden Diskussionen, die vor Ort geführt
wurden, widerzuspiegeln. Mit dem Abschluss der Publikation ist es an der Zeit, dass die Diskus-
sion über die anthropologischen Perspektiven der Hegelschen Philosophie an anderer Stelle eine
Fortsetzung finden. All dies wäre aber nicht möglich gewesen, ohne die unermüdliche Tätigkeit
der Organisatoren der Tagung. Im Namen aller Teilnehmer möchten wir uns an dieser Stelle sehr
herzlich bei Birgit Sandkaulen und ihrem ausgezeichneten Team von Mitarbeitern für die vorbild-
liche Organisation vor Ort bedanken.

Pennsylvania, Oldenburg und Zagreb, im Mai 2018

Brady Bowman, Myriam Gerhard und Jure Zovko

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Birgit Sandkaulen

Vorwort
„Erkenne dich selbst“ – Hegel nennt diesen Satz ein „absolutes Gebot“ und stellt ihn seiner ganzen
Philosophie des Geistes voran. Um die Selbsterkenntnis individueller Neigungen und Schwächen
geht es ausdrücklich nicht, auch nicht um sogenannte Menschenkenntnis, die solche Dispositio-
nen bei anderen Menschen erforscht. Dies alles mag es geben, aber es ist in Hegels Augen trivial.
Wenn Hegel mit dem absoluten Gebot des „Erkenne dich selbst“ seine Philosophie des Geistes
eröffnet, dann ist dies gemeint: die „Erkenntnis des Wahrhaften des Menschen wie des Wahrhaf-
ten an und für sich – des Wesens selbst als Geistes“.
Was aber ist das „Wahrhafte des Menschen“? Das ist die alte und ganz aktuelle Frage der
Anthropologie. Wie kaum eine andere Disziplin ist die Anthropologie in den letzten Jahren ins
Zentrum des Interesses gerückt, innerhalb der Philosophie und in vielen anderen Bereichen. Und
wie immer ist die Konjunktur der Anthropologie Ausdruck einer Krise – wenn wir sicher wüßten,
worauf es ankommt, würden wir die Frage nach dem Menschen nicht stellen.
„Erkenne dich selbst – Anthropologische Perspektiven“: In systematischer und gegenwartsbe-
zogener Absicht hat der 31. Internationale Hegel-Kongress der Internationalen Hegel-Gesellschaft
unter dem großen Zuspruch von rund 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus aller Welt
vom 17. bis 20. Mai 2016 an der Ruhr-Universität Bochum diskutiert, welche Perspektiven auf das
„Wahrhafte des Menschen“ die Philosophie Hegels erschließt, wo sie überzeugt und wo sie prob-
lematisch oder renovierungsbedürftig ist. Zur Diskussion stand Hegels gesamte Philosophie des
Geistes, die ausdrücklich auf ihre anthropologischen Potentiale hin befragt werden sollte. Man
durfte vom Menschen sprechen und nicht nur vom „Subjekt“. Unter anthropologischem Aspekt
waren auch die Logik und die Naturphilosophie neu zu untersuchen. Und nicht zuletzt stand der-
jenige Teil der Enzyklopädie zur Diskussion, dem Hegel selbst den Titel „Anthropologie“ gegeben
und zu dem er mehrfach die jetzt veröffentlichten Vorlesungen gehalten hat. Im Übergang von der
Naturphilosophie zur Philosophie des Geistes hat er hier Einsichten über das menschliche Leben
einschließlich seiner Pathologien formuliert, die bis heute noch gar nicht ausgeschöpft sind.
Passend zur thematischen Ausrichtung des Kongresses ist durch die Edition der Vorlesungs-
mitschriften in der Ausgabe „G. W. F. Hegel, Gesammelte Werke“ ganz neues Material bereitge-
stellt worden: von der Logik über die Naturphilosophie, die Philosophie des subjektiven Geistes,
die Philosophie des Rechts und die Philosophie der Weltgeschichte bis hin zur Philosophie der
Kunst und der Religion. Zum Abschluss der von der Nordrhein-Westfälischen Akademie der
Wissenschaften und der Künste getragenen Ausgabe im Jahr 2016 wurde der 31. Internationale
Hegel-Kongreß vom Forschungszentrum für Klassische Deutsche Philosophie / Hegel-Archiv in
Bochum in Kooperation mit der Düsseldorfer Akademie veranstaltet – ein willkommener Anlass,
die roten Bände nicht feierlich ins Regal, sondern Hegels hier dokumentierten Beitrag zum
Erkenntnisprogramm der Anthropologie produktiv zur Debatte zu stellen. Das gilt auch für die
wenigen noch ausstehenden Bände, deren Publikation von der Gerda Henkel Stiftung sowie von
der DFG gefördert wird.

Mein besonderer Dank gilt den Förderern des Kongresses  – der Nordrhein-Westfälischen Aka-
demie der Wissenschaften und der Künste, der Ruhr-Universität Bochum, den Freunden der
Ruhr-Universität Bochum, der Stadt Bochum sowie dem Verlag Felix Meiner –, den vielen Modera-
torinnen und Moderatoren der zahlreichen Sektionen und nicht zuletzt dem engagierten Einsatz
des Bochumer Kongressteams.

Bochum, im Juni 2018 Birgit Sandkaulen


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Walter Jaeschke, Bochum

De nuptiis philologiae et philosophiae


Zum Abschluss der Ausgabe Hegel: Gesammelte Werke

„De nuptiis philologiae et philosophiae“ – das hört sich zwar antik an, ist es aber natürlich gar
nicht. Denn in der Antike hätte eine eheliche Verbindung der beiden ehrwürdigen Damen „Philo-
logie“ und „Philosophie“ nicht allein als Mesalliance, sondern als anstößig gegolten. Antik, oder
doch wenigstens spätantik, ist freilich die Erzählung von einer anderen Hochzeit der Philologie.
Bei ihr ist es jedoch nicht die Philosophie, mit der die Philologie ein Ehebündnis schließt, sondern
ihr Partner ist der Gott Merkur – und diese nach einigem poetisch wirkungsvollen Hin und Her
zustande kommende Verbindung wird schließlich vom Rat der olympischen Götter abgeseg-
net. Die neuere Verbindung von Philologie und Philosophie hingegen verdankt sich nicht mehr
solchem göttlichen Ratschluß; sie resultiert – weit prosaischer – aus den Gegebenheiten unseres
Wissenschaftssystems, das beide auseinanderreißt und sogar verschiedenen Fakultäten zuweist.
Doch dann bleibt die Erfahrung nicht erspart, daß ihnen so, in ihrer Trennung von einander, doch
etwas Wichtiges zu ihrer Entfaltung fehlt – so daß es sich nahelegt, die beiden Getrennten zumin-
dest hier und da (es muß ja nicht überall sein) wieder zusammenzuführen.
Einer der Orte, an denen ihre Verbindung in unseren Tagen  – nunmehr ganz unmytholo-
gisch – erneut Gestalt angenommen hat, ist die Ruhr-Universität Bochum, genauer gesagt: das
Hegel-Archiv der Ruhr-Universität. Und es zeigt sich nun, daß diese Verbindung keineswegs
unfruchtbar geblieben ist: Fast vierzig Bände der Gesammelten Werke Hegels sind im Laufe der
vergangenen Jahrzehnte aus ihr hervorgegangen, und auch die noch nicht veröffentlichten Bände
existieren doch wenigstens schon in statu nascendi – ganz zu schweigen von all dem, was um
diese Bände herum gewachsen ist.
Doch auch wenn dies alles richtig ist und sogar eindrucksvoll sein mag: Was hat es mit dem
Thema unseres Kongresses zu tun, mit dem Gebot des delphischen Apoll „Erkenne dich selbst“?
Gar nicht so wenig – oder sogar eine ganze Menge: schon deshalb, weil bereits die in einem neu-
platonischen Denkhorizont gefeierte spätantike Hochzeit und die an dieser Feier Beteiligten – ins-
besondere die sieben freien Künste, die dabei ausführlich das Wort ergreifen – viel mit dem Thema
‚Selbsterkenntnis‘ zu tun haben. Entscheidend aber ist etwas anderes, und zwar: Die Verbindung
von Philologie und Philosophie ist die notwendige Bedingung dafür, daß das Gebot „Erkenne dich
selbst“ nicht nur andächtig vernommen wird, sondern daß ihm auch umfassend Folge geleistet
werden kann. Diese These möchte ich nun zunächst von der einen der beiden Damen, der Philo-
sophie, erläutern lassen; danach wird auch die Philologie zu Wort kommen.

1
(1) Die Aufforderung „Erkenne dich selbst“ steht ja nicht allein – wie wir in den nächsten Tagen
wohl noch öfter hören werden  – über dem Eingangstor des Apollotempels zu Delphi, sondern
sie steht in großen, freilich nur dem geschulten Auge erkennbaren Lettern auf den Titelseiten
der von Hegel veröffentlichten Bücher (und somit natürlich auch der Gesammelten Werke), und
vor allem steht sie über der Tür des Hörsaals, in dem Hegel seine Philosophie vorgetragen hat.
Freilich ist einzuräumen, daß die Aufforderung Apolls, wenn sie von seinem Tempel in Delphi an
den Eingang zu einem Hörsaal und zudem in den Kontext der Hegelschen Philosophie verpflanzt
wird, ihren Sinn merklich ändert. Hegels Nähe zum Delphischen Gebot ist ja keineswegs in dem
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16   Hegel-Jahrbuch 2018

äußerlichen Sinne zu nehmen, daß er in unterschiedlichen Bereichen seiner Philosophie immer


wieder auf diese Aufforderung zu sprechen käme  – dies sicherlich auch!  –; sie ist vielmehr in
dem zentralen Sinne zu verstehen, daß sie das Thema seiner Philosophie formuliert. Und dies ist
keineswegs ein vielleicht biographisch bedingter Zufall, sondern es ist – für Hegel – die notwen-
dige Folge davon, daß die Wirklichkeit selbst auf solche Selbsterkenntnis hin angelegt ist: also
die Folge davon, daß die Aufforderung zur Selbsterkenntnis gleichsam in die Grundstruktur der
Wirklichkeit eingebettet und in ihr verankert ist.
Und noch eine zweite Differenz sei vorweg angedeutet: Für Hegel geht die Aufforderung zur
Selbsterkenntnis weit über die Anthropologie im engeren Sinne hinaus  – zumindest stößt sie
bis an die Grenzen der „anthropologischen Perspektiven“ vor, von denen im Kongreßthema die
Rede ist, und vielleicht reicht sie ja gar noch ein Stück darüber hinaus. Man muß sich nur klar
machen, wer der Adressat dieser Aufforderung ist. Natürlich der Mensch – wer auch sonst sollte
sie lesen oder hören? Aber doch eigentlich nicht der Mensch als das „Concretum der Vorstellung“,
sondern der Mensch, sofern er ein geistiges oder besser: insofern er das geistige Wesen ist. Damit
ist natürlich weder gesagt, daß der Mensch ein rein geistiges Wesen sei, noch ist gesagt, daß seine
Geistigkeit eine abstrakte Qualität sei, neben der er noch einen Tierkörper habe, sondern seine
Geistigkeit teilt sich auch diesem Körper mit – darüber hätte Feuerbach Hegel nicht zu belehren
brauchen, denn er hat es selber bei Hegel gehört. Gleichwohl ist vom delphischen Gebot natür-
lich nicht der Körper, sondern die mens humana angesprochen, die für Hegel eben keine andere
als die mens divina ist. Und da es für ihn keinen anderen Geist als diesen menschlich-göttlichen
Geist und seine Produktionen gibt, so kann man ebensogut sagen, daß „der Geist“ schlechthin
der Adressat der Aufforderung zur Selbsterkenntnis sei. Dies gilt auch dann, wenn heutzutage
einige meinen, dergleichen könne es gar nicht geben, weil das Wort „Geist“ bekanntlich in einige,
auch viel gesprochene Sprachen nicht wirklich übersetzbar sei. (All denen, die in diesem Sinne
‚geist-vergessen‘ sind, sei zur Aufmunterung gesagt, daß das Wort „Geist“ vor Hegel auch im
Deutschen nicht in der Hegelschen Bedeutung gebraucht worden ist. Daraus ist jedoch nicht der
Schluß zu ziehen, daß es sich hier um eine Hegelsche Idiosynkrasie handle, sondern vielmehr die
Einsicht, daß er uns – für ein aus unterschiedlichen Gründen zuvor so nicht gesehenes Phäno-
men – die Augen geöffnet hat.)
Ich halte fest: Der Adressat der – Hegelschen! – Aufforderung zur Selbsterkenntnis ist nicht
dieses oder jenes menschliche Individuum, das sich als einzelnes erkennen soll – sei es in seinem
unendlichen Wert oder sei es in seiner Niedrigkeit, ja Nichtigkeit –, sondern der Adressat dieser
Aufforderung ist der Geist – so, wie ich es eben ausgeführt habe (auch wenn dies noch zu prä-
zisieren sein wird). Und dieser Geist ist „metaphysisch“ allein in dem Sinne, daß er nicht der
physischen Welt angehört – daß man ihn weder messen noch wiegen kann. Aber das ist banal.
Zu seiner Selbsterkenntnis gelangt er jedoch nicht etwa durch Introspektion, durch ein tiefes,
angespanntes oder auch inniges Hineinblicken in sich selbst (wie immer man sich dies ausmalen
mag!), sondern seine Selbsterkenntnis beruht auf einer durch ein Anderes, durch ein Gegenüber
vermittelten Selbstbeziehung. Und in dieser Selbstbeziehung – zumindest in ihrer zunächst im
Vordergrund stehenden Form – sind zwei zusammengehörige Momente analytisch zu unterschei-
den: Objektivation und Selbsterkenntnis.

(2) Zunächst zur Objektivation  – und hier darf ich für meinen Kontext kurz an Wohlbekanntes
erinnern: Eine Voraussetzung der Selbsterkenntnis des Geistes liegt darin, daß er aus sich eine
geistige Wirklichkeit hervorbringt, eine Wirklichkeit, die Hegel als „objektiven Geist“ bezeich-
net – wobei hier nicht die künstliche terminologische Unterscheidung zwischen einem „objekti-
ven“ und einem „objektivierten Geist“ zu machen ist: Der objektive Geist ist objektiviert, wie auch
umgekehrt der objektivierte Geist objektiv ist. Der ganze Bau einer objektiven Geistigkeit, einer
geistigen Welt steigt, wie Hegel sagt, aus dem Innersten, aus dem Geist und der Freiheit des Men-
schen hervor – wo sollte er auch sonst herkommen; es hat ihn ja weder die Natur noch ein Gott
gemacht. Es wäre nun sicherlich überzogen zu behaupten, daß dieser ganze Bau der geistigen
Welt im Interesse der Selbsterkenntnis des Geistes errichtet worden sei; er verdankt sich vielmehr
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 Walter Jaeschke, De nuptiis philologiae et philosophiae   17

der unmittelbaren, ihm unaufhebbar eigenen Arbeit des Geistes. Man kann ihr nicht die Intention
unterstellen, einen solchen Gesamtbau zu errichten; sie wirkt an dieser oder an jener eher zufäl-
ligen Stelle dieses Baus, sie objektiviert sich in ihm, und in dieser Objektivierung zeigt sich eine
im Grunde unerklärliche Besonderheit: Sie erfolgt stets in zwei Dimensionen, einer gleichsam
synchronen systematischen Ausfaltung und einer diachronen geschichtlichen Entwicklung – und
beides nicht etwa nebeneinander, sondern untrennbar, ‚uno actu‘: Die systematische Ausfaltung
vollzieht sich stets im Kontext einer geschichtlichen Entwicklung, und diese wiederum ist nicht
zu denken ohne eine sie tragende systematische Ausfaltung – auch wenn beide in der Darstellung
getrennt verfolgt werden müssen. Diese in sich gedoppelte Objektivationsstruktur prägt auch den
Aufbau der geistesphilosophischen Vorlesungen Hegels, die Unterscheidung in die Entfaltung des
Begriffs und die Darstellung der geschichtlichen Entwicklung. Und bereits die Erkenntnis dieser
dualen Objektivationsform ist nicht das unwichtigste Moment der Selbsterkenntnis des Geistes –
noch unabhängig und vor der Erkenntnis der in dieser Objektivation herausgeformten Inhalte.
Dieser Bau der geistigen Welt, habe ich gesagt, ist nicht ‚im Interesse‘ der Selbsterkenntnis
errichtet. Es wäre doch etwas gewagt zu sagen, daß der Geist diesen Bau errichtet, um zu seiner
Selbsterkenntnis zu gelangen. Von bewußten Zwecksetzungen kann auf dieser Ebene nicht die
Rede sein. Vielmehr: Er errichtet diesen Bau – doch indem er ihn errichtet, bezieht er sich in seiner
Objektivation auf sich und erkennt sich. Dies ist gleichsam ‚sein Leben‘; seine Objektivation ist die
Voraussetzung für seine Selbsterkenntnis, und sie treibt diese auch hervor: Die Objektivation des
Geistes bleibt nie ohne alle Reflexion auf sich selbst, auch dort nicht, wo – wie beim objektiven
Geist – der primäre Zweck der Objektivation nicht in der Selbsterkenntnis liegt, sondern in der
Herausformung von Strukturen und Institutionen zur Ordnung des gesellschaftlichen Lebens.

(3) Über dieser Sphäre lagert jedoch noch die andere, die keinem äußeren, praktischen Zweck
dient, sondern ausschließlich der Erfüllung des Delphischen Gebots. Als absoluter Geist, in
Kunst, Religion und Philosophie, ist der Geist ja nur noch mit sich, mit seiner Gestaltung und
seiner Selbsterkenntnis beschäftigt: Er entwirft Gestalten – aus sich und von sich; er arbeitet sich
an Marmorblöcken ab, um sich zu vergegenständlichen, oder er schreibt Symphonien oder Tra-
gödien, in denen er sich anschaulich macht und sich anschaut  – in seiner Größe wie auch in
seiner Abgründigkeit. Er entwirft aus sich heraus große Vorstellungskomplexe, Weltdeutungen,
durch die er sich über seinen Ort, über sein Woher und sein Wohin orientiert, und er verdichtet
diese Vorstellungen auch zu individuellen Gestalten, in denen er sich wiederum ein Bild von sich
macht – und dies selbst dann, wenn er sich eben dieses verbietet. Er manifestiert sich und erkennt
sich in seiner Manifestation; sich manifestieren und sich erkennen ist eins. Und doch: Während
der Geist hier der Erfüllung des Delphischen Gebots gleichsam zum Greifen nahe gekommen ist,
trennt ihn noch eine tiefe Kluft von dieser Erfüllung: Denn Kunst, Religion und partiell sogar die
Philosophie sind – mit Hegel gesprochen – zwar an sich Formen der Selbsterkenntnis des Geistes,
aber es ist nicht für sie, daß sie dies sind – daß eben dies ihr Begriff ist. Und so bleibt der Geist
gerade dort, wo er sich zur höchsten Form seines Selbstbewußtseins heraufgearbeitet hat, im
tiefsten Mißverständnis seiner selbst befangen.

(4) Daraus gilt es eine Konsequenz zu ziehen – und eine Berichtigung vorzunehmen. Eingangs
habe ich gesagt, der Adressat des Delphischen Gebots sei für Hegel nicht der einzelne Mensch,
sondern „der Geist“. Doch ist inzwischen deutlich geworden, daß ein solches Gebot, das sich
pauschal an „den Geist“ richtet, eigentlich überflüssig ist: Denn der Geist hat ja nicht auf Apoll
und schon gar nicht auf Hegel als seinen Interpreten gewartet, um zu tun, was er immer getan hat
und auch weiterhin immer tun wird: sich zu manifestieren und sich in seinen Manifestationen zu
erkennen. Wenn das Gebot nicht nur das Alltagsgeschäft des Geistes in imperativischer Form aus-
drücken, sondern als Gebot eine Berechtigung haben soll, so kann es nur um diesen letzten Schritt
gehen: die durch die Arbeit des Geistes nur an sich vorhandene Selbsterkenntnis in eine Selbst-
erkenntnis für den erkennenden Geist zu verwandeln und zu erheben – also das Mißverständnis

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18   Hegel-Jahrbuch 2018

seiner selbst zu transzendieren, daß er es nicht mit sich selbst, sondern mit einem anderen zu tun
habe. Und deshalb richtet sich dieses Gebot insbesondere an die Philosophie: Sie ist der eigentli-
che Ort der Selbsterkenntnis des Geistes – und sie ist es auch, die die beiden anderen Formen des
absoluten Geistes thematisieren und über ihr Selbstmißverständnis aufklären kann und soll. Und
deshalb hält Hegel Vorlesungen über die Philosophie der Kunst und der Religion.

(5) Es verwundert nicht, daß für Hegel der gleichsam der ‚natürliche Ort‘ der Selbsterkenntnis des
Geistes die Geistesphilosophie ist – und so erinnert er insbesondere zu ihrem Beginn an das Gebot
des delphischen Gottes. Doch wäre der Geltungsbereich dieses Gebotes erheblich verengt, wenn
man ihn erst mit der Geistesphilosophie beginnen ließe: Er schließt die gesamte Philosophie in
sich – also auch die Wissenschaft der Logik und die Philosophie der Natur. Oder allgemein gespro-
chen: Die Selbsterkenntnis des Geistes schließt mehr in sich als seine Selbsterkenntnis in seinen
Manifestationen.
Wie aber kann in der Logik von einer Selbsterkenntnis des Geistes die Rede sein? Nun, in der
Logik sicherlich nicht – denn die logischen Bestimmungen wissen weder von sich noch vom Geist,
und auch die Natur weiß nichts von sich und nichts vom Geist. ‚Wissen‘ kann nur der Geist. Zu
seinem Wissen und Sichwissen gehört aber konstitutiv ein Wissen um die Logik hinzu. Das Gebot
der Selbsterkenntnis des Geistes schließt die Aufforderung an den Geist in sich, sein Verhältnis zur
Logik zu bestimmen – und hierbei steht an erster Stelle die Einsicht, daß er in seinem Verhältnisse
zur Logik nicht, wie in den bisher betrachteten Verhältnissen, in einem Selbstverhältnis steht: Die
logischen Bestimmungen, die Bestimmungen des „objektiven Denkens“, sind – trotz dieser zwar
leicht mißverständlichen, jdoch sehr erhellenden Begriffsbildung  – keine Objektivationen des
Geistes, ebensowenig wie der Geist eine Objektivation der Logik ist. Beide stehen aber auch nicht
beziehungslos nebeneinander, sondern die Logik bildet das ‚innere Gerüst‘ des Geistes – das, was
dem Geist zu Grunde liegt. Sein Verhältnis zur Logik ist also weder ein Selbstverhältnis noch ein
Verhältnis zu einem abstrakt Anderen, sondern ein Verhältnis zu seiner Grundlage – und allein in
dieser vermittelten Weise kommt ein Moment der Selbstbezüglichkeit auch in das Verhältnis des
Geistes zur Logik.
Das Wissen des Geistes von sich kann nicht vollendet sein, so lange er sich über sein Verhält-
nis zur Logik keine vollständige Klarheit verschafft hat – und mir scheint, daß er in dieser Hinsicht
bisher ein gutes Stück hinter dem delphischen Gebot zur Selbsterkenntnis zurückgeblieben sei.
Sein Wissen von sich kann aber auch nicht vollendet sein, so lange er sich über sein Verhältnis zur
Natur keine vollständige Klarheit verschafft hat – so lange er sie nicht als sein Anderes weiß. Diese
Formel ist uns – als Formel! – natürlich allen geläufig – aber steht uns wirklich im gleichen Grade
klar vor Augen, wie sie inhaltlich zu konkretisieren ist? Glücklicher Weise hat Hegel sich in dieser
Frage konkreter geäußert; er hat sogar einen eigenen Bereich seiner Philosophie ihrer Klärung
gewidmet, und er hat den Anspruch des delphischen Gottes auch auf diesem Gebiet bekräftigt,
freilich auch hier eher so, daß in die Form eines Gebotes gekleidet ist, was ohnehin von selbst
geschieht. Denn der Geist „ist intolerant, selbstsüchtig, will befriedigt sein, will nicht bloß in
Besitz von Naturkenntnissen kommen, sondern sich selbst in der Natur finden“; „in der Naturphi-
losophie will sich der Geist selbst haben.“ (GW 24.2,757) Nun mag man zwar den Eindruck haben,
daß Hegel in der Durchführung seiner Naturphilosophie diesem Programm nicht stets gerecht
geworden sei, doch mit der Formulierung des Programms hat er unstreitig betont, daß der Geist
das Gebot, sich zu erkennen, nicht umfassend erfüllen kann, wenn er sich nicht auch in der Natur
erkennt.
Das Gebot der Selbsterkenntnis schließt also alle Bereiche der Philosophie ein. Ich habe eben
nochmals hervorgehoben, daß es zwar nur ausspricht, was der Geist ohnehin tut, daß es sich in
seiner imperativischen Form jedoch an den Erkennenden richtet und ihm ins Bewußtsein ruft,
daß die vollendete Selbsterkenntnis des Geistes alle Bereiche der Philosophie einschließen muß –
oder, um es mit dem Reizwort zu sagen: das Ganze. Denn nur das Ganze ist das Wahre – und dies
gilt weiterhin, auch wenn man gemeint hat, sich mit einem flotten Bonmot über diese Wahrheit
hinwegsetzen zu können. Nur diejenige Selbsterkenntnis des Geistes, die sich am Ganzen der Phi-
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 Walter Jaeschke, De nuptiis philologiae et philosophiae   19

losophie bewährt, erfüllt das Gebot des delphischen Gottes – oder genauer: nur sie erfüllt dieses
Gebot in der Bedeutung, die Hegel ihm gegeben hat. Daß damit vom einzelnen Erkennenden
nichts Unmögliches gefordert wird, ist schon deshalb klar, weil die Forderung sich als allgemeine
ja gar nicht an den Einzelnen richtet, sondern an den Geist  – und der Geist ist nichts Einzel-
nes. Man muß diese Forderung jedoch in zweifacher Weise konkretisieren: Die Selbsterkenntnis
des Geistes darf sich nicht nur auf das Themenspektrum der Geistesphilosophie beschränken,
sondern sie muß – wie vorhin betont – auch die Logik und die Natur einschließen. Dies dürfte
wenig umstritten sein. Die zweite Konkretion hingegen wird nicht allgemein geteilt: Die Logik
bildet fraglos die Grundlage der Philosophie Hegels. Ich will mir meine Argumentation nun nicht
dadurch erleichtern, daß ich mich auf eine Wendung stütze, die Hegel in seiner Rechtsphiloso-
phie mit gutem Grund gebraucht: Das, was die Grundlage ist, ist eben auch nur die Grundlage. Ein
solches „nur“ wäre hier fraglos nicht am Platze. Auch ist die Logik ja gar nicht „nur“ Grundlage,
sondern sie ist das innere Gerüst und zugleich die bewegende Seele des Ganzen. Aber so wichtig
sie sowohl für sich als auch in ihrer Funktion als „Gerüst und Seele“ der anderen Systemteile ist:
Sie ist eben doch nicht das Ganze. Der Geist hingegen ist, wie Hegel schon in seinen allerersten
Systementwürfen formuliert, die Resumtion des Ganzen in Eins. Und deshalb kann man schwer-
lich schroffer gegen das Apollinisch-Hegelsche Gebot der Selbsterkenntnis des Geistes verstoßen
als durch die Verbannung der Naturphilosophie und der Geistesphilosophie aus dem Corpus
Hegelianum.

2
(1) Zu Beginn meines Vortrags habe ich von einer Verbindung und im Titel sogar von einer Hoch-
zeit von Philologie und Philosophie gesprochen, dann aber nur noch die Philosophie zu Wort
kommen lassen und die Philologie zum Stillschweigen verurteilt. Doch spätestens jetzt ist es Zeit,
auch sie zu Wort kommen und über ihren Beitrag zur Selbsterkenntnis des Geistes Auskunft geben
zu lassen. Sie wird dabei in ihrer Sprache sprechen und andere Probleme in den Blick rücken
als diejenigen, die bis jetzt von der Philosophie aufgeworfen worden sind; es wird nicht mehr
um den Begriff der Selbsterkenntnis des Geistes gehen, sondern um die weit prosaischere Frage,
welche Rolle die Philologie im Dienste dieser Selbsterkenntnis zu übernehmen hat. Es sei aber
auch gleich festgehalten, daß alles, was die Philologie sagt, mit der Philosophie abgestimmt sein
muß – nicht in dem Sinne, daß es nachträglich deren Prüfung unterworfen würde, sondern daß
beide gemeinsam überlegen müssen, wie die anstehenden Probleme am besten zu lösen seien.
Der Gegenstand der Selbsterkenntnis des Geistes, habe ich gesagt, ist das Ganze des Corpus
Hegelianum, und so muß dieses Ganze auch der Gegenstand der Interpretation sein. Die Inter-
pretation ist ja ein bevorzugter Ort dieser Selbsterkenntnis  – sicherlich nicht nur sie, aber von
eigenständiger systematischer Arbeit ist an dieser Stelle nicht zu reden. ‚Das Ganze‘ also ist
Gegenstand der Interpretation – aber was ist dieses Ganze? Mit dieser Frage ist ein gravierendes,
vielschichtiges Problem angesprochen: Das Ganze, das Gegenstand der Erkenntnis sein soll, ist ja
kein Gegebenes; es ist ein vielfältig schillerndes Ganzes, das nicht geradewegs zu thematisieren
ist; vielmehr ist es allererst zu konstituieren. Wäre dies anders, käme der Philologie allenfalls
eine Nebenrolle zu. Doch es ist nicht anders: Das Ganze, das Gegenstand der Interpretation sein
soll, ist kein fertig Vorhandenes, kein vorliegendes Ganzes – und mit dieser Einsicht ist zugleich
die Aufgabe der Philologie benannt: Ihr fällt es zu, dieses Ganze als den Gegenstand der Selbst-
erkenntnis allererst zu erarbeiten, ihm die angemessene Gestalt zu geben und somit die Voraus-
setzung dafür zu schaffen, daß es – als Ganzes – Gegenstand der philosophischen Interpretation
werden kann. Die Unmittelbarkeit, in der uns bei der Lektüre das Ganze der Philosophie entge-
gentritt, ist eine – mit Hegel gesprochen – durch Philologie vermittelte Unmittelbarkeit.

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20   Hegel-Jahrbuch 2018

Die Realisierung dieser Aufgabe ist fraglos ein Balanceakt – dies zeigt sich schon darin, daß
die Frage nach dem Ganzen der Philosophie Hegels in unterschiedlichen Stadien der Forschungs-
geschichte durchaus unterschiedlich beantwortet worden ist – und ob die Antwort später einmal
anders ausfallen wird als heute, können wir nicht antizipieren, sondern nur mit philosophischem
Gleichmut abwarten. Ich möchte die vielfältigen Probleme, die in dieser Frage nach dem Ganzen
impliziert sind, zu drei Themenbereichen zusammenfassen und kurz illustrieren – es geht ja um
Themen, die beim Studium der Hegelschen Philosophie im allgemeinen nicht in den Blick geraten,
weil der „Mythos des Gegebenen“ auch und vornehmlich die Lektüre von Texten in seinen Bann
schlägt und die Geschichte, die ihnen im Rücken liegt, ins Dunkel abdrängt.

(2) Zunächst zur Form des Ganzen der Hegelschen Philosophie: Es gibt nicht so etwas wie eine
‚Standardform‘ oder ‚Normalform‘, auf die man als selbstverständlich zurückgreifen könnte. Statt
eines Ganzen haben wir hier eine lange Sequenz von sich ablösenden Ganzen, und auch, wo diese
Bewegung zum Stillstand zu kommen scheint, in der ersten Ausgabe der Enzyklopädie, kommt sie
nur an der schematisch strukturierten Oberfläche zu einer relativen Ruhe – und ohnehin nicht zu
einem ‚Ganzen‘. Deshalb wäre der vielleicht naheliegend scheinende Versuch einer Orientierung
am Aufbau und am thematischen Umkreis der Enzyklopädie gerade nicht eine Orientierung am
‚Ganzen‘, sondern dessen heillose Zerstörung, durch die Amputation lebenswichtiger Teile. Nicht
einmal die Freunde und Schüler Hegels haben sich eines solchen Unfugs schuldig gemacht – trotz
ihres Versuchs, Hegels Philosophie als ein aus dem Haupte des Zeus entsprungenes geschichtslo-
ses Ganzes in die damalige Diskussion hineinzuwerfen. Das ‚Ganze‘ der Hegelschen Philosophie
ist nie ein ‚rundes‘, ‚fertiges Ganzes‘ gewesen – und diese negativ klingende Aussage kann man
auch positiv wenden: Es ist nie ein ‚totes‘, sondern stets ein ‚lebendiges Ganzes‘ gewesen, ein
‚Ganzes in Bewegung‘. Diese Bewegung ist nicht frei gewesen von tiefgreifenden Revisionen  –
als Beispiel darf ich die Auflösung der Metaphysik durch die Logik anführen –; sie ist aber frei
gewesen von Kehrtwendungen und prinzipiellen Neuansätzen. Deshalb läßt sie sich am besten
mit dem Hegelschen Begriff der ‚Entwicklung‘ beschreiben, und deshalb läßt sich hier auch von
einer ‚Entwicklungsgeschichte‘ im strengen Sinne der schrittweisen Durchbildung, der sukzessi-
ven Entfaltung einer immanenten Rationalität sprechen. Gerade deshalb aber stellt sich die Frage,
ob diese Entwicklungsgeschichte neben dem Ganzen der Hegelschen Philosophie einherlaufe oder
ob sie nicht vielmehr ein konstitutives Element dieses Ganzen sei. Hegels Freunde und Schüler
haben diese Frage bekanntlich stillschweigend verneint und sich damit begnügt, in ihrer Ausgabe
ein Resultat zu präsentieren – doch gegen dieses etwas rüde Vorgehen ist an Hegels Wort zu erin-
nern, daß ein solches nacktes Resultat lediglich ein Leichnam sei, der seine Lebendigkeit hinter
sich gelassen habe; „das wirkliche Ganze“ – so Hegel – sei das Resultat „zusammen mit seinem
Werden“ (GW 9,10) – also ein ‚lebendiges Ganzes‘. Dieses Argument Hegels hat die Konzeption
der Gesammelten Werke vorgezeichnet: Sie präsentieren nicht ein fixes und zugleich abstraktes
Ganzes, sondern ein Ganzes, das die lebendige Entwicklung nachzeichnet und nach-denken läßt,
die es in seinem Werden durchlaufen hat – soweit dies heute noch möglich ist.

(3) Doch – widerspricht dieses Bild der Philosophie Hegels als eines „lebendigen Ganzen“ nicht
dem von ihm ausgearbeiteten „System der Wissenschaften“? Dies wäre ein ernstzunehmender
Einwand – wenn Hegel wirklich ein solches „System der Wissenschaften“ ausgearbeitet hätte. Er
wird zwar viel dafür gescholten, daß er dergleichen getan habe  – doch läßt sich dem Faktum
dieser Schelte nicht entnehmen, daß er es wirklich getan habe. Es ist zwar richtig: In seinen
frühen Jahren ist Hegels Intention auf die Publikation eines solchen „Systems“ gerichtet gewesen;
noch seine Phänomenologie des Geistes ist unter dem Titel „System der Wissenschaft. Erster
Theil“ erschienen. Doch ein solches „System der Wissenschaft“ hat Hegel nur angekündigt, als er
noch keines hatte und auch noch keinen einzigen Bereich seiner Philosophie in Wissenschafts-
form ausgearbeitet hatte. Als ihm dann aber bewußt geworden ist, daß er die als Bausteine für
dieses System vorgesehenen Wissenschaften selbst erst mühsam machen müsse, ist er erheblich

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 Walter Jaeschke, De nuptiis philologiae et philosophiae   21

zurückhaltender geworden. Statt eines solchen „Systems“ hat er seine Enzyklopädie der philoso-
phischen Wissenschaften veröffentlicht – und gerade nicht mit dem Anspruch, hier sein „System“
vorzulegen, sondern ausdrücklich als einen „Grundriß“ „Zum Gebrauch seiner Vorlesungen“, als
einen „Leitfaden“ für seine Zuhörer, mit der Bestimmung, als „Vorlesebuch zu dienen, das durch
mündlichen Vortrag seine nöthige Erläuterung zu erhalten hat“ (GW 19,5). Doch die Einfügung
von Erläuterungen aus dem mündlichen Vortrag macht ein „Vorlesebuch“ nicht zum System. Es
ist deshalb eine strikt gegen Hegels Zweckbestimmung der Enzyklopädie gerichtete Entschei-
dung seiner Schüler und Freunde gewesen, die zwar prägnant formulierten, aber vergleichsweise
dürren, als Orientierungshilfe gedachten Paragraphen der Enzyklopädie durch andere Texte aus-
zustopfen und das Resultat unter dem Titel „System der Wissenschaft“ auszustellen. Die von den
Schülern für diesen Zweck redigierten „Zusätze“ weisen zwar durchweg ein hohes Niveau auf, so
daß wir beschlossen haben, sie den Gesammelten Werken als Sekundäre Überlieferung beizuge-
ben. Wir haben diese Entscheidung nicht allein aus forschungsgeschichtlichen Gründen getrof-
fen, sondern auch und gerade wegen des potentiellen Quellenwerts dieser „Zusätze“. Deshalb
veröffentlichen wir sie nach Möglichkeit quellenkritisch aufgeschlüsselt, aber ohne den Anspruch
zu erheben, das von Hegel nicht ausgearbeitete „System“ nun doch noch in seinem Sinne gestal-
ten und mit einer Verspätung von zwei Jahrhunderten nachliefern zu wollen. Und wenn dieses
Interesse bereits bei den Schülern und Freunden Hegels gegen dessen Intention verstoßen hat,
so ist es erst recht ein beschämendes Zeugnis für einen Mangel an philologischem Takt, daß die
unredliche Unterstellung, durch diese Ergänzung Hegels „System der Wissenschaft“ feilzubieten
zu können, auch im 20. Jahrhundert wiederholt worden ist und bis in die Gegenwart wiederholt
wird.

(4) Das „Ganze“ also  – aber nicht als „System“, und schon gar nicht als „abgeschlossenes“,
sondern als ein lebendiges Ganzes, das die Resultate zusammen mit ihrem Werden vor Augen
stellt. Doch leider: Seine Lebendigkeit kann nicht überspielen, daß es ein fragmentarisches
Ganzes ist, und dies nicht nur deshalb, weil in Hegels Ausarbeitungen vieles Fragment geblie-
ben ist, sondern weil dieses Ganze erhebliche Wunden aufweist, die ihm die Ungunst der Über-
lieferungsgeschichte geschlagen hat. Es sind, soweit wir wissen, drei Etappen gewesen, die das
ehemals vorhandene Ganze zu dem heute noch vorhandenen verstümmelt haben:
Die erste Etappe wird gebildet durch die Selektion von Hegels Hand. Über sie wissen wir so
gut wie nichts. In vieler Hinsicht wird sie nicht anders verlaufen sein als bei jedem von uns – man
sichtet seine Unterlagen, hebt auf, was brauchbar erscheint und wirft das andere weg. Wegwer-
fen ist allerdings nicht Hegels Sache gewesen, und so können wir auch nur in einem Fall eine
Vernichtung von Manuskripten durch Hegel selbst erschließen: im Falle seiner frühen, politisch
anstößigen Flugschrift über die Verhältnisse in seiner Heimat Württemberg. Weit dramatischer
sind die Verluste, die die zweite Etappe der Überlieferungsgeschichte – oder besser Vernichtungs-
geschichte – dem Corpus der Hegelschen Philosophie zugefügt hat: die Veruntreuung und damit
faktische Vernichtung aller Hegelscher Vorlesungsmanuskripte  – abgesehen von einer einzi-
gen Ausnahme  –, und dies nicht etwa aus Zerstörungswut oder durch zielgerichtete Selektion,
sondern aus einer Mischung aus Sorglosigkeit, Ignoranz und Überheblichkeit. Nach ihrer Edition
in der Freundesvereinsausgabe und nach der Publikation eigener Schriften der Schüler erschie-
nen ihnen Hegels Manuskripte als wertlos – als allenfalls noch von nostalgischem Wert, und in
einzelne Blätter zerlegt als geeignetes Geschenk für gute Freunde und Autographensammler. Die
dritte Etappe hingegen hat nochmals anderen Charakter: Sie ist die weiträumige Vernichtung von
Manuskripten. Ihr mögen viele wertlose Aufzeichnungen zum Opfer gefallen sein, sie hat aber
auch den Charakter einer absichtlichen Säuberung und Stilisierung des Bildes von Hegel: Nur so
erklärt sich, daß damals viele philosophische und politische Texte aus dem Nachlaß vernichtet
worden sind, während all das, was brauchbar erschien, um ihn zum Kirchenvater des 19. Jahrhun-
derts zu stilisieren, sorgsam aufbewahrt und dann ja auch mit entsprechendem Anspruch und
Erfolg publiziert worden ist.

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22   Hegel-Jahrbuch 2018

Ich habe diese nicht ganz unbekannten Umstände hier nochmals erwähnt, weil sie erheb-
liche Folgen für das uns überkommene Corpus Hegelianum gehabt haben. Das Ganze, was uns
vorliegt, ist sicherlich ein „lebendiges Ganzes“ – aber es ist ein zumindest fragmentarisches und
partiell auch ein stilisiertes Ganzes, und in weiten Partien ist es auch ein ungeordnetes Ganzes.
Trotz des Verlustes seiner Vorlesungsmanuskripte haben wir ja noch viele Manuskripte von seiner
Hand. Ihrer Vernichtung sind sie durch den glücklichen Umstand entgangen, daß Hegels Freunde
und Schüler ein anderes Bild vom Ganzen der Hegelschen Philosophie gehabt und sich nicht um
sie gekümmert haben. Doch fast keines von diesen überlieferten Manuskripten hat Hegel datiert,
und daß die Interpretation nicht geordneter und nicht datierter Manuskripte nur ins Chaos führen
kann, hat Rosenkranz mit seinen Ausführungen zum Jenaer Hegel ungewollt, aber überdeutlich
demonstriert. Hier also hat die Philologie einen wahren Tummelplatz gefunden, auf dem sie ihre
unverzichtbare Kompetenz und ihre Priorität vor der philosophischen Interpretation – wenn auch
nicht ihre völlige Loslösung von der Interpretation – unter Beweis stellen konnte: Sie hatte die
Konvolute zu ordnen und Chronologien für die Datierung der einzelnen Blätter, Bogen und Zettel
zu erarbeiten – ganz abgesehen vom Alltagsgeschäft ihrer Entzifferung und textkritischen Präsen-
tation.
Mit der Publikation des letzten Bandes der ersten Abteilung vor zwei Jahren sind diese Arbei-
ten an Hegels Manuskripten zwar abgeschlossen, doch kann die Philologie damit noch keineswegs
die Hände in den Schoß legen: Parallel zur Schlußphase der Bearbeitung der ersten Abteilung
haben wir ja die noch umfänglichere Edition der Vorlesungsnachschriften in Angriff genommen –
und dies wird uns bis zum offiziellen Abschluß des Projekts am Ende dieses Jahres (und auch
noch etwas länger) beschäftigen. Warum ist dies nötig? Stehen noch nicht genügend Hegelbände
im Regal – und ist das, was in den Nachschriften steht, wirklich verläßlich, und selbst wenn es
dies ist: ist es nicht nur läßliches Beiwerk zum ‚eigentlichen‘ Werk, spekulative Schonkost für die
damals Studierenden? Ich möchte hierauf drei Antworten geben.
Zunächst: Hegel ist ja (mit nur ganz kurzer Unterbrechung) drei Jahrzehnte als Hochschul-
lehrer tätig gewesen, weit länger als Fichte oder Schelling, und er hat – anders als Kant – in einer
wissenschaftsgeschichtlichen Situation gelehrt, in der die akademische Lehre nicht mehr die Ver-
mittlung von kanonisiertem Stoff, aber auch noch nicht die neuere, weitgehend hermeneutisch
orientierte Darstellung gewesen ist, sondern der primäre Ort für die Präsentation der Resultate der
philosophischen wie der theologischen, der juristischen wie der historischen Forschung. Die aka-
demische – und für einige Jahre auch die gymnasiale – Lehrtätigkeit ist das Medium der Entwick-
lung der Philosophie Hegels. Die Wissenschaften, von denen er gesagt hat, daß er sie erst erarbei-
ten müsse, hat er nicht für die Publikation in Büchern, sondern für seine Vorlesungen erarbeitet.
Selbst seine Phänomenologie des Geistes ist aus ihnen hervorgegangen; wieviel die Wissenschaft
der Logik der sukzessiven Ausarbeitung der Logik in den Nürnberger Gymnasialkursen verdankt,
läßt sich jetzt in Band 10 der Gesammelten Werke minutiös studieren, und auch die Grundlinien
der Philosophie des Rechts sind erst aus den Vorlesungen erwachsen.
Die Vorlesungsnachschriften bilden deshalb einen unverzichtbaren Teil des Ganzen der Hegel-
schen Philosophie – ohne sie wäre das Ganze nicht einmal ein Halbes. Hegels Version des Gebots
der Selbsterkenntnis wäre nicht allein sträflich mißachtet – ohne die Philosophie des Geistes wäre
es auch gar nicht verständlich zu machen. Natürlich wäre eine von Hegel in Wissenschaftsform
ausgearbeitete Darstellung seiner Philosophie vorzuziehen – doch dies ist banal. Es läßt sich ja
nichts mehr daran ändern, daß Hegel seine Philosophie primär nicht in Büchern, sondern in Vor-
lesungen vorgetragen hat – und daß sie auch primär durch diese Vorlesungen rezipiert worden ist.
Was wüßten wir ohne sie von seiner Philosophie der Natur, von der Philosophie des subjektiven
Geistes (unter Einschluß der Anthropologie!), von der Philosophie der Weltgeschichte, der Kunst,
der Religion oder gar von seiner Geschichte der Philosophie, die ja der innerste Bereich dieser
Selbsterkenntnis ist? Die Schlüsselstellung der Vorlesungsnachschriften ist sicherlich nicht unab-
hängig vom Verlust der Vorlesungsmanuskripte Hegels – deshalb habe ich ihn vorhin erwähnt. In
dieser Perspektive erscheinen die Vorlesungsnachschriften als bloßer Ersatz für die unersetzbaren
Manuskripte – und diesem Eindruck ist auch nicht gänzlich zu widersprechen. Er ist aber auch
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 Walter Jaeschke, De nuptiis philologiae et philosophiae   23

nicht gänzlich zu bestätigen. Denn wie man an den leider nur wenigen Partien erkennen kann,
zu denen sowohl Fragmente Hegelscher Manuskripte als auch Vorlesungsnachschriften überlie-
fert sind – etwa bei der Philosophie der Religion oder der Geschichte der Philosophie –, geht der
von den Nachschriften überlieferte Vortrag erheblich über das Vortragsmanuskript hinaus – und
dies (wie man durch Vergleich feststellen kann) nicht etwa dank einer unerlaubten Kreativität
der Nachschreiber. Selbst wenn sämtliche Vorlesungsmanuskripte überliefert wären, blieben die
Nachschriften eine eigenständige Quelle von hohem Rang – und um so mehr in der gegebenen
dürftigen Überlieferungslage.
Ein dritter Gesichtspunkt kommt noch hinzu: Die Vorlesungen verändern das Bild Hegels –
das Bild des allmählich verknöcherten Empiriefeinds, das mancherorts kultiviert wird, um sich
mit gutem Gewissen von Hegel oder auch nur von der Philosophie seiner späten Jahre distan-
zieren zu können. Doch auch wenn es unangenehm ist, liebevoll gepflegte Vorurteile revidieren
zu müssen – nun läßt es sich nicht mehr gut umgehen. In den Vorlesungen begegnet uns Hegel
fraglos wie auch sonst, als spekulativer Denker, als der Philosoph des Begriffs – aber eben nicht
nur in dieser Rolle: Er tritt uns ebenso als Empiriker entgegen. Hegel ist der große Empiriker unter
den Philosophen gewesen – ähnlich wie Aristoteles, mit dem er ja gern verglichen wird; aber er
ist eben nicht nur der Empiriker, sondern ebenso der spekulative Philosoph gewesen, auch darin
Aristoteles ähnlich. Empiriker freilich nicht in dem Sinne, daß er selber physikalische und che-
mische Untersuchungen oder historische und philologische Analysen angestellt hätte, sondern
in seiner nahezu grenzenlosen Offenheit für sämtliche Bereiche und Resultate der Erfahrungs-
wissenschaften. Für alle Gebiete seiner Philosophie – und sie umfaßt tendenziell alle Gebiete der
damaligen Wissenschaften – hat er die Erfahrungsgrundlagen mit einer unfaßbaren Belesenheit
durchforscht. Wer dies nicht glaubt, kann es demnächst aus den Literaturverzeichnissen ersehen,
die wir den Bänden der zweiten Abteilung beigeben, und er kann diesen Eindruck auch noch
durch die Edition des Versteigerungskatalogs der Bibliothek Hegels vertiefen, die noch im Laufe
dieses Jahres in zwei Supplementbänden zu den Gesammelten Werken erscheinen wird. Und noch
etwas ist hervorzuheben: Es ist nicht der frühe Hegel gewesen, der diese Offenheit gegenüber der
Erfahrung an den Tag gelegt hätte – im Gegenteil. Erst in seinen Berliner Vorlesungen stellt er
die enge Verbindung von Empirie und Begriff her – und auch die Einsicht in die Notwendigkeit
beider Zugangsweisen gehört zum Ganzen der Selbsterkenntnis des Geistes. Aus dieser Verbin-
dung beider entspringt die Dynamik der Hegelschen Philosophie: aus der begrifflichen Entfaltung
und sukzessiven Ausarbeitung der systematischen Form der unterschiedlichen Vorlesungen, aus
der Fülle des Materials, das er sich von Kolleg zu Kolleg neu erschließt, und aus der von Kolleg zu
Kolleg fortschreitenden gedanklichen Durchdringung eben dieses Materials.
Nun nur noch ein kurzes Wort zum Abschluß  – zum Abschluß meines Vortrags und zum
Abschluß der Gesammelten Werke. Am Ende dieses Jahres werden über 40 Bände vorliegen, und
die rund zehn Bände, die dann noch fehlen, sind sämtlich bereits in Arbeit und werden den ver-
ordneten Abschluß der Ausgabe überleben. In der noch eine Weile andauernden Phase der kri-
tischen Herstellung und Kommentierung der Texte hat die Philologie weiterhin Schwerarbeit zu
leisten. Nach dem Erscheinen auch dieser Bände aber wird sie sich entspannt zurücklehnen und
das Wort mit gutem Gewissen wieder der Philosophie überlassen können. Doch auch wenn die
Texte dann als ein Unmittelbares, Gegebenes erscheinen und die konstitutive Mitwirkung der Phi-
lologie während der Lektüre nicht ins Bewußtsein tritt (und auch gar nicht treten soll): Sie hat
dann ihren nicht geringen Anteil zur Exposition des lebendigen Ganzen der Hegelschen Philoso-
phie beigetragen. Und deshalb wird, wer die Weisheit liebt, auch das Wort nicht verachten.

Prof. Dr. Walter Jaeschke


Ruhr-Universität Bochum
walter.jaeschke@rub.de
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Ludwig Siep, Münster

Erfahrung des Bewusstseins oder Vernunft in der


Geschichte?
Hegels anthropologische Grundthese lautet vereinfacht: Der Mensch, sowohl das Individuum wie
die Gattung, ist das, was er aus sich gemacht hat. Für das Individuum ist diese Selbsterzeugung
zugleich eine Aneignung seiner natürlichen, sozialen und historischen Voraussetzungen. In dem
„Anthropologie“ überschriebenen Teil seiner Philosophie des subjektiven Geistes systematisiert
Hegel die psychosomatischen Bedingungen und Stufen der individuellen Entwicklung bis zum
Bewusstsein einer äußeren Welt. Zugleich mit der Selbstaneignung zu einem sich kontrolliert
und routiniert bewegenden und wahrnehmenden Wesen beginnt seine Unterscheidung von den
Kräften und Prägungen der sozialen und natürlichen Umgebung. Anders als in der individualisti-
schen und naturalistischen Anthropologie der Frühen Neuzeit, etwa Hobbes’ De homine, versteht
Hegel diese Entwicklung vom Ziel her: Die Freiheit des Individuums in einem Körper ohne innere
Blockaden und Fremdbestimmungen ist eine Entwicklungsstufe seiner Bestimmung zum freien
Bürger einer Rechtsgemeinschaft.
Ein solcher vom Ziel her zu verstehender Prozess der Selbstaneignung und Selbsterkennt-
nis ist auch die Kulturgeschichte der Gattung, die eben als solche „Geist“ ist. Charakteristisch
dafür ist die Selbstexplikation und Vergegenständlichung in Normen und Institutionen, die Hegel
„objektiver Geist“ nennt. „Anthropologie“ ist also nicht nur der so betitelte Teil seiner Philoso-
phie, sondern im Grunde die gesamte Geistphilosophie. Die Bestimmung des Menschen in seiner
körperlichen und historischen Entwicklung – also der „Logos“ im Sinne des Begriffs und Wesens
des Menschen – ist die Freiheit. Was Freiheit bedeutet, kann man aber nur durch den historischen
Prozess der Genese und Etablierung freier Institutionen erkennen, vollständig sogar erst unter
Einschluss der Selbsterkenntnis des freien Geistes in den Schöpfungen der Kunst, Religion und
Wissenschaft.
Ein wesentlicher Teil der Hegelschen Philosophie des Menschen ist also die historische Anth-
ropologie der Phänomenologie des Geistes und der Philosophie der Weltgeschichte. Sie unterschei-
det sich aber von vielen modernen historischen Anthropologien dadurch, dass sie wirklich auf
ein Wesen des Menschen abzielt. Es geht nicht darum, was der Mensch so alles aus sich gemacht
hat, wie er sich, wie man heute sagt, stets neu erfunden oder definiert hat, inzwischen auch, was
er technisch aus sich machen könnte. Erkannt werden soll vielmehr, was der Mensch über sich
herausgefunden hat, und zwar endgültig. Seine Freiheit ist nicht die des ständigen Wandels oder
der permanenten Selbstüberbietung. Sie besteht darin, dass er Rechte hat, von denen zumindest
einige der künftigen Selbsterzeugung oder dem Wertewandel entzogen sind  – normativ, wenn
auch nicht faktisch.
Das ist eine These, die auch moderne Theorien der historischen Rechtfertigung von Normen,
etwa der Menschenrechte, mit Hegel teilen – jedenfalls dann, wenn sie nicht beanspruchen, diese
allein aus reiner, a-historischer Vernunft erkennen und rechtfertigen zu können. Wer die histori-
sche Genese von Rechten, Normen und Institutionen – etwa des gewaltenteiligen Rechtsstaates –
als einen Teil ihrer Rechtfertigung ansieht, ohne sie völlig zu historisieren, steht selber schon in
der Wirkungsgeschichte Hegels – um Gadamers Terminus zu verwenden. Einige Interpreten sind
sogar der Auffassung, die ich nicht teile, dass Hegel die heutige Erkenntnis- und Rechtfertigungs-
aufgabe schon vollständig geleistet hat. Er hat sie aber zuerst gesehen bzw. gestellt – in Umrissen
in der Phänomenologie des Geistes (I), systematischer in der Philosophie der Weltgeschichte (II).
Beide Modelle einer historischen Selbsterkenntnis sollen hier in einer gegenwärtigen Perspek-
tive behandelt werden: Wieviel Geschichtsphilosophie braucht die Rechtfertigung unaufgebbarer
Freiheitsrechte? Wir müssen uns wohl mit einer weniger systematischen und vor allem weniger
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 Ludwig Siep, Erfahrung des Bewusstseins oder Vernunft in der Geschichte?   25

teleologischen Konzeption als der Hegelschen begnügen. Auch unser Freiheitsverständnis ist
nicht mehr das Hegels, auch wenn es noch wichtige Elemente davon enthält (III). Gerade die kriti-
sche Gesamtausgabe ermöglicht es, Hegels eigenen Horizont von dem unsrigen zu unterscheiden.

1 E
 rfahrung des Bewusstseins in der
Phänomenologie des Geistes
Die Phänomenologie des Geistes enthält eine Geschichte von Erfahrungen, in der das Bewusstsein
zum Geist wird, ist aber keine Philosophie der Weltgeschichte. Historische Sequenzen werden
in ihr thematisiert, vor allem seit dem Geistkapitel. Sie werden geordnet nach Argumentfunktio-
nen in einem wissenschaftlichen Beweis für eine philosophische Position, die Hegel spekulatives
Wissen nennt. „Bewusstsein“ umfasst alle Konstellationen der Unterscheidung eines „An-sich“,
d. h. der in einer Kultur vorhandenen Kriterien für Wirklichkeit und für Maßstäbe des Wissens
und Handelns, von einem „Für-uns“, d. h. den Zugangsweisen und subjektiven Evidenzen. Dieser
Gegensatz wird durch einen Erfahrungsprozess überwunden. An seinem Ende steht ein Monis-
mus, der die prinzipiellen Unterscheidungen des Dualismus als interne Differenzierungen einer
umfassenden, selbstreflexiven Wirklichkeit versteht. Wie sich dieses Resultat, der erbrachte
Beweis eines skepsisresistenen Wissens, zu den historischen Bewusstseinsformen verhält, ist
unterschiedlich gedeutet worden. Weniger Dissens besteht über den Prozess der Erfahrungsge-
schichte selber: Im Versuch, die impliziten epistemischen, ontologischen und normativen Annah-
men einer bestimmten Konstellation zu bestätigen und zu explizieren, entstehen Inkohärenzen.
Sie steigern sich in den jeweiligen Prüfungs- oder Bewährungsverfahren bis zu Widersprüchen.
Wie immer es mit der logischen Form dieser Widersprüche und ihrem „dialektischen“ Umschlag
in eine neue Bewusstseinsgestalt steht – wir haben es jedenfalls mit einem Lernprozess zu tun, der
Krisen durch Bewusstseinsumkehrungen bewältigt. In seinem Verlauf werden nicht nur Prämissen
explizit gemacht, sondern vor allem auch stets erneut angeblich „An-sich-Seiendes“, Vorgegebe-
nes, Natürliches usw., in „Gesetztes“ verwandelt, das aus gemeinsamem Wissen und Handeln her-
vorgeht. Es ist offenkundig, dass moderne Konzeptionen gesellschaftlicher und kultureller Wand-
lungsprozesse hier anknüpfen können: Enttabusierungen und Entzauberungen, Aufklärungen und
Säkularisierungen – kurz Modernisierungen aller Art finden hier nicht nur ein allgemeines Muster.
Sie finden auch eine Fülle von Typen der Entstehung von Krisen und Umwälzungen. Ich nenne
einige davon in einer modernen Sprache, aber ohne vorläufig Hegels Konzeption zu verlassen:1
Weltanschauungen und normative Selbstbilder, die eine Kultur prägen, sind Synthesen
widerstreitender Elemente. Im Fortschritt des Wissens und der Erprobung normativer und institu-
tioneller Ordnungen treten immer wieder Spannungen auf. Sie können zugespitzt werden durch
umwälzende theoretische Entdeckungen und wissenschaftliche Methoden, etwa der neuzeitli-
chen Naturwissenschaft oder „beobachtenden Vernunft“. In den gemeinsamen Normhorizonten
kommt es zu den Brüchen, die wir heute „Wertungswidersprüche“2 nennen. Hegels klassisches
Beispiel für solche normativen Krisen ist die Spannung in der griechischen Polissittlichkeit durch
den sokratischen „Individualismus“. Sie kehrt verschärft wieder im Gegensatz zwischen der Unan-
tastbarkeit des moralischen Gewissens und der Verlässlichkeit sozialer Regeln in der Moderne.

1 Zum Folgenden vgl. ausführlicher L. Siep: „Arten normativer Erfahrung“, in: Normenbegründung und historische
Erfahrung, hg. v. T. Gutmann, S. Laukötter, A. Pollmann, L. Siep, Tübingen 2018, 243–263.
2 Davon ist die Rede in gegenwärtigen Debatten über den Embryonenschutz im deutschen Recht zwischen der libe-
ralen Regelung des Schwangerschaftsabbruches (StGB §§ 218 ff.) und dem strengen Schutz von Embryonen „in vitro“
(EschG).
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26   Hegel-Jahrbuch 2018

Auch die Isolierung eines Elementes des normativen Systems kann solche Krisen herbeifüh-
ren. Der allgemeine Wille als Parole der Französischen Revolution, der alle gesellschaftlichen
Gliederungen und weltanschaulichen Differenzen negierte, ist ein noch immer aktuelles Beispiel
Hegels. Solche „Abstraktion“ hat sich in der Unterdrückung aller religiösen Überzeugungen und
Aktivitäten durch den Säkularismus wiederholt. „Abstrakt“, nämlich den Pluralismus der Moderne
leugnend sind aber auch viele Gegenreaktionen im Zeitalter der „Rückkehr der Religionen“.
Vereinseitigungen dieser Art werden befördert durch das Vergessen des bereits „Erlernten“.
Vor allem revolutionäre Umwälzungen beseitigen mit den Institutionen oft die darin gespeicherten
Erfahrungen. Stattdessen kann der Wandel von Institutionen – etwa vom „vorstaatlichen“ Eigen-
tumsrecht zum Anspruch auf staatliche Sozialleistungen – auch revolutionäre Erweiterungen der
Berechtigten verkraften.
Eine solche Typologie der Spannungen in einer Lebensform und ihrem Hintergrund von Normen
und Überzeugungen ist wichtig, wenn man heute nach Kriterien für Fortschritte oder historische
Errungenschaften sucht.3 Schon hier sollte man aber Differenzen zu Hegel nicht überspielen. In der
gegenwärtigen Wissenschaft und Philosophie haben Zufallsfaktoren – sowohl naturgeschichtlicher
Art als auch bei technischen Erfindungen und ihren sozialen Folgen – eine erheblich größere Bedeu-
tung. Für Hegel sind prinzipiell alle solche äußeren Faktoren passend für die Gestaltung geistiger
Ordnungen und ihren Freiheitsfortschritt  – von den geographischen Bedingungen für die Kultu-
ren über die Geschlechterunterscheidung bis zur Erfindung des Feuergewehrs oder des Flaschen-
zugs. Ob ihre „Versittlichung“ nicht auch zu einer Verfestigung natürlicher Differenzen führt, ist
eine andere Frage.4 Von einer prinzipiellen Passung aufgrund der Disposition der Natur zu geistiger
Aneignung können wir im Horizont der Evolution und der Technikgeschichte nicht ausgehen.
Es ist nicht mehr grundsätzlich nachweisbar, dass der Geist sich von natürlichen oder histo-
rischen Anstößen sozusagen nicht irritieren lässt, sondern sich als causa sui5 in einem Element
ohne letzte Widerständigkeit entwickeln kann. Nur unter diesen Voraussetzungen kann Hegel
aber von einer Endgültigkeit des absoluten Wissens und einer Aufhebung oder „Tilgung“ (vgl. GW
9, 429) der Zeit durch den Begriff ausgehen, wie am Schluss der Phänomenologie. Otto Pöggeler
nannte das den „eternisierenden Blick“ der Metaphysik, der am Ende auch die Phänomenologie
präge.6 Natürlich gibt es auch hier schwächere Lesarten. Sie verstehen das absolute Wissen als
Überwindung aller physischen und metaphysischen Voraussetzungen in einem permanenten
kommunikativen Prozess der Prüfung normativer Geltungsansprüche, auch solcher, die in epi-
stemischen Positionen enthalten sind.7 „Bewusstsein“ im Sinne der Trennung von An-sich und
Für-sich wäre dagegen der (aussichtslose) Versuch, sich in Prozessen des Wissenserwerbs, der
Normgebung und -begründung an eine endgültige Wahrheit anzunähern.
Für die Begriffe, oder „Wesenheiten“, die nach Hegel den Gang der Erfahrungen zu einem
vollständigen Beweis der geistigen Struktur allen Seins machen (GW 9, 22, 28 f.), käme es dann
nicht auf ihren logisch-semantischen Gehalt an, sondern allein auf die Struktur der holistischen
Verknüpfung. Es handelt sich um ein Netzwerk wechselseitiger Implikationen und Explikatio-

3 Vgl. die Beiträge von R. Jaeggi und A. Pollmann in Gutmann etc. (Hrsg.): Normenbegründung und historische Erfah-
rung, a. a. O. (o. Anm. 2).
4 Vgl. dazu L. Siep, „Natur und Freiheit. Hegelsche Perspektiven auf gegenwärtige Fragen“, in: Freiheit. Stuttgarter
Hegel-Kongress 2011, hg. v. G. Hinrichs und A. Honneth, Frankfurt/M. 2013, 55–83.
5 Vgl. G. W. F. Hegel, Vorlesungen zur Philosophie der Weltgeschichte I. Nachschriften zu dem Kolleg des Wintersemes-
ters 1822/23, in: Gesammelte Werke, Bd. 27,1, hg. v. d. Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und
Künste in Verbindung mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Hamburg 1968 ff., 18: „Er hat es in dieser Lust der
Thatigkeit [sic] nur mit sich selbst zu thun“, sowie 19 „That der Vernunft“. Im Folgenden wird Hegel nach den „GW“
mit Angabe der Band- und Seitenzahl im Text zitiert.
6 O. Pöggeler, „Philosophie und Religion beim jungen Hegel“, in ders.: Hegels Idee einer Phänomenologie des Geistes,
Freiburg/München 1973, 77.
7 So verstehe ich etwa Terry Pinkard, Hegel’s Phenomenology. The Sociality of Reason, Cambridge 1994, besonders
261.
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 Ludwig Siep, Erfahrung des Bewusstseins oder Vernunft in der Geschichte?   27

nen, das alle Gebiete des Wissens und der Wirklichkeit durchzieht. Beim Fortschritt der Wissen-
schaften und der Veränderung von Verfassungen, Sitten und gelebten Moralen ändert es sich von
Grund auf. Allerdings nehmen auch die meisten Vertreter dieser Deutung Unumkehrbares an,
zumindest bestimmte Prinzipien einer Rechtsordnung. Sie kann nicht dahinter zurückfallen, dass
die Akteure voneinander die Rechtfertigung der befolgten oder zur Befolgung vorgeschlagenen
Normen verlangen, sie prüfen und nur nach solchen Gründen akzeptieren wollen, die allen ein-
leuchten, oder zumindest einer Mehrheit. Diese Bedeutungslosigkeit zukünftiger Entwicklungen
für einige Grundprinzipien müsste mit der „Tilgung“ der Zeit durch den Begriff gemeint sein.
Die stärkere Deutung würde davon ausgehen, dass Hegels philosophisches System schon vor
der Phänomenologie, aber erst recht in ihr und nach ihr eine inhaltlich wesentlich konkretere Form
des absoluten Geistes und seines Wissens von sich entfaltet. Dieser Begriff setzt ein Verständ-
nis der natürlichen Vorstufen geistiger Selbstverhältnisse voraus, aber auch der Manifestation
einer absoluten Subjektivität in bestimmten sozialen Institutionen. Das „Ewige hat sein Daseyn
im Volksgeist“ und „die Wirklichkeit des Himmelreiches ist der Staat“ formuliert Hegel 1806 (GW 8,
284). Für das Verhältnis des Begriffes zur Zeit legt das möglicherweise eine dem Neuplatonismus8
näher stehende Deutung der Explikation eines zeitlosen Nous in der „inneren Episode“ zeitlicher
Selbstdifferenzierung nahe. Aber selbst wenn man die schwächere Form der Zeitlosigkeit als Irre-
versibilität von Geltungen akzeptiert, wird der künftigen historischen Entwicklung nach dieser
Deutung erheblich mehr an normativen, institutionellen und wissenschaftlichen Prinzipien ent-
zogen als nach der schwächeren Interpretation.
Eine eindeutige Entscheidung darüber, ob der Erfahrungsprozess der Phänomenologie in
einem der Geschichte enthobenen Resultat endet, ist kaum zu fällen. Noch schwieriger sind in ihr
die vom zukünftigen Wandel nicht mehr betroffenen Normen und Institutionen zu erkennen. Sie
müssten der „Bewegung des Anerkennens“ entsprechen, die Hegel zu Beginn des Selbstbewusst-
seinskapitels in ihrer Struktur entfaltet. Ihre Erfüllung findet sie aber in der Phänomenologie nur
in Gestalten des moralischen, nicht des sittlichen Geistes und dessen Institutionen in Staat und
Gesellschaft.9

2 V
 ernunft in der Geschichte nach der
Berliner Rechts- und Geschichtsphilosophie
Im Zentrum der Konzeption von Hegels Berliner Geschichtsphilosophie stehen die Begriffe Ver-
nunft und Freiheit. Darin stimmt der Schlussteil der publizierten Rechtsphilosophie, die Nach-
schriften und Hegels Manuskript von 1830/31 überein.
Man kann auch diesen Prozess der Zunahme des Bewusstseins der Freiheit in einer schwä-
cheren, für heutiges Denken anschlussfähigeren Weise interpretieren und einer stärkeren,
„anstößigeren“. Die schwächere sieht, ähnlich der Interpretation der Phänomenologie, in diesem
Bewusstwerden die Entkräftung aller dem Wollen der Einzelnen und Gruppen vorgegebenen
Ordnungen. Als vorgegeben kann dabei der Wille eines Herrschers erscheinen oder auch natürli-
che und göttliche Ordnungen, die durch berufene Interpreten verkündet und ausgelegt werden.
An ihre Stelle tritt das Bewusstsein, dass niemand von Natur oder göttlicher Autorisierung dazu
bestimmt ist, den anderen Regeln zu geben. Vielmehr autorisieren sich Mitglieder einer Normge-
meinschaft wechselseitig dazu. Wenn sie sich diese Kompetenz in gleichem Maße einräumen und

8 Hegel ordnet den Begriff des Geistes in der Phänomenologie ja „der neuern Zeit und ihrer Religion“ zu – d. h. dem
spätantiken christlichen Neuplatonismus (GW 9, 22).
9 Vgl. dazu L. Siep, „Die Bewegung des Anerkennens in der Phänomenologie des Geistes“, in: G. W. F. Hegel, Phäno-
menologie des Geistes, hg. v. D. Köhler, O. Pöggeler, Berlin ²2006, 107–127.
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28   Hegel-Jahrbuch 2018

gemeinsam ausüben, besitzen alle Individuen die gleichen Schutz- und Mitwirkungsrechte. Das
mag immer noch einen Spielraum unterschiedlicher demokratischer oder zumindest republika-
nischer Rechtsordnungen zulassen. Welche davon der gleichen rechtlich geregelten Freiheit aller
am besten gerecht wird, könnte eine Frage zukünftiger Erfahrungen sein.
Die stärkere Lesart vermisst an einer solchen Interpretation einige spezifisch Hegelsche Züge
der Geschichtsphilosophie. Als philosophische muss diese nach Hegel erstens sowohl das Ganze
wie jede besondere Stufe als eine Entfaltung bestimmter Begriffe bzw. Prinzipien verstehen, die
zumindest vom Ende her eine logisch-teleologische Struktur aufweist (1). Sie muss zweitens auf
jeder, auch auf der letzten Stufe eine begriffliche und institutionelle Bestimmtheit der „Freiheiten“
aufweisen, die weit über die allgemeinen Formulierungen der schwachen Interpretation hinaus-
geht. Dazu gehören in Hegels Texten eine mit höchsten epistemischen Ansprüchen vorgetragene
Verwerfung wesentlicher Elemente dessen, was moderne Staaten im heutigen Sinne kennzeich-
net: etwa das verfassungsrechtliche Primat der Grundrechte, einschließlich des Wahlrechts, und
eine Art vertraglicher Bindung des Staates an deren Schutz (2). Und schließlich bleibt drittens
wie in der Phänomenologie das Verhältnis von Zeit und Ewigkeit des Geistes in einer Weise aufzu-
schlüsseln, die mit dem Gesamtsystem zusammenstimmt (3).
1. Philosophisch ist eine Betrachtung der Geschichte für Hegel nur dann, wenn sie in ihr im
Allgemeinen und in den „welthistorischen Völkern“ im Besonderen die Entwicklung eines Prin-
zips erkennt. Dieses Prinzip darf nicht nur abstrakt formuliert werden, sondern muss in seiner
„Einführung und Durchführung in der Wirklichkeit des Geistes und Lebens“ (GW 18, 153) eines
Volkes verstanden werden – an dem Material, das der Historiker, aber modern gesprochen auch
andere Sozial- und Kulturwissenschaftler, bereitstellen. Dabei steht Geschichtsschreibung – ich
lasse jetzt die von Hegel unterschiedenen Formen beiseite – und Geschichte selber in einem wech-
selseitigen Bedingungsverhältnis. Es gibt Geschichte im philosophisch verständlichen und rele-
vanten Sinne erst da, wo ein Volk eine handlungs- und reflexionsfähige Einheit bildet. Anfang der
Reflexion ist die Geschichtsschreibung als Erinnerung an die für die Entwicklung des Volkes rele-
vanten Ereignisse und Zeugnisse. Handlungsfähig ist ein Volk von den Anfängen seiner Staatlich-
keit an. Für die frühe Staatlichkeit reicht die zentrale Entscheidungsfähigkeit in der Person eines
politischen Führers mit in der Regel erfolgreicher Willensdurchsetzung. Ziel ist aber ein Staat,
der bewusst seine Rechts- und Institutionenordnung durch kompetente Individuen gestaltet und
dafür ein möglichst hohes Maß an Zustimmung erhält.
Denn das allgemeine Prinzip, von dem her die Geschichte als eine solche in sich differen-
zierte Entwicklung verstanden werden kann, ist das Bewusstsein des Geistes von dem, was er „an
sich ist“: nämlich frei, sich selbst hervorzubringen, gegenständliche Dauer zu verleihen und zu
reflektieren. Dieser Freiheitsbegriff umfasst alles Handeln, Gestalten und Erkennen: das Recht,
die Kunst, die Religion und die Wissenschaft. Das macht der Schlussparagraph (360) der Rechts-
philosophie klar, obgleich in ihr die Weltgeschichte doch als ein Teil des Staatsrechts behandelt
wird. Das Ziel der Geschichte kultureller Epochen oder „Reiche“ ist die Erkenntnis, dass derselbe
Geist sich in Natur und Staat, Religion und Wissenschaft „manifestiert“.
Dieses Ziel wird durch die Korrespondenz der Entwicklungen in Religion, Staat und Philo-
sophie erreicht: So heißt es nach der Hotho-Nachschrift der Vorlesung zur Philosophie der Welt-
geschichte von 1822/23: „Indem durch die christliche Religion das Wesen Gottes offenbart ist, so
ist uns dadurch der Schlüssel zur Weltgeschichte gegeben“ (GW 27.1, 21). Diese Offenbarung muss
aber noch ihre eigene Verdunklung durch das mittelalterliche Christentum überstehen. Erst mit
der Reformation wird auch der moderne Staat geboren. Beide überwinden die weltliche Macht der
Kirche und die Trennung von weltlicher und weltabgewandter Sittlichkeit. Dadurch wird das jen-
seitige Göttliche „befreit“ zur Immanenz in der weltlichen sittlichen Ordnung von Familie, Gesell-
schaft und Staat (GW 20, § 552).10 Diese Übereinstimmung der religiösen Gottesvorstellungen mit

10 Vgl. dazu C. Halbig: „Die Freiheit als Begriff des Geistes sieht er im modernen Verfassungsstaat auf der Grund-
lage einer christlichen Kultur protestantischer Konfession abschließend verwirklicht.“ in: „Religion und Politik bei
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 Ludwig Siep, Erfahrung des Bewusstseins oder Vernunft in der Geschichte?   29

dem nach-reformatorischen Staat beweist die Philosophie und erst dadurch ist die „wahrhafte
Versöhnung“ zwischen Religion, Staat und Wissenschaft „objectiv geworden“ (GW 14,1, §  360).
Sie rechtfertigt es auch, die sittliche Freiheitsordnung zugleich als Manifestation der Freiheit des
absoluten Geistes zu verstehen.11 Von heute aus ist diese Versöhnung allerdings kaum noch über-
zeugend – nicht nur, weil sie die Synthese aller religiösen Wahrheiten im vernünftigen Christen-
tum voraussetzt; vielmehr auch, weil nur wenige Gläubige darin eine Explikation ihrer religiösen
Vorstellungen erkennen können.
Freiheit, als sich wiederfinden in der sozialen Wirklichkeit, bedeutet bereits für den frühen
Hegel der Verfassungsschrift nicht nur die Unterscheidung lebendiger von absterbenden Instituti-
onen, sondern auch eine Art amor fati, ein Vertrauen in den notwendigen Fortschritt der Vernunft.
Nichts anderes als dieser sozusagen machthabende Sinn der Geschichte ist das, was Hegel später
„Weltgeist“ nennt. Er ist der Motor und die Ordnung hinter den Prinzipien, die jeweilige histori-
sche Völker bestimmen und bewegen.12 Er handelt durch die Individuen, aber ohne ein Plan zu
sein, den sie und ihre Völker bewusst verfolgen können. Erst der rückblickende Philosoph kann
das Resultat der historischen invisible-hand-Prozesse begreifen – aber auch nur, wenn er die his-
torischen, vor allem institutionellen Ausgestaltungen von Freiheit als interne Differenzierung ver-
steht. Aus seiner Sicht können diese „Stufen“, wie Hegel sie ausdrücklich nennt, wie die Bewusst-
seinsgestalten der Phänomenologie, auf eine ihre Notwendigkeit beweisende logisch-begriffliche
Struktur hin durchsichtig gemacht werden.
Mehr noch als in anderen Werken lässt Hegel den Leser in seiner Philosophie der Weltge-
schichte allerdings über genauere begriffliche Zuordnungen – etwa zu Bestimmungen der Wissen-
schaft der Logik – im Unklaren. Die wenigen von ihm autorisierten Texte lassen nur die begriffli-
chen Momente der unentfalteten Allgemeinheit, der entzweienden Besonderung und der in sich
differenzierten und reflektierten Einzelheit erkennen. Man darf gleichwohl diesen Anspruch nicht
verwässern. Das gilt auch für die Entwicklung, den Gegensatz und die Synthese der klassischen
Staatsformen innerhalb der gesamtkulturellen Verfassung der welthistorischen Völker.
2. Das hat Folgen für die zweite Frage: Hegel hat an vielen Stellen betont, dass der Begriff der
Freiheit ohne seine Differenzierungen in bestimmte Freiheiten oder Rechte leer, abstrakt, sogar
gefährlich ist. Es ist ja unübersehbar, dass seine geschichtsphilosophische Freiheitstheorie einen
Zentral- und Kampfbegriff der Epoche der Revolutionen und Befreiungskriege sozusagen „beset-
zen“ will. Was den Freiheitsbegriffen dieser Bewegungen und ihrer geistigen Väter von Rousseau
bis Fichte fehlt, ist nach Hegel eine Konzeption der institutionellen Ordnung aller wesentlichen
Aspekte der Freiheit. Zu diesen gehören nicht nur die modernen Individualfreiheiten, sondern
auch eine sozusagen neoklassische Freiheit von den Grenzen der eigenen Person in der Vereini-
gung mit der Polis. Das ist bei Hegel nicht wie in der Französischen Revolution die republikani-
sche Nation, sondern der sittliche Staat als „absoluter unbewegter Selbstzweck“ (GW 14,1, § 258).
Hegels Freiheitstheorie hat einen perfektionistischen Zug. Vereinigung als sittliche Erfüllung
statt Vertrag als Vorteilstausch ist seine Gegenthese zur liberalen Freiheitstradition. Die Vereini-
gung mit einer ewigen Institution, als Befreiung nicht nur von den Privatinteressen, sondern von
den natürlichen Grenzen des menschlichen Lebens, ist aber auch seine Gegenthese gegen die
Metaphysik der unsterblichen Einzelseele. Er vertritt sie seit seinen Berner Manuskripten. In der
Rechtsphilosophie wird sie durch die Willenstheorie fundiert, zu der die Fähigkeit der Lösung von
allen besonderen Zwecken, einschließlich der Lebenserhaltung gehört. Sie wirklich zu realisie-

Hegel“, in: Philosophie, Politik und Religion. Klassische Modelle von der Antike bis zur Gegenwart, hg. v. D. Brantl, R.
Geiger, St. Herzberg, Berlin 2013, 191–203.
11 Kritisch sieht diese Dominanz der Geschichte des objektiven Geistes über die Geschichtlichkeit der Formen des
absoluten Geistes Walter Jaeschke, „Die Geschichtlichkeit der Geschichte“, in: Hegel-Jahrbuch 1995, hg. v. a. Arndt, K.
Bal, H. Ottmann, Berlin 1995, 363–373.
12 Vgl. GW 27,1, 14 („Seele“, „Mercur“ etc.), aber auch 23 „der Arm wodurch sie sich verwirklicht sind die Leiden-
schaften der Menschen“. Die „Mitte der Extreme“ ist die „sittliche Freiheit“ (ebd.).
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30   Hegel-Jahrbuch 2018

ren, ist aber nur gerechtfertigt, wenn das Lebensopfer von einem staatlich institutionalisierten
sittlichen Willen bejaht wird.13
In Kriegen, die primär aus Gründen der Versittlichung der Bürger gerechtfertigt sind, wird
die natürlich-zufällige Grenze des Todes dadurch überwunden, dass die „Vergänglichkeit […] ein
gewolltes Vorübergehen“ wird (ebd., §  324 A). Die grundsätzliche Bereitschaft zum Selbstopfer
gilt nicht der Erhaltung eines Staates, der an den Zweck des dauerhaften Schutzes der Indivi-
dualrechte gebunden wäre, die „responsibility to protect“, wie man heute sagt. Vielmehr ist die
Souveränität des Staates, sein „höchstes eigenes Moment,  – seine wirkliche Unendlichkeit als
die Idealität alles Endlichen in ihm“ (ebd., § 323). Zwar gehen besondere Staaten in der Weltge-
schichte unter. Aber das Recht der souveränen Staatlichkeit bleibt – sie ist ja auch nach Hegels
Begriffslogik eine wesentliche Manifestation der Idee als solcher (GW 12, 175 f.). Für die gegen-
wärtige politische Philosophie ist dagegen die einzig denkbare Legitimation für ein Lebensopfer
die Verteidigung oder Wiederherstellung eines Rechtsstaates, dessen Souveränität an den Schutz
gegenwärtiger und zukünftiger Bürger gebunden ist.
Man kann das Ende der bei Hegel angekommenen Entwicklung nicht einfach um 200 Jahre
verschieben und dafür die „vernünftige Verfassung des liberalen Rechtsstaates“ einsetzen.14 Hegel
hat zumindest die Anfänge dieser Ordnung gekannt und sie als verfehltes Freiheitsverständnis
kritisiert. Die richtige, für ihn fortschrittlichste Freiheitsordnung seiner Zeit folgt aus der Dialek-
tik von Unmittelbarkeit, entzweiender Entfaltung und Versöhnung, die er allen Periodisierungen
seiner Weltgeschichtskonzeption zugrunde legt. Im Resultat des vom Ende her zweckmäßigen
Handelns der Völker sind die entscheidenden historischen Stufen aufgehoben. Die konstitutio-
nelle Monarchie mit ständischer Repräsentation ist die „dritte universale Gestalt des Weltgeistes“,
wie es schon in der Verfassungsschrift heißt (GW 5, 111). Sie enthält die vernünftigen Elemente der
klassischen Staatsformen ebenso wie die wesentlichen Stufen der sittlichen Gesinnungen oder
Haltungen der sozialen Gruppen.15
3. Dass der Staat der Rechtsphilosophie sozusagen die zu sich gekommene und objektivierte
Freiheitsidee der Geschichte ist, passt auch zu Hegels Thesen über die „Ewigkeit“ des Weltgeistes.
Sie impliziert, dass diese Freiheitsordnung immer schon gültig war und in der Zeit nur in unvoll-
kommenen Stufen realisiert und reflektiert wurde. Dass der Geist freiheitlicher Institutionen sich
in der Geschichte vollständig verstehen kann, betont Hegel immer wieder und gerade auch in
der Philosophie der Weltgeschichte gegen alle Theorien eines deus absconditus oder unendlicher
Annäherungen (vgl. GW 14,1, § 343).
Die Historisierung des Geistes bekommt unter dieser Perspektive einen halbherzigen Cha-
rakter. Entsprechend wird die Vernunft im Manuskript zu den Geschichtsphilosophie-Vorlesun-
gen von 1830/31 nicht nur als hermeneutische Prämisse des wissenschaftlichen Zugangs zur
Geschichte bezeichnet. Ihre notwendig-teleologische Verwirklichung wird vielmehr in allen
Gebieten der Philosophie, also vor allem auch der Logik, Ontologie und Naturphilosophie, „erwie-
sen“ als die „Substanz, das wodurch und worin alle Wirklichkeit ihr Seyn und Bestehen hat“ (GW
18, 140). Diese Identität von Vernunft und Wirklichkeit ist das, was Hegel „Idee“ nennt. Dass nur
„solche Idee das Wahre, das Ewige, das schlechthin Mächtige ist, daß sie sich in der Welt offen-
bart, […] ist es, was wie gesagt, in der Philosophie bewiesen und hier so als bewiesen vorausge-
setzt wird.“ (ebd., 141).
Ein solcher Monismus der Idee ist heute nicht nur wegen der angedeuteten Konsequenzen
für die Staatsphilosophie inakzeptabel. Er entspricht auch nicht der Zunahme an Kontingenz,

13 Vgl. die Legitimierung des Lebensopfers in § 70 („sittliche Idee, als in welcher diese unmittelbar einzelne Persön-
lichkeit an sich untergegangen […] ist“) GW 14.1, 75.
14 P. Stekeler-Weithofer, „Der Abschied von der Großen Erzählung und Hegels Strukturgeschichte der Vernunft“, in:
Herausforderung Pluralismus, Festschrift für Hans Jörg Sandkühler, hg. v. M. Plümacher, V. Schürmacher, S. Freuden-
berger, Frankfurt etc. 2000, 147–164, hier 159.
15 Jedenfalls in ihren Grundformen des unmittelbaren Vertrauens, der markt-ökonomischen Reflexion und der poli-
tisch gewollten Vermittlung der besonderen Interessen mit dem Gemeinwohl.
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 Ludwig Siep, Erfahrung des Bewusstseins oder Vernunft in der Geschichte?   31

Differenzierung und Multiperspektivität der modernen Sozial- und Geschichtswissenschaften,


man denke etwa an die historische Religionssoziologie. Eine letztlich außerzeitliche Vernunft ist
auch nicht die einzige Alternative dazu, die Geschichte als „unerzählbares“ Chaos hinzunehmen.
Dennoch kommen wir für die Rechtfertigung zumindest einiger grundsätzlicher Institutionen und
Normen nicht ohne eine Konzeption der Erfahrungsgeschichte des Freiheitsbewusstseins aus.

3 W
 ieviel Geschichtsphilosophie braucht die
Rechtfertigung moderner Freiheitsordnungen?
Wer heute überzeugt ist, dass grundrechtsbasierte Rechtsstaaten mehr an Freiheitsrechten
garantieren können als alle früheren Verfassungen, stimmt mit Hegels These vom Fortschritt im
Bewusstsein der Freiheit zumindest partiell überein. Sein Freiheitsverständnis (a) und sein Begriff
historischer Rechtfertigung (b) unterscheiden sich aber von Hegel.

a) Die grundlegende Errungenschaft der Freiheit in den modernen Staaten bestand für Hegel
darin, das „Prinzip der Subjectivität“ freizusetzen, es sich „zum selbständigen Extreme der per-
sönlichen Besonderheit“ entwickeln zu lassen und zugleich in einen allgemeinen Willen „zurück-
zuführen“, der selber souverän handlungsfähig ist (GW 14,1, §  260). Das erstere, das Recht des
Einzelnen, eigene Lebenspläne zu verfolgen, seinem Gewissen zu gehorchen und sich zu jeder
normativen Zumutung ein eigenes Urteil zu bilden, ist nach Hegel entschieden weiterentwickelt
worden. Das betrifft vor allem die Bindung des Staates an Grundrechte, sowohl Abwehr- wie Mit-
wirkungsrechte. Schon bei den Zeitgenossen des späten Hegel entwickeln sich die Anfänge einer
Theorie des Rechtsstaates auf der Grundlage eines Begriffs endlicher und historisch offenerer
Vernunft.16 In dieser Konzeption wird die staatliche Souveränität nach innen beschränkt durch
die verfassungsrechtliche Überordnung der Grundrechte und den, mit Robert v. Mohls Formu-
lierung, „bloß verfassungsmäßigen Gehorsam“ der Bürger; ferner durch die strikte Bindung der
Verwaltung an Gesetze, die Entwicklung von Verwaltungs- und Verfassungsgerichtsbarkeit und
eine stärker „westeuropäische“ Konzeption der Gewaltenteilung. In Deutschland hat sich diese
Tradition trotz radikaler Rückschläge in der jüngeren Verfassungsgeschichte durchgesetzt.
Auch die von Hegel erkannten sozialen und materiellen Bedingungen der Ausübung von
Rechten sind zum Gegenstand einer weitergehenden sozialstaatlichen Entwicklung geworden –
ebenfalls mit Rückschlägen bis in die neueste Zeit. Dass die gleiche Freiheit aller Menschen eine
zumindest völkerrechtliche, teilweise sogar überstaatliche Ordnung verlangt, um jedem Zugang
zu den materiellen und politischen Bedingungen seiner Rechte zu verschaffen, hat Hegel noch
nicht gesehen. Die moderne Philosophie und Politik ist sich dessen bewusst, auch wenn die Rea-
lisierung noch weit entfernt ist – was sicher nicht allein am gewaltigen Wachstum der Erdbevölke-
rung liegt. In all diesen Hinsichten ist die Institution des Staates definitiv vom „Selbstzweck“ oder
„Endzweck“ (GW 14,1, § 258) zum Mittel der Realisierung der Rechte Einzelner oder zur Unterstüt-
zung zivilgesellschaftlicher Vereinigungen geworden – für Hegel eine verfehlte Verwechslung von
Staat und bürgerlicher Gesellschaft.
Die eigentlich „sittliche“ Dimension des Staates, die dem Verlangen der Bürger nach einem
sinnerfüllten Leben in einer Gemeinschaft mit lohnenden Aufgaben entspricht, ist aber nicht
gänzlich verlorengegangen. Immer noch gehören gemeinsame Projekte und die Lösung von Pro-
blemen im Rahmen eines gemeinsamen normativen Selbstbildes zur Freiheit des Menschen von
der Borniertheit auf selbstbezogene Interessen und Rechte. Für viele dieser Aufgaben sind rechen-

16 Zum Folgenden vgl. L. Siep, „Widerstandsrecht zwischen Vernunftstaat und Rechtsstaat“, in: Ein Recht auf Wider-
stand gegen den Staat, hg. v. D. Schweikard, N. Mooren, L. Siep, Tübingen 2018, 99–131.
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32   Hegel-Jahrbuch 2018

schaftspflichtige institutionelle Akteure notwendig, die zur Verhinderung privater Gewalt und
zur Erhebung von Steuern für Gemeinschaftsaufgaben legitimiert sind. Die Erfahrungen mit den
gescheiterten Staaten (failed states) lehren, dass zu diesen Akteuren in absehbarer Zeit noch die
Einzelstaaten gehören. Ihre Souveränität nach innen und außen ist aber nicht mehr ihr „höchstes
Moment“. Sie ist beschränkt durch die Rechte der Bürger und eines Völkerrechts mit zunehmen-
den Kompetenzen – etwa auf dem Gebiet des Völkerstrafrechts.
Es gibt aber auch viele andere zivilgesellschaftliche oder überstaatliche Organisationen, für
die Menschen oft vorzugsweise Opfer auf sich nehmen  – auch ohne sozusagen institutionelle
Unsterblichkeit zu erwarten. Die sittliche Identitätsbildung kann in weltweiten Gruppen mit kon-
kreten Zielsetzungen oft leichter gelingen als in Staaten – obwohl ihnen mit Ausnahme der religi-
ösen in der Regel gemeinschaftsstiftende Rituale fehlen. Die sind aber auch dem modernen Staat
weitgehend abhandengekommen. Umgekehrt fehlen solchen organisierten Gruppen oft „staats-
analoge“ Strukturen der Gewaltenteilung, der demokratischen Kontrolle, manchmal sogar der
Grundrechtsverwirklichung nach innen. Insofern bleibt eine bestimmte Art von staatsanaloger
Freiheitsordnung ein unersetzbarer Zweck kultureller und politischer Bestrebungen.

b) Wieviel Geschichtsphilosophie ist zur Rechtfertigung eines an den Menschenrechten orientier-


ten Staats- und Völkerrechts erforderlich? Sicher nicht die These, dass dieses Freiheitsverständnis
vom Beginn der Geschichte an vorgezeichnet und für die gesamte kulturelle Entwicklung prägend
sei. Man muss auch nicht die Kultur ganzer Völker und Epochen, einschließlich ihrer Kunst,
Wissenschaft und Technik, als Differenzierung eines einzigen Stufenprinzips in diesem Prozess
verstehen. Im Gegenteil muss die Vorgeschichte der modernen Freiheitsordnung von anderen
Projekten unterschieden werden, die ebenfalls bis heute verfolgt werden, wie etwa der Tradi-
tions- oder Gefolgschaftstreue. Die Größe religiöser Architektur oder höfischer Literatur ist sicher
nicht in allen Fällen aus einer Vorgeschichte individueller Grundrechte zu erklären – sie gehört
eher zu den alternativen Projekten. Dass sie sich alle am Ende als Manifestationen derselben Idee
erweisen, ist nicht mehr schlüssig zu zeigen. Es wäre schon viel, wenn sich Menschenrechte und
Rechtsstaat als Randbedingung und überlappender Minimalkonsens der verschiedenen Projekte
bewähren würden.
Die Gründe für die Skepsis gegen die notwendige Selbstverwirklichung der Idee einer frei-
heitlichen Rechtsordnung liegen in der historischen Erfahrung der beiden letzten Jahrhunderte.
Aber auch in einer veränderten philosophischen Einstellung zur Endlichkeit des Menschen,
seiner Erkenntnis und seinem Verhältnis zur Natur. Das heißt aber nicht, dass man auf eine
retrospektive Bewertung der Geschichte von Rechten und Institutionen verzichten könnte. Sie ist
schon aus anthropologischen Gründen unumgänglich. Menschen als individuell und gemeinsam
handelnde Wesen verfolgen Zwecke, handeln nach Regeln, bewerten die Erfolge und lernen aus
ihnen. Damit ist aber auch die Bewertung der Richtung sozialer Prozesse und Institutionen ver-
bunden. Sie von einem bestimmten Standpunkt in diesem Prozess aus als Fortschritt oder Verlust
zu beurteilen, gehört zu ihrer Rechtfertigung. Damit ist auch eine gewisse Zirkularität unumgäng-
lich: Von einem als Errungenschaft oder positive Erfahrung gewerteten Standpunkt aus werden
diejenigen Tendenzen und Ereignisse ausgewählt, die zu ihm geführt haben. Wenn heute die
Menschenrechte und der Rechtsstaat interkulturell als Errungenschaft beurteilt werden, bei allem
Streit über das Verhältnis des Individuums zur Gruppe, dann wird man wie Hegel nach Vorstu-
fen des Bewusstseins dieser Freiheiten suchen. Ihr „Wesensgehalt“ ist nicht nur durch rechtliche
Veränderungsgrenzen geschützt, sondern gilt auch philosophisch als irreversibel.17 Es muss in
ihnen aber nicht das ewige Wesen der praktischen Vernunft endlich „zu sich“ gekommen sein. Es

17 Christoph Bauer spricht mit Bezug auf Hegel und die Gegenwart vom „Einfrieren“ eines Freiheitsbegriffs gegen
die „Subversion“ durch die Geschichte. Vgl. ders., „Erkennen heißt Handeln: Geschichtsschreibung und politisches
Handeln am Ursprung der Geschichte“, in: Metaphysik der praktischen Welt: Perspektiven im Anschluß an Hegel und
Heidegger, Festgabe für Otto Pöggeler, Amsterdam 2000, 81–95, hier 93.
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 Ludwig Siep, Erfahrung des Bewusstseins oder Vernunft in der Geschichte?   33

genügt, darin eine Folge von Erfahrungen und argumentativen Rechtfertigungen zu sehen, gegen
die keine guten Gründe vorstellbar sind. Umkehrbar sind sie zwar faktisch, aber nicht, ohne dabei
normativ in die Irre zu gehen.
Eine Erfahrungsgeschichte des Bewusstseins als Transformation vor allem der Konzeption
der Phänomenologie ist keine Geschichtsphilosophie „aus Prinzipien“. Sie ist auch keine Rekon-
struktion der definitiven Selbstreflexion einer allmächtigen Idee. Die Errungenschaften, die eine
Erfahrungsgeschichte des kollektiven Rechtsbewusstseins rechtfertigen sollen, sind noch weitge-
hend Programm, vor allem was ihre globale Durchsetzung und ihre ökonomische Basis angeht.
Erfahrung ist daher nicht nur rückblickend für ihre Rechtfertigung, sondern auch prospektiv für
die Lösung tiefgreifender Probleme notwendig. So besteht etwa zwischen den Menschenrechten
selber ein erhebliches Maß an Spannungen, etwa zwischen Eigentums- und Sozial- oder auch
Auswanderungsrechten. Dazu erweitert die Entwicklung von Wissenschaft und Technik ständig
das Maß an individuellen Handlungsmöglichkeiten, aber auch der Abhängigkeit von „technik-
gerechten“ Strukturen der Informations- und Kommunikationsgesellschaft  – mitsamt den sie
kontrollierenden Personen und Großorganisationen. Es sind viel mehr als marginale Kollisionen
und „Knoten“, die die zukünftige Entwicklung des institutionalisierten Freiheitsbewusstseins zu
bewältigen hat.
In einer solchen offenen Erfahrungsgeschichte irreversibler Rechte und unerfüllter Freiheiten
steckt noch eine Menge, aber keineswegs mehr der ganze Hegel. Dass sich unter anderen theoreti-
schen und historischen Voraussetzungen ein Teil der schon bei ihm entwickelten Freiheitsrechte
verteidigen und weiterentwickeln lässt, scheint mir aber gerade für die Arbeit an der von ihm
entdeckten Aufgabe zu sprechen.

Prof. Dr. Ludwig Siep


Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Philosophisches Seminar
Domplatz 23
48143 Münster
siep@uni-muenster.de

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Claudia Bickmann †, Köln

Sein und Selbst-Sein


Hegels Idee der Selbsterkenntnis zwischen Sich-Bestimmen und Sich-Setzen

1 Ortsbestimmung des Problems


Während Selbsterkenntnis von Platon bis Hegel noch von der Idee der Wahrheit unabtrennbar
schien, so dass sie zugleich als Rückkehr des Menschen in den Grund von Allem galt, so ist der
Nexus zwischen der Seele des Menschen und dem Prinzip allen Denkens und Seins in nachmeta-
physischen Zeiten durchtrennt. Nicht mehr soll die Hypostasis Seele zwischen der sich stets wan-
delnden Werdewelt und dem Reich des Intelligiblen noch die Mitte halten können. Die Teilhabe
beider Sphären aneinander wird zu einem unauflöslichen Problem. Selbsterkenntnis ist seither
nicht mehr aus einem Prinzip heraus begreiflich, durch das zugleich die „Erkenntnis des Wahr-
haften des Menschen, wie des Wahrhaften an und für sich“1 greifbar werden könnte. Darum ist
auch die Philosophie nicht mehr die privilegierte Disziplin der Selbsterkenntnis des Menschen.
Denn nicht mehr kann sich die depotenzierte Vernunft mehr als Inbegriff „alles Seyns bewußt“
werden.2 Ausgelagert in evolutionäre Anthropologie, empirische Psychologie, Kognitionsfor-
schung oder Neurobiologie löst sich die Selbsterkenntnis vielmehr in eine Vielzahl möglicher
Aspekte auf, denen die Suche nach dem Wahren im Menschen wie dem Wahren an und für sich
nicht mehr eingeschrieben ist.
Doch wird auf diese Weise allein getrennt, was der Sache nach notwendig verbunden ist:
Kann Selbsterkenntnis sich doch nur um den Preis eines Selbstwiderspruchs in einer bloß wis-
senschaftsbezogenen, verobjektivierenden Perspektive vollführen. In dieser verliert sie gerade
aus dem Blick, woran ihr in epistemischer und praktischer Absicht gelegen ist: in allem Selbst-
und Weltbezug unser wissendes und wollendes Selbstverhältnis zu erkunden. Darum wird erneut
die Analyse der Formen und Prinzipien zu re-integrieren sein, die in unsere Anschauung, unser
Denken und Handeln zwar eingelagert sind, ohne aber durch unser Denken auch durchsichtig
geworden zu sein. Diese notwendige reflexive Wende, durch die mit dem Angeschauten und
Gewussten auch die Formbedingung des Anschauens und des Wissens zu Bewusstsein gebracht
werden kann, hat Kant in einer transzendentalen Analyse und Hegel unter dem Titel des Sich-Wis-
sens im Wissen, des Sich-Bestimmens im Denken und Handeln zur Sprache gebracht, – um damit
zugleich erkenntlich zu machen, dass eine rein verobjektivierende Perspektive die dem Menschen
eigene Wesensnatur geradezu verfehlen muss.
In Hegels Werk sind es die drei aufeinander bezogenen Analyseschritte in Phänomenologie,
Wissenschaft der Logik und Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, die auf je verschie-
dene Weise von der Idee der Vermittlung und Integration beider Pole bezogen auf das Selbst
oder die Seele, auf die Welt und auf Gott geleitet sind: 1. transzendentalheuristisch-hinführend
(Phänomenologie des Geistes), 2. prinzipientheoretisch-entfaltend (Wissenschaft der Logik) und
3. realitätsbezogen in den Manifestationen des Prinzips in Natur und Geist (Enzyklopädie der phi-
losophischen Wissenschaften). Dabei berühren die Mittelbegriffe von Subjektivität und Objektivi-
tät, von Denken und Sein oder von Natur und Geist die seit Platon leitende Methexis-Frage auf

1 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830). Gesammelte Werke Bd. 20,
Hamburg 1992, 379.
2 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1817). Gesammelte Werke Bd. 13,
Hamburg 2001, 17.
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 Claudia Bickmann †, Sein und Selbst-Sein   35

allen Ebenen der allgemeinen und speziellen Metaphysik. Hegels Antwort: Ohne eine spekulative
Begriffsform, die nach der Einheit der Gegensätze fragt, muss die Art ihrer Teilhabe aneinander
unverständlich bleiben. So wird das gesuchte Ineins beider Pole in spekulativer Begriffsform, sei
es als Ineins von Unmittelbarkeit und Vermittelung, sei es bezogen auf die drei höchsten Gegen-
stände der speziellen Metaphysik Seele, Welt und Gott, zur Sprache gebracht. Platons Methe-
xis-Frage gewinnt in spekulativer Begriffsform dann eine neue Gestalt: Gefragt wird nach der
Einheit der Gegensätze derart, dass je ein Extrem – wie in Platons Gigantenstreit zwischen den
Idealisten und den Realisten – das andere je bereits mit sich führt und an ihm einen Anteil hat.
So lautet die Frage bezogen auf die drei Felder der speziellen Metaphysik: Wie soll das Selbst oder
die Seele des Menschen im Akte der Selbsterkenntnis mit dem Prinzip von Allem so zu vermitteln
sein, dass sich in und durch seine Selbsterkenntnis zugleich das gesamte kosmische Seinsgesche-
hen lichte und in den Grund seiner Möglichkeit zurückzuführen lasse?
Dies zu zeigen wird in den drei Werken der Phänomenologie, Logik und Enzyklopädie das
Prinzip Sich-Bestimmen und Sich-Setzen zunächst als erscheinendes Prinzip, dann als sich
wissendes und sich bestimmendes Prinzip (als apriorische Formensprache allen Wandels und
Werdens) explizit gemacht, um schließlich in Natur und Geist als sich frei setzendes und ver-
äußerndes Prinzip das Telos seiner Gesamtbewegung zu erreichen: d. h. die Idee einer vernünf-
tig gewordenen Wirklichkeit und eine Vernunft, die sich in allen Sphären der endlichen und der
unendlichen Welt auch einen angemessenen Ausdruck verleihen soll.
Die Phänomenologie des Geistes legt dabei in einem ersten Schritt im sich erscheinenden
Geist das unskeptische Fundament der sich vollführenden Skepsis frei und zeigt so die Teilhabe
des Bewusstseins am Prinzip Sich-Wissen-im-Wissen. Die Wissenschaft der Logik erkundet dieses
‚Sich-Wissen-im-Wissen‘ in einem zweiten Schritt als Selbsterkenntnis und Selbstbestimmung des
Prinzips. Schließlich weist die Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften in der realphi-
losophischen Entäußerung des Prinzips der Selbsterkenntnis des Menschen den systematischen
Ort als Springpunkt der Freiheit in der Natur zu: Hier wird deutlich, wie und auf welche Weise
das Prinzip zwischen Selbstentfremdung in der Natur und Sich-Bestimmen und Sich-Erkennen
im menschlichen Geiste nur mehr die extremen Orte seiner Selbstbewegung und Selbstvermitt-
lung gewinnt. Selbsterkenntnis ist dabei verstanden als Rückkehr aus der bewusstlosen Natur wie
zugleich als Lichtung der Natur im Wesen der menschlichen Freiheit. Beides sind auch für Hegel
nurmehr zwei irreduzible Seiten der einen kosmischen Ordnung, deren Bestimmungsgrund Geist
und dessen integrales Prinzip Idee genannt werden kann.
Auch wenn die drei Schritte hier nur skizzenartigen Zuschnitt haben können, so mag doch
deutlich geworden sein, in welcher Weise in der Architektonik der Gesamtanlage des Werkes die
drei Ideen der speziellen Metaphysik eine besondere Transformation erfahren: Die Phänomenolo-
gie des Geistes – als reformulierte rationale Seelenlehre – wird in der Wissenschaft der Logik durch
eine – in eine Onto-theo-logie transformierte – rationale Theologie auf den Grund ihrer Möglich-
keit zurückgeführt. Schließlich kulminiert die Systemanlage der Enzyklopädie der philosophischen
Wissenschaften in einer neuen Gestalt einer rationalen Kosmologie, deren Weltbegriff mit Freiheit
kompatibel ist.

2 Aufgabe der Allgemeinen Metaphysik


Um in seiner reformulierten speziellen Metaphysik Seele, Welt und Gott aus einem Prinzip heraus
begreiflich zu machen, das sich als Prinzip Sich-selbst-Setzen durch Selbstnegation verobjek-
tiviert, um schließlich im Prinzip Sich-Erkennen und Sich-Bestimmen in einer Negation der
Negation diese Veränderung und Verobjektivierung in Natur und Geist wiederum rückgängig zu
machen und im Anderen dann nur mehr sich selbst zu sehen und zu begreifen, erhält die allge-
meine Metaphysik in Hegels Philosophie folgende Funktionen: 1. Nicht soll – wie in den Wissen-

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36   Hegel-Jahrbuch 2018

schaften – je Einzelnes oder einzelne Ausschnitte in der Welt, sondern darin ganz aristotelisch,
das Seiende, insofern es ist, genauer insofern es durch Freiheit möglich ist, kategorial bestimmt
werden. (Dies der notwendige Systemanspruch der Philosophie.) Als allgemeine Metaphysik wird
sie ferner von der Idee des Ganzen ihren Ausgang nehmen, in welchem die Wechselbeziehung
der Teile nur durch ein Prinzip begreiflich gemacht werden kann, das weder als überseiend (wie
im Neuplatonismus), noch als unvordenklich- präprädikatives Dass- vor allem Was-sein (wie bei
Jacobi oder dem späten Schelling) aufgefasst werden kann. Denn wenn es nicht unerreichbar für
den Begriff sein soll, dann können Prinzip und Prinzipiiertes nur als a priori vermittelt, d. h. als
unmittelbar und vermittelt zugleich aufzufassen sein. Weder als begriffsjenseitig, noch aber auch
als bloß verstandesbezüglich wie in den Verstandesschlüssen der Gottesbeweise von Anselmus
bis Descartes soll das Prinzip der Metaphysik – als Prinzip von Allem in Allem – darum gedacht
werden: im ersten Falle – erreichbar nur in einer intelligiblen Anschauung, in der beseligenden
Schau oder im Exaiphnes, dem glücklichen Augenblick, – bleibe, so Hegel, der Zusammenhang
zwischen beiden Sphären unbegreiflich; im zweiten Falle, in der Form der abstrakten Verstandes-
schlüsse bleibe die absolute Idee als das Prinzip der Vernunft unterbestimmt. (Kant hatte bereits
die Beweisarten der Existenz des Göttlichen in den Abstraktionen solcher Verstandesschlüsse mit
dem Seinsgedanken konfrontiert, und argumentiert, dass sich aus diesen ein Seiendes – so wenig
wie aus dem Begriff der 100 Taler wirkliche 100 Taler – herausklauben ließe.) 2. Wenn darum das
Verhältnis zwischen Prinzip und Prinzipiiertem nicht undurchsichtig bleiben soll, so muss vom
Prinzipiierten ausgehend zum Prinzip – vom Bekannten zum noch Unbekannten – in begrifflich
nachvollziehbarer, methodisch geregelter Weise eine Schrittfolge der Annäherung möglich sein,
durch die das Prinzipiierte als Selbstverobjektivierung des Prinzips aufgefasst werden kann (der
Weg der ‚Phänomenologie zum reinen Wissen‘). 3. Dann erst wird dieser Prozess als Prozess der
Bildung, des Sich-Bestimmens und Sich-Erkennens ausgehend vom Prinzip, dem reinen Seins-
gedanken zum Prinzipiierten, d.  h. zur Idee des durchgängig bestimmten Ganzen begreiflich
sein können, indem solchermaßen das Prinzipiierte nurmehr in dasjenige zurückkehrt, das es
von Beginn an, wenn auch noch in unbestimmter und unbegriffener Weise, bereits gewesen ist.
(Wissenschaft der Logik) 4. Mit dieser Rückkehr in den eigenen Grund kann quasi transzenden-
tallogisch und transzendentalheuristisch antizipiert werden, was allem je Einzelseienden an All-
gemeinem und Bestimmendem je bereits eingelagert und eingeschrieben ist. (Vorbereitung auf
den realphilosophischen Teil des Systems in der Enzyklopädie): Beide Seiten bringen sich dabei
zugleich je wechselseitig hervor: Das Einzelseiende wird im Rückgang auf seinen Grund als Mani-
festation des Allgemeinen ebenso erkennbar wie das Allgemeine – das reine Sein zu Beginn der
Wissenschaft der Logik – als Grund und Quelle für die Genese des Einzelnen durchsichtig werden
kann.

3 D
 ie Deduktion der reinen Wissenschaft in der
‚Phänomenologie des Geistes‘. Der Weg des
Bewusstseins in seinen Grund
Doch wenn die Rede von der notwendigen Vermittlung der Pole nicht bloß ein Postulat sein soll,
so gilt es in einem ersten Schritt der Annäherung – vom Prinzipiierten zum Prinzip – die mögli-
che Übereinstimmung des Bewusstseins mit den Gegenständen des Wissens allererst zu zeigen,
mithin also die un-skeptischen Implikationen der sich vollführenden Skepsis, nach der Art einer
Deduktion der reinen Wissenschaft, freizulegen.
Gleich zu Beginn der Phänomenologie des Geistes entzieht Hegel darum dem vermeinten
unüberbrückbaren Hiat zwischen Ich und Welt (dessen Überwindung bereits die zentrale Heraus-
forderung in Kants Deduktion der reinen Verstandesbegriffe war) den Boden: Ist doch selbst die
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 Claudia Bickmann †, Sein und Selbst-Sein   37

unmittelbare Situierung eines Etwas in Raum und Zeit in der sinnlichen Gewissheit des Hier und
Jetzt nur subjektiv vermittelt begreiflich. Selbst in einer sinnlichen Gewissheit sind Unmittelbar-
keit und Vermittlung untrennbar vereint.
Auf dem Wege zum reinen Wissen können die Formen der Anschauung und des Wissens,
die das Individuum dann auf den Stufen der Annäherung je in Gebrauch nimmt, als ebenso viele
eingelagerte Stufen des sich erkennenden Geistes durchsichtig werden, – als an sich bereits voll-
brachte Stufen des Geistes, seine „zur Möglichkeit getilgte Wirklichkeit“, seine bereits „bezwun-
gene Unmittelbarkeit“;3 als das bloß erinnerte Ansich, das schrittweise im Bewusstsein des Indi-
viduums zu einem Fürsich-sein des Wissens werden soll.
Doch nicht erreicht bereits die Phänomenologie des Geistes ein Wissen um die in sie eingela-
gerten und zu Möglichkeiten herabgesunkenen Formen des reinen Wissens.

4 G
 rundlegung des Bewusstseins aus dem Geiste der
‚Wissenschaft der Logik‘
Dieses selbst zu erkunden und zu begreifen, erscheint dem Bewusstsein in der Wissenschaft der
Logik dann als Zumutung, die ungewohnte Stellung einzunehmen, auch einmal „auf dem Kopfe zu
gehen“ und damit ein bloß „Verkehrtes“ d. h. die „Form des Unwirklichen“ zu betreten.4 Doch im
Sinne der notwendigen Selbsterkenntnis – als Erkenntnis des Wahren im Menschen wie auch des
Wahren an und für sich, – gilt es zunächst zu zeigen, dass und wie dieses Wissen dem Bewusst-
sein selbst angehört, d. h. von diesem – ohne sein Wissen und Dazutun – je bereits bestimmt ist.
Darum gilt es zugleich, die im endlichen Bewusstsein bloß schlummernde geistige Substanz auch
als eine solche, d. h. als Geist zu begreifen. Um sich aber zu zeigen, muss sich die geistige Subs-
tanz zunächst – im Bewusstsein – frei setzen, sich „äussern und für sich selbst […] werden“.5 Dies
aber heißt auch für Hegel: das Bewusstsein soll, indem es das Geistige als seine wesentliche Natur
erkennt, Geist werden: nootenai, (das Geistige im Menschen, mithin seine sittliche Natur, soll als
sein Selbst-Bewusstsein zu begreifen sein.)
Erst in der Wissenschaft der Logik wird das Denken dann wirklich frei: ist es nicht mehr bloße
Form möglicher Seinsgedanken, d.  h. auf ein von ihm selbst Verschiedenes gerichtet, mithin
nur Wissen für ein erkennendes Bewusstsein, sondern ein Denken, dem das Denken selbst zum
Objekt geworden ist. Denken des Denkens ist darum: ‚Objektives Denken‘, Analyse des reinen
Wissens, d. h. des reinen Gedankens „insofern er eben so sehr die Sache an sich selbst ist, oder die
Sache an sich selbst, insofern sie eben so sehr der reine Gedanke ist“.6 Dies ist selbstbezügliches
Denken – oder ein ‚Sich Wissen im Wissen‘.
In diesem dann erst, dem reinen Denken des Denkens, erreicht das Wissen die höchstmög-
liche Form der Selbstbezüglichkeit, ist nicht mehr bloß ein Sich-fühlen oder Vernehmen im
Bewusstsein, sondern Sich-Wissen im Wissen, auf das alle Erkenntnis seiner Möglichkeit nach
zurückgeführt werden kann.
Dabei ist Wissenschaft der Logik nicht mehr als ein Explizit-machen der im erkennenden, wol-
lenden oder ästhetisch betrachtenden Bewusstsein eingelagerten Formbedingungen; sie erkun-
det nichts, als was nicht in unaufgeschlossener, unaufgehellter und selbstverlorener Weise mit
dem weltzugewandten Bewusstsein der Phänomenologie des Geistes bereits vorausgesetzt ist,

3 G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, Gesammelte Werke, Bd. 9, Hamburg 1980, 26.
4 Ebd., 23.
5 Ebd.
6 G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik I, Gesammelte Werke, Bd. 11, Hamburg 1978, 33.
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38   Hegel-Jahrbuch 2018

ohne jedoch eigens verstanden und begriffen zu sein. Hier liegt darum im Sinne Hegels der wahre
Ort der Selbsterkenntnis auch des Bewusstseins; um sich zu begreifen, muss es Geist werden.
Aus dem genannten Grunde hat Hegel auch eine Interpretation der Wissenschaft der Logik
zurückgewiesen, nach der sie in einem Reiche jenseitiger Ideen beheimatet sei, „ausserhalb
welcher die Welt der Wirklichkeit sich befinde“.7 Diese Kritik am sog. Chorismos der reinen
Formen des Wissens  – mithin der Trennung der Logik von Phänomenologie und Realphiloso-
phie – sei bereits der platonischen Idee entgegengebracht worden: als seien nicht bereits Platons
Ideen nichts anderes als das „Allgemeine oder bestimmter der Begriff des Gegenstandes“,8 des
Gegenstandes in seiner durchgängigen Bestimmung. Denn nur in diesem, im bestimmenden All-
gemeinen habe „etwas Wirklichkeit“.9
Am Beispiel der Idee des Staates sucht er dieses Ineins von Logik und Realphilosophie zu
verdeutlichen:

Wenn […] ein Gegenstand z. B. der Staat seiner Idee gar nicht angemessen, das heißt, vielmehr gar nicht die Idee
des Staates wäre, wenn seine Realität, welche die [der] selbstbewussten Individuen ist, dem Begriffe ganz nicht
entspräche, so hätten seine Seele und sein Leib sich getrennt; […] Der schlechteste Staat, dessen Realität dem
Begriffe am wenigsten| entspricht, insofern er noch existirt, ist er noch Idee.10

5 R
 ückkehr des Bewusstseins aus seiner Veranderung
in der Natur. Die Funktion der ‚Enzyklopädie der
philosophischen Wissenschaften‘
Doch gehört das mögliche Auseinandertreten von Begriff und Realität, von Wirklichkeit und Idee
in einem engeren Sinne noch nicht der reinen Formensprache der Wissenschaft der Logik an: In
dieser wird die Idee als Leben, als Erkennen und auf ein Telos, das Gute, hin ausgerichtet in all-
gemeiner Form entfaltet; um dergestalt mit der Idee der Einheit von Begriff und Realität, theore-
tischer und praktischer Vernunft den zu vollführenden Leithorizont in der Sphäre des Endlichen
zu gewinnen. Erst jedoch die Sphäre des Endlichen – in der Realphilosophie – ist durch ein Aus-
einandertreten der Extreme in je unterschiedlichen Proportionen oder Potenzen gekennzeichnet.
Der Akzent des dritten Systemteils, der Realphilosophie, liegt darum auf der mit dem Endli-
chen notwendig einhergehenden Differenz der Pole sowie auf der durch diese Differenz möglichen
spannungsreichen Bewegung: einer Bewegung nicht zwischen zwei Polen, die ebenso gut auch
voneinander getrennt sein könnten, sondern einer Bewegung, in der beide Extreme nur je unter-
schiedliche Grade der Manifestation des einen Prinzips: Sich-Bestimmen, Sich-Erkennen zum
Ausdruck bringen:
Als ‚schlummernden Geist‘ oder als ‚unbewusste Poesie des Geistes‘ hatte Schelling darum
in seiner Potenzlehre diejenige Sphäre des Endlichen aufgefasst,11 die als mechanische Natur –
durch das Prinzip bloß gesetzt und von außen bewegt, nicht aber bereits – wie im Organismus –
zum Prinzip Sich-Bewegen und – wie in der menschlichen Seele – zum Sich-Erkennen, Sich-Wis-
sen und Sich-Bestimmen, mithin also zum Selbst-Bewusstsein vorgedrungen ist.

7 Ebd., 34.
8 Ebd.
9 Ebd.
10 G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik II, Gesammelte Werke, Bd. 12, Hamburg 1982, 175 f.
11 F . W. J. Schelling, System des Transzendentalen Idealismus, Ausgewählte Schriften, Bd. 3, Frankfurt am Main, 350.
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 Claudia Bickmann †, Sein und Selbst-Sein   39

Analog sucht auch Hegel im realphilosophischen Teil der Enzyklopädie die Bewegung zwi-
schen Natur und Geist als ein-sinnigen, in sich dynamisch bewegten, quasi organischen Prozess
des Seinsganzen zu begreifen, der im Prinzip Sich-Bestimmen und Sich-Setzen das Movens seiner
Bewegung und in der Idee ihrer Einheit das Ziel seiner Entfaltung erfährt.
Und nur, weil das höchste Prinzip in seinen Manifestationen zugleich selbstbezüglich ist,
kann es sich auch von sich selbst – als dem Bestimmungsgrund von Allem – einen Begriff nehmen
und im ‚Begriff des Begriffs‘ dann jene Gestalt der Selbstexplikation des Prinzips finden, von der
die Selbsterkenntnis des Menschen nur ein schwaches Abbild erreicht.
Analog zu Kants Transformation der speziellen Metaphysik, durch die ihre drei Ideen nicht
mehr als für sich seiende hypostatisch gedachte Wesenheit zu begreifen sind, sondern diese an
den Prozess der Genese und Entfaltung des Endlichen zurückbindet, sucht Hegel nun auch in
der ehemaligen rationalen Kosmologie nach einer Lösung der antinomischen Lage, in die Kant
den Weltbegriff der reinen Vernunft geraten sieht. Durch die sukzessive Entfaltung der Freiheit
in Natur und Geist soll eine genealogische Lösung zu finden sein: Je nach Grad der in Natur und
Geist erreichten Freiheit und Selbstbestimmung gelten sie als mehr oder weniger angemessener
Ausdruck des Prinzips Sich-Bestimmen und Sich-Erkennen.
Doch ist völlige Selbst-durchsichtigkeit und differenzfreie Einheit für die Sphäre des Endli-
chen nur ein regulatives Maß: Denn dem Endlichen ist ein unüberbrückbarer Hiat zwischen Begriff
und Realität eingeschrieben; darum muss das Telos der Selbstbestimmung und Freiheit im Einzel-
nen wie in der moralischen Welt unendliche Annäherung bleiben. Hegel, der ‚spekulative Idealist‘
ist darum in einem tiefsten Sinne ein Realist: Denn nicht soll die Idee des Absoluten im Endlichen
einen adäquaten Ausdruck finden können, sowenig umgekehrt aber auch das Endliche selbst, –
wie etwa in den gegenwärtigen Wissenschaften, – zum absoluten Maß und Bestimmungsgrund
unserer Selbst- und Weltorientierung werden kann. Denn wenn Freiheit und Selbsterkenntnis in
der endlichen Welt  – in einer Welt unter moralischen Gesetzen – möglich sein sollen, so kann
unser endliches Wissen in einer endlichen Welt – auch für Hegel – nicht ein Letztes sein.
Daran aber leidet die wissenschaftsbezogene Aufklärung der Moderne: Sie hat das Prinzip der
reinen Vernunft als Orientierungsmaß ihrer Selbstverständigung verloren.
Darum kann Selbsterkenntnis, die im Horizont der neueren Anthropologie auf die partikula-
ren Charaktere, die Nöte und Leidenschaften der Menschen sich beschränkt, den systematischen
Ort der Selbsterkenntnis, ‚der Wahrheit im Menschen wie die Wahrheit an und für sich selbst‘,
nicht mehr finden. Damit aber hat sie den notwendigen Orientierungssinn in einer zu vollführen-
den sittlichen Welt endgültig eingebüßt.

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Marc Nicolas Sommer, Basel

Die Selbsterkenntnis des Verstandes

1
„Selbsterkenntnis“ ist die kürzeste Beschreibung für das Programm der hegelschen Philosophie.
Das formale Gerüst dieser Selbsterkenntnis wird im Gang der Wissenschaft der Logik artikuliert.
Er kulminiert in der Idee, deren Selbstbestimmung es ist, „sich zu vernehmen“.1 Die sich selbst
vernehmende Idee ist die „eigentliche philosophische Bedeutung für Vernunft“.2 Eine solche nur
sich selbst vernehmende Vernunft ist – so argumentiert Jacobi gegen Fichte – eine reine Vernunft,
die alles ihr Äußerliche – sogar ihr eigenes Sein – auflöst und sich nur noch als reines Hervorbrin-
gen vernimmt. Aus der Tat des Hervorbringens resultiert kein Sein – das würde die Reinheit der
Vernunft einschränken; Resultat der Tat ist die Vernunft selbst als reines Hervorbringen, keine
Substanz, sondern eine reine Tätigkeit. Ist aber das Resultat der Tat eine reine Tätigkeit, so ist
reine Vernunft eine bloße „That-That“  – so der Vorwurf Jacobis  – ein Vernehmen, das nur das
eigene Hervorbringen vernimmt, eine Bewegung, die im Nichts ansetzt und im Nichts endet.3 Vor
diesem Nihilismus der reinen Vernunft „entsezt“ sich die Vernunft und setzt das Wahre außerhalb
ihrer selbst;4 sie setzt ein Vernehmbares voraus, das nicht sie selbst ist. Vernunft ist nun nicht
mehr ein Vernehmen ihrer selbst, sondern Vernehmen eines Anderen; sie ist das „Vermögen zur
Voraussetzung des Wahren“.5 Im Konzept der Idee unterläuft Hegel diese Trennung von reiner
Vernunft und Vernunft als Vermögen der Voraussetzung des Wahren. Vernunft ist zugleich sich
selbst vernehmende Idee und Vermögen zur Voraussetzung des Wahren. Da sie sich selbst verneh-
mende Vernunft ist, kann das Wahre, das sie sich voraussetzt, wiederum nur sie selbst sein. Soll
ihr Voraussetzen ihrer selbst nicht wieder zu einer bloßen Tat-Tat werden, muss sie sich nicht als
sich selbst, sondern als ihr Anderes voraussetzen, um erst dann zur Erkenntnis zu kommen, dass
das von ihr vorausgesetzte Andere sie selbst ist. Vernunft ist daher wesentlich Prozess und nur als
Prozess denkbar.6 Hegel nennt diesen Prozess Selbsterkenntnis.7

1 G.  W.  F. Hegel, Gesammelte Werke, in Verbindung mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft hg. v. der Rhei-
nisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, Hamburg 1968 ff. [= GW], 12, 237.
2 GW 20, § 214. Vgl. auch GW 12, 30.
3 F. H. Jacobi, „Jacobi an Fichte“, in: ders., Werke. Gesamtausgabe, hg. v. K. Hammacher und W. Jaeschke, Hamburg
1998 f. [= JW], 2, 187–258, hier 201 f.
4 Vgl. Stefan Schick, „Die Vollendung des deutschen Idealismus in Friedrich Heinrich Jacobis Sendschreiben an Fich-
te?“, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 61 (2013), 21–41, hier 37 f.
5 Jacobi, „Jacobi an Fichte“, JW 2, 208.
6 GW 20 § 215.
7 Vgl. Dieter Henrich, „Kant und Hegel. Versuch zur Vereinigung ihrer Grundgedanken“, in: ders., Selbstverhältnisse.
Gedanken und Auslegungen zu den Grundlagen der klassischen deutschen Philosophie, Stuttgart 1982, 173–208, hier
203.
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 Marc Nicolas Sommer, Die Selbsterkenntnis des Verstandes   41

2
Jacobi hatte gegen Kant vorgebracht, dass der Kritizismus auf einem beschränkten „Rationalitäts-
rahmen“ beruhe.8 Da er die Vernunft nur die Operationen des Verstandes ins Unbedingte verlän-
gern lasse, denke Kant Vernunft noch nach Maßgabe des Verstandes;9 gegen Kants Verstandes-
vernunft sei Vernunft als vernehmende zu denken, als eine, die das Wahre nicht verstandesmäßig
analysiert, sondern als Wahres voraussetzt und vernimmt. Hegel folgt dieser Kritik, dehnt sie
aber noch auf Jacobi aus: Auch dessen vernehmende Vernunft denkt noch nach Maßgabe des
Verstandes, denn als das Wahre voraussetzende Vernunft ist sie ein bloß verständiges Vermö-
gen, eines, das das Wahre von sich abtrennt und es als Eigenständiges festhält.10 Um über die
bloß verstandesmäßige Konzeption der Vernunft hinauszukommen, muss der zugrundeliegende
Rationalitätsrahmen vollständig revidiert werden. Diese Revision nimmt die Form einer Erweite-
rung an, die den beschränkten Rationalitätsrahmen Kants und Jacobis in sich aufzuheben und
ihm in seiner Beschränkung einen eigenen Platz zuzuordnen vermag. Verstand und Vernunft sind
so keine eigenständigen Vermögen mehr: Indem die Vernunft von einem bloßen Vermögen zum
Absoluten erhoben wird,11 würdigt sie den Verstand zu einem bloßen Moment ihrer Selbstartiku-
lation herab. Die vormals getrennten Vermögen Verstand und Vernunft sind aufgehoben in einer
umfassenden Vernunft, einer Vernunft, die – je nach Standpunkt – „verständige Vernunft oder
vernünftiger Verstand“ ist.12

3
Unbesehen dieser Aufhebung bleibt der Verstand notwendiges Moment der Selbstartikulation der
Vernunft. Allein der Verstand ermöglicht es, das Wahre als ein Anderes der Vernunft dieser vor-
auszusetzen. In ihrer Selbsterkenntnis erkennt die Vernunft dieses Andere als ihr Eigenes, dieses
Voraussetzen als ihre eigene Tat: Sie hat sich selbst als das Wahre in den „abstrakten Verstand“
übersetzt und sich daher selbst missverstanden.13 Dass die Vernunft sich selbst zum Verstand
herabsetzt und sich somit missversteht, bedingt eine bestimmte Eigenständigkeit des Verstan-
des innerhalb der Vernunft:14 Die Vernunft muss sich in der Herabsetzung zum Verstand selbst
undurchsichtig sein, sie muss ihr eigenes Wesen vergessen haben, um als unabhängiger Verstand
tätig werden zu können. So ist der eingeschränkte kantisch-jacobische Rationalitätsrahmen bloß
der Rahmen der selbstvergessenen Vernunft. Als solcher behält er ein beschränktes Eigenrecht:
denn er ist der Rationalitätsrahmen des natürlichen Denkens – der Naturwissenschaft und der
traditionellen Logik15 – und er ist der Rationalitätsrahmen der diesem Denken korrespondieren-
den natürlichen Ontologie diskreter, in einer bestimmten Ordnung stehender Einzeldinge.16 Aber

8 Rolf-Peter Horstmann, Die Grenzen der Vernunft. Eine Untersuchung zu Zielen und Motiven des Deutschen Idealis-
mus, Frankfurt am Main 32004, 126 f.
9 Jacobi, „Ueber das Unternehmen des Kriticismus, die Vernunft zu Verstande zu bringen, und der Philosophie über-
haupt eine neue Absicht zu geben“, JW 2, 259–330, hier 272 f.
10 GW 20 § 65 und § 74.
11 Vgl. Angelica Nuzzo, „Vernunft und Verstand – Zu Hegels Theorie des Denkens“, in: Vernunftbegriffe in der Moder-
ne, hg. v. H. F. Fulda und R.-P. Horstmann, Stuttgart 1994, 261–285, hier 269.
12 GW 21, 8.
13 GW 20 § 214, Anmerkung.
14 Nuzzo, „Vernunft und Verstand – Zu Hegels Theorie des Denkens“, a. a. O. (Anm. 11), 262.
15 Vgl. Horstmann, Die Grenzen der Vernunft. Eine Untersuchung zu Zielen und Motiven des Deutschen Idealismus,
a. a. O. (Anm. 8), 126.
16 Vgl. Henrich, „Kant und Hegel. Versuch zur Vereinigung ihrer Grundgedanken“, a. a. O. (Anm. 7), 194.
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42   Hegel-Jahrbuch 2018

er ist beschränkt, wenn es um diejenigen Inhalte geht, die Hegel spekulativ nennt: Er ist unver-
mögend, das Absolute zu denken, da das Absolute nicht in den Kategorien des Verstandes gefasst
werden kann. Es ist dieses Unvermögen, das zur Revision des Rationalitätsrahmens des natürli-
chen Denkens zwingt. Insofern aber dieser Rationalitätsrahmen aus der Selbstvergessenheit der
sich als Verstand verkennenden Vernunft resultiert, kann die Revision nur darin bestehen, die
im natürlichen Denken selbstvergessene Vernunft zur Einsicht in ihr wahres Wesen zu bringen.
Das jedoch kann nicht durch die Verkündung der Wahrheit vom höheren Standpunkt der Ver-
nunft geschehen. Da sich das natürliche Denken nur innerhalb des Rationalitätsrahmens des Ver-
standes bewegt, ist ihm die Wahrheit der Vernunft, insofern sie über diesen Rahmen hinausgeht,
widersprüchlich. Soll es zur Revision des Rationalitätsrahmens kommen, so muss der Verstand
nicht nur zur Einsicht in seine Beschränktheit gebracht werden, sondern auch zur Erkenntnis,
dass seine Beschränktheit das Resultat seiner eigenen Denkweise ist.

4
Verstand und Vernunft bilden innerhalb eines Logisch-Reellen drei Momente: a) das abstrakte
oder verständige Moment; b) das dialektische oder negativ-vernünftige Moment; c) das spekula-
tive oder positiv-vernünftige Moment. Diese drei Momente können nun wiederum selbst betrach-
tet werden nach Maßgabe eines dieser Momente.17 Werden sie nach Maßgabe des verständigen
Moments betrachtet, so werden sie voneinander getrennt; sie sind nicht mehr Momente einer
umfassenden Einheit, sondern für sich bestehende Entitäten. Nach Maßgabe des verständigen
Moments erscheint das verständige Moment nicht mehr als Moment, sondern als eigenständiges
Vermögen: als Verstand. Verstandesmäßig werden die drei Momente nicht „in ihrer Wahrheit“
betrachtet;18 sie in ihrer Wahrheit zu betrachten, hieße, sie zugleich in ihrer Eigenständigkeit, ihrer
wechselseitigen Bezogenheit und ihrer wesentlichen Einheit zu denken; es hieße, sie spekulativ
zu denken. Spekulativ ist dasjenige Denken, das die getrennten Bestimmungen in ihrer Einheit
auffasst, sie als Momente eines in sich artikulierten Ganzen denkt ohne sie in unterschiedsloser
Einheit zerfließen zu lassen. Das Festhalten an den Bestimmungen in der Einheit, das diese erst zu
einer in sich artikulierten Einheit macht, ist das Werk des Verstandes, aber eines Verstandes, der
sich nicht mehr als getrennt von der Vernunft denkt, sondern sich in die spekulative Einheit ein-
ordnet. So ist der Verstand nicht mehr „Gegenspieler“, sondern „Organ“ der Vernunft.19 Der Schritt
vom natürlichen Denken des Verstandes zum spekulativen Denken läuft über das zweite Moment:
das dialektische oder negativ-vernünftige, in dem der Verstand in Widersprüche verwickelt wird.
Die Widersprüche entstehen, wenn die Vernunft mit den Kategorien des Verstandes zu Werke geht
und sie auf Gegenstände anwendet, die jenseits der Verstandeslogik liegen. Es ist die zum Ver-
stande gebrachte, weil mit Verstandesmitteln denkende Vernunft Kants, die nur den Verstand in
die schlechte Unendlichkeit verlängert und sich so in Antinomien verstrickt.20 Die Verstandesver-
nunft bringt die sich widersprechenden Momente nicht zusammen und so erwacht das „Bedürfnis
des Verstandes“ nach einer Vernunft,21 die der Zerrissenheit des natürlichen Denkens gewach-
sen ist und sie aufzuheben vermag. Dieses Bedürfnis kann nur der Verstand selbst befriedigen;
er kann nicht durch eine von außerhalb seines Rationalitätsrahmens sprechende Vernunft vom
spekulativen Denken überzeugt werden. Spekulatives Denken ist nach Maßgabe des Verstandes

17 GW 20 §§ 79–81.
18 GW 20 § 79, Anmerkung.
19 Michael Theunissen, „Vernunft, Mythos und Moderne“, in: Vernunftbegriffe in der Moderne, a. a. O. (Anm. 11),
31–54, hier 31.
20 Vgl. GW 12, 23.
21 Theunissen, „Vernunft, Mythos und Moderne“, a. a. O. (Anm. 19), 31.
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 Marc Nicolas Sommer, Die Selbsterkenntnis des Verstandes   43

Unsinn; er kann alle spekulativen Sätze als widersprüchlich und unsinnig abtun.22 So bleibt nur,
den Verstand selbst zum spekulativen Denken zu bringen, ihn zur Vernunft zu bringen. Hegel –
das ist die These dieses Beitrags – denkt sich diesen Schritt als Selbsterkenntnis des Verstandes.

5
Der Schritt vom Verstand zur Vernunft kann weder verstanden werden als bloße Verlängerung des
Verstandesdenkens ins Unendliche noch als Sprung aus dem Verstandesdenken in ein von ihm
abgetrenntes Vermögen der unmittelbaren Gewissheit des Wahren. Der Schritt muss als Selbst-
erkenntnis des Verstandes gedacht werden. Obwohl der Verstand eigentlich Vernunft ist, kann
innerhalb des Rationalitätsrahmen des Verstandes, von dem das Denken ausgehen muss, nicht
von einer Selbsterkenntnis der Vernunft die Rede sein: Es gibt noch keine Vernunft, die sich als
solche erkennen könnte; es gibt einzig den verständigen Verstand, der sich nicht als Vernunft
wahrnehmen kann, da er unfähig ist, vernünftig zu denken. Um sich selbst als Vernunft erkennen
zu können, muss der innerhalb des Verstandesrahmens tätige Verstand dazu gebracht werden,
vernünftig zu denken und so seinen Rationalitätsrahmen zu erweitern und sich als Vernunft zu
erkennen. Um diesen Gedanken auszuführen, darf das spekulative Denken nicht mehr nach den
§§ 79–82 der Enzyklopädie expliziert werden, da an dieser Stelle die Momente des Logisch-Reellen
nach Maßgabe des Verständigen angesehen werden: als auf drei getrennte Paragraphen verteilte
Vermögen des Denkens. Vielmehr gilt es, den Gang spekulativen Denkens in actu zu verfolgen,
um zu sehen, wie der Verstand zur Selbsterkenntnis gebracht werden soll. Da die Endlichkeit „die
hartnäckigste Kategorie des Verstandes“ darstellt,23 ist die Überwindung der Endlichkeit in der
Bestimmung der affirmativen Unendlichkeit das geeignete Modell, um das spekulative Denken als
Selbsterkenntnis des Verstandes zu entfalten.24

6
Spekulativ zu denken heißt, die Bestimmungen in ihrer Wahrheit zu denken. Dass der Gedan-
kengang bei der affirmativen Unendlichkeit mit der Bemerkung einsetzt, die Wahrheit des Wech-
selbestimmens des Endlichen und Unendlichen sei „an sich schon vorhanden“ und es nur des
Aufnehmens dieses Vorhandenen bedürfe,25 zeigt die Natur spekulativen Denkens an. Als bloßes
Aufnehmen dessen, was schon vorhanden ist, führt spekulatives Denken keine neuen Inhalte ein,
sondern denkt bekannte Inhalte in neuer Weise. Was der Verstand in seiner Selbsterkenntnis zu
lernen hat, ist eine neue Weise, mit seinen Kategorien umzugehen. Der Fehler des Verstandes in
Bezug auf seine hartnäckigste Kategorie liegt nicht darin, dass er an der Bestimmung der Endlich-
keit festhält, sondern dass er sowohl Endlichkeit als auch Unendlichkeit durch seinen Denkvoll-
zug verendlicht. Endlichkeit bezeichnet nicht eine Kategorie des Verstandes unter anderen; sie
ist die hartnäckigste Kategorie, weil sie die Denkweise des Verstandes ausmacht. Spekulatives
Denken als Selbsterkenntnis des Verstandes vollzieht sich so als die Einsicht des Verstandes, dass
die Endlichkeit der Kategorien nur das Resultat seiner verendlichenden Denkweise ist. Insofern
Verendlichung den Vollzug des Verstandesdenkens als solchen ausmacht, beginnt mit der The-
matisierung der Kategorie der Endlichkeit die Thematisierung der Vollzugsweise des Verstandes

22 Vgl. GW 21, 206.


23 GW 21, 117.
24 GW 21, 139.
25 GW 21, 130.
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44   Hegel-Jahrbuch 2018

und damit die Reflexion des Verstandes auf seinen eigenen Vollzug. Diese Reflexion kann aber
nur dadurch in Gang gesetzt werden, dass dem in sich widersprechenden Bestimmungen befan-
genen Verstand aufgezeigt wird, dass er es selbst ist, der sich mit seiner beschränkten Denkweise
die spekulative Einsicht verbaut. Der Unterricht, der ihm zu Teil wird, ist demjenigen ähnlich,
den Hegel seinen Schülern auf Gymnasialstufe angedeihen ließ: Der Verstand muss „praktische
Uebungen im spekulativen Denken“ anstellen; das aber kann nichts anderes heißen „als wirkli-
che, reine Begriffe in ihrer spekulativen Form zu behandeln“.26 Deshalb liest sich der Abschnitt
über die affirmative Unendlichkeit bisweilen wie eine Schelte, mit der Hegel einen besonders
bornierten Schüler zur Einsicht bringen möchte: Mit schulmeisterlicher Strenge wird dem Ver-
stand vorgerechnet, was er mit seiner Hartnäckigkeit alles „verfälscht“, wie er die Endlichkeit
„verunendlicht“ und die Unendlichkeit „verendlicht“, wie diese „Verfälschung“ darauf beruht,
dass er „vergisst“, wie eigentlich zu denken sei.27 Dass die Verfälschung von einem Vergessen des
Verstandes herrührt, verweist auf den wahren Sachverhalt: dass der Verstand eigentlich nur die
selbstvergessene Vernunft ist. Sein Lernprozess ist nicht Erlernen neuer Denkweisen, sondern
Wiedererinnerung seiner ursprünglich vernünftigen Denkweise. Kommt der Verstand zur Ein-
sicht in die Beschränktheit seiner Denkweise, so werden die Widersprüche aufgehoben, denn die
nicht länger als endlich festgehaltenen Bestimmungen sind nicht mehr widersprüchlich, sondern
Momente eines in sich artikulierten Ganzen. Der Verstand denkt nun nicht mehr verständig,
sondern spekulativ.

7
Indem der Verstand erkennt, dass der Widerspruch, der Verstoß gegen seinen Rationalitätsrah-
men, Ergebnis seiner eigenen beschränkten Vollzugsweise ist, erkennt er, dass das, was zu denken
sei, eigentlich schon vorliegt, dass die vermittelte Einheit von Endlichkeit und Unendlichkeit in
jeder dieser Bestimmungen bereits vorhanden ist28 und es jetzt nur noch um das Aufnehmen
des Vorhandenen geht – ein Aufnehmen, das voraussetzt, die Momente der Einheit nicht mehr
dadurch zu verfälschen, dass sie als eigenständige, voneinander unabhängige Bestimmungen
gedacht werden. So bringt die Einsicht des Verstandes in sein Tun den Verstand zur Vernunft; da
der Verstand nur die selbstvergessene Vernunft ist, kommt er in dieser Bewegung zur Einsicht in
seine wahre Gestalt. Die Selbsterkenntnis des Verstandes besteht darin, in einer Reflexion auf das
eigene Tun zur Einsicht zu kommen, dass die Widersprüche, in die er sich verwickelt hat, Produkt
der eigenen Vollzugsweise sind; diese Erkenntnis lässt die hartnäckig festgehaltenen Bestimmun-
gen los und gibt die Einsicht frei, dass die vermeintlich eigenständigen Bestimmungen bereits in
vermittelter Einheit vorliegen – dass also das vermeintlich eigenständige Endliche immer schon
vermittelt ist durch die Bestimmung der Unendlichkeit; und dass auf der anderen Seite das ver-
meintlich eigenständige Unendliche immer bereits durch das Endliche vermittelt ist. Beide sind
nur zu denken als „Hinausgehen“ über sich selbst zu ihrem Anderen.29 Dem in endlichen Bestim-
mungen denkenden Verstand erscheint dieses Hinausgehen als Widerspruch. Die hartnäckig
gegeneinander festgehaltenen Bestimmungen entschlüpfen seinem Zugriff und verkehren sich in
ihr Gegenteil. Dass dem Verstand das Übergehen der Bestimmungen als Widerspruch erscheint,
liegt an seiner eigenen Denkweise; erkennt er dies und lässt die Bestimmungen frei, so erkennt er
in ihrem Übergehen ihre wahre, spekulative Gestalt: Endlichkeit und Unendlichkeit gehen über

26 Brief von Hegel an Niethammer vom 24.3.1812. G. W. F. Hegel, Briefe von und an Hegel, Band I: 1785–1812, hg. v.
J. Hoffmeister, Hamburg 31969, 397.
27 GW 21, 132–133.
28 GW 21, 133.
29 GW 21, 133.
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 Marc Nicolas Sommer, Die Selbsterkenntnis des Verstandes   45

sich hinaus zu ihrem Anderen über und kehren aus diesem wieder zu sich selbst zurück. Spekula-
tiv zu denken bedeutet nun nicht mehr, als diese Bewegung zu vollziehen. So ist das spekulative
Denken nicht eine neue, noch unerhörte Denkform, sondern die eigentliche Gestalt des Denkens,
die der Verstand in seinem verfälschenden Zugriff als widersprüchliche Gestalt erscheinen ließ.
Insofern die Selbsterkenntnis des Verstandes die Verfälschung spekulativen Denkens aufhebt und
es in seiner eigentümlichen Gestalt hervortreten lässt, besteht spekulatives Denken zunächst in
nichts mehr als in der Selbsterkenntnis des Verstandes, die den natürlichen Gang des Denkens
frei zur Entfaltung kommen lässt.

8
Indem Hegel den Übergang zum spekulativen Denken als Selbsterkenntnis des Verstandes denkt,
vermag er Vernunft als den eigentlichen Rationalitätsrahmen zu behaupten und den Verstand
als selbstvergessene Vernunft auf einen bloßen Teilbereich dieses Rahmens einzuschränken.
Vernunft wird in der Selbsterkenntnis des Verstandes aus dem verfälschenden Griff des Verstan-
des zurückerobert; die Selbsterkenntnis des Verstandes ist seine Selbstauflösung als bloßer Ver-
stand und seine Transformation in Vernunft. Indem die Vernunft sich selbst in der rätselhaften
Gestalt des Verstandes voraussetzt und diese Voraussetzung als ihre eigene Voraussetzung wieder
einholt, vermag Hegel die Alternative zwischen Vernunft als bloßer Tat-Tat und Vernunft als Ver-
mögen der Voraussetzung des Wahren zu unterlaufen. Vernunft setzt in Gestalt des Verstandes ein
Vermögen der Voraussetzung voraus, hebt diese Voraussetzung jedoch wieder auf und vernimmt
damit rein sich selbst. Der Verstand ist als Vermögen der Voraussetzung die Gegenkraft in der
sich selbst vernehmenden Vernunft, die diese Vernunft davon bewahrt, zur Fadheit einer bloßen
Tat-Tat herabzusinken; die Selbsterkenntnis des Verstandes holt die Voraussetzung der Vernunft
ein, indem sie den Verstand zur Vernunft bringt und das Negative des Verstandes zu einem bloßen
Moment der sich selbst vernehmenden Vernunft macht.

Dr. Marc Nicolas Sommer


Universität Basel
Departement Künste, Medien, Philosophie
Philosophisches Seminar
Steinengraben 5
CH-4051 Basel
Marc.Sommer@unibas.ch

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Sergey Peruanskiy, Moscow

Anthropological Aspects of Hegel’s Doctrine on


the Concept
The American philosopher R. Pippin called Hegel’s doctrine on the „self-determination“ of the
notion „the most central and mysterious of Hegel’s doctrines“.1 This opinion is quite right. Firstly,
another central category of Hegel’s philosophy – the idea – is directly related to the category of
the „concept“. Secondly, Hegel stressed repeatedly the importance of the category concept in
his philosophy. The words about the „mysterious nature“ of the doctrine on the concept are also
true. „The concept is something that dwells within the things themselves, by means of which they
are what they are.“2 The concept which lives in things and determines their properties – it is an
amazing inversion of the traditional understanding of the concept.
My approach to the interpretation of Hegel’s doctrine on the concept is very simple: I have lis-
tened to his warnings and have tried to understand the meaning in which he used this category. As
a result I have managed to „decipher“ the strangest provisions of Hegel. In addition it was found
out that Hegel’s doctrine had a great anthropological significance: it helped to solve the problem
of the origin of man.
Hegel calls development the main category of his philosophy. „In order to comprehend what
development is, what may be called two different states must be distinguished. The first is what
is known as capacity, power, what I call being-in-itself; the second principle is that of being-for-
itself, actuality.“3
Development is the process of transition being-in-itself to being-for-itself. The most important
property of development is its manageability. „Because that which is implicit comes into exis-
tence, it certainly passes into change, yet it remains one and the same, for the whole process
is dominated by it.“4 This description of development shows that it is a programmed process.
In-itself plays a role of the program while for-itself is a result of the program implementation.
Thus, Hegel discovered a special class of processes – programmed processes. The logic of Hegel
as a development theory is the philosophical theory of programmed processes taking place in the
world.
One is to find out the role of the „concept“ category in this theory. Let us compare two catego-
ries: being-in-itself and the concept. Hegel writes: „The seed can […] be regarded as the plant-in-
itself.“5 „A seed of plant is a sensual real concept.“6 So the meanings of these categories are iden-
tical. Hence, the concept in the understanding of Hegel is a program of the programmed process.
This important finding is to be corroborated by other Hegel’s texts. To understand what
meaning Hegel gave to the term „concept“ it is necessary to find this word used in the context
from which Hegel’s thought is quite clear. This will allow us to formulate this thought in modern
scientific terms. Then we will see which modern term corresponds to the term „concept“ in the
Hegelian sense of the word. At that we will make, in a manner of speaking, a contextual translation
of Hegel’s terminology into a modern scientific language. The contextual translation will be tested
by the fact that the use of the modern term which replaces the Hegelian term „concept“ will allow
to interpret the strange statements of Hegel made in different contexts.

1 R. Pippin, Hegel’s Idealism, Cambridge 1989, 182.


2 G. W. F. Hegel, Encyclopedia of the Philosophical Sciences, Part I, Science of Logic, Cambridge 2010, 242.
3 G. W. F. Hegel, Lectures on the History of Philosophy, London 1892, 20–21.
4 Ibid., 22.
5 G. W. F. Hegel, Encyclopedia of the Philosophical Sciences, Part I, Science of Logic, Cambridge 2010, 192.
6 G. W. F. Hegel, Encyclopedia of the Philosophical Sciences, Part III, Philosophy of Mind (§ 379), Moscow 1977, 12.
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 Sergey Peruanskiy, Anthropological Aspects of Hegel’s Doctrine on the Concept   47

Here is the text which has the context allowing us to understand the Hegel’s meaning of the
term „concept“. Hegel wrote: „Leibniz contrasts causas efficientes and causas finales […] Accord-
ing to this distinction, for example, light, warmth, moistness are, of course, to be considered as
causae efficientes but not as the causa finalis of the plant’s growth, the causa finalis being, of
course, nothing other than the concept of the plant itself.“7 For two seeds growing near each
other the causae eficientes (light, warmth, moistness) is the same, but from one seed grows wheat
and from another seed grows oat. Therefore, the causa finalis for plant’s growth is the reason,
which determines the genus of a plant, i.  e. the genome or genetic program of a plant. Conse-
quently according to modern terminology the Hegelian term „concept of the plant itself“ should
be replaced with the term „genome“ or „genetic program of a plant“.
Hegel stressed that „the earliest philosophies are the poorest and the most abstract“8 and
warned: „It prevents our burdening them with deductions and assertions which were neither
made nor thought of by them, though they might correctly enough allow themselves to be derived
from the thought of such a philosophy.“9 Here Hegel speaks about necessity to take into account
that philosophers of past times could not yet put into philosophical categories the sense which
modern philosophers put in them. Hegel’s texts are unique in that he put into commonly used cat-
egories such meanings which philosophers contemporary with him did not put in them. I do not
arrogate to Hegel any deductions and assertions based on his words, I just try to figure out what
meanings he put into those words.
The correctness of replacement of the term „concept“ with „genetic program of organism“ is
confirmed by different Hegel’s texts. For example, „Life, or organic nature, is the stage of nature
where the concept comes on the scene, but as a blind concept that does not comprehend itself,
that is not thought“.10 This sounds absurd from the point of view of rational logic: it turns out that
the concept comes on the scene „as a blind concept that is not thought“. It is like that (before the
human mind!) at the stage of organic nature. But exactly at this stage of nature genetic program of
organisms appears for the first time.
The fact that one can consider the organism concept in understanding of Hegel as the genetic
program of organism is also evident from his understanding of the evolution of living nature.
„Nature is to be regarded as a system of stages wherein one comes forth necessarily out of the
other […] Metamorphosis accrues only to the concept as such, for development is nothing but
the alteration of the same.“11 What does it mean? If we give to „concept as such“ its conventional
meaning, then it will not be of absolute idealism. It will be absolute nonsense. On the contrary
if „concept as such“ is considered as a genetic program of living beings, then everything falls
into place. New stages of organic life arise from alteration of organisms’ genetic programs. Thus,
from the entirely different context, we can conclude that Hegel understands by the category of
„concept“ the same that we understand by „genetic program of organism“.
The dialectical logic allowed Hegel to penetrate into the properties of the concept-program so
deeply that he realized the saltatory nature of origin of new species of organisms: „The Concept
distinguishes according to qualitative determinateness, making leaps in the process.“12
Of course Hegel knew nothing about genes; in fact, even Darwin knew nothing about them.
However he wrote about the properties of the concept in his sense of the word as if he wrote
consciously about mutagenesis. Thus Hegel realized that the development of organisms was con-
trolled by a structure in which the potential abilities of the body were laid down. Its saltatory
changes create new species. He called this structure in two ways: in itself or concept. Thus Hegel

7 G. W. F. Hegel, Encyclopedia of the Philosophical Sciences, Part I, Cambridge 2010, 189.
8 G. W. F. Hegel, Lectures on the History of Philosophy, London 1892, 41.
9 Ibid., 42–43.
10 G. W. F. Hegel, The Science of Logic, Сambridge 2010, 517.
11 G. W. F. Hegel, Hegel’s Philosophy of Nature, edited by M. J. Petry, 1969, § 249, http://www.gwfhegel.org/Nature/
Evol1.html.
12 Ibid.
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48   Hegel-Jahrbuch 2018

created ideology of understanding of organisms’ development that was developed later by genet-
ics. This suggests that he is a misunderstood forerunner of genetics.
Understanding of the Hegelian doctrine of the concept as the theory of programmed processes
in which the concept is regarded as a program of the process not only allows one to remove the
mystery of self-determination of the concept, but also adds to this teaching an important applied
function in the application to philosophical anthropology. This interpretation allows us to apply
a purely philosophical approach to solving the problem of the origin of man which does not use
paleoanthropological research and any hypotheses.
The paleoanthropology data allow only to track down anatomical changes of anthropoids
and the evolution of tools which they use. But the thing is not that a human mode of life emerged
due to anatomical changes and new tools, but on the contrary, the anatomical changes and new
tools emerged as a result of human lifestyle. Solving the problem of human origin means explain-
ing the origin of human lifestyle. Paleoanthropology has nothing to say about the first historical
act which started the history of man because at that time there were no artifacts that could have
been found during the excavations. Only the philosophical approach may explain the reasons
why a part of primates stood out from all other primates, took the path of becoming man and how
it happened.
Human way of life is a certain system of human actions. To understand how this system orig-
inated one must know the system of anthropoids’ actions that was replaced by the human way of
life. Obviously the anthropoids had the same way of life as all primates had. Modern apes have
retained it ever since. According to ethology this way of life is the biological hierarchy.
In the problem of the origin of man one can single out two most difficult issues:
1. What perturbing factor has destroyed the biological hierarchy in bands of anthropoids?
2. What was the first historical act which commenced the human history?

Hegel’s doctrine on the concept interpreted as the theory of programmed processes provides a
methodological basis to solving this problem. Hegel wrote: „As the germ bears in itself the whole
nature of the tree, so the first traces of Spirit virtually contain the whole of the History.“13
The first traces of the spirit obviously are the actions of the anthropoids with which began
the human way of life – the first historical act. The above stated statement of Hegel means that the
anthropoids committing the first historical act represent humanity in itself, i. e. there is a develop-
ment program of humanity in these actions.
Hegel wrote about the transition of being-in-itself into being-for-itself: „But even though man,
who in himself is rational, does not at first seem to have got further on since he became rational
for himself what is implicit having merely retained itself the difference is quite enormous: no new
content has been produced, and yet this form of being for self makes all the difference. The whole
variation in the development of the world in history is founded on this difference.“14
The statement that in being-for-itself, i. e. in an adult man, „no new content has been pro-
duced“ looks surprising. But in the development program (i.  e. in being-in-itself) there is only
the program of abilities development, rather than human biography. The events that lead to the
development of abilities are not incorporated in the program. Therefore existence of human devel-
opment program or program of World History has nothing to do with the idea of ​​predestination
of all events. There is only a program that a baby will become rational. There is only a program
that the anthropoids which made the first historical act would inevitably humanize, but there is
no specific program of the historical events which will lead them to civilization. These provisions
about the transition from being-in-itself into being-for-itself mean a great deal for the understand-
ing of human origins.

13 G. W. F. Hegel, The Philosophy of History, Ontario 2001, 31.


14 G. W. F. Hegel, Lectures on the History of Philosophy, London 1894, 21.
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 Sergey Peruanskiy, Anthropological Aspects of Hegel’s Doctrine on the Concept   49

Ethological observations of apes’ behavior established the fact of fundamental importance:


when a band of apes which uses sticks to get bananas starts to fight they drop sticks and use
hands and fangs instead. Monkeys are incapable of the armed fight. That is why they remained
monkeys. People practice the armed fight constantly. Here is the key to the behavior of anthro-
poids! Using the position that the content of being-in-itself and being-for-itself is the same, we
purely logically (rather than hypothetically!) conclude that our ancestors singled out themselves
from all the primates by learning to use sticks and stones fighting each other. Just an armed fight
destroyed the biological hierarchy because physical strength ceased to be the sole factor in deter-
mining of the winner.
However our ancestors mastered the skill which is incompatible with the instinctive behavior.
They had only two choices: to kill each other in an instinctive desire to grab the food earlier than
others do or to create a qualitatively new system of relations.
To understand the response of anthropoids to this challenge let us apply Hegel’s position that
„the first traces of Spirit virtually contain the whole of the History“. The highest stage of evolution,
i. e. social relations lies in the fact that people share with each other the products of their labor:
things, ideas, artwork, etc. The modern division of the products of labor between people in the
form of exchange of these products is an advanced form of social relations – a society for itself. If
the first traces of the spirit (the first historical act) virtually contains the whole History, it means
that they are a society in itself. Taking into account that the content of being-in-itself and being-for-
itself is the same we conclude again, purely logically (not hypothetically!), that the first historical
act was a peaceful division of prey between all members of the band of anthropoids – the primary
social relation. In case of distribution, even the weakest members of the band who according to
the natural selection should not have posterity in order to avoid the band degeneracy could obtain
food. The distribution is an act of humaneness. How else human being could emerge if not due to
an act of humaneness.
The actions that became the first historic act are not a one-time act as, for example, a starter
runs the motor. These actions became an end in itself and directly or indirectly they form people’s
life. It turned out that the first historic act was at the same time the last one. This is precisely why
in accordance with the correct saying of Hegel „the first traces of Spirit virtually contain the whole
of the History“.
Social relations among people changed natural selection completely. Armed struggle has
made the fight of communities against each other for the best habitat a permanent phenome-
non. The winners were the most battle-worthy communities. Combat capability is dependent on
an arsenal of tools and weapons, and it is determined by the development of productive forces.
The development of the productive forces is higher when realization of the community members’
abilities is fuller or, in other words, the return on the activities of each member of the commu-
nity is greater. Productivity of people activity is higher when satisfaction of their needs is fuller.
Therefore, in the fight of communities the community which achieved the optimum needs sat-
isfaction of all community members will prevail. The best satisfaction of the needs of the com-
munity members depends on the principle of distribution of needs items conventional for the
community. Thus subjects of natural selection became the communities rather than individuals.
The natural selection became a group one. At the same time, the distribution principle and the
productive forces created on its basis became such features which have been handed down to new
generations. These features are formed in lifetime and therefore they are handed down to new
generations by means of their lifetime learning, rather than genetically. So the natural selection
was transformed into social-natural selection. It is a social selection because the inherited features
and the inheritance mechanism have originated due to specific intragroup relations, which do
not exist in animal life, that are public, social relations. The selection is natural because only the
communities that have won in the fight of communities pass their features to new generations as
it happens in the animal world.
The law of social and natural selection has to pinpoint the ideal distribution principle which
ensures victory of a community during the social-natural selection. There may be two formula-
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50   Hegel-Jahrbuch 2018

tions. The first formulation emphasizes the role of the principle of distribution as a factor of devel-
opment of the productive forces. This is the principle „to each according to his ability to produce
for community the means and items of needs“.
One can formulate the ideal distributive principle emphasizing connection of its humaneness
to economic feasibility: „All humane is reasonable, all reasonable is humane“.
The first wording may be called a differential distribution principle meaning that it differenti-
ates members of a community in accordance with their contribution to development of production
forces.
The second wording defines the integral distribution principle which indicates the strategy of
the politico-economical process. These issues are discussed in detail in my books: Basic Theory of
Humanization of Society (Moscow 2016) and A Mystery of Hegel’s Philosophy: It’s Dialectical Mate-
rialism within the Idealistic Shell (Moscow 2016).
The proposed concept of human origin and Hegel’s philosophy mutually enrich each other.
Hegel’s philosophy helps us to understand the origins of man while the discussed concept
explains the position of Hegel that „the spirit does not emerge from nature in a natural way“. This
statement could raise the suspicion of mysticism but Hegel meant that spirit cannot come from
processes that occur in nature, for example, from special physiological processes. The proposed
concept of the origin of man shows that the nascent man had to escape from captivity of natural
selection by suppressing natural instincts generated by natural selection. Human spirit arose in
defiance of natural selection and therefore not in a natural way.
The concept of socio-natural selection corresponds to Hegel’s understanding of the World
History as a World Court. It corresponds also to the provisions of Hegel on the cunning of the
World Mind. This cunning is that ultimately the communities with the distribution principle
nearest to the principle „All humane is reasonable, all reasonable is humane“ win.
Therefore, an understanding of Hegel’s philosophy as a theory of programmed processes not
only explains its enigmatic provisions but also reveals its enormous heuristic potential. Here it is
shown by the example of solving the problem of human origins. However this is only the begin-
ning. Much remains to be done for the further interpretation of Hegel’s philosophy as the theory of
programmed processes and the implementation of its heuristic potential. The key to the greatest
problem – the beginnings of life on Earth – is stored somewhere in the depths of Hegel’s philoso-
phy. The „Diamond net“ of Hegel’s philosophy is waiting for its new explorers.

Dr. Sergey Peruanskiy


Akademika Koroleva Street 8-2-534
Moscow, Russia 129515
sergey.peruanskiy@mail.ru

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Juan Serey, Viña del Mar

The Concept, Negativity, and the „I“


On some Difficulties at the Beginning of th Subjective Logic

The opening pages of The Science of Subjective Logic or The Doctrine of the Concept are intended to
clarify a very important feature of the true nature of the Concept, excluding from the outset, first,
the possibility of considering the Concept as a set of axioms, which consists of some „underived
and underivable determinations of cognitions“; and, secondly, the possibility of considering the
Concept „just as a subjective presupposition“.1 Both attempts to comprehend its true nature are
dismissed here because of the given character of the set of axioms, and because of the subjective
certainty of the presupposition, for the certainty of such a presupposition takes place in virtue
of some immediate relation to itself. Thus, the main feature of the Concept is that it is an abso-
lute foundation; but this absolute foundation „has made itself into one“.2 This process reveals
two aspects: First, the subjective character of the constitution of the Concept remains, although
without the abstract onesidedness of isolated and empty subjectivity. This subjectivity has a task,
namely to make possible the development of its own objectivity. Furthermore, the Concept as
absolute foundation is, so to say, the agent and result of its own development, and it is related
to absolute mediation, since this process has to show how the immediacy has to be sublated, in
order to properly speak of a self-referring absolute foundation.
This paper will present the relationship between the self constitution of the Concept and the
negativity involved in such a process through the Hegelian critique of the Kantian subjectivity.
What will be demonstrated is how important it is for Hegel to relate the forms of negativity to
speculative subjectivity. Thus, it will be seen that the role played by the self-referring movement
of negativity and its moments (universality, particularity and singularity) obeys a postulate of
self-consistency that has to be articulated by the Concept itself in order to avoid any external
influences and presuppositions. When this moment of self-consistency is reached in its primary
stage, the level of the formal Concept, the absolute foundation can be considered one step closer
to being considered as true speculative subjectivity.
Hegel rejects the claims of the common sense about the importance of what is presented as
immediate, saying, „Anything abstractly immediate is indeed a first“.3 If the legitimacy of its pres-
ence is questioned, it is realized to be „something mediated“. The difficult part here is to find its
foundation since it is nothing „but an immediate which has made itself such by the sublation of
mediation“.4 Its first immediate moment is the expression of the mediation where the onesided
moments come toghether, become something new, thus being able to find its truth. This paradox
regarding the self constitution of the Concept might well be put as follows: the Concept has to go
through its moments of abstract immediacy, to mediate them and emerge as its underlying truth.
The Concept tries to set itself free from a regressive structure. According to Hegel, this explains
why it is difficult to understand „the genetic exposition of the concept“5 in lineal order. The regres-
sive structure forces to seek some previous foundation that can justify the first stage of the process,
which would require another previous stage to justify this process, and so on, ad infinitum. This
regressus would not be valid, because whenever a possible candidate is found to be the required

1 G. W. F. Hegel, The Science of Logic, translated by George di Giovanni, Cambridge, 2010, 507–508. Henceforth SL.
2 SL, 508.
3 SL, 508.
4 SL, 508.
5 SL, 509.
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52   Hegel-Jahrbuch 2018

foundation, inmmediatly it must be ruled out, because it is not complete and exhaustive enough
to identify itself as the whole process. Hegels tries to establish certain criteria to assure a proper
comprehension of the genesis of the Concept, that is to say, a movement that is giving itself its own
content which appears as capable of starting this process through its inmediacy and formalism.
The first criterion consists of a bidirectional movement, for the self-generation of the Concept
is „the identity that exists in and for itself“,6 but at the same time it is the sublated identity. There-
fore, the Concept is a self-posited identity or positedness identical to itself.movement that we can
call bi-directonalation of the genesis of the concept.ment raises, which makes such argument
The Concept unfolds as itself and its externality. It is itself and, at the same time, its identity
turns into self-differentiation. It is not the identity as exclusion of the other of itself, that is being
dealt with here, it is rather the identity in its self-reference that becomes self-transparent, or as
Hegel puts it, the „originary fact [Ursache]“.7 This clarity has to do with the role that is played
by the absolute negativity as the simple self-reference of the Concept, in other words, with „an
absolute determinateness which, by referring only to itself, is however no less immediately simple
identity“.8
The second criterion has to do with the operation of cancelling the application of former
models of negativity in a stage that has to prove itself able to sublate those previous forms. The
operation carried out here consists of claiming that the simple self-reference, must emphasize
that this form of self-relation is nothing but the expression of an immediate and mediate unity
with itself. This immediacy must be understood as simultaneous and symmetric negation, in
which the Concept opens itself by its own negativity. That identity has the determination of the
negativity; and „it is a negation or determinateness that refers to itself and as such the concept is
the singular.“9 According to this, every moment is the totality, each corresponds to the universal
and the singular and „each contains the determination of the other within it and therefore the two
are just as absolutely one totality as their oneness is the diremption of its self into the free reflec-
tive shine of this duality“.10 The expression of one moment is the expression of the other, since
both are distinct angles of a unitary movement of negation.
The Concept, so considered, is a plexus of negativity, and in terms of a subjectivity, is in the
first place the I, the pure selfconsciousness: „the I is in the first place purely self-referring unity,
and is this not immediately but by abstracting from all determinateness and content and with-
drawing into the freedom of unrestricted equality with itself.“11 As a result, this has the univer-
sality, regarding which Hegel explains: „As such it is universality, a unity that is unity with itself
only by virtue of its negative relating, which appears as abstraction, and because of it contains
all determinateness within itself as dissolved.“12 But at this point there takes place the double
and simultaneous movement previously mentioned: the singularity appears at the same time in
which it is excluded from the universality: „In second place, the ‚I‘ is just as immediately self-re-
ferring negativity, singularity, absolute determinateness that stands opposed to anything other
and excludes it  – individual personality.“13 The self determination of the abstract universal is
at the same time the position of the singular. The unity of each totality (universal and singular)
means that to consider the universality in itself entails considering the singularity in itself and
vice versa, for the negation in this level consists of the clarity of the moments to themselves. Hegel
requires to conceive of these moments that „neither the one nor the other can be comprehended
unless these two just given moments are grasped at the same time, both in their abstraction and

6 SL, 513.
7 SL, 513
8 SL, 513.
9 SL, 513.
10 SL, 513.
11 SL, 514.
12 SL, 514.
13 SL, 514.
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 Juan Serey, The Concept, Negativity, and the „I“   53

in their perfect unity“.14 This perfect unity starts from the Concept, which is „the negation of nega-
tion or the infinite unity of negativity with itself. This pure self-reference of the concept, which
is such by positing itself through the negativity, is the universality of the concept“.15 The I or
self-consciousness, possesses the structure of the absolute negativity, since, according to Hegel,
„the unity which constitutes the essence of the concept is recognized as the original synthetic
unity of apperception, the unity of the ‚I think,‘ or of self-consciousness“.16 Thus, Hegel tries to
join two moments of his discourse in a homogeneous way, the role played by the absolute negativ-
ity in this level of the Science of Logic and the structure of the self consciousness whose unity was
established as its main feature.What prevails here is the unity and the effort of the I to conceptu-
ally comprehend its own content, as Hegel says:

[T]he conceptual comprehension of a subject matter consists in nothing else than in the „I“ making it its own, in
pervading it and bringing it into its own form, that is, into a universality which is immediately determinateness,
or into a determinateness which is immediately universality.17

This determinatenness is that of the singularity, which is finite determinateness, whose founda-
tion is the Concept. The aim of these texts is to shed light on the speculative scope that Hegel finds
in the Kantian philosophy as a previous stage of a fully developed theory of negativity, for the
moments of the Concept in its self distinguishing as singularity and particularity are the expres-
sion of the linguistic determination of the objectivity. Consequently, the theory of negativity joins
forces with the theory of the rationality of a discursive subjectivity. This explains the following
statement about the universal:

The true, infinite universal, the one which, immediately in itself, is just as much particularity as singularity, is
now to be more closely examined as particularity. It determines itself freely; the process by which it becomes
finite is not a transition, the kind that occurs only in the sphere of being; it is creative power as self-referring
absolute negativity.18

This finite has turned into a moment of the absolute mediation of the determinate Concept. As
Hegel puts it, „First, therefore, it is simple self-reference; it is only in itself. But, second, this iden-
tity is in itself absolute mediation but not anything mediated.“19 What is relevant in these pas-
sages is how speculative language becomes a self-referential necessity of a previous mediating
instance. In other words, the absolute mediation of which the Concept consists, is the return of
the Concept to itself as a revision of the suppositions and conditions that make intelligible the
judgment about its own content. There is no regressus from one condition to another, since this
is a system of self-reference of the process as a whole, the search for some external condition is
excluded. When Hegel speaks of simplicity he is always referring to this self-referential nature of
the Concept. In order for this project to succeed, the absolute negativity must coincide with the
self reference of the I, as a unity of opposite determinations, i. e. as the unity of the „I“ with the
content of the intuition, which means, making a singular content part of a process of exhaustive
determination in its universality and particularity. This suggests that the reference to the „I“ is far
from accidental if we look at it from the perspective of the union between a theory of the negativ-
ity and the capacity of constitution of the subjectivity unfolding as objectivity. What makes these
introductory texts important is the perspective of the constitution of the object from a point of
view that belongs to a formal subjectivity, which poses for Hegel the task of showing the complete

14 SL, 515.
15 SL, 530.
16 SL, 515.
17 SL, 516.
18 SL, 533.
19 SL, 531.
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54   Hegel-Jahrbuch 2018

and transparent articulation of the moments of the Concept through the sublation of the Kantian
positions.
Hegel explains the absolute negatitvity in terms of a hetero-negation, based on the homoge-
neity of the negative. The movement of the negative means that the element of the universality
is an abstract moment if it has no referent whatsoever. This process can be shown as follows:
the universal is the first negation. Its negation of negation is the singularity. That means that the
role played by particularity is hidden between singularity and universality. That explains why
Hegel claims that „the universal has determinateness in it above all as particularity; as a second
universal, as the negation of negation, it is absolute determinateness, that is, singularity and con-
creteness.“20
This means that the first moment, that of universality, identifies itself immediatly with partic-
ularity. The hetero-negativity is operating here as follows: the universal always refers to itself as
the first negation, but understood as a negation that does not negate anything, in other words, it
is as a negation for which there is no previous substance to negate. It only can be itself impulsed
towards its other, the particularity. The only thing that is being negated is the abstraction from
which this movement has started: the empty Concept. Thus, particularity is not an external aggre-
gate to the universality. Rather, it is the reflection in itself of this determinateness, and occupies,
then, a dual position, for it gives place to the second negation, the negation of negation, as singu-
larity. It is thus in this sense that Hegel states:

In the other determinateness, however, the universal is still essentially universal, and this side we have here
still to consider. – For this determinateness, as it is in the concept, is the total reflection – a doubly reflective
shine, both outwards, as reflection into the other, and inwards, as reflection into itself. The outward shining
establishes a distinction with respect to an other; the universal accordingly takes on a particularity which is
resolved in a higher universality.21

In this case, singularity corresponds to the external, for in it the immediate reference to an object
can be reached; the external is the universal Concept, and the bond between the two, to the par-
ticularity. In this case, the first negation falls into the universality, which is converted into partic-
ularity, since it is not a reflection in other, for there is no outside of that negation. Now, how can
it go out of itself towards its otherness? Or even better, how is this otherness manifested? Maybe
the question is wrongly posed and it would assume an understanding of the Hegelian text in a
very literal way, as if there were something outside of the negative movement. Rather, what Hegel
mentions is the plexus that finds its place between universality and singularity, particular. In its
relation to the universal, the particularity consists of the coming back to itself of the universal as
immediate negation having the singularity as its other. But, the particular is just the appearance
of the universal, since the proper universal is the self determined Concept in its three moments.
Looking at this process from the singularity, this is the other, but the other of what? Of the par-
ticular as a universalized particular, that, as such, is the appearance of the universal. Therefore,
the singular is the other, not of itself, because it cannot generate the back and forth movement
mentioned above. In other words, it cannot comprehend itself, and that explains why it is part of a
reflection in another, the universal. From this perspective we can understand why the singularity
is the second negation of the universal. The singular negates its first negation and consists of,
negatively said, not being the universal. The singularity is rather, an immediate reference to a no
less singular content. But it has an appearance, the particular, which, as mentioned before, is the
universal in the form of its first negation. The negative way, then (not being the universal) turns
into a positive one: the singularity can be comprehended by the mediating activity of the partic-
ularity. The particular, considered from the point of view of the universal, is the moment where
it can find its own determination and stop being just an empty abstraction, and from the point of

20 SL, 532.
21 SL, 532–533.
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 Juan Serey, The Concept, Negativity, and the „I“   55

view of the singularity, is the moment where it can be comprehended. Thusconsists of, negatively
said:other, it can be part of the self determining movement of the Concept.
In summary, it can be said if the universal and the singular are considered separately they
turn to be empty abstractions without any content, whose self contradiction consists of wanting
to enunciate what they are not able to, for a concept is a concept of „something“ and this some-
thing is only determinable through its particularization, that is, its determination occurs when it
belongs to a universal net of meaning. In this sense, the particular is not a remainder of the contra-
diction between the former two, it is, rather, the expression of the contradiction between the two,
which is resolved through the clarity of the moments, where the determination of the singular is
at the same time the self determination of the universal through the particular.
Finally, what consequences arise from the constitution and sublation of the Kantian I? That
is to say, what role does this subjectivity play if what is being dealt with here is the union of
the claim of the synthetic unity of the I with the absolute negativity of the Concept? A possible
answer requires attention to two components that Hegel tries to stress; the first has to do with
the self-consistency of this movement (it does not requires anything external for its own develop-
ment), self-consistency that reveals how the negative divides up into itself, how it posits its own
differentiations; the second one has to do wih the role of the given concerning this self consistency
of the negative, that is to say, the role played by the singular as expresión of the immediacy of a
possible intuition. If the negative movement has success in unfolding through itself, the abstract
universal and the abstract singular, then, become the concrete singularity. The task of the doctrine
of judgement and syllogism in the Science of Logic is to show this articulation of the moments of
the Concept through the different forms of judgment and syllogism, that will allow Hegel not only
to say that all things are a judgment, but also, and better yet, that „the syllogism is what is rational
and everything rational“ (EL § 181).

