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Arbeitswissenschaft

Christopher Schlick • Ralph Bruder


Holger Luczak

Arbeitswissenschaft
Unter Mitarbeit von
Marcel Mayer und Klaus Fuchs

Mit Beiträgen von

Bettina Abendroth, Verena Bopp, Marianela Diaz Meyer,


Muriel Didier, Sönke Duckwitz, Yvonne Ferreira, Martin Frenz,
Thomas Gärtner, Morten Grandt, Katharina Hasenau, Simon
Heinen, Rolf Helbig, Sven Hinrichsen, Tim Jeske, Nicole Jochems,
Michaela Kauer, Bernhard Kausch, Kathrin Krause, Susanne
Mütze-Niewöhner, Jan Neuhöfer, Alexander Nielen, Barbara
Odenthal, Meikel Peters, Hermann Rabenstein, Holger Rademacher,
Sinja Röbig, Dirk Rösler, Karlheinz Schaub, Ludger Schmidt,
Michael Schreiber, Sabine Schreiber, Andrea Sinn-Behrendt,
Christoph Spelten, Sven Tackenberg, Sebastian Vetter, Jurij Wakula,
Margeritta von Wilamowitz-Moellendorff, Janet Wilkes, Gabriele
Winter, Lars Woyna

3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage

13
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt.-Ing Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt.-Ing.
Christopher Schlick Holger Luczak
Institut für Arbeitswissenschaft Institut für Arbeitswissenschaft
der RWTH Aachen der RWTH Aachen
Bergdriesch 27 Bergdriesch 27
52062 Aachen 52062 Aachen
Deutschland Deutschland
c.schlick@iaw.rwth-aachen.de h.luczak@iaw.rwth-aachen.de

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Ralph Bruder


Institut für Arbeitswissenschaft
der TU Darmstadt
Petersenstraße 30
64287 Darmstadt
Deutschland
bruder@iad.tu-darmstadt.de

ISBN 978-3-540-78332-9 e-ISBN 978-3-540-78333-6


DOI 10.1007/978-3-540-78333-6
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Vorwort zur dritten Auflage

Das nunmehr in der dritten Auflage vorliegende Lehrbuch der Arbeitswissenschaft


wurde ursprünglich als Vorlesungsumdruck für Studierende des Maschinenbaus
sowie des Wirtschaftsingenieurwesens konzipiert und hat sich seit dem ersten
Erscheinen im Jahr 1992 für die Lehre an technischen Universitäten bewährt. Die
akkumulierten Erkenntnisse und Erfahrungen aus der universitären Lehre und
Forschung waren die Grundlage für die Erstellung der dritten Auflage und reflek-
tieren neben dem ausgeprägten Erkenntnisinteresse eine besondere „Kundenorien-
tierung“ der Disziplin. Erfreulicherweise haben bereits die erste und zweite Aufla-
ge weit über den zunächst angesprochenen Leserkreis Verbreitung gefunden, und
die Autoren hoffen mit der dritten Auflage diesen Trend fortschreiben zu können.
So stoßen die arbeitswissenschaftlichen Lehrinhalte beispielsweise bei Studieren-
den der Betriebswirtschaftslehre, Psychologie und Informatik auf großes Interesse.
Als angewandte Disziplin, die zunächst in den Ingenieurwissenschaften entstand,
jedoch weitergehende wissenschaftliche Erkenntnisse aus den Natur-, Wirtschafts-
und Sozialwissenschaften im Hinblick auf das gemeinsame Erkenntnisobjekt
menschlicher Arbeit verknüpft, besitzt die Arbeitswissenschaft in der akademi-
schen Ausbildung eine wichtige integrierende Funktion. Sie kann zum Überwin-
den der oft kritisierten „Versäulung“ im Wissenschaftssystem beitragen und ver-
bindet traditionell eine fachliche Qualifizierung der Studierenden mit überfachli-
chen Themen, die für eine spätere berufliche Tätigkeit in multi- und interdiszipli-
nären Teams besonders wichtig erscheinen. Darüber hinaus hat die Vergangenheit
gezeigt, dass die fachsystematische Darstellung und didaktische Aufbereitung
arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse in Form eines Lehrbuches auch für betrieb-
liche Praktiker interessant und nützlich ist. Für diesen Personenkreis dient das
Buch vor allem als Wissensspeicher und Nachschlagewerk, mit dem man seine
Kenntnisse nach Bedarf vertiefen und auf den neusten Stand bringen kann. Diese
Anspruchsgruppe ist bei der Erstellung der dritten Auflage durch die ausführliche
Darstellung neuer Modelle, Methoden und Verfahren zur Analyse und Gestaltung
menschlicher Arbeit sowie die erweiterte Darlegung gesicherter Erkenntnisse, die
u.a. in Normen und Standards Eingang gefunden haben, ebenso deutlich berück-
sichtigt worden.
Waren die erste und zweite Auflage noch von einem konzeptionellen, inhaltli-
chen und didaktischen „Alleinanstieg“ von Professor Holger Luczak zu einem –
nach Aussage seiner Kollegen – qualitativen „Gipfel“ arbeitswissenschaftlicher
Lehre geprägt, so hat sich bei der Erstellung der dritten Auflage der Kreis der
VI Arbeitswissenschaft

„Gipfelstürmer“ um zwei jüngere Wissenschaftler und Hochschullehrer zu einem


Autorenteam erweitert. Dieses Team hofft, mit dem vorliegenden Werk an die
Maßstäbe der Vergangenheit nahtlos anknüpfen zu können und vor allem den
Studierenden eine gute Grundlage für das Lernen zur Verfügung stellen zu kön-
nen. Es ist insbesondere für den Nachfolger im Amt von Professor Luczak und
Leiter des Instituts für Arbeitswissenschaft der RWTH Aachen eine besondere
Ehre an die erste Stelle der Autorenliste gerückt zu sein und darüber hinaus eine
besondere Freude mit dem Leiter des Instituts für Arbeitswissenschaft der Techni-
schen Universität Darmstadt einen so ausgewiesenen Mitautor und Kooperations-
partner gefunden zu haben. Durch die enge Einbindung des Professor Emeritus in
das Autorenteam kann der Leser von einem reichen Erfahrungsschatz in arbeits-
wissenschaftlicher Lehre und Forschung profitieren, der in über 30 Jahren gewon-
nen wurde und schon die vorherigen Auflagen geprägt hat. Hierbei kann nicht
unerwähnt bleiben, dass Professor Holger Luczak sowohl sein Dissertations- als
auch Habilitationsverfahren unter der fachlichen Aufsicht von Professor Walter
Rohmert an der Technischen Universität Darmstadt durchgeführt hat, der das
dortige Instituts für Arbeitswissenschaft über 30 Jahre lang geleitet hat und dessen
„Denkschule“ in gewisser Weise bereits die Konturen der beiden ersten Auflagen
bildete. Diese Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen Denkschule ermöglichte Pro-
fessor Ralph Bruder das gemeinsame Buchprojekt als Hauptautor mitzugestalten.
Durch die Bündelung der Kompetenzen und Ressourcen von zwei weltweit an-
erkannten und im dargestellten Sinn konzeptionell verbundenen Forschungsinsti-
tuten konnte die Planung und Erstellung der dritten Auflage zügig durchgeführt
werden. Dieser Prozess hat die involvierten Wissenschaftlerinnen und Wissen-
schaftler ohne Zweifel zu höheren Wissenszuständen geführt, die in den verfassten
Kapiteln sichtbar ihren Niederschlag gefunden haben und von denen hoffentlich
auch die Leser direkt profitieren können. Besonders hervorzuheben ist die
pluridisziplinäre Herkunft der Beteiligten, die nicht nur die klassischen Natur- und
Ingenieurwissenschaften einschließt, sondern sich auch auf die Wirtschafts- und
Sozialwissenschaften erstreckt. Dieses in der Wissenschaft nicht häufig anzutref-
fende Kooperationsmodell hat sich aus Sicht der beteiligten Partner bewährt und
soll für die Erstellung zukünftiger Auflagen ggfs. fortgeführt werden.
Die in den letzten Jahren erzielten Fortschritte in Forschung und Technik haben
zu einem starken Wachstum des verfügbaren Wissens geführt, mit dem die Ar-
beitswissenschaft wie auch andere Disziplinen zu kämpfen hat. Einzelne Themen,
wie z.B. die Betriebs- und Arbeitsorganisation sowie die Gruppen- und Teamar-
beit, können daher nur so behandelt werden, dass die wesentlichen Grundlagen
sowie ausgewählte Anwendungsfelder vermittelt werden. Trotz dieser notwendi-
gen Beschränkung auf das fachlich und methodisch Wesentliche hat das Lehrbuch
mit beinahe 1200 Seiten einen Umfang erreicht, der gegenüber der zweiten Aufla-
ge um ca. 50% angewachsen ist und wohl als obere Schranke für Lehrbücher
gelten muss. Dieses Volumenwachstum ist allerdings zu erheblichen Teilen der
neuen Formatvorlage geschuldet, die für Lehrbücher in der vorliegenden Verlags-
reihe bindend ist sowie der ausführlicheren Erläuterung der Konzepte, Methoden
Vorwort VII

und Standards durch Abbildungen und Tabellen, die vielfach von den Studieren-
den gewünscht wurde. Aufgrund des großen Buchumfangs hat sich die Marktein-
führung leider um ein Jahr verspätet. Hierfür wird in mehrfacher Hinsicht um
Nachsicht gebeten.
Nunmehr liegt jedoch mit der dritten Auflage ein komplett überarbeitetes Werk
vor, das sich an den bereits für die erste und zweite Auflage geltenden Leitlinien
orientiert und somit eine konzeptionelle Kontinuität gewährleistet:
x Zentrale Gegenstände arbeitswissenschaftlicher Forschung und Lehre sind
Arbeitspersonen, Arbeitsformen und die Arbeitsumgebung, die für eine fach-
systematische Wissensaufbereitung in den technischen, organisatorischen
und humanwissenschaftlichen Kontext des Arbeitssystems gestellt werden.
x Die Arbeitswissenschaft hat eine integrative Funktion hinsichtlich natur- und
ingenieurwissenschaftlicher Erkenntnisse einerseits sowie sozialwissen-
schaftlicher Erkenntnisse andererseits, wobei die Wissenserzeugung, Stoffse-
lektion und -aufbereitung stets auf den arbeitenden Menschen zentriert ist.
x Die Arbeitswissenschaft bedient sich teilweise eklektisch der Modelle und
Methoden anderer, in der Regel stärker grundlagenbezogener Disziplinen
und leistet originäre Beiträge zum wissenschaftlichen und technischen Fort-
schritt durch Ordnungs- und Überbaumodelle von Erkenntnissen sowie die
Verknüpfung von Arbeitsanalyse und -gestaltung auf der Grundlage von wis-
senschaftlich objektiven, validen und reliablen Gestaltungsvorschlägen bzw.
-regeln.
Über die oben genannten zentralen Gegenstände arbeitswissenschaftlicher For-
schung und Lehre hinaus wurden wesentliche Erweiterungen und Ergänzungen
der Kapitelstruktur vorgenommen. Aufgrund des in den letzten Jahren stark ge-
stiegenen Stellenwerts organisatorischer Konzepte, Maßnahmen und Inter-
ventionen wurden eigenständige Kapitel zur Betriebs- und Arbeitsorganisation
sowie der damit eng verbundenen Gruppen- und Teamarbeit verfasst. Sie sollen
auf vielfachen Wunsch der Studierenden dem Leser einen kurzen, aber prägnanten
Überblick vermitteln und einen leichten Einstieg in die zitierte Spezialliteratur
ermöglichen. Weiterhin werden querschnittliche Themengebiete zur Arbeitswirt-
schaft sowie zur Arbeitszeit nach den für das Verständnis wichtigen organisatori-
schen Grundlagen behandelt. Wie bereits in den vorherigen Auflagen ist der
Arbeitsschutz Gegenstand eines eigenen Kapitels und wurde aufgrund der beson-
deren praktischen Bedeutung um Konzepte zur betrieblichen Gesundheits-
förderung ergänzt. Schließlich wurde die in Forschung und Lehre an technischen
Universitäten prioritäre Ergonomie strukturell wesentlich aufgewertet und bildet
nunmehr ein eigenständiges abschließendes Buchkapitel. Gegenüber den vorheri-
gen Auflagen wurden die energetischen, informatorischen und anthropometrischen
Gestaltungsprinzipien der Ergonomie wesentlich erweitert sowie um eigenständi-
ge Abschnitte für die ergonomische Produkt- und Produktionsgestaltung ergänzt.
Die sich auf sämtliche Kapitel erstreckende Aktualisierung und Überarbeitung
des Stoffes wurde in erheblichem Maße von den wissenschaftlichen Mitarbeitern
VIII Arbeitswissenschaft

und Führungskräften der beteiligten Hochschulinstitute geleistet. Zum Teil


mussten Kapitel auch grundlegend verändert werden. Die Beiträge dieser Perso-
nen waren so essentiell, dass sie durch namentliche Nennung im Koautorenkreis
entsprechend gewürdigt werden. Besonderen Dank für das Tragen der Hauptlasten
bei der organisatorischen und redaktionellen Bearbeitung der dritten Auflage
schulden wir den Herren Dipl.-Ing. M. Mayer sowie Dipl.-Ing. K. Fuchs, die
in unermüdlicher Detailarbeit die Erstellung der Manuskripte koordiniert sowie
die Drucklegung vorbereitet haben. Wenn der ehemalige Haupt-Autor sich auf die
dritte Stelle im professoralen Autorenteam zurücknimmt, so ist Verständnis für die
Entscheidung erbeten, dass die ehemaligen Mitarbeiter und Beitragsberechtigten
der ersten und zweiten Auflage zugunsten der aktuellen Crew für die Überarbei-
tung nach über ein bis zwei Dekaden einer heute schon teilweise obsoleten Wis-
senssammlung und Formulierungsarbeit auf ihr Recht der Nennung im neuen
Autorenkreis der – wie vorgelegt – massiv veränderten dritten Auflage verzichten
sollen. Wir danken ihnen an dieser Stelle ausdrücklich für die Formulierungen und
Darstellungen, die als Ausgangspunkt für die Aktualisierung gedient haben. Die-
ser Dank richtet sich auch an Herrn Professor Dr.-Ing. J. Springer, der durch sein
starkes Engagement die beiden ersten Auflagen begleitet hat.
Schließlich sei Herrn Dipl.-Ing. T. Lehnert vom Springer Verlag noch sehr
herzlich für die menschlich äußerst angenehme Zusammenarbeit gedankt, die
schon die ersten beiden Auflagen zum Erfolg geführt hat.
Wir hoffen auf eine positive Rezeption des Werkes in der wissenschaftlichen
Fachwelt, der Studierendenwelt und der Welt praktischer Arbeitsgestaltung in
industrieller Güterproduktion sowie Dienstleistungswirtschaft.

Aachen und Darmstadt, im Dezember 2009


Christopher Schlick
Ralph Bruder
Holger Luczak

In der vorliegenden dritten Auflage ist es den Herausgebern (noch) nicht gelun-
gen, die Geschlechtsneutralität des Textes durchgängig zu gewährleisten. In
zukünftigen Revisionen soll dieser anspruchsvollen Aufgabe besondere Aufmerk-
samkeit gewidmet werden. Es muss deshalb an dieser Stelle bei dem Hinweis
bleiben, dass Begriffe, die in der rein maskulinen Form verwendet werden (z.B.
„Benutzer“) die weibliche Form einschließen. Dies gilt zumindest für Text-
passagen, die nicht auf fremde Publikationen referenzieren.
Inhaltsverzeichnis

1 Einführung ...................................................................................................... 1
1.1 Begriffliche Klärungen .............................................................................. 1
1.1.1 Zum Begriff „Arbeit“ .......................................................................... 1
1.1.2 Zwei Aspekte von Arbeit ..................................................................... 2
1.1.3 Arbeit als Einsatz menschlicher Ressourcen ....................................... 3
1.1.4 Arbeit als Herstellung von Produkten und Dienstleistungen ............... 6
1.2 Gegenstand von Arbeitswissenschaft ........................................................ 7
1.2.1 Definitionen ......................................................................................... 7
1.2.2 Theorie-Praxis-Verhältnis.................................................................. 10
1.3 Arbeitsbegriffe, Menschenbilder und das Theorie-Praxis-Verhältnis
arbeitsbezogener Wissenschaften ............................................................ 13
1.3.1 Wirtschaftswissenschaften ................................................................. 14
1.3.2 Soziologie .......................................................................................... 16
1.3.3 Pädagogik .......................................................................................... 18
1.3.4 Rechtswissenschaft ............................................................................ 20
1.3.5 Arbeits- und Organisationspsychologie ............................................. 21
1.3.6 Arbeitsmedizin ................................................................................... 22
1.3.7 Ingenieurwissenschaften .................................................................... 23
1.3.8 Schlussfolgerungen für eine pluri- und interdisziplinäre
Arbeitswissenschaft ........................................................................... 26
1.4 Ordnungszusammenhänge arbeitsbezogener Erkenntnisse und
Gestaltungsansätze .................................................................................. 27
1.4.1 Fundament- und Überbaumodelle...................................................... 27
1.4.2 Hierarchiemodelle.............................................................................. 27
1.4.3 Ebenen- und Segmentmodelle ........................................................... 28
1.4.4 Betrachtungsebenen von Arbeitsprozessen ........................................ 30
1.5 Aufgaben der Arbeitswissenschaft .......................................................... 32
1.5.1 Analysieren ........................................................................................ 34
1.5.1.1 Systemische Analyseansätze ........................................................ 34
1.5.1.2 Belastungs-Beanspruchungs-Konzept .......................................... 38
1.5.1.3 Handlungsregulationstheorie........................................................ 43
1.5.1.4 Generelle Methoden und Techniken zur empirischen Analyse .... 51
1.5.1.4.1 Beobachtung ........................................................................... 51
1.5.1.4.2 Befragung ............................................................................... 53
1.5.1.4.3 Physiologische Messtechnik ................................................... 55
1.5.1.4.4 Physikalische und chemische Messverfahren ......................... 56
X Arbeitswissenschaft

1.5.1.5 Spezifische Verfahren und Werkzeuge für die Arbeitsanalyse .... 56


1.5.2 Bewerten und Ordnen ........................................................................ 63
1.5.2.1 Ebenenschema nach Rohmert und Kirchner ................................ 63
1.5.2.2 Ebenenschema nach Hacker ......................................................... 65
1.5.2.3 Kriterien in Anlehnung an die Betrachtungsebenen von
Arbeitsprozessen .......................................................................... 66
1.5.2.4 Bewertungs- und Beurteilungsprinzipien ..................................... 68
1.5.3 Gestalten ............................................................................................ 69
1.5.3.1 Gestaltungsprinzipien ................................................................... 69
1.5.3.2 Gestaltungsstrategien ................................................................... 71
1.5.3.3 Einbindung arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse in die
Produktentwicklung ..................................................................... 72
1.5.3.4 Arbeitsgestaltung und Produktgestaltung ..................................... 74
1.6 Literatur ................................................................................................... 76

2 Arbeitsperson ................................................................................................ 87
2.1 Konstitution ............................................................................................. 89
2.1.1 Geschlecht ......................................................................................... 89
2.1.1.1 Definition ..................................................................................... 89
2.1.1.2 Rechtliche Grundlagen ................................................................. 90
2.1.1.3 Biologische Aspekte..................................................................... 91
2.1.1.4 Gender Mainstreaming ................................................................. 95
2.1.1.5 Arbeitsmarkt................................................................................. 96
2.1.1.6 Arbeitssituation .......................................................................... 102
2.1.2 Nationalität und ethnische Herkunft ................................................ 108
2.1.2.1 Definition und Relevanz ............................................................ 108
2.1.2.2 Rechtliche Grundlagen ............................................................... 109
2.1.2.3 Interkulturelle Zusammenarbeit ................................................. 110
2.2 Disposition ............................................................................................ 112
2.2.1 Persönlichkeit .................................................................................. 112
2.2.1.1 Definition und Relevanz ............................................................ 112
2.2.1.2 Messung der Persönlichkeit ....................................................... 113
2.2.1.3 Persönlichkeitsentfaltung ........................................................... 114
2.2.2 Alter ................................................................................................. 116
2.2.2.1 Demographische Entwicklung ................................................... 116
2.2.2.2 Jugendliche................................................................................. 118
2.2.2.3 Ältere Arbeitspersonen............................................................... 120
2.2.2.3.1 Leistungsfähigkeit ................................................................ 122
2.2.2.3.2 Leistungsbereitschaft ............................................................ 131
2.2.2.3.3 Produktivität ......................................................................... 132
2.2.2.3.4 Gestaltungs- und Interventionsstrategien ............................. 133
2.2.3 Intelligenz ........................................................................................ 134
2.2.3.1 Definition und Relevanz ............................................................ 134
2.2.3.2 Intelligenzmessung..................................................................... 135
Inhaltsverzeichnis XI

2.2.3.3 Intelligenzmodelle ...................................................................... 138


2.2.3.3.1 Globale Intelligenzdefinitionen ............................................ 138
2.2.3.3.2 Operationale Intelligenzdefinitionen .................................... 140
2.2.3.3.3 Multifaktorenmodelle ........................................................... 141
2.2.3.3.4 Hierarchische Intelligenzmodelle ......................................... 142
2.2.3.3.5 Fluide und kristalline Intelligenz .......................................... 143
2.2.3.4 Intelligenz - ererbt oder erworben? ............................................ 144
2.2.4 Gesundheit ....................................................................................... 146
2.2.4.1 Definition und Relevanz ............................................................ 146
2.2.4.2 Rechtliche Grundlagen ............................................................... 149
2.2.4.3 Arten von Behinderungen .......................................................... 151
2.2.4.3.1 Körperliche Behinderung ..................................................... 153
2.2.4.3.2 Psychische (seelische) Behinderung ..................................... 153
2.2.4.3.3 Geistige Behinderung ........................................................... 155
2.2.4.4 Berufliche Rehabilitation ........................................................... 156
2.2.4.4.1 Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation ......................... 156
2.2.4.4.2 Bedeutung von Arbeit für Menschen mit Behinderung ........ 160
2.2.4.5 Beschäftigungssituation von Menschen mit Behinderung ......... 160
2.2.5 Biorhythmus .................................................................................... 167
2.2.5.1 Definition und Relevanz ............................................................ 167
2.2.5.2 Periodische Wechsel .................................................................. 167
2.2.5.3 Biorhythmik in der Praxis .......................................................... 170
2.3 Qualifikation und Kompetenz ............................................................... 170
2.3.1 Qualifikation .................................................................................... 172
2.3.1.1 Qualifikationsdimensionen und Niveaustufen ........................... 172
2.3.1.2 Qualifikationen als Lernresultate ............................................... 175
2.3.1.3 Qualifizierungsmaßnahmen ....................................................... 176
2.3.2 Kompetenz ....................................................................................... 178
2.3.2.1 Kompetenzdimensionen ............................................................. 179
2.3.2.2 Kompetenzniveaus ..................................................................... 180
2.3.2.3 Kompetenzmessung und -entwicklung ...................................... 181
2.4 Anpassungsmerkmale ............................................................................ 182
2.4.1 Arbeitsmotivation ............................................................................ 183
2.4.1.1 Definition und Relevanz ............................................................ 183
2.4.1.2 Theorien der Arbeitsmotivation ................................................. 184
2.4.2 Arbeitszufriedenheit ........................................................................ 188
2.4.2.1 Definition und Relevanz ............................................................ 188
2.4.2.2 Messung und Beurteilung .......................................................... 190
2.4.2.3 Arbeitsmotivation und Arbeitszufriedenheit in der Praxis ......... 193
2.4.3 Ermüdung ........................................................................................ 194
2.4.3.1 Formen der Ermüdung ............................................................... 196
2.4.3.2 Ermüdungsverlauf ...................................................................... 197
2.4.3.3 Messung von Ermüdung ............................................................ 199
2.4.3.4 Bemessung von Belastung und Erholung ................................... 201
XII Arbeitswissenschaft

2.4.3.5 Schädigungen ............................................................................. 207


2.5 Literatur ................................................................................................. 208

3 Arbeitsformen ............................................................................................. 223


3.1 Begriffliche Grundlagen ........................................................................ 223
3.2 Energetisch-effektorisch ........................................................................ 228
3.2.1 Menschliche Kraft- und Energieerzeugung ..................................... 228
3.2.2 Biomechanische Aspekte energetisch-effektorischer Arbeit ........... 229
3.2.3 Arbeitsformen und Beanspruchungsfaktoren................................... 230
3.2.4 Muskelsystem .................................................................................. 233
3.2.4.1 Muskelanatomie ......................................................................... 233
3.2.4.2 Muskelerregung ......................................................................... 235
3.2.4.3 Muskelenergetik ......................................................................... 235
3.2.5 Eigenschaften der Krafterzeugung ................................................... 237
3.2.5.1 Muskuläre Arbeitsformen .......................................................... 237
3.2.5.2 Umsetzung der Muskelkraft ....................................................... 240
3.2.6 Maximale und zulässige Körperkräfte ............................................. 242
3.2.7 Methoden zur Ermittlung maximaler isometrischer Muskelkräfte .. 248
3.2.8 Analyse von Aktionskräften ............................................................ 251
3.2.9 Analyse und Bewertung muskulärer Arbeitsformen ........................ 255
3.2.9.1 Analyse der Bewegungen ........................................................... 255
3.2.9.2 Analyse der Muskelaktivität und Muskelermüdung................... 259
3.2.10 Energetik des menschlichen Körpers ............................................... 266
3.2.10.1 Stoffwechsel und Energiegewinnung ......................................... 266
3.2.10.2 Energieumsatz und Wirkungsgrad ............................................. 269
3.2.10.2.1 Bestimmung des Energieumsatzes ....................................... 269
3.2.10.2.2 Maximaler Energieumsatz .................................................... 273
3.2.10.2.3 Wirkungsgrad menschlicher Arbeit ...................................... 275
3.2.10.3 Kreislaufregulation..................................................................... 276
3.2.11 Skelettsystem ................................................................................... 281
3.2.12 Beurteilung der Belastung ............................................................... 283
3.3 Informatorisch-mental ........................................................................... 286
3.3.1 Modelle menschlicher Informationsverarbeitung ............................ 286
3.3.1.1 Phänomenologisch-empirische Modelle .................................... 287
3.3.1.1.1 Sequentielle Modelle ............................................................ 287
3.3.1.1.1.1 Subtraktionsmethode ...................................................... 288
3.3.1.1.1.2 Kaskadenmodelle ............................................................ 289
3.3.1.1.1.3 Regulationsebenenmodelle ............................................. 289
3.3.1.1.2 Kapazitätsmodelle ................................................................ 291
3.3.1.1.2.1 Aktivierungstheoretische Konzepte ................................ 291
3.3.1.1.2.2 Aufmerksamkeitstheoretische Konzepte......................... 294
3.3.1.1.2.3 Multiple Ressourcenmodelle .......................................... 298
3.3.1.2 Mathematisch-funktionale Modelle ........................................... 300
3.3.1.2.1 Signalentdeckungstheorie ..................................................... 300
Inhaltsverzeichnis XIII

3.3.1.2.1.1 Antworteigenschaften ..................................................... 302


3.3.1.2.1.2 Empfindlichkeit .............................................................. 303
3.3.1.2.2 Informationstheorie .............................................................. 305
3.3.1.2.2.1 Definition und Maßeinheit der Information .................... 305
3.3.1.2.2.2 Informationstheoretische Analyse und Modellierung ..... 306
3.3.1.2.3 Regelungstechnische Modelle .............................................. 308
3.3.1.2.3.1 Mensch als Regler ........................................................... 308
3.3.1.2.3.2 Modellierung des Regelungsverhaltens .......................... 310
3.3.2 Phasen der menschlichen Informationsverarbeitung ....................... 313
3.3.2.1 Entdecken (frühe Prozesse) ........................................................ 313
3.3.2.1.1 Übergeordnete Gesetzmäßigkeiten ....................................... 313
3.3.2.1.2 Sinnesorgane des Menschen ................................................. 317
3.3.2.1.2.1 Visuelles Wahrnehmungssystem .................................... 317
3.3.2.1.2.2 Auditives Wahrnehmungssystem.................................... 338
3.3.2.1.2.3 Wahrnehmung von Beschleunigung und Lage ............... 345
3.3.2.1.2.4 Oberflächen- und Tiefensinn .......................................... 346
3.3.2.1.2.5 Geschmacks- und Geruchssinn ....................................... 351
3.3.2.1.3 Gestaltprinzipien der Wahrnehmung .................................... 354
3.3.2.1.4 Vigilanz ................................................................................ 356
3.3.2.2 Erkennen, Entscheiden und Gedächtnis (zentrale Prozesse) ...... 360
3.3.2.2.1 Daten- und konzeptgesteuertes Erkennen ............................. 361
3.3.2.2.2 Hypothesenbildung und Handlungsauswahl......................... 362
3.3.2.2.2.1 Normative Modelle ......................................................... 362
3.3.2.2.2.2 Deskriptive Modelle ....................................................... 364
3.3.2.2.2.3 Subjektive Wahrscheinlichkeit ....................................... 365
3.3.2.2.3 Gedächtnis ............................................................................ 366
3.3.2.2.3.1 Struktur des Gedächtnisses ............................................. 366
3.3.2.2.3.2 Hinweise für die Gestaltung............................................ 372
3.3.2.2.4 Mentale Modelle und Situationsbewusstsein........................ 375
3.3.2.2.5 Externalisierte Repräsentationen zentraler Prozesse ............ 376
3.3.2.2.5.1 Abstraktionshierarchien .................................................. 377
3.3.2.2.5.2 Kognitive Architekturen ................................................. 378
3.3.2.2.6 Über- und Unterforderung beim Erkennen und Entscheiden 379
3.3.2.3 Informationsabgabe (späte Prozesse) ......................................... 381
3.3.2.3.1 Organisation und Regelung von Bewegungen...................... 381
3.3.2.3.1.1 Motorisches System ........................................................ 381
3.3.2.3.1.2 Regelung der Bewegungen ............................................. 384
3.3.2.3.1.3 Lernen und Üben von Bewegungen ................................ 386
3.3.2.3.2 Analyse des motorischen Verhaltens .................................... 388
3.3.2.3.2.1 Reaktions- und Bewegungszeiten ................................... 388
3.3.2.3.2.2 Grenzen der menschlichen Leistungsfähigkeit ............... 389
3.3.2.3.3 Sprache ................................................................................. 390
3.3.2.3.4 Weitere Formen der Informationsabgabe ............................. 392
3.3.3 Bewertung der menschlichen Informationsverarbeitung ................. 392
XIV Arbeitswissenschaft

3.3.3.1 Konzeptionelle Grundlagen........................................................ 392


3.3.3.2 Modelle und Methoden der Beanspruchungsskalierung ............ 394
3.3.3.2.1 Psychophysiologische Beanspruchungsmessung ................. 396
3.3.3.2.1.1 Herz-Kreislaufsystem ..................................................... 398
3.3.3.2.1.2 Gehirnaktivität ................................................................ 402
3.3.3.2.1.3 Bewegungsapparat .......................................................... 404
3.3.3.2.1.4 Sehapparat....................................................................... 404
3.3.3.2.1.5 Elektrodermale Aktivität ................................................. 408
3.3.3.2.1.6 Endokriner Apparat......................................................... 409
3.3.3.2.2 Leistungsmaße ...................................................................... 409
3.3.3.2.2.1 Speed Accuracy Trade-Off ............................................. 411
3.3.3.2.2.2 Expertenbeurteilung ........................................................ 411
3.3.3.2.3 Zweifachaufgaben/Nebenaufgaben ...................................... 412
3.3.3.2.4 Subjektive Methoden ............................................................ 414
3.3.3.2.4.1 Erhebungsverfahren für spezielle Anwendungsfälle....... 414
3.3.3.2.4.2 Erhebungsverfahren für allgemeine Anwendungsfälle ... 415
3.4 Literatur ................................................................................................. 417

4 Betriebs- und Arbeitsorganisation............................................................... 433


4.1 Begriffliche Grundlagen ........................................................................ 433
4.1.1 Organisation..................................................................................... 433
4.1.1.1 Funktionaler Organisationsbegriff ............................................. 434
4.1.1.2 Konfigurativer Organisationsbegriff .......................................... 434
4.1.1.3 Institutioneller Organisationsbegriff .......................................... 435
4.1.2 Betriebs- und Arbeitsorganisation ................................................... 435
4.2 Aufbauorganisation ............................................................................... 436
4.2.1 Definitionen, Elemente und Beziehungen ....................................... 436
4.2.2 Aufgabenanalyse und -synthese....................................................... 437
4.2.3 Strukturdimensionen ........................................................................ 438
4.2.3.1 Spezialisierung ........................................................................... 438
4.2.3.2 Standardisierung......................................................................... 440
4.2.3.3 Formalisierung ........................................................................... 440
4.2.3.4 Konfiguration ............................................................................. 441
4.2.3.5 Delegation .................................................................................. 442
4.2.4 Formen der Aufbauorganisation ...................................................... 443
4.2.4.1 Einlinienorganisation ................................................................. 444
4.2.4.2 Mehrlinienorganisation .............................................................. 445
4.2.4.3 Stab-Linien-Organisation ........................................................... 446
4.2.4.4 Matrixorganisation ..................................................................... 446
4.2.4.5 Prozessorganisation .................................................................... 447
4.2.4.6 Produkt-/Marktorientierte Organisation ..................................... 449
4.2.4.7 Vor- und Nachteile von Aufbauorganisationsformen ................ 451
4.2.5 Projektorganisation .......................................................................... 452
4.3 Ablauforganisation ................................................................................ 455
Inhaltsverzeichnis XV

4.3.1 Definitionen, Elemente und Beziehungen ....................................... 455


4.3.2 Ziele und Einflussfaktoren ............................................................... 456
4.3.3 Analyse und Modellierung der Ablauforganisation ......................... 457
4.3.3.1 Einordnung in das Sieben-Ebenen-Modell................................. 457
4.3.3.2 Methoden zur Modellierung der Ablauforganisation ................. 460
4.3.3.3 Flussprinzipien für die Ablaufmodellierung .............................. 463
4.3.3.4 Beispielhafte Modellierung eines Arbeitsprozesses ................... 463
4.3.4 Prozessoptimierung.......................................................................... 466
4.3.4.1 Business Process Reengineering ................................................ 466
4.3.4.2 Kontinuierlicher Verbesserungsprozess ..................................... 466
4.3.4.3 Heuristische Prozessoptimierung ............................................... 467
4.3.4.4 Simulationsgestützte Prozessoptimierung .................................. 472
4.4 Organisation der Produktion.................................................................. 476
4.4.1 Ablaufprinzipien in der Produktion ................................................. 476
4.4.1.1 Werkstättenfertigung .................................................................. 476
4.4.1.2 Reihenfertigung .......................................................................... 477
4.4.1.3 Fließfertigung ............................................................................. 478
4.4.1.4 Inselfertigung ............................................................................. 479
4.4.1.5 One-Piece-Flow ......................................................................... 481
4.4.2 Toyota Produktionssystem ............................................................... 482
4.5 Organisation der Produkt- und Prozessentwicklung.............................. 485
4.6 Organisation im Dienstleistungs- und Servicebereich ........................... 488
4.7 Literatur ................................................................................................. 489

5 Gruppen- und Teamarbeit ........................................................................... 495


5.1 Begriffliche Grundlagen ........................................................................ 495
5.1.1 Merkmale von Gruppenarbeit .......................................................... 495
5.1.2 Gruppenarbeit im Betriebsverfassungsgesetz .................................. 497
5.1.3 Gruppenarbeit als Arbeitsorganisationsform ................................... 498
5.2 Zur Verbreitung von Gruppenarbeit ...................................................... 499
5.3 Formen von Gruppenarbeit.................................................................... 501
5.4 Grundlagen der Arbeitsgestaltung für Gruppenarbeit ........................... 505
5.4.1 Klassische Konzepte der Arbeitsstrukturierung ............................... 506
5.4.2 Anforderungen an die Gestaltung .................................................... 508
5.4.2.1 Vollständigkeit ........................................................................... 508
5.4.2.2 Tätigkeitsspielraum und Autonomie .......................................... 509
5.4.2.3 Motivationspsychologische Kriterien ........................................ 511
5.4.2.4 Kerndimensionen der Arbeitstätigkeit........................................ 512
5.4.2.5 Instrumente zur Analyse, Bewertung und Gestaltung von
Gruppenarbeit............................................................................. 514
5.4.3 Modelle der Teameffektivität und Implikationen für das
Management von Teams .................................................................. 516
5.5 Gruppenarbeit in der Produktion: Teilautonome Arbeitsgruppen und
Lean-Gruppen........................................................................................ 526
XVI Arbeitswissenschaft

5.5.1 Ziele der Einführung ........................................................................ 526


5.5.2 Merkmale teilautonomer Arbeitsgruppen ........................................ 527
5.5.3 Merkmale von Lean-Gruppen .......................................................... 529
5.5.4 Diskussion ....................................................................................... 531
5.6 Gruppenarbeit in der Produkt- und Prozessentwicklung: CE-Teams ... 534
5.6.1 Ziele der Einführung ........................................................................ 534
5.6.2 Merkmale von Concurrent Engineering-Teams ............................... 534
5.6.3 Entwicklung komplexer Produkte in mehreren CE-Teams ............. 536
5.6.4 Maßnahmen zur Unterstützung ........................................................ 538
5.6.5 Diskussion ....................................................................................... 539
5.7 Gruppenarbeit in Servicebereichen: Planungsinsel ............................... 540
5.7.1 Ziele der Einführung ........................................................................ 540
5.7.2 Merkmale von Planungsinseln ......................................................... 541
5.7.3 Gestaltungsvarianten........................................................................ 543
5.7.4 Diskussion ....................................................................................... 544
5.8 Gruppenarbeit zur kontinuierlichen Verbesserung: Qualitätszirkel ...... 545
5.8.1 Ziele der Einführung ........................................................................ 545
5.8.2 Merkmale von Qualitätszirkeln........................................................ 545
5.8.3 Maßnahmen zur Unterstützung ........................................................ 546
5.8.4 Diskussion ....................................................................................... 548
5.9 Einführung von Gruppenarbeit .............................................................. 549
5.9.1 Vorgehensmodell ............................................................................. 550
5.9.2 Mitbestimmungsrechte..................................................................... 556
5.10 Literatur ................................................................................................. 558

6 Arbeitszeit ................................................................................................... 575


6.1 Begriffliche Grundlagen ........................................................................ 575
6.2 Entwicklung der Arbeitszeit .................................................................. 575
6.3 Arbeitszeit und Produktivität ................................................................. 579
6.4 Flexibilisierungsparameter und Gestaltungsansätze .............................. 582
6.4.1 Gesetzliche Gestaltungsbedingungen .............................................. 587
6.4.2 Tarifliche Gestaltungsbedingungen ................................................. 590
6.5 Arbeitszeitsysteme und -modelle .......................................................... 591
6.5.1 Schichtarbeit .................................................................................... 596
6.5.2 Gleitzeitarbeit .................................................................................. 608
6.6 Erweiternde Modifikationen .................................................................. 611
6.7 Flexibilisierende Elemente .................................................................... 614
6.7.1 Kurzfristig zu deckende Arbeitsspitzen ........................................... 614
6.7.2 Verteilung auf mehrere Arbeitnehmer ............................................. 615
6.7.3 Trennung zwischen Arbeitsort und Betriebsstätte ........................... 616
6.7.4 Arbeiten mit reduzierter oder erhöhter Arbeitszeit .......................... 617
6.7.5 Über(stunden)arbeit und Mehrarbeit................................................ 618
6.8 Unterstützung der Arbeitszeitorganisation durch Software ................... 622
6.9 Akzeptanz von Arbeitszeitsystemen und -modellen.............................. 623
Inhaltsverzeichnis XVII

6.10 Literatur ................................................................................................. 625

7 Arbeitswirtschaft ......................................................................................... 629


7.1 Einführung ............................................................................................. 629
7.1.1 Begriff und Gegenstand der Arbeitswirtschaft ................................ 629
7.1.2 Prinzipien der Arbeitswirtschaft ...................................................... 629
7.2 Arbeitsentgelt ........................................................................................ 632
7.2.1 Begriffsverständnis und Grundlagen ............................................... 632
7.2.2 Aufbau des Arbeitsentgelts .............................................................. 633
7.2.3 Anforderungsabhängiges Grundentgelt ........................................... 636
7.2.3.1 Vorgehen bei der Arbeitsbewertung .......................................... 638
7.2.3.2 Systematisierung der Arbeitsbewertungsverfahren .................... 639
7.2.3.3 Analytische Verfahren der Arbeitsbewertung ............................ 640
7.2.3.4 Summarische Verfahren der Arbeitsbewertung ......................... 646
7.2.4 Leistungsabhängiges Entgelt ........................................................... 651
7.2.4.1 Kennzahlenvergleich .................................................................. 652
7.2.4.2 Leistungsbeurteilung .................................................................. 658
7.2.4.3 Zielvereinbarung ........................................................................ 661
7.3 Zeitwirtschaft ........................................................................................ 664
7.3.1 Begriff und Gegenstand der Zeitwirtschaft...................................... 664
7.3.2 Verwendungszwecke von Zeitdaten ................................................ 665
7.3.3 Beschreibung der Arbeitsbedingungen ............................................ 667
7.3.4 Zeitgliederung .................................................................................. 669
7.3.5 Methoden der Zeitdatenermittlung im Überblick ............................ 671
7.3.6 Zeitaufnahme ................................................................................... 672
7.3.6.1 Definition und Bedeutung .......................................................... 672
7.3.6.2 Anwendung ................................................................................ 672
7.3.6.3 Vor- und Nachteile ..................................................................... 674
7.3.7 Multimomentverfahren .................................................................... 675
7.3.7.1 Definition, Entwicklung und Arten ............................................ 675
7.3.7.2 Bedeutung .................................................................................. 676
7.3.7.3 Anwendungsmöglichkeiten ........................................................ 677
7.3.7.4 Theoretische Grundlagen des MMH-Verfahrens ....................... 678
7.3.7.5 Untersuchungsarten .................................................................... 682
7.3.7.6 Anwendung des MMH-Verfahrens ............................................ 683
7.3.7.7 Vor- und Nachteile des MMH-Verfahrens ................................. 688
7.3.8 Weiterentwickeltes Multimomentverfahren in Bezug auf die
Schätzung der relativen Häufigkeiten von Ablaufarten ................... 690
7.3.8.1 Ausgangssituation und Zielsetzung ............................................ 690
7.3.8.2 Theoretische Grundzüge des neuen Schätzverfahrens ............... 690
7.3.8.3 Ergebnisse einer Fallstudie ........................................................ 693
7.3.8.4 Softwareentwicklung.................................................................. 694
7.3.9 Systeme vorbestimmter Zeiten ........................................................ 696
7.3.9.1 Definition, Entwicklung und Arten ............................................ 696
XVIII Arbeitswissenschaft

7.3.9.2 Bedeutung und Anwendung ....................................................... 699


7.3.9.3 Vor- und Nachteile ..................................................................... 701
7.3.10 Planzeitermittlung mittels Regressionsanalyse ................................ 702
7.3.10.1 Definition und Arten .................................................................. 702
7.3.10.2 Bedeutung .................................................................................. 702
7.3.10.3 Mathematische Grundlagen........................................................ 703
7.3.10.4 Methode nach dem REFA-Standardprogramm .......................... 705
7.3.10.5 Methode zur Ermittlung von Planzeiten für komplexe Projekte 705
7.3.10.6 Vor- und Nachteile ..................................................................... 708
7.4 Literatur ................................................................................................. 709

8 Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung................................ 713


8.1 Arbeitsschutz ......................................................................................... 713
8.1.1 Historische Entwicklung des Arbeitsschutzsystems ........................ 713
8.1.2 Institutionen des Arbeitsschutzes und deren Leistungen ................. 718
8.1.2.1 Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin ................ 718
8.1.2.2 Gewerbeaufsicht......................................................................... 720
8.1.2.3 Berufsgenossenschaften ............................................................. 721
8.1.2.4 Innerbetriebliche Akteure des Arbeitsschutzes .......................... 722
8.1.2.5 Leistungen der Versicherungen .................................................. 724
8.1.3 Rechtsquellen des Arbeitsschutzes .................................................. 725
8.1.3.1 Einführung ................................................................................. 725
8.1.3.2 EU-Regelungen .......................................................................... 726
8.1.3.3 Deutsche Regelungen ................................................................. 728
8.1.3.4 Personenbezogener Arbeitsschutz .............................................. 734
8.1.3.5 Gestaltung von Arbeitsstätten, Arbeitsumgebung und
Arbeitsmitteln............................................................................. 737
8.1.3.6 Produktsicherheit ....................................................................... 738
8.1.3.7 Gefahrstoffe ............................................................................... 739
8.1.4 Sicherheitstechnische Arbeitsgestaltung .......................................... 741
8.1.4.1 Produktsicherheit ....................................................................... 741
8.1.4.2 Dreistufiges Vorgehen ............................................................... 743
8.1.4.3 Sicherheit eines Arbeitssystems ................................................. 744
8.1.4.4 Gefährdungen / Richtlinien ........................................................ 746
8.1.4.5 Folgen von sicherheitsgerechtem / sicherheitswidrigem
Verhalten .................................................................................... 749
8.1.4.6 Gefahrenhinweise / Gebote ........................................................ 751
8.1.4.7 Wirtschaftlichkeit ....................................................................... 752
8.2 Betriebliche Gesundheitsförderung ....................................................... 753
8.2.1 Grundlagen und Handlungsbedingungen ......................................... 753
8.2.1.1 Leitlinien: Die Ottawa-Charta .................................................... 753
8.2.1.2 Implikationen für betriebliche Gesundheitsförderung................ 755
8.2.2 Interventionsansätze des betrieblichen Gesundheitsmanagements .. 759
8.3 Literatur ................................................................................................. 763
Inhaltsverzeichnis XIX

9 Arbeitsumgebung ........................................................................................ 769


9.1 Lärm ...................................................................................................... 772
9.1.1 Physikalische Grundlagen................................................................ 772
9.1.2 Physiologische Grundlagen ............................................................. 775
9.1.3 Wirkung von Lärm auf den Menschen ............................................ 777
9.1.3.1 Beeinträchtigung der Arbeitssicherheit durch Lärm .................. 777
9.1.3.2 Physiologische Reaktionen, Beeinflussung des Wohlbefindens und
der Leistungsfähigkeit ................................................................ 778
9.1.3.3 Schädigung ................................................................................. 779
9.1.4 Messung ........................................................................................... 780
9.1.4.1 Schallintensitätsmessungen ........................................................ 780
9.1.4.2 Bewerteter Schalldruckpegel...................................................... 781
9.1.4.3 Frequenzanalysen ....................................................................... 782
9.1.5 Bewertung und Beurteilung ............................................................. 782
9.1.5.1 Beurteilung im Hinblick auf Gehörgefährdung .......................... 784
9.1.5.2 Beurteilung im Hinblick auf die ausgeübte Tätigkeit................. 784
9.1.6 Gestaltungshinweise ........................................................................ 785
9.2 Mechanische Schwingungen ................................................................. 790
9.2.1 Physikalische Grundlagen................................................................ 790
9.2.2 Physiologische Grundlagen ............................................................. 791
9.2.3 Wirkung mechanischer Schwingungen auf den Menschen.............. 794
9.2.3.1 Physiologische Reaktionen ........................................................ 794
9.2.3.2 Schädigung ................................................................................. 795
9.2.4 Messung ........................................................................................... 796
9.2.5 Bewertung und Beurteilung ............................................................. 797
9.2.6 Gestaltungshinweise ........................................................................ 802
9.3 Strahlung ............................................................................................... 805
9.3.1 Physikalische Grundlagen................................................................ 806
9.3.1.1 Korpuskularstrahlungen ............................................................. 806
9.3.1.2 Elektromagnetische Strahlung.................................................... 807
9.3.2 Wirkung von Strahlung auf den Menschen...................................... 818
9.3.2.1 Störungen elektro-physiologischer Vorgänge ............................ 819
9.3.2.2 Wärmeentwicklung .................................................................... 821
9.3.2.3 Wirkungen niederfrequenter Strahlung ...................................... 823
9.3.2.4 Hochfrequente Strahlung ........................................................... 829
9.3.2.5 Optische Strahlung ..................................................................... 831
9.3.2.6 Ionisierende Strahlung ............................................................... 833
9.3.3 Messung ........................................................................................... 836
9.3.3.1 Niederfrequente Strahlung ......................................................... 837
9.3.3.2 Hochfrequente Strahlung ........................................................... 839
9.3.3.3 Optische Strahlung ..................................................................... 839
9.3.3.4 Ionisierende Strahlung ............................................................... 840
9.3.4 Bewertung und Beurteilung ............................................................. 843
9.3.4.1 Niederfrequente Strahlung ......................................................... 843
XX Arbeitswissenschaft

9.3.4.2 Hochfrequente Strahlung ........................................................... 847


9.3.4.3 Optische Strahlung ..................................................................... 848
9.3.4.4 Ionisierende Strahlung ............................................................... 852
9.3.5 Gestaltungshinweise ........................................................................ 853
9.4 Klima ..................................................................................................... 861
9.4.1 Physikalische Grundlagen................................................................ 862
9.4.2 Physiologische Grundlagen ............................................................. 862
9.4.3 Menschbezogene Modellierung von Klimafaktoren ........................ 867
9.4.3.1 Empfindensbezogene Modellierung ........................................... 867
9.4.3.2 Physiologische Modellierung ..................................................... 870
9.4.3.3 Rezeptoren ................................................................................. 871
9.4.4 Wirkung anormaler Klimabedingungen auf den Menschen ............ 871
9.4.5 Messung ........................................................................................... 872
9.4.5.1 Lufttemperatur ........................................................................... 872
9.4.5.2 Luftfeuchtigkeit .......................................................................... 872
9.4.5.3 Wärmestrahlung ......................................................................... 873
9.4.5.4 Ermittlung von Klimasummenmaßen ........................................ 875
9.4.6 Bewertung und Beurteilung ............................................................. 875
9.4.7 Gestaltungshinweise ........................................................................ 881
9.5 Beleuchtung ........................................................................................... 885
9.5.1 Physikalische Grundlagen und lichttechnische Größen ................... 885
9.5.2 Messung von Beleuchtung ............................................................... 891
9.5.3 Lichttechnik ..................................................................................... 891
9.5.3.1 Lampen ...................................................................................... 895
9.5.3.2 Leuchten ..................................................................................... 898
9.5.4 Wirkung des Lichts .......................................................................... 900
9.5.5 Gestaltungshinweise ........................................................................ 902
9.6 Arbeitsstoffe .......................................................................................... 907
9.6.1 Physikalische, chemische und physiologische Grundlagen ............. 911
9.6.1.1 Die Wirkung beeinflussende Größen ......................................... 911
9.6.1.2 Art des Stoffes............................................................................ 911
9.6.1.3 Konzentration ............................................................................. 913
9.6.1.4 Art der Einwirkung .................................................................... 914
9.6.1.5 Einwirkungsdauer ...................................................................... 915
9.6.1.6 Individuelle Konstitution ........................................................... 915
9.6.1.7 Tätigkeit ..................................................................................... 916
9.6.1.8 Superposition ............................................................................. 916
9.6.2 Wirkung von gefährlichen Arbeitsstoffen........................................ 916
9.6.2.1 Arten der Schädigung ................................................................. 916
9.6.2.2 Stäube......................................................................................... 916
9.6.2.3 Rauche........................................................................................ 917
9.6.2.4 Nebel .......................................................................................... 917
9.6.2.5 Dämpfe ....................................................................................... 918
9.6.2.6 Gase............................................................................................ 918
Inhaltsverzeichnis XXI

9.6.3 Messung ........................................................................................... 919


9.6.3.1 Ermittlungs- und Überwachungspflicht ..................................... 919
9.6.3.2 Probenahme ................................................................................ 920
9.6.3.3 Analyseverfahren ....................................................................... 923
9.6.3.4 Messverfahren und -geräte ......................................................... 923
9.6.3.5 Hautresorption ............................................................................ 925
9.6.4 Bewertung und Beurteilung ............................................................. 926
9.6.4.1 Systematik der Grenzwerte ........................................................ 927
9.6.4.2 Arbeitsplatzgrenzwert ................................................................ 927
9.6.4.3 Biologischer Grenzwert ............................................................. 928
9.6.4.4 Maximale Arbeitsplatz-Konzentration ....................................... 928
9.6.4.5 Stoffgemische............................................................................. 929
9.6.4.6 Hautresorption ............................................................................ 930
9.6.4.7 Beschäftigungsbeschränkungen für besondere
Personengruppen ........................................................................ 930
9.6.5 Gestaltungshinweise ........................................................................ 931
9.7 Superposition von Arbeitsumgebungseinflüssen ................................... 935
9.8 Literatur ................................................................................................. 938

10 Ergonomische Gestaltung ........................................................................... 949


10.1 Gestaltungsprinzipien ............................................................................ 950
10.1.1 Energetisch-effektorisch .................................................................. 950
10.1.1.1 Schutz der Gesundheit................................................................ 951
10.1.1.2 Minimierung der zu leistenden Arbeit........................................ 955
10.1.1.3 Optimierung des Wirkungsgrades .............................................. 960
10.1.1.4 Arbeitsabfolge und Pausenregime .............................................. 965
10.1.2 Informatorisch-mental ..................................................................... 969
10.1.2.1 Übergeordnete Gestaltungsansätze ............................................ 971
10.1.2.2 Unterstützung der Informationsaufnahme .................................. 976
10.1.2.3 Unterstützung der Informationsverarbeitung ............................. 994
10.1.2.4 Unterstützung der Informationsabgabe .................................... 1006
10.1.2.5 Systemergonomische Gesichtspunkte ...................................... 1020
10.1.3 Anthropometrie und räumliche Gestaltung .................................... 1028
10.1.3.1 Körpermaße .............................................................................. 1028
10.1.3.2 Funktionsräume ........................................................................ 1037
10.1.3.3 Anthropometrische Arbeitsplatzgestaltung .............................. 1043
10.1.3.4 Hilfsmittel zur anthropometrischen Gestaltung........................ 1057
10.2 Ausgewählte Methoden zur Gestaltung und Bewertung ..................... 1064
10.2.1 Usability Engineering .................................................................... 1064
10.2.1.1 Grundlagen ............................................................................... 1064
10.2.1.2 Vorgehen beim Usability Engineering ..................................... 1066
10.2.1.3 Methoden des Usability Engineering ....................................... 1068
10.2.2 Softwareergonomie ........................................................................ 1076
10.2.2.1 Grundlagen ............................................................................... 1077
XXII Arbeitswissenschaft

10.2.2.2 Methoden zur Evaluation von Software ................................... 1094


10.2.2.3 Kommunikation zwischen Benutzer und Entwickler ............... 1096
10.2.3 Prototyping in der Systemkonzeption und -entwicklung ............... 1097
10.2.3.1 Virtuelle Produktentwicklung .................................................. 1097
10.2.3.2 Virtuelle Prozess- und Fabrikplanung ...................................... 1106
10.3 Anwendungsgebiete und Schwerpunkte .............................................. 1108
10.3.1 Produktgestaltung .......................................................................... 1108
10.3.1.1 Grundlagen ............................................................................... 1108
10.3.1.2 Beschreibung des Produktgestaltungsprozesses ....................... 1111
10.3.1.3 Anwendung des Produktgestaltungsprozesses in der Praxis .... 1118
10.3.2 Produktionsgestaltung.................................................................... 1129
10.3.2.1 Grundlagen ............................................................................... 1130
10.3.2.2 Ziele und Anwendungsbereiche ............................................... 1130
10.3.2.3 Ergonomie innerhalb des Produktentstehungsprozesses .......... 1132
10.3.2.4 Belastungsanalysen als Basis für Gestaltungsansätze .............. 1134
10.3.2.5 Fallbeispiele zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und
Produktivität ............................................................................. 1141
10.3.2.6 Ergonomische Gestaltung von Mensch-Maschine-Schnittstellen
für die automatisierte Produktion ............................................. 1145
10.4 Literatur ............................................................................................... 1152

Index .................................................................................................................. 1173


1 Einführung

1.1 Begriffliche Klärungen

1.1.1 Zum Begriff „Arbeit“


Unter Arbeit wird nach STIRN (1980) allgemein ein Tätigsein des Menschen ver-
standen, bei dem dieser mit anderen Menschen und technischen Hilfsmitteln in
Interaktion tritt, wobei unter wirtschaftlichen Zielsetzungen Güter und Dienstleis-
tungen erstellt werden, die (zumeist) entweder vermarktet oder von der Allge-
meinheit in Form von Steuern oder Subventionen finanziert werden. Die besonde-
re gesellschaftliche Relevanz sowie individuelle Bezogenheit der Arbeit wird auch
in einer Definition des Arbeitsbegriffs nach ROHMERT (1993) deutlich, nach der
unter Arbeit alles subsumiert wird, „was der Mensch zur Erhaltung seiner Exis-
tenz und/oder der Gesellschaft tut, soweit es von der Gesellschaft akzeptiert und
honoriert wird“.
Bei der Analyse, Bewertung und Gestaltung menschlicher Arbeit gilt es immer
zu berücksichtigen, dass eben diese Arbeit neben der Ausrichtung auf objektive
Zielsetzungen bestimmten subjektiven Zwecken dient und im Allgemeinen beson-
deren Sinn für den Menschen stiftet. Auf diesen wichtigen Aspekt weist bei-
spielsweise Papst Johannes Paul II in seiner Enzyklika Laborem Excercens
(PAPST JOHANNES PAUL II 1981) hin: „Die Arbeit ist eines der Kennzeichen, die
den Menschen von den anderen Geschöpfen unterscheiden, deren mit der Erhal-
tung des Lebens verbundene Tätigkeit man nicht als Arbeit bezeichnen kann; nur
der Mensch ist zur Arbeit befähigt, nur er verrichtet sie, wobei er gleichzeitig
seine irdische Existenz mit ihr ausfüllt“.
Es ist ein wesentliches Merkmal der Arbeitswissenschaft, dass sie die objekti-
ven Bedingungen und gleichzeitig die subjektiven Aspekte von Arbeit zu ihrem
Betrachtungsgegenstand macht. Subjektbezogen ist Arbeit planvoll, zielgerichtet
und willentlich gesteuert und findet unter bestimmten gesellschaftlichen Rahmen-
bedingungen statt. Schließlich erfährt durch Arbeit nicht nur die materielle und
ideelle Umwelt des Arbeitenden eine Veränderung, sondern auch der Arbeitende
selbst, z.B. durch Ermüdung, aber auch durch Trainingseffekte. Arbeit ist somit
eine besondere Form des Tätigseins neben anderen, wie Spiel oder Sport.
Die bisherigen Beschreibungen zielen primär auf Erwerbsarbeit ab, wie sie im
primären, sekundären oder tertiären Sektor einer Volkswirtschaft anzutreffen ist.
Daneben finden sich jedoch vielfältige Formen unbezahlter Arbeit, die häufig auf
einem Solidarprinzip basieren, z.B. Arbeit im eigenen Haushalt, Kindererziehung,
Altenpflege sowie ehrenamtliche Tätigkeiten (siehe LANDAU u. STÜBLER 1992).
Überhaupt ist eine Definition von Arbeit, die einerseits Aktivitäten wie Spiel oder
Sport eindeutig ausschließt und andererseits in Grenzfällen von Erwerbstätigkeit,
wie z.B. Börsenspekulation oder Prostitution, hinreichend trennscharf ist, kaum zu
2 Arbeitswissenschaft

treffen (vgl. FRIELING u. SONNTAG 1999). Für viele arbeitswissenschaftliche


Fragestellungen ist eine solche aber auch gar nicht erforderlich. Zudem versuchen
neuere Entwicklungen, mögliche Trennungen eher aufzuheben, wie bspw. bei
einem flexiblen Übergang von „Arbeitsleben“ in den Ruhestand, bei verschiede-
nen Formen von Telearbeit oder bei der zunehmenden Verzahnung von Arbeits-
und Freizeit. Die zunehmende Unschärfe des Arbeitsbegriffes führt demnach auch
zu einer (unscharfen) Erweiterung des Gegenstandsbereichs der Arbeitswissen-
schaft, ohne allerdings die Arbeitswissenschaft zur universalen „Lebenswissen-
schaft“ auszuweiten.
Im heutigen Sprachgebrauch sind in dem Wort „Arbeit“ zwei ursprünglich ge-
trennte Begriffe vereint. Zum einen das Tätigsein und die damit verbundene Mühe
(das althochdeutsche „arebeit“ bedeutet Mühsal, Not; WAHRIG 1986), zum ande-
ren aber auch das Ergebnis dieses Tätigseins, das Produkt, im älteren Sprachge-
brauch als „Werk“ (z.B. Tagewerk) bezeichnet. Diese Unterscheidung spiegelt
sich noch in den Paragraphen des Bürgerlichen Gesetzbuches zum „Arbeitsver-
trag“ und „Werkvertrag“ wider. Der Arbeitsvertrag regelt nach deutschem Recht
vor allem den (zeitlichen) Umfang des Tätigseins im Sinne einer entgeltlichen und
persönlichen Erbringung der Dienstleistung aufgrund eines privatrechtlichen
Schuldverhältnisses. Beim Werkvertrag hingegen schuldet der Werkunternehmer
dem Werkbesteller die Herstellung eines Werkes, das heißt die Herbeiführung
eines bestimmten Ergebnisses. Als Gegenleistung schuldet der Werkbesteller dem
Werkunternehmer den vereinbarten Werklohn. Somit wird primär das Ergebnis
festgeschrieben und nicht berücksichtigt, welcher Aufwand (z.B. an Arbeitszeit)
notwendig ist.
Zwei unterschiedliche Begriffe für Arbeit  eine subjekt- und eine objektorien-
tierte Sichtweise  finden sich in zahlreichen Sprachen, z.B. im Englischen
„work“ und „labour“, im Französischen „oeuvre“ und „travail“ (von lat.
„tripalium“, eine Foltermethode; ARENDT 1981), im Russischen „trud“ und
„rabota“ und im Lateinischen „opus“ und „labor“. Oftmals wird damit zwischen
den wirtschaftlich-technischen Aspekten von Arbeit (produkt-, effizienzbezogen:
„Produktivitätsaspekt“) einerseits, und den menschbezogenen Aspekten (Anstren-
gung, soziale Auswirkungen: „Humanitätsaspekt“) andererseits unterschieden
(HILF 1972; ROHMERT u. LUCZAK 1975). So heißt im Englischen die Arbeitsstu-
die, die sich mit der Ausführbarkeit und Effizienz der Arbeit beschäftigt, „work
study“, der juristische Begriff für Zwangsarbeit dagegen „hard labour“. „Labour“
kann auch den Arbeiter selbst bezeichnen. Der Gegenstand der Arbeitswissen-
schaft kann somit im Englischen als „relations between labour and work“ (Bezie-
hungen zwischen Mensch und Arbeit) beschrieben werden (siehe HILF 1972).

1.1.2 Zwei Aspekte von Arbeit


Grundsätzlich lassen sich also zwei Aspekte von Arbeit unterscheiden: Zum einen
Arbeit im ursprünglichen subjektbezogenen Sinn als Anstrengung, zum anderen
Arbeiten objektbezogen als Produktion von Gütern oder Dienstleistungen.
Einführung 3

ARENDT (1981) unterscheidet in diesem Sinne zwischen „Arbeiten“ und „Herstel-


len“. Der arbeitende Mensch findet sich danach entweder in der Rolle des „animal
rationale“ (aus Vernunftsgründen nach Arbeitsauftrag abhängig tätiges Lebewe-
sen, das Sachzwängen mehr oder weniger machtlos ausgeliefert ist) oder der des
„homo faber" (produzierender Mensch) wieder. Problematisch sind offensichtlich
Disproportionalitäten zugunsten des erstgenannten Aspekts.
Arbeit auf diesen Aspekt reduziert, also Anstrengung ohne produktiven Output,
taucht schon in der antiken Mythologie als Fluch oder Strafe der Götter auf, etwa
die Aufgabe des Sysiphos, einen Stein den Berg hinauf- und hinunterzurollen oder
der Danaiden, Wasser in ein Fass ohne Boden zu schöpfen; beides Tätigkeiten, die
zu keinem produktiven Output führen können. Auch für den gegenteiligen Fall
eines Konsums ohne Produktionsaufwand (als gesellschaftliches Grundprinzip)
lässt sich die Mythologie bemühen: In der christlichen Genesis wird dieser Zu-
stand als Paradies beschrieben. Der Entzug dieser Konditionen, d.h. der nunmeh-
rige Zwang für den Menschen, den Lebensunterhalt „im Schweiße seines Ange-
sichts“ zu sichern, erfolgt ebenfalls als göttliche Strafe (KURNITZKY 1979).
Eine solche Identität von Arbeit und Strafe findet sich aber nicht nur in der My-
thologie, sondern hatte  und hat teilweise noch heute  einen festen Platz in der
Riege profaner Formen des Strafvollzugs (Arbeitslager). Früher waren die Gren-
zen zwischen Strafarbeit und „freier Lohnarbeit“ teilweise bemerkenswert flie-
ßend: Im 18. Jahrhundert wurde zwischen Fabrik, Gefängnis und Arbeitshaus
kaum unterschieden und die Institutionen wechselten (z.B. in Abhängigkeit von
der Arbeitsmarktlage) zwischen diesen Betriebsformen. Aber auch Fabriken, die
im heutigen Sinne auf freier Lohnarbeit basierten, waren mitunter von Gräben
umgeben oder gleich den Grundrissen von Gefängnissen gebaut. Fabrikordnungen
orientierten sich oftmals recht eng an Gefängnisreglements (STAMM 1982).
Subjektbezogen existiert neben Anstrengung aber noch ein weiterer Aspekt von
Arbeit, nämlich der der Persönlichkeitsentfaltung durch Arbeit. Arbeit als Mög-
lichkeit zur Persönlichkeitsentfaltung versucht persönlichkeitsorientierte Ziele,
wie z.B. Selbstverwirklichung und Autonomie, derart in Arbeits- und Organi-
sationsstrukturen einzubringen, dass Arbeitsbedingungen und persönliche Ziele
komplementär gestaltet werden können. Es wird davon ausgegangen, dass ein
derartiger Einsatz menschlicher Ressourcen auch auf der Leistungsseite (Output)
zu einer Verbesserung führt. Allerdings muss auch konstatiert werden, dass Vor-
stellungen der Persönlichkeitsentfaltung als Ziel nicht auf alle Menschen glei-
chermaßen („jedem das Gleiche“) zutreffen und somit individuell spezifische
Anpassungen von Arbeitsbedingungen („jedem das Seine“) erforderlich sind
(HACKER 2005; ULICH 2005).

1.1.3 Arbeit als Einsatz menschlicher Ressourcen


Extreme Arbeitsbedingungen, wie sie in der Frühzeit der Industrialisierung anzu-
treffen waren, mit überlangen täglichen Arbeitszeiten von bis zu 16 Stunden, Kin-
derarbeit, extremen Unfallgefahren und ohne soziale Absicherung gehören  zu-
4 Arbeitswissenschaft

mindest in den meisten Industrieländern  der Vergangenheit an. Andererseits


besteht offensichtlich auch in jüngerer Zeit ein erheblicher „Humanisierungsbe-
darf“. So wurde im Jahre 1974 vom Bundesminister für Forschung und Technolo-
gie das Förderprogramm „Forschung zur Humanisierung des Arbeitslebens“
(HdA) aufgelegt. Das Ministerium förderte in dem Zeitraum von 1974 bis 1989
über 1600 Projekte mit einem Gesamtvolumen von über 1,2 Mrd. DM (PROJEKT-
TRÄGER HdA 1989). Das Forschungs- und Entwicklungsprogramm „Arbeit und
Technik“ (Zeitraum 1989 bis 2001) griff die Ergebnisse zur humanen Gestaltung
von Arbeitsbedingungen auf, zielte aber verstärkt auf die Erforschung und Nut-
zung von Chancen, die sich aus einer Integration von Arbeit und Technik ergeben.
Ein innovationsgetriebener Gestaltungsansatz wurde im Rahmenkonzept „Innova-
tive Arbeitsgestaltung – Zukunft der Arbeit“ ab dem Jahr 2001 verfolgt. Das
Rahmenkonzept berücksichtigte erstmalig die starken Veränderungen im Umfeld
der Unternehmen sowie in den Wertschöpfungsprozessen. Das aktuelle For-
schungs- und Entwicklungsprogramm „Arbeiten – Lernen – Kompetenzen entwi-
ckeln – Innovationsfähigkeit in einer modernen Arbeitswelt“ zielt darauf ab, die
Innovationskraft von Unternehmen und Beschäftigten zu stärken sowie nachhaltig
zu sichern, u.A. durch eine Arbeitsgestaltung, die Lernen und Kompetenzentwick-
lung fördert. Dienstleistungsforschung und -wirtschaft werden seit 1995 gezielt
innerhalb der Initiative „Dienstleistungen für das 21. Jahrhundert“ und seit 2006
im Förderprogramm „Innovationen mit Dienstleistungen“ gefördert. In den För-
derschwerpunkten wurde insbesondere der beschäftigungswirksame und innova-
tionsförderliche Charakter von Humanisierungsforschung herausgestellt. Zudem
rückt mit den letztgenannten Förderprogrammen die arbeitswissenschaftliche
Forschung im Dienstleistungsbereich stärker in den Fokus (BULLINGER 1999;
BULLINGER u. SCHEER 2003; LUCZAK et al. 2004; SCHENK u. SCHLICK 2009;
ZINK 2009).
Das Erfordernis einer Humanisierung beschränkt sich dabei nicht etwa auf ein-
zelne „schwarze Schafe“ in Form von Betrieben, die geltende Bestimmungen
missachten (wird dies bekannt, kann dagegen ohnehin auf rechtlichem Wege vor-
gegangen werden) oder einzelne Branchen oder Berufe, sondern betrifft den beruf-
lichen Alltag großer Teile der Erwerbstätigen. Wesentliche Problembereiche,
denen allerdings je nach Berufsgruppe und Branche unterschiedliche Bedeutung
zukommt, sind wie folgt:
x Gesundheitsschäden durch Unfälle oder berufsbedingte Krankheiten, z.B. in-
folge von Lärm, Schadstoffen, gefährlichen Werkzeugen etc. Hohe Unfall-
quoten finden sich z.B. in den Wirtschaftszweigen Metall, Holz und Bau.
Häufige Berufskrankheiten sind Lärmschwerhörigkeit, Erkrankungen der
Atemwege und Hautkrankheiten (BAUA 2009).
x Arbeitsumgebungen, die zwar nicht zu Schädigungen führen, aber als unan-
genehm oder kaum akzeptabel empfunden werden, z.B. infolge von Hitze,
Kälte, Geruchsbelästigung oder belästigenden Schallereignissen. Entspre-
chende Arbeitsplätze finden sich beispielsweise an Hochöfen, in Kühlhäu-
Einführung 5

sern, aber auch bei der Arbeit im Freien zu ungünstigen Jahreszeiten oder in
extremen Klimazonen.
x Tätigkeiten, die schwere körperliche Arbeit (z.B. Be- und
Entladetätigkeiten), ständige Konzentration (z.B. Tätigkeiten in Leitwarten,
visuelle Prüfung in der Qualitätskontrolle) oder unbequeme Körperhaltungen
(z.B. Montage oder Schweißen über Kopf) erfordern.
x Monotone (insbesondere kurzzyklische, repetitive) Tätigkeiten, z.B. manuel-
les Einlegen und Entnahme von Teilen in Stanzen, Pressen usw., u.U. nach
vorgegebenem Arbeitstakt (z.B. in Form des sogenannten getakteten Fließ-
bands) und Tätigkeiten, die keine Entscheidungsspielräume und Partizipa-
tionsmöglichkeiten hinsichtlich Planung und Gestaltung der eigenen Arbeit
bieten. Im Zusammenhang mit dem Einsatz von Informationstechnologie
dringen solche, aus kurzen Zyklen aufgebaute Tätigkeiten zunehmend in den
Bereich von Dienstleistungen vor.
x Soziale Isolation oder erschwerte Kommunikation während der Arbeit durch
Absonderung von Arbeitsplätzen, die besondere Umgebungsbedingungen er-
fordern (z.B. Werkstoffprüfung unter UV-Licht) oder aus sonstigen Gründen
aus dem betrieblichen Zusammenhang ausgegliedert sind. In diesem Zu-
sammenhang sind auch Heimarbeit oder außerbetriebliche Arbeitsstätten mit
Computerarbeitsplätzen, sog. „Telearbeit“, zu nennen.
x Organisatorische Bedingungen, die die sozialen Beziehungen außerhalb der
Arbeit und die Freizeitgestaltung beeinträchtigen, insbesondere durch un-
günstige Arbeitszeiten (Nacht, Wochenende, Schichtarbeit). Neben Berei-
chen, in denen sich ungünstige Arbeitszeiten aus der Natur der Arbeit herlei-
ten (z.B. Krankenpflege, Feuerwehr, Verkehrswesen, Gastronomie), finden
sich auch solche, in denen organisatorische Rahmenbedingungen ungünstige
Arbeitszeiten erzwingen (z.B. Kooperation mit weltweit verteilten Partnern
in verschiedenen Zeitzonen) oder in denen Schicht- und Wochenendarbeit
aus ökonomischen Gründen erfolgt (bessere Auslastung kapitalintensiver Be-
triebsmittel). Betraf der ökonomische Aspekt früher hauptsächlich die Pro-
duktion, so betrifft er heute in zunehmendem Maße auch Forschungs- und
Entwicklungsbereiche (z.B. Ingenieure, die an teuren Versuchsträgern arbei-
ten).
Das Spektrum der Gestaltungsmaßnahmen, um den genannten Problemen ab-
zuhelfen, ist vielfältig. Es reicht von der Vermeidung bzw. Substitution gesund-
heitsschädlicher Arbeitsstoffe über Gefahrenaufklärung und Verhaltensmaßregeln,
sicherheitstechnischen Maßnahmen konstruktiver Art und gezieltem Einsatz von
Automatisierung, Gestaltung von Arbeitsablauf und Aspekten der Arbeitsteilung
bis zu Maßnahmen der Partizipation und Dezentralisierung von Kompetenzen und
Zuständigkeiten. Darüber hinaus ist aufgrund des tiefgreifenden Strukturwandels
in den letzten Jahren eine wesentliche Weiterentwicklung der arbeitswissenschaft-
lichen Leitbilder zu verzeichnen (siehe GfA 2000). So wird nicht mehr alleinig auf
das Vermeiden ungünstiger Gestaltungszustände abgezielt, sondern versucht eine
neue Qualität der Arbeit zu fördern, die beispielsweise durch eine intensive
6 Arbeitswissenschaft

Gesundheitsförderung oder eine alters- bzw. alternsdifferenzierte Gestaltung von


Arbeitssystemen gekennzeichnet ist (FRIELING 2006).

1.1.4 Arbeit als Herstellung von Produkten und Dienstleistungen


Wenngleich Arbeit unter geeigneten technischen und organisatorischen Bedin-
gungen nicht nur erträglich und schädigungslos (zur Erläuterung dieser Begriffe
siehe Kap. 1.5.2.2) ist, sondern durchaus einen Lebensbereich darstellen kann, in
dem der Arbeitende Selbstbestätigung, Anerkennung und Möglichkeiten sozialer
Interaktion findet, mithin Arbeit einen positiven Beitrag zur Lebensgestaltung
leisten kann, ist dies in der Regel nicht das primäre Ziel von Arbeit. Vielmehr geht
es in einer arbeitsteiligen Gesellschaft darum, Güter und Dienstleistungen für den
Konsum Anderer herzustellen. Dabei findet üblicherweise das Wirtschaftlich-
keitsprinzip im Sinne einer Optimierung des Verhältnisses von Aufwand und
Ertrag Anwendung. Maßnahmen, die dazu einen Beitrag leisten, werden gemein-
hin als Rationalisierung bezeichnet.
Begrifflich ist zunächst zu unterscheiden zwischen „Rationalisierung der Ar-
beit“ einerseits, d.h. Steigerung der Arbeitsproduktivität durch technische oder
organisatorische Maßnahmen. Hier wird die menschliche Arbeit wirksamer ge-
macht, d.h. bei gleicher Verausgabung körperlicher und geistiger Kräfte des Men-
schen wird ein höherer Output erzielt. Andererseits ist eine Steigerung der Ar-
beitsproduktivität durch eine „Intensivierung der Arbeit“ möglich, also eine Stei-
gerung des Outputs durch eine stärkere Verausgabung menschlicher „Ressour-
cen“. In der Praxis sind beide Aspekte der Leistungssteigerung eng miteinander
verknüpft, etwa wenn technische Prozesszeiten verkürzt werden und dadurch die
Frequenz von Beschickungstätigkeiten erhöht wird, oder im Bereich geistiger
Arbeit, Routinetätigkeiten durch Computereinsatz automatisiert werden, und es
dadurch zu einer Verdichtung von Entscheidungen durch den Menschen kommt.
Auch Maßnahmen wie Ausbildung oder Training, die auf eine Steigerung des
menschlichen Leistungsvermögens abzielen, sind in diesem Sinne als Rationalisie-
rung zu betrachten.
Da die genannten Möglichkeiten zur Leistungssteigerung, die direkt am Men-
schen ansetzen, in ihrer Wirkung begrenzt sind (evolutionsbedingte Grenzen),
finden zumeist technische Hilfsmittel wie Werkzeuge oder Maschinen Anwen-
dung. Betrachtet man im Sinne GEHLEN (1957) den Menschen als ein mit „Or-
ganmängeln“ behaftetes Lebewesen, so dienen technische Hilfsmittel als Organer-
satz, Organverstärkung und Organentlastung. Technische Sachmittel ersetzen
somit z.B. beim Menschen nicht vorhandene Rezeptoren für ionisierende Strah-
lung, verstärken diese im Sinne einer Bereichserweiterung, etwa durch ein Mikro-
skop, oder entlasten vorhandene Organe, z.B. durch den Einsatz technischer Ener-
gieformen zur Fortbewegung.
Zentraler Gestaltungsparameter des Technikeinsatzes ist der „Automatisie-
rungsgrad“, also der Umfang, in dem ein Arbeitsprozess mechanisiert und durch
Automatisierungstechnik umgestaltet werden kann, um die evolutionsbedingten
Einführung 7

Grenzen menschlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten zu sprengen. Sowohl unter


ökonomischen als auch unter menschbezogenen Gesichtspunkten kann ein jeweils
„optimaler Automatisierungsgrad“ postuliert werden. Während unter wirtschaftli-
chen Gesichtspunkten die Einsparungen an Kosten für Arbeit den Kosten für die
Automatisierung gegenüberzustellen sind, ist unter humanbezogenen Aspekten im
Wesentlichen sicherzustellen, dass die beim Menschen verbleibenden Teilfunktio-
nen nach Art und Umfang weder eine Über- noch eine Unterforderung bedeuten.
Als ein besonderes Problem sind in diesem Zusammenhang „Automatisierungs-
lücken“ anzusehen, also ein Verbleiben von Teilfunktionen beim Menschen, die
beim jeweils eingesetzten Stand der Technik weder funktionell noch ökonomisch
befriedigend von technischen Sachmitteln erfüllt werden können (z.B. manuelle
Beschickung von CNC-Werkzeugmaschinen). Damit ist immer die Gefahr ver-
bunden, dass der Mensch zum „Anhängsel der Maschine“ wird, da sich seine
Aufgaben in einem solchen Fall nicht über seine Fähigkeiten oder Eigenschaften
des herzustellenden Produkts definieren, sondern über Defizite der Technik.

1.2 Gegenstand von Arbeitswissenschaft

1.2.1 Definitionen
Mit den Begriffen „Humanisierung“ und „Rationalisierung“ sind zwei wesentliche
Zielsetzungen der Arbeitswissenschaft angesprochen: Arbeit sowohl menschenge-
recht als auch effektiv und effizient zu gestalten.
Eine an Humanisierungszielen ausgerichtete Rationalisierung (sog. humanori-
entierte Rationalisierung) geht dabei von dem Verständnis aus, dass humane Ar-
beitsbedingungen auch zugleich zu Effektivität (Ergebniserreichung) und Effizi-
enz (geringer Ressourceneinsatz) führen. Die Berücksichtigung der „Ressource
Mensch“ hat daher eine hohe Bedeutung erlangt. Eine einseitige Verfolgung des
einen oder anderen Zieles führt zu deutlich suboptimalen Gestaltungszuständen.
Einer „Kerndefinition“ der Arbeitswissenschaft zufolge (LUCZAK u.
VOLPERT 1987), beschäftigt sie sich mit der  jeweils systematischen  Analyse,
Ordnung und Gestaltung der technischen, organisatorischen und sozialen Bedin-
gungen von Arbeitsprozessen mit dem Ziel, dass die arbeitenden Menschen in
produktiven und effizienten Arbeitsprozessen
x schädigungslose, ausführbare, erträgliche und beeinträchtigungsfreie Ar-
beitsbedingungen vorfinden,
x Standards sozialer Angemessenheit nach Arbeitsinhalt, Arbeitsaufgabe, Ar-
beitsumgebung sowie Entlohnung und Kooperation erfüllt sehen,
x Handlungsspielräume entfalten, Fähigkeiten erwerben und in Kooperation
mit anderen ihre Persönlichkeit erhalten und entwickeln können.
Gegenstand der Arbeitswissenschaft ist es also, bestehende Arbeitsbedingungen
zu analysieren, das dabei gewonnene Wissen systematisch aufzubereiten und
daraus Gestaltungsregeln abzuleiten. Da gleichzeitig eine Reihe von Zielvorstel-
8 Arbeitswissenschaft

lungen benannt ist, ist damit ein Rahmen für eine Bewertung von realen und kon-
zipierten Arbeitsbedingungen gegeben. Die Arbeitswissenschaft ist dabei eine
relativ junge „Disziplin“ (PREUSCHEN 1973). Abgesehen von philosophischen
und theologischen Ansätzen (siehe HACKSTEIN 1977a; ROHMERT u. LUCZAK
1975) gab es bis zum Zeitalter der industriellen Revolution keine wissenschaftliche
Auseinandersetzung mit der Beziehung Mensch-Arbeit. Erst die technischen,
wirtschaftlichen und sozialen Umwälzungen dieser Epoche erzeugten einen ge-
sellschaftlichen Bedarf nach einer wissenschaftlichen Analyse und Gestaltung
menschlicher Arbeit:
x FÜRSTENBERG (1981) zufolge wurde von den Wissenschaften die Beschäfti-
gung mit der menschlichen Arbeit zuvor als nicht lohnend erachtet, da aus-
reichend viele, politisch unmündige Arbeitskräfte zur Verfügung standen.
x Die Distanz der klassischen Geistes- und Naturwissenschaften zu der Welt
des Alltäglichen ließ die menschliche Arbeit, die in der bestehenden Ausprä-
gung ausgeführt werden musste und deren Ausprägung als unveränderbar
galt, als Objekt für wissenschaftliche Betrachtungen uninteressant erscheinen
(PREUSCHEN 1973).
x Die industrielle Revolution brachte einschneidende Veränderungen der
menschlichen Arbeit mit sich (z.B. Arbeitsteilung, hoher Leistungsdruck,
schlechte, unangepasste Ernährung). Erst die auftretenden Probleme gaben
einen Anstoß zu wissenschaftlicher Durchdringung des Objekts „menschli-
che Arbeit“ (PREUSCHEN 1973).
x Das existierende Handlungswissen, gewonnen aus der betrieblichen Erfah-
rung, konnte nicht mehr ausreichend ausgeweitet werden, um angestrebte
Ziele zu erreichen, und eine wissenschaftliche Betrachtungsweise zur Beur-
teilung von Gestaltungsmaßnahmen in Bezug auf ihre Auswirkungen musste
entwickelt werden (LUCZAK u. ROHMERT 1984).
Die Begriffe „Ergonomie“ und „Arbeitswissenschaft“ tauchen  soweit be-
kannt  erstmals bei JASTRZEBOWSKI im Jahre 1857 in der Literatur auf (Abb.
1.1). Die dort gegebene Definition orientiert sich bereits an der Zielvorstellung
einer Arbeitswissenschaft, die einerseits auf die Humanisierung und andererseits
auf die Rationalisierung menschlicher Arbeit abhebt, und ist somit immer noch
aktuell.
Allein für die deutschsprachige Literatur von 1923 bis 1975 kann HACKSTEIN
(1977a) 49 Stellen belegen, an denen Aussagen zur Begriffsbestimmung, zu den
Zielen und Aufgaben, zur Einordnung und Abgrenzung der Arbeitswissenschaft
getroffen werden. In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts fand eine breite
Diskussion zwischen verschiedenen fachlichen Ausrichtungen innerhalb der Ar-
beitswissenschaft (sozialwissenschaftlich, ingenieurwissenschaftlich etc.) sowie
unterschiedlichen Rezipientenkreisen arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse (z.B.
Institutionen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern) bezüglich der fachlichen
Abgrenzung sowie des gesellschaftlichen Interessenbezugs der Arbeitswissen-
schaft (TOLKSDORF 1984; ABHOLZ et al. 1981; SPITZLEY 1985; ZFA 1982) statt.
Einführung 9

Die in der Folge dieser Auseinandersetzung erarbeitete Kerndefinition der Ar-


beitswissenschaft (s.o.) in Verbindung mit einem Gegenstandskatalog (LUCZAK u.
VOLPERT 1987) erwies sich in der deutschsprachigen Fachwelt als konsensfähig,
da es ihr gelingt, verschiedene disziplinen- und interessenspezifische Sichtweisen
zu integrieren.
Eine direkte Übertragung des deutschsprachigen Verständnisses von Arbeits-
wissenschaft in den internationalen Kontext ist nur bedingt möglich. Im internati-
onalen Zusammenhang sind die Bezeichnungen „Ergonomics“ oder „Human
Factors“ geläufig. So definiert die International Ergonomics Association (IEA),
der internationale Dachverband der Fachgesellschaften für Arbeitswissenschaft
und Ergonomie die Fachdisziplin “Ergonomics” wie folgt: „Ergonomics (or hu-
man factors) is the scientific discipline concerned with the understanding of inte-
ractions among humans and other elements of a system, and the profession that
applies theory, principles, data and methods to design in order to optimize human
well-being and overall system performance... Derived from the Greek ergon
(work) and nomos (laws) to denote the science of work, ergonomics is a systems-
oriented discipline which now extends across all aspects of human activity.” (IEA
2009)

Die Bedeutung des Einsatzes unserer Lebenskräfte (...)


( ) wird für uns zum antreibenden Moment,
Moment uns
mit einem wissenschaftlichen Ansatz zum Problem der Arbeit zu beschäftigen (...) und sogar zu ihrer
(der Arbeit) Erklärung eine gesonderte Lehre zu betreiben (…) damit wir aus diesem Leben die besten
Früchte, bei der geringsten Anstrengung mit der höchsten Befriedigung für das eigene und das
allgemeine Wohl ernten und dabei Anderen und dem eigenen Gewissen gegenüber gerecht verfahren.
(aus dem Polnischen nach Wojciech Jastrzebowski, 1857)

Abb. 1.1: Erste bekannte Definition von Ergonomie und Arbeitswissenschaft nach
JASTRZEBOWSKI (1857)  Abdruck aus einer polnischen Wochenzeitschrift
10 Arbeitswissenschaft

In der Definition der IEA wird auch die zuvor schon beschriebene Optimierung
von humanitären („human well-being“) und effektivitätsorientierten („overall
system performance“) Zielen als ein wesentliches Charakteristikum der Wissen-
schaftsdisziplin bezeichnet. Zudem weist die Definition der IEA auf die Wurzeln
der Disziplin in der Arbeitswelt hin (und greift hier auch die Bezeichnung „scien-
ce of work“ auf) und kennzeichnet den in jüngerer Zeit erweiterten Anwendungs-
bereich von „Ergonomics“ („all aspects of human activity“).

1.2.2 Theorie-Praxis-Verhältnis
Die Arbeitswissenschaft ist eine angewandte Disziplin, die auf den steten Kontakt
zur Praxis angewiesen ist. Schließlich verdankt sie ihre Entstehung praktischen
Problemstellungen, die nicht mehr allein durch Erfahrungswissen zu lösen waren,
sondern wissenschaftliche Bemühungen um Aufklärung der Ursache-Wirkungs-
Beziehungen erforderten (LUCZAK u. ROHMERT 1984). Ein Zusammenhang von
Theorie und Praxis resultiert zunächst aus einem Vorlauf im Sinne einer Phasen-
beziehung, der die Theorie gegenüber der Praxis auszeichnet und theoretische
Forschung rechtfertigen muss. Kausal-analytisches Wissen als Leistung der Theo-
rie wird im Zuge praktischer Deutung in technologische Erkenntnis transformiert
und anschließend durch die Filter praktischer Zielsetzungen und Erfahrungen
selektiert. Durch Praxis wird der Wahrheitsgehalt theoretischer Aussagen geprüft,
d.h. der Wert der Aussagen bemisst sich daran, ob sie dem objektiven Sachverhalt,
über den sie etwas aussagen will, gerecht wird. Im Prinzip hat die Praxis damit die
Funktion, Kriterium der wissenschaftlichen Erkenntnis im Theoriebezug zu sein
und als Prüfstein der Wahrheit zu dienen. In diesem wechselseitigen Zusammen-
hang stehen auch Theorie und Praxis in der Arbeitswissenschaft. Aufgrund kom-
plexer Ursache-Wirkungs-Beziehungen, eines schwierigen messtechnischen Zu-
gangs, werden arbeitswissenschaftliche Problemfelder, wie z.B. Leistungsmerk-
male von Arbeitspersonen, Körperfunktionen und Umgebungsparameter, häufig
isoliert behandelt. Im jeweiligen Kontext werden daraus auch Gestaltungs- und
Umsetzungshinweise für Einzelprobleme abgeleitet. Ausgangspunkt ist jedoch
selten eine gesamte arbeitswissenschaftliche Sichtweise, sondern je nach Einzel-
problem, eine naturwissenschaftliche, medizinische, physiologische, psychologi-
sche, pädagogische etc. Betrachtung von Einzelphänomenen. Die Vorgehensweise
ist überwiegend analytisch (siehe Kap. 1.5.1). In einem „bottom up“-Verfahren
kann, ausgehend von Einzelphänomenen, Arbeitsgestaltung betrieben werden;
jedoch ist dieses Vorgehen nicht auf übergreifende Gestaltungsziele orientiert,
vielmehr auf das Einzelphänomen und seine Bewertungsmaßstäbe.
Das Gestaltungsziel ergibt sich also nicht aus dem Arbeitsprozess selbst oder
der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesem, sondern aus wirtschaftli-
chen (Kapitalverwertung), politisch-rechtlichen (z.B. Fürsorgepflicht des Arbeit-
gebers), gesellschaftlichen und ethischen (z.B. Wertnormen, Akzeptanz) Motiven.
Aus diesen erst entsteht eine Notwendigkeit oder Verpflichtung zur Beschäftigung
mit Fragen des Arbeitsschutzes, der Arbeitsplatz- und Arbeitsablaufgestaltung
Einführung 11

oder der Entlohnung. Ausgehend von einer politisch-wirtschaftlichen Zielsetzung


wird das Problem also in einem „top down“-Ansatz bis auf eine Ebene herunter
gebrochen, auf der Lösungsansätze verfügbar sind.
Der Prozess der Arbeitsgestaltung lässt sich soweit als ein Problemlösezyklus
beschreiben (Abb. 1.2). Ausgehend von einer globalen Zielsetzung, der Gestaltung
eines Arbeitssystems in technischer, ökonomischer, sozialer etc. Hinsicht, erfolgt
eine gedankliche Zerlegung (Analyse) in Teilprobleme, bis die Komplexität der
Einzelprobleme soweit reduziert ist, dass verfügbare Lösungen herangezogen oder
neue Lösungen gefunden werden können. Die Einzellösungen werden zur Gesamt-
lösung zusammengefasst (Synthese). Treten Konflikte zwischen partiellen Lösun-
gen auf, müssen neue, nicht konfligierende Teillösungen gesucht werden.

Globale Ziel: Konformität Gestaltete


Zielsetzung Arbeitssysteme

Gesamtproblem Gesamtlösung
(komplex, nicht direkt lösbar)
A l
Analyse S th
Synthese

Teilprobleme Teillösungen
(lösbar bzw. Lösung bekannt)

Problemunabhängige Grundlagen und Methoden


arbeitsbezogener Disziplinen

Abb. 1.2: Problemlösezyklus in arbeitswissenschaftlichen Gestaltungsfragen

Zur Analyse des Theorie-Praxis-Verhältnisses der Arbeitswissenschaft ist eine


Betrachtung von zwei Grenzbereichen sinnvoll:
Zum einen existiert eine Reihe von Wissenschaftsdisziplinen, die sich unter an-
derem auch mit der menschlichen Arbeit befassen (siehe Kap. 1.3). Diese Fachge-
biete werden häufig durch die vorgestellte Spezifizierung „Arbeits-“ oder einen
verwandten Begriff als arbeitsbezogenes Teilgebiet einer „Mutterdisziplin“ ge-
kennzeichnet, z.B. Arbeitspsychologie, Arbeitsmedizin etc. Das (zumindest ur-
sprüngliche) Anliegen ist also eine Betrachtung von Arbeit aus dem Blickwinkel
der Mutterdisziplin. Da Arbeit also unter dem jeweils spezifischen Aspekten gese-
hen wird, werden diese arbeitsbezogenen Wissenschaften auch als
„Aspektwissenschaften“ bezeichnet, die den Gegenstand „menschliche Arbeit“
zumeist unter einem Aspekt, d.h. unter Zugrundelegung eines spezifischen Ar-
beitsbegriffes und eines spezifischen Menschenbildes betrachten (LUCZAK u.
ROHMERT 1984). In dem Schema aus Abb. 1.2 wird der Gesamtkomplex der Ar-
beitsgestaltung demnach von der (in der Darstellung) unteren Seite her betrachtet,
also den disziplinenspezifischen Teilproblemen und zugeordneten Teillösungen,
z.B. pädagogische Aspekte der Arbeitssystemgestaltung (Qualifizierung der Mit-
arbeiter etc.).
12 Arbeitswissenschaft

Zum anderen lässt sich Arbeitswissenschaft abgrenzen gegenüber


„praxeologischen“ Ansätzen, die auch als disziplinäre Substruktur „unterhalb“ von
Arbeitswissenschaft aufgefasst werden können. „Praxeologisch“ bedeutet in die-
sem Zusammenhang, dass es sich um eine nach den Bedürfnissen und Interessen
der Praxis gefilterte Bereitstellung von Wissen und Aussagezusammenhängen
handelt, bei denen der Praktiker letztlich nicht mehr nach den Begründungszu-
sammenhängen fragt. Auf den Problemlösezyklus nach Abb. 1.2 übertragen be-
deutet dies, dass Probleme im Einzelfall nicht mehr auf eine Ebene
heruntergebrochen werden, die eine wissenschaftlich begründete Lösung der Teil-
probleme anstrebt, sondern durch Anwendung von Regeln dieser Prozess abge-
kürzt wird. Der Gestaltungsprozess wird also von der in der Darstellung oberen
Seite her angegangen, d.h. das Gesamtproblem soll durch Anwendung eines Sat-
zes von Regeln möglichst direkt einer Gesamtlösung zugeführt werden, eine Zer-
legung in Teilprobleme erfolgt nur in einem solchen Grade, als dass bekannte
Regeln und Verfahren angemessen angewandt werden können. Solche
praxeologischen Ansätze finden sich etwa im Arbeitsschutz oder in der Arbeits-
wirtschaft.
Zwischen diesen beiden Polen kann eine wesentliche Rolle der Arbeitswissen-
schaft in einer Filter- und Transformationsfunktion gesehen werden: Die Arbeits-
wissenschaft selektiert Erkenntnisse, Methoden und Paradigmen anderer Wissen-
schaftsdisziplinen hinsichtlich ihrer Relevanz für die Arbeitsgestaltung und trans-
formiert sie in valide, reliable, objektive sowie für die Praxis handhabbare Werk-
zeuge. Hiermit soll kein Aus- oder Abgrenzungskriterium zwischen
„Aspektwissenschaftlern“, praxisorientierten Arbeitsgestaltern und „echten“ Ar-
beitswissenschaftlern formuliert werden. Schließlich ist jede wissenschaftliche
Tätigkeit, die sich schwerpunktmäßig mit menschlicher Arbeit auseinandersetzt,
Arbeitswissenschaft. Siehe dazu auch die am Anfang von Kapitel 1.2.1 dargestell-
te Kerndefinition der Arbeitswissenschaft.
Grundsätzlich sind in Anlehnung an den in Abb. 1.2 dargestellten Problemlöse-
zyklus drei Fälle zu unterscheiden:
(1) Es existiert ein eindeutig definiertes Problem und dafür eine eindeutige Lö-
sung. In diesem Fall steuert eine arbeitsbezogene Disziplin, z.B. Kennwerte
und Kennlinien, zur Lösungsfindung bei (günstigster Fall). Ein Beispiel ist
die Optimierung von „Gehen in der Ebene“ nach arbeitsphysiologischen Er-
kenntnissen.
(2) Häufiger ist der Fall, dass zwar ein eindeutig definiertes Problem existiert,
aber mehrere Lösungen und damit mehrere relative Maxima und Minima
vorliegen; eine oder mehrere Disziplinen steuern Erkenntnisse bei, um ein
Optimum einzugrenzen, z.B. Lastentransport über Leitern / Treppen / schiefe
Ebenen nach physiologisch-energetischen, (sicherheits-) technischen und
arbeitsstättenplanerischen Optimierungskriterien.
(3) Der übliche Fall ist, dass ein nur teilweise definierter Problemraum existiert,
in dem viele Lösungen, basierend auf teilweise kontrastierenden Modellen
Einführung 13

und widersprüchlichen Erkenntnissen, möglich sind; am Lösungsprozess


sind mehrere arbeitsbezogene Disziplinen beteiligt.
Die dargestellte sequentielle Vorgehensweise geht damit in eine iterative über.
Es handelt sich hierbei jedoch nicht um eine spezifisch arbeitswissenschaftliche
Vorgehensweise. Vielmehr ist die geschilderte Vorgehensweise in der technikwis-
senschaftlichen Methodologie eingeführt (z.B. MÜLLER 1990) und findet sich als
allgemeine Methodik der Systemgestaltung auch im technischen Regelwerk, z.B.
der VDI 2221.

1.3 Arbeitsbegriffe, Menschenbilder und das Theorie-Praxis-


Verhältnis arbeitsbezogener Wissenschaften

Die verschiedenen arbeitsbezogenen Wissenschaften (Aspektwissenschaften) sind


durch ein gemeinsames Erfahrungsobjekt, die menschliche Arbeit, verbunden
(Abb. 1.3).

Erfahrungsobjekt menschliche Arbeit

spezifische Betrachtungs-
Identitätsprinzipien weise von Einzel-
disziplinen (Aspekte)

Erkenntnisobjekte Arbeitsbegriffe

Beurteilungsansätze Menschenbilder

Gestaltungsfelder Theorie - Praxis -


Verhältnis

Abb. 1.3: Wissenschaftstheoretisches Schema zum Verhältnis zwischen dem Erfahrungs-


objekt arbeitsorientierter Wissenschaften und dem jeweiligen Theorie-Praxis-Verhältnis
(aus LUCZAK u. ROHMERT 1985)

Unterschiede ergeben sich zunächst aus dem Identitätsprinzip, welches sich aus
der Einbindung in die jeweilige „Mutterdisziplin“ ergibt und zu spezifischen Be-
trachtungsweisen (Aspekten) des gemeinsamen Erfahrungsobjekts führt. Dies hat
zur Folge, dass kein einheitliches Erkenntnisobjekt „menschliche Arbeit“ zugrun-
de liegt, sondern disziplinenspezifische Arbeitsbegriffe, z.B. Arbeit als Produk-
tionsfaktor, Arbeit als Verausgabung menschlicher Ressourcen etc.
Die Beurteilung von Arbeit orientiert sich wiederum an spezifischen Men-
schenbildern, die mit den jeweiligen Arbeitsbegriffen korrespondieren. Grundlage
für eine Beurteilung können danach Kosten, Schädigungslosigkeit, Persönlich-
14 Arbeitswissenschaft

keitsentfaltung etc. sein. Entsprechend unterscheiden sich auch die jeweiligen


Gestaltungsfelder, die sich aus den disziplinenspezifischen Aspekten ableiten und
durch das jeweilige Theorie-Praxis-Verhältnis gekennzeichnet sind. So können
einzelne Disziplinen stärker theoretisch ausgerichtete Aussagen liefern und damit
unter Umständen wichtige Randbedingungen definieren oder unmittelbar prak-
tisch umsetzbare Handlungsanleitungen bereitstellen.
Wenn es um Selektions- und Transformationsprozesse von Wissen für die Ar-
beitsgestaltung geht, so ist aus arbeitswissenschaftlicher Sicht zu prüfen, welche
Wissenszusammenhänge aus den so bezeichneten arbeitsbezogenen (Einzel-)
Wissenschaften zu entleihen sind. Entsprechend ihrem Erkenntnisinteresse legen
diese Einzelwissenschaften ihren Theoriegebäuden jeweils eigene Arbeitsbegriffe
und Menschenbilder zugrunde. Arbeitsbegriffe sind (Vor-)Verständnisse von
Arbeit und Menschenbilder, Vorausurteile über die menschliche Natur und
menschliches Verhalten im jeweiligen Kontext. Arbeitsbegriffe und Menschenbil-
der sind für die Einzelwissenschaften identitätsbegründend, da sie durch diese ihre
spezifische Sichtweise auf menschliche Arbeit identifizieren.
Aus dieser Sichtweise ergeben sich die Logik des Theoriegebäudes der jeweili-
gen Disziplin und ihr Standpunkt, was Interventionen in praxisorientierten
Zusammenhängen angeht. Dieser letztere Zusammenhang wird als Theorie-Praxis-
Verhältnis bezeichnet. Er ist von besonderer Bedeutung für die Wissensselektion
und Transformation in arbeitswissenschaftliche Gestaltungsansätze.

1.3.1 Wirtschaftswissenschaften
Innerhalb der Wirtschaftswissenschaften existieren entsprechend der mehr oder
weniger generalisierenden Betrachtung von Arbeitsprozessen verschiedenartige
Arbeitsbegriffe und Menschenbilder:
Die Volkswirtschaftslehre (VWL) versucht, wirtschaftliche Zusammenhänge
und Gesetzmäßigkeiten aus einer makroskopischen Perspektive zu verstehen,
bevor Details oder auch die Wirkungen bestimmter Eingriffe in die Wirtschaft
untersucht werden (SCHIERENBECK u. WÖHLE 2008). Dafür werden Modelle
wirtschaftlicher Vorgänge entwickelt, welche das Verhalten von Haushalten und
Betrieben in Märkten beschreiben und die Entwicklung von Preisen, Löhnen,
Produktion und Handel anhand eines breiten Spektrums von Einflussgrößen erklä-
ren.
Infolgedessen ist in der Volkswirtschaft Arbeit auf abstrakter Ebene ein ele-
mentarer Produktionsfaktor, das Arbeitsergebnis ist in Form von Kapital akku-
mulierbar. Der Mensch wird als rationaler Träger von Entscheidungen nach Nut-
zenerwägungen gesehen, die nach wirtschaftlichen Kriterien und Rah-
menbedingungen gefällt werden. Aus den volkswirtschaftlichen Produktionstheo-
rien lassen sich aufgrund der Ausrichtung auf Wirtschaftssysteme nur sehr allge-
meine Gestaltungsaussagen für die arbeitsbezogene Praxis treffen, wie zum Bei-
spiel für die Steuerung des Arbeitsmarktes, der Wachstumsraten oder der Ent-
Einführung 15

wicklung der Lohnquote, die allerdings indirekt und langfristig Arbeitsbedingun-


gen verändern.
Die Betriebswirtschaftslehre (BWL) betrachtet im Gegensatz hierzu in erster
Linie Wirtschaftsprozesse aus der mikroskopischen Perspektive der Unterneh-
mung bzw. des Betriebs. Ihr Interessengebiet sind Strukturen und Prozesse, die
ablaufen, um durch die Kombination von Produktionsfaktoren die Bedürfnisse der
Menschen nach materiellen und immateriellen Gütern zu befriedigen
(SCHIERENBECK u. WÖHLE 2008; THOMMEN u. ACHLEITNER 2006). Demzufol-
ge wird der Begriff der Arbeit als Produktionsfaktor in der Betriebswirtschaftsleh-
re differenzierter betrachtet. So werden zum Beispiel dispositive und objektbezo-
gene (planende und ausführende) Aufgaben unterschieden (siehe GUTENBERG
1971; HUNGENBERG u. WULF 2007). Entsprechend werden auch mit dem Men-
schen Qualitäten wie Disponenten- und Operateursqualifikationen assoziiert.
Grundsätzlich gilt aber auch hier das aus der VWL übernommene Menschen-
bild des „homo oeconomicus“ bzw. „economic human“, das vor allen Dingen
betriebswirtschaftlichen Denkmodellen zugrunde liegt (WÖHE 2008). In der be-
triebswirtschaftlichen Produktionstheorie gilt der Faktor „menschliche Arbeit“ als
beliebig teilbar, substituierbar, preis- und qualitätskonstant. Die Wirtschaftlichkeit
der Leistungserstellung und die Rentabilität des Kapitaleinsatzes sind bei be-
triebswirtschaftlichen Gestaltungsansätzen maßgebend. Gestaltungsfelder sind
u.A.
x die Schaffung leistungsfördernder Arbeitsbedingungen, z.B. durch neue
Formen der Betriebsorganisation,
x Arbeitsbewertung und Entlohnung sowie
x Motivationsförderung und Laufbahnplanung.
Die aufgeführten Problemkreise überschneiden sich mit Gestaltungsfeldern
vorwiegend menschorientierter, arbeitsbezogener Disziplinen. Das beschriebene
Menschenbild wurde durch entscheidungsorientierte (HEINEN 1974) sowie verhal-
tenswissenschaftliche (REICHWALD 1977) und handlungstheoretische (OSTER-
LOH 1982) Vorstellungen ergänzt (THOMMEN u. ACHLEITNER 2006; WÖHE 2008).
Damit wird anerkannt, dass die Arbeitsperson einen entscheidenden Anteil am
Zustandekommen eines Produktes oder einer Dienstleistung hat.
Im Gegensatz zu den rentabilitätsorientierten Ansätzen stellt die arbeitsorien-
tierte Einzelwirtschaftslehre die Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung von
autonomen Personen und Kollektiven als Aspekt menschlicher Arbeit in den Vor-
dergrund. Das Menschenbild entspricht dem autonomer Arbeitnehmer oder deren
Zusammenschluss zu Kollektiven. Diese Lehre zielt vorrangig auf die Durchset-
zung von Interessen der abhängig Beschäftigten ab (FREIMANN 1979; PROJEKT-
GRUPPE WSI 1974). Für die Praxis ergeben sich daraus Begründungszusammen-
hänge für die Mitbestimmung über die Gestaltung der Produktions- und Arbeits-
verhältnisse.
Auf Arbeit als Ergebnis der betrieblichen Ressource „Personal“ wird in dem
betriebswirtschaftlichen Feld des Personalwesens oder Personalmanagements
16 Arbeitswissenschaft

fokussiert (STOCK-HOMBURG 2008). Der hohen Bedeutung der einzelnen Person


entsprechend (Human-Ressourcen-Ansatz) (RINGLSTETTER u. KAISER 2008;
STEINMANN u. SCHREYÖGG 2005) werden Aufgaben der Personalauswahl, des
Personaleinsatzes oder der Personalentwicklung im betrieblichen Kontext organi-
siert und Methoden für diese Felder entwickelt. Unter organisatorischen Aspekten
werden betriebswirtschaftliche Aufgaben wie
x Personalbestands- und -bedarfsermittlung,
x Personalrekrutierung und -auswahl,
x Personalentwicklung und
x Personalfreisetzung
in strategische, taktische und operative Aufgaben differenziert und betrieblichen
(auch außerbetrieblichen) Funktionseinheiten zugewiesen. Dabei wird differen-
ziert, welche Aufgaben in zentralen Funktionsbereichen (z.B. Vorstandsressort
„Personal“), welche Aufgaben dezentral (z.B. operative Personalentwicklung) und
welche unternehmensextern durch Dienstleister (z.B. spezielle „Coaching-
Unternehmen“, Beschaffung von Führungskräften durch Personalberater) wahrge-
nommen werden sollen (HUNGENBERG u. WULF 2007). Auf ökonomisch-
rechtliche Bedingungen wird insbesondere im Bereich des Personaleinsatzes (z.B.
gesetzliche Regelungen zur Arbeitszeit) und der Personalfreisetzung (z.B. Vorru-
hestandsregelungen) fokussiert. Menschliche Arbeit, eingebunden in eine Or-
ganisation wird durch die betriebswirtschaftliche Organisations- und Personalwirt-
schaftslehre (DRUMM 2008; GAITANIDES 1976; KIESER u. WALGENBACH 2003;
STAEHLE 1999; STOCK-HOMBURG 2008) behandelt. Arbeit ist unter diesem As-
pekt das Verhalten von Personen in der Arbeitssituation (STAEHLE 1999), d.h. das
Verhalten in Abhängigkeit von der umgebenden Organisation. Der Mensch ist
demzufolge Handlungs- und Funktionsträger, hat eigene Interessen und Hand-
lungsfreiräume und verhält sich nach bestimmten Mustern. Dementsprechend
wirkt diese Lehre gestaltend auf die Beziehungen Mensch-Mensch und Mensch-
Arbeit ein. Maßstab für die Gestaltung ist dabei der Grad der Erfüllung von Zielen
der Organisation.

1.3.2 Soziologie
Die für die Arbeitswissenschaft besonders relevanten soziologischen Teildiszipli-
nen der Arbeits-, Industrie- und Betriebssoziologie lassen sich nicht einheitlich
und trennscharf definieren. Daher wird hier weniger eine Differenzierung verwen-
deter Arbeitsbegriffe, sondern eine Differenzierung unterschiedlicher Betrach-
tungsebenen der Arbeitssoziologie als übergeordnete Teildisziplin vorgenommen.
Die Betrachtungsebenen und die auf ihnen fokussierten Analyseaspekte sind als
interdependent zu verstehen. Auf der ersten Ebene bilden das Individuum als
Arbeitsperson, seine spezifische Arbeitssituation und seine Funktion als Teil eines
Arbeitssystems den Mittelpunkt der Betrachtung. Hier finden Überlegungen zur
Arbeitszufriedenheit und -motivation sowie Analysen zur Arbeitssystem- und
Einführung 17

Arbeitsplatzgestaltung ihren Platz. Dabei spielt die Techniksoziologie als eine


weitere soziologische Teildisziplin eine wichtige Rolle. Ihre Hauptinhalte stellen
im Allgemeinen die Technikgenese- und Technikfolgenforschung dar. Im Speziel-
len werden Forschungsthemen wie etwa die Gestaltung von Produktionstechnik
als Ausdruck von Kaptialverwertungsbedingungen behandelt. Themen in dieser
Betrachtungsebene beschäftigen sich bspw. mit der Wirkungsweise moderner
Informations- und Kommunikationstechnologien in ihrer Kontroll- und Rationali-
sierungsfunktion (KERN u. SCHUMANN 1985; MANSKE 1987, 1991; MANSKE
1994).
Eine zweite Betrachtungsebene fokussiert die Arbeitsperson als Teil des Sozial-
systems Betrieb. Analysen der im Arbeitsprozess sich konstituierenden sozialen
Beziehungen und der Veränderungen von betrieblichen Strukturen und der dabei
auftretenden Sozialphänome finden hier ihren Platz und sind am ehesten dem
Untersuchungsbereich der Betriebssoziologie zuzuordnen. Unterstützung finden
die Analysen auf dieser Betrachtungsebene durch Konzepte und Erkenntnisse aus
der Organisationssoziologie, sofern sie die Integration von Individuen in, die Be-
ziehungen zwischen sowie die Steuerung und Kontrolle von sozialen Systemen
beschreiben. Aktuell diskutierte Themen beschäftigen sich in erster Linie mit
unterschiedlichen Modellen zur Kooperation und Partizipation einzelner Arbeits-
personen und Arbeitsgruppen sowie deren Etablierung etwa in neuen Formen der
Arbeitsorganisation.
Hier werden gegensätzliche Entwicklungen in Richtung zunehmender Beto-
nung der Potenziale von Selbstorganisation und der damit verbundenen Subjekti-
vitätsnutzung auf der einen Seite (SCHIMANK 1986; BRANDT 1990; SCHUMANN
et al. 1994) und der vor allem technisch ermöglichten systemischen Kontrolle und
Rationalisierung auf der anderen Seite (ALTMANN et al. 1986; WITTKE 1990;
SCHUMANN et al. 1994) diskutiert.
Eine dritte Ebene betrachtet die Arbeitsperson in der Arbeitswelt. Arbeitswelt
wird dabei meistens als industrielle Arbeitswelt untersucht, wenngleich mit zu-
nehmender Expansion des nicht-industriellen Dienstleistungsbereichs der Blick-
winkel auf die Arbeitswelt auch in der Soziologie größer wird. Die Untersuchun-
gen der Arbeitsbedingungen und -verhältnisse vornehmlich abhängig beschäftigter
Arbeitspersonen sowie allgemeine Austauschbedingungen und -beziehungen am
Arbeitsmarkt stehen hier im Zentrum des Interesses. Dabei wird auf Erkenntnisse
aus dem Bereich der Bildungssoziologie- und Berufssoziologie zurückgegriffen,
die auf das breite Untersuchungsfeld beruflicher Qualifikation und Qualifizierung
sowie auf Rollenentwicklung und -identifikation, Karriere- und Laufbahnentwick-
lungen Bezug nehmen. Diskutierte Themen beschäftigen sich mit veränderten oder
neuen Berufsbildern und Qualifikationsanforderungen, wie etwa beim Industrie-
meister (MANSKE 1991; EICHENER 1992). Ein weiteres Thema stellen die sich
wandelnden Interessenstrukturen und Handlungsstrategien der diversen Interes-
sengruppen in der Arbeitswelt, wie etwa bei den Auseinandersetzungen zum
Thema Arbeitszeit dar (OFFE 1983; HÖRNING et al. 1990).
18 Arbeitswissenschaft

Im Grenzbereich zwischen der dritten und vierten Ebene ist ein „klassischer“
Bereich der Arbeitssoziologie anzusiedeln, der gemeinhin als Industriesoziologie
bezeichnet wird und sich mit den ökonomischen, sozialen und politischen Bedin-
gungen der Herausbildung und des Wandels von Strukturen industrieller Produk-
tion befasst. Aufgrund der Expansion des Dienstleistungssektors gegenüber dem
industriellen Sektor wechselt hier der Betrachtungsfokus zunehmend von der
industriellen Produktion auf Geschäftsprozesse in indirekten bzw. Dienstleis-
tungsbereichen. Einfluss nimmt hier die Wirtschaftssoziologie als soziologische
Teildisziplin, sofern sie sich dem wirtschaftlichen Handeln als eine besondere
Form des sozialen Handelns, den Strukturen und Prozessen in der Wirtschaft als
ein gesellschaftliches Teilsystem und dem Verhältnis von Wirtschaft und Gesell-
schaft widmet. In diesem Bereich sind bspw. Themen wie die Internationalisie-
rung und Globalisierung von Wirtschaftsstrukturen und die damit verbundenen
Bedingungen und Auswirkungen für nationen- und kulturübergreifende Unter-
nehmenskooperationen anzusiedeln (BECKENBACH 1991).
Einen umfassenden Blick auf das Zusammenspiel von Arbeits- und Lebenswelt
bietet schließlich die vierte Betrachtungsebene, welche die Lebensweltperspektive
von Arbeitspersonen und die sozial-kulturelle Prägung der Arbeitswirklichkeit
untersucht. Arbeit wird dabei im Kontext des Lebenszusammenhangs gesehen, der
Arbeitsverhalten und -einstellung maßgeblich determiniert. Aus dem sehr umfas-
senden Bereich der Soziologie der Moderne bzw. der Soziologie moderner, (wirt-
schaftlich) entwickelter Gesellschaften werden Anregungen etwa in Form der
Wertewandeldiskussion und der Betonung des Subjektivitätsbedarfs in immer
komplexer werdenden gesellschaftlichen und damit auch wirtschaftlichen Prozes-
sen geliefert.

1.3.3 Pädagogik
Innerhalb der Pädagogik, deren Arbeitsbegriff sich im Hinblick auf den Erfah-
rungs-, Qualifikations- und Professionalisierungsbereich mit dem der Soziologie
überschneidet, sind drei Sichtweisen menschlicher Arbeit zu nennen (SCHELTEN
1995, SCHELTEN 1997): Die der Arbeitslehre, der Berufsbildungsforschung und
der Arbeitspädagogik. Arbeitsbegriffe sind jeweils die Lehr- und Lerninhalte, das
Menschenbild ist das des lernenden Menschen. Die genannten Disziplinen unter-
scheiden sich vor allem durch ihre Lehr- und Lerninhalte sowie durch die Umge-
bung, in der gelehrt wird, also durch ihre Gestaltungsfelder.
Die Arbeitslehre versucht z.B. an allgemeinbildenden Schulen ein Bewusstsein
für die Probleme der Arbeitswelt zu vermitteln. Diese Inhalte sind jedoch nicht
fachspezifisch.
Die Berufsbildungsforschung beschäftigt sich im Gegensatz zur Arbeitslehre
mit der Ermittlung von Grundlagen, Inhalten und Zielen der Berufsbildung, um
diese an technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen anzupas-
sen. Sie ist eine wesentliche Aufgabe des Bundesinstitutes für Berufsbildung.
Hierzu gehört auch die Erstellung von Lehrplänen zur Vermittlung von berufsspe-
Einführung 19

zifischen Lerninhalten. Sie orientiert sich dabei an den Anforderungen des gelehr-
ten Berufes. Die Ausbildung findet bspw. an berufsbildenden Schulen, Fachschu-
len, Hochschulen oder im dualen System (Schule und Betrieb) statt.
Im Bereich der Arbeitspädagogik geht es um die Erforschung der Vorausset-
zungen, Durchführungen und Ergebnisse aktuellen Arbeitslernens einerseits und
um Qualifizierungsmaßnahmen für die Bewältigung von Arbeit andererseits (RE-
FA 1991). Die Gestaltungsfelder der innerbetrieblichen Einweisung, Ausbildung,
Fort- und Weiterbildung sind damit der Arbeitspädagogik zuzuordnen.
Innerhalb der oben beschriebenen Teildisziplinen ist keine einheitliche Zielvor-
stellung mit dem Arbeitsbegriff verbunden. Selbst innerhalb dieser Teildisziplinen
differieren die Begriffsverständnisse von Arbeit und dem zugrunde gelegten Men-
schenbild.
Im Folgenden wird beispielhaft ein Begriffsverständnis der Berufsbildungsfor-
schung dargestellt, um den grundsätzlichen Unterschied eines pädagogischen
Ansatzes zu wirtschaftswissenschaftlichen Ansätzen, in denen Arbeit im Wesent-
lichen als ein elementarer Produktionsfaktor betrachtet wird, herauszuarbeiten.
In dem berufspädagogischen Ansatz der „Arbeitsorientierten Exemplarik“ von
LISOP u. HUISINGA (1994) wird Arbeit nicht verengt als Erwerbsarbeit gesehen,
vielmehr beschreiben sie Arbeit in einem umfassenden Sinne als pädagogische
Kategorie menschlicher Entfaltung. Arbeit wird in diesem Ansatz insofern als eine
sinnerfüllte Tätigkeit gesehen, als dass (1) in ihr und durch sie menschliche Poten-
ziale entäußert und angeeignet werden und sie (2) das Medium der Befriedigung
der Lebensbedürfnisse ist.
Dem Begriff der Arbeit wird das Phänomen der Entfremdung gegenübergestellt
und mit den folgenden Kriterien erörtert:
x „Machtlosigkeit im Sinne des Ausgeliefertseins an sogenannte Sachzwänge,
die sich verselbständigt und verabsolutiert haben;
x Sinnlosigkeit im Sinne der Ausweglosigkeit, weil keine Möglichkeit der Ein-
sicht in Zusammenhänge besteht und die Folgen von Entscheidungen im
Dunkeln bleiben;
x Normlosigkeit aufgrund sozialer Desintegration der Individuen wie von
Desintegriertheit des Sozialgefüges selbst, häufig bei gleichzeitiger Isolie-
rung gesellschaftlicher Gruppen und deren Normen;
x Selbstentfremdung im Sinne der Außenlenkung und des Manipuliertwerdens
des Menschen, der Verkrüppelung der Autonomie bis hin zur Sinnentleerung
der Arbeit, ja des Lebens, indem das eigene Sein zu einem entäußerten und
veräußerlichten Objekt gerät, ja im Extremfall auf seine bloß vegetative Er-
scheinungsform zurückzusinken droht.“ (LISOP u. HUISINGA 1994)
Mit der Kategorie von Arbeit stellen sie somit die Frage nach Entfremdung und
der Aufhebung von Entfremdung als Wesensbestimmung des Menschen und sie
stellen die Frage nach der Entfaltung des menschlichen Wesens als Kategorie von
Bildung und Erziehung. Beim Beantworten dieser Frage gehen sie von dem fol-
genden Menschenbild aus: „Subjekt ist der selbstbestimmte, aktive, die ihn umge-
20 Arbeitswissenschaft

bene Welt und die Geschichte reflektierende und bewusst gestaltende wie sich
selbst entfaltende Mensch.“ (LISOP u. HUISINGA 1994)
Mit diesem Arbeits- und Subjektbegriff wird beispielhaft deutlich, dass päda-
gogische im Gegensatz zu wirtschaftswissenschaftlichen Ansätzen nicht die
höchste Effektivität des Arbeitsprozesses selbst, sondern die Effektivität in der
geistigen und gruppenbezogenen Auseinandersetzung mit den Arbeitsbedingungen
zum Ziel haben.

1.3.4 Rechtswissenschaft
Die Rechtswissenschaft betrachtet Arbeit als Gegenstand rechtlicher Regelungen
auf zwei Ebenen. Einerseits als Institution innerhalb der Gesellschaft mit Kollek-
tivverträgen, Arbeitsverbänden, Tarifvertragsrecht, Betriebsverfassungsrecht usw.,
andererseits als Aufeinandertreffen von Individualsphären (Arbeitnehmer-
Arbeitgeber), die von ihren Machtverhältnissen her nicht gleichrangig sind (Ar-
beitsschutzrecht, Kündigungsschutz, Datenschutz u.A.). Dementsprechend existie-
ren auf beiden Ebenen unterschiedliche Menschenbilder und zwar
x Kollektive zur Vertretung von Interessenlagen und
x natürliche Personen, die mit Rechten und Pflichten sowie der Fähigkeit, die-
se Rechte und Pflichten in einem bestimmten Umfang wahrzunehmen, aus-
gestattet sind.
Auf beiden Ebenen bildet, basierend auf rechtsphilosophischen Grundlagen,
das Schutzbedürfnis der Arbeitnehmerseite die Basis für gestaltende Eingriffe
(z.B. Gesetze). Dabei wird häufig auf arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu-
rückgegriffen (z.B. Grenzen für Überforderung, Schädigung usw.). Da nicht alle
Rahmenbedingungen im Detail gesetzlich geregelt werden können, und zudem
oftmals einer dynamischen Veränderung unterworfen sind, kommt Kollektivver-
einbarungen (Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen) eine wichtige Rolle zur
Gestaltung von Arbeitsbeziehungen zu. Individuelle Regelungen werden auf der
Basis von Einzelarbeitsverträgen geschlossen, die zusätzliche Vereinbarungen zu
kollektivvertraglich oder gesetzlich nicht geregelten Fragen enthalten. Die Rechts-
akte der Europäischen Union und die Rechtssprechung des Europäischen Ge-
richtshofes nehmen vermehrt Einfluss auf die nationalen Rechtsordnungen. Damit
ergibt sich folgende Rechtssystematik (SCHNEIDER 1996, RICHARDI u. WLOTZKE
1993):
x Grundgesetz (z.B. Gleichberechtigung von Mann und Frau im Arbeitsleben,
freie Wahl des Arbeitsplatzes, etc.)
x Arbeitsrechtliche Gesetze (z.B. Arbeitszeitgesetz, Arbeitsschutzgesetzgebung
(siehe Kap.8.1), Betriebsverfassungsgesetz, etc.)
x Kollektives Arbeitsrecht in Form von Tarifverträgen und Betriebsvereinba-
rungen
x Individualarbeitsrecht in Form von Einzelarbeitsverträgen.
Einführung 21

1.3.5 Arbeits- und Organisationspsychologie


Die Arbeits- und Organisationspsychologie ist nach FRIELING u. SONNTAG
(1999) ein Teilgebiet der Angewandten Psychologie. Sie erfüllt darüber hinaus
querschnittliche Funktionen, z.B. für die Allgemeine, Differenzielle, Entwick-
lungs- und Sozialpsychologie. Mit Bezug auf NERDINGER et al. (2008) behandelt
die Arbeits- und Organisationspsychologie die Themenfelder Arbeit, Personal,
Organisation und Markt bzw. Kunden unter einer psychologischen, d.h. auf die
menschliche Psyche bezogenen Perspektive. Diesen Feldern sind entsprechende
Teilgebiete zugeordnet. Generell beschäftigen sich Arbeits- und Organisations-
psychologen mit dem Erleben und Verhalten von Menschen in Organisationen,
ihrer Entwicklung im Laufe des Arbeitslebens sowie den dafür maßgeblichen
inneren und äußeren Gründen und Ursachen. Damit verbunden ist die Frage, wie
sich die Zugehörigkeit zu einer Organisation auf den arbeitenden Menschen aus-
wirkt und wie das Individuum die Struktur und das Verhalten der Organisation
beeinflußt. Der Grundstein der Arbeits- und Organisationspsychologie wurde zu
Beginn des vergangenen Jahrhunderts überwiegend durch empirische Studien im
Industriebetrieb gelegt (ULICH 2005). Dies ist auch heute noch ein zentraler Ge-
genstandsbereich. Darüber hinaus haben in den letzten Jahren öffentliche Verwal-
tungen, Dienstleistungsunternehmen (Banken, Versicherungen etc.) sowie Betrie-
be im Gesundheitswesen als Forschungs- und Anwendungsfelder zunehmend an
Bedeutung gewonnen (ZAPF et al. 2003, ZAPF u. DORMANN 2006).
Gegenstand der Arbeitspsychologie ist insbesondere das Erleben und Verhalten
des Menschen bei der Arbeit in Abhängigkeit von Arbeitsbedingungen, Arbeits-
aufgaben und den dafür erforderlichen Leistungsvoraussetzungen (NERDINGER et
al. 2008). Demhingegen setzt sich die Organisationspsychologie primär mit dem
Erleben und Verhalten von Menschen in komplexen Organisationen auseinander
und analysiert die Abhängigkeiten von verschiedenen Ausprägungen organisatio-
naler Wirkgrößen, wie z.B. zwischen Führungsverhalten von Vorgesetzten und
Motivation der Mitarbeiter (VON ROSENSTIEL 2007). Organisationen werden
dabei als offene Systeme mit formaler sowie informaler Weisungs- und Kommu-
nikationsstruktur verstanden, welche ihre Mitglieder auf das Verfolgen bestimmter
Ziele ausrichten sollen. Über die Analyse des Arbeitsverhaltens in Abhängigkeit
von Arbeitssituation und personellen Voraussetzungen hinaus wurden vielfältige
theoretische Ansätze entwickelt, die zur Beschreibung und Erklärung psychischer
Zusammenhänge bei der geistigen Vorwegnahme und dem Vollzug von Arbeits-
aufgaben dienen. So finden sich in der Arbeitspsychologie klassische Reiz-
Reaktions-Modelle, handlungstheoretische Modelle sowie tätigkeitstheoretische
Konzepte (FRIELING u. SONNTAG 1999). Eine wichtige theoretische Grundlage
zur Erklärung, wie der arbeitende Mensch Ziele bildet und gliedert, Pläne entwi-
ckelt und ausführt sowie Handlungsergebnisse zyklisch rückgekoppelt werden ist
die sog. Handlungsregulationstheorie (HACKER 2005, VOLPERT 1992), die in
Kap. 1.5.1.3 im Detail behandelt wird.
22 Arbeitswissenschaft

Das arbeits- und organisationspsychologische Menschenbild zeichnet sich


durch die Betrachtung der Arbeitsperson mit individuellen Motiven, Bedürfnissen,
Zielen, Plänen und Regulationserfordernissen aus sowie durch die besondere Be-
tonung der Wechselwirkungen mit kollektiven Anreiz-, Ordnungs- und Regelsys-
temen. Besonderes Gewicht wird der Art der Aufgabe beigemessen, auf die indi-
viduell sehr verschieden reagiert werden kann. Daraus leitet sich ein breites Spekt-
rum von Arbeitsbegriffen ab: Arbeit als Reaktion auf eine Aufgabe im Sinne eines
externen Reizes, als zielgerichtete und planmäßige Handlung, die mentale Res-
sourcen benötigt und Verarbeitungskapazität belegt, als motivgeleitete Tätigkeit
oder aber als Aktivität eines sozialen Wesens, dessen Verhalten von den sozialen
Normen der Arbeitsgruppe bestimmt wird (ULICH 2005). Dementsprechende na-
turwissenschaftliche Analogiemodelle des Menschen reichen vom „Automaten“,
der auf einen Reiz (Aufgabe) nach einem gewissen Zeitverbrauch eine eindeutige
Reaktion (Arbeit) liefert, über den Menschen als informationsverarbeitendes Sys-
tem, das Grundelemente von Denkleistungen – bestehend aus einem Ziel und
mehreren Transformationen, die untereinander verbunden und auf das Ziel bezo-
gen sind – zyklisch verarbeitet, bis hin zum sozial eingebundenen Wesen, das sich
betrieblichen sowie gesellschaftlichen Zielen der Produktion verpflichtet fühlt.
Eine weitergehende Darstellung und Diskussion der Zusammenhänge zwischen
Menschenbildern und Aspekten arbeitspsychologischer Konzeptentwicklung fin-
det sich in ULICH (2005).

1.3.6 Arbeitsmedizin
Die Arbeitsmedizin ist die medizinische, vorwiegend präventiv orientierte Fach-
disziplin, die sich mit der Untersuchung, Bewertung, Begutachtung und Beeinflus-
sung der Wechselbeziehungen zwischen Anforderungen, Bedingungen, Organisa-
tion der Arbeit einerseits sowie dem Menschen, seiner Gesundheit, seiner Arbeits-
und Beschäftigungsfähigkeit und seinen Krankheiten andererseits befasst. Die
Ziele der Arbeitsmedizin bestehen in der Förderung, Erhaltung und Wiederherstel-
lung von Gesundheit sowie der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit des Men-
schen (DGAUM 2004). Kennzeichnend für das Menschenbild einer modernen Ar-
beitsmedizin ist die ganzheitliche Betrachtung des arbeitenden Menschen mit
besonderer Berücksichtigung somatischer, aber auch psychischer und sozialer
Prozesse (PERLEBACH 2007).
Aufgrund des gemeinsamen Bezuges auf die Arbeitsphysiologie als konstituti-
ves Element, besteht eine enge Verbindung zwischen der Arbeitsmedizin und der
Arbeitswissenschaft (LUCZAK et al. 1983; STRASSER 2007). Dabei betrachtet die
Arbeitsphysiologie vorwiegend den Bau und die Funktion des menschlichen Kör-
pers und seiner Organsysteme mit dem Ziel, eine seinen Fähigkeiten entsprechen-
de Umgebung zu schaffen. Sozusagen als Nebeneffekt wird damit erreicht, dass
der Arbeitsprozess optimiert und eine rationellere Leistungserstellung ermöglicht
wird.
Einführung 23

Im physiologischen Sinne entspricht der Mensch einem Organismus, der auf


die Einwirkung von Arbeit reagiert. Diese Einwirkungen können beispielsweise
physikalische oder chemische Reize sein. Durch die systematische Variation von
Typ, Höhe und Dauer der Einwirkung (Belastung) auf den arbeitenden Menschen
und die Messung seiner physiologischen Reaktionen (Beanspruchung) werden
Kennwerte, Kennlinien und Kennlinienfelder gewonnen und erstellt (z.B. hinsicht-
lich Energieumsatz und Krafterzeugung). Ziel ist eine Vermeidung von Überfor-
derung und Schädigung. Arbeitsphysiologisch relevante Phänomene treten bei
jeder menschlichen Tätigkeit auf und nicht nur bei körperlicher Arbeit (STOLL
2007). So kann auch geistige Arbeit, die ebenfalls eng an den menschlichen Orga-
nismus gebunden ist, zum Gegenstand arbeitsphysiologischer Untersuchungen
werden. Einen aktuellen Überblick über die Entwicklung der Arbeitsphysiologie
im deutschen Raum und deren Verhältnis zur Arbeitsmedizin und Arbeits-
wissenschaft gibt STRASSER (2007).
Gestaltend wirkt die Arbeitsmedizin über die Gewinnung arbeitsphysiologi-
scher Erkenntnisse hinaus durch die Bereitstellung von Regeln, Grenzwerten und
Kennlinien für die Beurteilung von bestehenden und in der Planung befindlichen
Arbeitssystemen. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Leitlinien der
Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin zu nennen (bei-
spielsweise zu Nacht- und Schichtarbeit, SEIBT et al. 2006; oder zu Lastenhandha-
bung und Zwangshaltungen, HARTMANN et al. 2008).
Neben den verschiedenen Formen von Arbeit (vorwiegend mechanisch oder
motorisch, siehe Kap. 3.2) können auch die Arbeitsumgebungsfaktoren (siehe
Kap. 9, z.B. Arbeitsstoffe) bezüglich der gesundheitlichen Risiken für bestimmte
Personengruppen beurteilt werden. Ein wesentliches Konzept ist hierbei das Do-
sis-Wirkungs-Prinzip. Hierbei repräsentiert die Dosis die über eine gewisse Zeit-
spanne integrierte Belastungshöhe, die für Umgebungsfaktoren oft eine valide
Prädiktorvariable im Hinblick auf Gesundheitsschäden ist (Wirkung).
Schließlich spielt die Arbeitsmedizin bei der betrieblichen Gesundheitsförde-
rung (siehe Kap. 8.2) eine wesentliche Rolle. Dort wird sie vor allem durch die
Betriebsärzte vertreten. Dies gilt sowohl für die Durchführung arbeitsmedizini-
scher Vorsorgeuntersuchungen, die durch entsprechende Rechtsvorschriften gere-
gelt wird, als auch für die Beratung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern im
Rahmen der Planung neuer bzw. der Umgestaltung vorhandener Arbeitsplätze.

1.3.7 Ingenieurwissenschaften
Frühe ingenieurwissenschaftliche Ansätze zur Analyse, Bewertung und Gestaltung
menschlicher Arbeit finden sich bei Leonardo da Vinci (siehe HACKSTEIN 1977b),
dessen Werk bekanntlich nicht nur zahlreiche Kunstwerke, sondern auch eine
große Anzahl von Entwürfen für Maschinen und Gebäude umfasst. Leonardo da
Vinci hat intensiv die Bewegungen des Menschen studiert, um sie unter anderem
in den von ihm erfundenen Maschinen nachzuvollziehen (MOUNIER 1963). Darü-
ber hinaus hat er seine durch Beobachtungen und Messungen gewonnenen ar-
24 Arbeitswissenschaft

beitsphysiologischen und biomechanischen Erkenntnisse in Form von Gesetzmä-


ßigkeiten formuliert (z.B. „Ein Mensch, der eine schiefe Ebene begeht, muss mehr
Gewicht auf seinen vorderen als auf seinen hinteren Fuß legen, das bedeutet vor
der vertikalen Achse mehr als dahinter; und man platziert immer einen größeren
Teil seines Gewichts in die Richtung, in die man sich bewegen will, als in die
entgegengesetzte“, siehe MOUNIER 1963, übersetzt von HACKSTEIN 1977b). Einer
breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden sind seine Zeitstudien der Tätigkeit
eines Erdarbeiters. Hierfür hat er vermutlich recht präzise Messgeräte eingesetzt,
die auf rotatorischen Schwingungen eines Balkens basieren. Leonardo da Vinci
kann als Wegbereiter ingenieurwissenschaftlicher Arbeitsstudien gelten, welche
sich disziplinär in die sog. Arbeitstechnologie einordnen lassen. In dieser Diszip-
lin, die sich stark an ingenieurwissenschaftlichen Intentionen (nämlich der Ent-
wicklung und Optimierung praktisch einsetzbarer Technologien, Methoden und
Geräte) orientiert, kommen physikalisch-technische Arbeitsbegriffe zur Anwen-
dung. Die Arbeitstechnologie nutzt in ihren Bewegungs- und Zeitstudien bei-
spielsweise Zulässigkeitsnormen und Gestaltungsempfehlungen der Arbeitsphysi-
ologie. Eine der historisch prominenten Grundlagen der Arbeitstechnologie ist die
wissenschaftliche Betriebsführung Taylors (1856-1915), die Arbeitsaufgaben in
Planung, Ausführung und Kontrolle differenzierte und auf der Grundlage von
empirischen Studien mit Zeitdaten hinterlegte (TAYLOR 1919, siehe auch Kap. 7).
Mehr noch als der Arbeitsbegriff steht in der Arbeitstechnologie der Leistungsbe-
griff im Vordergrund. Disziplinspezifische Interessen sind die Optimierung des
Produktionsfaktors Arbeit und die hierzu notwendige quantitative Erfassbarkeit
von Mengen- und Güteleistungen. Der Mensch verhält sich in diesem mechanisti-
schen Bild entsprechend Kennlinien und Regeln (z.B. mehr Lohn ĺ mehr Leis-
tung; höhere Spezialisierung ĺ mehr Übung ĺ mehr Leistung). Die Arbeitstech-
nologie analysiert und optimiert Arbeitsvollzüge dahingehend, dass Tätigkeiten,
die nicht direkt den Arbeitsergebnissen zuträglich sind, vermieden werden. Die
Zielfunktion der Optimierung wird meistens so formuliert, dass eine Vermeidung
von sog. „Verschwendung“ angestrebt wird. Ein solcher Ansatz stellt per se eine
Einschränkung des persönlichen Handlungsspielraumes der Arbeitenden dar. Zeit-
und Bewegungsökonomie oder eine ausschließlich an technischen Funktionen
ausgerichtete Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine einschließlich einer
Automatisierung mit sogenannten „Restfunktionen“, die aufgrund eines zu gerin-
gen technologischen Reifegrads beim Menschen verbleiben müssen, sind Ansätze,
Arbeitsbedingungen alleinig effizient zu gestalten. Diese Methoden der Arbeits-
technologie finden immer noch Anwendung, besonders bei der Gestaltung hoch-
gradig arbeitsteiliger Systeme. Es ergeben sich allerdings Zielkonflikte mit
menschorientierten Ansätzen.
Nach einem technikorientierten Gestaltungsansatz wird der Mensch häufig als
Organismus mit beschränkter Leistungsfähigkeit betrachtet. Die eingeschränkten
Möglichkeiten seiner Organe und Organsysteme erschweren die Anpassung an
Umweltbedingungen, wodurch die Notwendigkeit entsteht, Natur bzw. Umgebung
intelligent zu verändern. Diese Tätigkeit, zu der Fähigkeiten und Hilfsmittel  also
Einführung 25

Technik  genutzt werden, wird als Arbeit verstanden. Aus dem Verhältnis zur
Technik ergeben sich dann zwei verschiedenartige Menschenbilder  einerseits
der Mensch, der Technik durchschaut und an ihrer Weiterentwicklung beteiligt ist
(„homo faber“), andererseits der Mensch, der der Technik ausgeliefert ist, der sie
lediglich konsumiert und der auf sie reagiert, ohne die Zusammenhänge zu kennen
(„animal rationale“, siehe Kap. 1.1.2).
Über die Nutzung von Technik als Mittel der Gestaltung menschlicher Arbeit
hinaus ist der Einsatz von ingenieurwissenschaftlichen Methoden zum besseren
Verständnis und zur Vorhersage menschlicher Vorgänge beim Arbeiten ein ganz
wesentlicher Bezug der Ingenieurwissenschaften zur Arbeitswissenschaft. So
werden z.B. biomechanische Ersatzmodelle des Menschen zur Analyse, Bewer-
tung und Gestaltung körperlicher Arbeit verwendet (Kap. 3.2, Kap. 10.1.3.4) so-
wie thermodynamische Modelle, um die Wärmeregulation unter verschiedenen
klimatischen Bedingung zu beschreiben (Kap. 9.4). Es werden die Methoden der
Regelungstechnik bzw. Systemtheorie verwendet, um Regelkreise mit dem Men-
schen als Regler und dem zu führenden Arbeitsmittel bzw. der zu führenden Ma-
schine als Regelstrecke aufzubauen und zu berechnen (Kap. 3.3.1.2.3). Die Me-
thoden der Informationstheorie dienen dazu, Reaktionszeiten bei der Mensch-
Maschine-Interaktion vorherzusagen, die Komplexität der Interaktionsprozesse zu
bewerten sowie ganz allgemein die menschliche Informationsverarbeitung zu
modellieren (Kap. 3.3.1.2.2). Die Signalentdeckungstheorie, die ursprünglich in
der Nachrichtentechnik entstanden ist, wird genutzt, um sicherzustellen, dass
kritische Ereignisse in der Arbeitsumgebung sicher wahrgenommen werden und
eine angemessene Reaktion erfolgt (Kap. 3.3.1.2.1). Ferner nimmt die Nutzenthe-
orie (utility theory) eine historisch besondere Stellung bei der Modellierung der
menschlichen Hypothesenbildung und Handlungsauswahl ein und dient dazu,
menschliches Verhalten in komplexen Mensch-Maschine-Systemen vorherzusa-
gen und zu bewerten (Kap. 3.3.2.2.2.1). Schließlich sind systemtechnische Metho-
den in der Arbeitswissenschaft weit verbreitet, um beispielsweise Arbeitsstruktu-
ren und -prozesse zu beschreiben sowie Ursache-Wirkungs-Beziehungen zu mo-
dellieren (Kap. 1.5.1.1).
Aufgrund der vielfältigen methodischen Bezüge ist es es nicht überraschend,
dass ingenieurwissenschaftliche Modellvorstellungen oft die Grundlage arbeits-
wissenschaftlicher Konzepte sind  insbesondere im Hinblick auf die (technische)
Ergonomie. So basiert das Belastungs-Beanspruchungs-Konzept (siehe Kap.
1.5.1.2) auf einer Analogie zur technischen Mechanik und ist systemtechnisch
formuliert. Ergonomische Gestaltungskonzepte beziehen ihre Grundlagen i.d.R.
auf die Konstruktionsmethodik (siehe Kap. 10.3.1). Dies gilt sowohl für die Struk-
turierung von Informationen über technisch komplexe Systeme (z.B. in Form von
Abstraktionshierarchien, siehe Kap. 3.3.2.2.5.1, Kap. 10.1.2.3.2.1) als auch die
konstruktionsmethodische Vorgehensweise bei der menschzentrierten Auslegung.
Arbeitswissenschaftliche Optimierungskonzepte stützen sich zum Teil auf Ziel-
funktionen, die für Ingenieurwissenschaften typisch sind, beispielsweise die Ma-
ximierung des Wirkungsgrads oder die Minimierung des Risikos eines Schadens-
26 Arbeitswissenschaft

eintritts. Schließlich sind arbeitswissenschaftliche Trade-Off-Analysen zwischen


mehreren Input- bzw. Belastungsfaktoren im Hinblick auf den Output sowie der
damit verbundenen Beanspruchung für den Arbeitenden typisch für eine ingeni-
eurwissenschaftliche Vorgehensweise. Von einem Trade-Off spricht man, wenn
die Verbesserung eines Aspekts, wie z.B. Sicherheit beim Vollzug einer Hand-
lung, nur unter Inkaufnahme der Verschlechterung eines anderen, wie z.B. der
Verringerung der Ausführungsgeschwindigkeit, erzielt werden kann.
Im Zusammenhang mit der Analyse, Bewertung und der Gestaltung von
Mensch-Maschine-Systemen sind somit vor allem die Systemwissenschaften,
technische Mechanik, Konstruktionstechnik, Nachrichtentechnik und Informatik
als Bezugswissenschaften zu nennen. Ferner gibt es im Anwendungskontext enge
Verflechtungen mit der sog. Anthropotechnik und dem Cognitive Engineering
(siehe Kap. 3.3, Kap. 10.1.2).

1.3.8 Schlussfolgerungen für eine pluri- und interdisziplinäre


Arbeitswissenschaft
Aus der vorausgehenden Beschreibung von Menschenbildern und Arbeitsbegrif-
fen arbeitsbezogener Disziplinen lassen sich disziplinspezifische Beiträge zur
Arbeitsgestaltung ableiten. Bezüglich verschiedener Beurteilungsebenen men-
schengerechter Arbeitsgestaltung liefern sie Erkenntnisbeiträge auf unterschiedli-
chen Ebenen (siehe Kap. 1.5.2). Zunehmend besteht jedoch der Bedarf, Zielkon-
flikte und widersprüchliche Gestaltungsansätze in einen Ordnungszusammenhang
zu bringen und schließlich eine disziplinübergreifende, gestaltungsbezogene Ar-
beitswissenschaft zu begründen. Der Vorteil einer solchen Arbeitswissenschaft,
die zunächst aus den Ingenieurwissenschaften entstand, lässt sich an der Beschäf-
tigung mit dem organisational geregelten Zusammenwirken von Menschen und
technischen Sachmitteln erkennen. Das Verhältnis von Theorie und Praxis ist hier
besonders eng, da organisatorische Bedingungen wie auch technische Sachmittel
den Rahmen, in dem persönliche Arbeitsaufgaben definiert werden können, de-
terminieren. Menschliche Arbeit wird somit als organisatorisch geregelter Ar-
beitsvollzug durch Mensch und Maschine gesehen, wobei die Funktionen, Gren-
zen und Beurteilungskriterien des menschlichen Anteils der Leistungserbringung
in Organisationen und im Zusammenhang mit der Arbeitsumgebung im Vorder-
grund stehen. Diese an Mensch, Technik und Organisation ausgerichtete Betrach-
tungsweise menschlicher Arbeit ermöglicht einerseits eine Abgrenzung zu vor-
wiegend menschbezogenen Disziplinen durch die Einbeziehung der technischen
Sachmittel in die Betrachtungsweise des Arbeitsvollzuges, andererseits zu öko-
nomisch-technischen, vorwiegend auf die Optimierung des Arbeitsergebnisses
ausgerichteten Disziplinen.
Die Arbeitswissenschaft als vorwiegend gestaltungsorientierte Wissenschaft
nutzt Erkenntnisse der verschiedenen Disziplinen und ordnet sie mit dem Ziel,
möglichst vollständige und widerspruchsfreie Gestaltungshinweise geben zu kön-
Einführung 27

nen. Voraussetzung hierfür ist eine Systematik arbeitsbezogener Erkenntnisse, die


von allen arbeitsbezogenen Wissenschaften anerkannt wird.

1.4 Ordnungszusammenhänge arbeitsbezogener Erkenntnisse und


Gestaltungsansätze

1.4.1 Fundament- und Überbaumodelle


Diese Modelle gehen davon aus, dass eine Aspektwissenschaft bei der Beurteilung
menschlicher Arbeit eine herausragende Stellung einnimmt. Sie versteht sich
entweder als Basis allen arbeitsbezogenen Forschens, oder sie erhebt den An-
spruch, die arbeitsbezogenen Beiträge anderer Aspektwissenschaften beurteilen zu
können und über die Gültigkeit von Gestaltungsaussagen zu entscheiden. Als
typisches Fundamentalprinzip kann in diesem Zusammenhang beispielsweise die
Tendenz der Physiologie zur Betonung der organischen Bedingtheit allen Arbei-
tens bezeichnet werden. Zu den Überbaumodellen kann dagegen die Tendenz der
Soziologie zur Betonung eines gesellschaftlichen Überbaus als Rahmenbedingung
von Arbeit gerechnet werden. Da solche Ansprüche der üblichen interdisziplinären
Diskussion von Wissenschaftlern entgegenstehen oder die Diskussion gar verhin-
dern, trugen diese Modelle nicht zu einem Konsens der Vertreter arbeitsbezogener
Disziplinen im Hinblick auf eine gemeinsam getragene Arbeitswissenschaft bei.

1.4.2 Hierarchiemodelle
Bei diesen Ordnungsmodellen ist eine Hierarchie nicht auf eine Ordnung von
Disziplinen, sondern auf Beurteilungsebenen des Verhältnisses Mensch-Arbeit
bezogen. So sind zum Beispiel zur Erzielung menschengerechter Arbeitsbedin-
gungen menschliche Bedürfnisse in verschiedenen Wertungsebenen in einer be-
stimmten Reihenfolge zu erfüllen. Als arbeitswissenschaftliche Beurteilungsebe-
nen können die Kriterien Ausführbarkeit, Erträglichkeit, Zumutbarkeit und Zu-
friedenheit menschlicher Arbeit (siehe Kap. 1.5.2) definiert werden. Darüber hin-
aus werden die menschlichen Bedürfnisse z.B. im Rahmen der Maslow´schen
Motivationstheorie in einen hierarchischen Zusammenhang gestellt (siehe
Kap. 2.4.1.2).
Die Hierarchie der Ebenen ergibt sich aus der Ordnungsbedingung, dass die Er-
füllung der menschlichen Bedürfnisse auf einer niedrigeren Ebene Voraussetzung
für deren Erfüllung auf der nächsten Ebene ist. Ein Beispiel für die Verletzung
dieser Bedingung ist der Fall eines Menschen, der infolge seiner persönlichen
Motivation eine hohe subjektive Arbeitszufriedenheit erfährt, jedoch bei seiner
Tätigkeit durch eine mangelnde ergonomische Gestaltung des Arbeitsplatzes im
Hinblick auf Schädigungslosigkeit gesundheitlichen Schaden nimmt. In diesem
Fall wurde die vorgestellte Hierarchie nicht eingehalten.
28 Arbeitswissenschaft

Solche Hierarchiemodelle begründen ihre Ordnung arbeitsbezogener Forschung


aus dem gemeinsamen Objekt. Sie wurden deshalb von Vertretern der
Aspektwissenschaften weitgehend akzeptiert und konnten so integrativ wirken.

1.4.3 Ebenen- und Segmentmodelle


Die Bandbreite von Aspektwissenschaften zeigt, wie weit das Problemfeld
„menschliche Arbeit“ gesteckt ist.
Die Grundlage von Ebenen- bzw. Segmentmodellen mit helfender Interdiszip-
linarität bildet die Einsicht, dass eine umfassende Bearbeitung arbeitsbezogener
Themenstellungen unter Berücksichtigung aller Aspekte durch eine Disziplin
praktisch nicht möglich ist. Diese Modelle schaffen daher eine Arbeitsteilung
zwischen den Aspektwissenschaften und ermöglichen den arbeitsbezogenen Dis-
ziplinen eine Standortbestimmung. So kann festgestellt werden, wo sich die ein-
zelnen Ansätze überschneiden und Randbedingungen beachtet werden müssen.
Ein Beispiel für ein Ebenenmodell ist die Gliederung des Arbeitsprozesses nach
Verlaufs- und Strukturebenen (siehe Abb. 1.4).
Wird die Tätigkeit einer arbeitenden Person in ihrem zeitlichen Verlauf beo-
bachtet, so ist es möglich, verschiedene Verlaufsebenen zu differenzieren:
x V1 Aktivität der sensumotorischen Automatismen einer Person
x V2 Zielgerichtete, bewusst regulierte Handlungen der Person
x V3 Motivbezogene Tätigkeiten von Personen, deren gegenständliche Resul-
tate durch die Organisation der Handlung produziert werden
x V4 Kooperative Arbeit, in der die Person ihre Tätigkeiten auf andere Perso-
nen in einer Arbeitsgruppe bzw. Team abstimmen muss
x V5 Auseinandersetzung der betrieblichen Akteure, in der sich die gruppen-
spezifischen Meinungen und Interessen ausbilden, zu der die Person explizit
oder implizit Stellung beziehen muss
x V6 Arbeitsbezogene politische Aktionen, die die Rahmenbedingungen für
die Akteure im Betrieb erhalten oder verändern sollen, was für alle Arbeits-
personen Folgen hat.
Eine solche Gliederung, bezogen auf den subjektiven Erfahrungsbereich von
Arbeitspersonen, erscheint vor allem dazu geeignet, die Erkenntnisse von human-
wissenschaftlichen Disziplinen, wie z.B. der Psychologie, Pädagogik oder Sozio-
logie zu systematisieren.
Steht aber das Objekt „menschliche Arbeit“ im Vordergrund, so erscheint eine
Gliederung nach den Strukturebenen der Beziehung Mensch-Arbeit geeigneter:
x S1 Vegetative Systeme und Arbeitsumgebungen
x S2 Operationen mit Arbeitsmitteln
x S3 Arbeitsaufgaben und Arbeitsplätze
x S4 Personales Handeln und Arbeitsformen
x S5 Kooperationsformen in Arbeitsgruppen
x S6 Formen betrieblicher Arbeitsbeziehungen
Einführung 29

 S7 Gesellschaftliche Organisation der Arbeit.


In diesen Ebenen können sich arbeitsbezogene Disziplinen, wie z.B. die Ar-
beitsmedizin (vorwiegend S1), die ergonomische Arbeitsgestaltung (S2 sowie S3)
bis hin zur Volkswirtschaftslehre (S7) wiederfinden.
Die Arbeitswissenschaft kann sich nicht auf eine dieser Ebenen spezialisieren,
aber auch nicht auf allen Gebieten so tief eindringen wie dies die arbeitsbezogenen
Disziplinen tun: Einerseits ginge gemeinsam mit dem interdisziplinären Charakter
ihr Anspruch verloren, fachübergreifende Gestaltungshinweise zu geben, anderer-
seits wäre die Arbeitswissenschaft als einzelne Disziplin infolge der Themenviel-
falt in der Analyse von Arbeit überfordert. Ein gemeinsamer Bezugspunkt wurde
allerdings auf der Ebene S4  „Personales Handeln und Arbeitsformen“ postuliert
(LUCZAK u.VOLPERT 1987). Diese Ebene eignet sich auch als Vermittlungsposi-
tion zwischen ingenieur- und naturwissenschaftlichen Ansätzen auf der einen und
denen sozialwissenschaftlicher Disziplinen auf der anderen Seite. Eine so ausge-
richtete Arbeitswissenschaft kann somit disziplinenintegrierend wirken.

Strukturebenen Verlaufsebenen
des Arbeitsprozesses des Arbeitsprozesses
(Betrachtungsgegenstand)

S7
Weitester Kontext
Produktions- und Verkehrsverhältnisse V6
S6 Arbeitsbezogene politische Aktion
Mittlerer Kontext
Struktur des Betriebes V5
S5 Auseinandersetzung der betrieblichen Akteure
Nächster Kontext
Struktur der Arbeitsgruppe V4
S4 Kooperative Gruppenarbeit
Subjektsystem
S bj kt t
Tätigkeitssystem einer Person V3
S3 Motivbezogene Tätigkeit
Funktionale Mittel der Person
Zweckgebundene Subsysteme (Aufgaben) V2
S2 Zielgerichtete bewusst regulierte Handlung
Obere Ebene körperlicher Mittel
P d kti S
Produktive Subsysteme
b t (Sensumotorik)
(S t ik) V1
Sensumotorische Automatismen
S1 (Operationen)
Untere Ebene körperlicher Mittel
Reproduktive Subsysteme des Körpers

Abb. 1.4: Struktur- und Verlaufsebenen (nach LUCZAK u. VOLPERT 1987)


30 Arbeitswissenschaft

1.4.4 Betrachtungsebenen von Arbeitsprozessen


Eine Gliederung von arbeitswissenschaftlichen Problemen und Fragestellungen
kann anhand des zuvor eingeführten Ebenenmodells von Arbeitsprozessen
(LUCZAK u. VOLPERT 1987) vorgenommen werden (Abb. 1.4).
Ein aus dem Ebenenmodell abgeleitetes Schema gliedert sich analog zu den
sieben Strukturebenen, wobei die höchste Superierungsebene (7) die Arbeit auf
gesamtgesellschaftlicher Ebene betrachtet, die unterste (1) dagegen elementare
physiologische Prozesse zum Gegenstand hat. Auf den drei untersten Ebenen
erfolgt eine getrennte Betrachtung eines subjektnahen (d.h. an den Menschen
gebundenen) und eines objektnahen (d.h. Arbeitsumgebung, -platz, -mittel,
-gegenstand betreffenden) Bereichs. Dieses abgeleitete Schema ist in Abb. 1.5
dargestellt.
Gegenstand der nach diesem Schema elementarsten Ebene (1) sind anatomische
und physiologische Grundlagen wie Biomechanik, Energieumsatz, Stoffwechsel,
Tageszeitrhythmik, Einflüsse von Geschlecht und Alter sowie die naturwissen-
schaftlichen (insbesondere physikalischen und chemischen) Grundlagen der Ar-
beitsumgebung (Messung und Bewertung von Klima, Lärm, Schwingungen, Licht,
Stäuben, Dämpfen und sonstigen Arbeitsstoffen).
Auf Ebene (2) werden menschseitig die Grundlagen elementarer physischer
(z.B. Bewegungskoordination, Erzeugung und Wertebereiche von Körperkräften,
Funktion und Kennlinien von Sinnesorganen) und psychischer Funktionen (z.B.
Grundprinzipien menschlicher Informationsverarbeitung, Gedächtniskapazität)
betrachtet. Objektseitig sind auf dieser Ebene Fragen der anthropometrischen
Arbeitsplatzgestaltung, die Untersuchung von Greif- und Bewegungsräumen, die
Gestaltung von Anzeigen und Stellteilen der Sicherheitstechnik und Schutzmaß-
nahmen (z.B. gegen Benutzungsfehler) angesiedelt.
Betrachtungsgegenstand auf der nächsthöheren Ebene (3) sind auf der einen
Seite die psychischen Prozesse, die die geregelte, sinnhafte Abfolge von Handlun-
gen (Ziel- und Teilzielbildung, Planung und Antizipation von Handlungsverläu-
fen) ermöglichen, auf der anderen Seite Systembetrachtungen von Arbeitsplätzen,
also das funktionelle und zeitliche Zusammenwirken von Menschen und techni-
schen Sachmitteln zur Erfüllung des Systemzwecks (Erstellung eines Produkts
oder einer Dienstleistung).
Auf der zentralen Ebene (4) steht der arbeitende Mensch als Individuum im
Mittelpunkt der Betrachtung. Kennzeichnend für diese Ebene ist eine „ganzheitli-
che“ Betrachtung menschlicher Arbeit als Einheit motivationaler, willensmäßiger,
qualifikatorischer und sozialer Elemente. Auf dieser Ebene – wie auch auf allen
höheren – wird daher nicht mehr zwischen Subjekt- und Objektbereich unter-
schieden.
Auf der Ebene von Arbeitsgruppen (5) steht die Kooperation von Personen im
Mittelpunkt. Dazu gehören neben Arbeitsteilung und Hierarchie auch Vorgesetz-
tenverhalten, Partizipations- und Mitspracherechte sowie Fragen der Kommunika-
tion mit Vorgesetzten und Kollegen (Human Relations).
Einführung 31

7.
Arbeit und Gesellschaft

6.
Betriebliche Arbeitsbeziehungen und Organisation
(Produktion, Dienstleistung, Verwaltung)

5.
Kooperationsformen in Arbeitsgruppen

4.
Personales Handeln und Arbeitsformen

3. Arbeitstätigkeit und Arbeitsplatz

3.1 3.2
Psychische Regulation der Arbeitstätigkeit Systembetrachtung von Arbeitsplätzen

2. Operationen und Bewegungen mit Werkzeugen und an Maschinen

2.1 2.2
Biologische und psychologische Grundlagen Technische Grundlagen der Arbeitsgestaltung

1. Autonome Körperfunktionen und Arbeitsumgebung


1.1 1.2
Anatomie und Physiologie der autonomen Physikalische und chemische
Körperfunktionen Umgebungseinflüsse

Abb. 1.5: Betrachtungsebenen von Arbeitsprozessen (aus LUCZAK u. VOLPERT 1987)

Die Ebene (6) hat die betrieblichen Arbeitsbeziehungen zum Gegenstand. Dies
sind Fragen der Mitbestimmung und Personalvertretung (Aufgaben von Betriebs-
bzw. Personalräten) sowie Fragen der Organisation und andere unternehmensstra-
tegische Entscheidungen, soweit sie die menschliche Arbeit betreffen (Industrial
Relations).
Die nach diesem Schema umfassendste Betrachtungsebene (7) bezieht sich auf
den gesellschaftlichen Kontext von Arbeit. Typische Fragestellungen auf dieser
Ebene beschäftigen sich mit der Arbeit in der Gesetzgebung (Arbeitsrecht), Arbeit
als volkswirtschaftlicher Produktionsfaktor, strukturellen und konjunkturellen
Veränderungen von Beschäftigung und Arbeitsmarkt, beruflichen Bildungskon-
zepten sowie überbetrieblichen Aktivitäten der Tarifpartner.
32 Arbeitswissenschaft

Selbstverständlich wäre die Arbeitswissenschaft überfordert, wollte sie alle ge-


nannten Ebenen umfassend bearbeiten. Vielmehr sind mit Bezug auf Kap. 1.3 am
Erkenntnisgewinn eine Vielzahl arbeitsbezogener Wissenschaften beteiligt (Abb.
1.6). In den höheren Ebenen sind dies vor allem die Wirtschaftswissenschaften
und die Soziologie, in den mittleren Ebenen die Psychologie sowie die Pädagogik,
während in den unteren Ebenen naturwissenschaftliche Disziplinen (Physik, Che-
mie, Biologie, Medizin) dominieren. Für all diese Disziplinen stellt die menschli-
che Arbeit sowie die mit ihr verbundenen Rahmenbedingungen und Grundlagen
nur einen Gegenstand neben anderen dar, während die Arbeitswissenschaft sich
gerade dadurch auszeichnet, dass sie menschliche Arbeit als zentralen Gegenstand
unter verschiedenen Aspekten betrachtet.

Ebenen Disziplinen

Macro-
Ergonomics
Wirtschaftsswissenschaften
Arbeit und Gesellschaft

Soziologie
Betriebliche Arbeitsbeziehungen Arbeits- und Organisationspsychologie
g
und Organisation

internatioonaler Sprachgebrauch
im deuttschsprachigen Raum

Kooperationsformen in
Arbeitsgruppen
Arbbeitswissenschaft

Pädagogik
Kern der

Personales Handeln und


Arbeitsformen
Arbeitstechnologie

Arbeitstätigkeit und Arbeitsplatz


Arbeitsmedizin

Operationen und Bewegungen mit


Werkzeugen und an Maschinen
Erggonomics

Autonome Körperfunktionen und


Miccro-

Arbeitsumgebung

Abb. 1.6: Verknüpfung von Fachdisziplinen mit den Betrachtungsebenen der Arbeitswis-
senschaft

1.5 Aufgaben der Arbeitswissenschaft

In der Kerndefinition der Arbeitswissenschaft nach LUCZAK u. VOLPERT (1987)


(siehe Kap. 1.2.1) werden die systematische Analyse, Ordnung und Gestaltung der
technischen, organisatorischen und sozialen Bedingungen von Arbeitsprozessen
als wesentliche Aufgaben genannt. Die Aufgabenschwerpunkte werden je nach
Fragestellung unterschiedlich gewählt und mit unterschiedlicher Intensität behan-
delt. Bei einem vollständigen arbeitswissenschaftlichen Problemlösezyklus wer-
den sie aufeinanderfolgend bearbeitet.
Einführung 33

Für den systematischen Zugang wurden grundlegende Konzepte entwickelt. So


wird für die Analyse menschlicher Tätigkeit in unterschiedlichen Kontexten ein
systemischer Ansatz gewählt, dessen strukturelle Darstellung häufig in Form eines
Arbeitssystems erfolgt (siehe Kap. 1.5.1.1). Ein Bestandteil der Analyse der tech-
nischen, organisatorischen und sozialen Bedingungen von Arbeitsprozessen ist die
detaillierte Untersuchung der Wirkungen von Tätigkeitsbedingungen auf die Ar-
beitspersonen. Hier bietet das Belastungs-Beanspruchungs-Konzept einen theore-
tischen Rahmen für die Durchführung von Studien zum Aufzeigen von Ursache-
Wirkungs-Beziehungen in definierten Arbeitssituationen, aber auch zur Interpreta-
tion von unterschiedlichen Reaktionen von Menschen auf vermeintlich identische
Arbeitsbedingungen (siehe Kap. 1.5.1.2). Weiterhin liefert die Handlungsregulati-
onstheorie einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis der menschlichen
Informationsverarbeitung beim Bearbeiten einer gestellten Arbeitsaufgabe und
zum Erklären individueller Unterschiede in der Aufgabenerfüllung (siehe Kap.
1.5.1.3). Basierend auf den jeweiligen Grundkonzepten wurden unter Einbezug
der generellen Methoden der empirischen Analyse (Kap. 1.5.1.4) spezifische In-
strumente und Werkzeuge für arbeitswissenschaftliche Analysen im Labor oder
Feld entwickelt. Eine Auswahl wird in Kapitel 1.5.1.5 vorgestellt.
An dieser Stelle ist auf einige Beschränkungen der Darstellung hinzuweisen. So
muss aus Platzgründen beispielsweise auf eine Erläuterung der vielfältigen Model-
le der Stressforschung (s. hierzu z.B. COOPER et al. 2001, SEMMER u. MOHR
2001, ZAPF u. SEMMER 2004) und anderer arbeitsbezogener Konzepte (z.B. zur
komplementären Systemgestaltung von GROTE et al. 1999) verzichtet werden. Des
Weiteren beziehen sich die ausgewählten Ansätze vorrangig auf die Ebene der
Arbeitsperson und die darunter liegenden Ebenen (siehe Abb. 1.5). Gruppenbezo-
gene Konzepte und Instrumente, die zum Teil auch höhere Ebenen einbeziehen,
werden in Kapitel 5 behandelt. Sog. Mehr-Ebenen-Ansätze betonen die Komplexi-
tät von Arbeitssystemen/-situationen und zeigen die Notwendigkeit auf, bei der
Analyse, Bewertung und Gestaltung sowohl unmittelbare Einflussfaktoren des
Arbeitssystems (sog. Mikrostruktur, z.B. abteilungsspezifische technologische und
organisatorische Gegebenheiten, Gruppenprozesse, Aufgaben) als auch mittelbare
Einflussfaktoren aus dem betrieblichen und gesellschaftlichen Umfeld (sog. Mak-
rostruktur, z.B. allgemeiner technischer Entwicklungsstand, Kosten- und Ein-
kommensstrukturen, Marktsituation) zu berücksichtigen (siehe ELIAS et al. 1985).
Es wird hier exemplarisch auf das Konzept zur dualen Arbeitssituationsanalyse
(ebd. mit Bezug auf KARG u. STAEHLE 1982) sowie auf das sog. MTO-Konzept
(MTO = Mensch, Technik, Organisation, STROHM u. ULICH 1997) verwiesen.
Die mittels systematischer Analysen gewonnenen Erkenntnisse und erzielten
Ergebnisse sind hinsichtlich ihrer jeweiligen Bedeutung für die Gestaltung von
Arbeitssystemen zu ordnen. Ordnen bedeutet in diesem Zusammenhang die geisti-
ge Vorwegnahme, Gliederung und Priorisierung der systematischen Interventio-
nen, die zur Herstellung eines im Hinblick auf die Arbeitsperson günstigen bzw.
erwünschten Gestaltungszustands notwendig sind. Ein Prioritätsprinzip ist bei-
spielsweise der Engpass der körperlichen und geistigen „Ressourcen“ des Men-
34 Arbeitswissenschaft

schen. Mit Bezug auf den in Abb. 1.2. dargestellten Problemlösezyklus ist Ordnen
in arbeitswissenschaftlichen Gestaltungsfragen bereits Bestandteil der Synthese.
Hierzu ist bei existierenden Arbeitssystemen zumindest eine Bewertung des Aus-
gangszustands im Hinblick auf die in der Kerndefinition genannten Kriterien not-
wendig sowie eine vorausschauende (antizipative) Bewertung der Wirksamkeit
von Aktivitäten, mit denen im Hinblick auf die Arbeitsperson und -aufgaben bes-
sere Gestaltungszustände erreicht werden können. Aber auch auf einer reinen
Modellebene wird es bei komplexen Arbeitssystemen unumgänglich sein, die
theoretisch möglichen Gestaltungszustände einem personenzentrierten Bewer-
tungsschema mit Kriterien unterschiedlicher Gewichtung zu unterwerfen und für
das Aufstellen und Lösen einer Zielfunktion zu nutzen. Insofern setzt das Ordnen
in der Regel eine dezidierte Bewertung voraus. Diesbezüglich wurden unter-
schiedliche Konzepte entwickelt, die in Kap. 1.5.2 eingeführt und diskutiert wer-
den.
Schließlich ist die Arbeitssystemgestaltung ein (zumeist) kreativer und in
Kenntnis der Bewertungs- und Ordnungszusammenhänge methodisch geleiteter
Schaffensprozess des Arbeitsplaners bzw. der Arbeitspersonen selbst, bei wel-
chem durch ihre Tätigkeit ein Arbeitsmittel, Arbeitsobjekt, Arbeitsprozess o.Ä.
zielgerichtet und bewusst verändert wird, das heißt, erzeugt, angepasst oder neu
entwickelt wird und dadurch eine bestimmte Funktion, Form oder Gestalt verlie-
hen bekommt. Dies schließt die Entwicklung von Maßnahmenplänen ein. Diesbe-
züglich wurden vielfältige Modellvorstellungen entwickelt, die in Kapitel 1.5.3
kurz eingeführt werden und in Kapitel 10 im Hinblick auf die ergonomische Ge-
staltung von Arbeitssystemen im Detail behandelt werden.

1.5.1 Analysieren

1.5.1.1 SystemischeĆAnalyseansätzeĆĆ
Der Systemansatz bietet eine allgemeingültige Darstellungsweise für die Struktur
verschiedener Phänomene. Kennzeichen eines Systems ist, dass es über eine Sys-
temgrenze, die es von der Umgebung abteilt, Systemelemente und Beziehungen
zwischen den Elementen und ggf. zur Umgebung verfügt (Abb. 1.7). Das betrach-
tete System kann einerseits Teil- oder Subsystem eines übergeordneten Systems
sein und andererseits als Elemente wiederum Subsysteme enthalten.
Damit kann beispielsweise die Struktur technischer Systeme (Bauteile, Bau-
gruppen, Maschine, Maschinenverband etc.) mit entsprechenden Beziehungen der
Elemente untereinander und mit der Umgebung (Verbindung, Relativbewegung,
Kraftübertragung, Energiezufuhr etc.) beschrieben werden.
Einführung 35

Auch der menschliche Organismus kann als System aufgefasst werden, welches
mit der Umgebung in vielfältigen Beziehungen steht (Handlungen, soziale Interak-
tion, Stoffwechsel etc.) und über verschiedene Subsysteme (Organe) verfügt, die
untereinander in funktioneller Beziehung stehen und ihrerseits Subsysteme (Zel-
len) enthalten. Umgekehrt kann der einzelne Mensch als Element übergeordneter
(sozialer) Systeme, z.B. einer Arbeitsgruppe oder Abteilung, betrachtet werden.
Das Zusammenwirken von Menschen und technischen Systemen wird im so-
ziotechnischen Systemansatz betont (siehe EMERY 1959; EMERY u. THORSRUD
1982; TRIST 1990; SYDOW 1985). Danach besteht ein sog. „soziotechnisches Sys-
tem“ aus einem sozialen und einem technischen Teilsystem, die miteinander ver-
knüpft sind und in Wechselwirkung stehen.

Beziehungen

System
Systemelemente Umgebung

Abb. 1.7: Allgemeine Systemdarstellung

In der arbeitswissenschaftlichen Literatur hat sich der Begriff des Arbeitssys-


tems durchgesetzt. Aufgrund der Allgemeinheit des Systemansatzes impliziert der
Begriff zunächst keine spezielle Betrachtungsebene von Arbeitsprozessen, d.h.
Teile eines einzelnen Arbeitsplatzes können damit genauso wie ein ganzer Betrieb
gemeint sein. Gemeinhin ist jedoch die Ebene des Arbeitsplatzes angesprochen.
Die betrachtete Struktur des Arbeitssystems kann, je nach Fragestellung, unter-
schiedlich differenziert sein, enthält aber zumindest den Menschen und die Ar-
beitsaufgabe (ROHMERT 1983).
Allgemein kann ein Arbeitssystem (zum Arbeitssystem siehe auch REFA 1993)
durch die Elemente Arbeitsperson(en), Arbeitsauftrag, Arbeitsaufgabe, Eingabe,
Ausgabe, Arbeitsmittel, Arbeitsobjekte und Umwelteinflüsse beschrieben werden
(Abb. 1.8). Damit ist ein Ordnungsschema zur systematischen Beschreibung be-
liebiger Arbeitsplätze gegeben.
36 Arbeitswissenschaft

Arbeitsauftrag
Zielvorgabe/ZwecksetzungĆ

Arbeitsperson(en)
Eingabe Ausgabe
Arbeittsaufgabe Einwirkung Rückwirkung

Arbeitsmittel
Geräte,ĆWerkzeuge
Material Einwirkung Rückwirkung ArbeitsergebnisĆ
Information QuantitätĆ
Energie Arbeitsobjekte Qualität
Arbeitsstoffe

Umwelteinflüsse
SozialĆ/ĆEmotional PhysikalischĆ/ĆOrganismisch
OrganisatorischĆ/ĆKommunikativ ChemischĆ/ĆStofflich

Abb. 1.8: Arbeitssystem

Um eine einheitliche und möglichst vollständige Beschreibung von Arbeitspro-


zessen zu gewährleisten, wird im Folgenden ein erweitertes systemtheoretisches
Modell vorgestellt. Das ursprünglich für die Analyse komplexer Produktions- und
Dienstleistungsprozesse entwickelte Modell basiert auf der klassischen, zuvor
beschriebenen Arbeitssystembeschreibung, ermöglicht jedoch eine differenziertere
Klassifizierung und Analyse von Einflussfaktoren sowie deren Wechselwirkun-
gen.
Die Struktur des erweiterten Arbeitssystems wird durch vier Subsysteme
1) Führungs- und Planungssystem, 2) Wirksystem, 3) Input und 4) Output gebil-
det, die durch Relationen und deren Wirkrichtungen miteinander verbunden sind
(siehe Abb. 1.9). Das Arbeitssystem wird durch die Ausprägung einer System-
grenze charakterisiert, die den Betrachtungsrahmen der Arbeitsperson(en) von der
Umwelt abgrenzt. Diese Grenze umfasst dabei Schnittstellen für den Input und
Output des Arbeitssystems sowie für besonders relevante Variablen in Form von
Zielen und Störungen. Input und Output werden dabei hinsichtlich der bekannten
drei Grundgrößen 1) Materie (bzw. vereinfacht Material oder Rohstoffe), 2) Ener-
gie und 3) Information gegliedert. Unter einer Störung lassen sich physikalische,
chemische, organisatorische oder soziale Umwelteinflüsse subsumieren, deren
Zeitpunkt, Häufigkeit und Intensität sich nicht genau vorhersagen lassen und so-
mit aus Sicht der involvierten Arbeitsperson statistischen Einflüssen unterliegen.
Die Ausprägungen dieser Faktoren beeinflussen natürlich unmittelbar das Verhal-
ten des betrachteten Arbeitssystems und können zu erheblichen Schwankungen im
Einführung 37

Arbeitsfortschritt führen. Im Arbeitssystem werden mit dem Führungs- und Pla-


nungssystem sowie dem Wirksystem zwei hierarchische Abstraktionsebenen ge-
bildet, die durch die sog. Regulationsebenen menschlicher Informationsverarbei-
tung begründet sind (siehe Kap. 1.5.1.3 sowie Kap. 3.3). Damit wird jedoch kei-
nesfalls eine Arbeitsteilung zwischen planenden und ausführenden Tätigkeiten
von Arbeitspersonen impliziert, da bereits eine einzige Arbeitsperson beide Ebe-
nen kompetent auszufüllen vermag.
Allgemein wird nach Abb. 1.9 ein außerhalb der Systemgrenzen definiertes
Ziel an das Führungs- und Planungssystem übermittelt.

Umwelt definiertes erreichtes


Ziel Ziel
A b it
Arbeitsraum
Führungs- und Planungssystem
Input Output
• Information I1 A b it
Arbeitsperson A b it
Arbeitsperson • Information I1´
• Energie E1 • Energie E1´
Führungs- und
Planungsinformationssystem
Plan ngsinformationss stem

Arbeits- Arbeits-
aufgabe ergebnis

Wirksystem

Arbeitsperson Arbeitsperson
• Information I2 • Information I2´
• Material m • Material m´
• Energie E2 Arbeitsmittel • Energie E2´

Arbeitsraum
Arbeitsobjekte

Störung

Abb. 1.9: Erweitertes Arbeitssystem (das im Bild oben dargestellte definierte Ziel wird aus
dem Arbeitsauftrag abgeleitet, wohingegen das erreichte Ziel den Erfüllungsgrad be-
schreibt)

Mindestens eine Arbeitsperson, die in einem Arbeitsraum agiert, interpretiert


die vorgegebenen Ziele unter Einbeziehung von Informationen und Energie, trans-
formiert sie in persönliche Teilziele und leitet daraus konkrete Arbeitsaufgaben für
das Wirksystem ab. Bei mehreren Arbeitspersonen erfolgt die Teilzielbildung
kooperativ. Hierzu ist in der Regel eine intensive persönliche Kommunikation
nötig. Der Begriff des Wirksystems ist an die sensumotorische Koordination des
Menschen angelehnt und beschreibt den von außen (zumindest teilweise) be-
obachtbaren Assoziations- und Transformationsprozess, der zur Erzeugung eines
substanziellen Arbeitsergebnisses führt. Die häufig mittels eines Führungs- und
38 Arbeitswissenschaft

Planungsinformationssystems an das Wirksystem übermittelten Aufgaben führen


aufgrund der Fähigkeiten, Fertigkeiten und des Verhaltens der einbezogenen Ar-
beitspersonen unter Verwendung der Arbeitsmittel, Arbeitsobjekte sowie weiterer
Input-Größen zu einem Arbeitsergebnis. Dieser Prozess kann individuell oder
kooperativ erfolgen. Hierbei treten verschiedene Arbeitsformen auf, die nach dem
Engpass der Tätigkeit gegliedert werden können (mechanisch, motorisch, reaktiv,
kombinativ oder kreativ, siehe Kap. 3). Es werden Informationen, Material und
Energie zielgerichtet verknüpft und zu einem das Arbeitssystem verlassenden
Output gewandelt. Hierdurch entstehen natürlich auch Rückwirkungen auf die
Arbeitspersonen, beispielsweise in Form von Ermüdung, die allerdings aus Grün-
den der Übersichtlichkeit in Abb. 1.9 weggelassen wurden. Schließlich wird das
Arbeitsergebnis dem Führungs- und Planungssystem in geeigneter Form für einen
Soll-Ist-Vergleich zurückgemeldet. Im Fall einer unzureichenden Übereinstim-
mung mit den vorgegebenen Zielen sind gegebenenfalls Interventionen zu veran-
lassen, während eine ausreichende Erfüllung zu einer Rückmeldung des Zielerrei-
chungsgrades sowie möglicher Verbesserungsmaßnahmen zur Zielsetzung an die
Umwelt führt. Die skizzierten Relationen und Wirkrichtungen dieses systemtheo-
retischen Ordnungsmodells lassen sich mit Hilfe der Konzepte und Modelle der
Betriebs- und Arbeitsorganisation präzisieren, wie sie in Kapitel 4 eingeführt
werden, sowie z.B. durch die in Kapitel 3.3.1.2 dargestellten regelungstechnischen
Menschmodelle quantitativ erweitern.

1.5.1.2 Belastungs-Beanspruchungs-KonzeptĆ
Mit dem Belastungs-Beanspruchungs-Konzept (ROHMERT 1983, 1984) steht ein
theoretischer Ansatz zur Verfügung, mit dem die menschbezogenen Phänomene
eines Arbeitssystems in einen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang gebracht wer-
den können.
Als Analysekonzept bietet eine Belastungs-Beanspruchungs-Betrachtung die
Möglichkeit der Interpretation vorliegender Tätigkeitsbedingungen. Die Nutzung
von Belastungs-Beanspruchungs-Beziehungen im Rahmen eines Messkonzeptes
erlaubt die gezielte Untersuchung der Wirkung definierter Tätigkeitsbedingungen
auf den Menschen.
Der Grundgedanke des Belastungs-Beanspruchungs-Konzepts fußt auf einer
Analogie zur technischen Mechanik. Belastung meint dort die Gesamtheit der
äußeren Einwirkungen, z.B. Kräfte, die auf ein Bauteil einwirken, während unter
Beanspruchung die daraus resultierenden inneren Spannungen in dem Bauteil
verstanden werden. Letztere hängen sowohl von der Höhe der Belastung als auch
der Geometrie und Werkstoffeigenschaften des Bauteils ab (Abb. 1.10).
Entsprechend werden in der Arbeitswissenschaft unter Belastung die äußeren
Merkmale der Arbeitssituation (z.B. Arbeitsaufgabe, physikalische, chemische,
organisatorische und soziale Umgebungsbedingungen, besondere Ausführungsbe-
dingungen wie Zeitdruck etc.) verstanden, während unter Beanspruchung die
Einführung 39

Reaktionen (körperlich-physiologisch, erlebens- und verhaltensmäßig) des arbei-


tenden Menschen auf diese Bedingungen subsumiert werden.

 Bean spruchungĆ
nimmt zu

Eigensch aftĆ Leistu ngĆ


nimmt ab nimmt ab

BelastungĆ
bleibt konstant

Abb. 1.10: Mechanisches Ersatzmodell zum Belastungs-Beanspruchungs-Konzept


(aus ROHMERT 1984)

Die Beanspruchung ist dabei nicht nur eine Funktion der Belastung, sondern
hängt auch von individuellen Eigenschaften und Fähigkeiten (z.B. Gewöhnungs-
grad, Qualifikation) des Individuums ab (KIRCHNER 1986; ROHMERT 1983, 1984)
(Abb. 1.11). Eine gleiche Belastung führt somit bei verschiedenen Menschen zu
unterschiedlicher Beanspruchung.

BELASTUNG MENSCH BEANSPRUCHUNG

mit individuellen
Einflüsse, die im individuelle
Eigenschaften,
Arbeitssystem auf Auswirkung der
Fähigkeiten,
den Menschen Belastung im
Fertigkeiten und
einwirken
i ik M
Menschen
h
Bedürfnissen

Abb. 1.11: Das einfache Belastungs-Beanspruchungs-Konzept (ROHMERT 1983)

Dieses Grundkonzept kann begrifflich weiter differenziert werden: Die Belas-


tung setzt sich aus verschiedenartigen Teilbelastungen zusammen, die wiederum
nach Höhe und Dauer (Dosis) quantifiziert werden, und gleichzeitig oder nachei-
40 Arbeitswissenschaft

nander wirksam werden können (siehe auch Kap. 9). Im Arbeitsablauf sind Belas-
tungsabschnitte (LAURIG 1992) dadurch definiert, dass innerhalb eines Abschnitts
die Belastungshöhe und der Belastungstyp als konstant aufgefasst werden können
(Abb. 1.12).
Belastungshöhe

Belastungs-
Belastungs
Ta Te
dauer
Belaastungshöhe

Belastungs-
Ta Te dauer

Angabe über Kräfte


Belastungshöhe

Energetische Arbeit
g g g
Bewegungslängen
Informatorische Arbeit
Arbeitsumgebung
Arbeitsorganisation Belastungs-
Ta Te dauer

Abb. 1.12: Zeitliche und inhaltliche Ebenen der Belastungsanalyse (aus BRUDER 1993)

Belastungstypen können dabei situationsbezogen (an der Arbeitsumgebung ori-


entiert) oder aufgabenbezogen (an der Tätigkeit orientiert) auftreten. Beispiele
sind in Tabelle 1.1 gegeben. Situationsbezogene Belastungstypen wirken spezi-
fisch auf bestimmte Organsysteme bzw. organismische Funktionsbereiche (z.B.
Klima ĺ Thermoregulationssystem, Lärm ĺ auditives System) oder auf mehrere
unterschiedliche Systeme und Funktionsbereiche (Arbeitsstoffe, Strahlung). Ana-
log zu Teilbelastungen können damit Teilbeanspruchungen einzelner Organsyste-
me unterschieden werden.
Dem Belastungs-Beanspruchungs-Konzept in der Form nach Abb. 1.11 liegt
ein stark vereinfachtes Verständnis von menschlicher Tätigkeit zugrunde. Dies
zeigt sich vor allem darin, dass das Tätigwerden selbst in dem Modell gar nicht
auftaucht. Das bedeutet aber, dass z.B. unterschiedliche Beanspruchungen ver-
schiedener Individuen, die bei ein und derselben Aufgabe beobachtet werden,
zwar im Rahmen des Konzepts aus den unterschiedlichen Fähigkeiten und sonsti-
gen Voraussetzungen erklärt werden können, aber nicht etwa daraus, dass sie
verschiedene Vorgehensweisen zur Erfüllung der Aufgabe gewählt haben. Das
Einführung 41

Belastungs-Beanspruchungs-Konzept in dieser einfachen Form eignet sich somit


nur zur Analyse von in gewisser Weise deterministischen Arbeitssystemen.
Tabelle 1.1: Beispiele für unterschiedliche Belastungstypen, -faktoren und -größen

Beispiele für Beispiele für


Kriterien zur
Belastungstyp Ermittlung der Belastungs- Belastungs-
Höhe der faktoren größen
Belastung (qualitativ) (quantitativ)

physikalische
Schwere oder Bewegungs-
Arbeitsformen//-arten

energetische Größen

ogen
Genauigkeit elemente z.B.
Belastung z.B. Gewicht,
einer Arbeit nach MTM

aufgabenbezo
K f oder
Kraft d W Weg

Schwierigkeit der Art und Informations-


informatorische
Informations- Veränderung gehalt von
Belastung
verarbeitung von Signalen Anzeigen

subjektive
Belastung aus physikalische
Intensität eines Feststellung
physikalischer Größen z.B.
zB

situationsgebunden
Arbeitsumgebung
g

Umgebungs- z.B. zur


oder chemischer Schalldruck oder
einflusses Lautstärke oder
Umgebung Leuchtdichte
Helligkeit

Belastung aus
Unterstellungs- Feststellung zum Darstellung von
der sozialen
verhältnis Betriebsklima Soziogrammen
Umgebung

Eine weitere Differenzierung der Zusammenhänge zwischen Belastung, Bean-


spruchung und individuellen Eigenschaften der Arbeitsperson ergibt sich daraus,
dass das Tätigwerden (Handlung) des betrachteten Individuums explizit berück-
sichtigt wird (siehe Abb. 1.13) und Beanspruchungen im zeitlichen Verlauf kumu-
lativ wirken (Ermüdung, Schädigung) oder auch kompensiert werden können
(Übung, Gewöhnung). Die Ausführung der Handlung hängt sowohl von der Belas-
tungssituation (also den objektiven Gegebenheiten) als auch von der Handlungs-
kompetenz (den Möglichkeiten der Arbeitsperson, die Anforderungen zu erfüllen)
ab. Dies schließt auch den Fall ein, dass es wegen mangelnder Handlungskompe-
tenz zu gar keiner Handlung kommt. Arbeitswissenschaftliche Bewertungsdimen-
sionen (Ausführbarkeit, Erträglichkeit, siehe Kap. 1.5.2) wie auch Eigenschaften
der Arbeitsperson (Dauerbelastungs-, Dauerleistungs- und Dauerbeanspruchungs-
grenzen) lassen sich in einem derart erweiterten Konzept präzise verankern.
Die Beanspruchung hängt zum einen davon ab, ob und wie die Handlung aus-
geführt wird und zum anderen von der sogenannten psychophysiologischen Resis-
tenz. Letztere kann etwas unschärfer auch als „Belastbarkeit“ der Arbeitsperson
bezeichnet werden.
42

Dauer, Höhe und Individuelle Eigenschaften Psychologische Resistenz Schädigungsgrenzen


Zusammensetzung der Handlungskompetenz (AGW, BGW)
Teilbelastungen:
simultan, Konzentration Kennwerte und Grenzen für
sukzessiv Antriebe Kennlinien der Trainingswirksamkeit,
Motivation Funktion von Übungswirksamkeit,
Organsystemen Dauerbean-
Fähigkeiten spruchungsgrenzen
Disposition
F ti k it
Fertigkeiten

Dauer-
Ausführbarkeit Dauerleistungsfähigkeit
beanspruchungsgrenze

Erträglichkeit

Teilbeanspruchung:
Skelett
Teilbelastung aus: Sehnen / Bänder (+)
(arbeitsbezogenen) Muskeln / Atmung Übung,

fiziert von ROHMERT 1984; Rückkopplungen im Bild weggelassen)


Handlung
Arbeitsaufgaben, Belastung Herz / Kreislauf Anpassung Schädigung
Leistung
(situationsbezogener) Sinnesorgane (-)
Arbeitsumgebung Schweißdrüsen Ermüdung
Zentralnervensystem
Haut

Abb. 1.13: Erweitertes Belastungs-Beanspruchungs-Konzept (nach LUCZAK 1975, modi-


Arbeitswissenschaft
Einführung 43

Bezogen auf die in Abb. 1.8 sowie Abb. 1.9 dargestellten Arbeitssystemmodel-
le ergeben sich mit einem derart erweiterten Belastungs-Beanspruchungs-Konzept
die in Abb. 1.14 wiedergegebenen Ein- und Rückwirkungen in einem Arbeitssys-
tem.

ANFORDERUNGEN
verlangen bestimmte

EIGENSCHAFTEN
Anforderungen und Auswirkungen bestimmen die
BELASTUNG
und zusammen mit den Eigenschaften die

Arbeitsbedingungen
Rück- bzw. Auswirkung
BEANSPRUCHUNG
Einwirkung durch
Arrbeitsmethoden

Menschseite des Arbeitssystems

von A
Objektseite des Arbeitssystems

Arbeitsaufgabe, Arbeitsraum,
Arbeitsobjekt, Arbeitsmittel,
Arbeitsumgebung etc.

Abb. 1.14: Ein- und Rückwirkungen im Arbeitssystem

1.5.1.3 HandlungsregulationstheorieĆ
Ausgangspunkt der Entwicklung der Handlungsregulationstheorie ist die Kritik an
der Vorstellung, menschliches Handeln ließe sich im Rahmen einer eindimensio-
nalen und eindirektionalen Ursache-Wirkungs-Beziehung – wie sie dem Belas-
tungs-Beanspruchungs-Konzept in seiner einfachen Form zugrunde liegt – erklä-
ren (MILLER et al. 1973).
Implizit sind Vorstellungen der Handlungsregulationstheorie auch in der Ent-
scheidungstheorie und der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre (sie-
he Kap. 1.3.1), d.h. in ökonomisch orientierten Analysezusammenhängen, identi-
fizierbar, ebenso wie in technisch orientierten Analysekonzepten, wie z.B. der
Konstruktionslehre (siehe PAHL et al. 2006) und Software-Technik (siehe BALZERT
2001).

Psychische Regulation von Arbeitstätigkeiten


Eine effektive Arbeitsanalyse, -bewertung und -gestaltung bedingt, dass bekannt
ist, wie Arbeitstätigkeiten psychisch reguliert werden. Ein wesentlicher Aus-
gangspunkt der Handlungsregulationstheorie ist, dass Arbeitsverhalten bzw.
-handeln durch Ziele geleitet und gesteuert wird. Ziele stellen also sowohl Aus-
gangspunkte als auch Regulationskomponenten des Handelns dar. Das Verhalten
ist dabei zweckhaft und bewusst. Die Handlungsregulationstheorie betrachtet das
44 Arbeitswissenschaft

Arbeitshandeln aus zwei Perspektiven: Die prozessorientierte Perspektive be-


schreibt eine Handlung von einem Ziel zu einem Plan, dann zur Plan-Ausführung
und schließlich zum Handlungsergebnis bzw. dessen Rückmeldung. Unter der
strukturellen Perspektive wird hingegen betrachtet, wie der Handlungsverlauf
durch hierarchisch gegliederte Funktionseinheiten „geregelt“ wird.
Ohne Invarianten in der zu regulierenden Arbeitsaufgabe ist eine zielgerichtete
Regulation kaum möglich. Mit Bezug auf ihre mentale Repräsentation spricht
HACKER (1986, 2005) von zeitweilig invarianten regulierenden Abbildungen, kurz
operativen Abbildsystemen, die ein wesentlicher Bestandteil der psychischen
Tätigkeitsregulation sind. Operative Abbildsysteme (OAS) sind multiple Gedächt-
nisrepräsentationen komplexer Tätigkeitssysteme einschließlich der Prozesse, die
es gestatten, Systemkomponenten und deren Interaktionen zu verstehen und vor-
herzusagen, wie sich Systeme auf Einwirkungen von außen verhalten. OAS bein-
halten Ziele als Antizipationen von End-Zuständen, Repräsentationen (Wissen)
von Ausgangszuständen und Ausführungsbedingungen sowie Hypothesen zu den
erforderlichen Transformationen. OAS haben erwartungsbildende Funktionen und
steuern sowohl Handlungsvorbereitung als auch Realisierung. Die Güte des Ar-
beitsergebnisses hängt somit vor allem von der Differenziertheit und Aufgaben-
adäquatheit der OAS ab und kann geschult werden.
OAS werden anknüpfend an das Vorwissen in den Tätigkeiten aufgebaut. Sie
können gelegentlich den Charakter einer Analogie haben, wenn die Vorwissens-
strukturen bei ihrem Aufbau überdehnt werden. Besonders stark sind sie jedoch
von der Art der Tätigkeit, in der sie aktiv erworben werden und deren Rückmel-
dungen abhängig. Folglich entstehen vom gleichen System in unterschiedlichen
Tätigkeiten verschiedene Abbilder. Bezogen auf Arbeitstätigkeiten enthalten OAS
alle relevanten Informationen über Arbeitsobjekte, Arbeitsmittel und die erforder-
liche Handlungsabfolge. Inadäquate OAS sind, zumindest der Möglichkeit
nach, Ursache uneffektiver Arbeitstätigkeiten, verzögerter und auf Probieren auf-
bauender Eingriffe in den Prozess und verschiedener Fehlhandlungen. Beispiels-
weise ist ein im Umgang mit seiner Maschine erfahrener Facharbeiter in seinem
Arbeitssystem in der Lage schnell, effizient und sicher zu handeln, da er über
umfangreiche Kenntnisse der Maschine, ihrer Zustände, Folgezustände und Signa-
le verfügt. Ein unerfahrener Mitarbeiter hingegen wird langsamer und ggf. fehler-
haft handeln, da er noch nicht über ein differenziertes operatives Abbildsystem
verfügt.
OAS sind nach HACKER (2005) durch fünf Merkmale gekennzeichnet, die an-
hand der Prüfungsvorbereitung eines Studierenden anschaulich dargestellt werden
sollen:
x Anforderungsabhängig und bewältigungsorientiert: OAS bilden einschlägige
Sachverhalte und technologische Vorgänge in einer für die Regulation der
Tätigkeit nützlichen Weise ab. Sie können damit objektive Merkmale ver-
zerrt wiedergeben. Regulationsbedeutsame Sachverhalte, z.B. Reizunter-
schiede, werden – wenn erforderlich – deutlicher abgebildet als irrelevante.
Das kann bis zu einer Vergrößerung der tatsächlich vorliegenden Reizunter-
Einführung 45

schiede im Wahrnehmen führen. Bezogen auf die Prüfungsvorbereitung be-


deutet dies, dass der Studierende vor dem Hintergrund seines Vorwissens
und seiner bisherigen Studienleistungen für die Prüfung relevante Themen
von irrelevanten trennen und im Hinblick auf die zu erwartenden Prüfungs-
anforderungen vorbereiten muss.
x Tragen von verallgemeinerten, schematischen Zügen: OAS tendieren dazu,
Klassen von Merkmalen und Relationen des Gegenstandsbereiches zu reprä-
sentieren. Schemata ermöglichen ein rationelles, auf wirksame Prototypen
konzentriertes und durch dominante Details ergänztes Behalten von Informa-
tionen. So wird ein Studierender den Prüfungsstoff seinem Studienfach ent-
sprechend fachsystematisch gliedern und sich auf die Modelle und Methoden
stützen, die ihm bereits hinreichend vertraut sind.
x Aufwandsbezogen: Es werden jeweils solche Abbilder erzeugt, die zu kogni-
tiven Strategien führen, welche das Erfüllen der Anforderungen mit mög-
lichst geringem Aufwand ermöglichen. Beispielsweise ist hier die prüfungs-
nahe Detaillierung und Aufbereitung des Stoffs bis zum Bestehen der Prü-
fung oder zum Erreichen der gewünschten Note zu nennen.
x Antwort- bzw. regulationsbezogen kodiert: OAS können in verschiedener
Weise repräsentiert oder kodiert sein. Sie können wie das Informationsange-
bot, in einem gedächtnisspezifischen, „behaltsfreundlichen“ Code oder in ei-
ner auf die Regulation der Tätigkeitsausführung bezogenen Weise kodiert
sein. Die Abbildsysteme werden in einer solchen Form kodiert, dass der
Rekodierungsaufwand zwischen zu regulierendem praktischem Vollzug und
gespeichertem Modell minimal ist. Ein Studierender, der sich auf eine Prü-
fung vorbereitet, könnte die zu lernenden theoretischen Konzepte durch Bei-
spiele aus der eigenen Erlebenswelt hinterlegen, um so den Aufwand des
Merkens und Schlussfolgerns zu reduzieren.
x Vorwegnahmen und Erwartungen: Das wichtigste Merkmal besteht im Wir-
ken der Abbildsysteme in der Regulation von Arbeitstätigkeiten mit Hilfe
von Vorwegnahmen und Erwartungsbildung. Aus Erfahrungen werden Re-
geln „extrapoliert“, und es entstehen Erwartungen bezüglich des antizipierten
Vorgangs. Das Abbildsystem beschränkt sich also nicht auf statische Zu-
standsabbildungen, sondern schließt in schematisierter Weise unterschiedli-
che Formen subjektivem Kalkül entstammende Vorgangsabbildungen ein,
die verschiedenartigen Änderungen Rechnung tragen und ein in die Zukunft
ausgreifendes und hypothetisches Moment in die Regulation einführen. So
kann sich der Studierende bei einer mündlichen Prüfung auf die Spezialge-
biete und „Lieblingsthemen“ des Professors einstellen, um potentiell ein
möglichst gutes Resultat zu erzielen. Bei einer Klausur hingegen wird er ein
geschwindigkeitsoptimiertes Sammeln von Punkten anstreben und sich wo-
möglich auf schriftliche Prüfungsfragen konzentrieren, die ihm bereits in
Klausursammlungen zur Verfügung standen.
Generell erfolgt die Handlungsregulation durch die Vorwegnahme des Resul-
tats als Ziel, in der Regel auch des Ablaufes, sowie der handlungsrelevanten Be-
46 Arbeitswissenschaft

dingungen. Das Handlungsziel ist der Fixpunkt einer ansonsten recht variablen
Ausführung, aber ohne Reflexion der Realisierungsbedingungen ist die Aufstel-
lung von Zielen sinnlos (MÜHLFELDER 2003).

Hierarchisch-sequenzielle Struktur der Handlungsregulation


HACKER (1986, 2005) postuliert ein hierarchisches Modell der Handlungsregula-
tion. Hierbei reguliert das operative Abbild die Handlungen mittels funktioneller
Einheiten von in die Zukunft greifenden, hierarchisch gestaffelten Vornahmen und
zu deren Verwirklichung dienenden, entsprechend organisierten Handlungs- und
Aktionsprogrammen, die gleichfalls hierarchische Rückkopplungsprozesse ein-
schließen. Die Struktur der Funktionseinheiten basiert auf Arbeiten von MILLER et
al. (1960) zu TOTE-Einheiten (Test-Operate-Test-Exit) und ist ergänzt um unter-
schiedlich konkretisierte, bewertete Ziele aus selbst gestellten oder übertragenen
Aufgaben (Abb. 1.15).

AUFGABE und
Ausführungsbedingungen

Ziel 2
Vergleich (veränderte)
(Vorwegnahme 2 mit
UMWELT
Vorsatz und Programm)
RÜCK- Ziel 1
MELDUNG (Vorwegnahme 1 mit
Vorsatz und Programm)

Ausführen der VERÄNDERUNG

Vorwegnahme, Vergleich
Vergleich
Vorsatz, Programm
Rück- Vorwegnahme, Rück- Vorwegnahme,
meldung Vorsatz, Programm meldung Vorsatz, Programm

Veränderung Veränderung

Abb. 1.15: Darstellung der hierarchischen Struktur einer regulativen Funktionseinheit nach
HACKER (2005)

Der Grundgedanke ist der folgende: Ziele und die zugehörigen Handlungspro-
gramme sind so gegliedert, dass übergeordnete, allgemeine Konstrukte in einer
abgekürzten Form die untergeordneten, speziellen Konstrukte beinhalten bzw.
erzeugen. Der Hierarchie der Ziele entspricht eine Hierarchie der Handlungspro-
gramme, die neben bewusstseinspflichtigen Vorgaben auch nichtbewusstseins-
pflichtige Programme postulieren. Die Zielbildung erfolgt realistisch nach Be-
dürfnissen und Möglichkeiten der handelnden Person.
Die untergeordneten Ziele und Programme können aus den übergeordneten
aufweitend abgeleitet sein. Damit kann einerseits bei begrenzter Verarbeitungska-
pazität Bewusstsein für vor- und nachbereitende, verallgemeinerte Leistungen frei
bleiben. Andererseits wird die ausgegliederte, an nachgeordnete Regulationsvor-
Einführung 47

gänge delegierte Tätigkeitsausführung anhand bewährter gespeicherter Ziele und


Programme aufwandsökonomisch abgesichert. Da die von den übergeordneten
Zielen zu differenzierteren, nachgeordneten Zielen voranschreitende Abarbeitung
stets zugleich ein zeitliches Nebeneinander bedeutet, liegt gleichzeitig eine Über-
ordnung und zeitliche Nachordnung vor. Übergeordnete Programme haben also
notwendigerweise den größeren antizipativen zeitlichen Vorgriff als die unterge-
ordneten. Die Struktur der Handlungsregulation ist somit hierarchisch aufgebaut.
Die Ausführung tatsächlicher Operationen kann jedoch nur sukzessiv erfolgen.
Daraus ergibt sich das hierarchisch-sequentielle Modell der Handlungsregulation,
d.h. die Oberflächenstruktur (Operationenfolge) einer Tätigkeit ist nicht mehr
identisch mit ihrer Tiefenstruktur. Es kann aber „stabil flexibel“ auf äußere Ände-
rungen, Planungsfehler oder die Nicht-Erreichung von Teilzielen eingegangen
werden. Die Planung erfolgt oft erst kurz vor der Handlung. Unterschiedliche
Ziele können gleichzeitig verfolgt werden, die Handlungsabfolge bleibt aber line-
ar.
Zur Veranschaulichung des hierarchisch-sequentiellen Modells dient folgendes
Beispiel: Eine Arbeitsperson hat innerhalb eines Projektes zur Entwicklung eines
Bauteils den Auftrag bekommen, einen Workshop zur Koordination der nächsten
Entwicklungsschritte zu organisieren. Um dieses Gesamtziel zu erfüllen, müssen
verschiedene Teilaufgaben abgearbeitet werden. Es muss eine Agenda festgelegt,
Moderationsmethoden ausgewählt, Einladungen versendet, ein Tagungsraum
sowie Verpflegung organisiert werden. Der Projektmitarbeiter legt bei der Planung
der Reihenfolge der einzelnen Teilaufgaben fest, dass er mit der Agenda beginnen
wird. Bei der Planung und Ausführung dieser Teilaufgabe ist es nicht nötig, die
anderen Teilaktivitäten sowie deren Vornahmen im Bewusstsein zu halten. Die
Vollständigkeit und Komplexität des gesamten Handlungsplans muss dem Han-
delnden nicht permanent bewusst sein, sonst wäre er schnell geistig überfordert.
Bei der Ausführung der Teilaufgabe „Agenda aufstellen“ ergeben sich verschie-
dene Unteraufgaben, wie beispielsweise die Definition der Ziele des Workshops
oder die Planung, welche Problem- und Aufgabenstellungen angesprochen werden
sollen. Bei der Bearbeitung der Teilaufgabe „Einladungen versenden“ wird der
Mitarbeiter ebenfalls vor verschiedene Unteraufgaben wie das Festlegen des
Adressatenkreises sowie des zu verwendenen Mediums gestellt. Zur Umsetzung
dieser Unteraufgaben sind dann wiederum Planung und Ausführung weiterer Un-
teraufgaben notwendig. So können die genannten Aufgaben so weit differenziert
werden, bis die unterste Handlung nur noch aus der Informationseingabe in den
Computer besteht.
Zur formalisierten Darstellung der hierarchischen Repräsentation von Benut-
zerzielen bzw. Handlungsprogrammen werden Graphenbäume verwendet, die
logisch-abstrakte Tätigkeitsstrukturen, psychische Abfolgen und Operationen
beinhalten (Abb. 1.16).
48 Arbeitswissenschaft

1) Abstrakte logische Struktur 2) Psychische Abfolgestruktur und äußere Struktur

Psychische Abfolgestruktur
Operationenfolge

3)) Beispielhafte
p logische
g Struktur für die Tagesplanung
g p g eines Studierenden
Heutige Tagesaufgaben

Haushalt Studium Abendplanung

Mittagessen Klausur- Praktikums-


planen vorbereitung bericht

Einkauf Essen Vorgaben


planen zubereiten ermitteln

Bad Geld Einkauf Gemüse Gemüse Skripte Übungen Richtlinie Vorlage Bericht Sport Freunde
putzen holen erledigen waschen kochen lesen rechnen lesen erstellen erstellen treiben anrufen

Abb. 1.16: Darstellung der hierarchischen Struktur einer Ziel- bzw. Programmdekodierung
nach HACKER (2005) einschließlich eines Beispiels

Erschließungsplanung

bewusstseinspflichtig
Bereichsplanung

kontrolliert
bewusstseinsfähig,
aber nicht Teilzeitplanung
bewusstseinspflichtig
automatisiert

H dl
Handlungsplanung
l
nicht
bewusstseinsfähig

Handlungsausführung

Abb. 1.17: Vorstellungen über Regulationsebenen


Einführung 49

Weiterhin lassen sich antriebsregulatorische (Ziele, Motivation etc.) sowie aus-


führungsregulatorische Vorgänge (Handlungsvorbereitung, Handlungssteuerung
und Kontrolle) differenzieren. Ausgehend von der hierarchischen Struktur ausfüh-
rungsregulatorische Vorgänge wurden von einigen Autoren (HACKER 1994;
VOLPERT et al. 1983) verschiedene Regulationsebenen postuliert, wobei zwischen
drei bzw. fünf (Abb. 1.17) oder zehn Ebenen unterschieden wird. Die unterste ist
in jedem Fall die sogenannte sensumotorische Ebene, auf der die (überwiegend
unbewusste) Steuerung von Bewegungen erfolgt. Teilweise kann die Handlungs-
ausführung aber auch kontrolliert und damit bewusstseinsfähig ablaufen. Die
oberen Ebenen beinhalten mehr oder weniger komplexe Planungsaktivitäten, die
in jedem Fall bewusstseinsfähig, jedoch nicht immer bewusstseinspflichtig kon-
trolliert werden.
HACKER (1994, 2005) unterteilt die Ausführungsregulation in neun hierarchi-
sche Klassen. Diese Klassen werden auf eine mittlere Granularität mit drei Ebenen
abgebildet, die sich bezüglich aktionsvorbereitender Prozesse wie folgt charakteri-
sieren lassen:
(1) Die automatisierte Regulationsebene ist durch die Entstehung oder Aktuali-
sierung eines bewegungsorientierten Abbilds gekennzeichnet. Bewegungs-
orientierte Abbilder sind nicht bewusstseinspflichtig und höchstens bezüglich
ihrer exteriozeptiven und taktilen (nicht kinästhetischen) Komponenten be-
wusstseinsfähig. Die Regulation von Bewegungen oder automatisierten Be-
wegungsreihen erfolgt in ausschlaggebendem Umfang durch kinästhetische
Signale, die als nichtbewusstseinsfähige Impulse von den bewusstseinsfähi-
gen gegenständlichen Wahrnehmungen zu unterscheiden sind. Bewegungs-
stereotypen treten bei relativ konstanten manuellen Anforderungen auf. Die
kinästhetische Regulation ermöglicht eine begrenzte Anpassung an veränder-
liche Umgebungsbedingungen.
(2) Die perzeptiv-begriffliche Regulationsebene ist dadurch gekennzeichnet,
dass im Unterschied zu ihren unselbständigen Komponenten und zu
psychisch automatisierten Vollzügen, die Handlungen wenigstens durch be-
wusstseinsfähige, wenn auch nicht immer bewusstseinspflichtige Vorgänge
vorbereitet werden. Es dominieren wahrnehmungsgebundene Urteils- und
Klassifikationsvorgänge, die eine Informationsverarbeitung nach gespeicher-
ten Regeln einschließen. Diese Prozesse sind begrifflich überformt.
(3) Die intellektuelle Regulationsebene zeichnet sich dadurch aus, dass komple-
xe Handlungen und Tätigkeiten einer vorbereitenden Analyse und Synthese
bedürfen, die nicht allein bewusstseinsfähig zu bewältigen sind, sondern
auch eine bewusstseinspflichtige Zuwendung verlangen. Das Denken als
vermittelnde, verallgemeinernd-abstrahierende Erkenntnistätigkeit ist in aus-
schlaggebendem Maße begrifflich gefasst. Es kann im Hinblick auf seine
Modalität als bildhaft-anschauliches oder begrifflich-symbolisches Denken
und im Hinblick auf die Bekanntheit von Ausgangszustand, Zielzustand und
Überführungsbedingungen weiter in unselbständig / vollständig algorithmi-
50 Arbeitswissenschaft

sche, unselbständig / unvollständig algorithmische, selbständig / nicht schöp-


ferische und selbständig / schöpferische Denkprozesse unterteilt werden.
Im Folgenden werden diese drei Ebenen am Beispiel der Prozessstabilisierung
beim „Einfahren“ eines NC-Programmes an einer CNC-Fräsmaschine dargestellt:
(1) Automatisierte Regulation: Treten beim Einfahren des NC-Programms Re-
sonanzphänomene auf (sog. Rattern), so werden diese durch entsprechende
Schlaggeräusche, Maschinenvibrationen oder Rattermarken vom Facharbei-
ter wahrgenommen. Aufgrund dieser Prozessindikatoren wird mit Hilfe der
Overrideregler (kurz Override) Drehzahl bzw. Vorschub manuell geregelt,
um den Zerspanungsprozess zu stabilisieren. Diese gleichmäßige Regelungs-
bewegung aufgrund der direkt perzeptiven Prozesseindrücke ist der automa-
tisierten Regulation zuzuordnen. Die verarbeitete Information ist ein räum-
lich-zeitliches Signal, das keine weitere Bedeutung hat, als eine direkte Re-
präsentation physikalischer Prozessdaten.
(2) Perzeptiv-begriffliche Regulation: In der genannten Aufgabensituation ist
eine bewährte Heuristik der Benutzer die folgende:
WENN Resonanzen auftreten UND die Qualität gefährdet ist,
DANN regele zuerst die Drehzahl manuell am Override
(in Abhängigkeit der Prozesssignale entweder erst vermin-
dern oder erhöhen, siehe oben)
DANN regele Vorschub manuell am Override
DANN stoppe Bearbeitung und ändere Zustellung
DANN probiere die andere Fräsrichtung
DANN plane die Bearbeitung umfas-
send um (hierbei ist eine funktional-
analytische Betrachtung notwendig,
siehe intellektuelle Regulationsebene)

(3) Intellektuelle Regulation: Ist aufgrund obiger Heuristik keine Stabilisierung


des Zerspanungsprozesses möglich, muss die Bearbeitung unter Berücksich-
tigung von Werkstückaufspannung, Werkzeugeinsatz, Schnittaufteilung etc.
umgeplant werden. Im Fall komplexer, neuartiger Produkte lassen sich deren
Eigenschaften in einer Abstraktionshierarchie repräsentieren, das heißt, für
ein und dasselbe System werden von der Arbeitsperson in Abhängigkeit der
jeweiligen Ziele unterschiedliche Ebenen der Beschreibung verwendet (siehe
Kap. 3.3.2.2.5.1).
Die handlungsvorbereitenden Vorgänge schaffen nach dem Prinzip der multip-
len Zuordnung Aktionsprogramme, die Bestandteile der ausführlich erörterten
operativen Abbildsysteme sein können (siehe Abb. 1.18).
Einführung 51

bewussteinspflichtige bewusstseinspflichtige
Intellektuelle intellektuelle Analyse- - Heuristiken
Regulationsebene und Synthesevorgänge - Strategien
verschiedener Niveaus - Pläne

bewusstseinsfähige
b t i fähi
Perzeptiv-begriffliche wahrnehmungsinterne bewusstseinsfähige
Regulationsebene Urteils- und Handlungsschemata
Klassifikationsprozesse

nichtbewusstseinsfähige nichtbewusstseinsfähige
Automatisierte
A t ti i t ki ä th ti h
kinästhetische St
Stereotypen
t
Regulationsebene orientierende (Fertigkeiten),
Rezeptionen Bewegungsentwürfe

Beziehung im Sinne eines Schaffens bzw. Aktivierens


Beziehung im Sinne der abkürzenden Repräsentation auf übergeordneten Ebenen
Abrufmöglichkeit aus dem Langzeitgedächtnis bei relativ gleichbleibenden Anforderungen
und bei hochgeübtem Zustand

Abb. 1.18: Darstellung der multiplen Beziehungen zwischen vorbereitenden und realisie-
renden Regulationsbestandteilen nach HACKER (2005)

Ein zentraler Kritikpunkt an der Handlungsregulationstheorie ist, dass sie emo-


tionale, motivationale und soziale Aspekte der Arbeit vernachlässigt. Der darge-
legte Erkenntnisstand betrifft vor allem Befunde, die hauptsächlich bei sog. mono-
logischer Arbeit in der Produktion und beim mentalen Entwerfen von Produkten
und Prozessen gewonnen wurden. Dialogisch-interaktive Erwerbstätigkeiten, wie
sie beispielsweise bei personenbezogenen Dienstleistungen oder in kooperativen
Entwicklungsvorhaben häufig auftreten, sind kaum bearbeitet. Eine ausführliche
Analyse der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen monologischer und
dialogisch-interaktiver Arbeit einschließlich Gestaltungsempfehlungen findet sich
in HACKER (2009).

1.5.1.4 GenerelleĆMethodenĆundĆTechnikenĆzurĆempirischenĆAnalyseĆ

Zur Analyse von Arbeitssystemen finden die etablierten wissenschaftlichen Me-


thoden und Techniken der empirischen Forschung Anwendung. Hierbei lassen
sich vier Kategorien  Beobachtung, Befragung, physiologische Messtechnik
sowie physikalische und chemische Messverfahren  unterscheiden. Darüber
hinaus stehen zahlreiche spezifische arbeitswissenschaftliche Verfahren und
Werkzeuge zur Verfügung (siehe Kapitel 1.5.1.5), die auf den zuvor dargestellten
Theorien und Konzepten basieren und zum Teil mehrere Erhebungsmethoden
beinhalten oder kombinieren (z.B. leitfadengestütztes Beobachtungsinterview).
1.5.1.4.1 Beobachtung
Methoden zur Beobachtung von Arbeitsprozessen lassen sich nach fünf Kriterien
differenzieren (FRIEDRICHS 1975), die auf der Folgeseite dargestellt sind:
52 Arbeitswissenschaft

(1) Offen vs. verdeckt: Ist der Beobachter (oder ein technisches Hilfsmittel wie
z.B. Kamera) als solche erkennbar oder nicht? Falls erwartet wird, dass sich
das zu beobachtende Geschehen, insbesondere das Verhalten von Personen,
dadurch ändert, dass bekannt ist, dass eine Beobachtung stattfindet (Problem
der Reaktivität), kann es sinnvoll sein, verdeckt zu beobachten. Korrekter-
weise sollten die betroffenen Personen nachträglich darüber aufgeklärt wer-
den und ihnen die Möglichkeit gegeben werden, die Bereitschaft zur Ver-
wendung der gewonnenen Daten zu verweigern. Neben ethischen Erwägun-
gen sind auch eine Reihe rechtlicher Rahmenbedingungen zu beachten, so
dass der verdeckten Beobachtung in arbeitswissenschaftlichen Untersuchun-
gen nur geringe Bedeutung zukommt.
(2) Teilnehmend vs. nicht-teilnehmend: Nimmt der Beobachter am zu beobach-
tenden Geschehen teil oder steht er außerhalb? Teilnehmende Beobachtung
liegt z.B. vor, wenn der Forscher bei einer Felduntersuchung in einem Be-
trieb selbst auf einem normalen Arbeitsplatz mitarbeitet, um den Betriebsab-
lauf möglichst wenig zu stören und / oder möglichst authentische Informa-
tionen zu erhalten. Letzteres gilt vor allem im Zusammenhang mit einer ver-
deckten Vorgehensweise.
(3) Systematisch vs. unsystematisch: Erfolgt die Beobachtung systematisch nach
einem standardisierten Schema oder unsystematisch, explorativ, mit gerin-
gem Vorwissen über Arbeitsaufgabe und Arbeitssituation. Je präziser die
Fragestellung ist und je umfassender die Vorkenntnisse über den Unter-
suchungsgegenstand sind, desto stärker können systematisierte Verfahren
eingesetzt werden, womit auch die Auswertung der Beobachtungsergebnisse
erleichtert wird.
(4) Künstliche vs. natürliche Situation: Ist die zu beobachtende Situation allein
zum Zweck der Beobachtung bestimmter Gestaltungszustände hergestellt
worden oder besteht sie unabhängig von der Untersuchung? Hiermit ist die
Unterscheidung von Labor- und Feldstudien sowie simulierten Arbeitsplät-
zen (z.B. Flugsimulator, Fahrsimulator) angesprochen.
(5) Selbst- vs. Fremdbeobachtung: Ist der Beobachter seine eigene Versuchsper-
son? Der Selbstbeobachtung kommt in arbeitswissenschaftlichen Untersu-
chungen nur in Einzelfällen und in Ergänzung zu anderen Methoden oder im
Vorfeld von Erhebungen eine gewisse Bedeutung zu. Beispielsweise kann im
Rahmen einer Arbeitsanalyse der Arbeitswissenschaftler die zu untersuchen-
de Tätigkeit selbst ausüben, um besondere Schwierigkeiten oder Erschwer-
nisse zu erkennen.
In der arbeitswissenschaftlichen Forschung herrscht die offene, nicht-
teilnehmende Fremdbeobachtung vor. Offene Beobachtung bedeutet jedoch nicht
unbedingt, dass zu beobachtende Personen zuvor über die genaue Forschungsfra-
gestellung aufgeklärt werden müssen. In vielen Fällen ist es sogar notwendig, dass
diese während der Durchführung der Untersuchung im Unklaren bleibt, damit das
Verhalten der beobachteten Person dadurch nicht beeinflusst wird.
Einführung 53

1.5.1.4.2 Befragung
Befragungstechniken lassen sich nach dem Standardisierungsgrad der Frage und
Antwortmöglichkeiten in vier Hauptgruppen einteilen (FRIELING u.
SONNTAG 1999), die nach der Durchführungsart (schriftlich, mündlich) noch
weiter differenziert werden können:
(1) Standardisierte Fragen und standardisierte Antworten: Die Befragung erfolgt
im Allgemeinen schriftlich, typischer Vertreter dieser Befragungsform ist der
Fragebogen mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten zum Ankreuzen. Die
Antwortmöglichkeiten können aus zwei (janein, richtigfalsch etc.) oder
aus mehreren Alternativen bestehen (z.B. Intensitätsskala:
kaumetwaseinigermaßenziemlichüberwiegendvöllig oder Häufigkeits-
skala: nieseltenmanchmaloft).
Ein generelles Problem dieses Befragungstyps ist, dass alle möglichen Ant-
worten bereits vorher bekannt und im Fragebogen vorgesehen sein müssen.
Ein weiteres Problem liegt darin, dass der Befragte bei Verständnisproble-
men keine Möglichkeit zum Nachfragen hat und, z.B. bei postalischer Befra-
gung, nicht immer klar ist, wer den Bogen ausgefüllt hat. Vorteilhaft ist da-
gegen die einfache Auswertung, die sogar automatisch erfolgen kann.
Häufig angewandt wird diese Befragungsart im Zusammenhang arbeitswis-
senschaftlicher Untersuchungen zur Erfassung der subjektiv erlebten Bean-
spruchung. Bekannte Vertreter sind der BLV-Bogen nach KÜNSTLER (1980)
und die Eigenzustandsskala nach NITSCH (1976) (Abb. 1.19). Diese ähnlich
aufgebauten Bögen bestehen aus einer Liste von Eigenschaftswörtern (müde,
gelangweilt, nervös etc.), denen jeweils eine mehrstufige Intensitätsskala
(s.o.) zugeordnet ist.
(2) Standardisierte Fragen und nicht-standardisierte Antworten: Die Befragung
erfolgt entweder als standardisiertes Interview, in dem der Befragte auf im
Wortlaut vorgegebene Fragen frei antwortet oder schriftlich als Fragebogen,
in dem der Befragte die Antworten selbst formuliert. Die auftretenden Ant-
worten können nachträglich verschiedenen Kategorien zugeordnet werden.
Der Vorteil gegenüber standardisierten Antwortmöglichkeiten besteht darin,
dass der Befrager die verschiedenen Antworten, die auftreten, zum Zeitpunkt
der Befragung noch nicht vorhersehen muss, dafür ist die Auswertung auf-
wändiger.
(3) Nicht-standardisierte Fragen mit standardisierten Antworten: Diesem Befra-
gungstyp kommt kaum praktische Bedeutung zu. Denkbar wäre z.B., dass
eine freigestellte Frage durch Auswahl einer von mehreren vorgelegten Ab-
bildungen oder vorgegebenen Statements beantwortet werden muss. Nicht
standardisierte Fragen kommen praktisch nur in mündlicher Form (Inter-
view) vor.
(4) Nicht-standardisierte Fragen und nicht-standardisierte Antworten: Diese als
freies Interview oder narratives Interview bezeichnete Befragungsform ist
besonders dann geeignet, wenn über den Befragungsgegenstand sehr wenig
54 Arbeitswissenschaft

bekannt ist und vor Beginn des Interviews noch keine Fragen ausformuliert
werden können, sondern sich erst im Laufe des Gesprächs ergeben. Eine
größere Zahl von Interviews systematisch auszuwerten ist sehr aufwendig, so
dass sich diese Technik vor allem für Einzelfallstudien eignet.

AufĆmeinenĆaugenblicklichenĆZustandĆzutreffend

einiger-Ć über-Ć
kaumĆ etwasĆ maßenĆ ziemlichĆ wiegendĆ völligĆ
1 2 3 4 5 6
gespannt
schläfrig
beliebt
kraftvoll
gutgelaunt
routiniert
anstrengungsbereit
unbefangen
.........

Abb. 1.19: Ausschnitt aus der Eigenzustandsskala (nach NITSCH 1976)

In der arbeitswissenschaftlichen Forschung sind zwei weitere Befragungstech-


niken von Bedeutung:
(1) Die Selbstaufschreibung kommt immer dann zum Einsatz, wenn Arbeitstä-
tigkeiten über lange Zeiträume protokolliert werden müssen. Das Verfahren
kann in unterschiedlichem Grade standardisiert sein, basiert jedoch in jedem
Fall darauf, dass die Arbeitsperson über ein längeres Zeitintervall ihre mo-
mentane Tätigkeit in einem Protokollbogen mit Zeitangabe festhält. Da das
Verfahren in der Durchführung für den Untersucher sehr ökonomisch ist,
findet es vorzugsweise bei Felduntersuchungen an zahlreichen Arbeitsplät-
zen über längere Zeiträume Anwendung (FRIELING u. SONNTAG 1999).
(2) Die Methode des lauten Denkens oder verbale Protokolltechnik dient dazu,
geistige Prozesse minutiös nachzuverfolgen (siehe Kap. 10.2.1) und findet
vor allem in Laboruntersuchungen zur Analyse kognitiver Prozesse Anwen-
dung. Die Person wird angehalten, alle Gedanken während der Arbeit laut zu
äußern. Üblicherweise werden diese Äußerungen mitgeschnitten und an-
schließend anhand von Schemata kategorisiert. Die Auswertung ist sehr ar-
beitsintensiv und das Verfahren hat den Nachteil, dass die Anforderung, alle
gedanklichen Vorgänge laut zu äußern, letztlich diese behindern kann.
Insbesondere Aufwandsprobleme in der Auswertung von Handlungsabläufen,
verbalen Protokollen u.Ä. können durch Kombinationen von Messverfahren redu-
ziert werden: So interessieren in Handlungsverläufen häufig nur die Phasen, in
Einführung 55

denen Tätigkeiten selbst, der Umgang mit bestimmten Werkzeugen oder Werk-
zeugfunktionalitäten etc., besondere Beanspruchungen hervorruft. Diese Phasen
können weitere Ansatzpunkte für Gestaltungsverbesserungen von Arbeitssystemen
liefern. So bietet sich bspw. die Möglichkeit, Beanspruchungszustände einer Per-
son mit Hilfe von Befragung, Beobachtung oder physiologischer Messtechnik zu
erfassen, um dann im Nachhinein verbale Protokolle dieser Phasen von den Perso-
nen anfertigen zu lassen. Werden die Handlungsverläufe mit Video dokumentiert,
so lässt sich in diesen Fällen von beanspruchungs- oder verhaltensinduzierter
Videoselbstkonfrontation sprechen. Der Vorteil derartiger Methodenkombinatio-
nen ist neben der Aufwandsreduktion, dass objektive Messgrößen (z.B. erfasste
Beanspruchungszustände mit Hilfe physiologischer Größen) und subjektive Erklä-
rungen für diesen Zustand kombiniert werden können. Ursache-Wirkungs-
Zusammenhänge können damit besser interpretiert werden.
1.5.1.4.3 Physiologische Messtechnik
Beanspruchungszustände einer Person lassen sich durch Befragung oder Beobach-
tung oftmals nicht ermitteln, da die Befragung in kurzen Abständen den zu unter-
suchenden Vorgang behindern würde oder äußere Anzeichen schwer zu interpre-
tieren sind. Darüber hinaus bestehen mitunter Bedenken, dass die betroffenen
Personen wissentlich oder unwissentlich falsche Auskünfte erteilen oder sich in
sonstiger Weise verstellen. Physiologische Größen (z.B. die Herzschlagfrequenz)
gelten als „objektiv“, da die Versuchsperson diese üblicherweise nicht willentlich
beeinflussen kann, außerdem können sie (wie auch einige andere physiologische
Größen) kontinuierlich erfasst werden. Mitunter ist es auch möglich Beanspru-
chungszustände aufzuzeigen, die den betroffenen Personen gar nicht bewusst sind
und durch die weniger aufwendige Befragung auch nicht erfasst werden könnten.
Folgende physiologische Größen  gegliedert nach den organismischen Teil-
systemen  werden in der arbeitswissenschaftlichen Forschung häufig erfasst
(LUCZAK 1987; MARTIN u. VENABLES 1980):
x Herz-Kreislaufsystem: Herzschlagfrequenz, Arhythmie (Schwankungen der
Momentanherzschlagfrequenz ), Atemfrequenz, Blutdruck.
x Stütz- und Bewegungsapparat: Elektromyogramm (Elektrische Erscheinun-
gen im Zusammenhang mit der Aktivierung von Muskeln) (EMG), Biome-
chanische Größen.
x Großhirnrinde: Elektroenzephalogramm (Elektrische Erscheinungen der
Großhirnrinde „Gehirnströme") (EEG).
x Sehapparat: Blickbewegung, Lidschlussfrequenz, Flimmerverschmelzungs-
frequenz (diejenige Blinkfrequenz einer Lichtquelle, bei der der Eindruck
von Flimmern in kontinuierliches Leuchten übergeht)
x Hautoberfläche: Elektrodermale Aktivität (z.B. Hautwiderstandsreaktionen).
x Metabolisches System: Atemvolumen, O2-Aufnahme, CO2-Abgabe, Ener-
gieumsatz.
56 Arbeitswissenschaft

Die Interpretation physiologischer Messdaten folgt im Wesentlichen zwei


Grundmustern:
(1) Die gemessene Größe liefert unmittelbar in ihrer absoluten Ausprägung
Hinweise auf einen Engpass in dem betreffenden organismischen Teilsystem.
Dies ist z.B. bei der Herzschlagfrequenz im Zusammenhang mit schwerer
muskulärer Arbeit der Fall.
(2) Veränderungen in einem Organsystem werden lediglich als Indikator für
einen übergeordneten, zentraleren Prozess interpretiert. So wird z.B. ein Ab-
sinken der Flimmerverschmelzungsfrequenz als Zeichen allgemeiner Ermü-
dung und nicht nur des visuellen Systems interpretiert. Im Vordergrund ste-
hen in diesem Beispiel auch nicht absolute Werte, sondern auf die einzelne
Person bezogene Veränderungswerte.
Soweit physiologische Größen zur Identifizierung psychischer Beanspruchun-
gen aus geistiger Arbeit im engeren Sinne, aber auch emotionaler Art wie z.B.
Angst, herangezogen werden, spricht man auch von psychophysiologischen Ver-
fahren.
Eine Zuordnung der genannten Messgrößen zu einzelnen Arbeitsformen ist in
Kap. 3 detailliert beschreiben.
1.5.1.4.4 Physikalische und chemische Messverfahren
Die physikalisch-chemischen Verfahren lassen sich gliedern in solche, die sich auf
die Arbeitsperson beziehen und solche, die zur Erfassung der Arbeitsumgebung
dienen. Hierbei sollen die bereits genannten Verfahren der physiologischen Mess-
technik außer Acht gelassen werden, bei denen im Grunde auch Variablen perso-
nenbezogen erfasst werden, die durch physikalische oder chemische Ursache-
Wirkungs-Zusammenhänge verknüpft sind.
Zur ersten Gruppe zählen die Verfahren des Zeit- und Bewegungsstudiums so-
wie die Analyse von Körpermaßen und -kräften. Es handelt sich also um die Mes-
sung von Zeiten, Wegen und Kräften sowie daraus abgeleiteter Größen wie Ge-
schwindigkeit oder (physikalische) Leistung (siehe Kap. 3.2).
Zur Beschreibung der Arbeitsumgebung werden Verfahren der Klima- und
Lichtmesstechnik, der Schall-, Schwingungs- und Strahlungsmessung sowie Ver-
fahren zur Analyse und quantitativen Bestimmung von Gasen, Stäuben etc. einge-
setzt (Näheres siehe Kap. 9).

1.5.1.5 SpezifischeĆVerfahrenĆundĆWerkzeugeĆfürĆdieĆArbeitsanalyseĆ

Bei der Entscheidung für ein Verfahren oder Werkzeug, mit dessen Hilfe arbeits-
wissenschaftliche Analysen durchgeführt werden sollen, besteht im Allgemeinen
die Alternative, entweder für den speziellen Untersuchungsfall gezielt ein Instru-
ment zu entwickeln oder ein erprobtes Standardverfahren einzusetzen.
Der Vorteil der erstgenannten Vorgehensweise besteht darin, dass das Erhe-
bungsinstrument (z.B. Fragebogen, Interviewleitfaden, Beobachtungsschema) an
die spezielle Fragestellung und Besonderheiten des Untersuchungsfeldes (z.B.
Einführung 57

Arbeitsplätze in Leitwarten, Arbeitsplätze in Konstruktionsabteilungen) angepasst


werden kann. Nachteile sind darin zu sehen, dass eine solche Methodenent-
wicklung mit erheblichem Aufwand verbunden sein kann, insbesondere um die
Einhaltung allgemeingültiger Gütekriterien, z.B. Validität, Reliabilität und Objek-
tivität, sicherzustellen, und eine Vergleichbarkeit mit anderen Untersuchungser-
gebnissen kaum möglich ist. Die Validität (Gültigkeit) bezieht sich darauf, ob ein
Erhebungsinstrument tatsächlich das erhebt, was es vorgibt. Die Reliabilität (Zu-
verlässigkeit) ist ein Maß dafür, wieweit Zufälligkeiten und unkontrollierte Stör-
größen ausgeschlossen sind. Reliabilität äußert sich insbesondere darin, wie gut
ein Ergebnis (unter sonst gleichen Bedingungen) reproduzierbar ist. Objektivität
oder Konkordanz eines Verfahrens liegt schließlich vor, wenn sichergestellt ist,
dass das Ergebnis prinzipiell unabhängig von der Person ist, die das Verfahren
einsetzt. Darüber hinaus gibt es weitere Gütekriterien wie die Sensitivität, die
diagnostische Aussagekraft, die Generalisierbarkeit, die Utilität o.Ä., die bei-
spielsweise in DIN EN ISO 10075-3 im Detail erläutert werden.
Umgekehrt ist die Situation beim Einsatz von Standardverfahren, welche zu-
meist schnell verfügbar sind. Zu den einschlägigen Gütekriterien liegen in der
Regel Literaturwerte vor und die Untersuchungsergebnisse können relativ einfach
mit denen anderer Untersuchungen, die auf dem gleichen Verfahren basieren,
verglichen werden. Andererseits sind Standardverfahren oftmals unbefriedigend
hinsichtlich ihrer Spezifität für die jeweilige Fragestellung.
Auf der Grundlage der in den Kap. 1.5.1.1 bis 1.5.1.3 vorgestellten Konzepte
und Theorien sowie weiterer theoretischer Ansätze sind zahlreiche Standardver-
fahren für die Arbeitsanalyse entwickelt worden. Arbeitsanalyseverfahren werden
in der deutschsprachigen Arbeitswissenschaft üblicherweise in bedingungsbezo-
gene und personenbezogene Verfahren unterteilt (siehe OESTERREICH u.
VOLPERT 1987, DUNCKEL 1999a, FRIELING u. BUCH 2007, SCHÜPBACH u.
ZÖLCH 2007, NERDINGER et al. 2008). Bei den bedingungsbezogenen Verfahren
steht die Analyse der technischen, organisatorischen und sozialen Arbeitsbedin-
gungen im Vordergrund, also von Merkmalen der Arbeitstätigkeit, die unabhängig
von den jeweiligen Arbeitspersonen sind. Mit Hilfe von Beobachtungen und Be-
fragungen bzw. strukturierter Beobachtungsinterviews werden Anforderungen und
Ausführungsbedingungen der Arbeitstätigkeit erfasst und verallgemeinernd inter-
pretiert und bewertet (z.B. in Bezug auf Schädigungslosigkeit, Zumutbarkeit oder
Lernpotenziale siehe Kap. 1.5.2).
Mit dem „Arbeitswissenschaftlichen Erhebungsverfahren zur Tätigkeits-
analyse“ (AET) von ROHMERT u. LANDAU (1979) liegt ein bedingungsbezogenes
Analyseinstrument vor, welches auf dem Arbeitssystemkonzept (Kap. 1.5.1.1) und
dem Belastungs-Beanspruchungs-Konzept (Kap. 1.5.1.2) basiert. Das Verfahren
ist auf die Lösung von Problemstellungen der Arbeitsgestaltung und die Anforde-
rungsermittlung gerichtet, kann aber beispielsweise auch für die Unfallursachen-
forschung genutzt werden. Beim AET erfolgt eine Gliederung von Belastungsty-
pen und Belastungsarten (Schlüsselklassifikation, trifft zu/ trifft nicht zu), Einstu-
fung von Belastungshöhen (Schlüssel der Schwere/ Schwierigkeit oder Wichtig-
58 Arbeitswissenschaft

keit) und Einstufung der Belastungsdauer über Zeit- oder Häufigkeitseinstufung.


Die Analyse gliedert sich in die Analyse des Arbeitssystems (Arbeitsobjekte,
Betriebsmittel und Arbeitsumgebung, einschließlich physikalische/chemische
Umgebung, Organisation und Entlohnung), die Aufgabenanalyse und die Anforde-
rungsanalyse.
Die Erhebung basiert auf einer Kombination aus Befragung und Beobachtung,
wobei bei überwiegend körperlichen Tätigkeiten die Beobachtung überwiegt.
Nicht beobachtbare Tätigkeitsinhalte werden in einem standardisierten Interview
erfragt, ergänzend ist ein Gespräch mit dem Vorgesetzten des Stelleninhabers
vorgesehen. Das Ergebnis einer AET-Analyse ist ein „AET-Tätigkeitsprofil“. Es
existieren verschiedene Verfahrenssupplemente, z.B. für den Anforderungsbereich
„Handlung“ (H-AET, ROHMERT et al. 1979), für Leistungsgeminderte (B-AET,
NORTH u. ROHMERT 1980) und für den Bereich der Daten- und Textverarbeitung
(DTV-AET, HAIDER u. ROHMERT 1981). Eine verkürzte Verfahrensvariante liegt
mit dem Softwaretool ABBA (Arbeitsplatz-Begehungs- und Belastungs-Analyse)
vor (LANDAU et al. 1997).
Ebenso wie das AET gelten auch der Fragebogen zur Arbeitsanalyse (FAA)
von FRIELING u. HOYOS (1978) und das Tätigkeitsanalyseinventar (TAI) von
FRIELING et al. (1993) als weitgehend universell einsetzbare, bedingungsbezogene
Verfahren.
Als deutsche, allerdings erweiterte und modifizierte Version des sog. Position
Analysis Questionnaire (PAQ) von McCORMICK et al. (1969, 1972) handelt es sich
beim FAA analog zur amerikanischen Originalversion um ein handlungsorientier-
tes Verfahren zur psychologischen Arbeitsanalyse, welches als vollstandardisiertes
Beobachtungsinterview angelegt ist (FRIELING 1999a). Der FAA enthält 221
Items, die in die vier Hauptabschnitte Informationsaufnahme/-verarbeitung, Ar-
beitsausführung, arbeitsrelevante Beziehungen und Umgebungseinflüs-
se/besondere Arbeitsbedingungen gegliedert sind. Das Verfahren ist insbesondere
für die Beschreibung und Klassifikation von Arbeitstätigkeiten/Stellen und für die
systematische Ermittlung von Eignungsanforderungen geeignet (ebd.).
Das Tätigkeitsanalyseinventar (TAI) ist mit seinen über 2.000 Items ein sehr
umfassendes Verfahren zur psychologischen Arbeitsanalyse, das eine entspre-
chend differenzierte Beschreibung von Arbeitstätigkeiten ermöglicht. Es dient
insbesondere zur Ermittlung energetischer, sensumotorischer und informatorischer
Anforderungen. Das TAI besteht aus sieben Hauptabschnitten, die auch partiell
eingesetzt werden können: 1) Gesamtgesellschaft/Standort, 2) Betriebsbereich,
3) Arbeitsbedingungen, 4) Sensumotorik, 5) Informationsaufnahme, 6) Infor-
mationsabgabe und 7) personenbezogene Daten. In die Entwicklung sind neben
den verhaltensorientierten Ansätzen von McCORMICK et al. (1969) zahlreiche wei-
tere arbeitswissenschaftliche/-psychologische Theorien und Konzepte eingeflos-
sen, wie das Belastungs-und Beanspruchungskonzept und verschiedene Stressmo-
delle (siehe z.B. FACAOARU u. FRIELING 1985; FRIELING 1999b).
Auf der Grundlage der Handlungsregulationstheorie wurden weitere wichtige
Arbeitsanalyseinstrumente für den deutschsprachigen Raum entwickelt. Neben
Einführung 59

dem Tätigkeitsbewertungssystem (TBS) von HACKER et al. (1995) und seinen


Varianten seien das Verfahren zur Ermittlung von Regulationserfordernissen in
der Arbeitstätigkeit (VERA) von VOLPERT et al. (1983, überarbeitete Version 2 von
OESTERREICH u. VOLPERT 1991) und das RHIA-Verfahren zur Erfassung von
Regulationshindernissen in der Arbeitstätigkeit von LEITNER et al. (1987) genannt.
Das TBS dient der Erhebung, Systematisierung und Bewertung von arbeitsana-
lytischen Daten sowie der Ableitung von Verbesserungsvorschlägen für die Ar-
beitsgestaltung (POHLANDT et al. 1999). Das Verfahren stellt u.A. einen Merk-
malsteil mit 52 ordinalgestuften Skalen bereit und erlaubt im Ergebnis eine Beur-
teilung der analysierten Tätigkeiten respektive der ermittelten Arbeitsanforderun-
gen in Bezug auf Beeinträchtigungsfreiheit, Lern- und Gesundheitsförderlichkeit
(siehe Kap. 1.5.2.2). Die „objektive“ Variante für Untersucher (TBS-O) wird
durch ein subjektives Modul für Arbeitsplatzinhaber (TBS-S) ergänzt. Konkrete
Gestaltungsempfehlungen zählen ebenfalls zu den Bestandteilen des Verfahrens.
Das TBS wurde vor allem für Montage-, Bedien- und Überwachungstätigkeiten in
der Industrie entwickelt. Für Arbeitstätigkeiten im Büro mit überwiegend geisti-
gen Anforderungen steht die Verfahrensvariante TBS-GA von RUDOLPH et al.
(1987) zur Verfügung. Zur TBS-Verfahrensgruppe gehört auch das Rechnerge-
stützte Dialogverfahren zur psychologischen Bewertung von Arbeitsinhalten
(REBA Version 8.0, POHLANDT et al. 2008), das auf der Basis eines multiplen
linearen Regressionsmodells bereits in der Planungsphase eine vergleichende
Beurteilung von alternativen Tätigkeiten ermöglicht (RICHTER et al. 2009).
Das VERA dient der Analyse von Tätigkeiten bezogen auf Denk-, Planungs-
und Entscheidungsanforderungen. Die Datenerhebung erfolgt ebenfalls durch
geschulte Untersucher, die während der Arbeit Beobachtungen mit mündlichen
Befragungen durchführen und die Ergebnisse in freier, wie auch standardisierter
Form protokollieren (OESTERREICH 1999). Ergebnis ist die Einstufung eines Ar-
beitsplatzes in eine von zehn Regulationsebenen (die höchste, die an dem Arbeits-
platz in Anspruch genommen wird). Das Fehlen von Regulationserfordernissen
höherer Ebenen wird als Defizit angesehen, welches u.A. die Persönlichkeitsent-
wicklung behindert. Aus diesem Konzept leiten sich zwanglos Gestaltungsmaß-
nahmen ab. Alle Maßnahmen, die dazu führen, dass Planungsaktivitäten auf die
Ausführenden verlagert werden, erhöhen bei diesen die Planungs- bzw. Regula-
tionserfordernisse und dienen in diesem Sinne der Persönlichkeitsentwicklung und
-entfaltung.
Mit dem RHIA-Verfahren sollen Arbeitshandeln behindernde Arbeitsbedin-
gungen (sog. Regulationsbehinderungen) erfasst werden, die eine Quelle psychi-
scher Belastung sind und auf Dauer die Gesundheit der Beschäftigten beein-
trächtigen (LÜDERS 1999). Es werden zwei Formen psychisch belastender Ar-
beitsbedingungen differenziert: 1) Regulationshindernisse (Erschwerungen und
Unterbrechungen) und 2) Regulationsüberforderungen (z.B. monotone Arbeitsbe-
dingungen, Zeitdruck). Das zugrundeliegende Belastungskonzept unterscheidet
sich damit von dem in Kap. 1.5.1.2 erläuterten Konzept, in welchem der Belas-
tungsbegriff „neutral“ definiert ist und Belastung folglich nicht grundsätzlich zu
60 Arbeitswissenschaft

einer Beeinträchtigung oder Schädigung führt (siehe hierzu auch ULICH 2005). Die
ursprünglich separat entwickelten Verfahren RHIA und VERA stehen als Ver-
fahrenskombination sowohl für Büroarbeit (RHIA/VERA-Büro von LEITNER
et al. 1993) als auch für Produktionsarbeit (RHIA/VERA-Produktion von
OESTERREICH et al. 2000) zur Verfügung.
Zu den (eher) bedingungsbezogenen Analyseverfahren zählen auch das Instru-
ment zur Stressbezogenen Tätigkeitsanalyse (ISTA; SEMMER 1984, SEMMER et al.
1999), der Leitfaden zur Kontrastiven Aufgabenanalyse (KABA) von DUNCKEL et
al. (1993) sowie das Verfahren KOMPASS zur Komplementären Analyse und
Gestaltung von Produktionsaufgaben in soziotechnischen Systemen von GROTE et
al. (1999).
Im Unterschied zu den bedingungsbezogenen Verfahren sind personenbezoge-
ne Arbeitsanalyseverfahren auf die Erhebung der subjektiven Wahrnehmung und
Einschätzung der Arbeitstätigkeit und ihrer Ausführungsbedingungen durch die
Arbeitsperson gerichtet (SCHÜPBACH u. ZÖLCH 2007). Die personenbezogene
Arbeitsanalyse untersucht explizit die individuelle Vorgehensweise, die Einstel-
lungen und Meinungen des Stelleninhabers sowie dessen Redefinition des Ar-
beitsauftrages (FRIELING u. BUCH 2007). Typisch sind schriftliche Befragungen
mit standardisierten Fragebögen. Anhand der Daten sollen bestehende Unterschie-
de zwischen den Arbeitspersonen hinsichtlich der Bewältigung von Aufgaben
bzw. des Umgangs mit den gegebenen Arbeitsbedingungen identifiziert werden,
um darauf aufbauend beispielsweise Empfehlungen für eine differentielle Arbeits-
gestaltung (Kap. 1.5.3.2) geben zu können.
Ein Beispiel für ein personenbezogenes Verfahren zur Analyse von Arbeitstä-
tigkeiten ist der Job Diagnostic Survey (JDS) von HACKMANN u. OLDHAM
(1975). Der standardisierte Fragebogen operationalisiert die im Job Characteristics
Model (siehe Kap. 5.4.2.4) postulierten Zusammenhänge zwischen charakteristi-
schen Merkmalen der Arbeitstätigkeit und personenbezogenen Auswirkungen, wie
der Arbeitsmotivation und der Arbeitszufriedenheit (siehe deutsche Übersetzung
von SCHMIDT et al. 1985; SCHMIDT u. KLEINBECK 1999). Erfasst wird die subjek-
tive Einschätzung der Arbeitspersonen. Zu dieser Verfahrenskategorie zählen auch
das Job Characteristics Inventory (JCI) als Weiterentwicklung des JDS von SIMS
et al. (1976), der Job Descriptive Index (JDI) von SMITH et al. (1969, Revision siehe
BALZER et al. 1997) sowie die Fragebögen zur (salutogenetischen) subjektiven
Arbeitsanalyse SAA bzw. SALSA von UDRIS u. ALIOTH (1980) bzw. RIMANN u.
UDRIS (1997). Ebenfalls zu nennen sind die zahlreichen Instrumente zur Erfassung
der mentalen Beanspruchung, wie z.B. die Beanspruchungsmessskalen (BMS) von
PLATH u. RICHTER (1984) (siehe hierzu Kap. 3.3.3.2.4).
Weitergehende Literaturanalysen und Überblicksdarstellungen zu Arbeitsanaly-
severfahren finden sich in LUCZAK (1997), DUNCKEL (1999b), SCHÜPBACH u.
ZÖLCH (2007), SCHÜTTE (1986, 2009) sowie RICHTER u. KUHN (2005). In den
bisherigen Ausführungen wurde deutlich, dass zur differenzierten Beschreibung
von Arbeitsanalyseverfahren und damit auch für die Auswahl eines geeigneten
Verfahrens zahlreiche Kriterien herangezogen werden können und sollten, wie
Einführung 61

z. B. die wissenschaftlichen Gütekriterien, die mit dem Einsatz vorrangig verfolg-


ten Ziele bzw. Einsatzzwecke, der Anwendungs- bzw. Gültigkeitsbereich, die
eingesetzten Methoden und die Analysetiefe (siehe RICHTER u. KUHN 2005,
DUNCKEL 1999a). Die Analysetiefe bzw. der Grad der Genauigkeit korrespondiert
in der Regel mit dem empfohlenen Anwenderkreis (sog. Nutzergruppe) und setzt
in zunehmenden Maße Fach- und Methodenkompetenz voraus.
Der erforderliche Grad der Genauigkeit ergibt sich aus dem Zweck und den
Bedingungen der Messung, z.B. in Abhängigkeit von gesetzlichen Anforderungen,
vertraglichen Regelungen oder Kosten-Nutzen-Überlegungen (DIN EN ISO 10075-
3). Analyseverfahren und Messinstrumente können in drei Präzisionsstufen einge-
teilt werden (in Anlehnung an DIN EN ISO 10075-3 und RICHTER u. KUHN 2005):
x Stufe 1  Verfahren für Zwecke der genauen Messung („Expertenverfah-
ren“): Ziel des Verfahrenseinsatzes ist es, zuverlässige und gültige Analyse-
ergebnisse auf hohem Präzisionsniveau zu erhalten, um darauf aufbauend
geeignete Gestaltungsmaßnahmen ableiten zu können. Expertenverfahren
haben in der Regel eine im Vergleich zu anderen Verfahren hohe Anzahl ge-
stufter Merkmale. Die Stufen werden dabei oft nur verbal beschrieben und
müssen vom geschulten Verfahrensanwender richtig interpretiert werden.
Derartige Verfahren sind meist nur von entsprechenden Fachleuten mit einer
Ausbildung in den theoretischen Grundlagen, der Anwendung und der Inter-
pretation der Ergebnisse einsetzbar.
x Stufe 2  Verfahren für Übersichtszwecke („Screening-Verfahren“):
Wenngleich Screening-Verfahren ebenfalls zu zuverlässigen und validen Er-
gebnissen führen (sollten), erlauben sie in der Regel nicht die Ableitung
konkreter Gestaltungsmaßnahmen. Zu erwarten sind beispielsweise Aussa-
gen über Ansatz- oder Schwerpunkte für eine anschließende Optimierung.
Sie unterscheiden sich von den orientierenden Verfahren meist durch eine
feinere, mehrstufige Skalierung der Merkmale, z.B. dreistufig: nie - manch-
mal - ständig, fünfstufig: trifft überhaupt nicht zu - trifft eher nicht zu - teils-
teils - trifft eher zu - trifft völlig zu, sechsstufig: sehr schwierig - ziemlich
schwierig - recht schwierig - mäßig schwierig - etwas schwierig - nicht
schwierig. Der Aufwand für die Durchführung ist häufig geringer als bei den
Expertenverfahren.
x Stufe 3  Verfahren für Orientierungszwecke („orientierende Verfahren“):
Orientierende Verfahren ermöglichen dem Anwender, mit geringem Res-
sourceneinsatz Informationen über Arbeitsaufgaben, die Akzeptanz der Ar-
beitsbedingungen o.Ä. auf einem niedrigen Präzisionsniveau zu gewinnen.
Typisch sind Instrumente mit mäßigen Graden an Zuverlässigkeit und Vali-
dität, wie z.B. Prüf- und Checklisten mit grob gerasterten Merkmalen und di-
chotomen Merkmalsstufen (ja - nein).
62 Arbeitswissenschaft

Anlass
z.B. viele Arbeitsunfälle

Klären und Festlegen


der Untersuchungsaufgabe

Analyseverfahren bzw. Instrumente


z.B. Toolbox
bbedingungsbezogene
di b personenbezogene
b
Verfahren Verfahren

Nutzergruppe Analysetiefe
• Experten • Expertenverfahren
• geschult • Screeningverfahren
• ungeschult • orientierendes Verf.

B
Branche
h

Tätigkeitsklassen
• tätigkeitsspezifisch
• tätigkeitsübergreifend

Methode Datengewinnung
Beobachtung
Befragung
f etc.

Statistische Gütekriterien

Verfügbarkeit von
Utilitätskriterien + Vergleichsdatensätzen u.
Auswertemethoden

Verfahrensauswahl und
Einsatzentscheidung

Abb. 1.20: Vorgehen zur Auswahl eines Arbeitsanalyseverfahrens, modifiziert nach


RICHTER u. KUHN (2005)

Die Ergebnisse von Screening-Verfahren (z.B. ISTA, BMS) und orientierenden


Verfahren tragen zum schnellen Erkennen von Schwachstellen der Arbeitsgestal-
tung bei, die spätestens dann einer differenzierteren Analyse mit aussagekräftige-
ren Verfahren (z.B. AET, FAA, RHIA/VERA, TAI, TBS) unterzogen werden
sollten. Ein Vorgehen zur systematischen Verfahrensauswahl ist in Abb. 1.20
dargestellt. Dabei werden zusätzlich zu den bereits genannten weitere Kriterien
berücksichtigt, die die Verfügbarkeit von Vergleichsdatensätzen und Auswer-
tungsmethoden sowie die Utilität (z.B. Aufwand/Zeitökonomie, Transparenz und
Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse) betreffen.
Einführung 63

1.5.2 Bewerten und Ordnen

1.5.2.1 EbenenschemaĆnachĆRohmertĆundĆKirchnerĆ
Gegenstand arbeitswissenschaftlicher Bewertung ist im Allgemeinen eine sächli-
che oder konzipierte Arbeitssituation, also die Gesamtheit der Arbeit einschließ-
lich ihrer physikalisch-chemischen, technischen, organisatorischen und sozialen
Rahmenbedingungen. Aufgrund der inhärenten Komplexität werden in der Regel
multiple Kriteriensysteme zur Bewertung verwendet. Aufbauend auf der Bewer-
tung kann dann die Ordnung der Beziehungen zwischen Mensch und Arbeit erfol-
gen, die sich auf bestimmte Ordnungshierarchien bzw. -schemata stützt und damit
eine methodisch geleitete Beurteilung von Priorititäten und Posterioritäten ermög-
licht.
Primäres Beurteilungskriterium ist, neben anderen, z.B. ökonomischer und
technischer Art, die „Menschengerechtheit“ der Arbeit, also inwieweit sie in dem
Sinne menschengerecht ist, dass sie den physischen, psychischen und sozialen
Anforderungen und Bedürfnissen des Menschen entspricht. Da eine Arbeitssitua-
tion an sich weder gut noch schlecht ist, erfolgt die Bewertung und Beurteilung
anhand der physischen und psychischen Wirkungen, die sie beim Menschen her-
vorruft. In der Diktion des oben dargestellten Belastungs-Beanspruchungs-
Konzepts erfolgt die Beurteilung der Belastung durch die Arbeitssituation über
den Umweg der Bewertung der korrespondierenden Beanspruchung des arbeiten-
den Menschen.
Zur Belastungsbeurteilung liegt ein von KIRCHNER (1972) eingeführtes Schema
vor, welches vier Einzelkriterien, nämlich Ausführbarkeit, Erträglichkeit, Zumut-
barkeit und Zufriedenheit, hierarchisch miteinander verbindet (Tabelle 1.2). Die-
ses Schema entfaltet insofern eine ordnende Wirkung, als im Zusammenhang mit
Gestaltungsmaßnahmen die Kriterien auf der jeweils elementareren Ebene zu-
nächst erfüllt sein sollen, bevor die Kriterien der nächsthöheren Ebene in Betracht
gezogen werden können.
Im Sinn der Hierarchie ist zunächst die Ausführbarkeit der Arbeit sicherzustel-
len. Dazu ist erforderlich, dass die Anforderungen sich innerhalb der Grenzen
menschlicher Leistungsfähigkeit bewegen, etwa hinsichtlich der Erreichbarkeit
von Stellteilen, erforderlicher Körperkräfte oder der Wahrnehmbarkeit von Signa-
len. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Grenzen der sensorischen, kogni-
tiven und motorischen Fähigkeiten zwischen einzelnen Individuen stark streuen
können. Explizit nicht berücksichtigt wird auf dieser Ebene, über welchen Zeit-
raum und mit welcher Anstrengung, Überwindung etc. die Ausführung verbunden
ist.
Die Erträglichkeit der Arbeit berücksichtigt zusätzlich, dass  auch bei gegebe-
ner Ausführbarkeit  eine Arbeit nicht zwangsläufig auch über einen längeren
Zeitraum durchgeführt werden kann, ohne dass es z.B. zu Schädigungen kommt.
Kriterium der Erträglichkeit ist also, dass die Arbeit über die Dauer des Berufsle-
bens bei gegebener täglicher Arbeitszeit sowie Pausen- und Urlaubsregelungen
64 Arbeitswissenschaft

ohne Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Gesundheit ausgeführt


werden kann. Auch dieser Ebene liegt ein naturwissenschaftlich-physiologisches
Verständnis zugrunde, welches die Wahrnehmung und Bewertung der Arbeitssitu-
ation durch die Arbeitenden selbst weitgehend ausklammert.
Tabelle 1.2: Hierarchie für Mensch-Arbeits-Beziehungen (nach KIRCHNER 1972,
ROHMERT 1983)

wissenschaftsmetho- Beurteilungs- ProblemkreiseĆundĆĆ


discheĆĆAnsätzeĆderĆ ebenenĆĆmensch- ĆĆĆZuordnungĆanĆ
Arbeitswissenschaft licherĆArbeit Einzeldisziplinen

anthropometrisches,Ćpsycho-
physischesĆĆundĆtechnischesĆ
vorwiegendĆ Ausführbarkeit
ProblemĆ
naturwissen-
(ErgonomieĆi.e.S.)
schaftlich
arbeitsphysiologisches,Ć
arbeitsmedizinischesĆundĆ
Erträglichkeit technischesĆProblemĆ
vorwiegend (Arbeitsphysiologie,Ć
vorwiegendĆ kollektiv-Ć ErgonomieĆu.ĆArbeitsmedizin)
individual- bezogen
bezogen soziologischesĆundĆökonomischesĆ
Zumutbarkeit ProblemĆ(Arbeitssoziologie,ĆArbeits-
psychologie,ĆPersonalwirtschafts-Ć
lehre,ĆRationalisierungsforschung)

vorwiegendĆ (sozial-)ĆpsychologischesĆundĆöko-
kulturwissen- nomischesĆĆProblemĆ(Arbeits-ĆundĆ
Zufriedenheit Sozial/Individualpsychologie,Ć
schaftlich
Personalwirtschaftslehre)

Mit Einbeziehung der Zumutbarkeit wird der Rahmen einer nur naturwissen-
schaftlichen Betrachtung verlassen, und es werden (im weiteren Sinne) soziale
Aspekte mit berücksichtigt. In die Zumutbarkeit gehen vor allem kollektive Nor-
men (z.B. gesetzlicher oder tarifvertraglicher Art) ein. Das Niveau dessen, was als
zumutbar empfunden wird, hängt damit stärker als bei den zuvor betrachteten
Ebenen (auf denen im Wesentlichen ein „gesicherter Kenntnisstand“ maßgebend
ist) von den aktuellen sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen ab. Beispielswei-
se können überdurchschnittliche Bezahlung (z.B. in Form von Gefahren- oder
Erschwerniszulagen) oder hohe Arbeitslosenzahlen dazu führen, dass Arbeitsplät-
ze als zumutbar empfunden werden, die unter anderen Bedingungen nicht akzep-
tiert würden. Dies zeigt, dass Zumutbarkeit kein alleiniges Kriterium sein kann,
sondern die vorgenannten Kriterien ebenfalls erfüllt sein müssen.
Der Begriff der Zufriedenheit hebt schließlich stärker als die Zumutbarkeit auf
die individuelle Bewertung und Beurteilung der Arbeitssituation ab. Zufriedenheit
in der Arbeit liegt üblicherweise dann vor, wenn die objektiven Merkmale der
Arbeitssituation den individuellen Erwartungen entsprechen. Daraus leitet sich
aber auch ab, dass es keinen objektiv beschreibbaren Gestaltungszustand von
Einführung 65

Arbeit geben kann, der mit Sicherheit bei jedem möglichen Stelleninhaber auch
zur Zufriedenheit führt. Einerseits ist es weder ökonomisch noch sozial vertretbar,
Arbeitsgestaltungsmaßnahmen an (möglicherweise überzogenen) Vorstellungen
Einzelner zu orientieren, andererseits – und das ist der problematischere Aspekt –
ist es möglich, dass unerfüllte Erwartungen zu einer steten Senkung des An-
spruchsniveaus führen, so dass letztlich auch Zufriedenheit unter objektiv unak-
zeptablen Arbeitsbedingungen möglich ist (sog. resignative Arbeitszufriedenheit,
siehe BRUGGEMANN et al. 1975). Zufriedenheit mit der Arbeit kann somit zwar als
notwendige, keinesfalls jedoch als hinreichende Bedingung betrachtet werden, da
auch hier zunächst die Erfüllung der Kriterien der untergeordneten Ebenen sicher-
gestellt sein muss.

1.5.2.2 EbenenschemaĆnachĆHackerĆ
Ein zumindest formal ähnliches Schema, wie das zuvor dargestellte nach Rohmert
und Kirchner, wurde von HACKER (1986) eingeführt (Abb. 1.21). Die vier Beurtei-
lungsebenen stehen ebenfalls in einem hierarchisch strukturierten Zusammenhang,
d.h. auch hier sind zunächst die Kriterien tieferer Ebenen zu erfüllen, bevor über-
geordnete in die Betrachtung einbezogen werden. Da sich das hier beschriebene
Konzept als eine Weiterentwicklung u.A. des Ansatzes von Rohmert und Kirchner
versteht, weist es auch einige deutliche Parallelen  insbesondere auf den unteren
Ebenen  zu diesem auf.

Mögliche
BEWERTUNGSEBENEN UNTEREBENEN KRITERIEN
(Beispiele)
Realisierung
o Zeitanteil für
- selbstständige
- +
4
Persönlichkeits-
förderlichkeit
Weiterentwicklung
Erhaltung ሽausgewählter LV - schöpferische
Verrichtungen
Dequalifizierung o Erforderliche
Lernaktivitäten

ohne Beeinträchtigungen o Stufen psycho-


physischer
- + Beeinträchtigungs- volle Kompensation
Belastungs-
3 labile Kompensation wirkungen
freiheit (Zumutbarkeit)
anhaltend verminderte Effektivität
funktionelle Störungen

Gesundheitsschäden
- + - ausgeschlossen o MAK-Werte
2 Schädigungslosigkeit - möglich o BK-Morbidität
- höchstwahrscheinlich o Unfälle

einschlägige Normwerte eingehalten o anthropometrische


Normen
- +
1 Ausführbarkeit o sinnesphysiologische
Normwerte
Normwerte überwiegend nicht eingehalten /
zuverlässige Ausführung nicht gewährleistet

Abb. 1.21: System zur Beurteilung von Arbeitsgestaltungsmaßnahmen (LV Leistungs-


voraussetzungen, BK Berufskrankheit) (aus HACKER 1986, 2005)
66 Arbeitswissenschaft

Unter Ausführbarkeit der Arbeit ist inhaltlich das gleiche, wie im vorausge-
gangenen Abschnitt zu verstehen.
Der Aspekt der Schädigungslosigkeit ist im oben genannten Konzept in der Er-
träglichkeit enthalten und meint insbesondere die Vermeidung von Gesundheits-
schäden durch Unfälle, Berufskrankheiten oder Schadstoffe.
Das Kriterium der Beeinträchtigungsfreiheit (im Konzept von Rohmert und
Kirchner ebenfalls in der Erträglichkeit enthalten) bezieht sich gegenüber der
Schädigungslosigkeit auf kurzfristige Belastungswirkungen, die im Regelfall
innerhalb von Arbeitspausen und Freizeit kompensiert werden sollten.
Der eigentliche Unterschied gegenüber dem Konzept nach Rohmert und Kirch-
ner manifestiert sich in der Forderung nach Persönlichkeitsförderlichkeit: Stärker
als in dem Begriff Zufriedenheit klingt darin das dynamische Element einer (per-
manenten) Entwicklung der Persönlichkeit in der Arbeit an. Während Zufrieden-
heit als empirische Kategorie (die Person gibt an, zufrieden zu sein) hinreichend
hinterlegt ist, setzt die Operationalisierung von Persönlichkeitsförderlichkeit eine
entsprechende Vorstellung davon, was Persönlichkeit ausmacht, voraus, also ein
(psychologisches) Menschenbild. Im vorliegenden Fall leitet sich dieses in we-
sentlichen Punkten aus der weiter oben dargestellten Handlungsregulationstheorie
ab. Neben Möglichkeiten sozialer Kooperation und (gesellschaftlicher) Anerken-
nung der Arbeit ist danach eine Einbeziehung zunehmend höherer Regulations-
ebenen erforderlich (mit anderen Worten: zunehmende Einbeziehung von Pla-
nungs- und Kontrolltätigkeiten in die Arbeitsaufgabe bei gleichzeitiger
Routinisierung elementarer Bestandteile). Teilweise wird der Begriff der „Persön-
lichkeitsförderlichkeit“ als zu deterministisch d.h. an einem zu eng (extern oder
kollektiv) definierten Menschenbild orientiert, abgelehnt. Weitere Ablehnungs-
gründe sind die mit dem Begriff der „Förderlichkeit“ eventuell verbundene Vor-
stellung eines idealen Sollzustands, der mit gezielten Interventionen erreicht wer-
den kann. Alternativ wird der Begriff der „Persönlichkeitsentfaltung“ vorgeschla-
gen, womit auf individuell unterschiedliche Ziele und Möglichkeiten der Entfal-
tung abgehoben wird. Damit wird ein Begriff gewählt, der auch verfassungsrecht-
lich im Grundgesetz als elementares Personenrecht definiert ist (LUCZAK 1989).

1.5.2.3 KriterienĆ inĆ AnlehnungĆ anĆ dieĆ BetrachtungsebenenĆ vonĆ Arbeits-


prozessenĆ
Dieser breite Konsens hinsichtlich einer Bewertung und Beurteilung von Arbeits-
prozessen lässt sich mit den in Kap. 1.4.4 beschriebenen Betrachtungsebenen in
Verbindung bringen. Da sich die Ausführbarkeit als anthropometrisches Problem
auf die Ebene von Arbeit mit Werkzeugen und Maschinen (Ebene 2) bezieht, die
Erträglichkeit dagegen als arbeitsphysiologisches und arbeitsmedizinisches Prob-
lem sich primär mit der Ebene 1, den autonomen Körperfunktionen und der Ar-
beitsumgebung, beschäftigt, ist allerdings ein Austausch der Reihenfolge der ers-
ten beiden Kriterien notwendig. Darüber hinaus behandeln die genannten Konzep-
te das Arbeiten einer einzelnen Person, also die Ebenen 1 bis 4, in dem in
Einführung 67

Kap. 1.4.3 dargestellten Ebenenmodell. In Anknüpfung an kooperative Arbeits-


formen in Arbeitsgruppen und betriebliche Arbeitsbeziehungen (Ebenen 5 und 6)
ist deswegen das Kriterium der Sozialverträglichkeit zu ergänzen. Sozialverträg-
lichkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, inwieweit eine Beteiligung von Ar-
beitenden an der Gestaltung von Arbeitssystemen, bezogen auf die kooperative
Organisation der Produktion oder Dienstleitung, vorgesehen ist. Damit ergibt sich
das in Abb. 1.22 dargestellte Ebenenschema, das der Kerndefinition zugrunde
liegt. Demnach ist der Kern der Disziplin im Bewertungs- und Ordnungszusam-
menhang von Arbeit als Ausgangspunkt und Bezugsrahmen für Gestaltungsmaß-
nahmen zu suchen und zu finden.

Sozialverträglichkeit

Zufriedenheit und
Persönlichkeitsentfaltung

Zumutbarkeit und
Beeinträchtigungsfreiheit

Ausführbarkeit

Schädigungslosigkeit
Schädig ngslosigkeit und
nd
Erträglichkeit
Ć
Abb. 1.22: Arbeitswissenschaftliche Kriterien und Ordnungszusammenhänge in Anleh-
nung an die Betrachtungsebenen von Arbeitsprozessen (LUCZAK u. VOLPERT 1987)

Auch hier besteht ein grundsätzlicher Ordnungszusammenhang zwischen Krite-


rien der Ebenen 2-6 insofern, als Kriterien einer niedrigeren Ebene erfüllt sein
müssen, bevor die einer höheren Ebene greifen können. Der korrespondierende
humanorientierte Gestaltungsprozess dient vorwiegend dem Vermeiden von un-
günstigen Gestaltungszuständen, die möglicherweise vom simultan laufenden
Kreislauf zur „effektiven Gestaltung“ ausgelöst werden (siehe Abb. 1.22, links).
Ein solcher Kreislauf ist natürlich unabdingbar. Neuerdings wird dem Vermei-
dungskonzept ein komplementärer Kreislauf mit dem Ziel einer „affektiven Ge-
staltung“ beigeordnet (siehe Abb. 1.22, rechts), der eher menschbezogen positiv
besetzte Werte in den Vordergrund stellt und sich am Leitbild von „bester Praxis“
(best practice) orientiert (siehe KHALID 2006, HELANDER u. KHALID 2006). In
Deutschland wird diese Diskussion unter dem Titel „gute Arbeit“ – auch „Neue
Qualität der Arbeit“ – geführt und mit entsprechenden Programmen hinterlegt
(INQA 2009). Auf der Ebene der Europäischen Union existieren Initiativen mit
vergleichbarer Zielsetzung (siehe z.B. SOBANE 2009)
68 Arbeitswissenschaft

1.5.2.4 Bewertungs-ĆundĆBeurteilungsprinzipienĆ
Die oben dargestellten Konzepte skizzieren zunächst nur einen groben Rahmen in
Form von Zielvorstellungen. Die Bewertung und Beurteilung konkreter Arbeits-
bedingungen muss deshalb durch ergänzende Bewertungs- und Beurteilungsprin-
zipen erfolgen. Es lassen sich folgende Ansätze unterscheiden:
x Sollwerte: Für verschiedene quantitativ bestimmbare Merkmale von Arbeits-
bedingungen lässt sich ein Optimum und unter Berücksichtigung notwendi-
ger Toleranzen ein Optimalbereich angeben. Die Gestaltung hat dann darauf
abzuzielen, einen Zustand herbeizuführen, der unter jeweils zu beachtenden
Voraussetzungen innerhalb der Spanne zwischen einem gegebenen Minimal-
und Maximalwert liegt. Beispielsweise lässt sich für das Raumklima (Kons-
tellation aus Lufttemperatur, -feuchte und -geschwindigkeit) für verschiede-
ne Tätigkeiten ein sog. Behaglichkeitsbereich angeben (siehe Kap. 9.4).
x Grenzwerte: Für andere ebenfalls quantifizierbare Bestimmungsgrößen der
Arbeitssituation gibt es keinen Idealbereich, anzustreben ist vielmehr, dass
ein bestimmtes Merkmal überhaupt nicht auftritt. Da dies nicht in allen Fäl-
len möglich ist, existieren für jeweils festgelegte Rahmenbedingungen
Grenzwerte, die auf keinen Fall überschritten werden dürfen. Solche Grenz-
werte liegen beispielsweise in Form maximaler Arbeitsplatzkonzentrationen
(Arbeitsplatzgrenzwerte) für verschiedene gefährliche bzw. gesundheits-
schädliche Arbeitsstoffe vor (siehe Kap. 9.6).
x Extremalwerte: Daneben existieren Bestimmungsgrößen, für die sich weder
ein Soll- noch ein Grenzwert sinnvoll angeben lässt, an die aber Maximie-
rungs- bzw. Minimierungsforderungen gestellt werden können. Beispiels-
weise lässt sich für Arbeitszufriedenheit weder ein Optimum noch eine ver-
nünftige untere Schranke angeben. Hier kann lediglich in einem Vergleich
zwischen verschiedenen Konstellationen von Arbeitsbedingungen derjenigen
der Vorzug gegeben werden, die die größte Zufriedenheit bzw. geringste Un-
zufriedenheit hervorruft.
x Binäre Entscheidung und ordinale Klassifikation: Oftmals liegen Gestal-
tungsregeln vor, so dass die Beurteilung eines Ist-Zustandes auf eine Ja-
Nein-Entscheidung, ob eine Regel eingehalten ist oder nicht, reduziert wer-
den kann. Beispiel: Verfügt eine Maschine über einen „Not-Aus“-Schalter?
Auch Rangfolgen (Beispiel: „nicht geeignet“ bis „vollständig geeignet“) las-
sen sich so definieren.
Vielfach hat sich in der Anwendung arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse
in der Praxis das Ampelschema nach DIN EN 614 durchgesetzt. Bei diesem
Schema werden folgende drei Stufen unterschieden:
o GRÜN (niedriges Risiko, empfehlenswert):
Vernachlässigbares Risiko einer Erkrankung oder Verletzung, welches
für alle in Frage kommenden Arbeitspersonen auf einem annehmbar
niedrigen Niveau ist.
o GELB (mögliches Risiko, nicht empfehlenswert):
Einführung 69

Für in Frage kommende Arbeitspersonen besteht insgesamt oder teilweise


ein nicht vernachlässigbares Risiko einer Erkrankung oder Verletzung.
o ROT (hohes Risiko, zu vermeiden):
Das Risiko einer Erkrankung oder Verletzung ist hoch und es ist nicht
zumutbar, die in Frage kommenden Arbeitspersonen diesem Risiko aus-
zusetzen.
x Komplexe Bewertungsprinzipien: Mitunter können für verschiedene Einzel-
aspekte Zielvorgaben formuliert werden, die bei der Realisierung allerdings
miteinander in Konflikt geraten oder einander sogar ausschließen. Da in ei-
nem solchen Fall die Möglichkeit versagt, die einzelnen Parameter jeweils
für sich zu optimieren, müssen Maße für die Beurteilung des Gesamtzustan-
des gebildet werden. Dies kann zum Beispiel über Verfahren der statistischen
Nutzwertanalyse geschehen (siehe Kap. 3.3.2.2.2.1).

1.5.3 Gestalten

1.5.3.1 GestaltungsprinzipienĆ
Ziel der Arbeitsgestaltung ist die Optimierung des gesamten Arbeitssystems, also
ein möglichst günstiges Verhältnis von Input (Material, Rohstoffe, Energie, In-
formation) und Output (Produkt, ggf. Zwischenprodukt oder Dienstleistung), bei
gleichzeitiger Berücksichtigung der in Kap. 1.5.2 genannten Humankriterien.
Dabei ergeben sich die Zielsetzung sowie die Bewertungskriterien, durch die der
Grad der Zielerreichung operationalisiert wird, in der Regel nicht aus dem Ar-
beitsprozess selbst, sondern aus wirtschaftlichen, politisch-rechtlichen, ökologi-
schen, gesellschaftlichen oder ethischen Motiven. So entstehen beispielsweise
wirtschaftliche Motive aus der Absicht einer möglichst wirksamen Verwertung
des eingesetzten Kapitals sowie Gewinnerzielung. Politisch-rechtliche Motive
leiten sich z.B. aus der Fürsorgepflicht des Arbeitsgebers ab, die sich in Deutsch-
land aus §§241 Abs. 2, 617-619 BGB als Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis
ergibt. Ökologische Motive stützen sich häufig auf das Konzept der Nachhaltig-
keit, das die Nutzung eines regenerierbaren (Arbeits-)Systems in einer Weise
fordert, bei welcher dieses System in seinen wesentlichen Eigenschaften erhalten
bleibt und sein Bestand auf natürliche Weise nachwachsen kann. Schließlich ist
die Schädigungsvermeidung ein wohl unbestrittenes ethisches Postulat und des-
halb auch ein bereits benanntes Humankriterium.
Im Prozess der Arbeitsgestaltung (siehe Kap. 1.2.2) ist zu beachten, dass den
Fähigkeiten und Fertigkeiten der Arbeitspersonen – auch bei besonderer Eignung
im Einzelfall – recht enge evolutionsbedingte Grenzen gesetzt sind, die durch
Ausbildung und Training nur in gewissem Umfang verschoben werden können.
Dies betrifft z.B. die maximal erzeugbaren Körperkräfte, die Empfindlichkeit der
Sinnesorgane, die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung sowie die Resis-
tenz gegenüber verschiedenen Umgebungseinflüssen (Hitze, Kälte, toxische Sub-
stanzen, ionisierende Strahlung etc.). Neben diesen biologischen Grundgegeben-
70 Arbeitswissenschaft

heiten spielen selbstverständlich auch soziale Momente wie die Zumutbarkeit


bestimmter Tätigkeiten und die Akzeptanz von Gestaltungsmaßnahmen eine Rol-
le, die in höherem Maße zeitlichen Veränderungen unterliegen.
Durch Maßnahmen der Arbeitsgestaltung soll eine Anpassung der technischen,
organisatorischen und sozialen Bedingungen an den Menschen erreicht werden, so
dass mit Bezug auf die Kerndefinition schädigungslose, ausführbare, erträgliche
und beeinträchtigungsfreie Arbeitsbedingungen sichergestellt werden, Standards
sozialer Angemessenheit nach Arbeitsinhalt, Arbeitsaufgabe, Arbeitsumgebung
sowie Entlohnung und Kooperation erfüllt werden, die Arbeitspersonen Hand-
lungsspielräume entfalten, Fähigkeiten erwerben und in Kooperation mit Anderen
ihre Persönlichkeit erhalten und entwickeln können (siehe Kapitel 1.2.1).
Ausgehend von verschiedenen empirischen Untersuchungen sowie vergleichba-
ren theoretischen Überlegungen, die die Annahme stützen, dass es keine einheitli-
chen, für alle Arbeitspersonen „optimalen“ Arbeitsstrukturen und -prozesse geben
kann (siehe ZINK 1978; TRIEBE 1980, 1981), postuliert ULICH (1978, 2005) drei
zentrale Prinzipien der Arbeitsgestaltung:
(1) Das Prinzip der flexiblen Arbeitsgestaltung bezieht sich zunächst nur auf die
Berücksichtigung interindividueller Differenzen innerhalb einer vorgegebe-
nen Arbeitsstruktur. Unterschiede in der menschlichen Krafterzeugung und
Informationsverarbeitung können hier ebenso eine Rolle spielen wie Unter-
schiede im Lernstil oder in der Motivation (siehe LUCZAK et al. 2006). Ar-
beitssysteme sind danach so auszulegen, dass basierend auf gewissen Ar-
beitsmethoden unterschiedliche Arbeitsweisen ermöglicht werden.
(2) Das Prinzip der differentiellen Arbeitsgestaltung greift mit seinem Anspruch,
interindividuelle Unterschiede zu berücksichtigen, weiter, in dem es in be-
wusster Erweiterung der klassischen Suche nach dem „one best way“ das
gleichzeitige Angebot verschiedener Arbeitsstrukturen fordert, zwischen de-
nen die Arbeitspersonen wählen können. Die Wahlmöglichkeit erlaubt die
kritische Auseinandersetzung mit der Arbeitstätigkeit und trägt damit zur
Persönlichkeitsentwicklung bei.
(3) Mit dem Prinzip der dynamischen Arbeitsgestaltung werden darüber hinaus
intraindividuelle Unterschiede der Beschäftigten berücksichtigt, welche sich
beispielsweise durch Prozesse der Qualifikations- und Kompetenzentwick-
lung ergeben (siehe Kap. 2.3). Es sollen Möglichkeiten zur Erweiterung be-
stehender und zur Schaffung neuer, dem Lernfortschritt Rechnung tragender
Arbeitsinhalte vorgesehen werden.
Die Notwendigkeit der Berücksichtigung interindividueller Unterschiede bei
der Gestaltung von Arbeitssystemen, sowohl im Hinblick auf die persönliche
Entwicklung als auch auf die Effizienz, wird auch von LUCZAK et al. (2006) be-
tont. Weitere empirische Untersuchungen, die die genannten Prinzipien untermau-
ern, finden sich beispielsweise in ZÜLCH u. STARRINGER (1984), GROB (1985);
PAETAU u. PIEPER (1985), MORRISON u. NOBLE (1987).
Einführung 71

Die Berücksichtigung interindividueller Unterschiede bei der Gestaltung von


Arbeitssystemen und insbesondere auch Arbeitsplätzen gehört zu den Grundprin-
zipien der Arbeitswissenschaft. Diesem Grundprinzip folgend, sollten vor jedem
menschbezogenen Gestaltungsprozess die spezifische Konstitution, Disposition,
Qualifikation und Kompetenz (Näheres in Kap. 2) derjenigen Personen erfasst
werden, für die das zu gestaltende System ausgelegt werden soll.
Da eine Auslegung für einen heterogenen Kreis von Menschen zwar dem ar-
beitswissenschaftlichen Ziel der gleichzeitigen Optimierung von humanitären und
wirtschaftlichen Zielen entspricht, aber aus Aufwandsgründen z.B. bei der ergo-
nomischen Arbeitsplatzgestaltung nicht per se alle potentiellen Benutzer hinsicht-
lich ihrer individuellen Anforderungen im vollen Umfang berücksichtigt werden
können, findet in der Regel eine Einschränkung der zu berücksichtigenden Cha-
rakteristiken entsprechend der „90%-Regel“ statt. Gemäß dieser Regel findet eine
Anpassung von Arbeitssystemen lediglich an die Gruppe von Arbeitspersonen
statt, die in der Summenhäufigkeit das Intervall von 5% bis 95% hinsichtlich des
betreffenden Gestaltungsparameters (z.B. Körperhöhe) einschließt. Darüber-
hinausgehende untere und obere Randbereiche werden nicht berücksichtigt. Die
geometrische Auslegung von Arbeitsplätzen nach dieser Regel wird in Kapitel
10.1.3 ausführlich dargestellt. In ausgewählten Fällen muß die Gestaltung mit
erweiterten Intervallgrenzen von 1% bzw. 99% erfolgen. Dies trifft beispielsweise
auf sicherheitsrelevante Systeme zu, aber auch auf die Gestaltung von technischen
Einrichtungen im öffentlichen Bereich, wo einer großen Zahl von Menschen die
Benutzung ermöglicht werden soll.

1.5.3.2 GestaltungsstrategienĆ
Bezogen auf den Zeitpunkt der Berücksichtigung arbeitswissenschaftlicher Krite-
rien und Erkenntnisse im Prozess der Gestaltung lassen sich prinzipiell zwei Fälle
unterscheiden:
x Bestehende Arbeitsstrukturen und -prozesse werden nachträglich den (verän-
derten) Anforderungen menschlicher Arbeit angepasst.
x Arbeitswissenschaftliche Ziele, Kriterien und Erkenntnisse werden bereits im
Stadium des Entwurfs neuer Arbeitsstrukturen/-prozesse berücksichtigt.
Die unterschiedlichen Fälle charakterisieren verschiedene Strategien der Ar-
beitsgestaltung. Der erstgenannten Strategie kommt aus arbeitswissenschaftlicher
Sicht insofern eine besondere Bedeutung zu, als in der Praxis häufig bestehende
Arbeitssysteme nachträglich angepasst werden müssen. Man spricht auch von sog.
Humanisierungsmaßnahmen. In diesem Fall handelt es sich also um eine korrigie-
rende bzw. korrektive Arbeitsgestaltung. Derartige Maßnahmen beschränken sich
häufig auf die ergonomische (z.B. Änderung von Stellteilen, nachträgliche Schall-
dämmung) und organisatorische Gestaltung (z.B. Einführung von teilautonomer
Gruppenarbeit, siehe Kap. 5.5).
Werden Arbeitssysteme grundlegend neu gestaltet, so können die Erfordernisse
menschlicher Arbeit von vornherein berücksichtigt werden. Es bietet sich demzu-
72 Arbeitswissenschaft

folge die Möglichkeit einer konzeptionellen bzw. konzeptiven Arbeitsgestaltung.


Die konzeptive Arbeitsgestaltung wird häufig auch als konzeptive Ergonomie
bezeichnet (siehe LAURIG 1992). Dabei bedeutet konzeptive Ergonomie, dass er-
gonomische Anforderungen – zusammen mit technischen, organisatorischen und
wirtschaftlichen Anforderungen – schon in der Gestaltungsphase gleichberechtigt
berücksichtigt werden. Bei jedem Gestaltungsschritt wird auch die Erfüllung er-
gonomischer Forderungen überprüft (PETERS 2007).
Wenn bei der korrektiven oder konzeptiven Gestaltung von Arbeitssystemen
Kriterien der Persönlichkeitsentfaltung besondere Berücksichtigung finden, kann
von einer prospektiven Arbeitsgestaltung gesprochen werden. Prospektive Ar-
beitsgestaltung nach ULICH (2005) „meint das bewusste Schaffen von Möglichkei-
ten der Persönlichkeitsentwicklung im Stadium der Planung bzw. des Entwurfs –
oder: der Neustrukturierung – von Arbeitssystemen durch Erzeugen objektiver
Handlungs- und Gestaltungsspielräume, die von den Beschäftigten in unterschied-
licher Weise genutzt – und nach Möglichkeit auch erweitert werden können“. Er
differenziert drei Strategien, die in Verbindung mit den jeweiligen Zielgrößen in
Tabelle 1.3 dargestellt sind.
Tabelle 1.3: Strategien und Ziele der Arbeitsgestaltung nach ULICH (2005)

Strategien Ziele

Korrektive Arbeitsgestaltung Korrektur erkannter Mängel

Präventive Arbeitsgestaltung Vorwegnehmende Vermeidung gesundheitlicher


Schädigungen und Beeinträchtigungen

Prospektive Arbeitsgestaltung Schaffung von Möglichkeiten der Persönlichkeits-


entwicklung

1.5.3.3 EinbindungĆ arbeitswissenschaftlicherĆ ErkenntnisseĆ inĆ dieĆ Pro-


duktentwicklungĆ
Im Rahmen der Produktentwicklung und dort insbesondere im Zusammenhang
mit der Gestaltung von Mensch-Maschine-Interaktionen wurden Vorgehensweisen
zur menschengerechten Gestaltung definiert und in Normen übertragen (z.B. DIN
EN ISO 13407). Diese Ansätze werden in Kapitel 10.3.1.2 ausführlich beschrieben.
In Anlehnung an die bekannten Gestaltungsmethodiken, beispielsweise aus der
Konstruktionslehre (siehe u.A. VDI 2221), gliedern sich menschbezogene Gestal-
tungsprozesse in die Phasen:
(1) Analyse (Bezug zu menschlichen Nutzungskontexten)
(2) Konzeption (Berücksichtigung von Benutzer- und Benutzungsanforderun-
gen)
(3) Entwerfen (Einbeziehen der späteren Benutzer)
Einführung 73

(4) Ausarbeiten (inklusive der Bewertung des Erfüllungsgrades von Benut-


zungsanforderungen).
In Ergänzung zu den rein technischen Gestaltungsmethodiken wird bei der
menschbezogenen Gestaltung auf eine frühzeitige und kontinuierliche Einbindung
des späteren Nutzers in den Gestaltungsprozess geachtet. Somit stellen menschbe-
zogene Gestaltungsprozesse keinen Ersatz existierender Produktentwicklungspro-
zesse dar, sondern ergänzen diese um den häufig benötigten Bezug zu den Benut-
zern.
Von der International Ergonomics Association (IEA) wurden Anforderungen
an einen Gestaltungsprozess definiert, die bei der Entwicklung von Produkten zu
berücksichtigen sind, die dem Anspruch nach hoher ergonomischer Güte entspre-
chen sollen. Der Gestaltungsansatz wird als „Ergonomic Quality in Design“
(EQUID) bezeichnet (IEA 2009)
In dem von der IEA definierten Gestaltungsprozess (siehe Abb. 1.23) wird ge-
fordert, dass die Beteiligung der Nutzer an der Produktentwicklung nachvollzieh-
bar und transparent dokumentiert wird. Zu Beginn der Produktentwicklung wer-
den dazu die Benutzer- und Benutzungsanforderungen erhoben und so aufbereitet,
dass sie allen Beteiligten klar sind und jederzeit im nachfolgenden Entwicklungs-
prozess genutzt werden können. In festgelegten zeitlichen Abständen wird geprüft,
ob sich die definierten Anforderungen geändert haben bzw. geändert werden müs-
sen. Nach Abschluss der Entwicklungsphase erfolgt eine ergonomische Evaluation
(siehe auch Vorgehen in DIN EN ISO 13407, Kap. 10.2.1). Schließlich wird nach
der Markteinführung von Produkten eine Evaluation der Benutzerzufriedenheit
durchgeführt und dokumentiert. Die Ergebnisse dieser Erhebung dienen sowohl
der Verbesserung des aktuellen Produktes als auch der Definition von Anforde-
rungen an die nächste Generation von Produkten.

Abb. 1.23: Ansatz des “Ergonomic Quality in Design“ (EQUID) (IEA 2009)

Neben der Berücksichtigung und der Dokumentation der Nutzerinteressen wäh-


rend der Produktentwicklung zielt die mit dem EQUID-Ansatz definierte Vorge-
74 Arbeitswissenschaft

hensweise auf die Verknüpfung einer ergonomischen Produktentwicklung mit den


strategischen Zielen eines Unternehmens. Dazu wird zu Beginn der menschbezo-
genen Produktentwicklung eine Zustimmung der Unternehmensleitung zu dem
ergonomischen Gestaltungsprozess erwartet. Weiterhin muss die Bereitstellung
von Ressourcen sichergestellt sein.
Der mit dem EQUID-Ansatz beschriebene Gestaltungsprozess gilt in der bishe-
rigen Form nur für die Produktentwicklung im engeren Sinn. Allerdings lassen
sich die grundlegenden Prinzipien dieses Ansatzes auch auf die Arbeitsgestaltung
in der Produktion sowie im Service übertragen. Ein Beispiel für eine frühzeitige
und kontinuierliche Berücksichtigung von menschbezogenen Aspekten im gesam-
ten Produktentstehungsprozess ist in Abb. 1.24 dargestellt (siehe auch Kap.
10.3.2).

Abb. 1.24: Einbindung der Ergonmomie in den Produktentstehungsprozess

Schon in frühen Phasen des Produktentstehungsprozesses können, durch die


Anwendung von Methoden und Technologien der Modellbildung und Simulation,
die zur Produktherstellung notwendigen Produktionskonzepte und -systeme anti-
zipiert und deren ergonomische Qualität für die Arbeitspersonen bewertet und
beurteilt werden (siehe Kap. 10.2.3).