Dr. Juan Serey


Avda. El Bosque Nº 1290
Viña del Mar, Chile
juan.serey.a@mail.pucv.cl

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Edgar Maraguat, Valencia

On the Logical Idea of Objective Concept


The topic of this paper is the distinction that we find in several places of Hegel’s work between
mere concepts and so-called ideas. Sometimes Hegel speaks rather of, on the one hand, mere
representations – concepts that are mere representations – and, on the other, in an emphatic and
contrary sense, concepts – that is, concepts that are not mere representations – but the distinction
is in all these cases one and the same. Many controversial issues that the contemporary interpreta-
tion of Hegel arises are related to this distinction. Among them, one that seems to me of a remark-
able importance is the proper understanding of the relation between Hegel’s idealism and the
idealism of other German Idealists. Capturing the relation between Hegel’s work and, particularly,
the work of Kant, Fichte and Schelling has not an inessential significance for the actualisation of
Hegel. As a matter of fact, you cannot ignore this relation or remain puzzled about it and none-
theless pretend to have worked out the main argument of his Logic or his Phenomenology of Spirit.
Philosophy, according to Hegel, has to do with ideas, with concepts that have given themselves
their own actuality,1 but the philosophy of Kant and Fichte, at least of these two idealists, has to
do mainly with representations. This is Hegel’s certainty.
So, what is a concept that is not a mere representation? One of the claims I would like to
defend today is that this question gets an answer in the Science of Logic. This could strike someone
who assumes that logic is a formal science, whose subject matter are mental representations and
their relations, may them be representations of something actual or not – although the very idea
of representations that may not represent anything is in itself, as Hegel would put it, barbaric.
Hegel indeed considers logic, including his logic, a formal science.2 For this reason, I am here
firstly concerned with the sense in which the Science of Logic (SL hereafter) may address after all
something actual. Some suggestions regarding this will be made in the first part of my paper (1).
The second part of it will be devoted to explain which kind of actuality, from a Hegelian point
of view, we may say that a concept gives itself and how it does (2). I will claim that it is not the actu-
ality that Kantian practical ideas somehow give themselves, although Hegel himself compares
his ideas with those practical ideas of Kant.3 It is also not the actuality of Fichte’s ‚I‘ or Fichte’s
self-consciousness, although Hegel himself explains ‚the I‘ as the pure concept that has come into
determinate existence.4 My opinion is that we should look for decisive clarifications on how the
concepts give themselves their own actuality in the transition from the section on ‚Objectivity‘ to
the section on ‚the Idea‘ of the SL and that this piece of text establishes that for Hegel concepts
exist generally as internal ends that realise themselves, in the precise sense that we may and
indeed must say that living beings as such produce themselves. Life is, I will argue, the general
model of the objectification of concepts that Hegel favours. Needless to say, here I will just try to
make clear what I mean by this, since in the short space available evidence that the SL should be
interpreted exactly in those terms cannot be provided.

1 See G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Hamburg 2009, vol. 1, § 1.
2 See G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik, vol. 2, Hamburg 1981, 25.
3 See ibid., 174.
4 See ibid., 17.
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 Edgar Maraguat, On the Logical Idea of Objective Concept   57

1 A hardly formal logic


In which sense is Hegel’s logic a formal logic? The fact that Hegel speaks of a Realphilosophie to
refer to the parts of his system that come after the SL and also that a science of the experience of
consciousness is the first introduction to the SL that Hegel adumbrates, but not a part of his logic,
may suggest that Hegel’s logic has as subject matter neither the natural nor the spiritual nor the
experience of one of these or both. So, which is the subject matter of the SL?
Apparently, as Hegel says, ‚simple essentialities‘,5 namely concepts as ‚being‘, ‚becoming‘,
‚quality‘, ‚quantity‘, ‚measure‘, ‚essence‘, ‚ground‘, ‚appearance‘, ‚condition‘, ‚thing‘, ‚substance‘,
‚cause‘, also ‚concept‘, ‚objectivity‘, or ‚reference-to-an-end‘. The SL exposes neither how we
acquired those concepts nor which is their application in specific sciences. It studies rather what
their abstract content is and how their respective contents relate to each other and, typically,
how the explanation of one of those contents requires the introduction of others. Regardless of
whether the content of those concepts and the relations between them are properly ascertained
by Hegel, this could be accepted as a general description of Hegel’s endeavour and help to make
sense of the way in which his logic is hardly formal, although formal after all. Concepts like ‚cause‘
or ‚reference-to-an-end‘ are not the subject of traditional syllogistic nor modern quantification
theory, but otherwise particular sciences, be natural or ‚human‘, take for granted the value of
these concepts and employ them when they address their own objects. Presumably ‚being ines-
sential‘, for example, means the same both when it comes to natural properties as when we speak
of spiritual properties, and, indeed, if we use this concept to talk about anything at all.
However, Hegel presents his 1812–1816 Science of Logic as supported by an introductory argu-
ment to be found in his Phenomenology of Spirit that allegedly shows how science has transcended
the ‚opposition of consciousness‘. This opposition is explained as the separation between the
object – or subject matter – and the certainty of itself,6 so it is commonly assumed that the 1807
Phenomenology, with its intricate plot, finally demonstrates that simple thoughts have an objective
value. In what sense? Sometimes it is interpreted that the Phenomenology proves that our access
to reality is always inevitably conceptually mediated. Others, that things or objects are related to
each other in an inferential way (some facts would imply other facts, some would exclude others).
Anyway, I think it must be admitted that the SL is a science and deals with ideas, not mere
concepts, not in virtue of the performance of a previous argument that Hegel could employ in 1812
as a springboard. Using one of Hegel’s favourite metaphors, I would say that if it is true that the
content of the SL is ‚the exposition of God‘,7 it is nonetheless true that the SL contains the ‚eleva-
tion of the spirit to God‘.8 Because of this intriguing ambiguity Hegel suggests sometimes that the
phenomenological introduction is necessary, but others that it is dispensable, inasmuch as the SL
is presuppositionless9 and the objectivity of thoughts has to be proven by the SL itself.
Hegel’s logic provides an elevation of the thinking spirit to God or, to put it non-metaphor-
ically, to the unconditioned. When this elevation is accomplished, appearances, opinions, illu-
sions, mere representations are left behind. It is definitely not surprising that the Phenomenology
becomes gradually dispensable as an introduction to the whole system. This elevation to God
amounts to an elevation to the absolutely true. We could be tempted to take it for a grand onto-
logical argument, but Hegel has much to object to the so-called ontological proofs by Anselm,
Descartes and others of the existence of God (as well as to other traditional demonstrations of the
existence of the Absolute).10 Among other things, ‚existence‘ is not something implied in the end,

5 G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik, vol. 1, Hamburg 1978, 29.


6 See ibid., 21.
7 Ibid.
8 G. W. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse, Hamburg 1992, § 204.
9 See G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik, vol. 1, Hamburg 1978, 33, and compare with ibid., 40.
10 See for instance G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, Hamburg 1992, § 193.
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58   Hegel-Jahrbuch 2018

when the SL has purportedly exposed the totality of pure thoughts. A transition from the concept
to objectivity is rather part and parcel of the content of the work, not something the entire argu-
ment leads to. The second volume of the SL, entitled both ‚Subjective Logic‘ and ‚The Doctrine
of the Concept‘, explains precisely how the merely subjective concept happens to give itself an
objectivity of its own. Therefore, we must admit that a transition to objectivity occurs within the
SL. Since ideas are for Hegel concepts that give themselves their own actuality and the doctrine of
the concept deals with (1) the concept, the judgement, and the syllogism, (2) the objectivity and
(3) the idea, we should expect to find the argument of the transition in the section on objectivity.
In my opinion it is actually to be found in the third and final chapter of this second section, the
chapter devoted to teleology, after having previously considered defective, indeterminate relations
between concepts and objectivity in the chapters on mechanisms and necessity (including the
chapter on what Hegel labels ‚Chemism‘). I cannot dwell on this. In the following I will just rec-
ommend a particular understanding of objectivity in Hegel’s SL and of the sense in which the
concept – a concept – may effectively give itself an objectivity of an appropriate sort.

2 The double meaning of objectivity


Hegel indicates in the section on ‚Objectivity‘ of the SL that objectivity – or the objective – has two
meanings. Sometimes it stands for what is opposed to the concept (to the so-called self-subsistent
concept) and others for what is in and for itself.11 Hegel explains these definitions in the following
terms. The objectivity opposed to the concept is the multiplicity of the world in its immediate exis-
tence, which ‚the I‘ (or the concept) struggles with trying to realise the certainty that it has of itself.
Derivatively, it is in fact considered objective – an object – anything that constitutes an interest of
a subject and a field to deploy a subjective activity. But objectivity can also mean what we should
conceive as without limitation and opposition, namely ‚rational principles, perfect works of art,
etc‘.12 Rational principles, both theoretical and practical, are considered ‚objective‘, even when
they strictly represent obligations for consciousness or for a subject.
This terminological disambiguation is to be found in the introduction to the ‚Objectivity‘
section of the SL. The most interesting in that section is, in my opinion, the fact that assuming this
double meaning, a double meaning that would have come into play in Kant’s transcendental phi-
losophy (where the terms self-sufficiency, struggle and immediate existence have a well-known
use), as Hegel certainly observes, an argument is developed so as to connect the second meaning
to the first and finally demonstrate that a realisation of the second objectivity in the first should
be claimed after a philosophically apt understanding of it. This confirms that Hegel is actually not
satisfied with a proof of the rationality of certain principles that would not be challenged at all by
the fact that some phenomena were to contradict the validity of those principles.
Thus there is a polemic intention whose target is Kant in the particular argument of the
Objectivity section that leads us to the section on the Idea (that is, on concepts that are not mere
representations), an intention that the comparison between the Idea of the SL and the ‚rational
concepts‘ or ideas of Kant might obscure. Certainly, the comparison is made by Hegel himself,13
as I said earlier, but to warn immediately that Kantian ideas are just goals we should approach to,
while, as Hegel understands them, true ideas mean something effective.
My claim is that there is sufficient textual evidence in the SL for the belief that Hegel offers in
the chapter previous to the section on ‚The Idea‘ an explanation of the sense in which the self-suf-

11 See G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik, vol. 2, Hamburg 1981, 131.
12 Ibid.
13 See G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik, vol. 2, Hamburg 1981, 173 f.
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 Edgar Maraguat, On the Logical Idea of Objective Concept   59

ficient (free concrete existent14), but anyway subjective concept cancels its own subjectivity and
truly realises or objectifies itself.15 Less obvious is the meaning of this explanation.
So I would like to provide some interpretative guidance. The subject matter of the chapter on
teleology is, to begin with, the concept of external reference to an end. This is a concept that Hegel
takes from Kant’s Critique of Judgment, as he points out. Under ‚external end-relation‘ we think a
means-end relation that is arbitrarily established, since the means have an existence of their own:
neither their form nor their actuality is to be explained for the sake of the realisation of the end. It
is assumed that a being distinct from those pre-existing means takes advantage of them and turns
them effectively into means. The means exist and have to be thought by themselves, regardless
of those purposes and as not producing them necessarily. However, Hegel aims to show in the
chapter that we find the truth of the external end-relation in an internal end-relation.16 This new
thought of an internal reference-to-an-end also comes from Kant’s third Critique. As you probably
know, Kant uses it to conceive living natural beings, whose parts or organs are for each other,
reciprocally, means and ends. For these cross-relations it can be said that the living natural being
is a product of itself and to the extent that this is true all that seems mechanical within it must be
considered the realisation of a purpose or concept.17 Which purpose? Obviously, not an external
end, but the end that for a living being represents life itself, its own life.
That the content of the Teleology chapter is the discussion of these relations shows that the
sense in which a living being realises a concept – say, a lizard the concept of lizard – is for Hegel
the model or paradigm of the true relation between concept and objectivity. Concepts that give
themselves their own actuality are not goals or guiding representations of a practical reason. They
mean modes of being that have the power to produce its own conditions of existence, as con-
stantly do, behaving according to their nature, living beings. As also do what Hegel called spiri-
tual substances, paradigmatically States, and, in general, the objectively spiritual.18

Dr. Edgar Maraguat


Avenida Blasco Ibañez 30
46010 Valencia, Spain
edgar.maraguat@uv.es

14 See ibid., 154.


15 See ibid., 171.
16 See ibid., 169.
17 See I. Kant, Critik der Urtheilskraft, Akademie Ausgabe, vol. 5, 377 (§ 66).
18 The research for this paper was funded by the Spanish Research Council (Research Project FFI2013-44481-P: „He-
gel’s Philosophy of Action: Logical and Ontological Aspects“).
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Amrit Mandzak-Heer, Philadelphia

Cognizing Cognition’s Living Conditions


Anthropological Implications in Hegel’s Logic

1
Attempts to identify anthropological implications in the Logik face certain obstacles stemming
from the nature of Hegel’s account of anthropology and from the nature and aims of the Logik
itself. In particular, the Concept has a purely logical character, in that it has „the form of pure
thoughts“ or of „abstract essentialities,“ and does not yet have the character of nature or of spirit.1
In the introduction to the chapter on Life, Hegel argues there are two consequences which follow
from this position, specifically in relation to the possibility of anthropological content in logic.
First, traditional attempts to account for concrete cognition involved distinguishing between
pure and applied logic. Hegel’s assumed referent is shared, for example, by Kant, in the latter’s
exposition of traditional logic in the first Kritik and in the Jäsche Logik. For Kant, applied logic
is a „representation of the understanding and the rules of its necessary use in concreto, namely
under the contingent conditions of the subject.“2 These contingent conditions of the subject, Kant
claims, involve empirical and psychological principles, principles that neither belong to, nor are
derivable from, the scope of pure logic. Likewise, for Hegel, applied logic often involves presuppo-
sitions that are psychological and anthropological in nature. Such presuppositions concern „the
form in which cognition appears when the concept does not as yet have an objectivity equal to it,
that is, when it does not have itself as object“.3 They are thereby also merely external or contingent
to the nature of the pure logic of the concept insofar as it develops in itself.
Second, Hegel claims that the account of life in the Logik will be distinct from life as it emerges
in the Naturphilosophie and the Philosophie des Geistes. The account of cognition, necessary as
it is for an account of logic, must here involve presuppositions that only have the form of pure
thoughts. Cognition’s presupposition is only the idea in itself, insofar as cognition is the concept’s
comprehension of itself, and the concept is now understood as a subjectivity referring to or united
with objectivity. The most immediate form of this idea – or the idea as presupposed or as imme-
diate – is life. The logical account of life is distinct from the natural or spiritual accounts of life,
insofar as it concerns only the pure form of the immediate relation or unity of subjectivity and
objectivity. It does not deal with life insofar as life is conditioned by „the externality of existence,“
by „inorganic nature,“ or by „corporeality“.4
Given these strictures, how can we claim there are anthropological implications in the Logik?
By Hegel’s first stricture, any anthropological aspect cannot be merely an external or contingent
addition onto the nature of the concept – it must belong to, or be derivable from, pure logic itself –
and yet, by the second stricture, pure logic cannot fully express the nature of anthropological life
either. I argue that the conclusions of the chapters on „Life“ and „The Idea of Cognition“ in the
Logik, when read together in relation to each other, suggest an implication of anthropology as
such. Hegel’s position is that these strictures, which separate pure logic and applied logic, must be
overcome, although the positive work of developing an anthropology as such remains to be given.

1 G. W. F. Hegel, The Science of Logic, trans. George Di Giovanni, Cambridge 2010, 676. (GW 12, 179).
2 Immanuel Kant, Critique of Pure Reason, trans. Paul Guyer and Allen W. Wood, Cambridge 1998, 195. (A54/B78).
3 Hegel, Science of Logic, 676. (GW 12, 179).
4 Ibid., 677 (GW 12, 180).
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 Amrit Mandzak-Heer, Cognizing Cognition’s Living Conditions   61

Hegel’s important argumentative move is to reinterpret a problem of pure logic, that of grounding
determinacy within cognition, as an account of the actual process of cognitive determination. My
thesis is that insofar as the concept, for Hegel, involves a comprehension of itself, it must involve
a comprehension of the objective conditions of its actual process with which it is identical – con-
ditions which are, in part, those of the living species that reproduces itself.
This thesis is developed in two parts: in the first part, I argue, by focusing on the section of the
Genus, that the living species forms the actual conditions of cognition.5 In particular, cognition
emerges in response to two conditions: (1) the presence of the goal of the unification, as ‚Genus,‘
of a subjective life-process and external objectivity; (2) the failure of the accomplishment of this
goal within a living individual, or series of living individuals, insofar as the totality of the subjec-
tive life-process cannot be expressed in external objectivity. Together, these conditions require an
active process by which the means of unification, a singular individual, is subjectively identified
with, through its expression, the universality of the genus. In the second part, I argue, by focusing
on the account of the Means in the Idea of the Good in the chapter the Idea of Cognition, that cog-
nition accounts for its own actual objectivity by referring back to its conditions in life.6 Cognition
refers to this condition for two reasons: (1) the presence of the goal of unification, as ‚Good,‘ of
internal subjectivity and external objectivity; (2) the failure of the accomplishment of this goal
within an individual cognition, or a series of such cognitive acts, insofar as the totality of external
objectivity cannot be accounted for in subjective cognition. Together, these conditions require an
active process by which the means of unification, a singular cognitive act, is objectively identi-
fied with the universality of both ‚True‘ and ‚Good‘. But cognition must thereby account for, and
cognize, its own objectivity, insofar as this is both external to it and it is identified with it. Hence,
it must cognize its objective conditions, or the objective process which undergirds its subjective
process – the living species.

2
Hegel characterizes the emergence of cognition, at the end of Life, as following from the conclu-
sion that the Idea „relates itself to itself as idea“, or it is „the universal that has universality for its
determinateness and existence“.7 While Cognition thereby has a self-relational structure, it differs
from previous moments of self-relation insofar as the relatum is now the Idea itself – it is a uni-
versal that relates not simply to particulars, or to itself as a particular, but to itself as a universal.
To properly account for the conditions of this emergence of cognition, we need to account for the
development of the moment of the Genus, within the chapter on Life.
We must first establish the sense in which Hegel uses the term ‚Genus‘ or ‚die Gattung‘. For
while it is correct to translate Hegel’s use of this term as ‚genus,‘ he nevertheless identifies this

5 In this regard, my thesis is differentiated from accounts which read life as significant insofar as it expresses Hegel’s
organic and naturalistic concerns, especially as providing a mere ‚model‘ of the absolute. See, for example, Richard
Dien Winfield, Hegel’s Science of Logic, Lanham, Md. 2012; James Kreines, „The Logic of Life,“ in The Cambridge
Companion to Hegel and Nineteenth-Century Philosophy, ed. Frederick C. Beiser, Cambridge 2008, 344–377. Rolf-Peter
Horstmann, Ontologie und Relationen, Königstein 1984. Songsuk Susan Hahn, Contradiction in Motion: Hegel’s Or-
ganic Concept of Life and Value, Ithaca, NY 2007. Sally Sedgwick, Hegel’s Critique of Kant: From Dichotomy to Identity,
Oxford 2012.
6 In this regard, my thesis is differentiated from accounts which are primarily concerned with issues with respect to
practical philosophy, freedom, or self-determination, divorced from the natural and anthropological conditions of
these. See, for example, Rocio Zambrana, Hegel’s Theory of Intelligibility, Chicago 2015; Stanley Rosen, The Idea of
Hegel’s Science of Logic, Chicago 2014; Angelica Nuzzo, „The End of Hegel’s Logic: Absolute Idea as Absolute Method,“
in Hegel’s Theory of the Subject, ed. David Gray Carlson, New York 2005.
7 Hegel, Science of Logic, 688. (GW 12, 191).
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62   Hegel-Jahrbuch 2018

Genus with a living or biological species. This identification, and an ambiguity in the term itself,
threatens a misunderstanding. While the German ‚Gattung‘ can also be translated as ‚kind‘ or
even ‚species,‘ this may suggest that Hegel is interested, by marshalling the term, in the relation-
ship of a (natural) kind with the individuals to which the concept of this kind applies. But attend-
ing to Hegel’s use of the term, especially in the Subjectivity section of the Doctrine of the Concept,
should make clear that Hegel uses it in a technical logical or semantical sense.8 That is, he uses it
in the sense of a concept which ‚contains‘ under it two (or more) other concepts. Conversely, when
Hegel is interested in the issue of kinds, he typically uses the term ‚die Art‘. Distinguishing these
two senses, Hegel identifies a logical genus with something like a biological species.9
This biological species contains under it individuals – particular members of the biological
species. These living individuals constitute the logical singulars, mediated in their relation to the
logical genus by the logical species. Hence the complex logical division is as such: (a) Genus: the
biological species; (b) Species; (c) Singulars: the individual members of the biological species. The
genus concept contains under it the species of the ‚subjective life-process‘ and ‚objective external
reality‘. These two species are universal aspects of the Idea and thus, unlike traditional logical
species, are both contained in each individual member of the genus. Being so contained, they
must be unified, which Hegel initially presents as such: an individual’s subjective life-process
interacts with, depends upon, and transforms external objectivity for its own purposes; it thereby
makes external objectivity into something of its own – it imparts its subjectivity onto it. The aim
of the account is to ground the unity in a living individual in such a way that it is sufficiently
self-determinate – i. e. where the determination of an individual’s subjectivity and objectivity is
established in their relation to each other – as to perfectly determine the Genus as such.
Hegel argues that because the moment of the Genus also implicitly involves the distinctness
of the two species concepts, it follows that they cannot be adequately unified in the living individ-
ual. His argument seems to be as follows: the unity of the species concepts, insofar as it is meant
to take place in a single individual, is necessarily determinate. But given the general nature of
these species concepts, they do not immediately imply any one determination over another. Their
unity is thereby underdetermined; or is determinable in many possible ways. Any one individual
is only one particular determination of this relationship. It follows that there are many particular
living individuals, each of which in their own way fulfill this unity  – or each with a „singular
shape“.10 The propagation of the living species emerges as the resolution of this problem insofar
as it: first, involves both species-concepts or parts of the life-process – the life process itself and
its complete actualization in external objectivity as a new life; and second, reconciles this unity
with the differentiation of particular or singular individuals, by linking these individuals in the
process of life itself.
Nevertheless, this process of the propagation of the species expresses the universality of
the Genus only by means of the perpetual reproduction of new distinct individuals. The process
thereby threatens an infinite repetition of particulars, a logical grounding which is mere infinite
regress, rather than one which is genuinely expressive of the universality of these particulars in
their parts. Hegel introduces an important argumentative move, with consequences for the logical
problem he faces: he neither contests the truth of position nor does he overcome it by a resolution
into a higher unity. Rather, he claims that while it might be valid to view the process as merely a
(bad) infinitely repetitive process, it can also be viewed as the mediation between these singulars,
and therefore as the sublation of their mere immediate singularity. Hegel transforms the logical
problem of grounding, considered in its abstract or pure character, into an account of the actuality
of the logical process itself.

8 In particular, see Hegel’s introduction of ‚genus,‘ in ‚Judgment‘: Ibid., 575. (GW 12,77–78).
9 Yet, Hegel uses the term Geschlecter in the sense of lineage, generations, or even biological race.
10 Hegel, Science of Logic, 687. (GW 12, 190).
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 Amrit Mandzak-Heer, Cognizing Cognition’s Living Conditions   63

The result, the „Realized Genus,“ is the process whereby the concept: (a) generates singular
individuals and (b) sublates these, insofar as the Genus rejoins itself in an individual. The implicit
universality of the genus becomes explicit insofar as it takes up the former moments of its process
and holds the relations between them together within a singular actual existence. Its universality
has universality for its determinateness in the sense that the constitutive universality of the living
species is identical with its explicit actualization in an individual that takes up this universal
process as itself. Cognition emerges on the condition that the universality of the life process of a
species is necessarily expressed within the inner subjectivity of an individual that is a moment of
that process. Cognition already emerges as implicitly aimed towards the universality of the living
species.

3
The Idea of the Good ends with the claim that, in the Means by which the subjective concept is
actualized, there is an „implicit identity of the objective concept and immediate actuality“.11 By
this claim, I argue that cognition refers back to its conditions of emergence as the living species.
To make sense of this claim, we will need to understand how the Means accomplishes the aim
of the Idea of the Good, and how this accomplishment involves cognition’s self-relation unto its
actual conditions.
The logical structure of the Idea of the Good parallels that of ‚Genus‘ – Good constitutes a
logical genus, of which the species are the subjective concept and external actuality, and where
the singulars are individual cognitive acts. Cognition, in general, involves a purposive relation
between the two species – an impulse to identify its component species in their specific determi-
nation. This is first expressed in the ‚Idea of the True,‘ where the subjective concept adopts the
normative aim to determine itself in accord with external actuality, or objectivity. In the ‚Idea of
the Good,‘ the subjective concept instead adopts the normative aim to determine external actu-
ality in accord with itself – to produce an objective concept. The transition from the Idea of the
True to the Idea of the Good takes place because of a problem in properly determining the ade-
quate mode of the subjective concept’s accord with objectivity. In particular, any such attempt to
determine itself in line with objectivity allows for possible instances of concrete reality which are
nonetheless not captured by the determinacy of the concept.
If the concept is unable to fully account for objectivity, which is assumed as external from
it, then the resolution is for the concept to become self-relational. To relate to itself is to take
oneself as an object, and so the self-relating concept makes a distinction between itself as sub-
jective concept and as objective concept. Though the concept aims to determine, or actualize, its
objective self in accord with its inner subjective self, the nature of this actualization is ambiguous.
Either the concept determines itself, in a strict sense, by bringing an indeterminate subjective
concept into determinate objectivity, or it is already determinate and merely gives this determi-
nacy the „empty form of immediacy“.12 In either case, Hegel claims, it is logically possible to
realize the subjective concept in different possible determinations. The actual objective concept
is underdetermined, determinable in many possible ways. Hence, Hegel claims that the self-de-
termination of the concept is a particularization of it. Rather than expressing the infinitude of the
concept, its actualization in objective externality expresses only a finite good.
Hegel again makes an important argumentative move that parallels the move he made in the
moment of the Genus. He claims that this particularization of the subjective concept is viewed as
the finitude of the concept from the standard of the normative aim of determining objectivity in

11 Ibid., 733. (GW 12, 235).


12 Ibid., 730. (GW 12, 231).
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64   Hegel-Jahrbuch 2018

accord with the subjective concept. While this conclusion is not rejected – and the implication of
a ‚bad infinite‘ regress is also not rejected – it is better to adopt a different aim, one better suited to
the consequences we face. We must admit that the concept is actualized not in some merely deter-
minable external actuality, but in some specific concrete external actuality. We thus recover the
aim of the Idea of the True, in that, in determining objective actuality, the concept also determines
itself in accord with this specific actuality.
In actualizing itself in objective externality, the subjective concept appropriates objectivity
for itself to serve as a means for this actualization. The specific objectivity the concept appro-
priates must be capable of expressing the determinateness of the objective concept. To avoid a
merely contingent unification with the objective concept, this objectivity must carry the end of
the concept within itself. That is, the immediate actuality of this objectivity must contain those
features characteristic of cognition: it is (a) true to the universality of the logical genus (i.  e.
determines itself in accord with this genus); (b) productive of this universality; (c) processual or
dynamic in its determining relation to this universality. The living species, as the condition of the
process of cognition, is exactly that which dynamically aims at determining and determining itself
in accord with this universality and does in a processual or dynamic way.
Cognition achieves its goal insofar as the process implied in the account of the means requires
objective conditions that are themselves a process with the same logical structure. The objective
conditions of the life-process of the species generates individuals which, in attempting to grasp
the universality of the process which conditions them, also generate that universality; the sub-
jective cognitive process involves cognitive moments that, in attempting to grasp the universality
of the process which conditions them, also generate this universality. The unity of the subjective
concept and external objectivity occurs through the already implicit unity of the objective concept
and its own immediate actuality – the objective conditions of its actual process. Cognition cog-
nizes its own conditions insofar as these are the conditions of the Genus, or the living species.
Self-cognition is complete to the extent that the conditions of the living species are adequately
cognized. Therefore, the pure logic of Hegel’s Logik suggests the task of an anthropology, insofar
as the abstract logical problems of grounding – present in the accounts of living species and cog-
nition – require a solution that involves the actual process of a species’ cognitive life.

Amrit Mandzak-Heer
Dept. of Philosophy
Villanova University
Villanova, PA 19085
USA
amrit.heer@villanova.edu

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Achim Wamßler, Berlin

Der Begriff Heimat bei Hegel


Logische und sittliche Perspektiven

Wer Hegels Sicht zur Anthropologie – seinen Überlegungen zum „Wahrhaften des Menschen“1 –
näher kommen möchte, der sollte den Begriff der Heimat bzw. Heimatlichkeit2 nicht unberück-
sichtigt lassen. Jedoch arbeitet Hegel den Begriff in seinem Werk nicht systematisch aus und es
ist einzig die Einleitung zur griechischen Philosophie in den Vorlesungen über die Geschichte
der Philosophie in der Hegel am ausführlichsten darauf eingeht. Im Folgenden werde ich zuerst,
ausgehend von einem Fragment dieser Textpassage, vier Merkmale von Hegels Heimatverständ-
nis ausweisen. Es ist die Aufgabe der darauf folgenden Unterkapitel, meine Interpretation des
Textfragmentes zu fundieren.3

1 Vier Merkmale von Hegels Heimatverständnis

Bei dem Namen Griechenland ist es dem gebildeten Menschen in Europa, insbesondere uns Deutschen, heimat-
lich zumute. […] Wenn es erlaubt wäre, eine Sehnsucht zu haben, so nach solchem Lande, solchem Zustande.
Was aber uns heimatlich bei den Griechen macht, ist, daß wir sie finden, daß sie ihre Welt sich zur Heimat
gemacht; der gemeinschaftliche Geist der Heimatlichkeit verbindet uns. Wie es im gemeinen Leben geht, daß
uns bei den Menschen und Familien wohl ist, die heimatlich bei sich, zufrieden in sich sind, […] so ist es der Fall
bei den Griechen. Sie haben freilich die substantiellen Anfänge […] mehr oder weniger aus Asien, Syrien und
Ägypten erhalten; aber sie haben das Fremde dieses Ursprungs […] so umgewandelt, verarbeitet, umgekehrt […],
daß das, was sie wie wir daran schätzen […] eben wesentlich das Ihrige ist.4

Diese Textpassage birgt vier Charakteristika von Hegels Verständnis des Begriffs Heimat. (1) Am
Zitat fällt zunächst ins Auge, dass Hegel Heimat mit einer geschlossenen Struktur gleichsetzt, einer
Selbstgenügsamkeit, die der idyllischen Zufriedenheit einer Familie analog ist. (2) Hegel begreift
diese Einheit offensichtlich als gewordene: Fremde Kulturelemente wurden von den Griechen zu
einer genuin eigenen Kultur „umgewandelt, verarbeitet, umgekehrt“. (3) Mit Hegels Bezugnahme
auf die griechische Antike, kommt auch ein zeitliches Moment in den Heimatbegriff. Heimat trägt
für Hegel das Merkmal der Vergangenheit und des Urspungsortes unserer philosophischen und
politischen Tradition, die darüber hinaus aus zeitlichen Gründen unerreichbar ist. Dies zumindest
legt der Irrealis des zweiten zitierten Satzes nahe, in dem Hegel seine Ansicht ausspricht, dass

1 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften (1830), Hamburg 1992, 379 [§ 377].
2 I. F. setzte ich die Bedeutungsäquivalenz der Begriffe Heimatlichkeit und Heimat voraus.
3 Diese Kontextualisierung stellt einzig Streifzüge in einem sehr weiten Themenfeld dar. Literatur spezifisch zu
Hegels Heimatbegriff beschränkt sich bisher auf P. Blickle, Heimat: A Critical Theory of the German Idea of Homeland,
Rochester 2002, Kap. 5. Für eine Erörterung von Hegels Verständnis des mit dem Heimatbegriff verwandten Konzepts
der Vaterlandliebe s. J. Garewicz, „Das Begriffspaar ‚Heimat‘ und ‚Vaterland‘“, in: Natur, Kunst, Freiheit, hrsg. v. H.
Girndt, Amsterdam 1998, 281–294.
4 G. W. F. Hegel, Werke: Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, hrsg. v. E. Moldenhauer und K. M. Michel,
Bd. 18, Frankfurt am Main 1986, 173 f. Der Text unterscheidet sich auffallend von dem der Ausgabe von Garniron und
Jaeschke (Hamburg 1989). Es ist mir hier leider einzig aus Gründen des Umfangs nicht möglich, zu zeigen, dass sich
dies nicht auf meine Argumentation auswirkt.
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66   Hegel-Jahrbuch 2018

die Sehnsucht nach griechischen Zuständen illegitim ist. (4) In dieser naheliegenden Auslegung
des Irrealis verbirgt sich jedoch eine Ungenauigkeit, die die damit einhergehende Interpretation
nicht per se obsolet macht, aber einen vierten Aspekt aufzudecken hilft.5 Hegel spricht nicht von
der Illegitimität einer Rückkehr, sondern von der Sehnsucht nach den heimatlichen Zuständen in
Griechenland. Warum aber spricht Hegel uns das Recht auf eine solche Sehnsucht ab? Wir finden
hierauf Antwort, wenn wir uns zwei Prämissen von Hegels Denken ins Gedächtnis rufen. Erstens
ist Hegels Geschichte teleologisch und zweitens so strukturiert, dass sich Elemente früherer
(philosophie-)geschichtlicher Epochen in späteren aufheben. Aus dem ersten Punkt ergibt sich,
dass eine Sehnsucht nach genuin griechischer Heimatlichkeit für Hegel deontischerweise nicht
wünschenswert ist, weil damit ein Rückschritt in der progressiven Geschichte einhergeht. Dies
bedeutet jedoch nicht, dass die griechische Heimat für uns gänzlich unerreichbar ist. Sie ist dann
erreichbar und eine Sehnsucht dann legitim, sofern sie sich auf jene Elemente dieser griechischen
Heimatlichkeit bezieht, die im Zielpunkt von Hegels Geschichtsdenken aufgehoben sind.6

2 Logische Perspektive
Diese am Ausgangszitat erschlossenen vier Merkmale möchte ich nun fundieren, indem ich zeige,
dass sie sich auch im Fundament für Hegels Realphilosophie wiederfinden – in der Logik bzw.
genauer, im logische Verhältnis von Widerspruch und Grund.
Hegels Konzept des Grundes kommt in der Auflösung des Widerspruchs am Ende des zweiten
Kapitels der Wesenslogik zum ersten Mal zum Tragen.7 Das Argument beginnt mit der Beschrei-
bung eines spezifischen Konzeptes von Widerspruch. Für Hegel ist ein solcher dann gegeben,
wenn erstens zwei Elemente aus derselben Kategorie von Elementen nicht gleichzeitig von dersel-
ben Sache ausgesagt werden und zweitens der Sachverhalt besteht, dass wenn eines der Elemente
negiert wird, daraus die Affirmation des anderen notwendig folgt. Hegels Beispiel ist mathema-
tischer Natur: Die mathematischen Operatoren Plus und Minus widersprechen sich im soeben
genannten Sinn. Darauf aufbauend behauptet Hegel, dass diese Form von Widerspruch auf etwas
anderes verweist, nämlich dasjenige, dass die Einheit des Widerspruchs bildet. Mit Bezug auf das
mathematische Beispiel lassen sich Hegels Erläuterungen so verstehen, dass er auf die Betrags-
funktion einer Zahl verweist, die in diesem Sinn die Einheit von sowohl der positiven Zahl als
auch der Negation dieser Zahl darstellt. Schließlich führt Hegel im Anschluss an diese Überlegun-
gen der Einheit eines Widerspruchs den Begriff des Grundes ein, dem die Funktion dieser Einheit
zukommt: „[D]er Gegensatz8 [ist] […] in seinen Grund zurückgegangen“.9
Der Begriff des Grundes hat an dieser Stelle zwei unterschiedliche Bedeutungen: Erstens trägt
er die Bedeutung von Grundlage: Etwas geht in seinen Grund zurück. Die beiden sich widerspre-
chenden Operatoren Plus und Minus sind auf das zurückgeführt, das ihnen in einem analytischen
Sinn notwendig vorausgeht. Es muss ein und dieselbe mathematische Entität geben, von der sie
ausgesagt werden können  – den Betrag der Zahl. Zweitens ist der Grund  – dies zumindest im
Rahmen von Hegels logischer Begriffsentwicklung – eine rationale Ursache, die den Widerspruch
auf seine spezifische Einheit zurückführt. Gemeint ist damit, dass sich im Grund eine Tätigkeit

5 Zwar tritt dieser nicht deutlich im Zitat hervor, dennoch sehe ich es mit Blick auf die folgenden Unterkapitel ge-
rechtfertigt, ihn als ein zentrales Merkmal von Hegels Heimatverständnis aus dem Zitat herzuleiten.
6 Mit diesen vier Merkmalen deckt Hegel einen Begriff ab, der von der einschlägigen Literatur als traditioneller
Heimatbegriff bezeichnet wird. Vgl. bspw. F. Strzelczyk, Un-heimliche Heimat: Reibungsflächen zwischen Kultur und
Nation, München 1999.
7 Vgl. G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik. Erster Band, Hamburg 1978, 281 f.
8 Die Begriffe Gegensatz und Widerspruch verwendet Hegel an dieser Stelle synonym.
9 Ebd., 282.
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 Achim Wamßler, Der Begriff Heimat bei Hegel   67

manifestiert, nämlich die der Reflexion. Hegel macht dies kurz nach dem soeben Zitierten deut-
lich: „Somit ist das Wesen als Grund ein Gesetztseyn, ein gewordenes“.10
Nun lassen sich Hegels Überlegungen zum Verhältnis von Widerspruch und Grund mit seinem
Gebrauch des Begriffs Heimat zusammenbringen. Es zeigt sich erstens, dass der Grund eine (logi-
sche) Einheit und genetische Voraussetzung ist, in dessen Anschluss sich erst ein Widerspruch
bildet. Analog findet sich dazu in Hegels Heimatbegriff der Bezug zu einem Ursprungsort der Ver-
gangenheit – den Griechen. Zweitens ist Hegel der Ansicht, dass wir uns deshalb bei den Griechen
heimatlich fühlen, weil diese „heimatlich bei sich, zufrieden in sich sind“.11 Hegel greift hierbei
auf die Metapher der Familie zurück. Und eben eine solche Struktur findet sich auch im Verhältnis
von Grund und Widerspruch. Jener ist die Struktur, die eine Einheit darstellt, die beide Seiten des
Widerspruchs vereint. Drittens sehen wir, dass der Grund nicht nur Voraussetzung ist, sondern
etwas durch die Tätigkeit der Reflexion gewordenes. In eben diesem Sinn findet sich auch im Aus-
gangszitat das Merkmal der Tätigkeit im Begriff Heimat, die ihren Ausgang an Fremdem nimmt
und dieses umwandelt, verarbeitet, umkehrt. Schließlich zeigt sich viertens, dass die Tätigkeit der
Reflexion selbst den Widerspruch voraussetzt. Zumindest im Gang der wesenslogischen Begriffs-
bestimmungen. Dort ist es zuerst der Widerspruch und die Frage seiner Überwindung aufgrund
dessen wir zur Einsicht in seine (des Widerspruchs) Grundlage kommen.12 Damit ist der Grund
aber dem Widerspruch nachgelagert. Und eben dieses Merkmal zeichnet sich auch bei Hegels
Heimatbegriff ab: Wie ich versucht habe zu argumentieren, ist es Hegel durchaus möglich, eine
Sehnsucht auf eine griechische Heimat zu rechtfertigen, allerdings nur in der sublimierten Form
bestimmter Merkmale.

3 Sittliche Perspektive
Hegel spricht im obigen Zitat davon, dass uns mit den Griechen „der gemeinschaftliche Geist der
Heimatlichkeit verbindet“. Interessant dabei ist, dass er weder schreibt, dass unsere Heimat in der
griechischen Antike läge, noch dass es eine Heimatlichkeit als solche sei, die uns verbindet. Zwei
Fragen stellen sich hier: Warum finden wir, gemäß Hegel, unsere philosophische und politische
Heimat gerade bei den Griechen? Und welche Rolle spielt dabei der Begriff Geist?
Dem Begriff Geist kommen bei Hegel – allgemein betrachtet – zwei für uns wichtige Eigen-
schaften zu, die sich in Hegels folgender Aussage verdichten: „Der Geist hat für uns die Natur zu
seiner Voraussetzung, deren Wahrheit […] er ist“.13 Nach Hegel unterhalten Entitäten, die einzig
der Sphäre der Natur angehören (bspw. anorganische Stoffe), eine äußerliche Beziehung zueinan-
der. Gemeint ist damit, dass ihre Beziehung zu anderen Entitäten nicht von ihnen selbst initiiert,
erhalten oder beendet wird, sondern von einem (von den beiden in Beziehung stehenden Entitä-
ten) unabhängigen Etwas, das im Rahmen der begrifflichen Erörterung der Naturphilosophie nicht
expliziert werden kann. In der Sphäre des Geistes sind die Beziehungen der Phänomene erklärt,
je nach Stufe auf mehr oder weniger explizite Weise. Dabei vertritt Hegel keinen Dualismus. Der
Geist existiert nicht jenseits seiner materiellen Basis, d. h. der Natur. Im Sinne eines Hylemorphis-
mus manifestiert sich der Geist einzig in der Natur, die seine Voraussetzung ist. Gleichzeitig macht
der Geist, dadurch dass er sich in der Natur verwirklicht, aus dieser etwas qualitativ anderes,
etwas das nicht mehr in reine Natur bzw. reinen Geist geschieden werden kann  – vergeistigte
Natur. Diese Aufhebung der Natur im Geist ist gemeint, wenn Hegel von der Wahrheit des Geistes

10 Ebd.
11 Hegel, Werke, a. a. O. (Anm. 4).
12 Inwiefern es sich bei diesem Punkt um eine rein erkenntnistheoretische Voraussetzung handelt (eine in seiner
Allgemeinheit weithin diskutierte Frage der Hegelexegese), kann ich hier nicht erörtern.
13 Hegel, Enzyklopädie, a. a. O. (Anm. 1), 381 [§ 381].
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68   Hegel-Jahrbuch 2018

spricht. Auf das zweite Merkmal ist mit dem Hylemorphismus bereits hingedeutet. Geist ist genuin
eine Tätigkeit. Er existiert nur im Vollzug, d. h. solange er sich manifestiert.
Geist und Heimat sind jedoch nicht ein und dasselbe. Dass der gemeinschaftliche Geist der
Heimatlichkeit das Verbindende zwischen den Griechen und Hegels Zeit ist, meint in erster Linie,
dass Hegel im griechischen sowie im modernen Heimatverständnis die beiden allgemeinen Merk-
male des Geistes auf gemeinsame Weise verkörpert sieht. Arbeiten wir diese heraus, was ich im
Folgenden mit Bezug zu den vier am Anfang erarbeiteten Merkmalen tun werde, dann finden wir
die Antwort auf die Frage, warum wir, gemäß Hegel, unsere kulturelle, politische und insb. philo-
sophische Heimat gerade bei den Griechen finden.
Zentral für das spezifische Wirken des Geistes bei den Griechen ist der Begriff der Sittlichkeit,
den Hegel auch für die nähere Spezifikation der Heimat kurz nach dem eingangs zitierten Text auf-
greift.14 Für die spezifische Weise in der sich die vergeistigte Natur in Hegels Heimatkonzeption aus-
drückt, spielt die Familie eine entscheidende Rolle. Sie ist jene Form von Geist, die am engsten mit
der Natur verbunden ist: Die Familie ist erstens durch ihre Funktion als Reproduktion der Gattung
an die Natur gebunden. Zweitens bildet sie vermittels der Liebe eine „empfindende Einheit“, die
Hegel als die „Sittlichkeit in Form des Natürlichen“ charakterisiert und die es auf Ebene des Staates
nicht mehr gibt, da dessen Inhalte nicht auf Empfindungen beruhen, sondern auf Vernunft.15 Drit-
tens kommt der Familie, neben einer ganzen Reihe von anderen Funktionen, jene zu, dem Indivi-
duum als solchem zur Allgemeinheit zu verhelfen.16 Durch die Ehrung der Ahnen durch die Familie
wird die Allgemeinheit des Todes des Einzelnen – damit ist vor allem die Tatsache gemeint, dass
jeder sterben muss – über dessen Nicht-Existenz hinaus erhalten. Damit setzt die Familie das erste
Moment der Sittlichkeit, d.  h. jenen Bereich von Hegels systematischen Überlegungen, in dem
Willen und Handeln von vielen Individuen vermittels institutioneller Ordnung zu sowohl Freiheit
als auch Notwendigkeit geführt wird. Hier können wir die Parallele zu dem eingangs herausgear-
beiteten ersten Moment ziehen. Für Hegel ist sowohl die moderne als auch die antike Familie eine
Struktur, die eine geschlossene Einheit bildet. Die Bezugnahme auf die Familie in unserem Aus-
gangszitat ist also nicht nur eine Metapher, sondern Hegel sieht in ihr ein Element des gemein-
schaftlichen Geistes seiner Zeit und der Griechen. Dies bedeutet nicht, dass es nicht auch wichtige
Unterschiede zwischen beiden Epochen gäbe. Die Spähren von Familie und Staat – bzw. göttlichem
und menschlichem Gesetz, wie Hegel sie nennt – ist in der Antike wesentlich autonomer als sie
Hegel für seine Zeit zu fassen glaubt. Er geht sogar soweit, zu behaupten, dass die beiden Sphären
in der Antike unvermittelt nebeneinander stehen. Die Familie ist zwar auch in der Antike, die mate-
rielle Grundlage, von der ausgehend sich Individuen in ihrer Polis engagieren. Jedoch ist dieses
Engagement von zufälligen Faktoren wie Reichtum und geburtlich vorbestimmter sozialer Stellung
abhängig. Erst innerhalb der bürgerliche Gesellschaft verhält sich eine „Vielheit von Familien […]
als selbständige concrete Personen […] zu einander“17 und das auf begrifflich notwendige Weise.
Der Aspekt der Tätigkeit, den wir als allgemeines Merkmal des Geistes herausgearbeitet
haben, deutet sich mit der familiären Totenehrung an. Es handelt sich dabei um eine konkrete
Handlung, die immer wieder neu vollzogen wird. Ähnliche Handlungen, die darauf abzielen, die
sittliche Gemeinschaft zu erneuern, gab es sowohl bei den Griechen als auch in der Moderne. Ein
Verdienst den Hegel den Griechen zuschreibt, ist, dass sie sich ihre eigenen Ursprünge bewusst
gemacht hätten.18 Damit bezieht er sich auf die griechischen Mythen, die in vielen Belangen
eine Entstehungsgeschichte der Griechen, jedoch nicht den Status einer Reflexion über die, im
modernen Sinn verstandenen historischen Anfänge ihrer Kultur darstellen. Mit Bewusstsein des
Ursprungs ist hier die Tätigkeit gemeint, sich dieses Ursprunges durch Erzählungen und kultische

14 Vgl. Hegel, Werke, a. a. O. (Anm. 4), 177.


15 G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Hamburg 2009, 144 [§ 158].
16 Vgl. G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, Hamburg 1980, 244 f.
17 Hegel, Grundlinien, a. a. O. (Anm. 15), 158 f. [§ 181].
18 Hegel, Werke, a. a. O. (Anm. 4), 174 f.
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 Achim Wamßler, Der Begriff Heimat bei Hegel   69

Handlungen zu vergegenwärtigen. Die Moderne, wie Hegel sie zeichnet, hat ein unmittelbares
Bewusstsein überwunden, wie es die Griechen von ihrem Ursprung hatten. Ihr ist das Bewusst-
sein ihres Ursprungs in begrifflich reflexiver Form eigen, letztlich als (Hegels) Geschichte der Phi-
losophie, die die einzelnen Stationen der geschichtlichen Entwicklung des Geistes, die auf ein
Sich-Selbst-Erfassen19 hinsteuert, begrifflich fasst.
Bei dieser Entwicklung des Geistes handelt es sich um den teleologischen Charakter von Hegels
Geschichtsauffassung, den ich eingangs erwähnt habe. Dieses „erkenne dich selbst“20, das Hegel
seiner Philosophie des Geistes insgesamt als Aufgabe voraus stellt, schließt im Rahmen der Geschichts-
betrachtung ein, seinen Ursprung zu kennen. Wie soeben gezeigt, löst die griechische Antike und die
(hegelsche) Moderne diese Aufgabe auf unterschiedliche Weise. Gemeinsam ist ihnen aber, dass es
sich dabei um eine Bezugnahme auf einen vergangenen Ursprungsort handelt, der sowohl für die
Griechen als auch Hegels zeitgenössischer Ansicht unerreichbar ist. Wir sehen also hier die konkrete
Ausgestaltung des dritten Merkmals der Heimatlichkeit, das ich eingangs erwähnt habe.
Mit Blick auf das vierte Merkmal zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwischen griechischer
Antike und (hegelscher) Moderne. Während für Hegel bei den Griechen die Sphären des göttli-
chen und menschlichen Gesetzes unvermittelt nebeneinander existieren, sieht Hegel aus seiner
zeitgenössischen Perspektive die bürgerliche Gesellschaft als vermittelnde Institution zwischen
Familie und Staat. Was Hegels zeitgenössische Perspektive anbelangt, ist das zukunftsweisende
Moment der Heimatlichkeit deutlich zu erkennen. Das Merkmal der Sehnsucht innerhalb Hegels
Verständnisses von Heimat bezieht sich auf jenes Ziel, das Hegel der Entwicklung des Geistes
unterstellt und das sich in der Geschichte manifestiert: sich selbst zu erkennen und demgemäß
seine Wirklichkeit zu gestalten. Während ersteres, zumindest dem Anspruch nach, von Hegels
selbst geleistet wird, hinkt die Verwirklichung zu Hegels Lebzeiten noch hinterher. Bei den Grie-
chen lässt sich der Bezug zu einer zu erreichenden Zukunft an jener Rolle festmachen, die Hegel
Sokrates zuspricht. Dieser hat, indem er die sittlichen Handlungen hinterfragt, die die Griechen
unreflektiert und unmittelbar ausführen, den Anstoß dafür gegeben, der unmittelbaren Sittlich-
keit durch den Einzelnen und dessen Denken hindurch eine neue Form von vermittelter Objekti-
vität und Allgemeinheit zu geben. Der Mensch, so formuliert Hegel das Ziel, das durch Sokrates
das griechische Denken erschüttert, gewinnt dadurch „seine Bestimmung, was sein Zweck, der
Endzweck der Welt, das Wahre, Anundfürsichseiende [ist], – daß er dies aus sich zu finden habe,
da er zur Wahrheit durch sich selbst gelangen müsse“.21 Dies jedoch ist die Aufgabe, die für Hegel
der Geist ganz allgemein besitzt – sich selbst zu erkennen – und die letztlich nur in der Moderne
eingelöst wird, wie Hegel glaubt. Mit Sokrates aber ist die unmittelbare griechische Sittlichkeit ins
Schwanken geraten.22 Eine Sehnsucht zurück zu dieser natürlichen Ursprünglichkeit und Heimat
ist in den Augen Hegels für die Griechen nach Sokrates ebenso illegitim, wie eine Sehnsucht des
modernen Menschen nach genuin griechischer Heimatlichkeit. Der einzige Weg ist jener, der in
eine aufgehobene Heimat führt, eben jene die Hegel für seine Zeit zeichnet. Ein langer Weg für
die Griechen, der, nach Hegel, erst im 19. Jahrhundert endet. Und selbst das ist nur die hegelsche
Form der Sehnsucht nach Heimat, die, so wissen wir heute, Utopie geblieben ist.

Achim Wamßler
Silbersteinstr. 130
12051 Berlin
awamssler@yahoo.de

19 Vgl. Hegel, Werke, a. a. O. (Anm. 4), 52.


20 Hegel, Enzyklopädie, a. a. O. (Anm. 1).
21 Hegel, Werke, a. a. O. (Anm. 4), 443.
22 Vgl. Hegel, Werke, a. a. O. (Anm. 4), 469.
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Silviya Kristeva, Blagoevgrad

The Subjective Relation as a Moment of


Determination in Hegel’s Science of Logic
In the scale of the impressive building of Hegel’s Science of Logic, it is of particular interest the
question for the stable formations and procedures which Hegel uses. We focus the present text
on maybe the most used one – „the procedure of determination“.1 It has its own logical status in
the constructing of a concept and thus it provides the movement of concepts in the whole logical
system. But not exactly its general realization will be the aim of our analysis, instead the way how
the subjective relation finds itself included in the frame of determining. This will be the ques-
tion for the working moments in „the progress“2 of determination, how these moments verify
the including of the subject moving forward the procedures and also allowing to incorporate the
reflective activity so distinctive to the subjective.
So for the subjective relation we will search to derive the immediate connection and the par-
ticipation of subject actually involved in the building of a concept. Such a moment opens the per-
spective to the range of thinking-practice summarized by a concept. This point of view has given
the opportunity to capture and to deduce the subjective technique in concept-building.
The whole theme aspect will provide a new point of view to Hegel’s constructions and also
will illuminate the precise moment of the actual connection to the subjective instance. This gives
us the opportunity to discuss an interesting problem: how to the logical forms we could derive
and hold in actuality such a moment presenting the subjective participation, and also to indicate
the immediate temporal dimensions included in the producing and operating with these logical
forms. All this could cooperate to the comprehension of the whole context construction and actu-
ality which one thought-form should possess and activate in the determination of its objects.
For this purpose, we will consider two conceptual formations from different regions of Hegel’s
Logic: Something and an other from the Doctrine of Being and The Real ground from the Doctrine
of Essence. These are interesting and important constructions basically used in the practice of
philosophizing. Although they are from different regions, they have a similar moment of deter-
mination which is orientated to the thinking of a concrete object. Precisely this will allow us to
outline the different working procedure of determination in these concepts. And through the
objective intended determining, we could search the vividly expressed moments of subjective ref-
erence, the open positions for the participation of the subject in thinking.
The first concept is on the forward stage of logical movement in the general category of quality.
The constructing of something inevitably requires the definition of its finitude and from here it
opens the position towards that which lies beyond its end. The determinateness of something
requires the „otherness“, but that also has same determinateness – another finite something.
Exactly the act of transcending beyond the first something gives the opportunity the first
moment of the subjective relation to appear. This moment here is vividly demonstrated. Hegel
designates it as „external reflection“. He applies it very stable in the progress of determination
using the same formula. This is „external reference“3, a procedure which is realized „for us“.4 He
also marks its undoubted connection with the subjective: „to the external reflection, to the subjec-

1 G. W. F. Hegel, The Science of Logic, translated by George di Giovanni, Cambridge 2010, 386.
2 Ibid. 95.
3 Ibid., 397.
4 Ibid., 349.
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 Silviya Kristeva, The Subjective Relation as a Moment of Determination in …   71

tive“.5 The external reflection is always a moment of transcending out to another determination
also developed in such stage. Following the latter, the pure position is opened which allows to
join another determination or to orientate the given characteristic forward to seize its cognitive or
ontological model. Thus, in the progress of determination, we can include a new characteristic or
we can develop the given determination in a stable thought-configuration.
In Something and an other this transcending reveals the position of another something. It is
second to the already posed one, but Hegel points out that: „the distinction, and the privileging
of one something, is a subjective designation that falls outside the something itself“.6 Here the
external reflection adds a new determination, as well as it poses its giving in the general model
of finitude that is composed of other things, each and one hold in its limit. The dynamic here is
realized wholly from the subjective relation with which Hegel begins the constructing of the total
ontological model of existence.
But here we are on its first stage: the posing of one and other in their external reference.
Because of that the external reflection is only immediately „comparing“. Hegel defines it as the
acting of „being compared by a Third“.7 The comparing establishes the simple determinateness
of both – they are posed as something and no more: „But this sameness of determinations, too,
falls only within external reflection, in the comparison of two“.8 But a new quality of something is
been required with the external reflection: „it is so determined only on account of the other which
is outside it, but is not an other for itself“.9 From here a richer determinateness of something can
be developed and the progress of determining continues in direction of encompassing the world
of finite things.
For us it is of most interest the very participation of the subjective relation with its own pos-
sibilities. This relation supports and moves the determination with changing its focus to a new
determination. Hegel defines it as „the comparing“ „third“. It opens the position for introducing
the other, the difference, the opposite. Thus, the opportunity for the richness of relations is real-
ized: toward the previous moments of determining, but also toward the thought-model which is
developed by a concept. As the third, the subjective relation mediates the given and opens itself as
the medium, the field, leading to the context and giving the initial opportunity of the mediation.
We generalize this first indicated moment of subjective relation as a transcending of the one
given, of determination made, with the opportunity to invade the difference, the dynamic and
context. Through the difference, we bring in the negativity, the other and so the opportunity for
the forward movement in determination. Through the outside view, through the external com-
parison – the opportunity for external reference, the given conceptual form exposes itself on its
context, on the practice of thinking. We achieve the free internal position to move this form to the
context, to gain its huge content as material of generalization and illustration and from here for
this form comprehension and use.
The second moment of the subjective relation in determination we will discover in the logical
procedure of „positing“. Positing is also stable logical technique in The Science of Logic, widely
used by Hegel and it will be very interesting to derive some of its basic dimensions. We will charac-
terize it as the procedure which applies the subjective relation, but already as a working moment
inside the concept. Positing is, at first, a reflective act – it acts as self-reference and self-equal-
ity. But with the exceptionally important characteristic of the „returning back to itself“, of that
which „turns back into itself“ and „posits itself“.10 The most typical moment here is this „return-
ing back“ which verifies the reference to an other, to a different thing. The moment of positing

5 Ibid., 352.
6 Ibid., 91.
7 Ibid., 91.
8 Ibid., 91.
9 Ibid., 91.
10 Ibid., 387.
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72   Hegel-Jahrbuch 2018

proves to be when the determining of one thing or concept refers itself to something different and
this difference – the determination to the other – is taken back from the first given. Thus, a new
reference arises in the first given, so a new determination is being „produced“.11 The positing
is realized from the point of view and with the participation of the first given. And through its
own relation, a new forward determination is achieved, which is directed to the other. This new
moment is marked by Hegel and it is a characteristic that distinguishes the determinations as they
are „posited or existing-for-other“.12
In Something and an other the moment of positing bends back the progress of determination
to the first thing and to its point of view – this makes it the subject of its determining. Thus the
something generates its own reference to the other and this is its new determination „being-for-
other“.13 So it has already richer determination, it differs „being-in-itself“ and „being-for-other“.
These two determinations are „posited as moments of one and the same unity“.14 But now the
something pushes away itself from the other, differs itself wholly from the other and forms its own
„being-in-itself“: „Something is in-itself so far as it has returned from the being-for-other back to
itself“.15 The bending back, the positing, ends with the joining together the unity of the determi-
nation. For the something „this is the identity of being-in-itself and being-for-other“.16 In this way
the produced determination is synthesized in the construction of the determined, drives it forward
to its total configuration in the field of thinking. From here a new stage of the conceptual forma-
tion can be generated or a new opportunity can be found to its further mediation and growing in
a new conceptual stage in the progress of logical method.
The positing is a procedure which in a really relative way develops the given concept or object.
It requires the given something to fulfill the reflection within itself, but always from the position of
something other, something different. Thus, the progress of determining develops further the own
characteristic of the given, through the producing of its own determinateness. We can define the
positing as an internal subjective moment of a concept or object which provides the determina-
tion with the opportunity for relativity and producing the own element and sphere of determinate
object.
In search for the open position in the determination, we can differ also its temporal dimen-
sions. These will be the moments of acts, which really mark the including of time indicators in
the producing and the movement forward of determination. In Something and an other there is
a remark by Hegel himself of the temporal relation in the external reflection – by indicating the
one thing as „first“17, and the other thing is second. Hegel designates them with A and B, again
in temporal consequence. Their positions are marked in a temporal way, such as their marking
conversely: again B will be taken as first to A, although to the distinction of the two things there is
not a difference in their equal „this“.18
The other temporal moment is in developing the positing with the distinct description: „the
expression still contains the determination of the bending back, which has already occurred“.19
Here the timing of the determination is more complex: the already realized operation is indicated
through the included moment of passing over in the determination. This witnesses the tempo-
ral course of logical producing, of logical acting, and allows taking into account the proceeding
actions. Thus the continuity of logical process is created and not only with the indicated con-

11 Ibid., 94.
12 Ibid., 95.
13 Ibid., 92.
14 Ibid., 92.
15 Ibid., 93.
16 Ibid., 93.
17 Ibid., 90.
18 Ibid., 91.
19 Ibid., 94.
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 Silviya Kristeva, The Subjective Relation as a Moment of Determination in …   73

sequence, but with the constructing of a logic-temporal progress which holds together the total
disposition of the determinations and operates freely with them in a whole logical continuum.
We will also take into consideration an interesting relation realized here in Hegel’s construct-
ing of this concept: „negative reference to non-existence“.20 This is the negative moment in the
positing of something, but it can also be taken as a separate relation. We will have the relation to
the missing of something and especially this will be the very possibility to determine this some-
thing. With the negative taking of the something we can outline precisely its availability, its pres-
ence, considered conversely for completely usual. Through such relation, we can annihilate in
order to summarize determination to a new stage. And finally with the negative relation to the
thing, we can generate negative exposure to the all already achieved – to look at it outside, in a
new, fresh point of view.
Let us follow the moments of the positing and external reflection in The Real ground. The
complex relative structure of essence is cast in the „twofold“ determinateness21 inherent for the
determinations of this sphere. In The Real ground the two sides of this „ground-connection“ are
formed: „ground and grounded“.22 They are taken in the specifics of positing: the reflection is cast
in the ground, and the grounded is separated as the posited in the immediacy of the „otherness“.23
Thus ground and grounded „have a diverse content“, „the turning back to the ground and the
procession forward from ground to posited is no longer a tautology; the ground is realized“.24 The
real moment is added to the ground-connection: it is the existence which has to be incorporated in
the ground with its positing. The ground-connection is realized, but with the real moment a pure
external area is invaded to it – the area of indeterminateness which the ground must deal with,
since this area occurs to be the irreversible part of its positing.
Hegel registries this undetermined content area of the ground throughout the problem of
finding the ground: „whenever we ask for a ground“.25 To find a ground means to take into con-
sideration the whole subject matter for which the ground is going to be found. And even though
the found ground and the grounded form „undifferentiated essential compactness“26, to this con-
nection the indeterminate externality of the object is attached. To the essential ground-connec-
tion the separate unessential is put into: „an unessential form, external determinations of the
content that, as such, are free from the ground and constitute an immediate manifold“.27 The
ground becomes „the ground of something“.28 The ground must shape the essential of something,
but also must operate with the multitude of determinations of this something. The present task
behind the ground is now to generate the essential toward the content multitude, toward the total-
ity of the object and so to seize the whole content of the object through the positing of its essential
ground (like its foundation) and also in the moment of non-posited with which the object in its
context is disposed.
The already formed „contingency and externality of the ground-connection“29 generates
variety in the ground positing, „multitude of points of view“.30 With this the very way to apply the
ground-technique in the practice of thinking is finally liberated: how to use this ground-positing
to different objects and to seize the diverse knowledge of them. Hegel also formed the ontological
correlation to the real ground: the something as „a concrete something, its manifold determina-

20 Ibid., 93.
21 Ibid., 403.
22 Ibid., 402.
23 Ibid., 402.
24 Ibid., 402.
25 Ibid., 402.
26 Ibid., 403.
27 Ibid., 403.
28 Ibid., 398.
29 Ibid., 404.
30 Ibid., 406.
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74   Hegel-Jahrbuch 2018

tions are to all appearance equally stable and permanent in it“.31 Hence, the question rises for a
something: to which of its determinations the ground is built, which of these determinations to
accept for the essential and thus for determining of the whole object.
Here Hegel induces the instance of „free choice“32 which is a vivid subjective moment in The
Real ground. In one case we could accept one determination for a ground, but in other case it is
not already the ground and we should choose another.33 Hence the third, the subjective moment,
appears here, the third has to operate with the determinations and to establish their grounded-
ness: „it is a third that confers on them the form of ground and grounded“.34 The third here, the
intervention of subject, has to work out the ground and to give the ground-connection for the
whole object. In the scope of variety the ground in itself has to be deduced upon the diverse dis-
tributed spectrum of grounds, and from the essential determinations of the object, after that thou
the ground must be posited towards the whole object: it must really express and present the „cap-
turing“ of the given object in its essentiality.
We have to raise the question: how the ground is to be worked out, what will guarantee
its essentiality. The ground must not stay only externally applied determination to the object,
on the contrary, it must state its necessary character like the foundation of the object. That
ought us to find the way of seizing the diversity of the externally posited grounds, to form a
combination and calculation of determinations which are related to the very object and are
also stable in its manifestation. Such a ground cannot be considered already accidental. Here
the basic feature of positing is demonstrated: the unity of determination. Thus the object is
grounded, if 1. Its diversified determinations are developed and their spectrum is delineated;
if 2. These diversified determinations are worked out to one general ground in reconstructing
the whole nature of the object, and if 3. The total context of the object is encompassed: in its
attitude of objective ground-relation and as cognitively and subjectively shaped and structured
object-continuum.
In search of the necessary characteristic of the ground, an interesting relation is being
found. Hegel formulates it as „That there be a ground, of that the posited is the ground“.35 This
is the relation „the ground of a ground“. It raises the question for the producing of the necessary
ground-relation which leads to the higher grounds. In this way we could build the series or the
spectrum of grounds and this will already process the diversify determinations of the object.
Inevitably, the positing in relation of this ratio-ground opens the context, the cognitive area
towards the object, it makes its „three-dimensional“ shaping with the necessity to draw grounds
from different topics and spheres in the whole scale of context, and with all this to move forward
in it. The ground is directed to indicate and to develop the field, the medium, in which the deter-
mination functions, and to constructing the object towards the developed range of the whole
thinking and knowledge, in way these are accessible in our intentions and in our object-con-
structing possibilities.
In result of this analysis, it has become clearer how logically and constructively the two pro-
cedures used by Hegel are presented: the external reflection and the positing. This demonstrates
the well-defined participation of the subjective relation which gives the richness and complexity
of the concepts exposed by Hegel. By indicating the subjective relation, we discover the moments
of difference, context, as well as free variety in the content of concepts. These are also the complex
formed positions of determination with its developed mediation, its temporal dimensions in con-
ceptual progress. All this demonstrates and operates the huge possibilities of subjective relation
which Hegel derives and includes in logical determination, such as the vast richness of relational

31 Ibid., 405.
32 Ibid., 404.
33 Ibid., 405.
34 Ibid., 406.
35 Ibid., 398.
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 Silviya Kristeva, The Subjective Relation as a Moment of Determination in …   75

models in The Science of Logic. These procedures, reference points and dimensions should be
researched and used in order to produce subjectivity and complexity, because precisely the for-
mations and possibilities of subjectivity are the essential tools for building the content and conti-
nuity of each and every object.

Dr. Silviya Kristeva


South-West University
Room 1496
66 Ivan Michailov Str.
Blagoevgrad, Bulgaria 2700
silvia_kristeva@swu.bg

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Andrei Chitu, Tübingen

Hegels Theorie der Modalitäten und ihre


realphilosophische Bedeutung
Das Ziel meines Vortrags ist, zu zeigen, dass Hegels Diskussion der Modalität sich nicht nur
darauf konzentriert, die Relativität der Modalkategorien aufzuzeigen, die Tatsache also, dass sie
sich durch ihre zugrundeliegende Identität vermitteln, sondern auch Konsequenzen für Hegels
Konzept der philosophischen Wissenschaften hat. In einem ersten Schritt werde ich annähernd
die Abhängigkeit der philosophischen Wissenschaften von einer Konzeption der Notwendigkeit
als Totalität der Form einführen, die in der Hegelschen Logik entwickelt wurde. In einem zweiten
Schritt werde ich die Bedeutung dieser Abhängigkeit präzisieren und vertiefen, indem ich ein Bei-
spiel Hegels analysiere, der auf Grund der Notwendigkeitskonzeption zwischen Wissenschaft und
Nicht-Wissenschaft unterscheidet. In einem dritten und letzten Schritt werde ich mich ganz der
Bestimmung der Notwendigkeit widmen und versuchen eine Argumentationslinie der objektiven
Logik zu rekonstruieren, die, wenn der Versuch gelingt, die zwei vorherigen Punkte begründen
wird.

1. In den Vorlesungen über die Logik steht der folgende Satz: „Die Täthigkeit ist die Totalität der
Form.“1 Die Tätigkeit als Totalität steht in der Wissenschaft der Logik in einer gewisser Nähe zu der
Unruhethematik. Was für eine Bedeutung können die Unruhe und die Tätigkeit haben und was
für eine Rolle spielen sie ausgerechnet in der Logik? Den phänomenalen Gehalt beiseite gelassen,
können uns die beiden Stellen, welche die Unruhethematik in der objektiven Logik prägt, als
Interpretationshinweis dienen. In der WdL kommt die Unruhe des Werdens an zwei sehr promi-
nenten Stellen vor: Im Abschnitt über das Werden am Anfang2 und in der Diskussion der Not-
wendigkeit am Ende.3 Ich werde mich hauptsächlich mit dem zweiten Vorkommen der Unruhe
beschäftigen, da dieses, wie ich zu zeigen hoffe, nicht nur für das Verständnis der Logik und der
Metaphysik Konsequenzen hat sondern auch für verschiedene Themen, die der Realphilosophie
zugehören, wie die Geschichtsphilosophie, die Rechtsphilosophie, die Religionsphilosophie oder
Ästhetik. Dies bedeutet weder, dass die Logik sich mit Religion, Ästhetik und Geschichte beschäf-
tigt, noch dass diese im Grunde Logik wären. Zumindest möchte ich diese Frage in diesen Text
nicht weiter vertiefen.
Dennoch bemerkt Hegel in der Vorrede zur Rechtsphilosophie,
„daß das Ganze wie die Ausbildung seiner Glieder auf dem logischen Geiste beruht. Von
dieser Seite möchte ich auch vornehmlich, daß diese Abhandlung gefaßt und beurteilt würde.
Denn das, um was es in derselben zu tun ist, ist die Wissenschaft, und in der Wissenschaft ist der
Inhalt wesentlich an die Form gebunden.“4
Aus dieser Stelle sind m.  E. zwei Gedanken hervorzuheben. Erstens ist der wissenschaftli-
che Anspruch eines theoretischen Entwurfs in erster Linie nach seiner logischen Grundlegung zu
beurteilen. Zweitens ist der Inhalt einer Wissenschaft durch die Form der Wissenschaft bestimmt.
Der Inhalt ist, Hegel zufolge, das bestimmte Andere der Form. Er ist, um es hervorzuheben, das
bestimmte Andere der Form, nicht einfach das Andere. Dies signalisiert, dass Form und Inhalt
in einer internen Beziehung zu einander stehen, dass sie keines Dritten bedürfen, das beide mit-

1 G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Logik, Hamburg 1968 ff., 126.


2 G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik I, Frankfurt am Main 1969, 113.
3 G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik II, Frankfurt am Main 1969, 206.
4 G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Frankfurt am Main 1970, 12 f.
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 Andrei Chitu, Hegels Theorie der Modalitäten und ihre realphilosophische Bedeutung   77

einander von außen vermittelt. Sie sind wesentlich aufeinander verwiesen, d.  h. sie haben die
Notwendigkeit ihrer Beziehung an sich selbst. Die Notwendigkeit einer Beziehung heißt, dass die
zwei Termini keine Selbständigkeit außerhalb der Beziehung haben. Dies bedeutet gewisserma-
ßen, dass beide Termini jeweils die Beziehung selbst sind. In unserem Fall ist die Form die not-
wendige Bestimmung eines Inhalts, die diesen Inhalt von anderen Inhalten unterscheidet und so
die Identität eines Inhalts mit sich selbst herstellt. Ein Inhalt der sich von einem anderen unter-
scheidet, bestimmt diesen Anderen durch ihren Unterschied. Er ist auch Form für sein bestimmtes
Anderes.
Um das bisher Gesagte zusammenzufassen: Die zwei Bedingungen der philosophischen Wis-
senschaft, die Formgebundenheit ihres Inhalts und ihre logische Grundlegung scheinen ein und
dieselbe Sache zu sein. Der wissenschaftliche Anspruch eines theoretischen Entwurfs lässt sich
nur dann begründen, wenn seine Inhalte eine interne relationale Notwendigkeit aufweisen.

2. Um diese Bestimmungen weiter zu präzisieren, liefert uns Hegel in einer seiner Vorlesungen
über die Philosophie der Geschichte ein einleuchtendes Beispiel:
„Die römische Weltherrschaft wurde so einem einzigen zuteil. Diese wichtige Veränderung
muß nicht als etwas Zufälliges angesehen werden, sondern sie war notwendig und durch die
Umstände bedingt. […] Cicero […] setzt den Zustand des Verderbens der Republik immer in die
Individuen und ihre Leidenschaften. Cicero […] denkt nicht daran, daß es unmöglich sei, die
römische Republik länger zu erhalten, und sucht für sie immer nur eine momentane Nachhilfe;
über die Natur des Staates und namentlich des römischen hat er kein Bewußtsein. Auch Cato sagt
von Cäsar: ‚Seine Tugenden sollen verflucht sein, denn sie haben mein Vaterland ins Verderben
gestürzt.‘ Aber es ist nicht die Zufälligkeit Cäsars, welche die Republik gestürzt hat, sondern die
Notwendigkeit.“5
In der Diskussion über den Untergang der römischen Republik behauptet Hegel, dass dieser
nicht bloß Resultat der Handlungen verschiedener Figuren war, sondern eine immanente Kon-
sequenz immanenter Bedingungen, welche die römische Republik ausmachten. Diese der römi-
schen Republik innewohnende Notwendigkeit wird durch Insistieren auf Anekdotischem ver-
fehlt, die Cicero Hegels Meinung betreibt. Er hätte die Notwendigkeit des Untergangs und implizit
seine eigene historische Situation nicht begreifen können und deshalb sei sein Widerstand gegen
Caesar wirkungslos und seine Reden sinnlos gewesen. Diese Erörterung hebt einen Kategorien-
fehler hervor. Dieser Fehler liegt darin, dass Ciceros Denken von unbefragten Voraussetzungen
ausgeht und an Unterscheidungen festhält, die voraussetzungsreich sind, für Cicero jedoch den
Schein der Unmittelbarkeit haben. Hegel bezeichnet ein solches Denken als abstrakt. Die Abs-
traktion oder der Schein der Unmittelbarkeit bezieht sich auf die Art und Weise, wie konzeptu-
elle Unterscheidungen sich etablieren und wie sie bewertet werden. Um eine Unterscheidung zu
ziehen, muss die Reflexion relationale Zusammenhänge auflösen oder auseinander nehmen, so
dass die Pole der Beziehung aus ihrem Zusammenhang herausgelöst werden, ihre konstitutive
Beziehung aufeinander ausgeblendet wird. Dies ist unproblematisch, solange die Abstraktion
ihren eigenen Prozess reflektierte. Ist das jedoch nicht der Fall, so bleibt die Abstraktion einseitig
und begründungsbedürftig. Diese Einseitigkeit besteht darin, dass der Schein der Unmittelbarkeit
der Unterschiede eine bestimmte Konzeption der Wirklichkeit setzt, auf die die Unterschiede sich
letztendlich beziehen. Die Wirklichkeit wird unmittelbar und abstrakt bestimmt, weil die Unmit-
telbarkeit einer Unterscheidung einen indifferenten Grund voraussetzen muss, einen Grund von
dem aus sie nicht bestimmt werden kann. Cicero geht z. B. davon aus, dass die von ihm geschil-
derten historischen Figuren die Wirklichkeit bestimmen, ohne selbst wiederum von dieser Wirk-
lichkeit bestimmt zu werden. Die Wirklichkeit ist für Cicero dieser indifferente Hintergrund, auf
dem historische Handlungen geschehen. Dies erweist sich als problematisch erweisen, vor allem
für die Bestimmung der Handlung.

5 G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, Frankfurt am Main 1970, 377 f.
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78   Hegel-Jahrbuch 2018

Lässt sich eine Handlung nur aus ihrer Möglichkeit heraus verstehen und liegt der Bestim-
mungsgrund der Möglichkeit in einer Wirklichkeit, auf die sie sich bezieht, so muss die Wirk-
lichkeit anders konzipiert werden, so dass die Möglichkeit der Handlung die Wirklichkeit als ihre
internes Moment versteht, und nicht als ihr indifferenten Gegenüber. Was bei Cicero fehlt, ist
die Erkenntnis der gegenseitigen Bestimmung, die zwei Charaktere der Wirklichkeit konstituie-
ren. Zum einen die Totalität der Bedingung und zum anderen die Tätigkeit, oder die Totalität der
Form. Die Notwendigkeit ist deren Tautologie. Sie ist der permanente Übergang der Tätigkeit in
die Bedingung und umgekehrt. Diesen Sachverhalt nennt Hegel die Unruhe des Werdens. Sie ist
die Identität des bestimmten Inhalts der Bedingung mit der bestimmenden Tätigkeit der Form. So
resultiert die Einheit einer Welt, eine ausschließliche Struktur, die der Konkretheit einer besonde-
ren historischen Situation Rechnung trägt.
Wie ist eine solche Einheit zu beschreiben? Es ist Hegel zufolge dann möglich, über eine
Einheit zu reden, wenn ihre differenten Momente ihr gegenüber ihre Selbstständigkeit verlie-
ren. Ferner muss eine Einheit, um sich gegenüber einem Moment zu profilieren, eine Einheit für
sich werden, d. h. sie muss sich zu ihrer Andersheit entweder gleichgültig verhalten, sie repel-
lieren oder sie einschließen. Dieses Verhalten der Einheit zu einer Andersheit und schließlich
zu sich selbst nennt Hegel Reflexion. Diese Konzeption der Reflexion ist bei Hegel eng mit einem
logischen Immanenzanspruch verbunden. Dieser Immanenzanspruch lässt sich durch ein Aus-
schlussverfahren nachvollziehen und realisieren, das zugleich das Ausschließende mit dem Aus-
geschlossenen vermittelt, so dass am Ende dieses Verfahren nur eines bleibt, das wiederum nicht
Eines unter Vielen sein kann, sondern Eines nur in Beziehung auf sich selbst. Diese Beziehung
nennt Hegel Totalität.
Was dieses Beispiel zeigt, ist die Bedeutung der Notwendigkeit. Es drückt ein Konzept der
Totalität aus, das in diesem Fall eine geschichtswissenschaftliche Erklärung von ihrem unwissen-
schaftlichen Gegenteil, der historischen Anekdote, unterscheidet.

3. Das historische Beispiel wurde nicht zufällig ausgewählt, denn die Behandlung der Notwen-
digkeit in der Enzyklopädielogik sollte, so Hegel, ein Hinweis für die Geschichtsschreiber sein:
„Der Geschichtsschreiber ist ebenso unmittelbar daran gewiesen, diese für sich auch schon
als unwahr erklärte Kategorie nicht zu gebrauchen; aber der Scharfsinn des leeren Verstandes
gefällt sich am meisten in dem hohlen Ersinnen von Möglichkeiten und recht vielen Möglich-
keiten.“6 Die als unwahr erklärte Kategorie, die Hegel hier erwähnt, ist die Möglichkeit. Präziser
gesagt, ist es nicht die Möglichkeit an sich sondern eine bestimmte Auffassung, die dem leeren
Verstand oder dem hohlen Ersinnen zuzurechnen sei. Hegel sagt hier, dass es prinzipiell möglich
ist, sich in einer Situation immer weitere Handlungsmöglichkeiten auszudenken. Welche von
diesen Möglichkeiten wird aber zu Wirklichkeit? Verwirklichen sich eine oder mehrere Möglich-
keiten, dann entsteht eine neue Situation, die ihrerseits viele weitere Möglichkeiten erschließt.
Das Problem besteht für Hegel in der Möglichkeit der Erklärung der Übergänge von einer Situation
zu einer anderen. Die vielen gedachten oder ungedachten Möglichkeiten lassen nur Szenarien
entstehen, die Perspektiven auf einen unübersichtlichen Horizont der Möglichkeit entwerfen. Die
vielen Möglichkeiten und deren prinzipielle Unübersichtlichkeit führen dazu, dass Situationen
aller Art unter-bestimmt werden und die historische Erklärung vergangener Konstellationen kein
kohärentes Narrativ bilden kann.
Eine mögliche alternative Lösung bestünde darin, ein Kriterium zu finden, das sowohl als
Auswahl- als auch Ausschlussprinzip für die jeweilige Realisierung der Möglichkeiten dienen
kann. Um mit Hegel zu sprechen, wäre es ein Kriterium der Unterscheidung zwischen wesent-
lichen und unwesentlichen Möglichkeiten, zwischen der Möglichkeit als Schein und der Mög-
lichkeit als Wesen. Diese Unterscheidung wäre, nach Hegels Meinung, falsch konstruiert. Zwei
Einwände lassen sich von einem hegelschen Standpunkt aus formulieren: Erstens wäre das skep-

6 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie I, Frankfurt am Main 1970, 282.


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 Andrei Chitu, Hegels Theorie der Modalitäten und ihre realphilosophische Bedeutung   79

tische Argument gegen den Wirklichkeitscharakter der vielen Möglichkeiten nicht überwunden
sondern verschoben. Dies ist das bekannte Argument aus der Einleitung zu der PhdG, dass die
Methode das Gegenteil ihres Zwecks vollbringt. Der zweite Einwand bezieht sich auf das Konzept
der Totalität. Der Unterschied zwischen der illusorischen und der wesentlichen Möglichkeit, oder,
stärker formuliert, zwischen der illusorischen Möglichkeit und der wesentlichen Notwendigkeit
sollte die Unübersichtlichkeit durch Anwendung von Kriterien überwinden und stattdessen die
Deduktion einer bestimmten positiven Totalität fördern, die einen Überblick über das Seiende
erlaubt. Ich werde die hegelsche Kritik des Unterschieds von Wesentlichen und Unwesentlichen
an dieser Stelle nicht weiter verfolgen. Es ist jedoch wichtig zu bemerken, dass die hegelsche Kon-
zeption einer Totalität der Form nicht auf eine seiende Totalität reduziert werden kann.
Totalität kann nicht heißen, dass der vollständige Überblick über alles Seiendes und dessen
gesetzte vollständige Deduktion gefordert wäre. Daraus folgt, dass die Notwendigkeit nicht die
Bestimmung eines bestimmten Dasein ist, sondern die absolute Notwendigkeit ist Sein schlecht-
hin als Reflexion, in der sie das eigene Sein als Bedingung ihrer selbst voraussetzt. So ist die Not-
wendigkeit mit sich immer identisch und ihr Inhalt und ihre Funktion bestehen darin, diese Selb-
stidentität auszudrücken. „Die absolute Notwendigkeit ist nicht sowohl das Notwendige, noch
weniger ein Notwendiges, sondern Notwendigkeit, – Sein schlechthin als Reflexion.“7

Andrei Chitu
Schellingstraße 6
72072 Tübingen
chituandrei@gmail.com

7 G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik II, Frankfurt am Main 1970, 216.
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Antonios Kalatzis, Jerusalem

Intelligenz und Logik


Hegels Begriff des „Denkens“ zwischen „wissenschaftlicher Logik“,
Philosophie des subjektiven und des objektiven Geistes

Wie der Titel ankündigt, wird in diesem Beitrag der Frage des Unterschieds zwischen logischem,
anthropologischem und idealistischem Verständnis vom Denken in Hegels Philosophie nachge-
gangen. Um diese Frage zu beantworten, möchte ich mit einem Paradox anfangen. In einer Einlei-
tung aus seiner Vorlesungen über die Philosophie des objektiven Geistes erfahren wir von Hegel,
was im vorherigen Teil, dem Teil über den subjektiven Geist, passiert ist. Dort lesen wir über die
drei Stufen  – Anthropologie, Phänomenologie des Geistes und Psychologie  – in welche Hegel
seiner Philosophie des subjektiven Geistes einteilt. Das Interessante für die hiesige Untersuchung
ist seine Darstellung der dritten Stufe:

Die wahrhafte Stufe ist die dritte; der Geist als Geist, wo er Vernunft ist, daß der Inhalt der Seinige ist. Diese
Verwandlung macht den Prozeß der Intelligenz aus; das Denken [Hervorhebung – A. K.] ist die höchste Stufe der
Intelligenz; jene hat sie vollbracht, wenn ich denke so ist es ganz das Meinige; denke ich die Welt, so habe ich
sie durchdrungen, begriffen. Dies ist der theoretische Geist (Intelligenz).1

Der Höhepunkt also der Philosophie des theoretischen Geistes, wo der Geist die Welt erkennend
durchdringt, bildet ein Kapitel, welches tatsächlich von Hegel als „Denken“ gekennzeichnet wird
und welches wiederum in drei Teile eingeteilt ist. Diese Teile, wie wir später sehen werden, heißen
„Verstand“, „Urtheil“ und „Schluss“. Nun aber auch wenn man sich gerechtfertigt sähe, gleich zu
behaupten, die Philosophie des subjektiven Geistes sei der Systemteil, worin Hegel das Denken
betrachtet, käme man zu einem gewissen Paradox, wenn man den subjektiven Geist mit Hegels
Definition der Wissenschaft der Logik [im Folgenden: WdL] bzw. des Logischen vergleichen würde:

Die Logik ist die Wissenschaft der reinen Idee, das ist, der Idee im abstracten Elemente des Denkens. […] Man
kann wohl sagen, daß die Logik die Wissenschaft des Denkens, seiner Bestimmungen und Gesetzte sey, aber
das Denken [Hervorhebungen – A. K.] als solches macht nur die allgemeine Bestimmtheit oder das Element
aus, in der die Idee als logische ist.2

Diesmal ist es also nicht der Teil des subjektiven Geistes, welcher als „Denken“ gekennzeichnet
wird, sondern die WdL, welche die „Wissenschaft des Denkens, seiner Bestimmungen und
Gesetzte sey “.
Damit sind wir aber immer noch nicht fertig mit dem Auflisten der Stellen, wo Hegel sich
explizit mit dem Thema „Denken“ in seinem System befasst. Es gibt noch eine dritte Stelle, welche
sich in dem Abschluss seiner Philosophie des absoluten Geistes, im allerletzten Kapitel über die
Philosophie selber befindet. Dort lesen wir, dass die Religion zur Ihrer Wahrheit bzw. zu der Philo-

1 G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie des Rechts I, in: G. W. F. Hegel, Gesammelte Werke. In Verbindung
mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft hg. von der Nordrhein-Westfälischen (1968–1995: Rheinisch-Westfäli-
schen) Akademie der Wissenschaft. Hamburg 1968 ff. [Im Folgenden zitiert als GW mit Angabe der Bandnummer in
arabischen Zahlen], Bd. 26.1, 343.
2 GW 20, 61, § 19.
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 Antonios Kalatzis, Intelligenz und Logik   81

sophie, d. h. „zum selbstbewußten Denken erhoben ist“. 3 Der Inhalt nun der Philosophie
oder dieses „selbstbewußten Denken[s]“, wie wir im § 574 lesen, besteht im Folgenden:

Dieser Begriff der Philosophie ist die sich denkende Idee, die Wissende Wahrheit (§ 236), das Logische mit
der Bedeutung, daß es die im concreten Inhalte in seiner Wirklichkeit bewährte Allgemeinheit ist.4

Die Frage also, welche sich ergibt, lässt sich folgenderweise artikulieren: Warum taucht dreimal
und nicht einfach einmal das Denken als Gegenstand systematischer Behandlung in Hegels
System? Einmal als Logik, ein zweites Mal als Denken in der Philosophie des subjektiven Geistes,
und ein drittes Mal im Abschluss des Systems, als selbstbewusstes Denken in der Philosophie des
absoluten Geistes? Und konkreter, wie sollte man zwischen den drei unterscheiden – und gleich-
zeitig ihren gemeinsamen Nenner finden? Wäre nicht eine Darstellung des Denkens, als Logik, als
theoretischer Geist oder als absoluter Geist hinreichend gewesen?
Diese Frage will ich in drei Schritten beantworten, welche der Unterscheidung zwischen den
drei soeben angegeben systematischen Deutungen von „Denken“, welcher Hegel sich bedient,
entsprechen.

1 „Denken“ in der Philosophie des subjektiven Geistes


Ich fange mit den Begriffen des Denkens und des theoretischen Geistes an, nicht nur weil der
Standpunkt am nächsten zum ‛gemeinen Menschenverstand‘ ist, sondern auch, weil er die Mitte
zwischen den zwei übrigen Bedeutungen von „Denken“ bildet.
Zuerst einmal ist der theoretische Geist, wozu die Behandlung des „Denkens“ als gängig ver-
standenen Denkens auch gehört, ein Teil der Philosophie des subjektiven Geistes. Subjektiv ist
der Geist, weil er nicht allein im philosophischen Diskurs5 steht, sondern gegenüber der Natur,
welche als das Objekt der theoretischen bzw. der praktischen Aktivität des Geistes fungiert. Nun
ist diese Beziehung keine neutrale. Die Natur gilt als das Unmittelbare und dem Geist Vorange-
hende, welches der Geist theoretisch und praktisch zu assimilieren, d. h., von ihm als etwas, das
ihn abgängig macht, frei zu werden versucht. Diese Unabhängigkeit-durch-Assimilation wird
genau im Standpunkt des „Denkens“ erreicht, wo alle gegebenen Elemente, welche in der Äußer-
lichkeit der Natur ihren Ursprung haben, jetzt vom Geist selber komplett rekonstruiert und durch
ihn vermittelt werden6.
Mit anderen Worten wird der Standpunkt der „Befreiung“ des theoretischen Geistes von der
Natur, das Denken, erreicht, indem die theoretische Aktivität des Geistes selber sich weiterentwi-
ckelt und von den Erkenntnisfunktionen z. B. der Anschauung, Erinnerung und Einbildungskraft
in die Funktionen des Verstandes, des Urteilens und des Schließens übergeht. Kurz gesagt, der
Geist muss seine eigene Natürlichkeit überwinden, d. h. er muss aufhören, die Elemente und die
Mittel seiner eigenen Aktivität als getrennt und isoliert von einander einzusetzen, wenn er die
äusserliche Natürlichkeit bzw. Unbegreiflichkeit überwinden will.
Darüber hinaus geht es hier um die gegensätzliche Beziehung von zwei Elementen, des
Geistes und der Natur. Wir haben gesehen, der Abschluss dieser Bewegung ist das, was Hegel als
„Denken“ bezeichnet. Denken bedeutet nicht nur die Überwindung der Äußerlichkeit und Gege-
benheit der Natur, sondern auch die Überwindung der Natürlichkeit des Geistes selber, welcher

3 GW 20, 555.


4 GW 20, 569, § 575.
5 D.  h. weil er im Kontext der Philosophie des subjektiven Geistes weder eine allumfassende noch eine isolierte
Entität oder Aktivität ist, sondern eine Aktivität welche sich explizit auf eine ihr äußerliche Entität, die Natur bezieht.
6 S. GW 25.2, 935.
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82   Hegel-Jahrbuch 2018

nicht mehr der Maßstab seiner erkennenden Aktivität an ein ihm radikal Äußerliches ist und ent-
sprechend seine eigene Herangehensweise einstellt: Während die Naturobjekte sich als äußerlich
zueinander verhalten7, kann der Geist sie in einer Einheit begreifen.
Der konkrete Abschluss der Assimilation des Äußerlichen (Natur) und der Transformation des
Innerlichen (Geist) findet im Kapitel über den Schluss statt. Der Schluß beschreibt nämlich den
Standpunkt menschlicher Intelligenz, nach welchem sie Verbindungen macht und Verhältnisse
in der Natur als objektiv gelten lässt, welche komplett durch die menschliche Intelligenz gesetzt
werden und nicht aus der unmittelbaren Naturgegebenheit, d. h. der Sinnlichkeit entstammen.
Die Schritte zu diesem Standpunkt sind im Konkreten: der Verstand, das Urteil und erst am
Ende der Schluss. Mit Verstand gekennzeichnet Hegel die Aktivität der Intelligenz, von dem Gege-
benen, unterschiedslosen Mannigfaltigen der Natur zu abstrahieren, d. h. Unterscheidungen zu
machen. Dann kommt das zweite Moment des Denkens, das Urteil, wo die Aktivität der Intelligenz
darin besteht, die davor unterschiedenen Einzelnen unter ein Gesetz oder unter eine Gattung zu
bringen bzw. zu subsumieren.
In beiden Fällen aber ist die Aktivität der Intelligenz explizit auf die ihr äußerliche Naturge-
gebenheit bezogen. Der Verstand ist bedingt von dem ihm äußerlich gegebenen Mannigfaltigen.
Das Urteil wiederum von den Einzelnen, welche es nachträglich unter ein Allgemeines bringt. Erst
im Schluss wird die erkennende Aktivität von der unmittelbaren Gegebenheit der Natur komplett
befreit. Denn die Operation des Schlusses besteht darin, zu zeigen, dass das Einzelne durch seine
Besonderheit notwendig zu einem Allgemeinen gehört oder es verkörpert, und umgekehrt, dass
jedes Allgemeine dazu bestimmt ist, sich zu sondern.
So zeigt sich der menschliche Verstand, welcher urteilt und schließt, als die Überwindung
einer doppelten Natürlichkeit: der Natürlichkeit seiner eigenen Formen, d. h. der mentalen Ope-
rationen, welche vor dem Denken kommen und der Natürlichkeit überhaupt, d. h. seiner angeb-
lichen Passivität und Unangemessenheit gegenüber der Natur. Dadurch, so die Argumentation
Hegels, wird der theoretische Geist zu praktischem. Er wird nicht mehr von einem, ihm äußerli-
chen Objekt bestimmt, sondern wird er es bestimmend:

Als theoretischer Geist fängt er an sich zu finden, sich mit Gegebenem, Vernünftigen zu beschäftigen, denn er
ist Gewißheit, das Bewußtsein des Vernünftigen, aber dieß hat zugleich die Form eines Gegebenen. Seine Thä-
tigkeit ist dieß Gegebene, Unmittelbare zu negiren, dieß ist an sich das Negiren des Unwahren, die Negation der
Form des Findens, dadurch geht er hindurch, ist für sich, ist Wille [Hervorhebung – A. K.].8

Insofern ist in dem Übergang vom theoretischen in den praktischen Geist die Gegensätzlichkeit
zwischen Natur und Geist nur momentan überwunden. Das Einzige, was sich ändert, ist die Posi-
tion dessen, was als Bestimmtes und als Bestimmendes gilt. Dies passiert nämlich, weil der the-
oretische Geist auch in seinem Höhepunkt, d. h. in dem Moment seiner größten Unabhängigkeit
von der Natur, sie ihm gegenüber als ein Unmittelbares hat. Er kann sie aktiv begreifen, aber
immer noch weiß er nicht, warum sie da steht, um begriffen zu werden:

„Der Geist assimilirt sich die Natur, reducirt sie zu dieser Einfachheit, die er sich selbst ist, und nur dadurch ist
und wird der Geist selbst. Er ist ideelle Thätigkeit; und diese setzt natürlich immer etwas voraus, was idealisirt
werde [Hervorhebung – A. K.].9

Deswegen kann der subjektive Geist letztendlich die Dialektik bzw. die Aporien zwischen dem
Bestimmtem und Bestimmendem nicht loswerden, und die ganze Beziehung zwischen Natur und
Geit als etwas intrinsisch Einheitliches begreifen, d. h. zum Gedanken der Selbstbestimmung oder
der Selbstdifferenzierung eines onto-logisch einheitlichen Ganzen gelangen.

7 S. GW 20, 237, §§ 247–248.


8 GW 25.1, 489.
9 GW 26.1, 12.
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 Antonios Kalatzis, Intelligenz und Logik   83

„Denken“ also im Rahmen der Philosophie des subjektiven Geistes bedeutet immer Denken
eines Anderen, welches es zu assimilieren gilt, auch wenn dieses Andere schon komplett assimi-
liert ist. Denn den Grund seiner Existenz, sowie die Möglichkeit und Wirklichkeit seiner subjek-
tiven Assimilation vom menschlichen Denken kennen wir noch nicht. Mit anderen Worten weiß
der Geist, dass er die Natur assimilieren kann, er weiß aber nicht, dass er selber es ist, welcher die
Natur voraussetzt, um sich selber bewusst zu werden.

2 „Denken“ in der „Wissenschaft der Logik“


In dieser oder jener Weise bedeutet also „Denken“ im Rahmen der Philosophie des subjektiven
Geistes Denken eines Anderen. Das ist der Grund eines weiterhin unaufgelösten Gegensatzes zwi-
schen Subjekt und Objekt theoretischer und praktischer Aktivität, welche letztendlich nicht erklä-
ren kann, warum das Subjekt dieser Tätigkeit einen Objektivitätsanspruch erheben kann. Weder
die Erkenntnis des Subjekts von der Natur noch die Umwandlung, welche es der Natur unterzieht,
und sie zur einer „zweiten Natur“ macht, ist gemäß der Natur als solche10. Dies ist aber nicht der
Fall im reinen Element des Denkens, d. h. in der Exposition des Denkens nicht aus einer anthropo-
logischen Perspektive, sondern aus einer rein logischen Perspektive, welche die Wissenschaft der
Logik als Ganzes ist. Wie Hegel im § 467 der Enzyklopädie schreibt, um zwischen logischem, anth-
ropologischem und idealistischem Verständnis von „Denken“ zu unterscheiden: „In der Logik
ist das Denken, wie es erst an sich ist, und sich die Vernunft in diesem gegensatzlosen Element
entwickelt [Hervorhebung – A. K.].“11
In der WdL also, im Gegensatz zu der Philosophie des subjektiven Geistes, besteht kein Gegen-
satz zwischen mehreren Elementen. In ihr wird allein das reine Element des Logischen betrachtet
und dargestellt. Dass es aber hier um eins und nicht mehrere Elemente geht, bedeutet einfach,
dass streng genommen die Rede von „Denken“ entweder eine Vorwegnahme oder eine äusser-
liche Betrachtungsweise des Inhalts der Logik ist. Denn auf einer expliziten Ebene wird niemals
der Sachverhalt thematisiert, worin der Inhalt der WdL von einem Subjekt gedacht wird12. Das,
was die WdL eigentlich und explizit behandelt, sind eigentlich die onto-logischen Strukturen,
aus welchen die Wirklichkeit, sei sie natürlich oder geistig, besteht. Anders gesagt, besteht die
ontologische Bedeutung der WdL darin, dass sie das logische Skelett alles Wirklichen darstellt.
Die WdL hat aber auch eine logische Bedeutung, weil dieses Skelett begreifen lässt, ja zu begreifen
bestimmt ist, weil es logisch ist.
Dieses Begreifen aber findet nicht innerhalb der WdL statt. Deswegen definiert Hegel den
Inhalt der WdL als, „die Darstellung Gottes“, „wie er in seinem ewigen Wesen vor der Erschaffung
der Natur und eines endlichen Geistes ist“.13 D. h. in der WdL gibt es weder die Darstellung natür-
licher Vorgänge noch die Thematisierung der Denkoperationen, wodurch endliche Geister, d. h.
wir, die natürliche und geistige Welt wirklich denken.
Im Gegensatz also zu der Problematik der Philosophie des subjektiven Geistes, beschreibt die
WdL nicht eine denkende Thätigkeit, sondern den logischen Aufbau der Welt, welche eventuell
von einem individuellen Geist auch zu denken wäre. Mit einem Wort, geht es in der WdL um die
Thematisierung von allem außer dem, was bedeutet, dass die Logik selber und die Wirklichkeit

10 Der Geist bzw. das theoretisch und praktisch tätige Subjekt kann selbstverständlich nicht die Natur als Maßstab
für seine Tätigkeit haben, sondern er ist der Maßstab für die Natur. Das Problem aber besteht darin, dass auf dieser
Stufe der systematischen Entwicklung der Hegelschen Philosophie des Geistes der Geist das noch nicht weiß.
11 GW 20, 465, § 467.
12 Auch der Sonderfall der „absoluten Idee“ thematisiert nicht diese Tätigkeit, sondern stellt bloß das logische Ge-
rüst dieser Tätigkeit dar.
13 GW 21, 34
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84   Hegel-Jahrbuch 2018

tatsächlich gedacht werden. Das in ihr dargestellte Denken ist allein die Bedingung dafür, dass ein
Denken, dass objektiv erkennt und handelt, existieren kann.

3 „Denken“ in der Philosophie des absoluten Geistes


Irrt also Hegel, wenn er die WdL als „Denken“ und als „Denken des Denkens“ bezeichnet? Ich
glaube nein, und dies weil alle relevanten Beschreibungen der WdL als Denken sich nicht auf
den anfänglichen Status und die Positionierung der WdL im System beziehen, sondern auf ihre
Stellung innerhalb der Philosophie des absoluten Geistes, wo es nochmals als das „Logische“14
ein zweites Mal thematisiert wird. Dort wird nämlich zum ersten Mal systematisch dargestellt,
was bedeutet, dass ein endlicher Geist, wir, Philosophie betreibt, und durch das Denken der WdL
das Absolute bzw. die onto-logische Transparenz und Selbstständigkeit der Wirklichkeit philo-
sophisch erfasst. D. h. wenn dieser Geist nicht ein Anderes, wie es der Fall bei dem Denken des
subjektiven Geistes war, sondern die WdL selber, welche die Denkformen seines eigenen Denkens
darstellt, denkt.
Kurz gesagt, stellt die WdL im Gegensatz zur Philosophie des endlichen bzw. subjektiven
Geistes nicht in erster Linie dar, wie Denksubjekt und Denkobjekt sich in der Wirklichkeit zu ein-
ander verhalten, sondern eher das logische Gerüst, das dieses Verhältnis möglich macht, und
welches selbst eventuell – als WdL – gedacht wird. Sie ist die Darstellung des Gerüstes, oder Gottes
vor der Erschaffung der Welt und eines endlichen Geistes, weil sie beides, die Notwendigkeit des
Übergangs in ein anderes Element, die Natur, zeigt, sowie die Notwendigkeit des Übergangs der
Natur zum Geist logisch vorhersagt. Zu guter Letzt ist der eigene Abschluss der WdL, die absolute
Idee, eben das logische Gerüst für die Einheit dieser zwei Elemente, welche in der Philosophie des
absoluten Geistes ihre konkrete Realisierung finden.
Mit anderen Worten das, was subjektiven und absoluten Geist unterscheidet, ist, dass der
subjektive Geist sich, sei es als theoretisch bestimmt oder als praktisch bestimmend, mit einer
Andersheit befasst, während der absolute Geist von dieser Andersheit Abschied nimmt, indem
er durch das Denken der WdL diese Beziehung als Selbstbestimmung, d.  h. als ein prinzipiell
einheitliches Ganzes denkt.
Das, was der subjektive Geist nicht begreifen kann, ist der Grund, warum ein Anderes, die
äußerliche und natürliche Welt existiert, auch wenn er sie begreifen und umwandeln kann. Erst
der absolute Geist kann zur Einsicht gelangen, dass diese scheinbare Andersheit konstitutiv für
den Geist selber ist, und, daher, keine Andersheit mehr. Eben wegen der – auch eigenen – Zufäl-
ligkeit und der scheinbaren Selbstständigkeit der raumzeitlichen Dinge, wird der Geist sich selbst
bewusst, als praktische und theoretische Tätigkeit, welche auch die Wahrheit der Natur, d. h. der
Grund ihrer Existenz, ist. Und er kann das begreifen, gerade wegen des Begreifens des logischen
Gerüstes der Wirklichkeit, welches die WdL ist. Durch das Denken der WdL kann der Geist diese
Einheit nachvollziehen und verstehen, dass das Denken der Wirklichkeit eigentlich das Denken
einer Wirklichkeit ist, welche der Logik des Geistes selber folgt, und daher Denken des Denkens
ist. Erst jetzt kann er verstehen, warum er sein Anderes begreifen und umwandeln konnte. Er
konnte es, weil die Natur dastand, um von ihm begriffen und umgewandelt zu werden, so dass er
„zu sich selbst kommt“, d. h. so dass er zur Einsicht gelangt, dass der logische Aufbau der Natur
so geschaffen ist, damit das theoretische und praktische Potential des Geistes sich verwirklichen
kann:

Der absolute Geist erfaßt sich als selber das Seyn setzend, als selber sein Anderes, die Natur und den endlichen
Geist hervorbringend, so daß dieß Andere jeden Schein der Selbstständigkeit gegen ihn verliert, vollkommen

14 GW 20, 570, § 575.


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 Antonios Kalatzis, Intelligenz und Logik   85

aufhört, eine Schranke für ihn zu seyn, und nur als das Mittel erscheint, durch welches der Geist zum absolu-
ten Fürsichseyn, zur absoluten Einheit seines Ansichseyns und seines Fürsichseyns, seines Begriffs und seiner
Wirklichkeit gelangt.15

4 M
 öglich, Wirklich, Absolut:
Die drei Bedeutungen vom „Denken“ bei Hegel
Um zusammenzufassen: Hegel behandelt den Begriff „Denken“ in drei verschiedenen Stellen in
seinem System und dies aus Gründen, welche nachvollziehbar sind. In der WdL geht es um das
logische Gerüst der Wirklichkeit, nicht aber um die Thematisierung der wirklichen Denktätigkeit
einer individuellen Intelligenz oder der Thematisierung der philosophischen Aktivität schlecht-
hin, die WdL selber zu denken. Die WdL ist zwar dazu bestimmt, von menschlichen Geistern
gedacht zu werden, diese Problematik aber wird erst im Abschluss des Systems thematisiert, da
wo der endliche bzw. subjektive Geist nachvollzieht, dass indem er die Welt und sein theoreti-
sches und praktisches Verhältniß zu ihr denkt, sich selbst denkt und dadurch zum absoluten
Geist wird. Und er kann das nachvollziehen, weil er die WdL denken kann, welche den Beweis
dafür liefert, dass Natur und Geist eine intrinsische Einheit ausmachen, d. h. dass sie beide Teile
eines einheitlichen logischen Aufbaus sind. Anders gesagt, während die Logik vom Denken bzw.
dem logischen Aufbau der gesamten Wirklichkeit handelt, welcher eventuell gedacht wird, geht
es bei dem absoluten Geist um das Denken, welches tatsächlich die Wirklichkeit als sich selbst
denkt. Zu guter Letzt ist das „Denken“ im anthropologischen Sinn, d. h. das Denken, welches in
der Philosophie des subjektiven Geistes behandelt wird, das, was die erste und die dritte Bedeu-
tung von Denken verbindet. Dort betrachten wir nämlich die Aktivität eines erkennenden Sub-
jekts, welches aber den Grund für die Existenz und der Assimilierbarkeit des von ihm umgewan-
delten Objekts noch nicht kennt. Der Geist denkt, er meint aber, dass er ein ihm radikal Fremdes
denkt, und nicht etwas, das zum Prozess der Aktualisierung seines theoretischen und praktischen
Potenzials immanent gehört.
Anders gesagt, beschreibt die WdL allein die Denkbarkeit des Wirklichen als Sich-Denken des
Denkens. Der subjektive Geist beschreibt das wirkliche Denken eines mit Zufälligkeit, Geschicht-
lichkeit und Körperlichkeit behafteten Denksubjekts als das Denken eines Anderen, während der
absolute Geist, welcher diese Zufälligkeit überwunden hat, das Denken als das tatsächliche und
nicht mehr allein mögliche Denken der Wirklichkeit als Sich-Denken des Denkens begreift. So
betrachtet, ist die Darstellung des Denkens in der Philosophie des subjektiven Geistes die Zwi-
schenstufe zwischen WdL und Philosophie des absoluten Geistes. Dort bildet das Denken eine
Zwischenstufe, weil er nicht mehr, wie die WdL nur eine Logik bzw. ein Denken, das eventuell
gedacht wird, darstellt, sondern eine wirkliche denkerische Aktivität beschreibt. Diese Aktivität
aber vermag nicht, einzusehen, dass Denksubjekt (Geist) und Denkobjekt (Natur) Teile eines ein-
heitlichen logischen Aufbaus sind und daher, dass eigentlich das Denken der Wirklichkeit Denken
des Denkens ist. Diese Einsicht kann nur vom Standpunk der Philosophie des absoluten Geistes
aus gewonnen werden.
Dadurch kommen wir zu dem dreifachen Hegelschen Verständnis von „Denken“: als Logik
bedeutet Denken das ewige logische Gerüst des Wirklichen, welches dasteht, um gedacht zu
werden; als subjektiver Geist hat das „Denken“ die Bedeutung des Denkens eines äußerlichen
Anderen und ist tatsächlich als anthropologisch zu verstehen, so lange Erkenntnisobjekt und
Erkenntnissubjekt als getrennt gelten: Es geht um das Denken des endlichen Menschen.

15 GW 25.2, 938, § 384.


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86   Hegel-Jahrbuch 2018

Das allerletzte hegelsche Verständnis von „Denken“ kann aber nicht mehr als anthropolo-
gisch gelten, denn der endliche Geist welcher die WdL denkt und dadurch die Einheit von Geist
und Natur nachvollzieht und absolut wird, ist nicht mehr Denken des endlichen Menschen,
sondern Sich-Denken bzw. Selbsterfassen der vernünftigen Wirklichkeit, welches einfach im
menschlichen Intellekt stattfindet. Dass diese letzte Weise, „Denken“ zu verstehen, welche die
Basis um auch die zwei ihr vorangehenden Variationen von „Denken“ zu verstehen und zu recht-
fertigen ist, auch der Kern von Hegels Hauptanliegen, das Projekt einer philosophischer Theolo-
gie im Gefolge von Aristoteles zu rehabilitieren und zu artikulieren ist16 wäre Thema eines ganz
anderen Beitrags.

Antonios Kalatzis
c/o The Martin Buber Society of Fellows
The Hebrew University of Jerusalem
Mandel Building, Room 332
Mt. Scopus, Jerusalem 91905
a_kalatzis@yahoo.gr

16 Dazu s. Antonios Kalatzis, Nous and Geist. The Hegelian Transformation of the Aristotelian Concept of God (in
Vorbereitung).
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Armando Manchisi, Padova, Münster

Die Idee als „sich wissende Wahrheit“

1 Einleitung
Im Folgenden werde ich mich auf den hegelschen Begriff der „Idee“ konzentrieren. Es ist meine
Absicht, zunächst einige allgemeine Grundlagen dieses Begriffs zu klären, um dann die Bedeutung
der logischen Ideenlehre in Bezug auf das ganze System zu erläutern. Ziel ist es, den Abschnitt
„Die Idee“ der Logik Hegels als Grammatik der Realphilosophie zu deuten.1

2 Die Idee als Einheit von Begriff und Objektivität


In der Enzyklopädie definiert Hegel die Idee als „das Wahre an und für sich, die absolute Einheit
des Begriffs und der Objectivität“ (Enz. § 213). Als Begriff ist die Idee, Hegel zufolge, absolute Sub-
jektivität und Selbstbestimmung. Als „Objectivität“ bedeutet sie Totalität und konkrete Einheit.
Insofern sie Einheit von Begriff und Objektivität ist, ist die Idee deswegen die Vernünftigkeit als
Wirklichkeit, d. h. die Welt als ein intelligibler und sich selbstbestimmender Prozess. Damit ist
offensichtlich, dass „Idee“ nach Hegel nicht das bedeutet, was wir unter diesem Terminus in der
Alltagssprache verstehen: sie ist nicht Idee von irgendetwas, d. h. die Vorstellung eines speziellen
Gegenstandes; sie soll auch nicht als bloße Idee verstanden werden, d. h. als abstrakte Kenntnis,
die im Gegensatz zur Wirklichkeit steht (§ 213 A). Für Hegel ist also die Idee die natürliche und
soziale Welt als für den menschlichen Geist epistemisch und praktisch erreichbare Wirklichkeit.
Als vernünftige, sich selbst bestimmende und selbst erkennende Totalität ist die Idee „sich
wissende Wahrheit, und ist alle Wahrheit“ (WdL III, 236). Dieses Verständnis von „Wahrheit“
bedeutet natürlich keine Übereinstimmung zwischen Geist und Welt, sondern das Denken als
etwas objektives, d. h. die Rationalität, welche der Realität innewohnt und welche sie organisiert
(Enz. § 24 A). Hegel gemäß ist es deswegen dasselbe, von „Wahrheit“ und von „Idee“ zu sprechen,
da Etwas nur wahr ist, insofern es ein Moment des Begrifflichen ist, das sich objektive Gestalt gibt.
Als absolute Wahrheit ist also die Idee nach Hegel „der einzige Gegenstand und Inhalt der
Philosophie“ (WdL III, 236).2 Sie bestimmt die Totalität sowohl des Seins als auch des Wissens
und stellt somit das Prinzip dar, das das ganze System organisiert. Seine Einteilungen – vor allem
diejenige in Logik, Natur und Geist – werden also nur dann begreiflich, wenn sie als Entfaltung
und Darstellung der Idee erfasst werden (Enz. § 18). Das System ist daher die Erkenntnis über die
Prozesse der Selbstrealisierung der Idee.

1 Ich zitiere Hegels Schriften nach der kritischen Ausgabe: Gesammelte Werke, Hamburg 1968 ff. Siglenverzeichnis:
SE (= GW 5: Schriften und Entwürfe [1799–1808]), WdL I (= GW 21: Wissenschaft der Logik. Erster Teil. Die objektive
Logik. Erster Band. Die Lehre vom Sein [1832]), WdL III (= GW 12: Wissenschaft der Logik. Zweiter Band. Die subjektive
Logik [1816]), Enz. (= GW 20: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse [1830]).
2 Vgl. bereits Hegels Habilitationsthesen (1801): „Idea est synthesis infiniti et finiti, et philosophia omnis est in ideis“
(These VI: SE, 227).
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88   Hegel-Jahrbuch 2018

3 Die Stufen der Idee


Hegel thematisiert die Idee am Ende der Wissenschaft der Logik, indem er sie als Synthese der
Momente der Subjektivität und der Objektivität versteht und daher als Vollendung der Begriffs-
logik. Als letzter Teil stellt der Abschnitt „Die Idee“ jedoch auch die Beendigung des gesamten
logischen Verlaufs und den Übergang zur Realphilosophie dar. Außerdem ist zu erwähnen, dass
Hegel dieser Abschnitt in die Unterkapitel „Idee des Lebens“, „Idee des Erkennens“ und „abso-
lute Idee“ gliedert. Diese Einteilung entspricht dem unterschiedlichen Verhältnis, das Begriff und
Objektivität innerhalb der Idee annehmen.

3.1 Idee des Lebens


Der erste Ausdruck der Idee ist das Leben, welches Unmittelbarkeit bedeutet, Idee an sich. Hegel
betont, dass hierbei kein Missverständnis entstehen darf: Die Idee des Lebens darf nicht mit dem
natürlichen Leben verwechselt werden, welches in der Realphilosophie betrachtet wird. Die Idee
des Lebens ist, Hegel zufolge, die Idee als logisches Leben (WdL III, 180). Sie ist unmittelbare Iden-
tität von Begriff und Objektivität (Enz. § 216).

3.2 Idee des Erkennens


Die Idee des Erkennens ist die Entstehung der Reflexion und somit das Sich-Wenden der Idee zu
sich; durch dieses Sich-Wenden ist sie der Gegensatz von Begriff und Objektivität. Im Unterschied
zum Leben wird demnach die Idee des Erkennens vom Trieb bestimmt, die Einseitigkeit aufzuhe-
ben. Die Idee des Erkennens gliedert sich daher in eine „gedoppelte […] Bewegung“: einerseits
ist sie „der Trieb des Wissens nach Wahrheit, Erkennen als solches, – die theoretische [Thätigkeit
der Idee]“; andererseits ist sie „der Trieb des Guten zur Vollbringung desselben, – das Wollen, die
praktische Thätigkeit der Idee“ (Enz. § 225). Als Erkennen ist die Idee der Versuch, ihre eigene Not-
wendigkeit zu bestätigen; als Wollen ist sie „der Trieb sich zu realisiren“ (WdL III, 231). Im ersten
Moment versucht also die Idee, ihre Wahrheit zu erkennen; im zweiten Moment strebt sie nach
Wirklichkeit. Die Zusammensetzung dieser Einseitigkeit konstituiert die absolute Idee, d. h. die
Einheit von Ideellem und Realem.

3.3 Absolute Idee


Die absolute Idee ist folglich denkendes und gedachtes Leben und das Leben und das Erkennen
sind nur ihre „Stufen“ der Objektivierung und Selbsterkenntnis. Sie ist daher die „objective Welt,
deren innerer Grund und wirkliches Bestehen der Begriff ist“ (WdL III, 235). Somit schreibt Hegel:
„Indem sie [= die absolute Idee] alle Bestimmtheit in sich enthält, und ihr Wesen diß ist, durch ihre
Selbstbestimmung oder Besonderung zu sich zurückzukehren, so hat sie verschiedene Gestaltun-
gen, und das Geschäft der Philosophie ist, sie in diesen zu erkennen“ (ebd., 236).
Die absolute Idee ist also nicht das bloße In-Sich-Ruhen, sondern eine ewige Bewegung der
Ausführung, sie entfaltet sich in Prozessen von konstantem Ausschließen und Einschließen, von
Beschränkung und Überwindung, von Objektivierung und Selbstbeziehung. Die Idee ist die Ver-
nunft, die sich als Wirklichkeit bestimmt.

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 Armando Manchisi, Die Idee als „sich wissende Wahrheit“   89

Die Idee ist folglich nicht nur reine Logisches, sondern auch reelle Welt, d. h. Natur und Geist.
Als Natur ist die Idee „das Negative ihrer selbst oder sich äußerlich“ (§ 247); sie ist somit Leben, das
sich organisiert und sich begrifflich und messbar macht. Als Geist ist die Idee dann das „Zurück-
kommen aus der Natur“ (§ 381); sie ist menschliche, also sowohl individuelle als auch soziale Welt
und daher sowohl Selbstbewusstsein (durch die Reflexionstätigkeit des Einzelnen sowie durch
die kulturelle Ausgestaltung einer Gesellschaft), als auch politische Selbstbestimmung und Orga-
nisation.

4 Eine logische Theorie des Realen


Die logische Ideenlehre umreißt also den Prozess der absoluten Idee als dialektische Einheit von
Begriff und Objektivität. Aber indem sie „der einzige Gegenstand und Inhalt der Philosophie“ ist
und indem das System „die Darstellung der Idee“ ist, macht Hegel in der logischen Ideenlehre
viel mehr, als einfach eine Denkbestimmung unter anderen zu entwickeln. Wenn die Idee wirklich
den „gemeinschaftlichen Inhalt“ der Natur und des Geistes bildet, muss die Theorie der Idee in
der Wissenschaft der Logik notwendigerweise zugleich Theorie der Natur und des Geistes sein.3
Das bedeutet natürlich nicht, dass die Ideenlehre die Realphilosophie ersetzen könnte. Es soll
aber daran erinnert werden, dass die Logik „die Wissenschaft der reinen Idee [ist], das ist, der
Idee im abstracten Elemente des Denkens“ (§ 19), weiterhin, dass die Philosophie der Natur „die
Wissenschaft der Idee in ihrem Andersseyn“ ist, und letztlich, dass die Philosophie des Geistes
die Wissenschaft „der Idee [ist], die aus ihrem Andersseyn in sich zurückkehrt“ (§ 18). Der funda-
mentale Unterschied besteht also darin, dass die Idee in der Logik als reine Bestimmung verstan-
den wird, während sie in der Philosophie der Natur und des Geistes in ihrem Anderssein, bzw.
ihrem im Anderen-bei-sich-selbst-Sein, d. h. im Logisch-Reellen, begriffen wird. Die Ideenlehre
kann deshalb „im abstracten Elemente des Denkens“ zugleich als eine Theorie der Natur und des
Geistes erfasst werden. Sie ist somit eine logische Theorie des Realen.
Hierbei ist jedoch Vorsicht geboten: man darf nicht die Beziehung zwischen der Idee und
ihren reellen Gestalten als eine dualistische Beziehung zwischen Wesen und Schein begreifen.
Von der Ideenlehre als eine „logische Theorie des Realen“ zu sprechen, bedeutet also nicht, die
Ebenen des Systems zu verdoppeln. Es geht in der Ideenlehre nicht um die reellen Bestimmungen
der Natur oder des Geistes: Die Ideenlehre macht etwas ganz anderes, was aber aufgrund dessen
nicht zu unterschätzen ist.

4.1 Ideenlehre und Realphilosophie


Da die Idee das Grundprinzip des Systems ist, und da die logische Ideenlehre der Abschnitt ist, in
welchem Hegel dieses Prinzip als absolute Wahrheit thematisiert, muss anerkannt werden, dass
es um ein reflexives Moment des Systems über sich selbst geht. Auf diesen letzten Seiten der Logik
spricht Hegel nämlich nicht über Natur oder Geist, sondern über Leben, Erkennen, Wollen und
Absolute. Aber bei genauerer Betrachtung stellen diese Ausprägungen der Idee nichts anders als
die regionalen Prinzipien dar, die die ganze Realphilosophie organisieren.4

3 Nicht zufällig definiert Hegel die Logik als „System der Totalität“ (WdL III, 250).
4 Vgl. M. Quante, Die Wirklichkeit des Geistes. Studien zu Hegel, Berlin 2011, 24: „Die Subjektivität als das Grund-
prinzip des hegelschen Systems insgesamt durchläuft eine Entwicklung, deren Hauptstufen selbst durch bestimmtere
Prinzipien gebildet werden, die ihrerseits als ‚regionale‘ Grundprinzipien der einzelnen Systemteile fungieren“.
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90   Hegel-Jahrbuch 2018

4.1.1 Das Leben als Prinzip der Naturphilosophie

Das Leben ist nach Hegel bekanntlich die zentrale Bestimmung der Naturphilosophie. Wie die
Idee des Lebens als logisches Leben unmittelbar und Idee an sich ist, ist die Natur ebenso die
Unmittelbarkeit im Logisch-Reellen, d.  h. sie ist  – schreibt Hegel in der Enzyklopädie  – „das
unmittelbar Concrete“ (§ 250), oder ein „an sich ein lebendiges Ganzes“ (§ 251). In anderen Worten
erscheint die Idee in der Natur vollständig in der Gestalt des Lebens, aber nicht des reinen logi-
schen, sondern in Gestalt des konkreten und reellen Lebens.
In der Wissenschaft der Logik spricht Hegel auch vom „Leben des Geistes“. Dennoch unter-
streicht er, dass „das Leben […] hier nemlich überhaupt in seinem eigentlichen Sinne als natür-
liches Leben zu nehmen [ist], denn was das Leben des Geistes als Geistes genannt wird, ist seine
Eigenthümlichkeit, welche dem blossen Leben gegenübersteht“ (WdL III, 180). Mit anderen
Worten: nur die Natur ist die adäquate Form der Idee des Lebens. Das Leben ist nämlich die
Unmittelbarkeit von Begriff und Objektivität und es ist somit das, was eine vernünftige Betrach-
tung der Wirklichkeit möglich macht. Dieselbe Intelligibilität wird auch auf den geistigen Bereich
übertragen, der sich aber im Unterschied zur Natur auch als Selbstbewusstsein kennzeichnet.5

4.1.2 Das Erkennen als Prinzip der Philosophie des endlichen Geistes

Daher kann das Erkennen ohne Weiteres als Grundprinzip der Philosophie des Geistes bezeich-
net werden. In der Enzyklopädie lesen wir z. B., dass „der Geist […] nur Geist [ist], in sofern er für
den Geist ist“ (Enz. § 564), d. h. der Geist ist sich selbst nur im Sinne der Selbsterkenntnis. Daher
schreibt Hegel in der Wissenschaft der Logik, dass die Idee des Erkennens Geist ist: „Es kann aber
hierüber noch bemerkt werden, daß er hier in derjenigen Form betrachtet wird, welche dieser Idee
als logisch zukommt“ (WdL III, 197 – meine Hervorhebung). Sowie die Idee des Lebens selbst nicht
direkt Natur ist, ebenso liefert die Idee des Erkennens die logischen Koordinaten des Geistes.
Das Erkennen als Endliches ist sowohl die bloße theoretische Tätigkeit des subjektiven
Geistes als auch die praktische des objektiven Geistes.
1. Als theoretische Tätigkeit thematisiert Hegel auf reeller Ebene die Idee des Wahren, die
er auch „Erkennen als solches“ nennt.6 Bei der Einführung des subjektiven Geistes in der Enzy-
klopädie schreibt Hegel nämlich: „der Geist in seiner Idealität sich entwickelnd ist der Geist als
erkennend. Aber das Erkennen wird hier nicht blos aufgefaßt, wie es die Bestimmtheit der Idee als
logischer aufgefaßt (§ 223), sondern wie der concrete Geist sich zu demselben bestimmt“ (§ 387).
2. Als praktische Tätigkeit entwickelt Hegel die Bestimmungen der Idee des Guten, die er in
der Enzyklopädie „Wollen“ nennt, welches bekanntlich das Prinzip ist, welches die Rechtsphiloso-
phie Hegels ordnet. Bei der Einführung des objektiven Geistes in der Enzyklopädie schreibt Hegel
nämlich: „Die Zweckthätigkeit […] dieses Willens ist, seinen Begriff, die Freiheit, in der äußerlich
objectiven Seite zu realisiren, daß sie als eine durch jenen bestimmte Welt sey“ (Enz. § 484). Die
logische Idee als Wollen wird mithin zum „freien Willen“, der sich in reellen Rechtsbestimmungen
ausdrückt.7

5 Über die logische Idee des Lebens und ihr Verhältnis zur Naturphilosophie, vgl. L. Illetterati, Natura e ragione.
Sullo sviluppo dell’idea di natura in Hegel, Trento 1995, 229–248, und den Sammelband Sich in Freiheit entlassen. Natur
und Idee bei Hegel, hg. v. H. Schneider, Frankfurt am Main 2004.
6 Über die logische Idee des Erkennens und ihr Verhältnis zur Philosophie des subjektiven Geistes, vgl. C. Hal-
big, „Das ‚Erkennen als solches‘. Überlegungen zur Grundstruktur von Hegels Epistemologie“, in: Hegels Erbe, hg. v.
C. Halbig, M. Quante und L. Siep, Suhrkamp 2004, 138–163.
7 Über den „Willen“ als Grundprinzip der praktischen Philosophie Hegels vgl. Quante, Die Wirklichkeit des Geistes,
a. a. O. (Anm. 4). Über die logische Idee des Guten und ihre Verhältnisse zur Realphilosophie vgl. F. Menegoni, Mora-
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 Armando Manchisi, Die Idee als „sich wissende Wahrheit“   91

4.1.3 Die Selbsterkenntnis des Absoluten

Im letzten Fall thematisiert Hegel mit der absoluten Idee die Grundkoordinaten des absoluten
Geistes. Zum Abschluss der enzyklopädischen Betrachtung der Philosophie schreibt er: „Dieser
Begriff der Philosophie ist die sich denkende Idee, die wissende Wahrheit (§ 236), das Logische mit
der Bedeutung, daß es die im concreten Inhalte als in seiner Wirklichkeit bewährte Allgemeinheit
ist“ (§ 574). Der absolute Geist, dessen Spitze die Philosophie ist, ist deswegen die abschließende
Bewegung der Selbstentfaltung der Idee im Logisch-Reellen, d. h. er ist die Idee, die sich selbst als
absolute Wahrheit und als einzige Realität erkennt, und auf diese Weise ist sie Rückkehr im Reich
der reinen Logik.

4.2 Eine Grammatik der Realphilosophie


Aufgrund dieser Gegenüberstellung kann man schließen, dass Hegel in der Ideenlehre eine Kon-
zeption liefert, die wir die Grammatik der Realphilosophie nennen können. Unter „Grammatik“
verstehe ich die ordnungsmäßige Gesamtheit der grundlegenden Kenntnisse und Regeln, die eine
Wissenschaft oder eine Theorie bestimmen. Hegel zeigt, in welchem Sinne es möglich sei, von der
logischen Idee als Leben, als Erkennen, als Wollen und als absolut zu sprechen, und gibt damit
die Grundkoordinaten der realphilosophischen Wissenschaften. In anderen Worten: Er entwirft in
der Ideenlehre eine logisch-spekulative Analyse der Bedingungen der Möglichkeit einer Theorie
der Natur und des Geistes. Mit „Bedingungen der Möglichkeit“ meine ich diejenigen sowohl onto-
logischen als auch epistemologischen Erfordernisse, die notwendig sind, damit es zum einen
tatsächlich eine Wirklichkeit geben kann und zum anderen ihre philosophische Thematisierung
möglich ist. Diese Analyse ist, anders gesagt, eine Überlegung über das Sein der Idee ebenso wie
über ihre Erkennbarkeit, und sie wird anhand der grundlegenden Bestimmungen von Begriff und
Objektivität entwickelt. Das bedeutet, dass das „Verhältnis“, in welchem Begriff und Objektivität
(als Identität, Gegensatz oder Versöhnung) in der reellen Idee stehen, sowohl die Gestalt der Idee
in ihrem Bestimmungsprozess als auch – zugleich – diejenige philosophische Wissenschaft, die
es darstellt, bestimmt. Hegel beschreibt also in der Logik nicht nur die Idee als absolute Wahrheit
und Selbstrealisierung, sondern gibt auch die Koordinaten für ihren Selbstbezug, d. h. die syste-
matische Darstellung an.8 Aus diesem Grund schreibt er: „Als Wissenschaft ist die Wahrheit das
reine sich entwickelnde Selbstbewußtseyn, und hat die Gestalt des Selbsts, daß das an und für
sich Seyende gewußter Begriff […] ist“ (WdL I, 33).

5 Schluss
Ich möchte an dieser Stelle kurz zusammenfassen und ein Fazit ziehen.
Ich habe erwähnt, dass Hegel die Idee als absolute Wahrheit definiert, die „Einheit des
Begriffs und der Objectivität“. Die Idee ist zwar Selbstbestimmung und zugleich Selbstausführung
und deswegen ist sie die Vernunft als Wirklichkeit, d. h. sie ist sowohl natürliche als auch soziale

lità e morale in Hegel, Padova 1982, 217–227, und L. Siep, „Die Wirklichkeit des Guten in Hegels Lehre von der Idee“, in:
Aktualität und Grenzen der praktischen Philosophie Hegels. Aufsätze 1997–2009, München 2010, 45–57.
8 Es ist möglich, diese Deutung mit den Worten H. F. Fuldas zusammenfassen: „So organisiert Hegels Lehre von der
logischen Idee die ganze Philosophie des Realen und mit ihr die ganze Hegel’schen Philosophie“ („Hegels Logik der
Idee und ihre epistemologische Bedeutung“, in: Hegels Erbe, a. a. O. [Anm. 6], 136).
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92   Hegel-Jahrbuch 2018

Welt. Hegel thematisiert diesen Begriff am Ende der Wissenschaft der Logik, in einem Abschnitt,
der die ganze vorhergehende logische Bewegung zusammenfasst und zugleich den Übergang zum
Bereich des Realen bildet. In der logischen Ideenlehre thematisiert Hegel somit das Grundprinzip
seines philosophischen Systems und entwickelt daher eine Konzeption, die ich als „Grammatik
der Realphilosophie“ bezeichnet habe. Die systematischen Entsprechungen zwischen den Stufen
der logischen Idee und den realphilosophischen Wissenschaften (zwischen Leben und Natur,
Erkennen und subjektivem Geist, Wollen und objektivem Geist, zwischen dem Absoluten und
dem absoluten Geist) ermöglichen Hegel also eine Reflexion über die Bedingungen der Möglich-
keit einer Theorie der Natur und des Geistes.9
Diese Entsprechungen sollen natürlich nicht auf einer strengen oder formellen Weise gedeu-
tet werden. Da das System nach Hegel ein „Kreis von Kreisen“ (Enz. § 15) ist, ist es nie möglich,
einen Teil vom anderen oder vom Ganzen zu trennen oder zu isolieren. Aber wenn man, wie es
einige Interpreten getan haben, nur auf diesen „synchronischen“10 Aspekt der Beziehung zwi-
schen Idee und Realphilosophie beharrt, (demgemäß die Idee in allen ihren Formen überall und
immer anwesend ist), vergisst man, dass die Idee sich zugleich über verschiedene Stufen ent-
wickelt. Anders gesagt: das Leben ist auch im Geist konstant anwesend, ebenso ist das Erken-
nen schon in der Natur (als unbewusst) implizit; aber nur die Natur (als Unmittelbarkeit) ist die
adäquate Form des Lebens, und nur der Geist ist wirkliche Selbsterkenntnis. Die Idee ist Leben,
ist Erkennen, ist Wollen und ist also absolut: sie begreift sich in diesen sowohl logischen als auch
reellen Stufen und so bestimmt sie sich als Natur und Geist. Somit werden die Entsprechungen,
die ich analysiert habe, über die Stufen von ihrer Selbstausführung als Momente der Selbstthe-
matisierung der Idee gedacht.
Diese Bemerkungen erinnern daran, dass eine philosophische Betrachtung der Realität weder
von ihrem thematischen Selbstbezug (d. h. von der Frage nach dem eigenen epistemologischen
Status), noch von ihrer Bestimmung innerhalb des Gesamtprozesses der Wirklichkeit (d. h. von
der Frage nach dem eigenen ontologischen Status) absehen kann. Die Ideenlehre kommt diesen
beiden Ansprüchen nach und stellt daher dar, was Hegel als das höchste Niveau von Selbster-
kenntnis versteht, die philosophische Thematisierung des Selbsterkenntnisprozesses der Idee.

Armando Manchisi
Via Vicenza 29
35138 Padova (PD)
Italy
armando.manchisi@gmail.com

9 Über die problematische Frage nach einer Entsprechung zwischen Logik und Realphilosophie, vgl. A. Nuzzo, Logi-
ca e sistema. Sull’idea hegeliana di filosofia, Genova 1992; C. G. Martin, Ontologie der Selbstbestimmung. Eine operati-
onale Rekonstruktion von Hegels „Wissenschaft der Logik“, Tübingen 2012, K. 4.
10 Vgl. z. B. Nuzzo, Logica e sistema, 458–459.
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Noam Cohen, Be’er Sheva

Logic and Morality


Contradiction, Good and Evil

Among the categories of the Science of Logic, contradiction is one of the basic concepts of all Hege-
lian philosophy. Hegel depicts contradiction not as a fallacy, but rather elevates it to the level of a
basic logical metaphysical principle, which „is the root of all movement and life“.1 As such, con-
tradiction necessarily plays a central role in the course of human life, by logically structuring its
movement and development. Thus it also conditions the content and meaning of morality, which
is ultimately a disposition to will what is good over evil. In the Elements of the Philosophy of Right,
Hegel remarks that „the human being is good – but only in so far as he can also be evil“.2 In what
follows, I set out to cast light upon the meaning of this claim, by examining the relation between
the category of contradiction and Hegel’s account of good and evil, as it is briefly discussed in the
Science of Logic and the Elements of the Philosophy of Right. In order to do so, first, I shall briefly
describe the logical structure of contradiction, as a transition from opposition to ground in the
Science of Logic. Secondly, I shall explore Hegel’s brief reference to good and evil in the remarks
which end the chapter on contradiction in that work. Thirdly, I shall evaluate Hegel’s analysis of
morality implied in the Science of Logic, through a reading of Hegel’s portrayal of the relations
between good and evil in the second part of the Elements of the Philosophy of Right. This reading
aims to demonstrate to what extent the meaning of the possibilities which, according to Hegel,
stand before the moral agent, are constituted by the logical necessity described in the Science of
Logic.
In the Science of Logic, contradiction is considered to be a transition from the category of
opposition, to the category of ground. Contradiction rises from a relation of opposition between
two moments, the positive and the negative. In the previous category of opposition, the being of
each determination of content depends on a negation of its opposite. At first, the two moments
of opposition are both determined by excluding each other, while seemingly not being in some
explicit mutual relation. In the language of Hegel, they are indifferent to each other. Each moment
is seemingly self-subsisting in virtue of being different and distinct from its opposite. That is, each
moment is not its opposite, it negates its opposite. This difference has a twofold meaning. On the
one hand, this relation of opposition, seems to be internal to each moment, since both claim to be
self-subsistent and independent. From this perspective, every moment has the whole category of
opposition within it. Each holds the other moment within itself by depending on the negation of
that moment. In other words, each side of the opposition constitutes its own content by internal
reference to its opposite, and thus this opposite is an integral part of that content. However, on
the other hand, being self-subsistent in virtue of difference means that the constitutive relations
of each moment cannot be merely internal, namely, their self-subsistence implies an external
exclusion of all that they are not. That is, by claiming to be self-subsistent, each moment aims to
differentiate itself completely, externally, from its opposite. Therefore, the differentiation which
characterizes opposition has two aspects. An internal aspect, whereby each moment’s exclusion
of its opposite generates content, and an external aspect, which discloses that this exclusion also
negates or cancels that thing which is supposed to be constitutive of its own content. The self-sub-
sistence of each moment of opposition, therefore, consists in this content of dependence on and

1 G. W. F. Hegel, The Science of Logic, translated by George di Giovanni, Cambridge 2010, 382.
2 G. W. F. Hegel, Elements of the Philosophy of Right, translated by H. B. Nisbet, Cambridge 1991, 168.
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94   Hegel-Jahrbuch 2018

exclusion of its opposite. Since each moment contains as part of its content that which it excludes,
it simultaneously excludes that which makes its own content possible. Thus, „in its self-subsis-
tence the determination excludes its own self-subsistence from itself“.3 That is to say, the function
of exclusion constitutes content, but also aims to cancel part of its own content. For example, the
content of the positive contains the negative and does not refer to anything outside of it, but at the
same time this means that the positive cancels the negative, excludes it, and thus undermines part
of its own content. Needless to say, this situation gives rise to contradiction.
According to Hegel, every category of difference is implicitly contradictory, because it unites
under one category two things which are supposed to be distinct by virtue of the very same cate-
gory, „it is the separation of beings which are, only in so far as they are separated in the same refer-
ence connecting them“.4 However, only by reflecting on opposition does this contradiction become
explicit. The positive and the negative embody contradiction explicitly, since each presupposes
the exclusion of the other, by which at the same time they cancel their own logical foundation. In
other words, the content of the moments of opposition is exclusion, since they exclude each other,
and each one excludes internally, in order to constitute itself. This exclusion generates content,
but it also cancels content by the same act. Thus, by simultaneously establishing and destroying
the same logical foundation, opposition turns into contradiction.
The moments of contradiction are determined by the fact that „each is the reflective shining
of itself in the other, and itself the positing of itself as the other“.5 That is, each moment entails
its opposite as part of the content of its own concept. In this respect, Hegel states that normally
we think of the opposition between positive and negative in such a way that regards the positive
as objective, while the negative is taken to be „something subjective that only belongs to an exter-
nal reflection and has nothing to do with what exists objectively in and for itself“.6 That is, one
might judge that negativity is only an external relation imposed on something, quite arbitrarily,
by our own minds. However, Hegel stresses that negativity is a necessary moment within the pos-
itive itself, and without it, the positive would be empty of any content, viz. it would be an empty
concept.
Now my central claim is that this logical principle offers us an opportunity to deepen our
understanding of the meaning of moral concepts, such as good and evil. And indeed, in the first
remark following the exposition of the category of contradiction in the Science of Logic, Hegel
refers to the relations between good and evil, or virtue and vice, as embodying the relations
between the positive and the negative. That is to say, Hegel describes, in short, how contradiction
governs the case of good and evil, by pointing out that one concept necessitates the other, and
includes the other as a constituent of its own content. In his words, virtue

is not without struggle. It is rather the highest, the perfect struggle, and thus not only a positive but rather abso-
lute negativity; virtue is virtue, not just by comparison to vice, but for the opposition and the combat in it. Or
again, vice is not only the lack of virtue – innocence too is such a lack – and distinct from virtue not just in the
eyes of an external reflection, but is opposed to virtue in itself; it is evil. Evil consists in maintaining one’s own
ground as against the good; it is positive negativity. Innocence, on the other hand, as the lack of both good and
evil, is indifferent to these determinations – is neither positive nor negative.7

We can make sense of Hegel’s remark as follows. After comparing good and evil arbitrarily, impos-
ing on the two external similarities and dissimilarities as we wish, hopefully we would eventually
realize that the content deduced from external comparison is contingent, and on that account,
unsatisfying for reason. We would instead turn to examine and analyze the internal meaning of

3 Hegel, The Science of Logic, 374.


4 Ibid.
5 Ibid., 378.
6 Ibid., 379.
7 Ibid., 379–380.
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 Noam Cohen, Logic and Morality   95

good and evil, regardless of the other which was compared to it. As much as this reflection on the
nature of good and evil derives self-identity, the examined term is understood under the moment
of the positive. However, further observation finds that this self-identity cannot be understood
outside of a negative relation. The good is meaningless without knowledge of its struggle against
evil. Therefore, the relation is rediscovered as meaningful, albeit in a new formulation: as an
internal and necessary part of each term’s content. In Hegel’s logical terms, the positive subsists
by sublating positedness, namely, it cancels the external relation by referring only to itself, but
by doing so it reveals that its content is actually composed of a reference to the excluded. There-
fore, the positive is also negative, i. e. it is contradictive, „as the positing of self-identity by the
excluding of the negative, it makes itself into a negative, hence into the other which it excludes
from itself“.8 The positive is also negative, because it excludes, cancels, its opposite. Contradic-
tion is internal to it. Furthermore, to the extent that our reflection on the nature of good and evil
derives self-difference or self-negation, the examined term is understood as a negative moment.
For instance, if we take evil to be by definition a corruption of the good, viz. a negation of the
good, then our examination of it obviously determines it to be a negative moment. However, the
negative also refers to itself as itself, and by doing so, it becomes its opposite, the positive. In
other words, the negation of the good constitutes the content of evil, but if we focus on evil alone,
we can also see it as an exclusion which is identical to itself. The full meaning of the negative is
one at the same time negative and positive. It too is affected by contradiction, which displays the
former external relation as necessary and internal. That is to say, the content of evil is meaningless
without the negation of the good, but it is still self-identical as evil. Therefore, the positive and
the negative, which constitute contradiction, are inherent both in good and in evil. Contradiction
permeates both, and this implies that they are two constituents of one unity.
If one is to make sense of the good, one must understand it as a struggle against evils, a battle
against wickedness and wrongs. But it is crucial here, says Hegel, to realize that the opposition of
good to evil, is not contingent, but essential to the meaning of the good. In order to truly under-
stand the meaning of good, we must not understand its opposition to evil as the product of an
arbitrary comparison. A comparison of such a sort regards good and evil as two distinct elements,
and so views their opposition as merely external. Thus the good is not simply a lack of evil. Such a
lack is innocence, which is neither evil nor good. The good is essentially a fight against evil. This
entails that evil is a necessary part of the concept of the good, for the negation of evil necessarily
constitutes the meaning of what we take to be good. Equally, evil itself is not just a lack of good-
ness, but it is inherently opposed to the good. Hence, the good is just as well part of the concept of
evil. Innocence is pure immediate self-identity, underdeveloped in terms of content, and lacking
internal differentiation, whereas good and evil are concepts whose richer content is constituted
by internal self-differentiation. Their content is infinite in the sense that they are self-different and
selfsame. Therefore, they both embody the category of contradiction, but in a way which does not
necessarily result in the dissolving of logical structure. In the Science of Logic, with contradiction
the movement of thought has also „gone back to its foundation, to its ground“,9 i.  e. thought
becomes aware of its logical foundations, and can move on to a higher logical category, that of
ground. This means that the moments of opposition are no longer self-subsisting or independent.
The positing of opposing moments and their mutual exclusion are characteristics of one and the
same activity, namely, we come to understand that these moments are merely determinations
within one unity. In the case of good and evil, we shall see that this unified activity belongs to the
free will.
In Elements of the Philosophy of Right, the relation between good and evil appears at the end
of Hegel’s dialectical exposition of morality. When the will takes the shape of conscience, two pos-
sibilities stand before self-consciousness: to choose as a principle of action „either the universal

8 Ibid., 375
9 Ibid., 377.
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96   Hegel-Jahrbuch 2018

in and for itself, or the arbitrariness of its own particularity“.10 On the one hand, the universal in
and for itself, is fully realized freedom, a universal autonomous rationality. If self-consciousness
makes it the principle according to which it acts, it is good. On the other hand, an individual’s
arbitrary particularity consists in his natural and sensuous aspects, which give rise to different
desires, passions and contingent inclinations, not determined by the thinking subject, but by his
immediate natural existence. In as much as man lets his actions be determined by his natural
immediate particularity he compromises his own universal rationality and autonomy, he willingly
acts against his freedom, and by doing so he is evil. Therefore, we can see that conscience is
equally capable of acting according to either principle, and so it is equally capable both of being
good and of being evil.
There are numerous ways to interpret this account of good and evil in the Elements of the
Philosophy of Right. I suggest to understand it in light of the logical metaphysical category of con-
tradiction, which Hegel expounds in the Science of Logic. In article 139 of the Philosophy of Right,
Hegel asserts that „both morality and evil have their common root in that self-certainty“11 of the
conscience. That is, evil and good have the very same origin, the free will of individual man. This
common origin entails that they are not distinct elements working in complete separation from
each other. Their relations are internal, rather than external, as in the case of the moments of con-
tradiction, the positive and the negative. This inner opposition, or contradiction, is the beginning
of the constitution of their substantive content. The good, in order to establish meaning, needs to
self-differentiate itself, through the determination of difference. This necessitates the appearance
of evil. The positive content of the good is the result of an activity of self-differentiation and nega-
tion. This activity generates both good and evil, which is necessary for the attainment of more
concrete moral content. Thus the category of contradiction, here the „contradiction of self-differ-
entiation“,12 lies at the heart of morality.
I can choose to be good, but just the same I can also choose to be evil. Both options are inher-
ent in the individual free will. Here we can see the beginnings of inner moral conflicts – man is free
to choose good but equally free to be evil. The one necessitates the other out of the twofold struc-
ture of the will, which consists in natural sensuous particularity, and rational universality. My
claim is that the logical structures of opposition and contradiction logically condition this stage of
the will’s development, in particular, the meaning of the concepts it generates and employs. The
will itself necessitates two options, good and evil, as it gains a more concrete identity of freedom.
In the Elements of the Philosophy of Right, the problem with this state is that of contingency – the
will has no objective moral standard upon which it can substantiate its claims to morality, and
thus it can equally will both evil and good, without being able to decide which of the two is right.
From a purely subjective standpoint, the good can be evil, and the evil can be good, in the sense
that there is no guarantee for the validity of moral choices. However, the Science of Logic teaches
us that in order to understand the good, one must grasp its opposition, evil, as entailed in its own
concept. That is, despite the problem of pure subjectivity, there is deep logical (in Hegel’s sense
of logic) insight to be gained. Before us is a manifestation of the category of contradiction, which
means that the relations between evil and good, are internal. Good and evil are not two distinct
elements external to each other, but two moments of one unity  – that of the human will. This
internal relation is a necessary condition for the attribution of full freedom and responsibility to
man, and stresses the aspect of free choice within the meaning of evil. True evil is not something
imposed on man by alien forces, that is, it is not an external force which coerces man. Its source
and origin are completely immanent to man himself; evil is the product of man’s own freedom.
Equally, it is not a result of a deranged state of mind, since its possibility is present to man from the
beginning of his fall to freedom. Furthermore, man is neither naturally evil, nor naturally good.

10 Hegel, Elements of the Philosophy of Right, 167.


11 Ibid., 167.
12 Ibid., 169.
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 Noam Cohen, Logic and Morality   97

When he develops into being a free subject, he is a self-conscious individual, and his decisions are
the expressions of his freedom and responsibility. Thus, the choice of good or evil is never natural
in as much as it is always made by reflective thought. And only then can we grasp good and evil
in their true meaning. They appear together, as two options of choice, springing from the same
root of conscience, and have meaning only in reference to each other. As I have demonstrated,
their structure is contradictory, but this contradiction is necessary for the constitution of their full
meaning. „Since I am confronted with both good and evil, I am able to choose between them“.13

Noam Cohen
13 Hapalmach St.
Kfar Azar, Israel 55905
cohnnoam@gmail.com

13 Ibid., 170.
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Norman Schultz, Pittsburgh

Logic and Time – The Diamond Net and the


Movement of Spirit
My main thesis is that the eternity of Hegel’s logical framework has to be understood dialectically
by virtue of the concept of soul. This means that the final and highest mediation has to be grasped
as an eternal activity. While the logical idea could be interpreted as God in its potentiality,1 or
as sleeping spirit, a non-representationalist understanding of the eternal idea needs to be inter-
preted as something that moves from potentiality to actuality. My thesis is then that soul can be
interpreted as such a movement, which connects the history of human beings and the eternal
concept of logic.2 Hegel implies this relation of logic soul, and history when he writes:

When, in accordance with what has been said so far, we consider the Logic as the system of pure thought-deter-
minations, the other philosophical sciences – the Philosophy of Nature, and the Philosophy of Spirit – appear,
in contrast as applied logic, so to speak, for the Logic is their animating soul.3

How can logic be thought of as an animating soul in relation to the applied sciences? In order to
make this relationship between the absolute idea of logic in Hegel’s Logic, soul, and world more
reasonable, I will first discuss the movement of incomplete spirit to universal spirit. I argue that
soul is the starting point for this movement.
Second, since my interpretation of the absolute idea is in strong contrast with conservative
interpretations of the Logic as a description of the diamantine, eternal net of metaphysics, I need
to discuss the question of a diamantine net of categories. My main point is that with regard to the
whole of the system, eternity cannot be a question of stable categories. Rather, the eternity of the
absolute idea is an activity, or, better, the actualization of potentiality. Soul, then, is the eternal
activity of logic, the awakening, and thus the truth of logic is not infinite potentiality but eternal
becoming in historical time, namely actualization. In order to add some evidence to this claim, I
will discuss Hegel’s treatment of time and eternity in the Philosophy of Nature.
The following are some theses that I presuppose in support of my general thesis that the soul
is eternal activity: a) the form of the concrete universal, namely the absolute idea, is still abstract
in terms of its activity, and b) the concrete universal, the absolute idea, is a form of soul. From this,
it follows that soul is expressed in the subjectivity of the absolute idea but is not yet presented
in its relation to the concrete finiteness of a historically bound and generated soul, and thus it
remains only incomplete, not yet concrete spirit. Soul is „the sleep of mind“ and „the passive
nous“.4 The absolute idea without its relation to the movement of a historical soul, moreover,

1 See G. W. F. Hegel, Science of Logic, translated by George Di Giovanni, Cambridge 2010, 29. Moreover, Hegel ex-
plains that the Logic is only the thought concept of cognition but not real cognition: „For the cognition already con-
tained in the simple logical Idea is only the Notion of cognition thought by us, not cognition existing on its own
account, not actual mind but merely its possibility“ (G. W. F. Hegel, Philosophy of Mind: Being Part Three of the Ency-
clopaedia of the Philosophical Sciences (1830), translated by William Wallace and A. V. Miller, Oxford 1971, 8).
2 Hegel amends the logic by the notion of soul. Spirit can know itself through the self-development of soul which is
also a rejection of the Kantian claim that this kind of science is forbidden. An elaboration of this thought can be found
in: Murray Greene, Hegel on the Soul: A Speculative Anthropology, Netherlands 1972).
3 G. W. F. Hegel, The Encyclopedia Logic (with the Zusätze), translated by T. F. Geraets, W. A. Suchting, H. S. Harris,
Indianapolis, Cambridge 1971, 58.
4 Hegel, Philosophy of Mind, 29.
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 Norman Schultz, Logic and Time – The Diamond Net and the Movement of Spirit   99

would only remain a transcendental set of moving, flexible categories. Yet the final transition to
the unity of spirit needs to be considered as another kind of soul, the actualization of potentiality.
The movement of the individual from an incomplete spirit to its concretion is already intended
in the Phenomenology of Spirit. There Hegel describes „[t]he single individual [as] incomplete Spirit“5
and notes that though this individual will run through the different stages of education, the individual
will then leave them behind like lessons from its childhood.6 This educated individual is approach-
ing the ideal of the matured, universal individual who, according to Hegel, „is nothing but its own
acquisition of self-consciousness, the bringing-about of its own becoming and reflection into itself“.7
Spirit in this process of education finds itself as self-consciousness. This process of finding itself,
the development of consciousness, is preceded in the Philosophy of Spirit by the movement of soul,
nature, and logic. As I have argued, logic remains only potential spirit, and thus its completion is not
the stable set of categories for thinking, or what we call the exhaustive use of categories in the logic.
Against this pragmatist interpretation of logic, we could consult many passages that seem-
ingly contradict it. In one of the most familiar passages, Hegel writes as if logic can be expressed
as a set of stable categories: „[F]or metaphysics is nothing else but the range of universal deter-
minations of thought, as it were, the diamond net into which everything is brought and thereby
first made intelligible.“8 Though this sentence refers to logic as a diamantine net, it speaks about
metaphysics as if it were a diamond net, but it does not say that it is. Rather, it suggests a heuristic.
According to this heuristic, each act of thought thinking has a metaphysics or needs to build such
a framework. Accordingly, Hegel states that each formed consciousness has its own metaphysics.
The belief that Hegel identified his Logic as the representation of the diamantine net of a singular
metaphysics is therefore questionable, and even more so since Hegel adds: „Every educated con-
sciousness has its metaphysics, an instinctive way of thinking, the absolute power within us of
which we become master only when we make it in turn the object of our knowledge.“9
According to Hegel’s introduction to The Greater Logic, moreover, it is necessary to distinguish
logic as thought (that gives us skeletons like lifeless forms) from logic as reasonable structure that
gives us progression from category to category and conceptualizing thinking.10 This progression is
expressed by reason and can be linked to the idea of the speculative whole or the absolute method.
The transition from category to category is the absolute method. Now, even though logic might be
interpreted as God’s divine being before creation,11 it is questionable whether this can actually
be the case. Saying that an eternity like God is compressed into a finite moment of thought would
abandon the realm of thinking and reduce God to thought. The infinite, of course, should not be
grasped by finite categories, but needs to be considered dialectically.
Thus the question emerges of how heaven and earth can come together, the crux being the
opposition between temporality (earth) and atemporality (heaven). It is another opposition of
thought not yet grasped by reason. The concept of the whole, however, must mediate all oppo-
sitions. Hegel’s anthropological claim „know thyself“ demands therefore a real link between the
universal and the individual that starts this process, and thus Hegel has written in the Phenom-
enology that „the aim of all genuine science is just this, that mind [spirit] shall recognize itself in
everything in heaven and on earth“.12
If we therefore read Hegel with regard to a supposedly diamantine net of stable or flexible
categories, we will encounter difficulties in understanding the formal qualities of this faculty of

5 G. W. F. Hegel, Phenomenology of Spirit, Translated by A. V. Miller, Oxford 1977, 16


6 Ibid.
7 Ibid., 17.
8 G.  W.  F. Hegel, Philosophy of Nature: Being Part Two of the Encyclopaedia of the Philosophical Sciences (1830),
translated by A. V. Miller, Oxford 2004, 11.
9 Ebd.
10 Hegel, Science of Logic, 23–24.
11 Hegel, Science of Logic, 29.
12 Hegel, Philosophy of Mind, 1.
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100   Hegel-Jahrbuch 2018

logic in us. It would be hard, for example, to distinguish the result of the logic from the Kantian
cloud of faculties, a fog that operates in the blind spots of our minds, a fog that is the inapproach-
able background of our operations of thought and should not be in any sense related to the con-
crete, developing self-consciousness. The Transcendental Unity of Apperception occurs rather as
a result of an eternally fixed soul, although we are never allowed to speak of it this way. Now, with
regard to some interpretations, the absolute idea as a stable form of subjectivity might turn out to
be just such an ungraspable unity, and would thus remain only theoretically necessary, a potenti-
ality. Hegel’s Introduction to the Greater Logic, however, teaches us the need to detach ourselves
from the formal, merely abstract, categories. Thus we need to proceed to actuality.
If this interpretation is true, then the question is how heaven and earth can come together.
I do not provide a solution, but my attempt here is to make some remarks on the opposition
between the temporality and atemporality of a categorical framework. In fact, this opposition is
just another opposition of thought not yet mediated in reason. The whole, however, must mediate
all oppositions of understanding. For these reasons, I hope that this contribution can help over-
come the divide between Hegelians who engage in strong historical readings and those who
engage in strong atemporal readings. Since Hegel’s absolute idea is considered to be eternal, it is
necessary that we understand his meaning of „eternal“.
„Eternity“ cannot be understood according to the conditions of thinking, but must rather be
understood as the activity of spirit. But what is its relation to time? Should eternity be understood
as infinite time? Hegel introduces the concept of time in § 257 of his Philosophy of Nature.13 In the
Additions he remarks that points of space find their reality only in time because the mere sublation
of space would turn into an indifferent, lifeless constancy. Time is therefore a sublation of space.
Consequently, it is not the case that we have space and „also“ time. From his further analysis
of time, it becomes clear to him that time is not, and that by virtue of this non-being it is.14 This
contradiction requires another mediation. But also the meditation of this contradiction as becom-
ing represents time only abstractly. This means that, similar to the principle I=I, becoming only
expresses the abstract idea of time.15 It is intuited as mere becoming. The truth of this abstract
time, nevertheless, is the concrete coming to be and ceasing.16 In this sense, Hegel’s time can be
grasped as the actualizations of potentialities which are related to concrete beings. This means
that becoming must be understood as the becoming of something.
Applied to the absolute and supposedly infinite concept, this means that the concept is not
eternal in the sense that finite beings are thought to be abstractly within infinite time. Instead,
the concept is eternal in terms of finite beings’ power to unfold and develop. According to Hegel’s
concept of the actual, this means that each individual object must be syllogistically composed
so that its potentiality is actualized through the stages of the incomplete individual participating
in and becoming its universal or, alternately, the universal becoming the concrete. This line of
thought even lets us conclude that each individual object is the becoming of the eternal, logical
concept. In this sense, we can, moreover, interpret the actual as the rational and the rational as
what is actual. This means that each actualized thing is the result of a rational movement from its
potentiality, its material multiplicity in nature, to its actuality, the unity of spirit,17 and this is its
eternity. Sleeping spirit, by which we refer to soul, is therefore a potential in its process of actual-
ization. Realizing its participation in this process means to realize its eternity.
The question remains whether the power of the concept is outside of the potentiality and only
actualizes eternally. By this I mean whether the eternal idea is like an unmoved mover outside of
things. For Hegel, however, it is important that eternity is neither outside of time nor reduced to

13 See Hegel, Philosophy of Nature, 33.


14 See Ibid.
15 See Ibid.
16 See Ibid.
17 See Hegel, Philosophy of Mind, 5.
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 Norman Schultz, Logic and Time – The Diamond Net and the Movement of Spirit   101

be a moment of time, which would make it a future after time. Hegel expresses the restrictions on
the concept of eternity in the following passage:

Only the natural, therefore, is subject to time in so far as it is finite; the True, on the other hand, the Idea, Spirit,
is eternal. But the notion of eternity must not be grasped negatively as abstraction from time, as existing, as
it were, outside of time; nor in a sense which makes eternity come after time, for this would turn eternity into
futurity, one of the moments of time.18

Accordingly, time cannot be thought of as an infinite time. Only finite beings are time-bound.
This means they will have a beginning in time. These time-bound beings, however, can also not
simply be put into a container of time. If we keep thinking time abstractly, we will encounter con-
tradictions as a result of determining thought. The totality of finite beings, for example, cannot be
understood through an either-or.19 This means, first, that all finite beings in their totality have a
beginning and no beginning in time, a contradiction. Second, if we, on the other hand, go beyond
the finite in order to grasp its being and in order to avoid this contradiction, we will be left with
only the empty and abstract cognition, an emptiness that we are trying to avoid.
Logic, grasped with regard to the time of things, means to understand the concrete universal in
finite terms. This, however, would be a categorical mistake. The solution is thus neither an either-or
nor the truth of both. The solution is that the absolute idea cannot be grasped as an infinite time:
it has to be understood as conceptual development. Soul enters this conceptual development as
sleeping spirit and is conceptual development’s necessary becoming as conceptualizing – a spir-
itual movement. This task, however, is historically dependent on the movement of real, existing,
finite beings: their potentiality and their actualization and thus the truth of Hegel’s Logic cannot be
understood independently from this movement. All of this indicates the strong relation of logic as
the animating soul to the development of the soul itself that is discussed in the Philosophy of Spirit.
To conclude, anthropology for Hegel is the study of the real essence of man, and that essence is
a soul that comes necessarily to its existence and makes itself explicit in the form of consciousness
(spirit’s first manifestation). Hegel, as he articulates in the introduction to the Philosophy of Spirit,
is opposed to anthropologies that study particular occurrences of man.20 It is the distinctive char-
acteristic of mankind to discover its spiritual being that enters gradually and progresses eventually
into an internal self-conversation of thinking as a historically developing soul, which is eternal
activity. Eternal means here that man achieves the realization of spirit and becomes man in himself
as a soul. Soul, of course, is an image of the logical idea, but as Hegel says in the beginning of his
Philosophy of Spirit, this is spirit – for the soul to cognize itself under the historical conditions. The
diamantine net of Hegel’s metaphysics, then, is not a fixed set of categories, but rather a result of
this development. In Hegel’s case, it is the sublation of the empirical, dogmatist, and critical stages
of logic, and thus his Logic, since it is the sublation of these movements of spirit represents the
hardest and most exhaustive compression of thought in time that we have achieved so far.

Norman Schultz
Halket 307
Pittsburgh, PA, 15213
USA
Schultzn@duq.edu

18 Hegel, Philosophy of Nature, 35.


19 Hegel, Philosophy of Nature, 16.
20 See Hegel, Philosophy of Mind, 1.
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Sander Wilkens, Trier

Die Antonymie zwischen Logik,


Geschichtsphilosophie und Anthropologie

1
„Alles hat zwei Seiten“. Vermutlich hat jeder diesen Satz, der zu den Volksweisheiten gehört,
schon einmal gehört und mit einem leiseren Kopfnicken beglichen.1 Obgleich ihm diese Zustim-
mung scheinbar ohnehin zukommt, zählt er doch nicht zu den traditionellen Lehrsätzen der Phi-
losophie. Auch stünde in Frage, ist der Satz, lässt man ihn gelten, ein Axiom im ideellen Sinne,
und eignet er sich demnach zur Ableitung, oder ist er primär eine Erfahrungstatsache. Freilich
haftet hier die Volksweisheit  – oder der gesunde Menschenverstand, sollte er sich einmal in
seinem Kern zeigen –, da er den Streitfall mit dieser vermeintlichen Weisheit zu begleichen sucht
und eben wenigstens zwei Seiten ihr jeweiliges Recht lässt.
Nun haftet insbesondere Hegel für die Gültigkeit dieses Satzes, und mehrfach hielt er dafür,
seine dialektische Methode sei Erbe der klassischen Logik, so etwa in der Enzyklopädie (Einlei-
tung, §  9). Der Preis dieser Auffassung ist, unter anderem, jedenfalls an maßgeblicher Stelle,
die Unterordnung des Widerspruchs unter die Gegensätze, die ansonsten, unter spekulativer
Voraussetzung, antithetisch bestimmt werden bzw. eine Antithese bedingen. Hegel glaubte
öfters – womit er in der Philosophiegeschichte nicht allein steht –, er dürfe einen Gegensatz als
Widerspruch kennzeichnen, der eigentlich keinen Widerspruch verkörpert.2 Dies beginnt mit der
Klausel des Bedingten gegenüber dem Unbedingten, dem sog. Antinomienproblem, bei dem sich
Kant wenigstens entschieden hatte, die Negation nicht als Widerspruch (und analytisch), sondern
ausdrücklich als „dialektisch“ zu charakterisieren (A504/532). Bekanntermaßen mag sich Hegel
hierdurch veranlasst gefühlt haben, gleichermaßen zu verfahren, gewiss aber nicht dahingehend,
diesen Weg weiterzufolgen, um den nunmehr dialektischen Gegensatz schlechthin zu verallge-
meinern. Dass er hier einen ganz anderen Standpunkt bezieht, der im Kern die Logik verwandelt,
erkennt man daran, dass er die maßgebliche Negation, etwa im Gegensatz des Bedingten zum
Unbedingten, des Vollkommenen zum Unvollkommenen, oder, um an das Kongressthema anzu-
schließen, der Substantialität der Seele zum Geist nicht exhaustiv und unbedingt komplementär,
sondern so begriff, dass beide Seiten, die er immerhin als (angeblich) widersprüchlich ansetzte,
mit dem Zwang des logischen Schrittes nicht auseinanderfallen, sondern verlangen, nach einem
Dritten zu fragen, das sie absorbiert, aus sich entlässt oder aufhebt, der generelle Ausdruck, für
den er sich entschied. Einmal auf diesen Standpunkt verpflichtet – dass es ein Drittes gibt und
geben muss, das völlig regulär und durchaus zwingend einen Gegensatz aus sich entlässt  –,
glaubte er, wie schon vermerkt, nunmehr auch den Widerspruch ihm unter- oder einordnen zu
können, und so hat er sich eigentlich von der klassischen Logik oder jenem Prinzip abgewendet,
dass dem Widerspruch einräumte, erstes Prinzip des Denkens zu sein oder dem Denken die fun-
damentale Orientierung zu verschaffen – gewiss und unabdingbar ohne jegliches Dritte, jegliche
Vermittlung, jegliche Konsequenz im strengen logischen Sinne, welche dem widersprüchlichen
Gegensatz einräumt, einen dritten Begriff zu kennen, der sie unmittelbar vereinnahmt und den

1 Sätze wie diese sind dem Spott Adornos nicht entgangen: ‚An allem ist etwas Gutes und etwas Falsches dran‘, ‚Alles
hat seine guten und schlechten Seiten‘: Einführung in die Dialektik. Frankfurt/Main 2015, 264 f.
2 Präzedent etwa: Quines Kommentar zum Antinomienproblem und Quantentheorie, in: „Was es gibt“ (Von einem
logischen Standpunkt. Frankfurt/Main 1979, 25).
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 Sander Wilkens, Die Antonymie zwischen Logik, Geschichtsphilosophie und Anthropologie   103

Begriffskeim beider enthält. Die letztere Formulierung klingt verführerisch, darum sei sie für
das Folgende im Gedächtnis behalten. Es bedarf jedenfalls keiner Erwähnung, dass die formale
und moderne Logik seit Frege, sie sei Axiomatik im Sinne Hilberts oder nicht, letzteres etwa im
Umkreis von Quine, ebenso stringent auf der Gegenseite steht und den Widerspruch nicht, unter
keinen Umständen, für die dialektische Absorption freigegeben hat: dass es an irgend Gegen-
satz, der insbesondere dem Widerspruch zukommt, ein Drittes gibt, das diesen aufhebt. Es erüb-
rigt sich vermutlich der Hinweis, dass Kant das Antinomienproblem auf dieser Seite gelesen und
interpretiert hat, i.  e. auf der Basis des intakten Widerspruchs, damit auch, etwa, der Komple-
mentarität von Seele und Geist; anstatt, so Hegel, ihre absolute Identität zu setzen und über die
spekulative Vermittlung, die Identität des Nichtidentischen, einzuholen, womöglich der Gipfel
der Gegensätze, der angesichts dieser Frage zu berücksichtigen ist.

Nun soll es an dieser Stelle auf dreierlei ankommen. Erstens gilt es, diese Zusammenhänge in
der geforderten Weise aus den Texten nachzuweisen und dies meint, wieso behauptete Wider-
sprüche keine Widersprüche sind, sie seien die echten, die in allen Kontexten, die Mathematik
eingeschlossen, benötigt werden, in denen Beweis und/oder Widerlegung die Absicht darstel-
len. Streng genommen könnte man demnach mit dem dialektischen Widerspruchsbegriff nicht
mehr  – außerhalb der Dialektik  – beweisen, die Syllogistik, auf die sich Kant stets berief, im
Übrigen eingeschlossen. Mindestens eine Ahnung hiervon dürfte (als einer der ersten) Feuerbach
erlangt haben, der zwar sich nicht auf das Drittenproblem oder die angebliche Auflösung des
Widerspruchs konzentriert, gleichwohl in seiner Kritik der Hegelschen Philosophie Hegel zurück-
weist,3 da, so wörtlich, der Widerspruch in Kern die Widerlegung meint und deshalb das Setzen
des Einen, das sich ganz zu Beginn als der Keim des absoluten Geistes bereits weiß und durch
die vermittelnde Bewegung des Begriffs für sich zu machen sucht, nicht zulässig sei. Ihm zufolge
bleibt das Sein anderseitig, das „sinnliche konkrete Sein“, das dem logischen Sein gegenüber-
steht, indem sich beide gegenseitig leugnen und derart den Beweis bedingen. Im Übrigen gilt
auch (wieder) der Satz: „Nicht in der Einheit mit ihrem Gegensatz, sondern in der Widerlegung
derselben besteht die Wahrheit“. Adorno, dem dieser Zusammenhang gewiss bekannt war, steht
als Verteidiger der Dialektik wieder auf Seiten Hegels und gebraucht den Widerspruch man
möchte sagen nahezu blindlings wie dieser, charakteristischerweise  – als zugleich rezeptions-
und problemgeschichtlicher Befund – ohne einen einzigen definitiven Bezug auf die Geltung des
Widerspruchs im klassischen oder modernen Sinne.4 Dies gilt auch für die kritische, die Verzwei-
gung bedingende Geltung der doppelten Negation.
Zweitens stellt sich aber die wichtigere Frage, ob der dialektische Gegensatz tatsächlich nur
ein Werk der Reflexion, der eigentlichen Reflexivität, darstellt, wofür sich auch die spekulative
Methode einsetzen lässt, und ob es tatsächlich kein eigentümliches logisches Prinzip gibt, das (i)
eine natürliche Grundlage hat, (ii) sich auch unter formalen (oder rigiden) Kriterien wird behaup-
ten können, und (iii) tatsächlich ein drittes Element verlangt, das sich notwendig mit dem Gegen-
satz und seiner Härte, Unnachgiebigkeit oder nunmehr Unauflösbarkeit verknüpft. Nun gibt es
dieses Prinzip – man möchte anfügen natürlich –, und es ist die Antonymie oder es manifestiert
sich in den Antonymen (um sie ausdrücklich nicht mit der Antinomie zu verwechseln), und dieses
Dritte ist deren gemeinsame Begriffsachse. Wenn dieses Prinzip die Unauflösbarkeit des Gegen-
satzes verlangt oder voraussetzt – wie dies ja auch Prinzip des Widerspruchs darstellt –, dann in
dem zu fordernden primären Sinne, dass der Gegensatz effektiv, hochwirksam und stabil ist und
sich nicht durch Reduktion oder Umformung tilgen lässt (etwa ‚|‘). Dennoch bedingt er ein drittes
Element, das notwendig mit ihm verknüpft ist, das jedoch nicht im dialektischen oder Hegelschen
Sinne als Aufhebung zu charakterisieren ist. (Als patentes Beispiel möge der Begriff ‚Temperatur‘

3 Ludwig Feuerbach, „Zur Kritik der Hegelschen Philosophie“ (1839), in: Gesammelte Werke, Band 9 (Kleinere
Schriften 1839–1846), Berlin 21982, 37–38.
4 P. e. Adorno 2015, 2., sowie insb. 6. Vorlesung. Der Hinweis in der 8., 107, bleibt sporadisch.
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104   Hegel-Jahrbuch 2018

für das echte Gegensatzverhältnis ‚heiß ~ kalt‘ eintreten, wobei diesem Antonym seine gesamte
physikalisch-chemische Realität, die Techniken von Kryokühlung bis Ultraerhitzung eingerech-
net sei, um sich vom umgangssprachlichen Gebrauch der Antonyme freizuhalten, bei dem der
Gegensatz und seine polare Substanz allzu leicht neutralisiert bzw. verschliffen wird). Wenn nun
die Antonyme dieserart anzusetzen sind, ergibt sich einerseits die Frage nach der exakten Stel-
lung in den Negationen, die zweite nach ihrer Herkunft und Veranlagung im natürlichen Verstand
oder, um diesen historischen Standpunkt aufzugreifen, in der Vernunft, beziehungsweise der
Stellung der Antonyme zur klassischen und modernen Philosophie, wo sie bekanntermaßen, nun
wiederum ein Verdienst für Hegel oder nicht, fehlen bzw. von vornherein unter der neutralisierten
Form abgehandelt werden, etwa der Begriff Recht versus Unrecht.5 Hier schließt sich drittens der
Gesichtspunkt an, die Antonyme in der Evolutionsgeschichte zu verankern bzw. den Antonymen
einen Platz in der Menschheitsgeschichte als Anthropologie zuzuweisen, was an dieser Stelle nur
skizziert werden kann.

2
1. Auch wenn dieser Aspekt in diesem Kongress thematisch im Vordergrund steht und die echten
Antonyme oder die Antonymie, also Verhältnisse wie ‚Recht ~ Unrecht‘, ‚gut ~ böse‘ oder ‚Glück
~ Unglück‘, ‚vollkommen ~ unvollkommen‘ sich geradewegs anbieten, ihnen neben Metaphysik
und Logik, Rechtslehre und Ethik auch den Platz in der Anthropologie zuzuweisen, ist zuerst zu
klären, um welche Relation es sich handelt und wieso sie nicht mit dem Widerspruch konform
geht oder etwa damit deckungsgleich sei, gleichgültig in welcher Richtung: dass sie den Wider-
spruch gegebenenfalls impliziere, wie sich Hegel angesichts der dialektischen Position durchge-
hend verhalten hat, oder umgekehrt der Widerspruch die Antonymie. Wenn das moderne Anti-
nomienproblem als strikte Komplementarität anzusetzen ist, derart, dass ‚das Element‘ durch
Zuwachs oder stillschweigende Uminterpretation niemals mit ‚der Menge‘ identisch wird oder viel
eher fusioniert,6 und wenn anderwärts auch die Differenz ‚Korpuskel versus Welle‘ niemals örtlich
effektiv zu lokalisieren ist, gleichwohl kein Zweifel besteht, dass sie je nach Messrichtung einer,
nach hiesiger Terminologie, gemeinsamen Achse entstammen, dann bedingen beide Verhältnisse
eigentlich die Polarität und nicht den Widerspruch, da die beiden Gegenteile notwendig zusam-
mengehören und stets zusammen zu denken sind: logisch (und mathematisch) die Inklusion – als
sogenannte Bindung – und zugleich die Disjunktion – als sogenannte Trennung – verlangen. Sie
schließen jedoch aus, und darum die strikte Komplementarität, dass die Gegenteile zugleich der
Möglichkeit nach unendlich graduiert werden können, um derart von einem Ende zum anderen
zu gelangen: wo wiederum, da die Negation notwendig involviert ist, denn die beiden Gegenteile
stehen sich wie manifeste Extreme oder plus und minus gegenüber, die durchaus bekannte Situ-
ation eintritt, dass der Grenzwert des Gegenextrems im manifesten Extrem enthalten bleibt, und
umgekehrt. Diese Formel ‚und umgekehrt‘, die auch für die Antonymie gilt, da sie unmittelbar der
Polarität zuzuschreiben ist, deklariert bereits ein gewisse Abkehr von der dialektischen Position
Hegels, wie noch zu sehen, denn wenn er Verhältnisse derart feststellt, dass der positive Keim
im negativen Extrem enthalten, dann stets in der Vorzeichnung, dass die dialektische Bewegung
sich in Richtung des Positiven entfaltet oder von dorther prädeterminiert erscheint. Hegel oder
die Dialektik will, mit anderen Worten, unbedingt „versöhnen“ oder rekonziliieren, die Polari-
tät – und die Antonymie – bedingen dies nicht; womit aber die exakte Verortung im Idealismus

5 Beispiele wären Arendt (Vorlesung Über das Böse), Habermas (zuletzt Naturalismus und Religion in Vb. mit der
Replik Chr. Menkes, in der, von der Sache her, die Polarität in Erscheinung tritt).
6 Etwa dingfest in Quine’s R3 und Erläuterung R3‘ in „Neue Grundlagen der mathematischen Logik“ (in: Von einem
logischen Standpunkt, Frankfurt/Main 1979, 89).
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 Sander Wilkens, Die Antonymie zwischen Logik, Geschichtsphilosophie und Anthropologie   105

bzw. inwiefern die Antonymie nicht auch einen idealen – eingeborenen – Kern habe, nicht bereits
festgelegt ist.

2. Hiermit ergibt sich die Definition der Antonyme als ein polarer Gegensatz, in dem die Antonyme
verankert sind, der Entfaltung von mindestens zwei Extremen oder Extremitäten in der Basi-
sachse, verbunden mit einem durch die Negation regulierten Binnenkontinuum zwischen abs-
trakt plus und minus und der Konsequenz, dass das eine Extrem als Grenzwert, oder Keim, stets
im Gegenextrem enthalten bleibt, der Gegensatz also niemals – wie der Widerspruch – definitiv
auseinanderfällt (und der Satz des ausgeschlossenen Dritten oder die doppelte Negation unwirk-
sam bleibt). Die erste Definition erklärt, warum die Antonymie oder die Antonyme – bei einiger
Komplexion und der generellen Basis der klassischen und nachklassischen oder modernen Phi-
losophie, zur Polarität strikten Abstand zu halten oder sie weitgehend zu neutralisieren – eines
Neuansatzes und zunächst einer Befreiung von der Vereinnahmung oder Verwechslung mit dem
Widerspruch bedürfen. Hiermit wäre die Ankunft am Orte Hegel besiegelt, und es ist zuerst zu
klären, ob präzedente Gegensatzverhältnisse, in denen H. ausdrücklich auf antonyme Verhält-
nisse zurückgreift, tatsächlich nach seiner Maßgabe durch den Widerspruch aufzulösen sind,
bzw. wenn sie einen angeblichen Widerspruch darstellen, ob dieser tatsächlich eine direkte Auf-
lösung (a) ermöglicht und (b) verlangt, anstatt die Forderung zu bedingen, sich auf eine Seite der
Behauptung zu begeben und die anderen notwendig fallen zu lassen. So heißt es bei Hegel in der
Vorlesung zur Geschichtsphilosophie (Einleitung C.a):

[1]. Hier ist nur anzudeuten, daß der Geist von seiner unendlichen Möglichkeit, aber nur Möglichkeit anfängt,
die seinen absoluten Gehalt als Ansich enthält, als den Zweck und das Ziel, das er nur erst in seinem Resultate
erreicht, welches dann erst seine Wirklichkeit ist. So erscheint in der Existenz der Fortgang als ein Fortschreiten
von dem Unvollkommenen zum Vollkommeneren, wobei jenes nicht in der Abstraktion nur als das Unvollkom-
mene zu fassen ist, sondern als ein solches, das zugleich das Gegenteil seiner selbst, das sogenannte Vollkom-
mene, als Keim, als Trieb in sich hat. […]. Das Unvollkommene so als das Gegenteil seiner in ihm selbst ist der
Widerspruch, der wohl existiert, aber ebensosehr aufgehoben und gelöst wird, der Trieb, der Impuls des geisti-
gen Lebens in sich selbst, die Rinde der Natürlichkeit, Sinnlichkeit und Fremdheit seiner selbst zu durchbrechen
und zum Lichte des Bewußtseins, d. i. zu sich selbst zu kommen.

Der entscheidende Gegensatz in dieser Passage ist das Vollkommene versus Unvollkommene, von
dem zu behaupten ist, er bezeichnet (i) den polaren Gegensatz oder das echte Antonym und in
Einklang mit seiner eigenen Auffassung keineswegs nur einen Kontrast; (ii) es enthält die Gegen-
sätze als Extrem, (iii) es legt, charakteristisch für die Dialektik, die Antonymie parteilich oder
orientiert aus, indem ihre Entfaltung und Auflösung stets in eine Richtung, die positive, verlangt
wird. Präzedent erklärt H., dass der absolute Geist, in dem er im Möglichen als unvollkommener
anhebt, diese Unvollkommenheit nicht wie eine absolute Sphäre besitzt, sondern als ein Haben
seines Gegenteils, das ihm als wörtlich Trieb innewohnt, und man möchte ergänzen, dem das
Unvollkommene unterliegt, denn hierdurch wird die Dominanz und die Dynamis erklärt, die H. im
Nebengedanken berührt. Das Unvollkommene ist demnach graduierbar und vollzieht mit seiner
Unvollkommenheit zugleich nicht einfach ein anderes, sondern das spezifisch andere, das sein
direktes Gegenteil auf derselben Achse darstellt, das Vollkommene. Hiermit stehen sich aber zwei
Antonyme in der Basisform gegenüber, die, auf Anhieb, wenn sie die Graduierbarkeit involvieren,
wiederum nicht dem Widerspruch zuzurechnen sind. Dieser würde verlangen, sich für eine Seite
zu entscheiden, sie zugleich als wahr zu behandeln, und die andere als falsch (und sich entschei-
den zu müssen). Nun ist dies nicht der einzige Nachweis. Freilich könnten das Unvollkommene
und Vollkommene nur einen Kontrast bilden und damit ein Drittes erübrigen, das dem Gegen-
satz ausweicht. Gerade dies ist aber ausgeschlossen. Das Extrem, in dem der Geist beginnt oder
angesetzt wird, kann nicht anders verfolgt werden, als das er das Gegenextrem anstrebt oder vom
Gegenextrem her gedacht und ausgeführt wird – also denkt H. den Gegensatz in seinem Sinne dia-
lektisch, eigentlich jedoch und an erster Stelle polar. Für beide Fälle aber ist eingeschlossen, dass

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106   Hegel-Jahrbuch 2018

die logische Spannung, welche das Fortschreiten bedingt, nicht durch den Widerspruch bedingt
wird, dieser, abgesehen von der Nichtgraduierbarkeit, müsste vielmehr bei zweiter Verneinung zu
seinem Ausgangspunkt zurückkehren oder mit der Tautologie zusammenfallen – was wiederum
ausgeschlossen ist, denn die Garantie, durch fortschreitende Graduierung sich dem Gegenextrem
zu nähern, es gar zu erreichen, wäre hierdurch von vornherein verfehlt.
Ein weiteres Beispiel aus dem schließenden Abschnitt der Phänomenologie innerhalb der
Anthropologie möge denselben Sachverhalt verdeutlichen.

[2] § 414. Die Identität des Geistes mit sich, wie sie zunächst als Ich gesetzt ist, ist nur seine abstrakte, formelle
Idealität. Als Seele in der Form substantieller Allgemeinheit ist er nun die subjektive Reflexion-in-sich, auf diese
Substantialität als auf das Negative seiner, ihm Jenseitiges und Dunkles bezogen. / Das Bewußtsein ist daher,
wie das Verhältnis überhaupt, der Widerspruch der Selbständigkeit beider Seiten und ihrer Identität, in welcher
sie aufgehoben sind.

Würde man dem Widerspruch seine unvermengte, also nicht dialektisch bereicherte oder ver-
formte Bedeutung belassen, in der er die negative Vermittlung des Gegensatzes aufnimmt, dann
wäre das Bewusstsein überhaupt nicht imstande, Geist und Seele in seinem Sinne zu entfalten, da
es vielmehr gezwungen wäre, zwischen beiden zu entscheiden und entweder Geist oder Seele für
wahr bzw. umgekehrt eines von beiden für falsch zu halten. Infolgedessen denkt H. die Beziehung
polar – mindestens hat er diese Form des Gegensatzes nicht eigentlich ermittelt und gegen den
dialektischen Gegensatz diskriminert und abgehoben –, und es wundert nicht, dass seine Erläu-
terung im sofortigen Kontext auf ein Basisantonym zurückgreift, indem das Bewusstsein, so wört-
lich, den „Standpunkt des Widerspruchs [vertritt, indem] der Gegenstand einerseits in mir ist und
andererseits außer mir ein ebenso selbständiges Bestehen hat wie das Dunkle außer dem Licht“.
‚Innen versus außen‘ und ‚Dunkelheit versus Licht‘ verkörpern somit ursprüngliche Gegen-
sätze, die, so Hegel, angeblich den Widerspruch erläutern. Freilich dürfte kein Zweifel aufkom-
men, dass sie eigentlich Antonyme darstellen bzw. unter dieser Voraussetzung die behauptete
Analogie erfüllen, welcher die Beweislast, wenigstens die argumentative Einsicht zufällt. Nun ist
die Zusatzbemerkung nahezu überflüssig, würde jedenfalls an dieser Stelle zu viel Raum einneh-
men, dass sodann auch die berühmteren Ersatzformeln oder Ersatzgleichungen, die das gesamte
Zeitalter vor Hegel bewegt haben, ‚dunkel versus klar‘ und ‚verworren versus deutlich‘ an und
für sich Antonyme darstellen. Womit wiederum, bei Zutreffen, der Grund erneut in Erscheinung
tritt, der Hegel veranlassen konnte, den Gegensatz, der sich darin niederschlägt, zur Hauptsache
zu machen. Eine klare und deutliche Dialektik – kein originärer Ausdruck von Hegel – wäre somit
das Zusichselbstkommen eines Gegensatzes, seines Wesens, ihn aber dialektisch zu nennen oder
zu interpretieren, würde besagen, selbige, die Dialektik, meint und schöpft eigentlich die Polarität.

PD Dr. Sander Wilkens


Hubertusstraße 4
55758 Bruchweiler
sanderwilkens@outlook.de

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Lars Heckenroth, Köln

Die Substanz als Subjekt


Genese einer anthropologischen Grundbestimmung

1 Vorbemerkung
Unerlässlich für eine problemorientierte und gegenwartsbezogene Befragung des hegelschen
Systems unter anthropologischem Gesichtspunkt ist die Untersuchung des Prinzips Subjekt.
Auch wenn die Bestimmung des Menschen als Mensch sich nicht in einer Gleichsetzung von
Mensch-sein und Subjekt-sein erschöpft, so bleibt die Subjektivität, sowohl in historischer als
auch in gegenwärtiger Perspektive, dennoch eine notwendige Bedingung dessen, was es bedeu-
tet, Mensch zu sein. Auch im Geistbegriff, dem systematischen Horizont also, vor dem Hegel seine
eigene Anthropologie entwickelt, ist der Begriff des Subjekts bereits vorausgesetzt. Der Wissen-
schaft der Logik kommt dabei die ausgezeichnete Funktion zu, dass das Prinzip der Subjektivi-
tät hier in seiner genetischen Entwicklung dargestellt und ursprünglich gewonnen ist. Das Werk
untersucht die Subjektivität dabei zum einen als Gegenstand der logischen Betrachtung, zum
anderen nimmt es sie als Grund der spekulativen Methode immer schon in Gebrauch. Diese Ver-
flechtung von Subjektivität einerseits und dem Denken des Denkens als dem gesamtlogischen
Prozess andererseits, lässt eine Untersuchung des Prinzips Subjekt mit der Betrachtung zweier
weiterer Prinzipien einhergehen, die von grundlegender anthropologischer Bedeutung sind: Frei-
heit und Selbstbewusstsein.
Innerhalb der Logik markiert der Übergang von der Substanz zum sich-denkenden Begriff
den Ort der Subjektgenese. Das Übergehen der objektiven in die subjektive Logik ist nicht nur
der Übergang einer Entwicklung der Kategorien der klassischen generellen Metaphysik in eine
Subjektivitätstheorie. Vielmehr geht der Fortgang der Logik mit der Betrachtung des Begriffs, des
Subjekts, in denjenigen Grund zurück, der als das anfänglich Treibende und als Prinzip der dia-
lektischen Bewegung von Beginn der Seinslogik an am Werk ist. Das Verhältnis von Subjektivität
und Idee, von Logik und Geist, bedarf dabei, obwohl es naturgemäß den Kern meiner Ausführun-
gen berührt, einer eigenen Untersuchung.
So möchte ich im Folgenden zunächst auf den Übergang der Substanz zum Begriff des
Begriffs und zur Bewegung der Subjektivität eingehen. Darauf aufbauend soll die systematische
Bedeutung der Subjektgenese vor dem Horizont einer anthropologischen Frageperspektive erör-
tert werden.

2 D
 er Übergang der Wechselwirkung in das Sich-denken
des Begriffs
Der Übergang der Relationskategorie der Wechselwirkung in die freie Selbstbezüglichkeit des
Begriffs ist nicht unproblematisch. Es scheint sowohl aus den entsprechenden Ausführungen
am Ende der Wesenslogik als auch in deren gedanklicher Rekapitulation und Ausführung im
Abschnitt „Vom Begriff im allgemeinen“ zunächst nicht klar zu werden, wieso das objektiv-logi-
sche Verhältnis der Substanz zu sich, welches in der Wechselwirkung nur innere Notwendigkeit

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108   Hegel-Jahrbuch 2018

bleibt1, in das Sich-denken und  – was eng und wesentlich damit verbunden ist  – in das freie
Sich-bestimmen des Subjekts übergehen soll.
Von der Warte der Begriffslogik aus betrachtet, die das Prinzip Subjekt bereits gewonnen hat und
das freie Selbstverhältnis als den Ausgang ihrer fortschreitenden Entwicklung in Gebrauch nimmt,
lässt sich die Wechselwirkung – und mithin die Substanz – zwar durchaus retrospektiv als Vorstufe
und als genetische Voraussetzung der Subjektivität verstehen: Die Wechselwirkung erscheint sodann
als Zwischenstufe zwischen der einfachen Negation, gemäß derer die Substanz sich auf der Stufe der
Kausalität sich entgegensetzt, und der Negation der Negation, da die beiden Substanzpole hier, in der
Wechselwirkung, erstmalig in ein wechselseitiges Verhältnis zueinander treten.
Ließe sich die Genese des Begriffs im Ausgang von der Substanz jedoch nur retrospektiv
schlüssig nachvollziehen, so wäre dies ein Problem für den systematisch bedeutsamen Übergang
von der objektiven in die subjektive Logik und eine Schwierigkeit für Hegels eigenen Anspruch,
nach dem die Kategorien des reinen Denkens in notwendigem, sprunglosem Fortgang aus sich
heraus entwickelt werden sollen. In der Vorrede zur ersten Ausgabe der Seinslogik beschreibt
Hegel seine philosophische Methode dementsprechend als sich selbst konstruierenden Weg2, der
„die absolute Methode des Erkennens und zugleich die immanente Seele des Inhalts selbst“3 ist.
Nicht nur in Hinblick auf die Phänomenologie des Geistes von 1807, sondern für die hegelsche
Philosophie überhaupt ist die Einheit von Methode und Gegenstand grundlegend; so auch für die
Wissenschaft der Logik, in der der Geist – im Ausgang vom reinen Wissen, der höchsten Gestalt des
erscheinenden Geistes – sein Wesen, d. h. die intelligiblen Bedingungen seines seinsbezogenen
Erkenntnisvollzugs, schrittweise entwickelt. Die sprunglose Entwicklung der reinen Gedanken,
d. h., so Hegel, ihre Selbstbewegung und ihr geistiges Leben, ist dasjenige, was durch die logische
Wissenschaft dargestellt ist. 4
Es ist daher eine fundamentale These meiner Ausführungen, dass das Selbstbewusstsein
in seinem spekulativen Gebrauch für die Entwicklung der Substanz zum Begriff, zum Subjekt,
keinen nachgeordneten, sondern konstitutiven und vor allem nachvollziehbaren Charakter hat.
Dies ist im Folgenden zu zeigen.
Am Ende der Wesenslogik, in der Betrachtung der Wechselwirkung, ist die Substanz sowohl
Ursache als auch Wirkung ihrer selbst, so aber, dass, anders als in der vorgängigen Reflexionsstufe
der Kausalität, beide Substanzpole Ursache und Wirkung zugleich sind. Hegel selbst bestimmt die
Substanz in den Ausführungen zur Kategorie der Wechselwirkung als „die Reflexion des Scheins
als Scheins in sich“.5 Das spekulative Denken aber erkennt in der Struktur der Wechselwirkung –
in der Bewegung des wechselseitigen Sich-hervorbringens zweier Substanzpole  – die unmittel-
bare Grundlage seiner eigenen, sich selbst auslegenden Selbstbezüglichkeit. Das Denken selbst
ist als das untersuchende Agens evidenter Weise ein zu sich gekommenes, sich wissendes Sein.
Der nächste Gegenstand, zu dem die logische Betrachtung im Ausgang von der Bewegung der
Wechselwirkung fortgeht, kann folglich nicht mehr als ein vom logischen Agens Unterschiede-
nes aufgefasst werden, sondern muss, in Abgrenzung zu allen vorausgegangenen Kategorien
bzw. Gegenständen der Logik eine Bewegung zu seinem Wesen haben, die mit der Bewegung des
reinen, sich selbst untersuchenden Denkens übereinstimmt. Es ist gerade der Beginn der Begriffs-
logik, da Hegel die allgemeine Bestimmung des Begriffs, d.  h. die freie und sich bestimmende
Selbstbezüglichkeit, mit dem Prinzip des Selbstbewusstseins in eins setzt: „Der Begriff, insofern
er zu einer solchen Existenz gediehen ist, welche selbst frei ist, ist nichts anderes als Ich oder das
reine Selbstbewußtsein.“6 Das Sich-erkennen des logischen Agens in seinem Gegenstand schlägt

1 Vgl. G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik, Die Lehre vom Begriff (1816), Hamburg 2003, 15.
2 Vgl. G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik, Die Lehre vom Sein (1832), Hamburg 1990, 7.
3 Ebd., 7.
4 Vgl. ebd., 7.
5 G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik, Die Lehre vom Wesen (1813), Hamburg 1992, 211.
6 Hegel, Die Lehre vom Begriff (1816), a. a. O. (Anm. 1), 12.
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 Lars Heckenroth, Die Substanz als Subjekt   109

sich – gemäß der hier dargelegten Interpretation – unmittelbar in der Bestimmung des Begriffs als
Selbstbewusstsein nieder. Mit dem Prinzip Subjekt sind die selbstbezüglichen Formen der objek-
tiven Logik, deren Bewegungspole noch eine Verknüpfung durch die denkende Reflexion bedurf-
ten und in der inneren Notwendigkeit des Verhältnisses der Wechselwirkung ihre höchste Gestalt
gefunden haben, somit zu einem sich selbst bewegenden Prinzip fortgeschritten. Das Prinzip der
Selbstbewegung und der Selbsterkenntnis, das vor dem Hintergrund der Ineinsbildung von Denk-
vollzug und Denkinhalt aus der substantiellen Wechselwirkung entwickelt worden ist, findet mit
dem Begriff des Begriffs seine explizite kategoriale Manifestation. Die Kategorie der Wechselwir-
kung – die Bewegungsstruktur wechselseitiger Verursachung der differenzierten Substanzpole –
stellt sich so als Vorstufe der Selbstbezüglichkeit des Begriffs, des Bei-sich-seins-im-Anderen, dar.
Deutlich wird vor diesem Hintergrund auch, inwiefern die Kategorie der Wechselwirkung nicht
nur als notwendige Bedingung für die Ineinsbildung von logischem Agens und seinem Gegen-
stand zu verstehen ist, sondern auch genetische Grundlage für diejenigen sich selbst bewegen-
den Prinzipien ist, die, indem ihr einheitlicher Charakter in dieser Ineinsbildung gründet, erst im
Verlauf der Begriffslogik Betrachtung finden können – Es gilt dies etwa für die Idee des Lebens.
Mit dem Einstieg in die Begriffslogik weiß das spekulative Denken, das Agens der logischen Ent-
wicklung, sich in Hinblick auf die selbstbezügliche Struktur als identisch mit seinem Gegenstand. Die
Entwicklung der Substanz zum denkenden Selbstbezug ist somit keine Entwicklung, die irgendwie
postuliert oder von außen in den Vollzug der Logik hineingetragen wird, sondern sie liegt in der, nun
expliziten, Einheit von Methode und Gegenstand begründet. Unter Hinzunahme des Selbstbewusst-
seins in seinem logisch-spekulativen, nicht in seinem realphilosophischen Gebrauch, wandelt sich
das Sich-hervorbringen der Substanz, dessen Bewegung sich noch als kausale Notwendigkeit vollzog,
zur Bewegung des freien Sich-bestimmens oder, was dasselbe ist, zur Bewegung der Subjektivität. Es
zeigt diese Interpretation, wie der aktive Vollzug des reinen Denkens die Subjektwerdung der Substanz
aus sich heraus begründet und das Denken sich in seinem entwickelten Gegenstand selbst erkennt.
Auf dieser Grundlage lässt sich die Bewegung des Selbstbewusstseins nicht nur retrospektiv
anhand der Begriffsbestimmungen dialektisch interpretieren und beschreiben, sondern Freiheit
und Selbstbewusstsein erweisen sich vielmehr als notwendige Folge der in innerer Notwendig-
keit sich vollziehenden Wechselwirkung; die Freiheit zeigt sich als die Wahrheit der Notwendig-
keit.7 Hegels Bestimmung der Substanz als das „sich auf sich beziehende Scheinen“8 ist auch das
logisch-spekulative Nachvollziehen derjenigen Bewegungsstruktur, die sich im realphilosophi-
schen Selbstbewusstsein vollzieht, ohne dass die Betrachtung sich jedoch in einem bloßen Nach-
vollziehen erschöpfen würde. Der systematische Anspruch ist höher: Im Übergang der objektiven
in die subjektive Logik geht das spekulative Denken in den eigenen Grund zurück, indem es sich
mit dem Begriff, dem sich verstehenden Sein, auch konkret selbst analysiert.
Auch die ursprünglich-logische Gewinnung der Begriffsbestimmungen Allgemeinheit,
Besonderheit und Einzelheit ist auf die absolute Reflexion des Begriffs als Bei-sich-sein-im-An-
deren angewiesen; das Nebeneinander zweier zwar durch spekulative Betrachtung verbundener
aber für sich blinder Substanzen reicht hierfür nicht aus. Das Allgemeine ist dem Prinzip nach
schließlich dasjenige, das sich in seinem Gegenüber erhält und dies in zweifachem Sinne: Die
Allgemeinheit bleibt in der Besonderheit bestehen und ist zugleich erst Allgemeinheit, indem sie
in einen ihr untergeordneten, aber gleichen Gegenstand zurückkehrt und sich in diesem wieder-
findet. Dieses Verhältnis von Allgemeinheit und Besonderheit findet sich auch und insbesondere
im Verhältnis von Gattung und Art vertreten. Im späteren Verlauf der Begriffslogik bemerkt Hegel
hierzu: „Die Gattung teilt sich oder stößt sich wesentlich in Arten ab; sie ist Gattung nur, insofern
sie Arten unter sich begreift“. 9 Auch die Einzelheit, die die notwendige synthetische Einheit von

7 Vgl. ebd., 6.
8 Hegel, Die Lehre vom Wesen (1813), a. a. O. (Anm. 5), 191.
9 Hegel, Die Lehre vom Begriff (1816), a. a. O. (Anm. 1), 89.
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110   Hegel-Jahrbuch 2018

Allgemeinheit und Besonderheit ist, kann dies nur sein, wenn diese als Momente einer einheitli-
chen Reflexion entwickelt werden.
Das Sein, das sich selbst versteht, ist eine Reflexion, die als Negation der Negation und – in
Hinblick auf ihre reflexive Selbstreferenz – als die dialektische Einheit von Allgemeinheit, Beson-
derheit und Einzelheit gefasst werden muss. Es sind dies aber die Begriffs-bestimmungen oder
sie sind wesentlich Bestimmungen des Denkens. Mit dem Begriff des Begriffs ist das spekulative
Denken somit aus sich heraus zu der Explikation von Begriff, Urteil und Schluss fortgeschritten,
die die formale Seite der denkenden Selbstbezüglichkeit entwickelt und die Begriffsbestimmun-
gen sukzessive vollständig aufeinander bezieht. Dies, so Hegel, ist der zunächst formelle Begriff,
das Subjektivitätskapitel, mit dem aber der Anfang der Entwicklung der Begriffslogik, d. h. der
Anfang der gedanklichen Vermittlung von Subjektivität und Objektivität, aus dem zurückliegen-
den Gang des spekulativen Denkens immanent gesetzt ist. Soll die Genese des Prinzips der Sub-
jektivität, wie dargelegt, ihren Grund in der Ineinsbildung von logischem Agens und logischem
Gegenstand haben, so muss die Selbstbezüglichkeit des Subjekts, die sich im Rahmen des ersten
Drittels der Begriffslogik zunächst in Begriff, Urteil und Schluss ausbuchstabiert, gleichwohl über
diese formalen Aspekte hinausgehen und auch die Sphäre des Seins wieder in die Betrachtung
aufnehmen. Den Übergang des Subjektivitäts- in das Objektivitätskapitel sowie die Ineinsbildung
der beiden Sphären in der Idee vor dem Hintergrund der hier dargelegten Herleitung der Subjekt-
genese zu untersuchen, weist über den Rahmen der vorliegenden Ausführungen hinaus und ist
Gegenstand weiterführender Arbeit.

3 Z
 um Verhältnis von spekulativer Logik und
Anthropologie
Der Übergang von der Substanz zum Subjekt stellt, wie dargelegt worden ist, einen Umschlags-
punkt im Gang des spekulativen Denkens als solchen dar. Hegels Logik, das reine, d. h. das sich
selbst untersuchende und sich selbst entwickelnde Denken, geht im Übergang der objektiven in die
subjektive Logik zugleich von einer genetischen Entwicklung der Kategorien – als Bestimmungen
des Seienden insofern es seiend ist – über in eine Analyse seiner selbst. Mit dem Begriff als Begriff,
insofern er freier – und dies heißt vor allem auch denkender – Selbstbezug (also Sich-denken) ist,
trifft das sich selbst untersuchende Denken am Ende der Wesenslogik, am Ende der Entwicklung der
Kategorien der traditionellen Metaphysica generalis, auf die Wesensbestimmung desjenigen Seien-
den, das es selbst ist. Es behandelt die Begriffslogik somit das Für-sich-sein des Begriffs, jedoch
auch das Für-sich-sein des spekulativen Denkens. Dies ist die im Allgemeinen näher und sorgfäl-
tiger zu betrachtende, da für das Selbstverständnis der hegelschen Unternehmung so wichtige,
Einheit von Methode und Gegenstand. Mit der Genese des Prinzips Subjekt bringt die Entwicklung
des spekulativen Denkens somit erst in der Begriffslogik dasjenige Prinzip explizit und dezidiert zur
Sprache, welches von Beginn der Seinslogik an das Fortschreiten der genetischen Entwicklung der
Kategorien voran- und angetrieben hat. Die Dialektik, d. h. die absolute Methode, wird schließlich,
worauf hier nur hingewiesen werden kann, der Form nach das Wesen der absoluten Idee bzw. der
absoluten Subjektivität sein. Methode und Gegenstand fallen im Endpunkt der Logik, bevor dieser
entweder den systematisch-unzeitlichen Schritt in die Realphilosophie vollzieht oder sich in die
Unmittelbarkeit des reinen Seins zurückbeugt, in die Einheit der dann durchgängig entwickelten
formalen (Subjektivität) als auch materialen Sphäre (Objektivität) zusammen.
Die reflexive Bewegung des sich selbst untersuchenden Denkens, das im Zuge seines Sich-un-
tersuchens und Sich-explizierens auf sich selbst als den ursprünglichen Grund der Bewegung
stößt, wird  – auf Grundlage des hier Dargelegten  – zumindest als wesentlich mit dem Prinzip
der Subjektivität verbunden gedacht werden müssen. Vor diesem Hintergrund ist der Fortgang
der Logik der Rückgang in ihren eigenen Grund, ist der Rückgang zur Subjektivität als Bedin-
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 Lars Heckenroth, Die Substanz als Subjekt   111

gung eines sich selbst bewegenden Prinzips, das die Bewegung des spekulativen Denkens, das
Sich-auslegen des Begriffs vom Anfang der Seinslogik an erwirkt und bestimmt hat. Die Frage
nach dem Begründungszusammenhang von Logik und Subjektivität verweist dabei auf eine Span-
nung, die sich auch in der Wissenschaft der Logik selbst wiederfindet.
Wenn das spekulative Denken mit der logischen Genese der Subjektivität in seinen eigenen
Grund zurückkehrt, so gilt dies auch für den Menschen, für denjenigen immerhin, der in analy-
sierender Selbstbezüglichkeit – gemäß des Grundsatzes Erkenne dich selbst – das reine Denken zu
vollziehen vermag. Die ursprüngliche Genese des Prinzips der Subjektivität im Rahmen der Wissen-
schaft der Logik ist in der Rede von der Subjektivität des Menschen – auch in seiner Bestimmung als
subjektiver Geist – immer schon in Gebrauch genommen. Das Fragen nach jener Genese ist ein Rück-
gang in denjenigen Grund, kraft dem wir es allererst vermögen, den Menschen als freies und eigen-
verantwortliches Subjekt zu bestimmen. Denn Subjektivität ist die Einheit von Sich-erkennen und
Sich-bestimmen und hat somit neben der epistemischen immer auch eine praktische Dimension.
Evident wird dies in der Synthese von Erkennen und Handeln in der Idee. Das Prinzip der Subjekti-
vität ist daher nicht nur ein wesentlicher Aspekt der Selbstbewegung des Denkens, sondern ist auch
notwendige Bedingung der Möglichkeit zentraler geistphilosophischer Seins- und Vollzugsbereiche
wie Kunst, Recht und Sittlichkeit, in denen der freie Wille des Subjekts – mal als werktätig-produk-
tiver, mal als intersubjektiv handelnder – vorausgesetzt und als Grund in Gebrauch genommen ist.
Auf das gespannte Verhältnis von Subjektivität und Geist, von Logik und Realphilosophie
ist zuvor bereits hingewiesen worden. Obwohl die Subjektivität notwendige Bedingung sowohl
für das logisch-spekulative Denken als auch für das Prinzip des Geistes ist, ist das Subjekt doch
bereits qua Subjekt eine ontologische Bestimmung, die sich in der Sphäre des Konkreten und der
Endlichkeit realisieren muss. Zwar ist die ursprüngliche Genese der Subjektivität in der spekula-
tiven Logik verortet, jedoch findet das Subjekt erst in der Sphäre des sich-erkennenden Geistes,
der die Natur als den Ort seines Werdens im Rücken hat, seine Erfüllung. Es verkürzt die Proble-
manlage, nur anzuführen, das hegelsche Subjekt müsse konkrete Allgemeinheit sein und dürfe
nicht abstrakt-logisch bleiben; vielmehr liegt dieser starke, da realitätsverbürgende, Subjektivi-
tätsbegriff darin begründet, dass die Wissenschaft der Logik, aufgrund der Einheit ihrer Methode
und ihres Gegenstandes, Denken und Sein von Beginn an als wechselseitig aufeinander bezogen
konzipiert. Der Übergang der objektiven in die subjektive Logik wird zu einem entscheidenden
und herausragenden Umschlagspunkt im hegelschen System, insofern die Einheit von Methode
und Gegenstand – obwohl sie in der onto-logischen Natur der Logik von Beginn an in Gebrauch
genommen ist – erst im Übergang von der Substanz zum Begriff explizit wird.
So machen die Logik und der realontologische Anspruch ihres Gegenstandes, des Begriffs,
den Schritt in die realphilosophischen Systemteile aus sich heraus notwendig. Zugleich aber ist
die Logik als solche, das Denken des Denkens, nicht die Unternehmung einer freischwebenden
Subjektivität, sondern gründet im reinen Wissen des sich denkenden Geistes. Das System zeigt
sich in diesem Sinne als wahrhaft in sich gespannt: Das Prinzip, mit dem ein Anfang gemacht
wird, trifft im Fortgang der Analyse auf wesentliche Aspekte seiner selbst, die den Anfang begrün-
den, um im Sinne einer Kreisbewegung schließlich wieder auf sich zu treffen. Der Mensch – das
Sein, das wie je selbst sind – ist dabei der unhintergehbare Zugang, den wir zu dieser Entwicklung
des Absoluten haben. Indem wir in selbstbezüglicher und prinzipientheoretischer Perspektive die
Bedingungen unseres Denkens und Handelns befragen, sind wir im System verortet.

Lars Heckenroth
Dasselstraße 8
50674 Köln
Lars.Heckenroth@web.de

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Lorenzo Sala, Pisa

Is Being Thought?
On What Spirit’s Systematic Role can Teach Us about Hegel’s Identity of
Thought and Being

1 Summary
The current discussion of Hegel’s doctrine of the identity of thought and being focuses on the jus-
tification of thought’s special status, understood in an epistemological sense: the issue is taken to
be that of explaining why thought can be affirmed to have a full grip on a being which, at least for
common sense, is for it a „beyond“. In the present paper I argue that, when understood correctly,
Hegel’s doctrine of the identity of thought and being must be taken to be, first and foremost, an
ontological theory and not an epistemological one, so the real fundamental interpretative ques-
tions about it is ontological rather than epistemological: precisely, the question is not that of jus-
tifying thought’s identity with being, but that of explaining why and in which sense being can be
said to be thought. I then contend that the answer to this question is provided by the systematic
meaning of the philosophy of spirit.

1.1 T
 he attractiveness of Hegel’s notion of thought and the
standard worries about it
In many interpretations, the perspective on thinking brought about by Hegel’s philosophy is pre-
sented through a comparison with Kant’s, and as a major improvement on it: be it interpreted as
a metaphysics, a category theory, or anything else, Hegel’s philosophy is taken to free thought’s
determinations from the subjectivist limits which are taken to mar the Kantian standpoint.
Among these limits, one which captures the most attention is the specifically human char-
acter of that experience which plays a pivotal role in Kant’s philosophy: if the theories of Kant’s
Critique of Pure Reason are seen to be relative to human cognition, so that the forms of intuition
and the categories are proved to be conditions of an experience which is specifically human and
are therefore relative to man, Hegel’s philosophy is considered to move beyond these limits to an
absolute standpoint, a standpoint from which philosophy can establish truths which, not depend-
ing on human nature or anything else, are not relative to anything and therefore concern reality as
such. In brief, thought stops being something subjective and becomes something fully objective –
that „objektiver Gedanke“ which makes Hegel’s philosophy famous and, for many, attractive.
Now, although the idea of moving beyond Kant’s limitations has usually been considered
highly attractive, from the very first appearance of Hegel’s philosophy there has almost universally
been an ambivalent feeling about his way of moving beyond the Kantian bounds: although the
idea that the categories’ grip on reality does not leave out any Ding an sich is generally favoured,
still, the most common impression is that Hegel has gone too far with his claims about thought.
To many interpreters, the absurdity of Hegel’s claims about thought becomes evident when,
from the Logic, one moves to the Realphilosophie: from the very first critiques of Schelling and
Krug, this has been seen as a crucial point – maybe the crucial point – for unmasking the ill-mind-
edness of Hegel’s thesis of the identity of thought and being. From then on, the common idea has

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 Lorenzo Sala, Is Being Thought?   113

been that if thought really were all-encompassing as Hegel says, then it should be able to imma-
nently deduce both the existence of nature and reality in general and their fundamental structure.
Obviously, the common view is that this cannot be done: if Schelling mainly argued that the move-
ment from the Logic to Nature simply is not grounded in the Logic, other authors simply pointed at
the implausibility of an immanent deduction of something like „geological nature“.
For the the present inquiry what is most important is not to analyse these critiques in detail,
but rather to point out something about them: what is striking is that they could perfectly be
addressed to the Logic as well, without this being perceived as problematic as in this case. First,
the passage from the Logic to Nature is not the only obscure passage in Hegel’s system and, if one
takes Hegel’s project seriously, any non-immanently justified passage would be as lethal for the
whole, and so the alleged non-immanence of the move to nature should not in any way considered
as more problematic than many others in the system; on the same line, although it is certainly pos-
sible to doubt that a derivation on the basis of thought alone of something like „geological nature“
is in fact possible, in principle there is no reason why this should be more dubious than the deri-
vation of „the difference of sexes“ which is found in the Logic.1 This clearly points to the fact that
the real concern from which the aforementioned objections stem goes beyond their mere content.
In order to understand what the real concern is, Maker’s interpretation of Hegel’s philosophy
of nature is particularly telling. Although he does not want to criticize but rather to defend Hegel’s
views, he also thinks that there is something unacceptable in the idea of the identity of thought
and being. If he sees the immanent (and therefore a priori) character of Hegel’s account of nature
as highly desirable, he also feels the urge of giving a reading of it which does not involve „the fatal
idealistic conviction that thought and reality are one“: as in nature „we more closely approximate
truth when we have effaced as far as possible the marks of the mind from our account“2, to speak
of the identity of thought and being would mean to ascribe Hegel „the notorious reduction or
identification of reality and thought which Hegel is widely recognized as having made“3. These
two last sentences are of the utmost importance, because they expressly state the key problem
from which the worries about Hegel’s thesis of the objective thought spring: the problem is that to
speak of the identity of thought and being is for many tantamount to speaking of an assimilation to
mind of that reality which seems to be by its very essence something other than it, and this is why
„identity of thought and being“ is for many synonymous with „reduction of being to thought“,
that is, to the mind. If after Kant’s bringing ontology back to logic this is not perceived as particu-
larly alarming for what concerns the most general and fundamental categories of ontology – and
therefore goes almost unnoticed – it seems an unacceptable reduction when it comes to the Real-
philsophie, a branch of philosophy whose objects are usually considered examples of contingency
and giveness par excellence.4

1 Why this last aspect should not be taken to be particularly problematic can be seen by Hegel’s description of the
relationship between philosophical thought and representations to be found in the addition to the §  246Z of the
Encyclopaedia. On this, see also: Alison Stone, Petrified intelligence: nature in Hegel’s philosophy, Albany, 2012, and
Stephen Houlgate, „Logic and Nature in Hegel’s Philosophy“, in: The Owl of Minerva, 2002, 34.1, 107–125.
2 William Maker, „The Very Idea of Nature, or Why Hegel Is Not an Idealist“, in: Proceedings of the Hegel Society of
America, 1998, 13: 1–27, 2.
3 Ibid.
4 Another good example of this tendency can be found in: John W. Burbidge, Real Process How Logic and Chemistry
Combine in Hegel’s Philosophy of Nature, Toronto 1996.
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114   Hegel-Jahrbuch 2018

2 The consequences of Hegel’s notion of thought


So, we have seen that if the epistemological side of the doctrine of the identity of thought and
being (i. e. thought’s full grip on reality) is considered as desirable, the metaphysical reduction of
being to mind which comes with it is dreaded as completely absurd.
If one carefully considers Hegel’s words on the notion of thought, however, the worries about
his doctrine of the identity of thought and being are shown to originate in a misunderstanding of
the notion of thought, which is probably favored by the weight given by interpreters to the fact
that this doctrine overcomes Kant’s limitation of knowledge: if it is surely true that this doctrine
represents a change in the epistemic status of thought, failing to see that it consists in something
more than this is highly misleading: the change of thought’s epistemic status is nothing but a con-
sequence of a change in what thought is taken to be and, with this, of the relevant philosophical
questions.
This can clearly be seen in some paragraphs from the „Preliminary Conception“ in the Ency-
clopaedia. Here, Hegel writes that even if „it [thought] appears at first to be a subjective activity,
one faculty among many others, e. g., memory, representation, volition, and the like“5, it is not to
be taken as a faculty among the others. Indeed, in its most fundamental being, thought is not even
to be taken as an activity of a thinking subject in general, a chapter of the life of a mind: it is „the
substance of […] things“6, the „nous [which] governs the world“7: thought is the objective logic of
reality which rules every aspect of it, from the geological features of stones, to the forms of states,
to even that activity of mind which is meant in the common concept of thought.
It is quite easy to see how this conception of thought overcomes, all at once, what are usually
taken to be some of the most important shortcomings of Kant’s philosophy. Indeed it not only
avoids the danger of anthropologism, but also overcomes the problem of the relation between
thought and reality: when understood as Logos, as the logic of all that is, thought not only does
not in any way depend on some presupposed human nature or anything else, but is completely
self-contained, so that it is rather the human nature which, like everything else, owes its deter-
mination to it. Secondly, by not taking thought as relative to mental life, thought ceases to be
something which has in reality a beyond, and the subjective activity of thinking becomes just one
of the various aspects of that reality which the Logos rules. Clearly, in this way, the epistemologi-
cal problem of the justification of the objective value of some subjective forms disappears, as the
forms of thought are from the very beginning objective.
So, if it is surely correct to say that Hegel’s position overcomes the Kantian limitations of
knowledge, it is also clear that presenting it as a more satisfactory solution to the problem of
the objective value of thought is highly misleading: not only because thought’s strong epistemic
status is not but a result of a more general change in its understanding, but also because, properly
speaking, Hegel’s theory is not a solution of this epistemological problem, but rather its dissolu-
tion: within its framework, this problem does not even arise. Furthermore, if one does not keep in
mind the reasons behind the fully objective status of thought, the widespread and crucial worries
about a „reduction“ of reality to the mind become inevitable: it is only when one recognizes that
thought is not to be equated to mind that Hegel’s doctrine of the identity of thought and being
ceases to seem a reduction.8

5 G. W. F. Hegel, The Encyclopaedia Logic, trans. T. F. Geraets, W. A. Suchting, and H. S. Harris, Indianapolis, 1991,
§ 20 Z. (From now on: The Encyclopaedia Logic).
6 Ibid., § 24 Z 1.
7 Ibid.
8 Schelling’s reasons for being worried about the passage to the Realphilosophie are more complex that this, but
this is irrelevant for our inquiry. On them see Alan White, Absolute Knowledge Hegel and the Problem of Metaphysics,
Athens 1983, 67–92.
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 Lorenzo Sala, Is Being Thought?   115

Hegel’s thesis of the identity of thought and being is therefore not an epistemological thesis
and should not be presented as one: it is an ontological theory whose (for many highly desirable)
epistemological consequences are nothing but the result of its removing thought from the dimen-
sion of the mind.
It is thus easy to understand why, when looking at what properly constitutes the body of
the system, one does not find any part dedicated to these kind of problems, which are simply
relegated to the various prefaces and introductory remarks: these kind of worries are engendered
by assumptions which not only Hegel does not share but, as mere assumptions, cannot dictate
philosophy’s agenda.9 Consequently, philosophy neither is nor hinges on an analysis of cognition
or of the mind; it is not an epistemology nor a philosophy of mind, but simply the immanent
determination of Logos, that „presentation of the Idea“10 which therefore clearly is an ontology.

3 The problem with Hegel’s notion of thought


Although this picture of thought and philosophy is in its powerfulness surely both fascinating and
promising, it raises a fundamental question: why should we call this universal nature „thought“?
What has this notion of thought to do with that activity we commonly refer to as „thinking“?
Indeed, it not only seems that the notion of thought we have contrasted with thought as a sub-
jective activity does not have to do much with the latter but, considering the actual structure of
Hegel’s system, it is not immediately clear what they have in common.
Now, for Hegel, philosophy starts from the indeterminate thought of being and does nothing
but determining in a presupposition-free way. Now, according to Hegel, this results in an unfold-
ing of being which proves it first to be nothing, then becoming, and so on, until, at the end of the
Logic, it proves it to be Concept and Idea. This is not true only about the Logic: even the passages
between the various branches of philosophy and the advancement within them is to be conceived
as immanent. This means that, just as with every other part of the system, everything that the
Philosophy of Spirit entails is also proven to be a necessary feature of reality, so that thought as a
subjective activity is not something which just exists contingently, but is an ontologically neces-
sary part of it, and an incredibly important one: not only it defines human life but, in its particular
modality which is philosophy, it has a fundamental role in that it is that through which the Logos
grasps itself and is therefore absolute Idea.
Now, if this is surely fascinating, it still does not answer a fundamental question: why should
this logic of reality be called thought? Indeed, even if it is in thought as we commonly understand
it that the fundamental structure of reality comes to think itself, and does so necessarily, this still
does not make clear why this should be called „thought“.11 First, although the fact that the activity
of thinking being develops without any external constraint could seem to be a reason for calling
the Logos „thought“, the fact that the necessity which leads the thought process is a logical neces-
sity would just be the consequence of Logos being the inner nature of all that is (and so also of
thought as a subjective activity, even in its philosophical form). Secondly, what we commonly call
„thought“ does not seem to be but a part and a result of a movement of reality which is for the most
part unconscious, and whose „governing the world“ does not appear to depend on thought as a
subjective activity. Therefore, to call „thought“ what „governs the world“ seems not only to name
the whole of reality for a part of it, the producer to one of its products, but also to reduce the ruler

9 This is of course true also for the Phenomenologie des Geistes: although it is not just a „preliminary remark“ and a
presentation of „facta“ like the opening paragraphs of the Encyclopaedia, but a proper necessary and scientific work,
it is not a part of the system but only an introduction to it, from which the system is independent.
10 The Encyclopaedia Logic, § 18.
11 On this, see Alfredo Ferrarin, Il pensare e l’io, Hegel e la critica di Kant, Roma 2016.
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116   Hegel-Jahrbuch 2018

to one of the things it rules. In brief, to label the fundamental structure of reality „thought“ seems
to just turn upside down what appears to be the relation between what we understand as thought
(the subjective activity) and that structure on which, in these many ways, it seems to depend.
This question becomes even more pressing when the historical context of Hegel’s philosophy
is taken into account. Indeed, if this were the whole story, Hegel’s doctrine of thought would not
be but a new label for the rationalist doctrine of the dependence of both the laws of things and of
thought as a subjective activity on the laws of being in general which characterized the metaphys-
ics of pre-Kantians rationalists like Wolff and Baumgarten: the only difference would be that what
the pre-Kantians called being is now called thought.
It is here that the meaning of the emerging of Spirit proves to be crucial. According to Hegel,
„philosophy has to cognize it [Spirit] as the result of the development of the universal concept or of
the logical Idea“12. Now, development is no neutral word for Hegel, but is a technical term which
first makes its appearance in the Science of Logic, as the specific mode of being of that Concept
which constitutes the third sphere of the Logic and is the truth of being in general. Development
differentiates Concept both from Being, with the immediacy of its moments and their Übergehen,
and from Essence, with the mediacy of its moments and the movement of positing and presuppos-
ing. Concept, as development, is structured by a movement of self-determination that, in being
its self-determination, is characterized by that autonomy which, in Hegel’s words, make it deserve
the name of „the kingdom of freedom“13. Most importantly, this freedom of the concept is not a
freedom of the universal at the expense of the particular: the concept is free in and through all of
its moments, that is, the moments of the concept are not ruled by it as something other, but are
its moments (and therefore concept) simply and just in being what they are.14 Therefore, if in the
passage to essence the immediacy of being was proved to have been an illusion, and its determi-
nation was shown to depend on something other, when we reach the Concept the having been
Concept of being does not imply any illusory nature of being’s mode of being: being was concept
right in its being just being, and nothing else, and therefore also in its übergehen which, like the
movement of essence, can from the standpoint of the concept been said to have been a modality
of development right in its being what it was (i. e. übergehen).
Accordingly, all the different stages of the logical idea, of nature and, finally, of spirit can in
the same way be called „thought“ in that they can be rightfully said to be undeveloped modes of
the dimension of Spirit: given where they necessarily lead to and how they do it, everything, from
the category of being to that of geological nature, to all the rest, is thought right in its being what it
is. To call thought what rules the world is not the result of an arbitrary choice or of a mystification:
it is being’s presuppositionless development that, according to the logic it gives itself, requires us
to call it thought.

Lorenzo Sala (PhD candidate, Università di Pisa)


lorenzo7sala@gmail.com

12 G.  W.  F. Hegel, Hegel’s Philosophy of Mind. Being Part Three of the Encyclopaedia of the Philosophical Sciences
(1830), trans. W. Wallace, together with the Zusätze in Boumann’s text (1845), trans. A. V. Miller, Oxford, 1971, § 381
(emphasis added). That Hegel means to use the word „development“ in a technical sense is confirmed by the fact that,
in introducing Spirit, Hegel expressly contrasts its emerging as development with other possible forms of passage: ac-
cording to the aforementioned § 381, Spirit emerging from nature „is not […] to be understood as a natural emergence
but as a development“ (emphasis added).
13 G. W. F. Hegel, The Science of Logic, translated by George di Giovanni, Cambridge 2015, 513.
14 On the relationship between concept and freedom, see Stephen Houlgate, „Why Hegel’s Concept Is Not the Es-
sence of Things“, in: Cardozo Pub. Law, Politics & Ethics J., 2004.
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Toru Ikeda, Chiba

Das verdoppelte Spekulative im Prozess der


Unendlichkeit
Zur Präzisierung des hegelschen Idealismus in der Umschreibung von
Wissenschaft der Logik und Enzyklopädie

Wie bekannt, hat Hegel in der zweiten Auflage die Seinslehre von WdL (1831) sowie Enz. (1827)
einen Versuch angestellt, seine Logik im Ganzen umzuschreiben. In dem vorliegenden Aufsatz
wird die hinzugefügte Textstelle in der zweiten Auflage von WdL, und zwar der Abschnitt „C. Die
Unendlichkeit“, vor allem im Zusammenhang mit den drei Seiten des Logischen, besonders dem
positiven Vernünftigen oder Spekulativen der Überlegung unterzogen. Damit sollte man sich mit
dem Problem beschäftigen, wie die dritte Stellung des Gedankens zur Objektivität, d. i. das Jacobi-
sche unmittelbare Wissen nach der zweiten Auflage Enz., mit dem Spekulativen in dem eigentlich
dialektischen Sinn des Wortes im Zusammenhang steht. In dem zweiten Teil des vorliegenden
Aufsatzes wird dagegen versucht, durch die Nachvollziehung der Struktur des Prozesses über die
Unendlichkeit, die Bedeutung und den Zweck der Umschreibung über die affirmative Unendlich-
keit zu präzisieren.

1.1 Die drei Seiten des Logischen und ihr Logozentrizmus


Die Fragestellung über den Spekulativen wird insofern hier untersucht, nicht nur zur Präzision
des Begriffs „affirmative Unendlichkeit“, sondern auch um den Überblick über die Aufgaben der
Hegelschen Dialektik, d. i. die Kritik an die Identität im Allgemeinen, näher geben kann. Dieselbe
Fragestellung besteht, wenn die Logik in der Sicht ihrer Form betrachtet wird, von drei Seite:
„α) die abstrakte oder verständige, β) die dialektische oder negativ-vernünftige, γ) die spekulative
oder positiv-vernünftige“.1 Diese drei Seiten sind Hegel zufolge kein „Teile der Logik“, sondern
„Momente jedes Logisch-Reellen, das ist jedes Begriffes oder jedes Wahren überhaupt“2. Daraus
erhellt sich, dass sie schon in der logisch-methodischen Gestalt den Hegelschen Begriff ausmacht,
und zwar so, dass jede sich zueinander als Moment der Totalität des Begriffs verhält. Der Verstand
als Denken drückt Hegel zufolge die feste Bestimmtheit und die Unterschiedlichkeit derselben
gegen andere dar, während das negative Vernünftige oder das sogenannte Dialektische „das eigene
Sichaufheben solcher endlichen Bestimmungen und ihr Übergehen in ihre entgegengesetzten“ 3
darstellt. Da diese drei Momente auch als Totalität des Begriffs seiner Struktur in sich annehmen,
könnte daraus zu schließen sein, dass jedes Moment in dem ganzen triadischen Zusammenhang
des Begriffs als das Logisch-Reelle seinen eigenen funktionell-ontologischen Platz einnimmt; das
Denken als Verstand kann, so könnte man formulieren, insofern für das Prinzip der Bestimmung

1 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse 1830, Frankfurt am Main 1970, § 79.
2 Ebd.
3 Ebd., § 81.
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118   Hegel-Jahrbuch 2018

der Einzelheit als abstrakte Allgemeine im Element des „Vorbegriffs“ von Enz. gehalten werden,
als er seine Tätigkeit darin setzt, „ihrem Inhalt die Form der Allgemeinheit zu erteilen, und zwar
ist das durch den Verstand gesetzte Allgemeine ein abstrakt Allgemeines, welches als solches dem
Besonderen gegenüber festgehalten, dadurch aber auch zugleich selbst wieder als Besonderes
bestimmt wird“.4 Das Dialektische oder negative Vernünftige drückt dagegen die Besonderheit
des Begriffs in der methodologischen Sicht aus, die sich wegen seines negativen Resultats in der
Gestalt vonm Skeptizismus und der kantischen Philosophie gestaltet. Dieses Moment stellt einer-
seits die Wahrheit des Denkens als Verstandes dadurch dar, dass es, indem es die Selbstaufhebung
des Endlichen verwirklicht, „die Einseitigkeit und Beschränktheit der Verstandesbestimmungen
sich als das, was sie ist, nämlich als ihre Negation darstellt“.5 Andererseits bleibt, so kann man
sagen, es noch unter die Initiative des Verstandes stehen, weil sein Resultat, wie in der Kantischen
Dialektik gezeigt, das Negative ist.
Das dritte Moment, das Spekulative „faßt die Einheit der Bestimmungen in ihrer Entgegen-
setzung auf, das Affirmative, das in ihrer Auflösung und ihrem Übergehen enthalten ist“.6 Als
Einheit zwei vorhergehenden Momenten hält es diese entgegengesetzten Momente zusammen,
als dass das Affirmative nach der Auflösung des Widerspruchs als ein Allgemeine, aber nicht abs-
traktes, sondern ein neues Unmittelbares zustande kommt. In diesem Sinne hat es eine beson-
dere Bedeutung in der Philosophie Hegels; das Spekulative ist nämlich wichtig darum, weil es die
Aufgabe sowie den Gegenstand der Hegelschen Philosophie bestimmt. Nach der Nachschrift der
Vorlesung wird darüber so berichtet:

Das speculative ist in so fern es gedacht wird. Es ist die Einheit entgegengesetzter Bestimmungen die sich Auf-
lösen; die speculation ist auch bestimmtes Denken, aber Zusammenfassen des andern des einen einseitigen
Bestimmtheit. – Der Verstand, die Reflexion ist nur das Trennen. Die speculative Vernunft vereinigt wieder das
getrennte und stellt die Anschauung in Gedanken wieder her. Die Speculation hat den Kampf mit dem Verstand.
Die Festigkeit sich widerstreben in einem zusammen zu faßen. Das auseinandergehaltene zu binden ist die
Speculation. 7

Hegel zufolge liegt der Vorrang des Spekulativen darin, dass die Spekulation, indem sie die vom
Verstand entgegengesetzten Bestimmungen zusammenfasst, die dem Verstand unterliegende
Anschauung oder Vorstellung zu dem Gedanken erheben kann. Aber solches Zusammenhalten
bedeutet kein einfaches, formelles Sammeln der gegensätzlichen Momenten, deren Verschieden-
heit nach der Vereinigung derselben als solche vernichtet werden wie bei der Schellingischen
Identitätsphilosophie, sondern es macht die dialektische Selbstnegation der von dem Verstand
gesetzten Bestimmungen, die sich nach der Einheit derselben zu dem Moment der Totalität des
Begriffs herabgesetzt und damit sich erhält, nachdem das neue Element als positives Resultat
der spekulativen Vereinigung zum Vorschein kommt. In diesem Sinne hat das Spekulative in der
Hegelschen Philosophie eine besondere Wichtigkeit, weil es den Kampf mit dem Verstand führt,
insofern der Verstand auf das Prinzip der abstrakten Denkgesetze beruht, wie bei dem Satz der
Identität, Satz vom Widerspruch, Satz vom ausgeschlossenen Dritten und dem Satz von zureichen-
dem Grunde, begründet, die alle als Maßstab der Wahrheit die den Widerspruch ausschießende
Identitätsform des endlichen abstrakten Denkens voraussetzt. Die Spekulation im Hegelschen
Sinne stellt dagegen das Prinzip der Aufhebung des Widerspruchs in der Sicht des Zusammen-
haltens des Gegensätzlichen dar, wodurch das Affirmative als Resultat der Entwicklung der drei
Seiten als Totalität hervorgebracht wird; das Affirmative ist nämlich das Durchführen der dyna-
mischen Selbstbeziehung der Negation selbst, das im endlichen Element der Denkbestimmung

4 Ebd., Zusatz von § 80.


5 Ebd., § 81.
6 Ebd., § 82.
7 G.  W.  F. Hegel, Vorlesungen über die Wissenschaft der Logik I: Nachschriften zu den Kollegien der Jahre 1801/02,
1817, 1823, 1824, 1825 und 1826, in: GW 23.1, Hamburg 2013, 231.
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 Toru Ikeda, Das verdoppelte Spekulative im Prozess der Unendlichkeit   119

den Prozess zum Unendlichen ausarbeitet und die Negation von gewissen Bestimmungen ver-
wirklicht. Die logische Reihe der drei Seiten des Logischen ist daher nicht willkürlich, sondern sie
stellt die Notwendigkeit ihrer prozessierenden Totalität dar, insofern der Widerspruch und seine
Aufhebung das kritische Prinzip der Hegelschen spekulativen Philosophie zu dem identischen
Denken des Verstandes ausmacht.

1.2 Die Aporie des Spekulativen in der Sicht seiner Verdoppelung


Hier entsteht eine interpretatorische Frage über das Spekulative im Zusammenhang mit der in der
zweiten Auflage Enz zugefügten Textstelle, d. i. die Behandlung des Jacobischen unmittelbaren
Wissens von der dritten Stellung des Gedankens zur Objektivität. Wie bekannt, hat Hegel zwar in
der ersten Auflage Enz zwei vorhergehende Stellungen zur Objektivität, d. i. die Verstandes-Meta-
physik und die Kantische kritische Philosophie ohne Veränderung des Gehalts der drei Seiten des
Logischen behandelt; daraus könnte es leicht zu schließen sein, dass das Spekulative ausschließ-
lich Hegels eigene eindeutige Position darstellen würde. Aber in der zweiten Auflage Enz scheint
der theoretische Umstand in Wirklichkeit viel komplizierter als es sich zunächst zeigt, weil sich
die dritte Stellung auf die Jacobische Fragestellung zurückführen lässt, und zwar auf die Stellung,
dass sie durch die Kantische schlecht unendliche Vermittlung der Reihe der Kausalität die Fähig-
keit, in das unmittelbare Wissen durch die Sinnlichkeit zu gelangen, haben sollte.8
Theoretisch überlegt, könnte diese Umschreibung aber m. E. für einen Versuch Hegels, die
theoretische Kohärenz zu erhalten und dadurch den Jacobischen kosmologischen Beweis vom
Dasein Gottes als abstrakte Einheit ohne den dialektischen Vermittlungsprozess zu kritisieren,
gehalten werden, weil diese drei Momente Hegel zufolge unter der Initiative des Verstandes in die
abstrakten, äußerlichen Verhältnisse zurückfällt: „Sie (die drei Seite des Logischen, Verf.) können
sämtlich unter das erste Moment, das Verständige, gesetzt und dadurch abgesondert auseinan-
dergehalten werden, aber so werden sie nicht in ihrer Wahrheit betrachtet“.9 Aber in der theoreti-
schen Stufe des „Vorbegriffs“ kann man nicht präzisieren, wie das Verständige in der Darstellung
von WdL in der Verflechtung der wahrhaften Totalität des begrifflichen der drei Seiten des Logi-
schen funktioniert, weil seine Analyse nur noch „antizipiert und historisch“ bleibt. Deswegen
ist es hier notwendig, sich an die Darstellung über die Unendlichkeit der zweiten Auflage WdL
zu wenden, wo jede Formen der Unendlichkeit, wie die schlechte, verrufene und affirmative, im
engen Zusammenhang mit der prozessierende Entfaltung der hier behandelten Darstellung über
die drei Seiten steht und deswegen als der grundlegende Schlüssel zum Verständnis der gesamten
Struktur der Logik Hegels gehalten werden kann.

8 H. L. Lucas vertrat eine solche These in Bezug auf die logische Entsprechung zwischen der dritten Stellung zur
Objektivität und den drei Seiten des Logischen, und gestand die Schwierigkeit, dass solche logische Entsprechungs-
interpretation nicht konsequent wird, wenn die dritte Seite des Logischen sich auf Hegels Position zurückführen
lässt. Hans-Christian Lucas, „Zum Problem der Einleitung in Hegels enzyklopädisches System: ‚Vorreden‘, ‚Einlei-
tung‘ und ‚Vorbegriff‘ der Logik zwischen 1817 und 1830“, in: Hegels enzyklopädisches System der Philosophie : von der
„Wissenschaft der Logik“ zur Philosophie des absoluten Geistes, hg. v. H. C.Lucas, B. Tuschling, U. Vogel, Stuttgart- Bad
Cannstatt 2004, 63 ff.
9 G. W. F.Hegel, ebd.§ 79.
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120   Hegel-Jahrbuch 2018

2.1 Q
 ualitative Unendlichkeit oder die Wechselbestimmung als
schlechte Unendlichkeit
Es handelt sich in dem zweiten Abschnitt „b. Wechselbestimmung des Endlichen und Unendli-
chen“ darauf, drei Punkte wegen der von dem Verstand bestimmten Unendlichen zu präzisieren:
1) das Gehalt der qualitativen Unendlichkeit, 2) die Rolle des Verstandes und 3) die Struktur des
Progress ins Unendliche, die alle in die zweite Seite des Logischen, d. i. das das Dialektische oder
das Negativ-Vernünftige fallen würde.
Die Beziehung des affirmativen Unendlichen auf sein Anderes, d. i. die Endlichkeit wieder-
holt die schon aufgehobene Fragestellung über etwas und Anderes vom Dasein, und deswegen
wird sie Hegel zufolge als „qualitative“ bezeichnet. Die Bestimmung, die das Wesen eines Sei-
enden durch das daseinslogische Prinzip als Andere seiner selbst begründet, kann als qualita-
tiv bezeichnet werden, insofern sie als „für sich bestehend“10 ist. Daraus folgt, dass die Bezie-
hung zwischen beiden wie im Dasein überhaupt endlich und äußerlich, weil das Unendliche für
sein Wesen, d. i. die negative Selbstbeziehung auf sich selbst, um als solches zu existieren, sein
Anderes ausschließt; es wird deswegen Hegel nach „nur ein bestimmtes, selbst endliches Unendli-
ches“ bestimmt, weil das Unendliche wie im Dasein nur als Grenze zu dem Endlichen in Betracht
gezogen wird, und das Endliche außer ihm als der anderen Welt sein Bestand erhält, während das
Unendliche sich jenseits dem Endlichen hervorhebt. Die Unendlichkeit entspricht so nicht mehr
seinem Begriff. Sie verwandelt sich deswegen entfremdet in das schlechte Unendliche.
Dieses schlechte Unendliche wird Hegel zufolge auch ausdrücklich als „das Unendliche des
Verstandes“11 bestimmt, weil seine Unangemessenheit, das widersprüchliche Verhältnis in der
Unendlichkeit zu begreifen, der Natur des Verstandes, dass er als das Prinzip der abstrakten Iden-
tität an die fixe Bestimmtheit, in diesem Fall an das Begriffspaar „das Unendliche und Endliche“
ohne Vermittlungsprozess festhält, selbst eigen ist.
Das verständlich, negativ vernünftige Denken hat deswegen seit Kant gegen alle anderen
Wahrheitslehren den Progress ins Unendliche als „Letztes“12 vor. Mit der Auffassung desselben
Progresses aber, dass das Endliche sich nach seiner Natur zu dem Unendlichen hinausgeht, aber
dieses Hinausgehen, da das Unendliche als qualitatives, selbständiges Sein mit der Grenze behaf-
tet ist, sich zu dem Endlichem, d. i. seinem Anfang zurückfällt, kann man zwar den Widerspruch
desselben nicht auflösen, sondern er „immer nur als vorhanden ausgesprochen wird“,13 aber
daraus ergibt sich der paradoxe Umstand, dass das Endliche, indem es über sich selbst zu dem
Unendlichen hinausgeht, in Wirklichkeit dort nicht hinausgegangen sein kann.

2.1.1 D
 ie affirmative Unendlichkeit: Die abstrakte Einheit als Verfälschung der affirmativen
Unendlichkeit durch den Verstand

Die Methode der abstrakten, verständigen Einheit zwischen Endlichen und Unendlichen liegt in
dem äußerlichen Vergleich des Verstandes zwischen beiden Momenten. Das heißt, dass die wech-
selwirkenden beiden Momente zur Ableitung der „schiefen“ oder „verrufenen“14 Einheit nicht in

10 G. W. F. Hegel, ebd., 131.


11 Ebd.
12 Ebd.,155.
13 Ebd.
14 Ebd.,157.
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 Toru Ikeda, Das verdoppelte Spekulative im Prozess der Unendlichkeit   121

der Sicht des inneren Vermittlungsprozesses derselben beiden Momente, sondern durch das abs-
trakte Verfahren, dass jede Verwandlung in sein Gegenteil nach den zwei Betrachtungsweisen,
d. i. des Endlichen und Unendlichen in ihrer Beziehung und ihrer jedes für sich genommen, ihre
Bestätigung findet, in Betracht gezogen werden; daraus ergibt sich nämlich die abstrakte Einheit
ohne den Vermittlungsprozess zwischen Endlichen und Unendlichen; wenn von dem Unendli-
chen ausgegangen, das Unendliche soll, so Hegel, die Grenze in sich haben, deswegen wird es
endlich. Aber als solches bleibt das Unendliche Ansichsein jenseits des Endlichen; dagegen sollte
das Endliche, insofern dieses außer jenes seinen eigenen Bestand hat, die gleiche Selbständigkeit
wie das Unendliche erhalten. Das ist aber gerade das, was Hegel als Verfahren des Verstandes in
der Darstellung über die drei Seiten des Logischen kritisiert hat.15
Daraus folgt als Resultat, dass der Unterschied zwischen Unendlichen und Endlichen als
dialektisch-genetisches Moment in dieser abstrakten Einheit einfach verschwindet, und zwar ;
sie könnte deswegen in das bewegungslose Substrat zurückfallen, worin es zwar kein qualitativer
Unterschied beider Momente gibt, aber solche bewegungslose Selbstgleichheit mit den gleichfalls
bewegungslos Seienden niemals im Hegelschen Sinn als Prozess des affirmativen Unendlichen
bezeichnet werden kann. Aber ohne solch eine dialektische Bewegung als Prozess kann die affir-
mative Unendlichkeit nicht zustande kommen.

2.1.2 Die affirmative Unendlichkeit als das spekulative Werden

Der Begriff „die affirmative Unendlichkeit“ ist Hegel zufolge schon implizit in dem unendlichen
Progress aufgetreten, aber er war so in der von dem Verstande verfälschten Form. Was wir hier
brauchen, ist, den Träger dieses Progresses, d. i. des Unendlichen und des Endlichen, nicht als
fürsich Existierende, wie die atomistische Monade Leibniz, sondern als Moment des zu sich
zurückkehrenden Prozesses aufzufassen.
Die Struktur des unendlichen Progresses kommt zustande, indem beide Träger des Progres-
ses, als qualitativ verschiedene Existenzen gehalten werden; das Endliche geht zwar dabei zu
dem Unendlichen durch die Selbstnegation hinaus, aber dieses verfällt wieder einfach nur in das
Endliche, denn das Unendliche wird hier als ein fürsich Existierende, d.  i. ein von der Grenze
bestimmte, endliches Unendliche gehalten. Das Problem der Wechselbestimmung liegt daher
darin, dass man logisch gesehen die Unendlichkeit als solche adäquat nicht bestimmen kann,
weil diese in dem eigentlichen Sinn zu sich selbst nicht zurückkommen kann. Der unendliche
Progress stellt m. E. nur die Nichtigkeit des Unendlichen in der Form des perennierenden Sollens
dar. Wenn eine solche Sachlage ontologisch oder theologisch bedacht wird, so könnte daraus
leicht geschlossen werden, das sie zu dem Kantische Agnostizismus einschließlich seiner moder-
nen Varianten, die jenseits des Endlichen ihren logisch-ontologische Grund der Wahrheit als sein
Anderes setzt, führt.
Die Aufhebung des unendlichen Progresses besteht Hegel zufolge nun darin, durch die
gegenseitige Vermittlung beider Träger, d. i. des Unendlichen und des Endlichen, das unmittel-
bare Fürsichsein ihrer Existenz zu dem Moment der Totalität eines Prozesses herabzusetzen:

So ist beides, das Endliche und das Unendliche, diese Bewegung, zu sich durch seine Negation zurückzukehren;
sie sind nur als Vermittlung in sich, und das Affirmative beider enthält die Negation beider und ist die Negation
der Negation.16

15 Die Kritik an die abstrakte Einheit wird in der Darstellung über das „Werden“ in der zweiten und dritten Auflage
Enz gefunden. Vgl. G. W. F. Hegel, ebd. § 88.
16 G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik I, 162.
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122   Hegel-Jahrbuch 2018

Jede Momente treten so nur vermittels ihres Gegenteils, d. i. seiner ersten Negation, aber ebenso
dann vermittels des Aufhebens ihres Gegenteils, d. i. seiner zweiten Negation hervor. Sie machen
so einen Prozess dieser verdoppelten Vermittlungsbewegung, worin die beiden Momente ihre qua-
litative Bestimmtheit verlieren. Hier gibt es, genau genommen, weder Anfang, noch Ende, sondern
nur den Kreislauf eines Prozesses, aber die Rückkehr jedes Moments zu sich ist keine einfache
Wiederherstellung des anfänglichen Moments, sondern eine Realisierung seiner selbst, weil jede
Momente, indem sie ihr Gegenteil in sich enthält und ihn aufhebt, ihr Wesen zu der affirmativen
Unendlichkeit haben können. Und wie schon gezeigt, solches Zusammenhalten seines Gegenteils
in einer Totalität macht auch die Definition des Spekulativen der drei Seiten des Logischen aus.

3 Schluss
Das affirmative Unendliche ist, so Hegel, „das nun in seinen Momenten weiter bestimmte Werden“.17
Die Kategorie „Werden“ ist aber, wie im ersten Kapitel über die Analyse des reines Seins gezeigt,
die erste Definition des Absoluten als des Begriffs, die Hegel auf die Heraklitsche Logos-Konzep-
tion zurückführt.18 Daraus kann man schließen, dass das affirmative Unendliche als das erfüllte
Spekulative im Element des Daseins auf dem Hegelschen dialektischen Idealismus als Wahrheit
allen Endlichen beruht, insofern das Unendliche als das Absolute einer theologischen Frage, „wie
das Unendliche aus sich heraus und zur Endlichkeit komme“, eine hier dargestellte Antwort geben
kann, weil der Idealismus Hegel nach in der Form des affirmativen Unendlichen als ein Prozess
die Wahrheit des Endlichen ausmacht.

Toru Ikeda
Coppistr. 20, 10365 Berlin
iketo03@kde.biglobe.ne.jp

17 Ebd., 164.
18 Vgl. ebd., 84. Enzyklopädie, Zusatz von § 88, 89.
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Stefan Köchel, Graz, Klagenfurt

Hegels anthropologischer Gesichtspunkt


Eine Annäherung

„So müßte ich ein Engel und kein Autor sein“


(Theodor W. Adorno)

Die Rede von der „Inferiorität der Anthropologie“ in Hegels Enzyklopädie der philosophischen
Wissenschaften im Grundrisse ist ihrerseits zweideutig. Quantitativ verweist sie nüchtern auf das
Faktum, dass Hegel einer andernorts Bücher füllenden Disziplin lediglich ein paar wenige Seiten
widmet; qualitativ indes kritisiert sie die besagte Inferiorität explizit als „Folge [eines] dem Geiste
nicht angemessenen methodischen Naturalismus in der Thematisierung des Menschen“1, das
heißt als fragwürdige anthropologische Metaphysik,2 die sich sonach nicht lediglich auf Hegels
Jugendschriften beschränke. Die vorliegende Arbeit möchte diese Kritik an Hegel zwar nicht gänz-
lich zurückweisen, doch immerhin ein wenig zu relativieren respektive zu differenzieren versu-
chen, indem sie die Anthropologie im Darstellungskontext der Hegelschen Philosophie kontu-
riert. Die Konturierung indiziert gleichsam eine Verschiebung des Problembestandes, weg aus der
Philosophie des Geistes, hin zur Wissenschaft der Logik und jenseits.

1 Über Anthropologie
Der Vorwurf einer anthropologischen Metaphysik entzündet sich bereits unmittelbar an § 388 der
Hegelschen Enzyklopädie, wonach „die Natur an ihr selbst als das Unwahre sich aufhebt und der
Geist so sich als diese nicht mehr in leiblicher Einzelheit außer sich seiende, sondern in ihrer
Konkretion und Totalität einfache Allgemeinheit voraussetzt, in welcher er Seele, noch nicht Geist
ist“.3 Das vermeintliche Skandalon der Hegelschen Ausführungen sei es demnach, dass die Seele,
die Hegel im Fortgang schließlich in die natürliche, die fühlende und die wirkliche differenzieren
sollte, zugleich als an die Natur, mithin an den menschlichen Körper gebunden und – als Geist –
zwar als noch nicht freier Geist, aber eben doch als vom Geist sich selbst vorausgesetzter noch
nicht freier Geist  – als vom Körper unabhängig definiert wird, sonach in einer eigentümlichen
„Zweideutigkeit“4, die in nuce bereits anhand des Hegelschen Synonyms des Naturgeistes zum
Ausdruck komme.
In der Tat entspricht eben dies der Zweideutigkeit der Hegelschen Anthropologie als solcher.
Gleichwohl unterstellt die eingangs zitierte Kritik eine zweideutige naturalistische Thematisie-
rung des Menschen, so, als wäre der Mensch an und für sich bereits der Gegenstand der Hegel-
schen Anthropologie, und eben nicht die Seele oder der Naturgeist, den Hegel als die „Grundlage

1 Vgl. Manfred Baum, „Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Geist und Seele in der Anthropologie“, in: Philosophische
Anthropologie im 19. Jahrhundert, hg. v. Friedhelm Decher, Jochem Hennigfeld, Würzburg 1992, 64–65.
2 Vgl. Justus Schwarz, Die anthropologische Metaphysik des jungen Hegel, Königsberg 1924.
3 G.  W.  F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Dritter Teil. Die Philosophie des
Geistes. Mit den mündlichen Zusätzen. Werke 10, Frankfurt am Main 2014, 43.
4 Vgl. Baum, „Hegel“, a. a. O. (Anm. 1), 64.
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124   Hegel-Jahrbuch 2018

des Menschen“ bezeichnet, „notwendig eine noch unvermittelte, noch nicht gesetzte [Realität]“.5
Dieser „Schlaf des Geistes, – der passive nous des Aristoteles“6, liege dem subjektiven Geist des
wahrnehmenden Anthropologen als Gegenstand zu Grunde, das heißt ohne dass dieser Anthro-
pologe einen Gegenstand „Mensch“ bereits sich zum (begrifflichen) Gegenstand gemacht hätte.
Der Witz, oder wie es an dieser Stelle formuliert sein darf: die „List“ des Hegelschen Begriffs
der Anthropologie als solcher ist es demnach,7 dass diese so genannte Anthropologie als stumme
Beobachtung im Grunde weiter als nur irgendetwas von einer Metaphysik entfernt ist; dass sich
uns gar die Frage aufdrängt, ob respektive inwiefern wir überhaupt bereits von einer Wissenschaft
der Anthropologie in einem uns heute geläufigen Sinne werden sprechen können. Dennoch bezie-
hungsweise eben deshalb trifft die Rede einer „Inferiorität“ der Anthropologie hier ganz gut zu,
oder wie es bereits Odo Marquard nannte: eine „Degradierung der Anthropologie“; – eine Degra-
dierung, welche „die Anthropologie zwang, in den Zusammenhang der Geschichtsphilosophie
wieder einzutreten“.8 Denn für Hegel ist Geschichte eben nicht lediglich Weltgeschichte, sondern
zugleich die Explikationsform des subjektiven, objektiven und absoluten Geistes schlechthin;
Geistesgeschichte, nicht in jenem laxen, seit Dilthey gebräuchlichen Sinne, sondern als das, was
wir geschichtlich je sind, und wofür Hegel verschiedene Begriffe verwendet, etwa „Geschichtlich-
keit“9, „Fortschritt“ oder „Dialektik“. In diesem Sinne ist letztlich alle Philosophie, alle philoso-
phische Wissenschaft Geschichtsphilosophie des Geistes, deren Zusammenhang Hegel wiederum
als das System oder eben als die Enzyklopädie bezeichnet.
Das degradierende Eintreten der Anthropologie in den Zusammenhang der Geschichtsphi-
losophie ließe sich nun detailliert mit Hegel rekonstruieren, über das Empfinden der natürlichen
Seele, „die Form des dumpfen Webens des Geistes in seiner bewusst- und verstandlosen Indivi-
dualität“ (§ 400), über die Gewohnheit der fühlenden Seele als bloßer „Mechanismus des Selbst-
gefühls“ (§  410) bis hinein in das sprachliche „Erwachen zum Ich“ (§  412), der Gewissheit des
subjektiven Geistes als wirkliche Seele,10  – womit indes die Grenze der Anthropologie zur Phä-
nomenologie bereits überschritten wäre, die so genannte Wissenschaft der Anthropologie mithin
im Augenblick ihres Begreifens vergangen. Enzyklopädisch wäre denn auch die Phänomenologie
das Hegelsche Selbstbewusstsein, über Anthropologie zu schreiben: „Im unmittelbaren Selbst-
bewußtsein ist das einfache Ich der absolute Gegenstand, welcher aber für uns oder an sich die
absolute Vermittlung ist und die bestehende Selbständigkeit zum wesentlichen Moment hat.
Die Auflösung jener einfachen Einheit ist das Resultat der ersten Erfahrung; es ist durch sie ein
reines Selbstbewußtsein und ein Bewußtsein gesetzt, welches nicht rein für sich, sondern für ein
anderes, d. h. als seiendes Bewußtsein oder Bewußtsein in der Gegenwart der Dingheit ist. Beide
Momente sind wesentlich; – da sie zunächst ungleich und entgegengesetzt sind und ihre Refle-
xion in die Einheit sich noch nicht ergeben hat, so sind sie als zwei entgegengesetzte Gestalten des
Bewußtseins; die eine das selbständige, welchem das Fürsichsein, die andere das unselbständige,
dem das Leben oder das Sein für ein Anderes das Wesen ist; jenes ist der Herr, dies der Knecht.“11
Die einzig wahrhafte Methode des Hegelschen Systems wäre sonach eine in ihrem Fortgang
mit ihrem Inhalt selbst identische. In der Tat jedoch verbleibt eben diese Methode von Hegel ledig-
lich erhofft, in Aussicht gestellt. Hegel schreibt sowenig phänomenologisch über Anthropologie
wie psychologisch über Phänomenologie; vielmehr sind die einzelnen Wissenschaften in der

5 Vgl. Hegel, Enzyklopädie. Werke 10, a. a. O. (Anm. 3), 40.


6 Vgl. Hegel, Enzyklopädie. Werke 10, a. a. O. (Anm. 3), 43.
7 Vgl. Achim Lohmar, Anthropologie und Vernunftkritik. Hegels Philosophie der menschlichen Welt, Paderborn u. a.
1997, 18.
8 Vgl. Odo Marquard, „Zur Geschichte des philosophischen Begriffs ‚Anthropologie‘ seit dem Ende des achtzehnten
Jahrhunderts“, in: Odo Marquard, Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie. Aufsätze, Frankfurt am Main 1992,
131–132.
9 Vgl. Walter Jaeschke, Hegel-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, Stuttgart 2005, 352–353 u. 404 ff.
10 Vgl. Hegel, Enzyklopädie. Werke 10, a. a. O. (Anm. 3), 97 ff.
11 G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes. Werke 3, Frankfurt am Main 2014, 150.
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 Stefan Köchel, Hegels anthropologischer Gesichtspunkt   125

Enzyklopädie gleichermaßen lediglich vorgestellt und also distanziert beschreiben, „etwas Anti-
zipiertes“12 und somit aber „eine äußerliche Zweckmäßigkeit der Anordnung und Einrichtung“13.
Hegels Methode der Vorstellung oder Beschreibung der einzelnen Wissenschaften ist keine einzig
wahrhafte, sondern ein Idealismus der Darstellung, der erst gar keine Verständigung und Recht-
fertigung bemüht, sondern sich eingestandenermaßen auf die Unterstellung begrifflicher Über-
gänge beschränkt, die sich als solche wenigstens von der Willkür anderer, traditioneller Wissen-
schaften und philosophischer Manieren unterschieden.14

2 Anthropologie oder Philosophie


Die Grundlage des Menschen, der Schlaf des Geistes als passiver nous, sei der Gegenstand der
Anthropologie. Darüber wäre eben diese Grundlage der Gegenstand des Gegenstands der enzy-
klopädischen Phänomenologie, das heißt ein vermittelter unmittelbarer, ein nichtidentischer,
unterdrückter, verdinglichter Gegenstand, als solcher aber eine Art Widerstand eben dieser Phä-
nomenologie selbst. Dem kritischen Leser Hegels ist augenblicklich gewahr, dass sich der Kontext
der Geschichtlichkeit, des Fortschritts oder der Dialektik gar nicht auf den von Herrschaft und
Knechtschaft reduziert, vielmehr dass der Widerstand der Phänomenologie schlechthin identisch
ist mit der Idee der Philosophie als Darstellung einer Wissenschaft als Ganzes. Dies aber bedeu-
tet: Anthropologie oder Philosophie nach Hegel, „die wahre Gestalt, in welcher die Wahrheit
existiert“15, ist nicht systematisch, die Seele als Ding oder Gegenstand nicht passiv, mithin das
Erkenne dich selbst nicht absolut geboten.
In der Tat ist an einigen Stellen seines Werkes Hegel selbst sein eigener, erster kritischer
Leser, und zwar stets, wenn respektive wo Hegel selbst über die Vorstellung oder Beschreibung
der Wissenschaften in Relation zu ihren Gegenständen schreibt und also tatsächlich soweit als
möglich eine Verständigung und Rechtfertigung seines Vorgehens bemüht. Das heißt die Methode
oder Rhetorik dieser wenigen Vor- oder Einschreibungen Hegels mündet, wie im Folgenden aus-
zugsweise zitiert, konsequenterweise in eine der Ambiguität und der Verneinung ein: „Die Idee
aber erweist sich als das schlechthin mit sich identische Denken und dies zugleich als die Tätig-
keit, sich selbst, um für sich zu sein, sich gegenüberzustellen und in diesem Anderen nur bei
sich selbst zu sein. So zerfällt die Wissenschaft in die drei Teile:“16 Logik, Naturphilosophie und
Philosophie des Geistes. Es ist entscheidend, Hegel hier beim Wort zu nehmen: Die Idee erweist
sich als Zerfall. Die Idee als die Geschichtlichkeit, der Forschritt oder die Dialektik erweist sich
als der Grundriss, „als ein in sich zurückgehender Kreis, der keinen Anfang […] hat“17. Sofern
Hegel an anderer Stelle dennoch explizit von einem solchen Anfang schreibt, so müsse dieser
„entweder ein Vermitteltes oder Unmittelbares sein, und es ist leicht zu zeigen, daß er weder das
eine noch das andere sein könne; somit findet die eine oder die andere Weise des Anfangens
ihre Widerlegung. […] Das Anfangen als solches […] bleibt als ein Subjektives in dem Sinne einer
zufälligen Art und Weise“18. László Tengelyi hat darauf aufmerksam gemacht, dass der Grundriss
mit Hegel entsprechend auch als das Grundlose bezeichnet werden kann,19 zumal Hegel in der

12 Vgl. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Erster Teil. Die Wissenschaft der Logik.
Mit den mündlichen Zusätzen. Werke 8, Frankfurt am Main 2014, 63.
13 Vgl. Hegel, Enzyklopädie. Werke 8, a. a. O. (Anm. 11), 11.
14 Vgl. Hegel, Enzyklopädie. Werke 8, a. a. O. (Anm. 11), 11–12.
15 Vgl. Hegel, Phänomenologie, a. a. O. (Anm. 10), 14.
16 Hegel, Enzyklopädie. Werke 8, a. a. O. (Anm. 11), 63–64.
17 Vgl. Hegel, Enzyklopädie. Werke 8, a. a. O. (Anm. 11), 63.
18 G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik. Erster Teil. Werke 5, Frankfurt am Main 2014, 65.
19 Vgl. László Tengelyi, „Der Grund und das Grundlose in Hegels Logik der Andersheit“, in: Von Hegel zur philosophi-
schen Anthropologie. Gedenkband für Christa Hackenesch, Würzburg 2012, 33–42.
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126   Hegel-Jahrbuch 2018

Tat an anderer Stelle formuliert: „Wenn […] auch gesagt wurde, was existiert, hat einen Grund und
ist bedingt, so müsste auch ebenso gesagt werden: es hat keinen Grund und ist unbedingt.“20 Und
eben dieser Hegel folgert konsequenterweise: „Die Natur eines Grundrisses schließt nicht nur eine
erschöpfendere Ausführung der Ideen [der Einzelwissenschaften, S. K.] ihrem Inhalte nach aus,
sondern beengt insbesondere auch die Ausführung ihrer systematischen Ableitung“.21 Folglich
sei es auch nicht der Grundriss als solcher, der Hegel respektive seinen Lesern buchstäblich etwa
in Form und Inhalt der Publikationen einer Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im
Grundrisse „in Betrachtung“ kommt, sondern, wie bereits zitiert, „bloß eine äußerliche Zweck-
mäßigkeit der Anordnung und Einrichtung“, das heißt die Vorstellung der Einteilung der Wissen-
schaft als „etwas Antizipiertes“. „Die Vorstellung der Einteilung hat daher das Unrichtige, daß sie
die besonderen Teile oder Wissenschaften nebeneinander hinstellt, als ob sie nur ruhende und in
ihrer Unterscheidung substanzielle, wie Arten, wären.“22

3 Über Philosophie
Hegel schreibt sowohl deskriptiv über Anthropologie als auch selbst-kritisch, anthropologisch
oder philosophisch. Indes schreibt Hegel eben auch und insbesondere über Philosophie nicht
nur des subjektiven und des objektiven, sondern letztlich auch des absoluten Geistes, das heißt
über die Idee der Philosophie nicht lediglich als Erweis respektive Zerfall, sondern als Darstel-
lung einer Wissenschaft als Ganzes, – welche die Anthropologie zu ihrem Anfang degradiert. Mit
der Degradierung der Anthropologie indes erklärt Hegel den Grundriss so selbstverständlich wie
plötzlich zum philosophisch privilegierten „Standpunkt“, das heißt zu einem „Anfang“, der „nur
eine Beziehung auf das Subjekt, als welches sich entschließen will zu philosophieren, […] hat“.23
An die systematische Ableitung der Ideen der Einzelwissenschaften erhebt Hegel entsprechend
auch den Anspruch, „das enthalten [zu müssen], was man unter dem Beweise verstand und was
einer wissenschaftlichen Philosophie unerläßlich ist.“24
Methodisch, rhetorisch unterscheiden sich diese enzyklopädischen Bemerkungen über Phi-
losophie einmal mehr gar nicht von jenen über Anthropologie. Dennoch beziehungsweise viel-
mehr eben deshalb stellt sich dem kritischen Leser Hegels die Frage, wie der Autor dazu kommt,
Philosophie derart herrschaftlich zu beanspruchen, das heißt  – und wie bei Hegel besonders
deutlich sich zeigt, dass und wie es die Perspektive nunmehr um hundertundachtzig Grad zu der
über Anthropologie wendet  –, derart eminent anthropologisch. Konsequenterweise findet sich
in der Einleitung des Hegelschen Systems tatsächlich auch ein Passus, anhand dessen der Autor
diesen seinen Anspruch an Philosophie, seinen Anspruch, über Philosophie zu schreiben, expli-
ziert; und bildet die Wissenschaft der Logik den ersten Teil dieses Systems, so handelt es sich
genauer gesehen um deren Einleitung: „Was daher in dieser Einleitung vorausgeschickt wird, hat
[…] den Zweck, […] durch einige Erläuterungen und Reflexionen in räsonierendem und histori-
schem Sinne den Gesichtspunkt, aus welchem diese Wissenschaft zu betrachten ist, der Vorstel-
lung näherzubringen.“25 Das heißt es soll „versucht werden, das, was zum Einteilen erforderlich
ist, zum voraus im allgemeinen verständlich zu machen, obgleich auch dabei ein Verfahren der

20 G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik. Zweiter Teil. Werke 6, Frankfurt am Main 2014, 122.
21 Hegel, Enzyklopädie. Werke 8, a. a. O. (Anm. 11), 11.
22 Ebd., 64.
23 Ebd., 63.
24 Ebd., 11.
25 Hegel, Wissenschaft der Logik. Erster Teil, a. a. O. (Anm. 17), 35–36.
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 Stefan Köchel, Hegels anthropologischer Gesichtspunkt   127

Methode in Anspruch genommen werden muß, das seine volle Verständigung und Rechtfertigung
erst innerhalb der Wissenschaft erhält“.26
Es ist entscheidend, an dieser Stelle Hegel sehr genau zu lesen. Hegel schreibt lediglich,
die Einteilung selbst sei eine Antizipation. Das Verfahren der Methode, das hierzu in Anspruch
genommen wird, sei hingegen lediglich insoweit antizipiert, als lediglich deren „volle“ Verstän-
digung und Rechtfertigung dieses Verfahrens erst innerhalb der Wissenschaft, die sich Hegel
erhofft, zu Teil werde. Dies aber bedeutet eine andere, tendenzielle respektive anfängliche Recht-
fertigung sei hier bereits zu Teil geworden. Und es sei eben diese anfängliche, bereits geleistete
Rechtfertigung, die es Hegel einzig erlaubte, anthropologisch über Philosophie zu schreiben.
Diese anfängliche Rechtfertigung ist keine Antizipation, sondern ein Übertrag;  – ein Übertrag,
den Hegel denn auch einbekennt, und der an anderer Stelle entsprechend zu analysieren wäre. So
bekennt also Hegel: „In der Phänomenologie des Geistes habe ich das Bewußtsein in seiner Fortbe-
wegung von dem ersten unmittelbaren Gegensatz seiner und des Gegenstandes bis zum absoluten
Wissen dargestellt. Dieser Weg geht durch alle Formen des Verhältnisses des Bewußtseins zum
Objekte durch und hat den Begriff der Wissenschaft zu seinem Resultate. Dieser Begriff bedarf also
(abgesehen davon, daß er innerhalb der Logik selbst hervorgeht) hier keiner Rechtfertigung, weil
er sie daselbst erhalten hat; und er ist keiner anderen Rechtfertigung fähig als nur dieser Hervor-
bringung desselben durch das Bewußtsein, dem sich seine eigenen Gestalten alle in denselben als
in die Wahrheit auflösen.“27

Dr. Stefan Köchel


Fasanturmweg 33c
A – 8055 Graz
stefan.koechel@uni-graz.at / stefan.koechel@aau.at

26 Ebd., 56.
27 Hegel, Wissenschaft der Logik. Erster Teil, a. a. O. (Anm. 17), 42.
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Giovanna Miolli, Padua

Hegel’s Theory of Truth as a Theory


of Self-Knowledge
The present paper aims to elaborate the way in which Hegel’s theory of truth is also and equally a
theory of the self-knowledge of the concept. This analysis will help provide an answer to the follo-
wing question: What does the concept have to do in order to know itself? Roughly speaking, the
answer will be that it has to posit its own content – and to recognize this content as its reality. In
order to justify this claim, I will expand upon several features of Hegel’s theory of truth that render
it simultaneously a theory of self-knowledge.
Section 1 takes into consideration the particular relation between the logical form and its
content and clarifies the sense in which logical content constitutes the proper reality of the
concept. More specifically, it will be argued that the kind of reality that concerns Hegel is not
empirical but rather consists in the logical content (i.  e., the thought determinations) that the
logical form generates through its own development. In this sense, truth (the Idea) is the (posited)
identity of the absolute form and its own content.1
Section 2 discusses the merger of ontology and epistemology in Hegel’s conception of truth.
The claim here is that the originality of Hegel’s proposal consists in its presentation of an ontology
that is at the same time an epistemology. This means that the positing and productive capacity of
the concept is inseparable from the epistemic movement by which the concept knows and reco-
gnizes itself in what it has produced. The most straightforward way of expressing this view is
represented by Hegel’s conception of philosophical truth as the identity of truth and certainty.
This formulation holds as valid in both the Phenomenology and the Science of Logic2. It conveys
the basic idea that truth is not something „static“ to be found in the world but instead posits itself
through a dialectical process of self-development and self-knowledge, in which negativity and
self-reflection play an essential role.

1 The logical form and content. The reality at stake in


Hegel’s conception of truth
In the Science of Logic there is an interesting convergence of expressions illustrating truth. We
range from a conception of truth as the Idea qua „unity of the concept and reality“, to slightly
different declarations that present the Idea (the true) as the „concept that has the concept itself as
its reality“ or „the unity of the concept with itself“.3
The variety of these expressions foregrounds the question of how we should understand the
reality at stake here, a reality supposedly relevant for Hegel’s thesis about truth. From his statem-
ents, it is clear that the unity of the concept and reality should be understood as the unity of the

1 G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik. Zweiter Band. Die subjektive Logik (1816), Gesammelte Werke, Bd. 12, Ham-
burg 1981, 20–21 (G. W. F. Hegel, The Science of Logic, translated by George di Giovanni, Cambridge 2010, 507–753,
518). References to the German edition of Hegel’s texts Gesammelte Werke will be followed by the page references in
the English translations.
2 I will return to this point later, providing some Hegelian quotations from both works.
3 Ebd., 175 (672).
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 Giovanna Miolli, Hegel’s Theory of Truth as a Theory of Self-Knowledge   129

concept with its reality, which in fact means it is the unity of the concept with itself. In other words,
the Idea should be understood as the unity of the concept with itself as its reality. This formulation
can be translated into yet another – according to which truth is the identity of the concept, concei-
ved of as the pure, absolute form, and its own content.
For Hegel, it is fundamental to grasp the relation between the logical form and its content in
order to understand what truth is. But what content does truth have? Hegel replies to this question
with another: What content does thought have? The problem of the content of truth for Hegel is the
problem of a content that has to be determined by, and immanent to, the form of thought. Hegel
aims to show that thought (conceived of as objective thought) already has a content and that this
content is the content of truth. This is possible because pure thought, or, as Hegel calls it in the
Science of Logic, the „absolute form“, does not identify an aggregate of fixed, abstract forms but is
a process of self-determination, in which the concept differentiates itself within itself, producing
its own determinations. These determinations constitute its content, or, in another formulation,
its reality.
The important point here concerns how to understand the formal character of thought – and
therefore of logic. In this context, a passage from the first section of the Doctrine of the Concept is
helpful:

[T]he logic is of course the formal science, yet the science of the absolute form which is implicit totality and
contains the pure idea of truth itself. This absolute form has in it a content or reality of its own; the concept,
since it is not a trivial, empty identity, obtains its differentiated determinations in the moment of negativity or
of absolute determining; and the content is only these determinations of the absolute form and nothing else – a
content posited by the form itself and therefore adequate to it. – This form […] is truth already on its own account,
because this content is adequate to its form or this reality to its concept, and it is pure truth.4

In other words, the Science of Logic endeavors to show that the concept is a dialectical process that
develops itself through its own determinations. This movement is nothing other than the self-de-
velopment of the absolute form as it proceeds to its own unfolding and self-realization. What is
remarkable here is that the process of self-determination exhibited by the absolute form turns out
to be the only content Hegel admits as relevant to truth.
We should return to the above-quoted passage, as it contains several other points significant
for our purposes.
For one thing, the passage presents truth as the process of progressive adequation (Überein-
stimmung) between the absolute, pure form and its content.5 From this perspective, the content
is a development of the form itself, or rather, the content is the form’s developing of itself. In this
sense, the form turns out to be its own content. It is worth noting that Hegel defines such content
as the reality of the concept. This means that the content the pure form produces within itself is
its own reality. This reality is the system of the thought determinations: „the necessary forms of
thinking, and its specific determinations, are the content and the ultimate truth itself“.6
It thus becomes evident that Hegel’s speculative logic attempts to disprove what is (pre)
supposed to be „true reality“ (the doctrines of being and essence serve this purpose). For Hegel,
reality consists in something best explained in terms of logico-ontological structures (the thought
determinations constituting the content of the concept).
We should underscore that:

4 Ebd., 25–26 (523).


5 Ebd., 27 (524): „Since logic is the science of the absolute form, this formal discipline, in order to be true, must have
a content in it which is adequate to its form“.
6 G.  W.  F. Hegel, Wissenschaft der Logik. Erster Teil. Die objektive Logik. Erster Band. Die Lehre vom Sein (1832),
Gesammelte Werke, Bd. 21, Hamburg 1985, 34 (G. W. F. Hegel, The Science of Logic, translated by George di Giovanni,
Cambridge 2010, 7–335, 29).
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130   Hegel-Jahrbuch 2018

a. Such logico-ontological structures reveal themselves to be dialectical processes (belonging


to the overall process of the concept).
b. They are not separated from empirical reality, inasmuch as they constitute the truth of this
„reality“ and account for it.
As thus becomes clear, when dealing with philosophical truth Hegel is concerned with the
reality that is constituted by the content posited by the process of the concept. More importantly,
truth is the identity that links the pure form and its content. This identity is not ready-made but
posited by the process constituting the concept.
For the absolute form to become adequate to its content basically means two things: it has to
produce its content, and it has to recognize itself in this very content. It is precisely such activity
that designates the merging of ontology and epistemology and that simultaneously defines the
process of self-knowledge of the concept.

2 The merging of ontology and epistemology


Before elaborating the relation between ontology and epistemology in Hegel’s conception of truth,
it is worth noting that we are dealing here with what can be understood as a „revisited“ ontology,
in the sense of a radical rethinking of ontology that breaks with the pre-Kantian tradition. The
word „revisited“ is apposite, on the one hand, because Hegel’s ontology is simultaneously an
epistemology, and, on the other hand, because Hegel’s ontology presents a new meaning for the
notion of „being“. In the Science of Logic, Hegel seeks to present a theory of what really and truly
is, but this theory is not meant to lay out the categories traditionally recognized as the constitutive
principles of being and thought.
Both the Phenomenology and the Science of Logic aim to demonstrate that there is no such
thing as immediate, pre-established being. For Hegel, true being is always already mediated. This
is why we can say that Hegel’s ontology is the theory of „true being“, or mediated being. And as
such, it is nothing other than the concept as it has undergone its process of self-development.
Following this line of thought, the Science of Logic, and in particular the Doctrine of the Concept,
can be viewed as attempts to show what truly is. Hegel maintains that true being is the Idea, or the
process of self-determination and self-realization of the concept. „Since the idea is the unity of the
concept and reality, being has attained the significance of truth; it now is, therefore, only what the
idea is“;7 „the idea has […] the general meaning of true being, of the unity of concept and reality.“8
Hegel therefore works with a new notion of „being“: a true being that is neither the form
of immediate being that opens the Science of Logic nor a pre-established being that somehow
becomes the content of a separate, formal, and subjective thought. Rather, true being is the
developed, mediated concept. In this sense, true being is a posited being: it is produced within the
movement of logic and identifies the realized concept.
The following quotation meaningfully illustrates this point:

According to the currently accepted opposition of thought, or concept, and being, it passes as a very important
truth that no being belongs as yet to thought as thought, and that being has a ground of its own independent of
thought. […] In fact, the demand that being should be exhibited has a further, inner meaning […]; implied in it is
the demand for the realization of the concept, a realization that is missing at the beginning itself but is rather the
goal and the business of the entire subsequent development of cognition.9

7 Hegel, Wissenschaft der Logik. Die subjektive Logik, 175 (672).


8 Ebd., 176 (673).
9 Ebd., 240 (739).
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 Giovanna Miolli, Hegel’s Theory of Truth as a Theory of Self-Knowledge   131

„[T]he demand that being should be exhibited“ says Hegel, „is the demand for the realization of
the concept“. My claim is that the exhibition of this realization can be viewed as the development
of an ontology that is simultaneously an epistemology and that this process coincides with the
way the concept comes to know itself.
More precisely, this development of the concept is a process in which the positing element –
i. e., the production of the logico-ontological determinations that form the reality of the concept –
is as important as the element of self-recognition in those very determinations. The movement
through which the concept posits itself is the same movement by which the concept knows itself.
We could say that ontology and epistemology are two ways of reading the same process. They
should not be understood as two parallel and distinct paths but as united in the movement of
truth. In particular, the merging of ontology and epistemology reflects the relation between truth
and certainty presented by Hegel in the chapter on absolute knowing in the Phenomenology and
in the Introduction to the Science of Logic.10 The identity he there attributes to truth and certainty
suggests that the self-knowledge of the concept is an essential aspect of the realization of truth.
In Hegel’s words: the Idea is the „absolute truth […] the truth that is in and for itself: the infinite
idea in which cognizing [Erkennen] and doing are equalized, and which is the absolute knowledge
[Wissen] of itself“.11
To clarify this point, we need to examine the close relation Hegel recognizes between certainty
and the structure of subjectivity. „In my view,“ Hegel declares in the Preface to the Phenomeno-
logy, „everything turns on grasping and expressing the True, not only as Substance, but equally as
Subject.“12 This point contends that truth exhibits the structure of subjectivity, a structure Hegel
describes as the process of „pure self-recognition in absolute otherness“. In other words, for Hegel
the proper sense of certainty mirrors „the form of the Self“, „the shape of self-certainty“, or the
„form of self-knowledge“. Considered in this light, certainty represents the movement of (self-)
knowledge by which truth recognizes itself in its own content.
Accordingly, in the Science of Logic, and in particular in the Doctrine of the Concept, certainty
distinguishes the movement by which the concept becomes aware of itself. The self-knowledge of
the concept increases and intensifies every time that what was initially presupposed to be imme-
diate and already given demonstrates itself to be posited by the process of the concept. Hegel
writes at the end of the Science of Logic:

The pure idea into which the determinateness or reality of the concept is itself raised into concept is rather an
absolute liberation for which there is no longer an immediate determination which is not equally posited and is
not concept; […] the simple being to which the idea determines itself remains perfectly transparent to it: it is the
idea that in its determination remains with itself.13

It is here evident that the ontological and epistemological dimensions inseparably intertwine.
The process by which the concept posits itself and produces its own reality (i. e., the ontological

10 G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, Gesammelte Werke, Bd. 9, Hamburg 1980, 427 (G. W. F. Hegel, Phe-
nomenology of Spirit, translated by Arnold Vincent Miller, Oxford/New York/Toronto/et al. 1977, 485): „This last shape
of Spirit – the Spirit which at the same time gives its complete and true content the form of the Self and thereby real-
izes its Notion as remaining in its Notion in this realization – this is absolute knowing […]. Truth is not only in itself
completely identical with certainty, but it also has the shape of self-certainty, or it is in its existence in the form of
self-knowledge. Truth is the content, which in religion is still not identical with its certainty. But this identity is now
a fact, in that the content has received the shape of the Self.“ Cf. also Hegel, Wissenschaft der Logik. Die objektive
Logik, 33 (29): „The concept of pure science and its deduction is […] presupposed in the present work in so far as the
Phenomenology of Spirit is nothing other than that deduction. […] it is only in absolute knowledge that the separation
of the subject matter from the certainty of itself is completely resolved: truth has become equal to certainty ad this
certainty to truth.“
11 Hegel, Wissenschaft der Logik. Die subjektive Logik, 178 (675).
12 Hegel, Phänomenologie des Geistes, 18 (9–10).
13 Hegel, Wissenschaft der Logik. Die subjektive Logik, 253 (752–753).
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132   Hegel-Jahrbuch 2018

process) is the same as the one by which the concept discards its presuppositions and knows itself
as this posited reality (i. e., the epistemological process). In this respect, epistemology, generally
understood as a theory of knowledge, becomes first and foremost a theory of self-knowledge. This
theory explains how the concept knows both itself and its way of knowing itself (the speculative
method).
The self-knowledge of the concept is realized when truth is realized  – when the absolute
form has become adequate to its content, or, in other words, when the reality of the concept has
been posited and freed from the appearance of being something that is immediate and presup-
posed. Such liberation coincides with the recognition that what was presupposed has instead
been posited by the process of the concept. This interconnection, or better, this overlap between
the positing activity of the concept and its self-recognition in what in fact has been posited (but
was initially taken as presupposed) is disclosed by a particular characteristic of the dialectical
movement. The following passage can help us appreciate this point:

[T]he meaning of its [of the concept, G.  M.] becoming, like that of all becoming, is that it is the reflection of
something which passes over into its ground [Grund], and that the at first apparent other into which this
something has passed over constitutes the truth of the latter.14

Here Hegel argues that becoming, in its authentic sense, represents a process in which subse-
quent stages always posit preceding ones. This statement is incredibly significant, inasmuch as it
identifies a key by which it is possible to unlock the entirety of Hegel’s conception of truth. From
this perspective, we can understand that the succeeding stage is always the truth of the preceding
one, because it makes explicit, and posits, what was only implicit in the previous stage.15 This
progression is possible because the movement of subjectivity, which is mainly a movement of
self-reflection and self-negation, has been integrated into truth. The fact that being passes over
into essence and that essence, in turn, passes over into the concept, highlights that, for truth to be
realized, a process of self-reflection that sublates immediate presuppositions and presents them
as posited by the concept is necessary.

3 Conclusion
What Hegel does not embrace is a rigid separation between the epistemological dimension and
the ontological one. To theorize interaction between the two is to attempt to overcome the risks
of both subjectivist truth, whose unit of measurement is mere subjective certainty, and dogmatic
truth, imposed without providing an immanent justification. By attributing the structure of sub-
jectivity to philosophical truth, Hegel pursues two goals. On the one hand, he maintains that the
ontological process involves (and realizes itself in) a process of self-knowledge, and thus involves
the epistemological dimension. On the other hand, he does not reduce the epistemological dimen-
sion to a theory of subjective knowledge.
The main reason for ascribing a „revisited ontology“ to Hegel is precisely to highlight this
merging of ontology and epistemology within a process that is supposed to clarify the structure
of reality and of truth. Because the element of certainty plays a role in this process, the adequa-
tion of the pure form with its content (i. e., the realization of truth) can be read as a progression
of self-knowledge, i. e., as a process in which the concept recognizes itself as the true reality. In
this context, reality is no longer understood as organized into a set of fixed categories reflected by

14 Ebd., 11–12 (509).


15 Angelica Nuzzo carefully analyzes this aspect of Hegel’s theory of truth. Cf. Angelica Nuzzo, „‚… As if Truth were a
Coin!‘ Lessing and Hegel’s Developmental Theory of Truth“, in: Hegel-Studien 44 (2009), 131–155, 153.
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 Giovanna Miolli, Hegel’s Theory of Truth as a Theory of Self-Knowledge   133

thought. Reality instead is what is posited by the concept. Accordingly, the process of truth does
not consist in the discovery of certain static structures already present in the world but rather con-
stitutes the movement by which such structures are produced, developed, and justified. Truth, for
Hegel, is posited rather than discovered.

Dr. Giovanna Miolli


Via L. Boccherini, 19
35133 Padova (PD), Italy
giovanna.miolli@unipd.it / giovanna.miolli@gmail.com

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Lucas Pétuaud-Létang, Bordeaux

Der Geist als sich selbst erkennende Wahrheit


Der Ausgangpunkt meines Beitrags ist das anscheinend unergründliche Verhältnis der Freiheit
zur Wahrheit in der Philosophie Hegels, im Rahmen der Logik und der Philosophie des Geistes.
Aufgrund des dialektischen Prozesses des Absoluten ist der Geist  – im engeren Sinn des
dritten und letzten Moments des Systems – Negation der Negation oder unendliche Affirmation.
Durch die Negation der Natur, die die Idee in ihrem Anderssein ist, ist der Geist also ein Zurück-
kommen zur Idee. Dies Zurückkommen erfolgt so, dass die Idee im Geist schrittweise zu ihrem
Fürsichsein, zu Selbstbewusstsein und Selbsterkenntnis durch die Natur gelangt1. Wenn man sich
erinnert, dass die Idee „die Wahrheit“2 ist, dann kann man den Geist als Selbsterkenntnis der
Wahrheit definieren.
Nun ist die Freiheit nichts anders als diese absolute Negativität der Identität mit sich im
Anderen; im Paragraph 382 der Enzyklopädie identifiziert Hegel ausdrücklich die Freiheit mit der
für-sich-seienden Idee. Jedoch ist diese Identifizierung der Selbsterkenntnis der Wahrheit mit der
Freiheit keine Selbstverständlichkeit. Aus kantischer Sicht zum Beispiel ist diese Identität durch
die Unterscheidung zwischen dem Praktischen und dem Theoretischen unmöglich: die die Natur
regierenden Gesetze des Verstands sind von den vernünftigen Gesetzen der Freiheit deutlich dif-
ferenziert. Aber auch ohne auf Kant zu verweisen scheint man die Freiheit eher dem Bereich der
Praxis zuordnen zu wollen, wohingegen Hegels Auffassung der Freiheit als Bei-sich-sein-im-An-
deren sowohl praktisch als auch theoretisch zu sein scheint (§  382 Z.). Ferner würde man der
Wahrheit nicht eine Form des „Fürsich“ zuschreiben, insofern sie traditionsgemäß als eine vom
Erkenntnisvermögen aufgestellte Beziehung der Angemessenheit verstanden wird. Man würde
vielleicht zugestehen, dass die Kenntnis der Wahrheit den Menschen freimacht, aber sicherlich
nicht, dass die Wahrheit, indem sie sich selbst erkennt, frei ist.
So stellt die Identifizierung der Selbsterkenntnis der Wahrheit mit der Freiheit ein Problem
dar. Ich habe die Absicht zu zeigen, wie Hegel diese Identität rechtfertigt. Erstens unter Bezug
auf Hegels Auffassung der Wahrheit: es ist die Wahrheit oder die logische Idee, die sich in ihrem
Anderem anerkennt, und so frei ist. Anders gesagt, ich werde zeigen, dass die Idee oder das Wahre
das Subjekt der Freiheit ist. Zweitens werde ich zeigen, dass diese Identität nur durch diejenige
These ermöglicht wird, der zufolge die höchste Freiheit eine theoretische ist und die Form der
Selbsterkenntnis annimmt.
Zuerst werde ich also zeigen, inwiefern man die Idee oder die Wahrheit als frei bezeichnen
kann. In der Enzyklopädie definiert Hegel die Idee als „das Wahre an und für sich, die absolute
Einheit des Begriffs und der Objektivität“.3 Die Idee oder das Wahre ist absolute Einheit, das heißt,
sie enthält die beiden Elemente, aus denen sie entstanden ist, ohne in die Einseitigkeit eines der
beiden zu geraten; sie ist der objektivierte Begriff oder das vom Begriff durchdrungene Objekt.
Hegel bezieht sich auf den üblichen Gebrauch des Adjektivs „wahr“ um das zu illustrieren; daher
die Beispiele des wahren Meisterwerks, des wahren Freundes und des wahren Staats.4
Nun ist diese Einheit der Idee nicht eine tote Einheit oder eine gegenseitige Neutralisierung
ihrer Elemente. Diese Einheit ist ein Prozess, eine ständige Tätigkeit der Bildung dieser Identität,
die im Paragraphen 215 beschrieben ist:

1 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, Hamburg 1991, § 381, 313.
2 Ebd. § 213, 182.
3 Ebd.
4 Ebd. § 24 Zusatz 2.
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 Lucas Pétuaud-Létang, Der Geist als sich selbst erkennende Wahrheit   135

Die Idee ist wesentlich Prozess, weil ihre Identität nur insofern die absolute und freie des Begriffs ist, insofern
sie die absolute Negativität und daher dialektisch ist. Sie ist der Verlauf, dass der Begriff als die Allgemeinheit,
welche Einzelheit ist, sich zur Objektivität und zum Gegensatz gegen dieselbe bestimmt, und diese Äußerlich-
keit, die den Begriff zu ihrer Substanz hat, durch ihre immanente Dialektik sich in die Subjektivität zurück-
führt.5

So besitzt die Idee eine Identität mit sich, insofern sie dialektische Negativität ist. Die Idee ist
nämlich das in sich Zurückkehren des Begriffs aus der Objektivität, und dies Zurückkehren ist nur
aufgrund einer inneren Negativität des Begriffs möglich. Mit diesem Zurückkehren versammelt
die Idee den Begriff, die Objektivität, aber ebenfalls den negativen und dialektischen Prozess, der
sie durchdringt. Die Idee oder die Wahrheit ist also nicht ein Stillstand, sondern eine Tätigkeit, ein
Prozess, ein „Verlauf“. Erst mit diesem dynamischen Charakter kann die Idee als frei bezeichnet
werden, im allgemeinen Sinn des Bei-sich-sein-im-Anderen.
Im ersten Satz dieses Paragraphen verbindet Hegel die Identität der Idee mit der „absolute[n]
und freie[n] [Identität] des Begriffs“. Die Idee vollendet die Freiheit des Begriffs, weil in ihr der
Begriff ein negatives Zurückkommen in sich aus dem Objekt durchführt. Der Begriff ist an sich
frei, insofern seine Entwicklung nichts ihm Äußerliches aufdeckt; aber der Begriff ist zuerst sub-
jektiv oder formell und ist dann im innerlichen Widerspruch des Objekts verschlungen. Erst in der
Idee ist er vollkommen frei, da er sich seine Äußerlichkeit zu eigen macht, d. h. Subjektivität und
Objektivität nicht mehr entgegengesetzt sind. Man kann also sagen, dass die Wahrheit frei ist,
insofern als dass der Begriff sich darin seine angemessene Objektivität gibt, und so die Identität
seiner selbst mit seinem Unterschied erlangt.
Diese erstaunliche Behauptung – das Wahre ist frei – ist nur in Verbindung mit der hegel-
schen Theorie der Wahrheit verständlich. Diese unterscheidet sich von der traditionellen Auffas-
sung der Wahrheit im Sinne der Übereinstimmung von Erkenntnis und Objekt, aber Hegel verwirft
sie nicht völlig6. Die Wahrheit ist nicht eine von einem Selbstbewusstsein äußerliche, zurückbli-
ckende aufgestellte Beziehung. Sie ist eine vom Begriff selbst ausgebildete Einheit: sie ist zwar
Übereinstimmung7, aber des Begriffs mit sich selbst, oder genauer gesagt, Übereinstimmung des
Begriffs mit seinem durch ihn selbst gesetzten Anderssein. Die Wahrheit ist also die Übereinstim-
mung des Begriffs mit sich selbst in der Objektivität; es handelt sich um ein negatives Zurück-
kommen der Subjektivität des Begriffs zu ihr selbst. Diese Negativität des Begriffs begründet sich
durch die hegelsche These, wonach wir das Wahre „nicht als Substanz, sondern eben so sehr
als Subjekt“ auffassen und ausdrücken sollen8. Dies bedeutet im vorliegenden Fall: die Idee, die
Wahrheit ist der Prozess der Übereinstimmung mit sich selbst im Anderen, in dem und durch den
die Idee frei ist.
In der Wissenschaft der Logik jedoch kann man nicht eigentlich von wirklicher Erkenntnis
sprechen und auch nicht von der Selbsterkenntnis der Idee:

das schon in der einfachen logischen Idee enthaltene Erkennen ist nur der von uns gedachte Begriff des Erken-
nens, nicht das für sich selbst vorhandene Erkennen, nicht der wirkliche Geist, sondern bloß dessen Möglich-
keit.9

Anders gesagt, die logische Idee stellt die Möglichkeit des Erkennens auf, nicht seine Wirklichkeit.
Worin aber besteht die Grundlage dieses Unterschieds zwischen Logik und Geist? Das Erkennen

5 Ebd. § 215, 184–185.


6 G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik. Zweiter Band. Die subjektive Logik. Die Lehre vom Begriff (1816), Hamburg
2003, 24 ( GW 12, 26).
7 Ebd., 205 (GW 12, 173).
8 G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, Hamburg 1988, 13–14 (GW 9, 18).
9 G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie des subjektiven Geistes II. Nachschriften zu dem Kolleg des Winter-
semesters 1827/28 und Zusätze, 927 (GW 25, 2).
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136   Hegel-Jahrbuch 2018

ist zwar, als zweites Moment der Idee, mit Endlichkeit behaftet, insofern es sich zwischen sub-
jektiver und objektiver Idee spaltet, und vornehmlich ein Streben nach der Einigung von beiden
Seiten ist. Aber die absolute Idee ist (der Lehre vom Begriff zufolge) „sich wissende Wahrheit“10:
so scheint es, dass die vollkommene Idee schon Selbsterkenntnis, also Freiheit, erreicht hat. Aber
Hegel schreibt anschließend:

die Idee ist also nur in dieser Selbstbestimmung, sich zu vernehmen, sie ist in dem reinen Gedanken, worin der
Unterschied noch kein Anderssein, sondern sich vollkommen durchsichtig ist und bleibt. – Die logische Idee hat
somit sich als die unendliche Form zu ihrem Inhalt.11

Die absolute Idee ist für sich, oder nimmt sich als durchsichtiges Objekt, weil sie sich noch nicht
in ihr Anderssein, in die Natur, entäußert hat; hier gilt ein Selbstverhältnis des Denkens. Gewiss,
die absolute Idee ist frei, da durch sie der Begriff Selbsterkenntnis und Methode wird; aber diese
Selbsterkenntnis der Wahrheit bzw. der Idee bleibt im Denken, das heißt, sie erkennt sich nicht im
eigentlichen Anderssein. Diese Idee ist

noch logisch, sie ist in den reinen Gedanken eingeschlossen, die Wissenschaft nur des göttlichen Begriffs.12

Die Methode ist sicherlich eine Selbsterkenntnis des Begriffs, doch nur als logische. Somit ist die
absolute Idee nicht der höchste Grad der Freiheit. Aus dieser Beschränkung der logischen Frei-
heit schließe ich nicht zuletzt, dass die Freiheit nach dem Grad der Entäußerung gemessen wird.
Allerdings setzt die Freiheit sowohl Anderssein als auch Identität mit sich voraus. Im engeren
Sinn liegt die Freiheit der Idee in der Identität des Begriffs mit sich durch das Objekt hindurch;
diese Identität ist konkret, aber erst, wenn sie zu dem Negativen des Objekts übergegangen ist.
Der Unterschied, den die Identität überwinden muss, ist also ein notwendiges Hindernis der end-
gültigen Freiheit. Je tiefer und der ersten Identität entfremdender dieser Unterschied ist, desto
reicher ist die diesen Unterschied integrierende Einheit. Je heftiger die Entäußerung, desto größer
die überwindende Freiheit. Deshalb ist der Geist freier als die logische Idee. Aber vor allem ist die
Idee frei, sei es eine reine logische Freiheit, oder die des Geistes.
Nun komme ich zum zweiten Schritt, in dem es zu fragen gilt, warum dieser Prozess der Selb-
stübereinstimmung und Selbsterkenntnis „Freiheit“ genannt wird. Emil Angehrn hat angemerkt,
dass der Freiheit kein „festlegbare[r] Ort“13 im hegelschen System zukommt. Im weiteren Sinn
ist die Freiheit das „Bei-sich-sein“14, oder genauer gesagt das Bei-sich-selbst-sein-im-Anderen.15
In den §§ 381–382, identifiziert Hegel also die Freiheit des Geistes, das heißt, die eigentliche
Freiheit, mit der sich selbsterkennenden Idee: „der Geist hat sich als die zu ihrem Fürsichsein
gelangte Idee ergeben, deren Objekt eben sowohl als das Subjekt der Begriff ist.“ Hier bedeutet das
Fürsichsein die Selbsterkenntnis, was durch die Ausdrucksweise der Zusätze bestätigt wird, z. B.:
„die sich selbst wissende wirkliche Idee“16; und durch die Tatsache, dass der Geist insgesamt
das Gebot „Erkenne dich selbst“17 befolgt. Aber diese sich erkennende Subjekt/Objekt Identität ist
ebenfalls „absolute Negativität“: die Identität des Geistes ist nämlich nichts anders als die Nega-
tion der Natur, und diese die Selbstnegation der Idee. Nun beginnt § 382 so:

10 G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik, a. a. O., 284 (GW 12, 236).
11 Ebd., 285 (GW 12, 237).
12 Ebd., 305 (GW 12, 253). Vgl. GW 11, 21. GW 21, 34.
13 Emil Angehrn, Freiheit und System bei Hegel, Berlin/New York 1977, 4.
14 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie, a. a. O., § 385, 315.
15 Da sie die Aufhebung einer radikalen Äußerlichkeit ist, ist die Freiheit mit der Idealität oder der eigentlichen
Unendlichkeit eins. Nach der Nachschrift von 1827/28, GW 25, 2, 570: „Die Freiheit ist zugleich das, was wir Idealität
nennen.“ Vgl. § 381, Zusatz, GW 25, 2, 931.
16 G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie des subjektiven Geistes II, a. a. O., 927 (GW 25, 2).
17 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie, a. a. O., § 377, 311 (GW 20, 379).
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 Lucas Pétuaud-Létang, Der Geist als sich selbst erkennende Wahrheit   137

Das Wesen des Geistes ist deswegen formell die Freiheit, die absolute Negativität des Begriffs als Identität mit
sich.18

So definiert, ist die Freiheit eine „Eigenschaft“ des Begriffs. Die absolute Negativität ist die Fähig-
keit des Begriffs, sich zu negieren, und dann seine eigene Negation zu negieren, also unendliche
Affirmation seiner selbst zu sein19 – was Hegel andeutet in dem Zusatz: „als Identität mit sich“20.
Die dem Begriff innewohnende Negativität meint nicht eine abstrakte Negation einer vorherge-
henden Identität, sondern die Identität behauptet sich und bereichert sich durch ihre Negation,
das heißt durch ihr Anderes. Wenn die absolute Negativität oder die Freiheit eine Eigenschaft des
Begriffs ist, dann ist es nicht erstaunlich, dass diese Eigenschaft der Idee zugeschrieben wird,
insofern sie vom Begriff kommt. Im Geist ist also die Idee oder die Wahrheit frei, sie ist bei sich
selbst im Anderen.
Wie jedoch erfolgt diese Affirmation der Identität mit sich in der absoluten Negativität?
Meiner Meinung nach durch die Selbsterkenntnis, die die höchste Form der absoluten Negati-
vität des Begriffs ist, oder anders gesagt, die höchste Form der Freiheit21. Der Geist ist frei, weil
er sich erkennt; die Freiheit, in ihrer theoretischen Form, ist eins mit der Selbsterkenntnis22. Nun
verteidige ich die These, dass diese theoretische Form der Freiheit – die Selbsterkenntnis – ihre
höchste Form ist. Dies ist vor allem deutlich in der Sphäre des Geistes, der in einer Selbsterkennt-
nis besteht (§ 377) und wesentlich Freiheit ist (§ 382). Genau diese Gleichheit zwischen Freiheit
und Erkenntnis will ich erörtern: wodurch ist sie zu rechtfertigen?
Wenn man das hegelsche System berücksichtigt, ist es nicht eindeutig, dass das Erkennen
eins ist mit der Freiheit. Denn der Wissenschaft der Logik zufolge, „sucht“23 das Erkennen das
Wahre, wie ein Subjekt ein objektives Gegebenes sucht; es ist die Gegensätzlichkeit des Subjekti-
ven und Objektiven nicht losgeworden. Vielmehr scheint die Freiheit praktisch zu sein, und in den
Bereich des Willens zu fallen:

als Wille tritt der Geist in Wirklichkeit, als Wissen ist er in dem Boden der Allgemeinheit des Begriffs. – Als sich
selbst den Inhalt gebend, ist der Wille bei sich, frei überhaupt.24

Der Wille begnügt sich nicht damit, den Inhalt zu finden, sondern bestimmt ihn von sich aus.
Seine Wirklichkeit ist ihm nicht fremd, da er sich selbst bestimmt, also frei ist. Das Recht ist das
Dasein, das der freie Wille sich gibt; die objektive Welt, die er sich als „zweite Natur“25 gibt. Indem
er den praktischen Geist für höher als den theoretischen Geist hält, scheint Hegel hinsichtlich des
Vorrangs des Praktischen vor dem Theoretischen mit Kant übereinzustimmen. Warum also sollten
wir die Freiheit nicht vor allem vom praktischen Standpunkt aus betrachten?
Meine Antwort ist, dass der Wille zwar die Freiheit als „seine innere Bestimmung und Zweck“26
hat, aber die Freiheit in einer äußerlichen Objektivität, sei es der Sache (abstraktes Recht) oder des

18 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie, a. a. O., § 382, 313 (GW 20, 382). „Wesen“ ist hier nicht mit technischer Bedeutung
angewendet. Vgl. § 382, Zusatz: „Die Substanz des Geistes ist die Freiheit“ (GW 25, 2, 934).
19 Wenn man auf den Zusatz des Paragraphs 381 vertraut (GW 25, 2, 931), Hegel wendet beiden Ausdrücke („absolute
Negativität“ und „unendliche Affirmation“) als Synonyme an.
20 Diese Definition deckt sich mit dem Anfang der Lehre vom Begriff, wo Hegel schreibt, dass die Freiheit „die Iden-
tität des Begriffs“ ist (GW 12, 15).
21 Die Freiheit des Geistes muss zwar als „Manifestation“ und „Offenbaren“ (§ 383) aufgefasst werden, doch es han-
delt sich um eine Manifestation für sich selbst, nicht um eine neue Bestimmung des Geistes (§ 383, Zusatz, GW 25, 2,
935–936).
22 Vgl. Adriaan Peperzak, Selbsterkenntnis des Absoluten – Grundlinien der Hegelschen Philosophie des Geistes, Stutt-
gart 1987, 32.
23 G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik, a. a. O., 236 (GW 12, 199).
24 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie, a. a. O., § 469, 379.
25 G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Hamburg, 2009, § 4, 31 (GW 14, 1, 31).
26 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie, a. a. O., § 483, 389.
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138   Hegel-Jahrbuch 2018

Guten als abstrakter Allgemeinheit (Moralität), verwirklicht. Erst der absolute Geist, oder schon
die Sittlichkeit, hebt diese Äußerlichkeit auf. Die Sittlichkeit insgesamt ist (ich zitiere) „die Idee
der Freiheit“27, also der verwirklichte Begriff der Freiheit. Nun ist die Sittlichkeit eine solche Idee,
weil sie wirklich (als Sitte) und zugleich selbstbewusst (durch die einzelnen Individuen) ist; daher
Hegels Formulierung: „die selbstbewusste Freiheit [ist] zur Natur geworden“.28 Somit ist die prak-
tische Freiheit selbst nicht nur Selbstbestimmung, sondern selbstbewusste Selbstbestimmung.
Ohne dies existiert die Freiheit zwar, aber sie ist sich selbst verschlossen, also paradoxerweise
wie eine Grenze für sie selbst. Der absolute Geist ist die Selbsterkenntnis und Freiheit par excel-
lence. Hier erkennt sich das Absolute in und durch den Menschen; und unter den Menschen ist
vor allem der Philosoph derjenige, der durch seine theoretische Tätigkeit die Selbsterkenntnis des
Absoluten (als Geist) begrifflich vollendet. Die Selbsterkenntnis in der Philosophie, ist also mit der
höchsten Freiheit eins, weil sie alle Äußerlichkeit oder alles Anderssein als solches aufhebt, und
als innerlichen Unterschied setzt.
Zum Schluss kann der hegelsche Gedanke, den ich hervorheben wollte, folgendermaßen
zusammengefasst werden. (1) Der Geist insgesamt ist der fortschreitende Prozess der Selbster-
kenntnis der Wahrheit: sie erkennt sich absolut durch die Philosophie oder die Wissenschaft.
(2) Er ist ein Prozess der Verwirklichung der Freiheit in ihrer höchsten Form, denn es gelingt der
Selbsterkenntnis, sich alle Äußerlichkeit zu eigen zu machen.

Lucas Pétuaud-létang
Bordeaux Montaigne Universität
Fachbereich Philosophie, Büro H026, Domaine universitaire, F-33607
Pessac Cedex
Lucas.petuaud@gmail.com

27 G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, a. a. O., § 142, 137 (GW 14, 1, 137).
28 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie, a. a. O., § 513, 402.
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Renate Wahsner, Berlin

Hegels Auseinanderlegen des Konkreten und


dessen Aufhebung
Das Prinzip der neueren Philosophie – schreibt Hegel – hat den Gegensatz des Denkens und der
Natur vor sich. Geist und Natur, Denken und Sein sind die beiden unendlichen Seiten der Idee. Da
die Idee Hegel zufolge erst wahrhaft hervortreten kann, wenn ihre Seiten für sich in ihrer Totalität
gefaßt werden, sei jetzt die Zeit, ihre Einheit zu demonstrieren.1 Dies zu leisten sei Aufgabe der
Spekulation.2
Dieser der Spekulation zugeschriebene Gang wirft jedoch Fragen auf: Wenn man sich auch
des Sachverhalts gewiß ist, dass die jeweilige Entgegensetzung (so die von Gott und Mensch, von
Subjekt und Objekt) eine Folge der Entzweiung ist, der Auseinanderlegung des Konkreten, nicht
ihr wahres Verhältnis, hat man den Rückweg, den Weg der Konkretion, noch nicht gewonnen.
Den Gegensatz des Bewußtseins zu dessen Gegenstand aufzuheben ist – entgegen mechani-
zistisch-dogmatischer Einwände – ein vernünftiges, ein die Berechtigung der Spekulation begrün-
dendes Anliegen.3 Aber gelingt es? Obwohl sich Hegel im Verlauf der Ausgestaltung seines Kon-
zepts selbst mehrfach korrigiert, bleibt Bedenkliches.
So muß Hegels Negationsprinzip, von dem seine spekulative Logik lebt, kritisch betrachtet
werden. Im allgemeinen vernachlässigt es, daß man  – selbst dann, wenn man Gründe für die
Annahme hat, daß das Vorliegende nur Moment ist – die Momente noch nicht zur Einheit syn-
thetisieren kann. Denn diese Annahme impliziert nicht das Wissen dessen, was fehlt resp. welche
Momente außer den erkannten notwendig sind, um eine Einheit konstituieren zu können. Und es
steht auch nicht von vornherein fest, daß es immer zwei Momente sein müssen; mitunter bedarf
es eines dritten oder eines noch weiteren Moments, um vereinigen zu können. Wenn Hegel davon
ausgeht, daß es berechtigt ist zu glauben, es gebe zu jedem Paar von Getrennten genau ein sie
vereinigendes Höheres, dessen man unabhängig von ihnen inne zu sein vermag,4 so verweist
dies noch nicht auf eine Lösung, sondern markiert ein Grundproblem der Hegelschen Logik. Der
Schein, daß man so vorgehen könne, wie Hegel glaubt, entsteht durch die Kenntnis, die fragmen-
tarische Kenntnis, der nachfolgenden wissenschaftlichen Entwicklung, aus der man (und sei es in
freier Interpretation) das eine die Getrennten vereinigende Höhere abliest.
Wenn – wie gesagt wird – Hegels logische „Theorie beansprucht, die wesentlichsten Tenden-
zen des natürlichen Denkens aufzunehmen, die nur von einer philosophischen Reflexionskultur
verstellt worden sind“,5 so kann dies in dem Sinne zugestanden werden, daß keine Logik erson-
nen werden soll, daß vom Philosophen nur das bloße „Zusehen“ verlangt wird.6 Aber wobei soll
er zusehen und was ist mit der verstellenden Reflexionskultur gemeint? Faßt Hegel das (fach)

1 Vgl. G.  W.  F. Hegel, Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie III, in: Werke, auf der Grundlage der Werke von
1832–1845 neu edierte Ausgabe unter der Redaktion von E. Moldenhauer und K. M. Michel, Frankfurt am Main 1986,
Bd. 20, 65.
2 Vgl. auch: R. Wahsner, „Das Prinzip der neueren Philosophie. Natur – Geist, Denken – Sein“, in: Geist und Natur,
hg. von W. Neuser und P. Stekeler-Weithofer, Würzburg 2016, 9–23.
3 Zusammenfassend zu diesem Anliegen siehe G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik. Erster Teil, in: Werke, a. a. O.,
Bd. 5, 35–62.
4 Vgl. H. F. Fulda, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, München 2003, 57. – Fulda verweist hierbei auf: G. W. F. Hegel,
„Entwürfe über Religion und Liebe“, in: Werke, a. a. O., Bd. 1, 251.
5 D. Henrich, „Hegels Grundoperation“, in: Der Idealismus und seine Gegenwart. Festschrift für Werner Marx, hg. von
U. Guzzoni, B. Rang, L. Siep, Frankfurt 1976, 225–229.
6 Vgl. ebd., 227.
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140   Hegel-Jahrbuch 2018

wissenschaftliche Denken lediglich als verstellende Reflexionskultur auf oder als eines, das dem
äquivalent ist? Fest steht, dass er der Wissenschaft große Achtung entgegenbringt und ihre Not-
wendigkeit betont.
Die Bestimmung der Wissenschaft als reine Reflexionskultur ist unter heutigen Hegel-For-
schern verbreitet. Dies festzustellen aber ist in erster Linie eine Kritik an der heutigen Philoso-
phie, weniger eine an Hegel. Allerdings hat Hegel diese Sicht veranlaßt, indem er in § 1 der Enzy-
klopädie erklärt: „Die Philosophie entbehrt des Vorteils, der den anderen Wissenschaften zugute
kommt, ihre Gegenstände als unmittelbar von der Vorstellung zugegeben sowie die Methode des
Erkennens für Anfang und Fortgang als bereits angenommen voraussetzen zu können“.7 Es wird
somit von vornherein das philosophische Denken mit dem Vorstellen verglichen bzw. es wird das
philosophische Denken der Vorstellung, dem Alltagsdenken gegenübergestellt. Ein Vergleich des
philosophischen Denkens mit dem fach- bzw. naturwissenschaftlich-theoretischen scheint nicht
zu interessieren und wird aufgrund des Desinteresses auch nicht zutreffend bestimmt. Wenn man
diese Wissenschaften mit einer verstellenden Reflexionskultur gleichsetzt, so werden ihre Poten-
zen nicht angemessen erfaßt. Das heißt: eine notwendige Etappe auf dem Weg zum Absoluten, zur
Aufhebung der Auseinanderlegung, fehlt.
Hegels Negationsverfahren unterstellt zudem die Kenntnis des Ganzen. Hegel kennt das
Ganze als Sinnlich-Konkretes, es sei nur noch nicht bewiesen, noch nicht – wie er sagt – gerecht-
fertigt. Es geht ihm so in der Konsequenz um die Rechtfertigung der Vorstellung, des Sinnlich-Kon-
kreten.8 Seine vermeintliche Kenntnis des Ganzen gründet in der Auffassung, Anschauung, Vor-
stellung, Denken, mithin Kunst, Religion, Philosophie, seien Ausdruck desselben Inhalts.9 „Die
Philosophie“ – schreibt er – „hat mit Kunst und Religion denselben Inhalt und denselben Zweck;
aber sie ist die höchste Weise, die absolute Idee zu erfassen“.10
Ob bzw. inwiefern das wirklich so ist und ob es in seinem System konsistent behauptet werden
kann, müßte man untersuchen.
Hegel zeigt die Notwendigkeit der Vereinigung, wissend, daß dies noch nicht deren Vollzug
impliziert. Zweifel daran, daß er sein Ziel erreicht, wären angebracht. Nicht alles, was notwendig
ist bzw. wäre, kann verwirklicht werden. Manches geht auch unter (zumindest zeitweise) – viel-
leicht weil noch nicht alle Bedingungen reif sind, weil mehr als die beiden ins Auge gefaßten
Momente nötig sind, um zur Einheit zu gelangen.
Obwohl Hegel es nicht sehr betont, gründet sein Ziel, die Entgegensetzung von Denken und
Sein aufzuheben, in Kants epistemologischer Wende. Diese impliziert: Wie etwas völlig unabhän-
gig von uns ist, das können wir nicht wissen. Denn es sind immer wir, die danach fragen, und
die Antwort ist nicht unabhängig von der Frage. Und „wir“ heißt: Das menschliche Subjekt als
Gattung. Das Ich darf sich nicht als festes, unbezweifeltes Atom verstehen, sondern als Element
einer Ordnung. Als solches ist es selbstredend bedingt, mithin nicht im abstrakten Gegensatz zum
Erfragten, das Subjekt nicht frei vom Objekt, das Objekt nicht völlig subjektunabhängig.11
Da Aussagen darüber, wie die Natur – vermeintlich – an sich selbst ist, stets Aussagen mensch-
licher Verfaßtheit bezüglich der Natur sind, muß man das so urteilende Subjekt charakterisieren.

7 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie Erster Teil. Die Wissenschaft der Logik, in: Werke, a. a. O., Bd. 8, 41 (§ 1).
8 Vgl. G. W. F. Hegel, Enzyklopädie I, a. a. O., 41–64 (§§ 1–18); ders., „Rede beim Antritt des philosophischen Lehram-
tes in Berlin“, in: Werke, a. a. O., Bd. 10, 399–417.
9 Vgl. z. B. G. W. F. Hegel, Enzyklopädie I, a. a. O., 44 (§ 3), 150–152 (§ 63).
10 G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik. Zweiter Teil, in: Werke, a. a. O., Bd. 6, 549; siehe auch ders., Enzyklopädie
I, a. a. O., 41 (§ 1); ders., Enzyklopädie III. Die Philosophie des Geistes, in: Werke, a. a. O., Bd. 10 366–395; ders., „Rede
beim Antritt des philosophischen Lehramtes in Berlin“, a. a. O., 408–417.
11 Vgl. I. Kant, Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können, in:
Werke in 12 Bdn., hg. von W. Weischedel, Frankfurt am Main 1974, Bd. V, 189 (§ 36), auch 233–236 (§ 58). – Ausführ-
licher zu Kants Objekt- und Naturbegriff siehe R. Wahsner, Der Widerstreit von Mechanismus und Organismus. Kant
und Hegel im Widerstreit um das neuzeitliche Denkprinzip und den Status der Naturwissenschaft, Hürtgenwald 2006,
27–42, 86–88.
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 Renate Wahsner, Hegels Auseinanderlegen des Konkreten und dessen Aufhebung   141

Der Mensch kann nicht unabhängig von sich die Natur bestimmen. Natur als Natur (Objekt) hat
Sinn und Bedeutung nur als Gegenpol des Menschen (des Subjekts), und zwar als ganzem, als
Gattung. Die Natur ist das Andere des Menschen, das für seine begriffliche Bestimmung und seine
Existenz notwendige Andere. Dabei stehen – entgegen einer verbreiteten Auffassung – Mensch
und Natur nicht im Verhältnis der reinen Zweckrealisation, derart, daß der Mensch durch seine
Aktivität die von ihm gesetzten Zwecke an der Natur, die ihrerseits als passiv unterstellt nur als
Material dient, verwirklicht. Vielmehr verwirklicht das Subjekt durch seine Tätigkeit Möglichkei-
ten der Natur, Möglichkeiten, die aktuell nicht verwirklicht, aber ihr potentiell eigen sind, ihr
nicht von außen aufgezwungen werden können. Natur als bloßes, totes Material könnte die vom
Subjekt gesetzten Zwecke nicht realisieren.
Kant hatte den Gedanken der inneren Zweckmäßigkeit für die neuzeitliche Philosophie
erschlossen und ein organisiertes Produkt der Natur als ein solches bestimmt, in welchem alles
Zweck und wechselseitig auch Mittel ist.12 Diesen Begriff der inneren Zweckmäßigkeit vertiefte
Hegel, indem er das Subjekt-Objekt-Verhältnis unter dem Begriff der Arbeit und das Mittel als
Werkzeug dachte.13 Es ist dies nicht – wie mitunter polemisch vermerkt wird – anti-spekulativ,
denkt man das Werkzeug nicht als einen für sich bestehenden Gegenstand, sondern nimmt es in
Einheit mit seiner Aktion, mithin in Einheit mit dem Akteur, nimmt also das Subjekt in Einheit mit
seiner Tätigkeit und trennt das Mittel nicht vom Zweck.
Die konstituierende Rolle des Mittels, des Werkzeugs, für die Art und Weise, in der der Mensch
im Unterschied zum Tier seine Zwecke realisiert, erklärt nach Hegel den Übergang von den tieri-
schen zu den menschlichen Bedürfnissen, begründet eine wirkliche Synthese von Subjektivität
und Objektivität oder – so könnte man sagen – eine neugeschaffene Natur (die zweite Natur), eine
vom Subjekt hervorgebrachte Objektivität. Diese Rolle bestimmt den Übergang von der Gestalt des
Verhältnisses Individuum – Gattung im Tierreich zu der in der „Welt des Geistes“.14
In der durch die menschliche Arbeit erzeugten Welt des Geistes erhält sich die Gattung  –
und zwar nicht (wie im Tierreich) im Gegensatz zu den Individuen, die untergehen, sondern
deren Entwicklung ist geradezu Bedingung für die Erhaltung der Gattung. Dieser entscheidende
Unterschied im Subjekt-Objekt- bzw. im Individuum-Gattung-Verhältnis zwischen Mensch und
Tier, zwischen der Welt des Geistes und der Welt der Natur gründet nach Hegel darin, daß sich
das Werkzeug erhält, und sich damit auch die menschlichen Zwecke erhalten.15 Die Mittel der
menschlichen Produktion sind quasi die Gene der menschlichen Kultur, die Gene, die die von der
menschlichen Gattung errungene geistige und gegenständliche Naturbeherrschung an die nach-
folgenden Generationen vermittelt.16 Aufgrund dieses Unterschieds hat das Allgemeine der Natur
nach Hegel keine Geschichte.17
Wenn Hegel davon überzeugt ist, daß das Allgemeine der Wert, mithin das durch abstrakte
Arbeit Erzeugte, sei, scheint die Rolle des Werkzeugs vergessen zu sein – des Werkzeugs, das ja
nur im konkreten Produktionsprozeß, nicht im Tausch, eine Rolle spielt.

12 Vgl. hierzu R. Wahsner, „Mechanism – Technizism – Organism“, in: Die Naturphilosophie im Deutschen Idealis-
mus, hg. von K. Gloy und P. Burger, Stuttgart-Bad Cannstatt 1993, 212–230.
13 Vgl. G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik. Zweiter Teil, in: Werke, a. a. O., Bd. 6, 451–461.
14 Vgl. hierzu R. Wahsner, „‚An seinen Werkzeugen besitzt der Mensch die Macht über die äußere Natur‘, Hegels
Rezeption des tevcnh-Begriffs in seiner Logik“, in: Jahrbuch für Hegelforschung 2002/2003, hg. von H. Schneider,
Sankt Augustin 2004, 173–195; dies., „Die Macht des Begriffs als Tätigkeit (§ 208). Zu Hegels Bestimmung der Betrach-
tungsweisen der Natur“, in: Wiener Jahrbuch für Philosophie XXXIV (2002), Wien 2003, 101–142; dies., Der Widerstreit
von Mechanismus und Organismus, a. a. O., insbes. 231–252.
15 Vgl. G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik. Zweiter Teil, a. a. O., 453.
16 Vgl. R. Wahsner und H.-H. v. Borzeszkowski, Die Wirklichkeit der Physik. Studien zu Idealität und Realität in einer
messenden Wissenschaft, Frankfurt am Main u. a. 1992, 251.
17 Vgl. G. W. F. Hegel, Enzyklopädie. Zweiter Teil. Die Naturphilosophie, in: Werke, a. a. O., Bd. 9, 31 (§ 249), 345 (§ 339 Z).
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142   Hegel-Jahrbuch 2018

Der Wert, genommen als Meßgröße, die er ansatzweise in seinem Wesen ist, kann per se nicht
das Konkret-Allgemeine sein.18 Den Begriff Arbeit entdeckt zu haben verdankt Hegel bekanntlich
der englischen politischen Ökonomie. Indem er ihn philosophisch verarbeitete, konnte er für die
Lösung des philosophischen Grundproblems, den Gegensatz des Bewußtseins zu dessen Gegen-
stand zu überwinden, Elemente gewinnen, die der spekulativen deutschen Philosophie bislang
fremd waren.
Hegel erkannte, daß die Arbeit, insbesondere die, Arbeitsteilung,19 die Gesellschaft zu einem
neuartigen Ganzen macht, durch sie ein charakteristisches Menschlich-Allgemeines entsteht.
Es entsteht, weil hierdurch das Bedürfnis als solches (das allgemeine Bedürfnis) in seine vielen
Seiten zerlegt, partikularisiert, das Konkrete auseinandergelegt wird.20
Auf die Frage, wie man zum Konkreten zurückkehrt, antwortet Hegel, da er das Allgemeine im
Wert sah: „Die Rückkehr zur Konkretion, dem Besitz, ist der Tausch.“21 Die Rückkehr zum Besitz
ist für Hegel wesentlich, da dieser seines Erachtens etwas Substantielles ist, nicht nur Tätigkeit.
Im Besitz hat die Tätigkeit des Arbeitens ihm zufolge ihre ruhende Seite.22
Doch gegen die Auffassung, Besitz sei schon als Konkretes zu sehen, ist zu bedenken, daß
Besitz zwar als notwendige Bedingung, nicht aber selbst schon als Konkretion zu sehen ist und
zudem, daß Besitz nicht Besitz eines Individuums sein muß. Es kann auch Besitz des Gemeinwe-
sens gedacht werden, aber nur im Prinzip. Hegel kann das nicht denken.23 Hierdurch sind seine
Argumentation und sein Begriff des Allgemeinen geprägt. Und ob Gesellschaftlichkeit durch den
Tausch von Produkten, also von schon vorhandenen Gegenständen entsteht, das Allgemeine
durch den Tausch von Etwasen, die nicht in Einheit mit ihrer Bewegung, sondern in Abstraktion
von ihrer Produktion genommen werden, oder ob nicht der Tausch nur die Reflexion des Allge-
meinen in der Produktion, der Entstehung ist, muß zumindest gefragt werden.
Man kann Hegel zugestehen, daß er die Frage nicht für ganz und gar abwegig hält, aber er
stellt sie nicht, weil das Konkret-Allgemeine (das, was er dafür nimmt) in seinem Begriffssystem
nicht durch Produktion, also durch die gegenständliche Tätigkeit des Gemeinwesens, sondern
durch Politik entsteht; nicht die Gesellschaft, sondern der Staat das höchste Allgemeine ist. „Denn
nur das Gemeinsame existiert in der bürgerlichen Gesellschaft“ – schreibt er –, „was gesetzlich
konstituiert und anerkannt ist“.24
Da man ohne Rückkehr zum Konkreten, nicht zur Totalität gelangt, ist es für das hier disku-
tierte Problem entscheidend zu untersuchen, ob durch Tausch das Konkret-Allgemeine gewonnen
werden kann, mithin, ob Hegel sein Ziel auf die von ihm gewählte Weise erreicht.25
Zudem kann die Philosophie – wie anderenorts schon dargestellt –26 nicht unbeachtet lassen,
daß sich eine Auseinanderlegung des Konkreten auch bei der naturwissenschaftlichen Begriffs-

18 Begründend hierzu: R. Wahsner, Tausch – Allgemeines – Ontologie. oder: Das Auseinanderlegen des Konkreten und
seine Aufhebung, Preprint 451 des MPI für Wissenschaftsgeschichte, Berlin 2013, insbes. 61–72.
19 Vgl. A. Smith, Eine Untersuchung über das Wesen und die Ursachen des Reichtums der Nationen, in 3 Bdn., über-
setzt und eingeleitet von P. Thal, Bd. I, Berlin 1976, 20–24.
20 Vgl. z. B. G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Werke, a. a. O., Bd. 7, 346–355 (§§ 189–201); siehe
auch: ders., Jenaer Systementwürfe I. Das System der spekulativen Philosophie, neu hg. von K. Düsing und H. Kimmer-
le, Hamburg 1986, 229–231.
21 G. W. F. Hegel, Jenaer Systementwürfe III. Naturphilosophie und Philosophie des Geistes, hg. von R.-P. Horstmann,
Hamburg 1987, 207.
22 Hegel beabsichtigt also nicht, den Gegenstand zum verschwindenden Moment zu machen. Es ist dies nur eine
Konsequenz seiner Bestimmung des Allgemeinen als Wert und der Rückkehr zum Konkreten durch den Tausch (als
Wechsel, Besitzerwechsel fertiger Gegenstände in Abstraktion von ihrer Erzeugung und deren Bedingungen). – Zur
weiteren Kritik dieses Standpunktes siehe: R. Wahsner, Tausch – Allgemeines – Ontologie., a. a. O., insbes. 32–45.
23 Vgl. G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, a. a. O., 395 (§ 253).
24 Ebd. [erste Hervorhebung – R. W.].
25 Ausführlicher dazu: R. Wahsner, „Die Macht des Begriffs als Tätigkeit (§ 208)“, a. a. O.; H.-H. v. Borzeszkowski und
R. Wahsner, Das physikalische Prinzip. Der epistemologische Status physikalischer Weltbetrachtung, Würzburg 2012.
26 Vgl. u. a. ebd.
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 Renate Wahsner, Hegels Auseinanderlegen des Konkreten und dessen Aufhebung   143

bildung vollzieht, da naturwissenschaftliche Größen Artefakte sind, nicht konkrete Naturgegen-


stände. Somit wird es erforderlich, sich im Interesse der Aufhebung des Gegensatzes von Denken
und Sein (also im philosophischen Interesse) auch mit der physikalischen Größenbildung zu
befassen. Hegel läßt dies letztlich aus. Zwar betrachtet er – um dies zu wiederholen – den Über-
gang vom gewöhnlichen Bewußtsein zum Denken, verkennt bzw. unterschätzt aber die Spezifik
(natur)wissenschaftlichen Denkens. In der Folge hiervon übersieht er, daß wissenschaftlich-the-
oretisches Denken oftmals etwas leistet, was in seinem System erst dem spekulativen Denken
zugestanden wird.27
Obzwar auf den ersten Blick kaum zu sehen, ist dieser Mangel eng mit der vertauschten Rolle
von Staat und Gesellschaft verknüpft.28
Hegels Konkretion ist mithin unzulänglich. Dies gründet maßgeblich in seinen Begriffen
Naturwissenschaft und Arbeit. Er denkt letzteren nach dem Modell der göttlichen Schöpfung. Aber
Arbeit ist eine andere Tätigkeit als Schöpfung, eine kategorial andere. Die nicht mit Schöpfung
identische Arbeit bedarf der Natur als sich selbst erzeugenden Zusammenhang, als etwas sich
mit sich selbst Vermittelndes.29 Im Falle der Schöpfung ist die Welt ein Produkt, das es zuvor als
fertige Idee gab. Gott bedarf keiner gegenständlichen Mittel, und diese wären für ihn auch nicht
möglich.
Wenn Hegel meint, die Zeit sei gekommen, den höchsten Gegensatz der Philosophie aufzu-
lösen, das Auseinandergelegte zur Totalität aufzuheben, so irrt er. Eine Periode schließt ab. Aber
ihre offenen Fragen können noch nicht vollständig beantwortet, die höchste Entzweiung noch
nicht restlos aufgehoben werden.

Prof. Dr. Renate Wahsner


Rathaustr.9, 10178 Berlin
wahsner@mpiwg-berlin.mpg.de

27 Als Beispiel vergleiche die physikalische Erfassung der Bewegung als daseiendem Widerspruch (siehe dazu H.-H.
v. Borzeskowski und R. Wahsner, Physikalischer Dualismus und dialektischer Widerspruch, Darmstadt 1989; dies., Das
physikalische Prinzip, a. a. O., insbes. 26–33).
28 Erläuternd dazu: R. Wahsner, „Bestimmt der Staat die Logik oder die Logik den Staat? Oder: Den Staat oder die
Gesellschaft als ein in sich Vernünftiges begreifen?“, in: Hegel-Jahrbuch 2009. Hegels politische Philosophie. Zweiter
Teil, hg. von A. Arndt, P. Cruisberghs und A. Przylebski, Berlin 2009, 63–69.
29 Nach Hegel ist Gott „Tätigkeit, freie, sich auf sich selbst beziehende, bei sich bleibende Tätigkeit“. (G. W. F. Hegel,
Vorlesungen über die Philosophie der Religion II, in: Werke, a. a. O., Bd. 17, 368.) Der Mensch jedoch, indem er arbeitet,
bleibt sowohl bei sich, muß aber auch aus sich herausgehen, bedarf eines außer ihm Seienden.
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Justus Schollmeyer, Berlin

Dialektische Theorien zur Lösung von


Erfindungsaufgaben

1 Kurzzusammenfassung
Was haben Firmen wie Samsung, Intel, General Electric, LG, Hyundai und Siemens miteinander
gemein? Sie setzen seit einigen Jahren auf die Verwendung von Hegels Logik; zumindest insoweit
sie die daraus hervorgegangene Theorie des Lösens von Erfindungsaufgaben – kurz: TRIZ – anwen-
den.1 Angetreten als Versuch der Entwicklung einer Wissenschaft des Erfindens in der ehema-
ligen Sowjetunion verbreitete sich die TRIZ zunächst als Problemlösemethodik im ehemaligen
Ostblock, ehe sie dann ab 1990 international Fuß zu fassen begann. Aufgrund dieser reichen
Geschichte sind heute verschiedene Versionen dieser Theorietradition in Umlauf. Nicht zuletzt
deshalb hat der Verband Deutscher Ingenieure kürzlich damit begonnen eine deutschlandweite
TRIZ-Richtlinie zur Normierung der Begrifflichkeiten zu erarbeiten.2 Darin wird eine Form von
angewandter dialektischer Logik manifest, deren Grundideen ich hier kurz im Rahmen eines his-
torischen Abrisses skizzieren möchte.

2 TRIZ in der ehemaligen Sowjetunion


Im Jahr 1956 veröffentlichten Genrich Saulowitch Altschuller und Rafael Shapiro in der ehema-
ligen Sowjetunion den Artikel Über die Psychologie des erfinderischen Schaffens.3 Dieser Text
gilt heute als die erste offizielle Veröffentlichung der Theorie, die später unter dem Namen TRIZ
bekannt wurde.4 Altschuller (1926–1998) selbst war erst zwei Jahre zuvor aus vierjähriger politi-
scher Gefangenschaft entlassen worden. Ausschlaggebend für die Verurteilung soll ein Brief an
Joseph Stalin von 1948 gewesen sein, in dem Altschuller die Innovationsfähigkeit des sowjeti-
schen Systems scharf kritisiert habe.5
Altschuller, der im Alter von vierzehn Jahren seine erste Erfindung zur Verbesserung von
Tauchausrüstung vorgelegt hatte, war ab 1946 als Patentexperte in der sowjetischen Marine
tätig.6 In dieser Frühphase der Theoriebildung habe er bereits das Grundkonzept seines Ansatzes
entwickelt: den Begriff des technischen Widerspruchs und die daran gebundene Definition des
Erfindens.7 Dieser vielleicht wichtigste ideengeschichtliche Strang, der über den dialektischen

1 TRIZ steht für die russische Abkürzung von „теории решения изобретательских задач“ (Theorie des Lösens
von Erfindungsaufgaben).
2 VDI 4521 Blatt 1:2016-04, Erfinderisches Problemlösen mit TRIZ – Grundlagen und Begriffe, Berlin 2016.
3 Г.  С. Альтшуллер, Р.  Б. Шапиро, О психологии изобретательского творчества, in: Вопросы психологии 6
(1956), 37–49.
4 Siehe dazu z. B. V. Souchkov, A Brief History of TRIZ, 2008, eingesehen am 30.9.2016: http://www.xtriz.com/Brief-
HistoryOfTRIZ.pdf.
5 Siehe die Website der Altshuller Foundation, ГЕНРИХ САУЛОВИЧ АЛЬТШУЛЛЕР, eingesehen am 30.9.2016:
http://altshuller.ru/biography/.
6 I. Bukhman, TRIZ – Technology for Innovation, Taipei (Taiwan) 2012, 22.
7 V. Souchkov, A Brief History of TRIZ, a. a. O. (Anm. 4).
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 Justus Schollmeyer, Dialektische Theorien zur Lösung von Erfindungsaufgaben   145

Materialismus sowjetischer Technikhistoriker implizit an Hegels Wissenschaft der Logik anknüpft,


zieht sich bis heute als roter Faden durch die Entwicklung des TRIZ-Ansatzes.8 In der jüngeren
TRIZ-Literatur wird das Konzept des technischen Widerspruchs passender System-Widerspruch
bzw. System-Konflikt genannt.9
Dem TRIZ-Ansatz zufolge verweist das Auftreten solcher Widersprüche auf das Erreichen von
Entwicklungsgrenzen, an die künstliche Systeme im Laufe ihrer Evolution stoßen. Dies komme
darin zum Ausdruck, dass für einen bestimmten Parameter nur dann ein guter Wert erzielt werden
kann, wenn ein oder mehrere andere Parameter schlechte Werte erzielen. In der frühen Entwick-
lungsgeschichte des Fahrrads, als Vorder- und Hinterrad sich im Durchmesser noch deutlich von-
einander unterschieden, waren die sich widerläufig zueinander verhaltenden Parameter Fahrsta-
bilität und Fahrgeschwindigkeit von entscheidender Bedeutung für die weitere Fortentwicklung.10
Dass punktuelle Verbesserungen mit Verschlechterungen in anderer Hinsicht einhergehen, hängt
mit der strukturellen Beschaffenheit der in Frage stehenden Systeme im jeweiligen Stand der
Technik zusammen. Wird dieser Beschaffenheit zum Trotz die Forderung aufrecht erhalten, dass
sich bei Verbesserung des problematischen Parameters die übrigen Parameter nicht verschlech-
tern – bzw. sich eher noch verbessern – sollen, entsteht eine widersprüchliche Aufgabenstellung:
Verbessere X ohne Y zu verschlechtern, obwohl die Verschlechterung von Y (im gegenwärtigen Stand
der Technik) aus der Verbesserung von X folgt. Altschuller nennt Aufgaben, die derartige Wider-
sprüche enthalten, Erfindungsaufgaben.11 Sie können nur dann gelöst werden, wenn der Stand
der Technik erfinderisch weiterentwickelt wird. Lösungen für Erfindungsaufgaben seien dann
stark und Erfindungen im eigentlichen Sinne, wenn der dem Problem zugrundeliegende Wider-
spruch überwunden wird und schwach, wenn der Widerspruch bestehen bleibt und also ein Kom-
promiss gewählt wurde.12
Zur Erläuterung dieser Idee greift Altschuller u.  a. auf ein Beispiel aus Friedrich Engels’
Geschichte des gezogenen Gewehrs zurück.13 Zu dieser Geschichte gehört die Entwicklung des Vor-
derladers zum Hinterlader. Bedeutend hierfür seien insbesondere die Parameter Ladegeschwin-
digkeit, Zielgenauigkeit und Bajonetteigenschaften gewesen.14 Im ausgereiften System Vorderlader
führe das Bestreben, die Werte aller Parameter zu verbessern, zunächst zu dem Problem, dass
die stetige Verbesserung von Bajonetteigenschaften und Zielgenauigkeit zur Verschlechterung der
Ladegeschwindigkeit führt und umgekehrt. Eine genauere Suche nach dem Ursprung des gegen-
läufigen Verhaltens der Parameter zeigt, dass sie im System Vorderlader jeweils von der gleichen
Komponente abhängen – dem Gewehrlauf. Der Lauf ist einerseits verantwortlich für die Führung
der Kugel, wobei seine Verlängerung die Ausbildung besserer Bajonett- und Führungseigenschaf-
ten und somit erhöhte Zielgenauigkeit ermöglicht. Andererseits muss das Gewehr durch den Lauf
geladen werden, so dass die Verkürzung des Laufs den Ladevorgang vereinfacht und daher mit
erhöhter Ladegeschwindigkeit einhergeht. Aus der Forderung, beide Parameter sollten wachsen,
folgt somit die widersprüchliche Forderung, der Gewehrlauf habe sowohl lang als auch kurz zu
sein. In solchen Fällen, in denen ein und derselbe Parameter widersprüchliche Werte annehmen
muss, damit ein System den aufgestellten Anforderungen gerecht werden kann, spricht Altschul-
ler von physikalischen Widersprüchen. Ein ausgearbeiteter physikalischer Widerspruch zeigt an,
dass der Grund für den systemischen Widerspruch – also die einander entgegengesetzte Abhän-

8 Y. B. Karasik, Why was TRIZ born in Baku? in: Anti TRIZ-Journal 9 (2010), eingesehen am 30.9.2016: http://www3.
sympatico.ca/karasik/why_was_triz_born_in_baku.html.
9 Siehe I. Bukhman, TRIZ, a. a. O. (Anm. 6), 77 und V. Fey, E. I. Rivin, Innovation on demand, Cambridge 2005, 19.
10 T. J. Pinch, W. E. Bijker, The Social Construction of Facts and Artefacts: or How the Sociology of Science and the
Sociology of Technology might Benefit Each Other, in: Social Studies of Science 14 (1984), 411 ff.
11 Der Ausdruck lautet im Russischen „изобретательских задач“ (es handelt sich hier um das „IZ“ in der Abkür-
zung „TRIZ“ – Theorie zum Lösen von Erfindungsaufgaben).
12 G. S. Altschuller, Erfinden – (k)ein Problem?, Berlin 1973, 85.
13 F. Engels, Die Geschichte des gezogenen Gewehrs, in MEW: Band 15, Berlin 1972, 195–226.
14 G. S. Altschuller, Erfinden, a. a. O. (Anm. 12), 81.
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146   Hegel-Jahrbuch 2018

gigkeit von Parametern – auf eine bestimmte Komponente im System zurückgeführt werden kann.
Im Falle der Geschichte des Gewehrs hob die Idee, Gewehre nicht mehr von vorn sondern von
hinten zu laden, die widerläufige Abhängigkeit der Parameter auf, womit die Entwicklungsge-
schichte des Hinterlader-Systems einsetzte.
Technische Systeme sind Mittel zu Zwecken, die in irgendeiner Hinsicht für irgendwen nütz-
lich sind oder waren. Daher kann deren Entwicklung allgemein anhand von Parametern, die die
Werthaftigkeit des Systems für eine bestimmte Interessengruppe zu einer bestimmten Zeit aus-
drücken, dargestellt werden. Die für die TRIZ entscheidende Annahme besteht nun darin, dass
besonders innovative Fortentwicklungen dort stattfinden, wo infolge kreativer Problemlösung
Parameterwerte realisiert werden können, die vorher aufgrund eines strukturellen Widerspruchs
in diesem Ausmaß nicht haben gemeinsam verwirklicht werden können.
Als 1956 die erste offizielle TRIZ-Veröffentlichung erschien, hatte laut Altschullers eigener
Reflexion auf die Genese der TRIZ bereits die zweite Phase der Theorie-Entwicklung eingesetzt.15
In der vorangehenden Phase waren nicht nur Patente, sondern auch das Vorgehen erfolgreicher
Erfinderinnen und Erfinder Gegenstand der Untersuchung. In dieser Zeit wurden der Begriff der
Erfindungsaufgabe und die Unterscheidung von starken und schwachen Lösungen entwickelt.
Der Übergang zur zweiten Phase sei nun von der Beobachtung getragen gewesen, dass auch
Erfinderinnen und Erfinder, die in der Vergangenheit selbst starke Lösungen entwickelt hatten,
daraus meist keine methodischen Schlussfolgerungen ziehen würden. Stattdessen, so Altschul-
ler, gingen sie immer wieder von Neuem nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum vor, was häufig
zu schwachen Kompromisslösungen führe und darüber hinaus äußerst zeitaufwendig sei. Statt
weiterhin zu untersuchen, wie Erfinderinnen und Erfinder vorgehen, fragte Altschuller nun, wie
sie vorgehen sollten, wenn das Ziel darin besteht, starke Lösungen zu entwickeln. Dieser Wechsel
von einem eher deskriptiv-psychologischen zu einem präskriptiv-logischen Ansatz öffnete die Tür
zu dem ambitionierten Projekt der Entwicklung einer „rationelle[n] Taktik […, um], Schritt für
Schritt zur Lösung vorzudringen“.16 Altschuller nannte diese Taktik Algorithmus zum Lösen von
Erfindungsaufgaben  – kurz: ARIZ.17 Algorithmus sei in diesem Zusammenhang nicht im mathe-
matischen sondern im weiten Sinne des Wortgebrauchs zu verstehen: als „Programm planmäßig
durchzuführender Tätigkeiten“, das „den Erfinder lediglich vor offensichtlich falschen Schritten
bewahrt“.18
Die Weiterentwicklung des ARIZ zog sich über einen Zeitraum von etwa 30 Jahren  – vom
Erscheinen der ersten offiziellen Version im Jahr 1956 bis zur letzten Version im Jahr 1985. Alle ver-
schiedenen ARIZ-Versionen gehorchen grob gesagt folgendem Schema: Sie beginnen mit einem
Problem-analytischen bzw. Problem-bestimmenden Teil, in welchem ein gegebenes Problem – wie
etwa ein Auftrag – in eine Erfindungsaufgabe umgeformt wird. Die Ergebnisse dieses Abschnitts
werden anschließend in einen Teil zur Problemlösung übergeben. Sollten dort keine befriedigen-
den Lösungen entwickelt werden können, muss der analytische Teil erneut durchlaufen werden,
bis potentielle Lösungsvorschläge vorliegen, die zuletzt einer Bewertung unterzogen werden.
Insgesamt ist das Programm des ARIZ so angelegt, dass der Rückgriff auf Datenbanken die
Ausführung der Programmschritte unterstützt. Die Datenbanken sind das Ergebnis umfangrei-
cher Kategorisierungen von implizitem – im Patentfundus befindlichem – und explizitem – in den
Naturwissenschaften bekanntem – Wissen. In der Frühphase der Theorieentwicklung führten Alt-
schuller und seine Schülerinnen und Schüler Patentanalysen vor allem dafür durch, Parameter-
und Widerspruchsklassen auf der einen und abstrakte Lösungsprinzipien auf der anderen Seite
zu abstrahieren. Später, in der dritten Phase der Theorieentwicklung, gingen sie dazu über ganze
Patentlinien zu untersuchen. Ziel dieser Untersuchungen war die Identifizierung von Entwick-

15 G. S. Altschuller, Erfinden. Wege zur Lösung technischer Probleme, Berlin 1984, 30–32.
16 G. S. Altschuller, Erfinden, a. a. O. (Anm. 12), 93.
17 ARIZ steht für „алгоритма решения изобретательских задач“.
18 Ebd.
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 Justus Schollmeyer, Dialektische Theorien zur Lösung von Erfindungsaufgaben   147

lungstrends und -gesetzmäßigkeiten. Darüber hinaus entstand ein abstraktes Zeichensystem, um


Probleme und deren Lösungen zu modellieren – sogenannte Stoff-Feld-Modelle. Patentanalysen
dienten hier v. a. dafür, modellhafte Standardlösungen für Typen von Problemen zu identifizieren.
Aufbauend auf den Kategorien der Stoff-Feld-Analyse und der Parameter-Klassen wurden Katego-
rien entwickelt, um aus den Naturwissenschaften bekannte physikalische und chemische Effekte
für Anwendungszwecke zu klassifizieren. Grundlage hierfür ist bis heute ein pragmatisch-funkti-
onalistisches Vokabular, das auf den Grundkategorien des TRIZ-Ansatzes aufbaut.19 Das Ziel der
systematisch angelegten Datenbanken besteht darin, Anwenderinnen und Anwendern des ARIZ
auf den jeweiligen Problemlöseschritt zugeschnittenes Wissen in möglichst einfach zu handha-
bender Form zur Verfügung zu stellen.

3 TRIZ in der ehemaligen DDR


In den 1960er und 1970er Jahren gelangten erste Übersetzungen von TRIZ-Texten in den nicht-rus-
sischsprachigen Raum. Bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion blieb die Verwendung der
Theorie allerdings ein Ostblock-Phänomen. Die erste Übersetzung ins Deutsche erschien 1973 in
der ehemaligen DDR. Weitere Übersetzungen folgten.20 Sie inspirierten eine Erfinderschulbewe-
gung in den 1980er Jahren, die sich nahezu über das gesamte DDR-Gebiet erstreckte.21 Trainer
in den unterschiedlichen Bezirksstädten – ihrerseits oft erfahrene Erfinder – integrierten Ideen
der TRIZ in ihre Ansätze und veranstalteten unter dem Dach der Kammer der Technik insgesamt
etwa 300 ein- bis zweiwöchige Workshops für Ingenieurinnen und Ingenieure.22 Der Maschi-
nenbauer und Erfinderschultrainer Hansjürgen Linde verteidigte 1988 an der TU Dresden eine
Dissertation zur TRIZ und zum „Programm zum Herausarbeiten von Erfindungsaufgaben und
-Lösungen“ (ProHEAL) – einer Weiterentwicklung des TRIZ-Ansatzes durch die Erfinderschultrai-
ner Hansjochen Rindfleisch, Rainer Thiel und ihn selbst.23 Das ProHEAL kann insofern als eine
Weiterentwicklung verstanden werden, als es der Problemanalyse, mit welcher der ARIZ beginnt,
eine Bedürfnisanalyse vorausschickt. Ausgehend von den Ergebnissen der Bedürfnisanalyse
werden die für die Problemanalyse relevanten Parameter systematisch entwickelt. Somit wird im
ProHEAL der sozialkonstruktivistischen Dimension der Technikgeschichte Rechnung getragen,24

19 I. Bukhman, TRIZ, a. a. O. (Anm. 6), 221 ff.


20 Siehe G. S. Altschuller, Erfinden, a. a. O. (Anm. 12; 1973), G. S. Altschuller, A. Seljuzki, Flügel für Ikarus. Über die
moderne Technik des Erfindens, Leipzig/Jena/Berlin 1983 und G. S. Altschuller, Erfinden, a. a. O. (Anm. 15; 1984).
21 Siehe H.-J. Rindfleisch, R. Thiel, Erfinderschulen in der DDR. Eine Initiative zur Erschließung und Nutzung von tech-
nisch-ökonomischen Kreativitätspotentialen in der Industrieforschung – Rückblick und Ausblick, Berlin 1994 und M.
W.  M. Heister (Redaktion), Erfahrungen mit Erfinderschulen. Ein aktueller Bericht für das ganze Deutschland, seine
Unternehmer, Ingenieure und Erfinder, Berlin/Bonn 1993.
22 Zu den Materialien siehe z. B. H.-J. Rindfleisch, R. Thiel, Programm zum Herausarbeiten von Erfindungsaufgaben –
eine dialektisch systemwissenschaftliche Problemanalyse, Berlin 1986, H.-J. Rindfleisch, R. Thiel, Die Methode des
Herausarbeitens von Erfindungsaufgaben und Lösungsansätzen – Erfindungsmethode der KDT-Erfinderschulen, Berlin
1988, H.-J. Rindfleisch, R. Thiel, G. Zadek, Erfindungsmethodische Arbeitsmittel: Lehrmaterial zur Erfindungsmetho-
de, Berlin 1989, M. Herrlich, KDT-Erfinderschule. Lehrmaterial 1. und 2. Teil, Berlin 1982, M. Herrlich, Material zur
Lehrkräfte-Trainerausbildung für KDT-Erfinderschulen, Berlin 1987, K. Busch, Methodologische Untersuchungen zum
Erfindungsprozeß, Dummersdorf 1985 und D. Zobel, Erfinderfibel. Systematisches Erfinden für Praktiker, Berlin 1985.
23 Zur Literatur siehe Anm. 22.
24 Zur Idee sozialkonstruktivistischer Technikgeschichtstheorien siehe T. J. Pinch, W. E. Bijker, The Social Construc-
tion of Facts and Artefacts, a. a. O. (Anm. 10).
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148   Hegel-Jahrbuch 2018

die im ARIZ nur implizit durchscheint, die aber insbesondere für die Frühphase der Entstehung
von Artefakten relevant ist.25
1991 wurde Linde Professor an der FH Coburg, wo er seinen Ansatz unter dem Namen WOIS –
Widerspruchsorientierte Innovationsstrategie – einführte. Sein Ansatz wird dort bis heute verfolgt.
Bei dem WOIS-Standardtext von 1993 handelt es sich um Lindes Dissertationstext von 1988 mit
einem entscheidenden Unterschied: Die Autoren versuchen ihren eigenen DDR-Hintergrund und
den ihrer Theorie zu verbergen. 26 Die Patente, die als Beispiele herangezogen werden und die
überwiegend von Linde und seinem Ingenieurbüro aus Gotha in Thüringen stammen, sind im
Gegensatz zum Dissertationstext nicht mehr so ohne Weiteres als DDR-Patente zu erkennen. Von
seinen eigenen Publikationen zitiert Linde nur die ab 1991. Auch privat habe er seine Bekannten
darum gebeten seine DDR-Abstammung nicht zu erwähnen (private Kommunikation mit Rainer
Thiel und Dietmar Zobel).

4 TRIZ nach 1990


In den Turbulenzen der frühen 1990er Jahre gingen die meisten Ansätze der Erfinderschulen unter.
TRIZ war zu diesem Zeitpunkt in den alten Bundesländern noch unbekannt. Es brauchte seine
Zeit bis die Theorie auf neuen Wegen im wiedervereinigten Deutschland Fuß fasste. Dies geschah
beispielsweise über den Weg der WOIS, die für eine originelle Entwicklung von Linde in Coburg
gehalten wurde. Außerdem erlangte TRIZ international ab Mitte der 1990er Jahre zunehmend an
Bekanntheit – v. a. über die Schülerinnen und Schüler von Altschuller, die das Gebiet der ehema-
ligen Sowjetunion verlassen hatten. Heute sind zertifizierte TRIZ-Anwender und -Anwenderinnen
in 50 Ländern registriert27 und die Theorie wird in größerem Stil in Unternehmen wie beispiels-
weise Samsung eingesetzt.28

5 Konklusion
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es sich bei der TRIZ um eine Theorie-Tradition handelt,
die über einen der sowjetischen Stränge marxistisch geprägter Technikgeschichte an Hegels logi-
sche Überlegungen anknüpft. Auf diesem Weg entstand eine Form pragmatisch-idealistischer Dia-
lektik, deren Grundüberlegungen den berühmten Einwänden, die von Karl Popper gegen die Dia-
lektik als Logik hervorgebracht wurden, Rechenschaft tragen.29 Popper gesteht der Dialektik zu,
dass sie zu einem gewissen Grad als Modell zur Beschreibung von Entwicklung taugt, indem sie
die Produktivität von Widersprüchen in den Vordergrund rückt. Widersprüche, so Popper, seien
aber nur dann produktiv, wenn durch Festhalten am Satz des ausgeschlossenen Widerspruchs an
deren Überwindung gearbeitet werde. Genau das war auch die Grundüberlegung Altschullers. In

25 T. P. Hughes, Technological Momentum, in: Does Technology Drive History? The Dilemma of Technological Deter-
minism, hg. v. M. R. Smith, L. Marx, Cambridge 1994, 101–114.
26 Zum Vergleich siehe H. Linde, Strategiemodell zur Bestimmung von Entwicklungsaufgaben mit erfinderischer Ziel-
stellung, TU Dresden 1988 und H. Linde, B. Hill, Erfolgreich Erfinden. Widerspruchsorientierte Innovationsstrategie für
Entwickler und Konstrukteure, Darmstadt 1993.
27 B. Goldense, TRIZ is Now Practiced in 50 Countries, 2016, eingesehen am 30.9.2016: http://m.machinedesign.com/
contributing-technical-experts/triz-now-practiced-50-countries.
28 H. Shaugnessy, What Makes Samsung Such An Innovative Company? Forbes (2013) eingesehen am 30.9.2016:
http://www.forbes.com/sites/haydnshaughnessy/2013/03/07/why-is-samsung-such-an-innovative-company/.
29 Ich beziehe mich hierbei auf K. R. Popper, What is Dialectic? in: Mind 49 (1940), 403–426.
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 Justus Schollmeyer, Dialektische Theorien zur Lösung von Erfindungsaufgaben   149

einer dialektisch aufgearbeiteten Technikgeschichte kommt die Überwindung von Entwicklungs-


widersprüchen in Schlüsselerfindungen zum Ausdruck. Werden diese starken Lösungen analysiert
und das darin verallgemeinerbare Wissen systematisiert, lässt sich auf dieser Grundlage die Frage
stellen: Wie sollten wir denken, um starke Lösungen zu entwickeln? Laut TRIZ ist für die Beantwor-
tung dieser Frage das Denken von Widersprüchen erforderlich. In diesem Sinne könnte gegen
Popper eingewandt werden, es sei gerechtfertigt nicht nur von Dialektik sondern von dialektischer
Logik zu sprechen.

M. A. Justus Schollmeyer


Akazienstraße 11
10823 Berlin
justusschollmeyer@gmail.com

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Annette Sell, Bochum

Der Mensch im Vorbegriff


Die Stellung des Menschen im „Vorbegriff“ zu thematisieren, ist sicherlich eine Herausforderung,
denn hierzu sind sowohl der Begriff des Menschen und der Begriff des Vorbegriffs zu klären als
auch deren Beziehung zueinander zu bestimmen. Durch die im Titel verwendete Präposition „im“
wird dieses Verhältnis bereits angedeutet. Dass es sich bei dem Vorbegriff nicht nur um ein her-
meneutisches Konstrukt (im Sinne eines Vor-Begrifflichen), sondern um eine von Hegel in spe-
zifischer Weise eingesetzte Bezeichnung für eine Textgattung handelt, ist dem Leser von Hegels
Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse vertraut. Hegel stellt seiner Logik,
die den ersten Teil der Enzyklopädie und zugleich seines Systems bildet, diesen sogenannten „Vor-
begriff“ voraus, um zu seiner Logik hinzuführen. Die Frage nach der systematischen und inhaltli-
chen Bedeutung dieses Textes ist in der Forschung eingehend und produktiv diskutiert worden.1
Dabei geht es um die Einführung in Hegels System. Es stellt sich die Frage: Übernimmt der „Vor-
begriff“ die Rolle, die einst der Phänomenologie des Geistes zugedacht war, nämlich das Bewusst-
sein auf den Standpunkt zu bringen, auf dem es die Logik beginnen kann? Wie auch immer diese
auf das Hegelsche System bezogene Frage beantwortet wird, steht außer Frage, dass sich sowohl
die Phänomenologie als auch der „Vorbegriff“ vor der Logik befinden und insofern einen Bezug
zu ihr haben, als dass Hegel es für geboten sah, mit scheinbar außerlogischen Mitteln auf die
Logik vorzubereiten. Hegel sagt, dass ein derartiger „Vorbegriff“ nötig sei, um zu zeigen, dass
sich Gegenstände, die man in der Vorstellung hat und die man für „ganz concret hält“, erst in der
„Logik ihre wahrhafte Erledigung erhalten“.2 Hegel sieht dabei das Dilemma, dass er sich vor und
nicht innerhalb der Logik befindet. In allen drei Auflagen des Kompendiums der Enzyklopädie
bestimmt Hegel im „Vorbegriff“ die Logik als die Wissenschaft der reinen Idee, und zwar der Idee
im abstrakten Element des Denkens.3 Es geht in diesen Passagen also um die Bestimmung dessen,
was die Logik sei und schließlich auch, wem sie nütze. Dabei ist dem Missverständnis vorzubeu-
gen, die Logik als etwas bloß Nützliches zu begreifen. Aber dieser Aspekt des Nutzens der Logik
ist zugleich bedeutend. Es ist zunächst einmal das endliche Bewusstsein, das die Gegenstände in
der Vorstellung hat, zu nennen. Ihm soll die Logik das Denken lehren. Es soll schließlich lernen,
wie es mit logischen Bestimmungen umzugehen habe. Hierzu nützt ihm die Logik. Es wird im
„Vorbegriff“ auf das Denken der Logik vorbereitet, und dieses Denken steht in der Vorbereitungs-
phase gleichsam unter dem Begriff der Logik. Diese Beobachtung gilt es hier zu erweitern, indem
die These aufgestellt wird, dass Hegel den Menschen als Menschen durch den Text des „Vorbe-
griffs“ zur Logik hinführt, indem er den Menschen als Menschen zugleich in seinen verschiede-
nen Bestimmungen und Stellungen zum Gegenstand seiner Überlegungen macht. Diese These
lässt sich insbesondere durch die Vorlesungsnachschriften zur Logik belegen.