1.5.3.4 ArbeitsgestaltungĆundĆProduktgestaltungĆ

Gemäß dem bereits erläuterten Gegenstandsbereich der Arbeitswissenschaft


(siehe Kap. 1.1.1 und Kap. 1.2.1), gehören neben der „Arbeitswelt“ auch weitere
Bereiche menschlicher Tätigkeit zum Anwendungsbereich arbeitswissenschaftli-
cher Theorien, Prinzipien und Methoden. Dies gilt insbesondere für die Gestaltung
von Produkten, deren Einsatz nicht auf Arbeitsprozesse beschränkt bleibt. Dazu
gehören Produkte aus den Bereichen Mobilität (z.B. Kraftfahrzeuge, Flugzeuge,
Einführung 75

Schienenfahrzeuge), Informationstechnologie (z.B. graphisch-interaktive Systeme,


Ein-/Ausgabegeräte für Computer, Mobilfunkgeräte), aber auch Konsumgüter
(z.B. Spielgeräte, Kücheneinrichtungen). Eine Auswahl von Fallbeispielen findet
sich in BRUDER (2004) oder SCHMIDT et al. (2008).
Hinsichtlich der anzuwendenen Prinzipien und einzusetzenden Methoden be-
stehen große Ähnlichkeiten zwischen der Arbeitsgestaltung und der Produktgestal-
tung (LANDAU 2003). So gelten beispielsweise die informatorischen Gestaltungs-
prinzipien (siehe Kap. 10.1.2) sowohl für die Gestaltung von Mensch-Maschine-
Systemen in einem Arbeitskontext als auch in einem Freizeitzusammenhang.
Gleiches gilt für die Verfahren der anthropometrischen Arbeitsgestaltung (siehe
Kap. 10.1.3), die zur räumlichen Auslegung von Arbeitsplätzen, aber auch häufig
zur Dimensionierung von Produkten verwendet werden.
Allerdings gilt es zu beachten, dass der Nutzen von Gestaltungsmaßnahmen im
betrieblichen und im privaten Kontext häufig unterschiedlich zu bewerten ist. So
sind Gestaltungsmaßnahmen in Arbeitssystemen stark beeinflusst durch einen
engen Rahmen aus gesetzlichen Vorschriften und den durchaus unterschiedlichen
Interessen der von einer Gestaltungsmaßnahme betroffenen Gruppen (z.B. Be-
triebsinteresse vs. Mitarbeiterinteresse). Die Interessenskonflikte werden nicht
selten dadurch verursacht, dass der „Käufer“ einer Arbeitsgestaltungsmaßnahme
in der Regel nicht identisch mit der tangierten Arbeitsperson ist (LANDAU 2004).
Hier bietet es sich an, die zuvor beschriebenen Beurteilungsebenen menschlicher
Arbeit (siehe Kap. 1.5.2) auch im Sinne einer Möglichkeit des Interessensaus-
gleichs zu nutzen.
Die vielfältigen gesetzlichen Vorgaben sind ebenfalls bei der Produktgestaltung
für den privaten Bereich wichtig. Dagegen spielen Interessenskonflikte eine deut-
lich geringere Rolle, da bei Produkten des privaten Bedarfs Käufer und Benutzer
in der Regel identisch sind (LANDAU 2004). Allerdings ist zu beachten, dass die
Interessenslage zwischen unterschiedlichen Benutzern, aber auch bei einem Nut-
zer zu unterschiedlichen Zeitpunkten stark differieren kann. Das Beschreiben und
Festlegen solcher Nutzendimensionen, die mit einer Produktgestaltung erfüllt
werden sollen, ist daher ein wichtiger Aspekt im Rahmen eines menschbezogenen
Produktentwicklungsprozesses (siehe Kapitel 10.3.1).
76 Arbeitswissenschaft

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Berlin
2 Arbeitsperson

Um die individuellen Unterschiede bei der Gestaltung von Arbeitssystemen


berücksichtigen zu können (siehe Kap. 1.5.3), sollte zu Beginn eines
menschzentrierten Gestaltungsprozesses erhoben werden, welche Eigenschaften
die Arbeitspersonen besitzen, für die das System ausgelegt werden soll. Diese
Eigenschaften beziehen sich sowohl auf die individuelle Konstitution und
Disposition der Arbeitsperson als auch auf ihre Qualifikation und Kompetenz. Mit
dem Personaleinsatz ist weiterhin die Tatsache verbunden, dass einerseits unter
organisatorischen Aspekten soziale und kommunikative Bedürfnisse, andererseits
bezogen auf den Arbeitsplatz Leistungs- und Eigenschaftsunterschiede der
Personen berücksichtigt werden müssen. Dabei existiert zwischen sozialem
Bedürfnis und individueller Leistungserbringung ein enger Zusammenhang, bspw.
wenn durch Gruppenarbeit ein positives Betriebsklima entsteht, dadurch
Kooperationsprozesse vereinfacht werden können und die Leistung zunimmt.
Die Leistung, die Arbeitspersonen erbringen können, unterliegt Schwankungen.
Dabei differiert die Leistung sowohl interindividuell, also zwischen verschiedenen
Personen, als auch bei einer Einzelperson (intraindividuell), bei der die Leistung,
die erbracht werden kann, bspw. vom Übungsgrad oder vom aktuellen
Gesundheitszustand abhängt. Es ist daher für technische wie auch organisatorische
Gestaltungsmaßnahmen wichtig, notwendige Leistungsvoraussetzungen für die
Bearbeitung einer Arbeitsaufgabe zu definieren.
Wird dabei von der Arbeitsperson ausgegangen, so lassen sich verschiedene
Dimensionen menschlichen Leistungsvermögens theoretisch unterscheiden, auch
wenn es im Anwendungsfall schwer fällt, diese messtechnisch differenziert
nachzuweisen. Diese Dimensionen werden einerseits als Ausführungsregulation
bei der Bewältigung einer Handlung (HACKER 1978) oder auch Leistungsfähigkeit
(KULKA 1988; SCHMIDTKE 1981), andererseits als Antriebsregulation oder Lei-
stungsbereitschaft bezeichnet:
(1) Als Leistungsfähigkeit werden all die Merkmale bezeichnet, die
physiologisch als Leistungskapazität der Organe bzw. Organsysteme und
psychologisch als Leistungspotenz psychischer Funktionen bzw.
informatorisch-mentaler Komponenten (LUCZAK 1989) das Leistungsgefüge
einer Arbeitsperson bedingen.
(2) Leistungsbereitschaft wird physiologisch durch das Erregungsniveau von
Organen bzw. Organsystemen, im psychologischen Sinne durch
Leistungshaltungen und Motive wie Bedürfnisse, Interessen, Absichten oder
Überzeugungen bestimmt.
Komponenten der Leistungsbereitschaft sind somit eine notwendige aber nicht
hinreichende Bedingung, um vorhandene Potentiale der Leistungsfähigkeit
auszuschöpfen. Dies bedeutet, dass nur Personen, die sich physiologisch oberhalb
eines bestimmten Erregungszustands befinden (z.B. Muskeltonus) und die
88 Arbeitswissenschaft

zusätzlich motiviert sind (psychische Dimension), die Leistung erbringen können,


zu der sie aufgrund ihrer physiologischen und psychischen Eigenschaften befähigt
sind. Wie sich physische und psychische Komponenten beschreiben lassen,
welchen Veränderungen sie unterliegen und welche Bedeutung sie für die
Arbeitstätigkeit wie auch für die Arbeitsperson besitzen, wird in den
nachfolgenden Kapiteln behandelt.
Die Eigenschaften einer Person, die diese zur Leistung befähigen, setzen sich
aus verschiedenen Bestimmungsgrößen zusammen, die zeitlichen Veränderungen
unterliegen können und beispielsweise durch Personalauswahl, Qualifizierung
oder Arbeitsgestaltung beeinflusst werden können. Die Bestimmungsgrößen sind
in Abb. 2.1 im Überblick dargestellt. Das der Abbildung zugrunde liegende
Beschreibungsmodell hat nicht den Anspruch eines normativen Modells, sondern
dient lediglich der Gliederung. Dabei werden zugunsten der
Komplexitätsreduktion gewisse Vereinfachungen vorgenommen. In diesem Sinne
werden einzelne Bestimmungsgrößen als unveränderbar angesehen, sog.
Konstitutionsmerkmale. Unter der Kategorie der sog. Dispositionsmerkmale
werden hingegen solche Merkmale genannt, die zwar im Zeitverlauf relativ stabil
sind aber dennoch als veränderlich angenommen werden, allerdings ohne dass die
Arbeitsperson selbst direkt darauf Einfluss nehmen kann. Darüber hinaus werden
sog. Qualifikations- und Kompetenzmerkmale einer Person differenziert, die
Ergebnisse von Lernprozessen sind und damit kurz-, mittel- oder langfristig
veränderbar sind. Durch systematische Interventionen der Arbeitsgestaltung
kurzfristig veränderbar sind schließlich Anpassungsmerkmale, die die Reaktionen
auf energetisch-effektorische, informatorisch-mentale sowie emotionale
Belastungen der Arbeit beschreiben.

im Lebenszyklus Direkte Einflussnahme Durch lang-, mittel- und


DurchĆlangfristigeĆProzesseĆ Durch Interventionen
unveränderbar schwer zugänglich, aber kurzfristige Prozesse
veränderbar kurzfristig veränderbar
veränderlich veränderbar
• Persönlichkeit
• Geschlecht • Alter • Erfahrung • Beanspruchung
• Körperbau • Intelligenz • Wissen • Ermüdung
• Kulturkreis • Körpergewicht • Fähigkeiten • Motivation
• Erbanlagen • Gesundheitszustand • Fertigkeiten • Zufriedenheit
• Rhythmologische • Bildungg • Stimmungg
Einflüsse • Kompetenz

Konstitutionsmerkmale Dispositionsmerkmale Qualifikations- und Anpassungsmerkmale


Kompetenzmerkmale

menschliche Leistung

notwendige Bedingung: soziale Determinanten der Leistungsbereitschaft

Abb. 2.1: Individuelle Bestimmungsgrößen menschlicher Leistung (angelehnt an


LUCZAK 1989)
Arbeitsperson 89

In ihrer Gesamtheit bestimmen alle Merkmale, wie die Arbeit gestaltet werden
muss, welche Personen eingesetzt werden können oder wie sie zu qualifizieren
sind, um eine gewünschte Arbeitsleistung sicherzustellen. Da die Merkmale
unterschiedliche Wirkungsrichtungen und -stärken in Bezug auf eine zu
erbringende Leistung haben, also leistungssteigernd oder -mindernd wirken
können, müssen sie gemeinsam betrachtet werden. Entsprechend der
Kerndefinition der Arbeitswissenschaft (Kap. 1.2.1) reicht eine statische
Betrachtung nicht aus, sondern es müssen bei der Arbeitssystemgestaltung zu
erwartende und gewünschte Veränderungen berücksichtigt bzw. ermöglicht
werden (z.B. Alterungsprozesse und Persönlichkeitsentfaltung) und unerwünschte
Veränderungen bzw. Wirkungen vermieden werden (z.B. Gesundheits-
schädigungen). Hierbei sollten Überschneidungen zwischen den einzelnen
Dimensionen bedacht werden. Zum Beispiel lassen sich alternsbedingte
Fähigkeitsveränderungen durch entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen
kompensieren.

2.1 Konstitution

Konstitutionsmerkmale sind im Lebenszyklus unveränderbare Bestimmungs-


größen menschlicher Leistung, das heißt unveränderbar im arbeitswissenschaftlich
relevanten Rahmen. Zu diesen Merkmalen gehören das Geschlecht, der Körperbau
sowie Nationalität und ethnische Herkunft. Da der Körperbau in Kapitel 10.1.3 im
Rahmen der anthropometrischen Arbeitsgestaltung ausführlich behandelt wird,
wird auf dieses Kapitel verwiesen.

2.1.1 Geschlecht

2.1.1.1 DefinitionĆ
Das Geschlecht eines Menschen kann unter biologischen Aspekten definiert wer-
den oder aber unter sozialen, sog. Gender-Aspekten (BISCHOF-KÖHLER 2004).
Man unterscheidet:
x Genetisches Geschlecht: Das genetische Geschlecht wird über die Ge-
schlechtschromosomenpaare definiert (Mann: XY; Frau: XX).
x Gonadales Geschlecht: Die Definition des gonadalen Geschlechts erfolgt
über die Geschlechtsmerkmale Keimdrüse, Eierstock oder Hoden. Die Dif-
ferenzierung ist zum einen genetisch bestimmt und zum anderen wird sie
hormonell gesteuert.
x Morphologisches/genitales Geschlecht: Das morphologische Geschlecht wird
rein durch die äußeren sichtbaren Geschlechtsmerkmale (Genitalien) defi-
niert.
90 Arbeitswissenschaft

x Soziales Geschlecht: Das soziale Geschlecht definiert sich aus den biologi-
schen, psychologischen und sozialen Aspekten der Geschlechtszugehörigkeit
und der Betrachtung der Geschlechterrolle.
x Identitätsgeschlecht: Das Identitätsgeschlecht bezeichnet das Geschlecht,
dem sich ein Mensch zugehörig fühlt. Meistens stimmt dies mit dem geneti-
schen Geschlecht überein.
Während im Deutschen nur ein Wort für „Geschlecht“ existiert, wird im Engli-
schen zwischen "Sex" und "Gender" differenziert. Unter „Sex“ wird im Allgemei-
nen das biologische Geschlecht verstanden. Der Begriff „Gender“ (häufig verein-
fachend als „soziales Geschlecht“ übersetzt) erfasst hingegen die sozialen und
kulturellen Geschlechterrollen, die weiblich und männlich konnotierten Eigen-
schaften und Verhaltensweisen und das Verhältnis von Frauen und Männern zuei-
nander (siehe STIEGLER 2000; MEUSER u. NEUSÜSS 2004; KRELL et al. 2008).
Die historisch gewachsenen, im jeweiligen gesellschaftlichen Kontext zuge-
schriebenen bzw. erlernten Geschlechterrollen sind keineswegs als unveränderbar
zu betrachten, sondern als (politisch) gestaltbar.
Nach einer kurzen Darstellung der rechtlichen Grundlagen wird in Kapitel
2.1.1.3 zunächst auf biologische bzw. physiologische Aspekte eingegangen. Gen-
der-Aspekte werden in den anschließenden Kapiteln angesprochen, indem der
Ansatz des Gender Mainstreaming (Kap. 2.1.1.4) vorgestellt und ein Blick auf den
Arbeitsmarkt (Kap. 2.1.1.5) und die Arbeitssituation (Kap. 2.1.1.6) geworfen wird.

2.1.1.2 RechtlicheĆGrundlagenĆ
Die Gleichstellung der Geschlechter ist im Grundgesetz verankert: „Männer und
Frauen sind gleichberechtigt“ (Art. 3 Abs. 2 S. 1 GG). Mit der Änderung des
Grundgesetzes im Jahr 1994 hat sich der Staat außerdem dazu verpflichtet, „die
tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern“ zu
fördern und „auf die Beseitigung bestehender Nachteile“ hinzuwirken
(Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG).
Die Verpflichtung zur Umsetzung und Beachtung von Gleichstellung findet
sich in weiteren nationalen Gesetzen wieder. Zu nennen sind das Bundesgleich-
stellungsgesetz (BGleiG), das Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz
(SGleiG), das Sozialgesetzbuch VIII zur Kinder- und Jugendhilfe (§9 SGB VIII)
und das Sozialgesetzbuch III zur Arbeitsförderung (z.B. §1 SGB III, in 2001 ge-
ändert durch das sog. Job-AQTIV-Gesetz). Im SGB III ist beispielsweise festge-
legt, dass die Leistungen der Arbeitsförderung (u.A.) auf die Überwindung des
geschlechtsspezifischen Ausbildungs- und Arbeitsmarktes hinwirken sollen.
Seit dem Jahr 2006 ist darüber hinaus das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
(AGG) in Kraft. „Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse
oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltan-
schauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhin-
dern oder zu beseitigen“ (§ 1 AGG). Das AGG enthält zivil- und arbeitsrechtliche
Regelungen. Der Schwerpunkt liegt auf dem Schutz vor Diskriminierung in Be-
Arbeitsperson 91

schäftigung und Beruf. Neben einem arbeitsrechtlichen Benachteiligungsverbot


werden Maßnahmen und Pflichten des Arbeitgebers zum Schutz vor Benachteili-
gungen sowie Rechte der Beschäftigten (Beschwerderecht, Leistungsverweige-
rungsrecht) und ihre Ansprüche bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot
(Entschädigung, Schadensersatz) geregelt. Als Beschäftigte gelten nicht nur Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern auch Bewerberinnen und Bewerber
für ein Beschäftigungsverhältnis sowie Personen, deren Beschäftigungsverhältnis
beendet ist.

2.1.1.3 BiologischeĆAspekteĆ
Zurecht weist RESCH (2007) darauf hin, dass zahlreiche bisher als gesichert
geltende geschlechtsspezifische Unterschiede starken Schwankungen unterworfen
sind bzw. sogar als überholt gelten sollten. Die folgende Darstellung konzentriert
sich auf wenige nachgewiesene anatomische und physiologische Unterschiede, die
beispielsweise bei der Personaleinsatzplanung, im personenbezogenen
Arbeitsschutz oder bei der ergonomischen Gestaltung von „barrierefreien“
Arbeitsplätzen berücksichtigt werden sollten.
Für die Kraftbegrenzung am Arbeitsplatz ist von Bedeutung, dass für maximal
mögliche (isometrische, isotonische oder auxotonische) Muskelkräfte, zum
Beispiel für das Bewegen von Lasten in der Fertigung, von Frauen im Mittel etwa
zwei Drittel der für Männer ermittelten Werte erwartet werden können
(HETTINGER u. HOLLMANN 1969).
Abb. 2.2 zeigt die empirischen Perzentilwerte für Frauen und Männer in Bezug
auf die isometrischen Maximalkräfte (nach Daten von RÜHMANN u. SCHMIDTKE
1992). Hier gilt, dass Frauen etwa die Hälfte der isomterischen Maximalkräfte von
Männern zu erbringen vermögen.

Abb. 2.2: Empirische Perzentilwerte in Bezug auf isometrische Maximalkräfte (nach Daten
von RÜHMANN u. SCHMIDTKE 1992)
92 Arbeitswissenschaft

Die in Abb. 2.2 grau hinterlegten Bereiche (graue Linien) spiegeln jeweils die
Vertrauensbereiche wider, wobei eine statistische Sicherheit von 95% zugrunde
gelegt wird.
Angaben zu maximal möglichen Kräften können für verschiedene
Kraftrichtungen aus sog. Kräfteatlanten oder DIN-Normen entnommen werden
(DIN 33411; DIN EN 1005; ROHMERT et al. 1994; WAKULA et al. 2009). Ein Auszug
aus einem Kräfteatlas für die manuelle Montage ist in Abb. 2.3 zu sehen. Für
Frauen ist hier ein Korrekturfaktor von 0,5 anzuwenden.
Diese Unterschiede lassen sich sowohl auf geringere Anteile verfügbarer
Muskelmasse zurückführen, als auch auf geschlechtsbedingte Unterschiede im
Kreislauf- und Atmungssystem.

Montagespezifischer Kraftatlas
Fmax Alle Kräfte in Newton [N]
Ganzkörperkräfte, beidhändig, Männer; (Korrekturfaktor
für Frauenwerte: 0,5)
Die angegebenen Werte sind die Resultierenden der Kraftvektoren
auf 5 N gerundet
P15 : 15. männliches Kraftperzentil (für Planungsanalysen)
P 50: 50. männliches Kraftperzentil (für Ist-Analysen)
aufrecht P15 P50 gebeugt P15 P50 Überkopf P15 P50
+A 380 515 +A 320 485 +A 360 455
-A 405 530 -A 305 405 -A 410 520
+B 260 340 +B 315 420 +B 245 330
-B 380 505 -B 440 645 -B 395 525
+C 205 315 +C 225 335 +C 160 235
-C 170 280 -C 140 230 -C 150 235
stehen - aufrecht h = 1500 mm gebeugt h = 1100 mm Überkopf h = 1700 mm
+A 320 450 +A 275 410 +A 345 460
-A 345 455 -A 290 360 -A 410 520
+B 335 485 +B 335 555 +B 320 430
-B 370 530 -B 340 475 -B 340 445
+C 225 335 +C 220 310 +C 200 300
-C 180 265 -C 160 230 -C 200 295
knien - aufrecht h = 800 mm gebeugt h = 600 mm Überkopf h = 1100 mm
+A 315 435 +A 295 425 +A 330 410
-A 375 465 -A 300 400 -A 395 475
+B 330 435 +B 380 485 +B 305 390
-B 315 410 -B 325 450 -B 325 390
+C 190 270 +C 205 300 +C 155 215
-C 175 260 -C 155 230 -C 150 220
sitzen - aufrecht h = 1000 mm gebeugt h = 800 mm Überkopf h = 1200 mm

Abb. 2.3: Auszug aus einem montagespezifischen Kraftatlas (WAKULA et al. 2009)

Betrachtet man die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit, gemessen als


maximale Sauerstoffaufnahmefähigkeit, sind ebenso geschlechterspezifische
Differenzen nachzuweisen. Diese treten jedoch erst in der Präpubertät auf und sind
durch das frühere Eintreten der Pubertät bei Mädchen bedingt (RUTENFRANZ
1983). Infolge des früheren Wachstumsendes bei Mädchen kommt es bei ihnen
schon im Alter von 16-18 Jahren zum Maximum der kardiopulmonalen
Leistungsfähigkeit. Dieses Maximum wird bei den Jungen erst im Alter von 18-22
Jahren erreicht. Danach kommt es bei Männern und Frauen zu einem
Arbeitsperson 93

kontinuierlichen Abfall der Leistungsfähigkeit, der bei den Männern relativ stärker
ist als bei den Frauen. Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede der
kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit hängen von den Dimensions- und
Massenunterschieden der für die körperliche Leistungsfähigkeit relevanten
Organsysteme ab. Berücksichtigt man diese Verhältnisse in einem ersten Schritt
durch Bezug auf die Körpermasse, so verringern sich die Alters- und
Geschlechtsunterschiede deutlich, und die Varianz wird kleiner, wobei die
Alterswerte der Frauen unter denen der Männer verbleiben (SELIGER u.
BATUNEK 1976; LANGE-ANDERSEN et al. 1978). Dieser verbleibende Unterschied
ist bedingt durch die Unterschiede in der Körperkomposition, da Frauen einen
relativ höheren Fettanteil an der Körpermasse aufweisen. Berücksichtigt man auch
diesen Faktor, z.B. bei Bezug der Leistungsfähigkeit auf die sog. fettfreie
Körpermasse („lean body mass“) oder auf die Zellmasse (BURMEISTER et al.
1972), dann verschwinden die Alters- und Geschlechtsunterschiede der
Leistungsfähigkeit weitgehend. Dennoch muss man feststellen, dass die
Dauerleistungsgrenze für eine tägliche Arbeit von acht Stunden, wenn man für sie
einen Energieumsatz entsprechend 30% der maximalen O2-Aufnahme zugrunde
legt, eine Alters- und Geschlechtsabhängigkeit aufweist (RUTENFRANZ 1983).
Abb. 2.4 zeigt die Unterschiede in der Muskelkraft von Männern und Frauen in
Abhängigkeit vom Lebensalter. Insofern ist HIERSCHE (1973) zuzustimmen, der
schreibt: „Die Leistungsfähigkeit des Mannes im Arbeitsprozess ist anatomisch
und physiologisch im Gegensatz zur allgemeinen Meinung nicht
geschlechtsspezifisch begrenzt, sondern gegenüber der der Frau anders gestaltet“.

Abb. 2.4: Unterschiede der Muskelkraft von Männern und Frauen in Abhängigkeit des
Lebensalters (HETTINGER 1993)

Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass der Mensch für mechanische
Arbeit generell wenig geeignet ist. Der Wirkungsgrad des Menschen für
mechanische Arbeit liegt zwischen 1% und max. 30% (Fahrrad fahren)
(ROHMERT 1983). Der Mensch ist eben keine „Kraft-“, sondern eine „Denk-
maschine“. Und im Bereich der Denkleistungen lassen sich keine signifikanten
geschlechtsspezifischen Unterschiede feststellen (LAURIG 1990).
94 Arbeitswissenschaft

Relativ große Ausfälle zeigen Männer bei der Farbsichtigkeit. Auf eine Frau
mit Störungen des Farbsinns kommen 20 Männer mit denselben (DOBT 1973), was
darauf zurückzuführen ist, dass dieses Defizit x-chromosomal gebunden ist und
vererbt wird. Auch die Altershörminderung ist bei Frauen geringer als bei
Männern (DAVIS 1983).
Obwohl die Variationskoeffizienten der Körpermaße im Vergleich zu anderen
Eigenschaften verhältnismäßig gering sind, haben die geschlechtsbedingten
Unterschiede der Körpermaße für die Arbeitsplatzgestaltung große praktische
Bedeutung. Frauen haben im Vergleich zu Männern eine im Durchschnitt um
10 cm geringere Körperhöhe. Abb. 2.5 zeigt die Einteilung der Körperhöhen in
Körpergrößenklassen nach der DIN 33402-2. Geschlechtsbedingte Unterschiede
lassen sich auch bei anderen Körpermaßen nachweisen (DIN 33402-2). Eine Studie,
die die Gelenkwinkel von Männern und Frauen während eine Fertigungsaufgabe
untersuchte, ergab bspw., dass der Ellenbogenwinkel bei Männern geringer war
als bei Frauen, wohingegen der Schulterwinkel wiederum bei Männern im Schnitt
grösser war als bei Frauen (O´SULLIVAN u. GALLWEY 2002).

Frauen Männer

90% der Frauen

ca. 95% der männlichen und weiblichen Nutzergruppe

Frau: 5. Perzentil (1535mm) 50. Perzentil (1625mm) 95. Perzentil (1720mm)


Mann: 5. Perzentil (1650mm) 50. Perzentil (1750mm) 95. Perzentil (1855mm)

Abb. 2.5: Einteilung der Körperhöhen in Körpergrößenklassen nach DIN 33402-2.

In einigen Statistiken zu geschlechtsspezifischen krankheitsbedingten


Abwesenheiten vom Arbeitsplatz kann eine höhere Krankheitsanfälligkeit von
Frauen festgestellt werden. Die Einflüsse sind jedoch nicht eindeutig. Wenn
Frauen und Männer sich in gleichen beruflichen und gesellschaftlich-privaten
Lebenssituationen befinden (Arbeiten als Existenzgrundlage, keine
Fremdbelastung durch zu versorgende Angehörige etc.), ist kein signifikanter
Unterschied beim Krankenstand festzustellen. Ein Zusammenhang mit dem
Menstruationszyklus kann nicht belegt werden.
Als besonders wichtiger Punkt muss bei der Erörterung von geschlechts-
spezifischen Unterschieden die größere Anfälligkeit gegenüber Schadstoff-
Arbeitsperson 95

konzentrationen und Strahlungen während der Schwangerschaft Beachtung finden


(KULKA 1988).
Bei den empirisch abgesicherten Unterschieden sollte jedoch beachtet werden,
dass den relativ kleinen Unterschieden zwischen den Mittelwerten der
Personengruppen große individuelle Unterschiede innerhalb jeder Gruppe
gegenüberstehen. Deshalb liefert die Zugehörigkeit eines Individuums zu einer
Gruppe nur wenig Information über seinen Status in den meisten Eigenschaften
(ANASTASI 1976). Man kann sich gut vorstellen, dass der Unterschied zwischen
einem Bauarbeiter und einem Pianisten in vielen Bereichen größer ist als zwischen
einem Pianisten und einer Pianistin.

2.1.1.4 GenderĆMainstreamingĆ
Der Ansatz des Gender Mainstreaming wurde vor allem auf den
Weltfrauenkonferenzen der Vereinten Nationen (1985 in Nairobi, 1995 in Peking)
entwickelt und hat seither Eingang in die Politik der Europäischen Union und ihrer
Mitgliedstaaten gefunden. Mit dem 1999 in Kraft getretenen Amsterdamer Vertrag
haben sich die EU-Mitgliedstaaten zu einer Gleichstellungspolitik im Sinne des
Gender Mainstreaming verpflichtet (ausführliche Darstellungen der historischen
Entwicklung usw. finden sich z.B. in FREY 2003 und KRELL 2008). Diese
Verpflichtung hat u.A. auch zu Veränderungen der bundesdeutschen
Gesetzgebung geführt (siehe Kap. 2.1.1.2).
Eine häufig zitierte Definition von Gender Mainstreaming findet sich in KRELL
et al. (2008): „Gender Mainstreaming besteht in der (Re-)Organisation,
Verbesserung, Entwicklung und Evaluierung der Entscheidungsprozesse, mit dem
Ziel, dass die an politischer Gestaltung beteiligten Akteure und Akteurinnen den
Blickwinkel der Gleichstellung zwischen Frauen und Männern in allen Bereichen
und auf allen Ebenen einnehmen.“ (Die Autorinnen beziehen sich dabei auf einen
vom Europarat beauftragten Sachverständigenbericht aus dem Jahre 1998.)
Ausgangspunkt bildet die Erkenntnis, dass es keine geschlechtsneutrale
Wirklichkeit gibt (MEUSER u. NEUSÜSS 2004). Als politische Strategie zielt
Gender Mainstreaming auf die nachhaltige Beseitigung bestehender
Ungleichheiten bzw. Ungleichbehandlungen von Frauen und Männern respektive
auf die Herstellung von Chancengleichheit und Gleichberechtigung in Politik,
Wirtschaft und Gesellschaft. Bei der Umsetzung dieser Strategie geht es deshalb
nicht ausschließlich oder vorrangig um die Entwicklung von Sondermaßnahmen
für Frauen; das Augenmerk ist vielmehr auf die Geschlechterverhältnisse zu
richten (JUNG u. KÜPPER 2001).
Der Begriff Gender Mainstreaming wird auch außerhalb von Politik und
Verwaltung verwendet und bringt i.A. die bewusste Integration der
Gleichstellungsperspektive und die durchgängige Berücksichtigung der
Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern zum Ausdruck.
In dem Bemühen, die Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt voranzutreiben,
initiierte die Bundesregierung im Jahr 2001 den Abschluss einer Vereinbarung zur
96 Arbeitswissenschaft

Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft


mit den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft. Inhaltliche Ziele sind die
nachhaltige Verbesserung der Ausbildungsperspektiven und der beruflichen
Chancen von Frauen, die nachhaltige Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie
und Beruf für Mütter und Väter, eine deutliche Erhöhung des Beschäftigungs-
anteils von Frauen – insbesondere auch in Führungspositionen und in zukunfts-
orientierten Berufen – sowie die Verringerung der Einkommensunterschiede
zwischen Frauen und Männern.
Mit diesen Zielen sind die zentralen Schwachpunkte benannt, die auch heute
noch den Arbeitsmarkt unter dem Gesichtspunkt der Gleichstellung
charakterisieren. In der Vereinbarung wird die ökonomische Notwendigkeit der
anvisierten Verbesserungen betont. Es wird insbesondere auf das hohe
Ausbildungs- und Qualifizierungsniveau von Frauen verwiesen, das es besser zu
nutzen gilt.
Die Umsetzung der Vereinbarung und die Fortschritte in den Unternehmen
werden alle zwei Jahre bilanziert und auf den Internetseiten des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend veröffentlicht.
Beispiele für betriebliche Maßnahmen sind: Mentorenkonzepte für den weiblichen
Führungsnachwuchs, Einrichtung von Betriebskindergärten, Job Sharing in
Managementpositionen. Angesichts der demographischen Entwicklung und ihrer
Folgen (z.B. Fach- und Führungskräftemangel) kann davon ausgegangen werden,
dass die Anstrengungen der Privatwirtschaft in dieser Richtung zunehmen werden.
Ziel von Unternehmen sollte es sein, Kompetenzen, Potentiale und
Lebenssituationen von Frauen und Männern gleichermaßen zu berücksichtigen.
Veränderungsprozesse im Sinne des Gender Mainstreaming sollten dabei nicht nur
in vereinzelte Maßnahmen münden (s.o.), sondern auf eine nachhaltige Anpassung
des Unternehmensleitbildes, der Organisations- und Führungskultur, der
Personalpolitik und -entwicklung sowie ggf. der Kundenausrichtung angelegt sein.

2.1.1.5 ArbeitsmarktĆ
Seit Ende der 1960er Jahre leben immer weniger Frauen und Männer in der
tradierten Rollenverteilung – den Männern der Beruf, die Produktion und der
Gelderwerb (indirekte Familienpflichten), den Frauen die Familie, die Haushalts-
und Kinderversorgung (direkte Familienpflichten). Eine Entwicklung, die u.A.
einer während der letzten 100 Jahre sehr aktiven Frauenbewegung zu verdanken
ist und die mittlerweile durch eine intensive Gleichstellungspolitik auf Bundes-
und Länderebene vorangetrieben wird (siehe auch Kap. 2.1.1.4).
Die klassische Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern beruht auf dem
Vollzeit-Normalarbeitsverhältnis des Mannes, das sich in der Industriegesellschaft
entwickelte. Es war auf die Bedürfnisse der Normalfamilie abgestimmt und bot
ein gewisses Maß an (Arbeitsplatz-)Sicherheit für die Versorgung der Familie.
Inzwischen ist der Typ des Familienvaters und alleinigen Ernährers auf dem
Arbeitsmarkt in die Minderheit geraten. „Doppelverdiener“ („DINKS - Double
Arbeitsperson 97

Income No Kids“) und alleinstehende Berufstätige sind in der Mehrzahl. Das Ende
der Versorgungsehe ist in Sicht (2006 standen beispielsweise 373.681
Eheschließungen 190.928 Ehescheidungen gegenüber). Von lebenslanger
Sicherheit nicht erwerbstätiger (Ehe-)Frauen kann nicht mehr die Rede sein. Im
2008 reformierten Unterhaltsrecht wird mit dem Grundsatz der Eigen-
verantwortung (§1569 BGB) klargestellt, dass es nach der Scheidung jedem
Ehegatten selbst obliegt, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen.
Bezüglich der Beschäftigungsmöglichkeiten und Arbeitsbedingungen für
Frauen und Männer ergeben sich jedoch Unterschiede auf einem Arbeitsmarkt,
der – trotz zahlreicher gleichstellungspolitischer Maßnahmen – nach wie vor
geschlechtsspezifisch ist (RESCH 2007). Frauen sind noch immer in „niedrigeren“
beruflichen Positionen anzutreffen und arbeiten nicht selten unterhalb ihrer
Qualifikation mit geringeren oder gar fehlenden Weiterbildungsmöglichkeiten und
Aufstiegschancen. Die als typisch männlich zu bezeichnenden Tätigkeitsfelder
sind häufig besser dotiert und mit einem höheren sozialen Status belegt.

Berufsspektrum
Das Spektrum von Frauen- und Männerberufen hat sich in den letzten 100 Jahren
durchaus verändert. Die Frauenberufstätigkeit konzentrierte sich in diesem
Zeitraum allerdings stärker als die der Männer auf wenige Bereiche. Fast 82%
aller erwerbstätigen Frauen waren 1925 in nur 10 Berufen anzutreffen, wobei an
der Spitze die mithelfenden Familienangehörigen standen, gefolgt von
Hauswirtschaftsberufen und der Landarbeit. Bei den Männern waren hingegen nur
54% auf wenige Berufsbereiche konzentriert. Auch bei ihnen rangierten die
landwirtschaftlichen Berufe an der Spitze, gefolgt von den Verwaltungs- und
Verkaufsberufen.
Mit der Zeit hat sich das Berufsspektrum für Frauen geweitet (wenngleich es
insgesamt auch heute noch auf wenige Berufe konzentriert ist, insbesondere im
Vergleich zum Spektrum der männlichen Erwerbstätigen). Es sind in den 30er und
40er Jahren des letzten Jahrhunderts „moderne“ Berufe wie Reinigungsberufe und
Lagerarbeit, später dann Hilfsberufe in der Krankenpflege dazugekommen. In den
1980er Jahren stieg mit dem Lehrerberuf erstmals ein Beruf mit
(Fach)Hochschulabschluss in den Kreis der zehn „größten“ Frauenberufe auf. Die
Berufe der Investitions- und Konsumgüterproduktion verloren an Gewicht und
Berufe des Dienstleistungssektors traten an ihre Stelle. Nicht in jedem Fall war der
Tertiarisierungsprozess aber mit einer Höherqualifizierung der Beschäftigten
verbunden.
In den letzten Jahren ist die Bedeutung des tertiären Sektors immer größer
geworden. Der Dienstleistungssektor ist seit 1996 um 3,2 Millionen auf 25,5
Millionen Erwerbstätige im Jahr 2006 angewachsen (das entspricht 72,3% der
Erwerbstätigen in 2006). Nach Ergebnissen des Mikrozensus waren 2006 im
Dienstleistungssektor mehr Frauen als Männer beschäftigt; die Differenz lag über
zwei Millionen. Weibliche Erwerbstätige waren vor allem in den
Wirtschaftsabschnitten der sonstigen öffentlichen und privaten Dienstleistungen
98 Arbeitswissenschaft

vertreten. Dazu zählen Dienstleistungen im Bereich der kommunalen Versorgung,


Dienstleistungen von Verbänden, Kirchen, kulturellen und sportlichen
Einrichtungen, Dienstleistungen in privaten Haushalten, in Forschung und
Entwicklung sowie im Bereich Erziehung und Bildung. Im primären Sektor
(Land- und Forstwirtschaft, Fischerei) arbeiteten hingegen doppelt so viele
Männer wie Frauen, im sekundären Sektor (produzierendes Gewerbe) waren es
sogar dreimal so viele (WINGERTER 2008). Die drei am stärksten besetzten
Berufsordnungen bei den weiblichen Erwerbstätigen sind „Bürofachkräfte und
kaufmännische Angestellte“, „Gebäudereinigerin und Raumpflegerin“ sowie
„Verwaltungsfachangestellte im mittleren Dienst“ (Tabelle 2.1).
Auch bei den Männern sind neue Berufe an die Spitze gerückt und haben den
Landwirt (Spitzenreiter bis in die 1950er Jahre) und den Schlosser (1960er Jahre)
als häufigsten Männerberuf abgelöst. So waren Männer im Jahr 2006 besonders
häufig als Berufskraftfahrer, Bürofachkraft, kaufmännischer Angestellter,
Unternehmer oder Geschäftsführer tätig.
Tabelle 2.1: Erwerbstätige Männer und Frauen in den zehn am stärksten besetzten Berufen
1996 und 2006 (entnommen aus WINGERTER 2008)

Erwerbsbeteiligung
Im Jahr 2006 lag der Anteil der Erwerbspersonen an der Gesamtbevölkerung in
Deutschland mit 50,5% um 1,6 Prozentpunkte höher als 1996 (48,9%) und stieg
damit erstmals seit der Wiedervereinigung an. Die Zunahme resultiert aus einer
Arbeitsperson 99

höheren Erwerbsquote der Frauen, die seit 1996 um knapp vier Prozentpunkte auf
44,7% zugenommen hat, während die Erwerbsquote für die Männer mit 56,6%
weiterhin leicht rückläufig war (WINGERTER 2008). Die Erwerbsquote steht dabei
für den Anteil der Erwerbspersonen an der gleichaltrigen Gruppe in der
Gesamtbevölkerung und schließt auch Erwerbslose mit ein. Erwerbstätigenquoten
geben hingegen den Anteil der erwerbstätigen Frauen und Männer an der
entsprechenden weiblichen bzw. männlichen Bevölkerungsgruppe an. Zu den
Erwerbstätigen werden auch die Personen gezählt, deren Arbeitsverhältnis zum
Erhebungszeitpunkt ruht, z.B. die Personen in Elternzeit.
Die Erwerbstätigenquoten von Frauen und Männern entwickelten sich seit 1993
gegenläufig. Die Quote verringerte sich bei den Männern im betrachteten Zeit-
raum um 0,3 Prozentpunkte auf 74,7%. Dagegen stieg diese bei den Frauen um
9,0 Prozentpunkte auf 64,0%. Bei einer Bewertung des Anstiegs der
Frauenerwerbstätigenquote ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Erhöhung
der Quote einherging mit einer deutlichen Zunahme der Teilzeitbeschäftigung
(plus 3,1 Millionen), während sich die Zahl der vollzeitbeschäftigten Frauen um
0,9 Millionen verminderte (STATISTISCHES BUNDESAMT 2008), weitere Daten
und Analysen finden sich im sog. Gender-Datenreport, siehe CORNELISSEN
2005).
2004 gab es in Deutschland rund 11,6 Millionen Frauen und 9,9 Millionen
Männer im erwerbsfähigen Alter (15 bis 64 Jahre), die mit mindestens einem
leiblichen, Stief- oder Adoptivkind in einem gemeinsamen Haushalt lebten. 7,1
Millionen dieser Mütter und 8,4 Millionen dieser Väter waren aktiv erwerbstätig,
d.h. sie übten ihren Beruf zum Zeitpunkt der Befragung wirklich aus und waren
nicht, z.B. wegen Elternzeit, übergangsweise abwesend. Somit betrug die
Erwerbstätigenquote der aktiv erwerbstätigen Mütter 61%, wohingegen sie mit
85% bei den Vätern deutlich höher lag (STATISTISCHES BUNDESAMT 2006a).
Die aktive Erwerbsbeteiligung von Müttern, unabhängig davon, ob diese in
Voll- oder Teilzeit ausgeübt wird, variiert deutlich mit der Anzahl der Kinder. Je
mehr Kinder zu betreuen sind, desto seltener sind Frauen aktiv erwerbstätig.
Spätestens mit dem dritten Kind im Haushalt gibt ein hoher Anteil der Mütter den
Beruf, zumindest vorübergehend, auf. Im früheren Bundesgebiet nimmt die
Vollzeittätigkeit der Mütter mit jedem weiteren Kind schrittweise ab, während sie
bei den Müttern in den neuen Ländern und Berlin-Ost erst nach dem dritten Kind
deutlich zurückgeht. Allerdings sind Mütter in den neuen Ländern und Berlin-Ost
mit drei und mehr Kindern mit 29% mehr als doppelt so häufig in Vollzeit tätig als
Mütter im früheren Bundesgebiet (12%). Abb. 2.6 zeigt die Erwerbsquoten von
Frauen und Männern mit Kindern in Abhängigkeit von der Anzahl der Kinder
(STATISTISCHES BUNDESAMT 2006a).
100 Arbeitswissenschaft

Abb. 2.6: Erwerbstätigenquoten von Männern und Frauen mit Kindern im März 2004
(STATISTISCHES BUNDESAMT 2006a) [Prozentualer Anteil der Erwerbstätigen an der
Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15 bis unter 65 Jahren); Ergebnisse des
Mikrozensus – Bevölkerung (Konzept der Lebensformen); Erwerbstätige im Alter von 15
bis unter 65 Jahren ohne vorübergehende Beurlaubte (z. B. wegen Elternzeit); Kinder: In
einer Eltern-Kind-Gemeinschaft lebende ledige Kinder]

Politische Steuerungselemente
Je nach Arbeitsmarktlage wird versucht, (Haus-)Frauen als Arbeitskräfte zu
gewinnen, oder sie vom Arbeitsmarkt zu drängen. Dies geschieht häufig
„versteckt“, aber oft genug auch offen mittels der Sozial- und Familienpolitik.
Versteckt waren diese Arbeitsmarktsteuerungsfunktionen z.B. in den besonderen
Arbeitsschutzbestimmungen für Frauen (GERHARD 1988). Dort gab es bis zum
Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 28.01.1992 („Benachteiligung von Frauen
Arbeitsperson 101

durch Nachtarbeitsverbot“) ein Nachtarbeitsverbot für Arbeitnehmerinnen. Dieses


Verbot wurde allerdings in vielen Bereichen durch Ausnahmeregelungen
umgangen, wie z.B. in der Krankenpflege, die ohne Frauen zweifellos
zusammengebrochen wäre.
Die Teilzeitarbeit wurde bereits Anfang der 1960er Jahre, als die Arbeitskräfte
knapp waren, als geeignetes Mittel zur Ausschöpfung der „größten inländischen
Arbeitsmarktreserve“, der Frauen, angesehen. Dadurch, dass die Unternehmen in
verstärktem Maße Teilzeitarbeitsplätze anboten, kam es zu einem rasanten Anstieg
der Frauenerwerbstätigkeit (EPPING 1979). Diese Teilzeitbeschäftigungs-
möglichkeiten wurden und werden jedoch häufig schlecht bezahlt und befinden
sich in weniger qualifizierten Arbeitsfeldern. Höher qualifizierte Aufgaben
werden selten als Teilzeitbeschäftigung angeboten (z.B. Ingenieure, Facharbeiter).
Eine Ausnahme bilden hier die Lehrer.
Die bereits spürbaren Auswirkungen des demographischen Wandels auf die
Betriebe (siehe Kap. 2.2.2.1) führen dazu, dass Frauen auch heute wieder im
Fokus arbeitsmarktpolitischer Strategien stehen. Die niedrigen Geburtenzahlen auf
der einen und die europäischen Vorgaben zur Schaffung von Chancengleichheit
auf der anderen Seite haben darüber hinaus die Familien- und
Gleichstellungspolitik aktiviert und gestärkt. Neben den in Kapitel 2.1.1.2
aufgeführten Gesetzen sind weitere gesetzgeberische Maßnahmen zu nennen, die
für die Aufteilung der Erwerbs- und Familienarbeit zwischen den Geschlechtern
Relevanz besitzen.
So ist beispielsweise seit 2001 das Gesetz über Teilzeit und befristete
Arbeitsverträge (TzBfG) in Kraft. Das Gesetz sieht erstmalig einen allgemeinen
Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit vor und soll auch Männer ermutigen, verstärkt
Teilzeitarbeit in Anspruch zu nehmen.
Mit der Einführung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) zum
1. Januar 2007 wurde eine wichtige Grundlage für eine moderne Familienpolitik
geschaffen, welche die sich wandelnden Lebensumstände von Familien zu
berücksichtigen sucht. Das Elterngeld soll das wegfallende Einkommen nach der
Geburt eines Kindes ausgleichen und wird auf Basis des durchschnittlich vor der
Geburt monatlich verfügbaren laufenden Erwerbseinkommens berechnet. Dieser
Betrag rangiert zwischen einem Mindestbetrag von 300 € und einem
Maximalbetrag von 1.800 €. Der zustehende Betrag wird an die Mutter und den
Vater des Neugeborenen für maximal 14 Monate gezahlt. Hierbei ist es möglich,
den Zeitraum frei zwischen den Elternteilen aufzuteilen, allerdings mit der
Einschränkung, dass ein Elternteil das Elterngeld maximal für 12 Monate in
Anspruch nehmen kann. Somit gilt der Anspruch auf die vollen 14 Monate
Unterstützung nur, wenn auch tatsächlich eine Teilung der Betreuungsleistung
zwischen den Partnern stattfindet. Es gelten außerdem besondere, individuelle
Verhältnisse berücksichtigende Regelungen z.B. für Alleinerziehende und
Adoptiveltern sowie für Eltern von Mehrlingen. Dieses Modell trägt somit der
Vielfalt von familiären Lebenssituationen Rechnung und kann einen Anreiz dafür
bieten, die Betreuung des Kindes in den ersten Lebensmonaten zwischen den
102 Arbeitswissenschaft

Elternteilen aufzuteilen und damit auch dem Vater des Kindes die Möglichkeit zur
Betreuung zu geben (BMFSFJ 2009).

2.1.1.6 ArbeitssituationĆ
Die Zahlen zur Beteiligung am Erwerbsleben (siehe Kap. 2.1.1.5) haben nur eine
bedingte Aussagekraft für die Beschreibung der Arbeitssituation, mit der Frauen
und auch Männer konfrontiert werden. Die Arbeitssituation wird vor allem durch
die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und die daraus häufig resultierenden
geringer qualifizierten Arbeitsfelder von Frauen geprägt. So haben die tradierte
Teilung der gesellschaftlichen Arbeit zwischen den Geschlechtern, sozial-
politische Schutzmaßnahmen u.a.m. zu einem frauenspezifischen Arbeitsmarkt
geführt, der durch spezifische Arbeitsbedingungen, Aufstiegsmöglichkeiten und
Entgeltregelungen gekennzeichnet ist.
Es fällt auf, dass die weiblichen Erwerbstätigen vorrangig in arbeitsintensiven
Branchen und Zweigen beschäftigt sind: im Handel, insbesondere Einzelhandel;
im Bereich Dienstleistungen von Unternehmen und freien Berufen, insbesondere
Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe, Wäschereien, Reinigungen; auf den
unteren und mittleren Sachbearbeiterebenen in Dienstleistungsbetrieben, im
öffentlichen Dienst und in Industrieverwaltungen; in konsumnahen Bereichen der
Elektroindustrie und der feinmechanisch-optischen Industrie. Vor allem sind sie
aber in jenen Industriezweigen bzw. Wirtschaftsgruppen tätig, in denen die
Konjunkturempfindlichkeit noch durch saisonale Schwankungen (Nahrungs- und
Genussmittelindustrie, Einzelhandel, Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe)
und modebedingte Absatzschwankungen (Bekleidungs-, Lederverarbeitende- und
Textilindustrie) überlagert bzw. verstärkt wird (siehe auch Kap. 2.1.1.5).
Quantitative Veränderungen erfuhren die frauenspezifischen Arbeitsplätze
durch den Einsatz neuer Fertigungstechnologien in Verbindung mit arbeits-
organisatorischen Maßnahmen in den traditionellen Fraueneinsatzbereichen (z.B.
Textil-, Nahrungs- und Genussmittelindustrie), die zu einer teilweise erheblichen
Reduktion des Frauenanteils führten.
Die Einführung neuer Technologie hat in fast allen klassischen
Frauenarbeitsfeldern auch zu erheblichen qualitativen Veränderungen in den
Anforderungsstrukturen (Qualifikation, Belastung, Disposition, Kooperation)
geführt. Dies betrifft vor allem hocharbeitsteilige Arbeitsprozesse in den
Bereichen, die durch „Automatisierungssperren“ gekennzeichnet sind oder für die
noch keine kostengünstigen technologischen Möglichkeiten (Automatisierungs-
lücken) entwickelt worden sind, und schließlich dort, wo die Technologie geringe
Qualifikationen abfordernde und (zumeist psychisch) hochbelastende Rest-
funktionen übrig lässt. Wie hoch in einigen Extrembereichen der partialisierten
„Nutzung“ menschlicher Sensumotorik die Zumutbarkeitsschwelle angesetzt ist,
wird z. B. bei der Sichtkontrolle in der Qualitätssicherung deutlich.
In den Bereichen des Versicherungs- und Kreditwesens, in den Verwaltungen
der gewerblichen Wirtschaft und des öffentlichen Dienstes, in denen Massendaten
Arbeitsperson 103

geradezu fabrikmäßig unter Einsatz von Informationstechnik verarbeitet werden,


kam und kommt es ebenfalls zur Bildung von „Restarbeitsplätzen“.

Frauen in Führungspositionen
Im Rahmen des Mikrozensus (repräsentative 1%-Stichprobe der Bevölkerung,
entspricht etwa 800.000 Datensätzen) werden alle vier Jahre Daten zum Thema
Führungskräfte in Deutschland erhoben. Aus diesen Daten lässt sich ableiten, dass
der Frauenanteil bei abhängig beschäftigten Führungskräften in der
Privatwirtschaft gestiegen ist und zwar von 21% in 2000 auf 23% in 2004.
Allerdings trifft diese Steigerung nur für Frauen zu, die unter 30 Jahren sind.
Während der typischen Zeiten von Familiengründung und Kinderbetreuung sinkt
der Anteil und verbleibt anschließend auf einem niedrigen Niveau. In der
Altersgruppe der Frauen unter 30 Jahren liegt der Anteil an Führungspositionen
noch bei 43%, bei den 30- bis 34-Jährigen sinkt diese Quote auf etwa 30% ab und
bei den 35- bis 49-Jährigen liegt sie nur noch bei knapp über 20% (KLEINERT
2006).
Eine durch das IAB (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der
Bundesagentur für Arbeit) im Jahr 2004 durchgeführte Führungskräftestudie mit
16.000 Betrieben brachte u.A. folgende Ergebnisse: In der obersten Leitungsebene
von Betrieben ist nur jede vierte Führungskraft eine Frau; in der zweiten
Führungsebene liegt der Frauenanteil bereits über 40%; kleine Betriebe werden
häufiger von Frauen geführt als große und in Großbetrieben liegt der Frauenanteil
in der ersten Führungsebene lediglich bei 4% (BRADER U. LEWERENZ 2006).

Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen


Frauen verdienen im Durchschnitt weniger als Männer. So lag beispielsweise im
Jahr 2006 der Verdienst der vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmerinnen im
Produzierenden Gewerbe, Handel, Kredit- und Versicherungsgewerbe in
Deutschland 20% unter dem ihrer männlichen Kollegen. Es bestanden allerdings
Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland: Frauen in den neuen Ländern
und Berlin-Ost verdienten 11,7% weniger als die Männer, im früheren
Bundesgebiet waren es 20,1% (BICK 2008).
Niedrige Positionen, hohe Beschäftigungsanteile in schlecht zahlenden
Branchen und kleinen Betrieben sowie in Arbeitsfeldern mit generell niedrigem
Entgeltniveau, hohe Teilzeitarbeitarbeitsquoten, kurze Betriebszugehörigkeiten,
Erwerbsphasenunterbrechungen – alle diese Merkmale charakterisieren die
Erwerbsarbeit von Frauen und werden i.A. auch zur (teilweisen) Erklärung der
bestehenden Einkommensdifferenzen herangezogen (CORNELISSEN et al. 2005).
BOTHFELD u. ZIEGLER (2005) zeigen allerdings auf, dass sich durchaus nicht
alle Einkommensdifferenzen durch Unterschiede in den tätigkeitsbezogenen,
einkommensrelevanten Merkmalen (z.B. Berufs- und Tätigkeitsposition, Berufs-
und Tätigkeitsjahren) erklären lassen. Ob und welche diskriminierenden
Mechanismen hier wirken, ist schwer nachzuweisen und zum Teil arbeitspolitisch
brisant, wenn es zum Beispiel um die Diskriminierungsfreiheit von Tarifverträgen
104 Arbeitswissenschaft

geht. Die politischen und betrieblichen Maßnahmen zur Verbesserung der


Chancengleichheit konzentrieren sich bislang stärker auf die Vereinbarkeit von
Familie und Beruf und die Beeinflussung der Berufswahlentscheidungen von
jungen Frauen (siehe z.B. BdReg 2006 u. 2008).

Berufswahl und Bildungsbeteiligung


Bei der Berufswahl orientieren sich Mädchen und junge Frauen scheinbar immer
noch häufig an tradierten Rollenmustern und weniger an anscheinend möglichen
Aufstiegschancen oder an späteren Existenzgründungsmöglichkeiten, sodass sich
für sie nur ein begrenztes Berufsspektrum ergibt. So fanden sich im Jahr 2008
75,8% aller Ausbildungsanfängerinnen in nur 25 Ausbildungsberufen (von 349
möglichen) wieder. Bei den männlichen Ausbildungsanfängern lag dieser Anteil
bei 59,6%. Zu den zehn am häufigsten gewählten Berufen der Frauen zählten
kaufmännische Berufe (Kauffrau im Einzelhandel, Büro- und Industriekauffrau),
Berufe im Gesundheitswesen (Medizinische Fachangestellte, Zahnmedizinische
Fachangestellte) sowie Berufe im Handwerk (Friseurin, Verkäuferin im
Lebensmittelhandwerk) (BMBF 2009, vgl. Tabelle 2.1). Die Daten beziehen sich
auf die duale Berufsausbildung, an der Frauen insgesamt in geringerem Umfang
beteiligt sind (42% in 2008, ebd.). Frauen erlernen häufig auch Berufe, deren
Ausbildung schulisch erfolgt, wie z.B. Kranken- oder Altenpflegerin (KRÜGER-
HEMMER 2008).
Ausbildungen im Bereich der kaufmännischen Dienstleistung (Einzel-, Groß-
und Außenhandelskaufmann, Verkäufer) waren auch bei den männlichen
Ausbildungsanfängern sehr beliebt. Besonders stark vertreten sind neben der
Ausbildung zum Koch Berufe in technischen Domänen, wie Kraftfahrzeug-
mechatroniker, Industriemechaniker, Elektroniker, Anlagenmechaniker für
Versorgungstechnik, Metallbauer und Fachinformatiker (BMBF 2009).
Im Jahr 2007 war die Hälfte (50%) derjenigen, die ein Studium aufnahmen,
Frauen. Die Frauenanteile variierten allerdings je nach fachlicher Ausrichtung des
Studiums. So waren die Studienanfängerinnen beispielsweise in den
Fächergruppen Sprach-/Kulturwissenschaften (74%) und Humanmedizin/
Gesundheitswissenschaften (67%) deutlich in der Mehrheit. In der Fächergruppe
Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, die die meisten
Neueinschreibungen zu verzeichnen hatte, stellte sich das Geschlechterverhältnis
mit einem Frauenanteil von 53% nahezu ausgeglichen dar. In der Fächergruppe
Ingenieurwissenschaften (22%) waren Studienanfängerinnen hingegen deutlich
unterrepräsentiert (KRÜGER-HEMMER 2008).
Auf dem Gebiet der beruflichen Weiterbildung sind die bundesweiten
Gesamtteilnahmequoten bei Männern und Frauen mit 44% bzw. 42% relativ
ausgeglichen (ROSENBLADT u. BILGER 2008). Auch Bildungsmaßnahmen, die zu
Arbeitsperson 105

einem Berufsbildungsabschluss führen, werden von Männern und Frauen zu fast


gleichen Anteilen genutzt. Der Frauenanteil bei Fortbildungsprüfungen, wie bspw.
Meister- und Fachwirtprüfungen, beträgt durchschnittlich allerdings nur 35,7%
(BMBF 2008). Diese Unterrepräsentation wird u.A. auf mangelnde zeitliche
Freiräume zurückgeführt. Eine Verbesserungsmaßnahme besteht in der
Möglichkeit, Online-Qualifizierungsmaßnahmen anzubieten, um mehr
Gesellinnen für die Meisterprüfung gewinnen zu können oder spezielle Netzwerke
für Frauen aufzubauen. Hierzu gibt es bereits Modellprojekte wie beispielsweise
den Verband „Unternehmerfrauen im Handwerk“. Dieser Verband stellt einen
Zusammenschluss mit dem Ziel der Förderung der Weiterbildung und des
Erfahrungsaustauschs von Unternehmerfrauen und politischer Lobbyarbeit dar.
In Unternehmen, die betriebliche Lehrveranstaltungen anbieten, nahmen im
Jahr 2005 rund 35% der Frauen dieses Weiterbildungsangebot wahr, gegenüber
41% der Männer (KRÜGER-HEMMER 2008).

Vereinbarkeit von Familie und Beruf


Die Berufsverläufe von verheirateten Frauen und Müttern sind im Gegensatz zu
denen der Männer meist nicht kontinuierlich. Sie sind durch eine oder mehrere
Unterbrechungen bestimmt, die i.d.R. mit der Kinderversorgung oder auch mit der
Pflege von Familienmitgliedern in direktem Zusammenhang stehen (BMFSFJ
2005).
Die von vielen Frauen praktizierte Berufsunterbrechung aus familiären
Gründen kann die Frauen sowohl finanziell als auch in Bezug auf ihre berufliche
Laufbahn benachteiligen. Je kürzer eine Familienpause ist und je intensiver die
Kontakte zum Unternehmen gepflegt werden, desto leichter gelingt den Frauen die
Rückkehr in den beruflichen Alltag. Jedoch ist festzustellen, dass sich bereits
kurze Unterbrechungen angesichts der raschen Veränderungen besonders im
technologisch-organisatorischen Bereich negativ auf die Karrierechancen
auswirken (BdReg 2006). Allerdings sollte auch die Wirtschaft ein Interesse daran
haben, dass besonders die Potentiale von höher qualifizierten Frauen während der
beruflichen Pause nicht verloren gehen. Um diesem Potentialverlust vorzubeugen,
bieten sich Wiedereinstiegsprogramme an, die die Wiedereingliederung nach der
Elternzeit erleichtern.
Wenn Frauen mit betreuungsbedürftigen Kindern (wieder) arbeiten und sich
mehr oder weniger alleine um Kinder und Haushalt kümmern müssen, kommt für
sie meistens „nur“ eine Teilzeitarbeit in Frage. Teilzeitarbeit wird in den meisten
Fällen halbtags, am Vormittag, und mit der Hälfte der üblichen Wochenarbeitszeit
ausgeübt. Die Erwerbstätigenquoten von Müttern und Vätern, differenziert nach
dem Alter des jüngsten Kindes, sind in Tabelle 2.2 dargestellt (STATISTISCHES
BUNDESAMT 2006b).
106 Arbeitswissenschaft

Tabelle 2.2: Erwerbstätigenquoten von Müttern und Vätern, nach Alter des jüngsten
Kindes differenziert (STATISTISCHES BUNDESAMT 2006b) [Ergebnisse des Mikrozen-
sus – Bevölkerung (Lebensformenkonzept); 1) Anteil der aktiv Erwerbstätigen (ohne vorü-
bergehend Beurlaubte, zum Beispiel wegen Mutterschutz, Elternzeit) an der Bevölkerung;
2) Anteil der Vollzeit-/Teilzeiterwerbstätigen an allen aktiv Erwerbstätigen; 3) Elternteile
im erwerbsfähigen Alter mit im Haushalt lebendem jüngsten Kind unter 15 Jahren, auch
Stief-, Pflege- und Adoptivkind]

Früheres Bundesgebiet ohne Berlin Neue Länder einschl. Berlin


Erwerbs- Erwerbs-
Alter des jüngsten Kindes Vollzeit- Teilzeit- Vollzeit- Teilzeit-
tätigen- tätigen-
(von . . . bis . . . Jahren quote 2) quote 2) quote 2) quote 2)
quote 1) quote 1)
%

Mütter 3)
Zusammen . . . . . . . . . . . . . . 55,7 24,1 75,9 60,6 56,8 43,2
unter 3 . . . . . . . . . . . . . . . 30,6 31,7 68,3 40,9 55,1 44,9
3– 5 . . . . . . . . . . . . . . . 53,7 20,6 79,4 64,0 53,9 46,1
6– 9 . . . . . . . . . . . . . . . 64,7 20,0 80,0 68,6 56,5 43,5
10 – 14 . . . . . . . . . . . . . . . 71,0 26,2 73,8 71,6 60,1 39,9

Väter 3)
Zusammen . . . . . . . . . . . . . . 88,7 96,3 3,7 80,0 93,6 6,4
unter 3 . . . . . . . . . . . . . . . 87,1 95,3 4,7 77,4 91,2 8,8
3– 5 . . . . . . . . . . . . . . . 88,6 96,6 3,4 80,7 93,3 6,7
6– 9 . . . . . . . . . . . . . . . 90,0 96,6 3,4 82,6 94,9 5,1
10 – 14 . . . . . . . . . . . . . . . 88,9 96,7 3,3 80,2 95,1 4,9
_________________
Ergebnisse des Mikrozensus – Bevölkerung (Lebensformenkonzept).

Die männlichen Erwerbstätigen nutzen den seit 2001 bestehenden


Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit immer noch selten aus. Allerdings stoßen
Männer, die eine andere innerfamiliäre Arbeitsteilung anstreben, sowohl im
beruflichen als auch im privaten Umfeld häufig auf Widerstände, die sie Einbußen
hinsichtlich Status und Karriere befürchten lassen.
64% der berufstätigen Mütter halten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
in Deutschland im Vergleich zu Modellen in anderen Ländern für schlechter
gelöst und nur knapp jede fünfte berufstätige Mutter ist davon überzeugt, dass sich
Familie und Beruf in Deutschland gut vereinbaren lassen (IFD 2008). Die Umfrage
des Instituts für Demoskopie Allensbach zeigt, welche Maßnahmen nach Ansicht
der Gesamtbevölkerung bzw. der Mütter ergriffen werden müssten, um die
Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern (Abb. 2.7). In beiden Gruppen
halten die meisten Befragten eine ausreichende (kommunale) Kinderbetreuung für
die wichtigste Voraussetzung.
Arbeitsperson 107

Abb. 2.7: Was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf am meisten erleichtert: Besondere
Bedeutung der Kinderbetreuung (IFD 2008)

Im Jahr 2004 gab es für rund neun von zehn westdeutschen Kindern im
Kindergartenalter Plätze in Kindergärten und ähnlichen Einrichtungen. Trotz
dieser hohen Versorgungsquote mangelt es allerdings bei den drei- bis
sechsjährigen Kindern besonders in Gebieten Westdeutschlands an
Betreuungsmöglichkeiten über Mittag und an Ganztagsplätzen (BdReg 2008). Eine
2003 durchgeführte Unternehmensbefragung konnte zeigen, dass lediglich 1,9%
der Unternehmen einen Betriebskindergarten und 1,8% eine Betriebskinderkrippe
unterhalten. 1,4% der Unternehmen mieten zur Nutzung für die Kinder ihrer
Beschäftigten Kindergartenbelegplätze in betriebsnahen Einrichtungen an und 1%
der Unternehmen bieten einen Tagesmütterservice an (WAGNER 2005).
Für eine Verbesserung der Möglichkeiten, Familie und Beruf zu vereinbaren,
besteht also nach wie vor Handlungsbedarf. Dass sich die Umsetzung
familienfreundlicher Maßnahmen, wie z.B. Flexibilisierung der Arbeitszeiten,
Einführung von Wiedereingliederungsprogrammen oder Unterstützung bei der
Kinderbetreuung, auch für Unternehmen betriebswirtschaftlich rechnet, konnte
eine Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
zeigen (BMFSFJ 2005).
108 Arbeitswissenschaft

2.1.2 Nationalität und ethnische Herkunft


Unternehmen müssen heute in einer Umwelt bestehen, die mehr denn je durch
Dynamik und Komplexität geprägt ist. Daraus leiten sich beispielsweise hohe
Anforderungen an die Wandlungs- und die Innovationsfähigkeit ab. Zu denken ist
auch an die immer intensiver werdende Interaktion mit Kunden, die sich in vielen
Fällen in diversen Ländern der Erde befinden und womöglich unterschiedliche
kulturelle Prägungen besitzen. In der Heterogenität der Beschäftigten wird ein
Potential gesehen, diese Anforderungen dauerhaft zu erfüllen. Die
„Verschiedenheit“ oder Vielfalt (diversity) kann aufgrund von Geschlecht,
Herkunft, Alter, Religion u.v.m. entstehen. Zu den Merkmalen, die in einem
umfassenden Diversity-Ansatz Berücksichtigung finden, gehört auch die
Nationalität bzw. die ethnische Herkunft.

2.1.2.1 DefinitionĆundĆRelevanzĆ
Der Begriff der Nationalität wird hier politisch verstanden. Die Nationalität be-
zeichnet damit die Zugehörigkeit zu einer Nation und entspricht weitgehend dem
Begriff der Staatsangehörigkeit. Das Merkmal „ethnische Herkunft“ meint die
Zugehörigkeit zu einer kulturellen, räumlich begrenzten Völkergruppe oder einem
Stamm (HOPFNER u. NAUMANN 2007). Eine ethnische Gruppe ist gekennzeichnet
durch Vorstellungen einer kollektiven Identität. Diese tatsächlichen oder
vermeintlichen Gemeinsamkeiten und Verbindungen können sich auf
unterschiedliche Aspekte beziehen: z.B. Sprache (wir gehören zusammen, weil
wir die gleiche Sprache sprechen), Geschichte (gemeinsame Vergangenheit),
Religion (gemeinsamer Glaube), Kultur (geteilte Normen, Werte, Rituale). Von
Bedeutung sind auch Vorstellungen von einer gemeinsamen Herkunft. Dabei ist es
nicht entscheidend, ob eine Abstammungsgemeinschaft real vorliegt oder nicht:
Die Bezeichnung "Ethnie" wird vor allem über die Selbstzuschreibung der
jeweiligen Gruppe definiert. Als Fremdzuschreibung können ethnische Merkmale
allerdings auch der Legitimierung von Ausgrenzung und Diskriminierung dienen
(IDA 2009).
Nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes wies das
Ausländerzentralregister (AZR) Ende 2008 rund 6,73 Millionen Personen in
Deutschland auf, die ausschließlich eine ausländische oder keine
Staatsbürgerschaft besaßen. Das entspricht einem Anteil von rund 8% an der
Gesamtbevölkerung. Dies ist jedoch nur ein Teil der in Deutschland lebenden
Menschen mit fremden Wurzeln. Seit dem Jahr 2005 ermöglichen die Daten der
amtlichen Statistik auch die Identifizierung von Personen mit
Migrationshintergrund. Im vorliegenden Kontext versteht man unter Migration die
dauerhafte Wanderung (Abwanderung und Zuwanderung) von Menschen in ein
anderes Land. Arbeitsmigration bezeichnet die Abwanderung, um in einem Nicht-
Heimatland eine Arbeit aufzunehmen. Zur Bevölkerung mit
Arbeitsperson 109

Migrationshintergrund zählen „neben allen nach Deutschland Zugewanderten und


allen im Inland mit fremder Staatsangehörigkeit Geborenen auch die hier
geborenen Deutschen mit zumindest einem Elternteil, der zugewandert ist oder als
Ausländer in Deutschland geboren wurde. Vertriebene und ihre Nachkommen
zählen nicht dazu“ (GROBECKER u. KRACK-ROHBERG 2008).
Im Jahr 2006 hatten ca. 18,4% der 82,4 Millionen Einwohner in Deutschland
einen Migrationshintergrund. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer von
Ausländerinnen und Ausländern in Deutschland hat sich in den letzten Jahren
kontinuierlich erhöht. Für 2007 ergab sich ein Wert von 17,7 Jahren (TUCCI 2008).
Die hauptsächlich gewählten Bundesländer der Zuwanderer sind in erster Linie
durch die Erwerbsmöglichkeiten bestimmt. Die höchsten Anteile hatten Ende
2004 Hamburg (14,1%), Berlin (13,4%) und Bremen (12,8%) zu verzeichnen, den
geringsten die Bundesländer Sachsen-Anhalt (1,9%), Thüringen (2,0%) und
Mecklenburg-Vorpommern (2,3%) (STATISTISCHES BUNDESAMT 2006c).
Die größten Zuwanderergruppen, die in Deutschland beschäftigt sind stammen
aus den früheren Anwerbestaaten für sog. „Gastarbeiter“, wie Türkei, Italien,
Spanien, Griechenland, Portugal und dem früheren Jugoslawien. Der größte Teil
der Zuwanderer ist als ungelernte oder angelernte Arbeitskraft in der Industrie
tätig. Die Beschäftigten aus Südwest-Europa sind häufiger als Facharbeiter tätig
und weisen den höchsten Anteil an höheren Angestellten auf. Generell werden
jedoch hochqualifizierte Stellungen nur selten eingenommen (STATISTISCHES
BUNDESAMT 2006d).

2.1.2.2 RechtlicheĆGrundlagenĆ
Die Unionsbürgerschaft verleiht das Recht auf den Schutz vor Diskriminierung,
unter Anderem aus Gründen der ethnischen Herkunft. Dieses Recht ist in der
Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert. In der nationalen
Gesetzgebung ist der Schutz vor Diskriminierung im Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geregelt, das seit dem Jahr 2006 in Kraft ist
(siehe Kap. 2.1.1.2).
Die Möglichkeiten und Bedingungen der Einreise, des Aufenthaltes, der
Erwerbstätigkeit und der Integration von Ausländern werden durch das
Aufenthaltsgesetz (AufenthG) geregelt. „Ausländer ist jeder der nicht Deutscher
im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes ist.“ (§2 Abs. 1 AufenthG).
Im Aufenthaltsgesetz ist ferner bestimmt, dass sich die Zulassung ausländischer
Beschäftigter „… an den Erfordernissen des Wirtschaftsstandortes Deutschland
unter Berücksichtigung der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt und dem
Erfordernis, die Arbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen“ (Abschnitt 4, §18
AufenthG) zu orientieren hat.
Seit dem 1. Januar 2005 sieht das Aufenthaltsgesetz vier Aufenthaltstitel vor:
1) das Visum für kurzfristige Aufenthalte, 2) die befristete Aufenthaltserlaubnis,
3) die unbefristete Niederlassungserlaubnis und 4) die ebenfalls unbefristete
Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG (für EU-Bürger). An die Stelle des früheren
110 Arbeitswissenschaft

Systems der Aufenthaltsgenehmigung einerseits sowie der Arbeitsgenehmigung


andererseits trat am 1. Januar 2005 eine Aufenthaltserlaubnis, die gleichzeitig den
Zugang zum Arbeitsmarkt regelt. Die Beteiligung der Arbeitsverwaltung erfolgt
dabei bei zustimmungspflichtiger Erwerbstätigkeit in einem verwaltungsinternen
Verfahren. Für Hochqualifizierte ist die Gewährung eines Daueraufenthalts von
Anfang an vorgesehen, sie können sofort eine Niederlassungserlaubnis erhalten.
Mit- oder nachziehende Familienangehörige sind zur Ausübung einer Erwerbstä-
tigkeit berechtigt (Auswärtiges Amt 2009).
Von der Aufenthaltsgenehmigungspflicht befreit sind Bürgerinnen und Bürger
der Europäischen Union. Nach fünf Jahren erhalten sie ein Niederlassungsrecht.
Neben diesen gesetzlichen Regelungen existiert in Deutschland ein sog.
Gastarbeitnehmerverfahren. Mit einigen osteuropäischen Staaten hat Deutschland
ein Abkommen getroffen, das den Austausch von Fachkräften aller Berufsgruppen
im Alter von 18 bis 40 Jahren regelt. Die Fachkräfte aus den Ländern Albanien,
Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Kroatien, Polen, Rumänien, Russland,
Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn (Stand: September 2007) haben in
der Regel die Möglichkeit, bis zu 18 Monate lang in ihrem erlernten Beruf zu
arbeiten. Ziel des Gastarbeitnehmerverfahrens ist die berufliche und sprachliche
Fortbildung der Teilnehmer (BfA 2009).

2.1.2.3 InterkulturelleĆZusammenarbeitĆ
Interkulturelle Zusammenarbeit kann sowohl als Chance gesehen als auch als
problematisch beschrieben werden. Als problematisch anzusehen ist die häufig
unbewusste Überzeugung, dass die eigenen Werte, Denk- und Handlungsmuster
die einzig richtigen sind (BUSCH u. SCHENK 2005). Selbst in kulturell homogenen
Teams müssen erst gemeinsame Standards erarbeitet werden, um die
Zusammenarbeit und Kommunikation möglichst effizient zu gestalten und
Konflikte zu vermeiden. BUSCH u. SCHENK (2005) berichten aus ihren
Praxiserfahrungen, dass „der Grad an auftretenden Irritationen, Unsicherheiten,
kommunikativen Fehlinterpretationen, Missverständnissen bis hin zu ernsthaften
Kontaktstörungen und zum Abbruch des Kontaktes …“ um so höher ist, je größer
die kulturellen Unterschiede sind.
Um die interkulturelle Zusammenarbeit zu beschreiben, wird häufig der bereits
oben eingeführte Begriff Diversity verwendet. Das dahinter liegende Konzept
steht für die Vielfältigkeit und Unterschiedlichkeit von Lebensstilen und
-entwürfen, die die Gesellschaft charakterisieren (FAGER 2006). Das Konzept soll
zum Ausdruck bringen, dass die menschliche Vielfalt positiv anzusehen ist und
darin zahlreiche Möglichkeiten für gesellschaftliche und ökonomische
Entwicklung liegen. Allerdings ist Diversity nicht ausschließlich auf eine
kulturelle Vielfalt oder ethnische Zugehörigkeit hin zu verstehen, sondern auch
bezogen auf Geschlecht, Erscheinung, Status in der Organisation,
Arbeitserfahrungen, Strategien usw. (ARETZ u. HANSEN 2003).
Arbeitsperson 111

In der Wissenschaft wird der Ansatz des Diversity-Managements kontrovers


diskutiert. Einerseits findet sich die Auffassung, dass man zukünftig von einer
Homogenisierung der Organisationsstruktur bzw. -kultur sowie der
Personalrekrutierung und -entwicklung ausgehen kann. Solche Ansätze empfehlen
entsprechende Strategien zur Organisationsentwicklung und Personalmarketing
(ARETZ u. HANSEN 2003). Andererseits wird die Auffassung vertreten, Diversity
Management sei ein Ansatz, die Unterschiedlichkeiten gezielt als strategische
Ressourcen zur Realisierung der Unternehmensziele einzusetzen (ARETZ u.
HANSEN 2003).
Das Diversity-Management ist als ein Prozess der Organisationsentwicklung zu
sehen. Damit ist der geplante organisatorische Wandel gemeint, in dem die
Organisationsstruktur verändert wird und alle Beteiligten Anpassungsleistungen
erbringen müssen (ROSENSTIEL 2007). Hierbei gelten die folgenden Merkmale
(ROSENSTIEL et al. 2005):
x Geplanter, langfristiger, organisationsumfassender Wandel
x Wird von Betroffenen mitgetragen
x Basiert auf erfahrungsgeleiteten Lern- und Problemlösungsprozessen, die
durch Verfahren der angewandten Sozialwissenschaften induziert und
unterstützt werden.
In der Entwicklung von mehrkulturellen Arbeitsgruppen können drei Phasen
identifiziert werden, die aufeinander aufbauen (STUMPF 2006):
x Mapping-Phase: Es besteht das Ziel, dass die Beschäftigten relevante
Unterschiede und Gemeinsamkeiten erkennen. Beides muss gedanklich in
Verbindung gesetzt werden mit den vorhandenen und zukünftigen
Gruppenprozessen und -leistungen.
x Bridging-Phase: Es werden Standards für die erfolgreiche
Kommunikation entwickelt und etabliert.
x Integrations-Phase: Ziel ist es, die in der Mapping-Phase identifizierten
Unterschiede hinsichtlich der Perspektiven und Präferenzen der
Gruppenmitglieder zusammenzubringen und Möglichkeiten zu erarbeiten,
sich daraus ergebende Konflikte zu lösen, um das Gruppenziel zu erreichen.
Aufgrund der Anforderungen des Marktes an die Betriebe (Globalisierung,
demografischer Wandel etc.) stößt das Diversity-Konzept in Deutschland, das in
den USA bereits seit mehr als 20 Jahren in die Praxis umgesetzt wird, auf großes
Interesse, denn neben der erwähnten Potentialerschließung spricht das Konzept
zentrale Werte wie Fairness, Toleranz, Chancengleichheit an und scheint
Vorurteile oder Rassismus minimieren zu können (VEDDER 2005).
112 Arbeitswissenschaft

2.2 Disposition

2.2.1 Persönlichkeit

2.2.1.1 DefinitionĆundĆRelevanzĆ
Persönlichkeit ist das Forschungsgebiet der Persönlichkeitspsychologie, die sich
wissenschaftlich mit den individuellen Unterschieden im Verhalten und Erleben
von Menschen auseinandersetzt.
Das Konstrukt Persönlichkeit wird von EYSENCK (1970) definiert als „die mehr
oder weniger stabile und dauerhafte Organisation des Charakters, Temperaments,
Intellekts und Körperbaus eines Menschen, die seine einzigartige Anpassung an
die Umwelt bestimmt“ (EYSENCK 1970).
GUILFORD (1974) bezieht den Begriff trait ein: „Die Persönlichkeit eines
Individuums ist seine einzigartige Struktur von Persönlichkeitszügen (traits). Ein
trait ist jeder abstrahierbare und relativ konstante Persönlichkeitszug, hinsichtlich
dessen eine Person von anderen Personen unterscheidbar ist.“ (GUILFORD 1974)
Somit ist Persönlichkeit ein Konstrukt, das die charakteristischen, zeitlich
überdauernden Denk-, Gefühls- und Verhaltensmuster eines Individuums im
Umgang mit seiner Umwelt beinhaltet. Die Persönlichkeitsforschung beschreibt
die inter- und intraindividuellen Differenzen der Persönlichkeit und beruft sich
dabei auf unterschiedliche Theorien, die sich nach der Forschungsrichtung und
den jeweiligen Ansätzen der einzelnen Begründer ausrichten. Hier zu nennen
wären bspw.:
x Kognitive Persönlichkeitstheorien (George A. Kelly)
x Lerntheoretische Ansätze (Skinner, Watson)
x Phänomenologische Theorie (Carl Rogers)
x Psychodynamische Theorien (Freud)
x Sozial-kognitive Theorie (Bandura, Mischel)
x Trait-Theorien (Eigenschaftstheorien) (Allport, Eysenck, Cattell).
Das Wissen um die Persönlichkeit einer Arbeitsperson ist vor allem hinsichtlich
der Berufs- und Laufbahnberatung, der Personalauswahl und der
Organisationsgestaltung und -entwicklung von großem Interesse (siehe Kap.5).
Um die Struktur der Persönlichkeit zu charakterisieren wird häufig das Fünf-
Faktoren-Modell (Big Five) verwendet (GOLDBERG 1990; WIGGINS u. PINCUS
1992), das Eigenschaftsbegriffe, die einen Menschen beschreiben, auf fünf
grundlegenden Dimensionen beschreibt. Diese sind:
(1) Neurotizismus
stabil, ruhig, zufrieden versus gespannt, ängstlich, nervös, launisch
(2) Extraversion
gesprächig, aktiv, offen, energiegeladen versus still, reserviert,
zurückgezogen, schüchtern
Arbeitsperson 113

(3) Offenheit
breit interessiert, fantasievoll, kreativ, intellektuell versus gewöhnlich,
einseitig interessiert, einfach, oberflächlich
(4) Verträglichkeit
mitfühlend, nett, bewundernd, herzlich, freundlich versus kalt, unfreundlich,
streitsüchtig, unbarmherzig
(5) Gewissenhaftigkeit
organisiert, sorgfältig, zuverlässig, verantwortungsbewusst versus sorglos,
unordentlich, leichtsinnig, verantwortungslos.

2.2.1.2 MessungĆderĆPersönlichkeitĆ
Zur Messung von Persönlichkeit gibt es zahlreiche Inventare, häufig in Form von
standardisierten Fragebögen, in denen die Selbsteinschätzung über die eigenen
Merkmale und Verhaltensweisen erfragt wird. Fragebogenverfahren sind
ökonomisch, genügen dem Gütekriterium der Objektivität und in der Regel auch
der Reliabilität und Validität. BORKENAU et al. (2005) beschreiben einige
Einschränkungen, die sich aufgrund des Einsatzes von Fragebögen ergeben.
Hierzu gehören bspw., dass sie leicht verfälschbar sind, indem die Befragten
absichtlich unrichtige Angaben vornehmen. Auch zählen hierzu die zahlreichen
Fehlertendenzen bei der Selbstbeurteilung (siehe auch Kap. 1.5.1.4.2).
Besonders häufig wird das oben genannte Fünf-Faktoren-Inventar von Costa
und McCrae verwendet, das auf den fünf Persönlichkeitsdimensionen basiert.
Beispiele für die einzelnen Dimensionen (je 12 Sätze) der insgesamt 60 Items
sind: „Manchmal erscheint mir alles düster und hoffnungslos“ (Neurotizismus),
„Ich habe gerne viele Leute um mich herum“ (Extraversion), „Ungewöhnliche
Dinge wie bestimmte Gerüche oder die Namen ferner Länder können starke
Stimmungen in mir erzeugen“ (Offenheit für neue Erfahrungen), „Ich könnte
niemanden betrügen, selbst wenn ich es wollte“ (Verträglichkeit) und „Ich arbeite
hart, um meine Ziele zu erreichen“ (Gewissenhaftigkeit) (PERVIN et al. 2005).
Eine andere Art der Erfassung von „traits“ im Sinne von stabilen
Persönlichkeitsmerkmalen ist die Erfragung der Selbstbewertung (core self-
evaluation). Hier werden Variablen wie Selbstwert (self-esteem),
Selbstwirksamkeit (self-efficacy), Selbstkontrolle (locus of control) und negative
Affektivität abgefragt und somit die individuelle Selbstbeurteilung und
Einschätzung der Person erfasst.
Die neuere Forschung rückt Implizite Assoziationstests (IAT) in den
Vordergrund (BORKENAU et al. 2005), da andere Testverfahren an mangelnder
interner Konsistenz und Stabilität sowie begrenzter Sensitivität für individuelle
Unterschiede leiden. IAT sind computergestützte Testverfahren. Die
Versuchspersonen müssen zwischen zwei Kategorien unterscheiden (z.B. Mann /
Frau, dünner Mensch / dicker Mensch, dunkle Hautfarbe / helle Hautfarbe) und
gleichzeitig positive und negative Attribute zuordnen (wundervoll, angenehm,
grauenhaft, hässlich etc.). Während des Tests müssen die Befragten so schnell wie
114 Arbeitswissenschaft

möglich Bilder und Attribute zuerst in einer (vermuteten) assoziationskongruenten


Kombination zuordnen und dann in einer assoziationsinkongruenten Kombination.
Es wird davon ausgegangen, dass assoziationskongruente Kombinationen
schneller und fehlerfreier gewählt werden als assoziationsinkongruente. Neigt der
Befragte bspw. dazu, dünne Menschen eher mit positiven Gedanken zu verbinden,
dann wird es ihm schneller möglich sein, die positiven Attribute und die Gesichter
von dünnen Menschen in eine Kategorie zu bringen (zum Beispiel auf die linke
Seite des Bildschirms) als die positiven Attribute und die Gesichter von dicken
Menschen in eine Kategorie zu bringen (zum Beispiel auf die rechte Seite des
Bildschirms).
BORKENAU et al. (2005) beschreiben die interne Konsistenz der
Persönlichkeits-IAT mit Cronbachs Alpha um 0,80 und ihre Retest-Reliabilität
nahe bei 0,60 als gut. Es konnte gezeigt werden, dass herkömmliche Verfahren
willentlich viel einfacher zu manipulieren sind als IAT.

2.2.1.3 PersönlichkeitsentfaltungĆ
Dem Konzept der Persönlichkeit wird heute eine hohe Bedeutung im Hinblick auf
Leistungs- und Eignungsvorhersagen für Schule, Studium und Beruf zugewiesen.
Von dem zuvor beschriebenen Fünf-Faktoren-Modell erweisen sich vor allen
Dingen Gewissenhaftigkeit, emotionale Stabilität sowie Extraversion als relevant
bspw. für beruflichen Erfolg und Zufriedenheit (siehe BORKENAU et al. 2005). Die
Dimension Offenheit ist verwendbar, um Trainingserfolg vorherzusagen, und die
Dimension Verträglichkeit kann die Zusammenarbeit in einem Team positiv
beeinflussen.
Neben der Vorhersagbarkeit von Leistung und Erfolg ist auch die Gestaltung
der Arbeit hinsichtlich der Persönlichkeitsentfaltung ein wichtiges Anliegen der
Arbeitswissenschaft (siehe Kap. 1.5.2).
ULICH (2005) analysiert zahlreiche Längsschnittstudien und beschreibt den
Einfluss der Arbeitsbedingungen auf die Persönlichkeit über Lern- und
Generalisierungsprozesse. Nachgewiesen werden konnten unter anderem
Zusammenhänge zwischen den Merkmalen der Arbeitstätigkeit sowie der
Persönlichkeitsmerkmale Selbstvertrauen, intellektuelle Flexibilität,
Moralbewusstsein, soziale Kompetenz, internale Kontrolle sowie Erweiterung
fachlicher Qualifikation.
Arbeit als Möglichkeit zur Persönlichkeitsentfaltung versucht,
persönlichkeitsorientierte Ziele (Selbstverwirklichung, Autonomie) derart in
Arbeits- und Organisationsstrukturen einzubringen, dass Arbeitsbedingungen und
persönliche Ziele komplementär gestaltet werden können. Es wird davon
ausgegangen, dass ein derartiger Einsatz menschlicher Ressourcen auch auf der
Leistungsseite (Output) zu einer Verbesserung führt. Allerdings muss auch
Arbeitsperson 115

konstatiert werden, dass Vorstellungen der Persönlichkeitsentfaltung als Ziel


nicht auf alle Menschen im selben Maße zutreffen und somit individuell
spezifische Anpassungen von Arbeitsbedingungen erfordert (ULICH 2005).
Die Operationalisierung von Persönlichkeitsentfaltung setzt eine entsprechende
Vorstellung davon voraus, was Persönlichkeit ausmacht, also ein Menschenbild.
Neben Möglichkeiten sozialer Kooperation und Anerkennung der Arbeit ist laut
HACKER (1995) eine Einbeziehung zunehmend höherer Regulationsebenen
erforderlich, bspw. Einbeziehung von Planungs- und Kontrolltätigkeiten in die
Arbeitsaufgabe bei gleichzeitiger Routinisierung elementarer Arbeits-
verrichtungen. Aus diesem Konzept leiten sich zwanglos Gestaltungsmethoden ab.
Alle Maßnahmen, die dazu führen, dass Planungsaktivitäten auf die Ausführenden
verlagert werden, erhöhen bei diesen die Planungs(-Regulations-)erfordernisse
und dienen in diesem Sinne der Entfaltung der Persönlichkeit.
Die Persönlichkeitsentwicklung mit dem Alter – differenziert nach dem
Geschlecht – kann anhand der „Big Five“ veranschaulicht werden (SRIVASTAVA
et al. 2003, siehe Abb. 2.8). Es ist zu erkennen, dass Männer durchgehend eine
geringere Gewissenhaftigkeit zeigen als Frauen. Zudem wurde ein
kontinuierlicher Anstieg dieses Merkmals während der gesamten
Berufsbiographie festgestellt. Auch bei der Verträglichkeit zeigen Männer
durchweg geringere Werte als Frauen. Bis zu einem Lebensalter von etwa 55
Jahren ist bei beiden Geschlechtern ein Anstieg, danach ein leichter Abstieg zu
verzeichnen. Der Verlauf des strukturellen Merkmals Neurotizismus ist bei
Männern über dem Alter relativ stabil im niedrigen Bereich, jedoch mit
zunehmender Streuung zwischen den Probanden. Bei Frauen ist über die
Lebensjahre ein deutlicher Abfall von relativ hohen Werten auffällig. Für die
Extraversion ergeben sich erneut höhere Werte der weiblichen Probanden im
Vergleich zu den Männern, wobei im höheren Alter eine Annäherung stattfindet,
da die Werte der Frauen leicht abnehmen und die der Männer in geringem Maße
zunehmen. Hinsichtlich der Offenheit sind bei Frauen und Männern leichte
Abnahmen mit dem Alter zu beobachten, mit einer geringen Annäherung, da sich
die Werte der Frauen etwas stärker verringern. Jedoch zeigt sich bei Männern im
Gegensatz zu den vier anderen Merkmalen eine größere Offenheit als bei Frauen
(LUCZAK u. FRENZ 2008).
Die in Abb. 2.8 anhand der interindividuell gemittelten Werte von Persönlich-
keitsfaktoren dargestellte Persönlichkeitsentwicklung macht deutlich, dass eine
eindeutige Zuordnung der Persönlichkeit von Arbeitspersonen weder zu den
Konstitutions- noch zu den Dispositionsmerkmalen möglich ist. Vielmehr sind bei
diesem Merkmal sowohl konstitutive als auch dispositive Anteile erkennbar.
116 Arbeitswissenschaft

Gewissenhaftigkeit Verträglichkeit
75- 80-
Anteil am Skalenmaximum [%]

Anteil am Skalenmaximum [%]


73- 78-
71- 76-
69- 74-
67- 72-
65- 70-
63- 68-
61- 66-
59- 64-
57- 62-
55- 60-
21 24 27 30 3 3 36 39 42 45 48 51 5 4 57 60 21 24 27 30 3 3 36 39 42 45 48 51 54 57 60
Alter Alter

Neurotizismus Offenheit
59 - 85 -
Anteil am Skalenmaximum [%]

Anteil am Skalenmaximum [%]


57 - 83 -
55 - 81 -
53 - 79 -
51 - 77 -
49 - 75 -
47 - 73 -
45 - 71 -
43 - 69 -
41 - 67 -
39 - 65 -
21 24 27 30 33 3 6 39 42 45 48 51 54 5 7 60 21 24 27 30 33 3 6 39 42 45 48 51 54 5 7 60
Alter Alter

Extraversion
65-
Anteil am Skalenmaximum [%]

63-
61- Frauen – Mittelwerte
59-
57- Männer – Mittelwerte
55-
53- Frauen – Regressionsanpassung
51-
49- Männer – Regressionsanpassung
47-
45-
21 24 27 30 3 3 36 39 42 45 48 51 54 57 60
Alter

Abb. 2.8: Persönlichkeitsentwicklung mit dem Alter – Strukturelle Merkmale („Big Five“,
nach SRIVASTAVA et al. 2003, Daten einer Internet-Studie an 132.515 Personen)

2.2.2 Alter

2.2.2.1 Demographische Entwicklung


Der Alterungsprozess von Arbeitspersonen gewinnt immer mehr an Bedeutung.
Dies wird durch einen Vergleich zwischen dem Altersaufbau für die
Bundesrepublik Deutschland von Ende 2005 und dem prognostizierten
Altersaufbau Ende 2050 deutlich (Abb. 2.9). Während zu Beginn des 19.
Jahrhundert die durchschnittliche Lebenserwartung ca. 45 Jahre betrug, so lag sie
2002/2004 für neugeborene Jungen bei 75,9 Jahren, für neugeborene Mädchen
sogar bei 81,5 Jahren (STATISTISCHES BUNDESAMT 2006e).
Arbeitsperson 117

Abb. 2.9: Altersaufbau Deutschlands im Vergleich (STATISTISCHES BUNDESAMT


2006e)

Demographische Modellrechnungen zeigen für Deutschland einen


Bevölkerungsrückgang, verbunden mit einem steigenden Prozentsatz älterer
Einwohner (Ende 2005: 19% der Bevölkerung über 65 Jahren, 2050: über 30%,
STATISTISCHES BUNDESAMT 2006e). Selbst unter Einbeziehung der
ausländischen Bevölkerung wird sich dieser Trend wohl fortsetzen, da das starke
Geburtendefizit kaum mehr durch Nettozuwanderung kompensiert werden kann
(STATISTISCHES BUNDESAMT 2006e). Langfristig könnte es zu einer markanten
Verknappung des Arbeitskräfteangebots kommen, außerdem werden immer
weniger Beitragszahler für die auszuzahlenden Renten und Pensionen zur
Verfügung stehen.
Es bleibt jedoch abzuwarten, inwieweit der technische und organisatorische
Fortschritt eine Produktivitätserhöhung zulässt, die die Nachfrage nach Arbeit
reduzieren könnte. Hierdurch wäre es zwar möglich, eine quantitative Deckung
der Arbeitsnachfrage zu erzielen, offen bleibt jedoch die Frage der qualitativen
Deckung, da bei hoher Produktivität i.A. höhere Qualifikationen verlangt werden.
Die Bevölkerung im Erwerbsalter, also Personen zwischen 20 und 65 bzw. 67
Jahren altert und schrumpft zugleich auf lange Sicht. Sie beträgt im Jahr 2030
voraussichtlich insgesamt zwischen 42 und 44 Millionen und 2050 nur noch
zwischen 35 und 39 Millionen. Diese Entwicklung wird in der Zukunft das jetzige
Rentensystem, in dem die Arbeitnehmer/innen die Renten durch die Umlage ihrer
Beiträge finanzieren, in Frage stellen. Dem wurde durch eine Erhöhung des
Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre bereits teilweise Rechnung getragen. Im
118 Arbeitswissenschaft

Jahr 2005 stellte die mittlere Altersgruppe der 30- bis 49-jährigen mit 50% den
größten Anteil an der Erwerbsbevölkerung im Vergleich zu den Jungen mit 20%
(20 bis 29 Jahre) und den Älteren mit 30% (50 bis 64 Jahre). Im Jahr 2050 werden
die mittlere Gruppe mit 43% und die ältere Gruppe mit 40% voraussichtlich
wesentlich ähnliche Anteile aufweisen, wobei der Anteil der Jüngeren sich nicht
so stark ändern wird. Die Bevölkerung im Erwerbsalter wird somit in den
kommenden Jahrzehnten immer stärker durch die Älteren geprägt
(STATISTISCHES BUNDESAMT 2006e).

2.2.2.2 JugendlicheĆ
Wenn man nicht auf die gesetzlichen Altersgrenzen zurückgreift, ist es schwierig,
die Jugendzeit gegenüber der Kindheit und dem Erwachsenenalter abzugrenzen.
Das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) definiert:
x Kinder sind Personen unter 15 Jahren bzw. Vollzeitschulpflichtige
x Jugendliche sind Personen ab 15 und unter 18 Jahren.
Man könnte auch den Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme als Grenze verwenden,
dieses ist aber aus dem Grunde umstritten, dass eine eindeutige Trennung von
Berufsausbildung und Berufsausübung nicht möglich ist. Hinzu kommt die
Tendenz, die Ausbildung mehr und mehr vom Arbeitsplatz zur Schule zu
verlagern.
Die Bestimmung eines Zeitpunktes, an dem ein Jugendlicher seine Entwicklung
zum Erwachsenen abgeschlossen hat, gestaltet sich also abgesehen von den
rechtlichen Grundlagen problematisch. Die größte Schwierigkeit besteht darin, die
körperliche und geistige Entwicklung zu beurteilen, da die interindividuelle
Streuung zu hoch ist.
Insbesondere durch die unterschiedliche körperliche Entwicklung in der
Pubertät ist eine starke Inhomogenität in dieser Gruppe zu beobachten. Aufgrund
der noch ungünstigen Proportionen haben Jugendliche oftmals ergonomische
Probleme, da sie häufig an Arbeitsplätzen arbeiten müssen, die für Erwachsene
entworfen wurden. Dazu kommen noch die nicht voll entwickelten
physiologischen und sensumotorischen Eigenschaften, wie Muskelkraft, Herz-
und Lungenleistungsfähigkeit, Geschicklichkeit und Reaktionsvermögen. Die
Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislaufsystems, dargestellt in Abb. 2.10 am
Kriterium der maximalen Sauerstoffaufnahme pro Minute, ist im Kindesalter
zwischen Mädchen und Jungen noch nicht unterschiedlich. Aufgrund einer
höheren jährlichen Leistungszuwachsrate von 5-7% erreichen Jungen bzw.
Männer jedoch später ein höheres Niveau, wobei die maximale Leistungsfähigkeit
des Herz-Kreislaufsystems etwa mit dem 20. Lebensjahr erreicht wird. Bei
Mädchen bzw. Frauen ist die maximale Leistungsfähigkeit bereits mit dem 14.-16.
Lebensjahr erreicht.
In der Regel ist es für Jugendliche schwierig, ihre Kräfte ökonomisch
einzusetzen und Anforderungen und Gefahren richtig einzuschätzen. Versuche, so
Arbeitsperson 119

viel zu leisten wie ein Erwachsener, können zu Überforderung und


schlimmstenfalls zu bleibenden Gesundheitsschäden führen (GRIEFAHN 1992).

Abb. 2.10: Maximale Sauerstoffaufnahme in Abhängigkeit von Lebensalter und


Geschlecht (Mittelwerte einer Querschnittstudie an insgesamt 2834 Personen nach
HOLLMANN 1963)

Das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) begrenzt daher den Einsatz von


Jugendlichen in Arbeitssystemen durch Beschäftigungsverbote und
Beschränkungen.
Ein positiver Aspekt betrifft die Mobilität junger Arbeitnehmer/innen. Bis zur
Familiengründung ist es in der Regel einfacher, sowohl den Betrieb als auch den
Ort zu wechseln. Jugendliche sind daher oft flexibler einsetzbar als familiär
gebundene Erwachsene.
Geschichtlich lässt sich eine Entwicklung der Arbeitsorganisation von der
familienwirtschaftlichen Kooperation zur „Lohnarbeit“ im Betrieb feststellen.
Hierdurch wurden die Arbeitsbedingungen versachlicht und die sozialen
Beziehungen verändert. An Stelle einer umfassenden Einbindung in den
Familienbetrieb treten Arbeitsbedingungen auf, die reglementiert und
fremdbestimmt werden. Durch die geringere persönliche Fürsorge entsteht oft eine
gewisse soziale Unsicherheit. Dieses trifft zwar für jede Arbeitsperson zu,
Jugendliche sind jedoch von diesen Veränderungen besonders betroffen, da ihre
Position als Anfänger besonders schwach und der Kontrast zur Familie besonders
ausgeprägt ist, sowie im Umfeld der Familien altersspezifische
Arbeitszuordnungen stark berücksichtigt werden, was in normalen Betrieben
kaum möglich ist.
120 Arbeitswissenschaft

2.2.2.3 ÄltereĆArbeitspersonenĆ
Es gibt keine gesetzlichen Bestimmungen, die eine Grenze festlegen, ab wann eine
Arbeitsperson „alt” ist. In der betrieblichen Praxis geht man daher meistens von
der Verrentung bzw. Pensionierung als Übergang aus, allerdings muss man
beachten, dass keine Höchstaltersgrenze für die Ausübung der meisten Tätigkeiten
besteht. Der Ruhestandstermin entstand im Zuge der Verallgemeinerung der
öffentlichen Rentensysteme. Vom Beginn des letzten Jahrhunderts bis etwa 1970
konzentrierte sich der Zeitpunkt für das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben um
das 65. Lebensjahr. Danach ließ sich feststellen, dass das durchschnittliche
Zugangsalter der Versichertenrenten – wegen Alters und wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit – mehr oder weniger kontinuierlich sank. Jedoch ist seit dem
Jahr 1999 wieder ein Ansteigen des durchschnittlichen Zugangsalters
festzustellen. Im Jahr 2007 lag es bei 61,0 Jahren (1980: 59,2 Jahre). Zu beachten
ist, dass das durchschnittliche Zugangsalter wegen verminderter Erwerbsfähigkeit
weiterhin abnimmt (1970: 58,3 Jahre, 2007: 50,1 Jahre), während der
Rentenzugang wegen Alters tendenziell immer später erfolgt (2007: 63,3 Jahre,
DEUTSCHE RENTENVERSICHERUNG 2008). In Rezessionsphasen wiederum
verschärft sich die Tendenz zur Frühverrentung, da die Möglichkeit, Arbeitskräfte
durch vorzeitigen Ruhestand abzubauen, den sozialen Frieden in der Regel
weniger gefährdet als Entlassungen.
Aufgrund der auch langfristig zu erwartenden angespannten Lage auf dem
Arbeitsmarkt sind die Einsatzmöglichkeiten älterer Arbeitsperson von besonderem
Interesse. Allgemein ist die Leistungsfähigkeit älterer Arbeitspersonen nicht vom
kalendarischen Alter abhängig und schwer einzuschätzen (SHEPHARD 2000). Dies
hat folgende Gründe:
(1) Die Streuung der individuellen Fähigkeiten ist bei älteren Arbeitspersonen
dominierender als deren mittlere Abnahme (ILMARINEN u. TEMPEL 2002).
(2) Leistung und Leistungsbereitschaft sind stark von den Arbeitsaufgaben und
-bedingungen abhängig.
Die Arbeitswissenschaft distanziert sich inzwischen von der Auffassung einer
generellen Verschlechterung der Fähigkeiten mit zunehmendem Alter (Ablehnung
der sog. „Defizit“-Theorie, siehe LANDAU et al. 2007). Stattdessen postuliert das
sog. „Kompensations-Modell“, dass nicht alle körperlichen und geistigen
Funktionen notwendigerweise und in gleicher Weise einem Abbau und Verfall
unterliegen. Mithin können Fähigkeiten – insbesondere der sozialen Kompetenz –
im Altersverlauf stabil bleiben oder auch zunehmen (ADENAUER 2002, Tabelle
2.3; LUCZAK et al. 2010, Abb. 2.11).
Arbeitsperson 121

Abb. 2.11: Kompensations-Modell versus Defizit-Modell (aus LUCZAK et al. 2010); die
mittlere Leistungsabnahme im Alter, welche die Vorhersagen des Defizit-Modells domi-
niert, lässt sich in einem kontrastierenden Erklärungsansatz durch die Akkumulation der
Individualverläufe begründen, die für sich genommen lange Zeit konstant bleiben und erst
nach dem Erreichen einer individuellen Grenze im hohen Alter deutlich abfallen

Unter ungünstigen Umständen, z.B. unter hoher Dauerbelastung, ist jedoch mit
zunehmendem Alter eher mit Einbußen zu rechnen (KENNY et al. 2008). Diese
Veränderungen sind allerdings nicht immer messbar oder ziehen oftmals nicht
einmal negative Auswirkungen auf Wertschöpfungsprozesse nach sich.
Vor diesem Hintergrund ist die Sinnhaftigkeit einer fixen oder lediglich nach
unten durch Vorruhestandsregelungen flexiblen Altersgrenze in Frage zu stellen.
Bereits in den 60er Jahren gab es in der Bundesrepublik eine Diskussion über die
Flexibilisierung der Altersgrenze (LEHR 2003). Angesichts einer dauerhaft hohen
Arbeitslosigkeit wird diese immer wieder sowohl von den Gewerkschaften als
auch von den politischen Parteien aufgegriffen, z.B. im Zusammenhang mit der
sog. Altersteilzeit.
122 Arbeitswissenschaft

Tabelle 2.3: Gegenüberstellung von Defizit-Modell und Kompensations-Modell (nach


ADENAUER 2002)

Defizit-Modell Kompensations-Modell
x bis Anfang 1990 x seit Anfang 1990; Perspektivenwechsel
x einseitig negative Betrachtungsweise des x differenzierte Sichtweise des Alterns und Alters
Alterns und Alters x Wandel von Fähigkeiten im Alter:
x Altern und Alter = Abbau und Verfall von o z. T. abnehmend
Qualifikation und Leistung o stabil bleibend
o zunehmend
x betrifft alle Altersentwicklungen aller Menschen, x weitere Differenzierung:
d.h. Annahme: Alle Menschen altern in gleicher o Unterschiede zwischen den Individuen; jeder
Weise altert zu einem anderen Zeitpunkt und in
unterschiedlicher Weise (Einfluss hat auch die
Lebensbiographie)
o Unterschiede in den Alterungsprozessen
verschiedener Organe und Funktionen
innerhalb eines Individuums (Zu- oder
Abnahme von Funktionen)
o Unterschiede in der körperlichen und geistigen
Entwicklung
o auch im Alter ist Verhaltensänderung sowie
Lernen möglich
o differenzierte Beurteilung der
Leistungsfähigkeit Älterer

2.2.2.3.1 Leistungsfähigkeit
Mittelwertsvergleiche, die für energetisch-effektorische Arbeit einen
altersbedingten Abbau der Leistungsfähigkeit von Mitte 20 an aufzeigen, können
aufgrund der großen Streuung nicht pauschal auf ältere Arbeitspersonen sowie
andere Arbeitsformen angewandt werden (SILVERSTEIN 2008). Die Beurteilung
der Leistungsfähigkeit sollte sich daher immer auf die Person und die von ihr zu
verrichtende Tätigkeit beziehen. Zudem können im Fall von Querschnittstudien im
Gegensatz zu Längsschnittstudien Verzerrungen durch die Berücksichtigung von
hinsichtlich bestimmter Merkmale unterschiedlichen Geburtskohorten entstehen,
die ein falsches Bild vermitteln (Abb. 2.12).
Bei Querschnittstudien zu Veränderungen mit dem Alter werden einmalig
Personen aus unterschiedlichen Kohorten untersucht, wobei Längsschnittstudien
bzw. genauer gesagt sog. Panelstudien Erhebungen einer bestimmten Stichprobe
zu mehreren Zeitpunkten beinhalten. Dadurch wird die Ableitung
kohortenspezifischer Verläufe ermöglicht.
Arbeitsperson 123

Abb. 2.12: Verzerrung des Altersverlaufs eines beliebigen Kriteriums aufgrund von
Kohorteneffekten im Fall einer Querschnittstudie (idealisierte Darstellung)

Alternsbedingte Veränderungen des visuellen Systems


Die Abnahme der Sehfähigkeit nimmt eine besondere Stellung unter den
altersbedingten Veränderungen der Wahrnehmungssysteme ein (siehe Kap.
3.3.2.1.2.1). Die Augenlinse zeigt ein stetiges, lebenslanges Wachstum unter
Bildung neuer Fasern. Normalerweise erfahren diese keinen physiologischen
Zelltod und keine Abstoßung in die Umgebung, so dass sich in einer Augenlinse
Zellen und Fasern aller Altersstufen befinden. Dies führt zu einer
Sehleistungsminderung, die sehr hoch mit dem Alter korreliert. Für ältere
Personen sind maßgebend:
x Die Verringerung der Lichttransmission, d.h. Augentrübung mit vermehrter
Lichtstreuung (Abb. 2.13) (HOCKWIN 1989).
x Ein erhöhter Lichtbedarf infolge der Altersmiose (Engstellung der Pupille),
weshalb beim Sechzigjährigen im Vergleich zum Zwanzigjährigen nur noch
ein Drittel der Lichtmenge die Netzhaut erreicht. (Abb. 2.14) (KLINE u.
SCHIEBER 1985; WOLF 1960).
x Das Nachlassen der Fähigkeit zur Formänderung der Linse und damit der
Schärfeeinstellungsfähigkeit (HOFSTETTER 1965; SCHIEBER 2006). Dies ist
in Abb. 2.15 am Beispiel der sog. Akkommodationsbreite (siehe Kap.
3.3.2.1.2.1) dargestellt.
x Die Verlangsamung der Dunkeladaption sowie Sensititvitätseinschränkung
der Farbwahrnehmung (HELVE u. KRAUSE 1972; SCHIEBER 2006).
x Die Abnahme der Kontrastempfindlichkeit aufgrund vermehrter
Lichtstreuung und entsprechend erhöhter Blendwahrscheinlichkeit (OWSLEY
et al. 1983).
124 Arbeitswissenschaft

%ĆT
100 0,5Ća.
90
8Ća.
80

70

60 25Ća.
47Ća.
50 54Ća.
40
82Ća.
30

20

10

300 350 400 450 500 550 600 650 700 750 800 nm

Abb. 2.13: Lichtdurchlässigkeit der Augenlinse (aus HOCKWIN 1989)

20 Jahre
250
60 Jahre
200
2099

183
Lichtbedarf [%]

150
183

100
1000

1000

1000

50

0
100 300 900
E [lx]

Abb. 2.14: Unterschied im Lichtbedarf LB zwischen alten (60 Jahre) und jungen
Arbeitspersonen (20 Jahre = 100%) bei verschiedenen aufgabenbezogenen Beleuchtungs-
stärken (aus HANDBUCH FÜR BELEUCHTUNG 1975)
Arbeitsperson 125

16

14
Akkomodationsbreite [Dioptrien]

12
Streubreite
10

0
5 15 25 35 45 55 65 75
Alter [Jahre]

Abb. 2.15: Veränderung der Akkommodationsbreite mit dem Alter (SCHMIDT u.


SCHAIBLE 2000)

Als einfache Gegenmaßnahmen sind eine stärkere Beleuchtung sowie Sehhilfen


zu nennen. Die Grenzen liegen bei verstärkter Beleuchtung im Nichterkennen
abgeschatteter Teile sowie in der Blendwirkung durch vermehrte Lichtstreuung.
Insbesondere die Blendung ist problematisch, denn die Empfindlichkeit wird im
Alter höher, da die mit dem Alter zunehmenden Linsen- und Glaskörpertrübungen
Streulicht im Auge selbst erzeugen (physiologische Blendung). Sehhilfen führen
zu häufigem Akkommodieren während eines Arbeitsvorgangs. Auch mehrfach
geschliffene Gläser vermindern kaum die erhöhte Beanspruchung. Aufgrund der
physiologischen Änderungen der Augenlinse ist eine Verbesserung der
Sehfähigkeit durch Training in der Regel nicht möglich.

Alternsbedingte Veränderungen des auditiven Systems


Durch den Alterungsprozess des auditiven Systems wird das Hörvermögen älterer
Menschen beeinflusst. Dabei können erste Erscheinungen einer abnehmenden
Hörfähigkeit bereits in einem Alter zwischen 30 und 40 Jahren auftreten.
Zwischen 45 und 54 Jahren leiden bereits 20% an einer Hörschwäche und
spätestens nach dem 70. Lebensjahr tritt eine deutliche Altersschwerhörigkeit ein.
Bei den 75 bis 79-jährigen leiden 75% an einem reduzierten Hörvermögen
(FOZARD 1990, KLINE 1996). Alternsbedingte anatomische Veränderungen des
auditiven Systems führen des Weiteren zu einer erhöhten Hörschwelle. So können
speziell hochfrequente Töne zwischen 1000 und 8000 Hz von älteren Menschen
schlechter wahrgenommen werden (siehe Abb. 2.16; SCHIEBER 1992). Auch die
hörbaren Unterschiede in Bezug auf Lautstärken- und Frequenzänderung nehmen
mit zunehmendem Alter ab (SMALL 1987). Trotz vieler Untersuchungen besteht
noch immer eine allgemeine Uneinigkeit über die Ursachen und den pathologisch-
126 Arbeitswissenschaft

anatomischen Mechanismus der Altersschwerhörigkeit (SZADKOWSKI 1983).


Daher kann die altersbedingte Verschlechterung des Hörvermögens nicht immer
durch technische Hilfen ausgeglichen werden.

-10

0 30 Jahre
Hörschwellenabweeichung ǻH

10
50 Jahre
20

30

40
70 Jahre
m
50
w
60
100 1000 10000
Frequenz [Hz]

Abb. 2.16: Obere Hörgrenze in Abhängigkeit des Alters (Daten aus DIN EN ISO 7029)

Alternsbedingte Veränderungen des kognitiven Systems


Die Betrachtung und Erläuterung kognitiver Alterungsprozesse hat sich in den
letzten Jahren stark gewandelt. Waren die altersbedingten Veränderungen
kognitiver Fähigkeiten lange von einer rein defizitorientierten Sichtweise geprägt
(BALTES 1984), sind sich Altersforscher heute einig, dass sich Verschlechterungen
vor allem bei den Teilleistungen zeigen, bei denen die Geschwindigkeits-
komponente eine Rolle spielt.
Nach CATTELL (1963) lassen sich zwei Komponenten kognitiver Leistungen
unterscheiden: die kristalline und die fluide Intelligenz (siehe Kap. 2.2.3.3.5). Die
kristalline Intelligenz, hierzu zählen z.B. der Wortschatz, das Allgemeinwissen
oder die Erfahrung, wird als stark wissens- und kulturabhängig angesehen und
umfasst erworbene kognitive Fähigkeiten und die Fähigkeit erworbenes Wissen
auf Problemlösungen anzuwenden. Die fluide Intelligenz, hierzu zählen z.B. die
Schnelligkeit der Wahrnehmung, die Reaktionszeit und induktives Denken,
bezieht sich auf die Basisfähigkeit des Denkens, die Fähigkeit, sich neuen
Situationen anzupassen und neuartige Probleme zu lösen. Während die fluide
Intelligenz mit zunehmendem Alter systematisch abnimmt, bleibt die kristalline
Intelligenz bis ins hohe Alter intakt und kann sogar mit dem Alter noch zunehmen.
Die Abnahme der fluiden Intelligenz, kann durch den Zugriff auf Wissen und
Erfahrung (kristalline Intelligenz) kompensiert werden (siehe Abb. 2.17; HORN u.
CATTELL 1966; LEHR 2003).
Arbeitsperson 127

Intelligenz-
leistung
Gesamtintelligenz

Kompensation
durchĆWissen
undĆErfahrung
Elementar-
intelligenz

Lebensalter
Abb. 2.17: Schematische Darstellung des Verlaufs von Intelligenzleistung bei
zunehmendem Alter (nach HACKER u. RAUM 1992)

Es kann also nicht von einem generellen Verlust kognitiver Leistungsfähigkeit


ausgegangen werden. Vielmehr ist anzunehmen, dass unterschiedliche kognitive
Fähigkeiten unterschiedlichen Alterungsprozessen unterliegen.
Bezüglich des Kurzzeitgedächtnisses ergaben Studien, dass insbesondere bei
hohen Anforderungen bezüglich der Komplexität der zu verarbeitenden Stimuli
die Effektivität des Arbeitsgedächtnisses bei älteren Personen geringer ist (CRAIK
u. JENNINGS 1992; SALTHOUSE 1992a; SALTHOUSE u. DUNLOWSKI 1995).
BOTWINICK u. STORANDT (1973) konnten zeigen, dass sich die Gedächtnisspanne
im Alter zwischen 60 und 70 Jahren von durchschnittlich 6,5 memorierten Items
(20 bis 50 Jahren) auf 5,5 Items reduziert. Bei dem Teil der sich noch im
Erwerbsleben befindenden älteren Bevölkerung sind die Unterschiede zwischen
Jüngeren und Älteren jedoch geringer. Zudem sind die in diesen überwiegend aus
Laboruntersuchungen gewonnenen Ergebnisse aufgrund des zumeist enthaltenen
Lernens von für die Betroffenen sinnlosem, da unvertrautem und abstrakten
Materials wie Silben, Zahlenreihen etc. mit Vorsicht zu behandeln, da vor allem
ältere Personen mit dem Lernen von für sie bezuglosen Inhalten Probleme haben
(LEHR 2003; WARR 1994).
Die Leistungen des Langzeitgedächtnisses von älteren Menschen sind
differenziert zu betrachten und in starkem Maße aufgabenabhängig. Zu den relativ
altersstabilen, weil mit einer stark automatisierten Komponente versehenen
Gedächtnisprozessen zählen das semantische Gedächtnis (in Bezug auf
allgemeines Faktenwissen), das Wiedererkennen von (auswendig gelernten)
Informationseinheiten und das prozedurale Gedächtnis (gespeicherte Fertigkeiten,
Erwartungen und Verhaltensweisen). Auch das autobiographische Gedächtnis ist
im Alter in der Regel genauso intakt wie in jungen Jahren. Dahingegen haben
Personen ab dem mittleren Alter (ab ca. 45 Jahren) häufiger Probleme mit der
Erinnerung an Namen und ein schwächeres episodisches Gedächtnis (Erinnerung
an kürzlich geschehene autobiografische Ereignisse) insbesondere bei hoher
128 Arbeitswissenschaft

informatorischer Belastung (ZACKS et al. 2000). Zudem sind das


Quellengedächtnis oder die Erinnerung an Kontextdetails sowie im Fall von
unvertrauten (Labor-)Aufgaben prospektive Gedächtnisleistungen (Erinnerung an
Absichten) im Alter oftmals schlechter. Untersuchungen mit älteren Personen
zeigten bspw., dass sich die Reaktionszeit auf einfache Ereignisse um 20% bei
einem Alter von 60 Jahren im Vergleich zu einem Zwanzigjährigen erhöht
(SMALL 1987). Bei alltäglichen und Alltagsaufgaben jedoch schneiden ältere
Personen oft sogar besser ab als junge Erwachsene (MARTIN et al. 2008).
Neben den alternsbedingten Veränderungen der Gedächtnisleitung unterliegen
die kognitiven Funktionen Aufmerksamkeit, räumliches Vorstellungsvermögen
sowie Wissenserwerb ebenfalls einem Alterungsprozess.
Während die fokussierte Aufmerksamkeit kaum vom Alterungsprozess betrof-
fen ist (WRIGHT u. ELIAS 1979; ZEEF et al. 1996) konnten altersspezifische Verän-
derungen bei der selektiven sowie verteilten Aufmerksamkeit in verschiedenen
Studien aufgezeigt werden. Jedoch können diese, vor allem bei komplexen Aufga-
ben eintretenden altersspezifischen Leistungsunterschiede, durch Vorerfahrung
und Training reduziert werden (CLANCY u. HOYER 1994; PLUDE u. DOUSSARD-
ROOSEVELT 1989; SOMBERG u. SALTHOUSE 1982).
Nach HOYER u. ROODIN (2003) sind altersbedingte degenerative Veränderun-
gen bei allen sieben „primary mental abilities“ zu beobachten, so dass auch eine
Abnahme des räumlichen Vorstellungsvermögens mit steigendem Alter einhergeht
(SALTHOUSE 1992b). So haben ältere Menschen häufig mit der Wahrnehmung
von räumlichen Verhältnissen und entsprechender Navigation, bspw. mit Hilfe
einer Straßenkarte, Probleme (HOYER u. ROODIN 2003). Des Weiteren konnten
Zusammenhänge zwischen dem räumlichen Vorstellungsvermögen älterer Men-
schen und ihrer Leistung bei computergestützten Aufgaben ermittelt werden
(GARFEIN et al. 1988). Insbesondere bei der Navigation in komplexen Internetsei-
ten konnten im Bezug zum räumlichen Vorstellungsvermögen, altersbedingte
Leistungsunterschiede ermittelt werden (COYNE u. JAKOB 2002; ELLIS u.
KURNIAWAN 2000; MEYER et al. 1997).
Hinsichtlich des Erwerbs neuer Fertigkeiten wird heute davon ausgegangen,
dass gesunde ältere Menschen bis ins hohe Alter die Fähigkeit besitzen neue Fer-
tigkeiten zu erlernen. In unterschiedlichen Studien konnte jedoch gezeigt werden,
dass ältere Menschen beim Erlernen von computergestützten Tätigkeiten deutlich
mehr Zeit benötigen als die Jüngeren (CAPLAN u. SCHOOLER 1990; GIST et al.
1988), mehr Fehler machen (CZAJA et al. 1989) und mehr Hilfestellung benötigen
(CHARNESS et al. 1992; ELIAS et al. 1987). Der Lernerfolg eines älteren Menschen
wird vor allem von der Komplexität der zu erlernenden Fertigkeit (SALTHOUSE
1989) sowie von der Möglichkeit zur Übung bestimmt. ASTOR et al. (2006) gehen
davon aus, dass ältere Menschen nicht generell schlechter lernen als jüngere.
Vielmehr lernen ältere Erwachsene anders, und äußere Umstände können auch für
die schlechteren Lernleistungen Älterer verantwortlich gemacht werden.
Einen Überblick über alternsspezifische Veränderungen des psychomotorischen
Systems findet man in VERCRUYSSEN (1996).
Arbeitsperson 129

Besonders belastende Arbeitsbedingungen


Eine Vielzahl von Untersuchungen zeigen, dass ältere Arbeitspersonen bei
gleicher Arbeit unter Umständen stärker beansprucht werden als jüngere. Diese
Einwirkung kann in Abhängigkeit der zeitlichen Dauer (ROHMERT 1973) zu einer
überproportional raschen Ermüdung sowie Fehlern führen. Für ältere Personen
besonders belastende Arbeitsbedingungen sind (KENNY et al. 2008; SHEPHARD
2000; WHO 1994):
x eine unflexible Arbeitsorganisation, d.h.
o ein von Maschinen oder Gruppenforderungen bestimmtes Arbeitstempo,
o lange Arbeitszeiten bei hohen physischen oder mentalen Anforderungen
und inadäquate Pausenregelungen,
o keine oder wenig Abwechslung hinsichtlich der körperlichen und
geistigen Anforderungen,
x psychologische Faktoren, d.h.
o eine unklare Rolle der älteren Arbeitsperson,
o Sorgen über die Zukunft (z.B. Ruhestand, Beförderung, Arbeitslosigkeit
während einer Rezession),
o mangelnde Kontrolle über die eigene Arbeit,
x ergonomische Faktoren, d.h.
o repetitive Arbeitstätigkeiten,
o ungünstige Körperhaltungen (Zwangshaltungen),
o Heben und Tragen schwerer Lasten,
o hohe Geschwindigkeitsanforderungen bezüglich der Körperbewegungen,
o hohe manuelle Präzisionsanforderungen,
o hohe aerobe Anforderungen,
o ungenügende Berücksichtigung von verändertem Körperbau und
Körpergewicht,
x physikalische Faktoren, d.h.
o Arbeit unter ungünstigen Umweltbedingungen wie Hitze, Lärm,
Beleuchtung, Vibration und Schadstoffbelastung,
x sowie Schichtarbeit (insbesondere Nachtschichten).

Beeinflussung von Leistungsentwicklungen durch Training


Viele der sich mit steigendem Alter ergebenden positiven bzw. negativen
Veränderungen beim Menschen, seien sie körperlicher oder geistiger Natur, lassen
sich durch verschiedene Formen von Training verstärken bzw. kompensieren.
So ist bspw. körperliches Ausdauertraining sehr gut geeignet der
altersbedingten Verringerung der Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislaufsystems
entgegenzuwirken bzw. diese sogar mehr als auszugleichen. Die maximale
Sauerstoffaufnahme ist in hohem Maße von der körperlichen Aktivität abhängig,
d.h. aktive Individuen haben i. d. R. eine wesentlich höhere kardiovaskuläre
130 Arbeitswissenschaft

Leistungsfähigkeit als ihre nicht-aktiven Gegenüber. Auch der Verschlechterung


der Lungenfunktion mit dem Alter lässt sich in Grenzen entgegenwirken.
Während Ausdauertraining bezogen auf die muskuloskelettale Leistungsfähigkeit
mehr zum Erhalt von z.B. Muskelkraft und weniger zu ihrer Steigerung dient, hilft
Krafttraining in hohem Maße die Muskelmasse und -kraft zu erhöhen, aber auch
Haltungsstabilität und dynamisches Gleichgewicht profitieren, was der
Verringerung des Risikos arbeitsbedingter Verletzungen dient. Die positiven
Effekte von körperlichem Training schlagen sich häufig (insbesondere bei
vorwiegend körperlicher Arbeit) in der Arbeitsleistung und Einsatzfähigkeit
nieder, d.h. körperlich trainierte Menschen erreichen gegebenenfalls eine höhere
Produktivität, weisen weniger Ausfalltage auf und sind flexibler einsetzbar. Selbst
das Stressempfinden kann durch körperliches Training positiv beeinflusst werden.
Demnach wird in der Literatur die Einrichtung von betrieblichen
Trainingsprogrammen empfohlen, die jedoch vor Ort angeboten und während der
Arbeitszeit nutzbar sein müssen, um eine ausreichende Akzeptanz bei den
Beschäftigten zu erhalten, da sonst u.A. Zeitmangel (z.B. aus familiären Gründen)
oder die Schwierigkeit der Vereinbarkeit mit Schichtarbeit zur Ablehnung des
Angebots führen. Eine aktuelle und ausführliche Diskussion des Stands der
Forschung zu körperlichem Training in Verbindung mit dem Thema Arbeit und
Altern ist bei KENNY et al. (2008) zu finden.
In Bezug auf die Entwicklung der kognitiven Leistungsfähigkeit mit dem Alter
wird in der Literatur häufig die Ansicht vertreten, dass ein wesentlicher Teil der zu
beobachtenden Leistungsabfälle durch „Nichtnutzung“ der individuellen
kognitiven Ressourcen bedingt ist (SCHAIE 2005). Im Rahmen der über mehrere
Jahrzehnte andauernden ‚Seattle Longitudinal Study‘ (Seattle-Längsschnittstudie)
wurde u.A. durch eine mehrjährige Teilstudie zu kognitivem Training festgestellt,
dass bereits mit kurzen Trainingseinheiten die Leistung von ungefähr zwei
Dritteln der allesamt mindestens 64 Jahre alten Teilnehmer verbessert werden
konnte. Untersucht wurden die Fähigkeiten „Logisches Denken“ und „Räumliche
Orientierung“, wobei von den Teilnehmern, die signifikante Leistungsabnahmen
aufwiesen, mit dem Training etwa 40% auf ein Leistungsniveau gebracht werden
konnten, dass sie 14 Jahre zuvor (zu Beginn der Studie) erreicht hatten. Im
Rahmen von Folgeuntersuchungen nach 7 und nach 14 Jahren wurde gezeigt, dass
Probanden, die vor dem allerersten Training der Studie signifikante Abnahmen der
kognitiven Leistungsfähigkeit zeigten, im Vergleich zu untrainierten
Kontrollgruppen wesentliche Vorteile hatten. Spezielle Trainingswiederholungen
zur Verstärkung der Trainingseffekte erhöhten diese Vorteile noch weiter. Über
die 14 Jahre hinweg konnte bei trainierten Teilnehmern die Leistung beim
logischen Denken vom ersten Vortest bis zum letzten Nachtest im Durchschnitt
stabil gehalten werden und für die räumliche Orientierung ergab sich ein
geringerer Abfall im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne Training (SCHAIE 2005).
Neben dem Erhalt oder der Steigerung von körperlichen und geistigen
Fähigkeiten ist auch die Qualifikation der Arbeitspersonen im Sinne des Erhalts
der Wettbewerbsfähigkeit des Betriebs wie auch der „Arbeitsfähigkeit“
Arbeitsperson 131

altersadäquat aktuell zu halten bzw. auszubauen. Nach BUCK et al. (2002) ist bei
der Gestaltung von Fort- und Weiterbildung für ältere Arbeitspersonen
insbesondere auf Folgendes zu achten:
x „Lernentwöhnte“ benötigen unabhängig vom Alter die Möglichkeit, den
Lernprozess zeitlich zu steuern (selbstbestimmtes Lerntempo).
x Auf eventuell vorhandene Ängste, die vermittelten Lerninhalte nicht
bewältigen zu können, muss eingegangen werden, und diese Ängste sollten
nicht als mangelnde Lernmotivation fehlinterpretiert werden.
x Es ist wichtig, dass auf Erfahrungen und Tätigkeitsinhalte der Teilnehmer
Bezug genommen wird, d.h. anhand praktischer Fragestellungen und
Aufgaben lassen sich theoretische bzw. abstrakte Lerninhalte älteren
Mitarbeiter/-innen häufig besser vermitteln bzw. werden offener
aufgenommen (aufgabenbezogenes, arbeitsnahes Lernen).
Überdies kann eine Vor-Ort-Schulung inklusive direkter Anwendung von
bspw. vermittelten Arbeitsmethoden gegenüber einer Qualifikationsveranstaltung
in einem externen Seminarraum vorteilhaft sein. Neben Fort- und Weiterbildung
kann aber auch durch vollständige und herausfordernde Tätigkeiten und die mit
ihnen gegebenenfalls einhergehenden Lerneffekte der „Veralterung“ von
Qualifikationen entgegengewirkt werden (BRUGGMANN 2000).
2.2.2.3.2 Leistungsbereitschaft
Grundsätzlich gilt, dass eine „optimale“ Leistungsfähigkeit älterer Arbeits-
personen nur dann erreicht werden kann, wenn ihre Leistungsbereitschaft
entwickelt und gefördert wird. Wesentlich hierbei sind die Arbeitsmotivation,
Arbeitszufriedenheit und das emotionale Erleben während der Arbeit. Bei älteren
Berufstätigen treten zukunftsorientierte Motive (z.B. Interessantheit der Tätigkeit
oder persönliche Selbstverwirklichung) im Vergleich zu jüngeren Berufstätigen
eher in den Hintergrund. Dagegen erhalten emotionsbezogene Motive (wie etwa
gegenseitige Hilfeleistung oder Autonomie) einen signifikant höheren Stellenwert.
Relativ konstant über das Alter haben Spaß und Freude an der Arbeit eine sehr
hohe Bedeutung, während gesellschaftliches Ansehen die niedrigste Bedeutung
hat (GRUBE u. HERTEL 2008).
Hinsichtlich der Arbeitszufriedenheit wurden bislang unterschiedliche
Zusammenhänge zum Alter in wissenschaftlichen Untersuchungen festgestellt.
Sowohl U-förmige Verläufe mit dem Minimum im mittleren Alter (z.B.
HERZBERG et al. 1957; HOCHWARTER et al. 2001) als auch lineare positive Trends
(z.B. BRUSH et al. 1987; RHODES 1983; SCHULTE 2005), d.h. eine stetig
zunehmende Arbeitszufriedenheit mit dem Alter wurden in Studien gefunden.
Hier ist nach Ansicht von GRUBE u. HERTEL (2008) die jeweils angewandte
Methodik der Zufriedenheitsmessung ein wesentlicher Einflussfaktor auf die
Ergebnisse, und es bedarf weiterer Forschungsanstrengungen im Bereich der
Messinstrumente.
Vergleichende Untersuchungen bei älteren Beschäftigten haben ein höheres
Engagement, eine höhere Einsatzbereitschaft, eine stärkere Betriebsbindung und
132 Arbeitswissenschaft

weniger Störungen und Belastungen durch private und familiäre Angelegenheiten


festgestellt (LEHR 1997). Wenn man bedenkt, dass die intellektuelle
Leistungsfähigkeit in höherem Maße altersstabil ist als die körperliche, ist es daher
bei förderlichen Arbeitsbedingungen durchaus möglich, eine hohe
Leistungsbereitschaft bei älteren Beschäftigten aufrecht zu erhalten (GRUBE u.
HERTEL 2008).

2.2.2.3.3 Produktivität
Die in der betrieblichen Praxis teilweise anzutreffende Vermutung, dass mit einer
älter werdenden Belegschaft Produktivitätseinbußen zu erwarten sind, lässt sich
durch wissenschaftliche Studien, die potenzielle Störgrößen soweit möglich
kontrollieren, nicht belegen. Vielmehr zeigt eine Untersuchung des Zentrums für
Europäische Wirtschaftsforschung anhand von Längsschnittdaten des sog. Linked
Employer-Employee-Datensatzes (LIAB) des Instituts für Arbeitsmarkt- und
Berufsforschung aus den Jahren 1997-2005, dass die Unternehmensproduktivität
bis zur Altersgruppe „50-55 Jahre“ kontinuierlich ansteigt und danach nur leicht
abfällt (Abb. 2.18)

Bruttowertschöpfung
0,8
0,6
0,4
0,2
0,0
20 25 30 35 40 45 50 55 60
-0,2
-0,4
-0,6
Ͳ0,8
Alter

Abb. 2.18: Relative Veränderung der Bruttowertschöpfung in verschiedenen Altersgruppen


(Referenz = Altersgruppe „35-40 Jahre“) nach GÖBEL u. ZWICK (2009)

Bei den in Abb. 2.18 dargestellten Ergebnissen handelt es sich jedoch um


Mittelwerte, die eine große Zahl von Unternehmen zusammenfassen, wobei eine
große Streuung zwischen den Werten der einzelnen Unternehmen zu beobachten
ist (Standardfehler = senkrechte Linien). Die Ergebnisse der Studie deuten somit
auf erhebliche Unterschiede bei den Alters-Produktivitätsprofilen zwischen den in
diesem Fall ca. 9.600 jährlich befragten Betrieben hin. Die Altersstruktur der
Arbeitsperson 133

Beschäftigten in einem Unternehmen wirkt sich demnach sehr unterschiedlich auf


die jeweilige Produktivität aus, d.h. Unternehmen mit einer eher „jungen“ oder
„alten“ Belegschaft erreichen nicht notwendigerweise eine niedrigere oder höhere
Produktivität (GÖBEL u. ZWICK 2009).
2.2.2.3.4 Gestaltungs- und Interventionsstrategien
Für die Tätigkeit älterer Arbeitspersonen gibt es keine spezifischen
Arbeitsschutzregelungen. Lediglich §75 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)
besagt, dass eine Benachteiligung aufgrund des Alters unzulässig ist. Das
Betriebsverfassungsgesetz weist weiterhin die Förderung älterer Beschäftigter als
eine der Aufgaben des Betriebsrates aus (§80-6 BetrVG).
Bei der Entwicklung eines nachhaltigen Altersmanagementkonzepts für
Betriebe spielen verschiedene mikro- und makroergonomische Gestaltungs- und
Interventionsstrategien eine tragende Rolle. Im Mittelpunkt steht schließlich eine
effektive alterns- und altersdifferenzierte Gestaltung von Arbeitssystemen (siehe
FRIELING 2006). In Tabelle 2.4 sind einige wesentliche Strategien genannt und
beschrieben.
Tabelle 2.4: Gestaltungs- und Interventionsstrategien bei alternden Belegschaften (nach
LUCZAK u. STEMANN 2008)

Ebene Strategie Beschreibung

Anpassung von Arbeitsplatz und Arbeitsumgebung unter Berücksichtigung


Kompensation
von altersabhängigen physiologischen und psychologischen
Veränderungen
Zuweisung des Arbeitnehmers zu bestimmten Arbeitsplätzen nach
Selektion vorheriger altersbezogener Analyse und Beurteilung von Belastungsarten, -
höhen und -dauern (häufig verbunden mit einer Spezialisierung der
Arbeitskraft, flexiblen Arbeitszeitvereinbarungen und Arbeitsplatzwechseln)
Mikroergonomie

Minimierung oder im Idealfall Eliminierung von Altersbarrieren durch:


Adaptierung Ausbildung, Förderung und Aktivierung von beruflichen Kompetenzen mit
operativen Qualifikationsplänen,
Abstimmung von Aufgabenanforderungen und Mitarbeiterfähigkeiten
Erstellung von komplexen Sicherheits- und Gesundheitskonzepten, primär
Prävention
zur Schaffung einer sicheren Arbeitsumgebung und sekundär zur
Bewirkung von Verhaltensänderungen und organisatorischen Maßnahmen
Entwicklung eines Ergonomiekatalogs mit Zielen in Bezug auf Gesundheit
Salutogenese und moralische Verantwortung; Sicherheit und Gesundheitsschutz am
Arbeitsplatz werden integraler Bestandteil der operativen
Geschäftsprozesse
134 Arbeitswissenschaft

Tabelle 2.4 (Fortsetzung): Gestaltungs- und Interventionsstrategien bei alternden


Belegschaften (nach LUCZAK u. STEMANN 2008)

Promotion des Themas „Demographische Entwicklung“ im eigenen


Unternehmen durch verschiedene Maßnahmen, u.A.:
Sensibilisierung Altersstrukturanalyse (gegenwärtig und zukünftig),
Checkliste zur Zukunftsorientierung der Personalpolitik,
Workshops zum Bewusstsein für das Thema Alter,
Neuorientierung bzw. Abkehr vom „Jugendwahn“
Systematische Strukturierung eines organisierten,
Know-how-Transfer generationenspezifischen Wissenstransfers u.A. durch Zusammenarbeit
von jüngeren und älteren Mitarbeitern (Wissensträger) mit kurzen und
direkten Informationswegen sowie flachen Hierarchien
Durchführung einer Qualifikationsbedarfsanalyse zum Abgleich von
Qualifikationslevel der Mitarbeiter und (erwarteten) Arbeitsanforderungen;
zudem Selbstbeurteilung der Mitarbeiter möglich; mittelfristig ist die
Makroergonomie

Laufbahnplanung Erarbeitung eines Personalentwicklungsplans empfehlenswert und


langfristig sollte eine lebensphasenorientierte Laufbahnplanung das Ziel
sein, während Schritte zur Implementierung mithilfe von
Szenarioworkshops (Analyse von Veränderungen und Perspektiven der
operativen Struktur) abgeleitet werden können
berufliche Weiterbildung Erweiterung des Aufgabenspektrums durch Team-/Gruppenarbeit und Job
und lebenslanges Lernen Rotation sowie langfristig Sicherstellung, dass sich die Qualifikationen der
jüngeren und älteren Mitarbeiter ergänzen
Umfangreiche Bestandsaufnahme zur Identifikation alterskritischer
Arbeitsplätze (systematische Detektion, Bewertung und Dokumentation von
Arbeitsplatzbelastungen); Erstellung eines Gesundheitsreports für das
Unternehmen; Angebot von speziellen Gesundheits-Checks für Mitarbeiter
betriebliche
ab einem gewissen Alter; altersdifferenzierte ergonomische
Gesundheitsförderung
Arbeitsplatzgestaltung; Job Enlargement/Enrichment/Rotation; Senkung
von Leistungszielen für gesundheitlich beeinträchtigte Mitarbeiter; interne
operative Gesundheitszirkel; unternehmensspezifisches Programm zum
Erhalt und der Förderung von Gesundheit (ggf. mit entsprechendem
Lenkungsausschuss)

2.2.3 Intelligenz

2.2.3.1 DefinitionĆundĆRelevanzĆ
Obwohl die Intelligenzforschung fast so alt ist wie die Psychologie selbst, gibt es
bis heute keine einheitliche Definition dieses Konstruktes. STEINMAYR u.
AMELANG (2007) fassen die Gemeinsamkeiten der meisten Intelligenzdefinitionen
wie folgt zusammen:
Arbeitsperson 135

„Intelligenz wird als eine Begabung angesehen, die interindividuell variieren


kann und die eine Fähigkeit beschreibt, Probleme richtig zu lösen und neue
Situationen zu bewältigen. Intelligenz ermöglicht zielgerichtete Lösungsstrategien,
die durch Versuch und Irrtum entstehen. Mit Intelligenz wird eine Fähigkeit
beschrieben, Zusammenhänge zu erfassen, herzustellen und auch zu deuten.“
Allgemein ausgedrückt beschreibt Intelligenz somit die Fähigkeiten einer
Person, kognitive Aufgaben zu lösen (BOURNE u. EKSTRAND 2005).
In der neueren Kognitionsforschung werden zwei grundlegende Bestandteile
der menschlichen Intelligenz benannt: Die Geschwindigkeit der
Informationsverarbeitung (speed of information processing) sowie die Kapazität
des Arbeitsgedächtnisses (working memory capacity). Personen mit einer höheren
Intelligenz sind fähig, Informationen schneller aufzunehmen und zu verarbeiten
sowie schneller auf das Kurz- und Langzeitgedächtnis zuzugreifen (BORKENAU et
al. 2005).

2.2.3.2 IntelligenzmessungĆ
Das Thema Intelligenz ruft wegen seiner gesellschaftlichen Relevanz zahlreiche
Stellungnahmen hervor, die es schwer machen, einen Gesamtüberblick über die
Einflüsse der einzelnen Forscher zu geben. Die historischen Abhandlungen
unterscheiden sich sehr stark und zwar vor allen Dingen dahin gehend, welche
Persönlichkeiten welchen Einfluss auf das heutige Konzept der Intelligenz hatten
und welche Ergebnisse als Erfolg oder als Misserfolg zu werten sind. Als
gesichert ist anzusehen, dass Francis Galton der erste Wissenschaftler war, der
über Intelligenz und Intelligenzmessung publizierte (GALTON 1883, GALTON
1908). Er beschäftigte sich mit der Frage, wie geistig zurückgebliebene Kinder
unterrichtet werden müssten. Zu diesem Zweck wollte er die Intelligenz dieser
Kinder erheben. In umfangreichen Langzeitstudien konnte Galton bspw.
nachweisen, dass Kinder, die auf einer Altersstufe als zurückgeblieben eingestuft
worden waren, noch weiter hinter das Intelligenzalter ihrer Altersgruppe
zurückfielen, wenn sie älter wurden (ZIMBARDO u. GERRIG 2004). Weiterhin
ergaben seine Untersuchungen, dass einfache Reaktionszeiten oder Fähigkeiten im
sensorischen Bereich keine Zusammenhänge zeigten zu anderen Aspekten der
Bildung und Begabung (NEUBAUER 1995).
Galtons Untersuchungen inspirierten zahlreiche Forscher seiner Zeit. So
standardisierte TERMAN (1916) Galtons Test und entwickelte weitere
altersspezifische Normdaten durch Testung von sehr großen Kinderstichproben.
Der so entstandene Test wird als Stanford-Binet-Intelligenztest bezeichnet. Dabei
berief sich Terman auf STERN (1912), der einen sog. Altersquotienten postulierte,
der jedoch heute nicht mehr gebräuchlich ist. Stern definierte den
Intelligenzquotienten als das Verhältnis des Intelligenzalters zum Lebensalter.
Terman, dem durch die Entwicklung des Standford-Binet-Tests sehr große
Beachtung zuteil wurde, vertrat die Ansicht, dass der Intelligenzquotient IQ
136 Arbeitswissenschaft

unveränderliche (erbliche) Aspekte der menschlichen Intelligenz beschreiben


würde.
Der Stanford-Binet-Test wurde 1972 von Terman und Merril überarbeitet.
Hierbei wurden neue Normen erstellt und anstelle des Altersquotienten trat der
Abweichungsquotient, der sich nach der Abweichung des eigenen Ergebnisses zur
Kohorte bestimmt.
Heute gelten Werte des IQ zwischen 90 und 110 als normal; Werte über 120
werden als überdurchschnittlich angesehen und Werte unter 70 gelten als
Anzeichen für eine geistige Behinderung (ZIMBARDO u. GERRIG 2004) (siehe
Kap. 2.2.4.3).
Neben der Weiterentwicklung der ursprünglichen Binet-Simon-Skalen durch
Terman fand in Deutschland eine Überarbeitung durch BOBERTAG (1911, zitiert
nach ZIMBARDO u. GERRIG 2004) und später (1972 und 1982) durch Kramer statt.
Diese Skalen sind unter dem Namen Binet-Simon-Kramer-Test (BSK) und
Kramer-Test (KT) bekannt (ZIMBARDO u. GERRIG 2004).
David Wechsler entwickelte einen Intelligenztest, der nur teilweise
sprachabhängig ist, denn seine Tests beinhalten Verbalteile und Handlungsteile.
Bei den Tests handelt es sich um den Hamburg-Wechsler-Intelligenztest, den es
für Erwachsene (HAWIE), für Kinder (HAWIK-R) und für Vorschulkinder
(HAWI-VA) gibt. Diese Tests gehören zu den in Deutschland am häufigsten
eingesetzten.
Existierende Intelligenztests vernachlässigen häufig Aspekte der geistigen
Leistungsfähigkeit, wie bspw. Problemlösefähigkeit. Die Tests beurteilen nicht die
Art und Weise, wie der Proband zur Lösung der Aufgabe gekommen ist, sondern
nur dessen Endergebnis.
Die Fähigkeit, sich Kenntnisse und Fertigkeiten anzueignen, ist Bestandteil der
geistigen Leistungsfähigkeit, wird aber in Intelligenztests häufig nicht geprüft.
Bei der Testkonstruktion werden vereinfachende Annahmen gemacht, die
streng genommen nicht zulässig sind. So beruhen Intelligenztests auf der
Annahme der klassischen Testtheorie, die besagt, dass Zusammenhänge linear und
additiv sind, d.h. löst jemand doppelt so viele Aufgaben wie ein anderer, so ist er
zweimal so intelligent. Ebenso werden bei der Testkonstruktion
Intelligenzmodelle zugrunde gelegt, so dass die Auswahl der Merkmale, die
gemessen werden sollen, beeinflusst werden. Im Extremfall misst ein
Intelligenztest dann das, was er messen soll. Die sich dadurch zwangsläufig häufig
ergebende Übereinstimmung zwischen Modell und Test ist deshalb streng
genommen ein methodisches Artefakt.
Bei der Testdurchführung unterscheidet man zwei Gruppen von Problemen:
Universalität und Generalität. Die Generalität beschreibt die Abhängigkeit von
den Randbedingungen der jeweiligen Testsituation, z.B. Ermüdung, Stress,
Testangst, Instruktionsverständnis, Testtraining, Zeitdruck usw. Das
Universalitätsproblem ist Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen und
beschreibt die Abhängigkeit der Testergebnisse von Alter, Begabung, Geschlecht,
Erbgut, Schulbildung, Kultur, sozialem Umfeld, ethnischer Herkunft etc. Die
Arbeitsperson 137

Angabe der Intelligenz durch einen von einem Intelligenztest gemessenen IQ ist
daher mit Vorsicht zu werten.
BORKENAU et al. (2005) berichten über Zusammenhänge zwischen Intelligenz
und Berufserfolg zwischen r = 0,51 und r = 0,62. Der Zusammenhang zwischen
Studienerfolg und Intelligenz liegt zwischen r = 0,32 und r = 0,36.
In Unternehmen wird daher dem Konstrukt Intelligenz großes Interesse
beigemessen. Intelligenztests werden vor allem in größeren Betrieben in
Kombination mit anderen Fähigkeitstests (technisches Verständnis,
Maschineschreiben, Sozialverhalten, Führungsqualitäten etc.) zur Beurteilung der
Fähigkeiten von einzustellendem Personal verwendet.

Abhängigkeit von Kultur und Bildung


Die meisten Intelligenztests setzen voraus, dass der Proband lesen und schreiben
kann. Diese Anforderungen sind jedoch nur in Abhängigkeit von der Ausbildung,
der Kultur und dem sozialen Hintergrund des Probanden erfüllbar. Die Folge ist,
dass Intelligenztests bei Angehörigen ethnischer oder kultureller Minderheiten
sowie sozial schwacher Schichten eine niedrigere Intelligenzleistung messen. Um
diese Problematik zu vermeiden, sind sog. kulturfreie Tests entwickelt worden, die
auf Symbolen und grafischen Darstellungen beruhen.
Ein Problem der kulturfreien Intelligenztests ist, dass mit soziokulturellen
Unterschieden nicht richtig umgegangen wird. So geben diese Tests genau wie
herkömmliche Tests, wenn auch in geringerem Maße, soziale Klassenunterschiede
wieder und sind außerdem als Prädiktor für Schul- bzw. geistige Leistung weniger
zuverlässig. Diese wird immer auch von dem kulturellen und sozialen Hintergrund
geprägt. Es ist daher zweifelhaft, ob es überhaupt möglich ist, kulturfreie Tests zu
konstruieren, und falls doch, kann deren Aussagekraft bezüglich der geistigen
Leistungsfähigkeit angezweifelt werden.

Abhängigkeit vom Alter


Aufgrund der Definition des IQs als eine relativ zur Altersgruppe berechneten
Größe könnte man glauben, dass die Intelligenzleistung über dem Alter konstant
ist. Die Entwicklung der Intelligenz ist jedoch kein kontinuierlicher Prozess,
sondern läuft in mehr oder weniger diskreten Phasen ab, so dass die Normierung
der Intelligenzleistung durch eine Gruppe Gleichaltriger problematisch ist. Dies
gilt insbesondere in der Jugend, in der die Intelligenz den heftigsten
Entwicklungen unterworfen ist. Obwohl es zahlreiche Intelligenztests für Kinder
gibt, die bis in das Vorschulalter reichen, sind Intelligenzmessungen im
Allgemeinen unter 17 Lebensjahren unzuverlässig. Aber auch im
Erwachsenenalter ist die Intelligenzleistung nicht konstant.

Abhängigkeit vom Geschlecht


Um die Jahrhundertwende wurde von vielen Forschern behauptet, dass sich die
männliche Dominanz im gesellschaftlichen Leben aus einer höheren männlichen
138 Arbeitswissenschaft

Intelligenz ableiten würde. Man würde erwarten, dass sich diese Aussagen durch
die Durchführung von standardisierten Intelligenztests überprüfen ließen. Es
stellte sich heraus, dass wirklich die Ergebnisse von Männern und Frauen
differierten. Die Ursache dafür ist, dass tatsächlich Unterschiede zwischen
Männern und Frauen in der Intelligenzleistung bestehen und diese sich je nach
Testkonstruktion mehr oder weniger stark auswirken. Die Hauptunterschiede sind:
x Frauen erbringen im Allgemeinen bessere akademische Leistungen (sie
bekommen bessere Noten in Schulen und Universitäten (SHERMAN 1971))
x Frauen besitzen eine höhere Leistungsfähigkeit bei verbalen Fähigkeitstests
x Männer leisten mehr bei Tests, die Technikverständnis messen
x Männer leisten mehr bei räumlichen Fähigkeitstests (WITKIN et al. 1962).
Damit sich diese Unterschiede nicht durch die Auswahl bestimmter Merkmale
bei der Testkonstruktion bemerkbar machen, haben u.A. TERMAN u. MERRILL
(1937), die maßgeblich den Stanford-Binet-Test überarbeiteten, die Testitems, die
große Unterschiede bei Männern und Frauen aufwiesen, aus der endgültigen
Version des Testes entfernt. Somit weist dieser Test im Durchschnitt für Frauen
und Männer identische Ergebnisse auf.
Die Diskussion, ob Intelligenz geschlechtsabhängig ist, ist eng verbunden mit
der Frage, ob Intelligenz durch das Erbgut oder die Umgebungsfaktoren festgelegt
wird (siehe unten). Allgemein lässt sich sagen, dass sehr wohl
Geschlechtsunterschiede existieren, diese sich jedoch nicht in der allgemeinen
Intelligenzleistung äußern, sondern dass die Schwerpunkte der Leistungsfähigkeit
in unterschiedlichen Bereichen liegen (siehe Kap. 2.1.1).

2.2.3.3 IntelligenzmodelleĆ

Intelligenz ist eine Eigenschaft eines Individuums, die als positiv eingestuft wird:
Je mehr man davon hat, umso besser. Intelligenz ist nicht, wie z.B. Körpergröße
oder Haarfarbe, direkt beobachtbar, sondern muss aus dem Verhalten erschlossen
werden. Hieran muss sich die Überlegung anschließen, ob Intelligenz eine
einheitliche, allgemeine Fähigkeit oder eine mehr oder weniger offene Vielzahl
von Einzelfähigkeiten ist. Vor diesem Hintergrund unterscheidet man die globalen
(ganzheitlichen) und die operationalen Intelligenzdefinitionen.
2.2.3.3.1 Globale Intelligenzdefinitionen
Die globalen (ganzheitlichen) Definitionen versuchen, das Wesen der Intelligenz
in seiner Gesamtheit zu beschreiben. Auf formale Aussagen über
Zusammensetzung und Struktur von Intelligenz wird in der Regel verzichtet. Im
Folgenden sind einige Beispiele für ganzheitliche Intelligenzdefinitionen gegeben:

Antike
Intelligenz ist die Funktion höchsten abstrakten Erkennens, als Einsicht oder
Verständnis (intellectus) der Vernunft (ratio) und dem sinnlichen Erkennen
(sensatio) übergeordnet.
Arbeitsperson 139

STERN (1912)
Intelligenz ist die allgemeine Fähigkeit eines Individuums, sein Denken bewusst
auf neue Forderungen einzustellen; sie ist allgemein geistige Anpassungsfähigkeit
an neue Aufgaben und Bedingungen des Lebens.

ANASTASI U. FOLEY (1949)


Intelligenz ist die Summe der den innerhalb einer bestimmten Kultur
Erfolgreichen gemeinsamen Fähigkeiten.

HOFSTÄTTER (1966)
Intelligenz ist die Fähigkeit zur Auffindung von Redundanz.

WECHSLER (1964)
Intelligenz ist die zusammengesetzte und globale Fähigkeit des Individuums,
zweckvoll zu handeln, vernünftig zu denken und sich mit seiner Umgebung
wirkungsvoll auseinanderzusetzen.
Das bedeutendste ganzheitliche Intelligenzmodell ist das Stufenleitermodell,
das hauptsächlich auf Arbeiten von BINET u. SIMON (1905) sowie TERMAN (1916)
zurückgeht und bereits Grundergebnisse späterer Intelligenzforschung
vorwegnimmt:
x Intelligenz variiert interindividuell
x Intelligenz ist abhängig vom Lebensalter.
Das Stufenleitermodell entwickelt die Idee, dass der durchschnittliche „mentale
Alterswert“ oder das „Intelligenzalter“ mit dem chronologischen Alter
übereinstimmt, und schwächere Personen lediglich im „mentalen Wachstum“
zurückgeblieben sind und somit einen mentalen Alterswert haben, der geringer als
das chronologische Alter ist. Ein Intelligenztest nach diesem Modell ist daher
derart konzipiert, dass die Schwierigkeit der Aufgaben kontinuierlich ansteigt und
so beschaffen ist, dass sie jeweils von einer bestimmten Altersstufe gerade noch
gelöst werden kann. Damit erhält man eine Skala (Stufenleiter) für die Intelligenz.
Diesen Überlegungen liegen folgende Annahmen zugrunde:
x Intellektuelle Fähigkeiten entwickeln sich bis zu einem Höchstalter linear
und stetig
x Ein Entwicklungsvorsprung ist ein Anzeichen für höhere Intelligenz und
umgekehrt
x Die Entwicklung der Intelligenz ist mit einem bestimmten Alter beendet.
Insbesondere die letzte Annahme ist problematisch, weil das Alter, in dem die
Entwicklung der Intelligenz beendet sein soll, nur schwer anzugeben ist.
Außerdem war die Berechnungsmethode für den mentalen Alterswert fragwürdig.
140 Arbeitswissenschaft

2.2.3.3.2 Operationale Intelligenzdefinitionen


Die operationalen Intelligenzdefinitionen beruhen auf der Annahme, dass
Intelligenz durch eine Vielzahl einzelner Eigenschaften bestimmt wird. Ziel ist es,
diese auf Basis von Ergebnissen aus Intelligenztests zu identifizieren. Die
verwendete Vorgehensweise ist eine statistische Auswertung der Ergebnisse von
Intelligenztests, bei der versucht wird, aus dem Zusammenhang zwischen
Leistungen in verschiedenen Bereichen auf die allen gemeinsam zugrunde
liegenden Bedingungen zu schließen.

Zweifaktorenmodell von Spearman


Der britische Wissenschaftler SPEARMAN (1927) stellte fest, dass „alle Zweige
intellektueller Tätigkeit eine grundlegende Funktion gemeinsam haben, während
die verbleibenden oder spezifischen Elemente dieser Tätigkeit in jedem Fall von
denen aller anderen völlig verschieden zu sein scheinen.“ Er schreibt die positiven
Korrelationen zwischen den Ergebnissen verschiedener Intelligenztests T1 bis Tn
der Existenz eines Generalfaktors (g-Faktor) zu, der für alle Aufgaben notwendig
ist, wogegen die verbleibenden Restvarianzen durch spezifische Faktoren si (s-
Faktoren) für die speziellen Aufgaben zu erklären sind (Abb. 2.19). Das Modell
von Spearman wird als Zweifaktorenmodell bezeichnet.

T1 T2
s1
s2
T3 s3
g

s4 sn
T4
Tn
Abb. 2.19: Das Zweifaktorenmodell von Spearman (T1 bis Tn sind die Korrelationen
zwischen verschiedenartigen Intelligenztests, die grauen Felder stellen die extrahierten
Faktoren dar und die hellen Felder entsprechen den nicht bestimmbaren
Residualkorrelationen)

Ausgehend von den Arbeiten von Spearman entwickelten sich zwei


verschiedene Forschungsrichtungen. Während die eine auf dem
Zweifaktorenmodell von Spearman aufbaute und diese Faktoren weiter
Arbeitsperson 141

verfeinerte, was zu hierarchischen Intelligenzmodellen führte, entwickelten die


anderen Multifaktorenmodelle. Da Erstere hauptsächlich in Großbritannien und
Letztere in den USA verbreitet waren, nennt man diese Forschungsrichtungen
auch die englische bzw. amerikanische Schule.
2.2.3.3.3 Multifaktorenmodelle
Ausgehend von dem Problem, dass nach der Extraktion des g-Faktors bei
Spearman oft substanzielle Restkorrelationen verblieben, vermuteten einige
Wissenschaftler, dass die Intelligenz aus verschiedenen Faktoren
zusammengesetzt ist. Diese Faktoren bestimmen jeweils die Leistungen in
bestimmten Bereichen, was der landläufigen Vorstellung von Intelligenz
entspricht.

Primärfaktorenmodell von Thurstone


Mithilfe dieses Verfahrens entwickelte THURSTONE (1938) ein alternatives
Modell mit mehreren Intelligenzfaktoren. Dieses Modell besteht aus sieben
Intelligenzfaktoren, den sog. primary mental abilities (PMA) (Abb. 2.20):

Abb. 2.20: Multifaktorenmodell von Thurstone (T1 bis Tn sind die Korrelationen zwischen
verschiedenartigen Intelligenztests, die grauen Felder stellen die extrahierten Faktoren dar
und die hellen Felder entsprechen den nicht bestimmbaren Residualkorrelationen)
142 Arbeitswissenschaft

Die PMA werden wie folgt erhoben:


(1) Verbales Verstehen (verbal comprehension) wird meist gemessen mit
Vokabulartests (Synonymen und Antonymen) und Tests für Textverständnis
(Lesen).
(2) Sprachgewandtheit (word fluency) betrifft die schnelle Produktion von
Wörtern (z.B. in einer beschränkten Zeit möglichst viele Wörter, die mit „d”
anfangen).
(3) Numerische Fähigkeiten (number) werden mit Aufgaben gemessen, die
sowohl Rechnen als auch logisches Denken erfordern, jedoch mit relativ
geringer Bedeutung von Vorkenntnissen.
(4) Räumliches Vorstellungsvermögen (space): Eine typische Aufgabe ist die
der mentalen Rotation wie bspw. die Frage, ob Figurenpaare identisch oder
gespiegelt sind.
(5) Gedächtnis (memory): Eine typische Aufgabe ist das paarweise assoziative
Lernen. Eine Reihe (photographischer) Bilder von Personen wird zusammen
mit den Namen angeboten. Nach einer gewissen Zeit werden die Bilder
gezeigt und die dazu gehörenden Namen gefragt.
(6) Logisches Denken (induction and reasoning) wird mit Hilfe von Analogien
untersucht sowie mit der geforderten Fortsetzung arithmetischer Reihen (z.B.
2, 4, 7, 11, ?).
(7) Wahrnehmungsgeschwindigkeit (perceptual speed) wird gemessen mit
Aufgaben, die das schnelle Erkennen von Symbolen erfordert,
z.B. alle Buchstaben „I” aus einer Reihe von Buchstaben anzukreuzen.
2.2.3.3.4 Hierarchische Intelligenzmodelle
Als Mittelweg zwischen dem Zweifaktorenmodell und den Multifaktorenmodellen
wurden hierarchische Intelligenzmodelle entwickelt, die zwar auf den oberen
Ebenen den g-Faktor enthalten, aber auf den unteren Ebenen eine Aufspaltung
analog zu den Mehrfaktorenmodellen aufweisen. Burt, Wechsler, Vernon, Cattell
u.A. haben solche hierarchischen Intelligenzmodelle entwickelt, von denen hier
die von VERNON (1950) und CATTELL (1941) dargestellt werden. Die
hierarchische Ordnung spiegelt bei allen Modellen nicht nur eine
klassifikatorische Ordnung wider, sondern drückt auch eine funktionale
Abhängigkeit aus. Das heißt, dass sowohl die Faktoren der unteren Ebenen von
denen der oberen Ebenen abhängig sind als auch die der unteren Ebenen
Voraussetzung für die der übergeordneten Ebenen sind.
Diesen Zusammenhang verdeutlicht JENSEN (1969) anhand eines Beispiels:
Die Leistung beim Ziehen eines Gewichtes mit der rechten Hand ist u.A.
korreliert mit der Muskelgröße sowohl des rechten Unterarms als auch des rechten
Oberarms. Wenn der Oberarmmuskel nun durch Atrophie oder Verletzung
geschwächt ist, wird der Unterarm unabhängig von seinem eigenen muskulären
Zustand mehr oder weniger ineffektiv sein, seine Zugkraft gering. Andererseits,
wenn der Unterarmmuskel atrophiert, während der Oberarmmuskel seine volle
Stärke behält, wird die gesamte Zugkraft viel weniger beeinträchtigt sein. Mit
Arbeitsperson 143

anderen Worten, die Effektivität des Unterarmes ist viel stärker von der Kraft des
Oberarmes abhängig als umgekehrt. Dies ist die Bedeutung der hierarchisch
funktionalen Abhängigkeit.

Hierarchisches Intelligenzmodell von Vernon


Bei dem Intelligenzmodell von VERNON (1950, 1972) werden die verschiedenen
Intelligenzfaktoren vier Hierarchieebenen zugeordnet (Abb. 2.21). Ausgehend von
der allgemeinen Intelligenz, die durch den g-Faktor in Analogie zu Spearman
beschrieben wird, gibt es auf der Hauptgruppenebene die zwei bedeutenden
Faktoren v:ed (verbal-educational) und k:m (kinesthetic-mechanical) neben dem
Faktor i (induction). Der Faktor k:m steht dabei mit nicht der Intelligenz
zuzuordnenden psychomotorischen (sensumotorischen) Fertigkeiten in
Verbindung. Auf den unteren Ebenen spalten sich die Faktoren weiter auf, bis auf
der untersten Ebene spezifische Testvarianzanteile enthalten sind.
Das Intelligenzmodell von Vernon lässt die Integration verschiedener
Komponenten menschlicher Leistungsfähigkeit zu. Die verschiedenen Bereiche
der Intelligenz, von den spezifischen konkreten Eigenschaften bis zu den
allgemeinen abstrakten, sind in diesem Modell nicht starr getrennt, sondern
funktional miteinander verbunden.

Abb. 2.21: Hierarchisches Intelligenzmodell von Vernon (v:ed = sprachlich-anerzogen,


k:m = kinesthetisch-mechanisch, i = induction, f = Flüssigkeit des Denkens,
w = Wortflüssigkeit, v = sprachliche Fähigkeit, n = Operieren mit Zahlen, p =
Wahrnehmungsgeschwindigkeit, nach VERNON 1972)

2.2.3.3.5 Fluide und kristalline Intelligenz


Obwohl er der „amerikanischen Schule“ zugewiesen werden kann, hat auch
CATTELL (1941, 1963, 1971) ein hierarchisches Intelligenzmodell entwickelt. Er
144 Arbeitswissenschaft

führte dabei die Begriffe fluid general intelligence gf(h) (fluide Intelligenz) und
crystallized general intelligence gc (kristalline Intelligenz) ein. Die kristalline
Intelligenz besteht aus dem erworbenen Wissen und der Fähigkeit, auf dieses
Wissen auch zuzugreifen. Gemessen wird die kristalline Intelligenz mit
Wortschatztests, Tests zur Überprüfung des Allgemeinwissens oder mit
Rechentests. Die fluide Intelligenz ist als Fähigkeit zu interpretieren,
Zusammenhänge, die komplex sind, zu erkennen und auch Probleme zu lösen.
Erhoben wird diese Intelligenz mit Matrizenaufgaben und Anordnungen
räumlicher Art, die zur Lösung logische Schlussfolgerungen erfordern
(ZIMBARDO u. GERRIG 2004).
Das Besondere an Cattells Modell ist die Zerlegung der Intelligenz in ererbte
und erworbene Anteile. Nach Cattell handelt es sich bei dem gf-Faktor um die
vom Lernschicksal und den Umgebungsbedingungen unabhängige, genetisch
veranlagte Intelligenz und bei der kristallisierten Intelligenz um den durch
Lernvorgänge ausgelösten Komplex schulischer und familiärer Erfahrungen.
Das Intelligenzmodell ist allerdings bezüglich seiner physiologischen und
erbpsychologischen Gegebenheiten weitgehend spekulativ und konnte nicht
eindeutig bestätigt werden. Bei Nachfolgeuntersuchungen nach Cattells
Versuchsdesign konnten die strukturellen Eigenschaften des Modells bestätigt
werden; bei abweichenden Versuchsplänen war diese Bestätigung allerdings schon
erheblich schwieriger.

2.2.3.4 IntelligenzĆ-ĆererbtĆoderĆerworben?Ć
Der Einfluss des Erbgutes bzw. der Umgebung auf die Intelligenzleistung ist und
war Gegenstand zahlreicher Diskussionen. Es handelt sich hierbei um essenzielle
Fragen der sozialen Verantwortung und der Gestaltung von Bildungssystemen.
Dementsprechend wurden die diversen wissenschaftlichen Ergebnisse oftmals für
politische Ideen missbraucht.
Die Amerikaner ERLENMEYER-KIMLING u. JARVICK (1963) haben 52
unabhängige Untersuchungen in 8 Ländern ausgewertet, die insgesamt über 30000
Korrelationspaare umfassten. Das Ergebnis ist in Abb. 2.22 dargestellt und lässt
sich im Sinne sowohl der Vererbungs- als auch der Umgebungstheorie
interpretieren.
Im Sinne der Vererbungstheorie:
x Die mittlere Korrelation bei eineiigen Zwillingen (0,87 und 0,75) ist
erheblich höher als bei zweieiigen (0,56 und 0,49).
x Die Korrelation bei eineiigen Zwillingen, die getrennt aufgewachsen sind, ist
höher (0,75) als bei zweieiigen Zwillingen (0,56 und 0,49) und Ge-
schwistern, die zusammen aufgewachsen sind (0,55).
x Die Korrelationen für Geschwister (0,47 und 0,55), zweieiige Zwillinge
(0,49 und 0,56) und Eltern und Kindern (0,5) liegen um den Wert von 0,5
(sie haben jeweils 50% der Gene gemeinsam).
Arbeitsperson 145

x Großeltern und Enkel haben eine Korrelation von etwa 0,25 (sie haben 25%
gemeinsame Gene).
x Die Korrelationen von Pflegeeltern zu ihren Kindern sind gering.
Im Sinne der Umgebungstheorie:
x Eineiige Zwillinge, die zusammen aufgewachsen sind, haben keine 100%ige
Korrelation.
x Eineiige Zwillinge, die zusammen aufgewachsen sind (0,87), haben eine
höhere Korrelation als getrennt aufgewachsene (0,75).
x Geschwister, die zusammen aufgewachsen sind (0,55), haben eine höhere
Korrelation als getrennt aufgewachsene (0,47).

0,9
0,87
0,8
0,75
0,7

0,6
Korrrelation

0,55 0,56
0,5 0,5
0 47
0,47 0 49
0,49
0,4

0,3
0,27
0,24
0,2 0,2

0,1

0 0
nge,

nge,
nkel

aufgewachsen

aufgewachsen
ndte

nge,

nge,
Kind
ennt

Kind
aufgewachssen

Geschwistter,

Geschwistter,
en

en

en
Nichtverwandtte

en

es
en

n,

Großeltern-En

zusamme

Zweieiige Zwillin

aufgewachse

aufgewachse
Pflegeeltern-K

Zweieiige Zwillin
Eltern-K
Nichtverwan

getrenntt

Eineiige Zwillin

Eineiige Zwillin
Personen, getre

Personen
zusamme

verschiedene

zusammen n
aufgewachse

Geschlecht

Geschlecht

getrennt
gleiches

Abb. 2.22: IQ-Korrelationen von Personen mit verschiedenem Verwandtschaftsgrad nach


ERLENMEYER-KIMLING u. JARVICK (1963) (Die senkrechte Linie gibt die Streuung
der Ergebnisse der verschiedenen Autoren an. Der Mittelwert ist angegeben.)

Die Ergebnisse der Familienforschung bestätigen eindeutig, dass zumindest


Sonderbegabungen wie musikalische, künstlerische oder mathematische
Begabungen, eine erbliche Grundlage haben. Sicherlich werden diese Fähigkeiten
durch das Elternhaus entsprechend gefördert, aber die Höchstbegabungen, die z.B.
in den Familien Bach, Mozart-Weber, Cranach, Bernoulli, Darwin, Tischbein etc.
auftraten, sind durch Förderung ohne Begabung nicht zu erreichen. Umgekehrt
gibt es viele Fälle, in denen Höchstbegabungen in Familien Einzelfälle waren (vgl.
Abb. 2.23).
Aus diesen und ähnlichen Untersuchungen ergibt sich, dass Intelligenz sowohl
erblich bedingt als auch erworben ist. Das bedeutet, dass man durch eine
entsprechende Förderung bzw. Vernachlässigung die Intelligenzleistung stark
beeinflussen kann, aber auch, dass diesen Bemühungen Grenzen durch die
Begabung gesetzt sind.
146 Arbeitswissenschaft

Im Einklang mit der Umgebungstheorie wurde in den 70er Jahren die These
entwickelt, dass die Arbeitsplatz- und Tätigkeitsgestaltung einen wesentlichen
Einfluss auf die Entwicklung der geistigen Leistungsfähigkeit hat. Obwohl viele
Untersuchungen zu diesem Thema methodische Schwächen haben, kann die
Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Intelligenz durch Tätigkeiten auf
niedrigem Niveau negativ und durch anspruchsvolle positiv beeinflusst wird.
SCHLEICHER (1973), der in einer Querschnittsanalyse 500 männliche Personen im
Alter von 16 bis 68 Jahren unter Anwendung mehrerer Teile des
Intelligenzstrukturtests (I-S-T, AMTHAUER 1953) untersuchte, konnte deutliche
Hinweise auf diese Schlussfolgerung finden.

männlich weiblich

Maler Kunsthandwerker

Abb. 2.23: Stammbaum der Familie Tischbein

2.2.4 Gesundheit

2.2.4.1 DefinitionĆundĆRelevanzĆ
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat im Jahr 1946 Gesundheit als
„Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und
nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen“ beschrieben. Mit dieser
Definition wurde Gesundheit zunächst in ihren körperlichen, psychischen und
sozialen Dimensionen gesehen.
Die WHO definiert heute Gesundheit als „positiver funktioneller
Gesamtzustand im Sinne eines dynamischen biopsychologischen
Gleichgewichtszustandes, der erhalten bzw. immer wieder hergestellt werden
muss“ (WHO 1986). Das Gleichgewichtszustandsmodell betont die aktive Rolle
von Arbeitspersonen bei der Erhaltung und Förderung ihrer Gesundheit sowie im
Genesungs- und Rehabilitationsprozess.
Arbeitsperson 147

Während dieser Ansatz die aktive Rolle des Individuums in den Mittelpunkt
rückt, fokussiert die Definition der „Gesundheitsförderung“ stärker auf eine
Handlungsorientierung der Gruppe bzw. eine „gesundheitsfördernde
Gesamtpolitik“, indem Gesundheitsförderung als „Prozess, allen Menschen ein
höheres Maß an Selbstbestimmung zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung
ihrer Gesundheit zu befähigen“ (WHO 1986) beschrieben wird (siehe Kap. 8).
Das Leitprinzip besteht darin, persönliche Kompetenzen, körperliche und
geistige „Ressourcen“ sowie soziale und gesellschaftliche Verhältnisse, die
Gesundheit bedingen und fördern, zu aktivieren, zu unterstützen und zu
stabilisieren (siehe Kap. 8.2.1).
Adressat der Gesundheitsförderung im Betrieb sind Arbeitspersonen aller
Lebensphasen und Altersstufen. Eine besondere Rolle kommt in diesem
Zusammenhang Menschen mit Beeinträchtigung und Behinderung zu, die deshalb
in den folgenden Kapiteln in den Fokus gerückt werden. Akute Erkrankungen und
ihre Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit werden hingegen im Weiteren nicht
behandelt. Dem Ansatz der WHO folgend ist das Ziel, Menschen trotz
Beeinträchtigung und Behinderung ein gesundes (Arbeits-)Leben zu ermöglichen
und sie bei der Bewältigung unterschiedlicher Lebensphasen und Verfolgung von
Karrierewegen zu unterstützen.
Menschen mit einer Behinderung gelten grundsätzlich nicht als „nicht gesund“.
Dabei ist zu beachten, dass Behinderungen in ca. 80% der Fälle auf eine Krankheit
zurückzuführen sind (STATISTISCHES BUNDESAMT 2009). Um eine soziale und
berufliche Integration bzw. Reintegration zu ermöglichen, bedarf die Mehrzahl der
Menschen adäquater Unterstützungsangebote (u.A. medizinischer, psychosozialer,
pädagogischer Art).
Der Begriff der Behinderung lässt sich schwer definieren (EURICH 2008; vgl.
Definitionen im Sozialgesetzbuch in Kap. 2.2.4.2). Der Begriff steht im Kontext
vielfältiger Lebensbezüge und ist mehrdimensional zu betrachten. Nicht die
Schädigung und die Beeinträchtigung sind ausschlaggebend, sondern die Folgen,
die sich daraus für das Individuum ergeben.
1980 wurde die erste Fassung der International Classification of Impairments,
Disabilities and Handicaps (ICIDH) – ein Klassifikationsschema von Krankheiten
und Behinderung – durch die WHO publiziert. Die WHO hat 2001 die neue
Klassifikation nach ICF (International Classification of Functioning, Disability
and Health) genehmigt, die die ICIDH ablöste. Die ICF dient als länder- und
fachübergreifende einheitliche Klassifikation zur Beschreibung des funktionalen
Gesundheitszustandes, der Behinderung, der sozialen Beeinträchtigung und der
relevanten Umgebungsfaktoren einer Person. Während das alte Modell
defizitorientiert angelegt war ist das neue Modell ressourcen- und defizitorientiert.
Das klassische biopsychosoziale Modell wurde erweitert, insbesondere wurde der
Lebenshintergrund der Betroffenen mitberücksichtigt (Kontextfaktoren), indem
die Partizipation (Teilhabe) und deren Beeinträchtigung als Wechselwirkung
zwischen dem gesundheitlichen Problem und ihren personen- und
umweltbezogenen Kontextfaktoren betrachtet wird (RENTSCH u. BUCHER 2006).
148 Arbeitswissenschaft

Die ICF ist hierarchisch aufgebaut. Die Informationen werden in zwei Teile
gegliedert, wobei sich der eine Teil mit der Funktionsfähigkeit und Behinderung
(Körperfunktionen und -strukturen, Schädigungen, Aktivitäten und Partizipation)
und der andere Teil mit den Kontextfaktoren (Umweltfaktoren, personenbezogene
Faktoren) befasst. Die Dimensionen sind wie folgt:
x Schädigungen sind Beeinträchtigungen einer Körperfunktion oder -struktur,
wie z.B. eine wesentliche Abweichung oder ein Verlust (funktionell, z.B. ein
fehlender Arm).
x Unter Partizipation versteht man das Einbezogensein in eine Lebenssituation.
Dies bedeutet bis zu einem gewissen Grad eigenständig zu sein und fähig zu
sein, die eigene Lebenssituation unter Kontrolle zu haben, auch wenn die
Aktivitäten nicht selbst ausgeführt werden.
x Umweltfaktoren bilden die materielle, soziale und einstellungsbezogene
Umwelt eines Menschen. Diese Faktoren liegen außerhalb des Individuums
und können u.A. seine Leistung, seine Leistungsfähigkeit oder seine
Körperfunktionen und -strukturen positiv oder negativ beeinflussen.
x Personenbezogene Faktoren sind der spezielle Hintergrund des Lebens und
der Lebensführung eines Menschen. Sie umfassen Gegebenheiten des
Menschen, die nicht Teil ihrer Gesundheitsproblems oder -zustandes sind.
Diese Faktoren können u.A. Konstitutionsmerkmale wie Geschlecht,
ethnische Zugehörigkeit oder Dispositionsmerkmale wie Alter, Fitness,
Lebensstil, sozialer Hintergrund, Bildung und Ausbildung, Beruf sowie
vergangene oder gegenwärtige Erfahrungen, allgemeine Verhaltensmuster
und Charakter, individuelles psychisches Leistungsvermögen und andere
Merkmale umfassen, die bei Behinderungen auf jeder Ebene eine Rolle
spielen können.
x Schließlich bezeichnet eine Aktivität generell die Durchführung einer
Arbeitsaufgabe durch einen Menschen.
Die Interdependenzen zwischen den Dimensionen sind in Abb. 2.24 dargestellt.
Nach Abb. 2.24 stehen die Umweltfaktoren und die personenbezogenen
Faktoren in einer Wechselwirkung mit der Komponente Schädigung sowie den
Aktivitäten und der Partizipation. Behinderung ist das Resultat der Beziehung
zwischen dem Gesundheitsproblem eines Menschen und seinen
personenbezogenen Faktoren einerseits und den externen Faktoren, welche die
Umwelteinflüsse repräsentieren, andererseits. Aufgrund dieser Beziehungen
können verschiedene Konstellationen unterschiedliche Einflüsse auf denselben
Menschen haben. Folglich ist Behinderung das Resultat komplexer
Wechselwirkungen zwischen den Komponenten des Körpers und der Komponente
von Aktivitäten und Partizipation sowie den Kontextfaktoren (RENTSCH u.
BUCHER 2006).
Arbeitsperson 149

Health condition (Gesundheitsproblem)


disease / disorder (Krankheit / Störung)

Impairment Activity Participation


(Schädigung) (Aktivität) (Partizipation)

Contextual factors (Kontextfaktoren) Contextual factors (Kontextfaktoren)


A: Environmental (umweltbedingte) B: Personal (persönliche)

Abb. 2.24: Wechselwirkungen zwischen den Komponenten der International Classification


of Functioning, Disability and Health (ICF) (in Anlehnung an RENTSCH u. BUCHER
2006)

2.2.4.2 RechtlicheĆGrundlagenĆ
In Deutschland wurden in dem Neunten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB IX)
(„Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen“) wesentliche Aspekte der
ICF aufgenommen. Das zum 01.07.2001 in Kraft getretene SGB IX, welches das
Schwerbehindertengesetz (SchwbG) abgelöst hat, hat zum Ziel, Menschen mit
Behinderung oder von Behinderung bedrohte Menschen in ihrer
Selbstbestimmung und in der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der
Gesellschaft zu fördern. Der erste Teil des SGB IX enthält Regelungen zur
Rehabilitation von Menschen mit Behinderung oder von Behinderung bedrohter
Menschen. Das bisherige SchwbG wurde in den zweiten Teil des Gesetzes
integriert. Es enthält die „besonderen Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter
Menschen”.
Als sozialpolitisches Ziel aller Teilhabeleistungen nennt §1 des SGB IX die
Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung und ihre umfassende Teilhabe
am Leben in der Gesellschaft. Das SGB IX definiert in §2 die Begriffe
Behinderung und Schwerbehinderung.
Nach §2 Abs. 1 SGB IX gelten Menschen als behindert, „wenn ihre körperliche
Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher
Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter
typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der
Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die
Beeinträchtigung zu erwarten ist.“
150 Arbeitswissenschaft

Diese Begriffsbestimmung lehnt sich an Vorschläge der WHO an. Sie orientiert
sich nicht an wirklichen oder vermeintlichen Defiziten, sondern im Vordergrund
steht das Ziel der Teilhabe an verschiedenen Lebensbereichen. Dabei ist als
Abweichung vom "typischen Zustand" der Verlust oder die Beeinträchtigung von
- im jeweiligen Lebensalter - normalerweise vorhandenen körperlichen, geistigen
oder seelischen Strukturen zu verstehen. Folgt aus dieser Schädigung eine
Teilhabebeeinträchtigung, die sich in einem oder mehreren Lebensbereichen
auswirkt, liegt eine Behinderung vor.
Menschen im Sinne des §2 Abs. 2 SGB IX sind schwerbehindert, „wenn bei
ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren
Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem
Arbeitsplatz im Sinne des §73 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses
Gesetzbuches haben.“
Menschen mit einem Grad der Behinderung „von weniger als 50, aber
wenigstens 30“ können Menschen mit einer Schwerbehinderung gleichgestellt
werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen
geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des §73 nicht erlangen oder nicht behalten
können (gleichgestellte behinderte Menschen) (§2 Abs. 3 SGB IX).
Während der Begriff Grad der Behinderung (GdB) in Zusammenhang mit dem
Schwerbehindertenrecht verwendet wird (Teil 2 SGB IX), wird der Grad der
Schädigungsfolgen (GdS) (hat die frühere Bezeichnung MdE, die Minderung der
Erwerbsfähigkeit, abgelöst) im sozialen Entschädigungsrecht und im Rahmen der
gesetzlichen Unfallversicherung genannt. Rechtlich stellen GdS und GdB einen
wichtigen Rahmen dar und sind zugleich Zugangsvoraussetzungen zur Erlangung
von sozialstaatlichen Leistungen (von steuerrechtlichen Begünstigungen bis hin zu
auf Behinderung basierenden Renten).
GdS und GdB werden nach gleichen Grundsätzen bemessen. Sie können
zwischen 20 und 100 variieren. Sie werden in 10er-Schritten gestaffelt. GdS und
GdB unterscheiden sich lediglich dadurch, dass der GdS nur auf die
Schädigungsfolgen (kausal) und der GdB auf alle Gesundheitsstörungen
unabhängig von ihrer Ursache (final) bezogen ist. Der GdB bezieht sich allein auf
die Auswirkungen einer Behinderung in allen Lebensbereichen und ist
grundsätzlich unabhängig vom ausgeübten oder angestrebten Beruf. Er wird somit
als ein Maß für einen körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Mangel
verstanden. Der GdB sagt nichts über die tatsächliche Beeinträchtigung der
Leistungsfähigkeit und die Belastbarkeit am Arbeitsplatz aus. Deshalb ist zu
prüfen, ob die funktionellen Einschränkungen die vorgesehene Tätigkeit
beeinträchtigen. Entscheidend ist immer eine Gesamtsicht der tatsächlichen
Beeinträchtigung. Für die Feststellung gibt es bundesweite Richtlinien, die sog.
„Versorgungsmedizinischen Grundsätze", die am 1. Januar 2009 in Kraft getreten
sind.
Als „leistungsgewandelt” wird eine gesundheitlich beeinträchtigte
Arbeitsperson bezeichnet, der kein Grad der Behinderung zuerkannt wurde. Von
„leistungsgewandelt“ kann gesprochen werden, wenn eine Krankheit zu einer
Arbeitsperson 151

nicht nur vorübergehenden Beeinträchtigung der Gesundheit und


Leistungsfähigkeit führt. Leistungsgewandelte weisen demnach eine irreversible
Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit auf (RUDOW 2004).
Eine Leistungswandlung kann sich auf körperliche, mentale und psychische
Aspekte beziehen.
x Die körperliche Leistungswandlung untergliedert sich für gewöhnlich in
wesentliche Abweichungen von mittlerer und maximaler Muskelkraft
(dynamisch und statisch gefordert), motorischer Leistungsfähigkeit
(Handgeschicklichkeit, Bewegungsgeschwindigkeit, Koordination) und
kardiopulmonaler Leistungsfähigkeit (Herz und Lunge betreffend).
x Die informatorisch-mentale Leistungswandlung beinhaltet die
Informationsaufnahme, Informationsverarbeitung und Informationsabgabe.
x Die psychische Leistungswandlung wird anhand folgender Analysen
bewertet: Anforderungsanalyse (Welche Voraussetzungen müssen zur
Erfüllung von Aufgaben mitgebracht werden?), Analyse der
Leistungsvoraussetzungen, Analyse der Aufmerksamkeit und Analyse der
Motivation und Arbeitszufriedenheit (NOWAK 2006).
Im Gegensatz zum Schwerbehinderten wird der Leistungsgewandelte stets in
Beziehung zur konkreten Tätigkeit, zu den Arbeitsanforderungen und Belastungen
beurteilt. Eine Fallbesprechung unter Beteiligung von Patient, Hausarzt,
Betriebsarzt, Rehaklinik, Personalvertretung (Betriebs-, Personalrat) und
Geschäftsleitung soll bereits bei drohenden Abweichungen von Anforderungs-
und Fähigkeitsprofil intensiviert werden (NOWAK 2006).
Der Wiedereingliederungsprozess stellt derzeit für viele Unternehmen eine
Herausforderung dar (Rudow 2004): Einerseits ist eine signifikante Zunahme der
leistungsgewandelten Beschäftigten zu beobachten, u.A. hervorgerufen durch die
demographische Entwicklung, längere Lebensarbeitszeiten und Veränderungen in
den Krankheitsbildern. Andererseits ist infolge von technologischen Innovationen,
Rationalisierungsmaßnahmen u.a.m. eine Abnahme von Arbeitsplätzen zu
konstatieren, die von Leistungsgewandelten besetzt werden können.
Für die nachhaltige Problemlösung sind arbeitsorganisatorische Gestaltungs-
ansätze (siehe Kap. 5 und Kap. 8) sowie Maßnahmen zur ergonomischen
Arbeits(platz)gestaltung (siehe Kap. 10.1) angezeigt.

2.2.4.3 ArtenĆvonĆBehinderungenĆ
In der Bundesrepublik Deutschland waren im Januar 2008 6,9 Millionen
Menschen bei den Versorgungsämtern als Schwerbehinderte amtlich anerkannt.
Verglichen mit der Gesamtbevölkerung entspricht dies einem Anteil von 8,4%.
Statistisch gesehen war somit jeder zwölfte Einwohner in Deutschland
schwerbehindert.
Die Schwerbehindertenquote ist durch zwei wesentliche Charakteristika
gekennzeichnet. Zum einen steigt die Schwerbehindertenquote mit zunehmenden
Alter an (mehr als die Hälfte der schwerbehinderten Menschen (54,4%) waren
152 Arbeitswissenschaft

2007 65 Jahre und älter) und zum anderen ist die Schwerbehindertenquote bei
Männern höher als bei Frauen.
Insgesamt haben körperliche Behinderungen den größten Anteil an den
Behinderungsarten. 2007 litten fast 2/3 der schwerbehinderten Menschen unter
körperlichen Behinderungen (siehe Tabelle 2.5).
Tabelle 2.5: Häufigkeiten der schwersten Behinderungen im Jahr 2007 (Daten nach
STATISTISCHES BUNDESAMT 2009)

Art der Behinderung Häufigkeit

Beeinträchtigung der Funktion von inneren Organen bzw.


25,3%
Organsystemen

Querschnittslähmung, zerebrale Störungen, geistig-


18,9%
seelische Behinderungen, Suchtkrankheiten

Sonstige und ungenügend bezeichnete Behinderungen 16,8%

Funktionseinschränkung von Gliedmaßen 13,8%

Funktionseinschränkung der Wirbelsäule und des Rumpfs,


12,6%
Deformierung des Brustkorbes

Blindheit und Sehbehinderung 5,0%

Sprach- oder Sprechstörungen, Taubheit, Schwerhörigkeit,


4,1%
Gleichgewichtsstörungen

Verlust einer Brust oder beider Brüste, Entstellungen u.a. 2,6%

Verlust oder Teilverlust von Gliedmaßen 1,1%

Allgemeine Krankheit 82,3%


Sonstige Ursachen 9,9%
Angeborene Behinderung 4,4%
Arbeitsunfall, Berufskrankheit 1,1%
Kriegs-, Wehrdienst- oder Zivildienstbeschädigung 1,1%
Verkehrsunfall 0,6%
Sonstiger Unfall 0,4%
Häuslicher Unfall 0,1%

Abb. 2.25: Ursachen der schwersten Behinderungen im Jahr 2007 (Daten nach
STATISTISCHES BUNDESAMT 2009)
Arbeitsperson 153

Behinderungen sind meist krankheitsbedingt. 2007 wurde in 82,3% aller Fälle


die Behinderung durch eine Krankheit ausgelöst, bei 1,1% war die Ursache auf
einen Unfall- oder Berufskrankheiten zurückzuführen (siehe Abb. 2.25)
(STATISTISCHES BUNDESAMT 2009).
Mit Bezug auf das SGB IX werden häufig drei Arten von Behinderungen
unterschieden: körperliche, psychische (seelische) und geistige. Trotz bestehender
Überschneidungen und definitorischer Schwächen wird diese Unterteilung
aufgrund ihrer hohen Verbreitung hier übernommen.
2.2.4.3.1 Körperliche Behinderung
Als körperbehindert bezeichnet man eine Person, die infolge einer Schädigung des
Stütz- und Bewegungsapparates, einer anderen organischen Schädigung oder einer
chronischen Krankheit so in ihren Verhaltensmöglichkeiten beeinträchtigt ist, dass
die Selbstverwirklichung in sozialer Interaktion erschwert ist (LEYENDECKER
2005).
Da Menschen mit einer Körperbehinderung mental nicht beeinträchtigt sind,
können sie durch geeignete Wahl der Arbeitsaufgaben oder durch den Einsatz von
Arbeitshilfen (z.B. spezielle Eingabegeräte für Computer, wie bspw. eine
Fußmaus; SPRINGER 1996; SCHNEIDER et al. 2008) einer „normalen”
Arbeitstätigkeit nachgehen.
Ca. 64,3% aller Schwerbehinderten sind körperlich behindert. Körperliche
Behinderungen sind zu
x 25,3% Beeinträchtigungen der Funktionen innerer Organe bzw.
Organsysteme,
x 26,4% Funktionseinschränkungen der Gliedmaße, Wirbelsäule, des Rumpfes
und/oder einer Deformierung des Brustkorbes,
x 3,8% Sprachstörungen, Schwerhörigkeit und sonstige Behinderungen
(STATISTISCHES BUNDESAMT 2009).
2.2.4.3.2 Psychische (seelische) Behinderung
Psychische Störungen treten in vielfältigen Formen auf, die in ihrer
Beeinflussbarkeit sehr unterschiedlich sind. Eine psychische (seelische)
Behinderung liegt vor, wenn als Folge einer psychischen Störung nicht nur
vorrübergehend erhebliche Beeinträchtigungen in den Bereichen der
Alltagsbewältigung, der Erwerbstätigkeit und der sozialen Interaktion auftreten.
Der Begriff der Behinderung bezieht in diesen Kontext die Wechselwirkung
zwischen psychischen Beeinträchtigungen und sozialen Folgen mit ein
(BUNDESARBEITSGEMEINSCHAFT FÜR REHABILITATION 2003).
Nahezu jede psychische Krankheit kann in eine Behinderung übergehen, wenn
sie längerfristig besteht und die „Lebenspraxis“ einschränkt. Der Betroffene kann
den Rollenerwartungen in diesem Fall nicht mehr nachkommen. Insbesondere sind
Menschen mit schizophrenen Psychosen, endogenen-psychotischen
Erkrankungen, Suchtkrankheiten und schweren Persönlichkeitsstörungen betroffen
(EIKELMANN u. ZACHARIAS 2005).
154 Arbeitswissenschaft

Um die Beschreibung und Interpretation psychischer Störungen und


Behinderungen weltweit zu vereinheitlichen liegen Diagnose- bzw.
Klassifikationssysteme vor. Die bekanntesten Klassifikationssysteme stellen die
von der WHO herausgegebene International Classification of Diseases (ICD-10),
das Klassifikationssystem der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung
(APA) und das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-IV)
dar (HERRMANN u. HOLZHAMMER-HERRMANN 2008).
Für das deutsche Gesundheitswesen ist die ICD-10 maßgeblich. Dort werden
für jede psychische Störung genau definierte Kriterien (Bedingungen) genannt, die
erfüllt sein müssen, bevor die Störung diagnostiziert werden darf. Sie beschreibt
Phänomene (Krankheitszeichen), fasst diese zu Diagnosen zusammen und
verzichtet darauf, die Störung mit einer möglichen Ursache zu verbinden
(GEIßENDÖRFER u. HÖHN 2007). Für den Bereich der psychischen Störungen ist
das fünfte Kapitel relevant.
Die ICD-10-Klassifikation für psychische Störungen und Verhaltensstörungen
enthält folgende Hauptgruppen:
x F00-F09: Organische, einschließlich symptomatische psychische Störungen
(Symptome: Störungen der kognitiven Funktionen (Strömungen des
Gedächtnisses, des Lernens und des Intellekts) oder Störungen des
Sensoriums (z.B. Bewusstseins- und Aufmerksamkeitsstörungen); Störungen
im Bereich der Wahrnehmung (Halluzinationen), der Denkinhalte (Wahn),
der Stimmung und der Gefühle (Depressionen, Angst))
x F10-F19: Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope
Substanzen
x F20-F29: Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen (Symptome:
Akustische Halluzinationen (insbesondere Hören von Stimmen) und
Wahndenken (typischerweise Verfolgungs- oder Beeinträchtigungswahn))
x F30-F39: Affektive Störungen (Symptome: Veränderung der Gestimmtheit,
meist zur Depression hin, mit oder ohne begleitende Angst, oder nicht so
häufig zur gehobenen Stimmung).
x F40-F48: Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen (Symptome:
Phobien, generalisierte oder anfallartige Ängste, Zwänge sowie
Depressionen, dissoziative Störungen (Konversionsstörungen))
x F50-F59: Verhaltensauffälligkeiten in Verbindung mit körperlichen
Störungen und Faktoren
x F60-F69: Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
x F70-F79: Intelligenzminderung
x F80-F89: Entwicklungsstörungen
x F90-F98: Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit
und Jugend
x F99: Nicht näher bezeichnete psychische Störungen.
Arbeitsperson 155

2.2.4.3.3 Geistige Behinderung


Die geistige Behinderung wird klinisch und psychometrisch nach dem
allgemeinen Intelligenzniveau (Kap. 2.2.3) und nach dem Grad der sozialen
Anpassungsfähigkeit definiert (GONTARD 2003).
Unter Intelligenzminderung wird eine Störung der Entwicklung geistiger
Fähigkeiten (z.B. von Sprache, kognitiven, motorischen und sozialen Fertigkeiten)
mit Minderung des Intelligenzniveaus und verminderter sozialer
Anpassungsfähigkeit verstanden (FRANK 2004).
Es bestehen unterschiedliche Schweregrade der Intelligenzminderung. Es
werden eine leichte, eine mittelgradige, eine schwere und eine schwerste Form
unterschieden (siehe Tabelle 2.6).
Tabelle 2.6: Klassifikation der geistigen Behinderung nach ICD-10 (in Anlehnung an
FRANK 2004)

Klassifikation nach ICD-10 IQ-Wert Häufigkeit Merkmale

• Schulbildung auf einer Förderschule


Leichte Intelligenzminderung 50-59 2-3% • Ausübung einfacher Handwerksberufe ist
in der Regel möglich

• In der Regel unmöglich, sich im täglichen


L b allein
Leben ll i zurechtzufinden
ht fi d
Mittelgradige • Unter Anleitung können einfache Arbeiten
35-49 0,50%
Intelligenzminderung (z.B. im Garten) ausgeführt werden
• Sprachliche Ausdrucksweise ist stark
eingeschränkt
g

Schwere Intelligenzminderung 20-34 • Spracherwerb nicht möglich


0,25% • Intensive Zuwendung, Fürsorge und
Schwerste Aufsicht erforderlich
< 20
I t lli
Intelligenzminderung
i d

Eine geistige Behinderung stellt meistens eine Folge von prä-, peri- und
postnatalen Faktoren dar. NEUHÄUSER u. STEINHAUSEN (2003) unterscheiden
folgende Ursachen für eine geistige Behinderung:
x Genetische Bedingungen (z.B. Genmutationen durch ein verändertes
Genprodukt, z.B. Enzymdefekt)
x Chromosomenanomalien (z.B. Down-Syndrom, spezielle Genmutation, bei
der das 21. Chromosom oder Teile davon dreifach vorliegen)
x Stoffwechselstörungen (z.B. angeborene Unterfunkunktion der Schilddrüse)
x Sauerstoffmangel während der Geburt
x Schwangerschaftsbelastungen durch Substanzmissbrauch der Mutter
(Rauchen, Alkoholabusus)
x Umweltgifte (polychlorierte Biphenyle, z.B. PCB)
x Infektionen (z.B. HIV-Infektionen).
156 Arbeitswissenschaft

2.2.4.4 BeruflicheĆRehabilitationĆ
Üblicherweise wird zwischen medizinischen, beruflichen, schulischen und
sozialen Leistungen zur Rehabilitation unterschieden (NAGEL 2007).
Rehabilitation von Menschen mit Behinderung umfasst eine Vielzahl von
Maßnahmen mit dem Ziel, in allen Bereichen der körperlichen, sensorischen,
geistigen, psychischen und sozial funktionalen Aktivitäten das für jeden Einzelnen
optimale Ergebnis, das insbesondere auch die Teilhabe am Arbeitsleben umfasst,
zu erreichen.
Berufliche Rehabilitation ist Teil des umfassenden Systems der Rehabilitation,
das einerseits die Wiederherstellung des körperlichen und seelischen
Wohlbefindens und andererseits die soziale und berufliche Integration bzw.
Reintegration zum Ziel hat (HINZ u. BOBAN 2001).
Berufliche Rehabilitation und Teilhabe am Arbeitsleben wird durch die drei
folgenden Begriffspaare bestimmt:
(1) Berufliche Rehabilitation/Eingliederung (sozialpolitische Sichtweise)
(2) Normalisierung/Integration (soziologische Sichtweise)
(3) Bildung/Qualifizierung (pädagogische Sichtweise).
Diese Gesichtspunkte veranschaulichen die Notwendigkeit eines ganzheitlichen
Gestaltungskonzeptes der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (GRAMPP
2003).
Rechtliche Grundlagen für die berufliche Rehabilitation stellen vor allem das
dritte Buch des Sozialgesetzbuches (SGB III) und das neunte Buch des
Sozialgesetzbuches (SGB IX) dar.
Als Rehabilitationsträger für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben kommen
die Träger der Gesetzlichen Rentenversicherung, der Gesetzlichen
Unfallversicherung und der sozialen Entschädigung bei Gesundheitsschäden oder
die Bundesagentur für Arbeit in Betracht. Bei technischen und
arbeitsorganisatorischen Fragestellungen können technische Berater der
Arbeitsagentur oder das Integrationsamt Unterstützung bieten (MAIER-LENZ u.
LENK 2005).

2.2.4.4.1 Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation


Die berufliche Rehabilitation umfasst Maßnahmen und
Unterstützungsmöglichkeiten, die für eine dauerhafte Eingliederung oder
Wiedereingliederung von Menschen mit Behinderung in Arbeit und Beruf
erforderlich sind. Dieser Schritt ist möglich, wenn die Rehabilitanden in der Lage
sind mit begrenzten Hilfestellungen auszukommen und der Betrieb bzw. die
Berufsschule in der Lage ist, die Ausbildung angepasst an die Bedürfnisse
durchzuführen (MAIER-LENZ u. LENK 2005).
Entsprechende Maßnahmen, die dazu dienen, die Diskrepanz zwischen den
Anforderungen bzw. der Tätigkeit und dem Fähigkeitsprofil des Rehabilitanden zu
vermindern oder zu beseitigen, werden im Rahmen der beruflichen Rehabilitation
unter dem Begriff „Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“ (LTA)
Arbeitsperson 157

zusammengefasst (BECK u. MAU 2007). Die LTA umfassen eine breite Palette von
Angeboten, die individuell und flexibel erbracht werden sollen (ebd.):
x Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich
Beratung und Vermittlung, Mobilitätshilfen (z.B. Beihilfen für Reise-/
Fahrtkosten, Umzug, Trennungsgeld), Trainingsmaßnahmen
x Berufsvorbereitung einschließlich erforderlicher Grundausbildung
x Berufliche Anpassung und Weiterbildung
x Berufliche Ausbildung (inkl. Umschulung)
x Überbrückungsgeld
x Kraftfahrzeughilfen (z.B. Erwerb der Fahrerlaubnis, Kfz-Anschaffung,
behindertengerechte Ausstattung)
x Arbeitsassistenz (z.B. Gebärdendolmetscher)
x Hilfsmittel (z.B. Sitz-Steh-Hilfe)
x Technische Arbeitshilfen (z.B. Hebe-Hilfen).
Die berufliche Rehabilitation wird häufig in den Unternehmen durchgeführt,
bspw. durch die Einrichtung von Betriebsstätten oder Werkstattbereichen, die mit
unterschiedlicher Bindung an die Produktion des Unternehmens Arbeitsaufträge
ausführen. Diese Formen der betrieblichen Rehabilitation gewinnen sowohl unter
psychologischen und sozialen als auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten
zunehmend an Bedeutung.
Arbeitgeber sind durch die arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht angehalten, für
schwerbehinderte Beschäftigte angemessene Arbeitsvoraussetzungen zu schaffen
(§93 SGB IX), dazu zählt u.A. eine behinderungsgerechte Gestaltung des
Arbeitsplatzes, des Arbeitsumfeldes, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit
sowie die Ausstattung des Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen
Arbeitshilfen.
Bei einer Arbeitsunfähigkeit einer Arbeitsperson von mehr als sechs Wochen
muss der Arbeitgeber mit Betriebsrat und Personalrat mit Zustimmung und
Beteiligung der betroffenen Person klären, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden
werden kann, mit welchen Leistungen und Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit
vorgebeugt und wie der Arbeitsplatz erhalten werden kann (WELTI 2005).
Wenn diese Art der Qualifizierung aufgrund der Schwere der Behinderung
nicht möglich ist, kommt eine berufliche Rehabilitation in einer überbetrieblichen
Einrichtung in Betracht. Zu den überbetrieblichen Rehabilitationseinrichtungen
zählen:
x Berufsbildungswerke
x Berufsförderungswerke
x Werkstätten für behinderte Menschen.
Berufsbildungswerke (BBW) sind überregionale Einrichtungen, die jungen
Erwachsenen und Jugendlichen mit Behinderungen eine berufliche Erstausbildung
ermöglichen. Das Ziel der Berufsbildungswerke ist die Eingliederung der
Rehabilitanden in den allgemeinen Arbeitsmarkt sowie deren persönliche, soziale
und gesellschaftliche Integration. Zu diesem Zweck bieten die BBW Maßnahmen
158 Arbeitswissenschaft

zur Berufsvorbereitung sowie Berufsausbildungen in anerkannten


Ausbildungsberufen und nach Ausbildungsregelungen für Menschen mit
Behinderung an. Das Angebot der Berufsbildungswerke besteht in der Regel aus
Ausbildungsstätten, Berufsschulen, Freizeitangeboten und Wohngelegenheiten mit
bis zu 24-stündiger fachlicher Betreuung. In den 52 Berufsbildungswerken wurden
2008 15.000 Auszubildende in insgesamt 190 Berufen ausgebildet (BMAS 2008a).
Finanziert werden die Berufsbildungswerke hauptsächlich durch die
Bundesagentur für Arbeit.
Berufsförderungswerke (BFW) sind überregionale und überbetriebliche
Bildungsunternehmen, die sich auf die Ausbildung und Weiterbildung
erwachsener Menschen mit Behinderung spezialisiert haben. Die Fortbildung und
Umschulung in einem Berufsförderungswerk ist eine Zweitausbildung und nur für
Menschen zugänglich, die bereits berufstätig waren und aufgrund einer Krankheit
oder Behinderung Weiterbildung benötigen. Die Maßnahmen der beruflichen Um-
und Neuorientierung sind auf die individuellen Belange der betroffenen Menschen
ausgerichtet und werden mit begleitender Betreuung und angemessener Dauer
durchgeführt. Ziel dieser Maßnahmen ist vor allem die erfolgreiche
Wiedereingliederung in das Arbeitsleben. Das Netz der Berufsförderungswerke in
Deutschland umfasste 2008 28 Einrichtungen mit ca. 15.000 Plätzen in 180
Bildungsgängen mit anerkannten Abschlüssen (BMAS 2008b).
Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) sind gemeinnützige Dienstleister
zur Eingliederung von Menschen mit Behinderung in das Arbeitsleben. Sie bieten
denjenigen Menschen mit Behinderung einen Arbeitsplatz, die „nicht, noch nicht
oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können“
(§136 SGB IX).
Die WfbM soll Menschen mit Behinderung
(1) eine „angemessene berufliche Bildung“ und eine Beschäftigung zu einem
ihrer Leistung angemessenen Arbeitsentgelt anbieten und
(2) ihnen ermöglichen, ihre Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu
entwickeln und zu erhöhen oder wiederzugewinnen und dabei ihre
Persönlichkeit weiterzuentwickeln (§136 SGB IX).
Menschen, die aufgrund der Art und Schwere der Behinderung nicht auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, aber „ein Mindestmaß wirtschaftlich
verwertbarer Arbeitsleistung“ erbringen, haben einen Rechtsanspruch auf einen
Platz in einer anerkannten WfbM mit entsprechender Betreuung und Begleitung.
2007 arbeiteten 259.301 Beschäftigte in 651 Werkstätten für behinderte
Menschen in Deutschland.
Die Zahl der Plätze in WfbM ist von 2001 bis 2006 um rund 16% gestiegen.
Von den im Arbeitsbereich Beschäftigten hatten im Jahr 2006 rund 70% eine
vorrangig geistige Behinderung, etwa 17% waren seelisch behindert, rund 6%
wiesen eine Körperbehinderung (einschließlich Sinnesbehinderung) auf und
jeweils rund 3% eine Schwerst-Mehrfachbehinderung und eine Lernbehinderung
(DETMAR et al. 2008).
Arbeitsperson 159

Nach dem Eingangsverfahren (Klärung, ob die WfbM die geeignete


Einrichtung ist; Erstellung eines Eingliederungsplans; Dauer: bis zu drei Monate)
wird jedem Menschen mit Anspruch auf Werkstattförderung eine zweijährige
berufliche Förderung im Berufsbildungsbereich der Werkstatt angeboten (Bundes-
arbeitsgemeinschaft Werkstätten für Behinderte Menschen e.V. 2009). Ausgebildet
werden die Beschäftigten von Fachkräften, die neben einer berufsfachlichen
Ausbildung auch eine sonderpädagogische Zusatzqualifikation erworben haben.
Wenn nach dem Berufsbildungsbereich eine Vermittlung in einen Betrieb auf
dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht möglich ist, erfolgt in der Regel eine
unbefristete Anstellung in dem Arbeitsbereich der Werkstatt. Die behinderten
Beschäftigten erhalten einen sog. Werkstattvertrag, ein monatliches Entgelt und
sind kranken-, unfall-, pflege- und rentenversichert. Die Höhe des Entgeltes hängt
von den Erlösen der Werkstatt ab. Das geltende Recht schreibt den Werkstätten
vor, mindestens 70 Prozent ihres erwirtschafteten Arbeitsergebnisses als
Arbeitsentgelte an die behinderten Beschäftigten auszuzahlen (Bundesarbeits-
gemeinschaft Werkstätten für Behinderte Menschen e.V. 2009).
Die absolute Zahl der Übergänge von 2002 bis 2006 aus WfbM in den
allgemeinen Arbeitsmarkt hat zugenommen. Die Übergangsquote, die sich auf
1.400 in diesem Zeitraum gemeldete Übergänge (von 482 WfbM) in
Arbeitsverhältnisse, Ausbildung oder andere berufliche Bildungsmaßnahmen
bezieht, hat sich jedoch nur marginal von 0,15% im Jahr 2002 auf 0,17% in 2006
erhöht. Im Durchschnitt lag sie bei 0,16% (DETMAR et al. 2008).
Die meisten Werkstätten verfügen über ein breites Angebot an
Beschäftigungsmöglichkeiten. Typische Arbeitsfelder einer WfbM liegen in den
Bereichen Montage, Verpackung, Versand, Druck, Holzverarbeitung, Garten- und
Landschaftsbau, Küchenservice und Wäscherei (DOOSE 2009).
Neben den auch für andere mittelständische Unternehmen geltenden
verschärften Wettbewerbsbedingungen sehen sich WfbM einem besonderen
Veränderungsdruck ausgesetzt: Die immer schneller voranschreitende
Technisierung und Automatisierung macht viele Tätigkeiten im Bereich der
klassischen (Lohn-) Auftragsfertigung überflüssig. Im Zuge der Globalisierung
werden darüber hinaus gerade die für WfbM interessanten, meist manuell
auszuführenden Tätigkeiten in Niedriglohnländer verlagert bzw. von Unternehmen
aus entsprechenden Ländern zu Tiefpreisen angeboten. Hinzu kommen
Veränderungen in den sozialpolitischen Strukturen, die zu einem Rückgang der
öffentlichen Förderung führen und zudem den Wettbewerb unter Anbietern im
sozialen Bereich forcieren.
Es zeigt sich nicht selten, dass potenzielle Kunden die Leistungsfähigkeit von
WfbM bzw. der dort tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deutlich
unterschätzen. Hier ist eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit notwendig, die das
gesamte Leistungsspektrum aufzeigt und hilft, Vorbehalte abzubauen. Bestehende
Kunden und Auftraggeber von WfbM schätzen vor allem die Qualität,
Zuverlässigkeit und Flexibilität, die es zu erhalten und nach außen transparent zu
machen gilt.
160 Arbeitswissenschaft

2.2.4.4.2 Bedeutung von Arbeit für Menschen mit Behinderung


Die Teilhabe an Arbeitsprozessen hat für viele Menschen einen hohen Stellenwert.
Arbeit stellt einen zentralen Bereich des gesellschaftlichen Lebens dar, da sie als
vermittelnde Instanz zwischen Mensch und Umwelt fungiert (MICHELS 2002). Die
Zufriedenheit am Arbeitsplatz wirkt sich auf die gesamte Lebenssituation aus
(Kap. 2.4.2).
Eine Studie von LELGEMANN (2000), in der 386 Beschäftigte mit schweren
Körperbehinderungen befragt wurden, zeigt, dass diese Menschen möglichst auf
dem ersten Arbeitsmarkt tätig sein oder - falls dies nicht möglich ist - eine
Tätigkeit in einer WfbM oder einer anderen Einrichtung ausüben möchten. Arbeit
verbinden die Befragten mit folgenden Erfahrungen:
x Ein Produkt oder eine Dienstleistung mitgestalten
x Kolleginnen und Kollegen haben
x sozial anerkannt sein
x Geld selbst verdienen und ausgeben können.
Diese und weitere Studien (u.A. SCHABMANN u. KLICPERA 1998; BAUDISCH
2000) unterstreichen die Bedeutung von Arbeit für Menschen mit (und ohne)
Behinderung. Im Hinblick auf den Integrationsprozess werden u.A. folgende
Aspekte als wichtig erachtet:
x Durch die eigene berufliche Tätigkeit kann der Beschäftigte wirtschaftlich
unabhängig werden. Diese ist damit eine wesentliche Grundlage seiner
wirtschaftlichen und sozialen Sicherheit und Selbständigkeit.
x Arbeit bedeutet Anerkennung. Die Berufstätigkeit verschafft dem
Beschäftigten einen sozialen Status, er wird zum aktiv teilhabenden und
anerkannten Mitglied der Gemeinschaft.
x Durch die berufliche Tätigkeit werden dem Beschäftigten weitere soziale
Kontaktmöglichkeiten eröffnet.
x Arbeit eröffnet Möglichkeiten zur Persönlichkeitsentwicklung und
Qualifizierung.
x Die Berufstätigkeit verschafft dem Beschäftigten die Befriedigung einer
persönlich und sozial fruchtbaren und sinnvollen Arbeit und bei
anspruchsvollen Tätigkeiten die breiteste Befriedigung menschlicher
Bedürfnisse bis zur Selbstverwirklichung.
Die Teilhabe am Arbeitsleben ist damit eine wichtige Voraussetzung für die
ganzheitliche gesellschaftliche Integration von Menschen mit Behinderung.

2.2.4.5 BeschäftigungssituationĆvonĆMenschenĆmitĆBehinderungĆ
Die Beschäftigungsquote schwerbehinderter Menschen entwickelte sich in den
letzten Jahren positiv. So steigt seit dem Jahr 2000 die Beschäftigungsquote leicht
an. Im Jahr 2006 wies die Statistik der Bundesagentur für Arbeit eine
Beschäftigungsquote schwerbehinderter Menschen von 4,3% aus. Im Vergleich
zum Jahr 2000 ist die Beschäftigungsquote um 0,6% gestiegen. Die privaten
Arbeitsperson 161

Arbeitgeber besetzten im Jahr 2006 im Durchschnitt 3,8% der Stellen mit


schwerbehinderten Beschäftigten. Im öffentlichen Dienst betrug die
Beschäftigungsquote 5,9% (siehe Abb. 2.26). Insgesamt waren in Deutschland
2006 811.931 Stellen mit schwerbehinderten Beschäftigten besetzt, ca. ein Drittel
davon waren Arbeitsstellen im öffentlichen Dienst (BIH 2008).
187.000 Menschen mit einer Schwerbehinderung waren im Jahresdurchschnitt
2007 arbeitslos gemeldet, 10.000 (5,1%) weniger als noch im Vorjahr. Die
Arbeitslosigkeit dieser Personengruppe hat sich damit von 17,8% auf 16,6%
verringert. Im Januar 2008 verzeichnete die Arbeitslosenstatistik noch 177.000
schwerbehinderte Arbeitslose, bis Mai 2008 verminderte sich die Zahl weiter auf
168.000 (BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT 2007).

Angaben in %
7
5,7 5,9
6 5,4 5,6
5,2 5,1 5,2
5 4,3
4 4,1 4,2 Private Wirtschaft
3,7 3,8 3,8
4
3,7 3,8 Öffentlicher Dienst
3 3,4 3,4 3,6 3,6
3,3
2 Durchschnittliche
Beschäftigungsquote
1

0
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006

Abb. 2.26: Entwicklung der Beschäftigungsquote von Menschen mit einer


Schwerbehinderung 2000-2006 (BIH 2008)

Einsatzgebiete von Menschen mit Behinderung


Die Situation schwerbehinderter Menschen auf dem Arbeitsmarkt belegt, dass
keine Chancengleichheit zwischen schwerbehinderten und nicht behinderten
Menschen besteht. Die mangelnde Bereitschaft Menschen mit einer
Schwerbehinderung einzustellen, resultiert überwiegend daraus, dass Arbeitgeber
betriebliche und wirtschaftliche Nachteile fürchten (EULER 2004). Dabei ist zu
beachten, dass sich in den letzten Jahrzehnten im Zusammenhang mit der
Entwicklung der Rehabilitation auch ein deutlicher Bewusstseinswandel
hinsichtlich beruflicher Einsatzmöglichkeiten von Menschen mit Behinderung
vollzogen hat. Der Bereich der in Betracht gezogenen und der tatsächlich
verfügbar gemachten Beschäftigungsmöglichkeiten hat sich stark ausgeweitet.
Die Leistungsminderung bei Menschen mit einer körperlichen Behinderung
besteht in der Einschränkung einiger physischer Funktionen. In der Regel bietet
sich die Möglichkeit, dass die Arbeitsperson durch technische Arbeitshilfen
162 Arbeitswissenschaft

unterstützt wird. Technische Arbeitshilfen sind meist Bestandteil einer


umfassenden ergonomischen und behindertengerechten Gestaltung des
Arbeitsplatzes. Sie sollen dabei unterstützen, eine dauerhafte Eingliederung zu
erreichen und zu sichern. Die schwerbehinderte oder gleichgestellte behinderte
Arbeitsperson hat gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf Ausstattung
des Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen (§81 Abs. 4 Nr.
5 SGB IX). Zur Anschaffung technischer Arbeitshilfen können die Integrations-
ämter finanzielle Unterstützung gewähren, soweit Leistungen nicht von einem
Rehabilitationsträger oder vom Arbeitgeber erbracht werden (LUTHE 2003).
Technische Hilfsmittel werden nach DIN EN ISO 9999 (Hilfsmittel für Men-
schen mit Behinderungen – Klassifikation und Terminologie) klassifiziert. Mit
Hilfe dieser Norm wurde eine einheitliche internationale Klassifikation und Ter-
minologie geschaffen. Die Basis der Norm stellen die jeweiligen Funktionen des
Hilfsmittels dar. Ein Hilfsmittel ist laut DIN EN ISO 9999 definiert als „jegliches
Produkt (einschließlich Vorrichtungen, Ausrüstung, Instrumenten, Technologie
und Software), sei es Sonderanfertigung oder allgemeines Gebrauchsgut, das
Schädigungen, Beeinträchtigungen der Aktivität und Einschränkungen der
Teilhabe vermeidet, ausgleicht, überwacht, mildert oder neutralisiert.“ Die
Klassifikation enthält drei Hierarchieebenen, anhand derer die Hilfsmittel in eine
definierte Klasse, Unterklasse und Gruppe eingeteilt werden (siehe Tabelle 2.7).
Menschen mit einer Körperbehinderung stehen heutzutage vielfältige Möglich-
keiten der technischen Unterstützung zur Verfügung, wie z.B. speziell hierfür
entwickelte Computerhardware und -software. Spezielle Hardware für Menschen
mit einer Körperbehinderung reicht von Spezialtastaturen bis zu Hilfssystemen zur
Steuerung des Bildschirmcursors (z.B. Blicksteuerung, Fußmaus) (DIN EN ISO
9999; Klassifikation 22/36) (siehe Tabelle 2.7). Ebenso stellen spezielle
Softwaresysteme bspw. für eine synthetische Sprachausgabe (siehe
Kap. 10.1.2.2.3) geeignete Unterstützungshilfen im Bereich der informatorisch-
mentalen Arbeitstätigkeiten (Kap. 3.3) dar (DIN EN ISO 9999; Klassifikation 22/39).
Ein Überblick über den Stand der Forschung und Technik in diesem Bereich
findet sich u.A. bei JACKO et al. (2008), SEARS et al. (2008) und HANSON (2008).
Menschen mit einer geistigen Behinderung haben, wie bereits erwähnt,
Schwächen im kognitiven Bereich. Das bedeutet, dass Funktionen wie
Abstraktionsvermögen, Gedächtnis, Lernfähigkeit usw. eingeschränkt sind. Ihre
manuelle Leistungsfähigkeit ist i. d. R. nicht beeinträchtigt. Es bieten sich daher
für Menschen mit einer geistigen Behinderung dementsprechend Tätigkeiten mit
geringen kognitiven Anforderungen an. Ihre Leistungsfähigkeit sowie ihre
Motivation sind im Allgemeinen über einen längeren Zeitraum konstant, so dass
sie nach einer Arbeitstrainingsphase auf einem Dauerarbeitsplatz mit fester
Arbeitszeit beschäftigt werden können.
Arbeitsperson 163

Tabelle 2.7: Auszug aus DIN EN ISO 9999: Hilfsmittel für Menschen mit Behinderungen
Hilfsmittel für Menschen mit Behinderungen
04 Hilfsmittel für die persönliche medizinische Behandlung
05 Hilfsmittel für das Training von Fähigkeiten
06 Orthesen und Prothesen
09 Hilfsmittel für die persönliche Versorgung und Sicherheit
12 Hilfsmittel für die persönliche Mobilität
15 Hilfsmittel im Haushalt
18 Mobiliar und Hilfen zur Wohnungs- und Gebäudeanpassung
22 Hilfsmittel für Kommunikation und Information
03 Sehhilfen
06 Hörhilfen
09 Sprechhilfen
12 Schreib- und Zeichenhilfen
15 Rechenhilfen
18 Hilfmittel zur Verarbeitung von visueller Information sowie Audio- und
Videoinformation
21 Hilfsmittel für die Nahkommunikation
24 Hilfsmittel für Telefonie (und Telematik)
27 Hilfsmittel für das Alamieren, Anzeigen und Signalisieren
30 Lesehilfen
33 Computer und Terminals
36 Eingabegräte für Computer
39 Ausgabegeräte für Computer
24 Hilfsmittel für die Handhabung von Objekten und Vorrichtungen
04 Kennzeichnungsmaterialien und-werkzeuge
06 Hilfsmittel zum Hantieren mit Behältern
09 Hilfsmittel zur Bedienung und Steuerung von Vorrichtungen
13 Hilgsmittel für die Fernsteuerung
18 Hilfsmittel, die Arm- und/oder Hand und/oder Fingerfunktion unterstützen
und/oder ersetzen
21 Hilfsmittel zur Vergrößerung der Reichweite
24 Positionierungshilfen
27 Haltevorrichtungen
30 Hilfsmittel für die Positionsänderung und das Heben
36 Trage- und Transporthilfen
39 Transportfahrzeuge im industriellen Bereich
42 Förderer
45 Kräne
27 Hilfsmittel für eine bessere Gestaltung der Umgebung, Werkzeuge und
Maschinen
30 Hilfsmittel für die Freizeit
164 Arbeitswissenschaft

Nach bisheriger Erfahrung werden Menschen mit einer geistigen Behinderung


in folgenden Arbeitsfeldern eingesetzt:
x Rund 45% mit Hilfstätigkeiten und einfachen Zuarbeiten. Dazu gehören
bspw. Aufgaben, die im Bereich der Gebäudereinigung und Wagenpflege
anfallen sowie Dienstleistungen im Hotel- und Gaststättenbereich.
x Etwa 35% führen einfache Tätigkeiten aus, wie zum Beispiel das Arbeiten an
Sägen, Bohrmaschinen und das Ver- und Auspacken von Waren.
x Rund 20% übernehmen überschaubare eigenständige Tätigkeiten, wie
einfache Reparaturarbeiten, Arbeiten im Bereich der Landschaftspflege,
Botengänge und Auslieferungen von Bestellungen (BIH 2008).
Menschen mit einer psychischen Behinderung haben zwar die gleiche kognitive
und manuelle Leistungsfähigkeit wie Menschen ohne psychische Behinderung; sie
sind jedoch psychisch instabil. Sie unterliegen i.d.R. großen Schwankungen in
ihrer Leistungsfähigkeit, so dass eine mittelfristige Arbeitsplanung nur schwer
möglich ist. Obwohl die Einrichtung von Arbeitsplätzen oft keinen Zusatzaufwand
(z.B. für technische Arbeitshilfen) erfordert, zögern Arbeitgeber aufgrund von
Berührungsängsten mit psychischen Krankheiten mit einer Anstellung. Die
Arbeitstätigkeit dieser Gruppe beschränkt sich daher hauptsächlich auf WfbM und
die Arbeitstherapiebereiche psychiatrischer Krankenhäuser. Eine ausschließliche
Zusammenarbeit mit geistig Behinderten und die damit verbundenen
Arbeitsverhältnisse erleben sie jedoch als eine leidvolle Unterforderung. Ebenso
empfinden sie Maßnahmen wie Beschäftigungstherapie oder Scheinentlohnung, da
sie trotz ihrer Erkrankung eine hohe Sensibilität für die Wirklichkeit und damit
verbundene Diskongruenzen besitzen.
Psychische und soziale Schäden gehören zum klinischen Bild des chronischen
Alkoholismus. Alkoholabhängigkeit ist i.d.R. durch körperliche, somatische und
soziale Folgeschäden gekennzeichnet. ICD-10 und og. DSM-IV führen unter den
diagnostischen Leitlinien psychische und soziale Folgeschäden als ein
diagnostisches Kriterium auf (SOYKA 2004). Hirnorganische Leistungsminderung,
Beeinträchtigungen von Gedächtnis, Aufmerksamkeit, kognitiver Leistungs-
geschwindigkeit, visuell räumlicher Wahrnehmung und Abstraktionsvermögen
sowie Persönlichkeitsveränderungen zählen zu den häufigsten Folgeschäden
(WINDISCH u. ZOSSEDER 2006).
In Deutschland konsumieren mehr als 9,5 Millionen Menschen Alkohol in
gesundheitlich riskanter Form – 13,7% dieser Menschen gelten als alkohol-
abhängig. Der dadurch entstehende Schaden für die Volkswirtschaft und die
Betriebe ist nur schwer abschätzbar. Die Kosten alkoholbezogener Krankheiten
werden deutschlandweit auf mehr als 20 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt (BMG
2009).
Die Ursache des Alkoholismus muss als Überlagerung mehrerer Faktoren
betrachtet werden, die vom Individuum selbst (z.B. genetische Faktoren,
Vorbilder) über das soziale Umfeld (z.B. Risikoberufe) bis hin zu psychosozialen
Belastungen und der daraus resultierenden Beanspruchung am Arbeitsplatz (z.B.
Arbeitsperson 165

Beziehungskonflikte, Krisen in der beruflichen Entwicklung, massiver


Leistungsdruck) und im privaten Umfeld (z.B. Partner- und Familienprobleme)
reichen (WINDISCH u. ZOSSEDER 2006).
Ein Verbleiben im Betrieb ist für Alkoholiker langfristig nur möglich, wenn sie
sich in medizinische Behandlung begeben und diese erfolgreich ist.
Untersuchungen zeigen aber auch, dass eine Wechselwirkung zwischen
Arbeitslosigkeit und Alkoholismus besteht (PULS u. MÜMKEN 2008). Während
Alkoholismus oft Arbeitslosigkeit nach sich zieht, führt eine erfolgreiche
Behandlung mit nachfolgender Abstinenz auch unter ungünstigen konjunkturellen
Gesamtbedingungen zu einem Rückgang der Arbeitslosigkeit. Fortdauernde
Arbeitslosigkeit hingegen erhöht die Rückfallwahrscheinlichkeit.

Gesetzliche Bestimmungen
Durch das Schwerbehindertenrecht (SGB IX) versucht der Gesetzgeber, Nachteile
von Menschen mit Behinderung in Arbeitssystemen auszugleichen. Es gilt nur für
Schwerbehinderte und ihnen Gleichgestellte, nicht jedoch für
Leistungsgewandelte. Das Schwerbehindertenrecht verpflichtet alle Arbeitgeber
bei der Besetzung freier Stellen zu prüfen, ob sie Schwerbehinderte oder ihnen
Gleichgestellte darauf beschäftigen können.
Für Schwerbehinderte gelten nach dem Schwerbehindertenrecht besondere
gesetzliche Bestimmungen:
Beschäftigungspflicht (§71 Abs. 1 SGB IX):
Private und öffentliche Arbeitgeber (Arbeitgeber) mit jahresdurchschnittlich
monatlich mindestens 20 Arbeitsplätzen im Sinne des § 73 haben auf wenigstens 5
Prozent der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Dabei sind
schwerbehinderte Frauen besonders zu berücksichtigen. Abweichend von Satz 1
haben Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich monatlich weniger als 40
Arbeitsplätzen jahresdurchschnittlich je Monat einen schwerbehinderten
Menschen, Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich monatlich weniger als 60
Arbeitsplätzen jahresdurchschnittlich je Monat zwei schwerbehinderte Menschen
zu beschäftigen.
Ausgleichsabgabe (§77 Abs. 1 SGB IX):
Sie wird von Arbeitgebern erhoben, die die vorgeschriebene Zahl
schwerbehinderter Menschen nicht beschäftigen. Diese Zahlung entbindet jedoch
nicht von der Verpflichtung zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen. Die
Ausgleichsabgabe wird auf der Grundlage einer jahresdurchschnittlichen
Beschäftigungsquote ermittelt.
Die Ausgleichsabgabe beträgt je unbesetzten Pflichtarbeitsplatz zwischen 105
Euro bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote von 3% bis weniger
als dem geltenden Pflichtsatz und 260 Euro bei einer jahresdurchschnittlichen
Beschäftigungsquote von weniger als 2% (§77 Abs. 2 SGB IX). Sie soll die
Arbeitgeber zur vermehrten Einstellung veranlassen, zumindest aber
166 Arbeitswissenschaft

ungerechtfertigte Kostenvorteile gegenüber Unternehmen, die Schwerbehinderte


eingestellt haben, abschöpfen. Auf diese Ausgleichsabgabe werden Aufträge an
WfbM angerechnet. Aus den Mitteln der Ausgleichsabgabe werden zusätzliche
Eingliederungsmöglichkeiten, die die Unternehmen schaffen, gefördert. Es
unterliegt nicht der Wahlfreiheit der Arbeitgeber, für welche Lösung sie sich
entscheiden. Die Beschäftigungspflicht lässt sich nicht durch Zahlung der
Ausgleichsabgabe ablösen. Deshalb müssen Arbeitgeber, die der
Beschäftigungspflicht schuldhaft nicht oder nicht in vollem Umfang
nachkommen, damit rechnen, dass sie zusätzlich noch mit einem Bußgeld belegt
werden.
Kündigungsschutz (Kapitel 4 SGB IX):
Schwerbehinderte sind besonders gegen Kündigung geschützt. Jeder Auflösung
oder Änderung des Arbeitsverhältnisses muss vorher das Integrationsamt
zustimmen.
Zusatzurlaub (§125 SGB IX):
Schwerbehinderten steht ein zusätzlicher Urlaub von einer Arbeitswoche zu (gilt
nicht für Gleichgestellte); also sechs Tage bei einer Sechstagewoche, fünf Tage
bei einer Fünftagewoche.
Mehrarbeit (§124 SGB IX):
Schwerbehinderte können Mehrarbeit ablehnen, damit ihre Leistungsfähigkeit
nicht über Gebühr in Anspruch genommen wird.
Pflichten des Arbeitgebers (§81 SGB IX):
Der Arbeitsplatz muss auf den Schwerbehinderten abgestimmt sein; die
Fähigkeiten des Behinderten sollen voll verwertet und weiterentwickelt werden;
Schwerbehinderte müssen in ihrem beruflichen Fortkommen gefördert werden und
es muss ihnen die Teilnahme an ständiger beruflicher Weiterbildung erleichtert
werden.
Die besonderen Interessen Schwerbehinderter in Betrieben und Verwaltung
werden vom Betriebs- und Personalrat gewahrt. Werden ständig mehr als fünf
Schwerbehinderte beschäftigt, so ist zusätzlich noch eine Schwerbehinderten-
vertretung zu wählen. Sie hat vor allem die Einhaltung aller zugunsten Behinderter
geltenden Vorschriften zu überwachen und den Behinderten beratend und helfend
zur Seite zu stehen.
Aufgabe der begleitenden Hilfe ist es auch, im Arbeits- und Berufsleben
auftretende Schwierigkeiten zu beseitigen. Um an Ort und Stelle die Verhältnisse
zu überprüfen, führt die dafür zuständige Hauptfürsorgestelle regelmäßig oder aus
besonderem Anlass Betriebsbesuche durch.
Arbeitsperson 167

2.2.5 Biorhythmus

2.2.5.1 DefinitionĆundĆRelevanzĆ
Fast alle menschlichen Körperfunktionen verändern sich periodisch innerhalb
eines gewissen Bezugszeitraums mehr oder weniger stark um einen Mittelwert.
Diese Veränderungen sind biologisch bedingt. Hinzu kommen noch
Veränderungen, die aufgrund der Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden.
Diese Aktivitätsänderungen beeinflussen den Menschen sowie seine Reaktionen
auf äußere Reize.
Die biologischen Veränderungen (Biorhythmen) können eine Periodendauer
von wenigen Millisekunden bis zu einem Jahr und darüber aufweisen. Bei kurzen
Rhythmen geht man davon aus, dass diese endogen fixiert sind und auch dann
aufrechterhalten werden, wenn äußere Bedingungen, wie zum Beispiel Zeitgeber,
wegfallen. Lange Rhythmen unterliegen sehr häufig sozialen Komponenten.

2.2.5.2 PeriodischeĆWechselĆ
Zur Unterscheidung der einflussreichsten Zyklen des menschlichen Lebens
können die Biorhythmen nach ihrer Periodendauer eingeteilt werden in:
x Jahresrhythmik (zirkaanuale Rhythmik)
x Lunarrhythmik
x Wochenrhythmik (zirkaseptane Rhythmik)
x Zirkadiane Rhythmik
x Ultradiane Rhythmik.
Die Jahresrhythmik betrifft bspw. die physische und psychische
Leistungsbereitschaft und die Stimmungslage. Ausschlaggebend für die
Entstehung und Aufrechterhaltung der Jahresrhythmik sind klimatische
Veränderungen und teilweise damit verbundene Verhaltensweisen.
Das Wissen um die Existenz der Lunarrhythmik ist aufgrund des weiblichen
Menstruationszyklus weit verbreitet. Aber auch viele andere Abläufe des
menschlichen Körpers sind von der Lunarrhythmik abhängig, wie bspw. der
Schlaf.
Die Wochenrhythmik ist weniger biologisch bedingt als vielmehr von der
zeitlichen Organisation der Freizeit und der Arbeit abhängig, wie bspw. vermehrte
Unfälle an Montagen oder eine höhere Suizidrate am Wochenende.
Die Zirkadiane Rhythmik, also die Schwankungen innerhalb einer Dauer von
etwa 24 Stunden, ist der für die Arbeitszeitgestaltung wichtigste Zyklus. Als
Hauptantriebe für diese Rhythmik sind der Hell-Dunkel-Wechsel und die sozialen
Zeitgeber zu nennen. Aber auch ohne diese Einflüsse bleibt diese Rhythmik
bestehen, wie sog. Bunkerversuche zeigten (ASCHOFF 1964, siehe Abb. 2.27).
Von zahlreichen physiologischen Funktionen lassen sich zirkadiane Rhythmen
nachweisen wie bspw. die Produktion des Hormons Melatonin, die
Herzschlagfrequenz oder die Körperkerntemperatur. Viele dieser Veränderungen
168 Arbeitswissenschaft

werden nicht bewusst wahrgenommen. Die offenkundigste Auswirkung der


zirkadianen Rhythmik ist der Wechsel zwischen Schlaf- und Wachzeiten.
Einige physiologische Funktionen folgen kürzeren Rhythmen als dem
zirkadianen Rhythmus. Diesen periodischen Wechsel nennt man die Ultradiane
Rhythmik. Dieser Rhythmik folgen bspw. die einzelnen Schlafzyklen oder die
Herzschlagfolge (siehe GRIEFAHN 2007).
Besonders wichtig ist die Veränderung der menschlichen Leistungsfähigkeit
unter der zirkadianen Rhythmik. Sie ist über den Tagesverlauf nicht konstant.
Zunächst steigt sie an, bis zwischen 9 und 11 Uhr ein Maximum eintritt. Dann
beobachtet man meist ein Absinken bis zu einem flachen Minimum um die
Mittagszeit, worauf ein erneutes, im Vergleich zum Vormittag jedoch nicht so
ausgeprägtes Maximum am frühen Abend folgt. Danach sinkt die
Leistungsfähigkeit kontinuierlich ab, bis zwischen 2 und 4 Uhr ein absolutes
Minimum erreicht wird.

Abb. 2.27: Freilaufende Rhythmik einer Person unter konstanten Lebensbedingungen (sog.
Bunkerversuche) ohne Zeitgeber (nach ASCHOFF u. WEVER 1962)

GRAF (1954) nannte diese Schwankungen der Leistung über den Tagesverlauf
die physiologische Arbeitskurve (Abb. 2.28). Das Arbeiten nach diesem
Rhythmus wird subjektiv als besonders natürlich empfunden. Neben der
physiologischen Arbeitskurve wird die Leistungsfähigkeit durch weitere Faktoren,
wie die Leistungsbereitschaft (Motivation), Zeitpunkte der Nahrungsaufnahme
usw., beeinflusst.
Auch die Aufmerksamkeit, die unter anderem für den Arbeitsvollzug von
großem Interesse ist, unterliegt einer zirkadianen Rhythmik. Sie zeigt eine hohe
Korrelation mit der Mundtemperatur und verläuft, mit einer geringen
Arbeitsperson 169

Phasenverschiebung, ähnlich wie die physiologische Arbeitskurve (MONK u.


EMBREY 1981). In den frühen Morgenstunden sind sowohl die Temperatur als
auch die Aufmerksamkeit minimal, während am frühen Abend bei der
Aufmerksamkeit ein zweites relatives Minimum auftritt (Abb. 2.29).

Abb. 2.28: Verlauf der physiologischen Arbeitskurve über 24 Stunden (nach GRAF 1954)

Abb. 2.29: Zirkadiane Rhythmik der Mundtemperatur und der subjektiven


Aufmerksamkeit (nach MONK u. EMBREY 1981)
170 Arbeitswissenschaft

2.2.5.3 BiorhythmikĆinĆderĆPraxisĆ
Besonders das Wissen um die zirkadiane Rhythmik und das enge Zusammenspiel
zwischen den einzelnen physiologischen Rhythmen machen deutlich, dass ein
Eingreifen – wie bspw. durch Interkontinentalflüge oder Nachtarbeit – mit
weitreichenden Folgen verbunden ist. Deutlich wird dies bei der Gestaltung der
Arbeitszeit, vor allem bei der Gestaltung von Nachtarbeit. Die physiologischen
Belange des Körpers müssen berücksichtigt werden, um Leistungsschwächen,
Fehler, überhöhte Belastung, Beanspruchung und Ermüdung entgegenzuwirken.
Näheres zur Gestaltung von Arbeitszeiten findet sich in Kapitel 6.

2.3 Qualifikation und Kompetenz

Qualifikationen und Kompetenzen gelten als Lernresultate der Arbeitsperson. Im


Vergleich zur Konstitution, die weitgehend unveränderliche Merkmale der
menschlichen Leistungsfähigkeit beschreibt, sind Qualifikationen und
Kompetenzen durch Lernprozesse veränderbar. Trotzdem wird insbesondere im
Zusammenhang mit dem Kompetenzbegriff häufig der Begriff der Disposition
verwendet, mit welchem relativ zeitstabile Persönlichkeitsmerkmale beschrieben
werden. Gemeint ist hier speziell die Bereitschaft, in bestimmten Klassen von
Situationen mit bestimmten Verhaltensweisen zu (re)agieren.
Die Veränderung der Qualifikationen und Kompetenzen einer Arbeitsperson
erfolgt durch Interaktion dieser Person mit ihrer Umwelt. Sie erweitert dadurch
ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Bewältigung von Arbeitsaufträgen und
-aufgaben. Ebenso schließen diese Veränderungen nicht nur den Neuerwerb von
Fähigkeiten und Fertigkeiten, sondern auch deren Abbau, Umstrukturierung und
Vergessen mit ein.
Der Begriff der Qualifikation hängt eng mit dem Kompetenzbegriff zusammen.
Oft werden beide Begriffe teils fälschlicherweise oder auf Grund eines
Bedeutungswandels des Qualifikations- wie auch des Kompetenzbegriffes
einander gleich gesetzt. Die Begriffe sollten jedoch wegen ihrer unterschiedlichen
wissenschaftlichen Herkunft differenziert werden. Dazu werden sie hier zunächst
definiert und voneinander abgegrenzt.
Der Qualifikationsbegriff wird vorrangig in der Bildungsökonomie verwendet.
Mit ihm einher geht stets die Frage, wie das Bildungssystem ausbilden kann, so
dass die Anforderungen des Arbeitssystems an die Arbeitsperson berücksichtigt
sind. Unter Qualifikation werden also die zur Ausführung von Arbeitsaufgaben zu
vermittelnden Fertigkeiten, Fähigkeiten und Kenntnisse zusammengefasst.
Qualifikationen sollten „zertifiziert“ sein, damit sie auf dem Arbeitsmarkt von den
Arbeitspersonen verwertet werden können.
Insbesondere beinhaltet dieser Begriff das Vermögen zur Ausführung einer
vollständigen Arbeitshandlung, vorgegeben durch die Arbeitsorganisation und
Arbeitssystemgestaltung, also den Zusammenhang von Planung, Ausführung und
Arbeitsperson 171

Bewertung von Arbeitsaufgaben. Qualifikationen berücksichtigen jedoch kaum


individuelle Eigenschaften der handelnden Person. Sie lassen sich zwar mit
exakten Testmethoden prüfen, Grundlage ist dabei jedoch eine bekannte
Aufgabenstellung mit einem bekannten Arbeitsablauf. Qualifikationen spiegeln
somit die objektive Seite des Könnens und Wissens für die Arbeit wider.
Qualifikationen sind nach ZABECK (1991) das Komplement zu den
Tätigkeitsanforderungen von Industrie und Wirtschaft, die als sachliche Forderung
am Arbeitsplatz aufgestellt werden; sie dienen als Mittel zum Vollzug konkreter
Arbeit in einem Produktions- oder Dienstleistungsprozess und sie umfassen jene
spezifische Form von Kompetenz, die es dem Menschen ermöglicht, mehr oder
minder komplexen Funktionsbündeln gerecht zu werden, die als Folge
arbeitsorganisatorischer Entscheidungen an Arbeitsplätzen anfallen.
Unter arbeitswissenschaftlichen Gesichtspunkten weist der Qualifikations-
begriff als Zielbegriff von Aus-, Fort- und Weiterbildung gewisse Defizite auf: Er
berücksichtigt kaum autonomes Handeln mit eigenen Zielsetzungen sowie die in
der handelnden Person angelegten Dispositionen für neue Handlungsfolgen. Der
Qualifikationsbegriff versucht personenunabhängige Handlungsfolgen zur
Bearbeitung von Aufgaben zu definieren. Damit birgt dieser Begriff also aus
handlungstheoretischer Perspektive die Gefahr zu übersehen, dass definierte
Handlungsfolgen stets auf individuell verschiedenen Zielhierarchien und
Handlungsschemata basieren.
Auch aus der Perspektive von Unternehmen, die die Fähigkeiten ihrer
Beschäftigten in veränderten Managementkonzepten bzw. organisatorischen
Verfahrensweisen, z.B. einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess
(Kap. 5.8.4), umfassender in Anspruch nehmen müssen, erweist sich der
Qualifikationsbegriff häufig als ungenügend. Es sollte zusätzlich auch das durch
unternehmerisches Denken geprägte, selbst gesteuerte Agieren von Fachkräften
genutzt werden.
Im Gegensatz dazu schließt Kompetenz das situierte Handeln nach eigenen
Zielen und die subjektiven Leistungsvoraussetzungen dafür mit ein. WEINERT hat
1999 für den Begriff der Kompetenz in einem Gutachten für die OECD
verschiedene Definitionsmöglichkeiten aufgezeigt und 2001 eine heute in
Deutschland sehr häufig verwendete Definition formuliert. Danach sind
Kompetenzen bei einer Person verfügbare oder erlernbare Fähigkeiten und
Fertigkeiten, die zur Lösung bestimmter Probleme eingesetzt werden. Darüber
hinaus schließt der Begriff die motivationale, volitionalen (d.h. willentlichen) und
sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten mit ein, um die erworbenen Fähigkeiten
und Fertigkeiten verantwortungsvoll sowie erfolgreich auf andere
Herausforderungen zu übertragen (WEINERT 2001).
Kompetenz als Merkmal von Individuen umfasst also Facetten wie Wissen,
Fähigkeit, Verstehen, Können, Handeln, Erfahrung und Motivation. Sie wird
verstanden als Disposition, die eine Person befähigt, konkrete Anforderungs-
situationen eines bestimmten Typs zu bewältigen und äußert sich in der tatsächlich
erbrachten Leistung (KLIEME et al. 2003).
172 Arbeitswissenschaft

2.3.1 Qualifikation
Der Begriff der Qualifikation wird meist im Kontext betrieblicher Arbeitsprozesse
verwendet. Er stellt die Gesamtheit aller Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten
dar, welche an eine bestimmte Person gebunden und auf deren Arbeitshandeln
bezogen sind, über welche diese Arbeitsperson zur Ausübung einer bestimmten
Funktion oder von Tätigkeiten am Arbeitsplatz verfügen muss (ZABECK 1991).
Qualifikationen stellen sozusagen das Komplement zu den Tätigkeits-
anforderungen in einem Arbeitssystem dar.
Qualifikationen sind Lernresultate der Arbeitsperson. Sie werden bewusst oder
unbewusst in Lernprozessen erworben. Wichtig sind in diesem Zusammenhang
die Verwertbarkeit und Anwendbarkeit von Qualifikationen, die den Begriff nicht
auf abstraktes und theoretisches Wissen beschränken, sondern das Ausführen von
Handlungen in konkreten Situationen ermöglichen. Dabei spiegelt die Verwert-
barkeit den Nutzen der Qualifikationen wider, während Anwendbarkeit die
Fähigkeit zum Ausdruck bringt, erworbene Qualifikationen auch einsetzen zu
können.

2.3.1.1 QualifikationsdimensionenĆundĆNiveaustufenĆ
Sehr häufig wird der Qualifikationsbegriff dahingehend eingeengt, dass lediglich
der Zusammenhang zwischen einer zertifizierten, durch Ordnungsmittel
beschriebenen Ausbildung und konkreten Arbeitsplatzanforderungen gesehen wird
und dadurch die Qualifikationsziele auf den kognitiven und sensumotorischen
Bereich beschränkt bleiben. Zu betrachten sind aber außerdem die sog. affektiven
Merkmale im Sinne von Einstellungen oder Werthaltungen.
Die taxonomische Gliederung von Qualifikationen nach DAUENHAUER (1981)
berücksichtigt dies durch die Unterscheidung von kognitiven, affektiven und
sensumotorischen Dimensionen, die wiederum je nach Komplexität verschiedenen
Lernzielstufen unterliegen (siehe Tabelle 2.8).
Tabelle 2.8: Taxonomische Gliederung von Qualifikationen nach DAUENHAUER (1981)

HorizontaleĆDimensionen

kognitiv affektiv sensu-


motorisch
Einsicht Haltung Tätigkeit
VertikaleĆDimensionenĆ
wachsendeĆKomplexität

WissenĆ Aufnahme-Ć BeachtungĆ


(Lernzielstufen)

ĆĆĆĆbereitschaftĆ
VerständnisĆ Beantwortungs-Ć HandhabungĆ
ĆĆĆĆbereitschaftĆ
AnwendungĆ Bewertungs-Ć AusführungĆ
ĆĆĆĆbereitschaftĆ
Beurteilung Verantwortungs-Ć Beherrschung
ĆĆĆĆbereitschaft
Arbeitsperson 173

Die vertikale Dimension der Lernzielstufen stellt die Ausprägung der


Qualifikationsmerkmale nach dem Grad der Beherrschung dar. So müssen bspw.
sensumotorisch bei einem bestimmten Montagevorgang Reihenfolge und Typ
einzelner Bewegungsabfolgen beachtet, die Handhabung notwendiger Arbeits-
mittel geübt und die Ausführung einzelner Teilmontagen gelernt werden, bis
schließlich der gesamte Montagevorgang beherrscht wird. Die Gesamtheit für ein
Arbeitssystem notwendiger Qualifikation kann jedoch nur über die Verknüpfung
der verschiedenen horizontalen Dimensionen erfasst werden.
Zu den kognitiven Fähigkeiten zählen die Fähigkeiten, die die Wiedergabe von
Wissen, das Verstehen von Sachverhalten oder das Bearbeiten von Problemen
fordern (DUBS et al. 1977). Kognitive Fähigkeiten lassen sich nach SCHLEUCHER
u. MASKOW (1983) in Kenntnisse und formale Fähigkeiten gliedern.
Kenntnisse bilden die Summe aus dem Wissen und Verstehen von
Sachverhalten. Sie werden durch das geistige Können bestimmt, das auf
Ausbildung und Erfahrung sowie auf Denkfähigkeit beruht, soweit diese zur
Erfüllung der Arbeitsaufgabe benötigt werden. Kenntnisse setzen sich u.A. aus
Sach-, Maschinen- und Anlagen-, Verfahrens-, organisatorischen und allgemeinen
Kenntnissen zusammen.
Der Gebrauch von formalen Fähigkeiten zeigt sich beim Lösen von
(beruflichen) Problemen und leitet zur selbständigen Weiterbildung an. Formale
Fähigkeiten (z.B. Abstraktionsvermögen, Merkfähigkeit, Kreativität)
beabsichtigen einen Übertragungseffekt, indem sie Qualifikationen
fächerübergreifender Inhalte zur Verfügung stellen. Nach REFA (1991) steht
„formal“ für selbständiges Gestalten. Es handelt sich also um Fähigkeiten des
selbständigen Denkens und Handelns, Lernens und Entscheidens. Den formalen
Fähigkeiten können weiterhin zugeordnet werden: Beurteilungsvermögen,
Dekodierfähigkeit, Disponibilität, Flexibilität, Formen- und Zahlengedächtnis,
Improvisationsfähigkeit, Koordinationsfähigkeit, Kreativität, Organisationstalent,
Planungsfähigkeit, räumliches Vorstellungsvermögen, Sprachkompetenz und
technisches Verständnis.
Die Kategorie der vorwiegend affektiven Merkmale berücksichtigt
Empfindungen, Gefühle, Interessen und Werthaltungen (DUBS et al. 1977).
Beispiele für affektive Persönlichkeitsmerkmale sind Arbeitseifer, Arbeitsfreude,
Entscheidungsbereitschaft, Gewissenhaftigkeit, Konzentrationsfähigkeit, Mobilität
(gesellschaftlich und beruflich), Nachahmungsfähigkeit, Ordnungssinn,
Pflichtbewusstsein, psychische Belastbarkeit, Pünktlichkeit, Sauberkeit,
Selbständigkeit, Selbstkritik, Selbstvertrauen, Sicherheitsbewusstsein, Sorgfältig-
keit, Verantwortungsbewusstsein, Wettbewerbsbereitschaft, Zähigkeit, Ziel-
strebigkeit und Zuverlässigkeit. SCHLEUCHER u. MASKOW (1983) differenzieren
die Kategorie der affektiven Merkmale in soziale Qualifikationen und
Arbeitshaltungen.
Soziale Qualifikationen werden nach REFA (1991) als Fähigkeiten gesehen, mit
anderen Menschen kommunikativ zusammenzuarbeiten und Verantwortung für
174 Arbeitswissenschaft

eine Gemeinschaft zu übernehmen. Somit betreffen sie den gesellschaftlichen


Umgang sowie das Miteinander im beruflichen Alltag.
Die Ausprägung der Arbeitshaltung („Arbeitshaltungsqualifikation“) kenn-
zeichnet eine positive Einstellung zur Arbeit im Allgemeinen und zu einer
konkreten Arbeitsaufgabe im Besonderen.
Die dritte horizontale Dimension des Qualifikationsmodells betrifft die
sensumotorischen Qualifikationen, die z.B. für feinmechanische Montagearbeiten
besonders wichtig sind. Sensumotorische Leistungen erfordern keinen großen
Energieumsatz, sondern sind durch die Koordination kleiner Muskelgruppen
gekennzeichnet. Sie erfordern zudem eine besondere Geschicklichkeit. Nach
LUCZAK (1983) sind sensumotorische Qualifikationen menschliche
Arbeitsfunktionen, welche als Verhaltensweisen erlernt werden.
Sensumotorische Tätigkeiten umfassen motorische, also bewegungsbedingte,
sowie sensorische Komponenten. I.d.R. werden dabei hohe Anforderungen an die
Abstimmung dieser Komponenten miteinander zur Koordination der Bewegungen
gestellt. Sensumotorische Qualifikationen schließen damit die Steuerung
muskulärer Bewegungsanteile ebenso ein wie die Aufnahme und die Verarbeitung
der von den verschiedenen körperlichen Sensoren gelieferten Informationen (Kap.
3.3.2.3). Sensumotorische Qualifikationen beinhalten somit auch Aspekte des
Reaktionsvermögens.
Die Geschicklichkeit eines Menschen drückt sich allgemein durch seine
Handfertigkeit und Körpergewandtheit aus. Dies bedeutet die Fähigkeit zur
Ausübung bestimmter Arbeitstätigkeiten, die unter Beteiligung unterschiedlicher
Körperglieder ausgeführt werden müssen. Die Tätigkeiten basieren hierbei nicht
auf Maximalkraft, sondern auf Feingefühl. Geschicklichkeit beruht auf
persönlichen Anlagen und spezifischen Lernprozessen. Sie äußert sich in der
Sicherheit und Genauigkeit der Bewegungen des Körpers oder einzelner
Gliedmaßen. Geschicklichkeit lässt sich entsprechend den bei den jeweiligen
Arbeitsbewegungen beteiligten Körpergliedern unterscheiden.
Es ergeben sich damit drei Ausprägungen: Handgeschicklichkeit ist definiert
als Fähigkeit, Arm-, Hand- und Fingerbewegungen zielgerecht im richtigen Kraft-
und Zeitmaß auszuführen (z.B. für manuelle Montagetätigkeiten). Dement-
sprechend bezieht sich die Fußgeschicklichkeit auf Fußbewegungen (z.B.
Pedalbewegungen beim Autofahren). Als (Ganz-)Körperbeherrschung wird die
Fähigkeit bezeichnet, Kopf-, Rumpf- und Beinbewegungen zielgerecht im
richtigen Kraft- und Zeitmaß auszuführen (z.B. Außenarbeiten im Anlagenbau).
Als Reaktionsvermögen, das sich in Reaktionsfähigkeit und Reaktions-
schnelligkeit einteilen lässt, kann man die Fähigkeit beschreiben, Sachverhalte zu
erkennen und richtig zu beantworten, also die Fähigkeit, auf Anforderungen hin
mit sensumotorischen Handlungen schnell und sicher zu reagieren.
Eine strikte Trennung in die drei Bereiche kognitiver, affektiver und
sensumotorischer Qualifikation lässt sich nicht durchhalten, genau genommen
sind stets alle drei Bereiche angesprochen, wobei i.d.R. eine Dimension
dominanten Charakter besitzt: Kognitive Prozesse werden affektiv gestützt und
Arbeitsperson 175

erfordern sensumotorische Fähigkeiten, sensumotorische Handlungen erfolgen


wiederum unter der Kontrolle kognitiver Mechanismen und sind affektiv-
motivational begründet.

2.3.1.2 QualifikationenĆalsĆLernresultateĆ
Lernen ist das bewusste oder unbewusste Erwerben bestimmter Qualifikationen
(LAURIG 1990). Dabei wird eine Art „Grundmuster“ eben dieser Qualifikationen
erzeugt. Eine Verbesserung des Ablaufes ist dann durch regelmäßiges oder
unregelmäßiges Wiederholen, also einer Übungsphase im Lernprozess zu
erreichen.
Die Entwicklung von Qualifikationen eines Individuums kann mit Hilfe von
Lernkurven mathematisch beschrieben werden. Es gibt verschiedene Lernkurven-
Modelle (siehe HIEBER 1991), die das betriebliche Lernen anhand verschiedener
Variablen quantifizieren. Das sog. Lerngesetz der industriellen Produktion
beschreibt einen gesetzesmäßigen Zusammenhang in allgemeiner Form, um
verschiedene Größen in Beziehung zu setzen. Damit sind in erster Linie Vorgänge
zu verstehen, die eine Verminderung des zur Herstellung einer Produktionseinheit
notwendigen Inputs zur Folge haben. Konkret ist nach BAUR (1979) das
Lerngesetz beschrieben als die „aus individuellen wie kollektiven Lernprozessen
der am Produktionsprozess mitwirkenden Menschen resultierende, gesetzmäßige
Abnahme des Fertigungsaufwandes je Fertigungseinheit mit zunehmender Anzahl
der erzeugten Einheiten“.
Dieser grundlegende Zusammenhang lässt sich in Form einer Potenzfunktion
des Lernens wie folgt darstellen (HIEBER 1991):
Y A ˜ x b (2.1)
Die logarithmierte Form ist auch vielfach anzutreffen:
log Y log A  b ˜ log x (2.2)
Y Faktoreneinsatzmenge oder Kostengröße für die im Rahmen der
kumulierten Produktionsmenge zuletzt produzierte Einheit
A Faktoreneinsatzmenge oder Kostengröße für die im Rahmen der
kumulierten Produktionsmenge zuerst produzierte Einheit
x kumulierte Produktionsmenge
b Lernindex / Steigungsparameter (siehe dazu BAUR 1967).
In der Arbeitswissenschaft werden die Größen entsprechend des sog. „Power
Law of Practice“ konkretisiert (ROSENBLOOM et al. 1987). Dabei ergibt sich aus
der obigen Gleichung die Funktion
Tn T1 ˜ n  a (2.3)
Tn Zeit zur Ausführung einer Arbeit im n-ten Versuch
T1 Zeit zur Ausführung einer Arbeit nach dem ersten Versuch
n Anzahl der Versuche
a Steigungsparameter [0,2…0,6].
176 Arbeitswissenschaft

In Abb. 2.30 wird beispielhaft eine Lernkurve entsprechend des Power Law of
Practice für eine sensumotorische Qualifikation aufgezeigt. Es wird der
Lernkurvenverlauf für die Ausführungszeit für einen Arbeitszyklus bei der
Montage von Vergaser-Klappenstutzen in Abhängigkeit der Gesamtzahl der
Arbeitszyklen dargestellt (GREIFF 2001). Bis zur Erreichung der Endleistung von
110 Sekunden Montagezeit pro Stück sind ca. 3.000 Zyklen, d.h. montierte Teile,
notwendig.
Ein wichtiger Parameter dieser Kurve, die Anfangslernleistung, ist dabei (auch)
abhängig vom Übungsstand der Arbeitsperson bei ähnlicher Verrichtung. I.d.R.
gilt: Je weniger Vorkenntnisse der Lernende besitzt, desto höher ist die
Ausführungszeit bei Übungsbeginn, desto stärker fällt die Lernkurve und desto
größer ist die (relative) Leistungsverbesserung.

Abb. 2.30 Lernkurvenverlauf bei der Montage von Vergaser-Klappenstutzen (nach


GREIFF 2001)

Für die Vorhersage der gesamten Übungs- oder Anlernzeit ist es wichtig, aus
dem Verlauf der Lernkurve den Zeitpunkt zu schätzen, an dem die gewünschte
Endleistung erreicht sein wird. Dieser ist u.A. abhängig von der Komplexität der
Arbeitsaufgabe, der Arbeitsumgebung, den Vorkenntnissen der Arbeitsperson, ih-
ren Eigenschaften und auch von der Übungsform. Bislang sind lediglich
Prognoseverfahren für sehr einfache Tätigkeiten entwickelt worden, so dass man
in der Praxis auf Erfahrungswerte angewiesen ist.

2.3.1.3 QualifizierungsmaßnahmenĆ
Qualifizierungsmaßnahmen für Arbeitspersonen werden üblicherweise in
Anlehnung an die Lernsituation am Arbeitsplatz entwickelt. Die Lern-
möglichkeiten orientieren sich arbeitsplatzbezogen an entsprechenden Lern- und
Arbeitsaufgaben. In Tabelle 2.9 wird ein Überblick zu Methoden der
Qualifizierung gegeben. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Vier-Stufen-
Arbeitsperson 177

Methode sowie der Leittextmethode zu, welche am häufigsten eingesetzt werden


(BONZ 1999; SCHELTEN 2005).
Tabelle 2.9: Methoden zur Qualifizierung (BONZ 1999)

Überwiegend bezogen auf den

motorischen Lernbereich, kognitiven Lernbereich,


Bewegungsbereich Verstandesbereich

Unterweiserzentriert Anweisung Vortrag

Unterweiser und Lernende Vier-Stufen-Methode Betriebliches Lehrgespräch


beteiligt

Lernerzentriert Leittextmethode

Trainingsmethode

Handlungsorientiert Simulation, Projektmethode Fallstudie, Planspiel

Die Vier-Stufen-Methode stellt eine Erweiterung des Vormachens – Nach-


machens dar. Die manuellen Tätigkeiten werden zunächst von Experten
vorgemacht, woran anschließend die zu qualifizierenden Arbeitspersonen die
entsprechenden motorischen Fertigkeiten durch Nachahmen erwerben und
praktizieren. Es wird dabei ein Unterweisungsplan aufgestellt, in welchem die
Arbeit in einzelne Lernabschnitte aufgeteilt wird. Weiter sind ergänzende
Hinweise zum Arbeitsablauf und zur Begründung gegeben. Ebenso werden die
Koordinationsphasen des motorischen Lernens (Bewegungsablauf erfassen,
Bewegungsmuster festigen, Bewegung perfektionieren und automatisieren)
berücksichtigt. Die Qualifizierungsmaßnahme läuft in vier Stufen ab:
(1) Vorbereitung: Die zu qualifizierenden Arbeitspersonen werden auf das Ziel
der Qualifizierung eingestellt, sowie sachliche Voraussetzungen geschaffen
(2) Vorführung: Vormachen und Erklären der zu erlernenden Tätigkeit
(3) Ausführung: Nachvollziehen des Arbeitsablaufes durch die Lernenden
(4) Üben: Zum Abschluss der Unterweisung erfolgen mehrere selbstständige
Ausführungen bis die Lernenden die Fertigkeiten entwickelt haben.
Um komplexe oder langandauernde Tätigkeiten zu erlernen, ist die Gliederung
eines gesamten Arbeitsablaufs in Teilbereiche hilfreich. Das Erlernen von
Teilbereichen einer komplexen Tätigkeit wird von ROHMERT als
Elemententraining bezeichnet (ROHMERT et al. 1971). Das Üben der Gesamtarbeit
erfolgt in Form eines Ausdauertrainings, in welchem die Anzahl der lückenlos
ausgeführten Gesamtarbeiten allmählich erhöht wird.
Für sensumotorische Tätigkeiten können mit einem solchen Trainingsaufbau
besondere Effekte erzielt werden. Bestimmte Bewegungselemente, z.B. das
178 Arbeitswissenschaft

Hinlangen, müssen nicht geübt werden, da mit der Übungszeit keine


Übungseffekte zu erkennen sind. Bewegungselemente dieser Art würden beim
Üben im Gesamtzusammenhang die Übungszeit ohne Nutzen verlängern. Für das
Bewegungselement des Greifens kann jedoch ein großer Übungseffekt im
Elemententraining erzielt werden.
Die Leittextmethode orientiert sich an dem Gedanken, dass Leittexte als Hilfe
und als Ausgangspunkt für selbstgesteuertes Lernen am Arbeitsplatz dienen
sollten. Anhand von Leitfragen wird die selbstständige Bearbeitung eines
Projektes angeregt und zu einer strukturierten Vorgehensweise angeleitet. Die
Arbeitstätigkeit wird von der Arbeitsperson bzw. dem Lernenden also
systematisch durchdacht. Ergänzende Hilfestellungen werden von einem Betreuer
in beratender Weise gegeben. Der Lernende durchläuft dabei sechs Phasen einer
vollständigen Handlung:
(1) Information: „Was soll getan werden?“
(2) Planung der Vorgehensweise
(3) Entscheidungen treffen in Rücksprache mit Betreuer
(4) Ausführung
(5) Kontrolle der Ausführung
(6) Bewertung: Feedback des Betreuers.

2.3.2 Kompetenz
Der Kompetenzbegriff hat den betrieblichen sowie privaten Alltag erobert und
wird dabei in unterschiedliche Bedeutungen und diversen historischen
Ableitungen verwendet (LUCZAK u. FRENZ 2008). Im Folgenden wird der
arbeitswissenschaftliche Verwendungszusammenhang des Kompetenzbegriffes
dargestellt und erläutert, und es werden Möglichkeiten vorgestellt, Kompetenzen
zu messen. Weiterhin wird auf Aspekte der Kompetenzentwicklung eingegangen.
Ausgangspunkt hier ist die in Deutschland häufig verwendete Definition von
Kompetenz nach WEINERT (2001). Danach sind Kompetenzen „die bei Individuen
verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten,
um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen,
volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die
Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll
nutzen zu können“.
Diese Definition entstand auf der Grundlage eines Gutachtens der OECD
(Organisation for Economic Co-operation and Developement). Sie wurde im
Zusammenhang mit der OECD-Studie DeSeCo (Definition and Selection of
Competencies: Theoretical and Conceptual Foundations sowohl im
deutschsprachigen Raum als auch auf internationaler Bühne umfangreich
diskutiert und findet weltweit Anerkennung (FOSS u. KNUDSEN 1996; RYCHEN u.
SALGANIK 2001; STERNBERG u. KAUFMAN 1998; PALINCSAR 1998).
Arbeitsperson 179

Ohne näher auf Differenzierungen und Kontroversen zum Kompetenzbegriff


einzugehen, lassen sich einige konsensuale Merkmale dieses Konstrukts
herausstellen (BRAND et al. 2005).
Kompetenzen sind demnach subjektzentriert, d.h. sie werden in Bezug auf
Menschen formuliert, die über diese Kompetenzen verfügen oder sich diese
aneignen sollen. Weiterhin werden sie in Bezug auf abgegrenzte
Leistungsbereiche formuliert, sind also performanzbezogen. Der
Kompetenzbegriff ist darüber hinaus domänenspezifisch zu fassen, d.h. er bezieht
sich auf abgegrenzte Gegenstandsbereiche, Problem- oder Handlungsfelder und
setzt damit auch spezifisches Wissen und Können voraus. Kompetenzen
implizieren also eine strukturierte Wissensbasis, wobei Kompetenzentwicklung
somit immer auch Wissensentwicklung ist. Umgekehrt soll sich aus
Wissenserwerb eine Kompetenzerweiterung ergeben. Kompetenzen sind daher
wissensbasiert sowie lern- und erfahrungsabhängig, wobei angenommen werden
kann, dass sich die Kompetenzentwicklung in mehreren Entwicklungsstufen bzw.
-phasen vollzieht. Zudem umfasst dieses Konstrukt nicht nur kognitive und
psychomotorische Aspekte, sondern auch motivationale, soziale und volitionale,
es kann also als mehrdimensional bezeichnet werden. Weiterhin umfasst der
Kompetenzbegriff die vorhandenen subjektiven Selbstorganisations-, Handlungs-
und Persönlichkeitsdispositionen einer Arbeitsperson.
Schließlich ist es sinnvoll, Niveaustufen der Kompetenz einzuführen, da
anzunehmen ist, dass Kompetenzen in unterschiedlichen Ausprägungen vorhanden
sind.

2.3.2.1 KompetenzdimensionenĆ
Zur Differenzierung von Kompetenzdimensionen sind in unterschiedlichen
Anwendungsbereichen zahlreiche theoretische Modelle entwickelt worden.
Puristische Modelle unterscheiden auf Grund der Subjekt-Objekt-Beziehung oft
nur zwischen Fach-, Human- und Sozialkompetenz. Z.B. wird im Modell der
beruflichen Handlungskompetenz nach BADER u. MÜLLER (2002) basierend auf
der in der pädagogischen Anthropologie üblichen Unterscheidung in Sach-,
Sozial- und humane Selbstkompetenz differenziert.
Die Fachkompetenz ergibt sich auf Grund der Subjekt-Objekt-Beziehungen, die
Sozialkompetenz auf Grund der Beziehung zwischen unterschiedlichen Subjekten,
während die Personalkompetenz Aspekte der Kompetenz bezogen auf das eigene
Subjekt beschreibt (LUCZAK u. FRENZ 2008).
Auch das Modell von SONNTAG u. SCHAPER (1999) greift die Subjekt-Objekt-
Relationen auf, unterscheidet aber aufgrund des besonderen
Applikationszusammenhangs, nämlich Unternehmensprozesse kreativ zu
gestalten, zwischen vier Kompetenzarten: personale Kompetenz, aktivitäts- und
umsetzungsorientierte Kompetenz, fachlich-methodische Kompetenz sowie die
sozial-kommunikative Kompetenz.
180 Arbeitswissenschaft

2.3.2.2 KompetenzniveausĆ
Neben einer Unterscheidung in Kompetenzdimensionen liegen Kompetenzen in
unterschiedlichen qualitativen und quantitativen Ausprägungen vor, so dass
Niveaustufen der Kompetenz zu definieren sind und diese auf unterschiedlichen
Ebenen erfasst werden sollten. Exemplarisch wird in der folgenden Abb. 2.31 eine
Möglichkeit aufgezeigt, in Abhängigkeit vom Verwendungszusammenhang
zwischen unterschiedlichen Niveaustufen zu unterscheiden (BADER 2004).

Gestalten Systematisches Problemlösen


(Experiment und Konstruktion)
Sprache Norm- und Formalsprache (Mathematisierung)
Verstehen Theoriebildung

Gestalten Lösungsstrategien
Sprache Fachsprache
Verstehen Modellbildung (z. B. System)

Gestalten Werkregeln
Sprache Werkstattsprache
Verstehen Werkstatterfahrung

Gestalten Pragmatische Lösungen


Sprache Umgangssprache
Verstehen Alltagserfahrung

Abb. 2.31 Spiralmodell nach BADER (2004)

Das Spiralmodell nach Abb. 2.31 nimmt Niveaustufen als verschiedene


hintereinander ablaufende Entwicklungsstufen im didaktischen Zusammenhang in
den Blick. Die einzelnen Niveaustufen werden dabei hierarchisch abgearbeitet und
stellen verschiedene Grade der Kompetenzausprägung dar. Das Modell beschreibt
dabei die Kompetenzentwicklung von der pragmatischen zur systematischen
Lösung und von der Alltagserfahrung zur Theoriebildung.
Arbeitsperson 181

2.3.2.3 KompetenzmessungĆundĆ-entwicklungĆ
Im Zusammenhang mit dem Kompetenzbegriff ergibt sich auch die Frage nach der
empirischen Erhebung von Kompetenzen. Wie können Kompetenzen ermittelt
werden, wenn sie doch innere, unbeobachtbare Voraussetzungen, Fähigkeiten oder
Veranlagungen des selbst organisierten Handelns einer Person sind? Kompetenz
ist also stets eine Form von Zuschreibung (Attribution) aufgrund eines Urteils des
Beobachters: Man schreibt dem physisch und geistig selbst organisiert
Handelnden aufgrund bestimmter, beobachtbarer Verhaltensweisen bestimmte
messbare Merkmale als Kompetenzen zu (ERPENBECK u. ROSENSTIEL 2003).
Die Messung von Kompetenz kann auf Basis subjektiver Einschätzung
erfolgen, wie auch auf Grundlage objektiver Verfahren. Zur Verfügung stehende
Tests unterteilen sich in quantitative und qualitative Methoden, wobei quantitative
Methoden zumeist eher objektiv orientiert sind. Die Übergänge sind jedoch
fließend. Die ausgewählten Tests müssen hinsichtlich bekannter Gütekriterien, wie
Objektivität, Reliabilität und Validität (siehe Kap. 1.5.1.5), bewertet werden.
Ein Standardwerk ist das „Handbuch Kompetenzmessung“ von ERPENBECK u.
ROSENSTIEL (2003). In diesem Handbuch wird das Erkennen, Charakterisieren
und Messen von Kompetenzen beschrieben und richtet sich dabei an die
Anwendung in der betrieblichen und pädagogischen Praxis, z.B. im
Personalmanagement. Das Handbuch ist mit zahlreichen Beispielen unterlegt und
fächert das gesamte Spektrum der Mess- und Erfassungsverfahren auf: von
Verfahren aus der betrieblichen und pädagogischen Praxis bis zu Verfahren, die
derzeit noch erprobt werden. In einem vergleichenden Ausblick wird der Bezug zu
Methoden hergestellt, wie sie in modernen psychologischen Diagnostik-,
Personalauswahl und Arbeitsanalyseverfahren angewandt werden.
Die Kompetenzmessung bietet die Möglichkeit, zu einem bestimmten Moment
die Kompetenzen einer Arbeitsperson zu ermitteln und zu evaluieren.
Demgegenüber integriert die Kompetenzentwicklung einen zeitlichen Aspekt in
die Momentaufnahmen der Kompetenzmessung. Zudem lässt sich durch
Methoden und Verfahren der Kompetenzentwicklung auch die individuelle
Kompetenzentwicklung einer Arbeitsperson über einen bestimmten Zeitraum
analysieren und über diese Zeitspanne als einen Tätigkeitsprozess festhalten und
beschreiben. Die kann z.B. vor und nach einer Aus- oder
Weiterbildungsmaßnahme, über eine Ausbildungsspanne oder auch über ein
ganzes Leben erfolgen. Im Laufe dieser Zeitspanne eignet sich eine Person
Kompetenzen an, verknüpft diese, löscht, regeneriert oder formt sie um
(KIRCHHÖFER 2004; ERPENBECK u. HEYSE 2007).
Kompetenzen sind Lernresultate, dementsprechend besteht auch ein offen-
sichtlicher Zusammenhang zwischen selbstorganisiertem Lernen, einem
persönlichen Lernstil und Kompetenzentwicklung. Die Kompetenzentwicklung
beinhaltet für jede Arbeitsperson individuelle, selbstorganisierte Lernprozesse,
welche einer eigenen Logik und Ordnungsparametern (Regularitäten, Werte)
folgen. Selbstorganisiertes Denken und Handeln erfordern dabei ein ständiges
182 Arbeitswissenschaft

Entscheiden. Die reinen Fähigkeiten, Fertigkeiten und das Wissen reichen dafür
jedoch nicht aus, deshalb sind diese in den zu bewältigenden
Entscheidungssituationen zu bewerten. Zur Entwicklung von Kompetenz sind also
auch Wertvorstellungen notwendig. Es reicht jedoch nicht aus, dass die
Arbeitsperson diese Werte nur erlernt, sie muss diese auch verinnerlichen und aus
sich heraus diese Wertvorstellungen „leben“.
Einen umfassenden Ansatz zu Erfassungs- und Darstellungsmethodik bieten
sog. kompetenzbiographische Verfahren (ERPENBECK u. HEYSE 2007). Diese
messen über eine gewisse Zeitspanne die qualitative und quantitative Entfaltung
beruflicher Handlungskompetenz als Netzwerk fachlicher, methodischer, sozialer
und personaler Einzelkompetenzen in der stets einzigartigen, lebenslangen real-
biographischen Entwicklung. Solche Verfahren fokussieren dabei bestimmte, die
Arbeitsperson prägende Arbeitssituationen und Ereignisse, die für dessen
Kompetenzentwicklung wichtig waren sowie für die weitere
Kompetenzentwicklung förderlich sind.
Es gibt eine Reihe von theoretisch hinterlegten empirischen Untersuchungen
und praktischen Umsetzungen, welche zeigen, dass sich mit den
kompetenzbiographischen Verfahren gezielt Kompetenzentwicklungsprozesse
bspw. in Unternehmen erforschen lassen (ERPENBECK u. HEYSE 2007). Die
vorhandenen Instrumente nutzen bekannte Verfahren der Kompetenzmessung und
bieten außerdem konkrete Methoden der Kompetenzanalyse sowie entsprechende
Erhebungs-, Auswerte- und Evaluationstechniken. Zudem lassen sich Vorschläge
für den Einsatz selbstorganisierter Strategien der Kompetenzentwicklung in der
Praxis ableiten sowie künftige Kompetenzentwicklungen initiieren. Schließlich
lassen sich wertvolle Hinweise auf die Einbeziehung kompetenzfördernder
Rahmenbedingungen in die berufliche Bildung und für die Ausnutzung von
entsprechenden Entwicklungspotentialen des sozialen Umfelds ableiten.
Kompetenzbiographische Verfahren sind also nicht nur für Forschungszwecke
einsetzbar, sie liefern auch Führungskräften im Unternehmen, Bildungspraktikern
und Trainern unmittelbar nützliche Resultate.

2.4 Anpassungsmerkmale

Arbeitstätigkeiten sind meist bewusste Handlungen und werden durch Motive,


Ziele und Wissen reguliert. Dabei wirken tätigkeitsleitende Gedächtnisinhalte oder
Modelle der Umwelt und des eigenen Handelns auf diese Regulation ein (siehe
Kap. 1.5.1.3). Die psychische Handlungsregulation ist bestimmend für die
Tätigkeiten des arbeitenden Menschen.
Beeinflusst wird die Regulation durch bestimmte Anreize wie zum Beispiel
Entgelt, Entfaltungsmöglichkeiten und „Wertigkeit“ der Arbeit. Die Beziehung
der Motivation zu Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft hat
anwendungsorientierte Arbeitswissenschaftler angeregt, die psychische
Handlungsregulation den betrieblichen Zielen nutzbar zu machen.
Arbeitsperson 183

Die Erforschung der Motive der Arbeitstätigkeit und der Arbeitszufriedenheit


hat dabei nicht nur anwendungsbezogene und leistungssteigernde Erkenntnisse
gebracht, sondern auch Strukturen der allgemeinen Regulation menschlichen
Handelns aufgedeckt.
Die beiden Konstrukte Arbeitsmotivation und Arbeitszufriedenheit haben
gemeinsam, dass sie eine Einstellung der berufstätigen Menschen zu ihrer Arbeit
bzw. zu ihrem Betrieb beschreiben. Ebenso werden beiden Konzepten positive
Auswirkungen auf die Arbeit zugeschrieben: Eine hohe Arbeitsmotivation wird
immer auch mit einer hohen Leistungsbereitschaft gleichgesetzt, ebenso wie eine
hohe Arbeitszufriedenheit viele positive Auswirkungen auf Arbeitsmenge und
-qualität verspricht. Auch für die Beschäftigten selbst wird ein positiver Effekt
einer hohen Arbeitsmotivation und Arbeitszufriedenheit bspw. in Bezug auf eine
verbesserte Stressresistenz, geringere Unlustgefühle bis hin zu vermehrten
sozialen Kontakten angenommen.
Wenngleich diese Urteile durchaus plausibel erscheinen, muss einschränkend
darauf hingewiesen werden, dass die postulierten Wirkungen nur zum Teil als
theoretisch fundiert und empirisch bestätigt gelten können.
Arbeitszufriedenheit und Arbeitsmotivation sind zwei prinzipiell getrennte
Konstrukte, die deshalb im Weiteren auch getrennt behandelt werden. Ihre häufige
gemeinsame Nennung ist auf die ihnen zugeschriebenen positiven Auswirkungen
zurückzuführen. Weiterhin fanden sich zwischen beiden Konstrukten in
zahlreichen Untersuchungen signifikante Zusammenhänge.

2.4.1 Arbeitsmotivation

2.4.1.1 Definition und Relevanz


Die Frage nach der Motivation impliziert die Frage nach den Gründen für ein
bestimmtes Verhalten. Warum verfolgt ein Mensch mit welcher Anstrengung und
Ausdauer ein Ziel? Diese und verwandte Fragen versucht die
Motivationspsychologie zu beantworten, indem sie zielorientiertes Handeln
analysiert.
Es wird davon ausgegangen, dass zielgerichtetes Handeln von verschiedenen
Faktoren abhängt bzw. beeinflusst wird: Zum einen muss eine Person über die
relevanten Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten (Können, i.S.v.
Handlungsfähigkeit) verfügen. Zum anderen muss die Person bereit sein, ihr
Können auch einzusetzen (Wollen, i.S.v. Handlungsbereitschaft). Neben
personenbezogenen Einflussfaktoren (z.B. Motive, Fähigkeiten) spielen auch
situationsbezogene Faktoren (z.B. Handlungsmöglichkeiten, Anreize) eine Rolle
(BRANDSTÄTTER 1999; BRANDSTÄTTER u. SCHNELLE 2007). So können
beispielsweise ungünstige situative Bedingungen zielgerichtetes Handeln
verhindern.
NERDINGER et al. (2008) liefern folgende Definition: „Motivation ist das
Produkt aus individuellen Merkmalen von Menschen, ihren Motiven, und den
184 Arbeitswissenschaft

Merkmalen einer aktuell wirksamen Situation, in der Anreize auf die Motive
einwirken und sie aktivieren.“ Nach HECKHAUSEN u. HECKHAUSEN (2005)
bezeichnet der Begriff Motivation eine momentane Ausrichtung auf ein
Handlungsziel.
Motive sind zeitlich relativ überdauernde psychische Dispositionen, die für
einzelne Personen charakteristische Ausprägungen haben (siehe STAEHLE 1999;
SCHNEIDER u. SCHMALT 2000). Als Anreize werden Merkmale der Situation
bezeichnet, die Motive anregen können. Anreize fordern dazu auf, bestimmte
Handlungen auszuführen und andere zu unterlassen (NERDINGER et al. 2008).
Bei der Arbeitsmotivation wird die Frage gestellt, welche (Arbeits-)
Bedingungen gegeben sein sollten, damit sich die Beschäftigten die Betriebsziele
zueigen machen und diese auch verfolgen: Es steht das Leistungsbild im
Vordergrund. Wie bei der Arbeitszufriedenheit, erhofft man sich auch aus einer
erhöhten Arbeitsmotivation positive Auswirkungen für den Betrieb: bspw.
geringere Fehlzeiten, sorgsamerer Umgang mit Arbeitsmitteln, erhöhtes
Commitment, geringere Fluktuation u.v.m. (SIX u. FELFE 2004).

2.4.1.2 TheorienĆderĆArbeitsmotivationĆ
Es gibt zahlreiche Theorien zur Erklärung von Motivation. Ihre Ursprünge liegen
in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts. Ähnlich wie beim Konstrukt
Arbeitszufriedenheit stieß auch das Konstrukt der Arbeitsmotivation auf sehr
großes Interesse. Die Theorien lassen sich in Anlehnung an BRANDSTÄTTER u.
FREY (2004) in drei Klassen gliedern: 1) Bedürfnis-Motiv-Wert-Theorien (oder
auch Inhaltstheorien), 2) Theorien der Zielwahl und 3) Theorien der
Zielrealisierung. (Die beiden letzten Kategorien werden auch als Prozesstheorien
bezeichnet. Ausführliche Darstellungen der im Folgenden dargestellten Ansätze
sowie weiterer Motivationstheorien finden sich in HECKHAUSEN u. HECKHAU-
SEN 2006; KEHR 2004; VANCOUVER u. DAY 2005).

Bedürfnis-Motiv-Wert-Theorien
Das Ziel, das einen Menschen zum Handeln bringt, hat gemäß den Bedürfnis-
Motiv-Wert-Theorien seinen Ursprung in überdauernden Bedürfnissen, Motiven
und Werten der Person. Ein bekannter Vertreter dieser Theorie ist MASLOW
(1954). Er postuliert, dass der Mensch Bedürfnisse hat und ordnet diese
Bedürfnisse in Form einer Pyramide an. Nur, wenn eine Bedürfnisstufe befriedigt
ist, wird die Befriedigung der in der Hierarchie nächsten Stufe durch Handlung in
Angriff genommen werden (Abb. 2.32).
Sind die Bedürfnisse 1-4 nicht erfüllt, dann wird der Mensch durch seine
Handlungen versuchen, diese der Reihe nach zu befriedigen. Das Bedürfnis nach
Selbstverwirklichung wird nie gänzlich gestillt.
Die Theorie von Maslow besitzt eine hohen Bekanntheitsgrad, ist allerdings
von wissenschaftlicher Seite vielfach kritisiert worden. Bemängelt wird z.B. die
vage Definition der verwendeten Begriffe, die in der Folge auch dazu geführt hat,
Arbeitsperson 185

dass die empirische Überprüfung bislang unbefriedigend geblieben ist (HECK-


HAUSEN u. HECKHAUSEN 2006).
Die einzelnen Bedürfnisstufen lauten:
(1) Physiologische Grundbedürfnisse (z.B. nach Nahrung und Wärme)
(2) Sicherheit
(3) Soziale Beziehung
(4) Anerkennung und Status
(5) Selbstverwirklichung.

BedürfnisĆĆ
nachĆSelbst-Ć
verwirklichungĆ
Ć
AchtungsbedürfnisseĆ
Ć
SozialeĆBedürfnisseĆ
Ć
SicherheitsbedürfnisseĆ
Ć
PhysiologischeĆBedürfnisse

Abb. 2.32: Maslow´sche Bedürfnispyramide

Bei der Frage nach der Arbeitsmotivation geht es weniger um Ziele, die sich
die arbeitende Person selbst setzt, sondern um fremdgesetzte Ziele, also Ziele der
Organisation. Damit ein Mensch sich dieser Ziele annimmt, müssen die gestellten
Aufgaben auch persönliche Motive befriedigen und mit diesen – zumindest zum
Teil – übereinstimmen. Durch neuere Befunde, die diese These stützen (siehe
KEHR 2004), gewinnt die Motivtheorie von (McCLELLAND 1985) an Bedeutung
(BRANDSTÄTTER u. SCHNELLE 2007). McCLELLAND benennt drei zentrale Mo-
tive: 1) das Leistungsmotiv, 2) das Machtmotiv und 3) das Anschlussmotiv. Die
Ausprägungen dieser Motive variieren interindividuell.
Menschen mit einem starken Leistungsmotiv bevorzugen Aufgaben, bei denen
sie durch ihre Fähigkeiten und ihren Einsatz erfolgreich sein können.
Selbstvertrauen, Eigeninitiative und Erfolgssuche sind kennzeichnend für diese
Orientierung. Menschen mit einem ausgeprägten Anschlussmotiv streben nach
positiven sozialen Beziehungen. Gewünscht sind insbesondere Akzeptanz,
186 Arbeitswissenschaft

Beliebtheit bei Anderen sowie Kooperation und Harmonie. Ein hohes Machtmotiv
kommt in dem Bestreben zum Ausdruck, die Verhaltensweisen anderer zu
beeinflussen. Mit dieser Orientierung sind der Wunsch nach Status und Aufstieg
verbunden (HENTZE et al. 2005).
Ein Ergebnis einer Studie von McCLELLAND u. BOYATZIS (1982) beim
amerikanischen Konzern AT&T weist darauf hin, dass ein für den wirtschaftlichen
Erfolg optimales Organisationsklima dann zustande kommt, wenn leitende
Manager ein hohes Leistungsmotiv, kombiniert mit einem starkt ausgeprägten
Machtmotiv und einem niedrigen Anschlussmotiv besitzen (KÜHN et al. 2006).
Motive lassen sich mit dem sog. Thematischen Auffassungstest (TAT) messen,
bei dem zu vorgegebenen Bildkarten Phantasiegeschichten zu schreiben sind
(BRUNSTEIN u. HOYER 2002). Zur Erhebung der Leistungsmotivation stehen
darüber hinaus standardisierte Fragebögen zur Verfügung, wie bspw. das
Leistungsmotivationsinventar (LMI) von SCHULER et al. (2001).

Kognitive Theorien der Zielwahl


Diese Theorien werden auch Erwartungs-mal-Wert-Theorien genannt. Sie
postulieren, dass ein Mensch seine Handlungsziele bewusst wählt. Hierbei wird
die Attraktivität eines Ziels mit der Wahrscheinlichkeit, dieses zu erreichen,
multipliziert. Die Attraktivität eines Ziels wird als Wert bezeichnet; die
Wahrscheinlichkeit es zu erreichen wird Erwartung genannt. Als einer der
wichtigsten Vertreter dieser Theorie ist ATKINSON (1953) zu nennen, der das
Risikowahl-Modell entwickelte. Dieses Modell hat eine gewisse Ähnlichkeit mit
dem klassischen Expected-Utility-Modell zur Erklärung menschlichen
Entscheidungsverhaltens, das in Kapitel 3.3.2.2.2.1 zu finden ist.
Das Risikowahl-Modell ermöglicht eine Vorhersage darüber, welche Aufgabe
eine Person wählt, wenn sie die Wahl zwischen mehreren Aufgaben
unterschiedlichen Schweregrades hat. Das Modell geht davon aus, dass die
handelnde Person eine subjektive Erfolgswahrscheinlichkeit und eine subjektive
Misserfolgswahrscheinlichkeit bewertet. Diese beiden Aspekte werden beeinflusst
von der objektiven Aufgabenschwierigkeit und der eigenen Fähigkeit. Der Wert
eines Ziels wird dabei bestimmt durch ein Gefühl des Stolzes bei Erreichung des
Ziels bzw. ein Gefühl der Scham, wenn das Ziel nicht erreicht wird. Je geringer
die Erfolgswahrscheinlichkeit, das Ziel zu erreichen, umso stolzer bzw. weniger
betroffen ist die Person laut Atkinson bei einem Erfolg bzw. Misserfolg. Eine
weitere wichtige Rolle spielen annäherungsorientierte Erfolgsmotive und
vermeidungsorientierte Misserfolgsmotive. Erfolgsmotivierte Menschen wählen
laut Atkinson am ehesten Aufgaben mit mittlerer Schwierigkeit während
misserfolgsmotivierte Menschen Leistungssituationen am liebsten ganz meiden.
Mittelschwere Aufgaben werden von misserfolgsmotivierten Menschen am
stärksten vermieden; sie entscheiden sich entweder für anspruchslose oder jedoch
für viel zu schwierige Aufgaben, was sich negativ auf ihre Leistungsfähigkeit
auswirken kann (BRANDSTÄTTER u. SCHNELLE 2007).
Arbeitsperson 187

Um die vielfältigen Anreize einer gegebenen Entscheidungsalternative


berücksichtigen zu können, kann VROOMs Valenz-Instrumentalitäts-
Erwartungstheorie (1964), kurz VIE-Modell genannt, herangezogen werden (Abb.
2.33). Es geht dabei darum, Entscheidungen für die Wahl von
Handlungsalternativen vorherzusagen (ROSENSTIEL 2007). Dabei wird zwischen
der Ergebniserwartung, also dass man es sich zutraut, eine Handlung erfolgreich
abzuschließen, und der Instrumentalitätserwartung, also von der Erwartung
weiterer Folgen des Ergebnisses, deren Eintreten normalerweise nicht innerhalb
der eigenen Kontrolle liegen, unterschieden. Ob eine Handlung ausgeführt wird,
hängt also sowohl von der subjektiven Erfolgswahrscheinlichkeit als auch von der
Instrumentalitätserwartung ab. Ein Motivationsmangel kann folglich
unterschiedliche Gründe haben: Er könnte an einer geringen Ergebniserwartung
liegen (die Person traut sich eine Aufgabe nicht zu), an einer fehlenden
Instrumentalität für hohe Leistung (es bringt nichts, sich anzustrengen) oder aber
an einer geringen Valenz der Ergebnisfolgen (die Ergebnisfolgen sind für den
Ausführenden bspw. nicht attraktiv).
Diese differenzierte Betrachtung von Anreizen und Erwartungen bietet gute
Ansatzmöglichkeiten, um motivationale Probleme am Arbeitsplatz zu
diagnostizieren und gestaltend einzugreifen (BRANDSTÄTTER u. FREY 2004).

Instrumentalitäts-
Ergebniserwartung Valenz
erwartung

Folge a Bewertung a
Leistungs- Leistungs-
Folge
g b Bewertungg b
verhalten ergebnis
... ...
Weitere Ergebnisse und Folgen

Abb. 2.33: Das VIE-Modell von VROOM (1964), (aus BRANDSTÄTTER u. SCHNELLE
2007)

Volitionale Theorien der Zielrealisierung


Volitionale Theorien der Zielrealisierung befassen sich mit der Frage, welche
Bedingungen, Strategien und Mechanismen die Realisierung von gewählten
Handlungszielen fördern (BRANDSTÄTTER u. SCHNELLE 2007). Die sog.
Zielsetzungstheorie von LOCKE u. LATHAM (2002) soll hier beispielhaft
beschrieben werden (siehe auch Kap. 5.4.2.3). Die Autoren richteten bei ihren
Studien besonderes Augenmerk darauf, welche Merkmale ein Ziel aufweisen
muss, um leistungsfördernd zu sein.
Die Hauptannahme der Zielsetzungstheorie ist, dass anspruchsvolle,
herausfordernde und präzise formulierte, spezifische Ziele zu höheren Leistungen
anregen als Ziele, die vage formuliert und leicht zu erreichen sind.
188 Arbeitswissenschaft

Ziele als bewusst vorgestellte Ergebnisse des Handelns lösen volitionale


Prozesse (Willensprozesse) aus, die zu ihrer Realisierung beitragen (siehe
NERDINGER 2006; NERDINGER et al. 2008; BRANDSTÄTTER u. SCHNELLE 2007):
Herausfordernde, spezifische Ziele bestimmen durch die Steuerung der
Aufmerksamkeit (z.B. auf relevante Informationen) die Richtung des Handelns,
sie mobilisieren die Anstrengung (Intensität) und sie können die Ausdauer
erhöhen, mit der Handlungen über die Zeit aufrechterhalten werden
(vorausgesetzt, es bestehen keine zeitlichen Vorgaben). Sie können sich außerdem
mittelbar auf die Leistung auswirken, indem sie die Suche nach geeigneten
Handlungsstrategien fördern.
Die Wirksamkeit von Zielen hängt von verschiedenen Moderatorvariablen ab.
Zu nennen sind insbesondere die Zielbindung (Gefühl der Verpflichtung
gegenüber einem Ziel), die Selbstwirksamkeit (aufgabenspezifisches
Selbstvertrauen), die Rückmeldung (über den Stand der Zielverfolgung) und die
Aufgabenstruktur bzw. -komplexität.
Die Theorie der Zielsetzung konnte in zahlreichen Studien empirisch bestätigt
werden (WEGGE 2004; NERDINGER et al. 2008).

2.4.2 Arbeitszufriedenheit

2.4.2.1 DefinitionĆundĆRelevanzĆ
Der Begriff Arbeitszufriedenheit ist ebenso vielfältig wie die zahlreichen
Publikationen zum Thema. So verwundert es nicht, dass in der gängigen Literatur
viele verschiedene Definitionen und Begriffsbestimmungen parallel verwendet
werden. Gemeinsam ist allen Definitionen, dass Arbeitszufriedenheit als ein
hypothetisches Konstrukt verstanden wird.
Als Übersetzung des englischen Begriffs job satisfaction hat sich im deutschen
Sprachraum der Begriff Arbeitszufriedenheit durchgesetzt. Der Terminus steht für
die „Zufriedenheit mit einem gegebenen betrieblichen Arbeitsverhältnis“
(BRUGGEMANN et al. 1975). Ausgeschlossen davon sind jedoch die Begriffe
Berufszufriedenheit oder Arbeitsklima. Weitere Begriffe aus der
englischsprachigen Fachliteratur sind job attitude, morale und vocationale
satisfaction. Diese Termini werden teilweise synonym für Arbeitszufriedenheit
gebraucht, teilweise werden sie jedoch auch zur definitorischen Abgrenzung von
job satisfaction verwendet und stehen damit für Konzepte, die dem Bereich der
job satisfaction zwar zugeordnet werden können, jedoch nicht gleichzusetzen sind.
Bei NEUBERGER u. ALLERBECK (1978) ist eine sehr umfangreiche Abbildung
der in der Literatur vorzufindenden Definitionen und Beschreibungen von
Arbeitszufriedenheit und ihrer Bedeutung zu finden. So definiert Neuberger
Arbeitszufriedenheit im Zuge des Entwurfs eines Instrumentes zur Bewertung
vorhandener Arbeitszufriedenheit als ein einstellungsbezogenes Konstrukt:
„Arbeitszufriedenheit ist die kognitiv-evaluative Einstellung zur Arbeitssituation“
(NEUBERGER u. ALLERBECK 1978). Eine allgemeinere Definition von
Arbeitsperson 189

Arbeitszufriedenheit schlagen BRUGGEMANN et al. (1975) vor: Der Terminus


„Arbeitszufriedenheit“ - entsprechend dem englischen Analogon zu „job
satisfaction“ - ist zu sehen als „Zufriedenheit mit einem gegebenen (betrieblichen)
Arbeitsverhältnis“. „Arbeitszufriedenheit“ bezeichnet damit eine Attitüde, die das
Arbeitsverhältnis, mit allen seinen Aspekten, hinsichtlich der Beurteilungs-
dimension „zufrieden-unzufrieden“ betrifft.
LOCKE (1976, zitiert nach ROSENSTIEL 2003) rückt in seiner Definition die
Emotionen in den Mittelpunkt: Arbeitszufriedenheit bezeichnet einen „positiven
emotionalen Zustand, der sich aus der Bewertung der eigenen Arbeit und der
Arbeitserlebnisse der Person ergibt“.
SIX u. FELFE (2004) konstatieren die in der Literatur überwiegend vertretene
Meinung, dass „Arbeitszufriedenheit die Einstellung des Mitarbeiters gegenüber
seiner Arbeit insgesamt oder gegenüber einzelnen Facetten der Arbeit erfasst“.
Der Begriff der Arbeitszufriedenheit wird sowohl in wissenschaftlichen
Publikationen als auch in populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen und im
Alltagsgebrauch sehr häufig genannt. Die wissenschaftliche Forschung zur
Arbeitszufriedenheit begann im 20. Jahrhundert und das Interesse daran ist bis
heute ungebrochen, wie die zahlreichen Untersuchungen zum Thema belegen. Das
hohe Interesse ist vor allem auf die Untersuchung von Zusammenhängen zwischen
der Arbeitszufriedenheit und Faktoren wie bspw. Leistung, Fehlzeiten,
Commitment, Fluktuation, Produktivität etc. zurückzuführen.
Arbeitszufriedenheit soll als abhängige oder unabhängige Variable in Bezug
auf die einzelnen Faktoren definiert werden und es sollen Interventionsstrategien
identifiziert werden, die die Arbeitszufriedenheit erhöhen können. So sollen die
postulierten positiven Auswirkungen messbar gemacht werden. Erhöhte
Arbeitszufriedenheit könnte für die Arbeitsperson z.B. eine Verbesserung der
Gesundheit, eine Steigerung des Selbstwertgefühls, mehr Freude bei der Arbeit u.
v. m. hervorrufen. Auf Seiten des Betriebs wäre eine Verbesserung der Situation
durch sinkende Fehlzeiten, weniger Fluktuation sowie steigende Leistungen u.a.m.
möglich. Es kann also von einer „Win-Win-Situation“ für den Betrieb und die
Arbeitsperson als Folge einer Erhöhung der Arbeitszufriedenheit gesprochen
werden.
Viele der postulierten Zusammenhänge konnten allerdings nicht eindeutig
nachgewiesen werden. Ein Mangel an Vergleichbarkeit der Studien zum Thema,
bspw. aufgrund der Verwendung unterschiedlicher Messinstrumente sowie
Analysen im Querschnitt statt im Längsschnitt tragen ebenso zu diesem Zustand
bei wie Mängel bei der Erhebung der unabhängigen Variablen. Leistung wird
bspw. häufig nicht auf der Individualebene erhoben, sondern durch einen
Vorgesetzen bewertet. Unterschiedliche Modellvorstellungen innerhalb der
Forschungsgemeinschaft tragen ebenfalls zur mangelnden Belegbarkeit der
Zusammenhänge bei.
Einflussfaktoren der Arbeitszufriedenheit sind neben Arbeitsumständen und
-bedingungen auch Personen, bzw. Personengruppen mit ihren Erwartungen und
Arbeitszielen. Diese bestimmen die Wertestruktur und die Zusammenarbeit, den
190 Arbeitswissenschaft

Führungsstil und das Arbeitsklima. Erwartungen, Bedürfnisse und Werte der


Arbeitsperson sind bedeutsam, da im Wesentlichen durch sie das Anspruchsniveau
für das Zufriedenheitsgefühl der Einzelperson festgelegt wird.
Als miteinander verflochtene Determinanten der Arbeitszufriedenheit sind
folglich situative und persönliche Faktoren zu unterscheiden. Die situativen
Faktoren sind zum Beispiel physiologische Faktoren am Arbeitsplatz,
Vorgesetztenverhalten und Entgeltstrukturen, Arbeitsbelastung sowie Inhalte der
Tätigkeit. Ebenfalls konjunkturelle, branchenspezifische und familiäre Einflüsse
können hier genannt werden (FERREIRA 2007a).
Die persönlichen Determinanten der Arbeitszufriedenheit beziehen sich auf die
Charakteristika der Persönlichkeit, die Fähigkeiten der Person und auf deren
Anspruchsniveau. Soll also von bestimmten Merkmalen der Arbeitssituation auf
Konsequenzen für die Arbeitsperson und ihr Verhalten geschlossen werden,
müssen die Erfahrungen der Arbeitsperson, das, woran sie sich schon gewöhnt hat,
Menschen mit denen sie sich vergleicht und ihre Handlungsalternativen mit
einbezogen werden.