* * *

1 Einen Überblick über die Forschung zum „Vorbegriff“ gibt folgender Sammelband: G. W. F. Hegel, Der „Vorbegriff“
zur Wissenschaft der Logik in der Enzyklopädie von 1830, Bd. 2 der Interpretationen und Quellen, hg. v. Alfred Denker,
Annette Sell und Holger Zaborowski. Freiburg/München 2010.
2 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830). Gesammelte Werke Band
20. Unter Mitarbeit von Udo Rameil hg. v. Wolfgang Bonsiepen und Hans-Christian Lucas. Hamburg. 1992, 69.
3 Ebd., 61. G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1817). Gesammelte Werke
Band 13. Unter Mitarbeit von Hans-Christian Lucas und Udo Rameil hg v. Wolfgang Bonsiepen und Klaus Grotsch.
Hamburg 2001, 23. G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1827), hg. v. Wolf-
gang Bonsiepen und Hans-Christian Lucas, Gesammelte Werke Band 19, Hamburg 1989, 45.
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 Annette Sell, Der Mensch im Vorbegriff   151

Im Hinblick auf die Nachschriften zeigt sich, dass Hegel dem „Vorbegriff“ eine große Bedeutung
beigemessen hat. Einige Vorlesungsnachschriften bestehen ausschließlich aus dem „Vorbegriff“,
bisweilen weil sie mitten im Semester abgebrochen wurden, aber auch, weil Hegel mit dem „Vor-
begriff“ fast sein gesamtes Programm des Sommersemesters füllte. Der Begriff des Menschen ist
dabei in allen Vorlesungen zur Logik sehr präsent. Wohingegen der Mensch im „Vorbegriff“ der
gedruckten Enzyklopädie von 1817 keine explizite Rolle spielt, ist er in den Vorlesungsnachschrif-
ten an vielen Stellen thematisch. In den Nachschriften, die vor dem Hintergrund dieser ersten
Auflage der Enzyklopädie entstanden sind (das sind namentlich die Nachschriften von Good,
Hotho, Kehler, Correvon, Anonymus, die in Hegels Gesammelten Werken Band 23,1 ediert wurden),
wird die Frage diskutiert, was das Denken überhaupt sei. Noch nicht die historischen Gestalten
bereiten hier auf die Logik vor, sondern auch durch Bestimmungen des Menschen wird die Grund-
lage für das Denken der Logik geschaffen. Im Sommer 1817 hält Hegel in Heidelberg eine Vorle-
sung, die durch die Nachschrift des Schweizers Franz Anton Good belegt ist. Der Mensch wird hier
als stets denkender beschrieben. „Darum dass ich nicht weiss dass ich denke, bin ich deswegen
nicht nicht denkend. Selbst schlafend und im bewußtlosen Zustand ist der Mensch stets denkend.
Es fehlt hier nur das Bewußtseyn vom Denken. Indem ich anschaue bin ich ausser mir. Durch das
Denken wird das Gedachte in mir durchdrungen und dieses Durchdrungene ist nichts Fremd-
artiges mehr von mir, sondern es ist das Meininge geworden. –“4 Diese Beschreibung des Men-
schen steht im Kontext des Hegelschen Projektes, den Menschen auf den Standpunkt zu bringen,
auf welchem er die Logik zu denken vermag. Doch nicht nur als Denkender tritt der Mensch im
„Vorbegriff“ auf. Der Mensch im „Vorbegriff“ ist auch ein handelendes,5 moralisches und nicht
zuletzt glaubendes Wesen. „Der Mensch fühlt und weiß von einem höheren das er Gott nennt. Die
Metaphysik hat keinen anderen Zwek, als dieses Gefühl oder dunkle Wissen näher zur Erkenntnis
zu bringen –.“6 So heißt es weiter in der Nachschrift von Good und stellt die Aufgabe der Meta-
physik dar. Mit diesen Passagen entwickelt Hegel nicht nur den Menschen als fühlenden und
glaubenden, sondern bereitet seine erste Stellung des Gedankens zur Objektivität vor, die er in der
Metaphysik repräsentiert sieht.
Die Nachschrift von Heinrich Gustav Hotho aus dem Sommersemester 1823 ist insofern inte-
ressant, als dass sie ausschließlich den „Vorbegriff“ enthält. Auch hier knüpft Hegel an den füh-
lenden Menschen an, der sich erst durch das Denken vom Tier unterscheidet. Hegel widmet sich
in dieser Vorlesung sehr ausführlich dem Denken des Menschen, das er als Gegenstand der Wis-
senschaft der Logik behandeln wird. „Wäre das Denken bloß die subjective Thätigkeit, und als
solche der Gegenstand der Logik, so hätte diese wie die anderen Wissenschaften ihren bestimm-
ten Gegenstand. So könnte es als Willkühr erscheinen, daß man das Denken zum Gegenstand
einer Wissenschaft macht und nicht z. B. auch Willen und Phantasie, daß dem Denken diese Ehre
geschieht, dieß möchte wohl darin seinen Ursprung haben, daß wir dem Denken eine grosse Auto-
rität zugestehen, als sei es das Wahrhafte des Menschen, das dem Menschen seine Unterschei-
dung vom Thier giebt.“7 Von diesen Überlegungen ausgehend bestimmt Hegel weiter das Denken
des Menschen, das in allen seinen Tätigkeiten liegt. Indem der Mensch denkt, ist er auch ein
Allgemeines bzw. Teil dieses Allgemeinen und führt so über das rein subjektive Denken hinaus.
Auch ein Jahr später, d.  h. im Sommersemester 1824 belegt die Nachschrift von Jule Correvon
Hegels eingehende Ausführungen über das Denken des Menschen.8 Neben den Bestimmungen

4 G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Wissenschaft der Logik. Nachschriften zu den Kollegien der Jahre 1801/02, 1817,
1823, 1824, 1825 und 1826. Gesammelte Werke Band 23,1, hg. v. Annette Sell, Hamburg 2013, 17.
5 Vgl. ebd., 43. „Nur solange der Mensch durch sein eigenes Er bestimmt wird, kann ihm die Handlung zugerechnet
werden. Wenn der Bösewicht sagt, er habe müssen böse handeln seine Natur sey böse, so müßte man ihn als Natur
Wesen behandeln und daher wie ein schädliches Thier tödten oder unschädlich machen. –“
6 Ebd., 44.
7 Ebd., 161.
8 Vgl. ebd., 221. „Der Inhalt der Logik ist nur das eigne Denken, es hat nur mit sich selbst zu thun. Das Denken ist
nicht ein fremdes, sondern das Gebiet der Freiheit. Die Denkbestimmungen andererseits sind nur die leichtesten als
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152   Hegel-Jahrbuch 2018

des Menschen als denkenden treten anthropologische Eigenschaften hinzu, wenn Hegel z. B. über
den Charakter des Menschen spricht, der ihn auszeichnet, ganz besonders dann, wenn er sich zu
beschränken weiß.9 Das Sommersemester 1825 ist durch die Nachschrift von Hermann von Kehler
belegt. Der „Vorbegriff“ dieser Nachschrift ist nur fragmentarisch erhalten. Doch ist eindeutig
zu erkennen, dass sich diese Passagen mit dem Menschen als religiöses und als an Gott glau-
bendes Wesen auseinandersetzen. Das Verhältnis von verschiedenen Formen des Glaubens und
der Vernunft bildet hier den Schwerpunkt der Vorbegriffspassagen und zeigt, dass sich auch der
glaubende Mensch immer schon auf dem Standpunkt des Denkens befindet.10 In einer anonymen
Nachschrift vom Sommersemester 1826 wird vom Denken als „edelste Thätigkeit im Menschen“11
gesprochen. Dieses Denken ist „in unsern Empfindungen, Neigungen, in unserm Wollen, enthal-
ten; in Allem also, was wir sinnliche Weise nennen; in allen Trieben, sofern sie menschlich sind,
muss das Denken enthalten seyn“.12 Nur exemplarische Stellen aus den Vorlesungsnachschrif-
ten zur ersten Auflage der Enzyklopädie konnten hier aufgeführt werden, um zu zeigen, welche
bedeutende Rolle Hegel dem Menschen in seinen verschiedenen Facetten als denkender, fühlen-
der und glaubender für die Vorbereitung auf seine Logik zuschreibt.

* * *

Diese Beobachtungen der Vorlesungsnachschriften zur ersten Auflage der Enzyklopädie schlagen
sich teilweise in der „Einleitung“ der zweiten und dritten Auflage des gedruckten Werkes nieder.
Hier räsoniert Hegel ebenfalls über das Denken des Menschen, durch welches er sich vom Tier
unterscheidet. Zudem hat der Mensch Religion, Recht und Moralität im Gegensatz zum Tier.13
Auch über das Nachdenken denkt Hegel in diesen „Einleitungen“ nach. Das Nachdenken verwan-
delt Gefühle und Vorstellungen in Gedanken. Hegel spricht vom Nutzen der Logik im Hinblick auf
das Einüben des Denkens. Das Denken zeigt sich als Tätigkeit des Subjekts. Beim Denken ist der
Mensch bei sich selbst. Dazu, wie sich das Denken des Menschen zur Idee im abstracten Element
des Denkens verhält, gibt der § 23 der Enzyklopädie von 1827 und 1830 Auskunft. Im Denken, das
an die Tätigkeit des denkenden Subjekts gebunden ist, liegt die Freiheit, da es zugleich Tätigkeit
des Allgemeinen und somit ein bestimmungsloses Beisichselbstsein ist. Der Inhalt dieses Bei-
sichselbstseins ist ausschließlich die Sache. Somit ist die eine Seite, der Inhalt des Denkens, als
Sache bestimmt. Diesem Inhalt steht auf der anderen Seite das denkende Subjekt, der Mensch
gegenüber. Er ist die Form, die nun aber nicht als einzelne aufzufassen ist, sondern es ist so zu
verstehen, als dass „das Bewußtseyn sich als abstractes Ich als von aller Particularität sonstiger
Eigenschaften, Zustände u. s. f. befreites verhält und nur das Allgemeine thut, in welchem es mit
allen Individuen identisch ist“.14 Es geht nun also darum, alles Einzelne und Besondere zuguns-
ten einer Sache aufzugeben oder mit anderen Worten: Es geht um das objektive Denken. Um zu
dieser Wahrheit der objektiven Gedanken zu kommen, und das heißt auch, um das endliche
Denken sowohl formal als auch inhaltlich zu überwinden, muss das Denken auf einen bestimm-
ten Standpunkt gebracht werden. Diese Aufgabe sollen nun die „drei Stellungen des Gedankens
zur Objektivität“ übernehmen. Hegel sagt auch, dass die Darstellung der drei Stellungen an einer
„Einsicht mitwirken“ sollen, um zur eigentlichen Logik zu gelangen.15 Das endliche Denken und

die allgemeinsten. Der Mensch kann treiben was er will, so mischt sich das denken darin als das præsenteste. – Das
Denken und seine Bestimmungen sind allenthalben gegenwärtig.“
9 Vgl. ebd., 227. „Der Mensch ist nur dadruch etwas daß er sich zu beschränken weiß, und einen Caracter hat.“
10 Ebd., 315.
11 Ebd., 413.
12 Ebd., 414.
13 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1827), a. a. O. (Anm. 3), 28.
14 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830), a. a. O. (Anm. 2), 67.
15 Ebd., 69.
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 Annette Sell, Der Mensch im Vorbegriff   153

damit auch der Mensch, der in eine geschichtliche Welt des Denkens gestellt ist, wird im „Vorbe-
griff“ durch verschiedene philosophiegeschichtliche Formen des Denkens geführt, um schließ-
lich mit der Logik als Wissenschaft der reinen Idee zu beginnen. Diese drei Stellungen des Gedan-
kens zur Objektivität verknüpfen sich somit auch mit der Stellung des Menschen im Vorbegriff.
Dass hier der berühmte Titel Die Stellung des Menschen im Kosmos von Max Scheler anklingt, ist
nicht ganz unabsichtlich. Soll an dieser Stelle doch gezeigt werden, dass es der Mensch ist, der
sich im Denken zu diesem Denken und das heißt zur Objektivität stellen muss, so dass der Weg in
die reine Logik führen kann.

* * *

In den Vorlesungsnachschriften, die vor dem Hintergrund der zweiten und dritten Auflage ent-
standen sind, ist der Mensch dementsprechend auch ein Protagonist der Vorlesungen. Er wird
dort in seinen verschiedenen Facetten von Hegel skizziert: als handelnd, wollend, fühlend, emp-
findend, anschauend und vor allem als denkend. Im „Vorbegriff“ innerhalb der Nachschrift von
Karol Libelt aus dem Sommersemester 1828 heißt es: „Der Mensch verhält sich überall denkend,
daher die Denkbestimmungen überall vorkommen. Beim Denken sind wir bei uns selbst.“16
Indem der Mensch im Denken bei sich selbst ist, erkennt er sich selbst. Diese Fähigkeit des Men-
schen bildet die Voraussetzung für das Denken der Logik. Hegel bezeichnet diese Fähigkeit als
Freiheit. „Die Freiheit des Menschen liegt darin, daß er das alles in sich verschwinden lassen ist.
Das geistige physische Leben entfaltet die Bestimmungen. Der Mensch kann von allem selbst von
seinem Leben abstrahiren. Ich ist die Kraft der Abstraction alles zu negiren, von allen besonderen
abzusehen. Ich für sich selber ist weder Hören, Sehen, Wollen etc, es ist das ganz Abstracte.“17 In
der Anthropologie wird der Mensch von Hegel als besonderer mit allen seine physischen Eigen-
schaften gedacht. Doch diese machen nur einen Teil des Menschen aus. Er muss über diese an
Sinnlichkeit und Wahrnehmung gebundene Form hinausgehen. „Mit dem Wahrnehmen ist der
Mensch nicht zufrieden, er muß es befreien von seiner Einzelnheit und mit diesem Befreien muß
er sich das Allgemeine und an und für sich nothwendige vorstellen.“18 Genau diese Eigenschaft,
das Allgemeine zu denken, kommt nach Hegel „allen Menschen zu; Genie, Character, da fängt die
Besonderheit an. Im denkenden Erkennen tritt kein Naturell ein, es ist das gemeinsame, was den
Menschen als Menschen überhaupt auszeichnet –.“19 Im Sommersemester 1829 gibt Hegel in der
durch Hyppolite Rolin belegten Nachschrift der Beschreibung des Menschen wiederum viel Raum
und bezieht die Logik auf den Menschen, da dieser denkt und somit schon von Natur aus mit einer
Logik ausgestattet ist.20 Dabei stellt Hegel den Menschen ausführlich in seiner Ganzheit dar, und
bisweilen muten seine Ausführungen auch hier anthropologisch an, wenn er zum Beispiel sagt:
„Der mensch denkt. Aber ausser dem denken hat er noch viele andere thätigkeiten. Wir fühlen,
wir empfinden. ferner haben wir eine erinnerung, einbildungs Kraft, neben dem denken. Wir
haben begierden willen, leidenschaften. | Das alles neben dem denken.“21 Hegels letzte Logik-Vor-
lesung, die er im Sommersemester 1831 vor dem Hintergrund der dritten Auflage der Enzyklopädie
gehalten hat, ist von seinem Sohn Karl mitgeschrieben worden. Ein gewisses Pathos liegt in den
Worten, mit denen Hegel hier das menschliche Weltverhältnis beschreibt. „Der Mensch, zunächst
arm bereichert sich mit dem Inhalt der Welt, sein Trieb ist, daß er so reich werde wie die Welt;
Wenn wir sagen: weiß, so haben wir den Inhalt von diesem, was an so Vielem erscheint; der Trieb

16 G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Wissenschaft der Logik. Nachschriften zu den Kollegien der Jahre 1828, 1829,
1831. Gesammelte Werke Band 23,2, hg. v. Annette Sell. Hamburg 2015, 444.
17 Ebd., 447.
18 Ebd., 473.
19 Ebd., 453.
20 Ebd., 514.
21 Ebd., 519.
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154   Hegel-Jahrbuch 2018

des Wissens ist uns die äußerlichen Gegenstände zu eigen zu machen. Das Denken sind wir, das
Denkende bin ich.“22 Die Logik, die jedem Mensch eigen ist, ist nicht einfach ein Gedankenkon-
strukt, sondern sie ist als diese spekulative Logik auch immer schon auf den ganzen Menschen
bezogen. Sogar von einem Nutzen für den Menschen spricht Hegel: „Der Nutzen der Logik ist so,
daß wir Meister werden über dieses Denken. Denken und Gedanken haben ist zweierlei, daß wir
von dem Denken wissen; Das zu wissen, was wir sind, ist unser Studium; der Mensch ist Geist, zu
wissen was darin liegt ist das Größte.“23

* * *

So ist nun deutlich geworden, dass der Mensch eine herausgehobene Rolle im „Vorbegriff“ der
Vorlesungsnachschriften zur Logik spielt. Diese Nachschriften vermitteln damit auch eine neue
Perspektive auf die Wissenschaft der Logik, von der bislang in erster Linie die drei Lehren der
Logik sowie die Paragraphen der Enzyklopädie rezipiert werden konnte. Hegel verwandte in
seinen Logikvorlesungen jedes Sommersemester immer wieder viel Mühe und Zeit darauf, seinen
Studenten den „Vorbegriff“ zu vermitteln. Nur ein kleiner Ausschnitt von Äußerungen Hegels zum
Menschen, die so zahlreich und gehaltvoll in den Vorlesungsnachschriften enthalten sind, konnte
hier präsentiert werden. Die Gedanken, die im Kompendium in der „Einleitung“ stehen, fasst
Hegel in den Nachschriften unter den „Vorbegriff“ und erweitert somit die Ausführungen über die
Stellung des Menschen in der Welt und vor der Logik. Hegel sah die Notwendigkeit, mit Bestim-
mungen des Menschen, die ihn zum objektiven Denken und damit verbunden zu den drei Stel-
lungen des Gedankens zur Objektivität führen, zu seiner Logik hinzuleiten. Der Mensch gewinnt
durch diese exponierte Stelle eine eminente Bedeutung für die Logik. Der Mensch im „Vorbegriff“
ist der Durchgang zum Denken der Logik. Das Gebot „Erkenne dich selbst“, das Hegel in der „Ein-
leitung“ zur Geistphilosophie propagiert und das er hier nicht nur auf die „particulären Fähigkei-
ten, Charakter, Neigungen und Schwächen des Individuums“ angewandt wissen will, sondern
ihm die Bedeutung für die „Erkenntniß des Wahrhaften des Menschen, wie des Wahrhaften an
und für sich“24 zuschreibt, kann – wie oben gezeigt wurde – auch auf die Wissenschaft der Logik
bezogen werden. Indem der Mensch sich selbst erkennt, erkennt er sich als denkenden und ist
somit immer schon in der Logik inbegriffen.

Dr. Annette Sell


Ruhr-Universität Bochum
Institut für Philosophie I
D – 44780 Bochum
annette.sell@rub.de

22 Ebd., 654.
23 Ebd., 657.
24 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830), a. a. O. (Anm. 2), 379.
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Thomas Hanke, Frankfurt am Main

Menschliches Denken
Über anthropologische Aspekte in Hegels Logik-Vorlesungen

Geht es in Hegels Logik „nur“ um die Bestimmungen des Denkens überhaupt? Oder geht es in ihr
auch speziell um menschliches Denken – und darum, Menschliches zu denken? In diesem Beitrag
vertrete ich die These, dass Hegel in seiner Logik auch vom Menschen gehandelt hat. Das wird
deutlich, wenn neben seiner „großen“ Wissenschaft der Logik und der „kleinen“ Logik der Enzy-
klopädie auch die Nachschriften seiner Vorlesungen zu dieser Thematik herangezogen werden.
Im mündlichen Vortrag hat Hegel an verschiedenen Stellen vom Menschen gesprochen. Es waren
Beispiele, die uns etwas verraten sowohl über den Menschen als auch über die Logik. Sie haben
didaktische und systematische Relevanz. Zum Teil hat Hegel sie in die späteren Auflagen der Enzy-
klopädie eingearbeitet bzw. sind sie im Rahmen der „Zusätze“ der Freundesvereinsausgabe über-
liefert worden. Doch erst die jetzige Edition der Nachschriften hebt sie in ihrem ganzen Umfang
und ihrer Lebendigkeit ans Licht.1 In diesem Beitrag möchte ich zwei Punkte zur Untersuchung
herausgreifen: einen aus dem Vorbegriff und einen aus der Wesenslogik.

1 Der Mensch als Vor-Begriff


Eine der Eigentümlichkeiten von Hegels Philosophie besteht darin, dass er immer wieder betont
hat, alles Wesentliche habe innerhalb der Wissenschaft entwickelt zu werden, daher bedürfe es
eigentlich keiner einleitenden Texte und Ausführungen – dass er aber andererseits an diesen ein-
leitenden Texten und Ausführungen ziemlich viel Spaß gehabt zu haben scheint.2 Das gilt für
seine Schriften, und es gilt für seine Vorlesungen. Durch die Edition von GW 23 können wir das
anhand des breiten Raumes sehen, den die Präsentation des Vorbegriffs in seinen Logik-Vorlesun-
gen eingenommen hat.3 Ein diesbezügliches Bonmot findet sich in der Nachschrift von Hyppolite
Rolin (1829): Eigentlich brauche die Logik keine Einleitung, aber es werde „doch gewartet dass
doch zu der Logik eingeleitet wird wie zur Kirche, um den Kopf So zu füllen dass er alles andere
vergesse. Dann erst kommt es zur predigt. So correspondiert damit die einleitung zur Logik; es ist
eine erfüllung des bewusstseins mit vorstellungen; eine befreiung von vorurtheilen“4. Zu dieser

1 Der erste Teilband von GW 23 dokumentiert die Nachschriften der Kollegien aus den Jahren 1801/02, 1817, 1823,
1824, 1825 und 1826, der zweite Teilband diejenigen von 1828, 1829 und 1831. Das Erscheinen des dritten Teilbands mit
den studentischen „Zusätzen“ zur Enzyklopädie sowie mit dem Editorischen Bericht ist für Ende 2016 angekündigt.
Generell zitiere ich in diesem Beitrag mit der Sigle GW unter Angabe von Band und Seitenzahl nach Georg Wilhelm
Friedrich Hegel, Gesammelte Werke, hg. von der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, Hamburg
1968 ff.
2 Das ist bekanntermaßen eine eigene Problematik. Vgl. dazu die Bestandsaufnahme und Diskussion bei Hans-Chris-
tian Lucas, „Zum Problem der Einleitung in Hegels enzyklopädisches System. Vorreden, Einleitung und Vorbegriff der
Logik zwischen 1817 und 1830“, in: Hegels enzyklopädisches System der Philosophie. Von der Wissenschaft der Logik
zur Philosophie des absoluten Geistes, hg. v. H.-C. Lucas, B. Tuschling, U. Vogel, Stuttgart-Bad Cannstatt 2004, 41–70.
3 Vgl. dazu Annette Sell, „Der Vorbegriff zu Hegels enzyklopädischer Logik in den Vorlesungsnachschriften“, in: Der
„Vorbegriff“ zur Wissenschaft der Logik in der Enzyklopädie von 1830, hg. v. A. Denker, A. Sell, H. Zaborowski, Freiburg
im Br. 2010, 65–83, sowie den Beitrag von A. Sell zu diesem Kongressband.
4 GW 23.2, 518.
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156   Hegel-Jahrbuch 2018

„erfüllung des bewusstseins mit vorstellungen“ im hilfreichen, produktiven Sinne gehört Hegels
Rede vom Menschen. Weil wir selber Menschen sind, können wir uns vorstellen, was die Logik
ist. Weil wir selber Menschen sind – und wenn wir uns bewusst machen, was es heißt, Menschen
zu sein –, dann können wir uns von Vorurteilen über die Logik befreien, ein falsches, nämlich
zu formales Verständnis des Denkens von Anfang an abwehren. Deshalb spricht Hegel in seinen
Logik-Vorlesungen und damit in der Logik überhaupt vom Menschen.
Warum ist das so? Was ist der logische Vorteil daran, dass wir Menschen sind? Ich möchte das
ausgehend von einer Stelle erläutern, die besonders zugänglich von der Nachschrift Hotho (1823)
dokumentiert wird.5 Dort wird der Mensch im „Vorbegriff“ als Vor-Begriff profiliert. Damit meine
ich ein Doppeltes. Der Mensch ist Vor-Begriff in der Weise, dass in ihm Anteile des Vorbegriffli-
chen, Natürlichen zur Geltung kommen und ihr Verhältnis zum Begrifflichen thematisiert werden
muss (d. h. auch das Verhältnis der Logik zu den anderen philosophischen Disziplinen). Und der
Mensch ist Vor-Begriff, weil in ihm die Struktur des Begriffs, die im Rahmen der Logik erreicht
werden soll, im Vorhinein abgebildet ist.
In den Paragraphen 13 bis 16 der Enzyklopädie von 1817 unterscheidet Hegel drei Arten, wie
man das Wort „Denken“ konzipieren könne.6 Hotho notiert die Erläuterungen, die Hegel im Som-
mersemester 1823 zu diesen Paragraphen gegeben hat.7 Einem subjektivistischen Verständnis
von „Denken“ wie einem solchen, das zwar die Problematik des Gegenstandsbezugs sieht, sie
aber nicht löst, schlägt er den Begriff des „objektiven Denkens“ vor. Dieses „objektive Denken“
dürfe allerdings dem Subjektiven nicht einfach entgegengesetzt sein. An dieser Stelle nun, an
der Hegel den entscheidenden Punkt machen will, bei der Erläuterung dessen, was er im § 16 der
Enzyklopädie das „Speculative oder Positivvernünftige“8 nannte, also dessen, was nach §  17 die
Logik wesentlich charakterisiert und ausmacht,9 spricht er vom Menschen. Am Menschen sollen
wir sehen können, was „objektives Denken“ ist, am Menschen soll uns auf- und einleuchten, was
in der Logik entwickelt werden wird. Einerseits ist der Mensch charakterisiert durch eine Vielzahl
von Vermögen und Tätigkeiten, die ihn an einen bestimmten Ort in Raum und Zeit binden. Er
empfindet hier und jetzt dies oder jenes, schaut es an, erstrebt es möglicherweise. Das haben
Menschen und Tiere laut Hegel gemein: „Der subjectiv Empfindende hat es immer nur mit sich
zu thun, mit seiner Besonderheit seiner Einzelheit“10. Andererseits zeigt sich, dass für ihn das
Denken nicht einfach ein weiteres Vermögen neben den bereits genannten darstellt. Empfinden
ist tatsächlich nur subjektiv in einem partikularen Sinne. Wenn der Mensch aber denkt, dann ist
er beides, partikular und allgemein. Hegel reflektiert hier über Kants „Ich denke“ aus der transzen-
dentalen Deduktion der reinen Verstandesbegriffe. Dabei versucht er jedoch von Anfang an, die
dualistische Gefahr der völligen Trennung von transzendentalem Subjekt und konkreter Person
zu unterlaufen.11 Das Ich bleibt hier ein Mensch, d. h. bleibt ein begrenztes, körperliches Indivi-
duum, das als solches denkt. In der Vorlesung von 1823 hat Hegel das anhand des individuellen
Ich-Sagens erläutert:

5 Das Motiv selbst findet sich in verschiedenen Jahrgängen. Die Nachschrift Hotho ist aber deshalb interessant, weil
sie eine Vorlesung wiedergibt, die noch auf Basis der 1. Auflage der Enzyklopädie gehalten wurde, also vor Ausarbei-
tung der „Drei Stellungen des Gedankens zur Objektivität“. Das Beispiel war also sozusagen noch wichtiger, hatte
noch mehr Last der Verdeutlichung zu tragen.
6 Vgl. GW 13, 24 f.
7 Vgl. GW 23.1, 160–173. Einige der Formulierungen aus dem mündlichen Vortrag sind in die §§ 20–25 der späteren
Auflagen der Enzyklopädie eingegangen: vgl. GW 19, 46–50 und GW 20, 61–69.
8 GW 13, 25.
9 Vgl. ebd.
10 GW 23.1, 169.
11 Im Zusammenhang dieser Stelle, als Anmerkung zum § 20 der 2. und 3. Auflage der Enzyklopädie, wird Hegel Kant
vorwerfen, er habe sich ungeschickt ausgedrückt, indem er die Formulierung verwendete, das „Ich denke“ müsse die
eigenen Vorstellungen nur „begleiten“ können: vgl. GW 19, 47 f. und GW 20, 65.
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 Thomas Hanke, Menschliches Denken   157

Sage ich Ich, so meine ich mich als diese einzelne Person, die weder war, noch sein wird, diesen vollkommen
schlechthin bestimmten, Auf der andern Seite aber heißt sich jeder Ich, und ich sage also damit kein Besondres
von mir aus. Ich sagend, obgleich den Einzelnen meinend, sage ich ein vollkommen Allgemeines […]. Das Ich
für sich ist ganz Allgemein, ist die vollkommne Abstraction, das reine Fürsichselbstsein, wo alles Andere negirt
und aufgehoben ist12.

Während Kant an zwei verschiedenen Stellen vom transzendentalen Ich und von der individuel-
len Person spricht, nämlich in der Deduktion und in den Paralogismen, tut Hegel es an derselben
Stelle. Es klingt hier zwar noch nach Kants formaler Bestimmung, wenn er z. B. fortfährt, das Ich
sei „diese Leere, die Receptaculum ist für Alles und Jedes“13, oder dass es „wie Wasser durchsich-
tig“14 sei. Aber er betont zugleich, dass es auf diese Weise nicht kontaktlos über dem Endlichen
schwebt, sondern dass hier ein Endliches zugleich unendlich wurde. Dadurch wird das Endliche
seinerseits von der Unendlichkeit des Denkens durchzogen: „Also denkend ist der Mensch immer,
auch wenn er anschaut“15.
Dies ist Hegels Versuch zu bebildern, was er mit „objektivem Denken“ meint, einem objekti-
ven Denken, das dem subjektiven Denken, Empfinden etc. nicht dualistisch entgegengesetzt ist.
Er spricht auch von einem Denken, das „sowohl subjectiv als objectiv ist und weder subjectiv noch
objectiv“16. Dafür soll das doppelseitige Ich ein Beispiel sein. Oder auch, um einen Zeitsprung zu
machen und aus Karl Hegels Nachschrift von 1831 zu zitieren: „Ich ist ein Beispiel des Begriffs“17.
Das wird wiederum gesagt kraft des Ausgangs vom Individuum: „Diese Einzelnheit ist unmittel-
bar vereinigt mit dem Ich, das Denken hat nur Wahrhaftes als Denkendes und sein Produkt ist
das Gedachte oder Allgemeine. Ich ist das Widersprechendste es ist das ganz Allgemeine und die
vollkommne Einzelnheit“18. Und ein paar Zeilen weiter findet sich die vielleicht prägnanteste For-
mulierung, die nochmals deutlich macht, wer hier involviert ist:

Ich ist auch ein Einzelnes, aber da ist Einzelheit vermittelt durch die Allgemeinheit. Als Einzelnes bin ich Ich
nur vermittelst der Allgemeinheit; so wie Ich auch nur Allgemeinheit bin vermittelt durch Einzelheit. Ich ist
die in die reine Allgemeinheit erhobene Einzelheit. Die abstrakte Einzelnheit ist das Sinnliche, der persönliche
Mensch mit seinem thun, Wollen, ist der sinnliche, der aber im Ich zur Allgemeinheit erhoben ist19.

Hegel betont hier also, was niemanden verwundern wird, die Erhebung zur logischen Wissen-
schaft, aber gerade unter Bewahrung des sinnlich-menschlichen Ausgangspunkts. Es handelt
sich, wie gesagt, um ein Beispiel. Aber es ist eben ein Beispiel für den logischen Begriff, in dessen
Allgemeinheit die Einzelheit zu sich selbst kommt, in dessen Unendlichkeit das Endliche seine
Würdigung erfährt.
An dieser Stilisierung des Menschen zum Vor-Begriff finde ich mit Blick auf Hegels philoso-
phisches System zwei Punkte besonders interessant:
(1) Anhand der Vorlesungen haben wir gesehen: Menschliches Denken ist subjektiv und par-
tikular und erhebt doch Anspruch auf Objektivität und Allgemeinheit. Der Mensch als Ich-Sager
bezieht sich auf sich selbst als Einzelnes und darin zugleich auf das Allgemeine, für das sein
Denken offensteht. Hiermit werden die Strukturmerkmale des logischen Begriffs präludiert. Dies
ist ähnlich, wie wir es aus der Passage „Vom Begriff im allgemeinen“ aus der Wissenschaft der
Logik kennen.20 Allerdings ist nun darüber hinaus ausdrücklich vom Menschen die Rede, nicht

12 GW 23.1, 169.


13 Ebd.
14 GW 23.1, 170.
15 Ebd.
16 GW 23.1, 172.
17 GW 23.2, 659.
18 Ebd. (Hervorhebung T. H.).
19 Ebd.
20 Vgl. GW 12, 17–19.
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158   Hegel-Jahrbuch 2018

nur vom Subjekt. Dadurch wird die bodenständige Seite der „individuellen Persönlichkeit“21 unter-
strichen. Mit den oben angeführten Stellen verfügen wir also über eine Lektürehilfe für Hegels
Auseinandersetzung mit Kant in „Vom Begriff im allgemeinen“. Generell wird man sagen können:
Die Nachschriften der Logik-Vorlesungen erläutern nicht nur die „kleine“ enzyklopädische,
sondern ebenfalls die große Logik.
(2) Die Logik riecht hier also noch nach Fleisch und Blut. Daher kann sie selbst, so heißt
es zum Abschluss der bisherigen Ausführungen, zum „Nervensystem“22 der Realphilosophie
werden. In den Sphären der Natur und des Geistes finden die logischen Formen ihre Anwendung,
Naturphilosophie und Geistphilosophie sind „angewandte Logik“23. Der Mensch markiert das Tor,
das in beide Richtungen durchschritten werden kann: in die Logik hinein und aus ihr hinaus.
Die Logik stiftet an zu Anthropologie und Psychologie oder auch zur Analyse der Modellierung
menschlicher Lebensverhältnisse in der Philosophie des objektiven Geistes.

2 M
 enschliches Schicksal und begriffliche
Notwendigkeit
Ich möchte noch eine zweite Stelle anzeigen, an der Hegel in der Logik (und nun wirklich in der
Logik, nicht nur vorab) vom Menschen spricht. Das geschieht zum Ende der Wesenslogik im
Abschnitt über die „Wirklichkeit“, dort, wo es darum geht, die Begriffe der Notwendigkeit und des
Zufalls zu verstehen. Und es ist zu betonen: Hegel spricht hier vom Menschen, wo er nicht von ihm
geschrieben hat, weder in der „großen“ noch in der „kleinen“ Logik! Auf unterschiedliche Weise
zeigen die Nachschriften, die Jules Correvon 1824 und Friedrich von Kehler 1825 angefertigt haben,
wie Hegel in seinen Ausführungen zu den §§ 96 und 97 der Enzyklopädie von 1817 den Zusam-
menhang von Notwendigkeit und Zufall anhand des Menschen und dessen, was dieser Schicksal
nennt, zu erklären sucht.24
In § 96 der Enzyklopädie wird Notwendigkeit bestimmt als „das Eine mit sich identische, aber
inhaltsvolle, Wesen“25. Notwendigkeit soll nicht verstanden werden als ein formales Gesetz, viel-
mehr soll ein Inhalt, etwas, das nur vorzuliegen schien, ein Kontingentes, als notwendig ausge-
wiesen werden. Notwendigkeit ist „in seiner Wahrheit das Verhältniß der Nothwendigkeit“26, man
könnte sagen: das Verhältnis einer Selbstaffirmation. Etwas kann nicht anders, als es selbst zu
sein.
Die Nachschrift Correvon von 1824 dokumentiert nun in einem kurzen Abschnitt, der noch
relativ hermetisch daherkommt, wie Hegel versucht hat, ein passendes Beispiel für diesen Punkt
zu geben. Es hört sich wie folgt an:

Der Mensch wird gemacht durch die Nothwendigkeit des Geistes. Er erscheint freilich zunächst als Zufälligkeit.
Dieses Individuum ist die vollbringende Thätigkeit die nichts vollbringen kann als den anundfürsich schon
vorhandenen Inhalt. Und dieser Inhalt ist wirklich. Da ist vorhanden diese Zusammenstimmung des Innern. Der
große Mensch ist dies dieses Innerste zu erkennen und zu ergreifen27.

21 GW 12, 17.


22 GW 23.1, 172.
23 Ebd.
24 Ausführlicher und zusammenhängender zu diesem Teil der Wesenslogik ist wiederum Karl Hegel in seiner Nach-
schrift von 1831, entsprechend der Neuauflage der Enzyklopädie, die dieser Vorlesung zugrunde lag. Vgl. GW 23.2,
766–769.
25 GW 13, 65.
26 Ebd.
27 GW 23.1, 286.
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 Thomas Hanke, Menschliches Denken   159

Der Mensch kann nicht anders, als sich selbst zu verwirklichen. Dies ist zunächst in einem
nicht-emphatischen Sinne gemeint. Der Mensch kann nicht anders, als aus und in den kontingen-
ten Bedingungen seiner Existenz sein Leben zu führen. Diese Notwendigkeit ist ihm oder ihr auf-
erlegt. Zu diesem Selbstverhältnis, zu dieser Selbstaffirmation, wiederum im nicht-emphatischen
Sinne, bin ich genötigt.28
Auf diese Weise zeigt sich, dass die Notwendigkeit sozusagen von innen her betrachtet nichts
anderes ist als Freiheit:

Die Gesinnung der Nothwendigkeit ist die Freiheit. Ich gebe einen Inhalt auf und halte mich an die abstraction
es ist so, so bin ich schlechthin bei mir selbst. Ist man unter einer Macht gegen die man nichts vermag, so ist der
Schein der tiefsten Abhängigkeit der aber in dem reinen Gedanken aufgehoben wird. Ich steht über allem, ich
bin befriedigt, mir selbst gleich. Dieß ist die Befreiung des Subjects durch negation der negation29.

Der Nachschrift zufolge hat Hegel diese seine Sichtweise abgegrenzt gegen die Vorstellung, sich
dem Schicksal zu ergeben: das „Gerede von Schicksal in neuerer Zeit“ sei „sehr unvernünftig“30.
Ein Jahr später hat er diese Beurteilung des Schicksals revidiert – bzw. verdeutlicht uns die
Nachschrift Kehler von 1825, was eine vernünftige Rede vom Schicksal im Unterschied zu einer
unvernünftigen sein könnte. Unvernünftig ist laut Hegel nämlich lediglich der Sprachgebrauch
seiner Gegenwart, welche das Tragische als etwas Trauriges und das Schicksal als eine bloß
blinde Notwendigkeit missversteht.31 Demgegenüber gebe es ein durchaus hilfreiches Verständ-
nis, nämlich das antike:

In den alten Tragödien ist das Schiksal nicht nur etwas blindes, die Individuen werden erdrückt von der Macht
aber was ihnen widerfährt, kommt nicht von aussen an sie, sie haben gehandelt, und dadurch ist das erregte
nichts, was gegen sie auftritt. Es ist also auch ihr eignes Werk, ihre Thätigkeit, die das verwirklichte, und 2tens
ist die Macht, der sie erliegen, eine berechtigte Macht32.

Als Beispiel führt Hegel den Herakles in Sophokles’ Tragödie Die Trachinierinnen an. Herakles
leidet schreckliche Qualen durch das auf seine Kleidung aufgetragene Gift, von dem seine Frau
Deianeira in aufrichtiger Absicht dachte, es sei ein Liebeszauber, um ihren Ehemann aus den
Armen ihrer Konkurrentin Iole zurückzugewinnen. Als er die Zusammenhänge erkennt, bejaht er
seinen Untergang, der ihm mit Recht zugestoßen ist. Er bejaht ihn aktiv bzw. er plant und gestaltet
ihn sogar. Hegel zieht daraus eine allgemeine anthropologische Lehre. Was Herakles im Großen
tut, ist etwas, was jeder Mensch kann, was den Menschen auszeichnet:

Der Mensch, indem er sich der Nothwendigkeit unterwirft, sagt, weil es so ist, will ich es auch, und so ist es
Sache seines Willen, und er kann nur affirmativ dabei sein; da er seinen Willen befreit von allen besondren
Interessen, und sich erhebt zur reinen Abstracten Allgemeinheit33.

28 Dies ist eines der großen Themen, das Dieter Henrich in seiner Auseinandersetzung mit Hegel und über ihn hi-
naus für die Gegenwart zu entfalten gesucht hat. Vgl. dazu Dieter Henrich, „Hegels Theorie über den Zufall“, in:
Ders., Hegel im Kontext. Mit einem Nachwort zur Neuauflage, Berlin 2010, 158–187, die rückblickende Einordnung im
dortigen Nachwort, 219 f., sowie Ders., Endlichkeit und Sammlung des Lebens, Tübingen 2009. Die Vorlesungsnach-
schriften in GW 23 belegen jetzt auf schöne Weise, dass Henrich mit seiner frühen Intuition recht hatte: Hegel suchte
danach, Fragen der Logik und Fragen des Lebens zu verbinden, und setzte es um.
29 GW 23.1, 286.
30 Ebd.
31 Die ganze Komplexität von Hegels Theorie des Tragischen findet sich hier natürlich noch nicht. Vgl. dazu die
maßgebende Studie von Christoph Menke, Tragödie im Sittlichen. Gerechtigkeit und Freiheit nach Hegel, Frankfurt am
Main 1996. Die Differenz von Tragischem und Traurigem in Verbindung mit der Frage nach Notwendigkeit und Zufall
wird dort (freilich auf anderer Textbasis) auf 25–41 herausgearbeitet.
32 GW 23.1, 373.
33 Ebd.
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160   Hegel-Jahrbuch 2018

Hegel zieht eine allgemeine anthropologische Lehre, die zugleich eine logische Lehre sein soll.
Wenn wir vom Menschen und seinem Schicksal reden, so wie die antike Tragödie es darstellte und
besang, dann verstehen wir (als endliche Menschen, als Hegels Studenten…) besser (!), was es
mit dem Begriff der Notwendigkeit auf sich hat – mit dem Begriff der Notwendigkeit, der zugleich
Selbstaffirmation bedeutet. Hier wird Menschliches, Allzumenschliches betrachtet, um die Kate-
gorien der Logik zu durchdenken. Und wiederum wird umgekehrt ein Vorausblick gegeben, wie
die Logik als Blaupause für existentielle, realphilosophische Themen dienen wird, sich als ihr
„Nervensystem“ erweist. Anhand der von mir ausgewählten zwei exemplarischen Stellen durch
verschiedene Jahrgänge der Logik-Vorlesungen hindurch – aus dem „Vorbegriff“ und hier nun aus
der Wesenslogik  – lässt sich also sehen, wie die verbesserte philologisch-editorische Lage uns
neue Brücken baut für ein Verständnis von Hegels systematischem Anliegen.

Dr. Thomas Hanke


Weberstraße 90
D – 60318 Frankfurt am Main
t.hanke@em.uni-frankfurt.de

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Florian Ganzinger, Leipzig

Das denkende Lebewesen und der Entschluss


rein zu denken
Dieser Aufsatz untersucht die sprachliche Darstellung der logischen Entwicklung in Hegels Wis-
senschaft der Logik (WdL). Die Analyse wird sich in drei Teile gliedern: (1) es wird argumentiert,
dass die Aufgabe der WdL, die Formen des Denkens zu erkennen, nur sinnvoll ist, indem die
Sprache die „natürliche Logik“ ist, die Denkformen unreflektiert gebraucht. (2) Da somit die
Sprache die Denkformen bereits implizit anwendet, stellt sich aber die Frage, ob die sprachliche
Darstellung der logischen Übergänge einen Einfluss auf ihre Begründung hat. Diese Frage wird
an der Dialektik von Sein und Nichts dargestellt, indem eine Reihe von externen Gründen für den
Übergang von Sein in Nichts im Gegensatz zu dem immanenten Grund ihrer Dialektik diskutieren
wird. (3) Abschließend soll dargelegt werden, warum die WdL die sprachliche Darstellung der
Dialektik erst als ihr Ergebnis thematisieren kann, indem ihr Zusammenhang mit der absoluten
Methode skizziert wird.

1 Die natürliche Logik und die Wissenschaft der Logik


Die WdL untersucht das reine Denken. Sie hat somit nicht diesen oder jenen Gedanken zu ihrem
Gegenstand, sondern den Gedanken überhaupt. Im Vergleich zu dem „natürlichen Denken“, dem
ein empirischer Gehalt zukommt, hat das reine Denken nur die allgemeine logische Form des
Gedankens zu ihrem Inhalt. Um das natürliche Denken zu diesem reinen Denken zu führen, gibt
es für Hegel zwei Wege: zum einen kann das natürliche Denken über die „Leiter“, die ihm die
Phänomenologie des Geistes darbietet, zu dem Standpunkt des reinen Wissens auf begründete
Weise aufsteigen; zum anderen ist es auch möglich, dass sich das natürliche Denken ganz unmit-
telbar zu dem logischen Standpunkt erhebt, indem es sich mit der Aufforderung, rein zu denken,
konfrontiert.1 Anstatt, wie gewöhnlich unzählige Wahrheiten als gegeben anzuerkennen, hat das
natürliche Denken allein den radikalen Entschluss zu fassen, von allen Wahrheiten und Vorur-
teilen gänzlich zu abstrahieren.2 Um rein zu denken, hat das Denken sich selbst zu bestimmen.
Bei der Darstellung des reinen Denkens ergeben sich aber Schwierigkeiten, da die reinen
Denkformen bereits für das natürliche Denken konstitutiv sind, aber sie zugleich erst durch die
WdL gewusst werden sollen. Daher stellt sich die Frage, welche Beziehung das reine zu dem
natürlichen Denken aufweist. Hierbei ist es entscheidend zwischen einem unbewussten, naiven
Gebrauch und einem bewussten, reflektierten Gebrauch der Denkformen zu differenzieren. Dem
natürlichen Denken sind die Denkformen zwar bekannt, so dass es immer schon in und mit ihnen
operiert, aber trotzdem werden sie erst durch das reine Denken erkannt.3 Demnach hat die WdL
die expressive Aufgabe, diese Denkformen zu explizieren, indem erst sie thematisiert, was diese
an und für sich sind.4 Wie ist es dann zu erklären, dass sie bereits implizit von dem natürlichen
Denken gebraucht werden können?

1 Vgl. G. W. F. Hegel, Gesammelte Werke, Band 21, Hamburg 1968 ff., 54–55; 63.
2 Vgl. G. W. F. Hegel, Gesammelte Werke, Band 20, Hamburg 1968 ff., 118.
3 Vgl. ebd., 12.
4 Vgl. ebd., 17.
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162   Hegel-Jahrbuch 2018

Hegels Antwort besteht darin, dass er den Menschen nicht nur als ein denkendes, sondern
auch als ein sprechendes Lebewesen begreift. Der Mensch ist ein zoon logikon. Hierbei eignet
sich das griechische Wort logos, da es nicht nur Denken oder Vernunft, sondern auch Rede oder
Sprache bedeutet.5 Bereits die Doppeldeutigkeit zeigt an, dass es sich nicht nur um eine zufäl-
lige, additive Beziehung der Fähigkeiten handelt, vielmehr sind die Vermögen zu denken und zu
sprechen wechselseitig voneinander abhängig. Deshalb betont Hegel auch in seiner Philosophie
des Geistes, dass sich die Intelligenz nur sprachlich, d. h. in Worten, realisieren kann. Um einen
Gedanken wirklich erfassen zu können, bedarf es seines Ausdrucks durch sinnlich wahrnehm-
bare Zeichen: „Es ist in Namen, daß wir denken“.6
Im Lichte dieser anthropologischen Verfassung kann Hegel behaupten, dass das Logische
nicht nur die Natur des Menschen ausmacht, wodurch er sich vom Tier unterscheidet, sondern
das Logische dem Menschen schon unbewusst durch sein Wirken in der Sprache vertraut ist. So
sind „[d]ie Denkformen […] zunächst in der Sprache des Menschen herausgesetzt und niederge-
legt“.7 In dieser ursprünglichen Einheit von Denken und Sprechen befindet sich das natürliche
Denken, weshalb die Grammatik einer Sprache nichts anderes als ein Ausdruck der „natürlichen
Logik“ ist, die Hegel als das Werk des „logischen Instinkts“ des Menschen ansieht.
Durch die Sprache, kann erklärt werden, warum dem Menschen seine logische Natur zwar
bekannt und dennoch unbewusst bleiben kann. Aber die Frage scheint wiederzukehren: wenn
die Sprache bereits von den Denkformen durchdrungen ist, dann ist fraglich, ob diese überhaupt
in den Sätzen der WdL begründet werden können, ohne damit einen schlechten Zirkelschluss zu
begehen. Vor diesem Hintergrund soll im nächsten Abschnitt anhand der Dialektik von Sein und
Nichts erwogen werden, ob der Anfang der logischen Entfaltung darin gründet, dass der Gedanke
überhaupt zunächst so unmittelbar gedacht werden soll, dass er sich nicht angemessen zum
Ausdruck bringen lässt.

2 Der Entschluss rein zu denken: Sein und Nichts


Die WdL beginnt durch den Entschluss rein zu denken; sie macht keine Voraussetzungen. Mit der
Voraussetzungslosigkeit muss zwangsläufig eine Unterscheidung zwischen dem reinen Denken
und unserem Denken, was jenes betrachtet, einhergehen.8 Daher kann auf der Ebene des reinen
Denkens gerade nicht vorausgesetzt werden, was das Denken ist und dass es sich nur bestimmen
kann, indem es urteilt und diese Urteile in Sätzen darstellt.
Durch die Abstraktion von allem Gedankeninhalt, ergibt sich der Anfang der Logik mit dem
Gedanken der unbestimmten Unmittelbarkeit. Zwar ist dieser erste reine Gedanke für unser
betrachtendes Denken eigentlich noch durch unsere abstrahierende Reflexion vermittelt. Aber
auch von dieser Abstraktion muss abstrahiert werden, damit das reine Denken sich allein imma-
nent bestimmt. Deshalb formuliert Hegel den ersten reinen Gedanken auch durch zwei Reflexi-
onsausdrücke, Unbestimmtheit und Unmittelbarkeit, die ihren reflexiven Charakter gegenseitig
aufheben sollen.9 In seiner reinen Unmittelbarkeit muss also der Gedanke das gänzlich Unbe-
stimmte sein, da er weder durch anderes noch durch sich selbst bereits bestimmt sein kann. Diesen
logischen Begriff bezeichnet Hegel mit dem einfachen Ausdruck „Sein“.
Der Abschnitt (2.1) diskutiert, warum die Schwierigkeiten, die Bedeutung des Seins sprachlich
zu artikulieren, nur als externes Argument für den Umschlag des Seins in das Nichts zu bewerten

5 Vgl. G. W. F. Hegel, Werke in 20 Bänden, Band 20, Frankfurt am Main 1970, 106 f.
6 Hegel, GW 20, a. a. O. (Anm. 2), 460.
7 Hegel, GW 21, a. a. O. (Anm. 1), 10.
8 Vgl. Anton Koch, „Sein – Nichts – Werden“, in: ders., Die Evolution des logischen Raumes, Tübingen 2014, 61–62.
9 Vgl. Dieter Henrich, „Anfang und Methode der Logik“, in: ders., Hegel im Kontext, Frankfurt am Main 2010, 85 ff.
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 Florian Ganzinger, Das denkende Lebewesen und der Entschluss rein zu denken   163

sind. Dagegen wird sich zeigen (2.2), dass der immanente Grund für diesen logischen Umschlag
nicht in der Sprache liegt, sondern in der Unselbständigkeit des Seins selbst.

2.1 Die externen Argumente der Darstellbarkeit des reinen Seins


Auf Grund der Unterscheidung zwischen dem reinen Denken und dem beobachtenden Denken
kann dieses in der Tat äußerliche Reflexionen über jenes anstellen. Besonders wenn Hegel sich
mit seinen Kritikern auseinandersetzt, erwägt er eine Reihe an äußerlichen Reflexionen über den
Umschlag von Sein in Nichts:
(1) Das Definitionsargument. Das Wort „Sein“ kann nicht als unbestimmte Unmittelbarkeit
definiert werden. Denn eine Definition ist gerade eine Bestimmung. Durch eine festlegende Defi-
nition werden dem morphologisch einfachen Wort „Sein“ die unbestimmte Unmittelbarkeit als
seine Bedeutung zugeschrieben. Aber eine solche explizite Bedeutungsfestlegung wäre perfor-
mativ widersprüchlich. Wenn der Ausdruck „Sein“ als das bestimmungslose Unmittelbare stipu-
liert wird, dann ist entweder der Ausdruck „Sein“ in seiner Bedeutung unbestimmt, weswegen
das Sein nicht als unbestimmt bestimmt sein kann; oder aber der Ausdruck „Sein“ ist in seiner
Bedeutung bestimmt, weswegen das Sein nicht unbestimmt sein kann. Folglich rührt das Problem
das Sein zu definieren daher, dass sich Inhalt und Form der definitorischen Aussage performativ
widersprechen.
(2) Das Meinungsargument. Das Wort „Sein“ hat seine Bedeutung nur in dem Denkenden.
Denn aus (1) kann die Konsequenz gezogen werden, dass der Ausdruck „Sein“ überhaupt nicht
festzulegen, von ihm gar nichts auszusagen ist, so dass der Ausdruck vielmehr „ein Unsagba-
res“ repräsentiert. Aber dadurch kann die etwaige Bedeutung des Ausdrucks „Sein“ nur noch
in das Subjekt fallen, so dass, wie Hegel anmerkt, „sein Unterschied von dem Nichts eine bloße
Meynung [ist]“.10 Demnach ist eine bloß subjektive, private Festlegung gar keine Festlegung.
Diese Konsequenz lässt sich nur mittels des Begriffs des Nichts ziehen. Doch auch das Nichts kann
als die reine Unbestimmtheit nur begriffen werden, in Relation auf den Denkenden: „Das Nichts
wird gedacht, vorgestellt, es wird von ihm gesprochen; es ist also; das Nichts hat an dem Denken,
Vorstellen, Sprechen, u. s. f. sein Seyn.“11 Daher ist sowohl die Bedeutung des Wortes „Sein“ als
auch die des Wortes „Nichts“ eine bloß private Festsetzung des Denkenden, so dass das Logische
gleich zu Beginn in die subjektive Meinung kollabiert.
(3) Das Abstraktionsargument. Um das Sein zu denken, muss man von allen inneren und
äußeren Bestimmungen abstrahieren. Reflektieren wir auf diese Abstraktion, dann ist das Sein
vielmehr nichts, und somit ein neuer logischer Begriff: das Nichts. Denn jede Aussage über das
Sein involviert Prädikation, und damit die Bestimmung des Sein durch ein Prädikat. Das, wovon
nichts auszusagen ist, können wir aber als das Nichts bezeichnen.
Die analysierten Paradoxien resultieren jedoch alle aus einer äußerlichen Reflexion. Sie
beruhen auf der Unmöglichkeit der Artikulation des Seins durch Definition oder Prädikation
und beinhalten damit eine externe Reflexion auf den Denkenden und Sprechenden, indem sie
dessen Abstraktionstätigkeit oder Bedeutungszuweisung thematisieren. Aber dieses äußerliche
Nachdenken, hält nicht konsequent an seinem Entschluss fest, keine Voraussetzungen zuzulas-
sen. Denn die Individualität des Denkenden, sogar die Subjektivität, kann nicht mehr gedacht
werden, wenn im absoluten Wissen das Sein und das Denken ein und dasselbe sind. Ebensowenig
ist bereits eine anthropologische Voraussetzung über das Verhältnis von Denken und Sprache zu
machen. Man würde also den Anfang missverstehen, wenn man in ihm nur eine Darstellung des
Mangels unserer endlichen Ausdrucksfähigkeiten erblicken würde, die mit dem Sein als solchem

10 Hegel, GW 20, a. a. O. (Anm. 2), 124.


11 Hegel, GW 21, a. a. O. (Anm. 1), 88.
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164   Hegel-Jahrbuch 2018

nichts zu tun hätte. Nicht bloß wir können nicht definieren oder aussagen, was Sein ist, vielmehr
ist für eine nicht äußerliche und voraussetzungslose Argumentation zu erweisen, dass das Sein
an sich selbst das Nichts sein muss.

2.2 Das immanente Argument der Unselbständigkeit des reinen Seins


Die Widersprüche fallen jedoch nicht nur in eine externe Reflexion, sondern sie treten als imma-
nente an dem Sein und dem Nichts selbst auf. Um dies zum Ausdruck zu bringen, vermeidet Hegel
ganz bewusst eine satzförmige Bestimmung des Ausdrucks „Sein“, indem das Kapitel „Sein“ mit
einem Anakoluth beginnt: „Seyn, reines Seyn, – ohne alle weitere Bestimmung“.12 Hierin ist die
festlegende Definition nur implizit in dem Gedankenstrich vorhanden, nicht aber schon durch
ein „ist“ im Sinne der Bedeutungsgleichheit ausdrücklich gemacht. Diese Formulierung trägt der
sachlichen Anforderung Rechnung, dass das Sein in Nichts deshalb umschlägt, weil es seiner
eigenen Natur oder Definition nicht gerecht wird, und nicht, weil der Ausdruck „Sein“ undefinier-
bar ist.
Der erste reine Gedanke besteht allein darin, das reine Sein festzuhalten. Wir müssen uns als
Betrachter darüber klar sein, dass für das reine Denken nur das Sein und sonst nichts vorhanden
ist. Unsere Abstraktion von der Abstraktion muss sich im reinen Denken selbst in dessen Abso-
lutheit niederschlagen. Daher ist das reine Denken auch nicht durch anderes eingeschränkt, denn
davon wurde abstrahiert. Aber ebensowenig ist es durch sich selbst eingeschränkt oder bestimmt.
Das Sein ist – metaphorisch gesprochen – das reine Denken als „frictionless spinning in the void“.
Der immanente Grund für den Umschlag von Sein in Nichts ist daher folgender: indem das
Sein unmittelbar ist, was es ist, ist es gerade nicht durch sich das, was es ist. Was aber derart nicht
durch sich oder anderes ist, bezeichnen wir als das Nichts. Umkehrt ist das Nichts, indem es nicht
durch sich und nicht durch anderes ist, allein unmittelbar, was es ist; es ist das Sein. Daher kann
Hegel das Nichts auch im Vorblick auf den Begriff der Negation als die beziehungslose Negation
auffassen. Denn die Negation ist nicht durch sich, was sie ist, sondern erst durch ein anderes, das
zu Negierende. Wenn aber die Negation rein unmittelbar begriffen wird, dann ist auch von ihrer
Beziehung auf dieses zu Negierende abzusehen.
Dass das Sein weder durch sich noch durch anderes das ist, was es ist, ist also unsere Rede-
weise, um den Übergang nachvollziehbar zu machen. Dadurch stellt jener Ausdruck aber nicht
den Maßstab dar, an dem Sein gemessen und so für unvollkommen befunden wird. Denn der
Begriff des Messens impliziert einen Vergleich von einem zu Messenden, hier dem Sein, mit einem
Maßstab. Da das Maß nicht einfach vorausgesetzt werden kann, ist das Sein nur mit sich zu ver-
gleichen. Aber das Sein kann wegen seiner reinen Unmittelbarkeit noch nicht einmal an sich
selbst gemessen werden; darin liegt seine Unwahrheit. Warum aber, so mag man einwenden, ist
nach der Wahrheit des Seins überhaupt zu fragen und nicht vielmehr auf der Unmittelbarkeit des
Seins zu beharren? Doch dieses Beharren wäre eine bloße Versicherung, die in einem Gefühl oder
einer Meinung gründen mag, aber nicht für sich selber einstehen kann: ein Gefühl widerlegt ein
anderes nicht. Indem das Sein an ihm selbst gemessen wird, deckt sich an dem Sein selbst der
Grund seines Mangels auf. Zwar misst das Sein sich zunächst nicht selbst, sondern das beobacht-
ende Denken muss das Messen übernehmen und es ist nur dieses Vergleichen, aber der Maßstab
ist allein das Sein. Da das Vergleichen mit sich selbst in das beobachtende Denken fällt, ist weder
das Sein als Identität noch das Nichts als Differenz zu verstehen. Nicht weil das Sein mit sich iden-
tisch ist, so dass es einen Unterschied impliziert, schlägt es in das Nichts um, sondern weil es sich
als schiere Unmittelbarkeit noch nicht einmal mit sich selbst identifizieren kann.

12 Hegel, GW 21, a. a. O. (Anm. 1), 68.


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 Florian Ganzinger, Das denkende Lebewesen und der Entschluss rein zu denken   165

Doch greift nicht bereits die sprachliche Darstellung der Dialektik des Seins und Nichts in
ihrer Verwendung solcher Ausdrücke wie „nicht“, „durch“ und „sich“ auf noch nichtabgelei-
tete Denk- und Reflexionsverhältnisse zurück? Wie kann dann aber behauptet werden, dass die
Sprache der WdL thematisch neutral ist?

3 Absolute Methode und sprachliche Darstellung


In der obigen Formulierung der Dialektik des Seins und Nichts kommen in der Tat die Wörter
„nicht“, „durch“ und „sich“ vor, wobei das erstere ein Negations-, das zweite ein Begründungs-
und das dritte ein Reflexionsverhältnis bezeichnet. Wir müssen sie gebrauchen, weil wir nur durch
sie ausdrücken können, dass das bloße Sein noch nicht die Selbstbestimmung ist, als welche sich
das reine Denken letztlich erweisen wird. Aber diese Denkformen fallen zunächst nicht in das
reine Denken, sondern in den logischen Betrachter, indem durch sie gerade beschrieben wird,
wie die logische Entwicklung ist. Die Sprache stellt somit zwar die Voraussetzung dar, um die
Logik wirklich nachvollziehen und nachvollziehbar machen zu können, aber das bedeutet nicht,
dass sie thematische Voraussetzungen induziert. Daher weist Hegel auch explizit die Forderung
zurück, „daß bey keiner Stuffe der Entwicklung eine Denkbestimmung und Reflexion vorkäme,
die nicht in dieser Stuffe unmittelbar hervorgeht, und aus den vorhergehenden in sie herüber-
gekommen ist“.13 Denn „auf solche abstracte Vollkommenheit der Darstellung muß […] Verzicht
gethan werden; schon indem die Wissenschaft mit dem rein Einfachen, hiermit dem Allgemeins-
ten und Leersten, anfangen muß, ließe der Vortrag nur eben diese selbst ganz einfachen Ausdrü-
cke des Einfachen ohne allen weiteren Zusatz irgend eines Wortes zu“.14 Deshalb ist zunächst zwi-
schen einem unbewussten Gebrauch der logischen Formen und der bewussten Thematisierung
ihres Gebrauchs zu unterscheiden. Die Möglichkeit die Selbstbestimmung des Denkens durch den
Gebrauch der Sprache bereits unbewusst zum Ausdruck zu bringen, muss gegeben sein, wenn die
gesamte WdL zum Ziel hat, das Denken als Selbstbestimmung zu vindizieren.
Die von uns vorausgesetzte, sprachliche Form zur Darstellung der Dialektik kann also nicht
zu Beginn, sondern erst in dem Abschnitt „Die absolute Idee“ eingeholt werden. Denn die Form
der Darstellung einzuholen, heißt nichts anderes als die WdL zum Abschluss zu bringen. Die
absolute Idee oder Methode beschließt die spekulative Logik dadurch, dass sie das Sein in seiner
Doppeldeutigkeit erfasst, indem sie das Sein (a) als anfängliche Unmittelbarkeit und zugleich (b)
als resultierende Selbstbestimmung artikuliert. Hierbei zeigt sich die Einheit von beiden Sinnen
des Seins durch den Übergang von (a) in (b) und zugleich von (b) in (a): Zum einen bestimmt sich
der logische Anfang gerade deshalb selbst, weil er noch nicht durch anderes und noch nicht durch
sich bestimmt ist, somit aber nicht das bleiben kann, was er ist. Hierdurch führt das Sein selbst
auf seine Bestimmungen, die zwar das Sein als reines Sein völlig verneinen, für die aber zugleich
ihrer Beziehung zu dem reinem Sein konstitutiv ist, um es einschränken zu können. Durch diesen
immanenten Widerspruch kehrt das Sein vielmehr durch sich zu sich zurück. Zum anderen erweist
sich ebenso das Resultat dieser Selbstbestimmung als reine Unmittelbarkeit, weil das, was schon
vollkommen durch sich bestimmt ist, gerade in der Aufhebung aller Vermittlung besteht. „Die
Methode, die sich hiemit in einen Kreis schlingt, kann aber in einer zeitlichen Entwicklung es
nicht anticipiren, daß der Anfang schon als solcher ein abgeleitetes sey; für ihn in seiner Unmit-
telbarkeit ist es genügend, daß er einfache Allgemeinheit ist“.15 Deshalb fiel zu Beginn der WdL
der Entschluss rein zu Denken als Vermittlung des Seins nicht schon in, sondern noch außerhalb
der spekulativen Wissenschaft.

13 Hegel, GW 21, a. a. O. (Anm. 1), 18.


14 Ebd.
15 G. W. F. Hegel, Gesammelte Werke, Band 12, Hamburg 1968 ff., 251.
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166   Hegel-Jahrbuch 2018

Demnach kann unsere Darstellung der Dialektik des Seins durch die Ausdrücke „nicht“,
„durch“ und „sich“ ihre vollständige Rechtfertigung erst dann erhalten, wenn die WdL zu ihrem
Ende kommt. In der Seinslogik fällt die Darstellung der Selbstbestimmung des Seins in uns, oder
nur für uns bestimmt sich das Sein selbst; in der absoluten Idee hingegen ist das Sein für sich
selbst als Selbstbestimmung offenbar.

In diesem Aufsatz wurde gezeigt, dass die Fähigkeit der Sprache unsere noch unreflektierte Ver-
trautheit mit den reinen Denkformen und somit den Kontrast zwischen unerkanntem und erkann-
tem Denken verständlich machen kann. Am Beispiel der Dialektik von Sein und Nichts wurde
dafür argumentiert, dass in ihrem sprachlichen Ausdruck nicht ihre Begründung liegt. Durch
einen Vorgriff auf die absolute Methode wurde erläutert, warum in unserer sprachlichen Formu-
lierung der Dialektik des logischen Anfangs dieser bereits äußerlich als Selbstvermittlung begrif-
fen sein muss.

Florian Ganzinger
Universität Leipzig
Institut für Philosophie
Beethovenstraße 15
04107 Leipzig
florian.ganzinger@uni-leipzig.de

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Ludwig Krüger, Hagen und Tutzing

Der Mensch als logische Herausforderung


Anthropologie als (Formal)Logikkritik und Einheit der Vernunft

1 Abstract
Wenn Hegel von der „Erkenntnis des Wahrhaften des Menschen“ als Selbsterkenntnis des
Menschen spricht, dann wird damit ein bisher ungelöstes Problem zur Bearbeitung aufgege-
ben: nämlich die dem Satz „Erkenne dich selbst“ zugrunde liegende Selbstreflexivität logisch
zu erschließen und dadurch das Bekannte zu wirklich Erkanntem zu machen. Wie etwa Bruno
Liebrucks zeigt, dringt erst Hegel mit seiner Logik zum Menschen durch und eine wahrhafte Anth-
ropologie muss damit zentral immer auch (Formal-)Logikkritik sein. Zudem erweist sich die Frage
nach dem Menschen, weil es gilt, ihn als Natur- und Freiheitswesen zu denken, als eine Frage
nach dem Verhältnis von theoretischer und praktischer Vernunft, deren Einheit wiederum erst mit
Hegel gedacht werden kann, weil auch dies eine logische Aufgabe ist.

2 Anthropologie als Formal-Logikkritik


Bekanntlich schreibt Hegel am Anfang der Vorrede zur Seinslogik von 1812, dass nach Kants
Fundamentalkritik an Metaphysik und Ontologie die große Aufgabe der Philosophie von nun an
darin zu bestehen hat, die seit Aristoteles unangetastete Logik selbst und damit das Herzstück
der bisherigen Philosophie einer ebenso fundamentalen Kritik zu unterziehen.1 Doch es war
Kant selbst, der, wie Bruno Liebrucks in seinem vierten Band von „Sprache und Bewußtsein“
hervorhebt, auch wenn Kant es selbst nicht intendiert hat, eine Fundamentalkritik der bisherigen
Logik lieferte und damit nichts weniger als eine Revolution der Denkart einläutete.2 Kant hat mit
seiner transzendentalen Logik, indem er lehrte, dass synthetische Urteile a priori nur möglich
sind, wenn das theoretisch-erkennende Denken mit einem sinnlichen Fundament zusammenspielt
und nur dadurch sachhaltig sein kann, den Anwendungsbereich formallogischen Schließens ein-
geengt und seine Sachhaltigkeit an Bedingungen geknüpft. Die Pointe ist demnach gerade nicht,
dass, weil Gott, Seele, Welt, aber auch Freiheit und Wille, keine Gegenstände der theoretischen
Vernunft sein können, die Philosophie als Vernunftwissenschaft sich dieser Themen nicht mehr
sinnvoller Weise annehmen kann, sondern, dass, wenn sie sich dieser Themen annimmt, das for-
mallogische Denken hier an seine Grenzen stößt. Bestes Beispiel hierfür ist Kants transzendentale
Einheit der Apperzeption – „Das: Ich denke, [welches] alle meine Vorstellungen begleiten können
muß“3. Hier erreicht die bisherige Logik ihre Grenze und ihren höchsten Punkt, weil sie Einsicht
in ihr, wenn auch ihr noch nicht klar vor Augen stehendes, sie fundierendes Prinzip erhält. Kant
schreibt: „Und so ist die synthetische Einheit der Apperception der höchste Punkt, an dem man

1 G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik: Das Sein (1812) [GW XI], Hamburg 1978, 5.
2 B. Liebrucks, Sprache und Bewußtsein, Band 4: Die erste Revolution der Denkungsart. Kant: Kritik der reinen Ver-
nunft, Frankfurt am Main 1968.
3 I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, Riga 21787, B 131.
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168   Hegel-Jahrbuch 2018

allen Verstandesgebrauch, selbst die ganze Logik und nach ihr die Transscendental-Philosophie
heften muß, ja dieses Vermögen ist der Verstand selbst“.4
Dieses Ich als höchster Punkt – als logisches Ich und nicht als anthropologisches, denn Kants
Anthropologie finden wir nicht in seiner ersten Kritik – ist Bedingung und Grundlage logischen
Erkennens und es heißt nichts weniger als dass die formale Logik nicht autark ist. Denn sie ist an
das theoretische Erkennen gebunden, welches wiederrum ein sinnliches Fundament braucht.5
So sind die kantischen Vernunftbegriffe auch nicht als theoretischer Erkenntnisgegenstand,
sondern als praktische Aufgabe aufzufassen und hier kann man die provokante Frage stellen, ob
es eine Wesensbestimmung des Menschen im Sinne theoretischen Erkennens, vielleicht sogar in
Form einer Definition überhaupt geben kann und ob nicht Tugend- und Pflichtenethik mehr zur
Bestimmung des Menschen beigetragen haben, als es die nur auf formale Logik setzende Philoso-
phie jemals können wird. Das meint nicht nur die „klassische“, an Aristoteles orientierte Philoso-
phie, sondern auch die nach Frege.
Das „Ich denke“ als der Grund alles begrifflichen Denkens scheint als Prinzip bei Kant nur
punktuell auf, es ist das Prinzip, das für theoretisches Objektwissen angenommen werden muss,
selbst aber nicht Gegenstand theoretischen Erkennens sein kann. Kant fragt nach den Möglich-
keitsbedingungen von Erkenntnis, er fragt unter welchen Bedingungen formale Logik Erkenntnis
hervorbringen kann und hat damit den Gültigkeitsbereich formallogischen Denkens eingegrenzt:
„Es ist eine der wichtigsten Errungenschaften Kants, gezeigt zu haben, daß reine Denkformen, die
nicht auf den Verstandesgebrauch an der Erfahrung eingeschränkt sind, Nonsens sind. […] Ein
Begriff, dem keine Anschauung korrespondiert, ist […] kein Begriff.“6 Kant erklärt damit zugleich,
wie die positive Welt, die Welt der Erscheinungen, erstellt wird. Für Liebrucks sind die kantischen
Dualismen wie Ding an sich vs. Erscheinung, Spontaneität vs. Rezeptivität, Begriff vs. Anschau-
ung usw. logische Unterscheidungen, logisch notwendig zu postulierende Differenzen,7 durch
die erst die Erklärung möglich wird, wie und warum der Mensch Macht über die phaenomenale
Welt haben kann.8 Formale Logik ist das Prinzip des „technisch-praktischen Weltumgangs“, wie
Liebrucks sagt.9 Die Transzendentalphilosophie, das hat auch der frühe Fichte auch hervorge-
hoben, ist gerade darauf aus, den Menschen auszublenden; mit Liebrucks kann man sagen, dass
formale Logik nur unter Ausblendung des Menschen sachhaltig sein, also nur unter dieser Bedin-
gung einen Inhalt haben kann und auch dann nur den abstrakten Inhalt der Positivität. Anthro-
pologie auf diesem logischen Niveau bedeutet immer, dass sich der Mensch von seinen Produkten
her verstehen muss und das Denken, wie Liebrucks sagt, ein „automatisiertes“ ist.10
So wie die Transzendentalphilosophie die Wahrheit der Ontologie und Metaphysik ist, ist
Kants transzendentale Logik die Reflexion der formalen Logik.11 Bei Kant zeigt sich, dass die for-

4 Ebd., B 134.
5 Liebrucks schließt daraus: „Ein Verstand außerhalb der Erkenntnis ist nichts“ (SuB 4, a. a. O. (Anm. 2), 499).
6 Ebd., 458.
7 Vgl. hierzu ebd. 399. Liebrucks wendet sich hiermit auch gegen die anthropologischen und psychologischen Les-
arten Kants.
8 „Die Logik der Technik ist nur als automatisierte Technik perfekt“ (B. Liebrucks, Sprache und Bewußtsein, Band
6/1: Der menschliche Begriff. Sprachliche Genesis der Logik, logische Genesis der Sprache. (Teil 1 = Hegel: Wissenschaft
der Logik, die Lehre vom Sein), Frankfurt am Main 1974, 144.
9 Eine Einsicht, die sich letztlich erst auf dem Niveau des hegelschen Begriffs erschließt: „Der Begriff ist […] das
Resultat der Erkenntnis, daß die formale Logik definitiv eine zum Behufe unserer technisch-praktischen Weltbegeg-
nung vorausgesetzte Logik ist.“ (B. Liebrucks, Sprache und Bewußtsein, Band 6/3: Der menschliche Begriff. Sprachliche
Genesis der Logik, logische Genesis der Sprache. (Teil 3 = Hegel: Wissenschaft der Logik, der Begriff), Frankfurt am
Main 1974, 67.
10 B. Liebrucks, „Das nichtautomatisierte Denken“, in: Philosophie in Selbstdarstellungen, Band 2, hg. v. L. J. Pon-
gratz, Hamburg 1975, 170–223.
11 So schreibt Liebrucks in seiner Interpretation der ersten Kritik Kants vorausblickend: „Die formale Logik wird sich
letzten Endes erweisen, immer schon transzendentale gewesen zu sein, wie diese sich erweisen wird, immer schon
dialektische Logik gewesen zu sein“ (SuB 4, a. a. O. (Anm. 2), 428 f.).
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 Ludwig Krüger, Der Mensch als logische Herausforderung   169

menden Formen der formalen Logik eine Bedingung haben – eine Form der Formen, wenn man
so will: die transzendentale Einheit der Apperzeption. Aber Kant hatte, weil er die formale Logik
selbst unangetastet ließ und somit auch die Antinomien, auf die er stieß, nicht auflösen konnte,
das Programm einer einheitlichen Vernunft nicht zu Ende führen können, am Ende stehen die
bekannten kantischen Dualismen. Hegel fragt auf dem Boden der kantischen transzendentalen
Einheit der Apperzeption weiter. Bei Kant ist dieses Ich als Form der Formen nur postuliertes
Prinzip, bei Hegel ist diese absolute Form logischer Vollzug – actus. Damit fragt Hegel nicht mehr
nach den Bedingungen der Möglichkeit des Erkennens, sondern nach deren Wirklichkeit. Schon
bei Kant ist zumindest angedeutet – im zweiten Teil zur Einheit von theoretischer und praktischer
Vernunft wird darauf zurückzukommen sein – was die wirkliche Kraft ist, die das theoretische
Erkennen als Konstitution der Erscheinungen hervorbringt – nämlich die Freiheit.
Eine der größten Leistungen Kants besteht vielleicht in einer Inkonsequenz: Kants theoreti-
sche Philosophie selbst führte auf die das Verstandesdenken übersteigenden Vernunftideen. Wenn
die Vernunftideen wie bei Kant notwendig an das Verstandesdenken anschließen und damit not-
wendiger Weise zum Denken gehören, die Vernunftideen vom formallogischen Verstandesdenken
aber nicht erfasst werden können, wie Kant ebenfalls betont, dann ist das Denken schlicht und
einfach nicht auf formallogisches Denken reduzierbar und jeder Versuch, das Denken mit Hilfe
der formalen Logik einzuholen, dem Denken nicht adäquat. Das zeigt sich an der kantischen Phi-
losophie. Aber Kant unternimmt es nicht, sich auf die Suche nach einer Alternative zur formalen
Logik zu machen und die Freiheit, die auch schon in der ersten Kritik als τέλος aufscheint, als
Grund für das Erkennen zu nehmen. Auch zur Wirklichkeit gelangt Kant so nicht, sondern nur zur
Realität als Welt der Positivität oder Welt der Erscheinungen.
Von Hegel herkommend, kann man sagen, dass sich an den kantischen Dualismen zeigt,
dass die Dialektik die Voraussetzung der formalen und transzendentalen Logik, ja der gesam-
ten Vernunftkritik ist. Erst mit der Dialektik kommt auch der Mensch ins Spiel  – und zwar als
wirklicher Mensch und nicht nur als Abstraktion: als lebendiges, soziales Freiheitswesen. Man
kann zudem sagen, dass erst Hegel überhaupt zum Menschen durchgedrungen ist, weil er den
Menschen als logische Herausforderung verstanden hat: der Mensch ist existierender Begriff. Der
hegelsche Begriff ist die Identität von Anundfürsichsein und Gesetztsein,12 er ist das selbststän-
dige Bestimmen seiner selbst. Er ist Bestimmung und Bestimmen als freier Vollzug. Seine Freiheit
hat der Begriff nicht unmittelbar in sich, sondern nur in der ihm immanenten Alterität seiner
selbst als logische Vermittlung. Erst den Begriff in dieser Weise aufzufassen, lässt auch den Men-
schen denken. Nicht in der Erscheinung als ihm äußerlicher Positivierung ist der Mensch bei sich,
sondern im Anderen seiner selbst. Der Mensch ist nur in und durch den Anderen und als aktuale
Selbstbestimmung. Oder wie es Ludwig Siep in seinem Vortrag auf dem Hegel-Kongress sagte: Der
Mensch ist das, was er aus sich macht. Wenn wir oben die Frage gestellt haben, ob nicht Tugend-
und Pflichtenethik mehr zur Bestimmung des Menschen beigetragen haben als es die auf formale
Logik setzende Philosophie jemals können wird, können wir nun sagen, dass es eine wahrhafte
philosophische Anthropologie bislang nicht gibt – weil der Mensch nicht im Sinne des hegelschen
Begriffs als logische Herausforderung verstanden wurde.

3 Anthropologie als Einheit der Vernunft


Reduziert man Kant nicht nur auf seine erste Kritik, sondern folgt seinem Anspruch, eine funda-
mentale Theorie der Vernunft überhaupt liefern wollen, zu der die Kritik der reinen Vernunft die
Grundlagen bereitstellen soll, dann zeigt sich, dass die Kritiken der theoretischen und prakti-

12 Vgl. G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik. Die subjektive Logik oder die Lehre vom Begriff [GW XII], Hamburg 1981,
12.
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170   Hegel-Jahrbuch 2018

schen Vernunft nicht isoliert betrachtet werden können. In Kants Vernunftarchitektonik sind die
beiden Seiten des Menschen noch getrennt, die auch in heutigen Debatten schwer zusammenzu-
führen wird: der Mensch als Naturwesen und als Erscheinung in einer determinierten Welt und
auf der anderen Seite der Mensch als moralisch-sittliches Freiheitswesen. Es ist schon angedeutet
worden, dass die kantische Philosophie selbst über die Antinomien hinausweist, die für sie cha-
rakteristisch sind. Schon Kant hat in dem „Ich denke“ den Nachweis der Freiheit erblickt: So heißt
es in der Pölitz-Metaphysik: „Wenn ich sage: ich denke, ich handele etc.; dann ist entweder das
Wort Ich falsch angebracht, oder ich bin frei.“13
Es ist wichtig zu betonen, dass auch schon in der ersten Kritik der regulative Charakter des
Praktischen aufscheint und damit der Hinweis darauf gegeben wird, dass die praktische Vernunft
grundlegende Funktion für das theoretische Erkennen hat. Das ist schon deshalb der Fall, weil die
theoretische Vernunft selbst kein Interesse zu irgendetwas hat, sondern, wie Kant sagt „alles Inte-
resse zuletzt praktisch ist“.14 Selbst die Natur als Welt der Phaenomena und insbesondere die sie
ausmachende Naturgesetzlichkeit ist nur über die Totalitätsperspektive, d. h. vom noumenalen
Freiheitsstandpunkt aus denkbar.15 Kant hat dies nirgends offen ausgesprochen und innerhalb
seines Vernunftgebäudes konnte er das auch nicht tun, aber letztendlich war es Kants Verdienst,
zumindest indirekt gezeigt zu haben, dass das theoretische Wissen vom Menschen als determi-
niertem Naturwesen ein vom Menschen als praktischem Freiheitswesen gemachtes ist.
Aber man muss sagen, dass das Problem bei Kant darin liegt, die Totalität und Freiheit der
Vernunft in theoretischer und praktischer Hinsicht zwar als τέλος zu denken, aber nur in prakti-
scher Hinsicht als Grund – oder anders gesagt: als ἀρχή. Die Aufgabe der nachkantischen Idealis-
ten – wobei das für Schellings naturphilosophischen Ansatz nur bedingt gilt – bestand nun darin,
die praktische Vernunft in Form des Willens als konstitutiv auch für das Erkennen aufzuzeigen. So
bestand Fichtes Programm darin, die praktischen Prinzipien in der Gegenstandserfahrung aufzu-
zeigen oder in Fichtes Worten: Es ist zu zeigen: „die Vernunft könne selbst nicht theoretisch seyn,
wenn sie nicht praktisch sey; es sey keine Intelligenz im Menschen möglich, wenn nicht ein prak-
tisches Vermögen in ihm sey; die Möglichkeit aller Vorstellung gründe sich auf letztere“.16 Aber
Fichte hatte die Freiheit und die Einheit von Theoretischem und Praktischen auf direktem Weg ins
Praktische verlegen wollen, bei Hegel hingegen gilt es, wie sich an seiner Dreiteilung von Logik –
Natur – Geist zeigt, erst einmal, die logische Grundlage zu klären, aufgrund derer Subjektivität
und Freiheit denkmöglich werden. Es gilt zudem, die Vernunft im spekulativen Sinne zu denken,
was heißt, die Unendlichkeit, Freiheit und Totalität nicht nur als τέλος des Denkens zu denken,
was ja schon bei Kant der Fall war, sondern von der Totalität und Freiheit des Denkens her die etwa
bei Kant sowohl in theoretischer und praktischer Hinsicht dargestellten Momente der Vernunft,
wozu auch das verständige Erkennen gehört, in ihrer Bezogenheit auf das Ganze darzustellen. Es
geht um nichts weniger als um die Manifestierung der Vernunft selbst oder etwas emphatischer:
um die Darstellung der Selbstauslegung des Logos. Hier zeigt sich, dass das Denken der Einheit
von Theoretischem und Praktischem selbst wieder eine logische Herausforderung ist. Eine Logik,
die sich selbst aus dem Denken und damit aus dem auch schon bei Kant im „Ich denke“ ange-
deuteten Selbstbezug herausreflektieren will und sich wie im Fall der formalen Logik selbst nicht
als Moment von Denken überhaupt denken kann, ist für Hegel nicht das geeignete Mittel, Frei-
heit denken zu können, das Freiheitswesen Mensch kann in seiner Wirklichkeit so nicht gedacht
werden. Überhaupt kann hier von einem Mittel keine Rede mehr sein, weil sich hier kein Etwas
mehr eines Anderen bedienen kann (sofern ein solches „Ich denke“ überhaupt in den Blick gerät),
sondern in dem Bezug der Vernunft auf sich selbst, dieser Akt als Selbsterkenntnis der Vernunft

13 I. Kant, AA XXVIII,1, 268 f.


14 I. Kant, KpV, AA V, 121.
15 K. Konhardt, Die Einheit der Vernunft. Zum Verhältnis von theoretischer und praktischer Vernunft in der Philosophie
Immanuel Kants. Königstein (Taunus) 1979, 109.
16 J. G. Fichte, Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre [SW I], Berlin 1971, 264.
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 Ludwig Krüger, Der Mensch als logische Herausforderung   171

gewusst wird. So wie bei Kant die Vernunftideen als Resultat und τέλος des Denkens verstanden
werden, aber eben noch nicht als umfassende ἀρχή oder aktuale Selbstvermittlung der Vernunft,
so wählt auch Hegel für das letzte Resultat der logischen Vermittlung bzw. für den Grund der sich
selbst vermittelnden Totalität den Ausdruck „Idee“, genauer „absolute Idee“, wobei „absolut“ die
Einheit von Subjekt und Objekt meint, aber nicht als einfach gesetzte und postulierte, sondern als
sich über seine eigene logische Genese transparent gewordene Einheit. Die Logik befasst sich nun
nicht mehr mit unumstößlichen Denkgesetzen oder mit Regeln richtigen und falschen Denkens,
sondern zeichnet den logischen – also noch nicht etwa den geschichtlichen oder bewusstsein-
simmanenten – Weg nach, auf dem sich die Vernunft in ihrer Freiheit und als Grund ihres eigenen
Tuns selbst erkennt – erst auf diesem Weg kann der Mensch als Freiheitswesen mit seiner Natur-
wesenhaftigkeit zusammengedacht werden.
In realer Hinsicht ist es bei Hegel der Wille, in dem die Freiheit des Geistes und dessen
Einheit von Erkennen und Wollen zum ersten Mal explizit auftaucht. Freiheit bedeutet für Hegel
Im-Anderen-Bei-sich-Selbst-Sein, wobei dieses In-ein-Anderes-Gehen oder vom Totalitätsstand-
punkt aus gedacht: dieses Sich-in-Momente-Gliedern-und-Manifestieren nicht ein beliebiges
Können, sondern eine Notwendigkeit ausdrückt, sofern es um eine reale Freiheit gehen soll. Der
Wille ist das sich wissende Bewusstsein, bereichert um die Erkenntnis, dass es sich nur haben
kann, dass es nur existiert, wenn es praktisch wird und sich in objektiv-Äußerem manifestiert,
also die δύναμις zur ἐνέργεια wird. Deshalb bildet der Wille auch den Ausgangspunkt von Hegels
Lehre vom objektiven Geist und damit vom Reich des Rechts, der Sittlichkeit und der Institutio-
nen. Dieser praktische Wille ist aber zuvor in der Philosophie des subjektiven Geistes von dem
Erkennen und damit von der Intelligibilität her entwickelt worden, integriert aber das natürliche
Streben in Form von Trieben, Gefühlen, Neigungen usw. Auf die Herleitungsrichtung kommt es
hier gar nicht an, die Pointe ist, dass Intelligibilität immer schon voluntativ und dass das Volun-
tative immer schon intelligibel ist und dass der Wille eine bestimmte Stufe in der Entwicklung der
Selbsterkenntnis des Geistes darstellt und damit ein Moment der Vernunft selbst ist. Die Natur-
und Freiheitswesenhaftigkeit des Vernunftwesen Mensch verlangt, das Problem als logische Her-
ausforderung aufzufassen und das steht der philosophischen Anthropologie noch bevor.
Schlussbemerkung im Geiste Liebrucks’: Das Bisherige muss gerade nicht so interpretiert
werden, dass dem Praktischen, etwa in Form des Handelns, eine Vorrangstellung gegenüber
dem Erkennen zukommen müsste. Vielmehr kann ein Erkennen und Selbsterkennen im Bewusst-
sein der Freiheit von weitaus größerem emanzipatorischen Potential für den Menschen sein als
es unter dem Primat des Handelns gewährleistet wäre, weil ein solches in der Gefahr steht, in
Zweck-Mittel-Relationen zu verharren und damit in das „automatisierte Denken“ zurückzufallen.

Ludwig Krüger
Wildenbruchstr. 43
12435 Berlin
ludwig.krueger@fernuni-hagen.de

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Zhili Xiong, Heidelberg

Spekulative Logik als die Methodologie der


philosophischen Anthropologie Hegels
Was ist der Mensch? Diese Was-ist Frage bezieht sich auf das Wesen des Menschen. Ist der Mensch
beidfüßiges, haarloses Tier, oder vielleicht soziales Tier? Unter dem „absoluten Gebot“,1 Erkenne
dich selbst, fragte man sich dies immer wieder in der Geschichte der Philosophie. Sokratischer
Tradition nach könnte man sogar behaupten, dass dies die höchste Frage der Philosophie ist.
Und auch Hegel reiht sich in diese Tradition ein, wenn seine Philosophie des Geistes als Antwort
auf diese Frage gelten könnte. Angesichts seines gewaltigen philosophischen Systems ergibt sich
jedoch leicht die Frage, welche Rolle die spekulative Logik bei seinem Versuch spielt, diese anth-
ropologische Frage zu beantworten? Denn die Logik scheint zuerst so abtrakt zu sein und inso-
fern ehe wenig mit der Anthropologie als einer relativen konkreten Disziplin zu tun zu haben. Im
Folgenden versuche ich (1) Das spekulativ-methodische Bedürfnis der wahrhaften Anthropologie
darzustellen (2) Die notwendigen Bedingungen dieser spekulativen Methode zu erläutern und (3)
Die absolute Idee als die spekulative Methode zu identifizieren mittels derer Hegel die anthro-
pologische Frage beantwortet. Daraus wird sich das Fazit ergeben, dass die Hegelsche Logik die
Methodologie seiner philosophischen Anthropologie darstellt.

1 W
 arum benötigt Anthropologie eine
spekulative Methode?
Schon Kant bestimmt sein philosophisches System als die Anthropologie.2 In demselben Sinne
würde ich behaupten dass auch für Hegel als Kants besten Schüler, das Ziel seines philosophi-
schen Systems eine spekulativ philosophische Anthropologie ist, auch wenn er sie erst in seine
Philosophie des Geistes thematisiert. Hegel’s Anthropologie ist im weitesten und zugleich wahr-
haftesten Sinn dieses Wortes (ἄνθρωπος+λόγος) eine Wissenschaft vom Menschen, weil alle
Bereiche der menschlichen Handlungen und ihrer Produkte als Manifestationen des Wahrhaften
des Menschen in diesem System erforscht werden. Sei es Naturwissenschaft, Ökonomie, Recht,
Moralität, Kunst, Religion oder sogar Philosophie selbst; Die Anthropologie ist philosophisch,
weil sie nicht direkt auf Erfahrung, sondern allein auf Vernunft basiert; spekulativ, weil sie einer
eigentümlichen Methode, nämlich der spekulativen Methode, streng folgt.
Aber was berechtigt Hegel, seine Philosophie des Geistes als Anthropologie, ja sogar als
einzig wahrhafte Anthropologie zu bezeichnen, als er die Bedeutung der Anthropologie als „(Wis-
senschaft) des wahrhaften des Menschen, wie des Wahrhaften an und für sich,  – des Wesens
selbst als Geistes“ bestimmte?3 Wenn man etwas als wahrhaft kennzeichnet, impliziert man
einen Kontrast zum Unwahrhaften. Schon Kant hat die pragmatische Anthropologie von der
physiologischen Menschenkenntnis unterschieden.4 Während die pragmatische Anthropologie
betrachtet den Mensch als freihandelndes Wesen, geht die physiologische auf die natürliche Seite

1 G. W. F. Hegel, Gesammelte Werke, Bd. 20, Hamburg 1968 ff, 379 (=GW).


2 Vgl. I. Kant, Gesammelte Schriften, Akademieausgabe, Bd. XI, Berlin 1900 ff, 429 (=AA).
3 GW 20, 379.
4 Vgl. AA VII, 119.
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 Zhili Xiong, Spekulative Logik als die Methodologie der philosophischen Anthropologie …   173

des Menschen. Eine ähnliche Unterscheidung gilt auch für Hegel, allerdings etwas ausführlicher.
Die unwahrhafte Menschkenntnis ist Hegel zufolge zweierlei: Die erste hat die Schwäche an dem
Gegenstand und die zweite an Methode Die erste Kenntnis ist die sogenannte „Selbsterkenntniß“
und „Menschenkenntniß“.5 Während die Selbsterkenntnis die partikulären Eigenschaften des
Einzelnen, wie Fähigkeiten, Charakter, Neigungen und Schwächen erforscht, beschäftigt die
Menschenkenntnis sich mit solchen Besonderheiten anderer Menschen, wie Leidenschaften usw.
Beide setzen allerdings entweder die allgemeine Erkenntnis des Menschen, um welche allein sie
sich eigentlich bemühen sollten, schon voraus, oder haben den wahrhaften Gegenstand, den
Geist, gar nicht berührt. Sie bleiben bei dem Bewußtseinsstandpunkt und nehmen deshalb statt
des Vernünftigen oder des Begriffes die Vorstellung oder Gegenständlichkeit als Wahres an, wie
etwa Physiognomik und Schädellehre.6
Im Gegensatz dazu hat die zweite menschliche Kenntnis zwar den Geist zum Gegenstand, aber
wegen ihrer methodischen Schwäche erkennt sie diesen falsch. Diese methodisch falschen Men-
schenkenntnisse nennt Hegel rationelle und empirische Psychologie. Zwar scheint die empirische
Psychologie aufgrund ihrer konkreten Erfahrung sich von rationeller Psychologie unterscheiden
zu lassen. Aber in Wahrheit wenden sie beide die Denkart der Verstandesmetaphysik unbewusst
an. Der Geist – oder um vormaliger metaphysischen Terminologie willen, die Seele – wird als ein
Ding, als eine Substanz von verschiedenen Kräften als ihren Eigenschaften betrachtet.7 Da die
Seele als ruhige Substanz nur als ein Träger der tätigen Kräfte und mithin selbst als untätig gesetzt
ist, trennt sie sich von ihren Kräften ab. Unter diesem Modell des Menschen wird die Seele wie ein
Gespenst hypostasiert, was aber in der Tat nichts anderes als ein leeres Produkt der Abstraktion
ist. Hegels Diagnose nach führen genau diese statische und isolierte Verstandesdenkart und der
vorhin erwähnte Bewußtseinsstandpunkt zu Dualismen. Nicht nur zwischen Seele und Leiblich-
keit, sondern auch zwischen Freiheit und Determinismus, Geist und der Natur. Diese Dualismen
sind laut Hegel der Wahrheit nicht angemessen. Um solche Gegensätze als die eigene Grenze über-
schreitende Abstraktion der Neuzeit und Aufklärung zu korrigieren, muss eine wahrhafte bzw.
spekulative Betrachtung des Geistes gezeigt werden.8 Nur mit dieser Betrachtungsweise kann ein
einheitliches Bild des Menschen aufgestellt werden.

2 D
 ie notwendige Bedingungen einer spekulativen
Betrachtung
Um spekulative Betrachtung zu realisieren, muss man den zwei folgenden Gesichtspunkten Rech-
nung tragen: Der eine bezieht sich auf den Zusammenhang der Überwindung oder Auflösung der
oben erwähnten, verschiedenen Gegensätze und die Hervorbringung der spekulativen Betrach-
tung. Der andere betrifft den Ursprung und die Gestalten solcher Gegensätze.

(1) Wenn man unabhängig von den Gegensätzen etwas als spekulative oder wahrhafte Betrach-
tungsweise erhebt, dann wird man sich dem Verdacht aussetzen, im Hinblick auf vorhergehend
mangelhafte Betrachtungen nur noch eine neue Versicherung gemacht zu haben, deren Berechti-
gung so gut wie die der anderen ist. Deswegen soll eine wahrhafte Betrachtungsweise allein aus
den erwähnten Gegensätzen selber herauskommen, d. h. der Weg zur spekulativen Betrachtung
muss einerseits die Gegensätze innerlich und systematisch überwinden und andererseits zugleich

5 GW 20, 379.


6 Vgl. GW 9, 192.
7 Vgl. GW 23.1, 35.
8 Vgl. GW 20, 380.
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174   Hegel-Jahrbuch 2018

einen neuen Zugang finden. Diese Forderung prägt später das Prinzip der spekulativen Dialektik,
deren Bewegung „nicht nur auflösend, sondern auch hervorbringend“ ist.9

(2) Um die verschiedenen Gegensätze gründlich aufzuheben, müssen ihre Quellen deutlich iden-
tifiziert werden. Die Gegensätze sind laut Hegel die Ursache der Endlichkeit. Da die Endlichkeit
zweierlei ist, sind die Gegensätze dementsprechend auch in zwei Typen aufgeteilt, nämlich (a).
Gegensatz zwischen dem Subjektiven und Objektiven, (b).Gegensatz der Denkbestimmungen.10
Während der erste Gegensatz seinen Ursprung in der gegenständlichen Struktur des Bewußtseins
hat, geht der zweite aus der Verstandesansicht hervor. Parallel dazu hat Hegel auch zwei
Bücher geschrieben, um sie jeweils aufzulösen, nämlich die Phänomenologie des Geistes für die
Bewußtseinsstruktur und Wissenschaft der Logik für die Verstandesansicht. Das erstere ist die Ein-
leitung oder Voraussetzung zu dem letzteren und enthält daher nur teilweise Untersuchung der
spekulativen Betrachtungsweise.11 Wie Hegel selber formuliert ist das Resultat der Phänomeno-
logie „nur Begriff des Wissens, oder nicht reales Wissen zu sein“.12 Aber warum ist die Auflösung
des ersten Gegensatzes die Voraussetzung des letzten und nicht umgekehrt? Denn die Suche nach
dem Wahrhaften des Menschen setzt das Sein des Wahren und die Möglichkeit, das Wahre erken-
nen zu können, de facto schon voraus. Was der erste Gegensatz ausspricht ist die bedauerliche
Tatsache, dass man durch Denken statt des Objektiven bzw. Wahren nur „subjektive Wahrheit“
und „Erscheinung“ erfassen kann.13 Wäre dies die tatsächliche Lage, dann müsste man nie diese
Suche unternehmen, weil sie von vornherein zum Scheitern verdammt wäre. Erst wenn dieser
Gegensatz des Subjektiven und Objektiven überwunden ist, beginnt die wirkliche Untersuchung
mittels der spekulativen Methode, die zugleich das wahre Erkennen ist.

3 Die absolute Idee als die spekulative Methode


Da der Verstand „bei der festen Bestimmtheit und der Unterschiedenheit derselben gegen andere
stehen“ bleibt,14 ist er mit dem Gegensatz behaftet und damit auch der Endlichkeit. Das unter der
Verstandesansicht herrschende Erkennen ist deshalb auch endliches Erkennen, das an abstrakt
gedanklichen Unterscheidungen z. B. Form und Inhalt festhält. Daher wird das subjektive Erken-
nen immer als die vom Inhalt getrennte äußerliche Reflexion angesehen. Die aus dergleichen
Erkennen resultierende anthropologische Ansicht ist natürlich, wie schon erwähnt, auch schief
und unwahrhaft. Das systematische Zerbrechen dieser verständigen Gegensätze oder Widersprü-
che ist dementsprechend die Aufgabe der Wissenschaft der Logik, durch deren Verfahren alle
scheinbaren Widersprüche so gezähmt werden, dass sie sich schließlich als die verschiedene
Varianten des einzigen absoluten Erkennens entpuppen.
Um diese Aufgabe zu leisten muss das Verfahren so konzipiert werden, dass es in jeder Stufe
sowohl eine verständige Bestimmtheit, als auch ihr Gegenteil, sowie auch die Einheit oder Aufhe-
bung der beiden enthält. Diese Aufhebung muss zugleich wieder zur ersten Verstandesbestimmt-
heit zurückführen um damit eine neue, reichere hervorzubringen. Demzufolge ist die logische
Bewegung, die das Verfahren betreibt, ihrer Form nach in drei Momente einzuteilen, nämlich
„α) abstrakte oder verständige, β) dialektische oder negative-vernünftige und γ) spekulative oder

9 GW 14.1, 47.


10 Vgl. GW 20, 68.
11 Vgl. GW 21, 33.
12 GW 9, 56.
13 GW 21, 29.
14 GW 20, 118.
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 Zhili Xiong, Spekulative Logik als die Methodologie der philosophischen Anthropologie …   175

positive-vernünftige“.15 Während das verständige Moment jeweils eine Bestimmtheit bildet und
daran festhält, stellt das dialektische dazu skeptische Argumente auf, um die erste Bestimmtheit
zu ihrem Gegenbegriff zu führen und den Widerspruch dazwischen zu verschärfen. Erst wenn
darin keine Kompromisse mehr vorhanden sind, kommt das Spekulative hervor und bietet den
beiden eine neue Einheit als Lösung, die gleichzeitig der neue Kandidat verständiger Bestimmt-
heit ist und auf neuen skeptischen Angriff wartet. Was dem spekulativen Moment jeweils eine
neue Einheit zu finden ermöglicht, sind die unterschiedlichen Denkarten des Verstandes und
der Spekulation. Der Verstand hält sich immer an das abstrakte Prinzip der Identität, und kann
daher den Gegenbegriff nicht ertragen und die spekulative Einheit nicht einsehen. Spekulative
Vernunft verhält sich hingegen toleranter als jener und konzentriert sich statt auf Festigkeit und
Ruhe auf Prozessualität und Unruhe, die zwei scheinbare Gegensätze in eine dynamische Einheit
aufnimmt. Allerdings sind die drei Momente der logischen Bewegung selber als Methode des
absoluten Denkens erst am Ende der Logik thematisiert.
Durch die systematische Aufhebung der Gegensätze gelangt das logische Verfahren endlich
an seinen Bestimmungsort, die absolute Idee, wo alle vorhergehenden Widersprüche als Momente
derselben aufgehoben sind. Wie das Werden in der Seinslogik das reine Sein und Nichts enthält,
schließt die absolute Idee als ein groß geschriebenes Werden alle vorherigen Denkformen in sich
ein. Da sie ein Werden ist, ist sie nicht statisch, sondern tätig. Diese Tätigkeit drückt laut Hegel
das abstrakte und allgemeine Wesen des Geistes aus,16 die keine feste Bestimmung an sich hat,
sondern immer über solche Bestimmung hinausgeht und sie zugleich auch in sich aufbewahrt.
Eine dergleichen sich in ihrem Anderssein erhaltende Tätigkeit ist deswegen die absolute Wahr-
heit, weil der Begriff der Wahrheit wesentlich oder logisch gesagt gerade eine den Unterschied
in sich enthaltende identische Beziehung ist, die durch die Definition der Wahrheit, die Über-
einstimmung der Realität und des Begriffs, bezeichnet wird. Diese einzig wahre Tätigkeit als das
Begreifende ist das absolute Erkennen selber und insofern die wahre Methode aller anderen phi-
losophischen Wissenschaften inklusive der Philosophie des Geistes.
Hier bleibt noch das Verhältnis zwischen der Methode und der Philosophie des Geistes zu
erwähnen. Da alle Denkformen wie schon erwähnt in die Methode einbezogen werden, gibt es
keine Trennung zwischen Inhalt und Form. Die Methode selber ist die absolute Form, die zugleich
ihren Inhalt ausmacht. Deshalb darf man das angewandte Verhältnis der Methode und der Philo-
sophie des Geistes nicht so verstehen, dass jene wie in dem Fall des endlichen Erkennens als ein
Mittel oder Werkzeug äußerlich auf den zu erforschenden Gegenstand, den Geist, appliziert wird.
Im Gegenteil ist die Geistphilosophie das Resultat der Entwicklung spekulativer Methode selber.
Nur unter dieser Bedingung kann der Geist als das Wahrhafte des Menschen an und für sich, d. h.
als spekulativ betrachtet werden.

4 Fazit
Spekulative Logik ist die Methode der philosophischen Anthropologie Hegels. Mittels dieser
Methode kann Hegel das Wahrhafte des Menschen als den Geist an und für sich abhandeln. Die
Methode als absolute Idee enthüllt sich am Ende der Logik als die begreifende Tätigkeit oder Ver-
nunft selbst, durch die allein etwas als Wahres bezeichnet werden kann. Da wir Menschen mit
dieser Tätigkeit begabt sind, betreiben wir das Spiel der Wahrheit und stellen immer wieder die
Frage nach derselben. Diese Meta-Wahrheit durch Begriffe zu erkennen ist die höchste Aufgabe
der Menschen, das Selbsterkennen desselben.

15 GW 20, 118.


16 Vgl. GW 12, 236 f.
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176   Hegel-Jahrbuch 2018

Indem diese Methode immer über sich hinausgeht aber zugleich die Vergangenen in sich auf-
bewahrt und sich darin erhält, ist sie auch das Wesen der Freiheit, Beisichsein im Andern seiner
selbst. Diese wahre, freie, geschichtliche Tätigkeit als das logische, abstrakte Wesen des Men-
schen wird von Hegel „reine Persönlichkeit“ genannt.17 Aber da dieser Mensch als das endliche
Subjekt, das als Betreiber der Logik gilt, selbst noch unmittelbar gegeben ist, muss sich dieses
Subjekt durch weitere spekulative Entwicklung, nämlich Natur- und Geistesphilosophie, vermit-
teln und am Ende des ganzen Systems durch Philosophie überhaupt wieder nach der absoluten
Idee zurückkehren. Dort ist die absolute Idee als völlig realisierter oder „absoluter Geist“.18 Dieser
ist im Sinne der Vollständigkeit der Vermittlung das wirkliche Wesen des Menschen.19

Zhili Xiong
01-12, Im Neuenheimer Feld 674
69120 Heidelberg
xiongzhili@pku.edu.cn

17 GW 12, 251.


18 GW 20, 571.
19 Der Beitrag wird durch den China Scholarship Council finanziert.
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Roland Carspecken, Pittsburgh

Community and Thought


Hegel on Human Nature and the History of Philosophy

In the opening sections of his Phenomenology of Spirit and his Encyclopedia Logic, Hegel gives two
different accounts of what is essential to human existence. The first account, given in the preface
to the Phenomenology of Spirit, distinguishes humans from other animals according to the type of
relationships they have with one another. As Hegel writes, „it is the nature of humanity to press
onward to agreement with others; human nature only really exists in an achieved community
of minds“.1 What makes one human in this account is the form of communication that we are
capable of conducting with one another and the type of community that is made possible on this
basis. The definition thus stresses the importance of the social dimension of human existence.
The second account, given in the Encyclopedia Logic, suggests that it is the capacity for thought
that determines the essence of human beings. „[I]f it is true (as indeed it is), that the human being
distinguishes itself from the animals by thinking, then everything human is human because it is
brought about through thinking, and for that reason alone.“2 Here, Hegel stresses that thought is
the true form of all human activities and states, including sensation and emotion. This definition
thus extends what is essential to human existence beyond one’s social existence with other people
to states and actions, such as religious feeling and ethical deliberation,3 that can be achieved by
individuals on their own.
These two definitions, to be sure, are not mutually incompatible. Indeed, in his communal
definition of human nature Hegel is clear that it is the rational quality of human interactions
that distinguish them from animals.4 Nevertheless, each definition implies a different relation-
ship between human individuals and rational thought. In the definition given in the Logic,
thinking appears to be something that is already implicit within us; it characterizes one and the
same content, which we merely express and relate to in different ways through different forms of
action.5 The Phenomenology definition, by contrast, expresses human nature as something that is
brought about as the result of the communal acts we conduct with other people; it suggests that
human rationality does not merely underlie our social life, but that it is something we produce in
and through this social life. The aim of this paper is to offer an interpretation of Hegel’s philosoph-
ical project that can help to clarify the precise relationship between these two accounts of human
nature. I argue that neither of these definitions should be subordinated to the other, but that they
should be regarded as mutually presupposing one another. Based on the results of this account
of human nature, I argue that Hegel’s philosophical system as a whole must be seen as open to
continuous change and renewal at all levels.
In order to understand the relationship between Hegel’s two accounts of human nature, we
must consider the role that each plays in the development of his philosophical system. The defi-
nition according to which thinking is the fundamental characteristic of human existence is the
essential presupposition for Hegel’s system of logic. As the science of the fundamental forms of
thought itself, logic is not the exploration of a foreign subject matter to which we contingently

1 G. W. F. Hegel, Phenomenology of Spirit, Translated by A. V. Miller, Oxford, 1977, 43.
2 G.  W.  F. Hegel, The Encyclopedia Logic: Part 1 of the Encyclopedia of Philosophical Sciences, translated by T. F.
Geraets, W. A. Suchting, and H. S. Harris, Indianapolis, 1991, 24–5
3 Ibid., 25.
4 Hegel, Phenomenology, 43.
5 Hegel, E. Logic, 26.
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178   Hegel-Jahrbuch 2018

have access, but the explication of our own inner nature as human beings. In the Science of Logic,
Hegel thus argues that the truth disclosed in this domain has the same essential shape as the
philosopher who discovers it. „As science, truth is pure self-consciousness in its self-development
and has the shape of the self.“6 The characterization of human beings according to their capacity
to think allows Hegel to posit a full identification between the subjective and objective dimensions
of logic, the thinking of it and what is thought within it.
The Logic, like the Phenomenology, is thus a developmental movement through different
forms of selfhood. Whereas the Phenomenology considers the relationships between individual
consciousnesses and their objects, however, logic is concerned with the shapes of pure or univer-
sal self-consciousness. It is precisely by taking the concept of selfhood, or the ‚I‘ as it appears in
pure thought, i. e., in abstraction from all particular individuals and relationships, that we arrive
at this conception. In doing the work of logic, the philosopher must thus distance herself from all
contingent aspects of her existence and consider herself only in terms of her essential being as a
thinker. 7
Thus, while philosophical thinking can in one sense be considered an expression of the
central feature characteristic of human nature, it is at the same time the negation of nature, insofar
as we mean by this term some characteristic of ourselves that simply and immediately is. In one of
the Zusätze of the Encyclopedia Logic, we thus find the claim: „Nature is, for man, only the start-
ing point that he ought to transform…Insofar as he is spirit, man is not a natural being.“8 While
the content of thought, as we have noted, is implicitly given in all forms of human existence, it
does not become what it truly is until it is explicitly grasped in the form of thought. Achieving a
unity with one’s human essence means negating one’s immediate form of existence through the
cultivation of philosophical reflection. Consciousness initially arrives at this insight in Absolute
Knowing, the concluding chapter of the Phenomenology. As Hegel writes, „what in religion was
content or a form for presenting an other, is here the Self’s own act; the Notion [Begriff] requires
the content to be the Self’s own act. For this Notion is, as we see, the knowledge of the Self’s act
within itself as all essentiality and all existence.“9 The starting point of the logic, in which subjec-
tive action and objective content are united, is thus the act whereby a human becomes what she
truly is by negating her existence as a natural being. She ceases to regard the truth of her actions
and experiences in terms of her relationships with external objects through sensation and rep-
resentational thinking (Vorstellungen), locating it instead in the pure, abstract movement of the
universal ‚I‘s’ consciousness of itself.
This characterization of human existence seems to attribute a privileged position to the
system of logic in Hegel’s philosophical system as a whole. While the philosopher begins as a
natural and historical subject, only arriving at Absolute Knowledge through an inheritance of the
historical tradition to which she belongs,10 this standpoint seems to disclose a movement that
is eternal, beyond the contingencies of any particular moment in time.11 As Bernard Bourgeois
indicates in „Time and Eternity,“ this relationship between the temporal world of history and the
eternal realm of logic appears to support the interpretation of Hegel’s work as yielding a finite con-
ception of history. Thus, Bourgeois writes, „Spiritual time is a history, a time which has a meaning
through an identity connecting the beginning to the end, and one history, since spirit adequately
realizes, without alienation, the full meaning of the absolute or the Idea“.12 Spirit, in this account,
can be seen as a finite historical movement, with a beginning and an end, mediating the relation-

6 G. W. F. Hegel, Science of Logic, Translated by A. V. Miller, New York, 1969, 49.
7 Hegel, E. Logic, 55.
8 Hegel, E. Logic, 63, Zusatz. See also ibid., 181,187, 211.
9 Hegel, Phenomenology, 485.
10 Hegel, Phenomenology, 16.
11 Ibid., 487.
12 Bernard Bourgeois, „Time and Eternity“, in: The Philosophical Forum 31.3/4 (2000), 388.
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 Roland Carspecken, Community and Thought   179

ship between logic and nature by giving the former a concrete, external existence and grounding
the latter in a stable, eternal truth.
This interpretation of Hegel’s philosophy at once gives rise to the question of how we, as
modern readers of Hegel, ought to regard the continued development of philosophy, as well as of
social and cultural forms, after Hegel’s time. Does the continuation of history after Hegel contra-
dict the basic premises of his philosophical project? In response to J. O., Wisdom’s essay, „Hegel’s
Dialectic in Historical Philosophy,“ which suggests that this does pose a problem for Hegel,13 F. La
T. Godfrey suggests that epistemological and ontological projects after Hegel can be considered
mere repetitions of moments in the system of Logic, leaving the philosophies of Nature and Spirit
as the only places left for true philosophical development:

[T]he Hegelian will eternally repeat the dialectic of the Logic, and he will eternally see the return of Reason to
itself from its irrational stages in Nature till it reaches Absolute Mind […] but the various forms of Nature and
Mind cannot be regarded as wholly a priori, and Philosophy of Nature and of Mind will in part reflect the empir-
ical sciences of the time.14

According to this view, we can regard both the history and future of human existence to be gov-
erned by the concepts of logic. Works of philosophy after Hegel would thus still be able to provide
new insights in light of new empirical discoveries, but the integration of these insights into phi-
losophy would take place by means of a conceptual system that has already been determined once
and for all.
By reducing philosophy after Hegel to the repeated contingent manifestation of an eternally
selfsame system of categories in the realm of history, and accepting Godfrey’s claim that Hegelian
philosophy will „eternally renew its claim to the title of the Universal Philosophy“,15 we seem to
fall into what Hegel calls an external formalism. In other words, we reduce the system of logic to a
set of formulas to be externally applied again and again to historical theories and phenomena. In
his preface to the Phenomenology, however, Hegel explicitly rejects theories of this kind, arguing
that the absolute Idea, the final shape of the logic, remains underdeveloped as long as it is merely
repeated in this manner. „The Idea, which is of course true enough on its own account, remains
in effect always in its primitive condition, if its development involves nothing more than this sort
of repetition of the same formula.“16 In contrast to such theories, Hegel claims that his concept of
the Absolute is not something we hold in advance, but is rather the result of the immanent devel-
opment of the moments of this system.17
These problems prompt us to reconsider the importance of Hegel’s identification of human
nature with communication and communal life. If we are to take seriously Hegel’s claim in the
Phenomenology that „human nature only really exists in an achieved community of minds“,18
we must consider the possibility that the structure of logic is in some way essentially bound to
the historical development of such communities and thereby susceptible to historical change. In
order to explore the possibility of such an interpretation, we must consider the development of the
system of logic from the perspective of history. The task of explicating logic as a system, according
to Hegel, consists in taking what initially appears to be a contingent succession of competing
philosophical theories, and in demonstrating that these theories are merely stages of one and the
same philosophy. In place of the numerous competing identities of individual philosophers, we
thus discover the one universal ‚I‘ of humanity, or what Hegel in the Encyclopedia Logic calls the

13 J. O. Wisdom, „Hegel’s Dialectic in Historical Philosophy“, in: Philosophy 15.49 (1940), 243–268.
14 F. LA T. Godfrey, Review of „Hegel’s Dialectic in Historical Philosophy“ by J. O. Wisdom in Philosophy 15.49 (1940),
243–268, Review in: Philosophy 16.63 (1941), 306–310.
15 Ibid., 310.
16 Hegel, Phenomenology, 8–9.
17 Ibid., 11.
18 Ibid., 43.
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180   Hegel-Jahrbuch 2018

‚master workman‘.19 While the stages of development of this master workman have the form of
universal and necessary concepts, however, the particular philosophers who discover them, and
even the particular manner in which these philosophers express them, remain merely historical
contingencies.
While these individual philosophers are marked by contingency however, Hegel emphasizes
a close relationship between the ideas that they expressed and the particular nature of the society
in which they lived. This is particularly apparent in his lectures on the History of Philosophy:

[M]en do not at certain epochs, merely philosophize in general, for there is a definite Philosophy which arises
among a people, and the definite character of the standpoint of thought is the same character which permeates
all the other historical sides of the spirit of the people, which is most intimately related to them, and which
constitutes their foundation.20

By drawing a close connection between philosophical ideas and the historical and cultural con-
ditions in which they are developed, Hegel relates philosophical thought once more to the notion
of a universal ‚I‘, designated in this passage as the ‚spirit of the people‘. In this case, however, it
is not the abstract ‚I‘ of the logic, but the concrete universal self-consciousness of a community or
society. This universal self-consciousness is not an eternal essence underlying all human beings,
but rather a common identity that is produced by the members of a society through mutual acts of
recognition.21 While this identity is produced, for the most part, unconsciously by these members
through everyday acts of communication,22 the philosopher plays the distinct role of grasping the
spirit of her time as an explicit object of knowledge.
The philosopher’s close relationship to her historical situation is further emphasized in
Hegel’s claim in the preface to the 2nd Edition of his Science of Logic that he regards traditional
texts on the subject as „an extremely important source, indeed as a necessary condition“ to his
development of the system of logic.23 In this preface, as well as the foreword to the subjective
logic, Hegel describes this material as a collection of dead matter that must be revitalized by being
worked into the form of an organic unity.24 In the case of the material informing his subjective
logic, which he claims to be over-abundant, Hegel adds the necessary task of sifting through the
available material to determine what is essential and what should be disregarded, noting that
„one must resolve to make no use at all of much material that has hitherto been highly esteemed“.
The task of the logic thus involves the critical act of organizing, assessing and re-interpreting the
historical texts available to the philosopher in her time.
These passages open the possibility for considering philosophy as a primarily social activity,
through which one relates to one’s historical and social position. This is the interpretation that
Terry Pinkard gives in his book, Hegel’s Phenomenology: The Sociality of Reason. Speaking of the
task of philosophy disclosed at the end of the Phenomenology, he writes, „Absolute knowledge
is the internal reflection on the social practices of a modern community that takes its authori-
tative standards to come only from within the structure of the practices it uses to legitimate and
authenticate itself.“25 In distinguishing Hegel’s philosophy from earlier projects by the type of
relationship it holds to its society, rather than a relationship to an eternal realm of truth, this
interpretation allows for the possibility of continued transformations in the content of philosophy
after Hegel, as societies continue to change and develop.

19 Hegel, E. Logic, 38.


20 G. W. F. Hegel, Lectures on the History of Philosophy, Volume 1, translated by E. S. Haldane, London 1892, 53.
21 G. W. F. Hegel, Philosophy of Mind, Translated by William Wallace, Oxford 1894, 204.
22 Hegel, S. Logic, 716.
23 Ibid., 31.
24 Ibid., 31, 575.
25 Terry Pinkard, Hegel’s Phenomenology: The Sociality of Reason, Cambridge 1996, 262.
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 Roland Carspecken, Community and Thought   181

If philosophy is reduced entirely to the task of explicating the underlying structure of the
society in which it is written, however, we run the risk of cutting it off from any essential claim to
truth. It would, rather, merely describe the results of arbitrary interactions between contingent
historical individuals. Whereas the definition of the human as a thinking being, taken on its own,
gave rise to the dangers of an external formalist conception of the absolute, the social definition
we have considered threatens to reduce Hegel’s position to a historical relativism. In the foreword
to the Subjective Logic, however, Hegel clearly asserts that philosophy must hold itself to the task
of arriving at a legitimate claim to truth.26
In order to overcome the shortcomings exhibited by each of these definitions on their own,
I therefore propose that Hegel’s philosophical project should be interpreted on the basis of a
conception of human nature that incorporates both of them within itself. On the one hand, this
would mean understanding the work of philosophy to be a project that we can undertake only
by freeing ourselves from the influence of our relationship to external and contingent objects,
striving thereby to arrive at a rigorous understanding of ourselves as thinking beings. In doing
so, moreover, we should not be permitted to restrict the validity of our findings to the contingent
group of humans that we belong to, but, as far as possible, develop an understanding that we can
regard as applying universally to all human subjects.
On the other hand, however, we must acknowledge that this philosophical self-understand-
ing is only possible on the basis of a general historical understanding achieved by our society as a
whole. We cannot rule out the possibility, therefore, that a future historical period will give rise to
as yet unthinkable transformations in human self-understanding. This inability to anticipate the
future is something that Hegel himself seems to acknowledge. In the preface to the Phenomenol-
ogy, for instance, he describes the transition that gave rise to his own era as a ‚qualitative leap,‘
suddenly illuminating a hitherto unknown world as by a sudden burst of light.27 Similar indica-
tions are made in his account of the transition into the historical period of the Enlightenment.28
Moreover, as Hegel famously writes in the preface to his Philosophy of Right, „Philosophy, as the
thought of the world, does not appear until reality has completed its formative process, and made
itself ready“.29 Even the rational standpoint of philosophy is thus incapable of disclosing ahead of
time the new worlds introduced by the qualitative leaps of history. Philosophy can only account
for what has already come to be.
To say that we are incapable of knowing the future, however, does not mandate that such a
historical change will actually come about. What it means, rather, is simply that the philosophical
system we have produced at any given moment in time can never be relieved of the demand of
demonstrating its continued relevance and ability to sustain itself. The dialectical movement of
philosophy must eternally repeat itself, always with a genuine openness to the possibility that it
will be in some way transformed through the course of its return to itself.

Roland Carspecken
307 Halket st.
Pittsburgh, PA 15213
USA
carspeckenr@duq.edu

26 Hegel, S. Logic, 576.


27 Hegel, Phenomenology, 6–7.
28 Ibid., 332.
29 G. W. F. Hegel, Philosophy of Right, Translated by S. W. Dyde, Kitchener 2001, 20.
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Joris Spigt, Leuven

The Unity of Oppositions:


Reason’s Self-Knowledge1

1 Introduction
Why should we concern ourselves with the self-knowledge of reason? For Hegel, this question
is tantamount to asking why we should concern ourselves with philosophy, since according to
him philosophy consists in the elaborate presentation of reason knowing itself. In his Jena years,
Hegel is plagued by the concern that the very idea of philosophy as reason’s self-knowledge is
absent from the minds of his contemporaries. For example, in his 1802 article on skepticism, he
sneeringly remarks that the latest generation of skeptics make it easy on themselves by entirely
ignoring reason and its self-knowledge.2 Accordingly, Hegel criticizes the frontrunner of these new
skeptics, G. E. Schulze, for entirely lacking a conception of philosophy.3
In this paper, I will take a closer look at Hegel’s idea of philosophy as reason’s self-knowledge
in his Jena period by interpreting three interconnected, programmatic claims that he makes in
his essay on the difference between Fichte and Schelling, published in 1801. The claims are: first,
philosophy is equivalent to reason knowing itself;4 second, the source of the need for philosophy
lies in bifurcation (Entzweyung);5 lastly, sublating solidified oppositions (festgewordene Gegensä-
tze aufzuheben) is reason’s sole interest.6 The combination of these three claims gives way to the
complex set of ideas that the need for philosophy has its source in „bifurcation,“ „sublating“
solidified oppositions is the sole interest of reason, and this movement of sublation results in
reason acquiring self-knowledge. By explicating this complex set of ideas, this paper will provide
content to the task with which philosophy is saddled, namely reason knowing itself.
I will proceed by first clarifying the solidified oppositions that Hegel mentions (section 1). Subse-
quently, I will discuss the connection between Hegel’s idea that bifurcation is the source for the need
of philosophy and claim that reason’s sole interest lies in sublating solidified oppositions (section 2).
I will next address the question how reason may sublate solidified oppositions (section 3). Finally, I
will interpret how sublating solidified oppositions amounts to reason’s self-knowledge (section 4).

2 Solidified oppositions
Hegel states that reason’s sole interest lies in sublating solidified oppositions. Examples of solidi-
fied oppositions include matter and spirit, soul and body, the sensible and the intellectual world,

1 This paper was supported by a Fonds Wetenschappelijk Onderzoek Vlaanderen doctoral research grant.
2 G. W. F. Hegel, Verhältnis des Skeptizismus zur Philosophie, Darstellung seiner verschiedenen Modifikationen, und
Vergleichung des neuesten mit dem alten, Gesammelte Werke 4, Hamburg 1968, 212. Henceforth: Skeptizismus-Aufsatz.
3 Ibid., 206.
4 G. W. F. Hegel, Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie, Gesammelte Werke 4, Ham-
burg 1968, 10. Henceforth: Differenz-Schrift.
5 Ibid., 12.
6 Ibid., 13.
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 Joris Spigt, The Unity of Oppositions: Reason’s Self-Knowledge   183

reason and sensibility (Sinnlichkeit), and subjectivity and objectivity.7 Such oppositions express
a schematic and very general understanding of the world and human beings’ place in it within
a given epoch, and as such form the rubrics under which objects are typically subsumed. The
oppositions that Hegel here mentions are not just any pairing of concepts, but in each case, the
one member of the opposition excludes the other, and vice versa. The soul cannot be reduced to
the body, just like reason cannot be reduced to sensibility. The general nature of these oppositions
makes it that the distinction between the two members of the opposition is exhaustive, such that
objects fall under the one or the other.
While the general oppositions that Hegel mentions form the backbone of explicit theoriz-
ing, these oppositions do not remain completely implicit within a given epoch. As Hegel writes,
„Solche Entgegengesezte […] hat die Bildung verschiedener Zeiten in verschiedenen Formen auf-
gestellt“.8 That is, in different epochs, the oppositions that guide and inform common thinking
and understanding have themselves been a subject of inquiry. Through explicating such oppo-
sitions, an epoch attains a form of self-understanding in the sense that such an explication is an
answer to the question which oppositions guide and inform an epoch’s understanding. As Hegel
indicates, that answer has different forms. Practices like art, science, and religion, for example,
can all provide different forms of answers.

3 The interest of reason


The general oppositions that guide and inform an epoch’s understanding are closely related to
what Hegel regards as the motivational source for philosophy. Hegel writes, „Entzweyung ist der
Quell des Bedürfnisses der Philosophie, und als Bildung des Zeitalters die unfreye gegebene Seite
der Gestalt.“9 The concept of bifurcation (Entzweyung) is a movement from a unity to a duality.
The oppositions that Hegel mentions  – spirit/matter, faith/understanding, freedom/necessity,
etc.  – are the results of this movement. Bifurcation manifests itself in different epochs, corre-
sponding to different conceptual oppositions. Hegel takes bifurcation to be the source of the
need for philosophy, noting that the specific shape (Gestalt) that philosophy assumes essentially
depends on the way bifurcation concretely expresses itself, i. e. the specific oppositions that this
movement engenders.
By noting that philosophy is co-determined by the ways in which bifurcation manifests itself
in a particular epoch, Hegel indicates that philosophy is fundamentally a child of its time. At
the same time, philosophy is a response to its time. After all, Hegel claims that bifurcation is the
source for the need for philosophy, implying that bifurcation is tied to a problem to which there is
a need to respond. Why does Hegel designate bifurcation as the source of the need for philosophy,
and what is that philosophical response meant to accomplish? Here, we need to turn to Hegel’s
statement concerning the interest of reason in greater detail. He writes:

Solche festgewordene Gegensätze aufzuheben, ist das einzige Interesse der Vernunft; diß ihr Interesse hat nicht
den Sinn, als ob sie sich gegen die Entgegensetzung und Beschränkung überhaupt setzte, denn die nothwendige
Entzweyung ist ein Faktor des Lebens, das ewig entgegensetzend sich bildet, und die Totalität ist, in der höch-
sten Lebendigkeit, nur durch Wiederherstellung aus der höchsten Trennung möglich. Sondern die Vernunft
setzt sich gegen das absolute fixiren der Entzweyung durch den Verstand, und um so mehr, wenn die absolute
entgegengesetzten selbst aus der Vernunft entsprungen sind. (Hegel, Differenz-Schrift, 13–14)

7 Ibid.
8 Ibid.
9 Ibid., 12, Hegel’s emphasis.
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184   Hegel-Jahrbuch 2018

Hegel emphasizes that philosophy, considered as the pursuit of the interest in reason, does not
turn against bifurcation as such. Rather, what prompts a philosophical response is the solidi-
fication of the oppositions that bifurcation engenders. Examples of such solidified oppositions
(festgewordene Gegensätze) are the oppositions between faith and understanding, freedom and
necessity, intelligence and nature as well as the ones mentioned in the previous section. Oppo-
sitions only form a problem once they have become fixed, solidified, a sign of which is that they
are treated as absolute and unassailable. Paradoxically, then, precisely when the oppositions
that guide and inform an epoch’s understanding are taken for granted, reason awakes from its
slumber. Responding to this specific form of thoughtlessness, reason aims to think through the
oppositions that guide an epoch’s general understanding. More specifically, Hegel tells us that the
sole interest of reason lies in sublating (aufheben) rigidified oppositions. Reason’s act of sublation
here does not mean the destruction of oppositions. Rather, this act of sublation is nothing but
the act of demonstrating the relative character of the members of the oppositions in question, by
virtue of which only the absolute character of the oppositions is annihilated.
At this point, we are in a position to see why Hegel claims that bifurcation is the source for the
need of philosophy. Reason’s interest lies in sublating solidified oppositions, which comes down
to thinking through the oppositions that hold an epoch’s discursive practices in its sway. As the
rigidified oppositions are special cases of oppositions in general, and since Hegel describes the
engendering of oppositions by the term bifurcation, bifurcation can indeed be regarded as the
source of the need for philosophy. Yet we must immediately stress, again, that philosophy accord-
ingly does not take issue with bifurcation as such – Hegel calls it a „necessary factor of life“ – but
rather with fixation of the various forms of bifurcation within a particular epoch.

4 How to pursue the interest of reason?


Philosophy has to address the solidification of oppositions, or as Hegel puts it, sublating solidified
oppositions is reason’s sole interest. Hegel is explicit about the fact that this interest of reason
should not be understood as if reason opposes itself against opposition and limitation: „diß ihr
Interesse hat nicht den Sinn, als ob sie sich gegen die Entgegensetzung und Beschränkung über-
haupt setzte“.10 If reason were to oppose itself to opposition, that would engender another oppo-
sition, namely one between reason and opposition c. q. limitation.11 Furthermore, how could it
be reason’s interest to turn against opposition and limitation as such? Opposition and limitation
fundamentally belong to the way in which we understand the world and ourselves in it. Hegel
does not propose that reason somehow eliminates opposition. As Hegel states, „die Vernunft setzt
sich gegen das absolute fixiren der Entzweyung durch den Verstand“.12 That is, reason opposes
itself to treating oppositions as absolute.
Pursuing reason’s interest lies in dissolving solidified oppositions. The central problem of
solidified oppositions is that something relative is taken as absolute. Yet how would one go about
dissolving such solidification, i. e. demonstrate the relativity of that which appears as absolute?
In his Skeptizismus-Aufsatz, published shortly after the Differenz-Schrift, Hegel explicitly praises
the five ‚later‘ skeptical tropes of ancient skepticism on account of problematizing what he there
calls the „dogmatism of finite matters [Dogmatismus der Endlichkeiten]“.13 Specifically, the five
later skeptical tropes that Sextus chronicles in his Outlines of Pyrrhonism – the trope of difference,

10 Ibid., 13, emphasis added.


11 I owe this insight to Johan de Jong (see Johan E. De Jong, The Movement of Thinking: Hegel – Heidegger – Derrida,
PhD diss., University of Amsterdam 2015).
12 Hegel, Differenz-Schrift, 14.
13 Hegel, Skeptizismus-Aufsatz, 218.
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 Joris Spigt, The Unity of Oppositions: Reason’s Self-Knowledge   185

circularity, infinite regress, presupposition, and relation – are the ways to show that something
that is taken as absolute is in fact relative.14
In his Skeptizismus-Aufsatz, Hegel describes the structure of taking something relative as
absolute by means of the term dogmatism. He writes, „[D]as Wesen des Dogmatismus [besteht]
darin, daß er ein Endliches, mit einer Entgegensetzung behaftetes (z. B. reines Subject, oder reines
Object, oder in dem Dualismus die Dualität der Identität gegenüber) als das Absolute setzt“.15
Dogmatism here stands for that to which reason in the language of the Differenz-Schrift „opposes
itself.“ According to Hegel, the nature of dogmatism is to posit something finite as absolute. The
structural link between finitude and opposition is such that what is finite has an opposite and
both members of an opposition are finite. More specifically, something is finite by standing in a
relation to something else, where that relation can be construed in terms of an opposition such
that the two members of the opposition exclude each other. To use one of Hegel’s examples: a pure
subject is finite by virtue of excluding its opposite, a pure object.
In Hegel’s view, the five later skeptical tropes bring out a thing’s finite and hence opposi-
tional character. The trope of relation demonstrates that that which is taken as absolute is finite
by explicating the relation that it bears to what is excluded from it, where that relation is itself
constitutive for what it is. Alternatively, the trope of infinite regress shows that if the concept or
object under consideration is said to ground something else, then that which grounds must also
have a ground, and so forth in infinitum. In other words, that which is meant to ground something
else does not stand by itself – is absolute – but stands in relation to its ground, and so forth. One
could attempt to stop this regress by positing an absolute ground, yet doing so would be nothing
other than making a dogmatic assumption, which the trope of presupposition lays bare. For what-
ever is posited as an absolute ground, its opposite can also be posited as an absolute ground. Yet
neither of the two are an absolute ground – both are relative to each other and hence not absolute,
since both derive their sense from what they exclude. The trope of circularity brings the opposi-
tional and relative character of something finite to the fore as well. The grounding relation can be
circular such that that which grounds is grounded by that which it itself grounds. Such circularity
is an expression of mutual dependence and hence relativity. Lastly, there is the trope of difference.
That which is taken as absolute must be universal or without limitation, for limitation implies
that there is something by which the absolute in question is limited. Yet no such absolute can be
found – for whatever is taken as absolute, the skeptic will bring forth something other than it. By
doing so, a limit to the presumed absolute is formulated, and since the presumed absolute should
be without limits, it is in fact not absolute at all.16
In Hegel’s words, the systematic point of these five skeptical tropes is the following: „Gegen
den Dogmatismus sind diese [fünf spätere, JS] Tropen darum vernünftig, weil sie gegen das End-
liche des Dogmatismus das entgegengesetzte, wovon er abstrahirte, auftreten lassen, also die
Antinomie herstellen“.17 By means of the tropes, the specific sense in which something is finite
comes to the fore, namely as dependent on and standing in relation to its opposite. According to
Hegel, the dogmatic act of positing something as absolute involves abstracting from its opposite,
and that which is thusly abstracted from is brought to the fore by the skeptical tropes. By so doing,
the tropes demonstrate that what is taken as absolute is in fact relative and dependent. Relativity
and dependence are in turn the hallmarks of finitude.

14 See Sextus Empirircus, Outlines of Pyrrhonism, translated by Robert G. Bury, Cambridge (MA)/London 1976, I
164–177.
15 Hegel, Skeptizismus-Aufsatz, 219, emphasis added.
16 Whereas Hegel – in a more condensed fashion – sequentially discusses the trope of relation, circularity, presuppo-
sition, infinite regress, and difference, due to reasons of presentation, I have slightly changed the order by discussing
the tropes of relation, infinite regress, presupposition, circularity and difference, respectively.
17 Hegel, Skeptizismus-Aufsatz, 219.
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186   Hegel-Jahrbuch 2018

5 Reason’s self-knowledge as the unity of oppositions


Reason does not turn against oppositions as such, but against what Hegel calls the „absolute
solidifying [absolute fixiren]“ of oppositions. By the same token, reason does not turn against fin-
itude as such, but against taking something finite as absolute. Reason seeks to understand what
makes something finite into something finite. This finitude resides in something’s standing in
a relation to something else, a relation that is ineliminable. That is, something is what it is by
standing in a relation to what is excluded from it, i. e. its opposite. The movement that satisfies
reason’s interest is described by dissolving solidified oppositions, which is nothing other than
adequately interpreting oppositions, which is eo ipso interpreting finitude. To come full circle, and
thus connect Hegel’s idea about the interest of reason with the idea that the content of philosophy
is reason’s self-knowledge, we now have to turn to the question how satisfying reason’s interest in
the way just described coincides with reason’s self-knowledge.
Reason’s self-knowledge is of a different order than knowledge of something finite. Knowl-
edge of finite matters is fundamentally knowledge of something that stands in opposition to some-
thing else. It is very well possible to treat reason as something finite.18 Reason taken as something
finite makes it stand in opposition to something else. According to Hegel, however, this cannot
be the genuine way to conceive of reason. In his Skeptizismus-Aufsatz, Hegel speaks of reason not
in terms of standing in opposition to something else, but entailing opposites, and reason as itself
nothing but the „relation“ of relata.19 Reason transcends finitude and hence opposition in the
specific sense that it is irreducible to something finite or a member of an opposition, but it does not
stand ‚outside‘ finitude or opposition in the sense of being opposed to it. For precisely conceiving
of reason in oppositional terms – finitude on the one side, reason on the other; opposition on the
one side, reason on the other – makes reason into something finite.
Reason is not finite, but instead has the task of thematizing finitude. Reason is not a member
of an opposition, but rather is meant to think through oppositions. In the Differenz-Schrift, Hegel
describes this movement of thinking through oppositions in terms of demonstrating the „becom-
ing [Werden]“ of oppositions, or understanding the „producing [Produciren]“ of oppositions.20
Reason does not stand outside oppositions but instead is the implicit unity of explicit opposi-
tions. That is why Hegel describes reason in terms of the „relation“ of relata, or that which entails
oppositions. Explicating the implicit unity of oppositions is what Hegel terms knowing: „Diese
bewußte Identität des Endlichen und der Unendlichkeit, die Vereinigung beyder Welten, der sin-
nlichen und der intellektuellen, der nothwendigen und der freyen, im Bewußtseyn ist Wissen“.21
The knowledge of the unity of such oppositions dissolves the oppositions as solidified or absolute.
The unity that is thus known is nothing other than reason itself; reason is the unity of oppositions.
In short, by explicating the implicit unity of oppositions, reason knows itself.

Joris Spigt
Andreas Vesaliusstraat 2, room 01.60
3000 Leuven, Belgium
joris.spigt@kuleuven.be

18 In his Differenz-Schrift, Hegel says that Kant treated reason as something of the order of the understanding, i. e.
as something finite (6). In his Skeptizismus-Aufsatz, Hegel similarly claims that Sextus Empiricus turned reason into
something finite when discussing reason’s self-knowledge (220). For Sextus’ discussion of reason’s self-knowledge,
see: Sextus Empiricus, Against the Logicians, translated by Robert G. Bury, Cambridge (MA)/London 1983, I 310–313.
19 Hegel, Skeptizismus-Aufsatz, 219–220.
20 Hegel, Differenz-Schrift, 14.
21 Ibid., 18.
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Pedro Sepúlveda, Hagen

Die Einheit bei Hegel


Eine Phänomenologie des Begriffs in der spekulativen Phase

Der Denkweg Hegels kann als ein Bildungsprozess von Einheitsbegriffen angesehen werden. Dieser
Weg lässt sich in zwei Phasen einteilen: eine spekulative und eine vorspekulative Phase. Die These
dieses Aufsatzes besteht darin, dass der Begriff der Einheit sich innerhalb beider Phasen dieses
Denkweges entwickelte und dabei die gleichen allgemeinen Formen annimmt. Von daher kann
der Weg dieses Denkens durch einen Doppel-Begriff, den der spekulativen und den der vorspe-
kulativen Einheit, rekonstruiert werden. In der vorspekulativen Phase erfüllt die Philosophie eine
propädeutische Funktion für die so genannte subjektive – oder freie – Religion. In meinen folgen-
den Ausführungen werde ich mich auf die darauf folgende spekulative Phase konzentrieren, die
mit der Umwandlung der Beziehung zwischen Philosophie und Religion beginnt. Die letzte Form
der Einheit in dieser spekulativen Phase – die absolute Idee – wird die aufgehobene Bewegung
des Begriffs und der Objektivität sein. Im Blick auf das Ganze lässt sich sagen, dass beide Phasen
am Ende durch die fundamentale Entscheidung Hegels eines „Eingreifens in das Leben der Men-
schen“1 verbunden sind.
Hegels Denkweg wird auf der Grundlage des Ganzen als ein Kreislauf dargestellt. In Hegels
Schrift Womit muss der Anfang der Wissenschaft gemacht werden? aus dem Jahre 1812 stellt sich
diese Prämisse wie folgt dar: „Das Wesentliche ist eigentlich nicht, dass ein rein Unmittelbares
der Anfang sei, sondern dass das Ganze ein Kreislauf in sich selbst ist, worin das Erste auch das
Letzte und das Letzte auch das Erste wird“.2 Das Ganze entfaltet sich als Lebens- und Denkweg.3
Und weil der Lebensweg immer eine Sammlung zwischen Biographie und Geschichte ist, kann
er zugleich als subjektives und objektives Moment des Geistes gedacht werden. Das absolute
Moment des Geistes ist also die Entfaltung des Denkweges zur Philosophie – zum Selbstbewusst-
sein des Logos selbst. Der Einheitsbegriff erlaubt es sowohl den Lebensweg als auch den Denkweg
Hegels zu rekonstruieren, und mit ihm ist es auch möglich, die Einheit in ihren drei verschiede-
nen Momenten zugleich zu bedenken. Und umgekehrt, denn die spekulative Einheit des Logos
entwickelt sich selbst als subjektive-objektive Einheit, so dass diese geschichtlich-biographische
Einheit als Gestaltung des Logos selbst erscheint. Auf dieser Basis können Denkweg und Lebens-
weg in Form einer Phänomenologie des Begriffs der Einheit erkannt werden.
Da die Rede von Hegels Denken als Totalität ist, sind die Jugendschriften nicht mehr als
dieses Denken, obwohl sie in der Perspektive der Ausbildung seiner eigenen Philosophie betrach-
tet werden. Wenn dieses Denken als solches eine Totalität in sich selbst ist, ist es auch denkbar,
dass das Gesamtwerk Hegels nur eine absolute Einheit konstituiert, in welcher alle Unterschiede
integriert sind. Am Anfang ist diese Einheit aus „unbestimmten unmittelbaren“ Fragmenten
gemacht, die auf dem Weg des Denkens gebildet werden. Die fortschreitende Bestimmung dieses
Denkens wird also das Selbstverständnis des Logos sein. Anders formuliert, in den Fragmenten
des Anfangs dieses Denkweges ist der Logos schon da, aber noch in einer vorspekulativen Weise,
d. h. unsichtbar und unmittelbar. Die spekulative Einheit des Logos kommt nur als die ständige
Vermittlung des Logos als solche im Denkweg Hegels zur Entdeckung. Nur diese Vermittlung wird

1 G. W. F. Hegel, Frühe Studien und Entwürfe 1787–1800, Berlin 1991, 666.
2 G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik. Das Sein (1812), Hamburg 1999, 37.
3 „Ohnehin gibt es wohl kaum einen Philosophen, bei dem die Stationen seines Lebenswegs so eng an die Statio-
nen seines Denkwegs gebunden sind wie bei Hegel“. W. Jaeschke, Hegel-Handbuch. Leben – Werk – Schule, Stuttgart
2010, 1.
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188   Hegel-Jahrbuch 2018

die selbstbewusste Einheit des Logos durch den Weg dieses Denken hindurch mit sich bringen;
obschon der junge Denker dieser zukünftigen spekulativen Einheit sich dieses verdeckten Prozes-
ses nicht bewusst sein konnte.

1 Die Einheit am Anfang der spekulativen Phase


In dem so genannten Systemfragment von 1800 erscheint zum ersten Mal der spekulative Begriff
des Geistes. Dort wurde er als „die lebendige Einigkeit“ und „Vereinigung mit dem Mannigfalti-
gen“ definiert.4 Der Geist erfüllt von hier aus eine spekulative Einheitsfunktion. Tatsächlich wird
er als „das unendliche Leben“ bezeichnet, das nicht in der Philosophie dargestellt werden kann,
da die Philosophie zu diesem Zeitpunkt „nur“ Gedanke ist, oder, was das gleiche ist, eine feste
Entgegensetzung zwischen dem Denken und dem Gedachten.5 Aber es geht um dieses unendliche
Leben, das in sich selbst sowohl die „Verbindung“ als auch die „Nichtverbindung“ vereinigt.6 Es
ist genau das Element, welches zwölf Jahre später zum Anfang der spekulativen Philosophie wird,
nämlich die Formel „der Identität der Identität und Nichtidentität“.7 Gleichwohl wird die Bezie-
hung zwischen Philosophie und Religion in dieser Zeit umgewandelt. Zeichen dieser Umwand-
lung könnte sein,8 was Hegel in seinem Eigenhändigen Lebenslauf geschrieben hat, als er die Phi-
losophie „zur Bestimmung“ seines Lebens „gemacht hatte“.9
Im Jahr 1801 schrieb Hegel sein erstes Buch Differenz des Fichteschen und Schellingschen
Systems der Philosophie. Die Überwindung „des absoluten fixiren der Entzweyung“, die er „Philo-
sophie der Reflexion“ nannte, ist das Leitmotiv dieses Textes. Die Aufgabe und das Bedürfnis der
neuen Philosophie wird dann die Darstellung des Absoluten, oder genauer die „Wiederherstellung
der Totalität“, „wenn die Macht der Vereinigung aus dem Leben der Menschen verschwindet“.10
Das Erkennen dieser spekulativen Philosophie ist das, was die neue Funktion der Einheit erfüllt,
und auf diese Weise gab es einen neuen Umbruch in der Sprache Hegels. Der Begriff der Subjek-
tivität wird als Sprache der Philosophie der Reflexion untergeordnet, und darüber hinaus wird
der Begriff der „absoluten Identität“ zwischen dem Absoluten und der Vernunft etabliert. In der
Perspektive Schellings begreift Hegel das Prinzip der Identität als „absoluten Indifferenzpunkt“,
und die Formel des Absoluten bleibt das Gleiche, nämlich der „Identität der Identität und der
Nichtidentität“. Aber der Unterschied zu dieser Philosophie der Identität besteht darin, dass hier
die Identifizierung des Absoluten mit der Vernunft erschien. Tatsächlich stellt die neue Philoso-
phie das Absolute als Wesen der Vernunft dar, was bedeutet, dass die Vernunft die „Erscheinung“
des Absoluten ist.11 Beides – die Vernunft und das Absolute – sind hier eins, doch handelt es sich

4 „Das unendliche Leben kann man einen Geist nennen, im Gegensatz [zu] der abstrakten Vielheit, denn Geist ist
die lebendige Einigkeit des Mannigfaltigen […]. Der Geist ist belebendes Gesetz in Vereinigung mit dem Mannigfalti-
gen, das alsdann ein belebtes ist“. Hegel, Frühe Studien, a. a. O. (Anm. 1), 583.
5 „Die Philosophie muss eben darum mit der Religion aufhören, weil jene ein Denken ist, also einen Gegensatz teils
des Nichtdenkens hat, teils des Denkenden und des Gedachten“. Ebd., 472.
6 „Das Leben sei die Verbindung der Verbindung und der Nichtverbindung“. Ebd.
7 Hegel, Wissenschaft (1812), a. a. O. (Anm. 2), 40.
8 Als Zeichen dieser Umwandlung kann der Brief an Schelling verstanden werden, den Hegel am 2. November 1800
in Frankfurt verfasste: „In meiner wissenschaftlichen Bildung, die von untergeordnetern Bedürfnissen der Menschen
anfing, musste ich zur Wissenschaft vorgetrieben werden, und das Ideal des Jünglingsalters musste sich zur Reflexi-
onsform, in ein System zugleich verwandeln“. Hegel, Frühe Studien, a. a. O. (Anm. 1), 666.
9 G. W. F. Hegel, Briefe von und an Hegel IV/1, Hamburg 1977, 89–90.
10 G. W. F. Hegel, Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie, Hamburg 2015 (= Hauptwerke
in sechs Bänden, Bd. 1), 14.
11 Ebd., 64.
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 Pedro Sepúlveda, Die Einheit bei Hegel   189

weder um die „formale Einheit“ noch um die Einheit des Verstandes, sondern nun um die Einheit
der Spekulation, d. h. die Einheit als Entfaltung der selbstdifferenzierten Totalität.
Im ersten Jenaer Systementwurf stellt Hegel eine umgekehrte Einheit zwischen dem Anfang
und dem Ende des Systems her. Aber es handelt sich um keine ursprüngliche Einheit, sondern
um eine „absolute Einheit“ zwischen beiden als Wissen des „absoluten Einsseyn der Einzeln-
heit und des bestimmten Begriffs“.12 Erst in dem Dritten Jenaer Systementwurf erscheint aber das
erste Modell der Einheit des Systems als Begriff des absoluten Geistes. Und mit ihm geschieht ein
neuer Umbruch in der Sprache Hegels, indem das Absolute kein Substantiv mehr ist, sondern
ein Adjektiv, das den höchsten Modus des Selbst-Erkennens des Geistes ausdrückt. Und die drei
Formen dieses höchsten Selbst-Erkennens sind von nun an die Kunst, die Religion und die Philo-
sophie. Die Kunst „erzeugt die Welt als geistige“ und ist somit ein echtes Wesen des spekulativen
Erkennens, aber nur in seinem unmittelbaren Element, das die „Anschauung“ ist. Es gibt hier die
„Erhebung“ von der Kunst in der vorgestellten Einheit des absoluten Geistes oder in der Religion.
Die Religion ist also die Wahrheit der Kunst.13 Hegel begreift den Erkennensmodus der Religion
als das Element der Vorstellung, indem sie die „Einheit des Wissens und der Wahrheit“ repräsen-
tiert.14 Die Religion ist also die Vorstellung des Geistes, der die lebendige Einheit von Wissen und
Wahrheit ist. Aber der Inhalt dieser Vorstellung, der reine Gedanke, wird hier schon als „spekula-
tive Idee“ begriffen, d. h. als das wirkliche Allgemeine oder als das Selbst. Der Mangel der Vorstel-
lung ist dann, dass sie keineswegs mehr als ein „Versprechen“ sein kann. Und auf dieser Grenze
ist es nun die Religion, die der Philosophie Platz machen muss. Nur sie kann die „Versicherung“
durch ihre „Einsicht“ geben, weil sie im Element des „wissenden Wissens“ oder des Begriffs exis-
tiert. Die Philosophie wird als die gegenwärtige versöhnende Einheit des Denkens und des Seins
im „hier“ durch die Handlungen des spekulativen Erkennens bestimmt.15

2 Die Einheit in der Reifung der spekulativen Phase


Während der dritte Jenaer Systementwurf geschrieben wurde, verfasste Hegel zugleich die Phä-
nomenologie des Geistes. Das bedeutet, dass der Entwurf des Endes und die erste Darstellung
des Anfangs des Systems simultan entwickelt wurden. In der Tat kann eine solche gleichzeitige
Einheit vom Anfang des Darstellungsmodus dieser Phänomenologie angenommen werden. Das
Bewusstsein erreicht den Modus des spekulativen Denkens, und auf diese Art geht es über sich
selbst hinaus, d.  h. in ein Jenseits der vorausgesetzten Trennung zwischen Wissen des Subjek-
tes und Wahrheit des Objektes.16 Der Diskurs dieser Phänomenologie hat folglich zwei Niveaus.
Einerseits das Niveau des Bewusstseins, andererseits das Niveau des Geistes. Das absolute Wissen
als „Gestalt des Bewußtseyns“ ist noch ein erscheinendes Wissen des Geistes. Allerdings ist das
absolute Wissen nicht nur das Ende der Phänomenologie, sondern es ist auch der Anfang der

12 G. W. F. Hegel, Jenaer Systementwürfe I, Hamburg 1975 (= Gesammelte Werke, hg. v. d. Rheinisch-Westfälischen
Akademie der Wissenschaften, Bd. 6), 271.
13 „Die Kunst ist in ihrer Wahrheit vielmehr Religion. Erhebung der Kunstwelt in die Einheit des absoluten Geistes“.
G. W. F. Hegel, Jenaer Systementwürfe III (GW 8), Hamburg 1976, 280.
14 „Die Religion [ist] Vorstellen der Einheit des Wissens und der Wahrheit – oder als Geist“. Ebd., 282.
15 „In der Philosophie ist es Ich als solches, welches Wissen des absoluten Geistes ist […]. – Es [ist] hier nicht eine
andre Natur, nicht die ungegenwärtige Einheit, nicht eine Versöhnung, deren Genuß und Daseyn jenseits und zukünf-
tig ist, sondern hier – hier erkennt Ich das Absolute […]. – Ich ist diese untrennbare Verknüpfung des Einzelnen und
Allgemeinen“. Ebd., 286.
16 H. Neumann, „Filosofía, experiencia y conciencia en la Fenomenología del espíritu. Una reflexión en torno al
modo de exposición de la verdad filosófica según Hegel“, in: Revista de Filosofía 66 (2010), 248.
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190   Hegel-Jahrbuch 2018

Logik, und damit der Anfang eines wirklichen Wissens oder ein bestimmter Begriff des Geistes.17
Das absolute Wissen ist dann die neue Einheitsfunktion und dadurch ist es absolut, weil es die
eigene Einheit mit der „Entäußerung“ des Selbsts erkennt. Dieses Wissen ist folglich eine fun-
damentale Einheit, an der sich alle Unterschiede bewegen und zu der sie zurückkehren. Diese
Einheit erkennt die Wahrheit im Element des Begriffs, und dadurch: „vereinigt es die gegenständ-
liche Form der Wahrheit und des wissenden Selbsts in unmittelbarer Einheit“. Der Begriff – sagt
Hegel – „verbindet es“.18
Allerdings ist das absolute Wissen lediglich der Anfang der Darstellung der spekulativen Phi-
losophie, deren vollkommene Form die Einheit als Ausdruck der absoluten Idee ist. Und diese
absolute Idee fängt im Leben an. Das Leben als unmittelbarer Modus der absoluten Idee ist nun
die Einheit der „Totalität und Individualität“.19 Diese lebendige Einheit ist darauf folgend eine
Versammlung von Erkennen und Sein. In diesem Sinn hat die Methode dieses spekulativen Erken-
nens die Funktion des alten Logos, d. h. die Macht der Vereinigung „in Kraft der durchgeführten
Differentiation“.20 Die Funktion dieser absoluten Idee ist also weder „regulativ“ noch bloß „asym-
ptotisch“, sondern sie hat die Funktion der wirklichen Einheit als Erkennen des konkreten Allge-
meinen. Die absolute Idee ist folglich die höchste Form des selbst-reflektierten Inhaltes, insofern
ist sie die vollständige spekulative Einheit des Begriffs und der Realität. Und daher ist sie auch die
wirkliche „Identität“ des Theoretischen und des Praktischen. Diese Idee hat den Gegensatz zwi-
schen dem Wissen und der Wahrheit in sich aufgehoben, und nun ist sie die „sich wissende Wahr-
heit“.21 Die Entfaltung der absoluten Idee hat die Form einer fortschreitenden Konkretisierung
der Allgemeinheit, deren höchste Form das freie Sein ist, die „Persönlichkeit“ oder die autonome
„Person“. Dieser gesamte „Verlauf“ der Idee ist deshalb die Methode des spekulativen Erkennens,
die in der Bewegung des Begriffs zwischen dem Subjektiven und dem Objektiven entsteht.22 Die
Bewegung dieses Begriffs ist gerade die Methode der spekulativen Philosophie. Solche endlose
Bewegung ist die wahre Unendlichkeit, die schlechthin das Alles ist.
Die logische Methode ist absolut, weil das Allgemeine als „das Andere seiner“ bestimmt wird.
Absolut ist in diesem Sinne die Eigenschaft des spekulativen Erkennens, die die Simultaneität
zwischen dem Analytischen und dem Synthetischen darstellt. Diese simultane Einheit impliziert
also den Widerspruch als strukturelle Notwendigkeit – und nicht als bloßen Mangel – der Ver-
nunft. Die Gegensätze sind eben Momente „des Übergehens“. Gegensatz bedeutet dementspre-
chend etwas Gesetztes. Deswegen ist das dialektische Moment etwas Doppeltes. Einerseits ist es
in der unmittelbaren Einheit das Setzen „des Unterschieds“; andererseits ist es in dem vermit-
telnden Unterschied das Setzen der „Einheit […], die in ihm enthalten ist“.23 Diese dialektische
Einheit ist infolgedessen die Bewegung des Anderen innerhalb seiner selbst, und von daher ist
sie eine sich widersprechende Bewegung, an der der Unterschied innerhalb der Einheit – als ihre
eigene Entfaltung – gesetzt wird. Das Dialektische ist, genauer gesagt, dieser „Wendungspunkt der

17 Ó. Cubo, Actualidad hermenéutica del Saber Absoluto. Una lectura de la Fenomenología del Espíritu de Hegel,
Madrid 2010, 149.
18 G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes (HW 2), Hamburg 2015, 427.
19 „Das Lebendige ist immer die Einheit von Totalität und Individualität, es ist nur als totales individuell, nur als
individualisiertes auch auf das Leben als Ganzes bezogen“. Th.  S. Hoffmann, Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Eine
Propädeutik, Wiesbaden 2012, 390.
20 Ebd., 392–393.
21 „Die absolute Idee […] ist die Identität der theoretischen und der praktischen [; sie ist] die Rückkehr zum Leben;
aber sie hat diese Form ihrer Unmittelbarkeit ebensosehr aufgehoben, und den höchsten Gegensatz in sich [;] die
absolute Idee allein ist Sein, unvergängliches Leben, sich wissende Wahrheit, und ist alle Wahrheit“. G. W. F. Hegel,
Wissenschaft der Logik. Zweiter Band. Die subjektive Logik oder die Lehre vom Begriff (HW 4), Hamburg 2015, 236.
22 „Die Methode ist daraus als der sich selbst wissende, sich als das Absolute, sowohl Subjektive als Objektive, zum
Gegenstande habende Begriff, somit als das reine Entsprechen des Begriffs und seiner Realität, als eine Existenz die
er selbst ist, hervorgegangen“. Ebd., 238.
23 Hegel, Wissenschaft (HW 4), a. a. O. (Anm. 21), 246.
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 Pedro Sepúlveda, Die Einheit bei Hegel   191

Bewegung des Begriffes“, den Hegel nochmals als Subjektivität bezeichnet: „denn auf dieser Sub-
jektivität allein ruht das Aufheben des Gegensatzes zwischen Begriff und Realität und die Einheit,
welche die Wahrheit ist“.24 Subjektivität ist demnach dieser Wendungspunkt, oder die Reflexion
des Begriffs, die „das Aufheben“ der Trennung und die höchste spekulative Einheit des Begriffs
und der Realität verwirklicht, im Sinne einer „absoluten Dialektik“ von beiden. Deshalb ist sie
das freie Sein, welches „das negative Moment der absoluten Vermittlung, die Einheit, welche die
Subjektivität und Seele“ ist.25
Trotz allem wird die absolute Idee gleichzeitig zum Allgemeinen weitergehen – zum Nega-
tiven des Negativen oder zum Anderen des Anderen, d. h. „das Positive“ und „ das Identische“.
Diese bewegende Einheit ist die absolute Kraft, die durch alle Momente der Methode „hindurch-
geht“, und aufgrund dessen ist sie: „das in sich gegangene und mit sich identische Ganze“.26 Die
absolute Idee stellt die Unmittelbarkeit des Allgemeinen wieder her, weil der Begriff selbst die
Rückkehr zum einfachen Sein ist. Diese absolute Idee ist somit die höchste Form der spekulativen
Einheit oder „das Übergreiffendste“. In diesem Sinn ist das Vollständigste – die absolute Idee als
solche – zugleich das Einfachste – oder das reine Sein: „Indem die Idee sich nämlich als abso-
lute Einheit des reinen Begriffs und seiner Realität setzt, somit in die Unmittelbarkeit des Seins
zusammennimmt, so ist sie als die Totalität in dieser Form, – Natur“.27 Deswegen ist sie auch das
Moment des „Entschlusses“, die den „Schluss“ nochmals öffnet.28 Hier liegen die Lehre, die The-
rapie und vielleicht auch der so genannte Optimismus unseres Philosophen, nämlich, dass das
Denken immer in das Leben zurückkehrt, und dass der reinste Begriff sich mit dem reinsten Sein
versöhnt hat. Die absolute Idee ist eine aufgehobene Bewegung des Begriffs und der Objektivität.
Und diese Bewegung hat die Form einer spekulativen oder differenten Einheit, die als der reife
Modus Hegels des „Eingreifens in das Leben der Menschen“ aufgefasst werden kann.

Dr. phil. Pedro Sepúlveda


Kronprinzenstraße 16
D – 45128 Essen
pedro.sepulveda.zambrano@gmail.com

24 Ebd., 247.
25 Ebd.
26 Ebd.
27 Ebd., 253.
28 Th. S. Hoffmann, „La reducción lógica de la metafísica. Sobre el concepto de Idea absoluta de Hegel“, in: Los apor-
tes del itinerario intelectual de Kant a Hegel, hg. v. a. Bavaresco, H. Ferreiro, Th. S. Hoffmann, Porto Alegre 2014, 756.
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Charles Larmore, Providence

Inwiefern soll Selbsterkenntnis philosophisch


wichtig sein?
Selbsterkenntnis, so wird allgemein angenommen, ist von unschätzbarem Wert. Es hat aber in
der Geschichte der Philosophie sehr unterschiedliche Auffassungen der Art von Selbsterkenntnis
gegeben, die unentbehrlich sein soll. In diesem Aufsatz werde ich zunächst einige dieser Auffas-
sungen Revue passieren lassen. Ich werde aber hauptsächlich den Begriff der Selbsterkenntnis,
der in der Neuzeit vorherrschend gewesen ist, kritisch hinterfragen, seine fragwürdigen philoso-
phischen Wurzeln an den Tag legen, und eine bessere Auffassung vorschlagen. Dabei werden sich
einige Gedanken Hegels sehr hilfreich zeigen.

1 Begriff und Hintergrund


Da mein Thema Selbsterkenntnis ist, fange ich ganz natürlich mit Sokrates und Delphi an. Als
Sokrates sich die delphische Inschrift „Erkenne dich selbst“ zu Herzen nahm und erklärte, Selbst-
erkenntnis sei das Wissen, das man vor jedem anderen erlangen müsse,1 so verstand er nicht
unter Selbsterkenntnis, was moderne Philosophen weitgehend darunter verstanden haben:
nämlich das reflexive Bewusstwerden der eigenen Seelenzustände, was auch immer sie sind. Er
meinte im Gegenteil, dass es unentbehrlich sei, diejenigen grundlegenden Fähigkeiten und Inter-
essen zu erkennen, in deren Verwirklichung das gute Leben eigentlich besteht.
So kommt etwa im Ersten Alkibiades Platons die Überzeugung explizit zum Ausdruck, dass
das Ziel der Selbsterkenntnis, von der die delphische Inschrift spricht, die Bildung des Individu-
ums sei: Es gehe darum, die richtige Sorge um sich selbst (ten epimeleian heautou) ausüben zu
können, und dafür sei es nötig, das Wesen des Selbst zu erkennen. Denn wir seien nicht imstande,
um uns selbst angemessen zu sorgen, ohne erstens zu wissen, welche allgemeine Aspekte des
Lebens unser wirkliches Selbst ausmachen, und auch wenn wir das festgestellt haben – es handle
sich um unsere „Seele“ (130c), sagt Sokrates, da wir dabei nicht irgendeinen Besitz oder auch
unseren Körper, sondern uns selbst besser machen wollen (129e) –, müssen wir zweitens wissen,
was für Möglichkeiten zum Guten und zum Bösen das individuelle Selbst (auto hekaston, 130d),
die eigene Seele, im Einzelnen enthalte.
Dass darin die Hauptschwierigkeit liegt, ist so offenkundig, dass Sokrates es nicht zu erwäh-
nen braucht, zumal er sich in einem Gespräch mit dem notorisch verdorbenen Alkibiades befindet.
Denn wenn das Wesen des Selbst, um dessen Erkenntnis es geht, in denjenigen Fähigkeiten und
Interessen besteht, deren Kultivierung ein gutes Leben ausmacht, dann wird es uns schwerfallen,
diese Elemente von den anderen, weniger günstigen Teilen unserer Seele deutlich zu unterschei-
den, da wir selbst es sind, die mit allen unseren Mängeln und Fehlern eine solche Untersuchung
ausführen. Darum sei die Selbsterkenntnis (to gnonai heauton), bemerkt Sokrates, keine leichte
Sache (129a): Kein Einfaltspinsel habe die Inschrift am delphischen Tempel angebracht. Wir täten
am besten, so lautet sein Vorschlag, wenn wir also das „Erkenne dich selbst“ als ein „Sieh dich
selbst an“ verstünden. Wie das Auge sich selbst erst in einem Spiegel sieht, so gelte es, das Selbst,
das wir erkennen wollen, aber das wir zugleich auch sind, in etwas außerhalb uns zurückgespie-

1 Platon, Phaidros 229e–230a : „Ich bin noch immer nicht soweit, dem delphischen Spruch gemäß mich selbst zu ken-
nen, und es scheint mir lächerlich, nach Anderweitigem zu sehen, wenn man in dieser Hinsicht keine Erkenntnis hat.“
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 Charles Larmore, Inwiefern soll Selbsterkenntnis philosophisch wichtig sein?   193

gelt zu betrachten. Der nötige Spiegel könne nun nur ein anderes Selbst sein, das sich in diesen
Sachen schon besser auskennt und das uns in einem Gespräch (wie Sokrates gegenüber Alkibia-
des) die Anerkennung unserer besten Möglichkeiten zu entlocken vermag (132d–133b).
Obwohl die Echtheit dieses Dialogs in der modernen Forschung häufig bezweifelt ist, soll
unbestritten sein, dass der Erste Alkibiades, wenn er nicht von Platon selbst, dann dennoch vom
jemandem in seinem Umfeld verfasst wurde, und dass er aufschlussreich erklärt, warum die Dia-
logform zum Wesen von Platons Philosophieren gehört. Nur auf indirekte Weise, im Gespräch mit
anderen, lasse sich nach Platon die Selbsterkenntnis erwerben, die philosophisch von Belang sei.
Augustinus bietet ein weiteres Beispiel dafür, dass die Selbsterkenntnis, die von erster Bedeu-
tung sein soll, von verschiedenen Philosophen unterschiedlich begriffen worden ist. Als sich
Augustinus in seinen Bekenntnissen nach innen wandte, um seine Seele zu erkunden, war sein
Gegenstand nicht die Fähigkeiten und Interessen, deren Entwicklung zum Gedeihen des Men-
schen führt, aber auch nicht die Eigenarten seines individuellen Denkens oder die wesentlichen
Merkmale des menschlichen Bewusstseins überhaupt. Ihm ging es allein um diejenigen Erinne-
rungen und Erlebnisse, die sein Verhältnis zu Gott enthüllten, denn nur auf einem solchen Wege
nach innen sei die Wahrheit über sich selbst sowie auch die wahre Natur Gottes zu erfassen. Nur
so, schrieb er ausdrücklich, lasse sich die delphische Forderung „Erkenne dich selbst“ erfüllen.
Die Menschen, Augustinus zufolge, seien immer neugierig, von dem Leben anderer zu hören,
aber, was sie selbst anbelangt, von Natur her geneigt, sich selbst zu belügen, so dass man nur
dann sicher sein könne, sein wahres Selbst zu erreichen, wenn man in sich selbst die bestätigende
Stimme Gottes höre: „Von Dir zu hören, was man sei, ist, sich selbst zu erkennen“.2 Auch bei
Augustinus ist also die Stimme eines Anderen unentbehrlich in der Erlangung des Selbstwissens,
das für uns wichtig ist. Es handelte sich aber nicht um ein Gespräch, weil der Andere eben Gott
hieß, und der Gegenstand dieser Selbsterkenntnis war nicht so sehr der Mensch selbst als eher der
Mensch in seinem Abhängigkeitsverhältnis Gott gegenüber.
Wie die beiden Beispiele von Platon und Augustinus zeigen, richtet in der Regel jede Auffas-
sung der Selbsterkenntnis ihr Augenmerk selektiv auf nur bestimmte Aspekte unserer Person, und
zwar deshalb, weil sie immer Teil eines größeren philosophischen Vorhabens ist. So lautet meine
erste These.

2 Die Idee eines erstpersonalen Selbstwissens


Insofern nun Selbsterkenntnis seit der frühen Neuzeit weitgehend als Erkenntnis der eigenen
Gedanken und Gefühle, Überzeugungen und Wünsche, welcher Art sie auch seien – also anschei-
nend unselektiv  – , begriffen wird, ist es daher ratsam, die zugrundeliegenden Interessen her-
auszustellen, die eine so grenzenlose und verschiedenartige Menge von Fakten über uns selbst
zu einem besonders erstrebenswerten Bereich von Wahrheiten gemacht haben sollen. Eine erste
Begründung kommt paradigmatisch bei Montaigne zum Ausdruck: Wenn es schwer wird, die Stel-
lung des Menschen in einer umfassenden Zweckordnung der Natur oder des göttlichen Willens
festzustellen, dann kann man Befriedigung darin finden, unsere Erfahrung in all ihrer Vielfäl-
tigkeit für sich selbst, ohne Hinblick auf irgendeine höhere Instanz, zu betrachten. Bei Descar-
tes findet sich eine unterschiedliche, aber auch bedeutende Motivation: Die Kenntnis unserer
eigenen psychischen Zustände soll eine besondere Gewissheit, eine Unmittelbarkeit und Unbe-
zweifelbarkeit besitzen, die besonders in Zeiten intellektueller Verwirrung und Umwälzungen
dafür geeignet sei, das sichere Fundament aller Erkenntnis und daher unseres Umgangs mit der
Welt im Ganzen zu bilden. Offenkundig ist Selbsterkenntnis in diesem letzten Sinne weit entfernt
von den Auffassungen, die bei Platon oder Augustinus zu finden sind. Welche Fähigkeiten und

2 Augustinus, Confessiones X.3 : „Quid est enim a te audire de se nisi cognoscere se?“.
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194   Hegel-Jahrbuch 2018

Interessen sich zur Bestimmung des menschlichen Guten eignen, welche Gedanken und Gefühle
uns in die Nähe Gottes bringen, ist uns weder unmittelbar zugänglich noch ohne allen möglichen
Zweifel festzustellen, wie die Kenntnis der eigenen Seelenzustände nach Descartes und so vielen
anderen modernen Philosophen es angeblich sein soll.
Heute mag uns das cartesianische Prinzip, dem zufolge all unser Wissen auf ein unerschüt-
terliches Fundament beruhen sollte, nicht mehr durchführbar oder sogar besonders zwingend
erscheinen. Dies bedeutet aber nicht, dass wir aufgehört haben, mit Descartes und seinen Nach-
folgern anzunehmen, die unmittelbare Kenntnis der jeweiligen Inhalte des eigenen Geistes, was
auch immer sie sind, sei die philosophisch wichtigste Art von Selbsterkenntnis, die wir besitzen.
Denn in ihrer Immunität gegen jeden möglichen Irrtum soll sie eben die intime Vertrautheit mit
uns selbst, die uns zu den denkenden und handelnden Wesen macht, die wir sind, zum Ausdruck
bringen. Diese letzte Annahme, die den innersten Kern der cartesianischen sowie der noch heute
vorherrschenden Auffassung der Selbsterkenntnis ausmacht, ist zu weit verbreitet und bekannt, als
dass ich, etwas willkürlich, einige ihrer zahlreichen Vertreter zu nennen brauche. (Ich stelle mir vor,
viele meiner gegenwärtigen Leser gehören dazu). Die von Descartes herbeigeführte philosophische
Revolution war tiefgreifend und ihr Einfluss lässt sich nicht so leicht abtun, wie man sich gemein-
hin denkt.
Gerade deshalb lohnt es sich, diese Konzeption der Selbsterkenntnis kritisch zu hinterfragen.
Sie beruht auf der Ansicht, dass es zwei Weisen gebe, zur Kenntnis unserer eigenen Überzeugun-
gen, Wünsche und anderen psychischen Zustände zu gelangen. Wir können erstens, wenn wir
wollen, einem solchen Wissen in derselben Weise nachgehen, wie wir Kenntnis von den Gedanken
und Gefühlen, den Überzeugungen und Wünschen anderer Menschen erlangen, nämlich durch
Schlussfolgerungen aus ihrem Verhalten, einschließlich der Äußerungen, durch die sie, aufrich-
tig oder nicht, erklären, was sie denken und fühlen. Eine Selbsterkenntnis dieser Art gründet
darauf, dieselbe Perspektive der dritten Person gegenüber uns selbst einzunehmen, auf die wir
bei unseren Bestrebungen, andere Menschen zu erkennen, angewiesen sind. Ebenso wie wir – so
zumindest eine häufige Redeweise der fraglichen Auffassung – nicht in den Geist eines anderen
eindringen können, um dort sozusagen wie er zu Hause zu sein, sondern verurteilt sind, ihn von
außen zu beobachten und Schlüsse aus seinem Verhalten (im angedeuteten weiteren Sinne) zu
ziehen, so können wir uns auch entschließen, uns selbst von außen zu beobachten, als ob wir
lediglich eine Person unter anderen wären, und aus der Beobachtung unserer Handlungen und
Äußerungen darauf zu schließen, was wir glauben oder wünschen. Die auf diese Weise erworbene
Selbsterkenntnis unterscheidet sich mitnichten von unserer Erkenntnis anderer Menschen und
besitzt daher keine besondere Art von Gewissheit.
Dennoch verfügen wir dieser Auffassung zufolge auch über einen zweiten, natürlicheren Weg
zur Erkenntnis des eigenen Denkens und Fühlens, der eine weitaus größere Gewissheit besitze.
Es handele sich um die Selbsterkenntnis, die wir aus der Perspektive der ersten Person gewön-
nen. Dabei gelangten wir zu einem Wissen von uns selbst, nicht indem wir uns von außen beob-
achten, sondern dadurch, dass wir nach innen blicken und insofern durch Reflexion feststellen,
was wir fühlen, glauben oder wünschen, als wir eine unmittelbare, präreflexive Vertrautheit mit
den Inhalten des eigenen Geistes ausnutzten, die wir allein genössen, auch wenn andere Per-
sonen über eine ähnliche Selbstvertrautheit verfügten. Eine Selbsterkenntnis dieser Art besitze,
so wird behauptet, eine Gewissheit, die jede Erkenntnis aus der Dritte-Person-Perspektive, ganz
gleich, ob wir selbst oder andere ihren Gegenstand darstellen, unmöglich erlangen könne. Dies
soll in zweierlei Hinsicht gelten: Wenn wir etwa reflektieren und erklären, „Ich glaube, es wird
regnen“, so können wir natürlich einen Fehler in Bezug auf das Wetter begehen; das Geglaubte
kann falsch sein. Es scheint jedoch, als könnten wir uns nicht darüber täuschen, wer es ist, dem
wir diese Überzeugung zuschreiben, oder ebenfalls darüber, dass wir tatsächlich dieser Überzeu-
gung sind. Diese beiden Arten von Irrtum – Fehlidentifikation und falsche Zuschreibung – seien
immer dann möglich, wenn es darum geht, festzustellen, was andere glauben oder wünschen.
Dies gelte jedoch nicht, wenn es um uns selbst gehe, wenigstens soweit wir uns erstpersonal auf
die Reflexion stützen. Auch wenn mehr zu unserem Geist gehört, als das, dessen wir uns reflexiv
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 Charles Larmore, Inwiefern soll Selbsterkenntnis philosophisch wichtig sein?   195

bewusst sind, müsse das, was wir von uns selbst wahrnehmen, wenn wir unseren Blick nach
innen wenden, notwendigerweise wahr sein.
Ich glaube nun nicht, dass es eine Selbsterkenntnis dieser erstpersonalen Art wirklich gibt.
Die fragwürdige Metapher des „Innen“ und „Außen“, der Gedanke, dass die Reflexion über uns
selbst im Gegensatz zu allem Wissen über die Welt darin bestehe, unsere Aufmerksamkeit auf das
zu richten, was „in“ unserem Geist passiert und nicht in der Welt „außerhalb“ unserer selbst, hat
häufig eine wesentliche Rolle in der Formulierung dieser Konzeption gespielt. Dies allein ist ein
Grund, ein bisschen skeptisch zu sein. Geist ist nur insofern etwas Inneres, als es sein Wesen ist,
im Verhalten, in unseren Äußerungen und Handlungen, ausgedrückt zu werden – übrigens ein
Hegelsches Motiv.3 Wenn ich aber den Gedanke einer Selbsterkenntnis aus der Erste-Person-Per-
spektive für einen Irrtum halte, dann vor allem aus systematischen Gründen, die ich jetzt zusam-
menfassend darlege.4
Die einzige Form von Erkenntnis, die wir von unserem eigenen Geist haben, ist – so lautet
meine zweite These – eine Erkenntnis, die wir aus derselben drittpersonalen Perspektive gewin-
nen, aus der wir zur Erkenntnis der Gefühle, Überzeugungen und Wünsche anderer Menschen
gelangen. Zwar ist es nur selten sinnvoll, die Äußerungen einer Person anzuzweifeln, die auf-
grund von Reflexion erklärt, dass sie etwas denkt oder fühlt, glaubt oder wünscht. Aber die beson-
dere Autorität, die sogenannte „Autorität der ersten Person“, die solchen Äußerungen innewohnt
und sie gegen jeden Zweifel schützt, besteht nicht in einer epistemischen Gewissheit, denn sie
drücken in der Tat kein Selbstwissen aus: Sie zielen nicht darauf ab, das eigene Denken richtig zu
beschreiben oder davon zu berichten. Sie haben eher den Charakter von Bekundungen: Sie dienen
dazu, unsere Gefühle, Überzeugungen oder Wünsche bekanntzugeben. Insbesondere drücken
sie die Festlegung aus, so zu denken und zu handeln, wie es den Implikationen des bekunde-
ten Gefühls, der unterstellten Wahrheit des Geglaubten, oder dem anscheinenden Gutsein des
Gewünschten entspricht. Wenn ich erkläre, „ich hoffe, dass er bald ankommt“, beschreibe ich
nicht meine Hoffnung, sondern drücke sie aus, und zwar in der Form einer Äußerung, die die
Absicht ankündigt, mich dementsprechend zu verhalten. Wenn sich Äußerungen dieser Art nicht
als falsch anzweifeln lassen, dann deshalb, weil sie strenggenommen weder wahr noch falsch
sind. Vielmehr sind sie Absichtserklärungen, und wenn sie angezweifelt werden können, dann
allein aus dem Grund, dass sie unaufrichtig oder dass wir nicht wirklich darauf festgelegt sind,
ihnen entsprechend zu denken und zu handeln.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, eine Bekundung nicht mit dem Gewahrwerden
derselben zu verschmelzen. Wenn wir erklärt haben, dass wir etwas glauben oder wünschen,
dann sind wir in der Regel imstande, auf dieser Basis zu erkennen, dass wir eine solche Überzeu-
gung oder einen solchen Wunsch haben. Das können aber auch andere, die unsere Bekundung
gehört oder zufällig mitgehört haben, gleichfalls tun, und zwar auf derselben Basis. Die Selbster-
kenntnis, die wir dadurch erwerben, hat somit einen wesentlich drittpersonalen Charakter. Nur
weil ich bemerke, dass ich etwa wiederholt sage oder sagen will, „ich liebe sie“, komme ich, in
Anbetracht auch meines weiteren Verhaltens, zu der Erkenntnis, dass ich in diese Person verliebt
bin. Es sollte schließlich nicht überraschen, dass wir alle unsere Selbsterkenntnis aus derselben
drittpersonalen Perspektive erlangen, die auch andere einnehmen können. Dadurch erklärt sich
die altbekannte Tatsache, dass sich unsere Freunde und manchmal auch Unbekannte, wenn es
darum geht zu ermitteln, was wir glauben oder wünschen, häufig viel scharfsinniger zeigen als

3 Vgl. etwa Hegel, Enzyklopädie § 140: „Der Mensch, wie er äußerlich, d. i. in seinen Handlungen (freilich nicht in
seiner nur leiblichen Äußerlichkeit) [ist], ist er innerlich […] [W]as der Mensch tut, das ist er […] [D]er Mensch [ist]
nichts anderes als die Reihe seiner Handlungen“; und Enzyklopädie § 462: „Wir wissen von unseren Gedanken nur
dann, haben nur dann bestimmte, wirkliche Gedanken, wenn wir ihnen die Form der Gegenständlichkeit, des Unter-
schiedenseins von unserer Innerlichkeit, also die Gestalt der Äußerlichkeit geben, und zwar einer solchen Äußerlich-
keit, die zugleich das Gepräge der höchsten Innerlichkeit trägt.“
4 Ich habe diese Gründe in anderen Schriften als Teil einer allgemeinen Theorie der Subjektivität entfaltet: Les
pratiques du moi, Paris 2004 und Vernunft und Subjektivität, Berlin 2012.
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196   Hegel-Jahrbuch 2018

wir selber. Hinsichtlich der Selbsterkenntnis sind wir weit davon entfernt, Experten zu sein. Es ist
nur einfach so, dass wir auf die Erforschung unseres lieben Ichs mehr Zeit und Energie verwenden
und dadurch zu Spezialisten werden. Die Fähigkeit, dieser Evidenz gerecht zu werden, ist nicht
der geringste Vorzug der Auffassung der Selbsterkenntnis, die ich hier skizziere.
Ich verneine nun nicht, dass unsere Bekundungen von einem intimen Verhältnis zeugen, das
wir als denkende und handelnde Wesen zu uns selbst haben, das wir zu niemand anderem und
andere niemals zu uns haben können, und das uns eben zu einem Selbst macht. Entgegen der hier
diskutierten Auffassung aber besteht dieses konstitutive Selbstverhältnis nicht darin, dass wir mit
unseren eigenen mentalen Zuständen unmittelbar vertraut seien und daher einen – wie man dann
sagt – „privilegierten Zugang“ zu ihnen hätten, der unseren reflexiven Äußerungen darüber, was
wir fühlen, glauben, oder wünschen, eine Gewissheit verliehe, die unsere Behauptungen über die
Seelenzustände anderer nicht besitzen können. Die intime Beziehung, die wir zu uns selbst unter-
halten, besteht eher darin, dass wir allein, niemand anderes an unserer Stelle, imstande sind, uns
darauf festzulegen, so oder anders zu denken und zu handeln. In der Tat ist es diese wesentlich
praktische Selbstbeziehung, nicht – wie die neuzeitliche Philosophie weitgehend angenommen
hat – die kognitive Beziehung einer intimen Selbstvertrautheit, die jeden von uns zu einem Selbst
oder Subjekt macht. In den Bekundungen, in denen wir erklären, was wir fühlen, glauben oder
wünschen, kommt also diese grundlegend praktische Selbstbeziehung reflexiv zum Ausdruck.

3 Geist und Welt


Die vorhergehende Kritik betraf die Auffassung, der zufolge wir eine unmittelbare Erkenntnis
unserer jeweiligen Geisteszustände haben. Ich möchte jetzt der Frage nach den Annahmen, die
das Aufkommen dieser Auffassung der Selbsterkenntnis begünstigt haben, weiter nachgehen. Wie
gesagt, hat man natürlich nicht verneint, dass wir auf anderen Wegen zu einer Erkenntnis unserer
selbst kommen können oder dass es gewisse Aspekte unseres Wesens gibt  – etwa unbewusste
Gedanken oder Charakterzüge, – die wir nicht auf diese unmittelbare Weise zu erfassen vermögen.
Man war aber überzeugt, dass diese Art von Selbsterkenntnis eine privilegierte Stellung genieße,
dass sie eine Schlüsselrolle in jedem anderen Wissen spiele, das wir über uns selbst oder auch
über die Welt im Ganzen erlangen können. Ja sogar: Ohne die intime Vertrautheit mit dem eigenen
Denken, die eine derartige Selbsterkenntnis zum Ausdruck bringe und die uns zu den denken-
den und handelnden Wesen oder Subjekten mache, die wir sind, wären wir nicht imstande, ganz
allgemein mit der Welt auf sinnvolle Weise umzugehen. Diese Annahme einer derartigen Selbst-
vertrautheit habe ich gerade kritisiert. Jetzt geht es aber darum, auf die leitenden Interessen, die
dem typisch modernen Begriff der Selbsterkenntnis zugrunde liegen, noch weiter einzugehen.
Das Resultat wird uns helfen zu sehen, wie Selbsterkenntnis einleuchtender zu verstehen ist.
Um zu rekapitulieren: Für Descartes selbst war es wichtig, dass sich die besondere Gewiss-
heit, die der Kenntnis unserer jeweiligen Seelenzustände gehöre, auf die daraus zu entwickelnde
Erkenntnis der Welt ausdehnen lasse. Alles Wissen, wenn es wirklich als Wissen gelten soll, müsse
gegen jeden möglichen Zweifel gefeit sein. Diese Forderung kann man als unerfüllbar preisgeben,
ohne, wie ich bemerkt habe, von der wesentlichen Annahme abzuweichen, dass alle Erkenntnis
der Welt und daher unser Umgang mit der Welt überhaupt letztendlich auf die intime Kenntnis
beruhe, die wir angeblich von unseren gegenwärtigen Gedanken und Gefühlen haben. Nun ist
diese Annahme mit einer weiteren Grundüberzeugung eines Großteils der modernen Philosophie
eng verbunden. Man hat nämlich häufig geglaubt, dass diese Selbstvertrautheit es uns ermögli-
che, nicht nur den jeweiligen Inhalt unseres Denkens, sondern auch seine allgemeinen Struktur-
merkmale unmittelbar zu erfassen. Auf dieser Grundlage wären wir also fähig, die Bedingungen
im Voraus zu bestimmen, unter denen jedes Wissen von der Welt und so auch jeder sinnvolle
Umgang mit der Welt überhaupt möglich sei.

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 Charles Larmore, Inwiefern soll Selbsterkenntnis philosophisch wichtig sein?   197

Kurz, die von Descartes herbeigeführte Revolution in der Philosophie, die unsere vermeint-
lich unmittelbare Vertrautheit mit dem eigenen Geist zum herrschenden Begriff der Selbster-
kenntnis gemacht hat, bestand nicht wesentlich in der Forderung nach Gewissheit. Sie bestand
eher in dem Primat, das er und andere Philosophen in seiner Folge Fragen der Erkenntnistheorie
zuwiesen. Unsere grundlegende Beziehung zur Welt sowie zu uns selbst sei eine Beziehung des
Wissens. Wie wir mit der Welt umgehen, hänge folglich davon ab, was wir über die Welt zu wissen
glauben, und deshalb grundsätzlicher von unserer (impliziten oder reflektierten) Auffassung der
Wissensansprüche, die man erheben soll, sowie der Bedingungen, unter denen diese Ansprüche
als erfüllt gälten. Dadurch erklärt sich auch die zentrale Stellung, die dieser Begriff der Selbster-
kenntnis eingenommen hat. Denn ohne das angeblich unmittelbare Wissen von unserem eigenen
Denken und seinen wesentlichen Vermögen wäre diese vorhergehende Bestimmung des Wesens
des Wissens unausführbar.
Es ist manchmal – von Michael Dummett unter anderen – gesagt worden, dass die sprachanaly-
tische Wende des 20. Jahrhunderts dieses Primat der Erkenntnistheorie abgelöst habe.5 Ich bin mir
nicht sicher, wie viel in der hier relevanten Hinsicht dadurch geändert wurde. Soweit dieser Wende
zufolge die philosophische Reflexion über ein bestimmtes Thema von einer Untersuchung darüber
ausgehen soll, wie wir über die Gegenstände seines Bereichs sinnvoll reden, behält die Bestim-
mung unseres Zugangs zur Welt einen Vorrang vor dem, was wir über die Welt zu wissen beanspru-
chen dürfen. Dieser Vorrang kommt jetzt in der Annahme zum Ausdruck, dass sich die Bedeutun-
gen unserer Worte unabhängig von allem Tatsachenwissen erkennen ließen, da das Beherrschen
einer Sprache, als Bedingung von jedem sinnvollen Umgang mit der Welt, es uns unter anderem
erst ermögliche, etwas über die Welt zu wissen. In dieser Hinsicht ist also die sprachanalytische
Wende nicht die radikale Abkehr von der cartesianischen Revolution, die sie sich einbildet zu sein.
Darüber hinaus: Die Bedenklichkeit der Annahme, dass Bedeutungen unabhängig von allem Tat-
sachenwissen festgestellt werden können – worin besteht denn die Bedeutung eines Begriffs, wenn
nicht in den elementaren Wahrheiten, die wir über seinen Gegenstand zu wissen glauben? – lässt
vermuten, dass etwas mit diesem ganzen Ansatz gar nicht stimmt.
In der Tat sollte das Primat von Erkenntnisfragen (oder auch von Sinnfragen), wie selbst-
verständlich es uns in seinen verschiedenen Formen auch erscheinen mag, infrage gestellt
werden. Es versteht sich eigentlich nicht von selbst. Die Fragen, „Was heißt Wissen?“ und „Wie ist
wissen möglich?“, stehen zum Beispiel nicht im Mittelpunkt der antiken Philosophie (sowie auch
nicht der mit dem angeblichen Primat dieser Fragen verbundene Begriff der Selbsterkenntnis).
Bei Platon gibt es nur einen Dialog, den Theaetet, der sich als ganzer mit Fragen der Erkennt-
nis beschäftigt, und dies ohne die Andeutung, dass alle anderen philosophischen Unterfangen
letztendlich auf die Lösung solcher Fragen beruhen. Seine allgemeine Auffassung der Philoso-
phie kommt in der Politeia zum Vorschein, wo Erkenntnisfragen als ein Thema unter anderen in
dem größeren Zusammenhang dieser grundsätzlich ethisch angelegten Untersuchung nach dem
Wesen der Gerechtigkeit behandelt sind. Bei Platon lässt sich eher von einem Primat der Ethik
reden, wie wir bereits bezüglich seines Begriffs der Selbsterkenntnis im Ersten Alkibiades wahr-
genommen haben.
Bei Aristoteles gibt es gleichfalls keinen Vorrang von Fragen nach dem Wesen und den Metho-
den der Erkenntnis. In der Tat kann man nur schwer so etwas wie eine „aristotelische Erkenntnis-
theorie“ aus seinen verschiedenen Schriften zusammenbasteln. Freilich befassen sich die Analytica
posteriora mit dem Wesen des Wissens, wenn es einmal die Gestalt einer vollendeten Wissenschaft
angenommen hat. Aber in dieser Schrift sowie in seiner sogenannten Metaphysik gibt es nur ver-
streute Äußerungen darüber, wie man erst zu einem Wissen über etwas gelangt. In der Metaphysik,
deren Thema die grundlegende Struktur der Welt ist, behandelt er ganz beiläufig – was aus einer
modernen Perspektive erstaunen muss und tatsächlich als erstaunlich angesehen wurde  – die
Frage danach, durch welche Mitteln und mit welcher Art von Begründung man so etwas wie Meta-

5 Michael Dummett, Ursprünge der analytischen Philosophie, Frankfurt 1992.


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198   Hegel-Jahrbuch 2018

physik oder „erste Philosophie“ betreiben kann. Was sollten wir also von diesen Unterschieden
halten? Waren Platon und Aristoteles philosophisch nicht im Ernst, sondern Amateure?
Natürlich nicht. Im Gegenteil ist das neuzeitliche Primat der Erkenntnistheorie selbst äußerst
fragwürdig. Um diese Einschätzung zu rechtfertigen, möchte ich zunächst auf ein allgemeines
psychologisches Prinzip aus Aristoteles‘ eigener Abhandlung über die Seele hinweisen, das im
vorliegenden Zusammenhang besonders aufschlussreich ist: Jedes geistige Vermögen (dynamis),
bemerkt er, bestimmt sich durch die Tätigkeit (energeia), die als seine charakteristische Ausübung
gilt, und diese Tätigkeit selbst wiederum durch die Art von Gegenständen (ta antikeimena), auf
die sie sich richtet.6 Das heißt, man kann nicht die Natur des Geistes erfassen, ohne zu begrei-
fen, wie er sich in die Welt einfügt. Wenn dieses Prinzip auf die Grundfragen der Erkenntnisthe-
orie – „Was heißt Wissen?“ und „Was können wir wissen?“ – angewendet wird, dann ergibt sich
daraus, dass man nicht hoffen kann, diese Fragen zu beantworten, ohne schon ein Verständnis
der Welt im Ganzen zu haben, in der Wissen erworben wird. Genau eine solche Annahme erklärt
meines Erachtens, warum antike Philosophen wie Platon und Aristoteles, so sehr sie sich auch in
bestimmten Kontexten mit Fragen der Erkenntnis beschäftigten, keine Neigung zeigten, solchen
Fragen einen Vorrang vor anderen philosophischen Anliegen zuzuweisen.
Aber darüber hinaus: Ist nicht diese entgegengesetzte Auffassung auf der richtigen Spur?
Können wir das Wesen des Wissens, seine Bedingungen und Ziele überhaupt definieren, ohne von
irgendeiner Vorstellung auszugehen, wie die Welt selbst als Gegenstand unserer Bemühungen
sowie die Weisen, in denen unsere Wahrnehmungs- und Denkvermögen von ihr kausal abhängen,
wenigstens in ihren allgemeinen Zügen beschaffen sind? Wenn wir etwa annehmen  – wie wir
annehmen müssen, wenn wir die cartesianische Forderung nach absoluter Unbezweifelbarkeit
zurückweisen  – , dass man berechtigt ist, einen Satz als wahr zu akzeptieren, wenn man alle
voraussichtlichen, nicht aber alle logischen Möglichkeiten des Irrtums ausgeschlossen hat, dann
muss man, um etwas erkennen zu können, schon ein Bild des gewöhnlichen Laufs der Dinge
haben. Denn sonst kann man nicht sagen, welche Arten von Fehlern voraussichtlich sind.
Es lässt sich leicht verstehen, warum ein derartiges Verfahren vielen Philosophen zirkel-
haft erscheinen muss. Nach ihrer Ansicht liefe es darauf hinaus, den Ochsen hinter den Pflug zu
spannen. Es setzt nämlich voraus, dass man sich, um das Wesen der Erkenntnis zu bestimmen, auf
ein schon bestehendes Wissen über die Welt, und zwar ein Substantielles, berufen muss, während
die Frage – so ihr Einwand – eben heiße, was Wissen überhaupt sei und wie man es überhaupt
erwerben könne. Freilich gehe man im alltäglichen Leben davon aus, dass man viele Dinge wisse,
ohne eine philosophische Analyse des Wissens vorgenommen zu haben. Wenn man aber ent-
scheidet, eine solche Analyse vorzunehmen, sei es verkehrt, sich dabei auf irgendein angebliches,
vorhandenes Wissen zu stützen, da es darauf ankomme, den Sinn und die Geltungsbedingun-
gen von Wissensansprüchen überhaupt erst zu bestimmen. Das war übrigens der Grund, warum
Descartes darauf bestand, dass die Grundlagen der Erkenntnis der Forderung nach Unbezweifel-
barkeit genügen müssen: Jede schwächere Forderung, die zwischen ernstzunehmenden und nur
müßigen Zweifeln unterscheidet, würde verlangen, dass man auf seine Vormeinungen über die
Verfassung der Welt zugreife. Seine Forderung nach Gewissheit war zwar nicht die Grundlage,
aber doch ein Ausdruck des Primats, das er der Erkenntnistheorie zuschrieb.
Das Gegenargument ist nicht ohne Gewicht. Wenn es sich aber hingegen herausstellt, dass
Unbezweifelbarkeit im Sinne von Abwesenheit jeder logischen Möglichkeit des Irrtums die Unmög-
lichkeit von Erkenntnis überhaupt bedeutet, dann empfiehlt es sich, die Wahrheit in der Mitte zwi-
schen den, sagen wir, aristotelischen und cartesianischen Positionen zu suchen. Es gilt nämlich, die
Notwendigkeit eines Hin und Her einzusehen, in dem wir uns einerseits, um das Wesen der Erkennt-
nis zu ergründen, auf die Kenntnisse verlassen, die wir von der Welt schon zu haben glauben, und
uns andererseits gleichzeitig bereithalten, die Gültigkeit oder Bedeutung dieser Kenntnisse nöti-
genfalls zu revidieren, wenn das systematische Nachdenken über die Erkenntnis als solche – das

6 Aristoteles, De anima, II.4, 415a14–23.


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Bemühen etwa, verschiedene Fälle zu vergleichen oder bestimmte Kriterien zu explizieren – dies
verlangt. Prägnanter ausgedrückt: Um zu lernen, wie man lernt, muss man erst lernen, aber in dem
Maße, wie man dann zu lernen lernt, lernt man besser, was man vorher gelernt zu haben dachte.
Dieser Gedanke ähnelt den Überlegungen, mit denen Hegel in der Einleitung zur Phänomeno-
logie des Geistes seine eigene Kritik an der modernen Erkenntnistheorie beginnt. „Es ist eine natür-
liche Vorstellung“, bemerkt Hegel im ersten Satz, „dass, eh in der Philosophie an die Sache selbst,
nämlich an das wirkliche Erkennen dessen, was in Wahrheit ist, gegangen wird, es notwendig sei,
vorher über das Erkennen sich zu verständigen“. Eine solche Vorstellung, aus der „Furcht zu irren“
entsprungen, sei aber „der Irrtum selbst“, da sie voraussetze, dass die Wirklichkeit auf der einen
Seite stehe, das Erkennen auf der andern Seite, und zwar in einer ursprünglichen Trennung, die
in Ermangelung jeder vermittelnden Erkenntnis der Welt, unüberbrückbar bleiben müsse. Da man
aber nicht bloß versichern dürfe, dass eine solche Erkenntnis schon vorhanden sei („ein trocknes
Versichern gilt gerade soviel als ein anderes“), liege nach Hegel die einzige Lösung darin, “eine
Darstellung des erscheinenden Wissens“ vorzunehmen. Eine solche Darstellung  – welche eben
eine „Phänomenologie des Geistes“ hieße  – werde „den Weg des natürlichen Bewusstseins […]
zum wahren Wissen“ beschreiben, einen Prozess, in dem das Bewusstsein „seinen Maßstab an ihm
selbst [gibt]“, so dass „die Untersuchung dadurch eine Vergleichung seiner [des Bewusstseins] mit
sich selbst“ sei. Mit anderen Worten: Es handelt sich um einen Prozess der gegenseitigen Revision
und Anpassung, in dem das Wissen über die Welt in Verbindung mit der Entwicklung des Wissens-
begriff selbst fortschreitet, bis zum Punkt, wo in Hegels Worten das Wissen „sich selbst findet und
der Begriff dem Gegenstande, der Gegenstand dem Begriffe entspricht“.7
Ich habe diesen schnellen Abriss der Argumentation von Hegels Einleitung gegeben, um
weiter zu erläutern, warum man gute Gründe hat, die moderne Priorisierung von Fragen nach den
Möglichkeitsbedingungen von Erkenntnis zurückzuweisen. Ich beeile mich aber hinzuzufügen,
dass diese Konvergenz zwischen Hegel und mir eine beschränkte ist. In den idealistischen Folge-
rungen, die Hegel aus solchen Argumenten zog, in seiner Auffassung, der zufolge die Wirklichkeit
selbst Geist sei, kann ich ihm nicht folgen. Meines Erachtens ist das Wirkliche das, was ohnehin
der Fall ist, unabhängig von unserer Erkenntnis davon.
Aber so viel zum Wesen der Erkenntnis überhaupt. Ich habe das vermeintliche Primat der
Erkenntnistheorie deshalb kritisch hinterfragt, weil es den größeren Rahmen bildet, aus dem
die moderne Auffassung der Selbsterkenntnis als einer unmittelbaren Erkenntnis der eigenen
Geisteszustände ihre Motivation geschöpft hat. Jetzt kehre ich zum Thema der Selbsterkenntnis
zurück, um aufgrund der vorhergehenden Betrachtungen eine attraktivere Auffassung in aller
Kürze vorzuschlagen.

4 Selbsterkenntnis als Errungenschaft


Ich habe am Anfang die Ansicht vertreten – es handelte sich um meine erste These –, dass jede
Auffassung der Selbsterkenntnis ihr Augenmerk selektiv auf diejenigen Aspekte unserer Person
richtet, die aufgrund eines größeren philosophischen Vorhabens von besonderem Interesse sein
sollen. Hier am Schluss geht es mir darum, ein Gesamtbild der menschlichen Situation zu skiz-
zieren, das die philosophische Bedeutung meiner zweiten These – der zufolge Selbsterkenntnis
niemals aus der erste-Person-Perspektive zu gewinnen, sondern immer wesentlich drittpersonal
ist – erklären wird.
Soweit nun bloß behauptet wird, dass alle Erkenntnis, die wir von uns selbst haben, aus
einer Dritte-Person-Perspektive gewonnen ist, ist keine Unterscheidung angedeutet zwischen
etwa meiner Erkenntnis, dass ich ein Meter neunzig groß bin, und meiner Erkenntnis, dass ich

7 Alle Zitate nach G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes,Hamburg 1952, 63–71.
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diesen Aufsatz bald zu Ende bringen will. Offensichtlich aber hat die Selbsterkenntnis, die nicht
nur für die Philosophie sondern auch letzten Endes im Leben selbst interessant ist, mit unserem
Denken und Fühlen und nicht mit unseren physischen Eigenschaften zu tun. Gleichwohl wird
nur ein Philosoph, und zudem nur einer, der einer bestimmten Tradition angehört, sagen, dass
mein Wissen, dass ich diesen Aufsatz bald enden will, irgendwie interessant sei. Das Interesse,
das ein solcher Philosoph daran sehen würde, könnte nur darin liegen, dass ich diesen Wunsch
aufgrund einer unmittelbaren Vertrautheit mit meinen jeweiligen mentalen Zuständen erkennte,
und daher auf eine Weise, auf die niemand anderes ihn erkennen könnte. Diese weitverbreitete
Vorstellung, wie vorher gezeigt wurde, ist ein Irrtum. Zwar kann ich allein, niemand an meiner
Stelle, bekunden  – wie ich gerade getan habe  –, dass ich den oder den Wunsch habe. Bekun-
dungen sind ja wesentlich erstpersonal. Aber einen Wunsch zu äußern ist nicht dasselbe, wie
zu wissen, dass man diesen Wunsch hat. Insofern als ich es in der Regel merke, wenn ich einen
Wunsch laut oder zu mir selbst ausdrücke, erkenne ich freilich damit, dass ich diesen Wunsch
habe. Andere Leute können es jedoch in gleicher Weise erkennen, wenn ich den Wunsch äußere,
und obwohl sie es nicht mithören können, wenn ich zu mir selbst rede, ist der Unterschied zwi-
schen den beiden Fällen nicht derart, dass meine Kenntnisnahme des ausgedrückten Wunsches
in dem einen weniger aus einer drittpersonalen Perspektive erfolgt als in dem anderen. Im Fall des
lautlosen Wunsches fehlt es den anderen allein das nötige Beweismaterial.
Wie aber gesagt, scheint mein Wissen, dass ich den erwähnten Wunsch habe, (ich meine
nicht die Tatsache selbst, dass ich bald enden werde!) weder für mein Leben noch fürs Leben
anderer besonders interessant zu sein. Wenn es von Belang ist, gerade zu verneinen, dass dieses
Wissen auch von philosophischem Interesse ist, dann aus dem folgenden Grund: Ist einmal zuge-
geben, dass ein solches Wissen der eigenen Gedanken und Gefühle keine besondere, von jeder
anderen Art von Wissen ganz verschiedene Form der Erkenntnis darstellt und dass es wie alles
drittpersonale Wissen auf Beweise und Folgerungen beruht, dann wird der Weg freigelegt zur
Anerkennung, dass die wirklich interessanten Fälle von Selbsterkenntnis – für die Philosophie
wie für das Leben überhaupt – diejenigen sind, in denen es im Gegenteil schwer ist, festzustellen,
was wir denken und fühlen. Dies sind Fälle, in denen die Beweise schwach oder zweideutig, die
Folgerungen unsicher, und die Bekundungen, wenn es überhaupt einige gibt, unzuverlässig oder
auch vielleicht unaufrichtig sind.
Denn das Gesamtbild der menschlichen Situation, das solche Fälle zum Paradigma der Selbst-
erkenntnis macht, ist dies: Wir sind uns einerseits in unseren Interessen und Motivationen in
großem Ausmaß verwirrt und undurchsichtig, aber andererseits davon überzeugt, dass wir besser
leben würden, wenn wir im Lichte der Wahrheit lebten. Wir genießen keine intime Vertrautheit
mit uns selbst, aber wir wollen mit uns selbst vertrauter werden. Die Selbsterkenntnis, die uns
im Leben wie in der Philosophie wichtig ist, ist daher diejenige, die die Hindernisse, die in uns
selbst liegen, überwindet und die zur Klarheit des Geistes führt. Zur Überwindung dieser Hinder-
nisse müssen wir zudem dieselbe Art von Hin und Her, denselben Wechsel zwischen Innen- und
Außenperspektiven üben, der sich bezüglich der Erkenntnis überhaupt als notwendig erweist:
Wir müssen unsere eigenen Gedanken über die Person, die wir sind, und unser Wissen von der
Welt, in der wir uns befinden, sowie die Meinungen anderer über unsere Person gegeneinander
ausgleichen. Am Ende ist dieses Bild des Menschseins nicht so weit von dem Rahmen entfernt, in
dem Plato oder auch Hegel philosophierten.

Charles Larmore
86 Elmgrove Avenue
Providence, Rhode Island 02912
USA
Charles_Larmore@brown.edu
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Angelica Nuzzo, New York

„Consciousness awakens in the soul“


Anthropology within the Systematic of Hegel’s Theory of Spirit

1 Systematic Peculiarities of Hegel’s Anthropology


A few peculiarities immediately strike one upon considering Hegel’s Anthropology against con-
temporary views of the discipline. For one thing, while anthropology is by definition the study
of Mensch, Hegel presents this division of the philosophy of spirit without even mentioning the
human being. Confirming, rather, his long-standing appeal to „Aristotle’s books on the soul“
(E § 378),1 Hegel’s Anthropology deals programmatically with the „soul“ in the sense of Aristo-
tle’s psyche as „principle of animal life,“ not in its restriction to the „soul of man“ – as Aristotle
put the point against contemporary theories.2 Moreover, when Hegel in considering the „natural
soul“ as the first moment of the Anthropology does introduce the human being, such introduc-
tion seems hardly warranted and too abrupt. The natural, anthropological „relation of the sexes,“
Hegel announces, receives its „spiritual and ethical meaning“ in the „family“ (E § 397). Suddenly,
Hegel’s anthropological inquiry seems way too human: Mensch enters the scene as already social-
ized in structures that belong to the much later sphere of objective spirit. Significantly, this is
Hegel’s considered attempt to draw a systematic distinction between a determination of nature –
the relation of the sexes – and the same determination as now proper to spirit.3 Short of that more
advanced ethical context, the human is hardly distinguishable from the animal.
Herein we touch on a second peculiarity of Hegel’s Anthropology. As the first moment of
subjective spirit, the Anthropology owes its content-determination to its placement after nature.
Because of its immediacy, the soul is properly „Naturgeist“ – not Geist yet, but a sort of in-be-
tween, a suspended but also enduring condition between nature and spirit proper. The soul is not
only „natural“ at first, but also embodies the ongoing presence of nature within the new sphere.
On this point, however, Hegel does not follow Aristotle for whom the investigation on the soul
is fundamental to the „study of nature.“4 As much as subjective finite spirit, and the soul as its
first moment, is the result of nature, Hegel’s inquiry into the soul is not a part of the philoso-
phy of nature. Despite the apparent continuity between natural soul and organic nature, there
is a radical discontinuity that divides them. With the Anthropology, a new systematic division
is sanctioned – which means that a development thereby begins, which is methodologically (not
just thematically) irreducible to the one from which it obtains. Hegel presents this shpere both as
a „result“ and a new beginning. Although „Geist“ is introduced as „having become the truth of
nature,“ Hegel corrects any impression of continuity by stating that such result „has the meaning
of being a first against all that precedes“ (E § 388). Spirit is „ein Erstes“. And yet, what we have
at first is not truly spirit: it is Geist that „noch nicht Geist ist“. This is Hegel’s first definition of the
„soul“ – a beginning and a first; but properly not yet spirit, or rather the ‚not-yet‘ of spirit. In fact,
Geist emerges thematically only in the Psychology, as that which „has determined itself as the
truth of the soul and consciousness“ (E § 440).

1 Henceforth the Encyclopedia is abbreviated as E; Hegel’s works are quoted as: E. Moldenhauer, K. M. Michel (eds.),
Werke in zwanzig Bänden, Frankfurt am Main 1986 (=TW); translations always mine.
2 De anima I.1. 402a7 and 402b5.
3 See E §§ 369–370 and E § 397.
4 De anima I.1. 402a7–8.
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202   Hegel-Jahrbuch 2018

In what follows, I consider Hegel’s Anthropology within the systematic background outlined
by these issues. I connect the systematic perspective with the question of the distinctive method-
ological articulation of this sphere – the Anthropology as the inception of finite spirit, the not-yet
of spirit proper, no longer nature and yet still Naturgeist. What is the logic that leads the „natural
soul“ to consciousness’s „awakening in the soul“ (E § 387)? The hint that I pursue can be found in
Hegel’s account of the Anthropology this time in its conclusion. The connection between anthro-
pological „soul“ and phenomenological „consciousness“ is an act of awakening – „in der Seele
erwacht das Bewusstsein“ (E § 387).5 Correspondingly, Hegel opens the Anthropology by present-
ing the soul as „der Schlaf des Geistes“ (E § 389) – adding a reference to Aristotle’s passive vous.
Importantly, this is more than an isolated suggestion and more than a figurative way of speaking.
There is, in fact, persistence to this language as the movement leading consciousness to „reason“
and to theoretical and practical subjectivity, respectively in the Phenomenology and Psychology,
is also described as an awakening. At the end of the Anthropology, the same claim is restated: in
the habit of sensation and feeling, the „actual soul“ „wakes“ to the first vestigial determination
of the subject, the ‚I‘ that opposes itself to a ‚world‘ (E  §  412). The act of awakening is ubiqui-
tous throughout the Anthropology. The alternate change of states described by sleep and wake is
addressed thematically as one of the „natural alterations“ of the „natural soul“ but also plays a
crucial role in the „feeling soul“ as it leads it to the „actual soul“. Finally, the figurative meaning
of the sleep-awakening dialectic cannot be missed being as crucial to what Hegelian spirit is as it
is deeply ingrained in the Platonic and then Christian (Paulinian) tradition. Think only of the con-
nection death-sleep, whereby what is death for nature is sleep for spirit – a connection that gives
to the movement of awakening the meaning of a ‚new‘ life, of the resurgence (or ‚resurrection‘)
from death which concludes the philosophy of nature.
My claim is that the ‚logic of awakening‘ constitutes the leading methodological thread that
brings the Entwicklung of the anthropological soul on to its transition to consciousness and then
to spirit proper. This logic expresses the specific methodological requirements proper to the soul
as the new thematic object, and at the same time voices a crucial Aristotelian commitment of
Hegel’s theory of spirit, namely, the priority of energeia-entelecheia over dunamis.

2 How Does Finite Spirit Develop?


2.1 The Logic of the „Concept of Spirit“
Hegel opens the Philosophy of Spirit by presenting the methodological requirements that the
„concept of spirit“ imposes on the logical concept. Only under these new conditions can the
Anthropology be developed as the first moment of Subjective Spirit, i. e., only on this basis can
consciousness first and then Geist in the proper sense immanently obtain from the anthropolog-
ical soul so that the latter remains the „absolute foundation“ of the entire philosophy of spirit
and not an isolated form of (proto-spiritual) existence to be left behind (E § 389). Hegel remarks
that the „concrete nature of spirit“ poses a „peculiar difficulty“ in contrast to nature (E § 380).
Nature does not „evolve“ as a whole since its manifestations remain fragmented, independent
and separated from one another, held back in „particular forms of existence“.6 Only in spirit we
encounter the „Entwicklung des Begriffs“ – the immanent development of the concept as a self-de-
termining whole. As the movement of logical Entwicklung is specified into the movement of spir-
itual Entwicklung, Hegel contends that „the particular levels and determinations of […] spirit’s
concept are not held back as particular forms of existence,“ as in „external nature“. Within Geist,

5 Unchanged in E 1817 § 307.


6 E § 249 for the concept of nature.
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 Angelica Nuzzo, Anthropology within the Systematic of Hegel’s Theory of Spirit   203

„the determinations and levels of spirit […] are essentially only moments, states, determinations
within the higher levels of development“. This implies that lower, more abstract determinations
already contain higher determinations – albeit only in empirical, inadequate form – and can be
considered „anticipations“ of higher forms. At the same time, however, in order to fully under-
stand those lower forms, a reference to the higher, full-fledged reality of spirit has to be made. It
follows that the understanding of the lower forms requires a prospective act capable of summon-
ing what is not-yet (E § 380). This relation of inverse synthetic entailment (whereby the higher is
already in the lower, the understanding of the lower requires the appeal to the higher, and yet the
higher cannot be thematized without conferring the lower its independence) is dictated by the
concrete nature of spirit. To this extent, it stands as a crucial methodological issue at the center of
the Anthropology since with it the exposition of the lowest forms of spirit begins.
What form does the relation of synthetic entailment that governs spirit’s Entwicklung assume
in the Anthropology, where determinations are at stake that no longer belong to nature but are
also not yet proper to „spirit“ in the strict sense? In introducing the „soul,“ Hegel posits it as
„substance,“ following Aristotle,7 but also as „the absolute foundation“ of all the successive par-
ticularizations of spirit (E § 389). By claiming that the anthropological soul is spirit that is „not
yet spirit“ but is also the „absolute foundation“ of its development, Hegel lays out the crucial
tenet guiding the advancement of the Anthropology. Its movement articulates the unique space
separating the fixity of natural existence and that ‚not-yet‘, and embraces an apparent thematic
vacuum spanning between a nature that still is, although it no longer truly is (it „has vanished“:
E § 381), and a spirit that despite being the protagonist of the new sphere is not-yet what it truly
is. The movement of awakening and the dialectic sleep-wake whereby the soul is defined as „the
sleep of spirit“ (E § 389) addresses precisely this methodological issue (and this thematic paradox)
in its anthropological specificity.

2.2 The „Inadequacy“ of Spirit’s Concept and its Reality


At stake in the Anthropology is the first manifestation of spirit’s finitude. Given that spirit’s Entwick-
lung is the progressive actualization of the freedom constituting spirit’s „essence“ (E § 382), its
finitude consists in the fact that the concept of spirit is not adequate to its reality. In the Logic, in
presenting the idea as the concept that has gained an adequate „objective reality“, Hegel offers
an account of its first moment  – the „idea of life“  – that directly matches the predicament of
the anthropological soul. The idea „is only immediate or only in its concept. While the objective
reality is adequate to the concept, it is not yet liberated to the concept […]. Thereby, the concept
is certainly soul; but is the soul in the mode of an immediate […]; it has not apprehended itself as
soul […]. The concept is like a soul that is not yet fully soulful“ (TW 6, 468 – my emphasis). Although
this description addresses the nature of the logical idea, it also offers the framework for the devel-
opment of the anthropological soul on the ground of its finitude. What moves the process on in
the Anthropology – or what constitutes the soul’s finitude – is not simply the inadequacy between
concept and reality proper to nature. The limitation is due instead to the fact that in its identity
to the concept (which has indeed been gained, since the soul is idea just as the idea is soul),
the soul’s reality is not yet liberated to the concept – a liberation that requires an act of self-ap-
prehension and self-position. The soul is „noch nicht seelenvoll“. Indeed, the movement of the
anthropological soul is its coming to itself, its conquering a first form of subjectivity by reaching
a moment of individualized Fürsichsein through its „natural alterations“, through sensation and
feeling (E §§ 399; 403), thereby becoming finally „subject“ in a natural body (E § 411). Now Hegel

7 See De anima 412a 19–20; 412b 10–11; 415b 8–15; Allegra DeLaurentiis, „The Parmenides and De Anima in Hegel’s
Perspective,“ in: Bulletin of the Hegel Society of Great Britain 53/54 (2006), 51–68, 62.
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204   Hegel-Jahrbuch 2018

describes this movement as the soul’s awakening to its spiritual nature. What properly awakens in
the soul is freedom. Freedom awakens by becoming truly and fully active. It is this awakening that
‚fills the soul‘ and renders it seelenvoll.
The anthropological soul occupies an intermediate position in the dialectical space that joins
and at the same time separates living nature and consciousness. Moreover, while the soul is the
immaterial principle of living nature, it is the material basis of higher spiritual determinations –
the soul is „substance“ as both form (of the organic body) and matter (of vous or spirit proper),
as both the „universal immateriality of nature“ and the „material [Stoff]“ of spirit’s particulariza-
tions. This general predicament Hegel expresses with the claim: the soul is „the sleep of spirit“
(E  §  389). Sleep is a condition of suspension (Plato describes the sleeping person as „tumbled
about between being and non-being“);8 it is both an (apparently inactive) state and an activity;
it is often used as a metaphor for death but is, physiologically, the necessary condition of life’s
activity (E § 398).
The logic of sleep-wake captures precisely this dialectical predicament, whereby the soul’s
concept is in immediate identity with its reality (which is not the case for nature), and what the
soul lacks is the moment of reflective and active liberation that brings reality to the concept,
and conversely, makes the concept real. Significantly, within the development of the Anthropol-
ogy – hence as thematic, not as methodological moment – the alternate movement of sleep-wake
sanctions the emergence of the soul’s Fürsichsein: it is the beginning of individuality and subjec-
tivity, the movement that produces a first form of reflective self-apprehension and self-feeling.
Unlike nature, the soul is free in the sense that it partakes of the freedom that is spirit’s „essence“
(E § 382). The soul is the first manifestation of this freedom. However, the soul is not yet enacting
that freedom – it possesses spirit’s freedom vicariously, as it were, but does not itself act as free.
Hence, in the most important sense, the soul is not free, since freedom is activity. Now sleep is
the state that being also an activity captures the contradiction of an inoperative, real yet inactive
freedom, the contradictory freedom that does not act although its essence is activity, and is not
actual although its essence is actuality. To appreciate how close Hegel is to Aristotle on this point
suffices it to say that, in the same way, sleep is repeatedly used by Aristotle to exclude that virtue
may be considered the highest good or eudaimonia, or to exclude that happiness is a state of mind
or hexis. For, he famously argues, one can possess virtue even when asleep, while the highest
good is always and necessarily operative; and „if happiness were [a hexis],“ Aristotle argues, „it
might belong to some one who was asleep throughout his life, living the life of a plant“.9 The con-
dition of sleep serves Aristotle to articulate the seemingly contradictory predicament of a virtuous
man that is virtuous when he is not actively practicing virtue. In the sleeping state, he possesses
virtue without actively displaying it, and since virtue is the „active exercise“ of the soul’s faculty
according to the rational principle, it is not while asleep that the virtuous man is virtuous in the
true sense. Likewise, for Hegel, the sleep-wake dialectic is a specifically anthropological way of
capturing the metaphysical distinction of dunamis-energeia/entelecheia once a stake is an entity,
the soul, whose description no longer appeals to fragmented faculties and capacities,10 and whose
nature is activity although in it activity is not yet activated.

3 Soul, Idealism, and the Movement of Awakening


In addressing the outcome of the Anthropology in the transition to the Phenomenology we may
say that the anthropological soul becomes consciousness, that it becomes a conscious spiritual

8 Plato, Republic, V, 479d.


9 Nicomachean Ethics, I, v, 6; I, viii, 9: eudaimonia is not virtue; X, 6, 1176a 34–35: eudaimonia is not hexis.
10 The non-dialectical and non-speculative way of empirical psychology: E § 379.
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 Angelica Nuzzo, Anthropology within the Systematic of Hegel’s Theory of Spirit   205

subject, which opposes itself to a world thereby positing such a world. However, on the ground of
the premise examined above whereby lower spiritual determinations imply later and higher ones,
this is not an accurate rendition of the specific development of the soul. In fact, consciousness
is already present within the anthropological soul; the soul is, in a sense, already consciousness
(just as the soul is already spirit although it is not yet spirit). However, the soul is somehow inac-
tive as consciousness, which Hegel expresses by saying that in the soul and as soul consciousness
is (still) asleep (or that „the soul is the sleep of spirit“). Hence, in the Anthropology, the soul does
not become consciousness; but rather, consciousness awakens in the soul. This correction estab-
lishes that in an important sense the soul and consciousness are one and the same subject – first
asleep, then awake, i. e., the same subject in two different „states“ or engaged in two different
activities or processes; although systematically, as determinations of spirit’s reality, soul and con-
sciousness are not the same (type of) subject.
Introducing the „natural soul,“ Hegel posits the general logical problem of the Anthropology.
At stake is the differentiation of the soul’s individuality from the pervasive, substantial univer-
sality that the soul inherits from nature, initially appearing as Weltseele. From the outset, Hegel
underscores the two-dimensional character of the soul. The soul, at first only „seiende Seele“, is
characterized by the static possession of „natural determinations“ – qualities inhering in the soul.
These, however, display two dimensions: „behind their ideality“, they have „free existence“. But
such „free existence“ is no longer the existence of nature, mired in a disjointed and fragmented
externality; it is instead the way those determinations are „for consciousness“: they are inde-
pendent „natural objects“ separate from the soul. In other words, what for the soul are internal
natural determinations of its own being, are for consciousness natural objects, external existences
out there to which the subject relates as external, i.  e., as objects. Significantly, this duplicity,
whereby the current determination of the soul obtains as a difference against the perspective dis-
closed by consciousness, is constitutive of the soul in its naturalness – i. e., the soul is „natural“
not because it is not (not yet) consciousness but because consciousness is present behind the
scene (and is not directly active) thereby sanctioning a difference within the soul itself. While the
soul with its „natural qualities“ is set in the foreground, consciousness is present in the back-
ground, present but not active (indeed asleep), „behind“ the scene. The appeal to consciousness
is not an anticipation of what will come only later. Rather, at this initial stage, consciousness and
the soul are co-present as the same subject – or rather as the same „universal substance“ (E § 391).
Their perspective, however, is sharply distinct, creating the dialectical tension or the two-dimen-
sionality that moves the anthropological process on. This is a two-dimensionality that plays itself
out both at the level of the soul-consciousness and at the level of its reality. There is a front and
back to the soul, as it were; and only when retreating „behind“ that indeterminate front, can the
separation of internal and external (itself the precondition of the subject-object distinction) first
emerge. Clearly, neither the potential-actual distinction nor the idea of a proleptic anticipation of
higher determinations to follow renders justice to Hegel’s idea here. For, it is not the soul that has
the capacity to posit natural qualities as natural objects. It is instead consciousness ‚in the soul‘
that does that precisely as consciousness. Indeed, this relation is most accurately rendered by
saying, with Hegel, that consciousness is asleep in the natural soul.
In articulating the last moment of nature in the „animal organism“, Hegel underscores that
herein we have the beginning of „the idealism“ central to the anthropological soul and to spir-
it’s reality more generally.11 Idealism is the position whereby the subject constitutes the object
as that which instantiates and fulfills the subject’s own activity. In the assimilation-process, the
living organism’s „real process“ and „practical attitude“ to „inorganic nature“ begin with an act
of „Diremtion“. This act splits the organism making it feel the exteriority of nature as „the negation
of the subject“, but also positively re-affirming the subject’s sense of itself (its Gewissheit) against
such negation. This is the feeling of a „lack“ and the „impulse“ to overcome it that brings the

11 See E § 403A.
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206   Hegel-Jahrbuch 2018

organism as „subject“ to the „object“ and its assimilation (E §§ 358–359). Here is the beginning of
„idealism“: „nothing can have a positive relation to the living being if its possibility were not in
and of itself absolutely immanent in the subject, i. e., determined by its very concept“ (E § 359A).
This is Hegel’s rendering of Kant’s account of the a priori of sensibility as the constitutive condi-
tion of the empirical reality and transcendental ideality of its object. The living organism consti-
tutes as object that which is to be (and can be) assimilated by it. On the ground of its limitation,
which the organism feels as a negation or internal sense of lacking (a ‚receptivity‘, as it were), the
subject posits as object that which it sets out to overcome. More generally, this process of ideal-
ization describes how spirit, and the soul as its natural and anthropological moment, operates:
objectivity is spirit’s own activity – its actuality and actualization.
In the Logic, Hegel dwells on the significance of „idealism“ and „ideality“ which emerges in
the structure of Fürsichsein – the first semblance of subjectivity, even consciousness. Fürsichsein
is the movement that having „overcome“ the „coexistence with“ otherness, is sent back to itself,
having made abstraction from that otherness. Fürsichsein is the overcoming of a limit that reduces
such limit to an internal „moment“, appropriating (or assimilating) it as „its own moment“ (TW 5,
175). To overcome the limit is to posit the other as object, and at the same time, to posit this object
within oneself as „moment“. To put the point in the language of the „natural soul“: that which
may be seen (by consciousness) as a „free existence“ or independent object, is turned into the
soul’s own natural quality. This twofold modality of being – the result of the objectifying action,
and the reduction to the virtuality of an internal moment – is the movement of idealization.
Here we find the answer to the question raised above. What is the anthropological way that
spirit has to overcome its finitude – hence to enact its freedom? The answer is in the way in which
the natural soul attains its first Fürsichsein as „feeling soul“ (E § 403) by enacting an idealizing
split that is no longer simply „Diremtion“ but properly „Urteil“ (E § 398). In the process that moves
the „natural soul“ to the „feeling soul“, Hegel brings together the idealizing „Diremtion“ of the
animal organism in the assimilation process and the logical proto-subjectivity of Fürsichsein con-
ferring to both anthropological specificity. The anthropological figure of this movement is awak-
ening and the dialectic of sleep and wake.
While the natural soul as „seiende Seele“ is the undifferentiated universality of the Weltseele,
the process of its „natural alterations“ leads to a split in which the universality of the soul’s being
is distinguished from the individuality of its being-for-self – seiende and fürsichseinde Seele are set
apart by the soul’s „immediate judgment“. This judgment is „the awakening of the soul“ (E § 398).
Judgment is the act of self-differentiation whereby the soul sets its incipient individuality against
its universality; it is the act of awakening from which the soul first realizes it has been asleep. Sleep
may come first in the order of time; epistemologically, however, it comes only after having woken
up – and from waking up.12 Its awareness implies a rudimentary reflection as being-for-self. Since
judgment with the individualization that it brings about is the soul’s first true activity, awakening
is a first act of liberation, which then progresses in Selbstgefühl, whereby individuality is led „to
awaken to judgment in itself“ (E § 407). In awakening the soul’s activity emerges against its own
„natural life“ which now appears as „closed up“ in the opposite „state“, sleep – the state in which
the soul simply and immediately is its natural qualities, without enacting them (just as Aristot-
le’s virtuous man while asleep). However, sleep is not just an undifferentiated condition of mere
„negative rest“. It is, instead, the return „from the world of determinations and from the fragmen-
tation and fixation of singularities back into the universal essence of subjectivity“. Subjectivity is
now revealed as the „substance“ of and the „absolute power“ over those determinations (E § 398).
Thus, as the waking state is the soul’s self-judgment, sleep is the soul’s act of returning back to
itself from the world, carrying the world with it as an idealized, „virtual“ presence (E § 403A). The
judgment that by splitting the soul wakes it up is not yet consciousness but is the paradigm of
consciousness, the prelude to consciousness’s subject-object distinction, the beginning of that

12 See Aristotle, Generation of Animals, 778b21–779a12.


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 Angelica Nuzzo, Anthropology within the Systematic of Hegel’s Theory of Spirit   207

self-producing activity that connecting the soul to the world is freedom. Indeed, Hegel suggests
that in its awakening the Fürsichsein of the individual soul entails the more „concrete“ determina-
tion of „the I of consciousness“ and of the „verständiger Geist“ in relation to the world (E § 398A).

3.1 The Soul’s Awakening and Spirit’s Actuality


The self-split that jolts the soul to its waking state is the idealizing activity further determined
as Empfindung. Just as „the Fürsichsein of the soul in its waking state entails being as an ideal
moment“, so is sensation the act of „finding“ those same determinations that the sleeping soul
has in itself as ideal: the soul, awake, „finds“ that which it, asleep, has already within itself
(E § 399). This „finden“ of the soul is Empfindung (E § 401). The objectivity of the wakeful sensation
is the activation of the ideality proper to the representations that constitute the soul while asleep.
Herein Hegel conjoins Kant’s notion of transcendental ideality, or Kant’s argument for the objec-
tive validity of the subject’s representations with a speculative rendition of an Aristotelian claim.
„We speak of perceiving“, Aristotle contends, „in two senses, for we say that that which has
the power of hearing and seeing hears and sees, even if it happens to be asleep, as well as when
the faculty is actually operative. So the term sensation [aesthesis] must be used in two senses, as
potential and actual“.13 With the reference alternatively to sleep and wake Aristotle distinguishes
between two forms of activity proper to perception – two ways that in turn specify, with regard to
the soul, the metaphysical primacy of the actual over the potential. Wake indicates the faculty in
the actual exercise of its activity; sleep indicates the faculty in its potential – literally, dormant –
state, the activity itself while it is not exercised. Properly, then, at stake herein are two meanings
of entelecheia or actuality, namely, actuality in actu, and actuality as power to act. „The waking
state is actuality [entelecheia] in the same sense as the cutting of the axe or the seeing of the eye.
Whereas the soul is actuality in the same sense as the faculty of the eye for seeing, or of the imple-
ment for doing its work“.14 Here the distinction runs between the waking state and the soul – the
way in which the two can respectively be said entelecheia. The first, ‚waking‘ sense of entelecheia
is the activity itself in the act of execution – the axe in the act of cutting; the second sense, i. e.,
entelecheia in the sleeping or dormant state, is the soul itself – the soul as „the implement for
doing its work“, says Aristotle, the soul as „tool [Werkzeug] of spirit“ (E § 368),15 or as the „sleep of
spirit“, says Hegel echoing Aristotle.
As we have seen, Hegel uses this same relation between wake, actuality, and the soul method-
ologically to structure the process of the soul’s determination in the Anthropology. But he devel-
ops it further to account for the systematic relation between the anthropological soul and the
successive manifestations of spirit – subjective, objective, and absolute. Spirit in the proper sense
is activity in actu, pure wakefulness with no residual potentiality, with no dormant, not-activated
faculty. Ultimately, this is the meaning of freedom as self-actualization. For Hegel, unlike empiri-
cal psychology, the speculative philosophy of spirit cannot be the static account of spirit’s powers,
faculties, and capacities (E § 379). It is, instead, the process-like account of spirit’s actuality as
self-actualization. Spirit is what spirit actively does – the axe is the act of cutting while cutting,
the eye is the act of seeing while seeing. They are nothing more and nothing less than the action
they perform while performing it. In relation to spirit proper, however, the anthropological soul
can be considered the mere power to act – the soul is spirit’s „tool“, is the sleep of spirit or spirit’s
activity in the dormant state. And yet, within itself, the anthropological soul displays both modes

13 De anima II.5. 417a 12–13.


14 De anima II.1. 413a 1–5. The example Aristotle discusses regards the difference between knowledge possessed and
knowledge exercised – the former corresponding to waking, the latter to sleeping (II.1. 412a 23–26).
15 See De anima II.4. 415b 19.
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208   Hegel-Jahrbuch 2018

of actuality – it is entelecheia in both senses as it is caught, respectively and alternatively, in the


waking and sleeping states. This broader systematic relation spirit-soul results from the internal
split that is the soul’s awakening – the soul’s self-judgment by which freedom begins. Henceforth,
Geist is the soul’s fully self-actualizing wakefulness – the soul is now seelenvoll.
I conclude with a few suggestions from this reading of the Anthropology as a movement of
awakening. In the preface to the Phenomenology, Hegel offers a famous description of the „life of
spirit“ which he achieves by setting it against „death“. Herein lies the distinction between nature
and spirit. „The life of spirit is not the life that retreats from death and keeps pure against its
destruction; but rather the life that bears death and in it sustains itself“ (TW 3, 36). Death is the
ultimate, unsurpassable limit for nature. Nature is such limit. By contrast, the definition of the
„subject“ (E § 359A) – and then of consciousness and spirit – is to be able to bear the contradic-
tion of death, the „infinite pain“ that kills the natural organism (E § 382), and to overstep the limit
death represents in and for nature. Nature and naturalness are the limit beyond which the animal
organism cannot go as living. Indeed, spirit is the „truth“ of nature.
Taking up a substitution that goes back at least to Plato, is sanctioned in the Christian tradi-
tion by the Apostle Paul, and continues into the Enlightenment in realms as different as theology
and aesthetics, Hegel endorses the representation of death as sleep. As nature yields to spirit,
nature dies, spirit sleeps. For spirit, death is like sleep, a protracted, dreamless sleep – except that
from sleep spirit awakens. To this tradition Hegel appeals in order to carry out the speculative
transformation of rational psychology after Kant. As spirit’s sleep replaces the soul’s immortality,
the real issue for the philosophy of spirit is no longer life after death, but the act of spirit’s awak-
ening first, and the active, waking life of spirit afterwards. To carry out this transformation is the
task of the Anthropology. Accordingly, the substitution death-sleep becomes functional to Hegel’s
description of spirit’s predicament in the transition from nature, i. e., in the systematic suspension
in which spirit is no longer nature but is also not yet truly spirit. As soul, spirit is asleep – alive,
for sure, but not active, hence not really itself because not truly free. The state of sleep adequately
expresses the systematic predicament of the Anthropology placed between nature’s death and the
inception of spirit’s life of activity and actuality, i. e., freedom.
Looking now beyond the Anthropology, my argument suggests that spirit’s most proper
limit  – or even danger  – is not, generically, natural life (hence death) but sleep  – the sleep of
consciousness, of self-awareness, the sleep of reason, the oblivion and dullness produced by
the return to the natural, anthropological finitude in which alone consciousness’s sleep has a
legitimate place. This should be kept in mind when thinking of the movement of history, when
attending to the state of our social and political institutions, when considering the question of
raising consciousness or, in Hegel’s words, of „bringing to consciousness“ the historical present.
But there is a final, connected issue that we can raise in Aristotle’s aftermath. Aristotle’s question
in De somno: whether there is an animal that is always asleep or always awake (the answer is no
and no) is paralleled by the question raised in Metaphysics XII, 9 whether the unmoved mover,
in its pure activity and actuality, can be thought as in a state of permanent waking, in which case
the meaning of that waking should be re-defined (since neither body nor sensation apply to it).
This issue is worth articulating when at stake is the qualification of the ‚absoluteness‘ of Hegel’s
absolute spirit. Is the life of absolute spirit, finally, a life of uninterrupted wake? Is there place for
sleep in the freedom of absolute spirit? Should there be?

Angelica Nuzzo
2900 Bedford Ave.
Brooklyn NY 11238
anuzzobrooklyn.cuny.edu

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Stefan Mertens, Potsdam

Worin bestehen eigentlich Hegels


anthropologische Perspektiven?
Wenn man sich die Frage stellt, worin eigentlich Hegels anthropologische Perspektiven bestehen,
so gibt es, beschränkt man sich auf den Veröffentlichungskontext seiner philosophischen Bemü-
hungen ab seinem Jenaer Systementwurf III von 1805/06, im Grunde mindestens zwei Möglichkei-
ten, dies im Hinblick auf seine Philosophie zu verstehen.
Bisweilen wurde und wird in der Hegelliteratur in Hegels anthropologischen Perspektiven
das Programm seiner Philosophie erblickt, so dass er, vor allem in und mit seiner Phänomenologie
des Geistes von 1807, ein Vertreter einer philosophischen Anthropologie wäre.1 Nun wird aller-
dings bei einem Blick in dieses Werk sehr schnell deutlich, dass Hegel mit seiner Phänomenologie
weder das programmatische Hauptwerk seiner Philosophie noch eine philosophische Anthro-
pologie, sondern vielmehr die Einleitung in sein philosophisches System verbindet,2 die, unter
einem metaphysischen Gesichtspunkt betrachtet, ein transzendentalistisches Argument für die
von ihm vertretene philosophische Position eines ontologischen Monismus darstellt.3
Nimmt man Hegel daher selbst beim Wort im Hinblick auf das Programm seiner Philosophie
und sieht man mit ihm auf seine späte Berliner Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaf-
ten, so zeigt sich, dass er darin unmissverständlich deutlich macht, mit seinen „philosophischen
Bemühungen […] die wissenschaftliche Erkenntnis der Wahrheit„ ins Auge zu fassen.4 Wenn
also Hegel mit seiner Philosophie den Anspruch verbindet, auf eine wissenschaftliche Weise die
Wahrheit zu erkennen und wenn ein solches Unternehmen nur im Rahmen einer monistischen
Ontologie einlösbar ist, dann könnte man sagen, dass er mit dem Programm seiner Philosophie
weniger eine philosophische Anthropologie, sondern vielmehr einen ontologischen Monismus
und hiermit eine ganz bestimmte Theorie der Wirklichkeit verbindet, mit der er die Frage beant-
worten möchte, was in Wahrheit bzw. in einem eigentlichen Sinne wirklich ist.5
Nun fällt allerdings bei einem Blick auf sein reifes philosophisches System auf, dass Hegel
mit seiner Philosophie gleichwohl eine anthropologische Perspektive verbindet. Formuliert man
vor diesem Hintergrund nun die Hypothese dieses Beitrages, so soll im Folgenden gezeigt werden,
dass Hegel innerhalb seiner Berliner Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften von 1830
eine, im Kontext seiner Philosophie des subjektiven Geistes entwickelte, relationsontologisch Grund
gelegte anthropologische Perspektive besitzt, wonach er die Anthropologie verstanden wissen
möchte sowohl als eine ganz bestimmte Objektart seiner Philosophie des subjektiven Geistes, sie
soll, nach einer Skizzierung des Grundrahmens seiner Philosophie (1.), auf dem Boden der Unter-
scheidung zwischen einem (a) konzeptuellen und einem (b) inhaltlichen Gesichtspunkt seines phi-

1 Vgl. z. B. Alexander Kojeve, Hegel. Eine Vergegenwärtigung seines Denkens, Frankfurt/M. 1996, insbesondere 56,
65–66.
2 G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, in: Werke in zwanzig Bänden, hg. v. E. Moldenhauer u. K. M. Michel,
Frankfurt/M. 1998, Bd. 3, 14, 31, 38–40, 72–81.
3 Rolf-Peter Horstmann, „Hegels Phänomenologie des Geistes als Argument für eine monistische Ontologie“, in:
Hegels Phänomenologie des Geistes. Ein kooperativer Kommentar zu einem Schlüsselwerk der Moderne, hg. v. K. Vieweg
u. W. Welsch, Frankfurt/M. 2008, insbesondere 69–73.
4 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830). 3. Teil: Die Philosophie des
Geistes, in: Werke in zwanzig Bänden, hg. v. E. Moldenhauer u. K. M. Michel, Frankfurt/M. 1990, Bd. 10, § 389.
5 Rolf-Peter Horstmann, Wahrheit aus dem Begriff. Eine Einführung in Hegel, Frankfurt/M. 1990, 11–12, 18–21, 75–81
und Rolf-Peter Horstmann, Ontologie und Relationen. Hegel, Bradley, Russell und die Kontroverse über interne und
externe Beziehungen, Königstein/Ts. 1984, 22–36, 39–49, 66–105.
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210   Hegel-Jahrbuch 2018

losophischen Denkens, zunächst (2.) betrachtet werden, als auch als eine hiervon zu unterschei-
dende eigenständige, eine Theorie der Seele darstellende, Objektkonzeption,6 die im Anschluss
(3.) in Augenschein genommen wird.

1 D
 er logisch-ontologische Grundrahmen der
reifen Hegelschen Philosophie
Nun hat Hegel bekanntlich das von ihm vertretene philosophische Fundament und damit sein
Verständnis davon, was er mit einem Objekt in Wahrheit verbindet, in demjenigen Kontext seiner
philosophischen Enzyklopädie entwickelt, den er Wissenschaft der Logik nennt, in dem er die
grundlegenden (a.) programmatischen, (b.) methodologischen und (c.) innersystemischen Vor-
aussetzungen seiner reifen Philosophie ausweist.7 Mit dem Programm seiner Philosophie (zu
a.) verbindet Hegel einen ganz bestimmten relationsontologischen Monismus,8 mit dem er, wie
sich zeigte, den Anspruch verbindet, auf eine wissenschaftliche Weise die Wahrheitsfrage zu
beantworten.9 Hegel bezeichnet nun das in seinen Augen allein in Betracht kommende Objekt in
Wahrheit als Idee,10 für deren Verwirklichung er in methodologischer Hinsicht (zu b.) ein solches
dynamisches Moment seiner Ontologie in Anspruch nimmt, das er hier als spekulative „Methode“
bezeichnet und das, als ein Prozess der Realisation und Selbsterkenntnis des Begriffs,11 die
Momente von (1) Anfang, (2) Fortgang und (3) Ende umfasst,12 die als verschiedene Weisen der
Einheit und der Differenz von Einzelheit und Allgemeinheit zu verstehen sind und als der unei-
gentliche, der noch nicht eigentliche und der eigentliche Ausdruck des Begriffs bezeichnet werden
könnten.13
Nun ist Hegel auf der Grundlage dieser konzeptuellen Voraussetzungen in der Lage, (zu c.)
sein philosophisches System in seiner Wahrheit zu entwickeln und darzustellen, das als Begriff
eines philosophischen Systems die Logik, die Natur und den Geist umfasst.14 Beschränkt man
sich hier auf die Betrachtung seiner Philosophie des Geistes, so kann man sagen, dass Hegel sie
in der Weise versteht, als der Begriff des Geistes im Prozess seiner Verwirklichung und Selbster-
kenntnis (1) am Anfang der, im Mittelpunkt der folgenden Betrachtung stehende, subjektive Geist
ist, um (2) im Fortgang der objektive Geist und (3) am Ende und hiermit in seiner Wirklichkeit der
absolute Geist zu sein.15

6 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie (1830). 3. Teil: Die Philosophie des Geistes, §§ 389, 390.
7 G.  W.  F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830). 1. Teil: Die Wissenschaft
der Logik, in: Werke in zwanzig Bänden, hg. v. E. Moldenhauer u. K. M. Michel, Frankfurt/M. 1986, Bd. 8, §§ 19–244.
8 Rolf-Peter Horstmann, Ontologie und Relationen, insbesondere 11, 36, 97–105.
9 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie (1830). 1. Teil: Die Wissenschaft der Logik, §§ 19, 19 Anmerkung, 213–215.
10 Ebd., §§ 19, 213–215.
11 Rolf-Peter Horstmann, Die Grenzen der Vernunft. Eine Untersuchung zu Zielen und Motiven des Deutschen Idealis-
mus, Weinheim 1995, insbesondere 180–185.
12 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie (1830). 1. Teil: Die Wissenschaft der Logik, §§ 238–243.
13 Vgl. zur Auszeichnung als eigentlicher Ausdruck des Begriffs: Rolf-Peter Horstmann, „Hegels Theorie der bürger-
lichen Gesellschaft (§§ 158–256)“, in: G. W. F. Hegel. Grundlinien der Philosophie des Rechts, hg. v. L. Siep, Berlin 1997,
205.
14 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie (1830), 1. Teil: Die Wissenschaft der Logik, § 18.
15 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie (1830). 3. Teil: Die Philosophie des Geistes, § 387.
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 Stefan Mertens, Worin bestehen eigentlich Hegels anthropologische Perspektiven?   211

2 D
 ie Anthropologie als eine Objektart der
Philosophie des subjektiven Geistes
Geht man vor diesem Hintergrund nun zunächst auf Hegels Verständnis von Anthropologie als
eine ganz bestimmte Objektart seiner Philosophie des subjektiven Geistes ein, so zeigt sich, dass
sie im Prozess der Verwirklichung und Selbsterkenntnis des Begriffs des subjektiven Geistes (1)
den methodischen Anfang darstellt, dem sich bekanntlich (2) im Fortgang die Phänomenologie des
Geistes und (3) am Ende, als seine Wirklichkeit, die Psychologie anschließen.16
Nun zeichnet sich die Objektart Anthropologie in den Augen Hegels deshalb in konzeptueller
Hinsicht (a) durch die Einheit von Einzelheit und Allgemeinheit unter dem Primat der Einheit aus
und könnte somit als der uneigentliche Ausdruck des Begriffs des subjektiven Geistes bezeichnet
werden. Aus diesem Grunde fasst Hegel in inhaltlicher Hinsicht (zu b) mit der Anthropologie eine
solche Betrachtungsweise ins Auge, die, im Unterschied zur Phänomenologie des Geistes, die „das
Bewusstsein“ und die Psychologie, die den „Geist“ zu ihren jeweiligen Objektbereichen zählen,
die „Seele“ zu ihrem Gegenstand hat.17 Und mit der Seele verbindet er hier „die allgemeine Imma-
terialität der Natur“,18 die somit in seinen Augen auf die gesamte lebendige Natur, nicht nur auf
den Menschen, bezogen ist.19

3 H
 egels Anthropologie als eine eigenständige
Objektkonzeption – die Theorie der Seele
Nun unterscheidet Hegel von dieser Objektart Anthropologie seiner Philosophie des subjekti-
ven Geistes die Anthropologie (I.) als eine eigenständige Objektkonzeption, mit der er seine, von
ihm als „Idee der Seele“ bezeichnete, Theorie der Seele verbindet.20 Geht man mit Hegel auf den
Prozess der Verwirklichung und Selbsterkenntnis des Begriffs der Seele ein, so zeigt sich, dass
er (1) am Anfang in seiner „unmittelbaren Naturbestimmtheit“, die „allgemeine Seele“ und d. h.
die „nur seiende, natürliche Seele“ ist,21 da sie (a) in konzeptueller Hinsicht durch die Einheit
von Einzelheit und Allgemeinheit unter dem Primat der Einheit bestimmt ist, die man aus diesem
Grunde als den uneigentlichen Ausdruck des Begriffs der Seele bezeichnen könnte. Daher cha-
rakterisiert Hegel die natürliche Seele in inhaltlicher Hinsicht (b) als „die allgemeine Substanz“,
die als „einzelne, aber unmittelbar nur […] seiende Seele, […] Naturbestimmtheiten an ihr hat“.22
Von dieser Objektart der Theorie der Seele hebt Hegel nun seine Theorie der natürlichen Seele
ab, mit der er (II.) eine solche Objektkonzeption verbindet, die, wie sich unten näher zeigen wird,
die als Objektarten zu verstehenden Formen (1) die natürlichen Qualitäten der Seele, (2) die natür-
lichen seelischen Veränderungen und (3) die Empfindung umfasst.

16 Ebd., § 387.
17 Ebd., § 387. Rolf-Peter Horstmann weist im Hinblick auf die inhaltliche Seite von Hegels Philosophie des subjek-
tiven Geistes in diesem Zusammenhang darauf hin, dass er mit ihr insgesamt alle diejenigen Phänomene behandelt
und analysiert, die somatische, psychophysische und mentale Eigenschaften, Zustände, Prozesse und Aktivitäten des
Individuums betreffen. Vgl. Dina Emundts/Rolf-Peter Horstmann, G. W. F. Hegel. Eine Einführung, Stuttgart 2002, 96.
18 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie (1830). 3. Teil: Die Philosophie des Geistes, § 389.
19 Ebd., §§ 389, 389 Anmerkung, 389 Zusatz.
20 Ebd., § 390.
21 Ebd., § 390.
22 Ebd., § 391.
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212   Hegel-Jahrbuch 2018

Im Unterschied zur Objektart natürliche Qualitäten der Seele (zu 1) fasst Hegel mit seiner
Theorie der natürlichen seelischen Qualitäten (III.) eine solche Objektkonzeption ins Auge, die
in ihrem Realisierungsprozess am Anfang (1) die durch „das allgemeine planetarische Leben“,
d. h. durch „den Unterschied der Klimate, den Wechsel der Jahreszeiten, der Tageszeiten u. dgl.,“
beeinflusste Seele ist,23 wobei der Mensch, im Unterschied zu Pflanze und Tier, den hierdurch
hervorgerufenen seelischen Stimmungen nicht willenlos unterworfen ist.24 Demgegenüber ist die
Theorie der natürlichen Qualitäten der Seele im Fortgang (2) ihres Verwirklichungsprozesses für
Hegel in der Weise zu verstehen, als die natürlichen seelischen Qualitäten, bedingt durch „die
konkreten Unterschiede der Erde“, sich sowohl durch „Rassenverschiedenheit“25 als auch durch
„Lokalgeister“, d. h. Nationen, auszeichnen.26 Und schließlich ist seine Theorie der natürlichen
seelischen Qualitäten im Prozess ihrer Selbstverwirklichung am Ende (3) und somit in ihrer Wirk-
lichkeit insofern aufzufassen, als die natürliche Seele nun „zum individuellen Subjekte verein-
zelt“ ist,27 was „aber hier nur als Vereinzelung der Naturbestimmtheit“ der Seele zu verstehen ist,
d. h. „als der Modus des verschiedenen Temperaments, Talents, Charakters, Physiognomie und
anderer Dispositionen und Idiosynkrasien von Familien oder den singulären Individuen“.28
Geht man vor dem Hintergrund der eben in den Blick genommenen Theorie der natürlichen
seelischen Qualitäten mit Hegel nun wieder auf seine Theorie der natürlichen Seele (zu II.) ein,
so zeigt sich, dass er mit ihr, nach ihrer den Anfang darstellenden Form der natürlichen Qualitä-
ten der Seele, in ihrem Fortgang (zu 2) die Objektart natürliche seelische Veränderungen ins Auge
fasst.29
Von dieser Objektart natürliche seelische Veränderungen der Objektkonzeption natürliche
Seele unterscheidet Hegel nunmehr (IV.) seine Theorie der natürlichen seelischen Veränderungen.
Sie ist als Begriff der natürlichen seelischen Veränderungen im Prozess seiner Realisation und
Selbsterkenntnis am Anfang (1) „der natürliche Verlauf der Lebensalter“, der als eigenständige
Objektkonzeption (V.) die Entwicklung „von dem Kinde an“ über den „Jüngling“ und dem „Mann“
bis zum „Greis“ beschreibt.30 Der Verwirklichungsprozess des Begriffs der natürlichen seelischen
Veränderungen ist in seinem Fortgang (2) das sich herausgebildete „Geschlechtsverhältnis“, das
in seinen Augen letztlich allein „in der Familie seine geistige und sittliche Bedeutung und Bestim-
mung“ erlangt,31 und schließlich am Ende (3) und hiermit in seiner Wirklichkeit das natürliche
„Erwachen der Seele“,32 womit sie „dem Schlafe, gegenübertritt“.33
Blickt man vor diesem Hintergrund mit Hegel wieder auf seine Theorie der natürlichen Seele
(zu II.), so wird deutlich, dass sie als Begriff der natürlichen Seele im Prozess seiner Verwirkli-
chung und Selbsterkenntnis, nachdem er am Anfang die natürlichen seelischen Qualitäten und
im Fortgang die natürlichen Veränderungen der Seele ist, am Ende und hiermit in seiner Wirk-
lichkeit (zu 3) die Empfindung darstellt.34 Nun unterscheidet Hegel zwischen äußeren und inneren
Empfindungen und verbindet mit letzteren, wie z. B. mit der „Träne“, „die unwillkürlichen Verleib-
lichungen“ der Seele, die im Grunde „das gesunde Mitleben des individuellen Geistes in seiner

23 Ebd., § 392.
24 Ebd., §§ 392, 392 Anmerkung, 392 Zusatz.
25 Ebd., § 393.
26 Ebd., § 394.
27 Ebd., § 395.
28 Ebd., § 396.
29 Ebd., § 396.
30 Ebd., § 396.
31 Ebd., § 397.
32 Ebd., § 398.
33 Ebd., § 398.
34 Ebd., § 399.
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 Stefan Mertens, Worin bestehen eigentlich Hegels anthropologische Perspektiven?   213

Leiblichkeit“ zum Ausdruck bringen und in einer „eigentümlichen Wissenschaft, – einer“, wie er
betont, „psychischen Physiologie, ausgeführt und abgehandelt“ werden müssten.35
Sieht man nun mit Hegel wieder auf seine Theorie der Seele (zu I.), so zeigt sich, dass sie als
Begriff der Seele im Prozess seiner Realisation und Selbsterkenntnis, der in seinem Anfang die
natürliche Seele darstellt, im Fortgang (zu 2) die fühlende Seele ist. Aus diesem Grunde zeich-
net sich dieser Standpunkt in konzeptueller Hinsicht (zu a) durch die Einheit von Einzelheit und
Allgemeinheit unter dem Primat der Differenz aus, so dass die fühlende Seele als der noch nicht
eigentliche Ausdruck des Begriffs der Seele bezeichnet werden könnte. Nun eröffnet diese konzep-
tuelle Auszeichnung Hegel in inhaltlicher Hinsicht (zu b) die Möglichkeit, ausdrücklich zwischen
Empfindung und Gefühl zu unterscheiden, auch wenn der gewöhnliche „Sprachgebrauch“, wie er
hier betont, keinen „durchdringenden Unterschied“ dafür „an die Hand“ gibt.36 Denn wenn man
diesen Zusammenhang in seiner Wahrheit betrachtet, dann kann man, so Hegel, in inhaltlicher
Hinsicht sagen, dass „die Empfindung mehr die Seite der Passivität, des Findens d. i. der Unmit-
telbarkeit der Bestimmtheit im Fühlen, hervorhebt“ und die „Empfindsamkeit“ der Seele meint,
während sich das Gefühl „mehr auf die Selbstischkeit, die darin ist“, richtet, wie sich dies z. B. in
einem ausgebildeten „Gefühl des Rechts“ zeigt.37 Es geht Hegel also hier im Grunde genommen
darum, deutlich zu machen, dass das Subjekt „seine Substantialität […] als Subjektivität setzt,
sich in Besitz nimmt und als die Macht seiner selbst für sich wird. Denn die Seele ist als fühlende
nicht mehr bloß natürliche, sondern“, so Hegel, nunmehr „innerliche Individualität (Hervorhe-
bung des Verfassers, S. M)“.38
Nun unterscheidet Hegel von dieser Objektart fühlende Seele der Theorie der Seele seine
Theorie der fühlenden Seele (VI.) als eine eigenständige Objektkonzeption. Blickt man mit ihm
auf den Prozess der Verwirklichung und Selbsterkenntnis des Begriffs der fühlenden Seele, so
zeigt sich, dass er am Anfang (1) die fühlende Seele in ihrer Unmittelbarkeit ist, wonach die „füh-
lende Individualität“ zwar „ein monadisches Individuum“ darstellt, allerdings „noch nicht als
Es selbst, nicht in sich reflektiertes Subjekt und darum“ gewissermaßen nur „passiv“ ist,39 wofür
er im Hinblick auf die „formelle Subjektivität des Lebens“ mit dem natürlichen Träumen, dem
Leben des Kindes im Mutterleib und dem Einfluss unseres unbewussten inneren Lebens auf unser
bewusstes Leben, das er den „Genius“ nennt, eine Reihe von Phänomenen aufführt.40 In Hegels
Augen manifestiert sich dieses „Gefühlsleben“ allerdings dann als „eine Krankheit“, wenn „das
Individuum sich“ nur „unvermittelt zu dem konkreten Inhalte seiner selbst verhält“,41 wie sich
dies im Hinblick auf die „reale Subjektivität der fühlenden Seele“ z. B. im Somnambulismus oder
im Hellsehen zeigt.42
Ist also der Begriff der fühlenden Seele im Prozess seiner Verwirklichung und Selbsterkennt-
nis am Anfang die fühlende Seele in ihrer Unmittelbarkeit, so stellt er nun im Fortgang (2) das
Selbstgefühl dar. Für Hegel ist auf diesem Standpunkt der begrifflichen Entwicklung die „fühlende
Totalität […] als Individualität wesentlich dies, sich in sich selbst zu unterscheiden und […] in sich
zu erwachen, nach welchem sie besondere Gefühle hat und als Subjekt in Beziehung auf diese
ihre Bestimmungen ist. Das Subjekt als solches setzt“ hier, so Hegel, „dieselben als seine Gefühle
in sich“.43 Nun unterliegt in seinen Augen das „gebildete Subjekt“ in diesem Zusammenhang
dann allerdings „der Krankheit“, wenn „es in einer Besonderheit seines Selbstgefühls beharren

35 Ebd., § 401 Anmerkung.


36 Ebd., § 402 Anmerkung.
37 Ebd., § 402 Anmerkung.
38 Ebd., § 403.
39 Ebd., § 405.
40 Ebd., §§ 405 Anmerkung, 405 Zusatz.
41 Ebd., § 406.
42 Ebd., § 406 Zusatz.
43 Ebd., § 407.
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214   Hegel-Jahrbuch 2018

bleibt“,44 und diese für es selbst auffasst. Von Verrücktheit ist nach Hegel hier zu sprechen, inso-
fern sich das Subjekt in einem „Widerspruch“ befindet zwischen seinem, von ihm als irrtümlich
objektiv angenommenen, seelischen Versunkensein in eine bestimmte Bestimmung, z.  B. der
fixen Vorstellung, ein König zu sein, und seinem verständigen Bewusstsein, dabei zugleich zu
wissen, dass man sich in einer Irrenanstalt befindet, wie sich dies auch in den Phänomenen des
Blödsinns, der Narrheit und des Wahnsinns zeigt.45 Es ist dies, so Hegel, „der böse Genius des
Menschen, der in der Verrücktheit herrschend wird (Hervorhebung des Verfassers, S. M.)“.46 Dem-
gegenüber ist in seinen Augen das Subjekt dann „gesund und besonnen“, wenn es „das präsente
Bewusstsein der geordneten Totalität seiner individuellen Welt, in deren System es jeden vor-
kommenden besondern Inhalt der Empfindung, Vorstellung, Begierde, Neigung usf. subsumiert
und an die verständige Stelle desselben einordnet“.47 Dies ist der für die seelische Gesundheit, so
Hegel, verantwortliche „herrschende Genius über diese Besonderheiten“.48
Ist also der Begriff der fühlenden Seele im Prozess seiner Verwirklichung und Selbsterkennt-
nis am Anfang die fühlende Seele in ihrer Unmittelbarkeit und in seinem Fortgang das Selbstge-
fühl, so stellt er (3) am Ende und hiermit in seiner Wirklichkeit für Hegel die Gewohnheit dar.49
Nun zeichnet sich dieser Standpunkt der begrifflichen Entwicklung in konzeptueller Hinsicht
(zu a) durch die Einheit von Einzelheit und Allgemeinheit unter dem Primat der Einheit aus und
könnte somit als der eigentliche Ausdruck des Begriffs der fühlenden Seele bezeichnet werden.
Die Gewohnheit versteht er in inhaltlicher Hinsicht (zu b) als eine habitualisierte Vergeistigung
des Körpers und eine Verkörperung seelischer und geistiger Inhalte und zwar insofern,50 als die
Seele „das Besondere der Gefühle (auch des Bewusstseins) zu einer nur seienden Bestimmung an
ihr reduziert“ und „sie empfindungs- und bewusstlos an ihr hat und in ihnen sich bewegt“.51 Für
Hegel erscheint dieses „Sich-einbilden des Besondern oder Leiblichen der Gefühlsbestimmungen
in das Sein der Seele […] als eine Wiederholung derselben und die Erzeugung der Gewohnheit als
eine Übung“,52 so dass sie deshalb auch „mit Recht eine zweite Natur genannt worden“ ist.53 Aus
diesem Grunde ist ihre „wesentliche Bestimmung“, so betont er, „die Befreiung, die der Mensch
von den Empfindungen […] gewinnt“.54 Nun verbindet Hegel mit der Gewohnheit drei verschie-
dene Formen der Befreiung, wonach sie erstens die „unmittelbare Empfindung als negiert, als
gleichgültig“ setzt, wie es sich z. B. „in der Abhärtung gegen äußerliche Empfindungen, wie Frost,
Hitze, Müdigkeit oder Abhärtung des Gemüts gegen Unglück“ zeigt.55 Zweitens „entsteht durch
Gewohnheiten eine Gleichgültigkeit gegen die Befriedigung; die Begierden, Triebe werden durch
die Gewohnheit ihrer Befriedigung abgestumpft“ und „dies ist“ in seinen Augen „die vernünftige
Befreiung von denselben“.56 Und schließlich soll drittens in „der Gewohnheit als Geschicklichkeit
[…] ein subjektiver Zweck in der Leiblichkeit geltend gemacht, diese ihm unterworfen und ganz
durchgängig werden“.57

44 Ebd., § 408.
45 Ebd., § 408 Zusatz.
46 Ebd., § 408 Anmerkung.
47 Ebd., § 408 Anmerkung.
48 Ebd., § 408 Anmerkung.
49 Ebd., § 409.
50 Ludwig Siep, „Leiblichkeit, Selbstgefühl und Personalität in Hegels Philosophie des Geistes“, in: Hegels Theorie
des subjektiven Geistes in der „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse“, hg. v. L. Eley, Stutt-
gart 1990, 212.
51 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie (1830). 3. Teil: Die Philosophie des Geistes, § 410.
52 Ebd., § 410.
53 Ebd., § 410 Anmerkung.
54 Ebd.
55 Ebd.
56 Ebd.
57 Ebd.
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 Stefan Mertens, Worin bestehen eigentlich Hegels anthropologische Perspektiven?   215

Geht man vor diesem Hintergrund nun wieder mit Hegel auf seine Theorie der Seele (zu I.)
als eine Objektkonzeption ein, so kann man sagen, dass sie als Begriff der Seele im Prozess seiner
Realisation und Selbsterkenntnis, nachdem am Anfang die natürliche Seele und im Fortgang die
fühlende Seele, am Ende (3) und hiermit in ihrer Wirklichkeit die wirkliche Seele darstellt.58 Zu einer
solchen Auszeichnung dieser Objektart ist Hegel nun prinzipiell deshalb in der Lage, als sie (zu a)
in konzeptueller Hinsicht durch die Einheit von Einzelheit und Allgemeinheit unter dem Primat
der Einheit bestimmt ist und somit als der eigentliche Ausdruck des Begriffs der Seele charakte-
risiert werden kann. Aus diesem Grunde zeichnet sich die wirkliche Seele (zu b) in inhaltlicher
Hinsicht dadurch aus, dass nun „ihre Leiblichkeit in sie eingebildet“ ist.59 Nach Auffassung von
Hegel ist die Seele „in ihrer durchgebildeten und sich zu eigen gemachten Leiblichkeit als einzel-
nes Subjekt für sich, und die Leiblichkeit ist so die Äußerlichkeit als Prädikat […] deren Zeichen“
bzw., unter Umständen sogar, ihr „Kunstwerk“.60 So gehört zum „menschlichen Ausdruck […]
z. B. die aufrechte Gestalt überhaupt, die Bildung insbesondere der Hand, als des absoluten Werk-
zeugs, […] und der über das Ganze ausgegossene geistige Ton, welcher den Körper unmittelbar als
Äußerlichkeit einer höhern Natur kundgibt“.61
Mit Hegel also die anthropologischen Perspektiven seiner Berliner Enzyklopädie von 1830
denken, heißt somit, die Anthropologie als einen bestimmten Aspekt seines ontologischen Monis-
mus sowohl als Objektart seiner Philosophie des subjektiven Geistes als auch mit seiner Theorie
der Seele als eine eigenständige Objektkonzeption zu denken.

Dr. Stefan Mertens


Schillerplatz 3
14 471 Potsdam
mertens@uni-potsdam.de

58 Ebd., §§ 390, 411, 411 Zusatz.


59 Ebd., § 390.
60 Ebd., § 411.
61 Ebd., § 411 Anmerkung.
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Loughlin Gleeson, Sydney

An Evaluative Essentialist and Holistic Reading of


Hegelian Concrete Freedom in Outline:
Contra Pippin

1 Introduction
In the Philosophy of Mind (PM),1 the central aim of which is to systematically explicate the human
life-form in all of its distinctly „spiritual“ (geistig) dimensions,2 Hegel appeals to the significant yet
largely underappreciated concept of „concrete freedom“ (konkrete Freiheit). By concrete freedom
Hegel means a specific kind of relational achievement existing between self and other, wherein the
former is reconciled with the latter inasmuch as it has managed to Aufheben the other’s alienness
or „externality“.3 Freedom so conceived is distilled in the formal expression of „unity of unity
and difference“, or restated in more metaphorical terms „being with oneself in the other“ (bei
sich Selbstsein im Anderen).4 The goal of this paper is to adumbrate Hegel’s unique conception of
freedom with reference to two exegetical-philosophical stances; namely, evaluative essentialism
and holism (2).5 In a first step, however, a critique of Robert Pippin’s so-called „post-Kantian“
reading of Hegelian freedom will be briefly sketched (1).6

1 I refer to the third edition of Hegel’s Enzyklopädie (1830) as the Philosophy of Mind, not as the Philosophy of Spirit
(as it is perhaps commonly referred to and known in English), since I am using the Wallace/Miller translation.
2 G. W. F. Hegel, Philosophy of Mind, translated by W. W. Wallace and A. V. Miller, Oxford, 2007, § 377. For more on
the notion of the „human life-form“ see Pirmin Stekeler-Weithofer, „Intuition, Understanding, and the Human Form
of Life“, in: Recognition and Social Ontology, edited by Heikki Ikäheimo and Arto Laitinen, Leiden 2011, 96; also see
Michael Thompson, „Forms of Nature: ‚first‘, ‚second‘ and ‚living‘, ‚rational‘ and ‚phronetic“, in: Freiheit: Stuttgarter
Hegel-Kongress 2011 (Veröffentlichungen der Internationalen Hegel-Vereinigung), edited by Gunnar Hindrichs and Axel
Honneth, Frankfurt am Main 2013, 701–735.
3 Hegel, Philosophy of Mind, § 382. Also see G. W. F. Hegel, Lectures on the Philosophy of Spirit, translated by Robert
Williams, Oxford, 2007, 67. For more on the use of the term „Aufheben“ see G. W. F. Hegel, Encyclopedia of the Philo-
sophical Sciences in Basic Outline: Part I: Science of Logic, translated by Klaus Brinkman and Daniel O. Dahlstrom,
Cambridge 2010, § 96A.
4 These expressions (or some variation thereof) reoccur throughout Hegel’s systematic thought. See, for example,
G. W. F. Hegel, Encyclopedia Logic, § 58; G. W. F. Hegel, Elements of the Philosophy of Right, translated by H. B. Nisbet,
Cambridge, 2011, § 7; Lectures on the Philosophy of Spirit, 67.
5 I have appropriated the above-mentioned stances from Heikki Ikäheimo, „Holism and Normative Essentialism in
Hegel’s Social Ontology“, Recognition and Social Ontology, 2011, 155–159.
6 Suffice it to say here that by the term „post-Kantian“ I am referring to an approach taken by certain commentators
(Pippin, Brandom, and Pinkard) who are of the belief that Hegel essentially extends Kant’s critical project in both a
theoretical and practical philosophical sense. In my view, Aristotle’s influence on Hegel is of comparable significance
to that of Kant’s. The challenge here, of course, is not to exclude one in favor of the other, but to keep both Kant and
Aristotle in the picture, as it were.
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 Loughlin Gleeson, Contra Pippin   217

2 Critique
Within the context of contemporary Hegelian scholarship and philosophy, concrete freedom has
arguably failed to receive the kind of explicit treatment and recognition otherwise deserving of
such a systematically rich concept.7 Robert Pippin’s reading evinces this trend to the extent that
it treats Hegelian freedom in fundamentally post-Kantian terms as an achieved state or condition
of socially mediated rational self-determination.8 Freedom amounts, in Pippin’s view, to a joint
achievement among mutually recognizing agents whose reflexive participation in the everyday
justificatory procedure of reason-giving and reason-exchange represents the means by which the
normative standards for collective beliefs and practices can be secured within a particular, his-
torically situated society.9 As we will see, this de-ontologized (1.1) and de-naturalized (1.2) reading
of Hegelian freedom is both exegetically and philosophically problematic.10 That is to say, Pippin
has not only reduced both human agency and Geist to exclusively normative concepts (thus omit-
ting any reference to the psychological and evaluative essentialist aspects of Hegel’s thought), but
more he has also neglected the entirety of the dimensions of concrete freedom pertaining to the
relations with others constitutive of the human life-form, in particular relations with nature (both
„inner“ and „outer“).

2.1 De-ontologizing Hegelian Freedom


The move to, in effect, de-ontologize Hegelian freedom is borne out in Pippin’s related accounts of
human agency and Geist. For Pippin, agency equates, outside of any „thick“ characterisation of
human personhood (whether psychological or otherwise) to little more than a normative status.11
The status and attendant entitlements and obligations constitutive of free agency are predicted,
inter alia, on mutual recognition, and specifically on the intersubjective attribution of said statuses

7 There can be no denying that Hegel’s concept of freedom in general has received ample scholarly recognition and
treatment. However, such recognition and treatment has so far been beset by a number of terminological and con-
ceptual problems. Commonly, Hegel’s concept of freedom is designated by the terms „rational self-determination“
(Pippin) and „social freedom“ (Honneth). (For more on the latter see Axel Honneth, Freedom’s Right: The Normative
Foundations of Democratic Life, translated by Joseph Ganahl, Cambridge, 2014.) The virtue of the term „concrete free-
dom“ stems from the fact that, terminologically, it resists reducing Hegel to either a reconstructed Kantian or an ex-
clusively social thinker. It should also be noted that when the concept of concrete freedom does appear in the existing
scholarship, it is almost always referred to in passing in a fairly un-systematic manner (usually in relation to Hegel’s
account of the modern Rechtsstaat set out in § 260 of the PhR). See, for example, Ludwig SIEP, „The contemporary
relevance of Hegel’s practical philosophy“, Hegel: New Directions, edited by Katerina Deligiorgi, Chesham, 2006. For
an exception to this rule see Ikäheimo, „Holism and Normative Essentialism“, 160–161.
8 Robert Pippin, Hegel’s Practical Philosophy: Rational Agency as Ethical Life, New York, 2008, 21. Robert Brandom
and Terry Pinkard – two other prominent post-Kantian interpreters of Hegel – espouse a similar conception of Hege-
lian freedom. See Robert Brandom, „Freedom and Constraint by Norms“, American Philosophical Quarterly, Volume
16, Number 3, July 1979, 178–196, and Terry Pinkard, Hegel’s Naturalism: Mind, Nature and the Final Ends of Life,
Oxford 2012, 104.
9 Pippin, Hegel’s Practical Philosophy, 19, 43, 194.
10 Pippin’s reading of Hegel has attracted criticisms from other commentators. See, for example, Jean-Philippe Der-
anty, „Rationality, Autonomy and the Social Bond: Models of Hegelian Recognition and their Implications for Social
and Political Theory“, Philosophy Today, 55, 1, 2011, 3–11 and Robert Stern, „Freedom, Self-Legislation and Morality in
Kant and Hegel: Constructivist vs. Realist Accounts“, German Idealism: Contemporary Perspectives, edited by Espen
Hammer, London, 2007, 245–266.
11 Pippin, Hegel’s Practical Philosophy, 196–197.
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218   Hegel-Jahrbuch 2018

and „deontic powers“.12 Moreover, Geist refers, not as traditionally conceived to a metaphysically
weighty substance qua „cosmic spirit“, 13 but instead to the sui generis realm of „common mind-
edness“ akin to the Sellarsian „space of reasons“.14 This „deflated“ conception of Geist points to
a radically self-determining, self-grounding framework of collective normativity that is sustained
above all through the justificatory procedure of „account-giving“.
Exegetically speaking, it is difficult to square Pippin’s rather „thin“ conception of subjectivity
as set out above with Hegel’s own claims. In the much-neglected „Subjective Spirit“ section of
Hegel’s PM, we are presented with a clear alternative to the Pippinian model of agency in the form
of Hegel’s psychologically rich account of „concrete subjectivity“ (konkrete Subjektivität).15 Suffice
it to say here that, for Hegel, concrete subjectivity designates a subject of knowledge and action
internally constitued by certain cognitive and volitive capacities and functions.16 Pippin’s under-
estimation of the role and importance of psychology within Hegel’s thought has negative philo-
sophical consequences. Psychological capacities and functions are clearly required on the part
both of the addresser and addressee of recognition in the sense that absent such capacities and
functions neither recognizing another subject in the first place nor determining whether a partic-
ular case of attribution is adequate to its object would be possible, respectively.17 In each case, the
kind of psychological dimensions of human personhood that are omitted from Pippin’s reading
will be taken up in a later section as a part of a renewed focus on „inner nature“ (2.2). Moreover,
this interpretation would appear to ignore Hegel’s own understanding of Geist as rendered explic-
itly in evaluative essentialist terms. That which escapes the purview of Pippin’s „boot-strapping“
account can be expressed in terms of the claim that concrete freedom is, in a broadly Aristote-
lian vein, the „essence“ of Geist (2.1).18 From a not unrelated philosophical perspective, Pippin’s
account of common mindedness is arguably beset by a lack of „critical potential“. On the terms of
Pippin’s reading, judgments concerning the legitimacy of extant social norms can only be deter-
mined retrospectively as against a „prior form life“.19 In consequence, this precludes the possi-
bility of assessing such norms in relation to an immanent evaluative standard or criterion with
sufficient theoretical validity and therewith the very possibility of justified social criticism.20 One
of the claims of this paper will be that concrete freedom can be understood as such a standard or

12 Ibid., 197. On the idea of „deontic powers“ see John Searle, Making the Social World: The Structure of Human Civil-
isation, Oxford 2010, 8–9.
13 Charles Taylor, Hegel and Modern Society, Cambridge 2015, 11.
14 Pippin, Hegel’s Practical Philosophy, 15, 17.
15 Hegel, The Philosophy of Mind, §§ 398, 400, 405, 456 and 457.
16 See Heikki Ikäheimo, „Hegel’s Psychology“, forthcoming in: The Oxford Handbook of Hegel, edited by Dean
Moyar, Oxford. Also see Richard Dien Winfield, Hegel and Mind: Rethinking Philosophical Psychology, Hampshire 2010
and Willem A. Devries, Hegel’s Theory of Mental Activity: An Introduction to Theoretical Spirit, Ithaca/London 1988.
17 For more on this point see Italo Testa, „Second Nature and Recognition: Hegel and the Social Space“, Critical
Horizons, 10, 3, 2009, 342.
18 Hegel, Philosophy of Mind, § 382.
19 Pippin, Hegel’s Practical Philosophy, 204: „We have no independent or prior way of insuring that an historical
development will be progressive or not, and can only attempt to show that some development represents a superior
resolution of what some prior form of life had attempted.“ This itself is intended as a corrective to the positivism that
Pippin detects in Brandom’s legalistic account of the historical development of social practices. See Robert Pippin,
„Brandom’s Hegel“, in: German Idealism, 164–173.
20 For more on this see Antti Kauppinen, „Reason, Recognition and Internal Critique“, in: Inquiry: An Interdisciplin-
ary Journal of Philosophy, 45, 4, London 2002, 484–485: „Reconstructive internal critique can take different forms de-
pending on whether the implicit norms appealed to are particular or universal. […] Its strong form appeals to universal
implicit norms.“ Also see Axel Honneth, „Pathologies of the Social: The Past and Present of Social Philosophy“, in:
Disrespect: The Normative Foundations of Critical Theory, Cambridge/Malden 2007, 42: „However social philosophy’s
classical claim to be able to assess certain developments in social life as pathologies in a context-transcending man-
ner would be lost. Therefore the survival of social philosophy […] depends on the success with which the claim of a
weak, formal anthropology can be justified in the future.“
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 Loughlin Gleeson, Contra Pippin   219

criterion which satisfies the methodological requirement characteristic of the left-Hegelian tradi-
tion of locating „transcendence within social immanence“ (2.1).21

2.2 De-naturalizing Hegelian Freedom


A further presupposition of Pippin’s post-Kantian reading concerns his ‚de-naturalized‘ view of
Hegelian freedom. The model of agency set out above rests on the Kantian desideratum of holding
both oneself and others to practical reasons such that the justificatory account given for a partic-
ular belief or action ideally assumes a „universal“ form that is ipso facto „purified“ of any inter-
nal-natural factors (body, first-order motivations, „character“).22 It follows therefore that ratio-
nal agency may be negatively characterized in terms of the reflexive distance from our sensuous
nature. The normative legitimacy of common mindedness is likewise determined in relative pro-
portion to the „greater independence from nature“ we are able to collectively achieve with respect
to shared norms. 23 For the quality of the norms binding on a particular community stems from the
fact that they are self-legislated in such a way that not only society’s own material conditions (first
nature) but also historically developed customs and habits (second nature) have been successfully
overcome. 24
Pippin’s de-naturalized conceptions of agency and Geist arguably fail, in an exegetical sense,
to capture the true reconciliationist nature of Hegelian concrete freedom. To put it simply, Hegel
posits that concrete freedom involves human persons and the life-form more generally being „at
home“ (zu Hause) in Natur.25 Both the nature within us and the nature around us figure in Hegel’s
Realphilosophie as essential determinants of freedom – where freedom is understood in concrete,
relational terms, not in an overly „rationalized“ Kantian manner  – upon which we are consti-
tutively dependent qua sensuously and materially determined beings.26 Pippin’s reluctance to
conceive of the relationship of „mindedness“ and „naturalness“ in anything other than abstract
terms yields certain philosophical problems.27 By not accounting for the possibility of genuine
reconciliation with one’s psycho-physiology Pippin’s agential model defies established psycho-
analytic insights that caution against repression;28 and moreover, by not accounting for recon-
ciliation with the external natural world his account of common mindedness evidences a kind

21 See Axel Honneth, „Reconstructive Social Criticism with a Genealogical Proviso: On the Idea of ‚Critique‘ in the
Frankfurt School“, Pathologies of Reason: On the Legacy of Critical Theory, New York 2009, 43–53.
22 Robert Pippin, „What is the Question for which Hegel’s Theory of Recognition is the Answer?“, in: European Jour-
nal of Philosophy, 8, 2, 2000, 160–161.
23 Pippin, Hegel’s Practical Philosophy, 55.
24 Ibid., 46–58, 187, 192–194. Also see Robert Pippin, „Leaving Nature Behind: or two cheers for ‚subjectivism“, in:
Reading McDowell: On Mind and World, edited by Nicholas Smith, London/New York 2002, 69–71. For a similar cri-
tique of Pippin and other post-Kantian readers of Hegel see Emmanuel Renault, „The Naturalistic Side of Hegel’s
Pragmatism“, in: Critical Horizons, 13, 2, Sheffield 2012, 265–272; Christoph Halbig, „Varieties of nature in Hegel and
McDowell“, in: European Journal of Philosophy, 14, 2, 2006, 222–241; and Raoni Padui, „Hegel’s Ontological Pluralism:
Rethinking the Distinction between Natur and Geist‘, in: Review of Metaphysics, 67, 1, 2013, 125–148.
25 Hegel, Philosophy of Mind, § 384 Z: „mind posits nature as something reflected-into-itself, as its world, strips na-
ture of its form of an Other confronting it […]; but at the same time, this Other still remains independent of mind.“ This
position can be traced back to the Differenzschrift: see G. W. F. Hegel, The Difference Between Fichte’s and Schelling’s
System of Philosophy, translated by H. S. Harris and Walter Cerf, Albany 1977, 137–150.
26 Pippin, Hegel’s Practical Philosophy, 46–58, 187, 192–194. Also see Robert Pippin, „Leaving Nature Behind: or Two
Cheers for ‚Subjectivism“, in: Reading McDowell: On Mind and World, edited by Nicholas Smith, London/ New York
2002, 69–71.
27 Ibid., § 371.
28 Sigmund Freud, Civilization and its Discontents, translated and edited by James Strachey, New York and London
1989. Herbert Marcuse, Eros and Civilization: A Philosophical Inquiry into Freud, Boston 1974. In some respects, the
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220   Hegel-Jahrbuch 2018

of anthropocentrism, the limitations of which are never more clearly seen than in relation to the
existential threat currently posed by the climate change.29 What Pippin’s reading ignores, then,
are the naturalistic preconditions of human life in the form both of a non-reductive, integrationist
account of inner nature and a „humane“ relation to our Umwelt (2.2).30

3 Reconstruction
The aim of this section is to adumbrate within the space available an alternative account of
Hegelian concrete freedom. Formally expressed as the „unity of unity and difference“, concrete
implies genuine reconciliation with those others – nature, other persons and social-institutional
reality – upon which one is necessarily dependent. It is therefore distinct and even opposed to the
common, „abstract“ understanding of freedom as consisting of the flight or escape from „consti-
tutive others“, which is, in Hegel’s view, both logically and practically impossible.31 „The freedom
of mind,“ Hegel explains, „is not merely an independence of the Other won outside the other,
but won within the Other; it attains actuality not by fleeing from the Other but by overcoming it“
(emphasis added).32 Concrete freedom is then neither internalist (a purely subjective property
or capacity) nor externalist (predicated solely on exogenous conditions); on the contrary, it is a
relational achievement that is marked by the „union“ (Vereinigung) of self and other whereby
the former has managed to overcome the latter’s „otherness“ (Anderssein) in such a way that its
independence and difference are preserved by means of a double, „absolute negation“.33 In what

idea of repression was anticipated by Schillerian-cum-Hegelian criticism of Kant’s model of transcendental subjectiv-
ity on the grounds that it abstractly negates inner nature.
29 In a theoretical register, the problem of de-naturalisation at the macro-level may be expressed as follows: Pip-
pin’s conception of common mindedness can be likened to a state of collectivized „frictionless spinning in the void“
(borrowing a suggestive expression from McDowell) in the sense that the truth-claims within this „social space“ are
forever cut off from external nature. For more on this point see Ludwig Siep, „Hegel’s Idea of a Conceptual Scheme“,
in: Inquiry, 34, 1, 1991, 63–76. For a solution to this problem see footnote 53.
30 The first of these demands aligns with the call in the previous section for a more psychological account of subjec-
tivity. For more on the idea of „humane“ relationship to human beings to external nature see Axel Honneth and Hans
Joas, Social Action and Human Nature, Cambridge 1988, 1–5.
31 Hegel, Encyclopedia Logic, 94A: „The one who flees, however, is not yet free, for in fleeing he is still dependent on
what he flees.“ To be sure, this only applies to essential determinants or constituents of human persons, since there is
nothing inherently illogical in taking leave of non-essential factors or conditions. Arguably, many of the conventional
models of freedom – Hobbesian „liberty“ or Kantian „autonomy“ – can be subsumed under categorial framework of
Hegelian „abstract freedom“. Whereas the essential determinant of freedom that Hobbes failed to account in
anything other than purely negativist terms is represented by other subjects (because in his view the latter are
merely a hindrance to the arbitrary pursuit of one’s egoistic aims and goals), then the same general principle
holds true for Kant with respect to a given subject’s first-order motivations (given the putative empirical-tran-
scendental split within human subjectivity operative in his critical philosophy). Hobbesian „liberty“ and Kan-
tian „autonomy“ both omit from their respective frames of reference essential conditions – whether objective
or subjective – without which the concept of being free would not be conceivable in the first place, and thus
represent instantiations of freedom in abstracto.
32 Hegel, Philosophy of Mind, § 382 Z.
33 Absolute negation is a species of „negation“ that is categorially distinct from „determinate negation“. The latter
designates the decidedly Spinozistic view that Hegel takes over according to which all finite relata are determined
and therefore constitued by what they are not, viz., other relatum: ‚x‘ (be it a mere quality or concrete subject) is what
it is in virtue of its ¬ of ‚y‘. Or, to paraphrase an oft-quoted line from the Science of Logic, every entity on earth and
heaven necessarily contains within itself both „immediacy“ (abstract self-relation) and „mediation“ (difference). As
„the negation of negation“, absolute negation refers to the overcoming of the sense of external determination initially
existing between two or more mutually conditioning relata. Only those relata which are positively reconciled with
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 Loughlin Gleeson, Contra Pippin   221

follows, it will be suggested that freedom in concreto is the immanent evaluative criterion of the
human life-form (2.1), and moreover it applies holistically to all the others constitutive of human
persons (2.2); and that, where specified, these stance represent solutions to the limitations iden-
tified above.

3.1 Evaluative Essentialism


Within his mature system, Hegel argues that concrete freedom is the „essence“ (Wesen) or „voca-
tion“ (Bestimmung) of Geist,34 or mutatis mutandis, of the human life-form.35 In § 382 of the PM,
for example, Hegel posits: „The formal essence of spirit is therefore freedom“.36 It is important to
recognize that the essentialism implied herein is of a non-standard, evaluative and thus broadly
Aristotelian kind applied to the realm of spirit. 37 To the extent that our „essential determination“ or
„concept“ as fundamentally spiritual beings is concrete freedom,38 and this essence is something
that we instantiate in various ways under different historical and cultural conditions,39 Hegelian

other ontologically constitutive relata – i. e., which have managed to incorporate the difference that is their unavoid-
able relation to one another within themselves in a kind of „mediated unity“ – can be understood as truly, that is to
say, concretely, free.
34 Pace Pippin, for whom „mindedness“ and the „logical space of reasons“ are essentially equivalent, Geist can be
understood in my view as a general category – different in kind from, though by no means opposed to, Natur – which
encompasses the totality of all distinctly human activities and achievements, whether practical or otherwise. Geist
refers, on this reading, to the self-producing, self-interpreting structure proper to the human life-form. Indeed, it is even
possible to conceive of absolute Geist, and therewith the domains of art, religion and philosophy, in a left-Hegelian
manner as increasingly more complex attempts on the part of human beings at collective self-representation and
self-understanding, whether through sensuous, symbolic or conceptual means, respectively.
35 See e. g., Hegel, Philosophy of Mind, § 382; Lectures on the Philosophy of Spirit, 67: „Freedom constitutes the es-
sential determination of spirit, and we can say that freedom is the concept of spirit.“ Also G. W. F. Hegel, Aesthetics:
Lectures on Fine Arts, 1, translated by T. M. Knox, Oxford 1975, 97: „Freedom is the highest destiny of the spirit. In the
first place, on its purely formal side, it consists in this, that in what confronts the subject there is nothing alien and it
is not a limitation or barrier; on the contrary, the subject finds himself in itself.“
36 Hegel, Philosophy of Mind, § 382. The original reads in German as follows: „Das Wesen des Geistes ist deswegen
formell die Freiheit“.
37 Hegel’s brand of essentialism is „non-standard“ in the sense that, rather than focusing on the necessary or con-
tingent features of a given entity in a strict modal sense, it holds that that which is essential to an entity, its essence,
can be realized to varying degrees and thus to greater or lesser extents. Put another way, it is a process-model of
essentialism, not a strict either/or-model. It is, moreover, „evaluative“ since the claims Hegel makes regarding the
essence of entities is meant not merely in a purely descriptive vein but instead in an evaluative one. So far, Hegelian
essentialism is decidedly Aristotelian. And yet, significantly, Hegel’s departure from Aristotle is marked by the claim
that the Wesen or Bestimmung of the human life-form is not a priori fixed and thus un-changing, as determined on
the basis of a reductive naturalism, inasmuch as Hegel believes the type of beings we are, that is, spiritual beings, are
capable of self-constitution and self-determination (this is his Kantian moment, so to speak). Whether such a view is
additionally teleological, and is thus committed to the claim that entities have an immanent tendency to realize their
essence, is then another issue, and here I think that even if Hegel holds such a view defending him on this specific
point is not only unnecessary but also potentially problematic, for the reason just outlined. Finally, the specification
„applied to the realm of spirit“ is mine, not Hegel’s, and though there is textual evidence to suggest that concrete free-
dom may also be the essence – or at any rate, the goal – of ‚higher‘ forms of nature, i. e., animals, there is not space
enough here to take up such a claim.
38 Hegel, Lectures on the Philosophy of Spirit, 67.
39 Here it is necessary to flag the formality of Hegel’s concept of concrete freedom. In my view, the actual content
of concrete freedom is not only necessarily socially formed but also invariably historically changing. The manner in
which the formal structure of being-with-oneself-in-the-other is actually realized is therefore contingent, to a quite
large degree, on the manner of its actualisation vis-à-vis various subjective and objective factors and conditions.
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222   Hegel-Jahrbuch 2018

essentialism is centrally concerned with the axiological significance of human beings realizing
freedom in concreto.40 Concrete freedom figures in Hegel’s thought, then, as the immanent evalu-
ative criterion of the human life-form, against which the ethical „goodness“ of the latter’s various
instantiations (relations, structures, phenomena) can be meaningfully determined.41 The (quan-
titatively) more or (qualitatively) better concrete freedom is realized in relation to constitutive
others, the more perfect or better those instantiations of the human life-form are, exemplifying
the „excellence“ proper to our kind, viz., „genus“ (Gattung).42 In Hegel’s view, the telos of the
human life-form is marked by the differentiated achievement of being „at home“ in ourselves and
others, and in the surrounding natural and social-institutional worlds.
Though it will no doubt require further elaboration and justification elsewhere, the link sug-
gested above between concrete freedom and the human life-form bears, in a diagnostic regis-
ter, on the possibility of developing a context-transcending model of immanent social critique,
the initial motivation for which arose from the limitations of Pippin’s reading (1.1).43 The point
of departure for the proposed social-critical model is marked by the claim that any significant
failures to actualize concrete freedom across its various dimensions (natural, intersubjective,
social-institutional) may be understood as „defects“ (Mangel).44 In a specific instance, why then
(say) asymmetrical intersubjective relations or a purely instrumental mode of comportment with
respect to external nature may be criticized as being ethically deficient is an evaluative determina-
tion that – contra Pippin – can be drawn on the basis of the standard of concrete freedom. In each
case, the „badness“ of those relations can be traced back to their inability to practically realize the
notion of being „at home“ in otherness – other subjects and external nature, respectively – to the
extent that both one-sidedly privilege subjectivity or abstract unity over otherness or difference.45

3.2 Holism
Understanding Hegel’s concept of concrete freedom properly also requires conceiving of it holis-
tically, with regard to relations not only with other subjects or the social-institutional world, but

40 For other – some similar – essentialist readings of Hegel see Ikäheimo, „Holism and Normative Essentialism“,
145–209; Allen Wood, Hegel’s Ethical Thought, Cambridge 1990, 33–35; Franz Knapik, „Hegel’s Essentialism. Natural
Kind and the Metaphysics of Explanation in Hegel’s Theory of ‚the Concept“, in: European Journal of Philosophy (early
view) 2016; Stern, „Why Hegel Now (Again) – and in What Form?“, 187–210; Mark Alznauer, „Hegel’s Theory of Nor-
mativity“, forthcoming in: Journal of the American Philosophical Association. Cf. Pippin, Hegel’s Practical Philosophy,
17, and his one-sided interpretation of Aristotelian readings of Hegel.
41 Those wondering about the metaphysical implications of such a position would do well to consult James Kreines,
Reason in the World: Hegel’s Metaphysics and its Philosophical Appeal, New York 2015 since the claims therein, partic-
ularly those that relate to the explanatory import of teleologically structured „immanent concepts“, can be thought to
supply the much needed „background theory“ for my own reading.
42 Hegel, Encyclopedia Logic, § 179. Hegel uses the specific term „excellence“ in G. W. F. Hegel, Lectures on the Phi-
losophy of World History, translated by H. B. Nisbet, Cambridge 1984, 73.
43 To be sure, this view is not intended to be read in support of some kind of spurious metaphysical Platonism, but
rather in light of the left-Hegelian conception of social criticism, at the centre of which stands the programmatic goal
of diagnosing extant social pathologies against an immanent criterion with putative „universal“ validity.
44 Hegel, Encyclopedia Logic, § 24 Z, 62: „Thus, for instance, we speak of a true friend and mean by that someone
whose way of acting conforms to the concept of friendship. Similarly, we speak of a true work of art. Untrue then
means as much as bad, something in itself inadequate. In this sense, a bad state is an untrue state, and what is bad
and untrue generally consists in the contradiction that obtains between the determination or the concept and the
concrete existence of the object.“
45 Another way to put this would be say that such relations constitute forms of „alienation“ or „alienated rela-
tions“. See my „Rehabilitating Social Philosophy’s Normative Resources: A Review of Rahel Jaeggi’s Alienation“,
forthcoming in: Philament Journal, 22, 2016.
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 Loughlin Gleeson, Contra Pippin   223

also with internal and external nature. This additional claim will be sketched below with refer-
ence to the natural, intersubjective, and social-institutional dimensions of concrete freedom that
can be rationally reconstructed from the PM.46
In the first place, the natural dimension of concrete freedom is comprized of internal and
external sub-dimensions, neither of which, as we saw above, were adequately dealt with by Pippin
(1.1). The former has as its object the various physiological and psychological „aspects“ of con-
crete human subjectivity. Hegel begins, in the „Anthropology“, by focusing on the universal figure
of a pre-intentional, embodied self qua „soul“ (Seele).47 The ontogenetic account that follows por-
tends the progressively more adequate ordering of initially undifferentiated states such as sensa-
tions, feelings and „bodiliness“ more generally via the formative mechanism of „habit“ (Gewohn-
heit).48 The relevant telos here is that of an internally organized, functioning whole – or „actual
soul“ (wirkliche Seele) – for which its psycho-physiology is not something other, but rather some-
thing with which it is reconciled and thus „at home“ in.49 Hegel’s account of internal nature is
extended in the „Phenomenology“ and „Psychology“ sections with a treatment of „higher-order“
human psychology and intentionality.50 Therein, Hegel systematically outlines various modes of
cognitive and volitive intentionality (desire, say) and their attendant psychologically enabling
capacities (drives) – modes of intentionality and capacities which do not abstract from, but rather
build upon, the „animalistic“ side of human persons.51 The integration of these pre-intentional
and intentional structural aspects of human personhood, itself made possible by „cultivation“ or
Bildung at the level of subjective Geist, results in a vision of an internally concretely free subject.
It is possible to rationally reconstruct the external natural sub-dimension of concrete freedom,
itself centrally concerned with the relation of human beings to the natural world, from the „Phe-
nomenology“ section of the PM.52 From a theoretical standpoint, Hegel conceives of that relation
in terms of the transition from a merely sensuous relation to nature to a refined, philosophical
form of intellectual comprehension that grasps nature both as intelligently organized and thus
not epistemically alien to the subject and nevertheless independent from the latter à la „concep-
tual realism“.53 The practical stance is likewise structured around the progressive movement from
an immediate, animalistic-type form of „desire“ (Begierde) to a form-giving, temporally extended
mode of „labor“ (Arbeit), which finds inorganic objects and the environment generally amenable
to human needs and ends, while at the same time acknowledging their genuine ‚separateness‘
from us.54 By means of this rational reconstruction we can thus say that the human life-form’s

46 To be sure, my reading of Hegelian freedom intentionally „brackets out“ – but is by no means therefore irrecon-
cilable with – absolute Geist, which in my view is best understood in a left-Hegelian, „deflated“ vein. See footnote 33.
47 See Michael Wolff, Das Körper-Seele-Problem, Kommentar zu Hegel, Enzyklopädie, Frankfurt 1992 and Italo Testa,
‚Hegel’s Naturalism, or Soul and Body in the Encyclopedia‘, in: Essays on Hegel’s Philosophy of Subjective Spirit, ed.
D. Stern, Albany 2012, 19–35.
48 Hegel, Philosophy of Mind, §§ 409–410.
49 Ibid., § 41 Z: „The self has […] actualized itself in the soul’s reality, in its bodiliness, and conversely, has posited
being within itself; so that now that self or the I intuits its own self in its self in its Other and is this self-intuiting.“
50 Ibid., §§ 413–482.
51 Ibid., § 481: „The actual free will is the unity of theoretical and practical mind; free will, which is for itself as free
will.“
52 Also see G. W. F. Hegel, Philosophy of Nature, 1, edited and translated by M. J. Petry, London 1970, § 246 Z.
53 Here Pippin arguably stops short of accounting for the full, ontological commitments of Hegel’s theoretical philos-
ophy. Pippin’s „Kantianized“ understanding of Hegel cast in terms of „account-giving“ yields anti-realist, constructiv-
ist implications which are, exegetically speaking, clearly belied by Hegel’s own claims. To put my „conceptual realist“
alternative in a nutshell: Hegel accounts, in the Logic and elsewhere, for the fundamental categorial structures that
reality itself directly instantiates – categorial structures of which concrete human subjects or persons are, through var-
ious psychologically-rooted forms of „knowing“ (and, on the practical side, „doing“), increasingly cognizant.
54 Ibid., §§ 434–437. For more on Hegel’s account of work see, for example, Hegel, Aesthetics: Lectures on Fine Arts,
256: „Through work man humanizes his environment […] Only by means of this effectual activity [i. e., labor] is he….
aware of himself and at home in his environment.“
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224   Hegel-Jahrbuch 2018

ideal relation to nature is one in which the natural world is both epistemically familiar and practi-
cally habitable,55 without being reducible to any particular theoretical or practical perspective and
therewith to either pure objectification or instrumentalisation.56
With its textual basis in the „Self-consciousness“ section of the PM, the intersubjective dimen-
sion of concrete freedom centres on the horizontal relationship between two or more embodied,
rational persons.57 One is free in Hegel’s concrete sense in this dimension by being recognized by,
that is to say, attitudinally affirmed by, other subjects, and thus reconciled with them and their
independent (theoretical) perspectives and (practical) ends or goals. 58 What Hegel calls „univer-
sal self-consciousness“ is an achieved state or condition of mutual recognition in which, as he
puts it, subjects have „affirmative awareness of themselves in each other“, are „absolutely inde-
pendent“ from one another and yet „do not distinguish themselves from each other“; in a word, a
state or achievement predicated on the mediated unity of independence and dependence.59 Pace
Pippin, universal self-consciousness need not be instantiated in purely deontological terms as the
mutual attribution of normative statuses (1.1). In point of fact, Hegel’s own paradigmatic example
of recognition  – „love“ (Liebe)  – is axiological in nature, and involves the singular experience
of significant others affectively recognizing one another, which is essential both for individual
psychological development and social reproduction more generally.60 In this dimension, the eval-
uative essence of the human life-form, viz., concrete freedom, is realized through recognitively
mediated intersubjective relations, whether axiological or deontological in nature.61
Concrete freedom also necessarily encompasses the vertical relation of subjects to an extant
social-institutional reality, which Hegel treats under the banner of Sittlichkeit within objective
Geist.62 This dimension can be analysed either objectively, in terms of social structures and condi-
tions themselves (family, civil society, modern nation-state),63 or alternatively subjectively, that is

55 Simon Hailwood, Alienation and Nature in Environmental Philosophy, Cambridge 2015, 108. Invoking Hegel, Hail-
wood argues: „We have to make a home for ourselves in the natural world: we must transform our physical environ-
ment to satisfy our wants and needs; and we must interpret it, make sense of it and, in doing so, inject our surround-
ings with meaning and significance.“
56 Though Hegel was not an environmentalist in contemporary terms, his overall picture of the essence or ideal of
the human life-form is, in my view, not only just appealing but also necessary, inasmuch as it provides us with phil-
osophical resources well disposed to comprehending the current environmental crisis. For more on the interconnec-
tion of Hegel, the environment and environmental ethics see Wendell Kisner, Ecological Ethics and Living Subjectivity
in Hegel’s Logic: The Middle Voice of Autopoietic, London 2014, 154–167; Nicholas Mowad, „The Natural World of Spirit:
Hegel on the Value of Nature“, in: Environmental Philosophy, 9, 2, 2012, 47–66; Ludwig Siep, „Mutual Recognition:
Hegel and Beyond“, in: Recognition and Social Ontology, 138–140. For a less charitable reading of Hegel as a proto-en-
vironmentalist see Allison Stone, Petrified Intelligence: Nature in Hegel’s Philosophy, Albany 2005, 135–162.
57 Hegel, Philosophy of Mind, §§ 424–437.
58 For more on the concept of recogniton see Heikki Ikäheimo, „Hegel’s Concept of Recognition – What is it?“, in:
Recognition – German Idealism as an Ongoing Challenge, edited by C. H. Krijnen, Leiden 2013, 11–38.
59 Hegel, Philosophy of Mind, § 436.
60 G. W. F. Hegel, Werke, I, Frankfurt am Main 1986, 242: „Only in love are we one with the object, neither dominating
it nor dominated by it.“Also see Hegel, Philosophy of Right, § 7 Z: „But we already possess this freedom in the form of
feeling [Empfindung], for example in friendship and love. Here, we are not one-sidedly within ourselves, but willingly
limit ourselves with reference to an other, even while knowing ourselves in this limitation as ourselves. In this deter-
minacy, the human being should not feel determined; on the contrary, he attains his self-awareness only by regarding
the other as other.“
61 This should help alleviate any suspicion  – held by Habermas, among others  – that intersubjectivity is „re-
pressed“ in Hegel’s mature writings.
62 Hegel, Philosophy of Right, § 142: „Ethical life is accordingly the concept of freedom which has become the existing
world and the nature of self-consciousness.“
63 Hegel, Philosophy of Mind, § 515: „Freedom, shaped into the actuality of a world, acquires the form of necessity,
whose substantial interconnection is the system of the determinations of freedom“.
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 Loughlin Gleeson, Contra Pippin   225

to say, from the perspective of individual subjects (dispositions, „duties“ etc.).64 As in a feed-back
mechanism, these components mutually imply and reinforce one another: subjects are initially
integrated into an „ethical“ (Sittliche) context via a process of socialisation or objective Bildung,
which they then in turn help reproduce and sustain through various modes of (recognitive) identi-
fication and (practical) participation. Crucially, the subjective and objective aspects of this dimen-
sion owe their functioning and legitimacy, as much to practical reasons à la Pippin (1.1), as indeed
to historically and culturally established customs and habits. 65 In the ideal social-institutional
setting, properly socialized subjects are „with themselves“ (mit sich selbst) – both „consciously“
and affectively – in the objectively rational structures and conditions of Sittlichkeit that appear as
the concrete embodiments of external „second nature“ (zweite Natur), and thus serve to instanti-
ate the key Hegelian claim of freedom as consisting of a mediated unity with difference.66

4 Conclusion
The reading sketched out above is intended to represent an alternative to the received view of
Hegelian freedom as a purely social-historical concept espoused by post-Kantian interpreters such
as Pippin, in turn remedying the exegetical and philosophical problems associated with such a
de-ontologized and de-naturalized view. At the same time, it also articulated a positive account
of Hegel’s concept of concrete freedom as the immanent evaluative criterion of our distinctly spir-
itual form of life (evaluative essentialism), which encompasses all of the relations with constitu-
tive others (nature, other subjects and social norms and institutions) that necessarily constitute
human persons (holism).67*

Loughlin Gleeson
School of Humanities and Languages
Level 2, Morven Brown Building
The University of New South Wales
Sydney, NSW, 2052
Australia
loughlingleeson@gmail.com

64 Ibid., § 484: „The disposition of the individual is awareness of the substance and of the identity of all their inter-
ests with the whole; and when the other individuals are reciprocally aware of themselves only in this identity, this is
trust – the genuine, ethical disposition.“
65 As in a closed feed-back mechanism, these loops of „social integration“ and „social reproduction“ owe their
functioning and legitimacy, as much to (explicit) practical reasons à la Pippin, as indeed to (implicit) „second natu-
ral“ habits and customs. For more on this See TESTA, „Second Nature and Recognition: Hegel and the Social Space“,
341–370 and Simon Lumsden, „Habit, Sittlichkeit and Second Nature“, in: Critical Horizons, 13, 2, 2013, 220–243.
66 Hegel, Philosophy of Right, § 146.
67 I would like to extend my thanks above all to Heikki Ikäheimo – with whom I originally co-presented this paper at
the 31st International Conference of the International Hegel Society in Bochum – for reading over numerous drafts and
providing helpful suggestions along the way. I would also like to thank James Kreines, Paul Redding, Simon Lumsden
and Onni Hirvonen for providing their insightful, and often highly challenging comments, in response to earlier ver-
sions of this paper, as well as to the members of the audience at the 31st Hegel Society conference for their questions.
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Önay Sözer, Istanbul

Auf dem Weg der Selbsterkenntnis


Erzitterung als Anfang der Subjektivität im Sinne von „Selbst“

1 Vorblick
Das Thema der Erzitterung (oder der Erschütterung), das wir als einen Schlüssel zur Selbstwer-
dung und zur Selbsterkenntnis des Menschen bei Hegel betrachten wollen, bildet schon den
Anfang des Vergeistigungsprozesses der Natur und erscheint immer wieder auf jenem Wege des
Geistes, der uns zum „Wahrhaften des Menschen, wie des Wahrhaften an und für sich“1 führt. In
diesem Prozess bleiben selbst die niedrigsten natürlich-geistigen Stufen nicht isoliert und zurück-
liegend innerhalb der Entwicklung, sondern antizipieren schon die höheren Formen, wie diese
Formen umgekehrt auf die empirische und abstrakte Existenz der früheren verweisen (wie z. B.
bei dem Verhältnis des Klangs bzw. des Tons zur Sprache).2 Der Dialektik dieser Momente folgend,
werden wir unten das Thema und das Problem der Erzitterung zunächst nach ihrer primitivsten
Erscheinung als Klang in der Naturphilosophie betrachten, dann aber zur Erzitterung der mensch-
lichen Seele bzw. zu ihrer Verleiblichung in der Anthropologie übergehen und letzlich den Begriff
des „Durchzitterns“ im Verhältnis des Fötus zur Mutter und darüberhinaus zum „Genius“ erör-
tern. Das wird unser eigentliches theoretisches Ziel sein.

2 Klang
Das sinnlich-seelische Phänomen der Erzitterung, die die Vorgeschichte des Selbstseins des Indi-
viduellen bildet, hat seine Wurzeln in der Materialität, oder mit einem spezifischen Ausdruck
Hegels: im „Reiche des Mechanismus“.3 Der Klang ist „das innere Erzittern des Körpers in ihm
selbst“.4 Wenn wir dieses materielle Phänomen in seiner Beziehung auf die Seele in Betracht
ziehen wollen, können wir drei Aspekte unterscheiden:
1. Der Klang ist das Zeitwerden des Raums, genauer „das Uebergehen der materiellen Räum-
lichkeit in materielle Zeitlichkeit“.5 Allerdings hebt sich dieses Zeitwerden des Materiellen
bei dem Ton noch ausdrücklicher: „Denn der Ton ist das Zeitlichgesetztwerden der Körper-
lichkeit, die Bewegung, das Schwingen des Körpers in sich selber, ein Erzittern, eine mecha-
nische Erschütterung, bei welcher der Körper, ohne seinen relativen Ort als ganzer Körper
verändern zu müssen, nur seine Teile bewegt, seine innere Räumlichkeit zeitlich setzt, […]
sich jedoch unmittelbar wiederherstellt“.6

1 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830), § 377, Hamburg 1992, 379.
2 Ebd., § 380, 381.
3 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830). Zweiter Teil: Die Naturphi-
losophie. Mit den mündlichen Zusätzen, Zusatz zu § 300, Frankfurt am Main 1970, 172.
4 Hegel, Enzyklopädie (1830), (Akademieausgabe), § 299, 297.
5 Ebd., § 300.
6 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830). Dritter Teil: Die Philosophie
des Geistes. Mit den mündlichen Zusätzen, Zusatz zu § 401, Frankfurt am Main 1970, 105.
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 Önay Sözer, Auf dem Weg der Selbsterkenntnis   227

2. Diese Zeitlichkeit ist schon die Seele, „diese totale Form, die sich in der Zeit kundgibt, […]
nun mit dem Materiellen in eins gesetzt ist“,7 oder sie ist „mechanische Seelenhaftigkeit“.8
Diese Seele wird von uns in einer Abstufung vom dumpfen Geräusch bis zum reinen Gesang
des Menschen wahrgenommen, obwohl sein Wesen dasselbe bleibt: „die Idealität oder Sub-
jectivität, welche das Erzittern ist“.9 Beim Hören des Tons geht es um ein Sich-Treffen dieser
erzitternden Subjektivität mit unserer innersten Empfindung.
3. Die Erzitterung selbst, die so die Grundstruktur des Klangs bildet, ist eine innerliche Negation,
die ihr Negiertes durchhält, um es zu negieren, und es in einem gewissen Sinne bejaht (Hegel
sagt – wie oben – „wiederherstellt“). Der Körper ist zunächst einfach in seiner Bestimmtheit,
in seinem materiell kohärenten Auseinandersein, das aber durch Anschlagen eine Negation
erfährt und erzittert. Das geschieht „durch die momentane ebenso Negation der Theile wie
Negation dieser ihrer Negation, die aneinander gebunden eine durch die andere erweckt
wird“.10 Gegenüber der Einfachheit des ruhig bestehenden Körpers bedeutet diese Negation
des Klangs, dieses Schwingen schon eine Zweiheit: Der Klang „ist die Klage des Ideellen in
dieser Gewalt des Anderen, ebenso aber auch sein Triumph über dieselbe, indem es sich in
ihr erhält“.11 Wie wir sehen werden, ist diese „Klage“ in der Sphäre des Geistes nicht mehr
eine Metapher, sondern eine innere seelische Realität.

3 Erzitterung als Verleiblichung des Schreckens


In der Hegelschen Anthropologie bildet die menschliche Seele die erste tragende Schicht der
geistigen Entwicklung, insoweit sie das Individuum überhaupt ist. Die Seele lässt sich aber nur
empfindend individuieren. „Alles ist in der Empfindung“12 und dieses ursprüngliche „Alles“ hat
schon eine dialektische Struktur. Die empfindende Seele verinnerlicht nicht nur die äußerliche,
unmittelbare Natur, sondern kann auch die Inhalte ihres Fürsichseins (ihre Affekte) verleibli-
chen. Hegel schreibt: „So ist die Bestimmtheit im Subject als in der Seele gesetzt“.13 Wichtig ist
in diesem Zusammenhang, dass erst durch diese Verleiblichung und die Entäußerung (die mit
ihr zusammenläuft) das Subjekt seine inneren Bestimmungen wie Zorn, Rache, Neid, Scham,
Reue und Schrecken nicht nur innerlich empfindet, sondern aufgrund seiner leiblichen Verän-
derungen äußerlich wahrnehmen kann. Die Erzitterung ist nach Hegel der primäre Ausdruck des
Schreckens: „dies Insichzusammenfahren der Seele vor einem ihr unüberwindlich scheinenden
Negativen, durch ein Zurückweichen des Blutes aus den Wangen, durch Erblassen sowie durch
Erzittern“14 geäußert.
Hier möchte ich zwei Ergänzungen hinzufügen. Erstens: Wir können und müssen die Erzitte-
rung neben dem Weinen, dem Klageschrei und der menschlichen Stimme bzw. der Sprache über-
haupt zu einer Ausdrucksweise des tragischen Gefühls untrennbar von katharsis als „Wegschaf-
fung der innerlichen Empfindungen“15 zählen, wie es beispielsweise in Oidipous Tyrannos von
Sophokles, in Ilias von Homeros, in Hippolytos von Euripides hervorkommt. Auf jeden Fall befin-
den wir uns vor dem erschreckenden Schicksalhaften des menschlichen Lebens in dem Treffpunkt

7 Hegel, Enzyklopädie (1830), (Werkausgabe), Zusatz zu § 300, 173.


8 Hegel, Enzyklopädie (1830), (Akademieausgabe), § 300, 298.
9 Ebd., § 300 Anm.
10 Ebd., § 300, 297.
11 Hegel, Enzyklopädie (1830), (Werkausgabe), Zusatz zu § 300, 174.
12 Hegel, Enzyklopädie (1830), (Akademieausgabe), § 400 Anm., 397.
13 Ebd., § 401, 398.
14 Hegel, Enzyklopädie (1830), (Werkausgabe), Zusatz zu § 401, 113.
15 Ebd., Zusatz zu § 401, 115.
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228   Hegel-Jahrbuch 2018

des Ideellen mit der Negation (darüber weiter unten). Zweitens ist der Hegelsche Begriff der Ver-
leiblichung auch für unser heutiges Wissen interessant, weil er sehr nahe zum Begriff Symptom
steht, insoweit die Verleiblichung ohne unsern Willen geschieht und uns zu einem unbewusst
stattfindenden Affekt führen kann (Gr. symptoma: Zusammenfallen, -treffen). In seinem ausführli-
chen Aufsatz, der den griechischen Ursprung des Begriffs Erzitterung (phriké) thematisiert, betont
Douglas Cairns gleichzeitig seine symptomatische Struktur und interpretiert sie als eine Metony-
mie des Schreckens selbst.16

4 Die fühlende Seele durchzittert vom Anderen


Die Individualität der Seele fängt mit der Empfindung an. Das empfindende Subjekt bleibt vorerst
jedoch untrennbar von seinem unmittelbaren natürlichen Objekt wie z. B. beim „Durchträumen
und Ahnen“,17 das ein Keim des Fürsichseins in sich enthält; das Subjekt gewinnt erst mit dem
Gefühlsleben seine Besonderheit, oder, wie Hegel sagt, seine „Selbstischkeit“.18 Dieser Begriff
wird unter dem Titel „Die fühlende Seele in ihrer Unmittelbarkeit“ im Zusammenhang mit einem
gewissen „Durchzittern“ bearbeitet:

Die fühlende Individualität zunächst ist zwar ein monadisches Individuum, aber als unmittelbar noch nicht als
Es selbst, nicht in sich reflectirtes Subject und darum passiv. Somit ist dessen selbstische Individualität ein von
ihm verschiedenes Subject, das auch als anderes Individuum seyn kann, von dessen Selbstischkeit es als eine
Substanz, welche nur unselbstständiges Prädicat ist, durchzittert und auf eine durchgängig widerstandslose
Weise bestimmt wird; diß Subject kann so dessen Genius genannt werden.19

Es geht hier modellhaft um das Verhältnis des Kindes im Mutterleib zur Mutter. Die Existenz
dieses genealogischen Knotenpunktes ist weder ein bloß anatomisches noch ein rein geistiges,
sondern ein psychisches Ereignis, indem die Mutter das Genius des Kindes wird und das Kind
alle „Anlagen der Gestalt, Sinnesart, Charakters, Talents, Idiosynkrasien u. s. f. nicht mitgetheilt
bekommen, sondern ursprünglich in sich empfangen hat“.20 In dieser Empfängnis (die sicher
untrennbar von den Verleiblichungen der Mutter ist) existiert das Kind bloß als eine Substanz,
die von der Seite der Selbstischkeit der Mutter einmalig bestimmt wird (wie die Substanz beim
Ur-teilen ein Prädikat bekommt). Der erste Andere ist für das passive und widerstandslose Kind
die Mutter. Ein Zittern geht durch den Leib des selbstlosen Kindes, wenn ein anderes Individuum,
d. h. die Mutter, jetzt als Subjekt, seine Seele durchdringt. Es geht um ein „magische[s] Verhält-
niß“ bei dieser unbewussten Beziehung des Fötus zur Seele der Mutter.21 Im Zusatz zum § 405
lesen wir: „Selbst das wache, verständige […] Bewußtsein wird folglich von seinem Genius auf
eine so übermächtige Weise bestimmt, daß dabei das Individuum in einem Verhältnis der Unselb-
ständigkeit erscheint, welches […] mit der passiven Art verglichen werden kann, wie im Träumen
die Seele zur Vorstellung ihrer individuellen Welt gelangt“.22 Allerdings hat die Mutter die Funk-

16 Douglas Cairns, „The Horror and Pity: Phriké as a Tragic Emotion“, in: Psychoanalitic Inquiry 35 (2014), 75–94,
bes. 77–78.
17 Hegel, Enzyklopädie (1830), (Werkausgabe), Zusatz zu § 401, 121.
18 Hegel, Enzyklopädie (1830), (Akademieausgabe), § 402 Anm., 400.
19 Ebd., § 405, 403.
20 Ebd., § 405, 404.
21 Ebd. Über das Unbewusstsein bei Hegel siehe Jon Mills, The Unconscious Abyss. Hegel’s Anticipation of Psycho-
analysis, New York 2002. Der Autor bearbeitet den §  405 der Enzyklopädie besonders in ebd., 55, 81, 161, 181. Be-
merkenswert ist seine folgende Betrachtung: „Here it may be said that Hegel is attempting to account for features of
unconscious activity Freud was later to describe as transference“. Ebd., 81.
22 Hegel, Enzyklopädie (1830), (Werkausgabe), Zusatz zu § 405, 132.
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 Önay Sözer, Auf dem Weg der Selbsterkenntnis   229

tion, „das einzelne Selbst beider“, d. h. „Genius“ in dem Sinne der „Totalität des Geistes“ zu sein.23
Wir nennen das auch „Charakter“, „Herz“ oder „Gemüth“.24
Was wird hinter diesem magischen Verhältnis versteckt? Enthält die menschliche Identiti-
tät als eine eigene Bestimmung eine Entzweiung, einen Widerspruch in sich selbst? In seinem
wertvollen und ausführlichen Aufsatz (über den von uns zitierten Paragrafen) „Identité et Trem-
blement“ schreibt Jean-Luc Nancy : „L’âme est la substance offerte. Au don de l’identité répond
l’offrande de la substance sans identité. […] L’autre transit le même, et ainsi le fait advenir“.25
Das bedeutet, dass der wesentliche Unterschied, der die Basis für die Identität bildet, von einem
äußerlichen Einfluss kommt, der nur so eine Einheit mit dem Inneren bildet.
Was ist denn sonst der individuellen Monade als passiver Substanz – zunächst ohne Prädi-
kat – ihr selbst eigen wenn nicht dieser Übergang als das Vorkommnis der Erzitterung? Ihre Seele
fühlt doch etwas: Sie zittert an ihrer ganzen Existenz, wird von dieser unmittelbaren Gewalt des
Anderen durchzittert. Ist nicht dann diese Bewegung die einzige Sache, für die sie sich zu eignen
hat? Zu welchem Zweck aber, wenn es hier, selbst in diesem passiven, willenlosen Zustand, um
einen Zweck geht?
Hegel hat dieses Problem vom Standpunkt des erwachsenen Menschen in dem Zusatz zu
§ 405 bearbeitet: „Ich bin nämlich ein Zwiefaches in mir, – einerseits das, als was ich mich nach
meinem äußerlichen Leben und nach meinen allgemeinen Vorstellungen weiß, und andererseits
das, was ich in meinem auf besondere Weise bestimmten Inneren bin“.26 Die Menschen werden
„zum demjenigen […], was aus ihnen wird“,27 nach der jeweiligen Vermischung dieses Allgemei-
nen mit dem Besonderen. Diese Vermischung hat allerdings eine gewisse Struktur: „Das Ver-
hältnis des Individuums zu seinem Genius unterscheidet sich aber andererseits von den beiden
vorher betrachteten Verhältnissen der fühlenden Seele dadurch, daß es deren Einheit ist, […] da
der Genius einerseits, wie die Seele der Mutter gegen den Fötus, ein selbstisches Anderes gegen das
Individuum ist und andererseits mit dem Individuum eine ebenso untrennbare Einheit bildet“.28
Bei dem Genius handelt es sich dann um zwei Unterschiede, die nur ineinandergehend auseinan-
dergehen, d. h. um einen Unterschied des Unterschieds: einerseits der Ausbruch der Erzitterung
als Verleiblichung des Gefühls der Trennung, der Zweiheit in sich selbst, andererseits die Einheit
gerade aufgrund dieser Trennung als „jene intensive Form der Individualität“.29 Der Genius ist ein
Zwischenwesen, in dem Sinne, dass es trennt und gleichzeitig verbindet. Bei der Erzitterung fühle
ich in der Mitte meiner Passivität das, was ich vom Anderen bekomme. Nur erzitternd und bebend
merke ich, dass ich nicht mehr das bin, was ich bisher passiv geglaubt habe zu sein, und ich muss
noch werden (vielleicht bin ich es schon), was mein Genius als mein ewiger Andere von mir auf
dem Wege meines schicksalhaften Fürsichseins (nicht Identität, sondern Einheit) verlangt. Auf
jeden Fall kann diese Einheit nicht eine abgeschlossene Synthese sein, sondern nur die Einheit
des Unterschieds eines Unterschieds (des selbstischen Anderen mit dem Selbst), in dem Sinne,
dass deren einer den anderen nicht annulliert, sondern wiederholt und produktiver macht, indem
er ihn ergänzt und offen hält. Auf diese Weise bleibt die tragische Erzitterung am Grunde des
ganzen Prozesses und kann sich zu einem offenen Kompromiss verwandeln, was bei Hegel mit
den Namen „Gemüth“ und „Herz“ vorkommt.
Das bewusste Verhalten gegenüber und mit dem Genius gibt der Erzitterung durch den
Anderen ihren eigentlichen Sinn und bringt insbesondere sehr viele ethische Probleme, vor allem

23 Hegel, Enzyklopädie (1830), (Akademieausgabe), § 405, 404.


24 Ebd., § 405, 405.
25 Jean-Luc Nancy, „Identité et tremblement“, in: Mikkel Borch-Jacobsen, Éric Michaud, Jean-Luc Nancy, Hypnoses,
Paris 1984, 40.
26 Hegel, Enzyklopädie (1830), (Werkausgabe), Zusatz zu § 405, 131–132.
27 Ebd., Zusatz zu § 405, 132.
28 Ebd.
29 Hegel, Enzyklopädie (1830), (Akademieausgabe), § 405, 405.
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230   Hegel-Jahrbuch 2018

eine ethische Sensibilität, die in der neueren Philosophie, z. B. von Nietzsche bis Patočka30 und
heute weiter von Nancy (siehe oben) bearbeitet worden ist. Diese Situation zeigt uns, dass das
Problem der Beziehung des Besonderen zum Allgemeinen (von der Hegel auch in unserem Zusam-
menhang spricht) heute noch schärfer geworden ist: das Problem des Selbstseins und der Selbst-
erkenntnis, wobei wir in einem Zwischenzustand erzitternd noch die Einheit des Genius selber
bilden müssen.

Prof. Dr. Önay Sözer


Via Tuscolana 235, 00181 Roma (Italien)
sozerona@boun.edu.tr

30 Siehe, mit besonderem Verweis auf Geburt der Tragödie und Also sprach Zarathustra, Peter Murray, Nietzsche
Interpretation in Progress: Notes for Investigation No. 2: Shuddering as Ethical Sensibility, verfügbar bei der Adresse:
http://www.academia.edu/11883882/Shuddering_as_Ethical_Sensibility (September 2016). Jan Patočka, Ketzerische
Essays zur Philosophie der Geschichte, Berlin 2010, besonders Kap. 6: „Die Kriege des 20. Jahrhunderts und das 20.
Jahrhundert als Krieg“.
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Maik Puzić, Siegen

Die spekulative Dimension der Anthropologie und


die Rolle der Gewohnheit

1 Allgemeine Einleitung in das Thema


Der Versuch einer dialektisch-begrifflichen Darstellung der Bewegung des „sich selbst erzeugen-
de[n], fortleitende[n] und in sich selbst zurückkehrenden“1 Absoluten ist bekanntlich Ausgangs-
punkt und Grundlage des gesamten Hegelschen Systems von der Logik über die Naturphilosophie
bis hin zur Philosophie des Geistes. Logik, Natur und Geist werden von Hegel als Manifestations-
formen dieser Selbstbewegung des Absoluten bzw. als Stufen seiner Rückkehr in sich konzipiert.
Diese Rückkehr, die im endlichen Geist ihren wahren Beginn hat und sich im absoluten Geist voll-
endet,2 ist als daseiende, wirkliche, reale und nicht bloß als intelligible Rückkehr aufzufassen und
zu konzipieren. In diesem Sinne ist es auch Hegels Anliegen, diesen Prozess der Rückkehr realphi-
losophisch zur Darstellung zu bringen. Die der Phänomenologie des Geistes programmatisch voran-
gestellte Formel, der zufolge alles darauf ankomme, „das Wahre nicht als Substanz, sondern eben
so sehr als Subjekt aufzufassen und auszudrücken“3, bliebe völlig abstrakt, reine Proklamation,
wäre die Möglichkeit einer Übersetzung derselben in eine sinnlich-leibliche Form nicht gegeben.
Der „spekulative Satz“ beschreibt bekanntlich die prozesshaft und dynamisch zu denkende
Vermittlung (oder Das-sich-Aufeinanderzubewegen) von Subjekt und Prädikat (Substanz4). Das
Resultat dieser spekulativen Bewegung, so Hegel, bestehe letztlich darin, dass das Prädikat, das
zu Beginn nur als eine allgemeine, akzidentelle Bestimmung des Wesens fungiert habe, selber
wesenhaft – und damit ein Besonderes geworden sei. Zugleich sei das Subjekt in dieser Bewegung
aus seiner reinen Besonderheit herausgetreten und selber zu etwas Allgemeinem, zu einer allge-
meinen Bestimmung geworden: Die spekulative Einheit besteht darin, dass das Prädikat die Sub-
stanz ausdrückt und das Subjekt selbst in das Allgemeine fällt. Diese Einheit soll nicht abstrakt
bleiben, sondern sie kann nur als das sich Verwirklichende, sich Entwickelnde und sich Darstel-
lende sein. Ihre Verwirklichung allein ist ihre Wirklichkeit – und dies ist ihr Inhalt.

2 Besondere Absicht des Vortrags


In diesem Vortrag werde ich versuchen deutlich zu machen, warum und inwiefern Hegels anthro-
pologische Gewohnheitsanalyse (§§ 409–411) eines der fundamentalsten Aspekte der Theorie der
dialektisch-spekulativen Identität von (unendlicher) Substanz und (endlichem) Subjekt offenbart
und konkret – das heißt im lebendigen Subjekt – fassbar macht: das Essenziellwerden des Akzi-

1 G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes (= Werke 3), Frankfurt/M. 1986, 61. (Im Folgenden: Hegel, Phänome-
nologie).
2 Vgl. G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830). Dritter Teil: Die Phi-
losophie des Geistes. Mit mündlichen Zusätzen (= Werke 10), Frankfurt/M., 1986, § 381 Z, 22. (Im Folgenden: Hegel,
Enzyklopädie III).
3 Hegel, Phänomenologie, 19.
4 Die Substantialität schließt in sich „das Allgemeine oder die Unmittelbarkeit des Wissens selbst, als auch diejeni-
ge, welche Sein oder Unmittelbarkeit für das Wissen ist, in sich […]“. – Ebd.
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232   Hegel-Jahrbuch 2018

dentellen bzw. die Einsicht in den wesenhaften Status des Aposteriori. Die Gewohnheit, so soll
deutlich werden, kann mit Hegel als das Vermögen des Menschen (und in einem weiteren Sinne
des organischen Seins im Allgemeinen) bestimmt werden, an dem und durch das sich die Über-
setzung des logisch-spekulativen Prozesses in eine sinnlich-leibliche Form konkret und wirklich
vollzieht. Die Gewohnheit gewährleistet bereits auf der Stufe des organischen Seins (Hegel spricht
hier von Habitus) die Kontinuität des Selbst im Wechsel der äußeren und inneren Eigenschaften
und Einflüsse, indem sie diese zunächst äußerlichen und akzidentellen Bestimmungen in wesen-
hafte Eigenschaften des Organismus selbst transformiert und aufhebt.1 Damit erscheint sie als
prä-mentale oder prä-propositionale Bedingung der Möglichkeit einer jeden Form von Selbstbe-
züglichkeit überhaupt. Das „Selbst der Gewohnheit“, wie Hegel es im Kontext seiner anthropo-
logischen Gewohnheitsanalyse konzipiert, bildet schließlich den Ermöglichungsgrund für alle
„höheren“ Formen bewusster/reflexiver Selbstbeziehung, die dann in den späteren Sektionen der
Philosophie des Geistes thematisch werden.
Hegel widmet der Gewohnheit im Rahmen seiner Anthropologie eine ausführliche Studie. Er
analysiert sie hier vornehmlich unter dem systematischen Aspekt der Befreiung der Seele von
ihren unmittelbar gegebenen inneren und äußeren Empfindungen sowie von der Natürlichkeit
des Leibes. Auch wenn die Analyse der Gewohnheit in der Anthropologie unter Berücksichtigung
von Aspekten erfolgt, die noch vor dem spezifisch Menschlichen liegen, so weist Hegel hier bereits
antizipierend auf höherstufige Formen der Gewohnheit hin, wenn er die elementare Form dersel-
ben von der „entwickelten und im Geistigen als solchem betätigten Gewohnheit“ unterscheidet,
zu der insbesondere „die Erinnerung und das Gedächtnis“ zählten.2 Was heißt das? Das heißt,
dass Hegel sie nicht als bloßes Übergangsphänomen fasst, in dem Sinne, dass ihre Aufgabe und
Funktion mit der Befreiung der Seele zum Geist erfüllt wäre und sie im weiteren Gang der Geist-
philosophie keine zentrale Rolle mehr spielte; ganz im Gegenteil: Sie ist und bleibt die vorreflexive
Voraussetzung und Bedingung der Möglichkeit für die Ausbildung und Ständigkeit aller weiteren
Geistformationen. Wo immer es um den Befreiungsprozess von unmittelbaren Gegebenheiten und
unmittelbaren partikularen Begierden, Trieben, Neigungen, geht, hat die Gewohnheit ihre Finger
im Spiel, ist sie zentrales Moment.
Hegel wird nicht müde zu betonen, dass es keine Freiheit ohne Gewohnheit geben kann.
Alle geistigen Tätigkeiten, auch die komplexesten und freiesten, müssen habitualisiert werden,
wenn sie ausgeübt werden sollen. Erst so erlangen sie eine ‚natürliche‘ Unmittelbarkeit, die es
ermöglicht, sie gleichsam spontan bzw. nicht-reflexiv auszuüben. In den Anmerkungen zum § 410
der Enzyklopädie heißt es, dass auch das „ganz freie, in dem reinen Elemente seiner selbst tätige
Denken […] der Gewohnheit und Geläufigkeit [bedarf], dieser Form der Unmittelbarkeit, wodurch
es ungehindertes, durchdrungenes Eigentum meines einzelnen Selbsts ist“.3 Unmittelbar im
Anschluss lesen wir gar: „Erst durch die Gewohnheit existiere Ich als denkendes für mich.“4
Mit der Gewohnheit treten wir, folgt man dem Gang der Anthropologie, also in das „Reich“
der Freiheit ein. Hier erscheint der Körper nicht mehr als ein bloß Seiendes, gleichsam gegen
mich gerichtetes; vielmehr hat die Seele ihn in Besitz genommen und zu einem Instrument ihres
Willens gemacht. Der Körper wird hier zu etwas „Flüssigem“, „Formbaren“, „Beweglichem“ und
dazu fähig, die innere Bewegung der Gedanken unmittelbar und ohne die Einbeziehung der Refle-
xion auszudrücken. Mit dem Erscheinen der Gewohnheit beginnt der „wirkliche“ bzw. „endgül-
tige“ Befreiungsprozess der Seele. Denn sie schützt und befreit die Seele von zwei Formen der
Auflösung: dem vollkommenen Rückzug-ins-Selbst (‚Nacht der Welt‘) und dem Verlust der Totali-

1 Der Organismus ist mit Hegel als die identische Form oder Gestalt im Wechsel des Stoffes (Akzidentien) zu denken,
in dem er sich erhält, und gerade nicht als beharrliches, festes Substrat. Das organische Sein erhält sich nicht nur im
Wechsel des Stoffes als identische Form oder Gestalt, sondern auch vermittels der Synthetisierung von Unterschieden.
2 Hegel, Enzyklopädie III, § 410, 187.
3 Ebd., § 410 A, 186.
4 Ebd.
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 Maik Puzić, Die spekulative Dimension der Anthropologie und die Rolle der Gewohnheit   233

tät an einen partikularen Inhalt (Wahnsinn, Geisteskrankheit). Erst in und durch die Gewohnheit
können die besonderen Gefühle in eine einfache abstrakte Allgemeinheit so integriert werden,
dass das ‚fühlende Selbst‘ sich in ihnen auf sich selber bezieht, das es in ihnen zugleich bei sich
selbst ist. Das gelingt dadurch, dass die Gewohnheit zugleich eine Befreiung und Distanz von
diesen besonderen (leiblichen) Gefühlen bewirkt. Dies geschieht Hegel zufolge dadurch, dass die
Seele sich durch und in der Gewohnheit „zum abstrakten allgemeinen Sein macht und das Beson-
dere der Gefühle (auch des Bewusstseins) zu einer nur seienden Bestimmung reduziert“.5
Die Gewohnheit bewirkt, dass ich mich in all meinem Tun und Empfinden auf mich als Einfa-
ches beziehe und als Einfaches erhalte, ferner, dass das Selbst seine Empfindungen im ‚Griff‘ hat,
dass es sich als Selbst erhält. Damit ist ein zentrales Wesensmerkmal der Gewohnheit ausgespro-
chen: Die Gewohnheit ist das (vorreflexive) Beisichselbersein.6
In der Gewohnheit habe ich meine eigenen Empfindungen so in Besitz genommen, dass ich
dazu befähigt bin, mich frei von meinen Empfindungen zu bewegen, statt von ihnen bewegt zu
werden: „Zu dieser Seite gehört z. B., dass uns das Denken zur Gewohnheit wird, […] auch dies
muß dem Selbst angehören. Das Denken ermüdet (den Körper), und was man nennt, der Geist
ermüdet, ist nur diese verleiblichte Empfindung.“7

3 Gewohnheit: Freiheit und Unfreiheit


Weil die Gewohnheit eine nicht-reflexive Unmittelbarkeit und die Spontaneität der natürlichen
Seele besitzt, bezeichnet Hegel sie auch als einen Modus der Naturexistenz.8 Diese quasi-natürli-
che Unmittelbarkeit, die der Gewohnheit inhäriert, ist jedoch weder ein Naturprodukt noch durch
Natur determiniert, sondern das Produkt einer – Habitus-begründenden – Tätigkeit, durch welche
körperliche und geistige Dispositionen über Wiederholung und Praxis modifiziert und geformt
werden, bis sie schließlich Fähigkeiten ausbilden, die nicht schon von selbst (d.  h. qua erster
Natur) gegeben sind. Damit gelangen wir zu einer weiteren zentralen Bestimmung der Gewohn-
heit: Sie ist ein qua repetetiver Praxis konstituierendes Vermögen, das in der Folge den Charakter
einer ‚natürlichen‘ Unmittelbarkeit annimmt. In diesem Sinne, so Hegel, ist die „Gewohnheit […]
mit Recht eine zweite Natur genannt worden,  – Natur, denn sie ist ein unmittelbares Sein der
Seele, – eine zweite, denn sie ist eine von der Seele gesetzte Unmittelbarkeit, eine Ein- und Durch-
bildung der Leiblichkeit, die den Gefühlsbestimmungen als solchen und den Vorstellungs- [und]
Willensbestimmtheiten als verleiblichten (§  401) zukommt“.9 Als Resultat einer Verleiblichung
ist die so entstandene zweite Natur nicht mehr zu hintergehen, und es ist unmöglich, von hier
aus zu einem ursprünglichen Zustand, zu einer primären Unmittelbarkeit zurückzukehren, da
jedes Vorstellen, Wollen und Handeln nur noch auf der Grundlage der zweiten Natur stattfindet
(eine zweite Natur löst eine andere ab usf.10). Ich bin diese meine zweite Natur, „ich kann nicht
anders“11. Als Totalität meiner Gewohnheiten ist sie nicht etwas bloß Partikulares oder eine bloß

5 Ebd., § 410, 183.


6 Vgl. ebd., § 410 Z, 188.
7 G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie des Geistes. Berlin 1827/1828. Nachgeschrieben von J. E. Erdmann
u. F. Walter. Hg. v. F. Hespe, B. Tuschling (= G. W. F. Hegel: Vorlesungen. Ausgewählte Nachschriften und Manuskripte
Band 13). Hamburg 1994, 125. (Im Folgenden: G. W. F. Hegel, VPG).
8 Vgl. Hegel, Enzyklopädie III, § 410 A, 184.
9 Ebd.
10 Somit kann ‚zweite Natur‘ auch als Potenzierungsformel verstanden werden. – Vgl. hierzu N. Rath, Zweite Natur.
Konzepte einer Vermittlung von Natur und Kultur in Anthropologie und Ästhetik um 1800, New York/München/Berlin
1996, 117 ff.
11 Hegel, VPG, 124.
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234   Hegel-Jahrbuch 2018

akzidentelle Bestimmung meines Selbst, sondern sie definiert dieses wesentlich, kurz: Sie ist die
„allgemeine Weise […] meines Tuns […]“ geworden.12

4 Gewohnheit als „zweite Unmittelbarkeit“


Die Gewohnheit unterscheidet sich von den natürlichen Qualitäten dadurch, dass sie durch mich
gesetzt ist.13 Diese meine Setzung aber schlägt in ein Sein um, in ein Sein, das den Prozess oder
die Spuren seines Gewordenseins hinter sich verschüttet hat und sich mir  – als der setzenden
Instanz  – gegenüber als ungeworden und unmittelbar präsentiert. Weil die Gewohnheit ihre
Ursprünge und ihr Gewordensein verdeckt, ist es auch so schwer, wenn nicht gar unmöglich,
zu bestimmen, wann genau eine Gewohnheit begonnen hat bzw. wann genau sich ein zunächst
äußerlicher Vollzug (oder ein äußeres Geschehen) sich in einen inneren Vollzug verwandelt hat.
Die Gewohnheit repräsentiert Hegel zufolge ein Beispiel für einen dialektischen Syllogismus, der
die Einheit von Subjekt und Prädikat wiederherstellt (Struktur der Triade: Begriff – Urteil – Syl-
logismus). Damit sind wir zu einer weiteren zentralen Bestimmung der Gewohnheit vorgedrun-
gen: Die Gewohnheit ist eine zweite Unmittelbarkeit. Sie ist die wiederhergestellte Gleichheit
(oder Unmittelbarkeit) des Wesens mit sich. In ihr und durch sie vollzieht sich der Umschlag von
Setzen in Sein – mithin jener Vorgang, in dem sich das Produkt seinem Produzenten gegenüber
verselbstständigt und scheinbar eigenständig existiert.14 In diesem Sinne teilt die Gewohnheit mit
der Naturbestimmtheit das Moment des Unbewussten und der Unfreiheit: Sie erscheint „als eine
Notwendigkeit gegen die Freiheit“.15 Die zweite Natur, obgleich sie das Signum des Geistes trägt,
bleibt „immer eine Natur, ein die Gestalt eines Unmittelbaren annehmendes Gesetztes, eine selber
noch mit der Form des Seins behaftete Idealität des Seienden, folglich etwas dem freien Geiste
Nichtentsprechendes, etwas bloß Anthropologisches“.16 Hier zeigt sich der janusköpfige Charakter
der Gewohnheit: einerseits befreit sie uns von natürlichen Antrieben und einzelnen Empfindun-
gen; zugleich aber zeigt sie sich als Notwendigkeit gegen den Willen.17
Das ist das Schicksal des Geistes in seiner endlichen, menschlichen Gestalt: Er ist nie bloß
Geist, sondern immer und zugleich Seele in einem organisch-materiell beschaffenen Leib. Das
heißt, dass die Idealisierung (Rücknahme bzw. Negation der Äußerlichkeit), durch die der Geist
sich Hegel zufolge überhaupt erst als Geist hervorbringt und konstituiert,18 im Menschen eine bloß

12 Ebd. – Um aus der einmal erworbenen bzw. konstituierten zweiten Natur ‚herauszuspringen‘, bemerkt Hegel iro-
nisch in einer Randnotiz seiner Rechtsphilosophie, müsste man schon „[a]us der Haut fahren“. – G. W. F. Hegel, Grundli-
nien der Philosophie des Rechts oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse. Mit Hegels eigenhändigen Notizen
und den mündlichen Zusätzen (= Werke 7), Frankfurt/M. 1986, § 147 (Randnotiz), 296. (Im Folgenden: Hegel, GPR, §).
13 Im Unterschied dazu habe ich zu den natürlichen Qualitäten, zu denen Hegel etwa das Schlafen und Wachen
zählt, nichts hinzugetan, sie geschehen ohne mein Zutun.
14 ‚Zweite Natur‘ bezeichnet die Bewegung oder den Prozess des sich Verselbstständigens eines selbst Gesetzten
bzw. die Bewegung oder den Prozess, in dem und durch den die Vermittlung sich in eine neue Unmittelbarkeit auf-
hebt und wie eine natürliche Qualität erscheint, obgleich sie in Wirklichkeit eine gesetzte bzw. künstliche Qualität ist.
15 Hegel, VPG, 125. – „Die Unfreiheit in der Gewohnheit ist teils nur formell, als nur in das Sein der Seele gehörig;
teils nur relativ, insofern sie eigentlich nur bei üblen Gewohnheiten stattfindet oder insofern einer Gewohnheit über-
haupt ein anderer Zweck entgegengesetzt ist; die Gewohnheit des Rechten überhaupt, des Sittlichen, hat den Inhalt
der Freiheit.“ – Hegel: Enzyklopädie III, § 410 A, 184 f.
16 Hegel, Enzyklopädie III, § 410, 189.
17 Vgl. Hegel: VPG, 130: „Was man aus Gewohnheit tut, tut man ohne Gedanken, mechanisch, es geht für sich fort
gegen den bewussten Willen, wie eine Notwendigkeit. Dies Tun gehört dem Sein an, dem Sein meines Selbst: Die
Gewohnheit ist die größte Macht im Individuum, ist das Individuum selbst – Ich als Notwendigkeit.“
18 Vgl. Hegel, Enzyklopädie III, § 381, 21: „Alle Tätigkeiten des Geistes sind nichts als verschiedene Weisen der Zu-
rückführung des Äußerlichen zu der Innerlichkeit, welche der Geist selbst ist, und nur durch diese Zurückführung,
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 Maik Puzić, Die spekulative Dimension der Anthropologie und die Rolle der Gewohnheit   235

einseitige Gestalt hat: Zwar setzt der Geist durch sein negatives Tun „die Natur […] als seine Welt,
nimmt der Natur die Form eines gegen ihn Anderen, macht das ihm gegenüberstehende Andere
zu einem von ihm Gesetzten; zugleich aber bleibt dies Andere noch ein von ihm Unabhängiges,
ein unmittelbar Vorhandenes, vom Geiste nicht Gesetztes, sondern nur ein Vorausgesetztes, also
ein solches, dessen Gesetztwerden dem reflektierenden Denken vorhergeht.“19 Ferner erscheint,
artikuliert und verwirklicht sich Geist nur innerhalb der ersten Natur, die auf allen Stufen seiner
Entwicklung das materielle, ‚unvordenkliche‘ Fundament aller seiner freien Äußerungen bleibt.

5 Die spekulative Dimension der Anthropologie


Hegels Gewohnheitsanalyse eröffnet oder offenbart die spekulative Dimension der Anthropologie
und sprengt den besonderen anthropologischen Horizont. Das hat ontologische Konsequenzen:
Es formiert sich hier mit der Gewohnheit ein Seinsgrund, auf dem und durch den alle weiteren
geistigen Formationen überhaupt ihre Ständigkeit gewinnen. Der Geist ist (auch in seiner ein-
fachsten Bestimmung: als Ich) nach Hegel „das absolut Unruhige“, die reine Tätigkeit“.20 Fest,
ständig, sich selbst anschaulich, wirklich wird er demnach erst dadurch, dass er sich verleiblicht,
vergegenständlicht und als (bleibende) Ordnung21 konstituiert – kurz: dadurch, dass er sich die
Gewohnheit zur Substanz gibt bzw. dass er sich selbst die Gestalt einer zweiter Natur gibt und
in dieser zum stehen kommt. Die Substanz, mit der wir es hier zu tun haben, ist nicht mehr die
natürliche, sondern eine von der Seele gesetzte. Das Sein bzw. die Ordnung des Geistes ruht hier
gleichsam in und auf einem (durch Arbeit erworbenen) bestimmten, beständigen Haben, das ihm
eine bleibende Verfassung in der Zeit ermöglicht und garantiert. Diese ‚zweite Natur‘ ist in der Tat
eine ‚andere‘ Natur, sie ist aber auch anders als ‚Natur‘, d. h. vor allem: sie ist nicht reduzierbar
auf eine ‚ursprüngliche‘ oder ‚erste Natur‘. Die Formationen zweiter Natur beruhen geradezu auf
der aktiven Transformierung der ‚ersten Natur‘, sie sind (bewusste oder unbewusste) Resultate
einer ‚ontologischen Transformation‘ (Idealisierung, Aufhebung) des jeweiligen ‚natürlichen‘
Ausgangspunktes.22 Freilich ist die Ausbildung einer zweiten Natur wesentlich gebunden an ein
‚erstnatürliches Substrat‘, eine nicht-geistige Wirklichkeit,23 die sich als bildsam und modifizier-
bar, aber auch als widerspenstig erweist. Im Unterschied zur ‚ersten Natur‘ sind die Formationen
der zweiten Natur in ihren Wesensbestimmtheiten nicht festgelegt, sondern wandelbar  – und
zwar weil sie sich durch den Prozess der Idealisierung externer, kontingenter Bestimmungen kon-
stituieren, die sich qua Gewöhnung in essenzielle, das heißt das Subjekt und dessen Sosein inner-

durch diese Idealisierung und Assimilation des Äußerlichen wird und ist er Geist.“
19 Ebd., § 384 Z, 31.
20 Vgl. Hegel, Enzyklopädie III, § 378 Z, 12.
21 Vgl. G. W. F. Hegel: Jenaer Systementwürfe III. Naturphilosophie und Philosophie des Geistes. Neu herausgegeben
von R.-P. Horstmann. Hamburg 1987, 177 (Fußn. 1 ϐ): „[D]ie Unruhe wird Ordnung eben dadurch, daß sie Gegenstand
wird.“
22 Der Begriff der zweiten Natur verweist bereits bei Hegel – stark verkürzt ausgedrückt – darauf, dass ein selbst
Gemachtes, ein Gesetztes in ein Unmittelbares, in Sein umschlägt, – in ein Sein, das den Prozess seines Geworden-
seins hinter sich verschüttet hat und sich der es setzenden Instanz gegenüber als bloß Vorhandenes (Ungewordenes)
präsentiert. Freilich ist dieses Sein, das die Reflexion als positives vorfindet, gemäß der Hegelschen Dialektik von
Setzen und Voraussetzen bereits Resultat und Konstitutum einer reflexiven Setzung und damit eben nicht mehr erste,
sondern vielmehr zweite bzw. gesetzte Unmittelbarkeit. Nur aus der Perspektive der „absoluten Idee“ erweist sich die
vorgefundene Unmittelbarkeit als immer schon aufgehobene, als vermittelte Unmittelbarkeit.
23 Ohne die Sphäre des mundus sensibilis (Natur), so macht Hegel etwa in der Logik deutlich, wäre das auf sich selbst
reflektierende Denken dazu verdammt, auf Ewig im abstrakten „Reich der Schatten“ zu verbleiben und gelangte nie
zu bestimmtem Dasein, das heißt zu wirklicher Existenz. – G. W. F. Hegel: Wissenschaft der Logik I. Erster Teil: Die
objektive Logik. Erstes Buch (= Werke 5). Frankfurt/M. 1969, 55.
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236   Hegel-Jahrbuch 2018

lich determinierende, Bestimmungen verwandeln. Die vom Geist gesetzten Gestalten der zweiten
Natur bringen die erste Natur zwar nicht zum Verschwinden, aber sie ‚verdrängen‘ letztere gleich-
sam als primäre Determinations- oder Seinsmacht (des menschlichen und gesellschaftlich-sittli-
chen Lebens). An ihre Stelle wird eine selbstgemachte Ordnung gesetzt, die zwar das Signum des
Geistes, d. h. auch der Freiheit, trägt, die aber zugleich, einmal gesetzt, „eine absolute, unendlich
festere Autorität und Macht als das Sein der Natur“ hat.24 Die Formationen zweiter Natur teilen
mit der ‚ersten Natur‘ das Moment der Unmittelbarkeit, Festigkeit, Beständigkeit, Beharrlichkeit
in der Zeit – sowie ihre Immunität gegen mögliche Veränderungen. Kurz: Im Prozess der Befreiung
von der ersten Natur bringt der Geist eine Ordnung oder eine Welt hervor, die ihm selbst wieder
als eine Natur gegenübertritt. Der Grund für die Naturhaftigkeit des Geistes ist aber (und dieser
Punkt ist zentral) nicht die (erste) Natur, sondern der Geist selbst.25 Das Handeln im Modus der
Gewohnheit erscheint als bloß äußerlich determiniertes, irreflexives, wesentlich bewusstlos blei-
bendes Geschehen. Der Begriff der zweiten Natur fängt nun beides ein: Er bezeichnet nicht nur
das (wesentlich bewusstlos bleibende, irreflexive) Tun des Geistes im Modus der Gewohnheit,
sondern zugleich und in einem auch das Produkt dieses seines Tuns. Der Geist produziert nämlich
in diesem unbewussten Tun sich selbst und das Andere seiner selbst bzw. sich als Anderes. Seine
Handlungsweise bringt, wie Christoph Menke treffend formuliert, „seine Unbewusstheit gegen-
über dem eigenen Tun oder das eigene Tun als ein ihm Fremdes hervor“.26

6 Schluss
Die Menschen als einzelne und als Gattung stehen in einem kontinuierlichen Prozess der theo-
retischen wie praktischen Aneignung der Substanz: mit dem Resultat, dass sie die Welt „in der
Substanz verändern“ und dadurch wiederum sich selbst. Die Menschen stehen nicht außerhalb
der Substanz, sondern sie befinden sich mittendrin. Die spekulative Dialektik Hegels verflüssigt
die Begriffe „Substanz“ und „Subjekt“ bis in ihre Kernstruktur hinein, wodurch beide Termini
eine grundlegende, ihre Matrix entscheidend modifizierende Transformation erfahren. Die Neu-
konzeption dieser beiden Begriffe führt Hegel zu einer – wie man berechtigerweise sagen könnte –
sartreanischen Schlussfolgerung: Der Mensch besitzt weder eine feste oder beharrliche Subs-
tanz noch ein allgemeines, für immer feststehendes Wesen. Vielmehr erweist er sich in seinem
innersten Kern als Gewohnheitswesen, als ein Wesen, dessen Identität geformt ist und wird durch
die Idealisierung bzw. Aufhebung äußerer (substantieller) Bestimmungen in eine allgemeine
Gewohnheit. Damit ist er die konkrete, daseiende Manifestationsform des „spekulativen Satzes“.

Dr. Maik Puzic


Annenstraße 5
48153 Münster
maik.puzic@yahoo.de

24 Hegel GPR, § 146, 295.


25 Vgl. hierzu C. Menke, „Zweite Natur. Kritik und Affirmation“, in: M. Völk, O. Römer, S. Schreull et al. (Hg.): „…
wenn die Stunde es zuläßt. Zur Traditionalität und Aktualität kritischer Theorie, Münster 2012, 154–171, hier: 163: „Im
eigentlichen Sinn gilt deshalb erst für die zweite Natur, was Hegel über die erste schreibt: dass sie der ‚Abfall‘ des
Geistes von sich, aber: durch den Geist selbst ist […]. Zweite Natur ist das aus dem Geist geborene Andere, ja, Widrige
des Geistes: Ausdruck des Widerspruchs des Geistes mit sich.“
26 Ebd., 161.
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Riccardo Martinelli, Trieste

Hegel on Character: Encyclopedia § 395

1 Introductory remarks
After the initial sections of Philosophy of Subjective Spirit, in § 395 of the Encyclopedia of the
Philosophical Sciences in Outlines Hegel explains how the natural soul is eventually „singu-
larized into the individual subject“. The individual subject occurs here with a merely anthro-
pological meaning, that is, qua „singularization of a natural determinateness“. Still, a „firm
determinateness“ is already enforced at this stage, in terms of an unprecedented emergence
of an embryonic form of individuality over the definitely over-individual previous moments of
the natural soul (§§ 392–394). Besides its intrinsic interest, § 395 offers important insights into
Hegel’s concept of character, considered in several other passages of Encyclopedia as well, no
less than in important works like Phenomenology of Spirit, Aesthetics, Philosophy of Right. In this
essay I address Hegel’s treatment of character within the boundaries of § 395 of Encyclopedia.
As a first step, the text of § 395 is considered together with the commentaries given by Hegel in
his lectures (§ 2). Secondly, attention is drawn to Kant’s treatment of the same subject matter
in Anthropology from a pragmatic point of view (§ 3). The conclusive paragraph addresses some
philosophical difficulties regarding character and Kant’s importance with reference to Hegel’s
Anthropology (§ 4).

2 The anthropological concept of character


The paragraph under consideration is situated in the first part (Anthropology. The soul) of Phi-
losophy of Subjective Spirit. The initial chapter, entitled The natural soul, begins with a subhea-
ding (Natural qualities) which consists of three moments: 1) Natural soul (§ 392); 2) Racial variety
(§§ 393–394); and 3) The individual subject (§ 395). The text reads:

The soul is 3) singularized into the individual subject. At this juncture however, this subjectivity is considered
only as the singularization of a natural determinateness. Its mode of being is the special temperament, talent,
character, physiognomy and other dispositions and idiosyncrasies, of families or singular individuals.1

1 G. W. F. Hegel, Hegel’s Philosophy of Subjective Spirit, 3 vols., Dordrecht/Boston 1978, translated by M. J. Petry, vol.
2, 83 (GW 20, 297). I refer to Hegel’s works (and lectures, when available) according to the edition by the Nordrhe-
in-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste: Gesammelte Werke, Hamburg 1968 ss., abbreviated
as GW, followed by volume number and page. For further commentary on § 395 see H. Drüe, A. Gethmann-Siefert et
al., Hegels Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften (1830). Ein Kommentar zum Systemgrundriß, Frankfurt
am Main 2000, 220–221; D. Stederoth, Hegels Philosophie des subjektiven Geistes: Ein komparatorischer Kommentar,
Berlin 2001, 131–134; M. Inwood, A Commentary on Hegel’s Philosophy of Mind, Oxford/New York 2007, 337–339. See
also A. Nuzzo, „Anthropology, Geist, and the Soul-Body Relation. The Systematic Beginning of Hegel’s Philosophy,“
in: Essays on Hegel’s Philosophy of Subjective Spirit, edited by D. S. Stern, Albany 2013, 1–17.
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238   Hegel-Jahrbuch 2018

From the first edition (1817, as § 314) to the third (1830) of Hegel’s Encyclopedia the paragraph
undergoes little variation.2 Hegel also offered many explanatory remarks in his lectures. Let us
start from the Additions published by Ludwig Boumann in his 1845 edition of Philosophy of Sub-
jective Spirit. The long Addition to §  395 singles out three elements in the soul’s path toward
subjective individuality: „[t]here are however various aspects to the peculiarity of the individual.
These are distinguished according to the determinations of what is natural [Naturell], of tempe-
rament and of character.“3 The text addresses the nature and the interlacement between „what is
natural,“ temperament and character.
The term Naturell, nowadays obsolete, was able to capture from the early XVIIIth century
until Hegel’s time a whole range of respectable philosophical problems.4 In the Addition, we are
told that Naturell is made up of „talent and genius“. For Hegel, Naturell is the complex of all the
„natural endowments,“ as „distinct from whatever the person has become by means of his own
activity“. These endowments should be schooled in accordance with „general accepted procedu-
res“ if they are not to be „wrecked, run to ruin, or degenerate into spurious originality“.5 Without
schooling, it is impossible for talent and genius to develop properly. Genius should not be consi-
dered superior to human reason. The differences between these dispositions have no relevance
with regard to morality or to the doctrine of virtue, but rather „would have to be considered only
in what one may call a natural history of spirit“.6
As Hegel honestly avows, „it is difficult to say what one means by temperament“ since it has
no „external involvement“: it reveals itself neither in action nor in passion. Temperament is „the
completely universal mode and manner in which the individual is active in objectivizing itself
by comporting itself within actuality“.7 Hegel also sketches a sort of history of temperament. In
the course of time, superior cultures have become less and less indulgent with the excesses of
temperament. For instance, the one-sided characters of early comedies, such as „the completely
scatter-brained, the ludicrously absent-minded, the tight-fisted skinflint,“ at the later stages of
cultural development tend to disappear. Similarly, unilateral temperaments hardly characterize
real individuals. Different temperaments dwell within the same person, in variable proportions
according to the individual under analysis. Quoting Kant’s observations on temperaments in
Anthropology from a pragmatic point of view, Hegel comments: „whereas the temperaments are
presented as being distinct, in the individual itself they are more or less united“.8
Finally, Hegel deals with character. He distinguishes a formal aspect, that is, „the energy
with which the person pursues his purposes and interests regardless of distraction, and preser-
ves self-consistency in all that he does,“ from the general content of one’s will. The greatness of
characters reveals itself in „the accomplishment of great designs“.9
For Hegel Naturell, temperament and character form a fixed triadic structure, whose order
cannot be subverted.