2.4.2.2 MessungĆundĆBeurteilungĆ
Üblicherweise wird Arbeitszufriedenheit aus Gründen der Praktikabilität
schriftlich mithilfe eines Fragebogens erhoben und beurteilt. Mithilfe von
Fragebögen kann eine große Anzahl an Beschäftigten effizient und vergleichbar
befragt werden. Ein Fragebogen kann durch die vorgegebenen Antworten objektiv
und ökonomisch ausgewertet werden. Zur Fragebogen-gestützten Messung der
Arbeitszufriedenheit gibt es eine Fülle von Instrumenten. In einer Studie von
FERREIRA (2007b) konnten 307 deutschsprachige Fragebögen ermittelt werden.
Allerdings genügt eine Vielzahl der dort recherchierten Fragebögen nicht den
wissenschaftlichen Anforderungen an Erhebungsinstrumente, bspw. in Bezug auf
Reliabilität, Objektivität und Validität. Im Folgenden sollen drei der im
deutschsprachigen Raum akzeptierten und häufig eingesetzten
Erhebungsinstrumente vorgestellt werden:

Skala zur Messung der Arbeitszufriededenheit (SAZ)


FISCHER u. LÜCK (1972) entwickelten das erste Instrument zur Messung der
Arbeitszufriedenheit im deutschsprachigen Raum. Die Skala zur Messung der
Arbeitszufriedenheit wurde nach dem Verfahren der summierten Einschätzungen
entwickelt und soll die allgemeine Arbeitszufriedenheit unter Berücksichtigung
einzelner Arbeitsaspekte messen. Neben allgemeinen Fragen der
Arbeitszufriedenheit wurde daher ein möglichst vollständiger Katalog von
relevanten Aspekten der Arbeit berücksichtigt, die sich in vorhergehenden
Untersuchungen bereits als bedeutsam erwiesen hatten.
Die SAZ besteht aus 37 Items mit je 5 Antwortmöglichkeiten, durch die
abgestuft die Zustimmung zu den Items ausgedrückt werden kann (es werden nur
36 von 37 Items ausgewertet). Weiterhin werden Fragen zur Erhebung der
Arbeitsperson 191

demografischen Daten gestellt. Eine erste Überprüfung der Skala ergab mittels
Faktorenanalyse die Verdichtung der einbezogenen Items auf vier sinnvoll
interpretierbare Faktoren. Von ihnen wurde angenommen, dass sie sowohl
situative Aspekte der Arbeitszufriedenheit als auch motivationale Aspekte
erfassen.
Als ökonomischer Ersatz für die SAZ wurde eine SAZ-Kurzskala entwickelt,
die acht vorwiegend globale Items erhält. Sie korreliert hoch mit der Langskala.
Eine Verdichtung auf Basis einer Faktorenanalyse ergab folgende vier
interpretierbare Formen:
(1) Zufriedenheit mit der Möglichkeit, die eigenen Fähigkeiten am Arbeitsplatz
anzuwenden
(2) Psychische und physische Reaktionen auf die Arbeitssituationen
(3) Zufriedenheit mit der Bezahlung
(4) Einschätzung des Betriebs, z.B. Führungsstil, Aufstiegsmöglichkeiten usw.
Die SAZ ermöglicht eine differenzierte Erfassung der allgemeinen
Arbeitszufriedenheit unter Berücksichtigung einiger Aspekte der Arbeitssituation.
Mithilfe des Instruments kann also kurzfristig ein Maß für die Gesamt-
zufriedenheit der Beschäftigten ermittelt werden. Eine Gewichtung einzelner
Arbeitszufriedenheitsaspekte für die allgemeine Arbeitszufriedenheit, die den
individuellen Präferenzen entspricht, wird jedoch vernachlässigt.

Arbeitsbeschreibungsbogen (ABB)
Neben persönlichen Faktoren und situativen Faktoren ist vor allem die Interaktion
zwischen Person und Situation entscheidend um größere Varianzanteile der
Arbeitszufriedenheit und des menschlichen Verhaltens aufzuklären. Laut
NEUBERGER u. ALLERBECK (1974) mangelt es an der Untersuchung eben dieser
Interaktion. Die beiden Autoren postulieren eine Prägung des
Interaktionsprozesses durch nachfolgende auf die Person bezogene Aspekte. Sie
bestimmen die Einbettung der Arbeitszufriedenheit in das Person-Situation-
Konsequenzen System:
(1) Demografische Merkmale (Alter, Geschlecht, Bildung usw.)
(2) Stabile Persönlichkeitsmerkmale (Werte, Fähigkeiten, Fertigkeiten usw.)
(3) Dynamische Persönlichkeitsmerkmale (Bedürfnisse, Motive usw.)
(4) Kognitive Persönlichkeitsmerkmale (Erwartungen, Einstellungen usw.)
(5) Aktuelle Persönlichkeitsmerkmale (Stimmungen, Launen, Gefühle usw.).
Die situativen Gegebenheiten beeinflussen den Interaktionsprozess durch:
(6) Physische Merkmale der Arbeitssituation (Staub, Hitze, Lärm usw.)
(7) Merkmale der Arbeitsaufgabe (muskuläre oder mentale Beanspruchung
usw.)
(8) Soziale Merkmale der Arbeitssituation (Arbeitsgruppen, Vorgesetzte usw.)
(9) Organisatorische Prozesse und Strukturen (Arbeitsablauf, Arbeitszeit usw.)
(10) Umweltbedingungen (Arbeitsmarkt, Familie, Freizeit, Politik usw.).
192 Arbeitswissenschaft

Arbeitspersonen sammeln bestimmte Erfahrungen nicht nur, sondern bewerten


sie gleichzeitig. Daher setzen die Autoren nicht bei den Bedürfnissen des
Menschen und deren Befriedigung an, sondern bei den äußeren Aspekten der
Arbeitssituation. Diesem Prinzip liegen anreiztheoretische Konzeptionen
zugrunde. Danach haben Menschen zwei tendenzielle Verhaltensmöglichkeiten:
Die Erreichungstendenz, also das Streben nach positiven Erfahrungen, und die
Vermeidungstendenz, also das Vermeiden von negativen Erfahrungen. Der Grad
der Arbeitszufriedenheit ergibt sich dabei aus deren Bewertung anhand einer
subjektiven Soll-Größe. Die Person nimmt in selektiver und evaluativer Weise zu
ihrer Situation Stellung und ist damit nicht passives Opfer ihrer Arbeitsumwelt.
Diese Erfahrungen werden das künftige Deutungs-, Zuwendungs- und
Meidungsverhalten des Individuums beeinflussen.
Der Arbeitsbeschreibungsbogen von NEUBERGER u. ALLERBECK (1978) stellt
eine Weiterentwicklung des Job Descriptive Index (JDI) von HULIN u. SMITH
(1965) dar. Der JDI ist ein standardisiertes Messinstrument, welches über die
Beschreibung der Situation – aus der Perspektive der Arbeitsperson – die
Zufriedenheit ermittelt, und zählt zu den Messinstrumenten der Arbeits-
zufriedenheit, die am häufigsten eingesetzt werden. Das weiterentwickelte
Messkonzept der Autoren beruht auf der Definition der Arbeitszufriedenheit als
Einstellung zu verschiedenen Facetten der Arbeitssituation. Der ABB misst die
kognitive-evaluative Einstellung zu sieben Arbeitsaspekten:
(1) Kollegen
(2) Vorgesetzte
(3) Tätigkeit
(4) Arbeitsbedingungen
(5) Organisation und Leistung
(6) Entwicklung
(7) Bezahlung.
Zusätzlich wurden Items zur Beurteilung der Arbeitszeit, der
Arbeitsplatzsicherheit und der allgemeinen Arbeits- und Lebenssituation angefügt.
Diese ließen sich nach Ansicht der Autoren nicht in die übrigen Aspekte
integrieren und stehen deshalb separat.
Die Messung von Einzelzufriedenheiten der wichtigsten Aspekte der
Arbeitssituation steht beim ABB im Vordergrund. Der Vorteil des ABB
gegenüber anderen Messinstrumenten liegt darin, dass Beschreibungen der
Arbeitssituation verwendet werden. Deskriptiv formulierte Arbeitsaspekte zu
beschreiben ist wesentlich einfacher und präziser, als einen bestimmten
Gefühlszustand zu beschreiben. Trotz globaler Zufriedenheit können auf diese
Weise einzelne Aspekte dennoch negativ beurteilt werden. Das
Erhebungsinstrument ermöglicht den Probanden außerdem eine individuelle
Gewichtung der Bedeutung der Arbeitsaspekte. Es lassen sich mit Hilfe des
Arbeitsbeschreibungsbogens, entgegen der Kritik der Gegenstandsbezogenheit der
Arbeitsperson 193

erfassten Zufriedenheitsaspekte, gezielte Hinweise auf einzelne Schwachstellen in


den Arbeitszufriedenheit bestimmenden Faktoren lokalisieren.

Arbeitszufriedenheits-Kurzfragebogen (AZK)
Beim Arbeitszufriedenheits-Kurzfragebogen von BRUGGEMANN (1976) lassen
sich verschiedene Formen der Arbeitszufriedenheit in Abhängigkeit vom
intrapsychischen Prozess der Entstehung des jeweiligen Grades der
Arbeitszufriedenheit differenzieren. Damit unterscheidet er sich vom
Arbeitsbeschreibungsbogen, in dem das Gesamtkonzept der Arbeitszufriedenheit
nach inhaltlichen Gesichtspunkten der umgebenden Arbeitssituation differenziert
wird.
Der Arbeitszufriedenheits-Kurzfragebogen besteht aus sechs Fragen.
BRUGGEMANN verfolgt damit das Ziel, die von ihr postulierten verschiedenen
Formen der Arbeitszufriedenheit zu messen. Beispielsweise sollen sich Befragte
mit resignativen Einstellungsakzenten von jenen abheben, die deutlich
artikulieren, dass ihre Bedürfnisse und Wünsche durch das Arbeitsverhältnis
befriedigt werden. Die bewertende Erfassung verschiedener
Arbeitszufriedenheitsformen steht also im Mittelpunkt dieses Fragebogens.
Problematisch erscheint jedoch die Komplexität der Items, die mangelnde
Differenzierung einzelner Arbeitsbereiche und deren fehlende individuelle
Bedeutungsgewichtung für die Arbeitszufriedenheit sowie die Verwendung
verschieden skalierter Itemtypen (FERREIRA 2007a).

2.4.2.3 ArbeitsmotivationĆundĆArbeitszufriedenheitĆinĆderĆPraxisĆ
Die neuere Forschung im Bereich der Arbeitszufriedenheit verspricht auch
interessante Hinweise für die Praxis (FISCHER 2006). Das Konstrukt
Arbeitszufriedenheit kann durch neue Ansätze von anderen Konzepten besser
abgegrenzt werden. Studien, die den Zusammenhang zwischen
Arbeitszufriedenheit und Emotionen (WEGGE u. VAN DICK 2006) oder
Commitment (FELFE u. SIX 2006) untersuchen und darstellen, liefern weitere
Erkenntnisse. Beispielsweise wird der Frage nachgegangen, ob
Arbeitszufriedenheit eine Emotion ist und welche Zusammenhänge
Wertüberzeugungen zum Urteil über die eigene Zufriedenheit haben. Auf
emotionale und kognitive Prozesse, die die Urteilsbildung beeinflussen, wird ein
besonderes Augenmerk gerichtet. Dabei wird der Frage nachgegangen, welche
Erlebnisse und Erfahrungen Arbeitszufriedenheitsaussagen widerspiegeln. Dabei
werden sowohl kürzlich erlebte Situationen betrachtet, bspw. im Hinblick auf die
Frage, ob das Urteil aufgrund eines soeben vorgefallenen Streites mit einem
Vorgesetzten schlechter ausfällt, als auch das additive Maß aller erlebten
Situationen. Hierbei wird auch dem Anspruchsniveau der Person vermehrt
Beachtung geschenkt.
Bei einer betrieblichen Untersuchung der Arbeitsplätze, Arbeitsabläufe und
Arbeitsumgebungen sollten trotz kritischer und einschränkender Bemerkungen die
194 Arbeitswissenschaft

Konstrukte Arbeitszufriedenheit und Arbeitsmotivation mit erhoben werden.


Zahlreiche Gestaltungshinweise, die zu humaneren aber auch zu
wirtschaftlicheren Arbeitsplätzen führen, können so aufgedeckt werden.
Bei der Erhebung der Arbeitszufriedenheit und der Arbeitsmotivation ist die
gleichzeitige Erhebung von detaillierten Informationen über den Arbeitsplatz, die
Tätigkeit und die Arbeitsumgebung unumgänglich. Mit Hilfe statistischer
Auswertungen können auf dieser Basis sog. „Stellschrauben“ identifiziert werden.
In einer Untersuchung bei den Stadtwerken einer hessischen Kleinstadt wurde
zusätzlich zu den relevanten Aspekten der Arbeit ein
Arbeitszufriedenheitsinventar eingesetzt.
Die Auswertung von Korrelationsanalysen zu Items der Arbeitszufriedenheit
zeigten beispielweise, dass im untersuchten Betrieb ein signifikanter
Zusammenhang zwischen Fluktuationsabsichten mit dem Ausprägungsgrad der
Abwechslung der Tätigkeit (Aspekte der Arbeitszufriedenheit) bestand. Dies lässt
vermuten, dass die Fluktuationsabsichten dann sinken (wirtschaftlicher Aspekt),
wenn der Abwechslungsgrad der Tätigkeit (humaner Aspekt) verändert wird
(FERREIRA 2007a). Zwischen dem Abwechslungsgrad der Tätigkeit und der
wahrgenommenen Unterforderung konnte ebenfalls ein signifikanter
Zusammenhang nachgewiesen werden. Weil Unterforderung sowohl humane
Aspekte betrifft, bspw. als Faktor bei psychosomatischen Beschwerden und
sozialen Beeinträchtigungen, als auch wirtschaftliche Nachteile mit sich bringt
(infolge nicht ausgeschöpften Potentials), lassen Maßnahmen zu ihrer Vermeidung
in mehrfacher Hinsicht positive Effekte erwarten.
Beziehungen zwischen der Aufgaben- bzw. Arbeitsgestaltung und der Motiva-
tion werden außerdem in den Kapiteln 5.4.2.3 und 5.4.2.4 dargestellt sowie aus-
führlicher in LUCZAK et al. (2006) diskutiert.

2.4.3 Ermüdung
Die Ausführung der Arbeitsaufgaben erfordert eine Inanspruchnahme der
physischen und psychischen Ressourcen der Arbeitsperson. Solange neue
Ressourcen im gleichen Umfang nachgebildet werden können, entsteht ein
stationäres Gleichgewicht zwischen Verbrauch und Nachschub (steady-state), und
somit dürfte eine Ermüdung nicht eintreten. Soll jedoch mehr Leistung erbracht
werden als an Nachbildung von Ressourcen möglich ist (Überschreiten der
Dauerleistungsgrenze), so werden zwangsläufig die vorhandenen bzw. vorrätigen
Ressourcen in Anspruch genommen. In Folge verringert sich die
Ressourcenverfügbarkeit und somit die mögliche Anpassungsbreite in der
Reaktion.
Dies bedeutet, dass trotz konstanter Belastung die Höhe der Beanspruchung
zunimmt. Dieser Vorgang wird als Ermüdung bezeichnet. Beschränkt man sich
auf eine Ermüdung in Folge einer Arbeitstätigkeit, so spricht man von
Arbeitsermüdung.
Arbeitsperson 195

Die Ermüdung des Menschen ist im Gegensatz zum Ermüdungsbegriff für


technische Systeme dadurch gekennzeichnet, dass sie durch Erholung wieder
vollständig rückgängig gemacht werden kann, d.h. es handelt sich um einen
reversiblen Vorgang. Um die ursprüngliche Leistungsfähigkeit wiederherstellen zu
können, sind Abschnitte mit geringerer Belastung notwendig (Erholung). Von
einer Pause spricht man immer dann, wenn die Belastung durch Unterbrechung
der Tätigkeit so stark verringert wird, dass sie vernachlässigt werden kann.
Eine Beanspruchung muss jedoch nicht in jedem Fall zu einer Ermüdung
führen. Es gibt Beanspruchungen, bei denen es aufgrund eines physiologisch
bedingten Gleichgewichtes zwischen Verbrauch und Nachbildung von Ressourcen
(bzw. zwischen Ermüdung und Erholung) normalerweise nicht zur Erhöhung des
Ermüdungsgrades kommt (z.B. Herzmuskel).
Ermüdung und Erholung sind demnach zeitabhängige Prozesse, die auf den
relevanten Zeitskalen des analysierten Arbeitsprozesses immer im Gleichgewicht
miteinander stehen müssen. Gelingt dieser Ausgleich nicht, so kann es zu starken
Funktionsminderungen kommen, die die Leistungsfähigkeit nicht nur
vorübergehend, sondern auch längerfristig einschränken. Ein solcher Zustand wird
als Übermüdung oder Erschöpfung bezeichnet. Die Erholung von solchen
Zuständen dauert unverhältnismäßig lange. Unter Umständen kann die
ursprüngliche Leistungsfähigkeit trotz Erholung nicht in vollem Umfang
wiederhergestellt werden, so dass bleibende Funktionsminderungen entstehen. In
einem solchen Fall spricht man von Schädigung.
Die Wirkungszusammenhänge der Ermüdung können je nach Form und
Zusammensetzung der Belastung sehr vielschichtig sein. Daher erweist sich eine
allgemeingültige Definition des Ermüdungsbegriffes nicht ohne weiteres als
möglich (Ermüdungserscheinungen bei verschiedenen Belastungsformen). Zudem
sind die biologischen Vorgänge der Ermüdung messtechnisch im Allgemeinen
nicht direkt zugänglich, so dass sich die Definitionen vorwiegend an den
Symptomen (Ermüdungserscheinungen) orientieren. Diese umfassen sowohl
physikalisch messbare als auch durch Selbstbeobachtung wahrgenommene
Veränderungen. Als gemeinsamen Inhalt der Ermüdungsdefinitionen kann man
folgende Merkmalshierarchie bilden (nach SCHMIDTKE 1965):
x Ermüdung tritt als Folgeerscheinung einer vorhergehenden Belastung und
Beanspruchung auf
x Ermüdung bewirkt eine reversible Leistungs- oder Funktionsminderung
x Ermüdung beeinflusst das organische Zusammenspiel der Funktionen
x Ermüdung verursacht eine Abnahme der Arbeitsfreudigkeit und eine
Steigerung des Anstrengungsgefühls
x Ermüdung kann schließlich zu einer Störung des Funktionsgefüges der
Persönlichkeit führen.
Eine Differenzierung der Ermüdung kann nach verschiedenen Gesichtspunkten
erfolgen, siehe Abb. 2.34.
196 Arbeitswissenschaft

RhythmikĆ Schädigung
SchlafmangelĆ
peripherĆ
"Tagesermüdung"
(auchĆmuskulär/sensorisch)

neinĆ(zeitlichĆpermanent) zentralĆ
nein (auchĆkardiovaskulär/Ć
BelastungsmerkmalĆ < metabolisch/neurovegetativ)
(arbeitsbezogen) ja
Beanspruchungs-Ć physischĆ
ErmüdungĆ (auchĆenergetisch-Ć
reaktion/be-Ć ReversibilitätsmerkmalĆ
ja (objektiveĆ <
anspruchungs-Ć (zeitlich) effektorisch,Ć
bedingteĆDefizienz Arbeitsermüdung) physikochemisch-situativ)
InsuffizienzmerkmalĆ ja psychischĆ
(organisch) (auchĆinformatorisch-Ć
mental/emotional)
neinĆ(ohneĆZeitĆreversibel)
nein <

ermüdungs-Ć allgemeinĆ
MüdigkeitsgefühlĆ ähnlicheĆZuständeĆ (auchĆallseitig/total)
(subjektiveĆErmüdung) -ĆMonotonieĆ
partiellĆ
-ĆSättigungĆ
(auchĆlokal/regional)
-ĆÜberforderung

Abb. 2.34: Der Ermüdungsbegriff (aus LUCZAK 1983)

2.4.3.1 FormenĆderĆErmüdungĆ

Psychische / physische Ermüdung


Betrachtet man vorwiegend die Art der Belastung, so führt dies zu einer
Unterscheidung zwischen physischer und psychischer Ermüdung. Während sich
die physische Ermüdung auf eine Verschiebung im physiologisch-chemischen
Gleichgewicht bezieht (z.B. Muskelermüdung aufgrund mangelnder
Sauerstoffversorgung), bezeichnet die psychische Ermüdung Veränderungen der
informationsverarbeitenden Funktionen in Verbindung mit emotionalen
Anpassungen im gesamten neuronalen System. Beispiele von Symptomen nach
SCHMIDTKE (1965) sind:
Physische Ermüdung
x Nachlassen der Muskelleistung
x Störung der peripheren Koordination
x Veränderung des Blutbildes
x Veränderung im Bereich der Atmung
x Veränderungen der Herz- und Kreislauftätigkeit.
Psychische Ermüdung
x Rezeptions- und Wahrnehmungsstörungen
x Koordinationsstörungen
x Störungen der Aufmerksamkeit und der Konzentration
x Störung des Denkens
x Störung der personalen Antriebs- und Steuerungsfunktionen
x Störung der sozialen Beziehungen.
Arbeitsperson 197

Im Gegensatz zur psychischen Ermüdung als Folge von Überforderung (auf


Grund von Belastungsdauer, Art der Aufgabe etc.) können ähnliche Wirkungen als
Folge von Wachsamkeitsproblemen (Unterforderung/Vigilanz) identifiziert
werden, sog. ermüdungsähnliche Zustände (SCHMIDTKE 1993) (siehe Kap.
3.3.2.1.4). Diese ermüdungsähnlichen Zustände können entgegen muskulärer oder
psychischer Ermüdung schlagartig aufgehoben werden, bspw. dann, wenn 1) die
ermüdende Tätigkeit durch eine andere ersetzt, 2) die Umgebung geändert, 3) der
Organismus bei drohender Gefahr oder Angst in einen Alarmzustand versetzt,
4) das Interesse durch eine neue Information wieder geweckt oder 5) eine
affektive Umstimmung ausgelöst wird (GRANDJEAN 1979). Die Möglichkeit eines
schlagartigen Verschwindens dieser Zustände zeigt, dass dabei eine Anhäufung
von Ermüdungsstoffen und ein Verbrauch von Energiereserve, wie dies bei
Überforderung der Fall ist, unmaßgeblich ist. Ermüdungsähnliche Zustände sind
vielmehr im Zusammenhang mit der den Hirnstamm durchziehenden formatio
reticularis zu sehen, die über eine Vielfalt afferenter und efferenter Verbindungen
verfügt und deren Aktivität nicht nur durch intensive geistige Tätigkeit, sondern
auch durch Monotonie beeinflusst wird (SCHMIDT u. THEWS 1995).

Periphere / zentrale Ermüdung


Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Auswirkungen auf den Organismus zu
betrachten, dies führt zu den Begriffen der zentralen und der peripheren
Ermüdung. Eine periphere Ermüdung liegt dann vor, wenn die während einer
Arbeit auftretende Abnahme bestimmter Eigenschaften sich Organen in der
„Peripherie“ des Körpers zuordnen lässt. Ändern sich jedoch die Eigenschaften
„zentraler“ Organe durch Ermüdung, so wird dies als zentrale Ermüdung
bezeichnet (LAURIG 1990). Als peripher werden muskuläre und sensorische
Funktionen häufiger angesprochen als zentral kardiorespiratorische oder neuronale
Funktionen.

Allgemeine / partielle Ermüdung


Ähnlich verfährt auch die Gliederung nach „allgemein“ versus „partiell", wobei
zusätzlich eine Reihenfolgebedingung eingebaut ist, so dass zunächst einzelne
organismische Systeme von der Ermüdung betroffen sind, die dann im Zuge einer
weitergehenden Destabilisierung auf den Gesamtorganismus übergreift. Diese
Gliederung trägt insbesondere dem Umstand Rechnung, dass Ermüdung ein
dynamischer Prozess ist, der sich hinsichtlich seiner Stärke in unterschiedliche
Stadien unterscheiden lässt, die nach dem Grad der Betroffenheit und Irradiation
in unterschiedliche organismische Systeme zu separieren sind (LUCZAK 1983).

2.4.3.2 ErmüdungsverlaufĆ
Neben den physiologischen Reaktionen ist eine Ermüdung auch subjektiv
feststellbar. Dieses Ermüdungsgefühl stellt eine Schutzfunktion dar, die eine zu
weitgehende Ausschöpfung der Leistungsreserven verhindern soll. Normalerweise
198 Arbeitswissenschaft

kann der Mensch nicht willkürlich voll über seine angelegte und durch Übung
entwickelte maximale Leistungsfähigkeit verfügen, sondern es bleibt stets eine
gewisse Leistungsreserve autonom geschützt. Diese Leistungsreserven für
Notsituationen können nicht über den Willen, sondern nur über den Weg starker
Affekte unter existenzkritischen Bedingungen mobilisiert werden (EYSENCK 1947,
in SCHMIDTKE 1965).
Eine generelle Charakteristik des Ermüdungsverlaufes ist dahingehend
festzustellen, dass sich die beginnende Ermüdung zuerst in dem am stärksten
beanspruchten Bereich bzw. Organ auswirkt und dann mit zunehmender
Ermüdung in ihren Symptomen auf den gesamten Organismus übergreift.
Spezifische Ermüdungsreaktionen lassen sich durch die Betrachtung einzelner
Symptome beurteilen, während eine umfassende Beurteilung der Ermüdung nur
über die Sukzessivreaktionen unterschiedlicher Größen zugänglich ist. Hieraus
ergeben sich Strukturmodelle, die den zunehmenden Verlauf der Ermüdung
beschreiben und bei denen eine Quantifizierung durch die Einstufung in
verschiedene Ermüdungsgrade vorgenommen wird (sukzessive
Destabilisierungstheorie, LUCZAK 1983). Diese haben insbesondere Bedeutung
bei Ermüdungen aufgrund informatorischer Arbeit, zeigen jedoch auch in
exemplarischer Weise die Symptome eines Ermüdungsverlaufes für andere
Arbeitsformen (LUCZAK UND ROHMERT 1974):
x Ermüdungsgrad 1: Bei einer die Grenze der momentanen Regenerations-
fähigkeit überschreitenden Beanspruchung treten als erste Ermüdungs-
symptome Störungen in den psychophysiologischen Funktionsbereichen auf,
die durch die verrichtete Tätigkeit besonders beansprucht sind. Hierbei ist
eine Reaktion der Engpassbereiche, in der Regel der im Arbeitsvollzug
gebundenen peripher-physiologischen Organsysteme der Sensorik und
Motorik, zu erwarten.
x Ermüdungsgrad 2: Erreichen die Störungen einen Grad, dass sie der
Selbstbeobachtung des Individuums zugänglich werden, so ist eine weitere
Stufe der Ermüdung erreicht. In dieser Phase wird der Mittelwert der
Leistungskurve noch nicht betroffen, jedoch nehmen die Leistungsstreuung
und die Häufigkeit von Fehlleistungen zu. Da die Arbeitsperson bei
entsprechender Motivation versucht, durch erhöhte Willensanspannungen
das bisherige Leistungsniveau aufrechtzuerhalten, ist im
Beanspruchungsbereich eine Reaktion der Indikatoren zentraler Aktiviertheit
zu erwarten.
x Ermüdungsgrad 3: Die Phase der Leistungskurve mit der Häufung von
Schwankungen wird abgelöst von einer solchen mit fallender Tendenz.
Wegen der Störung von zentralen Integrationsprozessen spricht man auch
von Allgemein- oder Willensermüdung. Dabei sind primär nicht
beanspruchte Funktionssysteme des Organismus beeinträchtigt. Eine
simultane Reaktion zentralphysiologischer Beanspruchungsindikatoren kann
erwartet werden.
Arbeitsperson 199

x Ermüdungsgrad 4: Schließlich treten Störungen des organismischen


Funktionsgefüges ein, die schon als qualitative Veränderungen der
Persönlichkeitsstruktur anzusehen sind und als erschöpfungsähnliche
Zustände psychopathologischen Erscheinungsbildern sowie Bewusstseins-
störungen durch Narkotika gleichen. In der Regel wird die Arbeit spätestens
bei Beginn dieses Stadiums von der Arbeitsperson verweigert.
Das Ermüdungsphänomen gilt nicht nur für Belastungen aus der Tätigkeit
selbst, sondern für alle Arten der Belastung, so auch der Umgebungsfaktoren (z.B.
Lärmermüdung).
Ähnliches gilt auch für zeitliche Zusammenhänge. Werden normalerweise
bevorzugt kurzfristige Vorgänge betrachtet (z.B. innerhalb eines Arbeitszyklus
oder eines Arbeitstages), so gelten die Zusammenhänge auch analog für eine
längerfristige Betrachtung (z.B. Tagesrhythmik, Arbeit über mehrere Monate und
Urlaub).

2.4.3.3 MessungĆvonĆErmüdungĆ
Biologische Vorgänge der Ermüdung sind i.d.R. nicht direkt messbar. Daher wird
der Nachweis der Ermüdung normalerweise anhand der Phänomene der
Ermüdung durchgeführt. Es ergeben sich grundsätzlich drei verschiedene
Möglichkeiten:
(1) Messung der Leistungserfüllung
(2) Messung der physiologischen Reaktionen
(3) Ermittlung der Müdigkeit als Indikator der Ermüdung.

Messung der Leistungserfüllung


Hierbei wird von der Wirkung (Leistungsabfall) auf die Ursache (Ermüdung)
geschlossen. Insbesondere bei Tätigkeiten mit Ausschöpfung der
Leistungsreserven eignet sich diese Art der Darstellung. Es wird entweder der
Abfall der Leistung (siehe Abb. 2.35) oder der Anstieg der menschlichen Fehler
mit der Zeit ermittelt.
Die Ermüdung zeigt sich also in einer zeitabhängigen Veränderung der
Leistungsgröße. Zum Vergleich der Wirkung verschieden großer Belastungen
wird die maximal mögliche Arbeitszeit (bis zum Erreichen einer
Ermüdungsgrenze) in Abhängigkeit von der Arbeitsschwere (Belastung)
aufgezeigt. Eine solche Darstellung wird als Ausdauerdiagramm bezeichnet und
zeigt für energetisch-effektorische Arbeitsformen typischerweise einen
hyperbolischen Zusammenhang (Abb. 2.36).
Die Asymptote in Abb. 2.36 zeigt direkt die Dauerleistungsgrenze, d.h. die
Leistung, die praktisch ohne Zeitbegrenzung – bspw. im Rahmen einer 8h-Schicht
– erbracht werden kann. Häufig wird die Leistung im Verhältnis zur Dauerleistung
skaliert.
200 Arbeitswissenschaft

100

mittlerer Prozentsatz entdeckter Signale


90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
0 15 30 45 60 75 90 105 120 135 150 165 180 min
Versuchszeit

Abb. 2.35: Signalentdeckungsleistung in Abhängigkeit der Versuchszeit und nach


physischer Vorbelastung (60 min. Ergometerarbeit, 30 Pulse/min, Bild modifiziert nach
SCHMIDTKE 1981)

N3eff >N2eff >N1eff >NDLG


beitszeit
Maximale Arb

N1eff

N2eff

N3eff

0,5 1 1,5 2 2,5 3


ª N eff º
Leistung bezogen auf die Dauerleistungsgrenze « »
¬ N DLG ¼

Abb. 2.36: Grenzen der Ausdauer am Beispiel verschiedener Muskelarbeitsformen bei


verschiedenen Effektivbelastungen N1eff, N2eff und N3eff (nach ROHMERT 1962)

Messung der physiologischen Reaktionen


In diesem Fall wird die Reaktion des Körpers auf eine Belastung als
Ermüdungsindikator herangezogen. Besonders deutlich messen solche Parameter
die Beanspruchung bei körperlicher Arbeit, da hierbei das Herz-Kreislauf-System
unmittelbar auf die energetische Belastung reagiert.
Bei körperlicher Arbeit steigt typischerweise nach Beginn die Pulsfrequenz an.
Bei Belastungen, die die Dauerbeanspruchungsgrenze nicht überschreiten, stellt
sich allmählich eine konstante Pulsfrequenz ein. Die Höhe der Pulsfrequenz ist
Arbeitsperson 201

hierbei von der Belastung abhängig. Belastungen oberhalb der


Dauerleistungsgrenze führen zu einem kontinuierlichen Anstieg der Pulsfrequenz
(siehe Kap. 3.2.10). In diesem Fall kann also die Pulsfrequenz unmittelbar als
Indikator der Ermüdung betrachtet werden. Für andere Arbeitsformen müssen
dementsprechend weitere physiologische Größen ausgewertet werden.

Ermittlung der Müdigkeit als Indikator der Ermüdung


Da sich der messtechnische Nachweis der Ermüdung u. U. als schwierig erweist,
erscheint es wünschenswert, wenigstens die Müdigkeit als Hinweis auf das
Vorliegen von Ermüdung festzustellen. Dies kann z.B. über die „subjektive
Einschätzung der Wirkung von Arbeitsbedingungen“ (LAURIG 1990) erfolgen. Die
Veränderungen der subjektiven Einschätzung der Arbeitsbedingungen in
Abhängigkeit von der Belastungszeit oder Belastungsdauer lassen sich als
Veränderungen der Müdigkeit interpretieren.
Abb. 2.37 zeigt den Vergleich von Ergebnissen, die zu Beginn und Ende bei
Früh- und Mittagsschichten und bei sonst unveränderten Arbeitsbedingungen
erhoben wurden. Die niedrigeren Werte am Ende der Schichten entsprechen bei
dem verwendeten Fragebogen (nach PLATH u. RICHTER 1978, in LAURIG 1990)
einer schlechteren Beurteilung. Wie man leicht sieht, hat in diesem Fall die
Belastungszeit einen stärkeren Einfluß auf die Müdigkeit als die Belastungsdauer.

hohes Wohlbefinden 60 Beginn Ende

50
Belastung

40
empfundene B

30

20

10

Beeinträchtigung
B i t ä hti 0
des Wohlbefindens
Frühschicht Mittagschicht

Abb. 2.37: Subjektive Einschätzung von identischen Arbeitsbedingungen zu Beginn und


Ende von Schichten in der Endmontage einer Automobilfabrik (Daten aus LAURIG 1990)

2.4.3.4 BemessungĆvonĆBelastungĆundĆErholungĆ
Extrahiert man aus den gemessenen Größen den Verlauf der Ermüdung in
Abhängigkeit von Belastungsdauer und Belastungshöhe, so zeigen sich charakte-
ristische Kennlinien, die in Abb. 2.38 schematisch dargestellt sind.
202 Arbeitswissenschaft

Bei Belastung oberhalb der Dauerleistungsgrenze steigt der Ermüdungsgrad


sowohl mit der Dauer als auch mit der Höhe der Belastung nach einer
Potenzfunktion an (ROHMERT 1962). Der Zusammenhang kann dadurch gedeutet
werden, dass durch die Verringerung der Ressourcen das Verhältnis zwischen den
entnommenen Ressourcen zu den noch verfügbaren Ressourcen kontinuierlich
ansteigt und somit die Ermüdung bei konstanter Belastung immer schneller
fortschreitet. Bei Erholung fällt der Ermüdungsgrad anschließend exponentiell
wieder ab. Es gelten die in den Gleichungen (2.4) und (2.5) wiedergegebenen
Gesetzmäßigkeiten.
Ermüdungsgrad:
p
§ N eff · N eff
A a ˜ tarb m ¨ ¸ für ! 1, 2 (2.4)
© N DLG ¹ N DLG

A Zustand der Ermüdung zum Zeitpunkt tarb


tarb Arbeitsdauer (tarb • 0)
Neff Erbrachte Leistung bzw. Effektivbelastung
NDLG Dauerleistungsgrenze
a, m, p Konstanten, die den Ermüdungsverlauf charakterisieren.
Erholung:
A A0 ˜ e k ˜terh (2.5)

A Zustand der Ermüdung zum Zeitpunkt terh


A0 Zustand der Ermüdung zum Beginn der Erholung
terh Erholungsdauer (terh • 0)
k Restitutionskonstante.
„k“ ist eine Konstante, die die Geschwindigkeit der Ermüdung bzw. Erholung
beeinflusst (sog. Restitutionskontante, nach SIMONSON 1935, in ROHMERT u.
RUTENFRANZ 1983).
Erholungspausen sind demnach grundsätzlich zum Ausgleich von
Ermüdungserscheinungen erforderlich. Je weiter die Ermüdung fortschreitet, desto
länger werden die zur Erholung notwendigen Pausen. Dies entspricht nicht nur
dem Interesse des Wohlbefindens der arbeitenden Person, sondern führt auch zur
höchsten Gesamteffektivität. Als Pause in diesem Sinne wird eine Unterbrechung
der Arbeitsbelastung bezeichnet, so dass der Körper seine natürlichen Ressourcen
wieder aufbauen kann. Hierbei ist zu beachten, dass bereits sehr geringe
Belastungen die Erholungswirkung erheblich beeinträchtigen können. Bei
spezifischen Belastungsformen (einseitige Arbeit) genügt im Wesentlichen eine
Pause für die besonders belasteten Organe, so dass eine Erholungswirkung bereits
durch eine Verlagerung der Belastung auf andere Organe entstehen kann.
Arbeitsperson 203

Belastung
Ermüdungssgrad N3eff >N2eff >N1eff >NDLG

N3eff

N2eff

N1eff

Arbeitsdauer tarb Erhohlungsdauer terh

Abb. 2.38: Ermüdungsgrad in Abhängigkeit von Arbeitsdauer und Erholungsdauer bei


verschiedenen Belastungshöhen N1eff, N2eff und N3eff (in Anlehnung an ROHMERT 1962)

Da der Erholungsverlauf einer Exponentialfunktion folgt, ist der Erholungswert


zu Beginn einer Pause wesentlich größer als im weiteren Verlauf der Pause (siehe
Abb. 2.39). Da der Ermüdungsverlauf einem Potenzgesetz zu gehorchen scheint,
verursacht eine erbrachte Arbeitseinheit zu Beginn der Arbeit eine wesentlich
geringere Zunahme der Ermüdung als im weiteren Verlauf (siehe Abb. 2.39).
der Pause
Erholungswert d

0 1/4 1/3 1/2 1


normierte Pausenzeit

Abb. 2.39: Erholungswert einzelner Pausenteile in schematischer Darstellung (nach


LEHMANN 1962)
204 Arbeitswissenschaft

Daraus können folgende Feststellungen abgeleitet werden:


Der Erholungswert einer Pause steigt mit kürzer werdender Zykluszeit von
Belastung und Erholung an. Das heißt, bei kürzerer Zykluszeit ist insgesamt
weniger Erholzeit für die gleiche Endermüdung notwendig, bzw. die Zunahme der
Ermüdung verlangsamt sich. Andererseits wird deutlich, dass eine starke
Ermüdung eine unverhältnismäßig lange Erholung erfordert.
Abb. 2.40 zeigt am Beispiel körperlicher Schwerarbeit den Verlauf der
Pulsfrequenz und die zur Erholung notwendigen Pausen bei unterschiedlichen
Zykluszeiten, jedoch gleicher Belastungshöhe und gleicher Gesamtarbeitsdauer.
Je länger die einzelnen Arbeitsabschnitte dauern, desto höher steigt die
Pulsfrequenz (als Indikator für den Ermüdungsgrad) bis zum Ende des Abschnittes
an, dementsprechend sind im Verhältnis dazu längere Erholungspausen
notwendig.
Im Diagramm A (Abb. 2.40) ist nach einer Arbeitsperiode von 10 Minuten eine
Erholungspause von 10 Minuten zum Ermüdungsausgleich erforderlich. Im
Diagramm B ist die Arbeitszeit in drei Abschnitte zu je 3,3 Minuten gegliedert,
hierbei beträgt die zum Ermüdungsausgleich notwendige Pause jeweils 2 Minuten.
Im Diagramm C ist die Arbeitszeit schließlich in 10 Abschnitte zu je 1 Minute
aufgeteilt. Zum Ermüdungsausgleich ist hier eine Erholungspause von je 0,4
Minuten erforderlich.
Insgesamt ergibt sich die in Tabelle 2.10 dargestellte Bilanz.
Tabelle 2.10: Arbeits- und Pausendauer bei unterschiedlichen Zykluszeiten

Fall Arbeitszyklus Gesamtarbeitsdauer Gesamtpausendauer


A 10 min 10 min 10 min
B 3,3 min 10 min 6 min
C 1 min 10 min 4 min

Die Arbeitsleistung zeigt in Abhängigkeit der Arbeitspausenlänge ein


Maximum, d.h. ein bestimmtes Verhältnis zwischen Arbeitslänge und
Pausenlänge erweist sich für die Gesamtleistung am effektivsten. Man spricht in
diesem Zusammenhang von einer lohnenden Pause, wenn der Leistungsverlust
durch die Pause geringer ist als die Leistungssteigerung durch die Erholung.
Die vorangehenden Beispiele beziehen sich im Wesentlichen auf die Ermüdung
in Folge körperlicher Arbeiten. Die Ermüdungs- und Erholungsreaktionen, bedingt
durch die Umgebungsbedingungen (z.B. Lärm und Klima), zeigen ähnliche
Tendenzen.
Für Arbeiten mit informatorisch-mentaler Belastung liegen aufgrund der
Vielzahl möglicher Belastungs- und Beanspruchungsformen, deren
Superpositionseffekte und vor allem des Einflusses der Motivation keine
einheitlichen Erkenntnisse vor. Die in verschiedenen Laborexperimenten
ermittelten Leistungskurven gehen von optimalen Erholzeitzuschlägen bei
Vigilanzaufgaben von 15%-35% aus (LUCZAK 1982).
Arbeitsperson 205

Arbeitspulsfrequenz
(1/min)
A
PeriodeĆAĆ:ĆP=Ć10Ć:Ć10min

RP

Zeit (min)

Arbeitspulsfrequenz B
(1/min)

PeriodeĆA:ĆP=Ć3,3Ć:Ć2min

RP

Zeit (min)

Arbeitspulsfrequenz C
(1/min)

PeriodeĆA:ĆP=Ć1Ć:Ć0,4min

RP

Zeit (min)

Abb. 2.40: Einfluss der Zykluszeit auf die zur Erholung erforderlichen Pausen bei gleicher
Belastungshöhe (aus SCHMIDTKE 1969, RP: Ruhepuls)
206 Arbeitswissenschaft

Bei kontinuierlichen Informationsverarbeitungsaufgaben in denen der


Menschen als Regler fungiert zeigt sich, dass eine Pause dann die günstigsten
Erholungseffekte bewirkt, wenn sie im Bereich von 2/3 bis 3/4 der maximalen
Ausdauer gegeben wird. Für die Pausenlänge wird ein näherungsweise linearer
Zusammenhang zwischen Pausendauer und dadurch bewirktem Zugewinn an
maximaler Ausdauer angegeben (LUCZAK 1979).
Bei Rechenarbeiten zeigt GRAF (1954, zitiert in LUCZAK 1982) eine optimale
Pausenlänge auf, ober- und unterhalb derer die Gesamteffektivität absinkt. Die
günstigste Zykluszeit von Arbeits- und Pausendauer zeigt am Beispiel von
Videokodiertätigkeiten beim Kurzpausenregime (25/5 min) eine überproportionale
Häufung von Ermüdungsgraden. Dies ist auf einen Antriebseffekt, der auf die
Arbeitsperson wirkt, zurückzuführen, da hierbei die Leistung ansteigt. Das
Langpausenregime (100/20 min) zeigte eine Reduktion der Ermüdungsgrade bei
gleichzeitigem Anstieg der Leistung gegenüber dem Normalpausenregime
(50/10 min) (LUCZAK u. ROHMERT 1974).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bei verschiedenen Tätigkeiten auf eine
jeweils angepasste Pausendauer zu achten ist. Darüber hinaus tritt das
Müdigkeitsgefühl erst mit vorhandener Ermüdung auf und hat somit keine
Indikatorfunktion. Dies führt in der Praxis häufig dazu, dass selbstgewählte
Pausen zu spät eingelegt werden und damit die vorbeugende Wirkung verlieren.
Zudem scheint sich die Länge selbstgewählter Pausen eher an deren Sozialwert als
an ihrem Erholungswert zu bestimmen. Dies bedeutet, dass die
erholungsfördernde Wirkung selbstgewählter Pausenverteilungen fragwürdig ist,
sofern diese nicht auf entsprechender Information und Einsicht in die
Zusammenhänge beruhen (ULICH 1994).
Tägliche Arbeitszeit
Die gezeigten Zusammenhänge gelten analog auch für die Betrachtung größerer
Zeiträume, so z.B. auch der täglichen Arbeitszeit. Untersucht man die erbrachte
Leistung im Verlauf eines Tages, so zeigt sich schematisiert ein Verlauf, wie in
Abb. 2.41 dargestellt.
Zu Beginn der Arbeit steigt die Gesamtleistung aufgrund der Einarbeitungs-
und Umstellungsphase mit einer Verzögerung an und verläuft dann gleichmäßig.
Ab einer gewissen Arbeitszeit wird der Anstieg aufgrund von
Ermüdungserscheinungen zunehmend flacher. Die Gesamt-Effektivität erreicht ihr
Maximum dort, wo die Asymptote zwischen dem Nullpunkt und der
Leistungskurve die höchste Steigung besitzt. Das bedeutet, dass bei einer
Verlängerung der Arbeitszeit über diesen Punkt hinaus die Effektivität abfällt, d.h.
für eine Mehrleistung unverhältnismäßig viel Zeit aufgewendet werden muss. In
diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der konkrete Verlauf dieser
Kurve von vielen äußeren und individuellen Faktoren abhängig ist.
Arbeitsperson 207

höchste Gesamteffektivität
ung
Leistu

tägliche Arbeitszeit

Abb. 2.41: Schematische Darstellung der Beziehungen zwischen Arbeitszeit und Leistung
nach GRAF (1954)

2.4.3.5 SchädigungenĆ
Wie bereits in diesem Kapitel besprochen, zählen Schädigungen nicht zu den
Ermüdungserscheinungen, wenngleich die Ursachen meist ähnlich sind und
Ermüdung Vorbedingung einer organischen Schädigung ist. Im Falle von
chronischen Ermüdungen oder Übermüdungen des Organismus bzw. einzelner
Organe können in Abhängigkeit von Dauer und Intensität der Belastung bleibende
Funktionsminderungen entstehen, diese werden dann als Schädigung bezeichnet.
Hierzu gehören sowohl Schädigungen ausgelöst durch körpereigene Aktivitäten
(z.B. Überdehnung von Gefäßwänden und Knochenveränderungen infolge
andauernder Druckwirkungen) als auch durch äußere Einwirkungen (z.B. Lärm,
chemische Substanzen). Bei einigen Belastungen, die zu einer Schädigung führen
können, ist die Feststellung der fortschreitenden Ermüdung dem Menschen direkt
zugänglich (z.B. durch Schmerzempfindung), so dass einer Schädigung
vorgebeugt werden kann. Für Belastungsarten, bei denen das nicht der Fall ist,
besteht eine besondere Gefahr der Schädigung, da diese im Allgemeinen erst an
einer Funktionsminderung erkannt werden, die nicht mehr reversibel ist.
Die Arbeitsschutzbestimmungen beinhalten diesbezüglich Richtlinien zum
Schutz der Gesundheit der Arbeitspersonen (siehe Kap. 8).
208 Arbeitswissenschaft

2.5 Literatur

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3 Arbeitsformen

3.1 Begriffliche Grundlagen

Durch Typenbildung realer Arbeitssysteme und Tätigkeiten wird die enorme Viel-
falt menschlicher Arbeit geordnet und dadurch Komplexität reduziert. Basis der
Typenbildung sind sowohl organismische Segmente oder Funktionen als auch
vorwiegende Aufgaben- oder Leistungsarten. Dies bedeutet, dass Arbeitsformen
nach dem Prinzip eines aussagefähigen minimalen Satzes von Mess-, Bewertungs-
und Beurteilungsgrößen zusammengefasst werden. Die wohl geläufigste Glie-
derung von Arbeitsformen ist die Unterscheidung von geistiger und körperlicher
Arbeit, auch Kopf- und Handarbeit genannt. Üblicherweise ist damit das Über-
wiegen einer der beiden Aspekte gemeint, da in realen Arbeitstätigkeiten weder
nur geistige Tätigkeiten noch körperliche Arbeit ohne zumindest elementare geis-
tige Prozesse anzutreffen sind. Zwar ist über einen gewissen Zeitraum eine rein
geistige Tätigkeit (z.B. Planen) möglich, jedoch mündet diese entweder in eine
Ausführung der zuvor gedanklich durchgespielten Tätigkeit oder das Ergebnis der
gedanklichen Beschäftigung wird in irgendeiner Weise (beispielsweise durch
Sprechen, Schreiben oder Gestik) weitergegeben, was üblicherweise ebenfalls mit
körperlichen (muskulären) Aktivitäten verbunden ist. Umgekehrt erfordern auch
primär körperliche Arbeiten, wie beispielsweise das Tragen schwerer Werkstücke,
mindestens rudimentäre geistige Aktivitäten, wie etwa das geistige Präsenthalten
der Aufgabenstellung.
In der Arbeitswissenschaft werden die idealtypischen Extremformen menschli-
cher Arbeit als informatorische und energetische Arbeit, als reiner Informations-
bzw. Energieumsatz, bezeichnet. In Arbeitssystembetrachtungen wird neben In-
formations- und Energieumsatz auch noch ein Stoffumsatz unterschieden. Die
dem Menschen im Rahmen seines Stoffwechsels verfügbaren Möglichkeiten des
Stoffumsatzes werden jedoch üblicherweise nicht in Arbeitstätigkeiten genutzt.
Ein Beispiel für eine solche Nutzung wäre das Aufschließen von Stärke bei der
Bierproduktion durch Einspeicheln, wie es bei einzelnen Naturvölkern anzutreffen
ist. Der menschliche Beitrag zum Energiefluss beschränkt sich in der Regel auf
die Abgabe mechanischer Energie, obgleich andere Energieformen denkbar wä-
ren, etwa das Erzeugen von Prozesswärme, beispielsweise das Schmelzen von Eis
durch Körperwärme. Tabelle 3.1 zeigt fünf Mischformen der idealtypischen Ext-
remformen, die sich nach dem oben genannten Prinzip des aussagefähigen mini-
malen Satzes von Mess-, Bewertungs- und Beurteilungsgrößen bilden lassen.
224 Arbeitswissenschaft

Tabelle 3.1: Verschiedene Arbeitsformen als Kombination der Grundtypen energetische


und informatorische Arbeit (modifiziert nach ROHMERT 1983a)
Typ der Arbeit Energetische Arbeit
Informatorische Arbeit
Art der Arbeit Mechanisch Motorisch Reaktiv Kombinativ Kreativ
Was verlangt Kräfte abgeben Bewegungen Reagieren und Informationen Informationen
die Erledigung ausführen Handeln kombinieren erzeugen
der Aufgabe
vom
Menschen? „Mechanische Genaue Informationen Informationen Verknüpfen
Arbeit“ im Bewegung aufnehmen mit von
Sinne der bei geringer und darauf Gedächnis- Informationen
Physik Kraftabgabe reagieren inhalten zu „neuen“
verknüpfen Informationen
Welche Muskeln, Sinnesorgane, Sinnesorgane, Denk- und Denk-, Merk-
Organe oder Sehnen, Muskeln, Reaktions- Merkfähigkeit sowie
Funktionen Skelett, Sehnen, und sowie Schluss-
werden bean- Atmung Kreislauf Merkfähigkeit Muskeln folgerungs-
sprucht? sowie fähigkeit
Muskeln
Beispiele Tragen Montieren Auto fahren Konstruieren Erfinden

Energetisch-effektorischer Anteil
Der energetische Anteil von Arbeitstätigkeiten beinhaltet üblicherweise die Inan-
spruchnahme der Skelettmuskulatur, so dass Kräfte erzeugt und Bewegungen
ausgeführt werden können. Daher wird auch von energetisch-effektorischer Arbeit
gesprochen. Die Arbeitsmöglichkeiten eines Muskels lassen sich nach zwei
Grundformen (Abb. 3.1) unterscheiden:
x Die sog. statische Muskelarbeit, bei der lediglich einer einzuwirkenden Kraft
(z.B. gehobene Last, Eigengewicht von Gliedmaßen) das Gleichgewicht ge-
halten wird (isometrische Kontraktion). Da keine Bewegung vorliegt, wird
dabei im physikalischen Sinn keine Arbeit geleistet. Physikalisch entspricht
Arbeit dem Skalarprodukt aus Kraft und Weg. Unter physiologischen Ge-
sichtspunkten würde sich das Produkt aus Kraft und Zeit besser als Arbeits-
maß eignen (ROHMERT 1983a).
Arbeitsformen 225

x Die sog. dynamische Muskelarbeit, bei der sich einzelne Muskeln abwech-
selnd anspannen und wieder entspannen und physikalische Arbeit (z.B. He-
ben einer Last, Drehen einer Kurbel) geleistet wird (abwechselnde isotoni-
sche Kontraktion).

kim kit kat


kr

sit sat
sim
sr F
kim<kkr kit<kkr F kat<kkr
sim+kim=sr+kr F sit=sr sat<sr

Isometrische (im) Isotonische (it) Auxotonische (at)


Ruhe (r) Kontraktion Kontraktion Kontraktion
Statische Arbeit Dynamische Arbeit

Abb. 3.1: Schematische Darstellung zu statischer und dynamischer Muskelarbeit (in An-
lehnung an SILBERNAGEL u. DESPOPOULOS 1983) (k: Länge des kontraktilen Mus-
kelanteils, s: Länge des serienelastischen Muskelanteils)

Aus physiologischer Sicht ist vor allem statische Muskelarbeit problematisch.


Durch die Dauerkontraktion verschlechtert sich die Durchblutung des Muskels
und die Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen sowie die Entsorgung von
Stoffwechselprodukten sind nach kurzer Zeit unzureichend. Abwechselnde Kon-
traktion und Erschlaffung eines Muskels bei dynamischer Arbeit fördert dagegen
unter Umständen bei einem günstigen zeitlichen Verhältnis der beiden Zustände
sogar die Durchblutung (ROHMERT 1983a).
Eine weitere Unterscheidung statischer Muskelarbeit kann danach erfolgen, ob,
bezogen auf den Körper, nur eine innere Kraftwirkung vorliegt (statisches Beibe-
halten einer Körperstellung). In diesem Fall spricht man von statischer Haltungs-
arbeit. Kommt es zu einer äußeren Kraftwirkung (z.B. Halten von Werkzeug oder
Werkstück) wird dies als statische Haltearbeit bezeichnet. Die dynamische Mus-
kelarbeit wird danach gegliedert, welcher Anteil der Gesamtmuskelmasse einge-
setzt wird. Bei der einseitig dynamischen Muskelarbeit werden nur kleine Mus-
kelgruppen eingesetzt, in denen es (lokal) zu Ermüdungserscheinungen kommt,
während bei der schweren dynamischen Muskelarbeit auch das Kreislauf- und
Atmungssystem (erhöhter Sauerstoff- und Nährstoffbedarf) involviert sind (siehe
Kap. 3.2.3). In Tabelle 3.2 sind die Untergruppen der Muskelbelastungsformen im
Überblick dargestellt.
226 Arbeitswissenschaft

Tabelle 3.2: Formen von Muskelarbeit (nach ROHMERT 1983a)


Muskelbelastungsform Beispiele Biomechanische Physiologische
physiologische Kriterien für ergonomische Kennzeichen Kennzeichen der
Grobgliederung Feingliederung Bezeichnung Beanspruchung
statische Halten des keine Bewegung Durchblutung wird
Haltungsar- Oberkörpers von Gliedmaßen, bereits bei
beit beim gebeug- keine Kräfte auf Anspannung von
ten Stehen Werkstück oder 15% der maximal
Bedienelemente möglichen Kraft
Statische Überkopf- keine Bewegung durch Muskelin-
Haltearbeit schweißen von Gliedmaßen; nendruck gedros-
innere und oder Montie- Kräfte an Werk- selt, dadurch
statisch äußere ren, Tragear- stück, Werkzeug starke Beschrän-
Kraftwirkung beit oder Bedienele- kung der maximal
ment möglichen
Arbeitsdauer auf
wenige Minuten
Kontraktions- Gussschleifen Folge statischer Übergang zu
arbeit Kontraktionen statischer Arbeit
vergleichbarer
Beanspruchung
bei geringen
Bewegungsfre-
quenzen
einseitig Handhebel- kleine Muskel- maximal mögliche
dynamische presse, Schere gruppen im Arbeitsdauer
Arbeit betätigen allgemeinen mit durch Arbeitsfä-
Größe der relativ hoher higkeit des
dynamisch Muskel- Bewegungsfre- Muskels be-
gruppe quenz schränkt
schwere Schaufelarbeit Muskelgruppen Begrenzung
dynamische >1/7 der gesam- durch Leistungs-
Arbeit ten Skelettmus- fähigkeit der
kelmasse Sauerstoffversor-
gung durch Herz,
Kreislauf, Atmung

Informatorischer Anteil
Angesichts der Vielfalt der Ausprägungen vorwiegend nicht-körperlicher Arbeits-
formen ist es bis heute nicht gelungen, eine der Muskelarbeit ähnliche logisch-
stringente Untergliederung auf hohem Abstraktionsgrad zu schaffen. Vielverspre-
chende Gliederungsansätze stützen sich auf komplexitätstheoretische Maße aus
der Grundlagenforschung (GRASSBERGER 1986; BIALEK et al. 2001), die den
Informationsfluss zwischen Vergangenheit und Zukunft eines Arbeitsprozesses zu
beschreiben vermögen (siehe SCHLICK et al. 2006, 2007, 2009), jedoch noch weite-
ren theoretischen und experimentellen Validierungen unterzogen werden müssen,
um eine wissenschaftlich hinreichende Typenbildung zu ermöglichen.
Unter Einbeziehung von Überlegungen bezüglich der Beobachtbarkeit und
Messbarkeit von Zustandsgrößen wird daher der klassische psychophysiologische
Arbeitsformen 227

Ansatz der Gliederung nicht-körperlicher Arbeit verwendet, der drei Phasen unter-
scheidet:
x Die frühen Prozesse der Informationsaufnahme, welche das Entdecken und
Wahrnehmen eines Reizes mittels der Rezeptoren (Sinnesorgane) einschließ-
lich der Vorverarbeitung zum Gegenstand haben (Kap. 3.3.2.1).
x Die zentralen Prozesse der Informationsverarbeitung, welche das Erkennen
der Signalbedeutung, Identifizieren der wesentlichen Merkmale und Ent-
scheiden zwischen Handlungsalternativen beinhalten sowie die Verknüpfung
mit Gedächtnisinhalten sicherstellen (Kap. 3.3.2.2).
x Die späten Prozesse der Reaktion durch motorische Regulation und Informa-
tionsabgabe, beispielsweise durch Sprache, Gesten oder weitere Handlungen
(Kap. 3.3.2.3).
Darauf aufbauend lässt sich die in Tabelle 3.1 eingeführte Typenbildung hin-
sichtlich der dazu nötigen Verarbeitungsressourcen weiter verfeinern (Abb. 3.2):
x Liegt der Schwerpunkt bzw. Engpass der Arbeit in der Informationsaufnah-
me, sind also vor allem die Rezeptoren beansprucht, handelt es sich um sog.
sensorische Arbeit. Weitere Differenzierungen sind nach der Art (visuell, au-
ditiv, taktil, olfaktorisch, propriozeptiv) der involvierten Rezeptoren mög-
lich. Begrenzender Faktor ist die (von Alter, Ermüdungszustand etc. abhän-
gige) Empfindlichkeit der Sinnesorgane und die Filterfunktionalität der da-
mit verbundenen Vorverarbeitungsprozesse.
x Steht das Erkennen im Vordergrund, so handelt es sich um
diskriminatorische Arbeit. Beim Erkennen geht es um das Extrahieren im
Hinblick auf die Vorhersage wesentlicher Eigenschaften eines Signals und
die symbolische Verdichtung dieses Signals zu einem Begriff oder Sachver-
halt, beispielsweise die Verknüpfung von Liniensegmenten zu einem opti-
schen Warnzeichen oder eines Geräusches zum Vorliegen eines Motorscha-
dens. Das Leistungsspektrum wird unter anderem dadurch begrenzt, wie vie-
le unterschiedliche Ausprägungen eines Reizes (z.B. Tonhöhe, Lautstärke,
Helligkeit) identifiziert und unterschieden werden können und welcher mi-
nimale Kontrast erforderlich ist.
x Das Entscheiden ist das primäre Kennzeichen kombinatorischer Arbeit. Dem
identifizierten Signal und seinen symbolischen Repräsentationsformen muss
aus einem verfügbaren Handlungsrepertoire eine adäquate Reaktion zuge-
ordnet werden.
x Werden solche Handlungsmöglichkeiten erst generiert, d.h. besteht ein we-
sentlicher Teil der Arbeit darin, auf Basis bereits bestehender oder latenter
Information neue Symbolstrukturen sowie raum-zeitliche Korrelationen zwi-
schen Symbolen zu erzeugen und damit offene Problemstellungen zu lösen,
so handelt es sich um kreative Arbeit.
x Signalisatorisch-motorische Arbeit beinhaltet im Wesentlichen die Informa-
tionsabgabe. Diese kann in Form gesprochener oder geschriebener Sprache,
228 Arbeitswissenschaft

in Gesten oder sonstiger Handlungen (z.B. Bedienen von Stellteilen wie


Druckknöpfen, Hebeln etc.) erfolgen.
x Tätigkeiten, bei denen eine besonders enge Verbindung zwischen energe-
tisch-motorischen und sensorisch-informatorischen Leistungsanteilen be-
steht, ohne dass die Muskelarbeit durch besondere Schwere oder Einseitig-
keit gekennzeichnet wäre oder die Anforderungen an die Informationsverar-
beitung (Erkennen, Entscheiden) besonders hoch wären, werden als
sensumotorische Arbeit bezeichnet. Typische Vertreter dieses Arbeitstyps
sind feine Montagetätigkeiten.

motorische
Sensu-
Arbeit

Sensorische Diskrimina- Kombina- Signalisatorisch-


motorische
Arbeit torische Arbeit torische Arbeit
Arbeit
Entdecken Erkennen Handeln
Entscheiden
Wahrnehmen Identifizieren Aktion

Signal Reaktion
Kreative Arbeit

Sensorisches Gedächtnis, Kurzzeitgedächtnis, Langzeitgedächtnis

Abb. 3.2: Systematik der menschlichen Informationsverarbeitung und primär vorliegende


informatorische Arbeitsformen (nach LUCZAK 1975)

3.2 Energetisch-effektorisch

3.2.1 Menschliche Kraft- und Energieerzeugung


Der energetisch-effektorischen Arbeit werden Tätigkeiten des Menschen zugeord-
net, die mit Erzeugung von Kräften bzw. Umsetzung mechanischer Energie ver-
bunden sind. In der arbeitswissenschaftlichen Literatur wird diese Arbeit auch als
„Muskelarbeit“ bezeichnet.
Obwohl in den letzten Jahren die Bedeutung der energetisch-effektorischen Ar-
beit durch Mechanisierung und Automatisierung zurückgegangen ist, so verbleibt
dennoch eine Vielzahl von Arbeitsplätzen in der Industrie und in der Landwirt-
schaft, bei denen eine erhebliche Muskelarbeit zu leisten ist. Dies sind bspw. Ar-
beitsplätze, bei denen eine Mechanisierung technisch kaum möglich (z.B. Arbei-
ten in kleinen Lagern) oder solche, für die eine Mechanisierung nicht wirtschaft-
lich ist (z.B. das Abladen von unregelmäßig geformtem Stückgut).
Gerade moderne, flexibel gestaltete Arbeitssysteme verlangen aus Gründen der
schnellen Disposition häufig die manuelle Ausführung bestimmter Abläufe. Dies
sind leider oft nur Teile eines größeren Prozesses, die nicht ohne Weiteres zu
mechanisieren oder automatisieren sind (z.B. das Verladen von Waren auf ein
Arbeitsformen 229

Transportband), wodurch besonders einseitige und kurzzyklische Arbeitsvorgänge


entstehen können.
Arbeitsgestalterische Aufgaben bei energetisch-effektorischer Arbeit liegen al-
lerdings nicht darin, den Menschen vor körperlicher Arbeit möglichst zu bewah-
ren, sondern diese so zu gestalten, dass sie dauerhaft und ohne unnötig hohe Bean-
spruchungen bzw. gesundheitlichen Beschwerden bewältigt werden können. Dies
ist insofern von Bedeutung, da unnötig hohe Beanspruchungen häufig subjektiv
nicht sofort spürbar sind, sondern erst längerfristig in Form von Schädigungen und
Erkrankungen wirksam werden (z.B. Muskelerkrankungen, Sehnenscheidenent-
zündung und Wirbelsäulenschädigungen).
Trotz vielfältiger arbeitsgestaltender Maßnahmen in den letzten Jahren nehmen
in Deutschland die Erkrankungen des Muskel- und Skelettsystems bei der Ar-
beitsunfähigkeit die erste Stelle ein (MILDE u. PONTO 2005).

3.2.2 Biomechanische Aspekte energetisch-effektorischer Arbeit


Unter mechanischen Gesichtspunkten stellt der menschliche Körper ein lose ge-
koppeltes Stabwerk dar, wobei die „Stäbe“ (Knochen) über bewegliche Gelenke
miteinander verbunden sind. Beim Einwirken oder Aufbringen von Kräften ent-
stehen solche folglich nicht nur an der Einwirkungsstelle und den unmittelbar
beteiligten Gelenken, sondern im gesamten Körper zur Aufrechterhaltung der
notwendigen Kräftegleichgewichte. Dabei müssen die Knochen stabilisiert werden
durch
x aktive Muskelanspannung an den Gelenkpunkten,
x Positions- bzw. Lageveränderungen des Körpers oder
x äußere Abstützung des Körpers oder Teilen davon (z.B. im Sitz).
Damit wird deutlich, dass bei der Betrachtung energetisch-effektorischer Ar-
beitsformen Belastungen nicht nur am Eintrittsort von Kräften, Momenten und
Energien, sondern im ganzen Körper mit unterschiedlicher Verteilung auftreten.
Grundsätzlich kann so mit den Prinzipien der klassischen Mechanik für jeden
Gelenkpunkt eine Momentenbilanz aufgestellt werden sowie der statische und
dynamische Kraftfluss nachverfolgt werden. Damit wird beispielsweise deutlich,
dass beim stehenden Menschen Zugkräfte an der Hand mit entsprechenden Kräf-
ten im Rumpf, in den Knien und in den Füßen einhergehen, wenn der Körper in
freier Lage unverändert bleiben soll.
Bei bewegten Massen müssen darüber hinaus die Massenträgheitskräfte mitbe-
rücksichtigt werden, bei hohen Bewegungsfrequenzen auch die viskösen Dämp-
fungskräfte durch die Verformung von Körpergewebe und innerer Reibung.
Aus der biomechanischen Analyse können somit einerseits Aussagen bezüglich
der mechanischen Verhältnisse
x der Standsicherheit,
x der Wirkung von Körperunterstützungsflächen,
x dem Kräftefortsatz im Körper
230 Arbeitswissenschaft

und andererseits wichtige Rückschlüsse auf die in den einzelnen Körperteilen


auftretenden Belastungen gezogen werden.
Belastet werden im Wesentlichen
x die Muskulatur, mit der Kräfte erzeugt werden,
x die Knochen, Gelenke, Sehnen und Bänder, die Kräfte aufnehmen müssen,
und
x der Stoffwechsel und das Herz-Kreislauf-System, welche die von den Mus-
keln umgesetzte Energie bereitstellen müssen.
Eine besondere Bedeutung kommt der biomechanischen Analyse bezüglich der
Belastung der Wirbelsäule zu, da diese nicht-klinisch weder mittelbar noch unmit-
telbar messbar ist.

3.2.3 Arbeitsformen und Beanspruchungsfaktoren


Bei energetisch-effektorischen Arbeitsformen werden als aktive Organe haupt-
sächlich die Muskeln und das Herz-Kreislauf-System belastet. Im Sinne einer
Engpassbetrachtung unterscheidet man daher bezüglich der Arbeitsform:

Schwere dynamische Arbeit


Hierbei kommen mehrere, in der Regel große Muskelgruppen gleichzeitig zum
Einsatz (siehe Tabelle 3.3). Bei hoher Belastung kommt es primär zu einem Ver-
sorgungsengpass durch die begrenzte Leistungskapazität des Herz-Kreislauf-
Systems. Beispiele hierfür sind manuelle Transporttätigkeiten oder Lastenhandha-
bung.

Einseitig dynamische Arbeit


Hierbei sind hauptsächlich kleinere bzw. lokal begrenzte Muskelgruppen im Ein-
satz (siehe Tabelle 3.3), die bei hoher Belastung schnell ermüden. Der Engpass
liegt hierbei also primär im Muskel, wobei das Herz-Kreislauf-System nicht
zwangsläufig spürbare Beanspruchungsreaktionen zeigen muss (z.B. beim
Schrauben Eindrehen, Montieren von kleinen Teilen).

Allseitig dynamische Arbeit


Wird schwere dynamische Arbeit mit z.B. wechselnden Haltungskomponenten
über längere Dauer (8h Arbeitstag) gekoppelt, so wandert der Engpass in das
metabolische System (Atmung, VO2, Energiebereitstellung und -umsatz, Thermo-
regulation). Der Ausgleich von Nahrungszufuhr und arbeitsbedingten Verbren-
nungsprozessen wird zum Problem, das in Kampagnen (z.B. Erntearbeit) zeitweise
auf Koste des Körpergewichts gelöst wird. In der Vergangenheit wurden solche
Arbeiten bei Nahrungsknappheit und Bewirtschaftung mit so bezeichneten
„Schwerarbeiter-Marken“ bedacht, die über 5000 kcal Nahrungsmengen/Tag
vorsahen, so z.B. im Bergbau und der Waldarbeit. Heute findet man diese Arbeits-
form allenfalls noch beim Spitzensport in Ausdauersportarten.
Arbeitsformen 231

Tabelle 3.3: Unterschiede zwischen einseitiger und schwerer dynamischer Muskelarbeit

Dynamische zusammen mit anderer Extremität


Arbeit von allein Finger Hand Arm Fuß Bein
Finger
Hand einseitig dynamische Muskelarbeit
Arm ohne Schultern
mit Schultern
Fuß
Bein schwere dynamische Muskelarbeit

Die Differenzierung zwischen schwerer dynamischer und einseitig dynamischer


Arbeit hängt folglich vom Beanspruchungsengpass ab. Wenn regelmäßig mehr als
ca. 1/8 bis 1/7 der Muskelmasse des Körpers im Einsatz ist, kann in erster Nähe-
rung von einer schweren dynamischen Arbeitsform ausgegangen werden.
Bei allseitig dynamischer Arbeit wandert der Engpass in Richtung maximale
Sauerstoffaufnahme, maximale Nahrungsaufnahme im metabolischen System
sowie Thermoregulation (bei Hitzearbeit).

Statische Arbeit
Im Unterschied zur mechanischen Betrachtung der äußeren Situation müssen die
Muskeln jedoch auch bei unbewegtem Körper (d.h. ohne Erzeugung physikali-
scher Arbeit) zur Erhaltung der Körperposition angespannt werden. Die besondere
Bedeutung statischer Arbeitsformen liegt darin, dass diese energetisch besonders
unwirtschaftlich sind, da die aufgrund der fehlenden Bewegung unzureichende
Muskeldurchblutung zu einer viel schnelleren Muskelermüdung und letztere wie-
derum zu einer gesteigerten Kreislaufaktivität führt.
Eine solchermaßen statische Muskelbelastung entsteht bei
x statischer Haltungsarbeit, bei der lediglich bestimmte Gelenk- oder Körper-
stellungen fixiert werden (Beispiel: Gebeugte Körperhaltung bei klinischen
Operationen, Verkehrsregelung per Hand, Montage abgehängter Decken),
x statischer Haltearbeit, bei der zur Körperstellung zusätzlich eine Last fixiert
wird (Beispiel: Das Halten von Deckenplatten bei Ausbauarbeiten, das Hal-
ten eines Handwerkzeuges: Bohrmaschine / Winkelschleifers etc.) sowie
x statischer Kontraktionsarbeit, die das Aufbringen einer nicht konstanten
Kraft beschreibt, ohne dass eine Bewegung vorliegt (Beispiel: Betätigen ei-
ner Bandbremse zum Steuern einer Maschinendrehzahl oder das Ansetzen
einer elektrischen Handbohrmaschine und Bohren eines Sacklochs).
Bei der statischen Arbeit und der dadurch im Muskel auftretenden Daueran-
spannung kann der Muskelstoffwechsel durch hohe Muskelinnendrücke, die über
dem des Kapillardrucks liegen, nicht mehr ausreichend gewährleistet werden
(Abb. 3.3).
232 Arbeitswissenschaft

Dynamische Statische
Ruhe
Arbeit Arbeit

Blut- Durch- Blut- Durch- Blut- Durch-


bedarf blutung bedarf blutung bedarf blutung

z.B. Kurbeln z.B. Halten

Abb. 3.3: Blutversorgung und Blutbedarf statisch und dynamisch arbeitender Muskeln
(schematisch, nach LEHMANN 1962)

Durch den damit verbundenen Sauerstoffmangel kommt es zu einer schnellen


Ermüdung des Muskels. Wie die Untersuchungen von ROHMERT (1960) zeigen,
können daher bereits statische Kräfte im Bereich von mehr als 15% der Maximal-
kraft zu lokalen Muskelermüdungen und somit zu einer Begrenzung der mögli-
chen Ausübungsdauer führen (Abb. 3.4).
Werden 25% der Maximalkraft statisch abverlangt, so kann die Kraft wegen
der schnell eintretenden Muskelermüdung nur für etwa vier Minuten aufrechter-
halten werden; bei 50% der Maximalkraft sogar nur für eine Minute.
Aus der spezifischen Entstehungsursache der Ermüdung bei statischer Arbeit
erklärt sich gleichzeitig die praktische Differenzierung von statischer und dynami-
scher Arbeit: Zur Blutversorgung des Muskels muss dieser kurzfristig – ent-
sprechend der Dauer des Durchflusses für ca. 0,3s – entspannt sein. Zur Vermei-
dung der schnellen Ermüdung bei statischer Arbeit sind demzufolge möglichst
völlige Erschlaffungsphasen notwendig, denn bereits kleine statische Anspannun-
gen verlangsamen die Blutversorgung in erheblichem Maße.
Obwohl der Engpass bei der statisch ausgeübten Kraft zunächst im Muskel
liegt, ist bei größeren Muskelgruppen daher auch eine erhebliche Beanspruchung
des Herz-Kreislauf-Systems zu verzeichnen.
Neben den aktiv kraft- und energieerzeugenden Organen werden darüber hin-
aus immer auch Knochen, Gelenke, Sehnen und Bänder beansprucht. Deren Bean-
spruchung bleibt subjektiv nicht deshalb unbeachtet, weil sie unbedeutend ist,
sondern weil deren Schmerzrezeptoren eine hohe Empfindlichkeitsschwelle besit-
zen. Von daher sind bei den passiven Elementen nur extrem hohe Beanspruchun-
gen – dann allerdings sehr schmerzhaft – spürbar. Die praktische Konsequenz
dieses Zusammenhangs liegt im oft leichtfertigen Umgang mit derartigen Bean-
spruchungen. Erst wenn die Belastbarkeitsgrenze aufgrund von Erkrankungen
oder gar Schädigungen deutlich herabgesetzt ist, verhindern die – dann starken –
Schmerzen eine weitere Beanspruchung. Neben den persönlich unangenehmen
Arbeitsformen 233

Konsequenzen muss die Tätigkeitsausführung dann mittelfristig oder sogar end-


gültig unterbrochen werden. Eine wichtige arbeitsgestalterische Aufgabe liegt
daher im präventiven Schutz vor derartigen Überbeanspruchungen, weil der bei
den Muskeln und beim Herz-Kreislauf-System im Allgemeinen gut funktionieren-
de Begrenzungsmechanismus hier nicht in gleicher Weise wirkt.

Abb. 3.4: Maximale Ausdauer in Abhängigkeit von der statisch ausgeübten Muskelkraft
(ROHMERT 1960)

3.2.4 Muskelsystem
Die Muskulatur des Bewegungsapparates besteht aus quergestreifter Muskulatur,
die sich u.a. durch eine hohe Kontraktionsgeschwindigkeit auszeichnet und die,
abgesehen von der Gesichtsmuskulatur, vom Rückenmark aus aktiviert wird. Da-
rüber hinaus gibt es die vegetativ gesteuerte und relativ träge „glatte Muskulatur“
bei den inneren Organen des Körpers und die Herzmuskulatur als spezifische
Form der quergestreiften Muskulatur

3.2.4.1 MuskelanatomieĆ
Anatomisch besteht der Muskel aus einer Vielzahl von Muskelfasern, die bei
einem Durchmesser von 0,01 bis 0,1 mm noch mit bloßem Auge zu erkennen sind
(Abb. 3.5). Ihre Länge kann bis zu 30 cm betragen und geht an beiden Enden in
die Sehnen über. Die eigentlichen Träger der muskulären Funktion, die kontrakti-
len Elemente, bestehen aus länglich angeordneten Fadenbündeln, wobei zwei
234 Arbeitswissenschaft

Proteinsubstanzen – Actin und Myosin – filamentartig ineinandergreifen. Die


dünnen Actinfäden sind an den Z-Scheiben angeheftet, die dicken Mysosinfäden
an den H-Linien miteinander vernetzt. Im ruhenden Muskel überlappen sich die
Enden nur geringfügig.

Abb. 3.5: Struktur des Muskels (nach HUXLEY 1960)


Arbeitsformen 235

3.2.4.2 MuskelerregungĆ
Die Innervierung der Muskelzellen erfolgt synaptisch über so genannte motorische
Endplatten, die mit den zuständigen Motoneuronen im Rückenmark verbunden
sind. Auf diese Weise werden mehrere gleichzeitig aktivierte Muskelfasern (beim
Bewegungsapparat zwischen 10 und 1000) zu einer „motorischen Einheit" zu-
sammengeschaltet. Über vom Motoneuron mittels Nervenleitungen an die motori-
sche Endplatte übertragene elektrische Impulse (Aktionspotentiale), die sich rege-
nerativ entlang der Muskelfaser ausbreiten, werden Depolarisationsimpulse der
Muskelzellmembran ausgelöst und bewirken damit eine Einzelzuckung in den
Muskelfasern der motorischen Einheit von etwa 35-70 ms Dauer.
Von Bedeutung ist hierbei, dass jedes ausreichend große Aktionspotential zu
einer kurzen Kontraktion führt, wobei weder deren Dauer noch deren Stärke modi-
fiziert werden kann. Die mittlere Kontraktionsstärke einer einzelnen motorischen
Einheit lässt sich durch die Entladungsrate des Motoneurons (5-20, max. 50 Hz)
nur in sehr begrenztem Maße steuern. Eine genaue Abstufung der Gesamtspan-
nung des Muskels wird deshalb durch die kontrollierte Aktivierung verschiedener
(und verschieden großer) motorischer Einheiten ergänzt („Rekrutierung"). Eine
schwache Muskelkontraktion wird typischerweise durch Motoneurone kontrol-
liert, die zu kleineren motorischen Einheiten gehören, eine zunehmend stärkere
Kontraktion wird dann durch das Hinzuschalten von mehr und größeren motori-
schen Einheiten erreicht. Innerhalb des Gesamtmuskels arbeiten die einzelnen
motorischen Einheiten (bei nicht zu hohen Aktivierungsgraden) asynchron und
bewirken damit in der Summe einen geglätteten Kraftverlauf (DELUCA et al.
1982). Ab ca. 60% der Maximalkraft ist dann eine zunehmende Synchronisation
der motorischen Einheiten zu verzeichnen, die zu einer – auch im Alltag leicht zu
beobachtenden – unruhigeren Kraftentwicklung führt.
Für die verschiedenen Muskelgruppen ist der prinzipielle Ablauf zwar ähnlich,
jedoch sind die beteiligten Mechanismen entsprechend ihren Aufgaben unter-
schiedlich ausgeprägt. So findet man bei den Muskeln der oberen Extremitäten
eine relativ größere Zahl motorischer Einheiten mit verhältnismäßig wenigen
Muskelfasern pro motorische Einheit. Des Weiteren sind in den für die Motorik-
steuerung zuständigen Zentren überproportional mehr Areale für die oberen Ext-
remitäten als für die Beine vorgesehen. Das Hand-Arm-System kann daher we-
sentlich gezielter und feinfühliger angesteuert werden (siehe Kap. 3.3.2.3.1.1).

3.2.4.3 MuskelenergetikĆ

Der energieliefernde Brennstoff des Muskels ist das Adenosintriphosphat (ATP),


das bei der Kontraktion in Adenosindiphosphat und Phosphat hydrolytisch gespal-
ten wird. Im Muskel wird die chemische Energie direkt in mechanische Energie
und (Verlust-) Wärme umgewandelt, wobei dieser Vorgang anaerob, also ohne
Zufuhr von Sauerstoff abläuft (Abb. 3.6). Im Unterschied zu den meisten techni-
schen Systemen, die auf thermodynamischer Basis mechanische Energie über eine
vorherige Wärmeenergieumwandlung erzeugen (wobei für einen hohen Wir-
236 Arbeitswissenschaft

kungsgrad eine möglichst große Temperaturdifferenz erforderlich ist), liegt hier


also eine direkte chemomechanische Energietransformation vor.

Kreatinphosphatzerfall
ATP - Zerfall
%]

Oxidation
ebereitsttellung [%

100
Glykolyse

75
er Energie

50
Anteil de

25

0
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Belastungsdauer [s]

Abb. 3.6: Zeitgang der energieliefernden Prozesse zu Beginn einer leichten Arbeit (KEUL
et al. 1969)

Die Resynthetisierung des ATP, das in den muskeleigenen Vorräten nur für
wenige Zuckungen reicht, erfolgt in den Muskeln selbst durch die Spaltung von
Kreatinphosphat (ebenfalls anaerob). Ist auch dieser Speicher nach etwa 100 Zu-
ckungen erschöpft, wird die zur ATP-Resynthese erforderliche Energie durch den
Abbau von Glukose bereitgestellt. Dieser erfolgt bei ausreichender Sauerstoff-
zufuhr aerob zu Kohlendioxid und Wasser. Liegt der ATP-Verbrauch über der
aeroben Glukoseabbaukapazität, kann kurzfristig Glykogen auch anaerob abge-
baut werden. Dies ermöglicht eine zwei bis dreimal so schnelle ATP-
Spaltungsrate wie im Fall einer aerob erbrachten Dauerleistung. Allerdings kann
diese hohe Rate (und damit die mechanische Leistung) nur für kurze Zeit erbracht
werden, weil die anaerob verfügbaren Energiereserven beschränkt sind und weil
sich in der Zellflüssigkeit und im Blut Milchsäure anhäuft, die schließlich zur
metabolischen Acidose und damit zur Muskelermüdung führt. Solche anaerob
energieliefernden Prozesse sind darüber hinaus oft zu Beginn einer - auch unter-
halb der Dauerleistungsgrenze liegenden - Muskeltätigkeit nötig, weil die Anpas-
sung der aeroben ATP-Bildung an den erhöhten Tätigkeitsstoffwechsel eine ge-
wisse Anlaufzeit (1-2 min) benötigt (Abb. 3.6). Das Wiederauffüllen der anaero-
ben Energiespeicher nach Beendigung der Muskelarbeit erfolgt wiederum durch
Oxydation, so dass in der Ruhephase noch für eine gewisse Zeit ein erhöhter Sau-
erstoffbedarf zur Rekonstitution, d.h. Erholung, besteht.
Arbeitsformen 237

Die Maximalkraft eines Muskels hängt von seinem Querschnitt ab, wobei von
einem relativ konstanten Verhältnis im Bereich von 0,6 N/mm2 auszugehen ist.
Hierbei ist jedoch die mechanische Übersetzungswirkung durch den Lastarm
(Knochen) zu berücksichtigen, über den die Kraft zugunsten des Weges um ein
Vielfaches reduziert wird.
Der gesamte Wirkungsgrad eines Muskels liegt bei 20-30%, unter günstigen
Umständen bis 35% (der der elementaren Energietransformation beträgt 40-50%,
der Rest wird für energieverzehrende Prozesse zur ATP-Generierung benötigt).
Der Anteil der Muskeln am gesamten Körpergewicht beträgt bei Frauen etwa 25-
30% und bei Männern 40-50%.

3.2.5 Eigenschaften der Krafterzeugung

3.2.5.1 MuskuläreĆArbeitsformenĆ
Der biomechanische Zustand eines aktiven Muskels ist durch zwei unabhängige
Zustandsgrößen bestimmt, nämlich durch seine Länge und durch seine momentan
erzeugte Kraft (ROHMERT u. JENIK 1973). Je nach Beschaffenheit dieser Größen
können verschiedene Arbeitsformen unterschieden werden (Abb. 3.7).

Kontraktionsart Beispiele:Ć
StatischeĆ HaltenĆeinesĆAuspuffsĆĆ
Statische Arbeit

HaltearbeitĆ beiĆderĆMontageĆ
KraftĆ
Ć Ć
konstantĆ
Muskel-Ć StatischeĆ GebeugteĆKörperhaltungĆ
IsometrischĆ längeĆ HaltungsarbeitĆ beiĆklinischenĆOperationenĆĆ
Ć konstantĆ Ć Ć
Ć Ć KraftĆver-Ć Kontraktions-Ć AndrückenĆeinerĆ
Ć Ć änderlich arbeit BohrmaschineĆ
Ć Ć Ć
Ć Ć Ć
Ć KraftĆkonstant,Ć Ć
IsotonischĆ MuskellängeĆ VerschiebenĆeinesĆ
Dynamische Arbeit

Ć veränderlichĆ GegenstandesĆ
Ć Ć Ć
Ć Ć Ć
Ć Ć Ć
Ć MuskellängeĆĆ Ć
AuxotonischĆ undĆKraftĆ BetätigenĆeinerĆPresse
Ć veränderlichĆ
Ć

Abb. 3.7: Verschiedene Arbeitsformen (Kontraktionsarten) des Muskels (LUCZAK 1998)

Jede Muskelanspannung die mit einer Längenänderung einhergeht, wird als dy-
namische Muskelarbeit bezeichnet. Die häufigste in der Praxis zu findende dyna-
mische Arbeitsform ist die der auxotonischen Kontraktion, bei der sich die Mus-
kelkraft mit der Muskellänge ändert. Im Unterschied dazu bleibt bei einer isotoni-
schen Kontraktion die Kraft während der Bewegung konstant. Die erzeugte Kraft
und die Bewegung müssen im Übrigen nicht gleich gerichtet sein; bei Angriff
238 Arbeitswissenschaft

einer äußeren Kraft, die größer ist als die erzeugte, dehnt sich der Muskel trotz
einer erzeugten Zugkraft (negativ dynamische Muskelarbeit).
Bei einer isometrischen Kontraktion bleibt die Muskellänge unverändert, d.h.
es liegt keine Bewegung vor (statische Muskelarbeit). Dies schließt jedoch eine
Variation der Kraft nicht aus. Wie die Beispiele in Abb. 3.7 zeigen, findet sich
diese Arbeitsform – ohne Bewegung – dennoch sehr häufig.
Obwohl dabei nach außen keine Energie abgegeben wird, sind die Myosinköpfe
in dauernder „Rudertätigkeit" und leisten so eine erhebliche innere Haltearbeit.
Aus muskulärer Sicht ist es dabei also nahezu gleichgültig, ob die entwickelte
Kraft in Bewegungsenergie umgesetzt wird oder nicht. Im Unterschied zur skala-
ren physikalischen Definition der Arbeit
Arbeit= Kraft · Weg
muss eine physiologische Begriffsbestimmung der Arbeit demzufolge lauten
(ROHMERT 1960)
Arbeit= Kraft · Zeit .
Im Übrigen wird bei statischer Arbeit – entsprechend dem 1. Hauptsatz der
Thermodynamik – die gesamte umgesetzte chemische Energie in Wärme umge-
wandelt, weswegen eine solche Arbeitsform mit einer beträchtlichen Wärmeent-
wicklung einhergeht.
Ein weiterer Unterschied zu dynamischen Arbeitsformen ist, dass bei letzteren
durch den ständigen Wechsel zwischen Anspannung und Erschlaffung eine
Pumpwirkung im Muskel selbst entsteht, die den notwendigen Stoffwechsel wirk-
sam unterstützt und dafür sorgt, dass der Muskel relativ lange ohne Ermüdungser-
scheinungen arbeiten kann.
Obwohl Kraft und Länge des Muskels nach außen unabhängige Zustandsgrö-
ßen beschreiben, so besteht dennoch ein innerer – muskelphysiologischer – Zu-
sammenhang.
Eine der Kraft entgegengesetzte Wirkung entsteht bei sehr großer Muskellänge
allerdings durch die Dehnungskraft des Muskels. Bei sehr kleiner Muskellänge
behindern sich dann die Actin- und Myosinfilamente, darüber hinaus wird die
elektrische Erregung der Muskelfasern zunehmend gestört, woraus ebenfalls eine
nachlassende Muskelkraft resultiert.
Bei mittlerer Muskellänge kann folglich die größte Muskelkraft erzeugt wer-
den, bei zunehmender oder abnehmender Muskellänge sinkt die Kraft dann ab
(Abb. 3.8). Da sich der geschilderte Mechanismus unmittelbar auf die Krafterzeu-
gung bezieht, gilt die Gesetzmäßigkeit der muskellängenabhängigen Erregungs-
Kraft-Umsetzung auch bei submaximalen Kräften.
Bei dynamischer Arbeitsform des Muskels spielt neben den unvermeidlichen
Massenträgheitsmomenten auch der Gleitprozess der Actin- und Myosinfilamente
im Muskel eine wichtige Rolle.
Da hierfür – analog zu einer inneren Reibung – ein geschwindigkeitsabhängiger
Teil der Gesamtkraft aufgebraucht wird, sinkt die maximal nach außen abgegebe-
Arbeitsformen 239

ne Kraft mit zunehmender Änderungsgeschwindigkeit der Muskellänge (sog. Hill-


Kraft-Geschwindigskeitsrelation, Abb. 3.9).

Abb. 3.8: Abhängigkeit der mittleren Armbeugekraft von der Winkelstellung des Ellenbo-
gengelenks (ROHMERT 1962)

Abb. 3.9: Beziehung zwischen Kraft und Kontraktionsgeschwindigkeit mit daraus errech-
neter Abgabeleistung (Daten aus WILKIE 1950)
240 Arbeitswissenschaft

Hiermit erklärt sich die alltägliche Erfahrung, dass wir sehr schnelle Be-
wegungen nur bei geringer Kraftaufwendung ausführen können (wenn die Mus-
keln entspannt sind) und dass umgekehrt schwere Gegenstände nur sehr langsam
gehoben oder bewegt werden können. Interessanterweise folgt daraus auch, dass
bei isometrischer Kontraktion (statischer Muskelarbeit) – trotz der schnellen Mus-
kelermüdung – die größten Kräfte erzeugt werden können.

3.2.5.2 UmsetzungĆderĆMuskelkraftĆ
Im einfachsten Fall ist ein Muskel spindelförmig mit einem Muskelbauch in der
Mitte und je einen Sehnenansatz an den beiden Enden. Diese sind wiederum mit
dem Knochengerüst verbunden, wobei zwischen den beiden Enden ein Gelenk
liegt (Abb. 3.10).

Abb. 3.10: Prinzipien der Muskelanordnung am Skelett (nach SCHÜTZ u. ROTHSCHUH


1963, aus SCHMIDTKE, 1993)

Ein Muskel leistet Arbeit, indem er sich (ausgelöst von einer zentralnervösen
Erregung) kontrahiert und somit ein Drehmoment im Gelenk erzeugt. Für eine
Hin- und Rückbewegung sind daher immer mindestens zwei Muskeln mit entge-
gengesetzter Wirkungsrichtung erforderlich, die abwechselnd aktiviert werden
(Antagonisten), es sei denn, dass sich bereits aus der Schwerkraft eine genügende
Gegenkraft ergibt (Abb. 3.11). Zur Realisierung komplexer Bewegungen herr-
Arbeitsformen 241

schen im menschlichen Körper jedoch mannigfaltige Formen des Muskelaufbaus


und der Gelenkankopplung vor (Abb. 3.12).

Beuger
Reibung
Strecker

Beuger
Trägheit
Strecker

Beuger
Gravitation
Strecker

Mitte Mitte Mitte


gestreckt gebeugt gestreckt

Abb. 3.11: Idealisierte Darstellung der Tätigkeit antagonistischer Muskelgruppen bei ver-
schiedenen Arten des äußeren Widerstands (nach WAGNER 1927)

Abb. 3.12: Verschiedene Formen von Muskeln. a) Einfacher spindelförmiger Muskel mit
Muskelbauch und Sehne; b) zweiköpfiger Muskel (M. Biceps); c) dreiteiliger Muskel (Del-
ta-Muskel); d) vielfach gezackter Muskel; e) halbgefiederter Muskel; f ) gefiederter Mus-
kel; g) Muskel mit sehnigen Einschneidungen; h) zweibäuchiger Muskel;
i) mehrschwänziger Muskel (nach NEMESSURI 1963, aus SCHMIDTKE 1993)
242 Arbeitswissenschaft

Setzt ein Muskel gelenkfern an (mit folglich großer Momentwirkung der er-
zeugten Kraft), so wird er meist für kraftbetonte und relativ langsam ablaufende
Bewegungen eingesetzt, bei gelenknahem Ansatzpunkt (mit kleiner Momentwir-
kung) eignet er sich in der Regel für weniger kraftbetonte, dafür aber schnell zu
verrichtende Bewegungen. Wird die Kraft über lange Sehnen in den Hebelarm
eingeleitet, so erhöht sich damit der Bewegungsspielraum eines Gelenks und
gleichzeitig wird das Trägheitsmoment des zu bewegenden Gliedes durch die
geringere Massenbewegung verringert (z.B. bei den Fingern). Da menschliche
Gelenke keinen festen Drehpunkt besitzen, verändert sich bei einer Bewegung
folglich neben der Muskellänge auch der wirksame Hebelarm.

3.2.6 Maximale und zulässige Körperkräfte


Mit Bezug auf Abb. 3.13 lassen sich eher grundlagenorientierte Gliederungssche-
mata der Muskel- und Massenkräfte (im Körpersystem wirkend) sowie eher pra-
xisorientierte Gliederungen hinsichtlich der erzeugten Aktionskräfte (vom Körper
nach außen wirkend) unterscheiden und miteinander verknüpfen.

Abb. 3.13: Begriffe und Zusammenhänge bei Körperkräften des Menschen (nach DIN
33411 Teil 1)

Der Zusammenhang zwischen den Aktions-, Muskel- und Massenkräften sei


anhand eines einfachen Beispiels erläutert (siehe Abb. 3.14). Die auf einen festen
Griff nach außen hin ausgeübte statische Aktionskraft ergibt sich hier als Wirkung
der statischen Massenkräfte (Eigengewichtskräfte des Armes) und der Muskel-
kräfte (bzw. Muskelmomente im Hand-, Ellenbogen- und Schultergelenk).
Arbeitsformen 243

Abb. 3.14: Zusammenwirken von Aktionskraft mit Muskel- und Massenkräften (nach DIN
33411 Teil 1)

Die zuvor dargelegten Zusammenhänge sind für die Arbeitsgestaltung von Be-
deutung. Beispiele hierfür sind:
x Die Eigengewichte der Körperteile (Massenkräfte) werden zum Einhalten
einer Körperhaltung durch statische Muskelkräfte ausgeglichen.
x Aktionskräfte an Körperstützflächen können sich aus Massenkräften der
Körperteile und aus Haltungskräften zusammensetzen. Dies ist z.B. bei der
Dimensionierung der Rückstellkräfte eines Pedals zu beachten.
x Verkürzungsmuskelkräfte sind teilweise oder ganz Ursache der Antriebskräf-
te (z.B. Anheben von Lasten).
x Verlängerungsmuskelkräfte sind teilweise oder ganz Ursache der Bremskräf-
te (z.B. Herabnehmen von Lasten).
x Manipulationskräfte und Betätigungskräfte werden teilweise oder ganz durch
das Zusammenspiel von Verkürzungs- und Verlängerungsmuskelkräften
(einzelne Muskelgruppen) aufgebracht (z.B. Umsetzen von Lasten).
Beispiel für Körperkräfte des Menschen (Isodynen)
In der Abb. 3.15 sind maximale statische Haltungskräfte (sog. Isodynen) darge-
stellt. Für die Armkräfte (siehe auch DIN 33411, Teil 1) senkrecht nach oben ergibt
sich bei einem Seitenwinkel von 30 Grad, einem Höhenwinkel von 0 Grad und
einer relativen Armreichweite (a/amax= 50%) eine maximale mittlere Aktionskraft
von 150 Newton.
Eine vollständige Übersicht über die Körperkräfte des Menschen lässt sich nur
durch systematische Untersuchungen im Bereich des gesamten Bewegungsraumes
der Arme und Beine gewinnen. Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt vielfach in
Form der bereits erwähnten Isodynen (ROHMERT 1966). Hierunter werden Linien
gleicher Kräfte im Bewegungsraum der Arme und Beine verstanden.
244 Arbeitswissenschaft

Abb. 3.15: Ablesebeispiel für Armkräfte aus DIN 33411, TEIL 4 (Ausgabe September
1982) für maximale statische Haltungskräfte. Senkrecht nach oben ergibt sich bei einem
Seitenwinkel ȕ=30°, einem Höhenwinkel Į=0° und einer relativen Reichweite a/amax =50%
eine maximale mittlere Aktionskraft von 150 N

Für die Anwendung von Maximalkräften in der praktischen Arbeitsgestaltung


empfiehlt sich, sie mit Zu- oder Abschlagsfaktoren zu multiplizieren, die vorhan-
dene mechanische, individuelle und betriebliche Einflussgrößen (z.B. Lage des
Handgriffes außerhalb der bequemen Armreichweite, ungünstige Armstellung,
unzweckmäßige Form des Handgriffes mit der Folge großer Flächendrücke auf
der Hand oder größte Kraft am Ende statt am Anfang der Bewegung) beinhalten,
wodurch die Körperkraft als arbeitsfunktionelle Größe angegeben werden kann.
Statische Daueranspannungen der Muskeln sind zumutbar, wenn die jeweilige
Kraft 15% der individuellen maximalen Muskelkraft nicht übersteigt (ROHMERT
1960). So werden nach Tabelle 3.4 für das Betätigen von Fußstellteilen im Sitzen
unterschiedliche Maximalwerte empfohlen. Die Werte für Häufigkeit und Halte-
dauer beim Betätigen von Fußhebeln im Sitzen können Abb. 3.16 entnommen
werden.
Arbeitsformen 245

Tabelle 3.4: Beispiel für Maximalwerte im Sitzen für das Betätigen von Fußstellteilen

Fußschalter Fußhebel
Druckkraft ca. 60 N 150 N
Hublänge 6 cm 30 cm (empfohlen 8-16)
Hubarbeit ca. 200 Ncm Bei 25 Hüben/min – 300 Ncm
Bei 15 Hüben/min – 1000 Ncm

Häufigkeit 25 je min Häufigkeit und Haltedauer nach Abb.


Haltedauer 20 s 3.16
Haltearbeit ca. 500 Ns

Abb. 3.16: Mechanische Parameter für sitzend betätigte Fußhebel (ROHMERT, 1973)
[1kp = 9,807 N]

ROHMERT u. JENIK(1973) stellte die Abnahme der Maximalkraft bei ermüden-


der statischer Haltearbeit fest und leitet diesbezüglich die Gesetzmäßigkeiten ab,
die in Abb. 3.17 wiedergegeben sind.
246 Arbeitswissenschaft

Abb. 3.17: Abnahme der Maximalkraft bei ermüdender statischer Halterarbeit (nach
ROHMERT 1973)

Angaben über die Hand-Arm-Kräfte für verschiedene Kraft- und Momentan-


griffsrichtungen und verschiedene Extremitätenpositionen finden sich grafisch
dargestellt in DIN 33411 Teil 4. Abb. 3.18 stellt als Beispiel verschiedene Isodynen
in Abhängigkeit von der Körperstellung und der wirksamen Armlänge dar, wobei
für unterschiedliche Kraft- und Momentangriffsrichtungen sowie seitliche Aus-
lenkungen der Arme eine Reihe von Diagrammen zur Verfügung stehen.
Die maximal erreichbaren statischen Kräfte und Momente sind in gleicher Wei-
se im vierten Teil der DIN 33411 aufgeführt.
Eine gewisse Problematik bei der Anwendung solcher und ähnliche Diagramme
bzw. Tabellen ist, dass die maximalen Kräfte darüber hinaus eine konstitutionelle
Varianz aufweisen (z.B. hinsichtlich Geschlecht) sowie vom Alter der Personen
und von der Ausübungsdauer abhängig sind. Daher ist bei der Anwendung grund-
sätzlich auf die den Angaben zugrunde liegenden Bedingungen zu achten, welche
gegebenenfalls approximativ umzurechnen sind. Zum Beispiel beziehen sich die
Angaben der DIN 33411 nur auf männliche Personen, die nicht älter als 40 Jahre
sind.
Frauen können aufgrund der geringeren Muskelmasse nur etwa 60% der Kräfte
von Männern aufbringen, weiterhin schwanken die Kräfte auch innerhalb der
Geschlechter ca. um den Faktor 3 (Abb. 3.19). Wie bereits in Kapitel 2.1.1 gezeigt
wurde, sind solche Angaben jedoch nur als Richtwerte zu verstehen, da die Unter-
schiede und Schwankungsbreiten von der spezifischen Tätigkeit abhängen.
Wenn im praktischen Gestaltungszusammenhang also sicherzustellen ist, dass
wenigstens 90% eines zufälligen Personenkollektivs die erforderliche Kraft auf-
bringen können, so dürfen jeweils nicht mehr als etwa 55-70% der durchschnittli-
chen Maximalkräfte abverlangt werden.
Arbeitsformen 247

Abb. 3.18: Maximale Armkräfte (Isodynen) am Beispiel horizontaler Druckkräfte; darge-


stellt sind maximal ausübbare Kräfte des 50. Perzentils (aus DIN 33411 TEIL 4; gilt für
männliche Personen bis 40 Jahre)

Abb. 3.19: Häufigkeitsverteilung der maximalen Kräfte der Fingerbeuger und der Fußstre-
cker bei Frauen und Männern (aus HETTINGER u. WOBBE 1993)

Darüber hinaus ist mit zunehmendem Alter ab ca. 20-25 Jahren mit einem
Nachlassen der maximalen Kräfte um 25-40% zu rechnen.
Neben den individualspezifischen Einflüssen und der Körperhaltung spielt auch
die Dynamik der Tätigkeitsausübung in Bezug auf die Ausführungsgeschwindig-
keit und -dauer eine erhebliche Rolle.
Sowohl die „innere Reibung" als auch die Elastizitätswirkung der Muskeln,
Sehnen und Bänder sowie die Massenträgheits- und Schwerkräfte stellen ge-
schwindigkeits- und beschleunigungsabhängige mechanische Lasten dar. In der
Regel findet sich eine optimale Geschwindigkeit bei nicht zu hohen und nicht zu
niedrigen Geschwindigkeiten, bei der eine relativ maximale Nutzung der Energien
248 Arbeitswissenschaft

möglich ist und die sich daher durch ein Maximum im Wirkungsgrad auszeichnet
(Abb. 3.20). Die Lage und Breite des Optimums ist allerdings stark von den Aus-
führungsbedingungen abhängig, daher können kaum generelle Richtwerte angege-
ben werden.

Abb. 3.20: Wirkungsgrad beim Kurbeldrehen in Abhängigkeit der Kurbeldrehzahl

Die Ausdauerkennlinien (z.B. Abb. 3.4) besitzen hingegen eine generelle Cha-
rakteristik, die auch für schwere körperliche Arbeitsformen gilt.

3.2.7 Methoden zur Ermittlung maximaler isometrischer Muskel-


kräfte
Die Methoden zur Ermittlung maximaler isometrischer Muskelkräfte können nach
dem Charakter der Ergebnisse und der Methodik der Kraftermittlung eingeteilt
werden:
x Sind die Ergebnisse von dem Leistungswillen der Versuchsperson abhängig,
spricht man von subjektiven Verfahren. Im umgekehrten Fall werden die
Verfahren als objektiv eingestuft.
x Wird die Kraft selbst gemessen, handelt es sich um ein direktes Verfahren.
Wird die Kraft hingegen über eine andere, hoch korrelierende Größe ermit-
telt, spricht man von einem indirekten Verfahren.
Demnach ergeben sich vier prinzipiell unterschiedliche Verfahren, die im Fol-
genden dargestellt sind.

Subjektiv/direktes Verfahren
Beim subjektiv/direkten Verfahren handelt es sich um das klassische Verfahren
zur Ermittlung der maximalen Aktionskraft, indem die Versuchsperson auf einen
Dynamometer einwirkt. Die größtmögliche willentliche Anstrengung der Ver-
suchsperson wird bei ihrem aktiven Einsatz gefordert und vorausgesetzt. Die aus-
geübten Aktionskräfte können dabei messtechnisch je nach der verwendeten
Arbeitsformen 249

Messeinrichtung sehr exakt bestimmt werden. Bei guter Mitarbeit des Probanden
liegt die Variationszahl des Messergebnisses bei 2-6%.

Subjektiv/indirektes Verfahren
Beim subjektiv/indirekten Verfahren wird die maximale Dauer gemessen, über die
eine bekannte, konstante Aktionskraft ausgeübt werden kann. Die ausgeübte Akti-
onskraft wird um die Massenkraft bereinigt und man erhält die ausgeübte Muskel-
kraft. Mit Hilfe des Diagramms (Abb. 3.21) kann über die Ausdauerzeit ermittelt
werden, welcher Bruchteil der Maximalkraft ausgeübt wurde.

10 9 8 7
6
10 5
9 4
1,4 0,5
§t · §k ·
8 EZ 18 ¨ ¸ ¨  0,15 ¸ 100%
©T ¹ © K ¹ 3
7
Haltezzeit in min
n

6 2

4 50
600
800
1
3 400 1000
25
2
1200 0.5
200
15
1400
100
1 5

0
0
0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1.0
Haltekraft in Bruchteilen der statischen Maximalkraft

Abb. 3.21: Erholungszuschläge bei statischer Arbeit (Angelehnt an ROHMERT 1960);


(EZ – Erholungszuschlag in % von t; t – Haltezeit in Minuten; T – maximale Haltezeit in
Minuten; k – Haltekraft in kp; K – maximale Haltekraft in kp [1kp = 9,807 N])

Das Diagramm enthält als Ordinate die verlangte Haltezeit in Minuten und als
Abszisse die verlangte Kraft in Bruchteilen der Maximalkraft. Die gezeichneten
Kurven stellen Linien konstanten Erholungszuschlages von 5% bis 1400% dar.
Bei der Darstellung wurde der Ordinatenmaßstab verzerrt, um das Diagramm auch
im Bereich großer Kräfte (50% bis 100% der Maximalkraft) gut lesbar zu gestal-
ten. Die Linien gleicher Haltezeit verlaufen nicht parallel zu einander und zur
Abszissenachse, weil die Ordinate im Abszisspunkt des Kraftverhältnisses „0“
linear die Ordinate im Abszisspunkt des Kraftverhältnisses „1“ logarithmisch
geteilt ist. Für jede Kraftverhältniss (k/K) kann der für eine bestimmte Haltezeit
250 Arbeitswissenschaft

notwendige Erholungszuschlag direkt aus dem Diagramm abgelesen werden.


Beträgt z.B. die Haltekraft 50% der Maximalkraft und soll diese Kraft 0,5 min.
lang gehalten werden, so ist laut Diagramm ein Erholungszuschlag von 400% (= 2
min) notwendig, um die muskuläre Ermüdung vollständig zu beseitigen.

Objektiv/direktes Verfahren
Als prinzipielle, wenn auch nicht zumutbare Methode ist die Messung der Mus-
kelkraft bei maximaler elektrischer Reizung des Muskels zu erwähnen.

Objektiv/indirektes Verfahren
Bei objektiv/indirekten Verfahren handelt es sich um:
x Die Ermittlung der Maximalkraft aus dem Muskelquerschnitt unter Zugrun-
delegung einer „spezifischen“ Muskelkraft.
x Die Ermittlung der Maximalkraft bei konstanter, submaximaler Kraftent-
wicklung aus dem relativen zeitlichen Anstieg der myoelektrischen Aktivität
des aktiven Muskels (LAURIG 1974). Das letztgenannte Verfahren kann inso-
fern unter die objektiven Verfahren eingestuft werden, als die Versuchsper-
son zwar zur Mitarbeit prinzipiell bereit sein muss, das Ergebnis jedoch
kaum beeinflussen kann.
Die wichtigsten Einflussgrößen auf die gemessenen maximalen Aktionskräfte
sind:
(1) Versuchsmethodische Einflussgrößen
o Körperstellung und Körperhaltung
o Körperabstützung
o Lage des Kraftangriffspunktes
o Richtung der Wirkungslinie der Kraft
o Kraftrichtungssinn
o Art des Kraftaufbaus (ruckartiger Kraftaufbau oder kontinuierlicher
Kraftaufbau)
(2) Interindividuelle Einflussgrößen
o Geschlecht
o Körperbautyp
o Lebensalter
o Übungsgrad
o Trainingsgrad
(3) Intraindividuelle Einflussgrößen
o Motivation
o Gesundheitszustand
o Übungsgrad
o Ermüdungsgrad
o Trainingszustand
Arbeitsformen 251

(4) Umwelteinflüsse
o Jahreszeit
o Tageszeit
o soziale Einflüsse durch Dritte
o Verletzungsgefahr.
Bei der Ermittlung von Körperkräften werden in der Regel entsprechend der
Fragestellung bestimmte Einflussgrößen vorgegeben oder planmäßig variiert (z.B.
geforderte Richtung der Aktionskraft, Körperstellung, Geschlecht der Versuchs-
personen), die den interessierenden Kraftausübungsfall charakterisieren. Die übri-
gen Einflussgrößen bzw. Randbedingungen der Kraftmessungen sind zu beschrei-
ben und sinnvollerweise nach Möglichkeit konstant zu halten (z.B. die Umwelt-
einflüsse).

3.2.8 Analyse von Aktionskräften


Unter Aktionskräften versteht man – gemäß DIN 33411 Teil 1 – Kräfte, welche
vom Menschen nach außen abgeben werden. Sie setzen sich aus Muskel- und
Massenkräften zusammen (siehe auch Abb. 3.13).
Für praktische Arbeitsgestaltung ist interessant, welche Kräfte ein Mensch bei
bestimmten Aufgaben ausüben kann. Diese schwanken aufgrund der von der
Muskellänge und vom aktuell wirksamen Hebelarm abhängigen Kraftwirkung
u.U. erheblich mit der Körperstellung. Aufgrund der Vielzahl beteiligter Muskeln
und weiterer Randbedingungen (z.B. dem entstehenden Druck auf die inneren
Organe) ist hierbei eine integrale Betrachtung, die sich nur am Effekt unter den
jeweils relevanten Randbedingungen orientiert, sinnvoll.
Eine alle praktischen Randbedingungen berücksichtigende Einschätzung der
menschlichen Körperkräfte ist dabei aufgrund der Vielzahl von Einflussfaktoren
(Kraft- bzw. Momentenrichtung, Körperhaltung, Abstützungsmöglichkeiten, zeit-
liche Struktur, geschlechts- und altersabhängigkeit, usw.) nur begrenzt möglich.
Es existiert jedoch eine Reihe von spezifischen Erkenntnissen und Verfahren,
aus denen die zumutbare Kraftausübung für den Einzelfall abgeleitet werden kann.

Verfahren nach Burandt / REFA / Schultetus


Als Ergebnis der Verfahren nach Burandt / REFA / Schultetus (BURANDT u.
SCHULTETUS 1978) werden „zulässige“ Kräfte / Momente des Hand-Arm- bzw.
Hand-Finger-Systems sowie der Beine in Abhängigkeit von folgenden Faktoren
ermittelt (LANDAU et al. 1997):
x persönliche Faktoren (Geschlecht, Alter, Trainiertheit)
x Kraftaufbringung (statisch / dynamisch)
x Häufigkeit und je nach Verfahren auch der Dauer der Kraftausübung
x Kraftangriffspunkt (weit / mittel / nah sowie vor dem Körper / seitlich / dia-
gonal und Kopfhöhe / Schulterhöhe / Taillenhöhe / Beckenhöhe)
x Handstellung
252 Arbeitswissenschaft

x Kraftrichtung.
Die oben genannten Faktoren sind nicht wissenschaftlich gesichert, haben sich
aber – nach Ansicht der Autoren – in der Praxis bewährt. Der Vorteil gegenüber
anderen Datenquellen liegt darin, dass neben Kraftangriffspunkt und Kraftrichtung
auch tätigkeits- und personenbezogene Parameter in den Rechnungsgang einflie-
ßen.
Ein deutlicher Kritikpunkt ist die unsichere, nicht mehr recherchierbare Daten-
quelle. Da zur Zeit des Entstehens dieser Verfahren eine Perzentildarstellung von
Kraftwerten noch unüblich war, ist zu vermuten, dass es sich bei den Referenz-
kraftwerten in den Tabellen um Kraftmittelwerte (evtl. mit leichten Abschlägen)
handelt, welche einen großen Teil der Arbeitsbevölkerung überfordern würde.
Äußerst bedenklich erscheint auch der Faktor (Konstitution und) Trainiertheit, der
je nach Verfahren Abschläge von 20%, aber auch Zuschläge von bis zu 60% ge-
stattet. Mit dem Einschätzen dieses Parameters dürfte der „normale“ Arbeitsge-
stalter wohl überfordert sein. Von einer Anwendung dieses Faktors in der Dimen-
sion >1 sei deshalb dringend abgeraten!
Der Verfahrensablauf beinhaltet folgende Schritte: Zunächst werden tätigkeits-
(Dauer, Häufigkeit, statisch/dynamisch) und personenbezogene Parameter ermit-
telt. Danach werden die Referenzkraft- und Referenzmomentenwerte (z.T. in
Abhängigkeit weiterer Parameter wie z.B. Kraftangriffspunkt und Kraftrichtung)
aus den Tabellen abgelesen und mit Hilfe der o.g. Parameter korrigiert. Das Er-
gebnis hieraus ist die „zulässige“ Grenzkraft bzw. das „zulässige“ Grenzmoment.
Dem Verfahren liegen Maximalkraftmessungen zugrunde. Da die Häufigkeit
und Dauer der Kraftausübung in den Verfahren berücksichtigt werden, steht zu
vermuten, dass als Beurteilungsgrößen die Muskelermüdung oder Arbeitsenergie-
umsatzschätzungen im Verfahren berücksichtigt sind.
Die Methoden haben ihren Ursprung in den Ergonomielabors von Siemens, wo
von Burandt und Schultetus die ersten Verfahren entwickelt wurden. Später wur-
den diese von REFA und dem VDI mit Modifikationen übernommen.

Kräfteatlas
Der Kräfteatlas wurde am Institut für Arbeitswissenschaft der Technischen Hoch-
schule Darmstadt entwickelt (ROHMERT et al. 1994). Er beschreibt den aktuellen
Wissensstand zum Thema statische Aktionskräfte. Ein Datensatz enthält die Werte
des Gelbdruckes von DIN 33411 Teil 5 (Abb. 3.22), welcher aus einem vom Bun-
desministerium für Forschung und Technologie geförderten Verbundforschungs-
vorhaben zwischen dem Lehrstuhl für Ergonomie der TU München und dem Insti-
tut für Arbeitswissenschaft der TH Darmstadt hervorgegangen ist. Der gesamte-
Datensatz enthält 391 Kraftausübungsfälle an einem homogenen Kollektiv für
sitzende und stehende Körperhaltungen.
Arbeitsformen 253

Abb. 3.22: Auszug aus dem Kräfteatlas mit Krafttabelle und zugehöriger Körperstellung
(nach ROHMERT et al. 1994)

DIN 33411
DIN 33411 ist nicht als Methode bzw. Verfahren anzusehen. Sie ist eine Daten-
sammlung, die wissenschaftlichen Gütekriterien genügt. Die in ihr enthaltenen
Daten können aber bei der Anwendung von Verfahren wie z.B. Burandt /
Schultetus sowie DIN EN 1005-3 berücksichtigt werden.
254 Arbeitswissenschaft

Enthaltene Daten sind:


x Teil 3: Maximale statische Aktionsmomente an Handrädern in perzentilierter
Form
x Teil 4: Maximale statische Aktionskräfte als Isodynen der Mittelwerte des
Personenkollektivs
x Teil 5 (Entwurf): Maximale statische Aktionskräfte in perzentilierter Form.
Die Daten von Teil 3 und 5 sind direkt vom Konstrukteur anwendbar. Bei der
Dimensionierung von Aktionskräften sollte er sich an den unteren (5-15 Perzentil)
Perzentilwerten orientieren, um auch schwachen Personen ein Bedienen zu ermög-
lichen. Beim Festigkeitsnachweis für das Bauteil sollte er sich an den oberen
Perzentilwerten orientieren, damit auch starke Personen das Stellteil nicht zerstö-
ren. Da die Isodynen in Teil 4 Mittelwerte (50 Perzentil) darstellen, sollten die
Isodynenwerte nicht direkt im Konstruktionsprozess verwendet werden. Die Iso-
dynen liefern dem Konstrukteur aber wertvolle Hinweise an welchen Stellen im
Manipulationsraum für eine vorgegebene Kraftrichtung Maxima und Minima
vorliegen, d.h. günstige oder ungünstige Orte für die Positionierung von Stellteilen
vorliegen.

DIN EN 1005-3
Das Verfahren nach DIN EN 1005-3 berechnet auf der Basis statischer Aktions-
kräfte empfohlene Grenzen für das Ausüben von Kräften. Die im Verfahren an-
gewandten Korrekturfaktoren sind teils als wissenschaftlich gesichert, teils als
Expertenurteil anzusehen. Die im Hauptteil dargestellten Referenzkräfte entstam-
men einer französischen Norm. Sie sind teils als Messwerte, teils als Expertenra-
ting zu betrachten.
Das Verfahren berücksichtigt die Verteilung von Geschlecht und Alter in der
Benutzerpopulation. In den Berechnungsgang fließt die Geschwindigkeit der
Kraftausübung, Frequenz und Dauer der Kraftausübung, sowie die Arbeitsdauer
ein.
Verfahrensergebnisse sind empfohlene Kraftgrenzen für eine gewählte Kraft-
ausübung (Körperhaltung, Kraftrichtung, Kraftangriffspunkt) durch eine definierte
Nutzerpopulation („beliebige“ Zusammensetzung hinsichtlich Geschlecht und
Alter). Dabei werden Arbeitstempo, Arbeitsfrequenz und Arbeitsdauer berück-
sichtigt. Die Anhänge A und B liefern Prozeduren, welche die Berechnung von
Referenzkräften als Eingabegrößen für das Verfahren ermöglicht:
(1) In einem ersten Schritt werden die Maximalkräfte für die Anwendergruppe
aus Referenzkräften bestimmt.
(2) In einem zweiten Schritt werden Maximalkräfte berechnet, welche die Ausü-
bungsgeschwindigkeit, die Ausübungsfrequenz und die Arbeitsdauer berück-
sichtigen.
(3) Im dritten Schritt werden daraus auf der Basis eines drei Zonen Modells
empfohlene Kraftgrenzen für die Maschinenbedienung abgeleitet.
Arbeitsformen 255

Der montagespezifische Kraftatlas


Nationale und internationale Verfahren zur ergonomischen Bewertung von Akti-
onskräften sind in verschiedenen Branchen (Automobil- und Nutzfahrzeugbau,
Flugzeugindustrie) nur begrenzt anwendbar, da durch die Geometrie des Arbeits-
objektes ergonomisch ungünstige Haltungen (gedreht, gebeugt, über Kopf, ein-
händig) und Kombinationen dieser Haltungs- und Kraftanforderungen bei der
Kraftausübung entstehen. Derzeit angebotene Kraftdaten wurden jedoch fast alle-
samt in aufrechten Körperhaltungen ermittelt. Im Rahmen des Projektes "Monta-
gespezifischer Kraftatlas" (WAKULA et al. 2009) wurden Aktionskräfte des ganzen
Körpers und des Finger-Hand-Arm-Systems von 273 Arbeitspersonen für realtypi-
sche symmetrische Haltungen (beidhändige Kraftausübung im Stehen, Knien und
Sitzen) in der Industrie ermittelt und in perzentilierter Form dargestellt.
Gleichzeitig wurden in Laborstudien des Institutes für Arbeitswissenschaft der
TU Darmstadt und des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen
Unfallversicherung (BGIA) maximale statische Aktionskräfte des ganzen Körpers
für asymmetrischen Haltungen sowie für einhändige Kraftausübungen ermittelt.
Aufbauend auf den bestehenden Ansätzen wurde ein Kraftbewertungsverfahren
für nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft und eigenen Laborstudien model-
liert.

3.2.9 Analyse und Bewertung muskulärer Arbeitsformen

Die Analyse und Bewertung muskulärer Arbeitsformen kann anhand der erzeug-
ten Kräfte, umgesetzten Energie, beobachtbaren Bewegungen oder Beanspru-
chung der eingesetzten Muskeln erfolgen. Hierbei werden die im Folgenden um-
rissenen Untersuchungsmethoden angewendet.

3.2.9.1 AnalyseĆderĆBewegungenĆ
Es besteht eine gewisse Notwendigkeit, bewegungsbezogene Risikofaktoren am
Arbeitsplatz zu erkennen (CHAFFIN 2002, WOLFER 2000), da ein großer Teil der
Arbeit dynamisch durchgeführt wird, in der Vergangenheit sich aber die Arbeits-
platzgestaltung häufig alleinig auf statische anthropometrische Daten bezog
(STRASSER und MUELLER 1999).
Man untersucht dabei die Bahn der Bewegung sowie die Geschwindigkeit und
Beschleunigung, die von dem betrachteten Körperteil vom Anfangspunkt bis zum
Zielpunkt einer Bewegung bzw. einer Abfolge von Bewegungen zurückgelegt
wird, ggf. unter Berücksichtigung der dabei aufzubringenden äußeren Kräfte
(„Bewegungsstudium"). Unter Heranziehung biomechanischer Gesetzmäßigkeiten
kann daraus auf die im Körper herrschenden Kräfte geschlossen werden.
Erste Analysen von Elementarbewegungen gehen auf F.W. Taylor (1865-1915)
sowie auf F.B. Gilbreth (1886-1924) zurück. Hierbei stand besonders die Fraktio-
256 Arbeitswissenschaft

nierung einzelner Bewegungsabschnitte mit dem Ziel der Minimierung der not-
wendigen Einzelbewegungen zur Ausführung einer Tätigkeit im Vordergrund.
Auf diesen Untersuchungen basierte die spätere Entwicklung der „Systeme
vorbestimmter Zeiten“ (SvZ), wie z.B. das Work-Factor-System (WF) oder das
Methods Time Measurement-System (MTM), die primär zur synthetischen Kalku-
lation von Bewegungsabläufen und zur Zeitbedarfsminimierung eingesetzt werden
(siehe Kap. 7.3.9).
Unter physiologischen Gesichtspunkten spielen allerdings die eingenommenen
Körperstellungen und die zeitlichen Determinanten der Bewegung (Dauer, Ge-
schwindigkeit, Beschleunigung) eine ausschlaggebende Rolle. Im Unterschied zu
den Systemen vorbestimmter Zeiten liegt der Betrachtungs- und Gestal-
tungsschwerpunkt hierbei auf der Belastungs- und Beanspruchungsoptimierung.
Dabei spielen nicht nur die physikalisch-energetischen Gesichtspunkte, sondern
auch die der Bewegungskoordination eine Rolle.
Unter biomechanischen Gesichtspunkten ist die Koordination der Bewegungen
ein kompliziertes Zusammenspiel einer Vielzahl beteiligter Muskeln zur Abstim-
mung von Kraft, Geschwindigkeit und Beschleunigung, die eine komplizierte
Regulationsaufgabe darstellt (LUCZAK 1983).
Eine optimierte Bewegungsabfolge zeichnet sich daher sowohl durch eine ge-
ringe muskuläre Beanspruchung als auch durch angemessene Koordinationsan-
forderungen aus. Zwischen diesen beiden Faktoren herrscht darüber hinaus ein
innerer Zusammenhang, da höhere Koordinationserfordernisse in der Regel mit
zunehmenden Stabilisierungskräften und somit einer stärkeren muskulären Bean-
spruchung einhergehen (siehe auch GÖBEL 1996).
Zur Untersuchung von Bewegungen werden traditionell Foto- oder Videoauf-
nahmen angefertigt, wobei durch die Anbringung von Leuchtpunkten eine an-
schauliche Darstellung der Bewegungsverläufe möglich ist (Abb. 3.23). Eine
exakte und schnelle Auswertung ist jedoch mit Schwierigkeiten verbunden.
Moderne Aufzeichnungsmethoden basieren daher auf einer elektronischen Re-
gistrierung der Bewegung einzelner – markanter – Körperpunkte. Mit Hilfe von
optischen, magnetischen oder auf Ultraschallsignalen basierenden Abtastsystemen
wird dabei die Position von auf dem Körper angebrachten Messpunkten be-
rührungslos in allen drei Koordinatenebenen der Bewegung gemessen. Damit
gelingt eine vollständige Erfassung der Bewegungsabfolgen (siehe auch Kapitel
10.1.2.4.6.1).
Trotz der Anschaulichkeit beziehen sich solche Messungen allerdings primär
auf die Belastung der Arbeitsperson. Da zwischen der Muskelaktivität und der
erzeugten Kraft an sich eine unmittelbare Beziehung besteht, sollte bei erster Be-
trachtung die Abschätzung der erzeugten Kräfte bzw. der Ermüdungsnachweis
anhand des Nachlassens der Maximalkraft zur Abschätzung der Beanspruchung
ausreichen.
Dies gilt jedoch nur für genau determinierte und extrem einfache Arbeitsfor-
men. Bei in der Praxis üblichen Tätigkeitsformen wirken immer viele Muskeln
kombiniert auf die Krafterzeugung ein, so dass die Rückrechnung der erzeugten
Arbeitsformen 257

Kraft auf die Aktivität der einzelnen Muskeln nicht eindeutig sein kann. Darüber
hinaus sind die verschiedenen Muskeln unterschiedlich stark mit entsprechend
variierenden Beanspruchungsgraden bei gleicher erzeugter Kraft.
Je nach Bewegungs- und Kraftkonstellation können daher einzelne Muskeln
ermüden, auch wenn übliche Dauerleistungsgrenzen nicht überschritten werden.

Abb. 3.23: Zyklographische Aufnahmen eines Arbeiters, links in nicht ermüdetem Zustand,
rechts bei stärkerer Ermüdung (ROHMERT u. RUTENFRANZ 1983)

Schon seit den 70er Jahren ist die Vielseitigkeit der Bewegungsanalyse be-
kannt. Die Bewegungsanalyse in der Arbeitswissenschaft lässt sich durch ver-
schiedene Klassen von Messgrößen charakterisieren (JENIK 1973):
x Mechanische
x kinematische (Zeit, Weg, Geschwindigkeit, Beschleunigung)
x kinetische (Maße, Kraft, Drehmoment)
x mechanisch-energetische (Arbeit, Leistung)
x biologische
x biomechanische (Einsatz des körperlichen mechanischen Apparates)
x physiologische (Stoff und Energieumsatz)
x neuro-psychische (Steuerung, Koordination)
x technisch-ökonomische
x technologische (sachlicher Inhalt, Zweck und Ziel der Arbeitsbewegung)
x ökonomische (Nutzeffekt und Wert, Bewegungsstudium).
Dennoch wurden Untersuchungen nach einem polygraphischen Messkonzept
bisher nur in wenigen Fällen durchgeführt. Bei einem polygraphischen Messkon-
zept werden synchronisierte Messsysteme zur integrierten Erfassung und Darstel-
lung mehrere Bewegungsdaten angewendet, um menschliche Bewegungen zu
beschreiben und zu modellieren. Es ist zu erwarten, dass die Bedeutung polygra-
phischer Messkonzepte aufgrund der Weiterentwicklung der Messtechnik und der
damit verbundenen Vereinfachung der Anwendung zunehmen wird.
258 Arbeitswissenschaft

Diesbezüglich erläutern CHAFFIN et al. (1999), dass die Weiterentwicklung der


Messsysteme zur Erfassung und Analyse von kinematischen, biomechanischen
und elektromyographischen Daten in den letzten Jahren bessere Bewegungsanaly-
sen ermöglichen und somit eine geeignete Erhebungsmethodik darstellen.
Beispielweise wurde bei DIAZ ZELEDON et al. (2007) und DIAZ MEYER (2009)
3D-Bewegungen des Menschen per Video aufgenommen, Elektromyograme mit
Oberflächenelektroden gemessen, Befragungen über die subjektive Empfindung
der Instabilität durchgeführt sowie anthropometrische und biomechanische Daten
erhoben, um eine Aufklärung und Modellierung menschlicher natürlicher Bewe-
gungen sowie deren Veränderungen bei der Handhabung delikater Objekte am
Beispiel instabiler Objekte (z.B. mit Flüssigkeit gefüllt) zu ermöglichen.
Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) setzt seit Jahren zur
kontinuierlichen Messung von Muskel-Skelettbelastungen das in Ihrem BGIA-
Institut entwickelte, körperbezogene Messsystem CUELA (Computer unterstützte
Erfassung und Langzeit-Analyse von Belastungen des Muskel-Skelettsystems)
ein. Das Messsystem ist für ergonomische Felduntersuchungen während der ge-
samten Arbeitsschicht konzipiert (siehe Abb. 3.24). Es besteht aus Bewegungssen-
soren (Inertialsensoren und Goniometern), Kraftsensoren und einem Miniaturda-
tenlogger (Abtastrate 50 Hz, 168 Kanäle), die direkt auf der Arbeitskleidung an-
gebracht werden (ELLEGAST u. KUPFER 2000, ELLEGAST et al. 2009).

Abb. 3.24: Einsatz des CUELA-Messsystems zur Ermittlung von Muskel-


Skelettbelastungen bei Bauberufen. Links: visuelle Darstellung von Körperbewegungen
mittels CUELA-Software, rechts: Anbringung des Messsystems an der Arbeitsperson
Arbeitsformen 259

CUELA kann für eine 3D-Bewegungsanalyse der oberen Extremitäten (Schul-


terblatt und -gelenk, Ellbogen, Unterarm und Handgelenk), des Kopfes, der Wir-
belsäule und der unteren Extremitäten eingesetzt werden. Eine automatisierte
Bewertung der Messdaten erfolgt mit Hilfe der CUELA-Software, in der ver-
schiedene ergonomische und biomechanische Bewertungsverfahren integriert
sind. Die Belastungsdaten können einfach mit einem Video der Arbeitssituation
synchronisiert werden, so dass Belastungsschwerpunkte im Arbeitsprozess identi-
fiziert und entsprechende präventive Maßnahmen eingeleitet werden können.

3.2.9.2 AnalyseĆderĆMuskelaktivitätĆundĆMuskelermüdungĆ
Eine präzise Analyse energetisch-effektorischer Arbeitsformen sollte direkt an den
einzelnen Muskeln ansetzen, sie darf naheliegenderweise jedoch nicht in den Kör-
per eingreifen.
Hierzu macht man sich die elektrischen Potentiale zunutze, die mit der Muskel-
erregung einhergehen.
Die zentralnervöse Auslösung der Muskelkontraktion erfolgt durch die Akti-
onspotentiale der innervierenden Motoneurone im Rückenmark, die - via neuro-
muskuläre Übertragung an den motorischen Endplatten - Muskelaktionspotentiale
auslösen. Diese impulsförmigen elektrischen Potentiale mit einer Größe von ca. 90
mV und einer Dauer von etwa 5 ms breiten sich regenerativ im transversalen Röh-
rensystem des Muskels aus und bewirken über die Calziumfreisetzung des damit
erregten Longitudinalsystems nach etwa 15 ms die Kontraktion der Myofibrillen
(Abb. 3.25). Jede Kontraktion einer motorischen Einheit resultiert folglich aus
einer elektrischen Potentialänderung, die im Muskel und in dessen Umgebung
vorliegt.

Abb. 3.25: Zeitverlauf von Aktionspotential und isometrischer Zuckung beim quergestreif-
ten Muskel (aus RUEGG 1990)
260 Arbeitswissenschaft

Obwohl die genauen Mechanismen der Muskelerregung erst seit wenigen Jahr-
zehnten bekannt sind, ist bereits aus dem Jahre 1844 von MATTEUCCI ein erster
Nachweis elektrischer Potentiale im Zusammenhang mit der willkürlichen Mus-
kelanspannung überliefert. Durch das Einführen von Nadelelektroden in den Mus-
kel oder das Anbringen von Oberflächenelektroden in unmittelbarer Nähe des
Muskels können die mit der Muskelerregung verbundenen elektrischen Potentiale
abgeleitet und ausgewertet werden. Eine solche Messung wird als
Elektromyographie (bzw. Elektromyogramm, EMG) bezeichnet.
Bei der Ableitung mittels Oberflächenelektroden wird eine Elektrode mittig
über dem Muskel angebracht sowie eine sog. Nullelektrode über inaktivem Gewe-
be. Die in den nahe der Elektrode gelegenen motorischen Einheiten entstehenden
Erregungsimpulse (Muskelaktionspotentiale) werden damit summarisch erfasst.
Durch das dazwischen liegende Gewebe und die Hautschichten werden die elek-
trischen Potentiale allerdings stark gedämpft, so dass die abgeleiteten Potentiale
nur im μV-Bereich liegen.
Für eine selektive Messung, z.B. bei eng nebeneinander liegenden Muskeln,
kann auch eine bipolare Elektrodenanordnung gewählt werden, bei der neben der
Nullelektrode zwei Ableitelektroden im Abstand von wenigen Zentimetern in
Muskellängsachse angebracht werden. Über eine Differenzbildung der beiden
Elektrodensignale wird damit eine räumliche Differenzierung bewirkt. Signale, die
sich in Richtung der Achse zwischen den Elektroden ausbreiten, werden so deut-
lich erfasst, während von der Seite ankommende Signale durch die Differenzbil-
dung ausgelöscht werden.
Die Elektroden bestehen in der Regel aus einer kleinen Plastikhaube, die mit
Kleberingen auf die Haut geklebt werden. In der Mitte der Haube befindet sich ein
Metallplättchen (aus Silber bzw. Silberchlorid, Ø 5-20 mm), wobei der elektrische
Kontakt zur Haut über die Füllung der Elektroden mit einem creme- oder gelarti-
gen (elektrisch leitenden) Kontaktvermittler bewirkt wird. Damit wird der elektri-
sche Kontakt verbessert und die Störung des schwachen Elektrodensignals durch
Bewegung der Elektrode auf der Haut vermindert.
Eine solche Oberflächen-Elektromyographie gelingt nur bei direkt unter der
Hautoberfläche liegenden Muskeln, nicht aber bei innenliegenden Muskeln, die
von anderen verdeckt sind.
Das abgeleitete Signal stellt das Mittel aus den an der Kontaktfläche anliegen-
den Einzelpotentialen dar. Dies hat die Form eines Interferenzmusters, in dem
sowohl Summationen als auch Auslöschungen einzelner Potentialspitzen vor-
kommen.
Obwohl aus dem Interferenzmuster des Elektrodensignals nur mit Schwierig-
keiten einzelne motorische Einheiten erfasst werden können, so steht doch die
mittlere Größe des Potentialmusters in einem direkten Zusammenhang zur Erre-
gungsstärke.
Nach einer ausreichenden Verstärkung der sehr kleinen Signale wird mittels ei-
ner Gleichrichtung der Betrag der elektrischen Signale gebildet. Um aus den Ein-
zelimpulsen einen Mittelwert zu erhalten, wird das gleichgerichtete Signal an-
Arbeitsformen 261

schließend über einen bestimmten Zeitraum ti (meist 50 bis 500 ms) integriert oder
alternativ tiefpassgefiltert (Abb. 3.26).
Die Ausgangsgröße, die „elektrische Aktivität" EA nach Gl. (3.1) repräsentiert
folglich die Summe aller Erregungsimpulse pro Zeiteinheit und steht in einem
weitgehend linearen Zusammenhang zur Erregungsstärke.
t
1 i
ti ³0
EA ~ U EMG dt (3.1)

Bei isometrischen Kontraktionen (d.h. konstanter Muskellänge) oder gleich-


bleibenden Bewegungen gilt dies auch für die erzeugte Kraft (Abb. 3.26).

Tiefpassfilter
Elektroden Verstärkung (V) Gleichrichtung
bzw. Integration
ti:t i:Integrationszeitraum
Integrationszeitraum
eA
EA

0 0 0 0
Zeit tt Zeit tt
tit i
11
eA EA
V •~ • ³ UUEMG dt dt
EMG
Zeit tt Zeit t t i t i 00
EMG-Signal (UEMG
EMG-Signal (U EMG) ) Elektrische Aktivität
Elektrische Aktivität(eA)
(EA)

Abb. 3.26: Schema der Bildung der elektrischen Aktivität aus dem Roh-Elektromyogramm

Da die Größe der gemessenen Potentiale jedoch nicht nur von der Erregungs-
stärke, sondern auch stark von den Ableitbedingungen abhängt (z.B. der Dicke der
dazwischenliegenden Gewebeschichten), können die erzeugten Kräfte damit nicht
unmittelbar bestimmt werden.
Um die verschiedenen Messungen dennoch vergleichen zu können, muss eine
Normierung der elektrischen Aktivität z.B. anhand einer Referenzkontraktion
durchgeführt werden. Benutzt man hierfür die Maximalkontraktion, so erhält man
ein Maß für die relative Höhe der Muskelaktivierung.
Ein weiteres wichtiges Anwendungsfeld der Elektromyographie liegt in der
Möglichkeit, Muskelermüdungen festzustellen. Da bei einem ermüdenden Muskel
die pro Erregung erzeugte Kraft abnimmt, muss die Erregungsstärke mit fort-
schreitender Ermüdung immer weiter zunehmen, wenn die nach außen abgegebe-
ne Kraft konstant bleiben soll.
Dies äußert sich folglich in einem Anstieg der gemessenen elektrischen
Aktivität.
Kann also bei gleichbleibender erzeugter Kraft im Laufe der Zeit ein Anstieg
der elektrischen Aktivität festgestellt werden, so lässt dies auf eine zunehmende
Muskelermüdung schließen (Abb. 3.27). Aus der Geschwindigkeit des Anstiegs
kann die Ermüdungsgeschwindigkeit bestimmt werden (Abb. 3.28).
262 Arbeitswissenschaft

Abb. 3.27: Beziehung zwischen der elektrischen Aktivität (EA) und der erzeugten isomet-
rischen Kraft für zwei Muskeln (oben: m. biceps brachii, unten: m. deltoideus pars spinalis)
und an zwei verschiedenen Ableitpositionen (Kennlinien von je fünf Personen; MÜLLER
et al. 1988)

Die Anwendung dieser Methode gelingt jedoch nur, wenn die erzeugte Kraft
auch von außen messbar ist. Bei vielen in der Praxis vorkommenden Arbeitsauf-
gaben ist dies nicht ohne weiteres zu gewährleisten.
Eine andere Möglichkeit zur Detektion von Muskelermüdungen, die weniger
empfindlich auf Veränderungen in der erzeugten Kraft ist, besteht in der Fre-
quenzanalyse des Elektromyogramms:
Mit zunehmender Muskelermüdung sinkt die Ausbreitungsgeschwindigkeit der
Aktionspotentiale aufgrund der Anhäufung von Stoffwechselprodukten und der
sich dadurch ändernden intrazellulären pH-Werte, und es findet eine zunehmende
Synchronisation der Aktivierung motorischer Einheiten statt (KADEFORS et al.
1968, LINDSTRÖM et al. 1970, KARLSSON et al. 1975, KOMI u. VIITASALO 1976).
Beide Effekte führen dazu, dass sich das Frequenzspektrum des Roh-
Elektromyogramms hin zu niedrigeren Frequenzen verschiebt (Abb. 3.29).
Arbeitsformen 263

Abb. 3.28: Höhe und Zeitverlauf der elektrischen Aktivität (EA) bei einer Haltearbeit mit
unterschiedlichen Kräften (M. gastrocnemius einer Person, in Anlehnung an LAURIG
1970)

Zur Untersuchung solcher Spektralveränderungen wird – neben spezifischen


Auswerteverfahren – normalerweise die Median- oder die Schwerpunktfrequenz
als integraler Kennwert gebildet (KWATNY et al. 1970, STULEN u. DELUCA 1981).
Ausgehend von der grafischen Darstellung des Frequenzspektrums entspricht
die Medianfrequenz derjenigen Frequenz, unterhalb und oberhalb derer jeweils die
halbe Signalenergie liegt (Abb. 3.30, links). Die Schwerpunktfrequenz ergibt sich
aus dem Abszissenwert des Schwerpunkts der vom Spektrum eingeschlossenen
Fläche (Abb. 3.30, rechts).
Die beiden Methoden unterscheiden sich folglich nur im Detail, wobei die
Schwerpunktfrequenz empfindlicher auf die jeweils äußeren Frequenzanteile rea-
giert und daher meist als störanfälliger eingestuft wird.
264 Arbeitswissenschaft

Abb. 3.29: Frequenzspektren vom Roh-Elektromyogramm des m. biceps beim waagrechten


Halten eines Gewichtes (10 N, Lastarm 1 m)

Gegenüber der Ermüdungsfeststellung mit Hilfe der elektrischen Aktivität hat


die Auswertung des Frequenzspektrums den Vorteil, dass die Kennwerte nicht
zwangsläufig von der Aktivitätshöhe abhängen. Allerdings finden sich in der Pra-
xis durchaus auch Schwankungen im Frequenzspektrum, die nicht auf
Muskelermüdungen zurückzuführen sind, sondern auf Verschiebungen zwischen
den Determinanten des Spektrums. Solche Einschränkungen im Diskrimina-
tionsvermögen führen dazu, dass nur ausreichend starke Ermüdungserscheinungen
eindeutig nachweisbar sind.

³S ( f ) ˜ f df
2
fMed: Medianfrequenz f Med f
f SP 0
f fSP: Schwerpunkzfrequenz ³ S 2 ( f ) df ³ S 2 ( f ) df
³S S(f): Frequenzspektrum des Signals
2
( f ) dff 0 f Med

Abb. 3.30: Bildung der Medianfrequenz (links) und der Schwerpunktfrequenz (rechts) aus
dem Frequenz- bzw. Leistungsdichtespektrum der Roh-Elektromyogramms

Ein weiteres wichtiges Anwendungsgebiet der Elektromyographie liegt in der


Untersuchung der statischen Muskelaktivität. Bei nahezu allen Tätigkeitsformen
Arbeitsformen 265

sind Gewichtskräfte auszugleichen, und oft werden Muskeln zu Stabilisierungs-


zwecken teilweise antagonistisch aktiviert. Aufgrund der großen Ermü-
dungsgefahr bei bereits geringer statischer Aktivierung bedarf dieser Punkt, insbe-
sondere für Halte- und Haltungsarbeit, einer besonderen Aufmerksamkeit. Gerade
die statische Belastung der Muskeln lässt sich von außen jedoch nur sehr grob
abschätzen. Mit Hilfe der Elektromyographie können dagegen die statischen An-
teile über eine spezifische Auswertung der Minima der EA-Verlaufskurve unmit-
telbar bestimmt werden (MÜLLER et al. 1988, GÖBEL 1996). Auch bei dynami-
schen Bewegungsformen werden Muskeln teilweise statisch beansprucht. Mit
Hilfe der Elektromyographie können diese Anteile ermittelt werden. Das Beispiel
in Abb. 3.31 zeigt die Veränderung der elektrischen Aktivität und des statischen
Anteils in Abhängigkeit der Bewegungsfrequenz bei einer Nachführaufgabe (m.
brachialis; nach GÖBEL 1996).

Abb. 3.31: Veränderung der elektrischen Aktivität und des statischen Anteils in Abhängig-
keit der Bewegungsfrequenz bei einer Nachführaufgabe (m. brachialis; nach GÖBEL
1996).

Die Elektromyographie stellt folglich eine elegante Methode zur Untersuchung


der Muskelaktivität und der Muskelermüdung dar. Obwohl eine indirekte Kraft-
messung durch die Überlagerung einer Vielzahl von Einflussfaktoren nur einge-
schränkt möglich ist, kann die gemessene elektrische Aktivität gut als Indikator
der Erregungshöhe und somit zur Beurteilung des physiologischen Aufwandes der
Krafterzeugung herangezogen werden.
Problematisch ist jedoch die starke Abhängigkeit der Potentialgröße von der
Elektrodenplazierung und der elektrischen Leitfähigkeit der zwischen Muskel und
Elektrode liegenden Schichten. Trotz einer Reihe von Versuchen lässt die Normie-
rung der EMG-Ableitung bis dato keine allgemeingültige Bewertung zu (siehe auch
ZIPP 1988). Daher eignet sich die Elektromyographie hauptsächlich für verglei-
chende Messungen (z.B. von verschiedenen Werkzeugen oder Arbeitsmethoden)
oder bei einer nicht zu großen Zahl beteiligter Muskeln durch eine Normierung
auf die Maximalkraft.
266 Arbeitswissenschaft

Die Schwierigkeiten zur Erfassung von Muskelermüdungen hängen jedoch


nicht nur mit der Messmethode zusammen, sondern auch mit dem „Verhalten“ der
untersuchten Personen zur Vermeidung von Ermüdungserscheinungen. Dies kann
einerseits durch den Wechsel von ermüdeten auf andere – nicht ermüdetete –
Muskeln geschehen, oder einfach durch Verringerung der Arbeitsleistung. Daher
müssen bei einer Ermüdungsuntersuchung das Zusammenspiel der Muskeln und
das Leistungsverhalten der Arbeitsperson, sofern Spielräume bestehen, berück-
sichtigt werden.
In den letzten Jahrzehnten wurden reichhaltige Erfahrungen gesammelt mit
mehrkanaligen, rechnergestützten elektromyographischen Verfahren, mit denen
die ergonomische Qualität von Arbeitsplätzen mit manuellen Tätigkeitsmerkmalen
und handgeführten Arbeitsmitteln bestimmt wurde. Wenn also z.B. bei Arbeits-
mitteln, an die Hand anzulegen ist, mehr oder weniger die Gleichung "menschen-
gerecht = handgerecht" erfüllt ist – die Arbeitsmittel also mehr oder weniger mit
dem Hand-Arm-System kompatibel sind – dann konnte stets in vergleichenden
Untersuchungen ein "Mehr" oder "Weniger" an physiologischen Kosten objekti-
viert werden (siehe z.B. KLUTH et al. 1997; STRASSER u. WANG 1998). In der skan-
dinavischen und anglo-amerikanischen Literatur sind elektromyographische Ver-
fahren – wenn auch oftmals beschränkt auf punktuelle Kurzzeit-Messungen – im
Verbund mit subjektiven und operationellen Erhebungsmethoden für die Gestal-
tung von Handwerkzeugen – nach den Pionierleistungen von TICHAUER (1978) –
seit einiger Zeit bereits zur Regel geworden (vgl. u.a. EKLUND u. FREIVALDS
1993; KILBOM et al. 1993; MARRAS 1990; KUMAR u. MITAL 1996).

3.2.10 Energetik des menschlichen Körpers


Bei schwerer energetischer Arbeit sind Beanspruchungsengpässe weniger im
muskulären System als vielmehr im Bereich des Stoffwechsels und der Ener-
giegewinnung zu suchen. Daher muss bei solchen Arbeitsformen die Energetik
des menschlichen Körpers im Vordergrund der Betrachtungen stehen.

3.2.10.1 StoffwechselĆundĆEnergiegewinnungĆ
Voraussetzung für die Energiegewinnung zur Krafterzeugung ist die Aufnahme,
Verarbeitung und Bereitstellung entsprechender Nährstoffe. Die notwendige
Energiezufuhr erhält der Körper in Form von Nahrungsmitteln und Sauerstoff. Als
Stoffwechsel bezeichnet man alle chemischen Vorgänge innerhalb des Körpers
(Abb. 3.32). Hierzu gehören die folgenden wichtigen Teilvorgänge:
x Nahrungsaufnahme und Aufbereitung (Kohlehydrate, Fette, Eiweißstoffe),
x Ab- und Umbau der aufgenommenen Stoffe zu Zucker, Fettsäure und Ami-
nosäuren im Magen-Darm-Trakt
x Teilweiser Umbau der Nährstoffe in der Leber
Arbeitsformen 267

x Verbrennen der energiereichen Stoffe mit Sauerstoff in den Verbrauchern


unter Abgabe von Energie und Bildung der energiearmen Abfallprodukte
(Kohlendioxid, Wasser, Milchsäure, Harnsäure usw.).
Für die Energiegewinnung werden zu etwa 85% Fette und Kohlehydrate und zu
etwa 15% Eiweißstoffe verbrannt. Diese sind in erheblicher Menge im Körper
gespeichert, so dass bei der Arbeit jederzeit auf diese Depots zurückgegriffen
werden kann. Der zur Verbrennung notwendige Sauerstoff hingegen muss fortlau-
fend aus der Luft entnommen werden und über die Blutbahn an den Verbren-
nungsort transportiert werden, da im Körper keine nennenswerten Sauerstoffde-
pots vorhanden sind.

Abb. 3.32: Schema des Stoff- und Energiewechsels bei energetisch-effektorischer Arbeit
(nach MÜLLER u. SPITZER 1952)

Für die Funktion und Aufrechterhaltung des Stoffwechsels spielt der Blutkreis-
lauf eine entscheidende Rolle:
x Transport der im Magen-Darm-Trakt umgewandelten Nährstoffe zu den
Verbrauchern (z.B. Muskeln) oder in Speicher
x Transport des über die Lunge eingeatmeten Sauerstoffs zu den Verbrauchern:
der Sauerstoff wird dabei chemisch an das Hämoglobin, den roten Blutfarb-
stoff, gebunden
x Rücktransport der bei den biochemischen Prozessen entstandenen Abfallpro-
dukte zu den Ausscheidungsorganen (Lunge, Niere usw.).
Sowohl bei der Nahrungsverbrennung als auch bei den peripheren Arbeitspro-
zessen im Gehirn und in den Muskeln entsteht Wärme. Eine weitere Aufgabe des
Blutkreislaufs in Verbindung mit den vegetativen Wärmeregulationsmechanismen
besteht daher in der angemessenen Wärmeverteilung im Körper zur Aufrechter-
haltung einer konstanten Körperkerntemperatur von 37±1°C. Überschüssige
268 Arbeitswissenschaft

Wärme wird durch verstärkte Blutzirkulation aus dem Körperinneren zur Körper-
oberfläche (Haut) transportiert, bei einem Wärmedefizit wird die Blutzirkulation
an der Körperperipherie gedrosselt bzw. der Energieumsatz im Sinne der Wärme-
bildung gesteigert.
Die Aufgaben des Herz-Kreislauf-Systems sind hierarchisch aufgebaut. Primä-
re Aufgabe ist die Sauerstoffversorgung des Gehirns, da schon kurzzeitige Unter-
brechungen zu teilweise irreversiblen Schäden führen können. An zweiter Stelle
steht die Wärmeregulation. An dritter Stelle folgt die Versorgung der Muskulatur
zur Energiegewinnung, allerdings erst dann, wenn die beiden erstgenannten Vo-
raussetzungen hinreichend erfüllt sind.
Viele dieser Funktionen werden nicht nur über die Zusammensetzung, sondern
vor allem über die Blutmenge reguliert. Für den Transport ist das Herz verant-
wortlich, welches die gestellten Anforderungen durch die Anpassung des Schlag-
volumens (in geringem Maße) und vor allem durch die Veränderung der Herz-
schlagfrequenz erfüllt.

100
[%]
80 Autonom geschützte Reserven
Mobilisationsschwelle
60
Gewöhnliche Einsatzreserven
40

Physiologische Einsatzbereitschaft
20

Automatisierte Leistung
0

Abb. 3.33: Schema der Leistungsbereiche (aus HETTINGER u. WOBBE 1993)

Die Aktivität des Stoffwechsels und des Herz-Kreislauf-Systems hängt nicht


nur von der im Zusammenhang mit einer Arbeitstätigkeit unter bewusster An-
strengung erbrachten mechanischen Leistung ab (Abb. 3.33). Neben den für die
Grundfunktion des menschlichen Körpers quasi automatisiert erbrachten Leistung
wird bis zu ungefähr einem Drittel der maximalen Leistungsreserve aus der physi-
ologischen Einsatzbereitschaft ohne spezifische Anstrengung erbracht (z.B. Lau-
fen, Aufstehen, usw., siehe auch Abb. 3.33). Die willentlich verfügbaren Einsatz-
reserven vermögen jedoch auch unter hoher Anstrengung nur etwa zwei Drittel
der maximalen Leistungsfähigkeit auszuschöpfen. Noch höhere Leistungen sind
zwar für begrenzte Zeit möglich, können jedoch wegen der Gefährdung der Ge-
sundheit nur unter akuter Bedrohung der personellen Existenz („Todesangst“)
mobilisiert werden, es sei denn, die Mobilisationsschwelle wird durch pharmazeu-
tische Manipulation aufgehoben („Doping“).
Die Betrachtung des menschlichen Körpers im Sinne der Energietransformation
kann – je nach Beobachtungsfokus – anhand der umgewandelten Energiemengen
und anhand der damit verknüpften Kreislaufreaktionen erfolgen (Abb. 3.34).
Arbeitsformen 269

beiĆnormalerĆErnährungĆ
<Ć20000ĆkJĆ/Ć24h
VerlusteĆbeiĆderĆ
Umwandlung EnergieaufnahmeĆĆ
ausĆderĆNahrung
AufnahmeĆausĆ
BedarfĆzurĆAufrechterhaltungĆ EnergievorrätenĆ
derĆKörperfunktionenĆ (z.B.ĆFette)
(GrundumsatzĆ Ć8000ĆkJ) zurĆVerfügungĆ
stehendeĆ
Nettoenergie
AufbauĆvonĆ
Energievorräten

BedarfĆfürĆFreizeitĆundĆRuhe,Ć verbleibtĆbeiĆtäglicherĆ
variablelĆjeĆnachĆAktivität WiederholungĆweni-Ć
gerĆalsĆ10000ĆkJĆ
(männl.)

FürĆberuflicheĆArbeitĆzurĆVerfügungĆstehenderĆAnteilĆ
(Arbeitsenergieumsatz)

Abb. 3.34: Aufteilung der aus Nahrung gewonnenen Energie in den Bedarf für innere und
für äußere Arbeit (angenommene Werte für Männer, aus LAURIG 1990)

3.2.10.2 EnergieumsatzĆundĆWirkungsgradĆ

Die Ermittlung des Energieumsatzes dient


x der Beurteilung der Inanspruchnahme der Energietransformationsprozesse
im Sinne der Zumutbarkeit bzw. notwendiger Arbeitszeit- und Pausenrege-
lungen und
x der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Energietransformation im Sinne
der effizienten Gestaltung des Arbeitsprozesses.
3.2.10.2.1 Bestimmung des Energieumsatzes
Die Messung des Energieumsatzes kann grundsätzlich über die Messung der auf-
genommenen Energie oder der abgegebenen Energie erfolgen. Die direkte Be-
stimmung einer der beiden Größen ist jedoch nicht praktikabel, da einerseits die
Energieaufnahme durch die Nahrung zeitlich versetzt zur Energieabgabe erfolgt
(Prozesszeit, Vorratsbildung) und andererseits die Summe der abgegebenen Ener-
gie in Form mechanischer Arbeit, Temperaturleitung der Hautoberfläche, Ver-
dunstungswärme und Atemlufterwärmung nur schwer zu messen ist.
Als wesentlich praktikablere Methode hat sich dagegen die Messung des auf-
genommenen Sauerstoffs bewährt. Da jeglicher Energieumsatz mit einem Sau-
erstoffverbrauch einhergeht, und da die Speichermöglichkeit von Sauerstoff im
Körper gering ist, spiegelt die verhältnismäßig einfach zu messende Sauerstoff-
aufnahme den Energieverbrauch unmittelbar wider.
Die Energieumsatzmessung in der Praxis erfolgt anhand von Proben der Aus-
atmungsluft und Feststellung deren Menge. Bei der klassischen Douglas-Sack-
270 Arbeitswissenschaft

Methode atmet der Proband die Frischluft über ein Ventil mit Mundstück ein, die
Nase wird durch eine Nasenklemme verschlossen. Die gesamte Ausatmungsluft
wird über ein Atemventil in einen luftdichten, auf dem Rücken getragenen Sack
von 100-200 l Volumen geleitet. Nach Abschluss der Messperiode wird der Sack
über eine Gasuhr (zur Mengenmessung) entleert und aus der Luftmenge eine re-
präsentative Probe zur chemischen Analyse entnommen.
Dies ermöglicht die freie Bewegung des Probanden in der üblichen Umgebung.
Da der Luftsauerstoffgehalt mit 20,8 bis 21,0% relativ konstant bleibt, bezieht sich
die Analyse normalerweise nur auf die ausgeatmete Luft.
Eine gewisse Schwierigkeit entsteht jedoch dadurch, dass der Sauerstoffbedarf
zum Umsatz einer bestimmten Energiemenge von der Art des Nährstoffes ab-
hängt.
Die Glukoseverbrennung – welche näherungsweise für Kohlehydrate angesetzt
werden kann – erfolgt nach folgender Gleichung:
C6H12O6+6O2= 6CO2+6H2O+Energie
Das Fettmolekül enthält dagegen bezogen auf die Anzahl der C- und H-Atome
relativ wenig Sauerstoff, benötigt also mehr Sauerstoff aus der Luft zur voll-
ständigen Verbrennung:
Wegen der unterschiedlichen Brennwerte von Fetten und Kohlehydraten muss
daher der Anteil der beiden Stoffe an der Verbrennung bekannt sein. Dieser kann
wiederum indirekt durch die unterschiedliche Menge von gebildetem Kohlendio-
xid ermittelt werden. Auch hier genügt die Messung des CO2-Gehalts der ausge-
atmeten Luft, da der CO2-Gehalt in der Umgebungsluft nur 0,03 Vol-% beträgt.
Das Verhältnis von gebildetem Kohlendioxid CO2 zu aufgenommenem Sauer-
stoff O2 ergibt bei der vollständigen Verbrennung für jeden Brennstoff einen cha-
rakteristischen Wert, der als Respiratorischer Quotient, kurz RQ, bezeichnet wird.
Dieser beträgt für Kohlehydrate
RQ(Kohlenhydrate)= 6CO2 / 6O2=1
für Fette
RQ(Fette)= 57CO2 / 81,5O2=0,7
und für Eiweißstoffe
RQ(Eiweiß)= 0,81.
Bei gemischter Verbrennung liegt der RQ also zwischen 0,7 und 1. Der Durch-
schnittswert bei der in Mitteleuropa üblichen Ernährung beträgt etwa 0,85.
Aus dem Respiratorischen Quotienten kann somit die verbrannte Energiemenge
im Verhältnis zum Sauerstoffverbrauch, auch als kalorisches oder energetisches
Äquivalent bezeichnet, ermittelt werden (Tabelle 3.5).
Die praktische Bestimmung des Energieumsatzes am Arbeitsplatz kann daher
über die Messung der Sauerstoffaufnahme erfolgen, wenn auch das gleichzeitig
ausgeatmete CO2-Volumen und damit der Respiratorische Quotient bekannt ist.
Die Messung des Energieumsatzes beinhaltet grundsätzlich die gesamte umge-
setzte Energie. Davon entfällt ein Teil für die ohnehin notwendige Aufrechterhal-
Arbeitsformen 271

tung der Körperfunktionen (Grundumsatz) und ein Teil auf den Arbeitsumsatz, der
von der Tätigkeit selbst hervorgerufen wird. Zur Bestimmung des für die Arbeits-
gestaltung relevanten Arbeitsumsatzes muss daher der Grundumsatz vom gemes-
senen Energieumsatz subtrahiert werden:
Arbeitsenergieumsatz = Gesamtenergieumsatz  Grundumsatz
Tabelle 3.5: Energetisches Äquivalent aus dem respiratorischen Quotienten (aus
HETTINGER 1980)

Respiratorischer Energetisches
Quotient (RQ) Äquivalent (kJ / l O2)
0,70 19,58
0,75 19,84
0,80 20,10
0,85 20,36
0,90 20,62
0,95 20,88
1,0 21,14

Der sog. Ruheumsatz durch die ständig in Tätigkeit befindlichen Organe (Ge-
hirn, Herz, Lunge, Leber und Nieren) ändert sich jedoch tageszyklisch, bei Nah-
rungsaufnahme und in Abhängigkeit der Umgebungstemperatur. Darüber hinaus
erfordern elementar notwendige Alltagstätigkeiten weitere Energiemengen. Der
Grundumsatz wird daher aus der Messung des Ruheumsatzes unter vier verschie-
denen Bedingungen berechnet. Aufgrund der Abhängigkeit von der Körperober-
fläche (bzw. Körperlänge und -gewicht), vom Alter sowie vom Geschlecht, er-
weist es sich als vorteilhaft, vorhandene Tabellen heranzuziehen
(Abb. 3.35, siehe auch HARRIS u. BENEDICT 1919, STEGEMANN 1977). In der
Regel kann der Grundumsatz eines 70 kg schweren Erwachsenen grob mit 7100 kJ
pro Tag angesetzt werden.
Obwohl der Energieumsatz anhand des Sauerstoffverbrauches und des Kohlen-
dioxidgehalts der Ausatmungsluft nahezu unmittelbar gemessen werden kann,
müssen dennoch zeitliche Verschiebungen im Arbeitsprozess ggf. berücksichtigt
werden. Nach Beginn der körperlichen Tätigkeit stellt sich die Anpassung des
Stoffwechsels erst mit einer gewissen Verzögerung ein (Abb. 3.36, oben).
Während dieser Phase wird die benötigte Energie aus anaeroben Reserven be-
reitgestellt, die nach Beendigung der Tätigkeit über aerobe Prozesse wiederherge-
stellt werden. Zu Beginn der Tätigkeit wird daher zunächst weniger Sauerstoff
verbraucht, als für die Tätigkeit eigentlich erforderlich ist (Entstehung einer „Sau-
erstoffschuld"). Nach Beendigung der Tätigkeit besteht zum Bilanzausgleich noch
für eine gewisse Zeit ein erhöhter Sauerstoffbedarf („Abtragen der Sauer-
stoffschuld“). Bei leichten und mittelschweren Tätigkeiten unterhalb der Dauer-
leistungsgrenze stellt sich ca. 3-5 Minuten nach Arbeitsbeginn ein Gleichgewicht
zwischen Sauerstoffverbrauch und Energieumsatz ein, daher genügt zur Energie-
272 Arbeitswissenschaft

umsatzbestimmung die Messung innerhalb der Gleichgewichtsperiode (Partial-


oder Steady-State-Methode, (Abb. 3.36, oben).
Bei schweren Arbeiten in der Nähe oder oberhalb der Dauerleistungsgrenze
kann nicht von einem solchen Gleichgewicht ausgegangen werden, da der O2-
Bedarf größer sein kann als das maximale O2-Aufnahmevermögen. In Folge ent-
steht neben der anlaufbedingten O2-Schuld ein mit der Arbeitszeit ständig steigen-
des O2 Defizit, das nach Aufbrauch der Reserven zur Erschöpfung führt. Die
Energieumsatzmessung muss dann folglich den gesamten Zeitraum vom Beginn
der Arbeitsaufnahme bis einschließlich der Rekonstitutionsphase umfassen (Integ-
ralmethode, Abb. 3.36, unten). Der Bilanzausgleich entspricht jedoch nur nähe-
rungsweise der O2-Schuld zuzüglich dem O2-Defizit, da sowohl die Umsetzung
und die Rekonstitution der Energiespeicher als auch die erhöhte Körpertemperatur
und die insgesamt vermehrte Atmungsarbeit zu einem zusätzlichen Energiebedarf
führen. Genau genommen ist daher der O2-Bedarf zum Bilanzausgleich größer als
die auszugleichenden Defizite. Nach leichter Arbeit beträgt das O2-Volumen für
den Defizitausgleich bis zu 4 l, nach schwerer Arbeit bis zu 20 l (ULMER 1990).

Abb. 3.35: Abhängigkeit des relativen Grundumsatzes von Körperoberfläche, Lebensalter


und Geschlecht (in kJ/m2.h, aus BOOTHBY et al. 1936)
Arbeitsformen 273

O2 - Defizit
Saauerstoffaufnahme

=
Arbeits- O2 - Bilanz-
umsatz ausgleich

Ruhe-
Ruhe Arbeit
umsatz
Messung Zeit

O 2 - Defizit
+
O 2 - Schuld
=
Sauerstooffaufnahme

Arbeits- O 2 - Bilanz-
umsatz ausgleich

Ruhe- Arbeit
umsatz
Messung Zeit

Abb. 3.36: Energieumsatzmessung nach der Partialmethode (oben) und nach der Integral-
methode (unten), nach LEHMANN (1953).

3.2.10.2.2 Maximaler Energieumsatz


Die Höhe des Energieumsatzes hängt überwiegend von der zu erbringenden Leis-
tung und dem Arbeitswirkungsgrad multiplikativ ab, interindividuelle Unterschie-
de bestehen nur in geringem Maße (Abb. 3.37).
Dies erweist sich als vorteilhaft zur Abschätzung des Arbeitsenergieumsatzes
anhand von Datentabellen (z.B. SPITZER et al. 1982). In Verbindung mit einer Ar-
beitsablaufstudie lässt sich damit der Energieumsatz für eine bestimmte Arbeits-
folge bestimmen (Beispiel in Tabelle 3.6).
Die überwiegend funktionale Abhängigkeit des Energieumsatzes erlaubt ande-
rerseits jedoch nur eine eingeschränkte Betrachtung als Beanspruchungsindikator,
da die individuell unterschiedliche Beanspruchungshöhe bei gleicher Leistung
hieraus nicht deutlich wird.
274 Arbeitswissenschaft

20000Ć
ArbeitĆ(mechanisch/äußere)
kJ/Tag
Wärme 16000Ć

12000Ć

8000Ć

Ruheumsatz
4000Ć

0
Buch-ĆBetriebs-Ć Mau-Ć Gießer Berg-Ć Holz-Ć
halter ingenieur rer mann fäller

Abb. 3.37: Energieumsatz in verschiedenen Berufen

Tabelle 3.6: Energieumsatzbestimmung anhand einer Arbeitsablaufstudie unter Verwen-


dung der Energieumsatztabellen (aus HETTINGER 1980)
Tätigkeit Dauer Energieumsatz lt. Energieumsatz in der
Art (min) Energieumsatztafel (kJ/min) Tätigkeitszeit (kJ)
Stehen 0,5 2,5 1,25
Gehen 0,8 11,7 9,36
Schaufeln 1,4 36,8 51,52
Transport von Hand 0,6 15,1 9,06
10 kg
Gehen 0,5 11,7 5,85
Protokoll ausfüllen 1,2 5,0 6,00
(im Stehen)

™ 5,0 83,04

Geht man von einem täglichen Gesamtenergieumsatz von max. 18.830 kJ aus,
so verbleibt nach Abzug des Ruhe- und Freizeitumsatzes noch ein möglicher Ar-
beitsumsatz von 8.400 kJ für die 8-Stunden-Schicht. Auf die Minute bezogen
ergibt sich daraus ein Wert von 17,5 kJ / min.
Der maximale Arbeitsumsatz von 17,5 kJ / min, der im Jahresdurchschnitt nicht
überschritten werden sollte, gilt nur dann, wenn der gesamte Organismus, z.B.
beim Tragen von schweren Lasten, eingesetzt wird. Sind vorwiegend ein Arm
oder beide Arme an der Tätigkeit beteiligt und die anderen Muskeln durch die
Arbeitshaltung (z.B. Sitzen) weitgehend entlastet, so gilt als höchstzulässiger Wert
5,0 kJ / min (ein Arm) bzw. 8,4 kJ / min Arbeitsumsatz für die Tätigkeit
(MAINZER 1983).
Die Festschreibung dieser Grenzwerte in der arbeitswissenschaftlichen Litera-
tur basiert zum einen auf der Erkenntnis, dass eine schwere dynamische Arbeit mit
Arbeitsformen 275

einem höheren als dem angegebenen Energieumsatz in der Regel dazu führt, dass
diese Tätigkeit das Herz-Kreislauf-System übermäßig beansprucht, das heißt, es
kann nicht mehr im sogenannten „steady state“ arbeiten.
Bei Überschreiten dieser Grenzwerte, die für Frauen mit dem Faktor von 0,75
zu multiplizieren sind, kann eine Kompensation bzw. ein Ausgleich dadurch er-
folgen, dass einer erhöhten Energie-Verausgabung in einer vorausgegangenen
Arbeitsphase begrenzter Dauer eine Pause folgt, in der der Energieumsatz deutlich
unter dem entsprechenden Grenzwert liegt.
Die Begrenzungen im kurzfristigen Bereich sind in der Erschöpfung der Ener-
giespeicher und der begrenzten Sauerstofftransportkapazität des kardiorespiratori-
schen Systems begründet.
Langfristig – im Tage-, Wochen- und Monatsbereich – kann auch das System
der Nahrungsaufnahme und Nährstoff-Erschließung zum Engpass werden, sei es
aufgrund der Erbringung sehr großer energetischer Leistungen (Gewichtsverlust,
z.B. bei Sportlern) oder aus Mangel an Nahrungsenergie heute hauptsächlich be-
deutend für Entwicklungsländer).
3.2.10.2.3 Wirkungsgrad menschlicher Arbeit
Da die Höhe des Grundenergieumsatzes für eine bestimmte Tätigkeit interindivi-
duell nahezu konstant ist, kann der Arbeitsenergieumsatz weiterhin zur Be-
urteilung der energetischen Effizienz eines Arbeitsprozesses herangezogen wer-
den.
Ein relativ maximaler Wirkungsgrad liegt bei Tätigkeiten mit kontinuierlicher
Bewegung vor, bei denen mehrere größere Muskeln gleichmäßig arbeiten (z.B.
Radfahren, Laufen, Kurbel drehen; siehe Abb. 3.38).

Wirkungsgrad
30
%
25 Rad fahren

Ziehen von Lasten


20 Kurbeln
Zugbewegung senkrecht
abwärts
15 Ziehen
waagerecht

Leiter Lasten tragen


10 auf schiefer
Ebene

5 Gewicht Stoßen
heben waagerecht

0
0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200
Nettoleistung W

Abb. 3.38: Wirkungsgrad des menschlichen Körpers als „Kraftmaschine" bei verschiede-
nen Tätigkeiten und in Abhängigkeit von der erzeugten Leistung (in Anlehnung an
KEIDEL 1985)
276 Arbeitswissenschaft

Datentabellen des Energieumsatzes helfen darüber hinaus, den energetischen


Aufwand zur Durchführung verschiedener Tätigkeiten abzuschätzen, auch wenn
die erzeugte mechanische Leistung schwer zu messen ist (Abb. 3.39). Aus der
Datentabelle wird deutlich, dass bereits das alleinige Ausführen einer Tätigkeit
mit einem nicht unerheblichen Energieumsatz einhergeht.
Neben der Abschätzung der energetischen Effizienz bestimmter Tätigkeitsaus-
prägungen dienen solche Tabellen auch zur Kalkulation des Energieumsatzes bei
komplexeren Tätigkeiten unter Zuhilfenahme einer Arbeitsablaufstudie (siehe
auch Tabelle 3.6).
50Ćkg Schaufeln ĆĆWurfweiteĆ3,0Ćm
Gehen mit Last
8 kg, 10 Hübe / min.
2,5 km / h
30Ćkg Ć2,0Ćm
25 ° Steigung 10Ćkg Wurfhöhe 2 m 1,0Ćm
0Ćkg
WurfweiteĆ3,0Ćm
Gehen mit LastĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆ50Ćkg Wurfhöhe 1 m Ć2,0Ćm
1,0Ćm
2,5 km / h ĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆ30Ćkg
15 ° Steigung ĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆ10Ćkg Gewicht heben ĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆ30Ćkg
ĆĆĆ0Ćkg 0 auf 150 cm ĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆ20Ćkg
10 Hübe / min. 10ĆkgĆĆ
ĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆ50Ćkg
Gehen mit Last
2,5 km / h ĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆ30Ćkg Gewicht heben ĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆ30Ćkg
10 ° Steigung ĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆ10Ćkg 0 auf 100 cm ĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆ20Ćkg
ĆĆĆĆ0Ćkg 10 Hübe / min. ĆĆĆ10ĆkgĆĆ

Gehen mit LastĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆ50Ćkg Leiter steigen mit LastĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆ50Ćkg


Ebene ĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆ30Ćkg 90 ° Neigung ĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆ30Ćkg
4 km / h ĆĆĆ10Ćkg Sprossenabstand 17 cm ĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆ10Ćkg
70 Sprossen / min ĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆ0Ćkg

Abwärts gehen
ĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆNeigungĆ25Ć° Leiter steigen mit LastĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆ50Ćkg
5 km / h ĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆ15Ć° 70 ° Neigung ĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆ30Ćkg
ĆĆĆ5Ć° Sprossenabstand 17 cm ĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆ10Ćkg
70 Sprossen / min 0ĆkgĆ
Aufwärts gehen 5Ćkm/h
10 ° Steigung 3Ćkm/h Leiter steigen mit Last
1Ćkm/h 50 ° Neigung ĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆ50Ćkg
Sprossenabstand 17 cm ĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆ30Ćkg
Laufen Ebene 20Ćkm/h 70 Sprossen / min
ĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆ10Ćkg
Laufen Ebene 15Ćkm/h
Laufen Ebene 12Ćkm/h
Treppauf gehen mit Last
ĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆ50Ćkg
Laufen Ebene 4Ćkm/h
Kriechen 4Ćkm/h 100 Stufen / min. 30Ćkg
ĆĆĆĆĆĆĆĆĆĆ10Ćkg
Ganz gebückt gehen 4Ćkm/h
0Ćkg
Halbgebückt gehen 4Ćkm/h
0 20 40 60 80 100 Treppab gehen 120ĆStufen/min
90ĆStufen/min
Arbeitsenergieumsatz (KJ / min) 60ĆStufen/min

0 20 40 60 80 100
Arbeitsenergieumsatz (KJ / min)

Abb. 3.39: Energieumsatz einiger Grundtätigkeiten (Daten aus SPITZER et al.1982)

3.2.10.3 KreislaufregulationĆ

Der bei körperlicher Arbeit gesteigerte Energiebedarf setzt einen verstärkten


Stoffwechsel zur Versorgung der in Anspruch genommenen Organe mit Nährstof-
fen und zum Rücktransport von Abfallprodukten voraus. Daher muss die vom
Herzen umgesetzte Blutmenge etwa im gleichen Verhältnis zum Energiebedarf
gesteigert werden. Das Herzschlagvolumen bleibt dabei weitgehend konstant
(GRIMBY et. al. 1966), von daher ist im Normalleistungsbereich eine nahezu linea-
re Zunahme der Herzschlagfrequenz mit dem Energieverbrauch zu beobachten
(Abb. 3.40).
Aus diesem Grund kann zur Untersuchung energetischer Arbeitsformen auch
die Messung der Herzschlagfrequenz herangezogen werden.
Arbeitsformen 277

Abb. 3.40: Pulsfrequenz und Energieverbrauch beim Radfahren (ROHMERT 1968)

Auf direktem Wege erfolgt dies durch die elektrokardiografische Ableitung der
Herzmuskelerregung (EKG, siehe Kap. 3.3.3.2.1.1). Mit auf der Brustwand fixier-
ten Oberflächenelektroden werden dabei die bei der umlaufenden Erregung des
Herzmuskels entstehenden elektrischen Potentiale aufgezeichnet. Dem Vorteil der
Genauigkeit stehen beim EKG-Verfahren die Nachteile des möglicherweise unzu-
verlässigen Elektrodenkontakts (z.B. bei Schweißbildung) und die Problematik der
Artefakt freien Ausübung von Tätigkeiten trotz Anbringung von EKG-Elektroden
gegenüber.
Ein in der betrieblichen Praxis einfacher anzuwendendes Verfahren basiert auf
der Änderung der Lichtdurchlässigkeit des Ohrläppchens, die durch die Pulswelle
bei jedem Herzschlag verursacht wird. Mit einem kleinen Ohrclip kann diese,
ähnlich wie bei einer Lichtschranke, von außen gemessen werden.
Für arbeitsphysiologische Untersuchungen wird aus dem Schlagrhythmus des
Herzens üblicherweise nur die Zahl der Schläge pro Minute, für langsame Ver-
änderungen durch direkte Zählung und für schnelle Veränderungen durch Mes-
sung der Zeit zwischen zwei aufeinanderfolgenden Schlägen und Berechnung
einer „Momentan-Herzschlagfrequenz“, gebildet.
Obwohl die Herzschlagfrequenz mit dem Energieumsatz hoch korreliert, ist ei-
ne direkte Umrechnung weder allgemein möglich noch sinnvoll.
Bei gleicher Belastung ist die von der Muskulatur benötigte Blutmenge bei ver-
schiedenen Personen zwar ungefähr gleich, das Schlagvolumen ist jedoch indi-
viduell unterschiedlich groß. Die Herzschlagfrequenz steigt daher sowohl abhän-
gig von der persönlichen Konstitution als auch in erheblichem Maße abhängig
vom Trainingszustand unterschiedlich stark an (Abb. 3.41).
Auch die Herzschlagfrequenz in Ruhe schwankt beträchtlich von Person zu
Person (zwischen 40 und 100 Schlägen/min). Um aus der Herzschlagfrequenz die
Arbeitsbeanspruchung zu ermitteln, wird deshalb nicht von der absoluten Herz-
278 Arbeitswissenschaft

schlagfrequenz, sondern nur vom Anstieg gegenüber dem Ruhewert ausgegangen


(Arbeitsherzschlagfrequenz).

Abb. 3.41: Zusammenhang zwischen Pulsfrequenz und Sauerstoffaufnahme bei Personen


verschiedenen Alters und Geschlechts (in Anlehnung an LEHMANN 1983)

Da die Herzschlagfrequenz – wie alle anderen Kreislaufgrößen – vegetativ ge-


steuert ist, hat auch der Erregungszustand der Person einen erheblichen Einfluss.
Eine psychisch bedingte Anspannung – bewusst oder unbewusst – führt ebenso zu
einem Anstieg der Herzschlagfrequenz wie ein erhöhter Lärmpegel oder der Kon-
sum von Koffein, Teein oder Nikotin, was ebenso auch für jede körperliche Indis-
position gilt.
Der zeitliche Verlauf der Arbeits-Herzschlagfrequenz zeigt im Wesentlichen
eine vergleichbare Charakteristik wie die O2-Aufnahme (Abb. 3.42, vgl. Abb.
3.36).
Arbeitsformen 279

Nach Arbeitsbeginn steigt die Herzschlagfrequenz mit einer gewissen zeitli-


chen Verzögerung auf ein höheres – von der Belastungshöhe abhängiges – Ni-
veau. Bei niedriger und mittlerer Beanspruchung stellt sich dann ein Gleichge-
wicht in Form einer konstanten Herzschlagfrequenz ein („steady state"), das über
mehrere Stunden beibehalten werden kann. (Abb. 3.42).

Abb. 3.42: Zeitlicher Verlauf (schematisch) bei unterschiedlich schwerer Belastung (in
Anlehnung an ARRASCH u. MÜLLER 1951, aus LEHMANN 1983)
280 Arbeitswissenschaft

Nach Beendigung der Tätigkeit klingt die Herzschlagfrequenz dann verzögert


ab, wobei – wie bei der Sauerstoffschuld, da mit dem Energieversor-
gungsmechanismus unmittelbar zusammenhängend – ein Bilanzausgleich statt-
findet.
Bei schweren Arbeiten oberhalb der Dauerleistungsgrenze stellt sich nach der
Anlaufverzögerung der Herzschlagfrequenz allerdings kein Gleichgewichtszu-
stand ein, sondern die Herzschlagfrequenz steigt – trotz gleichbleibender Belas-
tung – stetig an (Ermüdungsanstieg). Dies liegt daran, dass neben der Pumpleis-
tung des Herzens eine Reihe weiterer Engpässe vorliegen, z.B. die begrenzte Ge-
fäßweite (Durchblutungsmöglichkeit) oder die begrenzte Leistungsfähigkeit der
Energietransformationsprozesse. Deshalb vermag die durch das Versorgungsdefi-
zit angeregte Verstärkung der Herzschlagaktivität selbiges nicht zu kompensieren,
in Folge steigt die Pulsfrequenz bei Überschreitung der Dauerleistungsgrenze
stärker an als die Sauerstoffaufnahme.
Eine solche Abweichung von der ansonsten gegebenen Proportionalität zwi-
schen Energieumsatz und Herzschlagfrequenz kann zur Differenzierung der wir-
kenden Engpässe (und somit zur Unterscheidung zwischen vorwiegend einseitiger
und vorwiegend zentraler Beanspruchung) genutzt werden (Abb. 3.43): Bei einem
lokalen Engpass steigt die Herzschlagfrequenz schon unterhalb des maximalen
Energieumsatzes überproportional an.

Abb. 3.43: Zusammenhang zwischen Herzschlagfrequenz und Energieumsatz (nach


STEGEMANN u. KENNER 1971)

Ähnlich wie die Sauerstoffaufnahme erreicht auch die Herzschlagfrequenz ei-


nen oberen Grenzwert. In diesem Bereich nehmen die Defizite so schnell zu, dass
kurzfristig eine akute Erschöpfung eintritt. Als Richtwert kann angesetzt werden:
Maximale Herzschlagfrequenz | 200  Lebensalter
Arbeitsformen 281

Die Überschreitung der Dauerbeanspruchungsgrenze zeigt sich sowohl im wei-


teren Anstieg der Herzschlagfrequenz über das im steady-state eingehaltene Pla-
teau (Ermüdungsanstieg) als auch in der Erhöhung der Erholungspulssumme.
Diese bezeichnet die Anzahl der zusätzlichen Schläge im Zeitraum vom Arbeits-
ende bis zum Wiedererreichen des Ausgangsniveaus der Herzschlagfrequenz. Ein
Überschreiten der Dauerbeanspruchungsgrenze ist zu erwarten, wenn die Arbeits-
herzschlagfrequenz den Wert von 40 Schlägen/min über der Ruhe-
Herzschlagfrequenz (im Liegen gemessen) überschreitet. Wenn die Ruhe-
Herzschlagfrequenz in Arbeitshaltung gemessen wird, verringert sich dieser Wert
auf 35 Schläge/min (Sitzen) bzw. 30 Schläge/min (Stehen).
Als weiteres Kriterium des Überschreitens der Dauerbeanspruchungsgrenze ist
eine Erholungspulssumme von > 75 bis 150 Schlägen anzusehen.
Die Herzschlagfrequenz stellt folglich eine bedeutende Beanspruchungsgröße
zur Beurteilung energetisch-effektorischer Arbeit dar, da neben der erbrachten
Leistung und dem Arbeitswirkungsgrad auch die individuelle Konstitution und
Disposition einen unmittelbaren Niederschlag finden.

3.2.11 Skelettsystem
Die Belastung des Skeletts hängt unmittelbar mit den zu handhabenden Kräften im
Sinne der biomechanischen Struktur zusammen. Normalerweise führen die aktiv
aufgebrachten Kräfte zu keiner Überbeanspruchung der mechanischen Tragfähig-
keit der Knochen. Jedoch sind die beweglichen Teile des Skeletts, die Gelenke
und insbesondere die Bandscheiben der Wirbelsäule, beim Handhaben schwerer
Lasten mitunter einer sehr hohen Belastung und Beanspruchung ausgesetzt, wo-
durch irreversible Schädigungen des Skelettsystems hervorgerufen werden kön-
nen.
Beim Handhaben von Lasten ersteht ein spezifischer Belastungsschwerpunkt
auf der Wirbelsäule. Dies hängt damit zusammen, dass die Wirbelsäule - als einzig
tragendes Element des Rumpfes - über die Hebelwirkung der äußeren Last mit
großen Momenten und daraus resultierend großen inneren Kräften belastet wird.
Mögliche Negativwirkungen betreffen dabei hauptsächlich die elastischen
Bandscheiben zwischen den einzelnen Wirbeln, die wegen der kleinen Flächen
(wirksame Fläche je nach Körperposition bis deutlich unter 10 cm2) enorm hohen
Drücken ausgesetzt sind (Abb. 3.44). Bei Beugung des Rückens entstehen darüber
hinaus erhebliche innere Querkräfte (Abb. 3.45).
Bei Überbelastung entsteht eine Reihe von Gefährdungen der Gesundheit, z.B.
in Form von
x Bandscheibenschäden (bis hin zum „Bandscheibenvorfall“ bei hohen Quer-
kräften),
x Verformung der Wirbelkörper bei dauerhaft bzw. zu häufiger hoher punktu-
eller Druckbelastung oder
x Reißen einzelner Muskelfasern oder ganzer Muskelteile durch zu starke
Zugbeanspruchung.
282 Arbeitswissenschaft

Abb. 3.44: Belastung der präsakralen Bandscheibe beim körpernahen Halten einer Masse
von 10 kg mit beiden Armen (oben) und bei waagrecht ausgestreckten Armen (unten) mit
entsprechenden, auf dem Kopf getragenen, Äquivalenzlasten (aus JUNGHANNS 1979)

Abb. 3.45: Beanspruchung der Bandscheiben bei gebeugter und gerader Wirbelsäule.
Z=Zugbeanspruchung, D=Druckbeanspruchung (in Anlehnung an ROHMERT 1983b)
Arbeitsformen 283

3.2.12 Beurteilung der Belastung


Die für die Arbeitsgestaltung relevanten Kriterien beziehen sich u.a. auf die Schä-
digungsfreiheit der Ausübung bestimmter Tätigkeiten. Diese kann mit Bezug auf
die Wirbelsäule des Arbeitenden jedoch nicht direkt gemessen werden. Eine Un-
tersuchung anhand von Röntgenbildern vermag zwar Aufschluss über den Zustand
der Wirbelkörper zu geben, letztlich lassen sich damit jedoch nur ex-post-
Erkenntnisse über die Wirkung der zurückliegenden Belastungen gewinnen, d.h.
Überbelastungen werden erst dann offensichtlich, wenn eine Schädigung bereits
eingetreten ist.
Zur Beurteilung der arbeitstechnischen Voraussetzungen im BK 2108-
Feststellungsverfahren wird von den Berufsgenossenschaften seit einigen Jahren
das Mainz-Dortmunder Dosismodell (MDD) angewandt, welches für eine einheit-
liche Belastungsbewertung übergreifend für alle Gewerbezweige konzipiert wurde
(JÄGER et al. 1999, HARTUNG et al. 1999, SCHÄFER u. HARTUNG 1999).
Im MDD wird die Kompressionskraft auf die unterste lumbale Bandscheibe als
Maß für die Belastungshöhe herangezogen. Hierzu stehen sieben Bestimmungs-
gleichungen für die retrospektive Abschätzung der Belastungshöhe für Hebe- und
Tragetätigkeiten sowie Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung zur Verfügung
(HARTUNG et al. 1999).
Die fundierte Abschätzung von Schädigungsrisiken setzt
x die Kenntnis der Belastbarkeit der Wirbelsäule und
x die Kenntnis der Druckbelastung der Wirbelkörper und Bandscheiben bei ei-
ner bestimmten Tätigkeit voraus.
Zur Abschätzung der Kraftverhältnisse an der Wirbelsäule werden hauptsäch-
lich dafür spezifizierte biomechanische Modelle (z.B. „Der Dortmunder“) heran-
gezogen (z.B. CHAFFIN 1969, JÄGER 1987, JÄGER et. al. 2001, GRANATA u.
MARRAS 1995, siehe auch Abb. 3.46). Die Prüfung der Validität solcher Modelle
(insbesondere bezüglich Nichtlinearitäten, Idealisierungen, Koeffizientenvorgaben
usw.) ist, ebenso wie die Feststellung der Belastbarkeitsgrenze der Wirbelsäule,
nur empirisch möglich.
Hierzu werden Untersuchungen mit in die Wirbelsäule eingebrachten Messsen-
soren, Analysen von toten Körpern und epidemologische Befunde herangezogen
(z.B. NACHEMSON u. MORRIS 1964, EVANS u. LISSNER 1959, SONODA 1962).
Aus solchen biomechanischen Modellen können zunächst die auf die Wirbelsäule
wirkenden Kräfte in Abhängigkeit der Tätigkeitssituation abgeschätzt werden.
Die Betrachtung aller einzelnen Wirbel führt dabei – wegen der unterschiedli-
chen Belastung – zu einem komplexen Bild. Meist wird daher auf den Bereich
L5/S1, also den Übergang zwischen Lenden und Kreuzbein, fokussiert, da hier in
der Regel ein Belastungsschwerpunkt auftritt.
284 Arbeitswissenschaft

Abb. 3.46: Druckkraft am Lenden-Kreuzbein-Übergang beim Halten von Lasten mit vor-
geneigtem Oberkörper für verschiedene Lastmassen und unterschiedliche Armhaltungen
(aus JÄGER 1987)

Betrachtet man die Belastung (Druckkraft) in Abhängigkeit der Körperstellung


und der äußeren Last, so finden sich die in Abb. 3.46 gezeigten typischen Kennli-
nien: Eine relativ maximale Belastung liegt bei einer Rumpfneigung im mittleren
Bereich vor; das Halten mit ausgestreckten Armen führt zu einer deutlich verstärk-
ten Belastung.
Differenziertere Belastbarkeitsgrenzen wurden von JÄGER (1996) vorgeschla-
gen (Tabelle 3.7). Jüngere Personen können demzufolge mit höheren Druck-
kräften belastet werden.
Die in Tabelle 3.7. angegebenen Grenzwerte gelten für zweihändig, symmet-
risch, gleichmäßig und frontal zum Körper durchgeführte Hebetätigkeiten.
Arbeitsformen 285

Tabelle 3.7: Empfohlene Grenzwerte für die lumbare Kompressionsbelastung bei der
manuellen Lastenhandhabung (nach JÄGER 1996)

Alter Frauen Männer


20 Jahre 4,4 kN 6,0 kN
30 Jahre 3,8 kN 5,0 kN
40 Jahre 3,2 kN 4,0 kN
50 Jahre 2,6 kN 3,0 kN
> 60 Jahre 2,0 kN 2,0 kN

Eine Seitenneigung, Torsion oder die Beaufschlagung mit asymmetrischen Las-


ten führt, ebenso wie ruckartige Bewegungen, zu einer Vergrößerung der Belas-
tung von Wirbelkörpern und Bandscheiben (siehe Abb. 3.47).

Abb. 3.47: Schematische Darstellung der unterschiedlichen Flächenpressungen der Band-


scheiben bei geradem und gebeugtem Rücken (links); Veranschaulichung der Wirbelsäu-
lenbelastung bei asymmetrischem und symmetrischem Lastentragen (rechts; in Anlehnung
an HETTINGER u. WOBBE 1993)

In solchen Fällen sind folgende Abschläge – ggf. kummuliert – vorzusehen


(Schätzwerte, abgeleitet aus GARG 1986, HARTUNG u. DUPUIS 1994):
x -10% bei Seitenneigung des Rumpfes oder Verdrehung um 15..30°
x -15% bei Verdrehung um 30..60°
x -25% bei Verdrehung um 60..90°
x -25% bei ruckartigen Bewegungsabläufen.
Im Rahmen der Arbeitsgestaltung spielt die explizite Berücksichtigung solcher
Grenzwerte insofern eine große Rolle, da die Maximalkräfte und die subjektive
Zumutbarkeitsgrenze meist höher liegen als die gesundheitskritischen Grenzwerte
(um 10-60%, außer im Schulterbereich; NICHOLSON 1989). Mehr als 99% der
männlichen und 75% der weiblichen Personen können größere Kräfte aufbringen,
als zur Erreichung eines Grenzwertes von 3400 N erforderlich ist (WATERS et al.
1993; siehe Kap. 10.1.1.1).
286 Arbeitswissenschaft

3.3 Informatorisch-mental

Neben der Gestaltung energetisch-effektorischer Arbeit ist eine wichtige Aufgabe


des Arbeitswissenschaftlers die Konzeption, Entwicklung und Verbesserung von
Arbeitssystemen im Hinblick auf die menschliche Informationsverarbeitung. Die-
se Systeme können sehr unterschiedliche Funktionen besitzen, wie z.B. ein Cock-
pit zum Führen eines Verkehrsflugzeugs im Vergleich zu einer Leitwarte zur Füh-
rung und Überwachung einer hochautomatisierten Produktionsanlage. Beiden
Fällen ist jedoch gemein, dass zur Erfüllung der Aufgaben Information zielgerich-
tet verarbeitet werden muss. Wichtige Zielgrößen sind die Effektivität (das Flug-
zeug muss fliegen) und Effizienz (es sollte nicht zu viel Treibstoff verbraucht
werden), ohne jedoch den Menschen zu unter- oder überfordern oder die Sicher-
heit zu gefährden. Diese Forderung der Effektivität und Effizienz gilt im Umkehr-
schluss auch für menschliches Handeln: Es muss das Richtige zur richtigen Zeit
bei einem geringen physiologischen und psychologischen Ressourcenverzehr
getan werden, wobei die Technik nicht in oder über Funktionsgrenzen hinaus zu
belasten ist und sicherheitskritische Funktionsbereiche zu meiden sind. Die Ge-
staltung der Interaktion von Mensch und Technik sollte auf der Grundlage gesi-
cherter Erkenntnisse über die Funktionsweise der menschlichen Informationsver-
arbeitung erfolgen. Erst wenn man eine genaue Vorstellung über die Möglichkei-
ten und Grenzen der menschlichen Wahrnehmung, Kognition und Motorik besitzt,
ist man in der Lage, durch eine methodisch geleitete Gestaltung des Arbeitssys-
tems unnötige Belastungen zu vermeiden und dieses in einem günstigen Bereich
des Ressourcenverzehrs zu betreiben. Die Entwicklung von Modellen der mensch-
lichen Informationsverarbeitung und die Kenntnis ihrer Gestaltungskonsequenzen
ist bspw. Gegenstand der Arbeits- und Ingenieurpsychologie (früher Psychotech-
nik, heute Anthropotechnik), der physiologischen und biologischen Systemfor-
schung sowie der Mensch-Maschine-Systemtechnik.

3.3.1 Modelle menschlicher Informationsverarbeitung


Alle menschlichen Aktivitäten sind mit Prozessen der Informationsverarbeitung
verknüpft, nicht nur diejenigen, die gemeinhin als geistig bezeichnet werden.
Auch jede körperliche Tätigkeit wird von Informationsverarbeitungsvorgängen
bewusst oder unbewusst reguliert. Deutlich wird die besondere Qualität der
menschlichen Informationsverarbeitung, die gerade bei ganz alltäglichen Aufga-
ben erforderlich ist und meist gar nicht als besondere Leistung wahrgenommen
wird, wenn versucht wird, diese auf eine Maschine zu übertragen. Ein Beispiel ist
das Erkennen, Hinlangen und zielgerichtete Greifen von a priori nicht oder nicht
genau bekannten Werkstücken aus elastischem Kunststoff, die sich in einem ein-
fachen, nicht maschinengerecht gestalteten Transportbehälter befinden und dort
ungeordnet liegen. Möchte man eine solche scheinbar triviale Aufgabe auf einen
Roboter mit entsprechenden bildgebenden Sensorsystemen und geeigneten Aktua-
toren übertragen, so werden die Grenzen der Automatisierung schnell deutlich, da
Arbeitsformen 287

bereits die zuverlässige und schnelle Erkennung von Lage, Zustand und mögli-
chen Greifpunkten der Werkstücke erhebliche technische Schwierigkeiten auf-
wirft. Der Mensch hingegen vermag diese Aufgabe ohne besonderes Training und
bei geringer mentaler Beanspruchung schnell und zuverlässig auszuführen.
Wie bereits in Kapitel 3.1 dargestellt wurde, lassen sich anhand des Paradigmas
des Informationsumsatzes die drei Phasen der Informationsaufnahme (sog. frühe
Prozesse), Informationsverarbeitung (sog. zentrale Prozesse) sowie Informations-
abgabe (sog. späte Prozesse) differenzieren. Aus ingenieurwissenschaftlicher Sicht
(siehe Abb. 3.2) beziehen sich die frühen Prozesse in erster Linie auf die Entde-
ckung von informationstragenden optischen und akustischen Signalen im Arbeits-
system und die Trennung dieser Signale gegenüber dem „Hintergrundrauschen“.
Die zentralen Prozesse beinhalten das Erkennen und Identifizieren der Signalbe-
deutung und die darauf aufbauenden Entscheidungsprozesse zur Urteilsbildung
und Konsequenzbewertung. Die späten Prozesse „formen“ schließlich das mani-
pulative und kommunikative Handeln und beinhalten u.a. die Organisation und
Regelung von Bewegungen.
Zur Erforschung der menschlichen Informationsverarbeitung sind verschiedene
Modellvorstellungen entwickelt worden, die wertvolle Hinweise für die Gestal-
tung von Arbeitssystemen liefern. Sie bieten darüber hinaus einen messtheoreti-
schen Zugang zur Bewertung informatorisch-mentaler Arbeit, z.B. im Hinblick
auf die Analyse mentaler Belastung und Beanspruchung.

3.3.1.1 Phänomenologisch-empirischeĆModelleĆ
Phänomenologisch-empirische (biologische) Modelle der menschlichen Informa-
tionsverarbeitung zielen darauf ab, den Ablauf und die beteiligten wahrnehmungs-
und kognitionspsychologischen Funktionsbereiche zu beschreiben. Im Wesentli-
chen können sequentielle Modelle und Kapazitätsmodelle unterschieden werden.
Sie sollen nachfolgend im Detail behandelt werden.
3.3.1.1.1 Sequentielle Modelle
Sequentielle Modelle der Informationsverarbeitung beschreiben den Fluss der
Information durch den Organismus – von einem wahrgenommenen Reiz bis zur
Ausführung einer Reaktion. Grundannahme ist, dass Informationsverarbeitung
Zeit kostet. Leistungsvariabilität wird auf Anzahl und Art der zu durchlaufenden
Stufen der Verarbeitung zurückgeführt und üblicherweise durch die Reaktionszeit
gemessen, weshalb sie auch als Stufenmodelle bezeichnet werden. Diese Modelle
gehen davon aus, dass mehrere sequentielle Verarbeitungsstufen durchlaufen
werden. Die linearen Stufenmodelle betonen die Tatsache, dass Stimulus und
Reaktion (response) über eine Reihe von Transformationen miteinander verbun-
den sind. Diese Transformationen sind streng seriell, d.h. die nachfolgende Stufe
kann erst dann begonnen werden, wenn die vorherige durchlaufen ist. Eine korrek-
te Interpretation oder Voraussage von Ergebnissen kann nur anhand einer mög-
288 Arbeitswissenschaft

lichst präzisen Beschreibung der Art und Struktur solcher Transformationen statt-
finden.

3.3.1.1.1.1 Subtraktionsmethode
Einer der ersten Versuche, mentale Prozesse systematisch zu erkunden, stammt
aus dem Jahr 1868 und wurde vom Ophthalmologen Frans C. Donders unternom-
men (siehe Jubiläumsabdruck DONDERS 1969). Er war fasziniert von Helmholtz's
Entdeckung, dass die neurale Übertragung von Signalen Zeit kostet und sich nicht,
wie bis dahin angenommen, augenblicklich vollzieht. Donders fragte sich, ob die
Geschwindigkeit des Denkens messbar sei. Um diese Frage zu beantworten, führte
er eine bestechend einfache Methode zur Analyse von Reaktionszeiten ein. Seine
Methode basiert auf der heute von den meisten Wissenschaftlern nicht mehr ge-
teilten Annahme, dass mentale Prozesse streng seriell ablaufen und die „Durch-
laufzeiten“ durch die einzelnen Stufen der Verarbeitung additiv sind. Er entwarf
drei Typen von Reaktionszeitaufgaben, die in Tabelle 3.8 dargestellt sind.
Tabelle 3.8: Reaktionszeitaufgaben von DONDERS

Aufgabe Anzahl Anzahl der gemessene mentale


der Stimuli Responses Prozesse
A 1 1 einfache Reaktionszeit
B viele viele einfache Reaktionszeit
Stimuluskategorisierung
Response-Auswahl
C viele 1 einfache Reaktionszeit
Stimuluskategorisierung

Aufgabe A ist eine einfache Reaktionsaufgabe. Sie beinhaltet eine einfache


Stimulusdarbietung und einen einfachen Response, z.B. möglichst schnell nach
Aufleuchten einer Lampe eine Taste zu drücken. Aufgabe B ist eine Wahlreakti-
onsaufgabe: Es gibt z.B. zwei Lampen und zwei Tasten. Wenn die linke Lampe
brennt, soll die linke Taste gedrückt werden, bei der rechten Lampe die rechte. Die
Zeit, die man braucht, um die richtige Taste zu drücken, heißt Wahlreaktionszeit
bzw. Auswahl-Reaktionszeit (siehe Kap. 3.3.1.2.2.2). Die Aufgabe kann natürlich
durch eine Erhöhung der Anzahl von Stimuli sowie Responses beliebig erschwert
werden. Aufgabe C hat zwei (oder mehr) Stimuli, jedoch nur einen Response.
Wenn z.B. die linke Lampe brennt, soll die Taste gedrückt werden, wenn die
Rechte brennt, soll nichts unternommen werden. Auch hier ist beim Aufleuchten
der linken Lampe eine Wahlreaktionszeit feststellbar.
Donders nahm an, dass die komplexeste Aufgabe B drei Prozesse erfordert: (1)
die einfache Reaktion, (2) die Stimuluskategorisierung sowie (3) die sog. Respon-
se-Auswahl. Aufgabe A lässt sich somit als eine Teilaufgabe von B auffassen. Die
Wahlreaktionszeiten in den Aufgaben B und C sind länger als die einfachen Reak-
tionszeiten, weil sie zwei eigene Prozesse voraussetzen. Aufgabe C beinhaltet
sowohl Stimuluskategorisierung als auch einfache Reaktionszeit, jedoch keine
Arbeitsformen 289

Responseauswahl. Durch Vergleich der drei Aufgaben kann man herausfinden,


wie viel Zeit für jeden der seriell nacheinander ablaufenden Prozesse gebraucht
wird:
x Einfache Reaktion = A
x Stimuluskategorisierungszeit = C  A
x Response-Auswahlzeit = B  C
Die Subtraktionsmethode ist ein Beispiel dafür, wie man mentale Prozesse zeit-
lich entkoppeln kann. Die deutlichste Schwäche dieses Modells liegt in der An-
nahme, dass die unterschiedlichen Aufgaben tatsächlich den unterstellten Prozess,
und nur diesen, erfordern.

3.3.1.1.1.2 Kaskadenmodelle
Während Stufenmodelle davon ausgehen, dass der Prozess [n+1] erst beginnen
kann, wenn der Prozess [n] vollständig ausgeführt ist, basieren Kaskadenmodelle
auf der Annahme, dass mehrere Prozesse simultan anlaufen und sich gleichzeitig
fortpflanzen. Diese Prozesse sind als einfaches Netzwerk miteinander verknüpft.
Die genannte Betrachtungsweise schließt die Möglichkeit ein, dass die Prozesse
eine mentale Ressource gleichzeitig in Anspruch nehmen. Somit dient das Kaska-
denmodell als Übergang vom Stufen- zu den später ausführlich erläuterten Kapa-
zitätsmodellen.

3.3.1.1.1.3 Regulationsebenenmodelle
Eine Betrachtung von Informationsverarbeitungsvorgängen auf verschiedenen
Abstraktionsebenen erlauben sog. Regulationsebenenmodelle. Dabei werden be-
wusste und unbewusste mentale Prozesse unterschieden und es wird individuellen
Trainings- oder Lernzuständen Rechnung getragen (SCHLICK 1999; SCHMIDT
2007a). Wie bei den Kaskadenmodellen ermöglichen die Regulationsebenen eine
simultane Informationsverarbeitung, die sich jedoch auf Hierarchieebenen voll-
zieht. Auf den einzelnen Hierarchieebenen werden jedoch nach wie vor sequenti-
elle Funktionsketten differenziert.
Das wohl prominenteste Regulationsebenenmodell entstammt den „Unified
Theories of Cognition“ von NEWELL (1990, 1992). Es postuliert vier „Bänder“
menschlicher Informationsverarbeitung: biologisch, kognitiv, rational und sozial.
Diese Bänder können anhand der Zugriffszeiten auf die Speicherstrukturen diffe-
renziert werden. Die akkumulierte Betrachtung elementarer Zugriffsmechanismen
eines Bands bzw. der zugehörigen Zugriffszeiten führt dabei jeweils auf das
nächsthöhere (Sub-)Band, dessen Zykluszeit jeweils in etwa um den Faktor zehn
höher liegt. Mit einer Zykluszeit von 100 Ps bis 10 ms beinhaltet das biologische
Band in drei Subbändern die neuronalen Funktionen (elektrochemisch arbeitende
Organellen, daraus zusammengesetzte impulsverarbeitende Neuronen und aus
diesen Nervenzellen kombinierte Schaltkreise). Das darüber liegende kognitive
Band umfasst wiederum drei Subbänder, bei denen nun aber auf entfernte symbol-
hafte Wissensstrukturen zugegriffen wird. Auf dem untersten Subband repräsen-
290 Arbeitswissenschaft

tieren automatisierte, nicht bewusstseinsgesteuerte Prozesse die frühen Bewusst-


seinsakte. Das mittlere Subband verankert die einfachen Operationen, die aus
automatisierten Prozessen sequentiell zusammengesetzt werden. Im obersten
Subband werden sie zu Einheitsaufgaben zusammengefasst. Das Band des rationa-
len Verhaltens beinhaltet bewusste zielorientierte Schlussfolgerungsprozesse im
Minuten- bis Stundenzeitraum. Mit dem sozialen Band wird schließlich auf der
obersten Ebene die Informationsübertragung bei der Zusammenarbeit von Men-
schen betrachtet.
Strukturell ähnlich ist HACKERS (2005) Modell der Regulation von Arbeitstä-
tigkeiten (siehe hierzu auch Kap. 1.5.1.3). Auf den drei Individualebenen dieses
Modells werden die automatisierte, die perzeptiv-begriffliche und die intellektuel-
le Regulation differenziert. Darüber kann bei arbeitsteiligen Tätigkeiten eine ko-
operative Regulationsebene angeordnet werden, die Wirkungen auf die Indivi-
dualebenen hat. Auf der automatisierten Ebene sind nichtbewusstseinspflichtige
Bewegungsstereotypen verankert, die durch kinästhetische Regulation in Grenzen
an die veränderlichen Umgebungsbedingungen angepasst werden können. Perzep-
tiv-begriffliche Vorgänge sind bewusstseinsfähig, aber nicht immer bewusstseins-
pflichtig. Wahrnehmungsinterne Klassifikationsvorgänge laufen entsprechend
gespeicherter Regeln ab. Auf der intellektuellen Ebene finden bewusstseinspflicht-
ige Analyse- und Synthesevorgänge statt, deren Denkvorgänge unter Nutzung von
bildhaft-anschaulichem oder begrifflich-symbolischem Wissen ablaufen.
Auch RASMUSSEN (1983) unterscheidet drei Regulationsebenen, nämlich
fertigkeitsbasiertes (skill-based), regelbasiertes (rule-based) und wissensbasiertes
(knowledge-based) Verhalten (siehe Abb. 3.48). Die fertigkeitsbasierte (auch:
sensumotorische) Ebene ist durch erlernte und automatisiert ablaufende Hand-
lungsmuster geprägt, die nicht mehr bewusstseinspflichtig sind, wie z.B. das Ein-
halten eines Fahrstreifens eines Kraftfahrzeugs durch einen erfahrenen Fahrer. Auf
der regelbasierten Ebene laufen bewusstseinsfähige Verarbeitungsprozesse ab, bei
denen als Ergebnis der Merkmalsextraktion bestimmte Zeichen erkannt werden,
mit denen erlernte Regeln und Schemata assoziiert werden (z.B. Verkehrsregeln
oder Standardvorgehensweisen bei der Fehlersuche). In unbekannten oder neuarti-
gen Situationen, in denen nicht auf bewährte Prozeduren zurückgegriffen werden
kann, muss eine Handlungsstrategie auf der wissensbasierten Ebene entwickelt
werden. Auf dieser höchsten kognitiven Ebene werden Informationen als Symbole
interpretiert, um die Situation zu analysieren. Die bewusste Formulierung von
Zielen und das Einbeziehen mentaler Modelle dienen dazu, Alternativen im Hin-
blick auf die Zielerreichung gegeneinander abzuwägen und nach der Entscheidung
einen Plan zu entwerfen (z.B. bei komplexen Störungsdiagnoseaufgaben). Die
verschiedenen Regulationsebenen sind also auch mit den unterschiedlichen Arten
der Informationsnutzung verbunden. Im Sinne der ergonomischen Gestaltung
sollten Informationen so dargeboten werden, wie es die Regulationsebene erfor-
dert, die aufgrund des Qualifikationsprofils des Benutzers zu erwarten ist. Zusätz-
lich zu beachten sind mögliche Regulationsebenenwechsel durch das Trainieren
Arbeitsformen 291

der Aufgabenbearbeitung, dem z.B. durch einen Novizen- und Expertenmodus


Rechnung getragen werden kann.

Ziele Wissensbasiertes
Verhalten
Identifizieren Entscheiden Planen • Strukturiertes Mentalmodell für
Symbole

unbekannte Situationen
• Vorwärts- u. Rückwärtsverkettung
beim Schlussfolgern
• Bewusste Handlungsregulation

Regelbasiertes
Verhalten
Erkennen Assoziieren Regeln • Heuristiken, „Kochrezepte“ für
Zeichen

bekannte Situationen
• Vorwärtsverkettung (WennÆDann)
• Bewusste Handlungsregulation

Fertigkeitsbasiertes
Merkmals - (Signale) Sensumotorische
funktion Muster
Verhalten
• Erlernte oder intuitive
sensumotorische Muster
Sensorischer Input Signale Handlungen • Unbewusste Handlungsregulation

Abb. 3.48: Regulationsebenenmodell nach RASMUSSEN (1983)

3.3.1.1.2 Kapazitätsmodelle
Die Stufenmodelle tragen der Erfahrung Rechnung, dass menschliche Informati-
onsverarbeitung Zeit kostet. Insbesondere in der psychophysiologisch geprägten
Aktivierungstheorie und der kognitionspsychologisch geprägten Aufmerksam-
keitstheorie wurden weitergehende Modellvorstellungen entwickelt, die nicht den
Zeitverbrauch, sondern die Zuweisung „kognitiver Kapazität“ bzw. die Regulation
des damit verbundenen „Energieeinsatzes“ in den Mittelpunkt stellen. Vorrangiger
Zweck dieser Modelle ist es, einen messtheoretischen Zugang für die Erfassung
von mentaler Beanspruchung zu formulieren (siehe Kap. 3.3.3). Beide Theorien
gehen davon aus, dass die für die Informationsverarbeitung zur Verfügung stehen-
de Kapazität begrenzt ist und die psychophysiologischen Reaktionen des Men-
schen auf informatorische Arbeit im Sinne einer mentalen Beanspruchung als
Kapazitätsaktivierung bzw. -ausschöpfung beschrieben werden können.

3.3.1.1.2.1 Aktivierungstheoretische Konzepte


Aktivierungstheoretische Modelle analysieren die Regulation der Anstrengung
(effort) unter psychisch energetischen Gesichtspunkten. In Abb. 3.49 ist die mit
der Informationsverarbeitung verbundene Anstrengungsregulation schematisch
dargestellt. Der Informationsverarbeitungsprozess wird durch einen Reiz ausge-
löst, bspw. ein auditives Signal bzgl. eines kritischen Systemzustands, und mündet
in eine motorische Reaktion, z.B. eine Steuerungshandlung. Die Reaktion führt zu
einer Veränderung des Systemzustands. Die Information über diese Zustandsände-
rung kann wiederum als Reiz wahrgenommen werden, so dass eine Rückkopplung
292 Arbeitswissenschaft

vorliegt. In die Verarbeitung dieser Information sind verschiedene physiologische


Systeme eingebunden. Dabei bestimmt sich der Zustand der zur Wahrnehmung
des Reizes erforderlichen Sinnesorgane aus der momentan gegebenen Aufmerk-
samkeit (attention). Der Zustand der für die Entscheidungsfindung und die Einlei-
tung einer motorischen Reaktion notwendigen Systeme resultiert aus deren mo-
mentanen Aktivierung (activation).

Mechanismen
der Aufgaben-
und Situations- 1. Ebene
Beurteilung und Bewältigung
bewältigung

Psychisch- Anstrengung
Energetische 2. Ebene
Mechanismen
Erregung Aktivierung
Wachsamkeit Anspannung

Reaktion
Ver-
arbeitungs Reiz Sensorische Reiz- Merkmals- Handlungs- Motorische
3. Ebene
stufen Vorverarbeitung Extraktion auswahl Regulation

Rückkoppelungs-
Beispiele für Reizintensität Signalqualität Signal-Reaktions- Zeitliche schleifen
experimentell R i
Reizspezifität
ifität G t lt“
„Gestalt“ K
Kompatibilität
tibilität Unsicherheit
U i h h it
belegte
Einflussgrößen
Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3 Stufe 4

Abb. 3.49: Anstrengungsregulation bei der Informationsverarbeitung nach SANDERS


(1983)

Die zur Erbringung der Aufmerksamkeit und Aktivierung erforderliche


„psychophysische Energie“ wird durch eine zentrale Ressource bereitgestellt, auf
die von den physiologischen Systemen gemeinsam zugegriffen wird. Die maxima-
le Kapazität dieser unspezifischen, zentralen Ressource wird durch die individuel-
le Konstitution des Menschen bestimmt. Darüber hinaus können zeitlich variable
Faktoren bewirken, dass die Maximalkapazität ggf. nicht voll verfügbar ist.
In welchem Maße der Informationsverarbeitungsprozess durch „Energiezufuhr“
unterstützt wird, hängt von der für die Aufgabendurchführung aufgebrachten An-
strengung ab. Diese wiederum resultiert aus einem Bewertungsvorgang, in dem
die momentane Leistung den Aufgabenanforderungen und Durchführungszielen
sowie der momentan verfügbaren Kapazität gegenüber gestellt wird. Erfordert die
Ausführung der fortlaufenden Aktivitäten einen zunehmenden Bedarf an Kapazi-
tät, steigt das Arousal und somit die Anstrengung (effort) (KAHNEMAN 1973,
siehe Abb. 3.50). Die Aktivierung hängt somit zum einen davon ab, wie viel Ka-
pazität dem Menschen zur Verfügung steht, zum anderen davon, ob ihn die durch-
geführte Bewertung der eigenen Leistung zu einer weiteren Erhöhung oder zur
Reduktion der Anstrengung motiviert.
Die gesamte „Energieregulation“ geschieht normalerweise unbewusst und in
einer Form, die eine genügende Leistung ermöglicht. Sie kann jedoch unter be-
stimmten Umständen gestört werden.
Arbeitsformen 293

Verschiedene Quellen von Arousal:


Angst, Wut, sexuelle Erregtheit,
Muskelspannung, Drogen, usw.

Verschiedene Äußerungen von


Arousal: Pupillendilation, Abnahme
Arousal des Hautwiderstands, Pulsfrequenz
nimmt zu, usw.

verfügbare Verfügbare Kapazität und Arousal


Kapazität nehmen zu, um Nachfrage nach
Verarbeitungskapazität zu befriedigen

Allocation
Policy

Bewertung der
Momentane Absichten Nachfrage
nach Kapazität

mögliche Aktivitäten

Reaktionen

Abb. 3.50: Relation zwischen Kapazität und Aufgabenschwierigkeit nach KAHNEMAN


(1973)

Da die für den Informationsverarbeitungsprozess verfügbare Kapazität variabel


ist, kann für die Durchführung von Aufgaben ggf. zu wenig zur Verfügung stehen
und selbst bei Anstrengung nicht weiter gesteigert werden. Eine zeitweise geringe-
re Kapazität liegt allgemein bei Müdigkeit und Monotonie vor. Weiterhin kann die
Leistung durch eine ungünstige Verteilung der Anstrengung auf die mit Aufgaben
verbundenen Aufmerksamkeits- und Aktivierungskomponenten gemindert wer-
den. Dieser Zustand wird bspw. durch Angst und Verwirrtheit hervorgerufen.
Die mentale Beanspruchung des Menschen wird durch die psychophysischen
„Kosten“ der informatorischen Arbeit widergespiegelt. Diese Kosten der Informa-
tionsverarbeitung entsprechen dem Ausmaß der psychophysischen Aktivierung
bzw. Aktiviertheit (arousal) bei der Aufgabendurchführung. Wenn die Aufgaben-
erfüllung erschwert wird, weil bspw. eine zusätzliche Aufgabe gestellt wird, er-
möglicht der Arousalmechanismus eine Steigerung der verfügbaren Kapazität.
Diese Kapazitätssteigerung ist jedoch oft nicht ausreichend, um den erhöhten
Bedarf ganz auszugleichen, so dass die Leistung abnehmen wird.
294 Arbeitswissenschaft

Die psychophysische Aktiviertheit ist eng verbunden mit der Aktivität des
sympathischen Nervensystems und lässt sich demzufolge mittels physiologischer
Indikatoren wie Herzschlagfrequenz, Blutdruck, Lidschlussfrequenz, Pupillen-
durchmesser etc. messen oder anhand von Selbsteinschätzungen ermitteln (siehe
Kap. 3.3.3.2). Da die Aktivierungstheorie einen verhältnismäßig einfach zu erklä-
renden Zusammenhang zwischen dem Informationsverarbeitungsprozess und
physiologischen Indikatoren herstellt, dient sie vielfach als Grundlage für psycho-
physiologische Untersuchungen (AASMAN et al. 1987; LUCZAK 1987; AGARD
1989; BARTENWERFER 1969; MANZEY 1998; VELTMAN u. GAILLARD 1994).
Der nicht angenommenen Spezifität der psychophysischen Aktiviertheit wider-
spricht die Existenz empirisch nachgewiesener spezifischer Aktivierungsmuster,
die bei STEMMLER (2001) wie folgt definiert sind:
x Situationsspezifische Reaktionsmuster beschreiben den Interaktionseffekt Si-
tuation u Variable und postulieren stabile Unterschiede zwischen den Reak-
tionsprofilen innerhalb von Situationen
x Individualspezifische Reaktionsmuster beschreiben den Interaktionseffekt
Person u Variable und postulieren stabile Unterschiede zwischen den Reak-
tionsprofilen von Personen
x Motivationsspezifische Reaktionsmuster beschreiben den Interaktionseffekt
Situation u Person u Variable und postulieren stabile Unterschiede zwischen
den Reaktionsprofilen auf Situationen bei einer Person.
Diese Reaktionsspezifitäten sowie die bei Anwendung verschiedener Aktivie-
rungsindikatoren zu beobachtenden geringen Kovariationen der physiologischen
Indikatoren untereinander und in Bezug zu subjektiven bzw. verhaltensbezogenen
Maßen sprechen für die Mehrdimensionalität des Aktivierungsmechanismus. Dem
folgend unterteilen PRIBRAM u. MCGUINNESS (1975, zitiert in MANZEY 1998) den
Aktivierungsmechanismus in drei miteinander interagierende Funktionssysteme,
die die Aktivität des zentralen Nervensystems beeinflussen:
x Ein Arousal-System, das primär selektive Aufmerksamkeitsprozesse steuert
und physische Aktivierungsprozesse, insbesondere Orientierungsreaktionen
auf neuartige Wahrnehmungen, auslöst
x Ein Activation-System, das motorische Prozesse kontrolliert und tonische
Aktivierungsprozesse, d.h. eine erhöhte Reaktionsbereitschaft, auslöst
x Ein Effort-System, das die Aktivitäten von Arousal- und Activation-System
koordiniert und bspw. bei inkompatiblen Reiz-Reaktions-Verknüpfungen ei-
ne Entkopplung dieser beiden Systeme herbeiführt.

3.3.1.1.2.2 Aufmerksamkeitstheoretische Konzepte


Zur Erklärung von Interferenzeffekten bei Doppeltätigkeiten wurden aufmerk-
samkeitstheoretische Modelle entwickelt. So sehen NORMAN u. BOBROW (1975)
das Problem der mentalen Beanspruchung vorrangig als Kapazitätsproblem an.
Auch hier wird zunächst von einer momentan begrenzten, zeitlich variablen, un-
spezifischen Ressource des Informationsverarbeitungssystems ausgegangen, die
Arbeitsformen 295

als Verarbeitungskapazität interpretiert wird. Des Weiteren wird angenommen,


dass den aufeinander folgenden Stufen des Informationsverarbeitungsprozesses
die durch die aufgebrachte Anstrengung bemessene Kapazität stufenspezifisch
zugeteilt wird. Unter mentaler Beanspruchung wird in diesem Zusammenhang die
Ressourcenauslastung durch den Informationsverarbeitungsprozess verstanden.
Das in Abb. 3.51 schematisch dargestellte Modell von WICKENS und
HOLLANDS (1999) integriert neben den verschiedenen Stufen des Verarbeitungs-
prozesses auch das Arbeits- und Langzeitgedächtnis in einen derartigen Ansatz, da
Gedächtnisleistungen an der Mustererkennung und Entscheidungsfindung großen
Anteil haben. Aufgegriffen wurde der Ansatz auch von SANDERS (1983) (Abb.
3.49), der besagt, dass die Aktivierung der Verarbeitungsstufen stufenspezifisch
erfolgt, wobei den Prozessphasen der Informationsaufnahme und -strukturierung
(Wahrnehmen und Erkennen) das Aufmerksamkeits-(Arousal)-System und den
Entscheidungs- und motorischen Prozessen das Aktivierungs-(Activation)-System
zugeordnet wird. Des Weiteren wurde hier auch die sich aus den verschiedenen
Sinnesorganen ergebende Mehrkanaligkeit der Informationsaufnahme berücksich-
tigt.

Aufmerksamkeit
Ressourcen

Langzeit-
Gedächtnis

Auswahl Arbeits-
Gedächtnis

sensorischer Kognition Aktions- Aktions-


Perzeption
Kurzzeitspeicher auswahl ausführung
direkte Reiz-Reaktionsmuster:
fertigkeitsbasiertes Verhalten

Anzeigen Technisches System Stellteile

Umwelt
unmittelbare unmittelbare Interaktion
Informationsübertragung Mensch – System/Umwelt

Abb. 3.51: Informationsverarbeitungsmodell nach WICKENS u. HOLLANDS (1999)

Wenn mehrere Prozesse simultan auf dieselbe Kapazität zurückgreifen, muss


sie unter den Prozessen verteilt werden. Diese Verteilung wird mit allocation
policy angedeutet. Im Prinzip wird sich ein Mangel an verfügbarer Kapazität als
ein gleitender Leistungsabfall (graceful degradation) äußern. Wenn es vorkommt,
dass eine kritische Menge verfügbarer Ressourcen unterschritten wird, kann das
einen dramatischen Leistungsabfall hervorrufen. NORMAN u. BOBROW (1975)
unterscheiden zwei Kategorien von Prozessen. Erstens „kontrollierte“ Prozesse
(controlled processes), die für ihre Entfaltung die Bereitstellung von Ressourcen
benötigen. Zweitens sog. automatische bzw. datenabhängige Prozesse (automatic
processes), die stets in gleicher Qualität erbracht werden, wenn nur die reizseiti-
gen Vorraussetzungen für ihre Durchführung erfüllt sind. Es liegt nahe, Automa-
296 Arbeitswissenschaft

tismen als in diesem Sinne datenabhängige Prozesse zu betrachten


(POSNER u. SNYDER 1975).
Das Vorliegen eines automatischen Prozesses kann nach dieser Definition da-
durch festgestellt werden, dass er die Ausführung anderer Prozesse nicht behindert
und umgekehrt von der Ausführung anderer Prozesse selbst nicht behindert wird,
unabhängig davon, ob die Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet ist oder nicht. Er ist
allein abhängig von der Qualität der jeweiligen Stimuli. Angenommen, zur Entde-
ckung eines akustischen Signals gegen einen Hintergrund von Rauschen stehen
alle sinnvoll einsetzbaren Filterverfahren zur Verfügung, so hängt die Leistung
nur noch von der Qualität des Signals ab. Eine erhöhte Anstrengung kann unter
diesen Umständen keinen Effekt auf die Leistung haben.
Im Gegensatz zu den automatischen Prozessen beanspruchen die kontrollierten
Prozesse ein Mindestmaß an Ressourcen und interferieren darüber mit der gleich-
zeitigen Durchführung anderer Prozesse. Wenn bspw. bei der Ausführung einer
Aufgabe eine Zunahme der Menge von Verarbeitungsressourcen zu einer besseren
Leistung führen kann, heißt eine solche Aufgabe also ressourcenlimitiert.
Generell müsste eine Funktion, welche die Leistung mit den investierten Res-
sourcen verbindet, nicht fallend sein. Ein Beispiel für eine solche Funktion, im
Englischen auch „Performance Resource Function“ (PRF) genannt, zeigt Abb.
3.52.

Datenlimitiert
Ressourcenlimitiert
eistung
Le

Ressource L
Rmin Rdl

Abb. 3.52: Performance Resource Function nach NORMAN u. BOBROW (1975)

Eine PRF kann sowohl kontinuierlich als auch abschnittsweise diskret sein. Ei-
ne abschnittsweise diskrete PRF liegt vor, wenn sich die Leistung stufenartig
ändert und entsprechend diskret steigende Ressourcen erfordert. Dies kann der
Fall sein, wenn eine minimale Ressourcenmenge erforderlich ist, um einen Anfang
der Verarbeitung zu ermöglichen (Rmin). Eine ausschließlich datenlimitierte Funk-
tion würde einen horizontalen Verlauf ergeben, unabhängig von den investierten
Ressourcen. Eine ausschließlich kontinuierliche ressourcenlimitierte Funktion
würde einen monoton steigenden Verlauf vom Ursprung bis zum Ressourcenlimit
L ergeben. Ein spezieller Fall einer solchen ressourcenlimitierten Funktion ist
gegeben wenn die Leistung proportional mit der Quadratwurzel der Menge an
Verarbeitungsressourcen ansteigt. Dieser Funktionstyp wird u.a. beim
d' - Leistungsmaß für Signalentdeckungsaufgaben beobachtet (siehe Kap.
3.3.1.2.1.2). Eine PRF muss nicht immer alle diese genannten Verlaufscharakteris-
Arbeitsformen 297

tika aufweisen. Die exakte Form der PRF hängt von den gelieferten Ressourcen
und der Art der Aufgabe ab.
Wenn die totale Kapazität verschiedenen Prozessen zugeordnet werden muss,
ermöglicht die PRF, die sich daraus ergebende Leistungsverteilung zu bestimmen.
Außerdem können die sich aus einer geänderten Ressourcenzuweisung ergeben-
den Veränderungen der Leistung einfach berechnet werden. Im einfachsten Fall,
bei dem zwei Informationsverarbeitungsprozesse auf die gleiche Ressource zu-
greifen müssen, ist es möglich, eine „Performance Operating Characteristic“
(POC) zu erstellen, die angibt, wie die Leistung bei der einen Aufgabe die bei der
anderen Aufgabe beeinflusst. Es ist natürlich auch möglich, eine solche Kurve für
n Prozesse zu erstellen. Eine POC wird unter der Annahme berechnet, dass die
verfügbare Ressourcenmenge R konstant ist. Wenn Aufgabe X eine Menge x der
Ressourcen braucht, hat die Aufgabe Y die Anzahl R - x zur Verfügung. Um eine
Kurve zu erstellen, werden x bzw. y zwischen 0 und R systematisch variiert.
I.Allg. wird die POC eine stetig fallende Beziehung zwischen den Leistungen von
Aufgabe X und Aufgabe Y aufweisen. Wenn nur eine der Aufgaben datenlimitiert
ist, wird die Kurve entweder horizontal oder vertikal verlaufen (Abb. 3.53). Sind
beide Prozesse datenlimitiert, ist die sich ergebende Funktion ein einziger Punkt.
Anwendung findet das der POC zugrundeliegende Prinzip bei der Doppeltätig-
keit bzw. Zweitaufgabentätigkeit (siehe Kap. 3.3.3.2.3), die von BORNEMANN
(1943) erfunden wurde. Oftmals zeigen Informationsverarbeitungsaufgaben über
weite Bereiche der Aufgabenschwierigkeit eine konstante Leistung.

Leistung in
Aufgabe A

c
b
a

Leistung in
Aufgabe B

Abb. 3.53: Performance Operating Characteristic; Beispiele für Kurven der wechselseitigen
Leistungsbeeinflussung zweier Tätigkeiten: a: starke Interferenz; b: mittlere Interferenz;
c: keine Interferenz

Die Aufgabe stößt also an keine Kapazitätsgrenzen. Um in solchen Fällen die


Beanspruchung der Arbeitsperson trotzdem beurteilen zu können, erhalten diese
eine zweite, ähnliche Aufgabe. Je höher die Leistung bei der Zweitaufgabe, desto
größer ist die freie, von der ersten Aufgabe nicht beanspruchte Kapazität.
Die mit der Durchführung zweier miteinander konkurrierender Aufgaben ver-
bundene Leistungsreduktion erklärt sich aus der begrenzten Kapazität der von
allen Verarbeitungsstufen gemeinsam genutzten Ressource. Einige Effekte, die bei
der Bearbeitung von Mehrfachaufgaben auftreten, lassen sich jedoch mit einem
298 Arbeitswissenschaft

derartigen einkanaligen Modell nicht erklären. So treten bei Mehrfachtätigkeiten


mit gleichermaßen hohen Aufgabenanforderungen keine Interferenzen auf, wenn
sich die Anforderungsstrukturen stark genug voneinander unterscheiden. Unter
dieser Voraussetzung zeigen sich ebenfalls keine Interferenzen, wenn die Schwie-
rigkeit einer der beiden Aufgaben variiert wird. Dies widerspricht der Annahme
einer zentralen Kapazität (MANZEY 1998). Basierend auf diesen Effekten wurden
mehrkanalige Modelle entwickelt, die davon ausgehen, dass für verschiedene
Informationsverarbeitungsstufen unterschiedliche, voneinander unabhängige Res-
sourcen genutzt werden.

3.3.1.1.2.3 Multiple Ressourcenmodelle


Die Theorie der multiplen Ressourcen nach WICKENS (1992) geht davon aus, dass
es statt nur einer zentralen Quelle von Ressourcen mit Satellitenstruktur mehrere
Kapazitäten mit ressourcenartigen Eigenschaften gibt. Eine Reihe von Untersu-
chungen mit Zweitaufgaben zeigen, dass Ressourcen nach drei relativ einfachen
Dimensionen unterschieden werden können (siehe Abb. 3.54)
(1) Nach den Stufen der Verarbeitung. Die Ressourcen, die für perzeptuelle und
zentrale Verarbeitungsprozesse gebraucht werden, scheinen ähnlich zu sein.
Funktional getrennt davon sind die Ressourcen für Responseauswahl und
Ausführung. Dies wird klar, wenn die Schwierigkeit der Reaktion bei einer
Aufgabe erhöht wird und dies keine Auswirkung auf die Leistung einer
Zweitaufgabe hat, die mehr perzeptueller Art ist (ISREAL 1980).
(2) Nach der sensorischen Modalität (im Besonderen visuell und auditiv). Es ist
offensichtlich, dass wir besser in der Lage sind, unsere Aufmerksamkeit zwi-
schen Auge und Ohr zu verteilen, als zwischen zwei auditiven oder zwei vi-
suellen Kanälen. Mit anderen Worten ist bimodales „time-sharing“ unter Ka-
pazitätsgesichtspunkten günstiger als intramodales, was folgendes Beispiel
erläutert: Wenn zwei visuelle Informationsquellen räumlich getrennt sind,
kann nur eine scharf auf die Netzhaut projiziert werden. TREISMAN u.
DAVIES (1973) stellten in klassischen Experimenten den Versuchspersonen
die Aufgabe, simultan Paare von „targets“ zu entdecken. Die „targets“ wur-
den entweder beide visuell, beide auditiv oder bimodal angeboten. In der
bimodalen Darbietungsweise waren die Leistungen signifikant besser als in
den beiden intramodalen Modi. TROUVAIN u. SCHLICK (2006, 2007) konnten
in neueren Untersuchungen zur Führung und Überwachung von mobilen
Mehrrobotersystemen belegen, dass bimodale Mensch-Roboter-
Schnittstellen (visuell-auditiv sowie visuell-taktil) zu besseren Leistungen
und geringerer mentaler Beanspruchung führen. Darüber hinaus erlaubten die
untersuchten bimodalen Schnittstellen signifikant mehr Blickfixationen in
Randbereichen des Bildschirms und können somit zur Vermeidung eines
„Tunnelblicks“ (tunnel vision) beitragen.
(3) Nach Verarbeitungscodes. Räumliche und verbale Ressourcen basieren auf
den Codes der Verarbeitung. Die Trennung von räumlichen und verbalen
Ressourcen ist durch die funktionale Spezialisierung der Hirnhemisphäre zu
Arbeitsformen 299

erklären. Das große Maß an Effizienz, mit dem manuelle und vokale Infor-
mationsausgaben gleichzeitig durchgeführt werden können, basiert darauf,
dass manuelle Reaktionen (sog. Responses) überwiegend räumlich (rechts-
hemisphärisch), vokale Äußerungen überwiegend verbal (linkshemisphä-
risch) kodiert sind. Während also Aufgaben, die hauptsächlich unterschiedli-
che Ressourcen benutzen, relativ gut gleichzeitig durchgeführt werden kön-
nen, kommt es bei Aufgaben, die von denselben Ressourcen Gebrauch ma-
chen, zu Interferenzen. Eine Gedächtnisleistung wird etwa durch den Ver-
such, eine Rechenaufgabe zu lösen, stärker gestört, als durch die gleichzeiti-
ge Ausführung einer gezielten Handbewegung. Umgekehrt wird die Betäti-
gung von Schaltern durch eine Zielbewegung der anderen Hand stärker ge-
stört als durch eine Rechenaufgabe.
Die Annahme multipler Ressourcen erlaubt es, die geschilderten Inkonsistenzen
der einfachen Ressourcenmodelle aufzuklären. Die Rechenaufgabe, so lässt sich
nun argumentieren, interferiert mit der Gedächtnisleistung so stark, weil gemein-
sam „kognitive“ Ressourcen beansprucht werden, während die Zielbewegung mit
der Betätigung von Schaltern besonders interferiert, weil beide „motorische“ Res-
sourcen beanspruchen. Die übungsabhängige Koordination von zwei Leistungen
lässt sich damit als Abbau der Beanspruchung gleicher Ressourcen ansehen.

Verarbeitungsstufe
Reaktions-
Perzeption Kognition
ausführung
An

räumlich motorisch
tw
Wahrnehmungsmodalität

or

verbal sprachlich
t

visuell

auditiv
Ko

räumlich
di
er
un
g

verbal

Abb. 3.54: Struktur der Verarbeitungsressourcen nach WICKENS u. HOLLANDS (1999)

Mit dieser Mehrdimensionalität der Ressourcen ist folglich eine mehrdimensio-


nale Struktur der mentalen Beanspruchung an sich verbunden. Die mentale Bean-
spruchung könnte demnach in Beanspruchungsarten gegliedert werden, die mit
den Ressourcenarten korrespondieren (MANZEY 1998).
Die Mehrdimensionalität des vorgestellten Modells kann einen guten Teil der
in Versuchen gefundenen Varianz erklären und als Leitfaden beim Entwurf von
Arbeitssystemen genutzt werden. Die drei Teilungen erklären jedoch nicht alle
strukturellen Einflüsse auf Leistungen bei Zweitaufgaben. Aufgaben haben oft
300 Arbeitswissenschaft

noch mehr oder andere Dimensionen, die zu berücksichtigen sind. Hierzu gehören
z.B. „Timing“-Anforderungen (z.B. das Klopfen eines Rhythmus' und eine gleich-
zeitige Konversation) und Ähnlichkeitseffekte (z.B. bei grafischen Darstellungen
auf einem Bildschirm). Außerdem dürfen die „Zellen“ in Abb. 3.54 nicht so inter-
pretiert werden, dass ein perfektes Time-Sharing immer dann möglich ist, wenn
unterschiedliche Zellen belegt werden. Perfektes Time-Sharing ist dem Menschen
so gut wie unmöglich. Im Sinne wissenschaftlicher Exaktheit wäre es weiterhin
wünschenswert zu wissen, über wie viel verschiedene Ressourcen das menschli-
che Gehirn verfügt, wie stark die Interdependenzen zwischen den Ressourcen sind
und ob es neben spezifischen auch eine zentrale Ressource gibt, die etwa für
Koordinationsaufgaben verantwortlich ist. Die Versuche zur Beantwortung dieser
Fragen führten allerdings nicht zu konvergierenden Einsichten, sondern zu einer
inflationären Differenzierung von immer neuen Ressourcen.

3.3.1.2 Mathematisch-funktionaleĆModelleĆ
Mathematisch-funktionale (technische) Modelle der menschlichen Informations-
verarbeitung zielen darauf ab, die mentalen Prozesse mittels Gleichungen zu be-
schreiben. In den meisten Fällen wird man zwar die in realen Entscheidungssitua-
tionen erforderlichen sehr komplexen Wahrnehmungs- und Kognitionsprozesse
nur unvollständig in dieser Form beschreiben können. Durch eine rigorose quanti-
tative Modellierung können jedoch fundamentale Eigenschaften und insbesondere
Leistungsgrenzen der menschlichen Informationsverarbeitung identifiziert werden.
Darüber hinaus liefern quantitative Modelle wichtige Hinweise für die in Kapitel
10.1.3 behandelte informationstechnische Gestaltung von Arbeitssystemen.
3.3.1.2.1 Signalentdeckungstheorie
Wenn ein kritisches Ereignis in der Arbeitsumgebung vom Menschen sicher
wahrgenommen werden soll, geht es um die Frage der Signalentdeckung. Dabei
werden in einem ersten Ansatz lediglich zwei Zustände differenziert: ein Signal ist
entweder anwesend oder abwesend. Der binäre Entscheidungsprozess zwischen
Signal und Rauschen wird im Rahmen der Signalentdeckungstheorie, die ur-
sprünglich aus der Nachrichtentechnik stammt und von der Psychologie rezipiert
wurde, statistisch modelliert. Beispiele hierfür sind die Entdeckung von Kontakten
auf einem Radarbildschirm oder eines Tumors auf einem Röntgenbild. Die Kom-
bination von jeweils zwei Zuständen der „Wirklichkeit“ mit zwei Antwortmög-
lichkeiten führt zu einer 2 x 2 Matrix, die in Tabelle 3.9 skizziert ist. Die Zellen
der Matrix repräsentieren vier mögliche Antwortkategorien, nämlich „Correct
Rejection“ (CR: korrekte Zurückweisung), „Miss“ (ausgelassene Antwort),
„False Alarm“ (FA: falsche Antwort) und „Hit“ (richtige Antwort).
Arbeitsformen 301

Tabelle 3.9: Die vier Antwortkategorien der Signalentdeckungstheorie


Wirklichkeit
Signal Rauschen
(Ja) (Nein)
Ja Hit False Alarm
Antwort
Nein Miss Correct Rejection

Eine perfekte Leistung entspricht einer Belegung der Zellen, in der keine „Mis-
ses“ oder „False Alarms“ auftreten. In der Realität werden jedoch aufgrund der
begrenzten menschlichen Zuverlässigkeit Notierungen in allen vier Zellen zu
verzeichnen sein.
In der Signalentdeckungstheorie wird das Antwortverhalten auf anwesende
Stimuli durch bedingte Wahrscheinlichkeiten beschrieben. Die Wahrscheinlich-
keiten werden durch die relative Häufigkeit der Notierungen geschätzt. Hierbei
wird die Anzahl der Notierungen in einer Zelle durch die Gesamtzahl geteilt. Die
Gesamtzahl ist spaltenweise akkumuliert. 5 Hits und 15 Misses werden also ge-
schrieben als
5
P( Hit ) 0, 25 (3.2)
5  15
Nach der Signalentdeckungstheorie erzeugen externe Stimuli eine messbare
neurale Aktivität im Hirn. Es wird angenommen, dass eine stärkere neurale Akti-
vität erzeugt wird, wenn ein Signal präsent ist. Die sog. neurale Evidenz (Zufalls-
variable X) kann als „Feuerrate“ von Neuronen in einem hypothetischen Entde-
ckungszentrum interpretiert werden. Diese Rate unterliegt zwar statistischen Fluk-
tuationen, korreliert jedoch positiv mit der Stimulusintensität. In Abb. 3.55 sind
die bedingten Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen von X aufgetragen, wenn
entweder ein Rauschen (links) oder ein Signal (rechts) gegeben ist. Die Dichte-
funktionen werden zwar typischerweise als normalverteilt angenommen, sind
jedoch rein hypothetisch. Der Kreuzungspunkt der beiden Normalverteilungen
beschreibt diejenige Stützstelle, an der die Wahrscheinlichkeit, dass X durch Rau-
schen verursacht wird, gleich ist mit der Wahrscheinlichkeit, dass X von einem
Signal erzeugt wird. Alle Werte links von diesem Punkt lassen den Operateur mit
„Nein“ antworten, alle rechts davon mit „Ja“. Die Flächen unter den Kurven ent-
sprechen von links nach rechts den oben eingeführten Antwortkategorien CR,
Miss, FA und Hit. Da die Fläche unter den Kurven zu 1 normiert ist, müssen
P(Hit) und P(Miss) sowie P(CR) und P(FA) zusammen 1 ergeben.
302 Arbeitswissenschaft

Abb. 3.55: Hypothetische Verteilungen, wie sie der Signalentdeckungstheorie zugrunde


liegen nach WICKENS u. HOLLANDS (1999)

3.3.1.2.1.1 Antworteigenschaften
Der Mensch kann mit Hilfe der Signalentdeckungstheorie in Bezug auf seine Nei-
gung zu einer „Beantwortungsschiefe“ (response bias) beurteilt werden. Eine
Person kann die Neigung haben, öfter „Ja“ als „Nein“ zu antworten, und dadurch
zwar die meisten Signale „entdecken“, jedoch auch viele falsche Alarme erzeugen.
Solche Personen bezeichnet man als „risky responders“. Umgekehrt kann eine
Person konservativ sein, oft mit „Nein“ antworten und wenige FAs auslösen, je-
doch auch viele Signale nicht entdecken. Verschiedene Umstände bestimmen,
welche Strategie die Beste ist: wenn eine Radiologin ein Röntgenbild eines Patien-
ten betrachtet, der mit kritischen Symptomen zu ihr überwiesen wurde, kann es
angebracht sein, eher als „risky responder“ aufzutreten. Ein Maschinenführer in
der flexiblen Fertigung kann hingegen von seinem Vorgesetzten angewiesen wor-
den sein, keine unnötigen Stillstände zu verursachen und entsprechend konservativ
zu reagieren, wobei billigend in Kauf genommen wird, dass eine Fehlfunktion
nicht oder nicht rechtzeitig entdeckt wird. Bezogen auf Abb. 3.55 bedeutet dies,
dass für ein nach rechts verschobenes Entscheidungskriterium Xc eine besonders
große Evidenz notwendig ist, um überschritten zu werden, und die meisten Ant-
worten des Operateurs werden „Nein“ sein. Positiv korreliert mit Xc ist die Variab-
le ß:
P( X | S )
E (3.3)
P( X | N )
Sie beschreibt das Verhältnis der Werte beider Kurven bei einem gegebenen Xc.
Große Werte von ß liefern weniger Hits und weniger FAs. ß ist daher ein sog.
Bias-Parameter, der die Auswirkungen bzw. den Nutzen einer Antwort beschreibt.
Anhand von Abb. 3.55 wird deutlich, dass sich ein ß von 1 ergibt, wenn die Va-
Arbeitsformen 303

rianzen der normalverteilten Rausch- und Signalkurven identisch sind und somit
P(Hit) = P(CR) und P(FA) = P(Miss) ist. Man kann genau bestimmen, wo das
optimale ß-Kriterium liegt, vorausgesetzt, dass die Verteilungsfunktionen sowie
Auswirkungen und Nutzen der vier möglichen Entscheidungsergebnisse bekannt
sind.
Wenn es keinen Unterschied im Nutzen der richtigen Ergebnisse (CR und Hits)
und keinen Unterschied in der Auswirkung der beiden falschen Antworten (FA
und Miss) gibt, ist die optimale Leistung die, bei der die Anzahl der Fehler mini-
mal ist. Bei einer Symmetrie wie in Abb. 3.55 liegt die optimale Leistung auf dem
Schnittpunkt beider Kurven, d.h. bei ß = 1. Intuitiv ergibt sich, dass das Kriterium
für einen Hit gesenkt wird, wenn ein Signal wahrscheinlicher ist (siehe das Bei-
spiel der Radiologin). Umgekehrt ist bei kleinerer Wahrscheinlichkeit ein höheres,
konservativeres Kriterium angebracht. Formal ist diese Anpassung zu schreiben
als
P( N )
E opt . (3.4)
P(S )
Das optimale Niveau von ß kann von „Belohnungen“ und „Strafen“ beeinflusst
werden. In diesem Fall wird das Optimum von ß nicht von einer minimalen Feh-
lerzahl bestimmt, sondern vom maximalen „Gewinn“. Wenn es wichtig ist, kein
einziges Signal zu verfehlen, kann der Systembenutzer „belohnt“ werden für Hits
und „bestraft“ für Misses, so dass ß auf ein niedrigeres Niveau eingestellt wird.
Solche Auswirkungen und Nutzen können in ein optimales ß übersetzt werden,
indem man Gleichung (3.4) wie folgt erweitert
P ( N ) V (CR)  C ( FA)
E opt ˜ . (3.5)
P( S ) V ( Hit )  C ( Miss )
Dabei repräsentiert die Variable V den zugeordneten Wert eines erwünschten
Ergebnisses (Hit oder CR). C stellt die Auswirkungen (Kosten) eines unerwünsch-
ten Ergebnisses (Miss, FA) dar. Jede Zunahme von P(S), V(Hit) oder C(Miss)
reduziert den Wert von ßopt und löst risikovollere Reaktionen aus. Praktisch passt
sich der Mensch zwar meistens an die geänderten Bedingungen an, häufig jedoch
in geringerem Maße, als von ßopt vorhergesagt wird. Offen dabei bleibt jedoch die
auch ethisch problematische Frage, wie Kosten und Nutzen quantifiziert werden
sollen: wie viel „kostet“ z.B. ein Flugzeugabsturz oder ein unentdeckter Tumor?

3.3.1.2.1.2 Empfindlichkeit
Nicht nur durch ein konservatives Entdeckungsverhalten können Signale unent-
deckt bleiben, sondern auch weil die Empfindlichkeit des Entdeckungsprozesses
zu niedrig ist. Nach der Darstellung in Abb. 3.55 kann die Empfindlichkeit als die
Trennung zwischen Rauschen und Signal betrachtet werden.
304 Arbeitswissenschaft


5
$

1
%
7UHIIHUTXRWH


&

 
4XRWH)DOVH $ODUP

Abb. 3.56: Beispiel zweier ROC-Kurven. Kurve A: hochempfindlich; Kurve B: wenig


empfindlich. Beobachtertyp Punkt C: konservativ; Punkt N: neutral; Punkt R: risikovoll,
nach WICKENS u. HOLLANDS (1999).

Wenn die Trennung scharf ist, ist die Empfindlichkeit hoch und ein bestimmter
Wert von X hat eine große Chance, entdeckt zu werden. Da unterstellt wird, dass
die Kurven interne Prozesse repräsentieren, kann deren Trennung beeinflusst
werden von den Merkmalen des Signals (z.B. Änderung in Intensität oder Auffäl-
ligkeit) oder von Eigenschaften des Individuums (z.B. Hörschäden, Mangel an
Ausbildung, usw.). In Abb. 3.55 wurden bereits zwei Beispiele für eine hohe
(oben im Bild) und eine niedrige Empfindlichkeit (unten) dargestellt. Die Emp-
findlichkeit wird mit d' bezeichnet und entspricht dem Abstand der Mittelwerte
der Dichtefunktionen aus Abb. 3.55, ausgedrückt im Vielfachen ihrer Standard-
abweichungen. In den meisten Anwendungsfällen liegt d' zwischen 0,5 und 2,0.
Wie der response bias hat auch d' einen Optimalwert, der hier aus Platzgründen
nicht wiedergegeben werden soll. Ergebnisse aus Laborversuchen lassen vermu-
ten, dass Abweichungen eines optimalen d' aus einer mangelhaften Erinnerung an
die genauen physikalischen Merkmale des Signals resultieren. Wenn „Gedächtnis-
stützen“ gegeben werden, die eine genauere Erinnerung fördern, nähert d' sich
dem optimalen Niveau.
Eine graphische Methode, um die Empfindlichkeit d' abzubilden, ist bekannt
geworden als „Receiver Operating Characteristic“, kurz „ROC“ (Abb. 3.56). In
einer ROC-Kurve wird die Wahrscheinlichkeit eines Hits gegen die Wahrschein-
lichkeit eines False Alarms aufgetragen. In Abb. 3.56 sind die ROC's zweier Ope-
rateure abgebildet, wobei jeder versucht hat, eine Reihe von Signalen zu entde-
cken. Kurve A ist die Leistung eines empfindlichen Beobachters, der viel mehr
Hits als False Alarms produziert, unabhängig davon, ob A konservativ (C), neutral
(N) oder risikovoll (R) reagiert. Diese drei Punkte entsprechen jeweils einem
hohen, mittleren und niedrigen Niveau von ß. Kurve B stellt die Leistung eines
weniger empfindlichen Beobachters dar, für den die Wahrscheinlichkeit eines
FA's stets nahe bei der Wahrscheinlichkeit eines Hits liegt, unabhängig vom Ni-
veau von ß. Die ROC ermöglicht es, verschiedene Entdeckungsstile abzubilden
Arbeitsformen 305

und die Leistungen zweier Beobachter oder eines Beobachters an zwei Systemen
zu vergleichen.
3.3.1.2.2 Informationstheorie
Im Alltagsverständnis wird Information als etwas Immaterielles angesehen, das
man in der Zeitung zu lesen oder im Fernsehen zu sehen bekommt. Erforscht man
jedoch die menschliche Informationsverarbeitung, so reicht dieses naive Ver-
ständnis natürlich bei weitem nicht aus. Hierzu bedarf es einer exakten Definition
der Information und einer Methode zu ihrer Messung. Dieses Instrumentarium
wird von der Informationstheorie zur Verfügung gestellt (siehe WIENER 1963), die
ebenso wie die Signalentdeckungstheorie der Nachrichtentechnik und Kybernetik
entstammt.

3.3.1.2.2.1 Definition und Maßeinheit der Information


Die Informationstheorie stützt sich auf die Wahrscheinlichkeitsrechnung. Sie
definiert den Informationsgehalt I(ai) eines Zufallsereignisses ai als dual logarith-
mierten Kehrwert der Eintretenswahrscheinlichkeit P(X = ai):
1
I (ai ) log 2 (3.6)
P( X ai )
Das Eintreten hochwahrscheinlicher Ereignisse liefert folglich nicht viel Infor-
mation, da nur bestätigt wird, was ohnehin schon erwartet wurde. Das Auftreten
unwahrscheinlicher Ereignisse steht hingegen für einen großen Informationsge-
halt. Wenn in einem Fahrzeug die Warnanzeige für die Kühlwassertemperatur
aufleuchtet, so beinhaltet dies in der Regel eine erhebliche Information, da ein
seltenes Ereignis zugrunde liegt. Das Aufleuchten der Kontrollleuchte für die
Sicherheitsgurte liefert beim Starten des Fahrzeugs hingegen viel weniger Infor-
mation, da es erwartet wird.
Es ist wichtig zu erwähnen, dass die Bedeutung eines Ereignisses nicht in die
Berechnung der Information eingeht, sondern lediglich statistische Zusammen-
hänge bewertet werden. Daher können sehr bedeutsame Ereignisse nur wenig
Information enthalten, wenn sie erwartungsgemäß eintreffen.
Die Informationstheorie misst Information in bits (binary digits). Ein bit be-
zeichnet eine Variable, die die Werte 0 oder 1 annehmen kann und ist die Informa-
tion, die benötigt wird, um zwischen zwei gleich wahrscheinlichen Alternativen zu
differenzieren. Wenn allgemein die Wahrscheinlichkeiten von Alternativen gleich
sind, so berechnet sich die erwartete bzw. mittlere Information H in bits aus dem
Logarithmus ihrer Anzahl N:
H log 2 N (3.7)
Bspw. enthält ein zufällig aus dem Alphabet ausgewählter Großbuchstabe eine
Information von 4,7 bit (log2 26 = 4,7).
Sollen nicht nur Ereignisse mit gleichen Wahrscheinlichkeiten bewertet wer-
den, so müssen lediglich die partiellen Informationsgehalte nach Gleichung (3.6)
306 Arbeitswissenschaft

berechnet und gewichtet werden. Die Gewichtung wird durch den Erwartungswert
hergestellt. Der erwartete Informationsgehalt H(X) eines Ensembles von N dis-
junkten Ereignissen ai berechnet sich wie folgt:
N
1
H(X ) ¦ P( X
i 1
ai )log2
P( X ai )
N
(3.8)
¦ P( X ai )log2 P( X ai )
i 1

Die Variable H wird auch Entropie genannt und ist eine wichtige Basisgröße
der Informationstheorie (siehe WIENER 1963). Der Entropiebegriff ist an die
Thermodynamik angelehnt. Die Entropie misst den „Grad der Unsicherheit“ vor
dem Eintreten von zufälligen Ereignissen. Haben bspw. zwei komplementäre
Ereignisse Wahrscheinlichkeiten von 0,9 bzw. 0,1, so beträgt die Entropie
H = 0,47 bit (H = -[0,9˜log2(0,9) + 0,1˜log2(0,1)]). Ist entweder das eine oder das
andere Ereignis dann tatsächlich eingetreten, so wird die Unsicherheit eliminiert
und die Entropie auf Null reduziert. Wie man leicht sieht, stellt sich ein
Entropiemaximum immer dann ein, wenn die Eintretenswahrscheinlichkeiten der
Ereignisse gleich sind und analog zu Gleichung (3.7) gilt Hmax = log2 N. Je größer
die Abweichung von der Gleichverteilung, desto größer ist die Reduktion der
Entropie gegenüber dem Maximum. Dies führt zum Konzept der Redundanz R
(von latein. redundare „im Überfluss vorhanden sein“), die sich definieren lässt
als:
H(X ) H(X )
R( X ) 1  1 (3.9)
H max log 2 N
Da in einer menschlichen Sprache, wie z.B. Englisch, die Buchstaben eine un-
terschiedliche Häufigkeit besitzen und gewisse Buchstaben häufig gemeinsam
auftreten (z.B. th und st), hat geschriebenes Englisch einen geschätzten Grad an
Redundanz von ca. 68 Prozent. Durch die Redundanz enthält die Folge von Buch-
staben Symbole, die nicht zwingend für die Interpretation notwendig sind und ein
falsches Ergebnis liefern, wenn man sie falsch dekodiert. Die Redundanz hilft dem
Menschen jedoch, wichtige Informationen trotz eines partiellen Datenverlusts
noch entziffern und interpretieren zu können. Sie schützt also vor Informations-
verlust und erlaubt zudem, verfälschte Information als solche zu erkennen.

3.3.1.2.2.2 Informationstheoretische Analyse und Modellierung


Die Informationstheorie entstand Ende der 1940er Jahre in der Nachrichtentechnik
und nicht etwa der Psychologie. Sie wurde von vielen Forschern schnell aufgegrif-
fen und weckte große Erwartungen hinsichtlich der Analyse und Modellierung
menschlicher Informationsverarbeitung. So wurde die Informationstheorie häufig
verwendet, um die Kapazität der Wahrnehmungskanäle des Menschen zu untersu-
chen (siehe ATTNEAVE 1974; KANG u. SEONG 2001) oder um Auswahl-
Reaktionszeiten zu erforschen (HICK 1952; HYMAN 1953; FITTS 1954). Bspw. sind
Arbeitsformen 307

zwei bekannte Gesetzmäßigkeiten für die Prognose des Zeitverbrauchs bei Wahl-
reaktionsaufgaben, nämlich das Hick-Hyman´sche Gesetz (HICK 1952; HYMAN
1953) sowie das Fitts´sche Gesetz (FITTS 1954), informationstheoretisch begründet
und formuliert. Das Hick-Hyman´sche Gesetz wird verwendet, um die Kapazitäts-
grenze der menschlichen Informationsverarbeitung aufzuzeigen. Bevor der
Mensch auf ein Signal reagiert, muss er eine Auswahl treffen. Eine einfache Aus-
wahlaufgabe besteht z.B. darin, beim Aufleuchten eines roten Alarmindikators
einen bestimmten Knopf zu drücken und beim Aufleuchten eines grünen Indika-
tors einen anderen. Die Zeit, die zwischen dem Aufleuchten und dem Betätigen
des richtigen Knopfs vergeht, heißt Auswahl-Reaktionszeit. Je größer die Wahl-
möglichkeiten sind, desto länger dauert es natürlich, die Entscheidung für die
richtige Handlung zu treffen. Die mittlere Auswahl-Reaktionszeit T nach einem
Reiz ist nach dem Gesetz von Hick-Hyman proportional zur differentiellen Entro-
pie Hd der Entscheidung:
N
§ 1 ·
T b ˜ Hd b ˜ ¦ pi log 2 ¨  1¸ (3.10)
i 1 © pi ¹
In Gleichung (3.10) repräsentiert pi die Eintretenswahrscheinlichkeit des der
Auswahl zugrunde liegenden Ereignisses i bei insgesamt N Alternativen; b ist eine
Konstante, die empirisch ermittelt wird.
Auch FITTS (1954) leitete die nach ihm benannte Gesetzmäßigkeit informati-
onstheoretisch ab und fand sie in zahlreichen empirischen Untersuchungen bestä-
tigt. Die Originalaufgabe bestand einfach darin, Ziele mit einem handgeführten
Stift zu treffen. Das Fitts´sche Gesetz prognostiziert den zugehörigen mittleren
Zeitverbrauch. Parameter sind der Abstand A vom Startpunkt bis zur Mitte des
Ziels sowie die Zielbreite W in Bewegungsrichtung. Details zum Fitt´schen Gesetz
finden sich in Kap. 10.1.2.4.2 zur informationstechnischen Gestaltung.
Trotz der unbestrittenen Erfolge bei der Analyse und Modellierung von Wahl-
reaktionsaufgaben konnte die Informationstheorie die ursprünglich geweckten
Erwartungen nicht erfüllen und ihre generelle Bedeutung ging zurück. Das Pro-
blem der Informationstheorie besteht im Wesentlichen darin, dass die Konzepte
eher beschreibend als erklärend sind und nur statistische Hinweise auf die zugrun-
deliegenden Mechanismen der menschlichen Informationsverarbeitung erlangt
werden können (BLAIRD 1984; WICKENS u. HOLLANDS 1999). Weiterhin sind
informationstheoretische Analysen von realen Entscheidungsprozessen aufwendig
und erfordern profunde Kenntnisse in der Wahrscheinlichkeitsrechnung. In den
letzten Jahren ist trotz dieser Probleme eine gewisse „Renaissance“ der Informati-
onstheorie in der Forschung festzustellen, um bspw. die Informationsverarbeitung
von Nervensystemen zu modellieren (SCHNEIDMAN et al. 2003) oder die Komple-
xität der Mensch-Maschine-Interaktion zu analysieren (KANG u. SEONG 2001;
SCHLICK 2004; SCHLICK et al. 2006). Insbesondere komplexitätstheoretische Bei-
träge zur Modellierung und Bewertung der menschlichen Informationsverarbei-
tung stützen sich intensiv auf die im vorherigen Abschnitt dargestellten Basisgrö-
308 Arbeitswissenschaft

ßen der Informationstheorie und erweitern die Betrachtung um sog. dynamische


Entropien (siehe BIALEK et al. 2001).
3.3.1.2.3 Regelungstechnische Modelle

3.3.1.2.3.1 Mensch als Regler


Betrachtet man im Sinne des in Kapitel 3.3.1.1.1.3 dargestellten Rasmussen-
Modells menschlicher Informationsverarbeitung lediglich die fertigkeitsbasierte
Ebene, so lassen sich vielfältige regelungstechnische Modelle entwickeln, die
menschliches Verhalten gut zu beschreiben vermögen. In allgemeiner Form wird
ein Regelkreis mit dem Menschen als Regler und dem zu führenden Arbeitsmittel
bzw. der zu führenden Maschine als Regelstrecke aufgebaut (Abb. 3.57).

Regler „Mensch“ Maschine


Zentralnervensystem Störgröße
(ZNS) z

w e Sinnes- Sensorische höhere niedere Motorische Musku- Ausgangs- y - Steuer- Regel- x


- organ Verarbeitung Zentren Zentren Nerven latur organ element strecke

Spindel-
rezeptoren

Sehnenrezeptoren
Hautafferenzen

Abb. 3.57: Regelkreis mit dem Menschen als Regler nach MARIENFELD (1970)

Die Führungsgröße w wird hierbei vorgegeben, z.B. das Halten eines vorgege-
benen Abstands zum Fahrbahnrand bei der Fahrzeugführung. Die Aufgabe des
Regelkreises besteht nun darin, die Regelgröße x des Gesamtsystems möglichst
genau an die Führungsgröße w anzupassen. Da das Systemverhalten aufgrund von
Störgrößen z nicht immer genau vorherzusagen ist, z.B. aufgrund von spontanen
seitlichen Windkräften bei der Fahrzeugführung, muss die Möglichkeit bestehen,
Führungsgröße und Regelgröße dynamisch miteinander zu vergleichen und aus
der resultierenden Regelabweichung e Reaktionen abzuleiten. Es entsteht ein
adaptives System für unterschiedliche Aufgabenstellungen und Störeinflüsse.
Der Mensch als Regler erfasst also die Regeldifferenz e als Differenz zwischen
Führungs- und Regelgröße. Diese wird umgesetzt in eine Stellgröße y, die zu-
gleich die Eingangsgröße für das Arbeitsmittel ist und durch die er Einfluss
nimmt. Die Maschine verarbeitet diese dann zur bekannten Regelgröße x. Alle
Größen sind dabei im Zeitverlauf zu betrachten. Hierbei bedient man sich der
bewährten Methodik der Regelungstechnik, die komplexe Mensch-Maschine-
Systeme aus Teilsystemen mit sog. Proportional-, Differential-, Integral-, Totzeit-
gliedern o.ä. synthetisiert. Deren Verhalten lässt sich im Zeitbereich mit Differen-
Arbeitsformen 309

tialgleichungen präzise beschreiben. Wie Abb. 3.57 zeigt, weist der „Regler
Mensch“ neben der äußeren Rückführung über den gesamten Regelkreis noch
zwei innere Rückführungen auf, die über Sehnen- und Spindelrezeptoren die Kraft
und Länge der Muskeln und damit die Lage von Arm und Hand an die Verarbei-
tungszentren melden. Dieser innere Regelkreis hat aufgrund der kürzeren Verar-
beitungswege ein wesentlich schnelleres Reaktionsverhalten als der äußere Kreis,
erreicht jedoch nicht dessen Genauigkeit. Aufgrund der zwangsläufigen Verzöge-
rungen der Reaktion von Mensch und Maschine kann die Regeldifferenz nicht
beliebig schnell ausgeregelt werden, so dass grundsätzlich mit einer Abweichung
zwischen Führungs- und Regelgröße zu rechnen ist. Die unvermeidbaren Reakti-
onsverzögerungen können jedoch bis zu einem gewissen Grad kompensiert wer-
den, wenn der zukünftige Verlauf der Führungsgröße und das dynamische Regel-
kreisverhalten bekannt oder wenigstens gut antizipierbar ist. Durch eine sog. Vor-
haltbildung reagiert der Mensch als Regler typischerweise auf Veränderungen der
Regelgröße viel stärker als auf deren absolute Größe, so dass Abweichungen
schneller ausgeregelt werden können. Eine zu starke Vorhaltbildung kann jedoch
zu einer Instabilität des Systems führen. In einem solchen Fall reagiert der Regel-
kreis so stark auf jede Abweichung, dass er in Eigenschwingungen gerät (z.B.
Schleudergefahr bei einem überladenen Kraftfahrzeug).
Der Mensch ist in der Lage, sein Verhalten je nach Aufgabenstellung in relativ
weiten Grenzen zu verändern und ausreichend eingeübte Reaktionsweisen zu
speichern. Dennoch haben die Eigenschaften der Regelstrecke einen erheblichen
Einfluss. Es zeigte sich, dass gut an menschliche Fähigkeiten adaptierte Systeme
auch von ungeübten Personen besser beherrschbar sind als schlecht angepasste
Systeme von Spezialisten. Die Lernfähigkeit des Menschen kann die reine Para-
meteroptimierung noch übertreffen: Durch den Vergleich von äußerer Wahrneh-
mung und den im Gehirn gespeicherten Konzepten wird ein mentales Modell
aufgebaut, das eine adäquate Repräsentation der äußeren Welt mit ihren Gesetz-
mäßigkeiten darstellt. Es ist dann nicht mehr notwendig, Aktionen tatsächlich
durchzuführen, um ihre Konsequenzen festzustellen, sondern das innere Modell
kann den Verlauf der Dinge selbst antizipieren. Es liefert nach Vorgabe der An-
fangs- und Randbedingungen das wahrscheinlich zukünftige Ergebnis. Diese
Lernfähigkeit ermöglicht es, das Verhalten des Reglers „Mensch“ im Laufe der
Zeit und innerhalb der Grenzen seiner Leistungsfähigkeit für den gesamten Regel-
kreis zu optimieren (Übung) und sich so den Eigenschaften der Regelstrecke (Ma-
schine) anzupassen.
Bei einer unbekannten Regelstrecke oder bei plötzlicher Änderung ihres Ant-
wortverhaltens kann sich der Mensch als Regler somit auf die neuen Gegebenhei-
ten einstellen (sog. Selbsteinstellung, MARIENFELD 1970). Dieser Vorgang lässt
sich in vier Abschnitte gliedern: (1) Erkennen der Änderung in der Regelstrecke,
(2) Ermitteln deren neuer Eigenschaften, (3) Neubildung bzw. Änderung der
Struktur und Parameter zur Erzielung einer stabilen Regelung, (4) Optimierung
der Reglerparameter. „Einfache“ Regelstrecken vermag der Mensch sofort stabil
zu regeln. „Schwierige“ Regelstrecken kann der Mensch zunächst nicht stabilisie-
310 Arbeitswissenschaft

ren, er ist jedoch nach einer Lernphase dazu fähig und kann sich aufgrund der
Kenntnis der Dynamik der Regelstrecke sogar auf ein möglichst optimales Ausre-
gelverhalten einstellen (Beispiel: Kranführer). Bei ständigem Wiederholen der
motorischen Prozesse kommt es allmählich zu einer festen Speicherung von Mus-
tern (sog. fixed action patterns), wodurch die Zugriffszeiten erheblich verkürzt
werden und somit die Ausführungs- und Reaktionsgeschwindigkeiten steigen.

3.3.1.2.3.2 Modellierung des Regelungsverhaltens


Da das Regelungsverhalten des Menschen stark mit der Aufgabenstellung, der
Charakteristik der Regelstrecke und dem Grad der Übung variiert, lassen sich
Modelle nur in relativ allgemeiner Form formulieren. Wie üblich wird das Sys-
temverhalten im Laplace-Bereich durch Übertragungsfunktionen G(s) beschrie-
ben. Obwohl innere und äußere Größen oft nichtlinear und zeitlich veränderlich
sein werden, wird im Folgenden davon ausgegangen, dass die zeitliche Verände-
rung keine wesentliche Rolle spielt und dass nichtlineare Zusammenhänge hinrei-
chend genau durch lineare Ausdrücke angenähert werden können. So kann die
Übertragungsfunktion GH(s) des Menschen als Regler einfach durch den Quotien-
ten von Ausgangsgröße Y(s) und Eingangsgröße U(s) gebildet werden:
Y (s)
GH ( s ) (3.11)
U (s)
Durch die komplexe Laplace-Variable s = V + jZ werden Amplituden- und
Phasenfrequenzgang berücksichtigt. Eine Übertragungsfunktion für den Regler
„Mensch“ wurde erstmals von TUSTIN (1944) entwickelt und später von
MCRUER u. KRENDEL (1959) zu einem sog. quasilinearen Modell erweitert:
K 1  sTD Tt s
GH ( s ) ˜ e (3.12)
1  sTN 1  sTI
Der Verstärkungsfaktor K wird auf optimales Verhalten des Regelkreises ein-
gestellt. Änderungen im Verstärkungsfaktor der Regelstrecke werden dadurch
nahezu kompensiert, so dass die Verstärkung des gesamten Regelkreises (Mensch
und Regelstrecke) in etwa konstant bleibt. Die Totzeit Tt ist die Reaktionszeit, die
durch die Verzögerung bei der Informationsverarbeitung verursacht wird.
Die Totzeit erhöht sich, wenn der Verlauf der Führungsgröße w(t) vom Men-
schen nicht vorhergesagt werden kann und somit im Zentralnervensystem kein
Programm für das Bewegungsmuster im Voraus eingerichtet werden kann. An-
dernfalls kann die Führungsgröße antizipiert und somit die Totzeit bis zu einem
gewissen Grad kompensiert werden. Die neuromuskuläre Zeitkonstante TN ent-
steht durch die Verzögerung der Ausgabe durch die motorischen Nerven und
Muskeln. Der Kompensationsausdruck (1+sTD ) / (1+sTI) dient zur Bildung von
Vorhalt- (TD) und Verzögerungsverhalten (TI). Die Parameter werden vom Men-
schen als Regler laufend optimiert. Als wesentliches Kriterium wird hierbei das
mittlere Fehlerquadrat herangezogen (SCHWEIZER 1970). Tabelle 3.10 zeigt Wer-
Arbeitsformen 311

te, die zur Beschreibung des menschlichen Regelungsverhaltens angenommen


werden können.
Tabelle 3.10: Empirisch festgestellte Wertebereiche und Extremwerte in Bezug auf die
Regelungscharakteristik des Menschen

Parameter Zeichen Wertebereich gemessene Extremwerte


Totzeit Tt ca. 0,2 s 0,1 - 0,3 s
Zeitkonstante des TN 0,1 - 0,16 s 0,1 - 1 s
neuromuskulären
Systems
Verstärkungsfaktor K 1 - 100 1 - 100
Vorhalt TD 0,1 - 5 s 0 - 25 s
Verzögerung TI 0,01 - 0,5 s 0 - 20 s

Die große Variabilität von K, TD und TI ergibt sich aus der Anpassungsfähigkeit
des Menschen an verschiedene Regelstrecken.
Trotz umfangreicher theoretischer Analysen und Experimentalreihen war den
ersten regelungstechnischen Ansätzen, die darauf abzielten, Regler-Mensch-
Modelle unabhängig vom zu regelnden System zu entwerfen, nur ein vergleichs-
weise geringerer Erfolg beschieden. Aufgrund der starken Abhängigkeit des
menschlichen Verhaltens von der Regelstrecke entwickelten MCRUER et al. (1967)
einen einfachen, aber sehr wirkungsvollen symbiotischen Ansatz. Symbiotisch
bedeutet, dass Mensch und Maschine als kybernetische Einheit beschrieben wer-
den und nicht der Mensch allein. Das korrespondierende Schnittfrequenz-Modell
(crossover model; siehe SHERIDAN 1992; JÜRGENSOHN 1997) stützt sich auf die
Feststellung, dass der Betrag der Kreisübertragungsfunktion des offenen Regel-
kreises L(s) = GH(s) ˜ GS(s) mit einem Menschen GH(s) als Regler auch bei unter-
schiedlichen Strecken GS(s) in einer Dekadenumgebung des Schnittpunkts mit der
Verstärkung 1 (sog. Crossover-Frequenz Zc) in etwa den Verlauf eines Integrierers
(a1/s) hat und weiterhin der Phasengang Mc Werte zwischen S/2 und S annimmt.
Der lineare Ansatz mit Totzeit bei minimaler Parameterzahl lautet:
Zc
GH ( s ) ˜ Gs ( s ) e Tt s (3.13)
s
Mc  S / 2 Im( s )
mit Tt und 0, 2  5
Zc Zc
Interessanterweise sind die interindividuellen Unterschiede des Frequenzgangs
in der Nähe der Crossover-Frequenz Zc am geringsten. Da dieser Bereich das
dynamische Verhalten des geschlossenen Kreises dominiert, kann gefolgert wer-
den, dass trotz potentiell unterschiedlicher Regelstrategien des Menschen das
Ergebnis immer recht ähnlich ist. In Tt sind die Totzeiten des Menschen und der
Maschine sowie andere phasendrehende Eigenschaften repräsentiert. Die Cross-
over-Frequenz Zc sinkt mit steigender Ordnung der zu regelnden Strecke, wohin-
312 Arbeitswissenschaft

gegen die Totzeit Tt wächst. Vergleicht man das Crossover-Modell mit dem quasi-
linearen Modell aus Gleichung (3.12), so wird deutlich, dass lediglich zwei statt
fünf unbekannte Parameter geschätzt werden müssen. Zwar hängen auch Zc und Tt
von der Strecke und der Eingangfunktion ab, die Streuung ist jedoch vergleichs-
weise gering. In den Folgejahren wurden umfangreiche Kataloge für unterschied-
liche Kombinationen von Strecken und Eingangsgrößen erhoben, so dass das
Modell erfolgreich zur Auslegung von Flugzeugen und Automobilen verwendet
werden konnte. Beispiele für die Anpassung des Reglers Mensch an verschiedene
Strecken, wie Positions-, Geschwindigkeits- und Beschleunigungssysteme, finden
sich in Abb. 3.58. Auch zeitliche Grenzen der Anpassung im Sinne maximaler
Ausdauer sowie der Wirkung von Erholung auf menschliche Beanspruchung und
Ermüdung wurden untersucht (LUCZAK 1978). Später wurden noch
optimaltheoretische Modelle sowie Schalt- und Hybridmodelle entwickelt. Aus-
führliche Darstellungen dieser Modelle finden sich in SHERIDAN (1992) und
JÜRGENSOHN (1997).

Abb. 3.58: Bode-Diagramme des Reglers Mensch bei Positions-, Geschwindigkeits- und
Beschleunigungssystemen (A(jZ): Amplitudenverstärkung in dB, M(Z): Phasenverschie-
bung in Grad, nach JAGACINSKI u. FLACH (2002)
Arbeitsformen 313

3.3.2 Phasen der menschlichen Informationsverarbeitung

3.3.2.1 EntdeckenĆ(früheĆProzesse)Ć

Die Wahrnehmung ist die erste Phase des Informationsumsatzes und dient der
Aufnahme von Information. Diese Aufnahme erfolgt über die Sinnesorgane. Um-
gangssprachlich ist von fünf Sinnen die Rede, tatsächlich sind es einige mehr.
Jedes dieser Sinnesorgane ist auf eine ganz bestimmte Wahrnehmungsart – die
sog. Modalität – spezialisiert, d.h. es kann bestimmte Reize in einem bestimmten
Intensitätsbereich in Empfindungen umsetzen. Die Sensibilität der Sinnesorgane
ist auf spezifische (physikalische) Signalarten, d.h. Reizformen, ausgerichtet, aber
keinesfalls beschränkt. Z.B. weisen die Sensoren im Hörorgan zwar eine besonde-
re Empfindlichkeit für akustische Signale auf, können aber auch durch mechani-
sche Reize stimuliert werden.
Die Gliederung der sensorischen Modalitäten – auch sensorische Systeme ge-
nannt – kann nach Wahrnehmungssinnen für die Umwelt (auch Exterozeptoren,
von lat. exterior - äußerlich) und Wahrnehmungssinne für den eigenen Körper
(Propriozeptoren, von lat. proprium - eigen) erfolgen. Eine genaue Abgrenzung
bereitet Schwierigkeiten. SCHÖNPFLUG und SCHÖNPFLUG (1997) z.B. gehen von
neun Modalitäten aus, die rund ein Dutzend unterschiedlicher Empfindungen
hervorrufen (Tabelle 3.11).
Jede Modalität ist bestimmten Beschränkungen unterworfen, welche die Quali-
tät und Quantität der wahrgenommenen Eingangsinformationen und damit auch
aller nachfolgenden Prozesse bestimmt. Das Wissen um diese Beschränkungen ist
unerlässlich bei der Gestaltung von Arbeitssystemen. So beeinflussen z.B. die
charakteristischen Eigenschaften der Zapfen und Stäbchen in der Netzhaut des
Auges nachhaltig den Einsatz von Farben als Informationsträger auf einem Bild-
schirm. Trotz des reizspezifischen Charakters der Modalitäten gibt es bestimmte
Gesetzmäßigkeiten, die für alle gleichermaßen gelten.
3.3.2.1.1 Übergeordnete Gesetzmäßigkeiten
Die jeweiligen Sinnessysteme erstrecken sich von den Sinnesorganen bis zur Hirn-
rinde (Cortex) und sind hierarchisch gegliedert. Die Rezeptoren (von lat. recipere
aufnehmen) sprechen im Wesentlichen auf Reizintensitäten an, in beschränktem
Umfang auch auf Muster. Bis zum bewussten Wahrnehmungserlebnis, welches in
der Hirnrinde gebildet wird, wird die Information in verschiedenen Stufen ver-
dichtet und aggregiert.
Alle Rezeptoren reagieren nur in der Modalität, für die sie vorgesehen sind.
Das heißt aber nicht, dass sie nur von einer Reizart zu einer Reaktion veranlasst
werden können. So führt ein Druck auf das Auge zu Farbwahrnehmungen und ein
mechanischer Reiz des Ohres wird in eine entsprechende auditive Erregung ge-
wandelt. Fast alle Rezeptoren lassen sich auch elektrisch stimulieren.
314 Arbeitswissenschaft

Tabelle 3.11: Übersicht über die sensorischen Modalitäten (aus SCHÖNPFLUG u.


SCHÖNPFLUG 1997)

Modalität Reiz Bereich Organ Rezeptoren Empfindung


elektromagn. Wellenlänge Zapfen und Farbe,
visuell Auge
Strahlung 400-720 nm Stäbchen Helligkeit
periodische Haarzellen des
Frequenzen von Tonhöhe und
auditiv Luftdruck- Innenohr Corti’schen
20 Hz - 20 kHz Lautstärke
schwankungen Organs
Vestibularappar Haarzellen im
Flüssigkeitsver- Lineare und
at im Mittelohr Sacculus,
schiebungen Winkel-
vestibulär (Bogengänge Utriculus und in
und Statolithen beschleunigun-
und Statolithen- den
(Schwerkraft) gen
Organe) Bogengängen
abhängig von Schleimhaut-
Moleküle in Sinneszellen mit
olfaktorisch der Stoffart; stück im oberen Geruch
Gasen Geißeln
ab 1 Molekül Nasenraum
Geschmack;
Moleküle in abhängig von Zungenoberflä- Geschmacks-
gustatorisch süß, sauer,
Flüssigkeiten der Stoffart che papillen
salzig, bitter
Vater-
Pacinische
Verformungen Druck, Berüh-
taktil Haut Lamelle und
der Haut rung, Vibration
Meißnersche
Tastkörper
Stellung der
Dehnungen der Muskelspindel,
Körperteile
kinetisch / Muskeln und Bereich der unterschiedliche
zueinander,
propriozepziv Bänder, Gelenk- Gelenke und in Arten
Körper-
bewegungen den Bändern
bewegungen
Kälte: Kraus-
warm-kalt;
esche Endkol-
bei hohen und
thermisch Temperatur Haut ben; Wärme:
niedrigen Temp.
Ruffinische End-
auch Schmerz
organe
Nozizeptoren
(meist freie
Schmerz- Nervenenden
Verletzung und
wahrneh- unspezifisch mechanischer, Schmerz
Belastung
mung chemischer
oder thermi-
scher Sensoren)
Arbeitsformen 315

Generell führt die Stimulation eines Rezeptors zu einer entsprechenden Em-


pfindungsstärke E beim Menschen. Jedes Sinnesorgan transformiert eine Reizin-
tensität R jedoch erst ab einer bestimmten energetischen Einwirkung oder chemi-
schen Konzentration, der sog. Reizschwellenintensität R0. Die Reizschwellen-
intensität ist innerhalb einer Modalität nicht konstant, im auditiven System ist sie
z.B. von der Frequenz des dargebotenen Tones abhängig.
Bereits 1834 erkannte der Physiologe Ernst Heinrich Weber die Gesetz-
mäßigkeit, dass ein Sinnesorgan erst ab einer bestimmten Intensitätsdifferenz eine
Veränderung registriert (differentielle Wahrnehmbarkeitsschwelle, just noticeable
difference), die als Unterschied ǻR zum vorangehenden Reiz R in einem bestimm-
ten, gleich bleibenden Verhältnis k zu diesem steht. Beim Helligkeitssehen beträgt
z.B. der erforderliche relative Unterschied ǻR/R nach Webers Versuchen ca. 1 bis
2% der Lichtstärke. Der Physiker Gustav Theodor Fechner erweiterte das We-
ber´sche Gesetz 1860 formal durch eine entsprechende Integration. Hierbei wurde
angenommen, dass c konstant und unabhängig von R ist. Das Weber-Fechner´sche
Gesetz lautet:
R
E c ˜ ln (3.14)
R0
R0 ist eine Integrationskonstante, die sich auf die Reizschwellenintensität be-
zieht. Das Weber-Fechner´sche Gesetz besagt also, dass bei einem linearen An-
stieg der relativen Reizstärke die Empfindungsstärke nur logarithmisch anwächst.
Die Proportionalitätsgröße c ist von der Art des Reizes abhängig. Spätere Untersu-
chungen des Funktionsverhaltens von Sinnessystemen ergaben jedoch, dass die
logarithmische Beziehung für visuelle, auditive oder olfaktorische Modalitäten nur
in einem kleinen Intensitätsbereich gilt.
Eine entsprechende Erweiterung des Weber-Fechner´schen Gesetzes ist die
Stevens´sche Potenzfunktion, die nach dem US-amerikanischen Psychologen
Stanley Smith Stevens benannt wurde. Sie lautet wie folgt:
E k ˜ ( R  R0 ) n (3.15)
Die Proportionalkonstante k und der Exponent n sind rezeptorspezifisch. Abb.
3.59 zeigt die Beziehungen zwischen relativer Reizintensität und Empfindungs-
intensität bei unterschiedlichen Reizarten in einem doppellogarithmischen Koor-
dinatensystem. Übersteigt die Reizintensität bestimmte Grenzwerte, können die
Rezeptoren zerstört werden. Der wichtigste Unterschied zwischen dem Weber-
Fechner´schen Gesetz und der Stevens´schen Potenzfunktion besteht in der Me-
thodik. Statt der Angabe der differentiellen Wahrnehmbarkeitsschwelle verwende-
te Stevens eine einfache subjektive und objektive Verhältnisschätzung nach vor-
gegebenen Standardreizen, die auch für komplexe Empfindungen anwendbar sind.
316 Arbeitswissenschaft

100

A B C D E
50 F
G
30
relative Empfindungsstärke

20

10
A elektrischer Schmerzreiz (60Hz)
B Schmerzsinn
5,0
C Drucksinn

3,0 D Vibrationssinn (60Hz)


E Rauschen
2,0
F 1000 Hz-Ton
G weißes Licht
10 1 10 2 10 3 10 4 10 5 10 6
relative Reizstärke

Abb. 3.59: Beziehungen zwischen relativer Reizstärke und relativer Empfindungsstärke bei
unterschiedlichen Reizarten aus LUCZAK (1989)

Die zeitliche Charakteristik der Reiztransformation ist in regelungstechnischer


Bezeichnung üblicherweise die eines PD-Glieds. Die Empfindungsgröße ändert
sich in Abhängigkeit von der absoluten Reizintensität R und deren Änderungsrate
dR / dt:
§ dR ·
E f ¨ K1 R  K 2 ¸ (3.16)
© dt ¹
Sinnesorgane reagieren also bevorzugt auf Veränderungen, da bei konstanter
Erregung die Nervenzellen auf den Reiz adaptieren und die Reizempfindung
schwindet. Die Anpassungsbreite der Sinnesorgane von der Schwellenreizstärke
bis zur Schmerzgrenze umfasst normalerweise mehrere Zehnerpotenzen physikali-
scher Einheiten. Die Anpassungsgeschwindigkeit schwankt von Sekunden, z.B.
Helladaptation des Auges, bis zu Tagen, z.B. Kompensation einer zeitweiligen
Hörschwellenverschiebung des Ohrs. Jede der sensorischen Modalitäten scheint
mit einem zentralen Mechanismus gekoppelt zu sein, der nach dem physikalischen
Verschwinden des Stimulus die Empfindung des Reizes für kurze Zeit verlängert.
Dieser Kurzzeitspeicher (short term sensory store, STSS) erlaubt es, bei Abwen-
den der Aufmerksamkeit in eine andere Richtung die Umgebungsinformation für
kurze Zeit zu speichern und ggf. später zu verwenden (WICKENS u. HOLLANDS
1999). Besondere Bedeutung bei den Hautsinnen (Temperatur, Druck, Schmerz)
hat die räumliche Auflösung. Abb. 3.60 zeigt die an den Fingerspitzen am besten
ausgeprägte Fähigkeit, zwei eng benachbarte Reize auch als solche wahrzuneh-
men.
Arbeitsformen 317

Abb. 3.60: Links: Räumliche Auflösung für die Fähigkeit, zwei eng benachbarte Reize
auch als solche wahrzunehmen, für verschiedene Bereiche der Hand. Rechts: Dichte von
Neuronen nach VALLBO u. JOHANSSON (1978)

3.3.2.1.2 Sinnesorgane des Menschen

3.3.2.1.2.1 Visuelles Wahrnehmungssystem


Um in Arbeitssystemen die sichere Erkennung von Schriftzeichen, Symbolen,
Zahlen, Zeigern, Graphiken o.ä. zu gewährleisten, muss man wissen, wie sie
wahrgenommen werden. Deshalb sollen im Folgenden einige Grundlagen der
visuellen Wahrnehmung erläutert werden.
Aufbau des menschlichen Auges
Das Auge (Abb. 3.61) ist die erste Station bei der Verarbeitung visueller Reize.
Das in das Auge eintretende Licht durchquert zuerst eine äußere Schutzschicht,
die Hornhaut (lat. cornea), passiert dann eine Öffnung in der Regenbogenhaut
(Iris), die Pupille, bevor es durch Linse und Glaskörper auf die Netzhaut trifft. Auf
der Netzhaut wird das wahrgenommene Objekt auf dem Kopf stehend abgebildet.

Ziliarkörper
Bindehaut

Hornhaut
Zonulafasern

Linse

Gelber Fleck

Blinder Fleck

Pupille
Sehnerv
Regenbogenhaut Glaskörper
(Iris)
Netzhaut

Abb. 3.61: Querschnitt durch das menschliche Auge


318 Arbeitswissenschaft

Die Pupille dient zur Regulierung des Lichtstroms und beeinflusst die Tiefen-
schärfe. Durch sie kann die ins Auge einfallende Lichtmenge auf etwa 1/16 redu-
ziert werden. Zu bedenken ist aber, dass das Auge Lichtintensitäten von 12 Zeh-
nerpotenzen verarbeiten kann. Es sind also noch weitere Anpassungsvorgänge
notwendig. Zusammengenommen werden diese als Adaptation bezeichnet. Die
Größenänderung der Pupille erfolgt recht langsam: Beim Dunkel-Hell-Übergang
braucht die Pupille etwa 1,5 s, um sich von der vollständigen Dilatation (Erweite-
rung) auf 2/3 zu verengen und 5 s, um sich vollständig zu kontrahieren. Beim
Hell-Dunkel-Übergang dagegen erfordert die Erweiterung auf 2/3 des Durchmes-
sers 10 s und bis zur vollständigen Dilatation gar 5 min. Das nächste Element, das
vom Licht passiert wird, ist die Linse. Sie fokussiert den Lichtstrahl auf die licht-
empfindlichen Rezeptoren der Netzhaut. Die optische Qualität der Linse ist nicht
sonderlich gut, sie verzerrt vor allem in den Randbereichen sehr stark. Auch Far-
ben werden unterschiedlich stark gebrochen (sog. chromatische Aberration). Zur
Einstellung auf unterschiedliche Sehentfernungen, genannt Akkommodation, wird
von den Ciliarmuskeln die Dicke der Linse und damit ihre Brennweite verändert.
Beim Anspannen der Muskeln wird die Linse dicker und ermöglicht das
Nahsehen. Diese Muskelarbeit wird bei einer altersbedingten Verhärtung der Lin-
se zunehmend erschwert. Das Entspannen der Muskeln verdünnt die Linse und
ermöglicht das Fernsehen. Die Akkommodation unterliegt bei häufigem Wechsel
Ermüdungserscheinungen. Mit der Akkommodation einher geht die Konvergenz.
Schaut der Mensch auf ein sehr weit entferntes Objekt, sind die beiden Augachsen
annähernd parallel. Schaut er auf ein nahes Objekt, müssen sich die Augachsen
zueinander bewegen, damit die Bilder des Objekts in beiden Augen auf korres-
pondierenden Netzhautstellen abgebildet werden können.
Nachdem das Licht durch die Cornea, die Linse und durch den Glaskörper (eine
gallertartige Substanz im Inneren des Auges) gegangen ist, trifft es auf die Netz-
haut (Retina). Auf der Netzhaut befinden sich zwei Arten von Photorezeptoren:
Die etwa 120 Millionen Stäbchen sind sehr lichtempfindlich, können aber keine
Farben wahrnehmen. Rund 500-mal weniger lichtempfindlich, aber farbtauglich,
sind die rund sechs Millionen Zapfen. Stäbchen und Zapfen sind netzartig auf der
Rückseite des Augapfels angeordnet, daher auch der Name Retina (von lat. Rete
Netz). Die Verteilung von Stäbchen und Zapfen auf der Netzhaut ist nicht gleich-
mäßig (siehe Abb. 3.62). Die größte Dichte der Zapfen befindet sich in einem
kleinen Gebiet mit einem Durchmesser von ungefähr einem halben Millimeter,
dem gelben Fleck (fovea centralis). Die etwa 0,25 mm dicke Netzhaut ist schicht-
weise aufgebaut. Über den Photorezeptoren befinden sich eine Reihe von Neuro-
nen. Horizontale Zellen und Amacrine Zellen verbinden benachbarte Netzhautbe-
reiche, sorgen also für einen horizontalen Informationsaustausch. Die bipolaren
Zellen und die Ganglienzellen stellen die vertikale Organisation der Netzhaut dar.
Die Axone der Ganglienzellen bilden zusammen den Sehnerv.
Dieser Aufbau der Netzhaut ermöglicht, dass bereits dort die erste Verarbeitung
visueller Information stattfinden kann, z.B. die Erkennung von Kontrasten und
Bewegungswahrnehmung. Die differenzierenden Eigenschaften des visuellen
Arbeitsformen 319

Systems lassen sich schon aus der Reduzierung von rund 130 Millionen Photore-
zeptoren auf „lediglich“ 1,6 Millionen Nervenfasern des optischen Nervs ableiten.
Diese treten gebündelt durch die Netzhaut aus. Die Austrittsstelle ist nicht licht-
empfindlich und wird daher blinder Fleck genannt.