We have now delineated the three forms of the qualitative natural determinateness of the individual soul i. e.
what is natural, temperament and character. In this connection we have however still to indicate the rational

2 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse, GW 13, 186 (ed. 1817), where the
soul is referred to as the „überhaupt an sich der Begriff“ and no mention is made to „talent“ and „idiosyncrasies.“ GW
19, 297 (ed. 1827) presents a minor variation.
3 Hegel, Philosophy of Subjective Spirit, vol. 2, 85.
4 J. G. Walch, Philosophisches Lexicon, Leipzig 1726, 1860–1876.
5 Hegel, Philosophy of Subjective Spirit, vol. 2, 85.
6 Hegel, Philosophy of Subjective Spirit, vol. 2, 87.
7 Ibid.
8 Hegel, Philosophy of Subjective Spirit, vol. 2, 89.
9 Hegel, Philosophy of Subjective Spirit, vol. 2, 91. Most of these remarks concerning character can be found in Kant’s
Anthropology. I. Fetscher, Hegels Lehre vom Menschen, Stuttgart/Bad Cannstatt 1970, 42, considers „surprising“ that
Hegel deals with character already at this early stage of Encyclopedia.
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 Riccardo Martinelli, Hegel on Character: Encyclopedia § 395   239

necessity of there being precisely these three forms of this determinateness and no others, and of their being
considered in the order we have followed. (Hegel, Philosophy of Subjective Spirit, vol. 2, 93)

Yet Hegel himself did not always follow this order. As for the transcription of his lectures (Nach-
schriften), Hotho (1822) mentions talent, temperament and character; Griesheim (1825) inclu-
des a non-systematically sequenced reference to Naturell, temperament, talent and character;
Stolzenberg (1827/28) focuses upon temperament; Erdmann and Walter deal with temperament,
talent and character.10 Unfortunately, it is not easy to situate Boumann’s Additions within this
timeline. Boumann had several sources at his disposal, many of which are now lost: besides two
notebooks of Hegel’s (1817 and 1820) he consulted transcriptions taken by himself and others, of
the years 1825, 1828 and 1830. However, although expressed in slightly different terms, Hegel’s
core argument about the individual subject remained constant over time. „Character“ is almost
invariably the culminating element, along with temperament and a third element, referred to
either as „talent“ or as „what is natural,“ which are indeed closely related to each other (as we
have seen, talent is a part of Naturell together with genius). Despite these variations, therefore,
Boumann’s Addition to §  395 is essentially consistent with the remaining sources and can be
considered representative of Hegel’s thought.11
How did Hegel argue for the „rational necessity“ of the presented triad? The immediacy of
the Naturell echoes the beginnings of Logic: it is the mere being of the individual subject, without
any development: „in what is natural the predominant form of the qualitative natural determina-
teness of the individual soul is that of mere being, of a firm immediacy, of that which has an inner
differentiation relating to the difference present outside it“. By contrast, in temperament these
immediacy and firmness are lost in favour of a multiplicity of dispositions, variously interacting
with each other. At this stage, „the natural determinateness loses this firmness of shape, for it
is either one talent that dominates the individual exclusively, or several that subsist in it side by
side without disturbing or influencing one another“.12
All of these elements sublate in proper character, where

we find the firmness of what is natural, together with its prevailing relation outwards, united with the chan-
geableness of general temperamental moods and the predominant intro-reflectedness of the soul which these
entail. Firmness of character is developed by means of the will; it is not so innate as that which is natural, and
lacks the immediacy of natural firmness. Character consists of something more than a proportionable melange
of the various temperaments. (Hegel, Philosophy of Subjective Spirit, vol. 2, 95)

Hegel is adamant in assigning an important dialectic function to character. The human being’s
instinctual and temperamental patrimony is not morally disapproved of, or simply denied, but
rather it is dialectically overcome via the affirmation of character. The anthropological treatment
of character allows Hegel to link the lowest layers of human personality with the higher ones, as
it is demonstrated by the further emergence of the concept of character in the free Spirit. Hegel
explains:

Nevertheless, it cannot be denied that it has a natural basis – that certain people are by nature more disposed
to strength of character than others. It is on account of this that we have made mention of character in dealing
with anthropology. It is however in the sphere of free spirit that character first unfolds to its full extent. (Hegel,
Philosophy of Subjective Spirit, vol. 2, 95).

10 G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie des subjektiven Geistes, GW25/1 39–41, 241–246; GW25/2, 616–619.
See also G. W. F. Hegel, Lectures on the Philosophy of Spirit 1827–1828, translated by R. R. Williams, Oxford, New York
2007, 94–95. As previously shown, from 1817 to 1827 in the text of § 395 a certain amount of variation already occurs.
11 On the occasional inconsistency of Boumann’s Additions with other sources, see Williams’ introduction in Hegel,
Lectures on the Philosophy of Spirit 1827–1828, 4.
12 Hegel, Philosophy of Subjective Spirit, vol. 2, 93.
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240   Hegel-Jahrbuch 2018

In the words of the Addition to § 482, that is, in the Free spirit at the very end of Philosophy of
Subjective Spirit, the „feeling of freedom is no longer an impulse demanding its satisfaction, but
character, – spiritual consciousness which has shed impulse in assuming being“.13

3 Hegel’s and Kant’s Anthropologies


A study of Hegel’s sources raises interesting critical issues. In an explanatory note to his edition
of Philosophy of Subjective Spirit, J. M. Petry considers Hegel’s usage of Naturell in „substantial
agreement with the accepted usage of the time“. To provide an example, Petry quotes from Die
Anthropologie als Wissenschaft by Joseph Hillebrand.14 By gathering and listing many texts of the
time concerning anthropology, and by showing that several of Hegel’s arguments on this topic
owe to this literature, Petry has undoubtedly rendered an excellent service to scholars. However,
despite his acknowledgement of the role of Kant’s Anthropology in this field, and his reference to
Kant together with Hillebrand in this respect, in some cases Petry seems to underestimate Kant’s
role as Hegel’s source.
The case of § 395 is exemplary. In Petry’s view, by treating Naturell „as the immediate antece-
dent of temperament and character, Hegel does manage to give a preciser meaning and clearer
significance to what is under consideration“.15 But this is exactly what Kant did. In his Anthro-
pology from a pragmatic point of view Kant subdivides „what is characteristic [das Charakteris-
tische]“ of the human being into: „(a) his natural aptitude [Naturell] […], (b) his temperament
or sensibility, and (c) his character purely and simply, or way of thinking“.16 Whereas in this
respect there is no evidence of Hegel’s acquaintance with Hillebrand, in the Addition to § 395
Hegel specifically refers to Kant’s Anthropology when speaking of the temperaments. Moreover,
in the section quoted by Petry („Von der Characteristik des Persönlichen“), Hillebrand does little
more than commenting upon the correspondent part of Kant’s Anthropology, duly quoted as a
source. Therefore, there is no way to eschew the conclusion that the source for Hegel‘s sequence
of Naturell, temperament and character was Kant’s Anthropology. As in many other cases, Hegel
is here in „substantial agreement“ with minor writings of his time, since both Hegel and the
‚anthropologists‘ (in the contextual meaning) borrowed from Kant’s book of 1798.
That Kant’s Anthropology should put together Naturell, temperament and character is remar-
kable, since elsewhere Kant articulates character into two, rather than into three elements. In a
famous passage of Critique of pure reason, Kant distinguishes between empirical and intelligible
character: „the first one could call the character“ of a certain thing „in appearance,“ the second
„its character as a thing in itself“. A person has both a sensible character – that is, the mode of
sense (Sinnesart)  – and a moral character or „mode of thought“ (Denkungsart).17 The human
beings, endowed with an intelligible character, can thus act as free agents without any violation
of the natural laws.
As previously shown, in Kant’s Anthropology a new element – the Naturell – integrates the
critical dichotomy of Sinnesart (corresponding to temperament) and Denkungsart (correspon-
ding to moral character). Explaining when and why Kant introduced this new element into his
Anthropology would take us too far.18 Suffice to introduce a short reference to Kant’s sources.

13 Hegel, Philosophy of Subjective Spirit, vol. 3, 269 (emphasis mine).


14 J. Hillebrand, Die Anthropologie als Wissenschaft, Mainz 1822, 385–396.
15 Petry in Hegel, Philosophy of Subjective Spirit, vol. 2, 464.
16 I. Kant, Anthropology from a Pragmatic Point of View, Cambridge/New York 2006, translated by R. R. Louden, 384.
17 I. Kant, Critique of pure reason, Cambridge/New York 1999, translated by P. Guyer and A. Wood, 542 (B 567).
18 I have dealt with this theme at the Kant-Kongress of September 2015 in Vienna: R. Martinelli, Natural aptitude
(Naturell) in Kant’s doctrine of character, which will appear in the proceedings.
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 Riccardo Martinelli, Hegel on Character: Encyclopedia § 395   241

Most probably, Kant borrows the triad from Georg Friedrich Meier’s handbook of Logic, which
he used as a textbook for his lectures in Königsberg. Meier supplemented his logic with a final
section concerning the so-called logica naturalis (as opposed to the logica artificialis), consisting
of an analysis of the „character“ of the erudite. The character of a scholar, Meier claims, consists
of three elements: the „erudite nature“ (gelehrtes Naturell), exercise, and zeal.19 Although the
subdivision does not totally cover Kant’s scheme, the Naturell clearly opens the list (but tempe-
rament recurs in Meier’s argument as well). Being a good scholar requires a natural disposition:
without that, all efforts are in vain. At the same time, this Naturell alone, without schooling
would bring about no result (as later maintained by Hegel too). What Kant did was to generalize
this scheme from natural logic to anthropology where, instead of the erudite’s, the human cha-
racter in general is at stake.

4 Conclusion
In a sense, Kant’s critical dichotomy of sensible and intelligible character offers a tempting way
to deal with character: there are two separate spheres, with no intersection. This picture helps
preserve the purity of the moral decision, uninfluenced by the impulses. Yet it leaves unanswered
an amount of anthropological issues. It is for this reason that Kant borrows Meier’s Naturell in
his Anthropology: the instinctual sphere somehow should belong to the human character. To be
sure, Kant always allows the individual’s character a substantial independence from his passi-
ons: the establishment of character is a sort of „explosion,“ a sudden decision to act according to
principles, which comes, if ever, at a relatively late age.
Hegel agrees that character „has a natural basis – that certain people are by nature more
disposed to strength of character than others“. Character points at a high spiritual level, where
all impulses are overcome, and yet it stems from a complex of inscrutably opaque inborn dis-
positions. Hegel cannot accept Kant’s critical dichotomy.20 Rather, his Anthropology followed
Kant’s in trying to cope with this set of difficulties by means of a three-layer structure, made up
of Naturell, temperament and character. However, Hegel transformed Kant’s static structure into
a dialectic movement where Naturell and temperament – that is, mono-thematic inwardness and
plural outwardness of character traits  – sublate into the firm openness of the true character.
Kant’s anthropological terminology was resumed by Hegel with no variation; but its meaning
undergoes a deep modification as a consequence of the general structure of his Philosophy of
Subjective Spirit.
The analysis of § 395 suggests some general remarks concerning an ongoing critical debate.
As Williams effectively argues, to a certain extent „the divergence is over the significance of Aris-
totle and Kant for Hegel’s Philosophy of Spirit“.21 Such a complex question cannot be addressed
in these few conclusive lines. Yet there is little doubt that the numerous recent critical advance-
ments concerning Kant’s anthropological writings (including his Lessons on Anthropology) may
constitute the highly welcomed vehicles of a renewed appreciation of Kant’s Anthropology as
an important source for the namesake part of Hegel’s system. A thorough understanding of the
unity of Kant’s Anthropology and a careful re-evaluation of its second part, the Anthropological
characteristic, are capital steps in this process. I do believe that a renewed appreciation of Kant’s
role should imply no downgrading of Aristotle.

19 G. F. Meier, Auszug aus der Vernunftlehre, Halle 1752, §§ 529–531.


20 A. Sell, „Der Character bei Hegel und Kant – eine vergleichende Betrachtung,“ in: Hegel-Jahrbuch 2015 (2015),
161–166 (166).
21 Williams in: Hegel, Lectures on the Philosophy of Spirit 1827–1828, 4.
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242   Hegel-Jahrbuch 2018

Riccardo Martinelli
University of Trieste
Androna Campo Marzio, 10
I-34123 Trieste
martinel@units.it

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Stefania Achella, Chieti

Die Subjektivität und das Unbewusste


Welche Rolle spielt das „Unbewusste“ in Hegels Theorie der Subjektivität? Zur Klärung dieser
Frage ist mein Beitrag in drei Abschnitte artikuliert. Zunächst werde ich kurz schildern, wie Hegel
das Unbewusste in der Psychologie beschreibt. Anschließend soll in einem Schritt zurück unter-
sucht werden, wie das Unbewusste in der Sektion der Anthropologie behandelt wird. Hier ist die
Rolle des Körpers von besonderer Bedeutung und es tritt, wie wir heute sagen würden, eine embo-
died cognition hervor. Zuletzt werde ich der Frage nachgehen, zu welcher Anthropologie Hegels
Ausführungen über das Unbewusste führen.
Hegels Aussagen zum Unbewussten sind weder eindeutig, noch unmittelbar.1 Sprechen wir
latu sensu vom Unbewussten, so sind wenigstens drei Perspektiven als möglich in Betracht zu
ziehen. Sehen wir im Unbewussten das Unbestimmte, so entsteht eine Analogie zu dem der Logik
zugrunde liegenden Sein: unbewusst als noch nicht bestimmt, aber immer schon da, genau wie
das Sein am Anfang der Logik.2 Beziehen wir uns hingegen auf das Unbewusste als ein dunkles
und nicht entzifferbares Element, so befinden wir uns innerhalb der romantischen Tradition, die
in der Jenaer Zeit eine bestimmende Rolle in der Hegelschen Philosophie spielt, auch aufgrund
von Schellings Einfluss auf Hegels Idee der Natur. Geht es schließlich um das in der Anthropologie
und der Psychologie der Enzyklopädie vorkommende Unbewusste, so verweist dieses vielmehr auf
einen mit dem Körper beginnenden Prozess, der als das „Verdrängte“ verstanden werden kann.
Ich werde mich auf diese dritte Dimension konzentrieren. Doch um diese Natur des Verdräng-
ten zu beleuchten, soll, statt mit einer positiven Definition des Unbewussten, vielmehr mit einer
negativen begonnen werden, wie sie in der Anthropologie hervortritt: der Raum des Unbewussten
ist nicht mehr bloß ein solcher der Natur, jedoch auch noch nicht der des Bewusstseins. Und
gerade in dieser Dialektik zwischen Natur und Bewusstsein tritt die Subjektivität zu Tage.

1 Das Unbewusste in der Psychologie


Obwohl Hegel, wie bekannt, in der Enzyklopädie systematisch zuerst die Anthropologie und dann
die Psychologie behandelt, entsteht der Teil über die Anthropologie chronologisch erst später.

1 Für Hegel ist das Unbewusste nicht das Lacansche Unaussprechbare, und auch kein entfleischtes Äußeres. Es hat
vielmehr seinen Sitz im Inneren. Wie Jon Mills in seinem interessanten Buch schreibt: „The abyss is not necessarily
a lack of being, but rather a relation to lack […] The unconscious is not merely a porthole to consciousness, nor is it
only a receptacle of consciousness, it is both. Therefore, the abyss is both an agency and a store, the container and
the contained, both substance and void, its own cosmos“ (J. Mills, The Unconscious Abyss. Hegel’s Anticipation of
Psychoanalysis, New York 2002, 49).
2 Dieser Aspekt verweist auf die gesamte Debatte über den Anfang bei Hegel, an dem u. a. Schelling teilgenommen
hat, insbesondere mit seinen Münchener Vorlesungen (vgl. F. W. J. Schelling, Zur Geschichte der neueren Philosophie.
Münchener Vorlesungen, in Id., Sämtliche Werke, hg. v. K.  F.  A. Schelling, Stuttgart 1856  ff., Bd.  VI., 93  ff.). Indem
Schelling eine Art Psychoanalyse des Anfangs in der Logik durchführt, wirft er Hegel vor, die Subjektivität voraus-
zusetzen, ohne die seines Erachtens der Anfang nicht gerechtfertigt ist. Schelling will also das, was sich in Hegels
Unbewusstem vollzieht zum Bewusstsein bringen: eine Rückkehr des Verdrängten, d. h. der Beweis, dass das, was
zu Beginn zur Objektivität der Dinge zu gehören scheint, vielmehr das Ergebnis des Handelns der Subjektivität ist.
Auf der gleichen Linie bewegt sich die Polemik Trendelenburgs (Logische Untersuchungen [1870], Hildesheim 1964,
insbesondere Kap. 3 zur dialektischen Methode), der Hegel vorwirft, die Bewegung vorauszusetzen, um die erste
Triade der Logik zu beginnen.
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244   Hegel-Jahrbuch 2018

Hinter dieser chronologischen Entwicklung versteckt sich Hegels spätere Entdeckung der Rolle
des Körpers für die Strukturierung der Subjektivität. Meines Erachtens hat Hegel zuerst die Sub-
jektivität als Entwicklung der theoretischen Seite durchschaut und erst dann die Funktion des
Körpers als erster Sitz der Subjektivität besser eingesehen. Mit anderen Worten: Hegel hat zuerst
das Unbewusste in einer theoretischen Dimension gedacht, wie schon in den Jenaer Systement-
würfen zu erkennen ist, und erst später die Rolle der Körperlichkeit erkannt. Aus diesem Grunde
werde ich mich zuerst mit dem Unbewussten in der Psychologie auseinandersetzen.
In der Psychologie tritt das Unbewusste im Kapitel zur Intelligenz hervor. Letztere kann, sagt
Hegel, als nächtlicher Schacht gedacht werden, „in welchem eine Welt unendlich vieler Bilder und
Vorstellungen aufbewahrt ist“.3 Die Intelligenz ist aber nicht nur „das Bewußtsein und Dasein,
sondern als solche das Subjekt und das Ansich ihrer Bestimmungen; in ihr erinnert, ist das Bild,
nicht mehr existierend, bewußtlos aufbewahrt“.4 Diese Unbestimmtheit der Innerlichkeit und
daher der Subjektivität ist das Resultat der Anschauung. Durch die Anschauung sind die Bilder
Eigentum, aber noch nicht ‚im Besitze‘ des Individuums, was erst in der Vorstellung geschieht.
Die Anschauung besteht darin, die von der äußeren Welt herstammenden Inhalte in Bilder zu
verwandeln. In dieser ersten Phase ist das Bewusstsein sich seiner selbst noch nicht bewusst, es
spürt die Gegenstände und die Bilder, die in einem chaotischen, dunklen Zustand ihm innewoh-
nen und in den sie eingebettet sind. In den Jenaer Schriften wird dies als die Nacht der Aufbewah-
rung bezeichnet. Es handelt sich um jene Dunkelheit, in der die Gegenstände verwahrt sind und
von der Vorstellungskraft noch nicht unter die Lupe genommen wurden. In diesem Moment findet
noch keine Trennung zwischen Innen und Außen statt, das Subjekt erkennt ‚sich‘ noch nicht als
solches.
In diesem Abschnitt zur Intelligenz wohnen wir einem Prozess der Verinnerlichung und der
Idealisierung bei. Zu Beginn gibt es im Unbewussten keine Unterscheidung zwischen dem Ich
und seinen Inhalten, alles bleibt im Zustand der Form, weil die materiellen Inhalte durch die
Arbeit der Anschauung aufgehoben worden sind. Bevor das Bewusstsein zustande kommt, ist
es – wie Hegel schon in Jena schreibt – die Welt der Bilder. Das ist das Unbewusste. Hier fällt das
Bewusstsein mit diesen Bildern in seinem Inneren zusammen. Hintergrund ist offensichtlich ein
kontemplatives Modell. Die Seele ist Substanz – eine in sich geschlossene Welt. Das Bild stellt die
erste Form der Beziehung zur Welt dar, mit der die Welt zur inneren wird. Wie man in den Jenaer
Systementwürfen lesen kann: „Im Anschauen ist er [der Geist] nur erst an sich“5. Das Bild, fährt
Hegel fort, „ist bewußtlos, d. h. ohne als Gegenstand, vor die Vorstellung herausgestellt zu seyn“.6
Durch die Anschauung findet ein Prozess der Verinnerlichung statt. Es geht um ein vergessliches
Tun, indem die räumlich-zeitliche Vielfältigkeit in einen unbewussten Schacht versenkt wird.
Sie entspricht also dem negativen Moment der Dialektik: indem der Einzelne und das Vielfältige
in seine unmittelbare Existenz versenkt wird, versteckt die Anschauung, anstatt zu offenbaren.7
Das Fehlen der strukturierten Subjektivität sorgt dafür, dass es in einem ersten Moment zu einem
unbestimmten Zustand kommt, in dem noch keine Unterscheidung zwischen dem Ich, seinem
Wesen und der Welt stattfindet.
Erst mit der Erinnerung tritt die Bewegung hervor, die zum Ausgang aus der fehlenden Unter-
scheidung dieses dunklen Schachts führt. So erreichen wir durch die Vorstellung eine höhere

3 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830), hg. v. W. Bonsiepen u. H. C.
Lucas, Hamburg 1992, § 453 Anm.
4 Ebd., § 453.
5 G. W. F. Hegel, Jenaer Systementwürfe III, hg. v. R.-P. Horstmann, Hamburg 1976, 186.
6 Ebd., 186–187.
7 Wie Fulda unterstreicht, nimmt Hegel mit dieser Bemerkung Abstand von der aristotelischen Vorstellung. Für
Aristoteles ist die mneme nämlich mit den Bildern verbunden, die der Verstand unmittelbar der sinnlichen Anschau-
ung entnimmt, während es sich für Hegel in diesem Falle nicht um Gedächtnis, sondern um Erinnerung handelt. Vgl.
H. F. Fulda, „Vom Gedächtnis zum Denken“, in: Psychologie und Anthropologie oder Philosophie des Geistes. Beiträge
zu einer Hegel-Tagung in Marburg 1989, hg. v. F. Hespe u. B. Tuschling, Stuttgart-Bad Cannstatt 1991, 321–360, hier 329.
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 Stefania Achella, Die Subjektivität und das Unbewusste   245

Stufe des Bewusstseins. In der Vorstellung ist das „Bild, das im Schachte der Intelligenz nur ihr
Eigentum war, […] mit der Bestimmung der Äußerlichkeit nun auch im Besitze derselben. Es ist
damit zugleich unterscheidbar von der Anschauung und trennbar von der einfachen Nacht, in der
es zunächst versenkt ist, gesetzt. Die Intelligenz [i. e. die Intelligenz als Vorstellung, S. A.] ist so
die Gewalt, ihr Eigentum äußern zu können und für dessen Existenz in ihr nicht mehr der äußeren
Anschauung zu bedürfen“.8 Auf den „unbewußten Schacht“, auf die „einfache Nacht“, die in sich
die Unterschiede undifferenziert enthält, folgt der Tag, der den im Reich der Bilder versunkenen
„träumenden Geist“ zur Gegenwart bringt. Anders als bei der bloßen Ideenassoziation ist die Erin-
nerung eine einrichtende Handlung. Die Erinnerung unterscheidet nun Inhalte, Daten und Bilder,
die die Anschauung als Verinnerlichung in das Subjekt geführt und unbewusst bewahrt hatte, und
bringt sie zur Gegenwart. Doch bei dieser Handlung, werden nicht die Inhalte erinnert, sondern
zuerst das Subjekt. Wie Hegel schon in Jena geschrieben hatte: „ich erinnere mich; ich sehe, höre
nicht bloß den Gegenstand, sondern gehe dabei innerhalb meiner – erinnere – mich, nehme mich
aus dem bloßen Bilde heraus, setze mich in mich“9.

2 Der Körper als Sitz des Unbewussten?


Was geschieht in der Anthropologie? Es gibt eine Vorstufe, auf der das Unbewusste eigentlich
wohnt, nämlich die empfindende Seele, die in der Anthropologie ihren Sitz hat. Hier können wir
beobachten, wo der nächtliche Schacht seinen Ursprung hat. Das heißt: das Unbewusste entwur-
zelt sich in der Körperlichkeit und im System der Sinne.
Bei Einführung des Gegenstandes der Anthropologie in der Wissenschaft der Logik klärt
Hegel: „Der Anthropologie muß nur die dunkle Region überlassen werden, worin der Geist […]
dem Gehirn, dem Herzen, den Ganglien, der Leber usw. inwohnt“, und die er als die unvernünftige
Seite ausmacht.10 Hier hat das Unvernünftige nichts mit dem Mystischen zu tun, sondern ver-
weist auf die Struktur, die der Zufälligkeit des Körpers und der Äußerlichkeit unterworfen ist.
Diese gegenseitige Beziehung zwischen Körperlichkeit und Irrationalität verweist auf den Bereich
des Unbewussten (die „dunkle Region“), der noch nicht von der Vernunft bewusst durchdrungen
wurde.
Wie wir zeigen werden, ist die Seele hier nicht nur ein – abstrakter – Bezugspunkt zwischen
dem Natürlichen und dem Geistigen, sie ist nicht nur der passive Nous, sondern vielmehr ein
Wirken, das bereits zu vermitteln beginnt, sowohl in der Unterordnung des Seelischen gegenüber
dem Körperlichen, im Prozess der Idealisierung, als auch in der Auswirkung des Seelischen auf
das Körperliche, durch den Prozess der „Verleiblichung“.
In diesem Übergang wird die Körperlichkeit zentral, weil sie in der Lage ist, die Innerlich-
keit auszudrücken. Das von außen kommende Material wird in die Innerlichkeit eingeführt, doch
zugleich veräußerlicht der Körper die eigene Innerlichkeit. „Alles ist in der Empfindung und, wenn
man will, alles, was im geistigen Bewußtsein und in der Vernunft hervortritt, hat seine Quelle
und Ursprung in derselben“.11 Die Empfindung ist so die noch unbestimmte Subjektivität. Doch
durch die Empfindung und das Gefühl haben wir schon eine Lebenswelt, eine Ordnung vor-prädi-
kativer, vor-kategorialer Bedeutungen, die der logisch-objektiven Ordnung vorhergehen, die von
der Ordnung des Geistes unabhängig sind und vielmehr die Voraussetzung für deren Kommen

8 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie (1830), a. a. O. (Anm. 3), § 454.


9 G. W. F. Hegel, Systementwürfe III¸ a. a. O. (Anm. 5), 188.
10 G.  W.  F. Hegel, Wissenschaft der Logik. Zweiter Band. Die subjektive Logik, hg. v. F. Hogemann u. W. Jaeschke,
Hamburg 1981, 436.
11 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie (1830), a. a. O. (Anm. 3), § 400 Anm.
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246   Hegel-Jahrbuch 2018

darstellen.12 Obwohl hier die Seele noch an ihre Natürlichkeit gebunden ist, beginnt sie sich doch
zugleich von ihr zu trennen, indem sie mit sich selbst in Konflikt tritt, woraus sich die Möglichkeit
der Geisteskrankheit ergibt.
Bevor das Subjekt „Ich“ sagt und Bewusstsein wird, unterscheidet sich das Menschliche vom
Tierischen durch den Körper. Wie Hegel in dem langen Zusatz zu §  401 klärt, wird in der füh-
lenden Seele das „bewußtlose Bezogenwerden der äußeren Empfindung auf das geistige Innere“
festgelegt. Diese vermittelnde Rolle wird von der Stimmung gespielt. Die Stimmung ist die erste
Erscheinungsform des Menschlichen, auch wenn es sich noch nicht als bewusstes Subjekt weiß.
Was wir Stimmung nennen, schreibt Hegel, ist: „eine Erscheinung des Geistes, von welcher sich
zwar (so wie von der Empfindung des Angenehmen oder Unangenehmen und von der Erweckung
der Triebe durch die Affektionen) bei den Tieren ein Analogon findet, die jedoch (wie die eben
genannten anderen geistigen Erscheinungen) zugleich einen eigentümlich menschlichen Charak-
ter hat und die ferner, in dem von uns angegebenen engeren Sinne, zu etwas Anthropologischem
dadurch wird, daß sie etwas vom Subjekt noch nicht mit vollem Bewußtsein Gewußtes ist“.13 Was
diese Stimmung hervorruft, ist etwas Äußeres. Dieses Äußere muss jedoch mit der inneren Dimen-
sion vermittelt werden, um zu einer ersten Form der Selbsterkenntnis zu kommen. Zu diesem
Übergang kommt es durch den Körper. „Erst durch die Verleiblichung der inneren Bestimmun-
gen kommt das Subjekt dahin, dieselben zu empfinden, denn zu ihrem Empfundenwerden ist
notwendig, daß sie sowohl von dem Subjekt unterschieden als mit demselben identisch gesetzt
werden; beides geschieht aber erst durch die Entäußerung, durch die Verleiblichung der inneren
Bestimmungen des Empfindenden. Das Verleiblichen jener mannigfaltigen inneren Bestimmun-
gen setzt einen Kreis von Leiblichkeit, in welchem dasselbe erfolgt, voraus“.14 Diese unbewusste
Dimension ist daher dynamisch. Es handelt sich in der Tat nicht nur um Passivität, sondern indem
man in sich selbst das wiederfindet, was von außen oder von innen stammt, kommt es zu einer
Befreiung von der reinen Passivität. Die empfindende Seele ist eine assimilierende, sie identifi-
ziert sich mit dem, was sie bestimmt. Wie Hegel selbst klärt, ist sie noch nicht für sich, doch ist sie
so zumindest ein an sich.

3 Was für eine Anthropologie?


Analog zur Bewegung der Wissenschaft der Logik, die ihren Prozess beim unbestimmten Sein
beginnt, um zum Dasein, dem bestimmten Dasein zu gelangen, setzt Hegel im Übergang von der
Natur zum Geist als erstes das Unbewusste, einen, wie in der Enzyklopädie zu lesen ist, „bestim-
mungslosen Schacht“15, bei dem die Bewegung ansetzt, die dann zum Bewusstsein führt. Hegels
Ansatz kann uns auf anthropologischer oder anthropogenetischer Ebene helfen, insgesamt seine
Vorstellung vom Menschen zu beleuchten. Bei der Frage nach der menschlichen Natur fragt Hegel
nicht zu Beginn ausdrücklich, was der Mensch sei, sondern vielmehr was er aus sich selbst macht.
Die Unbestimmtheit des Ursprungs, d. h. die systematische Voraussetzung Hegels, die deshalb für
die logische Bewegung ebenso wichtig ist, wie für die der Anthropologie, dient vor allem dazu, die

12 Vgl. zu diesen Themen A. Masullo, „Das Unbewußte in Hegels Philosophie des subjektiven Geistes“, in: Hegels
philosophische Psychologie, hg. v. D. Henrich, Bonn 1979, 27–64. Dort ist zu lesen: „Der ‚Kreis von Leiblichkeit‘, von
dem Hegel im Zusatz zu §  401 der Enzyklopädie spricht, in dem er Problemstellungen der strukturalistischen und
phänomenologischen Psychobiologie unseres Jahrhunderts vorwegnimmt – man denke etwa an F. von Weizsäckers
Begriff des ‚Gestaltkreises‘ – ist der innerorganische Kreislauf von Bewegung und Wahrnehmung, dessen Angelpunkt
die innere Empfindung, das physische Selbstgefühl ist, und der es dem Lebewesen gestattet, sich in einem außer-or-
ganischen Kreislauf, in der ‚Umwelt‘, zu erhalten“ (ebd., 35).
13 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie (1830), a. a. O. (Anm. 3), § 401 Z.
14 Ebd.
15 Ebd., § 403.
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 Stefania Achella, Die Subjektivität und das Unbewusste   247

offene Natur des Menschen zu bestimmen. Hegels Position ist eine anti-essentialistische, in der die
Natur des Menschen nicht vorwegbestimmt ist, sondern vielmehr das Ergebnis des Gegebenseins
des Prozesses selbst darstellt. Indem die Idee einer Zweckmäßigkeit wieder aufgenommen wird,
nicht jedoch als äußere Teleologie verstanden, sondern vielmehr als innere Zweckmäßigkeit, ent-
steht auch in der Entwicklung des Menschen jene „Bewegung auf der Stelle“, die Angelica Nuzzo
hinsichtlich des Fortschritts des Begriffs der Logik ausgemacht hat. Eine solche Bewegung richtet
sich also nicht auf einen äußeren Gegenstand gemäß einer vorausgesetzten Absicht, sondern hat
die Verwirklichung der Bewegung zum Ziel, durch die das Wesen hergestellt wird.
Wie die Möglichkeit der Geisteskrankheit gut zeigt, die von Hegel gerade dort verortet wird, wo
es zur Strukturierung der Subjektivität kommt, handelt es sich um eine Potentialität, die jederzeit
den eigenen Gang der Subjektivierung verlassen kann, indem er unterbrochen wird oder indem
man sich verläuft. Der Geist kann im dunklen Schacht, aus dem er kommt, bleiben, in jene Art
„archaischer Welt“, in der er die Ruhe und die Abwesenheit der Bewegung wiederfindet, indem
er dem Wahnsinn verfällt oder dem Negativen ins Gesicht blicken und zu Gunsten der eigenen
Verwirklichung entscheiden kann.16 In diesem Sinne kann der Wahnsinn gerade als die Unterbre-
chung des dialektischen Prozesses verstanden werden, letztendlich als Krankheit der Dialektik, in
der das Werden aufhört und die Entelechie sich nicht verwirklicht. Hier gilt der Verweis also nicht
einer „menschlichen Natur“, die, als solche vorausgesetzt, sich zu entwickeln hat, sondern einem
Prozess, der die Möglichkeit finden muss, seinen Gang zu gehen, damit es den in ihm befindlichen
Potentialitäten ermöglicht wird, konkret zu werden: durch den Erkenntnisprozess das zu werden,
was man ist.
Diese Position reflektiert auf die biologische Ebene in Hegels Ablehnung der in jenen Jahren
durch Haller formulierten Präformationslehre, oder der vitalistischen Gedanken von Blumen-
bach, sowie von Goethes Hypothese der Metamorphose. Hegel nähert sich vielmehr der epige-
netischen Perspektive. Gegenüber den biologischen Theorien, die im Ursprung des Menschen
die Vorwegbestimmung oder das Fehlen einer Dialektik zwischen Außen und Innen setzten, geht
für Hegel dieser Prozess von einem undifferenzierten Keim aus, der seine Entwicklung in Bezug
auf die Welt, die Erfahrung, die Geschichte vollzieht. Auf die anthropologische Frage „Was ist
der Mensch?“, sowie auf die Frage der Logik „Womit hat die Wissenschaft zu beginnen?“, kann
man zuerst das Unbestimmte – Unbewusste – stellen, und dann nur am Ende des Prozesses eine
Antwort geben.17
Beim Entstehen des Geistes setzt Hegel deshalb einen Charakter der Unbestimmtheit, der
die Möglichkeit der Verwirklichung des Menschen oder seines Verlustes offen lässt. Hier liegt die
Bedeutung des in den Ursprung der Subjektivität gesetzten Unbewussten. Wenn im Ursprung das
Etwas wäre, könnte das Denken nicht anders, als zur Nostalgie des Ursprunges zu werden, oder
zur Flucht vor ihm. Hegel hebt daher weder bei dem einen, noch bei dem anderen an. Die Garan-
tie eines Systems, das das Werden als ständige Öffnung lebt, kann sich auf keinen bekannten
Ursprung verlassen. Deshalb steht im Ursprung der Dialektik keine Annahme einer nicht in Frage
gestellten Grundlegung, sondern vielmehr der nächtliche Schacht, die dunklen Gründe der Seele.
Was auf diese alle Differenz verschleiernde Dunkelheit ein Licht wirft, ist das Denken, das wie
ein leuchtender Strahl diese noch formlosen Bilder, Schatten der Nacht, aufhellt, indem immer
wieder ein neuer Prozess beginnt.
Ziel dieses Beitrages war es, die Rolle des Unbewussten bei der Konstituierung der Subjek-
tivität herauszuarbeiten. Wie zu zeigen versucht wurde, wird das Unbewusste von Hegel nicht

16 Vgl. J. Mills, The Unconscious Abyss, a. a. O. (Anm. 1), 14.


17 Wenn man am Ende nichts Anderes hat, als was von Beginn an vorhanden war, jedoch in der absoluten Erkennt-
nis erfasst, so muss von Anfang an alles vorhanden sein. Damit dieser Anfang jedoch die Entwicklung der Geschichte
nicht leer und oberflächlich mache, ist es notwendig, dass im Prozess der Erkenntnis etwas Neues hinzukomme. Die
Kraft, die Hegel dem Denken zuschreibt, ist also aktiv, sie ist eine Macht, die bildend schafft, die bestimmend erfin-
det, und die sich vor allem mit der Außenwelt auseinandersetzt.
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248   Hegel-Jahrbuch 2018

als reine Natürlichkeit betrachtet, und auch nicht als irrationales Mysterium, sondern als erster
Ort des Kontaktes zwischen dem noch schlafenden Subjekt und der noch fremden Objektivität.
Dieser Ort hat als Mittelpunkt den Körper, dessen erste Manifestation durch das Unbewusste
fährt. Letzteres ist eine dynamische Dimension, in deren Mitte der Körper steht. Durch den Körper
wird die Äußerlichkeit idealisiert, doch gleichzeitig die Innerlichkeit verleiblicht. Es zeigt sich
deshalb gerade hier die erste Spur der Subjektivität, denn was dort geschieht, ist zwar noch keine
bewusste Tätigkeit, stammt jedoch auch nicht mehr nur aus der unbewussten Natur. In dieser
Dialektik stellt das Unbewusste den Prozess dar, der im Ausgang von den aus dem System der
Sinne herrührenden Impulsen zum Bewusstsein führt. Dabei läuft es zwar Risiko, dem Wahnsinn
zu verfallen, doch erhält es auch die Gelegenheit, sich als Bewusstsein zu verwirklichen. Gerade
dieses Risiko, der Zusammenstoß und die Möglichkeit des Verlustes, führt eine konstitutiv freie
und ewig in Frage stehende Subjektivität zu Tage.

Übersetzung aus dem Italienischen: Steffen Wagner

Dr. Stefania Achella


Università degli Studi „G. d’Annunzio“ di Chieti-Pescara
Dip.to di Scienze Filosofiche, Pedagogiche ed Economico-Quantitative
Campus Universitario - Via dei Vestini, 31, 66100, Chieti, Italy
stefaniaachella@gmail.com

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Werner Ludwig Euler, Florianópolis

Hegels Entwurf psychischer Krankheit in der


Anthropologie der Enzyklopädie

1 Vorbemerkungen
In seiner Lehre vom subjektiven Geist innerhalb der Enzyklopädie der philosophischen Wissen-
schaften (1830), genauer in der Anthropologie als deren ersten Teil, entwickelt Hegel eine Theorie
psychischer Krankheit, die im Verhältnis zum Entwicklungsstand der Psychologie seiner Zeit als
fortschrittlich und zugleich – philosophisch betrachtet – als höchst originell anmutet. Hegel selbst
scheint sich der wissenschaftlichen Tragweite und Bedeutung seiner Theorie durchaus bewußt zu
sein, denn sie bildet für ihn die Grundlage der „wahrhafte[n] psychische[n] Behandlung“ (§ 408
A)1, von der er Proben in der zeitgenössischen Psychiatrie vorzufinden glaubt.2 Dieser Aspekt
besteht in der Erkenntnis, daß die psychische Krankheit nicht als ein vollständiger „Verlust der
Vernunft“ zu begreifen sei, demzufolge sie allgemein als nicht heilbar zu gelten hätte, sondern als
ein „Widerspruch“ im Bewußtsein, der auflösbar ist (§ 408 A).

2 Das Gefühl der Seele


In §  402, dem Übergangsparagraphen zum zweiten Teil der Anthropologie, verdeutlicht Hegel
den Unterschied zwischen der Empfindung und dem Gefühl der Seele. Das Empfinden als solches
steht der Leiblichkeit und dem Natürlichen näher, das Fühlen als Betätigung der fühlenden Seele
und als höhere Form des Empfindens dem Bewußtsein. Diese Unterscheidung ist relevant für die
Trennung zwischen gesundem und krankem Geisteszustand. Erst die Seele, insofern sie fühlt und
Selbstgefühl hat, d. h. in ihrem Empfinden sich zugleich auf sich selbst bezieht, ist überhaupt der
Krankheit fähig.
Die Empfindung setzt bereits das Erwachen der Seele als einen Zustand, in dem sie sich in
eine bloß seiende und in eine für sich seiende teilt, voraus (§ 399 Z, M 97). Empfindungen haben,
empfinden, sagt also mehr als Selbstbeobachtung oder innere Wahrnehmung mittels des sog.
„inneren Sinnes“.3 Einerseits besteht ihre Handlung im Auffinden der in ihr als Substanz an sich
schon vorhandenen natürlichen Inhaltsbestimmungen in sich und für sich (§ 399, § 401); anderer-
seits unterscheidet sich dieses vorgefundene einfache Enthaltensein der Bestimmtheit von ihrer
einfachen Identität und ihrem Fürsichsein. Die Seele ist bereits im Empfinden auf die Weise tätig,
daß sie das gefundene Mannigfaltige verinnerlicht, d. h. „in ihre Innerlichkeit hinein“ setzt (§ 399
Z, M 96). Diese höhere Empfindung als Gefühl der Seele macht ihre „wahrhafte Individualität“

1 Ich zitiere Hegels Enzyklopädie nach der kritischen Ausgabe der GW, Bd.  20, unter Nachweis des Paragraphen.
Der Buchstabe „A“ hinter der Zahl bedeutet Anmerkung, „Z“ bedeutet Zusatz. Die Zusätze zitiere ich nach der Ausgabe
Moldenhauer und Michel, G. W. F. Hegel, Werke 10, Frankfurt am Main 1986 („M“).
2 S. dazu M. J. Petry, „Systematik und Pragmatik in Hegels Behandlung von animalischem Magnetismus und Ver-
rücktheit“, in: Psychologie und Anthropologie oder Philosophie des Geistes. Beiträge zu einer Hegel-Tagung in Marburg
1989, hg. v. F. Hespe, B. Tuschling, Stuttgart-Bad Cannstatt 1991, 250–268.
3 Vgl. M. Franck, Selbstgefühl. Eine historisch-systematische Erkundung, Frankfurt am Main 2002, 100–103.
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250   Hegel-Jahrbuch 2018

aus, die der nicht-animalischen Natur nicht zukommt, „denn Empfindung hat etwas dadurch, daß
dasselbe in seiner Bestimmtheit sich als ein Allgemeines erhält“ (ebd.).
Trotz der im Erwachen der Seele durch die Empfindung eingetretenen Differenzierung, mit
der das Bestimmen anfängt, ist die Individualität der Seele insofern noch bewußtlos, als „alle
Bestimmtheit noch unmittelbar ist“ (§  400). Zugleich ist dieser Seeleninhalt jedoch „als mein
eigenstes gesetzt“ (§  400 A). D.  h., was das Eigene der Seele hier genannt wird, gehört nur ihr
untrennbar als individueller Inhalt an.

3 Krankheit
Im zweiten Teil der Anthropologie, der mit dem § 403 beginnt und die Überschrift „b. Die fühlende
Seele“ trägt, ist die Seele nicht nur empfindend; sie ist konfrontiert mit ihrer eigenen Substan-
tialität. Sie tritt sich selbst gegenüber, insofern sie sich in ihren Empfindungen selbst fühlt. Sie
erscheint auf dem Standpunkt ihrer Entzweiung mit sich selbst, und das macht es erforderlich, sie
insbesondere auch „im Zustande ihrer Krankheit“ zu betrachten. (§ 402 Z, M 118).
Der Zustand der Krankheit gehört systematisch genau an diese Stelle der Geistesentwicklung,
weil die Seele sich darin im „Widerspruch der Freiheit und Unfreiheit“ befindet. Sie ist einerseits
noch naturbedingt, andererseits schon auf dem Wege der Trennung von ihrer Natürlichkeit.
Die Seele ist bereits Negativität, und zwar ohne Bewußtsein, indem sie die Mannigfaltigkeit
der Empfindungen, die in ihr scheinbar je für sich und indifferent gegeneinander sind (§ 402 Z,
M 119), pauschal negiert. Alles was in die Seele gelangt und dort von ihr gefunden wird (§ 401,
§ 402 A), findet nur durch diesen Negationsfilter Eingang in sie. Trotz der Indifferenz des Innen-
lebens der Seele „verschwinden jedoch die einander verdrängenden Empfindungen nicht absolut
spurlos“. Sie bleiben vielmehr insgesamt in ihr „als aufgehobene“ erhalten. Sie bestehen als mög-
licher Inhalt, der dadurch aktualisiert wird, zur Wirklichkeit gelangt, daß er „für die Seele“ wird
(§ 402 Z, M 119).
Es kommt darauf an, dem Ausdruck der „Idealität“ mit Rücksicht auf das Begreifen der See-
lenfunktion hinreichend Rechnung zu tragen. Hegel selbst unterstreicht die besondere Bedeu-
tung dieses Aspektes:

Nirgend so sehr als bei der Seele und noch mehr beim Geiste ist es die Bestimmung der Idealität, die für das
Verständniß am wesentlichsten festzuhalten ist, daß die Idealität Negation des Reellen, dieses aber zugleich
aufbewahrt, virtualiter erhalten ist, ob es gleich nicht existirt. (§ 403 A)

Diese Bestimmung wird zum Gedächtnis in Beziehung gesetzt (das eigentlich erst ein Thema der
Psychologie (§ 461) ist). Das was die Funktion des Gedächtnisses ausmacht, ist die virtuelle Erhal-
tung des Negierten. Diese Funktion umfaßt im wesentlichen ein Negieren und ein Bewahren.
Negiert wird die unendliche Mannigfaltigkeit der einzelnen, individuell gemachten Empfindun-
gen. Indem die Empfindungen „virtualiter“ erhalten bleiben, können sie jederzeit als Erinnerung
zurückgerufen werden. Dies ist die Leistung des Ich schon als fühlenden Individuums. Dazu ist
also auch das psychisch kranke Individuum in der Lage. Die Idealität ist eine „einfache“, nämlich
eine globale, nicht bereits eine konkrete Negation, wie sie erst in der wirklichen Seele erscheinen
wird. Hegel vergleicht sie mit einem „bestimmungslose[n] Schacht“, in den alle Empfindungen
eines Individuums ‚versenkt‘ sind, „ohne zu existiren“. Es existiert nur ein einfaches Allgemeines.
In dieser Form der Allgemeinheit sind die Empfindungen „bewußtlos aufbewahrt“ (§ 453). Das in
den Schacht Gelangen entspricht dem Akt der Negation. Auch die Erinnerung bringt die negierten
Empfindungen nicht in die physische Existenz ihres ursprünglichen Gegebenseins zurück. Ihre
Originalität ist für immer untergegangen. Das Ich erinnert sich „an eine“ Vorstellung und bringt
sie damit aus dem Inneren „zur Existenz vor das Bewußtseyn“ (§  403 A). Wie das Bewußtwer-
den einer einzelnen, isolierten Vorstellung abläuft, wird von Hegel in diesem Zusammenhang
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 Werner Ludwig Euler, Hegels Entwurf psychischer Krankheit in der Anthropologie …   251

nicht ausgeführt. Der „nächtliche“ (bewußtlose) „Schacht“ enthält unendlich viele Bilder und
Vorstellungen (§ 453 A). Ein Phänomen, das solche Erinnerungen bedingt und beeinflußt, sind
die erwähnten „Krankheiten“. Sie setzen Hegels modern anmutende psychologische Theorie, die
man mit Vorsicht eine Theorie des Unbewußten (bzw. Vorbewußten) nennen könnte, voraus:

In Krankheiten geschieht, daß Vorstellungen, Kenntnisse wieder zum Vorschein kommen, die seit vielen Jahren
vergessen heißen, weil sie in so langer Zeit nicht ins Bewußtseyn gebracht wurden. (§ 403 A).

Die individuelle Seele setzt den Unterschied in sich (§ 404). Dieser Unterschied betrifft aber nicht
ein äußeres Objekt, sondern nur die Bestimmungen ihrer eigenen Empfindungen als Totalität,
die ihr Inhalt sind und ihre „besondere Welt“ ausmachen. Ihr Objekt ist ihre Substanz. Eben das
unterscheidet sie vom Bewußtsein. Was diese Geistesstufe trotz ihres Mangels (daß sich die See-
lenbestimmungen noch nicht zu einem bewußten Inhalt entwickelt haben) dennoch für Hegel
interessant macht, ist ihr Formcharakter, durch den die schon zum Bewußtsein und Verstand
fortgeschrittenen Entwicklungen der Seele „wieder herab sinken“ können. In solchen Zustän-
den erscheinen die wahren Gestalten des Geistes als unangemessen: „Die wahrhaftere Form
des Geistes, in einer untergeordnetern, abstractern existirend, enthält eine Unangemessenheit,
welche die Krankheit ist.“ (§  404 A) Um jedoch die geistigen Krankheitszustände angemessen
verstehen zu können, müssen auch „die abstracten Gestaltungen der Seele für sich“ betrachtet
werden. Denn Hegel behauptet, daß die „Krankheitszustände des Geistes“ nur auf dieser Grund-
lage, d.  h. den gesunden Formen, zu verstehen seien. Diese ermöglichen es nämlich erst, daß
höhere Gestaltungen als Krankheiten überhaupt in Erscheinung treten können; sie drücken die
eine Seite in dem Verhältnis der „Unangemessenheit“ aus, die das allgemeine Merkmal der Krank-
heit ist. Die Betrachtungen, die auf den §  404 folgen, haben deshalb einen doppelten Aspekt:
einmal beziehen sie sich auf die notwendigen Entwicklungen, die dem menschlichen Seelenin-
dividuum ganz allgemein zukommen, zum anderen auf die besonderen Krankheitszustände, die
jenen Entwicklungen unter besonderen Umständen anhaften.

4 Somnambulismus
Am Anfang des § 406 heißt es: „Das Gefühlsleben als Form, Zustand des selbstbewußten, gebilde-
ten, besonnenen Menschen ist eine Krankheit“.
Die allgemeine Bestimmung der psychischen Krankheit ist die einer Bewußtseinsaufspal-
tung, der von Hegel der Name „Somnambulismus“ beigegeben wird.
Ausgangspunkt der Krankheitsdiagnostik ist der geistig gesunde Mensch, dessen Verhältnis
zur objektiven Welt in Takt ist, das aber, sofern das Bewußtsein „als Form, Zustand“ ins „Gefühls-
leben“ zurückkehrt, gebrochen ist, so daß der Mensch seelisch krank wird.
Das Gefühlsleben, in dem die geschwächte Persönlichkeit Mangel an Verstand und Willen
erleidet, ist ein Zustand der Passivität. Das „kranke Subjekt“ steht „unter der Macht eines anderen“.
Das andere Subjekt ist der Magnetiseur (etwa der Therapeut) (§ 406 Z, M 157 f.), von dem es abhän-
gig ist. Dies hat zur Konsequenz, daß in dem psychischen Verhältnis zwischen dem Kranken und
der anderen Person das persönlichkeitsgeschwächte Individuum ohne wirkliches Bewußtsein das
Bewußtsein des besonnenen Individuums zu seinem eigenen annimmt. Das fremde Bewußtsein
kann so zum Inhalt der subjektiven Seele des Kranken werden. Dies kann so weit gehen, daß das
„somnambule Individuum“ Sinnesempfindungen, die in dem anderen vorkommen, in sich selbst
empfindet. Wenn daher das kranke Individuum von den Vorstellungen des anderen „als von den
seinigen“ weiß, dann beruht das darauf, daß für jenes Individuum die „substantielle Identität“
bzw. die Subjektivität des Bewußtseins numerisch identisch („nur Eine“) ist. Das Fürsichsein des
kranken Individuums ist nämlich leer, sich nicht gegenwärtig, nicht wirklich. Es füllt diese Leere
mit den fremden Vorstellungen:
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252   Hegel-Jahrbuch 2018

diß formelle Selbst hat daher seine Erfüllung an den Empfindungen, Vorstellungen des Andern, sieht, riecht,
schmeckt, liest, hört auch im Andern. (§ 406 A, δ)).

5 Selbstgefühl
Individuelles Selbstgefühl nennt Hegel die Beziehung des Subjekts auf die besonderen Bestimmun-
gen, die insgesamt die Totalität seiner Gefühle ausmachen. In diesem Gefühl ‚erwacht‘ die Indi-
vidualität. Sie unterscheidet sich in sich, indem sie als Subjekt dieser Bestimmungen einerseits
noch in die „Besonderheit der Empfindungen versenkt“ ist, aber andererseits das Besondere – die-
jenigen Empfindungen, die es besonders akzentuiert – negiert und sich zu eigen macht, mit sich
identisch setzt („als seine Gefühle in sich“ setzt). So ist es „Selbstgefühl“, und es ist dies eben „nur
im besondern Gefühl“ (§ 407).4
Die Bestimmungen des § 407 sind begriffliche Voraussetzung für Hegels Konzeption psychi-
scher Krankheit („Verrücktheit“) als eines Defekts in der Bewußtseinsorganisation, die in § 408
thematisiert wird.
Insofern das Selbstgefühl unmittelbar bestimmt und damit teilweise noch verleiblicht (natür-
lich) ist, außerdem aber ein besonderes, partikulär verleiblichtes Gefühl ist, ist das Subjekt „noch
der Krankheit fähig“. Dabei besteht die Krankheit darin, daß das Individuum sich nicht über diese
„Besonderheit“ des Selbstgefühls hinaus entwickeln und zur Idealität fortschreiten kann, sondern
darin stecken bleibt, und zwar obwohl es sich insgesamt bereits „zum verständigen Bewußtseyn“
gebildet hat. Auf der erreichten Bildungsstufe (im Zustand der Gesundheit) hat das Subjekt in sich
eine geordnete Welt, in deren Zusammenhang es konsequent gefühlte Begebenheiten ohne Prob-
leme einordnen kann und seine eigene Stellung sowie seine Stellung zur äußeren Welt begreifen
kann. In dieser Verankerung findet es seine Stabilität. Nun kann es trotz dieses durch Bildung
erreichten Bewußtseinszustandes vorkommen, daß es in bestimmter Hinsicht in dieser Entwick-
lung durch äußere Einflüsse gestört ist, indem nämlich irgendeine Besonderheit des Selbstgefühls
auf der Stufe der Unmittelbarkeit stehen bleibt. In dieser Situation der Befangenheit gibt es einen
bestimmten Gefühlsinhalt, dem keine „verständige Stelle“ im Bewußtsein zugeordnet ist:

Das Subject befindet sich auf diese Weise im Widerspruche seiner in seinem Bewußtseyn systematisirten Tota-
lität und der besondern in derselben nicht flüssigen und nicht ein- und untergeordneten Bestimmtheit, – die
Verrücktheit. (§ 408)

6 Verrücktheit
Um sich das Phänomen und das Problem der psychischen Krankheit zu vergegenwärtigen, muß
das intakte Bewußtsein antizipiert werden, denn nur so kann es zum natürlichen Selbst, zum
Selbstgefühl in Beziehung gesetzt werden (§ 408 A).
Nur als Seele, als Natürliches und Seiendes ist der Geist der Krankheit „fähig“. Psychisch
krank ist die Seele insofern, als das Leibliche und das Geistige in diesem Geisteszustand unge-
trennt vorkommen. Deshalb tritt die Krankheit der Seele stets in Begleitung einer körperlichen
Erkrankung (z. B. einem Nervenleiden) auf.

4 Zu unterschiedlichen Konzeptionen von Selbstgefühl im Übergang zum Bewußtsein in der empirischen Psycholo-
gie und der Philosophie des 18. und 19. Jh. vgl. M. Frank, ebd., 93–110.
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 Werner Ludwig Euler, Hegels Entwurf psychischer Krankheit in der Anthropologie …   253

Der Ausdruck „Verrücktheit“ hat in diesem Kontext eine doppelte Bedeutung. Er bezeich-
net zunächst eine notwendige Entwicklungsstufe der Seele im Fortgang der Geistesbestimmung.
Dazu gehört notwendig der „Begriff“ der Krankheit als ein Moment der Hemmung jener Entwick-
lung. Dieser Begriff bildet die theoretische Grundlage und Voraussetzung dafür, das empirische
Eintreten von Bewußtseinsstörungen in Form psychischer Erkrankung unter dem Titel der „Ver-
rücktheit“ verstehen zu können.
Zu meinen, die Verrücktheit in der ersten Bedeutung, d. h. als eine notwendige Entwicklungs-
stufe der Seele, schließe die Behauptung ein, „jeder Geist, jede Seele müsse durch diesen Zustand
äußerster Zerrissenheit hindurchgehen“ (§ 408 Z, M 163) wäre ein Mißverständnis.
Der Unterschied in der Begriffsbestimmung des Somnambulismus und der Verrücktheit als der
zweiten Entwicklungsstufe der fühlenden Seele (§ 405 Z, M 127; § 408 Z, M 171) wird von Hegel so
erklärt, daß im ersteren das Verhältnis zwischen dem Seelenhaften und dem objektiven Bewußt-
sein nur ein solches der Verschiedenheit ist, das sich im letzteren zu einer direkten Entgegenset-
zung – zu einem Widerspruch – verschärft.
Hegel glaubt, daß es eine „vernünftige Notwendigkeit des Fortgangs“ in der Betrachtung des
Somnambulismus zur Verrücktheit gebe und daß sich diese Behauptung beweisen lasse (§ 408
Z, M 164). Das Verhalten des Verrückten ist nicht irrational (vgl. Hegels Beispiele aus der Irrenan-
stalt, ebd., M 165). Daß beide Seiten des Widerspruchs vorhanden, real sind – „einerseits das in
sich entwickelte, vernünftige Bewußtsein mit seiner objektiven Welt, andererseits das an sich fest-
haltende, in sich selber seine Objektivität habende innere Empfinden – jede für sich zur Totalität,
zu einer Persönlichkeit ausgebildet“ – diese Verdopplung der Persönlichkeit macht den Zustand
der „eigentlichen Verrücktheit“ aus (ebd.).
So kann Hegel schließlich auch zu Recht darauf hinweisen, daß es bei der philosophischen
Betrachtungsweise der Verrücktheit nicht darauf ankomme, sich an die äußeren Erscheinungs-
formen dieser Krankheit zu halten, sondern sie als ein „auf notwendige und insofern vernünftige
Weise in sich Unterschiedenes zu erkennen“ (§ 408 Z, M 171).

7 Formen der Therapie – „Gewohnheit“


Alle psychische Behandlung muß nach Hegel von der wahren Einsicht ausgehen, „daß die Ver-
rücktheit nicht abstracter Verlust der Vernunft, weder nach der Seite der Intelligenz noch des
Willens und seiner Zurechnungsfähigkeit, sondern nur Verrücktheit, nur Widerspruch in der noch
vorhandenen Vernunft“ ist (§ 408 A).5
In den §§  409–412, am Ende der Anthropologie, will Hegel die Frage beantworten, wie die
mit ihrer Innenwelt unmittelbar identische (kranke) Seele aus dem „bloß formellen, leeren Unter-
schiede des Subjektiven und Objektiven“ zum vernünftigen Bewußtsein gelangt, wie also der
krankhafte Zustand begrifflich aufgelöst werden kann (§ 408 Z, M 170).
Diese begriffliche Entwicklung steht nicht mehr in direktem Zusammenhang mit dem Problem
der Heilbehandlung der Verrücktheit. Soweit ich sehe, stellt Hegel diesen Zusammenhang nicht
her, obwohl er zumindest insofern existieren muß, als die seelische Krankheit als solche sich dem
Begriff nach aufheben muß, um die Stufe des verständigen Bewußtseins zu erreichen. In einem
individuellen Krankheitsfall muß also auch die Therapie zu dem Ziel führen, die Behinderung,
die im kranken Zustand herrscht, aufzulösen und die Harmonie des gesunden Selbstbewußtseins
wieder herzustellen. Die Therapie muß mit anderen Worten den aus dem systematischen Kontext

5 Vernunft und Wahnsinn sind nicht so identisch, daß man die Vernunft als eine ‚andere Art von Verrücktheit‘ auf-
fassen könnte (M. Foucault, Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft, Frank-
furt am Main 1973, 7).
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254   Hegel-Jahrbuch 2018

des individuellen Bewußtseins ausgegliederten Zustand der Krankheit wieder in das System inte-
grieren.
Der entscheidende Aspekt ist die „Gewohnheit“, die als Prinzip der Tätigkeit der Seele
zugleich der Grund der Auflösung ihres Widerspruchs ist. In der Gewohnheit entwickelt sich das
Selbstgefühl dahin, daß sich das formelle Allgemeine des Selbst als Wahrheit des Besonderen
setzt.
In der Gewohnheit erwirbt die Seele ein reines Verhältnis zu ihrem Empfindungsinhalt (§ 410).
Die Gewohnheit schützt zugleich vor Krankheit. Gewohnheit ist zwar bewußtlos, aber willensab-
hängig. Sie ist gemacht, indem sich die Seele selbst zum abstrakten allgemeinen Sein macht und
ebenso das Besondere der Empfindungen auf eine bloß seiende Bestimmung zurückführt. Hegel
räumt in der Anmerkung zu § 410 ein, daß die Gewohnheit – ebenso wie das Gedächtnis – „ein
schwerer Punkt in der Organisation des Geistes“ sei.
Ein wichtiger Absatz im Zusatz zu § 410 (M 188) zeigt, daß auf der Begriffsseite die Gewohn-
heit aus der Verrücktheit herausführt. Diese Funktion übernimmt im Einzelfall die Psychothera-
pie, die deswegen offensichtlich – ohne daß Hegel dies erklärt – auf der Gewohnheit aufbauen
muß. Der Patient muß mit anderen Worten durch künstlich herbeigeführte, ständige Wiederho-
lung die Erfahrung machen, daß die vernünftige Einheit seines Bewußtseins das Wirkliche ist und
zugleich die Macht hat, einzelne, besondere Vorstellungen aus der Isoliertheit herauszuholen,
ins Bewußtsein zurückzubringen, damit wirklich zu machen und sich zu befreien. Diesen Punkt
berührt Hegel jedoch nicht.

Prof. Dr. Werner L. Euler


Rua Prof. Anacleto Damiani, 137
88020-570 Florianópolis-SC
Bairro: Centro
Brasilien
werner.euler@web.de werner.euler@ufsc.br

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Dan Tenne, Tel Aviv

Man and the Science of Man in Kant and Hegel

1 Introduction: Aristotle
According to Aristotle’s ethics, the key for unlocking human goodness is the „function argument“:
things are to be considered good in light of the function they serve, and the excellent man is no dif-
ferent.1 But what is the function of man as such? „human good turns out to be activity of the soul
exhibiting virtue, and if there are more than one virtue, in accordance with the best and most com-
plete.“2 The man of excellence acts therefore in accordance with the best virtue of his human soul.
Man’s function must be performed by that part of the soul which distinguishes him from
all other living beings. And this is reason. However, beside reason proper there is an irrational
element in the soul which „in a sense“ shares in reason.3 In accordance with this division, man’s
virtues are of two kinds: of the intellect and of the character; his excellence is therefore an action
to be performed by the best of these.
Prima facie, the function argument, which is advanced at the first book of the Nicomachean
Ethics,4 seems to lead to the conclusion that the action unique to man is that of reason proper,
i. e. of theoretical reason. Life of contemplation is thus the highest end of man, and constitutes
therefore his well-being.5
However, the bulk of Aristotle’s Ethics deals with virtues of character, the moral virtues, for
which practical reason, but not theoretical reason, is required.6 It appears therefore that Aristo-
tle’s position throughout the Nicomachean Ethics is that the man of excellence is to lead a moral
life, and not that of contemplation.
And yet, in the last book of the Nicomachean Ethics Aristotle returns to the claim laid down
at the outset: the best in man is reason proper or theoretical reason.7 He thus concludes that a
life of contemplation is indeed man’s highest purpose, whereas moral life is but secondary. Ross
therefore states that: „it is clear that contemplation is for Aristotle the main ingredient in well-be-
ing; whether moral action is another ingredient in it or only a means to its production is not so
evident.“8
This shift of emphasis in Aristotle’s position in the Nicomachean Ethics is „a matter of intense
scholarly dispute, and hard to resolve“;9 for it is unclear whether man’s well-being is inclusive,
incorporating moral life with that of contemplation, or identified completely with contemplative
life. I leave this question for Aristotle scholars to settle, and focus here on the way he characterizes

1 Lesley Brown, „Introduction“, in: Nichomachean Ethics by Aristotle, translated by W. D. Ross, New York 2009, xi.
2 Aristotle, Nichomachean Ethics, translated by W. D. Ross, New York 2009, 12.
3 Ibid., 21
4 Ibid., 10–13.
5 Eudaimonia. Ross: „the conventional translation ‚happiness‘ is unsuitable in the Ethics; for whereas ‚happiness‘
means a state of feeling, differing from ‚pleasure‘ only by its suggestion of permanence, depth, and serenity, Aristotle
insists that eudaimonia is a kind of activity […]. The more non-committal translation ‚well-being‘ is therefore better.“
Ibid., 200. I use Ross’s translation as to preclude any identification of Aristotle’s „well-being“ with Kant’s „happi-
ness“.
6 Ibid., 116–117.
7 Aristotle, Nichomachean Ethics, translated by W. D. Ross, New York 2009, 194–196.
8 Ibid., 240.
9 Lesley Brown, „Introduction“, in: Nichomachean Ethics by Aristotle, translated by W. D. Ross, New York 2009, xvii.
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256   Hegel-Jahrbuch 2018

man’s moral life, as opposed to that of contemplation. This will serve as a background for compar-
ing Kant anthropology with that of Hegel.
According to Aristotle, moral life is unique to man, for it is conducted under the guidance of
practical reason he alone possesses. Contemplative life, on the other hand, requires theoretical
reason, which is also bestowed on man alone. And yet, although both are unique to man, Aristotle
draws the following distinction between them:

[contemplative] life would be too high for man; for it is not in so far as he is man that he will live so, but in so far
as something divine is present in him; and by so much as this is superior to our composite nature is its activity
superior to that which is the exercise of the other kind of virtue [i. e. moral virtues]. If reason is divine, then, in
comparison with man, the life according to it is divine in comparison with human life. But we must not follow
those who advise us, being men, to think of human things, and, being mortal, of mortal things, but must, so
far as we can, make ourselves immortal, and strain every nerve to live in accordance with the best thing in us.10

As a rational animal, man is composite, his soul divided between the rational and the irrational.
Moral life, which subordinates the irrational to the rational, is the vocation of man as such. Con-
templative life, in contrast, depends on the rational part alone, and consequently does not belong
to man as such, but entails a striving for the divine and the immortal. And for that reason it is also
superior.
We can now formulate Aristotle’s position in terms more suitable for what is to follow: man
as such is limited; yet he contains within himself the unlimited. He must break free from his finite
form, allow reason to become absolute and thus transcend human life; the divine will thence
appear in and through him. It is my opinion that Kant’s anthropology is to be understood as rep-
resenting the moral way of life, whereas Hegel’s anthropology as representing life of contempla-
tion.11

2 Kant: man and moral life


Kant’s anthropology seems to be separated from his critical enterprise, and overshadowed by it.
It appears to be located in his Anthropology from a Pragmatic Point of View, the last major work he
himself edited. One can assume that Kant’s late age and state of health prevented him from doing
more than correlate his lecture notes on the subject; and because he himself claimed these lec-
tures to be on the popular level,12 the prevailing conclusion is that his anthropology is not worthy
of serious attention.13 In the next section of this paper I will argue that this approach is mistaken.

10 Aristotle, Nichomachean Ethics, translated by W. D. Ross, New York 2009, 195.
11 However, these are not to be construed as different phases in Aristotle’s philosophy, to which they are foreign. It
is but a means for their comparison.
12 I will use the following abbreviations for works by Kant: A/B: Critique of Pure Reason, edited and translated by
Paul Guyer and Allen W. Wood, Cambridge 1997. ‚A‘ and ‚B‘ refer respectively to the first and second editions of the
work. Anthr: Anthropology from a Pragmatic Point of View, in: Anthropology, History, and Education, edited by Günter
Zöller and Robert B. Louden, translated by Robert B. Louden, Cambridge 2008. CPJ: Critique of the Power of Judg-
ment, edited by Paul Guyer, translated by Paul Guyer and Eric Matthews, Cambridge 2000. CPrR: Critique of Practical
Reason, in: Practical Philosophy, edited and translated by Mary J. Gregor, Cambridge 1996. IUH: „Idea for a Universal
History With a Cosmopolitan Aim“, in: Anthropology, History and Education, edited by Günter Zöller and Robert B.
Louden, translated by Allen W. Wood, Cambridge 2008. LL: Lectures on Logic, Jäsche Logic, edited and translated by
J. M. Young , Cambridge 1992. Anthr 7:122, fn.
13 Frederick P. Van de Pitte, „introduction“, in: Anthropology From a Pragmatic Point of view by I. Kant, translated
by Victor Lyle Dowdell, Carbondale 1996, xix. Van de Pitte argument refers to Kant’s Anthropology (i. e., the text). I
hereby extend it to „anthropology“ as the science of man. For, the first contains the latter but in a popular form. And
so, a dismissal of the text is thus dismissal of the science.
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 Dan Tenne, Man and the Science of Man in Kant and Hegel   257

In the preface to Anthropology from a Pragmatic Point of View Kant, like Aristotle before him,
defines man as an „earthly being endowed with reason“.14 A systematic knowledge of such a being
is anthropology15, which „can exist either in physiological or in a pragmatic point of view“.16 Phys-
iological knowledge is concerned with what nature makes of man, whereas the pragmatic knowl-
edge is concerned with what man as „free acting being makes of himself, or can and should make
of himself“.17
Accordingly, Kant’s anthropology is to be nothing but pragmatic, cleared as much as possi-
ble from physiological knowledge: „anthropology […] is actually not yet called pragmatic when
it contains an extensive knowledge of things, for example, animals, plants, and minerals from
various lands and climates, but only when it contains knowledge of the human being as a citizen
of the world“.18
Kant’s anthropology is the study of man as citizen of the world, i. e. is conducted from a cos-
mopolitan point of view. The latter is presented in another of Kant’s popular writings, Idea for a
Universal History with a Cosmopolitan Aim.19 History, which is the narration of human actions,20
can be viewed philosophically as pursuing a hidden plan set by nature21: establishing a common-
wealth of states, each with a perfect constitution, the only condition in which man can fulfill his
vocation.22 In order to understand what the vocation of man is, we must address Kant’s „techni-
cal“ writings, in which we find the true foundation for his anthropology.
Man’s vocation is expressed systematically, albeit in a rudimentary form, in the Critique of
Pure Reason. In the „Architectonic of Pure Reason“ Kant distinguishes between philosophy as
a „school concept“, which aims at the logical perfection of cognition, and as a „cosmopolitan
concept“, which is „the science of the relation of all cognition to the essential ends of human
reason“.23 Now, of these essential ends only one can be the highest, namely, the final end of man.
And this is „nothing other than the entire vocation of human beings, and the philosophy of it is
called moral philosophy“.24
Both the cosmopolitan and the school concepts of philosophy rely on reason, as the unique
faculty which separates man from other earthly beings. Nevertheless, it is only the cosmopolitan
concept which employs it correctly: reason is not meant for speculative use, extending the logical
perfection of cognition beyond the boundaries of nature;25 the vocation of this supreme faculty,
and hence the vocation of man, is to advance morality, as expressed by the famous „primacy of
pure practical reason in its connection with speculative reason“.26
Unlike what is commonly thought, by moral philosophy Kant means more than the formula
of the moral principle presented (ch.1–2) and grounded (ch.3) in the Groundwork of the Metaphys-
ics of Morals. The latter concerns only what determines the good will as such, thereby leading to
moral actions. But for a complete moral philosophy an explanation regarding the end of these

14 Anthr 7:119.
15 Or „knowledge of the world“ (7:119, 120).
16 Anthr 7:119.
17 Ibid.
18 Ibid., 7:120.
19 Although the presentation here is popular, it echoes the technical investigation led in the Critique of the Power of
Judgment, §§ 82–86 (CPJ 5:425–445). The latter, as well as the two other Critiques, are needed for a full understanding
of the popular writings.
20 IUH 8:17.
21 Through „unsocial sociability“, IUH 8:20 (forth proposition).
22 Predestination (Anlagen), IUH 8:27 (eighth proposition).
23 A838–9/B866–867.
24 A840/B868.
25 A702/B730.
26 CPrR 5:119–122.
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258   Hegel-Jahrbuch 2018

actions is also needed. Man’s vocation is to be found in the purpose reason sets for him, subordi-
nating its theoretical interest to the practical one.
According to the Critique of Practical Reason, man aims at attaining the highest good by com-
bining virtue, as the „supreme condition of whatever can even seem to us desirable,“27 with hap-
piness, „distributed in exact proportion to morality“.28 Furthermore, the Critique of the Power of
Judgment extends this conception, so as to encompass the human race as a whole: man can fulfill
his vocation as a moral being worthy of happiness only in a cultured state (which is itself a part
of a league of nations).29
Kant’s anthropology, as the science of man, is thus identical with his moral philosophy, the
latter also understood as philosophy proper30, i. e., according to the cosmopolitan concept. This
claim is supported in Kant’s Logic. He restates there the same three essential interests which moti-
vate human reason presented already in the Critique of Pure Reason, with but one important addi-
tion; these interests, combined, form the science of man:

The field of philosophy in this [its] cosmopolitan sense can be brought down to the following questions:
1. What can I know? 2. What ought I do? 3. What may I hope? 4. What is man?
Metaphysics answers the first question, morals the second, religion the third, and anthropology the forth. Fun-
damentally, however, we could reckon all of this as anthropology because the first three questions relate to the
last one.31

And so, Kant’s philosophy as a whole is nothing but the science of man; and this is true of his
technical writings, and hence also of the popular writings which reflect them. Kant’s anthropol-
ogy is thus a pragmatic science, which studies what man ought to be, and it is conducted from a
cosmopolitan point of view. According to it, man, as an earthly being endowed with reason, is not
meant to use the latter for leading a life of contemplation. On the contrary: Kant sees himself as
reviving the genuine meaning philosophy once had: „on account of the preeminence which moral
philosophy had over all other applications of reason, the ancients understood by the name of
‚philosopher‘ first and foremost the moralist.“32
This is indeed true with regard to Socrates. And yet, as shown earlier, it does not apply to
Aristotle. The latter is represented by the philosophy of Hegel. And just like Aristotle claimed that
contemplative life surpass the life of virtue, Hegel will claim his position surpasses that of Kant.

3 Hegel: man and Life of contemplation


In his introduction to the History of Philosophy Hegel claims thus:

There is an old tradition that it is the faculty of thought which separates men from the beasts; and to this tradi-
tion we shall adhere. […] We must, however, consider it best when thought is does not pursue anything else, but
it is occupied only with itself – with what is noblest – when it has sought and found itself. […Yet] it is the case
with thought that it only finds itself in producing itself […]. These productions are the philosophic systems.33

27 Ibid., 5:110.
28 Ibid.
29 CPJ § 83.
30 Philosophy in general is thus not to be understood as divided into two separated branches, the practical (moral)
and the theoretical. Rather, it is the subsumption of the theoretical under the moral philosophy.
31 LL, 25.
32 A840/B868.
33 G. W. F. Hegel, Lectures on the History of Philosophy Part I: Greek Philosophy to Plato, translated by E. S. Haldane,
Lincoln 1995, 4–5.
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 Dan Tenne, Man and the Science of Man in Kant and Hegel   259

Man alone is capable of thought. And so, first and foremost he must use his thought to investigate
thought, i. e., engage in philosophical activity. Accordingly, it appears that Hegel’s philosophy,
much like that of Kant, is nothing but the science of man, or anthropology; for in it man studies
man as such.
And yet, although Kant described reason itself as unconditioned, he nevertheless claimed
that its embodiment in the human being is limited.34 His philosophy reflected his view that reason
can never transcend its belonging together with man’s earthly aspect. Hegel, on the other hand,
describes reason as divine. His philosophy is nothing but the liberation of reason from this earthly
limitation, and his anthropology is thus an early phase to be set aside. Consequently, Hegel claims
that Kant’s philosophy is a position reason itself will discard, as it advances towards absolute
knowledge of itself, revealed in Hegel’s philosophy.
Anthropology serves as the opening section in Hegel’s Philosophy of Mind. It is the first stage
in a long road to be traversed, and contains the germ of his final position, fully developed in the
last stage called philosophy. And so, far from being identical, anthropology and philosophy stand
as opposite poles in Hegel’s system: mind advances, through a number of consecutive stages, from
the former, its lowest grade, in which it slumbers in matter, to the latter, in which it is free and
knows itself as such. And as we shall see, Kant’s philosophy, or science of man, is an intermediate
position between Hegel’s anthropology and his philosophy.
For Hegel, man is a manifestation of the absolute mind, and must let this truth manifest
through him. Hence, the movement from anthropology to philosophy portrays man transcending
his earthly nature, shedding his limitations and gaining absolute knowledge. And this is possible
because nature herself is more than nature: it is mind in its otherness.35 Subsequently, whereas in
anthropology mind is only in itself, unaware of itself as mind, in philosophy mind is also for itself,
i. e. in full knowledge of mind.
Hegel’s anthropology succeeds his philosophy of nature, and is the first emergence of mind.
Its object is the Soul, in the Aristotelian sense36, which presents mind as yet entangled in matter.37
By presenting soul in immediate union with matter, its otherness, Hegel’s anthropology is physio-
logical as opposed to Kant’s pragmatic anthropology, which considered reason as separated from
nature, albeit limited by it. . Consequently, for Hegel, reason is still dormant (in itself), and man is
considered only a living earthly being. To become actual, and rise above its earthy manifestation,
mind must first break free from matter (become for itself), so that it can eventually master it (by
being in and for itself).
And so, the science of man in his immediate form, in which mind and matter are immedi-
ately united, is replaced with the science of consciousness (phenomenology), in which they are
opposed. For Hegel, this second phase of (subjective) mind holds Kant’s position:

[The] Kantian philosophy may be most determinately considered as having conceived the mind as conscious-
ness, and as involving determinations only of phenomenology, not of philosophy of mind. It considers I as
relation to something lying beyond […]; and it conceives both the intelligence and will solely according to this
finitude.38

For Kant, mind knows itself to be opposed to, and thus free from, matter; yet it is unable to realize
this truth. However, this is but a limited epistemological position which pertains to the I appearing
in „Subjective Mind“. The latter has its counterpart in matter, i. e. in the world outside the subject.
Kant’s view reappears therefore in Hegel’s „Objective Mind“, where the opposition between the I
and the world, or mind and matter, takes its true form.

34 CPJ § 76.
35 G. W. F. Hegel, Philosophy of Nature, translated by A. V. Miller, Oxford 1970, §§ 247–251.
36 Whereas Kant’s portrayal of man’s dual character is similar to Plato’s.
37 G. W. F. Hegel, Philosophy of Mind, translated by A. V. Miller, Oxford 1971, §§ 388–389
38 Ibid, § 415, Remark.
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260   Hegel-Jahrbuch 2018

This stage of mind is called by Hegel „Morality“,39 and considered by him the essence of
Kant’s entire philosophy: „Morality must be taken in the wider sense in which it does not mean
merely the morally good. […It] means the spiritual, intellectual in general.“40 And so, in „Moral-
ity“ man knows himself to be rational through and through, and mind is therefore Subject. And
yet, although the subject is the realization of the concept of mind, its object, the realization in the
world is missing. As a result, mind lacks truth.
The Subject is but an empty universal, reflected into itself, and distinguished from the exis-
tence of external beings.41 It is manifested in an individual man, which knows itself as rational
free being, and yet unable to fulfill himself as such: the highest good is but an idea of reason,
never to be realized, and mind is forever failing to grasp full knowledge of itself.
„Phenomenology“ and „Morality“, which appear in „Subjective“ and „Objective Mind“
respectively, present Kant’s philosophy as limited: reason finds itself in contradiction with a world
opposing it. This is the position of a finite mind:

Mind is the infinite Idea, and finitude here means the disproportion between the concept and the reality – […
it is] a semblance which the mind implicitly set up as a limitation to itself, in order, by sublating the limitation,
explicitly to have and be aware of freedom as its essence, i. e. to be fully manifested.42

For Hegel, Kant’s position is a necessary phase mind must pass through for its truth as absolute
to be revealed in Hegel’s philosophy (which is for that reason the final stage of „Absolute Mind“).
Philosophy is „the self-thinking Idea, the knowing truth, […] universally verified in the con-
crete content as in its actuality“.43 In this Idea of philosophy, the self-knowing reason is a middle
term, dividing itself into mind and nature, and reuniting them in its knowledge.44
Hegel’s words at the end of the section on „Philosophy“, which also seal Philosophy of Mind
as a whole, are a quote from Aristotle’s Metaphysics,45 a restatement of the latter’s position at the
end of the Nicomachean Ethics: man’s vocation is a life of contemplation, in which God knows
himself through the intellectual activity of man; moral life, as portrayed in Kant’s philosophy, is
hence but a necessary prerequisite.

Dan Tenne
32 Sirkin Street
Tel Aviv, Israel
dannytenne@gmail.com

39 This is Moralität, and not to be confused with the immediate successive stage of mind, „The Moral Life, Or Social
Ethics“ (Sittlichkeit).
40 Ibid., § 503.
41 G. W. F. Hegel, Philosophy of Mind, translated by A. V. Miller, Oxford 1971, § 503.
42 Ibid., § 386.
43 Ibid., § 574.
44 Ibid., § 577.
45 Ibid., 315.
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Filippo Bortolato, Padova

The Role of Aristotle’s De anima in the


Encyclopaedic Anthropology

1 Introduction
This paper addresses Hegel’s assessment of two Aristotle’s psychological works, namely De anima
and De somno et vigilia, in the section ‚Anthropology‘ of the Encyclopaedia. I want to underline the
common and different features between the authors’ theories about the role that wake and sleep
have in relation to the perceptual capacity: while Aristotle considers these states as mere physical
conditions for perceiving, Hegel revises, develops this account and affirms that waking and sleep
can also define an unitary relation that recollects each sensation and thus refers it to one and
the same subject. My goal here is to stress two key points: (1) first, the attention Hegel devotes to
the entelechy and the connections it entertains with the sensory capacity and the waking/sleep
alternation; (2) the use that Hegel makes of these connections in his argument for the definition
of consciousness.
In particular, in the first paragraph I consider the positive evaluation Hegel gives of Aristotle’s
concepts of life and soul; in the second I advance a sketchy account of the sensory capacity and
its dependence on entelechy according to Aristotle; that is, the fact that the relation of similarity
between potential and active perception relies on the identity of the organic body. The third is
devoted to Aristotle’s account of the role that alternate states of waking and sleep has in regulat-
ing the perception. The fourth paragraph examines the §§ 398 and 399 of the Encyclopaedia and
shows the different perspective that Hegel has on this topic.

2 Unity and identity of living being: entelechy in De anima


In the Lectures on history of philosophy, Hegel evaluates the entelechy as the most relevant concept
that Aristotle had developed and emphasizes the fact that this notion is explicitly used in the
natural and psychological researches; its importance consists in the peculiar aspect that entel-
echy involves: it is a relation of identity between something and its conditions of existence. 1 In
fact, an entelechy determines its conditions, and so it is capable of posing itself; conversely, the
conditions of existence depends on the entelechy, so the latter can preserve itself in the existence.
In this identity the entelechy is thus literally „purpose in itself“.
Hegel stresses the close connection between the soul and entelechy when he comments Aris-
totle’s philosophy of nature and De anima: „What he says about the soul is that it is the οὐσία, the
substance as form, indeed the form of the physical, organic body, and the body has the potential

1 Hegel comments „ἐντελέχεια […] which is energy as determined more precisely, but in so far as it is free activity and
has the purpose within itself, posits it for itself and is active in doing so – determining as determination of the goal,
realizing of the purpose. The soul is essentially Entelechy, Logos, universal determining, moving itself and giving
rise to what posits the purpose.“ G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, in: Ausgewählte
Nachschriften und Manuskripte, Hamburg 1996, 71. Lectures in history of Philosophy 1825–1826, Vol. II, Robert Brown
(ed.), New York 2006, 237.
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262   Hegel-Jahrbuch 2018

for life. […] The soul is therefore ἐντελέχεια, the efficacy of an organic physical body“.2 Hegel thus
appreciates the attempt to define the soul trough the concepts of entelechy and life; moreover, in
this passage he clearly quotes from De anima II, 2 411a 27–28 with almost the same words, while
another passage he makes reference to is De anima II 4, 415b 11–23, where Aristotle affirms that
the soul is the formal, final and efficient cause of the living being.3 Particularly, in these passages
one can find a clue of the strict relation between the metaphysical concept ‚entelechy‘ and the use
Aristotle makes of it in psychology: the soul is a structure of physical body that has the capability
of preserving itself through some processes, movements that depend on the bodily structure itself.
Now, since the sensation is a faculty based on the bodily structure of the sentient, a question
raises quite naturally: what is, if any, the connection between the soul conceived as an identity
relation and the sensory capacity?

3 T
 he structure of perceiving: entelechy and
sensation in De anima
Now I take into account the relation between perceptual capacity and the soul. The Lectures
insist particularly on the peculiar process involved in sensation; Hegel says „Aristotle also
speaks expressly about sensation. Within sensation […] there are two aspects, one being the pas-
sivity and the other according to which the sensation is in the soul’s possession“.4 He underlines
here the twofold nature of sensation: first, it is a change of state that external world makes on
the subject; but at the same time this change is retained by the perceiver and becomes a ‚soul’s
possession‘.

I suggest that this passage refers to De anima II, 5 416b 31–35, where Aristotle claims that „sensa-
tion depends […] on a process of movement or affection from without, for it is held to be some sort
of change of quality“.5 He defines better this change by saying that is a „maintenance of what is
potential by the agency of what is actual and already like what is acted upon, with such likeness
as is compatible with one’s being actual and the other potential“.6 This means that the proper
kind of change involved in sensation does not imply the loss of what something is, a becoming
another thing; on the very contrary, sensation is characterized by a relation among the mover and
what is moved. This relation is what Aristotle calls ‚to be like‘, ὅμοιον; in Metaphysics things are
said to be ‚like‘ if

have the same attributes in every respect, and those which have more attributes the same than different, and
those whose quality is one; and that which shares with another thing the greater number of attributes or the

2 Hegel, Vorlesungen, 80. Lectures, 245. About the broader concept of life, Hegel says that for Aristotle the living thing
„is its own end, is what brings forth, it brings itself forth or attains itself, and this is the [self-] maintenance of the
organic creature. What we call end or τέλος is Aristotle’s ἐνέργεια, efficacy, and ἐντελέχεια.“ Hegel, Vorlesungen, 76.
Lectures, 242. See for this F. Chiereghin, Filosofia e scienze filosofiche nell’Enciclopedia hegeliana del 1817, in: Quader-
ni di Verifiche, n. 6. Trento 1995, 442.
3 For a discussion about the meaning of soul in Aristotle see J. L. Ackrill, „Aristotle definition of psuché“. In: Proceed-
ings of the Aristotelian society, vol. 73, 1972–1973, 119–133.
4 Hegel, Vorlesungen, 83. Lectures, 248.
5 Aristotle, De anima, in: The works of Aristotle translated into English, Vol. III, W. D. Ross (ed.), London 1968, book
II, 5 416b 31–35. See for this J. Ward, „Perception and Λόγος in De anima II, 12“, in: Ancient Philosophy, vol. 8, n. 2,
1988, 217–233; and M. F. Burnyeat, „De anima II, 5“, in: Phronesis, vol. 47, 2002, 28–89.
6 Aristotle, De anima, book II, 5 417b 1–5.
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 Filippo Bortolato, The Role of Aristotle’s De anima in the Encyclopaedic Anthropology   263

more important of the attributes (each of them one of two contraries) in respect of which things are capable of
altering, is like that other thing.7

Again in Metaphysics, Aristotle notices that ‚quality‘ seems „to have practically two meanings,
and one of these is the more proper. The primary quality is the differentia of the essence […] Sec-
ondly, there are the modifications of things that move, qua moving, and differentiae of move-
ments“.8 If one refers these statements to the analysis Aristotle makes of sensation, ‚to be like‘
means reasonably that the rest state of a sense organ is similar to the active one because the
bodily structure is preserved (entelechy) against the action that external objects make on it; that
is, the acted upon stimuli state is similar to the potential one in the quality of the sense organ (first
meaning of quality, the structure, the essence that defines the organ as such), and the different
kinds of alteration (movements, second meaning of quality) are grounded on the structure of the
organ. The dynamic of perception is then guaranteed by this identity and maintenance of the
potential conditions within each actual perception, while this one is to be acted upon an external
object. Here one can notice the connection between the entelechy and the capacity to perceive:
the maintenance of the relation between potential and actual state is ensured by the identity of
the body as a living whole. Far from being mere passivity, the sensation has thus a complex and
dynamic structure which relates the perception to the entelechy of living bodies. However, in spite
of the relevance of such relation between the two capacities, Aristotle claims nothing more than
the fact that every perception is repeatable, that is, the capacity of having sensation is maintained
in and against all stimuli; thus in De anima he admits neither the fact of a spontaneous self-aware-
ness, nor any spontaneous unit of the object perceived, which could be the consequence of such
self-awareness; both awareness and unit of the perceived need of the action made up by the envi-
ronment.
I suggest that Hegel evaluates precisely this intertwinement between entelechy and sensa-
tion; he consequently seeks for a strategy that not only establishes identity of potential condition,
as Aristotle did, but also grounds the identity of the actual perceiving in the vegetative soul.

4 A
 further connection between entelechy and sensation:
the waking and the sleep states
In this paragraph I try to analyze the relation between perception and the waking and sleep states:
in De anima this nexus is simply suggested and has not any reference to awareness, while in De
somno et vigilia Aristotle claims that perception directly depends on the awake state; he also
admits an organ affected by waking and sleep, which governs the peripheral perceptive organs
and is capable of awareness.
In De anima II, 1 Aristotle defines the soul as „a substance in the sense of the form of a natural
body having the life potentially within it. But substance is actuality, and so the soul is actuality of
a body as above characterized. Now the actuality has two senses corresponding to the possession
of knowledge and the actual exercise of knowledge. It is obvious that the soul is actuality in the
first sense, viz. that of knowledge as possessed, for both sleeping and waking presuppose the
existence of soul, and of these waking corresponds to actual knowing, sleeping to knowledge
possessed but not employed.“9

7 Aristotle, Metaphysics, book IV, 1018a 15–19.


8 Aristotle, Metaphysics, in: The works of Aristotle translated into English, Vol. VIII, W. D. Ross (ed.), London 1968,
book IV, 1020a 13–19.
9 Aristotle, De anima, book II, 2 412a 20–26
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264   Hegel-Jahrbuch 2018

This confirms the dependence on the organic complexion for each superior capability; in fact,
Aristotle insists particularly on this point elsewhere, for example in De anima, book II, 4, where
he says that in material bodies the prior function is the identity relation that allows them to main-
tain their physical complexion through nutrition and reproduction and consequently, through the
organic structure, these functions regulate the other powers, sensation as well as locomotion or
thought: „the first of all we must treat of the nutrition and reproduction, for the nutritive is found
along with all the others and is the most primitive and widely distributed power of soul, being
indeed that one in virtue of which all are said to have life“.10 This remark suggests a further pos-
sible relation between the perception and entelechy: in fact, the latter grounds both the sensuous
capacity and waking. If it were, then there would be a link amid them.
In De anima this connection among capabilities is not fully developed; but, if one looks to De
somno et vigilia one finds a passage in which Aristotle discusses these two states and refers them
to the sensation; Aristotle says that „we assert that sleep is, in a certain way, an inhibition of func-
tion, or, as it were, a tie, imposed on sense-perception, while its loosening or remission constitutes
the being awake“;11 and further in the text he claims that „all [proper senses] are accompanied
by a common power, in virtue whereof a person perceives that he sees or hears a common faculty
connected in common with all the organs of sense; for there is one sensory function, and the con-
trolling sensory faculty is one“.12
What one can find here is a definition of waking and sleep with reference to the sense capac-
ity and a claim, absent in De anima, that these changes are states of one and the same organ,
αἰσθήτηριον, which is the chief part of the whole perceiving system, and thus it controls other
organs and is capable of awareness. Since waking, and sleep respectively, implies the capability
of having sensation, and its rest respectively; and since the organ affected by them is the common
part of whole perceiving system, then all other organs are active, or rest, when the animal is
awake, or asleep respectively. In fact, Aristotle claims that: „sleep supervenes when such inca-
pacity of exercise has neither arisen in some casual organ of sense, nor from chance cause, but
when, as has been just state, it has its seat in the primary organ with which one perceives object
in general“.13
In De somno et vigilia Aristotle goes far beyond the general account of the link between the
bodily structure and the sensation; moreover, I think he gives us these elements: (1) the animal is a
bodily unit capable of preserving its own identity, is entelechy; (2) the animal also possesses sen-
sation, which is a likeness relation governed by the entelechy through all perceptive states; (3) in
a way different from De anima, De somno et vigilia analyzes two conditions that occur to animals,
waking and sleep, as indispensable requisites for the active perceiving, and Aristotle argues for
the existence of a common organ capable of some kind of awareness.
Now one can ask: how much are these remarks on Aristotle’s psychology relevant for Hegel’s
theory? I claim that these are the basis for the argument he develops in the Encyclopedia.

10 Aristotle, De anima, II 4, 415a 23–24.


11 Aristotle, De somno et vigilia, in: The works of Aristotle translated into English, Vol. III, W. D. Ross (ed.), London
1968, chapter II 455a 19–20.
12 Aristotle, De somno et vigilia, chapter II 455a 15–18
13 Ibid. 455b 9–11. For some remarks about the differences between De anima and De somno et vigilia see I. Block,
„Aristotle on common sense: a reply to Kahn and Others“, in: Ancient Philosophy, vol. 8, 1988, 235–249.
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 Filippo Bortolato, The Role of Aristotle’s De anima in the Encyclopaedic Anthropology   265

5 H
 egel’s anthropological argument: junction among
sensation and waking/sleep process
Now I focus attention on the §§ 398–399 of the Encyclopedia, where Hegel deals with the relation
that waking and sleep maintain with the sensation. I present briefly the argument and make some
remarks about how Hegel uses the elements taken from Aristotle’s psychology for his own theory.
First, he recognizes that waking and sleep are natural changes in the sentient; at § 398 is said
that „When individuality distinguishes, by immediate judgment, its being for itself from its mere
being, this is the awakening of the soul, which initially confronts its self-absorbed natural life as
one natural determinacy and state confronts another state, the sleep“.14 Here Hegel considers the
difference between two affections that occur to the sentient, and each one is related to the activity
and rest of sensation: waking is joined with the manifold of action from without that occur to the
sentient and individualizes it as this singular , which maintains his own complexion through the
changes (‚to be like‘ relation between affective state and potential capacity); while the sleeping
state is the sheer being of the animal, that is, its own unitary bodily structure (entelechy); finally,
both waking and sleep are states that occur to the sentient and are included in its living process.
In the next paragraph Hegel goes into depth about this remark and makes his move:
„Sleep and waking are initially, in fact, not mere alterations, but alternating states (a pro-
gression to infinity). This is their formal, negative relationship; but in it the affirmative relation is
also present. Being is contained as an ideal moment in the being for self of the waking soul; the
determinacies of the content of its sleeping nature, where they are implicitly as in their substance,
are thus found by the waking soul within own self and, indeed, for itself. This particular material,
since it is determinacy, is distinct from the self-identity of the being-for-self, and at the same time
simply contained in its simplicity: sensation.“15
As it has been seen in De somno et vigilia, waking and sleep are state in which the sensation
is receptive and rest respectively. But Hegel exploits also the fact that the two states are related
each other by the bodily structure of the subject, which establishes identity in the living process:
waking and sleep are changes that are functional to the living being, and for this reason they
generate in a constant alternation an unit that recollects and merges all the perceptual states of
the sentient. In fact, they are respectively the condition under which the sensation itself is active,
every perception happens during the waking, and the condition that preserves sensation in its
potentiality, and this one is the sleeping state; that is: every perceptual state depends on waking;
every waking state is connected to others by the alternation with the sleep, and this process of
change is guaranteed by the organic structure of the sentient a thus is linked to it. 16 In nutshell,
Hegel extends the identity principle of entelechy from the mere preservation of the body to a rela-
tion that recollects every perceptual state into an encompassing unit by mean of the alternation
of waking and sleep.

14 G.  W.  F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830), in: Gesammelte Werke,
Düsseldorf 1992, 394. Encyclopedia of philosophical science in outline (1830), with revision and commentary by Mi-
chael James Inwood, Norfolk 2007, 62.
15 Hegel, Enzyklopädie, § 399, 68. Here Hegel links the term Empfindung to the verb Finden and I suggest that the
argument made up in these two paragraphs tries to reduce all the passive states to one and the same term of reference
common to all them. See for this M. J. Inwood, Commentary in Hegel’s philosophy of mind, New York 2010, 351.
16 Inwood suggests a similar interpretation of this passage; see ibid., 351.
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266   Hegel-Jahrbuch 2018

6 Conclusions
As I tried to point out, Hegel’s assessment of De anima and De somno et vigilia is based on an
critical evaluation of the life as entelechy and on a research about the relations that perception
entertains with it. Now, what are the consequences of this approach? It seems that, through an
rearrangement of properties that defines the animal, living being that perceives and needs to sleep
to preserve this capacity, Hegel tries to define the properties of an living being that recollects spon-
taneously the manifold of its perception under an unitary representation: that is, a living being
that is conscious to perceive. I am persuaded that the capital importance of De anima and Parva
naturalia resides in the possibility that these treatises offers: to overcome the worst consequence
of modern subjectivism, the clear-cut distinction between sensation and thought.17

Filippo Bortolato
FISPPA – Dipartimento di Filosofia, Sociologia, Pedagogia e Psicologia
applicata Piazza Capitaniato 3
Padova, Italy 35159
filippobrtl.89@gmail.com

17 For a broader contextualization of this topic see F. Bortolato, „Identità del soggetto e rapporto percettivo“, in: Re-
vista eletrônica estudos hegelianos, vol.13, n.22, 2016. If Hegel claimed that our perception is equipped with a relation
that composes all the singular stimuli in a complete representation, then his theory would be, in contemporary terms,
a form of functional theory of sensation; for this interpretation see W. A. Devries, Hegel’s Theory of mental activity,
New York 1988, 100–101; and Wolff, Das Körper – Seele – Problem, Frankfurt am Main 1992, 189–191.
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Christian Hofmann, Hagen

Weltseele oder passiver nous?


Zur allgemeinen Substanz des subjektiven Geistes

Der Mensch ist Geist und Geist ist aufgehobene Natur. Ziel des Geistes ist, wie Hegel in den Einlei-
tungsparagraphen der enzyklopädischen Philosophie des Geistes darlegt, seine Selbsterkenntnis
(§ 377) und Freiheit (§ 382), „sich zu dem zu machen und für sich zu werden das was er an sich
ist“ (§ 387 Anm.).1 Geist erkennt sich in dieser Selbstreflexion als hervorgegangen aus der Natur
und als Resultat seiner eigenen Arbeit. Wo genau aber liegt sein Anfang?
Im Folgenden werde ich zunächst auf die Grundlage des subjektiven Geistes eingehen, wie sie
v. a. in §§ 388–391 der Enzyklopädie eingeführt wird, und dabei die Begriffe der „Weltseele“ und
des „passiven nous“ diskutieren; anschließend werde ich vor diesem Hintergrund die Bedeutung
des Totalitätsprinzips für Hegels Anthropologie und Philosophie des Geistes überhaupt sowie
dessen kritisches Potential auch für die heutige Zeit erörtern.

Als erstes Moment des subjektiven Geistes bestimmt Hegel dessen „allgemeine Substanz“ (§ 391).
Seinem Begriff nach muss Geist sich als die sich aufhebende Natur und dabei als „in ihrer Con-
cretion und Totalität einfache Allgemeinheit“ (§ 388) voraussetzen. So ist Geist zunächst noch
ganz unmittelbar, er ist, wie Hegel sagt, „Seele“, die hier noch durch ihre Verwobenheit mit der
Natur bestimmt und insofern natürliche Seele ist. Die Seele versteht Hegel als Organisationsprin-
zip des Lebendigen, als das die innere Zweckmäßigkeit stiftende Moment des Organismus (GW
12, 182–184); das Lebendige wird von ihm als Idee gefasst, als Einheit von Seele und Leib (§ 216).
Dies gilt, auf der Ebene der Naturphilosophie, schon für den pflanzlichen und den tierischen
Organismus (§§ 343–376), wobei hier freilich noch keine Entwicklung zum Geist stattfindet. Auch
der Mensch kann rein physiologisch betrachtet werden, auch er ist zunächst Tier. Damit wird aber
das Eigentliche am Menschen, der Geist, noch nicht begriffen; dieser zeigt sich darin, dass er
sich als Tier zugleich weiß, dass er über seine natürliche Unmittelbarkeit hinaus ist und sich zur
Selbsterkenntnis erhebt.2
Vor diesem Hintergrund sind alle körperlichen und seelischen Funktionen als Momente einer
geistigen Einheit zu begreifen (vgl. §§ 379 f.). Die Seele verbindet das Materielle zu einem leben-
digen Ganzen und ist zugleich das einheitsstiftende Bezugszentrum jeglicher Welterfahrung. Die
Natur ist deshalb „als Seelenbestimmung des Geistes zu fassen, als Moment seiner Idealität“ (GW
25.1, 204). Und so kann Hegel sagen, dass die Natur im Geist „aufgehoben“ und Geist „die Wahr-
heit der Natur“ sei.3
Zu Beginn der Vorlesungen zur Philosophie des Geistes vom Sommersemester 1822 heißt es,
in der Nachschrift Hothos:

1 Hegel wird zitiert nach der Ausgabe der Gesammelten Werke, Hamburg 1968 ff. Soweit nicht anders angegeben, be-
ziehen sich Paragraphenangaben im Folgenden auf die Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grund-
risse in der Ausgabe von 1830 (GW 20). Desweiteren beziehe ich mich auf folgende Werke Hegels, die mit der Sigle
„GW“ und der jeweiligen Bandnummer angegeben werden: Jenaer Systementwürfe II (GW 7), Phänomenologie des
Geistes (GW 9), Wissenschaft der Logik. Zweiter Band. Die subjektive Logik (GW 12), die Enzyklopädie-Ausgaben von
1817 und 1827 (GW 13 bzw. 19) sowie die Vorlesungsnachschriften zur Philosophie des subjektiven Geistes von Hotho
(GW 25.1, 1–144) und Stolzenberg (GW 25.2, 551–917).
2 Vgl. T. S. Hoffmann, Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Eine Propädeutik, Wiesbaden 2012, 415.
3 Vgl. GW 13, § 308; GW 20, §§ 381, 388.
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268   Hegel-Jahrbuch 2018

Die Seele also ist die Wahrheit dieses Materiellen, und ist insofern das ganz Allgemeine, die Weltseele. Diese All-
gemeinheit ist aber nur die substanzielle Grundlage, nur die Möglichkeit. Die Wirklichkeit des Geistes dagegen
ist sich zu individualisiren […]. Wenn die Seele sich bestimmt, individualisirt setzt sie sich anderes gegenüber,
und auf diesem Standpunkt ist das Andere das Körperliche. Für diesen Gegensatz ist die Weltseele die Grundlage,
oder alle Erscheinungen des Gegensatzes können nicht erklärt werden, ohne die Voraussetzung der Weltseele,
dieser alles umfassenden Allgemeinheit.4

Die „Weltseele“ ist demnach „die substanzielle Grundlage“ des Geistes, dieser also insofern nur
erst als „Möglichkeit“, noch nicht als „Wirklichkeit“ gedacht, wozu es vielmehr noch einer wei-
teren Bestimmung bedarf. In dieser Grundlage ist der Unterschied von Seele und Leib, wie auch
der von Ich und Welt sowie von allgemeiner und einzelner Seele noch nicht gesetzt. Zur weiteren
Charakterisierung der Weltseele als der „unmittelbaren Substanz“ des subjektiven Geistes spricht
die zitierte Nachschrift, wie schon die Enzyklopädie von 1817, allgemein vom „νοῦϛ der Alten“.5 In
den späteren Fassungen findet sich an dieser Stelle jedoch ein expliziter Bezug zu Aristoteles (der
freilich implizit auch schon in Hothos Nachschrift in dem Begriffspaar „Möglichkeit“-„Wirklich-
keit“ anklingt), wobei Hegel dem ein entschiedenes Plädoyer für Aristoteles’ spekulativen Ansatz
und gegen die neuzeitliche Psychologie voranstellt (§ 378). So heißt es dann auch in der Vorle-
sungsnachschrift Stolzenbergs vom Wintersemester 1827/28:

[D]ie Seele ist noch der schlafende Geist, oder der passive νοῦϛ des Aristoteles, das ist das tiefste was das
Alterthum gesagt hat; der begriff denkt sich selbst, eins der begreifende νοῦϛ und der begriffen werdende, der
passiv ist, das objective, das der Möglichkeit nach alles ist; dieser pathetische νοῦϛ ist die allgemeine Substanz;
er erkennt aber, daß diese substantielle Einheit nur die Möglichkeit, nicht die Wirklichkeit der Substanz ist, er
war über die Idee des Spinoza erhoben.6

Die „allgemeine Substanz“ wird also mit der „Idee des Spinoza“ in Verbindung gebracht, jedoch
in der Weise, dass die Substanz, wie Hegel im Rückgriff auf Aristoteles und gegen Spinoza erklärt,
noch erst zur „Wirklichkeit“ zu entwickeln ist. Der Mensch erscheine in dieser Naturbestimmtheit
der Seele als „Mikrokosmus“ [sic!], und zwar im Sinne der Leibnizschen Monade: diese sei

nicht das Eins des Atoms […] sondern das Ganze; sie ist vorstellend […] überhaupt das Universum eine Totalität
die ideell ist, aber nur dunkel vorstellend; so ist also die Seele zu fassen als monade des Universums.7

Der Geist hat in dieser „dunklen“ Unmittelbarkeit am „allgemeine[n] planetarische[n] Leben“ teil,
im engen Zusammenhang mit den Veränderungen der Klimate, Jahres- und Tageszeiten (§ 392),
wie es wohl besonders für Jäger- und Sammlerkulturen und ein entsprechendes animistisches
Weltbild charakteristisch ist. Auch in Hegels Logik ist davon die Rede, dass der Anthropologie
„nur die dunkle Region überlassen werden [müsse], worin der Geist, unter, wie man es sonst
nannte, siderischen und terrestrischen Einflüssen steht“ und den Veränderungen der Natur
„in Träumen und Ahndungen“ gewahr werde (GW 12, 197).
Insofern der Mensch jedenfalls als „Mikrokosmos“ von Anfang an auf die Totalität des Uni-
versums, als auf den „Makrokosmos“, bezogen ist, scheint der traditionelle Begriff der „Weltseele“
konsequent. Jedoch findet sich bereits in der Enzyklopädie von 1817 auch eine explizite Distan-
zierung vom Begriff der Weltseele, die auch in den späteren Fassungen wieder auftaucht. In der
Ausgabe von 1830 heißt es (§ 391):

4 GW 25.1, 27.


5 Vgl. GW 25.1, 28 f.; GW 13, § 311. Möglicherweise ist hier Anaxagoras gemeint; vgl. F. Chiereghin, „Das griechische
Erbe in Hegels Anthropologie“, in: Psychologie und Anthropologie oder Philosophie des Geistes, hg. v. F. Hespe/B.
Tuschling, Stuttgart-Bad Cannstadt 1991, 9–51, hier: 38.
6 GW 25.2, 587. Ähnliche Formulierungen finden sich in GW 19 und 20, jeweils § 389.
7 GW 25.2, 597.
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 Christian Hofmann, Weltseele oder passiver nous?   269

Die allgemeine Seele muß nicht als Weltseele gleichsam als ein Subject fixirt werden, denn sie ist nur die
allgemeine Substanz, welche ihre wirkliche Wahrheit nur als Einzelnheit , Subjectivität, hat.8

Hegel greift also den Begriff der „Weltseele“ auf, verwirft ihn aber sogleich wieder,9 da er bereits
die Assoziation einer schon tätigen Subjektivität erweckt und dabei nicht zugleich ausspricht,
dass Geist erst noch zu einer solchen Subjektivität zu entwickeln ist.
Man kann die Zurückweisung des Weltseele-Konzepts als Kritik an Platons Timaios lesen, auf
den die Begriffsgeschichte der anima mundi im Wesentlichen zurückgeht. Möglicherweise findet
sich mit der Erwähnung des Weltseele-Begriffs an der Schnittstelle von Natur und Geist aber auch
eine erneute Kritik an Schelling. Denn mehr noch als Hegel (der ansonsten von der „Weltseele“
wohl nur in einer berühmten Briefstelle mit Bezug auf Napoleon spricht10) hat Schelling diesen
Begriff aufgenommen, 1798 sogar eine naturphilosophische Schrift Von der Weltseele verfasst.
Schelling scheint hier das antike Konzept der Weltseele als eine „historisch überkommene, ‚sach-
lich‘ durchaus angemessene Metapher [zu] verwende[n] und sich dabei der verbleibenden Inad-
äquanz dieser Terminologie bewußt“11 zu sein, so dass er damit das die natürliche Welt zusam-
menhaltende Prinzip bezeichnet, das diese in ihren mannigfaltigen Kräften zu einem einzigen
Organismus verknüpft. Das Universum wird zur Totalität durch das „Band“ der Weltseele, dessen
Wesen Einheit in der Vielheit der Dinge ist:12

Die streitenden Kräfte zugleich in der Einheit und im Conflict vorgestellt, führen auf die Idee eines organisiren-
den, die Welt zum System bildenden Princips. Ein solches wollten vielleicht die Alten durch die Weltseele
andeuten.13

Der Begriff der „Weltseele“ wird in der gleichnamigen Schrift selbst und auch in Schellings
anderen naturphilosophischen Schriften nur an wenigen Stellen erwähnt. Jedoch spricht Schel-
ling vom „ewige[n] Band“ der „allgemeine[n] Seele, durch die das Weltall beseelt wird“, auch
noch während seiner Arbeit an den Weltaltern;14 J. Jost zufolge dient die Idee der Weltseele auch
dem späten Schelling sogar noch als „Mittel […], seinen Monismus aufrechtzuerhalten“.15
Wie dem auch sei: Auch wenn sich der Bezug zu Schelling für die Enzyklopädie rein historisch
gesehen nicht belegen lassen sollte, erscheint mir dieser Zusammenhang für die Anthropologie
jedenfalls systematisch gesehen interessant, nämlich die Tatsache, dass Hegel als Grundlage des
menschlichen Geistes eine unmittelbare Totalität einführt, die der Unterscheidung von Subjekt und
Objekt vorausgeht und die zugleich (worauf noch einzugehen sein wird) die notwendige Bedingung
dafür ist, dass sich alle Entzweiungen letztlich aufheben lassen, die aber nicht in der Weise der
Identitätsphilosophie zu fassen ist. Interessanter als die Kritik an Platon erscheint mir die Frage,
inwieweit Hegel von einem solchen Konzept unbestimmter Totalität ausgeht, in dem der (hier noch
ganz „präreflexive“) Geist immer schon als das Bezugszentrum aller Weltverhältnisse gedacht ist.

8 Vgl. GW 13, § 309; GW 19, § 391.


9 D. Stederoth betont „die Vorsicht, mit der sich Hegel gegen ein Weltseelen-Konzept wendet, wenn er sagt, die
‚allgemeine Seele müsse nicht als Weltseele fixiert werden‘, denn er könnte ebensogut sagen, daß sie das nicht dürfte
[…]“; die Weltseele brauche Hegel zur Bestimmung der Seele als Mikrokosmos (Stederoth, Hegels Philosophie des
subjektiven Geistes. Ein komparatorischer Kommentar, Berlin 2001, 122).
10 Vgl. Hegels Brief an Niethammer vom 13.10.1806 in Briefe von und an Hegel, hg. v. J. Hoffmeister, Hamburg 1969,
Bd. 1, 119–121, hier: 120.
11 H. R. Schlette, Weltseele. Geschichte und Hermeneutik, Frankfurt am Main 1993, 186.
12 Vgl. F. W. J. Schelling, Von der Weltseele, eine Hypothese der höheren Physik zur Erklärung des allgemeinen Organis-
mus. Nebst einer Abhandlung über das Verhältnis des Realen und Idealen in der Natur, in: Schellings Werke, hg. v. M.
Schröter, München 1958, Bd. 1, 413–651, hier: 430 f.
13 Ebd., 449.
14 Schelling, „Die Weltalter. Bruchstück“, in: Schellings Werke, a. a. O., Bd. 4, 571–720, hier: 628.
15 J. Jost, Die Bedeutung der Weltseele in der Schelling’schen Philosophie im Vergleich mit der platonischen Lehre,
Bonn 1929, 53 f.
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270   Hegel-Jahrbuch 2018

Bereits in Aristoteles’ De anima heißt es, „dass die Seele gewissermaßen die Gesamtheit der Dinge
ist“16, nämlich der Form oder dem eidos nach. Der passive nous ist „der Möglichkeit nach Alles“
(§ 389), er ist, um ein aristotelisches Beispiel zu gebrauchen, wie eine leere Schreibtafel, auf der noch
nichts geschrieben steht, auf der aber alles Mögliche geschrieben werden kann.17 Ebenso ist Hegels
Naturseele „die Totalität“, aber noch als „von der allgemeinen Natur nicht getrennt und so nur natür-
liche Totalität“ (GW 25.1, 208). In Anknüpfung an eine Feststellung Schellings, dass „Metaphysik“
„auf dem Sinn für Totalität“ beruhe18, kann man insofern mit Hegels Anthropologie sagen, dass der
Geist bzw. die Seele von Anfang an Totalitätssinn ist, wenn zunächst auch noch ganz unmittelbar.
In diesem Zusammenhang erscheint es mir fruchtbar, sich an Hegels Jenaer Auseinanderset-
zung mit Schellings Identitätsphilosophie zu erinnern. Beide arbeiteten 1801–03 eng miteinan-
der zusammen und wie Schelling suchte Hegel nach einer Theorie, welche alle Dualismen und
das moderne Bewusstsein der „Entzweiung“ in einem monistischen Modell aufzuheben vermag,
welches auf Totalität und auf das Absolute hin angelegt ist.19 Vor diesem Hintergrund sind auch
Hegels Konzepte der Natur und des Geistes zu verstehen; diese – und auch seine Anthropologie20 –
gewannen jedenfalls Gestalt in einer Zeit, die noch stark durch die Auseinandersetzung mit Schel-
ling geprägt war, wobei sich Hegel in seinen eigenen Systementwürfen immer mehr von dessen
Ansatz entfernte. Anders als in der auf die Indifferenz von Geist und Natur abzielenden Identi-
tätsphilosophie wird Geist von Hegel nun als aufgehobene Natur und sich entwickelnde Totalität
verstanden, die erst in der Selbsterkenntnis ihr Ziel erreicht. Während für Schelling die Einheit
letztlich nur durch „intellektuelle Anschauung“ zu erfassen ist, setzt Hegel sie (als „Indifferenz“21)
zwar ebenfalls voraus, holt sie dann aber als begriffene in konkreter Form ein. Berühmt ist freilich
die in der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes geäußerte Kritik an der Identitätsphilosophie:
letztere gebe ihr Absolutes für die „Nacht“ aus, „worin, wie man zu sagen pflegt, alle Kühe schwarz
sind“ – dies aber sei bloß „die Naivität der Leere an Erkenntniß“ (GW 9, 17). Das Absolute müsse
vielmehr als Geist und somit nicht bloß als Substanz, sondern auch als Subjekt begriffen werden.
Dennoch hat auch das als Subjekt verstandene Absolute eine substantielle Grundlage, ohne die
dieses nicht das Absolute wäre. Denn „[d]as Gesamtverhältnis ist die Totalität, das Ganze, an dem
Substanz und Subjekt nur Momente sind“.22 Die Substanz ist auf der Ebene von Hegels Anthropo-
logie die „natürliche Seele“. In der Sprache Schellings ist sie gleichsam der „Indifferenzpunkt“ von
Geist und Natur, der als solcher noch völlig unbewusst ist und in dem beide Seiten in unmittelbarer
Einheit zusammenfallen. Für Hegel ist diese unbestimmte Totalität die Grundlage des Menschen.
Der weitere Verlauf der Philosophie des Geistes ist nun einer der weiteren Bestimmung und Dif-
ferenzierung; aber Geist bleibt zugleich immer auch an sein Ausgangsmoment gebunden bzw. er
kehrt zu diesem in aufgehobener Form zurück. Schon das erste „Erwachen der Seele“ in der Indi-
vidualität kennt freilich immer noch die andere Seite, nämlich die des Schlafs; dieser aber ist „als
Rückkehr aus der Welt der Bestimmtheiten“ in die Substanz zu verstehen (§ 398).
Schließlich kann die gesamte Philosophie des subjektiven Geistes, in ihren Stufen der
„Anthropologie“, „Phänomenologie“ und „Psychologie“, so verstanden werden, dass auf der
ersten Stufe der Geist (als „Seele“) noch an die unmittelbare Totalität der allgemeinen Substanz
gebunden bleibt, während diese in der Reflexion des Bewusstseins, d. h. auf der Stufe der „Phä-
nomenologie“ des Geistes, verlorengeht, da hier der abstrakte Gegensatz von Bewusstsein und
Bewusstseinsgegenstand nicht überwunden wird. Erst die „Psychologie“, die es mit dem „Geist“

16 Aristoteles, Über die Seele, = Ders., Werke in deutscher Übersetzung Bd. 13, Darmstadt 1959, 431b21 f.
17 Vgl. ebd., 430a1.
18 Schelling, „Über das Wesen deutscher Wissenschaft. Fragment“, in: Schellings Werke, a.  a.  O., Bd.  4, 377–394,
hier: 385.
19 Vgl. z. B. Hoffmann, Hegel, a. a. O., 132 ff.; W. Jaeschke/ A. Arndt, Die Klassische Deutsche Philosophie nach Kant.
Systeme der reinen Vernunft und ihre Kritik 1785–1845, München 2012, 548 ff.
20 Vgl. Chiereghin, „Das griechische Erbe“, a. a. O., 10.
21 Hegel selbst verwendet den Begriff der „Indifferenz“ in diesem Sinne zumindest noch 1804/05 (vgl. GW 7, 139).
22 Hoffmann, Hegel, a. a. O., 231.
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 Christian Hofmann, Weltseele oder passiver nous?   271

im engeren Sinne zu tun hat, schließt die Reflexion wieder mit der seelischen Totalität zusammen,
so dass „das Recht der Totalität erneut zur Geltung gebracht wird“.23 „Geist“ ist also nicht bloß
Bewusstsein, sondern immer auch Totalitätsinn; die Totalität geht dabei der Spezifikation voraus,
letztlich bedarf es jedoch beider: Reflexion und Totalität müssen zusammenkommen, um Geist
zu verwirklichen. Totalitätssinn ohne Reflexion ist bloß ein „dumpfes Weben“ (§ 400), Reflexion
ohne Totalität hingegen bleibt ein sich entfremdeter Geist.
So muss z. B. die moralische Subjektivität zur Totalität der sittlichen Substanz übergehen (die
sich geschichtlich wiederum im Ausgang von den jeweiligen natürlich-geographischen Bedingun-
gen entwickelt – vgl. §§ 393 f., 548), um aus dieser heraus eine vernünftige Verwirklichung lebens-
weltlicher Freiheit hervorzubringen. Der endliche Geist muss schließlich in den absoluten Geist
übergehen, um in dieser Totalität Formen hervorzubringen, in denen die falsche „Bescheidenheit“
des Verstandes überwunden wird (§ 386 Anm.) und sich so erst der Anspruch des Geistes auf wahr-
hafte Unendlichkeit erfüllt. Der Totalitätssinn ist aber bereits anthropologisch fundiert: die „natürli-
che Seele“ bleibt in aller Besonderung „die durchdringende identische Idealität“ des Geistes (§ 389).

Geist ist demnach wesentlich durch zwei Momente geprägt: er ist die substantielle Einheit als die
er sich vorfindet, ebenso ist er aber wesentlich Negativität. Sein Ziel ist die in sich entwickelte
Totalität, nicht die substantiell-abstrakte, sondern die konkrete Allgemeinheit. Das „Wahrhafte[]
des Menschen“ (§ 377) ist deshalb die Selbsterkenntnis des Geistes als konkrete Subjektivität, die
im Zusammenhang mit ihrer substantiellen Grundlage zu denken ist. In letzterer ist bereits ange-
legt, dass der Mensch immer schon auf Totalität hin ausgerichtet und nicht etwa auf partikulare
Bestimmungen zu reduzieren ist. Hierin liegt nun m.  E. ein kritisches Potential für die heutige
Bestimmung des Menschen:
Da der Mensch von vornherein als psychosomatische Einheit gedacht wird, die als passiver
nous bereits ihre Realisierung im Geist intendiert, sind sowohl dualistische als auch naturalisti-
sche Konzeptionen zurückzuweisen. Der Mensch ist letztlich nicht als ein isoliertes und von einer
„Außenwelt“ geschiedenes Bewusstsein, sondern von vornherein als weltverbunden und als Teil
der Natur zu betrachten, gleichzeitig aber auch als immer schon über die Natur hinaus seiend.
Ebenso sind alle Ansprüche zurückzuweisen, denen zufolge der Mensch ein unfreies, dingliches
und auf seine Endlichkeit zu reduzierendes Wesen ist und nicht schon von Anfang an auf wahr-
hafte Unendlichkeit und Freiheit hin angelegter Geist.
Die Bedeutung des Totalitätssinns besteht somit gerade auch in dem hierin gründenden
Nicht-Festgelegtsein auf Endliches. Dies ist dem Geist auf der Stufe der natürlichen Seele zwar
noch nicht bewusst, durch die begriffliche Aneignung der Totalität aber wird die Überwindung
aller endlichen Bestimmungen möglich. Denn Geist kann von allem Äußerlichen abstrahieren
(§  382), er kann sich gegen alles Gegebene wenden und dieses auf eine höhere Totalität hin
transzendieren. Negieren lässt sich somit auch eine abstrakte Totalität, in der der Geist noch nicht
als in einer wahrhaft freien, konkreten Form bei sich selbst sein kann. Adornos Satz „Das Ganze
ist das Unwahre“24 lässt sich dann entgegnen: „Der Sinn für das Ganze ist, ebenso wie die Negati-
vität, eine notwendige Bedingung der Verwirklichung von Freiheit“.

Dr. Christian Hofmann


Hochkreuzallee 68
53175 Bonn
christian.hofmann@mail.de

23 Ebd., 422.
24 T. W. Adorno, Minima moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben, = Ders., Gesammelte Schriften Bd. IV,
Frankfurt am Main 1980, 55.
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Ulrich Fritz Wodarzik, Lampertheim

Hegels Geistmetaphysik mit Blick auf Plotins


Seelenproblematik
„Den Menschen allen ward zuteil, sich selbst zu
erkennen und vollständig zu denken.“1

1 D
 er metaphysische Ort des subjektiven Geistes in der
Enzyklopädie
Will man Hegels Geistmetaphysik, insbesondere Hegels Philosophie des subjektiven Geistes ver-
stehen, dann ist man gut beraten, wenn man zu seiner Enzyklopädie greift, ohne dabei die Phä-
nomenologie des Geistes und die Wissenschaft der Logik zu übersehen. In seinen drei Entwürfen
der Enzyklopädie schließt sich Hegel immer mehr den Neuplatonismus an, der durch Plotin und
Proklos seine spätantike Vollendung erfuhr. Hegel vertiefte dabei das typisch triadische Denken
der Neuplatoniker, indem er die Bewegung des Begriffs, als das Denken der Idee in den Vorder-
grund setzte. Das Ganze seiner systematischen Philosophie ist durch das dialektische „Gesetz
der Trias“2 bestimmt, ein technischer Ausdruck, der vielleicht den Begriff Trinitätsspekulationen
besser charakterisiert. Jenes Gesetzt nahm in Hegels Denken in seiner Wirkmächtigkeit immer
mehr zu, und so ist es auch heute, wie es die neueren Forschungen belegen.3
Der Seelenbegriff steckt in den triadischen Strukturen der Philosophie des Geistes. Die Anth-
ropologie oder die Seele4 erforscht den Teil der geistigen Tätigkeit des Menschen, der mit der
lebendigen und individuellen Körperlichkeit verbunden ist. „Der Geist ist als die Wahrheit der
Natur geworden.“ (10, 43)5 Phänomene des Geistes, etwa das Bewusstsein in seiner Reflexion,
oder die „Gewissheit seiner selbst; die unmittelbare Identität der natürlichen Seele“ (10, 199), wie
der theoretische,6 praktische und der freie Geist als Wille selbst, sind weitere drei Entwicklungs-
stufen. Man erkennt daran sehr schön, wie sich der objektive Geist mit seiner Trias7 an den sub-
jektiven Geist anschließt. Der Selbstbezug der Seele im Rahmen der Hegelschen Geistmetaphysik
beginnt bei der subjektiven Geisttriade als eine Entwicklungsstufe der Geisttrias8 als Vollendung
nach Natur und Logik. Diskursiv gliedert sich diese Ureinheit in die einzelnen, selbst triadisch
zergliedernden Momente, wie eine Art rekursive „Triadizität“.9 Die Entwicklung, kraft dieser tria-

1 Heraklit, Fr. 116.


2 Ich übernehme diesen Begriff, d. h. „Gesetz der Trias“ von Herrn Werner Beierwaltes, Denken des Einen, Frankfurt
am Main 1985, 208.
3 Ich denke an die bahnbrechenden Arbeiten im deutschsprechenden Raum von den Herren Werner Beierwaltes
und Jens Halfwassen.
4 Bezeichnung von Hegel in seiner Vorlesung Philosophie des subjektiven Geistes, vgl. GW 25.1.
5 G.  W.  F. Hegel wird zitiert nach der Werksausgabe in 20 Bänden, Frankfurt/M, 1986: (Band, Seite); die kursive
Schreibweise in den Zitaten stammt von Hegel.
6 Den theoretischen Geist differenziert Hegel tief in triadische Strukturen, vgl. Enz.. § 445, Zusatz am Ende.
7 Recht-Moral-Sittlichkeit.
8 Subjektiver –, objektiver – und absoluter Geist.
9 Hegel nennt das zuweilen auch Triplizität.
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 Ulrich Fritz Wodarzik, Hegels Geistmetaphysik mit Blick auf Plotins Seelenproblematik   273

dischen Strukturen im Hegelschen Sinne, kann man gut durch den Satz verstehen: „was an sich
Geist ist, auch für sich Geist werden soll“.10 Der Mensch an sich, so z.  B. das Neugeborene ist
immer schon Geist, aber er soll sich dessen auch bewusstwerden. Er soll sich unter allen natürli-
chen Umständen zu dem machen, was er eigentlich ist, d. h. sich vergeistigen. Die Anthropologie
und die Seele bilden ein erstes Moment in der Trias des subjektiven Geistes, weitere Entwicklungs-
zustände sind die „Phänomenologie des Geistes“ und „Der in sich bestimmende Geist, als Subjekt
für sich, der Gegenstand der Psychologie“.11 Die Seele bezeichnet Hegel pointiert mit Naturgeist:
„Der erste Teil also ist der Geist als Naturgeist, auf der zweiten Stufe ist der Geist in Relation auf
Andere, auf der dritten als reiner Geist in Relation nur mit sich selbst.“12 Die Trias „Anthropologie.
Die Seele“ gliedert sich in die natürliche-, die fühlende- und die wirkliche Seele. Diese einzelnen
Momente der Seelentrias differenzieren sich noch weiter. Man staunt über Hegels anthropologi-
sche Kenntnisse und die Fülle der Beispiele und der einzuordnenden Phänomene. Die berühmte
Phänomenologie des Geistes von 1807 ist „nur“ ein Moment in der Unterttriade des subjektiven
Geistes geworden. Die Hegelforschung hat sich daran mit und ohne Erfolg abgearbeitet.13
Seele ist die Idee der Einheit eines lebendigen Wesens, wie es der Mensch ist. Die Seele als
Geistseele hat Plotin zufolge ihren Ursprung im Geist, dem seienden Einen und dieses ist das Eine
in uns, das im diskursiven Denken als Einheit neben den Vielheiten erscheint. Diese gedankliche
Annahme des unum in nobis als ein Faktum der Vernunft,14 verhindert jeden skeptischen Angriff,
ferner jeden möglichen Regress oder auch Progress des Weiterbegründens im Sinne der schlech-
ten Unendlichkeit. Der subjektive Geist ist selbst nur ein Moment der Geisttrinität, und diese ist
ein Moment der Ur-Trinität Logik-Natur-Geist.15 Diese drei Teile der Enzyklopädie sind nacheinan-
der von Hegel in seiner berühmten Darstellung fixiert: Logik steht für das „ewige Sein Gottes vor
der Schöpfung“, Natur steht für die „Entäußerung“ der göttlichen Idee im Naturprozess und Geist
steht für die Rückkehr des Göttlichen aus seiner notwendigen Entäußerung zu sich. Es ist eine
Art Begriffskreisprozess, der die dialektische Dynamik expliziert.16 „Wir sehen im Ganzen drei
Sphären voneinander unterschieden, bestimmt so, dass sie τρίάς sind, jede ist zugleich wieder
das Ganze dieser Momente, es sind verschiedene Ordnungen der Erzeugung.“ (19, 475)
In der neuplatonischen Tradition hat die Ur-Trias die Gestalt Sein-Leben-Geist, die das dia-
lektische Gesetz der Trias formal-sprachlich darstellt. Eine Textstelle aus der Proposition 70 der
Elemente der Theologie des Proklos soll das explizieren: „Denn zuerst muss z. B. das Sein da sein,
danach Lebewesen und dann Mensch. Also ist etwas kein Mensch mehr, wenn das Vernunftver-
mögen es verlässt, es bleibt allerdings atmendes und wahrnehmendes Lebewesen. Wird es wiede-
rum vom Leben verlassen, dann bleibt noch das Seiende, denn auch, wenn jenes nicht mehr lebt,
ist das Sein noch da. Dasselbe gilt für alle anderen Fälle.“17

10 Vgl. I. Fetscher, Hegels Lehre vom Menschen, Stuttgart 1970, 29.


11 Enz. § 387 oder (10, 38).
12 GW 25.1, 9.
13 Vgl. das lesenswerte Buch von Jens Rometsch, Hegel Theorie des erkennenden Subjekts – Systematische Untersu-
chungen zur enzyklopädischen Philosophie des subjektiven Geistes, Würzburg 2007.
14 Wie ich es nennen will.
15 Diese Trias war bei den Alten: Logik-Physik-Ethik und geht auf Xenokrates zurück. Sie wurde von Kant vehement
verteidigt, vgl., Beginn der Vorrede zu: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Für Physik nimmt Hegel den umfassen-
deren Begriff Natur, wie auch für Ethik den Geistbegriff. Damit geht Hegel über Kant hinaus.
16 Drei Polaritäten werden dreimal durch eine Mitte vermittelt. Man denke an einem gleichseitigen Dreieck, in dem
eine Ecke die gegenüberliegende Strecke vermittelt. Man erinnere sich an das Fragment vom göttlichen Dreieck bei
Hegel (Rosenkranz).
17 Vgl. E.-O. Onnasch und B. Schohmakers, Proklos, Theoretische Grundlegung (griechisch-deutsch), Hamburg 2015,
83.
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274   Hegel-Jahrbuch 2018

2 P
 lotins Hypostasen-Hierarchie und die Seele. Lineare
oder zyklische Dialektik?
„Somit hat Platon gewusst, dass aus dem Guten der Geist und aus dem Geist die Seele hervor-
geht.“18 Im Sinne der Selbsterkenntnis zeigt Plotin in der Enn. V 3 mit Emphase seine tiefe Über-
zeugung, dass die Seele als die den Menschen bestimmende Denkkraft über ihre eigene Grenze
ihres diskursiven Denkens hinausgehen muss, um auf ihren eigenen Ursprung zu stoßen. In der
Selbsterkenntnis wird sich die Seele ihrer Herkunft durch den Geist, den wirksamen Nous, der
nach dem Einen kommt, bewusst und begreift ihren „Grund und macht sich durch einen Einungs-
prozess mit ihm ihr eigentliches Selbst bewusst“.19 Die jeweils intensivere Seinsweise von Einheit,
anstelle der Vielheit ist die höhere oder ursprünglichere in ihrer wertvolleren Verwirklichung. Das
heißt der Einheitsgedanke ist vorherrschend, wie es die Vernunft fordert. Bei Plotin ist die Seele
ein Abbild des Geistes der ein Abbild des unerreichbaren Guten oder Einen ist. Er unterscheidet
im höchsten und vollkommensten Bereich drei Stufen oder Hypostasen: Hen, Nous und Psyché,
wobei unter Psyché das Seelische oder auch das Leben schlechthin zu verstehen ist. Gemäß der
Enn. V 1, 8–9 gilt: I. Das Eine („to hen“) ist das absolute Eine oder der ursprungslose Ursprung
(„a-pollon“). Es ist seins- und denktranszendent nur negativ erreichbar. (1. Hypothese des Parme-
nides) II. Das „hen-polla“, Plotin nennt es „Eines Vieles“, ist das seiende Eine, das „to hen on“ und
wird als Geist bezeichnet (2. Hypothese des Parmenides). III. Das „hen kai polla“ steht für Eines
und Vieles, und das ist bei Plotin die Seele (3. Hypothese des Parmenides). Diese ontologische
Reihenfolge, die sich an den Platonischen Parmenides orientiert, ist nicht zyklisch, wie bei Hegels
Triplizität im Sinne des Dreischritts. Bei Plotin liegt somit eine lineare Ordnung oder Hierarchie
von Vielheit zur Einheit vor. Um das Eine metaphorisch zu fassen, stelle man sich einen Erkennt-
niskegel vor; um das undenkbare Eine „zu fassen“, muss der einzige Apex, d. h. die Kegelspitze
„nach oben“ verlassen werden. So ist der Zielpunkt in unendlicher Ferne entrückt und damit im
eigentlichen Sinne unerreichbar. Damit ist Plotins dialektische Methode angesprochen. Die Basis
des Ereigniskegels bilde die Mannigfaltigkeit der Materie; von der kann aufgestiegen werden,
indem man immer mehr von sich wirft. Tu alle Dinge fort (ἄφελε πάντα), postuliert Plotin,20 um
zum Absoluten aufzusteigen. Es stellt sich sofort die Frage: wie kann Seintranszendentes über-
haupt irgendwas bewirken? Eine Deutung der individuellen Seele wie in der Anthropologie gibt
es bei Plotin nicht und damit auch keine seelischen Reflexionen in Ansehung der Verfasstheit der
Gegensätze des Wirklichen. So blieb dem Neuplatonismus „der Gedanke der unendlichen Sub-
jektivität, und diese als absolute Freiheit, als Ich verschlossen“.21 Der Sache nach hat Plotin wohl
als erster begriffen, dass sich die Ursprungsproblematik in einer triadischen Ordnung denken
lässt, also das absolute Eine, der Geist und die Seele. Nur hat er offengelassen, ob diese triadi-
sche Ordnung linear oder kreisförmig zu denken ist. Durch seine Stufenordnung der Hyposta-
sen scheint Plotin eine lineare Ordnung mit einem unerreichbaren Letzten vorzuziehen. Hegel
favorisiert mehr die zyklische Ordnung des Proklos. So entstehen zwei verschiedene dialektische
Methoden.
Für Hegels Denken waren drei Themenkomplexe maßgebend: Die Platonische Ideenlehre
und die Dialektik, die Aristotelische Seelenlehre und Theologie22 und die neuplatonische Ein-

18 Vgl. W. Beierwaltes, Das wahre Selbst, Frankfurt 2001, 19.


19 Ebd., 99, kursiv im Original. Das Denken des Absoluten ist als das Denken seiner selbst vorstellbar. Mein Sein ist
mein Denken.
20 Enn. V 3, 17, letzter Satz. ἄφελε πάντα drückt die Dialektik Plotins in maximaler Kurzform aus.
21 Die Hegelstelle ist entnommen aus W. Beierwaltes, Platonismus und Idealismus, Frankfurt am Main 2. Aufl. 2004,
170, mit Bezug zu Hegel.
22 Vgl. das Aristoteles-Zitat am Ende der Enzyklopädie, „νοήσεως νόησις“.
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 Ulrich Fritz Wodarzik, Hegels Geistmetaphysik mit Blick auf Plotins Seelenproblematik   275

heitsmetaphysik.23 Trotzdem wirft er Plotin vor, mit „bunten Bildern“ (19, 463) zu argumentieren.
Wie kann das Hen geben, was es selbst nicht hat, und warum bleibt es nicht bei sich, d. h. warum
gibt es außer ihm überhaupt noch etwas? Erst Proklos transformierte diese Ideen in ein zyklisches
Denken, indem er auf genuine platonische und aristotelische Gedankengänge zurückgriff, ohne
dabei das absolute Eine als Einheit stiftendes zu verleugnen.24 Die triadische Struktur der Ideen
erkannt zu haben, ist Hegel zufolge die größte Leistung des Neuplatonismus. Hegel interpretiert
Plotins Geistmetaphysik mehr subjektivitätstheoretisch.25 Der Geist (nous) ist das seiende Eine
und hat eine prinzipiell-triadische Struktur, wie Plotin in der Enn. V 3 es darstellt.26 „So bringt die
Trias Sein-Leben-Denken [das dialektische Gesetz der Trias, U. F. W.] das Wesen des reinen Seins
als sich selbst denkendes Denken in der Drei-Einheit von ursprunghafter Einheit, Selbstunter-
scheidung in die Vielheit und Rückkehr der Vielheit in die Einheit.“27 Erkennen kann nur der, der
sich selbst als Geist geistig wahrnimmt, nachdem er ins Sein getreten ist, d. h. existiert, lebt und
über seinen eigenen Zweck und Wert nachdenkt.28
Über Plotin schreibt Hegel: „Der ganze Ton seines Philosophierens ist ein Hinführen zur
Tugend und zur intellektuellen Betrachtung des Ewigen und Einen, als der Quelle derselben. Und
er geht dann insofern ins Spezielle der Tugend, um die Seele von Leidenschaften […] zu reinigen.“
(19, 439) Den tiefen Gedanken der plotinischen Seelenmetaphysik betont Hegel: „Die Seelen aber
in der Welt sind dem Höheren verwandt. Wie sollten sie also von diesem abgeschnitten sein?“ (19,
440) Jede Einheit als ein Begriff oder gedachte Idee ist nur dann eine konkrete Einheit, wenn sie
Gegensätze belässt, aushält und zusammenführt. Die triadisch-dialektische Methode bei Hegel
ist anders, über Plotin schreibt er: „Er ist nicht dialektisch.“ (19, 463) In nicht zu übertreffenden
Weise bringt es Herr Halfwassen auf den Punkt: „Für Hegel geht das Denken nur aus sich heraus,
um zu sich selbst zurückzukehren, aber es geht niemals über sich selbst hinaus wie bei Plotin.“29

3 Z
 um neuplatonisch-triadischen Strukturprinzip:
μονή – πρόοδοζ – ἐπιστρoφή
„Am Anfang der Darstellung steht immer das reine Phänomen, das als solches hingenommen und
geschaut werden muss, um erst im Anschluss an diese Schau ‚begriffen‘ und durch das Begreifen
dialektisch bewegt zu werden. Diese phänomenologisch-dialektische Bewegung muss man mit-
vollziehen, wenn man Hegels Lehre vom Menschen verstehen will.“30 Bei den Neuplatonikern
wird der Ursprungsgedanke Platons eigens hervorgehoben. Das Gute ist über alles und in Allem,
als ein Überseiendes.31 Wenn das Eine (im Sinne des Hervorgangs in die Existenz) oder das Gute

23 Vgl. Beierwaltes, Denken des Einen, a. a. O. (Anm. 2), 223.


24 Ich meine damit „Die triadische Struktur der Kausalität“, wie sie in den Prop. 25–49 in den Elementen der Theolo-
gie des Proklos dargestellt wird. Dazu Onnasch/ Schohmakers, Proklos, a. a. O. (Anm. 17), Einleitung, XLVII.
25 Vgl. J. Halfwassen, Hegel und der spätantike Neuplatonismus. Untersuchungen zur Metaphysik des Einen und des
Nous in Hegels spekulativer und geschichtlicher Deutung. Hamburg 2005, 2. Aufl., 382–385.
26 Plotin, Enn., V 3, 5 +6. Diese zentrale Stelle der Geisttrinität in den Enn. V 3 zitiert auch Hegel, vgl. (19, 453). Die
drei Momente sind ineinander verschränkt, jedes Moment enthält die beiden anderen in der Art einer Perichorese.
J. Halfwassen spricht explizit vom „Selbstbewusstsein als triadische Einheit“, vgl. Halfwassen, Hegel, a. a. O. (Anm.
25), 373.
27 Ebd., 132 und die Anm. 147 dort.
28 Als ein Gleichnis: Wie kann ich die Wurzel einer Pflanze begreifen ohne den Vorgang des Blühens und des Über-
gangs zur Frucht.
29 Halfwassen, Hegel, a. a. O. (Anm. 25), 381, kursiv im Original.
30 Fetscher, Hegels Lehre vom Menschen, a. a. O. (Anm. 10), 18.
31 Vgl. Platons, Politeia, 509 b.
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276   Hegel-Jahrbuch 2018

Platons (im Sinne der Rückkehr als Wert)32 als ein Unbegreifliches begriffen wird, dann zerfällt
das Eine in die xenokratische Trias: Logik  – Physik  – Ethik.33 Sie ist isomorph zur Trias Logik-
Natur-Geist, die in der Enzyklopädie weiter in Untertriaden ausdifferenziert ist. Der Urgrund all
dieser Triaden ist die neuplatonische triadische Struktur, d. h. das dialektische Gesetz der Trias:
μονή  – πρόοδοζ  – ἐπιστρoφή34 als Momente des Geistes. Diese Trias ist uns durch spekulative
Selbstoffenbarung gegeben, wie wir bei Hegel nachlesen können.35 Ausgedrückt seien die drei
zeitlosen Geist-Momente, auch als „Dreiheit von Weltordnungen“ bezeichnet,36 in meiner Inter-
pretation: A. Existenz, Einheit, Logik, den in sich bleibenden Gedanken, d. h. Sein an sich (μονή).
B. Werden, Vielheit, Natur als Abfall des göttlichen Gedankens von sich selbst, d. h. Leben für
sich (πρόοδοζ). C. Wert, Versöhnung, d. h. Geist oder Ethik an-sich-und-für-sich (ἐπιστρoφή). Die
Isomorphie dieser neuplatonischen Modelltriade und Hegels Begriffstriplizität ist offensichtlich.
Die Gestalt der Wahrheit scheint eine gesetzmäßig triadische Struktur zu besitzen.37 Der zen-
trale Begriff der Selbstoffenbarung hat nicht bloß in religiösen Kontexten Bedeutung, sondern
insbesondere in der Philosophie des Geistes, Enzyklopädie § 383: „Der Geist offenbart daher im
Anderen nur sich selber, seine eigene Natur; diese besteht aber in der Selbstoffenbarung. Das
Sichselbstoffenbaren ist daher selbst der Inhalt des Geistes und nicht etwa nur eine äußerlich
zum Inhalt desselben hinzukommende Form […].“ (10, 28). Diese genuine Begriffsstruktur ist das
entscheidende Substrat einer systematisch-paradigmatischen Philosophie und bildet eine Grund-
struktur unser logischen, natürlichen und geistig-freiheitlichen Wirklichkeit. Es ist die Einheit der
Idee in drei Sphären. „Wir sehen im Ganzen drei Sphären voneinander unterschieden, bestimmt
so, dass sie τρίάς sind, jede ist zugleich wieder das Ganze dieser Momente, es sind verschiedene
Ordnungen der Erzeugung.“ (19, 475) Wir haben so, I. Bestimmung des unvermittelten obersten
Prinzips, II. Phänomenale Entäußerung dieses Prinzips in der Natur und III. Die Stellung des Men-
schen als Geist und seine freiheitlich vermittelte Bestimmung zu seinem Ursprung. „[Es ist] der
Idee wesentlich, sich zu entäußern und aus der Entäußerung in sich zurückzukehren, [daher] ist
das Wissen des Geistes von der Idee zugleich das Wissen der absoluten Idee von sich selbst, d. h.
es ist die Selbsterkenntnis des Absoluten als Geist.“38 Geist bezeichnet nach Hegel die konkret frei
zu sich selbst gekommene, d. h. sich selbst erkannte Idee. Wir wissen, wenn wir wahrnehmen,
dass wir wahrnehmen, aber wir können nicht wahrnehmen, dass wir wahrnehmen. Die Wahr-
nehmung der Seele geht bis in unsere geistige Tätigkeit und von dieser zurück in die bewusste
Wahrnehmung. In mehreren Enn. behandelt Plotin die Seelenproblematik.39 Der Geist bestimmt
die Seele und die bestimmt die Materie (mens agit molem).

32 Mein Gedanke ist dabei: Hervorgang geht in Existenz oder Verursachung über (Negation des An-sich-sein oder
des Verharrens), Rückkehr zum Ursprung (log. Idee). Der Rückkehr-Begriff kann nur sinnvoller Weise mit dem Begriff
Wert oder Versöhnung (Ethik) umschrieben werden (als zweite Negation).
33 Siehe noch einmal Anm. 15.
34 Durch Plotin vorbereitet und von Proklos systematisiert, vgl., „Die triadische Struktur der Kausalität“, Proklos,
Elemente der Theologie, a. a. O. (Anm. 17) die Propositionen 25–49, insbesondere 31! Hier sieht man eine sprachliche
Darstellung des dialektischen Gesetzes der Trias. Keine deutsche Übersetzung kann diese Grundstruktur verflachen
oder gar verfälschen, dazu ist sie zu eindeutig!
35 „Wir haben überhaupt die Idee zu betrachten als göttliche Selbstoffenbarung, und diese Offenbarung ist in den
drei angegebenen Bestimmungen zu nehmen.“ (17, 216)
36 Beierwaltes, Platonismus, a. a. O. (Anm. 21), 183.
37 „Wahrheit kann mit Geist oder Idee identisch gesetzt werden.“ Vgl. ebd., 161.
38 Vgl. J. Halfwassen, Hegel und der spätantike Neuplatonismus, 2. Aufl. 2005, 102, kursiv im Original.
39 Alle drei Enn.: IV 3, IV 4 und IV 5 haben den Titel Probleme der Seele. Hier ist ein Zusammenhang mit meinem
Arbeittitel zu konstatieren. Ferner zur Seele, IV 7: Die Unsterblichkeit der Seele, IV 2, IV 1: Das Wesen der Seele, IV 6, 8,
IV 9: Die Einheit der Einzelseelen. I 1: Was das Lebewesen sei und was der Mensch?
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 Ulrich Fritz Wodarzik, Hegels Geistmetaphysik mit Blick auf Plotins Seelenproblematik   277

4 Schlussfolgerungen
Die Unterschiede zwischen Plotin und Hegel sind unübersehbar, doch mit Proklos scheint Hegel
geistesverwandt zu sein.40 „Die Philosophie des Geistes hat den Geist als unser inneres Selbst zum
Gegenstande, – weder das uns und sich selbst Äußerliche noch das sich selbst schlechthin Inner-
liche, [sondern] unseren Geist, der zwischen der natürlichen Welt und der ewigen Welt steht und
beide als Extreme bezieht und zusammenknüpft.“ (11, 517) Das einzige und wahre Ziel der Seele
bei Plotin bedeutet das Eine zu berühren, indem man alle Gegensätze von sich lässt. Bei Hegel
bleibt dagegen die Seele ein Moment der Selbsterkenntnis des subjektiven Geistmoments. Das
unerreichbare Eine gibt es bei Hegel nicht. Wie ist Selbsterkenntnis möglich, wenn das Selbst
alles von sich weisen soll beim Aufstieg zum Einen? Bei Plotin gilt die Seele als eine Hypostase
des Geistes, bei Hegel dagegen, ist sie eine diskursive Zustandsform41 neben der Phänomenologie
und der Vernunft des subjektiven Geistes. Bei Plotin ist das Eine nichts von dem, dessen Ursprung
es ist; das Eine ist seins- und denktranszendent. Es ist, da nichts von ihm ausgesagt werden kann,
nicht „seiend“, nicht „Sein“, nicht „Leben“. Es ist über dieses alles hinaus.42 Diese Aussage ist für
Hegel ein unakzeptabler Gedanke, aber er ist von Plotin gedacht und damit seinem Inhalt und
seiner Geltung nach im Modus des Denkens. Das Sein des Geistes ist reine Selbstverwirklichung,
dagegen ist die Seele auf Gegenständliches bezogen in ihrem Einen und Vielen. Die Position der
Seele bei Hegel, tief in seinem Trialismus43 versteckt, hat eine völlig andere gedankliche Topolo-
gie, als die plotinische Seele, die als eine Sprosse seiner „Hypostasenleiter“ fungiert. Für Hegel
gilt, dass Sein mit dem Denken identisch ist, und so schließt er sich mehr Aristoteles an, als an
Plotin. Bei Plotin ist das Eine das unerreichbare göttlich Transzendente, bei Aristoteles ist das
Denken des Denkens. Weil also das Denken im Sinne des Parmenides reines Sein bedeutet, ist das
Denken des Seins das höchste Göttliche. Diesen Gedanken favorisiert Hegel, indem er ihn mit dem
dialektischen Gesetz der Trias verbindet. „Hegel hat demnach den eigenen Grundgedanken, dass
Sein konkret nur als sich selbstbegreifendes Denken sein kann und nur dieses Selbstbegreifen
des Begriffes absolute Idee zu werden imstande ist, in Plotins erstes Prinzip hineinprojiziert.“44
Weil für Hegel eine Wirklichkeit ohne aktive Vernunft nicht denkbar ist, transformiert er das Hen
Plotins rigoros nach seinem eigenen Gedankengang. Demnach denkt das Eine, weil es Sein ist, als
Geist. Für Hegel gilt nur das unum in nobis, d. h. das Eine in uns, denn nur dieses ist denkend für
uns am Anfang. Ich sage: der Mensch ist das Denken des Geistes, was auch seine Wahrheit und
seinen Wert ausmacht. Das Selbstdenken ist dann die Trinität Gedachtes-Denkakt-Denker,45 also,
wenn man so will wieder die Ur-Trinität Sein-Leben-Geist. Fetscher spricht in diesem Zusammen-
hang von der Dreiteilung des Menschen, sie steht im Hegelschen System am Anfang der Philoso-
phie des Geistes. Im Nous sind Sein-Leben-Denken fest verbunden. Das dialektische Gesetz der
Trias weist jede Einseitigkeit oder Antagonismus prinzipiell zurück. Eingebildete Mystik, Sehn-
sucht nach dem Einen und das in einseitiger Weise, ist mit dieser dialektisch-zyklischen Methodik
ausgeschlossen. Das gilt für jede Stufe in der Triadik, sei es in der Natur, der Logik oder auch bloß
im subjektiven oder objektiven Geist. Das allein scheint mir die wesentliche Stärke des hegel-
schen Systems zu sein. Plotin setzt eine lineare „Hypostasenleiter“ voraus, die mit dem absoluten

40 Ausführlich dazu Beierwaltes, Platonismus, a. a. O. (Anm. 21), 144–153 und J. Halfwassen, Hegel, a. a. O. (Anm. 25),
dort 5. und 6. Kapitel.
41 „Die Vollzugsform der Seele ist Dianoia: das Hindurchdenken durch die vom Nous dargebotenen Noemata, die sie
voneinander abhebend aufeinander bezieht, weil sie immer schon von dem fortblickt, was sie eigentlich sieht, und
deshalb das Noeton selbst als solches nicht erfasst.“ Vgl. K. H. Volkmann-Schluck, Plotin als Interpret der Ontologie
Platons, Frankfurt am Main 1966, 50.
42 Plotin, von mir paraphrasiert, vgl. Enn. III 8, 10.
43 Bezeichnung von mir, in scharfer Zurückweisung jeder Dualismus-Spielart.
44 Beierwaltes, Platonismus, a. a. O. (Anm. 21), 147.
45 Enn. V 8, 4, 31–37. „Eines wird also zugleich sein: denkender Geist, Denken und das Gedachte.“ Enn. V 3, 5.
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278   Hegel-Jahrbuch 2018

Einen46 beginnt, Hegel favorisiert eine zyklische Anordnung. Der eine beginnt mit einem undenk-
baren Hen und der andere basiert sein Denken auf das Kreismodell, das tatsächlich anfangslos
ist, d. h. unvermittelt und zugleich vermittelt.47 Bei Hegel ist die Idee freie Subjektivität, die ihre
Bestimmungen aus eigner Ursprünglichkeit selbstständig setzt und nicht wie bei Plotin aus einem
unbegreiflichen absoluten Ursprung erst ins Sein kommt. Die denkende Seele ist der existierende
Begriff; aber in ihrem Vollzug wird sie des Ganzen verlustig, weil sie Vieles und Eines will.
Beide Denker begegnen sich im spekulativen Denken, aber ihre dialektischen Methoden sind
verschieden und daher auch ihre Theorien der Seele, was hier aus Platzgründen nicht weiter dar-
gestellt werden kann. Dialektik ist Entfaltung des Seins im oder als Denken und denkt Wirklich-
keit als konkrete Einheit von Gegensätzen. Dergestalt, dass jeder Pol das ist, was er ist, durch sein
Nichtsein des anderen. Ergänzen sie sich zu einem Ganzen, dann sind die Gegensätze konträr,
aber nicht kontradiktorisch. Beide Gegensätze haben ihren eigenen Wert und Anspruch auf unge-
störte Existenz. Bei Plotin sind die absolut einheitlichen Ideen ein Produkt des Hen. Für Hegel
ist die Identität von Sein und Denken offenbar das alleinige absolute Maß. Der Intellektualismus
Plotins ist nicht vollendet, was aber Hegel für sich beansprucht. Der Geist und das Hen fallen für
Hegel zusammen, d. h. er hält das oberste plotinische Prinzip im Grunde für entbehrlich und führt
so Plotin auf die aristotelische Konzeption zurück.48 Hegel will es auch nicht hinnehmen, dass der
Abstieg von dem Einen nicht denkbar sein soll, denn das unvermittelte Sein der logischen Ideen
„ist anfangs zwar da, kommt aber erst zu sich, dadurch, dass es aus sich heraustritt, alles andere
‚aufhebt‘ und wieder zu sich zurückkehrt“.49

Dr. rer. nat. Ulrich Fritz Wodarzik


Gotenweg 11
D – 68623 Lampertheim
wodarzik@gmx.de

46 Es ist nichts von dem, dessen Ursprung es ist, d. h. weder Geist noch Seele. „Plotins Gedankengebäude“ ist wie
ein Seinskegel und wird „zugleich ‚dekonstruiert‘: aus dem Einen (Hen) zum Geist (Nus) und zur Seele (Psyché) hin“
als „Hypostasenleiter“. Vgl. W. Beierwaltes, Das Wahre Selbst, a. a. O. (Anm. 18), 10.
47 Beim Kreis ist jeder Punkt auf der Peripherie Anfang und Ende zugleich. Ferner sei auf das dialektische Verhältnis
beim Kreis hingewiesen: es gibt einen Mittelpunkt und die durch die Radien vermittelten unendliche vielen Punkte
auf der Kreisperipherie, die aber wiederum durch die Radien zum einzigen Zentrum weisen. Man stelle sich ein Rad
vor: die Speichen vermitteln zwischen der Achse und Felge.
48 Vgl. V. Schubert, Plotin, München 1973, 14 f.
49 Ebd., 17. Wohin denn sonst? Jeder unendliche Regress oder auch Progress der in die Unbestimmtheit landet, wird
durch das Kreisdenken verhindert. Der Kreis wie auch die Sphäre ist endlich und unendlich zu gleich. Auch bei Nietz-
sche gilt der Gedanke: Das Unendliche ist nur zyklisch zu denken und „krumm ist der Weg zur Ewigkeit“ Mir scheint,
das war auch Hegel Grundgedanke seines philosophischen Systems.
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Jean-Marie Lardic, Nantes

Que connaît l’anthropologie?


Si l’esprit acquiert dans la Philosophie de l’esprit la connaissance de ce qu’il est et se réalise ainsi
en devenant pour soi ce qu’il est en soi, l’Anthropologie revêt un statut bien particulier puisque
l’âme sur laquelle elle porte ne connaîtra jamais d’elle-même ce que nous en connaissons et
demeurera dotée toujours d’une étrangeté certaine. On peut même se demander qui connaît l’âme
puisqu’elle n’a jamais cette connaissance de soi par laquelle l’esprit s’identifie à soi en se diffé-
renciant d’autre chose et d’abord de la nature. Mieux encore, la question est de savoir que connaît
alors l’anthropologie où l’esprit naturel, terme par lequel Hegel désigne l’âme, semble receler une
redoutable ambiguïté à laquelle répondent d’ailleurs le „sourd tissage“ de sa vie sensitive et les
abîmes de ses états inconscients. Tout semble s’y retrouver, et l’âme est d’ailleurs une sorte de
tout, aussi bien dans son ancrage corporel que dans les éléments psychiques qui s’y fondent déjà.
Mais en même temps elle n’est peut-être rien, vouée à être médiatisée par l’avènement du sujet et
l’avenir de l’esprit.
De ce caractère singulier, étrange, il faut rendre compte, en comprenant comment, assumant
ou idéalisant le caractère étranger et l’altérité de la nature, l’âme n’est pourtant pas étrangère à
l’esprit, mais permet plutôt à celui-ci de se faire chez soi chez l’autre, c’est-à-dire liberté. Dans le
cheminement de cette libération, l’anthropologie constitue le moment de l’immédiateté média-
tisée du point de vue spirituel, tandis que, par opposition à la nature, elle appartient bien déjà
au régime de l’esprit où tout est médiation et où s’assume la contradiction. D’ailleurs on ne peut
séparer vraiment les moments de l’esprit.
La nouveauté de l’anthropologie encyclopédique, dans le rôle que Hegel lui assigne par
rapport aux formulations antérieures du système, peut ainsi aussi faire comprendre l’originalité
de la philosophie hégélienne de l’esprit, qui définit celui-ci comme esprit humain, dans sa corpo-
réité, très loin du sujet transcendantal.

Pourquoi consacrer à l’âme comme „esprit naturel“ cette anthropologie, d’abord absente des for-
mulations systématiques de Nuremberg ? La suppression de la nature dans l’esprit qui s’en dégage
comme sujet et s’en différencie, l’idéalisant par la conscience qu’il en prend, ne suffisait-elle donc
pas ? L’extériorité du genre entraîne certes la négation et la reprise par un universel présent à soi
par sa connaissance, au lieu de la violence mortelle exercée sur l’individu par la puissance du
genre. Mais en quoi alors l’esprit doit-il reprendre en soi des déterminations naturelles et témoig-
ner d’une présence à soi d’abord comme immédiateté spirituelle, universalité, mais abstraite car
totalité indivise encore ou obscur puits sans fond ? C’est que, pour permettre la conscience du
sujet relevant de la phénoménologie et la manifestation de l’esprit, devait se constituer, dans
l’idéalisation de la nature, l’intériorité d’une instance propre comme le terrain sur lequel se dis-
tinguerait le sujet et sans laquelle il n’y aurait plus rien, à cause de la négation de la nature, mais
qui au contraire soit tout. „L’âme est en soi la totalité de la nature ; en tant qu’âme individuelle,
elle est une monade ; elle est elle-même la totalité posée de son monde particulier, en sorte que
celui-ci est inclus en elle“ comme l’indique l’Encyclopédie1. L’âme est tout, moment substantiel à
cet égard, voire monade. Bref, au lieu d’en rester à la mort de la nature, signe de la finitude de l’in-
dividu par rapport à son genre qui n’accède à la présence à soi que dans l’esprit conscient, la vie de
l’esprit montre que sa négativité est aussi productrice du Soi. Même si celui-ci est, comme moment
premier, encore grevé de l’immédiateté d’être en soi, il est sous le sceau de l’universel, l’âme qui

1 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse, Hamburg 1992, § 403, 402. Ency-
clopédie des sciences philosophiques en abrégé, trad. B. Bourgeois, Paris 1988, 201.
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280   Hegel-Jahrbuch 2018

recèle tout en elle témoignant de la présence à soi de cet universel par la sensation même où tout
s’origine. Celle-ci est d’abord envisagée comme l’ancrage initial, présence de l’esprit de manière
encore passive, trouvée (Empfindung), non élaborée par lui. D’où une universalité très différente
de ce qui, au sein de la nature dominée par l’extériorité à soi du genre, relativise l’individu, dans
l’immédiateté de son idée, à cette nature à l’intérieur de laquelle il est situé (Encyclopédie § 374).
Ici c’est au contraire la nature qui est dans l’âme, „concept existant“ (Encyclopédie § 403), toujours
présent à soi, pour-soi, en quelque sorte, mais seulement en-soi, car l’âme ne devient vraiment
pour soi qu’au moment de se faire sujet ou conscience.
Cette universalité se marque déjà dans la sensation par la distinction qui s’y opère et écarte
toute confusion avec le donné immédiat d’une âme qui serait réifiée. Ainsi : „la nature universelle
de l’individu pourvu d’une âme se montre en ce que, dans les modes déterminés du sentir, il n’est
pas lié à quelque chose de singulier, mais embrasse une sphère de singularités. Si au contraire je
ne pouvais voir que du bleu, cette limitation serait une qualité de moi-même. Mais, puisque, par
opposition aux choses naturelles, je suis l’universel qui est auprès de lui-même dans la déter-
minité, je vois du coloré en général, ou plutôt, toutes les variétés du coloré. “2 Indication d’une
distance vis-à-vis de l’immédiat, l’universalité de la sensibilité nous met sur la voie de l’appro-
priation, et la différenciation par laquelle l’âme qui ressent fait siennes les déterminations et
influences qu’elle intériorise progressivement la dote d’un monde particulier dont la richesse n’a
encore d’égal que l’obscurité. Si elle est déjà l’esprit, l’âme n’est en effet pas encore la conscience.
Pourtant, dans la différence constitutive de la sensibilité de l’âme par rapport à la teneur de
ses affections (elle n’est pas saturée du bleu mais peut exprimer toute couleur), dans la position
en soi de ses déterminations individuelles comme ses sentiments, s’annonce déjà le procès phéno-
ménologique par lequel le sujet se différenciera de l’objet et émergera la conscience. La distinction
première de l’âme par rapport à la nature, au lieu de la seule suppression de celle-ci par l’esprit,
rendra possible, par la médiation anthropologique, la division du sujet et de l’objet au sein de ce
milieu où celle-ci a identité propre, dotant alors le sujet d’un sens, l’objet d’un matériau et les
deux d’une signification idéelle. Comme l’indique le § 4183 en parlant des „déterminations rele-
vant des sentiments“, elles sont „le matériau de la conscience, l’élément substantiel et qualitatif
que l’âme dans la sphère anthropologique est et trouve dans elle-même“4. Cet aspect substantiel
de l’âme était nécessaire pour le devenir-sujet : „Étant, en tant qu’âme, dans la forme d’une acti-
vité substantielle, [l’esprit] est maintenant la réflexion-en-soi effective en relation avec cette subs-
tantialité comme avec son négatif.“5. Certes l’âme n’est qu’un moment, qui n’existe pas comme
tel. Mais justement tout s’y trouve, car les moments de l’esprit ne se laissent pas séparer. L’âme
permet donc, dans le procès par lequel l’esprit supprime dialectiquement la nature, de garantir
ce qui se conserve de sa vie naturelle, transformée et transfigurée par elle, retenant même ce
qui n’est plus par la magie de la mémoire et transformant par l’habitude les usages du corps en
organes de l’esprit. „Seconde nature“ alors et vive que celle-ci, ou plutôt vivifiante, contrairement
à l’habitude mortifère qui dans la nature conduit l’individu à sa perte, la sclérose et l’extinction de
l’activité6. L’appropriation et la libération qui scandent la vie de l’âme permettent cet accès à soi.
La conscience se donne objet, ou assume la subjectivité en soi dont témoignait l’âme qui devient
par là vraiment pour soi comme objet elle-même, accédant à ses propres yeux à ce dont elle était
porteuse dans le „sourd tissage“ de l’esprit, pour-soi encore en-soi avant que l’esprit ne la fasse
vraiment accéder au pour-soi, mais en sortant de soi dans la phénoménologie.

2 G. W. F. Hegel, System der Philosophie 10, Stuttgart-Bad Cannstatt 1965, § 401 Z., 128–129. Encyclopédie des sciences
philosophiques en abrégé, trad. B. Bourgeois, Paris 1988, 449.
3 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse, Hamburg 1992, 424. Encyclopédie
des sciences philosophiques en abrégé, trad. B. Bourgeois, Paris 1988, 224.
4 Ibid.
5 Ibid., 422, 221–222.
6 Ibid., § 375 et § 410.
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 Jean-Marie Lardic, Que connaît l’anthropologie?   281

En s’anticipant dans l’âme qui lui fournit la substance de la conscience de soi et de toute sa
vie ultérieure (les sensations se retrouvant dans les plus hautes fonctions de l’esprit et celles-ci
étant déjà mêlées aux premières étapes de l’âme immergée dans l’affectivité) l’esprit hégélien
se différencie par sa richesse et sa concrétude des analyses transcendantales kantienne et fich-
téenne. C’est en effet de l’âme qu’est sourdement tissé le maillage de l’esprit et l’abstraction de
l’opposition du Moi fichtéen au non-Moi sera évitée à la phénoménologie comme à la psychologie
hégéliennes ensuite. D’où le surgissement de l’anthropologie dans l’Encyclopédie, contrairement
aussi aux Philosophies de l’esprit d’Iéna plus marquées par un schème phénoménologique. Ce qui
ne veut pas dire que diminue l’enjeu de celui-ci, qui, en position médiane dans l’Encyclopédie se
voit doté d’une signification très importante. Michelet certes, dans sa reformulation de la Philo-
sophie de l’esprit de 1840, ne parlera que des deux instances anthropologique et psychologique,
sous prétexte qu’avec l’esprit nous ne sommes plus dans le domaine de la séparation de l’en-soi
et du pour-soi. Mais justement, si la saisie pour soi de ce qu’est en soi l’esprit exige certes l’an-
crage anthropologique, elle ne peut se dispenser de son accomplissement dans le mouvement
phénoménologique global permettant le surgissement et la manifestation du pour-soi de l’esprit.
Il convient néanmoins d’insister désormais sur un autre point.

Outre le rapport de la nature et de l’esprit, l’anthropologie marque celui de l’esprit à soi, qui définit
l’âme comme immédiateté de l’esprit, portant la naturalité que celui-ci supprime à l’intérieur de
soi. Mais cette présence est obscure, comme la vie de l’âme, totalité psychique encore indéter-
minée. L’extériorisation seule apportera différenciation et clarification à l’intérieur de soi entre soi
et la nature ou sa nature, monde extérieur et intérieur ressenti, préparant le chemin à la conscience
objective et la conscience de soi. Mais cette extériorisation est d’abord liée au corps. L’extériorité
qu’il donne au sentiment, après l’avoir communiquée par les sensations, la reprise du corps par
l’habitude qui le transforme en organe et image de l’âme, libèrent celle-ci de sa détermination
naturelle en la dotant d’une seconde nature, lui permettant d’être chez soi en habitant son corps
(wohnen/Gewohnheit). Témoignant d’une activité subjective, l’habitude corporelle achemine vers
l’objectivité sous la domination d’abord inconsciente de l’esprit subjectif. Au fur et à mesure que
l’âme se corporéise, maîtrisant le corps et s’affirmant en l’affirmant par une vraie Aufhebung ne le
faisant pas disparaître, elle se fait esprit, son effectivité la transformant d’abord en conscience.
Si l’anthropologie néanmoins ancre dans l’âme le procès qui mène à la manifestation de l’es-
prit, c’est par l’appropriation d’un corps qui n’est pas celui de l’animal, mais qui est idéalisé en
soi-même et dont l’idéalisation signe la limite de l’âme en sa réalisation effective pour permettre
la médiation et donner sens à la conscience de soi. Cette corporéisation qui définit l’effectivité de
l’âme permet par suppression dialectique de l’opposition l’émergence de la conscience et accom-
pagne le cheminement de l’esprit jusque dans ses plus hautes fonctions. En disant alors la nature
humaine de l’esprit, l’anthropologie hégélienne dévoile le sens de la philosophie de l’esprit selon
une analyse propre, sinon à réconcilier le centre et la gauche du hégélianisme, comme le disait
Michelet, du moins à rappeler à sa droite que la manifestation de l’esprit se traduit dans le corps
et que le devenir-esprit d’une âme médiatisée passe par une corporéisation authentique (Verleibli-
chung). D’ailleurs la conscience de soi nécessite une extériorisation qui requiert d’abord celle de
l’âme dans et par le corps, ou plutôt comme corps, âme corporelle.
Le corps signifie certes que „l’âme individuelle est en soi déjà fermée sur soi“7. Et l’âme ne
s’oppose à l’extériorité du monde que si la corporéité indissociable de l’intériorité qui est sienne
lui donne d’abord un monde intérieur doté d’un contenu fini par les différents sens. Mais cette
clôture et l’intériorité de l’âme au corps sentant témoignent que l’esprit n’y est pas encore pour soi
ni chez soi, et le devenir effectif de l’âme comme esprit encore immédiat implique sa séparation de

7 G.  W.  F. Hegel, System der Philosophie 10, Stuttgart-Bad Cannstatt 1965, §  410 Z., 242. Encyclopédie des sciences
philosophiques en abrégé, trad. B. Bourgeois, Paris 1988, 511.
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282   Hegel-Jahrbuch 2018

cet „être immédiat“8 placé alors comme corporéité en face d’elle. L’âme ayant „séparé d’elle-même
sa corporéité auparavant immédiatement identique avec elle“9, l’esprit ne peut devenir pour lui-
même qu’en s’opposant la matérialité du corps et le monde extérieur que celui-ci donne à l’âme10.
Mais, loin de magnifier par cette opposition un sujet dominant face à ce corps objectalisé comme
la pensée classique, la dialectique de l’habitude permet la suppression de l’immédiateté de la
corporéité elle-même et l’idéalisation du corps acheminant l’âme à la conscience en exerçant „la
force de son idéalité à même l’être corporel ainsi libéré en son immédiateté“11. Par l’appropriation
du corps qui le transforme en vraie extériorisation de l’âme, l’habitude libère l’esprit, qui n’est
plus occupé par les déterminités ni dispersé dans les sensations mais rendu indifférent, voire
inconscient, vis-à-vis d’elles par le savoir-faire ou le mécanisme garantissant „l’assujettissement
de cette corporéité à la domination de l’âme“. Le „fait de se rendre ainsi maître de la corporéité
constitue la condition de la libération de l’âme, de son accession à la conscience objective“12. Si
l’âme qui s’est réfléchie en elle-même comme Moi a projeté hors d’elle-même la corporéité comme
„quelque chose qui lui est étranger“13, pourtant le corps n’est pas en soi „quelque chose qui m’est
étranger“14, et l’habitude qui dépouille le corps de cette étrangeté permet libération et maîtrise,
l’âme étant chez elle en lui. Mais alors, l’esprit n’étant „pour lui-même qu’autant qu’il s’oppose
ce qui est matériel“ comme sa „corporéité propre ‚ou comme‘ monde extérieur en général“, l’être
de la corporéité ainsi différencié se trouve reconduit à „l’unité avec soi (de l’esprit) médiatisée
par l’opposition et par la suppression de celle-ci“15. Au lieu de l’identité immédiate d’une âme
corporelle se trouve posée l’unité de l’âme et du corps, celui-ci étant reconnu dans son droit, et
l’activité de l’âme ne pouvant être définie de façon „simplement négative“ à son endroit. Mais,
par sa libération grâce à la corporéisation qui donne au corps sa signification spirituelle dans
sa différence avec l’organisme animal, c’est le destin de l’âme devenue „effective“ par sa propre
suppression dialectique en l’esprit qui se joue. Permettant la conscience objective, le processus de
l’habitude, présent même dans les activités les plus hautes de la pensée, créé les conditions d’une
conscience ne pouvant plus être présupposée dans son immédiateté, puisqu’elle dépend de l’être-
posé d’une unité par laquelle l’âme effectue son „insertion formatrice“16 dans le corps. En s’appro-
priant ce qui n’était que possession intérieure immédiate, par extériorisation dans le corps auquel
elle s’identifiera par delà sa différenciation, l’âme qui fait sien son corps se libère de sa naturalité
pour s’affirmer et l’affirmer. Associant donc la corporéisation de l’âme par l’habitude à l’effectivité
pleine de cette âme qui permet l’émergence de la conscience de soi et la libération de l’esprit, l’an-
thropologie indique que la négation dialectique n’implique aucune séparation radicale du corps
et que les étapes de la phénoménologie et surtout de la psychologie, comme l’acheminement vers
l’esprit absolu ne cautionnent aucun spiritualisme. Au contraire, la culture se trouve associée à
la présence de ce corps formé, transformé, et par là supprimé, mais dialectiquement, et donc pas
abandonné de l’âme, celle-ci ayant en lui „relation infinie à elle-même“17. Ce qui donne accès à la
conscience en son unité posée avec le corps par l’extériorisation de ce qui était d’abord son monde
intérieur.
Ne peut-on pas dire d’ailleurs que tout est habitude, de la sensation à la pensée ? L’habitude
de la pensée évite ainsi la fatigue qu’elle engendre, le mal de tête ! Et l’esprit „objectif“ montrera

8 Ibid., § 412.
9 Ibid., § 410 Z., 242, 511.
10 Ibid., § 410 Z., 242, 512.
11 Ibid., § 410 Z., 242, 511.
12 Ibid., § 410 Z., 242, 511.
13 Ibid., § 412 Z., 253, 518.
14 Ibid., § 410 Z., 242, 511.
15 Ibid., § 410 Z., 242, 512.
16 Ibid., § 412 Z., 253, 517.
17 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse, Hamburg 1992, § 412, 421. Encyclo-
pédie des sciences philosophiques en abrégé, trad. B. Bourgeois, Paris 1988, 220.
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 Jean-Marie Lardic, Que connaît l’anthropologie?   283

comment assumer la corporéité lorsque, par exemple, le moment de l’opposition dans le rapport
des sexes se trouve supprimé de sorte que la subjectivité se retrouve dans l’universalité grâce
à l’activité propre permettant de réaliser une „unité qui n’est qu’à avoir d’abord été produite“.
C’est ainsi que „le rapport acquiert dans la famille sa signification“ „spirituelle et éthique“18 pour
Hegel, qui évoquera des déterminations reprises et accomplies dans le cadre encore une fois d’une
„seconde nature“, mais instituée alors par l’activité de l’homme dans le sens de la Sittlichkeit.
L’objectivation témoignant de la maîtrise du sujet dans ce cadre n’a donc de sens qu’ancrée dans
l’âme corporéisée permettant de saisir concrètement le sens de l’activité humaine.

Le domaine de l’esprit absolu témoigne ultimement de cette prégnance corporelle. Ainsi l’art clas-
sique, où la figure humaine dont l’anthropologie a souligné la spécificité radicale par rapport
à l’animal, permet l’expression d’une liberté dans les dispositions du corps humain. Quel sens
auraient sculpture ou peinture, sans être ancrées dans cette dialectique d’une intériorisation et
d’une extériorisation donnant à l’affectivité et au sentiment comme à la sensation leur plein épa-
nouissement ? Si l’art nous déleste d’une certaine matérialité, il permet aussi d’assumer la sen-
sibilité. Dès lors c’est bien le sens humain de l’esprit qui s’affirme, car l’esprit qui revient à soi se
comprend, devient pour soi et ne saisit par là que son propre cheminement à partir de ce qu’il était
en soi comme un pour-soi encore étranger à soi. Mais en se dépouillant seulement de l’immédia-
teté de son être, l’esprit s’accomplit en son essence humaine. Il se montre comme sujet ou esprit
absolument et non pas comme un être absolu, car le moment substantiel de l’esprit comme âme a
permis, par sa négation dialectique, de dégager le sens de cette subjectivité de l’esprit, dans son
activité de se faire, bref de se libérer.

Pr. Dr. Jean-Marie Lardic


5A Chemin de Bonneville
F – 44300 Nantes
jean-marie.lardic@univ-nantes.fr

18 Ibid., § 397, 394, 192.


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Claude Thérien, Trois-Rivières

Contribution à l’esthétique des sensations


Un parallèle entre l’idée d’une „physiologie psychique“ chez Hegel et la notion
de „corps de l’esprit“ chez Valéry

Cet essai de rapprochement entre Hegel et Valéry porte sur le rôle des sensations et des affects
dans la genèse du sentiment et de la compréhension de soi de l’individu. Nous ne faisons pas que
ressentir des sensations et éprouver des sentiments; nous cherchons à les comprendre et à repla-
cer leurs significations dans une perspective d’ensemble liée à la réalisation de notre vie ration-
nelle. Ainsi, ce que nous ressentons et éprouvons nous pousse à aller au-delà des effets immédiats
du sentir sensoriel et affectif et nous engage dans un processus de différenciation conceptuelle
et de création artistique par lequel nous tentons d’éclairer les rapports entre notre sensibilité et
notre raison dans l’horizon de la vie humaine. L’objectif du présent exposé est d’établir un paral-
lèle entre l’idée d’une „physiologie psychique“ chez Hegel et la notion de „corps de l’esprit“ chez
Valéry en vue de montrer en quoi leurs conceptions respectives ouvrent la voie à une approche
différenciée de la fonction des sensations et des affects révélant leur potentiel heuristique pour
l’herméneutique de soi de l’individu. À cet effet, trois points seront abordés: (1) le projet hégélien
d’élaborer une „physiologie psychique“ en replaçant l’analyse anthropologique de l’âme sentante
dans le contexte de la philosophie de l’esprit subjectif; (2) la visée rétrospective de l’esprit libre sur
la sphère du sentir menant à la détermination hégélienne de la sensation en tant que „rappel à soi
de l’esprit en lui-même“ et (3) la notion de „corps de l’esprit“ et le phénomène des „sollicitations
de sensibilité formelle“ chez Valéry en tant que modèle d’analyse de sensations n’ayant pas de
finalité physiologique ou de fonction organique définie, mais jouant un rôle déterminant dans la
genèse de l’attention esthétique et de la production artistique.

1 L e projet hégélien d’élaborer une


„physiologie psychique“
Dans le § 401 de l’Encyclopédie des sciences philosophiques (1830), Hegel introduit l’idée d’une
„physiologie psychique“ portant sur „le système du sentir intérieur, dans sa particularisation qui
se traduit corporellement“.1 Cette science aurait pour tâche d’analyser „la traduction corporelle
que se donnent des déterminations spirituelles, particulièrement en tant qu’affects“.2 Elle devrait,
dit Hegel, „concevoir la connexion moyennant laquelle la colère et le courage sont ressentis dans
la poitrine, dans le sang, dans le système de l’irritabilité, tout comme la réflexion, l’occupation
spirituelle le sont dans la tête, le centre du système de la sensibilité“ et „acquérir une intelligence
plus profonde […] des connexions les plus connues en vertu desquelles se forment, à partir de

1 G. W. F. Hegel, Encyclopédie des sciences philosophiques III – Philosophie de l’esprit, trad. B. Bourgeois, Paris 1988,
§ 401, 197. G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830), in Hegel Gesammelte
Werke, Bd.  20, Düsserldorf 1989, §  401, 399. À l’avenir, j’utiliserai l’abréviation EP pour indiquer la pagination de
l’édition française et GW (avec l’indication du tome) pour celle de l’édition allemande.
2 EP, § 401, 198; GW 20, § 401, 400.
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 Claude Thérien, Contribution à l’esthétique des sensations   285

l’âme, les pleurs, la voix en général, plus précisément la parole, le rire, le soupir […]“.3 Si les „vis-
cères et organes“ ne trouvent en physiologie qu’un traitement extérieur de l’organisme animal, la
„physiologie psychique“ en tant que science anthropologique, aurait pour but de montrer qu’ils
„forment en même temps un système de traduction corporelle du spirituel et reçoivent de ce fait
une tout autre interprétation“.4 C’est cette „tout autre interprétation“ qui fait l’objet de notre inter-
rogation. Dans le texte de l’anthropologie, Hegel associe la traduction corporelle du spirituel en
soulignant que le corps et l’âme, loin d’être séparables l’un de l’autre, constituent une unité orga-
nique, une totalité en développement. Hegel déclare que le corps est „l’œuvre d’art“ de l’âme
effective5; il en est l’expression, le signe de sa propre manifestation. Comment doit-on interpréter
un tel „système de traduction corporelle du spirituel“, si l’on tient compte de l’évolution de l’es-
prit-nature à l’esprit libre lui-même? Le projet d’élaborer une „physiologie psychique“ s’énonce
tout d’abord dans le contexte de l’anthropologie qui est celui du développement de l’âme sentante
en âme effective. Or, la réalité immédiate de l’âme naturelle est encore bien loin d’être celle de
l’esprit libre universel médiatisé en lui-même, lequel sera traité dans la section „Psychologie“ de
la philosophie de l’esprit subjectif.
Tout au long des analyses effectuées dans la philosophie de l’esprit subjectif, la visée princi-
pale de Hegel est de présenter la manifestation de l’esprit, de la sensation à la raison, comme les
étapes successives de l’esprit se différenciant en lui-même. La vie de l’esprit débute dans la sen-
sation et se réalise dans la raison. L’esprit libre conçoit en lui-même aussi bien l’unité que la dif-
férence entre la sensation et la raison. Ce qui n’est pas encore le cas pour l’âme naturelle sentante
qui n’est d’abord que l’unité indifférenciée de l’esprit dans la sensation simple. Deux éléments
récurrents dans le texte hégélien mettent en perspective cette unité et cette différenciation entre la
sensation et la raison. Dans l’Encyclopédie, Hegel affirme d’un côté, que „la sensation est la forme
du sourd tissage de l’esprit dans son individualité sans conscience et sans entendement“6, ce qui
correspond au traitement de la sensation au niveau de l’âme naturelle, tout en déclarant de l’autre
côté, que „tout est dans la sensation“ ou encore que „dans la sensation est présente la raison tout
entière – le matériel intégral de l’esprit“7, affirmation qui ne fait sens que pour un esprit rationnel
chez qui la sensation se voit assigner une fonction différente de celle qu’elle joue au niveau de
l’âme sentante immédiate.
Rappelons le double agenda de Hegel dans l’„Anthropologie“ en tant que première partie de
la philosophie de l’esprit subjectif par rapport à la philosophie de la nature d’une part et de l’autre
par rapport à l’analyse phénoménologique de la conscience. L’importance de l’analyse anthro-
pologique est de deux ordres : 1) faire voir qu’il y a une vie naturelle de l’âme avant l’apparition
de l’ego et 2) expliquer qu’avec l’ego apparaît l’opposition entre le subjectif et l’objectif, opposi-
tion qui entraîne la dialectique des expériences de la conscience. D’un côté, il s’agit de montrer
l’appartenance de l’âme sentante à la vie animale organique; de l’autre, d’éclairer l’unité initiale
et indistincte entre l’âme et le corps au niveau de l’âme sentante. Dans la sensation simple et
immédiate, l’âme fait corps avec la sensation. Il n’y a pas encore „une opposition d’un sentant et
d’un senti, d’un subjectif et d’un objectif“, dit Hegel. L’âme naturelle singulière „ne se saisit pas
encore comme un subjectif faisant face à un objectif“.8 Elle vit dans l’ignorance de la distinction
entre le sentant et le senti que comporte l’unité de la simple sensation. Il est clair pour Hegel que
ce départage entre le sentant et le senti doit avoir lieu pour que l’esprit comme conscience puisse
se développer. Il doit pouvoir se rapporter d’une manière libre à l’égard de ses sensations et de ses

3 Ibid.
4 Ibid.
5 EP, § 411, 218; GW 20, § 411, 419.
6 EP, § 400, 195; GW 20, § 400, 396.
7 EP, Addition § 447, 546; GW 25.2, Zusatz § 447, 1094.
8 EP, Addition § 440, 448; GW 25.2, Zusatz § 440, 990–991.
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286   Hegel-Jahrbuch 2018

affects et la conscience doit apprendre qu’elle est elle-même le siège de l’unité entre la sphère du
sentir intérieur et la sphère du sentir extérieur.
Dans l’analyse anthropologique, la sensation doit être saisie en premier lieu depuis l’appar-
tenance de l’organisme vivant à „la vie planétaire universelle de l’esprit-nature“.9 Au niveau de
l’âme naturelle singulière, les sensations obéissent à la téléologie du maintien, de la survie et
de la reproduction de la vie organique. Elles servent à alerter l’organisme vivant sur ses besoins
vitaux et les dangers de l’environnement naturel le menaçant. Dans sa déterminité naturelle, dit
Hegel, „la santé de l’esprit“ en tant qu’âme est „sa vie accordée par sympathie avec cette corpo-
réité“.10 „De la sympathie intérieure relève le fait que le désir en général est senti dans le système
de la reproduction, la colère et le courage dans la poitrine, siège du système de l’irritabilité, et
la réflexion, l’occupation spirituelle, dans la tête, siège du système de la sensibilité“.11 Cette vie
accordée de l’âme naturelle avec sa corporéité, Hegel en tient compte non seulement au niveau
du maintien et de la survie de l’organisme, mais également en considérant l’âme sentante comme
étant sensible et soumise aux régularités naturelles auxquelles elle se trouve exposée. Ainsi, la
périodicité des saisons influence ses changements d’humeur, l’alternance du jour et de la nuit
régule le rythme de sa vie et l’expose à la différence de signification entre la réalité du jour où elle
est active, tandis que le repos que procure la nuit de sommeil, lui fait découvrir l’univers énig-
matique du rêve, etc. S’il s’avère important d’insister sur cette imprégnation naturelle du corps
vivant par les éléments de la vie terrestre, c’est parce que l’esprit libre humain se souviendra de cet
enracinement primordial de l’esprit-nature comme peuvent en témoigner les significations sym-
boliques que l’humanité reconnait aux éléments naturels dans la vie culturelle des civilisations et
des nations. Au niveau de l’esprit libre, Hegel assigne à la sensation la fonction d’un rappel à soi
de l’esprit en lui-même.

2 L a sensation en tant que rappel à soi


de l’esprit en lui-même
Dans la section „Psychologie“ de la philosophie de l’esprit subjectif, Hegel aborde comment l’in-
telligence en tant que forme accomplie de l’esprit libre s’approprie la sensation en la distinguant
de la perspective restreinte à laquelle elle était liée au point de départ et en lui reconnaissant une
nouvelle fonction qui appartient à la vie psychique de l’esprit libre. Ici ce dernier revisite im Nach-
hinein la signification des lieux familiers de la conscience et les états antérieurs de l’âme humaine,
sachant désormais que „le sentiment ou la sensation sont, par leur forme, ce qui sert de matière,
en tant qu’ils sont ce sourd savoir immédiat de l’esprit, non encore différencié en lui-même“.12
Or, ce qui sert de matière à l’esprit libre, c’est tout ce dont la conscience de soi a fait l’acquisition
au cours de sa formation depuis le savoir immédiat jusqu’aux formes réfléchies du savoir. Dans
cette acquisition, l’habitude joue un rôle clé, puisqu’elle libère l’esprit à l’égard des sensations
immédiates en limitant la portée de leurs effets sur l’individu et lui assure ainsi une distance
réflexive pour l’exercice de ses propres activités. Elle permet la formation d’une „seconde nature“
qui élargit les perspectives rationnelles de l’individu sans effacer toutefois l’importance que ses
sensations naturelles et ses sentiments immédiats puissent jouer dans le développement de son
sentiment de soi comme être au monde. Au niveau de l’esprit libre déjà formé par la culture, la sen-
sation éveille la mémoire, l’imagination et l’intelligence de l’esprit qui se souvient des contextes

9 EP, § 313, 106; GW 13, § 312, 185.


10 EP, § 319, 108; GW 13, § 318, 187.
11 EP, § 319, 109; GW 13, § 318, 187.
12 EP, § 371, 132 (les italiques sont de moi); GW 13, § 370, 209–210.
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 Claude Thérien, Contribution à l’esthétique des sensations   287

d’expérience auxquels renvoie la sensation, s’en redonne l’intuition et reconnait ce dont il s’agit.
Il y a une survie de la sensation au niveau de l’esprit libre cultivé; pas seulement au sens où la
sensation se survivrait à elle-même dans la mémoire de l’esprit en laissant des traces, mais surtout
au sens où, en tant que rappel à soi de l’esprit, la sensation sollicite et mobilise l’ensemble des
pouvoirs de l’esprit à concentrer leur force sur une même activité, celle de saisir ce dont la sensa-
tion est l’intuition. Pour Hegel, cette concentration des forces de l’esprit se concrétise dans ce qu’il
nomme „l’attention“, dont l’exercice constitue, à ses yeux, „le commencement de la culture“.13
L’attention est le pouvoir de recueillement de soi de l’esprit unifié en lui-même. Citons Hegel :
„Dans l’attention, trouvent donc place nécessairement une séparation et une unité du subjectif et
de l’objectif, – un se-réfléchir-en-soi de l’esprit-libre et, en même temps un se-diriger, dans l’iden-
tité, de lui-même sur l’objet. […] C’est seulement par la culture de l’esprit que l’attention acquiert
de la force et se remplit. Le botaniste, par exemple, remarque dans une plante incomparablement
bien plus qu’un homme ignorant en botanique. La même chose vaut naturellement eu égard à tous
les autres objets du savoir. Un homme de grand sens et de grande culture a aussitôt une intuition
complète de ce qui se trouve devant lui: chez lui, la sensation revêt généralement le caractère du
rappel en et à soi“.14
Replaçons cette analyse dans le contexte plus restreint de notre propre interrogation. Nous
avons vu que le projet d’élaborer une „physiologie psychique“ porte sur „le système du sentir inté-
rieur“, sur „la traduction corporelle que se donnent des déterminations spirituelles, particulière-
ment en tant qu’affects“.15 Hegel établit un parallèle psychophysiologique entre la vie psychique
affective (la colère, le courage, le rire, etc.) et les sensations physiologiques intéroceptives ressen-
ties corporellement. La traduction corporelle du spirituel ne doit pas simplement être comprise
en tant qu’expression physionomique, celle du visage, des gestes ou de la voix tournée vers l’exté-
rieur, mais tout autant comme sensation intéroceptive organique ressentie de l’intérieur. En thé-
matisant l’évolution de l’esprit-nature vers l’esprit libre, nous avons voulu souligner qu’au niveau
de l’âme sentante naturelle, il n’y a pas encore de départage entre le système du sentir intérieur
et celui du sentir extérieur, qui permettrait de scinder l’union de l’affectif et du sensoriel en deux
univers distincts. Cette différence n’arrive qu’avec la naissance de l’ego comme conscience vigile.
L’analyse rétrospective de l’esprit libre faisant de la sensation un rappel à soi est à même de révéler
que celui-ci se montre capable de voir dans le corps non seulement la traduction de sa propre
manifestation, mais qu’il demeure également réceptif aux diverses sollicitations par lesquelles le
corps manifeste sa propre présence au sein des activités de l’esprit libre. Par le corps propre, l’es-
prit libre individué devient attentif, par exemple, à la qualité esthétique et distinctive des atmos-
phères que l’âme ressent et des sentiments qui l’affectent sans pouvoir expliquer toujours immé-
diatement pourquoi. Toutefois, plus il investigue en rétrospective la signification des sensations
et des affects du corps propre, plus il arrive à mieux cerner et distinguer l’univers différencié de
la sphère du sentir dans les contextes de vie de son propre être-au-monde. Ainsi compris, l’uni-
vers des sensations et des affects ne se limite plus à l’expérience de son environnement naturel
immédiat, mais il inclut tout „le matériel intégral de l’esprit“ à savoir, tous les contenus et toutes
les pratiques de l’esprit objectif et de l’esprit absolu. Dans la perspective d’une herméneutique du
soi incarné, le projet hégélien d’élaborer une „physiologie psychique“ peut s’actualiser par l’étude
des échanges entre le corps et l’esprit qui placent la sensibilité et la rationalité de tout individu
conscient de soi dans un état de résonance significatif où il tente de s’expliquer la valeur cogni-
tive, pratique et esthétique de ses propres sensations et affects.

13 EP, Addition, § 448, 547; GW 25.2, Zusatz § 448, 1095.


14 EP, Addition, § 448, 547 (l’italique est de moi) ; GW 25.2, Zusatz § 448, 1095.
15 EP, § 401, 198; GW 20, § 401, 400.
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288   Hegel-Jahrbuch 2018

3 La notion de „corps de l’esprit“ chez Valéry


C’est ici que devient envisageable le parallèle avec la notion de „corps de l’esprit“ utilisé par
Valéry dans le contexte de sa théorie des sensations esthétiques et poétiques. Introduisons cette
notion par deux citations afin de mettre en valeur leur pertinence dans l’optique de l’interroga-
tion que je viens de développer avec Hegel concernant la sensation comme rappel à soi de l’esprit
libre. Dans les Cahiers, Valéry affirme ceci : (1) „Le corps de l’esprit est cette étendue ou quantité
de souvenirs, de notions acquises, de noms, d’attentes, d’où les évènements, à chaque instant,
tirent des réponses ; et qui s’accroit ou se modifie du même coup par ces mêmes évènements
et par ces réponses mêmes. En gros, ce corps est constitué par un système Mémoires-Attentes.
C’est là la Matière et l’Énergie de notre pensée“.16 (2) „La sensation est comme une étincelle dans
une chambre de miroirs qui anime une infinité de figures et puis de relations implexes entre ces
figures“.17
Pour comprendre le sens de ces deux citations, il faut introduire un minimun de détermina-
tions conceptuelles. Valéry a développé une théorie de la sensation, qu’il désigne par l’acronyme
CEM pour Corps Esprit Monde, théorie au centre de laquelle il interroge la nature des sensations
en termes d’intervention reliant le corps, l’esprit et le monde extérieur. Ici la sensation est conçue
comme l’irruption d’un événement qui induit un mouvement de l’âme, initie un échange entre
ces trois instances et produit des configurations variables entre elles. L’image de la sensation
comme „étincelle“ indique qu’elle est l’élément déclencheur établissant le courant entre les trois
instances en question.
Valéry a conçu cette théorie de la sensation „étincelle“ dans le but de rendre compte de la
spécificité d’une forme particulière de sensation qu’il distingue des sensations ayant une fonc-
tion physiologique déterminée dans l’organisme vivant. À la différence des sensations issues des
organes des sens qui s’inscrivent dans la téléologie du maintien de la vie et qui se font sentir
localement dans une partie du corps (par exemple, la brûlure sur mon bras ou la sensation de
faim de mon estomac), il existe des sensations qui affectent notre sensibilité en entier sans remplir
une fonction assignable dans l’économie fonctionnelle de l’organisme vivant. Valéry nomme par
le terme d’esthésique l’étude de ce genre de sensation, qui a „pour objet les excitations et les
réactions sensibles qui n’ont pas de rôle physiologique uniforme et bien défini. Ce sont, en effet,
les modifications sensorielles dont l’être vivant peut se passer, et dont l’ensemble […] est notre
trésor. C’est en lui que réside notre richesse. Tout le luxe de nos arts est puisé dans ses ressources
infinies“.18
Valéry distingue donc deux régimes de la sensibilité humaine, celui de la sensibitité „res-
treinte“ qui concerne le caractère distinctif des sensations liées à la particularité des organes des
sens et celui de la sensibilité „générale“ qui est considéré comme le lieu interactif des facultés
humaines qui, à l’occasion de telle sollicitation, s’interpellent, se répondent et produisent des
états sensitifs et affectifs où l’intelligence de l’individu se trouve engagée d’une façon inhabituelle.
Ces sensations sans finalité apparente induisent un état poétique par lequel notre mode de
sensibilité quotidien est soudainement modifié et transformé: elles provoquent le sentiment d’un
univers à l’état naissant, suscitent en nous un état d’éveil et d’attente, produisent l’effet de la créa-
tion d’un moi qui semble séparable de notre manière d’être. Elles se distinguent des sensations
organiques liées à la satisfaction d’un besoin local en ce qu’elles ne répondent à aucun besoin
physiologique. À l’inverse, elles se singularisent en créant en nous le désir de les faire durer, de
les reproduire, de les expliquer par la réflexion et de les exprimer par la création. En un mot, elles
rendent sensibles tout un univers d’accords et de contrastes entre le corps, l’esprit et le monde qui
se développent en nous. Ce que Valéry nomme le phénomène des „sollicitations formelles de la

16 Paul Valéry, Cahiers 1, Bibliothèque de la Pléiade, Paris 1974, 1233.


17 Paul Valéry, Cahiers 1, Bibliothèque de la Pléiade, Paris 1974, 1156.
18 Paul Valéry, Oeuvres 1, Bibliothèque de la Pléiade, Paris 1957, 1311.
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 Claude Thérien, Contribution à l’esthétique des sensations   289

sensibilité“ est à l’origine de ce type de sensations proprement esthétiques qui engagent toutes
les ressources poétiques de l’esprit humain en tant que totalité vivante. De telles sollicitations
représentent un défi d’interprétation pour chaque individu. La contribution de telles sollicitations
à l’esthétique des sensations consiste à les départager des autres types de sensation et à recon-
duire leur analyse vers l’herméneutique de leur signification distinctive dans l’horizon de la vie
individuelle qui est celle de l’esprit subjectif libre et incarné.

Prof. Dr. Claude Thérien


Département de philosophie et des arts
Université du Québec à Trois-Rivières
C. P. 500, Trois-Rivières, Québec, Canada / G9A 5H7
Claude.Therien@uqtr.ca

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Antón Barba-Kay, Washington DC

Hegel on Sleep and Walking


The question of how we can be sure whether we are awake or asleep, Hegel notes, is one of those
brainteasers that people will trot out to try to stop philosophy cold in its tracks.1 One might indeed
nominate it as the banner brainteaser of modern philosophy, ever since it became paradigmatic
of Descartes’ analysis of experience in the Meditations. The issue undoubtedly has ancient prec-
edents – Aristotle includes it among the skeptical provocations he discusses in Metaphysics IV,
for instance; though he does not register the matter as an especially concerning one. The ques-
tion is distinctively modern, rather, insofar as it appears under pressure from the demand for a
fundamentum inconcussum that marks Descartes’ inquiry: it is only by attempting to separate the
incontrovertible from the contingent aspects of conscious experience that the difference between
dreaming and waking first shows up as a proxy for the problem of distinguishing epistemological
bracketing from solipsism. The status of genuinely intentional experience vis-à-vis its merely sub-
jective, dreamt counterpart shows up then in Leibniz, Spinoza, Locke, Berkeley, Wolff, Reid, and
Kant. Hegel’s discussion of sleep in § 398 of the Encyclopedia is therefore of interest as one of the
few places in his work where he deals with this early modern skeptical challenge; we might call it
one version of his „Refutation of Idealism“. Hegel’s answer, I will argue, is to show not only that
a demand for epistemic certainty is inadequate in this context, but also that waking experience is
a kind of practical intersubjective achievement, that the cogency distinctive of waking experience
must be understood as entailing cogency for another. His answer is thus emblematic of his overall
shift away from an understanding of experience as privately representational and towards a social
account of it – though it is all the more remarkable in this case for being worked into a description
of a phenomenon that had previously seemed largely physiological (e. g. to Aristotle) or empirical
(e. g. to Kant).
Let me briefly summarize how the question of sleep and waking arises for Descartes in Med-
itations II. Embarked on his skeptical exercise, he initially notes that it would be outlandish to
doubt plain truths such as that this whole body is mine and that „I am now here“.2 There are, on
the other hand, deranged states of mind that are not in a position to be lucid about their own mis-
taking, and Descartes says that he would be no less mad not to apply this monition of fallibility to
cases in which he has undergone (pati)3 similar experiences in his own dreams. He does not deny
that waking is a more lucid state than sleeping, only that being awake could „be distinguished
from sleep by certain criteria [certis indiciis]“.4 The absence of such criteria suggests to him that we
must shift our conception of what is truly knowable toward one that is neutral with respect to the
distinction between sleeping or waking; in other words, toward a form of private justification in
which the evidence of experience is self-contained. By postulating quasi-geometric clarity as the
only proper epistemic criterion, we can therefore no longer be sure which states of consciousness
are shared, or veridical, or intentional, and which are hallucinatory – these distinctions are no
longer directly to the point.
In his 1794 „Manuscript on Psychology“, the young Hegel is still thinking along these Car-
tesian lines, so that in his description of the difference between sleeping and waking he avails
himself of half a dozen comparative adjectives, repeatedly emphasizing that waking is a state of

1 G. W. F. Hegel, Gesammelte Werke. Hamburg 1968 ff., [henceforth GW] 25.1, 269.
2 R. Descartes, Meditations on First Philosophy, edited and translated by George Heffernan, Notre Dame 1990, 89.
3 Ibid., 88.
4 Ibid., 90 f.
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 Antón Barba-Kay, Hegel on Sleep and Walking   291

clearer sensations and more vivid (lebhafter) differences than are available in sleep.5 We still find
him reaching for the term clarity (Klarheit) to define the special quality of waking as late as 1822.6
Subsequent lectures on the Philosophy of Spirit, however, make a clean brake from the Cartesian
analysis. Hegel does not mention Descartes by name in any of his remarks to § 398 of the 1827
Encyclopedia, but he is evidently alluding to him in his oral remarks when he says that clarity
cannot itself be grounds for distinguishing sleep from waking – not only because dreams can in
fact seem to us clearer than waking, but because the notion of relative clarity indicates a differ-
ence of degree, where what is required here is one of kind.7
The first part of his strategy for providing us with such a difference is to show that the Carte-
sian demand for a self-certifying epistemic principle by which to distinguish sleep from waking
is specious. His argument for this is disarmingly straightforward. Hegel concedes that there is no
difference between sleep and waking understood as subjective representations, as episodes of
experience passively projected before the mind’s eye, but that is only so because the Cartesian
shift to subjective representations has begged the question by analyzing any representation as
a representation for a particular consciousness.8 Considered qua representation, there could be
no difference for me between a dream and a perception, when it is precisely the character of that
difference that is at issue. In other words, the question is not subject to demonstration because
it could only be answered by having recourse to some external warrant by which to measure our
subjective representations – a task that could, in turn, only be carried out internally to our own
consciousness. So far from being neutral with respect to the question of whether we are awake,
Descartes’ analysis assumes that experience is something that privately happens to us, so that
dreaming is in fact taken to be the exemplary state.
Yet it will be seen that Hegel is still not even at square one here – not only because he has
not yet articulated the nature of the difference between waking and sleeping representations, but
because it is no longer clear what criteria could count as governing that difference. Criteria (in any
familiar Cartesian sense) come to an end. I mean that, given that the distinction between sleeping
and waking only becomes problematic under the assumption that experience should be construed
passively or spectatorially, then, once that skeptical assumption is exposed, the question of what
waking experience is resembles less the question of what cannot be denied without contradiction
and more the question of how to recognize other human beings – insofar as the latter cannot be
governed by an ex ante self-contained criterion, but is a kind of spiritual task. And, as I will argue,
Hegel specifically connects waking to such a task.
Hegel’s account of the difference between sleeping and waking, as I read it, entails three
distinct parts/whole relationships. The first of these, which I touch on only briefly, corresponds to
Descartes’ starting point that being awake means being aware that this body is mine. Hegel says
that wakefulness is not simply in external opposition to sleep, but that it is itself the sustaining
of this distinction; it is the judgment that is aware of itself in contrast to sleep by virtue of having
itself in view in contrast to the world.9 To be awake, in this sense, is a „self-finding“ (Sichfinden),10
it is to experience one’s given nature as partial: waking is an activity constituted by the division
and sundering (Entzweiung, Trennung) of oneself from the world; whereas sleep is the substan-
tial submergence (tauchen) of that difference.11 One’s confrontation of oneself as possessed of a
delimited body is illuminated against a background awareness of the whole with respect to which
I am finite.

5 GW 1, 180 f.
6 GW 25.1, 43.
7 GW 25.2, 985.
8 GW 25.1, 269–271.
9 GW 20, 394.
10 GW 25.2, 983.
11 GW 25.2, 645.
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292   Hegel-Jahrbuch 2018

But waking experience, Hegel maintains, is also in another sense constitutively different from
dreaming. The second kind of parts/whole relationship that defines this difference has to do with
what we might call the conditions of objecthood as such. In his remarks for his 1825 course, Hegel
introduces the distinction between sleeping and waking by referring to self-relation „in the logical
context“.12 The reference is to §§ 90–98 of the Encyclopedia, where Hegel articulates the differ-
ence between limitations and limits (Schranken, Grenzen): a „limitation“ stipulates a boundary
between something and its other as an external, contingent restriction, whereas a „limit“ is essen-
tial to the specification of the thing as such. Hegel emphasizes that sleep is rather like a limit than
a limitation, in this sense. Waking experience has the character of an internally differentiated,
coherent whole that both stands opposed to myself and is discriminated within itself: waking is
a „context of necessity [Zusammenhang der Nothwendigkeit]“.13 Or, as he will say in a remark to
§ 398: „waking is the concrete consciousness of the coordinated corroboration of each individual
moment of its content by all others in the composition [des Gemäldes] of its intuition“.14 The point
is made specifically with respect to space and time – echoing Descartes’ remark that „I am now
here“ would also seem to be paradigmatic of waking judgment. But the observation about waking
experience as an „objective complex [objektiver Complexus]“15 also follows the Kantian argument
that the identification of „here“ and „now“ is in fact constituted by its possible relation to every
other place and time, a relation mediated by me, as its synthesizing agent.
Hegel goes so far as to say that this context of unity is the understanding as such – to be awake
is to be engaged in the task of upholding particular spatiotemporal discriminations that are only
fully cogent against the backdrop of the unity of all such possible discriminations.16 Just as to be
awake is to know oneself in opposition to the world (the first parts/whole relationship I noted), so
too is waking defined by an intensive opposition among the places and times of experience itself,
an opposition that can become fully concrete only because I am able to locate each of them with
respect to the unified totality of what falls outside of it. What is boring, pointless, monotonous,
or fantastic, in contrast, tends to summon sleep by lulling our sense that our experience is impli-
cated in and explicated by some larger whole.17
This description of what is distinctive about waking experience will seem sensible perhaps,
though hardly original. Pascal had long since noted that we only doubt the veracity of dreams
because we have different ones every night; and it is precisely with an observation about the con-
tinuity of waking life that Descartes shrugs off the issue at the end of Meditations VI. Hegel’s anal-
ysis looks straightforwardly Kantian, in fact, until one notes that his version of the point involves
him in a mistake about Kant’s position, which in turn points to what is distinctive about his own.
In addition to his observations about the synthetic character of space and time, Hegel explic-
itly affirms that Kant’s distinction between the objective and the subjective unity of representa-
tions is congruent with the distinction between waking and sleeping.18 But Hegel is not describ-
ing the Kantian view accurately when he then adds that both sleep and the subjective unity of
representations consist in unconceptualized experience. Kant was not much troubled by how to
handle the Cartesian waking/sleeping problem either; he reads it as an empirical issue, which, he
writes in the Prolegomena, has no place in transcendental philosophy.19 But it is equally clear that
he did not countenance the possibility that there might be representations not already informed
by the categories of the understanding, which is why he makes the point in the first Critique and
elsewhere that unconceptualized intuitions would „belong to no experience […] would be nothing

12 GW 25.1, 262.


13 GW 25.2, 986.
14 GW 20, 395. All translations from the Encyclopedia are my own.
15 GW 25.2, 642.
16 Ibid.
17 GW 25.2, 642–643.
18 GW 19, 299; GW 25.2, 986.
19 I. Kant, Prolegomena to Any Future Metaphysics, translated by Gary Hatfield, Cambridge 2002, 164.
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 Antón Barba-Kay, Hegel on Sleep and Walking   293

but a blind play of representations, i. e., less than a dream“.20 In other words, what he means by
the subjective unity of representations is in a crucial sense dependent on conceptualized content.
By placing dreams outside the concepts of the understanding, Hegel thus makes a telling
shift in the Kantian situation, calling into question why and how he is equating waking with the
objective unity of representations. And I think that it is more or less clear that he understands the
intersection of these issues in light of their mutual reference to intersubjectivity – not because
intersubjectivity confers that unity in a merely empirical sense, but because the informing starch
of waking experience must already entail and be characterized by the form of being for another.
There are a few considerations that seem to me to point in this direction (which is the third
parts/whole relationship by which Hegel makes his case). There is, first, the location that Hegel
accords to his discussion of sleep within the scheme of the Encyclopedia. Within the 1817 version
of the same, sleep is discussed within the section on the „Natural Determinations of the Soul“
(§§ 315–16); it is preceded by a paragraph on individual temperament and followed by one on the
ages of human life.21 This is still the sequence in Hotho’s 1822 summer notes: sleep is the middle
third in the logical order, with the ages of life presenting us with the mediated universality of indi-
vidual life.22 Much of this material was then expanded and reworked in the following three years,
so that we find a different order in Griesheim’s 1825 notes: now the ages of life are followed by a
discussion of natural sympathies, both of which are then followed by sleep and waking. Sleep
and waking are the third member of the triad here – they are handed the role of mediating natural
opposition within itself (preceding „Sensation,“ in the next triad). One final change was made
to the 1827 Encyclopedia. With the addition of material and the reorganizing of the paragraph
numbers, the triad in question ends up as (1) the ages of man, (2) the sexual difference, and then
(3) sleep and waking. The sexual difference has been separated out from the ages of life as the
correct description of natural difference, taking the place that natural sympathies had occupied
in 1825. This is the final order in the 1830 Encyclopedia.
This reshuffling of material suggests that it was Hegel’s purpose both to promote the distinc-
tion between sleep and waking to express the mediated achievement of natural differences, as
well as that he understood sleep and waking as a kind of result or marriage of the sexual opposi-
tion that marks the second moment of the triad. It is difficult to resist the conclusion that waking,
as an experience characterized by the contextual oppositions described above, is being presented
as the logical internalization of an intersubjective difference: a difference first regarded exter-
nally then enters into the discrimination of conscious experience itself. This is made explicit in
remarks within the Boumann collation, which emphasize the fact that we should understand the
waking soul as constituting the unity and truth of the two preceding moments: „what in the rela-
tion of the sexes was divided among two individuals – namely one abiding in unmediated unity
with its substance, the other a subjectivity entering into opposition with this substance – is now
unified [vereinigt] in the waking soul, and has thereby lost the fixity of its opposition“.23 What this
means is not entirely clear – Hegel may mean that the male/female difference is analogous to the
intra-psychic difference between waking and sleeping, or that as a result of considering the sexual
relationship purely externally, each individual is now in the position of having difference within
his or her own experience, to be in and for him- and herself at this stage.
Whether it is one or both of these alternatives, it is clear that Hegel understands the meaning
of the difference between sleep and waking as in some sense the introjection or incorporation of
an intersubjective one. In other words, the logical or categorical unity of waking experience – the
experience of having a full, coherent world in view for me – is one that is fundamentally consti-

20 I. Kant, Critique of Pure Reason, translated by Paul Guyer and Allen Wood, Cambridge 1998, A 112. Cf. Ibid. A 202/B
247.
21 GW 13, 186 f.
22 GW 25.1, 41–45.
23 GW 25.2, 983.
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294   Hegel-Jahrbuch 2018

tuted in relation to the possibility of bringing that world into view for others, while also having
other possible worlds in view. The objective unity of representations in Kant has been replaced
by a unity that cannot be explained except by reference to experience held in common, which is
why Hegel loses no sleep over the „problem of other minds“: being awake means being aware of
oneself as a part of a wider communal whole.
The intersubjective form of experience does not explicitly come to a head until later in the
Encyclopedia, so that the suggestion of its appearance here is in a way premature. But it is also
plain that the sequence of moments is not meant to be genetically deduced. In that light, it should
not be surprising to find that intersubjective considerations pervade the attempt to describe the
experience of being awake: for example, when Hegel remarks that declarative speech connects us
to the world in a way that is not possible in dreams, or indicates that there is no comparison by
which to distinguish truth from falsity within dreams, or that in dreams I am no longer in posses-
sion of the proper limit and measure of my representations, or that our own dreams are tedious to
others precisely because they do not refer to shared and sharable experience.24 All of these obiter
dicta depend in more or less obvious ways on the tacit presence of a social conception not just of
the formulation of shared reasons (a familiar enough point) but of being awake as such – a func-
tion that (logically at least) precedes even sensory perception in the Encyclopedia. Animals are not
awake in the same sense that human beings are.25
It would be wrong to read Hegel’s discussion of waking and sleeping as a deductive refutation
of Descartes’ demotion of that difference. It is not so much a refutation as an attempt to describe
why no such refutation is needed, why the very formulation of the problem is hobbled by inco-
herence. In what is perhaps one final dig at Descartes, Hegel emphasizes that not being able to
distinguish dreaming from waking is a sign of mental illness.26 What is most helpful and valuable
about his account is, as I have argued, the way in which the qualitative difference between waking
and sleeping is not located simply in physiology, or epistemology, or intersubjectivity, but in an
irreducible nexus of all three kinds of considerations. Even as each of these themes only severally
receives its due elsewhere in the Encyclopedia, they are all already necessary in order to explain
the difference between dreaming and waking. The issue of whether I am awake or asleep is pre-
sented less as a question about whether I could ever be mistaken – a Cartesian demand that could
not be certified by any experience – and more as the question of how I could recognize that you
are like me, that we have the world in common mind. Waking is, like my acknowledgement of you,
index sui:27 there is no external position from which to vindicate it.

Dr. Antón Barba-Kay


School of Philosophy
620 Michigan Ave. NE
Washington, DC; 20064; USA
barbakay@cua.edu

24 GW 25.2, 643; GW 25.1, 273; GW 25.1, 274; GW 25.2, 639; respectively.
25 Cf. GW 24.2, 1154.
26 GW 20, 413.
27 GW 25.1, 270.
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Luca Corti, Bonn

Prolegomena für eine heterodoxe Lektüre von


Hegels Anthropologie
Hegel entwirft seine Anthropologie ab 1815 in einer Periode, die als Epoche des „Rise of Anthropo-
logy“ bezeichnet wird.1 Historisch handelt es sich um eine Zeit, in der das Wort ‚Anthropologie‘
eine Verwendung und Verbreitung erhält, in der es zuvor nicht gekannt wurde.2 Wie jetzt aus
der Publikation seiner Vorlesungen über die Philosophie des Subjektiven Geistes besonders sicht-
bar wird, kannte Hegel diese Forschungslandschaft sehr gut, hatte Kenntnisse auf dem neuesten
Stand der Wissenschaft zu diesem Bereich und nutzte sie, um seine Anthropologie auszuarbeiten.
Insbesondere über Anthropologie hat er viel vorgetragen – sie ist der Teil der Vorlesungen über die
Philosophie des Subjektiven Geistes, den Hegel am stärksten behandelt hat – sowie diesen Vortrag
ständig überarbeitet und umgestaltet.3 Systematisch ist die Anthropologie äußerst wichtig: Sie
artikuliert den Übergang von Natur und Geist und ist grundlegend für das Verständnis des hegel-
schen Ansatzes hinsichtlich des Verhältnisses dieser beiden Reiche. Trotz dieser Rolle ist Hegels
Anthropologie aber von der Hegel-Forschung weitgehend vernachlässigt worden.4
In diesem Beitrag werde ich mich diesbezüglich auf folgende Fragestellung konzentrieren:
Welche Rolle spielt Hegels Text für eine Theorie menschlicher Wahrnehmung und Erkenntnis?
In dieser Hinsicht werde ich eine heterodoxe Lektüre vorschlagen, die sich gegen die meisten
Interpretationen richtet, die Hegels Anthropologie in Beziehung zur Wahrnehmungstheorie lesen.
Ich werde folgendermaßen vorgehen: Erstens werde ich begründen, warum ein Interesse
am Thema ‚Erfahrung‘ hinsichtlich Hegels Anthropologie und Philosophie des subjektiven Geistes
produktiv ist. In Teil zwei und drei werde ich vorstellen, was ich als die ‚Standard-Interpreta-
tion‘ dieses Aspektes bezeichnen möchte. Viertens werde ich diese Lektüre problematisieren und
einige ihrer zugrundeliegenden Voraussetzungen herausarbeiten. Fünftens werde ich einen alter-
nativen Ansatz vorschlagen, den Text zu lesen, womit auf eine andersartige Auslegung von Hegels
später Wahrnehmungstheorie hingedeutet ist. Ich denke, dass meine Lektüre nicht nur wahrneh-
mungstheoretisch relevant, sondern auch auf andere Themen auszudehnen ist.

1 Anthropologie und Wahrnehmungstheorie


Wie bekannt ist, verwenden manche gegenwärtigen Philosophen, die sich auf Hegel berufen,
um eine Wahrnehmungstheorie zu entwickeln, ein begriffliches System, in dem der Begriff der
‚Erfahrung‘ keine Rolle spielt. Robert Brandom zum Beispiel versucht den Begriff von ‚Inferenz‘
zugrunde zu legen, ohne von ‚Erfahrung‘ zu sprechen.5 Gegen die gegenwärtigen anti-repräsen-

1 Zu dieser Definition vgl. John Zammito, Kant, Herder and the Birth of Anthropology, Chicago 2002, 3.
2 Vgl. H. F. Vermeulen, Before Boas: The Genesis of Ethnography and Ethnology in the German Enlightenment, Lin-
coln 2015, 379.
3 Zur Entstehungsgeschichte des Textes vgl. Walter Jaeschke, Hegel-Handbuch, Leben-Werk-Schule Stuttgart-Weimar
2010, 347 fgg. und C. J. Bauer, Editorischer Nachricht, in: GW 25.3.
4 Die Gründe dafür sind mannigfach und haben sowohl mit dem Inhalt der Anthropologie als auch mit ihrer Rezep-
tion zu tun. Ich habe sie auseinandergesetzt in: Luca Corti, Pensare l’esperienza, Bologna 2016.
5 Robert Brandom, Tales of the Mighty Dead. Historical Essays in the Metaphysics of Intentionality, Cambridge (MA),
203.
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296   Hegel-Jahrbuch 2018

tationalistischen bzw. inferentialistischen Auslegungen scheint sich Hegel selber an mehreren


Stellen seiner Vorlesungen über die Philosophie des Subjektiven Geistes auszusprechen. In seiner
Vorlesung von 1827, an der Stelle, an welcher er den Begriff des ‚Geistes‘ einführt, schreibt er zum
Beispiel:

Es ist oft ein Missverständnis da, als ob die Philosophie die Erfahrung geringschätzte und herabsetzte. Zu allem,
was der Mensch weiß, gehört Erfahrung, er muß innere und äußere Anschauung vom Gegenstande haben, und
diese hat er aus der Erfahrung. Sie ist etwas unerlässliches, unentbehrliches. (VPG, 99).

Er wiederholt diese Ansicht auch an anderen berühmten Stellen.6


Die Frage ist dann legitim, wie ‚Erfahrung‘ im Rahmen der späten hegelschen Wahrneh-
mungstheorie verstanden werden soll. Welche Rolle spielt die Anthropologie in diesem Zusam-
menhang? Wie Hegel selber behauptet: Das Weitere ist, die Erfahrung zu denken (VPG, 8; vgl. auch
GW 25.2, 562).

2 Hegels Anthropologie: die Standard-Interpretation


Es gibt eine in der Sekundärliteratur weit verbreitete Weise, Hegels Gedankengang auszulegen.
Trotz der Verschiedenartigkeit der Details teilen viele Lektüren eine gemeinsame strukturelle
Voraussetzung, die als Idee der ‚Trennbarkeit‘ bezeichnet werden kann.7 Grob gesagt neigen
diese Lektüren dazu, den von Hegel in der Anthropologie entfalteten Gedankengang als eine Art
‚Beschreibung‘ zu lesen. Objekt dieser Beschreibung wäre dann eine untere, trennbare Schicht
menschlicher Kognition, die als ‚Seele‘ identifizierbar ist. Diese Schicht kann als getrennt von der
Wirklichkeit erscheinen und tatsächlich ist sie manchmal als ‚getrennt‘ empirisch aufzuweisen
(je nachdem können Tiere, Kinder, Verrückte als Beispiele allein wirkender seelischer Tätigkeiten
verstanden werden). Wichtiger aber ist es, dass die ‚Trennbarkeit‘ nicht nur den ganzen Plexus der
Seele betrifft, sondern auch die einzelnen seelischen Tätigkeiten, die als ‚trennbare‘ verstanden
werden: jede Tätigkeit  – das Empfinden, Fühlen, die Gewohnheit u.s.w.  – wird als selbständig
verstanden.
Viele Forscher haben diese Perspektive übernommen, um dann zu analysieren, wie gewisse
kognitive Inhalte von den verschiedenen seelischen Tätigkeiten progressiv aufgenommen und
überarbeitet werden. In Hegels Wahrnehmungstheorie würde man daher zunächst ‚Empfindun-
gen‘ haben, die sich in ‚Gefühle‘ verwandeln und dann dank der Gewohnheit weiterverarbeitet
werden. Hegel selber scheint diese Perspektive zu legitimieren, indem er schreibt:

Zuerst sprechen wir von Anschauung, dann von Vorstellung, sofern sie auf die Anschauung gerichtet ist, der
Einbildungskraft, wo es gerichtet ist auf die vorstellende Tätigkeit, und diese von ihm verändert wird (VGP, 182;
vgl. auch GW 25.2, 804).

6 Vgl. auch GW 25.2, 562: „die Erfahrung ist nicht überflüssig, sondern unerlässlich“, und auch GW 20, 20.
7 Ich benutze den Ausdruck in der Bedeutung, die von Robert Pippin entwickelt wurde. Vgl. Concept and Intuition:
On Distinguishability and Separability, in: Hegel-Studien, 40 (2005).
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 Luca Corti, Prolegomena für eine heterodoxe Lektüre von Hegels Anthropologie   297

3 Aktuelle Lektüren der ‚Empfindung‘


Nehmen wir zum Beispiel Hegels Begriff der ‚Empfindung‘. Wenn man Hegels Charakterisierung
der Empfindung rekonstruiert, entdeckt man, dass Empfindung eine Komponente unseres geisti-
gen Lebens ist, die ‚gegeben‘ und ‚gefunden‘ ist. Empfinden ist eine Art des ‚In-sich-Findens‘, sagt
Hegel (GW 25.2, 648, 655 und GW 15, 133). Darüber hinaus ist Empfindung etwas Körperbezogenes
(GW 20, §§ 403A, 401A) und Vereinzeltes (GW 20, § 402, GW 6, 294). Oft sieht es so aus, als ob sie
nicht nicht-intentional wäre und uns nicht erlaubte, Objekte ‚in Sicht‘ zu haben, da die entfaltete
Subjekt-Objekt-Beziehung noch nicht anwesend ist: „In der Empfindung noch nicht der Unter-
schied von Objeckt und Subjekt ist; dies gehört dem Bewußstsein an“ (GW 25.2, 653; vgl. auch GW
20, § 400).8 Zuletzt scheinen Empfindungen auch das kognitive Leben der Tiere zu charakterisie-
ren.
Ausgehend von dieser Charakterisierung haben verschiedene Interpreten ‚Empfindung‘ als
die unterste Stufe menschlicher Wahrnehmungsprozesse ausgelegt. Die Tendenz ist, sie als eine
primitive, nicht-intentionale Weise zu verstehen, mit der Welt umzugehen. Empfinden ist ein Ver-
mögen, das auch Tiere besitzen, wobei im Fall des Menschen ‚Empfindungen‘ elaboriert werden
können (und auch müssen), um ‚objektiv‘ zu werden und intentionalen Gehalt zu gewinnen.
Die Lektüre von Stephen Houlgate ist hierfür ein gutes Beispiel. Nach Houlgate beschreibt
Hegel das menschliche kognitive Leben, das zur Wahrnehmung führt, als einen Prozess, in dem
die gegebene tierische ‚Empfindung‘ durch eine Reihe seelischer Vermögen oder Tätigkeiten
durchzuarbeiten ist. Houlgate behauptet zum Beispiel, dass nach Hegel

The sensations of brown, round and hard are given to us , but there being an independent object – for example, a
tree – over there is not given. The content we receive in sensation must thus be set over there in thought in order
for us to be conscious that what we see and feel is a ‚tree‘9.

Andere haben eine so gestaltete Lektüre verteidigt, d.  h. eine Lektüre, die auf ein Modell des
Geistes sozusagen als ein ‚Fließband‘ zurückzuführen ist.10

4 Die problematischen Aspekte des Fließband-Modells


Dieser Ansatz beinhaltet allerdings einige Schwierigkeiten, sowohl philologische als auch sys-
tematische. Die lineare Lesart beispielsweise, wenn sie konsequent auf alle Textteile angewen-
det wird, scheint zu einer exponentiellen Vermehrung der kognitiven Leistungen zu führen, die
Bedingungen für eine vollständige menschliche Erfahrung sind. Darüber hinaus müsste man
auch eine Erklärung für die zahlreichen thematischen Wiederholungen Hegels anbieten können.
Warum scheint Hegel dieselben Themen zweimal oder sogar dreimal zu behandeln?11 Die Frage
der Wiederholung trifft nicht nur die singulären seelischen Tätigkeiten, sondern auch das Konzept
der Seele insgesamt, das zweimal von Hegel analysiert wird: einmal in der Philosophie der Natur
und einmal in der Anthropologie. Wenn ‚Seele‘ die gemeinsame kognitive Schicht von Mensch

8 Vgl. Michael Wolff, Das Körper-Seele-Problem: Kommentar zu Hegel, Enzyklopädie (1830), §  389, Frankfurt am
Main 1991, 36, 48.
9 Stephen Houlgate, „Thought and Experience in Hegel and McDowell“, in: European Journal of Philosophy, 14,2
(2006), 242–261.
10 Vgl. z. B. R. D. Winfield, „From Representation to Thought: Reflections on Hegel’s Determination of Intelligence“,
in: The Owl of Minerva, 39, n. 1–2, 55–86.
11 Heikki Ikäheimo, Self-consciousness and Intersubjectivity: A Study on Hegel’s Encyclopedia Philosophy of Subjec-
tive Spirit (1830), Jyväskylä 2000, 31.
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298   Hegel-Jahrbuch 2018

und Tier ist, warum wird sie zweimal betrachtet? Was für eine Bedeutung hat diese Verdoppe-
lung?12
Endlich kann die systematische Frage nach der Entstehung der Objektivität beantwortet
werden: Wie können subjektive, nicht-intentionale Gehalte, wie die der ‚Empfindungen‘, durch
‚Überarbeitung‘ oder ‚Zusammensetzung‘ einfach objektiv werden, ohne dass durch diese kog-
nitive Leistung ein bloß subjektiver Idealismus sich ergibt, d. h. ohne dass Objektivität eine Art
‚Erschaffung‘ des subjektiven Geistes und der damit arbeitenden Tätigkeiten sei?

5 Die alternative Lektüre


Ausgehend von den Schwierigkeiten einer solchen Auslegung – die nur kurz geschildert worden
sind und sich an sich noch nicht imstande zeigen, die Standard-Interpretation zu widerlegen –
möchte ich eine alternative Lesart vorschlagen, die nicht linear, deskriptiv und progressiv ist und
vor allem auf die Voraussetzung der ‚Trennbarkeit‘ verzichtet. Es ist tatsächlich nicht schwer,
mehrere Textstellen zu finden, an denen Hegel sich nicht nur gegen einen linearen Ansatz wendet,
sondern (und das ist noch wichtiger) sich gegen die Idee der ‚Trennung‘ zwischen Vermögen über-
haupt ausspricht. Wenn er über ‚Geist‘ spricht, verwahrt er sich explizit gegen „die Zersplitte-
rung desselben in die Verschiedenen, gegeneinander selbständig vorgestellte Vermögen, Kräfte,
oder, was auf dasselbe hinauskommt, ebenso vorgestellte Tätigkeiten“ (GW 20, § 379). Gleichzeitig
wiederholt Hegel mehrmals, dass die vermuteten Beschreibungen und die Beispiele, die in der
Anthropologie dargeboten sind, nur dank einer ‚Antizipation‘ von Strukturen verstanden werden
können, die erst später systematisch eingeführt werden.
Seine Idee scheint es zu sein, dass die in der Anthropologie behandelten Strukturen nur ein-
seitig und vorläufig sind. Sie sind – um Hegels eigene Terminologie zu verwenden – als eine ‚Abs-
traktion‘ zu verstehen, die an sich sozusagen, d. h. wie sie in der Anthropologie beschrieben sind,
nie im menschlichen Geist vorkommen: Sie sind nur im Zusammenhang mit höheren Vermögen
zu verstehen, die ihre Natur verändern und neugestalten. „Die Kenntniß der concreten Geistig-
keit“, schreibt Hegel, habe sich „in der Wissenschaft auf dem Standpunkte der Anthropologie“
noch nicht ergeben (GW 15, 232; vgl. auch GW 20, § 380).
Um die menschliche Kognition und ihre Komponenten ‚konkret‘ zu verstehen, d. h. wie sie
tatsächlich vorkommen, muss man die in der Anthropologie beschriebenen Formen neu konzipie-
ren, und zwar auf der Basis dessen, was auf den folgenden Entwicklungsstufen der Philosophie
des Geistes dargestellt ist. Man muss auch manche Strukturen revidieren und neu überdenken.

6 Schluss
Wenn man diese neue Perspektive einnimmt, lassen sich die Paragraphen von Hegels Anthropo-
logie – und insbesondere diejenigen über ‚Empfindung‘ – nicht mehr als Beschreibung irgend-
einer unteren Schicht unserer Kognition begreifen, die nicht-begriffliche Inhalte zur Verfügung
stellt, die weiter überarbeiten werden müssen. In der Anthropologie handelt es sich vielmehr um
einen ersten Versuch, etwas zu definieren, das nur später richtig verstanden werden kann, wenn
die höheren Vermögen entwickelt worden sind. Diese Perspektive, die die kritischen Aspekte in
der Anthropologie herausstellt, verändert unser Verständnis von Hegels Theorie des menschli-

12 Dieses Problem wird von Bernard Bourgeois hervorgehoben, vgl. Bernard Bourgeois, „Les deux âmes : de la nature
à l’esprit“ in: De saint Thomas à Hegel, hg. v. J. L. Vieillard Baron, Paris 1994, 117–151.
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 Luca Corti, Prolegomena für eine heterodoxe Lektüre von Hegels Anthropologie   299

chen Geistes: Das vielschichtige Fließband-Modell muss durch ein holistisches Modell ersetzt
werden, in dem Rationalität die verschiedenen Vermögen ‚durchdringt‘ und neugestaltet: So wird
die menschliche Kognition wesentlich vom Tiere abgegrenzt.13 Hegel selber argumentiert in diese
Richtung, wenn er sagt:

Die Schwierigkeit besteht für den Verstand darin, sich von der Trennung, die er sich einmal zwischen den See-
lenvermögen, dem Gefühl dem denkenden Geiste willkürlich gemacht hat, loszumachen und zu der Vorstellung
zu kommen, daß im Menschen nur eine Vernunft im Gefühl, Wollen und Denken ist (GW 20, § 471).

Es gibt genug Gründe und textliche Belege, um diese Lektüre zu verteidigen und weiterzuentwi-
ckeln.

Dr. Luca Corti


Internationales Zentrum für Philosophie NRW
Institut für Philosophie
Poppelsdorfer Allee 28
53115 Bonn
lcorti@uni-bonn.de

13 Siehe L. Corti, a. a. O. (Anm. 4).


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Anton Ivanenko, Sankt Petersburg

Der Status der Phänomenologie in den


philosophischen Systemen von Fichte und Hegel
Um 1800 erscheint in Werken von Hegel und Fichte der Begriff „Phänomenologie“ als Bezeich-
nung eines Teiles des philosophischen Systems. Im zweiten Vortrag der Wissenschaftslehre 1804
nennt Fichte den zweiten Teil der Wissenschaftslehre „die Phänomenologie“. Wie bekannt, pub-
lizierte Hegel 1807 die „Phänomenologie des Geistes“, die von ihm als „erster Teil“ des Systems
der Wissenschaft bezeichnet wurde. Der Begriff „Phänomenologie“ war schon früher bekannt.
Mir scheint es aber wichtig, darauf hinzuweisen, dass dieser Begriff bei beiden Philosophen eine
neue, früher nicht anzutreffende Bedeutung bekommt, die außerdem bei beiden fast identisch ist.
Im dreizehnten Vortrag der Wissenschaftslehre 1804 (2) charakterisiert Fichte den zweiten
Teil der Wissenschaftslehre als Phänomenologie, d.  h. als „Erscheinungs- und Scheinlehre“1.
Dieser Teil wird aber nach Fichte „nur aus dem ersten [Teil] und auf seinem Grund und Boden
möglich“.2 Dieser erste Teil enthält die Wahrheitslehre und „besteht in einer einzigen Einsicht“.3
Selbstverständlich ist das, was in dieser Einsicht eingesehen werden kann, das Wahre oder die
Wahrheit selbst. Da aber die Wahrheit allein in der Tat besteht, kann auch nur sie erscheinen.
Alles, was auf irgendwelche Weise existiert, ist eine Erscheinung des Wahren oder Wahrheit
selbst. Daraus ergeben sich zwei Fragen. Erstens: Was ist dieses Wahre? Die zweite Frage, die
schon den griechischen Naturphilosophen Schwierigkeiten bereitete, lautet: Wie kann man beide
Sätze gleich gelten lassen, also den Satz, worin man behauptet, dass nur das Eine, Einzige sei,
und den Satz, dass eine Vielheit als Erscheinung dieses Einen existiere?
Es gibt eine weit verbreitete Deutung der Entwicklung der Fichteschen Wissenschaftslehre
von 1794 bis 1814, die schon zu einem Vorurteil geworden ist, der zufolge das Prinzip der Wis-
senschaftslehre in der ersten Etappe seines Schaffens ein Subjekt oder das subjektive Denken ist,
dem ein Objekt gegenübersteht. Dieser Tradition nach hat Fichte etwa ab 1801 bzw. 1804 infolge
der massiven Kritik, welcher die Wissenschaftslehre von allen Seiten unterworfen wurde, seine
Einstellung geändert. Und zwar dergestalt, dass er jetzt ein objektives Prinzip der Wissenschafts-
lehre aufstellte, womit er tendenziell der Wissenschaftslehre einen religiösen Charakter eröffnete.
Meiner Meinung nach stimmt diese Einschätzung der Veränderungen der Wissenschaftslehre
nicht, was ich im Folgenden anhand des Textes der Wissenschaftslehre 1804 (2) zeigen möchte.
In der Wissenschaftslehre 1804 (2) stellt Fichte den Grundsatz der gesamten Wissenschafts-
lehre im fünfzehnten Vortrag dar. Dieser Grundsatz hat zu seinem Inhalt „das reine Sein“.4 Fichte
sagt aber zugleich, dass dieses Sein „ein esse in mero actu“5 ist, d. h. dass ein Sein in der reinen
Handlung ist, welches identisch mit dem absoluten Leben ist: „Es ist durchaus von sich, in sich,
durch sich“.6 Das könnte eine objektivistische Bedeutung haben. Um aber einer solchen Missdeu-
tung zu entgehen, charakterisiert Fichte dieses Sein weiter als „ein in sich geschlossenes Ich“.7 Die
reine Handlung und die Selbstbeziehung waren Eigenschaften, mittels derer Fichte das Prinzip
der Wissenschaftslehre bereits 1794 bestimmte. Dieses Ich oder das reine Sein ist nur durch diesen
Akt, es ist dieser Akt selbst und nichts anderes. Es ist ein Akt der Selbstbeziehung, der, weil das

1 J. G. Fichte, Die Wissenschaftslehre: 2. Vortrag im Jahre 1804, Hamburg 1986, 138.
2 Ebd., 137–138.
3 Ebd., 151.
4 Ebd.
5 Ebd.
6 Ebd.
7 Ebd., 153.
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 Anton Ivanenko, Der Status der Phänomenologie …   301

Ich nur in diesem Akt der Selbstbeziehung existiert, eine ideelle Selbstbeziehung vorstellt, d. h.
eine Einsicht in sich selbst. In diesem Einsehen in sich selbst sind das Einsehende und das Einge-
sehene völlig identisch. Fichte sagt über dieses Ich oder das reine Sein: „es findet durchaus und
schlechthin nicht Zweiheit oder Vielheit statt, sondern nur Einheit“.8
Wie könnte aber irgendwelche Vielheit in diesem Fall überhaupt entstehen? Anders gefragt:
Wie kann eine Erscheinung existieren, die keine unmittelbare Einheit mit sich selbst ist und
deshalb dem Ich bzw. dem reinen Sein nicht gleich ist? Nach Fichte kann es nur mittels des reinen
„Durch“ als „des Wesens des Begriffes“9 passieren. Das bedeutet: Obwohl das reine Sein eine
unmittelbare Selbstbeziehung ist, gibt es darin zwei potenzielle Seiten der Beziehung. Und das
Durch oder das Wesen des Begriffes teilt diese unmittelbare Einheit des Ich in diese zwei, zuvor
nur potenziellen Seiten. Erst damit entsteht nach Fichte die Form der Erscheinung überhaupt. Sie
besteht darin, dass das Ich, das ohne diese Form sich selbst unmittelbar anschaut oder einsieht,
sich selbst nicht als sich selbst, sondern als eine Zweiheit des Begreifenden und des Begriffenen
begreift. So entsteht nach Fichte eine schon vermittelte Selbstbeziehung des Ich, die sich durch
das Wesen des Begriffes vermittelt. Das Ich oder das reine Sein hört damit nicht auf, das sich
selbst Sehende zu sein, begreift sich aber selbst als Zweiheit von Subjekt und Objekt bzw. dem
Gegenstand des Denkens. Nach Fichte ist dies die Urform oder Grundform von Erscheinung.
Meiner Meinung nach ist es augenfällig, dass Fichtes Auffassung eines Phänomens der Hegel-
schen Position sehr ähnlich ist. Erstens sind Phänomene, die Hegel in „Phänomenologie des
Geistes“ behandelt, auch Erscheinungen einer geistigen Substanz, deren Tätigkeit und Existenz
im sich selbst Wissen besteht. Es geht dann in Hegels Werk um Erscheinungen des Geistes, den
er später als die sich selbst wissende Wahrheit bestimmt, und nicht um Erscheinungen der Natur
oder einer Substanz, die auf eine andere Weise dem Wissen oder dem Geist gegenübersteht. Zwei-
tens verstehen beide Philosophen diese Erscheinung als einen zielgerichteten Prozess, also als
Erscheinen zu Etwas, was nunmehr keine Erscheinung, sondern zunehmend das Erscheinende
selbst ist.
Der Endzweck dieses Prozesses ist bei Fichte und Hegel natürlich verschieden konzipiert. Am
Ende des Erscheinungsprozesses, der bei Fichte fünf Grundformen durchläuft, kommt das Ich aus
dem entzweiten Begreifen wieder zur unmittelbaren Einheit mit sich selbst. Darin sind alle Dif-
ferenzierungen, in denen der Erscheinungsprozess sich vollzieht, weggefallen. Deshalb bezeich-
net Fichte früher die Einheit des Ichs als intellektuelle Anschauung. Nach Hegel behält der Geist
am Ende seines Erscheinens seinen ganzen Weg zu sich selbst bei, und zwar als „die begriffne
Geschichte“.10 Das bedeutet, dass die Differenzierungen, die vom Geist auf diesem Weg entwickelt
wurden, obwohl sie nunmehr keine selbstständigen Gestaltungen im Resultat dieses Weges sind,
als Konkretisierung der am Ende zu erreichenden Einheit geblieben [zu verstehen] sind. Nach
Hegel ist die Einheit am Ende des Erscheinungsprozesses also keine bloße unmittelbare Einheit
mit sich selbst, sondern gleichzeitig eine vermittelte Einheit. Dieses Charakteristikum ist ihr nicht
deshalb zu eigen, weil sie durch einen zurückliegenden Weg zur Einheit vermittelt wird, sondern
weil diese Einheit in sich selbst durch sich selbst vermittelt ist. Hierin besteht nach meiner Auffas-
sung der Unterschied der Hegelschen und Fichteschen Versionen einer Phänomenologie.
Wenn außerdem die Erscheinungslehre bei Fichte ein Teil des philosophischen Systems nach
wie vor bleibt, verliert die Phänomenologie des Geistes bei Hegel ihren Status als eines Teils des
philosophischen Systems. Anstatt sich selbst in diesem Entstehungsprozess zu begreifen und aus
diesem „Geisterreich“ seine Unendlichkeit zu schöpfen, begreift der Geist sich selbst in seiner
innerlich vollzogenen Differenzierung als die Logik, einer Differenzierung, die nunmehr nicht
allein nur Erscheinung des Geistes, sondern eine in sich selbst differente Wahrheit ist. Die Wahr-

8 Ebd., 151.
9 Ebd., 155.
10 G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, Hamburg 1980, 434.
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302   Hegel-Jahrbuch 2018

heit selbst ist also nach Hegel ein Prozess und nicht, wie Fichte es darstellt, eine undifferenzierte
Einsicht.
Man kann sagen, dass Hegels Phänomenologie, die man in bestimmter Hinsicht auch anth-
ropologisch verstehen kann, eine andere Richtung einschlägt und gleichsam ein antianthropo-
logisches Resultat zur Folge hat. Mensch, Anthropos verschwindet in dieser Bewegung als ein
fester und an sich bezogener Punkt und wird zuerst zum Geist, was sich nicht als menschlicher
Geist ausdeuten lässt, da der Mensch sich in dieser Gestaltung zum Geist nicht als eine Substanz
zu einer Eigenschaft verhält, sondern umgekehrt der Geist sich als die Wahrheit des Menschen in
seiner Erscheinung offenbart. Und dabei wird der Geist zu einem Moment der Logik, was uns noch
weiter vom anthropozentrischen Standpunkt wegführt.
Daher meine ich, dass die Hegelsche Philosophie keine anthropologische Perspektive auf-
weist, sondern eher eine Gegenperspektive einnimmt. Anthropologie war einer der Ausgangs-
punkte Hegels, der im Verlaufe der Ausarbeitung seines Systems an Bedeutung verlor. Die nach-
hegelsche Philosophie – namentlich Feuerbach – hat die Anthropologie erneut in das Zentrum
ihres Denkens gestellt, was aber nicht als „Überwindung“ oder als ein „Nachholen“ von Hegels
Gedanken anzusehen ist.

Dr. Anton Ivanenko


Pr. Rossijskij 14-610
Sankt Petersburg
Russland
193231
antonivanenko@hotmail.com

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Markus Gante, Bochum

Subjektivität und Leiblichkeit bei Hegel und Fichte


Geht man die Literatur durch, die zum Verhältnis der Subjektkonzeptionen Fichtes und Hegels
geschrieben wurde, findet man hauptsächlich Abhandlungen über die logische Struktur von Sub-
jektivität, zur Zirkularität und ihrer Legitimität und freilich zum Reflexionsmodell.
So spannend diese Themen sind, so sehr fällt auf, dass die Sphären des Hegelschen Systems,
in denen sie sich bewegen, entweder die Wissenschaft der Logik, oder Bereiche, in denen das
Bewusstsein schon ausgebildet ist, sind. Damit aber bleibt der erste Teil des subjektiven Geistes,
die Anthropologie, weitestgehend ignoriert an deren Ende erst der Übergang zum Bewusstsein
bzw. das Ich steht.1 Versucht man nun mit dem Hegelschen Subjektivitätskonzept, den Ficht’schen
Ich-Begriff zu kritisieren, läuft man jedoch Gefahr Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Das Problem
besteht darin, dass Fichtes Ich das Fundament des gesamten Systems der Wissenschaftslehre dar-
stellen soll, während Hegel diese Begründungsproblematik an die Logik delegieren kann.2 Der
Fokus der hiesigen Überlegungen richtet sich daher auf die Konsequenzen der Subjektkonzeptio-
nen Hegels und Fichtes für das empirische Subjekt und sein Verhältnis zur Welt, wobei nicht die
Legitimität der Begründung von Subjektivität überhaupt, sondern die Resultate für die Leiblich-
keit des Menschen diskutiert werden sollen.
Dafür gilt es zunächst in groben Zügen zu zeigen, was den strukturell wichtigsten Unterschied
der beiden Begriffe des empirischen Ichs, also des Ichs, was sich als endliches Wesen in einer Welt
befindet, ausmacht, um dann die Konsequenzen daraus für den Umgang mit der Welt anhand
Hegels Konzept der Gewohnheit und Fichtes Interpretation des kategorischen Imperatives zu ver-
gleichen. Des Weiteren trifft, wie Ludwig Siep treffend festhält, diese Art der Kritik nur Fichtes
Werk bis um 1804, aufgrund der konzeptionellen Änderungen der folgenden Wissenschaftsleh-
ren.3

1 D
 ie Vorbedingungen von Subjektivität
in der Anthropologie
Das „Urtheil der individuellen Seele“ ist nach Hegel das Erwachen.4 Mit dem Erwachen der Seele
ist an sich schon die Sphäre des Bewusstseins gesetzt, denn „das Fürsichseyn der wachen Seele,

1 Insbesondere Birgit Sandkaulen weist in ihrem Aufsatz „Die Seele ist der existierende Begriff“ auf dieses Ver-
säumnis hin, wie auch im Anschluss an den Aufsatz Fillipo Ranchio. Birgit Sandkaulen, „‚Die Seele ist der existieren-
de Begriff‘. Herausforderungen philosophischer Anthropologie“, in: Hegel-Studien 45 (2011), 35–50. / Fillipo Ranchio:
Dimensionen der zweiten Natur. Hegels praktische Philosophie, Hamburg 2016, (= Hegel-Studien Beiheft 64), 199 ff.
2 Siehe: Petra Braitling, Hegels Subjektivitätsbegriff, Würzburg 1991, 115 ff./ Angelika Kreß, Reflexion als Erfahrung.
Hegels Phänomenologie der Subjektivität, Würzburg 1996, 57 f.
3 Siehe: Ludwig Siep, Hegels Fichtekritik und die Wissenschaftslehre von 1804, Freiburg/München 1970, 11 ff. Auch
scheidet die die Betrachtung der Wissenschaftslehre Nova Methodo hier aus. Die zentralsten Momente meiner Argu-
mentation, freilich in abgewandelter Weise, finden sich auch in ihr: „Sonach finden sich da abermals vier Stücke:
Gefühl der Beschränktheit, Gefühl des Strebens, Anschauung des bestimmten Objekts, Anschauung des Ideals“. J. G.
Fichte, Gesamtausgabe der bayerischen Akademie der Wissenschaften, Stuttgart Bad-Cannstatt 1962 ff., Abt. IV, Bd. 2,
394. Im Folgenden zitiert als GA unter Angabe von Abteilung und Bandnummer.
4 G. W. F. Hegel, Gesammelte Werke, Hamburg 1968 ff., Bd. 20, 394. Im Folgenden zitiert als GW unter Angabe der
Bandnummer.
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304   Hegel-Jahrbuch 2018

concret aufgefaßt, ist Bewußtseyn und Verstand“.5 Allerdings weiß Hegel, dass die Seele, als der
noch mit der Natur durch seine Leiblichkeit verwachsene Geist, nicht einfach unmittelbar zu
Bewusstsein kommen kann.
Zunächst beschreibt Hegel eine Stufe der „verstandeslosen Individualität“, die Empfindung.6
„Alles ist in der Empfindung und, wenn man will, Alles, was im geistigen Bewußtsein und in der
Vernunft hervortritt, hat seine Quelle und Ursprung in derselben“.7 Die Empfindung stellt einen
Zustand der Seele dar, in welchem sie Eindrücke hat, ohne die Quelle dieser Eindrücke zu bestim-
men, also noch kein Objekt aus sich heraus setzt, und damit im Umkehrschluss selbst noch kein
Subjekt ist. Die Differenz zwischen Empfindendem und Empfundenem ist zwar da, aber eben
latent. Im Gang der Anthropologie intensiviert sich diese Trennung immer weiter, insbesondere
durch die Entwicklung von „Empfindung, [welche (M.  G.)] mehr die Seite der Passivität, des
Findens, […] hervorhebt“ zum „Gefühl, [welches (M. G.)] zugleich mehr auf die Selbstischkeit, die
darin ist, geht“.8 Wenn auch die Feinmechanik dieser Entwicklung hier nicht diskutiert werden
kann, ist es doch von höchster Bedeutung die Klammer, die sie einrahmt, festzuhalten. Empfin-
dung bestimmt Hegel als das „gesunde Mitleben des individuellen Geistes in seiner Leiblichkeit“.9
Auch das Selbstgefühl befindet sich noch in einer Unmittelbarkeit, nämlich der Leiblichkeit,
welche „darin noch ungeschieden von der Geistigkeit ist“.10 Das rahmenbildende Element ist hier,
getreu dem Leitbegriff der Seele, die Leiblichkeit, zu der sich das Individuum verhalten muss.
In der Empfindung und ihrer Fortbestimmung, dem Eigensten des Individuums, ist eine
ganze Lebenswelt11 vorhanden, die somit auch die Grundlage einer jeden wahrhaften Aneignung
der Welt, nur ohne eigenes Objektivitätskriterium,12 welches erst durch die Subjekte in sittlicher
Hinsicht an diese herangetragen wird, oder aber schon durch die Logik fundiert ist. Damit geht
einher, dass Hegel die Frage nach dem „Wahrhaften des Menschen“13 nicht abschließend hier
beantwortet wissen will,14 und somit nicht Gefahr läuft, die vorgestellte Konzeption zu überfrach-
ten.

2 F ichte – empirische Subjektivität in der


Wissenschaftslehre 1794/1795
Nimmt man hingegen Fichtes Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre [GWL] zur Hand, sieht
man schon, dass sie in einem konzeptionellen Gegensatz zur Hegels Anthropologie steht, denn
„[w]ährend Fichte aus der transzendentalen Ich-Struktur das Gefühl des endlichen Ich abzuleiten
sucht, setzt Hegel umgekehrt in Gestalt der Seele im Gefühl konkreter Subjektivität an“.15
Bekanntlich vereinigt Fichte die ersten zwei Grundsätze der GWL in dem synthetischen Satz:
„Ich setze im Ich dem theilbaren Ich ein theilbares Nicht-Ich entgegen“,16 mit dem der gesamte

5 GW 20, 395.


6 GW 20, 396.
7 GW 20, 397.
8 GW 20, 400.
9 GW 20, 399.
10 GW 20, 412.
11 Siehe: Birgit Sandkaulen, „Die Seele ist der existierende Begriff“, a. a. O. (Anm. 1), 41.
12 Siehe: Ludwig Siep, „Leiblichkeit, Selbstgefühl und Personalität in Hegels Philosophie des Geistes“, in: Lothar
Eley (Hg.), Hegels Theorie des subjektiven Geistes, Stuttgart Bad-Cannstatt 1990, 203–226, hier: 209.
13 GW 20, 379.
14 Siehe: Birgit Sandkaulen, „Die Seele ist der existierende Begriff“, a. a. O. (Anm. 1), 40.
15 Ebd., 45.
16 GA I/2, 272.
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 Markus Gante, Subjektivität und Leiblichkeit bei Hegel und Fichte   305

Spielraum der Wissenschaftslehre abgesteckt ist. Das „absolute Subjekt“17 des ersten Grundsat-
zes steht dabei für die „Kategorie der Realität“18 schlechthin, was – soll die Wissenschaftslehre
System sein – zu der Forderung führt, dass „[f]ür alles mögliche übrige, worauf sie [die Kategorie
der Realität (M.  G.)] angewendet werden soll, gezeigt werden [muß], daß aus dem Ich Realität
darauf übertragen werde“.19
Strukturell bedeutet das, dass Fichte, beginnend mit einer unendlichen Subjektivitätsstruk-
tur, zeigen muss, wieso diese sich überhaupt verendlichen sollte. Logisch zwingend ist nur der
erste Grundsatz, die absolute Selbstsetzung der absoluten Subjektivität, denn alles Weitere bewegt
sich zunächst im Spielraum des Möglichen. Das wird ab dem Punkt deutlich, an dem Fichte zu
Beginn der theoretischen Wissenschaftslehre beginnt sich zu fragen, was er eigentlich damit
gesagt hat, dass das Ich sich im Ich dem teilbaren Ich ein Nicht-Ich entgegensetzt. Darin angelegt
sind nämlich zwei weitere Sätze. Erstens heißt es: „das Ich sezt sich selbst als beschränkt durch
das Nicht-Ich“,20 was den Grundsatz des vierten Paragraphen bezeichnet, während zweitens mit
dem Satz, „[d]as Ich sezt das Nicht-Ich als beschränkt durch das Ich“,21 das Bestimmungsverhält-
nis in der praktischen Wissenschaftslehre umgedreht wird. Hier gilt jedoch zunächst, dass alles,
was nicht absolute Subjektivität ist, problematisch ist, „[d]enn bis jezt ist das Nicht-Ich Nichts;
es hat keine Realität, und es läßt demnach sich gar nicht denken, wie in ihm durch das Ich eine
Realität aufgehoben werden könne, die es nicht hat; wie es eingeschränkt werden könne, da es
nichts ist“.22
Gewissermaßen arbeitet sich Fichte den gesamten Rest der GWL an der Frage ab, wieso die
absolute Subjektivitätsstruktur überhaupt in eine endliche Form, in der sich Subjekt und Objekt
gegenüberstehen, hinabbegeben sollte. Ob seine Antwort befriedigend ist, muss offen gelassen
werden, obgleich der Blick in Fichtes Werke und die Vielzahl von folgenden Wissenschaftslehren,
eventuell ein Gefühl davon vermitteln können, dass auch Fichte selbst nicht ganz zufrieden war.
Wichtiger, als diese Frage zu beantworten, ist aber zu sehen, zu was die Welt uns unter dem
Blick der GWL gerinnen muss. Denn die wechselseitige Limitation von Ich und Nicht-Ich, wie
Fichte sie im dritten Grundsatz beschreibt, ist argumentativ nur sinnvoll, wenn man sie als Quan-
tifizierung betrachtet. Der Leitbegriff ist hier der der Teilbarkeit und nur Quantitäten, nicht aber
Qualitäten, kommt diese Eigenschaft zu.23 Sagen wir die absolute Realität der absoluten Subjek-
tivität ist zehn, so kann diese beliebig unter dem empirischen Ich und dem Nicht-Ich aufgeteilt
werden. Aus dieser Konstellation geht für Fichte mit Notwendigkeit hervor, dass das empirische
Ich danach strebt alle Realität zu sein, also die absolute Subjektivitätsstruktur sich zum Vorbild
nimmt.24 Die in ihrer Selbstbezüglichkeit unendliche Struktur absoluter Subjektivität wird dem
empirischen Ich im Verlaufe der praktischen Wissenschaftslehre zum Ideal, von dem die Forde-

17 GA I/2, 259.


18 GA I/2, 261.
19 GA I/2, 261.
20 GA I/2, 285.
21 GA I/2, 285.
22 GA I/2, 285.
23 Siehe: R.-P.. Horstmann, Die Grenzen der Vernunft. Eine Untersuchung zu Zielen und Motiven des deutschen Idea-
lismus, Frankfurt am Main 1991, 127.
24 Die Notwendigkeit speist sich für Fichte aus etwas paradoxen Konzeption des „Anstoßes“, welche er anführt
um zeigen zu können, wieso die unendliche Subjektivität überhaupt endlich werden sollte. Das Argument lautet,
dass das Ich die Eigenschaft der unendlichen Tätigkeit hat, welche Fichte als eine Form unendlicher Ausdehnung
beschreibt, wobei diese Ausdehnung auf etwas trifft, über das keinerlei Aussagen gemacht werden können und von
daher einen Anstoß erfährt, der es an der unendlichen Ausdehnung hindert. Diesen Anstoß erfährt das Ich allerdings
nur, weil es sich unendlich ausdehnt, daher ist es nur aufgrund seiner unendlichen Tätigkeit beschränkt, oder etwas
prägnanter formuliert: das Ich ist endlich, weil es unendlich ist, und es ist unendlich, weil es endlich ist. Siehe auch:
A. Kreß, Reflexion als Erfahrung, a. a. O. (Anm. 2), 59 f. / Daniel Breazeale, Thinking through the Wissenschaftslehre,
Oxford 2013, 166.
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306   Hegel-Jahrbuch 2018

rung an das Ich ergeht, dass das Ich die Realität des Nicht-Ichs aneignen soll, oder, um im obigen
Bild zu bleiben, das Ich strebt nach dem Realitätswert zehn. „Da sie [Ich und Nicht-Ich (M. G.)]
aber, so gewiß ein Objekt gesezt werden soll, nicht gleich sind, so läßt sich nur sagen, ihre Gleich-
heit werde schlechthin gefordert: sie sollen schlechthin gleich seyn. […] Also, es wird die Über-
einstimmung des Objekts mit dem Ich gefordert; und das absolute Ich, gerade um seines abso-
luten Seyns Willen, ist es, welches sie fordert“.25 Der letzte Satz ist mit einer Fußnote versehen,
in welcher Fichte eben diese Konzeption mit dem kategorischen Imperativ identifiziert. Hieraus
ergeben sich alle praktischen Handlungsanweisungen, jeder tätige Weltzugang.

3 D
 as Ich und die Welt:
Fichtes Grundlage des Naturrechts
Das Ich ist nach Fichte, um als endliches Wesen sein zu können in der befremdlichen Situation,
gleichzeitig Realität an das Nicht-Ich abzutreten und der Unendlichkeit des ersten Grundsatzes
nachzujagen, ohne sie doch jemals einzuholen, da es sich dann selbst als endliches Wesen unter-
minieren würde. Dies nennt Fichte Streben und es gilt: „kein Streben, kein Objekt“.26 Was das
genauer zu bedeuten hat, beschreibt Fichte in seiner Grundlage des Naturrechts nach den Prinzi-
pien der Wissenschaftslehre. „Der Charakter der Vernünftigkeit besteht darin, daß das Handelnde,
und das Behandelte Eins sey“.27 Vernunft ist die Ichheit schlechthin, also das, was nach der Logik
der GWL Ziel des Strebens für das empirische Ich ist. Als Tathandlung des ersten Grundsatzes der
GWL ist die universale Vernunftstruktur reine Tätigkeit und die Voraussetzung empirischer Sub-
jektivität: „die freie Thätigkeit ist die in der Weltanschauung beschäftigte, wenn die Gebunden-
heit wegfällt“.28 Der paradoxen Struktur der Wissenschaftslehre treu bleibend, meint Fichte, dass
die Objektwelt für das endliche Ich aufgrund der Verendlichung der unendlichen Subjektivität
da ist, und zwar deshalb, weil die Objekte eigentlich nicht sein sollen und einen zu beseitigen-
den Widerstand für das empirische Ich darstellen: „die Objekte sind Objekte lediglich [durch die
Gebundenheit der Weltanschauung (M. G.)] und insofern, daß sie durch die freie Thätigkeit des
Ich nicht daseyn sollen. […] Die freie Thätigkeit aber gehet darauf aus die Objekte, inwiefern sie
dieselbe binden, aufzuheben“.29
Die Argumentation in den Anfangspassagen des Naturrechts zielt darauf Intersubjektivität,
Recht und Leiblichkeit darzulegen, denn „Philosophie muß unsere Ueberzeugungen von dem
Daseyn einer Welt ausser uns deduciren“.30 Fichtes Überzeugung „aus der transzendentalen
Ich-Struktur das Gefühl des endlichen Ich abzuleiten“,31 kulminiert in einer Polemik: „Ein reines
Ich, und die Verrichtungen desselben vor allem Bewußtseyn haben keine Realität, weil sie nicht
im gemeinen Bewußtseyn vorkommen, heißt dasselbe sagen, was ein ungebildeter Wilde[r] sagen
würde, wenn er spräche: eure Kausalität, und eure Wechselwirkung haben keine Realität, denn
man kann sie nicht essen“.32
Fichte folgt auch im Naturrecht der Umdeutung von absoluter Subjektivität zum Ideal des
empirischen Ichs, obgleich sie nach wie vor auch seine Voraussetzung bleiben soll: „Es [das
Subjekt (M. G.)] bekommt den Begriff seiner freien Wirksamkeit, nicht als etwas, das im gegen-

25 GA I/2, 395.


26 GA I/2, 397.
27 GA I/3, 313.
28 GA I/3, 330 f.
29 GA I/3, 331.
30 GA I/3, 335.
31 Birgit Sandkaulen, „Die Seele ist der existierende Begriff“, a. a. O. (Anm. 1), 45.
32 GA I/3, 337.
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 Markus Gante, Subjektivität und Leiblichkeit bei Hegel und Fichte   307

wärtigen Moment ist, denn das wäre ein wahrer Widerspruch; sondern als etwas, das im künftigen
seyn soll“.33 Auf Kosten der Unklarheit, wie etwas zugleich Ideal und Voraussetzung sein kann,
gewinnt Fichte mit dieser Umdeutung jedoch die Möglichkeit konkrete Resultate seiner Philoso-
phie zu formulieren.34 Denn wenn Vernunft die Einheit von Handelndem und Behandeltem ist, und
als Ideal des subjektiven Strebens fungiert, heißt das nichts anderes, als dass das Nicht-Ich, also
die Welt, vernünftig strukturiert werden soll; also Ich wird. Die Welt setzt der Wirksamkeit des
Ichs jedoch einen gewissen Widerstand entgegen, „der sich nur durch ein Schweben der Einbil-
dungskraft zwischen beiden, wodurch eine Zeit entsteht, vermitteln läßt“.35 Durch den Moment
des Widerstandes fällt die Gestaltung der Welt nach dem Ideal absoluter Subjektivität durch das
empirische Ich in die Zeit und ist somit ein tätiger Prozess. Um Wirken zu können bedarf das Ich
eines Leibes, welchen Fichte im zweiten Hauptstück des Naturrechts deduziert. Die Deduktion
stellt sich wie folgt dar:
1. Die absolute Subjektivitätsstruktur ist als nur auf sich selbst bezogen frei und wirkmächtig.
2. Eine Sphäre möglicher freier Handlungen wird den selbstreferenziell-freien Handlungen ent-
gegengesetzt. Die möglich-freien Handlungen beziehen sich auf die Welt, welche in dieser
Entgegensetzung dem Subjekt zum Objekt wird, wodurch das Subjekt beschränkt ist.
3. Den Leib beschreibt Fichte demnach „als Umfang aller möglichen freien Handlungen der
Person; und nichts weiter“.36 Aus spekulativer Perspektive ist der Leib, da das Subjekt sonst
nicht in der Welt wirken könnte und wirken kann es, denn es ist reine Tätigkeit.37

Möglich-freie Handlungen zeichnen sich gegenüber den selbstreferenziell-freien Handlungen


dadurch aus, dass sie sich auf etwas anderes als sich selbst beziehen und insofern auch mögli-
cherweise nicht frei sein könnten. Leiblichkeit ist das Werkzeug des Subjekts um „seinen Zweck in
der Materie zu erreichen“.38 Kombiniert man diese Konstellation mit den obigen Reflexionen zum
Verhältnis von empirischem Ich und Ideal folgt, dass Zweck von Leiblichkeit die Aufhebung der
Beschränkung ist, welche sich durch die Entgegensetzung von Subjekt und Objekt manifestiert:
„Angebaute Länder sollen den trägen und feindseeligen Dunstkreis der ewigen Wälder, der Wüs-
teneien, der Sümpfe beleben und mildern; geordneter und mannigfaltiger Anbau soll rund um
sich her neuen Lebens- und Befruchtungs-Trieb in die Lüfte verbreiten, und die Sonne soll ihre
belebendsten Strahlen in diejenige Atmosphäre ausströmen, in welcher ein gesundes, arbeitsa-
mes und kunstreiches Volk atmet“.39 Das Verhältnis zur Objektwelt ist hier eindeutig abgesteckt,
aber wie verhält sich das Ich zu seinem Leib?
Der Leib besitzt eine paradoxe Doppelstellung. Einerseits ist der Preis der Aufgabe der Unend-
lichkeit, zu welcher das absolute Ich genötigt ist, andererseits ist er Organon des empirischen
Ich sich dieser Unendlichkeit anzunähern. Günter Zoller trifft diesen Sachverhalt mit dem Begriff
vom „ichlichen Nicht-Ich“.40 Der Leib ist damit weder genuin Subjektivität zugehörig, noch lässt
er sich der Objektsphäre zuordnen. So scheint es nicht weiter verwunderlich, dass der Protago-
nist der Bestimmung des Menschen äußert: „Ich könnte mir gefallen lassen, daß diese Körperwelt

33 GA I/3, 342 f.


34 Siehe: Ludwig Siep, Hegels Fichtekritik, a. a. O. (Anm. 3), 22 ff./ Daniel Breazeale, Thinking through the Wissen-
schaftslehre, Oxford 2013, 187.
35 GA I/3, 338 f.
36 GA I/3, 363.
37 In Nova Methodo ist die Deduktion des Leibes analog: „Der Raum, in dem ich sein soll, steht unter meiner Herr-
schaft; die Materie im Raume, die ich sein soll, und ihre Teile hängen von mir ab, es ist mein Leib, inwiefern er arti-
kuliert ist“. (GA IV/2, 420.)
38 GA I/3, 373.
39 GA I/6, 268 f.
40 Günter Zoller, „Setzen hält Seele und Leib zusammen. Fichtes transzendentale Somatologie und das System der
Vernunft“, in: Jürgen Stolzenberg (Hg.), Kant und der Frühidealismus, Hamburg 2007, 129 – 151 , hier: 129.
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308   Hegel-Jahrbuch 2018

außer mir in eine bloße Vorstellung verschwände, und in Schatten sich auflösete“.41 Leiblichkeit
erscheint als notwendiges Übel, als ein bloßes Werkzeug, nicht als Konstitutionsmoment von Sub-
jektivität, welche als Ich die logische Vorrangstellung gegen den Leib behalten muss.

4 Leiblichkeit, Selbstgefühl, Gewohnheit


Wie zuvor gesehen wurde ist die Leiblichkeit integraler Bestandteil des hegelschen Subjektivi-
tätsverständnisses, da nicht zuletzt die Empfindung die „unreine Quelle“ allen Inhalts ist.42 Die
gesamte Geistphilosophie ist, aufbauend auf den subjektiven Geist, auf den Inhalt durch die
Empfindung angewiesen. Somit wäre auch ein Bewusstsein für Hegel undenkbar, welches nicht
mit Leiblichkeit vermittelt wäre. Damit einher geht die Aufgabe an den Menschen, dass er einen
gewissen Umgang mit der Leiblichkeit zu finden hat, wobei die Art des Umgangs die Aufgabe
erfüllen muss, das Subjekt aus der Versenkung „in die Besonderheit der Gefühle“ zu holen, und
seine Seele in ein souveränes Verhältnis zu dieser Besonderheit zu setzen.43
Als Lösung schlägt Hegel das Konzept der Gewohnheit vor. Sie befreit den Menschen dadurch,
dass er mit Eindrücken, Empfindungen und Trieben, die ihn zuvor voll beschäftigten, auf eine
mechanische Weise verfahren kann, um dadurch den Kopf für die Tätigkeiten des Geistes frei zu
bekommen.44 Dabei plädiert Hegel ganz gezielt für einen Umgang, bei welchem die leiblichen
Phänomene nicht ignoriert oder verteufelt werden: „die mönchische Entsagung und Gewaltsam-
keit befreit nicht von ihnen [den Trieben (M.  G.)], noch ist die dem Inhalte nach vernünftig“.45
Durch Übung und Wiederholung tritt eine Distanz zwischen der Seele und den leiblichen Bestim-
mungen ein, in denen sie zu Beginn noch vollkommen aufging und das Bestimmungsverhältnis
dreht sich um. Durch den gewohnten Umgang mit den Eindrücken kann die Seele sich souverän
gegen sie Verhalten und macht den Leib als wirkliche Seele zu ihrem „Kunstwerk“.46 Nicht mehr
die leiblichen Phänomene bestimmen die Seele, sondern die Seele hat Kontrolle über ihren Leib.
„[D]as Ich [schließt (M. G.)] die natürliche Totalität seiner Bestimmungen als ein Objekt, eine ihm
äußere Welt, von sich aus“ und wird Bewusstsein.47
Die Vorzüge der hegelschen Konzeption, für die ich hier argumentieren möchte, sind zwei-
erlei. Erstens erscheint es mir wesentlich plausibler das Bewusstsein als Resultat eines Prozes-
ses einer basalen Auseinandersetzung mit der Welt zu begreifen, welche bestehen bleibt und die
Grundlage des Bewusstseins darstellt, als empirische Subjektivität – wie Fichte sie denkt – als
endlich gewordene Form absoluter Subjektivität zu begreifen, welche zu dieser Unendlichkeit als
ihrem Ideal zurückstrebt.
Damit einher geht der zweite Punkt. Fichte muss aufgrund der logischen Struktur der Wissen-
schaftslehre von 1794 alle Phänomene materialer Existenz als Nicht-Ich beschreiben, welche ein
potentielles Hindernis für den Wunsch nach Realität des Ichs darstellen und daher anzueignen
sind. „Unsere Welt ist das versinnlichte Materiale unsrer Pflicht; dies ist das eigentliche Reelle der
Dinge, der wahre GrundStoff der Erscheinung“.48 Die Welt, wie sie sich den Menschen unmittel-

41 GA I/6, 248.


42 GW 25.1, 57.
43 GW 20, 414.
44 „Eine mechanische Vorstellungsweise, ein mechanisches Gedächniß, die Gewohnheit, eine mechanische Hand-
lungsweise bedeuten, daß die eigenthümliche Durchdringung und Gegenwart des Geistes bey demjenigen fehlt, was
er auffaßt oder thut“. (GW 12, 133).
45 GW 20, 417.
46 GW 20, 419.
47 GW 20, 421. Siehe auch: Terry Pinkard, Hegel’s Naturalism. Mind, Nature, and the Final Ends of Life, Oxford 2012,
29.
48 GA I/5, 353.
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 Markus Gante, Subjektivität und Leiblichkeit bei Hegel und Fichte   309

bar darbietet, verzerrt sich unter dem Blick dieses moralischen Rigorismus soweit, dass er den
basalen Schichten des menschlichen Daseins, wie Hegel sie in der Anthropologie beschreibt,
schlichtweg keinen Wert beimessen kann.49 Dabei liegt das Problem nicht darin, dass Fichte feh-
lerhaft argumentieren würde. Ganz im Gegenteil ist es genau die ungeheure argumentative Strin-
genz, die ihn zu dieser Aussage führt, wobei die Prämisse der Vorrangstellung transzendentaler
Subjektivität vor der empirischen Subjektivität der Ausgangspunkt dafür ist. Mit Hegels konzep-
tioneller Umkehrung durch die Anthropologie liegt ein Vorschlag vor, der gleichzeitig in der Lage
ist, die basalen Phänomene des menschlichen Daseins ernst zu nehmen, wie auch über sie hinaus
zu weisen, weswegen sie einen sinnvollen Einwand gegen Fichte darzustellen scheint.

Markus Gante
Oskar-Hoffmann Straße 117
44789 Bochum
markus.gante@rub.de

49 Fichte beschreibt das Konzept der Gewohnheit selbst als Trägheit der Reflexion, welche den von ihm vertretenen
moralischen Intuitionismus zudeckt und daher selbst unmoralisch ist. Siehe: Barbara Merker: „Über Gewohnheit“,
in: : Lothar Eley (Hg.), Hegels Theorie des subjektiven Geistes, Stuttgart Bad-Cannstatt 1990, 227 – 243 , hier: 241.
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Héctor Ferreiro, Buenos Aires

Der praktische Geist ist der wirkliche Geist


Zu Hegels Antirepräsentationalismus

Hegel weist das Weltbild zurück, nach dem das erkennende Subjekt ein Ding unter den Dingen ist,
das alle Dinge – dabei also auch sich selbst – kausal widerspiegelt, und schlägt stattdessen ein
neues Paradigma vor, in dem das erkennende Subjekt als die Einheit der Erkenntnistätigkeit (des
„Subjekts“ vom alten Paradigma) und des durch sie Erkannten (des „Objekts“) aufgefasst wird.
Für diese neue Auffassung gehört das Objekt nicht zum Anderen der erkennenden Subjektivität,
die es daher als ein Fremdes widerspiegelt; Objekt und Subjekt sind vielmehr strukturelle und
strukturierende Momente des Erkennens bzw. des Denkens selbst, welches nun als der „Raum“
verstanden wird, in dem Objekt und Subjekt, Welt und Geist vorkommen. Das Ziel des vorlie-
genden Beitrags besteht darin, Hegels Ansatz gegen die repräsentationalistische Auffassung der
Erkenntnis zu analysieren und in diesem Kontext den Sinn hervorzuheben, den seine These über
die praktischen Tätigkeit als Wesen und Wahrheit der kognitiven Tätigkeit hat.

1 V
 om vorstellenden Einzelsubjekt zur intersubjektiven
Tätigkeit des Begreifens
Das Subjekt entwickelt für Hegel die Fähigkeit zur Sprache, wenn es die Bestimmungen der Außen-
welt auf seine eigenen Bestimmungen reduziert, d. h. wenn es diesen Bestimmungen ihren sinnli-
chen Charakter abstreift, während es ihren Inhalt bzw. ihre Bestimmtheit behält. Das Subjekt, das
diese Phase erreicht hat, stellt sich die wirkliche Welt nicht mehr in seinem „Inneren“ vor, sondern
es bewegt sich in dem Raum der Vernünftigkeit, der weder lediglich objektiv noch lediglich subjek-
tiv ist. In der der Subjektivität charakteristischen Idealität, welche trotzdem anhand der Sprache
prinzipiell mit der konkreten Wirklichkeit identisch bzw. identifizierbar ist, hebt der menschliche
Geist seine eigene, einseitige Subjektivität auf und wird zur einfachen Einheit des Objekts und
seiner selbst als Subjekt.1 Die kognitive Tätigkeit des Geistes, der sich zu dieser Einheit erhoben
hat und sich nunmehr in ihr bewegt, ist nicht mehr ein bloßes Sich-Vor-Stellen dessen, was sich
aus sich selbst darstellt: Indem die Sprache den Subjekt-Objekt-Dualismus überwindet, ist sie
die Möglichkeitsbedingung der dem Subjekt vollkommen immanenten und trotzdem vollkommen
objektiven Tätigkeit des Begreifens.2 Das Begreifen besteht genau genommen darin, die Bestimmt-
heit jedes Objekts zu analysieren und ihre verschiedenen, konstitutiven Bestimmungen in ihrer
Notwendigkeit aufeinander zu beziehen. Dadurch überwindet das Begreifen die Unmittelbarkeit
und Undurchsichtigkeit der Inhalte, die in der Sprache zunächst sozusagen bloß „da sind“, d. h.
es überwindet die schon idealisierte, aber immer noch in sich selbst äußerliche Bestimmtheit des
durch die Sprache formulierten Objekts. In der Phase der Vorstellung überwindet der Erkennt-
nisprozeß die Äußerlichkeit der Bestimmungen im Verhältnis zum Geist als reinem Subjekt bzw.
als Ich, während er in der Phase des Denkens die Äußerlichkeit der Bestimmungen zueinander

1 Vgl. G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830), Hamburg 1992, §§ 465–
466.
2 Ebd., § 467.
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 Héctor Ferreiro, Der praktische Geist ist der wirkliche Geist   311

aufhebt. In der letzten Form des Denkens, d. h. im eigentlichen Begreifen erkennt der menschli-
che Geist die Wirklichkeit in ihrer innerlichen Struktur und enthüllt damit, dass jede Bestimmung
der sogenannten Außenwelt in Wahrheit eine Selbstdifferenzierung der konstitutiven Prinzipien
der Vernünftigkeit ist, die den Geist definieren: Der Geist ist nämlich für Hegel weder ein Ding
unter anderen Dingen noch ein Vermögen eines Dings, sondern der Prozess der Selbstunterschei-
dung und Selbstvereinzelung des Systems des jeweiligen Theoretisierens über die Wirklichkeit
bzw. des „Begriffs“.
Eben deshalb, weil der menschliche Geist sich durch das Begreifen als identisch mit den kon-
stitutiven Prinzipien der Vernünftigkeit manifestiert, ist das, was er jeweils für die wirkliche Welt
hält, eine Selbstdifferenzierung des Geistes selbst. Das Begreifen impliziert für Hegel insofern
nicht nur die Selbstvereinzelung der allgemeinen Kategorien der Vernünftigkeit in der einzelnen
Bestimmtheit des begriffenen Objekts, sondern zugleich die Selbstvereinzelung der subjektiven
Vernunft, die das Begreifen vollbringt. Indem das Subjekt das Objekt begreift und alle Ebenen der
Bestimmtheit desselben als eigene Bestimmungen setzt, offenbart es sich als die Einheit seiner
selbst und des Objekts; damit erscheint das erkennende Subjekt nicht mehr als eine gegenüber
der Welt leere Form, sondern es wird selbst zur wirklichen Welt.
Ist die Welt aber nicht zwangsläufig das Andere des Ichs, das sie begreift? Inwiefern kann
also das Begreifen implizieren, dass die Welt, die begriffen wird, dadurch zu einer Selbstbestim-
mung der subjektiven Tätigkeit ihres Begreifens wird? Hegels Antwort auf diese Frage beruht auf
der These, dass bereits die Inhalte, die sich das Subjekt in seinem Inneren als verschieden von
den Objekten der Außenwelt vorstellt, nicht in ihm vor ihm stehen, sondern strenggenommen
eigene Bestimmungen des Subjekts sind. Die vom Subjekt innerlich vorgestellte Bestimmtheit des
Objekts ist für Hegel nämlich die Qualität, mit der das Subjekt, welches sich anfangs gegenüber
dem bestimmten Objekt als in sich rein formell und leer auffasst, nunmehr explizit sich in sich
selbst bestimmt. Deshalb hält Hegel die abstrakt allgemeine Vorstellung, in welcher der konkrete,
sinnliche Charakter der wirklichen Welt (teilweise) verschwindet, für eine erste Manifestation der
konstitutiven Idealität der Welt selbst bzw. für ein Anzeichen, dass die Wirklichkeit kein Bereich
ist, in dem vom Subjekt völlig unabhängige Dinge äußerlich existieren. Das Bewusstwerden
darüber, dass das Wirkliche auch nicht nur eine „innere“ Welt des Subjekts ist, hebt endgültig
den einseitigen Standpunkt des Vorstellens auf und überwindet damit das allgemeine Paradigma
der Subjektivität als verschieden von der objektiven Welt: Das Begreifen ist nämlich eine sowohl
subjektive als auch objektive Tätigkeit.
Das Vorstellen überhaupt gilt in Hegels Erkenntnistheorie als die anfängliche Manifestation
der Idealität der Bestimmtheiten, die das Subjekt zunächst als Dinge einer Außenwelt erkennt.
Aber sogar in den abstrakten Vorstellungen unterscheiden sich immer noch deren einseitig sub-
jektiver Inhalt und der einseitig objektive Inhalt der sinnlichen Anschauung voneinander; dabei
setzt sich das Erkennen als subjektive Tätigkeit den nicht-subjektiven Inhalten als Dingen einer
dem erkennenden Subjekt äußeren Welt entgegen. Im Unterschied zur bloß abstrakten Vorstel-
lung enthält die Vorstellung der Bedeutung der Sprachzeichen in ihrer nicht-sinnlichen Allge-
meinheit die bestimmte Einzelheit des konkreten, sinnlichen Objekts ohne seine sinnliche Kon-
kretion. In dieser Hinsicht sagt Hegel: „Caesar ist längst vorbei, als Name hat er sich erhalten.“3
Und weiter: „Die Namen sind keine Bilder, und doch haben wir den ganzen Inhalt, indem wir den
Namen vor uns haben.“4 Indem die Vorstellung, die als die Bedeutung eines Namens fungiert,
das bis dahin ausgeschlossene, sinnliche Objekt ohne seine ursprüngliche Sinnlichkeit in sich
einschließt, bringt sie eine tiefere Idealisierung zustande, als die, die die bloß abstrakte Vorstel-
lung zustande bringt; sie tut dies, indem die Bestimmungen des vorher nur abstrakt vorgestell-
ten Inhalts durch die Sprache homogener mit der sie erkennenden Subjektivität werden; eben

3 G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie des Geistes. Berlin 1827/1828. Nachgeschrieben von J E. Erdmann
und F. Walter, Hamburg 1994, 215.
4 Ebd., 218.
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312   Hegel-Jahrbuch 2018

deshalb kann das sprachfähige Subjekt über diese Bestimmungen verfügen und sie frei aufeinan-
der beziehen. Anhand der Sprache gestaltet der Geist die Kategorien, durch die er die wirklichen
Objekte begreifen kann. Diese Kategorien sind keine Vorstellungen mehr, sondern vielmehr – in
Hegels Terminologie  – „Gedanken“, d.  h. immanente Veränderungen des Erkennens bzw. des
Denkens selbst, weil sie die Aufhebung des Gegensatzes von erkanntem, äußerem Objekt und
erkennendem, innerem Subjekt voraussetzen, der das Vorstellen als solches definiert. Die Kate-
gorien und Gesetze – egal welche sie jeweils sind –, anhand derer der menschliche Geist die Welt
begreift, sind sozusagen das innere Leben der Vernünftigkeit, die sich in ihrer völlig nicht-sinnli-
chen Idealität trotzdem als die Welt bestimmt bzw. die Welt ist. Indem das Begreifen jeden Inhalt
aus den höchst ideellen Bestimmtheiten der allgemeinen Kategorien und Denkgesetze in sich ver-
mittelt, überwindet es in Hegels Augen alle Ebenen der Andersheit des Inhalts, da die Kategorien
und Denkgesetze keine Bestimmungen des menschlichen Geistes als dieses oder jenes einzelne
Subjekt sind, sondern die logisch-ontologischen Grundprinzipien dessen, was der Geist jeweils
für die Wirklichkeit hält. Das Begreifen ist für Hegel insofern das Sich-Urteilen und Sich-Zusam-
menschließen der Subjektivität – oder was dasselbe ist, die Vernünftigkeit selbst als tätiges und
lebendiges Subjekt.
Der Geist, der die Wirklichkeit begreift, bestimmt sich für Hegel, wie vorausgeschickt wurde,
in sich selbst mit den Bestimmungen des Wirklichen. Im Begreifen als Vollendung der Erkennt-
nistätigkeit sind die wirklichen Objekte Selbstbestimmungen des menschlichen Geistes. Dies
bedeutet aber nicht, dass für Hegel das Objekt etwas Subjektives ist in dem Sinne, dass es keine
wirkliche Welt gibt. Begreifen ist zwar eine subjektive, aber objektive Tätigkeit des einzelnen Sub-
jekts. Fast vollständig gelähmt sprach der Physiker Stephen Hawking über Galaxien, die Millio-
nen Lichtjahre von der Erde entfernt sind, und über Ereignisse, die vor Tausenden von Millionen
Jahren geschehen sind; für die physikalische Theorie von Hawking waren wiederum die Wechsel-
fälle seines Lebens völlig irrelevant: Wenn die subjektive Tätigkeit des Begreifens die Ebene der
konstitutiven Bestimmungen der Wirklichkeit erreicht, hebt sie auch ihre eigene besondere Sub-
jektivität auf. Was im Begreifen sich in sich selbst bestimmt, ist also nicht das einzelne Subjekt,
das sowohl die Objekte als auch die anderen Subjekte aus sich ausschließt, sondern die Subjekti-
vität, die sich als identisch mit der Wirklichkeit offenbart. Hegels These will darauf hinaus, dass
das Erkennen die Substanz ist bzw. dass die Substanz Subjekt ist.5
Das Erkennen versteht sich zunächst als eine völlig formelle Tätigkeit und demnach als ein
rein „ideelles“ Phänomen gegenüber dem Objekt, das seinerseits eben als das Andere des ideellen
Erkennens für ein Ding der „wirklichen“ Welt gehalten wird. Wenn aber das Erkennen bzw. das
Denken begreift, dass sein Inhalt eigentlich das Denken selbst ist, verliert es seinen formellen,
ideellen Charakter und wird qua erkennende Tätigkeit wirklich.6 Die unmittelbare Schlußfolge-
rung dieser Bewusstwerdung ist, dass Erkennen in Wahrheit praktische Tätigkeit ist bzw., dass
die Intelligenz in Wahrheit Wille ist – oder, aus einer anderen Perspektive, dass die Struktur des
Objekts die eigene Struktur der Subjektivität ist.7

2 Erkennen als praktisches Tun


Das Erkennen, das seine Tätigkeit als reine Theorie und dementsprechend sich selber als eine in
sich leere, abstrakt ideelle Form versteht, die ihre Inhalte von einer „Außen“-Welt erhält, offenbart
am Ende seines Prozesses, dass das Erkennen in Wahrheit ein Kontinuum ist, innerhalb dessen

5 Vgl. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, a. a. O. (Anm. 1), § 213, § 215 Anm., § 573 Anm.
6 Vgl. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie des Geistes, a. a. O. (Anm. 3), 241. Siehe auch Hegel, Enzyklopädie,
a. a. O. (Anm. 1), § 482.
7 Vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Frankfurt am Main 1970, Bd. 7, § 4 Zusatz.
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 Héctor Ferreiro, Der praktische Geist ist der wirkliche Geist   313

das erkennende Subjekt und das erkannte Objekt, der Geist und die Welt, nur Momente sind. Eben
deshalb charakterisiert Hegel den praktischen Geist bzw. den Willen als den „wirklichen Geist“,
d. h. als die Gestalt des menschlichen Geistes, in der die Realität des Erkennens, das den Geist als
solches definiert, seinem Begriff entspricht.8 Obwohl die These, dass das Praktische die Wahr-
heit des Theoretischen ist, innerhalb von Hegels Philosophie eine entscheidende Rolle spielt, hat
man ihr selten Aufmerksamkeit beigemessen. Hegel selbst hat womöglich dazu beigetragen, da er
seine Philosophie des (subjektiven) Willens nicht in großem Detail ausgeführt hat.9
Der spezifische Prozess des Willens besteht für Hegel darin, die Gegebenheit und Unmit-
telbarkeit der eigenen Selbstbestimmungen des menschlichen Geistes aufzuheben. Die erste
Phase dieser Aufhebung ist das Sich-Teilen des Selbstbewusstseins als Tätigkeit, d.  h. seine
reelle Ur-Teilung.10 Das „objektive“ Extrem dieses Sichteilens der unmmittelbaren Tätigkeit des
Selbstbewusstseins ist ihre Verallgemeinerung zu einem (teilweise) allgemeinen Inhalt, nämlich
zu den Trieben und Neigungen des Geistes; das „subjektive“ Extrem ist die rein abstrakte Refle-
xion-in-sich derselben Tätigkeit des Selbstbewusstseins nun als Form in Bezug auf sich selbst
als (teilweise verallgemeinerten) Inhalt: Dieses subjektive, formelle Extrem des Sichteilens des
wirklichen Geistes ist nichts anderes als seine Fähigkeit bzw. seine Macht zum Wählen seiner
eigenen Triebe und Neigungen, d.  h. die Willkür.11 Indem der wirkliche Geist sich in sich teilt,
reproduziert er gewissermaßen die theoretische Trennung zwischen Objekt und Subjekt; aber
dadurch, dass die Objekt-Subjekt-Dualität aufgehoben ist und somit das „Objekt“ bzw. der Inhalt
nun ausdrücklich selbst Subjektivität ist – die Triebe und Neigungen sind nämlich Selbstbestim-
mungen des Geistes –, ist die Beziehung zwischen beiden Extremen des Sichteilens des Geistes
auf dieser Ebene keine theoretische, sondern eine praktische Beziehung: Diese Beziehung ist das
tätige Wählen selbst, d. h. der Entschluß, durch welchen der Geist nach seiner Selbstteilung sich
mit sich wieder zusammenschließt.12
Die nicht mehr abstrakt ideelle, sondern als solche wirkliche Tätigkeit des Wissens – d. h.
der Wille – wird sich im subjektiven Extrem ihres Sich-Teilens ihrer eigenen Formalität bewusst
(Willkür), und zwar diesmal ihrer Formalität hinsichtlich ihrer selbst qua Inhalt, d. h. hinsichtlich
ihrer eigenen Selbstbestimmungen (Triebe und Neigungen). Sowohl die Triebe und Neigungen
als auch die Willkür sind aber besondere Momente des wirklichen Geistes, weil sie als solche von-
einander verschieden sind und ihrem Begriff nach verschieden bleiben; ihre Allgemeinheit ist
deshalb immer nur abstrakt: Sie schließt das Moment der Besonderheit nicht in sich ein, weshalb
das jeweils andere Extrem trotz aller möglichen, gegenseitigen Vermittlung (die Vermittlung
beider Extreme des wirklichen Geistes ist der jeweilige Entschluß) in seiner eigenen Besonderheit
verharrt.
Die Besonderheit der zwei entgegengesetzten Momente des Willens wird für Hegel aufgrund
der theoretischen Form aufgehoben, durch die der wirkliche Geist sich erkennt. Im eigentlichen
theoretischen Prozess lassen sich Objekt und Subjekt nicht als solche aufeinander reduzieren; ihre
Dualität kann nämlich als solche nicht aufgelöst werden: Es gibt immer ein Objekt, das erkannt

8 Vgl. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie des Geistes, a. a. O. (Anm. 3), 241.
9 Zu einer detaillierten Analyse von Hegels Theorie des subjektiven Willens siehe u. a. Adriaan Peperzak, Modern
Freedom, Dordrecht/Boston/London 2001, 174–211; Héctor Ferreiro, „Reconstrucción del sistema de la voluntad en la
filosofía de Hegel“, in: Revista Latinoamericana de Filosofía 35, 2 (2009), 55–86.
10 Vgl. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, a. a. O. (Anm. 1) § 473; Hegel, Vorlesungen über die
Philosophie des subjektiven Geistes. Nachschriften zu den Kollegien der Jahre 1822 und 1825, Hamburg 2008, 537; Hegel,
Vorlesungen über die Philosophie des Geistes, a. a. O. (Anm. 3), 251.
11 Vgl. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, a. a. O. (Anm. 1) § 477; Hegel, Vorlesungen über die
Philosophie des subjektiven Geistes, a. a. O. (Anm. 10), 540; Hegel, Vorlesungen über die Philosophie des Geistes, a. a. O.
(Anm. 3), 256–258. Siehe auch Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Hamburg 2009, § 14 Anm., § 15.
12 Vgl. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, a. a. O. (Anm. 1) § 478; Hegel, Vorlesungen über die
Philosophie des Geistes, a. a. O. (Anm. 3), 256; Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Hamburg 2009, § 13, § 13
Anm., § 16.
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314   Hegel-Jahrbuch 2018

wird, und ein Subjekt, das es erkennt. Das Erkennen als bloßes Sich-aufeinander-Beziehen von
Objekt und Subjekt ist in sich rein formell; die Aufhebung der Besonderheit beider Extreme findet
insofern auf der Ebene ihrer Bestimmtheit statt; wenn die Bestimmtheit auf beiden Seiten voll-
kommen identisch ist, sind Objekt und Subjekt trotz ihres unüberwindbaren Unterschieds keine
besonderen Momente mehr, sondern sie bilden eine in sich differenzierte Identität. Auf eine
ähnliche Weise ist der Entschluß als bloßes Sich-aufeinander-Beziehen der beiden Extreme des
Willens  – d.  h. der Willkür und der Triebe und Neigungen  – nicht imstande, die Besonderheit
dieser Extreme aufzuheben. Es ist der Entschluß aufgrund der Erkenntnis dessen, was der wirkli-
che Geist in Wahrheit ist, der die Besonderheit der Triebe und der Willkür aufhebt. Wenn der wirk-
liche Geist begreift, dass seine wahre Natur weder eine Summe von Trieben und Neigungen noch
die reine Macht zum Wählen, sondern die konkrete Einheit von beiden ist, kann er diese Einheit
als die wahre Bestimmtheit bzw. als das Endziel seiner Entschlüsse setzen. Der Geist, der sich
als eine in sich differenzierte Einheit von Trieben und Wahlfähigkeit erkennt und sich zu dieser
Einheit als Endziel entschließt, ist als nunmehr konkret allgemeiner, wirklicher Geist sozusagen
zweimal wirklicher Geist, wirklich freier Geist.13
Was bedeuten aber diese auf den ersten Blick undurchschaubaren Thesen von Hegel über
den menschlichen Willen? Und vor allem: Inwiefern betreffen sie die Erkenntnistheorie? Wie oben
ausgeführt, ist die praktische Tätigkeit für Hegel das eigentliche Wesen der theoretischen Tätig-
keit. Diese These bedeutet genauer, dass die Erkenntnistätigkeit, durch die die Bestimmtheit, die
zunächst als ein unmittelbares Objekt erscheint, auf ein Moment der allgemeinen Welttheorie
des Subjekts reduziert wird, von einem formellen Standpunkt aus dieselbe Tätigkeit ist, durch
welche der Geist seine zunächst unmittelbaren Selbstbestimmungen auf sich als nun in Bezug auf
diese Selbstbestimmungen gesetzte Form – d. h. als fähig, sie zu wählen – reduziert. Noch deut-
licher ausgedrückt: Für Hegel kann das Subjekt im Erkenntnisprozess alle Bestimmungen, die es
erkennt, miteinander vermitteln und dadurch die Inhalte begreifen, die es zunächst als äußere
Dinge anschaut und sich dann als bloß innere Inhalte vorstellt, eben weil das Subjekt seine als
jene Inhalte bestimmten Anschauungs- und Vorstellungsakte auf Momente seiner selbst als wirklich
freies Subjekt reduziert. Die Allgemeinheit ist die Eigenschaft eines Inhalts, mit anderen Inhal-
ten vermittelt zu werden; in Wahrheit ist diese Eigenschaft und die gegenseitige Vermittlung der
Inhalte für Hegel aber jeweils eine Fähigkeit und eine Tätigkeit des menschlichen Geistes, der
diese Inhalte erkennt und eben deshalb dann begreifen kann, weil er mit ihrer Qualität in sich
bestimmt ist, dabei aber auch selber wirklich frei ist. In diesem Zusammenhang kann Hegel daher
behaupten: „Der praktische Geist hat nicht nur Ideen, sondern ist die lebendige Idee selbst.“14

3 Schlußbemerkungen
Die Sprachzeichen sind Inhalte, die der Geist in der Idealität seiner Denktätigkeit erkennt, ohne
sie zu Außendingen zu machen. Die Sprache ist insofern das spezifische Element der Vernünftig-
keit, in der das Objekt sich nicht einem Subjekt darstellt, das sich wiederum dieses Objekt vor-
stellt. Was der Mensch sprachlich formuliert, gehört ihm nicht als diesem besonderen Subjekt,
sondern es gehört dem Menschenwesen ohne weiteres; das vom Einzelsubjekt sprachlich Formu-
lierte ist seinerseits kein Ding einer dem Subjekt äußeren Welt, sondern als solches ein Inhalt,
der in den logischen Raum der Gründe anderer sprachfähiger Subjekte integriert ist. Weder das
Subjekt noch das Objekt sind für Hegel Dinge unter Dingen. Als die konkrete Einheit von beiden
ist das begreifende Erkennen der eigentliche Raum, in dem alles Wirkliche als Moment des Erken-
nens erscheint. Hegel fasst das Erkennen aber nicht als eine rein ideelle Tätigkeit, sondern als

13 Vgl. Hegel, Enzyklopädie, a. a. O. (Anm. 1), §§ 480–481.


14 G. W. F. Hegel, Nürnberger und Heidelberger Schriften (1808–1817), Frankurt am Main 1970, Bd. 4, 57.
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 Héctor Ferreiro, Der praktische Geist ist der wirkliche Geist   315

wirklichen Geist, d. h. als praktische Tätigkeit auf. Die These, dass die theoretische Tätigkeit in
Wahrheit praktische Tätigkeit bzw., dass die Intelligenz Wille ist, krönt Hegels philosophische
Anthropologie bzw. seine Philosophie des subjektiven Geistes; trotzdem ist sie in der Regel sogar
von denjenigen übersehen worden, die versuchen, Hegels Erkenntnistheorie unter besonderer
Berücksichtigung der Rolle zu rekonstruieren, die in dieser Erkenntnistheorie die praktische
Dimension des Menschenlebens für die Konstitution der Vernünftigkeit spielen soll.15 Mit dem
vorliegenden Beitrag wollte ich in erster Linie auf diesen Mangel in der Hegel-Forschung aufmerk-
sam machen und dabei einen Beitrag dazu leisten, ihn zu beheben.

Prof. Dr. Héctor Ferreiro


Consejo Nacional de Investigaciones Científicas y Técnicas (CONICET)
Pontificia Universidad Católica Argentina
Alicia Moreau de Justo 1500 (C1107AFD)
Buenos Aires, Argentina
hferreiro@conicet.gov.ar

15 Vgl. in diesem Sinne z. B. Thomas Auinger, „Praxis und Objektivität: Anmerkungen zu Robert Brandoms postana-
lytischer Hegel-Interpretation“, in: Internationales Jahrbuch des Deutschen Idealismus, Bd. 3, Deutscher Idealismus
und die analytische Philosophie der Gegenwart, hg. v. K. Ameriks und J. Stolzenberg, Berlin/New York 2005, 162–178;
Terry Pinkard, „Was Pragmatism the Sucessor to Idealism?“, in: New Pragmatists, hg. v. C. Misak, New York 2007,
142–168; Michael Barber, The Intentional Spectrum and Intersubjectivity: Phenomenology and the Pittsburgh Neo-He-
gelians, Athens 2011, 87–127.
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Brendan Theunissen, Berlin

Ist Hegels Anthropologie eine deskriptive oder


eine revisionäre Theorie?
Plädoyer für eine revisionäre Lesart

1 Einleitung
In der „Philosophie der Natur“ und „Philosophie des Geistes“ – ich bezeichne beide Disziplinen
wie üblich als Hegels „Realphilosophie“ – werden dem ersten Anschein nach, mehr als in der
„Logik“, Sachverhalte thematisiert, von denen auch in nicht-philosophischen Wissensformen
die Rede ist.
Was ist der Status dieser Sachverhalte? Verweisen Begriffe wie „Materie“, „Raum“ und
„Zeit“, „das Wahrnehmen“, „die Familie“ oder „der Vertrag“ auf das, was mit ihnen herkömmli-
cherweise im Alltag oder in den Einzelwissenschaften gemeint ist, oder interpretiert Hegel – der
Kritiker des „natürlichen Bewusstseins“ – die Referenz der genannten Termini abweichend?
Ich diskutiere zunächst thesenhaft den Status realphilosophischer Sachverhalte in Hegels
System, um anschließend anhand eines Einzelparagraphen kurz auf Hegels „Anthropologie“
einzugehen. Vorab aber möchte ich die Distinktion „deskriptiv  – revisionär“ aufnehmen, mit
deren Hilfe die Problemsituation klarer gefasst werden kann.

2 Deskriptive und revisionäre Theorie


Die Unterscheidung „deskriptiv  – revisionär“ geht auf Strawson zurück. Strawson nennt eine
Metaphysik „deskriptiv“, wenn sie die „tatsächliche Struktur unseres Denkens über die Welt
beschreibt“, „revisionär“, wenn sie eine „bessere Struktur produzieren“ möchte.1
Ich nehme drei Modifikationen vor:2
1. Zunächst weite ich die Definition aus. Revisionär nenne ich jede Theorie, die bestimmte
nicht wahrheitsfähige oder defiziente Ansichten durch andere, nicht-defiziente („bessere“)
Ansichten ersetzen will. (Typische Gründe dafür, Ansichten für defizient zu halten, sind fehlende
Gewissheit, Inkohärenz oder die gleichwertige Gegebenheit konfligierender Ansichten.) Für den
revisionären Theoretiker besteht also ein Widerspruch zwischen den ursprünglichen, zu revidie-
renden Ansichten, die er ablehnt, und den sie ersetzenden revisionären Ansichten. „Deskriptiv“

1 „Descriptive metaphysics is content to describe the actual structure of our thought about the world, revisionary
metaphysics is concerned to produce a better structure“ (P. F. Strawson, Individuals. An Essay in Descriptive Metaphy-
sics, London/New York 1996, 9).
2 Die Modifikationen sollen die Unterscheidung weniger „parteiisch“ machen. So setzt Strawson (wohl unter Vor-
wegnahme eigener deskriptiv-metaphysischer Thesen) voraus, dass „there is a massive central core of human think-
ing which has no history […]; […] categories and concepts which […] change not at all“ (ebd., 10). Problematisch
scheint mir auch, dass dadurch die Unterscheidung asymmetrisch wird: Die revisionäre Metaphysik muss als eine
Disziplin erster Ordnung gedacht werden, insofern sie selbst „Strukturen produziert“, die von der „Welt“ handeln; die
deskriptive Metaphysik hingegen wäre eine Disziplin zweiter Ordnung, insofern sie die bestehenden (unveränderli-
chen, ahistorischen) Strukturen des Denkens über die „Welt“ (metatheoretisch) zum Gegenstand macht.
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 Brendan Theunissen, Ist Hegels Anthropologie deskriptiv oder revisionär?   317

nenne ich im Gegenzug eine Theorie, die gegebene Ansichten nicht ersetzen, sondern ihnen affir-
mativ Rechnung tragen will, etwa indem sie (bestimmte) Alltagsansichten in Beziehung zuein-
ander oder im Verhältnis zu (bestimmten) empirisch-wissenschaftlichen Ansichten rechtfertigt
oder konsistent reformuliert.
2. Sodann nehme ich eine Kontextualisierung vor, und zwar in zweifacher Hinsicht. Zum
einen sollen die Begriffe „revisionär“ und „deskriptiv“ nur relativ zu einer bestimmten Wissens-
form (oder Klasse von Ansichten) verwendet werden. Ansichten können also revisionär in Bezug
auf die eine und deskriptiv in Bezug auf die andere Wissensform sein. Humes Theorie der Person
etwa dürfte in Bezug auf die (heutige) empirisch-wissenschaftliche Psychologie deskriptiv, in
Bezug auf alltägliche Ansichten („folk psychology“) revisionär sein.
Zum anderen soll von „revisionär“ und „deskriptiv“ nur in thematischem Bezug zu einem
bestimmten Gegenstand die Rede sein. Dieser Gegenstand kann „das, was überhaupt ist“ oder
ein Einzelsachverhalt wie „das Leben“ oder „der Staat“ sein. Deskriptiv (oder zumindest über-
wiegend deskriptiv) relativ zur Alltagswelt in thematischem Bezug zu „dem, was überhaupt ist“
wäre eine naturwissenschaftliche Wissensform, der zufolge „das, was ist“ die „(experimentell)
erfahrbare Welt“ ist. „Revisionär“ (relativ zur Alltagswelt in thematischem Bezug zu dem, was
überhaupt ist) wäre dagegen eine philosophische Theorie, der zufolge „das, was ist“ mit einer
kleinen Zahl von nur dem Denken zugänglichen „Ideen“ zu identifizieren ist.
3. Zum Dritten verstehe ich die Unterscheidung historisch: Ansichten, die sich zu einer
bestimmten Zeit revisionär etwa zum Alltagswissen verhalten, können zu einer anderen Zeit
Bestandteil des Alltagsverständnisses sein. So war der Begriff der unsterblichen Seele zu Platons
Zeiten wohl revisionär in Bezug auf das Alltagswissen, im christlichen Mittelalter hingegen
deskriptiv, während er heute oft wieder revisionär ist. Ich nehme also an, dass das, was als
„Alltagserfahrung“ auftritt – das, was manchmal mit Sellars das „manifeste Weltbild“ genannt
wird –, nicht etwas Statisches ist, sondern eine variable Größe, die vom historisch-kulturellen
Kontext abhängig ist.

3 Realphilosophie und Logik


Zuerst einige Bemerkungen über den Status von Hegels „Realphilosophie“ in seinem System ins-
gesamt.3 Setzt man voraus, dass Hegels philosophische Theorie, sein System, (i) aus der „Logik“
als Grundlegungstheorie und der „Realphilosophie“ als näherer Ausführung bzw. Ausgestaltung
dieser Grundlegungstheorie besteht und (ii) beide zusammen für Hegel die Gesamtheit dessen,
was ist, thematisieren, kann man die Statusfrage auch als die Frage formulieren, was „Logik“
und „Realphilosophie“ im Verhältnis zueinander thematisieren.
Mit „thematisieren“ kann eine Theorieleistung erster oder zweiter Ordnung gemeint sein.4
Im ersten Fall wird „das, was ist“ thematisiert, im zweiten Fall die (kategoriale, begriffliche oder
semantische) Bezugsweise auf „das, was ist“. Interpretiert man die „Logik“ im Verhältnis zur
„Realphilosophie“ als eine Theorie zweiter Ordnung, ist es naheliegend, die in der „Realphi-

3 Für einen Überblick über die Deutungsoptionen vgl. D. Stederoth, Hegels Philosophie des subjektiven Geistes. Ein
komparatorischer Kommentar, Berlin 2001, 49–78.
4 Ich vermeide den in diesem Zusammenhang eher verwirrenden Terminus „metaphysisch“. Mit ihm werden traditi-
onell Interpretationen bezeichnet, die (im Gegenzug zu „anti-metaphysischen“ Interpretationen) Hegels „Logik“ als
Theorie erster Ordnung interpretieren. Neuerdings wird jedoch der Terminus verstärkt auch für Deutungen in An-
spruch genommen, die Hegels in der „Logik“ angestellte Überlegungen auf den explanativen Status fundamentaler
Begriffe und Kategorien beziehen; die „Logik“ wäre demnach nicht selbst eine seinsbeschreibende Theorie, sondern
eine Theorie, die metatheoretisch das seinsbeschreibende Potenzial gegebener Begriffssysteme untersucht. Für einen
kurzen Überblick vgl. Paul Giladi, „Hegel’s Metaphysics as Speculative Naturalism“, in: Hegel and Metaphysics. On
Logic and Ontology in the System, hg. v. Allegra de Laurentiis, Berlin/Boston 2016, 149 ff.
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318   Hegel-Jahrbuch 2018

losophie“ thematisierten Sachverhalte deskriptiv zu interpretieren. Die „Logik“ ist demnach


keine Theorie von begrifflichen Entitäten, denen selber irgendwie ein Seinsstatus in der Welt
zukommt, sondern eine Theorie der kategorial-begrifflichen Mittel, mit denen dann in der „Real-
philosophie“ (als einer Theorie erster Ordnung) die natürlichen und kulturellen Sachverhalte
thematisiert werden, wie sie auch in nicht-philosophischen Wissensformen in der Welt gegeben
zu sein scheinen. Diese Deutung scheint mir jedoch unplausibel.
Wenn nur die „Realphilosophie“ als Theorie erster Ordnung fungierte, stünden kaum
Resourcen zur Verfügung, um die (eigentlich) begriffliche Verfasstheit von sich zunächst als
nicht-begrifflich bzw. „natürlich“ präsentierenden Sachverhalten aufzuzeigen. Von den in der
„Logik“ thematisierten Entitäten könnte in diesem Fall ja nur metatheoretisch Gebrauch gemacht
werden. Dies würde einerseits zu einem (von Hegel nicht gewollten) Dualismus von natürlichen
und begrifflichen Sachverhalten führen, andererseits wäre eine (materiale) Entwicklung auf der
Ebene der Sachverhalte selbst, in der die geistphilosophischen Entitäten als Entwicklungspro-
dukte ihnen genetisch vorhergehender Entitäten auftreten, nicht mehr konzipierbar.
Gesteht man also zu, dass die „Logik“ (zumindest auch) als eine Theorie erster Ordnung
verstanden werden muss, ergibt sich folgende Interpretationsalternative: Entweder kann die
„Logik“ so verstanden werden, dass sie „alles, was ist“ vollständig thematisiert. Oder sie kann so
interpretiert werden, dass nur ein Teil des Seienden von ihr thematisiert wird – etwa ein „abs-
trakter“ oder „begrifflicher“ im Unterschied zu einem „konkreten“ oder „empirischen“, nicht von
ihr thematisierten Teil.
Gemäß der ersten Option kann die „Realphilosophie“ nicht so verstanden werden, dass sie
Sachverhalte thematisiert, deren Sein material verschieden ist von dem, was von der „Logik“
thematisiert wird; die realphilosophischen Sachverhalte werden vielmehr als (interne) Ausdiffe-
renzierung der logischen Sachverhalte gedacht werden müssen. „Logik“ und „Realphilosophie“
haben in diesem Szenario den gleichen Gegenstand; sie handeln lediglich von unterschiedlichen
Stufen der Ausdifferenzierung oder Entwicklung dieses Gegenstandes.
Entscheidet man sich für die zweite Option, wird man dagegen davon ausgehen müssen,
dass in der „Realphilosophie“ die Elemente der logischen Grundlegungstheorie in irgendeiner
Weise „angewandt“ oder „konkretisiert“ werden in Bezug auf einen Bereich, der ontisch ver-
schieden ist von dem, was von der „Logik“ thematisiert wird. „Logik“ und „Realphilosophie“
beziehen sich so verstanden also auf verschiedene Gegenstandsbereiche; die „Logik“ etwa auf
„Begriffliches“, die „Realphilosophie“ auf „Nicht-Begriffliches“.
Es dürfte klar sein, dass die erstere Lesart eine revisionäre Deutung sowohl der „Logik“ als
auch der „Realphilosophie“ in Bezug auf nicht-philosophische Wissensformen impliziert, die
zweite dagegen auch deskriptive Deutungen zulässt. Für die „Realphilosophie“ bedeutet dies
Folgendes: Eine revisionäre Lesart der „Realphilosophie“ ist nicht zwingend; eine deskriptive
Lesart der „Realphilosophie“ ist allerdings nicht mit einer revisionären Lesart der „Logik“ kom-
binierbar.
Strebt man eine konsistente Interpretation von Hegels Gesamtsystem an, scheint mir eine
revisionäre Lesart sowohl der „Logik“ als auch der „Realphilosophie“ am plausibelsten. Das
kann an dieser Stelle natürlich nicht ausführlich begründet werden. Ich nenne als wichtigste
Argumente hier nur den internen Aufbau der „Logik“, die ihren thematischen und methodischen
Ausgang exklusiv von einer „Begriff“ genannten Struktur nimmt, und zum zweiten Hegels zu
verschiedenen Zeitpunkten angestellte Überlegungen zur „Einleitung in die Philosophie“. Diese
Überlegungen haben in ihrer Verschiedenheit gemeinsam, dass Hegel sich in ihnen immer
wieder gegen den dualistischen Charakter anderer Theorien und Wissensformen richtet und für
ihre Destruktion und Ersetzung plädiert.
So verstanden ergibt sich im Groben folgendes Gesamtbild. Das, was überhaupt ist, ist das
Resultat der Ausdifferenzierung einer monistisch gegebenen Instanz: Produkt der „Entwicklung“
dessen, was Hegel den „Begriff“ nennt. Diese Instanz fungiert als genetische Struktur, die sich im
Laufe ihrer Entwicklung immer neu als Anderes ihrer selbst reproduziert. Die „Realphilosophie“
thematisiert lediglich komplexere Ausdifferenzierungen dieser Struktur, die in der Perspektive
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 Brendan Theunissen, Ist Hegels Anthropologie deskriptiv oder revisionär?   319

dieser Struktur an bestimmten Punkten ihrer Entwicklung als Nicht-Begriffliches erscheinen: Die
Struktur setzt sich etwas entgegen, das ihr selbst zunächst als Nicht-Begriffliches erscheint, am
Ende ihrer Entwicklung (in der „Philosophie des absoluten Geistes“) aber als Selbsthervorge-
brachtes (und d.  h. Begriffliches) von ihr erkannt wird. Die Unterscheidung zwischen „Logik“
und „Realphilosophie“ ist insofern m. E. letztlich nur textorganisatorisch bedingt, ihr entspricht
keine methodische oder thematische Differenz.
Nun ist Hegel noch ambitionierter. Er möchte nicht nur „bessere Strukturen“ produzieren,
sondern auch sicherstellen, dass die „schlechteren“ tatsächlich durch „bessere“ ersetzt werden.
Das leistet er dadurch, dass er die defizienten Strukturen des deskriptiven („endlichen“) Denkens
in die eigene revisionäre („spekulative“) Theorie integriert. Dadurch wird die Unterscheidung
„deskriptiv – revisionär“ auch noch auf eine zweite Weise relevant: Die Differenz zwischen der
revisionären Hegelschen Theorie und den deskriptiven nicht-Hegelschen Wissensformen wird in
das Hegelsche System selbst hineintransponiert. Ausdifferenzierungsformen bzw. Entwicklungs-
stufen werden oft deskriptive Gehalte zugeordnet – in vielen Fällen als Inhalte, die in der Pers-
pektive der jeweiligen Struktur „für die Struktur“ gegeben sind –, deren Nichtigkeit dann in einer
nachfolgenden Entwicklungsstufe manifest wird. So ergibt sich eine Geschichte der deskripti-
ven, fehlerhaften Selbstinterpretation(en) der begrifflichen Grundstruktur, welche diese Inter-
pretationen im Laufe ihrer Geschichte immer wieder revidiert, bis sie sich als das erfasst, was sie
als revisionäre Struktur wirklich ist.

4 Anthropologie
Nun zu der Theorie, die von Hegel „Anthropologie“ genannt wird. Daraus, wie Hegel „Geist“ und
„Seele“ am Anfang der „Philosophie des Geistes“ beschreibt, geht schon hervor, dass es sich um
revisionäre Sachverhalte handelt: Es sind Termini für bestimmte Entwicklungsstufen der logi-
schen Idee. So bestimmt Hegel den „Geist“ als eine Struktur, deren Objekt und Subjekt der Begriff
ist.5 Ferner ist von vornherein klar, dass das, was Hegel den „endlichen Geist“ nennt – die „Phi-
losophie des subjektiven“ und „objektiven Geistes“ –, am Ende der Systementwicklung in der
„Philosophie des absoluten Geistes“ als vom „Geist“ Hervorgebrachtes und d. h. als ontisches
Produkt einer begrifflich-logischen Struktur erkannt werden soll.6 Gleiches gilt für die „Seele“,
den Gegenstand von Hegels „Anthropologie“. Sie ist für Hegel keine individuelle, personale
Größe, sondern die „allgemeine Immaterialität der Natur“.7
Die „Anthropologie“ gehört sicherlich zu den Teilen von Hegels System, die am ehesten für
eine deskriptive Lesart sprechen. In ihr kommen Termini vor, die traditionell mit „Vermögen“
und „Kräften“ assoziiert sind. Hegel verhält sich m. E. jedoch in zweifacher Hinsicht revisionär
zum deskriptiven Gehalt dieser Termini. Erstens ersetzt er solche „Vermögen“, die statisch einem
Träger (Person, Subjekt, Individuum) zugeordnet sind, durch eine komplexe logische Struktur,
deren Elemente eine dynamische Einheit bilden. Zweitens verhalten die Strukturen sich revisio-
när zueinander. Sie sind keine Vielzahl von Dispositionen, die gleichwertig einem Subjekt zukom-
men, sondern sie entwickeln sich im Rahmen der Selbstdifferenzierung des Geistes genealogisch
auseinander. Im Rahmen dieser Entwicklungsgeschichte verhält jede nachfolgende Struktur sich
revisionär zur vorherigen, die in die neu entstandene Struktur vollständig integriert wird. Nach

5 Vgl. GW 20, 381 (§ 381). Zitiert wird nach G. W. F. Hegel, Gesammelte Werke (abgekürzt: GW), Hamburg 1968 ff.,
Bd. 20: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830), unter Mitarbeit von Udo Rameil hg. v.
Wolfgang Bonsiepen und Hans-Christian Lucas, Hamburg 1992.
6 Vgl. GW 20, 383 f. (§ 386).
7 GW 20, 388 (§ 389).
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320   Hegel-Jahrbuch 2018

ihrer Integration sind die vorangehenden Strukturen qua Strukturen, die für deskriptiv verstan-
dene „Vermögen“ stehen, nicht mehr relevant.
Hinsichtlich Hegels „Anthropologie“ wird oft bemerkt, dass in ihr von dem, was üblicher-
weise unter dem Begriff des Menschen verstanden wird, eigentlich gar nicht die Rede ist. Meines
Erachtens ist die Pointe von Hegels „Anthropologie“ jedoch gerade, dass das, was hier vorge-
stellt wird, eben der Mensch ist; „der Mensch“ ist nicht eine Sammlung von rhapsodisch zusam-
menhängenden Vermögen, wie er etwa in Kants Anthropologie beschrieben wird, sondern das,
was in Hegels Anthropologie revisionär an die Stelle solcher deskriptiven empirisch-psychologi-
schen Anthropologien tritt.
Zum Schluss möchte ich die Statusfrage in Bezug auf einen konkreten Paragraphen disku-
tieren. Ich wähle dafür den § 398: das „Erwachen der Seele“.8 Zur architektonischen Stellung des
Paragraphen sei angemerkt, dass im Vorhergehenden Entwicklungsformen der Seele themati-
siert wurden, in denen die Seele als überpersonale Struktur auftritt.9 Darauf folgt ein Abschnitt
mit dem Titel „Natürliche Veränderungen“, in dem die „Seele als Individuum“ thematisiert
wird.10 Das dritte Moment der „Seele als Individuum“ ist das „Erwachen der Seele“.
Das „Erwachen“ definiert Hegel als das „Unterscheiden der Individualität als Für-sich-sey-
ender gegen sich als nur Seyender“.11 Das Unterscheiden bestimmt Hegel näher als „unmittelba-
res Urtheil“: „[E]s selbst [das Erwachen der Seele] ist das Urtheil der individuellen Seele“. Ferner
heißt es, das Erwachen der Seele trete als Naturbestimmtheit bzw. Naturzustand einem anderen
Zustand, dem „Schlaf“, gegenüber. Der Schlaf ist das „in sich verschlossene[…] Naturleben“ der
Seele, ihre „noch ununterschiedene[…] Allgemeinheit“.
Sind nun „Erwachen“ und „Schlaf“ deskriptiv – etwa als empirische Zustände, die an einer
empirisch gegebenen Person in der Alltags- und Wissenschaftswelt westlich-neuzeitlicher Kultu-
ren vorkommen – oder revisionär zu verstehen? Ich führe zwei Argumente für eine revisionäre
Lesart an.
Erstens handelt es sich um eine logische Struktur im Hegelschen Sinne: Das Erwachen ist
ein unmittelbares Urteil, also eine bestimmte begriffslogische Struktur. Zweitens ist relativ klar,
dass „Erwachen“ und „Schlaf“ für Hegel keine Zustände eines personalen Subjekts sind. Nur
das Wachsein kommt der „individuellen Seele“ zu, das „unmittelbare Sein der Seele“, als das
Hegel den „Schlaf“ charakterisiert, scheint mir dagegen zurückzuverweisen auf das, was Hegel
die „allgemeine Seele“ nennt; der Schlaf ist also Merkmal einer überpersonalen Struktur. Hegel
merkt über den Schlaf an – bezogen zwar auf den „allgemeinen Geist“, aber die hiesige Konstel-
lation sicherlich mit betreffend –, er sei die „Rückkehr aus der Welt der Bestimmtheiten, aus der
Zerstreuung und dem Festwerden in den Einzelnheiten in das allgemeine Wesen der Subjectivi-
tät“.12 Das heißt wohl: Im Schlaf kehrt die individuelle Seele in die allgemeine Seele zurück. (Als
personale Subjekte sind „wir“ gewissermaßen nur tagsüber präsent; nachts hören „wir“ auf zu
existieren.)
Während also im Alltag oder im Schlaflabor Schlaf und Wachsein als Eigenschaften einer
empirischen Person oder bestimmter neuronaler Trägerstrukturen verstanden werden, geht es
Hegel um Entwicklungsformen einer übersubjektiven Struktur, die sich im Wachsein zum ersten
Mal als mentale Struktur individuiert (und sich in weiter fortgeschrittenen Strukturen wieder
depersonalisiert). Den Prozess dieser Individuierung nennt Hegel „Erwachen“.
Damit dürfte klar geworden sein, dass sich in diesem Paragraphen kaum Anhaltspunkte
für eine deskriptive Lesart finden. „Erwachen“ ist nicht, wie im deskriptiven Normalfall, das

8 Vgl. GW 20, 394–396.


9 Vgl. etwa § 392 („das allgemeine planetarische Leben“), § 393 („die besondern Naturgeister“) und § 394 (die „Local-
geister“) in GW 20, 391 f.
10 Vgl. GW 20, 393 f. (§ 396–397).
11 Vgl. hier und im Folgenden: GW 20, 394.
12 Ebd.
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 Brendan Theunissen, Ist Hegels Anthropologie deskriptiv oder revisionär?   321

Merkmal einer empirischen Person, der (im nicht-Hegelschen Sinne) „Subjektivität“ zukommt,
sondern im revisionären Sinne identisch mit der Entstehung von „personaler Subjektivität“.

Dr. phil. Brendan Theunissen


Neckarstr. 3
12053 Berlin
brendan.theunissen@gmx.de

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Xabier Insausti, Baskenland

Ein Wir, das Ich, und ein Ich, das Wir ist
De deseo somos
La vida, sin nombre, sin memoria, estaba sola.
Tenía manos, pero no tenía a quién tocar.
Tenía boca, pero no tenía con quién hablar.
La vida era una, y siendo una era ninguna.
Entonces el deseo disparó su arco.
Y la flecha del deseo partió la vida al medio, y la vida fue dos.
Los dos se encontraron y se rieron.
Les daba risa verse, y tocarse también.

(Galeano, Espejos)

Wir sind Begierde


Das Leben ohne Namen, ohne Erinnerung, war allein.
Es hatte Hände, aber es hatte niemanden zu berühren.
Es hatte einen Mund, aber niemanden um zu sprechen.
Das Leben war eines, und da e seines war, war es keines.
Da schoβ die Begierde ihren Pfeil ab.
Und der Pfeil der Begierde spaltete das Leben in der Mitte.
Und das Leben war zwei.
Die Zwei trafen sich und lachten.
Sie hatten Spaβ daran sich zu sehen, und auch sich zu berühren.

(Galeano, Spiegel)

1 Negativität und Anerkennung


Diese beiden Begriffe gehören in einem engen Sinne zusammen. Anerkennung wird immer
durch Negation weiter vorangetrieben. Der Knecht oder Antigone stellen das Negative der zuerst
geschlossenen Affirmation dar, deren innere Kraft den Prozeβ weitertreibt. Die Bewegung wird
an den Tag bringen, was zuerst versteckt blieb. Die Struktur dieser Bewegung (und Notwendig-
keit) macht es möglich, daβ das, was zuerst unmöglich schien, sich seinen Weg bahnt. Was das
methodisch (und erkenntnistheoretisch) heiβt, wollen wir hier entwickeln. Beginnen wir mit dem
bekannten 4. Kap. der Phänomenologie im Hinblick auf das 3. Kap. und die darin entwickelte
Figur der verkehrten Welt als Bedingung für die „Begierde“ als Bühne des „Lebens“.

2
Es wird immer noch diskutiert, was Hegel unter „konkret“ versteht, wenn er über Totalität, das
Ganze, die Unendlichkeit spricht. Das Ganze ist etwas Lebendiges. Das hat sicher mit dieser
schwierigen Kreuzung zwischen Empirie und Spekulation in der Philosophie Hegels zu tun.

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 Xabier Insausti, Ein Wir, das Ich, und ein Ich, das Wir ist   323

Man macht oft die Erfahrung, daβ Hegel jeden Horizont überspringt, den man ihm auferlegen
will. Insofern scheint es produktiver zu sein, Hegel selbst zu “buchstabieren“ (wie Gadamer das
wollte) als durch Interpreten, Hegel zu verstehen zu versuchen. Das gilt auch für Interpreten, die
zentrale Beiträge zur Interpretation gemacht haben, wie Kojève und Gadamer, die für uns wichtig
sind. Deswegen sind wir immer mehr zum Text von Hegel selbst zurückgekommen.
Will man das Motto „Erkenne Dich selbst“ ernst nehmen, dann wäre die Frage, was bin ich,
zu stellen. Wenn ich weiβ, was dieses Ich ist, dann erkenne ich es. Weiβ ich es nicht, wie soll ich
es erkennen. Zu zeigen, auf welche Art Hegel mit dieser Frage am Anfang des IV Kapitels der Phä-
nomenologie des Geistes umgeht, ist das Ziel dieser Reflexion. Negation und Anerkennung sind
die zentralen Begriffe.
Ich habe mich für meinen Vortrag besonders von zwei Autoren inspirieren lassen, Gadamer
und Kojève. Gadamer gilt als jener, der im letzten Jahrhundert einen neuen Impuls zur Hegelfor-
schung gegeben hat, mit seinem Motto: Hegel buchstabieren. In diesem Sinne hat er besonders
das dritte Kapitel der Phänomenologie „buchstabiert“, in seinem bekannten Aufsatz „Hegel – Die
verkehrte Welt“. Hegel zu buchstabieren heiβt für Gadamer, Hegel genau zu lesen. Und wenn man
Hegel genau liest, so Gadamer, macht man immer wieder die Erfahrung, daβ sich der dialektische
Fortgang mit Notwendigkeit realisiert und verifizieren lasse.1
Kojêve hat eine Hegelinterpretation in Frankreich vorangetrieben, die das vierte Kapitel
der Phänomenologie ins Zentrum der Interpretation nicht nur der Phänomenologie, sondern der
ganzen Philosophie Hegels herangerückt. Dieser Impuls, den er zusammen mit Hyppolite voran-
getrieben hat, war auch für Spanien besonders wichtig. Ramón Valls Plana schrieb, stark beein-
flusst von Hyppolite, einen für jeden Hegelforscher in Spanien wichtigen Kommentar zur Phäno-
menologie: Del yo al nosotros (Vom Ich zu Wir).
In Frankreich hat die Interpretation Kojêves eine ganze Generation Intellektueller beeinfluβt,
von Sartre und Lacan bis Foucault oder Derrida. Althusser war derjenige, der Distanz zwischen
Marx und Hegel setzen wollte. Auch deswegen, obwohl sie sich kritisch vom Meister distanziert
haben, tun sich seine Schüler heute schwer mit Hegel.

3
Wenn man mit Gadamer interpretiert, daβ in der Philosophie „eigentlich immer vom Selben die
Rede ist und daβ auf verschiedene Niveaus der Explikation sich als der eigentliche und einzige
Gegenstand oder Inhalt das Selbe darstellt und herausstellt“2, so hat dieses Selbe „am Anfang
der Phänomenologie die Gestalt, daβ das Bewuβtsein Selbstbewuβtsein ist“.3 Will man verstehen,
was Ich ist, muβ man sich fragen, was das Selbstbewuβtsein ist.
Hegel denkt genealogisch. Und das am Anfang der Phänomenologie heisst, dass die Aufgabe,
die sich Hegel hier gestellt hat, so zu verstehen wäre: das Selbstbewuβtsein ist die Wahrheit in
allem Bewuβtsein. Das Selbstbewuβtsein ist nicht etwas Vorausgegebenes. Hinter dem Selbstbe-
wuβtsein liegt die Erfahrung eines Bewußtseins, das seine Objekte auβerhalb sich selbst denkt.
Die Geschichte dieser Erfahrung systematisch zu entwickeln ist, was die ersten drei Kapitel der
Phänomenologie ausmachen.
Fichte hat seine Philosophie an diesem Punkt begonnen: Ich bin Ich. Hier liegt zwischen
beiden Hegel und Fichte eine groβe Differenz. Für Fichte handelt es sich um einen „absoluten“,
nicht einen genealogischen Anfangspunkt. Fichte ist aber der erste, der systematisch das Subjekt

1 Hans-Georg Gadamer, „Hegel – die verkehrte Welt“, in: Ders., Hegels Dialektik. Fünf hermeneutische Studien, Tü-
bingen 1971, 32.
2 Ebd., 32.
3 Ebd.
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324   Hegel-Jahrbuch 2018

als Zentrum der Philosophie setzt. Aber Fichte setzt an diesem Punkt an, ohne die Entwicklung
bis dorthin zu zeigen, und insofern ist nicht zu verstehen, wie man von einem unphilosophi-
schen Anfangspunkt zu einem philosophischen gelangen kann. Der Mensch ist zuerst in die Welt
„geworfen“, und deswegen muβ man ihn zuerst sozusagen „aus der Welt retten“. Er muβ sich aus
der Welt „befreien“, erheben. Wie Gadamer in „Hegel und die antike Dialektik“ zeigt, ist dies der
Gewinn der Moderne gegen die Griechen. Sie bleiben im Objekt der Erkenntnis, und gelangen
nicht zum Subjekt der Erkenntnis.
Hegel zeigt in den drei ersten Kapiteln der Phänomenologie den inmanenten Weg vom Objekt
der Erkenntnis, von der Welt, vom Bewuβtsein zum Selbstbewuβtsein. Wenn man diese „päd-
agogische“ Arbeit nicht macht, weiβ man nicht, wie man sich auf einmal in die (dogmatische)
Position eines Ichs hineinversetzen kann. Die „natürliche“ Position und die „philosophische“
bleiben getrennt, als unterschiedliche Möglichkeiten ohne interne zwingende logische Konexion.
In diesem Sinne (aber nur in diesem Sinne) kehrt Hegel von Fichte zu Kant zurück, so Gadamer.
Man kann den Anfang der Phänomenologie ohne einen direkten Blick auf die kantische Philoso-
phie überhaupt nicht verstehen.4 Die Aufgabe dieser drei Kapitel ist es zu zeigen, „wie eigentlich
die verschiedenen Erkenntnisweisen, deren Zusammenwirken Kants Kritik untersucht, inner-
lich zusammenhängen, nämlich Anschauung, Verstand und Apperzeptionseinheit oder Selbst-
bewuβtsein“.5 Fichte versetzt sich „dogmatisch“ in den philosophischen Standpunkt, zeigt aber
nicht, wie diese Position mit dem „natürlichen“ zusammenhängt. Hegel ist der erste, der die
innere, inmanente (dialektische) Bewegung der ersten zur zweiten zeigen kann.
Daβ das Bewuβtsein letzten Endes Selbstbewuβtsein ist, ist also die Lehre des ersten Teils
der Phänomenologie. Es handelt sich um dieselbe Lehre der neueren Philosophie seit Descartes,
in deren Tradition Hegel seine Philosophie stellt. Die erste Aufgabe der Phänomenologie ist es
deswegen, diese These zu beweisen.
Die Kraft ist die Wahrheit der Wahrnehmung. Die Zersetzung eines Dinges in die vielen Dinge
reicht nicht aus, um zu verstehen, was eigentlich die Wirklichkeit ist, in der die Dinge mit ihren
Eigenschaften wirklich sind. Was die innere Wirklichkeit eines Dinges ist, ist die Kraft. Was exis-
tiert sind Kräfte ind ihr Spiel. Klar, in der Phänomenologie entwickelt Hegel eine phänomeno-
logische Einsicht, nicht eine logische, die in die Logik, oder eine naturwissenschaftliche, die in
die Naturphilosopie gehört. Und eine phänomenologische Einsicht bedeutet, wie das Bewuβtsein
sein Objekt „weiβ“, das heiβt, darstellt.
Aber das Innere, das jenseits des Sinnlichen ist, ist keine Sache der Wahrnehmung mehr,
sondern eine Sache des Verstandes. Hegel: „Über dem verschwindenden Diesseits [liegt] das blei-
bende Jenseits“; über die sinnliche erscheint jetzt eine übersinnliche Welt, die die wahre sei. Sie
wird von Hegel als das Bleiben im Verschwinden definiert. Und dieses Bleiben des Verschwindens
sei das Gesetz. Deswegen ist das Reich der Gesetze die verkehrte Welt. Gadamer entwickelt einen
Gedankengang, der den Begriff der verkehrten Welt verständlich machen will: „Es ist nie und
nimmer ‚reines‘ Eidos, was als Erscheinung gegeben ist  – wenngleich nur in ihm und seines-
gleichen das Eidos überhaupt da ist. Kein Ei gleicht dem anderen, sagt Leibniz. Kein Fall ist ein
reiner Fall eines Gesetzes. Die wirkliche Welt, wie sie gegenüber der ‚Wahrheit‘ des Gesetzes als
Erscheinung gegeben ist, ist also in einem gewissen Sinne verkehrt; es geht nicht zu, wie es den
Idealen eines abstrakten Mathematikers oder Moralisten entsprechen mag. Freilich besteht ihre
lebendige Wirklichkeit gerade in dieser Verkehrtheit. Und das ist ihre Funktion im dialektischen
Beweisgang der Phänomenologie: es wird sich ergeben, daβ In-sich-verkehrt-sein heiβt: Sich-ge-
gen-sich-selbst-kehren, sich zu sich selbst verhalten, und das ist: Lebendig-sein“.6
Die übersinnliche Welt ist die wahre Welt. Die geniale Figur Hegels ist, wie gesagt: sie ist das
Bleiben im Verschwinden. „Gerade das ist die wirkliche Welt, darin ihr Bestehen zu haben, daβ

4 Ebd., 31.
5 Ebd., 31.
6 Ebd., 40 f.
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 Xabier Insausti, Ein Wir, das Ich, und ein Ich, das Wir ist   325

es immerfort Anderswerden gibt, beständiges Anderswerden. Beständigkeit ist dann nicht mehr
der bloβe Gegensatz zum Verschwinden, sondern sie ist selbst die Wahrheit des Verschwindens.“7
Die wahre Wirklichkeit ist die der sich-in-sich-selbst-Bewegung, und das ist das Leben.
„Selbst“ bedeutet, in aller Ununterschiedenheit Identität mit sich, sich von sich Unterschei-
den. Die Seinsweise des Lebendigen entspringt darin der Seinsweise des Wissens selber, das das
Lebendige versteht. Denn auch das Bewuβtsein des Selbstseins hat die gleiche Struktur eines
Unterscheidens, das kein Unterscheiden ist. Damit ist der Ursprung in das Selbstbewuβtsein
grundsätzlich vollzogen.

4
Das Bewuβtsein ist also Selbstbewuβtsein. Das Ich ist zuerst nicht ein Wesen, das erkennt,
sondern ein Wesen das nach sich selbst fragt. Das Selbstbewuβtsein ist das Erste nur im Sinne
der eigentlichen Philosophie, nicht im Sinne der Phänomenologie, das heiβt, der Genealogie der
Erkenntnis. Die Modernität fängt bei der Erkenntnis an: Ich denke, dann bin ich (Descartes).
Im Sinne der Genealogie handelt es sich um ein Resultat, zu dem das Bewuβtsein kommt,
wenn es konsequent dem inmanenten Weg der Erkenntnis folgt. Hegel zeigt in der Phänomeno-
logie den inmanenten Weg von „denke“ zu dem „Ich“, das denkt. Selbstbewuβtsein heiβt: Ich
denke, das Denken zusammen mit dem Subjekt dieses Denkens in Einem.
Hegel formuliert es so: „Mit dem Selbstbewuβtsein sind wir also nun in das einheimische
Reich der Wahrheit eingetreten“ (GW 9, 138). Hier fängt die eigentliche Anthropologie an. Hier
fängt der Mensch an, „real“ zu sein.
Das Selbstbewuβtsein besteht aus einer Bewegung, aus einem Zurück, aus einer Reflexion
vom Anderen. Das Resultat dieser Bewegung wird unmittelbar als reines Bewuβtsein von sich
erlebt. Aber „dieses reine Bewuβtsein, getrennt von der Bewegung, aus der es entspringt, ist die
reine Tautologie des Ich bin Ich (Fichte) und als solche (d. i. getrennt von dieser Bewegung) ist es
kein echtes Selbstbewuβtsein.“
Das echte Selbstbewuβtsein soll, deswegen, das Andere (die Welt), von dem es zurückkommt,
bestätigen und behalten. Aber dieses Andere wird nur behalten, um negiert zu werden (in seinem
Bestehenen). Das Andere wird nur behalten um zum Ich referiert zu werden; das heiβt, das Andere
wird „phänomenalisiert“.
Das ganze IV Kapitel hat als allgemeinen Titel „die Wahrheit der Gewiβheit seiner selbst“.
Damit will Hegel unterstreichen, daβ in diesem Level die hier aktualisierte Gewiβheit oder Über-
zeugung eine „echte oder wahre Gewiβheit“ ist, eine „Gewiβtheit, die für das Bewuβtsein objek-
tiv geworden ist“ (GW 9, 111); eine Gewiβtheit, die „einer Wahrheit gleich kommt“; das ist, eine
Gewiβtheit, die nicht mehr in einer anderen phänomenologischen Reflexion aufgelöst wird (GW 9,
107). Wir haben hier die Gewiβtheit einer Wahrheit und die Wahrheit einer Gewiβtheit.

7 Ebd., 36.
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326   Hegel-Jahrbuch 2018

5.1 Die Begierde


Der neue Inhalt wird als Identität des Insichseins (Begriff) und des Fürsichseins (Objekt) bestimmt.
Die Aufgabe besteht darin zu sehen, wie das Selbstbewuβtsein ensteht. Hegel zeigt, daβ der Weg,
der zum Selbstbewuβtsein geführt hat, dialektisch war: Das Seiende der sinnlichen Gewiβheit, das
konkrete Ding der Wahrnehmung und die Kraft des Verstandes verschwinden (in einem anderen
höheren Level bewahrend), als Momente des Selbstbewuβtseins. Dieser „Verlust“ besteht darin,
daβ diese Momente jetzt bewahrt werden, wie sie in Wahrheit sind.
Die genetische Beschreibung des Selbstbewuβtseins beginnt mit der Figur der Begierde. Das
Selbsbewuβtsein ist zuerst Begierde. Die Begierde tendiert, im Allgemeinen, zu der Befriedigung,
nicht zu einem bestimmten Objekt. Deswegen bleibt die Begierde nach der Befriedigung beste-
hen. Der Mensch der Begierde ist zu einer ständigen Abhängigkeit von den Objekten der Begierde
„verdammt“. Dieser Mensch hat die Welt noch nicht „vernichtet“; er hat seine Freiheit noch nicht
erreicht.
Das Behalten, um zu negieren oder zum Ich zu referieren, ist das Wesen der Begierde, und
als solches ist dieses Behalten-negieren das, woraus das Selbstbewuβtsein in seiner Radikalität
besteht; das Selbstbewuβtsein ist, wesentlich, Begierde (GW 9, 108 f.).

Das Selbstbewuβtsein hat also ein doppeltes Objekt: Das Andere oder die Welt (Objekt der Wahrnehmung und
des Verstandes) und sich selbst, das sich nur in der Entgegensetzung oder in der negierenden Aneignung der
Welt aktualisiert (die von dieser Perspektive her den Charakter des Negativen hat; das heiβt, sie hat den Charak-
ter von etwas, das für Anderes ist, oder sie ist, um von einem Anderen angeeignet zu werden, um sie zu negie-
ren). Das Selbstbewuβtsein ist, also, die „Bewegung, worin dieser Gegensatz aufgehoben und ihm die Gleichheit
seiner selbst mit sich wird. (GW 9, 139)

5.2 Das Leben


Das Leben wird definiert als das Objekt der Begierde. Die Definition des Lebens ist Objekt der
Begierde zu sein. Hegel entwickelt hier eine Metaphysik des Lebens. Wir fassen zusammen, was
wichtig für die Verfassung des Selbstbewuβtseins ist:
Das Andere des Selbstbewuβtseins ist das Leben. Die Geburt des Selbstbewuβtseins fällt
zusammen mit der Trennung des Lebens. Diese Trennung erscheint in ihrer ganzen tragischen
Dimension in der Figur des unglücklichen Bewuβtseins, das Hegel am Ende dieses vierten Kapi-
tels darstellt. In den Jugendschriften charakterisierte Hegel Abrahams Bewuβtsein als „reflexives“
Bewuβtsein. Abraham trennt sich von „Seinem“, vom seinem Leben.
Diese Trennung ist die Trennung zwischen der Begierde und ihrem Ziel. Die begehrende
Intentionalität des Selbstbewuβtseins in Bezug auf das Leben zeigt, daβ das Leben sowohl das
Andere als auch das Meine ist. Das Selbstbewuβtsein erfährt in der Begierde die strikte Andersheit
des Lebens, das sich als das Entfernteste darstellt.
Die Begierde, die zur Aneignung des Lebens schreitet, offenbart, daβ das Leben etwas ist, das
zum Selbstbewuβtsein gehört (die Aneignung sucht „wiederzugewinnen“, was zu ihm gehört).
Dieses Moment befindet sich in Beziehung mit der vorhergehenden phänomenologischen Refle-
xion (das Andere ist nur die Realität des „reflektierten“ Selbsbewuβtseins) und mit der Erfahrung
des Lebens (wenn ich das Leben verliere, verliere ich, was das Meinste ist: ich bin nicht mehr).

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 Xabier Insausti, Ein Wir, das Ich, und ein Ich, das Wir ist   327

Diese Dualität der Momente des Lebens als das Entfernte und als das Eigene erscheint schon
im bloβ biologischen Leben, das das Subjekt als das Andere und als das Eigene erlebt. Von hier
her wären diejenigen biologischen Konzeptionen kritisierbar, die das Leben substantialisieren,
als wäre etwas Mechanisches und so z. B. bestimmte Medizin, die den Patienten als ein Experi-
mentierfeld behandelt, wo das Subjekt völlig vergeβen wird.
Das gilt auch für das psychische und geistige Leben. Denkt man z. B. an bestimmte Prakti-
ken, die an als Phychischkranken markierten Personen ausgeübt worden sind. Sie wurden völlig
annulliert als mögliche Subjekte mit einem Selbstbewuβtsein, was ihre Situation nur verschlim-
merte und jede Möglichkeit einer Genesung ausschaltete. Die Psychoanalyse hat die Tür geöffnet
für eine neue Situation, wo das Subjekt eine aktive Rolle ganz im Sinne Hegels spielt.
Das Leben ist das Element der Beziehung der Selbstbewuβtseine, das das nächste Moment
in der Konstitution des Selbstbewuβtseins ist. „Das Leben in dem allgemeinen flüssigen Medium,
ein ruhiges Auseinanderlegen der Gestalten wird eben dadurch zur Bewegung, derselben oder
zum Leben als Prozeβ.“ (GW 9, 141)

5.3 Das andere Selbstbewußtsein


Der dritte Abschnitt der phänomenologischen Beschreibung des Selbstbewußtseins zeigt den
Übergang zu der Alterität des anderen Bewuβtseins. Das Selbstbewuβtsein ist real nur als Auf-
hebung (Aneignung) des Anderen, so daβ das Anderssein des Anderen die Bedingung der Mög-
lichkeit der Realität des Selbstbewuβtseins ist. Das heiβt, das Selbstbewuβtsein muβ durch die
Erfahrung der Unabhängigkeit seines Objektes gehen. Diese Abhängigkeit seines Objektes gibt
der Gewiβtheit des Selbstbewuβtseins die Garantie einer objektiven Wahrheit.
Aber nur was sich dem Selbstbewuβtsein entgegensetzt, was sich dem Anderem gegenüber
affirmiert, es negierend, ist wirklich unabhängig von ihm. Die wirkliche Andersheit kann nur die
Andersheit eines anderen Selbstbewuβtseins sein; nur es ist ein „Objekt“, das kein Objekt mehr
ist, sondern für ein Subjekt – ein Selbstbewuβtsein. Zwischen dem Selbstbewuβtsein oder dem
Ich und den „Dingen“ kann es niemals eine echte Andersheit geben, weil die „Dinge“ nicht in der
Lage sind, mich zu negieren oder mich in Gefahr zu setzen. Die „Dinge“ sind meine Dinge.
Dazu kommt, daβ das „Objekt“ des Selbstbewuβtseins als negatives Objekt in sich selbst
negativ (der Objektivität) sein muβ, und das kann nur ein Selbstbewuβtsein sein.
Die Beziehung zwischen dem Selbtsbewuβtsein und seinem Objekt soll die Andersheit und
die Identität zwischen dem Selbtbewuβtsein und seinem Objekt retten. Die Beziehung zwischen
Selbtbewuβtsein und Objekt soll die „Einheit des Selbstbewuβtseins mit sich selbst in seinem
Anderβein.“ (GW 9, 112 f.). Aber nur anderes Selbsbewuβtsein realisiert die Synthese dieser beiden
Momente. Nur ein „Objekt-Selbsbewuβtsein“ ist „sowohl Objekt als Ich“ oder „es ist eigentlich
kein Objekt“ (GW 9, 113).
Dazu kommt, daß die Begierde ihre Erfüllung sucht. Und das ist nur möglich, wenn es vor
sich ein zu ihm passendes Objekt hat. Das kann nur ein anderes Selbstbewußtsein sein, das als
solches in demselben ontologischen Level als es ist. „Das Selbstbewußtsein findet nur in einem
Selbstbewußtsein seine Erfüllung.“ (GW 9, 112) „Das Selbstbewuβtsein ist nur für anderes Selbst-
bewuβtsein“ (GW 9, 113).
Von dieser Perspektive her, ist die Wurzel des Selbstbewußtseins oder „Geburt des Mensch-
seins“ die Begierde des Anderen (des anderen Selbstbewußtseins). Das Ziel der Begierde ist nicht
das sinnlich wahrgenommene Objekt oder das abstrakt begriffene Ding. Dies ist nur ein Mittel,
um das Andere zu „besiegen“. Von hier her ist der dialektische Schritt zum „Kampf“ der Selbtbe-
wußtseine unvermeidlich.
Das Andere ist nicht als Ding erschienen, sondern als anderes Selbstbewuβtsein, das, als
solches, sich durch die Aneignung des Anderen, in diesem Fall eines Sebstbewuβtseins, konsti-
tuiert. Die Konstitution meines Selbstbewuβtseins impliziert also wesentlich die Gefahr meiner
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328   Hegel-Jahrbuch 2018

Vernichtung als Selbstbewuβtsein. Sich zu finden ist gefunden zu werden oder mich zu finden als
Gefundenes.
Von dieser Perspektive, also, ist das Selbstbewußtsein nur real durch die Aneignung des
Anderen. Diese Aneignung kann aber nicht in der Reduktion des Anderen zur reinen Sache beste-
hen (das würde bedeuten die Vernichtung seiner Anderstheit und folgenderweise das Verschwin-
den meines Sebstbewußtseins). Es muß also in der Aneignung oder „Besiegen“ des Anderen
bestehen, die aber gleichzeitig den Anderen in seiner mich zu negieren fähigen „Unabhängigkeit“
läßt.
Die einzige Form einer solchen Beziehung zwischen zwei Selbstbewußtseine ist die der gegen-
seiten Anerkennung, als Bestätigung des Anderen als Anderen. Damit betreten wir das Reich des
Geistes als „absolute Substanz, welche in der vollkommenden Freiheit und Selbständigkeit ihres
Gegensatzes, nämlich verschiedener für sich seiender Selbsbewußtseine, die Einheit derselben
ist: Ich, das Wir, und Wir, das Ich ist“ (GW 9, 113). Das „Mittel“, worin der „Geist“ sich realisiert, ist
die Liebe als letzte Versöhnung der Auseinandersetzung der Selbstbewußtseine. Aber die Liebe
ist kein Weg, nur das Ziel. Das Leben des Geistes hat die Gefahr und den Kampf der Selbsbewußt-
seine zu überqueren.
Die Dialektik der Selbstbewuβtseine hat keine Lösung im Bereich der Auseinandersetzung
der Sebstbewuβtseine, und kann deswegen nur im einem höheren Bereich gelöst werden.

Xabier Insausti
Universität Baskenland
San Prudentzio 37 Getaria 20808 Gipuzkoa Spain
xabier.insausti@ehu.es

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Ryu Okazaki, Berlin

Die Sache selbst als Subjekt in Hegels


Phänomenologie des Geistes

1
Hegel stellt in dem Vernunftkapitel B der Phänomenologie des Geistes, „[der] Verwirklichung des
vernünftigen Selbstbewußtseins durch sich selbst“, zwei Gestalten des Bewusstseins dar, welche
die ihnen vorhandene Wirklichkeit umzugestalten versuchen: das dem „Gesetz des Herzens“
folgende Bewusstsein und das Bewusstsein der „Tugend“. Wie wir sehen werden, zeigt jedoch
die Erfahrung dieser zwei Bewusstseine, dass ihre Versuche scheitern und sie zu Grunde gehen
werden. Wie sich diese Erfahrung des Scheiterns äußert, veranschaulicht Hegel u. a. am Beispiel
der Französischen Revolution. In dieser bringt das Bewusstsein der absoluten Freiheit den Terror
hervor.1 Damit zeigt Hegel in der Phänomenologie des Geistes die Unmöglichkeit auf, vom Stand-
punkt des individuellen Bewusstseins aus, die Wirklichkeit zu verändern. An dieser Annahme
Hegels übt Adorno Kritik, wobei er sich auf die Darstellungen des „Ritter der Tugend“ und des
„Weltlaufs“ bezieht und Hegel „Konformismus“ vorwirft.2
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es aufzuzeigen, inwiefern sich Adornos Kritik an Hegel ausge-
hend von dem Hegelschen Begriff der „Sache selbst“ entschärfen oder sogar widerlegen lässt. Der
Begriff der „Sache selbst“ folgt der Erfahrung der zwei Gestalten des Bewusstseins und zeichnet
sich durch zwei Momente aus: die „Sache selbst als Prädikat“ und die „Sache selbst als Subjekt“.
Beim Übergang der „Sache selbst“ vom Prädikat zum Subjekt sind in Hinblick auf Adornos Kritik
vor allem zwei miteinander zusammenhängende Punkte zentral: einerseits erweist sich eine
Suche nach der Individualität, die ohne Bezug auf die Allgemeinheit existiert, als unmöglich,
andererseits bringt sich dadurch aber die neue Konzeption der Allgemeinheit in Bezug auf die
Individualität des Bewusstseins hervor.
Um die genannten Aspekte genauer auszuführen, werde ich in einem ersten Schritt den
„Ritter der Tugend“, das Resultat der Erfahrung des Untergangs der zwei genannten Gestalten
des Bewusstseins, erläutern. So soll zum einen Adornos Kritik daran nachgeprüft werden, zum
anderen bildet es den Ausgangspunkt der Gestalt des Bewusstseins des Vernunftkapitel C, „[der]
Individualität, welche sich an und für sich selbst reell ist“(2). In einem zweiten Schritt werde ich
die Erfahrung des Bewusstseins im Vernunftkapitel C skizzieren. Dabei spielt der eben bereits
genannte Übergang der „Sache selbst“ als Prädikat zur „Sache selbst“ als Subjekt eine große
Rolle, weil sich hier die Auflösung der Individualität und die Veränderung der Allgemeinheit ent-
sprechen. Eben diese Entsprechung bzw. Einheit beider stellt den Kernpunkt zur Lösung des Kon-
formismusproblems dar (3). In einem letzten Schritt werde ich Adornos Kritik kurz durch die in
der Analyse gewonnenen Punkte betrachten. Dabei wird die These vertreten, dass die Auflösung

1 Vgl. G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, Hamburg 1980, 316 ff.


2 Adorno zeigt besonders in Bezug auf den „Weltlauf“ „den Vorrang des Allgemeinen vorm Besonderen“ auf (T. W.
Adorno, „Die sich realisierende Totalität“, in: ders. Zur Lehre von der Geschichte und von der Freiheit, Frankfurt am
Main 2006, 65), und darauf basierend wirft er Hegel „Konformismus“ vor: „daß die Sympathie […] immer und ent-
scheidend auf der Seite des Allgemeinen liegt und daß das Individuum abgespeist wird mit der Versicherung, von der
es nicht warm werden kann: daß durch seinen eigenen Untergang hindurch das Allgemeine, die Idee, das Absolute
sich erhält“(T. W. Adorno, „Weltlauf und Geist,“ in: ders. Zur Lehre von der Geschichte und von der Freiheit, Frankfurt
am Main 2006, 87).
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330   Hegel-Jahrbuch 2018

des individuellen Bewusstseins keineswegs die Aufrechterhaltung des status quo, bzw. „Konfor-
mismus“ bedeutet, sondern eine solche Auflösung der Individualität selbst die Belebung bzw.
Veränderung des Allgemeinen ermöglicht (4).

2
Die Gestalt des dem „Gesetz des Herzens“ folgenden Bewusstseins versucht, basierend auf jenem
Gesetz, welches „in dem Fürsichsein des Bewusstseins die unmittelbare Allgemeinheit“3erhält,
die gegenständliche Wirklichkeit umzugestalten. Indem vor diesem Bewusstsein eine „fremde
Notwendigkeit“ steht, welcher, nach der Meinung dieses Bewusstseins viele Menschen „untertan“
sind, ist dieses Bewusstsein darauf gerichtet, „diese dem Gesetz des Herzens widersprechende
Notwendigkeit, so wie das durch sie vorhandene Leiden, aufzuheben“4. Dieses Bewusstsein
erfährt jedoch eine „Entfremdung“.5 Denn sobald die unmittelbare Allgemeinheit verwirklicht
wird, kann dieses Bewusstsein in der Entfremdung keine Allgemeinheit mehr erhalten, weil in
der gegenständlichen Wirklichkeit zugleich andere Individuen ihre unmittelbare Allgemeinheit
zu verwirklichen suchen und dadurch das ihm eigene Gesetz verloren geht. Das „Gesetz des
Herzens“, welches ihm als ein Allgemeines gelten soll, ist nichts anderes als eine Pseudoallge-
meinheit, welche der ebenfalls scheinbaren Allgemeinheit der anderen Individuen widerspricht.
Da aber die Einsicht in die falsche Allgemeinheit nicht dem Bewusstsein selber, sondern nur „für
uns“ möglich ist, findet das Bewusstsein den Grund für die Entfremdung darin, dass die Ord-
nungslosigkeit der Individualitäten die Verwirklichung der wahren Allgemeinheit zerstört. Hier-
durch wandelt sich das dem „Gesetz des Herzens“ folgende Bewusstsein in ein Bewusstsein der
Tugend, welches die Aufhebung oder sogar das Aufgeben der Individualität fordert.
In diesem Zusammenhang stellt Hegel im Abschnitt C die Erfahrung des „tugendhaften
Ritters“ dar. Dieser sucht durch die Forderung der Selbstaufopferung die Individualität auszu-
schließen, um den ordnungslosen Weltlauf zu verändern und sodann einen Ort zu schaffen, an
welchem die wahre Allgemeinheit oder „das Ansich“6 hervorgebracht werden kann. Dennoch
wird er scheitern, denn dieses sogenannte „Ansich“ ohne Individualität kann eben aufgrund der
Aufhebung seiner Individualität die Allgemeinheit nicht in sich verkörpern. Mit anderen Worten,
dieser Allgemeinheit fehlt die Individualität, welche „das Ansich“ in sich trägt und damit die
unentbehrliche Bedingung für die Verwirklichung des Allgemeinen ausmacht. Auf diese Weise
„wird die Tugend von dem Weltlaufe besiegt“7.
Indem Hegel den Untergang und den Widerspruch des sich gegenüber der Wirklichkeit ver-
haltenden Bewusstseins darstellt, scheint es zunächst so, als negiere er zugleich die Möglichkeit,
sich selbst verändernd, in die Wirklichkeit einzugreifen. Im nächsten Schritt werde ich das Resul-
tat des Entwicklungsgangs des tugendhaften Ritters analysieren, um dann im letzten Schritt das
kritische Potential von Hegels Lehre der „Sache selbst“ zu skizzieren.