180 000
blinder Fleck
160 000
Anzahl der Rezeptoren
pro Quadratmillimeter

140 000
Stäbchen Stäbchen
120 000
100 000
80 000
60 000
40 000
20 000 Zapfen Zapfen
0
70° 60° 50° 40° 30° 20° 10° 0° 10° 20° 30° 40° 50° 60° 70° 80°
Winkel [Grad]

Abb. 3.62: Verteilung von Stäbchen und Zapfen über die Netzhaut (aus BECKER-CARUS
2004)

Reizleitung im visuellen System


Nach der Stimulation der Photorezeptoren des Auges führt der weitere Weg der
Reizleitung über mehrere Schaltstationen bis zu einem Gebiet der Hirnrinde am
Hinterkopf, dem primären visuellen Cortex. Hier erfolgt eine Reorganisation der
visuellen Reize. Bspw. werden die Nervenfasern, welche die Information aus den
linken Hälften der Netzhäute beinhalten, in die linke Gehirnhälfte weitergeleitet,
die Information der rechten Netzhauthälften in die rechte Gehirnhälfte.
Im primären visuellen Cortex endet die Sehbahn. Hier findet die Transformati-
on der visuellen Information in effektive Parameter statt (Gibt es einen Umriss?
Wie ist die Raumlage? Findet eine Richtungsänderung statt?). Das eigentliche
Erkennen eines Objekts wird jedoch erst in anderen Hirnteilen durchgeführt. Die
Abbildung der Information ist in der Sehbahn retinotopisch organisiert. Dies be-
deutet, dass die Projektion jeder Struktur auf ihren Nachfolger systematisch er-
folgt. Es handelt sich also um eine Abbildung ähnlich einer Landkarte: das, was
sich z.B. auf der Retina an einer bestimmten Stelle befindet, ist auch in den höhe-
ren Gehirnregionen örtlich ähnlich abgebildet. Allerdings kommt es entsprechend
der Zahl der Nervenfasern zu Verzerrungen. So ist z.B. in einer der Schaltebenen
das zentrale (foveale) Gebiet viel stärker vertreten als die peripheren Bereiche.
Dadurch erfolgt eine Priorisierung, d.h. eine erste „Lenkung“ von Verarbeitung,
bereits auf dieser Ebene. Eine solche topographische Organisation wird auch bei
den anderen Wahrnehmungssystemen gefunden.
Durch die Anpassungsfähigkeit des optischen Systems ist der Mensch in der
Lage, sowohl Gegenstände in einer Entfernung von nur 10 cm als auch weit ent-
fernte Objekte scharf zu sehen. Da die Informationsaufnahme und Weiterleitung
in den Rezeptoren durch unterschiedliche chemische Reaktionen ausgelöst wer-
320 Arbeitswissenschaft

den, deren Geschwindigkeit von der Rezeptorart abhängt, kommt es dazu, dass
eine Folge von Einzelbildern je nach Beleuchtungsverhältnissen ab einer Bilder-
neuerungsrate von 20 Hz (bei Dunkelheit) bis 50 Hz (bei Helligkeit) den Eindruck
einer kontinuierlichen Sequenz erweckt. Die genannte Darstellungsrate entspricht
dann der Flimmerverschmelzungsfrequenz. Sie wird auch von der mentalen Bean-
spruchung des Menschen beeinflusst (siehe Kap. 3.3.3.2.1.4).
Helligkeitswahrnehmung
Die Aufgaben des visuellen Wahrnehmungssystems sind, obwohl der Mensch sie
i.Allg. auf einem niedrigen Niveau mentaler Beanspruchung erledigt, sehr kom-
plex. Das Bild, welches reduziert auf Intensitätsunterschiede verarbeitet wird,
muss interpretiert werden. Auf einer relativ simplen Stufe muss entschieden wer-
den, ob Intensitätsunterschiede auf die (1) Geometrie des Sehobjekts, (2) Reflexi-
onen von der sichtbaren Oberfläche, (3) die Beleuchtung oder (4) den Blickpunkt
des Betrachters zurückgeführt werden müssen. Meist sind aber alle vier Faktoren
am Zustandekommen der Intensitätsverteilung beteiligt. MARR (1982) hat gezeigt,
dass diese Aufgabe durch eine Addition verschiedener Filterfunktionen erreicht
werden kann.
Die relativ einfache Funktion der Entdeckung von Helligkeitsunterschieden
wird im Folgenden kurz erläutert. Durch die horizontale, auch lateral genannte,
Verknüpfung der Photorezeptoren mit den Ganglienzellen werden Gruppen von
Photorezeptoren zu rezeptiven Feldern zusammengefasst. Die Fläche eines rezep-
tiven Felds beträgt nur etwa einen Quadratmillimeter. Prinzipiell können Neuro-
nen ihre Information an andere Neuronen so weitergeben, dass diese erregt
(exzitiert) werden, oder dass eine Erregung verhindert (inhibiert) wird. Dies hat
zur Folge, dass Photorezeptoren je nach Verschaltung eine Erregung der Gangli-
enzellen erreichen können, wenn Licht auf sie fällt (eine On-Reaktion), aber auch
dann, wenn das Licht ausgeschaltet wird (eine Off-Reaktion). Auf der Netzhaut
sind die rezeptiven Felder auf zwei Arten verschaltet: Es gibt rezeptive Felder mit
einem On-Zentrum, umgeben mit einem ringförmigen Off-Umfeld und solche mit
einem Off-Zentrum und einem On-Umfeld.
Ein On-Zentrum-Feld reagiert mit einer Entladung der dazugehörigen Gangli-
enzellen, wenn ein Lichtfleck auf das Zentrum des rezeptiven Felds fällt und
hemmt die Aktivität der Rezeptoren im Umfeld. Bei Off-Zentrum-Feldern ist die
Reaktion genau umgekehrt: sie reagieren, wenn der Lichtfleck im Zentrum ausge-
schaltet wird. Benachbarte rezeptive Felder überlappen sich gewöhnlich. Ein ein-
ziger Photorezeptor kann hunderte oder tausende von Ganglienzellen beeinflussen.
Für manche Zellen gehört er zum Zentrum des jeweiligen Felds, für andere zum
Umfeld. Diese Verschaltung unterstützt die Wahrnehmung von Hell-Dunkel-
Unterschieden, hat aber auch einige Wahrnehmungsphänomene zur Folge. Eines
sind die nach ihrem Entdecker benannten Mach'schen Bänder (Abb. 3.63a). Wenn
man die Grenze zwischen dem hellen und dem dunklen Gebiet betrachtet, wird
links von der Grenze ein (relativ zum hellen Hintergrund) heller Streifen gesehen,
während auf der rechten Seite ein dunkler Streifen erkennbar ist. In Wirklichkeit
Arbeitsformen 321

jedoch gibt es keine Intensitätsunterschiede. In Abb. 3.63b sind die physikalischen


Kontraste und ihre Verstärkung in der Wahrnehmung graphisch dargestellt. Im
Zusammenhang mit Anzeigen gilt es, bei Farben und Graustufen gleiche Umge-
bungskontraste zu wählen.

a)

b)

Licht
Intensität

Wahrnehmung

Abb. 3.63: a) Die Mach‘schen Bänder; b) physikalischen Kontraste und ihre Verstärkung
in der Wahrnehmung der Mach‘schen Bänder. Aus ENGELKAMP u. ZIMMER (2006)

Die Wahrnehmung beruht auf Unterschieden in der neuralen Aktivität der ent-
sprechenden Ganglienzellen. Das Phänomen, das in diesem Beispiel sichtbar ge-
macht wurde, heißt laterale Inhibition (Hemmung). Durch die laterale Hemmung
der Aktivität benachbarter Zonen wird eine Kontrastverstärkung induziert, wenn
es eine plötzliche Veränderung in der Lichtintensität gibt. Ähnlich der
Verschaltung zur Detektion von Helligkeitsunterschieden gibt es auch solche zur
Kantendetektion und zur richtungsspezifischen Bewegungsdetektion. Bei der
Gestaltung von Anzeigen ist es vorteilhafter, Zeiger statt Digitalanzeigen einzu-
setzen, da die richtungsspezifische Bewegung des Zeigers schon in einer sehr
frühen Verarbeitungsphase erkannt wird.
Farbwahrnehmung
Wie bereits erwähnt, gibt es in der Netzhaut zwei Arten von Rezeptoren: Stäbchen
und Zapfen. Die wichtigsten Unterschiede zwischen beiden Arten sind in Tabelle
3.12 aufgelistet. Es können drei Arten von Zapfen unterschieden werden, die
durch spezifische Pigmente für Licht unterschiedlicher Wellenlänge besonders
empfindlich sind (445-450 nm – blau, 525-535 nm – grün, 555-570 nm – rot).
322 Arbeitswissenschaft

Tabelle 3.12: Eigenschaften der Stäbchen und Zapfen

Eigenschaften Zapfen Stäbchen


Form der äußeren Segmente kegelförmig stabförmig
Anzahl (pro Retina) 6 Mio. 120 Mio.
Verteilung Fovea und Peripherie nur Peripherie
Dunkeladaption schnell langsam
Höchste spektrale Empfindlichkeit bei rund 560 nm rund 500 nm
Dunkeladaptierte Empfindlichkeit niedrig hoch
Schärfe hoch niedrig

In Abb. 3.64 sind die Absorptionsgrade dieser drei Farbrezeptoren als Funktion
der Wellenlänge dargestellt. Aus den Zapfenempfindlichkeiten lassen sich die
bekannten Farbmischungen erklären. Der Farbkreis gibt an, dass eine Mischung
von Grün (520 nm) und Rot (620 nm) ein Gelb (570 nm) ergibt. Dies korrespon-
diert mit der Stelle im Absorptionsspektrum (Abb. 3.64), an der grün- und rotemp-
findliche Zäpfchen gleich stark und die blauempfindlichen Zapfen nicht mehr
absorbieren. Bei konstanter Lichtintensität können zwischen 380 und 700 nm
Wellenlänge des Lichts etwa 150 Farben unterschieden werden. Diese Zahl lässt
sich durch zwei Faktoren erhöhen: Durch Veränderung der Lichtintensität wird in
der Regel die Helligkeit verändert. Durch Hinzufügen von weißem Licht verrin-
gert sich die Sättigung. Eine andere Methode, um die Anzahl unterscheidbarer
Farben zu erforschen, erfolgt durch das Zählen von Farbnamen. Einige Untersu-
cher haben bis zu 7500 Farbnamen gefunden.

Abb. 3.64: Absorptionsfunktionen der drei Zäpfchenarten: A – grün, B – blau, C – rot, aus
WALD (1964)
Arbeitsformen 323

Genau wie beim Schwarzweißsehen wird auch beim Farbensehen die Wahr-
nehmung eines Punkts durch die Umgebung beeinflusst. Durch laterale Inhibition
kommt eine Kontrastverstärkung zustande. Diese Kontrastverstärkung funktioniert
nur zwischen komplementären Farben, also Farben, die sich auf dem Farbkreis
gegenüberliegen. Wenn man z.B. auf Rot sieht, so erhöht sich die Empfindlichkeit
in der Umgebung für Grün, wenn man auf Blau sieht, so wird die Gelbempfind-
lichkeit in der Umgebung erhöht. Diese Kontrastwirkung wird räumlicher oder
induzierter Kontrast genannt. Als Sukzessivkontrast wird folgendes Phänomen
bezeichnet: Wird mehrere Sekunden auf ein weißes Blatt mit einem farbigen
Punkt und danach auf eine weiße Fläche geschaut, entsteht der Eindruck, einen
Punkt in der Komplementärfarbe zu sehen. Bei Anzeigen sollte man daher Farb-
kontraständerungen vermeiden, um diesen Effekt auszuschließen.
Gesichtsfeld
Damit Lichtreize wahrgenommen werden können, müssen sie in das Gesichts-
oder Blickfeld emittiert werden. Als Gesichtsfeld (Abb. 3.65) wird die Gesamtheit
aller Gegenstände bezeichnet, die bei ruhenden Augen gleichzeitig in bestimmter
räumlicher Anordnung wahrgenommen werden können.


340 90 20°
80
320 70 40
60
50
300 60
40
30
20
280 80
10
linkes Auge
0

260 100 rechtes Auge

240 120

220 140

200 160
180

Abb. 3.65: Gesichtsfeld für unbunte Reize aus SCHOBER (1950)

Das Gesichtsfeld des Menschen erstreckt sich über einen Winkelbereich hori-
zontal von 200°, vertikal nach oben von 55° und vertikal nach unten von 76°.
Binokular sind Gegenstände in einem horizontalen Bereich von 120° mit Aus-
nahme der Nasenschatten wahrnehmbar. Vorgenannte Bereiche des Gesichtsfelds
324 Arbeitswissenschaft

beziehen sich auf weiße Lichtreize. Bei farbigen Reizen sind die Bereiche von der
Wellenlänge des Lichts abhängig. Das Blickfeld ergibt sich als Summe einzelner
Gesichtsfelder bei unterschiedlichen Augenpositionen.
Sehschärfe
Für die Darstellung von Objekten ist es wichtig zu wissen, bis zu welchem Mini-
malabstand zwei Sehobjekte noch getrennt wahrgenommen werden können. Die-
ses Auflösungsvermögen des Sehapparats wird als Sehschärfe V (Visus) bezeich-
net und als Kehrwert des korrespondierenden Gesichtsfeldwinkels D (gemessen in
Bogenminuten) angegeben:
1
V (3.17)
D
Neben den physikalischen Eigenschaften des Auges wird die Sehschärfe durch
zentralnervöse Faktoren beeinflusst. So hat insbesondere die Formwahrnehmung
erheblichen Einfluss auf die Erkennungsleistung. Die Sehschärfe ist nicht nur vom
anatomischen Auflösungsraster der Netzhaut abhängig; sie lässt sich auch nicht
allein anhand des Durchmessers der Rezeptoren berechnen. Die wesentlichen
Einflussfaktoren der Sehschärfe sind
x das betrachtete Objekt,
x der Ort der Abbildung auf der Netzhaut,
x die Gesichtsfeldleuchtdichte und
x der Leuchtdichtequotient.
Abhängigkeit vom betrachteten Objekt
Die Ortsschwelle des Auges (sog. Punktsehschärfe) ist definiert als der Grenzwin-
kel, unter dem zwei benachbarte Punkte noch als getrennt wahrgenommen wer-
den. Die normale Sehschärfe wird mit 60“ (Bogensekunden) in einem etwa 1°
großen Bereich um die fovea centralis angegeben. Dies entspricht einem klini-
schen Visus von 1. Bei kontrastreichen Strichmustern wird bei mäßiger Leucht-
dichte im fovealen Bereich ein Grenzwinkel von 50“ (V = 1,2), bei sehr hoher
Leuchtdichte von bis zu 28“ (V = 2,1) erreicht.
Zur Berechnung der Noniussehschärfe wird der Grenzwinkel ermittelt, unter
dem zwei gegeneinander verschobene Kanten noch als zwei Objekte wahrge-
nommen werden. Da bei diesem Verfahren erheblich mehr Zapfen erregt werden,
kann es schon bei einer sehr geringen Änderung der Kantenverschiebung zu einem
starken Sinneseindruck kommen. Die so ermittelte Sehschärfe ist deshalb bis zu
einem Faktor 6 höher als die Punktsehschärfe. Sie wird im Mittel mit 10“ (V = 6)
angegeben.
Abhängigkeit vom Ort der Abbildung auf der Netzhaut
Aufgrund der Anatomie der Netzhaut kommt es im peripheren Bereich zu einer
starken Abnahme der Sehschärfe. Die dort vorhandenen Stäbchen sind zur Erhö-
hung der Empfindlichkeit zu Gruppen zusammengefasst. Das sich so ergebene
Arbeitsformen 325

funktionale Auflösungsraster ist dadurch erheblich größer als das der Zapfen in
der fovea centralis. Die im peripheren Bereich erzielbare Sehschärfe wird mit 1/40
bis 1/20 der maximalen Sehschärfe in der Netzhautgrube angegeben. Die Sehschär-
fe V beträgt bei 5° Abstand von der fovea centralis noch 1/3, bei 10° 1/5 und bei 45°
1
/20 der fovealen Sehschärfe (Abb. 3.66).

1,0

0,9

0,8
photopisches Sehen
0,7

0,6

0,5

0,4
skotopisches Sehen
0,3
Blinder
0,2 Fleck

0,1
0,05
0,025
70° 60° 50° 40° 30° 20° 10° 0 10° 20° 30° 40° 50°
Nasal Temporal
Fovea

Abb. 3.66: Sehschärfe in Abhängigkeit vom Ort der Netzhautabbildung beim photopischen
und skotopischen Sehen nach EYSEL u. GRÜSSER-CORNEHLS (2005)

Abhängigkeit von der Gesichtsfeldleuchtdichte


Beim dunkeladaptierten Auge ist die foveale Sehschärfe gleich Null, da nur die
Stäbchen erregt werden. Dadurch ergibt sich bei derartigen Beleuchtungsverhält-
nissen die zentrale Blindheit. Die Sehschärfe steigt dabei von der Fovea zur Peri-
pherie von 0 auf etwa 1/20 der normalen Sehschärfe an. Da ausgehend von der
Dunkeladaption bei Steigerung der Leuchtdichte über die Zapfenschwelle bei ca.
32 cd/m² hinaus der Übergang vom skotopischen (Stäbchen~) zum photopischen
(Zapfen-) Sehen erfolgt und damit das Auflösungsraster stark verfeinert wird, wird
dabei die Sehschärfe erhöht. Die Sehschärfe steigt bis zu einer Leuchtdichte von
etwa 1591 cd/m² an. Bei weiterer Erhöhung der Leuchtdichte findet keine weitere
Sehschärfenverbesserung statt. Im Gegenteil kann bei zu starker Leuchtdichte der
Zustand der Blendung eintreten, der zu einer Reduktion der Sehschärfe führt.
Abhängigkeit vom Leuchdichtequotienten
Zwei Sehobjekte unterschiedlicher Leuchtdichte können nur dann vom Auge als
getrennt wahrgenommen werden, wenn der Leuchtdichteunterschied einen Min-
destwert, die Leuchtdichteunterschiedsschwelle, überschreitet. Das gleiche gilt für
die Sichtbarkeit gegenüber dem Umfeld. Der Leuchtdichteunterschied (Kontrast)
zwischen Sehobjekt und Umfeld wird mit dem Leuchtdichtequotienten beschrie-
ben. Er errechnet sich als Verhältnis der Infeld- zur Umfeldleuchtdichte. Die Seh-
326 Arbeitswissenschaft

schärfe steigt nach Abb. 3.67 sowohl mit der Umgebungsleuchtdichte als auch mit
dem Leuchtdichteunterschied zwischen Infeld und Umfeld. Es wird aber auch
deutlich, dass schon bei geringer Umfeldleuchtdichte sehr kleine Leuchtdichteun-
terschiede zum Anwachsen der Sehschärfe ausreichen. Die Abhängigkeit der
Sehschärfe vom Leuchtdichtequotienten ist besonders wichtig, wenn der Bereich
nahe der Leuchtdichteunterschiedsschwelle und der Auflösungsschwelle betrach-
tet wird. Allgemein lässt sich feststellen, dass die Sehschärfe bei negativem Kon-
trast (dunkles Sehobjekt im hellen Umfeld) höher ist als bei positivem Kontrast.
Der Eindruck von räumlicher Tiefe kann durch verschiedene Tiefenkriterien
hervorgerufen werden:
x Monokulare Tiefenkriterien
x Okulomotorische Tiefenkriterien
x Binokulare Tiefenkriterien
x Bewegungsinduzierte Tiefenkriterien.

100

80
relative Sehschärfe [%]

60

40

20
10 asb
100 asb
1000 asb
0
0 20 40 60 80 100
relativer Leuchtdichteunterschied [%]

Abb. 3.67: Sehschärfe in Abhängigkeit vom Leuchtdichteunterschied bei verschiedenen


Umfeldleuchtdichten nach SCHOBER (1954) (1 asb = 1/ư cd/m2)

Monokulare Tiefenkriterien
Monokulare Tiefenkriterien liefern auch beim einäugigen Sehen Tiefeninformati-
onen. Es werden Objektgrößen-Differenzen, Verdeckungen, Schattierungen und
die Perspektive unterschieden.
Objektgrößen-DifferenzenĆ
Grundlage für die Entfernungsschätzung mittels der Auswertung der Objektgröße
ist die Tatsache, daß ein Objekt bekannter Größe auf der Netzhaut in Abhängig-
keit von der Entfernung in einer entsprechenden Größe, der Sehgröße, abgebildet
wird. Die Sehgröße eines Objekts ist dabei umso größer, je näher das Objekt zum
Beobachter positioniert ist. Sind mehrere bekannte Objekte im Raum vorhanden,
Arbeitsformen 327

so kann aus den Sehgrößen-Differenzen zwischen deren Abbildungen auf der


Netzhaut ein Eindruck von den Objektentfernungen gewonnen werden. Die auf
diese Weise erfolgenden Entfernungsschätzungen können zu Fehlern führen, wenn
ein gesehenes Objekt oder dessen tatsächliche Größe falsch beurteilt wird. Wird
einem Objekt bspw. eine Größe zugeordnet, die erheblich kleiner ist als die tat-
sächliche Größe, so erfolgt eine Überschätzung des Objektabstands.
VerdeckungenĆ
Die Verdeckung von entfernten Objekten durch Teile eines näheren Objekts ver-
mittelt einen Eindruck von der Anordnung der Objekte im Raum. Dieser Eindruck
wird durch Veränderung der Parallaxe aufgrund von Objekt- oder Beobachterbe-
wegungen verstärkt.
SchattierungenĆ
Aus der Anordnung von Lichtquellen und Schatten entstehen Eindrücke von den
räumlichen Verhältnissen und der Oberflächenstruktur von Objekten. Diese Ein-
drücke können leicht durch Täuschungen verfälscht werden, bspw. bei falscher
Annahme des Orts der Lichtquelle. Die Beleuchtungsart hat großen Einfluß auf
die Schattenverteilung. Bei streng direkter Beleuchtung entstehen harte und wei-
che Schatten der Objekte, die das räumliche Sehen und das Wahrnehmen von
Oberflächenstrukturen erleichtern. Jedoch ist bei direkter Beleuchtung aufgrund
der ungleichmäßigen Leuchtdichteverteilung mit Blendung und Adaptionsstörun-
gen zu rechnen. Eine ausschließlich indirekte Beleuchtung führt auf der anderen
Seite zu keinerlei Schattenbildungen und lässt somit keinen räumlichen Eindruck
entstehen. Um eine ausreichende Schattenverteilung bei gleichzeitig homogener
Leuchtdichteverteilung zu erzielen, sollten stets direkte und indirekte Beleuch-
tungsmittel kombiniert eingesetzt werden.
PerspektiveĆ
Eine geometrische Projektion des Raums auf eine Ebene wird als Perspektive
bezeichnet. Diese ermöglicht die zweidimensionale Wiedergabe eines dreidimen-
sionalen Objekts. Zwei verschiedene Arten der perspektivischen Wiedergabe sind
zu unterscheiden:
Parallelperspektive
Bei dieser, vorwiegend bei technischen Zeichnungen anzutreffenden Darstellungs-
art, bleiben die im Raum parallelen Linien in der perspektivischen Ansicht paral-
lel. Dabei besitzen alle zur Bildebene parallelen Ebenen den gleichen Größenmaß-
stab, so daß es auch nach längerer Betrachtung nicht erkennbar ist, welche Ebene
vorne oder hinten liegt. Vielfach werden durch Veränderung oder Entfernen tat-
sächlich verdeckter Linien perspektivisch bedingte Verdeckungen angedeutet
(Abb. 3.68).
328 Arbeitswissenschaft

Abb. 3.68: Einfache Parallelperspektive (links) und Andeutung verdeckter Linien (rechts)

Zentralperspektive
Bei dieser Darstellungsart (Abb. 3.69) besitzen alle geraden und parallelen Linien,
die nicht in der Bild- oder zu dieser parallelen Ebene verlaufen, einen gemeinsa-
men Fluchtpunkt (O). Kurven und geometrische Figuren werden in der Zentral-
perspektive verzerrt dargestellt. Gleiche Objekte, die auf zueinander parallelen,
aber unterschiedlich entfernten Ebenen liegen, werden in Abhängigkeit von der
Entfernung zur Bildebene verkleinert.
Um einen räumlichen Eindruck zu gewährleisten, muss bei der Darstellung in
der Zentralperspektive darauf geachtet werden, dass der Abstand des Beobachters
von der Bildebene geeignet gewählt wird. Da es am Rande des Gesichtsfelds zu
Verzerrungen gerader Linien kommen kann, soll die Darstellung innerhalb eines
Gesichtswinkels von 28° bis 30° liegen.

Abb. 3.69: Zentralperspektive nach SCHOBER (1954)


Arbeitsformen 329

Okulomotorische Tiefenkriterien: Konvergenz und Akkommodation


Die Rückmeldung der Konvergenzlage der beiden Augen (siehe Abb. 3.70a) und
die (Un)schärfe und Beanspruchung durch die Akkommodation der Linsen (siehe
Abb. 3.70b) liefern dem Gehirn ebenfalls Informationen über die Entfernung von
Sehobjekten. Konvergenz- und Akkommodationsrückmeldung gelten hier zwar als
physiologische Hinweise auf Tiefe, die Bedeutung dieser Signale muss jedoch
durch nicht-visuelle Erfahrungen gelernt werden.

a b

Abb. 3.70: Veränderung des Konvergenzwinkels und der Linsendicke in Abhängigkeit von
der Objektentfernung bei einem (a) nahen Fixationspunkt, bei (b) mittlerer und (c) weiter
Entfernung, aus ENGELKAMP u. ZIMMER (2006)

Bei der Behandlung der Funktionen, die zum räumlichen Sehen führen, muss
zwischen der Schätzung einer absoluten Entfernung (Sehferne) und der Differen-
zierung zweier unterschiedlich entfernter Objekte (Sehtiefe) unterschieden wer-
den. In Abb. 3.71 ist der geometrische Zusammenhang dargestellt, der beim beid-
äugigen Sehen zur Entfernungsschätzung ausgenutzt wird.
Bei der Entfernungsschätzung sind sowohl die unterschiedliche Position der
beiden Netzhautabbildungen im linken und rechten Auge als auch die Amplitude
der Konvergenzbewegung, d.h. der Konvergenzwinkel, von Bedeutung. Aus Abb.
3.71 wird deutlich, dass der Konvergenzwinkel İ aufgrund des Augenabstands a
und der Sehentfernung e wie folgt berechnet werden kann:
D
H 2 arctan (3.18)
2e
Bei konstanter Entfernung zum betrachteten Gegenstand hängt der Konver-
genzwinkel somit lediglich vom Augenabstand a des Beobachters ab. Ein hoher
Augenabstand führt demnach zu einer Erhöhung des Konvergenzwinkels und
330 Arbeitswissenschaft

dadurch zu einer Verbesserung der Schätzleistung. Die Möglichkeit zur Entfer-


nungsschätzung besteht bis zu einer Entfernung von etwa 10 m, danach wird der
Konvergenzwinkel zu klein.

Abb. 3.71: Konvergente Augenstellung nach SCHOBER (1954)

Die alleinige Auswertung des Konvergenzwinkels zur Entfernungsabschätzung


reicht allerdings oftmals nicht aus. In der Regel werden durch die Bezugnahme
auf das Umfeld und die Hinzuziehung von Objekteigenschaften des Gegenstandes
relative Entfernungsschätzungen durchgeführt.
Binokulare Tiefenkriterien: Disparation und Parallaxe
Um die dritte Dimension wahrzunehmen, steht beim beidäugigen Sehen zusätzlich
zum Konvergenzwinkel der beiden Augen die Disparität oder laterale Verschie-
bung der beiden Netzhautbilder als Tiefeninformation zur Verfügung.
Für das Entstehen von beidäugigen Einfachbildern müssen die Abbildungen ei-
nes Gegenstands auf korrespondierenden Netzhautstellen liegen. Die laterale Posi-
tionsdifferenz zweier Netzhautabbildungen, die sog. Querdisparation (Abb. 3.72),
ist für die relative Entfernungsschätzung, d.h. für das Herstellen von Beziehungen
wie „vor“ und „hinter“ zwischen zwei Gegenständen, von großer Bedeutung (Satz
von Wheatstone). Dagegen hat eine vertikale Disparation (Längsdisparation) keine
Bedeutung für das räumliche Sehen. Es ist erkennbar, dass beim Anvisieren der
beiden Gegenstände durch beide Augen ein Winkel į überstrichen wird, der die
Querdisparation der Abbildungen A‘ und B‘ der Sehobjekte A und B auf der
Netzhaut beschreibt. Durch die Lage der Querdisparation kann die Zuweisung
„vor“/„hinter“ durchgeführt werden.
Arbeitsformen 331

Abb. 3.72: Querdisparation nach SCHOBER (1954)

Die Auswertung der Querdisparation eines Auges reicht für eine quantitative
Aussage über die Entfernungsdifferenz zweier Sehobjekte jedoch noch nicht aus.
Hierzu werden die Querdisparationen beider Augen miteinander verglichen. Da
die Differenz nicht direkt gemessen werden kann, bedient man sich einer Hilfs-
konstruktion von Helmholtz, die die gleichbedeutende stereoskopische Parallaxe
beschreibt (Abb. 3.73).
Es sei P ein beidäugig anvisierter Gegenstandspunkt, dessen Abstand e von der
Augenverbindungslinie geschätzt werden soll. Die Hilfsebene E wird von den
beiden Gesichtslinien im Abstand p geschnitten. Im imaginären Mittelauge wer-
den die Endpunkte der Strecke p mit einer Querdisparation į (auch Stereowinkel
genannt) wahrgenommen. Die Länge der Strecke p lässt sich durch
a ˜b
p a (3.19)
e
beschreiben. Bei sehr großer Entfernung, d.h. wenn e gegen ’ strebt, ist p = a.
Die Strecke ist dann also gleich dem Augenabstand, so dass keine Querdisparation
mehr auftritt.
332 Arbeitswissenschaft

Abb. 3.73: Stereoskopische Parallaxe nach SCHOBER (1954)

Alle im gleichen senkrechten Abstand e liegenden Gegenstandspunkte bilden


Strecken p gleicher Länge. Werden nun zwei um die Strecke d unterschiedlich
weit entfernte Gegenstandspunkte P1 und P2 anvisiert, so entstehen die Strecken p1
und p2. Ihre Differenz ǻ wird als stereoskopische Parallaxe bezeichnet.
Die Tiefenwahrnehmung zweier unterschiedlich entfernter Gegenstandspunkte
wächst somit proportional zum Augenabstand a und der Tiefendifferenz d der
beiden Punkte. Sie verhält sich umgekehrt proportional zum Quadrat des mittleren
Tiefenabstands e der Punkte. Für das beidäugige Sehen darf ein Mindestwert (Tie-
fensehschärfe) der Parallaxe ǻ nicht unterschritten werden; dieser beträgt etwa 5´´
bis 10´´. Theoretische und beobachtete Werte der Tiefensehschärfe finden sich in
Tabelle 3.13.
Die Berechnung der Disparität ist ein Prozess, der in der Kette der Informati-
onsverarbeitung sehr früh erfolgt. Ein entscheidendes Experiment, das diese Theo-
rie stützt, wurde von JULESZ (1971) durchgeführt. Er erzeugte mit Hilfe eines
Computers ein sog. Random-Dot Stereogramm (siehe Abb. 3.74). Ungefähr in der
Mitte beider Bilder befindet sich ein „L“, das für beide Bilder eine identische
Pixelanordnung hat. Dieses „L“ ist in einem der Bilder um einige Pixel nach innen
(nasal) verschoben. Die dadurch in diesem Bild entstehende leere Spalte wurde
mit Random Dots aufgefüllt. Bei einäugiger Betrachtung ist in den Bildern kein
Objekt zu erkennen. Durch ein Stereoskop dargeboten wird in der Mitte ein etwas
oberhalb der Bildfläche schwebendes Quadrat wahrgenommen. Die monokuläre
Erkennbarkeit eines Objekts und die Fusion der Konturen spielen also keine Rolle
bei der Tiefenwahrnehmung auf der Basis von Disparität. Dies spricht für eine
relativ frühe Phase im Verarbeitungsprozess. Mit der Methode des „Schielens“
oder „Durchguckens“ ist dieser Effekt in zahlreichen „Magischen Bildern“ auch
ohne Stereoskop zu erleben.
Arbeitsformen 333

Tabelle 3.13: Vergleich der theoretischen mit der beobachteten Tiefensehschärfe bei einem
Grenzwinkel 5‘‘ (nach SCHOBER 1954; KEIDEL 1971)

E theoretische beobachtete Tiefenschärfe bei Aufgaben bei


Tiefenschärfe guten mittleren schlechten Keidel
Beleuchtungsverhältnissen
20 cm 0,02 mm
50 cm 0,1 mm
1 0,37 mm 0,4 mm 0,6 mm 1,0 mm 0,4 mm
10 m 3,8 cm 4,0 cm 4,0 cm
100 m 4,15 m 3,7 m 7,0 m 3,5 m
1000 m 274,0 m 275,0 m
äußerste
240,0 m
Grenze
1310,0 m 1300,0 m 90,0 m
gegen
450,0 m
Unendlich

Abb. 3.74: Eigene Darstellung eines Random Dot Stereogrammes nach JULESZ (1971)

Bewegungsinduzierte Tiefenkriterien
BewegungsparallaxeĆ
Im vorangegangenen Abschnitt wurde die Tiefenwahrnehmung durch beidäugiges
Sehen behandelt. Dabei wurde deutlich, dass die Entfernungsdifferenz zweier in
großer Ferne positionierter Gegenstände durch die Funktion des beidäugigen Se-
hens nur unzureichend wahrgenommen werden kann. Tatsächlich kann aber auch
bei großen Entfernungen von Objekten eine Differenzierung hinsichtlich ihres
Abstands vom Beobachter und untereinander vorgenommen werden. Diese Fähig-
keit wird durch die sog. Bewegungsparallaxe (Abb. 3.75) begründet. Werden zwei
in großer Entfernung zum Beobachter befindliche, ruhende Gegenstandspunkte P
und F, welche eine geringe Entfernungsdifferenz untereinander aufweisen, ange-
334 Arbeitswissenschaft

sehen, so liegen diese zunächst auf einer Gesichtslinie, d.h. scheinbar in einer
Ebene. Bewegt der Beobachter nun aber seinen Kopf oder Körper um eine Strecke
L zur Seite, so liegen die beiden Punkte nicht mehr auf einer Gesichtslinie, son-
dern auf zwei Linien, die einen Winkel ș aufspannen. Die gleiche Parallaxenände-
rung kann auch dadurch entstehen, dass sich zwei Objekte bei ruhendem Auge
quer zum Beobachter bewegen.

Abb. 3.75: Bewegungsparallaxe nach KALAWSKY (1993)

Die durch die Kopfbewegung entstehende Parallaxenänderung wird beschrie-


ben durch:
'D
T L (3.20)
D2
Die Geschwindigkeit, mit der diese Bewegung ausgeführt wird, kann mit
Arbeitsformen 335

dT
Z (3.21)
dt
berechnet werden. Sie muss innerhalb gewisser Grenzen liegen, damit die Bewe-
gung durch die Augen wahrgenommen werden kann.
VisuelleĆWahrnehmungĆvonĆBewegungenĆ
Für die Wahrnehmung von Objekt-Bewegungen bei ruhendem Auge ist nicht die
foveale, sondern die periphere Netzhautabbildung von besonderer Bedeutung.
Dabei werden die Lokaladaption, der Kontrast und die entstehenden Nachbilder
für die Wahrnehmung hinzugezogen. Die Auffälligkeit von bewegten Objekten ist
im peripheren höher als im fovealen Netzhautbereich. Deshalb kann der bewegte
Beobachter aus der Auswertung der peripheren Lichtreize Geschwindigkeits-
informationen gewinnen. Dagegen steigt die Wahrnehmungsschwelle zur Periphe-
rie an.
Die Geschwindigkeit eines bewegten Objekts muss innerhalb eines definierten
Bereichs liegen, damit eine Bewegung wahrgenommen werden kann. Da die
Wahrnehmung unter Bezugnahme auf stationäre Referenzmarken ausgelöst wird,
beträgt die Mindestgeschwindigkeit eines bewegten Objekts gegenüber der Um-
gebung im fovealen Bereich etwa 1‘-2‘/s (Bogenminuten pro Zeitsekunde). Fehlen
in der Umgebung des bewegten Objekts Bezugsobjekte, so erhöht sich die Wahr-
nehmungsschwelle auf 15‘-20‘/s. Andererseits müssen die Sehrezeptoren für eine
Mindestzeit stimuliert werden, um Lichtreize überhaupt aufnehmen zu können.
Bewegt sich ein Objekt so schnell durch das Gesichtsfeld, daß diese Bedingung
nicht erfüllt wird, kann das Objekt nicht wahrgenommen werden (bspw. ein
vorbeifliegendes Geschoß). Als maximale Geschwindigkeit wird ein Bereich von
150‘-155‘/s angegeben. Darüber hinaus muss das bewegte Objekt einen Mindest-
verschiebungsweg quer zum Beobachter zurückgelegen. Er beträgt bei ruhendem
Fixierpunkt mindestens 20“, bei fehlendem Fixierpunkt mindestens 80“.
Die oben genannten Zusammenhänge sind vor allem dann relevant, wenn sich
ein Beobachter durch einen mit Objekten versehenen Raum bewegt. Da sich die
Abbildungen der Objekte durch die Bewegungsparallaxe verschieben, vermitteln
diese einen sehr guten Eindruck von der Bewegungsgeschwindigkeit und der
Höhe des Beobachters über dem Grund. Die Bewegung der Abbildungen der
Raumobjekte auf der Netzhaut werden oft als „optischer Fluss“ bezeichnet. Die
Trajektorien der auf der Netzhaut abgebildeten Objekte scheinen dabei aus einem
Fluchtpunkt zu entspringen und laufen je nach lateraler Ablage vom Beobachter
und dessen Höhe auf die Bildebene zu (Abb. 3.76).
336 Arbeitswissenschaft

Abb. 3.76: Optischer Fluss eines Piloten bei konstanter Flughöhe (aus JOHANSSON 1978)

Objekterkennung
In den vorhergehenden Abschnitten wurde zwar analysiert, wie der Mensch Hel-
ligkeitsunterschiede, Farben, Bewegungen usw. wahrnimmt, es muss aber noch
eine Bedeutung zugeordnet werden, die mit verschiedenen Modellen erklärt wer-
den kann. Der Prozess der Objekterkennung ist zwar streng genommen den zentra-
len Prozessen zuzuordnen, die erst im folgenden Abschnitt analysiert werden, er
wird jedoch zum besseren Verständnis des Gesamtsystems direkt nach der eben
erläuterten visuellen Wahrnehmung behandelt.
Schablonenmodelle
Die Verwendung einer Schablone ist das einfachste Verfahren zur Klassifizierung
und Wiedererkennung von Mustern. Um eine Schablone zu verwenden, bedarf es
einer genauen Repräsentation eines jeden Musters, das erkannt werden soll. Das
Erkennen wird durch den Vergleich des externen Signals mit den intern vorlie-
genden Schablonen ermöglicht. Die Schablone, die am besten passt, identifiziert
das Muster. Bevor der Vergleich stattfindet, muss unter Umständen das externe
Signal sowohl in der Raumlage als auch in der Größe den Schablonen angepasst
werden.
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass menschliches Muster-Erkennen ausschließ-
lich mit Schablonen vor sich geht. Das Modell wäre nur dann anwendbar, wenn
die Grundmenge der zu erkennenden Muster in irgendeiner Weise beschränkt
werden kann (wie z.B. beim Erkennen von Buchstaben).
Pandämonium von Selfridge
Ein anderes Modell beschreibt das Erkennen von Mustern mittels Merkmalsex-
traktion. Es gibt Nervenzellen im Cortex, die in der Lage sind, auf bestimmte
Raumlagen, Winkel, Lichtkontraste, Bewegungen und Farben zu reagieren. Die
interne Repräsentation der zu erkennenden Muster besteht aus einer Aufzählung
solcher Merkmale. Der Buchstabe „R“ z.B. wird durch eine vertikale Linie, zwei
horizontale Linien, eine schräge Linie, drei rechte Winkel und einen unterbroche-
Arbeitsformen 337

nen Bogen definiert. Löst das zu erkennende Signal bei entsprechenden Nerven-
gruppen eine Reaktion aus, die mit der internen Repräsentation übereinstimmt,
wird das Muster bzw. der Buchstabe „erkannt“. In Abb. 3.77 ist dieser Vorgang
graphisch dargestellt. Die kognitiven Dämonen reagieren sehr unterschiedlich auf
die Merkmalsangaben. Der Buchstabe „R“ reagiert am deutlichsten und wird da-
her auch vom Entscheidungsdämon erkannt. Die Buchstaben „P“ und „D“ wären
die nächst wahrscheinlichsten Muster mit vier bzw. drei Übereinstimmungen in
den Merkmalsblöcken. Dieses Modell fordert, dass Stimuli durch möglichst viele
differenzierende Merkmale gekennzeichnet sein sollten, wenn diese schnell und
eindeutig erkannt werden sollen. Obwohl recht flexibel, erklärt dieses Modell nur
einen Teil des Erkennungsvorgangs. Sicherlich wäre es denkbar, dass auch viel
komplexere Objekte durch Verknüpfungen mehrerer Merkmalsdetektoren erkannt
werden könnten. Aber gibt es für alles, was wir wahrnehmen, einen Detektor?
Dies ist vermutlich nicht der Fall.

Abb. 3.77: Merkmalsextraktion nach Selfridge – das Pandämonium (aus LINDSAY


u. NORMAN 1981)
338 Arbeitswissenschaft

3.3.2.1.2.2 Auditives Wahrnehmungssystem


Auditive Signale werden in Arbeitssystemen häufig zur Informationsübertragung
verwendet und sind darüber hinaus oft wichtige Indikatoren bei der manuellen
Prozessführung und -überwachung, bspw. von Produktionsmaschinen. Deshalb
sollen einige Grundlagen des auditiven Wahrnehmungssystems erläutert werden.
Aufbau des menschlichen Ohrs
Das menschliche Ohr (Abb. 3.78) wird in drei Bereiche eingeteilt und zwar in das
Außenohr (Muschel und Gehörgang), das Mittelohr mit Trommelfell und Übertra-
gungsknöchelchen (Hammer, Amboss u. Steigbügel) sowie das flüssigkeitsgefüll-
te Innenohr in Form einer Schnecke.
Das Innenohr ist vom Mittelohr durch die Membranen in dem sog. ovalen und
dem runden Fenster abgetrennt. Das Innenohr wird weiterhin durch die
Basilarmembran geteilt. Am Ende des Innenohrs sind die so getrennten Kammern
durch eine Öffnung verbunden. Auf der Basilarmembran befinden sich Haarzel-
len, die in der Lage sind, Druckschwankungen in elektrische Signale umzuwan-
deln. Bei einem Schallereignis wird das Trommelfell ausgelenkt. Diese Auslen-
kung wird mechanisch über die Gehörknöchelchen-Kette auf die Membran des
ovalen Fensters übertragen, mit dem Ziel, eine Verstärkung zu bewirken. Diese
Membran erzeugt durch ihre Auslenkung Druckwellen in der Flüssigkeit der
Schnecke. Diese Druckwellen laufen entlang der Basilarmembran bis an das Ende
der Schnecke, werden dort reflektiert und laufen auf deren Rückseite in Richtung
des runden Fensters zurück. Die elastische Basilarmembran verformt sich bei
Druckunterschieden zwischen Vorder- und Rückseite. Infolge der Frequenzabhän-
gigkeit der Wellenlänge von Schallwellen kommt es zu Verformungen der Memb-
ran, deren Ort ebenfalls frequenzabhängig ist. Aufgrund dieses Effekts und der
Weiterverarbeitung der Impulse in der zentralen Hörbahn ist das menschliche Ohr
in der Lage, frequenzabhängig zu hören.

A äußeres Ohr Mittelohr Innenohr B Hammer


Gehör- Amboss
knöchel- Bogengänge
Ohr- chen Cochlea Steigbügel
muschel
Hörnerv ovales
Fenster
Trommelfell Drehpunkt
Scala:
äußerer vestibuli
Gehörgang
Trommel- media
äußerer
Gehörgang fell rundes Fenster
tympani
ovales Fenster
(unter der Steig-
bügelfußplatte) rundes
Tuba eustachii Fenster

Abb. 3.78: Aufbau des menschlichen Ohres aus BECKER-CARUS (2004)


Arbeitsformen 339

Reizleitung im auditiven System


Die Umwandlung von Druckwellen in elektrische Impulse findet durch die Haar-
zellen statt, die sich zwischen einer Deckmembran und der Basilarmembran be-
finden. Von BÉKÉSY (1947) war der Erste, der die Ausbreitung einer Druckwelle
über die Basilarmembran sichtbar machte. Vom visuellen System ist bekannt, dass
es Neuronen gibt, die auf ganz bestimmte Reize reagieren: die Merkmalsdetekto-
ren. Die Frage stellt sich, ob solche auch im auditiven System existieren. Obgleich
das auditive System in vielerlei Hinsicht ähnlich reagiert wie das visuelle System,
ist es sehr viel schwieriger festzulegen, was die kritischen Merkmale eines akusti-
schen Reizes sein könnten. Zumindest kann man sagen, dass für Intensität und
Frequenz detektorähnliche Mechanismen des Hörsinns vorhanden sein müssen
(siehe weiter unten). Hinzu kommt, dass die Struktur des auditiven Systems we-
sentlich komplexer ist als die des visuellen Systems. Auf cortikaler Ebene finden
wahrscheinlich die komplexeren Analysen statt, die über eine Analyse von Fre-
quenz und Intensität hinausgehen. Viele cortikale Neuronen reagieren z.B. über-
haupt nicht auf reine Töne. Während sich auf den niedrigeren Ebenen des auditi-
ven Systems, wie auch im visuellen System, eine tonotopische (eine dem Ort der
Reizung auf der Basilarmembran entsprechende Abbildung) Organisation nach-
weisen lässt, ist nicht sicher, ob dies auch auf cortikaler Ebene zutrifft.

Hüllkurve M
Helicotrema
Amplitude

1
2
Basis
3
Laufrichtung
A der Welle
M

sis
Ba
a
trem

B
lico
He

Abb. 3.79: A) Die unmittelbare Verformung der Basilarmembran zu drei aufeinanderfol-


genden Zeitpunkten. Die Welle bewegt sich von links nach rechts, wächst langsam an und
fällt schnell ab, sobald sie den Punkt maximaler Auslenkung (M) erreicht hat. B) Perspekti-
vische Darstellung der Wanderwelle in den cochleären Membranen. Aus BECKER-
CARUS (2004)

Tonhöhenwahrnehmung und Lautstärkewahrnehmung


Das menschliche Ohr ist in der Lage, sehr geringe Frequenzunterschiede wahrzu-
nehmen. Ein Ton von 1000 Hz kann von einem 1003 Hz Ton unterschieden wer-
den – ein Unterschied von lediglich 0,3%. Dies ist durch folgende drei Mechanis-
men möglich:
340 Arbeitswissenschaft

(1) Genaue Frequenzabbildung auf der Basilarmembran (Abb. 3.79): Eine be-
stimmte Frequenz erzeugt eine maximale Auslenkung der Cochlea immer an
der gleichen Stelle. Allerdings gilt das nur für den höheren Frequenzbereich.
Bei Frequenzen unter 1000 Hz gibt es immer stärkere Überlappungen bei der
örtlichen Abbildung der Frequenzen, bis die ganze Membran in Schwingung
gerät, wodurch dieser als Ortstheorie bekannte Mechanismus nicht mehr
wirkt.
(2) Empfindlichkeit bestimmter Haarzellen für bestimmte Frequenzen: Platziert
man Elektroden an verschiedenen Stellen der Cochlea, so erreicht man eine
frequenzbezogene, tonotope Karte (Abb. 3.80). In der Karte sind die maxi-
malen Erregungen der Frequenzen entlang der Basilarmenbran dargestellt. Es
wird ersichtlich, dass die Haarzellen vor allem an den Orten des jeweiligen
Schwingungsmaximums erregt werden.
(3) Phasenkopplung („phase-locking“) der von den Hörnerven abgegebenen
Impulse mit einer bestimmten Phase der Reizwelle: Die Nervenzelle gibt mit
der Frequenz des Stimulus ihre Impulse an die nächste Verarbeitungsstufe
weiter. Dieser Mechanismus wirkt vor allem im niederen Frequenzbereich,
versagt aber ab Frequenzen von 4000-5000 Hz, da Neuronen eine begrenzte
zeitliche Kapazität haben. Über Phasenkopplung funktioniert auch die Wahr-
nehmung von Taktmustern. Hierbei werden mehrere Frequenzen überlagert
(z.B. 1000, 1200, 1400, 1600 Hz etc.), zu hören ist aber ein anderer Ton (z.B.
200 Hz). Es lässt sich nachweisen, dass die Ortstheorie hier nicht greift. Die
hieraus abgeleitete Periodentheorie besagt, dass der gesamte Impulsverlauf
im Hörnerv entsprechend dem Taktmuster des Schalls entsteht.
Es gibt also Unterstützung sowohl für die Ortstheorie als auch für die Perioden-
theorie. Gegenwärtig geht man davon aus, dass beide Mechanismen wirksam sind.
Im Bereich bis 1000 Hz ist nur die Periodenkodierung wirksam, zwischen 1000
und 5000 Hz sind Perioden- und Ortskodierung wirksam und über 5000 Hz ist
ausschließlich die Ortskodierung wirksam. Man nimmt an, dass die Form der
Kurven gleicher Lautstärke (siehe Kap. 9.1) zumindest zum Teil durch den Ein-
satz dieser zwei Mechanismen erklärt wird. Wenn sowohl die Lautstärke als auch
die Tonhöhe durch die Anzahl neuraler Impulse pro Zeiteinheit kodiert werden, so
ist anzunehmen, dass in dem Frequenzbereich, in dem dies der Fall ist, eine Be-
ziehung zwischen wahrgenommener Lautstärke und wahrgenommener Tonhöhe
existiert.
Für die Gestaltung von Arbeitssystemen lässt sich bspw. ableiten, dass man
Überlagerungen von äquidistanten Frequenzen vermeiden sollte, da nicht mehr die
einzelnen Frequenzen wahrgenommen werden, sondern das hierbei entstehende
Taktmuster. Diese Frequenz ist außerdem gut dazu geeignet, das Signal-Rausch-
Verhältnis zu optimieren.
Arbeitsformen 341

y6000
y7000
y2000
y5000
y700
y600 y200 y2500
y60 y800
y4000 y500 y150 75 y250
y75 250
y1500 y3000
y125 y100
y400 y300 y1000

Ende der Cochlea


y3500
(am Steigbügel)

Abb. 3.80: Frequenzbezogene, tonotope Karte der Cochlea aus BECKER-CARUS (2004).
Die Zahlen bezeichnen die Frequenz und den Ort ihrer maximalen elektro-physiologischen
Antwort.

Je höher die Schallintensität, desto breiter das Frequenzband, auf das ein Hör-
nerv anspricht. Diese Charakteristik der Hörnerven führt bei höheren Schallinten-
sitäten und gleichbleibender Frequenz zum Ansprechen von immer mehr benach-
barten Hörnerven. Die Schallintensität ist also durch die Anzahl der Impulse pro
Zeiteinheit kodiert. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Vibration der
Basilarmembran nicht linear ist. Durch diese Nonlinearität wird der Gipfel bei
hohen Schallniveaus abgeflacht. Zu hohe Schallintensitäten schädigen allerdings
das Ohr (siehe Kap. 9.1). Bezogen auf die Gestaltungsrelevanz dient die Lautstär-
ke zwar zur Verbesserung des Signal-Rausch-Verhältnisses, die Möglichkeiten
sind aber durch die Nachteile des gehörgefährdenden Lärms, der dabei entstehen
kann, beschränkt.
Raumwahrnehmung
Die Raumwahrnehmung basiert auf der Lokalisierung bzw. Ortung des Schalls.
Die Ortung beruht auf zwei Mechanismen:
(1) Bei niederen Frequenzen zählt der Zeitunterschied, mit dem eine Schallwelle
beide Ohren erreicht, bzw. ihre Phasenunterschiede: Wenn die Schallquelle
rechts vom Hörer ist, müssen sich die Schallwellen um den Kopf biegen, um
das linke Ohr zu erreichen, wodurch der Weg länger wird. Allerdings wird es
ab Frequenzen von 1300 Hz und höher schwierig: Zweideutigkeiten gibt es
dann, wenn die Wellenlänge der Töne in etwa mit dem halben Abstand der
beiden Ohren vergleichbar ist. Ein Ton von etwa 750 Hz wird in diesem Fall
mit entgegengesetzten Phasen in beiden Ohren eintreffen (Phasenunterschied
= 180°). Vom Standpunkt des Beobachters aus kann dies bedeuten, dass der
Ton in dem einen Ohr entweder einen halben Zyklus vor oder einen halben
Zyklus hinter dem im anderen Ohr liegt, sich die Schallquelle also links oder
rechts von ihm befindet. Die Ortsbestimmung auf Grund des Phasenunter-
342 Arbeitswissenschaft

schieds wird mehrdeutig. Kopfbewegungen oder Bewegungen der Schall-


quelle lösen in der Regel diese Mehrdeutigkeiten, erklären aber noch nicht
die gute Ortung bei höheren Frequenzen. Hier tritt ein zweiter Mechanismus
in Kraft:
(2) Bei kurzen Wellenlängen, d.h. hohen Frequenzen, entsteht durch den Kopf
ein Schallschatten (Abb. 3.81), und Töne erreichen die Ohren mit deutlich
unterscheidbaren Intensitäten.

Abb. 3.81: Töne direkt von vorne erreichen beide Ohren gleichzeitig. Kommen Töne z.B.
von der linken Seite, so erreichen sie erst das linke und nach kurzer Verzögerung das rechte
Ohr. Bei Frequenzen über 500-1000 Hz treten „Schallschatten“ auf. Aus BECKER-CARUS
(2004)

Die Ortung erfolgt also bei niederen Frequenzen auf Grund von Zeit-, bei ho-
hen Frequenzen auf Grund von Intensitätsunterschieden. Im Bereich zwischen
1000 und 5000 Hz wird zwischen beiden Mechanismen umgeschaltet, hier kommt
es auch zu den meisten Lokalisationsirrtümern.
In einer normalen Umgebung erreicht uns ein Ton nicht nur auf dem direktes-
ten Weg, sondern auch noch über eine Vielzahl von reflektierten Wegen. Diese
Effekte können so stark sein, dass die gesamte Schallenergie aus Reflexionen
(Echo) größer ist als die, die auf direktem Wege ins Ohr trifft. Töne, die räumlich
lokalisiert werden müssen, sollten demnach keine Frequenzen zwischen 1000 und
5000 Hz aufweisen. Wie kann eine Schallquelle noch lokalisiert werden?
WALLACH et al. (1949) kamen zu folgenden beiden Aussagen: (1) Wenn zwei
Klicks (Klick = weißes Rauschen sehr kurzer Dauer) die Ohren kurz nacheinander
erreichen, werden diese als ein Geräusch wahrgenommen, wenn der Zeitunter-
schied ausreichend klein ist: kleiner 5 ms für Klicks, jedoch bis zu 40 ms für Spra-
che oder Musik. (2) Wenn zwei Geräusche als ein Geräusch gehört werden, wird
die Position vom Gesamtgeräusch vorwiegend von der Position des ersten
Arbeitsformen 343

Geräuschs bestimmt (dem Geräusch, das auf direktem Wege das Ohr erreicht hat).
Dieser Effekt wird Präzedenzeffekt genannt. Er ermöglicht es jedoch nur dann
eine Geräuschquelle zu lokalisieren, wenn der Schall einen vorübergehenden
Charakter hat. Kontinuierliche Geräusche (gleiche Frequenz und Intensität über
längere Zeit) sind viel schwieriger zu lokalisieren.
Binaurales (beidohriges) Hören und Raumwahrnehmung helfen nicht nur bei
der Ortung von Schallquellen, sie erlauben auch eine selektive Wahrnehmung. Ein
gutes Beispiel für selektive Wahrnehmung ist die berühmte Cocktailparty. Wenn
wir uns in einem Raum mit vielen Menschen befinden, übertrifft das Hintergrund-
rauschen häufig den Schallpegel des Gesprächs, das wir gerade zu führen versu-
chen. Obwohl wir den Eindruck erwecken können, einem Gespräch zu folgen,
können wir beliebig auf ein benachbartes Gespräch umschalten und wieder zu-
rück. Wenn der Gesamtschall jedoch auf einem Tonband aufgenommen und wie-
der abgespielt wird, ist dies oft kaum noch möglich. Alles weist darauf hin, dass
der Filterungsprozess ein aktiver, willentlich gesteuerter Prozess ist, der dazu
dient, das Signal-Rausch-Verhältnis zu verbessern.
Soll ein akustisches Signal die Aufmerksamkeit auf etwas richten, so ist es
nicht unbedingt vorteilhaft, einen besonders großen Schalldruckpegel zu erzeugen.
Das Signal könnte schnell als Lärm empfunden werden (siehe Kapitel 9.1). Die
Fähigkeit zur selektiven Wahrnehmung gibt dem Ingenieur die Möglichkeit, ganz
andere Lösungen zu entwickeln, z.B. Signale, die zum Hörenden persönlichen
Bezug haben. Der zu vermittelnden Information könnte der Rufname vorangestellt
werden. So wird die Nachricht einem bestimmten Empfänger zugeordnet, indem
durch die Äußerung seines Rufnamens die Aufmerksamkeit auf die sich anschlie-
ßende Nachricht gerichtet wird (siehe WICKENS u. HOLLANDS 1999).
Auch die Ohrmuscheln helfen beim Lokalisieren von Geräuschen. Wenn die
Unregelmäßigkeiten in der Oberfläche der Muschel durch verschiedene Aufsätze
geglättet werden, wird es zunehmend schwieriger, Geräusche zu lokalisieren
(GARDNER u. GARDNER 1973). Binaurales Hören sollte also immer ermöglicht
werden, um die besonderen Mechanismen Ortung und selektive Wahrnehmung
einsetzen zu können.
Klassifizierung von auditiven Reizen
Im täglichen Leben erreichen meistens mehrere unterschiedliche Schallquellen
gleichzeitig das Ohr. Normalerweise ist das auditive System gut in der Lage, eine
(grammatikalische) Analyse des Gehörten so durchzuführen, dass die Komponen-
ten jeder einzelnen Schallquelle gruppiert werden und einen einzelnen perzeptuel-
len Strom bilden. Jede Schallquelle hat ein eigenes Timbre, eine eigene Lautheit
und Position, und manchmal ist eine Schallquelle als bekannt zu identifizieren.
Um eine perzeptuelle Trennung zu erreichen, können viele physikalische Eigen-
schaften des Reizes benutzt werden (siehe auch oben). Diese Hinweise sind (u.A.)
unterschiedliche Hauptbestandteile, Anfangszeitdifferenzen, Kontrast zum vorhe-
rigen Schall, Veränderungen in Frequenz und Intensität sowie Schallquellenposi-
tion. Keiner der Hinweise allein ist in allen Fällen effektiv, zusammen bilden sie
344 Arbeitswissenschaft

jedoch eine exzellente Grundlage für die Identifizierung akustischer Informatio-


nen. Verschiedene Gestaltgesetze der Wahrnehmung scheinen bei der Erkennung
akustischer Objekte ihre Gültigkeit zu beweisen.
Diese Fähigkeit des auditiven Systems, akustische Signale parallel verarbeiten
zu können, macht man sich zunutze. Man kann einem Objekt im Arbeitssystem
mehrere akustische Dimensionen zuweisen und dadurch bei wichtigen Informatio-
nen Redundanzen erzeugen oder jede akustische Dimension für sich nutzen und
dadurch eine höhere Transinformation erzeugen. Ein prägnantes Anwendungsbei-
spiel zur gleichzeitigen Darstellung von Entfernungsinformationen bei der Füh-
rung von zwei voneinander unabhängigen mobilen Robotersystemen durch einen
Operateur findet sich in TROUVAIN u. SCHLICK (2006, 2007). Hierbei wurde eine
binaurale Darstellung auditiver Reize verwendet, die Entfernungsinformationen
des ersten Roboters auf dem linken Ohr anzeigt, wohingegen Informationen des
zweiten Roboters auf dem rechten Ohr dargeboten werden. Für beide Ohren wurde
eine Kodierung in Form einer Pulsdauer- und Pulsfrequenzmodulation gewählt,
die man auch von Einparkhilfen im Kraftfahrzeug kennt. Die Ergebnisse von
Laborstudien belegen positive Leistungs- und Beanspruchungseffekte der
binauralen Informationsdarstellung.
Visuelle und auditive Darbietung von Information
Bei der Gestaltung von Mitteln zur Informationsübertragung ist die Wahl der
Modalität oft zwangsläufig vorgegeben (Straßenschilder – visuell, Durchsage auf
dem Flughafen – auditiv, etc.). Manchmal ist aber auch die Wahl zwischen ver-
schiedenen Modalitäten möglich. Tabelle 3.14 bietet einige Auswahlkriterien
zwischen auditivem und visuellem System. Grundsätzlich gilt: Während das audi-
tive System mehr selektierenden Charakter hat, hat das visuelle System gewöhn-
lich eher gerichteten Charakter, also die Aufgabe, das Selektierte näher zu unter-
suchen.
Wie akustische und visuelle Signale zusammenwirken könnten, liefert ein Bei-
spiel: Das Autofahren erfordert eine auf die Straße gerichtete visuelle Aufmerk-
samkeit, obwohl gleichzeitig andere visuelle Stimuli durch die Instrumente der
Aufmerksamkeit bedürfen. In solchen und vergleichbaren Situationen kann das
auditive System für Unterstützung sorgen, indem Informationen, die bisher In-
strumenten vorbehalten waren, akustisch kodiert werden. Das visuelle System hat
einen gewissen filternden oder direktionalen Charakter, da die Wahrnehmung
stark von der Blickrichtung abhängt. Das auditive System empfängt von allen
Seiten Informationen und ist auch fähig, diese parallel zu verarbeiten. Die Darbie-
tung von Information aus verschiedenen Richtungen erlaubt somit über die
Raumwahrnehmungsmechanismen des auditiven Systems die Verarbeitung einer
sehr hohen Informationsdichte, ohne die gerichtete (z.B. visuelle) Aufmerksam-
keit zu beeinträchtigen.
Arbeitsformen 345

Tabelle 3.14: Auswahlhilfe für auditive gegenüber visueller Modalität


(SANDERS u. McCORMICK 1993)

bevorzugt auditiv bevorzugt visuell


einfache Nachrichten komplexe Nachrichten
kurze Nachrichten lange Nachrichten
keine spätere Bezugnahme spätere Bezugnahme
auf Informationen auf Informationen
die zeitliche Folge in der Informationen über räumliche
Information ist wichtig Anforderungen ist relevant
die Nachricht erfordert die Nachricht erfordert
sofortige Handlung keine sofortige Handlung
das visuelle System ist das auditive System ist
bereits überfordert bereits überfordert
die Umgebung ist zu hell oder zu dunkel die Umgebung ist zu laut
(Adaption ist erforderlich)
die Arbeit bedingt ständige die Arbeit erlaubt es, an einen
Ortsveränderung Ort gebunden zu sein

3.3.2.1.2.3 Wahrnehmung von Beschleunigung und Lage


Das Vestibulärsystem ermöglicht uns die Orientierung im Raum, löst u.a. die
Stellreflexe zur Normalhaltung des Kopfs und der Augen aus und liefert die zur
Erhaltung des Gleichgewichts notwendige Information. Der Vestibulärapparat
liegt im Innenohr und ist direkt mit dem Schneckenhaus des auditiven Systems
verbunden (Abb. 3.78). Es ist aufgebaut aus drei Bogengängen und zwei Hohl-
räumen (Utriculus und Sacculus oder auch Statolithen-Organe).
Die drei Bogengänge liegen in den drei orthogonalen Ebenen des Raums. Auf
einer gallertartigen Erhöhung befinden sich Sinneshärchen, die durch Änderung
einer Drehgeschwindigkeit von der die Härchen umgebenden Flüssigkeit in Be-
wegung gesetzt werden. Je nach Richtung werden entsprechende Nervenimpulse
abgegeben. Die Sinnesfelder im Utriculus und im Sacculus sprechen auf Ände-
rungen einer in gerader Linie verlaufenden Geschwindigkeit an. Die Statolithen
(kleine sandähnliche Körnchen) reizen dabei die Rezeptoren durch ihre Trägheit.
Sehr langsame Bewegungsänderungen werden nicht wahrgenommen, wodurch die
innere Repräsentation der Bewegung und der Lage im Raum von der tatsächlichen
abweichen kann, oder aber entweder nur über die Bogengänge oder nur über die
Statolithischen Organe wahrgenommen, was zu Interpretationsschwierigkeiten der
Reize führt. Als Folge können Kinetosen auftreten (z.B. Seekrankheit).
346 Arbeitswissenschaft

3.3.2.1.2.4 Oberflächen- und Tiefensinn


Unter dem Begriff der Somatosensorik (auch somatische Sensibilität) werden
Rezeptorinformationen zusammengefasst, die von der Hautoberfläche des Körpers
(Oberflächensensibilität) und den Skelettmuskeln, Sehnen und Gelenken (Tiefen-
sensibilität) geliefert werden.
Für die Aufnahme von Reizen sind vier Rezeptortypen, die durch verschieden-
artige Reize stimuliert werden, von Bedeutung:
x Mechanosensoren: Druck, Berührung, Vibration, Spannung, Dehnung
x Thermosensoren: Abkühlung, Erwärmung
x Chemosensoren: Metabolite, pH-Wert, Partialdrücke von O2 und CO2, Glu-
kose
x Nozizeptoren: Gewebeschädigungen, Hitze, Quetschen.
Für die Somatosensorik haben die Chemorezeptoren eine geringere Bedeutung.
Aus den anderen genannten Rezeptortypen ergeben sich verschiedene Sinnesmo-
dalitäten, die jedoch innerhalb der Somatosensorik untereinander in Zusammen-
hang stehen:
x Mechanorezeption (Tastsinn)
x Propriorezeption (Tiefen- oder kinästhetische Sensibilität)
x Thermorezeption (Temperatursinn)
x Nozizeption (Schmerzsinn).
Tastsinn
Der Tastsinn wird durch das haptische Wahrnehmungssystem gewährleistet. Hap-
tisch bedeutet nach ZETKIN u. SCHALDACH (1978) „tastend, Leistungen beim
Greifen, bei denen im wesentlichen eine Zusammenarbeit von Druck- und Kraft-
sinn in Frage kommt“. Für die Wahrnehmung der Umwelt hat der Tastsinn eine
große Bedeutung. Mechanorezeptoren der Haut ergänzen die Empfindungen des
visuellen Systems, indem sie dem zentralen Nervensystem Informationen über
Oberflächeneigenschaften durch Ertasten liefern. Die Hautsinnesorgane vermitteln
durch das Erkennen von Druck, Berührung und Vibrationen einen plastischen
Eindruck über die Beschaffenheit von Arbeitsobjekten. Blinde sind mittels des
Tastsinns in der Lage, die kodierten Zeichen der Blindenschrift mit ähnlicher
Qualität und Geschwindigkeit zu entschlüsseln, wie es das visuelle System für
Schriftzeichen vermag.
Die taktile Empfindung wird durch die Meissner-Tastkörperchen und durch die
Nervennetze um die Haarzwiebeln und Haarwurzeln vermittelt. Als Rezeptoren
für Tiefensensibilität dienen die Vater-Pacini-Lamellenkörperchen. Sie passen
sich sehr schnell an Druckunterschiede an. Vibrationsempfindung wird durch
rhythmische Erregung der Sensoren für Oberflächen- und Tiefensensibilität her-
vorgerufen.
Arbeitsformen 347

Die Mechanosensoren lassen sich anhand ihrer Adaptionszeit in drei Typen ein-
teilen:
(1) Langsam adaptierende (SA-) Sensoren erzeugen bei Vorlage einer örtlich
konstanten Hautdeformation kontinuierlich elektrische Signale, deren Fre-
quenz proportional zur Druckamplitude ist. Demnach werden diese auch als
Druck- oder Intensitätssensoren bezeichnet. Da die Entladung solange anhält,
wie der Druckreiz aufgebracht wird, liefert der Sensor auch eine Aussage
über die Dauer des Reizes. SA I-Sensoren reagieren lediglich auf senkrecht
zur Hautoberfläche einwirkende Reize, während SA II-Sensoren bei Deh-
nung der Haut stimuliert werden.
(2) Die mittelschnell adaptierenden (RA-) Sensoren sprechen auf die Geschwin-
digkeit einer Hautdeformation an. Ihre Erregungsfrequenz ist proportional
zur Geschwindigkeit der Reizbewegung. Sie können demnach als Berüh-
rungs- oder Geschwindigkeitssensoren bezeichnet werden.
(3) Sehr schnell adaptierende (PC-) Sensoren reagieren auf Beschleunigungen
der mechanischen Hautdeformation. Bei einem unter konstanter Geschwin-
digkeit ablaufenden Druckreiz erzeugen sie jeweils zu Beginn und Ende der
Bewegung, also bei Änderung der Geschwindigkeit, einen Impuls. Sie sind
dadurch insbesondere leicht durch Vibrationen zu stimulieren. Ihrem Ant-
wortverhalten nach werden sie deshalb als Vibrations- oder Beschleuni-
gungssensoren bezeichnet.
Die Körperoberfläche verfügt über rund 500.000 Meissnerkörperchen. Die ört-
liche Dichte von Mechanosensoren in der Haut, d.h. das räumliche Auflösungs-
vermögen für Reize, ist in den einzelnen Körperteilen des Menschen sehr unter-
schiedlich. Beim Neugeborenen ist die Tastempfindlichkeit an Lippen und Zunge
am Größten, beim Erwachsenen an den Fingerspitzen. Es bestehen zudem starke
interindividuelle Varianzen, z.B. abhängig vom Geschlecht oder dem Alter. Zur
Beurteilung der Fähigkeit räumliche Details von Tastreizen wahrzunehmen, wird
die Zweipunktschwelle (Abb. 3.82) herangezogen. Diese gibt an, bis zu welchem
Abstand die simultanen Druckreize der zwei Spitzen eines Tastzirkels als örtlich
getrennte Reize wahrgenommen werden. Die Zweipunktschwelle variiert bei Er-
wachsenen zwischen Werten von 70 mm im Bereich der Extremitäten, insbeson-
dere der Oberschenkel und Oberarme, bis zu 1 mm an den Fingerkuppen und dem
Mund. Es zeigt sich allerdings, daß bei sukzessiver Darbietung der Reize bis zu
viermal so niedrige Zweipunktschwellen ermittelt werden können.
Die minimale Erregungsschwelle der Mechanosensoren wird mittels eines
elektronischen Reizgeräts gemessen. Die kleinste wahrnehmbare Eindringtiefe
eines Reizstößels beträgt 0,01 mm. Die Erregungsschwelle ist im Bereich der
Fingerkuppen erheblich geringer als an anderen Orten der Handinnenflächen. Bei
Reizung durch Vibrationen genügt bei 200 Hz schon eine Amplitude von 0,1 Pm,
um eine Empfindung auszulösen.
348 Arbeitswissenschaft

50

45

40

35
Schwellenmittelwerte (mm)

30

25

20

15

10

0
Fußsohle Oberschenkel Rücken Finger

Nase
Wange

Schulter

Daumen
Oberarm

Unterarm
Wade Bauch Brust 1 2 3 4
Groß-
zehe Ober-
lippe Stirn

Hand-
f läche

Abb. 3.82: Messung und Werte der Zweipunktschwelle aus BIRBAUMER u. SCHMIDT
(2006)

Tiefensinn
Unter dem Tiefensinn (Propriosensibilität) werden Wahrnehmungen zusammenge-
fasst, die die Stellung von Körperteilen und deren Bewegungen betreffen. Dazu
sind in den Gelenken, Muskeln, Sehnen sowie der Haut und im Vestibularapparat
entsprechende Sensoren vorhanden. Der Tiefensinn wird, wie in Abb. 3.83 darge-
stellt, weiter unterteilt in einen Stellungssinn, der die Stellung der Gelenke wahr-
nimmt, einen Bewegungssinn, welcher in Abhängigkeit von den Winkelgeschwin-
digkeiten der Gelenke deren Winkeländerung aufnimmt und zwar bei proximalen
Gelenken unter einer niedrigeren Erregungsschwelle als bei distalen Gelenken,
und einen Kraftsinn, in den die Reize der Muskelsensoren in Abhängigkeit von
der Muskelkraft einfließen.
Weil dem Menschen auch direkt nach dem Aufwachen die Stellung seiner
Gliedmaße bekannt ist, kann angenommen werden, dass eine Adaption der Senso-
ren nicht erfolgt. Zusammen mit ergänzenden Informationen aus dem Vestibular-
organ und den Sensoren der Haut, insbesondere über Hautdehnung, werden diese
Reize im zentralen Nervensystem zur Wahrnehmung der Körperstellung und –be-
wegung integriert.
Arbeitsformen 349

Zentrale motorische
Befehle

Efferenzkopie

Muskelspindeln
Propriozeption:

Sehnenorgane Wahrnehmungen über:


Gelenkposition zentrale Bewegung
somatosensorische Stellung
Integration Kraft
Gelenksensoren
Lage

Hautsensoren

Körperlage Vestibularorgan zerebelläre


Verarbeitung

Abb. 3.83: Propriorezeption aus ZIMMERMANN (2005)

Sehnen- und Muskelsensoren


In den Sehnen der Skelettmuskeln befinden sich dehnungsempfindliche Sensoren,
die sowohl bei passiver als auch bei aktiver Dehnung Signale abgeben. Sehnen-
sensoren geben also Informationen über die Spannung im Muskel weiter und kön-
nen somit als Spannungsdetektoren betrachtet werden. Bei starker Reizung können
sie die Muskelaktivität hemmen, so dass eine zu starke Kontraktion vermieden
wird. Diese Sensoren haben im Durchschnitt eine höhere Reizschwelle als die
Muskelspindeln. Diese sind in Bau und Funktion etwas komplexer als die Sehnen-
sensoren. Sie befinden sich in den Muskeln selber und sind zwischen 2 und 10
mm lang. Aufgrund ihrer Bauart werden sie Spindeln genannt, da sie aus zwei
Arten modifizierter Muskelfasern mit einer spulenförmigen Kapselung bestehen.
Auffällig ist, dass die Muskelfasern nicht nur afferent (zum Gehirn leitend), son-
dern auch efferent (vom Gehirn aus) innerviert werden. Die afferent-sensiblen
Fasern können Erregungen aufnehmen, sowohl bei passiver Dehnung der Spindeln
durch Zerrung am Muskel, wie auch bei aktiver Kontraktion ihrer eigenen Mus-
kelfasern. In der reflektorischen Anpassung der Gesamtmuskelspannung spielt
dies eine wichtige Rolle, indem ungewollte Längenänderungen des Muskels über
die afferenten Fasern und eine direkte Kopplung im Zentralnervensystem durch
Innervierung mit den efferenten Fasern wieder ausgeglichen werden. Dies erzeugt
eine gewisse Stabilität und ermöglicht eine Bewegungskontrolle, deren Steuerung
durch das Zentralnervensystem höhere zentrale Verarbeitungsstufen entlastet.
Gelenksensoren
In den Gelenkkapseln sind unterschiedliche Typen von Sensoren anzutreffen,
nämlich die paciniformen und die ruffiniformen Sensoren (häufigste Vertreter) als
auch freie Nervenenden. Die Entladungsfrequenz der Neuronen verändert sich im
Prinzip als Funktion der Gelenkstellung und der Veränderungsgeschwindigkeit
(nimmt jedoch bei gleichbleibender Gelenkstellung ab und verbleibt dann auf
einer etwas niedrigeren Frequenz). Hierdurch ist es möglich, sowohl über den
Stand als auch über die Veränderungsrate Informationen zu erhalten.
350 Arbeitswissenschaft

Temperatursinn
Die Temperaturempfindung kann nicht funktionell einheitlich betrachtet werden,
weshalb eine Unterteilung des Temperatursinns in einen Kälte- und einen Wärme-
sinn erfolgt. Jedem dieser beiden Sinne stehen eigene Kalt- bzw. Warmsensoren in
der Haut zur Verfügung (Krause-Körperchen), wobei die örtliche Dichte der Käl-
tepunkte auf der Handfläche 1-5/cm2 gegenüber 0,4/cm2 für Wärmepunkte beträgt.
Insgesamt besitzt der Mensch etwa 30.000 Wärme- und 250.000 Kältepunkte. Die
meisten Warm- und Kaltsensoren finden sich im Gesichtsbereich, wodurch sich
die hohe Temperaturempfindlichkeit dieser Region erklärt.
Subjektive bewusste Temperaturempfindungen und ihre vegetativen Reaktio-
nen können sowohl als wohltuend (wohlige Wärme) als auch als unangenehm
(Frieren, Schwitzen) bewertet werden. Temperaturempfindungen werden jedoch
auch unterbewusst im Zusammenhang mit der Thermoregulation weiterverarbei-
tet. Bei der Temperaturempfindung ist zwischen der statischen und dynamischen
Temperaturempfindung zu unterscheiden. Die statische Temperaturempfindung
erfolgt bei konstanter Temperatur eines Umweltreizes, bspw. beim Einstieg in ein
Wannenbad von 33°C. Im Moment des Einstiegs kommt es zunächst zu einer
Wärmeempfindung. Nach einiger Zeit jedoch verblasst diese Wärmeempfindung,
und die Wassertemperatur wird als neutral empfunden. Der Temperaturbereich, in
dem es durch eine Adaption der Thermosensoren von einer Warm- oder Kalt- zu
einer Neutralempfindung kommt, wird als Zone der Indifferenztemperatur be-
zeichnet. Sie liegt für eine Hautfläche von 15 cm2 zwischen 31°C und 36°C. Liegt
die Reiztemperatur außerhalb dieser Indifferenzzone, so kommt es nicht zu einer
Adaption an den Reiz und die Warm- bzw. Kaltempfindung bleibt bestehen. Bei
besonders großen (45°C) bzw. kleinen (17°C) Temperaturen erfolgt ein Übergang
von der Wärme- zur schmerzhaften Hitzeempfindung bzw. der Kälteempfindung
zum Kälteschmerz.
Die dynamische Temperaturempfindung beschreibt das Antwortverhalten der
Thermosensoren bei variierenden Reiztemperaturen. Die Wärme- und Kälte-
Empfindungsschwellen hängen von der Ausgangstemperatur der Haut, der Ände-
rungsgeschwindigkeit und der Größe der gereizten Hautfläche ab. Bei einer nied-
rigen Hauttemperatur (28°C) wird eine Abkühlung schneller empfunden als eine
Erwärmung. Bei hoher Hauttemperatur (38°C) verhält es sich genau umgekehrt.
Die Warm- und Kaltschwelle steigt bei sinkender Änderungsgeschwindigkeit, d.h.
die Empfindlichkeit nimmt ab. Daher ist es möglich, daß großflächige langsame
Abkühlungen nicht wahrgenommen werden.
Schmerz
Schmerz wird meistens indirekt über sich im Gewebe anhäufende Schmerzmedia-
toren hervorgerufen, welche die freien Nervenenden reizen. Zu den Mediatoren
zählen Kinine, Prostaglandine, Azetylcholin, Serotonin und Histamin. Eine Unter-
brechung der Nervenleitung verhindert die Schmerzempfindung. Ein körpereige-
ner Mechanismus zur Schmerzverminderung ist durch Endorphine (körpereigene
morphinähnliche Stoffe) gegeben. Die Endorphine besetzen die synaptischen
Arbeitsformen 351

Rezeptorstellen in den spinalen Ganglien, die für die Weiterleitung von Schmerz
an das Gehirn verantwortlich sind. Dieser Mechanismus kann durch Naloxone
außer Kraft gesetzt werden.

3.3.2.1.2.5 Geschmacks- und Geruchssinn


Die Empfindung von Geschmack und Geruch ist schon einfachen Lebewesen
möglich; somit zählen diese beiden chemischen Sinnessysteme zu den entwick-
lungsgeschichtlich ältesten Sinnen. Die beiden Systeme lassen sich nach verschie-
denen Kriterien unterscheiden: Es sind physiologische Unterschiede hinsichtlich
der Sensortypen, ihrer Lage im Körper, ihrer Innervierung und der Verarbeitung
im zentralen Nervensystem festzustellen. Im folgenden wird eine Unterscheidung
hinsichtlich der Reizbarkeit vorgenommen.
Der Geschmackssinn kann durch organische und anorganische Moleküle von in
der Regel nicht flüchtigen Stoffen gereizt werden. Die Konzentration eines Stoffs
in einer Lösung muss mindestens 1016 Moleküle/ml betragen. Die Reizquelle muss
sich dazu in unmittelbarer Nähe oder im Kontakt mit dem Sinnesorgan befinden.
Aus diesem Grunde wird der Geschmackssinn auch als Nahsinn klassifiziert. Sei-
ne Hauptaufgabe besteht in der Kontrolle aufzunehmender Nahrung und der Steu-
erung der Nahrungsaufnahme und -verarbeitung, bspw. durch Auslösen des Spei-
chelreflexes. Dazu können die vier Reize süß, salzig, sauer und bitter differenziert
werden.
Der Geruchssinn wird durch gasförmige Moleküle organischer Verbindungen,
die erst am Rezeptor verflüssigt werden, gereizt. Die Reizquelle kann sich deshalb
in größerer Entfernung befinden, weshalb der Geruchssinn sowohl als Nah- als
auch als Fernsinn dient. Die zur Wahrnehmung erforderliche Konzentration eines
Stoffs in Luft ist von der Art des Stoffs abhängig; die Empfindlichkeit des
menschlichen Geruchssinns kann für einige Stoffe sehr hoch sein und bei 107
Molekülen/cm3 Luft beginnen. Durch die Empfindung von Gerüchen wird zum
einen die Umwelt hinsichtlich des Vorhandenseins gefährlicher Stoffe als auch die
Nahrung kontrolliert. Der Geruchssinn ist in der Lage, mehrere Tausend Reizquel-
len (Gerüche) voneinander zu unterscheiden und zu klassifizieren. Der Geruch
führt im hohen Maße zu einer emotionalen Bewertung einer Umgebung.
Die Empfindung von Geschmack und Geruch ist beim Menschen eng mitei-
nander verbunden, wobei der Geruch als dominant einzuschätzen ist, da ohne
Geruchsempfindung, bspw. bei starkem Schnupfen, nur eine Differenzierung
zwischen den vier Grundqualitäten süß, salzig, sauer und bitter möglich ist.
Geruchssinn
Der Geruchssinn wird vom olfaktorischen System erzeugt. Die Rezeptoren befin-
den sich in der olfaktorischen Region und bestehen aus einer Schleimhautfläche,
die direkt unterhalb des Siebbeins (ein gelöcherter Knochen zwischen Nasenhöhle
und Gehirn) liegt. Die Rezeptoren liegen in der Schleimhautfläche und sind durch
Nervenfasern, die durch das Siebbein verlaufen, mit dem Riechkolben (bulbus
olfactorius) verbunden. Die Wahrnehmung von Gerüchen über die Riechzellen
352 Arbeitswissenschaft

wird ergänzt durch die Reizung freier Nervenenden in der Nasenschleimhaut und
im Mundrachenraum. Diese reagieren insbesondere auf hochkonzentrierte Verbin-
dungen, die die Empfindung „stechend – beißend“ (Salzsäure, Ammoniak, Chlor)
im nasalen oder „brennendscharf“ (Piperidin, Capsaicin) im oralen Bereich auslö-
sen.
Der Mensch besitzt rund 10 Mio. Rezeptorzellen (zum Vergleich: ein Hund hat
etwa 1000 Mio. Rezeptorzellen). Die vermeintlich geringe Empfindlichkeit des
menschlichen Riechorgans ist also auf die geringe Anzahl von Rezeptoren zurück-
zuführen. Die Empfindlichkeit ist im Prinzip sehr groß, nach DE VRIES u.
STUIVER (1961) reicht ein Molekül eines Riechstoffs aus, um einen Rezeptor zu
erregen.
Bei der Definition von Schwellwerten muss unterschieden werden zwischen der
Wahrnehmungsschwelle, bei der eine unspezifische Geruchsempfindung ausgelöst
wird, und der Erkennungsschwelle, bei der eine Identifizierung des Dufts erfolgen
kann. Die Konzentration der Erkennungsschwelle ist etwa 10-mal höher als die
der Wahrnehmungsschwelle. Besonders empfindlich ist der Geruchssinn für Stof-
fe, die die Lufthygiene beeinträchtigen, so z.B. für das nach Fäkalien riechende
Skatol, für dessen Erkennung schon eine Konzentration von 107 Molekülen/cm3
ausreicht (BOENCK 1972).
Die Schwellen sind von zahlreichen Faktoren abhängig, insbesondere der Luft-
temperatur und -feuchtigkeit. Nach einer ausgiebigen Mahlzeit steigen die
Schwellen an, bei Hungergefühl nehmen sie drastisch ab. Des Weiteren ist bei
Rauchern sowie Menschen, die hormonellen Veränderungen unterliegen, bspw.
Frauen während der Schwangerschaft, eine Verschlechterung des Riechvermögens
festzustellen.
Empfundene Gerüche lösen bisweilen genetisch bedingte, starke emotionale
Reaktionen (Wohlbefinden/Ekel) aus, wobei vor allem Naturdüfte positiv und
bspw. faules Fleisch negativ bewertet werden. Ebenfalls wirken sowohl Ge-
schmacks- als auch Geruchsreize stark konditionierend. Als Beispiel dafür sei die
Zunahme des Speichelflusses bei der Erkennung von Speisegerüchen angeführt.
Wie oben angedeutet, ist die Wahrnehmungsstärke nicht nur von der Konzen-
tration, sondern auch von der Art des Stoffs abhängig. Kohlenmonoxyd wird z.B.
überhaupt nicht wahrgenommen. Methylmercaptan wird dagegen in einer Kon-
zentration von 1:25.000.000.000 wahrgenommen und deshalb als Warnsignal dem
Erdgas beigemischt. Auf ähnliche Weise wird Methylalkohol (Brennspiritus)
ungenießbar gemacht. Olfaktorische Sensoren werden auf diese Weise also zur
Informationseingabe genutzt.
Arbeitsformen 353

Geschmackssinn
Die Sensoren des Geschmackssinns sind in 30-70 μm hohen und 25-40 μm dicken
Geschmacksknospen angeordnet. Jede der beim Menschen vorhandenen 3000-
4000 Knospen enthält 10-50 Sinneszellen. Die Sinneszellen liegen in einem klei-
nen Trichter, der mit einer von Spüldrüsen produzierten Flüssigkeit gefüllt ist. Die
Geschmacksknospen wiederum liegen in den Gräben und Wänden der Ge-
schmackspapillen. Bei diesen unterscheidet man zwischen den Pilzpapillen, die in
einer Anzahl von 200-400 über die ganze Zungenoberfläche verteilt sind, den
Blätterpapillen (15-40), die am hinteren Seitenrand der Zunge liegen, und den
größeren Wallpapillen, die in einer geringen Zahl (7-12) an der Grenze zum Zun-
gengrund aufzufinden sind.
Die Geschmacksqualitäten lassen sich entgegen der weitverbreiteten Ansicht
spezifischen Empfindungszonen auf der Zunge nicht zuordnen: Die gesamte Zun-
genfläche ist durch alle vier Geschmacksqualitäten reizbar. Jedoch kann, wie in
Abb. 3.84 dargestellt, den einzelnen Zungenbereichen eine Geschmacksqualität
zugeordnet werden, die dort wahrscheinlich bevorzugt wahrgenommen wird.
Ausgenommen davon ist der hintere Zungenbereich, der vornehmlich auf Bitter-
stoffe reagiert. Diese bevorzugte Wahrnehmbarkeit einer bestimmten Ge-
schmacksqualität wird durch die unvollkommene oder relative Spezifität der einen
Zungenbereich innervierenden afferenten Nervenfaser erreicht. Dadurch entstehen
in den afferenten Nervenfasern für den gleichen Reizstoff unterschiedliche Erre-
gungsmuster. Eine abgestufte Spezifizierung der afferenten Nervenfasern auf die
einzelnen Qualitäten ist somit vorhanden. Für einzelne Geschmacksstoffe sind
demnach spezifische Erregungsmuster oder Geschmacksprofile feststellbar. Die
eigentliche Geschmacksempfindung kommt erst durch die Auswertung der Erre-
gungsmuster aller beteiligten afferenten Nervenfasern im zentralen Nervensystem
zustande.
Durch bestimmte chemische Verbindungen werden jeweils bevorzugt folgende
Empfindungen ausgelöst: Natürlich vorkommender Zucker löst „süß“-
Empfindungen aus, Kochsalz (NaCl) schmeckt salzig. Andere Salze, z.B. KCl,
lösen sowohl salzige als auch bittere Empfindungen aus. Salz- und Zitronensäure
führen zur Empfindung „sauer“. Reine „bittere“ Empfindungen werden durch
Chinin und andere pflanzliche Alkaloide hervorgerufen. Da im täglichen Leben
nicht nur diese bevorzugten Reizstoffe aufgenommen werden, lösen andere natür-
liche Geschmacksreize Mischempfindungen aus, bspw. schmeckt Orange süß und
sauer und Pampelmuse sauer, süß und bitter.
354 Arbeitswissenschaft

bitter

sauer

salzig

süß

Abb. 3.84: Bevorzugte Lokalisation der Geschmacksqualitäten auf der Zunge aus
BECKER-CARUS (2004)

Die geschmackliche Wirkung eines Stoffs kann dennoch nicht festgelegt wer-
den, da die Empfindungsqualität in hohem Maße von der Stoffkonzentration ab-
hängt. Bei steigender Konzentration wird Kochsalz zunächst als „süß“ (bei 0,02 -
0,03 Mol/l) und erst später als „salzig“ (ab 0,04 Mol/l) empfunden. Im Gegensatz
dazu werden bittere Stoffqualitäten schon bei niedrigeren Konzentrationen als
solche wahrgenommen und lösen dann Reflexe aus, die die Nahrungsaufnahme
verhindern. Der Grund hierfür ist die Erfahrung, daß diese Stoffe oft giftig sind.
Wie bereits erwähnt, ist die Erregungsschwelle für bittere Geschmacksstoffe
sehr niedrig; sie beträgt für Chininsulfat etwa 6 mg/l. Süße Stoffe führen ab 5,5
mg/l zu einer Erregung, wie z.B. der synthetische Süßstoff Saccharin. Natürlicher
Zucker hingegen wirkt erst bei Konzentrationen ab 3,42 g/l (Rohrzucker) bzw.
14,41 g/l (Traubenzucker) stimulierend. Im ähnlichen Bereich liegen die Schwel-
len für saure (Essigsäure: 0,108 g/l) und salzige (Kochsalz: 0,585 g/l) Ge-
schmacksstoffe. Es ist zu beachten, dass große interindividuelle Unterschiede bei
den Erregungsschwellen vorhanden sind.
Die Empfindungsstärke ist abhängig von der Stoffkonzentration, der Reizfläche
und der Reizdauer, so dass verdünnte Stofflösungen unter Umständen noch emp-
funden werden können, wenn die Lösung längere Zeit die Zunge umspült. Aller-
dings tritt bei langandauernden Reizen eine Adaption an den Reiz ein, die sowohl
neuronal als auch dadurch begründet ist, dass die Sinneszellen, wie oben erwähnt,
mit Flüssigkeit umspült werden, was zur Verringerung der Stoffkonzentration
führt. Auch die Temperatur der Stofflösung hat einen Einfluss auf die
Schmeckempfindung.
3.3.2.1.3 Gestaltprinzipien der Wahrnehmung
Die Wahrnehmung ist kein passiver Vorgang, bei dem ausschließlich der Stimulus
bestimmt, was wahrgenommen wird. In vielen Fällen erfolgt die Wahrnehmung
zwar mühelos und selbstverständlich, aber anhand von Abb. 3.85 wird verständ-
lich, dass ständig Hypothesen über das gebildet und überprüft werden, was gese-
hen wird.
Arbeitsformen 355

Abb. 3.85: Der Necker-Würfel. Hier konkurrieren die Hypothesen, ob die schattierte
Fläche vorne oder hinten ist.

Eine Gruppe von Psychologen, die sich um 1912 um Max Wertheimer bildete,
fing an, die perzeptuelle Organisation systematisch zu untersuchen. Diese Rich-
tung wurde bekannt unter dem Namen Gestaltpsychologie. Die Gestaltpsychologie
verwarf die Idee, dass Wahrnehmungen nur aus den Sinneseindrücken entstehen.
Anstelle dessen wuchs die Überzeugung, dass das Wahrgenommene aus mehr als
nur der Summe der Sinnesreize aufgebaut wird (sog. Emergenz) und sich in Form
von sog. Gestaltprinzipien charakterisieren lässt. Obwohl natürlich auch zentrale
Prozesse hierbei eine wichtige Rolle spielen, sollen die Gestaltprinzipien bereits
an dieser Stelle kurz erläutert werden und nicht erst im Kap. 3.3.2.2.
Eines von Wertheimers Beispielen für die Emergenz-Hypothese ist wie folgt:
Wenn zwei Lichter in den Positionen A und B kurz aufleuchten und danach zwei
Lichter in den Positionen a und b aufleuchten, so entsteht der Eindruck, dass A
sich in Richtung a, B sich in Richtung b bewegt hat (und nicht etwa A in Richtung
b und B in Richtung a). Dieser Eindruck wird gewonnen, solange die Intervallzeit
nicht zu klein und nicht zu groß ist (60 - 200 ms).
Das zentrale Prinzip in der Gestaltpsychologie ist das der Prägnanz. Es besagt,
dass jedes Reizmuster so wahrgenommen wird, dass das Ergebnis eine Struktur
ist, die so einfach wie möglich aufgebaut ist. Dieses „Einfachheitsgesetz“ führt
dazu, dass man in Abb. 3.86a ein Achteck und ein Dreieck wahrnimmt, im Gegen-
satz zu einer komplizierten 11-seitigen Figur.

a) b)

c) d) B
C

A D

Abb. 3.86: Vier Gestaltgesetze: a) Einfachheitsgesetz, b) Prinzip der Ähnlichkeit, c) Gesetz


der Nähe, d) Prinzip der guten Fortsetzung
356 Arbeitswissenschaft

Ein weiteres Prinzip ist das der Ähnlichkeit. Ähnliche Objekte scheinen eine
Gruppe zu bilden, wie in in Abb. 3.86 b leicht ersehen kann. Das Gesetz der Nähe
besagt, dass nahe beieinander liegende Reize bevorzugt als zusammengehörig
gesehen werden. Die nah beieinander liegenden senkrechten Striche aus Abb.
3.86c werden demnach je als zusammenhängende Figur wahrgenommen.
Das nächste Prinzip ist das der guten Fortsetzung. Punkte, die auf einer sanft
gebogenen Linie liegen, werden so wahrgenommen, als würden sie zusammenge-
hören. Ein Beispiel ist in Abb. 3.86d dargestellt. Die Punktereihe die bei A an-
fängt, fließt nach B und nicht mit einer abrupten Wendung nach C oder D.
Ein ergänzendes Gestaltprinzip der Wahrnehmung ist das der gemeinsamen Be-
stimmung (common fate). Unterschiedliche Frequenzkomponenten einer natürli-
chen Schallquelle variieren in der Regel auf sehr kohärente Weise. Sie beginnen
und enden gleichzeitig und verändern die Frequenz und Intensität gleichzeitig und
in derselben Richtung. Dadurch fällt es uns einfach, die Zugehörigkeit einzelner
Frequenzkomponenten zu bestimmen.
Ein Abschluß (closure) tritt auf, wenn ein Signal für kurze Zeit unterbrochen
wird. Ein kurzes Husten kann vorübergehend ein Gesprächssignal vollkommen
überlagern. Das auditive System ist in der Lage, das Gesprächssignal zu „ergän-
zen“, so, als wurde es nicht unterbrochen.
Das Gesetz der Vertrautheit (bzw. der Bedeutungshaltigkeit) postuliert, dass
Dinge dann am ehesten eine Gruppe zu bilden scheinen, wenn die Gruppe vertraut
oder bedeutsam erscheint.
Die Gestaltprinzipien erscheinen intuitiv sehr wirksam. Obwohl sie nicht theo-
retisch begründet sind und nicht zur Erklärung der Wahrnehmungsphänomene
herangezogen werden können, können sie sehr wohl als Grundlage für die Gestal-
tung von Mensch-Maschine-Systemen dienen, bspw. zum Entwurf von Anzeigen
in Cockpits.
3.3.2.1.4 Vigilanz
Vor dem Zweiten Weltkrieg beschäftigten sich nur einige Untersuchungen in
unsystematischer Weise mit den Problemen der anhaltenden Aufmerksamkeit oder
Vigilanz (engl. „sustained attention“ oder „vigilance“). Dabei handelt es sich
hauptsächlich um Untersuchungen in der Qualitätssicherung. Während des Zwei-
ten Weltkriegs wurden viele Untersuchungen zum menschlichen Leistungsvermö-
gen durchgeführt, als sich herausstellte, dass Personen bei lang andauernder
Durchführung von Radarüberwachungsaufgaben einen ernsthaften Leistungsabfall
zeigten. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde begonnen, systematisch die Vigilanz
zu erforschen. MACKWORTH (1950) hat als Erster die Implikationen systematisch
beschrieben. In einem Experiment mit einer visuellen Entscheidungsaufgabe wur-
de gezeigt, dass der Vigilanzverlust in der ersten halben Stunde am größten ist. Er
wiederholte diese Untersuchung mit auditivem Stimulus-Material, und das gleiche
Phänomen trat auf. Dieses Phänomen der degressiven Abnahme der Leistung wird
„vigilance decrement“, also Vigilanzabfall genannt. In Mackworth's Untersuchung
(Abb. 3.87) wurde festgestellt, dass sich der Leistungsabfall bereits ab dem ersten
Arbeitsformen 357

Signal zeigt. Seitdem wurde untersucht, welche Faktoren das absolute


Vigilanzniveau beeinflussen. Kritische Faktoren bei jedem Vigilanzexperiment
sind die Gesamtdauer der Aufgabe, die Anzahl der Ereignisse pro Zeiteinheit, die
relative Anzahl kritischer Ereignisse und die Merkmale des Signals.
Die meisten Vigilanzstudien scheinen wenig von einer Person zu verlangen: Es
wird auf das Auftreten eines Signals gewartet und auf einen Knopf gedrückt, um
dieses zu bestätigen. Wichtig bei diesen Aufgaben ist die Qualität der erbrachten
Aufmerksamkeit, die zu einem beträchtlichen Maß von den Stimulus-
Eigenschaften abhängt. DEMBER u. WARM (1979) unterscheiden die Stimulus-
Faktoren in Faktoren ersten und zweiten Grads.

fehlerfreie Ausführung
mittlere Häufigkeit übersehener Signale in %

10

15 .
c1

20

25 . . .
c2
c3
c4
30

35

30 60 90 120
Arbeitszeit in min

Abb. 3.87: Vigilanzabnahmefunktion: Der Vigilanzverlust ist in der ersten halben Stunde
am größten. Die Versuchsperson bekommt eine Uhr ohne Markierungen zu sehen und soll
den Zeiger beobachten. Jede Sekunde bewegt sich die Spitze des Zeigers um 0,3 Zoll. Ab
und zu springt der Zeiger jedoch um das Doppelte, also um 0,6 Zoll. Dies ist das „kritische“
Ereignis, auf das die Versuchsperson mit einem Knopfdruck zu reagieren hat (nach
MACKWORTH 1950).

Faktoren ersten Grades


Ein Grundbestandteil aller Vigilanzaufgaben ist die Transformation von Umge-
bungsstimuli in nervliche Ereignisse. Bevor ein Signal entdeckt werden kann,
müssen Intensitätsschwankungen der zu beobachtenden Stimulusquelle in nervli-
che Ereignisse umgewandelt werden. Die Sinne haben je nach Modalität bekann-
termaßen unterschiedliche Eigenschaften, so dass die Stimulusmodalität für die
Vigilanzleistung bestimmend sein kann. In der Vigilanzforschung sind akustische,
visuelle und taktile Stimuli untersucht worden. Die Dekrementfunktion für visuel-
le und taktile Stimuli ist i.Allg. steiler als für auditive Stimuli (COLQUHOUN 1975;
CRAIG et al. 1976). Es hat sich herausgestellt, dass die Korrelation zwischen visu-
358 Arbeitswissenschaft

ellen und auditiven Aufgaben nur rund 0,30 beträgt (d.h. die Leistung einer visuel-
len Vigilanzaufgabe sagt nur zu etwa 9% voraus, wie die Leistung bei einer audi-
tiven Aufgabe sein wird, und umgekehrt). Berücksichtigt man die Körperhaltung
der Versuchsperson, so wirkt sie sich bei auditiven Aufgaben nicht auf die Wahr-
nehmbarkeit der Stimuli aus. Bei visuellen Aufgaben ist die Wahrnehmbarkeit
hingegen richtungsabhängig (HATFIELD u. LOEB 1968). Entsprechende Experi-
mente ergaben Korrelationen zwischen r = 0,65 und r = 0,76. Obwohl es wahr-
scheinlich modalitätsspezifische Unterschiede gibt, gibt es einen gemeinsamen
Faktor, der die sensorischen Modalitäten überlagert. Diese Hypothese wird da-
durch gestützt, dass sich Vigilanzerfahrung in einer Modalität auf andere Modali-
täten (GUNN u. LOEB 1967) überträgt.
I.Allg. findet man in der Wahrnehmungsforschung, dass die Wahrnehmbarkeit
des Stimulusmaterials in einem positiven Verhältnis zur Amplitude und Dauer des
Signals steht. Geschwindigkeit und Genauigkeit, mit der reagiert wird, nehmen
mit dem Signal-Rauschverhältnis der kritischen Signale zu. Beispiel dafür ist eine
Studie von LOEB u. BINFORD (1963) (Abb. 3.88).
Dieser Tatbestand kann theoretisch erklärt werden, weil eine Steigerung der
Signalintensität Faktoren wie Arousal und Habituation kompensieren kann. Diese
beiden Faktoren gelten als „Kandidaten“ für die Ursachen des Vigilanzverlusts.
Von praktischer Relevanz ist er dadurch, dass man mit Hilfe von künstlichen Sig-
nalen die Leistung des Menschen verbessern kann. Zusätzlich wurde von
CORCORAN et al. (1977) gefunden, dass dieses Phänomen der Vigilanzsteigerung
sich auch dann ergibt, wenn nicht nur die kritischen (akustischen) Signale in der
Amplitude verstärkt werden, sondern auch, wenn zusätzlich nichtkritische Signale
verstärkt werden.

5 2,1 dB

4
überhörter Signale
Mittlere Anzahl

2
3,6 dB
1
5,1 dB
0
1 2 3 4 5
20-Minuten Blöcke
Abb. 3.88: Effekt der kritischen Signalintensität auf die Entdeckung von Zunahme des
Schalldruckpegels bei einer auditiven Vigilanzaufgabe nach LOEB u. BINFORD (1963).
Arbeitsformen 359

Die Hintergrundereignisse spielen eine wichtige Rolle bei Vigilanzaufgaben.


Zwar wird vom Beobachter nicht verlangt, dass er auf nichtkritische Stimuli rea-
giert, aber sie lassen ihn keineswegs unberührt. JERISON (1963) (siehe Abb. 3.89)
führte dazu ein Experiment durch, bei dem sowohl die Anzahl kritischer als auch
nichtkritischer Ereignisse variiert wurde. Eine höhere Ereignishäufigkeit führt zu
weniger Entdeckungen, unabhängig davon, ob es kritische oder nichtkritische
Ereignisse sind.

100
Prozent Entdeckungen

80
5 pro Minute
60

40

20 30 pro Minute

0
0 20 40 60 80
Zeit (in Minuten)

Abb. 3.89: Ereignishäufigkeit und Vigilanzleistung: Eine höhere Ereignishäufigkeit sowohl


kritischer als nichtkritischer Ereignisse führt zu weniger Entdeckungen nach JERISON
(1963).

Faktoren zweiten Grades


Bisher wurden Faktoren besprochen, die sich auf Stimuli bezogen, die zeitlich und
örtlich gewissermaßen bekannt waren. Oft ist aber a priori nur recht wenig be-
kannt über das Auftreten eines „kritischen“ Signals. Die zeitliche Unsicherheit
resultiert u.a. aus Variationen der Rate kritischer Signale. Je häufiger ein Signal
innerhalb eines begrenzten Zeitraums auftritt, desto größer ist die antizipierte
Auftretenswahrscheinlichkeit und desto geringer ist die Unsicherheit des Beobach-
ters (siehe Abb. 3.90). Die Wahrscheinlichkeit der Signalentdeckung nimmt ent-
sprechend zu. Die räumliche Unsicherheit ist von der Ereignisrate zu unterschei-
den. Es handelt sich hierbei um die Stimulusdichte im Raum, die unabhängig von
der Hintergrundereignisrate einen Einfluss ausübt.
360 Arbeitswissenschaft

90
A
80 B C

Prozent Entdeckungen
70

60

50 D

40

30

20
10 100 500
Anzahl der Signale pro Stunde

Abb. 3.90: Prozentsatz entdeckter Signale als Funktion der logarithmierten kritischen
Ereignisrate für vier verschiedene Experimente (verschiedene Aufgaben, zeitliche Variabi-
lität in jedem Experiment zufällig gewählt) nach WARM (1984)

Auf einem Radarschirm zur Führung eines Schiffs gibt es z.B. Quadranten, in
denen die Stimulus-Wahrscheinlichkeit größer ist als in anderen Quadranten. Es
wurde festgestellt, dass in dem Quadranten, wo die kritischen Signale am häufigs-
ten auftreten, die Entdeckungswahrscheinlichkeit auch am größten ist. Die Leis-
tung bei Vigilanzaufgaben wird üblicherweise auf der Basis der Anzahl richtiger
Signalentdeckungen innerhalb einer bestimmten Periode geschätzt. Verschiedene
andere Leistungsmaße wie die False-Alarm-Rate und Reaktionszeiten werden
auch angewandt. Aus der Perspektive der Entscheidungstheorie bietet die Entde-
ckungsrate jedoch kein eindeutiges Maß der Sensitivität, weil es zwischen
„Entdeckbarkeit“ des Signals und dem vom Beobachter eingehaltenen Kriterium
nicht differenziert. Bspw. kann ein Beobachter, der überhaupt nicht in der Lage
ist, Signale von Rauschen zu unterscheiden, dennoch eine extrem hohe Entde-
ckungsrate erzielen, indem er ständig positive Responses abgibt. Auf der anderen
Seite kann ein kompetenter Beobachter eine viel niedrigere Entdeckungsrate ha-
ben und auch weniger falsche Alarme erzeugen, weil er vorsichtiger reagiert. Es
ist daher notwendig, sowohl die Entdeckungsrate als auch die False-Alarm-Rate
zu berücksichtigen.

3.3.2.2 Erkennen,ĆEntscheidenĆundĆGedächtnisĆ(zentraleĆProzesse)Ć

Die zentralen Prozesse der menschlichen Informationsverarbeitung umfassen das


Erkennen wahrgenommener Reize, das Erfassen und Vorhersagen der Eigen- und
Umweltsituation durch die Assoziation und Verschmelzung erkannter Reize sowie
die Auswahl ggf. erforderlicher Handlungen. Wie man sich den Ablauf des Er-
kennens prinzipiell vorstellen kann, wurde bereits in Kapitel 3.3.1.1 anhand der
Phänomenologisch-empirischen Modelle menschlicher Informationsverarbeitung
ausführlich beschrieben und soll hier nur hinsichtlich des daten- und konzeptge-
steuerten Erkennens ergänzt werden. Darüber hinaus wird auf die
Arbeitsformen 361

Hypothesenbildung und Handlungsauswahl eingegangen. Natürlich benötigen


Erkennungs- und Entscheidungsprozesse auch den Zugriff auf das Gedächtnis,
dessen Struktur und Funktion nach Hypothesenbildung und Handlungsauswahl
analysiert werden sollen. Zusätzlich werden mentale Modelle und das damit ver-
bundene sog. Situationsbewußtsein behandelt sowie neuere Ansätze zu sog. exter-
nalisierten Repräsentationen erläutert, die für die ingenieurmäßige Auslegung und
Bewertung von Arbeitssystemen wichtig sind. Schließlich sollen Phänomene der
Unter- und Überforderung analysiert werden.
3.3.2.2.1 Daten- und konzeptgesteuertes Erkennen
Die in Kapitel 3.3.1.1.1 eingeführten Stufen- und Regulationsebenenmodelle las-
sen sich auch als datengesteuert bezeichnen. Das heißt, dass ein Prozess durch
ankommende Stimuli quasi automatisch in Gang gesetzt wird. In einem datenge-
steuerten System erfolgt keine Reaktion des Menschen, wenn nicht am Anfang
Eingangsdaten vorliegen. Sind Daten eingegeben, verlaufen die Folgeoperationen
quasi mechanistisch, bis schließlich eine Antwort erzeugt wird. Bei vielen Entde-
ckungsleistungen wird ein datengesteuertes System jedoch nicht funktionieren.
Um bestimmte Objekte erkennen zu können, sind natürlich Vor- und Zusatzinfor-
mationen nötig, die im visuellen Abbild selbst nicht immer gegeben sind. Wenn
Vorwissen oder ein Konzept von der möglichen Interpretation eines Gegenstands
dabei hilft, ihn zu erkennen, spricht man von einem konzeptuell gesteuerten Pro-
zess.
Datengesteuerte und konzeptuell gesteuerte Prozesse sind miteinander eng ver-
schränkt, so dass eine Organisation, Strukturierung und Abstraktion der Informa-
tion entsteht. Viele optische Täuschungen basieren auf einer Mehrdeutigkeit der
dargebotenen Bilder. Alle sensorischen Informationen werden dazu benutzt, eine
in sich stimmige Interpretation der sichtbaren Welt zu konstruieren und möglichst
genaue Vorhersagen über die zukünftige Entwicklung machen zu können. Mit
anderen Worten extrahiert das sensorische System die sog. prädiktive Information
aus den Informationsquellen im Arbeitssystem (siehe BIALEK et al. 2001). Wäh-
rend manche Erkennungsprozesse scheinbar ohne Mühe ablaufen, gibt es andere,
die mit Anstrengung verbunden sind. Prozesse, die „keine Mühe kosten“, werden
automatische Prozesse genannt (siehe Kapitel 3.3.1.1.2.2). Solche Prozesse haben
die Eigenschaft, nur geringfügige Aufmerksamkeit zu erfordern und recht gut
parallel mit anderen Prozessen ablaufen zu können. Demgegenüber stehen die
„kontrollierten“ Prozesse. Diese bedingen ein nicht zu vernachlässigendes Niveau
der Aufmerksamkeit und verlaufen unter Anstrengung eher seriell, d.h. es kann
jeweils nur eine kontrollierte Verarbeitung der Information gleichzeitig ablaufen.
Unter Umständen kann es passieren, dass automatische und kontrollierte Pro-
zesse miteinander in Konflikt geraten. Wenn das Ergebnis der automatischen
Verarbeitung entgegengesetzt zu dem der kontrollierten Verarbeitung ist, kommt
es zu einem sog. Response-Konflikt. Offensichtlich ist der Mensch nicht in der
Lage, parallel ablaufende, automatische Prozesse so zu unterdrücken, dass uner-
wünschte oder irrelevante Information von vollständiger Verarbeitung ausge-
362 Arbeitswissenschaft

schlossen bleibt. Dieses Phänomen wird „focused attention deficit“ genannt und in
Kapitel 3.3.2.2.6 eingehend behandelt. Solche Prozesse werden offenbar durch
Ereignisse in Gang gesetzt (datengesteuert) und laufen hochgradig automatisiert
ab. So ist es bspw. fast unmöglich, die Aufmerksamkeit vollends auf einen von
zwei visuellen Stimuli zu fokussieren, wenn sie nicht mehr als 1 Grad Sehwinkel
voneinander entfernt sind (BROADBENT 1982).
3.3.2.2.2 Hypothesenbildung und Handlungsauswahl
Aufbauend auf den Erkenntnisprozessen müssen in Arbeitssystemen häufig Ent-
scheidungen unter Unsicherheit getroffen werden. Dabei ist oft sowohl der Nutzen
oder Schaden eines Ereignisses abzuschätzen als auch die Wahrscheinlichkeit des
Eintretens. Bei den Wahrscheinlichkeitsfaktoren ist oft die wahrgenommene
Wahrscheinlichkeit eine andere als die objektive. Aufgrund der begrenzten Kapa-
zität des Menschen bei der Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Infor-
mation sollte man auf eine Reduktion der Komplexität in unsicheren Entschei-
dungssituationen abzielen. Diese Komplexitätsreduktion kann durch Entschei-
dungsmodelle herbeigeführt werden. An dieser Stelle sollen lediglich zwei Klas-
sen von Entscheidungsmodellen behandelt werden, nämlich normative und des-
kriptive Modelle.

3.3.2.2.2.1 Normative Modelle


Normative Modelle beruhen auf strengen Rationalitätsannahmen wie Nutzenma-
ximierung, Entscheidbarkeit zwischen Alternativen, Transitivität der Präferenz-
ordnung und Irrelevanz identischer Konsequenzen (siehe EISENFÜHR u. WEBER
2007). Die Intention der normativen Modelle ist es, vorzugeben, wie Entscheidun-
gen getroffen werden sollen. Das gebräuchlichste quantitative Modell ist das
Expected-Utility-Modell, das auf den großen Mathematiker BERNOULLI (1738)
zurückgeht. Die Grundzüge sind schnell erklärt (MACKAY 2003): Die „Welt“
befindet sich in einem Zustand x, der durch Handlungen des Menschen beeinflusst
werden kann. Hierfür steht ein Repertoire von a unterschiedlichen Handlungen zur
Verfügung. Das „unsichere“ Eintreten eines Zustands lässt sich durch eine beding-
te Wahrscheinlichkeitsverteilung P(x | a) beschreiben. Weiterhin gibt es eine de-
terministische Nutzenfunktion U(x, a), die angibt, welchen Nutzen man aus einer
Entscheidung a bei einem Zustand x ziehen kann. Gesucht ist die Handlung, die
den erwarteten Nutzen E[U | a] maximiert. Der Erwartungswert lässt sich in allg.
Form für eine K-dimensionale Zustandsvariable x wie folgt schreiben:
E >U _ a @ ³ U (x, a) ˜ P(x _ a)d
K
x (3.22)
Anstelle der etwas unhandlichen Integralgleichung (3.22) können Nutzen und
Auftretenswahrscheinlichkeiten wesentlich leichter verständlich in einer Entschei-
dungsmatrix dargestellt werden (Tabelle 3.15). Beispiel: Ist ein vorausfahrendes
Fahrzeug wesentlich langsamer als das dahinter fahrende, überlegt der Fahrer des
hinteren Fahrzeugs womöglich, ob er überholen soll. Dem Nutzen des schnelleren
Fortkommens steht jedoch der Schaden eines möglichen Zusammenstoßes gegen-
Arbeitsformen 363

über. Es wird vereinfachend angenommen, dass das Schadensausmaß dem negati-


ven Nutzen entspricht. Für zwei mögliche Fälle – der Fahrer hat es eilig oder nicht
– können in Abhängigkeit der Schätzung des Fahrers bzgl. des Zustands seiner
Umwelt (geringer oder dichter Verkehr, mit oder ohne Gegenverkehr) der Nutz-
wert bzw. Schadenswert der Varianten „Überholen“ und „Nicht überholen“ ermit-
telt werden. Der Autofahrer selbst jedoch wird kaum eine solche Matrix berech-
nen, obwohl dies gerade bei Entscheidungen, die nicht unter Zeitdruck getroffen
werden müssen, eine brauchbare Strategie ist.
Tabelle 3.15: Entscheidungsmatrix für das Überholen in Abhängigkeit von der Eile des
Kraftfahrers und seiner Schätzung der Verkehrsdichte (nach SCHMIDTKE 1993).

Schätzwerte
Zustände der Welt
Handlungs- persönl. Saldo ™ Entscheidung
Verkehrs- kein Gegen- Gegen-
option Nutzen
dichte verkehr verkehr
p=0,7 p=0,3
überholen 0,8 niedrig 0,56 -0,24 0,32 überholen
hat es eilig
Fahrer

nicht überholen 0,2 0,14 0,06 0,20


p=0,6 p=0,4
überholen 0,8 hoch 0,48 -0,32 0,16
nicht überholen 0,2 0,12 0,08 0,20 nicht überholen
p=0,7 p=0,3
hat es nicht eilig

überholen 0,3 niedrig 0,21 -0,09 0,12


Fahrer

nicht überholen 0,7 0,49 0,21 0,70 nicht überholen


p=0,6 p=0,4
überholen 0,3 hoch 0,18 -0,12 0,06
nicht überholen 0,7 0,42 0,28 0,70 nicht überholen

Nachteilig am Expected-Utility-Modell ist, dass es keine Aussage über die


durchzuführenden Schritte bei der Entscheidungsfindung trifft. Ein eher prozess-
orientiertes Entscheidungsmodell ist das sog. Entscheidungsleiter-Modell von
RASMUSSEN et al. (1994) (siehe Abb. 3.91). Es ist jedoch rein qualitativ formuliert
und wird deshalb häufig in frühen Entwicklungsphasen zur Festlegung der Funkti-
onsteilung von Mensch und Maschine im Entscheidungszyklus verwendet sowie
zur Konzeption von Entscheidungsunterstützungssystemen. Das Entscheidungs-
leiter-Modell ergänzt das bereits aus Kapitel. 3.3.1.1.1.3 bekannte Drei-
Ebenenmodell. Eine hierarchisch geordnete „Entscheidungsleiter“ stellt dabei
Zustände von Wissen über die Umgebung, über Handlungsbedarf, Ziele und Pläne
als Resultat von Aktivitäten zur Informationsverarbeitung dar, womit der Ent-
scheidungsprozess im Sinne eines Stufenmodells in diskrete Schritte unterteilt
wird. Der linke „Leiterholm“ beschreibt die Situationsanalyse, der rechte die
Handlungsplanung. Jede Aktivität auf dem Weg von unten zur wertenden Beurtei-
lung am oberen Ende führt zu einem kognitiven Zustand mit höherem Informati-
364 Arbeitswissenschaft

onsgehalt. Dieses Modell liefert ein skizzenartiges Grundgerüst eines einzelnen


Entscheidungsprozesses, das allgemeingültig und flexibel anwendbar ist. Wis-
sensniveaus können auch übersprungen werden, der Entscheidungsprozess kann
auf höheren Ebenen beginnen oder enden, muss also nicht die gesamte Hierarchie
der Wissenszustände durchlaufen, und die Sequenzen können auch in umgekehrter
Richtung durchquert werden.
Die im Modell aufgeführten Entscheidungsschritte lassen sich insbesondere im
Anwendungskontext der Prozessführung und -überwachung – bspw. bei verfah-
rens- oder kerntechnischen Anlagen – wiederfinden. Die Auslösung eines Hand-
lungsbedarfs mit Hilfe von Alarmen und die Beobachtung von Daten und Infor-
mationen aus zahlreichen Quellen sind dabei typische Teilaufgaben. Hinzu kommt
die zentrale Bedeutung der Identifikation des Prozesszustands als Grundlage einer
Entscheidung über nötige Maßnahmen. Wesentlich von der persönlichen Erfah-
rung und Übung hängt es ab, ob man in Standardsituationen schnell mit regelba-
sierten Antworten reagieren kann oder mit abstrakterem logischen Denken unter
Einbezug fundamentalen Wissens nach einer Lösung suchen muss. Bei der Viel-
zahl von Aufgaben bei der Prozessführung ist außerdem eine sorgfältige Planung
der Handlungen nötig. Anhand des Entscheidungsleiter-Modells können so aufga-
bengerechte Konsequenzen für die ergonomische Gestaltung der Mensch-
Maschine-Schnittstellen abgeleitet werden, wie z.B. in SCHMIDT u. LUCZAK
(2006a) im Detail dargestellt wird.

Welches Gesamtziel
ist zu wählen? Evaluieren

Mehrdeutigkeit Ultimatives Ziel

Wie ist die Wirkung Wie ist der Zielzustand


auf das Gesamtsystem? Interpretieren der Anlage charakterisiert?
System- Ziel-
zustand zustand
se

Welche Ursachen Definiere Welche Bedingungen


Planu

Identifizieren sind zu ändern?


sind möglich? Aufgabe
Analy

ng

Menge von
Aufgabe
Beobachtungen

Welche Störung Formuliere Wie ist bei der


liegt vor? Beobachten
Prozedur Behebung vorzugehen?

Alarm Prozedur

Aktions- Wie ist die Prozedur


Aktivierung
ausführung auszuführen?

Abb. 3.91: Entscheidungsleiter-Modell nach RASMUSSEN et al. (1994)

3.3.2.2.2.2 Deskriptive Modelle


Normative Modelle sind zu einer Beschreibung der menschlichen Entscheidungs-
prozesse in realen Entscheidungssituationen nur begrenzt geeignet, da sie die
kognitiven Beschränkungen nicht berücksichtigen. Deskriptive Modelle stellen
Arbeitsformen 365

hingegen die Frage, wie Entscheidungen tatsächlich entstehen und sind daher in
der Regel auch empirisch begründet. Ein häufig verwendetes deskriptives Modell
ist das der „merkmalsvergleichenden Entscheidungen“ (Recognition Primed
Decision Making) von KLEIN (1997), das als Alternative zur rationalen Entschei-
dungstheorie entwickelt wurde und auf komplexe Realsituationen abzielt. Es diffe-
renziert drei Ebenen, die in Abb. 3.92 dargestellt sind. In verschiedenen empiri-
schen Untersuchungen, z.B. bei Brandeinsätzen oder der neonatalen Intensivpfle-
ge, wurde belegt, dass der Anteil merkmalsvergleichender Entscheidungen gegen-
über normativ-rationalen einen Anteil von 42% - 80% einnimmt (KLEIN 1989).
1. Ebene: 2. Ebene: 3. Ebene:
Einfache Zuordnung Situationsdiagnose Handlungsschritte evaluieren

Situationserfahrung im Situationserfahrung im Situationserfahrung im


dynamischen Kontext dynamischen Kontext dynamischen Kontext

Mehr
Informationen

Nein
Als typisch Ist Situation Als typisch
Diagnose:
empfunden typisch? empfunden
Ereignisse –
(Analogie, (Analogie, (Analogie,
Faktoren
prototypisch) prototypisch) prototypisch)

Schluss-
folgern Ja
Klären

Erkennen hat vier Aspekte Erkennen hat vier Aspekte Erkennen hat vier Aspekte

Erwartungen Relevante Erwartungen Relevante Erwartungen Relevante


Zeichen Zeichen Zeichen
Anomalie

Plausible Typische Plausible Typische Plausible Typische


Ziele Handlungen Ziele Handlungen Ziele Handlungen

Evaluiere
Handlungen

Ja, aber
Modifizieren Praktikabel?
Nein
Ja

Implementierte Handlungsfolgen Implementierte Handlungsfolgen Implementierte Handlungsfolgen

Abb. 3.92: Drei Ebenen des Modells merkmalsvergleichender Entscheidungen nach


KLEIN (1997)

3.3.2.2.2.3 Subjektive Wahrscheinlichkeit


In die zuvor eingeführte Entscheidungsmatrix sind bereits subjektive Wahrschein-
lichkeiten, z.B. über die Schätzung der Verkehrsdichte, eingeflossen. Bei der sub-
jektiven Bewertung der Plausibilität von Ereignissen zeigt der Mensch häufig
bestimmte Tendenzen, die einer „objektiven“ bzw. wahrscheinlichkeitstheoretisch
richtigen Entscheidung im Wege stehen. Menschen erwarten bspw., dass sich die
Welt repräsentativ verhält: Zum Beispiel erscheint bei einer Familie mit drei Jun-
gen und drei Mädchen eine Reihenfolge von M-J-J-M-J-M als wahrscheinlicher
gegenüber einer Folge von J-J-J-M-M-M.
Je besser ein Mensch sich an etwas erinnert, desto wahrscheinlicher erscheint
es ihm. Zum Beispiel erscheint es wahrscheinlicher, dass ein englisches Wort mit
366 Arbeitswissenschaft

„k“ beginnt, als dass es ein „k“ als dritten Buchstaben besitzt. Das letztere ist aber
rund dreimal so oft der Fall. Menschen ordnen Wörter aber üblicherweise nach
dem ersten und nicht nach dem dritten Buchstaben. Die subjektive Wahrschein-
lichkeit richtet sich also nach der Repräsentativität des einzuschätzenden Phäno-
mens und der Verfügbarkeit im Gedächtnis. Daraus lassen sich drei Regeln ablei-
ten (LINDSAY u. NORMAN 1981): (1) Personen neigen dazu, das Auftreten von
wenig wahrscheinlichen Ereignissen überzubewerten und das Auftreten von hoch
wahrscheinlichen Ereignissen zu unterschätzen. (2) Personen neigen dazu, der
Täuschung eines „Spielers“ zu erliegen und zu behaupten, dass ein seit langer Zeit
nicht mehr aufgetretenes Ereignis in naher Zukunft sehr wahrscheinlich auftritt.
(3) Personen neigen dazu, die Wahrscheinlichkeit von Ereignissen, die für sie
günstig sind, überzubewerten und jene, die ungünstig sind, zu unterschätzen. Die-
se Neigungen treten insbesondere in Situationen hoher Belastung zutage.
3.3.2.2.3 Gedächtnis
Das menschliche Gedächtnis weist bemerkenswerte Stärken und Schwächen auf.
Auf der einen Seite ist das Gedächtnis ein sehr umfangreicher Speicher für Wort-
bedeutungen, allg. Kenntnisse, Fakten und Bilder. Andererseits sind gelegentliche
Beschränkungen oft so schwerwiegend, dass sie sowohl im engeren Sinne der
menschlichen Informationsverarbeitung als auch im weiteren Sinne der Mensch-
Maschine-Interaktion den wichtigsten Engpass darstellen. So werden Nummern
vergessen, falsche Bedienprozeduren ausgeführt oder Prozeduren in falscher Rei-
henfolge ausgeführt.

3.3.2.2.3.1 Struktur des Gedächtnisses


In Gedächtnismodellen wird oft zwischen primärem und sekundärem Gedächtnis
unterschieden. Diese Dichotomie stammt bereits aus dem 19. Jahrhundert. Später
definierte JAMES (1950) das primäre Gedächtnis als „die Breite der Zeit der be-
wussten Gegenwart“ und folgerte, dass „die Information im primären Gedächtnis
nie die bewusste Gegenwart verlässt“. Dieses primäre Gedächtnis wird in neueren
Theorien als Arbeitsspeicher bezeichnet, um die Bedeutung der Kurzzeitgedächt-
nissysteme bei der Informationsverarbeitung zu betonen. Der Arbeitsspeicher gilt
als zeitlich und im Umfang deutlich beschränkt. Das sekundäre Gedächtnis wird
heute Langzeitgedächtnis genannt und gilt im Umfang als praktisch unbegrenzt.
Heutzutage unterscheiden Gedächtnismodelle mindestens drei Speichersysteme
(siehe Abb. 3.93): das sensorische Register (SR), oft auch Ultrakurzzeitgedächtnis
genannt, das Kurzzeitgedächtnis (KZG), das auch als Arbeitsspeicher bezeichnet
wird sowie das Langzeitgedächtnis (LZG).
Sensorischer Speicher
Der sensorische Speicher enthält ein genaues und vorhersageorientiertes Bild von
der Welt, wie sie von den Sinnesorganen wahrgenommen wird. Die Dauer der
Speicherung ist kurz, je nach Modalität zwischen ca. 0,1 und einigen Sekunden.
Für den visuellen sensorischen Speicher kann man nach CARD et al. (1983) mit
Arbeitsformen 367

einer durchschnittlichen Verfallszeit von ca. 200 ms rechnen. Für den auditiven
Speicher beträgt dieser Wert hingegen ca. 1500 ms. Der Verfallsprozess im senso-
rischen Speicher ist in etwa durch eine Exponentialfunktion beschreibbar.
Nicht alle Informationen werden im Gehirn nach dem gleichen Format abge-
speichert. Es kann zwischen verbalen und räumlichen Informationen sowie im
Weiteren zwischen auditiven und visuellen Prozessen unterschieden werden.
Wenn ein Stimulus verarbeitet wird und damit Transformationen durchgeführt
werden, um eine Reaktion zu generieren, kann ein Stimulus, abhängig von seiner
Art, auf fünf verschiedene Arten kodiert werden (siehe Abb. 3.94): Ikonische und
echoische (sensorische) Codes sind die rohen Repräsentationen visueller bzw.
auditiver Stimuli. Diese Codes verlängern die Darstellung der Stimuli eine kurze
Zeit (ikonisch weniger als eine Sekunde, echoisch einige Sekunden). Dies ge-
schieht unbewusst, d.h. erfordert keine Zuweisung beschränkter Ressourcen. Vi-
suelle und auditive Codes sind weitgehend analog zu den entsprechenden Stimu-
lus-Modalitäten (sowie zu den sensorischen Codes), können jedoch auch aus Sti-
muli der anderen Modalität generiert werden (z.B. ein auditives „Bild“ eines visu-
ell dargebotenen Buchstabens).
sensorische Aufmerksamkeit auf wichtige
Reize oder ungewöhnliche Reize

Codieren
äußere sensorisches Kurzzeit- Langzeit-
Ereignisse Gedächtnis gedächtnis gedächtnis
Codieren Wiedererinnern

Stilleben

Flasche

Äpfel

Speicherung
Schale

Abb. 3.93: Gedächtnis-Systeme aus BECKER-CARUS (2004)

Stimulus Codes

Arbeits- Langzeit-
sensorisch
speicher speicher

auditiv echoisch phonetisch

semantisch

visuell ikonisch visuell

Abb. 3.94: Fünf Codes des Gedächtnisses nach WICKENS (1984)

Kurzzeitgedächtnis
Die Rolle des KZG besteht nach DÖRNER (1987) im Wesentlichen in der situati-
ven Bereitstellung von Informationen aus dem LZG für die höheren kognitiven
368 Arbeitswissenschaft

Prozesse. Um seine Bedeutung bei der Informationsverarbeitung zu betonen, wird


es auch mit Arbeitsspeicher (working memory) bezeichnet. Die darin enthaltene
Information ist nicht mehr ein subsymbolisches Abbild der Signale, die sensorisch
aufgenommen wurden. Vielmehr wird eine symbolische Repräsentation von Er-
eignissen aufbewahrt. Der Arbeitsspeicher ist zeitlich und im Umfang deutlich
beschränkt. Die schnelle Verfallsrate oder der Verlust der Verfügbarkeit der In-
formationen ist eine der größten Beschränkungen des Arbeitsspeichers. Durch eine
modalitätsadäquate Präsentation von Informationen kann der Verfall im Kurzzeit-
gedächtnis verzögert werden. Der Verfall ist bspw. geringfügig langsamer, wenn
verbale Informationen auditiv und nicht visuell präsentiert werden. Trotzdem ist
die Verfallsrate sehr hoch, weswegen das Beobachten eines großen Displays mit
sehr vielen Instrumenten als eine Aufgabe angesehen werden muss, für die der
Mensch nur bedingt geeignet ist (MORAY 1980).
Um etwas im Arbeitsspeicher zu behalten, sind Mechanismen erforderlich wie
das Wiederholen (rehearsal). Dieses Wiederholen geschieht auf der Basis phoneti-
scher oder visueller Codes und ist ein Prozess, der, wie bereits eingangs erläutert,
auf der Basis beschränkter Ressourcen abläuft. Wenn das Wiederholen unmöglich
gemacht wird (z.B. weil eine andere Aufgabe erledigt werden muss), fällt die Rate
der behaltenen „Items“ bereits nach 20 Sekunden auf praktisch Null zurück (PE-
TERSON u. PETERSON 1959). Andere Studien zeigen einen Abfall auf Null bereits
nach 10-15 Sekunden (LOFTUS et al. 1979). Außerdem verläuft dieser Abfall umso
schneller, je mehr Items behalten werden sollen.
Die Menge an Informationen, die im Arbeitsspeicher behalten werden kann,
wird oft mit Gedächtnisspanne (memory span) angedeutet. Die Anzahl von
„Items“, die im Arbeitsspeicher behalten werden können, beträgt generell etwa
7 ± 2 (MILLER 1956). Unklar dabei ist oft, was genau „Items“ sind. Ein „Item“
wird in diesem Fall im angelsächsischen Sprachraum durch „Chunk“ ersetzt. Ein
Chunk kann ein Buchstabe sein, eine Ziffer, ein Wort oder eine andere Einheit. Ob
drei Buchstaben einen Chunk bilden oder nicht, hängt davon ab, wie ein solcher
Satz von Buchstaben im Langzeitgedächtnis repräsentiert ist. So gelten die Buch-
staben BRD für Manchen als ein Chunk, während sie für Andere drei Chunks
darstellen. Es gibt verschiedene „Tricks“, um die Beschränkungen des Arbeits-
speichers zu „umgehen“. Das Zusammenfügen von Ziffern in Dreiergruppen (531
642 987 statt 531642987) oder eine Gruppierung nach Bedeutungen („Parsing“,
z.B.: 1492, 08/15, 1945 statt 149208151945) sind einige der bekannteren Metho-
den.
Ein Verlust von Informationen aus dem Arbeitsspeicher tritt dann auf, wenn ei-
ne andere Aufgabe Speicherplatz in Anspruch nimmt. Zwei Hauptursachen sind
dafür verantwortlich: (1) Verfall: Das Gedächtnis „verblasst“, d.h. die Information
wird weniger vorspringend (etwa so, wie die sensorischen Codes). (2) Ver-
drängung: Die neue Aktivität zerstört die Gedächtnisspur durch einen aktiven
Prozess der Interferenz. Je stärker die neue Aktivität der vorigen ähnelt, desto
stärker wird die Interferenz (KLATZKY 1980). Mit „ähnlich“ ist hier sowohl die
Arbeitsformen 369

Benutzung gleicher Codes und Verarbeitungsprozesse gemeint, wie auch die pho-
netische, visuelle und semantische Ähnlichkeit des Stimulus-Materials.
Langzeitgedächtnis
Das LZG ist die zentrale und zugleich umfangreichste der Gedächtniskomponen-
ten. Schwächen des Kurzzeitgedächtnisses sind nicht mehr relevant, wenn die
Information verarbeitet und im Langzeitgedächtnis gespeichert ist. Dafür ist je-
doch die Genauigkeit des Langzeitgedächtnisses geringer. Dies hängt damit zu-
sammen, dass die Tiefe der Verarbeitung bestimmt, wie effizient Informationen
im Langzeitgedächtnis abgespeichert werden (CRAIK u. LOCKHART 1972). Es gibt
einen klaren Unterschied zwischen dem Gedächtnis für Ereignisse, die gerade
stattgefunden haben, und dem Gedächtnis für Ereignisse, die lange zurückliegen.
Ersteres ist direkt und sofort zugänglich, das andere langsam und nur unter An-
strengung.
Um etwas aus dem Langzeitgedächtnis abzurufen, muss ein bestimmtes Akti-
vierungsmuster erzeugt werden. Wie etwas im Langzeitgedächtnis abgelegt ist, ist
nicht mit Sicherheit bekannt. Konnektionistische Theorien gehen davon aus, dass
die Information in der Assoziativität zwischen Nerven oder Nervengruppen ent-
halten ist. Mit Assoziativität ist die Wahrscheinlichkeit gleichzeitiger Aktivierung
gemeint. Man kann das LZG in verschiedener Weise aufteilen. Es hängt dabei sehr
stark von der Betrachtungsebene ab, wie die Organisation des Langzeitspeichers
am besten beschrieben werden kann. Folgende wesentliche Betrachtungsweisen
existieren: Das LZG lässt sich aufteilen in einen sensorischen und einen motori-
schen Teil. Die beiden Systeme sind eng miteinander verknüpft.
Der sensorische Teil kann auch als Konvergenzhierarchie im Sinne einer In-
formationskomprimierung verstanden werden. Er stellt eine Verknüpfung sensori-
scher Schemata durch Teil-Ganzes-Relationen bzw. Konkret-Abstrakt-Relationen
dar (Abb. 3.95). Auf diese Weise wird aus einem komplizierten Muster von Kon-
turen und Linien im Verlauf des Wahrnehmungsprozesses durch Konvergenz eine
einfache Kategorisierung (DÖRNER 1984). Der motorische Teil des LZG lässt sich
analog hierzu als sog. Divergenzhierarchie beschreiben, welche zum Prozess der
Informationsdilatation führt: aus einer einfachen Absicht wird ein kompliziertes
sensumotorisches Muster.
Weiterhin kann zwischen einem sprachlichen und einem ikonischen, nicht-
sprachlichen Bereich unterschieden werden. Bei diesem Ansatz scheinen den
beiden Cortexhälften bedeutende Rollen zuzukommen: das ikonische Gedächtnis
wird in der rechten Cortexhälfte lokalisiert, Träger des sprachlichen Gedächtnisses
dagegen scheint die linke Cortexhälfte zu sein (LINDSAY u. NORMAN 1981).
370 Arbeitswissenschaft

Verkehrsmittel
h
Rahmen
h ie ie
h
Speiche Fahrrad
h
h
Nabe h Rad
h
h
Felge Auto
h
Karosserie

Abb. 3.95: Ausschnitt aus einer sensorischen Konvergenzhierarchie, gebildet aus Teil-
Ganzes-Relationen (h = „hat“) und Konkret-Abstrakt-Relationen (ie = „ist ein“)

Organisation der Wissensspeicherung


Eine der gebräuchlichsten Einteilungen bei der Organisation des LZG ist die der
Unterteilung in ein episodisches und ein semantisches Gedächtnis.
Das episodische Gedächtnis ist ein autobiographisches Gedächtnis, das Infor-
mationen über Episoden aus dem Leben enthält. Die Theorien, die sich mit dem
episodischen Gedächtnis beschäftigen, konzentrieren sich i.Allg. entweder auf die
Eigenschaften der Dekodierung der Information oder auf die Abrufmechanismen
(retrieval). Eine bekannte Theorie (CRAIK u. LOCKHART 1972) unterstellt, dass
eine der wichtigsten Determinanten für die Wahrscheinlichkeit, dass an eine ge-
speicherte Information erinnert wird, die Verarbeitung der Information zum Zeit-
punkt der Speicherung ist. Ein „Item“ kann auf unterschiedlich tiefen Ebenen
verarbeitet werden, und die Erinnerungswahrscheinlichkeit nimmt direkt mit der
Verarbeitungstiefe zu. Die „Verarbeitungstiefe“ entspricht in diesem Zusammen-
hang eher der Anzahl der Bedeutungsverknüpfungen (Elaborieren) des zu
Memorisierenden als der Anzahl der Analysen, die damit durchgeführt werden
müssen.
Die gebräuchlichste Art, die Gedächtnisorganisation zu modellieren, ist das
semantische Netz. Wie alle Netzmodelle geht es davon aus, dass es im Gedächtnis
Konzepte gibt, die als unabhängige Einheiten funktionieren und durch Relationen
miteinander verknüpft sind. In der Regel wird ein semantisches Netz durch einen
verallgemeinerten Graphen repräsentiert. Die Knoten des Graphen stellen dabei
die Begriffe dar. Beziehungen zwischen den Begriffen werden durch die Kanten
des Graphen abgebildet. Welche Beziehungen verwendet werden können, wird in
unterschiedlichen Modellen sehr unterschiedlich festgelegt, die meisten Bezie-
hungstypen drücken jedoch kognitive Abstraktionen aus, wie z.B. Beziehungen
zwischen einem Ganzen und seinen Teilen (Abb. 3.96). Auf diese Weise entstehen
Hierarchien von Konzepten bzw. Begriffen.
Arbeitsformen 371

Typische Größe Typische Größe Typische Größe


von a hat den von a hat den von a hat den
Wert b Wert b Wert b

< „Spatz“ >


< >
Be

sensorische
< „Pinguin“ >
ze

Vorstellung < >


ich
nu

< zwei Flügel > < Federn >


ng

Bezeichnung
enthält-als-Teil
< > enthält-als-Teil < >
enthält-als-Teil Schwarz-
Grau < „Strauss“ > Lebt im Zoo
< zwei Beine > < > weiß
Bezeichnung
sensorische
Lebt auf < > Vorstellung
Kann Kann nicht
singt schwimmen fliegen
Bäumen
Lebt in
Nordafrika Lebt im Zoo
Lebt in der
Kann fliegen Antarktis

Lange Beine Langer Hals

Kann
nicht fliegen

Abb. 3.96: Beispiele semantischer Verknüpfungen nach LINDSAY u. NORMAN (1981)

Es gibt jedoch verschiedene Probleme mit solchen hierarchischen Netzmodel-


len. Das Wichtigste ist wohl, dass die Modelle davon ausgehen, dass der Mensch
eine Menge an strukturierten Kenntnissen besitzt. Ein Experiment hierzu testet das
Format, in dem Informationen abgespeichert sind, indem die Latenzzeit gemessen
wird, nach welcher die Versuchsperson eine Frage beantwortet. Diese wird mit der
semantischen „Distanz“ zweier in dem Satz enthaltener Begriffe korreliert. Bei-
spiel: Der Versuchsperson wird ein Satz präsentiert, wie „Ein Hund ist ein Säuge-
tier“ und „Ein Hund ist ein Tier“. Die meisten Versuchspersonen bestätigen den
zweiten Satz jedoch schneller als den ersten. Dies suggeriert, dass die Distanz
zwischen „Hund“ und „Säugetier“ größer ist als die zwischen „Hund“ und „Tier“.
Ein solches Ergebnis ist jedoch im Widerspruch zu den Modellen hierarchischer
semantischer Netze.
Vergessen
Um zu erläutern worauf Vergessen zurückzuführen ist, werden im Folgenden
einige Theorien zur Erklärung des Informationsverlusts aus dem LZG vorgestellt:
x Die Theorie des Spurenzerfalls: Je größer der zeitliche Abstand vom Zeit-
punkt der Aneignung des Gedächtnismaterials ist, desto mehr wird die Ge-
dächtniswirkung vermindert.
x Die Theorie des Adressenverlusts: Zugangsmöglichkeiten zu Gedächtnisin-
halten gehen verloren, die Inhalte selber bleiben jedoch unberührt.
x Die Theorie der Verdrängung: Kognitive Vermeidung von Inhalten, die sich
in der betreffenden Situation als unangenehm erwiesen haben.
x Prozesse der Interferenz: Ersatz der Gedächtnisinhalte durch andere, ähnliche
(vorher oder nachher gelernte).
372 Arbeitswissenschaft

Vergessen besitzt bei den meisten Menschen eine überwiegend negative Bedeu-
tung, man sollte sich jedoch immer vergegenwärtigen, dass Vergessen unabding-
bar für die Handlungsfähigkeit des Individuums und soziale Interaktion ist.
Mnemotechniken
Unter Mnemotechniken (Gedächtniskunst) werden Verfahren verstanden, die das
Memorieren von Elementen mittels Merkhilfen („Eselsbrücken“) erleichtern. Bei
richtiger Anwendung funktionieren diese „Umwege“ überraschend gut. Drei Bei-
spiele: (1) Reimen (z.B. In Wurzeln und in Summen kürzen nur die Dummen).
(2) Bildliches Vorstellen „Auf welcher Seite war bei Ihrer vorletzten Wohnung
der Türgriff der Eingangstür?“. (3) Die Loci-Methode (auch: peripathetische Me-
thode): Man verwendet einige bekannte geographische Orte als Hinweisreize für
den Abruf der memorierten Elemente (z.B. den Grundriss der eigenen Wohnung).
Dies wirkt am besten, wenn während der Einprägung auch tatsächlich dieser Ort
betrachtet und die zu memorierenden Elemente auf den jeweiligen Ort „projiziert“
werden. Bspw. mit den Elementen Hand, Fahrrad, Knopf, Tasche, Leiter: Man
öffnet den Kühlschrank. Es liegt eine Hand darin. Man geht ins Badezimmer. Es
steht ein Fahrrad in der Wanne. Man schaut in die Spüle. Es liegt ein Knopf in der
Spüle. Auf dem Tisch liegt eine Tasche, und vor der Schlafzimmertür steht eine
Leiter etc.

3.3.2.2.3.2 Hinweise für die Gestaltung


Einige gestaltungsrelevante Hinweise lassen sich aus der Struktur des Gedächtnis-
ses direkt ableiten. Wenn die Aufgabe überwiegend auf Kurzzeitgedächtnisinhalte
zugreift, gelten selbstverständlich andere Hinweise als für Aufgaben, die v.a. das
Langzeitgedächtnis in Anspruch nehmen.
Gestaltung langzeitgedächtnisrelevanter Aufgaben
Im Folgenden werden an Hand eines einfachen Beispiels zur Kodierung von Pake-
ten bei einem Logistik-Unternehmen einige Gestaltungshinweise dargestellt.
Vor der Verteilung der Pakete werden die Adressen so kodiert, dass die Pakete
automatisch einer Zustellroute zugeordnet werden können. Die Codes bestehen
aus drei Buchstaben. Ein Code könnte z.B. aus den ersten drei Buchstaben des
Straßennamens gebildet werden oder aus den jeweils ersten Buchstaben der ersten
drei Silben. Um eine fehlerfreie Kodierung zu ermöglichen, ist es notwendig, die
Codes so zu gestalten, dass eine eineindeutige Beziehung zwischen der Adresse
und dem Code besteht. Somit stellt das Erstellen der eindeutigen Codes ein wich-
tiges Optimierungspotential in der Arbeitsprozessgestaltung dar. In Bezug auf das
Lernen von Dreibuchstabencodes ist es wichtig, zwischen Vorwärtsassoziation
und Rückwärtsassoziation zu unterscheiden. Die Wahrscheinlichkeit, einen kor-
rekten Code zu erzeugen (Vorwärtsassoziation), liegt durchschnittlich um ca. 50%
niedriger als die Wahrscheinlichkeit des korrekten Wiedererkennens (WELFORD
1976). Bei der Paketkodierung ist jedoch nur die Vorwärtsassoziation gefordert.
Arbeitsformen 373

Einige gesicherte Erkenntnisse über Gedächtnisleistungen seien an dieser Stelle


genannt. Diese Erkenntnisse basieren hauptsächlich auf dem sog. Paired-Associate
Lernprinzip, d.h. dem Lernen von Zuordnungen mehr oder weniger willkürlicher
Einheiten (Zahlen o.ä.) zu bedeutungsvollen Worten (Beispiel: Himmel-43, Fuß-
21 usw.). Dieses Paradigma erscheint im Kontext gut anwendbar:
(1) Das Erlernen von Fakten basiert oft auf der Nutzung von Redundanz. Infol-
gedessen werden dem Abrufprozess mehrere Abrufwege zur Verfügung ge-
stellt, die die Wahrscheinlichkeit, dass die Information korrekt reproduziert
werden kann, erhöhen (ANDERSON 2007).
(2) Reproduktionen sind oft das Ergebnis plausibler Schlussfolgerungen auf der
Basis der Informationen, an die man sich noch erinnern kann. Hierdurch ist
es auch möglich, sich an solche Dinge zu erinnern, die in der aktuellen Form
gar nicht erlernt wurden (REDER 1982).
(3) Das Gedächtnis für bestimmte Informationen lässt sich experimentell verbes-
sern, wenn die Person durch bestimmte Manipulationen veranlasst wird, das
Material zusätzlich zu bearbeiten (BOBROW u. BOWER 1969; HYDE u.
JENKINS 1973).
(4) Die Absicht zu lernen, hat keinen Einfluss auf die Behaltensleistung. Wichtig
ist die Art, wie die Informationen verarbeitet werden. In diesem Zusammen-
hang wird auch von „depth of processing“ gesprochen (CRAIK u.
LOCKHART 1972).
(5) Sowohl für die Bearbeitung von Material beim Lernen als auch für die Re-
konstruktion des Gelernten beim späteren Abruf spielen Schemata eine wich-
tige Rolle. Durch Anpassungen an die Schemata kann es zu Verzerrungen
bei der Reproduktion kommen (OWENS et al. 1979).
(6) Je genauer der Abrufkontext dem Lernkontext entspricht, desto höher ist die
Gedächtnisleistung. Dieser Effekt trifft sowohl auf äußere Kontexte als auch
auf emotionale Kontexte zu (GODDEN u. BADDELEY 1975).
(7) Je häufiger ein Gedächtnisinhalt abgerufen wird, desto größer ist die Wahr-
scheinlichkeit, dass er auch beim nächsten Abruf erfolgreich reproduziert
wird.
Aus diesem Tatbestand ergeben sich sowohl für das Bilden der Kürzel als auch
für das Einweisen der Mitarbeiter einige Implikationen:
Aus den Hinweisen 1 und 3 lässt sich ableiten, dass es wichtig ist, in der Lern-
phase ausreichend Redundanz zu bieten. Die Redundanz, die beim Erlernen von
Kürzeln benutzt werden kann, ist in der zu kodierenden Adresse enthalten. Zum
einen ist dies der Name der Straße, zum anderen kann es das Wissen um die geo-
graphische Lage der Straße sein. So empfiehlt es sich, wenn Überschneidungen
(ein Code für mehreren Straßennamen) dazu Anlass geben, die Kürzelbildung von
der Regel abweichen zu lassen, ein eindeutiges Kürzel auf der Basis vorhandener
Informationen zu bilden: Der Adresse selbst, eventuell inklusive Zustellbezirk etc.
Obwohl Kenntnisse der geographischen Lage einer Straße nicht bei allen Personen
374 Arbeitswissenschaft

vorausgesetzt werden können, ist auch dies eine Quelle potentiell nutzbarer Re-
dundanz.
Der Mensch ist in der Lage, sich an Dinge zu erinnern, die ihm in der Form
noch nicht begegnet sind, und auf der Basis von Plausibilität zu richtigen (und
falschen) Schlussfolgerungen zu kommen (Hinweise 2 und 5). Dies führt zu der
Konsequenz, dass es sinnvoll ist, eine gewisse Logik anstelle von willkürlichen
Buchstabenkombinationen als Basis für die Kürzelbildung heranzuziehen. Am
besten erscheint hier eine Hierarchie von Regeln (z.B. 3 Anfangsbuchstaben o
Anfangsbuchstaben der Silben o Andere Regel).
Je häufiger ein Gedächtnisinhalt abgerufen wird, desto größer ist die Wahr-
scheinlichkeit, dass er auch beim nächsten Abruf erfolgreich reproduziert werden
kann (Hinweis 7). Die am häufigsten auftretenden Kürzel werden zuerst und am
besten gelernt. Es wäre also sinnvoll, den Regelcode (den Höchsten in der Regel-
hierarchie) für die seltener auftretenden Fälle und den Sonderkode (den nächst
Niedrigeren in der Regelhierarchie) für die häufiger auftretenden Fälle zu reservie-
ren.
Die Regeln, die bei der Kürzelbildung verwendet werden, sind nicht immer
identisch mit dem, was der Lernende sich an „Regeln“ oder Schemata bildet. Des-
halb ist es wichtig, dass der Mitarbeiter weiß, welche Regel wirklich zur Kürzel-
bildung geführt hat (Hinweis 2). Wenn bei der Bildung eines Kürzels eine Hierar-
chie von Regeln angewendet wurde, so ist es sinnvoll, dies dem Lernenden auch
nachvollziehbar zu machen. Auf diese Art kann sich der Lernende mit dem Mate-
rial besser auseinandersetzen.
Je genauer der Abrufkontext dem Lernkontext entspricht, desto höher ist die
Gedächtnisleistung (Hinweis 6). Dieser Effekt trifft sowohl auf äußere Kontexte
als auch auf emotionale Kontexte zu. Es ist darum zu empfehlen, einen Großteil
des Lernens vor Ort an der Anlage und mit echten Paketen stattfinden zu lassen.
Das „Üben“ einer Liste von Kürzeln in einer isolierten Umgebung ist weniger
sinnvoll.
Der Mensch kann sich an bedeutungsvolle Informationen besser erinnern als an
bedeutungslose. Wie bereits angedeutet wurde, ist die Reproduktionsleistung
umso besser, je mehr Zugriffsmöglichkeiten es auf einen Gedächtnisinhalt gibt
(Hinweise 1 bis 4). Das Vorhandensein von Zusatzinformation („ist eine Quer-
straße von der Hauptstraße“, „liegt im Bezirk X“, „die Firma Y ist dort angesie-
delt“) kann sowohl die Einprägung des Kürzels erleichtern, als auch dessen Abruf.
Welche Faktoren beeinflussen den Behaltensprozess? Voraussetzung für „be-
halten“ ist zunächst eine 10-30 minütige Konsolidierungsphase. Einen entschei-
denden Einfluss auf die Behaltensleistung üben die Charakteristika des Lernpro-
zesses aus:
x Je öfter etwas wiederholt wird (Rehearsal), desto besser wird es behalten
x „Verteiltes“ Lernen, d.h. Lernen mit zwischengeschobenen Phasen anderer
Aktivitäten, ist effektiver als „massiertes“ Lernen
Arbeitsformen 375

x Behalten ist von emotionalen Faktoren abhängig: emotional positiv gefärbte


Inhalte werden besser behalten als emotional negativ besetzte, diese wiede-
rum eher als emotional neutrale
x Mnemotechniken sind weitere Lernstrategien, die einen günstigen Einfluss
auf die Behaltensleistung haben.
Gestaltung kurzzeitgedächtnisrelevanter Aufgaben
Durch die Struktur und Funktion des Kurzzeitgedächtnisses sind für die Optimie-
rung ganz andere Aspekte von Bedeutung. So ist der Zugriff auf Kurzzeitgedächt-
nisinhalte immer gewährleistet. Wenn der Zugriff keinen Erfolg hatte, bedeutet
dies einfach, dass die Information dort nicht abgelegt war. Limitierende Faktoren
sind hingegen die Speicherdauer und -auslastung. Das Optimierungspotential liegt
hier also nicht im Erleichtern des Abrufs, sondern in der Optimierung der notwen-
digen Menge und erforderlichen Speicherdauer der im Kurzzeitgedächtnis zu
behaltenden Informationen. Hierzu können folgende Maßnahmen beitragen:
x Displays sollten so viel wie möglich aktuell benötigte Informationen dar-
stellen und so wenig wie möglich irrelevante Informationen enthalten.
x Bei visuellen Displays sollten alle darin enthaltenen Informationen parallel
und auf „Hinblick“ verfügbar sein. Dadurch kann eine Interferenz von irrele-
vanten mit relevanten Informationen vermieden werden.
x Bei akustischen Displays sind Informationen nur seriell verfügbar. Sie kön-
nen jedoch eine Aufmerksamkeitsverschiebung erzwingen und sind somit für
Fehlervorbeugung und Notfallsignalisierung gut geeignet.
x Chunkingstrategien können beim Speichern nützlich sein, aber nur unter der
Bedingung, dass das Anwenden der Strategien selber keine (wesentliche)
Kurzzeitgedächtnisleistung abverlangt.
x In der Regel sind Fehler des Kurzzeitgedächtnisses entweder auf ein Focused
Attention Deficit (FAD) oder auf ein Divided Attention Deficit (DAD) zu-
rückzuführen, siehe Kapitel 3.3.2.2.6. Möglichst wenige Informationen soll-
ten deshalb möglichst kurz behalten werden müssen, um ein DAD zu ver-
meiden. Die Darbietung der Information sollte außerdem so gewählt werden,
dass unerwünschte Assoziationen und dadurch aufgerufene automatisch ab-
laufende Verarbeitungsprozesse nicht auftreten, um ein FAD zu vermeiden.
3.3.2.2.4 Mentale Modelle und Situationsbewusstsein
Mentale Modelle lassen sich definieren als ein stabiles Gefüge von Wissen, das
der Benutzer bzgl. eines Realitätsausschnitts gebildet hat und auf ihn anwendet
(SCHMIDT u. LUCZAK 2006b; SCHMIDT 2007b). Mentale Modelle sind somit
transitorische Produkte der Vorstellung, die situationsabhängig gebildet werden,
um erkannte Informationen in eine Systemanalyse zu transformieren und das Sys-
tem- und Umgebungsverhalten vorherzusagen. Aus Gründen der Speicherplatz-
ökonomie ist nicht anzunehmen, dass mentale Modelle identisch mit den Einhei-
ten der langzeitlichen Speicherung im Gedächtnis sind, sondern dass diese kogni-
tive Repräsentation in einem interpretativen Prozess beim Aufruf aus dem Lang-
376 Arbeitswissenschaft

zeitgedächtnis neu gebildet wird. Der Zusammenhang zwischen mentalen Model-


len und der gedächtnismäßigen Organisation von Wissen ist eine Fragestellung,
die in der Wissens-/Gedächtnispsychologie untersucht wird. Die Eigenschaften
und Funktionen mentaler Modelle sind nur indirekt aus der Analyse menschlicher
Informationsverarbeitung erschließbar. Wesentliche Funktionen sind das Verste-
hen von Sachverhalten der Umwelt und die Planung und Steuerung von Handlun-
gen. Mentale Modelle zum Verstehen neuer Sachverhalte basieren häufig auf
Analogien, bei denen die Relationen aus gespeichertem Wissen auf die Elemente
eines neuen Gegenstandsbereichs übertragen werden. In einem solchen Modell
können über gedankliches Probehandeln oder Durchspielen von Ereignisfolgen
Sachverhalte der Umwelt dynamisch „simuliert“ werden.
Eng verbunden mit mentalen Modellen ist das Konstrukt des sog. Situations-
bewusstseins (situation awareness, SA) nach ENDSLEY (1995). Es beschreibt die
Vollständigkeit und Korrektheit des mentalen Modells in Bezug auf eine Umge-
bungssituation (siehe Abb. 3.97). Im Idealfall ist der Mensch in der Lage, alle drei
Ebenen des Konstrukts mental korrekt abzubilden, nämlich (1) die Objekte der
Umwelt wahrzunehmen und zu erkennen, (2) aus den erkannten Objekten die
gegenwärtige Situation richtig einzuschätzen und (3) auf der Grundlage erfah-
rungsbedingter Erwartungen die Entwicklung der Umgebungssituation zu projizie-
ren. Das mentale Modell des Menschen bildet in diesem Zusammenhang den
Ordnungsrahmen für die Kategorisierung eingehender Informationen, die Bildung
logischer Verknüpfungen zwischen Informationen und Gedächtnisinhalten sowie
die Vorhersage des Systemzustands auf Basis eines Verständnisses in Bezug auf
die Systemdynamik.

Schema Prototypische und erwartete


x Objekte
x Szenen
x Ereignisabfolgen

Mentales
Modell

Wahrnehmen Verstehen Projizieren


Erkennen

Situationsbewusstsein
Abb. 3.97: Phasen zur Entstehung von Situationsbewusstsein nach ENDSLEY (2000)

3.3.2.2.5 Externalisierte Repräsentationen zentraler Prozesse


Externalisierte Repräsentationen zielen darauf ab, die zentralen Prozesse der
menschlichen Informationsverarbeitung sowie die damit verbundenen mentalen
Modelle „ingenieurmäßig“ zu beschreiben. Sie unterscheiden sich von den in
Arbeitsformen 377

Kapitel 3.3.1.1 eingeführten Modellen menschlicher Informationsverarbeitung


dadurch, dass sie auf eine konkrete Anwendungsdomäne bezogen werden. Sie sind
deshalb z.B. für die kognitiv-ergonomische Gestaltung von Mensch-Maschine-
Schnittstellen in der Fahrzeug- und Prozessführung besonders interessant (siehe
RASMUSSEN et al. 1994). Sie werden in den meisten Fällen qualitativ formuliert,
bspw. in technisch optimierten Formen der zuvor erläuterten semantischen Netze,
oder in Form von sog. Abstraktionshierarchien. Darüber hinaus sind insbesondere
in der jüngeren Vergangenheit auch Ansätze zur quantitativen Beschreibung und
Simulation zentraler Prozesse entwickelt worden, die als sog. Kognitive Architek-
turen bezeichnet werden.

3.3.2.2.5.1 Abstraktionshierarchien
Abstraktionshierarchien stützten sich auf die Konstruktionssystematik (siehe
PAHL et al. 2007) und repräsentieren komplexe technische Systeme auf verschie-
denen Abstraktions- und Aggregationsebenen (siehe RASMUSSEN et al. 1994).
Häufig werden Abstraktionshierarchien mit fünf Ebenen verwendet: (1) Auf der
untersten Ebene der physischen Form sind die körperlichen Eigenschaften der
Systemkomponenten abgebildet, wie z.B. bei einem Computer die Form und Lage
der Chips, Pinbelegungen o.ä., die bspw. für eine Fehlerdiagnose vom Menschen
herangezogen werden können. (2) Auf der Ebene der physikalischen Funktion
sind die jeweiligen elektrischen, mechanischen oder chemischen Eigenschaften
der verschiedenen Subsysteme repräsentiert. Bei einem Computer würden z.B. die
elektrischen Signalcharakteristika oder Temperaturverteilungen betrachtet.
(3) Wird weiter abstrahiert, so werden auf der generellen Funktionsebene die
physikalischen Implementierungsdetails vernachlässigt und lediglich generalisier-
te Systemmodule wie Spannungsversorgung, Zentralprozessor, Hauptspeicher etc.
erörtert. (4) Auf der Ebene der abstrakten Funktion wird das System als kausales
Geflecht von Informations-, Massen- oder Energieströmen betrachtet, die den
beabsichtigten Systemzustand reflektieren. Bei einem Computer fallen hierunter
die arithmetischen Operationen, Speichermanagement etc. (5) Schließlich ist auf
der höchsten Ebene des funktionalen Zwecks der beabsichtigte funktionale Effekt
des Gesamtsystems auf seine Umgebung abgebildet. Beim Computerbeispiel sind
Zielkataloge bzw. Systemspezifikationen zu nennen.
I.Allg. besitzen Abstraktionshierarchien folgende Merkmale:
x Jede Schicht der Hierarchie beinhaltet das gleiche System, nur in einer ande-
ren Beschreibungsweise.
x Jede Schicht hat ihre eigenen Begriffe, Konzepte und Prinzipien.
x Die Auswahl der Schichten zur Beschreibung eines bestimmten Systems
hängt vom Beobachter, seinem Wissen und seinen Kenntnissen ab. Für viele
Systeme gibt es jedoch einige Schichten, die als „natürlich“ und in der Sache
liegend angesehen werden können.
x Voraussetzung für das einwandfreie Funktionieren jeder Schicht ist die Ein-
haltung der Rahmenbedingungen (constraints) auf der darunter liegenden
Ebene.
378 Arbeitswissenschaft

x Das Verständnis für das System erhöht sich dadurch, dass man sich von einer
Schicht zur anderen bewegt. Bewegt man sich in der Hierarchie aufwärts, er-
fährt man mehr über die Ziele des Systems, bewegt man sich abwärts, ge-
winnt man Kenntnisse darüber, wie das System funktioniert, um diese Ziele
zu erreichen. Höhere Schichten enthalten weniger Einzelheiten als niedrigere
Schichten.
x Weiterhin ist die Hierarchie dadurch gekennzeichnet, dass die verschiedenen
Schichten durch eine Ziel-Mittel-Beziehung verbunden sind. Ziel-Mittel-
Relationen sind dadurch charakterisiert, dass mit dem System Ziele verfolgt
werden, wozu die Mittel zur Verfügung gestellt werden. Die unteren Schich-
ten stellen jeweils die Mittel bereit, um die Ziele der darüber liegenden
Schichten zu erreichen.
Zwischen den Abstraktionsebenen werden Ursachen für Fehlfunktionen vom
Konkreten zum Abstrakten und Gründe für eine richtige Funktionalität vom Abs-
trakten zum Konkreten vom Menschen propagiert. Auf diese Weise wird heraus-
gestellt, dass komplexe Mensch-Maschine-Systeme nicht alleinig kausal beschrie-
ben werden können, sondern ebenso einen intentionalen Charakter besitzen. Hin-
sichtlich der Aggregation lassen sich auf jeder Abstraktionsebene – von Zielhie-
rarchien bis Baustrukturen von physischen Komponenten – Subsysteme zu Syste-
men und Supersystemen zusammenfassen bzw. im Umkehrschluss in die jeweili-
gen Teile auflösen. Ein elaboriertes Beispiel einer Abstraktionshierarchie zur
Repräsentation von Konstruktionswissen für einen Pkw-Anhänger findet sich in
SCHMIDT (2004). Weitere Beispiele im Kontext der informatorischen Gestaltung
von Arbeitssystemen sind in Kap. 10.1.2.3.2.1 wiedergegeben.

3.3.2.2.5.2 Kognitive Architekturen


In der Forschung sind nicht nur qualitative externalisierte Repräsentationen be-
kannt, sondern es gibt auch verschiedene quantitative Ansätze (computational
models), die darauf abzielen, Gedächtnisstrukturen und kognitive Prozesse zur
Symbolverarbeitung formal zu modellieren und auf einem Computer zu simulie-
ren. Dies ist Gegenstand sog. Kognitiver Architekturen (cognitive architectures),
die eine vom Individuum losgelöste Wissensrepräsentation ermöglichen. Bekannte
Kognitive Architekturen sind ACT-R (Adaptive Control of Thought, Rational,
ANDERSON et al. 2004) und SOAR (State, Operator And Result) (ROSENBLOOM
et al. 1993), die jeweils auf Bedingungs-Aktions- bzw. Wenn-Dann-Paaren zur
Symbolverarbeitung aufsetzen. Man spricht auch von Erzeugungssystemen (pro-
duction systems).
Bspw. besteht ACT-R aus fünf Modulen: (1) Zentrales Erzeugungssystem zur
Wissensrepräsentation, (2) visuelles Modul für die Identifizierung von Objekten,
(3) manuelles Modul für die motorische Koordination der „Hände“,
(4) Ziel/Intention-Modul für die Informationen des aktuell verfolgten Ziels
und (5) Fakten-Modul für die Gedächtniseinheiten.
Der wichtigste Unterschied von ACT-R gegenüber SOAR ist seine subsymboli-
sche Ebene. Sie erlaubt es, die stochastischen Eigenschaften vieler typischer Phä-
Arbeitsformen 379

nomene menschlicher Kognition zu modellieren. Zu diesen zählen z.B. das Abru-


fen von unpassenden Fakten aus dem Gedächtnis oder die Wahl suboptimaler
Strategien beim Lösen eines Problems. Sowohl für ACT-R als auch für SOAR
gibt es diverse Anwendungsbeispiele. ACT-R wird bspw. verwendet, um visuelle
Suchprozesse mit elektronischen Karten zu modellieren (FU u. GRAY 2006) oder
die visuell-räumliche Kognition bei der Mensch-Maschine-Interaktion zu simulie-
ren (WINKELHOLZ 2006). Typische Anwendungen von SOAR sind die Luftraum-
überwachung (TAYLOR et al. 2007). SOAR kann jedoch auch zur Planung von
robotisch unterstützten Montagevorgängen genutzt werden (MAYER et al. 2009).
Darüber hinaus gibt es erste stochastische Modelle zur Simulation des visuell-
räumlichen Gedächtnisses des Menschen bei der Interpretation von graphischen
Darstellungen auf Bildschirmen (WINKELHOLZ 2006; WINKELHOLZ u. SCHLICK
2007). Diese Modelle können z.B. als visuelles Modul für ACT-R oder SOAR
dienen.
3.3.2.2.6 Über- und Unterforderung beim Erkennen und Entscheiden
Vieles spricht dafür, die zentralen Informationsverarbeitungsprozesse als einkana-
lig zu bezeichnen. Während bei den frühen Prozessen von massiver Parallelität
ausgegangen werden kann und auch die Vorbereitung und Ausführung von simul-
tanen Handlungsabläufen mit vergleichsweise geringer mentaler Beanspruchung
durchgeführt werden kann, laufen die Prozesse, die in höherem Maße bewusst-
seinspflichtig sind, tendenziell seriell ab. Dies bedeutet, dass Fehler in der Verar-
beitung häufig durch ein zu großes Informationsangebot oder zu geringe Verarbei-
tungsgeschwindigkeit provoziert werden. Die auftretenden Fehler lassen sich in
zwei Arten unterteilen:
(1) Focused Attention Deficit (FAD): Ein FAD ist das Unvermögen, die eigene
Aufmerksamkeit zu bündeln und tritt dann auf, wenn ein automatisch ablau-
fender Prozess mit einem kontrolliert ablaufenden Prozess interagiert. Ein
Beispiel dafür ist der Stroop-Test (sinngemäße Darstellung in Abb. 3.98):
Dabei ist sehr schnell laut zu sagen, wie viele Items jedes Kästchen enthält.
Für das erste Kästchen ist die richtige Antwort 3. Gelegentlich, insbesondere
bei längeren Listen, tritt ein Konflikt auf zwischen dem automatisch ablau-
fenden Lesen der Zahl und dem kontrolliert ablaufenden Zählen der Items,
der zu längeren Erkennungszeiten und -fehlern führt.

666 111 555 77


222 99 3 111
66 111 555 77

Abb. 3.98: Stroop-Test

(2) Divided Attention Deficit (DAD): Ein DAD besteht in dem Unvermögen, die
eigene Aufmerksamkeit über das gesamte Informationsangebot zu verteilen
und kann, wie erwähnt, sowohl durch ein Überangebot an Information als
380 Arbeitswissenschaft

auch durch eine zu langsame Verarbeitung entstehen. Im ersten Fall spricht


man von einem extrinsischen DAD, im zweiten von einem intrinsischen
DAD (SHIFFRIN u. SCHNEIDER 1977). Als Beispiel genannt sei die Situati-
on, in der ein Autofahrer sich während der Fahrt mit dem Beifahrer unterhält
und plötzlich schweigt oder das Gespräch hapert, da er eine kritische Ver-
kehrssituation bewältigen muss.
Fehler in der zentralen Informationsverarbeitung treten jedoch nicht nur bei
Überforderung auf. Aufgaben, die nur selten eine Handlung erfordern oder wenige
kritische Ereignisse bieten, tendieren dazu, die Person in einen untererregten Zu-
stand zu versetzen und somit Erkennungs- und Entscheidungsprozesse negativ zu
beeinflussen. Elektroenzephalographische Untersuchungen haben gezeigt, dass bei
Unterforderung häufig schlafähnliche Potentiale auftreten. Ein solcher
Vigilanzverlust führt zu einer niedrigen Wahrnehmungsleistung. In Abb. 3.99 ist
eine Typisierung der menschlichen Leistung als Funktion der angebotenen Infor-
mationsmenge zu sehen. Hierbei zeigt die 45°-Linie die Übereinstimmung zwi-
schen verarbeiteter Informationsmenge und dem Signalangebot. Im mit „Unter-
forderung“ gekennzeichneten Gebiet ist die verarbeitete Signalmenge infolge der
in Kapitel 3.3.2.1.4 dargestellten Vigilanzeffekte zurückgeblieben, während im
Bereich „Überforderung“ der Informationsdurchsatz durch extrinsische DADs
retardiert. Bei dieser Darstellung ist zu beachten, dass die 45°-Linie dem Idealfall
bei Aufgaben entspricht, die ausschließlich lineare Signaltransformationen bein-
halten.

Signal-
verarbeitung
(Empfänger)

Unterforderung adäquate Über-


Anforderung forderung

0
0 Signalangebot
(Senderfunktion)

Abb. 3.99: Typisierung von Fällen der Signalverarbeitung/Informationsverarbeitung aus


LUCZAK (1989)
Arbeitsformen 381

3.3.2.3 InformationsabgabeĆ(späteĆProzesse)Ć
Jede Art der menschlichen Informationsverarbeitung muss, wenn sie einen Ein-
fluss auf die Umwelt nehmen soll, nach außen übertragen werden. Im Wesentli-
chen geschieht dies über die Bewegung von Körperteilen, zumeist des Hand-Arm-
Systems – emotional/inhaltlich auch vielfach mit Mimik und Gestik – sowie über
akustische Ausgabe mittels der Sprache.
3.3.2.3.1 Organisation und Regelung von Bewegungen
Im Gegensatz zu technischen Systemen realisiert der Mensch seine Bewegungen
nicht mittels teleskopischer Elemente, sondern als Rotationen von längenkonstan-
ten Hebeln (Knochen) im Raum. Da die Muskeln grundsätzlich nur bei einer Ver-
kürzung Arbeit leisten können, sind für eine Hin- und Rückbewegung immer
mindestens zwei Muskeln erforderlich, die entgegengesetzt aktiviert werden
(Agonisten und Antagonisten). In der Regel sind an Bewegungen darüber hinaus
fast immer mehrere Muskeln gleichartig beteiligt, die an den gleichen oder nahe
benachbarten Knochenpunkten ansetzen und gemeinsam den Bewegungsablauf
bestimmen. Man bezeichnet derartige Muskeln als Synergisten. Die von den ein-
zelnen Muskeln aufgebrachten Kräfte werden zu einer erwünschten Gesamtkraft
nach Betrag und Richtung zusammengeschaltet sowie räumlich und zeitlich ge-
steuert (LUCZAK 1983).
Bereits sehr einfache Bewegungen, selbst das Umblättern dieser Seite, stellen,
v.a. unter Berücksichtigung der begrenzten Bewegungsmöglichkeiten einzelner
Gelenke, eine regelungstechnisch höchst anspruchsvolle Aufgabe dar. Beuge- und
Streckmuskeln müssen wechselweise und so dosiert aktiviert werden, dass sich
eine gewünschte Bewegung der Hand und des Arms als Resultat vieler Drehbe-
wegungen in den beteiligten Gelenken ergibt. Aus den vielen Freiheitsgraden
möglicher Bewegungen müssen einige wenige ausgewählt und durchgeführt wer-
den. Die Notwendigkeit der simultanen und kontrollierten Aktivierung sehr vieler
Muskeln bedeutet, dass selbst bei den einfachsten Bewegungen immer ein ganzes
Ensemble von motorischen Elementen angesteuert werden muss.

3.3.2.3.1.1 Motorisches System


Die Steuerung jeglicher Bewegung geht von den motorischen Zentren des Zen-
tralnervensystems (ZNS) aus, die sich über verschiedene Abschnitte von der Hirn-
rinde (Cortex) über den Hirnstamm bis zum Rückenmark erstrecken (Abb. 3.100).
Die Innervierung einer Muskelzelle erfolgt über die sog. motorische Endplatte, die
über eine Nervenleitung mit dem zuständigen Motoneuron (im Rückenmark) ver-
bunden ist. Jedes Motoneuron innerviert i.Allg. mehrere Muskelfasern, wobei es
mit seinen Muskelfasern eine motorische Einheit bildet. Die Anzahl der Muskelfa-
sern einer motorischen Einheit kann von einer einzigen bis zu mehr als tausend
variieren (siehe Kap. 3.2.4).
Die Kontraktion einer Muskelfaser wird durch den Depolarisationsimpuls der
Muskelzellmembran ausgelöst. Ein einzelnes Aktionspotential im Motoneuron
382 Arbeitswissenschaft

führt zu einer Einzelzuckung in allen Muskelfasern der motorischen Einheit. Die


Stärke einer Kontraktion wird durch die Frequenz der Aktionspotentiale (Entla-
dungsrate des Motoneurons) gesteuert. Die Muskelspannung, die von einer moto-
rischen Einheit erzeugt wird, lässt sich jedoch nur in bestimmten Bereichen durch
Modulation der Frequenz regeln. Eine graduelle Erhöhung der Gesamtspannung
des Muskels wird deshalb durch die kontrollierte Aktivierung verschiedener (und
verschieden großer) motorischer Einheiten bewerkstelligt. Dieser Vorgang der
Regelung der Muskelspannung durch die Erhöhung der Anzahl der jeweils akti-
vierten motorischen Einheiten wird als Rekrutierung bezeichnet. Eine schwache
Muskelkontraktion wird typischerweise durch Motoneurone kontrolliert, die zu
kleineren motorischen Einheiten gehören. Eine zunehmend stärkere Kontraktion
wird durch das Hinzuschalten mehrerer oder größerer motorischen Einheiten er-
reicht. Die größten motorischen Einheiten werden nur bei stärksten Kontraktionen
aktiviert. Das ist z.B. ein Grund für die Repetitive Strain Injury bei Tastatur und
Mausbedienung.
Die Organisationsstruktur der motorischen Systeme ist der der sensorischen
Systeme ähnlich. In erster Instanz zeigt sich eine hierarchische Ordnung der betei-
ligten Zentren mit einem sequentiellen Aufbau der Kontrollvorgänge. Neben die-
sem Aufbau gibt es auch parallele Kanäle, über die eine übergeordnete Ebene in
direkter und unabhängiger Weise auf jede untergeordnete Ebene einwirken kann.
Höhere motorische Kontrollebenen können so direkt die Programmabläufe auf den
untersten Ebenen beeinflussen, und zwar in befehlsgebender, modulierender oder
verfeinernder Weise. Darüber hinaus können noch weitere Zentren, z.B. Kleinhirn
(Cerebellum) und extrapyramidal-motorisches System, in paralleler Weise auf die
verschiedenen Ebenen einwirken. Hiermit ist es möglich, einerseits Informationen
von den hierarchisch niederen Zentren auf höhere zu übermitteln und andererseits
zentrale Steuerungsmechanismen (z.B. das vegetative Nervensystem) in die moto-
rische Steuerung einzubeziehen (SCHMIDT et al 2005; GÖBEL 1996).
Höhere Organisationen im Gehirn planen und entscheiden Aktionsabläufe. Sie
beeinflussen daraufhin intermediäre Ebenen, die dann ihrerseits die untersten
Ebenen kontrollieren. Die neuronalen Netzwerke im Rückenmark können als
unterste Ebene der motorischen Kontrolle betrachtet werden. Hier werden einfa-
che stereotype Reaktionen erzeugt. Als oberste Ebene in der Zielmotorik können
die prämotorischen cortikalen Areale angesehen werden (REICHERT 2000). Die
Entscheidung für eine bestimmte Verhaltensreaktion erfolgt in den subcorticalen
und corticalen Motivationsarealen, die Strategie und der Bewegungsentwurf wer-
den dann im assoziativen und sensorischen Cortex entwickelt. Diese Areale sind
mit dem prämotorischen Cortex verbunden, der für die Auswahl und Zusammen-
stellung der Bewegungsprogramme verantwortlich ist. Der prämotorische Cortex
wiederum beeinflusst den motorischen Cortex. Dessen wichtigste Aufgabe liegt in
der Auslösung von Bewegungsabläufen. Weiterhin ist dieser ein wichtiger Aus-
gangspunkt für vorverarbeitete absteigende motorische Befehle, die an das Rü-
ckenmark, an den Hirnstamm und an andere subcortikale Ebenen übertragen wer-
den. Zusätzlich werden im motorischen Cortex die verhaltensrelevanten Ergebnis-
Arbeitsformen 383

se der Informationsverarbeitung aus anderen cortikalen Bereichen zusammenge-


führt. Der motorische Cortex stellt also eine Station für die Umsetzung von Bewe-
gungsentwürfen in Bewegungsprogramme dar. Die nächste Ebene der motori-
schen Hierarchie bildet der Hirnstamm. Hier werden absteigende motorische
Kommandosignale sowie aufsteigende sensorische Informationen weiterverarbei-
tet und weitergeleitet. Die Verschaltungen des Rückenmarks erzeugen dann auto-
matisch ablaufende Verhaltenskomponenten, diese unterliegen dabei der deszen-
dierenden Kontrolle über die Formatio Reticularis. Die unterste Ebene innerhalb
des Rückenmarks ist die der Motoneurone (Abb. 3.100).

Großhirn
höhere Kleinhirn
Zentren

Vorbereitungsphase
Subcorticaleund corticale
Extrapyramidal- Motivationsareale
motorisches
System (EPMS)
Assoziativer und
Assoziativer sensorischer Cortex
Thalamus
Motorischer
Prämotorischer Cortex
Thalamus
aszendierendes System

Sensorischer
Thalamus

Ausführungsphase
Motorischer Cortex
Pyramidenbahn

Motorische Zentren des


Hirnstammes

Formatio
deszendierendes System Rückenmark
Reticularis

Motorische
Endplatte

Muskel- Muskel- Gelenk-


Hautafferenzen
faser spindeln rezeptoren

Abb. 3.100: Informationsübertragung im motorischen System (vereinfacht)

In den höheren Ebenen werden relativ wenige komplexe Informationen und


Entscheidungen verarbeitet, während in den niedrigeren Ebenen vorwiegend ste-
reotype Reaktionen in großer Anzahl parallel erzeugt werden. Motorische Aktio-
nen lassen sich so in eine Vorbereitungsphase und eine Ausführungsphase abgren-
zen. Das Besondere an motorischen Systemen ist, dass die Gesamtheit an motori-
scher Informationsverarbeitung schließlich auf ein einziges Zielelement ausgerich-
tet ist, nämlich das Motoneuron. Alle Signale, gleich woher sie kommen, müssen
über Motoneurone laufen, wenn sie einen Einfluss auf die Muskulatur haben sol-
len. Für unterschiedliche Extremitäten und Muskelgruppen ist der prinzipielle
Steuerungsablauf zwar identisch, jedoch sind die beteiligten Mechanismen ent-
sprechend ihren Aufgaben unterschiedlich stark ausgeprägt. So ist z.B. bei den
Muskeln der oberen Extremitäten die Zahl der angeschlossenen Muskelzellen pro
motorischer Endplatte relativ gering. Darüber hinaus ist in den für die Motorik-
steuerung zuständigen Zentren überproportional mehr Areal für die oberen Extre-
384 Arbeitswissenschaft

mitäten als für die Beine vorgesehen. Das Hand-Arm-System kann daher wesent-
lich gezielter und feinfühliger angesteuert werden (MÜLLER-LIMMROTH 1975).
Die Leistungen des motorischen Systems können grob in drei Bereiche unter-
teilt werden (MÜLLER-LIMMROTH 1975): Die Spinalmotorik umfasst einen Vor-
rat elementarer Haltungs- und Bewegungsprogramme auf Rückenmarksebene. Mit
Hilfe der Stützmotorik werden Haltung und Stellung des Körpers im Raum von
Zentren im Hirnstamm kontrolliert. Schließlich wird die Zielmotorik, die sich als
zielgerichtete Bewegung äußert, von Arealen der Hirnrinde und dem Kleinhirn
entworfen und programmiert.

3.3.2.3.1.2 Regelung der Bewegungen


Sensorische Rückkopplung
Die motorische Aktivität kann nicht in streng stereotyper Weise ablaufen. Sie
muss laufend durch sensorische Information an den aktuellen Verhaltenszustand
und an variierende Umweltbedingungen angepasst werden. Dazu werden Informa-
tionen über den Anspannungszustand der Muskeln und die Gelenkwinkel sowie
die Verhaltenskonsequenzen in die höheren Ebenen zurückgeführt und dort in
passender Weise mit der motorischen Steuerung rekombiniert. Damit wird die
Modifikation von motorischen Befehlen auf allen Ebenen durch sensorische In-
formation ermöglicht, aus der ein adaptives Verhalten resultiert. Als Rezeptoren in
diesem Sinne fungieren sowohl alle Sinneswahrnehmungen (Sehen, Fühlen, etc.)
als auch nicht bewusstseinsfähige sensorische Signale (Muskel- und Gelenksenso-
ren). Die Vielfalt an Rezeptoren und Verknüpfungen führt zu einer Vielfalt von
vermaschten Regelkreisen.
Reflexe
Die einfachste und am häufigsten angewandte Variante eines solchen Regelkreises
ist die sog. Reflexverschaltung zwischen dem Rückenmark und den Muskeln
(spinalmotorisches System). Ein Reflex ist eine einfache, weitgehend stereotype
Reaktion, die durch einen Sinnesreiz ausgelöst wird. In den Muskeln sind neben
den Muskelfasern (intrafusale und extrafusale Fasern über Ȗ- und Į-Motoneurone)
noch sog. Muskelspindelrezeptoren (1a-Afferenzen) enthalten, die sensorische
Informationen über den Dehnungszustand des Muskels liefern. Eine Dehnung des
Muskels bewirkt eine Steigerung der Aktivität der Muskelspindelrezeptoren. Auf-
grund dieser in das Rückenmark laufenden Signale wird eine vermehrte Erregung
von Motoneuronen und damit eine ausgleichende Kontraktion der Muskelfasern
bewirkt, während ebenfalls im Rückenmark für eine Hemmung des Antagonisten
gesorgt wird. Diese Reflexverschaltung ist somit in der Lage, kleine Änderungen
in der eingestellten Muskellänge zu detektieren und auszugleichen (Dehnungsre-
flex). Sie dient folglich dazu, selbständig eine gegebene Muskellänge konstant zu
halten (und damit z.B. zur Erhaltung der Körperstellung beizutragen). Die Vertei-
lung der Muskelaktivierung zwischen den intrafusalen und extrafusalen Fasern des
Muskels erlaubt eine Wirkungsgradverstellung der Spindelrezeptoren. Auf diese
Weise kann nicht nur die Empfindlichkeit, sondern v.a. die Übertragungseigen-
Arbeitsformen 385

schaft des Regelkreises variiert werden. Die Reflexe sind damit hinsichtlich ihrer
Kraftentwicklung an wechselnde Umstände anpassungsfähig.
Neben den Dehnungsreflexen gibt es eine Reihe von Reflexverschaltungen, die
von sog. Golgi-Sehnenorganen (1b-Afferenzen) aktiviert werden. Diese sind mit
den Muskelfasern in Serie geschaltet und eignen sich dazu, Muskelspannungen zu
registrieren. Darüber hinaus gibt es Gelenkrezeptoren, die als Mechanorezeptoren
über die Stellung der Gelenke Auskunft geben.
Reflexe können automatisch ablaufen, d.h. ohne durch höhere Zentren initiiert
zu werden. Damit wird bereits auf dieser niedrigen Ebene für eine optimale An-
passung der Muskelkontraktion an die Bewegung bzw. Belastung gesorgt, ohne
dass höhere Zentren hierfür in Anspruch genommen werden. Die Verknüpfung
sensorischer und effektorischer Signale in ein und demselben Muskel bezeichnet
man als Eigenreflex, die Verknüpfung der Signale mehrerer Muskeln oder äußerer
Reize als Fremdreflex. Bei der praktischen Bewegungsdurchführung erhalten die
Motoneurone des Rückenmarks Erregungen von einer Vielzahl von Schichten des
übergeordneten Zentralnervensystems (supraspinales System). Die Vielfalt der
Rückmeldungen ermöglicht die Verwirklichung relativ komplexer, ineinander
verschachtelter, adaptiver Regelsysteme, deren Leistungsfähigkeit die Aufgabe
der einfachen Eigenreflexbögen weit übertrifft. Ausgelöst werden diese Erregun-
gen durch rückläufige sensorische Bahnen, die von Hautrezeptoren und sonstigen
Fühlern (Afferenzen) stammen, ebenso durch das Gleichgewichtsorgan, über das
vegetative Nervensystem und natürlich v.a. von Seiten des Cortex (Hirnrinde)
beim Einleiten von Willkürbewegungen. Zusätzlich empfangen die Motoneurone
auch noch direkt Erregungen, die fortlaufend über die Afferenzen in das Rücken-
mark einlaufen und dort umgeschaltet werden. Koordinierte Bewegungen sind nur
unter Einbeziehung dieser peripheren Reflexvorgänge möglich. Die augenblickli-
che Belastungssituation aller beteiligten Muskeln und auch die über zusätzliche
Afferenzen einlaufende Information bzgl. der Umweltbeschaffenheit (fest, nach-
giebig, rauh, glatt usw.) modifiziert im Rückenmark automatisch die von supra-
spinalen Zentren einlaufenden Befehle. Damit können die aus höheren Zentren
stammenden Erregungsmuster ohne Rücksicht auf die augenblickliche Belastung
schematisiert sein.
Rhythmische Kontrolle von Bewegungen
Es gibt eine Vielzahl von motorischen Reaktionen, die aus rhythmisch wiederhol-
ten Aktionseinheiten aufgebaut sind. Wie werden solche Verhaltenseinheiten vom
Nervensystem erzeugt? Eine Möglichkeit besteht in der gegensinnigen
Reflexverschaltung der beteiligten Muskeln. Bei kontrollierten Bewegungen wird
zunächst stets der Agonist kontrahiert und der Antagonist entspannt. Durch die
Muskelspindeln im Antagonisten werden daraufhin Impulse ausgesendet, die über
die zugehörigen Motoneurone dessen Kontraktion einleiten und zugleich den
Agonisten hemmen (negative Rückkopplung). Es kommt zu einer (minimalen)
konträren Bewegung, die wiederum eine negative Rückkopplung, diesmal in um-
gekehrter Richtung, auslöst. Ähnlich einer Kettenreaktion lösen so die ablaufen-
386 Arbeitswissenschaft

den Reflexe jeweils die nachfolgenden aus. Das Wechselspiel der beiden konkur-
rierenden Muskeln läuft so schnell ab, dass die Bewegung äußerlich glatt er-
scheint. Die Innervation kann gegensinnig auf die Gegenseite des Körpers (kontra-
lateral) übertragen werden, so dass die Beugemuskulatur gehemmt wird und die
antagonistisch wirkende Streckmuskulatur einem fördernden Einfluss unterliegt.
Diese zweiseitige reziproke Innervation stellt eine entscheidende Grundlage für
das Zustandekommen von Fortbewegungsvorgängen dar.
Die Stärke der durch sensorische Rückkopplung bewirkten Effekte kann für
verschiedene Bewegungen stark variieren, z.B. kann bei stark umweltinteraktiven
Verhaltensweisen wie dem Laufen der Einfluss der sensorischen Rückkopplung
dominierend sein. Sie ist auch für den Übergang von einer Bewegungsphase zur
nächsten entscheidend. Rhythmus und Frequenz von Gliederbewegungen bei
komplizierten Bewegungen werden daher schon ganz peripher durch die Modifi-
kation der Motoneurone beeinflußt. So verändert sich bspw. die Beschleunigungs-
phase durch Kontraktion der Agonisten von selbst, wenn die Eigenschwingung
etwa der Beine durch schwere Stiefel verlangsamt oder die Geschwindigkeit durch
Reibungswiderstände vermindert wird.
Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, eine „rhythmische Aktivität“ durch
zentrale Verschaltungen (zentrale Mustergeneratoren) zu erzeugen.
Neuronale Programme
In den Netzwerken des Nervensystems sind eine Vielzahl räumlich und zeitlich
strukturierter Verhaltensmuster vorprogrammiert. Die motorische Musterer-
zeugung wird im Wesentlichen durch zentralnervöse, quasi festverdrahtete Schal-
tungen abgewickelt. Ein angemessener Reiz kann die Aktivierung dieser Pro-
gramme und damit die Expression des Verhaltensmusters auslösen. Die Auslösung
der als „fixed action pattern“ bezeichneten motorischen Antwort kann einer einfa-
chen Entscheidungsleistung gleichgesetzt werden. Als Folge dieser kommt es zu
einer Aktivierung von motorischen Verschaltungen, die dann einen koordinierten
Ablauf von neuromuskulärer Erregung ermöglichen. Je nach Art der „fixed action
pattern“ kann die motorische Koordination sowohl unabhängig von weiteren sen-
sorischen Reizen stattfinden (z.B. bei schnellen, ballistischen Greif- oder Flucht-
reaktionen) als auch davon in hohem Maße beeinflusst werden.

3.3.2.3.1.3 Lernen und Üben von Bewegungen


Eine Vorstellung von der Komplexität bewegungsinformatorischer Vorgänge, die
wir spielend leisten, bekommt man erst dann, wenn man einen Bewegungsvorgang
auszuführen versucht, der einem selbst neu ist. Der unglücklich wirkende erste
Versuch Schlittschuh zu laufen, gibt ein Bild von der informatorischen Schwierig-
keit des Bewegungsablaufs. Diese Schwierigkeit wird erst dadurch beherrschbar,
dass das Gehirn in der Lage ist, motorische Einzelaktionen und gesamte Bewe-
gungsabläufe im Laufe der Zeit fest zu speichern und damit zunehmend automati-
siert auszuführen, wodurch höhere Nervenzentren entlastet werden können
(LUCZAK 1983).
Arbeitsformen 387

Die beobachtete Lernphase entspricht der Zeit, die zur geeigneten Zusammen-
stellung und zur Korrektur der Ablaufprogramme erforderlich ist. Im Rahmen des
supraspinalen Teils werden Korrekturprogramme auf der Höhe des Kleinhirns,
welche den Einfluss der Schwerkraft, Beschleunigung und Steuerkraft berücksich-
tigen, herangezogen. Bei ständigem Wiederholen gleicher oder ähnlicher Verar-
beitungsprozesse werden die hierbei gebildeten Bewegungsmuster zunehmend als
feste Engramme, die sich wiederum aus einer Kombination bereits vorhandener
Bewegungsmuster zusammensetzen können, gespeichert. Dabei werden diejenigen
Programmteile, die nur geringfügig veränderlich sind, an tiefer gelegene Systeme
delegiert, so dass sie näher am Effektor und über kürzere und schnellere Bahnen
Einfluss nehmen bzw. zugeschaltet werden können. Diese Engramme zeichnen
sich durch extrem kurze Zugriffszeiten aus. Grundsätzlich kann gesagt werden,
dass mit Übung der Umfang der vorgefertigten Teilprogramme und damit die
Komplexität derjenigen Bewegungen, die unbewusst ausgeführt werden können,
anwächst. Mit abnehmender Hierarchiestufe sinkt sowohl die Bewusstseinsfähig-
keit als auch die Flexibilität der Ausführungsweise, andererseits steigt die Ausfüh-
rungsgeschwindigkeit. „Übung läuft damit auf eine Spezialisierung hinaus“
(PAWLIK 1968), in deren Verlauf eine Entlastung der höheren Regulationsebenen
stattfindet.
Insbesondere ist es wichtig zu erwähnen, dass bestimmte motorische Aktionen
zunächst willkürlich oder unwillkürlich ausgeführt werden, um vermehrt Informa-
tionen über die Eigenschaften der äußeren materiellen Substanzen bzw. des Steu-
ersystems zu gewinnen. Derart intendierte Bewegungen schießen zu Beginn des-
halb meist über das Ziel hinaus und laufen erst nach mehrmaliger Wiederholung
gleichmäßig und schnell ab. Hierbei kommt kognitiven Antizipations- und Nach-
verarbeitungsprozessen (in Phasen der Vorbereitung und Interpretation) gegenüber
der eigentlichen Realisationsphase entscheidende Bedeutung zu. In ihnen vollzieht
sich der Aufbau eines „inneren Modells“ oder „operativen Abbilds“ der Tätigkeit
(HACKER 2005). Mit zunehmender Übung werden bestimmte Abläufe mehr und
mehr automatisiert, darüber hinaus laufen bereits während der Ausführung einer
Handlung die Antizipationsprozesse für eine folgende Handlung ab (NITSCH
1976).
Diese Regulationsvorgänge sind nicht sämtlich bewusstseinspflichtig und zum
Teil nicht einmal bewusstseinsfähig. Bewusstseinspflicht kann bei Sonderbedin-
gungen (etwa beim Erlernen), jedoch nicht im Normalfall vorliegen, das Bemühen
um bewusste Erfassung stellt vielfach sogar selbst eine Störung der Bewegungs-
führung dar (HACKER 2005). Bei einer hochgeübten Tätigkeit im Sinne eines
automatischen Ablaufs der gespeicherten Unterprogramme bleibt das Bewusstsein
frei. Es steht gewissermaßen nur im Hintergrund, um in Notfällen eingreifen zu
können, kann sich also mit anderen Dingen beschäftigen. Erst dann, wenn im
peripheren Bereich Störungen auftreten, welche die Flexibilität der Unterpro-
gramme übersteigen, sind Programmsprünge zur höheren Programmebene und
später auch bewusste, visuell überwachte Eingriffe notwendig
(Reafferenzprinzip). Man kann deshalb den Ablauf eines eingeschliffenen Bewe-
388 Arbeitswissenschaft

gungskomplexes als Ergebnis der Aktivität eines äußeren, visuellen (telerezepti-


ven) Funktionskreises und eines inneren (propriozeptiven) Kreises betrachten.
Generell ist festzustellen, dass alle Arten von Bewegungen nicht in erster Linie als
efferent-effektorisches Phänomen betrachtet werden können, sondern als afferent-
sensorisches. Zielgerichtete Bewegungen sind an einen ständigen Zufluss sensori-
scher Afferenzen gebunden.
Bzgl. des Behaltens bzw. Vergessens motorischer Lernleistungen kommt man
übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass „Bewegungsfertigkeiten für Vergessen
bemerkenswert resistent sind“ (ULICH u. TRIEBE 1989; CRATTY 1975). Es gibt
Engramme, z.B. das Schreiben des eigenen Namens und andere Handfertigkeiten,
die durch jahrelanges Üben praktisch nie mehr vergessen werden. CRATTY (1975)
sieht als weitere Erklärung für das im Vergleich zu verbalen Erinnerungsleistun-
gen auffallend gute Langzeitgedächtnis für die Ausführung von motorischen Leis-
tungen, v.a. den „Rhythmus“ der meisten Bewegungsaufgaben.
3.3.2.3.2 Analyse des motorischen Verhaltens

3.3.2.3.2.1 Reaktions- und Bewegungszeiten


Von Bedeutung für praktische Fragestellungen ist die Tatsache, dass aufgrund der
geschilderten neuralen Steuerungs- und Regelungsprozesse bei der Bewegungs-
kontrolle eine Reihe von Verzögerungen entstehen, die den Bewegungsablauf
entscheidend beeinflussen. Zunächst spielen Signallaufzeiten eine Rolle, die im
spinalmotorischen System bei Geschwindigkeiten von 70 bis 110 m/s in der Grö-
ßenordnung von 6 - 25 ms für die Motoneurone des Rückenmarks liegen. Zusätz-
liche Verzögerungen treten in den Verbindungen der Motoneurone auf, wobei
Zeiten von 1 - 5 ms beim Eigenreflex angesetzt werden müssen.
Fasst man die einzelnen Verzögerungen zusammen, so lässt sich eine mittlere
Zeit von 20 - 50 ms für das Einsetzen von Eigenreflexen und von 50 - 80 ms für
Fremdreflexe abschätzen. Es dauert wesentlich länger, bis ein neuer Gleichge-
wichtszustand durch den „Halteregler“ des Eigenreflexes ausbalanciert ist (bis 100
ms). Unterschiede zwischen Reflextätigkeit im Arm- und Beinbereich finden sich
in der Größenordnung 8 - 18 ms. Zusätzlich sind auch schnelle Eingriffe in das
periphere motorische Geschehen über direkte Bahnen von kortikalen Arealen her
möglich. Die kürzeste Signallaufzeit vom Rückenmark zu kortikalen Zentren
beträgt etwa 4 ms, der schnellste Pfad vom motorischen Kortex zu den Motoneu-
ronen benötigt etwa 3 ms. Werden für einfachste kortikale Verarbeitungsvorgänge
15 bis 20 ms addiert, dann resultieren Minimalreaktionszeiten innerhalb des moto-
rischen Systems in der Größenordnung 45 bis 50 ms.
Wird eine motorische Reaktion nicht über die dem motorischen System direkt
zugeordneten Rezeptoren, sondern über sensorische Rezeptoren ausgelöst, so sind
aufgrund der zusätzlichen Reizverarbeitungs- und -verknüpfungszeit wesentlich
längere Reaktionszeiten zu erwarten. Diese liegen um 220 ms für optische Reize,
160 ms für akustische Reize und weniger als 100 ms für taktile Reize. Diese Wer-
te sind jedoch nur erreichbar, solange keine qualitative oder quantitative Beurtei-
Arbeitsformen 389

lung des sensorischen Reizes gefordert wird. Andererseits können damit auch
wesentlich komplexere Informationen aufgenommen und in die motorische Koor-
dination einbezogen werden.
Für die praktische Bewegungsausführung ist die unterschiedliche Laufzeit in-
nerhalb des visuellen (bewussten) und des inneren (unbewussten) Regelkreises
von entscheidender Bedeutung. Daraus wird ersichtlich, dass der Gewinn an Be-
wegungsgenauigkeit durch visuelle Kontrolle auf Kosten der Bewegungsge-
schwindigkeit erkauft werden muss. Eingeübte und optimal schnelle Bewegungen
zeichnen sich folgerichtig durch eine möglichst kurze visuelle Kontrollphase aus,
die erst nahe am Zielpunkt einsetzt.
Da bei einer Bewegung nicht nur die äußere Kraftaufbringung, sondern auch
die Massenträgheitskräfte, die Dämpfungskräfte und die elastischen Kräfte des
Sehnen-, Muskel- und Bänderapparats eine wesentliche Rolle spielen, führen
verschiedene Bewegungsgeschwindigkeiten zu sehr unterschiedlichen Muskel-
und Koordinationsbeanspruchungen. In Experimenten fand PFAHL (1924) ein sog.
optimales Elastizitätstempo für die Pendelschwingungen von Fingern (f = 6 Hz),
Hand (f = 3 Hz) und Unterarm (f = 1 Hz). Sowohl bei den Bewegungen, die lang-
samer erfolgen, als auch bei den Bewegungen, die schneller erfolgen, wird der
größte Teil der Muskelkraft nur zum Beschleunigen und Abbremsen aufgewendet.
Bei den Bewegungen im Elastizitätstempo ist die aufzuwendende Muskelkraft
dagegen minimal.
Die zeitliche Regulation von Bewegungen wird nicht nur durch äußere Signale
beeinflusst, sondern wesentliche Gesetzmäßigkeiten werden auch auf antizipierte
Informationen über geforderte Resultate und Ausführungsbedingungen hin im
Bewegungsentwurf und in der Bewegungsausführung wirksam. Gemeint ist hier-
bei das für gezielte und geführte Bewegungen nachgewiesene Zeitkonstanz-
Phänomen der Bewegung. Bei der Regulation wird durch integrative Verarbeitung
antizipierter Daten über zu überbrückende Entfernungen und über die Zielgröße
der Zeitaufwand für die Bewegung unabhängig von der Bewegungsweite relativ
konstant gehalten (SCHMIDTKE 1960; THOMAS 1973). Für geführte Bewegungen
gilt eine analoge Gesetzmäßigkeit, die DERWORT (1938) als „Regel der konstanten
Figurzeit“ formulierte: Das Umfahren eines großen Kreises z.B. dauert nicht we-
sentlich länger als das eines kleinen. Die zeitlichen Parameter sind charakteristisch
für die jeweilige Bewegungskonfiguration, aber nur wenig abhängig von deren
Größe. Allen Invariabilitäten ist gemein die vorrangige Bestimmung der zeitlichen
Bewegungsparameter aus den Regulationsbedingungen, nämlich der visuell ver-
mittelten Vorwegnahme der Bewegungsbahn mit ihren Knick-, Umkehr- und
Wendepunkten, nicht aber aus physikalischen oder anatomischen Ausführungsbe-
dingungen.

3.3.2.3.2.2 Grenzen der menschlichen Leistungsfähigkeit


Die Informationsausgabe lässt sich regelungstechnisch gut beschreiben, wie be-
reits in Kapitel 3.3.1.2.3 dargelegt wurde. Die Betrachtung der Reglerfunktion des
Menschen ist natürlich nur innerhalb des Rahmens seiner Leistungsfähigkeit mög-
390 Arbeitswissenschaft

lich. Dies bezieht sich sowohl auf die spektrale Zusammensetzung des Führungs-
signals als auch auf das Verhalten der Regelstrecke. Die obere Grenzfrequenz
wird bestimmt durch die minimale Reaktionszeit des Menschen. Geht man davon
aus, dass zur optischen Wahrnehmung der Bewegung eines Punkts ca. 200 ms
notwendig sind, und nimmt man für den Verlauf der Bewegung eine Sinushalb-
schwingung an, so ergibt sich für das Führungssignal eine obere Grenzfrequenz
von max. 2,5 Hz (BUBB 1993). Die obere Grenzfrequenz der Ausgangsgröße kann
jedoch, bedingt durch die Massenträgheit der bewegten Elemente, noch deutlich
niedriger liegen.
Für sehr langsam veränderliche Größen gibt es ebenso eine Grenze, unterhalb
derer das menschliche Verhalten nicht ohne weiteres mit einem Reglerverhalten
beschrieben werden kann. Sie wird bestimmt durch die Schwelle der Bewegungs-
wahrnehmung. Legt man die von JOHANNSEN et al. (1975) angegebene absolute
Bewegungsschwelle von 1'/s bis 2'/s und einen sinusförmigen Bewegungsverlauf
zugrunde, so ergibt sich für das Führungssignal eine untere Frequenz fmin, die von
der Bewegungsamplitude D (in Grad) wie folgt abhängt:
0, 017...0, 033
f min > Hz @ . (3.23)
2S ˜ D
Darüber hinaus ist die zeitliche Vorhalt- bzw. Verzögerungsbildung des Men-
schen als Regler begrenzt. Daher kann eine sehr träge reagierende Regelstrecke
nicht ohne weiteres im Sinne einer Regelung beherrscht werden. Dies ist bspw. bei
der Steuerung von großen Schiffen mit ihrer enormen Trägheit von entscheidender
Bedeutung. Der Mensch kann nur eingeschränkt ein „Gefühl“ für das Verhalten
eines solchen Systems entwickeln, daher werden solche Maschinen bevorzugt mit
Hilfe von Modellen gesteuert.
3.3.2.3.3 Sprache
Sprache stellt das erfolgsreichste Kommunikationsmedium des Menschen dar. Sie
verfügt über eine kurze Kodierung und ist deshalb gut speicherbar und übertrag-
bar. Sprache besitzt jedoch den Nachteil, dass kleine Fehler in der Dekodierung,
das heißt beim Sprachverstehen, zu großen Auswirkungen, also Missverständnis-
sen zwischen Sender und Empfänger führen können. RECHENBERG (1994) be-
zeichnet Sprache bzgl. dieser Eigenschaft als „schwach kausal“. Bei der Kommu-
nikation zwischen Menschen und (determinierte Befehle benötigenden) Maschi-
nen besitzt die Sprache heute noch eine gegenüber anderen Formen der menschli-
chen Informationsabgabe geringere Bedeutung (siehe Kap. 10.1.2.4.5).
Sprache dient nicht nur der Informationsübermittlung, sie ist auch notwendig,
um über Begriffsbildung für bestimmte Tatbestände eine ökonomische Speiche-
rung im Gedächtnis zu erreichen. Dies bedeutet, dass ein Begriff als ein sehr
schneller und effektiver Zugang zu gespeicherten Informationen fungieren kann.
Hier soll Sprache als gesprochene Informationsausgabe verstanden werden, im
Gegensatz zu geschriebener Sprache, die nach der Schreibform (z.B. Handschrift
Arbeitsformen 391

oder Schreiben mit dem Computer) unter den Arten von Bewegungen eingeordnet
werden kann.
Zur Bildung von Sprache werden Stimmorgane genutzt. Dabei werden Stimm-
laute prinzipiell wie bei einem Blasinstrument gebildet. Dazu sind ein „Luftraum“
oder Klangkörper (Trachea, Bronchien etc.) und ein Spalt mit schwingungsfähigen
Bändern (Stimmbänder), von dem die Luft über ein „Ansatzrohr“ (Rachen, Mund-
und Nasenhöhle) in den Luftraum strömt, notwendig. Die Stimme kann in einer
Vielzahl von Parametern variiert werden. Die Lautstärke wird über die Stärke des
ausgestoßenen Luftstroms, der Grundton über die Spannung der Stimmlippen und
die Weite der Stimmritze und die Klangfarbe über die Größe und Form des Luft-
raums verändert. Die Muskulatur des Kehlkopfes stellt Stimmritze und -bänder
ein. Dabei existiert eine neuronale Rückkopplung von Kehlkopfmuskulatur zu den
kortikalen Zentren der Sprachbildung, was für die Feinabstimmung der Sprache
wichtig ist. Im Sprachkortex findet in einem primären Zentrum das Verständnis
von Sprache statt, während ein sekundäres Zentrum die motorische Steuerung
übernimmt.
Die wesentlichen Informationen der menschlichen Sprache liegen in einem
Frequenzbereich von ca. 100 Hz bis 3000 Hz und damit im Bereich größerer Sen-
sibilität des auditiven Systems (siehe Kap. 9.1.2). Technische Systeme sollten
jedoch auch einen weiteren Bereich übertragen. So gibt es Laute, z.B. Zischlaute,
die in höheren Frequenzbereichen liegen und die Kommunikation deutlich verbes-
sern. Stimmlaute werden durch einen Grundton und Klangfarben (Formanten)
erzeugt. Um Stimmlaute zu Bedeutungseinheiten (Morpheme) zusammenzufassen,
werden Vokale und Konsonanten benutzt. Vokale unterscheiden sich bei gleichem
Grundton (-frequenz) in der Art der beigemischten Klangfarben, Konsonaten im
Bildungsort (z.B. Lippen bei P, B, W, F, M) und der Bildungsart (z.B. Reibelaute
bei F, W, S, Ch). Morpheme können Worte sein (z.B. Haus, Auto, aber), Suffixe
(z.B. „s“ bei der Pluralbildung), Präfixe als Worterweiterungen (Un-, Anti- etc.),
aber auch Laute, die nach sozialer Vereinbarung unter bestimmten Voraussetzun-
gen notwendig werden können, wie z.B. „hm“ bei Sprechpausen, nach denen der
Sprecher weitersprechen wird. Morpheme sind im Wesentlichen syntaktisch defi-
niert, geben jedoch in ihrer Kombination nur eingeschränkt Sprache wieder. Ne-
ben der richtigen Bildung von Morphemen ist die richtige Kombination wichtig.
So ist ein Satz, der über bestimmte Tatbestände Auskunft geben soll, durch be-
stimmte Regeln zu seiner Bildung charakterisiert, z.B. durch Subjekt-Prädikat-
Objekt Bildung.
Wichtig für eine Interpretation bzw. semantische Deutung von Sprache ist da-
bei zusätzlich die Betonung einzelner Objekte des Satzes, z.B. durch Lautstärken-
verschiebung, Tonhöhenverschiebung und leichte Veränderung der Morpheme
(z.B. zeitliche Verzögerungen). Auch der Kontext, in dem Sprache stattfindet,
bestimmt in gewissen Bereichen die Bedeutung eines Satzes. Sprache dient dem-
nach, nicht zuletzt wegen der vielen verschiedenen Variationsformen und oft nur
unzureichend und unscharf definierter Konventionen, in erster Linie zwischen-
menschlicher Kommunikation. Aber auch hier sind, wie die Sprachübermittlung
392 Arbeitswissenschaft

über weite Entfernungen z.B. per Telefon zeigt, verschiedene technische Gestal-
tungsaspekte zu berücksichtigen. Um beim Hörer keinen verfälschten Eindruck
entstehen zu lassen, gilt grundsätzlich, Sprache möglichst wenig zu modifizieren
(z.B. Frequenzveränderungen), und wenn, dann nur in den Fällen, wo ohne Ver-
änderung keine korrekte Sprachwahrnehmung mehr möglich wäre (z.B. Lautstär-
keänderungen).
Welche Bedeutung Sprache in sozialer Interaktion hat, wird bereits in der Anti-
ke als „Rhetorik“ wissenschaftlich-philosophisch aufgegriffen, sowie gelehrt und
gelernt.
Um Sprache trotz ihrer großen Variationsbreite technisch verarbeiten zu kön-
nen, existieren für verschiedene Anwendungsgebiete formalisierte Sprachen, die
durch eine technische Sprachinterpretation einer gesprochenen Anweisung ma-
schinelle Ausführungsvorschriften zuordnen (siehe Kap. 10.1.2.4.5).
3.3.2.3.4 Weitere Formen der Informationsabgabe
Prinzipiell sind außer Bewegungen und Sprache noch andere Formen der Informa-
tionsabgabe bekannt. Diese werden jedoch bislang nicht technisch genutzt, son-
dern besitzen hauptsächlich Aspekte sozialer Kommunikation. Dazu gehören z.B.
Stoffabsonderungen durch die Schweißdrüsen der Haut bzw. die bewusste Verfäl-
schung von Körpergerüchen mittels Duftstoffen, mit denen eine Person bewusst
oder unbewusst Informationen an die Umgebung abgibt.

3.3.3 Bewertung der menschlichen Informationsverarbeitung


Die Intensität der Informationsverarbeitungsprozesse des Menschen bei informa-
torischer Arbeit, die in modernen Produktions- und Dienstleistungssystemen stark
an Bedeutung gewinnt, kann begrifflich vereinfacht als mentale Beanspruchung
bezeichnet werden und soll nachfolgend analysiert werden.

3.3.3.1 KonzeptionelleĆGrundlagenĆ
Für den Begriff der Beanspruchung existiert eine Vielzahl von Definitionen. Einen
arbeitswissenschaftlichen Ansatz stellt das in Kapitel 1.5.1.2 bereits ausführlich
erläuterte Belastungs-Beanspruchungs-Konzept dar, das in diesem Kapitel ledig-
lich mit Bezug auf die Bewertung der menschlichen Informationsverarbeitung
ergänzt werden soll. Nach diesem Konzept ist Beanspruchung (workload, strain)
die beim arbeitenden Menschen hervorgerufene physische und psychische Reakti-
on auf eine von außen wirkende physikalische und informatorische Belastung
(input load, task demands, stressors). In welchem Maße der Mensch bei einer
bestimmten Tätigkeit beansprucht wird, hängt sowohl von externen als auch von
internen Faktoren ab. Die Belastung lässt sich als Summe der objektiven Anforde-
rungen an den Menschen durch verschiedene messbare Belastungsgrößen und
qualitativ beschreibbare Belastungsfaktoren bestimmen, die sich aus der Aufgabe,
den Ausführungsbedingungen und den Umgebungsbedingungen ergeben und als
Arbeitsformen 393

externe Faktoren auf den Menschen einwirken. Unter dem Begriff der internen
Faktoren werden die individuellen Eigenschaften des Menschen zusammengefasst.
Diese Bedingungen können im Zeitraum der Aufgabendurchführung, der bspw.
durch die Schichtdauer definiert ist, konstant oder variabel sein. Als konstante
Einflussgrößen sind Ausbildung, Trainingszustand und Disposition anzusehen.
Kondition und Motivation hingegen sind in diesem zeitlichen Rahmen als variabel
anzunehmen. Es kann während der Tätigkeit zu einer Rückkopplung der Bean-
spruchung auf die zeitvariablen individuellen Faktoren kommen. Bei zu hoher
Beanspruchung sinkt z.B. die Kondition. Unterforderung führt zu Monotonie und
im Weiteren zu einer daraus resultierenden Motivationsminderung.
Die Durchführung einer identischen Tätigkeit unter identischen externen Be-
dingungen, d.h. bei objektiv gleicher Belastung, kann durch die Variabilität der
individuellen Faktoren sowohl bei einem Menschen an zwei unterschiedlichen
Zeitpunkten eines beliebigen Zeitraums (intraindividuell) als auch bei zwei unter-
schiedlichen Personen an einem Zeitpunkt (interindividuell) Unterschiede hin-
sichtlich der resultierenden Beanspruchung aufweisen. Aus dieser Feststellung
folgt, dass es für die Abschätzung der mit einer Aufgabendurchführung verbunde-
nen Beanspruchung nicht ausreicht, die objektiv vorliegenden Belastungsfaktoren
zu bewerten. Die Bewertung der informatorischen Belastung kann auf der Grund-
lage der in den vorherigen Abschnitten eingeführten Konzepte und Variablen der
Signalentdeckungstheorie, Informationstheorie sowie Regelungstechnik erfolgen.
Bspw. kann die informationstheoretische Entropie dazu verwendet werden, die
Vielfalt der Handlungsalternativen bei Wahlreaktionsaufgaben zu quantifizieren
und korrespondierende Informationsflüsse im Zeitbereich zu erfassen. Regelungs-
technische Größen ermöglichen z.B. eine präzise Beschreibung von Schnitt- und
Grenzfrequenzen.
Die durch die Aufgabenbearbeitung entstehende Beanspruchung kann sich so-
wohl im körperlichen (physischen) Bereich als auch im geistig-seelischen (psychi-
schen) Bereich einstellen. Physische Beanspruchung beschreibt die Auswirkungen
von Belastungen des Muskel- und Kreislaufsystems. Infolge von körperlicher
Belastung resultierende Beanspruchungsreaktionen äußern sich in messbaren
Zustandsänderungen des menschlichen Körpers. Die damit verbundenen Aktivi-
tätsänderungen des Herz-Kreislaufsystems können über physiologische Parameter
wie Herzfrequenz, Atemfrequenz, Atemvolumen, Blutdruck, Körpertemperatur
etc. erfasst oder subjektiv bewertet werden (siehe Kap. 3.2).
An das Belastungs-Beanspruchungs-Konzept ist auch DIN EN ISO 10075 ange-
lehnt. Nach dieser Norm bezeichnet der Begriff der psychischen Belastung „die
Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukom-
men und psychisch auf ihn einwirken“. Die psychische Beanspruchung ist „die
unmittelbare (nicht die langfristige) Auswirkung der psychischen Belastung im
Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblick-
lichen Voraussetzungen, einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien“.
Die mentale Beanspruchung ist ein Faktor der psychischen Beanspruchung und
bezeichnet den Anteil der Gesamtbeanspruchung, der durch Belastungen aus In-
394 Arbeitswissenschaft

formationsaufnahme, -verarbeitung und -umsetzung hervorgerufen wird. Eine


derartige informatorische Belastung liegt z.B. bei Überwachungs-, Kontroll- und
Steuerungstätigkeiten vor. Auch die mentale Beanspruchung ergibt sich aus dem
Zusammenwirken interner und externer Faktoren, wobei die externen Faktoren bei
der Mensch-Maschine-Interaktion insbesondere durch Eigenschaften des techni-
schen Systems bestimmt sind. In Abb. 3.101 wird der Einfluss technischer Sys-
temeigenschaften durch die Begriffe Aufgabenanforderungen, Vorhandensein von
Rückmeldungen oder Systemzuverlässigkeit verdeutlicht. Auch die Auswirkungen
einer Fehlbeanspruchung sind hier skizziert.

• Fähig-/Fertigkeiten • Aufgabenanforderungen
• Rückmeldung • Umweltanforderungen
• Systemzuverlässigkeit • Müdigkeit

zu niedrig zu hoch
mentale
Beanspruchung

Fehler mittel Fehler

Sicherheit

Abb. 3.101: Einflussfaktoren der mentalen Beanspruchung nach KANTOWITZ u.


CAMPBELL (1996)

Als weitere psychische Beanspruchungsart ist von der mentalen Beanspruchung


die emotionale Beanspruchung abzugrenzen, die vorwiegend aus den Ausfüh-
rungsbedingungen, wie Zeitdruck, Lärm, Klima oder zwischenmenschlichen Be-
ziehungen, resultiert und als motivationale oder affektive Begleiterscheinung,
bspw. als Langeweile, Angst, Hilflosigkeit, im Arbeitsprozess sichtbar wird
(MANZEY 1998; SCHMIDTKE 1993).

3.3.3.2 ModelleĆundĆMethodenĆderĆBeanspruchungsskalierungĆ
Im Gegensatz zur physischen Beanspruchung, die anhand physiologischer Para-
meter gemessen werden kann und für die Grenzwerte wie bspw. die Dauerleis-
tungsfähigkeit vergleichsweise leicht definiert werden können, besteht für die
psychische mentale Beanspruchung keine verbindliche Definition, wie diese Be-
anspruchung gemessen oder ein Grenzwert festgelegt werden kann. Die im Belas-
tungs-Beanspruchungs-Konzept für die verschiedenen Beanspruchungsarten ver-
wandte Analogie in der Betrachtungsweise kann nur auf einer wie oben beschrie-
benen, allg. Ebene als gültig angesehen werden, welche die mentale Beanspru-
chung als eine aus dem Einfluss externer und individueller interner Faktoren resul-
Arbeitsformen 395

tierende Reaktion auf eine informatorische Belastung beschreibt. Kenntnisse da-


rüber, wie und mit welcher Intensität im Rahmen der Aufgabendurchführung
mentale Arbeit geleistet werden muss, können aber in vielerlei Hinsicht genutzt
werden. Um die Erfüllung von Gestaltungszielen bei der Auslegung und Nutzung
von Mensch-Maschine-Systemen bewerten zu können, werden diese Systeme
häufig einer Bewertung auf der Grundlage eines breiten Instrumentariums an
Methoden zugeführt. Insbesondere bei informatorischer Arbeit wird die mentale
Beanspruchung als Kriterium verwandt, um die Anforderung einer „ergonomisch
günstigen“ Beanspruchung ingenieurwissenschaftlich überprüfen zu können. Ein
anderer ergonomischer Bewertungsaspekt ist bspw. die Überprüfung der Ge-
brauchstauglichkeit, die mit Methoden des Usability-Engineering vollzogen wer-
den kann (siehe Kap. 10.2.1). Eine Verknüpfung zur Beanspruchungsbewertung
ergibt sich durch die Bewertung des im Verlauf der Mensch-Maschine-Interaktion
entstehenden Situationsbewusstseins (siehe Kap. 3.3.2.2.4). Inhaltlich werden hier
vorrangig Fragen der Schnittstellen-, insbesondere der Anzeigengestaltung, be-
handelt, das Methodeninventar baut jedoch vielfach auf dem der Beanspruchungs-
bewertung auf (siehe GÄRTNER 1997; GRANDT u. GÄRTNER 2002).
Neben der Anwendung in der ergonomischen Systembewertung erfährt die
mentale Beanspruchung eine wachsende Beachtung bei der Konzeption neuartiger
Fahrzeug- und Prozessführungssysteme, insbesondere in Hinblick auf die Anpas-
sung des technischen Systems an den temporär und situativ variablen sowie inter-
individuell unterschiedlichen Benutzerzustand (operator functional state, siehe
Kap. 10.1.2.5.3).
Um einen Einblick in den von außen verborgenen Ablauf des Informationsver-
arbeitungsprozesses zu erhalten, wird im Rahmen der empirischen Bewertung der
mentalen Beanspruchung der Versuch unternommen, Parameter zu identifizieren,
die mittelbar durch die verschiedenen Verarbeitungsphasen beeinflusst werden.
Hierzu wurden verschiedene empirische Methoden wie
x psychophysiologische Verfahren (physiologische Beanspruchungsmodelle),
x Leistungsmaße (Maße der Hauptaufgabe; behavioristische Beanspruchungs-
modelle),
x Zweifach-/Nebenaufgaben (behavioristische Beanspruchungsmodelle) und
x subjektive Verfahren (psychophysikalische Beanspruchungsmodelle)
entwickelt, die mit spezifischen Vor- und Nachteilen behaftet sind. DIN EN ISO
10075-3 nennt weitere Verfahren, bezieht sich jedoch auf die Erfassung sowohl der
psychischen Belastung als auch der resultierenden Beanspruchung. In DIN EN ISO
10075-3 und in PFENDLER et al. (1995) sind Testgütekriterien für Verfahren aufge-
führt, die zur Bewertung folgender, wesentlicher Eigenschaften der Verfahren
herangezogen werden können:
x Objektivität: Es soll sichergestellt sein, dass Messergebnisse durch das Ver-
fahren, den Probanden und im Rahmen der Auswertung nicht subjektiv ver-
fälscht werden können.
396 Arbeitswissenschaft

x Validität: Ein Testverfahren soll die mentale Beanspruchung genau messen.


Die Möglichkeit, verschiedene Belastungsstufen zu differenzieren, wird mit
Sensitivität beschrieben.
x Diagnostizität: Ein Testverfahren soll zwischen Beanspruchungsfaktoren
(Anzahl) und ihren Anteilen (Wichtung) differenzieren.
x Reliabilität: Im zeitlichen Abstand wiederholte Messungen sollen unter an-
sonsten gleichen Versuchsbedingungen zu gleichen (konsistenten) Ergebnis-
sen führen.
x Interferenzfreiheit: Ein Testverfahren darf die Durchführung der Aufgaben
am zu bewertenden Arbeitsplatz nicht beeinflussen.
x Augenscheinvalidität: Ein Testverfahren soll so gestaltet sein, dass es dem
Probanden logisch erscheint, dass die Anwendung des Verfahrens zu den
gewünschten Ergebnissen führt.
x Praktikabilität: Ein Testverfahren soll in Echtsituationen anwendbar sein.
Dies wird bspw. bestimmt durch Platzbedarf und Störanfälligkeit der Geräte,
Störbarkeit der Methode, Kostenaufwand, Personalbedarf, Implementierung,
Durchführung und Auswertung der Messung, Trainingsaufwand für Ver-
suchsleiter und -personen.
x Anwendungsbreite: Ein Testverfahren soll bei einem möglichst breiten Auf-
gabenspektrum anwendbar sein.
Eine Bewertung der verschiedenen Verfahren hinsichtlich dieser Testgütekrite-
rien findet sich bei KRAMER (1991) und PFENDLER et al. (1995). Die Realibilität
der verschiedenen Verfahren kann durch die Anwendung der sogenannten
Generalisierbarkeitstheorie (G-Theorie) bestimmt werden (SCHÜTTE 2009;
NACHREINER u. SCHÜTTE 2002). Erfolgt die Untersuchung eines Messverfahrens
auf Grundlage der G-Theorie, ist die Prüfung der Generalisierbarkeit im Rahmen
experimenteller oder quasi-experimenteller Ansätze, mit einer Variation von Be-
dingungen, die die unterschiedlichen Anwendungsbereiche des Messverfahrens
repräsentieren, vorzunehmen (DIN EN ISO 10075-3).
3.3.3.2.1 Psychophysiologische Beanspruchungsmessung
In Kapitel 3.3.1.1.2 wurde bereits erläutert, dass Informationsverarbeitung „Kos-
ten“ und Anstrengung verursacht, wie sich in der Veränderung physiologischer
Größen zeigt. Dies macht man sich zu Nutze, um mentale Beanspruchung zu er-
forschen und Informationsverarbeitungstätigkeiten zu beurteilen. Die Bereitschaft
des Gehirns, Informationen zu verarbeiten, ist unter ständiger Kontrolle des auto-
nomen Nervensystems. Das autonome Nervensystem ist aus zwei Teilen aufge-
baut: ein (ortho-)sympathisches Nervensystem und ein parasympathisches Ner-
vensystem. Beide Systeme haben eine eigene, spezielle Funktion bei der Steue-
rung der vielen Stoffwechselprozesse im Körper. Das parasympathische Nerven-
system stimuliert die anabolen (aufbauenden) Prozesse im Körper, während es die
katabolen (Verbrennungs- und abbauenden) Prozesse hemmt. Das sympathische
Nervensystem hat einen hemmenden Einfluss auf die anabolen Prozesse und einen
stimulierenden auf die katabolen Prozesse. Beide Arten von Prozessen (anabole
Arbeitsformen 397

und katabole) sind notwendig für die Anpassung des Körpers an die Erfordernisse
der Umwelt. Diese Anpassungen können sowohl kurzfristig als auch längerfristig
erfolgen. Es wird deshalb unterschieden zwischen phasischen, tonischen und
chronischen Veränderungen (i.Allg. pathologisch oder lebenszyklusbestimmt).
Wenn Veränderungen des Informationsverarbeitungssystems eine Zeitspanne von
Millisekunden bis wenige Sekunden umfassen, so spricht man von phasischen
Veränderungen (Beispiel: Evozierte Potentiale im Elektroencephalogramm (EEG),
siehe Kap. 3.3.3.2.1.2). Veränderungen im Bereich von Minuten werden als toni-
sche Veränderungen bezeichnet (Beispiel: Muskeltonus, Epinephrinesekretion).
Schließlich kann von chronischen Veränderungen gesprochen werden, wenn sich
der Bereich physiologischer Parameter dauerhaft auf ein anderes Niveau (Beispiel:
Managerkrankheit, der Cortisolspiegel steigt an, siehe Kap. 3.3.3.2.1.6 verlagert.
Komplexe physiologische Reaktionen werden ausgelöst, wenn die automati-
sche Aufmerksamkeitsreaktion oder Orientierungsreaktion auftritt. Sie ist eine
autonome Reaktion des Körpers auf bedeutungsvolle Information. Sofort, nach-
dem die Information wahrgenommen wurde, setzt ein entgegengesetzter Mecha-
nismus, die Habituation, ein: Wenn der Reiz wiederholt wird, tritt allmählich
wieder der Normalzustand ein. Eine defensive Reaktion tritt während kontrollier-
ter Informationsverarbeitung auf. Die Intensität einer defensiven Reaktion wird
von der Schwierigkeit der Situation bestimmt.
Die physiologische Anpassung des Körpers an die Anforderungen mentaler Tä-
tigkeiten erfolgt also in zwei Schritten. Zuerst erfolgt eine generelle Aufmerksam-
keitsreaktion (Orientierungsreaktion). Wenn die Information wichtig genug ist, um
weitere, kontrollierte Informationsverarbeitung notwendig werden zu lassen, so
wird der Organismus durch weitere Anpassungen (defensive Reaktion) in den
dazu notwendigen Zustand gebracht. Die physiologischen Reaktionen des Orga-
nismus bei der Orientierungsreaktion und der defensiven Reaktion sind in Tabelle
3.16 aufgeführt.
Aufgrund praktischer und ethischer Überlegungen bedient sich die Arbeitswis-
senschaft in aller Regel nur non-invasiver Methoden, d.h. Methoden, die den Kör-
per nicht verletzen. Hierdurch gibt es eine Reihe von Beschränkungen bei der
Auswahl der messbaren Parameter, die in folgenden Kapiteln aufgeführt sind.
Als Vorteil psychophysiologischer Messverfahren gegenüber anderen Metho-
den ist nach GRANDT (2004) anzusehen, dass die meisten dieser Verfahren die
Möglichkeit der kontinuierlichen Messwerterfassung bieten, sie nur gering mit der
Aufgabendurchführung interferieren und als objektiv anzusehen sind, da die Er-
gebnisse nicht unbemerkt vom Probanden beeinflusst werden können.
Physiologische Parameter reagieren sowohl auf unterschiedliche Formen der
mentalen Beanspruchung, d.h. intraindividuell, als auch interindividuell auf unter-
schiedliche Weise. Diese Spezifität physiologischer Messverfahren und die bisher
ausgebliebene Festlegung verbindlicher Standards zur Messwerterfassung und
-auswertung führten in der Vergangenheit bei einer Vielzahl von Untersuchungen
zu teilweise widersprüchlichen Ergebnissen. Als Utopie muss nach langjähriger
Anstrengung der Forschung mittlerweile die Möglichkeit angesehen werden, men-
398 Arbeitswissenschaft

tale Beanspruchung umfassend und situationsübergreifend anhand eines einzigen


Indikators bewerten zu können (GRANDT 2004). Kombinationen physiologischer
Parameter liefern jedoch plausible Zustandsdiagramme von Beanspruchung
(LUCZAK 1987).
Tabelle 3.16: Merkmale der Orientierungsreaktion und der Defensiven Reaktion (nach
MULDER 1979)

Orientierungsreaktion Defensive Reaktion


Phasische Reaktionen auf neue oder signifikante Tonische und phasische Reaktion, die mit kontrol-
Informationen, d.h. eine automatische Aufmerk- lierter Informationsverarbeitung einhergeht (auch
samkeitsreaktion effort genannt)
Rezeptorenempfindlichkeit nimmt zu Muskuläre Vasodilation
Körper dreht in Richtung des Reizes Herzminutenvolumen steigt
Momentane Tätigkeit stockt Blutdruck steigt
EMG-Aktivität nimmt zu Myocardinale Kontraktionskraft steigt
Pupillenerweiterung Herzschlagfrequenz steigt
Zerebrale Vasodilation Herzschlagfrequenzvariabilität nimmt ab
Periphere Vasokonstruktion Hautwiderstand sinkt
Hautwiderstand sinkt Zunahme der Catecholaminabscheidung
Atemfrequenz sinkt Blutglucosespiegel sinkt
Herzschlagfrequenz sinkt Atemfrequenz steigt
Blutdruck sinkt Schnelle Aktivität niedriger Spannung im EEG
Schnelle Aktivität niedriger Spannung EEG
(Alpha-Block)

3.3.3.2.1.1 Herz-Kreislaufsystem
Das kardiovaskuläre System dient dazu, die ausreichende Versorgung der Körper-
organe mit Stoffwechselsubstanzen und den Abtransport von Abbauprodukten
sicherzustellen sowie Hormone, Enzyme und Wärme zu befördern. Diese Anfor-
derungen setzen einen jeweils hinreichenden Blutdruck voraus, der lokal in den
Körperorganen und zentral durch das Kreislaufzentrum reguliert wird. Die vom
Kreislaufzentrum gesteuerte Regulation des Blutdrucks erfolgt – vereinfacht dar-
gestellt – durch vier Stellgrößen: (1) Durch Regulation der venösen Dehnbarkeit
(compliance), (2) durch Regulation des peripheren Widerstands der Arterien,
(3) durch Regulation des Herzschlagvolumens sowie (4) durch Regulation der
Herzrate über den Sinusknoten. Dabei wirkt auf die Herzrate sowohl das sympa-
thische (aktivierende) als auch das parasympathische (hemmende) Nervensystem.
Die anderen Stellglieder werden überwiegend durch Änderungen des
Sympathikotonus beeinflusst. Der so eingestellte Blutdruck wird über Druckrezep-
toren (Barorezeptoren) im Sinusknoten und dem Aortenbogen festgestellt. Die
Barorezeptoren beeinflussen bei zu hohem Blutdruck über Nervenimpulse das
Kreislaufzentrum und wirken so einer weiteren, vom sympathischen System initi-
Arbeitsformen 399

ierten Blutdruckerhöhung entgegen. Diese Rückkopplung wird als Baroreflex


bezeichnet.
Die Elektrokardiografie ist die Registrierung der in der Regel von der Körper-
oberfläche abgeleiteten Aktionspotentiale des Herzmuskels. Für eine im arbeits-
wissenschaftlichen Bereich gebräuchliche MC5-Ableitung zwischen dem
Medioclavicular und dem fünften linken Intercostalraum benötigt man drei Elekt-
roden, die im Brustbereich des Probanden fixiert werden. Bei grafischer Darstel-
lung der Messwerte ergibt sich ein Elektrokardiogramm (EKG), das durch mehre-
re Peaks gekennzeichnet ist (Abb. 3.102). Diese Maxima sind den Kontraktionen
der einzelnen Herzkammern zuzuordnen und werden nach ihrer zeitlichen Folge
als P, Q, R, S und T-Zacke bezeichnet. Die Kontraktion der linken Hauptkammer
wird als höchster Peak sichtbar, der R-Zacke genannt wird.

Abb. 3.102: EKG-Signal im Verlauf eines Herzschlags. Zeitliche Abfolge der Peaks in
[ms] aus VAN CAPELLE (1987)

Herzschlagfrequenz
Die Herzschlagfrequenz (HSF) ist die zentrale kardiovaskuläre Größe und reagiert
auf verschiedene Belastungsarten. Dies sind insbesondere energetisch-
effektorische Arbeitsformen und thermische Einflüsse. Ein Einfluss informatori-
scher Arbeit ist erst bei größerer Aufgabenschwierigkeit oder Zeitdruck nachweis-
bar (LUCZAK 1987). Messtechnisch kann die HSF mit einer Reihe von Verfahren
erfasst werden, die entweder auf der Messung der Erregung der Herzmuskulatur
(elektrische Potentiale, Elektrokardiographie, EKG), durch die Herzaktivität ver-
bundene Druckschwankungen im Gefäßsystem oder der Blutfüllung peripherer
Gefäße beruhen. Aufgrund starker interindividueller Schwankungen wird in expe-
rimentellen Untersuchungen zur Bewertung von Arbeitstätigkeiten in der Regel
die gemessene HSF auf einen Basiswert bezogen. Dieser wird im Liegen oder
unter geringer konstanter Belastung (z.B. bei leichter Fahrradergometerarbeit)
gemessen, was den Vorteil besitzt, dass diese so ermittelten Basiswerte
intraindividuell weniger stark schwanken als die in Ruhe gemessenen. Eine toni-
sche Erhöhung der HSF bei gleichbleibender körperlicher Aktivität weist auf eine
kontrollierte Verarbeitung hin, also auf eine defensive Reaktion. Auch bei emotio-
naler Beanspruchung (Aufregung) nimmt die HSF zu. Eine phasische Abnahme
400 Arbeitswissenschaft

der HSF ist ein Hinweis auf eine Orientierungsreaktion (ROHMERT u. LUCZAK
1973).
Die HSF wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst, die eine Anwendung
als Beanspruchungsindikator einschränken (BÄRENZ et al. 1994):
x Abhängigkeit von Lebensalter, Geschlecht und Konstitution: Die HSF be-
trägt beim Kind in Ruhe > 100 min-1, beim erwachsenen Mann etwa 72 min-
1
, bei der Frau etwa 75 min-1.
x Abhängigkeit von körperlicher Anstrengung: Die HSF hängt von der Kondi-
tion und der Schwere der physischen Belastung ab.
x Abhängigkeit von der Körperhaltung: Die HSF ist im Stehen mind. 10 min-1
höher als im Liegen.
x Abhängigkeit von klimatischen Bedingungen: Der Blutkreislauf ist in die
Thermoregulation des Körpers eingebunden und wird bei starker Hitzebelas-
tung stärker aktiviert.
Herzschlagfrequenzvariabilität
Als Maß für die Herzschlagfrequenzvariabilität (auch: Herzratenvarianz, HRV,
oder Sinusarrhythmie) lassen sich z.B. der Arrhythmiequotient (ARQ) oder das
Leistungsspektrum der HSF heranziehen. Der ARQ stellt dabei ein Maß für die
Schwankung der HSF innerhalb eines Zeitintervalls dar. Diese Schwankungen
nehmen bei informatorischer oder energetischer Belastung ab (MULDER u. MUL-
DER 1981). Für eine Ermittlung der HRV gibt es eine Vielzahl verschiedener Ver-
fahren, die in unterschiedlichem Umfang mentale Beanspruchungen widerspiegeln
(LUCZAK u. LAURIG 1973). Mit Hilfe einer Spektralanalyse lässt sich das Leis-
tungsspektrum der HSF ermitteln. Hierbei finden sich üblicherweise drei relative
Maxima, die unterschiedlichen physiologischen Phänomenen zugeordnet werden
können. Ein unteres Frequenzband (0,02 bis 0,06 Hz) spiegelt den Regulationsme-
chanismus der Körpertemperatur wider, das mittlere Frequenzband (0,07 bis 0,14
Hz) repräsentiert Mechanismen der kurzfristigen Blutdruckregulation und das
obere Frequenzband (0,15 bis 0,50 Hz) Einflüsse der Atmung. Informatorische
Belastungen führen zu einer Abnahme der Energie im mittleren Frequenzband,
also der 0,10-Hz-Komponente. Eine tonische Abnahme der HRV wird bei kontrol-
lierter Verarbeitung gefunden (LUCZAK 1987). Die Abnahme der HRV ist auf eine
verringerte Empfindlichkeit der Blutdruckrezeptoren (Baro-Rezeptoren) zurückzu-
führen. Dadurch finden weniger Anpassungen der HSF an Veränderungen im
Blutdruck statt, was zu einer Verringerung der HRV führt. Eine Abnahme der
HRV ist also ein Indikator für eine defensive Reaktion. VELTMAN u. GAILLARD
(1994) stellen fest, dass die HRV bei einfachen Aufgaben hohe Sensitivität für
mentale Beanspruchung aufweist. Bei komplexen Aufgaben lässt die Sensitivität
jedoch nach. Dies führen sie auf den Einfluss der Atmung zurück, die bei einfa-
chen Aufgaben regelmäßiger ist als in komplexen Aufgabensituationen. Nach
VELTMAN u. GAILLARD (1996) kann die Barorezeptor-Sensitivität (BRS) als
Indikator für die Flexibilität des Kreislaufsystems bei Änderungen der mentalen
Beanspruchung angesehen werden.
Arbeitsformen 401

Respirationsmaße
Respirationsmaße wie Atemfrequenz, Atemzugvolumen oder Sauerstoffsättigung
sind in Zusammenhang mit mentaler Beanspruchung in verhältnismäßig wenigen
Untersuchungen erhoben worden. Der Proband muss hierbei seine Atemluft einem
Atemanschluss (Halbmaske) entnehmen, der mit entsprechenden Gebern ausge-
stattet ist. Die bei WILSON u. EGGEMEIER (1991) zitierten Arbeiten kommen ein-
heitlich zu dem Ergebnis, dass sich eine Zunahme der Beanspruchung in einem
Anstieg der Atemfrequenz widerspiegelt. Nach MANZEY (1998) beschreiben ver-
schiedene Arbeiten neben der Erhöhung der Atemfrequenz auch eine erhöhte
Regelmäßigkeit der Atemzüge sowie eine Verringerung des Atemzugvolumens
bei mentaler Beanspruchung. Während einer Orientierungsreaktion nimmt die
Atemfrequenz ab. Da die Respirationsmaße durch nichtphysiologische Vorgänge
wie Sprechen mit beeinflusst werden, sind sie bei der empirischen Bewertung der
Beanspruchung am Arbeitsplatz häufig nicht praktikabel.
Blutdruck
Der Blutdruck lässt sich direkt blutig messen, indirekt nach Riva-Rocci oder indi-
rekt mittels eines sog. Photoplethysmogramms. Bei der indirekten Methode nach
Riva-Rocci werden in der Regel systolischer und diastolischer Druck durch cha-
rakteristische Geräuschphänomene bestimmt, die z.B. mit einem Stethoskop in der
Ellenbeuge erfasst werden können. Die Erfassung des Photoplethysmogramms
nach der Penaz-Methode basiert darauf, dass das Blutvolumen bei Ausübung eines
externen Drucks auf eine Arterie konstant bleibt, wenn der externe Druck gleich
dem arteriellen Blutdruck ist. Dies setzt voraus, dass der externe Druck dem arte-
riellen Druck verzögerungsfrei angepasst wird. Bei der Messung des Blutdrucks
wird der Gedanke der Penaz-Methode umgekehrt: Es wird zunächst mittels einer
aus einer Infrarot-Lichtquelle und einer Photozelle (Abb. 3.103) bestehenden
Messstrecke das die Arterie durchfließende Blutvolumen, der sog. Blutvolumen-
wert oder Photoplethysmogramm, bei entlasteter Arterienwand erfasst. Dieses
Blutvolumen stellt den Sollwert eines Servo-Schaltkreises dar. Bei Abweichung
des Photoplethysmogramms vom Sollwert wird der über eine Druckmanschette
auf die Arterie aufgebrachte externe Druck mittels eines Servoventils erhöht oder
vermindert. Das Ziel des Servo-Schaltkreises ist es, den externen Druck zunächst
gleich dem Arteriendruck zu halten. Diese Servo-Grundeinstellung des Solldrucks
erfolgt bei Beginn der Messung.
Während der Messung wird der Manschettendruck ausgehend vom Solldruck
periodisch erhöht. Unter langsamer Steigerung des Drucks beginnt das
Plethysmogramm bei Erreichen des diastolischen Blutdrucks zu pulsieren. Bei
weiterer Steigerung des Manschettendrucks wird die Arterie bei Erreichen des
systolischen Blutdrucks vollständig zusammengedrückt, so dass kein Blut mehr
die Arterie durchfließt. An diesem Punkt spiegelt der Manschettendruck den arte-
riellen Blutdruck genau wider.
402 Arbeitswissenschaft

Abb. 3.103: Funktionsweise der am Finger platzierten Druckmanschette nach


OHMEDA (o.J.)

Eine tonische Zunahme des Blutdrucks bei gleichbleibender körperlicher Akti-


vität ist ein Indiz für kontrollierte Verarbeitung, also eine defensive Reaktion.
Auch bei emotionaler Beanspruchung nimmt der Blutdruck zu. Unter Umständen
können Blutdruck und HSF sympathische Reaktionen zeigen, während andere
Indikatoren eine parasympatische Reaktion zeigen. Dieses Phänomen wird
directional fractionation (LACEY 1967) genannt. Die Messung des Blutdrucks
bspw. über den Verlauf eines ganzen Arbeitstages ist eine häufig eingesetzte Me-
thode zur Ermittlung von Beanspruchungsverläufen bei Tätigkeiten mit erhöhten
Anforderungen durch das Treffen von Entscheidungen mit hoher Veantwortung
(z.B. Arzt, Manager, Pilot).

3.3.3.2.1.2 Gehirnaktivität
Die bioelektrische Tätigkeit des Gehirns kann mittels der Elektroencephalographie
(EEG) registriert werden (siehe SCHMIDT 2005). Es handelt sich dabei um Makro-
potentiale, die die Aktivität großer subkortikaler Neuronenverbände darstellen.
Die Potentialschwankungen werden in der Regel mit Elektroden von der Kopfhaut
abgeleitet. Bei der EEG-Registrierung wird unterschieden zwischen spontaner und
evozierter Aktivität.
Bei spontaner Aktivität des Gehirns lassen sich eine Reihe unterschiedlicher
Wellenformen oder Rhythmen unterscheiden:
x Alpha-Wellen haben eine Frequenz von 8 - 13 Hz. Diese Aktivität entspricht
dem normalen Ruhezustand des Gehirns bei gesunden Menschen mit ge-
schlossenen Augen und ist am stärksten am Okzipitallappen.
x Beta-Wellen haben eine Frequenz von 14 - 30 Hz. Die Amplitude ist wesent-
lich kleiner als die der Alpha-Wellen. Alpha-Wellen werden von Beta-
Wellen bei Sinnesreizung oder bei geistiger Tätigkeit unterdrückt. Der Vor-
gang wird Alpha-Blockierung oder arousal reaction genannt.
x Delta-Wellen haben eine Frequenz von 0,5 - 3 Hz und treten während des
tiefen Schlafs auf. Gelegentlich können „Spikes“ mit sehr großer Amplitude
identifiziert werden, die sog. sleep spindles.
Arbeitsformen 403

x Theta-Wellen haben eine Frequenz von 4 - 7 Hz und werden gelegentlich bei


Ermüdung festgestellt.
LYSAGHT et al. (1989) zweifeln die Praktizierbarkeit der Methode in Feldversu-
chen an. Die Aussagefähigkeit über Beanspruchung wird von ihnen jedoch aner-
kannt. O’DONNELL u. EGGEMEIER (1986); SCHMIDTKE (1993) und WIERWILLE
(1979) beurteilen die Anwendungsmöglichkeiten des EEG zur Beanspruchungs-
messung eher kritisch. Nach BARTELS (1991); KRAMER (1991); OFFENLOCH U.
ZAHNER (1990); SKELLY et al. (1988); STERMAN et al. (1988, 1994) und WILSON u.
EGGEMEIER (1991) können jedoch mit Hilfe des EEG zum einen Aussagen über
die Aufmerksamkeit und Ermüdungserscheinungen und zum anderen über die Art
der Hirnaktivität (Verarbeitung visueller/nonvisueller Informationen und motori-
sche Aktivität) getroffen werden. Die mentale Beanspruchung wird häufig mit
einer Verringerung der Alpha- und einer Erhöhung der Theta-Aktivität in Zusam-
menhang gebracht (KRAMER 1991; MANZEY 1998; WILSON u. EGGEMEIER 1991).
Die noch unzureichende Validierung von Ergebnissen aus EEG-
Untersuchungen steht der Übertragbarkeit von Aussagen oft im Wege. Ferner
bedingt die Komplexität der zerebralen Funktionen und die Einstreuung von moto-
risch bedingten Artefakten einen hohen zeitlichen Aufwand in der Analyse von
Messwerten. Auch wenn davon ausgegangen wird, dass mit der Elektroenzepha-
lografie ein objektives und sehr differenzierendes Messverfahren zur Verfügung
steht, fehlt auch hier für die Anwendung ein allgemeingültiger Maßstab, der den
Messergebnissen eindeutig und quantitativ Beanspruchungsintensitäten zuordnet.
Wird die zerebrale Aktivität in Abhängigkeit von diskreten Reizen (ereignis-
korrelierte Potentiale - EKP; event-related brain potential - ERP) mit Vielkanal-
EEG-Messungen ermittelt, so lässt sich im Zeitbereich ein charakteristischer Po-
tentialverlauf ermitteln, der nach Vorzeichen und Latenzzeit in mit N100 (negati-
ve Amplitude nach 100 ms, sog. contingent negative variation, kurz CNV,
BRUNIA u. VAN BOXTEL 2001; WALTER et al. 1964) oder P300 (positive Amplitu-
de nach 300 ms) bezeichnete Komponenten zerlegt werden kann. Die innerhalb
der ersten 100 ms auftretenden Peaks werden physikalischen Eigenschaften des
Reizes zugeordnet (exogene Komponenten); die Peaks innerhalb von 200 bis
300 ms nach Reizdarbietung spiegeln psychologische (endogene) Aspekte wider
(KRAMER et al. 1983). Die Amplitude der CNV erhöht sich durch Zeitdruck, wo-
hingegen sie durch Übung in der Regel sinkt (FALKENSTEIN et al. 1994a, 1999).
Bei der Mensch-Maschine Interaktion ist sie größer bei Personen, die wenige
Fehler machen im Vergleich zu Personen mit schlechten Leistungen (HOHNSBEIN
et al. 1998). Der P300-Amplitude wird die größte Bedeutung als Indikator der
Allokation von Verarbeitungs- und Aufmerksamkeitsressourcen eingeräumt
(FALKENSTEIN et al. 1994b, POLICH 2007). KRAMER (1991) führt eine Vielzahl
von Studien auf, die eine Minderung der P300-Amplitude bei steigender informa-
torischer Belastung beschreiben.
404 Arbeitswissenschaft

3.3.3.2.1.3 Bewegungsapparat
Eine motorische Einheit besteht aus einem Alpha-Motoneuron des Vorderhorns
des Rückenmarks, seinen Ausläufern (Axonen) und allen von diesem Neuron
innervierten Muskelfasern. Die Zahl der innervierten Muskelfasern und damit die
Größe und das Territorium der motorischen Einheiten variiert entsprechend der
notwendigen Präzision der Muskelaktion. Je kleiner die motorische Einheit, desto
präzisere Bewegungen kann sie vermitteln. Die elektrische Aktivität, die an der
Hautoberfläche gemessen werden kann, entspricht in der Regel der Aktivität meh-
rerer motorischer Einheiten.
Tremoraktivität
Ein Tremor wird als eine schwingende, unwillkürliche Bewegung der Muskelakti-
vität um eine Gleichgewichtslage mit einer Frequenz von mehr als 0,5 Hz defi-
niert. Als Indikator mentaler und emotionaler Beanspruchung ist der Tremor um-
stritten. Das Entstehen eines Tremors ist in der Regel pathologisch und deswegen
für arbeitswissenschaftliche Fragestellungen weniger interessant, oder hat seinen
Ursprung in der Ermüdung einzelner Muskeln und ist deswegen eine Folge eher
körperlicher Tätigkeiten. Erst bei hohen Belastungen scheinen Veränderungen der
Tremoraktivität signifikant zu sein (LUCZAK 1987). Die Amplitude eines Tremors
nimmt unter affektiver Erregung zu, nicht aber die Frequenz. Ein Tremor, der
Folge eines erhöhten Muskeltonus ist, kann bewusst reduziert werden.
Elektromyografie
Die Idee, die Elektromyografie (EMG, siehe Kap. 3.2.9.2) als Indikator mentaler
Arbeit heranzuziehen, basiert darauf, dass die Aktivität einer willkürlichen Mus-
kelanspannung, die nicht für die Ausführung motorischer Tätigkeiten notwendig
ist, den allg. Aktivierungszustand des zentralen Nervensystems widerspiegelt. Das
Oberflächen-Elektromyogramm, das als Interferenzmuster von den Aktivitäten
einzelner motorischer Einheiten aufzufassen ist, hat i.Allg. eine Frequenz im Be-
reich zwischen 40 und 1000 Hz (es existieren hier große interindividuelle Unter-
schiede) und eine Amplitude zwischen 1 und 500 ȝVolt (dies hängt u.a. von der
exakten Position der Elektroden ab). Sowohl bei emotionaler als auch bei informa-
torischer Erregung ist eine erhöhte Aktivität „ruhender“ Muskeln feststellbar
(ROHMERT u. LUCZAK 1973). Eine Korrelation zwischen Muskeltonus und in-
formatorischer Tätigkeit ist in der Regel am besten über ein „time locked“-
Verfahren zu ermitteln, zusammen mit einer EEG-Aufzeichnung. Das EMG allei-
ne ist für informatorische Tätigkeiten nur schwer zu interpretieren. Weitere Aus-
führungen finden sich in GÖBEL (1996).

3.3.3.2.1.4 Sehapparat
Da ein wichtiger Teil der Informationsaufnahme über das visuelle System erfolgt,
liegt es nahe, die Reaktionen des visuellen Systems genauer zu untersuchen
(RÖTTING 2001).
Arbeitsformen 405

Zur Registrierung der Augenaktivität wurden verschiedene Verfahren entwi-


ckelt, von denen hier die drei gebräuchlichsten erläutert werden: Bei der
Elektrookulografie (EOG), einem elektrophysiologischen Verfahren, werden Po-
tentialdifferenzen zwischen Cornea und Retina, das sog. cornearetinale Potential
in der Größenordnung von 0,4 bis 1 mV, mittels horizontal und vertikal um das
Auge platzierter Elektroden abgeleitet und dadurch die Positionsänderung identifi-
ziert. Zur alleinigen Bestimmung von Lidschlägen wird das EOG lediglich verti-
kal angewandt, so dass die durch die Lidbewegung hervorgerufenen Artefakte im
EOG-Signal aufgezeichnet werden können.
Die Corneareflexion Infrarotokularografie basiert auf der Erfassung von Licht-
reflexionen auf der Hornhautoberfläche. Durch eine künstliche Lichtquelle wird
Licht im nahen Infrarot in das Auge eingestrahlt. Durch die, bezogen auf den
Augapfel, stärkere Krümmung der Hornhaut kommt es zur Entstehung des Cornea
Reflexes, dessen Position relativ zur Pupille von der Augenstellung abhängt. Auf
diese Weise lassen sich Blickbewegungen und Pupillendurchmesser auch gänzlich
berührungslos durch eine stationäre, z.B. im Monitor integrierte Kamera registrie-
ren.
Die Videookulografie (VOG) ist ebenfalls ein optisches Verfahren, bei dem die
über eine Kamera aufgenommenen Videobilder eines oder beider Augen hinsicht-
lich der Pupille und charakteristischer Merkmale der Irisstruktur ausgewertet wer-
den. Der Vorteil gegenüber der Erfassung des Cornea Reflexes liegt darin, dass so
auch torsionale Augenbewegungen erfasst werden können. Ein Überblick über die
physiologischen Eigenschaften des Auges und okulografische Messmethoden
findet sich bei SAUPE (1985).
Pupillendurchmesser
Veränderungen des Pupillendurchmessers dienen der Regelung des Lichteinfalls
in das Auge und werden durch die Regenbogenhaut (Iris) bewirkt. Eine Veren-
gung erfolgt durch eine Ringmuskelschicht, eine Erweiterung durch eine strahlen-
förmig angeordnete Muskelschicht. Beide Muskelschichten bestehen aus glatter
Muskulatur und werden vom autonomen Nervensystem innerviert, wobei der
Parasympathikus auf den Ringmuskel und somit pupillenverengend (Konstriktion)
wirkt. Eine Erhöhung des Sympathikotonus führt hingegen zu einer Pupillenerwei-
terung (Dilation) (BARTELS 1991).
Die durch Aufgabenbearbeitung ausgelöste Pupillenreaktion wurde in den ver-
gangenen Jahrzehnten bereits in vielen Arbeiten untersucht, so von BOFF u. LIN-
COLN (1988); KAHNEMAN u. BEATTY (1966); RÖßGER et al. (1993). Die Untersu-
chungen kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass sich bei einer höheren
mentalen Beanspruchung ein größerer Pupillendurchmesser einstellt. KRAMER
(1991) und MANZEY (1998) schränken jedoch ein, dass dieses Maß zwar Sensitivi-
tät, jedoch nur geringe Diagnostizität aufweist, weil es – wie zahlreiche Arbeiten
belegen – gleichermaßen perzeptive, kognitive und reaktive Aspekte des Informa-
tionsverarbeitungsprozesses reflektiert. Es handelt sich also vielmehr um einen
sensitiven, globalen Beanspruchungsindikator. GRANDT (2004) kommt zu dem
406 Arbeitswissenschaft

Ergebnis, dass der Pupillendurchmesser anderen okulomotorischen Indikatoren in


Bezug auf Validität und entsprechend auch Diagnostizität unterlegen ist.
Lidschlussaktivität
Bei Lidschlussbewegungen ist zwischen unwillkürlichen, reflektorischen und
willkürlichen Lidschlüssen zu unterscheiden. Unwillkürliche, spontane Lidschlüs-
se dienen in erster Linie dazu, die Hornhaut des Auges von Zeit zu Zeit mit Trä-
nenflüssigkeit zu benetzen. Daneben haben sie HABERICH u. FISCHER (1958,
zitiert in GALLEY 2001) zufolge die Funktion, bei großen Sakkaden auftretende
Scheinverschiebungen zu verhindern. Durch reflektorische Lidschlüsse wird das
Auge vor externen, bspw. mechanischen, thermischen, elektrischen, Reizen ge-
schützt. Auch das Blinzeln, d.h. das unvollständige Schließen des Augenlids in-
folge von Blendung der Netzhaut, ist dieser Art von Lidschlüssen zuzuordnen
(SCHOBER 1954; TRENDELENBURG 1961).
Durch die Erfassung der Lidschlüsse können verschiedene Messwerte zur Be-
wertung herangezogen werden, wie Frequenz, Dauer und Latenzzeit zum Stimulus.
Die Messung der Lidschlagverzögerung setzt analog zur Technik der ereigniskor-
relierten Potentiale die diskrete Stimulation von Lidschlüssen voraus, was unter
realen Arbeitsbedingungen außerhalb des Labors nur schwer zu realisieren ist.
Von den genannten Maßen ist insbesondere die Frequenz spontaner, endogener
Lidschlüsse zur Aufdeckung von mentalen Beanspruchungssituationen geeignet
(HAIDER u. ROHMERT 1976; RÖßGER et al. 1993; SKELLY et al. 1988). WIERWILLE
(1979) sowie WIERWILLE u. EGGEMEIER (1993) schränken dieses auf visuelle
Belastungen ein. Auch die von MANZEY (1998) zitierten Arbeiten lassen den
Schluss zu, dass eine Sensitivität der Lidschlussfrequenz nur bei Aufgaben mit
visueller Belastung gegeben ist. O’DONNELL u. EGGEMEIER (1986) führen aus,
dass die Lidschlussfrequenz ein sehr variables Maß darstellt und die Anwendung
der Lidschlussfrequenz als Beanspruchungsmaß sehr gut kontrollierte Versuchs-
bedingungen voraussetzt. WILSON u. EGGEMEIER (1991) zufolge zeigt sich i.Allg.
bei hoher perzeptiver Beanspruchung eine Abnahme der Lidschlussfrequenz. Über
die Art des Zusammenhangs zwischen der Lidschlussfrequenz und der mentalen
Beanspruchung gibt es nach KRAMER (1991) jedoch widersprüchliche Aussagen,
deren Divergenz möglicherweise auf die Art der Belastung in den zugrunde lie-
genden Untersuchungen zurückzuführen ist. So kommen die von ihm zitierten
Arbeiten von STERN u. SKELLY (1984) und SIREVAAG et al. (1988) ebenfalls zu
dem Ergebnis, dass die Lidschlussfrequenz bei mentaler Beanspruchung abnimmt.
Demgegenüber fanden WIERWILLE et al. (1985) eine Erhöhung der Lidschlussfre-
quenz bei steigender Aufgabenschwierigkeit einer Flugführungsaufgabe. GALLEY
(2001) nimmt an, dass der Lidschlag bei erforderlicher visueller Informationsauf-
nahme einer Hemmung unterliegt, die bei fortgeschrittener Übung oder reduzier-
tem Interesse, bspw. aufgrund von Ermüdung oder fehlender Relevanz der Infor-
mation, nachlässt.
WILSON u. EGGEMEIER (1991) führen die erhöhte Lidschlussfrequenz bei Pilo-
ten auf die Beobachtung von FOGARTY u. STERN (1989, zitiert in WILSON u.
Arbeitsformen 407

EGGEMEIER, 1991) zurück, nach der tendenziell im Anschluss an die visuelle


Informationsaufnahme ein Lidschluss erfolgt. Dies ist insbesondere in einer unter
visuellen Aspekten reichen Informationsumgebung wie im Flugzeug bedeutsam.
Die Gestaltung des visuellen Umfelds beeinflusst also die Lidschlussfrequenz und
schränkt insofern die Vergleichbarkeit verschiedener Systeme ein.
KRAMER (1991) beurteilt die Lidschlussdauer und Lidschlagverzögerung (Zeit-
raum zwischen Stimulus und Lidschlag) als vielversprechender hinsichtlich ihrer
Verwendbarkeit als Beanspruchungsmaß. Sowohl dort als auch bei WILSON u.
EGGEMEIER (1991) sind zahlreiche Beispiele für Untersuchungen aufgeführt, bei
denen die Lidschlussdauer und -verzögerung bei steigender Aufgabenschwierig-
keit größer wurde. GRANDT (2004) zeigte, dass die Lidschlussdauer bei vorwie-
gend perzeptiver Belastung bei steigender Aufgabenschwierigkeit sinkt und die
Lidöffnungsdauer ansteigt. Bei allg. Belastung hingegen reagieren beide Indikato-
ren in entgegengesetzter Weise. Er führt dies auf einen Regulationsmechanismus
zurück, der die möglichst unterbrechungsfreie visuelle Informationsaufnahme
gewährleistet.
Augenbewegungen
Das Beobachtungsverhalten (instrument scan, point of regard) des arbeitenden
Menschen kann über die Informationsaufnahme und den zeitlichen Verlauf der
Verarbeitung Aufschluss geben. Die Auswertung des Fixationspunkts beruht auf
der Annahme, dass der Mensch bei Fixation eines informationstragenden Objekts
auch tatsächlich seine Aufmerksamkeit darauf lenkt und die enthaltene Informati-
on weiterverarbeitet.
Die Motorik des Augapfels kennt einige unterschiedliche Bewegungsarten, als
wichtigste die Folgebewegungen und die Sakkaden.
Folgebewegungen: Um das Fixieren eines sich bzgl. des Auges bewegenden
Blickobjekts zu ermöglichen, gibt es die Folgebewegungen. Folgebewegungen
sind relativ langsame, gleitende Bewegungen des Auges und werden vollkommen
autonom (unwillkürlich) gesteuert: Nur Bewegungen des Körpers und Bewegun-
gen des Blickobjekts können solche Augenbewegungen auslösen. Eine Bewegung
des Körpers (Kopfes) löst einen sog. Vestibulo-okulären Reflex (VOR) aus, wo-
durch die Augen eine entgegen der Kopfbewegung gerichtete gleitende Bewegung
machen. Die Latenz dieses Reflexes ist sehr gering, so dass bei nicht allzu groben
Bewegungen das Blickobjekt fixiert bleibt.
Ein anderer Mechanismus der Optokinesis tritt auf, wenn sich ein Objekt bzgl.
des Auges bewegt. Da hierfür höhere Verarbeitungszentren verantwortlich sind,
ist es ein relativ langsam reagierender Mechanismus. Dies lässt sich auch mit
Hilfe eines Experiments überprüfen: Eine Hand wird ausgestreckt in Augenhöhe
gehalten; a) Wird sie jetzt schnell ein paar Mal hin und her bewegt, „verschmiert“
das Bild über der Netzhaut; b) Wird dagegen die Hand still gehalten und der Kopf
öfter hin und her geschüttelt, bleibt das Abbild der Hand scharf.
Sakkaden: Sakkaden sind schnelle, sprunghafte Bewegungen, um das Auge auf
ein Blickobjekt zu richten. Sakkaden werden auch als ballistische Bewegungen
408 Arbeitswissenschaft

bezeichnet, weil sie, wenn sie einmal in Gang gesetzt sind, nicht mehr unter be-
wusster Kontrolle stehen, bis das Auge an das vor der Sakkade anvisierte Ziel
angelangt ist. Sakkaden sind die schnellsten Bewegungen, die vom menschlichen
Körper ausgeführt werden können (bis zu rund 700°/s). Die Geschwindigkeit einer
Sakkade ist nur von der Sprungweite abhängig. Ermüdungszustände haben auf die
Sakkadengeschwindigkeit keinen Einfluss. Alkohol und Pharmaka können die
Sakkadengeschwindigkeit senken. Durch Erhöhung der mentalen Beanspruchung
kommt es zur Verringerung des Blickfelds (WILLIAMS 1982). Ein Anstieg der
mentalen Beanspruchung zieht eine Verringerung der Sakkadenreichweite nach
sich (MAY et al. 1990; MEYER-DELIUS u. LACKNER 1983).
Fixationen: Die Fixationsdauer ist die Zeit, während der das Auge keinen
Blickwechsel vornimmt. Bei Aufgaben, die vorwiegend zentrale Prozesse erfor-
dern, ist eine Verlängerung der Fixationsdauer ein Hinweis auf größere Beanspru-
chung. Bei perzeptiven Aufgaben sind bei steigender Aufgabenschwierigkeit hin-
gegen kürzere Fixationsdauern zu erwarten (GRANDT 2004). MEYER-DELIUS et al.
(1981) ermittelten bei zunehmender Ermüdung eine Zunahme der Anzahl der
Blicksprünge, also der Fixationsfrequenz.
Übergangshäufigkeiten: Die Häufigkeit, mit der ein Blickobjekt fixiert wird,
sowie die Reihenfolge von Fixationen auf verschiedenen Blickobjekten können
Aufschluss darüber geben, welche Wahrnehmungsstrategie bei der Informations-
suche vorliegt oder ob das Abtasten der visuellen Umgebung eher zufällig erfolgt,
also ohne eine bedeutungsabhängige Verteilung der Fixationen (ELLIS u. SMITH
1985). Mit Hilfe von Hidden-Markov-Modellen oder dynamischen Bayes-Netzen
können bspw. Wahrnehmungsstrategien klassifiziert und das Blickverhalten vor-
hergesagt werden (siehe SCHLICK 2004). Durch die Komplexität der Abtastmuster
kann weiterhin die mentale Beanspruchung durch Zeitdruck bewertet werden und
es lassen sich spontane kognitive Abstraktionsvorgänge bei der Mensch-
Maschine-Interaktion identifizieren (SCHLICK et al. 2006).
Flimmerverschmelzungsfrequenz
Die Flimmerverschmelzungsfrequenz (FVF) ist die Frequenz, bei der eine Folge
von Lichtblitzen als ein kontinuierliches Licht wahrgenommen wird. Da der
Messvorgang relativ einfach ist, wird die Verminderung der FVF zwischen einer
Messung vor und nach der Durchführung als ein Maß für mentale Beanspruchung
bzw. Ermüdung eingesetzt (SCHMIDTKE 1965; GRANDJEAN et al. 1988).

3.3.3.2.1.5 Elektrodermale Aktivität


Bei der Elektrodermatometrie wird die Änderung des Hautwiderstands zwischen
zwei auf der Hautoberfläche fixierten Elektroden, über die eine Spannung von
etwa 0,5 V angelegt ist, gemessen. Die Hautleitfähigkeit ändert sich in Abhängig-
keit von der Aktivität der Schweißdrüsen. Die Schweißdrüsen werden durch das
sympathische Nervensystem innerviert. In erster Linie leisten sie einen Beitrag zur
Thermoregulation des Körpers: Steigt die Umgebungstemperatur über die thermi-
sche Neutralzone (für einen unbekleideten, ruhenden Erwachsenen liegt diese bei
Arbeitsformen 409

28-30°C, 50% relative Luftfeuchte, ruhende Luft), kommt es zur evaporativen


Wärmeabgabe durch thermoregulatorisches Schwitzen. Davon zu unterscheiden
ist das emotionale Schwitzen, das bspw. bei starker psychischer Anspannung an
den Planarflächen von Händen und Füßen und an den apokrinen Schweißdrüsen
u.a. der Achselhöhle einsetzt.
Aufgrund einer eintretenden Gewöhnung an den Reiz können über die elektro-
dermale Aktivität (EDA) lediglich kurzzeitige Stimuli diagnostiziert werden. Die
Analyse der zeitlichen, phasischen Änderungen der Hautleitfähigkeit (skin
conductance response - SCR) ist deshalb gegenüber der Analyse der absoluten,
tonischen Hautleitfähigkeit (skin conductance level - SCL) zu bevorzugen. Da für
die Fixierung der Elektroden vorwiegend die Planarflächen von Händen und Fü-
ßen genutzt werden, wird dieses Messverfahren am Arbeitsplatz häufig als störend
empfunden. Aufgrund der gleichzeitigen Durchführung von Körperbewegungen
zeigen EDA-Maße eine erhöhte Anfälligkeit für Artefakte und sind in dieser Hin-
sicht den kardiovaskulären Maßen unterlegen (BOUCSEIN 1992). BOUCSEIN
(1992) führt dennoch mehrere Studien aus dem Bereich der Straßen- und auch
Luftverkehrsforschung auf, in denen wiederholt Zusammenhänge zwischen der
durch eine Verkehrssituation hervorgerufenen Aufgabenschwierigkeit und der
beim Operateur gemessenen Frequenz bzw. Amplitude der Hautleitfähigkeits-
änderungen festgestellt wurden. Jedoch zeigte sich in einigen Untersuchungen,
dass diese lediglich bei unerfahrenen Operateuren zu beobachten sind, was darauf
hindeutet, dass diese Parameter eher die emotionale Beanspruchung widerspiegeln
(FÈRE 1888; LUCZAK 1987).

3.3.3.2.1.6 Endokriner Apparat


Viele autonome Körperfunktionen werden durch Hormone gesteuert oder ausge-
löst, so auch fast jede menschliche Aktivität, ob motorisch oder nicht. Es ist des-
halb nicht verwunderlich, dass Veränderungen im Spiegel einiger Hormone als
Indikatoren für mentale Vorgänge benutzt werden.
Die Auswirkungen mentaler Beanspruchungen auf das hormonelle System, ins-
besondere die Katecholamine (Adrenalin, Noradrenalin), Glukokortikoide
(Cortisol, Corticosteron) und Melatonin, wird durch die Endokrinologie unter-
sucht. Dabei werden Blut-, Speichel- oder Urinproben verwendet. Die Anwend-
barkeit im Rahmen der Systembewertung kann auch im Feldversuch angenommen
werden (siehe VEJVODA 2001). Der Analyseaufwand ist jedoch nicht zu unter-
schätzen. Für die echtzeitfähige, automatisierte Bewertung des Benutzerzustands
können Messverfahren endokriner Indikatoren hingegen nicht als geeignet ange-
sehen werden.
3.3.3.2.2 Leistungsmaße
Eine naheliegende Möglichkeit, etwas über die beim Arbeitsvollzug auftretende
Beanspruchung zu erfahren, ist die Analyse der Qualität der Ausführung. Wenn
ein plötzlicher Leistungsabfall auftritt, der sich bspw. in einer signifikant anstei-
genden Fehlerhäufigkeit oder Ausführungszeit äußert, kann man unter Umständen
410 Arbeitswissenschaft

davon ausgehen, dass die Beanspruchung hoch war, als der Abfall stattfand. Die-
ser Effekt ist jedoch immer unter Berücksichtigung der jeweiligen Aufgabensitua-
tion zu interpretieren. Das einzige, was sicher gemessen wird, ist ein plötzlicher
Leistungsabfall. Ob dies jedoch eine Folge zu hoher Belastung oder ein plötzlicher
Motivationsverlust war, ist nicht sicher. Zusätzlich ist es ein Problem, dass die
Leistung auch bei zunehmender Belastung sehr lange konstant gehalten werden
kann, so dass ein Leistungsabfall nur beim Überschreiten einer Leistungsgrenze
belegbar ist. Die Qualität der Ausführung ist demnach weder ein besonders sensib-
les Maß, noch von besonderem diagnostischen Wert (siehe dazu auch Kap. 2.4.2).
Der Ansatz setzt überdies voraus, dass zwischen der mentalen Beanspruchung
und der Leistung ein umgekehrt proportionaler Zusammenhang besteht. Dies ist
jedoch i.Allg. nicht der Fall, wie in der Abb. 3.104 idealtypisch dargestellt ist.
Eine geringe Leistung kann sowohl aus sehr geringer Beanspruchung als auch aus
sehr hoher Beanspruchung resultieren. In beiden Zuständen besteht eine Differenz
zwischen der für die Aufgabendurchführung benötigten und der dazu verfügbaren
Zeit.
Leistung

Abb. 3.104: Leistung und mentale Beanspruchung nach JOHANNSEN (1993)

Im ersten Fall wird von Unterforderung, im zweiten Fall von Überforderung


gesprochen. Während die Leistung im Bereich der Unterforderung bei wachsender
mentaler Beanspruchung ansteigt, kommt es im Bereich der Überforderung zu
einem rapiden Leistungsabfall, wenn die Ressourcen für eine Verarbeitung der
Informationen nicht mehr ausreichen. Im mittleren, in diesem Sinne „optimalen“
Bereich bleibt die Leistung bei wachsender mentaler Beanspruchung zunächst
nahezu konstant. Dies resultiert aus der Anpassung der Anstrengung (effort) an die
Aufgabenschwierigkeit (demands). Das Ansteigen der mentalen Beanspruchung
ist folglich in diesem Bereich anhand der Leistung nicht erfassbar (GOPHER u.
DONCHIN 1986).
Arbeitsformen 411

Da die meisten technischen Systeme Möglichkeiten zur Aufzeichnung von


Leistungsmaßen bieten, lässt sich diese Art der Beanspruchungsmessung meistens
einfach implementieren. Für die Bewertung der Ergebnisse müssen jedoch die
Einschränkungen aufgrund der geschilderten Nichtproportionalität beachtet wer-
den. Bei Überwachungsaufgaben schränkt die damit verbundene geringe Bedien-
aktivität die Brauchbarkeit des Maßes zur Beanspruchungsermittlung weiter ein.
Es kann jedoch insbesondere bei manueller Steuerung und Regelung sinnvoll sein,
das Verhalten hinsichtlich Amplitude und Frequenz von Bedieneingaben zu analy-
sieren.

3.3.3.2.2.1 Speed Accuracy Trade-Off


Eine besondere Form der Qualitätsveränderung, die nur bei Aufgaben unter Zeit-
druck von Bedeutung ist, ist der sog. speed accuracy trade off, kurz SATO. Er
spiegelt den aus dem Alltag bekannten Versatz von Geschwindigkeit und Genau-
igkeit beim Arbeitsvollzug wider. So können z.B. bei einfachen Reaktionszeitauf-
gaben über eine längere Zeit auch bei Ermüdung sehr wohl recht konstante Leis-
tungen erzielt werden, wenn nur die Zeiten allein und nicht auch die Fehler analy-
siert werden. Eine geringe Veränderung im SATO kann jedoch zu sehr großen
Unterschieden führen (Abb. 3.105). So ist eine Zunahme in der Fehlerhäufigkeit
von 5% in den meisten Fällen ein ausreichender Grund, um die Reaktionszeit
allein nicht mehr als valides Leistungsmaß zu betrachten. Das SATO-Konzept ist
wichtig, wenn Arbeitsgeschwindigkeiten unter zwei experimentellen Bedingungen
oder zwischen zwei Gestaltungsvarianten verglichen werden. Dabei sind zwei
Punkte zu beachten: (1) Wenn die Gestaltungsvarianten A und B zu denselben
Bearbeitungszeiten führen, muss der Untersucher sicher sein, dass die Fehlerraten
auch identisch sind. (2) Wenn bei Gestaltungsvariante A eine bessere
(=schnellere) Leistung gemessen wird als bei Gestaltungsvariante B, so muss der
Untersucher sicher gehen, dass die Fehlerrate bei A kleiner oder gleich der Fehler-
rate bei B ist.

100

Genauigkeit
(% korrekt)

Zufalls-
niveau

Reaktionszeit

Abb. 3.105: Die Speed-Accuracy-Trade-Off Funktion nach WICKENS u. HOLLANDS


(1999)

3.3.3.2.2.2 Expertenbeurteilung
Wenn objektive Kriterien für die Güte einer bestimmten Leistung nicht aufgestellt
werden können, kann die Leistung durch Experten beurteilt werden. Viele Aufga-
412 Arbeitswissenschaft

ben sind nicht oder nicht ausreichend mit objektiven Kriterien zu erfassen. So ist
z.B. die Güte einer Leistung beim Konstruieren nur schwer zu objektivieren. An-
dere Leistungen sind, auch wenn keine Fehler in der Ausführung sichtbar sind,
nicht anhand einer Fehlerbetrachtung adäquat beurteilbar. Z.B. werden Piloten in
der Ausbildung oft von Experten beurteilt. Auch wenn der Pilot das Flugzeug
fehlerfrei geflogen hat, kann ein Experte die Flugleistung für nicht ausreichend
sicher halten. Die Objektivität wird in solchen Fällen der subjektiven Sicherheit
untergeordnet, sie kann allerdings durch die Überprüfung der Beurteilerüberein-
stimmung kontrolliert werden.
3.3.3.2.3 Zweifachaufgaben/Nebenaufgaben
Bei Zweifachaufgaben geht man davon aus, dass durch die Bearbeitung einer
Aufgabe eine bestimmte mentale Kapazität gebunden wird. Unter der Annahme,
dass die Kapazität begrenzt ist, kann die Restkapazität mit Hilfe einer zweiten
Aufgabe abgeschätzt werden. In der Praxis hat der Mensch dann neben der eigent-
lichen Hauptaufgabe eine weitere konkurrierende Aufgabe zu bearbeiten, wobei
die Leistung einer der beiden Aufgaben auf Kosten der anderen konstant gehalten
werden soll.
Bei der Anwendung von Zweifachaufgaben werden zwei Paradigmen unter-
schieden: Beim loading task paradigm wird die Person angewiesen, die zweite
Aufgabe optimal zu erfüllen. Die zusätzlich zur Hauptaufgabe gestellte Aufgabe
dient dazu, die Beanspruchung vom mittleren Bereich (Abb. 3.106) in den Bereich
der Überforderung zu verschieben und einen Zustand der Ressourcenauslastung
bzw. -überlastung zu erzielen. Leistungseinbußen der Hauptaufgabe können in
diesem Bereich als Beanspruchungsindikator benutzt werden. Diese Leistungsein-
bußen korrelieren mit der Aufgabenschwierigkeit der Hauptaufgabe.

Baseline-Leistung der
Nebenaufgabe

hoch 'N: messbare Leistungsdifferenz


der Nebenaufgabe

Maximale Kapazitätsauslastung
Kapazitätsauslastung

für uneingeschränkte Leistung


'H: nicht direkt messbare Differenz
der Restkapazität
schwer

Hauptaufgabe
leicht

Nebenaufgabe

Leistungseinbuße der
niedrig Nebenaufgabe

unterschiedliche Hauptaufgaben Restkapazität

Abb. 3.106: Abschätzung der Kapazitätsauslastung mittels Nebenaufgaben nach


O’DONNELL u. EGGEMEIER (1986)
Arbeitsformen 413

Beim subsidiary task paradigm (Abb. 3.106) hingegen wird die zusätzlich ein-
gebrachte Aufgabe als sekundäre Nebenaufgabe betrachtet und der Operateur
angewiesen, die Hauptaufgabe optimal zu bearbeiten. Mit der Nebenaufgabe soll
geklärt werden, wie viel zusätzliche Belastung erzeugt werden kann, bevor die
Leistung der Hauptaufgabe absinkt. Wiederum wird die Annahme getroffen, dass
die zusätzliche Aufgabe zu einer Verlagerung der Beanspruchung führt; hier wird
jedoch eine Leistungsverringerung der Nebenaufgabe erwartet. Ist die Leistungs-
einbuße in der untergeordneten Aufgabe niedrig, wird daraus geschlossen, dass
beim Operateur eine hohe Restkapazität und folglich eine geringe mentale Bean-
spruchung vorhanden ist. Wird die Schwierigkeit der Hauptaufgabe langsam ge-
steigert, markiert die Aufgabenschwierigkeit, bei der die erste Leistungsreduktion
der Nebenaufgabe eintritt, die maximal zulässige Kapazitätsauslastung für optima-
le Leistung. Wird die untergeordnete Aufgabe schlecht bearbeitet, ist eine geringe-
re Restkapazität vorhanden, die mentale Beanspruchung ist demnach höher. Vo-
raussetzung ist das Ermitteln der Aufgabenleistung bei alleiniger Durchführung
der Nebenaufgabe (baseline). Variationen des aus Veränderungen der Hauptauf-
gabe resultierenden Beanspruchungsniveaus können jedoch ohne vorherige Er-
mittlung der baseline anhand von Variationen der Nebenaufgabenleistung festge-
stellt werden.
Dem Paradigma liegen verschiedene Annahmen zugrunde, die jedoch hinter-
fragt werden müssen (O’DONNELL u. EGGEMEIER 1986):
x Die maximale Kapazitätsauslastung für uneingeschränkte Leistung ist kon-
stant über alle Aufgabenschwierigkeiten der Hauptaufgabe.
x Die Nebenaufgabe interferiert nicht mit der Hauptaufgabe in der Weise, dass
die Bearbeitung der Nebenaufgabe die Leistung der Hauptaufgabe negativ
beeinflusst.
x Die aufgabenbedingten Kapazitätsauslastungen addieren sich ohne Rücksicht
auf die Quelle der Belastung. Dies widerspricht der Theorie der multiplen
Ressourcen. Danach setzt die Verwendung einer Nebenaufgabe voraus, dass
diese dieselben Ressourcen ausnützt, die auch von der betrachteten Haupt-
aufgabe belegt werden. Die verwendete Nebenaufgabe muss folglich der in-
teressierenden Ressource angepasst werden.
Nach der Art der dargebotenen Aufgabe wird eine Unterscheidung getroffen
zwischen eingebetteten und externen Nebenaufgaben. Bei den erstgenannten han-
delt es sich um solche, die an dem Arbeitsplatz üblicherweise durchgeführt wer-
den müssen, bspw. bei Durchführung einer Flugführungsaufgabe die gleichzeitige
Durchführung des Sprechfunkverkehrs. Sie bieten den Vorteil, dass sie dem Men-
schen nicht als störend auffallen und somit nicht mit der Hauptaufgabe interferie-
ren. Externe Nebenaufgaben haben demgegenüber keinen Bezug zur Hauptaufga-
be, bspw. eine Rechenaufgabe, die neben der Hauptaufgabe bearbeitet werden
soll. Solche Aufgaben können mit der Hauptaufgabe interferieren und ggf. störend
wirken, in dem sich die Aufmerksamkeit des Probanden ungewollt primär auf die
eigentlich untergeordnete Nebenaufgabe verlagert. Sie bieten jedoch gegenüber
414 Arbeitswissenschaft

eingebetteten Nebenaufgaben den Vorteil, dass mit ihrer Hilfe spezifische Res-
sourcen gezielt angesprochen werden können.
3.3.3.2.4 Subjektive Methoden
Die subjektive Evaluierung der Beanspruchung erfolgt mit Hilfe sog. Ratingska-
len. Die Anwendung dieser Methode beruht auf der Annahme, dass das Vorliegen
einer Beanspruchungsempfindung eine tatsächlich vorhandene Beanspruchung
voraussetzt (JOHANNSEN et al. 1979). Es gibt zwar eine Vielzahl von Methoden
zur Beurteilung der mentalen Beanspruchung (siehe LUCZAK 1987; LUCZAK et al.
1986; ROSCOE 1978; WICKENS u. KRAMER 1985), aber in den meisten Arbeitssys-
temen sind subjektbezogene Beurteilungen die am leichtesten anzuwendende
Methode. Sie sind auch das Kriterium, mit dem andere Messungen bzw. Messver-
fahren verglichen werden und somit die Grundlage für die externe Validierung
anderer Methoden (HART u. STAVELAND 1988).
Die Zahl der Instrumente, die das subjektive Erleben der Auswirkungen
menschlicher Arbeit auf die Arbeitsperson erheben, ist groß. SCHÜTTE (1986)
vergleicht alleine 30 verschiedene Verfahren. Die Verfahren unterscheiden sich
zum einen in der Art der verwendeten Dimensionen. Von Belastung
(PLATH u. RICHTER 1978), Beanspruchung (PFENDLER 1982), Anstrengung
(BORG 1978), Schwierigkeit (BRATFISCH et al. 1972) und Ermüdung (KÜNSTLER
1980) reichen diese bis zu Aktiviertheit (BARTENWERFER 1963), Eigenzustand
(NITSCH 1976), Stimmung (HAMPEL 1977), Taskload (HART u. STAVELAND
1988) und Workload (SHERIDAN u. SIMPSON 1979).
Zum anderen gibt es Unterschiede in der Anzahl der verwendeten Dimensio-
nen: Kommt die von BARTENWERFER (1963) entwickelte Skala „Allgemeiner
Zentraler Aktiviertheit“ mit einer Dimension aus, so haben BORG (1978) und
BRATFISCH et al. (1972) zwei parallele Skalen für verschiedene Einsatzbereiche
entwickelt: Rating of Perceived Exertion (Anstrengung) und Rating of Perceived
Difficulty (Schwierigkeit). Des Weiteren bestehen Unterschiede im Anwendungs-
bereich der entwickelten Instrumentarien: Generelle Instrumentarien können die
Auswirkung einer Vielzahl von Aufgaben erfassen, jedoch oft nicht fein genug
zwischen verschiedenen Arten von Belastungen differenzieren. Spezielle Instru-
mentarien sind hingegen auf einen ganz spezifischen Belastungsbereich abge-
stimmt und sind dort relativ empfindlich. Ein Vergleich verschiedener Aufgaben-
typen ist jedoch nicht möglich.

3.3.3.2.4.1 Erhebungsverfahren für spezielle Anwendungsfälle


Die ursprüngliche Cooper-Harper Skala (COOPER u. HARPER 1969) wurde ent-
worfen, um das „Handling“ von Flugzeugen zu bewerten. Dabei wurde von Ent-
scheidungsbäumen mit mehrfachen Deskriptoren für die Bewertung des „pilot
handling“ Gebrauch gemacht. Endergebnis war eine Note zwischen 1 und 10. In
einer modifizierten Form wurde die Formulierung der Fragen dahingehend verän-
dert, dass die kognitiven Aktivitäten bei der Flugführung im Vordergrund stehen.
Untersuchungen von WIERWILLE u. CASALI (1983) zeigten, dass eine so modifi-
Arbeitsformen 415

zierte Cooper-Harper Skala valide und zuverlässige Aussagen über die mentale
Beanspruchung von Piloten ermöglicht (Abb. 3.107). Ein weiterer, eher situati-
onsbezogen ausgerichteter Anwendungsfall ist die für die Schiffsführungsaufga-
ben entwickelten psychophysikalische Skala, die auf Paarvergleichen von nauti-
schen Situationen basiert (LUCZAK et al. 1986). Man kann annehmen, dass auch
die Mehrzahl der „Handling“-Untersuchungen von z.B. Automobilen auf Basis
standardisierter Expertenratings ablaufen, in denen die Experten situation und
objektorientierte Urteile (Reifen, Bremsen) abgeben, die ihre entsprechenden
psychischen Beanspruchungen repräsentieren.

v ery easy , highly des irableo.m.e. is minimal and desired performanc e is


1
eas ily attainable

eas y , desirableo.m.e. is low and des ired performanc e is


2
attainable
fair, mild diffic ulty ac c eptable o.m.e. is required to attain
3
adequates y stem performanc e

y es
minor but annoying difficulty moderately high o.m.e. is required to attain
4
adequate s y stemperformanc e

is mental no mental work load is


moderately objec tionable high o.m.e. is required to attain adequate
work load lev el high and s hould 5
diffic ulty sy s tem performanc e
ac c eptable? bereduced
v ery objec tionable but max imum o.m.e. is required to attain
6
tolerable diffic ulty adequate s ys tem performanc e
y es

major diffic ulty max imum o.m.e. is required to bring errors to


7
moderate level
major defic ienc ies ,
are errors no
s y s tem redes ign major diffic ulty max imum o.m.e. is required to av oid large or
s mall and 8
is s trongly numerous errors
inc onsequential?
recommended
major diffic ulty intens e o.m.e. is required to acc omplish tas k, but
9
frequent or numerous errors persis t

yes

ev en though
errors may be large
no major defic iencies ,
or frequent, c an ins truc ted impos s ibleins truc ted tas k c annot be ac c omplis hed
s ys tem redes ign 10
tas k be ac c omplis hed reliably
is mandatory
mos t of
the time?
o.m.e. = operator mental
effort

operator dec is ions

Abb. 3.107: Modifizierte Cooper-Harper Skala nach WIERWILLE u. CASALI (1983)

3.3.3.2.4.2 Erhebungsverfahren für allgemeine Anwendungsfälle


Die Eigenzustandsskala, auch EZ-Skala genannt, ist ein Verfahren zur hierar-
chisch-mehrdimensionalen Befindlichkeitsskalierung. In mehreren Schritten wur-
de sie zu der heutigen Form entwickelt (NITSCH 1976). Das Verfahren erfasst
situationsgebundene Veränderungen in der Gesamtbefindlichkeit einer Person. Die
Gesamtbefindlichkeit – hier als „Eigenzustand“ bezeichnet – wird dabei genauer
bestimmt als das Insgesamt der subjektiven (erlebnismäßig repräsentierten) Gege-
benheiten einer Person zu einem jeweils bestimmten Zeitpunkt. Der Eigenzustand
entspricht damit dem situationsabhängig aktualisierten „Selbstmodell einer Per-
son.“ (NITSCH 1976). Durch eine Binärstrukturanalyse gelangte man zu einer
416 Arbeitswissenschaft

hierarchischen Struktur in der EZ-Skala. Versuchspersonen haben in einer Liste


von 40 Adjektiven auf jeweils einer 6 stufigen Skala anzugeben, in welchem Gra-
de eines dieser Merkmale auf ihren augenblicklichen Zustand zutrifft. Die Diffe-
renz der Einschätzung vor und nach Durchführung der Aufgabe spiegelt die Wir-
kung der Aufgabe auf den „Eigenzustand“ der Person wider. Die EZ-Skala wurde
bisher zur Beurteilung von Beanspruchung in Prüfungssituationen, bei Busfahrern
und vielen anderen Arbeitsformen angewendet.
Von KÜNSTLER (1980) stammt der „Fragebogen zum Belastungsverlauf“
(BLV), der mit 46 Adjektiven die subjektiv erlebte Beanspruchung misst und zwar
in den vier Dimensionen „Psychische Anspannung“ als Maß der eingebrachten
Energie, „Momentane Leistungsfähigkeit“ als Grad der verfügbaren kognitiven
Leistungspotentiale, „Aktuelle Leistungsmotivation“ als angestrebter Erfüllungs-
grad des Leistungsziels und „Ermüdung“ als relativ unspezifisches Bedürfnis nach
Erholung. Im Wesentlichen unterscheidet sich die EZ-Skala vom BLV dadurch,
dass bei ersterer verstärkt soziale Aspekte der Beanspruchung (z.B. „soziale Aner-
kennung“) mit einbezogen wurden. Zur Verbesserung der Praktikabilität des BLV
sind verschiedene verkürzte Fassungen entwickelt worden (z.B. BRONNER u.
KARGER 1985). Arbeitsformen, in denen der BLV angewendet wird, sind Prob-
lemlösetätigkeiten wie Konstruieren oder Software-Entwicklung. Die Version des
BLV von BRONNER u. KARGER wurde z.B. von PFENDLER et al. (2005) zur Be-
wertung der Beanspruchung bei der Durchführung einer Zielerkennungsaufgabe
mit verschiedenen Displays verwendet.
Der NASA Task Load Index (TLX) ist ein von der NASA entwickeltes Verfah-
ren (HART u. STAVELAND 1988), das in der Praxis wohl am häufigsten angewen-
det wird. Es handelt sich um eine Skala zur Erfassung der erlebten Beanspru-
chung. Ergebnis ist ein Beanspruchungsmaß, das sich aus der gewichteten Bewer-
tung von sechs Teilskalen ergibt: Geistige Anforderung (mental demand), Körper-
liche Anforderung (physical demand), Zeitliche Anforderung (temporal demand),
Aufgabenerfüllung (performance), Anstrengung (effort) und Frustration (frustrati-
on). Der TLX besteht aus zwei Teilen: Im Paarvergleich aller sechs Teilskalen ist
anzugeben, welche Teilbeanspruchung jeweils den wichtigeren Beitrag zur Ge-
samtbeanspruchung der Aufgabe geliefert hat. Bei der eigentlichen Beanspru-
chungsbewertung ist dann auf einer bipolar verankerten (gering/hoch bzw.
gut/schlecht) Skala jede der sechs Teilbeanspruchungen der Aufgabe zu bewerten.
Aus der Kombination beider Bewertungen wird dann das Beanspruchungsmaß
errechnet. Der TLX wird z.B. für die Beurteilung der mentalen Beanspruchung
von Piloten und Kraftfahrern eingesetzt. Weitere in diesen Bereichen angewendete
Beanspruchungsmessmethoden sind die Subjective Workload Assessment
Technique SWAT (REID u. NYGREN 1988; PFENDLER et al. 1994) mit den Skalen
Time Load, Mental Effort Load und Psychological Stress Load, und die Zwei-
Ebenen Intensitäts-Skala (ZEIS) (PITRELLA u. KÄPPLER 1988; PFENDLER et al.
1994), die die subjektiv wahrgenommene Aufgabenschwierigkeit erfasst. Ein um-
fassender Überblick über eine Vielzahl von Beanspruchungsmessmethoden findet
sich in LYSAGHT et al. (1989) und in BAUA (2008).
Arbeitsformen 417

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lastungen - Grundsätze und Anforderungen an Verfahren zur Messung und Erfassung
psychischer Arbeitsbelastung. Beuth-Verlag, Berlin
4 Betriebs- und Arbeitsorganisation

4.1 Begriffliche Grundlagen

4.1.1 Organisation
Eine Organisation ist ein komplexes System, in dem Arbeitspersonen, Arbeitsauf-
gaben, Arbeits- und Betriebsmittel sowie Arbeitsobjekte in vielschichtigen und
dynamischen Wechselwirkungen stehen. Dieses System dient unterschiedlichen
Zwecken, wie der Erfüllung von Marktaufgaben sowie der Qualifikations- und
Kompetenzentwicklung der Organisationsmitglieder (siehe Kap. 2.3), und wird
auf der Grundlage von objektiven und subjektiven Zielsystemen reguliert. Mit
Bezug auf die Kerndefinition der Arbeitswissenschaft (LUCZAK u. VOLPERT
1987, siehe Kap. 1) sollte eine Organisation mit dem Ziel gestaltet werden, dass
die Arbeitspersonen in produktiven und effizienten Arbeitsprozessen schädigungs-
lose, ausführbare, erträgliche und beeinträchtigungsfreie Arbeitsbedingungen
vorfinden, Standards sozialer Angemessenheit erfüllt sehen, Handlungsspielräume
entfalten, Fähigkeiten erwerben und in Kooperation mit anderen ihre Persönlich-
keit erhalten und entwickeln können.
Aufgrund der inhärenten Komplexität einer Organisation haben sich in der Li-
teratur unterschiedliche Begriffszusammenhänge herausgebildet, die jeweilige
Aspekte in den Vordergrund stellen. So kann der Begriff der Organisation in ei-
nem funktionalen, konfigurativen oder institutionellen Sinne verwendet werden
(SCHREYÖGG 2003). In der Tradition der vorherigen Auflagen werden in den
folgenden Kapiteln organisatorische Modelle und Prinzipien behandelt, mit denen
Betriebe strukturiert werden können. Öffentliche Haushalte sowie Privathaushalte
stehen nicht im Vordergrund. Unter einem Betrieb wird in Anlehnung an
GUTENBERG (1983) eine – zumindest teilweise – unabhängige „Wirtschaftsein-
heit“ verstanden, die der Fremdbedarfsdeckung dient. Hierunter lassen sich bspw.
Unternehmen sowie öffentliche Betriebe und Verwaltungen fassen. Unter „Be-
trieb“ ist keinesfalls die Betriebsstätte im Sinne einer räumlichen Integration von
Funktionen zu verstehen. Der Betriebsbegriff ist prinzipiell unabhängig von der
Aggregationsebene der durch ihn beschriebenen Organisation und kann z.B. für
Unternehmensnetzwerke, einzelne Unternehmen, Sparten, Werke o.ä. gleicherma-
ßen gelten. Nach einer funktionalen Sichtweise wird ein Betrieb organisiert, nach
einer konfigurativen Sichtweise hat ein Betrieb eine Organisation und nach einer
institutionellen Sichtweise ist ein Betrieb eine Organisation (GOMEZ u.
ZIMMERMANN 1999).
434 Arbeitswissenschaft

4.1.1.1 FunktionalerĆOrganisationsbegriffĆĆ
Organisation im funktionalen Sinne wird als eine essentielle Funktion der Be-
triebsführung angesehen und ist eine von mehreren Leitungsaufgaben, welche die
Zweckerfüllung und die Substanzerhaltung sicherstellen sollen (SCHREYÖGG
2003). Insbesondere in der klassischen Managementlehre wird der Begriff der
Organisation vielfach funktional verwendet. So ist Organisieren gemäß des klassi-
schen Managementansatzes von FAYOL (1918, Dt. Übersetzung 1929) neben dem
Verwalten, Vorausplanen, Aufträge erteilen, Zuordnen und Kontrollieren eine der
zentralen Führungsaufgaben. Als bekanntester deutschsprachiger Vertreter der
funktionalen Organisationslehre gilt GUTENBERG (1983). Organisation beinhaltet
nach Gutenberg alle Regelungen, die im Zusammenhang mit der Realisierung
eines Plans erlassen werden, unabhängig davon, ob diese Regelungen generell
oder fallweise getroffen werden.

4.1.1.2 KonfigurativerĆOrganisationsbegriffĆĆ

Organisation im konfigurativen Sinne wird als eine langfristig gültige Strukturie-


rung und Regelung von Arbeitsprozessen verstanden. KOSIOL (1976) sieht in der
Marktaufgabe, dem sog. Sachziel eines Unternehmens, den Ausgangspunkt für
eine Konfiguration, d.h. die Schaffung einer Organisationsstruktur, welche Art
und Umfang der Arbeitsteilung festlegt. Diese Marktaufgabe wird in einem zu-
meist mehrstufigen Prozess der Aufgabenanalyse, zunächst in Teilaufgaben und
im weiteren Fortgang bis hin zu Elementaraufgaben, zerlegt. Durch den Prozess
der Synthese, die Zuordnung von Elementaraufgaben zu Stellen und das Zusam-
menfassen von Stellen zu Organisationseinheiten höherer Ordnung entsteht die
Aufbauorganisation des Betriebs. Diese wird der Ablauforganisation, welche die
prozedurale und zeitliche Ordnung des betrieblichen Geschehens regelt, gegen-
übergestellt.
Funktionales und konfiguratives Organisationsverständnis sind eng miteinander
verbunden und werden auch unter dem Oberbegriff der instrumentellen Organisa-
tion subsumiert. Beide Ansätze werden von dem Paradigma geleitet, Arbeitsabläu-
fe mit Hilfe organisatorischer Regelungen zu rationalisieren (SCHREYÖGG 2003)
und somit das Verhältnis von Aufwand und Ertrag zu optimieren. Während die
funktionale Sichtweise die Managementfunktion des Organisierens und des kurz-
fristigen Disponierens betont, wird beim konfigurativen Organisationsverständnis
die langfristig angelegte Organisationsstruktur fokussiert. So wird aus
konfigurativer Sicht nur die generelle Regelung, nicht aber – wie bei Gutenberg –
die fallweise Entscheidung als Organisation betrachtet. Organisation ist im
konfigurativen Sinne daher der Disposition zeitlich vorgeordnet. Aus arbeitswis-
senschaftlicher Sicht ist anzumerken, dass Humanaspekte menschlicher Arbeit,
wie z.B. die Persönlichkeitsentfaltung und Gesundheit, in den instrumentellen
Organisationsmodellen weitgehend ausgeklammert werden.
Betriebs- und Arbeitsorganisation 435

4.1.1.3 InstitutionellerĆOrganisationsbegriffĆ
Der institutionellen Sichtweise auf die Organisation liegt ein verhaltenswissen-
schaftliches Organisationsverständnis zugrunde. Die Organisation wird als „kol-
lektives“ Denk- und Handlungssystem verstanden. Sie zeichnet sich durch eine
eigene Identität und Kultur aus, verfolgt Ziele und wirkt auf die Organisationsmit-
glieder sinnstiftend. Einen Meilenstein des institutionellen Organisationsverständ-
nisses bilden die Studien des Londoner Tavistock Institute for Human Relations.
In einer ersten Studie (TRIST u. BAMFORTH 1951) sollten in einer Kohlegrube die
Ursachen für die geringe Arbeitsmotivation der Beschäftigten, hohe Fehl- und
Fluktuationsraten sowie eine hohe Anzahl von Unfällen und Arbeitskämpfen er-
mittelt werden. Die Probleme entstanden mit der Einführung der „long wall me-
thod of coal getting“. Die Forscher fanden heraus, dass im Zuge der Einführung
dieser mechanisierten Abbaumethode bestehende soziale Strukturen zerstört wur-
den. So wurde vor Einführung dieser Abbaumethode die vollständige Bergbautä-
tigkeit – bestehend aus Abbau, Beladen der Lore und Transport – von kleinen,
sich selbst regulierenden Gruppen durchgeführt. Diese schichtübergreifenden
Gruppen teilten ihre Löhne im gleichen Verhältnis untereinander auf und waren
auch für ihre Sicherheit selbst verantwortlich (TRIST u. BAMFORTH 1951). Mit
Einführung der mechanisierten Abbaumethode wurden die Gruppen aufgelöst, die
ganzheitliche Aufgabe in Teilaufgaben zerlegt und einzelnen Personen und
Schichten übertragen. Trist und Bamforth konnten zeigen, dass diese Veränderun-
gen sich nachteilig auf die Arbeitsmotivation auswirkten. Dabei betonten die Mit-
begründer des soziotechnischen Systemansatzes die Abhängigkeit der individuel-
len, sozialen und strukturellen Aspekte einer Organisation von der eingesetzten
Technik. Neben diesem soziotechnischen Systemansatz lassen sich weitere Theo-
rien, wie bspw. die der lernenden Organisation, dem institutionellen Organisati-
onsverständnis zuordnen. So gehen die Vertreter der Theorie der lernenden Orga-
nisation der Frage nach, wie Lernpotenziale auf allen Ebenen einer Organisation
systematisch erschlossen werden können (z.B. SENGE 2001).

4.1.2 Betriebs- und Arbeitsorganisation


Der Organisationsbegriff kann sich auf verschiedene betriebliche Funktionsberei-
che (z.B. Beschaffungsorganisation, Fertigungsorganisation, Vertriebsorganisati-
on) beziehen. In der Arbeitswissenschaft ist die Organisation menschlicher Arbeit
im Kontext des jeweiligen Funktionsbereichs von zentraler Bedeutung. Um den
Begriff der Arbeitsorganisation von anderen Begriffen abzugrenzen und seine
wesentlichen Merkmale herauszuarbeiten, wird auf das bereits in Kap. 1.5.1.1
eingeführte Konzept des Arbeitssystems zurückgegriffen (HEEG 1988; REFA 1990;
ZÜLCH 1992; LUCZAK 1998). Die Arbeitsorganisation ist dabei als ein Teilgebiet
der Arbeitssystemgestaltung anzusehen und umfasst die organisatorischen Aspek-
te der Planung und Gestaltung. Ferner ist die Arbeitsorganisation von der techni-
schen Arbeitssystemgestaltung zu unterscheiden (MANN 1985; BULLINGER u.
436 Arbeitswissenschaft

NESPETA 1989), da sie Aspekte der Arbeitsteilung und Kooperation voranstellt


und für die Systemgestaltung eigenen Kriteriensystemen unterwirft (siehe auch
Kap. 5.4). Organisatorische und technische Arbeitssystemgestaltung beziehen sich
auf die Makroebene eines Arbeitssystems, die ergonomische Gestaltung von Ar-
beitsplätzen ist hingegen Gegenstand der Mikro-Arbeitssystemgestaltung (ZÜLCH
1992). Während sich die Arbeitsorganisation auf die Planung und Gestaltung ein-
zelner Arbeitssysteme bezieht, umfasst die Betriebsorganisation nach REFA (1985)
die „Planung, Gestaltung und Steuerung von Arbeitssystemen einschließlich der
erforderlichen Datenermittlung“.
Neben dieser Art der Begriffsbestimmung liegen in der Literatur Definitionen
vor, bei denen Begriffe durch unterschiedliche Gegenstandskataloge spezifiziert
werden. So beziehen sich typische arbeitsorganisatorische Fragestellungen auf die
Arbeitsteilung zwischen Mensch und Technik, die Aufbau- und Ablauforganisati-
on im Arbeitssystem und dabei insbesondere die Form der Zusammenarbeit, die
Arbeitsplanung und -steuerung, die Führung des Arbeitssystems sowie Arbeits-
zeit- und Anreizsysteme (HEEG 1988; GRAP 1992; HINRICHSEN et al. 2003).
Übergeordnetes Ziel der Betriebs- und Arbeitsorganisation ist, wie bereits er-
wähnt, Arbeitssysteme produktiv, effizient und gleichzeitig menschengerecht zu
planen, zu gestalten, zu steuern und fortlaufend zu verbessern. Zu den wirtschaft-
lichen Zielgrößen zählen z.B. Arbeitsproduktivität, Betriebsmittelauslastung oder
Flexibilität, insbesondere in Bezug auf den Personaleinsatz. Zu den humanorien-
tierten Zielen zählt z.B. die motivations- und gesundheitsfördernde Arbeitsgestal-
tung.

4.2 Aufbauorganisation

4.2.1 Definitionen, Elemente und Beziehungen


Die Aufbauorganisation beschreibt die Gliederung eines Betriebs in ein System
von arbeitsteiligen Organisationseinheiten und stellt deren Beziehungen zueinan-
der dar. Hierbei werden Stellenhierarchie, Verantwortung für Aufgaben sowie
Weisungs- und Entscheidungsrechte nach den Kriterien Funktion (z.B. Einkauf,
Produktion, Absatz) oder Objekt (z.B. Kunden, regionale Vertriebsbereiche, Pro-
duktarten) gegliedert und geregelt (SCHMIDT 2000). Da die Marktaufgabe mit
Ausnahme von Kleinunternehmen nicht von einer einzigen Person ausgeführt
werden kann, bedarf es einer organisatorischen Differenzierung im Sinne einer
Arbeitsteilung mit anschließender gezielter Zusammenführung der einzelnen Ele-
mente (siehe Kap. 4.1.1.2). Es ist daher festzulegen, welche Teilaufgabe von wel-
cher Arbeitsperson wahrzunehmen ist. Methodisch erfolgt die Zuordnung von
Aufgaben zu einzelnen Organisationsmitgliedern über eine Aufgabenanalyse und
-synthese (KOSIOL 1976).
Durch die Zuordnung von Aufgaben und Sachmitteln auf einzelne Aufgaben-
träger entstehen sog. Stellen als kleinste zu definierende Organisationseinheiten.
Betriebs- und Arbeitsorganisation 437

Den Stellen sind solche Aufgaben zugeteilt, die von einem Menschen alleine aus-
führbar sowie personenneutral formulierbar sind. Man differenziert zwischen
Linienstellen und Stabsstellen (siehe Kap. 4.2.4.3). Weiterhin unterscheidet man
Leitungsstellen (sog. Instanzen) und Ausführungsstellen (Realisationsstellen).
Leitungsstellen sind in der Regel mit Fremdentscheidungs-, Weisungs-, und Kont-
rollkompetenzen ausgestattet. Demgegenüber sind Ausführungsstellen mit Durch-
führungskompetenzen versehen. Durch Zusammenführung mehrerer Ausfüh-
rungsstellen und je einer Leitungsstelle zu einer organisatorischen Einheit höherer
Ordnung bilden sich Abteilungen und Arbeitsgruppen heraus. Zur formalisierten
Darstellung einer betrieblichen Aufbauorganisation verwendet man Organigram-
me (siehe Kap. 4.2.3.3)

4.2.2 Aufgabenanalyse und -synthese


Aufgabenanalyse ist die systematische Durchleuchtung der zu verteilenden Auf-
gaben mit dem Ziel, diese in geordneter Weise erfüllen zu können (SCHREYÖGG
2003). Die Aufgabenanalyse geht von der Gesamtaufgabe eines Betriebs aus.
Durch eine mehrstufige Analyse lässt sich diese nach bestimmten Kriterien in
konkrete Teilaufgaben zergliedern, wodurch schließlich die Gesamtaufgabe mit
einer größeren Exaktheit erfassbar wird. Die Aufgabenanalyse wird nach KOSIOL
(1976) anhand der folgenden fünf Dimensionen konkretisiert:
(1) Die Verrichtungsanalyse dient der Gewinnung von Teilaufgaben nach den
damit verbundenen Verrichtungen (z.B. Sägen, Schleifen, Hämmern). Dabei
ist jede Verrichtung solange zu zerlegen, bis die Ebene der Elementarverrich-
tung im Sinne einer Teilverrichtung niedrigster Ordnung erreicht ist.
(2) Bei der Objektanalyse erstrecken sich die Verrichtungsvorgänge auf Objekte
wie z.B. die zu bearbeitenden Produkte.
(3) Ranganalyse bedeutet die Untergliederung der Aufgaben in Ausführungs-
und Entscheidungsaufgaben. Eine Entscheidungsaufgabe beschreibt in einem
Produktionsprozess bspw. die Auftragserteilung; die Ausführung entspricht
der Auftragsabwicklung.
(4) Bei der Phasenanalyse werden Teilaufgaben nach den drei Phasen Planung,
Realisation und Kontrolle gebildet.
(5) Ziel der Zweckbeziehungsanalyse ist das Ordnen der Aufgaben nach ihrer
Stellung im Leistungsprozess. Aufgaben sollen dahingehend unterschieden
werden, ob sie direkter (unmittelbar wertschöpfend) oder indirekter Art (mit-
telbar wertschöpfend) sind (SCHREYÖGG 2003).
Um die so gebildeten Teilaufgaben wieder zu aufgaben- und arbeitsteiligen
Systemen zusammenzufassen, erfolgt im Anschluss an die Aufgabenanalyse, als
eigentlicher organisatorischer Akt, die Aufgabensynthese. Diese Integration er-
folgt typischerweise nach fünf Zusammenhängen:
(1) Der Verteilungszusammenhang beinhaltet die Verteilung der Teilaufgaben
auf zunächst personenunabhängige Stellen. Diese werden anhand der durch-
438 Arbeitswissenschaft

schnittlichen Leistungsfähigkeit eines Aufgabenträgers gebildet und mit


permanenten Rechten und Pflichten, sog. Kompetenzen, ausgestattet, um ei-
ne angemessene Aufgabenerfüllung zu gewährleisten.
(2) Im Leitungszusammenhang werden die anhand des Verteilungszusammen-
hangs gebildeten Stellen zu rangmäßigen Verteilungseinheiten verknüpft, aus
deren Zusammenhang das Abteilungs- und Leitungssystem hervorgeht. So
wird festgelegt, welche Stelle gegenüber einer bestimmten Gruppe von Stel-
leninhabern Weisungsbefugnisse besitzt.
(3) Der Stabszusammenhang ergänzt den Leitungszusammenhang, indem Stäbe
die klassischen Linienstellen beratend unterstützen und so für deren Entlas-
tung sorgen. Diese ersten drei Zusammenhänge konstituieren ein geschlosse-
nes, hierarchisches Gliederungssystem, das durch zwei zusätzliche Zusam-
menhänge weiter konkretisiert wird.
(4) Der Arbeitszusammenhang gestaltet die Informations- und Kommunikati-
onswege, die zwischen den arbeitsteiligen Organisationseinheiten bestehen.
So kommt ein zusammenhängender Arbeitsprozess zustande.
(5) Im Kollegienzusammenhang wird die Beziehung verschiedener Kollegien
und Personen aus unterschiedlichen Stellen und Bereichen festgelegt. Er
stellt einen Sonderfall des Informationssystems dar (FROST 2004).
Aus diesen fünf Beziehungszusammenhängen entsteht der Gesamtzusammen-
hang der Aufbauorganisation, den FRESE (2000) als die „statische organisatorische
Infrastruktur“ bezeichnet. Die so entstehenden Strukturen sind Koordinationsfor-
men, die das Ordnungsprinzip der Organisation darstellen.

4.2.3 Strukturdimensionen
Um Organisationsstrukturen beschreiben zu können, müssen sie in geeignete Be-
griffe gefasst werden. PUGH et al. (1971) erweiterten dazu das klassische
Bürokratiekonzept von Max Weber (1922), um zu folgenden fünf Strukturdimen-
sionen zu gelangen.

4.2.3.1 SpezialisierungĆ

Die Spezialisierung der arbeitenden Menschen ist als ein grundlegendes arbeitsor-
ganisatorisches Konzept zu verstehen, das seit Jahrhunderten die Entwicklung der
Volkswirtschaften prägt und sich durch ihre Gesellschaftsformationen zieht. An-
haltende Produktivitätssteigerungen wären ohne Spezialisierungsvorteil und die
damit verbundene Arbeitsteilung wohl nicht möglich gewesen und die fortlaufen-
de industrielle Revolution wäre vermutlich in ihrer Nachhaltigkeit begrenzt. Ange-
trieben durch den Pionier der betrieblichen Arbeitsteilung, Frederick Winslow
Taylor, der in seinem Konzept des „Scientific Management“ ein hohes Maß an
Arbeitsteilung vorschlug, führte in den letzten 130 Jahren die Arbeitsteilung zu
immer komplexeren Netzen gesellschaftlicher und aufgabenspezifischer Abhän-
gigkeiten (KLOBES 2005). Eine räumliche Trennung und die immer weiter fort-
Betriebs- und Arbeitsorganisation 439

schreitende Spezialisierung von Arbeitsplätzen bis hin zu Tätigkeiten, die mit


wenigen Handgriffen erledigt werden können, führen zu einem erheblichen
„Orchestrierungsbedarf“ innerhalb eines Betriebs. Aus der Arbeitsteilung geht
also die Integration der Arbeit hervor, die sich durch die Organisation derselbigen
manifestiert.
Die Arbeitsteilung umfasst die Allokation von Aufgaben, die zur Erfüllung des
Sachziels einer Unternehmung benötigt werden, auf mindestens zwei unterschied-
lich abgrenzbare Aufgabenträger (Stellen, Abteilungen etc.). Je komplexer und
umfangreicher die zum Aufgabenkomplex gehörenden Tätigkeiten sind, desto
größer ist die Notwendigkeit einer Arbeitsteilung einzuschätzen, da der Kapazität
der menschlichen Informationsverarbeitung enge Grenzen gesetzt sind (siehe
Kap. 3.3.1.1.2).
Es lassen sich zwei grundlegende Formen der Arbeitsteilung unterscheiden:
(1) Die Mengenteilung beschreibt ein Konzept, bei dem verschiedenen Organi-
sationseinheiten bezogen auf die Funktion gleichartige (Teil-) Aufgaben
übertragen werden, die an unterschiedlichen Teilmengen durchgeführt wer-
den.
(2) Die Artteilung hingegen ordnet unterschiedlichen Organisationseinheiten
von der Funktion her unterschiedliche Aufgaben zu und führt so zu einer
Spezialisierung der betrieblichen Einheiten. Bei der Artteilung kann zusätz-
lich unterschieden werden, ob jeweils von ihrer Wertigkeit her gleiche Funk-
tionen zusammengefasst werden. Es ergeben sich zwei Unterformen der Art-
teilung:
o Die horizontale Spezialisierung weist verschiedene, aber als gleichwertig
angesehene Funktionen unterschiedlichen Organisationseinheiten zu. So
ergibt sich der Umfang der von einer Organisationseinheit wahrzuneh-
menden Aufgaben. Die horizontale Spezialisierung ist umso stärker, je
geringer der Anteil der einer Organisationseinheit zugewiesenen Aufga-
ben an der Gesamtproblemlösung ist. Zugleich wird der Tätigkeitsspiel-
raum des Aufgabenträgers im Sinne eines mengenmäßigen Aufgabenum-
fangs festgelegt.
o Die vertikale Spezialisierung hingegen weist unterschiedliche und nicht
als gleichwertig angesehene Aufgaben den unterschiedlichen Organisati-
onseinheiten zu. Sie setzt etwa an Phase oder Rang einer Aufgabe an.
Dadurch entsteht ein System hierarchischer Weisungsbeziehungen, wel-
ches den Entscheidungs- und Kontrollspielraum einzelner Organisations-
einheiten festlegt (ALEWELL 2004).
Allgemein gilt, dass eine zu hohe Spezialisierung und Aufgabenteilung
Monotoniezustände hervorrufen und negativ auf die Arbeitszufriedenheit, die
Identifizierung der Arbeitsperson mit dem Produkt und das Qualitätsbewusstsein
wirken. Angestrebt werden sollten stattdessen ganzheitliche Aufgaben, die eine
hohe Qualifikation des arbeitenden Menschen erfordern.
440 Arbeitswissenschaft

4.2.3.2 StandardisierungĆ
Die Standardisierung ist ein unpersönlicher Koordinationsmechanismus, da er –
im Gegensatz zur hierarchischen Koordination oder der Selbstkoordination – nicht
von Personen initiiert wird, sondern auf bestimmten Verhaltensregeln beruht. Die
Standardisierung wird vor der Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt, und
kommt folglich ohne persönliche Weisung oder gegenseitige Abstimmung aus
(MINTZBERG 1992).
Zur Standardisierung gehören zwei zentrale Werkzeuge:
(1) Sog. Programme legen verbindlich fest, auf welche Art und Weise bestimmte
Aktivitäten auszuführen sind. In Verfahrensrichtlinien oder Handbüchern
werden somit grundsätzliche Vorschriften erteilt, die den durch persönliche
Weisungen oder Selbstabstimmung entstehenden Koordinationsaufwand re-
duzieren. Allerdings ist zu beachten, dass sich das Umfeld der Organisation
im Zeitablauf ändert. Ergeben sich neue Problemstellungen, stehen unter
Umständen keine adäquaten Programme zur Verfügung. Eine Lösung dieses
Problems ist mittels flexibler Programme möglich, bei denen durch konditio-
nale Verzweigungen alternative Handlungsanweisungen in Abhängigkeit der
Rahmenbedingungen gegeben werden.
(2) Pläne hingegen geben Ziele und Umsetzungsschritte zur Zielerreichung für
eine bestimmte Periode, den Planungszeitraum, vor. Erforderlich sind des-
wegen regelmäßige Vergleiche von Plan- und Istwerten. Abweichungen des
Istwerts müssen in einem Regelkreis festgestellt, analysiert und durch Steue-
rungsmaßnahmen in Richtung der Planwerte minimiert werden, um eine
wirksame Koordination zu gewährleisten. Dabei hängt die Koordinations-
wirkung von Plänen davon ab, wie zuverlässig die zukünftigen Entwicklun-
gen vorausgesagt werden können. Die Prognosegenauigkeit nimmt in der
Regel mit zunehmender Länge des Planungszeitraums sowie steigender Vo-
latilität der Rahmenbedingungen ab. Darauf ist bei der Umsetzung einer
Koordinationsstrategie Rücksicht zu nehmen. Persönliche Weisungen und
Maßnahmen der Selbstabstimmung sind als Ergänzung zu Plänen und Pro-
grammen weiterhin nötig (VAHS 2005).

4.2.3.3 FormalisierungĆ

Formalisierung bedeutet die schriftliche Fixierung von Programmen und Plänen.


In der Strukturformalisierung zeigen Organigramme in Form von Graphen den
hierarchischen Aufbau von Organisationen. Dabei werden die Stellen als instituti-
onalisierte Teilaufgaben dargestellt sowie das Gefüge dieser Stellen zueinander
und die horizontale Bildung von Abteilungen als übergeordnete Organisationsein-
heiten veranschaulicht. Darüber hinaus geht aus dem Organigramm die Rangord-
nung der Leitungsstellen, die Eingliederung der Stabsstellen und Gremien sowie
das System der Informations- und Kommunikationswege hervor (SCHMIDT 2000).
In Stellenbeschreibungen wird der Aufgaben- und Verantwortungsbereich sowie
Betriebs- und Arbeitsorganisation 441

der Umfang der Leitungskompetenzen fixiert, über- und nachgeordnete Stellen


werden festgelegt sowie Rechte und Pflichten der einzelnen Stelleninhaber erklärt.
Richtlinien ergänzen schließlich die Strukturformalisierung, in dem schriftlich
festgehaltene Programme die Abfolge bestimmter Aktivitäten regeln.
Zusätzlich zur Formalisierung der Struktur kann der Informationsfluss formali-
siert werden, wenn auf den Einzelfall bezogene schriftliche Delegationen (Dienst-
anweisungen etc.) einer Instanz statt mündlicher Absprachen existieren. Schließ-
lich ist eine Leistungsdokumentation als Formalisierung zu verstehen, da hier alle
Regelungen festgehalten werden, die eine schriftliche Erfassung und Beurteilung
der Leistung vorschreiben (VAHS 2005).

4.2.3.4 KonfigurationĆĆ
Die Konfiguration (siehe Kap. 4.1.1.2) beschreibt die Systematik des äußeren
Stellengefüges. Operationalisiert wird die Konfiguration durch die Leitungsspanne
und die Leitungstiefe. Dabei beschreibt die Leitungsspanne die Anzahl der einer
Leitungsstelle direkt unterstellten Stellen. Die Leitungstiefe hingegen gibt die
Anzahl der hierarchischen Leitungsebenen an. Bei gegebener Stellenzahl wird die
Leitungstiefe umso größer, d.h. es entstehen umso mehr Hierarchieebenen, je
geringer die Leitungsspannen sind. Die Konfiguration des Stellengefüges wird in
Abhängigkeit von der Leitungstiefe steiler oder flacher (siehe Abb. 4.1).

Leitungsspanne = 2 Leitungsspanne = 4
Leitungstiefe = 4 Leitungstiefe = 2
(insgesamt 31 Stellen) (insgesamt 21 Stellen)

steile Konfiguration flache Konfiguration

Abb. 4.1: Zusammenhang zwischen Leitungsspanne und Leitungstiefe

Steile Konfigurationen gehen mit langen vertikalen Informationswegen einher,


da die Hierarchieebenen den Fluss unterbrechen. Zudem steigt das Risiko, dass
Informationen unvollständig oder verfälscht weitergegeben werden. Flache Konfi-
gurationen ermöglichen demgegenüber einen schnellen und inhaltsbeständigen
442 Arbeitswissenschaft

Informationsaustausch, so dass eine Beschleunigung der betrieblichen Kommuni-


kations- und Entscheidungsprozesse möglich ist.
Ein weiteres wichtiges Merkmal zur Beschreibung der Organisationsstruktur ist
die Leitungsintensität. Sie stellt das Verhältnis zwischen Leitungsstellen und Aus-
führungsstellen dar (VAHS 2005).

4.2.3.5 DelegationĆ
Die Entscheidungsstruktur eines Betriebs wird durch die Verteilung der (Ent-
scheidungs-)Aufgaben zwischen Leitungs- und Ausführungsstellen bestimmt.
Durch wachsenden Umfang und Kontextsensitivität des notwendigen Wissens
wird dieser Zwang zur Delegation und Dezentralisation von Entscheidungen aus-
gelöst. Man unterscheidet zwischen zentralen und dezentralen Entscheidungs-
strukturen. In zentralen Strukturen sind die Entscheidungsbefugnisse auf die je-
weils hierarchisch höchste Leitungsstelle konzentriert. In dezentralen Strukturen
hingegen sind Entscheidungsbefugnisse per Delegation auf mehrere Stellen und
Abteilungen verteilt. Zentrale Entscheidungen sind z.B. sinnvoll, wenn
x Entscheidungen zur strategischen Sicherung und Entwicklung getroffen wer-
den müssen,
x die Einheitlichkeit von Entscheidungen erforderlich ist (z.B. beim Aufbau
eines zertifizierbaren Qualitätsmanagementsystems oder bei der betriebli-
chen Altersversorgung),
x eine Entscheidungsdelegation nicht möglich ist, weil die Stelleninhaber nicht
hinreichend qualifiziert sind oder
x rechtliche und per Geschäftsordnung oder Satzung festgelegte Regelungen
die Delegation von Entscheidungen ausschließen (BÜHNER 2004).
Voraussetzungen für zentrale Entscheidungen sind, dass die Leitungsstelle ka-
pazitiv in der Lage ist, anstehende Entscheidungen zu treffen und über die erfor-
derlichen Informationen verfügt. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so
bieten dezentrale Entscheidungsstrukturen folgende Vorteile (BÜHNER 2004):
x Die Entscheidungen werden von Organisationseinheiten getroffen, die über
die benötigten Informationen zur Beurteilung der Entscheidungskonsequen-
zen verfügen (Kommunikationsvorteil).
x Durch die Delegation von Entscheidungsbefugnissen auf Mitarbeiter können
diese motiviert werden (Motivationsvorteil).
x Die Leitungsstellen werden inhaltlich und zeitlich entlastet (Entlastungsvor-
teil).
In der Praxis muss ein „Kompromiss“ zwischen zentralen und dezentralen Ent-
scheidungsstrukturen gefunden werden. Rein kostentheoretisch sollte ein solcher
Kompromiss minimale Gesamtkosten verursachen und die Relation von Kosten
für die Abstimmung zwischen Einzelentscheidungen (sog. Koordinationskosten)
und Kosten für die Abweichung der schließlich getroffenen Entscheidung von der
theoretisch erreichbaren Idealentscheidung (sog. Autonomiekosten) optimieren
Betriebs- und Arbeitsorganisation 443

(FRESE 1996). Abb. 4.2 zeigt qualitativ den Verlauf der Koordinations- und Auto-
nomiekosten in Abhängigkeit vom Zentralisationsgrad. Der Zentralisationsgrad
ZG ist das Verhältnis der Anzahl der Entscheidungen in der Betriebsführung zu
der Anzahl aller Entscheidungen (BEUERMANN 1992). Die Koordinationskosten
Kkoord(ZG) nehmen mit zunehmendem Zentralisationsgrad ab, da weniger Auf-
wand zur Abstimmung der Einzelentscheidungen benötigt wird. Andererseits ist
anzunehmen, dass die Autonomiekosten Kaut(ZG) mit zunehmendem Zentralisati-
onsgrad ansteigen. Die Überlagerung der beiden gegenläufigen Kostenfunktionen
führt zum Gesamtkostenminimum beim Zentralisationsgrad ZG0 (siehe Abb. 4.2).

Kosten

Gesamtkostenfunktion

Kkoord Kaut

0 ZG0 1
Zentralisationsgrad ZG

Abb. 4.2: Zusammenhang zwischen Zentralisationsgrad und Koordinations- und Autono-


miekosten (nach BEUERMANN 1992)

Bei welchem Zentralisationsgrad dieses Optimum liegt, lässt sich in der Regel
nicht berechnen, da weder die Koordinations- noch die Autonomiekostenfunktio-
nen ermittelt werden können. Eine rein kostentheoretische Ableitung des Zentrali-
sationsgrads ist auch nicht sinnvoll, da dabei personenbezogene Kriterien wie
Entscheidungsspielräume o.ä. außer Acht gelassen werden. Statt eines analyti-
schen Ansatzes sollen im Folgenden aufbauorganisatorische Grundformen unter-
schieden werden, die theoretisch begründet und häufig in der Praxis anzutreffen
sind.

4.2.4 Formen der Aufbauorganisation


Durch Über- und Unterordnung von Organisationseinheiten entsteht ein organisa-
torisches Gerüst. Die gebildeten Stellen werden mittels sog. Linien verbunden, die
von oben nach unten den Anordnungsweg und von unten nach oben den Mittei-
lungs- oder Meldeweg bilden. Werden alle permanent im Betrieb existierenden
Stellen, Stäbe und Gremien verbunden, so ergibt sich eine Struktur, die Primäror-
ganisation genannt wird. Sie ist aufgrund ihrer hierarchischen Struktur vor allem
444 Arbeitswissenschaft

für die effektive Bewältigung des Kerngeschäfts sowie den Erhalt und Ausbau der
Kernkompetenzen zuständig. Allgemein ist sie für die effiziente Bearbeitung von
wiederkehrenden Aufgaben geeignet. Diese Struktur reicht jedoch oft nicht zur
Bearbeitung komplexer Problemstellungen aus, da die Abhängigkeiten zwischen
den Organisationseinheiten nur ungenügend berücksichtigt werden. Deswegen
finden sich häufig ergänzende Strukturen, die die Primärorganisation überlagern
und die als Sekundärorganisation bezeichnet werden (VAHS 2005). Die Sekundär-
organisation dient z.B. dem Produkt- oder Projektmanagement. In der Folge ergibt
sich eine große Anzahl unterschiedlicher Formen der Aufbauorganisation. Zur
übersichtlichen und leicht verständlichen Darstellung werden nachfolgend für die
Praxis relevante Grundformen und Spezialisierungen dargestellt.
Grundsätzlich lassen sich funktionale und objektorientierte Organisationen un-
terscheiden. Eine funktionale Organisation sieht auf der zweiten Hierarchieebene
eine Gliederung nach Sachfunktionen vor (z.B. Entwicklung, Produktion etc.),
wodurch das ganze System eine funktionale Prägung erhält. Demgegenüber fasst
eine objektorientierte Organisation Stellen- und Abteilungen für diejenigen Ver-
richtungen zusammen, die z.B. für die Entwicklung, Herstellung und Vermarktung
eines bestimmten Objekts – häufig ein komplexes technisches Produkt – notwen-
dig sind (SCHREYÖGG 2003).

4.2.4.1 EinlinienorganisationĆ
Die Einlinienorganisation (siehe Abb. 4.3) ist dadurch gekennzeichnet, dass jede
Stelle und jede Organisationseinheit, entsprechend Fayols „Prinzip der Einheit der
Auftragserteilung“, jeweils nur eine direkt übergeordnete Leitungsstelle hat. Die
Mitarbeiter erhalten nur vom jeweiligen Vorgesetzten Aufgaben, Aufträge und
Weisungen. Gegebenenfalls muss eine Weisung, Anordnung oder Information
vertikal jeweils alle Abteilungen bzw. Stellen einer Linie durchlaufen. Möchten
zwei gleichrangige Stellen aufgabenbezogen kommunizieren, müssen sie den
Umweg über die nächst höhere und für beide zuständige Instanz nehmen. So
kommt es häufig zu langen Kommunikationswegen, etwaige Abstimmungs- und
Kommunikationsprozesse werden verzögert (REFA 2002).

Instanz disziplinarisches und


fachliches
Unterstellungsverhältnis

Stelle

Abb. 4.3: Einlinienorganisation


Betriebs- und Arbeitsorganisation 445

Neben der Beschreibung der Aufgaben müssen Regelungen über die Form der
Zusammenarbeit, der Abstimmung sowie der Informations- und Direktionswege
getroffen werden. Die Instanzen sind bei diesem Prinzip nur geringfügig speziali-
siert, da jede Leitungsstelle den gesamten ihr unterstellten Aufgabenbereich über-
blicken muss, um entsprechend qualifizierte Arbeitsanweisungen geben zu kön-
nen. Beispiele für eine Einlinienorganisation finden sich im militärischen und
kirchlichen Bereich.

4.2.4.2 MehrlinienorganisationĆ
Bei der Mehrlinienorganisation (siehe Abb. 4.4) hat ein Mitarbeiter, in Anlehnung
an das Funktionsmeistersystem von F. W. Taylor, für jedes fachliche Teilgebiet
seiner Arbeit einen anderen Vorgesetzten. Ziele dieser Organisationsform sind die
Spezialisierung der Leitungsstellen sowie eine Beschleunigung der Kommunikati-
on durch kürzere Informations- und Direktionswege. Es kommt bei ihrer Anwen-
dung zu einer Vielfachunterstellung des Mitarbeiters. Dieser kann sich mit seinen
Problemen direkt an die jeweils spezialisierte Instanz wenden. Die Positionsmacht
des Vorgesetzten rückt dabei im Vergleich zu seiner Fachkompetenz in den Hin-
tergrund (VAHS 2005). Zu beachten ist jedoch, dass die Kompetenzen jeder In-
stanz genau beschrieben sein müssen. Jeder Vorgesetzte muss sich an die Grenzen
seines Kompetenzbereichs halten, weil es sonst zu Kompetenzüberschneidungen
und unklaren Verantwortungen kommen kann. Für die einzelne untergeordnete
Stelle ergibt sich die Schwierigkeit der Priorisierung von Tätigkeiten, die sie von
unterschiedlichen Vorgesetzten erhält. Zudem ist bei einem schlechten Arbeitser-
gebnis nicht immer eindeutig zu klären, welche Instanz hierfür verantwortlich ist.
Um Koordinationsprobleme zu vermeiden, ist ein hoher Dokumentationsaufwand
und damit ein hoher Grad an Formalisierung erforderlich und sinnvoll. Das
Taylorsche Funktionsmeistersystem unterscheidet beispielsweise Zeit-, Qualitäts-
und Kostenmeister etc.

fachliche Unterstellung disziplinarische Unterstellung

Abb. 4.4: Mehrlinienorganisation


446 Arbeitswissenschaft

4.2.4.3 Stab-Linien-OrganisationĆ
Die Stab-Linien-Organisation ist eine Erweiterung der Ein- bzw. Mehrlinienorga-
nisation. Stäbe sind einzelnen Linieninstanzen zugeordnet und unterstützen diese,
indem sie Entscheidungen vorbereiten (z.B. durch Sammlung und Aufbereitung
von Informationen). Stäbe haben gegenüber den Stellen der Linienorganisation
weder Entscheidungs- noch Weisungsbefugnisse, können aber selbst Teil einer
hierarchischen Stabsorganisation sein (SCHANZ 1994). So können sie bspw. als
Zentralstabsstellen, als Stäbe auf mehreren Ebenen oder als Stabshierarchie in eine
Linienorganisation eingebettet sein und dann durchaus Entscheidungs- und Wei-
sungsbefugnisse gegenüber Abteilungsstäben besitzen. Eine Stabshierarchie tritt
dabei als geschlossenes „Untersystem“ neben die Linienstruktur (REFA 2002).
Durch die Stäbe kann die weitgehend statische Struktur der Ein- bzw. Mehrlinien-
organisation flexibilisiert werden. Zwar wird das Prinzip der einheitlichen Auf-
tragserteilung beibehalten, durch die fachliche Unterstützung der Stäbe werden die
Linienstellen aber gleichzeitig entlastet. Dort können Kapazitäten für die Bewälti-
gung anderer Aufgaben (z.B. strategische Planung) freigesetzt werden. Ein Bei-
spiel für eine funktional gegliederte Stab-Linien-Organisation ist in Abb. 4.5 dar-
gestellt.

Stra-
Unternehmens- Rechts-
tegische
führung abteilung
Planung

Markt- Kaufmännische
Absatz Produktion Assistent EDV
forschung Verwaltung

Abb. 4.5: Stab-Linien-Organisation

4.2.4.4 MatrixorganisationĆ
Die Matrixorganisation ist eine spezielle Form der Mehrlinienorganisation. Sie ist
durch die gleichzeitige Anwendung von zwei Gliederungskriterien (z.B. Verrich-
tung in Verbindung mit Produkt oder Markt) gekennzeichnet. Abb. 4.6 zeigt ein
Beispiel für eine nach Verrichtung und Produktgruppen gegliederte Matrixorgani-
sation. Die Organisationseinheiten sind fachlich der jeweiligen Fachinstanz unter-
stellt. Gleichzeitig sind sie den Produktgruppen zugeordnet, die von verantwortli-
chen Produktmanagern geleitet werden. Mit Bezug auf die Produktgruppen unter-
stehen die Organisationseinheiten diesem Produktmanager und erfüllen produkt-
bezogen Fachaufgaben. Es ist nachvollziehbar, dass die Überlagerung von zwei
oder mehreren Gliederungskriterien klare Schnittstellenregelungen, insbesondere
Betriebs- und Arbeitsorganisation 447

bei der Gestaltung von Leitungs- und Weisungsvorschriften, benötigt. In aller


Regel erhalten objektorientierte Instanzen (z.B. Produktmanager) dann nur objekt-
bezogene Weisungsrechte, während die funktionalen Instanzen die Verwaltungs-
kompetenzen über die Kapazitäten und insbesondere die Disziplinarkompetenz
über die Aufgabenträger behält. In der Praxis wird zunehmend auf eine organisa-
torisch bestimmte Dominanzlösung zugunsten des einen oder des anderen Gliede-
rungskriteriums verzichtet. Mögliche Konflikte werden nicht mehr länger als
Bedrohung für die Organisation, sondern als zusätzliches kreatives Element ange-
sehen, das die Abstimmungsprobleme einer sinnvollen Problemlösung zuführen
kann (STEINMANN u. SCHREYÖGG 2005).
Matrixorganisationen können, je nachdem ob sie permanent oder temporär in
die Struktur des Betriebs eingebettet sind, als Produkt-, Kunden-, Funktions- oder
Projektmanagement auftreten (VAHS 2005). Ein Produktmanagement liegt vor,
wenn Produkte oder Dienstleistungen als Daueraufgabe, also zeitlich unbegrenzt,
„quer“ über alle Funktionsbereiche betreut werden. Vom Kundenmanagement
spricht man, wenn die Organisation auf bestimmte Kundengruppen und damit
verbundene Marktsegmente ausgerichtet wird, wie es z.B. im Anlagenbau üblich
ist. Das Funktionsmanagement zielt auf die Harmonisierung der mitunter kom-
plementären Zielsetzungen von Funktionsbereichen ab und zieht Querschnitts-
funktionen ein, die übergreifende Planungs- und Steuerungsaufgaben wahrnehmen
(z.B. Qualitätsmanagement). Ein Projektmanagement hingegen liegt vor, wenn
Vorhaben, die im Wesentlichen durch die Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer
Gesamtheit gekennzeichnet sind, zeitlich begrenzt und simultan zu den Fachauf-
gaben geführt werden (siehe Kap. 4.2.5).

Unternehmensleitung
funktionsorientiert

Forschung und Finanz- und


Produktion Absatz
Entwicklung Rechnungswesen

Kalkulation und
Produkt- Fertigungsplanung Entwicklung Marketing und Vertrieb
Finanzplanung
gruppe 1 Produktgruppe 1 Produktgruppe 1 Produktgruppe 1
Produktgruppe 1
objekt-
orientiert
Kalkulation und
Produkt- Fertigungsplanung Entwicklung Marketing und Vertrieb
Finanzplanung
ggruppe
pp 2 Produktgruppe 2 Produktgruppe 2 Produktgruppe 2
Produktgruppe 2

Abb. 4.6: Matrixorganisation

4.2.4.5 ProzessorganisationĆ
Die Prozessorganisation definiert Stellen, Abteilungen und Bereiche auf Basis der
innerhalb des Betriebs verrichteten Wertschöpfungsschritte und bezieht darüber
hinaus die Input-Output-Beziehungen zu Kunden und Lieferanten ein. Sie gliedert
448 Arbeitswissenschaft

sich auf in zur Wertschöpfung beitragende Kernprozesse, wie z.B. Produktion,


und die Wertschöpfung unterstützende Prozesse, sog. Supportprozesse, wie z.B.
Beschaffung. Die Besonderheit liegt darin, dass alle Prozesse auf den Kunden
ausgerichtet sind und sämtliche Aktivitäten über einen durchgängigen Informati-
ons- und Datenfluss miteinander verknüpft sind (siehe Abb. 4.7), wodurch die
Schnittstellentransparenz erhöht und der Abstimmungsaufwand reduziert werden
soll (WIENDAHL 2007).

Unternehmens-
leitung

Standort A Standort B Standort C Standort D


Personal Innovationsprozess

Infrastruktur Produktionsprozess
Kunden
Entwicklung Auftragsabwicklungsprozess

Beschaffung Vertriebsprozess

Abb. 4.7: Beispiel einer Prozessorganisation

Eine prozessorientierte Arbeitsteilung wird abgeleitet aus einer Dekomposition


der Wertschöpfungsschritte und ihrer nachfolgenden Synthese zu einer sog. Wert-
schöpfungskette, die alle Aktivitäten umfasst, die notwendig sind (mittelbar oder
unmittelbar), um die Transformation von Inputfaktoren in Outputfaktoren zu er-
reichen. Ein in der Literatur vielfach zitiertes Referenzmodell ist die sog. „Wert-
schöpfungskette nach Porter“ (PORTER 2000) (siehe Abb. 4.8). Sie beschreibt den
Wertschöpfungsprozess auf der Ebene der gesamten Organisation. Dem Leitbild
der Prozessorganisation folgend lassen sich die an der Wertschöpfung beteiligten
Aktivitäten in zwei Klassen einteilen: Aktivitäten, die unmittelbar mit der Herstel-
lung und dem Vertrieb von Produkten oder Dienstleistungen verbunden sind,
werden als primäre Aktivitäten bezeichnet. Dieses sind die Eingangslogistik, Pro-
duktion, Marketing und Vertrieb, Ausgangslogistik sowie der Service. Von diesen
primären Aktivitäten grenzen sich die sekundären ab, die lediglich der Unterstüt-
zung dienen. Im Einzelnen gehören hierzu die Beschaffung, Forschung und Ent-
wicklung, Personalwirtschaft sowie die Unternehmensinfrastruktur.
Die organisatorische Wertschöpfung muss im Hinblick auf die anzustrebende
Arbeitsteilung sukzessive „Top-Down“ anhand von Geschäftsprozessen struktu-
riert werden (siehe Kap. 4.3.3.2). Im Anschluss können die gebildeten Prozesse
nach den Kriterien Zwischenprodukt oder Dienstleistung und interne Kunden-
gruppen weiter differenziert werden. In einem nächsten Schritt werden die immer
noch recht komplexen Prozesse entweder horizontal nach ihrer Komplexität
(Standardprozess, komplexer Fall) oder vertikal in weitere Teilprozesse zerlegt.
Resultierende Teilaktivitäten der vertikalen Dekomposition können solange in
weitere Teilprozesse zerlegt werden bis auf der letzten Ebene Elementarprozesse
Betriebs- und Arbeitsorganisation 449

der Organisation feststehen. Ein Elementarprozess leistet gerade noch einen be-
wertbaren positiven Beitrag zur Wertschöpfung. Die erzeugten Prozesse werden
einem Prozessverantwortlichen unterstellt, der für die Ergebnisse verantwortlich
ist und die Koordination innerhalb des Prozesses und mit anderen übernimmt
(JOST 2000).
Wesentliche Vorteile dieser Organisationsform liegen in der Konzentration auf
die wertschöpfenden Aktivitäten und dem funktionsübergreifenden Charakter.
Nachteile können dadurch entstehen, dass bei fehlender Konzentration auf die
Funktion Effizienzvorteile der Arbeitsteilung (siehe Kap. 4.2.3.1) verloren gehen.

Unternehmensinfrastruktur (Führung, Finanzmanagement etc.)


Sekundäre
Aktivitäten

Personalwirtschaft (Personalplanung, -beschaffung, -entwicklung etc.)

Ertr
Technologieentwicklung

äge
(F&E, IT- Systeme etc.)

Beschaffung (Rohstoffe, Betriebsmittel, Anlagen etc.)

Eingangs - Produktion Marketing Ausgangs - Service


logistik (Operations) & Vertrieb Logistik

Erträg
Aktivitäten

• Waren- • Fertigung • Preise • Lager- • Installation/


Primäre

eingang • Montage • Distribution verwaltung Konfiguration

e
• Lagerung • Verpackung • Werbung • Lieferung • Wartung
• etc. • etc. • Verkauf • etc. • Zubehör
• etc. • After-Sales
• etc.

Abb. 4.8: Wertschöpfungskette nach PORTER (2000)

4.2.4.6 Produkt-/MarktorientierteĆOrganisationĆ

Produktorientierte Organisationen gliedern ihre organisatorischen Einheiten


nach Produkten, Produktgruppen oder Produktlinien. Analog gliedern marktorien-
tierte Organisationen ihre Einheiten nach unterschiedlichen Marktsegmenten, die
z.B. an Kundengruppen, Branchen oder regionale Absatzgebiete geknüpft sind.
Beispiele sind in Abb. 4.9 bzw. Abb. 4.10 dargestellt. Es werden also alle Verrich-
tungen, die zu einem Bezugsobjekt gehören, als eigenständiger Geschäftsbereich
geführt. In der Literatur spricht man auch von einer Spartenorganisation,
divisionalen Organisation oder Geschäftsbereichsorganisation (FRESE 2000, VAHS
2005). Da produkt- bzw. marktorientierte Organisationen ihre hierarchische Struk-
tur aus den Einlinien- sowie Stab-Linien-Organisationen ableiten, handelt es sich
nicht um Grundformen der Aufbauorganisation, sondern lediglich um Spezialisie-
rungen nach Objekten. Aufgrund der besonderen praktischen Bedeutung dieser
Organisationsvarianten werden sie hier jedoch zusätzlich erläutert. Die wirtschaft-
liche Steuerung der Geschäftsbereiche erfolgt häufig nach dem Prinzip des sog.
Profit-Centers. Als Profit-Center gelten solche organisatorischen Teilbereiche, für
die ein gesonderter Erfolgsausweis vorgenommen wird. Wird etwa die klassische
Gewinn- und Verlustrechnung als Erfolgsausweis herangezogen, dann sind den
450 Arbeitswissenschaft

verschiedenen Teilbereichen ihre bereichsspezifischen Kosten und Erlöse zuzu-


ordnen. Führt ein Automobilzulieferbetrieb seinen Kundendienst als Profit-Center,
so wird der Erfolg der Kundendienstaktivitäten als Gewinn oder Verlust ausge-
wiesen. Dabei werden alle Leistungen und Kosten, die durch den Kundendienst
entstanden sind, gesondert erfasst und in Form einer Erfolgsrechnung zusammen-
gestellt (FRESE 2000). Im Profit-Center trägt folglich die Geschäftsbereichsleitung
Kosten- und Erlösverantwortung. Sie hat jedoch keinen Einfluss auf das eingesetz-
te Kapital. Im sog. Investment-Center wird der Entscheidungsspielraum noch um
den Kapitaleinsatz erweitert. Hier kann die Bereichsleitung selbst über Investitio-
nen und Liquidationen entscheiden.

Vorstands-
Vorstands-
vorsitzender
vorsitzender

Branche
BrancheAA Branche
BrancheBB Branche
BrancheCC

Produkt
Produkt11 Produkt
Produkt22 Produkt
Produkt33

Meister
Meister Meister
Meister Meister
Meister

Abb. 4.9: Produktorientierte Organisation (nach HODGE et al. 2003)

Direktion
Direktion

Branche
BrancheAA Branche
BrancheBB Branche
BrancheCC

Markt
Markt11 Markt
Markt22 Markt
Markt33

Abteilungs-
Abteilungs- Abteilungs-
Abteilungs-
leiter
leiter leiter
leiter

Abb. 4.10: Marktorientierte Organisation (nach HODGE et al. 2003)


Betriebs- und Arbeitsorganisation 451

4.2.4.7 Vor-ĆundĆNachteileĆvonĆAufbauorganisationsformenĆ
Die vorgestellten Grundformen der Aufbauorganisation haben, bezogen auf den
eigentlichen Zweck einer Organisation, wie die Sicherstellung der Aufgabenerfül-
lung über Verteilung der Kapazitäten, Koordination der Arbeitsprozesse, Herbei-
führung von Entscheidungen etc., spezifische Vor- und Nachteile, die in Tabelle
4.1 gegenübergestellt sind.
Tabelle 4.1: Vor- und Nachteile von Grundformen der Aufbauorganisation
Vorteile Nachteile
ƒ Geringe Kapazität der Vorgesetzten notwendig ƒ Nur für wiederkehrende Prozesse (wie administrative
ƒ Vereinfachte Abstimmung durch Abbau von Schnittstellen Prozesse) anwendbar
organisation
Prozess-

und geringere Arbeitsteilung ƒ Überschreitet schnell Komplexitätsgrenzen


ƒ Intrinsische Motivation der Mitarbeiter steigt durch ƒ Gegenüber funktionaler Arbeitsteilung Produktivitätsnach-
Steigerung der Verantwortung teile
ƒ Orientierung der Mitarbeitervergütung an geeigneten
Indikatoren (z.B. Prozesskosten)
ƒ Entlastung der Leitungsspitze ƒ Großer Bedarf an Leitungskräften
ƒ Direkte Wege ƒ Großer Kommunikationsbedarf
ƒ Keine Belastung von Zwischeninstanzen ƒ Zwang zur Regelung sämtlicher Kreuzungen zwischen
organisation

ƒ Mehrdimensionale Koordination den Dimensionen


Matrix-

ƒ Übersichtliche, klare Leitungsorganisation ƒ Schwer nachvollziehbare Entscheidungsprozesse


ƒ Möglichkeit, Projekte als eigene Dimension zu integrieren ƒ Keine Einheit der Leitung
ƒ Spezialisierung der Leitung nach Problemdimensionen ƒ Gefahr zu vieler Kompromisse
ƒ Gleichwertige Berücksichtigung mehrer Dimensionen ƒ Gefahr großer Zeitverluste bis ein Gesamtentscheid
ƒ Ständige Teamarbeit der Leitung zustande kommt
ƒ Entlastung der Leitungsspitze ƒ Großer Bedarf an Leitungskräften
ƒ Verkürzung der Kommunikationswege ƒ Großer Abstimmungsbedarf, deshalb hoher Kommunikati-
Mehrlinienorganisation

ƒ Keine Belastung von Zwischeninstanzen onsaufwand


ƒ Potentiell große Koordinationsfähigkeit ƒ Kompetenzkonflikte kaum vermeidbar
ƒ Direkte, schnelle Kommunikation ƒ Keine klaren Kompetenzabgrenzungen
ƒ Job-Spezialisierung des Vorgesetzten ƒ In großen Systemen ist die Komplexität kaum zu bewälti-
ƒ Berücksichtigung spezifischer Eignung gen
ƒ Rascher Erwerb von Wissen und Erfahrung ƒ Keine Einheit der Leitung
ƒ fehlender Blick des Vorgesetzten für das Ganze
ƒ Gefahr zu vieler Kompromisse
ƒ Gefahr großer Zeitverluste bis ein Gesamtentscheid
zustande kommt
ƒ Entlastung der Linieninstanzen ƒ Gefahr der Entwicklung einer überdimensionierten
ƒ Erhöhte Kapazität für sorgfältige Entscheidungsvorberei- Stabsstruktur
tung ƒ Gefahr der Vernachlässigung der Leitungsorganisation
Organisation
Stab-Linien-

ƒ Erhöhte Koordinationsfähigkeit gegenüber Linien- (Stab als Vorwand für mangelnde Delegation)
Organisation ƒ Konfliktmöglichkeiten zwischen Stab und Linie
ƒ Sinnvoller Ausgleich zwischen Spezialisten des Stabes ƒ Transparenz der Entscheidungsprozesse geht verloren
und Überblick der Linie ƒ Gefahr, dass Stabsarbeit von der Linie nicht berücksichtigt
ƒ Fachkundige Entscheidungsvorbereitung wird
ƒ Gefahr, dass Stabsmitarbeiter den Linienvorgesetzten
dank seines fachlichen Wissens manipulieren kann
ƒ Einheit der Auftragserteilung reduziert Koordinations- und ƒ Überlastung der Leitungsspitze
Entscheidungsprozesse ƒ Unterdimensioniertes Kommunikationssystem
ƒ Klare Kompetenzabgrenzung ƒ Lange Kommunikationswege
ƒ Klare Anordnungen ƒ Unnötige Belastung von Zwischeninstanzen
organisation

ƒ Klare Kommunikationswege ƒ Keine direkte Kommunikation zwischen hierarchisch


Linien-

ƒ Einfache Kontrolle gleichrangigen Instanzen und Stellen


ƒ Einheitliche, zielorientierte Entscheidungen ƒ Gefahr der „Bürokratisierung“
ƒ Alleinverantwortung bedeutet Anerkennung persönlicher ƒ Unvereinbarkeit mit dem Grundsatz des Spezialistentums
Beiträge ƒ Gefahr der Vernachlässigung einer systematischen
Entscheidungsvorbereitung
ƒ Starre, langsame Willensbildung

Wie die Aufbauorganisation von Betrieben schließlich ausgeprägt ist, hängt


von weiteren Faktoren ab, z.B. von der strategischen Ausrichtung, den langfristig
452 Arbeitswissenschaft

verfolgten Zielen oder den gesetzlichen Vorgaben. Damit wird auch deutlich, dass
die Aufbauorganisation auf großen Zeitskalen nicht statisch sein kann, sondern
sich zyklisch anpassen muss. Über die vorgestellten Organisationsformen hinaus
haben sich in der Praxis weitere Strukturen bewährt, wie z.B. die Holdingstruktur
auf Konzernebene (VAHS 2005) oder sog. Netzwerkorganisationen, in denen meh-
rere Unternehmen zur Verfolgung eines gemeinsamen Zieles kooperieren
(KILLICH u. LUCZAK 2003).

4.2.5 Projektorganisation
Nach DIN 69901-5 (2009) ist ein Projekt „ein Vorhaben, das im Wesentlichen durch
Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet ist, wie z.B.
eine klare Zielvorgabe, eine zeitliche, finanzielle, personelle oder andere Begren-
zung, Abgrenzung gegenüber anderen Vorhaben sowie eine [...] spezifische Orga-
nisation“. Aufgrund der Einmaligkeit der Bedingungen sind Projekte nur temporär
in die Struktur des Betriebs integriert und erfordern spezifische Organisationsfor-
men, die nicht zwangsweise Bestandteil der klassischen Aufbauorganisation sind.
Häufig überschreiten Projekte in ihrem Umfang die Grenzen festgelegter Berei-
che, haben eine wirtschaftlich besondere Bedeutung und sind mit besonderen
Risiken versehen. Sie erfordern die flexible und dynamische Einbindung und
Mitwirkung verschiedener Spezialisten und die gemeinsame Nutzung vorhandener
Ressourcen. Die organisatorische Integration kann dabei nach BURGHARDT
(2002) in Form der Einfluss-Projektorganisation, Matrix-Projektorganisation, Auf-
trags-Projektorganisation oder reinen Projektorganisation erfolgen.
Bei der Einfluss-Projektorganisation gibt es lediglich einen Projektkoordinator,
der – im Gegensatz zu einem „echten“ Projektleiter – nur eine lenkende und koor-
dinierende Funktion besitzt und nur über geringe Entscheidungsbefugnisse ver-
fügt. Er dient quasi als Informant der betrieblichen Linieninstanzen. Da die Ent-
scheidungen weiterhin in der Linie getroffen werden, ist der Koordinator nicht für
Erfolg oder Misserfolg des Projekts verantwortlich (siehe Abb. 4.11). Ein Beispiel
für die Wahl einer Einfluss-Projektorganisation ist die Einführung eines neuen
PPS/SCM/ERP Software-Systems.
Die Matrix-Projektorganisation ist eine Matrixorganisation (siehe Kap. 4.2.4.4),
die sich bzgl. des sekundären Gliederungskriteriums an Projekten orientiert. In der
Matrix-Projektorganisation trägt der Projektleiter die gesamte Verantwortung für
das Projekt. Er hat jedoch nicht die volle Anordnungsbefugnis für die am Projekt
beteiligten Mitarbeiter. Diese werden aus verschiedenen Organisationseinheiten
rekrutiert, sind zeitlich begrenzt in einer Projektgruppe zusammengefasst und
unterliegen nur fachlich der Weisungsbefugnis des Projektleiters. Disziplinarisch
unterstehen sie weiterhin dem Linienvorgesetzten. Die Matrix-Projektorganisation
hat damit eine mehrdimensionale Weisungsstruktur, wodurch eine Kompetenzab-
grenzung erschwert wird (siehe Abb. 4.12). Die Matrix-Projektorganisation ist
beispielsweise für die Abwicklung von Großaufträgen in der Bauindustrie die
geeignete Organisationsform.
Betriebs- und Arbeitsorganisation 453

Geschäftsleitung
Geschäftsleitung

Projekt-
Projekt-
koordinator
koordinator

Kaufmännische
Kaufmännische
Vertrieb
Vertrieb Entwicklung
Entwicklung Fertigung
Fertigung Leitung
Leitung

Abb. 4.11: Einfluss-Projektorganisation, die in eine funktionale Einlinien-Organisation


integriert ist (nach BURGHARDT 2002)

Geschäftsleitung
Geschäftsleitung

Kaufmännische
Kaufmännische
Vertrieb
Vertrieb Entwicklung
Entwicklung Fertigung
Fertigung Leitung
Leitung

Projekt-
Projekt-
Leiter
Leiter AA

Projekt-
Projekt-
Leiter
Leiter BB

Projekt-
Projekt-
Leiter
Leiter C
C

Disziplinarische Verantwortung
Projektbezogene, fachliche Kompetenz und Verantwortung

Abb. 4.12: Matrix-Projektorganisation (nach KIESER u. WALGENBACH 2007)

Die Auftrags-Projektorganisation ist ebenfalls matrixorientiert. Die Projektmit-


arbeiter sind allerdings nicht wie in der Matrix-Projektorganisation doppelt unter-
stellt. Projektleiter und Projektmitarbeiter bilden eine eigene Organisationseinheit
„Projektmanagement“, die parallel zur Linienorganisation geführt wird. Das Pro-
jektmanagement hat hier also die organisatorische und fachliche Gesamtverant-
wortung für das Projekt. Es vergibt Aufträge an die Entwicklungs- und Ferti-
454 Arbeitswissenschaft

gungsabteilungen und nimmt gleichzeitig Aufträge des Vertriebs entgegen (siehe


Abb. 4.13). Beispiele für Auftrags-Projektorganisationen sind der Schiff- und
Flugzeugbau.

Geschäftsleitung
Geschäftsleitung

Kaufmännische
Kaufmännische
Vertrieb
Vertrieb Entwicklung
Entwicklung Fertigung
Fertigung Leitung
Leitung

Projekt-
Projekt-
management
management

Projekt
Projekt AA

Projekt
Projekt BB

Projekt
Projekt C
C

Abb. 4.13: Auftrags-Projektorganisation (nach BURGHARDT 2002)

Geschäftsleitung
Geschäftsleitung

Kaufmännische
Kaufmännische
Vertrieb
Vertrieb Entwicklung
Entwicklung Fertigung
Fertigung Leitung
Leitung

HW-Entwicklung
HW-Entwicklung HW-Entwicklung
HW-Entwicklung
Projektleiter
Projektleiter SW-Entwicklung
SW-Entwicklung
Mechanik
Mechanik Elektronik
Elektronik

HW-Entwicklung
HW-Entwicklung HW-Entwicklung
HW-Entwicklung SW-Entwicklung
SW-Entwicklung
Mechanik
Mechanik Elektronik
Elektronik

Abb. 4.14: Reine Projektorganisation (nach BURGHARDT 2002)

Bei der reinen Projektorganisation sind alle an der Projektdurchführung betei-


ligten Mitarbeiter unter einem Projektleiter, der Autoritäten einer Linieninstanz
besitzt, zusammengefasst. Der Projektleiter hat die gesamte Anordnungs- und
Entscheidungsbefugnis. Er trägt damit die alleinige Verantwortung für das Pro-
jekt. Lediglich über die Bereitstellung des benötigten Personals und bei dessen
Betriebs- und Arbeitsorganisation 455

Wiedereingliederung nach Abschluss des Projekts entscheidet die Linienautorität


und nicht der Projektleiter (siehe Abb. 4.14) (BURGHARDT 2002). Ein Beispiel für
die Organisationsform der reinen Projektorganisation ist die in Automobilbetrie-
ben anzutreffende Entwicklung von Fahrzeuglinien.

4.3 Ablauforganisation

4.3.1 Definitionen, Elemente und Beziehungen


Die Ablauforganisation regelt das räumliche, zeitliche und inhaltliche Zusam-
menwirken von Arbeitspersonen, Arbeits- und Betriebsmitteln, Arbeitsobjekten
und dem Input des Arbeitssystems. Sie umfasst die Planung, Gestaltung und Steu-
erung von Arbeitssystemen, einschließlich der dazu erforderlichen Datenermitt-
lung, mit dem Ziel der Schaffung eines wirtschaftlichen und humanen Betriebsge-
schehens (REFA 2002). Eine Abgrenzung der Ablauforganisation gegenüber der
Aufbauorganisation ist in Tabelle 4.2 dargestellt.
Tabelle 4.2: Abgrenzung der Aufbauorganisation und Ablauforganisation

Aufbauorganisation Ablauforganisation
Elemente: x Stellen (Linien-, Stabs-, Leitungs-, x Aufgaben bzw. Aktivitäten
Ausführungsstellen)
x Organisationseinheiten höherer Ord-
nung
Relationen: x Unterstellungsverhältnisse im Sinne x Vorgänger-Nachfolger-
von Weisungs- und Entscheidungsbe- Beziehungen im Sinne der
fugnissen sowie Berichtswesen Tätigkeit, oft ergänzt durch
Informations- und
Materialflüsse

Die strikte Zweiteilung von Aufbau- und Ablauforganisation stellt eine gedank-
liche Abstraktion dar, die die Auseinandersetzung mit organisatorischen Fragestel-
lungen erleichtern kann. In der Praxis können die Aufgaben der Gestaltung von
Aufbau- und Ablauforganisation jedoch nicht isoliert betrachtet werden (VAHS
2005). Vielmehr greifen sie ineinander, so dass eine getrennte Betrachtung und
Optimierung von Aufbau- und Ablauforganisation nicht sinnvoll ist (SCHREYÖGG
2003). Während früher die Ablauforganisation der Aufbauorganisation in der Re-
gel nachgeordnet war (siehe Kap. 4.2.4.5), ist im Rahmen der prozessorientierten
Organisation eine Umkehr dieser Reihenfolge zu beobachten. So werden in vielen
Betrieben zunächst die Abläufe festgelegt und die Aufbauorganisation wird zur
Fortsetzung der Ablauforganisation (GAITANIDES 2004; VAHS 2005; OSTERLOH
u. FROST 2006).
In der Ablauforganisation ist die Reihenfolge der Tätigkeiten festgelegt, die zur
Erfüllung der Arbeitsaufgaben durch Arbeitspersonen notwendig sind. Eine Auf-
456 Arbeitswissenschaft

gabe wird als die Zielsetzung zweckbezogener menschlicher Handlungen verstan-


den. Die Ablauforganisation regelt somit die Aktivitäten zur Aufgabendurchfüh-
rung (FROST 2004). Damit werden gleichzeitig die Tätigkeitsinhalte, -umfänge
und -anforderungen beschrieben.

4.3.2 Ziele und Einflussfaktoren


Gemäß der übergeordneten Zielsetzung der Betriebs- und Arbeitsorganisation ist
das Ziel der Ablauforganisation, Arbeitsabläufe wirtschaftlich und gleichzeitig
menschengerecht zu gestalten (siehe Kap. 1.2). Zu den wirtschaftlichen Zielkrite-
rien zählen bspw.
x eine Steigerung der Kapazitätsauslastung,
x die Erhöhung der Ausbringungsmenge,
x die Verbesserung der Termintreue,
x eine Verringerung von Durchlauf-, Warte-, Liege- und Transportzeiten,
x die Senkung der Rüstzeiten,
x eine Minimierung der Lager- und Transportkosten,
x die Reduktion der Kosten der Vorgangsbearbeitung sowie
x eine Qualitätssteigerung der Vorgangsbearbeitung.
Zu den humanorientierten Zielen zählen u.a.
x eine motivations- und kompetenzfördernde Arbeitsgestaltung,
x eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Arbeitsumgebung,
x eine ergonomische Gestaltung der Arbeitsmittel und Arbeitsplätze sowie
x die Verbesserung der Arbeitsplatzanordnung.
Die oben genannten Ziele sind nicht unabhängig voneinander. So steht z.B. die
Verbesserung der Termintreue häufig mit dem Ziel der Minimierung der Lager-
und Transportkosten in Konflikt. Ein weiterer Zielkonflikt besteht in der Regel
zwischen der Verringerung der Durchlaufzeit des Arbeitsobjekts und der Erhö-
hung der Auslastung des Arbeitssystems. Eine minimale Durchlaufzeit stellt sich
ein, wenn alle für den Arbeitsprozess benötigten Mittel, wie Maschinen, Halbzeu-
ge etc., ohne Zeitverzug zur Verfügung stehen. Bei steigender Auslastung kommt
es zu zeitlichen Verzögerungen im Prozess durch Warteschlangenbildung, wo-
durch sich die Durchlaufzeit typischerweise überproportional erhöht. Durch die
Bereitstellung von mehreren gleichen Betriebsmitteln kann bei einer Mengentei-
lung zwar die Auslastung gesteigert werden, der fundamentale Zielkonflikt bleibt
jedoch bestehen. Dies ist in Abb. 4.15 am Beispiel eines einfachen Warteschlan-
genmodells dargestellt. Weitergehende Analysen in Form sog. Produktionskennli-
nien finden sich in NYHUIS u. WIENDAHL (2003).
Die Ablauforganisation unterliegt weiterhin dem Einfluss interner Größen, wie
der Aufbauorganisation, des Produktionsprogramms, der Fertigungsprinzipien, der
Qualifikation der Mitarbeiter sowie des Informations- und Materialflusses.
Betriebs- und Arbeitsorganisation 457

Durch- Durch-
laufzeit laufzeit

m=1
m=2

DLZmin DLZmin m=10

0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1 0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1
Auslastung Auslastung

Darstellung der erwarteten Durchlaufzeit Erweiterung um m parallele


abhängig von der Systemauslastung Systeme

Abb. 4.15: Zielkonflikt zwischen Verringerung der Durchlaufzeit und Erhöhung der Aus-
lastung

4.3.3 Analyse und Modellierung der Ablauforganisation

4.3.3.1 EinordnungĆinĆdasĆSieben-Ebenen-ModellĆ
Die Ablauforganisation stellt eine prozessuale Querschnittsfunktion dar, die sämt-
liche Hierarchieebenen umfassen kann. Die Abläufe sind in unterschiedlichen
Detaillierungsebenen darstellbar. Ausgehend von der geringsten Detaillierungs-
ebene, der Ablauforganisation auf Betriebsebene, lassen sich mit einer fortlaufen-
den Zerlegung der Aktivitäten über die Ablauforganisation auf Abteilungsebene
schließlich durch die Ablauforganisation auf Individualebene die einzelnen Ar-
beitsschritte, die von Arbeitspersonen ausgeführt werden, beschreiben und darstel-
len. Hierbei lässt sich die Ablauforganisation in Abhängigkeit des Detaillierungs-
grads in die Ebenen des Sieben-Ebenen-Modells der Arbeitswissenschaft (siehe
Kap. 1.4.3) einordnen. Die Gestaltung der Ablauforganisation sollte die Ebenen
möglichst umfassend abdecken.
Auf der Betriebsebene umfasst die Ablauforganisation alle Bereiche und ist in
die sechste Ebene (Betriebliche Arbeitsbeziehungen und Organisation) einzuord-
nen. Sie umfasst die gesamte Wertschöpfungskette vom Wareneingang am Be-
schaffungsmarkt über die einzelnen Produktionsbereiche bis zum Absatzmarkt.
Ein Beispiel für einen Auftragsfertiger ist in Abb. 4.16 dargestellt: Vom Kunden
am Absatzmarkt wird ein Auftrag an den Vertrieb erteilt. Der Vertriebsmitarbeiter
leitet den Auftrag mit gewünschtem Artikel, Menge und Liefertermin an die Pro-
zessteuerung weiter. Die Prozessteuerung plant die personalen, zeitlichen und
finanziellen Ressourcen des Unternehmens und stellt einen Auftrag in die Projekt-
und Fertigungsplanung ein. In der Produktentwicklung wird gemäß der Projekt-
planung und in intensivem Austausch mit dem Kunden das Design, die Funktiona-
litäten und die Geometrie des gewünschten Produkts neu entwickelt oder aus ei-
nem bestehenden Produkt abgeleitet (Variantenentwicklung). In der Prozessent-
wicklung werden für die Produktion die optimalen Bearbeitungsparameter, die
458 Arbeitswissenschaft

Werkstoffauswahl und die wirtschaftlichste Methode für die Bearbeitung ermittelt.


Die Arbeitsvorbereitung unterteilt sich in Arbeitsplanung und Arbeitssteuerung.
Zur Arbeitsplanung gehört das Erstellen von Arbeitsunterlagen wie Fertigungs-
stücklisten und Arbeitsplänen. Zu den Aufgaben der Arbeitssteuerung gehören die
Materialdisposition, die Termin- und Kapazitätsplanung sowie die Werkstattsteue-
rung. In der Fertigung werden, nachdem die erforderlichen Roh-, Hilfs- und Be-
triebsstoffe sowie Zulieferteile über den Einkauf beschafft und über das Eingangs-
lager in der Fertigungshalle angelangt sind, die Produkte gefertigt und montiert.
Die Distribution ist für die Versendung der fertigen Produkte an den Kunden zu-
ständig, der die Rechnung von der Kundenbetreuung erhält (siehe Abb. 4.16).

Beschaffungs- Absatz-
markt markt
Planung Unternehmensführung Personal

Informations- Rechnungswesen Marketing


systeme Controlling Programmstrategie

Start
Qualitätsmanagement Prozessteuerung
Ziel
Beschaffung Vertrieb
Produkt- Prozess- Arbeits- Fertigung Kunden-
Einkauf
Input: entwicklung entwicklung vorbereitung Montage betreuung
und
Distribution
Roh-, Hilfs-, Lager
Betriebsstoffe… Output:
Logistik Produkte,
Dienst-
leistungen...
Instandhaltung Recycling Service

Abb. 4.16: Ablauforganisation auf Betriebsebene

Auf der Abteilungsebene umfasst die Ablauforganisation Regelungen zur Prä-


zisierung der Aufgabenerfüllung und Priorisierung der Tätigkeiten. Sie ist in die
fünfte und vierte Ebene des Sieben-Ebenen-Modells (Kooperationsformen in
Arbeitsgruppen bzw. Personales Handeln und Arbeitsformen) einzuordnen. Zur
Verdeutlichung der typischen Granularität von Aufgaben auf der Abteilungsebene
ist in Abb. 4.17 beispielhaft ein in der Modellierungssprache eEPK (SCHEER 2001,
siehe Kap. 4.3.3.2) modelliertes Prozessfragment zur Wareneingangskontrolle in
einem Unternehmen dargestellt. Trifft neue Ware ein, so wird diese von den Mit-
arbeitern des Wareneingangs geprüft. Zur Überprüfung werden der Bestellschein
und der Lieferschein verwendet und als Ergebnis des Prüfvorgangs ein Prüfproto-
koll angefertigt. Anschließend können, je nach Prüfergebnis, drei weitere Vorge-
hen unterschieden werden: (1) Die Ware wird freigegeben und kann an die Ferti-
gung weitergereicht werden; (2) die Ware wird zunächst gesperrt und einer weite-
ren Qualitätsprüfung unterzogen; (3) die Ware wird abgelehnt. Der Warenein-
gangsprozess endet in diesem Fall sofort.
Betriebs- und Arbeitsorganisation 459

Neue Ware
eingetroffen
Bestell-
schein

Überprüfen Liefer-
Wareneingang
der Ware schein

Protokoll

XOR

Ware ist Ware ist Ware ist


freigegeben gesperrt abgelehnt

Qualitäts- Abteilungsleiter
Fertigung Prozess endet hier
prüfung Wareneingang

Abb. 4.17: Modell der Ablauforganisation auf Abteilungsebene (BAUMGARTNER et al.


2001)

Auf der Individualebene umfasst die Ablauforganisation die detaillierte Gestal-


tung der Arbeitstätigkeiten der Arbeitspersonen (HOLLNAGEL 2006; LUCZAK
1997). Sie ist in die dritte und zweite Ebene des Sieben-Ebenen-Modells (Arbeits-
tätigkeit und Arbeitsplatz bzw. Operationen und Bewegungen mit Werkzeugen
und an Maschinen) einzuordnen. In Abb. 4.18 ist eine genaue Zerlegung der ma-
nuellen Tätigkeiten eines Montagemitarbeiters mit Hilfe des Methods-Time-
Measurement Verfahrens (MTM) dargestellt (siehe Kap. 7.3.9). Hierbei wird die
Arbeitsaufgabe einer Arbeitsperson in Bewegungselemente zerlegt (z.B. Hinlan-
gen, Greifen, Bringen, Fügen und Loslassen). Zu diesen Elementen können aus
Tabellen unter Berücksichtigung von Einflussfaktoren wie z.B. der Weglänge die
Zeitwerte abgelesen werden. Durch die Summierung der Einzelzeitwerte ist der
gesamte Zeitbedarf bestimmbar. Auf der ersten Ebene des Sieben-Ebenen-Modells
können sequentielle Tätigkeitsstrukturen in Energetik- und Informatik-Modellen
abgebildet werden, die im Ressourcenverzehr neben Zeitstrukturen auch Belas-
tungs- und Beanspruchungsstrukturen (Stressoren) belegen (siehe Kap. 3) und
grenzwertige Aufgabenelemente identifizieren.
460 Arbeitswissenschaft

Bewegungsablauf- Für Zeitzuordnung


Codierung Zeitwert
beschreibung notwendige Informationen

Hinlangen • Bewegungslänge: 40 cm
R 40 C 16,8 TMU
zum Bolzen • Bolzen liegen vermischt mit anderen

Greifen • Abmessungen: Ø 8 x 12 mm
G4B 9,1 TMU
des Bolzens • Bolzen liegen vermischt mit anderen

Bringen • Bewegungslänge: 40 cm
des Bolzens M 40 C 18,5 TMU
zur Vorrichtung • Platzierungsgenauigkeit: genau

Fügen • Fügetoleranz: eng


des Bolzens • Symmetrie: vollsymmetrisch P2SE 16,2 TMU
in Öffnung • Handhabung: einfach

Loslassen
• Öffnen der Finger RL 1 2,0 TMU
des Bolzens

62,6 TMU
Gesamtzeitbedarf: | 2,25 s

Abb. 4.18: Beschreibung des Ablaufs von manuellen Tätigkeiten einer Arbeitsperson

4.3.3.2 MethodenĆzurĆModellierungĆderĆAblauforganisationĆ
Die Modellierung der Ablauforganisation mit ingenieurwissenschaftlichen Metho-
den setzt die Analyse der betrieblichen Vorgänge in Form von Geschäfts- und
Arbeitsprozessen voraus. Unter einem Geschäftsprozess wird hierbei eine deskrip-
tive (beschreibende) oder präskriptive (vorschreibende) Folge von Aufgaben ver-
standen, an deren Ende eine Leistung bzw. ein Produkt für bestimmte Kunden und
Märkte entstanden ist. Ein Geschäftsprozess hat einen Beginn und ein Ende, klar
definierte In- und Outputwerte und läuft – je nach betrieblicher Arbeitsteilung –
durch mehrere Bereiche. Geschäftsprozesse lassen sich in Kernprozesse und Sup-
portprozesse (Stützprozesse) unterteilen (PORTER 2000). Kernprozesse erzeugen
Wettbewerbsvorteile und stiften einen wahrnehmbaren Kundennutzen. Sie sind
durch eine Nicht-Imitierbarkeit und Nicht-Substituierbarkeit gekennzeichnet und
betriebsspezifisch (OSTERLOH u. FROST 2006). Supportprozesse hingegen gene-
rieren keinen unmittelbar sichtbaren Kundennutzen, unterstützen jedoch die Kern-
prozesse durch Bereitstellen einer Infrastruktur und sichern so den reibungslosen
Ablauf einer Geschäftstätigkeit (OSTERLOH u. FROST 2006). Im Rahmen von
Rationalisierungsmaßnahmen wird beispielsweise untersucht, ob Supportprozesse
als eigenständige Module von den Kernprozessen abgespalten werden können, um
somit bessere Zuordnungen von Personen zu Prozessen zu ermöglichen und die
Prozesse leichter via „Benchmarking“ (Maßstäbe setzen) mit den Prozessen exter-
ner Anbieter verglichen werden können.
Arbeitsprozesse sind Geschäftsprozesse auf Mikroebene, die von den Arbeits-
personen geplant, vollzogen, koordiniert und optimiert werden. Ein Arbeitsprozess
umfasst dabei vom Menschen ausführbare, schädigungslose, zumutbare und der
Persönlichkeitsentfaltung dienende Aufgaben. Er dient der Umwandlung von
Eingangs- in definierte Ausgangsgrößen durch zielgerichtete Aktivitäten. Aktivitä-
Betriebs- und Arbeitsorganisation 461

ten innerhalb des Arbeitsprozesses werden nach Arbeitsmethoden durch Arbeits-


personen in ihrer individuellen Arbeitsweise vollzogen.
Mit einer Modellierung der Prozesse werden u.a. folgende Ziele verfolgt:
x Verkürzung der Durchlaufzeiten
x Verbesserung der Prozesstransparenz
x Verbesserung der Prozessqualität und Prozesssicherheit
x Reduktion von Fehlerbehebungs- und Fehlerfolgekosten
x Reduktion von Prozesskosten
x Förderung des organisationalen Lernens
x Verbesserung der Kundenzufriedenheit.
Die Modellierung der Geschäfts- und Arbeitsprozesse dient oftmals in einem
ersten Schritt der Aufnahme der Ist-Situation. Anhand dieser Aufnahme können
Verbesserungspotenziale ermittelt und ggfs. eine Standardisierung der Abläufe
erreicht werden (siehe Kap. 4.2.3.2).
Die graphische Modellierung der Ablauforganisation geht auf klassische Dar-
stellungen von Fertigungsprozessen mit Hilfe von Zeitbanddiagrammen, den sog.
Gantt-Charts (Henry L. Gantt, 1861-1919, siehe Abb. 4.19), zurück. Gantt-Charts
geben in Form von horizontal orientierten Balken einen zeitlichen Verlauf von
Aktivitäten wieder, wodurch Zeitendauern und zeitliche Abhängigkeiten leicht zu
erkennen sind. Allerdings sind bei Gantt-Charts die logischen Abhängigkeiten
kaum zu erfassen. Im Gegensatz zu den Gantt-Charts sind mit Hilfe von Netzplan-
techniken wie MPM (Metra-Potential-Methode) oder CPM (Critical Path Method)
auch logische Abhängigkeiten zwischen Aktivitäten gut darzustellen. So können
die Auswirkungen von Zeitänderungen oder Verschiebungen einzelner Aktivitäten
auf den Gesamtverlauf durch die Berücksichtigung der gegenseitigen Abhängig-
keiten aufgezeigt werden (DIN 69900:2009).

2006 2007 2008 2009 2010 2011


Vorgangsname Dauer
3 4 1 2 3 4 1 2 3 4 1 2 3 4 1 2 3 4 1 2 3 4

1 Marktstudie durchführen 90

2 Machbarkeitsstudie durchführen 80

3 Baugenehmigung einholen 90

4 Bauentwurf verfeinern 90

5 Fabrik errichten 180

6 Mitarbeiter rekrutieren 30

7 Fertigungsanlagen installieren 50

8 Mitarbeiter ausbilden 40
9 Test durchführen 25

Inbetriebnahme 01.12.2011

Abb. 4.19: Beispiel eines Gantt-Charts für die Planung und Errichtung einer Fabrik

Im Vergleich zu den klassischen Netzplantechniken ermöglichen moderne Pro-


zessmodellierungssprachen durch die Berücksichtigung der begrenzten Verfüg-
barkeit von qualifizierten Arbeitspersonen, Arbeits- und Betriebsmitteln etc. eine
462 Arbeitswissenschaft

realitätsnähere Beschreibung der Ablauforganisation. Zudem sind sie aufgrund


ihrer ergonomischen Darstellung der Prozessmodelle für eine partizipative Model-
lierung gut geeignet. Durch die gute softwaretechnische Unterstützung ist eine
Weiterverarbeitung, z.B. in Form von Simulationen, einfach (siehe Kap. 4.3.4.4).
Beispiele für Prozessmodellierungssprachen sind:
x DIN 66001:1983 (Datenfluss- und Programmabläufe)
Die ursprünglich aus der Informatik stammende DIN 66001 (1983) eignet sich
auch zur Darstellung von Geschäfts- und Arbeitsprozessen. Die DIN 66001
(1983) normiert die Darstellung einzelner Elemente eines Ablaufdiagramms
für ein Computerprogramm inklusive auftretender Datenströme. Während sie
in der Softwareentwicklung heutzutage kaum noch eingesetzt wird, werden
die eingeführten grafischen Repräsentationen der Ablaufelemente in der be-
trieblichen Praxis häufig verwendet.
x erweiterte Ereignisgesteuerte Prozessketten (eEPK)
Die eEPK dienen der Darstellung von Geschäfts- und Arbeitsprozessen aus
Sicht der Wirtschaftsinformatik. Sie werden häufig zur Analyse von Abläu-
fen auf Abteilungsebene sowie zur computergestützten Optimierung einge-
setzt (SCHEER 2005).
x Unified Modeling Language (UML) – Aktivitätsdiagramme
Die UML ist eine standardisierte Sprache zur Modellierung von Softwaresys-
temen. Für die Modellierung von Geschäftsprozessen ist der Diagrammtyp
der sog. Aktivitätsdiagramme vorgesehen. UML setzt sich aus unterschiedli-
chen Diagrammen zusammen, deren Zusammenspiel eine umfangreiche und
detaillierte Abbildung der Prozesse eines Betriebs ermöglicht (GRÄSSLE et
al. 2007).
x Business Process Modeling Notation (BPMN)
Die BPMN ist eine grafische Spezifikationssprache, die ihren Ursprung
ebenso in der Wirtschaftsinformatik hat. Sie stellt eine leicht verständliche
Notation zur Verfügung, mit denen Fach- und Software-Spezialisten Ge-
schäfts- und Arbeitsprozesse modellieren können. Die BPMN wurde im Jahr
2002 erarbeitet und kontinuierlich weiterentwickelt. Seit 2006 ist sie ein offi-
zieller Standard der sog. Object Management Group (OMG 2009).
x K3
Speziell für die Modellierung kooperativer Arbeitsprozesse wurde die K3-
Methode entwickelt. Der Name K3 ergibt sich aus den Anfangsbuchstaben
der Ziel-Begriffe Koordination, Kooperation und Kommunikation. Ange-
lehnt an die Notation von UML-Aktivitätsdiagrammen, basiert K3 auf drei
Grundelementen: Aktivität, Information und Werkzeug. Drei spezielle Ele-
mente der K3-Modellierung sind das „Blob“-Element zur abstrakten Darstel-
lung von Aktivitätszusammenhängen ohne zeitliche Abhängigkeiten, ein
Element zur Beschreibung synchroner Kooperation und ein Element zur Be-
schreibung von Schwachstellen, d.h. planungsspezifischen Defiziten wie
bspw. Engpasssituationen (KILLICH et al. 1999; STAHL u. LUCZAK 1997;
KAUSCH et al. 2007; KAUSCH 2009).
Betriebs- und Arbeitsorganisation 463

x Petri-Netze
Petri-Netze, 1960 von Carl Adam Petri entwickelt, stellen eine formale Me-
thode zur mathematischen Modellierung von Systemen dar, in denen mehre-
re Prozesse simultan bzw. nebenläufig ablaufen können. Die Darstellung ist
im Vergleich zu neueren Modellierungssprachen weniger anschaulich, je-
doch eignet sich die formale Beschreibung sehr gut zur Simulation (siehe
Kap. 4.3.4.4) von komplexen Arbeitsprozessen (SCHLICK et al. 2002;
OBERWEIS 1996).
x Design Structure Matrix
Matrizenbasierte Modellierungstechniken stellen insbesondere für den Be-
reich der Modellierung von simultanen Arbeitsprozessen in der Produktent-
wicklung einen interessanten Ansatz dar. Sie basieren auf der sog. Design
Structure Matrix und bieten die Möglichkeit, die Informationsabhängigkeiten
einzelner Aufgaben numerisch zu beschreiben und mit quantitativen Anga-
ben zur Prozessdynamik zu ergänzen (SMITH u. EPPINGER 1997;
HUBERMAN u. WILKINSON 2006; SCHLICK et al. 2007; GÄRTNER et al. 2008).
Eine ausführliche Darstellung von Methoden für die Aufgabenanalyse findet
sich bei LUCZAK (1997).

4.3.3.3 FlussprinzipienĆfürĆdieĆAblaufmodellierungĆ
Die im vorherigen Kapitel behandelten Prozessmodellierungssprachen stützen sich
auf grundlegende Flussprinzipien, die in Tabelle 4.3 aufgelistet sind. Die darge-
stellten Prozessfragmente sind quasi die „prozeduralen Moleküle“ einer Ablaufor-
ganisation aus denen beliebig komplexe Geschäfts- und Arbeitsprozesse syntheti-
siert werden können.

4.3.3.4 BeispielhafteĆModellierungĆeinesĆArbeitsprozessesĆ

In Abb. 4.20 ist beispielhaft ein modellierter Arbeitsprozess dargestellt. Die ein-
zelnen an diesem Prozess beteiligten Personen bzw. organisatorischen Einheiten
werden in sog. vertikalen „Swimlanes“ dargestellt, so dass eine direkte und einfa-
che Zuordnung der einzelnen Aktivitäten, Verzweigungen und Dokumente zu den
jeweilig Verantwortlichen möglich ist. Das Beispiel beschreibt eine schriftliche
Kundenanfrage an den Vertrieb eines Unternehmens. Dieser überprüft die Anfrage
auf Vollständigkeit und Richtigkeit, hält ggf. Rücksprache mit dem Kunden und
gibt die Anfrage in eine Auftragsdatenbank ein. Die Prozesssteuerung holt sich
anschließend Informationen über das bestellte Produkt ein und überprüft die Kun-
denanfrage auf ihre entwicklungs- und fertigungstechnische Durchführbarkeit.
Hierbei ergibt sich, dass das bestellte Produkt die zwei Module A und B benötigt.
Ist der Auftrag für das Unternehmen wirtschaftlich tragfähig und terminlich zu
bewältigen, werden die Produktionskapazitäten vorgemerkt und in den Produkti-
onsplan übernommen, der Vertrieb kalkuliert den Angebotspreis, schreibt ein
Angebot und schickt dieses an den Kunden. Ist der Auftrag durch das Unterneh-
464 Arbeitswissenschaft

men nicht durchführbar, so hält der Vertrieb Rücksprache mit dem Kunden und
steuert, wenn Änderungen am Auftrag möglich sind, den geänderten Auftrag in
die Prozesssteuerung ein. Sind keine Änderungen mehr möglich, so wird die An-
gebotsphase beendet.
Tabelle 4.3: Flussprinzipien für die Ablaufmodellierung

Flussprinzip Prozessbild

Sequenz Aktivität 1 Aktivität 2 …


sowohl bei
Aufgaben
Aktivität 2
nebenläufig als auch Aktivi-
bzw. Aktivität 1 Aktivität 4 … täten
simultan Aktivität 3

Aktivität 2 …
nur bei
alternativ Aktivität 1 ?
Aufgaben
Aktivität 3 …

Aktivität 1
gekoppelt informatorische
bzw. reziprok Kopplung
Aktivität 2

Aktivität 2
UND-
Aktivität 1
Rückkopplung
Aktivität 3 …

Iterationstypen

Ja Aktivität 2
ODER-
Rückkopplung Aktivität 1 ?
Nein Aktivität 3 …
Betriebs- und Arbeitsorganisation 465

Angebotserstellung
Absatzmarkt Prozess- Beschaffung
Vertrieb
(Kunde) steuerung Lager Lieferant Modul B
schriftliche Anfrage
g auf
Anfrage Vollständigkeit
verfassen prüfen

Anfrage
vollständig?

Nein Ja

Rücksprache Rücksprache mit Artikeldatei


mit Vertrieb Kunden

Informationen
Auftragsanfrage in
über Bestand Modul
Auftragsdaten-
A und Kosten für
bank erfassen
Modul B einholen

Informationen über Informationen über


Lagerbestand Modul Kosten für Modul B
A weitergeben weitergeben

Auftragsanfrage
auf Durchführbar-
keit (Kosten,
Termine) prüfen

Rücksprache Rücksprache mit Auftrag


Nein durchführbar?
mit Vertrieb Kunden

Ja

Änderung in
Rückfrage
Ja Auftragsdaten-
erfolgreich?
bank erfassen

Nein

Angebotsprozess
beenden

Produktions-
Angebotspreis
g p
kapazitäten
kalkulieren
vormerken

Angebot schreiben
fertiges Angebot Produktionsplan
und an Kunden
senden

Abb. 4.20: Beispiel eines Arbeitsprozesses zur Angebotserstellung (nach GADATSCH


2005)
466 Arbeitswissenschaft

4.3.4 Prozessoptimierung
Die Optimierung von Geschäfts- und Arbeitsprozessen im Hinblick auf Arbeits-
personen, Kunden und Lieferanten ist ein wesentliches Ziel der Ablauforganisati-
on. Unter dem Begriff der Optimierung werden in der betrieblichen Praxis alle
systematischen Interventionen zusammengefasst, die eine qualitative und quantita-
tive Verbesserung der Ablauforganisation mit Bezug auf die jeweiligen Zielgrö-
ßen zum Gegenstand haben und nicht nur die bekannten mathematische Methoden
für eine analytische oder numerische Optimierung (siehe JARRE u. STOER 2004).
Übergeordnete qualitative Ansätze zur Verbesserung von Prozessen stellen „Busi-
ness Process Reengineering“ und der „Kontinuierliche Verbesserungsprozess“ dar.
Auslöser für Prozessverbesserungsmaßnahmen können unerwartet bzw. unakzep-
tabel hohe Fehlerquoten, hohe Durchlaufzeiten, Überschreiten von Fertigstel-
lungsterminen, hohe Prozesskosten, zu geringe Produktivität oder nicht vertretbare
gesundheitliche Risiken der Arbeitspersonen sein.

4.3.4.1 BusinessĆProcessĆReengineeringĆ

Business Process Reengineering bezeichnet die grundlegende Neugestaltung und


Optimierung der Geschäftsprozesse auf der Makroebene zur Erreichung der stra-
tegischen Geschäftsziele (HAMMER u. CHAMPY 2003). Hierbei werden die Abläu-
fe im Betrieb in erster Linie an den Anforderungen der Kunden und nicht an den
Anforderungen der Organisation ausgerichtet. Beim BPR werden nicht einzelne
Geschäftsprozesse hinsichtlich ihres Optimierungspotenzials getrennt von den
anderen Prozessen des Betriebs betrachtet, sondern es findet ein Überdenken der
gesamten Prozessstruktur auf strategischer und taktischer Ebene statt (REFA 2002;
OSTERLOH u. FROST 2006; HAMMER u. CHAMPY 2003). Als normatives Modell
kann z.B. die in Kap. 4.2.4.5 eingeführte Wertkette nach PORTER (2000) dienen.

4.3.4.2 KontinuierlicherĆVerbesserungsprozessĆ
Das Konzept des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) stammt ur-
sprünglich aus Japan und ist Bestandteil der KAIZEN-Philosophie
(KAI=Veränderung, ZEN=zum Besseren), die sämtliche Aggregationsebenen der
Ablauforganisation umfassen soll. Als Richtschnur für die Umsetzung eines Kon-
tinuierlichen Verbesserungsprozesses können die folgenden Leitgedanken gelten
(IMAI 2002):
(1) Prozessorientierung: Der KVP fördert das Denken in Konzepten und Model-
len. Das Verbessern von Ergebnissen ist nur über eine Verbesserung der zu-
grunde liegenden Prozesse möglich.
(2) Kundenorientierung: Der KVP stellt den Kunden in den Mittelpunkt allen
Handelns. Alle Prozesse eines Betriebs sind an den Bedürfnissen der Kunden
zu orientieren.
(3) Mitarbeiterorientierung: Der KVP ist mitarbeiterorientiert. Im Unterschied
zum Business Process Reenginieering sind die Arbeitspersonen in den KVP
Betriebs- und Arbeitsorganisation 467

einzubeziehen, da diese über das notwendige Prozessverständnis und damit


auch über die größte Problemlösekompetenz verfügen.
(4) Qualität hat im KVP Vorrang. Durch die Schaffung eines Qualitätsbewusst-
seins bei den Mitarbeitern ist die Einhaltung des durch den Kunden vorgege-
benen Qualitätsmaßstabs sicherzustellen, bevor Maßnahmen zur Produktivi-
tätssteigerung oder Senkung der Kosten durchgeführt werden.
(5) Problemverständnis des KVP: Probleme bilden Chancen zur Verbesserung.
Entgegen des häufig beobachteten Verhaltens, Probleme zu vertuschen und
Schuldzuweisungen vorzunehmen, ist das Erkennen und Kommunizieren
von Problemen die wichtigste Grundlage des Kontinuierlichen Verbesse-
rungsprozesses. Somit kann die Voraussetzung für Verbesserungen geschaf-
fen werden.
Neben diesen Leitgedanken lassen sich folgende organisatorische Erfolgsfakto-
ren des KVP identifizieren (IMAI 2002; HINRICHSEN 2002):
(1) Es sind interne Kunden-Lieferanten-Beziehungen zu bilden.
(2) Interne Kunden und Lieferanten sind in die Verbesserungsaktivitäten einzu-
beziehen.
(3) Jede KVP-Gruppe hat Verbesserungs-Workshops durchzuführen, die als
Plattform des KVP fungieren.
(4) Der KVP bedarf einer übergeordneten, koordinierenden Organisationsein-
heit. Er ist kein „Selbstläufer“.
(5) KVP-Workshops haben regelmäßig stattzufinden.
(6) Die erarbeiteten KVP-Maßnahmen sind möglichst schnell umzusetzen.
(7) Verbesserungen sind mittels Standards abzusichern.
(8) Der KVP ist Führungsaufgabe.
(9) Es sind interne und externe Kundenzufriedenheitsanalysen durchzuführen.
(10) Jede KVP-Gruppe hat einen sog. Problemspeicher anzulegen, in dem die zu
behandelnden Probleme systematisch erfasst und bewertet werden.

4.3.4.3 HeuristischeĆProzessoptimierungĆ
Zur Konkretisierung der eher programmatischen Ansätze zum „Business Process
Reengineering“ sowie „Kontinuierlichen Verbesserungsprozess“ sind Maßnahmen
zur sog. heuristischen Optimierung auf der Basis von Prozessfragmenten entwi-
ckelt worden. Heuristisch bedeutet in diesem Zusammenhang, dass man mit be-
grenztem theoretischem Wissen über die Organisation und mit vergleichsweise
geringem Aufwand für Arbeitsanalysen zu gestalterisch guten Lösungen kommen
kann. Unabhängig von der Hierarchieebene wird eine partizipative Optimierung in
einem Team mit Fach- und Methodenexperten empfohlen. Durch die fragmentari-
schen Eingriffe in die Prozessstruktur erschließen sich Optimierungsmöglichkei-
ten auf der Meso- und Mikroebene, die in Abb. 4.21 schematisch dargestellt sind.
Hierbei werden horizontale „Swimlanes“ für die Zuordnung der einzelnen Aktivi-
täten zu organisatorischen Einheiten verwendet.
468 Arbeitswissenschaft

1. Reihenfolge von Aktivitäten ändern 5. Vereinfachen von Aktivitäten


Dauer vorher Dauer vorher

vorher 1 2 3 vorher 1 2 3

andere Aktivitäten

beschleunigt
beschleunigt
nachher 1 2 3

nachher 1 2 3

andere Aktivitäten 6. Abbau von Schnittstellen


Dauer vorher

2. Eliminieren von Aktivitäten vorher 1 4


Dauer vorher

3
vorher 1 2 3 4 5

2
beschleunigt

nachher 1 4 5
beschleunigt

nachher 1 2 3 4
3. Zusammenfassen von Aktivitäten
Dauer vorher

vorher 1 2 3 4 5 7. Parallelisieren von Aktivitäten


Dauer vorher

beschleunigt vorher 1 2 3 4 5

nachher 1+2 3+4 5

beschleunigt

nachher 1 4 5
4. Auslagern von Aktivitäten
Dauer vorher

2 3
vorher 1 2 3 4 5

beschleunigt

nachher 1 4 5

extern 2 3

Abb. 4.21: Heuristiken zur Prozessoptimierung


Betriebs- und Arbeitsorganisation 469

Die Heuristiken zur Prozessoptimierung nach Abb. 4.21 sind:


(1) Reihenfolge von Aktivitäten ändern
Durch die veränderte Reihenfolge der Bearbeitung von Aufgaben kann der
Prozess optimiert werden, da vom eigentlichen Prozess unabhängige Prozes-
se zeitlich verschoben werden. Für die Verschiebung der Aktivitäten können
Prioritätsregeln gelten, z.B. dass eine Aktivität in dem kritischen Pfad höchs-
te Priorität hat, ein bestimmter Prozess (und damit alle beinhalteten Aktivitä-
ten) aufgrund der Wichtigkeit des Kunden per se höchst prioritär ist oder der
Prozess mit dem frühesten zugesagten Endtermin vorrangig ist.
(2) Eliminieren von Aktivitäten
Beim Eliminieren von Aktivitäten ist zu überprüfen, ob einzelne Aktivitäten
verzichtbar sind, ohne das Ziel des Prozesses zu verfehlen oder die Effizienz
und Stabilität in Frage zu stellen.
(3) Zusammenfassen von Aktivitäten
Das Zusammenfassen von mehreren Aktivitäten zu einer neuen Aktivität
kann zu einer Reduzierung von Schnittstellen zwischen den Aktivitäten füh-
ren und zudem geringere Einarbeitungsaufwände erzeugen.
(4) Auslagern von Aktivitäten
Die Stützprozesse sollten dahingehend überprüft werden, ob sie von einem
externen Dienstleister effizienter bearbeitet werden können, als dieses dem
Betrieb selbst möglich ist. Durch das Auslagern (Outsourcing) ist eine Be-
schleunigung der verbliebenen Aktivitäten möglich.
(5) Vereinfachen von Aktivitäten
Aktivitäten können durch eine Beschränkung auf das wesentliche Ziel ver-
einfacht werden. Dieses kann bspw. dadurch erreicht werden, dass nicht
mehr so genau wie möglich, sondern nur noch so genau wie nötig gearbeitet
wird (Occam’s Razor). Auch durch den Einsatz einer standardisierten Pro-
zessanalyse (z.B. MTM, siehe Kap. 7.3.9) kann eine Vereinfachung erzielt
werden.
(6) Abbau von Schnittstellen
Der Abbau von Schnittstellen zwischen den Aktivitäten ist eine weitere
Möglichkeit zur Optimierung eines Prozesses. Hierbei können unterschiedli-
che Strategien verfolgt werden:
o Process Owner: Eine einzige Arbeitsperson ist für den gesamten Prozess
verantwortlich und fungiert als einziger Ansprechpartner für interne und
externe Kunden.
o Case-Team: Möglichst wenige Arbeitspersonen bearbeiten in einem
„multifunktionalen“ Team den Prozess und verfügen über die notwendi-
gen Kompetenzen und Ressourcen, um ihn eigenständig zu koordinieren.
o Räumliche Zusammenführung aller Prozessbeteiligter: Durch die Zu-
sammenführung sind direkte Kommunikationswege und ein einfacher
Ressourcenaustausch möglich, die eine Optimierung des Prozesses be-
günstigen.
470 Arbeitswissenschaft

o Beseitigung von Puffern zwischen den einzelnen Prozessschritten.


o Vermeidung von Medienbrüchen: Durch Medienbrüche, wie sie bei-
spielweise beim Übergang von technischen Zeichnungen auf Papier zu
CAD-Modellen auftreten, kann die Informationsverarbeitung verlangsamt
und ggfs. die Qualität der Informationen beeinträchtigt werden.
o Vertretungsregeln bei zeitkritischen Prozessen.
(7) Parallelisieren von Aktivitäten
Eine weitere heuristische Verbesserungsmöglichkeit eines Prozesses besteht
in der Parallelisierung von Aktivitäten. Wie in Abb. 4.21 dargestellt, werden
die Aktivitäten 2 und 3 durch eine andere Arbeitsperson parallel zu Aktivität
4 durchgeführt, wodurch u.U. eine deutliche Prozessverkürzung erzielt wer-
den kann. Eine Parallelisierung ist jedoch nicht in jedem Fall zweckmäßig.
Insbesondere sind hierbei die informatorischen Abhängigkeiten zu beachten,
da bei abhängigen Aktivitäten mit einem steigenden Grad der
Parallelisierung der Bedarf an Informationen zur gegenseitigen Abstimmung
stetig zunimmt (siehe Tabelle 4.4). Der Zeitgewinn durch die Parallelisierung
kann dann durch den Zeitbedarf der zusätzlichen Kommunikations-, Koope-
rations- und Koordinationsanforderungen aufgezehrt werden.
Grundsätzlich können folgende Abhängigkeiten von Aktivitäten differenziert
werden (Tabelle 4.4, siehe SCHMIDT 2008):
x Leistungsorientierte Interdependenzen resultieren aus einseitigen oder wech-
selseitigen Ergebnisbeziehungen. Das Arbeitsergebnis einer Organisations-
einheit wirkt als Auslöser für die Aktivitäten der folgenden Einheit. Die Qua-
lität der nachgelagerten Arbeitsprozesse wird somit wesentlich durch die
Vorleistungen der auslösenden Organisationseinheit bestimmt. Die zeitliche
und sachlogische Aufgaben- bzw. Ergebnisverflechtung kann dabei sequen-
tiell oder reziprok ausgeprägt sein (vgl. auch Tabelle 4.3). Eine sequentielle
Verflechtung bezeichnet funktionale Verknüpfungen zwischen den Organisa-
tionseinheiten (MALONE et al. 1999). Diese sequentielle Abhängigkeit besteht
bspw. bei einer Fertigungseinheit, die mit dem Fertigungsprozess erst dann
beginnen kann, wenn das erforderliche Material durch die vorgelagerte Be-
schaffung beschafft wurde und bereit gestellt ist. Demgegenüber liegt eine
reziproke Interdependenz bei gekoppelten Abhängigkeiten zwischen zwei
oder gar mehr Einheiten vor. Hierbei bedingen sich die Ergebnisse der Orga-
nisationseinheiten gegenseitig, so dass sie nicht unabhängig voneinander er-
zielt werden können. Reziproke Leistungsbeziehungen, wie bspw. eine indi-
viduelle Entwicklungsleistung in Abstimmung mit dem Kunden, haben daher
meist einen intensiven Kommunikationsbedarf zur Folge.
Betriebs- und Arbeitsorganisation 471

Tabelle 4.4: Abhängigkeiten zwischen Aktivitäten

Abhängigkeit Prozessbild Beschreibung Vollzug


unabhängig 1 2
keine leistungs-, x serieller oder paralleler
ressourcen- oder Vollzug möglich
marktorientierten
Abhängigkeiten

sequentiell bzw. 1 2
Ergebnis von Aktivität x serieller Vollzug
funktional 1 ist für Aktivität 2 x paralleler Vollzug nur
erforderlich möglich, wenn sinnvolle
Teilergebnisse gebildet
werden können, aber:
erhöhter Abstimmungs-
bedarf, da bei Änderun-
gen Iterationsschleifen
durchgeführt werden
müssen

reziprok bzw.
1
Aktivität 1 und Aktivität x wechselseitig iterativer
gekoppelt 2 sind gegenseitig auf Vollzug mit regelmäßi-
Ergebnisse angewie- ger Kommunikation
2
sen notwendig, Gefahr von
Oszillationen im Arbeits-
fortschritt

ressourceninduziert 1
Ressource R ist für x serieller Vollzug not-
Durchführung von wendig, wenn Zugriff auf
R Aktivität 1 und Aktivität Ressource durch Priori-
2 notwendig täten oder Ausschluss
koordiniert werden muss
2
x paralleler Vollzug mög-
lich, wenn simultaner
Zugang zu Ressource
gewährleistet werden
kann (z.B. durch rein le-
senden Zugriff auf Pro-
duktdatenbank durch
mehrere Personen)
472 Arbeitswissenschaft

x Ressourcenorientierte Interdependenzen entstehen, wenn mehrere Organisa-


tionseinheiten während ihres Arbeitsprozesses auf die gleichen Ressourcen
zugreifen (MALONE et al. 1999). Dabei werden als Ressourcen alle zur Auf-
gabenausführung erforderlichen Objekte wie Arbeits- und Betriebsmittel,
Dokumente o.ä. bezeichnet. Die Entscheidung einer Organisationseinheit
über die Inanspruchnahme einer dieser Ressourcen schränkt u.U. gleichzeitig
die für eine andere Einheit verfügbare Ressourcenkapazität ein. Beide Orga-
nisationseinheiten müssen sich demzufolge hinsichtlich der zeitlichen, quali-
tativen und quantitativen Allokation der Ressourcenbelastung abstimmen.
Analoge Abhängigkeiten ergeben sich aus dem Personaleinsatz.
x Marktorientierte Interdependenzen liegen vor, wenn die Absatzaktivitäten
mehrerer Organisationseinheiten auf die gleichen kunden- oder produktspezi-
fischen Marktsegmente ausgerichtet sind und sich gegenseitig beeinflussen.
Derartige Marktinterdependenzen sind bspw. gegeben, wenn zwei Unter-
nehmensbereiche mit ihren jeweiligen Produkten um die gleiche Käufer-
schicht konkurrieren. Verkaufsfördernde Maßnahmen der einen Einheit be-
einflussen dann die Absatzbedingungen der anderen Einheit.
Die Notwendigkeit der Koordination im Betrieb ergibt sich aus den zuvor be-
schriebenen Interdependenzen. Sie wird als adäquates Mittel verstanden, um nega-
tive Effekte der Arbeitsteilung innerhalb des Leistungserstellungsprozesses zu
kompensieren.

4.3.4.4 SimulationsgestützteĆProzessoptimierungĆ
Der Begriff der Simulation wird in der VDI-Richtlinie 3633 definiert als ein „Ver-
fahren zur Nachbildung eines Systems mit seinen dynamischen Prozessen in ei-
nem experimentierbaren Modell, um zu Erkenntnissen zu gelangen, die auf die
Wirklichkeit übertragbar sind“.
Mit einer Simulation können Arbeitsprozesse, z.B. in einer hochautomatisierten
Produktionszelle, bereits vor der Umsetzung eines bestimmten Systementwurfs
mit Bezug auf arbeitswissenschaftliche Kriterien bewertet, beurteilt und optimiert
werden. Hierfür ist ein quantitatives Modell der Arbeitsprozesse notwendig. Ein
wesentlicher Mehrwert der Simulation liegt darin, dass der Modellbenutzer nicht
den im realen Arbeitssystem geltenden Einschränkungen unterliegt. So können
Beobachtungszeiträume und Systemvarianten (z.B. Anzahl und Typ der zur Ver-
fügung stehenden Werkzeugmaschinen) nahezu beliebig gewählt werden. Primä-
rer Einsatzbereich ist die Prognose von Leistung, Belastung, Beanspruchung,
Zuverlässigkeit o.ä. in Abhängigkeit verschiedener Einflussgrößen. Dies kann
bereits in der Konzeptions- und Entwicklungsphase oder nachgelagert zur Opti-
mierung eines bereits in Benutzung befindlichen Systems stattfinden. Die Simula-
tion bietet sich immer dann an, wenn die Systemvarianten in der Realität nur mit
unverhältnismäßig hohem Aufwand gebildet werden können und gewinnt daher
als Unterstützungswerkzeug für die Planung, Steuerung und Optimierung von
komplexen soziotechnischen Systemen ständig an Bedeutung. Ferner werden
Betriebs- und Arbeitsorganisation 473

simulationsgestützte Analysen von Arbeitssystemen durchgeführt, wenn reale


Untersuchungen im Betrieb bzw. Experimente im Labor zu gefährlich für die
beteiligten Personen sind oder Vorgänge sich nicht direkt beobachten lassen, wie
z.B. kognitive Prozesse eines arbeitenden Menschen. Ein grundlegender Vorteil
der mit der Simulation untrennbar verbundenen Modellbildung besteht darin, dass
durch das Bewusstmachen der Wirklichkeit häufig tiefer gehende Erkenntnisse
entstehen, die wiederum konzeptionelle Verbesserungen des realen Arbeitssys-
tems nach sich ziehen.
Die Vorgehensweise bei der Durchführung einer Simulationsstudie beinhaltet
die ingenieurwissenschaftlich präzise Formulierung des zu untersuchenden Prob-
lems und die Festlegung der Ziele, die mit Hilfe der Simulation erreicht werden
sollen. Die erwarteten Ergebnisse sollten in Form von Hypothesen formuliert
werden. Darauf aufbauend erfolgt eine Analyse des Arbeitssystems, woran sich
die eigentliche Modellbildung anschließt. Hierbei sind die Strukturgültigkeit –
also eine Übereinstimmung der Modellstruktur mit der Wirklichkeit – und die
Verhaltensgültigkeit – also die Übereinstimmung des Modellverhaltens mit der
Realität bei Variation bestimmter Einflussgrößen – zu prüfen. Bei der Simulati-
onsdurchführung wird auf computergestützte Verfahren zurückgegriffen, die das
systematische Variieren der unabhängigen Variablen und den damit verbundenen
Vergleich von Gestaltungsvarianten wesentlich erleichtern. Durch die Leistungs-
zunahme der Computersysteme können immer komplexere Arbeitssysteme simu-
liert und optimiert werden.
Die Durchführung einer Simulationsstudie ist in der Praxis ein iterativer Pro-
zess, dessen Ablauf in Abb. 4.22 schematisch dargestellt ist.
Die Simulation von Geschäfts- und Arbeitsprozessen wird hauptsächlich in be-
trieblichen Funktionsbereichen mit hochgradig standardisierten bzw. stark struktu-
rierten Prozessen, wie sie in der Regel in der Stückgutproduktion und der innerbe-
trieblichen Logistik anzutreffen sind, eingesetzt. In diesen Gebieten stehen wis-
senschaftlich fundierte Modell- und Datenbasen zur Verfügung, so dass der Ein-
satz der Simulation schnell und realitätsnah möglich ist (SCHLICK et al. 2002;
REUTH 2003; LUCZAK et al. 2003). Weiterhin gibt es vielfältige Software-
Werkzeuge für die Simulation von Produktions- und Logistikprozessen im Rah-
men der sog. Digitalen Fabrik (BANKS et al. 2001; KÜHN 2005) (siehe
Kap. 10.2.3).
Bei schwach strukturierten Arbeitsprozessen, wie sie bspw. in der Produktent-
wicklung häufig anzutreffen sind, ist der Einsatz von Simulationen hingegen nicht
verbreitet. Schwach strukturierte Prozesse unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht
von den stark strukturierten. Typische Unterschiede sind:
x Funktionale Beziehungen und Abhängigkeiten von Aktivitäten können nur
für wenige Prozessfragmente a priori vollständig, valide und generalisierbar
beschrieben werden.
x Die Anfangs- und Randbedingungen sowie die Prozessdynamik sind auf-
grund vielfältiger, schwer zu antizipierender Einflüsse (z.B. sich schnell än-
dernde Kundenanforderungen oder neue Technologien) inhärent vage.
474 Arbeitswissenschaft

x Durch die Vielzahl kooperierender, jedoch mit unvollständigem Wissen aus-


gestatteter Akteure entstehen spontane Abhängigkeiten und Wechselwirkun-
gen zwischen Aktivitäten, die zu erheblichen Prozessinstabilitäten und Oszil-
lationen bei der Lösungssuche führen können.

Problem-
beschreibung Versuchsplanung

Zieldefinition und
Aufstellen des
Projektplans Simulationsläufe
und
Auswertung
Entwicklung des
konzeptionellen Datenerhebung
Modells
Mehr Läufe
Ja Ja
erforderlich?
Modell-
integration Nein

Ergebnisdokumen-
Nein Verifiziert? tation und Bericht

Ja

Nein Validiert? Nein Implemen-


tierung
Ja

Abb. 4.22: Vorgehensweise in einer Simulationsstudie (nach BANKS et al. 2001)

Klassische Ansätze zur Komplexitätsbeherrschung, wie Dekomposition von


Funktionen, Modularisierung und Standardisierung, versagen bei schwach struktu-
rierten Prozessen schnell, so dass ihre Koordination, Planung und Optimierung
eine Reihe von ungelösten Problemen aufwirft. Daher sind nur wenige Simulati-
onsmethoden bekannt, die sich für den Einsatz in der Produktentwicklung eignen.
Die Simulation von Arbeitsprozessen in diesem Bereich bietet jedoch die Mög-
lichkeit, bereits im Vorfeld der Durchführung von Vorhaben eine höhere Pla-
nungsgenauigkeit zu erreichen und Auswirkungen von zusätzlichen Aufgaben
bzw. Aufträgen auf Arbeitspersonen, Gruppen und Teams abzuschätzen. Auch
während der Durchführung lassen sich durch den Einsatz von Simulationen
Schwachstellen frühzeitig erkennen, Gegenmaßnahmen bewerten und bedarfsge-
recht einleiten. Somit ist die Simulation von Produktentwicklungsprozessen ein
besonders vielversprechendes Forschungsfeld (siehe STEIDEL 1994; SCHLICK u.
LICHT 2005; LICHT et al. 2007; LICHT 2008)
Betriebs- und Arbeitsorganisation 475

Sowohl für die Produktion als auch für die Produktentwicklung lassen sich ver-
schiedene Simulationsansätze unterscheiden (VDI-Richtlinie 3633 Blatt 6):
x Bei der sog. prozessorientierten Simulation stehen die Aufgaben im Mittel-
punkt. Sie sind die aktiven Instanzen der Ablauforganisation, ziehen die
notwendigen Ressourcen zur Bearbeitung heran und bestimmen somit das
Systemverhalten. Zu den Ressourcen zählen hierbei auch die Arbeitsperso-
nen, die für die Bearbeitung einer Aufgabe benötigt werden. Dieser Simula-
tionsansatz ist somit gut zur formalen Analyse des Durchlaufs eines Arbeits-
objekts durch die involvierten Organisationseinheiten geeignet, ohne beson-
dere Berücksichtigung der Fähigkeiten und Fertigkeiten des Menschen.
x Personalintegrierte Simulationsmodelle bilden die Arbeitsprozesse unter ei-
ner stärkeren Berücksichtigung der besonderen Eigenschaften des Menschen
wie z.B. Qualifikation und Kompetenz ab. Sie kommen für Personaleinsatz-
planung (ZÜLCH et al. 2004, 2007, 2009), Aufgabenstrukturierung (ZÜLCH et
al. 2002) oder bei zeitwirtschaftlichen Analysen für die Arbeitsplanung
(ZÜLCH 2004) zum Einsatz.
x Die sog. aktororientierte – auch personalorientiert genannte – Simulation
verfolgt einen weitergehenden Ansatz. Hierbei stehen die Arbeitspersonen
im Mittelpunkt des Modells und bestimmen somit das Systemverhalten. In
der Realität entscheiden Personen, welche Aufgaben bearbeitet werden, sie
unterscheiden sich individuell in ihren Arbeitsweisen und haben unterschied-
liche Fähigkeiten und Fertigkeiten. Mit Hilfe der aktororientierten Simulati-
on können somit Entscheidungsprozesse und Tätigkeiten individuell abgebil-
det werden. Während der Simulation können beim aktororientierten Simula-
tionsansatz direkt Informationen über die Belastung der Arbeitspersonen er-
hoben werden. Dieses bietet insbesondere im Hinblick auf eine arbeitswis-
senschaftliche Beurteilung und Bewertung von Prozessen Vorteile (SCHLICK
u. LICHT 2005; LICHT et al. 2007; LICHT 2008).
Als ultimatives Ziel von Simulationen in der Produktion und Produktentwicklung
(einschließlich der damit verbundenen Dienstleistungsentwicklung) ist die sog.
„Parallelmodellierung“ des aktuellen Betriebsgeschehens aufzufassen. Wenn das
Simulationsmodell den aktuellen Projektstatus oder Status in der Auftragsabwick-
lung zeitnah und präzise erfasst, sind Variationsrechnungen über alternative Pla-
nungs- und Steuerungsentscheidungen zielorientiert und wirkungsanalytisch mög-
lich. Entscheidungsvarianten könnten antizipativ analysiert werden. Eine solche
Vorgehensweise verspricht eine höhere Planungssicherheit sowie Verlässlichkeit
im Personal- und Ressourceneinsatz. Das Ziel ist zwar klar, die Realisierung be-
darf jedoch weiterer Forschungsanstrengungen.
476 Arbeitswissenschaft

4.4 Organisation der Produktion

4.4.1 Ablaufprinzipien in der Produktion


In einem produzierenden Betrieb müssen die vorgestellten Modelle der Aufbau-
und Ablauforganisation auf die Ebene der Werkstatt übertragen werden. Je nach
Produktkomplexität, Fertigungstiefe und Fertigungsart (Großserie, Einzelteilferti-
gung, o.ä.) stehen mit der Werkstättenfertigung, der Reihenfertigung, der Fließfer-
tigung und der Inselfertigung verschiedene Ablaufprinzipien zur Verfügung, bei
denen ein Werkstück zur Bearbeitung von einer Bearbeitungsstation zur anderen
bewegt wird und die in der Industrie weite Verbreitung gefunden haben. Zusätz-
lich wird mit dem sog. One-Piece-Flow am Beispiel der Montage ein aktuelles
Prinzip vorgestellt. Die klassische Werkbankfertigung wird nicht betrachtet.

4.4.1.1 WerkstättenfertigungĆ

Bei dem klassischen Konzept der sog. Werkstättenfertigung (auch einfach Werk-
stattfertigung genannt) sind die Bearbeitungsstationen nach den zu verrichtenden
Tätigkeiten angeordnet (WIEHNDAHL 2007). Dadurch entstehen organisatorische
Einheiten höherer Ordnung von simultanen Arbeitssystemen mit gleicher Verrich-
tung (z.B. Dreherei, Bohrerei, Fräserei) (siehe Abb. 4.23).

Abb. 4.23: Werkstättenfertigung

Durch die räumliche Zusammenfassung der Arbeits- und Betriebsmittel ist ein
enger Kontakt zwischen den Arbeitspersonen, die ähnliche Verrichtungen durch-
führen, gewährleistet. Bezogen auf einen Fertigungsabschnitt können Probleme im
Auftragsdurchlauf schnell und gezielt behoben werden, z.B. indem die Bearbei-
tung von Werkstücken auf verschiedene Bearbeitungsmaschinen verteilt wird.
Betriebs- und Arbeitsorganisation 477

Die Bearbeitungsmaschinen sind aber nicht entsprechend einer typischen Bear-


beitungsfolge angeordnet. Bei unterschiedlichen Folgen ergeben sich jeweils un-
terschiedliche Materialflüsse. Koordination, Lagerung und Transport der Werk-
stücke innerhalb und zwischen den Werkstätten führen dann zu erheblichem Zu-
satzaufwand. Außerdem entstehen dadurch vor und nach jeder Bearbeitung War-
tezeiten, bis alle Teile des Loses bearbeitet sind. So kann es zu variierender Aus-
lastung der Maschinen, langen Liegezeiten und ablaufbedingten Wartezeiten und
Rückflüssen der Arbeitsobjekte zu vorhergehenden Bearbeitungsmaschinen kom-
men. In Abb. 4.23 ist eine Werkstättenfertigung schematisch dargestellt, in der das
Rohmaterial aus dem Lager zunächst gefräst und anschließend gedreht wird. Für
den nächsten Bearbeitungsschritt muss das Werkstück wieder zurück in die
Fräserei, um dann abschließend im Bereich Bohren und Gewindeschneiden fertig
gestellt zu werden. Es ergibt sich somit eine Durchlaufzeit T1 für ein Werkstück.

4.4.1.2 ReihenfertigungĆ
In der Reihenfertigung sind die Bearbeitungsstationen entlang der Vorgänge im
Arbeitsplan angeordnet (siehe Abb. 4.24).

Abb. 4.24: Reihenfertigung

Nach dem Flussprinzip sind nur gleiche Arbeitsvorgangsfolgen zugelassen. Im


Gegensatz zur Fließfertigung erfolgt der Arbeitsfortschritt jedoch ohne unmittel-
bar zeitliche Bindung, d.h. der Arbeitsablauf ist nicht getaktet. Im Vergleich zur
Werkstättenfertigung kann die Durchlaufzeit eines bestimmten Werkstücks, das
aufgrund des bereits eingeführten Arbeitsplans nach Abb. 4.24 gefertigt wird,
aufgrund des optimierten Materialflusses auf T2 verkürzt werden (T2 < T1).
478 Arbeitswissenschaft

4.4.1.3 FließfertigungĆ
Bei der Fließfertigung sind die Arbeitsschritte zeitlich an einen Maschinentakt
gebunden und die Bearbeitungsstationen sind durch selbsttätige Fördereinrichtun-
gen verkettet. Der Durchlauf der Werkstücke ist idealerweise so aufeinander abge-
stimmt, dass zwischen den Stationen kein ablaufbedingtes Liegen der Werkstücke
entsteht und man den Prozess als „ausgetaktet“ bezeichnen kann. Bei optimaler
Taktung kann die Durchlaufzeit T3 im Vergleich zu den beiden vorherigen Ab-
laufprinzipien weiter verkürzt werden (T3 < T2 < T1).
Damit ist ein kostengünstiges Fertigen bei Serien- und Massenproduktion mög-
lich. Ein Beispiel für eine Fließfertigung zeigt Abb. 4.25.

Abb. 4.25: Fließfertigung

Sind die Bearbeitungsstationen über ein Fließband miteinander verbunden,


spricht man von einer Fließbandfertigung. Dabei folgen die Bearbeitungsstationen
unmittelbar aufeinander, während ein Fließband die Aufträge mit konstanter Ge-
schwindigkeit an den Stationen entlang transportiert. Die Zeitspanne, die benötigt
wird, um einen Auftrag mit dem Fließband vom Anfang bis zum Ende einer Stati-
on zu transportieren, wird als Takt- oder Zykluszeit bezeichnet. In der betriebli-
chen Praxis ist jedoch auch der Fall zu beobachten, dass die Bearbeitungszeit
eines Auftrags die Taktzeit übersteigt. Es kommt zu einem sog. Überhang.
Fließbänder können dahingehend unterschieden werden, ob sie einen positiven
Überhang erlauben oder nicht. Es ist ein maximaler Überhang für jede Station zu
bestimmen. In der Praxis sind Überhänge zwischen 0% (kein Überhang erlaubt)
und maximal 50% der Taktzeit üblich. Kommen in der Fließfertigung fest instal-
lierte Maschinen zum Einsatz, sind Überhänge nicht zulässig. Dasselbe gilt für
aufeinanderfolgende Arbeitsstationen, bei denen die dort zu verrichtenden Ar-
Betriebs- und Arbeitsorganisation 479

beitsgänge nicht simultan ausgeführt werden können. Es handelt sich um aus-


schließlich sequentiell ausführbare Arbeitsgänge, d.h. die Arbeitsgänge der Folge-
station können erst begonnen werden, wenn die verspäteten Arbeitsgänge abge-
schlossen sind. Sind Überhänge jedoch möglich und erlaubt, gibt es zu deren
Verminderung mehrere Maßnahmen, die ergriffen werden können:
x Vergrößerung der Taktzeit. Dabei verringert sich zwar der Output pro Zeit-
einheit, gleichzeitig werden jedoch die Mitarbeiter entlastet
x Steigerung der Produktivität und des Zeitgrads der Mitarbeiter, in dem sie
die Arbeitsgänge schneller verrichten
x Auslassen kompletter Arbeitsgänge, die jedoch, nachdem der Auftrag das
Fließband verlassen hat, nachgeholt werden müssen
x Einsatz von sog. Springern, die an allen Stationen bei Engpässen kurzfristig
aushelfen.
Reichen die genannten Maßnahmen zur Reduzierung von Überhängen nicht aus,
so muss unter Umständen das Fließband angehalten werden. Diese Option wird
allerdings nur in wenigen Fällen durchgeführt, da sie erhebliche Kosten verursacht
(SCHNEEWEISS u. SÖHNER 1991).
Bei der Fließfertigung sind die Freiheitsgrade der Arbeitspersonen hinsichtlich
Arbeitsweise, Arbeitsgeschwindigkeit und Arbeitspausen deutlich eingeschränkt.
Dadurch kann es zu monotonen Arbeitsprozessen kommen, da planende und kon-
trollierende Tätigkeiten meist außerhalb des Aufgabenbereichs der Arbeitsperso-
nen liegen. Die Flexibilität der Fließfertigung hinsichtlich des bearbeitbaren
Werkstückspektrums ist geringer als bei der Werkstättenfertigung. Der Umrüst-
aufwand bei Produktumstellungen ist in der Regel hoch (sog. Anlaufproblematik).

4.4.1.4 InselfertigungĆ

Der wissenschaftliche Ausschuss für Fertigung definiert das Konzept der Ferti-
gungsinsel folgendermaßen (AWF 1984): „Die Fertigungsinsel hat die Aufgabe,
aus gegebenem Ausgangsmaterial Produktteile oder Endprodukte möglichst voll-
ständig zu fertigen“. Die benötigten Betriebsmittel sind räumlich und organisato-
risch in der Fertigungsinsel zusammengefasst. Das Tätigkeitsfeld der dort
beschäftigten Gruppe trägt folgende Kennzeichen:
x Die weitgehende Selbststeuerung der Arbeits- und Kooperationsprozesse
verbunden mit Planungs-, Entscheidungs- und Kontrollfunktionen innerhalb
der vorgegebenen Rahmenbedingungen.
x Der Verzicht auf eine starre Arbeitsteilung und demzufolge eine Erweiterung
des Dispositionsspielraums für den Einzelnen.
Die Fertigungsinsel ist somit organisatorische Grundform für später entwickelte
zelluläre Produktionskonzepte auf Basis sog. Autonomer Produktionszellen
(PFEIFER u. SCHMIDT 2006), die in der Lage sind, komplexe Produktionsprozesse
mit einem maximalen Grad an Selbständigkeit über einen längeren Zeitraum zu-
verlässig und störungsfrei durchzuführen. Die Flexibilität dieser Produktionskon-
480 Arbeitswissenschaft

zepte beruht auf der Integration von Tätigkeitsfeldern aus indirekten Fertigungsbe-
reichen, wie z.B. Arbeitsvorbereitung, Fertigungssteuerung, Qualitätswesen,
Werkzeug- und Vorrichtungswesen, Instandhaltung und Logistik.
Wesentliche Unterschiede zur Werkstätten- und Fließfertigung bestehen in der
Zusammenfassung von Teilen, die mit gleichen Betriebsmitteln gefertigt werden
können, zu Fertigungsfamilien. Dadurch kommt es zu einer Entzerrung des Infor-
mations- und Materialflusses, räumlichen und organisatorischen Zusammenfas-
sung aller Maschinen und Betriebsmittel, die zur vollständigen Bearbeitung dieser
Fertigungsfamilien benötigt werden und Zuweisung umfangreicher und an-
spruchsvoller Aufgaben (Planung, Steuerung, Qualitätsprüfung) für die Mitarbei-
ter der Fertigungsinsel.
Der Hauptvorteil der Fertigungsinsel besteht in der hohen Flexibilität. Da ein
komplettes Werkstückspektrum bearbeitet werden kann, kann die Fertigungsinsel
an Produktumstellungen innerhalb dieses Werkstückspektrums schnell angepasst
werden. Die Bündelung der Aufgaben in der Fertigungsinsel führt zudem zu kür-
zeren Reaktionszeiten, da Abstimmungsprozesse innerhalb der Insel schnell ablau-
fen können. Somit ergibt sich insgesamt eine kürzere Durchlaufzeit der Erzeugnis-
se.
Nachteilig wirkt sich aus, dass es bei mehreren Fertigungsinseln zu kapitalin-
tensiven Maschinenredundanzen kommen kann, weil die Realisierung der inselin-
ternen Komplettbearbeitung die Anschaffung mehrerer gleichartiger Betriebsmit-
tel erfordert, die aber unter Umständen nicht voll ausgelastet werden können. So
wird vor allem bei kapitalintensiven Maschinen und Aggregaten die Forderung
nach Redundanz unerfüllt bleiben, womit das Prinzip der inselinternen Komplett-
bearbeitung gelegentlich verletzt wird (MASSBERG 1993).
Das Konzept der Fertigungsinsel umfasst über die Erweiterung der Arbeitsin-
halte mit dispositiven Aufgaben sowohl technisch-ökonomische als auch human-
orientierte Zielsetzungen. Dazu gehört etwa die Verminderung von Monotonie am
Arbeitsplatz. Die Fertigungsinsel ist primär ein auf die Fertigung bezogenes Ar-
beitsorganisationskonzept. Bedingt durch die Verlagerung indirekter Aufgaben in
die Insel, sind auch weitere betriebliche Abteilungen vom Aufbau von Fertigungs-
inseln betroffen. Damit stehen neben den Abstimmungs- und Kooperationsprozes-
sen auch Fragen der einheitlichen Entlohnung und der einheitlichen Arbeitszeit
zur Diskussion. Fertigungsinseln sind durch ihre konstituierenden Merkmale nur
für bestimmte Aufgaben besonders geeignet. Charakteristika solcher Aufgaben
sind (BÜHNER 2004):
x kleine Losgrößen
x geringe Technologievielfalt
x kurze Planungshorizonte
x kurze Bearbeitungszeiten
x geringe Fertigungstiefe
x Erteilung gleicher Aufträge in unregelmäßigen Zeitabständen
x hoher Automatisierungsgrad.
Betriebs- und Arbeitsorganisation 481

4.4.1.5 One-Piece-FlowĆ
Das Ablaufprinzip des One-Piece-Flow basiert auf dem Just-in-time Prinzip, des-
sen Ursprung im Toyota Produktionssystem (siehe Kap. 4.4.2) liegt. Es hat zum
Ziel, ein Produkt mit der höchst möglichen Qualität, zu niedrigen Kosten, in mög-
lichst kurzer Zeit zu produzieren. Im Idealfall können alle relevanten Zulieferer
synchronisiert und sämtliche Lagerbestände im Produktionsprozess beseitigt wer-
den. Hierfür bedarf es einer flexiblen Fertigung, um kleine Losgrößen zu ermögli-
chen. Beim One-Piece-Flow, der als Einzelstückfließfertigung übersetzt werden
kann, gleicht die mehrstufige Bearbeitung eines Teils einem ununterbrochenen
Fluss mit dem Ziel, einen Produktionsfortschritt mit geringer Varianz zu errei-
chen. Die durchzuführenden Arbeitsschritte folgen dabei direkt aufeinander, ohne
dass eine Zwischenlagerung stattfindet. Ein Teil wird nach seiner Anlieferung in
einem durchgehenden Produktionsfluss von einer Bearbeitungsstation zur nächs-
ten befördert. Auf Puffer zwischen diesen Stationen wird verzichtet. Typischer-
weise sind die Arbeitsstationen in einem U-förmigen Layout angeordnet, so dass
die Wege des Mitarbeiters zwischen der Anfangsstation und der Endstation der
Fertigungsfolge minimiert werden. Leicht verständliche Beispiele für einen One-
Piece-Flow lassen sich in der Montage finden. Ein Beispiel ist in Abb. 4.26 darge-
stellt.

tv1 tv3 tv4


tv2 Arbeitsstation
Arbeitsinhalt der tv5
g g
Montageaufgabe
T il füh
Teilezuführung
1 2 3 4 5

Einzelplatzmontage
p g One-Piece-Flow Klassische Montagelinie
g

3 2 4
2 4 1 2 3 4 5
1 5 5
1

Station Station Station


5 tv5 5 tv5
4 tv4 4 tv4 tv4
3 tv3 3 tv3 tv3 tv3
2 tv2 2 tv2 tv2 tv2 tv2
1 tv1 tv2 tv3 tv4 tv5
1 tv1 1 tv1 tv1 tv1 tv1 tv1
Zeit Zeit Zeit

Abb. 4.26: One-Piece-Flow (SCHARF u. KISSING 2007)


482 Arbeitswissenschaft

Das One-Piece-Flow-Konzept hat gegenüber der traditionellen Einzelplatzmon-


tage bzw. Montagelinie zwei wesentliche Vorteile:
x Eine Nutzung für Produktvarianten ist möglich, wenn die eingesetzten Ar-
beitsstationen bzw. Maschinen so konstruiert sind, dass sie schnell umgerüs-
tet werden können.
x Sind umfangreiche manuelle Fertigungsvorgänge enthalten, so kann die
Ausbringungsmenge flexibel anhand der Anzahl der eingesetzten Arbeitsper-
sonen gesteuert werden. Idealtypisch ist eine Arbeitsperson innerhalb des
One-Piece-Flows für alle Arbeitsschritte am Produkt zuständig. Dann ent-
spricht der Takt der Ausbringung der Summe der Vorgangszeiten aller Bear-
beitungsschritte, die das zu bearbeitende Objekt erfahren muss. Durch den
Einsatz weiterer Mitarbeiter, die nacheinander das System durchlaufen, kann
dieser Takt verkürzt und damit die Ausbringungsmenge gesteigert werden.
Wichtige Voraussetzung für die Umsetzung eines solchen Systems ist eine um-
fassende Qualifizierung der Mitarbeiter, die sie dazu befähigt, alle Arbeiten an den
Stationen ausführen zu können. Um die Anforderungen an die Arbeitspersonen zu
verringern, wird in der Praxis jedoch nicht selten ein kompletter Umlauf in Ab-
schnitte zerlegt, denen jeweils eine Person zugeteilt wird. Dabei ist darauf zu
achten, dass der Tätigkeitsumfang der einzelnen gebildeten Bereiche möglichst
gleich ist und nicht zu Dequalifizierung oder stark einseitigen Belastungen führt.
Die Anordnung der Arbeitsstationen wird häufig so ausgelegt, dass die Mitarbeiter
in ihren Arbeitsbereichen möglichst kurze Laufwege zurücklegen müssen
(SCHARF u. KISSING 2007).
Als einen Sonderfall des One-Piece-Flow lässt sich das Chaku-Chaku-Prinzip
(jap. laden, laden) auffassen, bei dem alle Stationen weitgehend autonom fertigen
und die Arbeitsperson lediglich den Transport der Teile zwischen den Stationen
übernimmt (SPENGLER et al. 2005). Durch dieses Prinzip kann eine hohe Flexibili-
tät bezüglich Varianten und Produktionsschwankungen bei gleichzeitiger Verrin-
gerung von Durchlaufzeiten sowie Platzbedarf erreicht werden. Allerdings ergibt
sich neben hohen Anforderungen an die psychophysiologische Resistenz der Ar-
beitsperson unter Umständen zusätzlich ein erheblicher Automatisierungsaufwand
innerhalb des Arbeitssystems.

4.4.2 Toyota Produktionssystem


Das Toyota Produktionssystem (kurz: TPS) ist ein für die Serienproduktion entwi-
ckeltes Makro-System. Ihm liegt als Ablaufprinzip ein One-Piece-Flow (siehe
Kap. 4.4.1.5) zugrunde. Ein Produktionssystem ist definiert als eine technisch,
organisatorisch (und kostenrechnerisch) selbständige Allokation von Potenzialfak-
toren zu Produktionszwecken. Ein Produktionssystem besteht dabei aus elementa-
ren Arbeitssystemen, die die kleinsten Leistungseinheiten darstellen und eine oder
mehrere Klassen von Transformationen durchführen können (DANGELMAIER
2001). Eine weitestgehende Vermeidung von Verschwendung und eine dadurch
Betriebs- und Arbeitsorganisation 483

erzielbare Kosten- und Zeitreduzierung bei hoher Produktqualität stehen im Zent-


rum dieses Systems. Unter Verschwendung sind hierbei hohe Lagerbestände,
unnötige Transportwege, eine zu hohe, nicht marktgerechte Produktion, Still-
stands-, Liege- und Wartezeiten, unnötige Bewegungsabläufe sowie Fehler bei der
Herstellung zu verstehen. Das TPS ist nicht nur das organisatorische Referenzmo-
dell für die japanischen Werke von Toyota, sondern für alle Toyota-Werke welt-
weit. Die vollständige Übernahme des TPS durch andere Betriebe gelingt, trotz
recht großer Offenheit von Seiten Toyotas, nur selten (SPEAR u. BOWEN 1999).
Die Struktur und die Grundsätze des TPS sind in Abb. 4.27 dargestellt.

Beste Qualität – niedrige Kosten – kürzest mögliche Durchlaufzeiten –


größte Sicherheit – hohe Arbeitsmoral
Verkürzung der Produktionszeit durch Eliminierung nicht werthaltiger Elemente

Just-In-Time
Just In Time Menschen und Teamwork Jidoka
- Selektion (Prozessimmanente Qualität an
jeder Arbeitsstation) macht
die richtige Teile in - Entscheidungsfindung nach dem Probleme deutlich
der richtigen Menge Ringi-System
zur richtigen Zeit - automatischer
- gemeinsame Ziele
Produktionsstopp
- Crosstraining
- Andon
- Taktzeit
- Teilung zwischen
Kontinuierliche Verbesserung
g
- kontinuierlicher Fluss Mensch und
Maschine
- PULL-System
- selbstgesteuerte
Eliminierung
- integrierte Logistik Fehlererkennung
nicht werthaltiger Elemente
- Qualitätskontrolle an
- genchi genbutsu jeder Arbeitsstation
- 5W-Methode
(fünfmaliges Fragen nach dem Warum)
- 5W-Methode
- Bewusstsein für Verschwendung
- Problemlösung

Produktionsnivellierung (heijunka)
Stabile und standardisierte Prozesse
Visuelles Management
Philosophie der Toyota-Methode

Abb. 4.27: Das Toyota-Produktionssystem (nach LIKER 2004)

LIKER (2004) beschreibt 14 Grundprinzipien, die dem TPS zugrunde liegen und
durch deren Einhaltung es erfolgreich eingeführt und betrieben werden kann:
(1) Managemententscheidungen auf eine langfristige Philosophie gründen, selbst
wenn es zu Lasten kurzfristiger Gewinne geht.
(2) Fließende Prozesse schaffen, um Probleme zu Tage zu fördern.
(3) Ein „ziehendes“ Produktionssystem (Pull-System) verwenden, um bedarfsge-
recht zu produzieren und Überproduktion zu vermeiden.
(4) Für eine gleichmäßige Arbeits- und Produktionsauslastung sorgen.
(5) Die Produktion unterbrechen, wenn ein Qualitätsproblem auftritt, so dass die
Qualität sofort wieder sichergestellt werden kann.
484 Arbeitswissenschaft

(6) Die Arbeitsschritte für eine kontinuierliche Verbesserung und eine hohe
Eigenverantwortlichkeit der Arbeitspersonen standardisieren.
(7) Visualisierungstechniken für Produktivität, Fehler etc. nutzen, damit kein
Problem verborgen bleibt.
(8) Ausschließlich zuverlässige, sorgfältig getestete Technologien verwenden,
die die Mitarbeiter und Prozesse unterstützen.
(9) Führungspersonen heranziehen, die die Arbeitsinhalte verstehen, das Kon-
zept „leben“ und es anderen vermitteln können.
(10) Mitarbeiter und Teams entwickeln, die der Firmenphilosophie folgen.
(11) Lieferanten und externe Partner respektieren, fordern und beim Verbesse-
rungsprozess unterstützen.
(12) Selbst ein Bild von der Situation machen, um sie umfassend zu verstehen.
(13) Entscheidungen sorgfältig durch Konsenserzielung treffen und alle Optionen
gründlich abwägen; Entscheidungen schnell umsetzen.
(14) Betriebsweites Lernen durch konsequente Reflektion der Situation und kon-
tinuierliche Verbesserung (sog. Kaizen, siehe Kap. 4.3.4.2).
SPEAR u. BOWEN (1999) verdichten diese 14 Prinzipien zu vier Regeln, die
nach Aussage der Autoren das „Erbgut“ (DNA) des TPS darstellen. Die vier Re-
geln sind wie folgt:
x Regel 1: „Wie Menschen arbeiten“:
Die gesamte Arbeit muss in einem hohen Detaillierungsgrad bzgl. des In-
halts, der Ausführungsreihenfolge, des Timings und des Resultats spezifiziert
werden.
x Regel 2: „Wie Menschen miteinander verbunden sind“:
Jede Kunden-Lieferanten-Beziehung muss direkt sein und es muss ein ein-
deutiger Weg zum Senden von Anfragen und Empfangen von Antworten be-
stehen.
x Regel 3: „Wie die Produktionslinie konstruiert ist“:
Der Weg eines jeden Produkts und Services muss einfach und direkt sein.
x Regel 4: „Wie man sich verbessert“:
Jede Verbesserung muss in Übereinstimmung mit der Philosophie und Me-
thodik unter Anleitung eines Lehrers stattfinden und bereits auf der niedrigs-
ten möglichen Ebene innerhalb der Organisation beginnen.
Die erste Regel definiert, dass jeder Arbeitsschritt exakt spezifiziert werden
muss. Hiermit ist verbunden, dass die Arbeit in kurze Takte unterteilt wird, die
von den Arbeitspersonen exakt eingehalten werden müssen. Jede Arbeitsperson
durchläuft einen ausführlichen Trainingsprozess, bevor sie an der Produktionslinie
zum Einsatz kommt. Aufgrund der sehr genauen Definition der einzelnen Arbeits-
schritte sind Abweichungen vom Plan sofort erkennbar. Wenn ein Arbeitsschritt
nicht in der dafür vorgesehenen Zeit abgeschlossen werden kann, so wird deutlich,
dass die Hypothesen bzgl. des Arbeitsfortschritts falsch waren und entweder der
Prozess neu gestaltet werden muss oder die Arbeitsperson besser oder intensiver
geschult werden muss.
Betriebs- und Arbeitsorganisation 485

Die zweite Regel stellt sicher, dass bei Problemen, Anfragen oder Bestellungen
die Sender und Empfänger klar definiert sind, so dass direkte Kommunikations-
wege bestehen und Schnittstellenverluste minimiert werden. Hierbei ist die gesam-
te Kommunikationskette von der Arbeitsperson an der Produktionslinie bis hin
zum Lieferanten definiert. Auch bei Störungen ist die Kette exakt vorbestimmt.
Die Arbeitspersonen sind angehalten, jedes Produkt- oder Prozessproblem sofort
nach der Entdeckung offen zu kommunizieren. Die für die Problemlösung verant-
wortliche Person ist angehalten, innerhalb einer Taktzeit für eine Lösung des
Problems zu sorgen.
Die dritte Regel beschreibt den Aufbau der Produktionslinie. Jede Produktions-
linie ist so aufgebaut, dass jedes Produkt und jeder Service einen fest definierten
Weg beschreitet, der nicht verändert werden darf. Der Weg ist hierbei möglichst
einfach zu gestalten, Verzweigungen und Iterationen sind nicht vorgesehen. Die
Empfänger der Produkte sind festgelegt, es findet keine Verteilung der Produkte
an die nächste verfügbare Arbeitsperson oder Maschine statt, sondern an eine
bestimmte Arbeitsperson bzw. Maschine. Jedes auftretende Problem zeigt, dass
Veränderungen an der Produktionslinie durchzuführen sind.
Ein weiterer Schlüssel für den Erfolg des TPS ist nach SPEAR u. BOWEN (1999)
die Verbesserungsphilosophie. Jede Verbesserung muss in Übereinstimmung mit
den Prinzipien und Regeln des Produktionssystems unter Anleitung eines erfahre-
nen Lehrers durchgeführt werden. Alle Arbeitspersonen werden in der Anwen-
dung des Vorgehens zur Feststellung von Problemen und zur Lösung der Proble-
me unter Berücksichtigung der ersten drei Regeln geschult. Verbesserungsmaß-
nahmen werden von den direkt beteiligten Personen angeregt und durchgeführt.
Aus arbeitswissenschaftlicher Sicht ist auf der einen Seite kritisch anzumerken,
dass durch z. T. sehr kurze Taktzeiten eine große Monotonie und einseitige Belas-
tung auftreten kann. Die Einflüsse der Arbeitspersonen auf Arbeitsmethode, Ar-
beitsweise, Arbeitsgeschwindigkeit und Arbeitspausen sind stark eingeschränkt
und ermöglichen kaum Spielräume. Es kann auch zu rein ausführenden Arbeits-
aufgaben kommen, da planende und kontrollierende Tätigkeiten meist außerhalb
des Bereichs liegen. Auf der anderen Seite wird durch die hohe Verantwortung für
Verbesserungsmaßnahmen die Identifikation mit der Arbeit gestärkt, und die Ar-
beitspersonen werden in betriebliche Entscheidungen und Verbesserungen einge-
bunden (siehe Kap. 5.5).

4.5 Organisation der Produkt- und Prozessentwicklung

Die Entwicklung neuer Produkte und die Gestaltung der notwendigen Prozesse
sind Kernaufgaben von Betrieben. An die Organisation dieser Kernaufgaben wer-
den hohe Anforderungen gestellt. So müssen Produkte und Produktionsprozesse
höchsten Qualitätsansprüchen genügen, gleichzeitig kostengünstig sein sowie
zügig entwickelt werden können, um eine frühe Markteinführung zu gewährleisten
(KABEL 2001; BAUR et al. 1998; DWIVEDI u. SOBOLEWSKI 1990). Insbesondere in
486 Arbeitswissenschaft

forschungs- und entwicklungsintensiven Branchen, wie z.B. der Automobilindust-


rie oder der Luft- und Raumfahrtindustrie, sind Konzepte entwickelt worden, mit
denen die hohen Anforderungen gut erfüllt werden können. Charakteristisch für
den Entwicklungsbereich ist eine als Projekt definierte, zeitlich begrenzte Aufga-
benstellung und eine abteilungsübergreifende (sog. crossfunktionale) Teamzu-
sammensetzung – stellenweise auch unter Einbeziehung von Kunden und Liefe-
ranten. Stellvertretend für Organisationskonzepte, die entsprechende Strukturen
vorsehen und speziell auf die Produkt- und Prozessgestaltung ausgerichtet sind,
wird im Folgenden der Ansatz des Concurrent Engineering vorgestellt und disku-
tiert.1
Eine häufig verwendete Definition von Concurrent Engineering (CE) stammt
vom Institute for Defense Analysis (IDA). Demnach handelt es sich um einen
„systematic approach to the integrated, concurrent design of products and their
related processes, including manufacture and support. This approach is intended
to cause developers, from the outset, to consider all elements of the product life
cycle from conception through disposal, including quality, cost, schedule, and
user requirements” (WINNER et al. 1988). Seither wurde der CE-Ansatz von zahl-
reichen Autoren konkretisiert, um einzelne Aspekte ergänzt bzw. in seinem Integ-
rationsanspruch erweitert (u.A. DWIVEDI u. SOBOLEWSKI 1990; CLEETUS 1992;
SYAN u. MENON 1994; BULLINGER u. WARSCHAT 1996; PRASAD 1996; WANG
1997; YASSINE u. BRAHA 2003; EVERSHEIM u. SCHUH 2005).
CE beschreibt somit die integrierte und zeitparallele Durchführung der Aktivi-
täten der Produkt- und Prozessgestaltung unter Berücksichtigung der Anforderun-
gen aller Phasen des Produktlebenszyklus, ausgehend von der ersten Produktidee,
über die Produktkonzeption und -konkretisierung bis zur Markteinführung unter
Berücksichtigung der daran beteiligten Personengruppen. Charakteristisch für die
Umsetzung von CE sind die Bildung von multidisziplinären, crossfunktionalen
Teams und der Einsatz von unterstützenden, größtenteils computergestützten Me-
thoden und Werkzeuge (JO et al. 1993). Durch die Einführung von CE kann eine
Reduzierung der Markteinführungszeit durch Verkürzung der Produktentwick-
lungszeiten und eine Senkung der Herstellkosten bei gleichzeitiger Verbesserung
der Produktqualität erreicht werden (EVERSHEIM u. SCHUH 2005). Die Berück-
sichtigung gegenseitiger Anforderungen und Restriktionen sowie der Beginn von
Aktivitäten und die Nutzung relevanter Informationen – jeweils zum effektivsten
und effizientesten Zeitpunkt – sind Leitlinien zur Zielerreichung.
Die zentralen Prinzipien von CE sind Integration und Parallelisierung. Ziel der
Integration von Einzelaktivitäten zu einer Gesamtaktivität in der Produkt- und
Prozessplanung ist die gemeinsame Berücksichtigung der gegenseitigen Restrikti-
onen bei gleichzeitiger Reduktion des Kommunikations- und Koordinationsauf-
wands durch die Verminderung der Zahl der Schnittstellen. Der Integration sind
allerdings Grenzen gesetzt, da die Komplexität der Ausführung der Aktivitäten
1 Im deutschsprachigen Raum werden – weitgehend synonym zur Bezeichnung Concurrent Enginee-
ring – auch die Bezeichnungen Simultaneous Engineering und Integrierte Produkt- und Prozessge-
staltung verwendet.
Betriebs- und Arbeitsorganisation 487

mit der Zahl der integrierten Aktivitäten steigt. Können Aktivitäten aufgrund der
nicht mehr beherrschbaren Komplexität nicht integriert werden, sind sie im Sinne
von CE zu parallelisieren. Da parallele Aktivitäten unter Informationsannahmen
begonnen werden, sind diese regelmäßig zu synchronisieren (STAHL 1998). So-
wohl bei der integrierten als auch bei der parallelisierten Ausführung von Aktivi-
täten können Zeitpotenziale gegenüber der sequentiellen Produkt- und Prozesspla-
nung realisiert werden (siehe Abb. 4.28).

1. Konventionelle Produktentwicklung

Koordinations-
Vertrieb Entwicklung Arbeitsv. Fertigung probleme
Produktgestaltung Prozessgestaltung
Pflichten- Vorent- Ent- Kon- Test Pflichten- Grob- Fein- Arbeits- Personal-
heft wicklung wicklung struktion heft planung planung planung planung

Durchlaufzeit bei sequentieller Produkt- und Prozessgestaltung

2. Concurrent Engineering
Entwicklung Arbeitsv.
Vertrieb
Fertigung

Parallelisierung
Produktgestaltung
Pflichten-
Pflichten Vorent
Vorent- Ent
Ent- Kon
Kon- Test
heft wicklung wicklung struktion
Integration
Prozessgestaltung
Pflichten-
Pfli ht G b
Grob- F i
Fein- A b it
Arbeits- Personal-
P l Verkürzung
heft planung planung planung planung

Durchlaufzeit beim Concurrent Engineering

Abb. 4.28: Vergleich der konventionellen Produkt- und Prozessgestaltung mit dem Ansatz
des Concurrent Engineering

Der Anwendungsbereich der genannten Prinzipien beschränkt sich nicht nur auf
die reine Produktentwicklung und Konstruktion, sondern umfasst alle Aktivitäten
der Prozessgestaltung und schließt dabei auch die Gestaltung des Produktionssys-
tems mit ein (MÜTZE-NIEWÖHNER 2004; CLAUSING 1993). Durch die frühzeitige
Berücksichtigung von Anforderungen aus den der Produktentwicklung nachgela-
gerten Phasen sollen zeit- und kostenintensive Produkt- und Prozessänderungen
vermieden werden. Die daraus resultierenden Zeiteinsparungseffekte führen zu
einer Verkürzung der gesamten Produktentstehungszeit.
Neben Integration und Parallelisierung benennt LAUFENBERG (1996) als drittes
Prinzip von CE die Kompetenzzusammenführung und betont damit stärker die
organisatorische Umsetzung mit Hilfe funktionsübergreifend zusammengesetzter
CE-Teams (siehe Kap. 5.6).
488 Arbeitswissenschaft

Der konventionelle Produktentstehungsprozess ist durch eine sequentielle, stark


arbeitsteilig organisierte Vorgehensweise geprägt. Jeder Organisationsbereich
führt seine Aufgabe vollständig und detailliert zu Ende, bevor die Ergebnisse an
den nächsten Bereich weitergeleitet werden. Wird in einer nachgelagerten Phase
Änderungsbedarf festgestellt, muss iteriert und die Sequenz erneut durchlaufen
werden, so dass oftmals ein hoher Zeitverlust und hohe Fehlerkosten die Folgen
sind.
Verschiedene Studien deuten auf erhebliche Effekte durch den Einsatz von CE
hin (EVERSHEIM et al. 1995). So deutet bspw. die Auswertung einer Unterneh-
mensbefragung auf deutliche Zeiteinsparungen bei der Produktentwicklung hin
(LAY 1997). Betriebe, die ein weitreichendes CE-Konzept umsetzen, erzielten eine
um bis zu 14% reduzierte Entwicklungszeit im Vergleich zu Betrieben, die CE
nicht einsetzen. In anderen Quellen werden Entwicklungszeitverkürzungen von
25% bis 50% genannt (SEIBERT 2006). Häufig zitiert wird das Fallbeispiel von
Motorola aus den 1980er Jahren (SEIBERT 2006). Bei der Entwicklung einer neuen
Generation von Pagern (Funkrufempfängern) unter Anwendung von CE konnte
die Entwicklungszeit von drei bis vier Jahren auf 18 Monate reduziert werden.
Durch die Integration der Prozessgestaltung konnte gleichzeitig eine deutliche
Qualitätsverbesserung erreicht werden, die durch eine deutliche Reduzierung der
Ausschussrate in der Fertigung auf weniger als 0,3% deutlich wurde.
Der Einsatz von Concurrent Engineering führt darüber hinaus oftmals zu einer
deutlichen Reduzierung von Änderungen in späten Entwicklungsphasen. Durch
die Berücksichtigung gegenseitiger Anforderungen in allen Phasen der Produkt-
und Prozessgestaltung können sowohl die Produkte als auch die Prozesse verbes-
sert und die Herstellkosten gesenkt werden. Durch das im Vergleich zur konventi-
onellen Produkt- und Prozessgestaltung iterative Vorgehen erhöht sich durch das
CE-Konzept der Kommunikations- und Koordinationsaufwand. Weiterhin ergeben
sich kooperationstypische Probleme, wie mangelnde Zielidentität, Erfolgszu-
schreibung, Handlungskompatibilität usw.

4.6 Organisation im Dienstleistungs- und Servicebereich

Die Organisation im Dienstleistungs- und Servicebereich stellt einen weiteren


arbeits- und betriebsorganisatorischen Gestaltungsschwerpunkt dar. Hierbei beste-
hen vielfältige Organisationsmodelle, die u.a. eine unterschiedlich stark ausge-
prägte Autonomie des Dienstleistungs- und Servicebereichs innerhalb der Auf-
bauorganisation des Betriebs beschreiben. Aufgrund der Heterogenität der Organi-
sation des Dienstleistungs- und Servicebereichs und der daraus resultierenden
Vielfalt von Organisationsprinzipien muss auf eine ausführliche Darstellung ver-
zichtet werden. Das vielschichtige Thema wird detailliert bei LUCZAK et. al.
(2004), LUCZAK (1999), LAY u. NIPPA (2005), BULLINGER u. SCHEER (2005),
SCHUH et. al. (2004) sowie SCHENK u. SCHLICK (2009) behandelt.
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5 Gruppen- und Teamarbeit

5.1 Begriffliche Grundlagen

5.1.1 Merkmale von Gruppenarbeit


In der wissenschaftlichen Literatur finden sich zahlreiche Definitionen der Begrif-
fe „Arbeitsgruppe“ und „Gruppenarbeit“ aus unterschiedlichen Disziplinen und
Anwendungsfeldern, die über die Angabe von Merkmalen unterschiedliche An-
forderungen an Arbeitsgruppen und Gruppenarbeit formulieren (siehe z.B. ANTONI
1996, 2007; COHEN u. BAILEY 1997; VAN DICK u. WEST 2005; EULER u. EULER
1997; GOHDE u. KÖTTER 1990; HACKER 1994; LECHNER 2001; LUCZAK et al.
1991; VON ROSENSTIEL 1993; SALAS et al. 1992; SEITZ 1993; THOMAS 1991; WE-
BER 1997; WEGGE 2004).
Blendet man zunächst einige, insbesondere aus psychologischer Sicht wesentli-
che Merkmale aus, bezeichnet Gruppenarbeit eine Form der Arbeitsorganisation,
die dadurch gekennzeichnet ist, dass ein Arbeitsauftrag an mehr als zwei Arbeits-
personen übertragen wird, von diesen Arbeitspersonen als gemeinsame Arbeits-
aufgabe (re-)definiert sowie interpretiert wird und schließlich in Kooperation, also
gemeinschaftlich und eigenverantwortlich, bearbeitet wird.
Mit dieser ersten Begriffsbestimmung wird Gruppenarbeit sowohl von reiner
Einzelarbeit als auch implizit von anderen kooperativen Arbeitsformen abge-
grenzt, die nicht Gegenstand der weiteren Betrachtung sind. Dies betrifft u.A. alle
Formen von Kooperationen, die außerhalb von Organisationen stattfinden, die
keinen konkreten Arbeitsbezug aufweisen, sondern lediglich zwei Personen mit
einbeziehen (sog. Dyade, Tandem) oder sich zufällig ergeben, also nicht zielge-
richtet und zweckgebunden herbeigeführt werden.
Gruppenarbeit setzt einen Arbeitsauftrag voraus, der Kooperation erfordert
bzw. ermöglicht. Gruppenarbeit liegt bspw. nicht vor, wenn Arbeitspersonen
räumlich oder organisatorisch zu einer Einheit zusammengefasst sind, jedoch
weitgehend voneinander unabhängige Einzelaufgaben erledigen (siehe HACKER
2005 „Arbeit im Raumverband“, Antoni 2000 „klassische Arbeitsgruppe“). Besteht die
Kooperation zwischen Arbeitspersonen ausschließlich darin, sich über gemeinsam
genutzte Arbeits- und Betriebsmittel oder andere Ressourcen abzustimmen (siehe
ressourcenbezogene Abhängigkeit, Kap. 4.3.4), kann ebenfalls noch nicht von
Gruppenarbeit gesprochen werden. Ist der Arbeitsauftrag in rein sequentiell ab-
hängige Teilaufgaben gegliedert, sind die Möglichkeiten der auftragsbezogenen
Kooperation eingeschränkt (siehe HACKER 2005 „Arbeit im Sukzessivverband“). Es
sind aber durchaus Formen der Zusammenarbeit möglich, die als Gruppenarbeit
bezeichnet werden können.
496 Arbeitswissenschaft

Direkte, auftragsbezogene Kooperation im engeren Sinne von Gruppenarbeit


liegt dann vor, wenn zwischen den Gruppenmitgliedern – zumindest zeitweise –
ein reziproker Aufgabenzusammenhang besteht (Kap. 4.3.4). Als Beispiel kann
die Produktentwicklung in einer Projektgruppe dienen: Der gemeinsame Entwick-
lungsauftrag ist in interdependente Teilaufgaben untergliedert, die gleichzeitig
(parallel) bearbeitet werden. Der zeitliche Arbeitsfortschritt und die Qualität der
Arbeitsergebnisse eines Gruppenmitglieds haben meist direkte Konsequenzen für
den Arbeitsvollzug der anderen. Aufgrund der Interdependenzen zwischen den
Baugruppen bzw. Subsystemen des zu entwickelnden Produkts sind fortlaufende
gegenseitige Abstimmungen erforderlich (siehe SUSMAN 1976; ALIOTH 1980;
GROTE 1997 sowie HACKER 2005 zur „Arbeit im Integrativverband“).
Die Bedingung des Vorliegens eines Arbeitsauftrages, der kooperativ von einer
Arbeitsgruppe bearbeitet werden kann, reicht allerdings nicht aus, um Gruppenar-
beit differenziert zu beschreiben. Aus arbeitswissenschaftlicher Sicht sind weitere
Anforderungen zu stellen, die insbesondere die Struktur der Gruppenaufgabe (z.B.
in Bezug auf die daraus resultierenden Qualifikationsanforderungen) und den
Grad der kollektiven Autonomie bzw. die Möglichkeiten zur Selbststeuerung der
Arbeitsgruppe betreffen (Kap. 5.4.2). Im Kontext industrieller Produktion werden
bspw. als konstituierende Merkmale von qualifizierter, teilautonomer Gruppenar-
beit (Kap. 5.5), eine gemeinsame Kernaufgabe, die Planungs-, Organisations- und
Kontrollaufgaben enthält, sowie eine weitgehende Selbststeuerung durch die Ar-
beitsgruppe gefordert (vgl. u.A. GOHDE u. KÖTTER 1990; SEITZ 1993; LUCZAK et
al. 1991).
In sozialpsychologisch geprägten Definitionen werden Anforderungen an die
Arbeitsgruppe formuliert. So wird von einer „echten” Arbeitsgruppe bspw. ver-
langt, dass ihre Mitglieder über einen längeren Zeitraum in direkter Interaktion
stehen, sich als zusammengehörig erleben („Wir-Gefühl“, Kohäsion) und von
ihrem Umfeld als Gruppe wahrgenommen werden (siehe hierzu ANTONI 2000;
MCGRATH 1984; VON ROSENSTIEL 1993; WEGGE 2004).
In der betrieblichen Praxis werden die Begriffe „Gruppenarbeit“ und „Teamar-
beit“ für unterschiedliche Formen kooperativer Arbeit verwendet, die nicht immer
die genannten Anforderungen erfüllen und mit deren Einführung unterschiedliche
Zielsetzungen verfolgt werden. Gruppenarbeit als Arbeitsorganisationskonzept
(Kap. 5.1.3) ist immer im Kontext der betrieblichen Bedingungen und Gegeben-
heiten zu bewerten, zu gestalten und zu entwickeln. Wie WEGGE (2004) darlegt, ist
eine „allseits anerkannte, einzig richtige Definition für das, was man Gruppenar-
beit nennen sollte“, nicht zu finden.
Es wird HACKER (1994) gefolgt, der im Sinne von Minimalanforderungen fol-
gende arbeitsanalytisch wesentliche Merkmale von Gruppenarbeit formuliert:
x Ein gemeinsamer, artteilig ausführbarer Auftrag für mehr als zwei Arbeits-
personen; dieser verlangt
x eine gemeinsame Handlungsorganisation zur Auftragserfüllung und damit
x gemeinsame Entscheidungen auf der Grundlage von zeitlichem und inhaltli-
chem Tätigkeitsspielraum für die Gruppe.
Gruppen- und Teamarbeit 497

Für die Abstimmung und die Handlungsorganisation sind des Weiteren


x Kommunikation und ein Mindestmaß gemeinsamer, geteilter Ziele und
Kenntnisse – u.A. über den Arbeitsauftrag, zweckmäßige Vorgehensweisen,
die Arbeitsobjekte, Arbeitsmittel und über das Arbeitsverhalten der Partner –
erforderlich, die sog. geteilten oder gemeinsamen tätigkeitsleitenden Reprä-
sentationen (shared mental models, siehe hierzu CANNON-BOWERS et al. 1993;
CANNON-BOWERS u. SALAS 2001; TSCHAN u. SEMMER 2001).
Mit Bezug auf die Ausführungen von ANTONI (2000), GUZZO u. DICKSON
(1996), NERDINGER et al. (2008), STUMPF u. THOMAS (2003) und SUNDSTROM et
al. (2000) werden die Begriffe „Gruppe“ und „Team“ im Weiteren synonym ver-
wendet. Eine definitorische Unterscheidung der Begriffe „Gruppenarbeit“ und
„Teamarbeit“ entfällt damit ebenfalls (vgl. STÜRZL 1992; KATZENBACH u. SMITH
1993).

5.1.2 Gruppenarbeit im Betriebsverfassungsgesetz


Im Jahre 2001 hat der Gesetzgeber das Betriebsverfassungsgesetz reformiert und
dabei u.A. den folgenden Grundsatz für die Behandlung der Betriebsangehörigen
in §75 ergänzt:
„Arbeitgeber und Betriebsrat haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der
im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Sie haben die
Selbständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen zu för-
dern.“ (§75 Abs. 2 BetrVG)
Laut Gesetzesbegründung sollen Arbeitgeber und Betriebsrat einen Beitrag zu
„mehr Demokratie im Betrieb“ leisten, und zwar vor allem durch eine Arbeitsge-
staltung, die Freiräume für Entscheidungen, Eigenverantwortung und Kreativität
der Arbeitnehmer und der Arbeitsgruppen schafft“ (BUNDESTAGS-
DRUCKSACHE 14/5741, 2001).
Eine Möglichkeit, diesem Grundsatz nachzukommen, wird in der Einrichtung
von teilautonomen Arbeitsgruppen gesehen. Mit dieser Gruppenarbeitsform sieht
der Gesetzgeber allerdings die Gefahr verbunden, „dass der Gruppendruck zu
einer ‚Selbstausbeutung’ der Gruppenmitglieder und zu einer Ausgrenzung leis-
tungsschwächerer Arbeitnehmer“ führt (ebd.). Um dieser Gefahr vorzubeugen,
wurde der Katalog der Mitbestimmungstatbestände in sozialen Angelegenheiten in
§87 Abs. 1 BetrVG wie folgt erweitert:
„Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht be-
steht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen: [...]
13. Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im
Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsab-
laufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im
Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt.“ (§87 Abs. 1 BetrVG)
Nach amtlicher Begründung besteht dieses Mitbestimmungsrecht ausschließ-
lich bei teilautonomer Gruppenarbeit, so dass mit dem 2. Halbsatz des §87 Abs. 1
498 Arbeitswissenschaft

Nr. 13 BetrVG erstmals eine Legaldefinition für teilautonome Gruppenarbeit zur


Verfügung steht (LINDE 2004). „Arbeitsgruppen, die nur parallel zur Arbeitsorga-
nisation bestehen, wie z.B. Projektgruppen oder Steuerungsgruppen“ werden da-
mit explizit nicht erfasst (BUNDESTAGS-DRUCKSACHE 14/5741, 2001; siehe Kap.
5.9.2).

5.1.3 Gruppenarbeit als Arbeitsorganisationsform


In der eingangs vorgenommenen Definition wird Gruppenarbeit als eine Form der
Arbeitsorganisation bezeichnet. Daraus ergibt sich, dass die Gestaltung von Grup-
penarbeit dem in Kapitel 4.1 für die Arbeitsorganisation und ihre Teilfunktionen
eingeführten Zielsystem unterliegt und folglich unter Beachtung ökonomischer
und humanorientierter Zielkriterien erfolgen muss.
Wie die Vergangenheit gezeigt hat, wurden an Gruppen- und Teamarbeitskon-
zepte in Produktionsbereichen oftmals überzogene Erwartungen gestellt: Sie soll-
ten gleichzeitig und möglichst kurzfristig die Kosten senken, die Produktivität
erhöhen, die Flexibilität steigern, die Qualität verbessern, Hierarchiestufen einspa-
ren, die Kundenzufriedenheit erhöhen, Fehlzeiten und Fluktuation senken, die
Arbeitsmotivation und die Arbeitszufriedenheit erhöhen, die Qualifikation fördern
und das Management entlasten (siehe BUCK 2009). Gruppenarbeit wurde insbeson-
dere in den 1990er Jahren häufig als Patentrezept für alle arbeits- und betriebsor-
ganisatorischen Problemstellungen und Krisensituationen (miss-)verstanden
(WIMMER 2002). Es gibt wohl kein Arbeitsorganisationskonzept, welches sich mit
Erfolg an allen genannten Zielkriterien messen lassen könnte. Wenngleich sich in
diversen Gruppenarbeitsprojekten sehr wohl positive Effekte in Bezug auf eine
Vielzahl der genannten Zielkriterien einstellten (siehe z.B. LUCZAK et al. 1991;
METZ 1997; JÖNS 2008a), muss festgehalten werden, dass der Entscheidung für die
Nutzung nachhaltiger Formen von Gruppenarbeit grundsätzlich eine Phase der
Analyse, Zieldefinition und Strategieentwicklung vorausgehen muss (Kap. 5.9).
Im konfigurativen Sinne ist mit Gruppenarbeit (als Arbeitsorganisationsform)
ein gewisser Anspruch auf eher langfristig angelegte, dauerhafte Strukturen und
generelle Regelungen verbunden. Es geht also nicht um die kurzfristig zu treffen-
de Entscheidung darüber, ob ein Auftrag einer einzelnen Arbeitsperson oder einer
Mehrzahl mehrerer Arbeitspersonen zu übertragen ist, sondern um den Aufbau
von Strukturen und Abläufen, die Gruppenarbeit nachhaltig ermöglichen und
unterstützen (Kap. 5.4.3 sowie Kap. 5.9). Dieser Anspruch betrifft nicht nur fest
installierte Arbeitsgruppen, sondern auch Unterstützungssysteme für „temporäre“
Projektgruppen, wenn diese regelmäßig zur Auftragsbearbeitung genutzt werden.
Die Gestaltung und Einführung nachhaltiger Gruppenarbeitsstrukturen tangiert
alle arbeitsorganisatorischen Fragestellungen und Gestaltungsfelder, von der Fest-
legung des Auftragsspektrums, der zu bearbeitenden Prozessschritte respektive der
gemeinsamen Aufgabe der Arbeitsgruppe über die Klärung von Fragen der Zu-
sammenarbeit und Führung, der Entscheidungsspielräume, der Ressourcennutzung
und der Qualifizierung bis hin zu technologischen Gestaltungsaufgaben, die sich
Gruppen- und Teamarbeit 499

aus einer veränderten Ablauforganisation oder im Hinblick auf notwendige Infor-


mations- und Kommunikationssysteme ergeben. Weitere Kernfragestellungen
betreffen die Regelung der Arbeitszeiten (siehe LUCZAK et al. 1996a; sowie
Kap. 6), die Vereinbarung von Leistungszielen und die Entgeltdifferenzierung
(siehe BULLINGER et al. 2000; EYER u. HAUSSMANN 2005; SCHRÖTER 2008).
Wenn auch im Weiteren nicht auf alle Teilaspekte eingegangen werden kann,
sei an dieser Stelle die Notwendigkeit eines entsprechend integrierten, die techno-
logischen, organisatorischen und personenbezogenen Gestaltungsaspekte ein-
schließenden Vorgehens – sowohl im Planungs- und Einführungsprozess als auch
bei der dauerhaften Unterstützung – betont.

5.2 Zur Verbreitung von Gruppenarbeit

Verschiedene Studien zur Verbreitung von Gruppenarbeit in einzelnen Branchen


und Funktionsbereichen lassen darauf schließen, dass insgesamt immer mehr
Unternehmen gruppenbasierte Arbeitsorganisationsformen einsetzen, in anderen
europäischen Ländern sogar häufiger als in Deutschland (ANTONI 1995, 2007;
ARMBRUSTER et al. 2005; KINKEL et al. 2007; LAY 1997; NEUHAUS 2008; WEGGE
2001).
Als weiterer Indikator können auch die Ergebnisse der vierten Europäischen
Befragung über die Arbeitsbedingungen dienen (Erhebungsjahr 2005, 29.766
Interviews mit Beschäftigten in 31 Ländern, davon ca. 80% abhängig Beschäftig-
te). In dieser Erhebung gaben immerhin 60% der Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer an, ihre Arbeitsaufgaben vollständig oder teilweise in Teamarbeit zu erle-
digen (PARENT-THIRION et al. 2008). Die Werte aus Deutschland und Österreich
liegen dabei nah am Durchschnittswert. In Norwegen, Finnland und den Nieder-
landen liegen die Werte sogar über 74%; die Schlusslichter bilden Spanien und
Italien mit unter 50%.
Ein kurzer Rückblick auf die jüngere Vergangenheit soll wesentliche Auslöser
für die zunehmende Verbreitung von Gruppenarbeit aufzeigen (siehe hierzu ausführ-
licher KRINGS U. LUCZAK 1997, zur weiter zurückgehenden historischen Entwicklung
von Gruppenarbeit siehe z.B. ANTONI 2000; FORSYTH u. BURNETTE 2005;
HORNDASCH 1998; MOLDASCHL 1997; SUNDSTROM et al. 2000).
Unter dem Einfluss der internationalen Diskussion über die skandinavischen
Humanisierungsprojekte – prominentestes Beispiel sind die schwedischen Expe-
rimente zur teilautonomen Gruppenarbeit bei Volvo und Saab (siehe EMERY u.
THORSRUD 1982; BERGGREN 1991) – wurde 1974 in Deutschland das Programm
zur „Humanisierung des Arbeitslebens“ gestartet. Während die in den folgenden
Jahren durchgeführten Humanisierungsprojekte jedoch nur einen geringfügigen
Beitrag zur nachhaltigen Verbreitung von Gruppenarbeit in deutschen Unterneh-
men leisten konnten, lösten programmatische, oft an erfolgreichen japanischen
Konzepten orientierte Managementstrategien, welche Teamarbeitsstrukturen als
integralen Bestandteil vorsehen, einen regelrechten „Boom“ aus. Dominante An-
500 Arbeitswissenschaft

sätze waren in den 1980er Jahren das Total Quality Management mit dem darin
enthaltenen Qualitätszirkelkonzept (siehe Kap. 5.8), in den 1990er Jahren das
Lean Management bzw. die Lean Production (schlanke Produktion, IMAI 1992, MIT-
Studie von WOMACK et al. 1990, 1992) mit den so genannten Lean-Gruppen oder
Fertigungsteams (siehe Kap. 5.5) sowie der Ansatz des Kontinuierlichen Verbes-
serungsprozesses (KVP bzw. Kaizen, siehe Kap. 4.3.4.2) mit den gleichnamigen
KVP-Gruppen (siehe Kap. 5.8.4).
Die in diesen und weiteren Organisationskonzepten (siehe z.B. WARNECKE
1992 zur „Fraktalen Fabrik“; WILDEMANN 1988 zur Segmentierung; PICOT et al. 1996
zur Modularisierung; GOLDMANN u.A. 1995 zum „Agilen Unternehmen“; HAMMER u.
CHAMPY 1995 zum Business Reengineering) postulierten Prinzipien, wie Objekt-
bzw. Prozessorientierung, „Verschlankung“ von Strukturen und Prozessen, De-
zentralisierung/Segmentierung, kontinuierliche Verbesserung, Kundenorientierung
usw., wurden (und werden z.T. auch heute noch) intensiv zur Optimierung von
Produktionssystemen, produktionsnahen Dienstleistungsbereichen und der Auf-
tragsabwicklung genutzt. Unter dem Stichwort „Neue Formen der Arbeitsorgani-
sation“ fanden insbesondere in den 1990er Jahren zahlreiche Forschungs- und
Industrieprojekte statt, die ökonomische und human- bzw. mitarbeiterorientierte
Zielkriterien gleichermaßen zu berücksichtigen suchten und zu unterschiedlichen
Realisierungsformen von Gruppenarbeit führten (siehe z.B. ANTONI 1997; KRINGS
u. LUCZAK 1997; LUCZAK u. RUHNAU 1993; LUCZAK u. RUHNAU 1994; METZ
1997; OTZIPKA 1998; RUHNAU 1997; SCHEER u. BULLINGER 1998; ZINK 1995).
Parallel dazu haben sich in der Produktentwicklung abteilungsübergreifende
Projektteams etabliert. So griff die Automobilindustrie in den 1980ern bspw. den
aus der Luftfahrtindustrie bekannten Concurrent Engineering (CE)-Ansatz (siehe
Kap. 4.5) auf und begann sog. CE-Teams (oder auch Simultaneous Engineering
Teams bzw. SE-Teams, siehe Kap. 5.6) in der Produkt- und Prozessentwicklung
einzusetzen. Kurze Innovationszyklen, hohe Produktkomplexität und die Notwen-
digkeit, auch über Standorte und Unternehmensgrenzen hinweg zu kooperieren,
können als Treiber für diese und ähnliche Konzepte genannt werden (siehe
PENNEL u. WINNER 1989 und EVERSHEIM u. SCHUH 2005 zu Concurrent Enginee-
ring; LUCZAK u. EVERSHEIM 1999 und LUCZAK et al. 2001 zu Telekooperation;
KILLICH u. LUCZAK 2003 zu Unternehmenskooperation).
Projektgruppen wurden außerhalb des Entwicklungsbereichs auch schon früher
genutzt, allerdings weniger unter dem Gesichtspunkt einer besseren Effizienz. So
standen vielmehr Aspekte der Beteiligung und Akzeptanz im Vordergrund, wenn
bspw. IT-Systeme eingeführt oder andere komplexe Reorganisationsvorhaben
umgesetzt werden sollten.
Im Hinblick auf die demografischen Entwicklungen in Deutschland
(Kap. 2.2.2.1) erlangen der Erhalt der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit bis
zum Rentenalter und damit auch Fragen der gesundheitsfördernden Gestaltung
von Arbeitssystemen und -bedingungen eine hohe Priorität. In Systemen zur Be-
trieblichen Gesundheitsförderung (Kap. 8.2) gehören gruppenorientierte Ansätze,
insbesondere Gesundheitszirkel, zu den klassischen Instrumenten. Im Zusammen-
Gruppen- und Teamarbeit 501

hang mit der Sicherung von Wissensbeständen werden generationenübergreifende


Lerngruppen oder vergleichbare Gruppenarbeitsformen – wenn auch bisher selten
– genutzt. Eine zunehmende Verbreitung derartiger Formen von Gruppenarbeit ist
zu vermuten.
Das steigende Interesse an der Einführung von Produktionssystemen nach japa-
nischem Vorbild lässt eine zunehmende Verbreitung der sog. Lean-Gruppen (Fer-
tigungsteams, siehe Kap. 5.5.3) erwarten.
Die genannten Konzepte und Prinzipien haben bis heute nicht an Relevanz für
die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen verloren. Die Herausforderungen
schnell wechselnder Umfeldbedingungen in globalisierten Käufermärkten erfor-
dern mehr denn je flexible, wandlungsfähige Arbeitsorganisationen, die schnell
auf Störungen und Schwankungen reagieren können. Diese Eigenschaften werden
in einem turbulenten Umfeld insbesondere kleinen, selbstregulierten Einheiten
zugeschrieben. Es bleibt abzuwarten, ob sich auch für teilautonome Arbeitsgrup-
pen (Kap. 5.5) weitere Verbreitungsmöglichkeiten bieten und ob dabei insbeson-
dere die Argumente, die aus humaner Sicht für Gruppenarbeit sprechen, wieder in
den Vordergrund rücken.

5.3 Formen von Gruppenarbeit

In Anlehnung an einen Differenzierungsansatz von ANTONI (1990, 1994, 2000,


2007) – jedoch unter Verwendung der in Kapitel 4.2.4 eingeführten Terminologie
– können Gruppenarbeitsformen nach der Art ihrer organisatorischen Verankerung
grob in zwei Kategorien eingeteilt werden (Abb. 5.1):
(1) Gruppenarbeitsformen, die in der Primärorganisation verankert sind und eine
dauerhafte Zusammenarbeit vorsehen sowie
(2) Gruppenarbeitsformen, die in einer Sekundärorganisation geführt werden
und lediglich eine temporäre Zusammenarbeit erfordern.
Typische Beispiele für die erste Kategorie sind (siehe ebd.; KRINGS u. LUCZAK
1997; METZ 1997; WAHREN 1994):
x Teilautonome Arbeitsgruppen (TAG) und sog. „Inseln“ (z.B. Montage-, Fer-
tigungs-, Planungs-, Vertriebsinsel), deren Mitglieder dauerhaft zusammen-
arbeiten, um ein komplettes Produkt bzw. Teilprodukt oder eine vollständige
Dienstleistung weitgehend eigenverantwortlich zu erstellen.
x Lean-Gruppen/-Teams oder Fertigungsteams, die dauerhaft im Fließverband
zusammenarbeiten und i.d.R. für einen bestimmten Prozessabschnitt verant-
wortlich sind. Im Vergleich zu teilautonomen Arbeitsgruppen verfügen die
stark durch Toyota geprägten Lean-Teams über geringere Handlungs- und
Entscheidungsspielräume und sind in eine strenge Hierarchie eingebunden.
Klassische Arbeitsgruppen, die funktions- und arbeitsteilig organisiert sind,
werden ebenfalls dieser Kategorie zugeordnet. Die Gruppenmitglieder sind
einem Vorgesetzten unterstellt und arbeiten nach seinen Anweisungen. Alle
502 Arbeitswissenschaft

planenden, steuernden und kontrollierenden Funktionen erfolgen in zentrali-


sierten Bereichen. Da die Gruppenmitglieder weitgehend unabhängige Ein-
zelaufgaben ausführen, erfüllen klassische Arbeitsgruppen die Minimalan-
forderungen an Gruppenarbeit nicht (ANTONI 2000).

Primärorganisation Sekundärorganisation

Teilautonome Lean-Gruppen/ Qualitätszirkel Gesundheitszirkel


Arbeitsgruppen Fertigungsteams

Inselkonzepte (Klassische KVP-Gruppen Lernkonzepte


Vertriebsinsel Arbeitsgruppen) Lerninsel
Planungsinsel Lernstatt
Fertigungsinsel
Montageinsel
Serviceinsel
Projektteams
Concurrent Engineering Teams Entwicklungsteams Klassische Projektgruppen

Management-/Entscheidungsteams

Abb. 5.1: Gruppenarbeitsformen und ihre organisatorische Verankerung

In Sekundärorganisationen werden typischerweise neue, komplexe Aufgaben


bearbeitet, die innerhalb der Primärorganisation nicht effizient, nicht effektiv oder
schnell genug erbracht werden können. Auch Aufgaben zur Pflege, Weiterent-
wicklung, Optimierung oder Regulation der Gesamtorganisation bzw. einzelner
Funktionsbereiche werden häufig in Sekundärorganisationen geführt, die die Pri-
märorganisation ergänzen. Beispiele für Gruppenarbeitsformen der zweiten Kate-
gorie sind:
x Qualitätszirkel und KVP-Gruppen (siehe Kontinuierlicher Verbesserungs-
prozess „KVP“ in Kap. 4.3.4.2), die sich mit der Lösung von qualitätsbezo-
genen Problemen bzw. mit der Suche nach technischen oder prozessbezoge-
nen Verbesserungspotenzialen befassen (siehe Kap. 5.8),
x Gesundheitszirkel, in denen sich die Mitglieder mit Fragen der Gesundheit
und der ergonomischen Arbeits(platz)gestaltung befassen (siehe betriebliche
Gesundheitsförderung in Kap. 8.2),
x Lerninseln, in denen bspw. Arbeitspersonen oder Auszubildende eines Be-
reichs als Lernende gemeinsam „reale“ (Teil-)Aufträge – unterstützt durch
einen sog. Lerninselbegleiter - bearbeiten (siehe DEHNBOSTEL 2007, dort
werden auch andere Lernformen, wie z.B. die Lernstatt, beschrieben) sowie insbe-
sondere
x Projektgruppen/-teams (siehe DIN 69901, siehe Kap. 4.2.5). Projektgruppen
werden temporär zur Bearbeitung eher komplexer Aufgabenstellungen gebil-
det und sind meist aus Experten verschiedener Arbeitsbereiche zusammenge-
Gruppen- und Teamarbeit 503

setzt. Die zeitliche Dauer der Zusammenarbeit ist durch die Erreichung vor-
gegebener Ziele oder Zeitspannen befristet.
Bei der Einordnung der Projektgruppen werden Unschärfen der vorgenomme-
nen Kategorisierung deutlich. Projektgruppen können sowohl in einer parallelen
Organisation geführt werden als auch – wie bspw. bei der reinen Projektorganisa-
tion (siehe Kap. 4.2.5) – als eigenständiger Projektbereich in die Primärorganisati-
on integriert sein (siehe auch ANTONI 1994, 1995).
Mit der Abkehr von hierarchie- und funktionsorientierten betrieblichen Organi-
sationsmodellen werden die Übergänge zwischen den Kategorien fließender. Zu
denken ist an Projektteams, die über eine Matrixorganisation in die Gesamtorgani-
sation eingegliedert sind. Als Beispiel können Concurrent Engineering-Teams
genannt werden, in denen Mitarbeiter aus unterschiedlichen Funktionsbereichen
über einen längeren Zeitraum weitgehend eigenverantwortlich die Entwicklung
eines bestimmten Produktes und die Gestaltung der zugehörigen Erstellungspro-
zesse übernehmen. Die Aufgabenstellung wird als Projekt definiert (Kap. 5.6).
In der wissenschaftlichen Literatur finden sich weitere Formen von Gruppenar-
beit, von denen angenommen wird, dass sie aufgrund einzelner, besonders charak-
teristischer Merkmale spezifische Analyseinstrumente und Gestaltungskonzepte
oder zumindest eine explizite Berücksichtigung dieser Merkmale erfordern:
x Managementteams, in denen die Mitglieder gemeinsam die Verantwortung
für die Leistung eines Geschäfts- oder Unternehmensbereiches (oder der Ge-
samtorganisation: sog. Top-Managementteams) tragen. Managementteams
entwickeln Strategien, treffen gemeinsam Entscheidungen, koordinieren und
lenken die Wertschöpfungsprozesse in den ihnen unterstellten Einheiten (sie-
he COHEN u. BAILEY 1997). Managementteams und andere Formen von Ent-
scheidungsteams (z.B. Lenkungsteams) können sowohl eine zeitlich befriste-
te als auch eine kontinuierliche Zusammenarbeit vorsehen (siehe
GEMÜNDEN u. HÖGL 2005).
x Als „virtuelle“ Teams (die schließlich ebenfalls real sind) werden nach
KONRADT u. HERTEL (2002) „flexible Arbeitsgruppen standortverteilter und
ortsunabhängiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bezeichnet, die auf der
Grundlage von gemeinsamen Zielen bzw. Arbeitsaufträgen ergebnisorientiert
geschaffen werden und informationstechnisch vernetzt sind“. Kooperation
und Kommunikation erfolgen unter Nutzung von analogen oder digitalen
Medien (siehe LUCZAK u. EVERSHEIM 1999; LUCZAK et al. 2001; SPRINGER
2001). Virtuelle Teams können als spezielle Form von Projektgruppen der 2.
Kategorie zugeordnet werden.
Zur „groben“ Ordnung von Gruppenarbeitsformen respektive Gruppentypen
liegen weitere ein- und mehrdimensionale Klassifizierungsansätze und Typologien
vor, die allerdings alle angesichts der Komplexität und Unschärfe des Betrach-
tungsgegenstandes gewisse Schwächen aufweisen (siehe z.B. ANTONI 1994;
FRIELING u. FREIBOTH 1997; GEMÜNDEN u. HÖGL 2005; KATZENBACH u.
SMITH 1993; MCGRATH 1984; MCGRATH et al. 1996; MOHRMAN et al. 1995;
504 Arbeitswissenschaft

SCHUMANN u. GERST 1997; STEINER 1972; STÜRZL 1992; SUNDSTROM et al.


1990 sowie Überblicke in WEGGE 2004 sowie NERDINGER et al. 2008, einen diesbzgl.
bestehenden Forschungsbedarf konstatieren auch NIELSEN et al., 2005). In der obigen
Zusammenstellung finden sich die in anderen Quellen identifizierten bzw. diffe-
renzierten Gruppentypen, z.T. mit anderer Namensgebung, wieder (z.B. ANTONI
2000; COHEN u. BAILEY 1997; GEMÜNDEN u. HÖGL 2005; SUNDSTROM et al.
1990; WEGGE 2004).
Ohne den Anspruch einer Typologisierung zu erheben, liefern LUCZAK u.
WIMMER (2000) einen Ansatz zur Differenzierung von kooperativen Arbeitsfor-
men. In Anlehnung daran können Gruppenarbeitsformen auf einer höheren Ab-
straktionsebene aus einer zweckbezogenen Sichtweise hinsichtlich der primären
Zielsetzung und des verfolgten Integrationsansatzes abgegrenzt werden sowie aus
einer funktionsbezogenen Sichtweise hinsichtlich der durch sie abgedeckten be-
trieblichen Funktionen und der Funktionen der Mitglieder. In Tabelle 5.1 sind
exemplarisch die Gruppenarbeitsformen charakterisiert, die an späterer Stelle
ausführlich behandelt werden. Die Auswahl deckt dabei sowohl mehrere Funkti-
onsbereiche von Unternehmen als auch verschiedene Arten der organisatorischen
Verankerung ab.
Tabelle 5.1: Exemplarische Beschreibung ausgewählter Gruppenarbeitsformen (in Anleh-
nung an LUCZAK u. WIMMER 2000)
Zweckbezug Funktionsbezug
Gruppen-
Zielpriorität Integrationsansatz Betriebliche Funktionen
arbeitsformen
(ökonomisch) Funktionen der Mitglieder
Teilautonome Produktivitätser- „Produkt als Einheit“; Produktion und Maschineneinrichtung,
Arbeitsgruppe höhung Integration produkti- produktionsnahe Maschinenführung,
(Produktion) ons-/prozessnaher Dienstleistungen Produktionsfeinplanung,
Funktionen Qualitätssicherung,
Instandhaltung
Lean-Gruppe Kontinuierlicher Prozessabschnitt; Produktion Maschinenführung,
Produktionsfluss begrenzte Integration Störungsidentifikation und
prozessnaher Funkti- ggf. -behebung
onen
Concurrent Verkürzung der Parallelisierung und Produkt- und Vertrieb, Einkauf, Entwick-
Engineering- Produkt- Integration der Prozessentwick- lung/Konstruktion, Ar-
Team entwicklungszeit Produkt- und Pro- lung beitsplanung, Produkti-
zessgestaltung onsplanung
Planungsinsel Verkürzung der Integration von Auftragsplanung Vertrieb, Einkauf, Arbeits-
Auftragsbearbei- Angebots- und und –steuerung planung, Auftragssteue-
tungszeit Auftragsplanung (indirekte Berei- rung, Logistik, Konstrukti-
che) on
Qualitätszirkel/ Verbesserung Bereichs- oder Produktion Produktionsmitarbeiter als
KVP-Gruppe der Produkt- und themenbezogene Experten, Führungskräfte,
Prozessqualität Integration von Moderatoren,
Experten ggf. Experten anderer
Funktionsbereiche
Gruppen- und Teamarbeit 505

5.4 Grundlagen der Arbeitsgestaltung für Gruppenarbeit

Die Arbeitsteilung gehört zum Gegenstandsbereich der organisatorischen Arbeits-


gestaltung. Die Zerlegung von Aufgaben bzw. Aktivitäten und ihre anschließende
Synthese werden in Kapitel 4 zur Arbeits- und Betriebsorganisation eher formalis-
tisch, im Sinne eines systematischen Vorgehens beschrieben – weitgehend losge-
löst von den späteren Aufgabenträgern. Eine Optimierung von Arbeitsprozessen
und –strukturen allein unter ökonomischen und technischen, insbesondere zeitli-
chen Aspekten hieße wesentliche Erkenntnisse der Arbeitswissenschaft, insbeson-
dere der Arbeits- und Organisationspsychologie auszublenden. In den folgenden
Abschnitten werden wesentliche Grundlagen der Arbeitsgestaltung dargelegt, die
für die Gestaltung von Gruppenarbeit Relevanz besitzen.
In Kapitel 1.5.3.1 wurden bereits drei zentrale Prinzipien der Arbeitsgestaltung
(ULICH 1978, 2005) genannt und erläutert:
(1) Das Prinzip der flexiblen Arbeitsgestaltung
(1) Das Prinzip der differentiellen Arbeitsgestaltung
(2) Das Prinzip der dynamischen Arbeitsgestaltung .
Die Anwendung der genannten Prinzipien führt keineswegs „automatisch“ zur
Einführung von Gruppenarbeit. Sie beziehen sich generell auf die Gestaltung von
Arbeit und müssen deshalb auch bei der Entwicklung von Gruppenarbeitskonzep-
ten Berücksichtigung finden. Festzustellen ist allerdings, dass mit der Einführung
von Gruppenarbeitsformen, welche den Arbeitsgruppen entsprechende Freiheits-
grade zugestehen, diese Prinzipien bzw. die zugrunde liegenden Anforderungen
sehr gut umgesetzt bzw. erfüllt werden können. Im Zusammenhang mit der zu-
nehmenden Forderung nach einer Standardisierung von Arbeitsprozessen bei sehr
kurzen Taktzeiten (z.B. in der Endmontage von Kraftfahrzeugen) gewinnen die
zugrunde liegenden empirischen Studien eine besondere Bedeutung (siehe auch
BUCH 2006).
Als ein weiteres Prinzip kann die partizipative Arbeitsgestaltung (DUELL 1983)
benannt werden. Sie sieht vor, dass die Arbeitspersonen an Planungs- und Ent-
scheidungsprozessen beteiligt werden. Wesentliche Ziele bestehen darin, das Ex-
pertenwissen der Beschäftigten (im Sinne der genauen Kenntnis der Arbeitssyste-
me etc.) einzubeziehen und zu besseren sowie „akzeptierteren“ Gestaltungslösun-
gen zu gelangen. Durch die Beteiligung erhalten die Arbeitspersonen darüber
hinaus die Möglichkeit, ihr Expertentum zu erkennen und sich in der Einbringung
zu trainieren (ebd.; ein Überblick zur aktuellen Partizipationsforschung im Zusammen-
hang mit der Führung von Arbeitsgruppen findet sich in WEGGE 2004).
Der Ansatz der partizipativen Arbeitsgestaltung wird im Zusammenhang mit
der Einführung von industrieller Gruppenarbeit als besonders wichtiger Erfolgs-
faktor betrachtet und hat in entsprechende Einführungsmodelle Eingang gefunden
(Kap. 5.9).
506 Arbeitswissenschaft

5.4.1 Klassische Konzepte der Arbeitsstrukturierung


In der arbeitswissenschaftlichen Literatur findet sich der Begriff der teilautono-
men Gruppenarbeit häufig unter den Maßnahmen und Konzepten der Arbeits-
strukturierung wieder (siehe HEEG 1988; LUCZAK 1993a; GRAP 1992; VOß et al.
2003). Nach GRAP (1992) umfasst die Arbeitsstrukturierung alle Maßnahmen zur
Veränderung der Arbeitsorganisation und ist dem funktionellen Organisationsbe-
griff zuzuordnen (siehe GRAP 1992 sowie Kap. 4.1.1). Nach diesem Begriffsver-
ständnis sind die Ziele und Gegenstandsbereiche der Arbeitsstrukturierung mit
denen der Arbeitsorganisation (siehe Kap. 4.1) identisch. Historisch bedingt ist der
Begriff der Arbeitsstrukturierung – im Vergleich zu den neutralen Begriffen der
Arbeitsorganisation oder der organisatorischen Arbeitsgestaltung – jedoch enger
mit der Überwindung tayloristischer, stark funktionsteiliger Arbeitsstrukturen
unter besonderer Betonung der Kriterien menschengerechter Arbeit verbunden
(siehe zur Humanisierung der Arbeit z.B. LATTMANN 1972; ROHMERT u. WEG 1976
sowie LUCZAK et al. 2006). Ein gewisser Fokus auf die korrigierende, also nach-
träglich „humanisierende“ Arbeitsgestaltung kommt in Definitionen, wie der fol-
genden, zum Ausdruck: „Gestaltung von Arbeitsstrukturen meint die Veränderung
technischer, organisatorischer und sozialer Arbeitsbedingungen, mit dem Ziel,
diese an die Leistungsvoraussetzungen der arbeitenden Menschen anzupassen,
sodass sie der Entwicklung der Persönlichkeit und der Gesundheit der arbeitenden
Menschen im Rahmen effizienter und produktiver Arbeitsprozesse dienen“
(DUNCKEL u. VOLPERT 1997 im Original enthaltene Kapitelverweise wurden weggelas-
sen; RÜHL 1976).
Zu den klassischen Arbeitsstrukturierungsmaßnahmen zählen Job Enlargement,
Job Enrichment und Job Rotation (siehe HERZBERG 1959, 1968; RÜHL 1976;
ROHMERT u. WEG 1976; ALIOTH 1980; HEEG 1988; GRAP 1992; LUCZAK u. RUH-
NAU 1994; WEINERT 1998; STAEHLE 1999; BECKER 2005; ULICH 2005;
NERDINGER et al. 2008). Ausgangspunkt dieser Konzepte sind Arbeitsaufgaben,
die aufgrund einer hochgradigen Arbeitsteilung sehr kleine und streng abgegrenzte
Arbeitsinhalte umfassen und den Beschäftigten kaum Freiheitsgrade bei der Auf-
gabenausführung bieten. Entsprechend eintönige und unvollständige Tätigkeiten
(siehe Kap. 5.4.2.1) führen zu einseitiger Belastung, Monotonie, geringer Motiva-
tion und Dequalifizierung. Bei dem Konzept des Job Enlargement (horizontale
Arbeitserweiterung) werden mehrere strukturell gleichartige, miteinander in Be-
ziehung stehende Arbeitsfunktionen oder Arbeitsaufgaben zu einer Gesamtaufga-
be zusammengefasst. Die Teilaufgaben liegen auf gleichem Qualifikationsniveau.
Durch eine solche „quantitative“ oder horizontale Arbeitserweiterung kann einsei-
tige physische Belastung vermieden werden (z.B. durch Wechsel zwischen sitzen-
der und stehender Tätigkeit). Wechselnde mentale Anforderungen reduzieren die
Gefahr des Auftretens von Ermüdung bzw. ermüdungsähnlichen Zuständen, wie
Monotonie (siehe auch DIN EN ISO 10075-1 zur „psychischen Arbeitsbelastung“). Da
die Beschäftigten innerhalb ihrer Tätigkeit meist nur zwischen wenig bedeutsamen
Gruppen- und Teamarbeit 507

Teiltätigkeiten mit geringen Anforderungen wechseln können, führt dieses Kon-


zept allerdings nicht zu einer nachhaltigen Motivationssteigerung.
Das Konzept des Job Enrichment (Arbeitsbereicherung oder vertikale Arbeits-
erweiterung) beinhaltet eine Erweiterung des Arbeitsinhalts durch die
Hinzunahme von strukturell verschiedenen Aufgaben, die höhere Anforderungen
an die Arbeitspersonen stellen. Dazu werden bspw. ausführende, planende, steu-
ernde und kontrollierende Aufgaben zu vollständigen, ganzheitlichen Aufgaben
integriert (Kap. 5.4.2.1). Die Arbeitspersonen erhalten auf diese Weise ein höheres
Ausmaß an Autonomie. Zusätzlich zu den positiven Wirkungen der rein horizon-
talen Arbeitserweiterung, die hier in größerem Ausmaß zu erwarten sind, gelten
als positive Effekte der „qualitativen“, vertikalen Arbeitserweiterung insbesondere
eine höhere Arbeitsmotivation und eine bessere Nutzung der Leistungspotenziale
der Beschäftigten, die in der Folge zu Produktivitätssteigerungen führen. Job
Enrichment bedeutet nicht nur eine Änderung der Ablauf-, sondern auch der Auf-
bauorganisation. Die Ausführung von Aufgaben mit signifikant höheren Anforde-
rungen setzt außerdem die Durchführung von Qualifizierungsmaßnahmen voraus.
Bei Job Rotation (systematischer Arbeitsplatzwechsel) bleiben die Arbeitsin-
halte des einzelnen Arbeitsplatzes unverändert. Die Arbeitserweiterung für die
einzelne Arbeitsperson resultiert aus dem systematisch herbeigeführten Wechsel
zwischen mehreren Arbeitsplätzen. Art und Ausmaß der zu erzielenden positiven
Effekte hängen wesentlich vom Anforderungsprofil der in die Rotation einge-
schlossenen Arbeitstätigkeiten oder Positionen ab (vertikaler oder horizontaler
Positionenwechsel; in älteren Konzeptbeschreibungen wird ausschließlich der
horizontale Wechsel zwischen anforderungsähnlichen Arbeitsplätzen betrachtet).
In einer neuen Studie in Montagebereichen der Automobilindustrie konnten
WEICHEL et al. (2010) positive Zusammenhänge zwischen der Anzahl der in die
Rotation integrierten Arbeitsplätze und der subjektiven Beurteilung der Arbeits-
leistung und der Gesundheit der Arbeitspersonen nachweisen. Ein häufigerer Ar-
beitsplatzwechsel korrelierte außerdem mit objektiv niedrigeren Fehlzeiten.
Den potenziellen Vorteilen von Job Rotation im Hinblick auf Anforderungs-
vielfalt, Belastungswechsel, Kompetenzentwicklung, Arbeitsmotivation und Per-
sonalflexibilität stehen gegebenfalls erhöhte Aufwände für die Koordination und
die Qualifizierung gegenüber. Bei vertikalem Posititionswechsel muss u.U. mit
Motivationsverlusten gerechnet werden, z.B. auf Seiten der Arbeitspersonen,
denen die anspruchs- oder verantwortungsvolleren Aufgaben zuvor dauerhaft
zugeordnet waren.
Die genannten Arbeitsstrukturierungsmaßnahmen sind auf die Erweiterung der
Aufgaben des Individuums gerichtet. Im Konzept der teilautonomen Gruppenar-
beit werden die Grundgedanken des Job Enlargement, des Job Enrichment und des
Job Rotation im Sinne einer kollektiven Aufgabenerweiterung aufgegriffen und
auf die Gruppensituation übertragen (ALIOTH 1980; ANTONI 1994; LUCZAK et al.
2006). Dabei werden unvollständige, anspruchslose Aufgaben zu vollständigen,
geistig anregenden, motivierenden Gruppenaufgaben zusammengefasst. Damit ist
das Konzept der teilautonomen Gruppenarbeit allerdings keinesfalls hinlänglich
508 Arbeitswissenschaft

beschrieben. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird hier auf Kap. 5.5 verwie-


sen. Dort wird das Konzept der teilautonomen Gruppenarbeit im Kontext industri-
eller Produktion behandelt. Ein Beispiel für teilautonome Gruppenarbeit in dienst-
leistenden Bereichen wird in Kap. 5.7 beschrieben.

5.4.2 Anforderungen an die Gestaltung


Die arbeitswissenschaftliche Analyse, Bewertung und Gestaltung von Gruppenar-
beit setzt die Formulierung und Operationalisierung von Kriterien im Sinne von
Anforderungen voraus. Aus arbeitswissenschaftlicher Sicht sind bei der Formulie-
rung von Anforderungen an Gruppen- und Teamarbeit sowohl ökonomische Krite-
rien als auch humane Kriterien zu berücksichtigen. Die durchaus unterschiedli-
chen Zielsetzungen einzelner gruppenbasierter Arbeitsorganisationskonzepte wer-
den in den späteren Abschnitten detailliert dargestellt.
Das Konstrukt der „Aufgabe“ wird in der Arbeitswissenschaft als Schnittstelle
zwischen den technischen und organisatorischen Anforderungen und den mensch-
lichen Fähigkeiten betrachtet (VOLPERT 1987). Die Gestaltung von Aufgaben
bestimmt maßgeblich den Arbeitsinhalt und den Arbeitsablauf. Insofern kommt
ihr „eine Schlüsselrolle für die Effektivität, die Belastung und die Persönlichkeits-
entwicklung zu“ (DUNCKEL u. VOLPERT 1997; siehe auch „Primat der Aufgabe“
ULICH 2005). Die Art und Weise, in der Aufgaben kombiniert werden, die Frei-
heitsgrade, die Mitarbeiter und Führungskräfte erhalten und das Vorhandensein
oder Fehlen von Arbeitsmitteln oder organisatorischen Unterstützungssystemen in
einem Unternehmen haben einen direkten Einfluss auf Arbeitsmotivation und –
leistung (LUCZAK et al. 2006; siehe Kap. 5.4.3).
Gestaltungskriterien leiten sich aus den Beurteilungsebenen menschlicher Ar-
beit ab (siehe Kap. 1.4). Angebotene Arbeitsaufgaben sollen so gestaltet sein, dass
sie ausführbar sind, schädigungslos und beeinträchtigungsfrei zu erledigen sind
sowie Möglichkeiten zur persönlichen Entwicklung und Entfaltung bieten. Ent-
sprechend gestaltete Aufgaben gelten als gesundheits- und lernfördernd – und
dadurch motivierend und effizient bzw. produktiv (HACKER 1994; LUCZAK u.
SCHMIDT 2009; siehe auch PATTERSON et al. 2004).

5.4.2.1 VollständigkeitĆ

Im Konzept der vollständigen Tätigkeit werden zentrale Merkmale benannt, die


die Gestaltung von Aufgaben nach den obigen Kriterien erlauben (HACKER 2005).
Danach kann eine Tätigkeit als sequentiell vollständig gelten, wenn sie folgende
Funktionen umfasst:
x Vorbereitungsfunktionen (das Aufstellen von Zielen, das Entwickeln von
Vorgehensweisen, das Auswählen zweckmäßiger Vorgehensalternativen),
x Ausführungsfunktionen,
x Organisationsfunktionen (das Abstimmen der Aufgaben mit anderen Ar-
beitspersonen) und
Gruppen- und Teamarbeit 509

x Kontrollfunktionen, durch die sich die Arbeitsperson Rückmeldung über die


Zielerreichung verschaffen kann.
Aufgaben sind hierarchisch vollständig, indem sie Anforderungen auf verschie-
denen, einander abwechselnden Ebenen der Tätigkeitsregulation stellen, also so-
wohl bewegungsregulatorische als auch intellektuelle Anforderungen (ebd.; siehe
Kap. 1.5.1.3).
Auch in internationalen Normen (DIN EN 29241-2; DIN EN 614-2) werden voll-
ständige (ganzheitliche) Arbeitsaufgaben gefordert (HACKER 2005). ULICH (1998)
spiegelt die Anforderungen an vollständige Aufgaben an den vorherrschenden
betrieblichen Bedingungen und kommt zu dem Schluss, dass das Erleben ganz-
heitlicher Arbeit häufig nur möglich ist, wenn wechselseitig voneinander abhängi-
ge Teilaufgaben zu vollständigen Gruppenaufgaben zusammengefasst werden
(siehe auch WILSON u. TRIST 1951 sowie RICE 1958).
Neuere Studien im Forschungsgebiet „Lernen im Prozess der Arbeit“ stützen
die Forderung nach Arbeitsaufgaben/-strukturen, die zur Entwicklung der Kompe-
tenz und der Persönlichkeit von Arbeitspersonen in Organisationen beitragen
(WARDANJAN et al. 2000; SONNTAG et al. 2005; SPIEß et al. 2007). BERGMANN et
al. (2004) untersuchten bspw. den Zusammenhang zwischen der Lernhaltigkeit der
Arbeitssituation und der Kompetenz Erwerbstätiger und kamen nach Auswertung
ihrer empirischen Studien in unterschiedlichen Branchen u.A. zu folgendem Er-
gebnis: Arbeitende, deren Arbeitsaufgaben vielfältiger sind, die mehr Entschei-
dungsspielräume enthalten und die sich durch transparente Informationsflüsse
auszeichnen, sodass die Einordnung der eigenen Arbeitsaufgabe in die Arbeits-
gruppe gut durchschaubar ist und Informationen gut interpretiert werden können,
zeigen höhere Ausprägungen bei verschiedenen Aspekten arbeitsorientierter
Lernmotivation und schätzen ihr Wissen und ihre Fähigkeiten höher ein als Arbei-
tende, deren Arbeitsaufgaben die genannten Merkmale nicht aufweisen (ebd.).
„Lernen in Tätigkeiten mit Lernpotenzialen kann nicht nur das Hinzulernen neuer
Kenntnisse, Fertigkeiten, Fähigkeiten oder Einstellungen ermöglichen, sondern
auch das Erhalten dieser Leistungsvoraussetzungen gegen ihren alterskorrelierten
Verlust“ (HACKER 2004).

5.4.2.2 TätigkeitsspielraumĆundĆAutonomieĆ

In den Minimalanforderungen von Gruppenarbeit (siehe Kap. 5.1.1) ist die Forde-
rung nach zeitlichen und inhaltlichen Tätigkeitsspielräumen enthalten. HACKER
(2005) definiert den Tätigkeitsspielraum bzw. die Freiheitsgrade als Möglichkeiten
zu unterschiedlichem auftragsbezogenen Handeln, welche wiederum zwingend
Möglichkeiten zu selbständigen Entscheidungen einschließen. Freiheitsgrade für
selbständige Zielsetzungen betreffen nur Entscheidungsmöglichkeiten mit sinnvol-
len für die eigene Tätigkeit bedeutsamen Vorgehensalternativen. Er unterscheidet
fünf Stufen zur Beurteilung der Freiheitsgrade (ebd.):
(1) Keine Freiheitsgrade für selbständige Zielstellungen oder Vorannahmen
510 Arbeitswissenschaft

(2) Freiheitsgrade für Mengenvornahmen je Zeiteinheit (Tempo), allgemeiner


für die zeitliche Selbstorganisation (zeitliche Freiheitsgrade)
(3) Freiheitsgrade zusätzlich für Festlegungen zur Abfolge von Teiltätigkeiten
(4) Freiheitsgrade zusätzlich für Festlegungen über Vorgehensweisen und/oder
einzusetzende Mittel
(5) Freiheitsgrade zusätzlich für Aufgaben-/Ergebniseigenschaften.
Der Tätigkeitsspielraum ist nach ULICH (1984, 1988, 2005) ein mehrdimensiona-
les Konstrukt, das sich aus dem Handlungs-, dem Gestaltungs- und dem Entschei-
dungsspielraum zusammensetzt. Den Handlungsspielraum definiert ULICH (2005)
mit Bezug auf HACKER (1978) als die Summe der Freiheitsgrade, d.h. der Mög-
lichkeiten zum unterschiedlichen aufgabenbezogenen Handeln in Bezug auf Ver-
fahrenswahl, Mitteleinsatz und zeitliche Organisation von Aufgabenbestandteilen
(Ausmaß an möglicher Flexibilität bei der Ausführung von Teiltätigkeiten). Der
Gestaltungsspielraum wird durch die Möglichkeit zur selbständigen Gestaltung
von Vorgehensweisen nach eigenen Zielsetzungen bestimmt (Ausmaß an Variabi-
lität von Teiltätigkeiten). Der Entscheidungsspielraum kennzeichnet das Ausmaß
an Entscheidungskompetenz (Autonomie) einer Person oder einer Gruppe von
Personen zur Festlegung bzw. Abgrenzung von Teiltätigkeiten (ULICH 2005). Zur
Beurteilung der kollektiven Autonomie (in Bezug auf den Umfang) definiert WE-
BER (1999) sieben gemeinsame Entscheidungsbereiche von teilautonomen Grup-
pen:
(1) Gruppenübergreifende Produktionsplanung
(2) Gruppeninterne Produktionsfeinplanung und –steuerung
(3) Arbeitsverteilung und Personaleinsatzplanungen
(4) gemeinsame Auftragsdurchführung
(5) Lösungsvorschläge für technische-organisatorische Probleme entwickeln
(6) Qualifizierungsplanung und Personalentwicklung
(7) Entscheidungen zur Selbstverwaltung (z.B. Wahl des Gruppensprechers).
Zur Beurteilung des Niveaus der gemeinsamen Entscheidungsprozesse wird das
für die Bewertung kollektiver Regulationserfordernisse angepasste 10-Stufen-
Modell von LEITNER et al. (1993) eingesetzt (VERA-KHR, siehe WEBER 1997).
Nach GROTE (1997) sind Autonomie (als das selbstbestimmte Setzen von Zie-
len und von Regeln für die Zielerreichung; vereinfachend als Freiheit von externer
Kontrolle) und Kontrolle (als die Beeinflussung von Situationen zur Erreichung
selbst- oder fremdbestimmter Ziele) zwei zentrale Zielkriterien menschengerech-
ter Arbeit. Als Voraussetzungen für die sinnvolle Nutzung von Kontrolle benennt
sie die Durchschaubarkeit und die Vorhersehbarkeit der Situation. Wenn Ziele
selbst gesetzt sind, ist autonome Kontrolle (Selbstregulation) gegeben. In ihrem
Rahmenkonzept zur individuellen und kollektiven Autonomie unterscheidet sie
zwei Autonomiestufen (Abb 5.2). Sie differenziert außerdem nach dem „Ur-
sprung“ der Autonomie: Autonomie kann entweder aus dem Arbeitsinhalt resultie-
ren oder durch die Beteiligung an Entscheidungen.
Gruppen- und Teamarbeit 511

Bereiche der
Autonomie erster Ordnung Autonomie höherer Ordnung
Autonomie

Arbeitsinhalt Kollektive vollständige Kollektive Entscheidungs-


Arbeitstätigkeit kompetenz hinsichtlich
N t
Nutzung und
d Ei
Einschränkung
hä k
der aus den Handlungsanfor-
derungen erwachsenden
individuellen/kollektiven
Regulationsmöglichkeiten

Arbeitsbedin- Kollektive Entscheidungs- Kollektive Entscheidungs-


gungen und kompetenz hinsichtlich kompetenz hinsichtlich
organisationale • auftragsbezogener Nutzung und Einschränkung
Einbindung Koordination der individuellen/kollektiven
Autonomie bei Koordination
• technisch-organisatorischer
und Rand-/Rahmenbedin-
Randbedingungen
gungen
• übergeordneter organisatio-
organisatio
naler Rahmenbedingungen

Abb 5.2: Rahmenkonzept für kollektive Autonomie (Auszug aus GROTE 1997)

5.4.2.3 MotivationspsychologischeĆKriterienĆ

Für die Gestaltung von Gruppenarbeit werden darüber hinaus motivationspsycho-


logisch begründete Kriterien herangezogen (zum Zusammenhang von Arbeitsge-
staltung und Motivation siehe ausführlich LUCZAK et al. 2006). Die sog. „Prozess-
theorien“ (z.B. VROOM 1964; LOCKE 1968; PORTER u. LAWLER 1968; siehe hierzu
Kap. 2.4 sowie WEINERT 1998) weisen stärker auf den Weg zur Einführung und
die Stabilisierung von Gruppenarbeit hin (siehe Kap. 5.4.3 und Kap. 5.9). Die sog.
„Inhalt/Ursache-Motivationstheorien“ (z.B. HERZBERG et al. 1959; MCGREGOR
1960; ALDERFER 1972) liefern primär Hinweise für die Arbeitsgestaltung. Die
Theorien benennen zentrale Bedürfnisse des Menschen, wie z.B. die Selbstver-
wirklichung (MASLOW 1943) und das Bedürfnis nach Autonomie (als wahrge-
nommene Selbstbestimmtheit des eigenen Handelns, DECI u. RYAN 1985; GAGNÉ
u. DECI 2005). Aus der Selbstbestimmungstheorie lassen sich Gestaltungsempfeh-
lungen ableiten, die über die Befriedigung der psychischen Grundbedürfnisse zu
einer höheren intrinsischen Motivation führen. So kann bspw. das soziale Umfeld
am Arbeitsplatz zu einer höheren Leistung und zu mehr Wohlbefinden beitragen,
indem es Autonomie und Kompetenzerleben der Mitarbeiter fördert (GAGNÉ u.
DECI 2005).
Eine Auswertung der klassischen Motivationstheorien nimmt SCHUMANN
(1995) im Zusammenhang mit der Entwicklung seines Systems zur modellbasier-
ten Gruppengestaltung vor und formuliert folgende Anforderungen an die Gestal-
tung von Gruppenarbeit:
x Anpassbare bzw. erweiterbare Arbeitsinhalte
512 Arbeitswissenschaft

x anpassbare bzw. erweiterbare Arbeitsumfänge


x Zielvereinbarungen, Beteiligung an Zieldefinitionen
x anspruchsvolle Ziele, Leistungsanforderungen
x Übernahme von Verantwortung
x Rückmeldung von Ergebnisleistungen
x Akzeptanz der Tätigkeit
x Akzeptanz der Leistungsbewertungsgrößen
x Beteiligung am Gestaltungsprozess.
WEGGE (2004) wertet die neuere Zielsetzungsforschung aus und findet insbe-
sondere für individuelle Leistungssituationen die Grundaussage der Zielsetzungs-
theorie von LOCKE u. LATHAM (2002) bestätigt: schwierige, spezifische Ziele
fördern die Leistung. Er formuliert folgende Anforderungen, die sich auf die Füh-
rung von Arbeitsgruppen beziehen (siehe Kap. 5.4.3):
x Anregung der Bildung schwieriger, spezifischer Gruppenziele (Ziele können
nicht gesetzt oder verordnet werden)
x günstige Bedingungen für Zielerreichung schaffen (z.B. hohe Zielbindung,
Verfügbarkeit von Leistungsrückmeldungen).
WEGGE (2004) betont allerdings, dass die Übertragung der Zielsetzungstheorie
auf Gruppen aus wissenschaftlicher Sicht noch nicht als abgeschlossen gelten
kann.

5.4.2.4 KerndimensionenĆderĆArbeitstätigkeitĆ
Wesentliche Hinweise auf Gestaltungsziele für Gruppenarbeit liefert das von
HACKMAN u. OLDHAM (1975, 1976) entwickelte Job Characteristics Model
(JCM), welches einen Zusammenhang zwischen Aspekten der Arbeitsaufgabe
(sog. Kerndimensionen) und personalen Auswirkungen, wie der Arbeitsmotivation
und der Arbeitszufriedenheit, herstellt (siehe Abb. 5.3).
Danach ergeben sich hohe Arbeitsmotivation, hohe Arbeitsleistung, hohe Ar-
beitszufriedenheit sowie geringe Fluktuation und Fehlzeiten durch die erlebte
Bedeutsamkeit der Arbeit, die übernommene Verantwortung und die Kenntnisse
über das Arbeitsergebnis (HACKMAN u. OLDHAM 1975). Für das Erleben von
Bedeutsamkeit ist es notwendig, dass der Arbeitsplatz Anforderungswechsel bie-
tet, eine Identifikation mit den Aufgaben erfolgen kann und die Aufgaben als
wichtig eingestuft werden. Verantwortung wird erlebbar, wenn die Arbeitsaufgabe
Autonomie ermöglicht. Kenntnisse über Qualität und Quantität des Arbeitsergeb-
nisses werden durch Rückmeldungen durch die Arbeit selbst vermittelt, bspw.
infolge von arbeitsplatzspezifischen, geschlossenen „Regelkreisen“.
Den durch die Kerndimensionen postulierten Anforderungen an eine motivati-
onsfördernde Aufgabengestaltung kann mit Gruppenarbeitskonzepten sehr gut
entsprochen werden (KLEINBECK 1997). Eine besondere Bedeutung kommt dabei
dem Bedürfnis nach persönlicher Entfaltung (Moderatorvariable) zu, da diese ein
Bindeglied zwischen Arbeitsplatzmerkmalen und deren Auswirkungen darstellt
Gruppen- und Teamarbeit 513

(siehe hierzu auch GRAP 1992). Voraussetzung für die positive Ergebnisausprägung
ist die Akzeptanz der Merkmale, was sowohl für einen beteiligungsorientierten
Ansatz zur Einführung als auch für die Nutzung von Zielvereinbarungen im Rah-
men von Gruppenarbeit spricht (SCHUMANN 1995). HACKMAN u. OLDHAM
(1980) haben das Modell später um Variablen erweitert (siehe ausführliche Darstel-
lung in KAMRAD 2005). Insbesondere wurden als Moderatorvariablen die Qualifi-
kation der Arbeitspersonen (Wissen und Fähigkeiten) sowie die sog.
„Kontextsatisfaktoren“ Arbeitsplatzsicherheit, Bezahlung, soziales Klima und
Vorgesetztenverhalten ergänzt.

Kerndimensionen / Kritische, psychologische Auswirkungen


Aufgabenmerkmale Erlebniszustände der Arbeit

Anforderungsvielfalt Hohe intrinsische


Erfahrene Sinnhaftigkeit
Aufgabenvollständigkeit Arbeitsmotivation
der Arbeit
Aufgabenbedeutsamkeit
Hohe Qualität
der Arbeitsleistung
Erfahrene Verantwortung
Autonomie Hohe Zufriedenheit
für Arbeitsergebnisse
mit der Arbeit

Kenntnis der Niedrige Abwesenheit


Rückmeldung und Fluktuation
Arbeitsergebnisse

Moderierende Variable
Bedürfnis nach persönlicher Entfaltung

Abb. 5.3: Job Characteristics Model nach HACKMAN u. OLDHAM (1976)

Es sei darauf hingewiesen, dass das Modell von Hackman nicht unumstritten
ist. Die Kritik bezieht sich u.A. auf die ursprüngliche Berechnungsformel für das
Motivationspotenzial einer Tätigkeit und auf die im Modell enthaltenen Mediato-
ren (siehe z.B. FRIED u. FERRIS 1987; SIMS et al. 1976). In Meta-Analysen konnte
zum Teil gezeigt werden, dass die Kerndimensionen nicht mediiert werden, son-
dern direkt auf die Ergebnisse wirken (siehe FRIED u. FERRIS 1987; ALGERA
1990). Hinsichtlich der moderierenden Wirkung der Variable „Bedürfnis nach
persönlicher Entfaltung“ ist die Befundlage inkonsistent (KAMRAD 2005).
MORGESON u. HUMPHREY (2008) haben jüngst ein Modell zur integrativen Ar-
beitsgestaltung („integrativ“ bedeutet für die Gestaltung von Tätigkeiten für Indi-
viduen und Gruppen) vorgelegt, in dem sich u.A. auch die Aufgabenmerkmale
von HACKMAN u. OLDHAM wiederfinden. In seinem normativen Modell zur
Gruppeneffektivität überträgt HACKMAN (1987) die Kerndimensionen ebenfalls
auf die Gruppensituation (siehe Kap. 5.4.2.4).
Aus der soziotechnischen Systemtheorie stammt der Begriff der Aufgabenori-
entierung („task orientation“, EMERY 1959; zum soziotechnischen Systemansatz, siehe
514 Arbeitswissenschaft

TRIST 1990; SYDOW 1985). Vereinfacht ausgedrückt sind damit die


motivationalen Kräfte zur Aufgabendurchführung gemeint. ULICH (2005) fasst die
Veröffentlichungen von EMERY u. EMERY (1974), CHERNS (1976) sowie EMERY
u. THORSRUD (1976, 1982) zusammen und benennt folgende Merkmale von Ar-
beitsaufgaben, die das Entstehen von Aufgabenorientierung begünstigen: Ganz-
heitlichkeit, Anforderungsvielfalt, Möglichkeiten der sozialen Interaktion, Auto-
nomie, Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten. Es ist offensichtlich, dass große
Übereinstimmungen mit den von Hackman und Oldham ermittelten Merkmalen
bestehen.
Zusammenfassend können für eine motivations- und gesundheitsfördernde, der
Persönlichkeitsentwicklung und -entfaltung dienende Gestaltung von Gruppenauf-
gaben die folgenden Kriterien (respektive Kriteriengruppen) identifiziert werden
(siehe auch GRAP 1992; SCHUMANN 1995; SEITZ 1993; ULICH 2005; ULICH, BET-
SCHART u. BAITSCH 1989):
x die Vollständigkeit der Gruppenaufgabe mit den Teilaspekten der sequentiel-
len und der hierarchischen Vollständigkeit (durch Integration von Aufgaben,
Funktionen, Prozessschritten)
x die Autonomie, Kontrolle und Verantwortung der Gruppe (durch zeitliche
und inhaltliche Freiheitsgrade bzw. Entscheidungsspielräume/-kompetenzen,
z.B. in Bezug auf Aufgabeninhalt, -verteilung, Qualität, Qualifizierung, Ar-
beitszeit, Ziele)
x die Möglichkeit zur Kommunikation und Kooperation innerhalb der Gruppe
(durch arbeitsteilig auszuführende Aufgabe, räumliche Nähe)
x die Vielfalt der Anforderungen, die durch die Gruppenaufgabe an sensori-
sche, kognitive und motorische Systeme der Arbeitspersonen in der Gruppe
gestellt werden (durch Job Enrichment, Job Rotation)
x die Möglichkeiten zum Erhalt und zur Erweiterung der Qualifikationen und
Kompetenzen der Gruppenmitglieder (durch individuelles und kooperatives
Lernen im Prozess der Arbeit).
Über die Aufgabengestaltung hinausgehende Anforderungen an die Gestaltung
von Gruppenarbeit, z.B. im Hinblick auf eine Rückmeldung, die nicht durch die
Aufgabe selbst, sondern bspw. durch Vorgesetzte oder Informationssysteme er-
folgt, werden in Kap. 5.4.3 im Zusammenhang mit der Diskussion sog. Teamef-
fektivitätsmodelle behandelt.

5.4.2.5 InstrumenteĆ zurĆ Analyse,Ć BewertungĆ undĆ GestaltungĆ vonĆ Grup-


penarbeitĆ
Mit dem Ziel Gruppenarbeitsformen zu analysieren, zu bewerten und zu verglei-
chen, wurden die oben genannten, als empirisch fundiert geltenden Konzepte,
sowohl isoliert als auch in Kombination von verschiedenen Forschergruppen auf-
gegriffen und – soweit erforderlich – hinsichtlich ihres Gültigkeitsbereiches (von
Einzelarbeit hin zu Gruppenarbeit) weiterentwickelt. Ergebnisse sind eher lose
Kriteriensammlungen (siehe z.B. SEITZ 1993; EULER u. EULER 1997; GROB 1997)
Gruppen- und Teamarbeit 515

sowie Kriteriensysteme, die in operationalisierter Form (Beschreibungsmerkmale,


Skalen etc.) in Arbeitsanalyseverfahren oder anderen Bewertungssystemen zur
Verfügung stehen. Zu nennen sind z.B. das Verfahren zur Analyse kollektiver
Handlungsregulation VERA-KHR (siehe WEBER 1997), das modellbasierte System
zur Gruppengestaltung von SCHUMANN (1995; siehe auch WIMMER u. LUCZAK
2000), das Verfahren zur komplementären Analyse und Gestaltung von Produkti-
onsaufgaben in soziotechnischen Systemen KOMPASS von GROTE et al. (1999)
und der Fragebogen zur Arbeit im Team (F-A-T) von KAUFFELD (2001). Es sei an
dieser Stelle an die bereits im Zuge der begrifflichen Abgrenzung (Kap. 5.4.2)
genannten Minimalanforderungen für Gruppenarbeit von HACKER (1994) erinnert.
In der zitierten Quelle beschreibt Hacker dezidiert die Einsatzmöglichkeiten von
Verfahren der TBS-Familie (TBS = Tätigkeitsbewertungssystem) zur prospekti-
ven Gestaltung von Gruppenarbeit (aktuelle Verfahrensvariante als Software-Tool:
ergoInstrument REBA 8.0, POHLANDT et al. 2008).
Für die personen- und/oder bedingungsbezogene Arbeitsanalyse in bestehenden
Arbeitssystemen, die Ableitung von (Um-)Gestaltungserfordernissen und die
spätere Evaluation von umgesetzten Gestaltungsmaßnahmen – somit auch der
Einführung von Gruppenarbeit (siehe Kap. 5.9) – stehen weitere Verfahren zur
Verfügung, wie z.B. der Job Diagnostic Survey von HACKMAN u. OLDHAM (in
der deutschen Übersetzung von SCHMIDT et al. 1985; siehe auch Kap. 5.4.2.4
sowie SCHMIDT u. KLEINBECK 1999; BRÜGGMANN et al. 1999), die unter der
Bezeichnung Job Characteristics Inventory (JCI) publizierte weiterentwickelte
Fassung von SIMS et al. (1976), der Job Descriptive Index (JDI) von SMITH et al.
(1969, Revision siehe BALZER et al. 1997), die Fragebögen zur (salutogenetischen)
subjektiven Arbeitsanalyse SAA bzw. SALSA von UDRIS u. ALIOTH (1980) bzw.
RIMANN u. UDRIS (1997) oder der von DAUMENLANG u. MÜSKENS (2004) entwi-
ckelte Fragebogen zur Erfassung des Organisationsklimas (FEO). Überblicksdar-
stellungen finden sich in LUCZAK (1997), DUNCKEL (1999) sowie im Internet auf
den Seiten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.
Spezifische Kriteriensysteme liegen z.B. für die Einführung von Gruppenar-
beitsformen in der Produktion (METZ 1997, siehe Kap. 5.9.1), für die Gestaltung
von qualitätsfördernden Planungsinseln in Servicebereichen (OTZIPKA 1998, siehe
Kap. 5.7) und für die Teameffektivitätsanalyse in funktionsübergreifenden Pro-
jektteams (KABEL 2001; LUCZAK et al. 2003) vor.
An einem Beispiel soll verdeutlicht werden, dass die Konkretisierung der Krite-
rien, ihre Operationalisierung durch skalierte Beschreibungsmerkmale, ihre Ge-
wichtung sowie insbesondere die Festlegung von zu erreichenden Standards nicht
unabhängig vom Einsatzkontext erfolgen kann.
Der hohe Strukturierungsgrad von Aufgaben in Produktionsbereichen macht es
relativ leicht, diese zu charakterisieren und die genannten Tätigkeitselemente zu
identifizieren. Die Ausführungselemente einer Montage- oder Fertigungsgruppen-
aufgabe können i.d.R. eindeutig von Vorbereitungs-, Organisations- oder Kon-
trollelementen differenziert werden. Weitaus schwieriger ist dies bei schwach
strukturierten Aufgaben, insbesondere bei solchen, deren Kernelemente bereits
516 Arbeitswissenschaft

planenden oder organisierenden Charakter besitzen, wie es z.B. in Concurrent


Engineering-Teams (siehe Kap. 5.6) der Fall ist. So schlägt bspw. KABEL (2001)
vor, die Aufgabenvollständigkeit in Concurrent Engineering-Teams u.A. danach
zu beurteilen, inwieweit alle Prozessschritte der Produkt- und Prozessgestaltung
ins Team integriert sind.
Mit Bezug auf die Beurteilungsebenen menschlicher Arbeit (Kap. 1.5.2.3) sei
betont, dass die Gestaltung von Gruppenarbeit unter Anlegung der Kriterien der
Sozialverträglichkeit und der Persönlichkeitsentfaltung die Erfüllung der Kriterien
der Ausführbarkeit, Schädigungslosigkeit und Beeinträchtigungsfreiheit impliziert
(Kap. 1.5.2.2). Angesichts der geforderten Freiheitsgrade bei der gruppeninternen
Verteilung von Aufgaben ist aus arbeitswissenschaftlicher Sicht eine regelmäßige,
systematische Analyse des realisierten Gruppenarbeitskonzepts auf kollektiver
und individueller Ebene notwendig.
Die Mehrzahl der bislang genannten Gestaltungskriterien findet sich in den
nachfolgenden Modellen zur Teameffektivität wieder.

5.4.3 Modelle der Teameffektivität und Implikationen für das Mana-


gement von Teams
Die Effektivität von Teams und Gruppen ist ein zentrales Thema in der Diskussion
um Gruppen- und Teamarbeit. Mit dem Ziel einer systematischen Einflussnahme
werden in der Gruppen- und Teamforschung kritische Einflussfaktoren identifi-
ziert und in Beziehung gesetzt. Nach ihrer Struktur können Teameffektivitätsmo-
delle in Kaskadenmodelle ohne Rückkopplung (zweistufige Input-Output-Modelle,
z.B. CAMPION et al. 1993; COHEN et al. 1996; ZIMOLONG u. WINDEL 1996. Dreistu-
fige Input-Prozess-Output-Modelle, z.B. MCGRATH 1964; HACKMAN 1987; PINTO et
al. 1993), Kaskadenmodelle mit Rückkopplung bzw. Regelkreismodelle, z.B.
SHEA u. GUZZO 1987, TANNENBAUM et al. 1992, Input-Mediator-Output-Input-
Modell von ILGEN et al. 2005 und Wirknetze, z.B. MCGRATH 1984, SCHOLL 2003
differenziert werden (vgl. LUCZAK u. WIMMER 2000; KABEL 2001).
Die Vielfältigkeit der Modelle spiegelt sich in der Vielfalt von Definitionen des
Begriffs Teameffektivität wider. Die Ergänzung von weiteren Ergebnisvariablen,
z.B. der Effizienz, mündete häufig nicht in einer Anpassung der Modellbezeich-
nung; stattdessen wurde der Begriff der Effektivität neu und weiter definiert. So
schließt bspw. die Teameffektivität nach SCHOLL (2003) neben dem Ausmaß der
Zielerreichung auch die Qualität der Zielsetzung sowie die Effizienz der Aufga-
bendurchführung mit ein (siehe auch „overall effectiveness“ von DENISON et al.
1996). SUNDSTROM et al. (1990) betrachten „Leistung“ (performance) und „Le-
bensfähigkeit“ (viability) als Komponenten der Teameffektivität.
In Anbetracht dessen, dass der Erfolg von Teamarbeit tatsächlich nicht nur an
Effektivitätskriterien festgemacht werden kann, sind in der einschlägigen Literatur
neuerdings auch schlichtere Bezeichnungen, wie z.B. „Teammodell“, zu finden.
Auf der Ergebnisseite werden häufig aufgabenbezogene Ergebnisse (z.B. Leis-
tung) und soziale Ergebnisse (z.B. Arbeitszufriedenheit, Fortbestand der Gruppe,
Gruppen- und Teamarbeit 517

Lernerfolg) unterschieden. So auch bei GEMÜNDEN u. HÖGL (2000), die die Leis-
tung von Teams durch die Dimensionen Effektivität (Grad der Zielerreichung) und
Effizienz (günstige Ausnutzung der eingesetzten Mittel) beschreiben.
Das Input-Prozess-Output-Modell (IPO-Modell) zur Analyse von Gruppenver-
halten und -leistung (group performance) von MCGRATH (1964) hat die Forschung
zur Gruppeneffektivität stark beeinflusst und liegt auch heute noch vielen Studien
zugrunde (NIELSEN et al. 2005). Die Grundannahme besteht darin, dass Inputfakto-
ren die in der Gruppe ablaufenden Interaktionsprozesse beeinflussen, welche dann
wiederum die Gruppenergebnisse (Outputs bzw. Outcomes) beeinflussen. Input-
faktoren werden auf drei Ebenen unterschieden (MCGRATH 1964):
(1) Individuelle Ebene, z.B. Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, Einstel-
lungen, Persönlichkeitsmerkmale der Gruppenmitglieder
(2) Gruppenebene, z.B. Zusammensetzung, Gruppengröße, Gruppenkohäsion
(3) Umgebungsebene, z.B. Charakteristik der Gruppenaufgabe, Belohnungssys-
teme, Belastung durch Umgebungseinflüsse („level of environmental
stress“).
Auf der Output-Seite werden leistungs- bzw. aufgabenbezogene Ergebnisse
(Qualität, Geschwindigkeit, Fehlerhäufigkeit) und andere Ergebnisse („other
outcomes“), wie z.B. Gruppenkohäsion, Arbeitszufriedenheit und Einstellungsän-
derungen differenziert.
Eine viel beachtete Weiterentwicklung des Modells lieferte HACKMAN (1983,
1987) mit seinem normativen Modell der Gruppeneffektivität, in welchem er die
Erkenntnisse der langjährigen Forschung zum „job design“ und zur Gruppenge-
staltung zusammenführt (siehe z.B. HACKMAN u. MORRIS 1975; HACKMAN u.
OLDHAM 1980), siehe Abb. 5.4.
In Hackmans Modell wird die Gruppeneffektivität aus der „Kunden“- (auch
Führungskräfte, Management), der Gruppen- und der Perspektive der einzelnen
Gruppenmitglieder beurteilt. Die Effektivität der Gruppe im Prozess der Aufga-
bendurchführung wird primär dadurch bestimmt, inwieweit sich die Gruppenmit-
glieder kollektiv anstrengen, welches Wissen und welche Fertigkeiten sie einbrin-
gen und wie angemessen die Strategien der Gruppe zur Aufgabenbearbeitung sind
(ANTONI 2007). Diese Variablen werden durch Faktoren des organisatonalen
Umfelds und der Gruppengestaltung (Inputfaktoren) beeinflusst. Die Gruppensy-
nergie moderiert diesen Zusammenhang. Dabei liegt nach HACKMAN (1987) posi-
tive Gruppensynergie vor, wenn die Synergiegewinne durch die Gruppeninterakti-
on größer sind als die Prozessverluste. Positive Gruppensynergie kann der Gruppe
bspw. helfen negative Umfeldbedingungen (z.B. Mängel in der Aufgabenstellung)
zu überwinden.
518

Input Prozess Output

Übersetzung)
Materielle Ressourcen
Verfügbarkeit, der für die
Aufgabenerledigung, notwendigen
Organisationaler Kontext materiellen Ressourcen

Ein Aufgabenkontext, der kompetente


Aufgabenbearbeitung unterstützt und
verstärkt, via:
Belohnungssysteme Prozesskriterien der Effektivität Gruppeneffektivität
Ausbildungssysteme
Ausmaß an Anstrengung zur Output ist akzeptabel für
Informationssysteme
Bewältigung der Gruppenaufgabe diejenigen, die ihn empfangen
„Menge“ an Wissen und Fähigkeiten, oder bewerten
Gruppendesign die angewandt wird Fähigkeit der Gruppen-
Ein Design, das kompetente Eignung/Angemessenheit der mitglieder zur zukünftigen
Aufgabenbearbeitung anregt und zur Aufgabenbearbeitung Zusammenarbeit konnte
unterstützt, via: angewandten Strategien erhalten oder gestärkt werden
Aufgabenstruktur Bedürfnisse der Gruppen-
Zusammensetzung der Gruppe mitglieder sind durch Gruppen-
Gruppennormen über Prozesse arbeit eher zufriedengestellt
der Leistungserbringung/ als enttäuscht
Aufgabenerledigung
Gruppensynergie
Unterstützung der Gruppen-
interaktion, um:
Prozessverluste zu reduzieren
synergetische Prozessgewinne
zu erzeugen

Abb. 5.4: Das normative Modell der Gruppeneffektivität von HACKMAN (1987, eigene
Arbeitswissenschaft
Gruppen- und Teamarbeit 519

Die Modellentwicklung stand unter der Prämisse, solche Faktoren zu identifi-


zieren, die „manipulierbar“ im Sinne von gestaltbar oder durch Interventionen
beeinflussbar sind (HACKMAN 1987). Hackman sieht drei wesentliche Ansatz-
punkte für die Förderung der Gruppeneffektivität durch das Management:
(1) die Gestaltung der Gruppe („Design“),
(2) die Schaffung eines günstigen organisatorischen Umfelds, in dem die Gruppe
agiert; einschließlich der Bereitstellung ausreichender und aufgabenange-
messener Ressourcen, wie Rohstoffe und Halbfertigprodukte, Arbeitsmittel,
Personalkapazitäten, finanzielle Mittel usw. („Context“) sowie
(3) die Unterstützung der Gruppenprozesse mit dem Ziel, Prozessverluste zu
vermeiden und Prozessgewinne zu ermöglichen („Synergy“).

Teamgestaltung
Als Gestaltungskriterien für die Aufgabenstruktur, als eine wesentliche Variable
des Gruppendesigns, führt Hackman (ebd.) erneut die Kerndimensionen des Job
Characteristics Models (Anforderungsvielfalt, Aufgabenvollständigkeit und
-bedeutsamkeit, Autonomie und Rückmeldung, siehe Kap. 5.4.2.4) an und über-
trägt diese damit auf den Gruppenkontext.
Sowohl bei Hackman als auch in anderen Quellen finden sich nur vage Emp-
fehlungen zur Gruppengröße („The group is just large enough to do the work“;
ebd.). Als Untergrenze werden meist drei Personen angegeben, als Obergrenze für
Produktionsgruppen bspw. 15 (siehe METZ 1997). Nach NERDINGER et al. (2008)
laufen Kommunikations- und Abstimmungsprozesse am besten in Gruppen mit
fünf bis sechs Mitgliedern ab. Es herrscht allerdings weitgehend Einigkeit darüber,
dass die „optimale“ Gruppengröße letztlich von der Art der Aufgabe abhängt.
Bezüglich der Auswirkungen von Homogenität bzw. Heterogenität eines Teams
liegen bislang inkonsistente Ergebnisse vor (ANTONI 2007). In einer Meta-
Analyse (93 Studien) fand STEWART (2006) keine nennenswerten Zusammenhän-
ge zwischen der Heterogenität und der Teamleistung (dies gilt ebenso für die
Gruppengröße). Er verweist jedoch auf weiteren Forschungsbedarf (siehe auch
WEGGE 2003). ROTH et al. (2006) konnten in einer neueren Studie Leistungsvortei-
le altersheterogener Teams bei komplexen Aufgaben in der öffentlichen Verwal-
tung nachweisen.
STEWART (2006) stellte in seiner Analyse insbesondere für folgende Variablen
des Teamdesigns einen positiven Zusammenhang zur Teamleistung fest:
x Personenmerkmale, dabei stärker für kognitive Fähigkeiten als für Expertise
(inkonsistente Ergebnisse für Persönlichkeitsmerkmale)
x Aufgabenmerkmale:
o Autonomie, dabei (überraschend) stärker für Teams die vorwiegend geis-
tige Arbeit (Wissensarbeit) leisten, als für Teams, die hauptsächlich
Muskelarbeit bzw. ausführende Tätigkeiten erbringen,
o teaminterne Koordination, dabei stärker für Wissensarbeit.
520 Arbeitswissenschaft

Die Ergebnisse zur Bedeutsamkeit als weiteres Aufgabenmerkmal waren hin-


gegen inkonsistent.

Organisationaler Kontext und Führung von Arbeitsgruppen


Zur Unterstützung erfolgreicher, selbstregulierter Gruppenarbeit fordert
HACKMAN (1990, zitiert in Anlehnung an ULICH 2005):
x Ein Belohnungssystem (im Sinne immaterieller und/oder materieller Be-bzw.
Entlohnung), das nicht in erster Linie die individuellen Leistungen, sondern
vor allem die Gruppenleistung zu identifizieren und zu honorieren erlaubt.
HACKMAN (1987) betont in diesem Zusammenhang die Bedeutung von her-
ausfordernden, transparenten Zielen als Leistungsanreiz.
x Ein Ausbildungssystem, das – auf Anforderung der Gruppe – jegliche Aus-
bildung und technische Beratung bereitstellt, die die Mitglieder zur Ergän-
zung ihres Wissens und Sachverstandes benötigen.
x Ein geeignetes Informationssystem, das die Gruppe mit allen Daten und Vo-
raussagen, die sie zum proaktiven Management ihrer Arbeit benötigt, ver-
sorgt. Mit der Variable „Informationssystem“ greift HACKMAN (1987) As-
pekte der Leistungsmessung und –rückmeldung (als Ergänzung zur aufga-
benimmanenten Rückmeldung) auf.
Auch in der aktuellen Forschung zur Führung von Arbeitsgruppen werden
Zielvereinbarungen in Kombination mit geeigneten Systemen zur Leistungsrück-
meldung als zentrale Stellgrößen für effektive Gruppenarbeit benannt (siehe
WEGGE u. SCHMIDT 2007, ausführlicher in WEGGE 2004). Die positiven Auswir-
kungen dieser Variablen auf die Produktivität wurden vor allem in Zusammen-
hang mit der Einführung des kennzahlen- bzw. indikatorenbasierten Partizipativen
Produktivitätsmanagements (PPM) nachgewiesen (siehe SCHMIDT 2004, BEYER et
al. 2007 bzw. Productivity Measurement and Enhancement System nach PRITCHARD et
al. 1993, wiederum basierend auf NAYLOR et al. 1980, Meta-Studie in PRITCHARD et
al. 2008). Dabei werden gemeinsam mit der Gruppe Kennzahlen definiert, die
widerspiegeln, wie gut die Gruppe ihre jeweiligen Aufgaben und Pflichten erfüllt.
Die Indikatoren können quantitative Größen (z.B. fehlerfrei gefertigte Teile oder
fehlerfrei durchgeführte Wartungsarbeiten) und qualitative Informationen, wie
z.B. standardisiert erhobene Kundenzufriedenheitsdaten, beinhalten. Mit Hilfe von
Bewertungs-/Nutzenfunktionen wird die Beziehung zwischen den Ausprägungen
eines Indikators und der Produktivität hergestellt. Die ermittelten Daten werden in
Form von Feedbackberichten aufbereitet.
BURKE et al. (2006) konnten mit Hilfe einer umfassenden Meta-Analyse (50
Studien, 6600 Teams) zur Führung von Arbeitsgruppen einen Zusammenhang
zwischen dem Führungsverhalten (sowohl aufgaben- als auch personenorientiertes
Verhalten) und den Gruppenergebnissen (Teameffektivität, Produktivität und
Gruppenlernen) nachweisen. Das Gruppenlernen kann nach dieser Studie vor
allem durch so genannte „Empowerment Behaviors“ positiv beeinflusst werden,
wie z.B. Coaching, Feedback, Monitoring und Partizipation der Gruppenmitglie-
Gruppen- und Teamarbeit 521

der. Auch STEWART (2006) fand in der bereits oben zitierten Meta-Studie einen
positiven Zusammenhang zur Teamleistung für die Variable Führungsverhalten,
dabei insbesondere für transformationale Führung und „empowering leadership“
(letzteres im Sinne von „to lead others to lead themselves“, das Team zur Selbst-
regulation/Eigenverantwortlichkeit befähigen bzw. dabei zu unterstützen).
Nach Auswertung eigener und fremder Studien benennt WEGGE (2004) eine
ganze Reihe von potenziellen Prozessgewinnen und -verlusten als Ansatzpunkte
für eine erfolgreiche, leistungsfördernde Führung von Arbeitsgruppen (unter
„Führung“ versteht Wegge dabei ein komplexes Managementsystem und nicht
ausschließlich eine einzelne gruppeninterne oder -externe Führungskraft). Pro-
zessgewinne können als potenzielle Leistungsvorteile von Gruppenarbeitsprozes-
sen gegenüber Einzelarbeitsprozessen (bei gleicher Anzahl von Personen) inter-
pretiert werden, Prozessverluste entsprechend als potenzielle Leistungsnachteile.
Nach WEGGE (2004) können Prozessgewinne insbesondere durch eine günstige
Arbeitsteilung in Gruppen, durch eine höhere Arbeitsmotivation oder in Form von
Synergieeffekten bei der Informationsverarbeitung entstehen. SCHULZ-HARDT et
al. (2007), HERTEL u. BRODBECK (2007) differenzieren in motivations-, fertigkeits-
und koordinationsbezogene Gruppenprozesse. Tabelle 5.2 fasst Beispiele aus
beiden Ansätzen zusammen.
SCHULZ-HARDT et al. (2007) formulieren drei Managementprinzipien zur För-
derung von Gruppenleistung:
(1) Gruppenzusammensetzung: Zusammensetzung der Gruppe in Abhängigkeit
der Aufgabenstruktur
(2) Gruppensynchronisierung: Maßnahmen, die die kollektive Generierung,
Veränderung und Integration der individuellen Beiträge der Gruppenmitglie-
der fördern, z.B. zeitnahes Feedback über die Leistung der anderen Grup-
penmitglieder im Vergleich zur eigenen Leistung
(3) Gruppenlernen: Gruppen sollten über einen längeren Zeitraum hinweg struk-
turähnliche Aufgaben bearbeiten, damit gruppenbezogenes Lernen stattfin-
den kann.
Sie betonen in ihrem Modell die Aufgabenstruktur als entscheidende Variable,
die den Einfluss der genannten Prinzipien (im Sinne von Stellgrößen) auf die
leistungsrelevanten Prozesse (individuelle Motivation in der Gruppe, individuelle
Fertigkeiten in der Gruppe, Koordination in der Gruppe) moderiert (siehe ebd.).
Sie stellen damit generelle Empfehlungen für die genannten Stellgrößen (bspw. im
Sinne einer „optimalen“ Zusammensetzung für jede Art von Gruppenaufgabe)
grundsätzlich in Frage.
Verschiedene Varianten von Teameffektivitätsmodellen wurden auch von der
Forschergruppe um Salas entwickelt (siehe SALAS et al. 1992), von denen eine in
Abb. 5.5 visualisiert ist. Darin werden konkrete Variablen benannt, wobei die
Entwickler explizit keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben (TANNENBAUM
et al. 1992). Charakteristisch an diesem Modell sind die starke Betonung des
Teamumfelds, die Berücksichtigung von nicht – zumindest nicht kurzfristig –
522 Arbeitswissenschaft

beeinflussbaren Merkmalen der Teammitglieder (indirekt beeinflussbar über


Gruppenzusammensetzung) und die Hervorhebung der dynamischen Aspekte von
Teamarbeit (insbesondere Feedbackschleife und Einfluss von Interventionen; siehe
auch LUCZAK u. WIMMER 2000, ESSENS et al. 2005).
Tabelle 5.2: Beispiele für mögliche Prozessgewinne und –verluste (in Anlehnung an
WEGGE 2004, ergänzt um einzelne Aspekte aus SCHULZ-HARDT et al. 2007)
Prozessgewinne durch Prozessverluste durch
ƒ günstige Arbeitsteilung ƒ ungünstige Arbeitsteilung (z.B. jung-alt)
Koordinationsprozesse

ƒ simultane Addition der Einzelkräfte ƒ unnötige Doppeltätigkeiten und Synchronisati-


ƒ Reduktion von Anforderungen, Teilbelastungen onsprobleme
Arbeitsteilung /

durch Artteilung bei komplexen Aufgaben ƒ zusätzliche Anforderungen (z.B. Kommuni-


ƒ Nutzung unterschiedlicher Expertisen durch kation) und Teilbelastungen (z.B. Lärm)
Rollenaufteilung ƒ Fehlereskalation aufgrund zu enger techni-
scher Kopplung
ƒ Produktionsblockaden (nur einer kann reden)
ƒ nicht zielführende Kombination von Einzelbei-
trägen
ƒ Synergieeffekte, z.B. durch gegenseitige ƒ Hohe Interaktionskomplexität in größeren
Fehlerkorrektur, Nutzung verteilten Wissens, Gruppen
fertigkeitsbezogene Prozesse

Beobachtungslernen ƒ Missverständnisse
Informationsverarbeitung /

ƒ höhere Informationsverarbeitungskapazität ƒ Gruppenpolarisation (Neigung von Gruppen zu


ƒ Fehlerausgleich durch Aggregation der Mei- extremeren Entscheidungen, höheres Risiko
nungen oder größere Vorsicht)
ƒ Bildung transaktiver Gedächtnisstrukturen, ƒ Gruppendenken
Aufbau von Gruppenwissen („Wer weiß/kann ƒ „cognitive loafing“
was?“) ƒ Häufung von Urteilsfehlern
ƒ sorgfältigerer Umgang mit Feedbackinforma- ƒ sehr konsistente Nutzung suboptimaler Stra-
tionen, Lernen durch Feedback tegien
ƒ kognitive Konflikte ƒ späte Kommunikation ungeteilten Wissens
ƒ kognitive Stimulation (Anregung von zielfüh- ƒ kognitive Resignation (Hemmung zielführender
renden Ressourcen und Verhaltensweisen Ressourcen oder Verhaltensweisen bzw.
bzw. Hemmung nicht zielführender) Anregung nicht zielführender)
ƒ Erfüllung von Bedürfnissen nach Anschluss ƒ Zielkonflikte in Gruppen
und Einfluss ƒ Machtmissbrauch
Motivationsbezogene Prozesse

ƒ „social labouring“-Effekt (gemeinsam mit der ƒ affektive Konflikte


Gruppe besser sein als andere) ƒ sozialer Müßiggang (z.B. unbewusste Leis-
ƒ „social compensation“-Effekt (sich für eine tungsreduzierung des Einzelnen in der Gruppe)
schlechte Gruppe aufopfern) ƒ Trittbrettfahren (bewusste Leistungsreduzie-
ƒ „mere presence“-Effekt (eine Motivationsförde- rung, weil eigener Beitrag als überflüssig be-
rung allein durch die Anwesenheit anderer) trachtet wird)
ƒ „Köhler“-Effekt (Ansteckungs- oder Aufschau- ƒ „sucker“-Effekt („nicht länger der Dumme sein
keleffekt durch individuelle Leistungsunter- wollen“)
schiede) ƒ soziale Angst (Motivationsverringerung bei
Anwesenheit anderer)
ƒ Soldatentum (bewusste Leistungs-reduktion als
Protest gegen externe ungerechtfertigte An-
sprüche an die Gruppe)
Organisations- und situationsbezogene Merkmale

Belohnungssysteme Management-Kontrolle Organisationsklima Beziehungen zwischen Gruppen


Ressourcenknappheit Belastungen/Stress Wettbewerb Ungewisse/unsichere Umgebung
Gruppen- und Teamarbeit

Input Prozess Output


„Throughput“

Aufgabenmerkmale Arbeitsstruktur Teamprozesse Teamveränderungen


Aufgabenorganisation Arbeitsteilung/ Koordination Neue Normen
Aufgabentyp Aufgabenzuordnung Kommunikation Neue Rollen
Aufgabenkomplexität Teamnormen Konfliktlösung Neue Kommunika-
Kommunikationsstruktur Entscheidungsfindung tionsmuster
Problemlösung Neue Prozesse
Abgrenzung

Individuelle Merkmale Gruppenmerkmale Teamleistung


Aufgabenbezogene/s Machtverteilung Qualität
Qualifikationen/Wissen Homogenität Quantität
Allgemeine Fähigkeiten Teamressourcen Zeit
Motivation Arbeitsklima im Team Fehler
Einstellungen Zusammenhalt Kosten
Persönlichkeit (Kohäsion)
Mentale Modelle Teaminterventionen Indiv. Veränderungen
Individuelles Training Aufgabenbezogene/s
Teamtraining Qualifikationen/Wissen
Teamentwicklung Einstellungen
(“Team-Building“) Motivationen
Mentale Modelle
Rückmeldung

Abb. 5.5: Teameffektivitätsmodell von TANNENBAUM et al. (1992, eigene Übersetzung)


523
524 Arbeitswissenschaft

Diese und ähnliche Modelle dienen als Bezugsrahmen für empirische Studien,
die sich meist auf einen reduzierten Variablensatz beziehen (Modellübersichten
und –auswertungen in Bezug auf bestimmte Einsatzkontexte finden sich u.A. in
NIELSEN et al. 2005; ESSENS et al. 2005; HÖGL u. GEMÜNDEN 2005; KABEL 2001).
Als ein empirisch überprüftes, spezifisches Modell soll das Modell von HÖGL
(1998) vorgestellt werden, welches die Determinanten und Wirkungen der Team-
arbeit in „innovativen Projekten“ beschreibt. In einer Studie von 145 Software-
entwicklungsteams (sog. „Innovationsteams“) wurden die Kausalannahmen pfad-
analytisch getestet, siehe Abb. 5.6.

Teamdesign Teamarbeit Ergebnisse

Teambesetzung
Soziale Kompetenz Leistung
Methodische Kompetenz
Effektivität
Präferenz für Teamarbeit Qualität der Teamarbeit
Effizienz
Homogenität, Wissens- Kommunikation
und Fähigkeitsstand Aufgabenkoordination
Ausgewogenheit der Beiträge
Teamführung Gegenseitige Unterstützung Potenzial für zu-
Zielqualität Arbeitsnormen (Engagement) künftige Teamarbeit
Teamziel-Commitment Kohäsion Arbeitszufriedenheit
Feedback Lernerfolg
Gleichberechtigung

Abb. 5.6: Teammodell für „innovative Projekte“ nach HÖGL u. GEMÜNDEN (2000)
eigene Darstellung

Wesentliche Ergebnisse dieser Studie sind nach HÖGL u. GEMÜNDEN (2000):


(1) Die Qualität der Teamarbeit kann anhand der im Modell vorgeschlagenen
Merkmale erfasst und empirisch durch einen Faktor dargestellt werden.
(2) Die Qualität der Teamarbeit übt einen wesentlichen Einfluss auf die Leistung
von Teams und das Potenzial der Teammitglieder für zukünftige Teamarbeit
aus.
(3) Die Qualität der Teamarbeit kann durch die Variablen der Teambesetzung
und der Teamführung wesentlich beeinflusst werden. Die im Modell genann-
ten Faktoren des Teamdesigns stellen somit von Managern beeinflussbare
Steuerungsgrößen dar.
HÖGL und GEMÜNDEN (ebd.) leiten u.A. folgende Handlungsempfehlungen für
die betriebliche Praxis ab: Bei der Teambesetzung sollte vor allem darauf geachtet
werden, dass die Teammitglieder über ausreichende soziale und methodische
Fähigkeiten verfügen und bereit sind, im Team zu arbeiten. Der Teamführung
empfehlen sie ein kollektiv verpflichtendes, transparentes, zeitlich überschaubares,
inhaltlich realistisches und über die Zeit konstantes (ggf. auf Meilenstein-Ziele
heruntergebrochenes) Ziel vorzugeben und regelmäßig zielbezogenes, konstrukti-
Gruppen- und Teamarbeit 525

ves Feedback zu geben. („kollektiv verpflichtend“ meint hier: keine Teilziele für
einzelne Teammitglieder). Als Führungsmodell schlagen sie ein Modell der team-
internen Gleichberechtigung vor, in dem der Projektleiter Entscheidungsmacht
teilt und die Teammitglieder sich aktiv an Entscheidungen beteiligen.
Von KABEL (2001) wurde speziell für Concurrent Engineering-Teams ein
Teammodell entwickelt, in einem Instrumenten-Set zur Teameffektivitätsanalyse
operationalisiert und in 10 Entwicklungsprojekten erprobt. In einer Fallstudie
wurden die erhobenen Daten zum Vergleich mit anderen Teams herangezogen und
gezielt für die Ableitung von Verbesserungspotenzialen und leistungssteigernden
Interventionen genutzt (siehe LUCZAK et al. 2003).

Diskussion der Teameffektivitätsmodelle


Die Leistung eines Teams ist das Ergebnis eines Wechselspiels verschiedener
Einflussgrößen, die bei der Einführung eines Teams nur z.T. direkt gestaltbar sind.
Teameffektivitätsmodelle, die zum Zwecke der Einflussnahme die Zusammen-
hänge zu erklären suchen, werden durchaus kritisch diskutiert. Die Kritik bezieht
sich bspw. auf das Fehlen einzelner Variablen und Relationen für spezifische
Kontexte, die unzureichende Erklärung des Zusammenwirkens verschiedener
Variablen, den Detaillierungsgrad (als Voraussetzung für die Ableitung spezifi-
scher Interventionsmaßnahmen) oder die mangelnde empirische Überprüfung
(siehe z.B. SCHOLL 2003; WEBER 1997). SCHOLL (2003) selbst nimmt eine Synthe-
se der Erkenntnisse zum Gruppenprozess in einem hypothesenbasierten Kausal-
modell vor, auf das hier lediglich verwiesen werden soll, weil es sich einer verein-
fachten Darstellung entzieht. Positive Wirkungen auf die gesamte Teamarbeit
lassen sich nach SCHOLL (ebd.) durch partizipativ vereinbarte Zielvereinbarungen,
eine professionelle Moderation sowie eine kontinuierliche Reflexion der erzielten
Ergebnisse und der Arbeitsprozesse erzielen.
Der Ansatz aus aufgabenspezifischen und produktionsstrukturellen Vorausset-
zungen Rückschlüsse auf die Effektivität der Team- und Gruppenarbeit zu ziehen,
blendet aus soziologischer Sicht wichtige soziale Voraussetzungen der organisato-
rischen Veränderungsprozesse, wie organisationskulturelle Gegebenheiten, mik-
ropolitische Handlungskonstellationen oder auch die eingelebten Arbeitsroutinen
unter den Beschäftigten, aus (DURST 2002 mit Bezug auf MINSSEN 1999). KABEL
(2001) fand im Rahmen seiner Analyse von mehr als 30 Teammodellen kein Mo-
dell, welches zentrale arbeitswissenschaftliche Bewertungskriterien angemessen
berücksichtigt: Aspekte der Persönlichkeitsentfaltung werden zwar oft über Moti-
vation und Qualifikation abgebildet, nicht jedoch über Anteile kreativer Arbeit;
Aspekte der Beeinträchtigungsfreiheit (z.B. das Auftreten von hoher mentaler
Beanspruchung) werden weitgehend ganz vernachlässigt.
Angesichts der neueren Forschungsbefunde greifen nach WEGGE u. SCHMIDT
(2007) allgemeingültige Modelle zur Teameffektivität zu kurz, weil sie bestimmte
Aspekte ausblenden, die nur in einigen Organisationskontexten oder für bestimmte
Gruppenarbeitsformen von Bedeutung sind (siehe auch LUCZAK et al. 2000). Sie
526 Arbeitswissenschaft

begrüßen deshalb, dass in den letzten Jahren die Formulierung und empirische
Prüfung von spezifischen Teammodellen für bestimmte Gruppenarbeitsformen
zugenommen hat.
Aus arbeitswissenschaftlicher Sicht besteht insbesondere auch Bedarf nach ei-
ner stärkeren Berücksichtigung von Faktoren, die die Belastungssituation respek-
tive die Beanspruchung von Teammitgliedern betreffen. So könnte als weitere
Ergebnisdimension bspw. der Erhalt bzw. die Förderung der Gesundheit beurteilt
werden.

5.5 Gruppenarbeit in der Produktion: Teilautonome Arbeitsgruppen


und Lean-Gruppen

Gruppen- und teambasierte Arbeitsorganisationsformen haben als Instrumente zur


Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und zur Schaffung
sozialverträglicher, menschengerechter Arbeitsbedingungen in der Produktion
eine große Bedeutung erlangt (ANTONI 1994; LUCZAK u. RUHNAU 1994;
SUNDSTROM et al. 2000). Einer aktuellen Erhebung zufolge nutzen heute nahezu
75% der deutschen Industrieunternehmen unterschiedliche Formen von Gruppen-
arbeit in der Produktion (Erhebung zur Modernisierung der Produktion 2006, 13.426
befragte Unternehmen, Rücklaufquote 12,4%, KINKEL et al. 2007).
Im Folgenden werden mit den teilautonomen Arbeitsgruppen und den sog.
Lean-Gruppen zwei Formen von Gruppenarbeit in der Produktion näher betrach-
tet, die einen gewissen Konzeptcharakter aufweisen. Lean-Gruppen sind auch
unter anderen Bezeichnungen bekannt, wie z.B. Fertigungsteams oder Lean-
Teams. Im Weiteren wird der Begriff der Lean-Gruppe verwendet.

5.5.1 Ziele der Einführung


Aus Unternehmenssicht besteht das primäre Ziel der Einführung von Gruppenar-
beit i.d.R. in der Erhöhung der Produktivität. Aus arbeitswissenschaftlicher Sicht
stehen neben der Erschließung wirtschaftlicher Verbesserungspotenziale die Ge-
staltung anspruchsvoller und entwicklungsfördernder Aufgaben- und Kooperati-
onsstrukturen im Vordergrund (siehe LUCZAK 1989).
In der einschlägigen Literatur sowie in Betriebsvereinbarungen zu Gruppenarbeit
werden weitere und spezifischere Zielsetzungen genannt, die sich grob in eher
ökonomische und eher mitarbeiterorientierte Ziele unterscheiden lassen, siehe
Tabelle 5.3 (siehe hierzu auch SCHUMANN 1995; ROHMERT u. WEG 1976; KÜHL u.
KULLMANN 2002; WEGGE 2004). Unterschiedliche Zielpriorisierungen führen zu
verschiedenen Ausprägungen von Gruppenarbeit (WEGGE 2004, siehe Kap. 5.9).
Gruppen- und Teamarbeit 527

Tabelle 5.3: Zusammenstellung ökonomischer und mitarbeiterorientierter Ziele bei der


Einführung von Gruppenarbeit in der Produktion

Ökonomische Ziele Mitarbeiterorientierte Ziele


x Produktivitätserhöhung x Verbesserung der Arbeitsbedingungen
x Verbesserung der Auslastung x Abbau einseitiger Belastung
x Qualitätsverbesserung x Erhöhung der Identifikation mit der Arbeit
x Flexibilitätssteigerung x Verbesserung der Kommunikation und Zusam-
x Erhöhung der Lieferbereitschaft menarbeit
x Senkung von Fehlzeiten und Fluktuation x Erhöhung der Arbeitszufriedenheit
x Ausschöpfung von Mitarbeiterpotenzialen x Erhöhung der Arbeitsmotivation
x Förderung von „Mitdenken“ und Eigenver- x Qualifikationserhalt/-entwicklung
antwortung x Vergrößerung der Handlungs- und Entschei-
x Reduzierung von Beständen dungsspielräume
x Reduzierung von Durchlaufzeiten x Persönlichkeitsentfaltung/-entwicklung
x Reduzierung der Störanfälligkeit x Sicherung der Arbeitsplätze
x Reduzierung des Planungs- und Dispositi- x Förderung von Arbeitssicherheit
onsaufwands

5.5.2 Merkmale teilautonomer Arbeitsgruppen


Unter teilautonomen Arbeitsgruppen werden Gruppen der regulären Arbeitsorga-
nisation von etwa drei bis 15 Mitgliedern verstanden, die dauerhaft zusammenar-
beiten, um ein komplettes (Teil-) Produkt oder eine vollständige Leistung weitge-
hend eigenverantwortlich zu erstellen (vgl. ALIOTH 1980; LATTMANN 1972). Dazu
müssen einerseits operative Tätigkeiten so zusammengefasst werden, dass eine
ganzheitliche Leistung oder ein (Teil-)Produkt möglichst vollständig von der
Gruppe bearbeitet werden kann und andererseits Funktionen der Planung, Steue-
rung, Organisation und Kontrolle in den Tätigkeitsbereich der Gruppe integriert
werden (LUCZAK et al. 1991, METZ 1997).
Ein Kennzeichen teilautonomer Gruppen ist, dass sie sich in definierten Gren-
zen selbst regulieren können. Sie führen die Planung und Steuerung der übertrage-
nen Aufgaben, wie die Arbeitsverteilung, die Materialdisposition und die Auf-
tragsabfolge, eigenverantwortlich und gemeinsam durch (ROHMERT u. WEG
1976). Aus diesem Grunde werden teilautonome Gruppen auch häufig als selbstre-
gulierende Gruppen bezeichnet (ANTONI 1994, vgl. Bedingungen für Selbstregulation
von GROTE 1997).
Innerhalb der Gruppen wird eine hohe Einsatzflexibilität angestrebt. Das heißt,
das einzelne Gruppenmitglied soll zwischen verschiedenen Arbeitsplätzen wech-
seln und unterschiedliche Aufgaben übernehmen können (ANTONI 2000, siehe
Kap. 5.4.1).
Zur gemeinsamen Organisation werden regelmäßige Gruppensitzungen durch-
geführt, in deren Rahmen bspw. auch „Qualitätsarbeit“ stattfindet (Erarbeitung
und Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen zur Weiterentwick-
528 Arbeitswissenschaft

lung/Optimierung des Arbeitssystems, der Arbeitsprozesse, der Arbeitsergebnis-


se). Die interne Koordination sowie die Abstimmung mit Vorgesetzten wird häu-
fig einem Gruppensprecher übertragen, der i.d.R. gewählt ist, teilweise aber auch
vom Management bestimmt wird.
Bezogen auf das Ausmaß an kollektiver Autonomie und Selbstregulation beste-
hen Gestaltungsspielräume. So können der Gruppe zusätzlich zur internen Koor-
dination der Arbeitsprozesse bspw. Entscheidungskompetenzen hinsichtlich der
Koordination mit anderen Arbeitsgruppen oder Teilsystemen (sog. Grenzregulati-
on), der Wahl der Produktionsmethode, der Gestaltung der Arbeitszeit usw. über-
tragen werden. Von qualifizierter, teilautonomer Gruppenarbeit wird eine entspre-
chend weitreichende Selbststeuerung gefordert. Als weiteres konstituierendes
Merkmal wird das Vorliegen einer gemeinsamen Kernaufgabe, die Planungs-,
Organisations- und Kontrollaufgaben enthält, benannt (vgl. u.A. GOHDE u. KÖT-
TER 1990; SEITZ 1993; LUCZAK et al. 1991). Dieses Merkmal gilt für teilautonome
Gruppen generell. Nach SEITZ (1992) ist qualifizierte Gruppenarbeit „gekenn-
zeichnet durch eine (nahezu) vollständige Integration aller Aufgaben und der
zuvor hierarchisch über die Werkstattebene angesiedelten indirekten Funktionen
in einer Arbeitsgruppe. Innerhalb dieser Gruppe können Aufgaben selbstgesteuert
im Rotationsprinzip gewechselt werden, ... , sodass eine weitgehend homogene
Qualifikationsstruktur mit überdurchschnittlich hohem Anforderungsniveau und
eine somit als „qualifiziert“ zu charakterisierende Arbeitsstruktur entsteht.“ Qua-
lifizierte, teilautonome Gruppenarbeit kann als Maximalausprägung des Konzepts
der teilautonomen Arbeitsgruppe betrachtet werden (METZ 1997) und bedeutet
auch den Verzicht auf einen festen Vorgesetzten (ZIMOLONG u. SAURWEIN
1995).
Sowohl aus ökonomischen Gründen (Qualifizierungsaufwand bei sehr an-
spruchsvollen Aufgaben) als auch im Hinblick auf die Integration von leistungs-
schwächeren/-gewandelten Arbeitspersonen muss die Forderung nach einer mög-
lichst hohen Qualifikationshomogenität relativiert werden. Bei der Auswahl von
Funktionen, die in das Rotationsverfahren für alle Mitarbeiter aufgenommen wer-
den, müssen unterschiedliche Leistungsprofile und Entwicklungspotenziale be-
rücksichtigt werden (ZIMOLONG u. SAURWEIN 1995, siehe hierzu aber auch
WEICHEL et al. 2010 sowie Kap. 5.4.1).
Das Konzept der teilautonomen Gruppe ist eng mit dem soziotechnischen Sys-
temansatz verbunden (siehe EMERY 1959; EMERY u. THORSRUD 1982; TRIST
1990; SYDOW 1985). Nach diesem Ansatz werden Arbeitssysteme als soziotechni-
sche Systeme betrachtet, in denen soziale und technische Teilsysteme wechselwir-
kend miteinander verknüpft sind. Arbeitssysteme sind des Weiteren als offene
Systeme konzipiert und unterliegen aufgrund interner und umweltbedingter Ver-
änderungen Systemschwankungen.
Schwankungen und Störungen in Produktionssystemen können durch teilauto-
nome Arbeitsgruppen mitarbeiterorientiert und effizient reguliert werden (WEBER
1999). Die Arbeitsgruppen können nur dann flexibel und effizient arbeiten, wenn
das soziale und das technische Teilsystem gemeinsam optimiert werden. Die Ein-
Gruppen- und Teamarbeit 529

führung teilautonomer Gruppen erfordert daher nicht nur die Einrichtung selbstre-
gulierender, relativ unabhängiger Arbeitsgruppen, sondern eine gleichzeitige An-
passung des technischen Systems (vgl. ROHMERT u. WEG 1976; ANTONI 1994;
ULICH, CONRAD-BETSCHART u. BAITSCH 1989).
Ziel ist die Erlangung von technischer und arbeitsorganisatorischer Teilauto-
nomie. Dabei können teilautonome Gruppen mit unterschiedlichen Konfiguratio-
nen der Produktionstechnik realisiert werden, wobei aber die Abkehr von einer
taktgebundenen Fließ(band)fertigung als konstituierendes Merkmal von teilauto-
nomen Gruppen zu sehen ist. Typische technisch-organisatorische Gestaltungsva-
rianten der teilautonomen Gruppenarbeit sind Fertigungs- und Produktinseln (sie-
he Kap. 4.4.1.4). Als Beispiel für eine Montageinsel kann die Produktion des Audi
R8 in Neckarsulm genannt werden (siehe AUDI GESCHÄFTSBERICHT 2006).
Zur Illustration teilautonomer Arbeitsgruppen soll das nachfolgende Beispiel
dienen (KRINGS u. LUCZAK 1997). Das Projekt wurde in einem Unternehmen der
Vakuumtechnik durchgeführt. Vorrangige Ziele des Unternehmens waren die
Verringerung der Durchlaufzeit und die Erhöhung der Produktqualität. Diese Ziele
wurden durch Veränderungen in den folgenden Bereichen erreicht:
Das Prinzip der Werkstättenfertigung wurde abgelöst durch die Einrichtung von
Fertigungs- und Montageinseln. Das bedeutete u.A. umfassende Veränderungen
der Betriebsmittelanordnung, der Materialflussgestaltung etc. Die bisherige starre
Arbeitsteilung wurde aufgehoben. In die Inseln wurden Prüf-, Qualitäts-
sicherungs-, Materialtransport- sowie Reparatur- und Instandhaltungsaufgaben
integriert. Den Arbeitsgruppen in den Inseln wurden außerdem planende und steu-
ernde Aufgaben übertragen. Die Gruppenmitglieder erhielten auf diese Weise
attraktivere, abwechslungsreichere und anspruchsvollere Tätigkeiten mit erweiter-
ten Handlungs- und Entscheidungsspielräumen. Die Aufgabenintegration ging mit
einer Verflachung der betrieblichen Hierarchien einher. Umfangreiche Qualifizie-
rungsmaßnahmen trugen zur Förderung der fachlichen, methodischen und sozialen
Kompetenz der Mitarbeiter bei. Wesentliches Merkmal des Konzepts war die
immanente Qualifizierung durch Beteiligung an der Projektarbeit (Kap. 5.9.1).
Hier wurde mit motivations- und aktivitätsfördernden Methoden gearbeitet, die
eine permanente Beteiligung der Mitarbeiter und Führungskräfte an betrieblichen
Fragestellungen auch nach Beendigung des Projekts zum Ziel hatten. Als augen-
fälligstes Resultat konnte die ursprüngliche Gesamtdurchlaufzeit von 12 Wochen
auf 14 Tage reduziert werden. Bei der Evaluation konnten positive Effekte in
Bezug auf die Arbeitszufriedenheit und die intrinsische Arbeitsmotivation nach-
gewiesen werden.

5.5.3 Merkmale von Lean-Gruppen


Lean-Gruppen unterliegen den Zielsetzungen japanisch geprägter Produktionssys-
teme, die vor allem auf kurze Durchlaufzeiten, geringe Bestände und eine hohe
Produktqualität ausgerichtet sind. Als weitere Ziele werden eine hohe Einsatzfle-
xibilität der Teammitglieder und das Erreichen einer hohen Arbeitsmoral genannt
530 Arbeitswissenschaft

(siehe LIKER 2004). Es sei hier auf Kapitel 4.4.2 verwiesen, in dem die Prinzipien
des Toyota Produktionssystem vorgestellt werden.
Auch Lean-Gruppen sind auf eine dauerhafte Zusammenarbeit angelegt und als
Organisationseinheit in die reguläre Arbeitsorganisation eingebunden. Wesentli-
ches Kennzeichen ist allerdings – im Vergleich zur teilautonomen Gruppe – die
Beibehaltung des Fließprinzips, oft verbunden mit geringen Taktzeiten, die sich an
einem Schrittmacherprozess orientieren. Lean-Gruppen beschreiben damit eine
Form der Gruppenarbeit im Sukzessivverband (siehe Kap. 5.1.1). Die Möglichkei-
ten zur auftragsbedingten Kooperation sind eingeschränkt.
Lean-Gruppen verfügen darüber hinaus über geringere Entscheidungsspielräu-
me (siehe KRINGS u. LUCZAK 1997; METZ 1997; ANTONI 2007). Sie sind verant-
wortlich für einen bestimmten Prozessabschnitt. Die Integration indirekter Funkti-
onen beschränkt sich auf produktionsnahe Tätigkeiten (z.B. Qualitätssicherung
und Störungsbehebung), ohne dispositive oder Vorgesetztenfunktionen einzube-
ziehen. Abb. 5.7 zeigt beispielhaft die Aufgabenprofile einer teilautonomen Ar-
beitsgruppe und einer Lean-Gruppe in indirekten Produktionsbereichen.

Führung Fertigungs-
„ Zielvereinbarung
steuerung
Personal- „ Feedback
Arbeits-
Arbeits
„ Programm-
P
management planung vorbereitung
„ Koordination
„ Personalein- „ Ablaufplanung
stellungen „ Arbeitseinteilung
„ Urlaubsplanung
„ Feinplanung „ KVP
„ Mitsprache bei „ Prozess-
Gruppen- optimierung
mitgliedern Teilautonome Arbeitsgruppe

„ Störbeseitigung Lean-Gruppe „ Serienbetreuung


„ Wartung „ Serien
Serien-
„ Materialumschlag „ Qualitätsüber- optimierung
„ Transport wachung
„ Disposition

„ Instandhaltung „ Neuplanung
„ Zentralwerkstatt „ Audit „ Serienplanung
„ Lager
„ Prüfplanung Planung
Instandhaltung „ Logistikplanung
Qualitäts
Qualitäts-
Logistik sicherung

Abb. 5.7: Beispielhafte Aufgabenprofile von teilautonomen Arbeitsgruppen und Lean-


Gruppen (in Anlehnung an ANTONI 2000, modifiziert und ergänzt um Lean-Gruppe)

Die Arbeitsabläufe in den Gruppen werden von den jeweiligen unmittelbaren


Vorgesetzten gesteuert (ANTONI 2000, mit Bezug auf BERGGREN 1991; JÜRGEN,
MALSCH u. DOHSE 1989). Die Gruppengröße liegt meist zwischen 6 und 10 Mit-
arbeitern. Die Möglichkeiten der Selbstregulation sind in Lean-Gruppen weiterhin
dadurch beschränkt, dass i.d.R. eine starke Abhängigkeit zu vor- und nachgelager-
ten Gruppen besteht.
Aufgrund der rigiden Einhaltung von Arbeitsstandards entsteht ein hoher Leis-
tungsdruck auf die Mitarbeiter, da selbst kleine Störungen die Arbeitsprozesse
behindern. Die Unternehmensziele stehen im Vordergrund, wobei zwischen den
Gruppen- und Teamarbeit 531

Schichten, z.B. zwischen Früh- und Spätschicht, ein entsprechender Zeitpuffer


gewährt wird, um bei Störungen das Tagesproduktionsziel zu schaffen (ANTONI
2000). In Tabelle 5.4 sind wesentliche Unterschiede zwischen den Konzepten zu-
sammengestellt.
Tabelle 5.4: Unterschiede zwischen dem Lean-Gruppen-Konzept und dem Konzept teilau-
tonomer Arbeitsgruppen (siehe ANTONI 1994, 1996; KRINGS u. LUCZAK 1997; LIKER
2004; NERDINGER et al. 2008; ZINK 1995)

Lean-Gruppe/Fertigungsteam Teilautonome Arbeitsgruppe


(Toyota-Produktionssystem)
Fließfertigung / Fließband Boxenfertigung / Fertigungsinseln
Just in Time, Just in Sequence, Zeitpuffer aus Material-, Produktpuffer, Werkzeugpool
Taktverlusten
hohe prozedurale Abhängigkeit zwischen den geringe Abhängigkeit zwischen den Grup-
Teams pen/Arbeitssystemen
Arbeitsteilung Arbeitsbereicherung
(bzw. selbstbestimmte Arbeitsteilung)
Hohes Maß an Arbeitsstandardisierung Individuelle und kollektive Freiheitsgrade
Fremdsteuerung Selbststeuerung
Vom Management bestimmter Teamleiter Gewählter oder bestimmter Gruppensprecher
Teamleiter als Mentor und Unterstützer Gruppensprecher arbeitet mit,
Führungsaufgabe häufig unklar
Unternehmensziele stehen im Vordergrund Ausgleich zwischen mitarbeiter- und unterneh-
mensbezogenen Zielen

5.5.4 Diskussion
Verschiedene Studien sowie insbesondere Praxisberichte zeigen, dass mit der
Einführung von Gruppenarbeit in der Produktion sowohl erhebliche ökonomische
als auch mitarbeiterbezogene Verbesserungen erzielt werden können (siehe
BASZENSKI 2002; BEEKUN 1989; FRIELING u. BUCH 1998; JÖNS 2008a; LAY et al.
1996; LUCZAK et al. 1991; SALM 2008; SCHUMANN u. GERST 1997; WEBER 1997,
1999; WINDEL u. ZIMOLONG 1998; siehe auch kritische Diskussion in ANTONI
1997). Dabei erwiesen sich in einigen Studien teilautonome Gruppenarbeitsformen
den restriktiveren Gruppenarbeitsformen, zu denen die Lean-Gruppen gezählt
werden, als überlegen (siehe z.B. WINDEL u. ZIMOLONG 1998; SCHUMANN u.
GERST 1997). Nach DÖRICH (2008) weist auch eine neuere Studie des Instituts für
angewandte Arbeitswissenschaft (IfaA) zur Nutzung und Umsetzung von (ganz-
heitlichen) Produktionssystemen (siehe NEUHAUS 2008, Befragung von 38 deutschen
Unternehmen in den Jahren 2003-2005) darauf hin, dass mit Gruppenarbeit sowohl
eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit als auch eine Steigerung der Zufrieden-
heit und der Motivation der Beschäftigten erzielt werden können. Eine
Favorisierung eines der beiden Gruppenarbeitskonzepte lässt sich aus den Ergeb-
532 Arbeitswissenschaft

nissen dieser Studie allerdings nicht ableiten (DÖRICH 2008). Positive Zusammen-
hänge zwischen wirtschaftlichen Zielgrößen und einer fortgeschrittenen Aufga-
benintegration - als Merkmal teilautonomer, qualifizierter Gruppenarbeit - konn-
ten LAY u. MALOCA (2005) auf der Basis der Produktionsinnovationserhebung
2003 (1450 Unternehmen) des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovations-
forschung in Karlsruhe nachweisen: Die Integration der Qualitätssicherung in das
Aufgabenspektrum der Produktionsmitarbeiter führte zu niedrigeren Ausschuss-
quoten (im Vergleich zur Qualitätssicherung durch Einrichter, Meister oder zen-
tralisierte Spezialisten), die Verlagerung der Auftragsfeindisposition auf die
Werkerebene ging mit deutlich niedrigeren Auftragsdurchlaufzeiten einher (im
Vergleich zur Feinplanung durch Einrichter, Meister oder zentralisierte Spezialis-
ten).
Angesichts der größeren Freiheitsgrade und Entscheidungskompetenzen sowie
der vielfältigeren und anspruchsvolleren Aufgaben bietet die Arbeit in teilautono-
men Gruppen größere Potenziale in Bezug auf die Erfüllung der Anforderungen,
die an lern-, motivations- und gesundheitsfördernde Tätigkeiten gestellt werden
(siehe Kap. 5.4.2.4).
Weit entwickelte Formen von teilautonomer Gruppenarbeit sind in der Industrie
relativ selten zu finden. So stellten KINKEL et al. (2008) fest, dass sich lediglich
12% der Gruppenarbeit nutzenden Unternehmen auf Konzepte stützen, die durch
einen hohen Grad an Selbstverantwortung und polyvalenter Qualifikation der
Mitarbeiter gekennzeichnet sind. KINKEL et al. (ebd.) sehen damit Verbesserungs-
potenziale im Hinblick auf Flexibilität und Wandlungsfähigkeit verschenkt.
Die Einführung von Gruppenarbeit führt je nach Ausgangssituation zu großen
Veränderungen und gerade zu Beginn zu hohen Aufwänden (z.B. bzgl. Fabriklay-
out, Materialfluss, Arbeitssystemgestaltung, Qualifizierung), die sich erst deutlich
später amortisieren. Job Rotation und die zusätzlichen Weiterbildungen führen zu
einer Höherqualifizierung der Beschäftigten, die sich in einem Anstieg der direk-
ten Kosten niederschlagen kann. Dies sind Gründe, die Unternehmen ggf. zögern
oder „auf halbem Wege“ stehen bleiben lassen, nämlich dann, wenn sie bei rest-
riktiveren Formen angelangt sind (KRINGS u. LUCZAK 1997; WIMMER u.
STAWOWY 1999). Für das Scheitern von Gruppenarbeitsprojekten werden in der
einschlägigen Literatur zahlreiche weitere Gründe genannt (siehe Kap. 5.4.3 und
Kap. 5.9.1). Ein Risiko der teilautonomen Gruppenarbeit tritt bspw. dann auf,
wenn die für die Gruppe erforderlichen Rahmenbedingungen (z.B. Zeitfreiräume,
Qualifizierung) zur Durchführung der indirekten und gruppenbezogenen Aufga-
ben nicht geschaffen werden. Es kann dann zu einer Überforderung der Arbeits-
gruppe, erhöhtem Zeitdruck und in der Folge zu einer hohen Beanspruchung der
Gruppenmitglieder kommen, die die Leistungsfähigkeit der Gruppe und die Zu-
friedenheit der Gruppenmitglieder vermindert. SPRINGER (1996) fordert am Bei-
spiel der Automobilindustrie eine stärkere Berücksichtigung der produkt- und
produktionstechnologischen Randbedingungen: Während (teil-)automatisierte
Arbeitssysteme günstige Bedingungen für Gruppenarbeit bieten (z.B. zahlreiche
anspruchsvolle Aufgaben im Produktionsumfeld, die integriert werden können),
Gruppen- und Teamarbeit 533

sind in manuellen bzw. höchstens mechanisierten Systemen die Erfolgschancen


wesentlich geringer. Bei niedriger Variantenvielfalt der Produkte führen wirt-
schaftliche Verbesserungen meistens zu höherer Auslastung und Leistungsver-
dichtung. Dies kann die Motivation der Mitarbeiter senken, sich aktiv einzubrin-
gen und zusätzliche indirekte, noch dazu in diesem Umfeld wenig anspruchsvolle
Aufgaben zu übernehmen. Bei hoher Teilevielfalt können Montageinseln Effizi-
enzvorteile bieten, indem Taktverlustzeiten vermieden bzw. reduziert werden.
In jüngerer Zeit ist das Konzept der teilautonomen Gruppenarbeit respektive
die zugrunde liegenden arbeitsorganisatorischen Gestaltungskriterien Gegenstand
kontroverser Diskussionen (siehe z.B. Beiträge in ADAMI et al. 2008; CLEMENT u.
LACHER 2006; DECHMANN et al. 2007; DÖRICH 2008; KÖHLER 2007; SALM 2008),
insbesondere zwischen Vertretern der Tarifvertragsparteien (siehe DETJE et al. 2006
und GRYGLEWSKI 2007). Eine zentrale Forderung, die von Seiten der Arbeitge-
bervertreter formuliert wird, betrifft die Führung von Arbeitsgruppen. Unter „Ge-
führter Gruppenarbeit“ wird dabei ein Konzept verstanden, dass wie folgt charak-
terisiert ist (GRYGLEWSKI ebd., DÖRICH 2008):
x Gruppen in prozessgebundenen Arbeitssystemen sind eng am Prozess ge-
führt und nicht selbst organisiert
x kleine Gruppengrößen von 6-10 Mitarbeitern
x kleine Führungsspannen, 1 Gruppenleiter pro Gruppe
x Rotation ist anzustreben, wird aber von der Führungskraft gesteuert
x alle indirekten Tätigkeiten sind ausschließlich dem Teamleiter zugeordnet.
Die Parallelen zu japanischen Produktionssystemen sind offensichtlich. Die Ef-
fekte in deutschen Unternehmen sind allerdings noch nicht hinreichend untersucht.
Vertreter der Gewerkschaften befürchten u.A. eine starke Ausweitung des Nied-
riglohnbereichs und sehen die Chancen vernachlässigt, „Innovationsfähigkeit der
Unternehmen durch die Einbeziehung qualifizierter Beschäftigter zu stärken und
die Arbeitsbedingungen zu verbessern“ (DETJE et al. 2006).
Angesichts des wachsenden Interesses an der Einführung von Produktionssys-
temen nach japanischem Vorbild ist mit einer zunehmenden Verbreitung von
Lean-Gruppen zu rechnen. Zukünftige arbeitswissenschaftliche Studien, insbeson-
dere Längsschnittstudien (siehe z.B. PARKER 2003), sollten u.A. darauf gerichtet
sein, festzustellen, ob bzw. wie den negativen Folgen einer unzureichenden Erfül-
lung der Kriterien menschengerechter Arbeit im Hinblick auf den langfristigen
Erhalt der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit (Gesundheit, Lernfähigkeit und –
bereitschaft etc.) wirkungsvoll entgegengewirkt werden kann. Ansatzpunkte für
die Arbeitsgestaltung bilden in Lean-Gruppen insbesondere das Rotationsmodell
sowie die Beteiligung der Gruppenmitglieder an der Gestaltung der Arbeitsmittel
und -methoden, an der Definition von Standards und an der kontinuierlichen Ver-
besserung des Arbeitssystems und der Arbeitsprozesse im Rahmen von KVP-
Gruppen und Qualitätszirkeln (siehe Kap. 5.8).
Der Schwerpunkt arbeitswissenschaftlicher Forschung zur teilautonomen
Gruppenarbeit lag bislang auf den produzierenden Bereichen von Unternehmen.
534 Arbeitswissenschaft

Das Konzept ist jedoch auch auf Verwaltungs- oder andere Dienstleistungsberei-
che übertragbar. Ein Beispiel hierfür stellt das Planungsinselkonzept dar (siehe
Kap. 5.7).

5.6 Gruppenarbeit in der Produkt- und Prozessentwicklung:


CE-Teams

Charakteristisch für Teams in der Entwicklung sind eine als Projekt definierte,
zeitlich begrenzte Aufgabenstellung und eine abteilungs- bzw. funktionsübergrei-
fende Teamzusammensetzung – stellenweise auch unter Einbeziehung von Kun-
den und Lieferanten. Stellvertretend für Organisationskonzepte, die entsprechende
Teamstrukturen vorsehen und speziell auf die für die Produkt- und Prozessgestal-
tung geltenden Zielsetzungen ausgerichtet sind, wurde in Kapitel 4.5 das Konzept
des Concurrent Engineering (CE) bereits eingeführt, auf welches hier Bezug ge-
nommen wird.

5.6.1 Ziele der Einführung


Die übergeordneten Ziele von CE sind die Reduzierung der Markteinführungszeit
durch Verkürzung der Produktentwicklungs- bzw. -entstehungszeiten und die
Senkung der Herstellkosten bei gleichzeitiger Verbesserung der Produktqualität
(siehe PENNEL u. WINNER 1989; LUCZAK u. EVERSHEIM 1999; EVERSHEIM et al.
2005). Durch die frühzeitige Berücksichtigung von Anforderungen aus den der
Produktentwicklung nachgelagerten Phasen des Produktlebenszyklus sollen zeit-
und kostenintensive Produkt- und Prozessänderungen in späten Phasen vermieden
werden. Die daraus resultierenden Zeiteinsparungseffekte sollen zu einer Verkür-
zung der gesamten Produktentstehungszeit führen.
Neben Integration und Parallelisierung von Aufgaben (PENNEL u. WINNER
1989) benennt LAUFENBERG (1996) als drittes Prinzip von CE die Kompetenzzu-
sammenführung und betont damit stärker die organisatorische Umsetzung mit
Hilfe funktionsübergreifend zusammengesetzter CE-Teams.

5.6.2 Merkmale von Concurrent Engineering-Teams


Arbeitsorganisatorisch lassen sich die Ziele des CE in Teams erreichen, in denen
durch intensive Kooperationsbeziehungen eine Abstimmung und Synchronisation
der parallelisierten Aktivitäten der Produkt- und Prozessgestaltung unter Konsens
aller Beteiligten erfolgt (STAHL 1998; EVERSHEIM u. LUCZAK et al. 2005). Die
frühzeitige Berücksichtigung wechselseitiger Anforderungen im Produktentste-
hungsprozess macht eine funktionsübergreifende, sog. crossfunktionale Zusam-
mensetzung erforderlich. Nach SYAN (1994) besteht ein CE-Team i.d.R. mindes-
tens aus je einem Mitarbeiter aus Entwicklung/Konstruktion, Arbeitsvorbereitung,
Produktion, Vertrieb, Einkauf und Finanzen. Zusätzlich können, neben weiteren
Gruppen- und Teamarbeit 535

Personen aus diesen Abteilungen, diverse Spezialisten hinzugezogen werden. Sind


Zulieferer beteiligt, so sind Mitarbeiter der dort betroffenen Abteilungen arbeits-
organisatorisch und nach Möglichkeit auch räumlich in das Team zu integrieren.
In der betrieblichen Praxis finden sich CE-Teams mit z.T. über die Projektlaufzeit
variierender Größe von 5 bis 15 Teammitgliedern.
CE-Teams werden projektbezogen gebildet und bearbeiten bzw. koordinieren
ein zeitlich und inhaltlich abgegrenztes Entwicklungsprojekt. Die Arbeit in CE-
Teams weist einen (im Vergleich zu Gruppenarbeitsformen in der Produktion)
hohen Autonomiegrad auf. Die Dauer ihrer Zusammenarbeit ist durch die Projekt-
laufzeit begrenzt, d.h. sind die Projektziele erreicht, wird das Team aufgelöst. CE-
Teams sind üblicherweise über eine Matrixorganisation in die primäre Betriebsor-
ganisation (temporär) integriert.
CE-Teams unterscheiden sich damit in mehrfacher Hinsicht von Gruppenar-
beitsformen in der Produktion, siehe Abb. 5.8. Teilautonome Gruppen (sowie
Planungsinseln) sind permanent in die Organisation integriert und weisen feste
organisatorische Grenzen auf. Abgesehen von Fluktuationen, die nicht aus der
Aufgabe begründet sind (z.B. altersbedingtes Ausscheiden), ändert sich die perso-
nelle Zusammensetzung nicht. Es werden mehrere unterschiedliche
(Teil-)Aufträge bearbeitet.