3 Hegel, Phänomenologie, a. a. O. (Anm. 1), 201.


4 Ebd.
5 Ebd., 204.
6 Ebd., 211.
7 Ebd., 212.
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 Ryu Okazaki, Die Sache selbst als Subjekt in Hegels Phänomenologie des Geistes   331

3
Zunächst soll geklärt werden, was sich durch diese Erfahrung der zwei Gestalten des Bewusstseins
in Bezug auf die zwei Begriffspaare, d. h. Individualität/Allgemeinheit und Bewusstsein/Wirklich-
keit ergibt. Es lässt sich feststellen, dass das Resultat der Erfahrung beider Gestalten in der Verände-
rung des Zusammenhangs von Allgemeinheit und Individualität liegt, bzw. in der „Durchdringung
des Allgemeinen und der Individualität“.8 Das erste dem „Gesetz des Herzens“ folgende Bewusst-
sein möchte vom individuellen Standpunkt aus bzw. dem Herzen folgend die gegenständliche Wirk-
lichkeit umgestalten. In diesem Sinne trennen sich für dieses Bewusstsein die Wirklichkeit und das
Bewusstsein. Das zweite Bewusstsein wiederum versucht, durch die Aufopferung der Individualität
die Allgemeinheit bzw. das „Ansich“ hervorzubringen. Daher setzt diese zweite Gestalt des Bewusst-
seins die Trennung der Allgemeinheit von der Individualität voraus. Die zwei vorher getrennten
Momente, d. h. die Allgemeinheit und die Individualität werden nun in einem Bewusstsein vereint.
Das Bewusstsein ist von einer „Durchdringung von Individualität und Allgemeinheit“ über-
zeugt, die allerdings durch sein Tun noch nicht für das Bewusstsein selbst verwirklicht ist. Hegel
geht es nun darum: „wie dieser Begriff [der Durchdringung R. O.] der an sich selbst realen Indivi-
dualität in seinen Momenten sich bestimmt, und wie ihr Begriff von ihr selbst in das Bewußtsein
tritt“.9 Mit anderen Worten, Hegel vollzieht nach, wie dieses Bewusstsein sich selbst durch sein Tun
bestätigen kann und dass es als Individuelles sich selbst als Allgemeines, und umgekehrt als Allge-
meines sich selbst als Individuelles ist. Indem das Bewusstsein auf jener „Durchdringung“ des All-
gemeinen und der Individualität basiert, gibt es kein Moment des individuellen Tuns außerhalb des
Zusammenhangs mit der Allgemeinheit. Es geht also um die Vermittlungsstruktur aller Momente
des Tuns durch die Allgemeinheit. Hegel zeigt nun drei Momente des Tuns auf: Zweck, Mittel, Werk.
Obwohl das Bewusstsein in seinem Werk oder in seiner Tat den Ausdruck seiner eigenen Individu-
alität zu finden versucht, erfährt es stattdessen „die Zufälligkeit seiner Individualität“.10 Denn alle
Momente seines Tuns sind von der Allgemeinheit, welche durch die anderen im „geistigen Tier-
reich“ lebenden Individuen konstituiert wird, vermittelt und zugleich durch diese bedingt.
Nachdem dieses Bewusstsein im Werk die Erfahrung der Zufälligkeit seiner Individualität
gemacht hat, unternimmt es nun den Versuch, auf andere Weise als durch das Werk sich selbst
als wahre Individualität zu finden. Daraus leitet sich die erste Formulierung der „Sache selbst“ ab,
„welche sich schlechthin behauptet und als Bleibende erfahren wird, unabhängig von der Sache,
welche die Zufälligkeit des individuellen Tuns als eines solchen, der Umstände, Mittel, und der
Wirklichkeit ist“.11 Hier nimmt das Bewusstsein an, dass es anders als in dem konkreten Werk, wo
kein ihm eigenes Moment mehr bleibt, in der „Sache selbst“ den Ausdruck seiner eigenen Individu-
alität finden kann. Indem aber alle konkreten Momente „verschwindende“12 sind, ist diese „Sache
selbst“ nichts anderes als eine abstrakte Allgemeinheit; somit drückt sie keine ihm eigne Individu-
alität aus. In diesem Sinne lässt sich die „Sache selbst“ der Individualität als Prädikat zuschreiben,
aber dennoch fehlt ihr das Moment der Individualität. Das Bewusstsein versucht seinerseits nun
weiter über dieses Verschwinden seiner eigenen Momente hinaus mit „der Ehrlichkeit“13 die „Sache
selbst“, nicht als Prädikat sondern als Subjekt, wiederherzustellen. Da es sich eingestehen muss,
dass es keinen konkreten Verdienst an der „Sache selbst“ leistet, definiert das Bewusstsein die ehr-
liche Anerkennung der Abwesenheit seines konkreten Verdienstes seinerseits als seinen Verdienst,
um sich als Subjekt der „Sache selbst“ finden zu können. Diese Ehrlichkeit ist jedoch Hegel zufolge

8 Ebd., 214.
9 Ebd., 216.
10 Ebd., 221.
11 Ebd., 223.
12 Ebd., 222.
13 Ebd., 224.
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332   Hegel-Jahrbuch 2018

nichts anderes als „ein Betrug“:14 Während es zwar scheinbar seiner Individualität entsagt, genießt
sich das Bewusstsein aber in Wahrheit doch als etwas Individuelles. Deswegen ist diese scheinbare
Allgemeinheit, welche sich durch die Entsagung der Individualität ergeben soll, nichts anderes als
seine Individualität. Auf diese Weise scheint es für dieses Bewusstsein unmöglich, sich zugleich
sowohl als Allgemeines als auch als Individuelles zu bestätigen.
Kurz nach dieser Darstellung über das Scheitern des zweiten Versuchs der Individualisierung
bezeichnet Hegel die „Sache selbst“ als Subjekt wie folgt:

Das Bewußtsein erfährt, dass keins jener Momente Subjekt ist, sondern sich vielmehr in der allgemeinen Sache
selbst auflöst; die Momente der Individualität, welche der Gedankenlosigkeit dieses Bewußtseins nacheinan-
der als Subjekt galten, nehmen sich in die einfache Individualität zusammen, die als diese ebenso unmittelbar
allgemein ist. Die Sache selbst verliert dadurch das Verhältnis des Prädikats und die Bestimmtheit lebloser abs-
trakter Allgemeinheit, sie ist vielmehr die von der Individualität durchdrungene Substanz; das Subjekt, worin
die Individualität ebenso als sie selbst oder als diese wie als alle Individuen ist, und das Allgemeine, das nur
als dies Tun aller und jeder ein Sein ist, eine Wirklichkeit darin, dass dieses Bewußtsein sie als seine einzelne
Wirklichkeit und als Wirklichkeit aller weiß.15

In diesem Zitat stellt Hegel die „Sache selbst“ als Subjekt dar, in welchem das Bewusstsein sowohl
individuell als auch allgemein ist.16 Doch wie ist das möglich, seine eigene Individualität zu erfassen,
wenn das Bewusstsein, wie bereits beschrieben, in dem vorhergehenden Versuch bereits scheiterte?
Im letzten Abschnitt werde ich den Grund für dieses Subjektwerden der „Sache selbst“ aufzeigen.

4
Zuerst möchte ich darauf aufmerksam machen, dass das Verschwinden oder die Auflösung des
Moments der eignen Individualität das wesentliche Moment der „Sache selbst“ als Subjekt ausmacht.
Wie die Darstellung des „Betrugs“ zeigt, bedeutet dies nicht nur die Auflösung der Momente des
individuellen Tuns, sondern auch aller individuellen Momente des Bewusstseins. In diesem Kontext
bedeutet „Auflösung“, dass das Bewusstsein sich dessen bewusst wird, dass die Individualität,
welche für das Bewusstsein ohne Bezug auf die Allgemeinheit existieren sollte, nur durch andere
Individuen überhaupt vermittelt existieren kann. Hier kann man den Unterschied der genannten
Auflösung und der Selbstaufopferung des tugendhaften Ritters finden. Während die Tugend sich
auf die spontane Selbstaufopferung stützt, welche nichts anderes als ein individuelles Moment sein
kann, braucht die Auflösung kein Moment der Selbstentscheidung, sondern diese Selbstnegation
wird nur durch die Vermittlung von den anderen gesellschaftlichen Mitgliedern ermöglicht.17 Wich-

14 Ebd.
15 Hegel, Phänomenologie, a. a. O. (Anm. 1), S.227 f. Zum „konkreten Allgemeine“ der „Sache selbst“ vgl. Hermann
Schmitz, „Die Vorbereitung von Hegels „Phänomenologie des Geistes“ in seiner „Jenenser Logik“, in: Zeitschrift für
philosophische Forschung 14 (1960), 37.
16 In diesem Zusammenhang kann es jedoch fragwürdig erscheinen, dass Hegel im Abschnitt des Gewissens Folgen-
des bemerkt: „die Gestalt, welche diesem Begriff unmittelbar ausdrückte, war das ehrliche Bewußtsein, das sich mit
der abstrakten Sache selbst herumtrieb. Diese Sache selbt war dort [im Vernunftkapitel R. O.] Prädikat; im Gewissen
aber erst ist sie Subjekt“ (Hegel, Phänomenologie, a. a. O. (Anm.1), 345.) Wie wir oben gesehen haben, ist die „Sache
selbst“ beim ehrlichen Bewusstsein kein Subjekt. Trotz der oben zitierten Aussage Hegels im Geisteskapitel kann man
aber auch innerhalb der Lehre von der „Sache selbst“ bestätigen, dass Hegel das Subjektwerden der „Sache selbst“
erwähnt, wie z. B. Maria Daskaraki betont (Maria Daskalaki, Vernunft als Bewusstsein der absoluten Substanz: Zur
Darstellung des Vernunftbegriffs in Hegels „Phänomenologie des Geistes“, Berlin 2012, 207). An dieser Stelle möchte ich
jedoch nicht weiter diskutieren, ob dies ein Widerspruch ist.
17 In diesem Punkt befindet sich das wichtigste Argument für das Problem, dessen Auflösug das unglückliche Be-
wusstsein nicht finden kann, das in seinem dritten Moment endlich den Grund seiner Selbstnegation nur in sich
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 Ryu Okazaki, Die Sache selbst als Subjekt in Hegels Phänomenologie des Geistes   333

tiger ist, dass eine solche Individualität insofern verschwindet, als das Bewusstsein die Individuali-
tät als etwas innerhalb seiner selbst Existierendes voraussetzt. Das Individuum ist insofern Subjekt,
als es alle seine eigenen Momente als in der Allgemeinheit aufgelöst erkennt.
Insbesondere darf man nicht den Punkt übersehen, dass sich die Auflösung der Individualität
und die Veränderung der Allgemeinheit entspricht. Nach der Hegelschen Logik des „Verschwin-
den[s] des Verschwindens“18 bedeutet die Auflösung bzw. das Verschwinden der Individualität
zugleich die Belebung der Allgemeinheit. Wenn es nicht alle ihm eigene Individualität verschwin-
den lässt, sondern seine eigene festhalten würde, dann würde die Allgemeinheit abstrakt bleiben.
Dies bedeutet, dass paradoxerweise nur durch die Auflösung der Individualität die „Sache selbst“
eine Einheit der Individualität und der Allgemeinheit darstellen kann und somit die Allgemein-
heit verändert wird. Wenn man die Individualität, deren Wesen die Auflösung ist, als etwas Fest-
gesetztes auffassen würde, ginge die Einheit beider verloren. Mit anderen Worten, die Individua-
lität und die Allgemeinheit müssen nicht als etwas Positives, sondern als „das Ganze“ oder „die
sich bewegende Durchdringung der Individualität und der Allgemeinheit“19 betrachtet werden.
Basierend auf dieser Lehre von der „Sache selbst“ möchte ich kurz die Möglichkeit betrachten,
die eingangs erwähnte Kritik Adornos zu entschärfen. Dabei ist die Erfahrung des Bewusstseins
wichtig, dass die absolute Auflösung der Individualität die Allgemeinheit selbst verändert. Anhand
dieser Erfahrung kann man einen neuen Ansatz in Bezug auf das Problem der Allgemeinheit finden,
das den Kern der Konformismuskritik ausmacht. Adorno verleugnet die Einheit von der Individua-
lität und der Allgemeinheit, diese gilt Adorno als totalitär. Wie betrachtet kann sich aber die Allge-
meinheit nur durch diese Einheit verändern bzw. insofern die dem Individuum eigenen Momente
in der Allgemeinheit aufgelöst werden und die Allgemeinheit so zugleich ihre abstrakte und fremde
Bestimmtheit verliert. In diesem Sinne ergibt vielmehr die Verleugnung der Einheit beider Momente
einen Konformismus, weil ohne diese prozesshafte Einheit die Allgemeinheit abstrakt bliebe.
Anhand dieses Kernpunktes der Hegelschen Lehre von der „Sache selbt“ möchte ich in Zukunft
die Entwicklung des Geistes im Geistkapitel der Phänomenologie des Geistes genauer analysieren. Es
soll untersucht werden, welche Erfahrung der Einheit von der Allgemeinheit und der Individualität
folgt, um dem Vorwurf der sogenannten „Asymmetrie“ der „Selbstnegation“20 oder dem Risiko der
„Ideologie“21 in der Philosophie Hegels entgegnen zu können. Dabei soll der Fokus auf dem kritischen
Potential der Einheit von der Auflösung der Individualität und der Veränderung der Allgemeinheit
liegen. Die Anerkennungsstruktur und die dabei wesentliche Selbstnegation können nur insofern
asymmetrisch oder ideologisch motiviert sein, als man ihren Grund in einem unverfügbaren Kern zu
finden versucht und damit die Veränderung der Allgemeinheit bei der Selbstnegation außer Acht
lässt.

M. A. Ryu Okazaki


Steinhellenweg 5, 12109 Berlin
okazakioka@yahoo.co.jp

selbst als einem Einzelnen finden kann und damit die Vermittlung nur auf das Jenseits verschiebt, weshalb seine Ein-
heit mit der Allgemeinheit eine leere inhaltlose Kategorie ist. Zum dritten Moment des unglücklichen Bewusstseins:
vgl. Hegel, Phänomenologie, a. a. O. (Anm. 1), 129 ff., zur Kategorie vgl. ebd., 132 ff. Weiter zur Hegelschen Konzeption
der Kategorie im Allgemeinen: vgl. Gerd Kimmerle, Sein und Selbst. Untersuchungen zur kategorialen Einheit von Ver-
nunnft und Geist in Hegels „Phänomenologie des Geistes“, Bonn 1978.
18 Hegel, Phänomenologie, a. a. O. (Anm. 1), 222.
19 Ebd., 226
20 Ludwig Siep, Anerkennnung als Prinzip der praktischen Philosophie. Untersuchungen zu Hegels Jenaer Philosophie
des Geistes, Hamburg 2014, 270 ff.
21 Axel Honneth, „Anerkennung als Ideologie: Zum Zusammenhang von Moral und Macht,“ in: ders. Das Ich im Wir:
Studien zur Anerkennungstheorie, Frankfurt am Main 2010.
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Stefan Kühnen, Oldenburg

Zur „anthropologischen“ Grundlage


der Bewegung des Anerkennens
In der Phänomenologie des Geistes von 1807 entwickelt Hegel im Kapitel über Selbständigkeit und
Unselbständigkeit des Selbstbewußtseyns; Herrschafft und Knechtschafft die Grundstruktur dessen,
was er als „Bewegung des Anerkennens“1 bezeichnet. Da Hegel beansprucht, mit dieser Grund-
struktur den „Begriff des Geistes“2 darzulegen, haben unterschiedliche Deutungen dieses Kapitels
weitreichende Folgen für die Interpretation der Hegelschen Philosophie insgesamt. Nicht zuletzt
aus diesem Grund ist notorisch umstritten, was genau in diesem Kapitel überhaupt verhandelt
wird. Im Folgenden möchte ich zu einem adäquaten Verständnis der Bewegung des Anerkennens
beitragen, indem ich den Text der Phänomenologie durch einen Blick auf den Kontext aufzuhellen
versuche, in den Hegel die Bewegung des Anerkennens in der Enzyklopädie der philosophischen
Wissenschaften im Grundrisse von 1830 stellt.
Die wichtigste Streitfrage in Bezug auf das Herr-Knecht-Kapitel lautet: Findet die Bewegung
des Anerkennens (i) zwischen leibhaftigen Individuen oder (ii) innerhalb eines einzelnen Indivi-
duums statt? Da sich die Anerkennens-Bewegung bei Hegel in Form eines Kampfes auf Leben und
Tod vollzieht, die zunächst in der Herrschaft der einen Seite über die andere resultiert,3 macht
es einen gewaltigen Unterschied, ob der Kampf intra- oder intersubjektiv ausgefochten wird. Ist
das Verhältnis von Herrschaft und Knechtschaft nämlich eines, das sich – zumindest vorerst –
innerhalb eines Individuums etabliert, so lässt sich der Dialektik von Herr und Knecht ein durch-
aus emanzipativer Sinn abgewinnen.4 An diesem logischen Ort geht es nicht um die historische
Genese des Selbstbewusstseins, sondern um dessen begriffliche Struktur. Wäre Mord und Tot-
schlag zwischen leibhaftigen Individuen tatsächlich ein notwendiges Strukturmoment von Geist
überhaupt, so könnte dieser sich niemals aus der Gewaltförmigkeit befreien. Dass er sich aber
sehr wohl von dieser ‚natürlichen‘ Gewaltförmigkeit zu befreien vermag, ist Voraussetzung dafür,
dass er sich zum sogenannten ‚Absoluten Geist‘ entwickeln kann. Ganz ohne Befreiung gäbe es
somit keine Kunst, keine Religion und keine Philosophie.5
Und so gibt es denn auch viele gute Gründe dafür, die Herr-Knecht-Dialektik der Großen
Phänomenologie als intrasubjektive Dialektik zu lesen. In dieser Lesart handelt es sich bei ihr
(primär) um eine Dialektik von Seele und Körper. Da diese Dialektik wiederum Gegenstand der
Hegelschen „Anthropologie“ ist, scheint anhand des so betitelten Abschnitts der Enzyklopädie
durchaus etwas über Hegels Auffassung bezüglich dieser Dialektik in Erfahrung gebracht werden
zu können. Allerdings drängt sich hier die Frage auf, ob es gerechtfertigt werden kann, gerade in
der Anthropologie nach Hinweisen zu suchen für die Plausibilität einer Lesart, die zuvörderst die
Herr-Knecht-Passage in der Großen Phänomenologie betrifft? Schließlich enthält die Enzyklopä-
die ihrerseits eine Phänomenologie des Geistes, die ebenfalls über ein Selbstbewusstseinskapitel

1 GW 9, 109. Hegel wird hier wie im Folgenden zitiert nach G. W. F. Hegel: Gesammelte Werke (in Verbindung mit
der Deutschen Forschungsgemeinschaft hrsg. v. der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der
Künste), Hamburg 1968 ff. (GW), mit arabischer Zahl für den Band, Komma und Seitenzahl.
2 Ebd., 108.
3 Vgl. ebd., 110–113.
4 Diese emanzipatorische Lesart ist nicht bloß von außen an die Geistphilosophie herangetragen. Vgl. GW 20,
384 (§ 386): „Die verschiedenen Stufen dieser Thätigkeit [des endlichen Geistes, S. K.] […] sind Stufen seiner Be-
freiung“.
5 Vgl. GW 9, 361 f.
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 Stefan Kühnen, Zur „anthropologischen“ Grundlage der Bewegung des Anerkennens   335

verfügt, in dem ebenso ein anerkennendes Selbstbewusstsein thematisiert wird. Wäre es also nicht
angebracht, besser gleich dort nachzuschauen?
Zur Beantwortung dieser Frage muss kurz auf das Verhältnis zwischen Enzyklopädie und
Großer Phänomenologie eingegangen werden. Hier springt zunächst eine gravierende Differenz
ins Auge, die darin besteht, dass die Enzyklopädie im Gegensatz zur Großen Phänomenologie von
vornherein eine grundlegend andere, nämlich wissenschaftliche Perspektive einnimmt. Zwar
musste auch die Phänomenologie selbst schon wissenschaftlich konzipiert sein,6 doch bestand
der Zweck, den sie auf wissenschaftliche Weise verfolgte, letztlich ‚nur‘ darin, den Weg zu ebnen
für die ‚wahre Wissenschaft‘. Diese kann ihr Geschäft erst beginnen, wenn jener Weg einmal
vollständig durchschritten ist.
Allerdings bedeutet dies keineswegs, dass die wahre, sich vollumfänglich nach Maßgabe des
Begriffs organisierende Wissenschaft nun auch inhaltlich von vorn beginnen müsste. Vielmehr
muss sich in der Enzyklopädie, dem Grundriss jener wahren Wissenschaft, sowohl derselbe als
auch der ganze Inhalt finden, den bereits die Große Phänomenologie enthielt. Hegel zufolge ent-
spricht „jedem abstracten Momente der Wissenschaft eine Gestalt des erscheinenden Geistes über-
haupt“. Wie der „daseyende Geist“, dessen geordnete Darstellung die Phänomenologie soeben
geleistet hat, „nicht reicher“ sei als die wahre Wissenschaft, so sei er „in seinem Inhalte auch
nicht ärmer.“7 Die wahre Wissenschaft ordnet diesen Inhalt also ‚nur‘ neu. Demzufolge besteht der
einzige Unterschied zwischen Großer Phänomenologie und Enzyklopädie darin, dass der Inhalt
hier in anderer Form auftritt, nämlich von vornherein vollständig wissenschaftlich strukturiert
und systematisiert. Wird dieser Unterschied durchgängig beachtet, dürfen beide Bücher durchaus
miteinander in Dialog gebracht werden.
Hierin liegt also die Berechtigung dafür, sich der Hegelschen Anthropologie zuzuwenden,
obwohl man doch eigentlich etwas über eine Thematik herausbekommen möchte, die den jewei-
ligen Überschriften zufolge erst nach dem Anthropologie-Abschnitt behandelt werden: Die Inhalte
der Großen Phänomenologie, die aus der Kleinen verbannt wurden, behaupten in Wahrheit ihren
Platz in der Enzyklopädie. Inhalte, die in der Kleinen Phänomenologie nicht mehr zu finden sind,
wurden lediglich ‚ausgelagert‘. Sie sind mitunter weit verstreut; entdeckt man vieles naheliegen-
derweise in der Zweiten und Dritten Abtheilung der Philosophie des Geistes, lohnt beispielsweise
bezüglich der Begriffe der Unendlichkeit oder des Lebens ein Blick in die Kleine Logik. Inwiefern
aber kann die Anthropologie nun etwas beitragen zur Erhellung des Herr-Knecht-Kapitels der
Großen Phänomenologie?
Gegenstand der Hegelschen Anthropologie ist zunächst die Seele „in ihrer unmittelbaren
Naturbestimmtheit“8. Dergestalt ist sie zwar bereits Geist, doch befindet dieser sich hier noch im
Zustand des Schlafes.9 Als schlafender Geist stellt die Seele „nur die allgemeine Substanz“ dar,
und zwar „als Einzelnheit, Subjectivität“10. Diese Zusammenführung von Substanz und Subjek-
tivität unterstreicht für sich genommen bereits die Bedeutung des nun Folgenden, nicht zuletzt
aus der Perspektive der Großen Phänomenologie; kommt deren Vorrede zufolge doch „alles
darauf an, das Wahre nicht [nur, S. K.] als Substanz, sondern ebensosehr als Subject aufzufassen
und auszudrücken.“11 Im Zustand des Schlafes befindet sich die Seele, indem sie sich zu den
ihr gegebenen „Naturgegenstände[n]“12 noch nicht so verhält, als seien diese etwas ihr Äußerli-
ches. Wenn die Anthropologie es mit der Darstellung des „Erwachen[s]“ 13 der Seele zum „Bewußt-

6 Vgl. ebd., 61.


7 Ebd., 432.
8 GW 20, 390 (§ 390).
9 Vgl. ebd., 388 (§ 389).
10 Ebd., 390 (§ 390).
11 GW 9, 18. Der Geltungsanspruch der Vorrede erstreckt sich auf das Gesamtsystem, das Hegel 1807 noch zu erstel-
len beabsichtigte.
12 GW 20, 390 (§ 391).
13 Ebd., 394 (§ 398).
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336   Hegel-Jahrbuch 2018

seyn“14 zu tun hat, so wird ihre Aufgabe folglich darin bestehen müssen, zu beschreiben, wie
jene naturgegebenen, ‚inneren‘ Seeleninhalte zu äußerlichen werden.
Den ersten Schritt hin zum „concrete[n] Ich“15 des wachen Verstandes tut die Seele als
Emp-findung. In ihr findet sie all die Inhaltsbestimmtheiten in sich selbst vor, die sie „ihrer
schlafenden Natur“ nach lediglich an sich hat. Zwar bleibt die Seele in ihrer Einfachheit so
immer noch die passive „Identität des Fürsichseyns mit sich“16  – eines Fürsichseins mithin,
das, „weiter in sich vertieft, Ich des Bewußtseyns“ ist. Doch indem die Seele, die zunächst aus
nichts anderem besteht als aus ihren natürlich-unmittelbaren Inhaltsbestimmtheiten, sich
diese Bestimmtheiten nunmehr als ein Ideelles „zueigen“17 macht, unterscheidet sie sich inner-
halb ihrer von sich selbst. Durch diesen Aneignungsvorgang bestimmt sich jener unmittelbare18
Inhalt des Fürsichseins zu seiner Äußerlichkeit, das ist „zur natürlichen Leiblichkeit“19. Erst
durch diese seine leibliche Manifestation kann der Inhalt der Seele überhaupt als solcher emp-
funden werden.20
Die Anthropologie erzählt nun gleichsam die Manifestationsgeschichte der Seele als
Geschichte der stetig fortschreitenden ‚Durchbildung‘ ihrer Leiblichkeit. Am Ende dieser
Geschichte kann die Seele deshalb ins Bewusstsein übergehen, weil sie sich vermittels der
Gewohnheit ihre Leiblichkeit ganz zueigen gemacht hat; man könnte auch sagen – und Hegel hält
sich diesbezüglich auch gar nicht zurück –, weil sich die Seele ihre Leiblichkeit ganz unterworfen
hat.21 Hat die Seele sich diese Unterwerfung der Leiblichkeit in der Gewohnheit erfolgreich zur
zweiten Natur gemacht,22 existiert sie als Ich. Sie bezieht sich in ihrer Äußerlichkeit nur auf sich
selbst, und ist damit einzelnes Subjekt.23 Als diese „Identität des Inneren mit dem Aeußeren“
fühlt sich die Seele in ihrem Leib, dem durch sie selbst gestalteten „Kunstwerk“24. Damit ist sie
wirklich und kann nunmehr als Ich bewusst aktiv werden.
An diesem späten Punkt ist letztlich aber nur eingeholt, was schon der frühesten Empfin-
dung zugrunde lag: Seele und Körper sind im Leib des lebendigen Individuums so grundsätzlich
ineinander verwoben, dass dieses Individuum beispielsweise nur dann etwas sieht, wenn es sich
die bloßen Bestimmungen seines körperlichen Organs – in diesem Fall des Auges – „innerlich
gemacht“ hat. Umgekehrt kann das lebendige Individuum seine geistigen Bestimmtheiten nur
dann überhaupt als solche empfinden, wenn es sie „verleiblicht“25 hat. Geistige Bestimmthei-
ten existieren erst, wenn sie sich auf irgendeine Art und Weise in der Welt objektiviert haben.
Nun zählt zu diesen geistigen Bestimmtheiten aber auch das Ich, und zwar mitsamt der Seite
seiner Allgemeinheit, nach der wir alle Ich sind. Dem aus der „Form des dumpfen Webens des
Geistes in seiner bewußt- und verstandlosen Individualität“26 zum Bewusstsein seiner selbst,
zum Selbstbewusstsein erwachenden und sich entwickelnden Ich wohnt somit ein mächtiger All-
gemeinheitsanspruch inne. Es ist der zunächst vollkommen abstrakte Allgemeinheitsanspruch

14 Ebd.
15 Ebd., 395 (§ 398 A.).
16 Ebd., 396 (§ 399).
17 Ebd., 398 (§ 401).
18 Vgl. ebd., 412 (§ 408).
19 Ebd., 398 (§ 401).
20 Vgl. ebd., 399 (§ 401 A.): „Das Empfinden überhaupt ist das gesunde Mitleben des individuellen Geistes in seiner
Leiblichkeit.“
21 Vgl. ebd., 413 (§ 408 A.), 417 (§ 410 A.) sowie 419 (§ 411).
22 Vgl. ebd., 416 (§ 410 A.).
23 Vgl. ebd., 418 (§ 410 A.).
24 Ebd., 419 (§ 411).
25 Ebd., 396 (§ 400).
26 Ebd.
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 Stefan Kühnen, Zur „anthropologischen“ Grundlage der Bewegung des Anerkennens   337

des Ich, insofern er auch „für die abstracte Allgemeinheit“ ist. Diese abstrakte fürsichseiende
Allgemeinheit ist nun aber schlicht – das „Denken“27.
Nach dieser ihrer allgemeinen Seite gerät die Seele im Verlauf ihrer Manifestationsge-
schichte unausweichlich in Konflikt mit ihrer anderen Seite, der Seite ihrer „Vereinzelung“. Weil
diese individuelle Seite sich vornehmlich im und durch den Körper manifestiert,28 bedeutet dies
eine grundlegende Konflikthaftigkeit des Körper-Seele-Verhältnisses. Wenn der Allgemeinheits-
anspruch der Seele sich abstrakt geltend macht, so kann er dies gar nicht anders tun als auf
Kosten ihrer Manifestationsform, respektive ihrer eigenen Verleiblichung im Körper, denn dem
Leib eignet unausrottbar das Moment der Vereinzelung, der Individualität. Diesen Sachverhalt
drückt Hegel in der Anthropologie so aus, dass in der Seele die Materie überhaupt an sich „keine
Wahrheit“ besitze. Hierin liegt für ihn der Grund dafür, dass sie sich als fürsichseiende „von
ihrem unmittelbaren Seyn“ scheidet. Dieses unmittelbare Sein stellt sie sich nun „als Leiblich-
keit gegenüber“ – eine Leiblichkeit mithin, die als materielle dem „Einbilden“ der Seele in sie
„keinen Widerstand leisten kann.“29 Und da Körper und Seele durchaus „trennbar sind“, tat-
sächlich getrennt allerdings nur sein können, insofern das Individuum „todt ist“30, stellt dieser
Konflikt nicht weniger als einen Kampf auf Leben und Tod dar. Dieser Kampf ist hier eindeutig
ein intrasubjektiver: Das Moment des Fürsichseins möchte sich um der Herstellung seiner abs-
trakten Allgemeinheit willen selbst entleiben. Die Seele ist strukturell suizidgefährdet.
Wirft man von dieser wissenschaftlichen Warte aus einen Blick zurück auf das
Herr-Knecht-Kapitel der Großen Phänomenologie, dann scheint es sich bei diesem zu weiten
Teilen um eine radikal auf ihre abstrakten Strukturmomente heruntergebrochene Version
dessen zu handeln, was in der Anthropologie viel konkreter ausgeführt wird, nämlich: eine
Version der Dialektik von Seele und Körper. Selbst wenn man einmal davon absieht, dass an
diesem systematischen Ort der Großen Phänomenologie noch gar nicht von anderen leibhaftigen
Individuen die Rede sein kann, erschließt sich das Kapitel deutlich besser, wenn die Bezeich-
nungen ‚Herr‘ und ‚Knecht‘ mehr oder minder metaphorisch als Stellvertreter für Seele und
Körper genommen werden. Es erscheint dann weitaus weniger kryptisch, wenn Hegel dort etwa
davon spricht, dass das Selbstbewusstsein sich als Mitte „in die Extreme zersetzt“31. Denn das
leib-haftige Selbstbewusstsein teilt sich selbst ideell in Körper und Seele, ja ist sogar nur durch
diese Verdopplung in seiner Einheit überhaupt Selbstbewusstsein. Als Mitte ist das Selbstbe-
wusstsein auf die Diremtion in seine Extreme, auf die ideelle Trennung ihrer selbst in Seele und
Körper, angewiesen.
Ein wichtiges Ergebnis des Herr-Knecht-Kapitels lautete demgemäß, dass das Ich immer
schon ein leibhaftiges ist. Deshalb kann es nur einen einzigen geben, der zu Recht beansprucht,
absoluter Herr zu sein, und das ist der Tod.32 Denn allein im Tod könnte sich die „reine Abstrac-
tion des Fürsichseyns“33, deren Entwicklung hin zum denkenden Ich des Bewusstseins in der
Anthropologie konkreter dargestellt wird, tatsächlich ganz vollbringen. Damit fiele aber auch die
Mitte, die das Selbstbewusstsein (gewesen) ist, „in eine todte Einheit zusammen“34. Ein lebendi-
ges Selbstbewusstsein schwebt niemals als ‚reines‘ Selbst irgendwo über den sprichwörtlichen
Wassern. In der Rede vom reinen Selbstbewusstsein macht sich zwar das formelle Wesen des
Geistes geltend, nach dem dieser „von allem Aeußerlichen und seiner eigenen Aeußerlichkeit […]

27 Ebd., 421 (§ 412).


28 Es ist die Seelen-Seite „der Naturbestimmtheit […] als der Modus des verschiedenen Temperaments, Talents, Cha-
rakters, Physiognomie und anderer Dispositionen und Idiosyncrasien“ (ebd., 392 [§ 395]).
29 Ebd., 420 (§ 412).
30 Ebd., 219 (§ 216). Vgl. ebd., 184 (§ 168).
31 GW 9, 110.
32 Vgl. ebd., 114.
33 Ebd., 111.
34 Ebd., 112.
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338   Hegel-Jahrbuch 2018

abstrahieren“ kann. Doch ist die „abstracte für-sich-seyende Allgemeinheit“35 für ein lebendiges
Individuum niemals in Reinform zu haben, da sie als solche eben den Tod dieses Individuums
bedeuten würde.
In der Enzyklopädie wird wissenschaftlich beschrieben, wie die Dialektik von Verinnerli-
chung des Äußerlichen und Veräußerlichung des Inneren zwischen Seele und Leib, beginnend
mit der Empfindung, vonstattengeht. Dies vermag sie vor allem deswegen, weil in ihr die
Bestimmungen der Logik vorausgesetzt werden können. Diese Bestimmungen liegen auch der
Großen Phänomenologie zugrunde,36 wenn der Herr – sprich die Seele – den Knecht – sprich
den Körper – als Mittel oder Werkzeug einschaltet zwischen sich und die zu bearbeitende Natur:
Es ist eine teleologische Beziehung, in der sich „der subjective Zweck mit der ihm äußerlichen
Objectivität durch eine Mitte zusammenschließt, welche die Einheit beider, als die zweckmäßige
Tätigkeit, und als die unter den Zweck unmittelbar gesetzte Objectivität, das Mittel, ist.“37 Der
subjektive Zweck, die Seele oder der Herr, der sich mit der ihm äußerlichen Objektivität, dem
Knecht oder seinem Leib, durch eine Mitte, die das Selbstbewusstsein ist, zusammenschließt,
ist als zweckmäßige Tätigkeit stets auf Mittel zur Umsetzung ihrer Zwecke angewiesen. Dieses
Mittels, das hier zunächst in der Leiblichkeit besteht, bedarf am Ende selbst noch die poten-
tiell abstrakt-allgemeinste Tätigkeit überhaupt: das Denken. In diesem Sinne ist die lapidare
Bemerkung Hegels zu verstehen, „Ungewohntheit und lange Fortsetzung des Denkens macht
Kopfweh“38.
So plausibel es ist, das Herr-Knecht-Kapitel der Großen Phänomenologie als Körper-Seele-Di-
alektik zu lesen, so unplausibel wäre es, das Kapitel auf diese Bedeutung zu beschränken. Zwar
ist es Hegel hier tatsächlich zuvörderst um das intrasubjektive Verhältnis zu tun, das notwendig
ist, damit das Selbstbewusstsein überhaupt eines werden kann und nicht in der „bewegungs-
lose[n] Tavtologie [sic] des: Ich bin Ich“39 steckenbleibt. Doch ist es keineswegs Zufall, dass der
Begriff der Seele selbst an Ort und Stelle nirgends erwähnt wird. Denn dieser Abschnitt legt, wie
eingangs erwähnt, zwar den Begriff des Geistes dar – aber eben auch nur den Begriff des Geistes.
Dieser muss notwendigerweise noch ganz abstrakt ausfallen. Schließlich wird hier lediglich die
Grundstruktur des Geistes – das „Ich, das Wir, und Wir, das Ich ist“40 – expliziert; und da diese
Grundstruktur dem gesamten Geist zugrunde liegt, muss sie entsprechend offen gehalten sein.
Deshalb kann das Herr-Knecht-Kapitel der Großen Phänomenologie nicht der Maßgabe einer
allzu schlichten Entweder-Oder-Alternative wie der oben genannten unterworfen werden, so als
finde die Bewegung des Anerkennens entweder (i) zwischen leibhaftigen Individuen oder (ii)
innerhalb eines einzelnen Individuums statt. Als dem gesamten Geist zugrunde liegende Struk-
tur muss die Bewegung des Anerkennens sowohl intra- als auch intersubjektiv greifen.
Nichtsdestoweniger ist es äußerst wichtig, diese Hinsichten klar voneinander zu unter-
scheiden. Würde nämlich bereits hier die noch uneingeholte Voraussetzung eines leibhaftigen
anderen Individuums äußerlich an das Bewusstsein herangetragen, so könnte der Gang der
Großen Phänomenologie nicht länger legitimerweise Wissenschaftlichkeit für sich beanspru-
chen. Im wissenschaftlichen Fortgang dieses Buches kann von miteinander interagierenden,
leibhaftigen Individuen erst viel später, letztendlich erst im Geistkapitel die Rede sein. Damit
liegt aber auch auf der Hand, dass das Herr-Knecht-Kapitel nicht etwa so gelesen werden kann
und darf, als läge mit ihm bereits eine vollständige Anerkennungstheorie vor. Eine solche
vermag das Buch allein in seiner Gesamtheit zu liefern. Das ebenso kompakte wie abstrakte

35 GW 20, 382 (§ 382).


36 Die „Fortbewegung“, die das Bewusstsein durch die Große Phänomenologie hin zum wahrhaft wissenschaftlichen
Standpunkt durchläuft, beruht „allein […] auf der Natur der reinen Wesenheiten“; und diese reinen Wesenheiten oder
Kategorien machen wiederum „den Inhalt der Logik aus[…].“ (GW 21, 8).
37 GW 20, 212 (§ 206).
38 Ebd., 418 (§ 410 A.). Vgl. zu dieser Form der Gewohnheit etwa auch ebd., 107 f. (§ 66).
39 GW 9, 104.
40 Ebd., 108.
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 Stefan Kühnen, Zur „anthropologischen“ Grundlage der Bewegung des Anerkennens   339

Kapitel über Herrschafft und Knechtschafft, über Selbständigkeit und Unselbständigkeit des
Selbstbewußtseyns formuliert allererst die Frage(n), um deren Beantwortung es im weiteren
Verlauf des Buches gehen wird.

M. A. Stefan Kühnen


Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
DFG-Graduiertenkolleg „Selbst-Bildungen“
26111 Oldenburg
s.kuehnen@gmail.com

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Misa Sanada, Heidelberg

Die philosophische Anthropologie und die


moralische Funktion des Gewissens in der
Philosophie Hegels

1 Lässt sich der Mensch vom Tier unterscheiden?


Wenn die traditionelle Philosophie versucht, über den entscheidenden Unterschied zwischen
Mensch und Tier zu diskutieren, hebt sie häufig besondere Merkmale hervor, die sie nur dem
Menschen zuschreibt. Freiheit, Selbstbewusstsein, Vernunft und Geist sind die Hauptmerkmale.
Diese traditionelle, christlich beeinflusste Idee änderte sich jedoch nach der Theorie der Evolution
von Charles Darwin, dass Menschen und Tiere gemeinsame Vorfahren haben. Die philosophische
Anthropologie Schelers kann als Reaktion darauf betrachtet werden. Er hat das Wesen des Men-
schen im Verhältnis zu Pflanzen und Tieren überprüft.1
Warum haben traditionelle Philosophen eigentlich versucht, diesen Unterschied zu betonen,
obwohl es verschiedene naturwissenschaftliche Widersprüche gibt? Gibt es einen besonderen
Grund dafür, dass sie nicht damit zufrieden sein konnten, Menschen nur durch ihre biologischen
Eigenschaften zu bestimmen? Dafür gibt es einige Gründe.
Zunächst einmal ist es abgesehen von einem kleinen Personenkreis, der die Befreiung von
Tieren befürwortet, üblich, Tiere für das Überleben sowie den wirtschaftlichen und kulturellen
Betrieb zu nutzen. Hegel sagt in den Grundlinien der Philosophie des Rechts, dass Tiere „kein Recht
auf ihr Leben“ haben (GW 26.3, 1127; TW 7, 111), und dass Menschen sie wegen ihres freien Willens
als Sache behandeln können (GW26.2, 816; TW 7, 107). Diese Idee war vor der Diskussion über
Tierrechte allgemein anerkannt.
Die Unterscheidung zwischen Mensch und Tier auf Grund der Freiheit bezieht sich außerdem
auf das Problem der Zurechnungsfähigkeit. Man kann Menschen, die über Entscheidungsfreiheit
verfügen, zur Rechenschaft ziehen, aber Tiere natürlich nicht. Die Tiere haben Hegels Ansicht
nach keinen Willen und sind Lebewesen, die dem Trieb gehorchen (GW 26.2, 784; TW 7, 63). Dieser
Mangel an freiem Willen ist der Grund dafür, dass man sie nicht zur Rechenschaft ziehen kann,
ebenso Menschen mit geistiger Behinderung sowie Kinder. Wenn kein Unterschied zwischen
Mensch und Tier angenommen wird, müssen allen Tieren die gleichen Rechte wie Menschen
zugestanden werden. Dies würde zu der absurden Annahme führen, dass man auch Tiere zur
Rechenschaft ziehen muss.
Wie oben gesagt, gibt es im Hintergrund der Unterscheidung zwischen Tieren und Menschen
den Begriff des freien Willens und die Auffassung, dass das Recht auf dem freien Willen basiert.
Nicht nur der freie Wille, sondern auch die Benutzung des Werkzeugs, die Sprache, die Kultur oder
die Religion sind natürlich Merkmale des Menschen. Der vorliegende Aufsatz zielt aber erstens
auf den freien Willen in der Philosophie Hegels ab, und vergleicht zweitens den freien Willen in
den Grundlinien mit der evolutionären Freiheit und erläutert das hegelsche Verständnis über die
Gattung vor der Theorie der Evolution. Drittens wird in der zoologischen Hinsicht betrachtet, dass
Bonobos sich auch ausgezeichnet moralisch verhalten, aber der Mensch sich von den anderen
Primaten in der Überwindung des sozialen Bias unterscheidet. Abschließend wird gezeigt, dass

1 Max Scheler, Die Stellung des Menschen im Kosmos, München 1949, 12.
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 Misa Sanada, Philosophische Anthropologie und Gewissen in der Philosophie Hegels   341

der Prozess des Gewissens in der Phänomenologie des Geistes, sich selbst im anderen zu finden,
eine Darstellung der Überwindung des sozialen Bias ist.

2 Der freie Wille und die Gattung


Hegel hat in den Grundlinien den freien Willen ausführlich beschrieben. In den Grundlinien ist der
freie Wille mit der Anthropologie in der Enzyklopädie verbunden. Hegel äußert sich dort kritisch
zur empirischen Psychologie. Nach Hegels Ansicht hat die vormalige empirische Psychologie „aus
den verschiedenen Empfindungen und Erscheinungen des gewöhnlichen Bewusstseins“, Reue
oder Schuld, den Beweis geführt, dass der Wille frei sei. (GW14.1, 31) Anschließend sagt er ironisch,
in Bezug auf Karl Leonhard Reinhold, dass es „bequemer“ sei, „sich kurzweg daran zu halten, dass
die Freiheit als eine Tatsache des Bewusstseins gegeben sei und an sie geglaubt werden müsse.“
(Ebd.) Das, was Hegel hier versucht, ist daher kein Beweis der Freiheit durch Empirie oder Glaube,
sondern eine begriffliche Deduktion „im Zusammenhang des Ganzen“ (Ebd.).
In der Enzyklopädie, die Hegel 1817, also vor den Grundlinien geschrieben hat, ist der Weg
der Intelligenz des Geistes vom Gefühl über das Vorstellen zum Denken, der Weg des Geistes,
der sich als Wille hervorbringt, dargestellt. Der fundamentale Charakter des freien Willens in der
Einleitung der Grundlinien folgt diesem Weg. Wie in der dritten Auflage der Enzyklopädie darge-
stellt, ist der wirkliche und freie Wille „die Einheit des theoretischen und praktischen Geistes“
(GW 20, 476). Hegel sagt in den Grundlinien darüber hinaus: „Der Unterschied zwischen Denken
und Willen ist nur der zwischen dem theoretischen und praktischen Verhalten, aber es sind nicht
etwa zwei Vermögen, sondern der Wille ist eine besondere Weise des Denkens […]“ (TW 7, 46 f.).
Wenn Hegel das Denken und den Willen erwähnt, die den freien Willen konstituieren, betont er
vor allem in der Einleitung zu den Grundlinien immer wieder, dass nur Menschen über das Denken
und den freien Willen verfügen.
Die Neurowissenschaften versuchen heutzutage dagegen zu erforschen, ob es einen freien
Willen des Menschen gibt oder nicht.2 Dennett verteidigt aber im evolutionären Standpunkt die
Freiheit des Menschen. Man kann Dennetts Ansicht nach verstehen, warum die Freiheit des Men-
schen größer als die des Tieres ist, und dass Menschen die besten Entscheidungen in Hinblick auf
die Zukunft treffen können, wenn man die Theorie Darwins akzeptiert.3 Der Unterschied zwischen
Mensch und Tier ist aber nicht mehr metaphysisch, sondern nur die Differenz der Fähigkeit des
Menschen in die Zukunft zu planen, also ein gradueller und nicht mehr kategorialer Unterschied.
Lässt der Freiheitsbegriff von Hegel dann diesen evolutionären Rahmen zu? Geister in Europa
wurden Nietzsches Ansicht nach mit dem Satz Hegels, dass die Artbegriffe sich auseinanderentwi-
ckeln, und mit dem hegelschen entscheidenden Begriff „Entwicklung“ zum Darwinismus „präfor-
miert“.4 In diesem Sinn scheint Hegels Darstellung in der Naturphilosophie der Theorie der Evolu-
tion verwandt zu sein. Hegel sagt in der Naturphilosophie: „Die Natur ist als ein System von Stufen zu
betrachten, deren eine aus der andern notwendig hervorgeht und die nächste Wahrheit derjenigen
ist, aus welcher sie resultiert, aber nicht so, dass die eine aus der andern natürlich erzeugt würde,
sondern in der inneren, den Grund der Natur ausmachenden Idee.“ (GW 20, 239; GW24.1, 517)
Wenn der Hinweis von Nietzsche richtig ist, widerspricht er dem, was Hegel gesagt hat. Denn
Hegel selbst hat zwar Lamarck oder Cuvier erwähnt, aber er stützt nicht Lamarck, der die Theorie
der Evolution behauptet hat, sondern Cuvier, der gegen sie ist. Hegel kritisiert die lamarckische
Vorstellung der allmählichen Evolution von niederen Tieren zu höheren folgendermaßen: „Die

2 Benjamin Libet, Mind Time: The Temporal Factor in Consciousness, Cambridge/London 2004.
3 Daniel C. Dennett, Freedom Evolves, London 2004, 308.
4 Friedrich Nietzsche, Nietzsche Werke: kritische Gesamtausgabe, hg. v. Giorgio Colli und Mazzino Montinari, V,
Bd. 2, Berlin/New York 1973, 280.
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342   Hegel-Jahrbuch 2018

zwei Formen, in denen der Stufengang der Natur gefasst worden, sind Evolution und Emanation.
Der Gang der Evolution, die vom Unvollkommenen, Formlosen anfängt, ist, dass zuerst Feuchtes
und Wassergebilde waren, aus dem Wasser Pflanzen, Polypen, Mollusken, dann Fische hervor-
gegangen seien, dann Landtiere; aus dem Tiere sei endlich der Mensch entsprungen. Diese all-
mähliche Veränderung nennt man Erklären und Begreifen, und diese von der Naturphilosophie
veranlasste Vorstellung grassiert noch; aber dieser quantitative Unterschied, wenn er auch am
leichtesten zu verstehen ist, so erklärt er doch nichts.“ (TW 9, 32 f.)
Weil Cuvier in der damaligen Zeit, in der die Idee der Schöpfung durch Gott als selbstverständ-
lich anerkannt war, einen großen Einfluss hatte und er an Lamarck grundlegend kritisiert hat, hat
Hegel vermutlich die Behauptung von Cuvier akzeptiert. Doch hat Hegel zugleich Lamarck als
geistreichen Franzosen erwähnt und mehrmals aus seinem Werk zitiert. (TW 9, 509) Deshalb war
Hegel nicht generell gegen Lamarcks Theorie.
Hegel musste zwar in der Zeit, in der die Unveränderlichkeit der Arten akzeptiert war, den
freien Willen als spezifisch für den Menschen betonen. Er war aber nicht unwissend über die zeit-
genössische Diskussion in der Naturwissenschaft, er ist viel weniger in die eine Position gegangen.

3 Empathie und Moralität


Der freie Wille in Hegels Philosophie besteht, wie oben schon gezeigt, aus dem Willen und dem
Denken, die ausschließlich dem Menschen eigen sind, und Dennett erkennt dagegen die Frei-
heit des Menschen mit Blick auf die Evolution an. Weil Dennetts Position aber die Ergebnisse der
modernen empirischen Wissenschaft voraussetzt, akzeptiert er keine metaphysischen Annahmen
mehr. Der Unterschied zwischen Mensch und Tier ist somit für ihn nur graduell.
Das Projekt der Anthropologie, das Wesen des Menschen zu bestimmen, verliert jedoch nicht
seinen Sinn. Denn als den entscheidenden Unterschied zwischen Mensch und Tier, den Darwin
und moderne Zoologen gemeinsam behaupten, gibt es die Moralität.5 Die Voraussetzung dieser
Diskussionen ist allerdings, dass Säugetiere auch grundsätzlich wie Menschen die Fähigkeit zur
Empathie, den sozialen Instinkt, haben.
Nach den Forschungen des Zoologen, Frans de Waal, haben Säugetiere vor allem die ausge-
bildete Fähigkeit der Empathie. Z. B. Bonobos können sich erstaunlich moralisch verhalten. Im
Vergleich zu Schimpansen, die Grausamkeiten wie Mord begehen, haben Bonobos einen friedli-
chen Charakter und versuchen Streit zu vermeiden. De Waal kommt bei seinen Forschungen über
Primaten zu dem Schluss, dass die Moralität nicht Top-Down ist, sondern Bottom-Up, dass die
Empathie von Säugetieren also auf Emotionen beruht.6
Aber man weiß, dass Empathie vor allem gegenüber Mitgliedern der eigenen Gruppe auf-
kommt und nicht gegenüber Fremden. Diese Tendenz wurde nicht nur bei Menschen, sondern
auch bei anderen Säugtieren beobachtet. Insofern die Empathie grundsätzlich mit der Emotion
verbunden ist, die aus der Stimme oder dem Gesicht verursacht wird, ist es selten, dass sich die

5 „I fully subscribe to the judgment of those writers who maintain that of all the differences between man and the
lower animals, the moral sense or conscience is by far the most important.“ Charles Darwin, The Descent of Man, and
Selection in Relation to Sex, Chicago 1952, 304.
6 Frans de Waal, The Bonobo and the Atheist: in Search of Humanism among the Primates, New York 2013, 223–240.
Michael Tomasello betrachtet auch in der ähnlichen Hinsicht die Entstehung der Uneigennützigkeit in Kindern von
Menschen und vergleicht sie mit Schimpansen. Michael Tomasello, Why We Cooperate: Based on the 2008 Tanner
Lectures on Human Values at Stanford, Cambridge 2009, XVII. Hegel schreibt nicht, dass es die angeborene altruis-
tische Empathie gäbe, aber er sagt in der Stelle über Zoologie in der Naturphilosophie, dass Säugetiere ihre Jungen
aus sich selbst nähren und sie „zum Gefühl der Einheit des einen Individuums mit einem anderen, zum Gefühl der
Gattung“ kommen. (TW 9, 514)
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 Misa Sanada, Philosophische Anthropologie und Gewissen in der Philosophie Hegels   343

Empathie spontan ohne starke Motivation bis auf Fremde ausdehnt. Noch unwahrscheinlicher ist
es, wenn es sich um Gefangene in einem feindlichen Land oder Hühner im Schlachthaus handelt.
De Waal sagt aber, dass die Überwindung der moralischen Beschränktheit als spezifisch für
Menschen gilt. „The more we expand morality’s reach, the more we need to rely on our intellect,
because even though I believe that morality is firmly rooted in the emotions, biology has barely
prepared us for rights and obligations on the scale of the modern world.“7 Historisch gesehen ist
es noch relativ neu, dass Leute, denen wegen Rasse, Religion, Geburt oder Geschlecht ihre Rechte
verwehrt wurden, durch die Ausweitung der moralischen Sorge ihre Rechte nun einfordern
können. Die Diskussionen über Rechte für sexuelle Minderheiten oder über Tierrechte fallen in
die Neuesten. Die Beispiele der Erweiterung des Umfangs der ethischen Sorge, wie die Generatio-
nengerechtigkeit oder die Weltraum-Ethik, sind zu viel, als dass man jede einzeln nennen könnte.
Weil Empathie, insofern sie emotional bedingt ist, begrenzt ist, bedarf das Projekt, den
Umfang der menschlichen Moralität zu erweitern, eine äußere Motivation, z. B. Strafe oder Beloh-
nung, die durch moralisches Verhalten gewonnen wird. Diese sind zwar wichtig, aber das Sekun-
däre, und sie gelten als Ergebnisse der Überwindung des sozialen Bias. Deshalb ist das, was als
menschlich gelten muss, die Vermittlung der Empathie und des Rechts, nämlich das Gewissen.

4 Gewissen
Hegel hat in der Phänomenologie des Geistes das Gewissen als sehr geistige Stufe bezeichnet. Das
Gewissen hängt nicht von der äußerlichen Norm des Gesetzes ab, sondern wirkt als innerliche mora-
lische Funktion. Dabei entstehen verschiedene Positionen in der Innerlichkeit, das eine Bewusst-
sein findet sich selbst im anderen und beide werden abschließend versöhnt. Diese Positionen lassen
sich als das handelnde Bewusstsein und das beurteilende Bewusstsein ausdrücken. Beide sind ein
Ausdruck des innerlichen Konflikts, der in einem Menschen verursacht werden kann.8
Diese Konstruktion des Gewissens findet sich auch in einem anderen Werk Hegels. Hegel
stellt in Der Geist des Christentums und sein Schicksal den Verlust des Lebens bei einem Mord und
die danach verursachte Sehnsucht nach dem Leben dar. Dagegen hat das Gewissen in der Phäno-
menologie des Geistes ohne den göttlichen abstrakten Lebensbegriff eine größere Reichweite über
die Mechanik von zwei Standpunkten, die verschiedene Interessen haben. Deswegen gebe ich im
Folgenden kurz den Inhalt des Gewissens in der Phänomenologie des Geistes wieder.
Das dem Gewissen folgende Bewusstsein führt notwendigerweise das beurteilende Bewusst-
sein, weil die Wahrheit des Gewissens „die Willkür des Einzelnen und die Zufälligkeit seines
bewusstlosen natürlichen Seins“ ist (GW 9, 347). Das heißt, das handelnde Bewusstsein ist über-
zeugt vom eigenen Recht, aber sein Wissen hat eine Grenze und kann damit nicht absolut sein.
Weil das beurteilende Bewusstsein ebenso sehr Freiheit wie das Gewissen hat, weiß es, das, was
das handelnde Bewusstsein hinstellt, zu verstellen (GW 9, 350). Die Verstellung hat die Funktion,
die eigene Position, die vorher unkritisch angenommen und gerechtfertigt wurde, zu relativieren.
Das beurteilende Bewusstsein weiß, dass das handelnde Bewusstsein nicht alle normativen For-
derungen erfüllen kann.
Das beurteilende Bewusstsein beschäftigt sich aber immer ausschließlich mit der Kritik und
realisiert keine Lösung. Es flieht vor der Wirklichkeit und verhärtet sich; d. h. es ist durch den
Mangel an Handlung geprägt. Das beurteilende Bewusstsein verteidigt dadurch seinen Ruf, nicht

7 Frans de Waal, The Bonobo and the Atheist: in Search of Humanism among the Primates, New York 2013, 235.
8 Was die Konstruktion des Gewissens angeht, wurde Hegel mit annähernder Sicherheit aus Eumeniden der Trilogie
Orestie von Aischylos inspiriert. Das handelnde Bewusstsein und das beurteilende Bewusstsein entsprechen Orestes,
der seine Mutter getötet hat, und den Rachegeistern (Erinnyen), die Orestes hetzen.
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344   Hegel-Jahrbuch 2018

zu handeln, und hält das handelnde Bewusstsein für heuchlerisch, weil das erste Bewusstsein für
das zweite Bewusstsein als das Böse gilt.
Deshalb kann das handelnde Bewusstsein sich nicht mehr gegen das beurteilende Bewusst-
sein rechtfertigen. „Wer darum sagt, dass er nach seinem Gesetz und Gewissen gegen die Anderen
handle, sagt in der Tat, dass er sie misshandle.“ (GW 9, 357) Das handelnde Bewusstsein schaut
deswegen die Gleichheit mit den Anderen an und macht das Eingeständnis, dass es böse ist,
indem es erwartet, dass das beurteilende Bewusstsein gleich danach antwortet.
Das beurteilende Bewusstsein lehnt dagegen zunächst die Kontinuität mit den Anderen ab,
aber entsagt endlich dadurch seiner Härte, sich selbst im handelnden Bewusstsein zu finden,
und es lässt dem handelnden Bewusstsein die Verzeihung widerfahren (GW9, 361). „Das Wort der
Versöhnung ist der daseiende Geist, der das reine Wissen seiner selbst als allgemeinen Wesens
in seinem Gegenteil, in dem reinen Wissen seiner als der absolut in sich seienden Einzelheit
anschaut –, ein gegenseitiges Anerkennen, welches der absolute Geist ist.“ (Ebd.)
Das Gewissen wird von Hegel durch den obigen Prozess dargestellt. Besonders wie das eine
Bewusstsein in der letzten Hälfte sich selbst in dem anderen findet und erwartet, dass das andere
Bewusstsein sich gleich wie es selbst verhält, geht es für die Versöhnung durch die Anerken-
nung um den Prozess, sich selbst im Anderen zu finden. Diese Funktion des Gewissens macht es
möglich, dass wir die Stimme der anderen Existenzen hören. Menschen können deshalb durch ihr
Gewissen über ihre eigene soziale Beschränktheit reflektieren. Es ist scharfsinnig, dass Hegel das
Gewissen begrifflich in der höchsten Stufe im Kapitel des Geistes platziert hat. Denn das Gewissen
ist genau eine spezifische soziale Eigenschaft des Menschen.

5 Zusammenfassung
Je mehr man über Tiere weiß, desto verfeinerte Fragen nach dem Wesen des Menschen wird man
haben. Es ist unausbleibliche Folgen, wie man auch daraus verstehen kann, dass die Theorie der
Evolution Darwins aus seinen Forschungen über Tiere entstanden ist. Heutzutage gibt es viele
sowohl naturwissenschaftliche als auch philosophische Ansätze den Menschen zu erklären; z. B.
der neurobiologische Einstieg von Patricia und Paul Churchland oder der entwicklungspsycholo-
gische Einstieg von Michael Tomasello u. a. Sie stellen oft die vormalige Philosophie im Ganzen
so dar, als ob sie auch die damaligen Naturwissenschaften ignoriert hätte und es sich daher nur
um Metaphysik handle, aber viele Philosophen haben auch unter Berücksichtigung naturwis-
senschaftlicher Forschungsergebnisse über den Menschen nachgedacht. Hegel hat sich auch mit
der Disputation zwischen Cuvier und Lamarck befasst und sich mit der Frage nach der Stelle des
Menschen in der Natur oder mit der Frage nach der Gattung beschäftigt. Die heutigen Kenntnisse
über den Menschen müssen auch durch die zukünftige Entwicklung der Wissenschaft überprüft
werden. Es bleibt auch weiterhin die Aufgabe der Philosophie darauf zu reagieren. 9

Misa Sanada
Mühlingstraße 21
69121 Heidelberg
misa.sanada@gmail.com

9 Habermas hält die Philosophische Anthropologie für „eine Reaktion der Philosophie“ auf die „herangereiften
Wissenschaften, die ihr Gegenstand und Anspruch streitig machen“. Jürgen Habermas, „Philosophische Anthropolo-
gie (ein Lexikonartikel) 1958“, in: Kultur und Kritik: Verstreute Aufsätze, Frankfurt am Main 1977, 92.
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María del Carmen Paredes-Martin, Salamanca

The Limits and Role of „Verstand“


Several years ago I realized that although the understanding (Verstand) appears to play a rela-
tively negative role in Hegel’s thought, it is unquestionably central for evaluating Hegel’s devel-
opment, especially in the context of his discussions with modern empiricism and post-Kantian
philosophy. Kant emphasized the role of the understanding in his critical project, to the extent
that the structure of concepts and forms of judgment is a defining part of the form of knowledge.
Nonetheless, Kant himself initially stated the limitations of this enterprise in the preface to the
first edition of the Critique of Pure Reason: „This inquiry […] [into] the pure understanding itself,
its possibility and the cognitive faculties upon which it rests […] is of great importance for my chief
purpose, [but] does not form an essential part of it.“1 This does not mean a restriction of the impli-
cations of understanding for Hegel, implications which go further than Kant’s direct influence on
his successors.
In the series of manuscripts that are known as Hegel’s Jugendschriften, we find many obser-
vations on the understanding. In the years between Tübingen and his move to Jena, Hegel dealt
mostly with themes related to religion and to certain problems of philosophy; in those same years
Hegel also discovered philosophy or, rather, he discovered himself as destined to build up philos-
ophy in a new way.
As early as in Bern, Hegel writes a manuscript on Psychologie und Transcendentalphilosophie
in which he mentions the faculties of knowledge.2 The section on „Verstand“ (GW 1, 184–189) con-
tains a brief schema („A. Vermögen der Begriffe“, 184–186; „B. Vermögen der Urtheile,“ 186–189)
of its epistemological operations, in line with Kant’s transcendental logic.3 This could be Hegel’s
first theoretical sketch of a psychological and epistemological nature, quite different from his writ-
ings on religion and history of those years, in which the understanding generally is mentioned as
a sundering force between thinking and life.

1 The Beginnings
In his letter of November 1800 to Schelling, Hegel considers the sequence of activities and man-
uscripts of his earliest years as a „scientific development“ in the form of reflection, which needs
„to find a way back in the intervention of the life of men.“4 A brief outline of this movement can
be found in the latest texts of his Frankfurt period (Über Religion. Zwei Fragmente).5 But it is in
his first acknowledged publication where this sketch of an outline takes on an explicitly method-
ological form. In the Differenzschrift Hegel positively discusses the role of understanding for his
philosophical project. I consider his discussion to be „positive“ inasmuch as, far from repeating
the dismissal which had been applied to understanding by his contemporaries, Hegel takes seri-
ously the limits the understanding sets for philosophy within a new dimension of thinking called

1 I. Kant, Critique of Pure Reason, translated by Werner S.Pluhar; introduction by Patricia W. Kitcher, Indianapolis/
Cambridge 1996, Axvii.
2 G. W. F. Hegel, Frühe Schriften, GW 1, 165–192, presumably writen in 1794 (GW 1, 484), or perhaps in 1795/96. On
this, cf. W. Jaeschke, Hegel Handbuch, 2. Auflage, Stuttgart 2010, 67.
3 Cf. ebd., 67–69.
4 Briefe i, 58–60. Letter 29, 2 Nov. 1800.
5 G. W. F. Hegel, Frühe Schriften II, Düsseldorf 2014, GW 2, 341–347.
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346   Hegel-Jahrbuch 2018

„speculative.“ As a result of these elaborations, Hegel transforms Kant’s epistemological theory


of understanding into a productive inquiry about the problems posed by its philosophical status.
The first step of this transformation is to amend the isolation of the understanding as a faculty
distinct from Reason which may be traced back at least to Kant’s Critique of Pure Reason and
perhaps earlier, to the beginning of Enlightenment. For Hegel, it is necessary to establish a new
relation between understanding and Reason, and accordingly to modify the general conception
of human subjectivity as a collection of distinct psychical forces or faculties. To begin with, his
critical assessment of the understanding points out to its opposition to life and to any concrete
mode of being. But this suggestion does not mean simply a naïve turn against opposition and lim-
itation: the problem lies, rather, in the absolute and motionless fixity of the understanding kind
of thinking.6 And the way out of this fixity is not to be found in the cancellation of understanding,
but in following it through consistently to its limits.
In the context of this discussion in the Differenzschrift, I take into account three motives
underlying Hegel’s procedure. One is his conviction that philosophy can achieve its own justifi-
cation in itself; another is his presentation of a cognitive concept of Reason, whose sole interest
is „to suspend“ the dichotomies produced by the understanding.7 Thirdly, this interest of Reason
does not restrict itself to the philosophical realm, for „the cultures of various times have estab-
lished opposites of this kind“ and „the whole weight of human interests hung upon them.“ (GW 4,
13) The case is that in the intertwining of these motives, the understanding does not remain com-
pletely separated from life. Hegel qualifies the oppositions of understanding as „outward expres-
sions of life“ (GW 4, 14) and its development, which appear as different forms of the persistence of
the understanding in spite of „the secret efficacy of Reason.“
In order to describe his own view of the understanding and its capacity for the transition to
speculative knowledge, Hegel thematically introduces the problem of reflection. In fact, we may
say that in the Logic of the Differenzschfrit the relation between understanding and Reason is medi-
ated by reflection. This mediation appears at different levels, for Hegel uses „reflection“ in a broad
and polyvalent sense: reflection is an instrumental activity that may be equated with the under-
standing, but also may transcend the standpoint of its reflective thinking. And so reflection shows
that the understanding, although it follows the law of non-contradiction, constantly produces
specific types of contradictions. But when reflection becomes „philosophical,“ or when Reason
as philosophical reflection makes evident the self-nullifying character of isolated determination,
the understanding knows itself in the limit of its contradictoriness and its finite reflection gives
itself the law of its self-destruction (cf. GW 4, 18). Moreover, the relation between understanding
and Reason is asymmetrical, in so far as the success in the struggle depends upon Reason itself,
because of its connection with the Absolute (GW 4, 15–17), but the access to speculation requires
the recognition and cancellation of the type of contradictions produced by the understanding. To
this extent, the understanding becomes a necessary „instrument“ of philosophy as well. But this
instrument of philosophy has only a negative meaning, for it brings the fixity of determinateness
and opposition to the most radical antithesis between finitude and infinity: „Ordinary reflection
can see nothing in this antinomy but contradiction; Reason alone sees the truth in this absolute
contradiction through which both are posited and both nullified.“ (GW 4, 77) Hegel’s early use
of contradiction, although very generally described, helps to support his overall view of under-
standing and Reason.8 As Hegel puts it, the understanding „only reproduces itself“ and imitates
or „copies Reason“ (GW 4,13) and its copying can bring forth only a formal identity (cf. GW 4,

6 G.  W.  F. Hegel, Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie, Hamburg 1968  ff. GW 4,
13–15, 16–19.
7 Solche festgewordene Gegensätze aufzuheben, ist das einzige Interesse der Vernunft, GW 4, 13. The Difference
between Fichte’s and Schelling’s System of Philosophy, English translation by H. S. Harris, Albany 1977.
8 On this, cf. L. Siep, Der Weg der „Phänomenologie des Geistes.“ Ein einführender Kommentar zu Hegels „Diffe-
renzchrift“ und zur „Phänomenologie des Geistes“, Frankfurt 2000, 24–51. Also, The Law of Non-Contradiction. New
Philosophical Essays, edited by G. Priest et. al., Oxford 2004.
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 María del Carmen Paredes-Martin, The Limits and Role of „Verstand“   347

179 ff.). 9 The antinomic character of its reflection, taken in itself, cannot make the transition to
speculative knowledge.10
These are some of the issues that Hegel has in mind in his early examination of the under-
standing. In various ways he deals with these problems in his Essays published in the Kritisches
Journal der Philosophie until 1803 as well as in his Vorlesungen and manuscripts. For example,
in the Skepticism Essay Hegel declares the superiority of „the old genuine skepticism“ because
it was properly directed against the dogmas of theoretical and common understanding, whilst
the „modern skepticism“ of his time (Schulze) rejects the claims of genuine philosophy.11 Accord-
ingly, Hegel connects his critique of the persistence of the understanding with the need to develop
an authentic skepticism as the negative and free side of philosophy. Here he takes into account
Plato’s Parmenides, which is an example of authentic philosophy and a complete negation of finite
knowledge „through concepts of the understanding“ (GW 4, 207).12
But it is in Glauben und Wissen that Hegel develops a general critique of understanding in
his attempt to revaluate „the reflective philosophy of subjectivity.“ For this purpose, his discus-
sion with Kant, Jacobi, and Fichte is organized around the reflective solutions of the problems
raised by them. Hegel apparently disregards the obvious differences between these philosophies
and their influences, specially in the case of Kant, for what really matters and constitutes „the
complete range“ of forms of reflective philosophy is the philosophical tradition that goes back to
Locke and sustains the main principles of empiricism. Hegel unites his revaluation of the German
philosophers to his contempt for Enlightenment. The role of understanding in the „philosophies
of reflection“ is an „empirical necessity“ and it is through and in this empirical necessity that their
reflective character has to be evaluated.13
From this perspective, his concept of understanding is negative and the philosophy of reflec-
tion is limited to the finite and the empirical. Hegel objects that the main problem of idealism is to
use only formal concepts as the unity of objective knowledge. Thus, the understanding produces
a formal synthesis and a relative identity, excluding the work of a cognitive Reason. In reference to
Kant, Hegel aims at demonstrating the self-contradictoriness of an intellectual faculty „which has
cognizance only of appearances,“ with the result that the understanding „is itself only appear-
ance“ (GW 4, 332 f.). „This sort of idealism can no more cognize the appearance of the Absolute in
its truth than it can cognize the absolute identity, the one being completely inseparable from the
other“ (GW 4, 332). Therefore, Kant shares with the philosophies of reflection a concept of formal
knowledge which in different ways also defines the philosophies of Jacobi and Fichte. The case of
formalism is a consequence of their grounding philosophy on understanding alone and of their
refusal to overcome the standpoint of finite reflection.
This brief analysis follows the side of empirical necessity which, as mentioned above, deter-
mines the philosophies of reflection. But if we take into account the conceptual necessity of specu-
lative philosophy, then we obtain a different picture of the understanding. From this standpoint,
Hegel finds, specially in Kant, more than one glimpse of speculation (cf. GW 4, 326–330, 367),
mainly in the question: how are a priori synthetic judgements possible? To Hegel, this question
refers to the original unity which must be conceived as „absolute, original identity of opposites“
(GW 4, 328) or heterogeneous and is possible because the „faculty of the original synthetic unity of
apperception“ expresses the „rational identity of identity, of the universal and the particular“ (GW

9 Cf. also, „Dass die Philosophie …“ GW 5, 272. (Ros 191).


10 Hegel’s applies these principles in his critique to Fichte in the Differenzschrift. Cf. GW4, 37 ff.
11 G. W. F. Hegel, Verhältnis des Skepticismus zur Philosophie, Darstellung seiner verschiedenen Modificationen, und
Vergleichung des neuesten mit dem alten, GW 4, 197–238, 198 ff.
12 Kant intended to refute Hume’s scepticism in his analysis of what an object of experience is (cf. K.r.V., B 219 ff.).
Hegel considers the problem of equipollence in ancient skepticism as a key to counterchange the hegemony of cate-
gories or concepts belonging to the understanding.
13 G.  W.  F. Hegel, Glauben und Wissen oder die Reflexionsphilosophie der Subjectivität, in der Vollständigkeit ihrer
Formen, als Kantische, Jacobische, und Fichtesche Philosophie, GW 4, 316.
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348   Hegel-Jahrbuch 2018

4, 329). Thus, „one and the same synthetic unity […] is the principle of intuition and of the under-
standing,“ and the latter „is the unity that posits the difference as identical but distinguishes
itself from the different“ (GW 4, 327). In my view, this means that the understanding, although
producing difference, is nevertheless generating the difference as a result of the originary unity
of Reason.

2 The need of understanding


We have so far seen how Hegel uses the limits of understanding and of „finite reflection“ to
develop his discussion with his contemporaries. In the Preface to the Phenomenology of Spirit he
exposes his position about philosophy after having gone through his phenomenological journey.
This celebrated Preface contains a new development of Hegel’s critique of philosophies as well as
some new ideas about the role of understanding.
The critique is justified not only in philosophical deficiencies but also in Hegel’s view of the
connection between philosophy and the historical conditions of its time. Indeed, these conditions
define the possibilities and the orientation of a philosophical critique. To begin with, a new type
of examination is necessary so that philosophy as critique confronts its own historical reality not
precisely as another system, but rather as a measure of other philosophical systems. As Hegel
writes in the Introduction: „Consciousness provides its own criterion from within itself,“ inas-
much as „consciousness regularly contains the determinateness of the moment of knowledge.“14
This determinateness is an essential part of the inquiry into the truth of knowledge, both in its
subjective and objective aspects.
For these reasons, we must have a measure that unifies the elements of discourse and the
ontic character of truth. But the positions that ground truth on intuition, immediate knowledge
and feeling cannot comply with the requirements of this measure, for they lack both understand-
ability (Verständlichkeit) and rationality (cf. GW 9, 11). Hegel’s joint critique can be briefly outlined
as follows: intuition, immediate knowledge and feeling represent forms of philosophical exhibi-
tion opposing the Concept’s; moreover, they disdain measure and determinateness by renouncing
the understanding and thus producing a concept-less knowing (cf. GW 9, 7 and 9). As a result of
their contingent experiences, these philosophies seek edification and despise rational thinking.
I will refer only to this new element: „renouncing the understanding“ (Aufgeben des Ver-
standes). Hegel unifies his critique to the philosophies that fail short of a systematic conception
of Science through the work of understanding. This criterion is not mentioned later, when he
reviews his critique of immediate knowledge in the Encyclopaedia nor does it appear in his earlier
writings. But in the Preface to the Phenomenology the access to Reason’s mode of knowing is to
be made through the understanding. „For the understanding is thinking, the pure I in general,
and the understandable is that which is already known, which is common to Science and to the
unscientific consciousness“ (GW 9, 11). Thinking is the activity of the subject who, as I, has the
power of thought and the power of life, and both are already at work in the non-philosophical
consciousness. In other words, the understanding has a theoretical and a practical positive role to
play. Hegel believes that philosophy can be taught and learned by many individuals and that this
can be accomplished by constructing a „ladder“ between ordinary cognition and philosophy. This
is consistent with his statements in his letter of 1800 to Schelling and in his earlier manuscripts.15
So he contends that „the Understanding’s form of Science is the way to Science open and equally

14 G. W. F. Hegel, Phenomenology of Spirit, transl. by A. V. Miller, Oxford 1977, 53. Phänomenologie des Geistes, Ham-
burg 1988, GW 9, 64.
15 For example, „Introductio in Philosophiam. Diese Vorlesungen …“ (1801–1802) GW 5, 259 ff.
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 María del Carmen Paredes-Martin, The Limits and Role of „Verstand“   349

accessible to everyone“ (GW 9, 11). And this is connected with the demand and need of the indi-
vidual consciousness to grasp the truth of philosophy.
Theoretically, the understanding prepares the ground for rational knowledge and shapes the
structure arising from the subject matter itself. The exhibition (Darstellung) of this subject matter
does not depend on the categories of understanding, as a schema imposed from the start; it is the
full exposition of the structural elements in the context of its becoming. This means that shaping
the structure of philosophy, as a system of conceptual distinctions, is necessary in order to make
rational reflection intelligible. And just because the accomplishment of philosophy presupposes
the complex mediation of rational concepts, we must have use of understanding’s potentiality to
obtain multiform configurations (GW 9, 10–11) of a richer, fulfilled content.16
We may say then that, for different reasons, including the need to avoid any kind of „dissolu-
tion of what is differentiated and determined“ (GW 9, 13), Hegel grants a positive status to under-
standing. Although in other contexts it seems that the overall goal of his philosophy is to over-
come it, in the Preface to the Phenomenology of Spirit there is no distrust of the understanding’s
proceeding; on the contrary, Hegel finds its procedure necessary for the articulation of the system.
In that sense, it is not so much a question of refuting this kind of thinking, as it is the drawing of
boundaries and the designation of its limits.
Hegel goes into the dialectic of understanding in the corresponding Chapter of the Phenome-
nology. He also discusses its role at length in the Science of Logic, recognizing the „infinite force“
of understanding „which determines the universal,“17 albeit this task must be transitory. Nonethe-
less, in the Introduction to the Encyclopaedia when lecturing on the paragraph on understanding
(Enz. §  80) Hegel comments that „[it ] is as indispensable in practice as it is in theory.“18 So it
seems that we need the understanding as much as we need to overcome it, although we cannot
expect its complete transformation in speculative terms. Hegel’s interest on understanding estab-
lishes a clear difference between Hegel and Schelling as well as Hegel and the Romantics.

Prof. Dr. María del Carmen Paredes-Martín


Facultad de Filosofía
FES. Campus Unamuno
37007 Salamanca
paredes@usal.es

16 Cf. E. Kohl, „Gestalt.“ Untersuchungen zu einem Grundbegriff in Hegels „Phänomenologie des Geistes“, München
2005, 50.
17 „Es ist aber ferner als die unendliche Kraft des Verstandes zu achten, das Concrete in die abstracten Bestimmthei-
ten zu trennen, und die Tiefe des Unterschieds zu fassen, welche allein zugleich die Macht ist, die ihren Uebergang
bewirkt.“ G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik, GW 12, 41.
18 G. W. F. Hegel, Enz., § 80 Z. The Logic of Hegel, translated by W. Wallace, reprinted as Hegel’s Logic, with Foreword
of J. N. Findlay, Oxford, Clarendon Press, 1975, 144. cf. J. W. Burbidge, „Where is the place of understanding?“ in: J. W.
Burbidge, Hegel on Logic and Religion, Albany 1992, 29–38.
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Serena Feloj, Pavia

Natural Intention vs. Objective Teleology


The Notion of Force in the Preface to the Phaenomenology of Spirit

Since its very first pages, the Preface to the Phaenomenology of Spirit deals with the notion of
teleology. Hegel notably explains his notion of philosophical system by referring to the organic
unity that from the bud moves to the blossom and then to the fruit. My contribution will discuss
Hegel’s notion of teleology and its Kantian heritage. Hegel’s criticism against the subjectivism of
Kant’s notion of purposiveness is well known, however that the Critique of the teleological Power
of Judgment is Kant’s most appreciated text by Hegel is also undisputed. Based on this assump-
tion, my claim is that Hegel’s notion of teleology can be better understood as a radicalization of
Kant’s position, and in particular that his teleology of spirit can be examined in continuity with
Kant’s notion of force. Even acknowledging Hegel’s perplexity face to the subjectivity features of
Kant’s principle of purposiveness, the influence of Kant’s teleology on the Preface appears to be
substantial. The comparison between Hegel’s Preface and Kant’s Critique of the teleological judg-
ment is, thereby, in my opinion, very promising.1
My argument will be articulated in three points: 1. It is philosophically acknowledged that
mechanism as an explanation model has to be overcome, and the notion of logical necessity plays a
crucial role in this task; 2. the teleological use of the notion of cause requires a philosophical defini-
tion of life; 3. the nexus finalis, defined by Aristotle, is given objective validity both by Hegel and by
Kant. This last point is the most problematic and requires an investigation of the articulation con-
necting Kant’s notion of natural intention (Naturabsicht) and the objectivity of purposiveness that
defines the organism. It is well known that Hegel criticizes Kant’s notion of nature’s technique and
rejects the intention of a highest being as suitable theoretical ground of the natural order. Accord-
ing to Kant’s scenario, – Hegel would claim, – a formal principle is imposed on the object from its
exteriority, and such an object would be otherwise deprived of unitary movement. It is however
Kant himself who produces a counter-argument to this critique by linking the objective teleology to
the internal structure of the object and to the notion of force. The notion of force or power is indeed
employed as guarantee of some form of continuity by both Kant and Hegel. This argument will lead
to the conclusion that, even though several differences distinguish the Preface from the Critique
of the teleological Power of Judgment, the notion of purpose as internal to the object is derived by
Hegel not only from Aristotle, as traditionally acknowledged, but mainly from Kant.

1 Overcoming mechanism and the logical necessity


It is well known that in the Critique of Judgment Kant dismisses the mathematical and mechani-
cal explanation of nature in favor of a finalistic one. Kant’s philosophy of nature is consistently
devoted to the conciliation of efficient causes and final causes, thus combining mechanism and
teleology, and laying the ground for what Timothy Lenoir has defined „teleomechanism“.2 Kant’s

1 Something similar has been attempted concerning Hegel’s Science of Logic. See Franco Chiereghin, „Finalità e
idea della vita. La recezione hegeliana della teleologia di Kant“, in: Verifiche 19.1 (1990), 127–230.
2 Timothy Lenoir, The strategy of life: teleology and mechanics in eighteenth-century German biology, Dordrecht
1982.
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 Serena Feloj, Natural Intention vs. Objective Teleology   351

teleomechanism explains to what extent the reflecting judgement can be employed in logic-ne-
cessity-ruled natural sciences. Logic causality and final causality are in this perspective inevitably
interwoven. In this sense, Kant surely asserts the insufficiency of mathematics and of logical intel-
lectual concepts, but rather than completely rejecting the mathematical approach, he integrates
it with another kind of explanation.
More radical is Hegel’s position, who seems to pursue Kant’s argument even further when
he writes that mathematics only provides an external explanation of the object, and that its defi-
ciency concerns both knowledge itself and its material in general.3 According to Hegel, only the
logical necessity can, instead, constitute the rational, organic totality: „this alone is the sphere
and element of speculative thought“.4
The relationship between mathematics and logical necessity becomes clearer in the light of
the notion of purpose (Zweck). Hegel outlines the notion of purpose as the pivot of the „sponta-
neous movement of the form“, which defines truth as the whole, and that qualifies the scientific
and systematic nature. The notion of purpose is strictly connected with the internal structure of
reason.
While defining what he means by purpose, Hegel makes reference to the Aristotelian notion
of physis and embraces Aristotle’s realistic conception of the final cause as energeia or entelechia.
According to such a conceptual framework, the essence of the object and its internal and dynam-
ical purposiveness overlap. Aristotle’s entelechia provides Hegel with the model for an immanent
intelligibility to the object, based on which negativity is intrinsic in the movement of selfdetermi-
nation and development of the Self.
The organization of the living is for Hegel a good exemplification of the internal purposive
structure of truth. The organism provides evidence to an internal principle of unity that realizes
itself in the development of life: „The bud – writes Hegel – disappears when the blossom breaks
through, and we might say that the former is refuted by the latter; in the same way when the fruit
comes, the blossom may be explained to be a false form of the plant’s existence, for the fruit
appears as its true nature in place of the blossom“;5 and again: „the embryo is certainly, in itself,
implicitly a human being, it is not so explicitly, it is not by itself a human being (für sich); man
is explicitly man only in the form of developed and cultivated reason, which has made itself to
be what it is implicitly“.6 Both these examples are taken from Aristotle’s works, notably from De
Generatione Animalium7 and from De Anima.8 With these two examples Aristotle gives Hegel the
chance to move away from a subjective and intentional notion of purpose.
Moreover, the international and subjective element is exactly what Hegel refutes in Kant’s
teleology; Kant’s notion of purposiveness is indeed defined within an intentional theory of nature
(Kant explicitly use the term Naturabsicht) and the subjective essence of purposiveness is also
made clearly explicit. Hegel however praises Kant’s teleology for dismantling the mechanical
cause predominance. In so doing, Kant is acknowledged for introducing a speculative notion of
life, by means of an idea of totality as essential to the organism and as immanent principle of
functionality.
Kant’s third Critique is never mentioned by Hegel’s Preface, but the structure of the reflective
judgment is clearly resting on its background. As previously mentioned, Kant’s position relies on
the acknowledgment of the limits of mathematical knowledge, however, it is also claimed that, as
much as mathematical explanations cannot account for the complexity of the natural, also tele-

3 G. W. F. Hegel, The Phenomenology of Mind, translated by James Black Baillie, New York 2005, 99 (GW 9, 32).
4 Ibid., 115 (GW 9, 40).
5 G. W. F. Hegel, The Phenomenology of Mind, 62 (GW 9, 10).
6 Ibid., 83 (GW 9, 20).
7 Aristotle, De Generatione Animalium I 19, 726b, 15–19.
8 Aristotle, De Anima II 2, 417a 21–b2; See Walter Kern, „Die Aristotelesdeutung Hegels: Die Aufhebung des Aristote-
lischen ‚Nous‘ in Hegels Geist“, in: Philosophisches Jahrbuch 78 (1971), 240–241. See also: Alfredo Ferrarin, Hegel and
Aristotle, Cambridge 2004.
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352   Hegel-Jahrbuch 2018

ological explanations cannot provide knowledge of the infinite multiplicity of nature; this latter
can only be described through analogies. Kant’s teleology is then defined ex negativo, starting
from the acknowledged impossibility to provide a mechanistic-causal explanation of nature, as
well as from the recognised limits of teleological descriptions, which cannot provide forms of
logic knowledge. Based on these assumptions alone, nature can be interpreted as organized and
orientated toward an end, by formulating the hypothesis that nature itself is endowed of intention
while constituting natural forms as organisms.9
As Peter McLaughlin supports, space, time, and causality are the conditions of possibility
for the understanding of the objects of experience. However, without any unity of the world as
presupposition of our experience we would be hardly able, as cognitive subjects, to formulate
judgements. The unity of nature is therefore a necessary assumption, a condition of possibility of
judgement. It is not constitutive, nevertheless it is necessary. It is not, moreover, a psychological
necessity, but rather an epistemic one. It is finally a transcendental necessity.10
Hegel seems to assume this very necessity by making it more complex and rich. As previ-
ously mentioned, Hegel defines logical necessity as follow: „In the nature of existence as thus
described – to be its own notion and being in one – consists logical necessity in general. This
alone is what is rational, the rhythm of the organic whole: it is as much knowledge of content as
that content is notion and essential nature. In other words, this alone is the sphere and element
of speculative thought“.11
In this definition two aspects come into play: an ontological aspect (i. e. the identity between
being and concept) and en epistemological one (the necessity as knowledge of the content). Hegel
here radicalizes Kant’s position as he states that concept and essence, being and knowledge,
ontology and epistemology coincide, even if this identity is not immediate, but rather an articu-
lated process.
Logical necessity is also formulated against (Kantian) formalism: „It is therefore needless to
apply a formal scheme to the concrete content in an external fashion; the content is in its very
nature a transition into a formal shape, which, however, ceases to be formalism of an external
kind, because the form is the indwelling process of the concrete content itself“.12
With this statement, Hegel shows to appropriate Kant’s notion of purposiveness, starting
from the insufficiency of mathematics, while simultaneously going beyond Kantian teleology. By
logical necessity Hegel means first a necessary connection of the conceptual content in its auton-
omous movement; second, the logical necessity is taken as the internal activity of the object, its
essence, its configuration as organic totality. Consequently, Hegel indicates that the alternative
to radical realism of teleology (advocating the real existence of purposiveness as the essence
of things, i. e. Spinozism) is not necessarily metaphysical subjectivism (Kant and the Idealists)
but rather a thorough reconstruction of reason starting from a theory of speculative knowledge.
Within such a framework, it can be argued that Hegel refers to the Kantian notion of purpose
and makes it immanent to the thing through the intermediary of Aristotele’s concept of telos.
As Westphal says, Hegel’s realism and its notion of purpose are compatible with his teleological
conception of reason.
Granted that Hegel’s notion of logical necessity is based upon Kant’s teleology and that it
is an alternative to radical realism and metaphysical subjectivism, the following question about
Hegel’s notion of life should be formulated: after overcoming Kantian intertwining between logic
causality and final causality, does Hegel’s teleology become some kind of rational vitalism?

9 See Serena Feloj, „From ‚world‘ to ‚organism‘. The schematism of the regulative use of reason“, in: Studi di estetica
4 (2015), 87–108.
10 Peter McLaughlin, „Transcendental Presuppositions and Ideas of Reason“, in: Kant Studien 105.4 (2014), 557.
11 G. W. F. Hegel, The Phenomenology of Mind, 115 (GW 9, 40).
12 Ibid., 115 (GW 9, 41).
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 Serena Feloj, Natural Intention vs. Objective Teleology   353

2 The notion of cause and the notion of life


In his precritical Naturgeschichte (1755), Kant defines Kraft as the force that makes our solar
system possible. It is however more than thirty years later, in the Metaphysische Anfangsgründe
der Naturwissenschaft (1786), that Kant develops a more complex notion of force by bringing back
the substance to two fundamental forces: Anziehungskraft und Zurückstoßungskraft.13 This late
Kantian text is arguably one of Hegel’s work references, however the perspective of the third Cri-
tique is what can specifically inspire a combination of force and power, of substance and form, of
mechanistic and teleological causality. In fact, Kant’s reflecting judgement, applied to logic-ne-
cessity-ruled natural sciences, is able to integrate logic causality with final causality. It is then safe
to argue that Kant’s notion of natural end is from its very first theoretical formulation associated
to that of natural intention (Naturabsicht).
In 1789, in the Erste Einleitung, Naturzweck and Naturabsicht are set in reciprocal opposi-
tion, and the natural intention is confined to transcendent discussion. Differently, in the final
published text of the third critique, the natural intention is legitimized (§ 68) and finally taken as
no less than necessary to the elaboration of a teleological judgement (§ 75). Within such an inclu-
sive journey of the natural intention within transcendental philosophy, the reception of Blumen-
bach’s epigenetic theories by Kant plays a crucial role. The heuristic nature of Kant’s teleological
explanation of nature, allows him to avoid all reference to transcendent principles: we cannot
objectively define the Bildungstrieb and the intention of nature, but we need to find dynamical
connections in nature: in this sense the nisus formativus is strictly connected to the notion of force
that rules on natural organisms.14
As previously mentioned, the Kantian model and its heuristic essence are stigmatized by
Hegel as subjectivist; he thereby plays the Aristotelian notion of internal finality against the
Kantian notions of nature technique and of intention of nature. It can be conceded to Hegel that in
Kant’s philosophy mechanism is surely suspended in favor of a finalistic comprehension relying
on the subject, but that is never completely dismissed as scientific method to explain nature.
Differently, the notion of life that Hegel takes into account clearly presupposes a radical ref-
utation of the mechanistic notion of cause. In the Preface, Hegel’s teleology covers two different
levels: the passive and latent existence of reason into reality and its conscious self determination
in knowledge. The notion of purpose as internal to the living has the task to combine in unity
these two levels and its success is guaranteed by Hegel’s outline already in the Preface of the
Absolute as internal purposiveness.

3 Nexus finalis: the epigenesis of reason


In the light of this complex relationship between Hegel and Kant, it is my claim that Hegel is
able to overcome the dualism between realistic vitalism and subjectivism not only by means of
the Aristotelian concepts of entelechia and energeia, – on which the idea of an immanent purpo-
siveness is modeled –, but also by means of Blumenbach’s nisus formativus and Kant’s dynamic
conception of living nature.
My claim is that Hegel finds in Kant’s notion of force, – firstly elaborated in his precritical
text, and later developed in the Metaphysische Anfangsgrunde and in the third Critique, – one of

13 I. Kant, Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft, in: Kants Gesammelte Schriften, Bd. 4, hrsg. von der
königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, Berlin, Leipzig 1911, 498.
14 See Serena Feloj, „Naturabsicht and Bildungstrieb. The role of Blumenbach in the genesis of the teleological
judgement“, in: Akten des XII. Internationalen Kant-Kongresses, Berlin/New York, forthcoming.
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354   Hegel-Jahrbuch 2018

his sources for the notion of teleological reason, as outlined in the Preface. Kant’s notion of force
is in fact an example of internal purposiveness eluding the subjectivism otherwise pervading his
teleological philosophy.
As Daniel Warren has recently pointed out15, Kant contrasts dynamical and mechanistic
approaches to physics, and rejects the latter. Consistently with the dynamism of his philosophy,
Kant thinks that substance, i. e. the property that fills space, is itself a force. Hence, differently
from any mechanistic understanding, the same force that causes motions is taken to be the force
by which space is filled; in this sense, an attractive force can be linked to bodies independently if
they are in motion or at rest. In the Metaphysische Anfangsgrunde, Kant asserts that the relations
between bodies as forces is one of causal necessity, but also that this causal necessity can never
be understood as logical necessity: in fact, once we attribute a (repulsive) causal power to some-
thing present in a space, then, by the law of contradiction, it certainly follows that a body must
be deflected by it.16 However, it should be clear that this says nothing about the character of the
causal link and its necessity. Already in the Essay on Negative Magnitude and in the Dreams of a
Spirit-Seer, Kant claims that we can’t determine how a force is possible, but „in ascribing a funda-
mental force to an object, we characterize the object in terms of its relations, that is in terms of its
relations to its possible effects in others, where these effects are described in terms of a rule that
govern them“. This position becomes even stronger in the critical period.
While writing the Preface to the Phenomenology of Spirit, instead of the notion of purpose,
Hegel could have then taken Kant’s so formulated notion of force. In other words, it is my opinion
that, in order to better comprehend Hegel’s appropriation of Kant’s teleology, we have to go
beyond his criticism of Kant’s notion of nexus finalis, and look at the potential of the notion of
force. Hegel can find in it a promising example of purposiveness that is intrinsic to the intelligible
form of the object and that rules its realization as an immanent code of its development. In this
sense purpose becomes an inner power. As Hegel writes:

The exaltation of so-called nature at the expense of thought misconceived, and more especially the rejection of
external purposiveness, have brought the idea of purpose in general into disrepute. All the same, in the sense
in which Aristotle, too, characterizes nature as purposive activity, purpose is the immediate, the undisturbed,
the unmoved which is self-moving; as such it is subject. Its power of moving, taken abstractly, is its existence
for itself, or pure negativity.17

Compared to the Aristotelian model, Hegel’s formulation of purpose does not only entail the full
actualization of the thing that exercises its ergon. Purpose is instead a processing constitution of
the thing intelligibility; it is an internal synthetic activity of unification of the multiplicity. It is
clear that a somehow more modern genetic model had a radical impact on Hegel’s account. The
result is that movement, i. e. the power that generates the inner connections among things, is pre-
sented as the activity of reason, that is to say as free self determination of the concept.
In this latter respect, besides Hegel’s explicit criticism of Kant’s subjectivism, Hegel’s finalism
appears to be closely connected to Kant’s discussion of teleology. Therefore Hegel can be legiti-
mately considered as Kant’s heir, inasmuch as he grounds teleology on the intrinsic systematic
tendency of reason and of its selfdetermination capacity. Similarly to Kant, despite the absence
of analogical argumentations, reason is conceived by Hegel as a living organism and as an inner
purposive activity provided with its inner force or power. Hegel seems thus to radicalize Kant’s
position as he goes deeper in grounding in reason the autonomous power of developing the a
priori principles of objectivity, with the same logic shared by the self purposiveness of the living.
By taking into account the debate in contemporary biology, in the Preface Hegel somehow devel-
ops Kant’s project further, if we consider it, as Kant affirms in the Critique of the Pure Reason, as

15 Daniel Warren, „Kant’s Dynamics“, in: Kant and the Sciences, edited by Eric Watkins, Oxford 2001, 100–101.
16 I. Kant, Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft, 498.
17 G. W. F. Hegel, Phenomenology of Mind, 83 (GW 9, 20).
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 Serena Feloj, Natural Intention vs. Objective Teleology   355

the system of the epigenesis of the pure reason.18 The developing logic typical of the organic epi-
genesis is finally for both authors, Kant and Hegel, the model through which the unitary principle
of reason that realizes itself in its differentiating and developing can be explained.
In this perspective an interpretation of the Preface only in the light of realistic teleology
would be misleading. The notion of purpose is one of latent subjectivity inherent to things, such
as Kant’s notion of force: reason makes it explicit and shows its identity with the being. The thing,
in its essence, coincides with the dynamism of the conceptual connections, with the force that
makes possible its movement. And so the dialectical movement of forms is the inner purposive-
ness thanks to which reason knows itself and organizes itself in the absolute system of knowledge.

Dr. Serena Feloj


p.za Botta, 6
27100 Pavia
serenafeloj@gmail.com

18 I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, in Kants Gesammelte Schriften, Bd. 3, hrsg. von der königlich Preußischen Aka-
demie der Wissenschaften, Berlin 1911, 128.
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François Ottmann, Paris

Geist und Buchstabe


Friedrich Schlegels Prolegomena zu Hegels Theorie des Geistes

„Wie unterscheidet sich Methode von dem System?


Die Methode ist der Geist, und das System der Buchstabe“,

Friedrich Schlegel, Transzendentalphilosophie1

Im Folgenden sollen ein paar Thesen über die Bedeutung hermeneutischer Begriffe für die
Behandlung klassischer systematisch-logischer Fragen der Philosophie formuliert werden. Dabei
werden zwei Hauptziele verfolgt.
Erstens wird schematisch skizziert, inwiefern man diesen Rekurs nicht unbedingt als Import
aus fremden Methodologien (etwa der Bibelexegese) zu deuten braucht, und daß diese hermeneu-
tischen Begriffe vielmehr immanent aus bzw. in den von dem transzendentalen Diskurs (Kants
und in geringerem Maße Fichtes) ausgelösten Aporien entstehen. Solche Hermeneutik antwor-
tet also nicht extern auf hermeneutische bzw. sprachlogische Mängel der kritischen Philosophie,
sondern ergibt sich vielmehr aus der internen Beschreibung gewisser logischer Besonderheiten
des transzendentalen Diskurses.2
Diese Feststellung sollte uns zweitens erlauben, im Vergleich mit Hegels eigenem Umgang
mit diesen Aporien, die Verwandtschaft „hermeneutischer“ und „idealistischer“ Denkparadig-
men aufzuzeigen.
Es manifestiert sich nämlich eine erstaunliche Nähe beider Paradigmen: Wenn man bedenkt,
daß Schlegel das hermeneutische Begriffspaar Geist/Buchstabe auf den Begriff des Systems nicht
sowohl appliziert, als vielmehr mit der Idee von Systematizität identifiziert, so macht sich eine
zunächst rätselhafte Affinität zwischen Symboltheorie und philosophischer Systematik bemerk-
bar. Das System wird zum Symbol des Symbols, und gleichzeitig wird eine gewisse Art des herme-
neutischen Zirkels zur Matrix jeglicher Systematizität. Diese Affinität aber gehört zu den Eckstei-
nen der hegelschen Philosophie, wenn man sie als Theorie der Produktion symbolischer Objekte
liest.3
Wie können überhaupt System und Symbol in solch eine gefährliche Nachbarschaft geraten?
Unsere Behauptung ist, daß diese Nachbarschaft die Unterscheidung zwischen Methode und
System erzwingt, bzw. daß sie sich in dieser Unterscheidung manifestiert.
Diese scheinbare Vermengung unterschiedener Ebenen der philosophischen Systematik kann
als Ausdruck von Schlegels diffuser aber maßgebender Auseinandersetzung mit der transzenden-
talen Philosophie Kants4 gedeutet werden. Schlegel radikalisiert die Idee der Diskursivität, die

1 F. Schlegel, „Transzendentalphilosophie“, Kritische-Friedrich Schlegel-Ausgabe, Bd. XII, hg. v. J.-J. Anstett, Mün-
chen, Paderborn, Wien, Zürich 1964, 18 (auch in: F. Schlegel, Transzendentalphilosophie, hg. v. M. Elsässer, Hamburg
1991, 18, mit interessanten philosophischen Anmerkungen versehen).
2 Der vorliegende Beitrag formuliert eine massive These, die sich im Rahmen meiner Arbeit an dem Dissertations-
projekt über die sprachlogischen Folgen des transzendentalen Diskurses Kants ergeben hat. Diese These kann hier
selbstverständlich nur präsentiert und nicht ausführlich begründet werden.
3 S. B. Haas, „Symbol und symbolische Kunstform bei Hegel“, in: A. P. Olivier, E. Weisser-Lohmann (Hg.), Kunst –
Religion – Politik, München 2013, 137–149.
4 S. M. Elsässer, Schlegels Kritik am Ding, Hamburg 1994. Daran anknüpfend und spezifischer zum Begriffspaar
Geist/Buchstabe: J. Zovko, Verstehen und Nichtverstehen bei Friedrich Schlegel, Stuttgart-Bad Cannstatt 1990, 85–132.
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 François Ottmann, Geist und Buchstabe   357

er bei Kant vorfindet, und bedient sich dabei gewisser Aporien als Knotenpunkte seiner eigenen
Theorie des Geistes. Kant hatte in der transzendentalen Analytik die urteilslogische Struktur des
Aussagenkorrelats hinlänglich beschrieben. Die Kategorien sind nichts anderes als Hinsichten
des Bezuges auf ein Urteilskorrelat („Gegenstand überhaupt“). Es zeigt sich aber im Anhangsbe-
reich der transzendentalen Analytik, daß dieses kantische Urteilsmodell merkwürdige logische
Objekte generiert, und u. a. das Ding-an-sich. Die Vorstellung des Urteils als Begriffsbestimmung
und des Begriffes als allgemeiner Vorstellung führen zwangsläufig zum Gedanken eines Dinges
wie es an sich ist, d. h. jenseits seiner Bestimmung im Urteil, eines Begriffs- und Urteilskorrelates.
Dabei ist es für das Urteil nicht gleichgültig wie es sich zu seinem Korrelat verhält (davon hängt
seine Wahrheit ab); dagegen ist dem Korrelat gleichgültig, was über es geurteilt wird. Da ich mich
aber einerseits nur mittels Urteile auf irgendetwas als ein solches beziehen kann, und da ande-
rerseits das Urteil für sein Korrelat gleichgültig ist und insofern nur als äußerliche Bestimmung
funktioniert, so setzt zwar jedes Urteil den Horizont eines derart gleichgültigen Korrelates, eines
Dinges an sich voraus; aber ich kann mich nicht auf das Ding an sich beziehen, weil es dann ja
nach der bekannten Aporie nur noch ein Ding für mich ist. Das Ding-an-sich könnte man sich folg-
lich als ein logisches Objekt vorstellen, das in jeder Aussage stets mit-gemeint wäre. Jede Aussage
müßte sich qua Aussage mittelbar auf das Ding-an-sich beziehen: Und es gehörte sogar zur Struk-
tur wissenschaftlicher Objektivität, als ihr notwendiges Korrelat, und als der Grund, auf dem so
etwas wie bestimmendes Urteilen möglich wird. Das Ding-an-sich gilt laut dieser Lesart nicht als
wegzuredendes Residuum der Dogmatik einer noch unreifen kritischen Rationalität, sondern es
gehört zur Struktur jeglicher Rede, die als Aussage (also Rede über etwas) funktioniert.
Die Logik produziert also als ihren Grund ein Ding, das zu keinem anderen in Beziehung
steht, d. h. wörtlich ein Absolutes. So fungiert das Absolute als Grund der Logik, und es kommt
zur schlegelschen Verkehrung der transzendentalen Logik: Die Aussage (kantisch: das Urteil) fun-
giert nicht mehr als Nukleus der Logik, zu dem das Ding an sich ein Korollar ist, sondern sie wird
umgekehrt als bloßes Nebenprodukt des Absoluten betrachtet. Was bei Kant dagegen an dem
Urteilsvollzug bloß lateral und symptomatisch war, wird jetzt als Grundlage aller Logik gedeutet:
es geschieht eine transzendental-logische Umkehrung der Bedeutungsstruktur, der salto mortale
der romantischen Logik. Der Angelpunkt dieser Umkehrung liegt somit in der zunächst rätselhaf-
ten Beziehung jeder Rede zum Absoluten, das als Referenzpunkt und gleichsam als Mittel jegli-
cher Bedeutung fungiert.
Diesen Bezug jeder sinnvollen Rede auf das Absolute nennt Schlegel Geist. Der Geist ist die
Entäußerung des Absoluten in der Rede, und bedarf also ihrer um sich zu manifestieren: Er kann
nur dadurch zum Ausdruck kommen, daß er redet, und zwar buchstäblich. Der Bezug auf das
Absolute ist bei Schlegel nichts Intuitives, sondern etwas Diskursives, jedoch im wortwörtlichen
Sinn des Wortes. „Diskursiv“ heißt demnach nicht durch allgemeine Vorstellungen fassbar, wie
bei Kant, sondern durch Wörter, und letztendlich durch Buchstaben. Als beziehungslos ist auch
bei Schlegel das Absolute seinerseits unbestimmbar und kann daher strukturell nicht an die Stelle
des Urteilsgegenstandes eintreten. Hiermit wird die Dinghaftigkeit bzw. Gegenständlichkeit der
Urteilskorrelate dezidiert an zweite Stelle relegiert. Die Logik ist somit an sich und vor allem eine
Logik des Absoluten.5
Die Logik des Absoluten hat die Besonderheit, eine Semiotik zu sein, bzw. eine Logik des
Symbols. Dabei stehen für Schlegel die performativen Wirkungen des Symbols im Vordergrund.
Durch den buchstäblichen Ausdruck des Absoluten entsteht etwas Neues, Sinn und Geist. Und
das Absolute kann nur als der Geist eines Buchstaben überhaupt sinnvolle Rede sein, d. h. zum
Ausdruck kommen. Wenn das System als Ganzes eine Logik des Absoluten ist, so ereignet es sich
gemäß der Form der symbolischen Differenz. Das System aber ist das Produkt der geistvollen

5 Hierbei kommt alles darauf an, den formalen Sinn des Absoluten richtig zu bestimmen. Zur besonderen Stellung
dieses Theorieaspektes zu Hegels Logik kann hier leider nichts gesagt werden. Ein Vergleich der jeweiligen Logiken
des Absoluten würde m. E. auch auf Hegels Beitrag ein neues Licht werfen.
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358   Hegel-Jahrbuch 2018

Rede, also das Produkt fortgehender Symbolisierung, d.  h. Produkt der Dynamik der Begeiste-
rung. Umgekehrt ist diese Begeisterung dasjenige, was ein Symbol erst zum Symbol macht, oder
was dem bloßen Zeichen überhaupt einen Gehalt gibt. Das System wird daher ein Ausdruck des
Prozesses der Begeisterung, und daher ein Symbol des Symbols sein. Das System ist somit nichts
anderes als die Darstellung des Geistes, insofern er Inbegriff aller symbolischen Produkte ist.
Nun wird der Bedeutungswandel, den die Begriffe Methode und System innerhalb der kan-
tischen Philosophie erlebt haben, auf dieser Grundlage noch radikalisiert. Allbekannt ist Kants
Unterscheidung zwischen mathematischer und philosophischer Methode: Die erstere funk-
tioniere durch „Konstruktion von Begriffen“, d.  h. intuitiv, letztere mit Begriffen, die gegeben
werden,6 d. h. diskursiv. Dementsprechend ist das System in der Mathematik ein axiomatisches
Gefüge, d. h. ein konstruktives Gebäude, das man aus elementaren Aussagen zusammenfügt. Ein
philosophisches System hingegen kann nicht aus elementaren Bausteinen konstruiert werden,
denn der Sinn eines Begriffs kann nicht willkürlich festgelegt werden: Er ist gegeben, und kann
nur noch (unendlich) analysiert werden. Indem man aber die Buchstaben durch andere übersetzt,
zeigt sich der Geist. Es fehlen also in der Philosophie nicht nur der Grund, auf den man bauen
könnte (die Anschauung), sondern auch die Bausteine, die man auf diesen Grund setzen könnte.
Denn der Sinn wird nicht konstruiert, er wird im Diskurs bloß gegeben.7 Welche Gestalt nimmt
unter diesen Umständen das philosophische System an?
Ein System muss aus einem Prinzip abgeleitet werden, sonst ist es ein bloßes Aggregat. Was
könnte dieses Prinzip sein? Etwa eine Idee des Ganzen. Das Ganze ist also nur ganz, wenn es
anhand seiner Idee entwickelt wird. Hier kündigt sich eine Zirkularität an, die schon in der Ein-
führung der Transzendentalen Logik Kants deutlich war. Damit der Kreis nicht zum Teufelskreis
wird, fand man in der Kantrezeption schnell eine Lösung durch den Tabubruch der intellektuel-
len Anschauung, den die jungen Idealisten zur Athenäumszeit schon begangen haben. Schlegel
jedoch weist diese Lösung entschieden zurück und bleibt in diesem Sinne Kantianer. Seine Idee
des Ganzen ist nichts anderes als der Geist selbst, dessen Buchstabe das System ist. Denn das
methodische Denken ist für Schlegel ein organisches Denken. Das Organon des Denkens ist aber
der Geist als die schlechthinnige sinnkonstituierende Instanz. Deswegen kann man vom Geist
behaupten, er sei Methode. Das Organische hat aber das Besondere, daß in ihm die Beziehung
zwischen Teil und Ganzheit dialektische Züge hat. Denn das Element eines Organismus ist eine
Funktion und kein Ding. Worin wird also ein System bestehen? In der Artikulation von funktio-
nellen Einheiten der Sprache, die ich hier Diskurse nenne. Ein System ist also ein Ganzes, das
verschiedene Diskurse bzw. Diskurstypen artikuliert. Denn philosophische Grundbegriffe, wenn
man sie nicht intuitiv konstruieren kann, kann man erörtern, d. h. ihre jeweilige Stelle bzw. ihre
Stellenwerte innerhalb eines gegebenen Diskurses angeben8. Den Inhalt eines Begriffes angeben
heißt immer, diesen Begriff übersetzen, d. h. über den Buchstaben des Begriffes zu einem anderen
Buchstaben hinauszugehen, so daß der Sinn (bzw. der Geist) sich in diesem Übergehen ereignet:
untersucht wird, was für Effekte ein Begriff hat, was für Diskurse man damit produzieren kann
und muss (z. B. produziert bei Kant der Begriff der Seele gewisse Sätze, die notwendig zu einer
Paralogistik führen). Die einzige philosophische Aufgabe besteht also darin, diese Diskurse aufei-
nander zu beziehen. Folglich wird das System eine Topik sein, und die Methode Topologie heißen,
d. h. Rede von der Methode, bzw. von der Topik.
Daß Schlegel in der kantischen Urteilsstruktur das Ding an sich an die Stelle des Gegenstan-
des überhaupt rückt, hat noch andere Folgen:9

6 I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, A713/B741.


7 Die transzendentalen Begriffe von Diskurs und Diskursivität bei Kant sind Gegenstand einer ausführlichen Ana-
lyse in meiner Dissertation.
8 S. B. Haas, „Que signifie: appliquer la logique spéculative?“ in: Logique et sciences concrètes (nature et esprit) dans
le système hégélien, hg. v. J.- M. Buée et alii, Paris 2006, 149–170.
9 Im Folgenden führe ich in gedrängter Form eine Grundstruktur der schlegelschen Logik ein, die ich in einem
Beitrag über die Indologie Schlegels ausführlich entfalten werde.
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 François Ottmann, Geist und Buchstabe   359

Die Zirkularität der Bedeutung, deren Entdeckung bei Kant aus kritischer Vorsicht dem auf-
merksamen Leser überlassen wird, wird jetzt zur Hauptstruktur des Systems. Nur das verdingli-
chende Denken einer fetischistischen Vernunft läuft Gefahr, sich in eine unendliche lineare Itera-
tion, also in die Verrückung eines unendlichen Regresses zu verlaufen, bzw. leerzulaufen (darin
scheint bei Kant dagegen geradezu die Struktur der Idealität zu liegen). Die geistvolle Rede, d. h.
die Rede, die sich nicht mit Verdinglichungen kompromittiert, ist an diese laterale Referenz auf
das Absolute gebunden und sozusagen von ihr gehalten. Sie ist in sich gehaltvoll, hat Gewicht,
insofern sie um dieses Absolute zentriert ist, ohne doch je mit ihm zu koinzidieren. Zwar geschieht
zwangsläufig eine gewisse Iteration des Symbols (nur dadurch äußert sich der Geist in der Rede,
daß er ständig übersetzt wird), jedoch erhält jede Rede ihr Gewicht erst durch die Beziehung auf
das außer ihr liegende Absolute, von dem jede Rede gleichsam angezogen wird, so daß die Struk-
tur der symbolischen Differenz eine gewisse Krümmung erhält. Schlegels romantische Semiotik
ist also keine verrückte, sondern eine krumme Logik. Jede geistvolle Rede ist in derjenigen Kreis-
bewegung enthalten, die das Absolute sozusagen attraktiv erzeugt. Denn es ist das, worum es in
der Sprache geht (aber nicht worüber sie spricht). Ein System des absoluten Wissens ist daher
keine ad indefinitum gezogene Linie, sondern ein Kreis. Bedenkt man ferner, daß jedes Element,
als Symbol, auch an ihm selbst schon die Form des Ganzen hat (wie wir sahen, besteht diese Form
in der symbolischen Differenz selbst), so wird man schließen müssen, daß das System auch für
Schlegel „ein Kreis von Kreisen“,10 und daher auch enzyklopädisch sein wird.
Deutet man also System und Methode aus der Perspektive von Geist und Buchstabe, so ergibt
sich eine Reihe von systemlogischen Folgen, die wir hier nur programmatisch andeuten können.
Dadurch sollte sich dennoch eine gewisse Nähe zu einigen zentralen Thesen Hegels von selbst
ergeben.
Methode heißt für Schlegel Geist. Die Methode besteht also nicht aus Regeln, die man für eine
Reihe von Operationen gebrauchen kann. Diese Vorstellung der Methode setzt voraus, daß man
die Methode auf etwas anwenden kann, z. B. auf einen Gegenstand. Schlegels Umdeutung des
Gegenstands erlaubt aber diese Auffassung nicht mehr, so daß die Methode sozusagen der Vollzug
selbst des Denkens ist. Die Methode ist die Prozessualität des Denkens selbst, ohne daß man im
strengen Sinne hierarchisierte und allgemeingültige Denkmethoden identifizieren könnte. Zwar
gibt es kein Denken, das nicht methodisch wäre, jedoch gibt es keine Denkmethoden, die als
allgemeine Denkregel bzw. Denkgesetze zu verstehen wären. Die Methode ist die Vollzugsform
des Denkens, die man aber nicht rein formal beschreiben kann, sondern nur funktionell. Auch
die methodische Einheit erhält einen ganz anderen Sinn: Das Prinzip der Methode ist nicht die
Einheit eines ausführlichen Kataloges der Denkoperationen und ihrer Regel, sondern die Geiste-
seinheit, d. h. die Struktureinheit aller symbolische Produkte der Geistesaktivität. Dies erinnert
also stark an Hegels eigene Vorstellung der Methode als absoluter Idee. Die Methode ist für Hegel
die absolute Idee selbst, d. h. die artikulierte Einheit der Gesamtheit der logischen Objekte die in
der Wissenschaft der Logik beschrieben werden. Diese Logik gibt keine Regel, die man im klassi-
schen Sinne anwenden könnte, sondern ist ein artikulierter Diskurs über zusammenhängende
Denkparadigmen, der als Ganzes zu betrachten ist, d. h. im Grunde eine Topologie der symboli-
schen Objekte.
System heißt Buchstabe: Das System kann nur in organischer Ganzheit Ausdruck des Abso-
luten sein, denn das Absolute kann man nicht mit abstrakten Begriffen erfassen (er kann nicht
an die Stelle des Urteilsgegenstandes eintreten). Wenn also das System doch einen Bezug auf
das Absolute hat, dann nur als Einzelnes, nämlich als dasjenige organische Ganze, zu dem sich
das Symbol entwickelt. Die Einzelnheit wäre also Ausdruck der Absolutheit. Dabei ist also jedes
System ein Individuum, was der gängigen Vorstellung von Systematizität widerspricht. Zwar ist

10 F. Schlegel, „Transzendentalphilosophie“, a. a. O. (Anm.1), 11 und G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen
Wissenschaften im Grundrisse (1817), Hamburg 2000, 19. Die genaue Struktur dieses „Kreises von Kreisen“ werde ich
in einem umfangreicheren Beitrag beschreiben (S. Anm. 9).
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360   Hegel-Jahrbuch 2018

das System immer noch Ausdruck einer (absoluten) Einheit, doch kann es dies nur als Individuum
(als in sich geschlossene symbolisch produzierte Ganzheit). Soll denn aber nicht das System im
Gegenteil Ausdruck des Allgemeinen sein? Allein, die Allgemeinheit hat die Form der Bestim-
mung, die aufgrund der symbolischen Differenz notwendig außerhalb des Absoluten liegt, und
dieses folglich nicht adäquat zum Ausdruck bringt. Das System im Sinne Schlegels kann dagegen
in seiner Individualität ein adäquater Ausdruck des Absoluten sein. Diejenigen Begriffe, die ein
solches System enthält, funktionieren dann also weder beschreibend, noch klassifizierend. Ein
Begriff wird in verschiedenen Systemen jeweils einen anderen Sinn haben, und erst der logische
Ort des Begriffes im System konstituiert seinen Sinn. Die Systeme unterscheiden sich dadurch,
daß sie Begriffe unterschiedlich artikulieren. Korrelativ ist die Logik eine Topologie, wo der Begriff
primär nicht subsumptionslogisch funktioniert. Einen Begriff kann man demnach nicht definie-
ren, nur erörtern, d. h. seine Stelle im Ganzen des Systems angeben.11
Auf dieser Grundlage lässt sich zum Schluß eine nicht-ideologische Darstellung der hegel-
schen Kritik des romantischen Begriffs der Ironie formulieren.12 Denn eine einfache Frage stellt
sich. Wie verhält sich die Topologie zur Topik? Beide sind Korrelata, insofern der Geist im Buch-
staben seine Statt finden. Der Geist ist überhaupt das zu Erörternde, dasjenige, worum es in der
Erörterung jedes Buchstaben geht. Diesen Geist kann man nur innerhalb einer Topik darstellen,
denn er kann sich eben nur in einem Buchstaben manifestieren. Aber welche Stelle kommt diesem
Diskurs selbst im Ganzen zu? Als geistvolle Rede sollte auch die Topo-logie zu erörtern sein. Wo
lässt sich aber die Topologie innerhalb der Topik einfügen? Schlegels Darstellung führt hier zu
einem abgründigen Schwanken, die topische Darstellung begegnet dem Dystopischen: Denn die
Topologie ist sowohl die Topik als Ganzes, als auch ein Teil dieser Topik selbst. Dieses Dystopi-
sche im Verhältnis zwischen Topik und Topologie, Methode und System, Geist und Buchstabe ist
dasjenige, worauf die Ironie stets hinweist. Hegels eigene Theorie des Absoluten kann man nun
als Versuch lesen, diese Aporie der Systematizität zu thematisieren. Sie inauguriert dadurch einen
neuen Diskurstypus.

François Ottmann
31 rue Cité de Limes
76200 Dieppe (Frankreich)
fottmann@yahoo.de

11 Dies führt zur schlegelschen Praxis eines „Schematismus“, deren präzise Charakterisierung (auch im Vergleich
zu Kants eigener Theorie des Schematismus sowie Schellings Praxis eines solchen) m. E. ein Desiderat der Forschung
über den deutschen Idealismus bleibt.
12 Vgl. dagegen: O. Pöggeler, Hegels Kritik der Romantik, Bonn 1956, und J. Reid, L’anti-romantique. Hegel contre le
romantisme ironique, Laval 2007.
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Denis Kaidalov, Warsaw

Hegel’s Philosophy of Mind


and its Reception by Vygotsky
This paper considers Hegel’s philosophy of mind and its reception by the Soviet psychologist Lev
S. Vygotsky (1896–1934). I provide a brief account of Vygotsky’s theory of cultural development
(Bildung) and try to explicate its logical nature. This theory was largely inspired by Hegel and
could be considered a supplement to the Philosophy of Mind. The concept of „cultural develop-
ment“ means, on the one hand, a mastery of external means (speech, arithmetic, writing), and,
on the other, an internal formation of voluntary attention, logical memory, abstract thinking, and
formation of concepts. I argue that mediated activity, especially the use of signs, is the basis for
cultural development.
The main research problem with regard to the theory of cultural development is to explain the
genesis of cultural forms of behavior (activity). First of all, we should take into account the specific
meaning of the concept of „cultural development“. Vygotsky’s reflections on this concept suggest
a careful study of Hegel’s philosophy.
Using Hegel’s terminology, Vygotsky claims that the elementary forms of behavior are subla-
ted in the higher forms and fall down to the level of a subordinate element. The cultural form of
activity is a certain complex of elementary, natural processes. What has already been presuppo-
sed in the elementary form of behavior becomes posited in a cultural form. In this sense, nature
turns out to be just a condition of culture, „Culture creates nothing, it only uses what is given by
nature, modifies it, and places it at the service of man.“1
Like Hegel, Vygotsky writes metaphorically about the „geological“ structure of personality,
which reveals „layers“ that emerged at different periods of cultural development. These layers
reflect the stages of culture (Bildung). It is known that Hegel was a member of the Mineralogical
Society and structured his Phenomenology of Spirit as a kind of „geological cross-section“, using
the vertical slice of spirit to clarify its overlapping phenomena.
The analysis of cultural development is as a process, starting from something abstract  –
because every beginning is abstract. However, at the stage of analysis we can easily lose sight of
a concrete universal.2
Unlike in empirical psychology, the starting point of historical psychology should, accord-
ing to Vygotsky, be the study of the „rudimentary mental functions“ that are the remains of the
historical development of behavior that can no longer perform its original function. Rudimentary
mental functions are abstractions created not by cognition, but as a result of cultural development
itself. They are actual formations in modern man’s activity. Such an analysis is concrete, because
the principle of division is borrowed from the nature of the object.
Rudimentary functions resemble the embryo from which contemporary culture evolved. This
metaphor helps us imagine the concept of cultural development, but it is only a metaphor and
must not mislead us. It may appear that the higher functions already exist in the personality since
birth, as if education meant just the discovery and cultivation of these embryos.
But we are dealing with development, not growth. We can say that a cultural form is only
ideally contained in the elementary form of behavior, which in turn is still an underdeveloped,
abstract form of the same notion. Rudimentary functions shed light on the origin of actual func-
tions and allow us to compare the behavior of primitive and modern man – but nothing more.

1 L. S. Vygotsky, The History of the Development of Higher Mental Functions, NY 1997, 92.
2 See G. W. F. Hegel, Werke, Vol. 8, Frankfurt/Main 1986, 380.
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362   Hegel-Jahrbuch 2018

Genetic unity exists between elementary behavior and cultural activity, but we must not forget the
difference between them.
From a philosophical point of view, the rudimentary function of choice seems to be the most
interesting as it involves the solution of the problem of free will. To describe this form of behavior,
Vygotsky used the example of Buridan’s ass that starves to death between two completely similar
sheaves of hay, unable to make a choice. This mind experiment clearly shows the problem of free
will. Vygotsky calls the question of what man would do in this situation the fundamental question
of human psychology. Here, experimental psychology is transformed into experimental philoso-
phy.
It turns out that „a man in the position of Buridan’s ass would toss a coin and in that way
master the situation.“3 Man uses an auxiliary means for making choices. Casting lots is an ele-
mentary form of cultural will. However, this action has already lost its original function and
become almost useless. Over time, casting lots has become an obstacle for the development of the
mind, being replaced by conscious choice based primarily on reasoning.
The cultural form differs, then, from the elementary form of behavior in its creation and use of
artificial means for mastering a behavior. Man masters his behavior by introducing intermediate
objects. This is something more than just a transition from natural to cultural behavior, as there
is a change in the form of behavior that is, in fact, an essential change. The main difference is that
the elementary behavior is performed instinctively and the higher is performed consciously and
intentionally. After all, reason, as Hegel maintains in the Phenomenology of Spirit, is purposive
activity.4
If elementary behavior is caused by nature, then cultural behavior consists in changing
nature. Elementary behavior is determined by external existence. For higher forms of behavior,
by contrast, self-determination is essential. Man therefore determines himself by mastering the
external existence by which he is determined. Vygotsky’s concept of self-determination was also
inherited from Hegel.5
Making and using tools is a distinguishing characteristic of human activity. It can therefore
form a natural starting point for a theoretical understanding of the nature of intellect. But only
the use of signs serves to gain control of behavior . Thus, Vygotsky defined the concept of „sign“
slightly differently than in ordinary discourse, giving it a very precise meaning. Signs are arti-
ficially created by man to control himself or others. Vygotsky writes that „the basic and most
general activity of man that differentiates man from animals in the first place, from the aspect of
psychology, is signification, that is, creation and use of signs.“6 Like Hegel, Vygotsky asserts that
the world of objects emerges along with the world of names.7
Language is an essential means of both interpersonal communication and the cultural devel-
opment of the individual. According to Hegel, language is the perfect expression of the spirit.8
As Vygotsky writes, „Regulating another’s behavior by means of the word leads gradually to the
development of verbalized behavior of the individual himself.“9
Communication requires a generalization, so the language is „a sign of spirit“, that is a
medium of communication. This is because the word generalizes. The word is also a means of the
formation of concepts. From this point of view, reasoning can be thought of as an internal discus-
sion. As Jean Hyppolite writes, „The reflection of self-consciousness on life is therefore the very
reflection of life in self-consciousness.“10

3 Vygotsky, The History of the Development of Higher Mental Functions, 46.


4 Hegel, Werke, vol.3, Frankfurt/Main 1989, 26.
5 See Hegel, Werke, vol. 7, Frankfurt/Main 1989, 54.
6 Vygotsky, The History of the Development of Higher Mental Functions, 55.
7 See Hegel, Naturphilosophie und Philosophie des Geistes, Hamburg 1987, 175.
8 Hegel, Werke, vol. 10, Frankfurt/Main 1989, 192.
9 Vygotsky, The History of the Development of Higher Mental Functions, 104.
10 J. Hyppolite, Logic and Existence, Albany 1997, 85.
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 Denis Kaidalov, Hegel’s Philosophy of Mind and its Reception by Vygotsky   363

Human activity is distinctive exactly in that „man builds new forms of action first mentally
and on paper, stages battles on maps, works on mental models“.11 This significant fact was already
noted by Karl Marx, „Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn
desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war.“12
As Hegel puts it in his Jena lectures, the „bare activity is pure mediation“.13 From a logical
perspective, the use of signs and tools may be considered coordinate concepts in a more general
concept – that of mediating activity. The sign and the tool fulfill the mediating function. Both are
artificial means of purposive activity. In general, cultural forms of activity are based on changing
objects into means of purposive activity. Vygotsky refers to Hegel’s definition when he speaks of
the mediating activity:
„Die Vernunft ist ebenso listig als mächtig. Die List besteht überhaupt in der vermittelnden
Tätigkeit, welche, indem sie die Objekte ihrer eigenen Natur gemäß aufeinander einwirken und
sich aneinander abarbeiten läßt, ohne sich unmittelbar in diesen Prozeß einzumischen, gleich-
wohl nur ihren Zweck zur Ausführung bringt.“14
However, viewing the sign and the tool as equivalent in meaning would be a great simplifica-
tion. A literal interpretation of the instrumental function of the sign leads to the equation of the
sign with the tool despite the substantial differences between them. Thus, the analogy between
the use of signs and the use of tools should not be taken too far. The tool is a means of external
activity directed outward; the sign is a means of internal activity directed inward. In other words,
the tool serves to master nature and the sign serves to master oneself. Both forms of mediated
activity are interconnected and together form what Vygotsky calls cultural activity. He also bases
his concept of personality on the process of recognition.
The essence of cultural development lies in the fact that man relates to himself as others
relate to him. Interpersonal relations become one’s self-relation. The process of the cultural devel-
opment of the individual, expressed in a purely logical form, is that through others we become
ourselves. As Vygotsky puts it, the „individual becomes for himself what he is in himself through
what he manifests for others.“15 In other words, the individual, through others, becomes himself.
This is why Vygotsky defines „personality“ as the reflective concept representing the relationships
between people. He uses Hegel’s concept of reflection (Reflexion) as meaning the negative rela-
tion to itself (oneself). Personality is a concept that is based on such self-relation. As we know,
the concept of reflection is very important for Hegel’s philosophy. The individual first looks at
himself through other people’s eyes, as in a mirror. He then acknowledges himself only in being
acknowledged by others, exactly as described in the Philosophy of Mind, „das Ich sich aus seiner
Beziehung auf Anderes in sich reflektiert, wird es Selbstbewußtsein.“16
The relationships between mental functions could be derived from real relationships between
people. Every mental function is initially a social function that through „interiorization“ becomes
a mental function. For instance, in early forms of activity, the function of execution and the func-
tion of control were separated between two people. But in later forms of activity, „what the super-
visor does and what the subordinate does is united in one person.“17 This is the „master-slave
dialectic“ described in Hegel’s Phenomenology of Spirit.
Vygotsky draws attention to the possibility of using psychological experiments to solve purely
philosophical problems, in particular, to investigate the mystery of free will. He synthesizes the
history of cultural development with research into free will.

11 Vygotsky, The History of the Development of Higher Mental Functions, 90.


12 K. Marx, F. Engels, Gesamtausgabe, II/10, Berlin 1991, 162.
13 Hegel, Naturphilosophie und Philosophie des Geistes, 189.
14 Hegel, Werke, Vol. 8, 365.
15 Vygotsky, The History of the Development of Higher Mental Functions, 105.
16 Hegel, Werke, vol. 10, 41.
17 Vygotsky, The History of the Development of Higher Mental Functions, 104.
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364   Hegel-Jahrbuch 2018

According to Vygotsky, the relationship between cultural and elementary activity is that cul-
tural activity is voluntary while elementary activity is involuntary. However, „the paradox of the
will consists in that will creates involuntary acts.“18 In this sense, will means control over action
performed by itself. Choice has a central importance for the mastery of behavior. Choice is perhaps
the essence of voluntary activity. On the basis of the paradox of will described earlier, we can say
that man is a slave of his free choice. If the decision is made, then the action must be done. Fol-
lowing Hegel, Vygotsky asserts that the basis of true freedom is the recognition of necessity. This
recognition is the reason (or motive) for an action. Thus, the voluntary activity contains in itself a
contradiction between decision and action. The point here is that „the conflict between motives
frequently occurs a long time before the actual situation develops in which it becomes necessary
to act.“19
The common denominator for all higher mental functions is the mastery of behavior using
artificial means. We need to take into account the fact that „thinking in the true sense, formation
of concepts, judgment and conclusions are based on the intervention of will in a representation.“20
Representation thus becomes a voluntary activity. The course of representation is subject to will
by means of speech, which appears as the basic means of thinking. Will is the root from which all
cultural forms of behavior arise. According to Vygotsky, the concept of personality „encompasses
unity of behavior that is marked by the trait of mastery.“21 Finally, he equates personality with the
cultural development of the individual. This means that particular characteristics of personality
are not essential, but closely linked and completely interdependent. Personality develops only
as a whole, so the mental functions do not develop by themselves but are rather subject to the
development of the whole personality.

Denis Kaidalov
10A Zamenhof Street
Warsaw
Poland 00-187
d.kaidalov@uw.edu.pl

18 Ibid., 211.
19 Vygotsky, The History of the Development of Higher Mental Functions, 215.
20 Ibid., 92.
21 Ibid., 242.
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Valentin Kanawrow, Blagoevgrad

Das Sein des Geistes ist /k/ein Knochen: Hegel


und Lavater
Die Anthropologie Hegels ist ein begriffliches Element seiner logisierten rationalen Metaphysik
und ein disziplinarisches Element des Systems seiner Philosophie. Das ist die einzige relevante
konzeptuelle Position der konsequenten Betrachtung der Anthropologie Hegels. Das Prinzipieren
dieser Position ist Conditio sine qua non der korrekten philosophiegeschichtlichen Interpretation
seiner Anthropologie. Alle anderen Sichtpunkte sind nicht sachgemäß oder bringen eine einsei-
tige Sicht, d. h., sie führen zu einem begrenzten Verstehen, das mit den philosophischen Geboten
Hegels definitiv auseinandergeht. So kann z. B. die analytische Überlegung die dynamische und
dialektische Plastik der Philosophie Hegels nicht begreifen. Noch weniger kann sich die empi-
rische Betrachtung verschiedener einzelner Sachverhalte, Situationen und Thesen daran annä-
hern. Sie kann nur trivial sein, weil sie als eine äußere Stellung hervortritt und so ein „Müßiggang
der Meinung“1 ist. Die Dialektik Hegels, d. h. die ontologische Kreativität seines philosophischen
Denkens kann man nur metaphysisch, konzeptuell, dynamisch und systematisch verstehen.
Seine Anthropologie bzw. seine Ontologie des Menschen ist ein organischer Grundbestandteil des
metaphysisch fundamentierten philosophischen Systems, der mit den Organen und Knochen des
Menschen wenig, aber doch einiges Gemeinsames hat.
Von diesem Standpunkt aus kann man das ontologische Sosein des Menschen nicht als ein
gegebenes, naturseiendes und ursprüngliches Gefüge erfassen, in dem das Denken nur eines von
vielen Einzelteilen ist, sondern vorwiegend als ein Verhältnis des Selbstbewusstseins des Men-
schen zu dem ihm eigenen Körper, der aber dem Denken entgegengesetzt ist. Der Mensch ist ein
biologisches, physisches, chemisches, physiologisches, soziales, sittliches, moralisches, religiö-
ses usw. Lebewesen. So, also puzzleweise, kann die Einigkeit und Ganzheit des Seins seiner Per-
sönlichkeit philosophisch nicht theoretisiert werden. Hegel erforscht die Vermittlung zwischen
dem Selbstbewusstsein und dem unmittelbaren Naturdasein des Menschen. Diese Vermittlung ist
doppelseitig. Ihre folgerichtige philosophische Konzeptualisierung, d. h. die Ontologisierung des
Menschen bzw. der Aufbau der philosophischen Anthropologie hat aber nur eine einzige metho-
dologische Richtung – vom Begriff zum Dasein, vom Denken zum Körper, von der reinen Form des
Denkens zum Leib. Die gegenseitige methodologische Richtung ist bloß empirisch und hat also
eine sehr begrenzte theoretische Kraft.
Das unmittelbare Naturdasein des Individuums, inkl. dessen Leib, der ein vom Menschen
„Nichtgetanhaben“2 ist, kann keine allgemeine, notwendige und gleichsam konkrete Bestim-
mung seiner Individualität liefern. Die Letztere ist eine Einheit des ungebildeten und des gebil-
deten Seins des Menschen. Und die Frage ist, inwiefern das Äußere ein Ausdruck des Inneren ist.
Eine andere und damit verbundene Frage ist, inwiefern das Innere ein Ausdruck des Äußeren
ist. Eine dritte Frage ist, ob die Individualität des Menschen nur in der Wechselbeziehung seines
Inneren und Äußeren steckt. Eine vierte Frage ist, wie das Sein der Individualität philosophisch
zu erreichen ist. Hegel antwortet auf diese Fragen. Er geht den beiden möglichen methodologi-
schen Wegen der Vermittlung des Inneren und Äußeren des Menschen nach. Der erstere Weg
ist der Weg der philosophischen Anthropologie. Er ist begrifflich, mittelbar und dialektisch. Der
zweite Weg ist der Weg der Physiognomik, Schädellehre und Chiromantie. Er ist puzzlegemäß,
unmittelbar und analogiefolgend.

1 G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, in: G. W. F. Hegel, Werke in 20 Bänden, Frankfurt/M. 1969, Bd. 3, 244.
2 Ebd. 233.
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366   Hegel-Jahrbuch 2018

Der Vortag hat zum Zweck, Hegels Auseinandersetzung mit der Physiognomik, Schädellehre
und Chiromantie zu analysieren. Sie sind ein vermeintliches Wissen. So Hegel. Er nennt die Phy-
siognomik, die Schädellehre und die Chiromantie schlechte Künste und heillose Studien. Hegel
betrachtet ihre Gegenstände als entäußerte und aufgehobene Dingheit des Selbstbewusstseins.
Das systematische philosophische Nachdenken über diese Dingheit ist eine Stufe der Phänome-
nologie des Geistes und auch eine Stufe des Aufbaus der philosophischen Anthropologie. Hegel
hebt die Physiognomik von den anderen schlechten Künsten ab, weil sie die menschliche Indi-
vidualität im notwendigen Gegensatz des Inneren und Äußeren betrachtet, wobei die Momente
dieser Vermittlung den Inhalt eines Gesetzes ausmachen müssen. Das bedeutet aber nach Hegel
nicht, dass die Physiognomik einen philosophischen Sinn hat und eine Wissenschaft ist.

1
Der schweizerische reformierte Pfarrer, Schriftsteller und Philosoph Johann Caspar Lavater (1741–
1801) verfasst und veröffentlicht zwischen 1775 und 1778 vier voluminöse Bände (ca. 1.400 Seiten)
unter dem Titel Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschen-
liebe: Gott schuf den Menschen sich zum Bilde3. Das Buch bekommt rasch eine enorme Populari-
tät. Goethe schreibt an Frau von Stein: „Er [Lavater] ist der beste, größte, weiseste, innigste aller
sterblichen und unsterblichen Menschen, die ich kenne“.4 Alexander von Humboldt und Georg
Christoph Lichtenberg kommentieren entsprechend positiv und negativ Lavaters Fragmente und
die durch sie bekannt gewordene Menschenbeschreibung durch Deutung des Schattenrisses.
Lavater bestimmt die Physiognomik als „das Wissen, die Kenntnisse des Verhältnisses des
Aeußern mit dem Innern; der sichtbaren Oberfläche mit dem unsichtbaren Inhalt“.5 Die Phy-
siognomik liefert Kenntnisse über die Gesichtszüge und ihre Bedeutung für den Charakter des
Menschen. Lavater unterscheidet fünf Abschnitte der Physiognomik: fundamentale (physiologi-
sche und anatomische), temperamentgebundene, medizinische, moralische und intellektuelle.
Die anatomische Physiognomik stellt die Beobachtung und Beurteilung der Knochen, Gebeine,
Muskeln, Eingeweide, Drüsen, Adern, Gefäße und Nerven dar. Diese fünf Abschnitte bilden die
natürliche Physiognomik. Es gibt auch eine wissenschaftliche und eine philosophische Physio-
gnomik. Die Letztere erforscht die inneren Ursachen der äußeren Wirkungen des menschlichen
Verhaltens. In der Wissenschaftsgeschichte gibt es laut Lavater vierzig bis fünfzig Schriftsteller
aus allen Nationen, die über die Physiognomik geschrieben haben. Unter denen sind Phytagoras,
Demokritos, Plato, Aristoteles, Galenus, Plinius, Cicero, Montagne, Bacon, Ernesti, Haller, Sulzer,
Wolff, Gelert u. a.
Die Grundthese der Physiognomik Lavaters lautet: „Dies Aeußerliche und Innere stehen
offenbar in einem genauen unmittelbaren Zusammenhange. Das Aeußerliche ist nichts, als die
Endung, die Gränzen des Innern – und das Innere eine unmittelbare Fortsetzung des Aeußern
[des Menschen]. Es ist also ein wesentliches Verhältnis zwischen seiner Aeußerseite und seinem

3 J.  C. Lavater, Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe: Gott schuf
den Menschen sich zum Bilde, Erster – Vierter Versuch, Hildesheim u. a. 2002.
4 Zit. nach: Friedrich Märker, „Was ist Physiognomik? Aus den ‚Fragmenten‘“, in: J. C. Lavater, Physiognomische Frag-
mente. Ausgewählt und kommentiert von F. Märker, Oldenburg 1949, 6. Goethe verfasst einige Beiträge in Bezug auf
die Fragmente; er äußert sich aber auch kritisch gegenüber Lavater: „Keineswegs imstande, etwas methodologisch
anzufassen, griff er das einzelne einzeln sich auf, und so stellte er es kühn nebeneinander“. Ebd. 8. In seinem Brief
an Lavater vom 7. März 1791 schreibt Friedrich Heinrich Jacobi: „Meine Antwort darauf ist, daß ich Deinem Gewis-
sen mehr als meinem Urtheil traue“. F. H. Jacobi, Briefe, in: F. H. Jacobi, Werke, hg. v. F. Rothand und F. Köppen,
Darmstadt 1976, B. III, 542.
5 Lavater, Fragmente, I, a. a. O. (Anm. 3), 13.
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 Valentin Kanawrow, Hegel und Lavater   367

Innwendigen“.6 Der Mensch hat ein physisches (oft als animalisches bezeichnet), ein morali-
sches und ein intellektuelles Leben, die in der Kraft, im Willen und im Verstand gründen. Jedes
dieser Leben hat seinen eigentümlichen Sitz, seine besonderen Werkzeuge und seine spezifischen
Vehikel. Der Sitz des Denkens ist im Kopf innerhalb der Stirn, der Sitz des Willens ist im Herz und
der Sitz der inneren Kraft ist im ganzen Körper und vornehmlich in der Hand7 und im Mund.
Lavater stützt sich oft auf die methodologische und typologische Stärke der Triade. Bei ihm hat
sie aber einen unmittelbaren und keinen dialektischen Charakter: „Dreyfach also, sag’ ich, ist das
Leben der Menschen, und jedes dieser Leben ist von dem andern abhängig und unabhängig. Man
kann animalisch leben, animalisch gesund, und moralisch krank oder todt, moralisch gesund und
lebendig, und physisch krank seyn. Man kann sehr scharfsinnige Schlüsse machen, und moralisch
und physisch krank seyn“.8 Lavater kommt zu dem Schluss, dass diese Dreifachheit des Lebens im
Menschen offenbar ist und dass jede Art des Lebens in bestimmten körperlichen Organen haftet.
Die Triade bleibt aber bei ihm vollkommen unbegründet und beiläufig. Als Gesetz gilt die These,
dass es in der ganzen Natur kein Leben gibt, welches nicht in einem organischen Körper haftet.
So wird die physische (animalische, physiologische, anatomische, körperliche) Unmittelbar-
keit des Organs als eine philosophische Begründung im Sinne eines Organons erhoben. Lavater
nennt die rationalistische Philosophie Asterphilosophie und kritisiert sie sehr scharf fast bis zu
einem Fluch: „Wills Gott – ihrem Untergang nahe“. Sie sieht alles, was nicht war und nicht ist,
und nur das nicht, was war und ist. Außerdem ist sie zu stolz. Die Asterphilosophie verwendet den
Verstand falsch und widerspricht den Sinnen und der Erfahrung. Sie eliminiert das Körperliche
und den Sitz des Denkens im menschlichen Haupte. Dagegen lautet die These der Physiognomik:
„Alles also an dem Menschen ist, bloßen klaren Beobachtungen zufolge – physisch“.9
Lavater kommentiert im VII. Fragment des ersten Bandes die Wahrheit. Soweit es keine voll-
kommen ähnlichen Gesichter gibt, so gibt es keine vollkommen ähnlichen Gemütscharaktere. Die
Wahrheit gründet auf der natürlichen Analogie des Gesichts mit dem Geist. So ist, nach Lavater,
die Physiognomik keine mathematische Wissenschaft. Sie ist Physik und auch ein Teil der Arznei-
kunst und der Theologie. Demnach gehört sie zu den schönen Wissenschaften. Die Physiognomik
ist also gleichzeitig eine Wissenschaft und eine Kunst. Die persönlichen Beweise dafür sind für
Lavater Leibnizens Genie, Wolffs Kaltblütigkeit und Deutlichkeit, Raphaels und Dürers Kunst.
Die Quintessenz von Lavaters Physiognomik ist seine Knochenlehre bzw. die Rolle des Kno-
chenbaus bei der Charakter- und Geistesbildung. „Das Knochensystem ist immer Fundament
der Physiognomik […], immer Charakter des Festern, Dauerhaftern im Menschen“.10 Der zweite
Band der Fragmente ist vorwiegend diesem Thema gewidmet. Lavater analysiert das physiogno-
mische Gefühl und den physiognomischen Beobachtungsgeist, wobei er der Knochen- und Schä-
delbildung sogar einen poetischen Sinn zuschreibt. Lavater ist sich dieser Hypertrophie bewusst
und erklärt, dass er auf die Knochen mehr als alle seiner Vorgänger achtet, „daß ich diesen weit
festern, weniger veränderlichen  – leichter bestimmbaren Theil des menschlichen Körpers für
die Grundlage der Physiognomik angesehen wissen möchte“.11 Es bleibt aber das Problem offen:

6 Ebd., 33.
7 Es ist interessant, dass im ersten Band der Fragmente Lavater die Stirndeutung und die Chiromantie als „die
unvernünftigste und die abgeschmackteste Charlatanerie“ bezeichnet. Im dritten Band wechselt er zum Teil seine
Meinung: „Je ähnlicher sich die Gesichter, desto ähnlicher die Hände“. Lavater, Fragmente, III, a. a. O. (Anm. 3), 103.
Es kommt auch der Begriff der Handphysiognomie vor. (Ebd., 103) Der Grund ist nach Lavater, dass eine Hand nicht
zu einem anderen Körper passt; sie passt nur zu einem bestimmten Körper. (Ebd., 104).
8 Lavater, Fragmente, I, a. a. O. (Anm. 3), 35.
9 Ebd., 36.
10 Lavater, Fragmente, II, a. a. O. (Anm. 3), 162 f. Im dritten Band ändert Lavater seine Position. Er schreibt, dass die
Knochen keine endgültige Form und vollkommene Härte haben. Die Leidenschaften und die Muskeln üben einen
Einfluss auf die Knochen aus. So können „an der Form, am Umrisse der Stirn einigermaßen merkbare Veränderungen
bewirkt werden“. Lavater, Fragmente, III, a. a. O. (Anm. 3), 10 f.
11 Lavater, Fragmente, II, a. a. O. (Anm. 3), 143.
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368   Hegel-Jahrbuch 2018

Inwieweit entspricht diese Fragestellung dem Untertitel der Fragmente – „Gott schuf den Men-
schen sich zum Bilde“?
Lavater bringt im dritten und im vierten Band der Fragmente seine (zum Teil) philosophische
Reflexion über die Physiognomik. Er erläutert, dass er kein Materialist ist, weil er im Körper ein
unsichtbares, belebendes und empfindliches Wesen unterscheidet. Dieses Wesen ist vollkommen
unerforschlich. Es ist aber der Herr des Körpers, der lebendige Geist des Menschen.12 Lavater
bestreitet darüber hinaus den Wolffianismus und das Bauen von metaphysischen Systemen. Im
vierten Band aber formuliert er den Begriff des physiognomischen Sinns. „Alle Menschen ohne
Ausnahme haben physiognomischen Sinn. […] Dieser Sinn ist ein Band, das alle lebende Wesen
miteinander verbindet“.13 Er ist Ahnung, Gefühl, Instinkt, natürliche Sympathie, Natururteil,
Genie. So, obwohl einigermaßen unaufgefordert und zufällig, kommt Lavater zur systematischen
und metaphysischen Physiognomik. Der Knochen ist schon nicht nur Organon, sondern auch
Sinn mit einem metaphysischen und systematischen, aber auch prophetischen Charakter. „Es
ist in uns ein Sinn, nicht nur für den gegenwärtigen, sondern auch für den zukünftigen, noch
im gegenwärtigen verschlossenen Charakter des Menschen“.14 Lavater macht auch den nächsten
Schritt und kommentiert die Nationalphysiognomien und Nationalprofile, die Stadt- und Dorf-
physiognomien. So kann sich der aufklärerisch und naturgemäß entstandene physiognomische
Sinn als Explikation einer bloßen naturalistischen Anthropologie und als Ersatz einer metaphysi-
schen Einheit in ein Rassenmonster leicht verkehren.

2
Ohne Lavaters Name zu erwähnen, kritisiert Hegel sehr bissig dessen Physiognomiklehre.15 Da
sie aber auch eine Erkenntnis, ein Wissen und eine methodologische Erfahrung ist, findet er den
entsprechenden Platz dieser Erkenntnisproblematik in die Phänomenologie des Geistes bzw. auf
dem Weg der dialektischen Selbstverwirklichung des absoluten Wissens. Prima facie scheint
das widersprüchlich. Es ist aber nicht, weil Hegels Negation keine formallogische, sondern eine
dialektisch-logische ist. Das zweite Argument dagegen ist der notwendige systematische Cha-
rakter der philosophischen Theoretisierung Hegels. Die Systematik ist eine Conditio sine qua non
für sein philosophisches Konzept. Ob das eine spezifische wolffische Anforderung ist, ist eine
andere Frage. Lavater leugnet den Wolffianismus, obwohl er seine Physiognomik auch irgendwie
systematisch ausrichtet. Die Systeme Wolffs, Lavaters und Hegels sind aber vollkommen
verschiedene konzeptuelle Konstruktionen. Diese Verschiedenheit gründet auf differenten
grundlegenden Prinzipien. Das dritte Argument gegen den oben erwähnten Widerspruch ist die
hegelsche Auffassung des Begriffs im Kontext der dialektischen Identität des Denkens und Seins
und des Logischen und Historischen. Diese Identität hat keinen unmittelbaren Charakter. Sie ist
kein Resultat einer direkten Gleichsetzung oder einer bloßen Feststellung, sondern wird als ein
dialektischer Ausbau der invarianten und dynamischen logischen Struktur des Begriffs entwick-
lungsweise herausgehoben.
Laut Hegel ist die Individualität des Menschen – das ist der Fokus der Physiognomik – nicht
gleich der Persönlichkeit, der Moralität und des Geistes des Menschen. Bei Lavater ist es umge-
kehrt. Zweitens, das Sein der Individualität des Menschen ist für Hegel kein starres Gebilde,

12 Vgl. Lavater, Fragmente, III, a. a. O. (Anm. 3), 9 f.


13 Lavater, Fragmente, IV, a. a. O. (Anm. 3), 118 f.
14 Ebd., 130.
15 Hegel zitiert mehrmals in der Phänomenologie die Schrift Lichtenbergs Über Physiognomik; wider die
Physiognomen, in der Lavaters Lehre scharf kritisiert wird. Vgl. G.Chr. Lichtenberg, Aufsätze und Streitschriften, hg. v.
M. Holzinger, North Charleston 2013, 59–91.
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 Valentin Kanawrow, Hegel und Lavater   369

welches an dessen Äußerlichkeit festzustellen ist, sodass diese Äußerlichkeit einfach die Endung
des Inneren des Menschen darstellt. Drittens, es ist wahr, dass die Menschen verschieden sind,
dass sie verschiedene Charaktere haben (so Lavater). Sie haben aber auch gemeinsame und typo-
logische Wesenszüge. Die Letzteren sind für Hegel grundlegend. Für Lavater sind sie ohne ent-
scheidende Bedeutung. Er achtet nicht die begriffliche Bestimmung. Viertens, die Individualität
des Menschen steckt nicht nur im Verhältnis von dessen Äußerem und Innerem, sondern vorwie-
gend in dessen freiem Tun.
Hegel zitiert in der Phänomenologie Lichtenbergs spöttische Bemerkung, dass die oberflächli-
chen Äußerungen der Physiognomik oft eine Ohrfeige verdienen. Es ist so, weil die Physiognomik
das ganze Tun des Menschen vernachlässigt, das Verhältnis zwischen dem Äußeren und dem
Inneren als eine feste unmittelbare Gegebenheit betrachtet und das Sein der Individualität des
Menschen nur durch dieses Verhältnis darstellt. Das Resultat davon ist, dass das Sein der Indivi-
dualität des Menschen an seinem Schädel bzw. am Knochen zu erfahren ist. So werden die Indi-
vidualität und der Geist des Menschen mit dem Knochen identifiziert. Philosophisch betrachtet
ist diese Schlussfolgerung mager. Hegel spottet noch kräftiger als Lichtenberg: „hier müßte die
Erwiderung eigentlich so weit gehen, einem, der so urteilt, den Schädel einzuschlagen, um gerade
so greiflich, als seine Weisheit ist, zu erweisen, daß ein Knochen für den Menschen nichts an sich,
viel weniger seine wahre Wirklichkeit ist“.16
In der Physiognomik, sagt Hegel, ist die Abstraktion der Individualität leer. Die Individuali-
tät, die für sich selbst ein freies Tun ist, und an sich selbst ein ursprüngliches Sein hat, bekommt
dort keine begründete Bestimmung. Die Physiognomik überschätzt das ursprüngliche Sein (den
Körper, den Schädel, den Knochen) und unterschätzt das gebildete Sein – die Sprache, die Arbeit,
das Handeln, die Tat des Menschen. So wird das Sein des Ganzen der Innerlichkeit und Äußerlich-
keit der Individualität zu einem toten Gebilde, in dem die dynamischen Beziehungen zwischen
der Innerlichkeit und Äußerlichkeit der Individualität keinen realen Ausdruck bekommen. Hegel
verwendet das vielschichtige reversible Verhältnis zwischen dem Gesicht und der Maske und zeigt
an diesem konkreten Beispiel, dass die Physiognomik „etwas End- und Bodenloses [ist], das nie
dazu kommen kann zu sagen, was es meint, weil es nur meint und sein Inhalt nur Gemeintes
ist“.17 Hegels Schlussfolgerung lautet, dass die Physiognomik und ihre Gesetze ein leeres Meinen
und deswegen ein vermeintliches Wissen sind.
Das bedeutet aber nicht, dass die Philosophie die Probleme der Individualität des Menschen
und des Verhältnisses von dessen Innerlichem und Äußerlichem beiseitesetzen darf. Hegel philo-
sophiert das Sein der Individualität an sich und für sich selbst. Mit dieser dialektischen Formulie-
rung ordnet er der Vernunft das unmittelbare Dasein und das ontologische Sein der Individualität
unter, wobei er deren Realität als entsprechende Gewissheit und Wahrheit der Vernunft bezeich-
net. Die Individualität des Menschen ist weder die Krone noch das Ganze der Anthropologie
Hegels. Ihr phänomenologisch-dialektischer Aufbau hat noch viele Stufen – sittliche, moralische,
politische, religiöse, geistige u. a. So kommt Hegel zum absoluten geistigen Sein des Menschen,
das die eigentliche Krone seiner Anthropologie und auch der europäischen Aufklärung ist.

Prof. Valentin Kanawrow


Südwestliche Universität – Blagoevgrad
I. Mihajlovstr. 66
2700 Blagoevgrad
Bulgarien
v_kanawrow@abv.bg

16 Hegel, Phänomenologie, a. a. O. (Anm. 1), 256 f.


17 Ebd., 242.
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Holger Hagen, Hannover

‚Menschenkenntnis‘ und ‚Selbsterkenntnis‘ in der


modernen Gesellschaft: Reflexionen von Freiheit
und Verdinglichung
In der Psychologie wird oft ein historischer Bogen von der Gegenwart bis in die Antike gespannt,
bei dem das aristotelische „De anima“ als antediluvianischer Urquell heutiger Theoriebildung
erscheint.1 Gegen eine solche Ansicht ist mit Hegel nicht nur die philosophische Ausrichtung der
peripatetischen Theorie zu halten, sondern vor allem, dass sich das psychologische Denken der
Moderne grundsätzlich von dem der Antike unterscheidet  – bis in seine vorwissenschaftlichen
Formen und sogar die Psyche selbst hinein, wie die Analyse moderner ‚Menschenkenntnis‘ und
‚Selbsterkenntnis‘ zeigt.2 Wird ein solches Denken Hegel zufolge in „politischen Zuständen“3 der
Moderne evoziert, so erweisen diese sich als seine spezifische Grundlage.
Indem diese Überlegung das Feld der ‚Wissenssoziologie‘ betritt, sieht sie sich mit einer dop-
pelten Problematik konfrontiert: Zum einen gerät sie, wie Adorno und Horkheimer herausgear-
beitet haben, wenn sie den Ansatz verfolgt, Wissen aus der Gesellschaft zu erklären, in die Aporie,
ihre eigene Geltung implizit zu bestreiten.4 Zum anderen kann die These, dass Wissen durch die
Gesellschaft bestimmt sei, als Determination gefasst werden – die man sich, bestünde sie, nicht
zum Gegenstand der Reflexion machen könnte. Stellt sich nach beiden Seiten ein performativer
Selbstwiderspruch ein, so kann die hegelsche Position indes einen Ausweg weisen. Indem sie
bestimmte Denkweisen mit Bezug auf die gesellschaftliche Willensbetätigung erklärt, unterläuft
sie von vornherein beide Probleme: theoretischer Geltungsanspruch und geistige Freiheit bleiben
in ihr gewahrt.
Bemerkenswert sind Hegels Gedanken zur sozialen Konstitution der modernen Psyche und
Psychologie aber vor allem deswegen, weil sie eine eigenständige Bearbeitung der später von
Nietzsche, Adorno und Foucault behandelten Thematik bieten  – und dabei einen Kontrast zu
erklären versprechen, den Hegel selbst erst offengelegt hat: dass die psych(olog)ische Selbstrefle-
xion der modernen Gesellschaft im Gegensatz zu der in ihr programmatischen Freiheit regelmäßig
auf Formen der Verdinglichung und Naturalisierung des Geistes verfällt.
Da Hegel die gesamte Thematik nur sporadisch und kursorisch behandelt, bedarf es einer
Explikation bzw. (Re-)Konstruktion des von ihm implizit entwickelten Zusammenhangs. Insofern
dieser Themenkreis im hiesigen Rahmen nur angerissen werden kann, wird der Schwerpunkt im
Folgenden auf Hegels Ausführungen zu den Phänomenen der ‚Menschenkenntnis‘ und ‚Selbst-
erkenntnis‘ gelegt und abschließend nur kurz auf an sie anknüpfende psychologische Theorien
eingegangen.

1 Vgl. z. B. G. Eckardt, Kernprobleme in der Geschichte der Psychologie, Wiesbaden 2010, 22 ff.
2 Vgl. G. W. F. Hegel, Gesammelte Werke, Hamburg 1968 ff. [Sigle: GW m. Bandnr.], Bd. 15, Schriften und Entwürfe [=
SuE] I (1817–1825), § [s. n.], 208.
3 Ders., Werke in zwanzig Bänden, Frankfurt am Main 1986 [Sigle: TW m. Bandnr.], Bd. 10, Enzyklopädie der philoso-
phischen Wissenschaften im Grundrisse [= Enz] III, § 377 Zus., 10; Herv. von mir.
4 Vgl. H. Hagen, „Die Soziologie des seiner Objektivität nicht mächtigen Wissens: Eine kritische Skizze zur Konsti-
tution des Gegenstands der ‚Wissenssoziologie‘“, in: D. Dumbadze u. a. (Hg.), Erkenntnis und Kritik: zeitgenössische
Positionen, Bielefeld 2009, 113–139, hier: 117–125.
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 Holger Hagen, Reflexionen von Freiheit und Verdinglichung   371

1
Hegel beschreibt eine Weise, sich mit dem Geist zu befassen, die sich auf das „particuläre Indi-
viduum“ und das „Besondere der Charaktere, ihre Neigungen, Leidenschaften, Gewohnheiten,
Ansichten […] u.  s.  f.“5 richtet. Je nachdem, wie sich betrachtendes und betrachtetes Subjekt
dabei zueinander verhalten, tritt sie in zwei Formen auf: Für die „sogenannte Menschenkennt-
niß“6 ist die Individualität anderer der interessierende Gegenstand, während es der sogenannten
„Selbsterkenntniß“7 um die „eigenen Schwächen und Fehler“ – etc. – „des Individuums“8 geht.

1.1
Wenngleich es dem modernen Bewusstsein naheliegt, das delphische ‚Γνῶθι σεαυτόν‘9 im Sinne
der „Menschenkennerey“ zu interpretieren, so ist diese allerdings „dem griechischen Geiste noch
fremde und ein späteres, modernes Erzeugniß“10. Im Unterschied zu der antiken Forderung geht
es ihr nicht um ein Erkennen des Menschen, sondern lediglich eine „Kenntnis der Menschen“11 –
eben der Individuen in ihrer Besonderheit –, die „nützlich und nötig“ für „das Leben“12 sein will.
Wenn also in der Moderne ein verbreiteter Bedarf an solchen Kenntnissen entsteht, verweist dies
auf die Lebensweise moderner Gesellschaften.
In Bezug hierauf lassen sich mit Hegel zwei Rückschlusse ziehen: Vorausgesetzt ist erstens,
dass es sich im Unterschied zur Antike um Verhältnisse handelt, in denen die „Willkür der Indi-
viduen“13, d.  h. ihr Wille ungeachtet seiner Gründe gilt. Wir haben also eine Gesellschaftsform
vor uns, in der die Individuen freigesetzt sind:14 Die Einzelnen sind „Privatpersonen“15 und die
‚Menschenkenntnis‘ ist eine „praktische Psychologie für das private Leben“16. Historisch findet sie
daher mit dem „aufstrebende[n] Bürgertum“17 und der „bürgerlichen Gesellschaft“18, wie Hegel
die moderne Gesellschaftsformation nennt, Verbreitung.
In der Vorstellung von der praktischen Relevanz der geistigen Eigenschaften der je anderen
ist zweitens unterstellt, dass die Individuen „durch dieselben ihre […] Zwecke erreichen wollen“19.
Wenngleich in der modernen Gesellschaft „jeder sich Zweck“ und „alles andere […] ihm nichts“20
ist, so führen die Einzelnen ihr Leben doch zugleich in Abhängigkeit von Produkten, die an
anderer Stelle der gesellschaftlichen Arbeitsteilung zustande kommen und so das  – ebenso

5 GW 15, SuE I, § [s. n.] und Anm., 209.


6 GW 20, Enz., § 377, 379.
7 Ebd.
8 TW 10, Enz. III, § 377 Zus., 10.
9 ‚Erkenne dich selbst‘.
10 Beide: GW 15, SuE I, § [s. n.], 208.
11 Alle: ebd.
12 TW 10, Enz. III, § 377 Zus., 10.
13 Vgl. ebd.
14 Vgl. GW 14.1, Grundlinien der Philosophie des Rechts [= RPh], § 124 Anm., 110 und TW 19, 227.
15 GW 14,1, RPh, § 187, 162.
16 W. Schönpflug, Geschichte und Systematik der Psychologie, Weinheim 2004, 187.
17 Ebd.
18 GW 14.1, RPh, § 182, 160.
19 TW 10, Enz. III, § 377 Zus., 10.
20 TW 7, RPh, § 182 Zus., 339.
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372   Hegel-Jahrbuch 2018

private – „Eigentum anderer“ sind: Sie „können nur erworben werden durch Tausch“21, bei dem
es beiden Parteien auf die Vermittlung des eigenen Interesses durch die je andere Seite ankommt.
Inwiefern entspringt nun aus diesem Verhältnis eine Frage nach den Eigenschaften der
anderen Person? Da jedes Individuum die anderen, wie Hegel sagt, als „Mittel zum Zweck“22,
nämlich der je eigenen ökonomischen Aneignung behandelt, ist der Dienst an den anderen der
dafür anfallende Aufwand, den es gering zu halten gilt – et vice versa. Insofern ist auch bei einem
Vertragsabschluss nicht selbstverständlich, dass die Leistung der anderen Seite dem vertrags-
mäßigen Interesse entspricht. Das Bedürfnis, mit den anderen und ihrer Leistung ‚rechnen‘ zu
können, wirft daher die Frage auf, in ‚was für einem Geist‘ sie agieren: Will man „einen Handel
mit einem Fremden abschließen“, so „will man vor Abschluss des Handels wissen, ob man dem
Partner trauen kann“23, ob man mit ihm also „einen Vertrag abschließen dürfe“24.
Was heißt es dann, dass der „Menschenkennerei […] nur Bestimmtheiten sich anbieten“25 und
ihr in der Konsequenz „der Geist immer entschlüpft“26? Betrachtet man die aus diesem sozialen
Verkehr erwachsende Fragestellung, ‚was für jemand das ist‘, näher, so behandelt sie Verhalten
nicht als Ausfluss durchdachter oder auch sich selbst eher undurchsichtiger Entscheidungen – als
eine Frage des Denkens und Willens also –, sondern als Äußerung dessen, was und wie jemand
ist. „Stellt man z. B. fest, dass eine Person die Wahrheit sagt, obwohl ihr das Nachteile einbringt,
wird man der Person die überdauernde Eigenschaft der Aufrichtigkeit zuschreiben.“27 Diese
Betrachtung folgt dem Bedürfnis, mit dem fremden Individuum praktisch28 rechnen zu können,
indem sie seine Berechenbarkeit voraussetzt. Im Lichte dieser Prämisse wird darauf ausgegangen,
die das Individuum bestimmenden „Charaktereigenschaften […] zu erschließen“29. Aus dem prak-
tischen Interesse an Kalkulation geht somit eine (prä-)theoretische Fiktion von ‚Eigenschaften‘
im engeren Sinne hervor – die als solche wohl einem Ding, nicht aber einem geistigen und somit
willentlich agierenden Lebewesen zukommen können.30

1.2
Die „Erforschung der eigenen Schwächen und Fehler“ hat Hegel zufolge zwar an sich „Interesse“
für eine vernünftige Selbstkritik des Individuums, sie verfolgt jedoch – als der ‚Menschenkenntnis‘
analoge Denkweise – „von dem wahrhaften Inhalt des Willens absehend“31 ein weniger theoretisch
als praktisch orientiertes Anliegen. Michelet führt dazu aus, dass man „sich als Einzelnen kennen
lernen“ solle, nämlich die „besonderen Fähigkeiten und Anlagen, mit einem Worte, unsere Kräfte […],
um zu wissen, was wir leisten können, was wir angreifen sollen, und wessen wir uns zu enthalten
haben, wenn wir in der bürgerlichen Gesellschaft die uns angemessene Stelle einnehmen wollen“32.

21 Beide: GW 26.1, Vorlesungen über die Philosophie des Rechts. Nachschriften zu den Kollegien der Jahre 1817/18,
1818/19 und 1819/20, 460; Herv. von mir.
22 TW 7, RPh, § 182 Zus., 340.
23 Beide: Schönpflug, Geschichte, a. a. O., 195.
24 Ebd., 192. An dieser Stelle spielt auch der Grad an politischer und Rechtssicherheit eine Rolle: vgl. TW 10, § 377
Zus., 10.
25 TW 1, „Der Geist des Christentums und sein Schicksal“, 355.
26 Ebd.
27 Schönpflug, Geschichte, a. a. O., 195.
28 Neben „Geschäftsbeziehungen“ soll ‚Menschenkenntnis‘ z.  B. auch privaten Interessen in Bezug auf „Familie“
und „Freundschaft“ dienen (alle: ebd., 187).
29 Beide: ebd., 195.
30 Auch vorfindliche ‚Charaktereigenschaften‘ werden so also nicht empirisch erfasst, sondern verfremdet.
31 Alle: TW 10, Enz. III, § 377 Zus., 10.
32 C. L. Michelet, Anthropologie und Psychologie oder die Philosophie des subjectiven Geistes, Berlin 1840, 15.
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 Holger Hagen, Reflexionen von Freiheit und Verdinglichung   373

Die berufliche und soziale Stellung des Individuums in der modernen Gesellschaft erscheint
hier – im Prinzip – als durch seine Individualität bestimmt. Diese Vorstellung muss insofern ver-
wundern, als die ‚Menschenkenntnis‘ aus dem Bewusstsein um die Abhängigkeit der eigenen
Zwecke von anderen heraus angestrebt wurde. Handelt es sich bei der modernen Gesellschaft um
einen „Kampfplatz des individuellen Privatinteresses Aller gegen Alle“33, so muss der individuelle
Erfolg daran hängen, inwieweit die entgegenstehenden Interessen sich durchzusetzen in der Lage
sind. Und dieses „Wimmeln von Willkür erzeugt“ darüber hinaus „aus sich allgemeine Bestim-
mungen“ mit einer „Notwendigkeit […], die von selbst eintritt“34: unbeabsichtigte ökonomische
‚Sachgesetze‘, die sich  – z.  B. in der Krise  – auch gegen die Absichten der Beteiligten Geltung
verschaffen.
Andererseits verfolgte der Erwerb von „Menschenkenntniß […] den Zweck[,] andre Menschen
gebrauchen […] zu können für seine eigenen Interessen“35, auf dass man sich selbst als Subjekt
bewähre. Auf diese praktische Stellung des Individuums in der modernen Gesellschaft verweist
das Bemühen um jene ‚Selbsterkenntnis‘ zurück: Es ist nicht nur freigesetzt, sondern hat damit
auch das „Bewusstsein seiner Freiheit“36, demzufolge es sich im Prinzip als Subjekt, also als das
Bestimmende seiner Lebensumstände denkt. Hegel erinnert an das bekannte Sprichwort, wonach
„ein jeder […] seines eigenen Glückes Schmied“37 sei. Hierin kommt die Vorstellung zum Aus-
druck, dass im Prinzip das, was dem Individuum „widerfährt, nur eine Evolution seiner selbst
ist“38. Unter dieser Prämisse verweisen die Resultate seines Agierens es konsequenter Weise
nicht auf „andere Menschen, […] die Ungunst der Verhältnisse und dergleichen“39, sondern auf
es selbst zurück: Es sieht in sich selbst den Grund dessen, was es anhand seiner Bemühungen
erreicht. Fasste es in der ‚Menschenkenntnis‘ zunächst andere mit Hinblick auf die Vermittlung
der eigenen Anliegen ins Auge, so fällt sein Blick nun auf sich selbst als sein grundlegendes und
zentrales Mittel.
Die Logik dieser Reflexion der individuellen Subjektivität hat Hegel am Beispiel des Nachden-
kens über historische ‚Persönlichkeiten‘ erläutert: Die „sogenannte psychologische Betrachtung“
macht sich daran, „alle Handlungen ins Herz hinein […] zu erklären“, so „daß ihre Urheber alles
aus irgendeiner […] Leidenschaft, aus einer Sucht getan haben“40. Das fragliche Verhalten kann
also nur insofern aus dem „Herz“ hergeleitet werden, als es im ersten Schritt in es hineingelegt
wurde. Ein Beispiel dafür ist der Gedanke: „Alexander von Makedonien hat zum Teil Griechen-
land, dann Asien erobert, also ist er eroberungssüchtig gewesen.“41 Hier wird nicht aus der aus
der Handlung erschlossen, was für ein Wille sich in ihr geltend macht, sondern die ausgeführte
Tat unmittelbar in eine ihr zugrundeliegende ‚Sucht‘ verdoppelt: eine „leere Tavtologie“42. Diese
Denkungsart geht also von den Resultaten des Handelns aus und „reflectirt sie in das Innre“43 des
Individuums zurück als ihren Grund. In dieser Logik wird auch die Vermittlung der Anliegen durch
das Individuum selbst gedacht: Durchsetzung in den Kräfteverhältnissen des Schlachtfelds oder
Marktes verweist demnach z. B. auf eine individuell gedachte ‚Durchsetzungsfähigkeit‘.
Dieser Vorstellung nach ist das Individuum also sowohl nach der Seite, worum es ihm geht,
als auch nach der, was es dafür einzusetzen hat, im Wesentlichen nicht auf die soziale Objektivität,

33 GW 14.1, RPh, § 289 Anm., 458.


34 Alle: TW 7, RPh, § 189 Zus., 347.
35 GW 25.2, Vorlesungen über die Philosophie des subjektiven Geistes. Nachschriften zu dem Kolleg des Wintersemes-
ters 1827/28 und sekundäre Überlieferung, 560.
36 TW 8, Enz. I, § 147 Zus., 292; Herv. von mir.
37 Ebd.
38 Ebd.
39 Ebd.
40 Alle: TW 12, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte [= PhG], 47.
41 Ebd.
42 GW 20, Enz., § 136 Anm., 161.
43 GW 9, Phänomenologie des Geistes [= Phä], 358. Die dortige Logik gilt hier analog.
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374   Hegel-Jahrbuch 2018

sondern auf sich selbst bezogen: Das „monadologische Subjekt und dessen Psychologie“ erscheint
so „als das Wesentliche“44. Ein solcher „Psychologismus“45 lässt gesellschaftliche Angelegen-
heiten als Fragen der Individualität erscheinen.46 Werden nach Adorno so verdinglichte soziale
Zusammenhänge „vermenschlicht“47, so kann man mit Hegel festhalten, dass hiermit zugleich der
menschliche Geist seinerseits verdinglicht wird: Das Individuum erscheint in dieser Vorstellung
durch seine „Partikularitäten“48 genauso bestimmt wie schon in der ‚Menschenkenntnis‘ – als ein
Ding mit eigentümlichen psychologischen Eigenschaften.

1.3
Dass der Geist in dieser ‚Selbsterkenntnis‘ verfehlt wird, stellt sich ihm selbst allerdings nur in
Form der Notwendigkeit dar, sich ihr gemäß zu machen. Wenn es dieser Auffassung nach am Indi-
viduum selbst liegt, wie sich die Konkurrenz entscheidet, durch die es zu seiner Stellung in der
Gesellschaft kommt, dann müssen sich die Erfolgreichen bereits an sich selbst vor den anderen
auszeichnen. Der Wille zum Erfolg ergibt so die „Sucht, etwas besonderes zu seyn“49. Was dem
Menschen überhaupt zu eigen und „in der Vergleichung mit anderen nicht besonderes“50 Merkmal
ist, ist hier nicht von Interesse – eine solche ‚Selbsterkenntnis‘ „findet erst in einer Ausnahme das
Bewusstsein der Eigentümlichkeit“51.
Die Wirklichkeit der Selbstbilder dieser „einbilderischen Selbstsucht“52 muss sich dann aller-
dings auch im Verhalten zeigen. Hält sich z. B. ein „Schulmeister“ zugute, nicht so ‚eroberungs-
süchtig‘ wie die von ihm behandelten geschichtlichen ‚Persönlichkeiten‘ zu sein, so gibt er den
notwendigen „Beweis dadurch […], daß er Asien nicht erobere, den Darius, Poros nicht besiege,
sondern […] lebe, aber auch leben lasse“53. Eine derartige ‚Persönlichkeit‘ muss also gelebt
werden: doing personality sozusagen.54

2
Wird „das Studium der Psychologie empfohlen […], weil man durch diese Auskunft darüber
erhalte, welches die eigentlichen Triebfedern seien, wodurch überhaupt die Menschen zu
handeln bestimmt werden“55, so ist damit ein Übergang zur Wissenschaft gekennzeichnet, in dem
die vorwissenschaftliche Position jener modernen ‚Selbst-‘ und ‚Menschenkenntnis‘ als ungeprüfte

44 Beide: T. W. Adorno, „Zum Verhältnis von Soziologie und Psychologie“. in: ders., Soziologische Schriften I, Frank-
furt am Main 1979, 42–85, hier 54.
45 Ebd., 56.
46 Vgl. ebd.
47 Ebd.
48 GW 15, SuE I, § [s. n.] Anm., 209.
49 GW 14,1, RPh, § 150 Anm., 140.
50 Beide: ebd.
51 Ebd.
52 GW 15, SuE I, § [s. n.] Anm., 209.
53 Beide: TW 12, PhG, 48.
54 Wenn z. B. doing gender als „a complex of […] activities that cast particular pursuits as expressions of masculine
and feminine ‚natures‘“ (C. West/D. H. Zimmerman, „Doing Gender“, in: Gender and Society 1 (2) (1987), 125–151, hier
126) definiert wird, so wäre doing personality zu fassen als alle Aktivität, durch die das Tun und Lassen des Subjekts
als Ausdruck der Natur seiner ‚Persönlichkeit‘ kenntlich werden soll.
55 TW 8, Enz. I, § 140 Zus., 278.
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 Holger Hagen, Reflexionen von Freiheit und Verdinglichung   375

Voraussetzung in die Theoriebildung eingeht  – und sie daher überformt: „Die Psychologie, an
welche hier verwiesen wird“, ist, wie Hegel betont, selbst „nichts anderes als jene kleinliche Men-
schenkennerei“56.57
Der Unterschied „wissenschaftlich betriebener Menschenkenntnis“58 zu ihrem vorwissen-
schaftlichen Ausgangspunkt liegt allerdings darin, dass dieser nun eine wissenschaftliche Form
erhält: Seine Fragestellungen und Ansichten werden verallgemeinert und Theorien über den Geist
bzw. Menschen aufgestellt. Dabei nimmt eine solche Theoriebildung sowohl „den Geist über-
haupt“ als auch die Kräfte und „Vermögen, in welche sie denselben zerlegt, als gegebene aus der
Vorstellung auf“59 und bemüht sich um die „wissenschaftliche Vertiefung“ in Bezug auf diese ver-
meinten „Struktureigentümlichkeiten der […] Persönlichkeit“60. In gewissem Sinne lässt sich so
sagen, dass diese „psychologische[n] Theorien […] adäquat“ sind: insofern nämlich, als sie „die
psychologische Wirklichkeit reflektieren, die sie zu erklären beanspruchen“61.
Indem eine solche Psychologie nicht nach den Gründen, sondern den „Hintergründe[n]
unseres Handelns“62 fragt, nicht das Wissen und Wollen, sondern die dahinterliegenden Kräfte
und Vermögen erkennen will, deren „Aggregat“63 ihr der Geist zu sein scheint, fällt sie nach Hegel
auf Denkformen der von ihr überwunden geglaubten Metaphysik zurück:64 Sucht doch schon diese
den Geist als ein „hinter dem Berge der Erscheinungen“65 liegendes Ding66 zu verstehen.67
Je „abgeschiedener, fester und knöcherner“ diese Bestimmungen werden, desto „vergleich-
barer“68 erscheint der Geist mit der Natur und desto mehr damit die Psychologie als Naturwissen-
schaft. In der „Wissenschaft der Menschenkenntnis“69 selbst liegt so nach Hegel ein Grund dafür,
dass Theorien wie die damalige Phrenologie – oder auch einige heutige Positionen der Kognitiven
Neurowissenschaft – sich dem Geist konsequent naturwissenschaftlich widmen wollen: Die Prä-
misse des verdinglichten Geistes wird so immanent zu Ende gedacht.70

Dr. Holger Hagen


Hochschule Hannover
Fakultät V
Blumhardtstr. 2
30625 Hannover
holger.hagen@hs-hannover.de

56 Beide: Ebd.
57 Scheinbar eine nicht ganz randständige Theoriebildung: vgl. W. Rokita, „Menschenkenntnis“, in: Grubitzsch/G.
Rexilius (Hg.), Psychologische Grundbegriffe. Mensch und Gesellschaft in der Psychologie, Reinbek bei Hamburg 1994,
659 f., hier 659.
58 Ebd.
59 TW 10, Enz. III, § 378 Zus., 12
60 J. Rattner, Menschenkenntnis durch Charakterkunde, Augsburg 1999, 7.
61 P. L. Berger/T. Luckmann, The Social Construction of Reality, London 1967, 198; Übers. von mir.
62 M. Gessner, Menschenkenntnis, Freiburg (Breisgau) 2011, 20; Herv. von mir.
63 TW 10, Enz.III, § 378 Zus., 12.
64 Vgl. GW 20, Enz., § 378, 380.
65 TW 10, Enz.III, § 378 Zus., 12; Herv. von mir.
66 Vgl. GW 20, Enz., § 34, 73.
67 Siehe hierzu auch H. Hagen, Körper, Selbst, Identität: Die verdinglichende Selbstreflexion des modernen Subjekts
von Descartes bis zur Kognitiven Neurowissenschaft, Würzburg 2015.
68 Beide: GW 9, Phä, 185.
69 GW 9, Phä, 177.
70 Zum Anschluss der Neurowissenschaft an die Phrenologie siehe Hagen, Körper, a. a. O., 39–44.; zu ihrer Prämisse
aus der Philosophie des Geistes siehe ebd., 74–77.
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