Teilautonome Arbeitsgruppe

mehrere Aufträge feste organisatorische Grenze permanent


Zeit
ein Projekt
j offene organisatorische
g Grenze temporär
p

Auflösung nach
Projektende

CE-Team
CE Team
Auftrag/Projekt Bewegung
Mitarbeiter/in Auftrags-/Projektende Beziehungen

Abb. 5.8: CE-Team im Vergleich zur teilautonomen Arbeitsgruppe

Neben den genannten strukturellen Unterschieden ist die Arbeit in CE-Teams


im Vergleich zur Arbeit in Produktionsteams durch einen wesentlich höheren
Anteil von Kommunikations-, Abstimmungs-, Planungs- und Entscheidungspro-
zessen charakterisiert. Die überwiegend kreativ-informatorische Arbeit in der
Gestaltung von Produkten und Prozessen ist geprägt durch das Erzeugen und
Vermitteln von Wissen (siehe Kap. 3.3). Aus der bestehenden Unsicherheit –
536 Arbeitswissenschaft

insbesondere in frühen Phasen der Produkt- und Prozessgestaltung – dem hohen


Zielerreichungsdruck, der multidisziplinären und multifunktionalen Zusammen-
setzung sowie aus der organisatorischen Mehrfachzugehörigkeit aufgrund der
Matrixorganisation resultieren hohe Anforderungen an die Leistungsfähigkeit und
-bereitschaft sowie an die Belastbarkeit der Teammitglieder und -leiter.
Bei der Übertragung von motivationspsychologischen Anforderungen an die
Arbeitsgestaltung auf den vorliegenden Kontext sind zwei Aspekte zu beachten
(KABEL 2001 mit Bezug auf MOHRMAN et al. 1995):
Die Identifikation der Mitarbeiter mit ihrer Arbeit ist bei der Erstellung von na-
hezu immateriellen Leistungen („virtuellen Produkten“) schwieriger zu erreichen,
als bei der Herstellung eines materiellen Gesamtproduktes in der Produktion.
Aufgrund der Komplexität der (integrierten) Produkt- und Prozessgestaltung kann
diese Aufgabe nicht von einer Arbeitsperson im Sinne eines ganzheitlichen, voll-
ständigen Aufgabenzuschnitts bewältigt werden; die Notwendigkeit einer gemein-
samen Bearbeitung in einem Team aus verschiedenen Spezialisten ergibt sich
direkt aus der Aufgabenstellung.
Folgende Merkmale von CE-Teams tragen motivationspsychologischen Anfor-
derungen an die Arbeitsgestaltung Rechnung:
x Entwicklung und Gestaltung eines kompletten (virtuellen) Produktes oder
einer Dienstleistung sowie der dazugehörigen Prozesse (vollständige Team-
aufgabe)
x Möglichkeit der Zusammenarbeit in enger gegenseitiger Abstimmung und
regelmäßiger persönlicher Kommunikation
x hoher Autonomiegrad, Ermöglichung des Selbstregulationsprinzips
x gemeinsame Ergebnis- und Prozessverantwortung durch das Team.

5.6.3 Entwicklung komplexer Produkte in mehreren CE-Teams


In Abhängigkeit von der Komplexität des zu entwickelnden Produktes und der
damit verbundenen Prozesse ist eine Aufteilung der Gesamtaufgabe auf mehrere
Teams erforderlich (LUCZAK et al. 2003). Ein gutes Beispiel ist die Neuentwick-
lung eines Automobils. Dabei wird zwischen koordinierenden CE-Teams und
ausführenden CE-Teams unterschieden (KABEL 2001, in Auswertung von
BENKENSTEIN 1987; MCGRATH et al. 1992, SIMONSE u. VAN EIJNATEN 1996;
SWINK et al. 1996; BERNDES u. STANKE 1996).
(1) Koordinierende Teams übernehmen die zeitliche Planung der Entwicklungs-
aktivitäten sowie die kapazitive und kostenbezogene Koordination des Ge-
samtprojektes respektive größerer Teilprojekte. In diesen Teams sind alle re-
levanten betrieblichen Funktionen vertreten. Entscheidungen hinsichtlich des
langfristigen Projektverlaufs werden meist gemeinsam mit der Unterneh-
mensleitung und dem (Gesamt-)Projektleiter getroffen. Grundlage bildet der
Entwicklungsauftrag und die darin von der Unternehmensleitung definierten
Ziele. In der Automobilindustrie sind derartige Teams bspw. für komplette
Gruppen- und Teamarbeit 537

Subsysteme, wie Exterieur, Interieur, Fahrwerk, Antrieb oder Elekt-


rik/Elektronik, koordinierend tätig. Diese Teams werden auch als Systemin-
tegrationsteams bezeichnet (siehe YASSINE u. BRAHA 2003).
(2) Die eigentlichen Entwicklungsaufgaben, d.h. die Gestaltung von Modulen
des Produkts und Teilen des Produktionsprozesses, werden von ausführenden
CE-Teams übernommen. Sie besitzen meist einen verantwortlichen Teamlei-
ter, der i.d.R. nicht von den Teammitgliedern gewählt, sondern vom Mana-
gement bestimmt wird. Die Differenzierung mehrerer parallel bestehender
Teams erfolgt über die Projektarbeitspakete (z.B. Team Scheinwerfer, Team
Frontklappe).
Als dritten Teamtyp benennt KABEL (2001) sog. „Task-Forces“, die allerdings
nicht institutionalisiert sind, sondern temporär zum schnellen Lösen gravierender
Probleme im Projektverlauf aus Mitgliedern der ausführenden Teams (z.T. unter
Hinzuziehung von Spezialisten aus den Linienabteilungen) gebildet werden.
Bei der Entwicklung sehr komplexer Produkte orientiert sich die Zerlegung der
Gesamtaufgabe in Arbeitspakete meist an der Produktstruktur und wird im Ergeb-
nis in einem Projektstrukturplan dargestellt. Der Projektstrukturplan determiniert
neben der Teamstruktur auch die Kosten- bzw. Budget- und Controllingstruktur.
Abb. 5.9 verdeutlicht an einem Beispiel aus der Automobilindustrie den Zusam-
menhang von Produktstruktur und Projektstruktur im CE (KABEL 2001).

Produktstruktur
Projektstruktur
Fahrzeug

Leitungsebene
Front-End Antrieb
Team Team
Management Design
Scheinwerfer Frontklappe Stoßfänger Getriebe

Koordinie- Team Team


rende Teams Front-End Antrieb

Aufgabe Team Team Team Team


Scheinwerfer Frontklappe Stoßfänger Getriebe
Team Ausführende Teams

Abb. 5.9: Zusammenhang von Produktstruktur und Projektstruktur im CE (aus KABEL


2001)
538 Arbeitswissenschaft

5.6.4 Maßnahmen zur Unterstützung


Auf der Grundlage des Teameffektivitätsmodells von HÖGL (1998) (siehe auch
Kap. 5.4.3) leitet HUNECKE (2002) u.A. Interventionsmaßnahmen zur Förderung
von Innovation in der frühen Phase der Produktentwicklung ab. Er liefert somit
einen Beitrag zur Ergänzung der stark technikzentrierten Unterstützungsansätze
im CE, indem er neben der Gestaltungsdimension Technikentwicklung auch die
Dimensionen Organisationsentwicklung und Personalentwicklung (inkl. Führung,
Qualifizierung, Anreizsysteme) sowie als übergeordnete Dimensionen die Organi-
sationskultur und die Mitarbeitermotivation betrachtet (siehe Kap. 5.4.3).
Die sozialpsychologische Gruppenforschung legt den Fokus auf die Verbesse-
rung der Zusammenarbeit in den Projektteams und liefert Methoden und Instru-
mente für die Durchführung von Teamtrainings und Teamentwicklungsmaßnah-
men (STUMPF u. THOMAS 2003). Neben der fortlaufenden Bilanzierung der Auf-
gabenerledigung im Sinne eines Ergebnis-Controllings betonen ZEUTSCHEL u.
STUMPF (2003) die Notwendigkeit eines Process-Controllings, das auf die regel-
mäßige Reflexion der Zusammenarbeit und der „Arbeitsatmosphäre“ gerichtet ist.
Ein Teampate oder ein externer Teamcoach können helfen, die oft schwierige
Balance zwischen stabilem Teamzusammenhalt (mit der Gefahr von Abschottung)
und guter Einbindung in die umgebende Organisationsstruktur (mit der Gefahr
von Diffusion) zu halten. (Ein Überblick über empirische Befunde aus der sozial-
wissenschaftlichen Forschung zum Erfolg von Projektgruppen findet sich z.B. in
BECKER-BECK u. FISCH 2001.)
Gerade bei kreativer Arbeit ist ein effektives Wissensmanagement erforderlich.
IT-basierte Werkzeuge, wie PLM-Systeme, Data-Mining- und Business-
Intelligence-Systeme, Social Software etc., können ein kooperatives Wissensma-
nagement, auch über räumliche Distanzen hinweg, unterstützen (FOLTZ u.
LUCZAK 2003; FOLTZ et al. 2008; LUCZAK et al. 2002; MÜHLFELDER et al. 2001;
NAGL u. MARQUARDT 2008; WOLF et al. 2003).
Zur Unterstützung des Multiprojektmanagements in der Produktentwicklung
wurde von LICHT (2008) ein personenzentriertes Simulationsmodell entwickelt,
mit dessen Hilfe der Arbeitsfortschritt in mehreren, eng miteinander interagieren-
den Entwicklungsprojekten vorhergesagt werden kann.
Die Einführung von CE-Teams als organisatorische Maßnahme reicht nicht
aus, um das CE-Konzept in der betrieblichen Praxis vollständig umzusetzen. Zur
Unterstützung von CE sind in Anlehnung an PENNELL u. WINNER (1989) zudem
infrastrukturelle und methodengestützte Maßnahmen umzusetzen. Während ar-
beitsorganisatorische Maßnahmen die Form der Zusammenarbeit der beteiligten
Mitarbeiter verändern (z.B. CE-Team-Einführung oder Integration von Einzelak-
tivitäten durch Personalunion), zielen infrastrukturelle Maßnahmen im Wesentli-
chen auf die Verbesserung des Informationsflusses. Aus diesem Grund unterstüt-
zen viele Maßnahmen die CE-Philosophie, die zum Computer Aided Engineering
gezählt werden, wie z.B. durchgehende IT-Unterstützung in allen an der Produkt-
und Prozessplanung beteiligten Abteilungen und gemeinsame Datenmodelle
Gruppen- und Teamarbeit 539

(STAHL 1998). Zu den bekanntesten und verbreitesten methodengestützten Maß-


nahmen im CE-Kontext gehören Rapid Prototyping (GEBHARDT 2000; siehe
Kap. 10.2.3) und Simulationssysteme.
Zur Unterstützung des CE wurden weitere Methoden und Werkzeuge entwi-
ckelt (EVERSHEIM u. SCHUH 2005). Diese Methoden zeichnen sich insbesondere
durch eine hohe Toleranz gegenüber unsicheren, unvollständigen Informationen
und gegenüber einem zunehmenden Detaillierungsgrad aus. Als Beispiele können
Methoden zur parametrischen Konstruktion (BRECHER et al. 2005), die Toleranz-
kosten-Sensitivitätsanalyse (MERGET 2003, basierend auf GERTH 1996), die Metho-
de zur integrierten Arbeitsgestaltung und Personalplanung (STAHL 1998) sowie
das System zur prospektiven Gestaltung und Bewertung von Produktionstätigkei-
ten (MÜTZE-NIEWÖHNER 2004) genannt werden.

5.6.5 Diskussion
Die Effizienzvorteile von Concurrent Engineering werden in Kapitel 4.5 disku-
tiert. Durch die CE-Teamstruktur kann die bereichsübergreifende Zusammenarbeit
verbessert werden, das Know-how anderer Bereiche fließt früher in das Projekt ein
und es treten weniger Informationsverluste bei der Übergabe von Arbeitsergebnis-
sen zwischen den beteiligten Bereichen auf (SEIBERT 2006). Die enge Zusammen-
arbeit mit Anderen verlangt von den Teammitgliedern außer der fachlichen Kom-
petenz auch affektive Qualifikationen wie Sozialkompetenz, Kommunikationsfä-
higkeit usw. Die sequentielle Arbeitsweise ist dagegen leichter koordinierbar und
verlangt im Wesentlichen eine hohe fachliche Kompetenz.
Durch die Befriedigung individueller und sozialer Bedürfnisse der beteiligten
Arbeitspersonen ermöglicht der Teamansatz im CE nicht nur die Erfüllung wirt-
schaftlicher, sondern auch personenorientierter Ziele (KABEL 2001, s. o.). Voraus-
setzung ist allerdings, dass bei der Gestaltung der Teamarbeit die Anforderungen
an die menschengerechte Arbeitsgestaltung berücksichtigt und insbesondere die
Einhaltung von Kriterien der Beeinträchtigungsfreiheit und der Persönlichkeitsent-
faltung im Prozess überprüft wird.
Die Auswirkungen von CE auf das Individuum wurden bislang kaum unter-
sucht (siehe KABEL 2007). Fallstudien weisen darauf hin, dass Fehlbeanspruchung
in CE-Projekten i.d.R. als Folge von Überforderung auftreten. Unterforderung
spielt angesichts der meist knappen Personalressourcen im Entwicklungsbereich
und der steigenden Produktkomplexität und Variantenvielfalt – wenn überhaupt -
eine untergeordnete Rolle (LUCZAK u. KABEL 2005). Psychische Belastungsfakto-
ren treten in CE-Projekten in Form von Zeitdruck, Unsicherheit, Konflikten u.v.m.
auf und können sich u.U. negativ auf die Leistungsfähigkeit, die Motivation, die
Arbeitszufriedenheit oder auf die Gesundheit auswirken. In Bezug auf die ar-
beitswissenschaftliche Analyse, Bewertung und Gestaltung von Teamarbeit in der
Produkt- und Prozessentwicklung muss ein Forschungsbedarf festgestellt werden.
Es herrscht nach wie vor ein Mangel an validen Instrumenten, die für diesen spe-
ziellen Einsatzkontext geeignet sind, respektive an entsprechenden Studien, die
540 Arbeitswissenschaft

die Ableitung arbeitswissenschaftlich gesicherter Gestaltungsempfehlungen erlau-


ben (siehe KABEL 2001, 2007). Auch im weiter gefassten Bereich der Projektgrup-
penarbeit finden sich nur wenige Studien, die das Erreichen humaner Ziele unter-
suchen. Diese fallen allerdings oft positiv aus, weil viele Projektmitarbeiter diese
Arbeitsform und die Resultate von Projektgruppenarbeit durchaus schätzen
(WEGGE 2004). Bezüglich der Einflussgrößen auf den Projekterfolg wird hier auf
Kap 5.4.3 verwiesen.

5.7 Gruppenarbeit in Servicebereichen: Planungsinsel

Planungsinseln sind das Bindeglied zwischen Markt und Produktion (FUHRBERG-


BAUMANN et al. 1992). Sie sind verantwortlich für eine Auftragsfamilie (Produkt,
Produktgruppe, Absatzgebiet, Kunde, Kundengruppen, usw.) und sehen eine dau-
erhafte Zusammenarbeit der Mitglieder in einer festen Organisationseinheit vor.
Das Planungsinselkonzept ist ein Beispiel für die Realisierung teilautonomer
Gruppenarbeit in indirekten bzw. dienstleistenden Bereichen.

5.7.1 Ziele der Einführung


Ziele der Einführung von Planungsinseln sind eine verstärkte Kunden- und Markt-
orientierung infolge durchgängiger interner Kunden-Lieferantenbeziehungen so-
wie eine Optimierung der Qualität des betrieblichen Wertschöpfungsprozesses.
Die Kundenwünsche sowie der Grad der Kundenzufriedenheit werden entweder
direkt über integrierte Vertriebsfunktionen oder indirekt durch die Anbindung der
Planungsinsel an vorgelagerte Vertriebseinheiten durchgängig bis in den Produk-
tionsprozess hinein erfahrbar gemacht bzw. rückgekoppelt. Durch die Gestaltung
objektorientierter Organisationseinheiten sollen die Anzahl der organisatorischen
Schnittstellen verringert und die Qualität der Kommunikation und Kooperation im
Prozess der Auftragsabwicklung verbessert werden. Primäres betriebswirtschaftli-
ches Ziel ist somit, die mit arbeitsteiligen Formen der Zusammenarbeit verbunde-
nen Verluste an Zeit, Kosten, Qualität und Flexibilität zu reduzieren und den Er-
füllungsgrad der allgemeinen Unternehmensziele zu steigern (OTZIPKA 1998;
KELLER et al. 1992, SCHEER u. BULLINGER 1998).
Daneben werden auch humanorientierte Ziele verfolgt, indem die Transparenz
der Prozesse erhöht, Rückkopplungen intensiviert, Handlungs- und Entschei-
dungsspielräume erweitert und somit Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten gege-
ben werden (LUCZAK 1993b).
Die Einsatzflexibilität sowie Innovations- und Lernfähigkeit der Beteiligten
werden als Träger dynamischer Organisationsstrukturen angesehen, die maßgeb-
lich die Reaktions- und Innovationsfähigkeit von Planungsinseln bestimmen.
Gruppen- und Teamarbeit 541

5.7.2 Merkmale von Planungsinseln


Den Mitarbeitern einer Planungsinsel wird, bezogen auf die tagesaktuellen Aufga-
ben der Auftragsabwicklung, die Verantwortung für ganzheitliche Prozesse über-
tragen. Diese können sich von der Kundenanfrage bis zur Angebotserstellung und
vom Auftragseingang bis zum Versand des fertigen Produktes erstrecken. Grund-
sätzlich können folgende Aufgaben der Auftragsabwicklung in Planungsinseln
integriert werden (OTZIPKA 1998, siehe Abb. 5.10):
x Vertriebsaufgaben, z.B. Anfragenerfassung, Anfragenbewertung, Angebots-
bearbeitung, Auftragsklärung
x Auftragsplanungsaufgaben, z.B. Auftragsterminplanung (langfristig auf Eck-
terminebene), Kostenkalkulation
x Konstruktionsaufgaben, z.B. Anpassungs-/Variantenkonstruktion, Detaillie-
rung, Zeichnungs- und Stücklistenerstellung
x Beschaffungsaufgaben, z.B. Bedarfsermittlung, Bestandsprüfung, Lieferan-
tenbestimmung und -auswahl, Beschaffungsabwicklung
x Produktionsplanungs- und -steuerungsaufgaben, z.B. Ausgangsmaterialpla-
nung, Grobablaufplanung, Kapazitätsplanung, Terminplanung (mittelfristig
auf Meilensteinebene)
x Versandaufgaben, z.B. Transportplanung
x kaufmännische Auftragsabwicklung, z.B. Erfolgskontrolle, Nachkalkulation.

Zentralabteilungen
Vertrieb Einkauf Controlling Entwicklung
• Marketing • Preis- • strategische • Produkt-
• strategische verhandlung Kontrolle innovation
Verkaufs-
f • Vertrags- • Kennzahlen- • Neukonstruk-
planung gestaltung aufbereitung tion
•… •… •… •…
Normung
• Standard- • Anfragenbewertung
Verkauf • Angebotsbearbeitung
sierung
• Auftragsklärung
•… Planung • Auftragsplanung
• Auftragskalkulation
Personal • Angebotskonstruktion
• Bedarfsermittlung
• Personal- • Lieferantenauswahl
entwicklung • Produktionsplanung
• Prozess- • Auftragsüberwachung
• Versandabwicklung
begleitung Konstruktion • Erfolgskontrolle
•… Beschaffung • ...

Planungsinsel

Abb. 5.10: Mögliches Aufgabenspektrum von Planungsinseln (LUCZAK et al. 1997)


542 Arbeitswissenschaft

Hierbei sollen elementare Grundfunktionen von allen Planungsinselmitgliedern


beherrscht, dispositive, den Erfolg der Planungsinsel wesentlich beeinflussende
Kernaufgaben gemeinsam durchgeführt werden. Auf einer übergeordneten Ebene
sind Qualitätsmanagementaufgaben (Qualitätsplanung, -kontrolle, -lenkung) mit
diesen Aufgaben verbunden. Auf diese Weise wird den Planungsinselmitgliedern
der Stellenwert jedes Aufgabenbereiches innerhalb der Gesamtaufgabe bewusst
und die persönliche Leistung als Beitrag zum Gesamterfolg erkennbar.
In den Zentralabteilungen verbleiben lediglich unregelmäßig auftretende oder
spezifisches Fachwissen voraussetzende Aufgaben, wie z.B. Vertriebsfunktionen
(Marketing, strategische Verkaufsplanung etc.), Einkaufsfunktionen (Preis-
Neuverhandlungen, Vertragsgestaltung etc.), Entwicklungsfunktionen (Vorent-
wicklung, Neukonstruktion etc.), Normierungs-, Buchhaltungs-, IT-, Controlling-
sowie Personalfunktionen.
Typische Gestaltungsmerkmale von Planungsinseln sind (OTZIPKA et al. 1997):
x Objektorientierung in der Aufbauorganisation
x dauerhafte Zusammenarbeit
x räumliche Zusammenfassung der Inselmitglieder
x prozessorientierte Aufgabenintegration in der Auftragsabwicklung (geschlos-
sene Regelkreise, durchgehendes Qualitätsmanagement)
x erweiterte Qualifikation in Verbindung mit Gruppenarbeit (vollständige Auf-
gaben, Job Rotation zum Aufbau und Erhalt von fachübergreifendem Routi-
ne- bzw. Grundwissen)
x prozessorientierte Ziele und Entscheidungsregeln
x dezentrale Verantwortungsbereiche (Planungs-, Entscheidungs- und Rege-
lungsautonomie)
x Kosten-/Nutzenverantwortung in Verbindung mit Selbstorganisationsauto-
nomie (im Sinne der kontinuierlichen Weiterentwicklung des Arbeitssystems
Planungsinsel incl. verbundener direkter Produktionsbereiche).
Aus dem beschriebenen Aufgabenumfang von Planungsinseln wird deren be-
sondere Stellung als strategische Organisationseinheit (Kostenentwicklung, Pro-
duktqualität, kontinuierliche Verbesserung hinsichtlich Produkt- und vor allem
Prozessinnovation etc.) für die verbundenen direkten Produktionsbereiche inner-
halb segmentierter Unternehmensstrukturen deutlich.
Der Grad der Zielerreichung ist an folgende Bedingungen geknüpft:
x Innerhalb des Unternehmens sind möglichst voneinander unabhängige, pro-
duktorientierte und jeweils den gesamten Prozess der Auftragsabwicklung
umfassende Unternehmenssegmente einzurichten.
x Die Leistungsanforderungen (Zielsetzung, Erfolgskontrollmechanismen) und
Entfaltungsmöglichkeiten (Tätigkeits- und Entscheidungsspielräume, Bud-
getverantwortung, Selbstorganisationsautonomie) sollten aufeinander abge-
stimmt sein, um die Entstehung eines unternehmerischen Verantwortungsge-
fühls bei jedem einzelnen Mitglied einer Planungsinsel zu fördern (OTZIPKA
1998).
Gruppen- und Teamarbeit 543

x Flexible Wochen- und Jahresarbeitszeitmodelle sollten eine an die Belange


des Produktionsprozesses (Mehrschichtbetrieb etc.), des Betriebes (Jahresab-
schluss etc.) sowie des Marktes (saisonale Schwankungen etc.) angepasste
Verfügbarkeit von Planungsinselleistungen sicherstellen.
x Die Kosten-/Nutzenverantwortung sollte für die Planungsinselmitglieder
auch über leistungs- und gruppenbezogene Entgeltstrukturen erfahrbar sein.
x Die kooperationsorientierte und fachübergreifende Aufgabenintegation sollte
durch eine angepasste, d.h. gruppenarbeitstaugliche Informations- und
Kommunikationssysteme unterstützt werden (siehe KRUSE u. SCHEER 1994).

5.7.3 Gestaltungsvarianten
Unternehmensspezifische Randbedingungen erfordern unterschiedliche Gestal-
tungsvarianten von Planungsinseln. In Abhängigkeit von Absatz- und Beschaf-
fungsmarktsituation sowie der Komplexität des Produktes lassen sich ver-
schiedene Planungsinselformen unterscheiden (siehe Abb. 5.11), wie bspw. die
Projektierungsinsel, die Auftragsinsel, die Logistikinsel oder die Vertriebsinsel.
Sie sind durch unterschiedliche Grade der funktionalen Integration geprägt.

Projektie- Auftrags- Vertriebs-


rungsinsel Konstruk- insel Logistik- insel
Vertrieb tionsinsel insel

Entwicklung und Konstruktion

Beschaffung und Arbeitsplanung (grob)

Arbeitssteuerung (grob)

Teilefertigung und Montage

Lager und Transport

Qualitätssicherung und Instandhaltung

V
Versand
d

Abb. 5.11: Abgrenzung von Planungsinselvarianten (OTZIPKA 1998)

In Projektierungsinseln ist das Know-how des technischen Vertriebes sowie der


Entwicklung und Konstruktion integriert. Ausgehend von einer Kundenanfrage
wird eine entsprechende Problemlösung projektiert und als Angebot dem Kunden
übermittelt (Projektführung). Die Einführung von Projektierungsinseln ist bspw. in
Unternehmen des Anlagenbaus vielversprechend. Ein Umsetzungsbeispiel in der
Bauprojektierung eines Chemiekonzerns wird von KABEL et al. (1999) beschrie-
ben.
544 Arbeitswissenschaft

Die Verantwortung für die Auftragsführung kann Auftragsinseln übertragen


werden. Sie legen nach Eingang des Kundenauftrages die erforderlichen Kapazitä-
ten und Termine fest, übernehmen die Beschaffung und überwachen den Auftrags-
fortschritt. Auftragsinseln bieten sich für Unternehmen des Maschinen- und Anla-
genbaus an, auch in Verbindung mit Projektierungsinseln oder Entwicklungs-
teams. Je nach Produktkomplexität oder für Produktreihen, die in Kleinstserien
mit geringen konstruktiven Änderungen aufgelegt werden, kann auch eine Zu-
sammenfassung von Aufgaben der Projekt- und der Auftragsführung sinnvoll sein.
Für Maschinenreihen mit Seriencharakter, keinem oder nur geringem Änderungs-
aufwand und hohem Fremdfertigungsanteil bietet sich die Einführung von Logis-
tikinseln an. Die Mitarbeiter von Logistikinseln sind verantwortlich für die Ab-
stimmung von Beschaffungs- und Produktionslogistik.
Für Produkte ohne eigenen Entwicklungs- und Konstruktionsanteil und gleich-
zeitig geforderter hoher Lieferbereitschaft sind Vertriebsinseln geeignet, in denen
der gesamte Prozess der Auftragsabwicklung von der Kundenanfrage bis zur An-
gebotserstellung und vom Auftragseingang bis zum Versand der Produkte inte-
griert ist.
Unabhängig von diesen rein funktionalen Überlegungen sind jedoch gerade in
Kleinunternehmen auch Aspekte wie die Unternehmenskultur, Personal- und Qua-
lifikationsengpässe, informelle Machtstrukturen etc. für die schließlich realisierte
Arbeitsorganisationsform entscheidend.

5.7.4 Diskussion
Die Vorteile des Planungsinselkonzeptes liegen in der durchgängigen Kundenori-
entierung, einem hohen und frühzeitigen Reaktionspotential infolge stark verbes-
serter Kommunikation, Kooperation und Transparenz und der Vermeidung von
Schnittstellenverlusten (OTZIPKA 1998, FUHRBERG-BAUMANN et al. 1992). Infol-
ge der hohen räumlichen Nähe durch ein gemeinsames „Insel-Büro“ können
„Bürokratismen“ und „Egoismen“ durch dynamische Gruppeneffekte einge-
schränkt werden (OTZIPKA 1998).
Rückfragen lassen sich schneller und einfacher klären, während die Entstehung
schwerwiegender Mißverständnisse bei gelebter Gruppenarbeit zurückgeht. Das
Zusammenwirken unterschiedlicher Know-how-Träger verschiedener Fachdiszip-
linen ermöglicht Synergieeffekte.
Durch ganzheitlich definierte Aufgaben- und Verantwortungsbereiche, können
Engpässe im Prozess der Leistungserstellung erkannt und die kunden- und markt-
gerechte Ausgestaltung der Wertschöpfungskette forciert werden. Hiermit verbun-
den ist eine Minimierung und Vermeidung indirekter und nicht wertschöpfender
Tätigkeiten sowie eine Verbesserung der Prozessbeherrschung und -sicherheit.
Problematisch können eine ungleichmäßige Auslastung der Mitarbeiter der
Planungsinsel bei heterogenem Qualifikationsprofil, Personal- und Know-how-
Engpässe in anderen Unternehmensbereichen bei geringer Gesamtpersonalstärke
Gruppen- und Teamarbeit 545

und eine nicht an die Belange der Team- und Prozessorientierung angepasste Un-
ternehmensstrategie, Entscheidungs- und Kontrollmechanismen sein.
Fehlende Privatsphäre und Rückzugsmöglichkeiten für konzentriertes Arbeiten
infolge nicht ergonomischer Büroraumgestaltung können zu Beeinträchtigungen
oder sozialen Spannungen innerhalb der Planungsinsel führen. Auch kann eine
dem Sinn von Selbstorganisation zuwiderlaufende zentrale Leitstelle zur Koordi-
nation mehrerer Planungsinseln bei konkurrierendem Zugriff auf betriebliche
Ressourcen (Fertigungs-, Montage-, Inbetriebnahmekapazitäten) erforderlich sein
(OTZIPKA 1998).

5.8 Gruppenarbeit zur kontinuierlichen Verbesserung: Qualitäts-


zirkel

Als Qualitätszirkel werden kleine moderierte Gruppen von Mitarbeitern eines


Arbeitsbereiches bezeichnet, die sich regelmäßig auf freiwilliger Grundlage tref-
fen, um arbeitsbezogene Problemstellungen zu bearbeiten und Lösungsverfahren
zu entwickeln (siehe ZINK 1995; ANTONI 2000). Das Konzept stammt ursprünglich
aus Japan und wird bspw. im Toyota-Produktionssystem – neben anderen Bau-
steinen des übergeordneten „Kaizen“-Ansatzes zur kontinuierlichen Verbesserung
– als dauerhaftes Managementinstrument zur Erzielung von Produktivitäts- und
Qualitätssteigerungen betrachtet und umgesetzt (LIKER u. MEIER 2007).

5.8.1 Ziele der Einführung


Die primäre Zielsetzung bezieht sich darauf, bestehende Qualitätsprobleme im
Leistungserstellungsprozess zu lösen und die Qualität des Arbeitssystems und der
Prozesse zu verbessern. Die Einrichtung von Qualitätszirkeln beruht vor allem auf
der Idee, dass Probleme und Schwachstellen am ehesten dort erkannt und beseitigt
werden können, wo sie auftreten (ZINK 1995). Weitere Ziele betreffen die Förde-
rung der Zusammenarbeit im Team und die Kompetenzentwicklung der einzelnen
Teammitglieder (z.B. im Hinblick auf die Fähigkeit zu methodenbasiertem, sys-
tematischem Problemlösen).

5.8.2 Merkmale von Qualitätszirkeln


Als charakteristische Merkmale von Qualitätszirkeln können folgende benannt
werden (siehe ZINK 1995; SEGHEZZI 2003):
x Die Mitarbeit ist freiwillig.
x Die Gruppengröße ist meist auf 4 bis 10 Mitglieder begrenzt.
x Üblicherweise werden Qualitätsthemen aus dem eigenen Arbeitsbereich be-
arbeitet; u.U. kann sich auch eine bereichsübergreifende Zirkelarbeit ergeben
(entsprechende Gruppen werden aber i.d.R. als KVP-Gruppen bezeichnet,
siehe Kap. 5.8.4).
546 Arbeitswissenschaft

x Die Gruppe ist für die gesamte Problembearbeitung zuständig, d.h. von der
Identifizierung von Problemen und Schwachstellen, über die Erarbeitung von
Lösungsansätzen bis hin zur Umsetzung im Rahmen ihrer Möglichkeiten.
x Die Zirkelarbeit wird moderiert durch einen ausgebildeten Moderator; diese
Rolle übernimmt häufig der direkte Vorgesetzte oder ein Teammitglied (z.T.
auch im Wechsel).
x Die Gruppensitzungen finden regelmäßig statt.
x Qualitätszirkelsitzungen finden während der Arbeitszeit statt und werden
normal vergütet; bei der Arbeit in Schichtsystemen handelt es sich allerdings
häufig um eine bezahlte Überstunde, vor oder nach Schichtbeginn. Die ge-
wählten Themenstellungen können sich z.B. auf die Arbeitsplatzgestaltung,
die Arbeitsabläufe, die eingesetzten Arbeitsmittel, die Informations- oder die
Kommunikationsqualität beziehen. Reicht das Fachwissen für sachgerechte
Lösungsansätze nicht aus, so können die zuständigen Spezialisten aus den
Fachabteilungen zu Rate gezogen werden.
LIKER u. MEIER (2007) betonen neben den genannten Merkmalen folgende As-
pekte der Qualitätszirkelarbeit im Toyota-Produktionssystem:
x Der Qualitätszirkel ist verantwortlich für die Zielsetzung und die Zeitplanung
der Sitzungen.
x Der Zirkelleiter (Moderator) ist gegenüber dem Management für die Erzie-
lung der angestrebten Ergebnisse, die Planung der Meetings, die Formulie-
rung der Erwartungen an das Team und die Koordinierung der Aktivitäten
mit anderen Teams (z.B. Technik und Wartung) verantwortlich; er berichtet
einmal wöchentlich an den Gruppenleiter.
x Der Gruppenleiter (nicht Zirkelmitglied, sondern Vorgesetzter eines Team-
leiters) fungiert als Berater und gibt Anleitung und methodische Unterstüt-
zung.
x Zum Abschluss einer Aktivität werden die Ziele und Ergebnisse dem Mana-
gement präsentiert.
x Jeder Vorschlag, der von dem Qualitätszirkel umgesetzt wird, fließt in das
Vorschlagssystem ein und wird ggf. zusätzlich finanziell belohnt.
x Die besten Qualitätszirkel-Projekte werden jedes Jahr ausgezeichnet.
Während in Konzeptbeschreibungen aus dem deutschsprachigen Raum die
Umsetzungsentscheidung häufig der Gruppe überlassen wird (z.B. ZINK 1995),
liegt sie bei der eng an Toyota angelehnten, von LIKER u. MEIER (2007) beschrie-
benen Variante ausschließlich bei übergeordneten Instanzen.

5.8.3 Maßnahmen zur Unterstützung


Die systematische Anwendung von Qualitätstechniken und –methoden (z.B. Pro-
zess-Fehler-Möglichkeits- und Einfluss-Analyse, siehe z.B. SEGHEZZI 2003; PFEIFER u.
SCHMITT 2007) sowie die Moderation und Steuerung der Qualitätszirkelarbeit
setzt eine entsprechende Qualifizierung der Beteiligten voraus (z.B.
Gruppen- und Teamarbeit 547

Moderatorentrainings, Teamtrainings, Trainings zur Vermittlung des zur Problem-


lösung notwendigen Fachwissens und Methodenrepertoires).
Eine erfolgreiche und effiziente Qualitätszirkelarbeit erfordert darüber hinaus
eine vom Management getragene, mit entsprechenden Ressourcen und Entschei-
dungsbefugnissen hinterlegte Organisation. Es handelt sich dabei um eine Sekun-
därorganisation, die die Primärorganisation ergänzt. Abb. 5.12 zeigt eine für grö-
ßere, produzierende Unternehmen typische Qualitätszirkelorganisation mit fol-
genden exekutiven Organen (SCHULER 1993; BUNGARD u. WIENDECK 1986;
ZINK u. ACKERMANN 1984):
x Steuerungsteam, das sich als Lenkungsorgan mit strategischen Fragen der
Qualitätszirkel-Einführung, den finanziellen, personellen und inhaltlichen
Rahmenbedingungen sowie den Programmgrundsätzen befasst
x Koordinatoren, die die organisatorische Betreuung der Qualitätszirkel und
die Ausbildung der Moderatoren übernehmen
x Moderatoren der Qualitätszirkel
x Qualitätszirkelgruppen.

Unternehmensorganisation Qualitätszirkelorganisation
Unternehmensleitung Steuerungsteam

Bereichsleitung Koordinatoren

Abteilungsleitung Moderatoren

Meister

Mitarbeiter
QZ-Gruppen

Fachabteilung
Ausbildung/Training

Abb. 5.12: Struktur einer Qualitätszirkel-Organisaton (nach SCHULER 1993)

Obliegt die Entscheidung über die Umsetzung von erarbeiteten Verbesserungs-


vorschlägen übergeordneten Gremien, ist von den Verantwortlichen sicherzustel-
len, dass die Bewertung zeitnah erfolgt und für die Beteiligten transparent und
nachvollziehbar ist.
548 Arbeitswissenschaft

5.8.4 Diskussion
Qualitätszirkel haben sich trotz zahlreicher Anstrengungen im deutschsprachigen
Wirtschaftsraum nicht im erwarteten Umfang durchgesetzt (nach SEGHEZZI 2003).
Mögliche Ursachen sehen LIKER u. MEIER (2007) insbesondere in der unzurei-
chenden Schulung der Beteiligten, in der fehlenden Unterstützung und Förderung
durch das Management sowie in einer insgesamt mangelnden Kultur der kontinu-
ierlichen Verbesserung in deutschen Unternehmen. Auch in amerikanischen Wer-
ken japanischer Hersteller scheint es noch gewisse Umsetzungsprobleme zu ge-
ben: So geben Liker und Meier für japanische Toyota-Werke eine Beteiligungs-
quote von ca. 80% an, für das amerikanische Werk Georgetown allerdings ledig-
lich 22% (ungefähre Angaben für 2004, siehe ebd.).
Qualitätsarbeit in Gruppen findet in deutschen Unternehmen auch unter ande-
ren Bezeichnungen statt. Im Zusammenhang mit der Einführung von Programmen
zur Kontinuierlichen Verbesserung (siehe Kap. 4.3.4.2) finden sich bspw. KVP-
Gruppen oder Kaizen-Teams (ANTONI 2000). In einer europäischen Studie gaben
69% der deutschen Unternehmen an, ihre Mitarbeiter an Prozessverbesserungen
im Rahmen des KVP zu beteiligen (European Manufacturing Survey 2003/2004,
Befragung von 2.249 produzierenden Unternehmen aus 9 europäischen Ländern,
ARMBRUSTER et al. 2005). Im Unterschied zu Qualitätszirkeln werden KVP-
Gruppen meist über mehrere Bereiche oder Hierarchien hinweg gebildet. Sie be-
fassen sich mit der Erarbeitung von Verbesserungsvorschlägen zu übergeordneten,
bereichs- bzw. funktionsübergreifenden Themen oder Problemstellungen.
Auch im Qualitätsmodell der European Foundation for Quality Management
(EFQM) werden sowohl bereichsübergreifende Qualitätsgruppen als auch teambe-
zogene Qualitätszirkel als Bausteine zur Entwicklung und Sicherung der Qualität
von Produkten, Prozessen und Dienstleistungen gefordert (siehe WUNDERER
2000).
Im Vergleich zu den bisher beschriebenen Formen von Gruppenarbeit bedeuten
Qualitätszirkel keine Änderung der Funktions- und Arbeitsteilung und eröffnen –
je nach Variante - nur in geringem Umfang kollektive Entscheidungsspielräume
(siehe WEGGE 2004). Aus arbeitswissenschaftlicher Sicht stellen Qualitätszirkel
oder vergleichbare Konzepte aber zumindest eine sinnvolle Ergänzung zu restrik-
tiven Gruppenarbeitsformen bzw. generell zu unvollständigen Tätigkeiten dar,
indem sie den Mitgliedern Gelegenheit zur Einbringung eigener Ideen, Möglich-
keiten zur sozialen Interaktion und zur gemeinsamen Lösungs- und Entschei-
dungsfindung bieten.
Zirkelarbeit fördert die Kompetenzentwicklung und die Fähigkeit zur Zusam-
menarbeit und kann in Verbindung mit KVP- und Qualifizierungsprogrammen zur
Entwicklung von lernenden Organisationen beitragen (LUCZAK et al. 1998a,
LUCZAK et al. 2006, siehe SENGE 2008 zur lernenden Organisation). Bereits etablierte
Qualitätszirkelkonzepte können darüber hinaus die Einführung teilautonomer
Gruppen begünstigen (siehe z.B. RUHNAU 1997). Das Qualitätszirkelkonzept wird
auch mit Erfolg auf andere betriebliche Aufgabenstellungen übertragen. Populäres
Gruppen- und Teamarbeit 549

Beispiel sind Gesundheitszirkel im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförde-


rung (siehe Kap. 8.2).
Als eine Modifikation der Qualitätszirkelarbeit kann das Verfahren des „Auf-
gabenbezogenen Informationsaustauschs“ betrachtet werden, bei dem in moderier-
ter Kleingruppenarbeit Arbeitsplatzinformationen und Erfahrungswissen ausge-
tauscht und für die Arbeitsgestaltung bzw. für die Erarbeitung von Prozessverbes-
serungen genutzt werden (SCHAPER 2000; HACKER et al. 2005). Das Verfahren
sieht als so genannte „hybride“ Arbeitsform einen Wechsel zwischen Einzel- und
Gruppenarbeit vor, um insbesondere mögliche Prozessverluste bei der kooperati-
ven Bearbeitung von Aufgaben des „Entwurfsproblemlösens“ zu vermeiden (HA-
CKER 2008).

5.9 Einführung von Gruppenarbeit

Die Einführung von Gruppenarbeit bedingt einen – abhängig von der Ausgangssi-
tuation mehr oder weniger – weitreichenden und langfristigen Veränderungspro-
zess, der neben technologischen und technischen Anpassungen insbesondere die
Entwicklung der Organisation, des Personals und – nach der Gruppenbildung –
auch die der Gruppe(n) betrifft. Nach dem klassischen, weithin akzeptierten Mo-
dell von LEWIN (1947, siehe hierzu u.A. BURNES 2004 und SCHEIN 2004) laufen
erfolgreiche Veränderungsprozesse i.d.R. in drei Phasen ab:
(1) „Unfreezing“ (auftauen): Ist-Zustand der Organisation/Gruppe/Individuum
durch gezielte Interventionen aus dem Gleichgewicht bringen und uner-
wünschte Routinen und Verhaltensweisen aufbrechen, um Widerstände ab-
zubauen und Veränderungsmotivation zu erzeugen (z.B. durch Aufzeigen
nicht erreichter Ziele oder bestehender Probleme, Erarbeitung möglicher ne-
gativer Konsequenzen des Verharrens).
(2) „Moving“ (verändern/bewegen): Phase der eigentlichen Veränderung in
Richtung des definierten Zielzustandes (z.B. Umsetzung von Gestaltungs-
maßnahmen und Durchführung von Trainings).
(3) „Refreezing“ (einfrieren): Stabilisierung des neuen, arbeitsorganisatorisch
„höherwertigen“ Zustands (z.B. durch Aufzeigen erzielter Verbesserungen).
Erprobte Methoden und Interventionen zur Unterstützung von Verände-
rungsprozessen finden sich in der Literatur zur Organisationsentwicklung
(z.B. BECKER u. LANGOSCH 2002; SCHREYÖGG u. CONRAD 2000), zur
Gruppenentwicklung (z.B. STUMPF u. THOMAS 2003) und zur Personalent-
wicklung (z.B. SONNTAG 2006; RYSCHKA et al. 2008). Zu nennen sind bspw.
Diagnose- und Feedbackinstrumente, Coachings, Supervisionen, Rollenklä-
rungen, moderierte Workshops, Seminare und Trainings. Die konkrete Ge-
staltung der Methoden und Instrumente hängt von der Interventionsebene
(„Individuum“, „Gruppe“ oder „Organisation“), der Prozessphase und der
spezifischen Themenstellung bzw. Zielsetzung ab (z.B. Förderung der
550 Arbeitswissenschaft

Kommunikationsfähigkeit, Lösung von Problemen oder Konflikten, Verbes-


serung der Zusammenarbeit im Team).
In der Managementliteratur hat sich mittlerweile der Begriff „Change
Management“ etabliert (siehe z.B. KRAUS et al. 2006; SCHUH 2006). Unter diesem
Titel publizierte Konzepte stützen sich – zumindest teilweise – auf das bekannte
Methodenrepertoire der Organisationsentwicklung. Verschiedene Autoren weisen
auf Unterschiede zwischen den Ansätzen hin; so wird dem Change Management
bspw. eine stärkere Umfeldbetrachtung und Ausrichtung auf ökonomische Aspek-
te attestiert (siehe TREBESCH u. KULMER 2007; WIMMER 2004).
Mit Hilfe von Projektmanagementmethoden werden die auf den verschiedenen
Interventionsebenen angestoßenen Veränderungsprozesse koordiniert und gesteu-
ert (Abb. 5.13). Abb. 5.13 vereinfacht die Zusammenhänge und vernachlässigt die
in realen Veränderungsprozessen vorhandenen und notwendigen Iterationsschlei-
fen, die – vor allem bei lang dauernden Prozessen, wovon bei der Einführung von
Gruppenarbeit auszugehen ist – durchaus auch zu Modifikationen des Zielzustan-
des führen können.

Projektmanagement
Planung Steuerung Überwachung Evaluation

Ausgangs- Organisationsentwicklung Ziel-


situation Veränderung von Strukturen und Prozessen; zustand
Förderung einer teamorientierten Unternehmenskultur
Beispiel:
verrichtungs-
Gruppen-
Gruppenentwicklung Beispiel:
orientierte Förderung einer effektiven und effizienten objektorientierte
bildung
Arbeitsorganisa- Zusammenarbeit Arbeitsorganisa-
tion erweist tion mit selbst-
sich als nicht Personalentwicklung regulierten
flexibel und Sicherung des qualitativen Personalbedarfs und Arbeitsgruppen
ineffizient Förderung individueller Kompetenzen und Potenziale

Abb. 5.13: Zusammenhang von Projektmanagement, Organisations-, Gruppen- und


Personalentwicklung bei der Einführung von Gruppenarbeit

5.9.1 Vorgehensmodell
Nach KRINGS u. LUCZAK (1997) und RUHNAU (1997) hat sich für die Einführung
teilautonomer Gruppenarbeit die zeitlich versetzte Kombination einer Top-Down-
Gruppen- und Teamarbeit 551

und einer Bottom-Up-Strategie bewährt (sog. „Down-Up“-Ansatz nach SCHUH


2006). Dabei werden die Projektziele und der grobe Rahmen für die Gestaltung des
Gruppenarbeitskonzepts Top-Down vom Management entwickelt und vorgege-
ben. Um die Vorteile einer Bottom-Up-Strategie zu nutzen, z.B. hinsichtlich der
Akzeptanz der Gestaltungslösung und der Nutzung des Erfahrungswissens der
Arbeitspersonen, werden im Verlauf des Einführungsprozesses weitere Hier-
archieebenen über sog. Projekt- und Beteiligungsgruppen einbezogen (siehe
Kap 5.4 sowie HEEG 2006).
Die Einführung von Gruppenarbeit setzt allerdings zunächst eine Phase der
Orientierung und Vorbereitung voraus. Die betrieblichen Entscheidungsträger
müssen sich intensiv mit dem Thema Gruppenarbeit befassen und sich die dazu
notwendigen Informationen beschaffen. Darüber hinaus sollten die grundsätzli-
chen betrieblichen Probleme und die Ausgangssituation hinreichend präzise analy-
siert und transparent sein (RUHNAU 1997). Im Rahmen von Strategieworkshops
gilt es anschließend die strategischen Ziele, die mit der Einführung von Gruppen-
arbeit verfolgt werden sollen, zu definieren und mit der Gesamtstrategie abzuglei-
chen. Ferner muss überprüft werden, ob Gruppenarbeit überhaupt geeignet ist, den
betrieblichen Gegebenheiten und Herausforderungen gerecht zu werden, und
wenn ja, wie ein entsprechendes Gruppenarbeitskonzept gestaltet sein kann (siehe
KOEPPE u. GRAP 2000). Zur Überprüfung des potenziellen Nutzens eines Kon-
zepts ist eine Machbarkeitsstudie durchzuführen, die im Idealfall sowohl Aspekte
der Makroebene (das gesamte Unternehmen betreffend, z.B. Unternehmens-
/Führungskultur, Betriebsklima, Entgeltsysteme, Arbeitszeitmodelle, Informati-
ons-/Materialfluss, Technologien/Technisierungsgrad) als auch der Mikroebene
(einzelne Organisationseinheiten oder Bereiche betreffend) berücksichtigt.
METZ (1997) entwickelte ein Kriteriensystem für die Auswahl von Pilotberei-
chen zur Einführung von Gruppenarbeit in der Produktion. Danach können die im
jeweils analysierten Bereich zu erzielenden humanitären und ökonomischen Ef-
fekte vor der Einführung anhand der folgenden sieben Kriterien abgeschätzt wer-
den:
(1) Gruppenreinheit (Menge des ein-/ausgeschleusten Materials, Transparenz der
Abläufe)
(2) Aufgabenvollständigkeit (integrierbare indirekte Aufgaben, wie Disposition,
Instandsetzung, Maschine einrichten/einstellen, Qualitätssicherung, War-
tung/Instandhaltung)
(3) Planung/Steuerung (Planungshorizont, Planungsautonomie)
(4) Kommunikationsmöglichkeiten
(5) Personalkontinuität
(6) Qualifikationshomogenität
(7) Gruppengröße.
Die zu realisierende Form der Gruppenarbeit (restriktiv oder teilautonom bzw.
qualifiziert) wird primär durch die Ausprägungen der ersten drei Kriterien (A-
Kriterien) bestimmt. Das System bietet nicht nur eine Entscheidungshilfe, es kann
552 Arbeitswissenschaft

außerdem dazu beitragen, organisatorische Gestaltungsspielräume aufzuzeigen


und ein Verhaften an eine technikzentrierte Sichtweise bei betrieblichen Restruk-
turierungsmaßnahmen zu vermeiden (METZ 1997). Ein alternatives
Kriteriensystem für produktive Bereiche liegt von KOEPPE u. GRAP (2000) vor.
Für indirekte Bereiche stellt OTZIPKA (1998) ein Kriteriensystem zur Verfügung,
mit dessen Hilfe betriebliche Akteure alternative Formen der auftragsabwick-
lungsbezogenen Zusammenarbeit konzipieren und vergleichen können. Das Sys-
tem umfasst die folgenden neun Gestaltungskriterien:
(1) Ressourcenorientierung
(2) Zusammenarbeitsform
(3) Raumstruktur
(4) Prozessautarkie
(5) Qualifikationsredundanzen
(6) Personalflexibilität
(7) strategische Autonomie
(8) operative Autonomie
(9) Innovationsautonomie.
Steht am Ende dieser Orientierungsphase fest, dass Gruppenarbeit eingeführt
werden soll, sind die groben Rahmenbedingungen festzulegen und ein Projektlen-
kungsausschuss zu bilden. Abb. 5.14 gibt einen Überblick über alle weiteren Pha-
sen, die im Zuge der Einführung zu durchlaufen sind. Auch hier sind Iterationen
vorgesehen, insbesondere zwischen den Phasen der Grob- und der Feinkonzepti-
on.

0
extern
n

Abgrenzung//
Ab
Vorbereitung Orientierung Strategie Machbarkeit
Rahmenvorgaben

1 Projektplanung/
Prozessbegleiterr-/

Startphase Pilotbereich Information


Führungskräfte-

-organisation
zessbeglleitung

Grobkonzept p ((Ablauf-, Aufbau-


2 Grob-
Grob Ist-Analyse
Ist Analyse
g
training

organisation, Technik/Layout,
konzeption (Pilotbereich)
Entgelt-, Arbeitszeitsystem)

fachliche und
3 F i
Fein- Gruppen-
G
Proz

konzeption
Feinkonzept
bildung überfachliche
Qualifizierung,
6
Aufgabenver- Teamschulung,
intern

4 U
Umsetzung
„Start
Start der
Gruppenarbeit“ teilung in der
Gruppe
Teamentwicklung
Teamentwicklung,
-betreuung

5 Evaluation
Feedback,,
Reflexion
Zielerreichung,
g,
Lessons Learned
Kontinuierliche
Verbesserung

Abb. 5.14: Vorgehensweise bei der Einführung von Gruppenarbeit

Um Erfahrungen sammeln und zukünftige Einführungsprojekte besser planen


zu können, ist es sinnvoll, die Einführung zunächst auf einen Pilotbereich zu be-
Gruppen- und Teamarbeit 553

grenzen. Über das Projekt und die Chancen und Risiken von Gruppenarbeit sollten
jedoch alle Beschäftigten umfassend informiert werden. Möglichst frühzeitig
sollte mit der Qualifizierung der Führungskräfte begonnen werden, um sie auf ihre
Promotorenrolle im Einführungsprozess und ihre veränderten Rollen und Aufga-
ben nach der Einführung vorzubereiten.
Auf der Grundlage einer Ist-Analyse (siehe hierzu Analyseinstrumente in
Kap. 5.4.2.5) werden in der Phase der Grobkonzeption die Rahmenbedingungen
für die zukünftige Ablauf- und Aufbauorganisation, den Handlungs- und Ent-
scheidungsspielraum der Gruppe, die Anordnung der Betriebsmittel, die Schnitt-
stellen zwischen Pilotbereich und Umfeld, und die Anforderungsprofile für die
Gruppenmitglieder und den Gruppensprecher (Soll-Qualifikationsprofile) festge-
legt. Darüber hinaus ist ein geeignetes Qualifizierungskonzept zu entwickeln,
dessen Umsetzung vorzubereiten sowie eine ggf. notwendige Übergangsregelung
für das Arbeitszeit-/Entgeltsystem zu erarbeiten. In der zeitlich versetzt anlaufen-
den Feinkonzeption gilt es unter Berücksichtigung der Rahmenvorgaben u.A. die
Arbeitsaufgaben und -abläufe sowie die Arbeitsplätze zu gestalten, Fragen der
Verantwortungsübernahme, der Autonomie zu klären und die konkrete Umsetzung
im Detail zu planen. Die Konzeptionsphase kann durch objektivierende Methoden
der Arbeitsgestaltung unterstützt werden (siehe LUCZAK u. SCHUMANN 1996;
LUCZAK et al. 1996b; LUCZAK u. WIMMER 1996; WIMMER u. LUCZAK 2000; BE-
CKER u. ZÜLCH 2005; ZÜLCH u. BECKER 2008).
Das beteiligungsorientierte Vorgehen sieht vor, dass die Grobkonzeption von
den Projektgruppen (vorwiegend Führungskräfte des mittleren Managements)
erarbeitet wird, die Feinkonzeption hingegen von den Beteiligungsgruppen (vor-
wiegend Mitarbeiter aus den Pilotbereichen). Die verschiedenen Gremien sind
überlappend besetzt (KRINGS 1997). Optimierungs- und Abstimmungsprozesse
zwischen den unterschiedlichen Hierarchieebenen sind über die Projektorgani-
sation im Einführungsprozess verankert (Abb. 5.15). Die getroffenen Vereinba-
rungen können in einer Betriebsvereinbarung festgehalten werden (siehe
Kap. 5.9.2). Auszüge aus bereits abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen sowie
ein Gestaltungsraster finden sich z.B. in KAMP (1998).
Der Reorganisationsprozess wird durch einen neutralen Prozessbegleiter unter-
stützt (verbreitet ist auch die Bezeichnung „change agent“, siehe z.B. RÜHL 1976; RUH-
NAU 1997; ELKE 2007). Er soll insbesondere die Selbstorganisationsprozesse in
den Beteiligungsgruppen und den späteren Arbeitsgruppen anregen, sie beraten
und sie bei der Lösung von Problemen oder Konflikten methodisch unterstützen.
Die Prozessbegleitung kann zunächst durch einen externen Berater erfolgen, die-
ser sollte aber von einem entsprechend qualifizierten internen Begleiter (z.B. Füh-
rungskräfte der unteren bis mittleren Ebene, Mitarbeiter der Personalabteilung
oder Inhaber neu geschaffener Stabsstellen) abgelöst werden (siehe KRINGS u.
LUCZAK 1997; MÜTZE et al. 2000, FINK et al. 2008).
Die letzte Phase des Einführungsprozesses umfasst die Evaluation. Sie dient
neben der kritischen Reflexion insbesondere der Überprüfung der Zielerreichung,
z.B. anhand bestimmter zuvor definierter Kennzahlen. Im Hinblick auf die Über-
554 Arbeitswissenschaft

prüfung personenbezogener Effekte bietet sich der Einsatz standardisierter Instru-


mente an, wie z.B. des Job Diagnostic Survey von HACKMAN u. OLDHAM (in der
deutschen Übersetzung von SCHMIDT et al. 1985, siehe auch SCHMIDT u. KLEIN-
BECK 1999; BRÜGGMANN et al. 1999; siehe Kap. 5.4.2.5).

Top-Down a
Projektleiter
Geschäftsleitung a
Projektlenkungs- Mitglied in
xxx
oberes Mitglied in ausschuss
xxx Auftrag
Management xxx
Betriebsrat x a
x Leiter x
an a
x x x
Projektgruppe

onzept
externer Begleiter x x x
mittlere Organi- Technik Qualif./
Füh
Führungskräfte,
k äft Mitglied in

Grobko
sation xxx Entgelt
Meister x interner Betriebsrat
xProzess- xxx a
Sprecher externer Begleiter
Feinkonzept

a
xbegleiter
gewerbliche Beteiligungsgruppe
g g g pp
Mitarbeiter, (Schicht 1-3)
Sachbearbeiter Unterstützung externer Begleiter betriebsinterne
xxx
Bottom-Up & Anregung Experten für

Abb. 5.15: Projektorganisation bei der Einführung von Gruppenarbeit (in Anlehnung an
KRINGS 1997)

Die Feststellung von Effekten setzt allerdings eine zweimalige Durchführung


voraus (Vorher-/Nachher-Vergleich). Verfahren zur erweiterten Wirtschaftlich-
keitsrechnung (z.B. DESERNO et al. 1988, ZANGEMEISTER 2000) berücksichtigen
sowohl unmittelbare Kosten und Erträge als auch mittelbar wirkende Kosten (z.B.
Kosten durch Fluktuation). Über die Ermittlung eines humanen und eines strategi-
schen Arbeitssystemwertes werden darüber hinaus nicht monetär quantifizierbare
Größen in die Bewertung einbezogen (z.B. Belastung, Persönlichkeit, Arbeitssi-
cherheit, Flexibilität). Entsprechende Verfahren sind auch im Rahmen der Vorbe-
reitungsphase zur Machbarkeitsanalyse einsetzbar (siehe METZ 1997; LUCZAK u.
METZ 1996).
Die Ergebnisse der Evaluationsphase können für die kontinuierliche Optimie-
rung des Systems sowie für die Ausdehnung des Gruppenarbeitskonzepts auf
weitere Bereiche bzw. auf das gesamte Unternehmen genutzt werden.
Das Vorgehensmodell berücksichtigt wesentliche Voraussetzungen und Er-
folgsfaktoren selbstregulierter Gruppenarbeit, wie z.B. die ausreichende fachliche
und überfachliche Qualifizierung aller Gruppenmitglieder und Führungskräfte, die
Beteiligung bei der Gestaltung/Einführung und die Vermittler- und Unterstützer-
rolle des Prozessbegleiters bzw. der Führungskräfte (siehe ANTONI 2009; GERST
1999; HEILIGER et al. 1997; HERZOG 1999; JÖNS 2008b; LUCZAK et al. 1996; MÜT-
ZE et al. 1998; THUNIG u. KNAUTH 2001; WIMMER 2002; WIMMER u. STAWOWY
1999).
Als weitere Erfolgsfaktoren – insbesondere auch im Hinblick auf die nachhalti-
ge Etablierung - werden von den genannten Autoren u.A. das Commitment und
Engagement des oberen Managements und die regelmäßige Verfolgung der Ar-
Gruppen- und Teamarbeit 555

beitsgruppenentwicklung angeführt. Letzteres kann z.B mit Hilfe von Gruppenau-


dits erfolgen (HEILIGER et al. 1997; WIMMER u. STAWOWY 1999; KOEPPE u.
GRAP 1999). Bei der Entwicklung einer Auditmethode werden Bewertungskriteri-
en festgelegt und operationalisiert. Die Auditierung sollte bei selbstgesteuerten
Arbeitsgruppen möglichst von den Gruppen selbst durchgeführt werden (WIEDE-
MANN et al. 2001, HENNLEIN u. JÖNS 2008). Ergänzend können Fremdbewertun-
gen seitens des Vorgesetzten oder des Prozessbegleiters sowie Kundenbefra-
gungsergebnisse hinzugenommen werden. Ausgehend von den Ergebnissen des
Gruppenaudits werden Verbesserungsmaßnahmen oder Maßnahmen zur Gruppen-
entwicklung abgeleitet. Eine Auswertung über mehrere Gruppen hinweg bietet die
Möglichkeit, auch übergreifende Handlungsbedarfe zu identifizieren. Die Rück-
meldung über die Leistung und das interpersonelle Verhalten sowie die gemein-
same Reflexion im Rahmen von Gruppenaudits oder Feedbackgesprächen sind
notwendig, um Lern- und Entwicklungsprozesse in der Gruppe anzustoßen und
ein „Stagnieren“ der Gruppenarbeit zu vermeiden (siehe BUNGARD 2005; FINK et
al. 2008; HENNLEIN u. JÖNS 2008; KABEL u. VÖLKER 2000).
Aus der Arbeits- und Organisationspsychologie liegen standardisierte Instru-
mente zur Teamdiagnose vor, wie z.B. das Teamklimainventar (TKI) von BROD-
BECK et al. (2000) als deutsche Fassung des Team Climate Inventory von ANDER-
SON u. WEST (1994), der Fragebogen zur Arbeit im Team von KAUFFELD (2001,
2004) und das internetgestützte Verfahren TeamPuls von WIEDEMANN et al.
(2001).
Als Führungsinstrument haben auch Zielvereinbarungen eine erhebliche Bedeu-
tung in der Praxis erlangt (siehe z.B. HÖLZLE 2000 sowie Kap. 5.4.3). Sind Ziel-
vereinbarungen noch nicht im Unternehmen etabliert, erfordert ihre Einführung
allerdings einen gesonderten Einführungsprozess (siehe BEYER et al. 2007 als Bei-
spiel für die Einführung eines kennzahlenbasierten Systems zum partizipativen Produktivi-
tätsmanagement). Ausführliche Darstellungen der zu beachtenden Anforderungen
sowie der positiven Effekte von Zielvereinbarungen im Kontext von Gruppenar-
beit finden sich z.B. in BUNGARD u. KOHNKE (2002), WEGGE (2004), ERKE u.
JÖNS (2003), ERKE u. BUNGARD (2006).
Das in Abb. 5.14 vorgestellte Einführungsmodell beschreibt - je nach Größe
des Bereichs - einen Zeitraum von ca. 1 bis 2 Jahren (siehe KRINGS u. LUCZAK
1997; JÖNS 2008b). Der Projektabschluss markiert allerdings nur das Ende des
formalen Einführungsprozesses (in einem Pilotbereich) – nicht hingegen das Ende
des Organisationsentwicklungsprozesses hin zu einer teamorientierten Führungs-
und Unternehmenskultur. Von Unternehmen, die Gruppenarbeit praktizieren,
werden für diesen „kulturellen Entwicklungsprozess“ Zeiträume von mehr als 5
Jahren angegeben (BUNGARD u. JÖNS 1997). In JÖNS (2008a) beschreiben sechs
namhafte deutsche Unternehmen, die bereits Mitte der 1990er Jahren mit der Ein-
führung von Gruppenarbeit begonnen haben, ihre positiven Erfahrungen mit dieser
Arbeitsorganisationsform. Sie weisen aber auch auf Schwierigkeiten, Grenzen und
Risiken bei der Einführung und Aufrechterhaltung von Gruppenarbeit hin und
556 Arbeitswissenschaft

bestätigen damit im Wesentlichen die Anforderungen, die in den obigen Ausfüh-


rungen explizit oder implizit gestellt werden.
Im Rahmen der Analyse von Konzepten organisatorischer Unterstützungssys-
teme für selbstregulierte Gruppenarbeit hat WIMMER (2002) die Elemente entspre-
chender Systeme in einer Art Maximalkatalog zusammengefasst, siehe Abb. 5.16
uktur
esse

Aufgabenstruktur Ablaufprinzipien Organisatorische Verankerung


Aufgabenstru
Arbeitsproze

• Handlungs- und Entscheidungs- • prozessorientierte • Verteilung von


spielräume in Arbeitsgruppen Produktionsorganisation Entscheidungsbefugnissen
• verteilte Grenzregulation • Kunden-Lieferanten- • gruppen-/ teamarbeits-
• Aufgabenwechsel Beziehungen orientierte Organisationsstruktur
• entkoppelte Produktionsschritte
A
A

Informations- und
Planung und Steuerung Führungssystem
Management

Rückmeldesystem
• Planungs-
Planungs und Dispositions-
Dispositions • Messung und Bewertung von • partizipatives Führungsprinzip
spielräume für Arbeitsgruppen Individual- und Gruppenleistung • methodische und soziale Unter-
• Abstimmung zwischen Arbeits- • regelmäßige Rückmeldung der stützung der Arbeitsgruppen
gruppe(n) und Arbeitssteuerung Gruppenleistung und (Prozessgewinne erzeugen)
-entwicklung • Mitarbeiter-/Gruppengespräche

Personalentwicklung Gruppenentwicklung Organisationsentwicklung


wicklung

• systematische Personalent- • Verfolgung des Stands der • kontinuierliche Verbesserungs-


wicklung von Gruppen, Führungs- Gruppenentwicklung prozesse
Entw

kräften und unterstützenden • Förderung d. Gruppenentwicklung • Integration der Arbeitsgruppen


Stellen (z.B. Prozessbegleiter) • Rückmeldung über in Organisationsentwicklung
Gruppenentwicklung (Mitarbeiterbeteiligung)

Ressourcen Anreizsysteme Strategie


Ressourcen
nd Anreize

• Planung von Zeit- und • gruppenarbeitsorientiertes • Existenz von Leitbildern


Kostenbudgets Entgeltsystem • Verankerung von Gruppen- und
• Verfügbarkeit und Bereitstellung • flexibles Arbeitszeitsystem Teamarbeit in Unternehmens-
un

notwendiger
t di R
Ressourcen • potenzialorientiertes
t i l i ti t P Personal-
l strategie
t t i undd -planung
l
management • transparentes Zielsystem

Abb. 5.16: Komponenten organisatorischer Unterstützungssysteme für selbstregulierte


Gruppenarbeit (in Anlehnung an WIMMER 2002)

5.9.2 Mitbestimmungsrechte
Während die Entscheidung über die Einführung teilautonomer Gruppenarbeit
(siehe Legaldefinition in Kap. 5.1.2, BUNDESTAGS-DRUCKSACHE 14/5741, 2001)
mitbestimmungsfrei durch den Arbeitgeber getroffen werden kann, räumt das
Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG, in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.
September 2001) den Betriebsräten in den weiteren Phasen vielfältige Beteili-
gungsrechte ein (siehe z.B. LINDE 2004). Bereits in der Planungsphase ist das Vor-
liegen verschiedener Mitbestimmungstatbestände zu überprüfen. Unterrichts- und
Beratungsrechte können sich z.B. aus §111 (Betriebsänderungen) ergeben, wenn
davon auszugehen ist, dass die Einführung von Gruppenarbeit den Tatbestand
einer Betriebsänderung erfüllt (z.B. indem sie eine grundlegende Änderung der
Betriebsorganisation bedeutet und/oder die Einführung grundlegend neuer Ar-
beitsmethoden und Fertigungsverfahren mit sich bringt). Weitere Unterrichtungs-
und Beratungsrechte können sich aufgrund der Neugestaltung der Arbeitsplätze,
Gruppen- und Teamarbeit 557

des Arbeitsablaufs und der Arbeitsumgebung (§90 BetrVG) sowie aus der Perso-
nalplanung und den daraus folgenden Maßnahmen ergeben (§92 BetrVG). Die
erstmalige Zuordnung eines Arbeitnehmers zu einer Arbeitsgruppe kann unter
bestimmten Bedingungen eine zustimmungspflichtige Versetzung nach
§99 BetrVG darstellen. Im Zusammenhang mit den notwendigen Qualifizie-
rungsmaßnahmen sind die Beteiligungsrechte bzgl. der Planung und Durchfüh-
rung von Maßnahmen der beruflichen Bildung (§§96ff. BetrVG) zu beachten. In
der Umsetzungsphase sind vor allem die typischen Mitbestimmungsrechte in sozi-
alen Angelegenheiten nach §87 BetrVG zu wahren (z.B. Arbeitszeit- und Urlaubs-
regelungen, Entgeltsysteme, betriebliches Vorschlagswesen) sowie insbesondere
das seit der Reform des Gesetzes im Jahre 2001 bestehende gesonderte Mitbes-
timmungsrecht hinsichtlich der Grundsätze zur Durchführung teilautonomer
Gruppenarbeit (Kap. 5.5). Laut amtlicher Begründung kann der Betriebsrat bspw.
Regelungen zu folgenden Gestaltungsaspekten verlangen und diese mitgestalten
(BUNDESTAGS-DRUCKSACHE 14/5741, 2001):
x Wahl eines Gruppensprechers, dessen Stellung und Aufgaben
x Abhalten von Gruppengesprächen zwecks Meinungsaustauschs und Mei-
nungsbildung in der Gruppe
x Zusammenarbeit in der Gruppe und mit anderen Gruppen
x Berücksichtigung von leistungsschwächeren Arbeitnehmern
x Konfliktlösungen in der Gruppe.
Das im vorausgehenden Abschnitt vorgestellte Vorgehen zur Einführung von
Gruppenarbeit sieht eine umfassende Beteiligung des Betriebsrats bereits in frühen
Phasen vor, um sicherzustellen, dass die Rechte und Belange der Arbeitnehmer
von vornherein angemessen berücksichtigt werden und nachträgliche, mit Kosten
und Reibungsverlusten verbundene Korrekturen am Konzept vermieden werden.
Ob dieses Vorgehen vom Gesetzgeber angedacht war, ist der bisherigen Rechtsla-
ge allerdings nicht eindeutig zu entnehmen (siehe hierzu BUSCH 2003).
Bei der Gestaltung der Aufgaben und der Entscheidungsspielräume der Gruppe
kommt die Anwendung des §28a BetrVG in Betracht. In Betrieben mit mehr als
100 Arbeitnehmern kann der Betriebsrat bestimmte Aufgaben auf Arbeitsgruppen
übertragen. Grundlage für die Delegation ist eine zwischen Arbeitgeber und Be-
triebsrat abzuschließende Rahmenvereinbarung. In der amtlichen Gesetzesbegrün-
dung heißt es dazu weiter: „Die Aufgaben, die übertragen werden sollen, müssen
in einem inneren Zusammenhang mit den von der Arbeitsgruppe zu erledigenden
Tätigkeiten stehen. Das ist bspw. bei Übertragung von Regelungsbefugnissen im
Zusammenhang mit Arbeitszeitfragen, Pausenregelungen, Urlaubsplanung, Ar-
beitsgestaltung und ähnlichen tätigkeits- oder aufgabenbezogenen Sachverhalten
der Fall. Unzulässig ist es dagegen, dass der Betriebsrat z.B. bei einer Betriebsän-
derung dem davon betroffenen Arbeitsbereich die Beteiligungsrechte nach den
§§111ff. überträgt“ (BUNDESTAGS-DRUCKSACHE 14/5741, 2001). Die Anwen-
dung von §28a BetrVG ist nicht auf teilautonome Gruppen beschränkt.
558 Arbeitswissenschaft

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6 Arbeitszeit

6.1 Begriffliche Grundlagen

Der Begriff der Arbeitszeit ist in §2 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) definiert.


Danach gilt als Arbeitszeit die Zeit, die von „Beginn bis zum Ende der Arbeit
ohne die Ruhepausen“ geleistet wird (Ausnahme: im Bergbau unter Tage zählen
die Pausen zur Arbeitszeit). Falls die Arbeitnehmer bei mehreren Arbeitgebern
tätig sind, müssen die Arbeitszeiten zusammengerechnet werden.
§2 definiert weiterhin Arbeitnehmer als Arbeiter und Angestellte sowie zu ihrer
Berufsbildung Beschäftigte.
Die Nachtzeit ist lt. ArbZG festgelegt zwischen 23.00 und 6.00 Uhr, bei Bäcke-
reien und Konditoreien zwischen 22.00 und 5.00 Uhr.
Nachtarbeit ist Arbeit, die mit mehr als zwei Stunden innerhalb der Nachtzeit
liegt.
Als Nachtarbeitnehmer werden die Arbeitnehmer definiert, die normalerweise
Nachtarbeit in Wechselschicht leisten oder mindestens an 48 Tagen im Kalender-
jahr Nachtarbeit leisten.

6.2 Entwicklung der Arbeitszeit

Eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit war in der Vergangenheit Gegenstand


vieler tarifrechtlicher Auseinandersetzungen. Die Einführung der 35-Stunden-
Woche war z.B. mit der Diskussion verbunden, wie im Hinblick auf die Produkti-
vitätsentwicklung die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, Sektoren und ge-
samten Volkswirtschaft erhalten werden kann. In der Vergangenheit konnte durch
Rationalisierung die Wettbewerbsfähigkeit vieler Industrien gesichert werden.
Nunmehr werden langfristige Konzepte auf ihre Wirksamkeit im Hinblick auf
Beschäftigung und Wachstum überprüft.
Die seit Beginn der industriellen Revolution durch gesetzliche und tarifrechtli-
che Rahmenbedingungen initiierte, kontinuierliche Abnahme der Arbeitszeit hat
dazu geführt, dass es heute im internationalen Vergleich in Deutschland niedrigere
Jahresarbeitszeiten, bezogen auf die tariflichen Jahresarbeitszeiten, vermindert um
Fehlzeiten wie Krankheit, Kuren etc., gibt als in zahlreichen anderen Ländern.
Dabei zeigt die Erhebung der tatsächlichen Arbeitszeit bei Vollzeitstellen auch,
dass Deutschland auf einem der Plätze mit der höchsten Wochenarbeitszeit liegt
(siehe Abb. 6.1).
576 Arbeitswissenschaft

Abb. 6.1: Vergleich der Wochenarbeitsstunden europäischer Länder, 4. Quartal 2007


(Quelle: EUROFOUND 2008), bezogen auf die tatsächliche Wochenarbeitszeit bei Voll-
zeitbeschäftigten

Die Entwicklung der Arbeitszeiten in Deutschland seit 2003 ist als ungewöhn-
lich zu betrachten. Dass die effektiven Arbeitszeiten während Rezession oder
Stagnation zurückgehen und bei wirtschaftlichem Aufschwung wieder verlängert
werden, ist an vielen Beispielen aus EU-Ländern bekannt. In Deutschland jedoch
fand bereits 2003, also noch in einer Phase der wirtschaftlichen Stagnation, eine
Debatte über längere Arbeitszeiten statt (IAQ-REPORT 2009). Angeregt wurde
diese Debatte von einigen Arbeitgeberverbänden der Privatwirtschaft. Aber auch
die öffentlichen Arbeitgeber schlossen sich an. Mit dem beginnenden Aufschwung
der Wirtschaft in 2004 stiegen dann die Arbeitszeiten real an. Die Unternehmen
Arbeitszeit 577

reagierten auf den Aufschwung erst einmal mit Arbeitszeitverlängerungen, um den


Bedarf zu decken. Erst zwei Jahre später wurden vermehrt Beschäftigte, vorzugs-
weise Leiharbeiter und sog. „Minijobber“, eingestellt. Aber auch die steigende
Anzahl an Beschäftigten führte nicht zu einem Ende der Arbeitszeitsteigerung.
Die Wochenarbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte stieg bis 2005 auf 40,3 Stunden
(siehe Abb. 6.2).

Abb. 6.2: Wochenarbeitszeit abhängiger Vollzeitbeschäftigter in Deutschland (1984-2005)


(Quelle: IAQ-REPORT 2009)

Um die Arbeitszeit an gesetzliche, tarifliche und marktbezogene Vorgaben an-


passen zu können, ist die Flexibilisierung unumgänglich. Arbeitszeitflexibilisie-
rung bedeutet in einem ersten Schritt die Aufhebung der starren Kopplung von
Betriebszeit und Arbeitszeit (Abb. 6.3). Dies kann aus verschiedenen Gründen
notwendig sein: Infolge des Wandels vom Anbieter- zum Käufermarkt sowie der
Globalisierung werden kurze Lieferfristen und Termintreue neben dem Preis und
der Produktqualität immer wichtiger. Zudem bedingen ständige technische Neue-
rungen und kürzere Produktlebenszyklen, dass Anlagen schnell veralten. Die da-
durch erforderlichen kurzen Amortisationsfristen sind nur durch längere Betriebs-
zeiten erreichbar. Zusätzliche Nachteile bei der starren Kopplung von Betriebs-
und Arbeitszeiten sind in verringerten Ansprechzeiten (z.B. im Vertrieb) und
einem erhöhten Überstundenpensum zu sehen. Auch unregelmäßig über das Jahr
verteilte Betriebs- und Arbeitszeiten können sinnvoll sein, um beispielsweise eine
effiziente Just-in-Time-Produktion (siehe auch Kap. 4.4.2) bei saisonalen Auf-
tragsschwankungen zu ermöglichen.
578 Arbeitswissenschaft

Neue Arbeitszeitwünsche: Neue Technologien: Flexibilisierung der


Wunsch nach • Ausdehnung der Betriebsnutzungsdauer wegen:
• En-Bloc-Freizeiten, Betriebsnutzungsdauer • Anpassung an zeitlich
• Gleitzeit, schwankende Nachfrage
• Zeitsouveränität • Individualisierung und
kürzere Lebenszyklen der
Produkte

Entkopplung von Neue Produktions- und


Betriebs- und Logistikkonzepte:
Arbeitszeiten • lean production,
• just-in-time

Forderung nach Verfügbarkeit: Strukturwandel der Arbeit: Öffnungszeiten von


• Freizeitdienstleistungen rund- • Verschiebung auf Kindergärten, Schule
um-die-Uhr und um-die-Woche Dienstleistungen etc.

Abb. 6.3: Gründe für die Entkopplung von Betriebs- und Arbeitszeiten
(GARHAMMER 1994)

Diese Flexibilisierungsnotwendigkeiten sind mit humanen Bedürfnissen nach


Zeitsouveränität, Persönlichkeitsentfaltung, Arbeitsattraktivität, familiärer Zu-
wendung und allgemeiner Freizeitorientierung unter Berücksichtigung arbeitswis-
senschaftlicher Erkenntnisse in Übereinstimmung zu bringen.
Eine zunehmend wichtige Rolle spielt auch die Dauer der Lebensarbeitszeit.
Der bereits eingesetzte demografische Wandel lässt sowohl Zweifel an der zu-
künftigen Finanzierbarkeit des bestehenden sozialversicherungsrechtlichen Sys-
tems (Generationenvertrag) als auch an der Ausweitung des Arbeitspotenzials der
Bundesrepublik Deutschland aufkommen: Das Angebot an Erwerbstätigen ist
langfristig rückläufig und die Anzahl alter Menschen nimmt überproportional zu
(siehe Kap. 2.2.2). Lange Ausbildungszeiten (Schule, Lehre, Studium) verhindern
lange Erwerbszeiten und die gängige Praxis der Vorruhestandsregelungen unter-
mauert diesen Umstand noch.
Den in den Betrieben für die Organisation der Arbeitszeit zuständigen Fachleu-
ten obliegt im Rahmen existierender Gestaltungseinschränkungen die Verantwor-
tung für Bezugszeitraum, Lage und Dauer der Arbeitszeit. Gemeinsam mit dem
Gesetzgeber und den Tarifparteien müssen sie vor dem Hintergrund der beschrie-
benen Entwicklungen auch die Frage nach der Dauer der Lebensarbeitszeit stellen.
Der Bedeutung des Themengebiets „Arbeitszeit“ Rechnung tragend wurden im
Juli 2006 vom Vorstand der DGAUM (Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin
und Umweltmedizin e.V.) Leitlinien zur Nacht- und Schichtarbeit verabschiedet
(DGAUM 2009). Adressaten dieser Leitlinien sind Arbeitsmediziner und Ärzte
aller anderen Fachrichtungen, aber auch Arbeitswissenschaftler, Praktiker in der
Gefährdungsbeurteilung und Arbeitsgestaltung in Unternehmen sowie alle Institu-
tionen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Die Leitlinien sollen wissenschaft-
lich begründete und praxisorientierte Handlungsempfehlungen und Orientierungs-
hilfen geben. Entsprechend dieser Zielsetzung gehen die Leitlinien Nacht- und
Schichtarbeit ein, auf die wichtigsten Rechtsnormen zur Schichtarbeit, die Defini-
Arbeitszeit 579

tion, die Wirkung von Schichtarbeit auf den Menschen und die Möglichkeiten,
erhöhter Beanspruchung durch Schichtarbeit entgegenzuwirken.

6.3 Arbeitszeit und Produktivität

Der Zeitbegriff als wirtschaftlich-soziale Maß- und Wertvorstellung ist nicht sehr
alt, und erst in den letzten Jahrhunderten wurde der Zeitbegriff für die menschli-
che Arbeit als Maßstab übernommen (GIESE 1930; SCHMID 1961). Bezeichnet
man das mengenmäßige Verhältnis von Faktorertrag zu Faktoreinsatz als Produk-
tivität, so ist mit einer Reduzierung von Arbeitsstunden nicht gleichsam ein Rück-
gang der Arbeitsproduktivität zu erwarten – auch dann nicht, wenn eine Verkür-
zung der Arbeitszeit auch zu kürzeren täglichen Arbeitszeiten führt (WÖHE 1984).
Im Europa des vorindustriellen Zeitalters bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts
hinein herrschte die Auffassung, dass Arbeit eine erzieherische und sittlichkeitser-
haltende Funktion haben sollte. Mit entsprechend langen Arbeitszeiten sollte das
Volk frei gehalten werden von Müßiggang und schädigenden, politischen Einflüs-
sen. Tägliche Arbeitszeiten von 12, 14 und 16 h waren durchaus üblich, und erst
in der Folge wurden Arbeitszeitregelungen Gegenstand gesetzlicher Vorgaben und
Verankerungen. Durch die aufkommende Industrialisierung und die damit ver-
bundene Substitution von Arbeit durch Kapital wurde dann auch aus ökonomi-
schen Erwägungen auf einen sinnvollen, effektiven Einsatz menschlicher Arbeit
gedrängt.
Einzelne englische Volkswirte des 18. Jahrhunderts, wie beispielsweise Adam
Smith, hatten übrigens bereits die inneren Zusammenhänge zwischen der übermä-
ßigen Arbeitsdauer und dem gelegentlichen Ausspannungsbedürfnis der Arbeiter,
die ihre erschöpfte Arbeitsenergie an besonderen Mußetagen wieder auffrischen
mussten, erkannt. Adam Smith, der Moralphilosoph unter den Nationalökonomen,
hatte schon vor der weiteren Verbreitung des Fabriksystems die übermäßige zeitli-
che Arbeitsbeanspruchung der Arbeiter als Widersinn bezeichnet, da sie zu einer
Untergrabung der Gesundheit der Arbeiter führen müsse, wenn diese sich nicht
selber durch den „viel beklagten Müßiggang“ an einzelnen Zwischentagen halfen.
„Derjenige, welcher in dem Maße arbeitet, dass er sein Werk ständig fortsetzen
kann, bewahrt nicht nur seine Gesundheit am längsten, sondern bringt auch im
Laufe des Jahres die größte Menge Arbeit zustande“ (GIESE 1930).
Wurde der Zehnstundentag 1848 zuerst in England, 1904 in Frankreich und
1912 im Deutschen Reich eingeführt, so wurden schon 1883 in der Maschinenfab-
rik von Mather und Platt in Salford sowie von W. Allen in den Scotia Engine
Works, Sunderland, die ersten Experimente zum Achtstundentag durchgeführt.
Das Ergebnis war, dass eine wesentliche Reduzierung der Arbeitskosten erreicht
werden konnte. Allgemein wurde mit dem Übergang vom Zehnstundentag auf den
Achtstundentag auch eine Produktivitätssteigerung erwartet. Und schon 1883 ging
das Arsenal von Woolwich, England, mit 16.000 Arbeitern zum Achtstundentag
über (Vergleich: Gesetzliche Einführung des Achtstundentages in Deutschland 19.
580 Arbeitswissenschaft

Nov. 1918, in England 1. Nov. 1919). Noch vor Ausbruch des 1. Weltkrieges
konnte Ford in den USA durch Einführung des Achtstundentages gegenüber dem
Neunstundentag nach eigenen Angaben eine „Mehrleistung“ von ca. 15 - 20%
erzielen, womit gleichwohl eine Erhöhung der Produktion als auch der Produktivi-
tät verstanden werden soll (GIESE 1930).
Den Zusammenhang zwischen Arbeitszeitverkürzung und Produktivitätssteige-
rung formulierte Brentano schon vor über hundert Jahren: „Tritt infolge Lohner-
höhung und Kürzung der Arbeitszeit eine Erhöhung der Arbeitsleistung ein, so
treibt sie erfahrungsgemäß zu größerer Intensität der Arbeit, weil Menschen mit
größeren Bedürfnissen bei kürzerer Arbeitszeit zu größerem Fleiße genötigt sind.
Sie ermöglicht auch intensivere Arbeit, indem körperliche Ursachen und größere
Arbeitsfreude ihnen den größeren Fleiß leichter machen als Arbeitern, welche
wenige Bedürfnisse empfinden, schlecht genährt, müde und missmutig sind.“
(BRENTANO 1893, nach SCHMID 1961). Die in den Weltkriegen von 1914 und
1939 verlängerten Arbeitszeiten zur Mehrproduktion von Kriegs- und Versor-
gungsgütern sind Gegenstand vieler Untersuchungen gewesen. In englischen Mu-
nitionsfabriken erzielte man durch eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 66
auf 47,5 h eine erhebliche Produktivitätssteigerung, die zudem zu einer Produkti-
onserhöhung führte, wenn das Arbeitstempo von Maschinenzeiten unabhängig
gesteigert wurde (Tabelle 6.1).
Tabelle 6.1: Wöchentliche Arbeitszeit, Produktion und Leistungsgrad. Das Drehen von
Geschosskörpern als von Maschinenzeiten unabhängige, das Fräsen von Schraubengewin-
den als abhängige Arbeitsleistung (nach VERNON 1943, aus SCHMID 1961)

Arbeitszeiten Produktion Leistungsgrad


Arbeit
StundenĆ StückeĆ TotalĆ relativeĆ
inĆ%
proĆWoche proĆStunde Stücke Produktion

DrehenĆvonĆ 66,4Ć 108Ć 7178Ć 100Ć 100Ć


Geschoß-Ć 54,4Ć 131Ć 7126Ć ĆĆ99,4Ć 120Ć
körpern 47,5 169 8028 113 155

FräsenĆvonĆ 64,9Ć 100Ć 6490Ć 100Ć 100Ć


Schrauben-Ć 54,8Ć 121Ć 6631Ć 102Ć 121Ć
gewinden 48,1 133 6397 ĆĆ99 133

VERNON (1943, zit. nach SCHMID 1961) untersuchte in England eine Gruppe
von 115 Frauen in der mechanischen Fertigung, deren wöchentliche Arbeitszeiten
im Kriegsjahr 1942 von 56 auf 69,5 h erhöht worden waren. Die durch die Mehr-
arbeit erzielte Produktionserhöhung betrug in Woche 1 +26%, Woche 2-4 +11%,
Woche 5-8 +7% und in Woche 9-13 +/- 0%.
Arbeitszeit 581

Obwohl sich die Arbeitsproduktivität zunächst nach der Umstellung in der ers-
ten Woche um 1,6% erhöhte, wurden schon in der zweiten Woche 10% und in den
darauf folgenden Wochen 14% und schließlich 20% Produktivitätsrückgang ge-
messen. Dagegen wurde nach Wiedereinführung der alten Arbeitszeit eine zu-
nächst proportional zur Arbeitszeitverkürzung zurückgehende Produktionsleistung
beobachtet und zwar aufgrund des remanenten Arbeitstempos. Danach benötigten
die Arbeiterinnen einen Anpassungsvorgang von ca. 3-4 Monaten, um zu einem
höheren Arbeitstempo zu finden – mithin zu einer Kompensation der durch Ar-
beitszeitverlust eingetretenen Minderleistung (VERNON 1943, zit. nach SCHMID
1961). Wenngleich einer weiteren, ad infinitum zu betreibenden Ausnutzung von
Produktivitätsreserven allein durch Arbeitszeitverkürzung ökonomisch-technische
Grenzen gesetzt sind, so wurden in der Vergangenheit durch schrittweise Rück-
führung der Wochen- und Tagesarbeitszeiten eindeutige Ergebnisse erzielt, ein-
hergehend mit Gestaltungsmaßnahmen in der Arbeitsorganisation und einer im
Zuge der Mechanisierung und Automatisierung effektiveren Kombination der
Produktionsfaktoren.
In den USA wurde eine Arbeitszeitverkürzung von 48,6 auf 39,8 h Wochenar-
beitszeit im Zeitraum von 1929 bis 1957 erreicht. Der dadurch verursachte Pro-
duktivitätszuwachs betrug gegenüber dem gleichfalls produktivitätssteigernden
Faktor Kapital 100% (SCHETTKAT 1984).
Die Frage, ob nicht bereits die heute üblichen täglichen Arbeitszeiten von 8 h
für einzelne Arbeitsformen schon zu lang seien, wurde bereits von LEHMANN
(1962) diskutiert. Unterstellt wurden hierbei mehrere Beziehungen zwischen Ta-
gesleistung und täglicher Arbeitszeit.
Die Analysen zeigen, dass eine Leistung in Abhängigkeit von der Arbeits-
schwere schon weit vor Arbeitszeitende das Maximum der Stundenproduktivität
erreicht haben kann. Mit anderen Worten: Wird die Arbeitszeit von 8 h auf 7 h
verkürzt, so beträgt die Minderleistung weniger als ein Achtel. Zum anderen ist
die Tagesleistung abhängig von der Leistungsbereitschaft und von der Summe der
Rüst- und Nebenzeiten (LEHMANN 1962). Mit einer weiteren Reduzierung der
täglichen Arbeitszeit werden – vordergründig betrachtet – die konstanten Anteile
unproduktiver Nebenzeiten relativ zu den Produktionszeiten erhöht. Maschinelle
Anlaufzeiten und physiologisch bedingte Einarbeitungszeiten fallen ebenso ins
Gewicht. Dagegen ist ein linearer Produktionsabfall bei maschinenabhängiger
Leistung zu erwarten.
Einen Beleg liefert der Vergleich der durchschnittlichen tatsächlichen Arbeits-
zeiten in der EU und der damit verbundenen Arbeitsproduktivität (Abb. 6.4). Die
Arbeitsproduktivität je geleisteter Arbeitsstunde fällt durchschnittlich in Abhän-
gigkeit von der Anzahl der in der Woche zu leistenden Arbeitsstunden (bezogen
auf Vollzeitarbeitnehmer). Dieser Schluss ist jedoch nur eingeschränkt zu ziehen,
denn es gibt gerade zwischen den einzelnen EU-Ländern deutliche Unterschiede
(Arbeitsgestaltung, sozialer Kontext, etc.), die für die Arbeitsproduktivität mit
verantwortlich sein können. So ist die Produktivität beispielsweise im Vergleich
582 Arbeitswissenschaft

zwischen Belgien und Polen sicherlich nicht ausschließlich durch die zu leistenden
Wochenarbeitsstunden sinnvoll zu erklären.

Abb. 6.4: Durchschnittliche tatsächliche Arbeitszeiten und damit verbundene Arbeitspro-


duktivität von Vollzeit-Arbeitnehmern in der EU (2002), Quelle: Europäische Arbeitskräf-
testichprobe, Eurostat (nach LEHNDORFF 2005)

6.4 Flexibilisierungsparameter und Gestaltungsansätze

Die Arbeitszeit besitzt eine chronologische Dimension, welche die Verteilung und
zeitliche Lage der Arbeitszeit angibt, und eine chronometrische, welche die Dauer
der Arbeitszeit festlegt (BAUER 1999).
Die Definitionen von flexibler Arbeitszeit sind in der Literatur unterschiedlich
weit gefasst. WILDEMANN (1991) und LINNENKOHL u. RAUSCHENBERG (1996)
beschreiben, dass Arbeitszeit als flexibel bezeichnet werden kann, wenn sowohl
chronologische als auch chronometrische Dimensionen permanent veränderbar
sind.
Die Gestaltung der Arbeitszeit ist abhängig von den vorliegenden Arbeitsauf-
gaben und muss sich daran orientieren. Vor Einführung eines Arbeitszeitmodells
ist eine fundierte qualitative und quantitative Analyse der Aufgabenfelder erfor-
derlich. In Abb. 6.5 sind zwei komplementäre Strukturierungsprinzipien gegen-
übergestellt (FERREIRA 2001).
Arbeitszeit 583

Abb. 6.5: Gegenüberstellung von zwei komplementären Organisationssystemen


(FERREIRA 2001 angelehnt an BÜGE 1993)

Mit dem starren Organisationssystem werden solche Tätigkeiten beschrieben,


die unter anderem
x standardisiert,
x formalisierbar,
x kontinuierlich,
x häufig vorkommend,
x wenig zeitkritisch,
x verschiebbar,
x planbar,
x einfach und
x wenig kommunikationsintensiv
sind. Ein Arbeitszeitmodell könnte starr, mit wenigen flexibilisierenden Elemen-
ten ausgelegt sein.
584 Arbeitswissenschaft

Das flexible Organisationssystem umfasst Tätigkeiten, die


x komplex
x wenig formalisierbar
x sporadisch bzw. einmalig
x sehr zeitkritisch
x nicht verschiebbar
x kaum planbar
sind und bei den Beteiligten einen hohen Informations- und Kommunikationsbe-
darf auslösen. Das Arbeitszeitmodell sollte sehr individuell und flexibel gestaltet
sein und auf hohen Autonomie- und Freiheitsgraden sowie der Selbstkoordination
der Mitarbeiter aufbauen.
Das Arbeitszeitmanagement muss ökonomische und organisatorische Interes-
sen des Betriebs und gleichermaßen persönliche Präferenzen, physiologische Dis-
positionen (siehe Kap. 2.2.5) und soziale Bedürfnisse der Mitarbeiter berücksich-
tigen. Hierfür stehen die folgenden Gestaltungsparameter zur Verfügung:
x Die Arbeitszeitdauer bestimmt die mitarbeiterbezogenen Stunden pro Zeit-
einheit (z.B.: Teilzeit mit 30 Stunden/Woche; Vollzeit mit 36 Stun-
den/Woche).
x Die Arbeitszeitverteilung regelt sowohl die zeitliche Lage der Arbeitszeiten
(z.B.: Zwei-Schicht-System mit definierten Anfangs- und Endzeiten) als
auch eine mögliche Verteilung in Zeiträumen (z.B.: erstes Jahresquartal mit
32 Stunden/Woche; zweites Jahresquartal mit 40 Stunden/Woche).
x Der Bezugszeitraum legt fest, wie lange eine Person arbeitet, angegeben in
Stunden, Tagen, Wochen, Monaten oder Lebensarbeitszeit.
x Die Arbeitsplatzbesetzung bestimmt, wie viele Mitarbeiter an einem Arbeits-
platz eingesetzt werden (beispielsweise Mehrfachbesetzungssystem). In der
Arbeitsplatzbesetzung finden sich demzufolge auch Aspekte einer flexiblen
Arbeitsorganisation wieder.
Die Kombination dieser Parameter ermöglicht es, betriebsspezifische und mit-
arbeiterorientierte Arbeitszeiten bedarfsgerecht zu entwickeln.
Die Möglichkeiten flexibler Lebensarbeitszeit haben nach HALL (1993) Aus-
wirkungen auf den traditionellen Karrierebegriff und damit die Karrierekultur.
Ein mehrmaliges Wechseln in andere Berufsfelder (Multifunktionskarriere) ge-
hört ebenso dazu wie zeitlich befristete Beförderungen oder aber auch der stufen-
weise vollzogene Übergang in den Ruhestand (Abb. 6.6).
Die Akzeptanz veränderter Karrieremodelle kann durch geeignete Personalent-
wicklungsmaßnahmen initiiert werden (Workshops, Seminare, etc.). HALL (1993)
spricht in diesem Zusammenhang von einem „psychologischen Vertrag“ zwischen
Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit den folgenden grundsätzlichen Elementen:
x Kein Betrieb kann die Karriere eines Beschäftigten vollständig planen.
x Daher müssen Arbeitnehmer mehr Verantwortung für das Management ihrer
Karrieren übernehmen.
Arbeitszeit 585

x Die dafür erforderlichen Karriere-Kompetenzen sind im Wesentlichen: An-


passungsfähigkeit; Toleranz gegenüber Veränderungen; Selbsteinschätzung
und Identitätsveränderung.
x Der Betrieb muss mehr Entwicklungsmöglichkeit anbieten (hierarchisch:
nach unten, quer, nach oben; Verlassen des Unternehmens).
x Der Betrieb muss über günstige berufliche Chancen informieren und Unter-
stützung für Mobilität leisten.
x Schließlich sollte Karriereentwicklung integrativer Bestandteil eines strategi-
schen Managementsystems sein.
Arbeitszeitvolumen Arbeitszeitvolumen

t t
Traditionell Multifunktionskarriere
Arbeitszeitvolumen Arbeitszeitvolumen

t t
ZeitweiseĆBeförderung StufenweiseĆPensionierung

Abb. 6.6: Arbeitszeitvolumen bei unterschiedlichen Karrieremodellen (HALL 1993)

Betriebszeitorganisation
Für die effiziente, bedarfsgerechte Nutzung der Betriebsmittel existieren verschie-
dene Möglichkeiten der Betriebszeitflexibilisierung. Steigt der Absatz, bieten sich
außer Mehrarbeit (oft unwirtschaftlich aufgrund hoher Zulagen) folgende Maß-
nahmen an (Abb. 6.7) (SCHWIENTEK 1993):
x Ausdehnung der Schichtdauer durch Wahrnehmung von Optionen zur Be-
triebszeitverlängerung
x Erhöhung der Anzahl der Schichten pro Tag
x Zusatzschichten an noch nicht genutzten Wochentagen, z.B. Samstagen, ggf.
als Mehrarbeit
x organisatorischer oder technischer Pausendurchlauf
x Erhöhung des Nutzungsgrades durch Verkürzung von Brachzeiten
x Fremdvergabe von Aufträgen bzw. Verringerung der Fertigungstiefe.
Neben der Flexibilisierung von Arbeit bietet die Einführung von Kurzarbeit die
Möglichkeit auf kurz- bzw. mittelfristige Schwankungen im Auftragseingang zu
reagieren und damit auch wirtschaftlich schwierige Phasen zu überstehen. Unter
Kurzarbeit wird eine vorübergehende Reduzierung der Regelarbeitszeit zur Ver-
meidung von Kündigungen verstanden. In einem gewissen Ausmaß trägt der Staat
den entstehenden Verdienstausfall. Laut Aussagen des Instituts für Arbeitsmarkt-
586 Arbeitswissenschaft

und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) ist die Zahl der Kurzar-
beiter im ersten Quartal 2009 (eine Phase des wirtschaftlichen Abschwungs)
sprunghaft auf 950.000 angestiegen, wobei im Schnitt etwa ein Drittel der norma-
len Arbeitszeit ausgefallen ist. Dies könnte betriebsbedingte Kündigungen verhin-
dert haben. In der Zeit von Januar bis März 2009 wurden durchschnittlich 354,8
Arbeitsstunden geleistet, berichtet das IAB weiter. Somit wurden 11,2 Stunden
bzw. 3,1% weniger gearbeitet als in den Vergleichsmonaten im Jahr 2008. Auch
die geleisteten bezahlten Überstunden nahmen ab und lagen bei 8,4 Stunden je
Arbeitnehmer.
Absatzschwierigkeiten kann (neben Kurzarbeit) folgendermaßen begegnet wer-
den:
x Verringerung der Schichtenanzahl
x personelles Ausdünnen einzelner Schichten
x Verlängerung unbezahlter Pausen
x Abbau von Mehrarbeit
x Freischichten
x Erhöhung der Fertigungstiefe.

Abb. 6.7: Nutzung der Betriebsmittel (SCHWIENTEK 1993)


Arbeitszeit 587

6.4.1 Gesetzliche Gestaltungsbedingungen


Das Arbeitszeitrecht fällt nach Art. 125 des Grundgesetzes (GG) in die Zuständig-
keit des Bundesgesetzgebers. In der Handhabung erweisen sich die Ausführungs-
und Durchführungsbestimmungen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) als Richtlinien
oder Verwaltungsvorschriften, die in den Zuständigkeitsbereich der auf Länder-
ebene tätigen Landesarbeitsminister übergehen.
Die Regelung der Arbeitszeit zum Zwecke des Arbeitsschutzes wird in ver-
schiedenen Rechtsquellen angesprochen (Jugendarbeitsschutzgesetz, Mutter-
schutzgesetz, Ladenschlussgesetz, Tarifvertragsgesetz, Betriebsverfassungsgesetz
etc.), von denen im Folgenden das Arbeitszeitgesetz als das wichtigste Arbeits-
schutzgesetz in Grundzügen erläutert werden soll.
Das ArbZG ist Bestandteil des umfassenderen, 1994 in Kraft getretenen Ar-
beitszeitrechtsgesetzes (ArbZRG), das alle Änderungen von bestehenden Gesetzen
und Verordnungen mit arbeitszeitrechtlichen Belangen aufführt (bspw. ist die
Regelung der Sonn- und Feiertagsruhe, für die bisher die Gewerbeordnung zu-
ständig war, nun Bestandteil des ArbZG). Das ArbZRG hat nicht nur die seit 1938
rechtsgültige Arbeitszeitordnung (AZO) abgelöst, sondern auch 27 weitere Geset-
ze und Verordnungen zur Regelung der Arbeitszeit.
Gestaltungsspielraum für eine flexible Verteilung der Arbeitszeit
 Die werktägliche Arbeitszeit (der Samstag wird als gewöhnlicher Werktag
gesehen) darf 8 Stunden nicht überschreiten, kann aber auf bis zu 10 Stunden
verlängert werden, wenn innerhalb von 6 Kalendermonaten oder 24 Wochen
im Durchschnitt 8 Stunden täglich nicht überschritten werden (§3). Die Ta-
rifvertragsparteien bzw. Betriebsparteien (wenn die Tarifverträge es zulas-
sen) können andere Ausgleichszeiträume vereinbaren.
 Spielräume für die Tarifvertragsparteien bzw. Betriebsparteien (vom Ar-
beitszeitgesetz abweichende Regelungen sind im Rahmen eines Tarifvertra-
ges oder einer Betriebsvereinbarung möglich):
o Arbeitszeiten von mehr als 10 Stunden (für Tages- und Nachtarbeit); sind
auch ohne Ausgleich möglich, wenn in die Arbeitszeit in erheblichem
Umfang Arbeitsbereitschaft fällt (z.B. Rettungssanitäter, Feuerwehrleute)
o Die Arbeitszeit kann an bis zu 60 Tagen/Jahr ohne Ausgleich auf bis zu
10 Stunden/Tag verlängert werden.
Ruhezeiten, Pausen
 Pausenregelung (§4): 6-9 h Arbeit/Tag: mind. 30 Minuten; > 9 h/Tag: 45
Minuten; die evtl. Aufteilung der Gesamtpausenzeit entscheidet der Arbeit-
geber in Absprache mit dem Betriebs- bzw. Personalrat. Die Ruhepausen
können in Zeitabschnitte von jeweils 15 Minuten aufgeteilt werden.
 Nach 6 Stunden ununterbrochener Arbeit muss eine Ruhepause eingelegt
werden.
588 Arbeitswissenschaft

x Ruhezeit (§5): 11 Stunden Ruhezeit ohne Unterbrechung zwischen Feier-


abend und dem nächsten Arbeitsbeginn ist vorgeschrieben. Die Ruhezeit
kann in einigen Bereichen zeitweise reduziert werden (z.B. Ärzte im Bereit-
schaftsdienst), es ist dann aber ein entsprechender Ausgleich erforderlich.
Nachtarbeit
x Nachtarbeit: Jede Arbeit zwischen 23 und 6 Uhr, die mehr als 2 Stunden
dauert.
x Nachtarbeitnehmer: Wer normalerweise Nachtarbeit in Wechselschicht oder
an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr leistet, gilt als Nachtarbeitnehmer
im Sinne des Gesetzes. Auch für Nachtarbeitnehmer gilt dabei der Grund-
satz, dass die werktägliche Arbeitszeit acht Stunden täglich nicht überschrei-
ten darf. Allerdings kann sie bis auf zehn Stunden verlängert werden, wenn
innerhalb eines Kalendermonats oder innerhalb von vier Wochen im Durch-
schnitt acht Stunden nicht überschritten werden.
x Der Beginn des 7-stündigen Nachtzeitraums kann zwischen 22 und 24 Uhr
festgelegt werden (Spielraum für die Vertragsparteien).
x Es besteht ein Anspruch auf regelmäßige arbeitsmedizinische Untersuchung:
vor dem Beginn der Nachtarbeitsphase, anschließend alle 3 Jahre (Alter >50:
Gesundheitscheck einmal pro Jahr) (§6, Abs. 3); die Kosten trägt der Arbeit-
geber; bei ärztlich festgestellter gesundheitlicher Gefährdung kann der Ar-
beitnehmer verlangen, auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz umge-
setzt zu werden (falls die betrieblichen Möglichkeiten es erlauben; Abspra-
che zwischen Arbeitgeber und Personal-/Betriebsrat).
x Eine besondere familiäre Situation des Nachtarbeiters muss berücksichtigt
werden (z.B. schwerpflegebedürftige Angehörige).
x Ausgleich für Nachtarbeit: Falls tarifvertraglich nicht festgelegt ist, in wel-
cher Form ein Ausgleich für Nachtarbeit stattfindet, muss der Arbeitgeber
seinem Mitarbeiter eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage gewähren
oder einen angemessenen Zuschlag auf das normale Bruttoarbeitsentgelt zah-
len. Der Freizeitausgleich sollte im Sinne des Gesundheitsschutzes Vorrang
haben vor einer finanziellen Abgeltung der besonderen Belastung bei Nacht-
arbeit.
x 10 Stunden Arbeit in der Nacht sind möglich, aber der Ausgleichszeitraum
gegenüber Tagarbeit ist kürzer: Innerhalb von 4 Wochen muss auf durch-
schnittlich 8h/Tag ausgeglichen werden.
Arbeitszeit 589

Neu und von besonderem Interesse für Arbeitszeitgestalter ist die Forderung in
§6(1) ArbZG, dass „die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer [...] nach
den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschenge-
rechte Gestaltung der Arbeit festzulegen [ist].“ Gesicherte arbeitswissenschaftli-
che Erkenntnisse können beispielsweise nachgelesen werden bei KNAUTH u.
HORNBERGER (1997) und sind für Schichtarbeit in Kap. 6.5.1 aufgeführt.
Regelung der Sonn- und Feiertagsruhe
Die Sonn- und Feiertagsruhe ist verfassungsmäßig festgelegt. Es gibt jedoch 16
Ausnahmen von der Regel in den Bereichen Daseinsvorsorge, Dienstleistungen,
soziales Sicherungssystem, Freizeiteinrichtungen und in den Bereichen des Wirt-
schaftslebens, in denen auf Sonn- und Feiertagsarbeit nicht verzichtet werden
kann (§10) (z.B. Krankenpflegeanstalten oder wenn die Produktion aus techni-
schen Gründen nicht unterbrochen werden kann).
Betriebe können bei den Gewerbeaufsichtsämtern eine Sondergenehmigung für
Sonn- und Feiertagsarbeit beantragen, wenn (§13, Abs. 5):
 die gesetzlichen wöchentlichen Betriebszeiten von 144 Stunden ausgeschöpft
sind (Produktion quasi von Montag bis Samstag rund um die Uhr) oder
 aufgrund noch längerer Arbeitszeiten der ausländischen Konkurrenz keine
Konkurrenzfähigkeit möglich ist.
Die Aufsichtsbehörden müssen dann die Sonn- und Feiertagsarbeit genehmi-
gen. Der Betrieb muss nachweisen, dass die Betriebszeiten bereits 144 h/Woche
betragen, dass die Konkurrenz noch länger produziert und dass er ohne Sonn- und
Feiertagsarbeit nicht mehr konkurrenzfähig ist bzw. dass dann Arbeitsplätze verlo-
rengehen.
15 Sonntage/Jahr müssen im Allgemeinen beschäftigungsfrei bleiben (Rege-
lungen über Arbeitszeiten, Pausen, Ruhephasen und Ausgleichszeiträume gelten
auch an Sonn- und Feiertagen). Die Tarifvertragsparteien/Betriebsparteien können
hier jedoch andere Regelungen vereinbaren.
In Schichtbetrieben kann die Arbeitszeit an Sonn- und Feiertagen auf bis zu
zwölf Stunden verlängert werden (Ausgleich muss dann durch zusätzliche freie
Schichten an Sonn- und Feiertagen erfolgen).
Mehrschichtige Betriebe mit regelmäßiger Tag- und Nachtschicht dürfen Be-
ginn oder Ende der Sonn- und Feiertagsruhe um bis zu 6 Stunden vor- oder zu-
rückverlegen, wenn der Betrieb unmittelbar nach dem Beginn der Ruhezeit 24
Stunden ruht.
Gleichbehandlung von Frauen
Das Nachtarbeitsverbot für Frauen ist aufgehoben. Dadurch ist jetzt der Aufstieg
zur Schichtführerin möglich. Die Höchstarbeitszeiten und Ruhepausen für Frauen
sind denen der Männer angepasst.
590 Arbeitswissenschaft

6.4.2 Tarifliche Gestaltungsbedingungen


Die für die Bestimmung der Arbeitszeit maßgeblichen Regularien lassen sich in
vier Ebenen darstellen (Abb. 6.8).
Das Arbeitszeitgesetz setzt den grundsätzlichen Rahmen, der aus Gründen des
Arbeits- und Gesundheitsschutzes nicht überschritten werden darf.
Die tatsächliche Arbeitszeit (Dauer und Lage) wird durch Tarifvertrag, Be-
triebsvereinbarung und Einzelarbeitsvertrag festgelegt. Die Betriebs- bzw. Perso-
nalräte bestimmen mit, wann die tägliche Arbeitszeit einschließlich der Pausen
beginnt bzw. endet und wie die Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage verteilt
wird.
Die Tarifverträge sind nach Tarifautonomien (Metall, Chemie, etc.) und Tarif-
gebieten aufgeschlüsselt. Sie eröffnen mit ihren ausgehandelten Flexibilisierungs-
und Differenzierungsmöglichkeiten das Feld für die Gestaltung der Arbeitszeit-
modelle.

Gesetze/ Gesetzliche Regelungen legen den Rahmen fest, innerhalb dessen die Tarifver-
Verordnungen tragsparteien Dauer und Verteilungsräume der Arbeitszeit bestimmen können.

Tarifvertragsparteien bestimmen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben


Tarifverträge
Dauer und Verteilungsräume der Arbeitszeit.

Betriebsver- Betriebsvereinbarungen legen die konkrete (betriebliche) Lage der Arbeits-


einbarungen zeit fest; Umsetzung durch Unternehmensleitung und Betriebs-/Personalrat.

Arbeits- Die arbeitszeitlichen Regelungen (z.B. Teilzeit, Vollzeit) im individuellen Arbeits-


vertrag vertrag müssen in Übereinstimmung mit den übergeordneten Vorgaben sein.

Abb. 6.8: Regelungsebenen der Arbeitszeit

Tabelle 6.2 veranschaulicht im Überblick tarifvertragliche Regelungen zur


Dauer und Verteilung der Arbeitszeit.
Neben Arbeitszeitgesetz und Tarifverträgen gibt es noch eine Reihe weiterer
rechtlicher Rahmenbedingungen, welche die Flexibilisierung der Arbeitszeit mo-
derieren. Hierzu gehören beispielsweise das
 Ladenschlussgesetz (LSchlG),
 Jugendarbeitsschutzgesetz (JarbSchG),
 Mutterschutzgesetz (MuSchuG),
 Gesetz über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung (Be-
schFG)
sowie die bereits genannten Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträge.
Arbeitszeit 591

Tabelle 6.2: Tarifvertragliche Regelungen zur Dauer und Verteilung der Arbeitszeit

Tarifvertragliche Regelungen Bemerkungen Gesetzliche Vorgabe


Regelmäßige 34 h (Deutsche Telekom AG) Durchschnitt 6 Tage x 8h =
Wochenarbeitszeit - 40 h (Landwirtschaft, Bauhauptge- 2008: 37,6 h 48 h/Woche
werbe) Regel 6 Tage x 10 h =
60 h/Woche
(max. zul.)
Differenzierung Einzelhandel: 37-39 h nach Wirtschafts- Bei grenzwertigen
Groß-/Außenhandel: 38,5-39h sektoren, Arbeitsdauern: Minde-
Holz und Kunststoff: 35-40h Branchen, rung zum Erreichen
Hotel- und Gaststättengewerbe: 38- Betriebstypen Durchschnitt über
40h Ausgleichszeiträume
KFZ-Gewerbe: 36-37,5h (s.o.)
Öffentlicher Dienst: 38,5-40,1h
Privat Transport und Verkehr: 38-40h
Stunden je Tag Maximal 10 h Ausnahmen nur bei Bereitschaftsdienst
Verteilung auf Beispiele: Tarif-vertragliche Samstag als gesetzli-
Wochentage Banken Mo-Fr, Sa dienstfrei Sonderstellung cher Werktag, Sonn-
Chemische Industrie Mo-Fr, Sa bis des Samstags tagsarbeit verboten mit
13 Uhr Ausnahmen und
Eisen- und Stahlindustrie Mo-Fr (*) Sondervergütung
Ausgleichs- Beispiel: Entsprechend 6 Monate, Verlänge-
zeitraum Banken 6 Monate Saison und rung Tarifvertraglich
Chemische Industrie 12 Monate „atmende Fabrik“ aushandelbar
Eisen- und Stahlindustrie
mehrere Wochen (*)
(*) Westdeutschland

6.5 Arbeitszeitsysteme und -modelle

Die Zusammenstellung von Arbeitszeitsystemen in der Literatur ist reichhaltig


(LINNENKOHL u. RAUSCHENBERG 1996; MENTE 1998; HAMM 1999; BLUM u.
ZAUGG 1999). Auffällig ist jedoch, dass häufig bereits vielfach bekannte Systeme
ohne oder mit mangelhafter Struktur wiedergegeben werden und diese Ausfüh-
rungen so lediglich einen informativen Charakter aufweisen.
Im Folgenden wurde eine Unterteilung der Gestaltungsmöglichkeiten von Ar-
beitszeit gewählt (FERREIRA 2001), welche auf einer Hierarchie basiert (Abb.
6.9), die von einzelnen Elementen zur Beschreibung der flexiblen Arbeitszeit
(flexibilisierende Elemente) ausgeht und über in der Praxis realisierte Erweiterun-
gen (spezifische Erweiterungen) zu vollständigen Arbeitszeitregelungen (Arbeits-
zeitmodellen) und in den Betrieben angewandten Umsetzungen vielfältiger Rege-
lungen (Arbeitszeitsysteme) gelangt.
592 Arbeitswissenschaft

Arbeitszeitsysteme

Arbeitszeitmodelle

Flexibilisierende Erweiternde
Elemente Modifikationen

Abb. 6.9: Hierarchie zur Unterteilung der Gestaltungsmöglichkeiten von Arbeitszeit

Es handelt sich hierbei um eine Hierarchie von Gestaltungsmöglichkeiten der


Arbeitszeit. Arbeitszeitsysteme sind zusammengesetzt aus Arbeitszeitmodellen.
Diese wiederum setzen sich aus flexibilisierenden Elementen und erweiternden
Modifikationen zusammen, welche die Basis dieser Hierarchie darstellen.
Im Einzelnen bedeuten
x Arbeitszeitsysteme: Betrieblich angewandte Arbeitszeitmodelle in ihrer Ge-
samtheit, d.h., ein Betrieb arbeitet mit verschiedenen Arbeitszeitmodellen
(zum Beispiel in der Produktion in Schichtarbeit, im Verwaltungsbereich mit
Gleitzeit); die Gesamtheit der Modelle ist das Arbeitszeitsystem dieses Be-
triebes.
x Arbeitszeitmodelle: Modelle, die vollständige Arbeitszeitregeln (wie bei-
spielsweise Lage und Dauer der Arbeitszeit, Ruhepausen, Urlaubsanspruch)
für einen vorbestimmten oder dauernden Arbeitszeitabschnitt enthalten. Hie-
runter fallen auch nicht flexible Arbeitszeitmodelle wie beispielsweise die
Teilzeitarbeit.
x Flexibilisierende Elemente: Als flexibilisierende Elemente werden solche
Komponenten der Arbeitszeitgestaltung verstanden, durch die ein Arbeits-
zeitmodell oder -system an chronologischer und/oder chronometrischer Ver-
änderbarkeit gewinnt.
x Erweiternde Modifikationen: Diese Modifikationen sind Bestandteile zur
Erweiterung flexibler Arbeitszeitmodelle, wie beispielsweise Arbeitszeitkon-
ten.
Die Bestimmungsfaktoren zur Abgrenzung und Definition der einzelnen Mo-
delle sind in Tabelle 6.3 aufgeführt.
In Tabelle 6.4 werden die wesentlichen Merkmale von zwölf unterschiedlichen
Arbeitszeitmodellen dargestellt, die in Deutschland sowie in anderen Ländern
Anwendung finden. Anschließend werden die zwei Modelle Gleitzeit und
Schichtarbeit ausführlich beschrieben.
Arbeitszeit 593

Tabelle 6.3: Bestimmungsfaktoren von Arbeitszeitmodellen

Bezeichnung Bestimmungsfaktoren
(1) Variabilität der Lage x Nicht gegeben
x Innerhalb eines Tages
x Innerhalb einer Woche
x Innerhalb eines Monats
x Innerhalb eines Jahres
x Innerhalb eines Jahrzehnts
x Innerhalb eines Arbeitslebens
(1a) Verfügbarkeit x durch Arbeitnehmer
der Variabilität x durch Arbeitgeber
x durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber
(2) Variabilität der Dauer x Nicht gegeben
(Stundenzahl) x Innerhalb eines Tages
x Innerhalb einer Woche
x Innerhalb eines Monats
x Innerhalb eines Jahres
x Innerhalb eines Jahrzehnts
x Innerhalb eines Arbeitslebens
(2a) Verfügbarkeit x durch Arbeitnehmer
der Variabilität x durch Arbeitgeber
x durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber
(3) Üblicher x 1 Tag
Ausgleichszeitraum x 1 Tag bis d 7 Tage
x Tage bis d 1 Monat
x 1 Monat bis d ein Jahr
x 1 Jahr d 10 Jahre
x 10 Jahre (Arbeitsleben)
(4) Kernzeit x Vorgegeben
x Nicht vorgegeben
(5) Arbeitszeitkorridor x Vorgegeben
x Nicht vorgegeben
(6) Sonstige Vorgaben des x Vorhanden
Arbeitgebers x Nicht vorhanden
(7) Modell permanent flexibel x Ja
(auch mit Vorlauf) x Nein
(8) Modell beschränkt flexibel (für x Ja
Zeitraum festgelegt) x Nein
594 Arbeitswissenschaft

Tabelle 6.4: Kurzbeschreibungen von zwölf unterschiedlichen Arbeitszeitmodellen

Modellbezeichnung Kurzbeschreibung Besonderheiten


Schichtarbeit Gegenüber der normalen Tagesarbeitszeit Wird u.A. aufgrund technischer
versetzte Arbeitszeit, um die Betriebszeit über 8 und wirtschaftlicher Notwendigkeit
Stunden hinaus zu erhöhen, zum Teil auf 24 praktiziert
Stunden täglich. Häufig als 8-Stunden-Schicht
zum Teil mit verlängerter Arbeitszeitdauer, so z.B.
als 12-Stunden-Schicht, wie in der chemischen
Industrie teilweise praktiziert
Gleitzeit Freie Wahl von Beginn und Ende der täglichen In Verwaltungsbereichen weit
Arbeitszeit im Rahmen bestimmter Bandbreiten verbreitet
(Gleitzeit: z.B. zwischen 7 und 9 Uhr Arbeitsbe-
ginn, zwischen 15.30 und 18.30 Uhr Arbeitsen-
de). Bei der einfachen Gleitzeit liegt die Flexibili-
sierungsoption beim Arbeitnehmer.
KAPOVAZ (Kapazi- Das Modell stellt das Gegenmodell zur qualifizier- Umstritten, insbesondere wegen
tätsorientierte ten Gleitzeit dar. des vorher nicht exakt festgeleg-
variable Arbeitszeit) Die monatliche Normalarbeitszeit ist nach Ar- ten Arbeitseinsatzes
beitsanfall variabel einteilbar. Kurzfristige Vertei-
lung der Arbeitszeit normalerweise durch den
Arbeitgeber.
Arbeitszeitkorridor Bei dieser Regelung gibt es lediglich einen Die Arbeitswoche ist stunden-
Arbeitszeitrahmen beispielsweise täglich von 6.30 mäßig nicht festgelegt, stattdes-
bis 19.30 Uhr, in dem sich die individuelle Ar- sen liegt sie innerhalb einer
beitszeit des einzelnen bewegen muss. Es gibt Bandbreite. Die tatsächliche
weder Kernzeiten noch eine Mindestarbeitszeit Arbeitszeit wird durch die Auf-
pro Tag. tragslage vorgegeben
Variable Der Arbeitnehmer kann den Beginn, das Ende Die betrieblichen Erfordernisse
Arbeitszeit und die Dauer der täglichen Arbeitszeit innerhalb der Verfolgung von Unterneh-
einer definierten Rahmenarbeitszeit frei wählen. menszielen werden mit der
Es gibt keine Kernzeiten. Die variable Arbeitszeit Vorstellung der Mitarbeiter von
kann als Weiterentwicklung der Gleitzeit verstan- einer hohen Zeitsouveränität
den werden. verbunden.
Amorphe Bei der gestaltlosen Arbeitszeit wird ausschließ- Die Bemessungszeiträume bei
Arbeitszeit lich das Volumen der vom Arbeitnehmer geschul- der amorphen Arbeitszeit liegen
deten Arbeitszeit z.B. tarifvertraglich festgelegt. zwischen einem Jahr und einem
Die konkrete Lage und Dauer der Arbeitszeit ganzen (Arbeits-) Leben im
werden hingegen offengelassen. Gegensatz zu den Bemessungs-
räumen bei der variablen Arbeits-
zeit.
Arbeitszeit 595

Tabelle 6.4 (Fortsetzung): Kurzbeschreibungen von zwölf unterschiedlichen Arbeitszeit-


modellen

Flexible Standardar- Es werden tägliche Standardarbeitszeiten auf der Abweichungen können auftreten,
beitszeit Basis der zu erwartenden Anforderungen in allerdings ist die Tages-
Verbindung mit den Wünschen der Arbeitnehmer Standardarbeitszeit so zu planen,
im Voraus geplant und festgelegt. dass sie ausreichen müsste, um
die täglichen Anforderungen zu
erfüllen.
Jahresarbeitszeit Die Jahresarbeitszeit ist die flexible Standardar- Während des ganzen Jahres
beitszeit bezogen auf den Zeitraum eines Jahres. erhält man 1/12 des Jahresge-
Ausgehend von der Sollarbeitszeit von 100% halts monatlich und ist außerdem
können vielfältige Abweichungsmöglichkeiten im Sozialversicherungssystem
nach unten installiert werden. So können auch eingebunden (BAILLOD 1986).
längere Freizeitblöcke entstehen.
Mehrjahresarbeits- Die flexible Standardarbeitszeit bezogen auf
zeit mehrere Jahre wird in Form von Mehrjahresar-
beitszeit-Modellen z.B. bei der Firma Opel
diskutiert, wobei sich die Arbeitszeitmodelle am
„(…) ganzen Modellzyklus eines Autos sowohl in
der Produktion als auch in den indirekten Berei-
chen über einen Ausgleichszeitraum von drei bis
vier Jahren (…)“ orientieren sollen.
Baukastensystem Ausgangspunkt ist die Arbeitswoche, die in Die Mitarbeiter stimmen im Team
Module unterteilt wird. Jedes Modul hat dabei eigenverantwortlich über die
zum Beispiel eine Länge von 4 Stunden. Die konkrete Besetzung der Arbeits-
Vollzeit-Arbeitnehmer müssen dann wöchentlich plätze ab, wobei sie sich an den
etwa 10 Module ableisten. Die Zahl der Module Kundenfrequenzen orientieren.
pro Woche multipliziert mit der Anzahl der Mitar-
beiter ergibt die Gesamtzahl der zu besetzenden
Module pro Woche.
Staffelarbeitszeit Feststehende Arbeitszeiten werden hinsichtlich Zu Beginn und am Ende jedes
ihres Arbeitsbeginns bestaffelt. Die Mitarbeiter Arbeitstages kann ein Absinken
können sich innerhalb einer Zeitspanne für einen der Besetzungsstärke eintreten.
Arbeitsbeginn entscheiden. In der Regel ist diese
Entscheidung dann für mindestens ein Quartal
verbindlich.
Ergebnisorientierte Die Leistung der Mitarbeiter wird ausschließlich
Arbeitszeit (Vertrau- an den Ergebnissen ihrer Arbeit gemessen. Dies
ensarbeitszeit) bedeutet die vollständige Abschaffung von
Zeitkorridoren und Zeitkonten.
596 Arbeitswissenschaft

6.5.1 Schichtarbeit
Bei der Schichtarbeit handelt es sich um all jene Arbeitszeitformen „(...) bei denen
Arbeit entweder zu wechselnder Zeit (z.B. Wechselschicht) oder zu konstanter,
aber ungewöhnlicher Zeit (z.B. Dauer-Nachtschicht) ausgeführt werden muss“
(RUTENFRANZ et al. 1979). Dazu wird die betriebliche Arbeitszeit in mehrere
Zeitabschnitte mit versetzten Anfangszeiten bzw. mit unterschiedlicher Lage und
Dauer aufgeteilt. Die gleiche Tätigkeit wird also innerhalb dieser verschiedenen
Abschnitte am gleichen Arbeitsplatz von verschiedenen Arbeitnehmern ausgeführt
(RUTENFRANZ 1979). Bei der Schichtarbeit sind zahlreiche Variationen möglich.
Bei der Schichtarbeit handelt es sich um beschränkt flexible Arbeitszeit, da die
Lage und Dauer der Arbeitszeit meist nur einmalig veränderbar und danach wie-
der fixiert ist (LINNENKOHL u. RAUSCHENBERG 1996).
Bestimmte Gründe sprechen für eine längere oder gar permanente (ununterbro-
chene) Benutzung eines Arbeitsplatzes. Schichtarbeit als Folge einer Arbeitsper-
son-Arbeitsplatz-Arbeitszeit-Regelung ist deshalb organisatorisch für meist meh-
rere Arbeitspersonen und Arbeitsplätze zu treffen.
Schichtarbeit liegt in folgenden Ursachenkomplexen begründet (MIKL-HARKE
1980; KNAUTH u. HORNBERGER 1997):
Aufgaben in institutionell-dienstleistenden Berufen
In institutionell-dienstleistenden Berufen sind wichtige Funktionen durch perma-
nente Arbeitsbereitschaften zu sichern. Hierzu zählen Dienste in der Gesundheits-
versorgung und der öffentlichen Sicherheit sowie Aufgaben der Energieversor-
gung. Schichtarbeit ist zur Sicherstellung dieser Funktionen notwendig.
Aufgaben ökonomisch-technischer Art
Ökonomisch-technisch begründbare Ursachen der Schichtarbeit sind auf Fragen
der Kapazität und Wirtschaftlichkeit sowie auf Markt- und Absatzerfordernisse
zurückzuführen. Investitionsentscheidungen werden zur Sicherung der Rentabilität
und aus Gründen eines beschleunigten Kapitalrückflusses getroffen, womit oft-
mals eine mehrschichtige Nutzung der eingesetzten Produktionsmittel schon für
die längerfristige Produktionsweise in Aussicht gestellt wird.
Aufgaben technologisch-verfahrenstechnischer Art
Technologisch-verfahrensbedingte Gründe der Schichtarbeit liegen in kontinuier-
lichen bzw. quasi-kontinuierlichen Produktionsverfahren begründet. Insbesondere
bei Chargenfertigung müssen vielfach Produktionsprozesse kontinuierlich fortge-
führt werden (z.B. für Produktionsverfahren der Stahlerzeugung und der Chip-
Fertigung). Hohe Anlaufverluste treten durch Produktionsunterbrechungen und
Wiederaufnahme in der Lebensmittelindustrie auf, was besonders unter Entsor-
gungsaspekten (Rohstoff- und Energieverluste, Reinigungszyklen) zu berücksich-
tigen ist. Schichtarbeit dient der Aufrechterhaltung der kontinuierlichen Produk-
tionsprozesse, der Verhinderung des Verderbens von Rohstoffen oder der Vermei-
dung eines unzumutbaren Misslingens von Arbeitserzeugnissen.
Arbeitszeit 597

Arbeitsphysiologische und soziale Kriterien zur Gestaltung von Schichtarbeit


Schichtarbeit wird als Gegenpol zur Normalarbeitszeit verstanden. Periodische
Vertauschungen von Arbeitszeit und Nicht-Arbeitszeit für Tage und Wochen
bewirken, dass der Schichtarbeiter außerhalb der in der Gesellschaft manifestier-
ten und tolerierten Zeiten für Arbeit und Freizeit seine sozialen Belange, Ver-
pflichtungen, Ansprüche und Wünsche den Erfordernissen der Schichtarbeit un-
terordnen muss. Schichtarbeit wird immer auch im Zusammenhang mit den be-
sonderen physiologischen Problemen thematisiert, die als Folge unzureichender
Anpassungen an wechselnde Arbeits-, Entspannungs- und Schlafzeiten entstehen.
Über längere Zeit ausgeübte Schichtarbeit, einschließlich Nachtarbeit, führt erwie-
senermaßen zu einem ansteigenden Krankheitsrisiko, insbesondere der Herzgefäße
und des Magen-Darmsystems. Frauen leiden zudem häufiger unter Regelstörun-
gen, einer als symptomatisch anerkannten Folge der Schichtarbeit (z.B. FERREIRA
2009, KNAUTH u. HORNBERGER 1997).
Gegenüber der Normalarbeitszeit als feste, zeitlich unveränderbare Tagesar-
beitszeit lassen sich folgende Abweichungen als Schichtarbeitssysteme klassifizie-
ren:
x Vorkommen von Nachtarbeit
x Vorkommen von Wochenendarbeit.
Weitere Merkmale sind u.A. die Anzahl der Schichtbelegschaften, Länge der
Arbeitszeit, wechselnde versus Dauerschichten, Form des Schichtwechsels (Rota-
tionsdauer: kurz oder lang) und Richtung des Schichtwechsels (Rotationsrichtung:
vorwärts oder rückwärts), die zusammengenommen mit den oben genannten
Schichtarbeitssystemen bestimmte Belastungsformen bilden, die für die mit der
Ausübung von Schichtarbeit Betroffenen zu berücksichtigen sind (FERREIRA
2009).
Schichtarbeit schon in ihrer Ausprägung als Wechselschichtarbeit im 2-
Schichtbetrieb stellt eine Belastung dar, die zu physiologischen und sozialen Fol-
gebeanspruchungen führt. Im Unterschied zur kontinuierlichen 3-Schicht-
Arbeitsweise bleiben bei Wechselschicht die Nachtruhezeiten unangetastet, eine
6- bis 8-stündige Nachtruhe ist also unter Berücksichtigung der wöchentlichen
Phasenverschiebungen möglich. Das Problem zeigt sich aber darin, dass auch die
gemilderten Umstände der Wechselschicht – im Vergleich zu den Bedingungen
der „normal“ Tageszeitbeschäftigten – im Ganzen genommen mit erheblichen
Nachteilen verbunden sind (KNAUTH u. HORNBERGER 1997). Beispielsweise
sind durch diskontinuierliche Freizeitblöcke regelmäßige Teilnahmen an Abend-
lehrgängen und Fortbildungskursen nicht möglich. Das gleiche gilt für private und
familiäre Aufgaben, was im ungünstigen Fall durch Berufstätigkeit beider Ehe-
partner zudem mit weiteren Einschränkungen – beispielweise in der Kinderbe-
treuung – verbunden ist. Aber auch die Mitwirkungsmöglichkeiten der Betroffe-
nen in Sport, Kultur und Politik unterliegen den besonderen Bedingungen der
Schichtarbeit. Schichtarbeit schafft zudem besondere, bei Normalarbeitszeit nicht
auftretende Arbeitssituationen (FERREIRA 2009). Insbesondere organisatorische
598 Arbeitswissenschaft

Merkmale des Arbeitsablaufs wie Kooperation, Kontrolle und soziale Interaktion


sind bestimmt durch Unregelmäßigkeiten, die bei identischer Arbeitsstruktur zu
unterschiedlich wahrgenommenen Beanspruchungen führen (KNAUTH u. HORN-
BERGER 1997).
Demgegenüber werden immer noch Schichtsysteme, die eine Dauer der
Schichtform ohne Rotation oder Wechsel erlauben, wie Dauerfrüh-, Dauerspät-
und Dauernachtschicht, beispielsweise im Gesundheitswesen, bei der Post und
auch in anderen Dienstleistungsgewerben, praktiziert. BEERMANN et al. (1990)
haben die Auswirkungen der Dauerschichtform bei Postbediensteten untersucht
und sind dabei zu folgenden Ergebnissen gekommen:
x Die in Frühschicht (6.00-13.00h) arbeitenden Frauen klagten in der Hauptsa-
che über Schlafdefizite. Zu erklären ist dieser Umstand mit dem frühen Ar-
beitsbeginn und einer als Folge von Freizeitbetätigungen am Abend und Be-
tätigungen in der Familie verkürzten Nachtruhe.
x Die geringsten Freizeitanteile fallen den Angaben der Betroffenen zufolge
mit der Spätschicht (13.30-21.30h) zusammen. Als Grund dafür wird ge-
nannt, dass die zur Verfügung stehenden Freizeitanteile sowohl vor Schicht-
beginn als auch nach Schichtende nicht in eine aktive Freizeitgestaltung um-
gesetzt werden können.
x Circadiane Umstellungsprobleme und Einschlafstörungen sind kennzeich-
nend für Nachtschichtarbeiten (21.30-6.00h).
Überdies ist bekannt, dass Nachtschichtarbeiter über Schlafdefizite klagen. Be-
sonders wenn im Wechsel alle Schichtformen ausgeübt werden müssen, haben die
in Nachtarbeit Beschäftigten mit einer unvollständigen Anpassung ihrer circadia-
nen Rhythmik zu tun. So haben VERHAEGEN et al. (1987) festgestellt, dass Kran-
kenschwestern in Dauernachtschicht – im Gegensatz zu ihren Kolleginnen im
Wechseldienst mit regelmäßiger, aber nicht kontinuierlicher Nachtarbeit – ihre
Arbeit insgesamt weniger belastend empfinden; sie wählen ihre Arbeitszeit frei-
willig und können den Tagesrhythmus besser auf die Erfordernisse der Nachtar-
beit abstimmen. Jedoch zeigen Untersuchungen von KNAUTH (2007) deutlich,
dass auch bei mehreren hintereinanderliegenden Nachtschichten keine vollständi-
ge Anpassung (Reentrainment) erfolgt (Abb. 6.10). Somit können subjektiv gerin-
ger wahrgenommene Beanspruchungen lediglich aufgrund der verbesserten Ver-
einbarkeit von Beruf und Familie oder aufgrund der Schichtzulagen interpretiert
werden, nicht jedoch auf eine faktisch geringere Belastung.
Arbeitszeit 599

Abb. 6.10: Circadiane Rhythmen der Mundtemperatur von Schichtarbeitern während des
freien Tages sowie während der 1., 2., 4., 5. und 7. Nachtschicht (KNAUTH 1983b)

KNAUTH u. HORNBERGER (1997) führen eine unvollständige Anpassung unter


anderem auf äußere Einflüsse zurück. Beispielsweise setzen sich Nachtarbeiter
nach Schichtende dem Tageslicht aus; sie kommen bei Tageslicht nach Hause und
bei Tageslicht halten sie im ungünstigen Fall auch ihren Schlaf. Im Experiment
wurde nachgewiesen, dass bei extensiver Beleuchtung des Nachtarbeitsplatzes und
ungestörtem Tagschlaf bei völliger Verdunkelung eine Invertierung bestimmter
circadianer Rhythmen eintreten kann.
Die Dauer der Schichtperiode stellt im Weiteren ein Kriterium für die Dauer
der Anpassung und Rückanpassung dar. Nach der letzten Nachtschicht bean-
sprucht die Rückanpassung an den normalen Tagesrhythmus eine längere Zeit als
vorher zur Anpassung benötigt wurde. Werden dagegen die Nachtschichtperioden
600 Arbeitswissenschaft

durch Freischichten unterbrochen, kommt es zu einem Rücksprung im Anpas-


sungsprozess. Bei nur 2 oder 3 hintereinanderliegenden Nachtschichten kommt es
nur zu unausgeprägten Anpassungserscheinungen; umso unproblematischer kann
der anschließende Vorgang der Rückanpassung überwunden werden. Deshalb gibt
man heute den kurzrotierenden Schichtsystemen den Vorzug.
D.h., kurze Schichtperioden sind im Hinblick auf Störungen der circadianen
Rhythmik physiologischer Funktionen günstiger zu beurteilen als langrotierende
Systeme oder Dauerformen mit vielen hintereinanderliegenden Nachtschichten
(KNAUTH 2007).
Allerdings bestehen auch für diese Auffassung Unterschiede hinsichtlich der
Berücksichtigung unterschiedlicher Circadianphasenlagen bei Morgen- und
Abendmenschen. Abendmenschen können sich besser in langrotierende Schicht-
systeme einpassen, haben aber Schwierigkeiten mit kurzrotierenden Systemen.
Morgenmenschen dagegen können sich nicht an langsam rotierende Systeme
adaptieren. Daraus wird geschlossen, dass langsam rotierende Schichtsysteme
oder Dauernachtschichten für Abendmenschen akzeptabel sind, nicht dagegen für
Morgenmenschen und Personen mit einer indifferenten Phasenlage. Je früher die
Circadianphasenlage, desto schlechter die Adaption an Nachtschichten (MOOG
1987).
Flexible und gleichsam unregelmäßige Arbeit-Freizeit-Intervalle haben für
Schichtarbeiter und deren Familien zur Folge, dass deren gemeinsamer sozialer
Aktionsraum erheblichen Einschränkungen unterliegt. Tagesfreizeiten am Vormit-
tag sowie Arbeitszeiten in der Nacht oder an Wochenenden sind mit den Belangen
der Familie in Einklang zu bringen. Darüber hinaus scheinen Blöcke von Frei-
schichten und freien Tagen einen Gewinn von mehr Freizeit und Freizeitmöglich-
keiten zu offenbaren – das Gegenteil kann der Fall sein, da ein erheblicher Teil der
Freizeit für Anpassungsvorgänge (Reentrainment) und veränderte Zeitaufteilungen
aufgebracht werden muss. Mit sogenannten „time budget studies“ (Beobachtung
der Zeitaufteilung) ist der Zusammenhang zwischen Arbeitszeit, Schlafzeit und
Freizeit darzustellen. KNAUTH et al. (1981) haben die tageszeitliche Lage ver-
schiedener Zeitelemente bei Schichtarbeit untersucht (Abb. 6.11).
Die Arbeits- und Schlafzeiten sind von unten nach oben, die echten Freizeiten
von oben nach unten aufgetragen. Als echte Freizeit ist die Zeit zu verstehen, die
tatsächlich nach den Wünschen der Schichtarbeiter aktiv gestaltet werden kann.
Ergebnis dieser Untersuchung ist, dass die Schlafqualität und die echte Freizeit
nicht von der Dauer, sondern von der tageszeitlichen Lage abhängen.
Betrachtungen zur täglichen Arbeitszeit dürfen Aspekte der sogenannten sozial
wirksamen Arbeitszeit nicht ausschließen. Die tägliche Arbeitszeit – 6, 8, oder 12
Stunden – besteht eben nicht nur aus Arbeitsstunden und Pausenzeiten. Hinzuzu-
rechnen sind ebenfalls die Zeiten, die im Zusammenhang damit aufgewendet oder
vorbereitet werden müssen: Wegezeiten und Zeiten für das Umkleiden, Essen und
Waschen. Diese Anteile verhalten sich proportional zur Anzahl der Arbeitszeitin-
tervalle und unproportional zur Arbeitszeitlänge (Klassisches Beispiel: Geteilter
Dienst- mit Arbeitszeiten am Vormittag und am Abend). Die aus Schichtarbeit
Arbeitszeit 601

resultierenden Erholzeiten für Anpassungsvorgänge sind durchaus im Sinne der


sozial wirksamen Arbeitszeiten zu interpretieren.

Abb. 6.11: Tageszeitliche Lage verschiedener Zeitelemente. Von (1) bis (6): an arbeits-
freien Tagen (85 Tagesverläufe), an Tagen mit Frühschicht (90 Tagesverläufe), an Tagen
mit Spätschicht (127 Tagesverläufe), vor der ersten Nachtschicht (19 Tagesverläufe),
zwischen zwei Nachtschichten (60 Tagesverläufe), an Tagen nach der letzten Nachschicht
(17 Tagesverläufe) (aus KNAUTH et al. 1981)

Sicher ist, dass die Lage und Dauer der Schlaf- und Freizeiten durch Arbeitszei-
ten, im besonderen aber durch unterschiedliche Arbeits-Tages-Nachtzeiten, auch
flexible Arbeitszeiten, entscheidend geprägt und darüber hinaus beeinflusst wer-
den. Bei der Gestaltung von Freizeiten in Abhängigkeit der Arbeitszeiten ist zu
berücksichtigen, dass nicht nur Dauer und Lage der Zeitelemente eine Rolle spie-
len, sondern auch die Einschätzung, also die Wertung, und die subjektive Nutz-
barkeit von Zeit durch die Betroffenen selbst. Mit Abb. 6.12 ist die subjektive
Nutzbarkeit für einzelne Tageselemente aufgezeigt. Ein Freizeitverlust durch
Wochenendarbeit kann durchaus mit freien Wochentagen kompensiert werden,
mehr noch können durch eine auch zu erreichende Flexibilisierung der Freizeit
602 Arbeitswissenschaft

neue Formen der Freizeitentwicklung wahrgenommen werden, soweit sich der


Rahmen familiärer Freizeitgestaltung einbringen lassen kann.

Abb. 6.12: Nutzbarkeit der Freizeit von Montag bis Donnerstag (oben) sowie an Samstagen
(unten) (aus KNAUTH U. HORNBERGER 1997)

Gestaltungempfehlungen
Da jedes Schichtsystem spezifische Vor- und Nachteile besitzt, gibt es keinen
Schichtplan, der alle arbeitsphysiologischen und sozialen Bedingungen erfüllt. Um
den Zielen menschengerechter Arbeitsgestaltung Rechnung zu tragen, müssen
aber bestimmte Gestaltungskriterien berücksichtigt werden, die nach Möglichkeit
übergeordnete Aspekte wie Ausführbarkeit, Erträglichkeit, Zumutbarkeit und
Zufriedenheit in die Schichtarbeit einbinden. Das Arbeitszeitgesetz (§6, Abs. 1)
Arbeitszeit 603

schreibt vor, dass die „Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer nach den
gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte
Gestaltung der Arbeit festzulegen ist“. KNAUTH (2002) beschreibt die Kriterien
und zugehörigen Gestaltungsempfehlungen aufgrund von Untersuchungen, wie in
Tabelle 6.5 dargestellt.
Tabelle 6.5: Arbeitswissenschaftliche Empfehlungen zur Schichtplangestaltung (nach
KNAUTH 2002)
Kriterien Empfehlungen
maximale Anzahl hintereinander- möglichst wenige hintereinanderliegende Nacht-
liegender gleicher Schichten schichten (maximal 3)
„Aufeinanderfolge der Schichten“

Dauernachtschicht vermeiden
möglichst wenige hintereinanderliegende Frühschich-
ten (maximal 3)
möglichst wenige hintereinanderliegende Spätschich-
ten (maximal 3)
Schichtplanmerkmal

Rotationsschichten Vorwärtswechsel
spezielle Schichten mindestens 2 freie Tage nach der letzten Nacht-
schicht (N – F)
Schichtkombination N – N vermeiden
einzelne Arbeitstage zwischen freien Tagen vermei-
den (- F -; - S -; - N -)
maximale Anzahl hinter- maximal fünf bis sieben Arbeitstage
einanderliegender Arbeitstage

Schichtdauer lange Arbeitsschichten (> 8 Stunden) sind nur dann


akzeptabel, wenn:
x die Arbeitsinhalte und die Arbeitsbelastungen eine
längere Schicht zulassen
x ausreichend Pausen vorhanden sind
Dauer und Verteilung der Arbeitszeit

x das Schichtsystem so angelegt ist, dass eine


zusätzliche Ermüdungsanhäufung vermieden wer-
den kann
x die Personalstärke zur Abdeckung von Fehlzeiten
ausreicht
x keine Überstunden hinzugefügt werden
x die Einwirkung gesundheitsgefährdender Arbeits-
stoffe begrenzt ist
x eine vollständige Erholung nach der Arbeitszeit
möglich ist
Ruhezeit zwischen zwei Schich- Die Dauer der Ruhezeit sollte mindestens 11 Stunden
ten betragen
604 Arbeitswissenschaft

Tabelle 6.5 (Fortsetzung): Arbeitswissenschaftliche Empfehlungen zur Schichtplangestal-


tung (nach KNAUTH 2002)
Frühschichtbeginn nicht zu früh (d.h. 6.30 Uhr besser als 6.00 Uhr; 6.00
Uhr besser als 5.30 Uhr usw.).
Spätschichtende nicht zu spät (d.h. 22.00 besser als 23.00 Uhr; 23.00
Lage der Arbeitszeit

besser als 24.00 Uhr usw.)


in Sonderfällen frühes Ende (z.B. 18.00 Uhr am
Wochenende)
Nachtschichtende so früh wie möglich
Wochenendarbeit Wochenendarbeit vermeiden
geblockte freie Wochenenden
durch Arbeitgeber veranlasst Kurzfristige Abweichungen vermeiden
Kurzfristige Abweichungen

Spielregeln in Bezug auf Vorankündigungsfrist und


Ausgleich festlegen
Mitarbeiter bestimmen selbst die Arbeitszeit und
übernehmen Verantwortung für die fristgerechte
Erledigung der Aufgaben (zeitautonome Arbeitsgrup-
vom Soll-Plan

pen)
auf Wunsch des Mitarbeiters Flexibilität ermöglichen (z.B. flexible Schichtwechsel-
zeiten, Schichttausch, Zeitfenster, zeitautonome
Arbeitsgruppen)

Das Gestaltungsproblem für Schichtpläne kann als ein Zuordnungspolylemma


unter kapazitiven und arbeitszeitrechtlichen Nebenbedingungen diskutiert werden.
Folgende Variablen sind zu berücksichtigen:
Uhrzeit Schichtbeginn, Uhrzeit Schichtende, Pausen, Schichtdauer, Anzahl der
Schichten, Anzahl der Schichtbelegschaften, Springerschichten, Sonn- und Feier-
tage, Wochenendarbeitszeiten, Urlaubszeiten.

Tarifrechtliche Gestaltungsbedingungen
Da die gesetzlichen Randbedingungen nicht oder nur in besonderen Ausnahmefäl-
len zur Disposition stehen, werden die tariflichen Wochenarbeitszeiten für die
Gestaltung von Schichtplänen herangezogen und zwar für die Berechnung der
Mindestanzahl der Schichtbelegschaften. Aus der maximalen Wochenarbeitszeit
und der tariflichen Arbeitszeit errechnet sich die Anzahl der Schichtbelegschaften
wie folgt:
maximaleWochenarbeitszeit
Anzahl Schichtbelegschaften
tariflicheWochenarbeitszeit
Mit einer maximalen Wochenarbeitszeit von 168 h und einer tariflichen Wo-
chenarbeitszeit von 40 h erhält man somit 4,2 Schichtbelegschaften. Für die Um-
setzung lassen sich folgende Ansätze unterscheiden (KNAUTH 1983b):
Arbeitszeit 605

(1) Erweiterung der tariflichen Wochenarbeitszeit um den Betrag, der für eine
ganzzahlige Schichtbelegung notwendig wird. Beispiel: 42 Stunden-Woche
bei nur 4 Schichtbelegschaften. Um dennoch die 40 Stunden-Woche zu hal-
ten, werden als Kompensationsmaßnahme über das Jahr 13 Freischichten pro
Schichtarbeiter eingesetzt.
(2) Springerschichten oder zusätzliche Freischichten bei nicht ganzzahligen
Schichtbelegschaften (Beispiel: 4,2 Schichtbelegschaften).
(3) Erweiterung der Schichtbelegschaften. Beispiel: Für 5 Schichtbelegschaften
werden zusätzlich 4 Tagschichten in 5 Wochen gefahren, damit jedes Mit-
glied einer Schichtbelegschaft die Wochenarbeitszeit von durchschnittlich
40 h erreicht.
Aus der Kombination möglicher Schichtplanmodelle ergeben sich die in Tabel-
le 6.6 dargestellten Beispiele.
Ansätze zur rein mathematischen Auslegung von Schichtplänen berücksichti-
gen
x die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit > 8 h und < 12 h,
x die Anzahl der freien Tage pro Jahr (> 104 Tage) und
x die freien Wochenenden bzw. die paarweise freien Tage.
Eine Darstellung der Möglichkeiten zur Anpassung an unterschiedliche Wo-
chenarbeitszeiten in kontinuierlichen Schichtsystemen zeigt Abb. 6.13.
Tabelle 6.6: Beispiele der Schichtplangestaltung für kontinuierliche Arbeitsweise (Knauth
1983b), Schichtfolge ist auf Arbeitstage bezogen
Schichtsystem lfd. SchichtfolgeĆ(8-Stunden-Systeme) Zyklus- AnzahlĆderĆfreien
(Ar beitstage/ Nr . (F,ĆS,ĆNĆ=ĆFrüh-,ĆSpät-Ćbzw. dauer Wochenenden
ĆfreieĆTage) ĆNachtschi cht,Ć- Ć=Ćdienstfrei) (W ochen) (Sa+So)Ćpr oĆZyklus

21/7 1 N-FSN-- -FSN---FFFSN- FSSSN-FSNN 4 1


2 FSN-F--SN-FSSSN-FSNNN-FSN- FF 4 1
3 FFSSNNN--FFSSSNN--FFFSSNN--- 4 1

6/2 4 FFSSNN-- 8 1

9/3 5 FFSSNN--FSN- 12 1

12/4 6 FSSSNN- -FFFSNN-- 16 2

15/5 7 FFSNN--FFSNN- -FSSSN- 20 2

18/6 8 FFSSNN--FFFSNN--FSSSNN-- 24 3

Schichtsystem lfd. SchichtfolgeĆ(12-Stunden-Systeme) Zyklus- AnzahlĆderĆfreien


(Arbeitstage/ Nr . (T,ĆNĆ=ĆTag-Ćbzw.ĆNachtschi cht, dauer Wochenenden
ĆfreieĆTage) Ć-Ć=Ćdienstfr ei) (W ochen) (Sa+So)Ćpr oĆZyklus

2/2 9 TN-- 4 1

4/4 10 TT--NN- - 8 2

6/6 11 TN--TT--NN-- 12 3
606 Arbeitswissenschaft

Abb. 6.13: Rollierendes Zweischichtsystem

Wird eine Betriebszeiterweiterung ohne die Einführung zusätzlicher Schichten


angestrebt, d. h. der zusätzliche Betriebszeitbedarf rechtfertigt keine zusätzliche
Schicht, bietet sich der Einsatz sogenannter „n+“ Systeme an (Mehrfachbeset-
zungssysteme).
(n) Arbeitsplätze werden dabei von (n+1) Arbeitnehmern besetzt. Auf diese
Weise lässt sich die Betriebszeit bedarfsgerecht um Bruchteile einer vollen
Schicht erhöhen. Für den Arbeitnehmer variieren dabei Lage und Länge der Ar-
beits- und Freizeitblöcke („rollieren“). Dabei kann die Länge der täglichen Ar-
beitsdauer 8 Stunden überschreiten und der Samstag teilweise als regelmäßige
Arbeitszeit miteinbezogen werden. Die tägliche Mehrarbeit kann durch eine Re-
duktion der Anzahl der Arbeitstage/Woche und/oder durch periodisch wiederkeh-
rende größere Freizeitblöcke abgegolten werden. Abb. 6.14 zeigt ein mehrfachbe-
setztes Zweischichtsystem.
Ein Beispiel zur Gestaltung eines Einsatzplanes mit minimalem Gesamtperso-
nalbedarf auf der Grundlage von Operations-Research-Methoden wird bei
DOMSCHKE u. DREXL (2007) dargestellt. Vorgegeben sind 8-Stunden-Schichten
für jeden eingesetzten Mitarbeiter. Die Schichten beginnen um 0.00 Uhr, 4.00
Uhr, 8.00 Uhr, 12.00 Uhr, 16.00 Uhr oder 20.00 Uhr. Aufgrund betrieblicher
Notwendigkeiten ergibt sich der folgende Mindestbedarf an Personal:
Von 0.00 bis 4.00 Uhr 3 Personen
Von 4.00 bis 8.00 Uhr 8 Personen
Von 8.00 bis 12.00 Uhr 10 Personen
Von 12.00 bis 16.00 Uhr 8 Personen
Von 16.00 bis 20.00 Uhr 14 Personen
Von 20.00 bis 24.00 Uhr 5 Personen
Arbeitszeit 607

Abb. 6.14: Schichtpläne für fünf Schichtbelegschaften, kontinuierliche Arbeitsweise und


Wochenarbeitszeiten (in Anlehnung an KNAUTH u. RUTENFRANZ 1983)

Im Folgenden werden die Schichtanfänge (0, 4, 8, 12, 16, 20 Uhr) mit i=1,…, 6
und die zu jedem Zeitpunkt beginnende Anzahl an Mitarbeitern mit xi (i=1,…, 6)
gekennzeichnet. Mit Hilfe der ganzzahligen Linearen Programmierung
(DOMSCHKE et al. 2007) soll die Gesamtanzahl der Mitarbeiter minimiert werden,
die zu den verschiedenen Zeitpunkten beginnen. Zu berücksichtigen ist hier, dass
jede Schicht aus zwei aufeinanderfolgenden 4-Stunden-Zeiträumen besteht, somit
also immer die Mitarbeiter aus zwei unterschiedlichen Schichten gleichzeitig tätig
sind (8-Stunden-Schichten).
Somit lautet die Anforderung:
Minimiere F(x1,…, x6) = x1 + x2 + x3 + x4 + x5 + x6
Hierbei sind die folgenden Nebenbedingungen zu berücksichtigen:
x1 + x2 • 8
608 Arbeitswissenschaft

x2 + x3 • 10
x3 + x4 • 8
x4 + x5 • 14
x5 + x6 • 5
x1 + x6 • 3
wobei x1, …, x6 • 0 und ganzzahlig sein müssen.
Unter Zuhilfenahme einer Standardsoftware lässt sich ein optimaler Zielfunkti-
onswert F(x*) = 27 errechnen (27 benötigte Mitarbeiter). DOMSCHKE et al. (2007)
geben mehrere Lösungen an, die eine minimale Mitarbeiteranzahl erlauben, näm-
lich:
x1* = (0, 8, 2, 6, 8, 3) oder x2* = (0, 10, 0, 12, 2, 3). Die Möglichkeit, einen Vier-
Stunden-Abschnitt mit 0 Mitarbeitern zu besetzen ergibt sich aufgrund des Über-
laufs an Mitarbeitern aus dem vorherigen Vier-Stunden-Abschnitt.

6.5.2 Gleitzeitarbeit
Das erste in Deutschland bekannte Modell der Gleitzeit wurde von der Firma
Bölkow in Ottbrunn 1967 aufgrund massiver Verkehrsprobleme eingeführt; da die
Mitarbeiter alle gleichzeitig die einzige Zufahrtsstraße zum Werk befuhren, gab es
tägliche Staus (HAMM 1999).
Gleitende Arbeitszeit ermöglicht den Beschäftigten im Rahmen von zumeist
betrieblich vereinbarten Regelungen, den Beginn und das Ende ihrer täglichen
Arbeitszeit zu variieren. Dabei lassen sich Gleitzeitvereinbarungen in qualifizierte
und eingeschränkte Gleitzeitmodelle differenzieren (LINNENKOHL u. RAUS-
CHENBERG 1996): Während eingeschränkte Gleitzeitmodelle lediglich eine Varia-
tion der Lage der täglichen Arbeitszeit bei gleicher Dauer erlauben, ermöglichen
qualifizierte Gleitzeitmodelle den Beschäftigten eine Variation sowohl der Lage
als auch der Dauer ihrer täglichen Arbeitszeit (FERREIRA 2001). Die meisten prak-
tizierten Gleitzeitsysteme – häufigster Einsatzbereich sind Verwaltungs- und
Dienstleistungsbereiche – sehen eine Kernarbeitszeit von fünf bis sieben Stunden
(Anwesenheitspflicht) sowie ein- bis zweistündige Ein- und Ausgleitspannen vor
(Abb. 6.15).

Eingleit- Kern- Ausgleit-


spanne arbeitszeit spanne

Rahmenarbeitszeit
Abb. 6.15: Gleitzeitmodell

Gleitzeitbeschäftigung ist eine Form der flexiblen Arbeitszeit, die sich in den
alten Bundesländern seit den siebziger Jahren durch stetigen Zuwachs auszeichnet
Arbeitszeit 609

(BAUER et al. 1994, 1996). Während 1972 nur 6% der abhängig Beschäftigten
gleitzeitbeschäftigt waren, betrug der Anteil 1987 schon 14%; 1993 waren es
bereits 22% und 1995 28%. Im Jahr 2004 hatte sich der Anteil abhängig Beschäf-
tigter mit Gleitzeitbeschäftigung in den alten Bundesländern auf 31% erhöht. Für
Gesamtdeutschland lag der Anteil in 2004 bei 30%.
Es lassen sich drei Grundmodelle von Gleitzeit unterscheiden:
(1) Gleitzeit mit gleichmäßiger Verteilung der Arbeitszeit: Der Mitarbeiter
hat die Möglichkeit, die Lage seiner Arbeitszeit innerhalb einer festgeleg-
ten Gleitspanne täglich neu zu wählen. Es gibt keine Möglichkeit, Zeit-
guthaben oder Zeitschulden anzusammeln.
(2) Gleitzeit mit ungleichmäßiger Verteilung der Arbeitszeit: Die vereinbarte
Dauer der täglichen Arbeitszeit muss nicht starr eingehalten werden. Be-
ginn und Ende der Arbeitszeit können im Rahmen der Eingleit- und Aus-
gleitspanne variiert werden. Ausgleich der Zeitschuld bzw. des Zeitgutha-
bens innerhalb eines vereinbarten Zeitraumes (Woche, Monat, Quartal;
stundenweise unter Einhaltung der Kernzeit bzw. Freizeit an halben oder
ganzen Tagen).
(3) Gleitzeit mit täglich variabler Arbeitszeit ohne Einschränkung durch
Kernzeit: Es gilt das gleiche wie unter 2, jedoch gibt es keine Mindestan-
wesenheitszeit.
Die Gestaltungsmöglichkeiten veranschaulicht Abb. 6.16.

Gleitzeit mit gleichmäßiger Verteilung Gleitzeit mit ungleichmäßiger


Gleitzeit ohne Kernzeit
der Arbeitszeit Verteilung der Arbeitszeit

Dispositions- Organisation
spielraum der Gleitzeit

Verhältnis von Mitbestimmung Ausgleichs- Ausgleichs-


Länge des
Kernzeit zur d. Arbeitnehmer zeitraum für möglichkeiten
Gleitrahmens
Gleitspanne bei d. Arbeitszeit Zeitguthaben für Zeitguthaben

9 Std 7 Std / 9 Std Arbeitszeit vom täglich stundenweise


Mitarbeiter Kombiniert mit versetzten
selbstbestimmt Arbeitszeiten
10 Std 5 Std / 10 Std Arbeitszeit vom wöchentlich halbtagsweise
Vorgesetzten Kombiniert mit Schichtarbeit
festlegbar
… 2 Std / 10 Std Arbeitszeit wird monatlich tageweise
Kombiniert mit Teilzeit
in Absprache
festgelegt
… Auf Lebens- …
arbeitszeit
bezogen

Abb. 6.16: Grundmodelle der Gleitzeit und deren Gestaltungsmöglichkeiten (nach KLEIN
u. GROSSMANN 1992)

Die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten führen zu den in Tabelle 6.7 nä-


her beschriebenen Gleitzeitmodellen (FERREIRA 2001).
610 Arbeitswissenschaft

Tabelle 6.7: Gleitzeitmodelle

Modell Kurzbeschreibung Besonderheiten


Einfache Freie Wahl von Beginn und Ende der täglichen Arbeits- Inzwischen in den Verwaltungs-
Gleitzeit zeit im Rahmen bestimmter Bandbreiten (Gleitzeit: z.B. bereichen weitverbreitet.
zwischen 7 und 9 Uhr Arbeitsbeginn, zwischen 15.30
und 18.30 Uhr Arbeitsende). Bei der einfachen Gleitzeit
liegt die Flexibilisierungsoption beim Arbeitnehmer.
Qualifizierte Der Arbeitnehmer kann sowohl über die Lage als auch Das Flexibilisierungspotenzial ist
Gleitzeit über die Dauer seiner täglichen Arbeitszeit entscheiden. von der Festlegung der Kernzei-
Zur Gewährleistung der innerbetrieblichen Kommunika- ten abhängig. Da die Flexibilisie-
tion werden Kernzeiten vorgeschrieben, innerhalb derer rungsoption allein dem Arbeit-
der Arbeitnehmer anwesend sein muss. nehmer zusteht, kann er berufli-
Außerhalb der Kernzeiten kann er jedoch seine Arbeits- che und private Interessen
zeit frei auf verschiedene Arbeitstage verteilen und den bestmöglich koordinieren.
Ausgleich beispielsweise durch Überarbeit innerhalb
bestimmter Zeiträume erreichen.
Gleitzeit mit Das Arbeitsmodell soll die ausschließlich zeitlich gesetz- Vor Einführung muss auf Grund
Funktionszeit ten Kernzeiten im Gleitzeitmodell ersetzen. Funktionszeit von Erfahrungen und Erhebun-
definiert die Zeit, in der eine Organisationseinheit eine gen eine Arbeitszeitplanung
qualitativ und quantitativ ausreichende Besetzungszeit vorgenommen werden.
für externe und interne Kunden bieten soll. In der Funk-
tionszeit muss jede Organisationseinheit erreichbar sein.
Es ist nicht mehr erforderlich, dass jeder einzelne
Beschäftigte während dieser Zeit, wie bei der Kernzeit,
am Arbeitsplatz anwesend ist.

Gleitende Die gleitende Arbeitswoche bzw. der gleitende Monat Wochen- und Monatsschwan-
Arbeitswoche/ sind die auf eine Woche bzw. einen Monat bezogenen kungen im Kapazitätsbedarf
Gleitender Modelle der Gleitzeit. So gibt es in beiden Fällen Kern- werden ausgeregelt
Arbeitsmonat und Gleittage, wobei – wie bei der einfachen Gleitzeit –
an den Kerntagen Anwesenheitspflicht herrscht, während
der Arbeitnehmer an den Gleittagen die Zeitsouveränität
besitzt.
Vertrauens- Mit nahezu allen Gleitzeitvarianten ist die Pflicht verbun- Erfolgreiche Vertrauensgleitzeit
gleitzeit den, jedes Kommen und Gehen entweder an Zeiterfas- bedarf eines Führungsverhal-
sungsgeräten oder durch An- und Abmelden beim tens, das auf Zielerreichen und
Vorgesetzten zu dokumentieren. Vertrauensgleitzeit Eigenverantwortlichkeit statt auf
verzichtet weitgehend auf die Zeiterfassung bzw. über- Überwachung und Kontrolle
lässt sie den Mitarbeitern. Vertrauensgleitzeit ist eine setzt. Die Eigenverantwortlich-
Subkategorie zur Vertrauensarbeitszeit. keit darf nicht zu unabge-
stimmten Abwesenheiten und
fehlenden Abstimmungsprozes-
sen führen.
Arbeitszeit 611

Wenn der Gleitzeitarbeitsplatz in eine Gruppe oder Abteilung eingebunden ist,


sind Mitarbeiterabsprachen bei der Wahl der Gleitspannen unabdingbar, um Mehr-
fachbesetzungen bzw. Unterbesetzungen zu vermeiden.
Vorteile der Gleitzeitarbeit für die Arbeitnehmer liegen in der größeren persön-
lichen Freiheit, der Möglichkeit zur Eigenverantwortlichkeit, der Erarbeitung von
Zeitguthaben, dem Abbau von Zeitzwängen, der Möglichkeit zur Anpassung der
Arbeitszeit an die individuelle Lebensrhythmik, aber auch in der besseren Anbin-
dung an den öffentlichen Nahverkehr. Nachteil ist der Wegfall von bezahlten
Überstunden.
Der Betrieb hat über die Einführung von Gleitzeit die Möglichkeit der Be-
triebszeiterweiterung. Als weitere Vorteile können motiviertere Mitarbeiter, eine
bessere Kapazitätsauslastung, Kostensenkung durch verminderte Überstunden und
eine Auffangmöglichkeit für Arbeitszeitverkürzungen und -verlängerungen ver-
bucht werden. Nachteilig sind der Umorganisationsaufwand bei der Einführung,
verringerte Transparenz für Vorgesetzte, evtl. Ansprech- und Informationsflusslü-
cken außerhalb der Kernzeit und evtl. Engpässe bei der Beschaffung verantwor-
tungsvoller Mitarbeiter.

6.6 Erweiternde Modifikationen

Als erweiternde Modifikationen sind solche Bestandteile der Arbeitszeitmodelle


zu bezeichnen, die zur Erweiterung der Flexibilität beitragen können. Im Folgen-
den werden sieben Ansätze vorgestellt (basierend auf FERREIRA 2001).

Altersteilzeit
Im Gegensatz zur flexiblen Altersgrenze ist die Altersteilzeit ein starres System.
Altersteilzeit unterscheidet sich von nicht-altersbezogener Teilzeit durch die Be-
zuschussung der Vergütung durch die Bundesagentur für Arbeit (HAMM 1999). Ab
der Vollendung des 55. Lebensjahres besteht für den Arbeitnehmer die Möglich-
keit für Altersteilzeit. Allerdings wird in der Praxis auch weiterhin das Blockmo-
dell bevorzugt, in dem Altersteilzeit wie der bisherige Vorruhestand gehandhabt
wird.

Flexible Altersgrenze und der gleitende Übergang in den Ruhestand


Das Modell der flexiblen Altersgrenze sieht vor, dass die Ruhestandsgrenzen nicht
mehr vom Alter bestimmt werden. Stattdessen wird ein zeitlicher Rahmen vorge-
geben, in dem der Arbeitnehmer eigenverantwortlich bestimmen kann, wann er
die erwerbswirtschaftliche Arbeit einstellen will.
Bei diesem Arbeitszeitmodell soll der Austritt aus dem Erwerbsleben nicht ab-
rupt und unvorbereitet, sondern gleitend, also schrittweise, erfolgen. Dieser
schrittweise Ausstieg aus dem Erwerbsleben soll dem sogenannten „Pensionie-
rungsschock“ vorbeugen.
612 Arbeitswissenschaft

Besonderheiten
Soweit der Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum hinweg die Arbeitszeit in
Stufen mehrfach verkürzen kann, besteht für ihn die Möglichkeit, die Dauer der
Arbeitszeit ständig zu verändern. Dadurch werden eine flexible Altersgrenze und
ein gleitender Übergang in den Ruhestand erreicht. Somit ist mit dieser Arbeits-
zeitform ein hohes Flexibilisierungspotential vorhanden.

Sabbatical (flexibler Langzeiturlaub)


Sabbatical ist eine geplante Phase der Nichtarbeit, die zwischen drei Monaten und
einem Jahr dauert und die Rückkehr in das Berufsleben (meist in denselben Be-
trieb) vorsieht (GLOGER 1999). Das Sabbatical oder auch Sabbatjahr eröffnet die
Möglichkeit, zum Beispiel durch Ansparen eines Teils des jährlichen Urlaubes
einen längeren Urlaub bei vollem oder reduziertem Gehalt zu nehmen. In der
Regel erfolgt die Gestaltung des Sabbaticals (z.B. Zeitpunkt und Länge des Aus-
stiegs, finanzielle Konditionen) in Abstimmung zwischen Arbeitnehmer und Ar-
beitgeber.
Es können mehrere Möglichkeiten zur Ansparung des Sabbaticals genannt wer-
den (GLOGER 1999):
(1) Unbezahlter Urlaub: Der Arbeitnehmer finanziert den Langzeiturlaub auf-
grund seines eigenen privaten Vermögens.
(2) Ansparung von Sonderzahlungen: Der Arbeitnehmer lässt Sonderzahlungen,
wie beispielsweise das 13. Gehalt, Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld usw. in Ar-
beitszeit umrechnen und seinem Urlaubskonto gutschreiben.
(3) Ansparung von Arbeitslohn: Der Arbeitnehmer lässt einen Teil seines Gehal-
tes als Sparguthaben beim Arbeitgeber ansammeln und erhält aus diesem
Guthaben während des Sabbaticals ein reduziertes Gehalt.
(4) Ansparung von Mehrarbeit: Auf einem Langzeit-Konto werden Über- und
Mehrarbeitsstunden gutgeschrieben.
Die Ansparungen von Sonderzahlungen, Arbeitslohn und Mehrarbeit können zu
einer verstärkten Mitarbeiterbindung an den Betrieb führen.

Familienphase
Neben dem gesetzlichen Erziehungsurlaub von drei Jahren besteht die Möglich-
keit, die Familienphase zu verlängern und gleichzeitig die Rückkehr des Arbeit-
nehmers bzw. der Arbeitnehmerin in den betrieblichen Ablauf zu ermöglichen.

Freischicht
(Tarifvertragliche) Arbeitszeitverkürzungen werden bis zu einem vollen Tag ange-
sammelt und dann als Freischicht abgegolten.
Das Freischicht-Modell oder auch Brückentage-Modell stellt eine Möglichkeit
dar, Arbeitszeitverkürzungen in Form von freien Tagen umzusetzen.
Arbeitszeit 613

Besonderheiten
Das Freischicht-Modell kann bei zunehmender Arbeitszeitverkürzung zu erhebli-
chen organisatorischen Schwierigkeiten für das Arbeitszeitmanagement führen.

Arbeitszeitkonten
Es lassen sich zwei Grundtypen von Arbeitszeitkonten unterscheiden:
(1) Kurzzeitkonto: Dieses Konto dient der Verlagerung des herkömmlichen
Bezuges der Arbeitsstunden auf die Wochenfrist hin zur Jahresfrist. Ziel ist
eine flexible Verteilung der Arbeitszeit.
(2) Langzeitkonto: Das Langzeitkonto dient dem regelmäßigen Ansparen von
Zeitguthaben. Erreicht wird dieses Zeitguthaben durch über die Regelarbeits-
zeit hinaus geleistete Arbeitsstunden. Ziel ist ein zeitweiliger oder vorzeitiger
Ausstieg aus dem Berufsleben.
Arbeitszeitkonten erfordern einen relativ hohen organisatorischen Aufwand
oder aber einen Einsatz von geeigneter Technologie zur Erfassung der Anwesen-
heitszeiten. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind Arbeitgeber verpflich-
tet, die erbrachten Vorleistungen zu vergüten.
Durch das Gesetz zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitrege-
lungen vom 1. Januar 1998 wurde der Sozialversicherungsschutz bei Vereinba-
rungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zur Ansparung von Arbeits-
zeitguthaben geregelt. Ziel war, das geltende Recht für die bestehenden Arbeits-
zeitsysteme zu erweitern und für neue Modelle offen zu halten. So wurde hier eine
Rechtslücke geschlossen, die der Einführung von Langzeitkonten entgegenwirkte
(BUCZKO 1999).
Weiterhin problematisch jedoch bleibt die Regelung der Arbeitszeitkonten bei
Konkurs des Arbeitgebers. Die geltende Sozialgesetzgebung überlässt es hier den
Tarifpartnern, eine Insolvenzsicherung zu vereinbaren.
Arbeitszeit wird stundenweise einem Mitarbeiterkonto gutgeschrieben. Entwe-
der werden die Stunden genutzt, um ein Guthaben aufzubauen oder aber um ein
Defizit abzubauen (HAMM 1999). Die Rahmenbedingungen für Arbeitszeitkonten
werden in Betriebsvereinbarungen festgelegt.

Zeit-Lohn-Option
Bei der Zeit-Lohn-Option hat der Arbeitnehmer die individuelle Wahl zwischen
Lohnerhöhungen, Prämien usw. oder einer entsprechend kürzeren Arbeitszeit.
Interessant ist dieses Modell vor allem auch für Schichtarbeiter, die ihren Schicht-
zuschlag in Form einer Arbeitszeitverkürzung erhalten können. Der Arbeitgeber
kann den Arbeitnehmern aber auch anbieten, für einen Verzicht auf Lohnzuschüs-
se eine Woche länger Ferien zu gewähren (BAILLOD 1986).
614 Arbeitswissenschaft

6.7 Flexibilisierende Elemente

Die Anwendbarkeit von flexiblen Elementen ist abhängig von den Gegebenheiten
im Betrieb. Deshalb wird hier zwischen folgenden Vorgaben unterschieden:
x Es gibt kurzfristig zu deckende Arbeitsspitzen
x Die Arbeit kann auf mehrere Arbeitspersonen verteilt werden
x Eine Trennung zwischen Arbeitsort und Betriebsstätte ist möglich
x Es kann mit reduzierter oder erhöhter Arbeitszeit gearbeitet werden.
Der Aspekt der Trennung zwischen Arbeitsort und Betriebsstätte ist genauge-
nommen kein Merkmal der Arbeitszeitorganisation, jedoch muss er aufgenommen
werden, um eine weitreichende Flexibilisierung der Arbeitszeit sicherstellen zu
können, da die Arbeitsortflexibilität umfassende Auswirkungen auf die Arbeits-
zeitflexibilität in sich birgt. Dieses Potenzial soll erschlossen werden.
Im Folgenden werden flexibilisierende Elemente bezogen auf Vorgaben des
Betriebs vorgestellt. Anschließend werden die Elemente Über(stunden)arbeit und
Mehrarbeit sowie Teilzeitarbeit näher beschrieben.

6.7.1 Kurzfristig zu deckende Arbeitsspitzen

Abrufarbeit
Die Abrufarbeit stellt für den Arbeitgeber eine flexible Möglichkeit dar, den Zeit-
punkt des Einsatzes seiner Mitarbeiter zu bestimmen. So ist eine Anpassung zum
Beispiel an schwankende Kundenfrequenzen oder Auftragslagen durchführbar.
Für die Abrufarbeit gilt nach §4 BeschFG, dass das zu leistende Arbeitsvolumen
vertraglich festgelegt werden muss. Des Weiteren muss eine Abruffrist von min-
destens 4 Tagen eingehalten werden sowie eine Mindestdauer von drei Stunden
pro Arbeitseinsatz.

Rufbereitschaft (Stand-by-Pool)
Der Stand-by-Pool bzw. die Rufbereitschaft ist eine Spezifizierung der Abrufar-
beit. Hier ist die Vorlaufzeit deutlich kürzer als vier Tage. So kann beispielsweise
vereinbart werden, dass Mitarbeiter, die sich in einer Freischicht befinden, wäh-
rend der ersten Stunden dieser Schicht telefonisch erreichbar sein müssen und im
Notfall sofort einspringen.

Flexible Einsatzgruppe
Bei der flexiblen Einsatzgruppe sind die Mitarbeiter zur vorgesehenen Zeit (z.B.
Schichtzeit) am Arbeitsplatz. Ihr Einsatzort ist jedoch flexibel und die Arbeitsmit-
tel sind veränderlich.

Über(stunden)arbeit und Mehrarbeit


Als Über(stunden)arbeit werden Arbeitsstunden definiert, die über die tariflich
vereinbarte Arbeitszeit hinaus geleistet werden (BAUER et al. 1996; HAMM 1999).
Arbeitszeit 615

Der Umfang der zulässigen Mehrarbeitszeit wird in den Arbeitsschutzgesetzen,


insbesondere im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) und im Jugendarbeitschutzgesetz
(JarbSchG), geregelt. Der Umfang der Überarbeit sowie die Zahlung von Zuschlä-
gen ergibt sich aus dem jeweiligen Arbeits- bzw. Tarifvertrag.
Unter Mehrarbeit verstehen LINNENKOHL u. RAUSCHENBERG (1996) die Ar-
beit, die über die gesetzliche Höchstarbeitszeit hinausgeht. Diese Definition ist
nicht unstrittig. Im Manteltarifvertrag vom 17. Juni / 05. August 1997 für die
gewerblichen Arbeitnehmer des metallverarbeitenden Handwerks in Schleswig-
Holstein zwischen dem Fachverband Sanitär-Heizung-Klima Schleswig-Holstein
und der Industriegewerkschaft Metall Bezirksleitung Hamburg Bezirk Küste (gül-
tig ab 1. Januar 1998) wird Mehrarbeit beispielsweise definiert als die angeordnete
Überschreitung der individuellen regelmäßigen täglichen Arbeitszeit (§3,
Absatz 1).
Besonderheiten
Bei der Über- bzw. Mehrarbeit hängt das Flexibilisierungspotential entscheidend
von der Länge des Ausgleichszeitraums ab. Je länger dieser ist, desto größer ist
auch das Flexibilisierungspotential (Näheres siehe Kap. 6.5).

6.7.2 Verteilung auf mehrere Arbeitnehmer


Gruppenarbeitszeit (Group Jobs, zeitautonome Arbeitsgruppen)
Bei der Gruppenarbeitszeit wird nicht die Arbeitszeit jedes einzelnen Arbeitneh-
mers in einer Gruppe festgehalten, sondern die der gesamten Gruppe (siehe
Kap. 5). Dies ermöglicht individuelle Absprachen und den Tausch mit Kollegen
aus der Gruppe. Die Verantwortung für die Erfüllung der Arbeit tragen die Ar-
beitnehmer selbst (BAILLOD 1986). Krankheitsbedingte Abwesenheit oder Urlaub
haben keinen Einfluss auf die Arbeitsleistung und -qualität, da die Gruppe selbst
für adäquaten Ersatz sorgt.
Besonderheiten
Der Organisationsaufwand für den Betrieb wird geringer, da die Gruppe eigenver-
antwortlich die Koordination von Arbeit, Zeit und Mitarbeitern vornimmt.

Job Sharing (Job Splitting, Partner-Teilzeit)


Unter Job Sharing oder auch Job Splitting bzw. Partner-Teilzeit versteht man die
Aufteilung eines Vollzeitarbeitsplatzes auf zwei Personen. Job Sharing ist ein
Sonderfall der Gruppenarbeitszeit. Die beteiligten Arbeitnehmer erledigen ihre
Aufgabe zeitlich und inhaltlich nach Absprache untereinander und sind für die
Erfüllung der Aufgabe gemeinsam verantwortlich. Fällt eine Person aus, sind
andere Arbeitspersonen verpflichtet, die Arbeitsaufgaben zu übernehmen.
616 Arbeitswissenschaft

Besonderheiten
Job Sharing weist ein hohes Flexibilisierungspotential auf (LINNENKOHL u.
RAUSCHENBERG 1996). Das Problem liegt in der unbedingten Verpflichtung, die
Arbeitsaufgabe zu übernehmen, wenn der Partner ausfällt. HAMM (1999) weist
darauf hin, dass die Arbeitnehmer gezwungen sein könnten, in Vollzeit zu arbei-
ten, obwohl eventuell familiäre Gegebenheiten dem entgegenstehen.

Rollierendes System
Im Unterschied zum Job Sharing teilen sich im rollierenden System nicht nur zwei
Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz im Wechsel. Beim rollierenden System besetzen
vielmehr mehrere Arbeitnehmer eine bestimmte Anzahl von Arbeitsplätzen, bei-
spielsweise fünf Mitarbeiter vier Arbeitsplätze. Die Arbeitsplätze bleiben immer
besetzt, obwohl jeder Mitarbeiter einen zusätzlichen wechselnden freien Tag in
der Woche erhält (BAILLOD 1986).

Zeitfenster-System
In Zeitfenster-Systemen erfolgt die Vorgabe einer bestimmten Anzahl von Schich-
ten mit jeweils einem individuellen freien Tag im zu belegenden Zeitfenster.
(WEIDINGER et al. 1992). Bei einem 5:4-Mehrfachbesetzungssystem (fünf Mitar-
beiter besetzen gemeinsam vier Arbeitsplätze) im Einschichtbetrieb ergeben sich
fünf Zeitfenster pro Woche, da die Zahl der Zeitfenster der Zahl der eingeteilten
Mitarbeiter entspricht.

Differenzierte Einsatzpläne
Einheitlich lange Schichtdauern werden im Rolliersystem entsprechend dem Kun-
denaufkommen bzw. dem Arbeitsanfall festgelegt. Jeder Mitarbeiter durchläuft
das gesamte Arbeitszeitsystem.

6.7.3 Trennung zwischen Arbeitsort und Betriebsstätte


Freie Mitarbeit
Bei der freien Mitarbeit besteht keine persönliche Abhängigkeit vom Auftragge-
ber. Der freie Mitarbeiter ist somit auch kein Arbeitnehmer.
Besonderheiten
Der freie Mitarbeiter verrichtet seine Arbeit völlig autonom. Im Gegensatz zum
Telearbeiter hat er kein vorgegebenes Zeitkontingent und steht auch in keiner
permanenten telekommunikativen Verbindung zum Betrieb.

Telearbeit
Die Telearbeit gehört zu den flexiblen Elementen, die auf einer Trennung von
Betriebs- und Arbeitsstätte basieren. Bei der Telearbeit im eigentlichen Sinne
Arbeitszeit 617

leistet der Arbeitnehmer seine Arbeit unter räumlicher Abspaltung vom Betrieb,
wobei er mit dem Arbeitgeber in ständiger telekommunikativer Verbindung steht.
Besonderheiten
Allein die Online-Verbindung zum Betrieb schränkt den Arbeitnehmer ein. Aller-
dings gibt es immer weniger Kontrolle der Telearbeiter durch die log-on-Zeiten
am PC. Vielmehr wird sie ersetzt durch ergebnisorientierte Zielvereinbarungen.

Heimarbeitsplatz
Beim Heimarbeitsplatz wird die Arbeitsleistung wie bei der Telearbeit räumlich
außerhalb des Betriebes geleistet. Im Gegensatz zum freien Mitarbeiter ist der
Arbeiter am Heimarbeitsplatz auch weiterhin Arbeitnehmer. Der Unterschied zur
Telearbeit besteht vor allem in der Tatsache, dass zwar am PC gearbeitet wird,
dass aber keine permanente telekommunikative Verbindung zum Betrieb besteht.

Alternierende Telearbeit
Bei der alternierenden Telearbeit arbeitet der Arbeitnehmer meist zu Hause, ist
aber auch ein oder zwei Tage pro Woche im Betrieb anwesend.

Alternierender Heimarbeitsplatz
Beim alternierenden Heimarbeitsplatz arbeitet der Arbeitnehmer – vergleichbar
mit der alternierenden Telearbeit – meist zu Hause, ist aber auch zusätzlich im
Betrieb anwesend.

6.7.4 Arbeiten mit reduzierter oder erhöhter Arbeitszeit


Teilzeitarbeit
Bei der Teilzeitarbeit handelt es sich um keine Form der flexiblen Arbeitszeitge-
staltung, da weder Lage noch Dauer der Arbeitszeit einseitig veränderbar sind,
sondern um eine „Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich“ (LINNENKOHL u.
RAUSCHENBERG 1996).
Gemäß §2 Abs. 2 Satz Beschäftigungsförderungsgesetz (BeschFG) sind Ar-
beitnehmer teilzeitbeschäftigt, wenn deren regelmäßige Wochenarbeitszeit kürzer
ist als die regelmäßige Wochenarbeitszeit vergleichbarer vollzeitbeschäftigter
Arbeitnehmer.
Besonderheiten
Teilzeitarbeit wird mit einer steigenden Tendenz von Frauen geleistet. Ein beson-
deres Flexibilisierungspotential ist mit der Teilzeitarbeit dann verbunden, wenn sie
in Zusammenhang mit anderen Arbeitszeitformen, wie z.B. der Gleitzeit, kombi-
niert wird und damit von der traditionellen starren und vollzeitigen Arbeitszeit
abweicht (näheres siehe Kap. 6.7.5).
618 Arbeitswissenschaft

Bandbreiten-Modell
Beim Bandbreiten-Modell oder auch Wahlarbeitszeit-Modell kann der Arbeit-
nehmer seine Arbeitszeit und damit auch sein Einkommen innerhalb gewisser
Bandbreiten wählen, also beispielsweise zwischen 30 und 40 Stunden pro Woche.
Dies geschieht in bestimmten Rhythmen, z.B. alle 12 Monate verbindlich für
einen vorher vereinbarten Zeitraum. Über tägliche Dauer und Lage der Arbeitszeit
ist damit noch nicht entscheiden.

Systeme alternierender Arbeitszeiten


Bei Systemen mit alternierenden Arbeitszeiten kann beispielsweise eine Woche
gearbeitet werden, die nächste Woche ist dann frei. Oder man arbeitet 10 Tage
und hat die nächsten 10 Tage dann frei. Anders als bei der Jahresarbeitszeit ist die
Flexibilität hinsichtlich freier Tage bei Systemen alternierender Arbeitszeit be-
schränkter. Die Aufteilung der freien Tage ist gleichmäßig und findet in regelmä-
ßigem Wechsel mit der Arbeitszeit statt. Eine achtmonatige Arbeitszeit mit da-
rauffolgender viermonatiger Pause ist in diesen Systemen also nicht möglich.

Komprimierte Arbeitswoche
Die komprimierte Arbeitswoche kann beispielsweise in einer 4 ½-Tage-, 4-Tage-
oder 3 ½-Tage-Woche bestehen; oder aus einer 2-Tage-Wochenendarbeitszeit mit
einer regelmäßigen samstäglichen und sonntäglichen Arbeitszeit von 12 Stunden.
Wird dieses Konzept noch mit der wahlweisen Verteilung der Wochenarbeitszeit
auf die Wochentage verbunden, begünstigt dies auch eine Ausweitung der Be-
triebszeiten.
Besonderheiten
Um die Ausweitung der Betriebszeiten zu erreichen, muss die komprimierte Ar-
beitswoche mit einem Mehrfachbesetzungsplan kombiniert werden, d. h. mindes-
tens zwei Arbeitnehmer müssen sich den Arbeitsplatz teilen und diesen über-
schneidend oder im Wechsel besetzen.

6.7.5 Über(stunden)arbeit und Mehrarbeit


Im Praxisgebrauch scheinen sich Über(stunden)arbeit und Mehrarbeit als Syno-
nyme durchgesetzt zu haben.
Im Jahr 2007 wurden insgesamt 1.428,8 Mio. Überstunden geleistet (Abb.
6.17). Die Anzahl an Überstunden je Arbeitsperson liegt bei jährlich 49,9 h (hier-
bei wurden Daten von Arbeitnehmern in Vollzeit erhoben). Die geleisteten Über-
stunden haben über die Jahre kontinuierlich abgenommen. So betrug das Über-
stundenvolumen von 2000 noch 1.688,5 Mio. h (entspricht 58,8 h je Arbeitsperson
jährlich) (Abb. 6.18).
Arbeitszeit 619

Abb. 6.17: Überstundenvolumen in Millionen Stunden in Deutschland von 2000 bis 2007
(BACH et al. 2008)

Ein Trend zur Verringerung kann ebenfalls bei den bezahlten Überstunden ver-
zeichnet werden. Hier wurden im Jahr 2003 55,9 Überstunden pro Jahr bezahlt,
bei einem Überstundenvolumen von 1560 Mio. h im Jahr 2007 waren es hingegen
lediglich 46,6 Überstunden pro Jahr, das Überstundenvolumen betrug 1429 Mio.
bezahlte Überstunden.

Abb. 6.18: Volumen der bezahlten Überstunden in Deutschland von 2003 bis 2007 (IAB
2008)
620 Arbeitswissenschaft

Teilzeitarbeit
Die Bandbreite der Teilzeitarbeitsdauer liegt zwischen wenigen Stunden pro Wo-
che bis zur Fast-Vollzeitarbeit.
Gründe für die Einführung von Teilzeitarbeit können wie folgt sein:
x Arbeitsanfallorientierte Stellenbesetzung: das Arbeitsvolumen reicht für ei-
nen Vollzeitbeschäftigten nicht aus
x Eignungsorientierte Stellenbesetzung: Teilzeitaufgaben werden aus einer
Vollzeittätigkeit ausgegliedert
x Arbeitsmarktorientierte Stellenbesetzung: Auf dem Arbeitsmarkt besteht ein
Mangel an Vollzeitkräften
x Belastungsorientierte Stellenbesetzung: Belastung eines Arbeitsplatzes ist für
einen Vollzeitbeschäftigten zu groß (BAILLOD 1986).
Ein besonderes Flexibilisierungspotential ist dann mit der Teilzeitarbeit ver-
bunden, wenn sie in Zusammenhang mit anderen Arbeitszeitformen, wie z.B. der
Gleitzeit, kombiniert wird und damit von der traditionellen starren und vollzeiti-
gen Arbeitszeit abweicht (FERREIRA 2001).
Es bieten sich verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten in den jeweiligen Ver-
einbarungszeiträumen (Tag, Woche, Monat, Jahr) an (HEGNER et al. 1992):
x Teilzeit mit gleichmäßiger Verteilung der Arbeitszeit: Dazu zählt Halbtags-
arbeit, deren Lage starr an den Vormittag bzw. Nachmittag gekoppelt ist.
x Teilzeit mit ungleichmäßiger Verteilung der Arbeitszeit: Das vereinbarte Ar-
beitszeitvolumen wird unterschiedlich auf einzelne Tage oder Wochen ver-
teilt. Dadurch kann es zum Aufbau von Zeitguthaben kommen, die dann in
längeren Freizeitblöcken abgebaut werden können.
x Teilzeitarbeit mit längerfristiger Planung des Volumens und der Verteilung:
Das Arbeitszeitvolumen wird auf Monate, ein Halbjahr oder ein Jahr verteilt.
Für den Arbeitgeber bietet sich hier die Möglichkeit des bedarfsgerechten
Personaleinsatzes, wenn er die tage- oder wochenweise Verteilung der Ar-
beitszeit jeweils für ein Vierteljahr oder einen Monat im Voraus festlegen
kann. Zum Schutz des Arbeitnehmers sind hier aber Ankündigungszeiten zu
berücksichtigen (z.B. zwei bis drei Wochen bei starken monatlichen
Schwankungen).
x Arbeitsplatzteilung (Job-sharing): Zwei oder mehr Arbeitnehmer teilen sich
einen Vollarbeitsplatz. Bei entsprechender Absprache ergibt sich hier ein
Dispositionsspielraum bzgl. Lage und Verteilung der individuellen Arbeits-
zeit
x Teilzeit in Schichtsystemen: Es können sowohl Teilzeitschichten miteinander
kombiniert als auch Kombinationen von Vollzeit- und Teilzeitschichten ein-
gesetzt werden. Der Betrieb kann auf diese Weise leichter Arbeitskräfte be-
schaffen (attraktive Arbeitsmöglichkeiten für Frauen oder Männer mit Fami-
lienaufgaben), die dann in den Bereichen mit ausgedehnter Betriebszeit ein-
gesetzt werden können.
Arbeitszeit 621

Nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der


Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg, waren 2007 33,5% der 35.291.000 Arbeit-
nehmer in Teilzeit beschäftigt.
Teilzeitarbeit wird vermehrt von Frauen geleistet (in 2007 75% der in Teilzeit
beschäftigten Arbeitnehmer) mit einer steigenden Tendenz.
Teilzeitarbeit kann auch als Instrument gegen Arbeitslosigkeit verstanden wer-
den. Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft lag im Jahr 1995:
die gewünschte durchschnittliche Wochenarbeitsdauer aller Vollzeitbeschäftigten
4 Stunden unter der tatsächlichen Dauer. Durch eine konsequente Ausnutzung
dieses Ausgleichspotentials hätten 2,6 Millionen Menschen zusätzlich in den Ar-
beitsprozess integriert werden können (HOF 1995). Hinsichtlich der Barrieren der
Teilzeitarbeit sind es oftmals die Vorstellungen zur Arbeit seitens der Mitarbeiter
und Vorgesetzten, die eine weitere Teilzeit-Einführung erschweren. So sind die
vorrangigen Hindernisgründe bei den Mitarbeitern die zu erwartenden Einkom-
menseinbußen sowie Nachteile in der Sozialversicherung (KNAUTH u. HORN-
BERGER 1997). Außerdem befürchten viele einen „Karriereknick“ in der berufli-
chen Entwicklung.
Widerstände gegenüber Teilzeitarbeit bestehen vor allem auf den unteren und
mittleren Führungsebenen aufgrund von Fehleinschätzungen bzgl. der Vor- und
Nachteile von Teilzeitarbeit (Vorurteile, unzureichender Wissensstand). Die Ein-
richtung von Teilzeitarbeitsplätzen in kleinen und mittleren Unternehmen führt
aufgrund der Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten und der Existenz der ge-
nannten Hemmnisse häufig zu externem Beratungsbedarf.
Vorteile für den Betrieb liegen in der Ausweitung der Betriebsnutzungszeit,
motivierteren und leistungsfähigeren Mitarbeitern, geringerem Krankenstand
(Teilzeitbeschäftigte fallen seltener durch Krankheit aus), flexiblerer Anpassung
an Anforderungsspitzen, höherer Qualität, Produktivität und Arbeitsleistung im
Vergleich zur Vollzeitbeschäftigung. Nachteilig sind im Wesentlichen der höhere
organisatorische Aufwand für das Unternehmen (Entgeltfindung, Personalverwal-
tung) und eventuelle Probleme in Bezug auf die Teilbarkeit von Arbeitsaufgaben
(je komplexer die Tätigkeit, desto größer ist der Organisations- und Koordinati-
onsaufwand).
Ein zentrales Argument sind Kostensteigerungen durch Einarbeitung zusätzli-
cher Arbeitskräfte sowie durch personenzahlabhängige Personalfixkosten, wie
beispielsweise Einmalzahlungen oder Weiterbildungskosten (SEIFERT 2000).
Teilzeitarbeit ermöglicht eine bessere Anpassung an den individuellen Lebens-
rhythmus, an die Bedürfnisse des Familienlebens und an die Freizeitgestaltung.
Nachteilig für die Beschäftigten sind geringere Einkommen und Nachteile für den
Bezug der Rente, Arbeitslosengeld und betrieblichen Sozialleistungen. Zudem
können Teilzeitarbeitnehmer in Positionen abgedrängt werden, die unterhalb ihrer
Qualifikation liegen: es besteht (noch) ein betriebliches Akzeptanzproblem, insbe-
sondere für qualifizierte Arbeitsplätze und Führungspositionen.
Um diese Barrieren weitestgehend abzubauen, ist vor allem eine verstärkte
Kommunikation zur Teilzeit im Rahmen flexibler Arbeitszeitgestaltung zwischen
622 Arbeitswissenschaft

Vorgesetzten und Mitarbeitern notwendig (FERREIRA 2001). Zusätzlich wirken


Weiterentwicklungen der Arbeitsorganisation in Richtung teilautonomer Grup-
penarbeit begünstigend. Ist nämlich Arbeit so organisiert, dass personengebundene
Spezialisierung und hohe Arbeitsteiligkeit vermieden werden, lässt sich das Ar-
beitsvolumen relativ einfach auf eine größere Zahl von Teilzeitmitarbeitern vertei-
len (SCHIERENBECK 1993). Probleme, wie notwendige Präsenz oder Vertretung in
Abwesenheit, lassen sich leichter lösen.
Hinsichtlich der Regelungen zur Teilzeit gibt es im Betrieb vorwiegend drei
Einsatzfelder. Das ist erstens der gleitende Einstieg in das und zweitens der glei-
tende Ausstieg aus dem Berufsleben. Während der Phase im Berufsleben dient
Teilzeit drittens zur Anpassung an spezielle Mitarbeiterwünsche oder zum Aus-
gleich von Beschäftigungsproblemen.
Teilzeitarbeit ist weder von vornherein mit Produktivitätsnachteilen behaftet,
noch führt sie automatisch zu höherer Arbeitsproduktivität, wie vereinzelt ange-
nommen wird. Teilzeit bietet allerdings Produktivitätspotenziale, die durch flexib-
le Gestaltung erschlossen werden müssen.
Die stärkere Ausrichtung am Kunden verlangt, schneller auf veränderte Anfor-
derungen reagieren zu können. Teilzeitarbeit schafft diesen größeren Spielraum,
da sie nicht so schnell an tarifliche oder gesetzliche Obergrenzen der Arbeitszeit
stößt. In auftragsschwachen Zeiten helfen flexible Teilzeitmodelle, das Risiko von
Personalanpassungsmaßnahmen zu mindern.

6.8 Unterstützung der Arbeitszeitorganisation durch Software

Die Anpassung der Arbeitszeit an rechtliche Vorschriften, arbeitswissenschaftli-


che Empfehlungen, betriebliche Belange und Mitarbeiterwünsche ist, vor Allem in
größeren Betrieben, aufwendig und häufig auch sehr schwierig. Zur Unterstützung
der Organisation und Disposition gibt es Softwareapplikationen, die in der Regel
direkt auf den einsetzenden Betrieb angepasst werden.
Exemplarisch wird an dieser Stelle die Software BASS 4 (Bedarfsorientiertes
Arbeitswissenschaftliches System zur Schichtplangestaltung) vorgestellt
(NACHREINER et al. 2005), die Betriebe bei der Schichtplangestaltung unter-
stützt und im Auftrag des BMBF entwickelt wurde. BASS 4 ermöglicht es, be-
darfs- und personenorientierte Arbeitszeitsysteme zu planen und zu evaluieren.
BASS 4 eignet sich
x für die detaillierte Bewertung der Einhaltung gesetzlicher (ArbZG) oder ta-
riflicher Vorgaben, z.B. die Berechnung von Ausgleichszeiträumen
x für die ausführliche Bewertung der Arbeitszeit bei Nacht- und Schichtarbeit
nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen (§6 (1) ArbZG)
x für die einfache Eingabe, Bewertung und Optimierung bereits bestehender
Arbeitszeitsysteme
Arbeitszeit 623

x für die Einschätzung der Belastung am Arbeitsplatz mit Hilfe eines validier-
ten Verfahrens (EBA). Es ermöglicht ein belastungsbezogenes Zuschneiden
der Lage und Dauer von Schichten
x für die detaillierte Eingabe und Berechnung ökonomischer Faktoren (z.B.
Zuschläge und Zulagen), um die Kosten ergonomischer Gestaltungslösungen
transparent zu machen
x für die Berechnung von statistischen Kennwerten, z.B. Überdeckung beim
Personaleinsatz
x als Werkzeug für die flexible Gestaltung: Eingabe oder Import hochflexibler
(individueller), nicht an feste Schichten gebundene Arbeitszeiten bis zu ei-
nem Jahr und deren Bewertung anhand sämtlicher BASS Bewertungs-
kriterien.
Die mit BASS erstellten Schichtpläne können in den „BASS 4-Kalender“ ex-
portiert werden. Als Tool zur ergonomischen Arbeitszeitgestaltung und Gefähr-
dungsbeurteilung ist BASS 4 besonders interessant für:
x Arbeitszeitplaner
x Führungskräfte
x Betriebsräte
x Fachkräfte für Arbeitssicherheit
x Aufsichtspersonen des Arbeitsschutzes.
Ergebnisse
x einfache Schichtplangestaltung nach ergonomischen Kriterien
x mehr Rechtssicherheit für die Betriebe bei der Aufstellung von Schichtplä-
nen
x weniger Belastungen für die Beschäftigten durch die Optimierung der
Schichtpläne.
Es hat sich gezeigt, dass BASS 4 die Anforderungen des Arbeitszeitgesetzes
wie z.B. Ausgleichszeiträume oder Bewertung der Arbeitszeit in vollem Umfang
erfüllt und eine Schichtplangestaltung unter Berücksichtigung von Belastungsfak-
toren ermöglicht. Weiterführende Informationen zu BASS 4 finden sich in
NACHREINER et al. (2005).

6.9 Akzeptanz von Arbeitszeitsystemen und -modellen

Wie auch in anderen Bereichen unternehmerischen Handelns verlangt die Gestal-


tung von Arbeitszeitregelungen eine ausgewogene Berücksichtigung von betrieb-
lichen Erfordernissen und Mitarbeiterinteressen. Die Qualität dieses Interessenaus-
tausches bestimmt wesentlich die Akzeptanz von Arbeitszeitregelungen durch
Vorgesetzte, Mitarbeiter und Betriebsräte.
624 Arbeitswissenschaft

Zu einer positiven Akzeptanzbewertung können beitragen (FERREIRA 2001):


x Betriebliche Notwendigkeit sachgerecht erläutern
x Mitarbeiter an Entscheidungsvorbereitungen beteiligen
x Mehrere Arbeitszeitmodelle zur Wahl stellen
x Entstehende Nachteile durch z.B. Freizeitblöcke oder Zulagen kompensieren
x Vorhaltung spezieller Infrastruktur für Schichtarbeiter (Verpflegung usw.)
x Gewährung vereinbarter Dispositionsspielräume durch den Vorgesetzten
x Abweichungen vom Arbeitsmodell werden transparent dargestellt.
Zu einer negativen Akzeptanzbewertung können beitragen:
x Nur betriebliche Erfordernisse werden berücksichtigt
x Vorschläge der Mitarbeiter werden ohne Begründung nicht berücksichtigt
x Zugesagte Tauschmöglichkeiten werden nicht gewährt
x Vergleichbare Arbeitszeiten am gleichen Standort werden mit unterschiedli-
chen Konditionen ausgestattet
x Mangelnde Synchronisierung der Arbeitszeiten mit anderen Organisationen
bzw. Firmen.
Arbeitszeit 625

6.10 Literatur

Bach HU, Gartner H, Klinger S, Rothe T, Spitznagel E (2008) Internationale Finanzkrise


bringt schwerere Zeiten für den Arbeitsmarkt. In: Institut für Arbeitsmarkt- und Be-
rufsforschung (Hrsg) IAB-Kurzbericht. W. Bertelsmann Verlag, Bielefeld
Baillod J (1986) Arbeitszeit - Humanisierung der Arbeit durch Arbeitszeitgestaltung.
Unterägeri. W & H Verlags AG sowie Stuttgart. Poeschel
Bauer F, Groß H, Schilling G (1994) Arbeitszeit ‘93. Arbeitszeiten, Arbeitszeitwünsche,
Zeitbewirtschaftung und Arbeitszeitgestaltungschancen von abhängig Beschäftigten.
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durch Gesetz zum 10. März 1975 (Bundesgesetzblatt I, S 685)
Gesetz über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung (BeschFG) vom
26. April 1985 (Bundesgesetzblatt I, S 710)
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worden ist
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das zuletzt durch Artikel 3 Absatz 2 des Gesetzes vom 31. Oktober 2008 (Bundesge-
setzblatt I, S 2149) geändert worden ist
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machung vom 2. Juni 2003 (Bundesgesetzblatt I, S 744) zuletzt geändert durch Artikel
228 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (Bundesgesetzblatt I, S 2407)
7 Arbeitswirtschaft

7.1 Einführung

7.1.1 Begriff und Gegenstand der Arbeitswirtschaft


Die Umsetzung arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse in konkrete Gestaltungslö-
sungen wird in der betrieblichen Praxis in unterschiedlichen Funktionsbereichen
vorgenommen. Die einzelnen Bereiche gehen mit verschiedenen Zielsystemen und
Interessenlagen an ihre Gestaltungsaufgabe heran. Folgt man im Hinblick auf
die Systematisierung von derartigen Interessen den Vorstellungen von
FÜRSTENBERG (1983), so sind aus arbeitspersonenbezogener Sicht ein Erhal-
tungsinteresse, ein Gestaltungsinteresse und ein Verwertungsinteresse menschli-
cher Arbeit zu unterscheiden. Die wirtschaftliche Verwertung menschlicher Arbeit
wird auch als Arbeitswirtschaft bezeichnet. Gegenstand der Arbeitswirtschaft ist
es, Arbeitssysteme mit Hilfe von arbeitswissenschaftlichen Methoden so zu gestal-
ten, dass menschliche Arbeit unter Berücksichtigung humanitärer, sozialer und
arbeitsrechtlicher Aspekte möglichst effektiv und effizient eingesetzt wird
(STIELER-LORENZ 1997; HINRICHSEN u. KOPRIWA 2007).
Wesentliche Stellgrößen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Arbeit
liegen entsprechend den einzelnen Bestandteilen eines Arbeitssystems (siehe Kap.
1.5.1) in der Qualifizierung von Arbeitspersonen, der Weiterentwicklung von
Arbeits-/Betriebsmitteln, Arbeitsobjekten und Arbeitsabläufen sowie der Gestal-
tung von Entgeltsystemen, die einen unmittelbaren Einfluss auf die Struktur und
Höhe der Personalkosten haben.

7.1.2 Prinzipien der Arbeitswirtschaft


Mit der Arbeitsstandardisierung, der Arbeitsqualifizierung und -motivation, der
Arbeitselimination, der Arbeitssubstitution, der Arbeitsdelegation, der Arbeitstei-
lung bzw. -integration, der Arbeitsdisposition und der Arbeitspolitik lassen sich
acht Prinzipien der Arbeitswirtschaft unterscheiden (HINRICHSEN 2007). Diese
Prinzipien berücksichtigen in erster Linie das betriebliche Interesse, menschliche
Arbeit wirtschaftlich zu verwerten.
(1) Das Prinzip der Arbeitsstandardisierung beinhaltet die Entwicklung kombi-
nierter Arbeits- und Zeitstandards. Durch Anwendung dieses Prinzips wer-
den Arbeitsinhalte und Arbeitspensum transparent, so dass mögliche Hand-
lungsunsicherheiten der Arbeitspersonen sowie Qualitätsschwankungen in
Bezug auf das Arbeitsergebnis reduziert werden. Die Gestaltung dieser kom-
binierten Arbeits- und Zeitstandards bildet eine Grundvoraussetzung für die
Umsetzung einer Reihe weiterer Rationalisierungsprinzipien, da zur Durch-
630 Arbeitswissenschaft

führung von Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen stets der bestehende Standard


mit alternativen Standards zu vergleichen ist. Der zu wählende Standardisie-
rungsgrad eines Arbeitsprozesses ist von der Aufgabe, dem Sachziel des Pro-
zesses und ihrer Wiederholhäufigkeit abhängig.
(2) Das Prinzip der Arbeitsqualifizierung und -motivation ist – ebenso wie das
Prinzip der Arbeitsstandardisierung – als ein grundlegender arbeits-
wirtschaftlicher Ansatz anzusehen, da qualifizierte, kompetente und moti-
vierte Beschäftigte eine Grundvoraussetzung für den rationellen Ablauf von
Arbeitsprozessen bilden. Als Instrumente zur Unterstützung dieses Prinzips
lassen sich beispielhaft Qualifizierungsmatrizen, Kompetenzbedarfsanalysen,
Zielvereinbarungs- und Personalentwicklungsprozesse anführen.
(3) Das arbeitswirtschaftliche Prinzip der Arbeitselimination beinhaltet die Ver-
änderung eines Arbeitsstandards derart, dass einzelne Ablaufabschnitte nicht
mehr von Beschäftigten des Betriebs wahrgenommen werden und die Reduk-
tion der Arbeitsumfänge nicht durch eine Delegation der Arbeit an Kunden,
Lieferanten oder Kooperationspartner oder durch Veränderung anderer Be-
triebsfaktoren kompensiert wird, d.h. mit der Umsetzung des Prinzips der
Arbeitselimination fällt ein Arbeitsablauf ohne Kompensation weg.
(4) Das Prinzip der Arbeitssubstitution beinhaltet die partielle oder vollständige
Substitution der menschlichen Arbeitsleistung durch Veränderung einer oder
mehrerer Ausprägungen der Arbeitsobjekte oder der Arbeits-/Betriebsmittel,
so dass im Ergebnis die Wirtschaftlichkeit des Betriebs verbessert wird. Die-
se Verbesserung der Wirtschaftlichkeit kann bspw. in einer verkürzten
Durchlaufzeit eines Arbeitsobjekts, in einer höheren Qualität des Arbeitser-
gebnisses oder in einer verringerten Auftretenshäufigkeit eines Arbeitspro-
zesses bzw. einer Arbeitsaufgabe zum Ausdruck kommen.
(5) Das Prinzip der Arbeitsdelegation hat die Übertragung einzelner Aufgaben
an Betriebsexterne (Kunden, Lieferanten, Kooperationspartner) zum Gegen-
stand. Bei diesem arbeitswirtschaftlichen Prinzip wird der Frage nachgegan-
gen, ob es wirtschaftlicher ist, eine Aufgabe von Beschäftigten des eigenen
Betriebs ausführen zu lassen oder an Betriebsexterne zu übertragen (Out-
sourcing).
(6) Bei der Umsetzung des Prinzips der Arbeitsteilung bzw. -integration wird der
Frage nachgegangen, welcher Grad der Arbeitsteilung am wirtschaftlichsten
ist. Die Arbeitsintegration bezeichnet dabei die Umkehrung des Prinzips der
Arbeitsteilung. Bei der Anwendung dieses Prinzips ist zwischen den Vor-
und Nachteilen der Arbeitsteilung abzuwägen. Auf der einen Seite lassen
sich durch eine Arbeitsteilung nach dem Verrichtungsprinzip Spezialisie-
rungsvorteile erzielen. Auf der anderen Seite steigen mit zunehmender Ar-
beitsteilung aber auch die Koordinationsaufwände. Zudem können mit stei-
gendem Grad der Arbeitsteilung Monotonie und einseitige Beanspruchung
zunehmen und die Motivationspotenziale der Arbeit abnehmen (siehe Kap.
4.2.3.1).
Arbeitswirtschaft 631

(7) Das Prinzip der Arbeitsdisposition beinhaltet die qualitative und quantitative
Ausrichtung des Personaleinsatzes an die im Zeitverlauf variierende Ar-
beitsmenge. Unter qualitativen Gesichtspunkten erfolgt die Zuordnung von
Beschäftigten auf Arbeitsstellen durch einen Vergleich des Anforderungspro-
fils einzelner Arbeitsplätze mit dem Qualifikationsprofil der Beschäftigten
unter Berücksichtigung ihrer Entwicklungswünsche, Neigungen und Interes-
sen. Im Rahmen des quantitativen Personaleinsatzes wird festgelegt, wie vie-
le Mitarbeiter mit welcher Qualifikation zu welchem Einsatzzeitpunkt und
für welche Dauer an einem bestimmten Arbeitsplatz tätig sein sollen. Wäh-
rend der Personaleinsatz unter qualitativen Gesichtspunkten eine anforde-
rungsgerechte Bearbeitung der Arbeitsaufgaben an einem Arbeitsplatz si-
cherstellen soll, hat der quantitative Personaleinsatz zum Ziel, eine personel-
le Über- bzw. Unterdeckung zu vermeiden (JUNG 2003). Ein bedarfsgerech-
ter Personaleinsatz ist eine komplexe Aufgabe, da zahlreiche Parameter zu
berücksichtigen sind. So ist zur Ermittlung des kurz-, mittel- und langfristi-
gen Personalbedarfs einerseits die erwartete Menge einer Arbeit direkt (z.B.
über die Anzahl der Aufträge) oder indirekt (z.B. über den Umsatz) für un-
terschiedliche Zeiträume zu prognostizieren. Außerdem sind Soll-Zeiten für
einzelne Arbeiten zu definieren, so dass mittels dieses Zeit- und Mengenge-
rüsts der künftige kurz-, mittel- und langfristige Personalbedarf geschätzt
werden kann. Andererseits sind die voraussichtlich verfügbaren Personalka-
pazitäten für einzelne Zeiträume zu ermitteln und mit dem jeweils prognosti-
zierten Personalbedarf zu vergleichen. Dabei sind eine Reihe von Planungs-
restriktionen zu beachten. Diese ergeben sich vor allem aus der Arbeitszeit-
gesetzgebung, dem gültigen Arbeitszeitsystem (siehe Kap. 6.5), den Neigun-
gen, Interessen und Qualifikationen der Beschäftigten sowie arbeitsvertragli-
chen Regelungen. Sind personelle Über- oder Unterdeckungen zu erwarten,
besteht einerseits die Möglichkeit, die personellen Kapazitäten entsprechend
den Planungen anzupassen. Andererseits lassen sich einzelne Planungsres-
triktionen (z.B. Arbeitszeitregelungen) beeinflussen, so dass in der Folge
Kapazitätsengpässe durch einen flexibleren Einsatz des Personals vermieden
werden können.
(8) Da das Entgelt der Arbeitsperson im Hinblick auf die Personalkosten aus
einer Mengen- und einer Preiskomponente besteht, bezieht sich ein Ansatz
zur Reduzierung der Kosten auf die Preiskomponente (MÜLLER-
HAGEDORN 1998). Da diese Preiskomponente in der Regel nicht das aus-
schließliche Ergebnis von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt,
sondern von tarif- und betriebspolitischen Auseinandersetzungen ist (siehe
Kap. 7.2), wird der Ansatz zur Bestimmung der Höhe der Lohnkostensätze
als Arbeitspolitik bezeichnet. Vordergründig müsste aus Sicht der Betriebe
das Ziel bestehen, möglichst niedrige Preise für den Faktor Arbeit zu bezah-
len, um das Verhältnis von Gewinn zu Personalkosten zu verbessern. Wird
allerdings seitens eines Betriebs ein im Marktvergleich unterdurchschnittlich
hohes Entgelt bezahlt, ist davon auszugehen, dass die Fluktuationsrate im
632 Arbeitswissenschaft

Vergleich zu anderen Betrieben überdurchschnittlich hoch ist. Wenn gleich-


zeitig die Effektivität und Effizienz dieser unterdurchschnittlich entlohnten
Tätigkeiten in hohem Maße von den Erfahrungen und dem Wissen der Be-
schäftigten abhängig ist, wirkt eine solche Arbeitspolitik kontraproduktiv, da
sich die häufig auftretenden Einarbeitungszeiten negativ auf die Arbeitspro-
duktivität und -qualität auswirken. Dementsprechend ist es Gegenstand des
arbeitswirtschaftlichen Ansatzes der Arbeitspolitik, eine Entgelthöhe zu wäh-
len bzw. im Aushandlungsprozess anzustreben, welcher neben den Kosten
auch motivationale Aspekte umfassend berücksichtigt, so dass im Ergebnis
die Voraussetzungen für eine möglichst hohe Arbeitsproduktivität geschaffen
werden.
Im weiteren Verlauf des Kapitels werden zwei zentrale Elemente der Arbeits-
wirtschaft eingehender betrachtet, nämlich das Arbeitsentgelt (siehe Kap. 7.2) und
die sog. Zeitwirtschaft (siehe Kap. 7.3). Das Arbeitsentgelt stellt sowohl auf Sei-
ten der Arbeitspersonen (Motivation, wirtschaftliche Sicherheit und Unabhängig-
keit, relative Gerechtigkeit etc.) als auch auf Seiten der Betriebe (Kostenfaktor
etc.) einen wichtigen Faktor dar. Die Zeitwirtschaft hingegen stellt Methoden zur
Verfügung, die zur Planung, Optimierung und Wirtschaftlichkeitsbewertung von
Arbeitsprozessen dienen und repräsentiert somit eine wichtige Voraussetzung für
die Umsetzung betriebs- und arbeitsorganisatorischer Prinzipien.

7.2 Arbeitsentgelt

7.2.1 Begriffsverständnis und Grundlagen


Der Begriff des Arbeitsentgelts umfasst alle monetären bzw. monetär bewertbaren
Zuwendungen, die ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer im Austausch für seine
Arbeitsleistung gewährt. Im Unterschied zu „Einkünften aus selbständiger Arbeit“
oder „Besitzeinkommen“ definiert das Arbeitsentgelt somit alle Einkünfte, die
einem Arbeitnehmer aus nicht-selbständiger Arbeit – d.h. aus einem Arbeitsver-
hältnis – zufließen.
Derzeit sind in der Bundesrepublik Deutschland mehr als 87% aller Erwerbstä-
tigen abhängig Beschäftigte, d.h. ein Großteil der Bevölkerung erhält ihr Ein-
kommen im Wesentlichen oder vollständig aufgrund eines Arbeitsverhältnisses
(EHLSCHEID et al. 2006).
Die Rechtsgrundlage für den Austausch von Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt
ist der Arbeitsvertrag. Das durch einen Arbeitsvertrag begründete Arbeitsverhält-
nis bedingt als Hauptpflicht des Arbeitnehmers die Erbringung einer vertraglich
geschuldeten Arbeitsleistung. Die Hauptpflicht des Arbeitgebers besteht darin,
eine Vergütung als Gegenleistung für die versprochene Arbeitsleistung des Ar-
beitnehmers zu zahlen (§611 BGB – Das Wesen des Dienstvertrages).
In Abhängigkeit davon, ob die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung einen
tarifvertraglichen Bezug aufweist oder auf einer rein einzelvertraglichen Regelung
Arbeitswirtschaft 633

beruht, unterscheidet man zwischen tariflich und außertariflich bezahlten Beschäf-


tigten sowie zwischen tariflichen und außer- bzw. übertariflichen Entgeltbestand-
teilen.
Je nach Beschäftigtengruppe oder Branche sind unterschiedliche Bezeichnun-
gen für das Arbeitsentgelt gebräuchlich: Unter Lohn versteht man traditionell das
Entgelt für Beschäftigte, die gewerbliche Arbeit verrichten. Das für Angestellten-
tätigkeiten gezahlte Entgelt wird zumeist als Gehalt bezeichnet. Bedeutende Bran-
chen in der Bundesrepublik – z.B. die chemische Industrie und die Metall- und
Elektroindustrie – haben die nicht mehr zeitgemäße Trennung zwischen gewerbli-
cher Arbeit und Angestelltentätigkeit aufgehoben und einheitliche Entgelttarifver-
träge für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte abgeschlossen. Der jahrzehn-
telang verwendete Lohn- und Gehaltsbegriff wurde hierbei durch den neutralen
Begriff »Entgelt« ersetzt. Weitere Bezeichnungen für das Arbeitsentgelt sind z.B.
die Bezüge für Beamte, die Gage für Künstler, die Heuer für Seeleute oder der
Sold für Soldaten.
Eine weitere Differenzierung des Arbeitsentgelts ergibt sich aus der unter-
schiedlichen Position der am Austauschverhältnis „Arbeit gegen Entgelt“ beteilig-
ten Vertragspartner: So verursacht das Arbeitsentgelt aus der Sicht eines Arbeit-
gebers (Personal-)Kosten, die potentiell den Gewinn schmälern. Diese Kosten
umfassen neben dem unmittelbar zu zahlenden Arbeitsentgelt noch weitere Leis-
tungen. Zu nennen sind hierbei die vom Arbeitgeber zu tragenden Pflichtbeiträge
zur Arbeitslosen-, Renten-, Kranken-, Pflege- und Unfallversicherung sowie die
Leistungen zur betrieblichen Altersversorgung und zur Förderung der Vermö-
gensbildung des Arbeitnehmers. Aus der Perspektive eines Arbeitnehmers stellt
das Arbeitsentgelt hingegen ein Einkommen dar, das der Befriedigung individuel-
ler Bedürfnisse dient. Die Frage, welches Arbeitsentgelt für welche Arbeitsleis-
tung zu zahlen ist, ist somit sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeit-
nehmer von großer Bedeutung.
Obwohl das allgemeine Verständnis von Arbeitsentgelt auch besondere Vergü-
tungsformen umfasst, die nicht in Geld erfolgen – z.B. vereinbaren viele Unter-
nehmen als Gegenleistung für eine zu erbringende Arbeit u.A. auch geldwerte
Sachbezüge, wie Firmenrabatte oder privat nutzbare Dienstfahrzeuge – beschrän-
ken sich die nachfolgenden Darstellungen nur auf solche Vergütungsformen, die
eine direkte Geldzahlung an den Arbeitnehmer vorsehen. Zudem wird im Folgen-
den auf berufsgruppen- bzw. branchenspezifische Entgeltbezeichnungen verzich-
tet und Arbeitsentgelt bzw. Entgelt als Oberbegriff für alle Zahlungen verwendet,
die ein Arbeitgeber im Austausch für eine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeits-
leistung vornimmt.

7.2.2 Aufbau des Arbeitsentgelts


Eine wesentliche Anforderung an die Gestaltung des Arbeitsentgelts ist die Ge-
währleistung relativer Entgeltgerechtigkeit. Relative Entgeltgerechtigkeit entsteht,
wenn das von einem Arbeitnehmer wahrgenommene Verhältnis zwischen eigenem
634 Arbeitswissenschaft

Aufwand (=Arbeitsleistung) und Ertrag (=Arbeitsentgelt) als angemessen emp-


funden wird und mit dem übereinstimmt, was dieser bei vergleichbaren Bezugs-
personen bzw. -gruppen beobachtet (RÖSLER u. HINRICHSEN 2004). Vorausset-
zung hierfür ist, dass gleiche Aufwendungen zu vergleichbaren Erträgen führen
und höhere bzw. niedrigere Erträge auf entsprechend höhere bzw. niedrigere Auf-
wände zurückzuführen sind.
Zur Umsetzung relativer Entgeltgerechtigkeit sind im Rahmen der Entgeltge-
staltung fünf verschiedene Prinzipien zu berücksichtigen (nach SCHETTGEN 1996):
(1) Anforderungsgerechtigkeit: Das Arbeitsentgelt sollte den Anforderungen
entsprechen, die eine Arbeitsaufgabe an den arbeitenden Menschen stellt. Ein
als anforderungsgerecht empfundenes Entgelt bringt somit die Schwere und
Schwierigkeit einer Arbeit angemessen zum Ausdruck.
(2) Leistungsgerechtigkeit: Das Arbeitsentgelt sollte die Leistung des arbeiten-
den Menschen berücksichtigen, d.h. das Ausmaß der individuellen Leistung
bei der Bewältigung der übertragenen Arbeitsaufgabe sollte sich in der Höhe
des Entgelts niederschlagen.
(3) Soziale Gerechtigkeit/Bedarfsgerechtigkeit: Das Arbeitsentgelt sollte auch
auf soziale Aspekte, wie z.B. die Dauer der Betriebszugehörigkeit oder die
persönlichen Lebensumstände (z.B. Familienstatus) eingehen, um den unter-
schiedlichen Bedürfnissen der arbeitenden Menschen gerecht zu werden.
(4) Marktgerechtigkeit: Das Arbeitsentgelt sollte sich nach dem aktuellen
„Marktwert“ der verwerteten Arbeitsleistung richten, d.h. ein Gleichgewicht
von Angebot und Nachfrage auf dem inner- und außerbetrieblichen Arbeits-
markt adäquat abbilden.
(5) Qualifikationsgerechtigkeit: Das Arbeitsentgelt sollte die Qualifikation der
Arbeitsperson berücksichtigen. Die Qualifikationsgerechtigkeit spielt insbe-
sondere in der summerischen Arbeitsbewertung eine Rolle. So ist bspw. ein
Facharbeiter, der die Funktionsweise einer Maschine kennt, besser in der La-
ge, Fehler und Optimierungspotenziale zu erkennen, als eine Arbeitsperson,
die die Maschine lediglich bedienen kann. Die höhere Qualifikation kommt
somit – auch wenn sie nicht permanent abgefordert wird – dem Betrieb zugu-
te. Ein weiteres Beispiel für Qualifikationsgerechtigkeit ist die qualifikati-
onsabhängige Einstufung von Arbeitspersonen im öffentlichen Dienst.
Um den genannten Prinzipien zu entsprechen, setzt sich das Arbeitsentgelt in
der Regel aus mehreren Entgeltbestandteilen zusammen. Die sinnvolle Ordnung
von verschiedenen Entgeltbestandteilen wird als Entgeltsystem bezeichnet.
Die in einem Entgeltsystem aufeinander bezogenen und zielgerichtet zusam-
menwirkenden Entgeltbestandteile bedingen in ihrer Gesamtheit Eigenschaften,
die den einzelnen Systemelementen bei einer isolierten Betrachtung nicht zukom-
men.
Abb. 7.1 zeigt ein Entgeltsystem mit einer in der betrieblichen Praxis weit ver-
breiteten dreigliedrigen Struktur. Das Entgeltsystem gliedert sich hier in ein fixes
Grundentgelt, das sich an den Anforderungen der übertragenen Arbeit bemisst.
Arbeitswirtschaft 635

Der leistungsabhängige variable Entgeltbestandteil – dieser kann wiederum meh-


rere Entgeltkomponenten umfassen – orientiert sich hingegen an den Ausprägun-
gen von beeinflussbaren Leistungs- oder Erfolgsgrößen, die auf individueller oder
kollektiver Ebene gemessen bzw. beurteilt werden. Ergänzt werden beide Entgelt-
bestandteile um Zulagen, die an die sozialen Bedürfnisse des Arbeitnehmers an-
knüpfen oder den aktuellen „Marktwert“ der verwerteten Arbeitsleistung wider-
spiegeln.

Grundlagen:
Wer? tarifliche oder einzelvertragliche
sozioökonomische Variablen Regelungen
wie z.B. Betriebszugehörigkeit, Zulagen
Arbeitsmarktlage personenbezogene
Bewertung von Leistung
g
und/oder Erfolg
Wie?
Leistung / Erfolg Variabler anforderungsbezogene
auf individueller oder Arbeitsbewertung
Entgeltbestandteil
kollektiver Ebene

Was?
Anforderungen Fixes
der übertragenen Grundentgelt
Arbeitsaufgabe

E1 E2 E3 En

Entgeltgruppen (E1 – E n)

Abb. 7.1: Entgeltsystem mit anforderungsabhängig fixem Grundentgelt

Ein Entgeltsystem mit variabel gestaltetem Grundentgelt zeigt Abb. 7.2. Im


Gegensatz zum in Abb. 7.1 skizzierten Entgeltaufbau, bewegt sich das anforde-
rungsabhängige Grundentgelt hier innerhalb einer definierten Spannweite, die in
Form eines Entgeltbandes grafisch dargestellt werden kann. Realisiert wird diese
Struktur in der Regel durch eine leistungsabhängige Differenzierung des Grund-
entgelts, d.h. Anforderungs- und Leistungsbezug werden gleichzeitig in einem
Entgeltbestandteil umgesetzt.
Die Zuordnung eines Mitarbeiters zu einem der definierten (Grund-) Entgelt-
bänder erfolgt auf der Grundlage einer Arbeitsbewertung. Innerhalb eines Entgelt-
bandes orientiert sich die Zuordnung zumeist am Ergebnis einer Leistungsbeurtei-
lung oder am Zielerreichungsgrad, der im Rahmen eines Zielvereinbarungssys-
tems ermittelt wird. Im Einzelfall kann die Zuordnung bzw. Bewegung im Band
auch noch von anderen Faktoren – bspw. von der Dauer der Ausübung einer Tä-
tigkeit – abhängen.
Entgeltsysteme mit leistungsabhängig differenzierten Grundentgelten kommen
vorzugsweise für außertariflich Beschäftigte sowie für leitende Angestellte zur
Anwendung. Die Geldbeträge, die den verschiedenen Entgeltbändern eines sol-
chen Entgeltsystems zugeordnet sind, werden häufig auf der Basis aktueller
Marktvergleiche festgesetzt. Hierzu wird das Entgeltniveau, das konkurrierende
636 Arbeitswissenschaft

Organisationen für typische Positionen eines Entgeltbandes zahlen, durch speziali-


sierte Personal- und Unternehmensberatungen in regelmäßig durchgeführten Ver-
gütungsstudien erhoben und als betriebliche Orientierungshilfe für eine marktge-
rechte Entgeltfestsetzung genutzt.

Höhe
des Entgelts

Position im Entgeltband
abh. vom individuellen
Leistungsniveau
E6

E5

E4

E3

E2

E1
Marktlinie

Anforderungs- und Leistungskriterien


nach Art und Höhe der Ausprägung

Abb. 7.2: Entgeltsystem mit variabel gestaltetem Grundentgelt und sich überlappenden
Entgeltbändern

7.2.3 Anforderungsabhängiges Grundentgelt


Der anforderungsabhängige Entgeltbestandteil stellt innerhalb der Systematik des
Arbeitsentgelts in der Regel den größten Anteil dar und bildet als Grundentgelt die
Basis eines Entgeltsystems. Typische Begrifflichkeiten, die in der betrieblichen
Praxis diesen anforderungsabhängigen Anteil am Arbeitsentgelt umschreiben,
sind:
x Zeitlohn, Grund- oder Basislohn bei gewerblichen Mitarbeitern
x Gehalt, Grund- oder Basisgehalt bei Angestellten
x Zeitentgelt, Ausgangs-, Basis- oder Sockelentgelt, Grundvergütung
x Prämienausgangslohn oder -entgelt beim Entgeltgrundsatz Prämie
x Akkordgrundlohn oder -entgelt beim Entgeltgrundsatz Akkord
x Fixum bei Mitarbeitern, die auf Provisionsbasis tätig sind.
Die Höhe des anforderungsabhängigen Grundentgelts ergibt sich aus einer tarif-
vertraglich oder betrieblich geregelten Entgeltgruppe oder einem Entgeltband. Der
aus einer Entgeltgruppe/-band resultierende Geldbetrag wird für eine bestimmte
Zeiteinheit (z.B. Stunde, Tag, Woche, Monat) gezahlt.
Arbeitswirtschaft 637

In vielen Unternehmen werden die Grundentgelte mittlerweile als gleichmäßi-


ges Monatsentgelt ausgewiesen. Ein Arbeitnehmer erhält dabei für jeden Monat –
unabhängig von der Anzahl der tatsächlich geleisteten Arbeitstage bzw. -stunden –
einen gleichbleibenden anforderungsabhängigen Entgeltbetrag. Sehen tarifvertrag-
liche Regelungen oder betriebliche Vereinbarungen hingegen eine zeitabhängig
variable Zahlung der anforderungsabhängigen Entgelte vor, so erhält der Arbeit-
nehmer sein Grundentgelt für die Stunden, in der er seine Arbeitsleistung dem
Arbeitgeber zur Verfügung gestellt hat.
Als Methode zur anforderungsabhängigen Differenzierung der Grundentgelte in
Entgeltgruppen bzw. Entgeltbändern dient die Arbeitsbewertung. Ziel der anforde-
rungsabhängigen Entgeltdifferenzierung ist es, dass Personen, die in einem Ar-
beitssystem mit höheren Anforderungen arbeiten, ein höheres Grundentgelt erhal-
ten, als Personen, die in einem Arbeitssystem mit geringeren Anforderungen tätig
sind (REFA 1991a).
Bei einem rein anforderungsabhängig ermittelten Grundentgelt besteht kein di-
rekter Zusammenhang zwischen der Entgelthöhe, die für eine bestimmte Zeitein-
heit festgelegt wurde, und der Leistung, die ein Arbeitnehmer innerhalb dieser
Zeiteinheit erbringt. Ein Arbeitgeber wird aber i.Allg. den individuellen Arbeits-
einsatz bei der Ausübung einer übertragenen Tätigkeit an einer zu erbringenden
Normal- oder Bezugsleistung bemessen.
Ein Arbeitsentgelt, das sich ausschließlich an den Anforderungen der übertra-
genen Arbeitsaufgabe bemisst, wird überall dort gezahlt, wo
x die Arbeitskosten im Verhältnis zu anderen Kosten sehr gering sind,
x die Arbeitsperson die Ausbringungsmenge und das Arbeitstempo wenig be-
einflussen kann,
x die Leistung nicht messbar bzw. die Messung mit zu hohen Kosten verbun-
den ist (z.B. bei häufig wechselnden und unregelmäßig anfallenden Tätigkei-
ten wie Lager- und Instandhaltungsarbeiten),
x für die Arbeitsperson während der Arbeitszeit hauptsächlich eine Einsatzbe-
reitschaft besteht (z.B. bei Pförtnern, Werkschutzkräften oder Operateuren in
einer Leitwarte),
x der Arbeitsperson vornehmlich geistige Tätigkeiten abverlangt werden, deren
Ergebnisse sich nicht unmittelbar beobachten oder messen lassen und
x die Arbeitsperson mit erhöhter Arbeitsgeschwindigkeit (z.B. Fahrpersonal)
einer erhöhten Unfallgefahr ausgesetzt ist.
Die Vorteile eines rein anforderungsabhängigen Arbeitsentgelts liegen in
x einer leicht durchschaubaren Entgeltabrechnung für die Arbeitsperson,
x einem pro Zeiteinheit konstanten Entgelt für die Arbeitsperson und
x einer pro Zeiteinheit konstanten Entgeltsumme für den Betrieb.
Die Nachteile des rein anforderungsabhängigen Arbeitsentgelts sind darin zu
sehen, dass
x ein Anreiz für individuelle Mehrleistungen fehlt,
638 Arbeitswissenschaft

x die Mehrleistungen einer Arbeitsperson nicht honoriert und Minderleistun-


gen erst bei Auffälligkeit sanktioniert (Kündigungsdrohung, Abmahnung)
werden,
x die Lohnkosten pro Stück bzw. Leistungseinheit variabel sind und damit die
Kostenrechnung für den Betrieb mit Unsicherheiten verbunden ist.
Soll die individuelle Leistung im Arbeitsentgelt besonders berücksichtigt wer-
den, so wird zusätzlich zum anforderungsabhängigen Grundentgelt ein leistungs-
abhängig variabler Entgeltbestandteil gezahlt, der Leistungsbeobachtungen bzw.
-messungen voraussetzt.

Arbeitsbewertung
Die Anforderungen, die ein Arbeitssystem an den Menschen stellt, können im
Hinblick auf Schwere und Schwierigkeit variieren und werden im Wesentlichen
durch die Art der Arbeitsaufgaben bestimmt. Die übergeordnete Arbeitsaufgabe –
diese beschreibt den Zweck eines Arbeitssystems – wird einer Arbeitsperson über-
tragen und kann von dieser oft nur in vergleichsweise geringem Maße beeinflusst
werden.
Die Beschreibung von Arbeitssystemen sowie die Analyse und Quantifizierung
ihrer objektiven Anforderungen an den arbeitenden Menschen ist Gegenstand der
Anforderungsermittlung. Eine Anforderungsermittlung zum Zweck der Entgeltdif-
ferenzierung wird zumeist Arbeitsbewertung genannt (REFA 1991a).
Die Anforderungsermittlung bzw. Arbeitsbewertung erfasst, so das Ziel, die
Anforderungen unabhängig von der jeweiligen Arbeitsperson. Hierbei wird davon
ausgegangen, dass den Anforderungen eines Arbeitssystems ein entsprechendes
Leistungsangebot auf Seiten des arbeitenden Menschen – z.B. in Bezug auf die
geforderte Ausbildung oder die Übernahme von Verantwortung – gegenübersteht
(REFA 1991a). Die Abstimmung von Art und Höhe der gestellten Arbeitsanforde-
rungen mit der Höhe des Arbeitsentgelts erfolgt durch das Grundentgelt bzw.
durch verschiedene Entgeltgruppen/-bänder.

7.2.3.1 VorgehenĆbeiĆderĆArbeitsbewertungĆ
Eine Arbeitsbewertung zur anforderungsabhängigen Entgeltdifferenzierung um-
fasst i.Allg. drei Schritte:
(1) Beschreibung der Arbeit
(2) Ableitung des Anforderungsbildes durch Ermittlung qualitativer und quanti-
tativer Daten
(3) Quantitative Bewertung der Anforderungshöhe und Zuordnung zu einer
Entgeltgruppe bzw. einem Entgeltband.
Die Arbeitsbeschreibung – auch Aufgaben-, Funktions- oder Stellenbeschrei-
bung genannt – besteht in einer systematischen Beschreibung von Arbeitssyste-
men und ggf. deren Organisationsbeziehungen. Anhand der Arbeitsbeschreibung
Arbeitswirtschaft 639

lassen sich die Anforderungen ableiten, die ein Arbeitssystem an den arbeitenden
Menschen stellt.
In Abhängigkeit von den Anforderungsmerkmalen, die nach dem tarifvertrag-
lich oder betrieblich vereinbarten Verfahren der Arbeitsbewertung betrachtet wer-
den, erfasst die Arbeitsbeschreibung nur anforderungsprägende, d.h. eingruppie-
rungsrelevante Elemente. In einer Arbeitsbeschreibung werden daher nur die
(Teil-) Aufgaben dokumentiert und beschrieben, die das Anforderungsniveau der
übertragenen Arbeit bestimmen. Nicht bewertungsprägende Elemente innerhalb
einer Gesamtarbeitsaufgabe – z.B. das Kopieren und Ablegen von Dokumenten im
Rahmen einer schwierigen sachbearbeitenden Aufgabe – werden in der Arbeitsbe-
schreibung vernachlässigt. Kennzeichnend für eine Arbeitsbeschreibung ist zu-
dem, dass der im Arbeitssystem tätige Mensch nicht erfasst wird. Der arbeitende
Mensch ist vielmehr der Bezugspunkt, auf den die Anforderungen, die aus den
jeweils betrachteten Systemelementen resultieren, einwirken (REFA 1991a).
Zur Ableitung des Anforderungsbildes – bei REFA „Anforderungsanalyse“ ge-
nannt – werden Daten für die einzelnen Anforderungsmerkmale ermittelt, um
daraus die Anforderungen bzw. die Schwierigkeit einer Arbeit quantifizieren zu
können. Quantitative Daten werden gemessen, gezählt oder geschätzt und durch
einen Zahlenwert ausgewiesen. Qualitative Daten werden unter Verwendung vor-
gegebener Klassen oder durch allgemeines Beschreiben beurteilt (REFA 1991a).
Beim Quantifizieren bzw. Bewerten wird die Arbeit einer Entgeltgruppe bzw.
einem Entgeltband zugeordnet. Diese Zuordnung kann durch einen pauschalen
Vergleich der ermittelten Arbeitsanforderungen mit vorgegebenen Entgeltgrup-
pendefinitionen erfolgen. Alternativ werden einzelne Anforderungsarten zunächst
in Anforderungswerte umgesetzt, welche die Art, Höhe und ggf. Dauer der jewei-
ligen Anforderung zahlenmäßig abbilden (Rangieren). Die so ermittelten Anforde-
rungswerte werden zu einem zumeist gewichteten Summenwert (Gewichten)
zusammengefasst und abschließend einer Entgeltgruppe bzw. einem Entgeltband
zugewiesen (Tarifieren).

7.2.3.2 SystematisierungĆderĆArbeitsbewertungsverfahrenĆ
Die in der betrieblichen Praxis angewandten Methoden zur anforderungsabhängi-
gen Entgeltdifferenzierung werden grundsätzlich in analytische und summarische
Arbeitsbewertungsverfahren unterteilt. Innerhalb dieser beiden Verfahrensklassen
erfolgt die quantitative Bewertung der Arbeitsanforderungen nach dem Prinzip der
Reihung oder Stufung. Eine Systematik der daraus resultierenden Bewertungsver-
fahren zeigt Tabelle 7.1.
Unabhängig davon, ob die Arbeitsbewertung analytisch oder summarisch er-
folgt, werden ausschließlich die Anforderungen der Arbeit bewertet, nicht die
Arbeitsperson selbst.
640 Arbeitswissenschaft

Tabelle 7.1: Systematik der Arbeitsbewertungsverfahren

Methode der qualitativen Analyse


des Anforderungsbildes
Prinzipien der Quanti-
fizierung der Anforde- Analytische Betrachtung
Summarische Betrachtung
rungshöhe (Auflösung in Anforderungsarten)

Rangreihenverfahren
Reihung (mit getrennter oder gebundener Gewich- Rangfolgeverfahren
tung)

Stufenwertzahlverfahren
Stufung (mit getrennter oder gebundener Gewich- Katalogverfahren
tung)

Der prinzipielle Ablauf der analytischen und summarischen Arbeitsbewertung


ist in Abb. 7.3 dargestellt.

Bewerten Zuordnen
und
... des ... des
Anforderungs- Arbeitswertes
bildes zu einer ...

Summarisches Bewerten
Entgelt-
1 2 gruppe
Beschreiben Ableiten oder
Entgelt-
3.1 3.2 3.3
... des band
... der Arbeit Anforderungs- Ermitteln Gewichten Zuordnen
bildes
... der Anfor- ... der ... des
derungshöhe Arbeitswerte (Gesamt-)
je Merkmal (Anf.-höhe Arbeitswertes
(Anf.-profil) Wichtigkeit) zu einer …

Analytisches Bewerten

Abb. 7.3: Schrittweiser Ablauf der summarischen und analytischen Arbeitsbewertung

7.2.3.3 AnalytischeĆVerfahrenĆderĆArbeitsbewertungĆ
Bei der analytischen Arbeitsbewertung werden die Anforderungen eines Arbeits-
systems an den Menschen nach einzelnen Anforderungsarten differenziert. Im
Ergebnis der analytischen Arbeitsbewertung wird eine Wertzahlsumme ausgewie-
sen, die das Niveau der an die Arbeitsperson gestellten Anforderungen quantitativ
charakterisiert. Diese Wertzahlsumme – teilweise auch Arbeitswert- oder Punkt-
wertsumme genannt – wird abschließend einer Entgeltgruppe bzw. einem Entgelt-
band zugeordnet (REFA 1991b).
Arbeitswirtschaft 641

Die analytische Arbeitsbewertung erfolgt in drei Schritten:


(1) Rangieren bzw. Stufen: Einordnen bzw. Einstufen der zu bewertenden An-
forderungsarten in eine Rangreihe bzw. Stufe.
(2) Gewichten: Berücksichtigen der unterschiedlichen Bedeutungen der einzel-
nen Anforderungsarten für die Gesamtanforderung.
(3) Tarifieren: Zuordnen der ermittelten Wertzahlsumme zu einer Entgeltgruppe
bzw. einem Entgeltband.
Jede Arbeitsbewertung – unabhängig ob analytisch oder summarisch – setzt vo-
raus, dass im Vorfeld bestimmte Anforderungsmerkmale als Kriterien für die
Einstufung der Arbeit und die Eingruppierung eines Beschäftigten festgelegt wer-
den. Die in der betrieblichen Praxis bewerteten Anforderungsmerkmale lassen sich
i.Allg. auf eine Gliederung von Anforderungsarten zurückführen, die bereits 1950
auf einer internationalen Konferenz für Arbeitsbewertung in Genf vorgeschlagen
wurde. Dem vielfach adaptierten „Genfer Schema“ (siehe Tabelle 7.2) liegen die
beiden Oberbegriffe Können und Belastung zugrunde, aus deren Kombination sich
insgesamt sechs verschiedene Anforderungsarten ergeben (REFA 1991a).
Tabelle 7.2: Anforderungsarten nach dem Genfer Schema

Können Belastung

1. Geistige Anforderungen × ×
2. Körperliche Anforderungen × ×
3. Verantwortung – ×
4. Arbeitsbedingungen – ×

Die im Genfer Schema aufgeführten Anforderungsarten berücksichtigen alle


Aspekte, die einen Einfluss auf die Schwere und Schwierigkeit einer Arbeit haben
können. Durch eine weitere Aufspaltung dieser sechs Anforderungsarten sind
mittlerweile eine große Anzahl von Anforderungskatalogen entstanden, die den
jeweiligen betrieblichen Gegebenheiten Rechnung tragen.
Bei der analytischen Arbeitsbewertung wird den getrennt erfassten Anforde-
rungsarten ein unterschiedliches Gewicht zugewiesen. Die Gewichtung ist der
zahlenmäßige Ausdruck für die unterschiedliche Bedeutung der einzelnen Anfor-
derungsarten zueinander. Gleichzeitig werden durch die Gewichtung gewichts-
neutrale Rangplätze bzw. Stufenzahlen in anforderungsspezifisch gewichtete
Wertzahlen umgesetzt.
Der Gewichtungsschlüssel wird von den Tarifvertragsparteien ausgehandelt.
Die „Richtigkeit“ der Höhe der Gewichtungsfaktoren lässt sich arbeitswissen-
schaftlich kaum nachweisen, vielmehr spielen pragmatische Gesichtspunkte eine
Rolle wie z.B.
642 Arbeitswissenschaft

x Verfahrensunterschiede (unterschiedlich viele Anforderungsarten),


x gesellschaftliche Wertungen,
x technologische Veränderungen und
x arbeitsmarkt- und sozialpolitische Notwendigkeiten.
Bei einer analytischen Arbeitsbewertung mit getrennter Gewichtung ist der
Gewichtungsfaktor nicht in den Rangreihen bzw. Stufen zur Bewertung der ein-
zelnen Anforderungsarten enthalten, sondern muss noch mit der Rangplatznum-
mer oder der Stufenzahl multipliziert werden. Die getrennte Gewichtung ist somit
durch Rangreihen bzw. Stufenzahlen gekennzeichnet, die für alle Anforderungsar-
ten gleich sind (z.B. reichen die Rangreihen bei REFA durchweg von 0 bis 100).
Bei einer analytischen Arbeitsbewertung mit gebundener Gewichtung ist der
Gewichtungsfaktor hingegen in den Rangreihen bzw. Stufen bereits enthalten. Die
Anforderungswerte reichen hier von 0 bis zu einer Zahl, die von Anforderungsart
zu Anforderungsart unterschiedlich sein kann. Der maximal mögliche Anforde-
rungswert drückt dabei die Gewichtung der einzelnen Anforderungsarten zueinan-
der aus.

Rangreihenverfahren (Prinzip der Reihung)


Beim Rangreihenverfahren gibt es für jede Anforderungsart eine Bewertungstafel
(siehe Tabelle 7.3), in der verschiedene Richtbeispiele (bei REFA „Brückenbei-
spiele“ genannt) nach ihrer Anforderungshöhe geordnet sind. Die entlang einer
Skala angeordneten und mit einem Rangplatz bzw. einem Anforderungswert hin-
terlegten Richtbeispiele werden als Rangreihe bezeichnet.
Zur Arbeitsbewertung werden die ermittelten Anforderungen eines Arbeitssys-
tems mit den Richtbeispielen der vorgegebenen Bewertungstafeln verglichen und
entsprechend ihrer Anforderungshöhe in eine Rangreihe eingeordnet.
Beim Rangreihenverfahren mit getrennter Gewichtung werden die aus den Be-
wertungstafeln abgelesenen Rangplatznummern – diese ergeben sich aus der Ein-
ordnung der einzelnen Anforderungsarten in die Rangreihen – mit festgelegten
Gewichtungsfaktoren multipliziert. Addiert man die so ermittelten Anforderungs-
werte zu einer Wertzahlsumme (Synthese), erhält man einen zahlenmäßigen Aus-
druck, der die Gesamtanforderungen des betrachteten Arbeitssystems abbildet.
Beim Rangreihenverfahren mit gebundener Gewichtung ist der Gewichtungs-
faktor bereits in den Rangreihen enthalten. Einer Bewertungstafel kann somit statt
der gewichtsneutralen Rangplatznummer unmittelbar der Anforderungswert ent-
nommen werden. Die Ermittlung der Wertzahlsumme erfolgt wie beim Rangrei-
henverfahren mit getrennter Gewichtung durch das Aufaddieren der einzelnen
Anforderungswerte.
In Abb. 7.4 ist beispielhaft das Vorgehen nach dem Rangreihenverfahren mit
getrennter Gewichtung dargestellt.
Arbeitswirtschaft 643

Tabelle 7.3: REFA-Bewertungstafel für geistige Belastungen (REFA 1991a)


644 Arbeitswissenschaft

1 Beschreiben der Arbeit

Arbeitskenntnisse 20
2 Rangieren geistige Belastung 20
Rangplatz in der
Geschicklichkeit 35
REFA-Rangreihe
Muskelbelastung 70
(Rangreihe 0…100)
Ermitteln der Verantwortung 20
Anforderungshöhe Umgebungseinflüsse 70

Rang- Gew.- Wert-


3 Gewichten platz Fakt. zahl

Arbeitskenntnisse 20 x 1 = 20
geistige Belastung 20 x 0,8 = 16
Gewichtungs- Geschicklichkeit 35 x 0,9 = 32
schlüssel Muskelbelastung 70 x 0,8 = 56
(angenommen) Verantwortung 20 x 0,8 = 16
Umgebungseinflüsse 70 x 0,3 = 21

Arbeitswert 161 Pkt.

4 Tarifieren Arbeitswert: 161 Pkt.


Arbeitswert (in Pkt.)

€ 30 60 90 120 150 180 210 240

E1 E2 E3 E4 E5 E6 E7 E8

Abb. 7.4: Bestimmen der Wertzahlsumme und Ermitteln der Entgeltgruppe nach dem
Rangreihenverfahren mit getrennter Gewichtung

Stufenwertzahlverfahren (Prinzip der Stufung)


Beim Stufenwertzahlverfahren, das teilweise auch Stufen-, Wertzahl- oder Punkt-
bewertungsverfahren genannt wird, werden für jede Anforderungsart mehrere
Anforderungsstufen festgelegt, denen gewichtete Wertzahlen oder gewichtsneutra-
le Stufenzahlen zugeordnet sind. Um die Anforderungen der zu bewertenden Ar-
beit sachgerecht einstufen zu können, sind die einzelnen Stufen zudem verbal oder
durch quantitative Daten beschrieben und teilweise durch konkrete Arbeitsbeispie-
le ergänzt.
Arbeitswirtschaft 645

Zur Bewertung der einzelnen Anforderungsarten werden die für eine Arbeits-
aufgabe ermittelten Anforderungen mit den vorliegenden Stufenbeschreibungen
verglichen und der Zahlenwert der passenden Stufe abgelesen. Bei einer gebunde-
nen Gewichtung charakterisiert dieser Zahlenwert unmittelbar das Anforderungs-
niveau der jeweiligen Stufe. Bei einer getrennten Gewichtung ergibt sich aus der
Stufenzahl, erst nach Multiplikation mit einem Gewichtungsfaktor, der Anforde-
rungswert der jeweiligen Anforderungsstufe. Addiert man die so erhobenen Wert-
zahlen für alle Anforderungsarten, erhält man den Arbeitswert der Arbeitsaufgabe.
Das Vorgehen bei der Einstufung einer Arbeitsaufgabe nach dem Stufenwert-
zahlverfahren mit gebundener Gewichtung soll am Beispiel des Entgeltrahmenab-
kommens (ERA) für die Metall- und Elektroindustrie des Landes Nordrhein-
Westfalen verdeutlicht werden. Grundlage der Einstufung einer Arbeitsaufgabe
sind hier die folgenden tarifvertraglich festgelegten Anforderungsmerkmale:
(1) Können (Arbeitskenntnisse sowie Fachkenntnisse und Berufserfahrungen)
(2) Handlungs- und Entscheidungsspielraum
(3) Kooperation
(4) Mitarbeiterführung.
Für jedes Anforderungsmerkmal werden Bewertungsstufen vorgegeben, denen
wiederum gewichtete Punktwerte zugeordnet sind. Die unterschiedliche Gewich-
tung der einzelnen Anforderungsmerkmale zueinander wird durch die Anzahl der
maximal erreichbaren Punktwerte bestimmt. Tabelle 7.4 zeigt eine Bewertungsta-
fel am Beispiel des Anforderungsmerkmals „Handlungs- und Entscheidungsspiel-
raum“.
Tabelle 7.4: Bewertungstafel für das Punktbewertungsverfahren aus dem Entgeltrahmen-
abkommen (ERA) für die Metall- und Elektroindustrie des Landes Nordrhein-Westfalen

Handlungs- und Entscheidungsspielraum


Stufe Beschreibung Punkte

1 Die Erfüllung der Arbeitsaufgabe ist im Einzelnen vorgegeben. 2

2 Die Erfüllung der Arbeitsaufgabe ist weitgehend vorgegeben. 10

3 Die Erfüllung der Arbeitsaufgaben ist teilweise vorgegeben. 18

Die Erfüllung der Arbeitsaufgaben erfolgt überwiegend ohne Vorgaben


4 30
weitgehend selbständig.
Die Erfüllung der Arbeitsaufgaben erfolgt weitgehend ohne Vorgaben
5 40
selbständig.
646 Arbeitswissenschaft

Der Gesamtpunktwert der betrachteten Arbeitsaufgabe ergibt sich aus der Addi-
tion der Punktwerte der jeweils zutreffenden Bewertungsstufen. Die Zuordnung
des so ermittelten Gesamtpunktwertes zu einer der 14 tarifvertraglich gebildeten
Entgeltgruppen richtet sich nach Tabelle 7.5.
Tabelle 7.5: Entgeltgruppen und zugeordnete Gesamtpunktspannen aus dem Entgeltrah-
menabkommen (ERA) für die Metall- und Elektroindustrie des Landes Nordrhein-
Westfalen

Entgeltgruppe (EG) Gesamtpunktspanne


1 10 - 15
2 16 - 21
3 22 - 28
4 29 - 35
5 36 - 43
6 44 - 54
7 55 - 68
8 69 - 77
9 78 - 88
10 89 - 101
11 102 - 112
12 113 - 128
13 129 - 142
14 143 - 170

7.2.3.4 SummarischeĆVerfahrenĆderĆArbeitsbewertungĆ

Bei der summarischen Arbeitsbewertung werden die Anforderungen eines Ar-


beitssystems an den Menschen als Ganzes erfasst und bewertet. Einzelne Anforde-
rungen werden dabei nicht getrennt voneinander betrachtet, sondern eher ganzheit-
lich erfasst. Das Ergebnis einer summarischen Arbeitsbewertung wird als Entgelt-
gruppe bzw. Entgeltband ausgewiesen (REFA 1991b).

Rangfolgeverfahren (Prinzip der Reihung)


Beim Rangfolgeverfahren werden alle Arbeitsaufgaben innerhalb eines Betriebs
oder einer Organisationseinheit entsprechend ihrem Anforderungsniveau in eine
Rangfolge gebracht und danach einer Entgeltgruppe bzw. einem Entgeltband
zugeordnet.
Zur systematischen Erstellung einer Rangfolge wird häufig die Methode des
paarweisen Vergleichs genutzt. Hierbei wird die Anforderungshöhe eines jeden
Arbeitswirtschaft 647

Arbeitsplatzes mit allen anderen Arbeitsplätzen verglichen und die jeweils ermit-
telten Bewertungsergebnisse anhand unterschiedlicher Punktwerte quantifiziert:
Stellt der betrachtete Arbeitsplatz im Vergleich höhere Anforderungen an die
Arbeitsperson, erhält er dafür zwei Punkte. Weist der Arbeitsplatz in Relation ein
vergleichbares Anforderungsniveau auf, wird ein Punkt vergeben. Werden die
Anforderungen des betrachteten Arbeitsplatzes im Ergebnis eines Paarvergleichs
als geringer eingeschätzt, erhält er dafür keinen Punkt. Sind alle Arbeitsplätze
miteinander verglichen, werden die Bewertungspunkte pro Arbeitsplatz aufsum-
miert und die einzelnen Arbeitsplätze entsprechend ihres Gesamtpunktwertes in
eine Rangfolge gebracht.
Die Position eines Arbeitsplatzes innerhalb der so gebildeten Rangfolge spie-
gelt das Niveau der jeweiligen Gesamtanforderung in Relation zu allen anderen
Arbeitsplätzen wider. Den in dieser Rangfolge geordneten Arbeitsplätzen werden
abschließend Entgeltgruppen bzw. -bänder zugewiesen. Niedrige Anforderungen
führen dabei zu einem niedrigen Entgelt, höhere Anforderungen zu einem entspre-
chend höheren Entgelt (siehe Abb. 7.5).

Arbeitsplatz mit Entgeltgruppe bzw. -band


höchsten Anforderungen mit höchstem Entgelt

n m

… …

… …
Rangfolge nach der
Entgeltgruppen
summarisch bewerteten 4 E4
bzw. -bänder
Anforderungshöhe
3 E3

n (n-1) 2 E2
Paarvergleiche =
2

1 E1

Arbeitsplatz mit Entgeltgruppe bzw. -band


niedrigsten Anforderungen mit geringstem Entgelt

Abb. 7.5: Summarische Arbeitsbewertung nach dem Prinzip der Reihung

Die Vorteile des so praktizierten Rangfolgeverfahrens liegen in seiner Einfach-


heit, seiner leichten Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit. Der Nachteil dieses
Vorgehens liegt hingegen darin, dass es schwierig ist, eine ausreichende Anzahl
von Bewertern zu finden, die alle Arbeiten innerhalb eines Betriebs mit hinrei-
chender Genauigkeit beurteilen können. Zudem ist der subjektive Einfluss – auf-
grund der fehlenden objektiven Beurteilungsmaßstäbe – relativ groß und das Ver-
fahren bei einer hohen Zahl von unterschiedlichen Arbeitsplätzen sehr aufwendig.
So ist der paarweise Vergleich nur für kleinere Betriebe oder Organisationseinhei-
648 Arbeitswissenschaft

ten geeignet, ergeben sich doch bei n Arbeitsplätzen insgesamt n‚(n-1)/2 Paarver-
gleiche.
Erleichtert werden kann die Anwendung des Rangfolgeverfahrens durch über-
betriebliche Aufgabenkataloge, die bereits mehrere fertige Rangfolgen für ver-
schiedene Funktionsbereiche im Unternehmen enthalten. Die darin geordneten
Arbeitsaufgaben sind in der Regel bereits mit einer Entgeltgruppe bzw. einem
Entgeltband versehen. Zur Arbeitsbewertung werden alle zur Bewertung anste-
henden Arbeitsplätze zunächst als Ganzes mit den Referenzbeispielen und deren
Eingruppierung im Aufgabenkatalog verglichen. Anschließend wird jeder Ar-
beitsplatz einer Entgeltgruppe zugewiesen, der dem Anforderungsniveau des je-
weils „passenden“ Referenzbeispiels entspricht.

Katalogverfahren (Prinzip der Stufung)


Das Katalogverfahren, das teilweise auch Entgeltgruppenverfahren genannt wird,
basiert auf einem meist tarifvertraglich vorgegebenen Entgeltgruppenkatalog, der
eine bestimmte Anzahl von Entgeltgruppen (= Anforderungsstufen) umfasst.
Die im Entgeltgruppenkatalog aufgeführten und nach ihrem Anforderungsni-
veau gestuften Entgeltgruppen fassen jeweils die Anforderungen gleichwertiger
Arbeitsaufgaben zusammen und legen diese in einer Entgeltgruppendefinition fest.
Die in den Definitionen beschriebenen Anforderungsmerkmale verweisen zumeist
auf das Können, das für eine sachgerechte Arbeitsausführung erforderlich ist. Die
Anforderungen einer Arbeit an das Können bzw. die Qualifikation einer Arbeits-
person werden dabei anhand von unterschiedlichen Anlernzeiten, Ausbildungsni-
veaus und/oder Berufserfahrungen operationalisiert. Teilweise beziehen sich die
Stufendefinitionen auch auf Belastungen, die aus besonderen Arbeitsumgebungs-
bedingungen (z.B. Hitze, Lärm) oder hohen körperlichen Anforderungen (z.B.
durch schwere dynamische Muskelarbeit) resultieren. Moderne tarifliche Entgelt-
systeme – bspw. die meisten regionalen Entgeltrahmenabkommen in der Metall-
und Elektroindustrie – gehen jedoch davon aus, dass die mit der Erfüllung einer
Arbeitsaufgabe verbundenen Erschwernisse bzw. Belastungen nicht in die Bemes-
sung des anforderungsabhängigen Grundentgelts einfließen. Vielmehr werden
nicht vermeidbare Belastungen, die deutlich über das normale bzw. mittlere Maß
hinausgehen, durch eine getrennt ausgewiesene Erschwerniszulage abgegolten.
Den einzelnen Entgeltgruppen sind zumeist noch Prozentzahlen zugeordnet,
mit der die Werterelation der jeweiligen Gruppe zu einer ausgewählten Bezugs-
gruppe angegeben wird. Diese Bezugsgruppe – auch Eckentgeltgruppe genannt –
entspricht einem Entgeltschlüssel von 100% und charakterisiert erstmals die An-
forderungen, die sachbearbeitende Aufgaben und/oder Facharbeiten an eine Ar-
beitsperson stellen. Legt man den Geldbetrag für die Eckentgeltgruppe fest, lassen
sich anhand des vorgegebenen Entgeltschlüssels die Geldbeträge für alle anderen
Entgeltgruppen ermitteln.
Ein Beispiel für einen tarifvertraglich festgelegten Entgeltgruppenkatalog, der
nicht mehr zwischen gewerblicher Arbeit und Angestelltentätigkeit unterscheidet,
zeigt Tabelle 7.6.
Arbeitswirtschaft 649

Tabelle 7.6: Entgeltgruppenkatalog aus dem Entgeltrahmenabkommen (ERA) für die


Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen

Entgelt-
Gruppe Entgeltgruppendefinition
schlüssel
Einfache Tätigkeiten, die nach einer zweckgerichteten Einarbeitung und
1 Übung von bis zu 4 Wochen verrichtet werden können. Es ist keine berufli- 84%
che Vorbildung erforderlich.
Tätigkeiten, deren Ablauf und Ausführung weitgehend festgelegt sind. Erfor-
2 derlich sind Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie in der Regel durch ein 86%
systematisches Anlernen von bis zu 6 Monaten erworben werden.
Tätigkeiten, deren Ablauf und Ausführung überwiegend festgelegt sind.
3 Erforderlich sind Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie in der Regel durch ein 89%
systematisches Anlernen von mehr als 6 Monaten erworben werden.
Tätigkeiten, deren Ablauf und Ausführung teilweise festgelegt sind. Erforder-
4 lich sind Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie in der Regel durch eine min- 94%
destens 2-jährige fachspezifische Ausbildung erworben werden.
Sachbearbeitende Aufgaben und / oder Facharbeiten, deren Erledigung
weitgehend festgelegt ist. Erforderlich sind Kenntnisse und Fertigkeiten, wie
5 100%
sie in der Regel durch eine abgeschlossene mindestens 3-jährige fachspezi-
fische Berufsausbildung erworben werden.
Schwierige sachbearbeitende Aufgaben und / oder schwierige Facharbeiten,
deren Erledigung überwiegend festgelegt ist.
6 Erforderlich sind Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie in der Regel durch 110%
eine abgeschlossene mindestens 3-jährige fachspezifische Berufsausbildung
und mehrjährige Berufserfahrung erworben werden.
Umfassende sachbearbeitende Aufgaben und / oder besonders schwierige
und hochwertige Facharbeiten, deren Erledigung teilweise festgelegt sind.
Erforderlich sind Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie in der Regel durch
7 122%
eine abgeschlossene mindestens 3-jährige fachspezifische Berufsausbildung
und eine mindestens 2-jährige Fachausbildung oder zusätzliche Kenntnisse
und Fertigkeiten, die durch langjährige Berufserfahrung erworben werden.
Ein Aufgabengebiet, das im Rahmen von bestimmten Richtlinien erledigt
wird oder hochwertigste Facharbeiten, die hohes Dispositionsvermögen und
umfassende Verantwortung erfordern. Erforderlich sind Kenntnisse und
8 Fertigkeiten, wie sie in der Regel durch eine abgeschlossene mindestens 3- 137%
jährige fachspezifische Berufsausbildung und eine mindestens 2-jährige
Fachausbildung erworben werden sowie zusätzliche Kenntnisse und Fertig-
keiten, die durch langjährige Berufserfahrung erworben werden.
Ein erweitertes Aufgabengebiet, das im Rahmen von Richtlinien erledigt
wird. Erforderlich sind Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie durch den Ab-
schluss einer mindestens 4-jährigen Hochschulausbildung erworben werden.
Diese Kenntnisse und Fertigkeiten können auch durch eine abgeschlossene
9 155%
mindestens 3-jährige fachspezifische Berufsausbildung und eine mindestens
2-jährige Fachausbildung und eine langjährige Berufserfahrung sowie eine
zusätzliche spezielle Weiterbildung oder auf einem anderen Weg erworben
werden.
650 Arbeitswissenschaft

Tabelle 7.6 (Fortsetzung): Entgeltgruppenkatalog aus dem Entgeltrahmenabkommen


(ERA) für die Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen

Entgelt-
Gruppe Entgeltgruppendefinition
schlüssel
Ein Aufgabenbereich, der im Rahmen von allg. Richtlinien erledigt wird.
Erforderlich sind Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie durch den Abschluss
einer mindestens 4-jährigen Hochschulausbildung erworben werden und
10 170%
Fachkenntnisse durch mehrjährige spezifische Berufserfahrung. Diese
Kenntnisse und Fertigkeiten können auch auf einem anderen Weg erworben
werden.
Ein erweiterter Aufgabenbereich, der teilweise im Rahmen von allg. Richtli-
nien erledigt wird. Erforderlich sind Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie
durch den Abschluss einer mindestens 4-jährigen Hochschulausbildung
11 185%
erworben werden sowie Fachkenntnisse und langjährige spezifische Berufs-
erfahrung. Diese Kenntnisse und Fertigkeiten können auch auf einem ande-
ren Weg erworben werden.

Häufig werden die Entgeltgruppen durch sog. Niveau- oder Richtbeispiele er-
gänzt, in denen typische Arbeitsaufgaben der jeweiligen Anforderungsstufe be-
schrieben sind. Ein tarifliches Niveaubeispiel, das der Entgeltgruppe E 1 aus dem
hessischen Entgeltrahmenabkommen zugeordnet ist, ist in Abb. 7.6 dargestellt.
Zur Arbeitsbewertung werden die Anforderungen der zu bewertenden Arbeits-
aufgabe in ihrer Gesamtheit mit den Anforderungsmerkmalen der Entgeltgruppen-
definitionen verglichen und im Ergebnis einer dieser Entgeltgruppen zugeordnet.
Als zusätzliche Informations-, Orientierungs- und Entscheidungshilfe bei der
Bewertung und Zuordnung der Arbeitsaufgabe zu einer Entgeltgruppe dienen die
Niveau- bzw. Richtbeispiele.

ERA Niveaubeispiel
Kennziffer: 05.01.01.03
Arbeitsaufgabe:
Tätigkeit im Empfang/Poststelle
Arbeitsbeschreibung:
Annehmen und Weiterleiten von Telefonaten. Besucher registrieren.
Einfache Kopierarbeiten ausführen. Ausgehende Post kuvertieren, etikettieren und frei-
machen. Eingehende Post sortieren und zuteilen.
Einfachste Schreibarbeiten nach Vorlage erledigen.
Ausbildung und Erfahrung:
Kurze Einweisung; keine Vorkenntnisse erforderlich.
Entgeltgruppe: E1 Vereinbart am 28.11.2008

Abb. 7.6: Tarifliches Niveaubeispiel aus dem Entgeltrahmenabkommen (ERA) für die
Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen
Arbeitswirtschaft 651

7.2.4 Leistungsabhängiges Entgelt


In der betrieblichen Praxis finden sich eine Vielzahl von Entgeltsystemen, die mit
unterschiedlich gestalteten leistungsabhängig variablen Entgeltbestandteilen ver-
suchen, gezielt Anreize für hohe Mitarbeiterleistungen zu setzen.
Der leistungsabhängig variable Entgeltbestandteil kann sich aus mehreren
Komponenten zusammensetzen. So können mit der betrieblichen Einführung eines
variabel gestalteten Leistungsentgelts bspw. Ziele auf individueller und kollektiver
Ebene verbunden sein, die sich nicht durch eine einzelne Entgeltkomponente rea-
lisieren lassen.
Trotz der Vielzahl der unternehmensspezifischen Gestaltungslösungen lässt
sich das betriebliche Vorgehen zur Ermittlung des leistungsabhängigen Entgelts
auf drei grundlegende Methoden zurückführen: Kennzahlenvergleich, Leistungs-
beurteilung und Zielvereinbarung. Diese Methoden zur leistungsabhängigen Diffe-
renzierung des Entgelts werden in Abhängigkeit von der konkreten betrieblichen
Ausgestaltung des variablen Leistungsentgelts einzeln oder in Kombination ange-
wandt. Die wesentlichen Unterschiede der drei Methoden zeigt Tabelle 7.7.
Tabelle 7.7: Methoden zur leistungsabhängigen Entgeltdifferenzierung

Kennzahlen- Leistungs-
g Zielverein-
vergleich beurteilung barung

Methode zur Vorgabe Vereinbarung


Bestimmung Vorgabe von qualitativen von quantitativen
der Leistungsbasis von Kennzahlen Leistungsmerk- und/oder
(Bezugsleistung) malen qualitativen Zielen

Methode zur
Kennzahlen-
leistungsabhängigen Kennzahlen-
Beurteilen vergleich oder
Differenzierung vergleich
Beurteilen
des Entgelts

Welche Methode zur Ermittlung des leistungsabhängigen Entgelts zur Anwen-


dung kommt, wird im Wesentlichen durch unternehmensspezifische Zielstellun-
gen und Rahmenbedingungen bestimmt.

Leistungsbewertung
Die aus einer Arbeitsaufgabe resultierenden Anforderungen an eine Arbeitsperson
sind als relativ konstant anzusehen. Mit der Ausführung einer Arbeitsaufgabe sind
jedoch immer auch bestimmte Freiheitsgrade und Spielräume verbunden, die bei
der Bewältigung der gestellten Anforderungen individuelle Leistungsvariationen
ermöglichen (SCHETTGEN 1996).
Bei einer Leistungsbewertung wird – im Gegensatz zur personenunabhängigen
Arbeitsbewertung – der individuelle Leistungsbeitrag von Arbeitspersonen ermit-
telt und quantifiziert. Bei einer Leistungsbewertung wird somit nicht bewertet,
652 Arbeitswissenschaft

was für Anforderungen eine Arbeitsaufgabe stellt, sondern wie Arbeitspersonen


diese bewältigen (= personenabhängige Bewertung). Die Abstimmung der bewer-
teten Leistung mit der Höhe des Arbeitsentgelts erfolgt durch den leistungsabhän-
gigen Entgeltbestandteil.

7.2.4.1 KennzahlenvergleichĆ
Beim Kennzahlenvergleich wird das durch den oder die Beschäftigten erbrachte
Leistungsergebnis durch eine oder mehrere Kennzahlen erfasst und anhand von
Soll-Ist-Vergleichen bewertet. Das anhand von Kennzahlen operationalisierte
Leistungsergebnis bestimmt dabei über eine festgelegte Leistungs-Entgelt-
Relation die Höhe des leistungsabhängigen Mehrverdienstes.
Die dem Kennzahlenvergleich zugrunde liegende Kennzahl wird durch den Ar-
beitgeber vorgegeben und muss in ihrer Ausprägung – eine entsprechende An-
strengung des Beschäftigten vorausgesetzt – ganz oder teilweise beeinflussbar
sein.
Die Soll-Vorgaben für eine Kennzahl beziehen sich auf ein Arbeitssystem, des-
sen Leistungsbedingungen im Vorfeld klar zu definieren sind. Der Beschäftigte ist
vor der Aufnahme seiner Arbeit über diese Leistungsbedingungen zu informieren.
Bei technischen oder organisatorischen Änderungen im Arbeitssystem sowie bei
veränderten Arbeitsabläufen oder -inhalten werden die Kennzahlen neu festgelegt
bzw. die den Kennzahlen zugrunde liegenden Daten berichtigt.
Die für einen Kennzahlenvergleich erforderlichen Daten können durch unter-
schiedliche Methoden ermittelt werden. Welche Methode zur Datenermittlung
angewandt wird – z.B. Messen, Zählen, Rechnen, Schätzen, Vergleichen, Zusam-
mensetzen, Interpolieren usw. – ist durch den Arbeitgeber festzulegen bzw. mit
dem Betriebs- oder Personalrat zu vereinbaren.

Leistungs-Entgelt-Relation
Die Abhängigkeiten, die zwischen der Höhe des leistungsabhängigen Entgelts und
den Ausprägungen der jeweiligen Kennzahl bestehen, lassen sich grafisch in Form
von Entgeltlinien darstellen (siehe Abb. 7.7).
Die Ausgangsleistung (AL) entspricht einer Soll-Leistung, die durch ein vorab
definiertes Leistungsergebnis – z.B. durch eine bestimmte Mengenausbringung
oder einen Nutzungsgrad – dargestellt wird. Liegt das betrieblich ermittelte Leis-
tungsergebnis oberhalb dieser Ausgangsleistung, so ergibt sich ein Mehrverdienst
entsprechend der festgelegten Entgeltlinie. Das der Ausgangsleistung zugeordnete
Ausgangsentgelt (AE) entspricht zumeist dem anforderungsabhängigen Grundent-
gelt.
Die Endleistung (EL) charakterisiert die obere Leistungsgrenze, die bei einer
entsprechenden Leistung noch erreichbar sein muss und bis zu der ein leistungs-
abhängiger Mehrverdienst gezahlt wird. Der für die Endleistung festgelegte Geld-
betrag wird als Endentgelt (EE) bezeichnet.
Arbeitswirtschaft 653

Der zwischen Ausgangsleistung und Endleistung liegende Bereich heißt Leis-


tungsspanne. Die Leistungsspanne definiert den Leistungsbereich, der mit einem
Mehrverdienst honoriert werden soll.
Die Entgeltspanne umfasst den Bereich zwischen Ausgangs- und Endentgelt.
Die Höhe dieser Mehrverdienstspanne sollte einen angemessenen Anreiz bieten,
die betrieblich erwünschte Mehrleistung zu erbringen.

Entgelt

EE

Entgeltspanne Entgeltlinie

AE

Grundentgelt
Ausprägung
der Kennzahl

AE = Ausgangsentgelt
AL EL
EE = Endentgelt
Leistungs-
AL = Ausgangsleistung
spanne
EL = Endleistung

Abb. 7.7: Leistungs-Entgelt-Relation in Form einer Entgeltlinie

Neben der absolut erreichbaren Höhe des leistungsabhängigen Mehrverdienstes


wird die Anreizwirkung durch den Verlauf der Entgeltlinie gesteuert. Eine Aus-
wahl typischer Entgeltlinienverläufe zeigt Abb. 7.8.
Proportionaler Verlauf: Beim proportionalen Verlauf steigt das Entgelt propor-
tional mit dem zugrunde liegenden Leistungsergebnis.
Degressiver Verlauf: Beim degressiven Verlauf steigt das Entgelt im unteren
Leistungsbereich stark an und nimmt mit zunehmender Leistung ab. Der Entgelt-
verlauf setzt somit für hohe Leistungen, die über ein bestimmtes Maß hinausge-
hen, nur geringe Anreize. Eine Überlastung von Mensch und Betriebsmittel, aber
auch Qualitätseinbußen am Arbeitsobjekt, lassen sich auf diesem Wege vermei-
den.
Progressiver Verlauf: Beim progressiven Verlauf nimmt der Anstieg des Ent-
gelts mit zunehmender Leistung zu. Ergebnisse im obersten Leistungsbereich
werden äußerst gut honoriert. Angewandt wird dieser Entgeltverlauf zumeist als
Anreiz für eine hohe Betriebsmittelnutzung.
Progressiv-degressiver Verlauf: Beim progressiv-degressiven Verlauf werden
Leistungen im untersten sowie im obersten Bereich wenig betont. Leistungsunter-
654 Arbeitswissenschaft

schiede im mittleren Bereich werden hingegen deutlich hervorgehoben. Eine Ent-


geltlinie mit progressiv-degressivem Verlauf kommt zum Einsatz, wenn betrieb-
lich ein stabiles Ergebnis im mittleren Leistungsbereich angestrebt werden soll.
Degressiv-progressiver Verlauf: Beim degressiv-progressiven Verlauf steigt
das Entgelt im untersten und obersten Leistungsbereich stark an. Im mittleren
Leistungsbereich setzt der Entgeltverlauf hingegen nur geringe Anreize für Leis-
tungssteigerungen: Vermeidung von Geringleistungen, Belohnen von Höchstleis-
tungen.
Gestufter Verlauf: Beim gestuften Verlauf steigt und fällt das Entgelt beim Er-
reichen festgelegter Stufenpunkte. Die Anreizwirkung der Entgeltlinie wird durch
die Höhe und Breite der einzelnen Stufen bestimmt. Leistungsstreuungen inner-
halb einer Stufe werden nicht entgeltwirksam.

1. proportional 2. degressiv 3. progressiv

€ € €

K K K

4. progressiv-degressiv 5. degressiv-progressiv 6. gestuft

€ € €

K K K

Abb. 7.8: Typische Entgeltlinienverläufe (K: Ausprägung der zugrunde liegenden Kenn-
zahl)

Bezugseinheiten der Leistungsbemessung


Kennzahlen zur Bemessung des leistungsabhängigen Entgelts können das Leis-
tungsergebnis eines einzelnen Beschäftigten oder einer Gruppe von Beschäftigten
abbilden. Auch lassen sich Kennzahlen auf individueller und kollektiver Ebene
zur Bestimmung des Entgelts miteinander kombinieren.
Kennzahlen auf individueller Ebene setzen für den einzelnen Mitarbeiter einen
hohen Leistungsanreiz, indem sie die individuelle Leistungserbringung unmittel-
bar an die Höhe des eigenen Mehrverdienstes koppeln. Voraussetzungen hierfür
sind eine klare individuelle Beeinflussbarkeit der Kennzahlen durch die Arbeits-
Arbeitswirtschaft 655

person, individuelle Vorgaben durch den Arbeitgeber sowie eine eindeutige indi-
viduelle Messbarkeit und Zuordenbarkeit der Leistungsergebnisse.
Besteht aufgrund der betrieblichen Gegebenheiten ein starker Zusammenhang
zwischen den Leistungen der einzelnen Mitarbeiter, wird das anhand von Kenn-
zahlen ermittelte Leistungsergebnis zumeist auf kollektiver Ebene – z.B. für eine
Gruppe, eine Abteilung oder ein Segment – erhoben. Eine kollektive Leistungs-
bewertung anhand von Kennzahlen ist zudem angezeigt, wenn die Leistungsbei-
träge der einzelnen Mitarbeiter nicht oder nur mit hohem Aufwand bestimmbar
sind oder der kennzahlengebundene Mehrverdienst gezielt Anreize für eine hohe
Gruppenleistung setzen soll.

Verteilung kollektiv ermittelter Mehrverdienste


Die Verteilung eines kollektiv ermittelten Mehrverdienstes auf die einzelnen Mit-
arbeiter kann grundsätzlich auf drei verschiedene Arten erfolgen (FREMMER
1996):
(1) Durch absolut gleiche Verteilung
(2) Durch relativ gleiche Verteilung
(3) Durch Verteilung nach der individuellen Leistung.
Bei der absolut gleichen Verteilung erhalten alle Mitarbeiter unabhängig von
ihrer Entgeltgruppe den gleichen absoluten Teil am kollektiv erwirtschafteten
Mehrverdienst. Angewandt wird diese Verteilungsform zumeist in Bereichen, in
denen die Unterschiede beim anforderungsabhängigen Grundentgelt der Grup-
penmitglieder relativ gering sind.
Die relativ gleiche Verteilung sieht vor, dass die Mitarbeiter entsprechend der
Höhe ihres anforderungsabhängigen Grundentgelts am kollektiven Mehrverdienst
beteiligt werden. Alle anspruchsberechtigten Mitarbeiter erhalten dabei den glei-
chen Prozentsatz auf ihr individuelles Grundentgelt. Diese Art der Verteilung ist
insbesondere dann sinnvoll, wenn sich aufgrund der übertragenen Arbeitsaufgaben
die Leistungsbeiträge der einzelnen Mitarbeiter am Gruppenergebnis stark unter-
scheiden und damit das Grundentgelt innerhalb einer Gruppe stark schwankt.
Orientiert sich der leistungsabhängige variable Entgeltbestandteil nur am kol-
lektiv ermittelten Leistungsergebnis, kann es zweckmäßig sein, durch die indivi-
duelle leistungsabhängige Verteilung des Mehrverdienstes einen Anreiz für einen
hohen individuellen Leistungsbeitrag am Gruppenergebnis zu setzen. Die Vertei-
lung des kollektiven Mehrverdienstes nach der individuellen Leistung erfolgt
zumeist durch eine methodische Leistungsbeurteilung (siehe Kap. 7.2.4.2).
Die drei skizzierten Verteilungsformen – hier am Beispiel einer Gruppe mit
vier unterschiedlich eingruppierten Mitarbeitern – sind in Abb. 7.9 exemplarisch
dargestellt.
656 Arbeitswissenschaft

individuell
nach Leistung

relativ gleich

x% • E3 x% • E4 x% • E4 x% • E5

kollektiv ermittelter
Mehrverdienst absolut gleich
1/4 1/4 1/4 1/4

Anforderungs-
abhängiges
Grundentgelt
E3 E4 E4 E5

Verteilungsschlüssel bei Gruppenvergütung

Abb. 7.9: Grundsätzliche Formen zur Verteilung eines kollektiv ermittelten Mehrverdiens-
tes

Akkord und Prämie als Formen des Kennzahlenvergleichs


Die Methode des Kennzahlenvergleichs findet sich in vielen Tarifverträgen in
zwei klassischen Entgeltgrundsätzen, dem Akkord und der Prämie. Praktiziert
wurden beide Entgeltgrundsätze bislang fast ausschließlich für gewerbliche Ar-
beitnehmer (sog. „Leistungslöhner“). Moderne Tarifverträge, die von einem ein-
heitlichen Arbeitnehmerstatus ausgehen und einheitliche Regelungen zur Entgelt-
gestaltung aufweisen – bspw. die Entgeltrahmenabkommen in der Metall- und
Elektroindustrie – bieten bei entsprechenden betrieblichen Voraussetzungen diese
Formen des Kennzahlenvergleichs nunmehr für alle tariflich Beschäftigten an.
Einige regionale Entgeltrahmenabkommen haben in diesem Zusammenhang ganz
auf die von gewerblicher Arbeit geprägten Begriffe Akkord und Prämie verzichtet
und verwenden nur noch den neutralen Begriff »Kennzahlenvergleich«. Der Ak-
kord bzw. die entsprechende Form des Kennzahlenvergleichs wird aufgrund der
nachfolgend beschriebenen Spezifika jedoch auch zukünftig wohl nur für eine
vergleichsweise kleine Gruppe von Beschäftigten in direkten Bereichen zum Ein-
satz kommen.
Der Akkord hat in der industriellen Produktion zwar eine lange Tradition, er
verliert in der betrieblichen Praxis jedoch zunehmend an Bedeutung.
Als Kennzahl für den Soll-Ist-Vergleich dient beim Akkord ausschließlich die
von der Arbeitsperson beeinflussbare Mengenleistung bzw. der daraus abgeleitete
Zeitgrad (REFA 1991b).
Die erbrachte Leistung und der erzielte Mehrverdienst verhalten sich beim Ak-
kord immer proportional. Für eine Mengenleistung, die bspw. 30% über der Nor-
malleistung liegt, ist somit ein um 30% gegenüber dem Ausgangsentgelt erhöhter
Mehrverdienst zu zahlen.
Arbeitswirtschaft 657

Die proportional ansteigende Entgeltlinie weist nach oben keine Begrenzung


auf. Allerdings geben exzessive Mehrverdienste (Zeitgrade) Anlass zu erneuten
Zeitstudien zur Ermittlung der Auftragszeit. Eine weitere Besonderheit beim Ak-
kord stellt der in vielen Tarifverträgen geregelte Akkordrichtsatz dar. Der Akkord-
richtsatz bildet die Basis für den leistungsabhängigen Akkordmehrverdienst und
setzt sich aus dem anforderungsabhängigen Grundentgelt und einem prozentualen
Akkordzuschlag zusammen. Der Verdienst eines Mitarbeiters im Akkord – eine
tarifvertragliche Festlegung zum Akkordrichtsatz vorausgesetzt – ist somit bereits
bei Normalleistung grundsätzlich höher als beim anforderungsabhängigen Grund-
entgelt für vergleichbare Arbeiten. Die Zahlung des erhöhten Akkordrichtsatzes
geht von der Annahme aus, dass Akkordarbeiter im Vergleich zu Beschäftigten im
reinen Grundentgelt eine i.Allg. höhere Arbeitsintensität erbringen.
Der Akkord kann als Zeitakkord oder als Geld- bzw. Stückakkord auftreten,
wobei der Geldakkord nur noch selten angewandt wird. Beim Zeitakkord erhält
die Arbeitsperson je Mengeneinheit oder je Auftrag eine Vorgabezeit, deren Un-
terschreitung zu einer Erhöhung des Akkordverdienstes führt. In Abhängigkeit
von der Personenzahl, für die eine Vorgabezeit festgesetzt wird, unterscheidet man
zwischen Einzel- und Gruppenakkord.
Der Zeitgrad als Kennzahl für den Zeitakkord errechnet sich bezogen auf einen
Auftrag wie folgt:
Sollauftragszeit
Zeitgrad (7.1)
Istauftragszeit

Beim Geld- oder Stückakkord erhält die Arbeitsperson für jede gefertigte Men-
geneinheit einen vereinbarten Festbetrag. In der betrieblichen Praxis ist jedoch
überwiegend – wenn Akkord überhaupt noch Anwendung findet – der Zeitakkord
üblich, da bei Tarifänderungen nur der Geldfaktor angepasst werden muss. Beim
Geldakkord müssten hingegen die Geldbeträge für alle Arbeiten an allen Produk-
ten verändert werden.
Die Anwendung des Akkords ist an bestimmte Voraussetzungen gebunden: Ei-
ne Arbeitsaufgabe ist akkordfähig, wenn der Zeitbedarf bzw. das Mengenergebnis
mess- und beeinflussbar ist. Gleichzeitig muss der Arbeitsumfang und Arbeitsab-
lauf im Voraus bekannt und reproduzierbar sein. Eine Arbeitsaufgabe ist akkord-
reif, wenn der Arbeitsablauf keine störenden Einflüsse aufweist und die Arbeits-
person für die Arbeitsaufgabe geeignet und eingearbeitet ist. Akkordreife setzt
zudem einen möglichst geringen Anteil an unbeeinflussbaren Zeiten voraus.
Im Gegensatz zum Akkord, bei dem nur das Erreichen einer maximalen Men-
genleistung im Vordergrund steht, kann sich eine Prämie auf die unterschiedlichs-
ten Leistungsmerkmale beziehen (REFA 1991b). Eine Prämie ist zudem dadurch
gekennzeichnet, dass die nach oben zumeist begrenzte Entgeltlinie – je nach be-
trieblich erwünschter Anreizwirkung – unterschiedliche Verläufe annehmen kann,
die bereits in Abb. 7.8 skizziert wurden.
658 Arbeitswissenschaft

In Abhängigkeit von den zugrunde liegenden Leistungsmerkmalen werden ge-


wöhnlich die folgenden Prämien unterschieden:
(1) Mengenprämie zur Sicherstellung bzw. Erhöhung der gefertigten Menge pro
Zeiteinheit
(2) Nutzungsprämie zur Erhöhung des Nutzungsgrades von Betriebsmitteln
(3) Qualitätsprämie zur Sicherstellung bzw. Erhöhung der Güte und Genauigkeit
von Arbeitsergebnissen
(4) Ersparnisprämie zur Verringerung des Verbrauchs von Material, Energie,
Hilfs- und Betriebsstoffen.
Vielfach werden in einer Prämie auch mehrere Leistungsmerkmale bzw. Kenn-
zahlen miteinander kombiniert.

7.2.4.2 LeistungsbeurteilungĆ
Eine Leistungsbeurteilung ist ein multifunktionales Führungsmittel, das für eine
Vielzahl von Verwendungszwecken genutzt werden kann. So können die Ergeb-
nisse einer Leistungsbeurteilung sowohl zur Ermittlung eines leistungsabhängigen
Entgeltbestandteils herangezogen werden als auch als Basis und Entscheidungs-
grundlage für personalpolitische Maßnahmen – z.B. im Bereich der Personalfüh-
rung und -entwicklung, der Nachwuchsplanung etc. – dienen (LATTMANN 1994).
Leistungsbeurteilungen mit Entgeltbezug werden vor allem in Bereichen ange-
wandt, in denen sich Leistungsdaten nicht unmittelbar messen lassen, d.h. keine
quantitativen Daten zur Leistungsbemessung vorliegen oder diese nur mit unver-
hältnismäßig hohem Aufwand erhoben werden können.
Eine Leistungsbeurteilung erfolgt in der Regel durch den Arbeitgeber oder
durch einen Beauftragten des Arbeitgebers. Da eine Leistungsbeurteilung den
unmittelbaren Einblick in die Aufgabenerfüllung des zu beurteilenden Mitarbeiters
erfordert, wird zumeist der direkte Vorgesetzte mit der Durchführung der Beurtei-
lung betraut.
Im Rahmen einer Beurteilung werden die Leistungen eines Mitarbeiters be-
trachtet, die dieser innerhalb eines bestimmten Zeitabschnittes erbracht hat. Eine
Beurteilungsperiode kann unterschiedlich lang sein. In der betrieblichen Praxis
beziehen sich die periodisch wiederkehrenden Beurteilungen der individuellen
Leistung zumeist auf ein Jahr.
Ein wesentlicher Bestandteil der Leistungsbeurteilung ist in vielen Unterneh-
men das Mitarbeitergespräch. Es dient zur Erörterung der erzielten Beurteilungs-
ergebnisse und zur Ableitung von Aktivitäten für die jeweils anstehende Beurtei-
lungsperiode.
In Tarifverträgen, in denen die Leistungsbeurteilung als Methode zur leistungs-
abhängigen Entgeltdifferenzierung geregelt ist, wird der auf Basis einer Beurtei-
lung ermittelte Entgeltbestandteil zumeist als Leistungszulage bezeichnet.
Bei der Leistungsbeurteilung ist allgemein zwischen einer summarischen und
einer analytischen Vorgehensweise zu unterscheiden. Bei einer summarischen
Beurteilung der Leistung wird das Leistungsbild eines Mitarbeiters ganzheitlich
Arbeitswirtschaft 659

betrachtet und in seiner Gesamtheit bewertet. Dieses pauschale, im Ergebnis we-


nig begründbare und nicht leicht zu reproduzierende Vorgehen wurde in der be-
trieblichen Praxis fast vollständig durch analytische Verfahren der Leistungsbeur-
teilung verdrängt. Bei der analytischen Beurteilung wird das Leistungsbild eines
Mitarbeiters in einzelne Leistungsmerkmale zerlegt, die getrennt voneinander zu
bewerten sind. Die verschiedenen Einzelurteile werden in der Regel rechnerisch
zusammengefasst und als Gesamturteil über eine Leistung ausgewiesen. Unter-
scheiden sich die betrachteten Leistungsmerkmale in ihrer Bedeutung zueinander,
so kann diesem Umstand – analog zur analytischen Arbeitsbewertung – durch eine
unterschiedliche Gewichtung der Merkmale Rechnung getragen werden (ZANDER
1990).
Bei einer Leistungsbeurteilung werden sowohl Leistungsergebnisse (z.B. Men-
ge, Qualität, Termintreue) als auch leistungsrelevante Verhaltensweisen (z.B.
fachliche Zusammenarbeit) eines Mitarbeiters erfasst und vor dem Hintergrund
betrieblicher Leistungserwartungen bewertet. Dient die Beurteilung – wie im
vorliegenden Abschnitt – der leistungsabhängigen Entgeltdifferenzierung, so
kommen hierfür fast ausschließlich standardisierte Beurteilungsverfahren zum
Einsatz. Standardisierte Verfahren legen sowohl einzelne Beurteilungsmerkmale
als auch einzelne Skalen zur Leistungsbewertung fest. Zur Bewertung der vorge-
gebenen Beurteilungsmerkmale werden die bei einem Mitarbeiter beobachteten
Leistungsausprägungen einer passenden Stufe zugeordnet und der Zahlenwert der
jeweiligen Stufe abgelesen. Abschließend werden die so für jedes Beurteilungs-
merkmal ermittelten Leistungswerte zu einem Gesamtpunktwert verdichtet. Die
Höhe des Gesamtpunktwertes bestimmt dabei über festgelegte Regeln oder Be-
rechnungsvorschriften die Höhe des leistungsabhängigen Entgelts (RÖSLER u.
SCHADE 2007).
Beurteilungsverfahren zur leistungsabhängigen Entgeltdifferenzierung weisen
in der betrieblichen Praxis ein vielfältiges Erscheinungsbild auf. Ein Beispiel für
ein tarifvertraglich festgelegtes Beurteilungsverfahren zur analytischen Leistungs-
beurteilung mit gebundener Gewichtung zeigt Tabelle 7.8.
Das tarifliche Verfahren definiert für die Einstufung der Leistung fünf Beurtei-
lungsmerkmale sowie eine merkmalseinheitliche Skala, die durch eine verbale
Umschreibung der verschiedenen Merkmalsausprägungen gekennzeichnet ist. Die
Einstufung der vorgegebenen Merkmale erfolgt durch Ankreuzen der entspre-
chenden Merkmalausprägungen, wobei jeder Skalenstufe ein fester Punktwert
zugeordnet ist. Die unterschiedliche Gewichtung der einzelnen Merkmale zuei-
nander wird durch eine gebundene Gewichtung realisiert, die in den Punktwerten
der einzelnen Merkmalsstufen enthalten ist.
Um anhand des in Tabelle 7.8 dargestellten tariflichen Verfahrens die Leis-
tungszulage eines Beschäftigten zu ermitteln, werden die Punktwerte, die aus der
Bewertung der fünf Einzelmerkmale resultieren, zu einer Gesamtpunktzahl ad-
diert. Die so ermittelte Gesamtpunktzahl wird abschließend mit Hilfe einer tarifli-
chen Berechnungsvorschrift in eine individuelle Leistungszulage umgewandelt.
Ein Beispiel ist in Tabelle 7.9 dargestellt.
660 Arbeitswissenschaft

Tabelle 7.8: Tarifliches Beurteilungsverfahren zur Ermittlung individueller Leistungszula-


gen aus dem Entgeltrahmenabkommen (ERA) des Landes Hessen
Merkmal
Beurteilungsstufe
Einzelmerkmal

A B C D E
Das Leistungs- Das Leistungs- Das Leistungs- Das Leistungs- Das Leistungs-
ergebnis ent- ergebnis ent- ergebnis ent- ergebnis liegt ergebnis liegt
spricht dem spricht im spricht in vollem über den weit über den
Ausgangs- allgemeinen den Umfang den Erwartungen Erwartungen
niveau der Erwartungen Erwartungen
Arbeitsaufgabe

1 Effizienz 0 2 4 6 8
wirksame Arbeitsausführung;
termingerechte Arbeitsergebnisse;
rationelle Durchführung

2 Qualität 0 2 4 6 8
sorgfältige Durchführung von Aufgaben;
Häufigkeit von Fehlern, Mängeln; Einhaltung
von Zusagen, Absprachen; Ideenvielfalt

3 Flexibilität 0 1 2 3 4
Erledigung wechselnder Aufgaben;
Bewältigung veränderter Arbeits-
bedingungen

4 Verantwortliches Handeln 0 1 2 3 4
Zielorientierung; Umgang mit Ressourcen;
Selbständigkeit; Übernahme von Verantwor-
tung; Sauberkeit in der Arbeitsumgebung;
Förderung von Arbeits- und Gesundheitsschutz

5 Kooperation / Führungsverhalten 0 1 2 3 4
Zusammenarbeit bei gemeinsamer Erledigung
von Arbeitsaufgaben; Zusammenarbeit mit
anderen Stellen / Bereichen innerhalb der
Arbeitsaufgabe; Weitergabe von Erfahrungen
und Informationen zur Aufgabenerfüllung;
Delegation, Integration, Motivation;
Personalentwicklung

Gesamtpunktzahl:

Kenntnisnahme:

Datum, Unterschrift Beschäftigte/r Datum, Unterschrift Vorgesetzte/r

Tabelle 7.9: Tarifliche Berechnungsvorschrift zur Ermittlung individueller Leistungszula-


gen aus dem Entgeltrahmenabkommen (ERA) des Landes Hessen
Name Entgelt- Entgelt- Individuelle Individuell Individuelle Individuelle
Gruppe gruppen- Bewertungspunkte gewichtete Leistungszulage Leistungszulage
schlüssel Wertepunkte = S5 x Geldwert bezogen auf
= S3 x S4 je gewichtetem das Grundgehalt
Punkt
S1 S2 S3 S4 S5 S6 S7

MA1 E9 155% 18 27,90 392,72 € 11,96%

MA2 E4 94% 14 13,16 185,24 € 9,30%

MA3 E5 100% 3 3,00 42,23 € 1,99%

MA4 E7 122% 22 26,84 377,80 € 14,62%

57 70,90 998,00 € 10,00%

Tarifwert der Entgeltgruppe E5 2119 € (Tarifstand Juni 2007)


Grundentgelt-Summe x 10% 9980 € x 10% = 998 € Æ betriebliches Leistungszulagenvolumen
998 € / 70,90 Wertepunkte 14,08 € Æ Geldwert je gewichtetem Wertepunkt
Arbeitswirtschaft 661

Die in Tabelle 7.9 dargestellte Berechnungsvorschrift sieht in einem ersten


Schritt vor, die individuell erzielte Gesamtpunktzahl mit dem Entgeltgruppen-
schlüssel zu multiplizieren, der sich aus der Eingruppierung des betreffenden
Mitarbeiters ergibt. Aus dieser Berechnung resultiert ein individuell gewichteter
Wertpunkt der Leitungsbeurteilung.
Im nächsten Schritt ist zu errechnen, welcher Geldbetrag für einen gewichteten
Wertpunkt als Leistungszulage zu zahlen ist. Hierzu wird das Budget, das für
einen ganzen Betrieb oder eine Organisationseinheit zur leistungsabhängigen
Verteilung zur Verfügung steht – hier 10% bezogen auf die Summe der gezahlten
tariflichen Grundentgelte – durch die Anzahl aller gewichteten Wertpunkte geteilt.
Zur Ermittlung der individuellen Leistungszulagen ist in einem letzten Schritt
der so errechnete Geldwert je Wertpunkt mit den gewichteten Bewertungspunkten
eines jeden Mitarbeiters zu multiplizieren.

7.2.4.3 ZielvereinbarungĆ
Zielvereinbarungen werden in vielen Unternehmen seit langem als Führungs- und
Managementinstrument ohne Entgeltbezug eingesetzt. Zunehmend finden Zielver-
einbarungen jedoch auch als Methode zur leistungsabhängigen Entgeltdifferenzie-
rung ihre betriebliche Anwendung.
Zielvereinbarungssysteme sind bereits in den fünfziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts durch das Führungskonzept »Management by Objectives« (MbO)
populär geworden. Das MbO sieht vor, strategische Unternehmensziele, die von
der Geschäftsführung festgelegt wurden, in einem Kaskadierungsprozess bis auf
untergeordnete Organisationseinheiten „herunterzubrechen“. Innerhalb der Ziel-
hierarchie eines Unternehmens nehmen die so festgelegten Ziele nach unten hin an
Detaillierung, Präzision und Operationalisierung zu.
Im Hinblick auf die Festlegung der konkreten Mitarbeiterziele lassen sich im
MbO zwei unterschiedliche Ansätze erkennen: Bei der Zielvorgabe legt der Vor-
gesetzte die Ziele für die ihn unterstellten Mitarbeiter allein fest und gibt diese als
verbindliche Orientierungspunkte vor. Bei der eigentlichen Zielvereinbarung er-
folgt die Festlegung der Ziele hingegen in einem Verhandlungsprozess zwischen
Vorgesetzten und Mitarbeitern. Im Vergleich zur fremdbestimmten Zielvorgabe
bewirkt die aktive Beteiligung an der Zielfestlegung eine höhere Identifikation der
Mitarbeiter mit den Zielen sowie ein stärkeres Verantwortungsbewusstsein bei der
Realisation der Ziele (BREISIG 2003).
Für eine hohe Leistung ist die Existenz von Zielen nicht ausreichend. Die psy-
chologische Zielsetzungstheorie (LOCKE u. LATHAM 1990) postuliert vielmehr
eine Reihe von empirisch überprüften Aussagen, die als wissenschaftliche Basis
für Zielvereinbarungskonzepte in der Praxis – ob mit oder ohne Entgeltbezug –
anzusehen sind. So gelten im Hinblick auf die Arbeitsleistung folgende Erkennt-
nisse:
662 Arbeitswissenschaft

x Je schwieriger (im Sinne von herausfordernder) ein angestrebtes Ziel ist, des-
to höher sind die motivations- und leistungsfördernden Effekte und damit die
erbrachte Leistung.
x Spezifisch und klar formulierte Ziele führen zu einer höheren Leistung als
allgemein formulierte Ziele („do your best“).
Als Rahmenbedingung dieser zentralen Aussagen gilt, dass Ziele im Hinblick
auf die Leistungsvoraussetzungen der jeweils handelnden Person realistisch und
erreichbar formuliert sein müssen. Innerhalb der Zielsetzungstheorie wurden wei-
terhin eine Reihe von Variablen untersucht, die einen Einfluss auf den Zusam-
menhang zwischen Zielsetzungen und Leistung haben können und als Moderato-
ren und Mediatoren bezeichnet werden (siehe Abb. 7.10).

Moderatoren:
Fähigkeit
Zielbindung
Rückmeldung
Aufgabenstruktur
Persönlichkeits-
merkmale

Ziele Leistung

Mediatoren:
Verhaltensrichtung
Anstrengung
Ausdauer
Aufmerksamkeit

Abb. 7.10: Die Determinanten von Zielen auf die Leistung (nach KLEINBECK 1996)

Moderatorvariablen beeinflussen in Abhängigkeit von ihren Ausprägungen die


Wirkung von Zielen auf die Leistung. Mediatorvariablen sind hingegen Wirkme-
chanismen in einer Person, mit deren Hilfe die motivierende Wirkung von Zielen
auf das individuelle Leistungsverhalten erklärt werden kann.
Zielvereinbarungen zur Ermittlung des Leistungsentgelts schließt der Arbeitge-
ber oder dessen Beauftragter mit einzelnen Beschäftigten oder Gruppen von Be-
schäftigten einvernehmlich ab. Der entscheidende Unterschied zwischen einer
Zielvereinbarung mit Entgeltbezug und den bislang dargestellten Methoden zur
Ermittlung des leistungsabhängigen Entgelts liegt somit im Vorgehen bei der
Festlegung der entgeltrelevanten Parameter (»Vorgabe durch den Arbeitgeber« vs.
»gemeinsame Festlegung im gegenseitigen Einvernehmen«).
Bei der Auswahl der zu vereinbarenden Ziele ist darauf zu achten, dass diese
einen konkreten Bezug zur Arbeitssituation des Mitarbeiters aufweisen und in
Arbeitswirtschaft 663

ihrer Ausprägung – eine entsprechende Anstrengung vorausgesetzt – ganz oder


teilweise zu beeinflussen sind. Grundlegende Anforderungen an die sachgerechte
Formulierung von Zielen finden sich in der sog. »SMART-Formel« (siehe Abb.
7.11), die in der betrieblichen Praxis mittlerweile einen hohen Bekanntheitsgrad
erreicht hat.

Spezifisch, d.h. präzise, konkret,


S
und eindeutig formuliert

Messbar, um Zielerreichungsgrad
M
überprüfen zu können

Anspruchsvoll, d.h. Ziele sollen


A
eine Herausforderung darstellen

Realistisch, d.h. zwar hochge-


R
steckt, aber immer noch erreichbar

Terminiert, d.h. auf einen kon-

9
T
kreten, festen Zeitraum bezogen

SMART - Formel

Abb. 7.11: Anforderungen an die Formulierung von Zielen

Die in einer Zielvereinbarung festgelegten Ziele können sowohl quantitativer


als auch qualitativer Art sein. Quantitative Ziele – z.B. »Erhöhung der Betriebs-
mittelnutzung um x% im Monat« oder »Steigerung des Marktanteils für ein Pro-
dukt auf y%« – basieren auf mess- bzw. zählbaren Kenngrößen. Qualitative Ziele
– z.B. die Verbesserung der Ordnung und Sauberkeit im Arbeitsbereich – lassen
sich hingegen nicht oder nicht sinnvoll in Form von Kennzahlen quantifizieren.
Der Zielerreichungsgrad kann daher nur durch Beurteilen und Schätzen festge-
stellt werden.
Die zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiter bzw. Team vereinbarten Ziele sind
schriftlich in einem Zielvereinbarungsbogen zu dokumentieren. Ein betriebliches
Beispiel hierfür zeigt Abb. 7.12.
Zielvereinbarungen werden im Rahmen eines Zielvereinbarungsgesprächs für
einen bestimmten Zeitabschnitt – die Zielvereinbarungsperiode – abgeschlossen.
Die Zielvereinbarungsperiode sollte bei einer Kopplung des Zielerreichungsgrads
an das Leistungsentgelt möglichst kurz sein. Insbesondere bei längeren Laufzeiten
der Zielvereinbarung – z.B. bei einem halben bis ganzen Jahr – empfiehlt es sich,
regelmäßige Zwischengespräche durchzuführen, in denen sich beide Vereinba-
rungspartner über den aktuellen Stand der Zielerreichung austauschen und ggf.
Zielanpassungen vornehmen können.
664 Arbeitswissenschaft

Mitarbeiter(in) Vorgesetzte(r)
Name, Vorname: Zielvereinbarungsbogen Name, Vorname:
Funktionsbezeichnung: 2008 Funktionsbezeichnung:

Ziel-Nr.: Ziel-Titel:

Voraussetzungen
Zielerreichungskriterien Soll-Termine Status
Beteiligte

Das vereinbarte Ziel wird übertroffen,


wenn …

Das vereinbarte Ziel wird erreicht,


wenn …

Das vereinbarte Ziel wird teilweise


erreicht, wenn …

Das vereinbarte Ziel wird nicht


erreicht, wenn …

Ziel-Check-Up: erledigt = Realisierung ist erfolgt kritisch = Realisierung derzeit kritisch offen = Ziel noch nicht erreicht, Realisierung unkritisch

Abb. 7.12: Zielvereinbarungsbogen (betriebliches Beispiel)

Am Ende einer Zielvereinbarungsperiode werden die Leistungsergebnisse in


einem sog. Zielerfüllungsgespräch bewertet. Bei quantitativen Zielen erfolgt die
Bewertung wie beim Kennzahlenvergleich durch Soll-Ist-Vergleiche, die sich auf
die vorab vereinbarten (Soll) und die tatsächlich erreichten Leistungsergebnisse
(Ist) beziehen. Die so für jedes Ziel ermittelten Zielerreichungsgrade werden ab-
schließend zumeist zu einem Gesamt-Zielerreichungsgrad verrechnet. Alternativ
kann der Zielerreichungsgrad für quantitative Ziele auch mit Hilfe von vorab fest-
gelegten Beurteilungsstufen bewertet werden. Bei qualitativen Zielen wird das
Leistungsergebnis, wie bei einer Leistungsbeurteilung, ausschließlich anhand von
Beurteilungsstufen einer vorgegebenen Skala bewertet. Ist hierbei die Ermittlung
eines Gesamt-Zielerreichungsgrades vorgesehen, werden die Bewertungspunkte
aus den verschiedenen Einzelurteilen rechnerisch zusammengefasst.
Der für eine abgeschlossene Zielvereinbarungsperiode ermittelte Gesamt-
Zielerreichungsgrad bestimmt über eine festgelegte Leistungs-Entgelt-Relation die
Höhe des leistungsabhängigen Entgelts. Hierbei sind grundsätzlich alle Entgeltli-
nienverläufe denkbar, die bereits beim Kennzahlenvergleich dargestellt wurden
(siehe Abb. 7.8).

7.3 Zeitwirtschaft

7.3.1 Begriff und Gegenstand der Zeitwirtschaft


Der Zeitwirtschaft kommt im Zusammenhang mit der Ökonomisierung von Ar-
beitssystemen, der Arbeitswirtschaft, eine besondere Bedeutung zu, da Zeitdaten
über Beginn, Dauer und Ende eines Arbeitsvollzugs wesentliche Kriterien zur
Arbeitswirtschaft 665

Gestaltung, Organisation, Wirtschaftlichkeitsbeurteilung und termingerechten


Erledigung einer Arbeit darstellen und somit Voraussetzung für die Umsetzung
der arbeitswirtschaftlichen Prinzipien (siehe Kap. 7.1.2) sind.
Unter Zeitwirtschaft wird dabei die Bewirtschaftung aller im Unternehmen be-
nötigten Zeiten für Arbeitspersonen, Arbeits-/Betriebsmittel und Arbeitsobjekte
verstanden. Die Aufgaben der Zeitwirtschaft reichen von der Zeitdatenermittlung
für einzelne Arbeitsgänge über die Fristen- und Terminplanung bis zur Termin-
steuerung und Terminkontrolle. Letztgenannte vergleicht die geplanten Soll-
Zeiten mit den tatsächlich anfallenden Ist-Zeiten und greift bei Bedarf korrigie-
rend in den Fertigungsablauf bzw. die Terminplanung ein. Bewirtschaften von
Zeiten bedeutet, die Datenerhebung zu planen und durchzuführen sowie die erho-
benen Daten auszuwerten, aufzubereiten, zu verwenden und zu pflegen.
Zu den wesentlichen Aufgaben der Planung der Datenerhebung zählen die Fest-
legung des Verwendungszwecks der Zeitdaten (Kap. 7.3.2), die Beschreibung der
Arbeitsbedingungen (Kap. 7.3.3) und Zeitarten (Kap. 7.3.4), die Auswahl der
Datenermittlungsmethode (Kap. 7.3.5) und die Information der Beschäftigten
(REFA 1997). Die Ausführungen in den Kapiteln 7.3.2 bis 7.3.10 lehnen sich an
HINRICHSEN (2007) an.

7.3.2 Verwendungszwecke von Zeitdaten


In Abhängigkeit vom jeweiligen betrieblichen Funktionsbereich lassen sich ver-
schiedene betriebliche Verwendungszwecke von Zeitdaten unterscheiden. Grund-
sätzlich können im industriellen Kontext mit einem produkt-, einem auftrags-,
einem mitarbeiterbezogenem und einem führungsrelevanten Verwendungsbereich
vier wesentliche Verwendungsbereiche von Zeitdaten unterschieden werden (siehe
Abb. 7.13). Dabei muss es Ziel der betrieblichen Planung sein, Zeitdaten nach
Möglichkeit mehrfach unterschiedlichen Verwendungszwecken zuzuführen, um
ein günstiges Verhältnis von Kosten der Datenermittlung zu dem Nutzen der Zeit-
daten zu schaffen (BRITZKE 1996).
Im Hinblick auf den produktbezogenen Verwendungsbereich werden Zeitdaten
als Planungs- und Entscheidungsgrundlage in der Kalkulation und Angebotserstel-
lung von Neuprodukten, in der Entwicklung und Konstruktion dieser Produkte
sowie in der Fertigungs- und Qualitätsplanung verwendet. So bilden valide Soll-
Zeitdaten für Arbeitspersonen und Betriebsmittel eine wesentliche Basis für eine
wirklichkeitsgerechte Kalkulation der Herstellkosten eines geplanten Neuproduk-
tes. Durch eine solche Kalkulation wird der Vertrieb in die Lage versetzt, ein
selbstinitiiertes Produktentwicklungsvorhaben im Hinblick auf seine Vermark-
tungschancen zu bewerten oder einem Kunden einen realistischen Preis für eine
Leistung mitzuteilen. Liegen in diesem, der Produktentwicklung vorgelagerten
Prozess, keine validen Zeitdaten vor, gehen insbesondere von Kundenverträgen
mit hohem Volumen und langen Laufzeiten erhebliche Risiken für den Betrieb aus
(BISHOP 2001). Einerseits läuft der Betrieb Gefahr, die Kosten bzw. Preise zu
hoch anzusetzen und damit den Auftrag an einen Wettbewerber zu verlieren. An-
666 Arbeitswissenschaft

dererseits geht der Betrieb das Risiko ein, Arbeitszeiten und damit Arbeitskosten
zu niedrig einzuschätzen, so dass das Unternehmen zwar durch einen niedrig an-
gesetzten Preis mit der Leistungserbringung beauftragt wird, aber in der Folge
erhebliche Verluste realisiert. Darüber hinaus sind Zeitdaten erforderlich, um die
Auswirkungen von Entscheidungen in der Entwicklung, Konstruktion und Ferti-
gungsplanung auf die Herstellkosten eines Produkts ermitteln zu können.

mitarbeiter- produkt-
bezogen bezogen

techn. Vertrieb
Anreizsystem (Kalkulation,
führungs- Angebotserst.)
bezogen
Entwicklung
Betriebsleitung
(Investitions-
planung,
Personalbedarfs- ZEITDATEN
planung; Absatz- Konstruktion
planung etc.)

produktions- Fertigungs-/
Qualitäts
bezogen planung

Produktions- Ablaufplanung
Auftrags- Auftrags- Auftrags-
programm- (Menge, Termine, Fertigung Versand
eingang Kapazitäten)
veranlassung überwachung
planung

Abb. 7.13: Verwendungszwecke von Zeitdaten im produzierenden Betrieb (in Anlehnung


an BRITZKE 1996)

In Bezug auf Produkte, die zum bestehenden Leistungsspektrum eines Betriebs


zählen, unterstützen Zeitdaten den kompletten Prozess der Auftragsabwicklung
(produktionsbezogener Anwendungsbereich), in dem sie Eingang in die Produkti-
onsplanung und -steuerung finden (LUCZAK u. EVERSHEIM 1999). Eine Schnitt-
stelle zwischen dem produkt- und produktionsbezogenen Verwendungsbereich
von Zeitdaten bildet der Fristenplan. In diesem Plan wird unabhängig von einem
Auftrag für jedes einzelne Bauteil des zu fertigenden Produkts bzw. der Baugrup-
pen des zu montierenden Produkts die Durchlaufzeit durch die Teilefertigung bzw.
Montage gemäß dem Erzeugnisaufbau dargestellt. Die Grundlage eines Fristen-
plans bilden Soll-Zeitdaten für Menschen und Betriebsmittel. Zweck des Fristen-
plans ist es, auf seiner Basis auftragsbezogene Terminpläne zu erstellen. Diese
beziehen sich, im Unterschied zum Fristenplan, auf eine bestimmte Stückzahl und
enthalten kalendarische Daten. Neben den planungsbezogenen Soll-Zeitdaten sind
über den gesamten Prozess der Auftragsabwicklung Ist-Zeitdaten erforderlich, um
im Rahmen der Auftragsüberwachung Soll-Ist-Abweichungen zu erkennen und
entsprechende kurzfristige Umplanungen vornehmen zu können.
Der mitarbeiterbezogene Anwendungsbereich von Zeitdaten bezieht sich auf
die Gestaltung von Anreizsystemen. Vorgabezeiten werden in diesen Systemen
zur Festlegung einer Bezugsleistung verwendet. Diese kann motivierend und leis-
tungsfördernd wirken, wenn der Beschäftigte eine regelmäßige Rückmeldung zu
Arbeitswirtschaft 667

seinem Leistungsstand erhält (LOCKE u. LATHAM 1990) und die Vorgabezeiten


ein faires und realistisches Arbeitspensum abbilden. Durch Rückmeldungen er-
kennt eine Person Abweichungen auf dem Weg zum angestrebten Soll-Zustand
und kann ihr Verhalten kontinuierlich am Ziel, dem Erreichen der Bezugsleistung,
ausrichten (RÖSLER u. HINRICHSEN 2004). Monetäre Anreize im Rahmen einer
leistungsbezogenen Entgeltkomponente (siehe Kap. 7.2) können die leistungsför-
dernde Wirkung dieser Bezugsleistung verstärken.
Darüber hinaus bilden Zeitdaten einen wesentlichen Input von Managementin-
formationssystemen und können daher als führungsrelevante Daten angesehen
werden. So sind Zeitdaten erforderlich, um den Bedarf an Personal, Betriebsmit-
teln und Material zu ermitteln, alternative Planungen über Verfahren der Investiti-
onsrechnung zu bewerten, eine Produktionsplanung und -steuerung (PPS) vorzu-
nehmen oder Systeme der Kosten- und Leistungsrechnung zu verwenden.

7.3.3 Beschreibung der Arbeitsbedingungen


Unter Arbeitsbedingungen werden die auf die Arbeitszeit wirkenden, aber im
betrachteten Arbeitssystem als konstant angenommenen Einflussgrößen verstan-
den. Durch ihre Festschreibung wird eine wesentliche Voraussetzung für die Re-
produzierbarkeit und damit Wiederverwendbarkeit von Zeitdaten geschaffen. Eine
Beschreibung der Arbeitsbedingungen erfolgt über Arbeitsablaufbeschreibungen.
Diese beinhalten die „räumliche und zeitliche Abfolge des Zusammenwirkens von
Arbeitenden/Benutzern, Arbeitsmitteln, Materialien, Energie und Information
innerhalb eines Arbeitssystems“ (DIN EN ISO 6385). Eine Veränderung des Ar-
beitsablaufs wirkt sich in aller Regel auf die Dauer der Ausführung einer Tätigkeit
aus, so dass eine Beibehaltung des Arbeitsablaufs eine wesentliche Bedingung für
die Gültigkeit der ermittelten Zeitdaten darstellt. So weist bereits POPPELREUTER
(1929) darauf hin, dass einer Zeitstudie stets eine Arbeitsstudie vorauszugehen hat.
Letztgenannte kennzeichnet die objektiven Arbeitsbedingungen und die Arbeits-
individualität. Ferner zeigt eine Arbeitsstudie die „Möglichkeiten der Zeitersparnis
und der Verbesserung des Arbeitsprozesses“ auf. Zur Analyse und Beschreibung
eines Arbeitsablaufs wird dieser mittels einer Arbeitsablaufanalyse, auch Arbeits-
ablaufstudie genannt, in Ablaufabschnitte gegliedert. Die Gliederung erfolgt dabei
in der Regel nach verrichtungs- oder objektbezogenen Kriterien. Ablaufabschnitte
lassen sich in eine Hierarchie bringen (HAMMER 1997). Der Gesamtablauf lässt
sich in Teilabläufe gliedern. Hierzu können die in Kapitel 4.3.3.2 dargestellten
Methoden zur Modellierung der Ablauforganisation dienen. Ein Teilablauf besteht
aus Ablaufstufen, die sich wiederum in Arbeitsvorgänge unterteilen lassen. Ar-
beitsvorgänge umfassen mehrere Teilvorgänge, die wiederum in Vorgangsstufen
differenziert werden können. Eine Vorgangsstufe setzt sich aus einer Mehrzahl
von Vorgangselementen zusammen. Eine weitere Gliederungssystematik von
Arbeitsabläufen wird von MANSCH (1980) vorgeschlagen. Nach dieser Systematik
(siehe Abb. 7.14) wird eine Arbeitsaufgabe zumeist durch einen Arbeitsgang an
einem Arbeitsplatz ausgeführt.
668 Arbeitswissenschaft

zugehöriger
Superierungs- Struktur Beispiel
räumlicher Bereich
ebene

Arbeitsprozess Arbeitsbereich Teileherstellung in


einem
Meisterbereich

Arbeitsgang Arbeitsplatz Fräsen eines


Zahnrades am
Maschinenarbeitsplatz

Arbeitsverrichtung Arbeitsstelle Aufspannen eines


(Aktionskombination) Werkstückes auf den
Frästisch

Bewegungsfolge Bedienstelle Festspannen mittels


(Aktionsfolge) (Aktionsraum) Spannhebel

Bewegungselement Aktionsstelle Greifen des


(Aktion) Spannhebels

Abb. 7.14: Gliederungssystematik von Arbeitsabläufen (in Anlehnung an MANSCH 1980)

Dieser Arbeitsgang ist Teil eines Arbeitsprozesses, der sich in einem Arbeitsbe-
reich vollzieht. Ein Arbeitsgang kann in einzelne Arbeitsverrichtungen unterglie-
dert werden. Diese werden an einer Arbeitsstelle ausgeführt. Arbeitsverrichtungen
werden wiederum in Bewegungsfolgen unterteilt. Eine Bewegungsfolge ist räum-
lich einer Bedienstelle zuzuordnen und kann über Systeme vorbestimmter Zeiten
(siehe Kap. 7.3.9) in Bewegungselemente zerlegt werden.
Wird der Gesamtablauf für den Menschen, das Betriebsmittel oder das Arbeits-
objekt so in Ablaufabschnitte unterteilt, dass jedem Ablaufabschnitt ein Zweck
eindeutig zugeordnet werden kann, so werden die Ablaufabschnitte als Ablaufar-
ten bezeichnet. Dabei wird zwischen Ablaufarten des Menschen, des Betriebsmit-
tels und des Arbeitsobjektes unterschieden. Da die Arbeitswirtschaft die rationelle
Gestaltung menschlicher Arbeit zum Gegenstand hat, soll im folgenden nur auf
die Ablaufarten des Menschen eingegangen werden. Diese sind in Abb. 7.15 dar-
gestellt (REFA 1997).
Nach dem Kriterium der Vorausbestimmbarkeit kann zwischen planmäßig und
nicht planmäßig auftretenden Ablaufarten unterschieden werden. Zu den planmä-
ßig vorkommenden Ablaufarten des Menschen zählen „Haupttätigkeit“, „Nebentä-
tigkeit“ und „ablaufbedingtes Unterbrechen“. Unter Haupttätigkeit wird eine un-
mittelbar der Erfüllung der Arbeitsaufgabe dienende Tätigkeit verstanden. Eine
Nebentätigkeit ist eine mittelbar der Erfüllung der Arbeitsaufgabe dienende Tätig-
keit. Beim ablaufbedingten Unterbrechen wartet die Arbeitsperson auf das Ende
eines Ablaufabschnitts, welcher beim Betriebsmittel oder Arbeitsobjekt selbst-
ständig abläuft. Zu den nicht planmäßig auftretenden Ablaufarten gehören „zu-
sätzliche Tätigkeiten“, „störungsbedingtes Unterbrechen der Tätigkeit“ und „per-
Arbeitswirtschaft 669

sönlich bedingtes Unterbrechen der Tätigkeit“. Eine zusätzliche Tätigkeit liegt


vor, wenn deren Vorkommen oder Ablauf nicht im Voraus bestimmt werden kann.
Beim störungsbedingten Unterbrechen einer Tätigkeit wartet die Arbeitsperson
infolge von technischen und organisatorischen Störungen sowie Mangel an Infor-
mationen. Beim persönlich bedingten Unterbrechen der Tätigkeit unterbricht die
Arbeitsperson ihre Tätigkeit aus persönlichen Gründen. Erholen liegt vor, wenn
die Arbeitsperson ihre Tätigkeit unterbricht, um ihre tätigkeitsbedingt aufgetretene
Arbeitsermüdung abzubauen.

Haupttätigkeit MH

Tätigkeit MT Nebentätigkeit MN

zusätzliche
MZ
Tätigkeit

im Einsatz MI ablaufbedingtes
MA
Unterbrechen

störungsbedingtes
MS
außer Einsatz ML Unterbrechen
Unterbrechen MK
Mensch der Tätigkeit Erholen (erholungs-
M ME
bedingtes Unterbrechen)

Betriebsruhe MR
persönlich bedingtes
MP
Unterbrechen

nicht erkennbar MX

Abb. 7.15: Ablaufgliederung für den Menschen (REFA 1997)

7.3.4 Zeitgliederung
Durch Anwendung von Methoden der Zeitdatenermittlung können den einzelnen,
mittels einer Arbeitsablaufanalyse identifizieren Ablaufarten Zeiten zugeordnet
werden. Diese werden Zeitarten (z.B. Haupttätigkeitszeit) genannt. Zu den Zeitar-
ten können sowohl Ist-Zeiten als auch Soll-Zeiten ermittelt werden. Ist-Zeiten sind
die tatsächlich von Menschen und Betriebsmitteln für die Ausführung bestimmter
Ablaufabschnitte benötigten Zeiten. Soll-Zeiten sind Zeiten, die Menschen und
Betriebsmittel planmäßig für die Ausführung bestimmter Ablaufabschnitte benöti-
gen. Soll-Zeiten basieren in Abhängigkeit von der Methode der Datenermittlung
direkt (z.B. REFA-Zeitaufnahme) oder indirekt (z.B. Systeme vorbestimmter
Zeiten) auf Ist-Zeiten. Die Summe der Soll-Zeiten zu den Ablaufarten Haupttätig-
keit und Nebentätigkeit wird als Tätigkeitszeit bezeichnet. Soll-Zeiten beziehen
sich auf eine festgelegte Bezugsleistung der Arbeitsperson, die als Normalleistung
(REFA 1997) oder Normleistung (DEUTSCHE MTM-VEREINIGUNG 2003) bezeich-
net wird. Die REFA-Normalleistung entspricht einem Leistungsgrad von 100%
(REFA 1997). Die MTM-Normleistung ist die den MTM-Bewegungselementen
zugrunde liegende Leistung. Sie wird beschrieben als „Leistung eines mittelgut
670 Arbeitswissenschaft

geübten Menschen (..), der diese Leistung ohne Arbeitsermüdung auf Dauer er-
bringen kann“ (DEUTSCHE MTM-VEREINIGUNG 2003). Untersuchungen des
Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft (IfaA 1970) zur Vergleichbarkeit von
MTM-Normleistung und REFA-Normalleistung haben ergeben, dass die mit dem
MTM-Grundverfahren ermittelten Tätigkeitszeiten mit dem Faktor 1,05 zu multi-
plizieren sind, damit die normierten REFA-Zeiten mit den MTM-Zeiten überein-
stimmen.
Die Summe aus der Tätigkeitszeit und der Soll-Zeit für das ablaufbedingte Un-
terbrechen, die Wartezeit heißt, wird Grundzeit genannt. In die Grundzeiten gehen
demnach die Soll-Zeiten für die planmäßige Ausführung von Abläufen ein (REFA
1997). Die sachlichen Verteilzeiten ergeben sich aus der Summe der Soll-Zeiten
für störungsbedingtes Unterbrechen der Tätigkeit und zusätzliche Tätigkeiten.
Soll-Zeiten für persönlich bedingtes Unterbrechen werden als persönliche
Verteilzeit bezeichnet. Die Summe von sachlicher und persönlicher Verteilzeit
wird Verteilzeit genannt. Verteilzeiten folgen einer statistischen Verteilungsfunk-
tion und treten während des Ablaufs ungeplant mit unterschiedlicher Dauer und
Häufigkeit auf. Soll-Zeiten für erholungsbedingtes Unterbrechen heißen Erho-
lungszeit. Vorgabezeiten nach REFA (1997) sind Soll-Zeiten für von Menschen
und Betriebsmitteln ausgeführte Arbeitsabläufe, die für den Menschen Grundzei-
ten tg, Erholungszeiten ter und Verteilzeiten tv sowie für das Betriebsmittel Grund-
zeiten und Verteilzeiten enthalten. Die Vorgabezeit für die Arbeitsperson heißt
Auftragszeit und die Vorgabezeit für das Betriebsmittel Belegungszeit. Die Zeit-
gliederung für die Auftragszeit T ist in Abb. 7.16 dargestellt.

Auftragszeit T
(Vorgabezeit für den
Menschen)

Rüstzeit Ausführungszeit
tr ta = m ˜ te

Zeit je Einheit te

Grund- Erholungs- Verteil- Grund- Erholungs- Verteil-


zeit trg zeit trer zeit trv zeit tg zeit ter zeit tv

weitere Gliederung möglich

Tätigkeits- Warte- sachliche persönliche


zeit tt zeit tw Verteilzeit ts Verteilzeit tp

Abb. 7.16: Zeitgliederung für die Auftragszeit (REFA 1997)

Bei dieser Zeitgliederung wird davon ausgegangen, dass zur Bearbeitung eines
Auftrags ein Rüsten und Ausführen erforderlich ist und dass das Ausführen aus m
Wiederholungen des gleichen Vorgangs besteht. Dieser Vorgang bezieht sich auf
Arbeitswirtschaft 671

die Erstellung einer Einheit. Die Zeit je Einheit wird mit te abgekürzt. Für die
Auftragszeit T gilt:
T t r  m ˜ te (7.2)
Werden Soll-Zeiten für einzelne, wiederkehrende Ablaufabschnitte zusammen-
gefasst und beschrieben, so werden diese aggregierten Zeitwerte als Planzeiten
bezeichnet. Planzeiten können sich prinzipiell auf alle Ebenen von Ablaufarten
(siehe Kap. 7.3.3) beziehen (JOHN 1987; CONNORS 2001). Sie zeichnen sich da-
durch aus, dass die diesen zugrunde liegenden Arbeitsinhalte genau beschrieben
sind, Angaben zu den Arbeitsbedingungen, unter denen sie gültig sind, gemacht
werden und diejenigen Einflussgrößen, von denen sie abhängen, aufgeführt wer-
den (siehe Kap. 7.3.3). Die Ermittlung von Planzeiten ist vor allem dann wirt-
schaftlich, wenn die Häufigkeit ihrer Wiederverwendung hoch ist.

7.3.5 Methoden der Zeitdatenermittlung im Überblick


Zur Ermittlung von Zeitdaten wurde eine Reihe von Methoden entwickelt, die sich
nach unterschiedlichen Kriterien systematisieren lassen (HALLER-WEDEL 1969;
KAMINSKY 1979; HEINZ u. OLBRICH 1994; AFT 2001). Wird von einigen Sonder-
formen der Zeitdatenermittlung (z.B. Befragen, Vergleichen und Schätzen) abge-
sehen, so lassen sich Arbeitszeitdaten über kontinuierliche Beobachtungen, Stich-
probenbeobachtungen und rechnerisch-analytische Verfahren ermitteln. Zu den
Verfahren der kontinuierlichen Beobachtung zählen die manuelle Zeitaufnahme
(siehe Kap. 7.3.6) und die selbsttätige Zeitmessung über Geräte. Stichprobenbe-
obachtungen werden mit dem Multimomentverfahren (siehe Kap. 7.3.7 und 7.3.8)
vorgenommen. Zu den rechnerisch-analytischen Verfahren zählen die Systeme
vorbestimmter Zeiten (siehe Kap. 7.3.9). Die Zeitdatenermittlung über eine Reg-
ressionsanalyse (siehe Kap. 7.3.10) stellt eine Kombination zwischen der Zeitauf-
nahme mittels kontinuierlicher Beobachtung und einem rechnerisch-analytischen
Verfahren dar. Zeitdatenermittlungen über Systeme vorbestimmter Zeiten oder
Regressionsanalysen sind sehr wirtschaftlich, wenn Planzeiten (siehe Kap. 7.3.4)
ermittelt werden sollen. Denn Veränderungen an einzelnen Zeiteinflussgrößen –
bspw. aufgrund von Weiterentwicklungen am Produkt oder Arbeitsplatz – können
mit geringen Anpassungen an den Daten vorgenommen werden.
Nach der Art der Daten, die mit einer Methode ermittelt werden können, kann
zwischen Methoden der Ist-Zeitdatenermittlung und der Soll-Zeitdatenermittlung
unterschieden werden. Ist-Zeitdaten lassen sich mit dem Verfahren der Zeitmes-
sung und dem Multimomentverfahren erheben. Werden die über Zeitmessungen
ermittelten Ist-Zeitdaten über eine Leistungsgradbeurteilung (siehe Kap. 7.3.4)
normiert, entstehen Soll-Zeiten. Systeme vorbestimmter Zeiten liefern Soll-Zeiten
für planmäßige, vorwiegend manuelle Tätigkeiten, ohne im Anwendungsfall zu-
nächst Ist-Zeitdaten erheben zu müssen.
672 Arbeitswissenschaft

7.3.6 Zeitaufnahme

7.3.6.1 DefinitionĆundĆBedeutungĆ
Die Zeitaufnahme ist ein statistisches Verfahren der Soll-Zeitdatenermittlung,
welches auf einer Messung und Auswertung von Ist-Zeiten für einzelne Ablaufab-
schnitte basiert. Der Zeitmessung geht eine Beschreibung des Arbeitssystems,
insbesondere der Arbeitsmethode und der Arbeitsbedingungen, voraus (siehe
Kap. 7.3.3). Die Ermittlung der Ist-Zeiten erfolgt über ein Zeitmessgerät in
Fremdaufschreibung. Zu diesen Ist-Zeiten wird der jeweilige Leistungsgrad beur-
teilt (siehe Kap. 7.3.4). Soll-Zeiten werden über eine Multiplikation der Ist-Zeiten
mit dem Leistungsfaktor gebildet. Im englischsprachigen Raum wird die Methode
als „stopwatch time study“ (KONZ 2001) oder einfach als „time study“ (MATIAS
2001) bezeichnet.
Die Zeitaufnahme nach REFA (1997) ist gemäß einer Umfrage des Instituts für
angewandte Arbeitswissenschaft e.V. (BASZENSKI 2003) die mit Abstand meist
angewandte Methode der Zeitdatenermittlung. 50% der befragten Unternehmen (n
= 58) gaben an, Zeitdaten vorrangig mit dieser Methode zu ermitteln. Die Bedeu-
tung der Methode liegt vor allem darin begründet, dass sie flexibel einsetzbar,
verhältnismäßig einfach zu erlernen ist und die intensive Beobachtung bestehen-
der Arbeitsabläufe das Erkennen von Verbesserungspotenzialen erleichtert
(MATIAS 2001).

7.3.6.2 AnwendungĆ
Das REFA-Standardprogramm „Zeitaufnahme“ gliedert sich gemäß Abb. 7.17 in
acht Schritte (REFA 1997).
Der erste Schritt umfasst die Festlegung des Verwendungszwecks der Zeitdaten
(siehe Kap. 7.3.2). Ferner ist im Rahmen dieses Schritts zu überprüfen, ob die
Voraussetzungen für eine Zeitaufnahme gegeben sind. So sollte der zu untersu-
chende Arbeitsablauf möglichst so gestaltet sein, dass die diesem zugrunde lie-
gende Arbeitsmethode auch zukünftig unter gleichen o.Ä. Arbeitsbedingungen zur
Anwendung kommen kann. Der zweite Schritt beinhaltet die Vorbereitung der
Zeitaufnahme. Dazu zählt insbesondere, die von der Zeitstudie betroffenen Be-
schäftigten zu informieren. Die Schritte 3 bis 6 haben ebenfalls vorbereitenden
Charakter. Im Rahmen des dritten Schrittes ist zwischen Fortschritts- und Einzel-
zeitmessung zu wählen. Bei der Einzelzeitmessung wird jeder Ablaufabschnitt
gesondert gemessen und notiert, während bei Fortschrittszeiten jeweils die aggre-
gierten Zeitwerte aufgeführt werden. Letztgenanntes Verfahren hat den Vorteil der
Fehlerkompensation. Der vierte Schritt beinhaltet die Auswahl des zu verwenden-
den Zeitmessgeräts. Während früher hauptsächlich Stoppuhren zum Einsatz ka-
men, werden heute überwiegend mobile, elektronische Zeitdatenerfassungssyste-
me in Kombination mit Softwareprodukten für eine Datenauswertung am PC
verwendet. Der fünfte Schritt sieht die Auswahl des Zeitaufnahmebogens vor.
Diese richtet sich nach der Folge und Zahl der zu messenden Ablaufabschnitte.
Arbeitswirtschaft 673

Der sechste Schritt hat die Beschreibung der Arbeitsbedingungen zum Gegenstand
(siehe Kap. 7.3.3). Dazu sind vor allem Informationen zur Arbeitsaufgabe, Auf-
tragsnummer, Auftragsmenge, Arbeitsmethode, zum Arbeitsobjekt, Mensch, Be-
triebsmittel und zu den Umgebungseinflüssen in den Zeitaufnahmebogen einzu-
tragen. Der Arbeitsablauf ist in Ablaufabschnitte zu gliedern und zu beschreiben.
Beginn und Ende eines Ablaufabschnitts werden durch einen Zeitmesspunkt fest-
gelegt. Ferner werden Bezugsmengen und Einflussgrößen erfasst.

1. Verwendungszweck der
Zeitaufnahme festlegen

2. Zeitaufnahme
vorbereiten

3. Zwischen Fortschritts-
und Einzelzeitmessung
wählen

Wird ein selbsttätig 7. Zeitaufnahme nach


ja
registrierendes Art des Zeitmess-
Zeitmessgerät eingesetzt? gerätes durchführen
nein

4. Zeitmessgerät
auswählen

5. Gemäß Ablauffolge
Zeitaufnahmebogen
auswählen

6. Arbeitsaufgabe, -verfahren,
-methode und -bedingungen
beschreiben
zyklische Ablauffolge nicht-zyklische Ablauffolge

6a) Ablauf in Abschnitte ja Liegt zyklische nein 7. Zeitaufnahme


gliedern und Ablauffolge vor? durchführen: Ablauf in
beschreiben unter Abschnitte gliedern
Berücksichtigung und beschreiben unter
des Verwendungs- Berücksichtigung des
zweckes der Verwendungszweckes
Zeitaufnahme; der Zeitaufnahme;
Messpunkte Messpunkte festlegen;
festlegen Bezugsmengen und
Einflussgrößen
erfassen;
6b) Bezugsmengen und
Ist-Zeiten messen und
Zeiteinflussgrößen
Leistungsgrade
erfassen
beurteilen

7. Zeitaufnahme 8. Zeitaufnahme
durchführen auswerten

Abb. 7.17: REFA-Standardprogramm „Zeitaufnahme“ (REFA 1997)

Während der Durchführung der Zeitaufnahme (Schritt 7) wird für jeden Ab-
laufabschnitt die Ist-Zeit gemessen. Der dieser Ist-Zeit zugrunde liegende Leis-
674 Arbeitswissenschaft

tungsgrad wird auf Basis der beobachteten Intensität und Wirksamkeit der Arbeit
beurteilt und dokumentiert (siehe Kap. 7.3.4), um individuelle Leistungsausprä-
gungen bei der Übertragung auf „Kollektive“ zu normalisieren. Die Dauer eines
Ablaufabschnitts sollte mindestens 25 Hundertstelminuten (HM) betragen, um
Intensität und Wirksamkeit sicher beurteilen und notieren zu können (REFA 1997).
Sind die Ablaufabschnitte kleiner als 25 HM, so kann der Leistungsgrad einmalig
für einen Ablaufabschnitt oder für einen Zyklus gebildet werden. Schritt 8 bein-
haltet die Auswertung der ermittelten Daten. Für diesen letzten Schritt der Zeit-
aufnahme existiert ein eigenes REFA-Standardprogramm „Auswertung von Zeit-
aufnahmen“, das sich in sechs Schritte untergliedert.
Im Rahmen der Datenauswertung werden die Ergebnisse auf Richtigkeit und
Vollständigkeit kontrolliert (Schritt 1), die Ist-Einzelzeiten berechnet (Schritt 2),
eine statistische Auswertung vorgenommen (Schritt 3), Soll-Zeiten über den Leis-
tungsgrad berechnet (Schritt 4) und zur Grundzeit tg zusammengefasst (Schritt 5),
um abschließend die Zeit je Einheit te zu bestimmen (Schritt 6). Eine statistische
Auswertung der Zeitdaten in Schritt 3 ist erforderlich, da die Zeitdaten als Stich-
probeninformation aufzufassen sind. Diese Information ist auf ihre Übereinstim-
mung mit der Grundgesamtheit zu untersuchen. Die Güte der Übereinstimmung
hängt von der Anzahl und Streuung der Einzelzeiten ab. Für die statistische Aus-
wertung bietet REFA (1997) mit dem Streuzahlverfahren und dem Variationszahl-
verfahren zwei Standardprogramme an. Im Ergebnis beider Verfahren wird, aus-
gehend von einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5%, die absolute oder relative
Genauigkeit des Mittelwerts einer Einzel- bzw. Zykluszeit errechnet.

7.3.6.3 Vor-ĆundĆNachteileĆ
Mit der Anwendung der Methodik der Zeitaufnahme sind eine Reihe von Vor- und
Nachteilen verbunden (SELLIE 2001; MATIAS 2001). Folgende Vorteile lassen sich
anführen:
x Die Methode der Zeitaufnahme ist im Vergleich zu Systemen vorbestimmter
Zeiten relativ einfach zu erlernen, d.h. der Qualifizierungsaufwand ist ver-
gleichsweise gering.
x Die Methode der Zeitaufnahme liefert neben Soll-Zeitdaten auch Ist-
Zeitdaten als Zwischenergebnis, so dass nach einer Methodenanwendung
stets auch Aussagen zum tatsächlichen Leistungsstand gemacht werden kön-
nen.
x Die Methode der Zeitaufnahme ist sehr flexibel einsetzbar. Es ist erstens
möglich, ausschließlich Zeitmessungen ohne Leistungsgradbeurteilungen
durchzuführen, um sich in kurzer Zeit ein Bild von der Ausgangssituation
machen und erste Verbesserungspotenziale identifizieren zu können. Zwei-
tens sind die Zeitmessungen nicht auf Tätigkeiten der Arbeitsperson be-
schränkt, sondern können sich auch auf Betriebsmittel und Arbeitsgegen-
stände beziehen.
Arbeitswirtschaft 675

x Die intensive Beobachtung bestehender Arbeitsabläufe, die mit Zeitaufnah-


men einhergeht, erleichtert das Erkennen von Verbesserungspotenzialen.
x Die über eine Zeitaufnahme generierten Soll-Zeiten basieren auf dem tat-
sächlich beobachteten Arbeitsablauf.
Den genannten Vorteilen steht eine Reihe von Nachteilen gegenüber:
x Das Beurteilen des Leistungsgrades führt insbesondere dann zu Diskussionen
und Konflikten zwischen Beschäftigten und der Arbeitsvorbereitung bzw.
zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern, wenn die ermittelten
Soll-Zeitdaten in die Berechnung eines leistungsbezogenen Entgeltbestand-
teils eingehen.
x Die Beurteilung des Leistungsgrades ist nicht objektiv. Inter- und
intrapersonelle Schwankungen bei der Leistungsgradbeurteilung sind nicht
auszuschließen. SELLIE (2001) sieht als gewöhnlichen Maßstab für eine gute
Leistungsgradbeurteilung eine Übereinstimmung von ± 5%. Demgegenüber
wirkt eine hochpräzise Zeitmessung in HM mit zum Teil einer Nachkomma-
stelle als scheingenau.
x Im Vergleich zu den Systemen vorbestimmter Zeiten können Zeitaufnahmen
nur durchgeführt werden, wenn die entsprechenden Arbeitssysteme real exis-
tieren. Vor dem Hintergrund einer steigenden Innovationsdynamik, die sich
in verkürzenden Entwicklungs- und Time-to-Market-Zeiten widerspiegelt,
erweist sich die Abhängigkeit der Methode von einem bestehenden Arbeits-
system zunehmend als Nachteil.
x Änderungen am Arbeitssystem machen eine erneute Zeitaufnahme erforder-
lich, während bei Systemen vorbestimmter Zeiten lediglich einzelne Pro-
zessbausteine oder Zeiteinflussgrößen zu modifizieren sind. Daher werden
Soll-Zeiten aus Zeitstudien vielfach in Planzeit-Bausteine überführt, um ihre
Wiederverwendbarkeit zu verbessern.
x Im Vergleich zum Multimomentverfahren, mit dem sich recht wirtschaftlich
ein repräsentatives Bild zu der Ist-Situation in einem Bereich erzielen lässt,
wird bei der Zeitaufnahme üblicherweise nur ein Arbeitsablauf im Detail
analysiert.

7.3.7 Multimomentverfahren

7.3.7.1 Definition,ĆEntwicklungĆundĆArtenĆ
Das Multimomentverfahren ist ein statistisches Verfahren der Ist-Zeitdatener-
mittlung (siehe Kap. 7.3.5), das auf Basis von Stichproben „Aussagen über die
prozentuale Häufigkeit bzw. über die Dauer von vorwiegend unregelmäßig auftre-
tenden Vorgängen und Größen beliebiger Art für eine frei wählbare Genauigkeit
bei einer statistischen Sicherheit von 95% gibt“ (HALLER-WEDEL 1969). Der
Begriff „Multimoment“ geht auf das lateinische „multum“, d.h. „viele“ und
676 Arbeitswissenschaft

„momentum“, d.h. „Augenblick“, zurück. Im englischsprachigen Raum wird die


Methode überwiegend als „work sampling“ bezeichnet.
Grundlagen zur Entwicklung des Multimomentverfahrens gehen auf Studien
zur Ermittlung von Qualitätsschwankungen gezogener Drähte (KOHLWEILER
1931) und von Stillstandszeiten an Webstühlen (TIPPETT 1935) zurück. Es folgten
eine Reihe weiterer Untersuchungen an industriellen Arbeitsplätzen, welche die
Basis für die Methode der Multimomentaufnahme legten (HALLER-WEDEL 1969).
Seit den sechziger Jahren wird im deutschsprachigen Raum zwischen dem Multi-
moment-Häufigkeits-Zählverfahren (MMH-Verfahren) und dem Multimoment-
Zeit-Messverfahren (MMZ-Verfahren) unterschieden (ebd. 1969). Bei dem MMH-
Verfahren wird durch ein Zählen von Ablaufarten an zufällig bestimmten Zeit-
punkten unter Angabe einer gesicherten statistischen Genauigkeit Auskunft über
die absolute oder prozentuale Häufigkeit von Vorgängen gegeben. Bei dem MMZ-
Verfahren werden durch ein zufallsbestimmtes Festlegen von Zeitmesspunkten
entsprechende Zeitwerte in Minuten oder Stunden ermittelt. Ihre Genauigkeit ist
ebenfalls statistisch gesichert. Bilden Arbeitspersonen den Untersuchungsgegen-
stand des Multimomentverfahrens, so kann prinzipiell zwischen einer Fremd- und
einer Selbstaufschreibung unterschieden werden (TOLO 2001; ALBRECHT 2005).
Ergänzend zum MMH- und MMZ-Verfahren wurde in den USA die Methode des
„performance sampling“ entwickelt (BARNES 1957). Kurzzeitbeobachtungen wer-
den bei dieser Methode dazu genutzt, Leistungsgrade zu beurteilen und zu notie-
ren. Aus diesen Einzelwerten wird der durchschnittliche Leistungsgrad berechnet.
Dieser geht in die Bestimmung der Vorgabezeit ein, so dass die Methode des
„performance sampling“ nur ergänzend zur Zeitmessung oder zum MMH- bzw.
MMZ-Verfahren eingesetzt werden kann. Darüber hinaus wurde das MMH-
Verfahren hinsichtlich spezieller Anwendungszwecke – wie die Untersuchung von
Warteschlangen (BARNES 1957; HALLER-WEDEL 1969) oder die Analyse der
Mehrstellenarbeit (HALLER-WEDEL 1969) – adaptiert.

7.3.7.2 BedeutungĆ
Das auch als „fact-finding tool“ (BARNES 1957) bezeichnete Multimoment-
verfahren bietet – wie keine andere Methode der Ist-Zeitdatenermittlung – vielfäl-
tige Anwendungsmöglichkeiten. Es überrascht daher nicht, dass sich in der Litera-
tur eine sehr große Anzahl an veröffentlichten Fallbeispielen zur Multimoment-
aufnahme findet. Diese stammen zu einem großen Teil aus dem industriellen Sek-
tor und dabei insbesondere aus der pharmazeutischen Industrie. Weiterhin liegen
eine große Anzahl an Veröffentlichungen aus dem Gesundheits- und Kranken-
hausbereich vor (HINRICHSEN et al. 2005). Auch wenn einzelne betriebliche An-
wendungsmöglichkeiten der Methode (z.B. Rüstzeitstudien, Ermittlung von Stör-
zeiten an Maschinen) infolge des zunehmenden Einsatzes von Betriebsdatenerfas-
sungs-Systemen in der Produktion nicht mehr in dem Maße wie vor Einführung
dieser Systeme genutzt werden, gehört die Methode in vielen Unternehmen wei-
terhin zum zeitwirtschaftlichen Standardrepertoire.
Arbeitswirtschaft 677

In der betrieblichen Praxis dominiert eindeutig die Anwendung des MMH-


Verfahrens. Die „performance sampling“-Methode wird in Deutschland nicht
angewendet, da ihre Validität angezweifelt wird. Die Multimomentaufnahme per
Selbstaufschreibung ist in der betrieblichen Praxis bisher deutlich weniger verbrei-
tet als die der Fremdaufschreibung, da die Methodik das Risiko von Ergebnisma-
nipulationen erhöht. Zudem führen Signale, die von elektronischen Signalgebern
an Zufallszeitpunkten abgegeben werden, zur Beeinträchtigung der Arbeit der teil-
nehmenden Personen, da diese für einen kurzen Moment ihre Arbeit zwecks No-
tierung der zum Signalzeitpunkt durchgeführten Tätigkeit unterbrechen müssen.
Ein wesentlicher Vorteil des Verfahrens besteht aber darin, dass auch Ablaufarten,
die bei einer Fremdbeobachtung nicht sofort oder zweifelsfrei ersichtlich sind,
eindeutig erfasst werden können. Daher wird das Verfahren seit einigen Jahren vor
allem in indirekten Bereichen von produzierenden Unternehmen sowie Betrieben
der Handels- und Dienstleistungsbranchen angewendet (TOLO 2001; ALBRECHT
2005). Angesichts der wachsenden volkswirtschaftlichen Bedeutung dieser Bran-
chen auf der einen Seite und der bisher eingeschränkten zeitwirtschaftlichen
Untersuchungsmöglichkeiten von schwach-strukturierten Arbeitsprozessen auf der
anderen Seite gibt es Anzeichen dafür, dass das MMH-Verfahren per Selbstauf-
schreibung zukünftig an Bedeutung gewinnen wird.
Die Anwendung des MMZ-Verfahrens ist deutlich eingeschränkt, da zur Er-
mittlung der Dauer einzelner Arbeitsvorgänge eine hohe Rundgangsdichte erfor-
derlich ist bzw. die Verfahrensanwendung auf langzyklische Arbeitsvorgänge
beschränkt ist. Je geringer die Dauer des kürzesten Vorgangs ist, desto mehr
Rundgänge sind innerhalb des Untersuchungszeitraums durchzuführen und desto
mehr geht die MMZ-Studie in eine kontinuierliche Zeitaufnahme über (HALLER-
WEDEL 1969). Neben den im Vergleich zum MMH-Verfahren deutlich erhöhten
Aufwänden bei der Methodenanwendung, besteht ein weiteres Problem der Me-
thode darin, dass die ungefähre Dauer des kürzesten Vorgangs bereits vor Beginn
der Untersuchung bekannt sein muss, da dieser die mittlere Ablaufzeit bestimmt.
Aufgrund dieser Schwierigkeiten und Anwendungsbegrenzungen ist das MMZ-
Verfahren im Vergleich zum MMH-Verfahren nur von geringer praktischer Be-
deutung.

7.3.7.3 AnwendungsmöglichkeitenĆ
Das Multimomentverfahren zeichnet sich dadurch aus, dass seine Anwendung
nicht auf Arbeitspersonen beschränkt ist, sondern sich auch auf Arbeitsobjekte
und Arbeits- bzw. Betriebsmittel beziehen kann. Die erhobenen Zeitdaten unter-
stützen die Analyse und Bewertung der Ausgangssituation, dienen der Überprü-
fung der Wirksamkeit von umgesetzten Maßnahmen innerhalb des betrachteten
Arbeitssystems und werden zudem als eine Grundlage für die Bestimmung des
Entgelts verwendet.
Zur Analyse und Bewertung der Ausgangssituation werden die Wahrschein-
lichkeiten durch die relativen Häufigkeiten bzw. die zeitliche Dauer einzelner
678 Arbeitswissenschaft

Ablaufarten für den ausgewählten Untersuchungsgegenstand (Arbeitspersonen,


Arbeits-/Betriebsmittel oder Arbeitsobjekte) geschätzt. Die Ablaufarten können
sich dabei an den jeweiligen Ablaufgliederungen für Mensch, Betriebsmittel und
Arbeitsobjekt (siehe Kap. 7.3.3) orientieren. Ausgehend von den Ergebnissen der
Methodenanwendung (z.B. Brachzeit des Betriebsmittels, Zeitanteil der Nebentä-
tigkeit der Beschäftigten, Zeitanteil des Liegens eines Arbeitsobjekts) sind Maß-
nahmen zur Problembehebung zu formulieren, zu priorisieren und umzusetzen.
Zur Überprüfung der Wirksamkeit eingeleiteter Maßnahmen (z.B. weiter-
entwickelte Methodik des Montierens eines Produkts; zusätzlicher Kauf einer
Maschine zur Behebung von Engpässen) kann wiederum eine Multimomentstudie
durchgeführt werden.
Ferner kann die Anwendung des Multimomentverfahrens bei der Analyse der
Belastungen einzelner Beschäftigter oder Gruppen von Beschäftigten hilfreich
sein, indem die Zeitanteile bzw. Zeiten der als kritisch bewerteten Belastungssi-
tuationen (z.B. Heben und Tragen von schweren Behältern, Arbeit unter Hitze-
einwirkung) ermittelt werden. Darüber hinaus kann auf Basis der mit dem Multi-
momentverfahren ermittelten relativen Häufigkeiten bzw. Zeiten einzelner Ab-
laufarten eine Arbeitsbewertung und damit eine Einstufung der Beschäftigten in
Entgeltgruppen vorgenommen werden. Eine in der betrieblichen Praxis häufig
vorkommende Anwendung der Methode besteht in der Durchführung von
Verteilzeitstudien, um die für die Vorgabezeitbestimmung benötigten Verteilzeit-
zuschläge zu ermitteln (siehe Kap. 7.3.4).

7.3.7.4 TheoretischeĆGrundlagenĆdesĆMMH-VerfahrensĆ
Die theoretischen Grundlagen des Multimomentverfahrens basieren auf Wahr-
scheinlichkeitsgesetzen (HALLER-WEDEL 1967; MATIAS 2001). Nach dem „Ge-
setz der großen Zahl“ nähert sich die relative Häufigkeit eines Zufallsergebnisses
immer weiter an dessen Wahrscheinlichkeit an, je öfter das Zufallsexperiment
durchgeführt wird. Folglich gilt auch für die relative Häufigkeit T eines diskreten
Ereignisses, dass sie sich mit zunehmendem Stichprobenumfang der realen, aber
unbekannten Grundwahrscheinlichkeit p nähert (HALLER-WEDEL 1967). Dieser
Wert T wird durch den Gegenwert q ergänzt, so dass folgender Zusammenhang
gilt:
(T  q) n 1 mit q 1  T (7.3)

T relative Häufigkeit eines Ereignisses


q relative Häufigkeit des Gegenereignisses
n Anzahl der Beobachtungen
Aufgabe der mathematischen Statistik ist es, gegebene Häufigkeitsverteilungen
analytisch und grafisch darzustellen und sie mit theoretisch begründeten Wahr-
scheinlichkeitsverteilungen, d.h. mathematischen Modellen, zu vergleichen. Die
Normalverteilung ist eine stetige theoretische Verteilung, die in der betrieblichen
Praxis häufig auftritt, wenn die Bedingungen des „Zentralen Grenzwertsatzes“
Arbeitswirtschaft 679

erfüllt sind. Nach diesem können Zufallsvariablen, die aus dem additiven Zusam-
menwirken vieler unabhängiger Einflussgrößen resultieren, als normalverteilt
angesehen werden (BAMBERG u. BAUR 1996; HALLER-WEDEL 1967). Wird der
zentrale Grenzwertsatz auf das Multimomentverfahren übertragen, so lassen sich
die an den beobachteten Einzelvorgängen festgestellten Merkmale als annähernd
normalverteilt auffassen, wenn sie sowohl in ausreichender Häufigkeit auftreten
als auch voneinander unabhängig beobachtet werden (HALLER-WEDEL 1969).
Um diese unabhängige Beobachtung zu gewährleisten und damit systematische
Fehler bei der Durchführung der MMH-Studie auszuschließen, sind die Zeitpunkte
von Beobachtungen über den gesamten Beobachtungszeitraum zufällig auszuwäh-
len, damit jedes Ereignis die gleiche Chance hat, vom Beobachter erfasst zu wer-
den. Darüber hinaus sollte beachtet werden, dass die Rundgangszeiten nicht ange-
kündigt werden, damit aus Sicht der beobachteten Beschäftigten vorteilhafte Er-
eignisse (z.B. zusätzliche Tätigkeiten, um die sachlichen Verteilzeiten bei einer
Verteilzeitaufnahme zu erhöhen) nicht manipulativ herbeigeführt werden können.
Ferner muss bei der Festlegung des Durchführungszeitraums einer Multimoment-
studie berücksichtigt werden, dass die zu ziehende Stichprobe von Ereignissen aus
einer umfassenden, möglichst stabilen statistischen Grundgesamtheit entstammt
(ebd. 1969), d.h. der Zeitraum muss „repräsentativ“ sein, um über diesen hinaus zu
allgemeingültigen Ergebnissen zu gelangen.
Die Normalverteilung zeichnet sich dadurch aus, dass Verteilungsunterschiede
auf lediglich zwei Parameter, den Erwartungswert P und die Varianz V2 zurückzu-
führen sind. Die Varianz V2 ist ein Maß für die Streuung der oben eingeführten
Werte T, q von diskreten Ereignissen um die Grundwahrscheinlichkeit p:
T ˜q T (1  T )
V2 (7.4)
n n
Ausgehend vom Erwartungswert P der Normalverteilung sind im Intervall
[P - V; P + V] ca. 68% der Ereignisse zu erwarten. Im doppelten Intervall
[P - 2V; P + 2V] liegen bereits etwa 95,5% der Ereignisse. Die (Irrtums-) Wahr-
scheinlichkeit D, dass Ereignisse außerhalb dieses Zwei-Sigma-Intervalls liegen,
beträgt lediglich 4,5%. Die Wahrscheinlichkeit (1-D), die auch als statistische
Sicherheit bezeichnet wird, beträgt im Intervall [P - 1,96V ; P + 1,96V] genau
95%. Übliche Maße für die statistische Sicherheit (1-D) liegen bei 90%
(zD/2 = 1,645), 95% (zD/2 = 1,96), 98% (zD/2 = 2,326) und 99% (zD/2 = 2,576). Im
deutschsprachigen Raum wird bei Anwendung des Multimomentverfahrens in der
Regel eine statistische Sicherheit von 95% gewählt (HALLER-WEDEL 1969; REFA
1997), so dass der mit zD/2 abgekürzte Faktor von V den Wert 1,96 annimmt. Unter
Verwendung von Gleichung (7.4) gilt für das Streumaß fi der Ablaufart i bei einer
statistischen Sicherheit von 95% der in Gleichung (7.5) Zusammenhang:
680 Arbeitswissenschaft

Ti (1  Ti )
fi r zD / 2 ˜ V r1,96 (7.5)
n
(nach den ersten Rundgängen)
n Gesamtzahl der aufgenommenen Notierungen
Ti aufgrund der rel. Häufigkeit geschätzter Wert der Ablaufart i
fi berechnete absolute Genauigkeit von Ti
Als Maß für die Genauigkeit wird das Konfidenzintervall [Ti - fi;Ti + fi] verwen-
det. Das Sigma-Intervall [Ti - zD/2 V ; Ti + zD/2 V] sagt aus, dass mit einer bestimm-
ten statistischen Sicherheit (1-D) der wahre, aber unbekannte Wert pi der relativen
Häufigkeit Ti einer Ablaufart i innerhalb der Intervallgrenzen liegt.
Aus einer Umformung der Gleichung (7.5) resultiert die sog. MMH-
Hauptformel, die vor Beginn des ersten Rundgangs bzw. nach den ersten Rund-
gängen (zwecks einer Zwischenauswertung) verwendet wird:
3,84 ˜ Tic(1  Tic)
nc (7.6)
f c2
(vor dem ersten Rundgang)
3,84 ˜ T i (1  T i )
n (7.7)
f c2
(nach den ersten Rundgängen)
n´ Gesamtzahl der erforderlichen Notierungen (vor dem ersten
Rundgang)
n Gesamtzahl der erforderlichen Notierungen (nach den ersten
Rundgängen)
Ti aufgrund der relativen Häufigkeit geschätzter Wert der
Ablaufart i
Ti´ vor dem ersten Rundgang geschätzte relative Häufigkeit der
Ablaufart i
f´ gewünschte absolute Genauigkeit von Ti bzw. Ti´

Aus der Gleichung (7.6) geht hervor, dass die Anzahl der erforderlichen Notie-
rungen n´ mit zunehmender Genauigkeit f´ ansteigt. Ferner nimmt der Wert Ti´
Einfluss auf die Anzahl der notwendigen Notierungen. Um vor Beginn der Durch-
führung einer MMH-Studie die voraussichtliche Anzahl an Beobachtungen n´
mittels der MMH-Hauptformel ermitteln zu können, sind Schätzungen der Ergeb-
nisanteile der relevanten Ablaufarten Ti´ vorzunehmen bzw. Werte aus vorherge-
henden zeitwirtschaftlichen Untersuchungen zu verwenden. Darüber hinaus ist die
gewünschte absolute Genauigkeit f´ festzulegen. Gleichung (7.7) wird verwendet,
wenn bereits Ergebnisse aus Multimomentaufnahmen vorliegen, d.h. die Ergeb-
nisanteile Ti berechnet wurden.
Arbeitswirtschaft 681

Neben der absoluten Genauigkeit fi des Ergebnisanteils Ti kann ebenso die rela-
tive Genauigkeit Hi, auch als Genauigkeitsgrad bezeichnet, als Streuungsparameter
herangezogen werden. Dabei wird die absolute Genauigkeit fi einer Ablaufart i ins
Verhältnis zum Ergebnisanteil dieser Ablaufart gesetzt:
fi
Hi (7.8)
Ti
Die Anzahl der erforderlichen Rundgänge R´ kann berechnet werden, indem die
Anzahl der erforderlichen Notierungen n´ in das Verhältnis zur Anzahl der zu
beobachtenden Arbeitspersonen, Arbeits-/Betriebsmittel oder Arbeitsobjekte, die
als Untersuchungspersonen bzw. -einheiten U bezeichnet werden sollen, gesetzt
wird:
nc
Rc (7.9)
U
Die täglich auszuführende Anzahl an Rundgängen R´Tag errechnet sich über den
Quotienten aus der Anzahl der erforderlichen Rundgänge R´ und dem Untersu-
chungszeitraum D in Tagen:
Rc
c
RTag (7.10)
D

ș300 + f300
Vertrauensbereich von ș300

ș1200 + f1200 obere Vertrauensgrenze


ș [%] p (1  p)
f max p  zD / 2
n
73 ș300 ș600 + f600 ș2400 + f2400

72 ș1200 ș1800 + f1800

71
ș2400
70 p
ș1800
69 ș600 ș1200 – f1200
ș300 - f300 ș2400 – f2400
68
67 ș1800 – f1800

66 untere Vertrauensgrenze
p (1  p )
ș600 – f600 f min p  zD / 2
n
300 600 900 1200 1500 1800 2100 2400 2700
n

Abb. 7.18: Darstellung der Vertrauensbereiche einer MMH-Aufnahme (die Indizes geben
die Anzahl von Beobachtungen an)

Die Beziehungen zwischen der Gesamtzahl der vorgenommenen Notierungen


n, dem während der MMH-Aufnahme festgestellten Ergebnisanteil T für eine
bestimmte Ablaufart und dem Streumaß f werden exemplarisch in Abb. 7.18 dar-
682 Arbeitswissenschaft

gestellt. Unter der Voraussetzung einer bekannten Grundwahrscheinlichkeit p


(0,7 in Abb. 7.18) lassen sich der positive und negative Flügel eines trichterförmi-
gen Vertrauensbereichs, die obere und untere Vertrauensgrenze, berechnen (HAL-
LER-WEDEL 1969). Der dargestellte Kurvenverlauf zeigt, dass die auf Basis der
Beobachtungen berechneten Ergebnisanteile T mit fortschreitender Anzahl an
Notierungen n sich immer mehr der Grundwahrscheinlichkeit p nähern und
gleichzeitig die Genauigkeit f zunimmt.

7.3.7.5 UntersuchungsartenĆ
Grundsätzlich kann zwischen einer Informativ-, Standard- und Spezialuntersu-
chung differenziert werden (HALLER-WEDEL 1969). Mit Hilfe einer Informativun-
tersuchung lässt sich ein schneller Überblick hinsichtlich der ungefähren Zeitan-
teile weniger Ablaufstufen oder Arbeitsvorgänge erzielen. Es wird allerdings
empfohlen, mindestens n = 300 Notierungen vorzunehmen. Einer Standardunter-
suchung liegen etwa 1.600 Notierungen zugrunde, so dass gemäß Multimoment-
hauptformel bei jedem Ergebnisanteil das Streumaß fmax = r 2,5% nicht überschrit-
ten wird. Als Spezialuntersuchungen gelten solche Multimomentaufnahmen, bei
denen bereits in der Vorbereitung der Studie von mehr als 10.000 Notierungen
ausgegangen wird, so dass für die absoluten Genauigkeiten beliebiger Ablaufarten
fmax = r 1,0% gilt.
Ferner kann zwischen einer Multimomenteinzelaufnahme und einer -gruppen-
aufnahme unterschieden werden (REFA 1997). Bei einer Einzelaufnahme wird im
Unterschied zu der üblicherweise angewendeten Gruppenaufnahme jede Notie-
rung einem Arbeitsplatz zugeordnet, so dass Auswertungen nach einzelnen Ar-
beitsplätzen möglich sind. Einzelaufnahmen sind von ihrem Umfang her in der
Regel als Spezialuntersuchungen zu planen.
Darüber hinaus kann zwischen einfachem, mehrfach gestuftem, geschichtetem
und inhomogenem Untersuchungsdesign unterschieden werden (HALLER-WEDEL
1969). Dabei ist es hilfreich, Arbeitsablaufabschnitte in eine Hierarchie zu bringen
und insbesondere zwischen Arbeitsgängen und Arbeitsverrichtungen zu unter-
scheiden (siehe Kap. 7.3.3). Ein einfaches Untersuchungsdesign liegt vor, wenn
die beobachteten Arbeitsgänge nur einmal notiert werden. Bei einer mehrfach
gestuften Studie ist der Multimomentaufnahmebogen so gestaltet, dass in einer
ersten Stufe der Beobachtung zwischen wenigen Arbeitsgängen unterschieden
wird und eine „Grobnotierung“ vorgenommen wird. In einer zweiten Stufe wird
jeder Arbeitsgang weiter spezifiziert und die entsprechende Arbeitsverrichtung
dieses Arbeitsgangs notiert („Feinnotierung“). Die Summe der relativen Häufig-
keiten der Arbeitsverrichtungen muss mit dem jeweiligen Ergebnisanteil des Ar-
beitsgangs übereinstimmen. Als Vorteil eines mehrfach gestuften Untersuchungs-
designs gegenüber einem einfachen Untersuchungsdesign wird angeführt, dass bei
einer großen Anzahl an Ablaufarten die Übersichtlichkeit gewahrt wird (ebd.
1969). Da bei einfachen Untersuchungen in der Auswertungsphase ebenso Ar-
beitsverrichtungen zu Arbeitsgängen zusammengefasst werden können, unter-
Arbeitswirtschaft 683

scheiden sich beide Untersuchungsdesigns lediglich hinsichtlich der Gestaltung


des MMH-Aufnahmebogens und der Vorgehensweise bei der Aufnahme und
Auswertung. Ein geschichtetes Untersuchungsdesign liegt vor, wenn den Ablauf-
arten eine weitere Dimension zugeordnet wird (z.B. zeitliche Abschnitte eines
Tages), so dass in der Auswertung bspw. die Entwicklung des Ergebnisanteils
einer Ablaufart im Zeitverlauf eines Tages dargestellt werden kann. Multimo-
menteinzelaufnahmen sind folglich ebenso geschichtete Aufnahmen. Da geschich-
tete Untersuchungen mit einer hohen Anzahl an Notierungen einhergehen, sind sie
in die Kategorie „Spezialuntersuchungen“ einzuordnen. Von einem inhomogenen
Untersuchungsdesign wird gesprochen, wenn Ergebnisanteile verschiedener
Untersuchungsgegenstände (z.B. Mensch und Betriebsmittel) im Rahmen einer
Studie ermittelt werden. Die Auswertung erfolgt getrennt nach Untersuchungsge-
genständen. Inhomogene Untersuchungen verursachen im Vergleich zu separat
durchgeführten Studien geringere Kosten. Da der Beobachter von einem Beobach-
tungspunkt aus zwei oder mehr Sachverhalte (z.B. „Was macht die Maschine?“
und „Was macht die Arbeitsperson?“) in kurzer Zeit erfassen muss, wird als Nach-
teil angeführt, dass die Aufmerksamkeitsleistung des Beobachters nachlassen kann
und somit die Gefahr einer geringen Validität der Ergebnisse gegeben ist (ebd.
1969).

7.3.7.6 AnwendungĆdesĆMMH-VerfahrensĆ
Zur Anwendung des MMH-Verfahrens liegt eine Reihe von strukturierten Vorge-
hensbeschreibungen vor. Diesen ist gemeinsam, dass sich die beschriebenen
Schritte einer Vorbereitungs-, Durchführungs- und Auswertungsphase zuordnen
lassen. Darüber hinaus basieren alle Beschreibungen des MMH-Verfahrens auf
denselben statistischen Grundlagen. Um den Stand der Forschung und Praxis der
Methode wiederzugeben, soll ein Vorgehensmodell (siehe Abb. 7.19) dargestellt
werden, welches wesentliche, aus der Literatur (BARNES 1957; HALLER-WEDEL
1969; REFA 1997; BRISLEY 2001; MATIAS 2001) stammende Gestaltungshinweise
berücksichtigt. Das Vorgehensmodell gliedert sich in elf Schritte.
1. Formulieren der Zielsetzung der Studie, Beschreiben des Arbeitssystems, Fest-
legen des Untersuchungszeitraums und Überprüfen der Eignung des MMH-
Verfahrens
In einem ersten Schritt sind die Zielsetzung, der Untersuchungsbereich und Zeit-
raum der geplanten Multimomentstudie festzulegen. Bei der Festlegung von Ziel-
setzung und Untersuchungsbereich sollte berücksichtigt werden, dass mit einer
MMH-Studie auch mehrere Zielsetzungen verfolgt werden können, so dass durch
einen Verzicht separater Studien erhebliche Synergien erzielt werden können
(REFA 1997). Der Untersuchungsbereich sollte mit Hilfe des Arbeitssystemansat-
zes beschrieben werden. Bei der Festlegung des Untersuchungszeitraums T ist zu
berücksichtigen, dass dieser als repräsentativ für einen über den Untersuchungs-
zeitraum hinausgehenden Zeitraum angesehen werden kann. Dieser interessieren-
684 Arbeitswissenschaft

de Zeitraum und der Untersuchungszeitraum sind aufeinander abzustimmen.


MATIAS (2001) schlägt für Standarduntersuchungen einen Zeitraum von zwei bis
vier Wochen vor. Maßgeblich für eine Auswahl des Zeitraums sind Art, Anzahl
und Periodizität der Schwankungen des Arbeitsanfalls in einem Arbeitssystem.

1. Formulieren der Zielsetzung der Studie, Beschreiben des Arbeitssystems,


Festlegen des Untersuchungszeitraumes und Überprüfen der Eignung des
MMH-Verfahrens

2. Festlegen des groben Untersuchungsdesigns

3. Festlegen und Spezifizieren der Arbeitsablaufarten

4. Erstellen eines Rundgangsplans

5. Auswählen und Gestalten der Hilfsmittel

6. Verifizieren der Ablaufarten, des Rundgangsplans und der Hilfsmittel

7. Festlegen der Rundgangshäufigkeiten und -zeiten

8. Informieren des in die Studie involvierten Personals

9. Schulen der Beobachter

10. Durchführen und Aufzeichnen der Beobachtungen sowie Zwischen-


auswerten der Ergebnisse

11. Auswerten und Aufbereiten der Beobachtungsergebnisse

Abb. 7.19: Vorgehensmodell zur Anwendung des Multimoment-Häufigkeits-


Zählverfahrens (HINRICHSEN 2007)

Bevor mit dem Schritt 2 des Vorgehensmodells begonnen wird, ist ausgehend
von den formulierten Zielsetzungen der Studie und den vorgenommenen Arbeits-
systembeschreibungen kritisch zu hinterfragen, ob eine Anwendung des MMH-
Verfahrens möglich und zweckmäßig ist (MATIAS 2001). Voraussetzung für die
Anwendbarkeit der Methodik ist die Beobachtbarkeit der Ablaufarten, d.h. die
Ablaufarten müssen durch Kurzzeitbeobachtungen eindeutig erkannt werden kön-
nen. Außerdem müssen die zu beobachtenden Ablaufarten in ausreichender Häu-
figkeit und voneinander unabhängig beobachtet werden können (HALLER-WEDEL
1969).

2. Festlegen des groben Untersuchungsdesigns


Ausgehend von der Zielsetzung einer Studie ist in einem zweiten Schritt zu ent-
scheiden, ob eine Informativ-, Standard- oder Spezialuntersuchung durchgeführt
Arbeitswirtschaft 685

werden soll. Ferner ist zwischen einem einfachen, mehrfach gestuften, geschichte-
ten und inhomogenen Untersuchungsdesign auszuwählen (siehe Kap. 7.3.7.5).
Darüber hinaus ist festzulegen, ob die Datenerhebung über eine Selbst- oder
Fremdaufschreibung vorgenommen werden soll (siehe Kap. 7.3.7.2).
3. Festlegen und Spezifizieren der Arbeitsablaufarten
In einem dritten Schritt sind unter Beachtung der Zielsetzungen der Studie die
Ablaufarten zu identifizieren, begrifflich zu bestimmen und eindeutig voneinander
abzugrenzen (HALLER-WEDEL 1969; MATIAS 2001). Um Ablaufarten zweifelsfrei
durch Kurzzeitbeobachtungen erkennen zu können, sollten zusätzlich zu einer
Beschreibung der Ablaufarten Erkennungsmerkmale dokumentiert werden (REFA
1997). Anzahl und Gliederungstiefe der Ablaufarten ergeben sich aus den Zielset-
zungen der Studie. Es sollten nicht mehr als etwa 25 Ablaufarten gebildet werden,
um Verwechselungen während der Aufnahme zu vermeiden (HALLER-WEDEL
1969). Bilden Arbeitspersonen den Untersuchungsgegenstand, sollte die Ablaufart
„Anwesenheit ungeklärt“ berücksichtigt werden.
4. Erstellen eines Rundgangsplans
In einem vierten Schritt ist ein Rundgangsplan zu erstellen. Unter diesem wird die
skizzenmäßige Darstellung der Beobachtungsstandpunkte und -folgen verstanden
(REFA 1997). Zur Wahrung des Zufallsprinzips sind mehrere mögliche Beobach-
tungsfolgen festzulegen. Vor jedem Rundgang ist eine dieser Varianten zufalls-
mäßig auszuwählen. Ein Rundgangsplan soll gewährleisten, dass alle Arbeitsper-
sonen bzw. Untersuchungsobjekte bei einem Rundgang erfasst werden (HALLER-
WEDEL 1969).
5. Auswählen und Gestalten der Hilfsmittel
Ausgehend von dem in Schritt 2 gewählten Untersuchungsdesign und den in
Schritt 3 festgelegten Ablaufarten sind die Hilfsmittel für die Multimomentauf-
nahme in einem fünften Schritt auszuwählen bzw. zu gestalten. Dabei ist zwischen
elektronischen und konventionellen Hilfsmitteln zu unterscheiden. Als elektroni-
sche Hilfsmittel zur Durchführung einer Multimomentaufnahme eignen sich vor
allem Personal Digital Assistants (PDA), die mit einem Programm zur Unterstüt-
zung der Durchführung einer MMH-Studie ausgestattet sind. Darüber hinaus kön-
nen elektronische Hilfsmittel – ausgehend von einer festgelegten Anzahl an Rund-
gängen und einem definierten Durchführungszeitraum – Zufallszeitpunkte aus-
wählen und den Mitarbeiter aus der Zeitwirtschaft über einen Signalton über den
Rundgangsbeginn informieren (BRISLEY 2001). Zu den konventionellen Hilfsmit-
teln zählen Klemmbrett, Stift und MMH-Beobachtungsbogen. In der Literatur
liegt eine Reihe von Standard-MMH-Beobachtungsbögen vor (HALLER-WEDEL
1969; REFA 1997; MATIAS 2001). Diese sind für unterschiedliche Untersuchungs-
designs (siehe Schritt 2) gestaltet worden und können als Vorlage verwendet wer-
den.
686 Arbeitswissenschaft

6. Verifizieren der Ablaufarten, des Rundgangsplans und der Hilfsmittel


Um sicherzustellen, dass der Ablaufartenkatalog vollständig ist, alle Ablaufarten
zweifelsfrei erkannt werden können, der Rundgangsplan zweckmäßig ist und die
gewählten Hilfsmittel den Anforderungen entsprechen, sind in einem sechsten
Schritt Proberundgänge durchzuführen (HALLER-WEDEL 1969; REFA 1997;
MATIAS 2001). Sollten dabei Probleme identifiziert werden, sind die entsprechen-
den vorhergehenden Schritte erneut zu durchlaufen.
7. Festlegen der Rundgangshäufigkeiten und -zeiten
In einem siebten Schritt sind die Rundgangshäufigkeiten und -zeiten zu planen.
Zur Ermittlung der ungefähren Anzahl der erforderlichen Notierungen n´ bzw. der
Rundgangshäufigkeiten R´ sind die relativen Häufigkeiten Ti´ für diejenigen Ab-
laufarten, die in der Studie von Relevanz sind, abzuschätzen. Darüber hinaus sind
für eine Ermittlung des voraussichtlichen Stichprobenumfangs n´ die Konfidenz-
intervalle [Ti´ - f´; Ti´ + f´] festzulegen. HALLER-WEDEL (1969) empfiehlt, das
Streumaß fmax = r 2,5% nicht zu überschreiten. Sofern die absoluten Genauigkeits-
anforderungen für alle Ablaufarten gleich sind, ist neben dem angestrebten Wert
für f´ derjenige Wert și´ in der Gleichung (7.7) (Kap. 7.3.7.4) zu berücksichtigen,
der die geringste Differenz zu 50% aufweist. Mit Hilfe der Gleichung kann dann
die voraussichtliche Anzahl von Notierungen ermittelt werden. Unterscheiden sich
die Genauigkeitsanforderungen in Abhängigkeit von der jeweiligen Ablaufart,
sind für alle relevanten Ablaufarten die jeweiligen Genauigkeitsanforderungen f´
festzulegen, die relativen Häufigkeiten Ti´ der jeweiligen Ablaufarten abzuschät-
zen und die voraussichtlichen Beobachtungsumfänge n´ je relevanter Ablaufart
über die MMH-Hauptformel zu berechnen. Bei diesem Vorgehen ist der größte
Wert für n´ bei den Rundgangsplanungen zu berücksichtigen.
Mit Hilfe der Gleichungen (7.9) und (7.10) (siehe Kap. 7.3.7.4) lassen sich un-
ter Verwendung des im ersten Schritt festgelegten Untersuchungszeitraums T die
Anzahl der täglich auszuführenden Rundgänge R´Tag berechnen. Ausgehend von
dieser Zahl wird der Beginn jedes einzelnen Rundgangs unter Verwendung einer
Zufallszahlentafel für Stunden und Minuten determiniert (HALLER-WEDEL 1969;
REFA 1997), sofern kein elektronischer Signalgeber verwendet wird. Die zufällig
ausgewählten Zeitpunkte für einen Rundgangsbeginn sind in einem Zeitplan zu
dokumentieren.
8. Informieren des in die Studie involvierten Personals
Bilden Arbeitspersonen den Untersuchungsgegenstand der Multimomentstudie,
sind die von der Studie betroffenen Mitarbeiter zu informieren (HALLER-WEDEL
1969; REFA 1997; MATIAS 2001). Den Mitarbeitern sind die Zielsetzung und
Untersuchungsmethode zu erläutern, um Widerstände und Konflikte zu vermei-
den. Auch wenn Betriebsmittel oder das Material Gegenstand einer Multimoment-
studie bilden, sollten die Mitarbeiter in den entsprechenden Unternehmensberei-
chen informiert werden, um möglicherweise aufkommende Unsicherheiten und
Ängste zu vermeiden. Ebenso ist nach dem Betriebsverfassungsgesetz eine Infor-
Arbeitswirtschaft 687

mation des Betriebsrates erforderlich, da sich die Ergebnisse einer Multimoment-


studie zur Leistungsüberwachung eignen (§87 BETRVG).
9. Schulen der Beobachter
Die Validität der Ergebnisse einer Multimomentstudie hängt in hohem Maße da-
von ab, ob die Beobachter in der Lage sind, jede Beobachtung der richtigen Ab-
laufart zuzuordnen (HALLER-WEDEL 1969). Im Mittelpunkt der Beobachterschu-
lung sollte daher der Ablaufartenkatalog stehen (siehe Schritt 3). Eine Vor-Ort-
Schulung im Untersuchungsbereich ist hilfreich. Darüber hinaus sollten die Be-
obachter am Ende der Schulung mit den Rundgangsplänen (siehe Schritt 4),
Hilfsmitteln (siehe Schritt 5) und dem Zeitplan (siehe Schritt 7) vertraut sein so-
wie Untersuchungszweck und -methode kennen.
10. Durchführen und Aufzeichnen der Beobachtungen einschließlich einer Zwi-
schenauswertung der Ergebnisse
Die Durchführung und Aufzeichnung der Beobachtungen erfolgt entsprechend den
Rundgangs- und Zeitplänen unter Verwendung der ausgewählten bzw. gestalteten
Hilfsmittel. Der Beobachter sucht entsprechend der räumlich-zeitlichen Vorgaben
die Beobachtungsstandpunkte auf und nimmt die Ablaufart in dem Moment auf, in
dem er sich vor dem Gegenstand seiner Beobachtung befindet. Um dem Zufalls-
prinzip Rechnung zu tragen, ist es wichtig, dass der erste Moment der Beobach-
tung maßgeblich für die Bestimmung der Ablaufart ist. Die Aufzeichnung erfolgt
über eine Notierung auf dem Aufnahmebogen bzw. über eine Eingabe bei Ver-
wendung eines Aufnahmegeräts. Um statistisch gesicherte Ergebnisse zu erzielen,
sollten solche Ereignisse und Bedingungen von den Beobachtern vermerkt wer-
den, die nicht den Regelfall darstellen und die Untersuchungsergebnisse beeinflus-
sen können. Ferner ist zu überprüfen, ob stets alle beobachteten Tätigkeiten ein-
deutig den definierten Ablaufarten zuzuordnen sind (HALLER-WEDEL 1969; REFA
1997).
Während der Durchführungsphase ist im Regelfall eine Zwischenauswertung
vorzunehmen, um zu überprüfen, ob die in Schritt 7 auf Basis von anfänglichen
Schätzwerten für Ti´ ermittelte Anzahl von erforderlichen Beobachtungen zutref-
fend war oder bei den vorgenommenen Schätzungen für die relativen Häufigkeiten
einzelner Ablaufarten Ti´ ein Schätzfehler unterlaufen ist. Außerdem kann festge-
stellt werden, ob die gewünschte absolute Genauigkeit fi´ bereits erreicht wurde.
REFA (1997) schlägt vor, diese Zwischenauswertung nach etwa 500 Notierun-
gen vorzunehmen. Dazu werden in einem ersten Schritt die je Ablaufart i vorge-
nommenen Notierungen xi ausgezählt und in einem zweiten Schritt die relativen
Häufigkeiten Ti berechnet, indem jeweils der Quotient aus der Anzahl der Notie-
rungen xi einer Ablaufart i und der Gesamtzahl der Notierungen n gebildet wird.
Über die Gleichung (7.5) wird für die besonders interessierenden Ablaufarten i die
erreichte absolute Genauigkeit fi ermittelt. Ist die erreichte absolute Genauigkeit fi
größer als die gewünschte Genauigkeit fi´, so sind die Multimomentaufnahmen
fortzusetzen. Andernfalls (fi ” fi´) können die Multimomentaufnahmen abge-
688 Arbeitswissenschaft

schlossen werden, sofern der Untersuchungszeitraum als repräsentativ angesehen


werden kann (siehe Kap. 7.3.7.4). Tritt der erstgenannte Fall (fi > fi´) auf, ist die
Anzahl der insgesamt erforderlichen Notierungen n´ mittels der Gleichung (7.7)
zu berechnen. Bis zum Erreichen dieser Anzahl an Notierungen sind die Multi-
momentaufnahmen fortzusetzen.
11. Auswerten und Aufbereiten der Beobachtungsergebnisse
Zur Auswertung der Multimomentaufnahmen sind analog zur Zwischenauswer-
tung in einem ersten Schritt die Anzahl der Notierungen xi je Ablaufart zu zählen.
In einem zweiten Schritt sind die relativen Häufigkeiten Ti zu berechnen, indem
jeweils der Quotient aus der Anzahl der Notierungen xi einer Ablaufart i und der
Gesamtzahl der Notierungen n gebildet wird. Mittels der Gleichung (7.5) wird die
absolute Genauigkeit fi für jede Ablaufart i berechnet und grafisch über ein Bal-
ken- oder Kreisdiagramm aufbereitet.

7.3.7.7 Vor-ĆundĆNachteileĆdesĆMMH-VerfahrensĆ
Mit der Anwendung des MMH-Verfahrens sind eine Reihe von Vor- und Nachtei-
len verbunden (z.B. BARNES 1957; HALLER-WEDEL 1969). Diese gelten zum Teil
auch für das MMZ-Verfahren und die „Performance Sampling“-Methode. We-
sentliche Vorteile sind nachfolgend aufgeführt.
x Bei einem Rundgang können (von einem Beobachter) eine größere Anzahl
von Arbeitsplätzen berücksichtigt werden, so dass mit – im Vergleich zu
Stoppuhr-Studien – geringem Aufwand repräsentative Aussagen zum be-
trieblichen Ist-Zustand möglich sind.
x Die gewünschte Genauigkeit der Untersuchungsergebnisse kann (bei einer
im deutschsprachigen Raum verwendeten statistischen Sicherheit von 95%)
frei gewählt werden.
x Die Multimomentaufnahmen können von angelernten Aushilfskräften durch-
geführt werden; für die Vorbereitung und Auswertung der Studie sind jedoch
zeitwirtschaftliche Grundkenntnisse zwingend erforderlich.
x Multimomentstudien können unterbrochen und zu einem späteren Zeitpunkt
fortgesetzt werden, sofern der Zeitraum der Untersuchung dann noch als re-
präsentativ angesehen werden kann.
Den Vorteilen der Methode stehen folgende Nachteile gegenüber:
x Eine MMH-Studie dokumentiert lediglich einen Ist-Zustand. Zu den Ursa-
chen des Ist-Zustands und zu den Zeiteinflussgrößen einzelner Tätigkeiten
können nach Abschluss einer Multimomentstudie allenfalls eingeschränkte
Aussagen gemacht werden.
x Das MMH-Verfahren (über eine Fremdbeobachtung) kann nur angewendet
werden, wenn die relevanten Ablaufarten während der kurzen Beobachtung
eindeutig erkannt werden können.
x Jede Notierung ist ein einmaliger, nicht wiederkehrender Vorgang, der sich
einer nachträglichen Überprüfung entzieht.
Arbeitswirtschaft 689

x Mit dem MMH-Verfahren können (mit Ausnahme des „performance samp-


ling“ und im Unterschied zu den Systemen vorbestimmter Zeiten und der
REFA-Zeitaufnahme) keine Vorgabezeiten ermittelt werden, da der Leis-
tungsgrad der Arbeitspersonen nicht berücksichtigt wird. Dadurch wird die
Interpretation der Daten erschwert.
x Mit dem MMH-Verfahren lassen sich nur relative Häufigkeiten zu einzelnen
Ablaufarten schätzen. In Bezug auf Arbeitspersonen kann damit zwar die
Arbeitszeit, die für einzelne Tätigkeiten aufgebracht wird, einfach errechnet
werden, die Dauer einzelner Vorgänge bleibt aber (im Unterschied zum
MMZ-Verfahren sowie zur Zeitaufnahme und den Systemen vorbestimmter
Zeiten) unbekannt.
x Absichtliche Beeinflussungen der Ergebnisse einer Multimomentstudie
durch die beobachteten Arbeitspersonen sind schwieriger zu erkennen als bei
einer kontinuierlichen Beobachtung, wie sie bei einer Zeitaufnahme erfolgt.
Üblicherweise erkennt man Interventionen daran, dass Mittelwerte und
Streumaße in Abhängigkeit von der Stichprobengröße nicht konvergieren,
sondern aus dem Trichtermodell „herauslaufen“ (siehe Abb. 7.18).
x Das mehrstufige, zyklische Vorgehen bei der Durchführung von Multimo-
mentaufnahmen hat den Nachteil, dass während der Datenerhebung keine In-
formationen zu den Streumaßen vorliegen und daher eine Entscheidung für
eine Fortsetzung der Multimomentaufnahmen nur im Rahmen der Zwischen-
auswertungen erfolgen kann. Zudem ist es möglich, dass der im REFA-
Standardprogramm geforderte Mindeststichprobenumfang von n | 500 No-
tierungen das erforderliche Maß für sog. MMH-Informativuntersuchungen,
mit denen ein schneller Überblick zu den ungefähren Zeitanteilen weniger
Ablaufarten geschaffen werden soll, überschreitet.
x Ein weiteres Problem des Verfahrens besteht darin, dass dieses für den be-
trieblichen Praktiker oft schwer nachvollziehbar ist. Daher werden
Iterationen zwischen den Planungs-, Durchführungs- und Auswertungspha-
sen bei der Anwendung des MMH-Verfahrens vielfach umgangen, indem
entweder bereits in der Planung von dem größtmöglichen Beobachtungsum-
fang, also einem Zeitanteil von 50%, ausgegangen oder auf Zwischenauswer-
tungen verzichtet wird (SCHLICK u. HINRICHSEN 2006). Im erstgenannten
Fall besteht die Gefahr, unnötig große Stichproben zu erheben. Im zweitge-
nannten Fall können Schätzfehler bzw. Streuungen in der Schätzung der rela-
tiven Häufigkeiten zu erheblichen Abweichungen in der Stichprobengröße
führen, so dass möglicherweise der geforderte Vertrauensbereich nicht ein-
gehalten oder wiederum ein unnötig großer Erhebungsaufwand betrieben
wird.
690 Arbeitswissenschaft

7.3.8 Weiterentwickeltes Multimomentverfahren in Bezug auf die


Schätzung der relativen Häufigkeiten von Ablaufarten

7.3.8.1 AusgangssituationĆundĆZielsetzungĆ
Die Durchführung einer Multimomentstudie gliedert sich, wie zuvor erläutert,
grob in eine Planungs-, Durchführungs- und Auswertungsphase. Zwischen diesen
Phasen sind in den einzelnen Vorgehensbeschreibungen Iterationen vorgesehen.
Bspw. wird beim REFA-Standardprogramm „Multimomentaufnahme“ (REFA
1997) nach n | 500 Beobachtungen eine Zwischenauswertung vorgenommen. Im
Rahmen dieser Auswertung werden die je Ablaufart i vorgenommenen Notierun-
gen xi ausgezählt und anschließend die Wahrscheinlichkeit Ti geschätzt, indem
jeweils der Quotient aus der Anzahl der Notierungen xi einer Ablaufart i und der
Gesamtzahl der Notierungen n gebildet wird. Über die sog. Multimoment-
Hauptformel (siehe Kap. 7.3.7.4) wird anschließend (ausgehend von einer
Irrtumswahrscheinlichkeit D = 0,05) für die besonders interessierenden Ablaufar-
ten i die erreichte absolute Genauigkeit fi ermittelt. Ist der Wert für fi größer als
derjenige für die gewünschte Genauigkeit fi´, kann die Multimomentstudie noch
nicht abgeschlossen werden. Es wird wiederum der voraussichtlich erforderliche
Beobachtungsumfang n´ neu berechnet, da in die ursprüngliche, vor Beginn der
Rundgänge vorgenommene Berechnung der Anzahl der Beobachtungen nur Erfah-
rungswerte oder grobe Schätzungen für Ti´ eingehen konnten. Anschließend wer-
den die Beobachtungen bis zum Erreichen von n´ fortgesetzt. Es schließt sich
wiederum eine (Zwischen-) Auswertung an und ggf. sind weitere Beobachtungen
vorzunehmen, bis die Streumaße fi einen gewünschten Wert fi´ erreichen bzw.
unterschreiten (fi ” fi´).
Wie bereits zuvor erwähnt, hat dieses mehrstufige, zyklische Vorgehen den
Nachteil, dass während der Datenerhebung keine Informationen zu den Streuma-
ßen vorliegen und daher eine Entscheidung für eine Fortsetzung der Multimo-
mentaufnahmen nur im Rahmen der Zwischenauswertungen erfolgen kann. Zu-
dem ist es möglich, dass der im REFA-Standardprogramm geforderte Mindest-
stichprobenumfang von n | 500 Notierungen das erforderliche Maß für sog.
MMH-Informativuntersuchungen, mit denen ein schneller Überblick zu den unge-
fähren Zeitanteilen weniger Ablaufarten geschaffen werden soll (siehe
Kap. 7.3.7.5), überschreitet.
SCHLICK u. HINRICHSEN (2006) entwickelten daher ein auf der Bayes-Statistik
beruhendes neues Schätzverfahren, das die oben genannten methodischen Schwä-
chen nicht aufweist und über eine Visualisierung von Wahrscheinlichkeitsvertei-
lungen eine zusätzliche Entscheidungsunterstützung für den Arbeitsplaner im
Unternehmen zur Verfügung stellt.

7.3.8.2 TheoretischeĆGrundzügeĆdesĆneuenĆSchätzverfahrensĆ
Bei dem klassischen MMH-Verfahren wird aufgrund der vorgenommenen Notie-
rungen die relative Häufigkeit T einer Ablaufart i geschätzt und ein Vertrauensin-
Arbeitswirtschaft 691

tervall angegeben, in dem Ti mit der Vertrauenswahrscheinlichkeit (1-D) liegt. Bei


dem neu entwickelten Schätzverfahren werden hingegen auf Basis der nach jedem
Rundgang vorliegenden Stichprobeninformationen Wahrscheinlichkeitsverteilun-
gen für einzelne Ablaufarten i, bei denen es sich genau genommen um Wahr-
scheinlichkeitsdichtefunktionen p(T) handelt, gebildet (SCHLICK u. HINRICHSEN
2006). Die möglichen Werte des unbekannten Parameters T liegen dabei zwischen
Null und Eins. Die Funktion gibt an, wie die stets zu Eins normierte Wahrschein-
lichkeitsmasse über das Intervall [0,1] des unbekannten Parameters T verteilt ist.
Es gilt:
1

³ p(T )dT
0
1 (7.11)

Wird ein Arbeitsprozess betrachtet, der lediglich aus zwei Ablaufarten (Kodie-
rung 0 oder 1) besteht, ohne dass bekannt ist, welche Ablaufart zu einem bestimm-
ten Zeitpunkt auftreten wird, dann kann der Vorgang als Ziehen der Zahlen 0 oder
1 aus einer Urne betrachtet werden (HINRICHSEN u. SCHLICK 2006). Ist bekannt,
dass der Prozess zu einem Anteil T den Zustand 1 und zu einem Anteil (1-T) den
Zustand 0 annehmen wird, so wird die Wahrscheinlichkeit, bei n-maliger Be-
obachtung des Prozesses y mal den Zustand 1 wahrzunehmen, als bedingte Wahr-
scheinlichkeit p(y|T) geschrieben. Diese stützt sich auf die Binomialverteilung:
§n· y
p( y T ) ¨ ¸ T (1  T )
n y
(7.12)
y
© ¹
In der betrieblichen Praxis ist der Parameter T aber in der Regel unbekannt,
während die Ausprägung des Parameters y durch n Beobachtungen ermittelt wer-
den kann. Gesucht wird daher die „logisch umgekehrte“ bedingte Wahrscheinlich-
keit p(T|y) als Verteilungsfunktion der Wahrscheinlichkeitsmasse. Diese inverse
Wahrscheinlichkeit lässt sich anhand des Bayes-Theorems für Verteilungen be-
rechnen:
p(T ) p( y T )
p (T y ) 1
(7.13)
³ p(T ) p( y T ) dT
0

p(T) wird dabei als sog. Prioriverteilung bezeichnet und gibt an, welche Plausi-
bilität den möglichen Werten der zu schätzenden Variable T vor der Beobachtung
des Arbeitsprozesses und seiner Zustände, den Ablaufarten (siehe Kap. 7.3.3),
zukommt. Im Normalfall ist der zeitliche Anteil einzelner Ablaufarten a priori
unbekannt, so dass von einer Gleichverteilung des Zeitanteils T der betrachteten
Ablaufart ausgegangen wird:
p (T ) 1 T  [0,1] (7.14)
692 Arbeitswissenschaft

Werden die binomiale Stichprobenverteilung aus Gleichung (7.12) und die


Prioriverteilung aus Gleichung (7.14) in das Bayes-Theorem der Gleichung (7.13)
eingesetzt, so gilt für die Posterioriverteilung:
§n·
1 ˜ ¨ ¸ T y (1  T ) n  y
© y¹ T y (1  T ) n  y
p (T y ) 1 (7.15)
§n· y 1

³0 1˜ ¨© y ¸¹T (1  T ) dT ³ T (1  T ) dT
n y y n y

Die Lösung des Integrals im Nenner der Gleichung (7.15) findet sich bspw. in
BRONSTEIN et al. (1993) und lautet wie folgt:
1
*( y  1) ˜ *(n  y  1)
³T (1  T ) n  y dT
y
(7.16)
0
*(n  2)
Dabei bezeichnet *(.) die Gammafunktion, die für natürlichzahlige Elemente
a‫ג‬Գ wie folgt definiert ist:
*( a ) { ( a  1)! (7.17)
Unter Verwendung von Gleichung (7.17) ergibt sich folgende Lösung für das
Integral aus Gleichung (7.16):
1
*( y  1) ˜ *(n  y  1) y !(n  y )!
³T (1  T ) n  y dT
y
(7.18)
0
*(n  2) (n  1)!
Wird die Lösung des Integrals aus Gleichung (7.18) in Gleichung (7.15) einge-
setzt, so erhält man die gesuchte Posterioriverteilung:
(n  1)! y
p (T y ) T (1  T ) n  y (7.19)
y !(n  y )!
Aufgrund der Streuungen der Wahrscheinlichkeitsmasse ist es analog zum kon-
ventionellen Verfahren sinnvoll, ein Vertrauensintervall [Tunten , Toben] im Sinne
einer oberen bzw. unteren Fehlerschranke anzugeben, in dem der gesuchte Para-
meter T mit einer vordefinierten Vertrauenswahrscheinlichkeit (1-D) liegt. Es wird
auch von einer Intervallschätzung gesprochen. Für das Vertrauensintervall mit
0 < Tunten < Toben < 1 muss gelten:
Toben

³
Tunten
p (T ) dT 1D (7.20)

Die in Gleichung (7.19) angegebene Posterioriverteilung kann auch als sog.


Betaverteilung mit den Hyperparametern (a,b) dargestellt werden:
* (a  b) a 1
B (T a, b) { T (1  T )b 1 (7.21)
*(a ) ˜ * (b)

mit a = y +1 und b = n – y + 1
Arbeitswirtschaft 693

Mit Hilfe der sog. inversen Betaverteilung lässt sich das Konfidenzintervall
[Tunten , Toben] bestimmen. Für eine Vertrauenswahrscheinlichkeit (1-D) muss gel-
ten:
Toben

³
Tunten
B(T y  1, n  y  1)dT 1D (7.22)

7.3.8.3 ErgebnisseĆeinerĆFallstudieĆ
Zum besseren Verständnis des neuen MMH-Schätzverfahrens soll dieses anhand
eines realen Fallbeispiels aus dem Einzelhandel für die Gruppe der Verkaufsmit-
arbeiter anhand der Haupttätigkeit „Interaktion mit Kunden“ erläutert werden
(SCHLICK u. HINRICHSEN 2006). Die Ausgangssituation vor Beginn des ersten
Rundgangs war entsprechend Abb. 7.20 durch eine uninformative Prioriverteilung
B(T |1,1) = 1 gekennzeichnet, d.h. es lagen keine Informationen bzgl. der relativen
Häufigkeit der Haupttätigkeit vor. Nach drei Rundgängen lagen insgesamt n = 21
Notierungen vor. Davon entfielen y = 5 auf die Ablaufart „Interaktion mit Kun-
den“. Werden diese Werte in Gleichung (7.19) eingesetzt, erhält man folgende
Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion:
(n  1)! y
p (T y ) T (1  T ) n  y
y !(n  y )!
(7.23)
(21  1)! 5
T (1  T )16
5!(21  5)!
Mit Hilfe der sog. inversen Betafunktion (sensu Gleichung (7.22)) ergibt sich
mit einer Vertrauenswahrscheinlichkeit von (1-D) = 95%, dass nach 21 Beobach-
tungen der wahre, aber unbekannte Wert für die relative Häufigkeit der Ablaufart
„Interaktion mit Kunden“ zwischen 10,7% und 45,4% liegt. Mit zunehmender
Anzahl an Rundgängen bzw. Beobachtungen n ändert sich gemäß Abb. 7.20 der
Graph der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion derart, dass die Streuung um den
wahren Tätigkeitsanteil T abnimmt und damit die Wahrscheinlichkeitsdichtefunk-
tion p(T) „gestaucht“ wird.
Die Entwicklung der Konfidenzintervalle zeigt, dass die Studie für eine reine
Informativuntersuchung am Montagabend nach 34 Rundgängen bzw. 387 Be-
obachtungen hätte abgebrochen werden können.
Das neue Schätzverfahren schafft über eine Visualisierung der Wahrscheinlich-
keitsdichtefunktion ein besseres Verständnis für die statistischen Grundlagen des
MMH-Verfahrens. Gleichzeitig kann das Verfahren auch bei kleinen Stichproben-
umfängen angewendet werden. Es ist folglich keine minimale Stichprobengröße
– wie sie im REFA-Standardprogramm vorgesehen ist – notwendig, um statistisch
abgesicherte Aussagen treffen zu können. Stattdessen kann der Arbeitsplaner die
Rundgänge abbrechen, wenn ihm das Vertrauensintervall hinreichend klein für
seine Entscheidungszwecke erscheint.
694 Arbeitswissenschaft

p(ș) 2 p(ș) 10 p(ș) 10


Montag Montag
1.75 vor Beginn der Studie 8 Rundgang 3 8
Rundgang 6
1.5
y=0 y=5 y = 14
1.25 n=0 6 n = 21 6 n = 54
1
șunten = 0,107 șunten = 0,161
0.75 4 4
șoben = 0,454 șoben = 0,390
0.5
2 ǻș = 0,346 2 ǻș = 0,229
0.25

0.2 0.4 0.6 0.8 ș 1 0.2 0.4 0.6 0.8 ș 1 0.2 0.4 0.6 0.8 ș 1

p(ș) p(ș) p(ș)


50 50 50
Montag Mittwoch Samstag
40 Rundgang 34 40 Rundgang 113 40 Rundgang 218
y = 123 y = 361 y = 752
30 n = 387 30 n = 1243 30 n = 2638
20
șunten = 0,273 20
șunten = 0,266 20
șunten = 0,268
șoben = 0,366 șoben = 0,316 șoben = 0,303
10 ǻș = 0,092 10 ǻș = 0,050 10 ǻș = 0,034

0.2 0.4 0.6 0.8 1 0.2 0.4 0.6 0.8 1 0.2 0.4 0.6 0.8 1
ș ș ș

Abb. 7.20: Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen zur Ablaufart „Interaktion mit Kunden“ in


Abhängigkeit von der Anzahl der Rundgänge

Ein wesentlicher Nachteil des neuen Schätzverfahrens ist, dass es nur in Ver-
bindung mit einem elektronischen Datenerfassungsgerät und einer Auswertungs-
software, die nach jedem Rundgang die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen
ausgewählter Ablaufarten visualisiert und die Vertrauensintervalle anzeigt, prak-
tisch anwendbar ist. Ansonsten würden sich – analog zum REFA-
Standardprogramm – zusätzliche Iterationen zwischen der Planungs-, Durchfüh-
rungs- und Auswertungsphase ergeben.

7.3.8.4 SoftwareentwicklungĆ

Als technische Voraussetzung für eine praktische Anwendung des neuen Schätz-
verfahrens wurde eine Software für einen Taschencomputer, einen sog. PDA,
entwickelt, mit der die Notierungen für einzelne Ablaufarten erfasst und nach
jedem Rundgang Visualisierungen der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen sowie
statistische Kennzahlen für einzelne Ablaufarten auf dem PDA angezeigt werden
können. Die MMH-Studie wird zuvor am PC über eine eigens entwickelte Soft-
ware angelegt. In der Vorbereitungsphase der Studie sind die Ablaufarten festzu-
legen. Ebenso werden die zu beobachtenden Mitarbeiter tabellarisch notiert. Zu
jedem Mitarbeiter können die individuellen Arbeitszeiten im vorgesehenen Unter-
suchungszeitraum sowie die Abteilungszugehörigkeit angegeben werden (siehe
Abb. 7.21).
Durch namentliche Berücksichtigung der Mitarbeiter und ihrer jeweiligen Ar-
beitszeiten kann sichergestellt werden, dass alle planmäßig anwesenden Mitarbei-
ter bei einem Rundgang erfasst und Mehrfach-Notierungen eines Mitarbeiters
während eines Rundganges vermieden werden. Die Kenntnis der Abteilungszuge-
hörigkeit hilft dem Beobachter dabei, Mitarbeiter während des Rundgangs zu
finden. Dadurch werden insbesondere die handelsspezifischen Anforderungen an
eine MMH-Software berücksichtigt (HINRICHSEN 2007).
Arbeitswirtschaft 695

Abb. 7.21: Berücksichtigung der planmäßigen Anwesenheitszeiten einzelner Mitarbeiter

Ist die Vorbereitungsphase der MMH-Studie abgeschlossen, werden die Daten


auf den PDA überspielt. Mit Beginn der Durchführungsphase sind Beobachtungen
vorzunehmen, die jeweiligen Beobachtungen einer Ablaufart zuzuordnen und auf
dem PDA zu erfassen. Ferner sind die Notierungen auf dem PDA den entspre-
chenden Mitarbeitern zuzuordnen. Dazu werden die während des Rundgangs noch
nicht beobachteten und planmäßig anwesenden Mitarbeiter einschließlich ihrer
Abteilungszugehörigkeit auf dem PDA aufgelistet. Nach jedem abgeschlossenen
Rundgang kann eine Zwischenauswertung erfolgen. Diese kann helfen, den opti-
malen Zeitpunkt für eine Beendigung der Datenerfassung zu finden. Nach Ab-
schluss der Datenermittlung werden die Daten vom mobilen Erfassungsgerät auf
den PC überspielt, so dass mit der MMH-Software am PC eine Reihe von Spezial-
auswertungen vorgenommen werden können. Entsprechend Abb. 7.22 lassen sich
für einzelne Ablaufarten Auswertungen nach Wochentagen, Tagesabschnitten,
Rundgängen und Abteilungen durchführen, indem einzelne Filter gesetzt werden.
Dabei wird die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion visualisiert und die Ausprä-
gung der relevanten statistischen Kennzahlen angezeigt. Zu den Kennzahlen zäh-
len die Anzahl der Beobachtungen n, die Anzahl der Beobachtungen der ausge-
wählten Ablaufart y, der Erwartungswert von T und das Konfidenzintervall
'T = Toben-Tunten.
Eine Anwendung des neu entwickelten Schätzverfahrens in Kombination mit
der dargestellten Software hat gezeigt, dass sich die Vorbereitungsaufwände für
eine MMH-Studie im Vergleich zum konventionellen Vorgehen erheblich reduzie-
ren lassen. Ebenso wird die Datenauswertung durch die beschriebenen Filterfunk-
tionen deutlich vereinfacht. Insbesondere Informativuntersuchungen (siehe
696 Arbeitswissenschaft

Kap. 7.3.7.5) können mit dem neuen softwaregestützten MMH-Verfahren sehr


wirtschaftlich durchgeführt werden.

Abb. 7.22: Möglichkeiten von speziellen Auswertungen über die MMH-Software

7.3.9 Systeme vorbestimmter Zeiten

7.3.9.1 Definition,ĆEntwicklungĆundĆArtenĆ
Systeme vorbestimmter Zeiten (SvZ) sind analytisch-rechnerische Verfahren der
Zeitdatenermittlung, mit denen unter Berücksichtigung von Zeiteinflussgrößen
und methodenspezifischen Anwendungsregeln vorwiegend manuelle Arbeitsab-
läufe durch Zusammensetzen von Bewegungselementen beschrieben und Tätig-
keitszeiten dieser Arbeitsabläufe durch Addition der zu den Elementen gehören-
den Soll-Zeiten berechnet werden können. Der Begriff „Systeme vorbestimmter
Zeiten“ (engl.: predetermined time systems/predetermined-motion-time systems)
kommt dadurch zustande, dass Tätigkeitszeiten von Bewegungsabläufen bereits in
der Planungsphase eines Arbeitssystems „vorbestimmt“ werden können.
Frank Bunker Gilbreth gilt als Begründer des Bewegungsstudiums. Mit Hilfe
von Filmaufnahmen und Photozyklogrammen, welche die Bewegungsspur kleiner,
an Armen und Beinen von Versuchspersonen angebrachter Lämpchen auf einer
photografischen Platte wiedergaben (GILBRETH 1919), fand Gilbreth heraus, dass
17 verschiedene Vorgangselemente genügen, um damit alle menschlichen Bewe-
gungen beschreiben zu können. Diese Vorgangselemente nannte er in Umkehrung
seines Namens „Therbligs“ (RÜHL 1980). Wichtige Ergebnisse der Forschungstä-
tigkeiten wurden u.A. in seinem Werk „Applied Motion Study“ veröffentlicht.
Auf Basis der von Gilbreth entdeckten Vorgangselemente und einer von ihm ge-
schaffenen Symbolsprache gelang es Asa B. Segur, einem Mitarbeiter von
Gilbreth, nach jahrelangen Untersuchungen, diesen Vorgangselementen Zeitwerte
Arbeitswirtschaft 697

zuzuordnen und damit das erste System vorbestimmter Zeiten zu entwickeln


(DEUTSCHE MTM-VEREINIGUNG o. J). Dieses System wurde 1926 unter dem
Titel „Motion Time Analysis“ (MTA) veröffentlicht. In Deutschland war es R.
THUN (1925), der ausgehend von den Arbeiten Gilbreth mit Hilfe der Filmtechnik
insgesamt 44 Grundbewegungen identifizierte. Diese Grundbewegungen teilte
Thun in sieben Gruppen ein. Jeder Grundbewegung ist eine „Mindestzeit“ für
deren Ausführung, die von Thun auch als „Normalzeit“ bezeichnet wird, zugeord-
net. Außerdem kann der für das Ausführen einer Grundbewegung erforderliche
Energieverbrauch in Gramm-Kalorien einer Tabelle entnommen werden. Um
dieses System weiterzuentwickeln, war es nach Ansicht von Thun erforderlich,
„Massenversuche“ in verschiedenen Werken durchzuführen. Ein Defizit des Sys-
tems ist vor allem darin zu sehen, dass die „Normalzeiten“ nicht in Abhängigkeit
von Zeiteinflussgrößen gesetzt werden, so dass das von Thun geschaffene System
nur als ein Vorläufer der Systeme vorbestimmter Zeiten angesehen werden kann.
In der Folgezeit entstanden neben dem MTA-System eine Reihe weiterer Sys-
teme vorbestimmter Zeiten. Eine Chronologie der Entwicklung von Systemen
vorbestimmter Zeiten findet sich bei MATIAS (2001). Diese ist aber nicht vollstän-
dig, da bspw. das von SCHLAICH (1967) entwickelte Analysiersystem nicht aufge-
führt ist. Außerdem werden Entwicklungen – wie sie sich bspw. in der DDR mit
den Systemen SNPP und GMA (BRITZKE et al. 1989) vollzogen haben – in der
Chronologie nicht berücksichtigt. Heute sind das MTM-Verfahren (Methods-Time
Measurement), das WF-Verfahren (Work-Factor) und das auf MTM basierende
Verfahren MOST (Maynard Operation Sequence Technique) von praktischer
Bedeutung.
Das WF-Verfahren wurde unter der Leitung von Joseph H. Quick entwickelt.
Mit den Forschungsarbeiten begannen die US-Amerikaner 1934 in Philadelphia
(Pennsylvania). 1945 wurde das Verfahren veröffentlicht (QUICK et al. 1962). Das
MTM-Verfahren entstand im Auftrag der Firma Westinghouse Electric Corporati-
on. Den Entwicklungsauftrag für ein System vorbestimmter Zeiten erhielt Harold
B. Maynard im Jahr 1940 vom Methods Engineering Council. Zusammen mit
John L. Schwab und Gustave J. Stegemerten entwickelte Maynard das MTM-
Verfahren, das 1948 erstmals veröffentlicht wurde (DEUTSCHE MTM-
VEREINIGUNG o. J.).
Das MTM-Verfahren unterscheidet sich vom WF-Verfahren vor allem durch
die Art der Berücksichtigung der Zeiteinflussgrößen bei einer Bewegungsablauf-
analyse. Während beim WF-Verfahren nur quantitative Einflussgrößen vorkom-
men, werden beim MTM-Verfahren auch qualitative Einflussgrößen berücksich-
tigt. Zur Bestimmung ihrer jeweiligen Ausprägungen bedarf es einer Beurteilung.
Das MTM- und WF-Verfahren wurden – zumindest partiell – unter den Bedin-
gungen der industriellen Massenfertigung entwickelt und später als Grund-
verfahren bzw. bei MTM seit neuestem als Grundsystem bezeichnet. Eine An-
wendung dieser Verfahren ist daher im Wesentlichen auf die Massenfertigung mit
ihren kurzzyklischen Arbeitsabläufen beschränkt.
698 Arbeitswissenschaft

Um auch Tätigkeiten in der Serien- und Einzelteilfertigung sowie in adminis-


trativen Bereichen mit Systemen vorbestimmter Zeiten abbilden zu können, wur-
den eine Reihe verdichteter Analysiersysteme entwickelt. Bei der Datenverdich-
tung kamen zwei Prinzipien zum Tragen. Das Prinzip der horizontalen Datenver-
dichtung beinhaltet eine stufenweise Datenverdichtung über eine Addition von
Zeitwerten bzw. eine statistische Datenzusammenfassung (DEUTSCHE MTM-
VEREINIGUNG 2003). Die ausschließliche Anwendung dieses Prinzips führt zu
sehr großen, kaum überschaubaren Datenmengen. Daher wird ergänzend dem
Prinzip der vertikalen Datenverdichtung gefolgt. Nach diesem werden über statis-
tische Verfahren die Anzahl der Bewegungselemente, die Anzahl ihrer Zeitein-
flussgrößen und Ausprägungen reduziert (ebd. 2003). Damit geht auch eine Verrin-
gerung der Anwendungsregeln einher.
Das WF-Grundverfahren wurde um das WF-Kurzverfahren, das WF-
Schnellverfahren und das WF-Blockverfahren ergänzt. Darüber hinaus wurde
unabhängig vom WF-Grundverfahren das System WF-Mento entwickelt. Mit
diesem Verfahren lassen sich einfache geistige Vorgänge, wie Prüf- und Kontroll-
tätigkeiten, analysieren.
Zum MTM-Grundsystem, das auch als MTM-1 bezeichnet wird, wurden eine
Reihe verdichteter Analysiersysteme entwickelt. Zu diesen zählen bspw. die
MTM-Standarddaten, MTM-2, MTM-3, MTM-V, MTM-C, MTM-UAS und
MTM-MEK (MATIAS 2001). Im deutschsprachigen Raum sind vor allem die
MTM-Standarddaten, MTM-UAS (Universelles Analysiersystem) und MTM-
MEK (MTM für die Einzel- und Kleinserienfertigung) von praktischer Relevanz.
Das System MOST wurde auf Basis des MTM-Grundsystems entwickelt und
wird in erster Linie im US-amerikanischen Raum angewendet. Die Analyse von
Arbeitsabläufen erfolgt bei MOST – im Unterschied zu den MTM- und WF-
Analysiersystemen – mit Hilfe standardisierter Bewegungssequenzmodelle. Die
Ausprägung einer Zeiteinflussgröße wird jeweils über eine Indexierung einzelner
Modellparameter berücksichtigt. Die Entwickler von MOST führen als Vorteil
ihrer Methode die vergleichsweise hohe Analysiergeschwindigkeit an (ZANDIN
2003). Zum MOST-Verfahren liegen ebenfalls Analysiersysteme für unterschiedli-
che Anwendungszwecke vor (ebd. 2003).
Systeme vorbestimmter Zeiten basieren auf einer Additivitätshypothese. Diese
wird in der Literatur auch als Frage nach der Summierbarkeit von Elementarzeiten
bezeichnet (SANFLEBER 1968). Die Hypothese besagt, dass durch Addition der
aus der Arbeitsmethode und den Arbeitsbedingungen resultierenden Elementarzei-
ten valide Werte für die Tätigkeitszeit eines Arbeitsablaufs ermittelt werden kön-
nen. SANFLEBER (1968) kommt bei der Überprüfung der Additivitätshypothese zu
dem Ergebnis, „dass sich selbst bei größeren Ungenauigkeiten der Elementarzei-
ten in der Regel hinreichend zutreffende Gesamtzeiten ergeben können“. Daher
liegt den Analysiersystemen implizit die Annahme zugrunde, dass sich die Unge-
nauigkeiten einzelner Elementarzeiten mit zunehmender Anzahl an Bewegungs-
elementen tendenziell ausgleichen. Weitere wichtige Untersuchungen zur Validität
der Grundverfahren von MTM und WF hat SCHLAICH (1967) durchgeführt. Dabei
Arbeitswirtschaft 699

hat er u.A. festgestellt, dass das WF-Verfahren „übermäßig kompliziert und zum
Teil sehr ungenau ist“. Er hat zudem ein eigenes Verfahren vorbestimmter Zeiten
entwickelt. Forschungsarbeiten von Luczak und Samli beinhalten eine
Validitätsprüfung von WF-Mento (LUCZAK u. SAMLI 1986). Sie kommen zu dem
Ergebnis, dass das Mento-Verfahren für Prüftätigkeiten hochgenaue Vorhersagen
des Zeitbedarfs für Prüfintervalle ermöglicht.
Weiterentwicklungen hat es in der jüngeren Vergangenheit vor allem dahinge-
hend gegeben, dass mit dem auf dem MTM-Verfahren basierenden Werkzeug
MTM-Prokon der manuelle Montageaufwand von Produkten bereits in der
Konstruktionsphase bewertet werden kann (SANZENBACHER 2003). Ferner wer-
den die den MTM-Prozessbausteinen zugrunde liegenden Informationen mit der
Methode MTM-Ergo dahingehend genutzt, ergonomische Verbesserungspoten-
ziale zu identifizieren. Ein umfassender Überblick zum MTM-Verfahren findet
sich bei BOKRANZ u. LANDAU (2006). Weiterentwicklungspotenziale von Syste-
men vorbestimmter Zeiten bestehen vor allem darin, einzelne Bewegungselemen-
te, Prozessbausteine bzw. das System insgesamt mit weiteren Informationen zu
versehen. Bspw. wären aus Sicht der Arbeitsplanung – wie von F. Stier bereits
1965 angeregt – Informationen zu den Anlernzeiten, die sich für einzelne Prozesse
im Serienanlauf voraussichtlich ergeben werden, von Relevanz (STIER 1965). Mit
Hilfe dieser Informationen könnten frühzeitig gesonderte Schulungen hinsichtlich
derjenigen Arbeitsprozesse geplant werden, die zuvor als vergleichsweise schwer
erlernbar identifiziert wurden. Auch wären aus arbeitsgestalterischer Sicht Aussa-
gen zur Ermüdung von Arbeitspersonen hilfreich, um gezielt organisatorische oder
technische Maßnahmen zur Ermüdungsvermeidung ableiten zu können. Darüber
hinaus könnten insbesondere im Hinblick auf die verdichteten Analysiersysteme
Schätzungen zur Streuung der analytisch ermittelten Tätigkeitszeiten dazu beitra-
gen, die Genauigkeit der ermittelten Zeitdaten bewerten zu können.

7.3.9.2 BedeutungĆundĆAnwendungĆ
Der Vorteil von Systemen vorbestimmter Zeiten in der industriellen Praxis be-
gründet sich durch die kombinierte Standardisierung von Arbeitsablauf und Tätig-
keitszeit (siehe Kap. 7.3.2). Diese ist methodenimmanent, d.h. Arbeitsablauf und
Tätigkeitszeit sind nicht voneinander zu trennen. Darüber hinaus sind Systeme
vorbestimmter Zeiten von hoher praktischer Relevanz, da diese bereits in der
Planungsphase eines Arbeitssystems angewendet werden können. Lediglich die
Bedingungen, unter denen ein Arbeitsprozess voraussichtlich auszuführen ist
(siehe Kap. 7.3.3), müssen für eine Methodenanwendung feststehen. In der Folge
können bspw. Mitarbeiterschulungen auf Basis der Prozessmodellierungen bereits
vor einer Arbeitssystemrealisierung vorgenommen werden. Ferner eignen sich
Systeme vorbestimmter Zeiten für den Aufbau eines betriebsspezifischen Planzeit-
systems, so dass Änderungen an der Arbeitsmethode oder den Arbeitsbedingungen
nur zu geringen Aufwänden bei der Adaption der Prozessbausteine führen. Als
weiterer Grund für die Bedeutung der Methodik lässt sich anführen, dass sich aus
700 Arbeitswissenschaft

ihrer Anwendung Hinweise für eine Verbesserung der Arbeitsmethode sowie der
Arbeitsbedingungen (Arbeitsplatz, Arbeitsmittel, Arbeitsobjekt) ableiten lassen.
Die Arbeitsgestaltung geht dabei über eine einfache Kasuistik hinaus, da sich aus
den Systemen vorbestimmter Zeiten allgemeingültige arbeitsgestalterische Leit-
sätze und Bewegungsprinzipien ableiten lassen (LUCZAK 1986).
Das Vorgehen bei der Anwendung von Systemen vorbestimmter Zeiten gliedert
sich in drei Phasen (DEUTSCHE MTM-VEREINIGUNG 2003). In der Vorberei-
tungsphase werden die Beschäftigten informiert und die Arbeitsbedingungen (sie-
he Kap. 7.3.3) beschrieben. Im Rahmen der Phase der Ablaufanalyse wird der
Arbeitsprozess in Ablaufabschnitte gegliedert. Darüber hinaus wird jeder Ablauf-
abschnitt mit Hilfe der Grundbewegungssymbole beschrieben. Zu den einzelnen
Bewegungselementen werden die Ausprägungen der Zeiteinflussgrößen identifi-
ziert. Die Phase der Zeitanalyse beinhaltet die Zuordnung von Zeitwerten zu den
einzelnen Elementen sowie die Addition der Einzelzeiten zur Tätigkeits- bzw.
Grundzeit.
Als Ergebnis dieses Vorgehens liegt ein Soll-Arbeitsablauf inklusive einer Tä-
tigkeits- bzw. Grundzeit vor. Tabelle 7.10 zeigt mit dem Fügen eines Bolzens in
eine Vorrichtung ein einfaches Beispiel für einen mittels MTM-1 modellierten
Bewegungsvorgang.
Tabelle 7.10: Beispiel einer Bewegungsablaufbeschreibung mittels MTM-1

Bewegungsablauf- Für Zeitzuordnung notwendige Codierung Zeitwert


beschreibung Informationen

Hinlangen
• Bewegungslänge: 40 cm R 40 C 16,8 TMU
zum Bolzen
(Reach) • Bolzen liegt vermischt mit anderen

Greifen
des Bolzens • Abmessungen: ‡ 8 x 12 mm G4 B 9,1 TMU
(Grasp) • Bolzen liegt vermischt mit anderen

Bringen
• Bewegungslänge: 40 cm M 40 C 18,5 TMU
des Bolzens
• Platziergenauigkeit: genau
zur Vorrichtung
(Move)

Fügen
• Fügetoleranz: eng P2SE 16,2 TMU
des Bolzens
in Öffnung • Symmetrie: vollsymmetrisch
• Handhabung: einfach
(Position)

Loslassen • Öffnen der Finger RL 1 2,0 TMU


des Bolzens
(Release)
62,6 TMU |
Gesamtvorgangsdauer
2,25 s

Der Vorgang umfasst die fünf MTM-1-Grundbewegungselemente des Finger-,


Hand- und Armsystems. Er beginnt mit dem Hinlangen zum Bolzen und endet mit
Arbeitswirtschaft 701

dem Loslassen des Bolzens. Gemäß den vorliegenden Informationen zu den Zeit-
einflussgrößen der einzelnen Bewegungselemente werden die entsprechenden
Codes und Zeitwerte für die einzelnen Elemente aus der MTM-Normzeitwertkarte
entnommen. So ist bspw. der Zeitwert für das Hinlangen, abgekürzt mit R für
Reach, einerseits von der Bewegungslänge (im Beispiel: 40 cm) und andererseits
vom Bewegungsfall (im Beispiel: Fall C – Hinlangen zu einem Gegenstand, der
mit gleichen o.Ä. Gegenständen so vermischt ist, dass er ausgewählt werden
muss) abhängig. Der Zeitwert für R40C beträgt 16,8 TMU. Wie in Tabelle 7.10
dargestellt, werden abschließend die einzelnen Zeitwerte zur Gesamtvorgangsdau-
er addiert.

7.3.9.3 Vor-ĆundĆNachteileĆ
Mit der Anwendung von Systemen vorbestimmter Zeiten sind die nachfolgend
aufgeführten Vorteile verbunden:
x Die Anwendung von Systemen vorbestimmter Zeiten geht mit einer detail-
lierten Analyse des Arbeitsprozesses einher, so dass ergonomische Verbesse-
rungsmaßnahmen und arbeitswirtschaftliche Optimierungspotenziale leicht
identifiziert und quantifiziert werden können. Ferner liegt als Ergebnis der
Methodenanwendung ein dokumentiertes Verfahren zur Arbeitsausführung
vor.
x Mit Systemen vorbestimmter Zeiten lassen sich betriebsspezifische Planzeit-
systeme aufbauen. Diese haben den Vorteil, dass sie mit geringem Aufwand
an veränderte Arbeitsbedingungen (z.B. neue Produktvariante) angepasst
werden können.
x Im Unterschied zur Zeitaufnahme beinhalten Systeme vorbestimmter Zeiten
keine Leistungsgradbeurteilung, so dass Diskussionen und Konflikte um den
„richtigen“ Leistungsgrad vermieden werden.
x Systeme vorbestimmter Zeiten ermöglichen bereits in der Planungsphase ei-
nes Arbeitssystems die Festlegung eines kombinierten Arbeits- und Zeitstan-
dards.
Den dargestellten Vorteilen stehen vor allem folgende Nachteile gegenüber:
x Die Grenzen der Verfahren liegen darin, dass ihre Anwendung im Wesentli-
chen auf manuell-körperliche Tätigkeiten beschränkt ist. Lediglich einfache
Prüf- und Kontrolltätigkeiten können über Systeme vorbestimmter Zeiten
modelliert werden. Ferner sind Zeiten, die durch den technischen Prozess de-
terminiert werden, zu messen und als sog. Prozesszeiten in der Analyse zu
berücksichtigen.
x Den einzelnen Analysiersystemen liegt ein umfassendes Regelwerk zugrun-
de. Zur sicheren Anwendung dieser Systeme bedarf es daher einer intensi-
ven, zeitaufwendigen Schulung der Methodenanwender.
x Die analytische Vorgehensweise, die den Systemen vorbestimmter Zeiten
zugrunde liegt, wird vor allem unter arbeitspsychologischen Aspekten dahin-
702 Arbeitswissenschaft

gehend kritisiert, dass der ganzheitliche Charakter der menschlichen Arbeit


– bestehend aus planenden, ausführenden, steuernden und kontrollierenden
Tätigkeiten – unberücksichtigt bleibe. Ebenso werden arbeitsphysiologische
Erkenntnisse zur einseitig dynamischen Muskelarbeit (LAURIG et al. 1974)
als Kritik an den Grundverfahren angeführt.
x Darüber hinaus werden zum Teil methodenspezifische Nachteile, die in der
Entwicklung eines Systems begründet liegen, angeführt. So sind bspw. bei
der Entwicklung des WF-Grundverfahrens Prozesse mit unterschiedlichem
Methodenniveau analysiert worden (SCHLAICH 1967).

7.3.10 Planzeitermittlung mittels Regressionsanalyse

7.3.10.1 DefinitionĆundĆArtenĆ
Werden Soll-Zeiten für einzelne, wiederkehrende Ablaufabschnitte zusammen-
gefasst und beschrieben, so werden diese aggregierten Zeitwerte als Planzeiten
bezeichnet (siehe Kap. 7.3.4). Planzeiten können mit Hilfe der Regressionsanaly-
se, die begrifflich auf das lateinische Wort „regressus“ (Rückkehr) zurückzuführen
ist, ermittelt werden. Die Regressionsanalyse ist eine Methode der induktiven
Statistik, mit welcher der funktionale Zusammenhang zwischen einer quantitati-
ven Zielgröße und einer oder mehrerer unabhängiger Einflussgrößen formelmäßig
beschrieben werden kann (FRICKE 2005). Im zeitwirtschaftlichen Kontext stellt
diese abhängige Zielgröße die Planzeit dar. Die auf diese Variable einwirkenden
Größen werden als Zeiteinflussgrößen bezeichnet (siehe Kap. 7.3.3). Nach der Art
der Einflussgrößen kann zwischen quantitativen und qualitativen Einflussgrößen
unterschieden werden. Die Ausprägungen quantitativer Einflussgrößen können
durch Messen oder Zählen bestimmt werden (FRICKE 2005).
Nach der Anzahl der in einer Analyse berücksichtigten Einflussgrößen wird
zwischen einer einfachen und einer mehrfachen Regression unterschieden
(HALLER-WEDEL 1973). Darüber hinaus kann nach der Art des funktionalen Zu-
sammenhangs zwischen einer linearen und einer nicht-linearen Regression diffe-
renziert werden. Den einfachsten Fall einer Regressionsrechnung stellt die einfa-
che, lineare Regression dar. Sie berücksichtigt eine Einflussgröße und geht davon
aus, dass sich Einflussgröße und Zielgröße proportional zueinander verändern. Bei
einer einfachen, nicht-linearen Regression werden die Werte der Einflussgröße
hingegen zunächst über Umkehrfunktionen (z.B. Potenzfunktion, Logarithmus-
funktion) so transformiert, dass eine lineare Regression durchgeführt werden
kann.

7.3.10.2 BedeutungĆ
Die Ermittlung von Planzeiten über eine Regressionsanalyse hat den Vorteil, dass
bei Änderungen der Arbeitsbedingungen die erforderlich werdenden Planzeiten-
anpassungen mit vergleichsweise geringen Aufwänden vorgenommen werden
Arbeitswirtschaft 703

können. Die Methode ist daher von praktischer Bedeutung und wird insbesondere
im industriellen Kontext für standardisierte Tätigkeiten angewendet. Sie bietet
aber auch erhebliche Potenziale für eine Anwendung in indirekten Bereichen und
Dienstleistungsunternehmen. Diese werden bisher aber nur ansatzweise genutzt.
Anwendung findet die mathematische Methode der Regressionsrechnung mitt-
lerweile in Bezug auf die Kostenschätzung von Konstruktionsprojekten (CHAN et
al. 2001; TROST u. OBERLENDER 2003; CHAN u. PARK 2005) sowie in Bezug auf
die Schätzung von Arbeitszeiten in komplexen Planungsprojekten (HINRICHSEN
et al. 2007; HINRICHSEN et al. 2008). Dabei werden für abgeschlossene Projekte
funktionale Zusammenhänge zwischen den Kosten- bzw. Zeiteinflussgrößen und
den Projektkosten bzw. Arbeitszeiten gebildet, so dass auf Basis der so ermittelten
Daten Kosten- bzw. Arbeitszeitschätzungen für geplante Projekte vorgenommen
werden können.

7.3.10.3 MathematischeĆGrundlagenĆ
Eine wichtige Grundlage der Regressionsrechnung bildet die mathematische Me-
thode der kleinsten Quadrate (HALLER-WEDEL 1973). Nach dieser Methode wird
eine Ausgleichsgerade derart durch die in einem Diagramm eingezeichneten
Messwerte gelegt, dass die Quadratsumme der Residuen, welche die senkrechten
Abweichungen der Messpunkte von der Ausgleichsgeraden darstellen, minimiert
wird. Diese Ausgleichsgerade spiegelt den Gesamttrend aller Messwerte am bes-
ten wider und wird als Regressionsgerade bezeichnet. Wird x als unabhängige
Einflussgröße und y als die von x abhängige Zielgröße bezeichnet, so nimmt die
Regressionsgerade die folgende allg. Form einer Geradengleichung an:
ˆ
y ( x ) aˆ  bx (7.24)
Dabei wird â als Regressionskonstante und b̂ als Regressionsfaktor bezeichnet
(HALLER-WEDEL 1973). Der Regressionsgeraden liegen jeweils n Werte xi für die
Einflussgröße und yi für die Zielgröße zugrunde. Zur Berechnung von Regressi-
onskonstante â und Regressionsfaktor b̂ werden die Gleichungen (7.25) und
(7.26) verwendet.
ˆ
â y  bx (7.25)
n

¦ (x y )  n x y
i i
bˆ i 1
n (7.26)
¦ x ²  n x²
i 1
i

Die über die Gleichungen (7.24), (7.25) und (7.26) ermittelte Regressionsgera-
de entspricht dem Prinzip der kleinsten Quadrate, lässt aber keine Aussage über
die Güte der Anpassung der Geraden an die Punktwolke zu. Um eine solche Aus-
sage vornehmen zu können, wird einerseits der Korrelationskoeffizient und ande-
rerseits das Bestimmtheitsmaß gebildet (FRICKE 2005).
704 Arbeitswissenschaft

Der Korrelationskoeffizient rxy, auch als Bravais-Pearson-Korrelationskoeffi-


zient bezeichnet, und das Bestimmtheitsmaß B werden wie folgt berechnet:
n

¦ ( x  x )( y
i 1
i i  y)
rxy (7.27)
n n

¦ ( xi  x )²
i 1
¦ ( yi  y )²
i 1

sT2  sREG
2
B (7.28)
sT2
In das Bestimmtheitsmaß B gehen die quadratischen Abweichungen vom Mit-
telwert sT² und die quadratischen Abweichungen von der Regressionsgeraden sREG
2

ein:
1 n
sT2 ¦ ( yi  y )²
n 1 i 1
(7.29)

1 n
2
sREG ¦ ( yi  yˆ ( xi ))²
n 1 i 1
(7.30)

Die Werte für den Korrelationskoeffizienten liegen jeweils zwischen -1 und +1.
Je weiter die Werte von der 0 entfernt liegen, desto besser passt sich die Regressi-
onsgerade an die Messwerte an. Da auch der Zusammenhang B = rxy² gilt, liegen
die Werte für B zwischen 0 und 1.
Darüber hinaus lässt sich das (1-D)-Konfidenzintervall für die gesamte Regres-
sionsfunktion unter Berücksichtigung der t-Verteilung mit Hilfe der Funktionen
für die untere Vertrauensschranke u(x) und die obere Vertrauensschranke o(x)
darstellen (HARTUNG et al. 1998). Diese Funktionen gelten für eine lineare Re-
gression:

ˆ t 1 ( x  x )²
u ( x) aˆ  bx n  2;1D / 2 ˜ sREG 
n n (7.31)
¦ ( xi  x )²
i 1

ˆ t 1 ( x  x )²
o( x ) aˆ  bx n  2;1D / 2 ˜ sREG  n
n (7.32)
¦ ( xi  x )²
i 1

Dabei kennzeichnet tn-2;1-Į/2 die entsprechenden Quantile der t-Verteilung mit


n-2 Freiheitsgraden. Zur Durchführung der nicht-linearen Regression sind die
Werte der Einflussgröße xi über mathematische Funktionen so zu transformieren,
dass Bestimmtheitsmaß und Korrelationskoeffizient möglichst groß sind. Nach
dieser Transformation ist wiederum eine lineare Regression vorzunehmen. Der
Graph der Regressionsfunktion kann als Gerade dargestellt werden, indem die
transformierten xi-Werte auf der Abszisse aufgetragen werden. Es ist aber auch
Arbeitswirtschaft 705

möglich, den nicht-linearen Kurvenverlauf abzubilden, indem einerseits die nicht-


transformierten xi-Werte auf der Abszisse und andererseits die auf Basis der trans-
formierten xi-Werte ermittelten Schätzwerte für y aufgetragen werden.
In der Praxis liegen in der Regel keine monokausalen Beziehungen vor, son-
dern die Zielgröße wird von zahlreichen Größen beeinflusst, so dass eine mehrfa-
che Regressionsanalyse durchzuführen ist. Eine Darstellung der mathematischen
Grundlagen zur mehrfachen Regressionsanalyse findet sich bspw. in BACKHAUS
et al. (2006). Darüber hinaus tritt in der Praxis vielfach das Problem auf, dass die
Einflussgrößen nicht nur mit der Zielgröße, sondern auch untereinander korrelie-
ren, so dass bei Anwendung einer mehrfachen Regressionsanalyse redundante
Modelle entstehen. Um dieses Problem der Multikollinearität zu lösen, wird die
Methode der schrittweisen, multiplen Regressionsanalyse angewendet (siehe
Kap. 7.3.10.5).

7.3.10.4 MethodeĆnachĆdemĆREFA-StandardprogrammĆ
Das REFA-Standardprogramm „Planzeitermittlung“ sieht sieben Schritte vor
(REFA 1997). Der erste Schritt beinhaltet die Festlegung des Verwendungszwecks
der Zeitdaten (siehe Kap. 7.3.2) und die Abgrenzung des Planzeitbereichs. Ein
Planzeitbereich stellt eine Zusammenfassung von Arbeitssystemen dar, deren
Arbeitsbedingungen und Arbeitsprozesse ähnlich sind. Der zweite Schritt sieht
eine Beschreibung der Arbeitssysteme im Planzeitbereich vor. Darüber hinaus soll
ausgehend von den Arbeitssystembeschreibungen überprüft werden, ob der Auf-
bau von Planzeiten zweckmäßig ist. Der dritte Schritt umfasst eine Gliederung der
Arbeitsabläufe in Ablaufabschnitte (siehe Kap. 7.3.3) sowie die Erfassung von
Bezugsmengen und Zeiteinflussgrößen (siehe Kap. 7.3.4). Der vierte Schritt sieht
die Planung und der fünfte Schritt die Durchführung von Zeitaufnahmen vor (sie-
he Kap. 7.3.6). In einem sechsten Schritt wird ermittelt, ob funktionale Zusam-
menhänge zwischen der Zeit und ihren Einflussgrößen vorliegen und sich diese
Zusammenhänge als Funktion darstellen lassen. REFA schlägt vor, zunächst die
Korrelation zwischen Zeit und Einflussgrößen zu ermitteln und im Falle eines
nicht „befriedigenden“ Korrelationsmaßes weitere Einflussgrößen heranzuziehen
und die geprüften Größen ggf. zu verwerfen (ebd. 1997). Alternativ zu den Schrit-
ten 4 bis 6 können Zeitdaten über Systeme vorbestimmter Zeiten, Vergleichen und
Schätzen oder über die Berechnung von Prozesszeiten ermittelt werden. In einem
siebten Schritt des REFA-Standardprogramms werden die Ergebnisse der Regres-
sionsrechnung grafisch, tabellarisch oder als Planzeitformel dargestellt.

7.3.10.5 MethodeĆzurĆErmittlungĆvonĆPlanzeitenĆfürĆkomplexeĆProjekteĆ
Die REFA-Methode Planzeitermittlung zielt in erster Linie auf die Ermittlung von
Planzeiten für Arbeitsabläufe ab, die in hohem Maße standardisiert sind. Auf die
Bestimmung von Planzeiten für schwach-strukturierte Tätigkeiten, wie sie in Pro-
jekten überwiegend auftreten, wird nicht eingegangen. Die Schätzung der Anzahl
der in einem Projekt voraussichtlich zu leistenden Arbeitsstunden wird in der
706 Arbeitswissenschaft

Praxis vielfach auf Basis einfacher Äquivalenzbetrachtungen vorgenommen. Die-


se erfahrungsbasierte Schätzung hat aber den Nachteil, dass sie in hohem Maße
mit Unsicherheit behaftet ist. Daher wurde von HINRICHSEN et al. (2007) eine
Methode entwickelt, mit der ein betriebsspezifisches Prognosemodell erstellt wer-
den kann, welches die wesentlichen, auf die Arbeitszeit wirkenden Einflussgrößen
beinhaltet und durch empirische Daten aus abgeschlossenen Projekten fundiert ist.
Die Methode zur Vorhersage der in einem Projekt voraussichtlich benötigten
Personalkapazitäten besteht gemäß Tabelle 7.11 aus elf Schritten (HINRICHSEN et
al. 2007). In Schritt 1 ist der Geltungsbereich des Planzeitsystems festzulegen,
indem bspw. der zu berücksichtigende Projekttyp und die interessierenden Pro-
jektleistungsphasen ausgewählt werden. Ferner wird in diesem Schritt die Mach-
barkeit der Prognosemodellentwicklung geklärt, indem die Verfügbarkeit von
Zeitdaten aus abgeschlossenen Projekten geprüft wird. In einem zweiten Schritt
werden Ursachen für unterschiedliche Arbeitsausführungszeiten in abgeschlosse-
nen Projekten bzw. Projektleistungsphasen identifiziert, d.h. es werden Zeitein-
flussgrößen, sog. Prädiktorvariablen, – z.B. über Interviews mit Experten – ermit-
telt. Wenn im Ergebnis von Schritt 2 eine große Anzahl von Einflussgrößen vor-
liegen sollte, kann es aus Gründen der Untersuchungsökonomie ratsam sein, eine
Vorauswahl von Einflussgrößen zu treffen (Schritt 3). Dazu kann die Methode des
Paarvergleichs (ROTH u. HOLLING 1999) bei einer Mehrzahl von Experten ange-
wendet werden. Im Ergebnis von Schritt 3 liegen Einflussgrößen vor, von denen
die Mehrzahl der Experten annimmt, dass sie sich auf die Arbeitsausführungszeit
in einem Projekt oder einer Projektleistungsphase deutlich auswirken. In Schritt 4
werden die vorselektierten Einflussgrößen operationalisiert, indem ggf. Indikato-
ren zur Messung einzelner Größen bestimmt und Messvorschriften – unter Beach-
tung des für die Korrelations- und Regressionsanalyse erforderlichen Skalenni-
veaus – für einzelne Größen bzw. Indikatoren formuliert werden. In Schritt 5 wird
kritisch hinterfragt, ob die Ausprägung der einzelnen Einflussgrößen bzw. Indika-
toren bereits vor Beginn eines Projekts bzw. einer Projektleistungsphase geschätzt
werden kann. Zudem wird geprüft, ob Daten aus abgeschlossenen Projekten zu
den Ausprägungen der Einflussgrößen vorliegen. Im Ergebnis des fünften Schritts
sind eine Mehrzahl von Einflussgrößen, die in die statistische Untersuchung ein-
gehen werden, ausgewählt worden. In einem sechsten Schritt wird die Grundge-
samtheit der auszuwertenden Projekte festgelegt, der optimale Stichprobenumfang
(BORTZ 1999) berechnet und die Datenermittlung durchgeführt. Bei der Festle-
gung der Grundgesamtheit sollte beachtet werden, dass sich im Zeitverlauf wich-
tige Rahmenbedingungen, die auf die Arbeitsproduktivität in Projekten wirken,
ändern (z.B. durch Einführung einer CAD-Software). Da die abgeschlossenen
Projekte die Basis für die Prognose der Arbeitsausführungszeit eines neuen Pro-
jekts bilden, sollten nur solche Projekte in die Grundgesamtheit aufgenommen
werden, die unter vergleichbaren Rahmenbedingungen durchgeführt wurden.
Entsprechend sind Kriterien aufzustellen, um die Grundgesamtheit zu bestimmen
(z.B. sind nur solche Projekte in die Grundgesamtheit aufzunehmen, die nach
Einführung der neuen Projektmanagementsoftware begonnen haben). Auf Grund-
Arbeitswirtschaft 707

lage der definierten Grundgesamtheit und der optimalen Stichprobengröße erfolgt


die Datenermittlung, d.h. zu abgeschlossenen Projekten bzw. Projektleistungspha-
sen werden jeweils die geleisteten Arbeitsstunden sowie die Ausprägung der aus-
gewählten Einflussgrößen ermittelt.
Tabelle 7.11: Schritte zur Prognosemodellentwicklung im Überblick (HINRICHSEN et al.
2007)

Schritt 1 Festlegen der Ziele und Klären der Machbarkeit


Identifikation möglicher Ursachen für unterschiedliche
Schritt 2
Arbeitsausführungszeiten in Projekten

Schritt 3 Vorauswahl der Zeiteinflussgrößen

Schritt 4 Operationalisierung der Zeiteinflussgrößen

Schritt 5 Auswahl der Zeiteinflussgrößen

Schritt 6 Stichprobenplanung und Datenermittlung


Auswertung der Daten über eine schrittweise multiple
Schritt 7
Regressionsanalyse

Schritt 8 Überprüfung des Modells über eine Kreuzvalidierung

Schritt 9 Anwendung des Prognosemodells

Schritt 10 Vergrößerung der Datenbasis zur Verbesserung der Modellvalidität

Schritt 11 Anpassen und Überprüfen des Prognosemodells

Schritt 7 hat die Auswertung der Daten zum Gegenstand. Dabei besteht gene-
rell das Problem, dass einzelne Prädiktorvariablen, die Zeiteinflussgrößen xi mit
i = 1,..., n, nicht nur mit der Kriteriumsvariable, der Arbeitsausführungszeit ta,
korrelieren, sondern auch untereinander, so dass sich in einem Satz von „k
Prädiktorvariablen eine Teilmenge von q Prädiktorvariablen befindet, deren Vor-
hersagepotenzial kaum über das Vorhersagepotenzial der k - q Prädiktorvariablen
hinausgeht und die damit redundant sind“ (BORTZ 1999). Dieses Problem der
Multikollinearität lässt sich über das statistische Verfahren der multiplen, schritt-
weisen Regressionsanalyse lösen, indem nicht signifikante Prädiktoren aus dem
Modell ausgeschlossen und stark interkorrelierende Prädiktoren weitgehend ver-
mieden werden. Im Ergebnis von Schritt 7 liegt eine Gleichung der nachfolgenden
Form vor, in der bˆi die geschätzten Regressionskoeffizienten und â eine Konstan-
te sind:
t aˆ  bˆ ˜ x  bˆ ˜ x  ...  bˆ ˜ x
a 1 1 2 2 n n (7.33)
708 Arbeitswissenschaft

Schritt 8 sieht eine Überprüfung des Prognosemodells über eine Kreuzvalidie-


rung vor, indem die in Schritt 7 gewonnene regressionsanalytische Lösung an
einer zweiten Stichprobe derselben Grundgesamtheit erprobt wird. Der neunte
Schritt beinhaltet die Anwendung des Prognosemodells. Der zehnte und elfte
Schritt haben die Weiterentwicklung des Modells zum Gegenstand.
Eine Fallstudie zur Anwendung und weiteren Erläuterungen der Methode findet
sich in HINRICHSEN et al. (2007).

7.3.10.6 Vor-ĆundĆNachteileĆ
Mit der Entwicklung von Planzeiten mittels einer Regressionsanalyse gehen eine
Reihe von Vor- und Nachteilen einher. Folgende Vorteile dieser Methode der
Zeitdatenermittlung lassen sich anführen:
x Die Entwicklung von Planzeiten über eine Regressionsanalyse hat gegenüber
den Systemen vorbestimmter Zeiten den Vorteil, dass, auf den konkreten
Anwendungsfall bezogen, Aussagen zur Datenqualität bzw. zu Fehlergrößen
gemacht werden können.
x Im Vergleich zu Systemen vorbestimmter Zeiten, deren Anwendung auf
vorwiegend manuelle Tätigkeiten beschränkt ist, lässt sich die Regressions-
analyse, wie gezeigt wurde, prinzipiell auch für schwach strukturierte Ar-
beitsprozesse (z.B. in der Projektarbeit) anwenden.
Den dargestellten Vorteilen stehen vor allem folgende Nachteile gegenüber:
x Im Vergleich zu Systemen vorbestimmter Zeiten kann die Ermittlung von
Planzeiten für manuelle Tätigkeiten mittels Regressionsrechnung mit höhe-
ren Zeitaufwänden verbunden sein.
x Über eine Regressionsrechnung erstellte Planzeiten können zwar mit gerin-
gen Aufwänden an neue Arbeitsbedingungen angepasst werden. Im Unter-
schied zu den Systemen vorbestimmter Zeiten ist es aber nicht möglich, mit-
tels der Methode Planzeiten für in der Neuplanung befindliche Arbeitssyste-
me zu entwickeln, da keine Zeitaufnahmen durchgeführt werden können.
x Die Anwendung der Methode erfordert statistische Kenntnisse, so dass ihre
Einführung in einem Betrieb möglicherweise mit einem Qualifizierungsauf-
wand verbunden ist.
Arbeitswirtschaft 709

7.4 Literatur

Aft LS (2001) Measurement of Work. In: Zandin KB (Hrsg) Maynard´s Industrial Engi-
neering Handbook. 5. Aufl. McGraw-Hill, New York, S 5.3-5.22
Albrecht MA (2005) Personalbemessung im Dienstleistungsbereich - Kreditwerk über-
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Backhaus K, Erichson B, Plinke W, Weiber R (2006) Multivariate Analysemethoden - Eine
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Bamberg G, Baur F Statistik (1996) 9. Aufl. Oldenbourg, München Wien
Barnes RM (1957) Work Sampling. 2. Aufl. John Wiley & Sons, New York
Baszenski N (2003) Rationalisieren - aber wie? Eine Methodensammlung zur Unterneh-
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dert worden ist
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) (2008) Deutscher Taschenbuch Verlag, München
DIN EN ISO 6385 (2004) Grundsätze der Ergonomie für die Gestaltung von Arbeitssyste-
men. Beuth, Berlin
8 Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung

8.1 Arbeitsschutz

Arbeitsschutz betrifft Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit und umfasst alle
Maßnahmen zur Verhütung von Unfällen und von arbeitsbedingten Gesundheits-
gefahren einschließlich Maßnahmen der menschengerechten Gestaltung der Ar-
beit.

8.1.1 Historische Entwicklung des Arbeitsschutzsystems


Eine explizite Arbeitsschutzregelung findet sich bereits in der Bibel (5. Buch
Moses, 22,8): „Baust du ein neues Haus, so bringe an deinem Dach eine Brüstung
an. Du würdest Blutschuld auf dein Haus laden, wenn jemand hinunter fällt.“
Auch im Codex Hammurabi (1728 -1686 v. Chr., König von Babylon), einer
der ältesten Gesetzessammlungen der Welt, finden sich Strafen bei Unfällen durch
Fremdverschulden nach dem Prinzip Auge um Auge.
Macht man einen Zeitsprung, so stellt sich zu Beginn der industriellen Revolu-
tion die Lage der Arbeiter wie folgt dar: Eine Arbeitsschutz- und Sozialgesetz-
gebung gab es nicht, und damit auch keine Begrenzung der Arbeitszeit. Die tägli-
che Arbeitszeit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts betrug 11 bis 12 Stunden,
im Extrem sogar bis zu 17 Stunden für Erwachsene. Kinder mussten täglich 6 bis
14 Stunden arbeiten (PETERS u. MEYNA 1985, DEPPE et al. 1978).
Durch den mangelnden Unfallschutz und die extrem schlechten Arbeitsbedin-
gungen muss davon ausgegangen werden, dass jedes Jahr einer von tausend männ-
lichen Fabrikarbeitern einen tödlichen Arbeitsunfall erlitt (PETERS u. MEYNA
1985). Heute verunglückt pro Jahr einer von ca. 50000 Beschäftigten tödlich
(HVBG 2007).
Eine erste Arbeitsschutzregelung wurde in Preußen 1839 getroffen. Preußi-
schen Generälen war aufgefallen, „dass immer mehr junge Männer aus Industrie-
gebieten durch die medizinischen Musterungskommissionen ausgemustert wurden
aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen, die infolge zu schwerer Arbeit und
zu negativer Arbeitsbedingungen während der Kindheit aufgetreten waren“
(LUCZAK u. ROHMERT 1984). Daraufhin wurde das Preußische Regulativ über die
Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in Fabriken und Bergwerken erlassen:
„Kinder sollen künftig in Fabriken und Bergwerken nur dann regelmäßig be-
schäftigt werden, wenn sie das reife Alter von neun Jahren erreicht haben; Nacht-
arbeit, Sonntags- und Feiertagsarbeit sind verboten. Bis zum Alter von 16 Jahren
ist der Arbeitstag auf zehn Stunden begrenzt; jedoch liegt es in der Hand der
Ortspolizei, für jeweils vier Wochen eine Verlängerung des Arbeitstages um eine
Stunde zu gestatten“ (KUCZYNSKI 1961).
714 Arbeitswissenschaft

1853 wurde die Kinderschutzgesetzgebung in Preußen reformiert:


x Kinder unter zwölf Jahren sollten nicht mehr regelmäßig in Fabriken arbeiten
x die 12- bis 14-jährigen nur noch bis zu sechs Stunden pro Tag
x die 14- bis 16-jährigen nur zehn Stunden pro Tag
x Nachtarbeit war verboten.
Zugleich wurde die Kontrolle über die Einhaltung der Kinderschutzbestim-
mungen verbessert. 1861 wurde in Sachsen ebenfalls ein Kinderschutzgesetz er-
lassen. 1854 wurden, nach englischem Vorbild und zunächst nur auf fakultativer
Grundlage, Fabrikinspektionen eingerichtet. Die sehr ausführlichen „Instruktio-
nen“ der Fabrikinspektoren enthalten einige Anweisungen zum technischen Ar-
beitsschutz der Kinder und Jugendlichen. Bewegte Maschinenteile und Transmis-
sionen sollten, soweit sie in Reichweite der Kinder und Jugendlichen liegen, und
„soweit es sich thun läßt, bedeckt oder verwahrt werden“ (KUCZYNSKI 1962;
PETERS u. MEYNA 1985).
Die Verpflichtung zu sicherheitstechnischen Maßnahmen wurde erstmalig 1869
in der Gewerbeordnung (GewO 1869) des Norddeutschen Bundes verbindlich vor-
geschrieben. Der Unternehmer wurde durch eine sicherheitstechnische General-
klausel verpflichtet, Einrichtungen zu schaffen, die „zur tunlichsten Sicherung der
Arbeiter gegen Gefahr für Leben und Gesundheit notwendig sind“. Ab 1878 galt
die Gewerbeordnung in allen deutschen Staaten mit einer Festlegung über Fabrik-
inspektoren, die die Einhaltung arbeitsrechtlicher Vorschriften zu überwachen
hatten. Die Gewerbeordnung gilt noch heute, die Arbeitsschutzvorschriften sind
heute wesentlich erweitert und in eigenständigen rechtlichen Vorschriften festge-
legt.
Eine besondere Haftpflicht des Unternehmers gegenüber seinen Beschäftigten
bestand im 19. Jahrhundert zunächst nicht. Bei Betriebsunfällen musste der Ge-
schädigte ein Verschulden des Unternehmers nachweisen, was in der Praxis kaum
möglich war. Das reichseinheitliche Haftpflichtgesetz von 1871 machte zwar den
Unternehmer auch für die Fehlhandlungen seiner Führungskräfte verantwortlich,
beließ es aber ansonsten bei der Beweislast des Geschädigten. Das heißt, der Ge-
schädigte musste vor Gericht ein ursächliches Verschulden des Verantwortlichen
und einen Verstoß gegen die sicherheitstechnische Generalklausel der Gewerbe-
ordnung nachweisen. In seiner praktischen Auswirkung blieb das Haftpflichtge-
setz jedoch unzureichend.
Spezielle Haftpflicht-Versicherungsgesellschaften, bei denen die Unternehmer
sich rückversicherten, wurden gegründet. Zahlreiche, für beide Seiten unbefriedi-
gende Prozesse belasteten zunehmend die Beziehungen zwischen Arbeitgebern
und Arbeitnehmern.
Auch die „bürgerliche Nationalökonomie“, vor allem der 1873 gegründete und
bald sehr einflussreiche „Verein für Socialpolitik“, nahm sich der Sache an. Re-
gierungen, Arbeitgeber und Intellektuelle waren sich einig, dass die Industriege-
sellschaft neue Formen der sozialen Absicherung entwickeln müsse. Das später in
Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung 715

die Reichsversicherungsordnung eingeflossene Unfallversicherungsgesetz von


1884 stellt das Ergebnis eines mehrjährigen politischen Diskussionsprozesses dar.
Träger der Versicherung wurden die zunächst nach Industrie- oder Gewerbe-
zweig gegliederten Berufsgenossenschaften unter Oberaufsicht eines Reichsversi-
cherungsamtes. Mitglieder der Berufsgenossenschaften sind die Unternehmer
bzw. die Betriebe, die auch die Mittel für die zu leistenden Entschädigungen und
die Verwaltungskosten ihrer Berufsgenossenschaften aufzubringen haben. Den
Berufsgenossenschaften wird die Befugnis zum Erlass von Vorschriften über „von
den Mitgliedern zur Verhütung von Unfällen in ihren Betrieben zu treffende Ein-
richtungen“ sowie „über das in den Betrieben von den Versicherten zur Verhütung
von Unfällen zu beachtende Verhalten“ eingeräumt. Sie erhalten ferner die Befug-
nis, die Einhaltung dieser Vorschriften in den Betrieben zu überwachen (PETERS
u. MEYNA 1985).
In den folgenden Jahren wurde vor allem Erfahrungswissen über die negativen
Auswirkungen der Arbeit auf die Gesundheit der Beschäftigten mittels Gesetzen
umgesetzt.
Das nach mehr als zwanzigjährigen Vorarbeiten am 1.1.1900 in Kraft getretene
Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) behandelte in den §§611-630 (von insgesamt 2385
Paragraphen) den „Dienstvertrag“. Wobei unter „Dienstvertrag“ in erster Linie die
Rechtsbeziehungen zwischen einem Bürger und dem für ihn in Selbständigkeit
Tätigen gemeint ist. Auf den weitaus häufigeren Arbeitsvertrag finden die ent-
sprechenden Paragraphen nur analoge Anwendung. Der erst im Reichstag hinzu-
gefügte §618 bestimmt die Fürsorgepflicht des „Dienstberechtigten“ (Arbeitge-
bers) und enthält Regelungen zum Gesundheits- und Sittlichkeitsschutz des
„Dienstverpflichteten“ (Arbeitnehmers) (KITTNER 1992).
Die am 1.1.1912 in Kraft getretene Reichsversicherungsordnung (RVO) ent-
hielt Regelungen zur Unfallverhütung, zur Ersten Hilfe und zur Medizinischen
Betreuung. Die RVO stellte eine Zusammenfassung der Gesetze über die Kran-
ken-, Unfall-, Alters- und Invaliditätsversicherung dar. Diese Gesetze gehen zu-
rück auf die von Bismarck veranlasste „Kaiserliche Botschaft von 1881“ über die
Einführung der Sozialversicherung. Ihr Ziel war es, der organisierten Arbeiterbe-
wegung und deren Selbsthilfeeinrichtungen durch die „positive Förderung des
Wohles der Arbeiter“ die Unterstützung der Mitglieder zu entziehen, wodurch sie
jedoch auch die Stärke der Bewegung dokumentieren (KITTNER 1992). Mit der
Verabschiedung des Sozialgesetzbuches (SGB) 1996 wurden die bis dahin in der
RVO geregelten Belange weitestgehend in das SGB VII übertragen.
Schon seit Beginn der Industrialisierung waren Dauer und Verteilung der Ar-
beitszeit ein zentraler Aspekt des gewerkschaftlichen Bemühens. In zahlreichen
Statuten und Kongressbeschlüssen deutscher Gewerkschaften gegen Ende des 19.
Jahrhunderts heißt es, dass Arbeitsniederlegungen, deren Zweck die Verkürzung
der Arbeitszeit ist, den Vorrang vor anderen zu erhalten habe. Die bedeutendsten
deutschen Arbeitskämpfe jener Zeit galten in erster Linie einer Verkürzung der
Arbeitszeit.
716 Arbeitswissenschaft

Im Statut des Deutschen Metallarbeiterverbandes von 1891 wird sogar der Ver-
bandszweck durch folgenden, an erster Stelle stehenden Passus konkretisiert:
„Möglichste Beschränkung der Arbeitszeit, Beseitigung der Sonntagsarbeit, der
Überstunden und der Akkordarbeit, unter Zugrundelegung eines Lohnes, welcher
für die Befriedigung der Bedürfnisse der Arbeiter und deren Familien ausreichend
ist“.
Während des Kaiserreichs wurden auf Drängen der Sozialdemokraten nach und
nach für einzelne Beschäftigungsgruppen Arbeitszeitbegrenzungen eingeführt,
bevor dann 1918/19 der Achtstundentag durch die Demobilisierungsverordnung
für alle Beschäftigten festgelegt wurde.
In der Wirtschaftskrise des Jahres 1923 wurde dieser Grundsatz durch die Zu-
lassung zahlreicher Ausnahmen so durchlöchert, dass bald der Achtstundentag die
Ausnahme und der Zehnstundentag die Regel wurde (KITTNER 1992).
1934 hatte das nationalsozialistische Regime die vorgefundenen Bestimmungen
über die werktägliche Arbeitszeit der männlichen, weiblichen und jugendlichen
Arbeiter in einer Arbeitszeitordnung (AZO) zusammengefasst und damit alle Mit-
wirkungsrechte der Betriebsvertretungen beseitigt.
Die AZO von 1938 brachte demgegenüber keine wesentlichen inhaltlichen Ver-
änderungen. Nachdem die meisten der Arbeitszeit-Schutzvorschriften im 2. Welt-
krieg außer Kraft gesetzt worden waren, wurde der Vorkriegszustand auf Anord-
nung der Besatzungsmächte wieder hergestellt (KITTNER 1992).
Ebenfalls 1938 wurde ein Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) in Kraft gesetzt,
im darauffolgenden Jahr das Heimarbeitergesetz (HAG).
Die erste gesetzliche Regelung des Mutterschutzes brachte die Novelle zur
Gewerbeordnung von 1878, auf welcher aufbauend noch im Kaiserreich zahlrei-
che weitere Vorschriften erlassen wurden.
Es folgte 1927 das Gesetz über die Beschäftigung vor und nach der Niederkunft
und das unter dem Nationalsozialismus mitten im Krieg erlassene Gesetz zum
Schutz der erwerbstätigen Frau (Mutterschutzgesetz MuSchG) von 1942. Dieses
Gesetz, das wegen des wachsenden Bedarfs an Frauen für die Kriegswirtschaft
notwendig wurde, hatte das Ziel, „die im Erwerbsleben stehende Frau vor Gefah-
ren für ihre Mutterschaftsleistung zu schützen, einen ungestörten Schwanger-
schafts- und Geburtenverlauf sicherzustellen sowie Stillen und Pflegen des Kindes
zu gewährleisten“ (amtl. Begründung) (KITTNER 1992). Es beinhaltete Beschäfti-
gungsverbote und Beschränkungen bei besonderen Arbeitsformen und Umge-
bungsbedingungen.
1994 trat das neue Arbeitszeitgesetz (ArbZG) in Kraft. Mit diesem Gesetz wurden
die Arbeitszeitordnung aus dem Jahr 1938, die Vorschriften zur Sonn- und Feier-
tagsbeschäftigung in der Gewerbeordnung sowie weitere 26 Nebengesetze aufge-
hoben. Der Bedarf für ein neues Arbeitszeitgesetz entstand aus dem im Eini-
gungsvertrag festgelegten Auftrag, das öffentlich-rechtliche Arbeitszeitrecht mög-
lichst bald einheitlich zu regeln. Im §1 ArbZG wird der Zweck des Gesetzes, „die
Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestal-
tung zu gewährleisten, die Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten zu ver-
Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung 717

bessern sowie den Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der
Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung der Arbeitnehmer zu schützen“ (RING u.
TITZE 1997).
Die Zweckbestimmung bedeutet zugleich eine Absage an Versuche, das Ar-
beitszeitrecht für arbeitsmarktpolitische Ziele einzusetzen (DOBBERAHN 1994).
Auf der Basis der zentralen EU-Vorschrift zum Arbeits- und Gesundheitsschutz
(89/391/EWG, siehe Abb. 8.1) wurde 1996 das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)
verabschiedet. Das ArbSchG legt sowohl die Pflichten der Arbeitgeber (§3
ArbSchG) als auch die der Arbeitnehmer (§15 ArbSchG) bezüglich der Arbeitssi-
cherheit fest.

Vertrag von Nizza mit den Artikeln


100a (neu 95) und 118a (neu 137)

z.B. Maschinen-Richtlinie Rahmen-Richtlinie


2006/42/EG (98/37/EG) 89/391/EWG

• Wendet sich an Arbeitgeber


• Wendet sich ausschließlich an und Arbeitnehmer
den Konstrukteur / Hersteller • Definiert ergonomische
von Maschinen Mindest-anforderungen
• Führt zu gleichen Regelungen • Kann zu unterschiedlichen
in allen Mitgliedstaaten Regelungen in den
Mitgliedstaaten führen

Abb. 8.1: Umsetzung der EU-Richtlinien

Der Arbeitgeber wird verpflichtet, eine Arbeitsplatzanalyse durchzuführen.


Diese Analyse kann mit Hilfe von Checklisten erfolgen. Der REFA-Fachverband
bietet eine eigens entwickelte Software, die sich aus vier Modulen, der Allgemei-
nen Gefährdungsanalyse (§5 ArbSchG), Persönlichen Schutzausrüstung (PSA-BV),
Lastenhandhabung (LastenhandhabV) und Bildschirmarbeit (BildschArbV) zusam-
mensetzt, an, um den „EU-Check“ durchzuführen. Dabei sollen Gefahren für die
Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer beurteilt werden, um anschließend
Arbeitsplatzgestaltungsmaßnahmen umzusetzen, die diese ausschließen. Für den
Arbeitgeber besteht die Pflicht, die Ergebnisse dieser Analyse sowie deren Beur-
teilung und die Gestaltungsmaßnahmen zu dokumentieren und die Beschäftigten
auf ihr Recht auf ärztliche Untersuchung hinzuweisen.
Die Arbeitnehmer werden durch das ArbSchG verpflichtet, die entsprechenden
Anweisungen des Arbeitgebers zu befolgen und Arbeits- bzw. Betriebsmittel,
gefährliche Stoffe und persönliche Schutzausrüstung in richtiger Weise zu benut-
718 Arbeitswissenschaft

zen sowie jede von ihnen festgestellte Gefahr zu melden und mit dem Arbeitgeber
im Interesse der Sicherheit zusammenzuarbeiten.
Eine Übersicht der Struktur des technischen Arbeitsschutzes ist in Abb. 8.2
wiedergegeben. Im Bereich der präventiven Gesundheitsfürsorge hat sich eine
Veränderung der Aufgaben der gesetzlichen Krankenkassen seit 1997 durch das
Gesetz zur Entlastung der Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung
(BeitrEntlG) ergeben. Die Krankenkassen konnten vor 1997 aktiv die Verhütung
arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren in den Betrieben gestalten. Praktisch wur-
den z.B. Gesundheitszirkel und Bewegungsschulungen direkt in den Unternehmen
angeboten, die arbeitsbedingten Erkrankungen vorbeugen sollten. Mit der Ände-
rung des §20 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ist die Arbeit der Krankenkas-
sen darauf beschränkt, bei der Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren
mit den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung zusammenzuarbeiten und
diese über die Erkenntnisse, die sie über Zusammenhänge zwischen Erkrankungen
und Arbeitsbedingungen gewonnen haben, zu informieren. Weitere Maßnahmen
zur Prävention arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren werden von den zuständigen
Berufsgenossenschaften durchgeführt. Hierzu zählen die Schulung der Beschäftig-
ten, sowie die Durchführung von Aufklärungskampagnen über Gesundheitsge-
fährdungen.
Den gesetzlichen Krankenkassen verbleibt die Möglichkeit, bei einigen be-
stimmten Krankheiten den präventiven Gesundheitsschutz und die Rehabilitation
finanziell zu unterstützen. Die Spitzenverbände der Krankenkassen beschließen im
Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung gemeinsam und einheitlich ein
Verzeichnis der Krankheitsbilder, bei deren Prävention oder Rehabilitation eine
Förderung zulässig ist; sie haben dabei die Kassenärztliche Bundesvereinigung zu
beteiligen (BeitrEntlG §20 Abs. 3).

8.1.2 Institutionen des Arbeitsschutzes und deren Leistungen

8.1.2.1 BundesanstaltĆfürĆArbeitsschutzĆundĆArbeitsmedizinĆ
Im Jahr 1996 entstand aus der Fusion der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und der
Bundesanstalt für Arbeitsmedizin die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Ar-
beitsmedizin (BAuA). Sie ist eine unmittelbar dem Bundesminister für Arbeit und
Soziales unterstehende Anstalt des öffentlichen Rechts. Die BAuA unterstützt das
Bundesministerium für Arbeit und Soziales in allen Fragen des Arbeitsschutzes,
einschließlich des medizinischen Arbeitsschutzes. Dabei arbeitet sie
x mit den für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden der Länder,
x mit den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung sowie
x mit allen nationalen und internationalen Institutionen und Personen, die mit
der Aufgabe der Arbeitssicherheit, der Arbeitsmedizin, der Ermittlung und
Verhinderung von arbeitsbedingten Erkrankungen und der menschgerechten
Gestaltung der Arbeitsbedingungen befasst sind, eng zusammen.
Personenbezogener Arbeitsschutz
System des
Vorschriften- Technischer Arbeitsschutz
werkes des
technischen Innerbetrieblicher Schutz
Arbeitsschutzes
Nach außen gewandter Schutz

0. Ebene Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (Unversehrtheit, Gleichheit, Persönlichkeitsentfaltung, …)

1. Ebene
Satzungsrecht der
Gesetze mit Berufs-
Generalklauseln ASiG ArbSchG GewO ChemG GPSG Geräte- und genossenschaften
und allgemeinen Arbeitssicher- Arbeitsschutzgesetz Gewerbeordnung Chemikalien- Produktsicherheitsgesetz SGB VII
Anspruchs- heitsgesetz gesetz Sozialgesetzbuch
Grundlagen

2. Ebene
Rechts- Konkretisiert Pers. DruckluftVO, GefStoffV Verordnung Verordnung
verordnungen durch UVV Schutzausrüstungs- Arbeitsschutzan- Gefahrstoff- über zum
und UVV Unfall- benutzungsVO, forderungsVO, verordnung überwachungs Inverkehr-
verhütungs- Lasthandhabungs- bei Arbeiten im (nach§ 3a bedürftige bringen von UVV
vorschriften benutzungsVO, Freien ChemG) Anlagen (nach Geräten und Unfallverhütungs-
(über § 1 Arbeitsmittel- § 11 GPSG) Anlagen (nach vorschriften (gemäß
ASiG) benutzungsVO, § 11 GPSG) §21 SGB VII)
BildschirmarbeitsVO ArbstättV
Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung

Arbeitsstätten- Allgemeine Allgemeine


verordnung Verwaltungs- Verwaltungs-
(nach BGBI. I Nr. vorschriften vorschriften
44) incl. Teil A
und B Durchführungs-
anweisungen der
3. Ebene UVV
Allgemeine Gesicherte Technische Regeln Technische Techn. Inhalt der
Verwaltungs- Erkenntnisse für Arbeitsstätten Regeln Regeln Verzeichnisse A
vorschriften, über § 1 Nr. 2 TRGS TRD und B
Richtlinien und ASiG MAK TRG A: DIN, VDE,
technische TRK TRA DVGW, VDI
Regeln. Gesicherte TRAC B: UVV, Richtlinien,
Gesicherte Erkenntnisse TRbF Durchführungs- Sicherheitstechnik,
Erkenntnisse der über regeln der UVV, Regeln, Grundsätze

Referat für Rechtsfragen des Arbeitsschutzes im August 1997, aktualisiert 2009)


Arbeitswissen- GefStoffG Richtlinien, Regeln und Merkblätter
schaft und der
anderer Sicherheitstechnik Gesicherte
Disziplinen Erkenntnisse über
Weitere Vorschriften zum technischen Arbeitsschutz sind auch enthalten in: BGV A1
Bundes-ImmissionsschutzG, AtomG, BergG, GentechnikG, MedizinprodukteG

Abb. 8.2: Struktur des technischen Arbeitsschutzes (in Anlehnung an Auskunft des BMAS
719
720 Arbeitswissenschaft

Die BAuA beobachtet und analysiert die Gesundheitssituation und die Arbeits-
bedingungen in Betrieben und Verwaltungen. Sie entwickelt Problemlösungen
unter Anwendung sicherheitstechnischer, ergonomischer und sonstiger arbeitswis-
senschaftlicher Erkenntnisse. Die BAuA leitet aus den Ergebnissen dieser Arbeit
Beiträge für die präventive Gestaltung von Arbeitsbedingungen, für die Be-
kämpfung arbeitsbedingter Erkrankungen einschließlich Berufskrankheiten und
für die arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen ab. Aufgabe der BAuA ist
die Anwendung der gewonnen Erkenntnisse, Grundsätze und Lösungsvorschläge
in der Praxis zu fördern. Dies wird erreicht durch:
x Veröffentlichung von Informationsmaterialien und Berichten,
x Mitarbeit bei der Regelsetzung,
x Entwicklung von Aus- und Fortbildungsmaterialien, modellhafte Durchfüh-
rung von Aus- und Fortbildungsveranstaltungen für Fachkräfte für Ar-
beitssicherheit sowie von Fortbildungsmaterialien für die modellhafte Durch-
führung von Fortbildungsmaßnahmen für Betriebsärzte und arbeitsmedizini-
sches Fachpersonal,
x modellhafte Beratung,
x Ausstellungen, insbesondere die Deutsche Arbeitsschutzausstellung (DASA),
x Fachveranstaltungen.
Die BAuA unterhält für ihre Aufgaben Laboratorien, eine öffentliche Fachbib-
liothek sowie Dokumentationseinrichtungen.

8.1.2.2 GewerbeaufsichtĆ
Die Gewerbeaufsicht ist die zweite wichtige Institution des außerbetrieblichen
Arbeitsschutzes. Neben dem technischen Arbeitsschutz ist die Gewerbeaufsicht
auch für den sozialen Arbeitsschutz zuständig. Grundlage für das Wirken der
Gewerbeaufsicht ist das Arbeitsschutzgesetz. Neben den Vorschriften des Arbeits-
schutzgesetzes bzw. (noch) einigen geltenden Vorschriften der Gewerbeordnung
werden u.a. auch die Vorschriften des Geräte- und Produktsicherheitsgesetzes
(GPSG), der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und des Ladenschlussgesetzes
(LadschlG) überwacht.
Die mit der Überwachung betrauten Gewerbeaufsichtsbeamten und Gewerbe-
ärzte haben alle amtlichen Befugnisse der Ortspolizeibehörde, insbesondere das
Recht zur jederzeitigen Besichtigung und Prüfung der Anlagen eines Unterneh-
mens (§139b GewO). Zuständigkeitsregelungen, Organisation und Tätigkeit der
Gewerbeaufsicht fallen in die Kompetenz der Länder, wobei der Verwaltungsauf-
bau der Gewerbeaufsicht in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich ist. Im
Gegensatz zu den früheren Ämtern für Arbeitsschutz sind viele Gewerbeaufsich-
ten heute in andere Behörden integriert.
Die der Gewerbeaufsicht zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel zur
Durchsetzung von Anforderungen auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes sind
x Revisions- und Besichtigungsschreiben,
Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung 721

x Anordnungen und
x Zwangsmaßnahmen.
Am häufigsten folgt auf eine Betriebsbesichtigung das Revisions- oder Besich-
tigungsschreiben, das eine Niederschrift über die Betriebsbesichtigung ist. Es
enthält, rechtlich noch unverbindlich, die Bezeichnung der vom Unternehmer zu
ergreifenden Arbeitsschutzmaßnahmen, verbunden mit dem Ersuchen, diese in-
nerhalb einer bestimmten Frist durchzuführen. Erst wenn der Unternehmer diese
Frist und eine evtl. Nachfrist ungenutzt verstreichen lässt, ergeht eine Anordnung.
Dieses Vorgehen ist nur möglich, solange von den im Betrieb festgestellten
Mängeln keine unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit der Beschäftigten
ausgeht. Ist dies jedoch der Fall, kann durch den Gewerbeaufsichtsbeamten sogar
eine Sofortmaßnahme zur Einstellung einer Tätigkeit oder Stilllegung eines Ar-
beitsplatzes angeordnet werden.

8.1.2.3 BerufsgenossenschaftenĆ
Die Berufsgenossenschaften stellen als gesetzliche Unfallversicherung, neben der
Gewerbeaufsicht, die wichtigste außerbetriebliche Institution des Arbeitsschutzes
dar. Die ihnen in §1 SGB VII zugewiesenen Aufgabengebiete sind Prävention,
Rehabilitation und Entschädigung. §14 SGB VII verpflichtet die Berufsgenossen-
schaften „mit allen geeigneten Mitteln“ für die Verhütung von Arbeitsunfällen und
eine wirksame Erste Hilfe zu sorgen. In diesem Aufgabengebiet arbeiten die Un-
fallversicherungsträger mit den Krankenkassen zusammen. Das wesentliche Mittel
zur Verminderung von Unfallgefahren ist der Erlass der berufsgenossenschaftli-
chen Unfallverhütungsvorschriften (UVV).
Es gibt in der Bundesrepublik zurzeit 23 gewerbliche Berufsgenossenschaften
und 31 Unfallkassen der öffentlichen Hand, zusammengeschlossen in der Deut-
schen Gesetzlichen Unfallversicherung. Ein Entwurf der Bundesregierung für ein
Reformgesetz sieht Folgendes vor: Bis 2012 soll die Zahl der Berufsgenossen-
schaften auf neun sinken, die Zahl der Unfallkassen auf einen Träger pro Bundes-
land und einen bundesunmittelbaren Träger. Die grundlegenden Organisations-
prinzipien – Branchengliederung im gewerblichen Bereich, regionale Gliederung
im öffentlichen Bereich – bleiben dabei erhalten.
Zum Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften gehört das Be-
rufsgenossenschaftliche Institut für Arbeitsschutz (BGIA), welches sich mit den
Sachgebieten Forschung, Untersuchung, Entwicklung, betriebliche Messungen
und Beratungen, Prüfung und Zertifizierung, Mitwirkung in der Normung sowie
Bereitstellung von Fachinformationen auseinandersetzt (BGIA 2006).
Im Jahre 2006 waren bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften ca. 3 Mio.
Unternehmen versichert mit einem Umlagesoll von ca. 9 Mrd. Euro.
Die seit 1977 gültigen Berufsgenossenschaftlichen Unfallverhütungsvorschrif-
ten und Merkblätter VBG und ZH1 wurden im Zuge der europäischen Harmoni-
sierung überarbeitet und neu bewertet. Eine Übersicht über die aktuellen Berufs-
genossenschaftlichen Vorschriften, Regeln, Informationen und Grundsätze sowie
722 Arbeitswissenschaft

dem BGVR-Verzeichnis findet sich in Tabelle 8.1. Anstehende gesetzliche Ergän-


zungen können beim BMJ eingesehen werden.

8.1.2.4 InnerbetrieblicheĆAkteureĆdesĆArbeitsschutzesĆ
Der „Unternehmer“ ist für den Arbeitsschutz im Unternehmen verantwortlich (u.a.
§618 BGB, §§3 bis 14 ArbSchG, §62 Handelsgesetzbuch (HGB), §120 b GewO, §21 SGB
VII, §2 BGV A1). Er hat die notwendigen Grundsatzentscheidungen zur Herstel-
lung der Arbeitssicherheit und Durchführung der Unfallverhütung zu treffen, die
Aufbau- und Ablauforganisation des Unternehmens entsprechend zu gestalten und
die zur Durchführung von Maßnahmen erforderlichen Finanzmittel zur Verfügung
zu stellen. Um seine Aufgaben angemessen zu erfüllen, kann der Arbeitgeber
„zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit beauftragen, ihm oblie-
gende Aufgaben nach diesem Gesetz in eigener Verantwortung wahrzunehmen“
(§13 Abs. 2 ArbSchG). Neben dem Unternehmer sind auch die Arbeitnehmer für
den Arbeitsschutz und die Arbeitssicherheit an ihrem Arbeitsplatz und ihr eigenes
sicherheitsgerechtes Verhalten verantwortlich (§15 ArbSchG).
Die in §1 ASiG angesprochenen Ziele, also die sachverständige Anwendung der
Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften, die sachverständige Anwendung
arbeitsmedizinischer und arbeitstechnischer Erkenntnisse und der effiziente Ein-
satz der vorhandenen Mittel im Interesse des Arbeitsschutzes und der Unfallverhü-
tung sind in enger Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat zu verwirklichen. So
muss z.B. der Betriebsrat bei der Einstellung von Betriebsärzten und Fachkräften
gehört werden (§9 ASiG). Aus dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) bzw. dem
Personalvertretungsgesetz (PersVG) für den Bereich des öffentlichen Dienstes
ergibt sich die Verpflichtung des Betriebsrates bzw. Personalrates (§§80, 87, 89
BetrVG und §§68, 75, 81 PersVG)
x über die Einhaltung der zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze,
Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebs-
vereinbarungen zu wachen,
x über Regelungen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten
sowie über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen und
x bei der Bekämpfung von Unfall- und Gesundheitsgefahren die zuständigen
Institutionen zu unterstützen.
Das Arbeitssicherheitsgesetz ist als eine rahmengesetzliche Regelung zu ver-
stehen, die durch Einzelmaßnahmen und spezifizierte Regelungen in Form von
Rechtsverordnungen und Unfallverhütungsvorschriften ausgefüllt werden kann.
Für den Einsatz der vorhandenen Mittel sollen Betriebsärzte und Sicherheitsfach-
kräfte sorgen.
Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung 723

Tabelle 8.1: Berufsgenossenschaftliche Vorschriften, Regeln, Informationen, Grundsätze


und neues Verzeichnis (BGHW 2009)
Bezeichnung Beschreibung
BGV Diese benennen Schutzziele sowie branchen- oder verfahrensspezifische
Berufsgenossen- Forderungen an den Arbeits- und Gesundheitsschutz. Sie haben, wie bisher
schaftliche die Unfallverhütungsvorschriften, rechtsverbindlichen Charakter und werden
Vorschriften von der Vertreterversammlung der Berufsgenossenschaft beschlossen. Die
Vorschriften werden in die Kategorien
x A (Allgemeine Vorschriften/Betriebliche Arbeitsschutzorganisation)
x B (Einwirkungen)
x C (Betriebsart/Tätigkeiten) und
x D (Arbeitsplatz/Arbeitsverfahren) eingeteilt.
Sie sind Unfallverhütungsvorschriften im Sinne des § 15 Siebtes Buch Sozial-
gesetzbuch (SGB VII) ohne Durchführungsanweisungen mit Begründung
BGR BG-Regeln dienen der Konkretisierung und Erläuterung von BG-Vorschriften
Berufsgenossen- und staatlichen Arbeitsschutzvorschriften. Sie enthalten selbst keine neuen
schaftliche Anforderungen sondern das, was früher in Durchführungsanweisungen aufge-
Regeln nommen wurde sowie zusätzliches berufsgenossenschaftliches Erfahrungs-
gut, wie beispielhafte Lösungsansätze, Erläuterungen, Bezüge zu staatlichen
Vorschriften, Technische Regeln und Normen. BG-Regeln beinhalten somit
allgemein anerkannte Regeln für Sicherheit und Gesundheitsschutz.
BGI In dieser Ebene werden spezielle Veröffentlichungen für bestimmte Branchen,
Berufsgenossen- Tätigkeiten, Arbeitsmittel, Zielgruppen etc. zusammengefasst. Während die
schaftliche Schriften der ersten beiden Ebenen von berufsgenossenschaftlichen Fach-
Informationen ausschüssen erarbeitet werden, sind für die BG-Informationen die Einzelbe-
rufsgenossenschaften zuständig.
BGG Nicht zu den BG-Regeln oder BG-Informationen gehören Grundsätze für die
Berufsgenossen- Prüfung von technischen Arbeitsmitteln oder arbeitsmedizinische Grundsätze,
schaftliche deshalb werden BG-Grundsätze (BGG) besonders bezeichnet.
Grundsätze
BGVR Die beiden bisher bestehenden Verzeichnisse "VBG" und "ZH 1" werden in
Neues einem neuen BGVR-Verzeichnis (BG-Vorschriften und -Regeln) zusammenge-
Verzeichnis fasst. Für eine Übergangszeit werden die neuen und alten Nummerierungen
parallel erkennbar sein, alle Veröffentlichungen sind im Übergangszeitraum
auch unter der bisherigen Bestellnummer erhältlich.

Betriebsärzte sollen den Arbeitgeber bei sämtlicher Planung, Ausführung und


Unterhaltung der Arbeitsstätten, Arbeitsmittel, Arbeitsverfahren und Arbeitsstoffe,
die in Zusammenhang mit arbeitsmedizinischen Belangen stehen, beraten. In die-
sem Zusammenhang werden in §3 ASiG insbesondere arbeitsphysiologische, ar-
beitspsychologische, ergonomische und arbeitshygienische Fragen angesprochen.
Neben den vorgenannten objektbezogenen Aufgaben sollen die Betriebsärzte
Arbeitnehmer untersuchen, medizinisch beurteilen, die Ergebnisse erfassen und
auswerten, d.h. den subjektbezogenen Gesundheitsstatus dokumentieren und ggf.
positiv beeinflussen. Nicht zu den Aufgaben der Betriebsärzte gehört die medizi-
nische Betreuung der Arbeitnehmer.
724 Arbeitswissenschaft

Die Aufgaben der Fachkräfte für Arbeitssicherheit sind im §6 ASiG geregelt.


Diese Fachkräfte haben Beratungsrecht in allen Fragen der Arbeitssicherheit ein-
schließlich der menschengerechten Gestaltung der Arbeit, im einzelnen bei der
Planung, der Ausführung und Unterhaltung von Arbeitsstätten, beim Einsatz von
Arbeitsstoffen und weiteren Fragen der Ergonomie. Desweiteren sollen die Fach-
kräfte auf die Beseitigung festgestellter objektbezogener Mängel hinwirken und
auf eine positive Verhaltensänderung der Arbeitnehmer hinsichtlich der Anforde-
rungen des Arbeitsschutzes einwirken (HVBG 1995, ArbSchG).
Die Bestellung von Betriebsärzten und Sicherheitsfachkräften richtet sich nach
der Betriebsart und der damit für den Arbeitnehmer verbundenen Unfall- und
Gesundheitsgefahr, nach der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer, der Zusam-
mensetzung der Arbeitnehmerschaft und der Betriebsorganisation, insbesondere
im Hinblick auf die Zahl und die Art der für den Arbeitsschutz und die Unfallver-
hütung verantwortlichen Personen. Diese, in §2 bzw. §5 ASiG noch unbestimmt
formulierten Kriterien sind von den Berufsgenossenschaften durch einheitliche
Unfallverhütungsvorschriften näher ausgeführt worden (BGV A6 für Sicherheits-
fachkräfte und BGV A7 für Betriebsärzte).

8.1.2.5 LeistungenĆderĆVersicherungenĆ
In der Gesetzlichen Unfallversicherung gibt es die Versicherungsfälle Arbeitsun-
fall, Wegeunfall und Berufskrankheit. Voraussetzung für die Leistungspflicht der
Berufsgenossenschaften ist, dass der Verletzte oder Erkrankte zum Kreis der ver-
sicherten Personen gehört und dass ein Zusammenhang mit der versicherten Tä-
tigkeit vorliegt.
Ein Unfall ist ein von außen auf den Menschen einwirkendes, körperlich schä-
digendes, zeitlich begrenztes Ereignis. Ein Arbeitsunfall ist ein Unfall, den ein
Versicherter bei der Arbeit erleidet, ein Wegeunfall ist ein Unfall auf dem Weg zu
oder von dem Ort der Arbeit (§8 SGB VII). Berufskrankheiten sind solche Krank-
heiten, „die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch beson-
dere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre
Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind“
(§9 SGB VII). Die Bundesregierung legt in der Anlage zur Berufskrankheiten-
verordnung fest, welche Krankheiten als Berufskrankheit anerkannt werden kön-
nen (derzeit 67 Krankheiten). Im Gegensatz zu anderen Krankheiten wird die
Klassifizierung der Berufskrankheiten anhand des Auslösers und nicht anhand der
Symptome vorgenommen. Tabelle 8.2 gibt einen Überblick über die Zahl der
Arbeitsunfälle, Wegeunfälle und Berufskrankheiten im Bereich der gewerblichen
Berufsgenossenschaften seit 1950.
Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung 725

Tabelle 8.2: Arbeitsunfälle, Wegeunfälle und Berufskrankheiten im Bereich der gewerbli-


chen Berufsgenossenschaften seit 1950 (HVBG 2007)
1950 1960 1970 1980 1990 2000 2006

Meldepflichtige Arbeitsunfälle 879.146 2.262.929 2.010.395 1.541.214 1.331.395 1.144.262 833.502


Meldepflichtige Wegeunfälle 69.141 248.474 215.692 161.292 155.817 177.347 158.769
Meldepflichtige Unfälle insgesamt 948.287 2.511.403 2.226.087 1.702.506 1.487.212 1.321.609 992.271
Anzeigen-auf-Verdacht 35.262 31.502 23.160 40.866 51.105 71.172 53.955
einer Berufskrankheit
Erstmals entschädigte Arbeitsunfälle 45.257 57.490 51.496 40.051 30.142 22.678 16.874
Erstmals entschädigte Wegeunfälle 5.386 15.545 14.773 10.418 7.233 6.929 6.146
Erstmals entschädigte Berufs- 9.622 7.445 4.494 5.613 4.008 4.901 4.549
krankheiten
Erstmals entschädigte Fälle insg. 60.265 80.480 70.763 56.082 41.383 34.508 27.569
Tödliche Arbeitsunfälle 3.564 3.021 2.696 1.807 1.086 825 642
Tödliche Wegeunfälle 696 1.536 1.608 1.048 627 722 475
Tödliche Unfälle insgesamt 4.260 4.557 4.304 2.855 1.713 1.547 1.117

Die Anzahl und Schwere der meldepflichtigen Arbeitsunfälle hängt stark von
der Branche ab. Als Kenngrößen für die Anzahl der meldepflichtigen Arbeitsun-
fälle werden sowohl die Unfallhäufigkeit pro eine Million geleisteter Arbeitsstun-
den herangezogen, wie auch die Unfallhäufigkeit pro 1000 Vollarbeiter. Ein Ar-
beitsunfall wird dann meldepflichtig, wenn der Arbeitnehmer so schwer verletzt
wird, dass eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als 3 Werktagen folgt oder der Ar-
beitnehmer gar getötet wurde.

8.1.3 Rechtsquellen des Arbeitsschutzes

8.1.3.1 EinführungĆ

Die Organisation des Arbeitsschutzes (Abb. 8.3) ist historisch gewachsen. Zum
einen findet die Durchführung und Überwachung des Arbeitsschutzes von staatli-
cher Seite durch die damit beauftragten Institutionen statt (z.B. Überwachung
durch die Staatlichen Ämter für Arbeitsschutz / Gewerbeaufsichtsämter – die Na-
men für diese Institutionen sind länderspezifisch). Zum anderen existieren im
selbstverwalteten Bereich die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung:
Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung mit dem
x Hauptverband der gewerblichen Unfallversicherung und den
x Berufsgenossenschaften in fachlich produktionssystematischer Gliederung
und der
x Unfallversicherung der öffentlichen Hand sowie
x Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften.
726 Arbeitswissenschaft

StaatlicherBereich– BundundLänder Selbstverwaltung privaterBereich


gesetzlicher Bundesministerfür Arbeitsministerund Trägergesetzliche Eingetragene
Rechtsträger Arbeit SenatorenfürArbeit Unfallversicherung Vereine

Nachgeordnete Bundesanstaltfür Ämterfür Unfallversicherung: Technische


Fachbehörde Arbeitsschutzund Arbeitsschutz • Gewerblich Überwachungsvereine
Arbeitsmedizin Staatl.Gewerbeärzte • ÖffentlicheHand VDI,VDE,DIN
• Landwirtschaft Fachverband
Techn.Überw.Ämter Arbeitssicherheit

• Erlassenvon • Durchführungund • Unfallverhütung • Überwachung


Aufgabenbereich
Gesetzen, Überwachungdes • Erlassenvon • Prüfung
Verordnungenund Arbeitsschutzes UnfallverhütungsͲ • Beratung
technischenRegeln • Fachaufsichtüber vorschriften • Normung
• Fachaufsichtüber BerufsgenossenͲ • Leistungendendem
BerufsgenossenͲ schaften Versicherungsgesetz
schaften
• GenehmigungUVV

Abb. 8.3: Organisation des Arbeitsschutzes

Eine Aufteilung der zurzeit gültigen Rechtsquellen zum Arbeitsschutz kann


durch die Unterscheidung der Ziele der verschiedenen Bestimmungen erreicht
werden:
x Arbeitsschutzbestimmungen mit überwiegend personenbezogenem Charakter
o Arbeitszeitschutz
o Frauenarbeits-/Mutterschutz
o Jugendarbeitsschutz
o Schutz Schwerbehinderter
o Schutz von Heimarbeitern
o Schutz älterer Arbeitnehmer.
x Arbeitsschutzbestimmungen mit personenbezogenem und technischem
Charakter
o Unfallverhütungsvorschriften der Träger der gesetzlichen Unfallversiche-
rung (über SGB VII)
o Verordnung von Fachpersonal an Betriebe (über Arbeitssicherheitsge-
setz).
x Arbeitsschutzbestimmungen mit überwiegend technischem Charakter
o Arbeitsschutzgesetz
o Arbeitsstättenverordnung
o Betriebssicherheitsverordnung
o Geräte- und Produktsicherheitsgesetz
o Chemikaliengesetz
o Gefahrstoffverordnung.

8.1.3.2 EU-RegelungenĆ
8.1.3.2.1 Gesundheitsschutz und Produktsicherheit
Im Jahre 1986 wurde die sog. Einheitliche Europäische Akte verabschiedet. Sie
trat am 1. Juli 1987 in Kraft. Hierdurch wurde der Vorbereitung von gemein-
Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung 727

schaftlichen Maßnahmen im Bereich Gesundheitsschutz und Sicherheit bei der


Arbeit ein neuer Anstoß verliehen. Damit wurden zum ersten Mal die Bereiche
Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz unmittelbar in den EWG-
Vertrag von 1957 aufgenommen, und zwar durch Einfügen des Artikels 118a der
römischen Verträge (neu Artikel 137 des Vertrags von Nizza), der die Verab-
schiedung von Maßnahmen beschleunigte.
Von besonderer Bedeutung für das Schutzniveau in den Mitgliedstaaten ist die
Tatsache, dass in den im Rahmen von Artikel 118a (neu 137) verabschiedeten
Richtlinien Mindestvorschriften für Gesundheitsschutz und Sicherheit am Ar-
beitsplatz niedergelegt wurden. Gemäß diesem Grundsatz müssen Mitgliedstaaten
ihr Schutzniveau anheben, wenn es niedriger ist als in den festgelegten Mindest-
vorschriften vorgesehen. Darüber hinaus sind die Mitgliedstaaten befugt, Schutz-
maßnahmen einzuführen oder beizubehalten, die strenger sind als diejenigen, die
in den Richtlinien vorgeschrieben sind.

Vertrag von Nizza mit den Artikeln


100a (neu 95) und 118a (neu 137)

Binnenmarkt mit einem


Soziale Angelegenheiten
freien Verkehr von:

• Personen

• Waren

• Kapital

• Dienstleistungen

Abb. 8.4: EU-Richtlinien

Mit Artikel 100a (neu 95), der ebenfalls durch die Einheitliche Akte eingeführt
wurde, wurde die Angleichung der Rechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten
beabsichtigt. Ziele sind die Beseitigung aller Beschränkungen des Handels im
einheitlichen Markt und der grenzüberschreitende freie Güter- und Personenver-
kehr. Grundsätzlich ist den Mitgliedstaaten durch Artikel 95 nicht gestattet, für
ihre Erzeugnisse höhere Standards festzulegen als die in den Richtlinien festgeleg-
ten.
Artikel 95 und 137 tragen zu einer Verbesserung der Arbeitsumweltbedingun-
gen in den Mitgliedstaaten sowie zu einem gleichwertigen und verbesserten
728 Arbeitswissenschaft

Schutz der Arbeitnehmer bei. Mit Richtlinien im Rahmen von Artikel 95 soll
gewährleistet werden, dass sichere Erzeugnisse auf den Markt gebracht werden;
mit Richtlinien im Rahmen von Artikel 137 soll sichergestellt werden, dass diese
Erzeugnisse gesundheitsverträglich und sicher am Arbeitsplatz verwendet werden.
Abb. 8.4 gibt einen Überblick über Verantwortlichkeiten und Implementierungs-
modi von relevanten EU-Richtlinien.

8.1.3.3 DeutscheĆRegelungenĆ
Die Richtlinien und Rahmenrichtlinien mit zugehörigen Einzelrichtlinien die
durch die Europäische Union erlassen werden, müssen innerhalb einer bestimmten
Frist in deutsches Recht umgesetzt werden. Aus den europäischen Richtlinien
bzw. Rahmenrichtlinien können z.B. deutsche Gesetze oder auch Verordnungen
werden. Die Einzelrichtlinien die zur Konkretisierung der Rahmenrichtlinien er-
lassen werden, werden in deutschem Recht als Verordnungen umgesetzt. Verord-
nungen sind Konkretisierungen der deutschen Gesetze. Sowohl Gesetze wie auch
Verordnungen sind verbindlich für die Praxis.
Als Unterstufe zu Gesetzen und Verordnungen gibt es das sog. „untergesetzli-
che Regelwerk“. Hierunter fallen u.a. Technische Regeln und Richtlinien. Z.B.
sollen die Technischen Regeln für Arbeitsstätten die heute noch gültigen Arbeits-
stätten-Richtlinien bis zum Jahr 2010 ersetzen. Neben der Aktualität unterscheiden
sich die beiden Formen noch in einem weiteren Punkt: obwohl weder die Techni-
schen Regeln noch Richtlinien rechtswirksam – und damit für die Praxis verbind-
lich – sind, erfüllen die Technischen Regeln die Vermutungswirkung. Für den
Arbeitgeber bedeutet das, dass ein Handeln nach den Technischen Regeln wie ein
antizipiertes Rechtsgutachten wirkt und er davon ausgehen kann, dass damit die
entsprechende Verordnung passend umgesetzt wird. Im Streitfall ist der Arbeitge-
ber durch Einhaltung der Technischen Regeln entsprechend rechtlich geschützt.
Neben den von staatlicher Seite erlassenen Technischen Regeln gibt es z.B. die
Normen. In Deutschland werden z.B. „DIN“ Normen vom „DIN Deutsches Insti-
tut für Normung e.V.“, einer nichtstaatlichen Einrichtung, erlassen. Normen, egal
ob DIN, EN oder ISO, sind grundsätzlich nicht verbindlich für die Umsetzung und
bilden nur einen Leitfaden für die Praxis. DIN-Normen werden verbindlich durch
Bezugnahme, z.B. in einem Vertrag zwischen privaten Einrichtungen oder in
Gesetzten und Verordnungen. Letzteres geschieht z.B., wenn europäische Normen
auf der Grundlage einer EU-Richtlinie durch das europäische Amtsblatt harmoni-
siert – bekannt gemacht – wurden. Dann ist die Umsetzung in eine deutsche Norm
innerhalb einer Frist verpflichtend. Ebenso der Charakter der entsprechenden
Norm. Diese verbindlichen Normen erfüllen dann, wie Technische Regeln, die
Vermutungswirkung. Eine Übersicht über die Rechtshierarchie bietet Abb. 8.5.
Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung 729

Rahmenrichtlinie (EU)

Einzelrichtlinie ((EU))

Gesetze (D)

Verordnungen (D)

Untergesetzliches Regelwerk (D)

Technische Regeln

Richtlinien ((bis 2010))

Normen (DIN, EN, ISO)

Abb. 8.5: Rechtshierarchie für die Regelungen zum Arbeitsschutz

In einigen Fällen kann es vorkommen, dass gleichzeitig mehrere Rechtsvor-


schriften greifen. „Wird eine Maßnahme von mehreren Rechtsvorschriften gere-
gelt, so gilt der Grundsatz der Einhaltung des höheren Schutzniveaus für die Be-
schäftigten“ (BMAS 2008).
8.1.3.3.1 Regelungen zum Gesundheitsschutz
Am 12. Juni 1989 wurde die Rahmenrichtlinie 89/391/EWG gemäß Artikel 118a der
römischen Verträge in Kraft gesetzt. Sie betrifft die Durchführung von Maßnah-
men zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeit-
nehmer bei der Arbeit. Sie verfolgt den Grundsatz, dass der Arbeitgeber verpflich-
tet ist, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer in Bezug
auf alle Aspekte, welche die Arbeit betreffen, zu sorgen. Die Beschäftigen sind
verpflichtet, nach ihren Möglichkeiten mitzuwirken und für ihre Sicherheit und
Gesundheit bei der Arbeit selbst Sorge zu tragen. Alle Mitgliedsstaaten der EU
waren und sind verpflichtet, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.
8.1.3.3.2 Regelungen zum Arbeitsschutz
Am 21. August 1996 trat das deutsche Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG 1996) in Kraft.
Hiermit wurde die Rahmen-Richtlinie 89/391/EWG in nationales Recht umgesetzt.
Das Gesetz gilt für alle privaten und öffentlichen Tätigkeitsbereiche, ausgenom-
men die Hausangestellten und einige wenige weitere Tätigkeitsbereiche, für die
entsprechende Rechtsvorschriften bestehen. Im Gesetz wird ein weiter Rahmen
730 Arbeitswissenschaft

gesteckt, in dem sich der Schutz der Beschäftigten auf faktisch alle Tätigkeitsbe-
reiche erstreckt und alle Aspekte einbezieht, die die Arbeit betreffen.
Der ganzheitliche Ansatz des Arbeitsschutzgesetzes basiert auf fünf Grundsät-
zen:
(1) Prävention
(2) Betriebsorientierung
(3) Anpassung an den Stand der Technik
(4) aktive Rolle der Beschäftigten
(5) Kooperationsprinzip.
Die dem Arbeitgeber zugewiesene Verantwortung ist weit gefasst und erstreckt
sich auf alle Maßnahmen der Organisation, Durchführung und Verbesserung des
betrieblichen Arbeitsschutzes. Bei der konkreten Ausgestaltung des betrieblichen
Arbeitsschutzes haben Präventionsstrategien Vorrang, die aufgrund einer voraus-
schauenden Risikoabschätzung helfen, Unfälle, Berufskrankheiten sowie arbeits-
bedingte Gesundheitsgefahren zu vermeiden (LEHMANN 2007). Wesentlich im
Arbeitsschutzgesetz ist die Festlegung, dass „bei Maßnahmen der Stand von
Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissen-
schaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen“ sind. Es ist eine Gefährdungsbeurtei-
lung vorzunehmen, die zu dokumentieren ist. In Abb. 8.6 ist ein Auszug aus dem
Arbeitsschutzgesetz dargestellt.

Abb. 8.6: Auszug aus dem Arbeitsschutzgesetz


Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung 731

8.1.3.3.3 Produktsicherheit
Die EU-Maschinenrichtlinie (89/392/EWG) wurde durch die neunte Verordnung zum
Gerätesicherheitsgesetz vom 12.5.1993 in nationales Recht umgesetzt. Ab dem
29.12. 2009 tritt die novellierte Maschinenrichtlinie 2006/42/EG in Kraft, die bis zum
29. Juni 2008 von den EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen ist.
Die Ausgestaltung der Richtlinie durch technische Details erfolgt mit Hilfe eu-
ropäischer (CEN) Normen auf Basis des Artikels 95 des Vertrages von Nizza. Dabei
kann auf vorhandene nationale (z.B. DIN) und internationale (ISO) Normen zu-
rückgegriffen werden. Im Gegensatz zur Umsetzung der Richtlinien im Rahmen
des Artikels 137 des Vertrages von Nizza die in allen Mitgliedstaaten unterschied-
lich gestaltet sein können und die es gestatten, in den einzelnen Ländern ein höhe-
res Schutzniveau vorzuschreiben, dürfen nationale Normen im Hinblick auf etwa-
ige Handelshemmnisse keine höheren Sicherheitsanforderungen festlegen, als die
in den relevanten CEN-Normen genannten. Europäische Normen sind stets in
gleichlautende nationale Normen umzusetzen. Widersprechende nationale Nor-
men müssen zurückgezogen werden. In einer Übereinkunft verpflichten sich CEN
und ISO darüber hinaus, keine widersprechenden Normen zu verabschieden und
wann immer möglich, bestehende Normen der anderen Institution zu übernehmen.
Die im Rahmen der nach Artikel 100a der römischen Verträge erstellten bzw.
entstehenden CEN-Normen (insbesondere EN 1005 „Sicherheit von Maschinen –
Menschliche körperliche Leistung“) beinhalten Analysemethoden für physische
Arbeitsbelastungen und stellen ein wesentliches Methodeninventar dar. Sie wen-
den sich an den Konstrukteur von Maschinen und sollen dem Maschinenbenutzer
ein Mindestmaß an Gesundheitsschutz und Sicherheit garantieren.
CEN-Normen im Rahmen der Maschinenrichtlinie
x sind harmonisierte Normen gemäß Artikel 100a der römischen Verträge,
x sind hierarchisch in einem dreistufigen System gegliedert,
x wenden sich an den Konstrukteur (nicht an die Tarifvertragsparteien),
x zielen auf eine beabsichtigte Benutzerpopulation ab,
x berücksichtigen den beabsichtigten Gebrauch der Maschine (einschließlich
des vorhersehbaren Missbrauchs) und
x sollen eine Risikoanalyse auf der Basis eines Drei-Zonen-Modells ermögli-
chen.
Sicherheitsnormen werden gemäß CEN GUIDE 414 in drei Hierarchieebenen
eingeteilt (Abb. 8.7 und Tabelle 8.3) und fordern vom Konstrukteur eine Risiko-
bewertung als „umfassende Einschätzung der Wahrscheinlichkeit und des Schwe-
regrades der möglichen Verletzung oder Gesundheitsschädigung in einer Gefähr-
dungssituation, um so geeignete Sicherheitsmaßnahmen auszuwählen“.
732 Arbeitswissenschaft

Typ A
Sicherheits-
grundnormen
• Grundbegriffe
• Gestaltungsleitsätze
• (für alle Maschinen)

Typ B
Sicherheitsgruppennormen
Typ B1
S
Spezielle
i ll Si
Sicherheitsaspekte
h h i k
Typ B2
Sicherheits-Einrichtungen

Typ C
Maschinensicherheitsnormen
Spezielle Maschinen - Maschinengruppen

Abb. 8.7: Hierarchiestufen der Sicherheitsnormen nach CEN GUIDE 414

Tabelle 8.3: Sicherheitsgrund- und -gruppennormen

Sicherheitsgrundnormen (Typ A) Sicherheitsgruppennormen (Typ B)


DIN EN ISO 12100 DIN EN 547
EN ISO 14121 DIN EN 1005
DIN EN 614
DIN EN 894

Die Risikobewertung bezieht sich auf die Konstruktion einer Maschine, wobei
alle Phasen der Produktlebensdauer von der Herstellung bis zur Entsorgung be-
rücksichtigt werden. Das sind Bau, Transport, Aufbau, Installation, Einstellung,
Programmierung, Inbetriebnahme, Gebrauch, Verfahrensänderung, Umrüsten,
Reinigung, Fehlersuche, Instandhaltung, Außerbetriebnahme, Abbau, Demontage
und, sofern die Sicherheit betroffen ist, auch Entsorgung. Die Risikobewertung
schließt den Entwurf von Anleitungen bezüglich aller oben erwähnten Phasen der
Maschine ein. Dabei ist die bestimmungsgemäße Verwendung einer Maschine –
inklusive vorhersehbaren Missbrauchs – zu berücksichtigen. Das „Risiko“ (bezo-
gen auf die betrachtete Gefährdung) ist dabei eine Funktion des Ausmaßes des
möglichen Schadens (durch die betrachtete Gefährdung) und der Wahrscheinlich-
keit des Eintritts dieses Schadens (Häufigkeit und Dauer der Gefährdungsexposi-
tion, Eintrittswahrscheinlichkeit des Gefährdungsereignisses, Möglichkeit zur
Vermeidung oder Begrenzung des Schadens). Das Ergebnis einer Risikoanalyse
ist die Bewertung der vorgefundenen Arbeitssituation auf Basis des Ampelsche-
mas: grün - gelb - rot (siehe DIN EN 614).
Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung 733

Abb. 8.8 gibt eine Übersicht der Begriffe zur Risikobeurteilung in CEN-
Normen.

Bestimmungen der
Maschinengrenzen

nalyse
Identifizierung der

Risikoan

Risikobeurteilung
g
Gefährdungen

Risikoeinschätzung

Risikobewertung

Risikominderung
falls erforderlich

Abb. 8.8: Risikobeurteilung nach DIN EN ISO 14121-1

Nach DIN EN ISO 14121-1 wird das Risiko wie folgt gezeigt definiert:

R f ( S , EG , EE , EM ) (8.1)

Hierbei steht die abhängige Variable R für das Risiko bezogen auf die betrach-
tete Gefährdung. R hängt von folgenden Größen ab:
S dem Schadensausmaß, welches aus der betrachteten Gefährdung verursacht
werden kann
EG der Eintrittswahrscheinlichkeit des Schadens bezüglich der Gefährdungs-
exposition von Personen
EE der Eintrittswahrscheinlichkeit des Schadens bezüglich des Eintritts des
Gefährdungsereignisses
EM der Eintrittswahrscheinlichkeit des Schadens bezüglich der Möglichkeiten
zur Vermeidung oder Begrenzung des Schadens.
Das Ausmaß und die Eintrittswahrscheinlichkeit des Schadens kann nach dieser
Risikodefinition durch folgende Kriterien eingeschätzt werden:
x Ausmaß des möglichen Schadens durch die betrachtete Gefährdung
o Art des zu schützenden Gutes (Personen, Sachen, Umwelt)
o Ausmaß der Verletzung / Schädigung: leicht (reversibel), schwer (irre-
versibel), tödlich
o Schadensumfang (eine oder mehrere Personen betroffen)
x Häufigkeit & Dauer der Gefährdungsexposition
o Notwendigkeit, Art & Häufigkeit des Zugangs
734 Arbeitswissenschaft

o Verweilzeit im Gefahrenbereich
o Anzahl der Personen pro Zugang
x Eintrittswahrscheinlichkeit eines Gefährdungsereignisses
o Zuverlässigkeits- und andere statistische Daten, Daten über Gesundheits-
schädigungen
o Unfallgeschichte, Risikovergleiche
o technisch oder menschlich bedingt
x Möglichkeit zur Vermeidung oder Begrenzung des Schadens
o Art der Maschinenbedienung
o Eintretensgeschwindigkeit des Ereignisses
o Risikobewusstsein, menschliche Möglichkeiten zur Schadensvermeidung
oder Begrenzung, Praktische Erfahrungen und Kenntnisse.

8.1.3.4 PersonenbezogenerĆArbeitsschutzĆ
8.1.3.4.1 Fürsorgepflicht
Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ist eine übergeordnete, den Arbeitsschutz
betreffende Pflicht (§618 BGB):
„Der Dienstberechtigte hat Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er
zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten
und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzuneh-
men sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Ge-
sundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet.“
Im Arbeitsschutzgesetz (§§3 bis 14) werden die Pflichten des Arbeitgebers de-
tailliert beschrieben. Weitere Hinweise finden sich in der GewO.
8.1.3.4.2 Arbeitszeitschutz
Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) stellt den Gesundheitsschutz der Beschäftigten durch
die Arbeitszeitgestaltung sicher (siehe auch Kap. 6). Es dient dazu, die Rahmen-
bedingungen für flexible Arbeitszeiten zu verbessern und begrenzt die tägliche
Höchstarbeitszeit. Die Grenze für die Höchstarbeitszeit ist auf acht Stunden fest-
gelegt, wobei Ausnahmen für Beschäftigte in der Landwirtschaft, Behandlung,
Betreuung und Pflege von Personen, sowie für alle Beschäftigten im öffentlichen
Dienst gelten.
Im Arbeitszeitgesetz sind Mindestruhepausen während der Arbeit und Mindest-
ruhezeiten nach Arbeitsende festgelegt. Für Beschäftigte in Schicht- und Nachtar-
beit ist „die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer nach den gesicherten
arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung
der Arbeit festzulegen.“ Beschäftigungseinschränkungen für nicht schwangere
Frauen sind weggefallen.
Die Sonn- und Feiertagsruhe wird durch ein grundsätzliches Beschäftigungs-
verbot geschützt. Ausnahmen sind detailliert aufgeführt nach dem Prinzip „sofern
die Arbeiten nicht an Werktagen vorgenommen werden können“, wie z.B. Feuer-
Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung 735

wehr, Krankenhäuser, Gaststätten, Verkehrsbetriebe und andere. Für Arbeit an


Sonn- und Feiertagen steht den Beschäftigten i.A. ein Ersatzruhetag zu.
8.1.3.4.3 Mutterschutz
Das Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen Mutter (MuSchG) gilt für werdende und
stillende Mütter und verbietet „schwere körperliche Arbeiten und Arbeiten, bei
denen sie schädlichen Einwirkungen von gesundheitsgefährdenden Stoffen oder
Strahlen von Staub, Gasen oder Dämpfen, von Hitze, Kälte oder Nässe, von Er-
schütterungen oder Lärm ausgesetzt sind.“ Regelmäßiges Handhaben von Lasten
von mehr als fünf kg Masse oder gelegentliches Handhaben von mehr als zehn kg
Masse sind nicht zulässig. Es gilt ein Verbot von Mehrarbeit, Nachtarbeit, Ak-
kordarbeit und Sonntagsarbeit. Nachtarbeit ist bei werdenden Müttern als Zeit
zwischen 20 Uhr und 6 Uhr definiert. Zusätzlich gilt ein Beschäftigungsverbot für
werdende Mütter in den letzten sechs Wochen vor der Geburt. Dieses Beschäfti-
gungsverbot kommt nicht zur Anwendung, wenn sich die werdende Mutter aus-
drücklich dazu bereiterklärt weiter zu arbeiten. Diese Erklärung kann jedoch je-
derzeit zurückgezogen werden.
Neben den schädlichen Einwirkungen, wird durch das MuSchG auch die Kör-
perhaltung bei Schwangeren geregelt. Ein Beschäftigungsverbot besteht für Arbei-
ten, bei denen die werdende Mutter (nach dem 5. Monat) mehr als vier Stunden
pro Tag stehen muss, sich ständig strecken oder beugen muss.
Nach der Entbindung besteht ein Beschäftigungsverbot von acht Wochen. Die-
ses Beschäftigungsverbot verlängert sich auf zwölf Wochen bei Zwillings- und
Mehrlingsgeburten.
Stillt eine Mutter ihr Kind, so stehen ihr Stillpausen von zweimal 30 Minuten
bzw. einmal 60 Minuten pro Tag zu. Diese Stillpausen dürfen nicht zu Entgeltver-
lust führen.
Das MuSchG beinhaltet einen Kündigungsschutz für werdende Mütter und Müt-
ter bis zu vier Monate nach der Entbindung, sofern dem Arbeitgeber die Schwan-
gerschaft zum Zeitpunkt der Entlassung bekannt war. Zusätzlich sind Versor-
gungsleistungen wie Mutterschaftsgeld geregelt.
8.1.3.4.4 Kinder- und Jugendarbeitsschutz
Die Begriffe „Kinder“ und „Jugendliche“ werden im Jugendarbeitsschutzgesetz
(JArbSchG) zeitlich abgegrenzt:
x Kind ist, wer noch nicht 15 Jahre alt ist oder vollzeitschulpflichtig ist
x Jugendlicher ist, wer 15, aber noch nicht 18 Jahre alt ist.
Kinderarbeit ist generell verboten, wobei Ausnahmen lediglich zum Zweck der
Beschäftigungs- und Arbeitstherapie und im Rahmen eines Betriebspraktikums
zulässig sind. Weiterhin bestehen unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen
für kulturelle Veranstaltungen (z.B. Theateraufführungen, Rundfunk-, Foto- und
Filmaufnahmen). Für Jugendliche gelten Einschränkungen des Arbeitszeitgesetzes
über Dauer der Arbeitszeit, Pausen, Verbot von Nachtarbeit, Samstags-, Sonntags-
und Feiertagsarbeit mit restriktiven Ausnahmen, Verbot von gefährlichen Arbeiten
736 Arbeitswissenschaft

und Verbot von Akkordarbeit. Das Verbot von Nachtarbeit bezieht sich auf die
Arbeitszeit von 20 Uhr bis 6 Uhr. Ausnahmen gibt es für Schichtbetriebe, Gast-
stätten, landwirtschaftliche Betriebe etc. Die Ausführung gefährlicher Arbeiten
und die Akkordarbeit kann Jugendlichen gewährt werden, wenn dadurch ein Aus-
bildungsziel erreicht wird und die Aufsicht durch eine fachkundige Person ge-
währleistet ist.
Im JArbSchG ist geregelt, wie die Arbeitszeiten bei Auszubildenden zu gestalten
sind. Als Höchstarbeitszeit werden acht Stunden pro Tag genannt. Eingeschränkt
wird die Arbeitszeit durch Unterricht an Berufsschulen, der die wöchentliche
Arbeitszeit nicht verlängert und an deren Stelle tritt. Eine weitere Ausnahme von
der acht Stunden Arbeitszeit stellen die Schichtzeiten dar. Schichtzeit ist die tägli-
che Arbeitszeit unter Hinzurechnung der Ruhepausen. Hierunter fallen Beschäfti-
gungen im Bergbau unter Tage (acht Stunden) und für die Beschäftigung in Gast-
stätten, in der Tierhaltung etc. elf Stunden pro Schicht.
Die Beschäftigung der Jugendlichen ist auf fünf Tage pro Woche begrenzt. Die
zwei Ruhetage sollen nach Möglichkeit nacheinander folgen. Die Beschäftigung
an Sams- und Sonntagen ist nur in ausgewählten Bereichen erlaubt (z.B. Gaststät-
tengewerbe). Dabei ist zu beachten, dass mindestens zwei Sonntage pro Monat
beschäftigungsfrei sein müssen.
8.1.3.4.5 Schwerbehinderte
Das Schwerbehindertengesetz ist per 01.10.2001 in das Sozialgesetzbuch IX (SGB
IX), Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, eingestellt worden. Die
wesentlichen Einzelvorschriften gelten unverändert. „Menschen sind behindert,
wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit
hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter
typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesell-
schaft beeinträchtigt ist“ (SGB IX). Schwerbehinderte im Sinne des Gesetzes sind
Personen, die körperlich, geistig oder seelisch behindert und infolge ihrer Behin-
derung in ihrer Erwerbsfähigkeit nicht nur vorübergehend um wenigstens 50%
gemindert sind.
Für diesen Personenkreis besteht eine Beschäftigungspflicht. Arbeitgeber, die
über mindestens 20 Arbeitsplätze verfügen, haben auf wenigstens 5% davon
Schwerbehinderte zu beschäftigen. Für jeden unbesetzten Pflichtplatz ist monat-
lich eine Ausgleichsabgabe zu entrichten. Die Ausgleichsabgabe je unbesetzten
Arbeitsplatz ist umso höher, je geringer der Prozentsatz der angebotenen Arbeits-
plätze ist. Die Arbeitsplätze sind individuell zu gestalten, orientiert an der jeweili-
gen Behinderung eines jeden Einzelnen. Es besteht die Möglichkeit von Zuschüs-
sen für die Einrichtung oder Umgestaltung von Arbeitsplätzen.
8.1.3.4.6 Heimarbeiter
Das Heimarbeitsgesetz (HAG) verfolgt im Wesentlichen das Ziel, Heimarbeiter,
Hausgewerbetreibende und ihnen gleichgestellte Personen (z.B. mithelfende Fa-
milienangehörige) einen den sonstigen Arbeitnehmern entsprechenden Status zu
Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung 737

verschaffen. Daraus ergeben sich eine Reihe von Pflichten für den Auftraggeber
und Rechte für die in Heimarbeit Beschäftigten. Neben Regelungen über Entgelt,
Kündigungsfristen und anderes ist wesentlich, dass „Werkzeuge und Geräte so
beschaffen, eingerichtet und unterhalten werden und die Arbeiten so ausgeführt
werden, dass keine Gefahren für Leben und Gesundheit der Beschäftigten und
ihrer Mitarbeiter entstehen.“

8.1.3.5 GestaltungĆvonĆArbeitsstätten,ĆArbeitsumgebungĆundĆArbeitsmit-
telnĆ
Grundlage für die Gestaltung von Arbeitsstätten, Arbeitsumgebung und Arbeits-
mitteln ist das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG, siehe 8.4.3) mit den damit verbundenen
Verordnungen:
x Arbeitsstättenverordnung (ArbstättV),
x Lastenhandhabungsverordnung (LasthandhabV),
x PSA-Benutzungsverordnung (PSA-BV) (Persönl. Schutzausrüstungen),
x Arbeitsmittelbenutzungsverordnung (AMBV),
x Bildschirmarbeitsverordnung (BildscharbV),
x Baustellenverordnung (BaustellV),
x Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV).
8.1.3.5.1 Arbeitsstättenverordnung
Die Neufassung der Arbeitsstättenverordnung vom 25. August 2004 löst die
Arbeitsstättenverordnung vom 20. März 1975 ab. Ziel der Reform ist die Moder-
nisierung des Arbeitsstättenrechts. Anstelle starrer Vorgaben sind die Anforderun-
gen allgemeiner formuliert, um unterschiedlichen betrieblichen Anforderungen
flexibler gerecht zu werden. Aus der neuen Struktur ergeben sich keine Änderun-
gen der Rechtslage.
Ein Vorschriftentext enthält Rahmenbestimmungen, die durch spezielle Vorga-
ben in einem Anhang konkretisiert werden, und Verfahrensvorschriften. Es be-
steht ein Ausschuss für Arbeitsstätten, der technische Regeln für Arbeitsstätten
ermittelt, die die früheren Arbeitsstättenrichtlinien ablösen. Die Technischen Re-
geln werden dann vom Bundesministerium für Arbeit bekannt gemacht (TAEGER
et al. 2004). Technische Regeln für Arbeitsstätten betreffen Räumlichkeiten, Klima,
Beleuchtung, Lärm, sanitäre Einrichtungen.
In den genannten Bereichen gibt es zurzeit noch keine technischen Regeln son-
dern nur Richtlinien. Diese Richtlinien werden jedoch in absehbarer Zeit durch
neuere technische Regeln ersetzt werden. Als Hilfe für die Umsetzung der Rege-
lungen zum jetzigen Zeitpunkt sind sog. Handlungshilfen im Umlauf, die durch
den Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik herausgegeben
werden. Diese Handlungshilfen stellen eine Übersicht über geltende Regelungen
dar und geben konkrete Richtwerte an, die bei der Planung von Arbeitsstätten
herangezogen werden können. In der LV 41 „Beleuchtung“ wird z.B. der empfoh-
lene Prozentsatz an Tageslicht bei der Raumgestaltung angeben.
738 Arbeitswissenschaft

8.1.3.5.2 Lastenhandhabungsverordnung
Die Lastenhandhabungsverordnung ist die Grundlage für die Beurteilung von
Tätigkeiten mit physischer Belastung und enthält allgemeine Hinweise über die
„Merkmale, aus denen sich eine Gefährdung von Sicherheit und Gesundheit, ins-
besondere der Lendenwirbelsäule, der Beschäftigten ergeben kann.“
8.1.3.5.3 Bildschirmarbeitsverordnung
Die Bildschirmarbeitsverordnung regelt, welche Arbeitsplätze in die Gruppe der
Bildschirmarbeitsplätze gehören. Unterpunkte der Bildschirmarbeitsverordnung
sind Anforderungen zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen, der Arbeitsorganisa-
tion, zur Untersuchung der Augen und des Sehvermögens sowie die ergonomische
Gestaltung von Arbeitsmitteln, Arbeitsumgebung und das Zusammenwirken von
Mensch und Arbeitsmitteln. So verlangt die Bildschirmarbeitsverordnung die
Verwendung von nicht blendenden Arbeitsmitteln und Flächen, die Nutzung strah-
lungsarmer Bildschirmgeräte und die ergonomische Gestaltung der Arbeitsmittel.
8.1.3.5.4 Baustellenverordnung
Die Baustellenverordnung berücksichtigt die besonderen Bedingungen bei der
Arbeit auf Baustellen. Diese Verordnung dient der wesentlichen Verbesserung von
Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten auf Baustellen.
8.1.3.5.5 Betriebssicherheitsverordnung
Die Betriebssicherheitsverordnung regelt die Bereitstellung von Arbeitsmitteln
durch den Arbeitgeber sowie die Benutzung von Arbeitsmitteln, von denen eine
besondere Gefährdung ausgehen kann, deren regelmäßige Prüfung und Überwa-
chung. Bei Arbeitsmitteln handelt es sich u.a. um Druckbehälter und Druckleitun-
gen, Aufzugsanlagen, explosionsgefährdete Bereiche und elektrische Anlagen.
Die Betriebssicherheitsverordnung regelt die Einbeziehung der Arbeitsmittel in
die Gefährdungsbeurteilung unter Berücksichtigung deren Wechselwirkungen mit
anderen Arbeitsmitteln, Arbeitsstoffen und der Arbeitsumgebung. Zusätzlich ver-
pflichtet sie den Arbeitgeber den Arbeitnehmer ausreichend über durch Arbeits-
mittel verursachte Gefährdungen zu informieren und, soweit erforderlich, Be-
triebsanweisungen zur Verfügung zu stellen.

8.1.3.6 ProduktsicherheitĆ

Das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) löste am 01. Mai 2004 das Pro-
duktsicherheitsgesetz und das Gerätesicherheitsgesetz ab. Damit wurde eine ent-
sprechende europäische Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt. Das Gesetz
richtet sich an den Konstrukteur und den Hersteller mit der Verpflichtung, nur
solche Produkte in den Verkehr zu bringen, die so beschaffen sind, „dass bei be-
stimmungsgemäßer Verwendung oder vorhersehbarer Fehlanwendung Sicherheit
und Gesundheit von Verwendern oder Dritten nicht gefährdet werden.“
Zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz sind weitere detaillierte Verordnun-
gen erlassen worden über die speziellen Sicherheitsanforderungen beim Inverkehr-
Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung 739

bringen bestimmter Produktgruppen. Insgesamt gibt es elf zusätzliche Verordnun-


gen, die sich mit speziellen Geräte- und Produktgruppen befassen. Beispielhaft
sollen hier die Verordnung über das Inverkehrbringen von Sportbooten und die
Verordnung zum Inverkehrbringen von Spielzeug genannt werden.

8.1.3.7 GefahrstoffeĆ
Das Chemikaliengesetz (ChemG) dient dazu, Menschen und Umwelt „vor schädli-
chen Einwirkungen gefährlicher Stoffe und Zubereitungen zu schützen, insbeson-
dere sie erkennbar zu machen, sie abzuwenden und ihrem Entstehen vorzubeugen“
(ChemG). Im Chemikaliengesetz ist geregelt, was einen Stoff ausmacht und wie er
zu einem gefährlichen Stoff wird. So werden alle Stoffe die z.B. explosionsgefähr-
lich, giftig oder ätzend sind, als gefährliche Stoffe bezeichnet. Insgesamt werden
15 Eigenschaften aufgeführt, die einen Stoff gefährlich machen können, ausge-
nommen der gefährlichen Eigenschaften ionisierender Strahlungen. Tabelle 8.4
gibt eine Übersicht über die Eigenschaften. Mit der Einführung des GHS (siehe
unten) werden jedoch andere gefährliche Eigenschaften festgelegt. Diese Eigen-
schaften ergänzen oder ersetzen die heutigen Eigenschaften. Gefahrstoffe sind
nicht nur die Stoffe und Zubereitungen, die selbst gefährliche Eigenschaften besit-
zen, sondern auch jene, die Gefahrstoffe freisetzen oder aus denen Gefahrstoffe
beim Umgang entstehen.
Im Chemikaliengesetz ist weiterhin die Zuständigkeit einzelner Behörden gere-
gelt, die Kennzeichnung gefährlicher Stoffe sowie die Zulassung neuer
Biozidprodukte. Einen weiteren wichtigen Teil des Chemikaliengesetzes stellen
Abschnitte zum Schutz der Umwelt und der Beschäftigten dar.
Tabelle 8.4: Gefährliche Stoffe und gefährliche Zubereitungen

Eigenschaften
1. explosionsgefährlich
2. brandfördernd
3. hochentzündlich
4. leicht entzündlich
5. entzündlich
6. sehr giftig
7. giftig
8. gesundheitsschädlich
9. ätzend
10. reizend
11. sensibilisierend
12. krebserzeugend
13. fortpflanzungsgefährdend
14. erbgutverändernd
15. umweltgefährlich

In der am 1. Oktober 1986 in Kraft getretenen und 1993 überarbeiteten Ge-


fahrstoffverordnung (Verordnung zum Schutz vor gefährlichen Stoffen GefStoffV)
740 Arbeitswissenschaft

wurden Regelungen, die bisher in der Arbeitsstoffverordnung und den Giftverord-


nungen der Länder verteilt waren, zusammengefasst. Rechtsgrundlage der Gefahr-
stoffverordnung sind vor allem das Chemikaliengesetz, das Ju-
gendarbeitsschutzgesetz, das Mutterschutzgesetz und das Heimarbeitergesetz. Die
Gefahrstoffverordnung wird durch weitere spezifische staatliche Vorschriften, z.
B. über explosionsgefährliche und radioaktive Stoffe sowie durch Unfallverhü-
tungsvorschriften ergänzt. Die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) vom 23. Dezem-
ber 2004 löst die Verordnung von 1986 ab. Sie gilt „für das Inverkehrbringen von
Stoffen, Zubereitungen und Erzeugnissen, zum Schutz der Beschäftigten und
anderer Personen vor Gefährdungen ihrer Gesundheit und Sicherheit durch Ge-
fahrstoffe und zum Schutz der Umwelt vor stoffbedingten Schädigungen.“ Die
Gefahrstoffverordnung legt die konkreten Pflichten aus dem Chemikaliengesetz
und dem Arbeitsschutzgesetz fest. Sie definiert, wann ein Stoff als explosionsge-
fährlich, giftig, ätzend etc. einzustufen ist und wie dann eine Kennzeichnung statt-
zufinden hat. Es werden Schutzstufen definiert, die sich nach der Gefährlichkeit
der vorhandenen Stoffe richten und entsprechende Schutzmaßnahmen festgelegt.
Alle Gefahrstoffe sind zu kennzeichnen. Es besteht die Verpflichtung, vor Ver-
wendung eines jeden Gefahrstoffes zu prüfen, ob ein nicht kennzeichnungspflicht-
iger Stoff verwendet werden kann.
Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es Bestrebungen die Kennzeichnung von Gefahr-
stoffen weltweit einheitlich zu gestalten. Am 20. Januar 2009 trat das “Globally
Harmonized System of Classification and Labelling of Chemicals” (GHS) in
Kraft. Bis zum 1. Dezember 2010 ist die Kennzeichnung für Gefahrstoffe nach
den neuen Regelungen umzusetzen. Ab dem Jahr 2015 gilt GHS dann auch für
Gemische verbindlich. Abb. 8.9 zeigt eine Übersicht über die neuen Kennzeich-
nungssymbole für Gefahrstoffe. Weitere Informationen über Wirkungen von ge-
fährlichen Arbeitsstoffen finden sich in Kapitel 9.6.2.

Abb. 8.9: Neue Symbole nach dem „Globally Harmonized System of Classification and
Labelling of Chemicals” zur Kennzeichnung von Gefahrstoffen.
Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung 741

8.1.4 Sicherheitstechnische Arbeitsgestaltung


Die sicherheitstechnische Arbeitsgestaltung hat das Ziel, im Rahmen gesetzlicher
und betrieblicher Richtlinien Arbeitsabläufe und Produkte so zu planen und zu
gestalten, dass Unfälle ausgeschlossen oder soweit wie irgend möglich vermieden
werden:
Unter Unfallverhütung versteht man „die Gesamtheit aller planmäßigen,
zweckgerichteten Maßnahmen zum Verhindern von Unfallfolgen durch Vermeiden
von Gefahren, durch Unterdrückung von Gefährdungen, durch Auslösen oder
wenigstens teilweises Unterbrechen von Wirkungsketten zwischen Gefährlich-
keiten und Schädlichkeiten, so dass Personen und/oder Sachen gar nicht oder
höchstens möglichst wenig geschädigt werden“ (ROHMERT 1989).

8.1.4.1 ProduktsicherheitĆ
Der erste und wesentliche Schritt zur sicherheitstechnischen Arbeitsgestaltung ist
die Produktsicherheit. Angaben hierzu wurden bereits in Kapitel 8.1.3.6 gemacht.
Als Beispiel soll DIN 31001 dienen (Abb. 8.10 bis Abb. 8.12), in der Sicherheits-
abstände definiert sind. Anzumerken ist hierbei, dass die zugrundezulegenden
Normen und Vorschriften teilweise größere Gestaltungsspielräume gestatten. Das
gilt z.B. in den Fällen, wo ablaufbedingt eine Zugriffsmöglichkeit in den Gefah-
renbereich der Maschine notwendig ist und dann zwischen einer zu öffnenden
Schutztür oder einer Abschrankung mit Sicherheits-Abschaltung gewählt werden
kann.

Abb. 8.10: Sicherheitsabstände 1 nach DIN 31001


742 Arbeitswissenschaft

Abb. 8.11: Sicherheitsabstände 2 nach DIN 31001

Abb. 8.12: Sicherheitsabstände 3 nach DIN 31001

Der im November 1982 erschienene Entwurf DIN 31004-1, ersetzt durch DIN
VDE 31000-2, definiert die Sicherheitsbegriffe wie nachfolgend angegeben. Die
DIN ISO 12100-1 fasst die Begriffe etwas allgemeiner. Die Begriffsanalyse macht
deutlich, dass es eine absolute Sicherheit im Sinne einer völligen Gefahrenfreiheit
der arbeitenden Menschen nicht gibt.
Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung 743

Zentrale Sicherheitsbegriffe sind wie folgt:


x Sicherheit ist eine Sachlage, bei der das Risiko kleiner als das Grenzrisiko
ist.
x Grenzrisiko ist das größte noch vertretbare, anlagenspezifische Risiko eines
bestimmten technischen Vorganges oder Zustandes.
x Risiko wird durch Häufigkeit (Wahrscheinlichkeit) und durch den zu erwar-
tenden Schadensumfang (Tragweite) beschrieben.
x Schutz ist die Verringerung des Risikos durch geeignete Vorkehrungen, die
entweder die Eintrittshäufigkeit oder den Umfang des Schadens oder beides
verringern.

8.1.4.2 DreistufigesĆVorgehenĆ

Bei der sicherheitstechnischen Gestaltung eines Produktes werden die technischen


Lösungen wie folgt gegliedert:
x Unmittelbare Sicherheitstechnik
x Mittelbare Sicherheitstechnik
x Hinweisende Sicherheitstechnik.
Grundsätzlich ist anzustreben, die Forderung nach Sicherheit durch unmittelba-
re Sicherheitstechnik zu erfüllen, d.h. eine Lösung zu wählen, die eine Gefährdung
von vornherein ausschließt. Ziel ist die Arbeit so zu gestalten, dass weder bei
sicherheitsgerechter, noch bei sicherheitswidriger Arbeitsweise Gefährdungen für
den Arbeitnehmer auftreten (NEUDÖRFER 2005).
Wenn ein solcher Zustand nicht realisiert werden kann, kommt die mittelbare
Sicherheitstechnik zur Anwendung, es werden Schutzeinrichtungen vorgesehen.
Hierbei müssen die drei folgenden Grundforderungen erfüllt sein. Die Schutzein-
richtungen müssen
(1) zuverlässig wirken,
(2) zwangsläufig wirksam sein und dürfen
(3) nicht umgehbar sein (PAHL u. BEITZ 2005).
Die mittelbare Sicherheitstechnik arbeitet z.B. mit Absperrungen, Lichtschran-
ken etc. Vor allem der Forderung, dass mittelbare Sicherheitstechnik nicht
umgehbar sein darf, kommt ein großes Gewicht zu, da auch gut durchdachte
Sicherheitstechnik, z.B. eine Presse mit Zweihandbedienung, durch Manipulation
– z.B. Festklemmen eines Handgriffes – umgangen werden kann.
Eine hinweisende Sicherheitstechnik, die nur noch vor Gefahren warnen kann
und durch Hinweise auf die Gefahrenstelle aufmerksam macht, soll nur als letzte
Möglichkeit angesehen werden, wenn unmittelbare oder mittelbare Lösungen aus
technischen oder wirtschaftlichen Gründen ausscheiden.
Folgende übergeordnete Grundsätze sicherheitskritischer Konstruktion sind zu
berücksichtigen:
x Funktionssicherheit
x Gestaltungssicherheit
744 Arbeitswissenschaft

x Umweltsicherheit.
Hierbei ist zu bemerken, dass integrierte Sicherheitskonstruktionen den Vor-
rang vor additiven Sicherheitskonstruktionen haben.
Folgende sicherheitstechnische Lösungsansätze sind zu unterscheiden:
x Technische Gefahren konstruktiv ausschließen (unmittelbare Sicherheits-
technik)
x Technische Gefahren konstruktiv abschirmen (mittelbare Sicherheits-
technik).
Die folgenden wesentlichen Gesichtspunkte zur Funktionssicherheit im Hin-
blick auf Arbeitssicherheit sollten bei der Konstruktion berücksichtigt werden:
x Werkstoffe und Betriebsstoffe müssen sicherheitsgerecht sein:
o Geeigneter Werkstoff
o Schutz vor physikalischen und chemischen Beanspruchungen
o Leicht brennbare durch feuerfeste Stoffe ersetzen.
x Es muss nachgewiesen sein, dass die Konstruktion den zu erwartenden Be-
lastungen gewachsen ist:
o Qualitätsüberprüfung der Konstruktion
o Steuervorgänge sicherheitsgerecht
o Antriebsenergien sicherheitsgerecht
o Gefahren durch sich bewegende Teile vermeiden.

8.1.4.3 SicherheitĆeinesĆArbeitssystemsĆ
Für die Sicherheit eines Arbeitssystems sind nach dem TOP-Ansatz die folgenden
Voraussetzungen von Bedeutung:
T : Technische Voraussetzungen = konstruktiv sind technische Lösungen
vorgesehen
O : Organisatorische Voraussetzungen = es sind störungsfreie Zustände und
Abläufe geplant
P : Persönliche Voraussetzungen = der arbeitende Mensch trägt aktiv oder
passiv, direkt oder indirekt für sich selbst oder für andere zur Sicherheit
bei.
Gefährdungen des arbeitenden Menschen sollen mit Mitteln höchster Zuverläs-
sigkeit und Wirksamkeit ausgeschaltet bzw. minimiert werden. Die technischen
Voraussetzungen (T) wurden bereits in Kapitel 8.1.4.2 beschrieben.
Soweit technische Lösungen nicht möglich oder nicht ausreichend sind, müssen
organisatorische Maßnahmen getroffen werden, bei denen z.B. geregelt ist, dass
während eines Herstellungsprozesses Personen nicht in den Gefahrenbereich
kommen (PIEPER u. VORATH 2005).
In Abb. 8.13 ist in einem Ablaufschema dargestellt, wie ein sicherer Zustand
eines Arbeitssystems herzustellen ist. Wenn die Gefahr nicht auszuschließen ist,
ist eine räumlich-zeitliche Trennung von Mensch und Gefahr vorzunehmen. Dies
Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung 745

kann durch Schutzeinrichtungen oder Sicherheitsschaltungen erfolgen. Organisa-


torische Regelungen sind erst der nächste Schritt. Ergänzend dazu werden dann
Hinweise und Anleitungen gegeben, die den arbeitenden Menschen in seinem
persönlichen Mittun unterstützen.

A nfang

1 Mögliche Gefährdungen feststellen

2 Gefahr ausschließen

nein
G efahr noch vorhanden?
ja
Unbedingt wirksame (räum liche oder räum lich-
3 zeitliche) Trennung von Menschen und Gefahr
schaffen

ja nach Art der nicht erfüllten A nforderungen


G efährliches Zusamm entreffen nein
noch m öglich?
ja
räum liche oder räum lich-zeitliche Trennung
4 von Mensch und G efahr durch S chutzein-
richtungen oder S icherheits- oder G efahr-
schaltungen schaffen

5 V oraussetzungen für aktive Sicherheit schaffen

6 Hinweise und Anleitungen vorsehen

7 Rettungseinrichtungen, E rste H ilfe vorsehen

8 E rgebnis überprüfen - wie 1

ausreichende S icherheit vorhanden?


nein
ja

E nde

Abb. 8.13: Vorgehen bei sicherheitsgerechter Konstruktion (KIRCHNER u. BAUM 1986)


746 Arbeitswissenschaft

8.1.4.4 GefährdungenĆ/ĆRichtlinienĆ
Ursachen für Gefährdungen am Arbeitsplatz und für Unfälle sind vielfältig. Bei-
spiele sind in Abb. 8.14 dargestellt.

Abb. 8.14: Beispielhafte Gefährdungen

Ursachen für Arbeitsunfälle können auf folgende Umstände zurückzuführen


sein:
x Sicherheitswiedrige Zustände
o Technische Mängel:
o Schutzvorrichtungen und Sicherheitseinrichtungen
o Betriebsmittel
o Betriebsanlagen und Einrichtungen
o Organisatorische Mängel:
o Personaleinsatz
o Aufsichts- und Informationsmängel
x Sicherheitswidriges Verhalten
o Sicherheitswidrige Handlungen
o Sicherheitswidrige Unterlassungen
x Höhere Gewalt.
Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung 747

8.1.4.4.1 Technische Mängel


Technische Mängel können entstehen durch Beschädigungen an vorhandenen
Schutzvorrichtungen, wodurch der ursprünglich vorhandene Schutz nicht mehr
gewährleistet ist. Hier ist eine regelmäßige Überprüfung notwendig. Für besonde-
re Gefahrenstellen gibt es gesetzliche oder betriebliche Prüfvorschriften, die den
Umfang der Überprüfungen und die Zeitintervalle festlegen, in denen Überprü-
fungen erfolgen müssen, teilweise verbunden mit einer Pflicht zur Dokumentation.
Details sind z.B. in der Betriebssicherheitsverordnung für Druckbehälter und
elektrische Geräte zu finden.
Die gleichen Gefahrenstellen können entstehen durch Manipulation an Schutz-
vorrichtungen, die vorgenommen werden, weil sie von den Beschäftigten als stö-
rend und hinderlich angesehen werden und vermeintlich den Arbeitsablauf verlän-
gern. In diesen Fällen ist eine Belehrung der Beschäftigten über die Notwendigkeit
der Schutzmaßnahmen und die mit einer Manipulation verbundenen Gefährdun-
gen notwendig. Anzustreben ist jedoch immer, bei der konstruktiven Gestaltung
von vornherein solche Schutzvorrichtungen vorzusehen, die sicheren Schutz ge-
währen und keine vermeidbare Behinderung bringen. Dann werden die Beschäf-
tigten gar nicht verleitet, Änderungen vorzunehmen. Dies gilt auch, wenn die
realisierte Lösung einen konstruktiven und finanziellen Mehraufwand bedeutet.
8.1.4.4.2 Organisatorische Mängel
In allen Fällen, in denen technische Lösungen eine Gefährdung nicht vertretbar
ausschließen, sind organisatorische Maßnahmen notwendig. Dies gilt insbesonde-
re bei der Personalauswahl, bei der notwendigen Schulung zum richtigen Verhal-
ten in sicherheitsrelevanten Situationen und bei der Überwachung und regelmäßi-
gen Überprüfung der festgelegten Abläufe. Bei der Personalwahl ist auf eine aus-
reichende Qualifikation des Mitarbeiters zu achten, so dass dieser nicht unwissent-
lich gegen bestehende Schutzmaßnahmen verstößt.
8.1.4.4.3 Sicherheitswidriges Verhalten
Bei sicherheitswidrigem Verhalten unterscheidet man
x sicherheitswidrige Handlungen und
x sicherheitswidrige Unterlassungen.
Sicherheitswidrige Handlungen sind z.B. Manipulationen an Sicherheitseinrich-
tungen (siehe Kap. 8.1.4.2). Sicherheitswidrige Unterlassungen sind gegeben,
wenn vorgeschriebene Überprüfungen sicherheitsrelevanter Einrichtungen nicht
im festgelegten Umfang und in den festgelegten Zeitabschnitten erfolgen.
Bei den Ursachen für sicherheitswidriges Verhalten wird nach vier Grundprin-
zipien unterschieden. Je nach dem zu welchem Prinzip ein Verhalten zugeordnet
wird, ändert sich auch die entsprechende Maßnahme, die zur Beseitigung des
Sicherheitsproblems zu ergreifen ist.
Es wird unterschieden nach:
x nicht wissen
748 Arbeitswissenschaft

x nicht können
x nicht wollen
x nicht müssen/ dürfen.
Unter „nicht wissen“ fallen alle sicherheitswidrigen Verhaltensweisen, die auf
Basis mangelnder Information der Arbeitsperson zustande kommen. Hierunter
fällt z.B. die Nicht-Beachtung von Betriebsanweisungen. Als Gegenmaßnahme
steht hier die Qualifizierung zur Verfügung. Dies kann über Einweisung bei Neu-
angestellten, erneute Unterweisung bei allen anderen Beschäftigten sowie über
Plakate und anderes Informationsmaterial geschehen. Auch Schulungen und Se-
minare z.B. durch die Berufsgenossenschaften ausgerichtet, können zur Informati-
onsvermittlung beitragen. Es ist durch den Arbeitgeber sicherzustellen, dass alle
Beschäftigten Zugang zu den nötigen Informationen für sicherheitsgerechtes Ver-
halten haben.
Manchmal kommt es vor, dass ein Mitarbeiter sich nicht sicherheitsgerecht
verhalten konnte, da ihm die nötigen Fähigkeiten fehlen. Hierzu zählen z.B. die
richtige Bedienung einer Maschine oder das Einhalten bestimmter Arbeitsabläufe.
Um das Können der Mitarbeiter zu fördern ist die Durchführung praktischer Schu-
lungen und Trainings geeignet. Wenn sich zeigt, dass der Beschäftigte auch nach
eingehender Schulung nicht das Können im sicherheitsgerechten Umgang mit den
Maschinen oder Arbeitsabläufen zeigt, so ist es die Aufgabe des Arbeitgebers,
eine geeignete Personalmaßnahme zu treffen. Diese kann in einem anderen Perso-
naleinsatz bestehen. Als Regeln gilt: die richtige Person am richtigen Platz.
Im Gegensatz zu den Bereichen „nicht wissen“ und „nicht können“ fällt es
schwer im Bereich „nicht wollen“ konkrete Handlungsanweisungen zu geben.
Fehler, die durch nicht wollen der Beschäftigten entstehen, sind sozusagen durch
mangelnde Motivation verursacht. Hierzu zählt z.B. das Arbeiten ohne persönliche
Schutzausrüstung aus Bequemlichkeit. Motivationsmangel kann durch persönliche
Betroffenheit abgeschwächt werden. Wichtig ist es den Beschäftigten klar zu
machen, warum die geltenden Regeln wichtig sind. Die Wichtigkeit der Regeln ist
hierbei für die persönlichen Interessen des Beschäftigten herauszustellen und
zusätzlich, aber nicht ausschließlich, für die Interessen des Unternehmens. Den
Beschäftigten soll klargemacht werden, welche persönlichen Vorteile sie haben,
sich an die geltenden Regeln zu halten bzw. welche persönlichen Nachteile mit
einem Regelverstoß einhergehen.
Der Punkt „nicht müssen“ bzw. „nicht dürfen“ spricht die Sicherheitskultur im
Unternehmen an. Hier geht es darum, wie hoch die Stellung von Sicherheit und
Arbeitsschutz im Betrieb ist. Bei nicht müssen wird dem Arbeitsschutz keine
große Rolle im betrieblichen Alltag beigemessen. Der Arbeitgeber legt keinen
Wert darauf, dass sicherheitsgerecht gearbeitet wird und verhält sich selbst nicht
sicherheitsgerecht. Sicherheitswidriges Verhalten der Beschäftigten wird nicht
bemängelt. Nicht dürfen geht noch einen Schritt weiter: hier erleiden Beschäftigte
sogar Nachteile, wenn sie sich an die Regeln halten und werden vom Vorgesetzten
z.B. für langsameres Arbeiten getadelt. In beiden Fällen hilft als Maßnahme nur
die Änderung der Sicherheitskultur. Damit Arbeitsschutz bei den Beschäftigten
Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung 749

konsequent durchgesetzt wird, muss der Arbeitgeber selbst den Stellenwert des
Arbeitsschutzes für seine Beschäftigten deutlich machen.
Erst durch die konsequente Umsetzung aller vier Stufen, also die Information,
Schulung, Motivation und Sicherheitskultur, ist eine Einstellungsveränderung bei
den Beschäftigten zu erwarten. Diese Veränderung führt zu einer Weiterentwick-
lung des Arbeitsschutzes, bei dem auch Beschäftigte unter Kollegen für sicher-
heitsgerechtes Verhalten einstehen.
8.1.4.4.4 Höhere Gewalt
Fälle von höherer Gewalt, die zu Unfällen führen, sind nicht auszuschließen,
kommen aber glücklicherweise selten vor. Unter höherer Gewalt wird im deut-
schen Recht ein von außen kommendes, außergewöhnliches und unvorhersehbares
Ereignis, das auch durch äußerste Sorgfalt des Betroffenen nicht verhindert wer-
den kann, verstanden. Im industriellen Sinn kann das z.B. ein Maschinenschaden
sein.

8.1.4.5 FolgenĆ vonĆ sicherheitsgerechtemĆ /Ć sicherheitswidrigemĆ Verhal-


tenĆ
Bei der Beurteilung von menschlichem Verhalten und den Konsequenzen daraus
im Hinblick auf Arbeitssicherheit ist in erster Linie davon auszugehen, dass nach
sachbezogener Schulung und Hinweisen auf Gefahrensituationen die Beschäftig-
ten die Vorschriften beachten und sich situationsgerecht verhalten. Das Verhalten
wird jedoch sehr stark beeinflusst durch persönliche Erfahrungen mit unter-
schiedlichen Arbeitsplatzsituationen.
Wenn sich als Folge von sicherheitsgerechtem Verhalten am Arbeitsplatz ein
Gefühl der Sicherheit ergibt, sind z.B. Einzugsstellen und Klemmstellen sichtbar,
aber nicht erreichbar, ergibt sich eine Tendenz zur Wiederholung und es bildet
sich eine sichere Gewohnheit für diese Tätigkeit. Genauso positiv kann das Ver-
halten durch Einwirkungen von Kollegen und Vorgesetzen geformt werden, wenn
diese Bestätigung für das sicherheitsgerechte Verhalten zeigen z.B. Lob für das
konsequente Tragen der persönlichen Schutzausrüstung.
Es ist jedoch auch möglich, dass ein sicherheitsgerechtes Verhalten keine sicht-
bare oder subjektive Bestätigung bringt. Es folgt keine Tendenz zur Wiederho-
lung, eine Gewohnheitsbildung bleibt aus. Der problematische Fall ist dann gege-
ben, wenn mit sicherheitsgerechtem Verhalten Anstrengung und vor allem Zeit-
verlust verbunden sind. Es bildet sich ein Gefühl des Misserfolges mit einer Ände-
rung des Verhaltens, nämlich nicht sicherheitsgerecht zu arbeiten. Der dann fol-
gende Zeitgewinn wird als Erfolg angesehen, und es bildet sich eine sicherheits-
widrige Gewohnheit (Abb. 8.15). Dieses Problem wird noch verschärft, wenn
zusätzlich zu dem – subjektiven – Zeitgewinn die Bestätigung von außen kommt.
Dies kann z.B. der Vorgesetzte sein, der den Beschäftigten für sein besonders
schnelles Arbeiten lobt.
750 Arbeitswissenschaft

Als Folgerung daraus ergibt sich die Notwendigkeit, bei allen sicherheitsrele-
vanten Maßnahmen diese so zu gestalten, dass sie als notwendige und in sicher-
heitstechnischer Hinsicht sinnvolle Hilfe angesehen werden und keinen Zeitverlust
und zusätzliche Anstrengung bei der Handhabung erfordern.

Was ist die Folge von


sicherheitsgerechtem
Verhalten ?

Gefühl der Sicherheit „Nichts“ Anstrengung, Zeit-


verlust, Verärgerung

Bestätigung des Keine Bestätigung


Verhaltens des Verhaltens Misserfolg

Tendenz zur Keine Tendenz zur Änderung des


Wiederholung Wiederholung Verhaltens

Bildung sicherer Keine Tendenz zur Erfolg,


Gewohnheit Gewohnheitsbildung Bestätigung

Festigung des
sicherheitswidrigen
Verhaltens

Bildung einer
sicherheitswidrigen
Gewohnheit

Abb. 8.15: Folgen von sicherheitsgerechtem Verhalten, z.B. Tragen von persönlicher
Schutzausrüstung.

Vor allen die Verwendung von persönlicher Schutzausrüstung führt bei den Be-
schäftigten öfters zu Widerstand, ebenso die Änderung von lange eingeübten Ar-
beitsabläufen zur Erhöhung der Sicherheit. Für größere Akzeptanz sorgt das Ein-
beziehen der Beschäftigten in die arbeitsrelevanten Entscheidungen. Dies kann
z.B. über die gemeinsame Planung der neuen Arbeitsabläufe erfolgen. Bei der
Anschaffung neuer Schutzausrüstung ist auf eine größere Auswahl zu achten, so
dass diese nach eigenen Vorlieben gewählt werden kann.
Die Situation bei sicherheitswidrigem Verhalten ist – umgekehrt – vergleichbar
(Abb. 8.16). Ein Unfall oder Beinahe-Unfall bringt die erlebte Erfahrung, die zur
Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung 751

Änderung des Verhaltens und zu einer Tendenz zur sicheren Gewohnheit führt.
Ohne eine solche Erfahrung bliebe das sicherheitswidrige Verhalten bestehen. Bei
einem Zeitgewinn oder einem anderen Erfolg ergibt sich sogar eine Bestätigung
und eine Tendenz zur Wiederholung des sicherheitswidrigen Verhaltens, bis ein
Unfall oder Beinahe-Unfall zur Überprüfung des Verhaltens zwingt. Als Beispiel
kann das Verwenden eines Bürostuhls als Leiterersatz herangezogen werden. Wird
der Bürostuhl benutzt um Akten aus einem oberen Schrank zu erreichen und ge-
lingt dies ohne Probleme, so wird das Verhalten bei nächster Gelegenheit wieder-
holt. Wird dabei das Verhalten durch Kollegen gelobt – Zeitersparnis –, so fühlt
sich der Beschäftigte zusätzlich bestätigt und lässt das sicherheitswidrige Verhal-
ten zur Gewohnheit werden. Wenn beim ersten oder einem weiteren Mal jedoch
der Drehstuhl wegrutscht und der Beschäftigte einen Unfall oder Beinahe-Unfall
erlebt, so stellt sich das Bewusstsein von Gefahr ein. Beim nächsten Mal wird er
sein Verhalten an die Sicherheitsregeln anpassen und – wenn er dafür bestätigt
wird – eine sichere Gewohnheit ausbilden.

Was ist die Folge von


sicherheitswidrigem
Verhalten ?

Unfall, Beinahe- Bequemlichkeit,


Unfall, Bewusstsein „Nichts“ Zeitgewinn,
von Gefahr Achtungserfolg

Misserfolg Kein Misserfolg Bestätigung des


Verhaltens

Änderung des Keine Änderung Tendenz zur Wieder-


Verhaltens des Verhaltens holung des sicherheits-
widrigem Verhaltens

Tendenz zur Weiter sicherheits- Unfall, Beinahe-


sicheren Gewohnheit widriges Verhalten Unfall, Bewusstsein
von Gefahr

Abb. 8.16: Folgen von sicherheitswidrigem Verhalten, z.B. Verwenden eines Drehstuhls
als Leiterersatz.

8.1.4.6 GefahrenhinweiseĆ/ĆGeboteĆ

Auf Gefahren wird mit Verboten, Geboten, Warnungen und Hinweisen hinge-
wiesen (Abb. 8.17). Die Farbschemata sind wie folgt:
752 Arbeitswissenschaft

x Verbote haben als dominierende Farbe rot. Piktogramme, Zeichen, Zahlen


und Symbole sind schwarz auf weißem Untergrund. Verbote sind streng zu
beachten.
x Gebote haben als dominierende Farbe blau. Piktogramme, Zeichen, Zahlen
und Symbole sind weiß. Gebote sind ebenfalls streng zu beachten.
x Warnungen haben als dominierende Farbe gelb. Piktogramme, Zeichen und
Symbole sind schwarz. Warnungen weisen auf Gefahrenstellen hin.
x Hinweise haben als dominierende Farbe grün. Piktogramme, Zeichen und
Symbole sind weiß. Hinweise unterstützen und helfen in besonderen Situati-
onen, sie zeigen Fluchtwege, Erste-Hilfe-Stellen und anderes.

Abb. 8.17: Gefahrenhinweise / Gebote

8.1.4.7 WirtschaftlichkeitĆ
Wenn bei der Produktgestaltung technische Maßnahmen nicht funktionsbedingt
sind, sondern gesetzliche oder betriebliche sicherheitstechnische Gestaltungsricht-
linien erfüllen müssen, wird vielfach die Frage nach der Wirtschaftlichkeit ge-
stellt. Insbesondere dann, wenn ohne diese zusätzlichen Funktionen eine Kosten-
reduktion oder eine nutzerfreundlichere Lösung der Konstruktionsaufgabe mög-
lich wäre. In manchen Fällen kommt bei der Nutzung des Produktes sogar noch
eine Prozesszeitverlängerung hinzu, weil der Nutzer Sicherheitseinrichtungen
betätigen muss, die den Arbeitsablauf unterbrechen oder verlängern (BÜCHNER u.
RENTEL 2003).
Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung 753

Die Kosten, die für – zusätzliche – sicherheitstechnische Maßnahmen aufzu-


wenden sind, sind in der Regel einfach und schnell zu ermitteln. Der Nutzen in
eingesparten Kosten ist jedoch nur sehr grob zu schätzen. Dies gilt umso mehr, je
größer die Möglichkeit eines Fehlverhaltens ist, das wesentlich von der Einstel-
lung jedes einzelnen Benutzers abhängt. Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere
eines Unfalls und die damit verbundenen Folgekosten können nur mit einer gewis-
sen Prognoseunsicherheit anhand von Vergangenheitsdaten geschätzt werden.
In vielen Fällen werden bei der Funktionsgestaltung die erwarteten Zusatzkos-
ten für sicherheitstechnische Maßnahmen zum Anlass genommen, eine geänderte
Funktionslösung zu suchen, die alle sicherheitstechnischen Auflagen erfüllt und
keine Mehrkosten verursacht. Hier werden oft Lösungen gefunden, die sogar eine
Einsparung an Herstellungskosten des Produktes oder Betriebskosten bei der Nut-
zung des Produktes, vor allem durch Reduzierung der Prozesszeiten bringen. In
diesen und ähnlichen Fällen ist eine traditionelle Wirtschaftlichkeitsrechnung
problemlos möglich.

8.2 Betriebliche Gesundheitsförderung

8.2.1 Grundlagen und Handlungsbedingungen


Betriebliches Gesundheitsmanagement gewinnt sowohl in der Industrie als auch
im Dienstleistungsbereich stetig an Bedeutung. Das gesteigerte Interesse an die-
sem Themengebiet begründet sich u.a. durch die erhöhten Anforderungen an die
Mitarbeiter und die hohen Kosten bedingt durch Arbeitsausfälle (ULICH 2001
zitiert nach ULICH u. WÜLSER 2005). Das Konzept des betrieblichen Gesundheits-
managements hat die Verminderung psychosozialer Belastungen, die Verbesse-
rung der Motivation und der Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter, die Förderung
der Identifikation mit dem Betrieb und somit schließlich auch die Unterstützung
von Produktivität und Wertschöpfung zum Ziel (BADURA u. HELLMANN 2003;
ULICH u. WÜLSER 2005). Diese Zielsetzung steht im Spannungsfeld von ökono-
mischem Vorgehen auf der einen und humanem Handeln auf der anderen Seite.
Um die Ansätze des betrieblichen Gesundheitsmanagements wirksam umsetzen zu
können, werden Erkenntnisse der Arbeitswissenschaft sowie der Wirtschaftswis-
senschaften einbezogen und miteinander verknüpft.

8.2.1.1 Leitlinien:ĆDieĆOttawa-ChartaĆ
Leitlinien bilden neben anderen Quellen die Basis für die Ausbildung von Maß-
nahmen zur Gesundheitsförderung. Als eine wichtige Grundlage wird die Ottawa-
Charta anerkannt, welche das Ergebnis der Ersten Internationalen Konferenz zur
Gesundheitsförderung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 1986 ist. Laut
Ottawa-Charta wird Gesundheitsförderung folgendermaßen definiert: „Gesund-
heitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an
754 Arbeitswissenschaft

Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stär-
kung ihrer Gesundheit zu befähigen“ (WHO 1986). Somit entfernt sich die Be-
trachtung von Gesundheit von der medizinisch-naturwissenschaftlichen Defizit-
perspektive, welche Gesundheit als bloße Abwesenheit von Krankheit definiert
(KLOTTER 1997). Arbeit soll in Anlehnung an Antonovsky einen „gesundheitsför-
derlichen Aspekt enthalten“ (ANTONOVSKY u. FRANKE 1997). Gesundheitsförde-
rung wird im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements als positives
Gestaltungskonzept gesehen, welches über die Vorbeugung von Krankheiten hin-
ausgeht und sich nicht nur auf physische Aspekte von Gesundheit bezieht, sondern
auch psychische und soziale Dimensionen betrachtet (BAMBERG et al. 1998).
Das Rahmenkonzept der WHO weist der betrieblichen Gesundheitsförderung
eine wichtige Rolle zu, indem betont wird, dass „die Art und Weise, wie eine Ge-
sellschaft die Arbeit, die Arbeitsbedingungen organisiert, […] eine Quelle der
Gesundheit und nicht der Krankheit“ sein sollte (WHO 1986). Die Bedeutung der
Arbeit und der Arbeitsbedingungen für die Gesundheit ist unumstritten
(BAMBERG et al. 1998). Hierbei sollten jedoch nicht nur die potenziellen Risiken
betrachtet werden, sondern auch die Möglichkeiten, die sich einer Arbeitsperson
aus positiv gestalteten Arbeitsbedingungen eröffnen. Arbeit sollte optimalerweise
nicht nur einen Risikofaktor darstellen, sondern auch Möglichkeiten zur Entfal-
tung der Persönlichkeit bieten (siehe Kap. 1.5.2). Letztendlich gilt es, das Wohlbe-
finden des Mitarbeiters über die Dauer hinweg aufrechtzuerhalten und zu fördern
(BAMBERG et al. 1998).
Dass die Ansätze der Ottawa-Charta unter dem bestehenden Kostendruck im
Bereich der Arbeitsgestaltung schwer umzusetzen sind und auch für die Zukunft
Handlungsbedarf besteht, betont ROSENBROOK (1998) in seiner Analyse der Um-
setzung der Ottawa-Charta in Deutschland. Als besonders kritisch in Bezug auf
die Umsetzung der Leitsätze der Ottawa-Charta wird die Rolle der Krankenkassen
gesehen. Diesen wurde Kraft dem §20 des fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) der
als relativ weitläufig anzusehende Bereich der Verhaltensprävention zugewiesen.
Ob die Verhaltensprävention bei den Krankenversicherungen in den richtigen
Händen ist, wird angezweifelt (KLOTTER 1997). Außerdem besteht die Kritik an
dem aktuellen Vorgehen der Krankenkassen darin, dass sich hinter der Kenn-
zeichnung „Gesundheitsförderung“ eher Marketing zugunsten der Krankenkassen
verberge, der Fokus also eher auf Kundenwerbung als auf klassischer Gesund-
heitsförderung liege. Die durch die Krankenkassen organisierte Verhaltenspräven-
tion sieht den Patienten eher als Kunden, der gesundheitsförderliche Grundgedan-
ke muss dem Dienstleistungsgedanken weichen. Nach KLOTTER (1997) „gerät
Gesundheitsförderung somit zur Animation“. Die Angebote, wie z.B. „Power-
Walking“ und Fitnesstrainings, werden aus Kostengründen ohne vorherige Indika-
tionsstellung für alle Klienten angeboten.
Die hier zu erkennenden Problematiken aus dem Spannungsfeld Kostendruck,
Effektivität, Zugänglichkeit für alle Versicherte und Eigeninteressen der Kranken-
kassen sind auch von Seiten des Betriebs zu beobachten. Wie in der späteren Dar-
stellung aufgezeigt wird, kann eine betriebliche Gesundheitsförderung mit bedin-
Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung 755

gungsbezogenen Interventionen am besten wirksam werden, wenn zusätzlich eine


angemessene personenbezogene und somit verhaltensorientierte Intervention ge-
währleistet werden kann. Die Einflussmöglichkeiten betrieblichen Gesundheits-
managements sind also nicht nur von den betrieblichen Bedingungen und Bemü-
hungen abhängig, sondern auch durch rechtliche Gegebenheiten eingeschränkt.
Dieses gilt es bei der Ableitung von Richtlinien betrieblicher Gesundheitsförde-
rung zu beachten.

8.2.1.2 ImplikationenĆfürĆbetrieblicheĆGesundheitsförderungĆ
Aus den Leitsätzen der Ottawa-Charta lassen sich Ansätze für die Gestaltung
betrieblicher Gesundheitsförderung ziehen. Konkret gehen BAMBERG, et al.
(1998) ebenso wie BADURA u. HELLMANN (2003) von unterschiedlichen Konse-
quenzen für die betriebliche Gesundheitsförderung aus:
x Der Fokus betrieblicher Gesundheitsförderung sollte sich nicht ausschließ-
lich auf somatische, sondern auch auf psychosoziale Aspekte beziehen.
x Positive Merkmale von Arbeit sollen identifiziert und gefördert werden, so-
dass das Wohlbefinden und die Handlungsfähigkeit der Mitarbeiter gefördert
und erhalten werden kann.
x Betriebliche Gesundheitsförderung hat einen qualifizierenden Charakter, d.h.
die Kompetenzen der Beschäftigten sollen erweitert werden, so dass diese
ein höheres Maß an Selbstbestimmung erfahren.
x Gesundheitsförderung sollte nicht nur personen-, sondern auch situationsori-
entiert sein.
x Nicht nur verhaltensändernde, auf den Mitarbeiter zugeschnittene Maßnah-
men sind notwendig, sondern auch verhältnisbezogene Maßnahmen sind er-
forderlich.
x Alle Beschäftigten eines Unternehmens sollen bei der betrieblichen Gesund-
heitsförderung berücksichtigt und mit einbezogen werden, der Fokus sollte
sich nicht nur auf Risikogruppen liegen.
x Die Mitbestimmung wird als wesentlicher Punkt für eine erfolgreiche be-
triebliche Gesundheitsförderung benannt.
Leitlinien, die die Basis dieser Aspekte bilden, sind nicht als im Detail zu erfül-
lende Standards zu sehen, sondern vielmehr als Prinzipien, an die eine Annähe-
rung angestrebt wird (BAMBERG et al. 1998). Somit sollte eine Gewichtung der
Teilaspekte stattfinden, um zu erkennen, welche Elemente für die Erarbeitung von
Konzepten zum betrieblichen Gesundheitsmanagement besonders wichtig sind.
Hierzu wird im Folgenden vertiefend auf die Aspekte der Verhaltens- und Ver-
hältnisorientierung sowie auf die Mitbestimmung eingegangen.
In aktuellen Diskussionen wird immer wieder die Bedeutung bedingungsbezo-
gener Interventionen betont. Allerdings lässt sich verbreitet feststellen, dass die
meisten Konzepte zur betrieblichen Gesundheitsförderung den Schwerpunkt auf
personenbezogene Interventionen legen (BREUCKER 2000 zitiert nach ULICH u.
WÜLSER 2005). Dieses Vorgehen ist kritisch zu betrachten, wenn man bedenkt,
756 Arbeitswissenschaft

dass ein erheblicher Anteil arbeitsbedingter Erkrankungen nachweisbar auf die


Arbeitsbedingungen zurückzuführen sind (ULICH u. WÜLSER 2005). Als ein Bei-
spiel hierfür lassen sich insbesondere Muskel- und Skeletterkrankungen nennen.
Diese Erkrankungsform steht in Deutschland laut Bundesanstalt für Arbeitsschutz
und Arbeitsmedizin (BAuA) an erster Stelle der Ursachen für krankheitsbedingte
Fehltage. An diesem Beispiel arbeitsbedingter Erkrankungen lässt sich erkennen,
dass verhaltens- und verhältnisorientierte Maßnahmen zur Gesundheitsförderung
nicht isoliert voneinander betrachtet werden können. Eine Rückenschule bei-
spielsweise, welche als individuumsorientierte Maßnahme anzuerkennen ist, kann
langfristig nur wirksam werden, wenn in diesem Zusammenhang auch Verände-
rungen am Arbeitsplatz des Mitarbeiters stattfinden. Wobei ULICH u. WÜLSER
(2005 zitiert nach LENHARDT et al. 1997) davon ausgehen, dass sich besonders
durch verhältnisbezogene betriebliche Interventionsansätze enorme präventive
Möglichkeiten ergeben, um Rückenschmerzen und allgemein Erkrankungen des
Bewegungs- und Stützapparates entgegenzuwirken.
Eine Darstellung möglicher Maßnahmen und Wirkungen von Verhaltens- und
Verhältnisprävention findet sich in Tabelle 8.5.
Bei der Betrachtung dieser möglichen Ansatzpunkte für das betriebliche
Gesundheitsmanagement ist zu beachten, dass sich Verhaltens- und Verhältnisori-
entierung in manchen Punkten überschneiden und grundsätzlich eine Interaktion
zwischen den Komponenten besteht (GREINER 1998 zitiert nach ULICH u.
WÜLSER 2005, BADURA et al. 2001).
Die Mitbestimmung und Teilnahme der Arbeitsperson in Bezug auf die betrieb-
liche Gesundheitsförderung ist ein vielfach diskutiertes Element von Gesund-
heitsmanagementkonzepten. Häufig bleibt jedoch unklar, was mit dieser Forde-
rung gemeint ist. Nach BAMBERG et al. (1998) sind die Forderungen nach Beteili-
gung und die Vorschläge hierfür vielfältig – sie reichen von der Teilnahme der
Mitarbeiter bei verschiedenen Workshops bis hin zur Tätigkeit im Betriebsrat –
zumeist jedoch wenig konkret. Um der Frage, wie genau eigentlich Mitbestim-
mung und Beteiligung des Mitarbeiters zu definieren ist, nachzugehen, lassen sich
verschiedene Formen der Beteiligung betrachten: Informationsfluss, Beratung und
Mitentscheidung (BAMBERG et al. 1998).
Der Aspekt des Informationsflusses kann z.B. realisiert werden, indem Arbeits-
personen ausreichend über Maßnahmen der Gesundheitsförderung informiert
werden. Dieses kann in Form von Beratungsgesprächen und Konsultationen mög-
lich sein. Die Mitbestimmung wird möglich, wenn vor der Umsetzung eines vom
Management entwickelten Konzepts zur Gesundheitsförderung ergänzende Vor-
schläge der Belegschaft eingebracht werden können. Eine Beteiligung kann erst
dann als Maßnahme der Mitbestimmung bezeichnet werden, wenn der Mitarbeit
Information und Beratung über die Themengebiete vorausgehen (BAMBERG et al.
1998). Hier ist es entscheidend zu erkennen, dass die Selbstbestimmung und Ein-
bringung der Arbeitsperson nur dann sinnvoll ist, wenn dieser auch über den nöti-
gen Kenntnisstand verfügt. Nur so kann das Konzept eines höheren Maßes an
Selbstbestimmung wie es die Ottawa-Charta vorschlägt, gelingen.
Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung 757

Tabelle 8.5: Betriebliche Gesundheitsförderung: Personenbezogene und bedingungsbezo-


gene Interventionen (ULICH 2001 zitiert nach ULICH u. WÜLSER 2005)

Grundsätzlich ist die Mitbestimmung ein Ziel, welches in den verschiedenen


Phasen der Gesundheitsförderung zum Tragen kommen sollte. Der Arbeitsperson
obliegt die Entscheidung für eine Intervention, die Analyse dieser und schließlich
auch die Umsetzung des Konzeptes für sich selbst und in ihrem Arbeitsumfeld.

Interessenlage und Beweggründe für betriebliche Gesundheitsförderung


Das Streben nach einem umsetzbaren, langfristigen und ökonomisch lohnenswer-
ten betrieblichen Gesundheitsmanagement lässt sich aus verschiedenen Perspekti-
ven begründen. Nicht nur für die einzelnen Unternehmen und deren Mitarbeiter ist
die betriebliche Gesundheitsförderung eine wichtige Zielsetzung, auch die Aus-
wirkungen auf die Volkswirtschaft sind erheblich. Die Kosten für krankheitsbe-
dingte Ausfälle der Beschäftigten sind enorm. Dieser Kostenfaktor bildet für Ar-
beitgeber häufig einen Anreiz für die Einführung und Durchführung betrieblicher
Gesundheitsförderungsmaßnahmen. Berechnungen der BAuA zeigen den volks-
758 Arbeitswissenschaft

wirtschaftlichen Schaden, welcher durch Krankheitsstände verursacht wird. Mit


einer durchschnittlichen Arbeitsunfähigkeitsrate von 12,2 Tagen je Arbeitsnehmer
ergeben sich laut Berechnungen für das Jahr 2005 insgesamt 420,5 Millionen
Arbeitsunfähigkeitstage und somit ein volkwirtschaftlicher Produktionsausfall von
insgesamt 38 Milliarden Euro. Diese Schätzungen ergeben sich auf der Basis von
rund 30 Millionen Pflicht- und freiwillig Versicherten. Aus Sicht der Unterneh-
men besteht der Anreiz einer betrieblichen Gesundheitsförderung also in der
Hoffnung, dass diese eine Senkung des Krankheitsstandes mit sich bringt.
Meist wird der Fokus auf die Betrachtung des Verlustes durch Erkrankungen
für die Begründung betrieblicher Gesundheitsförderung gesehen. Nicht zu unter-
schätzen ist jedoch der Gewinn, welcher durch erlangte Gesundheit der Mitarbei-
ter erreicht werden kann. Nach BAMBERG et al. (1998) wird jeder in die Gesund-
heitsförderung investierter Dollar mit einem Gewinn von 1,42 Dollar durch eine
Reduktion der Krankheitszeiten belohnt. Auch der immaterielle Gewinn durch die
Förderung und Erhaltung der Gesundheit der Arbeitnehmer ist erheblich und zeigt
sich u.a. in einer erhöhten Identifikation mit dem Unternehmen und einer erhöhten
Arbeitsmotivation der Arbeitsperson (BAMBERG et al. 1998). Hier schließt sich der
Kreis: Eine betriebliche Gesundheitsförderung, welche die Leistungsmotivation
als zunächst immateriellen Faktor stärkt, macht sich schließlich materiell in einer
erhöhten Leistung des Mitarbeiters bemerkbar.
Um eine betriebliche Gesundheitsförderung in der Realität umzusetzen und
somit von den beschriebenen positiven Effekten profitieren zu können, bedarf es
des Konsensus von Arbeitergeber und Arbeitnehmer. Nach den bisherigen Aus-
führungen wäre davon auszugehen, dass das gemeinsame Interesse an einer ge-
sunden und leistungsfähigen Belegschaft die Zusammenarbeit und die Verknüp-
fung der Interessen des Arbeitgebers und Arbeitsnehmers erleichtert. Jedoch steht
diese Konsensfindung im Kontext zahlreicher Spannungsfelder. Die Vorteile einer
effektiven Gesundheitsförderung liegen für den Arbeitgeber in der Verringerung
der Fehlzeiten und somit in einem monetären Gewinn durch eine verbesserte Kos-
tenstruktur des Unternehmens. Jedoch wird häufig die Investition in die betriebli-
che Gesundheitsförderung, die nur auf die lange Frist angelegt sein kann, hinter
diesen kurzfristigen Effektivitätsbetrachtungen zurückgestellt (BAMBERG et al.
1998). Die Arbeitnehmer sehen sich aufgrund der aktuellen Arbeitsmarktlage in
der unterlegenen Verhandlungsposition. Die Bedürfnisse des Arbeitnehmers be-
ziehen sich sowohl auf die aktuelle Lebensqualität, als auch auf den langfristigen
Erhalt seiner Arbeitsfähigkeit. Somit stehen die Interessenschwerpunkte des Ar-
beitsgebers und des Arbeitsnehmers im Kontrast zueinander. Liegt der Interessen-
schwerpunkt des Arbeitsgebers eher im Bereich der kurzen Frist und bezieht sich
auf die Effektivität seines Unternehmens, bezieht sich die Interessenlage des Ar-
beitsnehmers im Allgemeinen auf die lange Frist. BAMBERG et al. (1998) geben
jedoch auch zu bedenken, dass die Handlungsweisen der Arbeitsnehmer nicht
homogen sind. So wird der kurzfristige, materielle Gewinn durch Schichtarbeit
oder einen Zweitjob von vielen Arbeitnehmern in der Präferenz über den mögli-
chen langfristigen Verlust an potenzieller Arbeitsfähigkeit angesiedelt.
Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung 759

Diese verschiedenen Betrachtungspunkte in Bezug auf Nutzen und Kosten be-


trieblicher Gesundheitsförderung erschweren die Konsensfindung und somit die
Durchführung betrieblicher Gesundheitsförderung. Dieses schadet letztendlich
nicht nur dem Unternehmer und dem einzelnen Mitarbeiter, sondern hat auch
negative Einflüsse auf die Volkswirtschaft und die gesamte Bevölkerung. Hier
lässt sich letztendlich erkennen, dass nicht nur über theoretische Konzepte des
Gesundheitsmanagements reflektiert werden muss, sondern auch Möglichkeiten
der Umsetzung geschaffen werden müssen. Es gilt, Erkenntnisse aus verschiede-
nen wissenschaftlichen Bereichen zu aggregieren und diese auf Anwendbarkeit zu
überprüfen.

8.2.2 Interventionsansätze des betrieblichen Gesundheitsmanage-


ments
Die Gestaltung von gesundheitsförderlicher Arbeit bezieht sich auf Arbeitssyste-
me (siehe Kap. 1.5.1.1). Um ein solches Arbeitssystem zu gestalten, bedient man
sich präventiver, korrektiver und prospektiver Maßnahmen (ULICH u. WÜLSER
2005, siehe Kap. 1.5.3.2). Präventive Strategien haben zum Ziel, gesundheitliche
oder psychosoziale Beeinträchtigungen vorwegzunehmen. Somit werden arbeits-
wissenschaftliche Konzepte bereits während des Entwurfs eines Arbeitssystems
berücksichtigt und in die Planung einbezogen. Es ist jedoch zu beachten, dass
gesundheitliche Beeinträchtigungen, die durch die Gestaltung eines Arbeitssys-
tems entstehen, nicht immer vorausschauend erkannt werden können. Aus diesem
Grund ist eine weitere Strategie der Arbeitsgestaltung korrektiv ausgerichtet. Ihr
Ziel ist die Korrektur erkannter Mängel. Dies wird durch die Adaptation und Ver-
änderung bereits bestehender Arbeitssysteme erreicht. Beispielhaft für eine kor-
rektive Gestaltungsmaßnahme ließe sich die Einführung kleingruppenorientierter
Sicherheitsarbeit im Unternehmen nennen. Hier arbeitet eine kleine Gruppe eines
Arbeitsbereichs zusammen, um erkannte Sicherheitsprobleme zu lösen (RITTER u.
ZINK 1992). Das Ziel prospektiver Arbeitsgestaltung hingegen ist die Schaffung
von Möglichkeiten der Gesundheits- und Persönlichkeitsentwicklung für jeden
Mitarbeiter eines Unternehmens. Dies kann erreicht werden, indem man wählbare
Arbeitsstrukturen für Beschäftigte schafft. Als Beispiel lassen sich Softwaresys-
teme nennen, welche die Benutzer ihren Bedürfnissen und Qualifikationen ent-
sprechend anpassen können (ULICH 2001 zitiert nach ULICH u. WÜLSER 2005).
Der im Folgenden skizzierte soziotechnische Systemansatz greift im Wesentli-
chen den Ansatz der prospektiven Arbeitsgestaltung auf, um es den Beschäftigten
zu ermöglichen die Arbeit ihren individuellen Bedürfnissen anzupassen.
Der soziotechnische Ansatz geht davon aus, dass eine zu lösende Aufgabe im
Zentrum der Betrachtung liegt. Mensch, Technik und Organisation sind die Rah-
menbedingungen für diese Aufgabe. Dieses Teilsystem wird von dem weiteren
Teilsystem „Markt“ umgeben. Das ganze System ist von einer natürlichen und
sozialen Umwelt umgeben. Betriebliches Gesundheitsmanagement umfasst nach
dem soziotechnischen Systemansatz die Subsysteme Mensch, Technik und Orga-
760 Arbeitswissenschaft

nisation. Ziel ist es, die Teilsysteme gemeinsam zu optimieren, damit eine Balance
zwischen wirtschaftlichen und humanen Interessen geschaffen werden kann. Ge-
nerell kann man betriebliche Gesundheitsförderung nicht unabhängig von ökono-
mischen Faktoren betrachten. Maßnahmen des betrieblichen Gesundheitsmana-
gements müssen auch immer den Ansprüchen eines produktiven Unternehmens
genügen. Daraus ergeben sich Spannungsfelder, die es zu überwinden gilt (ULICH
u. WÜLSER 2005). Der soziotechnische Systemansatz liefert die Möglichkeiten
beide Sichtweisen zu vereinbaren.
Der Vorteil, den dieser Ansatz liefert, ist die Tatsache, dass Interventionen des
betrieblichen Gesundheitsmanagements an allen drei Subsystemen angesetzt wer-
den können. Die Rechtfertigung der soziotechnischen Betrachtungsweise im Hin-
blick auf betriebliche Gesundheitsförderung ergibt sich daraus, dass gesundheits-
gerechte Arbeitsgestaltung nie einen einzelnen Arbeitsplatz, sondern mindestens
eine betriebliche Abteilung umfasst. Zudem hat eine Verbesserung der Gesundheit
der Beschäftigten auch meist eine Produktivitätserhöhung zu Folge
(OESTERREICH 1999 zitiert nach ULICH u. WÜLSER 2005).
Es lassen sich drei Prinzipien der soziotechnischen Systemgestaltung unter-
scheiden (DUELL et al. 1986 zitiert nach ULICH u. WÜLSER 2005):
(1) Bildung relativ unabhängiger Organisationseinheiten. Umsetzbar in der Pra-
xis beispielsweise durch das Übertragen von ganzheitlichen Aufgaben an
Mehrpersonenstellen oder durch Produktionsprozesse mit relativ unabhängi-
gen Teilprozessen, die modulartig vernetzt sind.
(2) Zusammenhang der Aufgaben in der Organisationseinheit. Umsetzbar in der
Praxis beispielsweise durch den inhaltlichen Zusammenhang der Arbeitstä-
tigkeiten einer Organisationseinheit.
(3) Einheit von Produkt und Organisation. Umsetzbar in der Praxis beispielswei-
se durch die Möglichkeit, das Arbeitsergebnis sowohl qualitativ als auch
quantitativ auf die Organisationseinheit zurückführen zu können.
Eine Möglichkeit, um betriebliche Gesundheitsförderung im Rahmen des sozio-
technischen Systemansatzes zu betreiben, ist die Gestaltung der Arbeitsaufgabe.
Durch diese sind die Subsysteme Mensch, Technik und Organisation des gesam-
ten Arbeitssystems miteinander verknüpft. Wird also die Arbeitsaufgabe im Rah-
men des betrieblichen Gesundheitsmanagements umstrukturiert, hat dies Auswir-
kungen auf alle Teilsysteme. Es gilt diese Auswirkungen vorherzusehen und in die
Gestaltungsmaßnahmen einzubeziehen. Beispielsweise kann es erhebliche Konse-
quenzen haben, wenn man im Zuge von Job Enrichment (Erweiterung bestehender
Realisationsaufgaben um zugehörige Entscheidungs- und Kontrollaufgaben, siehe
Kap. 5.4.1) einem Sachbearbeiter im Einkauf die Befugnis erteilt, den Lieferanten
selbstständig auszuwählen und eventuelle Mängel zu reklamieren (SCHULTE-
ZURHAUSEN 2005). Dies bedeutet zwar, dass der Sachbearbeiter eine ganzheitli-
che Aufgabe erfüllen kann, er könnte jedoch mit der Aufgabe überfordert sein, da
ihm notwendige Qualifikationen fehlen. Möglicherweise hätte die neue Belastung
eine starke mentale Beanspruchung durch Überforderung zur Folge, so dass er der
Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung 761

Arbeit fernbleiben könnte. Für das Teilsystem Mensch hieße dies, dass andere
Mitarbeiter seinen Ausfall kompensieren müssten, was wiederum zu erhöhter
Belastung und Beanspruchung führen könnte. Man spricht auch von der sogenann-
ten Absenzfalle.
Trotz dieser möglichen Auswirkungen auf die Teilsysteme des Arbeitssystems
ist es notwendig, die Arbeitsaufgabe präventiv, korrektiv und prospektiv zu gestal-
ten. Dabei orientiert man sich an einem Katalog von Merkmalen, welche Arbeits-
aufgaben aufweisen sollten. Die Arbeitsaufgabe sollte ganzheitlich, vielfältig in
ihrer Anforderung, die soziale Interaktion begünstigend, autonom, lern- und ent-
wicklungsfördernd, stressfrei regulierbar, sowie sinnhaft sein (EMERY u.
THORSRUD 1982 zitiert nach ULICH u. WÜLSER 2005). Die Wichtigkeit dieser
Merkmale im Rahmen betrieblicher Gesundheitsförderung zeigte HACKER (1991
zitiert nach ULICH u. WÜLSER 2005) auf. So kann eine nicht ganzheitlich gestaltete
Arbeitsaufgabe Unzufriedenheit und psychische Sättigung zur Folge haben. Ist die
Aufgabe nicht stressfrei regulierbar, kann ein angstbetontes Stresserleben zu ei-
nem erhöhten Suchtpotenzial oder depressiven Tendenzen bei den Beschäftigten
führen. Dies kann erheblich erhöhte Fehlzeiten und eine Erhöhung der Fluktuati-
onsrate zur Folge haben. Aus eben diesen Gründen ergeben sich für das Unter-
nehmen Einbußen in der Produktivität und ein Anstieg offener Kosten, wie z.B.
Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall. Aufgrund der skizzierten Probleme ist eine
Gestaltung der Arbeitsaufgabe nach den oben genannten Kriterien unumgänglich.
Sie bieten Raum für konkrete Interventionsansätze wie beispielsweise eine ange-
messene Anforderungsvielfalt, die den Einsatz unterschiedlicher Fähigkeiten der
Mitarbeiter ermöglicht und eine einseitige Belastung vermeidet.
Die arbeitswissenschaftliche Gestaltung der Arbeitsaufgabe kann die Motivati-
on und Gesundheit der Mitarbeiter erhöhen, deren fachliche und soziale Kompe-
tenz fördern, sowie ihre Selbstwirksamkeit und Flexibilität erhöhen (ULICH u.
WÜLSER 2005). In einer Untersuchung von DEGENER (2004) in 28 IT- Unterneh-
men konnte der Zusammenhang der Merkmale mit ökonomischen und gesundheit-
lichen Gesichtspunkten gezeigt werden. So führt eine ganzheitliche Aufgabenge-
staltung zu einer erhöhten Produktivität (r= 0,80) und einem reduzierten Kranken-
stand (r= -0.82).
Neben der Gestaltung der Arbeitsaufgabe, welche die Subsysteme Mensch,
Technik und Organisation miteinander verbindet, können Interventionen des be-
trieblichen Gesundheitsmanagements auch an einem der Teilsysteme ansetzen. Im
Folgenden soll beleuchtet werden, inwiefern eine Umstrukturierung der Organisa-
tion die Gesundheit der Beschäftigten fördert, ohne dabei wirtschaftliche Aspekte
zu vernachlässigen. Zunächst stellt sich die Frage, was unter Organisationsgestal-
tung im Rahmen des soziotechnischen Systemansatzes zu verstehen ist. Prinzipiell
bedeutet Organisationsgestaltung Schaffung von Strukturen (SCHULTE-
ZURHAUSEN 2005). Die Organisationsstruktur eines Unternehmens umfasst for-
melle Regeln, welche die Arbeitsteilung, die Steuerung der betrieblichen Prozesse
und das Verhalten der beteiligten Menschen festlegen (siehe Kap. 4). Die Organi-
sation ist also ein wichtiges Teilsystem eines Arbeitssystems. Da es eine große
762 Arbeitswissenschaft

Vielfalt an Möglichkeiten der Organisationsgestaltung gibt, wird in der vorliegen-


den Ausarbeitung ein spezieller Fall näher betrachtet, nämlich die Veränderung
struktureller Untersysteme einer Organisation, wie z.B. Abteilungen oder Grup-
pen.
Eine Möglichkeit, um Organisationseinheiten zu verändern, ist die Einführung
teilautonomer Gruppenarbeit (siehe Kap. 5.5). Dabei werden interdependente
Teilaufgaben zur gemeinsamen Aufgabe einer Gruppe zusammengefasst (siehe
Kap. 5). Unter dem gesundheitsförderlichen Aspekt lassen sich einige Forschungs-
resultate nennen, die einen Zusammenhang zwischen verbessertem Wohlbefinden
und der Einführung teilautonomer Gruppenarbeit belegen. So verbessert sich das
individuelle Wohlbefinden der Mitarbeiter, wenn Gruppenarbeit bei gutem Team-
klima und hoher Gruppenkohäsion verrichtet wird (CARTER u. WEST 1999 zitiert
nach ULICH u. WÜLSER 2005). WALL u. CLEGG (1981) fanden einen signifikanten
Zusammenhang zwischen der Einführung teilautonomer Arbeitsgruppen, vermin-
dertem emotionalem Stress, erhöhter Mitarbeitermotivation, Arbeitszufriedenheit
und einer Leistungssteigerung. Anscheinend kann auch das Risiko für Muskel-
und Skeletterkrankungen verringert werden, wenn Personen statt in arbeitsteiligen
Strukturen in teilautonomen Arbeitsgruppen arbeiten (LUNDBERG 1996 zitiert nach
ULICH u. WÜLSER 2005).
Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung 763

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Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung 767

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9 Arbeitsumgebung

Nach DIN EN ISO 6385 kann die Arbeitsumgebung eines Arbeitssystems1 beschrie-
ben werden als „physikalische, chemische, biologische, organisatorische, soziale
und kulturelle Faktoren, die einen Arbeitenden/Benutzer umgeben“. In den fol-
genden Kapiteln findet eine Beschränkung auf die physikalischen Arbeitsumge-
bungseinflüsse statt (unter teilweiser Berücksichtigung chemischer Einflüsse, z.B.
bei Arbeitsstoffen), während die organisatorischen und sozialen Einflussfaktoren
im Zusammenhang mit der Betriebs- und Arbeitsorganisation (siehe Kap. 4) sowie
der Gruppen- und Teamarbeit (siehe Kap. 5) behandelt werden.
Die physikalischen Arbeitsumgebungseinflüsse werden differenziert nach Ein-
flüssen durch
x Lärm bzw. Schall,
x mechanische Schwingungen,
x Strahlung,
x Klima,
x Beleuchtung und
x Arbeitsstoffe.
Die Beschreibung von Analyse und Gestaltung der Arbeitsumgebung hinsicht-
lich der oben genannten Faktoren erfolgt jeweils nach folgendem Schema:
x Naturwissenschaftliche Grundlagen
x Messung
x Bewertung
x Beurteilung
x Gestaltungshinweise.

Naturwissenschaftliche Grundlagen
Die Analyse der Arbeitsumgebungseinflüsse erfordert zunächst eine Kenntnis der
zugrundeliegenden physikalischen, chemischen und physiologischen Größen und
Begriffsbildungen sowie wesentlicher Gesetzmäßigkeiten.

Messung
Die Kenntnis der naturwissenschaftlichen Größen und Gesetzmäßigkeiten ist die
Voraussetzung zur Messung von Belastungshöhe und -dauer hinsichtlich der Ar-
beitsumgebungsfaktoren. Zur praktischen Ermittlung der Belastungssituation
kommen jeweils spezifische Messverfahren und -geräte im Betrieb zum Einsatz.

1 Zum Begriff des Arbeitssystems siehe Kapitel 1.5.1.1


770 Arbeitswissenschaft

Bewertung
Sind die Umgebungsfaktoren konzeptionell durchdrungen und können gemessen
werden, so stellt sich im nächsten Schritt die Frage, welche Wirkungen unter-
schiedliche Belastungsstärken einer Umgebungsgröße auf den Menschen haben.
Wirkungen können die Schädigung der Arbeitsperson sein, die Beeinflussung
physiologischer Kenngrößen, aber auch die Beeinflussung der Befindenslage oder
des Arbeitsverhaltens (z.B. Fehlerhäufigkeit, nachlassende Konzentration, soziales
Verhalten). Ferner ist anzugeben, von welchen Faktoren (z.B. Dauer, Intensität,
Richtung) die Wirkungen abhängen sowie von welchen individuellen Merkmalen
der Arbeitsperson (z.B. Empfindlichkeit, Belastbarkeit, Alter).
Im Sinne des Belastungs-Beanspruchungs-Konzeptes (siehe Kap. 1.5.1.2) ist
das Ziel dieses Schrittes, die mit der Umgebungsbelastung verbundene Beanspru-
chung bzw. Schädigung abzuschätzen.
Wichtig für die Bewertung der schädigenden Wirkungen einer Umgebungsbe-
lastung ist, ob für die Schadenswirkung Schwellenwerte existieren. Insbesondere
für karzinogene Wirkungen (z.B. durch Arbeitsstoffe oder Strahlung) können
aufgrund der bekannten Ursache-Wirkungs-Mechanismen keine ungefährlichen
Belastungsstärken angegeben werden, da die Schadenswirkung wesentlich von der
Effektivität körpereigener Mechanismen abhängt. Die Schadenswirkung ist sto-
chastisch und es müssen statt Schwellenwerten Risikowerte angegeben werden,
die eine Relation zu anderen Schadenswahrscheinlichkeiten (z.B. natürlichen) und
-wirkungen herstellen. Für die Bewertung von Umgebungsbelastungen mit zeitlich
veränderlichen Wirkungen dient das Konzept der Dosis, das die über eine Zeit-
spanne integrierte Belastungshöhe widerspiegelt. Dieses Konzept findet vor allem
Anwendung bei der Bewertung von Schall- und UV-Strahlungsbelastungen. Dabei
ist zu beachten, dass die Wirkung von Belastungsspitzen leicht unterschätzt wer-
den kann.

Beurteilung
Steht genügend Wissen zur Verfügung, um die Gefährdungen und Beanspruchun-
gen durch die Umgebungsbelastungen einzuschätzen, so können auf dieser Grund-
lage Soll- oder Grenzwerte für die Umgebungsgrößen abgeleitet werden. Diesen
liegen jeweils Gestaltungsziele zugrunde, die in den geltenden Regelungen zur
Beschränkung von Umgebungsbelastungen in unterschiedlicher Weise zur An-
wendung kommen (siehe z.B. Kap. 8.1.3.7).
Anerkannt sind die Ziele Schädigungslosigkeit und Risikovermeidung für alle
Arten von Umgebungsbelastungen (siehe Kapitel 1.5.2.1). Eine Vermeidung von
Belästigung gilt dagegen bei Belastungen durch Arbeitsstoffe (Schmutz, Geruch),
Schall (Lärm) sowie elektrische und magnetische Felder nur für die Allgemeinbe-
völkerung als erforderlich, während für Arbeitspersonen oftmals auch erhebliche
Belästigungen als tolerierbar gelten, wenn die betrieblichen Bedürfnisse es erfor-
dern und eine Reduzierung der Belästigung erheblichen Aufwand erfordert. Bei
starken mechanischen Schwingungen (z.B. Presslufthammer) steht neben der
Arbeitsumgebung 771

Schädigungslosigkeit die Aufrechterhaltung von Körperfunktionen im Vorder-


grund und damit die Ausführbarkeit der Tätigkeit. Dies gilt ebenso bei der Gestal-
tung der Beleuchtung (z. B. zur Erfüllung der Sehaufgaben bei der Montage klei-
ner Teile). Schließlich spielt bei der Beurteilung von Beleuchtung und Schall
deren psychische Wirkungen eine wichtige Rolle, die sich jedoch oft einer Analyse
mit quantitativen Methoden entzieht.
Je nach Wahl der Gestaltungsziele unterscheiden sich die daran orientierten
Werte zur Beurteilung von Umgebungsbelastungen erheblich. Zudem haben sie,
wie erwähnt, eine unterschiedliche Verbindlichkeit und belassen dadurch mehr
oder minder große Handlungsspielräume.
Die angegebenen Soll- und Grenzwerte sind deshalb nicht nur vom (per se un-
vollständigen) empirischen Wissen abhängig, sondern entspringen normativen
Akten, denen sowohl das Wertesystem der setzenden Instanzen als auch vielfältige
Abwägungen von Nutzen, Kosten und Risiken zugrunde liegen. Dies drückt sich
auch in den unterschiedlichen Bezeichnungen aus: Grenzwerte, Sollwerte, Richt-
werte, Zielwerte, Anhaltswerte, Orientierungswerte, Unbedenklichkeitswerte,
Interventionswerte etc.

Gestaltungshinweise
Für Maßnahmen, die der Einhaltung von Grenzwerten oder generell der Verringe-
rung von physikalischen Umgebungsbelastungen dienen, lässt sich anhand folgen-
der Fragen eine Rangordnung erstellen, die an das TOP-Modell des Arbeitsschut-
zes (siehe Kap. 8.1.4.3) angelehnt ist:
x Ist es möglich und sinnvoll, die Umgebungsbelastung durch Wahl einer an-
deren Technologie oder anderer Verfahren vollständig oder weitgehend zu
vermeiden?
x Ist es mit vertretbarem Aufwand möglich, die Belastungen durch technische
Maßnahmen an den Anlagen und Maschinen (z.B. durch Abschirmung) zu
vermindern?
x Ist es möglich, durch organisatorische Maßnahmen (z.B. Zugangsbeschrän-
kungen, Erholungspausen) die Beanspruchungen zu reduzieren?
x Ist es möglich, durch persönliche, technische Maßnahmen (z.B. Schutzklei-
dung) die Belastung zu vermindern, ohne dadurch unverhältnismäßig große
zusätzliche Arbeitsbelastungen zu verursachen?
x Welche Verhaltensanforderungen sind an die Arbeitspersonen zur Vermei-
dung unerwünschter Beanspruchungsstärken zu stellen?
772 Arbeitswissenschaft

9.1 Lärm

Lärm wird als unerwünschtes, belästigendes oder schließlich gehörschädigendes


Schallereignis definiert (SZADKOWSKI 1983). Eine solche Definition beinhaltet
mehrere Aspekte der Empfindung und der Wirkung von Schall:
Schallempfinden ist subjektiv und situationsabhängig, d.h. gleiche akustische
Signale werden von Personen in Abhängigkeit vom Arbeitskontext unterschiedlich
beurteilt. Um diese Aussage zu verdeutlichen, soll das Beispiel einer Metallwerk-
statt betrachtet werden, in der ein Arbeiter mit einem Winkelschleifer arbeitet. Für
diesen Arbeiter ist das Schleifgeräusch zu seinem Arbeitsprozess gehörig. Er wird
es nicht als belästigend empfinden, da es zur Erfüllung seiner Arbeitsaufgabe
notwendig ist. Einen Arbeiter an einem benachbarten Arbeitsplatz, welcher z.B.
Schweißarbeiten ausführt, wird dieses Geräusch jedoch belästigen, weil es nicht
zur Erfüllung seiner Aufgabe beiträgt. Unabhängig von dem subjektiven Schall-
empfinden kann das Geräusch des Winkelschleifers bei beiden Arbeitspersonen zu
einer Gehörschädigung führen.
Die Bedeutung von Lärm als Arbeitsumgebungsfaktor lässt sich daran erken-
nen, dass seit 1995 stets 35-40% der jährlich anerkannten und entschädigten Be-
rufskrankheitsfälle der Lärmschwerhörigkeit (Berufskrankheit Nr. 2301) zuzu-
rechnen sind. Absolut wurden im Berichtsjahr 2005 des Bundesministeriums für
Arbeit und Soziales 5962 Fälle von Lärmschwerhörigkeit anerkannt und 550 Per-
sonen Anspruch auf Rentenzahlungen zugesprochen (BMAS 2007).
Grenzwerte für die Lärmbelastung von Arbeitspersonen sowie die Bereitstel-
lungs- und Tragepflicht persönlicher Schutzmittel regeln vor allem die Lärm- und
Vibrations-Arbeitsschutzverordnung und die Arbeitsstättenverordnung.

9.1.1 Physikalische Grundlagen


Als Schall werden mechanische Schwingungen in elastischen Medien bezeichnet
(SCHAEFER 1993). Der für das menschliche Ohr wahrnehmbare Bereich liegt
ungefähr zwischen den Frequenzen 20 Hz und 20 kHz (FASTL u. ZWICKER 2007)
und wird als Hörschall bezeichnet. Schwingungen niedrigerer Frequenz nennt man
Infraschall, während man oberhalb des Hörbereichs vom Ultraschall spricht.
Schall breitet sich in elastischen Medien angenähert in Kugelwellen aus, wobei
die Ausbreitungsgeschwindigkeit c von der Dichte des jeweiligen Mediums ab-
hängt (c beträgt in Luft ca. 340 m/s, in Wasser ca. 1500 m/s, in Stahl ca.
5000 m/s). Von der Schallgeschwindigkeit ist die Schallschnelle v als die Ge-
schwindigkeit zu unterscheiden, mit der die Materieteilchen im Schallfeld oszillie-
ren. Bei der Ausbreitung in festen Körpern spricht man im Gegensatz zum Luft-
schall vom Körperschall. Der Körperschall muss für den Bereich des Lärmschut-
zes besonders beachtet werden, da schwingende Festkörper an ihrer Oberfläche
Arbeitsumgebung 773

die Umgebungsluft anregen und es zu örtlichen Resonanzerscheinungen aufgrund


emittierten Luftschalls kommen kann.
Sinusförmige Schallsignale werden als Ton bezeichnet und lassen sich durch
die Angabe von Druckamplitude und Frequenz beschreiben. Der Schalldruck wird
in Pascal (1 Pa = 1 N/m2) gemessen und bezieht sich immer auf Abweichungen
vom Umgebungsdruck, also auf den dynamischen Anteil des Luftdrucks. Zur
Kompensation meteorologischer und höhendifferenter Luftdrücke wird per
Eustatischer Röhre ein Druckausgleich an der Membran hergestellt. Sind mehrere
Frequenzen zu einem Tongemisch kombiniert, spricht man von Klängen, wenn die
einzelnen Frequenzkomponenten in definierten Verhältnissen zueinander stehen.
Ändern sich die Frequenzverhältnisse jedoch stochastisch, wird das Schallereignis
allg. als Geräusch bezeichnet und durch zeitabhängige Fourierspektren beschrie-
ben (SCHAEFER 1993). Aus Gründen der energetischen Betrachtung verwendet
man allg. als Kenngröße den effektiven Schalldruck peff, der über die Integrations-
zeit T wie folgt definiert ist:
T
1
peff ³p
2
(t ) dt > Pa @ (9.1)
T 0

In der Regel wird das Adjektiv „effektiv“ weggelassen und nur noch vom
Schalldruck gesprochen. Für sinusförmige Schalldruckverläufe ist der effektive
Schalldruck das 1/¥2 -fache der Druckamplitude, wenn die Integrationszeit T
einem Vielfachen der Periodendauer entspricht.
Durch Schallwellen findet ein Energietransport vom Sender zum Empfänger
statt. Die mittlere Schallleistung P (großes P!) einer Schallquelle ist bei ebener
Wellenausbreitung proportional dem Quadrat des Effektivschalldruckes:
P(t ) ~ peff 2 (t ) >W@ (9.2)
Bezieht man die Leistung auf eine bestimmte Wirkfläche A, die z.B. die Fläche
des Gehörganges sein kann, so spricht man von der Schallintensität I:
P (t ) ªWº
I (t ) « m2 » (9.3)
A ¬ ¼
Das menschliche Ohr empfindet in grober Näherung akustische Reize loga-
rithmisch, wie durch das Weber-Fechnersche-Gesetz beschrieben (siehe
Kap. 3.3.2.1.1). Die Hörschwelle liegt in Bezug auf den effektiven Schalldruck bei
einer Frequenz von 1000 Hz bei ca. 20 μPa. Die Schmerzgrenze befindet sich
ungefähr sechs Zehnerpotenzen darüber. Um diesen weiten Bereich abdecken zu
können, werden in der Schallmessung logarithmische Maße, sog. akustische Pe-
gel, verwendet. Sie sind in DIN EN ISO 1683 genormt und geben physikalische
Leistungsverhältnisse an.
Davon ausgehend wird der Schalldruckpegel oder kurz Schallpegel Lp als loga-
rithmisches Verhältnis des Quadrates des zu bezeichnenden Druckes peff zum
Quadrat des Bezugschalldruckes p0 definiert:
774 Arbeitswissenschaft

peff 2 peff
Lp log 2
2 ˜ log > B@ (9.4)
p0 p0
Dabei bezeichnet log( ) den dekadischen Logarithmus. Der Bezugsschalldruck
entspricht ungefähr der Hörschwelle und wurde per Konvention auf 20 μPa festge-
legt. Als Pseudoeinheit für logarithmische Pegel wird das Bel (B) verwendet.
Üblicherweise werden Schalldruckpegel jedoch in zehntel Bel (Dezibel oder dB)
angegeben, so dass sich für Lp ergibt:
peff
Lp 20 ˜ log >dB@ ; p0 20 ȝPa (9.5)
p0
Einige typische Schalldruckpegel sind in Abb. 9.1 aufgeführt.

Sofortige Gehörschäden 160


Schmerzgrenze 140
Düsenflugzeug (300 m Abstand) 120
100
Motor-Rasenmäher (2 m Abstand)
LKW (15 m Abstand) 80
PKW (15 m Abstand) 60
Gespräch (2 m Abstand) 40
Blätterrauschen 20
Hörschwelle 0

Abb. 9.1: Typische Schalldruckpegel (nach CROCKER 1982)

Analog zum Schalldruckpegel werden Schallleistungspegel LP und Schallinten-


sitätspegel LI definiert:
P
LP 10 ˜ log >dB@ ; P0 1012 W (9.6a)
P0

I W
LI 10 ˜ log >dB@ ; I0 10 12 (9.6b)
I0 m2
Schallintensitätspegel, Schallleistungspegel und Schalldruckpegel sind bei ebe-
ner Wellenausbreitung oder bei Kugelwellen im Fernfeld gleich.
Existieren n Schallquellen, die unkorreliert sind, so sind zur Berechnung des
gesamten bzw. wirksamen Schalldruckpegels Lpges im Fernfeld die einzelnen
Schallleistungen (nicht Pegel!) zu addieren. Werden die einzelnen Schallpegel mit
Lpi bezeichnet, so gilt für Lpges:
n
Lpi /10
L pges 10 ˜ log ¦ 10 >dB@ (9.7)
i 1
Arbeitsumgebung 775

Erzeugen einzelne unkorrelierte Schallquellen gleiche Schalldrücke, d.h. Lpi =


Lp für alle i, so ist z.B.
Lpges Lp  10 ˜ log n >dB@ (9.8)
Betrachtet man den Zuschlag ¨Lpges = Lpges - Lp vom Einzel- zum Gesamtpegel,
so wird deutlich, dass mit der Anzahl der Schallquellen die Zuschläge immer
schwächer wachsen. Infolgedessen ist das menschliche Ohr kaum in der Lage zu
entscheiden, ob z.B. neun oder zehn gleichartige Maschinen in Betrieb sind. Eine
für praktische Zwecke wichtige Abschätzung ist hierbei, dass eine Verdopplung
der Schalleistung zu einem Pegelzuwachs von ca. 3 dB führt.
Betrachtet man hingegen zwei unkorrelierte Schallquellen unterschiedlicher
Pegel Lp1 bzw. Lp2, wobei Lp1 die um ¨Lp Dezibel stärkere Quelle bezeichnet, so
ergibt sich ein Gesamtpegel von
L pges L p1  10 ˜ log(1  10
 'L p /10
) >dB@ (9.9)
Betrachtet man den Zuschlag ¨Lpges = Lpges - Lp1 vom höheren Einzel- zum Ge-
samtpegel, so wird dieser um so kleiner, je mehr sich die Schalldrücke beider
Quellen unterscheiden. Aus dieser rein physikalischen Betrachtung lassen sich
bereits zwei Gestaltungsmaßnahmen zur effektiven Lärmbekämpfung ableiten:
x Bei einer größeren Anzahl gleichartiger Lärmquellen sollten möglichst
alle gemeinsam gemindert werden.
x Schutzmaßnahmen sollten bei unterschiedlich starken Quellen stets bei
der stärksten ansetzen (Entspannungsprinzip).
In den bisherigen energetischen Betrachtungen wurde der Frequenzverlauf der
Schallwellen vernachlässigt. Um Schallpegel in ihrer Frequenzverteilung zu unter-
suchen, werden Spektralanalysen durchgeführt.
Bei Lärmuntersuchungen werden Spektralanalysen in Terz- oder Oktavschritten
vorgenommen, weil das Ohr, wie bereits aus Kapitel 3.3.2.1.2.2 bekannt ist, auch
im Frequenzbereich eine angenähert logarithmische Empfindlichkeit aufweist.
Eine Oktave ist ein Frequenzbereich, dessen Anfangs- und Endfrequenz im Ver-
hältnis 1:2 stehen, wie z.B. 25 Hz : 50 Hz. Eine Terz ist der Bereich einer Drittel-
oktave, d.h. das Frequenzverhältnis beträgt 1:21/3.

9.1.2 Physiologische Grundlagen


Die genaue Wirkungsweise des menschlichen Ohrs als auditives Rezeptororgan ist
in Kapitel 3.3.2.1.2.2 beschrieben und wird nur kurz wiederholt:
Ein Schallereignis lenkt das Trommelfell aus. Über die mechanische Kette der
Gehörknöchelchen wird die Membran im ovalen Fenster der flüssigkeitsgefüllten
Cochlea (Schnecke) ausgelenkt. Die so entstehenden Druckwellen werden in die
Schnecke eingeleitet. Bedingt durch Ausbreitungsmechanismen der Wellen in der
Gehörschnecke werden die Haarzellen auf der Basiliarmembran frequenzabhängig
in charakteristischer Art und Weise erregt. Das menschliche Ohr ist also im Stan-
776 Arbeitswissenschaft

de, verschiedene Tonhöhen zu identifizieren, wobei die Empfindlichkeit abhängig


von der spektralen Lage ist.
In Abb. 9.2 sind die sog. „Kurven gleicher Lautstärke” aufgetragen, die in
DIN ISO 226 genormt sind und die spektrale Empfindlichkeit des menschlichen
Ohrs dokumentieren. Die Kurven kommen zustande, indem Versuchspersonen
abwechselnd ein Ton der Frequenz 1000 Hz mit definiertem Schallpegel und ein
Ton der zu untersuchenden Frequenz dargeboten werden. Der Proband hat nun die
Aufgabe, den Schallpegel des zweiten Tons so einzustellen, dass er ihn gleich laut
empfindet wie den Referenzton bei 1000 Hz.

100 phon
90
80

70
Hauptsprachbereich 60
50
40
30
20
10

Abb. 9.2: Kurven gleicher Lautstärke (Phonlinien) und Hauptsprachbereich (Daten nach
DIN ISO 226, FASTL 2007)

Aus Abb. 9.2 wird deutlich, dass die Empfindlichkeit des menschlichen Ohrs in
Frequenzbereichen besonders hoch ist, in denen die menschliche Sprache übertra-
gen wird. Dies steht im Einklang mit der Hauptaufgabe des Ohrs, nämlich verbale
Kommunikation zu ermöglichen. Die individuelle Lautstärkeempfindung kann
von den Kurven gleicher Lautstärke abweichen, da die Sensibilität des menschli-
chen Gehörsinns sowohl interindividuell als auch intraindividuell große Schwan-
kungen aufweist.
Auf der Grundlage der Kurven gleicher Lautstärke wird in DIN ISO 226 der
Lautstärkepegel LS abgeleitet. Diese Größe wird als subjektives Maß bezeichnet,
da sie die Wahrnehmungscharakteristik des menschlichen Ohrs berücksichtigt.
Der Lautstärkepegel wird in phon gemessen. Der Lautstärkepegel eines Schalls
beträgt n phon, wenn dieser von normalhörenden Personen als gleich laut beurteilt
Arbeitsumgebung 777

wird wie ein Sinuston der Frequenz 1000 Hz und dem Schallpegel n dB. Bei rei-
nen Tönen kann LS folglich direkt aus Abb. 9.2 abgelesen werden. Bei Geräuschen
lässt er sich mit dem Verfahren nach Zwicker (DIN 45631) aus dem Terzspektrum
schätzen.
Neben der immanenten Frequenzcharakteristik besitzt das menschliche Gehör
auch temporär wirkende Adaptionsmechanismen, die seine Empfindlichkeit ver-
ändern. Eine Muskelgruppe im Mittelohr ist bspw. in der Lage, die
Gehörknöchelchenkette durch Kontraktion zu versteifen. Dadurch wird die Über-
tragung von Schall mit Frequenzen unter 200 Hz vermindert. Diese Schutzfunkti-
on hat allerdings eine Latenzzeit von 100-150 ms. Ein Schutz des Innenohrs bei
explosionsartigen Druckanstiegen ist damit nicht gegeben.
Eine weitere Adaption des Gehörs findet in den Haarzellen statt, die Druck-
schwankungen in nervliche Impulse wandeln. Bei mehrstündiger intensiver Be-
schallung kommt es zu Mangelerscheinungen in der Sauerstoffversorgung dieser
Zellen und somit zu einem Absinken der Empfindlichkeit. Die Hörschwelle wird
zeitlich begrenzt verschoben – ein Effekt, der auch mit der englischen Abkürzung
TTS (Temporary Threshold Shift) bezeichnet wird (CROCKER 1997). Diese tem-
poräre Hörschwellenverschiebung bildet sich nach etwa 12-14 Stunden Ruhe
wieder zurück.

9.1.3 Wirkung von Lärm auf den Menschen


Bei langanhaltender Lärmexposition oder bei zu intensiver Beschallung kann
Lärm gesundheitsschädigend wirken. Doch auch der Bereich unterhalb der Schä-
digungsgrenze ist von Bedeutung im Hinblick auf das Wohlbefinden, die Leis-
tungsfähigkeit und die Arbeitssicherheit von Personen. Hierbei haben auch Effekte
einen Einfluss, die schallmesstechnisch nicht erfassbar sind.

9.1.3.1 BeeinträchtigungĆderĆArbeitssicherheitĆdurchĆLärmĆ

Lärm kann Warnsignale oder Geräusche überdecken, die einen Hinweis auf eine
Gefährdung geben. Akustische Gefahrenanzeigen sind jedoch von besonderer
praktischer Bedeutung, da deren Signale unabhängig von der räumlichen Ausrich-
tung des Gehörsinns wahrgenommen werden. Sie können somit den arbeitenden
Menschen jederzeit erreichen. Bei der Gestaltung von Warnsignalen muss deshalb
darauf geachtet werden, dass sie andere Frequenzbereiche belegen als die Umge-
bungsgeräusche (DIN 33404-3). Jedoch ist dafür Sorge zu tragen, dass neben der
gewünschten Reaktion kein Fehlverhalten durch eine Schreckreaktion aufgrund
des unerwarteten Warnsignals entsteht (DIN EN ISO 7731). Lärm behindert weiter-
hin die Sprachverständigung (DIN EN ISO 9921). Als Faustregel gilt, dass der
Sprachschalldruckpegel 15 dB über dem Umgebungsgeräusch liegen muss, damit
eine hinreichende Verständigung möglich ist. Zum Verstehen einer Fremdsprache
ist sogar eine Pegeldifferenz von 20 dB notwendig, ein Umstand, der bei der Be-
schäftigung nicht muttersprachlicher Arbeitspersonen von Bedeutung sein kann.
778 Arbeitswissenschaft

9.1.3.2 PhysiologischeĆ Reaktionen,Ć BeeinflussungĆ desĆ WohlbefindensĆ


undĆderĆLeistungsfähigkeitĆ
In Bezug auf die Störwirkung von Geräuschen und die physiologischen Reaktio-
nen auf Schallereignisse gibt es verschiedene Modelle. SZADKOWSKI (1983) ver-
sucht dies durch Wirkung von sog. Moderatoren bei der zentralen Verarbeitung
von Schallereignissen zu erklären. Solche Moderatoren einer Person sind z.B.
x die Situation (ob man z.B. selbst den Lärm „produziert“),
x ihre Persönlichkeitsstruktur (Sensibilität),
x ihre Einstellung zur Tätigkeit (Motivation),
x ihr gesundheitlicher Zustand und
x der soziale Kontext, in dem sie sich befindet.
Die quantitative Berücksichtigung solcher Größen in einem Belastungs-
Belästigungs-Konzept war bereits in der Vergangenheit Gegenstand arbeitswis-
senschaftlicher Diskussion (KRUEGER 1990). Bisher wurde jedoch noch kein
Konzept in Form einer Vorschrift oder Norm umgesetzt, obwohl bekannt ist, dass
gängige Bewertungsverfahren gewisse Gefahren bergen (STRASSER 2005).
Die individuelle Konstitution hat einen besonderen Einfluss auf die Lärmemp-
findlichkeit. Durch Versuche zur temporären Verschiebung der Hörschwelle
(TTS) kam man zu einer Klassifikation, nach der etwa 5% der untersuchten Per-
sonen „schallallergisch“, 90% „normalempfindlich“ und 5% „schallresistent“
waren (BÜRCK 1981).
Vorwiegend geistige Arbeit unter Geräuscheinwirkung erfordert von den Ar-
beitspersonen eine höhere Konzentration und führt zur schnelleren Willensermü-
dung. Eine anhaltende Störung der Sprachverständigung durch Lärm kann zu einer
negativen Einstellung gegenüber der Geräuschquelle führen. Außerdem sind Eng-
pässe beim Sprachorgan möglich, z.B. Heiserkeit. Umgekehrt wurde festgestellt,
dass beim Arbeiten im Büro bei sehr niedrigen Schallpegeln (40-45 dB) informa-
tionshaltige Geräusche (wie z.B. Gespräche anderer Personen) mehr störten, als
ein angehobener Schalldruckpegel der Hintergrundgeräusche. Bei leisen, kontinu-
ierlichen Hintergrundgeräuschen (wie z.B. dem Rauschen einer Klimaanlage)
findet eine Adaption statt, d.h. sie werden im Zeitverlauf nicht mehr wahrgenom-
men.
Ebenso wenig eindeutig wie das Empfinden von Geräuschen sind die psycho-
physiologischen Reaktionen auf Lärm: Es konnten u.a. Veränderungen der Atem-
frequenz, der Herzschlagfrequenz, des Hautwiderstandes, der Magenperistaltik
und der elektrischen Hirnaktivität nachgewiesen werden. Ein generalisierbares
Reiz-Reaktions-Muster ist jedoch nicht belegbar. Vielmehr ist auch hier die Situa-
tion, in der die Person dem Geräusch ausgesetzt ist, entscheidend für die resultie-
renden physiologischen Reaktionen.
Neben den beschriebenen Wirkungen von Lärm am Arbeitsplatz ist auch die
Geräuschsituation in der Freizeit für die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden
einer Person von Bedeutung: So wurde z.B. nachgewiesen, dass bereits Schallin-
tensitäten von 45-55 dB und mehr Schlafstörungen hervorrufen (GROLL-KNAPP
Arbeitsumgebung 779

1980). Auch hier spielt die Zusammensetzung des Geräusches und der Informati-
onsgehalt eine Rolle. Eintönige Geräusche (z.B. beim Fahren mit dem Zug) kön-
nen trotz hoher Schallintensitäten einschläfernd wirken.

9.1.3.3 SchädigungĆ
Bei der Schädigung durch Lärm lassen sich akute und chronische Lärmschäden
unterscheiden. Diese Schäden betreffen ausschließlich das Gehör. Akute Schädi-
gungen, sog. Knalltraumata, treten vor allem bei explosionsartigen Druckanstie-
gen mit Schalldruckpegeln von 140-200 dB auf. Der Schutzreflex der Muskeln zur
Versteifung der Übertragungskette im Mittelohr ist in diesem Fall nicht ausrei-
chend schnell. Reparabel sind Schäden am Trommelfell (Zerreißungen) oder an
den Gehörknöchelchen. Dagegen sind Innenohrschäden, wie z.B. eine geplatzte
Basilarmembran, irreparabel. Anzeichen eines Knalltraumas sind ein stechender
Schmerz, die Vertaubung des Ohrs und Ohrgeräusche.
Von wesentlich größerer Bedeutung in der Praxis sind chronische Lärmschä-
den. Wie bereits erwähnt, kann eine längere Lärmeinwirkung eine zeitlich be-
schränkte Hörschwellenverschiebung (TTS) bewirken. Wird das menschliche Ohr
tagtäglich derart hohen Schallintensitäten ausgesetzt, so ist eine Regenerierung der
sauerstoffunterversorgten Haarzellen nicht mehr möglich. Die Haarzellen degene-
rieren und stellen ihre Funktion letztlich ganz ein; eine bleibende Hörschwellen-
verschiebung (engl.: Permanent Threshold Shift, PTS) ist die Folge (CROCKER
1997). Das Vorhandensein der zeitlich beschränkten Hörschwellenverschiebung ist
also Voraussetzung für eine Gefährdung im Hinblick auf eine dauerhafte Lärm-
schwerhörigkeit. Umgekehrt kann ausgeschlossen werden, dass eine Lärmbelas-
tung gehörschädigend wirkt, wenn keine TTS festgestellt werden kann.
Auch in Bezug auf die Schädigungswirkung von Lärm bestehen deutliche inter-
individuelle Unterschiede (siehe ISO 1999), so dass Grenzwerte nur als Schätzgrö-
ßen für schädigungsfreie Bereiche angegeben werden können. Relativ unbestritten
ist jedoch aufgrund der Schädigungsmechanismen die sog. Dosis-Wirkungs-
Beziehung. Die Dosis ergibt sich in diesem Fall als Produkt aus Schallleistung und
Einwirkdauer, die Wirkung entspricht der Schädigung. Ist eine Person einem
Schalldruckpegel ausgesetzt, der 3 dB über einem Vergleichspegel liegt (doppelte
Schallleistung), so wird ein vergleichbarer Schädigungsgrad bereits nach der Hälf-
te der Expositionsdauer erreicht. Dies gilt jedoch nicht für den Kurzzeitbereich.
Lärmschwerhörigkeit zeigt sich am deutlichsten durch Hörverlust im Frequenzbe-
reich um 4000 Hz (die sog. C-5 Senke), wie in Abb. 9.3 ersichtlich. Bei dieser
Abbildung handelt es sich um ein Audiogramm einer altersschwerhörigen und
einer lärmschwerhörigen Person. Durch Audiogramme wird die Verschiebung der
Hörschwelle einer Person gegenüber der Normalschwelle in Abhängigkeit der
Frequenz dargestellt. Das Messen von Audiogrammen bezeichnet man als Audio-
metrie, die in ähnlicher Weise wie die Messung der Kurven gleicher Lautstärke
erfolgt.
780 Arbeitswissenschaft

Der Hörverlust einer lärmgeschädigten Person wird sich bei fortschreitender


Schädigung noch weiter zu den niedrigen Frequenzen hin ausweiten und somit
den Hauptsprachbereich (siehe Abb. 9.2) erreichen.
Mit Hilfe der Audiometrie können demnach beginnende Lärmschädigungen be-
reits nachgewiesen werden, ehe sie von den Betroffenen wahrgenommen werden,
da ihre Fähigkeit zum Sprachverständnis in diesem Stadium noch nicht einge-
schränkt ist. Bei der Prüfung angezeigter Berufskrankheiten dient die Audiometrie
zur Unterscheidung von Effekten des Alterns und der Lärmschwerhörigkeit.

Abb. 9.3: Hörschwellenverschiebung bei Lärmschwerhörigkeit und Altersschwerhörigkeit

9.1.4 Messung
Charakteristische Größe zur Beschreibung von Geräuschen ist der Schalldruckpe-
gel in seiner spektralen Verteilung. Der Schalldruckpegel wird mit Schallpegel-
messern nach DIN EN 61672-1 gemessen, die bei verschiedenen Lärmanalysen
Anwendung finden.
Ein Schallpegelmesser besteht i.Allg. aus einem Mikrophon, einem Verstär-
kungs- und Verarbeitungsteil mit Frequenzbewertungsfiltern und Zeitbewertungs-
komponenten sowie einem Anzeigeteil (SCHAEFER 1993). Die Frequenzbewer-
tung hat dabei die Aufgabe, die spektrale Empfindlichkeit des menschlichen Ohrs
technisch nachzubilden. Die Zeitbewertung ermöglicht es, temporäre Adaptions-
mechanismen zu berücksichtigen.

9.1.4.1 SchallintensitätsmessungenĆ
Bei Schallintensitätsmessungen wird der örtliche Schalldruckpegel ermittelt. Eine
Frequenzbewertung findet nicht statt, so dass vom unbewerteten Schalldruckpegel
Arbeitsumgebung 781

gesprochen wird. Das Messergebnis ist der effektive Schalldruckpegel in dB im


jeweiligen Integrationsintervall der Effektivwertbildung. Als Intervalle werden
Impulse (35 ms), Fast (150 ms) und Slow (1000 ms) unterschieden.
Bei über größeren Zeiträumen schwankenden Schalldruckpegeln bieten kom-
fortable Schallpegelmesser die Möglichkeit, das Signal langzeitlich zu integrieren.
Am Ende der Integrationszeit wird dann der energieäquivalente Dauerschall-
druckpegel Leq angezeigt. Da die Messergebnisse von der Wahl des Messorts
abhängig sind, wurden in einer Reihe von DIN-Normen Messvorschriften erarbei-
tet (z.B. in DIN 45645-2).

9.1.4.2 BewerteterĆSchalldruckpegelĆĆ
Lärmmessungen haben in der Regel zum Ziel, Aussagen über mögliche Gehör-
schädigungen bzw. über die Lästigkeit von Geräuschen zu treffen. Aus diesem
Grund wird mittels der Frequenzbewertung versucht, dem Messgerät eine dem
menschlichen Ohr ähnliche Charakteristik zu verleihen. Hierfür verwendet man
den sog. A-Filter nach DIN EN 61672-1. Dessen Kennlinie ist in Abb. 9.4 darge-
stellt. Ein mit Hilfe des A-Filters frequenzbewerteter Schalldruckpegel wird mit
LA bezeichnet und zusätzlich durch die Pseudoeinheit dB(A) gekennzeichnet.

Abb. 9.4: Betragsfrequenzgang des A- und C-Filters nach DIN EN 61672-1 (A- bzw. C-
Frequenzbewertungskurve)

In ihrem qualitativen Verlauf ist die A-Kennlinie invers zu den Kurven gleicher
Lautstärke in Abb. 9.2. Dies hat im praktischen Einsatz zur Folge, dass der
Schallpegelmesser bei Verwendung des A-Filters den Schalldruckpegel von Ge-
räuschen mit beträchtlichen niedrig- bzw. hochfrequenten Leistungsanteilen als
geringer ausweist, als bei einer Messung ohne Filter. Sind umgekehrt die Leis-
tungsanteile im Spektralbereich von 4000 Hz zentriert, so liegt der A-bewertete
782 Arbeitswissenschaft

Schalldruckpegel über dem Unbewerteten (in diesem Bereich befindet sich die
Kennlinie oberhalb des Verstärkungsfaktors 1 gleich 0 dB). In Abb. 9.4 ist zusätz-
lich die C-Kennlinie dargestellt, die bei energiereichen kurzzeitigen Schall-
impulsen Verwendung findet.

9.1.4.3 FrequenzanalysenĆĆ
Wie bereits angedeutet, ermöglichen Frequenzanalysen eine detaillierte Suche
nach Lärmursachen. So kann z.B. eine defekte Lagerung einer Maschinenwelle
nachgewiesen werden, wenn das Maschinengeräusch hohe Schalldruckpegel in
Frequenzen aufweist, die einem ganzzahligen Vielfachen der Wellendrehzahl
entsprechen.
Prinzipiell lassen sich Spektren sowohl offline als auch online messen. Bei der
Online-Methode werden meist digitale Filterbänke einer Anzeige oder einem
Speichermedium vorgeschaltet, wobei die Durchlassbreite der entsprechenden
Bandpassfilter gemäß DIN EN ISO 266 genormt ist. Bei der Offline-Methode wird
das ungefilterte Messsignal zunächst gespeichert und im Anschluss an die Mes-
sung entsprechend nachbearbeitet.
Aufgrund der Leistungsfähigkeit heutiger digitaler Messgeräte erfolgen Fre-
quenzanalysen meist derart, dass das ungefilterte Signal aufgezeichnet und für die
Anzeige das Signal parallel über eine Filterbank aufbereitet wird. Die Grenze
zwischen reiner Online- bzw. reiner Offlinemessung existiert in diesem Fall nicht
mehr eindeutig.

9.1.5 Bewertung und Beurteilung


Auf Basis der vom Europäischen Parlament 2003 erlassenen Richtlinie 2003/10/EG
existieren Arbeitsschutzverordnungen, die inzwischen im gesamten Bereich der
Europäischen Union harmonisiert wurden. Die Umsetzung dieser Richtlinie er-
folgte in Deutschland für die gewerbliche Wirtschaft in der Lärm- und Vibrations-
Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV) sowie in der Gesundheits-
schutz-Bergverordnung (GesBergV) für den Geltungsbereich des Bundesberggeset-
zes. Darin wird der Beurteilungspegelgrenzwert für das Vermeiden bleibender
Hörminderungen auf LpAeq,8h ” 85 dB(A) und für energiereiche, kurzzeitige Schall-
impulse auf ” 137 dB(C) festgesetzt. Um auch tatsächlich die Möglichkeit zu
schaffen, lärmgeminderte Arbeitsmittel auszuwählen, wurden die Maschinenher-
steller durch die dritte Verordnung zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz
verpflichtet, bei Überschreitung gewisser Grenzwerte Geräuschemissionskennwer-
te anzugeben. Im Einzelnen sind dies der arbeitsplatzbezogene Emissionswert für
Werte größer als 70 dB(A) und, darüber hinaus, sofern sogar 85 dB(A) überschrit-
ten werden, der Schallleistungspegel. Bei Maschinen mit sehr großen Abmessun-
gen kann auch der Schalldruckpegel bestimmter Positionen angegeben werden.
Weiter muss der Höchstwert des momentanen C-bewerteten Schalldruckpegels
angegeben werden, wenn dieser 130 dB(C) überschreitet.
Arbeitsumgebung 783

Lärmmessungen werden durchgeführt, um eine Aussage über die Belastung


von Arbeitspersonen durch die Schalleinwirkung während eines Arbeitstages zu
treffen. In den wenigsten Fällen wird jedoch der Schalldruckpegel über der Ar-
beitszeit konstant sein. Mehrere Messungen mit anschließender Mittelung oder
eine integrierende Messung zur Ermittlung des energieäquivalenten Schalldruck-
pegels sind also erforderlich, um einen Kennwert für die Lärmbelastung zu erhal-
ten. Für die Mittelung von n einzelnen A-bewerteten Schallpegelmessungen LpAeq,ti
über die gesamte Beurteilungszeit T ist in DIN EN ISO 9612 der Mittelungspegel
LpAeq,T,m definiert:
§1 n /10 ·
L pAeq ,T , m (T ) 10 ˜ log ¨ ¦ ti ˜10 pAeq ,ti ¸ >dB(A)@
L
(9.10)
©T i 1 ¹
Die Zeitintervalle ti in denen die Einzelmessungen stattfinden, sind entspre-
chend dem Verlauf des A-bewerteten Schalldruckpegels LA(t) zu wählen. Abb. 9.5
gibt hierfür ein Beispiel.

Mittelungsdauer T

Teildauer 1 Teildauer 2 Teildauer 3

LA(t)

Messdauer 1 Messdauer 2 Messdauer 3

Abb. 9.5: Schalldruckpegelverlauf mit Teilzeiten ti und Messzeiten für gleichbleibenden


Schalldruckpegel, periodische Pegelverläufe und stochastisch veränderliche Schallereignis-
se (nach DIN 45641)

Wird eine solche Messung über den Beurteilungszeitraum eines Arbeitstages


(8 h) durchgeführt, so spricht man vom Tages-Lärmexpositionspegel LEX,8h am
Arbeitsplatz:
784 Arbeitswissenschaft

LEX ,8h LpAeq ,Te (Te 8h) >dB(A)@ (9.11)


In DIN 45645 ist ergänzend vorgesehen, dem Beurteilungspegel Zuschläge für
Impuls- und Tonhaltigkeit eines Geräusches hinzuzufügen. Allerdings sind die
Regeln zum Bestimmen der Zuschläge einfach gehalten, so dass komplexe spekt-
rale Zusammenhänge unberücksichtigt bleiben. Dieser ergänzte Beurteilungspegel
LEX,8h bildet die Grundlage für die Beurteilung der Lärmbelastung von Arbeitsper-
sonen nach der VDI Richtlinie 2058 Bl. 2 (Gehörgefährdung) und Bl. 3 (Lärm und
ausgeübte Tätigkeit).

9.1.5.1 BeurteilungĆimĆHinblickĆaufĆGehörgefährdungĆ
Nach VDI 2058 Bl. 2 besteht die Gefahr der Gehörschädigung ab Beurteilungspe-
geln von 85 dB(A). Für LEX,8h > 90 dB(A) nimmt die Wahrscheinlichkeit der
Schädigung deutlich zu. Diese Kennwerte sind auch in die Lärm- und Vibrations-
Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV) eingegangen. Entsprechend der
angenäherten Dosis-Wirkungs-Beziehung werden für ohrgesunde Personen lärm-
bedingte Gehörschäden statistisch ausgeschlossen, wenn
x LEX,8h < 90 dB(A) und die Expositionsdauer <= 6 Jahre,
x LEX,8h < 87 dB(A) und die Expositionsdauer <= 10 Jahre oder
x LEX,8h < 85 dB(A) und die Expositionsdauer <= 15 Jahre ist.
Als Kriterium für die Lärmschwerhörigkeit wird hier ein Hörverlust von mehr
als 40 dB bei einer Testfrequenz von 3000 Hz im Audiogramm verwendet.
Die in der Richtlinie vorgestellten Grenzwerte werden mit der Einschränkung
angegeben, dass in der Erholungszeit der bewertete Schalldruckpegel LA kleiner
als 70 dB(A) ist und die tägliche Erholungszeit größer als 10h ist. Hieraus ist er-
sichtlich, dass auch die Lärmbelastung in der Freizeit von großer Bedeutung ist.

9.1.5.2 BeurteilungĆimĆHinblickĆaufĆdieĆausgeübteĆTätigkeitĆ

In VDI 2058 Bl. 3 werden Schallereignisse im Hinblick auf die ausgeübte Tätigkeit
beurteilt. Zwar sind eine Reihe von Einflussgrößen wie bspw.
x akustisch messbare Größen,
x geräuschbezogene Größen (z.B. Auffälligkeit, Informationshaltigkeit usw.),
x tätigkeitsbezogene Anforderungen an die Arbeitspersonen wie Aufmerksam-
keit und Konzentration und
x personenbezogene Einflussgrößen
aufgeführt, in die Beurteilung der Geräuschimmission im Hinblick auf Zumutbar-
keit gehen direkt aber nur der gemessene Beurteilungspegel und die Art der Tätig-
keit ein.
Nicht zu überschreitende Beurteilungspegel sind nach DIN EN ISO 11690-1
x 35-45 dB(A) für überwiegend geistige Tätigkeiten,
Arbeitsumgebung 785

x 45-55 dB(A) für einfache oder überwiegend mechanisierte Bürotätigkeiten


und vergleichbare Tätigkeiten,
x 75-80 dB(A) für sonstige Tätigkeiten.

9.1.6 Gestaltungshinweise
Maßnahmen zur Minderung der Lärmbelastung lassen sich hierarchisch nach dem
TOP Modell des Arbeitsschutzes (vgl. Kap. 8.1.4.3) gliedern. Begleitend sind
arbeitsmedizinische Maßnahmen wirksam. Lärmschutz sollte bereits bei der Neu-
gestaltung von Arbeitssystemen ansetzen (siehe DIN EN ISO 11690-2). Durch den
Einkauf von lärmarmen Maschinen bzw. Betriebsmitteln und die Wahl geeigneter
Arbeitsverfahren lassen sich bereits erhebliche Belastungsminderungen erzielen.
Korrektive Gestaltungsmaßnahmen, wie eine nachträgliche Lärmdämmung oder
-dämpfung, sind dagegen aufwendig bzw. oft nicht möglich, ohne den Arbeitspro-
zess zu behindern. Grundsätzlich sollten zunächst die Möglichkeiten des techni-
schen Lärmschutzes ausgeschöpft werden, ehe der organisatorische oder persönli-
che Lärmschutz Anwendung findet.

Technischer Lärmschutz
Der Technische Lärmschutz lässt sich gliedern in
x die Auswahl lärmarmer Arbeitsverfahren,
x Maßnahmen zur Minderung der Lärmentstehung,
x Maßnahmen zur Minderung der Lärmausbreitung (Schalldämmung) und
x Maßnahmen zur Umwandlung von Schallenergie in Wärme (Schalldämp-
fung).
Lärm entsteht in Anlehnung an VDI 3720 Bl. 2 einerseits durch die Luftschallab-
strahlung von schwingenden Maschinenteilen, andererseits durch turbulente
Druckausgleichsvorgänge in strömenden Gasen (z.B. Ansauggeräusch eines
Kompressors). Für die Schwingungsanregung von Maschinenteilen sind
x Massenkräfte (z.B. Unwucht einer rotierenden Welle),
x mechanische Wechselwirkungen zwischen festen Körpern bzw. Werkzeug
und Werkstück (z.B. Zusammenstoßen, Gleitreibung, Zerspanen),
x ungleichförmige Kraftübertragung (z.B. Verformen) und
x turbulente Strömungen von in der Maschine eingeschlossenen Medien (z.B.
bei Hydrauliksystemen)
verantwortlich. Darüber hinaus werden die mechanischen Schwingungen (der sog.
Körperschall) an umgebene Festkörper weitergeleitet. Bei einer Maschine werden
das Fundament und der Hallenboden zu Schwingungen angeregt, die wiederum an
ihrer Oberfläche Luftschall abstrahlen.
Zur Begrenzung der Schwingungsentstehung sollten Massenkräfte, z.B. durch
das Auswuchten von Wellen, kleingehalten werden (siehe Kap. 9.2.6). Bei Gleit-
vorgängen ist auf eine spielarme Führung und die Absenkung der Kräfte durch
ausreichende Schmierung zu achten. Spannungsspitzen beim impulsartigen Zu-
786 Arbeitswissenschaft

sammenstoßen von Maschinenteilen sollten durch zeitliche Dehnung des Vor-


gangs abgebaut werden. Ein Beispiel hierfür ist der Schrägschnitt anstelle des
Geradschnitts bei Stanzwerkzeugen (Abb. 9.6). Aus diesen Forderungen folgt
auch die Notwendigkeit der ausreichenden Wartung von Maschinen. Z.B. treten
bei abgenutzten Schneidkanten an Werkzeugen wesentlich höhere Schneidkräfte
auf, so dass höhere Schallleistungen abgestrahlt werden. Bei strömenden Medien
sollten Turbulenzen vermieden werden. Dies ist durch die Absenkung der Strö-
mungsgeschwindigkeit (größerer Rohrquerschnitt) oder durch eine strömungs-
günstige Gestaltung der Wände möglich.

Keilleistenwelle Drallmesserwelle

schlecht besser

Abb. 9.6: Beispiele zur Lärmminderung durch den Abbau von Spannungsspitzen mittels
zeitlicher Dehnung von Vorgängen: Drallmesserwelle bei einer Hobelmaschine anstelle
einer geraden Keilleistenwelle (VDI 3720 Bl. 2)

Die Übertragung von Körperschall an die Umgebung kann durch eine schwin-
gungsisolierte Aufstellung der Maschine vermindert werden (aktive Schwingungs-
isolation, Kap. 9.2.6). Schallbrücken, wie z.B. Rohrleitungen zur Maschine, soll-
ten ebenfalls dämmend gestaltet werden, so dass eine Körperschallübertragung
gemindert ist. Zur Verminderung der Ausbreitung von Luftschall werden Maschi-
nen gekapselt (siehe DIN EN ISO 15667), d.h. von einem schalldichten Gehäuse
umgeben. Bei dieser Schalldämmungsmaßnahme ist darauf zu achten, dass selbst
bei kleinen Öffnungen hohe Anteile des Luftschalls nach außen gelangen und
somit die Wirkung einschränken. Kapseln sollten so gestaltet werden, dass sie
nicht für regelmäßige Wartungsarbeiten oder die Materialzuführung oder
-abführung geöffnet werden müssen und den Arbeitsprozess nicht behindern. Die
Praxis hat gezeigt, dass Kapseln, die nicht nach diesen Grundsätzen gestaltet wur-
den, häufig während des Betriebs der Maschine offen stehen.
Die Maßnahmen zur Schalldämpfung beruhen auf der Umwandlung von
Schallenergie in Reibungswärme. Zur Schalldämpfung eignen sich offenporige,
luftdurchlässige Stoffe wie z.B. Steinwolle, Glaswolle oder offenporige Kunst-
stoffschäume. Nicht in jedem Fall ist die Verwendung von Steinwolle oder offen-
porigen Schäumen als schalltechnisch optimaler Lösungsweg möglich, da die
mechanische Belastbarkeit dieser Werkstoffe begrenzt ist. Eine Lösung für solche
Arbeitsumgebung 787

Anwendungsfälle stellt eine Lochplatte vor einer festen Wand zur Resonanzdämp-
fung dar. Die Dämpfung basiert auf dem Prinzip des Helmholtz’schen Resonators,
bei welchem durch die Elastizität des Luftvolumens im Inneren in Kombination
mit der trägen Masse der in der Öffnung befindlichen Luft ein mechanisches Mas-
se-Feder-System mit einer ausgeprägten Eigenresonanz entsteht. Luftmassen, die
an festen Körpern entlangstreichen, werden so zu Resonanzschwingungen ange-
regt, die dem Schall einen Teil seiner kinetischen Energie entziehen. Beispiele
hierfür sind auch Schalldämpfer (Auspufftöpfe) von Verbrennungskraftmaschi-
nen.
Die Schalldämpfung spielt eine besondere Rolle bei der Gestaltung von Ar-
beitsräumen, da Schall an den Wänden und der Decke reflektiert wird. Vor einer
Wand kann sich die Schallintensität bei vollständiger Reflektion verdoppeln, so
dass der Schallpegel um 3 dB zunimmt. Eine schallabsorbierende Auskleidung der
Decke oder einzelner Wände schafft hier Abhilfe.

Organisatorischer Lärmschutz
Maßnahmen des organisatorischen Lärmschutzes können dazu beitragen, dass nur
eine geringere Anzahl von Arbeitspersonen Lärm ausgesetzt ist, bspw. durch eine
räumliche Trennung der lärmintensiven von den lärmarmen Arbeitsplätzen. Eine
Absenkung des Beurteilungspegels als Maß der Lärmdosis für einzelne Arbeits-
personen ist auch möglich, indem sie während einer Schicht den Arbeitsplatz
wechseln (sog. job rotation, siehe Kap. 5.4.1) und somit nur eine begrenzte Zeit an
einem lärmintensiven Arbeitsplatz arbeiten. Hierbei muss die Restitutionszeit der
TTS berücksichtigt werden (Abb. 9.7).

Abb. 9.7: Temporary Threshold Shift (TTS) als Funktion der Expositionsdauer (links) und
Restitutionsverlauf TTS(t) nach Belastung durch Lärm (rechts)

Persönlicher Gehörschutz
Lässt sich trotz technischer und organisatorischer Maßnahmen der Beurteilungs-
pegel nicht unter 85 dB(A) senken, so sind persönliche Gehörschutzmittel bereit-
788 Arbeitswissenschaft

zustellen. Ab LEX,8h = 85 dB(A) besteht laut Lärm- und Vibrations-


Arbeitsschutzverordnung die Tragepflicht für persönliche Gehörschutzmittel, eine
Kennzeichnungspflicht des Lärmbereichs sowie die Pflicht, arbeitsmedizinische
Vorsorgeuntersuchungen entsprechend der UVV „Arbeitsmedizinische Vorsorge“
durchzuführen.
In Anlehnung an VDI 2560 und DIN EN 458 lassen sich persönliche Gehör-
schutzmittel wie folgt unterteilen:
x Gehörschutzstöpsel sind meist Knetmassen bzw. Formstücke aus Schaum-
stoff zum Tragen im Gehörgang. Bei im Gehörgang getragenen Mitteln kann
es zu Infektionen oder dem Auftreten von Ekzemen kommen, weshalb sich
in diesem Bereich Einwegprodukte aus Kunststoff weitgehend durchgesetzt
haben. Man unterscheidet hierbei zwischen bereits fertig geformten, vor Ge-
brauch zu formenden und individuell an den jeweiligen Gehörgang angepass-
ten Gehörschutzstöpseln.
x Kapselgehörschützer schützen das Gehör durch Kapseln, die über die Ohren
gesetzt werden. Je nach Ausführung liegen sie als bügelbasierte Kapselge-
hörschützer oder als an einem Schutzhelm befestigte Kapselgehörschützer
vor.
Mit Gehörschutzmitteln wie Gehörschutzstöpseln oder Gehörschutzkapseln
sind Verminderungen des Schalldruckpegels im Gehörgang um 20-30 dB möglich.
Sie werden für A-bewertete Schalldruckpegel kleiner 105 dB(A) eingesetzt. In
Abb. 9.8 ist die Dämmwirkung verschiedener solcher Gehörschutzmittel aufgetra-
gen. Deutlich wird hierbei, dass diese Mittel im Bereich schädlicher und lästiger
Frequenzen besonders wirksam sind.
Für höhere Schallpegel müssen umfassendere Schutzmaßnahmen getroffen
werden, da hier der alleinige Schutz vor direkter Schalleinwirkung auf das Ohr
nicht mehr ausreichend ist:
x Gehörschutzhelme bzw. Schallschutzhelme sind in der Lage, die Übertra-
gung des Schalls auf die Schädeldecke zu mindern, da für sehr hohe Schall-
druckpegel (LEX,8h > 120 dB(A)) auch die Knochenleitung über die Schädel-
decke als Schädigungsmechanismus von Bedeutung ist.
x Schallschutzanzüge müssen bei extremen Belastungen getragen werden
(LEX,8h > 130 dB(A)), um innere Organe vor mechanischen Einwirkungen zu
schützen.
Zusätzliche können Gehörschutzmittel je nach Ausführung Funktionsmodi ent-
halten (DIN EN 458): Gehörschützer mit pegelabhängiger Geräuschdämmung,
Gehörschützer mit frequenzunabhängiger Dämmcharakteristik sowie Kapselge-
hörschützer mit Kommunikationseinrichtung ermöglichen dem Benutzer eine
verbesserte Kommunikation oder erleichtern diese im Vergleich zu passiven Sys-
temen.
Bei monotonen tieffrequenten Geräuschquellen (50 - 500 Hz) können Gehör-
schützer mit aktiver Geräuschkompensation (ANR) eingesetzt werden (siehe
MÖSER 2007). Durch digitale Signalverarbeitung wird bei diesen Systemen der
Arbeitsumgebung 789

auftreffende Schall teilweise durch das Prinzip der Interferenz ausgelöscht, um so


die Schutzwirkung für den Benutzer zu erhöhen. Für impulshaltige Geräusche ist
dieses System nur bedingt geeignet.
Problematisch ist bei allen persönlichen Gehörschutzmitteln der Tragekomfort.
Da jede Art von persönlicher Lärmschutzausrüstung von Arbeitspersonen i.Allg.
als hinderlich angesehen wird, kommt es häufig vor, dass sie nicht getragen wird.
Die Arbeitspersonen fühlen sich sonst akustisch isoliert und haben das Gefühl,
akustische Rückmeldungen über den Betriebszustand des Arbeitsmittels nicht zu
erfassen oder in der Kommunikationsfähigkeit eingeschränkt zu sein. Dieser Um-
stand begründet die Verwendung von persönlichen Schutzmitteln als letzte Mög-
lichkeit des Lärmschutzes nach den technischen und organisatorischen Maßnah-
men.

Abb. 9.8: Schalldämmung verschiedener Gehörschutzmittel (zusammengestellt nach Her-


stellerangaben)

Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen
Die Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV)
schreibt eine Vorsorgeuntersuchung für Beschäftigte in Lärmbereichen (Bereiche
mit LEX,8h größer 85 dB(A) oder bewerteten Impulsschalldruckpegeln
LAI > 137 dB(C)) vor, weiter unterliegen diese Bereiche einer Kennzeichnungs-
pflicht. Bei „dauernden gesundheitlichen Bedenken“ (wie z.B. durch bereits vor-
handene Gehörschäden) kann der Arbeitsmediziner die Genehmigung zur Be-
schäftigung in einem Lärmbereich verweigern. Bei Nachfolgeuntersuchungen hat
der Arzt die Möglichkeit, bei gesundheitlichen Bedenken eine Beschäftigung in
Lärmbereichen zu untersagen oder Auflagen (z.B. Tragen eines persönlichen Ge-
hörschutzes, Begrenzung der Einwirkdauer) zu machen.
790 Arbeitswissenschaft

9.2 Mechanische Schwingungen

Mechanische Schwingungen sind als Umgebungseinflussfaktor sowohl bei beweg-


lichen Arbeitsplätzen, z.B. beim Führen von Kraftfahrzeugen, als auch beim Ar-
beiten mit angetriebenen Handwerkzeugen, beispielsweise einer Motorsäge, von
besonderer Bedeutung. Bei beweglichen Arbeitsplätzen spricht man von Ganzkör-
perschwingungen, bei angetriebenen Handwerkzeugen hingegen von Hand-Arm-
Schwingungen. Neben der Beeinträchtigung der menschlichen Leistung und des
Wohlbefindens durch eine Schwingungsbelastung treten bei längeren Expositions-
zeiten Schädigungen im Bereich der Wirbelsäule sowie im Hand-Arm-Bereich
auf.

9.2.1 Physikalische Grundlagen


Mechanische Schwingungen sind translatorische oder rotatorische, zeitveränderli-
che Bewegungen von Festkörpern um eine Ruhelage (DUPUIS 1993). Dabei wird
entsprechend des Zeitverlaufs der Auslenkung zwischen sinusförmigen (z.B. bei
Anregung durch eine drehende Welle mit Unwucht), periodischen, (z.B. bei Über-
lagerung der Unwuchtschwingungen mehrerer Wellen mit unterschiedlichen
Drehzahlen) und stochastischen Schwingungen (z.B. Fahrzeug auf unebener Fahr-
bahn) unterschieden.

Messgrößen
Messgrößen sind der Weg s(t), als Auslenkung aus der Ruhelage, die Geschwin-
digkeit v(t) und die Beschleunigung a(t) in ihrem zeitlichen Verlauf. Die drei
Größen sind bekanntermaßen in folgender Weise verknüpft:
dv(t ) d 2 s (t ) ªmº
a(t ) «¬ s 2 »¼ (9.12)
dt dt 2
Charakteristische Größen zur Beschreibung einer Sinusschwingung sind die
Amplitude als die größte Auslenkung und die Schwingungsfrequenz. Bei nicht
periodischer Bewegung wird eine Schwingung allgemein durch ihr
Fourierspektrum beschrieben. Aus Gründen der summarischen Betrachtung wer-
den in Analogie zur Schallmessung jedoch die zeitveränderlichen Größen Weg,
Geschwindigkeit und Beschleunigung durch ihre Effektivwerte (siehe Kap. 9.2.5)
charakterisiert. Um die Stoßhaltigkeit einer Schwingung zu kennzeichnen, kann
der Crest-Faktor bzw. Scheitelfaktor verwendet werden. Er ist definiert als das
Verhältnis des Spitzenwertes der Beschleunigung zu ihrem Effektivwert.

Einleitungsort und Einleitungsrichtung


Mechanische Schwingungen werden in den menschlichen Körper beim Stehen
über die Füße, beim Sitzen zusätzlich über das Gesäß und beim Führen von ange-
Arbeitsumgebung 791

triebenen Werkzeugen über die Hände eingeleitet. Entsprechend der Einleitungs-


stelle wird zwischen Ganzkörperschwingungen und Hand-Arm-Schwingungen
unterschieden.
Üblicherweise werden die drei Messgrößen Weg, Geschwindigkeit und Be-
schleunigung in menschbezogenen Koordinatensystemen angegeben (siehe Abb.
9.9), die in der VDI-RICHTLINIE 2057 Bl.1 und Bl.2 genormt sind.

Abb. 9.9: Koordinatensysteme für Schwingungsrichtungen (nach VDI 2057, Bl.1 u. Bl.2)

Beim Messen wird häufig für die jeweilige Koordinatenrichtung ein eigener
Beschleunigungsaufnehmer verwendet. Messorte sind die Stellen der Schwin-
gungsübertragung. Mit einer solchen Anordnung können prinzipiell nur
translatorische Schwingungen erfasst werden. Üblicherweise liegt jedoch der
Drehpunkt rotatorischer Schwingungen so weit vom Bestimmungsort entfernt,
dass rotatorische Anteile translatorisch bewertet werden können.
Da das Koordinatensystem einer anthropozentrischen Schwingungsmessung si-
tuationsabhängig ist, wird bei Messergebnissen von Ganzkörperschwingungen die
Lage des Körpers, z.B. liegend, stehend, sitzend mit angegeben.

9.2.2 Physiologische Grundlagen


Der menschliche Körper wird durch die Einleitung mechanischer Schwingungen
selbst zum Schwingen angeregt. Weil die einzelnen Körperteile nicht starr mitei-
nander verbunden sind, liegt es nahe, das Schwingungsverhalten des Menschen
durch Feder-Masse-Dämpfer Modelle nachzubilden. Je nach gewünschter Detail-
lierung der Nachbildung ergeben sich unterschiedlich komplexe Modelle. Drei
recht einfache Ersatzmodelle sind in Abb. 9.10 dargestellt.
792 Arbeitswissenschaft

Abb. 9.10: Feder-Masse-Dämpfer Modelle des menschlichen Körpers (nach SCHEIBE u.


SCHWARZLOSE 1983): A = 1-Masse-1 Feder-System mit Dämpfer; B = 2-Masse-2-
Feder-System mit Dämpfer; C = 7-Masse-7-Feder-System mit Dämpfer

Bei solchen Ersatzmodellen ist einschränkend zu beachten, dass der Mensch ei-
ner Schwingungseinwirkung nicht passiv sondern aktiv gegenübersteht. Das akti-
ve Verhalten beruht auf Ausgleichsmechanismen wie der Kontraktion von Mus-
kelgruppen (z.B. beim Aufenthalt auf Schiffen bei großem Seegang), der
Muskulaturermüdung bei längerer Schwingungsexposition sowie auf der Grund-
muskelspannung, die von der mentalen Beanspruchung des Menschen abhängig
ist.
Weiterhin verändert sich im Tagesverlauf der Füllzustand der Hohlorgane und
somit auch ihre Massen. Infolgedessen können die Zahlenwerte für die Reso-
nanzbereiche von Organen und Körperteilen in Tabelle 9.1 nur als Anhaltspunkte
dienen.
Arbeitsumgebung 793

Tabelle 9.1: Resonanzfrequenzen des menschlichen Körpers (nach RENTZSCH 1983)

Das Schwingungsverhalten des Hand-Arm-Systems ist neben der Körperhal-


tung und der Schwingungswirkrichtung auch von der Andruckkraft abhängig.
Die Eigenfrequenz des Hand-Arm-Systems liegt im Bereich von 12 - 20 Hz
(Abb. 9.11).

Abb. 9.11: Schwingungsverhalten des Hand-Arm-Systems (nach DUPUIS et al. 1976), azh:
Effektivbeschleunigung der anregenden Schwingung an der Einleitungsstelle
794 Arbeitswissenschaft

9.2.3 Wirkung mechanischer Schwingungen auf den Menschen

9.2.3.1 PhysiologischeĆReaktionenĆ
Bedingt durch das Schwingungsverhalten der einzelnen Körperteile und Organe
treten zahlreiche Reaktionen des Körpers in Abhängigkeit von Frequenz und
Amplitude der erregenden Schwingung auf.
Der menschliche Körper versucht durch Muskelkontraktion Resonanzerschei-
nungen abzubauen. Dieser Effekt kann mit Hilfe der Elektromyographie nachge-
wiesen werden und ist vor allem bei Ganzkörperschwingungen von Bedeutung. So
ist bei Anregung mit einem periodischen Beschleunigungsverlauf ein ebenfalls
periodischer Verlauf des Elektromyogramms zu beobachten (Abb. 9.12).
Als weitere physiologische Reaktionen auf Ganzkörperschwingungen können
Veränderungen des Atemvolumens, Verminderung von Reflexen, Verdau-
ungsstörungen sowie die Verminderung der Durchblutung der Gliedmaßen nach-
gewiesen werden.

Abb. 9.12: Elektromyogramme der Lendenmuskulatur und zugehörige Beschleunigungs-


signale am Sitz und im Bereich der Lendenwirbel bei stochastischen und periodischen
Schwingungen (aus DUPUIS et al. 1972)

Rotationsschwingungen im Bereich von 0,5 Hz führen häufig zu Kinetosen wie


z.B. Seekrankheit. Die Mechanismen dieser Bewegungskrankheiten sind nicht
vollständig geklärt. Es wird jedoch vermutet, dass das Gleichgewichtsorgan eine
wesentliche Rolle spielt: Bei Drehschwingungen in diesem Frequenzbereich
stimmen die von den Augen aufgenommenen Informationen und die Informatio-
nen über die Bewegung des Körpers, die von den Bogengängen des Gleichge-
wichtsorgans gegeben werden, nicht überein. Folge der Irritation sind Übelkeit,
Blutdruckabfall und Schweißausbruch.
Im Bereich der Resonanzfrequenz der Augen wird die Sehschärfe herabgesetzt.
Die Flimmerverschmelzungsfrequenz, dass heißt die Fähigkeit des menschlichen
Auges aufeinanderfolgende Lichtblitze zu unterscheiden, nimmt im Resonanzbe-
reich der Augäpfel ab.
Arbeitsumgebung 795

Bei Hand-Arm-Schwingungen wird die Durchblutung der Finger herabgesetzt.


Dieser Effekt ist durch die Absenkung der dortigen Hauttemperatur direkt nach-
weisbar (Abb. 9.13).

Abb. 9.13: Abnahme der Hauttemperatur unter Schwingungsbelastung (nach DUPUIS u.


WEICHENRIEDER 1977)

9.2.3.2 SchädigungĆ
Eine langanhaltende Belastung durch mechanische Schwingungen führt in Abhän-
gigkeit der täglichen Expositionszeit, der Intensität und dem Einleitungsort zu
Schädigungen.
Bei Hand-Arm-Schwingungen, verursacht durch Arbeitsmittel niedriger
Schwingfrequenzen mit großen Amplituden wie z.B. Presslufthämmer, treten
Knochen- und Gelenkdegenerationen auf (Berufskrankheit Nr. 2103: „Erkrankun-
gen durch Erschütterungen bei Arbeit mit Druckluftwerkzeugen oder gleichartig
wirkenden Werkzeugen oder Maschinen“). Arbeitsmittel, die Schwingungen von
40 - 60 Hz erzeugen wie z.B. Handschleifmaschinen oder Kettensägen, führen
nach mehrjähriger Expositionszeit zu chronischen Durchblutungsstörungen der
Finger (Berufskrankheit 2104: „Vibrationsbedingte Durchblutungsstörungen an
den Händen …“, auch vasospastisches Syndrom, Weißfingerkrankheit genannt).
Niedrige Umgebungstemperaturen fördern die Durchblutungsstörungen. Diese
Tatsache ist vor allem beim Arbeiten mit Kettensägen im Freien von Bedeutung.
Die Folge ist ein häufiges Einschlafen und Kribbeln der Finger verbunden mit
Schmerzen. Die feinmotorische Koordination wird eingeschränkt (DUPUIS 1982).
Langfristige Belastungen durch Ganzkörperschwingungen können zu irreparab-
len Schäden, hauptsächlich an der Wirbelsäule, führen (DUPUIS 1982) (Berufs-
krankheit Nr. 2110: „Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule
durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörper-
schwingungen im Sitzen)“.
796 Arbeitswissenschaft

9.2.4 Messung
Theoretisch können die Auslenkungen von Festkörpern mit Wegaufnehmern ge-
messen werden. Dazu benötigt man allerdings eine ortsfeste Aufhängung. Da
diese Vorgehensweise z.B. bei Schwingungsmessungen an handgeführten Ma-
schinen nicht möglich ist, werden häufig Beschleunigungsaufnehmer verwendet,
die auf dem seismischen Prinzip beruhen. In diesen Sensoren ist eine Masse gefe-
dert und gedämpft gelagert. Bei Schwingungsanregung kommt es zu Trägheits-
kräften an der Masse, die sie aus der Ruhelage auslenken. Die Auslenkung kann
nach verschiedenen Prinzipien in elektrische Signale umgewandelt werden, Abb.
9.14 zeigt einige Beispiele:
x Die Masse ist an einer Blattfeder befestigt und die Auslenkung wird relativ
zum Gehäuse durch Dehnungsmessstreifen (DMS) aufgenommen, die auf
der Blattfeder angebracht sind (Abb. 9.14a).
x Durch Ausnutzung des piezoelektrischen Effekts werden elektrische Ladun-
gen verschoben, die der Trägheitskraft der Masse proportional sind (Abb.
9.14b).
x Die Masse befindet sich in einer Spule, deren Impedanz sich bei Massenaus-
lenkung relativ zum Aufnehmergehäuse verändert (Abb. 9.14c). Alternativ
kann bei miniaturisierter Bauform des Sensors kapazitiv gemessen werden.
Diese in den letzten Jahren umfangreich erforschten und mittlerweile auch
recht weit verbreiteten mikro-elektro-mechanischen Systeme (MEMS, siehe
auch CHANG 2006) besitzen sowohl Federn als auch Massen aus Silizium,
die nur wenige μm breit sind.
Der Messbereich der Aufnehmer ist von der Eigenfrequenz ihres Feder-
Dämpfer-Masse-Systems abhängig. Üblicherweise kann im Bereich bis zur Hälfte
der Eigenfrequenz gemessen werden.
Die elektrischen Signale werden entsprechend dem Wirkprinzip des Aufneh-
mers so vorverarbeitet, dass am Ausgang eine beschleunigungsproportionale
Spannung anliegt. Bildet man deren Effektivwert, so erhält man mit der Effektiv-
beschleunigung ein energetisches Maß der Schwingungsbelastung. Dabei ist die
Frequenzlage mit zu berücksichtigen. Ist der Signalverlauf periodisch, lassen sich
die Frequenzanteile schrittweise analysieren, indem Terz- und Oktavfilter sukzes-
siv dem Effektivglied vorgeschaltet werden. Bei stochastischen Signalen hingegen
kann das Beschleunigungsspektrum mit Echtzeit-Frequenz-Analysatoren ermittelt
werden.
Die Anbringung der Beschleunigungsaufnehmer erfolgt direkt an der Einlei-
tungsstelle in den menschlichen Körper. Es wird in den drei Koordinatenachsen
gemäß VDI 2057, Bl.1 gemessen. Ist eine direkte Messung nicht möglich, sind die
Messergebnisse durch eine Koordinatentransformation vektoriell umzurechnen.
Arbeitsumgebung 797

Abb. 9.14: Beschleunigungsaufnehmer nach dem seismischen Prinzip; a. mit Dehnungs-


messstreifen, b. mit druckempfindlichem piezoelektrischen Element, c. mit Messspule nach
dem induktiven Prinzip

9.2.5 Bewertung und Beurteilung


Die Umsetzung neuer Schutzziele erfolgte in Deutschland mit der am 09. März
2007 in Kraft getretenen Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung
(LärmVibrationsArb-SchV).
Während vor Inkrafttreten der LärmVibrationsArbSchV ein wesentliches Krite-
rium zur Bewertung von mechanischen Schwingungen die sog. „bewertete
Schwingstärke K“ (kurz K-Wert) darstellte, wurden mit der neuen Verordnung
neue Werte eingeführt, der sog. Tages-Vibrationsexpositionswert, der Auslöse-
wert, oder der Expositionsgrenzwert. Obwohl sich das Risiko gegenüber Vibratio-
nen per se nicht geändert hat, sollen durch die neuen Auslöse- und Expositions-
grenzwerte das bisherige Schutzniveau verbessert werden, da vom Arbeitsgeber
einige Maßnahmen bereits unterhalb der bisherigen Grenz- und Richtwerte zu
treffen sind (MILDE u. PONTO 2008).
Der Tages-Vibrationsexpositionswert, Variable A(8), ist der über die Zeit ge-
mittelte Vibrationsexpositionswert bezogen auf eine Achtstundenschicht.
Bei Hand-Arm-Vibrationen wird der auf acht Stunden normierte Tages-
Vibrationsexpositionswert ausgedrückt als die Quadratwurzel aus der Summe der
798 Arbeitswissenschaft

Quadrate der Effektivwerte der frequenzbewerteten Beschleunigungen in den drei


orthogonalen Koordinatenrichtungen ahwx, ahwy, ahwz , also
ahv 2
ahwx  ahwy
2
 ahwz
2
(9.13)
mit dem jeweiligen Effektivwert ahw über der Integrationszeit T:
T
1 2
T ³0
ahw aw (t )dt (9.14)

Bei Ganzkörper-Vibrationen erfolgt die Bewertung durch die äquivalente


Dauerbeschleunigung für einen Zeitraum von acht Stunden, berechnet als die
maximal gemessenen Werte der Effektivwerte der frequenzbewerteten Beschleu-
nigungen in den drei orthogonalen Richtungen (1,4·awx, 1,4·awy, awz) für einen
sitzenden oder stehenden Beschäftigten.
Während bisher die Schwingbeschleunigungen gemessen und durch festgelegte
Verfahren auf Basis der nationalen Normung auf K-Werte umgerechnet wurden,
werden im Rahmen der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung nun die
gemessenen frequenzbewerteten Beschleunigungen verwendet. Zur Umrechnung
von K-Werten müssen daher die Frequenzbewertungen nach VDI 2057 (2002) ver-
wendet werden (siehe Abb. 9.15).

5
Frequenzbewertung/frequency weightings in dB

-5

-15

-25

-35

-45

-55

-65

-75

-85
Wf Wk Wd Wm

0.016 0.0315 0.063 0.125 0.25 0.5 1 2 4 8 16 31.5 63 125 250

Frequenz/frequency f in Hz

Abb. 9.15: Frequenzbewertungskurven nach VDI 2057

Beachtet werden muss hierbei, dass bei Hand-Arm-Vibrationen eine vektorielle


Zusammenfassung der Beschleunigungen in allen drei Raumrichtungen zu einem
Schwingungsgesamtwert erforderlich ist (siehe Gl. (9.13)). Bei Ganzkörper-
Arbeitsumgebung 799

Vibrationen ergibt sich dagegen wie erwähnt der A(8)-Wert als Maximalwert aus
1,4·awx, 1,4·awy und awz.
Hinweise zur Bewertung von Vibrationen findet man in den vom Bundesminis-
terium für Arbeit und Soziales herausgegebenen Handbüchern (2007a und 2007b).
Die Vorgehensweise zur Ermittlung des Tagesexpositionswertes A(8) besteht
für Ganzkörpervibrationen aus drei Schritten:
(1) Ermitteln der drei Effektivwerte der frequenzbewerteten Beschleunigung awx,
awy und awz anhand von Messungen, Herstellerangaben oder sonstigen Quel-
len. Die Frequenzbewertungen sind in VDI 2057 normiert.
(2) Bestimmen der Tagesexposition in den drei Raumrichtungen x, y und z durch

Texp
Ai 1, 4 ˜ awi i x, y (9.15a)
T0

Texp
Az awz (9.15b)
T0

mit Texp als tägliche Dauer der Schwingungsexposition und T0 als Referenz-
dauer von acht Stunden.
(3) Der höchste Wert, bzw. derjenige Wert von Ax(8), Ay(8) und Az(8) aus dem
die geringste zulässige Expositionszeit folgt, ist die Tagesexposition gegen-
über Schwingungen:

A(8) max ^ Ax (8), Ay (8), Az (8)` (9.16)


Eine vereinfachte grafische Methode zur Ermittlung der Tagesexpositionen
zeigt Abb. 9.16. Die auf acht Stunden bezogenen Tagesexpositionswerte werden
durch den Vergleich mit den Auslöse- und Expositionsgrenzwerten beurteilt und
lösen bei Erreichen bzw. Überschreiten der Auslösewerte bzw. Expositionsgrenz-
werte bestimmte Maßnahmen aus.
Die Auslöse- und Expositionsgrenzwerte für Hand-Arm-Vibrationen bzw.
Ganzkörper-Vibrationen zeigt Tabelle 9.2.
Tabelle 9.2: Auslöse- und Expositionsgrenzwerte

Hand-Arm-Vibrationen Ganzkörper-Vibrationen

z-Richtung x- und y-Richtung

Auslösewert 2,5 m/s2 0,5 m/s2

Expositions-
5,0 m/s2 0,8 m/s2 1,15 m/s2
grenzwert
800 Arbeitswissenschaft

3,8

3,6

3,4

3,2

2,8
rot
2,6

2,4
(ka w )max (m/s²)

2,2

1,8 A(8)=2.0m/s²

1,6 A(8)=1.8m/s²

1,4 A(8)=1.6m/s²
orange
A(8)=1.4m/s²
1,2
A(8)=1.2m/s²
1 gelb A(8)=1.15m/s²
A(8)=1.0m/s²
0,8
A(8)=0.8m/s²
0,6 grün A(8)=0.6m/s²
A(8)=0.5m/s²
0,4 A(8)=0.4m/s²
Beispiel:
Beispiel:
0,2 1.2m/s²für
1.2m/s² für44Stunden
Stunden A(8)=0.2m/s²
30min.ergibt
30min. ergibtA(8)=0.9m/s²
A(8)=0.9m/s²

0 0:0 0:3 1:0 1:3 2:0 2:3 3:0 3:3 4:0 4:3 5:0 5:3 6:0 6:3 7:0 7:3 8:0 8:3 9:0 9:3 10:
0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 00

Abb. 9.16: Grafische Ermittlung der Tagesexposition anhand der Expositionszeit sowie des
Tagesexpositionswertes A(8) (aus Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2007a)
Arbeitsumgebung 801

Die Auslösewerte haben hierbei eher präventiven Charakter, um das Entstehen


von vibrationsbedingten Erkrankungen zu vermeiden. Die Expositionsgrenzwerte
kennzeichnen die Vibrationsbelastungen, oberhalb derer bei langjähriger Einwir-
kung mit deutlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen gerechnet werden muss.
Der Bereich links unten (mittlere Graustufe) in Abb. 9.16 zeigt die Exposition
an, die unter dem Auslösewert (siehe Tabelle 9.2) liegt. Diese Exposition darf
jedoch nicht als „sicher“ gelten. Bei einer Exposition unterhalb des Auslösewertes
kann ein Risiko einer Schädigung durch Ganzkörper-Schwingungen bestehen; in
manchen Fällen, insbesondere nach vielen Jahren der Exposition, kann eine derar-
tige Exposition bei einigen Arbeitnehmern zu einer Schädigung durch Schwin-
gungen führen. Nach dem Ampelschema entsprechen die unterschiedlichen Grau-
abstufungen in Abb. 9.16 den Farben grün (Bereich links unten), rot (rechts oben)
und gelb (in verschiedenen Abstufungen im dazwischen liegenden Bereich).
Analoge Vorgehensweisen zur Bewertung und Beurteilung von Hand-Arm-
Vibrationen findet man in dem bereits zitierten Handbuch, das vom Bundesminis-
terium für Arbeit und Soziales herausgegeben wurde (2007b).
Die Maßnahmen, die bei Erreichen bzw. Überschreiten der Grenzwerte ergrif-
fen werden müssen, zeigt Tabelle 9.3.
Tabelle 9.3: Zu ergreifende Maßnahmen (G46 ist der Berufsgenossenschaftliche Grundsatz
zur Untersuchung von Beschäftigten bei Belastungen des Muskel- und Skelettsystems)

Maßnahmen zur Verminderung der Vibrationen können von alternativen Ar-


beitsverfahren über die Auswahl passender Arbeitsmittel oder die Bereitstellung
von Zusatzausrüstungen bis zur Begrenzung der Belastungsdauer durch entspre-
chende Personaleinsatzpläne im Rahmen der organisatorischen Arbeitsgestaltung
reichen (siehe Kap. 9.2.6).
802 Arbeitswissenschaft

9.2.6 Gestaltungshinweise
Die Begrenzung der Einwirkung von Schwingungen auf den Menschen kann
durch verschiedene Schutzmaßnahmen erreicht werden. In der VDI-Richtlinie 3831
werden die Maßnahmenbereiche
x Technischer Schwingungsschutz,
x Arbeitsorganisatorischer Schwingungsschutz,
x Persönlicher Schwingungsschutz und
x Arbeitsmedizinischer Schwingungsschutz
angeführt.

Technischer Schwingungsschutz
Unter technischem Schwingungsschutz sind Maßnahmen zu verstehen, die der
Entstehung und Übertragung mechanischer Schwingungen entgegenwirken. Me-
chanische Schwingungen werden an Maschinen vor allem durch Unwucht an
Wellen bzw. durch oszillierende Massen erzeugt (GASCH et al. 2006).
Die Unwucht von Wellen kann durch Auswuchten vermindert werden. Ein in
der Praxis angewendetes Verfahren zum automatischen Auswuchten der Welle
angetriebener Handwerkzeuge nach LINDELL (1993) ist in Abb. 9.17 skizziert.

Abb. 9.17: In der industriellen Praxis angewendetes Verfahren zum automatischen Aus-
wuchten der Welle angetriebener Handwerkzeuge durch zwei bewegliche Kugeln nach
Lindell (1993): a. Beim Lauf mit superkritischer Drehzahl rotiert das Werkzeug um den
Massenschwerpunkt, so dass Schwingungen induziert werden. b. Durch die auftretenden
Zentrifugalkräfte bewegen sich die beiden Kugeln entlang der Kontur und verändern da-
durch die Lage des Massenschwerpunktes, bis dieser auf der Rotationsachse liegt (siehe c.).
Eine deutliche Minderung der Schwingungsbelastung des Hand-Arm-Systems ist die Folge.
Änderungen der Drehzahl werden schnell ausgeregelt.
Arbeitsumgebung 803

Bei schwingenden Massen besteht weiterhin die Möglichkeit, durch einen ge-
genläufigen Mechanismus Kräfte zu tilgen. Ein Beispiel hierfür ist das Prinzip des
Gegenschlaghammers anstelle des Fallhammers in der Umformtechnik.
Generell erhöht sich die Schwingungsbelastung durch Maschinen mit zuneh-
mendem Verschleiß bzw. bei mangelnder Wartung.
Eine geeignete Wahl des Arbeitsverfahrens, wie z.B. die Verwendung kraftge-
bundener Pressen anstelle energiegebundener Pressen, die Verwendung des Scher-
schnitts statt des Schlagschnitts bei Abkantbänken oder der Verzicht auf Rüttel-
förderer bei der Zuführung von Werkstücken mindert die Schwingungsbelastung.
Diese Maßnahmen führen üblicherweise auch zu einer Lärmminderung.
Lässt sich die Entstehung von Schwingungen nicht ausreichend vermeiden, so
ist eine Schwingungsisolation zwischen Schwingungsquelle und dem exponierten
Menschen vorzusehen. Dabei wird die aktive Schwingungsisolation, die einen Teil
der Maschine darstellt und die Ausbreitung mechanischer Schwingungen vermin-
dert, von der passiven Isolation unterschieden, die eine Einwirkung der Schwin-
gungen auf den Menschen vermindern soll. Eine aktive Schwingungsisolation ist
z.B. ein federndes und dämpfendes Fundament einer Maschine. Eine passive
Schwingungsisolation liegt im Fall einer federnd und gedämpft gelagerten Leit-
werte oder Steuerstand vor. Solche Schwingungsisolationen führen zum Abbau
von Beschleunigungsspitzen (Federn) und wandeln mechanische Energie in Wär-
meenergie um (Dämpfer). In den Abb. 9.18 und Abb. 9.19 sind technische Lösun-
gen zur Schwingungsisolation dargestellt.

eingefasst eingeknöpft eingepresst

Abb. 9.18: Gummielemente zur Lagerung von Maschinen (VDI 2062, Bl.2)

Organisatorischer Schwingungsschutz
Werden die Expositionsgrenzwerte bzw. Auslösewerte bei einer täglichen Exposi-
tionszeit von acht Stunden trotz der Maßnahmen im Bereich des technischen
Schwingungsschutzes überschritten, so ist durch arbeitsorganisatorische Maßnah-
men, wie dem Wechsel des Arbeitsplatzes während der Schicht, die Expositions-
dauer zu verringern. Die in Bezug auf die Gesundheit höchste zumutbare Exposi-
tionsdauer kann bekanntlich Abb. 9.16 entnommen werden.
804 Arbeitswissenschaft

Abb. 9.19: Fahrersitz für landwirtschaftliche Zugmaschinen (DUPUIS 1981), Beispiel für
eine passive Schwingungsisolation. Die Schwingungsverminderung wird durch optimierte
Sitzfederung und Dämpfung realisiert (vertikale Beschleunigungsmessungen am Sitzfuß
und auf der mit einem Fahrer belasteten Sitzfläche). Die Vorspannung der Feder lässt sich
einstellen, so dass der Sitz an Personen mit verschiedenem Körpergewicht angepasst wer-
den kann.

Persönlicher Schwingungsschutz
Persönliche Schutzausrüstungen für den Schwingungsschutz sind z.B. Vibrations-
schutzhandschuhe, die beim Führen von handgetriebenen Arbeitsgeräten Anwen-
dung finden. Diese Handschuhe haben auf der Grifffläche ein Luftpolster. Zum
genauen Führen von Werkzeugen ist hierdurch allerdings eine erhöhte Greifkraft
notwendig, die eine Isolationswirkung im niederfrequenten Bereich einschränkt.

Arbeitsmedizinischer Schwingungsschutz
Als Maßnahmen des arbeitsmedizinischen Schwingungsschutzes sind Einstel-
lungsuntersuchungen und Nachuntersuchungen vorzunehmen, so dass schwing-
ungsgefährdete Personen erkannt werden können und im Fall einer beginnenden
Schädigung eine weitere Exposition verhindert werden kann.
Arbeitsumgebung 805

9.3 Strahlung

Der Begriff Strahlung bezeichnet in der Physik die freie, ungeleitete Ausbreitung
von Energie in Form von Teilchen oder Wellen. Die Differenzierung ist historisch
bedingt und wird trotz des bekannten Welle-Teilchen-Dualismus der Quantenme-
chanik in der wissenschaftlichen Diskussion weiterhin aufrecht erhalten. Die Cha-
rakterisierung und Beschreibung der Eigenschaften von Strahlung erfolgt durch
radiometrische Größen:
x Die Strahlungsenergie E bzw. Qe (in der Photometrie) ist die Gesamtenergie
einer Teilchenmenge oder einer Welle; Einheit: Joule [J]
x Die Strahlungsleistung P einer Strahlungsquelle ist ein Maß für die Strah-
lungsenergie, die pro Zeiteinheit von einer Quelle emittiert wird; Einheit:
Watt [W]
x Die Bestrahlung oder Energiedichte H beschreibt die gesamte Strahlungs-
energie, die auf eine Objektoberfläche trifft, bezogen auf die Größe der Flä-
che; Einheit: [J/m2]
x Die Leistungsflussdichte S charakterisiert die Energieausbreitung für jeden
Raum- und Zeitpunkt. Diese in Vektorschreibweise dargestellte Größe ist de-
finiert als Energie, die pro Zeiteinheit eine Fläche senkrecht zur Ausbrei-
tungsrichtung der Welle oder der Teilchen durchströmt; Einheit: [W/m2].
Physikalisch lassen sich die verschiedenen Arten von Strahlung nach dem
Übertragungsmedium für die Energieausbreitung differenzieren. Hierbei werden
elastische Medien und die Ausbreitung im Vakuum differenziert. In diesem Kapi-
tel sollen ausschließlich die wichtigsten, nicht an ein Medium gebundenen Strah-
lungsarten behandelt werden, nämlich die elektromagnetische Strahlung sowie die
von radioaktiven Elementen ausgesandten Korpuskularstrahlungen (Alpha-, Beta-,
Gammastrahlung).
In der physikalischen Feldtheorie wird die räumliche Fortpflanzung von Strah-
lung als Ausbreitung von Wellen interpretiert. Eine einzelne Welle wird dabei
charakterisiert durch die Amplitude, die Wellenlänge bzw. Frequenz sowie die
Phase. Bei der Wechselwirkung mit Materie, z.B. Absorption (lat. absorbere =
einsaugen) und Emission (lat. emittere = aussenden), verhält sich Strahlung wie
eine Menge identischer, kleiner, massebehafteter Teilchen, die den Raum durch-
fliegen und somit kinetische Energie und Impuls tragen.
Wichtiger als die physikalische Natur der Teilchen ist bei der Analyse ver-
schiedener Strahlungsarten hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Menschen die
kinetische Energie der Teilchen. Diese wird zumeist nicht in der SI-Einheit für
Energie in Joule [J] angegeben, sondern in der physikalischen Einheit Elektronen-
volt [eV] bzw. einem Vielfachen davon: [keV], [MeV], [GeV]. Ein Elektronenvolt
(1 eV) ist dabei definiert als die Bewegungsenergie, die eine Einheitsladung beim
Durchlaufen eines elektrischen Spannungsgefälles von 1 Volt gewinnt.
806 Arbeitswissenschaft

Führt die Bewegungsenergie der Teilchen bei einer absorbierenden Materie zur
Erzeugung von Ionen, d.h. mindestens ein Elektron aus der Atomhülle des ab-
sorbierenden Atoms wird befreit, so wird die Strahlung als ionisierende Strahlung
bezeichnet. Da die Ionisierungsenergie für verschiedene Atome bzw. Moleküle
eine hohe Varianz aufweist, ist die Grenze zwischen ionisierender und nicht-
ionisierender Strahlung unscharf. Für Atome nimmt die Ionisierungsenergie
i.Allg. mit wachsender Kernladung zu und mit wachsendem Atomradius ab.

9.3.1 Physikalische Grundlagen


Arbeitswissenschaftliche Aspekte von Strahlung sind ohne die physikalischen
Größen, deren Beziehungen zueinander sowie die Klassifizierung von Strahlung
nur schwer zu vermitteln. Im Folgenden werden daher die entsprechenden physi-
kalischen Zusammenhänge kurz eingeführt und der physikalische Prozess der
Strahlungserzeugung umrissen. Eine ausführliche Darstellung findet sich z.B. in
PAUS (2007), DEMTRÖDER (2004), NOLTING (2007).

9.3.1.1 KorpuskularstrahlungenĆ

Als Korpuskularstrahlen werden mit hoher Geschwindigkeit den Raum durchflie-


gende kleinste Teilchen bezeichnet, die eine Ruhemasse besitzen, d.h. auch in
Ruhelage existieren (VOGT u. SCHULTZ 2007). Die wichtigsten materiellen Strah-
lungsteilchen sind die Bestandteile der Atome. Die Wechselwirkung mit Materie
wird neben der kinetischen Energie vor allem durch die Masse und die elektrische
Ladung der Strahlungsteilchen bestimmt. Der Begriff Teilchenstrahl umfasst dabei
einen Strom von Teilchen mit einheitlicher, d.h. gerichteter Flugbahn. Die erste
bekannte Teilchenstrahlung war die künstlich hergestellte Kathodenstrahlung. Erst
später wurden beim radioaktiven Zerfall von Materie die natürlichen Teilchen-
strahlungen in Form von Alpha- und Betastrahlung entdeckt.
Alpha-Strahlung (D) besteht aus Strahlungsteilchen, die aus je zwei Protonen
und Neutronen zusammengesetzt sind. Sie tragen eine positive elektrische Ladung
von 2e. D-Teilchen sind physikalisch identisch mit Helium-4-Kernen. Ihre Ruhe-
energie ist mDʖc02 = 3727,2 MeV.
Beta-Strahlung (E) besteht aus Elektronen oder ihren Antiteilchen, den Positro-
nen. Die Strahlungsteilchen tragen eine elektrische Ladung von -e (E-) oder +e
(E+). Ihre mittlere Ruheenergie ist meʖc02 = 0,511 MeV.
Neutronenstrahlung (n) besteht aus einzelnen Neutronen. Die Strahlungs-
teilchen sind elektrisch neutral und haben eine mittlere Ruheenergie von mnʖc02 =
939,6 MeV.
Protonenstrahlung (p) (Ladung: +e, Masse: meʖc02 = 938,3 MeV) und Strahlun-
gen seltener Teilchen (z.B. Mesonen) haben ebenso wie Schwerionenstrahlung
nach dem derzeitigen Kenntnistand nur geringe arbeitsphysiologische Bedeutung.
Arbeitsumgebung 807

9.3.1.2 ElektromagnetischeĆStrahlungĆ
Mit Wechselspannung betriebene Geräte können in Abhängigkeit von ihrer Struk-
tur, ihrer Gestalt und ihrem Verhalten elektromagnetische Strahlung abstrahlen.
Die Beschreibung der verschiedenen Ausprägungen elektromagnetischer Strah-
lung erfolgt durch physikalische Größen, die im Folgenden kurz vorgestellt wer-
den.

Elektromagnetisches Feld
Ein physikalisches Feld beschreibt Eigenschaften eines Raumes durch die Zuord-
nung von physikalischen Größen zu einzelnen Raumpunkten. Analog zu dieser
Spezifikation beschreibt ein elektromagnetisches Feld die gerichtete Kraftwirkung
für einen Raum- und Zeitpunkt, die auf einen elektrisch geladenen Körper ausge-
übt wird. Diese ist charakterisiert durch die vier vektoriellen Größen:
x elektrische Feldstärke E [V/m]
x elektrische Flussdichte D [As/m2]
x magnetische Feldstärke H [A/m]
x magnetische Flussdichte B [Vs/m2]
Die vektoriellen Größen lassen sich durch vier Vektorfeldern abbilden, die orts-
und zeitabhängig sind. Ihre räumliche Verteilung lässt sich durch Feldlinien dar-
stellen.
Die elektrische Feldstärke ist definiert durch die Kraft Fe, die auf ruhende und
bewegte elektrisch geladene Körper wirkt. Die Einheit der elektrischen Ladung Q
ist Coulomb [C]. Die (positiven oder negativen) elektrischen Ladungen sind die
Quellen des Feldes E.
Fe Q ˜ E (9.17)
Die Bestimmung der Feldstärke für jeden Raumpunkt ist in der Praxis oftmals
sehr aufwändig. Aus diesem Grund wird statt der elektrischen Feldstärke E die
elektrische Spannung U gemessen, die über den Radius r proportional zur Feld-
stärke ist:
U ³ E ˜ dr (9.18)
In elektrisch leitfähigen Materialien, wie bspw. organischem Gewebe, setzen
elektrische Felder Ladungsträger in Bewegung und induzieren so einen elektri-
schen Strom. Dieser Strom wird beschrieben durch den elektrischen Stromdichte-
vektor j, dessen Größe durch die Ladungsmenge [Coulomb C] gegeben ist, die pro
Zeiteinheit durch eine orthogonal zum Stromdichtevektor ausgerichtete Einheits-
fläche fließt [C/m2s]. Die Gesamtheit der Ladungsmenge pro Zeiteinheit, die
durch einen Leiter fließt, wird durch die elektrische Stromstärke [A] repräsentiert.
Die magnetische Flussdichte B [T] beschreibt die Stärke eines durch ein Flächen-
element hindurchtretenden magnetischen Flusses. Sie wird beschrieben durch die
Kraft F, die ein vom Strom durchflossener Leiter erfährt, geteilt durch die Strom-
stärke I und die Leiterlänge l (Gleichung (9.19)).
808 Arbeitswissenschaft

F
B (9.19)
I ˜l
Der Einfluss der Materie auf das Verhalten von elektromagnetischen Feldern
wird durch die vektoriellen Größen D und H beschrieben. Für viele Materialien
gelten die linearen Zusammenhänge:
D Hr ˜H0 ˜ E (9.20)
B Pr ˜ P0 ˜ H (9.21)
Die Permittivität Hund die Permeabilität Pbeschreiben die Durchlässigkeit von
Materie für elektrische Felder bzw. für magnetische Felder2. Die Permittivität ist
das Produkt aus der Permittivität des Vakuums H0und der relativen Permittivität
Hr. Analog zur Permittivität wird die Permeabilität beschrieben durch das Produkt
der Permeabilität des Vakuums P0 und der relativen Permeabilität Pr. Beide Grö-
ßen beschreiben die elektrischen und magnetischen Eigenschaften der Materie
(siehe Tabelle 9.4) und sind von der Temperatur und, bei sich periodisch ändern-
den elektrischen und magnetischen Feldern, von der Frequenz der Felder abhängig
(siehe Abb. 9.20).
Tabelle 9.4: Permittivität Hrund die Permeabilität Pr siehe HIPPEL 1995

Hr Pr
Vakuum 1,0 1,0
Luft (Normalbedingungen) 1,00059 1 + 1ā10í6
Wasser 80,1 1 + 9.10-6

In nicht ferromagnetischen Materialien weicht Pr nur marginal vom Vakuum-


wert 1 ab, so dass sich B und H nur durch die Proportionalitätskonstante P0 unter-
scheiden. Zu beachten ist, dass elektrische und magnetische Felder aber nicht
unabhängig voneinander sind. Der Zusammenhang wird klassisch durch die Max-
well-Gleichungen beschrieben:
x Ein sich zeitlich änderndes elektrisches Feld induziert ein magnetisches Wir-
belfeld.
x Ein sich zeitlich änderndes magnetisches Feld induziert ein elektrisches Wir-
belfeld.
Die Kopplung der elektrischen und magnetischen Felder zum elektro-
magnetischen Feld ist bei periodisch veränderlichen Feldern proportional zur
Frequenz. Für eine Gleichspannung (Frequenz 0 Hz) besteht diese Kopplung
nicht. Elektrische und magnetische Felder sind unabhängig voneinander. In einem
solchen Fall ist die elektrische Feldstärke E proportional zur Spannung der Quelle

2 Es werden isotrope Materialien vorausgesetzt, d.h. das Verhalten ist in allen Raumrichtungen
gleich. B und H haben dann die gleiche Richtung, ebenso D und E. Bei Anisotropie müssen H und P
als Tensoren angesetzt werden.
Arbeitsumgebung 809

und die magnetische Feldstärke H weist ein proportionales Verhältnis zum flie-
ßenden Strom auf.

Abb. 9.20: Relative Permittivität Hr und spezifische Leitfähigkeit Vr von stark wasserhalti-
gem Gewebe (z.B. Muskeln, Haut) in Abhängigkeit von der Frequenz (HAUBRICH 1990)

Elektromagnetische Wellen
Sobald sich elektrische Ströme und Spannungen ändern, verändern sich auch die
elektrischen und magnetischen Felder. Diese Feldänderungen breiten sich durch
eine wechselseitige Induktion im Raum aus. Es entsteht eine elektromagnetische
Welle. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit ist vom Ausbreitungsmedium abhängig:
1
v (9.22)
H r H 0 P r P0

Im Vakuum gilt v = c0= 1 / H 0 P0 = 2,99.108 m/s.


Es werden die Bereiche Fernfeldbereich und Nahfeldbereich unterschieden
(DIN VDE 0848-1):

Fernfeldbereich
Ist die Entfernung von der Quelle sehr groß gegenüber der Ausdehnung der Quel-
le, so können die Wellen durch Frequenzzerlegung, unabhängig von ihrem tat-
sächlichen zeitlichen Verlauf, als Überlagerung von Wellen mit räumlich und
zeitlich konstanter Schwingungsperiode interpretiert werden. Diese ebenen Wellen
werden charakterisiert durch die Wellenlänge O [m] sowie die Schwingungsfre-
quenz f [Hz] und weisen folgende Eigenschaften auf (siehe Abb. 9.21):
810 Arbeitswissenschaft

x Die Beträge der elektrischen und magnetischen Feldstärke sind umgekehrt


proportional zur Entfernung von der Strahlungsquelle.
x Die Welle ist eine Transversalwelle, d.h. die Moleküle schwingen senkrecht
zur Ausbreitungsrichtung der Welle und induzieren ein Feld, bei dem die
elektrische Feldstärke E und die magnetische Feldstärke H senkrecht zur
Ausbreitungsrichtung der Welle stehen.
x Die elektrische Feldstärke E und die magnetische Feldstärke H stehen senk-
recht aufeinander und schwingen in Phase.
x Der Wellenwiderstand beschreibt die Eigenschaften eines Mediums, in dem
sich eine physikalische Welle ausbreitet. In der Elektrodynamik wird weiter-
hin zwischen Leitungswellenwiderstand und Feldwellenwiderstand unter-
schieden. Im Folgenden soll ausschließlich der Feldwellenwiderstand Zw be-
trachtet werden, der das Verhältnis zwischen elektrischem und magneti-
schem Feldanteil einer sich transversal ausbreitenden elektromagnetischen
Welle kennzeichnet:

P r P0 Pr
ZW Z0 (9.23)
HrH0 Hr

Der Wellenwiderstand der Luft ist praktisch dem des Vakuums identisch:
Z0 | 376.73 :.
x Die Welle transportiert Energie in Richtung ihrer Ausbreitung. Für die Be-
schreibung der Energie wird die Leistungsflussdichte verwendet. Die Leis-
tungsflussdichte ist definiert durch die Energie pro Zeiteinheit, die senkrecht
zur Ausbreitungsrichtung auf eine Fläche trifft:
E2 ªWº
S « m2 » (9.24)
ZW ¬ ¼
S EuH (9.25)
SvH vE 2
0
2
0
(9.26)

Im Fernfeld – elektrische und magnetische Feldstärken sind in Phase –


nimmt die elektrische Feldstärke reziprok mit dem Abstand zum Sender ab.
Wenn sich der Abstand zum Sender verzehnfacht, beträgt die elektrische
Feldstärke nur noch ein Zehntel des ursprünglichen Werts. Die Leistungs-
flussdichte folgt hingegen einer reziprok-quadratischen Entfernungsabhän-
gigkeit. Im zehnfachen Abstand zum Sender ist die Leistungsflussdichte be-
reits auf ein Hundertstel des Ausgangswerts gefallen.
x Da Wellenlänge, Frequenz und Ausbreitungsgeschwindigkeit über die Be-
ziehung
v
O (9.27)
f
Arbeitsumgebung 811

zusammenhängen, ändert sich mit der Ausbreitungsgeschwindigkeit auch die


Wellenlänge elektromagnetischer Strahlung in Materie. Dieser Geschwin-
digkeitsdifferenz liegt die Brechzahl n zu Grunde. Die Ausbreitungsge-
schwindigkeit ist für elektromagnetische Wellen die Lichtgeschwindigkeit in
Vakuum, die dann um den entsprechenden Faktor reduziert wird:
c
v (9.28)
n
So ist die Wellenlänge niederfrequenter Strahlung im wasserreichen mensch-
lichen Körper etwa um den Faktor 8 bis 9 kleiner als in Luft.
Nahfeldbereich
In der unmittelbaren Umgebung einer Strahlungsquelle ist die elektrische und
magnetische Feldstärke von der Geometrie der Quelle abhängig. Die Felder sind
nicht in Phase und ihr Verhältnis zueinander ist variabel. Die Leistungsdichte kann
hier nicht durch das Produkt der Feldstärken beschrieben werden. Üblicherweise
wird für die elektrische und magnetische Feldstärke eine separate äquivalente Lei-
stungsdichte ermittelt.

Abb. 9.21: Eine ebene, elektromagnetische Welle setzt sich aus einer elektrischen (E) und
einer magnetischen (H) Komponente zusammen, die senkrecht aufeinander stehen. Beim
Eindringen der Welle in den menschlichen Körper ändern sich die Parameter der Welle
durch die gegenüber Luft veränderten dielektrischen Eigenschaften. Die größere
Dielektrizitätszahl führt zu einer Verringerung der Wellenlänge Oi und einer kleineren
Ausbreitungsgeschwindigkeit vi. Durch die größere Leitfähigkeit Vi wird ein Teil der von
der Welle transportierten Leistung P im Körper absorbiert und in Wärme umgewandelt. Da-
durch wird die Welle wesentlich stärker gedämpft als in Luft (SILNY 1990).
812 Arbeitswissenschaft

Die Interpretation elektromagnetischer Strahlung als Welle ist am besten ge-


eignet, die Ausbreitung einer Strahlung zu charakterisieren. Die Deutung von
Emissions- und Absorptionsphänomenen erfordert dagegen die Interpretation von
elektromagnetischer Strahlung als eine Anzahl von Teilchen, den Photonen3. So
kann bspw. eine elektromagnetische Welle mit der Frequenz f nicht mit beliebigen
Energiemengen emittiert oder absorbiert werden, sondern nur in Energiepaketen
der Größe:
h˜v
E h˜ f (9.29)
O
Diese „Quantisierung“ der Energie wird verstanden als Emission und Absorpti-
on von Photonen mit der Geschwindigkeit v. Die Plancksche Konstante h
(h = 6,6261.10-34 Js) beschreibt den Zusammenhang zwischen der enthaltenen
Energie und der Frequenz eines Photons (Photon = Lichtquant). Je höher die Fre-
quenz der Strahlung ist, desto höher ist die von einem Photon übertragene Energie.

Elektromagnetisches Spektrum
Das Spektrum der in der Umwelt auftretenden, elektromagnetischen Strahlungen
aus natürlichen und künstlichen Strahlungsquellen umfasst einen Frequenz- und
Wellenlängenbereich von 21 Größenordnungen. Da sowohl die Kopplung von
elektrischen und magnetischen Feldern als auch die Wechselwirkung mit Materie
frequenzabhängig ist, weisen elektromagnetische Strahlungen mit stark unter-
schiedlicher Frequenz hinsichtlich Erzeugung, Anwendung und biologischer Wir-
kung verschiedene Eigenschaften auf. Für die Darstellung dieser Eigenschaften in
den folgenden Kapiteln werden elektromagnetische Strahlungen klassifiziert in:
x Niederfrequente Strahlung, elektromagnetische Wechselfelder mit Frequen-
zen bis zu 100 kHz (SSK 2001).
x Hochfrequente Strahlung, elektromagnetische Wellen mit Frequenzen von
100 kHz bis etwa 300 GHz (SSK 2001).
x Optische Strahlung, bis etwa 3000 THz. Von den Mikrowellen nicht scharf
abgegrenzt, folgt der Bereich der Infrarot- oder Wärmestrahlung (Wellenlän-
gen über 780 μm), an den sich das sichtbare Licht (bis 380 μm) und die ult-
raviolette Strahlung (bis etwa 100 μm) anschließt.
x Ionisierende Strahlung. Bereits kurzwellige UV-Strahlung kann ionisierend
wirken, so dass optische und ionisierende Strahlung nicht scharf zu trennen
sind.
9.3.1.2.1 Niederfrequente Strahlung
Die Erzeugung, der Transport und der Verbrauch von elektrischer Energie bewirkt
das Auftreten von elektrischen und magnetischen Streufeldern. Weisen diese
Streufelder eine Frequenz bis zu 100 kHz bzw. eine Wellenlänge von maximal

3 Den mathematisch einheitlichen Rahmen beider Interpretationsmodelle gibt die Quantenelektrody-


namik.
Arbeitsumgebung 813

3 km auf, werden diese als niederfrequente elektrische und magnetische Felder


bzw. als Niederfrequente Strahlung bezeichnet (BFS 2008a). Im Alltag ergibt sich
die Exposition der Bevölkerung hauptsächlich durch die elektrischen und magne-
tischen Felder, die durch die Stromversorgung mit 50 Hz und die elektrifizierten
Verkehrssysteme wie Eisenbahnen mit 162/3 Hz entstehen. Der Transport von
elektrischer Energie erfolgt mittels Hochspannungsleitungen, in deren Umgebung
niederfrequente elektrische und magnetische Felder auftreten. Dabei ist zu beach-
ten, dass Objekte, wie bspw. Häuser, Erhebungen im Terrain oder Bäume zu einer
Verzerrung des elektrischen Feldes führen. Die elektrische wie auch die magneti-
sche Feldstärke nimmt dabei mit zunehmendem Abstand von der Hochspannungs-
leitung ab. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass die Hauswände und
das Baumaterial bis zu 90% des elektrischen Felds absorbieren, während eine
Abschirmung des Magnetfelds im Inneren eines Gebäudes nicht ohne größeren
Aufwand möglich ist (BFS 2008a).
Feldstärken von etwa 20 kV/m (Übertragungsspannung von bis zu 500 kV) tre-
ten dagegen unter Hochspannungs-Gleichspannungs-Übertragungsleitungen
(HGÜ) auf. Die elektrischen Felder der HGÜ-Leitungen unterscheiden sich von
den Feldern der Wechselstrom- Hochspannungsleitungen. So kommt es direkt an
den HGÜ-Leitungen aufgrund der hohen Feldstärken zur Ionisation der Umge-
bungsluft. Im Gegensatz zu Wechselspannungsleitungen wird dieser Vorgang
nicht durch die darauffolgende Schwingungshalbwelle umgekehrt, sondern es
bilden sich um die HGÜ-Leitungen Raumladungswolken. Diese führen zu einer
höheren Feldstärke unterhalb dieser Leitungen als dies anhand der Leitergeometrie
zu erwarten wäre. Die sich bildenden Raumladungswolken können durch Wind
über größere Entfernungen transportiert werden, so dass die elektrische Feldstärke
mit zunehmender Entfernung in einem geringeren Umfang abnimmt, als dies bei
einer Wechselspannungsleitung der Fall ist.
Niederfrequente elektrische und magnetische Felder werden auch durch Haus-
haltsgeräte und Elektroinstallationen in Gebäuden erzeugt. In vielen elektrischen
und elektronischen Geräten wird die Frequenz der angelegten Spannung gewan-
delt, so dass in deren Umgebung Felder in einem breiten Frequenzbereich und mit
unterschiedlichen Stärken erzeugt werden (TFT-Computer-Monitore, tragbare
Computer, Radios, CRT-Fernsehgeräte etc.). Zu beachten ist, dass elektrische
Felder vorhanden sind, sobald elektrische Energie bereit gestellt wird. Magneti-
sche Felder entstehen dagegen nur, wenn ein Strom fließt, sich also Ladungsträger
bewegen. Bei leitungsgebundenen Feldern handelt es sich stets um Nahfelder.
Da in der Industrie überwiegend Anlagen und Geräte mit 380 V (Drehstrom,
drei Phasen, Phasenverschiebung: 120°) bzw. 230 V (Wechselstrom, einphasig)
betrieben werden, sind die Werte der elektrischen Felder oftmals nicht höher als in
privat genutzten Gebäuden. Erhöhte Werte treten nur in der Umgebung von Ma-
schinen mit einer hohen Leistungsaufnahme auf, wie bspw. bei Schweißautomaten
oder Hochleistungselektromotoren. Hohe magnetische Wechselfelder werden in
Arbeitssystemen von Betriebsmitteln abgestrahlt, wenn magnetische Wechselfel-
der zur gezielten Erwärmung von leitfähigen Werkstücken (Elektroöfen zur
814 Arbeitswissenschaft

gleichmäßigen Erwärmung von Metallen im Rahmen von Ur- und Umformprozes-


sen) eingesetzt werden sowie beim Fließen hoher Wechselströme (z.B. Dreh-
stromantriebe von Elektroloks).
Elektrische Gleichfelder entstehen insbesondere durch elektrostatische Aufla-
dungen, z.B. wenn bei Ladungstrennvorgängen mindestens ein schlecht leitender
Stoff beteiligt ist. Ein statisches elektrisches Feld übt Kräfte auf elektrische La-
dungen aus und führt damit zu einer Ladungsumverteilung an der Körperoberflä-
che. Dadurch bewirkte Bewegungen von Körperhaaren oder Mikroentladungen
treten bei elektrischen Feldstärken ab 20 kV/m auf. Unangenehme Empfindungen
beim Menschen entstehen ab 25 kV/m (UBA 2008). Statische elektrische Felder
können zu elektrischen Aufladungen von nicht geerdeten Gegenständen führen.
Als indirekte Wirkung kommt es beim Berühren des menschlichen Körpers mit
einem solchen Gegenstand zu Ausgleichströmen. In Feldern oberhalb von 5 bis
7 kV/m können solche Phänomene Schreckreaktionen durch Funkenentladungen
auslösen. Im beruflichen Alltag sind vor allem elektrostatische Aufladungen für
Funkenentladungen verantwortlich und nicht elektrische Gleichfelder von Gleich-
spannungsanlagen. Dies erklärt, weshalb keine Grenzwertregelungen für elektri-
sche Gleichfelder vorliegen. In Produktionsbetrieben entstehen hohe statische
Feldstärken z.B. bei der Verarbeitung von Kunststofffolien, im Rotationsdruck,
bei Förderbändern, Zerkleinerungs- und Mahlvorgängen, beim pneumatischen
Fördern in Rohrleitungen, bei der Herstellung, Durchmischung und dem Transport
von Mineralölprodukten und anderen schlecht leitenden Flüssigkeiten.
Magnetostatische Felder spielen in der Umwelt, im Vergleich zu anderen Fel-
dern, eine eher untergeordnete Rolle. Von Permanentmagneten abgesehen, entste-
hen sie beim Fließen elektrischer Gleichströme, treten somit nur auf, wenn Ener-
gie verbraucht wird, und unterliegen daher auch starken Schwankungen. In Ar-
beitssystemen überschreiten die technisch erzeugten magnetostatischen Felder die
Größenordnung des Erdmagnetfelds i.Allg. nicht. Lediglich in speziellen Arbeits-
systemen von Industrieunternehmen, die aufgrund der eingesetzten Fertigungs-
technologien und Betriebsmittel hohe Gleichströme nutzen (z.B. bei der Oberflä-
chenbeschichtung von Metallen), aber auch in der Medizintechnik, kann das auf-
tretende magnetostatische Feld deutlich die Größenordnung des statischen Mag-
netfelds von etwa 40 ȝT überschreiten.
9.3.1.2.2 Hochfrequente Strahlung
Die hochfrequente Strahlung wird im elektromagnetischen Spektrum im Fre-
quenzbereich zwischen etwa 100 kHz und 300 GHz eingeordnet. Die Wellenlänge
der hochfrequenten elektromagnetischen Felder (HF-EMF) liegt zwischen 3 km
und 1 mm (BfS 2008c). Das elektrische und das magnetische Feld sind bei den
HF-EMF eng miteinander gekoppelt. Daher kann man die Wirkung dieser Strah-
lung nur bedingt auf eine der beiden Komponenten zurückführen.
Hochfrequente Strahlung wird i.Allg. von einer Antenne abgestrahlt und er-
möglicht die Energieübertragung über große Entfernungen. Diese Eigenschaft
wird besonders für Kommunikationssysteme genutzt, z.B. für Rundfunk, Fernse-
Arbeitsumgebung 815

hen, Mobilfunk sowie für schnurlose Telefone, Wireless-LAN und Bluetooth. Der
Mensch ist somit umgeben von einer Vielzahl verschiedener Sendeeinrichtungen,
die mit unterschiedlicher Sendeleistung und Frequenz arbeiten. Es existieren aber
auch Haushaltsgeräte, die hochfrequente Strahlung nutzen. HF-Strahlung mit einer
Frequenz von 2,45 GHz wird bspw. in Mikrowellenherden verwendet.
9.3.1.2.3 Optische Strahlung
Die optische Strahlung umfasst den Wellenlängenbereich von 100 nm bis 1 mm
und gliedert sich in ultraviolette, sichtbare und infrarote Strahlung (BGI 5006):
x Ultraviolette Strahlung (UV-Strahlung) ist die optische Strahlung im Wellen-
längenbereich von 100 nm bis 400 nm. Dieser Bereich kann weiter unterteilt
werden in die Bereiche UV-C (100 - 280 nm), UV-B (280 - 315 nm) und
UV-A (315 - 400 nm).
x Sichtbare Strahlung (VIS-Strahlung) ist eine Strahlung, die im menschlichen
Auge einen visuellen Reiz hervorrufen kann. Dies trifft auf Strahlungen mit
Wellenlängen von 380 nm bis 780 nm zu.
x Infrarote Strahlung (IR-Strahlung) ist die optische Strahlung im Wellenlän-
genbereich von 780 nm bis 1 mm. Sie kann bspw. Wärmeempfindungen auf
der Haut hervorrufen.
Der überwiegende Teil der in der Umwelt vorkommenden optischen Strahler
sind Temperaturstrahler. Jeder Temperatur eines Körpers entspricht ein spezi-
fisches Emissionsspektrum, das weitgehend unabhängig von den Material-
eigenschaften ist (Schwarzkörperstrahlung) und in alle Richtungen gleichmäßig
abgestrahlt wird.
Technische Quellen, welche in Arbeitssystemen Einsatz finden, sind z.B. Infra-
rotöfen zur Erwärmung und Trocknung, IR- und UV-Bestrahlungslampen und
Laser. Beim Auftreten von hohen Temperaturen an der Quelle ist zudem die emit-
tierte UV-Strahlung zu berücksichtigen. Dieses gilt insbesondere für Arbeitsplätze
in der Nähe von Schmelzöfen oder beim Lichtbogen- und Schutzgasschweißen.
Ein weit verbreitetes Arbeitsmittel, dass eine Strahlung in allen Wellenlängen-
bereichen der optischen Strahlung emittiert, ist der Laser (LASER = Light
Amplification by Stimulated Emission of Radiation). Lasergeräte werden entspre-
chend der schädlichen biologischen Wirkung von Laserstrahlung nach der DIN EN
60825-1/11.01 klassifiziert. Die Klassifizierung eines Lasers in die Klassen 1, 1M,
2, 2M, 3R, 3B und 4 basiert auf der Wellenlänge, der Einwirkdauer bis es zu einer
Gefährdung des Auges kommt sowie dem Einsatz von optischen Geräten. Zu
beachten ist, dass Laser keine Temperaturstrahler sind und deshalb eine besondere
Berücksichtigung hinsichtlich folgender Faktoren erfordern:
x Die ausgesendete Strahlung ist monochromatisch, d.h. die gesamte Leistung
wird in einem sehr kleinen Wellenlängenbereich übertragen. Trifft diese
Strahlung auf einen Absorber, der in diesem Bereich seine Resonanzfrequenz
hat, so kann es zu einer starken Energiekonzentration kommen.
816 Arbeitswissenschaft

x Die Strahlung ist stark gebündelt. Selbst in großen Entfernungen von der
Strahlungsquelle können noch sehr intensive Bestrahlungen erreicht werden.
x Eine für die Beschreibung von Lasern wichtige Größe ist die Impulsdauer.
Es gibt Laser, die kontinuierlich (Dauerstrich-Laser, englische Abkürzung
CW = continuous wave) Photonen emittieren und solche, die mit sehr kurzen
Impulsdauern (bis zu 180 fs) arbeiten.
Anwendung finden Laser bei verschiedenen Verfahren der Material-
bearbeitung, der Messtechnik, der Nachrichtenübertragung und der Medizin.
9.3.1.2.4 Ionisierende Strahlung
Zu den ionisierenden Strahlen zählen u.a. Röntgenstrahlung, die aus Atomkernen
radioaktiver Stoffe ausgesandten Strahlen und die Höhenstrahlung. Die ionisie-
rende Strahlung ist dadurch gekennzeichnet, dass sie genügend Energie besitzt,
um Atome und Moleküle zu ionisieren, d.h. Elektronen aus einem neutralen Atom
oder Molekül herauszulösen. Beim Durchgang durch Materie – z.B. durch eine
Zelle des menschlichen Körpers – gibt die ionisierende Strahlung Energie ab.

9.3.1.2.4.1 Röntgenstrahlung
Röntgenstrahlung entsteht durch hochenergetische Elektronenprozesse. Diese
Prozesse ermöglichen ein Spektrum der Röntgenstrahlung, welches unterhalb der
extremen UV-Strahlung bei einer Wellenlänge von 10 nm (weiche Röntgenstrah-
lung) beginnt und bis ungefähr 5 pm reicht (harte Röntgenstrahlung). Das in
Röntgenröhren technisch erzeugte Strahlungsspektrum entsteht durch eine Über-
lagerung eines kontinuierlichen Spektrums mit einem diskreten Spektrum. Die
Lage des Maximums hängt von der Betriebsspannung der Röhre ab. Röntgenpho-
tonen weisen eine Energie von etwa 1 keV bis 250 keV auf, bei einer Frequenz
von etwa 2,5·1017 Hz bis 6·1019 Hz. Im kurzwelligen Bereich findet sich in der
Literatur keine einheitliche Definition der Grenzwellenlänge. Allerdings sind einer
Reduzierung der Wellenlänge technische Grenzen gesetzt.
Röntgenstrahlung kann durch zwei verschiedene Vorgänge entstehen:
x Durch eine starke Beschleunigung geladener Teilchen, die zu einer Brems-
strahlung mit einem kontinuierlichen Spektrum führt, oder
x durch hochenergetische Übergänge in den Elektronenhüllen von Atomen
oder Molekülen. Dies ist die charakteristische Röntgenstrahlung. Sie weist
stets ein Linienspektrum auf.
Röntgenstrahlung kann Materie durchdringen. Sie wird dabei je nach Stoffart
unterschiedlich stark geschwächt. Die Schwächung der Röntgenstrahlen ist der
wichtigste Faktor bei der radiologischen Bilderzeugung. Die Intensität des Rönt-
genstrahls nimmt mit der im Material zurückgelegten Weglänge d exponentiell ab
(I = I0·e-kd), der Koeffizient k ist dabei materialabhängig und etwa proportional zu
Ordnungszahl und Wellenlänge.
Arbeitsumgebung 817

Anwendung findet die Röntgenstrahlung in der medizinischen Diagnostik und


Therapie, zur Materialprüfung und zur Strukturanalyse von Kristallen und Mole-
külen.

9.3.1.2.4.2 Radioaktive Strahlung


Radioaktive Strahlungsquellen sind Substanzen, in denen infolge spontaner Kern-
prozesse aus einzelnen Atomkernen Photonen und massebehaftete Teilchen emit-
tiert werden. Die Häufigkeit der Kernprozesse in einer radioaktiven Strahlungs-
quelle wird als Aktivität bezeichnet. Die Einheit ist das Becquerel (1 Bq = 1
Kernprozess pro Sekunde).
Die Atomkerne wandeln sich bei den Kernprozessen entweder unter Aussen-
dung von D- oder E-Strahlung in Kerne anderer Elemente um oder sie gehen von
einem metastabilen Zustand in einen energieärmeren über, wobei sie Gamma-
quanten (sehr selten auch Neutronen) emittieren. J-Strahlung tritt stets in der Fol-
ge von Kernumwandlungen auf. Die Energie der ausgesandten Strahlungsteilchen
ist für den jeweiligen Kernprozess spezifisch.
Dabei sind Kernprozesse spontan und erfolgen gemäß einer Exponential-
verteilung stochastisch. In gleichen Zeiträumen wandelt sich deshalb stets der
gleiche Anteil der vorhandenen Kerne um. Der Zeitraum, in dem sich jeweils die
Hälfte der Kerne umwandelt, wird Halbwertzeit genannt. Die Halbwertzeiten
umfassen Größenordnungen von 4,5 Mrd. Jahren für Uran-238 bis zu 0,164 ms bei
Polonium-2144.

9.3.1.2.4.3 Höhenstrahlung
Unter dem Begriff kosmische Strahlung oder auch Höhenstrahlung werden hoch-
energetische Strahlungen zusammengefasst, die von Außen auf die Erde einwir-
ken. Dabei handelt es sich um Protonen (ca. 86%), Alpha-Teilchen (ca. 12,5%)
und andere Atomkerne (ca. 1,5%) mit Energien im Bereich von 108 bis über
1020 eV (Teilchenbeschleuniger erzeugen Energien im Bereich von 1012 eV). Das
Magnetfeld der Erde bietet einen Schutz vor dieser Strahlung. So werden durch
das Wirken der Lorentz-Kraft5 die Teilchen in Abhängigkeit von ihrem Energieni-
veau in Radien von einigen 100 m bis zu einigen Kilometern spiralförmig entlang
der Feldlinien bewegt. Bedingt durch diesen Effekt dringt die kosmische Strah-
lung nicht überall gleichstark in die Erdatmosphäre ein. So ist die Strahlen-
belastung im Bereich des Äquators am niedrigsten und an den Polen am höchsten6.
Abb. 9.22 zeigt den Verlauf der Dosisleistung in Abhängigkeit von der Höhe (BfS
2008b).

4 Die nachgestellten Ziffern in Cs-137, U-238 etc. bezeichnen die Anzahl der Protonen und Neutro-
nen, aus denen der Kern zusammengesetzt ist.
5 Die Lorentzkraft F [N] ist die Kraft, die auf bewegte Ladungen in elektromagnetischen Feldern
wirkt. Sie lenkt die Ladungsträger ab, ohne den Betrag ihrer Geschwindigkeit v zu ändern. Mathe-
matische Beschreibung: Fm Q ˜Q u B
6 In Verkehrsflugzeugen, die in Höhen von 10 km bis 15 km fliegen, ist die Strahlenbelastung (7 bis
15 PSv/h) fast 500 mal höher als durchschnittlich auf Meereshöhe (0,3 mSv/h) (BfS 2008b).
818 Arbeitswissenschaft

Abb. 9.22: Dosisleistung in unterschiedlichen Höhen (BfS 2008b)

9.3.2 Wirkung von Strahlung auf den Menschen


Elektromagnetische Felder können unter bestimmten Umständen zu gesundheitli-
chen Beeinträchtigungen oder sogar Schädigungen beim Menschen führen. Ein
Ereignis oder die Abfolge von Ereignissen, die eine gesundheitliche Beeinträchti-
gung hervorrufen können, werden in der Literatur mit den Begriffen physikalische
Einwirkung, Effekt und biologische Reaktion beschrieben. Dabei wird nicht zwi-
schen Effekten unterschieden, die nach einer kurzzeitigen oder einer andauernden
(chronischen) Exposition unmittelbar auftreten oder Effekten, die erst mit einer
gewissen Verzögerung zu beobachten sind (SSK 2001).
Bei der Beurteilung der Wirkung von Strahlung ist zu berücksichtigen, dass ein
menschlicher Körper unterschiedlich auf Strahlung reagiert, ohne dass dies stets
zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung führen muss. So lassen sich bspw.
Effekte und Reaktionen beobachten, die keine Gesundheitsbeeinträchtigungen zur
Folge haben. Es ist daher zu prüfen, ob es bei der Einwirkung von Strahlung zu
biologischen Reaktionen kommt, die nach dem aktuellen Stand der Forschung
nicht zwangsläufig im Zusammenhang mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen
stehen.
Die Strahlenschutzkommission (SSK) als unabhängiges, das Bundes-
ministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit beratendes Gremium,
Arbeitsumgebung 819

unterscheidet drei Kategorien bzgl. des Zusammenhangs von Strahlung und der
Gesundheitsbeeinträchtigung des Menschen (SSK 2001):
x Wissenschaftlich nachgewiesen ist ein Zusammenhang zwischen einer
Gesundheitsbeeinträchtigung und elektromagnetischen Feldern, wenn wis-
senschaftliche Studien voneinander unabhängiger Forschungsgruppen diese
Beziehung reproduzierbar zeigen und das wissenschaftliche Gesamtbild das
Vorliegen eines kausalen Zusammenhangs stützt.
x Ein wissenschaftlich begründeter Verdacht auf einen Zusammenhang zwi-
schen einer Gesundheitsbeeinträchtigung und elektromagnetischen Feldern
liegt vor, wenn die Ergebnisse bestätigter wissenschaftlicher Untersuchungen
einen Zusammenhang zeigen, aber die Gesamtheit der wissenschaftlichen
Untersuchungen das Vorliegen eines kausalen Zusammenhangs nicht ausrei-
chend stützt. Das Ausmaß des wissenschaftlichen Verdachts richtet sich nach
der Anzahl und der Konsistenz der vorliegenden wissenschaftlichen Arbei-
ten.
x Wissenschaftliche Hinweise liegen vor, wenn einzelne Untersuchungen, die
auf einen Zusammenhang zwischen einer Gesundheitsbeeinträchtigung und
elektromagnetischen Feldern hinweisen, nicht durch voneinander unabhängi-
ge Untersuchungen bestätigt sind und durch das wissenschaftliche Gesamt-
bild nicht gestützt werden.
Es ist nachgewiesen worden, dass elektromagnetische Felder, die auf den Men-
schen einwirken, zu Kräften führen, die im menschlichen Körper eine Bewegung
von Ladungsträgern hervorrufen. Daraus resultieren Ströme, die bei hohen Fre-
quenzen zu einem Temperaturanstieg oder einer Veränderung der elektrischen
Spannung über einer Zellmembran führen. Diese physikalischen Effekte können
eine aktive biologische Reaktion des menschlichen Körpers hervorrufen, welche
die Voraussetzung für eine gesundheitliche Beeinträchtigung bildet. Die nächsten
Abschnitte bieten einen Überblick über die physikalischen und biologischen Ef-
fekte.

9.3.2.1 StörungenĆelektro-physiologischerĆVorgängeĆ
Elektrische und magnetische Wechselfelder erzeugen im menschlichen Körper
Ströme, die z.B. der nervlichen Informationsübertragung dienen. Die Ströme wer-
den durch zahlreiche Erregungs- und Fortleitungsvorgänge in Muskel- und Ner-
venzellen erzeugt und durch den Körper geleitet. Die mit dem Stromfluss einher-
gehenden Spannungen können an der Hautoberfläche durch Elektrokardiografie
(EKG), Elektro-Myographie (EMG) oder Elektroenzephalografie (EEG)
abgeleited werden (siehe Abb. 9.23a). Es ist dann abzuschätzen, ob die durch
elektromagnetische Felder erzeugten Ströme physiologische Vorgänge beeinflus-
sen (siehe Kap. 3.3.3.2.1). In Laborversuchen werden daher die maßgeblichen
Einflussfaktoren, die Frequenz und die induzierten Stromdichten (Strom I pro
Fläche F) [mA/m2] systematisch variiert und erfasst.
820 Arbeitswissenschaft

Abb. 9.23: (a) Frequenzspektrum und maximale Amplituden einiger Biosignale. (b) und (c)
Wirkungen durch von außen in den Körper eingeprägte Stromdichten in Abhängigkeit von
der Frequenz. (b) Reizwirkungen, (c) schädigende thermische Wirkungen (SILNY 1990)

Für eine Stromdichte unterhalb von 1 mA/m2 sind keine wissenschaftlich abge-
sicherten biologischen Wirkungen für den Menschen bekannt. Solche Stromdich-
ten können im Organismus durch elektrische Felder von mehr als etwa 2 kV/m
oder durch magnetische Wechselfelder von über 50 A/m erzeugt werden. Labor-
versuche mit Zellkulturen wie auch mit Nagetieren haben gezeigt, dass bei Strom-
dichten oberhalb von 1 mA/m² zellbiologische Effekte temporär auftreten können
(SSK 1991). Entsprechende Beobachtungen beziehen sich auf zumeist marginale
Veränderungen von Zellproliferation, Nukleinsäuresynthese, Membranfunktionen,
Ionenverteilungen oder Hormonspiegeln. Für den Gesamtorganismus liegen keine
Hinweise auf langfristige Wirkungen vor. Weitere Versuche mit Freiwilligen, die
zwischen drei Stunden und einer Woche elektrischen Feldern bis zu 20 kV/m
ausgesetzt wurden, erbrachten ebenfalls keine Hinweise auf statistisch gesicherte
Wirkungen (SSK 1991). Untersucht wurden dabei Reaktionszeiten auf akustische
und optische Reize, psychologische Faktoren, EEG, EKG, Blutdruck, Pulsfre-
quenz, Körpertemperatur, hämatologische Parameter, biochemische Eigenschaften
des Harns sowie Enzymfunktionen und Stoffwechselfaktoren. Im Vergleich zu
elektrischen Feldern dringen magnetische Felder hingegen ungehindert in Zellen
und Gewebe ein und induzieren dort elektrische Wirbelströme (SILNY 1990). Eine
Frequenzanalyse zeigt die größten Amplituden für den Menschen im Bereich
zwischen 10 und 1000 Hz. Um eine gegenseitige Erregung von benachbarten
Nerven- und Muskelfasern zu verhindern, sind diese durch Schichten mit geringer
Arbeitsumgebung 821

elektrischer Leitfähigkeit getrennt. Die „externe“ Anregung von Nerven und Mus-
keln durch einen von außen im Körper induzierten Strom erfolgt erst bei Über-
schreiten einer Grenzschwelle. Diese liegt ungefähr bei einer Stromdichte von
zirka 1 PA/cm2 und ist zudem frequenzabhängig (siehe Abb. 9.23b).
Im Inneren einer Zelle werden die Stromdichten durch die Zellmembran zu-
sätzlich stark gedämpft, so dass die Ströme um die Zelle geleitet werden. Bei
höheren Stromdichten und längerer Einwirkungsdauer sprechen die Schmerzre-
zeptoren in der Haut an. Stromdichten ab 10 PA/cm2 führen zu Muskelversteifun-
gen und -verkrampfungen. Wird die Stromdichte weiter erhöht, kommt es im
Bereich zwischen 80-100 PA/cm2 zu lebensbedrohendem Herzkammerflimmern,
Schockwirkungen und einer akuten Gefährdung des Gehirns. Bereits Stromdichten
bis zu 1 PA/cm2 können das Membranruhepotential beeinflussen und dadurch die
Erregbarkeit von Zellen verändern (LEITGEB 1990). Die genannten Reizwirkungen
auf die Nerven- und Muskelzellen entstehen durch eine gewisse Än-
derungsgeschwindigkeit des Felds sowie einer Mindesteinwirkzeit. Ihre Stärke ist
deshalb außer von der Reizstärke auch von der Frequenz der einwirkenden Felder
abhängig (siehe Abb. 9.23).

9.3.2.2 WärmeentwicklungĆ
Die Energie einer im Körper absorbierten Strahlung wird in Wärme umgesetzt.
Als Belastungsfaktor ist sie arbeitswissenschaftlich insbesondere für die elektro-
magnetische Strahlung relevant, da schädigende thermische Wirkungen von ioni-
sierender Strahlung erst bei letalen Dosen auftreten. Die Erwärmung biologischer
Materie durch Absorption elektromagnetischer Felder hat drei Ursachen:
(1) Ionische Leitung
Der Stromfluss im Körper ist mit der Bewegung von Ionen und ladungsbe-
hafteten Molekülen verbunden. Dabei auftretende Reibungsverluste der Io-
nen verursachen eine Erwärmung des Gewebes. Die Absorption nimmt mit
der Leitfähigkeit zu und ist bis zu Frequenzen von einigen MHz frequenzun-
abhängig.
(2) Orientierungspolarisation
Das menschliche Gewebe besteht teilweise aus permanenten Dipolen – große
Eiweißmoleküle mit positiven bzw. negativen Überschussladungen an den
Enden. Auf diese Moleküle wird durch das Feld ein Drehmoment ausgeübt,
und die Dipole richten sich parallel zum elektrischen Feld aus. Je höher die
Frequenz des Wechselfelds, umso unvollständiger wird die Ausrichtung; es
kommt zum Hin- und Herschwingen der Dipole. Durch die Drehschwingun-
gen wird Reibungsarbeit an benachbarten Molekülen geleistet, die zu einer
Wärmeabstrahlung führt. Für Radio- und Mikrowellen ist dies in organi-
schem Gewebe der wichtigste Vorgang (VpT 2008).
(3) Rotations- und Schwingungsspektren
Moleküle können durch Wechselwirkung ihrer elektrischen und magneti-
schen Dipolmomente mit dem elektromagnetischen Feld zu Rotationen und
822 Arbeitswissenschaft

inneren Schwingungen angeregt werden. Da es sich hierbei um einen quan-


tenmechanischen Effekt handelt, ist die Anregung, anders als bei der Orien-
tierungspolarisation, resonanzartig. Sie tritt vornehmlich im Mikrowellenbe-
reich auf. Die Rotationsenergie wird bei Stößen mit anderen Molekülen in
Translationsenergie umgewandelt, wodurch eine Temperaturerhöhung in der
Umgebung des angeregten Moleküls verursacht wird. Bei großen Molekülen
(Kohlenwasserstoffe, Proteine) müssen in der Regel n geringere Energien
aufgewendet werden als bei kleinen Molekülen.
Wird die in Wärme umgewandelte Strahlungsenergie auf die Masse des betrach-
teten Körpers bezogen, so erhält man die spezifische Absorptionsrate SAR, die in
Watt pro Kilogramm [W/kg] angegeben wird. Die bei einer Bestrahlung hervorge-
rufene Erwärmung stört die Temperaturregulation des Organismus. Bleibt die zu-
geführte spezifische Leistung unter dem Wärmegrundumsatz von etwa 1 W/kg, ist
der gesunde Körper in der Lage, dies über die Blutzirkulation sowie durch
Schwitzen, Atmen, Konvektion und Abstrahlung auszugleichen (siehe Kap. 9.4).
Versagt jedoch die Thermoregulation, kommt es zu einem Anstieg der Körper-
kerntemperatur und in der Folge
x ab etwa 40°C zu Kreislaufversagen (Hitzekollaps),
x ab etwa 41°C zu Gehirnschädigung und
x über 42,6°C zu Tod durch Denaturierung von Proteinen bzw. Enzymen.
Eine Schädigung von Gewebe tritt bereits bei einer lokalen Erwärmung auf
41°C auf. In Abhängigkeit von der Stromdichte und der Einwirkungsdauer kann
es über die Wahrnehmung der Erwärmung und dem daraus resultierenden
Schmerzempfinden zu reversiblen Schädigungen bis hin zu einer totalen Zerstö-
rung des Gewebes kommen. Die Exposition ruhender Menschen führt durch hoch-
frequente elektromagnetische Felder zu einer Erhöhung der Körpertemperatur von
weniger als 1°C bis zum Erreichen des thermoregulatorischen Gleichgewichts,
wenn die Ganzkörper-SAR unter 4 W/kg liegt (SSK 2001). Bei einer Exposition
des menschlichen Körpers durch Felder, die SAR-Werte von über 4 W/kg erzeu-
gen, kann es zu einer Überforderung der Thermoregulation des Körpers kommen.
Dies hat eine schädliche Gewebeerwärmung zur Folge. Durch eine Vielzahl von
Laborversuchen an Nagetieren und Primaten konnte eine große Spannweite von
Gewebeschädigungen aufgrund einer Teil- oder Ganzkörpererwärmung um mehr
als 1-2°C nachgewiesen werden. Die Empfindlichkeit verschiedener Gewebearten
hinsichtlich einer thermischen Schädigung ist dabei sehr unterschiedlich. Beson-
ders gefährdet sind gering durchblutete Gewebe, wie die Augenlinse und die Ho-
den, die eine schlechte Wärmeabfuhr besitzen. Es besteht die Gefahr der Linsen-
trübung (Katarakt) bzw. Unfruchtbarkeit. Zum Schutz der Menschen hat die EU-
Kommission eine Ratsempfehlung zur Begrenzung von elektromagnetischen Fel-
dern für die Öffentlichkeit herausgegeben. Die grundlegenden Beschränkungen
für eine örtlich begrenzte SAR zwischen 100 kHz und 10 GHz liegen demnach bei
2 W/kg für „Kopf und Rumpf“ und bei 4 W/kg für „Gliedmaße“ (AIM 2000).
Arbeitsumgebung 823

9.3.2.3 WirkungenĆniederfrequenterĆStrahlungĆ
Während ein elektrisches Feld von jeder Leitung ausgeht, die an das Stromnetz
angeschlossen ist, entstehen magnetische Felder nur, wenn ein Strom fließt, d.h.
wenn elektrische Energie umgesetzt wird.
Elektrische Felder
Ist der Mensch einem elektrischen Wechselfeld ausgesetzt, so erfolgt eine dyna-
mische Ladungsverteilung im menschlichen Körper. Die Folgen sind eine mit der
Frequenz wechselnde Ausrichtung von Ladungsträgern an der Körperoberfläche
und elektrische Ströme innerhalb des Körpers (SSK 1991). Der menschliche Körper
hat gegenüber Luft eine um den Faktor 1012 größere Leitfähigkeit und bildet daher
einen annähernd idealen Leiter (NELLES u. TUTTAS 1998). Den stärksten elektri-
schen 50 Hz-Feldern ist der Mensch unter Hochspannungsleitungen mit bis zu
10 kV/m ausgesetzt. Die 26. BImSchV schreibt für ortsfeste Stromversorgungsan-
lagen im niederfrequenten Bereich einen Grenzwert von 5 kV/m vor (BfS 2008a).
In der Regel liegen die unter einer Hochspannungsleitung auftretenden elektri-
schen Felder in Deutschland bei 3-8 kV/m und die magnetischen Felder bei eini-
gen ȝTesla (IaU 2008). Im homogenen Feld ist die Feldstärke zunächst überall
gleich. Nach Betreten des Felds bewirkt die Leitfähigkeit des Körpers eine Feld-
verzerrung. Das bewirkt eine Feldstärkeerhöhung am Kopf um das 15- bis
20fache. Im inhomogenen Feld nimmt die Feldstärke mit zunehmender Entfer-
nung von der Quelle rasch ab, so dass es auch im menschlichen Körper zu einer
starken Verringerung des elektrischen Felds kommt. Beim Vergleich von inhomo-
genen und homogenen Feldern im Hinblick auf ihre biologischen Wirkungen sind
daher die Unterschiede entsprechend zu berücksichtigen.
Bei hinreichend hohen Feldstärken führen Oberflächenladungen zu wahrnehm-
baren Oberflächeneffekten wie Bewegung von Körperhaaren oder Bildung von
Funken zwischen Haut und Kleidung. Die Schwellenwerte der Wahrnehmung
können interindividuell verschieden sein. So haben bei einer Feldstärke von
1 kV/m 1 bis 3% der Versuchspersonen infolge von Vibrationen der Körperhaare
das elektrische Feld wahrgenommen. Bei einer Zufuhr von 10 kV/m erhöhte sich
der Wert auf etwa 20 bis 55% der Versuchspersonen (SSK 1991). Die Wahrneh-
mung elektrischer Felder durch Bewegung von Körperhaaren, Funkenentladungen
und Spüren von Entladeströmen sowie von Magnetfeldern durch visuelle Flim-
mererscheinungen wird gelegentlich als Belästigung und Beeinträchtigung des
Wohlbefindens empfunden.
Die von elektrischen Haushaltsgeräten ausgehenden elektrischen Feldstärken
sind für Oberflächeneffekte viel zu schwach. Das Bundesamt für Strahlenschutz
hat Feldstärken, wie sie bei der Nutzung von Haushaltsgeräten in 30 cm Entfer-
nung von der Quelle auftreten, gemessen und für den Anwender zusammengestellt
(BfS 1995). Tabelle 9.5 zeigt, dass praktisch alle Haushaltsgeräte in einer Entfer-
nung von 30 cm den Grenzwert nach BImSchV für 50 Hz-Felder deutlich unter-
schreiten.
824 Arbeitswissenschaft

Tabelle 9.5: Elektrische Feldstärken repräsentativer Alltagsgeräte, in einer Entfernung von


30 cm.

Gerät Feldstärke [V/m]


Boiler 260
Bügeleisen 120
Handmixer 100
Haarfön 80
Farbfernseher 60
Energiesparlampen 10 - 60
Grenzwert (26. BImSchV) 5000

Der kapazitive Strom des Wechselfelds tritt i.Allg. über den oberen Körper-
bereich ein und fließt durch die niederohmigen Blutbahnen und Körperflüssigkei-
ten zur Erde ab. Bedingt durch den Fluss der Körperströme entstehen an Körper-
stellen mit einem sehr geringen Querschnitt, wie bspw. im Bereich der Fußknö-
chel, Stromdichten mit einem Wert von bis zu 40 n$/cm2. Diese sind um den
Faktor 10 kleiner als die natürlichen, elektrophysiologischen Stromdichten. Daher
ist von ihnen keine Wirkung hinsichtlich der gesundheitlichen Beeinträchtigung
zu erwarten.
Die gut gesicherten Erkenntnisse bei der Durchströmung des Körpers durch Be-
rührung spannungsführender Teile können zur Abschätzung der Wirkungen nie-
derfrequenter elektrischer Felder herangezogen werden. Hierzu sind die Ströme in
Stromdichten und diese weiter in die äußeren Feldstärken umzurechnen. Abb. 9.24
zeigt eine Übersicht.
Indirekte Wirkungen des elektrischen Felds auf den Menschen sind die Störung
lebenswichtiger Geräte wie Herzschrittmacher oder Geräte zur Überwachung von
Intensivpatienten zu nennen.

Magnetische Felder
Die auf den Menschen wirkenden magnetischen Felder haben im Vergleich zu den
elektrischen Felder keine „natürliche“ Obergrenze und durchdringen den Körper
wie alle nichtpermeablen Stoffe nahezu ungedämpft. Magnetische Wechselfelder
induzieren deshalb auch in hochohmig isolierten intrazellulären Räumen elek-
trische Wirbelströme. Bei einem den ganzen Körper durchsetzenden Feld sind die
Stromdichten im Rumpf wegen der größeren Querschnitte geringer als in anderen
Körperteilen. Die Wirkungen und Schwellenwerte der Wirbelströme entsprechen
denen in Abb. 9.24.
Arbeitsumgebung 825

Abb. 9.24: Biologische Wirkung von elektrischen Stromdichten im Körperinneren in Ab-


hängigkeit von der Frequenz. Doppelt-logarithmische Darstellung, S = im Körper vor-
handene Stromdichte, E = verursachende Feldstärke für eine freistehende Person,
W = Wahrnehmungsschwelle, L = Loslassschwelle und Verkrampfung, F = Flimmer-
schwelle der Herzkammer, P = Elektrophosphene: elektrisch verursachte Sehphänomene,
Du = Grenze der Durchschlagfestigkeit der Luft (aus LEITGEB 1990).

Da die Ströme nicht, wie im Falle elektrischer Felder, die hochohmige Haut
durchfließen müssen, sprechen die Schmerzrezeptoren der Haut nicht an. Abb.
9.25 zeigt die maximalen Feldstärken in der Umgebung unterschiedlicher Quellen
und die möglichen Wirkungen. Die zur Reizung von Nerven und Muskeln erfor-
derliche Stromdichte wird erst bei magnetischen Feldstärken von etwa 0,5 T er-
reicht. Bereits den ganzen Kopf durchsetzende Felder von über 60 mT führen nach
einer mehr als 15-minütigen Exposition zu Kopfschmerzen und Unwohlsein. Die
genauen Wirkmechanismen sind bisher nicht bekannt. Im Frequenzbereich von
etwa 10 - 100 Hz kommt es ab einer magnetischen Induktion von etwa 2 mT (bei
15 bis 20 Hz) zu sog. Magnetophosphenen. Dies sind scheinbare Seheindrücke,
die als Flimmern und Leuchterscheinungen wahrgenommen werden, und durch
Reizung der Rezeptoren der Netzhaut verursacht werden.
826 Arbeitswissenschaft

Abb. 9.25: Maximale Magnetfeldstärken in der unmittelbaren Umgebung einiger Quellen


und die Schwellenkurven verschiedener Wirkungen im niederfrequenten sinusförmigen
magnetischen Feld (n = 1 bedeutet eine Belastungszeit von einer Schwingungsperiode,
n = ’ eine sehr viel längere Belastungszeit). Die Ergebnisse der In-vivo-Untersuchungen,
überwiegend an Probanden, zeigen bei Feldstärken über 1 mT einen klaren Dosis-
Wirkungs-Zusammenhang. Unterhalb dieser Feldstärke belegen einige In-vitro-
Untersuchungen signifikante Effekte. Sie stützen aber bisher nicht den in retrospektiven
epidemiologischen Studien aufgestellten Zusammenhang zwischen den Feldstärken im
Haushalt und dem Krebsgeschehen (aus SILNY 1990) (VEP = visual evoked potentials,
ereigniskorrelierte Potentialschwankungen im Gehirn).

Zu beachten ist zudem, dass Magnetfelder Häuserwände oder Maschinenkapse-


lungen recht leicht durchdringen können. Die folgende Tabelle 9.6 zeigt typische
Werte magnetischer Flussdichten von Haushaltsgeräten im Abstand von 30 cm
(BfS 1995).
Arbeitsumgebung 827

Tabelle 9.6: Repräsentative Werte magnetischer Flussdichten gemessen im Abstand von


30cm.

Gerät Magnetische Flussdichte [PT]


Haartrockner 0,01 – 7
Dosenöffner 3,5 – 30
Bohrmaschine 2 - 3.5
Staubsauger 2 – 20
Handrührgerät 0,6 – 10
Küchenherd 0,15 - 0,5
Waschmaschine 0,15 – 3
Bügeleisen 0,12 - 0,3
Grenzwert (26. BImSchV) 100

Elektromagnetische Felder
Wirkungen bei der Exposition durch niederfrequente elektromagnetische Felder
können auf bekannte physikalische und physiologische Zusammenhänge zurück-
geführt werden. Ob daneben weitere Wirkungsmechanismen existieren, die zu
qualitativ anderen Reaktionen und gesundheitlichen Beeinflussungen führen, ist
Gegenstand der laufenden wissenschaftlichen Diskussion.
Für die Identifizierung von Risiken für den Menschen sind epidemiologische
Studien von besonderer Bedeutung. Epidemiologische Studien7 zeigen, ob eine
statistische Korrelation zwischen dem Auftreten einer Krankheit und bspw. einer
bestimmten Exposition eines elektromagnetischen Felds besteht. Ein kausaler
Zusammenhang wird durch die Auswertung epidemiologischer Daten allein nicht
begründet. Daher ist die Interpretation der epidemiologischen Daten durch ent-
sprechende Laborexperimente zu unterstützen.
Die erste epidemiologische Studie, deren Ergebnisse auf einen möglichen Zu-
sammenhang zwischen der Nähe von Stromleitungen und der Entstehung kindli-
cher Leukämie schließen ließ, wurde von WERTHEIMER u. LEEPER (1979) veröf-
fentlicht. Seitdem wurde eine Vielzahl von epidemiologischen Studien durchge-
führt, um die Vermutung zu prüfen, ob eine lang anhaltende Exposition mit
schwachen Magnetfeldern die Krebserkrankung fördert. Dabei wurden insbeson-
dere die Zusammenhänge zwischen elektromagnetischen Feldern und Leukämie,
Gehirntumoren sowie Brustkrebs untersucht. Die Vermutung, dass niederfrequen-
te Magnetfelder das Wachstum von Hirntumoren fördern, konnte an einem Tier-
modell nicht bestätigt werden (MANDEVILLE et al. 1997). Weitere neuere Studien
wurden anhand von Tiermodellen für Lymphome bei Intensitäten von
1 P – 1000 PT durchgeführt, ohne einen entsprechenden Zusammenhang zeigen
zu können (MCCORMICK et al. 1998; HARRIS et al. 1998). Zudem konnten SASSER

7 Die Epidemiologie ist jene wissenschaftliche Disziplin, die sich mit den Ursachen und Folgen
sowie der Verbreitung von gesundheitsbezogenen Zuständen und Ereignissen in Populationen be-
schäftigt.
828 Arbeitswissenschaft

et al. (1998) keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der Bestrahlung mit


niederfrequenten elektromagnetischen Feldern (bei einer Magnetfeld-Exposition
von 2 mT, 6 h pro Tag) und der Bildung von Hautkrebs identifizieren. Zu beach-
ten ist bei der Interpretation der Ergebnisse neuerer epidemiologischer Studien zu
der Entstehung von Krebs bei Erwachsenen und insbesondere der Auswirkung der
Exposition mit niederfrequenter Strahlung am Arbeitsplatz, dass verschiedene
methodische Einschränkungen die Aussagekraft der Ergebnisse begrenzen (SSK
2001). Zu den methodischen Einschränkungen zählen insbesondere die bei allen
Studien sehr problematische Expositionserfassung und die ungenügende Berück-
sichtigung der Exposition von anderen gesundheitsgefährdenden Stoffen. Diese
Kritik gilt auch für die neueren Studien, bei denen für Non-Hodgkin Lymphome
und Leukämie zwar kein statistisch signifikanter Zusammenhang mit der Magnet-
feldexposition, aber mit dem elektrischen Feld besteht (SSK 2001; VILLENEUVE et
al. 2000).
In den vergangenen Jahren wurden verschiedene Studien zur Identifizierung
möglicher gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch niederfrequente Felder
durchgeführt, die nicht im Zusammenhang mit Krebs stehen. Tabelle 9.7 zeigt
eine vereinfachte Darstellung über mögliche Reaktionen und Gesundheitsbeein-
trächtigungen unterhalb der Referenzwerte der EU-Ratsempfehlung
(EU Empfehlung 1999/519/EG). und ihre Einordnung in die Kategorien Nachweis,
Verdacht und Hinweis.
Tabelle 9.7: Vereinfachte Darstellung über mögliche Reaktionen und Gesundheitsbeein-
trächtigungen durch niederfrequente elektrische und magnetische Felder unterhalb der
Referenzwerte der EU-Ratsempfehlung und ihre Einordnung in die Kategorien Nachweis
(N), Verdacht (V) und Hinweis (H).

Reaktionen bzw. Gesundheitsbeeinträchtigungen N V H


1) Krebs
Tierexperimentelle Studien X
Epidemiologische Studien; Leukämie bei Kindern X
Epidemiologische Studien; Erwachsene X
2) Andere Reaktionen bzw. gesundheitliche Beeinträchtigungen
Epidemiologische Studien; neurodegenerative Erkrankungen X
Reproduktion; teratogene Reaktionen
Kardiovaskuläres System X
Melatonin (Mensch)
Melatonin (Tier) X
ZNS und kognitive Funktionen X
Schlaf X
Psychische Beeinflussungen
Elektrosensibilität X
Arbeitsumgebung 829

Zur Erstellung der Tabelle wurden von der Strahlenschutzkommission neuere


wissenschaftliche Publikationen ab 1998 ausgewertet und bewertet (SSK 2001).

9.3.2.4 HochfrequenteĆStrahlungĆĆĆĆĆ
Nachfolgend werden die wissenschaftlichen Erkenntnisse unter dem Gesichts-
punkt der gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch hochfrequente Strahlung
betrachtet. Die Darstellung der Auswirkungen konzentriert sich aus diesem Grund
auf Frequenzen, die technisch genutzt werden und zudem in der Gesellschaft in
einem größeren Umfang auftreten.
Die Energie hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung wird vom menschli-
chen Körper absorbiert. Der Absorptionsgrad ist sowohl von der Strahlung (Fre-
quenz, Intensität) als auch von den Eigenschaften des absorbierenden Gewebes
abhängig. Hochfrequente Strahlung hat dabei sowohl eine thermische als auch
eine nicht-thermische Wirkung (siehe Kapitel 9.3.2.2).
Die absorbierte Leistung ist in elektrisch gut leitendem Gewebe wie Muskelge-
webe oder Körperflüssigkeiten höher als in der Haut, den Knochen oder dem Fett-
gewebe. Die Umsetzung der Energie hochfrequenter Strahlung in Wärme ist von
der Feldverteilung innerhalb des organischen Gewebes und damit von dessen
Eigenschaften abhängig. Insbesondere durch Reflexion und Brechung an Grenz-
flächen zwischen Geweben mit unterschiedlichen Dielektrizitätskonstanten kommt
es zu stehenden Wellen und damit zu einer stark schwankenden Dichte der absor-
bierten Leistung (sog. „hot spots“). Quantitativ kann die Intensität einer hochfre-
quenten Strahlung durch die sog. Eindringtiefe beschrieben werden. Die Eindring-
tiefe beschreibt definitionsgemäß den Abstand, bei dem die Intensität der Strah-
lung auf den Wert 1/e (entsprechend 37%) abgenommen hat (RÖÖSLI u. RAPP
2003). Mit zunehmender Frequenz reduziert sich die Eindringtiefe, so dass es ab
einer Frequenz von ca. 10 GHz zu einer vollständigen Absorption der Strahlung
an der Körperoberfläche kommt. Die Eindringtiefe der Strahlung in den menschli-
chen Körper beträgt bei einer Frequenz von 30 MHz etwa 12 cm und bei 1 GHz
ungefähr 4 cm (BUCHBERGER 1983).
Untersuchungen an zellulären Strukturen z.B. an Zellmembranen oder Flüssen
biologisch bedeutender Ionen, wie bspw. Kalzium, dienen zur Aufklärung von
Wirkmechanismen, besonders unter dem Aspekt von biologischen Reaktionen auf
Hochfrequenzfelder bei nichtthermisch wirkenden Intensitäten. Kalziumionen
kommen zur Anwendung bei intrazellulären Prozessen und bei der Weiterleitung
von Informationen in Form von Aktionspotentialen im neuronalen Gewebe. Be-
reits in den 1980er Jahren konnte eine Forschergruppe zeigen, dass es bei Auftre-
ten bestimmter hochfrequenter Felder zu einer Instabilität des Kalziumgleichge-
wichts kommt (UNEP 1993). Eine Überprüfung der Auswirkungen der technisch
verwendeten GSM-Pulsfrequenz von Mobilfunkgeräten auf den Kalziumionen-
transport an kultivierten Nervenzellen ergab keine feldbedingten Veränderungen
(MEYER et al. 1998). Untersuchungen im Bereich der Mobilfunkkommunikation
unterstützen daher nicht die Hypothese, dass es bei niedrigen Feldstärken zu Reak-
830 Arbeitswissenschaft

tionen im menschlichen Körper kommt, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung


darstellen (STEWART REPORT 2000). Eindeutige biologische Reaktionen konnten
dagegen nachgewiesen werden, wenn die Absorptionsrate um Größenordnungen
über dem Grenzwert lag und zudem bekannte Mechanismen wie z.B. thermisch
bedingte Reaktionen vorlagen. Die Gesamtheit an Versuchsergebnissen spricht
nach Ansicht der Strahlenschutzkommission nicht für einen wissenschaftlich be-
gründeten Verdacht (SSK 2001).
Untersuchungen an Probanden schließen aber auch nicht aus, dass bei Einhal-
tung des Basisgrenzwerts nach BImSchV von 2 W/kg für Teilkörperexposition das
menschliche Gehirn in seinen physiologischen Reaktionen beeinflusst wird (SSK
2001; KLITZING 1995). Während das spontane Elektronenzephalogramm eines
Menschen oder reizkorrelierte Hirnpotentiale durch das hochfrequente Feld nicht
beeinflusst werden, zeigen sich Wirkungen bei Aufmerksamkeitstests (KRAUSE et
al. 2000). Die erhobenen Daten ermöglichen jedoch keine wissenschaftlich
generalisierbare Aussage, ob die Nutzung von Mobiltelefonen zu einer gesund-
heitlichen Beeinträchtigung beim Menschen führen kann. So liegen die gefunde-
nen Veränderungen im Bereich der normalen biologischen Schwankungen und
werden in Studien mit einer lokalen und geringfügigen Erwärmung und besseren
Durchblutung erklärt, wobei der zugrunde liegende Wirkungsmechanismus nicht
bekannt ist (SSK 2001).
Zu beachten ist bei der Untersuchung von hochfrequenten elektromagnetischen
Feldern, dass diese in Abhängigkeit von der Frequenz unterschiedlich tief in das
biologische Gewebe eindringen. Für Frequenzen, wie sie bei der Nutzung von
Mobilfunkgeräten auftreten, sind dies wenige Zentimeter. Beim Telefonieren –
geringe räumliche Distanz zwischen Gerät und Kopf – erfolgt die Exposition im
Nahfeldbereich, d.h. die im Kopf absorbierte Hochfrequenzenergie wird innerhalb
eines kleinen Volumens in Wärme umgesetzt. Die lokal induzierte Wärme wird
durch die Blutzirkulation abgeleitet. Bei der Untersuchung der Auswirkungen
einer Exposition ist es daher erforderlich, die absorbierte Energie für kleine lokale
Volumina zu betrachten. Untersuchungen haben ergeben, dass ein lokaler Wärme-
eintrag von 20 W/kg, gemittelt über 10 g Gewebemasse, eine Temperaturerhöhung
von weniger als 1°C verursacht (SSK 2001). Dennoch haben die vorhandenen Stu-
dien keine statistisch nachweisbare Korrelation zwischen Krebs im Kopfbereich
und Nutzung eines Mobiltelefons gezeigt (SSK 2001).
Eine zusammenfassende Bewertung der wissenschaftlichen Publikationen über
mögliche Reaktionen und Gesundheitsbeeinträchtigungen durch hochfrequente
elektromagnetische Felder unterhalb der Basisgrenzwerte (Ganzkörperwert
0,08 W/kg [=G], bzw. Teilkörperwert 2 W/kg [=T]) bzw. Referenzwerte der EU-
Ratsempfehlung (1999/519/EG) und ihre Einordnung in die entsprechenden Kate-
gorien zeigt Tabelle 9.8.
Arbeitsumgebung 831

Tabelle 9.8: Vereinfachte Darstellung über mögliche Reaktionen und Gesundheitsbeein-


trächtigungen durch hochfrequente elektrische und magnetische Felder unterhalb der Basis-
grenzwerte (Ganzkörperwert 0,08 W/kg [=G], Teilkörperwert 2W/kg [=T]) bzw. Referenz-
werte der EU-Ratsempfehlung und ihre Einordnung in die Kategorien Nachweis (N), Ver-
dacht (V) und Hinweis (H)).

Reaktionen bzw. Gesundheitsbeeinträchtigungen N V H


1) Interaktion mit Zellen und subzellulären Strukturen
Moleküle und Membrane T
Kalzium T
2) Einfluss auf Menschen und Tiere
Verhalten bei Tieren T
EEG beim Menschen, Schlaf T
Kognitive Funktionen T
Blut-Hirn-Schranke bei Ratten T
Melatonin bei Tieren und Menschen
Blutparameter und Immunsystem G
Reproduktion und Entwicklung
3) Krebs
Krebsrelevante Modelle (in vitro) T
Entstehung und Förderung (in vivo)
Lymphom Modell T
Epidemiologische Studien (Mobilfunk)

9.3.2.5 OptischeĆStrahlungĆ
Die kritischen Organe für die Einwirkung optischer Strahlung auf den Menschen
sind die Augen und die Haut. Die Strahlen dringen abhängig von der jeweiligen
Wellenlänge unterschiedlich tief in das Gewebe ein, ohne dass dies zu einer Schä-
digung der inneren Organe führen muss. Während kurzwellige UV-Strahlen und
langwellige IR-Strahlen bereits an der Oberfläche absorbiert werden, dringt Strah-
lung im sichtbaren und nahen infraroten Bereich tiefer in das Gewebe ein. Daraus
folgt, dass die Auswirkungen im Auge und in der Haut, die aus einer Bestrahlung
resultieren, von der absorbierten Wellenlänge abhängen. Zudem sind die Art und
die Schwere eines durch optische Strahlung hervorgerufenen Effekts von der In-
tensität der Strahlung und von ihrer Dosis abhängig. Es kann sowohl zu positiven
als auch zu negativen Wirkungen kommen (BGI 5006).
Die Haut ist aus mehreren Schichten aufgebaut, die eine unterschiedliche
Durchlässigkeit für Strahlen unterschiedlicher Wellenlängen aufweisen. Die Ober-
haut (Epidermis) besteht ihrerseits aus mehreren Schichten. Oberste und wider-
standsfähigste Schicht ist die Hornhaut, in der untersten Schicht der Oberhaut
befinden sich die Thermorezeptoren und die den Hautton bestimmenden Pig-
mente. Unter der Oberhaut liegt die für Elastizität und Reißfestigkeit verantwortli-
che Lederhaut (Dermis), die auch Haarwurzeln und Nerven enthält. Die Unterhaut
832 Arbeitswissenschaft

(Subcutis) stellt die Verbindung zu, aber auch Beweglichkeit gegenüber dem da-
runterliegenden Gewebe her.
Infrarotstrahlung mit Intensitäten ab 35 W/m2 ist durch den Menschen wahr-
nehmbar, ab etwa 500 W/m2 wird sie als „warm“ und ab ca. 1000 W/m2 als „heiß“
empfunden. Intensitäten ab etwa 1500 W/m2 führen bei über 10-minütiger Be-
strahlung zu Schmerzempfindungen. Danach kommt es zu „Sonnenbrand“ (Ery-
them) und anschließend zu Geschwüren und Verkohlung der Haut. Intensive Be-
strahlung erhöht das Hautkrebsrisiko. UV-Strahlungsquanten können zu einem
Sonnenbrand oder Verkohlung der Haut führen, weisen zudem aber genügend En-
ergie auf, um photobiologische Effekte hervorzurufen. Dies kann dazu führen,
dass Moleküle angeregt, chemische Reaktionen ausgelöst, in ihrem Verlauf verän-
dert oder gar chemische Bindungen aufgebrochen werden. In Verbindung mit
zahlreichen chemischen Substanzen verursacht UV-Strahlung phototoxische und
photoallergische Reaktionen, die zu Dermatosen führen (SCHREIBER u. OTT
1985). In Abhängigkeit von der akkumulierten UV-Strahlendosis steigt somit das
Risiko einer Hautkrebserkrankung.
Das menschliche Auge ist durch Infrarotstrahlung besonders gefährdet, da diese
nicht wahrnehmbar ist und somit die Schutzreflexe (Lidschluss, Abwenden) nicht
zum Tragen kommen. In Abhängigkeit von der Wellenlänge (siehe Abb. 9.26)
wird die Strahlung in der Hornhaut (Cornea) teilweise absorbiert. Bei infraroter
Strahlung findet die Absorption nicht statt, so dass bei Vordringen bis zur Netz-
haut eine Schädigung dieser auftreten kann. Langandauernde Einwirkung von
Wärmestrahlung kann dabei zu einer Trübung der Augenlinse (Katarakt, Grauer
Star) führen. Diese schreitet langsam voran und wird von einem Menschen oft-
mals erst nach einem längeren Zeitraum (10 - 15 Jahre) wahrgenommen. Diese
Eintrübung ist bei Arbeitern in der Eisen- und Glasindustrie als Berufskrankheit
Nr. 2401 anerkannt.
Anders als bei infraroter Strahlung gefährdet die UV-Strahlung wegen der ge-
ringen Eindringtiefe vor allem die Horn- und Bindehaut des Auges (siehe Abb.
9.26). Die Netzhaut ist durch die vorgelagerten Bereiche geschützt. Bei Schweiß-
arbeiten ohne Augenschutz kann es daher zu Entzündungen der Horn- und Binde-
haut (Photokeratitis bzw. Photokonjunktivitis) verbunden mit starken Kopf-
schmerzen kommen, dem sog. „Verblitzen“. Zu beachten ist, dass ein Verblitzen
nicht nur durch direkte, sondern auch durch reflektierte UV-Strahlung verursacht
werden kann (Gletscherskilauf).
Bei Laserstrahlung hängen die Wirkungen stark von den Bestrah-
lungsparametern ab. Bei kurzen Strahlungsimpulsen wird dem Gewebe rasch
Wärme zugeführt, die flüssigen Bestandteile in den Zellen können bei einer hohen
Energieintensität explosionsartig verdampfen und dabei das umliegende Gewebe
zerreißen. Durch Scherkräfte kann auch von dem Absorptionsbereich weiter ent-
ferntes Gewebe geschädigt werden. Durch die starke optische Bündelung von
Laserstrahlen, die zudem noch durch Hornhaut und die Augenlinse verstärkt wird,
besteht die Gefahr von Netzhautschädigungen. Das Einbrennen kleiner Löcher in
die Netzhaut wird meist nicht bemerkt, Häufungen führen jedoch zu Gesichts-
Arbeitsumgebung 833

feldausfällen. Besonders schwerwiegend ist die Verletzung der nur 1 mm2 großen
Fovea centralis. Zu Ausfällen ganzer Netzhautbereiche (Skotome) oder gar voll-
ständiger Erblindung führt die Verletzung des „blinden Fleckes“, dem Ort der
Einmündung des Sehnervs in die Netzhaut.

Abb. 9.26: Zusammenfassende Darstellung über das Eindringen von Strahlung ins Auge.
(a) Mikrowellen und Röntgenstrahlung, (b) fernes Ultraviolett und fernes Infrarot, (c) nahes
Ultraviolett, (d) sichtbares Licht und nahes Infrarot (aus EICHLER 1992)

9.3.2.6 IonisierendeĆStrahlungĆ
Energiereiche Strahlungsteilchen treten bei ihrer Absorption in Körpergewebe in
direkte Wechselwirkung mit den Hüllenelektronen und Kernen der Atome bzw.
Moleküle. Dabei kann es zu folgenden Primärreaktionen kommen:
x Direkte Ionisation: Die auftretende Strahlung schlägt Elektronen aus Atom-
hüllen und es entstehen positiv geladene Ionen. Die freien Elektronen lagern
sich, wenn sie eine geringe Energie aufweisen (z.B. bei Ionisierung durch
Teilchen- oder Röntgenstrahlung), an ein neutrales Atom oder Molekül an
und erzeugen negativ geladene Ionen. Bei der Bestrahlung mit Gamma-
Strahlung wird den Elektronen eine ausreichend große Energie zugeführt, die
zu weiteren Ionisationsvorgängen bei anderen Atomen und Molekülen füh-
ren kann.
x Indirekte Ionisation: Gammaquanten mit einer Energie über 1,2 MeV können
in Materie Elektron-Positron-Paare bilden, die ihrerseits ionisierend wirken.
Beim Auftreffen von Strahlungsteilchen auf Atomkerne entstehen energie-
reiche Alpha-, Beta-, Protonen- und Neutronen- sowie Röntgen- bzw. Gam-
ma-Strahlung. Diese Sekundärstrahlung wirkt ihrerseits auf die Materie ein.
834 Arbeitswissenschaft

Bei der Streuung von Elektronen in Materie entsteht zudem eine elektromag-
netische Bremsstrahlung.
x Anregung: Bei dem Vorgang der Anregung werden die Hüllenelektronen
nicht aus der Atomhülle entfernt, sondern in ein energetisch höheres Niveau
versetzt. Von diesem höheren Energieniveau können sie unter Aussendung
von Röntgenstrahlung in den Ausgangszustand zurückkehren (Fluoreszenz-
strahlung), oder es entstehen chemisch angeregte Atome, Moleküle und Mo-
lekülbruchstücke (freie Radikale).
Durch diese physikalischen Vorgänge werden Molekülverbände und größere
Strukturen im menschlichen Körper in ihrem Aufbau verändert oder in Bruchstü-
cke zerlegt, so dass ihre Funktionsfähigkeit gestört wird oder gänzlich verloren
geht.
Auf die physikalischen Primäreffekte folgt eine Fülle von chemischen Reaktio-
nen (siehe Abb. 9.27). Die freien Radikale und Molekülbruchstücke können neue
Verbindungen erzeugen, die gesundheitsschädlich sind und somit die physikali-
schen Primärschaden sekundär verstärken. Zu nennen ist hier bspw. die Bildung
von Wasserstoffperoxid aufgrund der Radiolyse des Zellwassers. Gefährlich sind
auch Mutationen der DNS-Moleküle, die zu Krebserkrankungen oder, falls Keim-
zellen betroffen sind, zur Schädigung des Erbguts und entsprechenden genetisch
bedingten Defekten der Folgegeneration führen können.
Die induzierten molekularen Strukturschäden können oft durch sehr wirkungs-
volle, körpereigene Reparaturmechanismen behoben werden. Ferner ist es dem
menschlichen Körper möglich, mutierte Zellen zu erkennen und mit Hilfe des
Immunsystems zu eliminieren. Unterschieden werden
x somatische Strahlenschäden und
x genetische Strahlenschäden.
Diese zwei Klassen von Strahlenschäden werden zudem hinsichtlich des Zeit-
raums ihrer Wirkung unterschieden. Frühschäden zeigen sich nur nach relativ
hohen Strahleneinwirkungen und äußern sich spätestens einige Wochen nach der
Strahleneinwirkung. Wirkungen hoher Strahlendosen sind zumeist deterministisch
(Strahlenkrankheit). Die Wirkung geringer Mengen ionisierender Strahlung ist
stochastisch: So kann mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit schon ein ein-
zelnes Strahlungsquant eine Zellveränderung im menschlichen Körper bewirken,
die mit einer weiteren – wenn auch sehr geringen – Wahrscheinlichkeit nicht repa-
riert werden kann. Die Wahrscheinlichkeit einer solchen irreversiblen Verände-
rung steigt mit der Zahl der absorbierten Strahlungsquanten. Es lassen sich auf-
grund der von einer Person aufgenommenen Strahlungsdosis nur Wahrscheinlich-
keiten eines Erkrankungsrisikos berechnen. Zu den stochastischen Wirkungen sind
insbesondere Krebs und Leukämie zu zählen.
Statistisch gesichert ist dagegen eine Verzögerung zwischen Einwirkungs-
zeitpunkt und Ausbruch der Erkrankung in Abhängigkeit von der Dosis. Diese La-
tenzzeit kann sehr viel länger sein als die statistische Lebenserwartung einer der
Strahlung ausgesetzten Person. Aussagen über die Wahrscheinlichkeit einer Strah-
Arbeitsumgebung 835

lenschädigung beziehen sich auf Alters- oder Berufsgruppen, eine konkrete Aus-
sage über ein voraussichtliches Auftreten einer Krankheit für bestimmte Einzel-
personen ist aufgrund bestimmter Arbeitsbedingungen jedoch nicht möglich.

Phase der
Zeit Vorgang
Strahlenleistung

Unbeschädigter Organismus

10-16s
Absorption der Strahlenenergie Physikalische
bis
Phase
10-13s
Ionisierte und angeregte Moleküle im
bestrahlten Organismus

10-13s Physikalisch-
bis Herstellung des thermodynamischen Gleichgewichts chemische
10-11s intra- und intermolekulare Energiewanderung Phase

Reaktion der Radikale des


Wassers als indirekte
Strahlenwirkung Physikalisch-
10-11s chemische
bis Intramolekulare Energiewanderung Radikale körpereigene und
10-2s (für biologische Systeme) Moleküle chemische
Phase
Intramolekulare Umlagerung

Manifestierte molekulare Veränderungen

Sekunden bis Frühe physiologische Effekte


Stoffwechsel mit
Stunden (gewöhnlich reversibel)
geschädigten Molekülen

Biochem. Veränderung
Minuten
Biologische
bis Genetische Veränderung
Morphologische Veränderung Phase
Tage (Mutation)
Zelltod
Minuten Spätschäden (Blutveränderungen,
bis Lebenszeitverkürzung, Katarakt, Krebs, Tod des
Jahre Gefäßverengung, Sterilität) Organismus

Abb. 9.27: Zeitlicher Ablauf der biologischen Wirkung ionisierender Strahlung (aus SAU-
TER 1983, nach LEITGEB 1990).

Bei der Wirkung radioaktiver Strahlung muss zudem zwischen äußerer und in-
nerer Bestrahlung unterschieden werden. Äußere Bestrahlung ist die Einwirkung
von Strahlung auf den Menschen durch eine außerhalb des Körpers befindliche
Quelle. Eine innere Bestrahlung entsteht durch eingeatmete, über die Haut aufge-
nommene oder verschluckte Radionuklide. Die inkorporierten Elemente lagern
sich überwiegend in bestimmten Organen ab, z.B. Kalium-40 in der Muskulatur,
Jod-131 in der Schilddrüse, Radium-226 in den Knochen, Uran-238 in den Nieren
sowie Knochen und weitere radioaktive Elemente in Magen und Darm
836 Arbeitswissenschaft

(VOLKMER 2007). Die einzelnen Organe und Gewebe des Menschen sind unter-
schiedlich strahlenempfindlich – bei der Bewertung der Strahlung werden daher
spezifische Wichtungsfaktoren benutzt. Tabelle 9.9 gibt einen Überblick über die
durchschnittliche Belastung durch ionisierende Strahlung in Deutschland.
Tabelle 9.9: Bewertung der mittleren effektiven Dosis in der Bundesrepublik Deutschland
(VOGT u. SCHULTZ 2004)

9.3.3 Messung
Allgemeine Anforderungen zu Messverfahren finden sich in der DIN VDE 0848-1.
Danach müssen die Eigenschaften der Messeinrichtungen hinsichtlich des
Messwertaufnehmers, des Messprinzips und der Art der Messwertanzeige hinrei-
chend bekannt sein. Im Folgenden werden daher die Anforderungen an Messver-
fahren, Messwertaufnehmer und Messgeräte näher aufgeführt.
Arbeitsumgebung 837

9.3.3.1 NiederfrequenteĆStrahlungĆ
Definitionen der Feldgrößen sowie Mess- und Berechnungsverfahren zur Beurtei-
lung der Sicherheit in elektrischen, magnetischen und elektromagnetischen Fel-
dern enthält die Norm DIN VDE 0848 (DIN VDE 0848-1; DIN VDE 0848-3-1; DIN
VDE 0848-5).

Messverfahren
Für eine exakte Erfassung eines elektromagnetischen Felds muss dem Einfluss auf
den Messwert durch das tatsächlich vorhandene Frequenzspektrum (z.B. Modula-
tion, Harmonische, mehrere Frequenzen) Rechnung getragen werden
(DIN VDE 0848-1). Die mit der Messung betraute Person hat demnach zu entschei-
den, ob eine elektromagnetische Strahlung selektiv oder breitbandig gemessen
werden kann. Weiterhin ist basierend auf dem Ziel der Messung festzulegen, ob
Spitzen- oder Effektivwerte zu ermitteln sind. Zwei Verfahren sind zu unterschei-
den:
x Bei der Erfassung von Spitzenwerten und Effektivwerten bei mehreren Fre-
quenzen können diese direkt gemessen werden, wenn breitbandige und un-
abhängig von der Signalform messende Geräte verwendet werden und zudem
die zulässigen Grenzwerte im zu betrachtenden Frequenzbereich gleich sind
(DIN VDE 0848-1). Eine derartige Messung ist nur zulässig, wenn die Mess-
bandbreite und die Beobachtungszeit ausreichend groß gewählt wird, um die
Erfassung aller relevanten Frequenzen bzw. Spitzenwerte sicherzustellen.
x Sind die zulässigen Werte im zu betrachtenden Frequenzbereich heterogen,
so sind bewertende oder frequenzselektierende Messeinrichtungen zu nutzen
(DIN VDE 0848-1). Bei der Verwendung letzterer ist die Frequenzauflösung
so zu wählen, dass die Bewertung bzgl. der zulässigen Werte ermöglicht
wird.
Bei der Analyse eines elektromagnetischen Felds ist zu beachten, dass oftmals
kein mathematisch einfach zu beschreibender Zusammenhang zwischen der elekt-
rischen und der magnetischen Komponente besteht. Umrechnungen von der einen
auf die andere Größe durch die Formel E = Z0 · H sind in einem solchen Fall nicht
zulässig. Elektrische und magnetische Feldstärken sind separat zu messen.
Für inhomogene niederfrequente elektrische Felder, wie sie in der betrieblichen
Praxis oftmals anzutreffen sind, wird als Messgröße der Gesamtkörperableitstrom
verwendet, der auftritt, wenn eine Körpernachbildung oder eine Versuchsperson
sich in dem zu messenden Feld befindet. Die Messung sollte dabei unter realen,
d.h. betrieblichen Bedingungen mit wechselnden Parametern erfolgen, um die
Erkenntnisse auf das zu untersuchende Arbeitssystem übertragen zu können. Der
für den Körperableitstrom erfasste Wert wird anschließend mit einem Proportiona-
litätsfaktor multipliziert, der sich aus der Messung des Gesamtkörperableitstroms
in einem bekannten homogenen Feld ergibt (DIN VDE 0848-1). Das exakte Mess-
verfahren für niederfrequente elektromagnetische Strahlung, für Frequenzen bis zu
100 Hz kann der DIN VDE 0848-1 entnommen werden.
838 Arbeitswissenschaft

Die magnetische Feldstärke eines zeitlich konstanten homogenen Magnetfelds


kann mit einer Hallsonde bestimmt werden. Ist hingegen das elektromagnetische
Feld inhomogen, so kann die Ausprägung der magnetischen Feldstärke in einer
Raumrichtung durch einen Messwertaufnehmer erfasst werden, der nach dem
Induktionsprinzip arbeitet. Bei diesem Verfahren bildet eine durch das magneti-
sche Feld induzierte Spannung das Maß für die Komponente der magnetischen
Feldstärke senkrecht zur Spulen- und Rahmenebene.
Um die Leistungsflussdichte im Nahfeld zu bestimmen, ist die elektrische als
auch die magnetische Feldstärke in drei zueinander senkrechten Raumrichtungen
nach Betrag und Phase zu messen. Aus den erfassten Werten lässt sich die Leis-
tungsflussdichte bestimmen.
Messgeräte
Die verwendeten Messgeräte müssen die zu messenden Größen im Hinblick auf
die festgelegten zulässigen Werte und die ihnen zugrundeliegenden Bedingungen
in geeigneter Weise erfassen. Sie müssen zudem einen für den Anwendungsfall
geeigneten Mess- und Frequenzbereich aufweisen (DIN VDE 0848-1). Geräte zur
Messung der elektrischen Feldstärke haben zweckmäßigerweise eine Anzeige in
V/m, während Messgeräte für die Bestimmung der magnetischen Feldstärke eine
Anzeige in A/m oder T besitzen. Feldstärkemessungen zur Beurteilung der Si-
cherheit in elektromagnetischen Feldern erfolgen vielfach unter besonderen Be-
dingungen.
Die Messunsicherheit bei der Beurteilung der Einhaltung der zulässigen Werte
ist dabei zu berücksichtigen. Zu beachten ist, dass die Messergebnisse beeinflusst
werden durch
x Umwelteinflüsse auf die Messgeräte und den Messwertaufnehmer, z.B.
Temperatur, Luftfeuchte,
x Messaufbau,
x Störungen des Felds, z.B. durch die messende Person während der Ablesung
des Messergebnisses,
x Ungenügende Störfestigkeit des Geräts sowie die
x Entkopplung der Anschlussleitungen.

Messwertaufnehmer
Wird die Identifizierung von Feldinhomogenitäten gefordert, so müssen die Ab-
messungen des Messwertaufnehmers klein gegenüber den entsprechend dem
Schutzkonzept betrachteten räumlichen Ausdehnungen sein. Eine Feldinhomoge-
nität ist daran zu erkennen, dass sich die Anzeige bei räumlicher Verschiebung des
Messwertaufnehmers im relevanten Untersuchungsraum nennenswert ändert.
Messwertaufnehmer zur Bestimmung einer Komponente der magnetischen
Feldstärke in einer Raumrichtung arbeiten üblicherweise nach dem Indukti-
onsprinzip (Induktionsspule, Rahmenantenne).
Arbeitsumgebung 839

9.3.3.2 HochfrequenteĆStrahlungĆ
Das Vorgehen bei der Messung der elektrischen und magnetischen Feldstärke
erfolgt bei hochfrequenter Strahlung im Wesentlichen analog zur Erfassung nie-
derfrequenter Strahlung. Besonders zu beachten ist, dass die Länge der Antenne
kurz gegenüber der zu erfassenden Wellenlänge ist (DIN VDE 0848-1).
Zur Messung von Mikrowellen existieren spezielle Messgeräte, die für eine ge-
fahrlose Messung meist über einen von der Anzeige getrennten Tastkopf verfügen.
Die meisten Geräte besitzen einen Tastkopf aus zwei aufeinander senkrecht ste-
henden Dipolen, zwischen denen Thermoelemente, Dioden oder Thermistoren
geschaltet sind. Bei Anliegen eines hochfrequenten Felds entsteht zwischen den
Dipolen proportional zur Strahlungsdichte eine Gleichspannung oder eine ther-
misch erzeugte Widerstandsänderung (GROLL 1989).
Ist nicht die Erfassung der Charakteristik des elektromagnetischen Feldes das
Ziel, sondern die Beurteilung des direkten Einflusses von hochfrequenten elekt-
romagnetischen Feldern auf das menschliche Gehirn, so kann dies durch die Er-
fassung der elektrischen Hirnaktivitäten erfolgen. Zu beachten ist, dass nur akute
neuronale Reaktionen vom Messwertaufnehmer erfasst werden können. Dies führt
dazu, dass die erfassten Reaktionen keine detaillierte Aussage zu gesundheitlichen
Beeinträchtigungen ermöglichen. So weist bspw. die Aufnahme des Ruhe-EEG –
die überwachte Person befindet sich in einem wachen Zustand und hat die Augen
geschlossen – zu verschiedenen Zeitpunkten bereits eine hohe Variabilität auf
(SSK 2001).

9.3.3.3 OptischeĆStrahlungĆ

Die Messung von optischer Strahlung erfolgt entsprechend den Normen der Inter-
national Electrotechnical Commission (IEC), der International Commission Illu-
mination (CIE), der European Committee for Standardisation (CEN) oder, falls
keine Normen vorliegen, entsprechend den nationalen oder internationalen Leitli-
nien. Die folgenden Berechnungsvorschriften für die Bestimmung der Expositi-
onsgrenzwerte basieren auf Größen, die durch entsprechende Messverfahren und
-geräte zu ermitteln sind (BGI 5006).
Die effektive Bestrahlungsstärke Eeff ergibt sich im Wellenlängenbereich von Ȝ1
bis Ȝ2 aus den spektralen Bestrahlungsstärken EȜ(Ȝ) und den relativen spektralen
Wirksamkeiten S(Ȝ) (BGI 5006) durch:
O2

Eeff ³ EO ( O ) ˜ S ( O ) ˜ d O
O1
(9.30)

Die effektive Bestrahlung Heff ergibt sich aus der effektiven Bestrahlungsstärke
Eeff und der Einwirkungsdauer T zu:
H eff ³E
T
eff dt (9.31)
840 Arbeitswissenschaft

Die effektive Strahldichte LR für die Bestimmung der thermischen Netzhaut-


gefährdung berechnet sich aus der spektralen Strahldichte LȜ(Ȝ) und der relativen
spektralen Wirksamkeit für thermische Netzhautgefährdung R(Ȝ) zu:
O2 1400 nm

LR ³
O1 380 nm
LO (O ) ˜ R (O ) d O (9.32)

In Abhängigkeit vom Gefährdungspotential ist die Strahldichte bzw. die Be-


strahlungsstärke entweder spektral aufgelöst oder integral für einen Wellenlän-
genbereich zu messen. Bei einem Wellenlängenbereich von 300 nm bis 1400 nm
ist die spektrale Strahldichte der Quelle zu bestimmen. Daher werden für diese
Spektralbereiche Messgeräte benötigt, die spektral aufgelöst messen, sog.
Spektroradiometer. Integral messende Systeme können ebenfalls Anwendung
finden, da diese die jeweiligen Bewertungsfunktionen mit Filtern nachbilden.
Für die Beurteilung von chronischen IR-Expositionen der Augen im Wellen-
längenbereich 780 nm bis 3000 nm sind integral messende Messgeräte für die
Bestrahlungsstärke erforderlich (BROSE et al. 2005). Die Geräte müssen eine kon-
stante spektrale Empfindlichkeit aufweisen, d. h. sie müssen unselektiv sein. Die
Begrenzung des Wellenlängenbereichs wird durch eine Kombination mit geeigne-
ten optischen Filtern erreicht.
Strahldichtemessungen zur Bestimmung der Netzhautgefährdung sind sehr
aufwendig und meist mit hohen Messungenauigkeiten behaftet. Daher wird in der
Praxis oftmals die Bestrahlungsstärke gemessen und der Strahldichtegrenzwert in
einen Bestrahlungsstärkegrenzwert umgerechnet. Wird dieser Grenzwert unter-
schritten, so kann auf die Strahldichtemessung verzichtet werden (BROSE et al.
2005).

9.3.3.4 IonisierendeĆStrahlungĆ
Wesentliche Aufgaben des Strahlenschutzes sind die Durchführung präventiver
Maßnahmen, die Kontrolle von Routinetätigkeiten und das schnelle Eingreifen bei
Stör- und Unfällen im Zusammenhang mit natürlich vorkommender und künstlich
erzeugter ionisierender Strahlung. Zu diesem Zweck wurden eine Vielzahl unter-
schiedlicher Nachweis- und Messverfahren entwickelt. Tabelle 9.10 gibt einen
Überblick über die Maßeinheiten, die zur Beschreibung von ionisierender Strah-
lung verwendet werden. Neben physikalischen Einheiten enthält die Tabelle auch
Größen, die das Schädigungspotential der einzelnen Strahlungsarten berücksichti-
gen (Äquivalentdosis, effektive Äquivalentdosis) sowie zusätzlich die Gefährdung
verschiedener Personengruppen beschreiben (genetisch signifikante Dosis). Die
Messwerte zur Charakterisierung eines Strahlenfelds können für eine räumliche
Umgebung durch ein Isodosenfeld dargestellt werden. Eine sog. Isodose bzw.
Isodosenlinie beschreibt dabei die Raumpunkte, die eine gleiche Dosierung auf-
weisen.
Arbeitsumgebung 841

Tabelle 9.10: Ausgewählte Dosisbegriffe zur Bewertung ionisierender Strahlung

Ionendosis Durch ionisierende Strahlung pro Masseeinheit erzeugte Ladung


Einheit: Coulomb pro Kilogramm (C/kg)
Energiedosis Pro Masseeinheit absorbierte Strahlungsenergie
Einheit: Gray (Gy) 1Gy = 1J/kg
Äquivalentdosis Auf gleiche biologische Wirkung normierte Dosis. Die Energiedosis wird
multipliziert mit einem Bewertungsfaktor q, der die relative biologische
Wirksamkeit der verschiedenen Strahlenarten berücksichtigt.
Einheit: Sievert (Sv)
Effektive Äquivalent- Summe aller entsprechend den Organempfindlichkeiten gewichteten
dosis Teilkörperdosen. Sie repräsentiert das genetische und somatische Ge-
samtrisiko für Strahlenspätschäden.
Einheit: Sievert (Sv)
Dosisleistung Verteilung einer Dosis über einen gegebenen Zeitraum, Dosis pro Zeitein-
heit
Gebräuchliche Einheiten: Gy/h, Sv/h
Genetisch Mittelwert der entsprechend des Alters, des Geschlechts und der Kinder-
signifikante Dosis erwartung gewichteten individuellen Keimdrüsendosen eines Kollektivs
Einheit: Sievert Sv
Kollektivdosis Summe aller Individualdosen eines Kollektivs
Einheit: Sievert ʘSv

Die Zielsetzung einer Strahlenmessung kann differenziert werden nach:


x Ortsdosimetrie umfasst die Messung von Ortsdosen zur Grenzwert-
überprüfung, zur Bewertung der Wirksamkeit von Strahlen-
schutzvorrichtungen und zur Ermittlung von Aufenthaltszeiten im Strahlen-
feld. Bei der Ortsdosimetrie wird die Ortsdosis H bzw. Ortsdosisleistung
H dH / dt in der Umgebung von Strahlenquellen gemessen. Die Aufnah-
me der Messwerte durch entsprechende Messwertaufnehmer erfolgt „frei im
Raum“. Aus diesen Messwerten kann unter Berücksichtigung der messtech-
nisch bedingten Unsicherheiten die Ganzköperdosis einer Person ermittelt
und mit den Grenzwerten abgeglichen werden.
x Personendosimetrie beschreibt die Messung von Personendosen mit dem
Ziel, die von einer Person tatsächlich aufgenommene Expositionsdosis zu
bestimmen. Zur Ermittlung einer Ganzkörper- oder Teilkörperdosis müssen
jeweils geeignete Dosimeter an den richtigen (repräsentativen) Stellen des
Körpers getragen werden.
x Kontaminationskontrolle umfasst das Aufspüren von Kontaminationen im
Arbeitsbereich. Eine Kontamination beschreibt eine radioaktive Verunreini-
gung durch unerwünschte Anwesenheit oder Zuführung von Radionukliden.
Kontaminationsmessungen sind insbesondere beim Umgang mit offenen ra-
dioaktiven Stoffen durchzuführen. In einem solchen Fall ist die flächenbezo-
842 Arbeitswissenschaft

gene Aktivität AF von Arbeitsflächen, Kleidung und Haut oder die volumen-
bezogene Aktivität AV von radioaktivem Abwasser oder radioaktiver Abluft
zu messen.
x Inkorporationskontrolle beschreibt die Ermittlung von inkorporierten Aktivi-
täten. Problematisch bei der Durchführung einer Inkorporationskontrolle ist
die Bestimmung der Organ- und Personendosen resultierend aus den durch-
geführten Aktivitäten und die dadurch bedingte Verteilung im Organismus.
Für den Nachweis von Strahlung bzw. zur Ermittlung der Dosis verschiedener
Strahlenarten und -energien kommen unterschiedliche Strahlendetektoren zum
Einsatz. Je nach Strahlenart, Art des Radionuklids und Ziel der Messung sind
diese Detektoren für unterschiedliche Messverfahren geeignet. Die Dosis wird
dabei durch die physikalische Wirkung der Strahlung mit einer entsprechend aus-
gewählten Materie erfasst. Diese Wirkungen sind im Wesentlichen optische Effek-
te (Absorption und Lumineszenz), elektrische Effekte (Leitfähigkeitsänderungen
im umgebenden Medium durch Ionisation) sowie thermische Effekte (Erwär-
mung). Das Medium, in dem die ionisierende Strahlung den Effekt erzeugt, der
zum Nachweis (qualitativ oder quantitativ) dient, wird als Detektor bezeichnet.
Detektoren können gasförmige, flüssige oder feste Medien sein, je nach Mess-
problem große oder kleine Volumina aufweisen bzw. auch aus Filmen oder dün-
nen Schichten bestehen.
Zur Messung ionisierender Strahlung werden drei Typen von Dosimetern un-
terschieden:
x Optisches Dosimeter: Häufig angewandte optische Effekte, durch die ionisie-
rende Strahlung nachgewiesen werden kann, sind Filmschwärzung, Lumi-
neszenz und Kernspurbildung. Die Schwärzung lichtempfindlicher Film-
emulsionen durch ionisierende Strahlung ist eine der ältesten Nachweisver-
fahren. Besonders bei der Personendosimetrie im Strahlenschutz, in der me-
dizinischen Röntgendiagnostik und in der technischen Radiographie kommen
solche Filme zum Einsatz. Geeignete Filme können aber nur als Dosimeter
dienen, wenn es einen linearen Bereich gibt, indem der Schwärzungsgrad mit
der Dosis zunimmt. Eines der bekanntesten optischen Dosimeter ist das Gei-
ger-Müller-Zählrohr.
x Festkörperanregungs-/Festkörperionisations-Dosimeter: Zu den Festkörper-
detektoren zählen Szintillationszähler (aufgebaut aus homogenen Kristallen),
die auf dem Prinzip der Festkörperanregung basieren. Bei Wechselwirkung
zwischen den sog. Szintillatorkristallen und der ionisierenden Strahlung
kommt es zu einer Anregung bestimmter Energiezustände in den Kristallen.
Dabei entstehen im strahlungsempfindlichen Bereich des Detektors Licht-
blitze – Szintillationen – die der absorbierten Energie direkt proportional
sind. Ein weiterer Typus der Festkörperionisations-Dosimeter sind verschie-
dene Ausführungen von Halbleiterdetektoren (aufgebaut aus Halbleitermate-
rialien), in denen bei Strahlungseintritt Festkörperionisationen stattfinden.
D.h. bei Strahlungseinfall kommt es durch die absorbierte Energie zu einer
Arbeitsumgebung 843

Bildung von Elektronen-Lochpaaren im Halbleitermaterial. Die Anzahl der


gebildeten Elektronen-Loch-Paare ist direkt proportional zur Energie der er-
fassten Gamma-Strahlung. Detektoren dieses Typus werden zur Bewertung
der absorbierten Energien eingesetzt und eignen sich zudem zur Analyse ei-
ner Kontamination.
x Elektrometrische Dosimeter: Bei dieser Art von Dosimetern handelt es sich
um Elektrometer (aufgeladene Kondensatoranordnungen), die durch eine io-
nisierende Strahlung entladen werden. Der Entladungsvorgang verläuft pro-
portional zur Strahlungsintensität ab.

9.3.4 Bewertung und Beurteilung

9.3.4.1 NiederfrequenteĆStrahlungĆ
Die Beurteilung von Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Gefährdungen durch die
Exposition mit elektromagnetischen Feldern ist Gegenstand intensiver wissen-
schaftlicher Diskussionen. Da diese Fragestellung sehr komplex ist und das Wis-
sen aus vielen verschiedenen Domänen wie Ingenieurwissenschaften, Medizin,
Physik, Biologie, Epidemiologie, Psychologie und Statistik benötigt wird, wurden
übergeordnete Fachgremien von staatlicher Seite damit beauftragt. Zu diesen
Gremien gehören bspw. die deutsche Strahlenschutzkommission (SSK), der nie-
derländische Gezondheidsraad, die britische Independent Expert Group on Mobil
Phones und die kanadische Royal Society of Canada. Ein Reihe von staatlichen
Institutionen beschäftigen sich ebenfalls mit dieser Fragestellung. Dieses sind u.a.
das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), die deutsche Bundesanstalt für
Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), die amerikanische Environmental
Protection Agency (EPA), das britische National Radiological Protection Board
(NRPB) und das schweizerische Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft.
Zudem verfügt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) über eine Arbeitsgruppe,
die sich mit der Fragestellung der Beurteilung und des Schutzes vor elektromagne-
tischer Strahlung beschäftigt. Ergänzend zu den Arbeiten der nationalen Institutio-
nen wurde für die Untersuchung und Beurteilung der Wirkungen elektro-
magnetischer Strahlung von der renommierten internationalen Strahlenschutz-
organisation (IRPA) eine spezielle Kommission gegründet: die International
Commission on Non-Ionizing Radiation Protection (ICNIRP).
Die Festlegung neuer bzw. die Modifikation vorhandener Grenzwerte durch die
internationalen und nationalen Gremien erfolgt dann, wenn neue Erkenntnisse als
gesichert angesehen werden. Wird eine biologisch relevante Wirkung einer Strah-
lenexposition, die mit einer potentiellen Schädigung, Beeinflussung oder Beein-
trächtigung beim Menschen verbunden ist, festgestellt, so werden die jeweiligen
Grenzwertvorschläge unter Berücksichtigung von Sicherheitsabständen, unterhalb
der letzten als relevant angesehenen Wirkung festgelegt. Dieser Abstand ist so
gewählt, dass er bei allen Frequenzen mindestens den Faktor 10 für beruflich
Beschäftigte und mindestens den Faktor 50 für die Allgemeinbevölkerung beträgt
844 Arbeitswissenschaft

(BMVIT 2006). Auf der Grundlage der zur Bewertung herangezogenen Effekte und
Wirkungen wurden für die einzelnen Frequenzbereiche unterschiedliche biolo-
gisch relevante Größen, sog. Basiswerte (BGV B11) (elektrische Stromdichte
[A/m²], spezifische Absorption SA [J/kg], spezifische Absorptionsrate SAR
[W/kg] und Leistungsflussdichte S [W/m²]) festgelegt, die ein Maß für die jewei-
ligen direkten Wirkungen auf den Organismus darstellen. Ein Beispiel dafür sind
bspw. die Werte der ICNIRP für niederfrequente und hochfrequente elektromag-
netische Strahlung (siehe Tabelle 9.11).
Tabelle 9.11: Basisgrenzwerte für zeitlich veränderliche elektrische und magnetische Fel-
der bei Frequenzen bis zu 10 GHz (SSK 1999)
A rt d er Exp os itio n Frequ en zbereich Stro md ich te für Ko p f Du rch s ch n ittlich er Lo kale SA R Lokale SA R
u nd Ru mp f Gan zkö rp er-SA R (Ko pf u n d Ru mp f) (Glied maß en)
-2 -1 -1 -1
(mA m ) (W kg ) (W kg ) (W kg )
(Effektivwerte)
Beru fliche bis 1 Hz 40
Exp o s ition 1-4 Hz 40/f
4 Hz-1 kHz 10
1-100 kHz f/100
100 kHz-10M Hz f/100 0,4 10 20
10M Hz-10GHz ---- 0,4 10 20
Exp o s ition d er bis 1 Hz 8
Bevö lkerun g 1-4 Hz 8/f
4 Hz-1 kHz 2
1-100 kHz f/500
100 kHz-10M Hz f/500 0,08 2 4
10M Hz-10GHz ---- 0,08 2 4

Aus den Basisgrenzwerten, die sich einer messtechnischen Überprüfung in der


Praxis weitgehend entziehen, werden abgeleitete Grenzwerte in den messtechnisch
zugänglichen Größen: elektrische Feldstärke E [V/m], magnetische Feldstärke H
[A/m], magnetische Flussdichte B [T] und Leistungsdichte S [W/m²] festgelegt
(BGV B11). Die abgeleiteten Grenzwerte wurden so definiert, dass auch unter den
ungünstigsten Expositionsbedingungen eine Einhaltung der Basisgrenzwerte ge-
währleistet ist. Ein Beispiel sind die Werte der ICNIRP in Tabelle 9.12.
In der 26. Bundes-Immissionsschutzverordnung (26. BImSchV) sind Grenz-
werte für die elektrische Feldstärke und die magnetische Flussdichte von ortsfes-
ten Stromversorgungsanlagen und Bahnstromanlagen festgelegt (siehe Tabelle
9.13).
Es existieren weitere Konzepte und Grenzwerte zum Schutz unterschiedlicher
Bevölkerungsgruppen, deren Anwendung im Wesentlichen von den nationalen
Bestimmungen determiniert wird. So verwendet die ICNIRP die Unterteilung in
Allgemeinbevölkerung und beruflich exponierte Personen, die amerikanische
Normungsorganisation ANSI klassifiziert Personen in kontrollierte und unkontrol-
lierte Bereiche und die deutsche Unfallverhütungsvorschrift BGV B11 verwendet
Expositionsbereiche zur Differenzierung. Insbesondere die berufsgenossenschaft-
lichen Vorschriften und Regeln (BGV B11; BGR B11) finden in der Praxis Anwen-
dung, da diese grundlegende Regelungen, Werte zur Bewertung von Expositionen
sowie Mess- und Bewertungsverfahren enthalten (BGV B11).
Arbeitsumgebung 845

Tabelle 9.12: Referenzwerte für die berufliche Exposition durch zeitlich veränderliche
elektrische und magnetische Felder (ungestörte Effektivwerte) (SSK 1999)
Frequenzbereich Elektrische Feldstärke Magnetische B-Feld Äquivalente
(Vm )
-1 Feldstärke ( T) Leistungsdichte bei
(Am-1) ebenen Wellen
-2
S eq (Wm )
5 5
bis 1 Hz 1,63 x 10 2 x 10
5 2 5 2
1-8 Hz 20000 1,63 x 10 /f 2 x 10 /f
4
8-25 Hz 20000 2 x 104/f 2,5 x 10 /f
0,025-0,82 kHz 500/f 20/f 25/f
0,82-65 kHz 610 24,4 30,7
0,065-1 MHz 610 1,6/f 2,0/f
1-10 MHz 610/f 1,6/f 2,0/f
10-400 MHz 61 0,16 0,2 10
1/2 1/2 1/2
400-2000 MHz 3f 0,008f 0,01f f/40
2-300 GHz 137 0,36 0,45 50

Tabelle 9.13: Grenzwerte der 26. BImSchV für den niederfrequenten Bereich

Frequenz f [Hz] Elektrische Feldstärke E Magnetische Flussdichte [PT]


(Effektivwerte) [kV/m]
50 5 100
16 2/3 10 300

Als zulässige Werte werden Basiswerte und abgeleitete Werte für die verschie-
denen Expositionsbereiche angegeben.
x Der Expositionsbereich 1 umfasst kontrollierte Bereiche sowie Bereiche, in
denen aufgrund der Betriebsweise oder aufgrund der Aufenthaltsdauer si-
chergestellt ist, dass eine Exposition oberhalb der zulässigen Werte von
Expositionsbereich 2 nur vorübergehend erfolgt (siehe Abb. 9.28 und Abb.
9.29).
x Der Expositionsbereich 2 umfasst die Bereiche des Unternehmens, die nicht
dem Expositionsbereich 1, den Bereichen erhöhter Exposition oder dem Ge-
fahrbereich zuzuordnen sind. Zu diesem Bereich gehören bspw. Arbeitsstät-
ten auf dem Betriebsgelände ohne spezielle Zugangsregelungen, in denen
Mitarbeiter sich zur Durchführung ihrer Tätigkeit regelmäßig aufhalten.
x Bei den Bereichen erhöhter Exposition handelt es sich um kontrollierte Be-
reiche, in denen die Werte des Expositionsbereichs 1 überschritten werden
und daher nur ein zeitlich begrenzter Aufenthalt befugter Personen gestattet
ist.
Die abgeleiteten Werte für niederfrequente, wie auch hochfrequente elektro-
magnetische Felder (siehe Tabelle 9.12) sind dabei grundsätzlich einzuhalten
(BGV B11). Eine Ausnahme besteht dann, wenn nachgewiesen ist, dass eine Ver-
letzung dieser Grenzwerte nicht zu einem Überschreiten der Basiswerte in
846 Arbeitswissenschaft

Tabelle 9.11 führt. Die zulässigen Werte der elektrischen Feldstärke und der mag-
netischen Feldstärke für eine Ganzkörperexposition (aus den Basisgrößen abgelei-
tete Werte) sind Abb. 9.28 und Abb. 9.29 zu entnehmen. Diese gelten ausschließ-
lich für sinusförmige Signale einer definierten Frequenz. Für gepulste elektromag-
netische Felder finden sich in der BGV B11 entsprechende Grenzwerte, auf die
aber an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden soll.

Abb. 9.28: Zulässige Werte der elektrischen Feldstärke in den Expositionsbereichen 1 und
2 sowie im Bereich erhöhter Exposition (BGR B11)

Abb. 9.29: Zulässige Werte der magnetischen Flussdichte in den Expositionsbereichen 1


und 2 sowie im Bereich erhöhter Exposition (BGR B11)
Arbeitsumgebung 847

9.3.4.2 HochfrequenteĆStrahlungĆ
In der Bundesrepublik ist der Schutz der Bevölkerung vor hochfrequenten elekt-
romagnetischen Feldern in der 26. Verordnung nach dem Bundesimmissions-
schutzgesetz (26. BImSchV) geregelt. Die Festlegungen der Grenzwerte entspre-
chen den Empfehlungen der IRPA/INIRC von 1988.
Tabelle 9.14: Immissionsgrenzwerte für Hochfrequenzanlagen der 26. BImSchV. Die
festgelegten Grenzwerte gelten im Hochfrequenzbereich für ortsfeste Sendeanlagen und
sind gemittelt über Intervalle von 6 Minuten.

Frequenz f [MHz] Elektrische Feld- Magnetische Feld-


stärke E [V/m] stärke H [A/m]
10 – 400 27,5 0,073
400 – 2.000 1,375 ā — f 0,0037 ā — f
2000 – 300.000 61 0,16

Die im Jahr 1999 vom Rat der Europäischen Union verabschiedeten Empfeh-
lungen zum Schutz der Bevölkerung vor elektromagnetischen Feldern
(1999/519/EG) stimmen hinsichtlich des abgedeckten Bereichs und der Grenz-
werte mit der 26. BImSchV überein (siehe Tabelle 9.14). Im Bereich des Mobil-
funks sind die geltenden Grenzwerte frequenzabhängig. Für die verschiedenen
Mobilfunknetze ergeben sich die in Tabelle 9.15 angegeben Grenzwerte.
Tabelle 9.15: Grenzwerte der 26. BImSchV für die Mobilfunknetze

Mobilfunknetz f [Hz] Elektrische Feld- Magnetische Feld- Leistungsfluss-


stärke E [V/m] stärke H [A/m] dichte S [W/m²]
D-Netz (ca. 900 MHz) 41 0,11 4,5
E-Netz (ca. 1800 MHz) 58 0,16 9,2
UMTS-Netz (ca. 2 GHz) 61 0,16 10

Die im Bundesimmissionsschutzgesetz (26. BImSchG) formulierten An-


forderungen gelten für den Betreiber einer Anlage, die gewerblichen Zwecken
dient oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung findet.
Anlagen im Sinne der Verordnung sind insbesondere Hochfrequenzanlagen mit
einer Sendeleistung von mindestens 10 Watt EIRP, die elektromagnetische Felder
im Frequenzbereich 10 MHz - 300 GHz erzeugen. Zu beachten ist, dass alle Anla-
gen die Immissionsgrenzwerte auch unter der höchsten betrieblichen Anlagenaus-
lastung einhalten müssen und alle anderen hochfrequenten Immissionen, die an
dem betrachteten Punkt einwirken können, zu berücksichtigen sind. Deshalb wer-
den zur Überprüfung der Einhaltung der Grenzwerte i.Allg. konservative Rech-
nungen eingesetzt.
Für den Bereich des Arbeitsschutzes wurde im Juni 2001 die Unfallverhü-
tungsvorschrift BGV B11 erlassen. Diese Unfallverhütungsvorschrift verwendet
dieselben Basisgrenzwerte wie die ICNIRP, aber bei den abgeleiteten Grenzwer-
848 Arbeitswissenschaft

ten werden teilweise geringere Reduktionsfaktoren verwendet. Des Weiteren ent-


hält die BGV B11 ein neues Grenzwertkonzept für nicht sinusförmige Signale. Zur
Unterstützung der Umsetzung dieser Vorschrift wurde die zugehörige berufsge-
nossenschaftliche Regel BGR B11 erarbeitet. Arbeitsplätze, die keinen direkten
Bezug zur Feldquelle aufweisen, sind ggf. den Festlegungen der 26. BimSchV
unterworfen. Neben der graphischen Darstellung der abgeleiteten Werte für nie-
derfrequente und hochfrequente elektromagnetische Felder (siehe Abb. 9.28 und
Abb. 9.29) sind in der BGV B11 Grenzwerte für den Frequenzbereich 91 kHz bis
300 GHz detailliert aufgeführt.

9.3.4.3 OptischeĆStrahlungĆ
Grenzwerte für optische Strahlung sind in den berufsgenossenschaftlichen Infor-
mationen für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit sowie in weiteren deut-
schen und europäischen Normen festgelegt (BGI 5006). Zu nennen sind insbeson-
dere DIN EN 60825-1, DIN EN 12254 und DIN EN 207.
Darin enthaltene Vorschriften über Expositionsgrenzwerte künstlicher optischer
Strahlung bilden einen Teilbereich ab, auf den im Folgenden aufgrund der arbeits-
wissenschaftlichen Relevanz eingegangen wird.
Bei Anwendung der Expositionsgrenzwerte für künstliche optische Strahlung
nach BGI 5006 ist zu unterscheiden, ob eine Einwirkung auf Augen oder Haut
vorliegt. Zudem ist zu bewerten, ob es zu einer dauerhaften Einwirkung der opti-
schen Strahlung (wiederkehrend über das Jahr) kommt. Für künstliche optische
Strahlung ergeben sich nach BGI 5006 folgende Tagesexpositionsgrenzwerte:
x Wellenlängenbereich 100 - 180 nm: Die Berechnung der effektiven Bestrah-
lungsstärke Heff für diesen Wellenlängenbereich basiert auf der Gleichung
(9.31) und dem Wert 0,0120 für S(O).
x Wellenlängenbereich 180 - 400 nm: Der Tagesexpositionsgrenzwert für
Einwirkungen auf die Haut beträgt bei einmaliger oder wiederholter Bestrah-
lung während einer Arbeitszeit von 8 Stunden Heff(GW) = 30 Jm-2. Die Jahres-
expositionsgrenzwerte zur Begrenzung des Risikos von langfristigen Schädi-
gungen der Haut, wie bspw. Hautalterung oder Hautkrebs, und der Augen
beträgt: Heff(JGW)= 4000 Jm-2.
x Wellenlängenbereich 380 - 1400 nm: Als Expositionsgrenzwerte zum Schutz
vor der thermischen Netzhautgefährdung wird die effektive Strahldichte ei-
ner Quelle nach Gleichung (9.31) bestimmt. Der wellenlängenspezifische
Wert für R(O) kann der BGI 5006 entnommen werden. Der Expositions-
grenzwert der effektiven Strahldichte LR(GW) beträgt für die Einwirkungsdau-
er t:
2,8 ˜104
t > 10 s o LR (GW ) W ˜ m2 ˜ sr 1
CD
Arbeitsumgebung 849

5 ˜104
18 Ps < t ” 10 s o LR (GW ) W ˜ m2 ˜ sr 1
CD ˜ t 0,25
41, 2
t < 18 Ps o LR ( GW ) W ˜ m 2 ˜ sr 1
CD ˜ t 0,9

Bei dem Wert für CD handelt es sich um den Korrekturfaktor in rad. Der Kor-
rekturfaktor berücksichtigt, dass es im Wellenlängenbereich zwischen
380 nm und 1400 nm zu einer Fokussierung der Strahlung auf der Netzhaut
kommen kann. Die zulässige Bestrahlungsstärke hängt somit von der Größe
des erzeugten Netzhautbilds ab.
x Wellenlängenbereich 780 - 3000 nm: Der Grenzwert für die Bestrahlungs-
stärke EIR(GW) zum Schutz der Augen vor thermischen Schäden bei einer
Einwirkungszeit bis 1000 s (innerhalb einer 8-stündigen Periode) beträgt
EIR(GW)=18000·t-0,75 Wm-2. Der Grenzwert für die Bestrahlung H für den glei-
chen Zeitraum durch IR-Strahleneinwirkungen der Augen beträgt
HIR(GW)= 3·106 Jm-2.
x Wellenlängenbereich 380 - 106 nm: Der Grenzwert der Bestrahlung HIR(GW)
im sichtbaren wie im IR-Spektralbereich beträgt für Einwirkungen auf die
Haut HIR(GW)= 18000·t0,25 Jm-2. Dieser Expositionsgrenzwert bezieht sich auf
die einmalige oder wiederholte Einwirkung von IR-Strahlung während einer
täglichen Arbeitszeit von 8 Stunden oder für Strahleneinwirkungen mit Ein-
wirkungsdauern bis 10 Sekunden bei variierender Bestrahlungsstärke.
Einen Sonderfall bei der Beurteilung von künstlich erzeugten optischen Strah-
len stellen Laserquellen dar. So werden Laser und Lasereinrichtungen in Abhän-
gigkeit vom Gefährdungspotential in Klassen von 1 bis 4 eingeteilt (DIN EN 60825-
1):
x Klasse 1: Die zugängliche Laserstrahlung ist, einen bestimmungsgemäßen
Betrieb vorausgesetzt, ungefährlich. Der Grenzwert zur Klassifizierung eines
Lasers nach DIN EN 60825-1 ist für eine Zeitbasis zwischen 100 s und
30000 s gleich, weshalb bei Langzeitwirkungen Beeinträchtigungen nicht
auszuschließen sind.
x Klasse 1M: Die zugängliche Laserstrahlung liegt im Wellenlängenbereich
von 302,5 nm bis 4000 nm. Sie ist für das Auge ungefährlich, solange der
Querschnitt nicht durch optisch sammelnde Instrumente, wie bspw. Lupen
oder Linsen, verkleinert wird.
x Klasse 2: Die zugängliche Laserstrahlung liegt nur im sichtbaren Spektralbe-
reich (400 nm bis 700 nm). Sie ist bei kurzzeitiger Bestrahlungsdauer (bis
0,25 s) für das Auge ungefährlich. Lasereinrichtungen der Klasse 2 dürfen
deshalb ohne weitere Schutzmaßnahmen eingesetzt werden, wenn ein ab-
sichtliches Hineinschauen von mehr als 0,25 s Dauer oder ein wiederholtes
Hineinschauen in die Laserstrahlung bzw. eine spiegelnd reflektierte Laser-
strahlung ausgeschlossen ist.
850 Arbeitswissenschaft

x Klasse 2M: Die zugängliche Laserstrahlung liegt im sichtbaren Spektralbe-


reich von 400 nm bis 700 nm und ist bei kurzzeitiger Einwirkdauer bis 0,25 s
für das Auge ungefährlich, solange der Querschnitt nicht durch optische In-
strumente verkleinert wird.
x Klasse 3R: Die zugängliche Laserstrahlung liegt im Wellenlängenbereich
von 302,5 nm bis 106 nm und ist gefährlich für das Auge. Die Leistung be-
trägt maximal das Fünffache des Grenzwerts der zugänglichen Strahlung der
Klasse 2 im Wellenlängenbereich von 400 nm bis 700 nm und das Fünffache
des Grenzwerts der Klasse 1 für andere Wellenlängen.
x Klasse 3B: Die zugängliche Laserstrahlung ist gefährlich für das Auge und in
besonderen Fällen auch für die Haut.
x Klasse 4: Die zugängliche Laserstrahlung ist sehr gefährlich für das Auge
und gefährlich für die Haut. Auch diffus gestreute Strahlung kann unmittel-
bar zu einer Schädigung führen. Zudem kann durch den Betrieb eines Lasers
dieser Klasse eine Brand- oder Explosionsgefahr entstehen. Die Laserstrah-
lung von Lasereinrichtungen der Klasse 4 ist so intensiv, dass bei jeglicher
Art von Exposition der Augen oder der Haut mit Schädigungen zu rechnen
ist.
Beim Betrieb von Lasern ist zu prüfen, ob die Werte für die maximal zulässige
Bestrahlung (MZB) überschritten werden. Die MZB-Werte hängen basierend auf
einer komplexen Beziehung von der Bestrahlungsstärke und der Wellenlänge ab.
Eine abstrahierte aber sehr anschauliche Darstellung der Wirkzusammenhänge
liefert die Abb. 9.30 – basierend auf der BGV B2 der Berufsgenossenschaft der
Feinmechanik und Elektrotechnik in der Fassung vom 1. Januar 1997.
Sind optische Strahler hinsichtlich ihrer Gefährdung nicht klassifiziert, wie dies
bspw. für LED (Light Emitting Diode) zutrifft, so können durch eine entsprechen-
de Umrechnung der Strahldichtegrenzwerte restriktive Strahl- und Lichtstärken
ermittelt werden. Bei einer absichtlichen Langzeitexposition im Bereich fotoche-
mischer Gefährdung (blue light hazard) schlägt die BGI 5006 zudem eine Ermitt-
lung der Grenzwerte auf Basis der konkreten Einwirkungsdauer vor. Abb. 9.31
enthält zur Orientierung die maximal zulässige Lichtstärke für einen Arbeitstag,
angesetzt mit 30000 s, in Abhängigkeit von der Wellenlänge und dem Sehwinkel.
Das Diagramm weist eine Korrelation zwischen der Größe einer Quelle, gemessen
als Sehwinkel in mrad, und der Lichtstärke bzw. der Strahlstärke auf. So kann
durch den Einsatz von Streuscheiben, Diffusoren o.ä. Maßnahmen die Strahlenbe-
lastung reduziert werden.
Arbeitsumgebung 851

Abb. 9.30: Maximal zulässige Bestrahlung der Hornhaut des Auges für einige ausgewählte
Wellenlängen nach DIN EN 60825-1 (BGV B2)

10000 100 mrad


80 mrad
60 mrad
1000 40 mrad
20 mrad
100
11 mrad
7 mrad
10 5 mrad
3 mrad
Lichtstärke [cd]

1
1,5 mrad
0,1

0,01

0,001

0,0001
,

0,00001
Purpurblau Weiss Dunkelgrün Hellgrün Orange
(430 nm) (520 nm) (565 nm) (610 nm)
LED Typ (Peakwellenlänge nm)

Abb. 9.31: Lichtstärkegrenzwerte bei extremer Langzeitexposition


852 Arbeitswissenschaft

9.3.4.4 IonisierendeĆStrahlungĆĆ
Die im Folgenden eingeführten Grenzwerte für ionisierende Strahlung bilden nicht
die Obergrenze des Zulässigen, sondern die Untergrenze des nicht mehr Akzep-
tablen, auch wenn die tatsächlichen Gefahrengrenzen aufgrund der den Grenzwer-
ten zugrundeliegenden Modelle in Wirklichkeit möglicherweise viel höher liegen
(VEITH 2007).
Kernstück der Bewertung und Beurteilung ionisierender Strahlung in Deutsch-
land ist die Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen
(Strahlenschutzverordnung StrlSchV). Ihr Ziel ist die Regelung der Grundsätze und
Anforderungen für Vorsorge- und Schutzmaßnahmen zum Schutz des Menschen
und der Umwelt vor den schädlichen Wirkungen ionisierender Strahlung. Dies
umfasst Tätigkeiten, die einen Umgang mit künstlich erzeugten oder natürlich
vorkommenden radioaktiven Stoffen erfordern (§ 2 StrLSchV). Bei Grenzwerten
für ionisierende Strahlung wird zwischen Werten für die Bevölkerung und solchen
für beruflich strahlenexponierte Personen unterschieden. Der Grenzwert der effek-
tiven Dosis bei der Ausführung von Tätigkeiten beträgt für Einzelpersonen der
Bevölkerung ein 1 mSv im Kalenderjahr (§ 46 Abs. 1 StrlSchV). Für den gleichen
Personenkreis gelten unabhängig von diesem Wert eine Organdosis für die Augen-
linse von 15 mSv im Kalenderjahr und für die Haut ein Wert von 50 mSv.
Personen, die durch entsprechende Tätigkeiten einer beruflichen Strahlenexpo-
sition ausgesetzt sind, sind zum Zweck der Kontrolle und arbeitsmedizinischen
Vorsorge den folgenden zwei Kategorien zuzuordnen (§ 54 StrlSchV):
x Kategorie A: Diese Kategorie umfasst alle Personen, die einer beruflichen
Strahlenexposition ausgesetzt sind, die im Kalenderjahr zu einer effektiven
Dosis von mehr als 6 mSv, einer höheren Organdosis als 45 mSv für die Au-
genlinse oder einer höheren Organdosis als 150 mSv für die Haut, die Hände,
die Unterarme, die Füße oder Knöchel führen kann.
x Kategorie B: Personen, die einer beruflichen Strahlenexposition ausgesetzt
sind, die im Kalenderjahr zu einer effektiven Dosis von mehr als 1 mSv, ei-
ner höheren Organdosis als 15 mSv für die Augenlinse oder einer höheren
Organdosis als 50 mSv für die Haut, die Hände, die Unterarme, die Füße
oder Knöchel führen kann.
Zudem existiert ein Grenzwert für beruflich strahlenexponierte Personen, der
nur in Ausnahmefällen und insbesondere nach Genehmigung durch die zuständige
Behörde überschritten werden darf. Dieser Grenzwert für die effektive Dosis be-
trägt 20 mSv im Kalenderjahr. Des Weiteren werden in der Strahlenschutzverord-
nung Grenzwerte für die jeweiligen Organe des Menschen, die sich aus einer be-
ruflichen Strahlenexposition ergeben, bezogen auf ein Kalenderjahr aufgeführt
(§ 55 Abs. 2 StrlSchV):
(1) Augenlinse: 150 mSv
(2) Haut, Hände, Unterarme, Füße und Knöchel: jeweils 500 mSv
(3) Keimdrüsen, Gebärmutter und Knochenmark (rot): jeweils 50 mSv
Arbeitsumgebung 853

(4) Schilddrüse und Knochenoberfläche: jeweils 300 mSv


(5) Dickdarm, Lunge, Magen, Blase, Brust, Leber, Speiseröhre, andere Organe
oder Gewebe: jeweils 150 mSv.
Diese Grenzwerte finden bei bestimmten Personengruppen keine Anwendung,
z.B. bei Personen unter 18 Jahren, gebärfähigen Frauen und Schwangeren.
Grenzwerte für diesen Personenkreis liegen deutlich unter den oben aufgeführten
Werten und sind § 55 Abs. 3 der StrlSchV zu entnehmen. Neben Grenzwerten bezo-
gen auf ein Kalenderjahr schreibt der Gesetzgeber Werte für die Summe der in
allen Kalenderjahren ermittelten effektiven Dosen beruflich strahlenexponierter
Personen, der sog. Berufslebensdosis vor. Dieser Wert beträgt 400 mSv.
Weiterhin existieren Vorschriften für die Planung, die Errichtung, den Betrieb
und die Stilllegung von Anlagen, die radioaktive Stoffe über die Luft oder das
Wasser ableiten können. Es gelten folgende Grenzwerte je Kalenderjahr und Ein-
zelperson (§ 47 Abs. 1 StrlSchV):
(1) Effektive Dosis: 0,3 mSv
(2) Organdosis für Keimdrüsen, Gebärmutter, Knochenmark (rot): 0,3 mSv
(3) Organdosis für Dickdarm, Lunge, Magen, Blase, Brust, Leber, Speiseröhre,
Schilddrüse etc.: 0,9 mSv
(4) Organdosis für Knochenoberflächen, Haut: 1,8 mSv.

9.3.5 Gestaltungshinweise
Die vollständige Darstellung aller Schutzmaßnahmen für den gesamten, sehr in-
homogenen Strahlenschutzbereich ist an dieser Stelle nicht möglich. Daher wer-
den die folgenden Abschnitte auf die Einführung von allg. Gestaltungshinweisen
zur Bekämpfung von Strahlung sowie auf die Vorstellung ausgewählter Maßnah-
men beschränkt und an entsprechenden Stellen auf die weiterführende Literatur
verwiesen (KRIEGER 2004; KRIEGER 2005; STOLZ 2005).
Eine wesentliche Voraussetzung für eine sichere Arbeit ist, dass die eingesetz-
ten Bauteile, Geräte, Maschinen und Komponenten bzw. Anlagen im Sinne des
Strahlenschutzes sicher sind. Dies kann durch genormte sicherheitstechnische
Anforderungen an die Arbeits- und Betriebsmittel und die Produkte gewährleistet
werden, die zu entsprechenden Eigenschaften der Geräte führen. Ist trotz einer
entsprechenden Objektstruktur und -gestaltung eine Einhaltung der Grenzwerte
nicht möglich, so sind die Abstände zur Quelle zu vergrößern, die Einsatzzeiten zu
verkürzen und ggf. persönliche Schutzausrüstungen (Schutzkleidung, Schutzbril-
len) anzuwenden. Konkretisiert werden Arbeitsmittel betreffende Arbeitsschutz-
maßnahmen in der DIN EN 12198-1.
Um eine Einschätzung der Gefährdung in einem Arbeitssystem zu erhalten,
existieren in der Literatur Klasseneinteilungen, denen abgestufte sicherheits-
technische und betriebsorganisatorische Maßnahmen zugeordnet werden. Ergän-
zend zu der Klassifizierung und Kennzeichnung von Betriebsmitteln wird für
854 Arbeitswissenschaft

Arbeitsbereiche eine Zutrittsbeschränkung von Räumen bei Auftritt einer intensi-


ven Strahlung gefordert.
Niederfrequente Strahlung
In der Richtlinie 2004/40/EG des Europäischen Parlaments und des Rats sind Maß-
nahmen zum Schutz vor elektromagnetischen Feldern aufgeführt. Zu beachten ist,
dass Langzeitwirkungen, für die kein schlüssiger wissenschaftlicher Beleg für
einen Kausalzusammenhang vorliegt, in der Richtlinie nicht enthalten sind.
Die beschriebenen Maßnahmen beinhalten einen Mindestschutz für alle Arbeit-
nehmer der Union und überlassen es den Mitgliedstaaten, vorteilhaftere Vorschrif-
ten über das Datum der geforderten nationalen Umsetzung der Richtlinie im April
2012 zu erlassen. Zudem verweist die Richtlinie darauf, dass die Umsetzung nicht
als Begründung für eine Einschränkung evtl. vorteilhafterer Vorschriften dienen
darf, die vor Inkrafttreten der Richtlinie in den einzelnen Mitgliedstaaten maßge-
bend waren (2004/40/EG § 6). Aus der Richtlinie ergeben sich verschiedene Arten
von Pflichten für den Arbeitgeber (2004/40/EG § 6):
x Ermittlung der Exposition und Bewertung der Risiken: In regelmäßigen Zeit-
abständen sind Bewertungen, Messungen und Berechnungen der elektro-
magnetischen Felder, denen die Arbeitnehmer ausgesetzt sind, durchzufüh-
ren. Zudem sind die Bewertungsergebnisse auf einem beständigen Datenträ-
ger aufzubewahren, um eine spätere Einsichtnahme zu ermöglichen. Für eine
Risikobewertung müssen neben der Feldstärke, dem Frequenzspektrum, der
Dauer und der Art der Exposition auch die indirekten Wirkungen und die In-
terferenzen mit elektronischen medizinischen Geräten berücksichtigt werden.
x Maßnahmen zur Vermeidung oder Verringerung der Risiken: Werden die
Grenzwerte für elektromagnetische Strahlung an Arbeitsplätzen überschrit-
ten, so hat der Arbeitgeber technische und organisatorische Maßnahmen zur
Einhaltung der Grenzwerte zu identifizieren und umzusetzen. Zu nennen sind
insbesondere die Änderung der eingesetzten Arbeitsverfahren, die Auswahl
geeigneter Arbeitsmittel oder die bessere Gestaltung der Arbeitsplätze. Dazu
ist er allerdings nicht verpflichtet, wenn er nachweist, dass Gesundheitsrisi-
ken für die Arbeitnehmer durch die bisherigen Maßnahmen ausgeschlossen
sind.
x Unterrichtung und Unterweisung der Arbeitnehmer: Die einer Emission aus-
gesetzten Mitarbeiter erhalten vom Arbeitgeber alle erforderlichen Informa-
tionen und Unterweisungen, besonders im Zusammenhang mit den Ergebnis-
sen der Risikobewertung, den vom Arbeitgeber ergriffenen Maßnahmen zur
Erkennung gesundheitsschädlicher Auswirkungen und der Voraussetzungen,
unter denen Arbeitnehmer Anspruch auf eine Gesundheitsüberwachung ha-
ben.
Eine Minimierung der Exposition am Arbeitsplatz, wie auch im privaten Um-
feld, lässt sich durch verschiedene Maßnahmen erreichen, für deren Umsetzung
die Behörden als Überwachungsinstanz, Bauherren und Gerätehersteller, aber
Arbeitsumgebung 855

auch jeder einzelne Anwender verantwortlich ist. Zu diesen Maßnahmen zählen


(BfS 2008a):
x Bei der Planung und Genehmigung von Gebäuden sollte auf einen ausrei-
chenden Abstand zu Hochspannungsleitungen und anderen Anlagen der
Stromversorgung geachtet werden.
x Durch eine optimierte Leitungsführung von Elektroinstallationen in Gebäu-
den kann die Exposition der Bewohner oder Nutzer reduziert werden.
x Gerätehersteller und Anlagenbauer können durch eine entsprechende techni-
sche Auslegung möglichst niedrige Feldstärken in der Umgebung der Geräte
und Anlagen erreichen.
x Anwender können eine Feldexposition durch einen möglichst großen Ab-
stand zu den Feldquellen oder durch eine Verkleinerung der Expositionsdau-
er reduzieren.
Die vom Bundesamt für Strahlenschutz vorgeschlagenen Maßnahmen berück-
sichtigen, dass elektrische Felder sich leicht durch leitfähige Objekte abschirmen
lassen. Allerdings sind gefährliche Belastungen durch direkte Feldeinwirkung
unwahrscheinlich. Eine Gefährdung von Personen geht bei niederfrequenten elekt-
rischen Wechselfeldern weniger von den Feldern selbst, als vielmehr von größeren
Objekten aus, die sich durch elektromagnetische Felder aufladen und bei Berüh-
rung über die Person entladen.
Hochfrequente Strahlung
Maßnahmen für den Schutz vor hochfrequenten elektromagnetischen Felder sind
in der DIN 32780-100 „Schutzausrüstungen“ vom November 1999 aufgeführt. Die
wichtigsten Maßnahmen sind die Abschirmung der Strahlungsquelle nach dem
Prinzip des Faradayschen Käfigs, die Verminderung der HF-Leistung, das Ab-
schalten der HF-Quelle, die Absperrung und Sicherung der Gefahrenzone, die
ständige Personenüberwachung durch Messung und persönliche Schutzausrüs-
tung.
Bei Mikrowellenanlagen sind undichte Stellen an Abschirmgehäusen, Kabel-
mänteln, verschmutzte oder oxidierte Oberflächen von Koaxialsteckern oder
Hohlleiterflanschen unerwünschte und potentiell gefährliche Strahlungsquellen.
Die Anlagen dürfen daher nur in einwandfreiem Zustand in Betrieb gesetzt wer-
den. Zum Schutz von Personen, die sich im Bereich starker Mikrowellenstrahler
aufhalten müssen, sind Abschirmmaßnahmen zu treffen. Einblicks- und andere
Öffnungen sind nach dem Prinzip der Hohlleiterdämpfung unterhalb der Grenz-
frequenz aufzubauen; derartige Öffnungen müssen mit einem metallischen rohr-
förmigen Ansatz versehen sein, dessen Durchmesser d < Omin / 6 H r ist und der
eine genügende Länge zur Dämpfung besitzt (GROLL 1989; MEINKE u. LANGE
1992). Bei freistehenden Abschirmblechen besteht die Gefahr, dass diese in Reso-
nanz geraten und nach hinten abstrahlen. Zur Abschirmung des ganzen Körpers
sind Abschirmanzüge aus metallisiertem Nylon erhältlich. Zum Schutz der Augen
856 Arbeitswissenschaft

gibt es Brillen aus dichtem Metalldrahtgewebe und solche mit aufgedampfter


Metallstruktur (GROLL 1989).

Optische Strahlung
Die nationale Umsetzung der EU RICHTLINIE 2006/25/EG bis spätestens April
2010 soll die Exposition durch künstliche optische Strahlung für die Arbeitsperson
reduzieren. Ziel ist, die Gefahren bereits am Entstehungsort zu verringern. Der
Arbeitgeber ist daher in der Pflicht, entsprechende Maßnahmen zum Strahlen-
schutz zu ergreifen (2006/25/EG):
x Bewertung des Ausmaßes der Strahlung: Der Arbeitgeber hat zur Verringe-
rung der künstlichen optischen Strahlung am Arbeitsplatz eine Bewertung
oder Messung des Ausmaßes der optischen Strahlung vorzunehmen, falls die
in der Richtlinie aufgeführten Grenzwerte überschritten werden. Die Mes-
sung erfolgt entsprechend den Normen der internationalen Normierungsgre-
mien IEC, CIE, CEN oder, falls keine Normen vorliegen, entsprechend den
nationalen oder internationalen wissenschaftlich untermauerten Leitlinien.
x Verringerung der Risiken: Falls bei einer Risikobewertung festgestellt wird,
dass die Expositionsgrenzwerte möglicherweise überschritten werden, muss
der Arbeitgeber das Ausmaß der optischen Strahlung verringern, indem er
andere Arbeitsmittel auswählt oder die Dauer der Exposition begrenzt.
x Unterrichtung und Unterweisung der Arbeitnehmer: Die Arbeitnehmer oder
ihre Vertreter erhalten alle erforderlichen Informationen oder Unterweisun-
gen – bspw. sachgerechte Verwendung von Schutzausrüstung.
x Anhörung und Beteiligung der Arbeitnehmer: Die Arbeitgeber müssen die
Arbeitnehmer bzw. deren Vertreter bei Fragen, die die Sicherheit und den
Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer betreffen, im Voraus anhören. Die Ar-
beitnehmervertreter können Maßnahmen zur Verbesserung des Gesundheits-
schutzes vorschlagen und haben das Recht, sich an die zuständigen Behörden
zu wenden, wenn sie der Auffassung sind, dass der Arbeitgeber keine ausrei-
chende Sicherheit gewährleistet (gemäß Rahmenrichtlinie 89/391/EWG).
x Überwachung der Gesundheit der Arbeitnehmer: Die Überwachung der Ge-
sundheit der Arbeitnehmer erfolgt entsprechend den nationalen Rechtsvor-
schriften durch einen Arzt. Ziel ist, das Risiko aufgrund der Exposition ge-
genüber optischer Strahlung zu vermeiden. Für jeden Arbeitnehmer sind da-
bei persönliche Gesundheitsakten zu führen und anlässlich jeder Gesund-
heitsüberwachung zu aktualisieren.
Im Fall einer Überschreitung der geltenden Grenzwerte oder bei der Identifizie-
rung von gesundheitsschädlichen Auswirkungen für Arbeitnehmer sind folgende
Maßnahmen zu ergreifen:
x Der Arbeitnehmer wird vom Arzt oder einer anderen entsprechend qualifi-
zierten Person über die ihn persönlich betreffenden Ergebnisse und über alle
wichtigen Erkenntnisse unterrichtet.
Arbeitsumgebung 857

x Der Arbeitgeber überprüft die vorgenommene Risikobewertung und die er-


arbeiteten Strahlenschutzmaßnahmen, setzt die empfohlenen Maßnahmen
zum Strahlenschutz um und trifft Vorkehrungen für eine kontinuierliche
Gesundheitsüberwachung.
Schutzmaßnahmen beim Betrieb von Lasereinrichtungen werden in der BGV B2
und in der DIN EN 60825-1 näher spezifiziert. Folgende Maßnahmen sind vom
Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Anlehnung an §8 BGV B2 zu ergreifen:
(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet durch technische oder organisatorische Maß-
nahmen dafür zu sorgen, dass eine Bestrahlung oberhalb der maximal zuläs-
sigen Grenzwerte, auch durch reflektierte oder gestreute Laserstrahlung, ver-
hindert wird.
(2) Ist in Bereichen von Lasereinrichtungen der Klasse 3B oder 4 ein Über-
schreiten der Grenzwerte nicht zu vermeiden, so hat der Arbeitgeber zum
Schutz der Augen oder der Haut geeignete Augenschutzgeräte, Schutzklei-
dung oder Schutzhandschuhe zur Verfügung zu stellen.
(3) Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass Mitarbeiter, die Lasereinrichtun-
gen der Klassen 2 bis 4 anwenden oder sich in Laserbereichen von Laserein-
richtungen der Klassen 3B oder 4 aufhalten, bzgl. der Gefahren und eines
angemessenen Verhaltens unterwiesen wurden.
(4) Die für einen sicheren Betrieb erforderlichen Schutzeinrichtungen und die
persönlichen Schutzausrüstungen sind von den Mitarbeitern zu nutzen.
Zudem muss das Typenschild jedes Lasers die Gefahrenklasse und bei den Ty-
pen 2 bis 4 Gefahrenhinweise enthalten. Zum Schutz vor Strahlung sind, abhängig
von der Gefahrenklasse, Laser in Gehäuse einzubauen, elektrische Schutzschal-
tungen, z.B. mit Tür- oder Schlüsselkontakten, Fernbedienungen usw., vorzusehen
sowie die Umgebung für die entsprechende Wellenlänge reflexionsarm zu gestal-
ten. Bereiche, in denen Laser verwendet werden und in denen die ungefährliche
Bestrahlung für das Auge überschritten wird, sind als Laserbereiche zu kenn-
zeichnen (BGV B2). Die Bedienung von Lasern der Klassen 2 bis 4 sollte nur
durch geschultes Personal erfolgen. Schutzkleidung, insbesondere auf die Wellen-
länge abgestimmte Brillen, sind dann vorzusehen, wenn technische und organisa-
torische Regelungen nicht ausreichen.
Ionisierende Strahlung
Die Richtlinie 96/29/ EURATOM des Rates vom 13. Mai 1996 zur Festlegung der
Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte
gegen die Gefahren ionisierender Strahlung gilt für jede mit einer Gefährdung
durch ionisierende Strahlung aus einer künstlichen oder natürlichen Strahlenquelle
verbundene Tätigkeit, sofern die natürlichen Radionuklide aufgrund ihrer radioak-
tiven, Spalt- oder Bruteigenschaften genutzt werden. Die Richtlinie schreibt Maß-
nahmen zur Expositionsbegrenzung vor, die von den Mitgliedsstaaten der EU
umzusetzen sind (Richtlinie 96/29/ EURATOM). Für die Bundesrepublik Deutsch-
land ist mit dem Inkrafttreten der neuen Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) der
858 Arbeitswissenschaft

Schutz von Mensch und Umwelt vor radioaktiver Strahlung auf eine neue Grund-
lage gestellt worden. Im Zuge des umfangreichen Novellierungsvorhabens wurden
in erster Linie die europäischen Vorgaben der Richtlinie 96/29/EURATOM in deut-
sches Recht umgesetzt. Die StrlSchV richtet sich primär an diejenigen, in deren
Verantwortung Strahlenschutz atomrechtlich relevante Tätigkeiten oder Arbeiten
ausführt werden. Der Anwendungsbereich der StrlSchV unterliegt dabei der staat-
lichen Aufsicht (§19 ATOMGESETZ). Den Aufsichtsbehörden werden im Atomge-
setz und in der StrlSchV entsprechende Befugnisse (z.B. Zutritt, Information,
Eingriff) und Sanktionsmöglichkeiten eingeräumt. Die StrlSchV basiert auf fol-
genden Strahlenschutzgrundsätzen:
x Rechtfertigung: Unter Abwägung ihres wirtschaftlichen, sozialen oder sons-
tigen Nutzens, müssen atomrechtlich relevante Tätigkeiten gegenüber der
möglicherweise von ihnen ausgehenden gesundheitlichen Beeinträchtigung
zu rechtfertigen sein.
x Dosisbegrenzung: Für bestimmte Schutzgrößen und Personengruppen sind
Grenzwerte festgelegt. So beträgt die effektive Dosis von Einzelpersonen ei-
nen Wert von 1 mSv p.a. bei beruflich strahlenexponierten Personen erhöht
sich der Grenzwert auf 20 mSv p.a.
x Optimierung: Es besteht die generelle Pflicht, Strahlenexpositionen oder
Kontaminationen so gering wie möglich zu halten.
Zur Gewährleistung dieser Grundsätze sind der Umgang mit radioaktiven Stof-
fen und Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlung unter einen behördlichen
Genehmigungsvorbehalt gestellt. Die Modalitäten der Genehmigungsverfahren,
Genehmigungsvoraussetzungen, Antragsunterlagen etc. sind in der StrlSchV fest-
gelegt (StrlSchV §7 - §14). Des Weiteren werden spezielle Anforderungen an die
Qualifikation des Personals, die betriebliche Organisation (Strahlenschutzverant-
wortliche und -beauftragte), den Schutz von Personen in Strahlenschutzbereichen
(physikalische Strahlenschutzkontrolle, Begrenzung der Strahlenexposition bei der
Berufsausübung, arbeitsmedizinische Vorsorge), die Lagerung, Sicherung und
Kennzeichnung radioaktiver Stoffe, die Verwendung geeigneter Messgeräte, die
Buchführung über radioaktive Stoffe, die Behandlung und Abgabe radioaktiver
Stoffe und ionisierender Strahlung gestellt.
Bei genehmigungs- und anzeigebedürftigen Tätigkeiten, die durch die StrlSchV
definiert sind (StrlSchV § 2), wird je nach Höhe der Strahlenexposition zwischen
Überwachungsbereichen, Kontrollbereichen und Sperrbereichen, letztere als Teile
der Kontrollbereiche, unterschieden. Dabei ist zwischen äußerer und innerer
Strahlenexposition zu differenzieren:
(1) Überwachungsbereiche sind nicht zum Kontrollbereich gehörende betriebli-
che Bereiche, in denen Personen im Kalenderjahr eine effektive Dosis von
mehr als 1 mSv oder höhere Organdosen als 15 mSv für das Auge oder 50
mSv für die Haut, die Hände, die Unterarme, die Füße und Knöchel erhalten
können,
Arbeitsumgebung 859

(2) Kontrollbereiche sind Bereiche, in denen Personen im Kalenderjahr eine


effektive Dosis von mehr als 6 mSv oder höhere Organdosen als 45 mSv für
die Augenlinse oder 150 mSv für die Haut, die Hände, die Unterarme, die
Füße und Knöchel erhalten können,
(3) Sperrbereiche sind Bereiche des Kontrollbereichs, in denen die
Ortsdosisleistung höher als 3 mSv je Stunde sein kann. Sperrbereiche sind
abzugrenzen und zu kennzeichnen und gegen unkontrolliertes Hineingelan-
gen von Personen, auch mit einzelnen Körperteilen, zu sichern. Der Aufent-
halt in Sperrbereichen ist grundsätzlich verboten und nur ausnahmsweise für
notwendige Betriebsvorgänge oder aus zwingenden betrieblichen Gründen
unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen erlaubt. Der Zutritt darf den im
Kontrollbereich zugelassenen Personen nur unter Kontrolle eines Strahlen-
schutzbeauftragen oder einer von ihm beauftragten fachkundigen Person ge-
stattet werden.
Maßgebend bei der Festlegung der Grenze von Kontrollbereich oder Überwa-
chungsbereich ist eine Aufenthaltszeit von 40 Stunden je Woche und 50 Wochen
im Kalenderjahr, soweit keine anderen begründeten Angaben über die Aufent-
haltszeit vorliegen. Zudem sind Kontrollbereiche und Sperrbereiche voneinander
abzugrenzen und deutlich sichtbar mit dem Zusatz „Kontrollbereich“ oder „Sperr-
bereich – Kein Zutritt“ zu kennzeichnen.
Zum Schutz vor einer Strahlungsbelastung kann die zuständige Behörde zusätz-
lich den Strahlenschutzverantwortlichen eines Unternehmens verpflichten, eine
Strahlenschutzanweisung zu erlassen, in der die entsprechenden Strahlenschutz-
maßnahmen aufgeführt sind. Zu diesen Maßnahmen gehören in der Regel (RöV
§ 15A):
(1) das Aufstellen eines Plans für die Organisation des Strahlenschutzes, ggf. mit
der Bestimmung, dass ein oder mehrere Strahlenschutzbeauftragte bei einer
genehmigungspflichtigen Tätigkeit ständig anwesend oder sofort erreichbar
sein müssen,
(2) die Regelung eines für den Strahlenschutz wesentlichen Betriebsablaufs,
(3) die für die Ermittlung der Körperdosis vorgesehenen Messungen und Maß-
nahmen,
(4) die Führung eines Betriebsbuchs, in das die für den Strahlenschutz wesentli-
chen Betriebsvorgänge einzutragen sind,
(5) die regelmäßige Funktionsprüfung und Wartung von Röntgeneinrichtungen
oder Störstrahlern einschließlich der Ausrüstungen und Vorrichtungen, die
für den Strahlenschutz wesentlich sind sowie die Führung von Aufzeichnun-
gen über Funktionsprüfungen und Wartungen und
(6) die Regelung des Schutzes gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkun-
gen Dritter oder gegen das unerlaubte Inbetriebsetzen einer Röntgeneinrich-
tung oder eines Störstrahlers.
Für alle beruflich strahlenexponierten Personen muss in der Regel die erhaltene
Körperdosis ermittelt werden. Es besteht zudem ein zentrales Strahlen-
860 Arbeitswissenschaft

schutzregister, in dem die aufgenommene, personenbezogene Dosis und weitere


Angaben gespeichert werden. Das Strahlenschutzregister ist die zentrale Einrich-
tung des Bundes zur Überwachung der Einhaltung von Grenzwerten für die zuläs-
sigen Jahresdosen und die Berufslebensdosis sowie die Ausgabe von Strahlenpäs-
sen. In Deutschland gibt es aktuell 350.000 Personen, die als beruflich strahlenex-
poniert gelten (BfS 2008a). Zwei Drittel dieses Personenkreises arbeitet im medizi-
nischen Bereich. Seit August 2003 wird zudem das fliegende Personal strahlen-
schutzüberwacht und somit im Strahlenschutzregister geführt.
Arbeitsumgebung 861

9.4 Klima

Unter den Umgebungsfaktoren, denen der Mensch am Arbeitsplatz (und nicht nur
dort) ausgesetzt ist, spielt das Klima eine wesentliche Rolle. Unter Klima ist auf
den Menschen bezogen das Zusammenwirken der folgenden vier Klimafaktoren
zu verstehen:
(1) Lufttemperatur
(2) Luftfeuchtigkeit
(3) Windgeschwindigkeit
(4) Wärmestrahlung.
Diese Klimafaktoren haben sowohl physiologische als auch psychologische
Wirkungen.
Die Arbeit unter besonderen Luftdrücken (besonders hoch in Cais-
son/Taucherglocken, besonders niedrig im Bergbau in den Anden in mehr als
4000 m Höhe) wird hier als Sonderproblem ausgeklammert. Es sei u.a. auf die
Luftfahrt- und Tauchphysiologie verwiesen (STEGEMANN 1984).
Die Bedeutung des Klimas ergibt sich aus der Abhängigkeit der Funktionswei-
se des menschlichen Organismus von bestimmten Klimazuständen. So ist der
Mensch nur bei einer Körpertemperatur von ca. 35-40°C arbeitsfähig, wobei die
Normaltemperatur bekanntermaßen bei 37°C liegt.
Mit Hilfe der Wärmeregulationsmechanismen des menschlichen Organismus
muss ein Gleichgewicht zwischen der körpereigenen Wärmeproduktion und den
externen Klimaeinflüssen hergestellt werden. Eine sich einstellende klimatische
Behaglichkeit, die eine Bedingung für das Wohlbefinden des Menschen und seine
Leistungsfähigkeit ist, kann folglich als ein Zustand mit minimalen Regulationser-
fordernissen charakterisiert werden. Behagliche Klimazustände werden jedoch
individuell sehr unterschiedlich empfunden, wie Abb. 9.32 zeigt.
Daraus folgt, dass ein bestimmtes Klima von einer Gruppe von Personen als
behaglich empfunden wird, gleichzeitig aber dieses Klima von anderen Personen
als zu warm bzw. als zu kalt eingeschätzt wird. In der Praxis bleibt dann nur die
Möglichkeit der individuellen Anpassung durch entsprechende Wahl der Klei-
dung. Dieser Umstand zeigt, dass es praktisch unmöglich ist, ein für alle Personen
„optimales“ Klima am Arbeitsplatz einzustellen. Dennoch lassen sich aus der
Analyse des Klimas Rückschlüsse auf die Gestaltung einzelner Klimafaktoren
ziehen bzw. können damit auch Toleranzgrenzen (beispielsweise für Hitze- oder
Kältearbeit) festgelegt werden, um die Beanspruchung des Menschen durch das
Klima in einem nicht gesundheitsgefährdenden und erträglichen Rahmen zu hal-
ten.
862 Arbeitswissenschaft

Abb. 9.32: Individuelle Unterschiede thermischer Empfindungen. Beurteilung verschiede-


ner Umgebungstemperaturen durch 1296 leicht bekleidete, sitzende Personen bei 50%
relativer Luftfeuchtigkeit, 0,1 m/s Windgeschwindigkeit und gleicher Wärmestrahlung
(nach FANGER 1972, aus SCHMIDTKE 1981)

9.4.1 Physikalische Grundlagen


Unter Klima versteht man die physikalischen Bedingungen am Arbeitsplatz, die
durch die genannten vier Klimafaktoren Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftge-
schwindigkeit und Wärmestrahlung repräsentiert werden.
Lufttemperatur bezeichnet die Temperatur des umgebenden Mediums Luft. Sie
wird in °C gemessen.
Die Luftfeuchtigkeit beschreibt den Wasserdampfgehalt der Luft. Bei der An-
gabe „relative Feuchte (r. F.) in %“ wird der Grad der Sättigung der Luft mit Was-
serdampf erfasst. Die absolute Feuchtigkeit gibt die Wasserdampfmasse pro Luft-
menge an. Sie wird in g/m3 Luft gemessen. Der Wasserdampfdruck in kPa kann
ebenfalls als Maß für die Sättigung der Luft mit Wasserdampf verwendet werden.
Alternativ kann die relative Feuchte mit der Feuchttemperatur ausgedrückt wer-
den. Diese ergibt sich durch den Wärmeverlust, der beim Vorbeistreichen von
Luft an einem befeuchteten Thermometer durch Verdunstung entsteht.
Als Luftgeschwindigkeit bezeichnet man die Strömungsgeschwindigkeit der
Luft. Sie wird in m/s gemessen.
Der Begriff Wärmestrahlung beschreibt den Wärmeübergang durch Strahlung
zwischen zwei Körpern unterschiedlicher Temperatur (siehe Kapitel 10.3). Dabei
wird stets thermische Strahlungsenergie vom höheren zum niedrigeren Potential
(kälterer Körper) übertragen. Die Intensität der Strahlung wird als Wärmestrom-
dichte oder als Wärmestrahlung in W/m2 ausgedrückt.

9.4.2 Physiologische Grundlagen


Der Mensch ist als homoiothermes (warmblütiges) Lebewesen darauf angewiesen,
einen stabilen und ausgeglichenen Wärmehaushalt zu haben. Dabei muss im Kör-
Arbeitsumgebung 863

perkern (Körperstamm, einschließlich Kopf) eine weitgehend gleich bleibende


Temperatur von 37°C ± 0,8°C eingehalten werden, wobei kurzzeitige Schwan-
kungen (Fieber, Überhitzung, Unterkühlung) vertretbar sind. Die peripheren Or-
gane (Haut, Extremitäten) besitzen in der Regel eine niedrigere Temperatur. Die
notwendige Wärmeproduktion wird durch die metabolischen Prozesse in den
inneren Organen und durch die Muskeltätigkeit gewährleistet. Dem steht ein
Wärmeaustausch mit der Umgebung gegenüber, der auf unterschiedliche Weise
geschehen kann:
x Wärmeleitung (auch an Festkörper) und Konvektion an die den Menschen
umhüllende Luft – hierfür ist ein Temperaturunterschied erforderlich. Ist die
Umgebung kälter, so kommt es zu einer Abkühlung des Körpers. Wenn die
Umgebung wärmer ist (befindet sich z.B. in der Umgebung ein Ofen), so ist
eine zusätzliche Erwärmung des Körpers zu beobachten. Für den Wärmeaus-
tausch pro Zeiteinheit über die Fläche AL gilt bei Wärmeleitung das Gesetz
von Fourier (BAEHR u. STEFAN 2006):

QL D ˜ (tO  t L ) ˜ AL (9.33)

D: Wärmeübergangskoeffizient
tO: Oberflächentemperatur des Körpers
tL: Temperatur der umgebenden Luft
Der Wärmeübergangskoeffizient D hängt von der Geschwindigkeit des Me-
diums ab, das einen Körper überströmt. Da exakte Formeln zur Berechnung
des Wärmeübergangs an überströmten Körpern nur für wenige einfache Fälle
vorliegen, werden in der Regel empirisch ermittelte Funktionen verwendet
(siehe hierzu BAEHR u. STEFAN 2006).
x Strahlung – auch hier ist eine Temperaturdifferenz zur Wärmeabgabe bzw.
-aufnahme Voraussetzung. Eine Wärmeaufnahme ist z.B. bei Hitzearbeits-
plätzen oder in der Sonne der Fall, eine Wärmeabgabe ist stets unter so ge-
nannten Normalklima-Bedingungen zu verzeichnen.
Für den Wärmeaustausch pro Zeiteinheit durch Strahlung über eine am
Strahlungsaustausch beteiligte Körperoberfläche AS gilt:

QS V ˜ H ˜ TO4  TU4 ˜ AS (9.34)

V Strahlungskonstante
H Strahlungszahl (wellenlängen- bzw. personenabhängig)
TO: Oberflächentemperatur, Körper
TU: Oberflächentemperatur, umgebende Flächen
x Durch Verdunstung (Schweißsekretion oder Wasserdampfabgabe über die
Lunge) kann nur Wärme abgegeben werden. Besonders durch Schwitzen
kann eine wirksame Wärmeabgabe erfolgen, allerdings nur unter der Voraus-
864 Arbeitswissenschaft

setzung, dass die umgebende Luft Wasserdampf aufnehmen kann. Dabei ist
darauf zu achten, dass kein Schweiß abtropft, da in diesem Fall keine Ver-
dunstungskälte entstehen kann. Es ist also nur die unmerkliche Schweißab-
sonderung (perspiratio insensibilis) im Sinne einer Wärmeabgabe effektiv.
Für den Wärmeübergang pro Zeiteinheit bei Verdunstung über eine Körper-
oberfläche AV gilt:

QV E ˜ PO  PL ˜ AV (9.35)

E = Verdunstungszahl
PO = Dampfdruck, Körperoberfläche
PL = Dampfdruck, umgebende Luft
Für den Transport der Wärme vom Entstehungsort (Muskulatur, Körperinneres)
zum Ort des Wärmeaustauschs (Hautoberfläche, Lunge) ist der Blutkreislauf ver-
antwortlich. Abb. 9.33 zeigt schematisch den Wärmeaustausch des Menschen mit
der Umgebung. Ziel der Wärmeregulation (auch Thermoregulation) des Menschen
ist es, eine ausgeglichene Wärmebilanz des Körpers zur Aufrechterhaltung der
Körpertemperatur zu erreichen. Die gebildete Wärme muss also der durch Lei-
tung, Konvektion, Strahlung und Verdunstung abgegebenen Wärme entsprechen.
In begrenztem Maße ist zur Erhaltung der Wärmebilanz eine Wärmespeicherung
im Körper (Erhöhung der Kerntemperatur und Ausdehnung der Bereiche höherer
Temperatur vom Körperkern in die Körperschale) möglich. Die Wärmebilanz des
Menschen kann in Form einer Gleichung wie folgt dargestellt werden (EISSING
1988):

S M W r C r K r R  E (9.36)
S: Wärmespeicherung
M: Metabolische Wärmeproduktion
W: Abgegebene Nutzarbeit
C: Konvektiver Wärmetausch
K: Konduktiver Wärmetausch
R: Wärmeaustausch durch Strahlung
E: Wärmeabgabe durch Schweißverdunstung
í Abgabe
+ Aufnahme
Arbeitsumgebung 865

Abb. 9.33: Wärmeabgabe an die Umgebung (aus BGI 523: Mensch und Arbeit 2005)

Zu Abweichungen des Sollwerts der Körperkerntemperatur kann es kommen,


wenn der Mensch besonders kalten oder warmen Klimazuständen ausgesetzt ist
oder seine Wärmeproduktion durch Muskelarbeit steigt (siehe Abb. 9.34). Zur
Thermoregulation können verschiedene Mechanismen herangezogen werden: Bei
drohender Abkühlung kann ein wärmerer Ort aufgesucht werden, oder es können
wärmere Kleider (Erhöhung der Bekleidungsisolation) getragen werden. Es kann
866 Arbeitswissenschaft

aber auch die interne Wärmeproduktion gesteigert werden, z.B. durch aktive Betä-
tigung der Muskulatur oder durch (unbewusstes) Kältezittern. Die Drosselung der
Hautdurchblutung bewirkt eine Senkung der Hauttemperatur und damit ebenfalls
eine verminderte Wärmeabgabe.

Abb. 9.34: Gegenüberstellung der Wärmeproduktion, der Wärmeaufnahme und der Wär-
meabgabe bei einer bestimmten Tätigkeit in Abhängigkeit von der Raumtemperatur (nach
WENZEL 1961)

Ein Anstieg der Körpertemperatur kann dagegen durch folgende Maßnahmen


verhindert werden: Eine verstärkte Durchblutung der Extremitäten erhöht zum
einen die Wärmespeicherkapazität des Körpers und ermöglicht andererseits durch
das höhere Temperaturgefälle eine erhöhte Wärmeabgabe durch Leitung und
Konvektion sowie durch Strahlung. Wenn die Temperatur der Umgebung die der
Haut erreicht, kann eine Wärmeabgabe nur noch über Verdunstung erfolgen, die
durch eine erhöhte Schweißbildung ermöglicht wird. Eine stärkere Luftbewegung
Arbeitsumgebung 867

unterstützt diesen Effekt. Schließlich kann der Mensch auch durch Ablegen von
Kleidung (Verringerung der Bekleidungsisolation) oder durch Aufsuchen einer
kälteren Umgebung eine Überhitzung vermeiden.
Die beschriebenen Effekte können natürlich auch durch externe Maßnahmen
unterstützt werden, z.B. durch eine geeignete Klimatisierung, durch entsprechende
Arbeitspausen etc.

9.4.3 Menschbezogene Modellierung von Klimafaktoren

9.4.3.1 EmpfindensbezogeneĆModellierungĆ
Wie eingangs geschildert, ist das Empfinden eines bestimmten Klimazustandes im
Wesentlichen von den vier Klimafaktoren abhängig. Selbst bei einer einzigen
Kombination der vier Klimafaktoren ist die Wirkung des Klimas auf den Men-
schen durchaus unterschiedlich. Zudem hängt z.B. die empfundene Temperatur in
hohem Maße von der körperlichen Aktivität und von der Bekleidung ab. Zur Cha-
rakterisierung der Bekleidung wird deren Isolation herangezogen. Der Isolations-
wert von Bekleidung wird in der Pseudoeinheit [clo] („clothing“) angegeben. Es
gilt folgende Beziehung: 1 clo = 0,043 °C · m² · h/kJ.
Die Bekleidung mit dem Isolationswert von 1 clo lässt eine Wärmemenge von
23 kJ/h pro m² bei 1 °C Temperaturdifferenz zwischen Innen- und Außenfläche
der Bekleidung entweichen. Der Einfluss der Art der Kleidung auf den thermi-
schen Widerstand ist in Tab. 10.16 dargestellt.
Daraus ergibt sich, dass eine hinreichende Beschreibung des Zustands thermi-
scher Behaglichkeit nur durch die vier Klimafaktoren in Verbindung mit den An-
gaben zur Arbeitsschwere und zur Bekleidung möglich ist (siehe Abb. 9.35).
FANGER (1972) bildet aus diesen Faktoren eine „Komfort-Gleichung“, die ein
Klimasummenmaß für den Behaglichkeitsbereich darstellt. Mit dieser Komfort-
Gleichung lässt sich errechnen, ob ein Zustand der Behaglichkeit erreicht werden
kann, bzw. wie groß die Abweichung von diesem Zustand ist. Darüber hinaus
lassen sich, ausgehend von dem Behaglichkeitsbereich, die einzelnen Klimafakto-
ren gezielt bestimmen. Damit ist es möglich, unterschiedliche Variationen der
Klimafaktoren miteinander zu vergleichen. Zunächst wird ein so genannter PMV-
Index (Predicted Mean Vote) bestimmt, der dem vorhergesagten Durchschnitts-
wert der thermischen Beurteilung auf einer psycho-physiologischen Skala
(von -3,0 = kalt bis +3,0 = heiß) entspricht. Hier gehen die vier Klimafaktoren, der
Metabolismus als Maß für das Aktivitätsniveau der körperlichen Arbeit und die
Isolation der Bekleidung ein (genaue Formel siehe z.B. OLESEN 1986).
868 Arbeitswissenschaft

Tabelle 9.16: Thermischer Widerstand unterschiedlicher Bekleidung in clo


(nach FANGER 1972 und FRANK 1975)

Unbekleidet 0
Shorts 0,1
Tropenkleidung: offenes, kurzes Hemd, kurze Hose, leichte Socken, Sandalen 0,3-0,4
Leichte Sommerkleidung: offenes, kurzes Hemd, leichte Hose, leichte Socken, 0,5
Schuhe
Leichte Arbeitskleidung: kurze Unterhose, offenes Arbeitshemd oder leichte 0,6
Jacke, Arbeitshose, Wollsocken, Schuhe
Leichte Außensportkleidung: kurzes Unterzeug, Trainingsjacke, -hose, Socken, 0,9
Turnschuhe
Feste Arbeitskleidung: lange Unterwäsche, einteiliger Arbeitsanzug, Socken, 1,0
feste Schuhe
Leichter Straßenanzug: kurze Unterwäsche, geschlossenes Oberhemd, leichte 1,0
Jacke, lange Hose, Socken, Schuhe
Leichter Straßenanzug mit leichtem Mantel 1,5
Fester Straßenanzug: lange Unterwäsche, geschlossenes Oberhemd, feste 1,5
Jacke und Hose, Weste aus Tuch oder Wolle, Wollsocken, Schuhe
Kleidung für nass-kaltes Wetter: lange Unterwäsche, geschlossenes langes 1,5-2,0
Oberhemd, feste Jacke und Hose, Pullover, Wollmantel, Wollsocken, feste
Schuhe
Polarkleidung ab 3,0

Weiterhin sind bei der Berechnung verschiedene Randbedingungen zu beachten


wie beispielsweise eine thermische Isolation der Kleidung zwischen 0 und 2 clo,
eine Lufttemperatur zwischen 10°C oder 30°C oder Luftgeschwindigkeit kleiner
als 1 m/s. Die Berechnung selbst ist häufig direkt in Messgeräte integriert, die als
Ergebnis einer Klimamessung den PMV bestimmen. Mit Hilfe des PMV kann der
PPD (Predicted Percentage of Dissatisfied) bestimmt werden, der den Anteil
„Klimaunzufriedener“ angibt. So sind beispielsweise schon bei einem PMV von -
1,0 (=„etwas kühl“) annähernd 30 % der Personen mit der Klimasituation nicht
zufrieden. Eine überwiegend akzeptierte thermische Umgebung wird durch PMV-
Werte zwischen -0,5 und +0,5 erreicht, was einem PPD von unter 10 % entspricht.
Die Indizes PMV und PPD sind in der Norm ISO 7730 übernommen und zur
Beurteilung gemäßigter thermischer Umgebung empfohlen worden.
Andere Klimasummenmaße gehen von festen Randbedingungen aus und sind
damit wesentlich leichter zu berechnen, gelten aber auch nur für den jeweils kon-
kreten Fall.
Dazu zählen die Effektivtemperaturen, deren Prinzip darauf beruht, dass ver-
schiedene Kombinationen der drei Grundgrößen Lufttemperatur, Feuchttempera-
tur und Luftgeschwindigkeit ein gleiches subjektives Klimaempfinden bewirken.
Als Beispiel sei die Normaleffektivtemperatur (NET) nach YAGLOU u. MINARD
1957 (siehe WENZEL u. PIEKARSKI 1982) genannt, bei der als Variablen die Tro-
Arbeitsumgebung 869

ckentemperatur (bzw. bei Vorhandensein einer Wärmestrahlung die


Globetemperatur, welche zusätzlich zur Trockentemperatur auch einen Wärmest-
rahlungseinfluss berücksichtigt und damit einen integrierten Wert aus Trocken-
temperatur, Luftgeschwindigkeit und Strahlungstemperatur darstellt), die Feucht-
temperatur und die Luftgeschwindigkeit eingesetzt werden können (Abb. 9.36).
Die Normaleffektivtemperatur gilt für den normal bekleideten Menschen bei ge-
ringer körperlicher Aktivität.
Eine Variation, die Basiseffektivtemperatur (BET), bezieht sich auf den Men-
schen mit unbekleidetem Oberkörper und eignet sich als Ausgangswert für die
Berücksichtigung unterschiedlicher zusätzlicher Bekleidung.

Abb. 9.35: Abhängigkeit der Behaglichkeitstemperatur von der Arbeitsschwere und von
der Bekleidung (nach FANGER 1972 aus WENZEL u. PIEKARSKI 1982)

Über diese beiden Klimasummenmaßen hinaus wurden zahlreiche weitere, die


häufig nur für spezielle Anwendungsfälle gültig sind, entwickelt. Es sei, als Bei-
spiel, der HSI (Heat-Stress-Index) nach BELDING u. HATCH (1955) genannt, der
den Energieumsatz einbezieht und für Hitzearbeit angewendet wird. Beim HSI
wird, ausgehend von einer Berechnung der Wärmebilanz des Menschen, die zur
Aufrechterhaltung der Wärmebilanz abzuführende Wärme durch Schweißverduns-
tung ins Verhältnis gesetzt zur maximal möglichen Verdunstung bei den vorlie-
genden Klimabedingungen.
Der HSI kann Werte von 0 (keine thermische Belastung) bis über 100 (maxi-
male Klimabelastung, die nur von überdurchschnittlich leistungsfähigen, hitzeak-
klimatisierten jungen Männern täglich ertragen werden kann) annehmen; eine
Einschätzung erfolgt mit einer Tabelle, die die Wirkung auf den arbeitenden Men-
schen bei 8-stündiger Belastung in Abhängigkeit von HSI-Werten beschreibt (z. B.
in WENZEL u. PIEKARSKI 1982).
870 Arbeitswissenschaft

Abb. 9.36: Nomogramm zur Ermittlung der Normaleffektivtemperatur NET nach


YAGLOU u. MINARD 1957 (aus WENZEL u. PIEKARSKI 1982)

9.4.3.2 PhysiologischeĆModellierungĆ
Auch der P4 SR-Index (Predicted-Four-Hour-Sweat-Rate-Index) von McARDLE et
al. (1947) ist für die Anwendung bei Hitzearbeit konzipiert und erlaubt die Be-
stimmung von Toleranzgrenzen bei Hitzearbeit über die Vorhersage der zu erwar-
Arbeitsumgebung 871

tenden Schweißrate bei vierstündiger Exposition sowie den Vergleich mit Grenz-
werten. Im Gegensatz zum HSI, der aus der Wärmebilanzgleichung des Menschen
abgeleitet wurde, basiert der P4 SR-Index auf zahlreichen Messungen (WENZEL u.
PIERKARSKI 1982 geben die Zahl von über 700 an), bei denen die Schweißabgabe bei
vierstündiger Exposition bestimmt wurde. Der WBGT-Index (Wet Bulb-Globe
Temperature Index) nach YAGLOU u. MINARD (1957) ist ebenso für Hitzearbeits-
plätze entwickelt worden und hat sich vor allem in den USA als Klimasummen-
maß etabliert. Eine umfassende Darstellung verschiedener Klimasummenmaße,
sowie eine Einschätzung deren Eignung, findet sich bspw. bei WENZEL u.
PIEKARSKI (1982) sowie bei EISSING (1988).

9.4.3.3 RezeptorenĆ
Die Möglichkeiten des Menschen, ohne Hilfsmittel den Zustand des Umgebungs-
klimas zu erfassen, sind begrenzt. Im Grunde genommen stehen ihm nur die
Thermorezeptoren der Haut und die des Blutkreislaufs zur Verfügung. Damit kann
eine Aussage über „warm“ oder „kalt“ getroffen werden. Die Luftgeschwindigkeit
und die Wärmestrahlung lassen sich nur indirekt erfassen. Beide Faktoren bewir-
ken in der Regel eine Veränderung der Hauttemperatur und diese kann dann durch
die entsprechenden Rezeptoren registriert werden. Eine direkte Aussage über die
Luftfeuchtigkeit ist ebenfalls nicht möglich. Hier ist der Mensch auf die Reaktion
des Körpers angewiesen. So ist z.B. als Folge zu niedriger Luftfeuchtigkeit ein
Austrocknen der Schleimhäute festzustellen, die wiederum direkt spürbar wird.
Aus diesem Grunde wird es auch verständlich, dass der Mensch eigentlich nur
bei der Lufttemperatur zu quantitativen Aussagen in begrenztem Maße in der Lage
ist. Beim Vorhandensein von beispielsweise trocken-heißen oder von feucht-
warmen Klimazuständen versagt in der Regel auch die Fähigkeit des Menschen,
die Temperatur realistisch einzuschätzen. An dieser Stelle wird auch deutlich, dass
es nicht sinnvoll ist, einzelne Klimafaktoren isoliert zu betrachten. Dennoch ist es
in der Regel erforderlich, die vier Faktoren zunächst einzeln zu erfassen.

9.4.4 Wirkung anormaler Klimabedingungen auf den Menschen


Die Auswirkungen anormaler Klimabedingungen sind vielfältig. Beim Menschen
werden folgende Reaktionen auf anormale Klimabedingungen beobachtet:
x Minderung des Denkvermögens, der Aufmerksamkeit und des Reaktions-
vermögens sowie der Arbeitsfreude
x Beeinträchtigung des Sicherheitsverhaltens
x Höhere Arbeitsanstrengung
x Häufigere Erkrankungen
x evtl. Dauerschäden.
Die Folgen anormaler Klimabedingungen für den Betrieb resultieren aus den
Wirkungen auf die Mitarbeiter. Aus den o.g. Reaktionen können sich im Betrieb
folgende Probleme einstellen:
872 Arbeitswissenschaft

x Minderung der Leistung nach Qualität und Quantität


x Höhere Erholungszuschläge
x Höhere Arbeitswerte
x Mehr Fehlzeiten und Unfälle.

9.4.5 Messung

9.4.5.1 LufttemperaturĆ

Bei der Messung der Lufttemperatur wird in der Regel die sog. Trockentempera-
tur, d.h. die Temperatur der umgebenden Luft, bestimmt. Als Messgerät sind Inf-
rarot- oder Flüssigkeitsthermometer, Widerstandsthermometer oder Thermo-
elemente gebräuchlich. Bei den Flüssigkeitsthermometern wird die Volumenände-
rung in Abhängigkeit von der Temperatur als Messgröße herangezogen. Sie sind
im Aufbau einfach und universell einsetzbar. Da jedoch stets die Temperatur des
Messfühlers gemessen wird, muss darauf geachtet werden, dass dieser auch die zu
messende Temperatur der Luft annimmt. Dies gilt natürlich auch für die anderen
beschriebenen Messgeräte. Deshalb ist eine gewisse Einstellzeit zu beachten.
Ferner muss vermieden werden, dass der Fühler durch andere Klimafaktoren eine
Temperaturänderung erfährt (z.B. durch Wärmestrahlung). Aus diesem Grund
sollte eine Abschirmung angebracht werden.
Bei den Widerstandsthermometern wird ein zur Temperatur proportionaler
elektrischer Widerstand registriert. Es können Halbleiter- und Metallwiderstände
verwendet werden. Vorteilhaft sind die geringe Einstellzeit, die durch die sehr
kleinen Fühler erreicht wird, sowie der große Messbereich. Bei der Temperatur-
messung mit Thermoelementen wird die Spannungsdifferenz zwischen zwei verlö-
teten unterschiedlichen Metallen ausgenutzt, die temperaturabhängig ist. Die Vor-
teile ähneln denen der Widerstandsthermometer. Beide elektrischen Thermometer
eignen sich zur automatisierten kontinuierlichen Temperaturüberwachung und -
steuerung. Neben den dargestellten Messprinzipien werden oft auch noch Ther-
mometer verwendet, die auf dem Prinzip der temperaturabhängigen Formände-
rung eines Bimetallstreifens basieren.

9.4.5.2 LuftfeuchtigkeitĆ
Bei der Messung der Luftfeuchtigkeit können verschiedene Messprinzipien ange-
wendet werden. Beim klassischen Haarhygrometer wird die Längenänderung von
Haaren unter Feuchtigkeitseinfluss zur direkten Anzeige der relativen Feuchtigkeit
ausgenutzt. Diese Messgeräte sind im Verhältnis zu neueren Entwicklungen unge-
nau, jedoch reicht ihre Genauigkeit für eine orientierende Messung.
Auch bei den elektrolytischen Feuchtemessgeräten wird die Eigenschaft eines
hygroskopischen Materials, seine elektrische Leitfähigkeit in Abhängigkeit von
der Luftfeuchte zu ändern, als Messprinzip genutzt. Diese Geräte sind weitgehend
wartungsfrei, müssen jedoch von Zeit zu Zeit nachkalibriert werden.
Arbeitsumgebung 873

Bei kapazitiven Messwertaufnehmern werden ebenfalls die feuchtigkeitsabhän-


gigen Eigenschaften eines Dielektrikums zur Messwerterfassung ausgenutzt.
Als klassisches Messgerät zur Erfassung der Luftfeuchte kann das
Assmann‘sche Aspirations-Psychrometer angesehen werden.
Bei diesem psychrometrischen Prinzip wird die Luftfeuchte indirekt bestimmt;
als Messgröße dient die Feuchttemperatur, wobei die Differenz zur Trockentempe-
ratur zur Berechnung der relativen Feuchte herangezogen wird. Im Gerät befinden
sich zwei Temperaturfühler. Ein Fühler misst die Trockentemperatur, der zweite
Fühler ist mit einem befeuchteten Gewebestrumpf umhüllt und wird kontinuierlich
ventiliert; damit wird die sich einstellende Feuchttemperatur gemessen. Die vor-
beiströmende Luft nimmt dabei Feuchtigkeit auf und entzieht dem Fühler Wärme
(Verdunstungskälte).
Je trockener die Luft ist, desto mehr Feuchtigkeit kann sie aufnehmen. Es wird
sich also auf Grund der größeren Verdunstungskälte eine niedrigere Feuchttempe-
ratur ergeben. Bei 100 % r. F. kann keine Verdunstung stattfinden; Trocken- und
Feuchttemperatur sind in diesem Fall gleich. Mit Hilfe des hinsichtlich der Bezie-
hung zwischen Feucht- und Trockentemperatur modifizierten h,x-Diagramms,
siehe Abb. 9.37, lässt sich die relative Luftfeuchte ermitteln. Bei neueren
Systemen geschieht dies durch einen Mikroprozessor im Messgerät.

Abb. 9.37: Ableitung von Luftfeuchtigkeitswerten – Wasserdampfdruck und rel. Feuchte –


aus Trockentemperatur und Feuchttemperatur

9.4.5.3 WärmestrahlungĆ

Die Erfassung der Wärmestrahlung kann nach dem Prinzip des


Globethermometers erfolgen (Abb. 9.38). Dabei ist ein Flüssigkeitsthermometer
im unteren Bereich (Messfühler) mit einer matt geschwärzten Hohlkugel umge-
874 Arbeitswissenschaft

ben. Durch den hohen Absorptionsgrad findet ein Strahlungswärmeaustausch mit


den umgebenden Flächen statt. Bei vorliegender Wärmestrahlung wird die Kugel
erwärmt und das Flüssigkeitsthermometer zeigt eine erhöhte Temperatur, die
Globetemperatur, an. Geräte dieser Art eignen sich für eine orientierende Mes-
sung. Nachteilig wirkt sich die lange Einstellzeit aus. Des Weiteren ist zu bemer-
ken, dass die Globetemperatur bei Vorliegen einer Luftbewegung nicht mehr der
Strahlungstemperatur entspricht, da die Hohlkugel zusätzlich abgekühlt wird. In
diesem Fall ist der Wert der Strahlungstemperatur mit Nomogrammen zu ermit-
teln.

Abb. 9.38: Globethermometer, schematisch, aus WENZEL u. PIEKARSKI (1982)

Mit dem Steradiometer kann der auf den Menschen bezogene Strahlungswär-
meaustausch erfasst werden. Da aufgrund unzureichender Kalibrierung und unge-
nügender konvektiver Abschirmung der Empfängerflächen Messfehler auftreten
können, wurde ein verbessertes Wärmeabstrahlungs-Messgerät zur Erfassung der
mittleren Strahlungstemperatur ts und der effektiven Bestrahlungsstärke Eeff entwi-
ckelt.
Dieses Messgerät arbeitet nach dem gleichen Prinzip, hat jedoch zur Erfassung
der Wärmestrahlung zwei thermische Sensoren: Ein Sensor ist hoch absorbierend
beschichtet, und der andere ist hoch reflektierend beschichtet. Aus der sich (bei
Vorliegen einer Wärmestrahlung) einstellenden Temperaturdifferenz der Sensoren
kann sowohl die Wärmestrahlung als auch die Temperatur der angepeilten Fläche
ermittelt werden. Dieses Gerät ist wahlweise für den unidirektionalen Betrieb
(also in einer Richtung) oder für die Messung der sechs Raumachsen einsetzbar.
Arbeitsumgebung 875

Da die Sensoren stets einen bestimmten Raumwinkel erfassen, ist somit auch der
gesamte umschließende Raum einbezogen.

9.4.5.4 ErmittlungĆvonĆKlimasummenmaßenĆ
Die Ermittlung von Klimasummenmaßen kann nicht nur rechnerisch erfolgen,
sondern auch mit sog. Raumklima-Analysatoren. Dabei werden in der Regel so-
wohl die Klimafaktoren einzeln erfasst und angezeigt als auch ein oder mehrere
Klimasummenmaße errechnet. So wird häufig der Index „Thermal Comfort“ nach
FANGER 1972 bestimmt. Die Einstellung der geschätzten oder gemessenen musku-
lären Belastung, der Bekleidungsisolation und des Wasserdampfdruckes ermög-
licht die direkte Anzeige der Abweichung von der vorhergesagten mittleren Be-
haglichkeitstemperatur (PMV). Der Messfühler ist so konstruiert, dass er den
Wärmeaustausch des Menschen mit der Umgebung realistisch erfassen kann.
Andere Geräte weisen als Klimasummenmaße die empfundene Temperatur, die
Indices NET oder BET, den WBGT-Index oder den HSI aus.
Bei der Verwendung von integrierenden Klimamessgeräten ist stets darauf zu
achten, dass die Randbedingungen dem verwendeten Klimasummenmaß entspre-
chen, da bestimmte Klimasummenmaße z.B. nur für heiße Klimazustände, nur für
leichte körperliche Arbeit oder ähnlich begrenzte Einsatzfelder gelten. Dennoch ist
deren Einsatz oft dann sinnvoll, wenn als Toleranzgrenzwert ein bestimmtes Kli-
masummenmaß vorgegeben ist, welches aus Einzelmessungen häufig nur schwer
bestimmt werden kann.

9.4.6 Bewertung und Beurteilung


Bei der Bewertung des Einflusses eines bestimmten Umgebungsklimas werden die
Klimasummenmaße herangezogen, denn sie ermöglichen die Einschätzung eines
Klimazustandes mit nur einer Zustandsgröße. Der Vergleich dieser Größe mit
einer Sollgröße dient der Beurteilung.
Geringe Abweichungen von dieser Sollgröße können zu einem klimatischen
Unbehagen führen, welches jedoch noch keinen Einfluss auf den Gesundheitszu-
stand oder auf die Arbeitsleistung haben muss. Eine Intervention sollte dennoch
angestrebt werden. Andererseits können geringe Abweichungen auch einen positi-
ven Effekt bewirken. Dies ist dann der Fall, wenn damit eine sog. Klima-
Monotonie vermieden werden kann (ein wichtiges Problem bei klimatisierten
Räumen). Ein Beispiel dazu: Der Sollwert einer Raumklimatisation sollte immer
in Abhängigkeit vom „Außenklima“ eingestellt werden, d.h., dass z.B. an einem
heißen Sommertag die Raumlufttemperatur von 26°C noch als angenehm kühl
empfunden wird, die gleiche Temperatur würde jedoch an einem Wintertag als zu
warm eingestuft. Damit wird nicht nur dem Temperaturempfinden des Menschen
Rechnung getragen, sondern auch den Kleidungsgewohnheiten.
Bei stärkeren Abweichungen von diesem Sollwert sind dagegen durchaus schon
Beeinträchtigungen gesundheitlicher Art und auch der Arbeitsleistung zu erwar-
876 Arbeitswissenschaft

ten. Dies wird dann der Fall sein, wenn z.B. durch zu hohe Temperaturen ein
konzentriertes Arbeiten nicht mehr möglich ist oder wenn auf Grund zu niedriger
Temperaturen die Fingerbeweglichkeit eingeschränkt ist. Auch die Gefahr von
Erkältungskrankheiten als Folge dieses ungünstigen Klimazustandes sollte beach-
tet werden. Es ist deshalb erforderlich, das Klima entsprechend zu ändern.
Starke Abweichungen von einem Sollwert bewirken dagegen Ausfälle bei der
Ausführung der Arbeitsaufgabe. Eine gesundheitliche Schädigung ist wahrschein-
lich. Dazu zählt z. B. die Gefahr von Erfrierungen, insbesondere in Ruhe, da dann
die endogene Wärmeproduktion durch Arbeit entfällt, oder ein drohender Hitze-
kollaps als Folge eines Wärmestaus. Die zur Verfügung stehende Blutmenge ist in
diesem Fall nicht mehr in der Lage, die notwendige Wärmeregulation zu gewähr-
leisten und die Mechanismen der Wärmeabgabe sind in ihrer Kapazität überfor-
dert. Bei einer extremen thermischen Überlastung des Organismus ist schließlich
ein Hitzschlag nicht auszuschließen, der wegen des oft tödlichen Ausgangs unter
allen Umständen zu vermeiden ist. Bei den genannten Fällen ist die klimatische
Belastung durch entsprechende Maßnahmen unbedingt und unverzüglich zu ver-
ringern.
Ausgehend von der Erkenntnis, dass die Bewertung eines Klimazustandes nicht
allein nach den Kriterien „Grenzwert überschritten bzw. nicht überschritten“ ge-
schehen kann, haben HETTINGER et al. (1984) ein differenziertes Bewertungsver-
fahren zur Klimabewertung vorgestellt. Ausgangspunkt ist die Normal-Effektiv-
Temperatur (NET) nach YAGLOU u. MINARD (1957). Tabelle 9.17 zeigt diese
Bewertungsmatrix.
Die Stufen des Arbeitsenergieumsatzes werden aus den in Tabelle 9.18 aufge-
führten Werten ermittelt.
Bei diesem Bewertungsverfahren sind zunächst zwei Variablen nicht berück-
sichtigt: Die Bekleidung und die Wärmestrahlung. Bei der Bekleidung kann man
davon ausgehen, dass an den entsprechenden Arbeitsplätzen Schutzkleidung ge-
tragen wird, deren clo-Wert von Kleidung zu Kleidung ähnlich sein wird. Dieser
Einfluss kann deshalb als Konstante angenommen werden. Beim Tragen von spe-
zieller Hitzeschutzkleidung ist im Falle einer Wärmestrahlungsexposition, trotz
der zusätzlichen Belastung, insgesamt jedoch von einer Beanspruchungsreduzie-
rung auszugehen (siehe HETTINGER et al. 1984), so dass die Bewertung nach vor-
genanntem Schema eher eine niedrigere Einstufung erwarten lässt; man ist also
auf der „sicheren Seite“. Der Einfluss der Wärmestrahlung lässt sich durch das
Einsetzen der Globetemperatur anstelle der Trockentemperatur bei der Ermittlung
der Normaleffektivtemperatur berücksichtigen. Man spricht dann von der korri-
gierten Normaleffektivtemperatur (CNET). Da dieses Verfahren jedoch bei sehr
hohen Bestrahlungsstärken Mängel aufweist, sollte eine getrennte Bewertungsska-
la verwendet werden (siehe Tabelle 9.19).
Arbeitsumgebung 877

Tabelle 9.17: Klimabewertung (Effektivtemperatur NET) in Abhängigkeit vom Arbeits-


energieumsatz; Bereich der Wärmebelastung (nach HETTINGER et al. 1984, aus EISSING
1988)

Stufengrenzen Bewertungs-
Belastungsintensität
°C NET stufe
sehr
VII

Überbelastung
wahrscheinlich
40 36 33 30 28 26 25
VI wahrscheinlich
37 33 29 26 23 21 19
V möglich
33 31 27 23 19 15 11
IV Grenzbereich
31 29 25 21 17 13 9
III belastend
25 22 19 16 14 11 8
II gering belastend
19 17 15 13 11 9 7
I sehr gering belastend

I II III IV V VI VII
Arbeitsumsatzstufe

Tabelle 9.18: Bewertungsstufen für den Arbeitsenergieumsatz AU (nach HETTINGER et


al. 1984, aus EISSING 1988)

Stufengrenzen Bewertungs-
Belastungsintensität
kJ min–1 stufe
sehr
25 < AU VII
Überbelastung

wahrscheinlich
23 < AU ” 25 VI wahrscheinlich

20 < AU ” 23 V möglich

16 < AU ” 20 IV Grenzbereich

12 < AU ” 16 III belastend

8 < AU ” 12 II gering belastend

AU ” 8 I sehr gering belastend


878 Arbeitswissenschaft

Tabelle 9.19: Bewertungsstufen für die effektive Bestrahlungsstärke (nach HETTINGER et


al. 1984, aus EISSING 1988)

Stufengrenzen Bewertungs-
Belastungsintensität
Wm–2 stufe
sehr
300 < Eeff VII
wahrscheinlich

Überbelastung
260 < Eeff ” 300 VI wahrscheinlich

220 < Eeff ” 260 V möglich

160 < Eeff ” 220 IV Grenzbereich

95 < Eeff ” 160 III belastend

35 < Eeff ” 95 II gering belastend

Eeff ” 35 I sehr gering belastend

Dieses Verfahren gibt bei hinreichender Genauigkeit durch seine problemlose


Anwendbarkeit auch dem Nicht-Fachmann die Möglichkeit, eine Klimasituation
am Arbeitsplatz einzuschätzen und zu bewerten. Dadurch können Überlastungen
schon sehr früh erkannt und Maßnahmen zur Abhilfe eingeleitet werden.
Bei längeren Expositionszeiten steht nicht die Bewertung der Klimasituation im
Vordergrund, sondern die Verhinderung von negativen Folgen für den Hitzeexpo-
nierten. Hierbei wird mit der Angabe einer Toleranzzeit eine zeitliche Begrenzung
der Arbeit unter Wärmestrahlungsexposition gegeben. Abb. 9.39 zeigt ein Beispiel
unter Verwendung des WBGT-Index. Diese Verfahren haben sich besonders bei
extremen Klimabelastungen bewährt, bei denen in der Regel nicht nur die Wär-
mebelastung des Gesamtorganismus die limitierende Größe darstellt, sondern die
mögliche Überhitzung des Hautgewebes (Wärmeschmerzen) als Engpass zu be-
rücksichtigen ist. Weitere Verfahren (siehe WENZEL u. PIEKARSKI 1982) beziehen
beispielsweise die erforderliche Schweißabgabe als limitierenden Faktor in die
Ermittlung der Toleranzzeit ein. Insgesamt zeigt sich jedoch, dass die Berechnung
von Grenzwerten nach verschiedenen Verfahren durchaus zu sehr ähnlichen Er-
gebnissen führt. Untersuchungsergebnisse dieser Art dienen beispielsweise zur
Ermittlung und Festlegung von maximal zulässigen täglichen Arbeitszeiten in
Bergbaubetrieben.
Arbeitsumgebung 879

Abb. 9.39: Toleranzzeiten bei extremen Klimabelastungen mit dem WBGT-Index als
Klimasummenmaß (nach DASLER 1974, aus WENZEL u. PIEKARSKI 1982)

Akklimatisation
Bei Exposition gegenüber Kälte oder Wärme kommen verschiedene kurzfristige
Regulationsmechanismen zum Tragen. Bei Kälteexposition reagiert das Herz-
Kreislaufsystem mit einer Kontraktion der peripheren Gefäße und nachfolgend mit
einem Blutdruckanstieg. Die Hauttemperatur, die üblicherweise bei 30°C liegt,
nimmt ab. Eine Kälteempfindung an Händen oder Füßen tritt erst bei einer Haut-
temperaturdifferenz von > 4°C auf. Bei einem Absinken der Körperkerntempera-
tur auf ” 35°C tritt Kältezittern auf, bei ” 33°C findet sich eine starke Verminde-
rung der Reaktionsfähigkeit, bei ” 30°C tritt Bewusstlosigkeit ein.
Bei Wärmeexposition reagiert ebenfalls das Herzkreislaufsystem, indem es
durch erhöhte Blutzirkulation (Blutdruckanstieg, Anstieg der Herzschlagfrequenz)
und Weitstellung der Gefäße den Wärmetransport zur Körperoberfläche erhöht.
Durch einen kurzfristigen Anstieg der Schweißmenge entsteht Verdunstungskälte
an der Körperoberfläche.
Bei wiederholtem Aufenthalt in kalter bzw. warmer Umgebung kann der Kör-
per sich thermoregulatorisch immer besser auf eine Belastung einstellen. Diese als
Akklimatisation bezeichnete langfristige Anpassung ist von erheblicher prakti-
scher Bedeutung, weil sich damit die Erträglichkeit erhöht.
Kälteakklimatisation
Bislang wurde festgestellt, dass sich im Rahmen der Anpassung des Menschen an
Kälte Energieumsatz und damit Wärmebildung erhöhen (PENZKOFER et al. 2008).
Die bei einer ersten Kälteexposition erheblichen Senkungen der Hauttemperatur,
besonders an den Extremitäten, werden dabei geringer. Eine Zunahme der Kälteto-
880 Arbeitswissenschaft

leranz beruht u.a. auch auf einem geübteren Umgang mit der Belastung, z.B. hin-
sichtlich des Kälteschutzes durch Bekleidung.
Hitzeakklimatisation
Besonders eingehend sind die Veränderungen bei wiederholten Hitzebelastungen
des Menschen untersucht worden. Abb. 9.40 enthält Ergebnisse von Arbeitsversu-
chen, bei denen ein Mann mehrere Wochen lang täglich mit Ausnahme der Wo-
chenenden eine mehrstündige Körperarbeit bei 45°C Raumtemperatur leistete.
Das untere Diagramm zeigt, dass die Schweißabgabe (Mittelwerte über Ar-
beitszeit) von Tag zu Tag zunahm. Am Schluss der Untersuchung lag die
Schweißabgabe ca. 30% höher als zu Beginn. Aus anderen Untersuchungen ist
bekannt, dass im Verlauf einer Akklimatisation Steigerungen der Schweißabgabe
auf das Doppelte möglich sind.

Abb. 9.40: Akklimatisation bei wiederholter Hitzearbeit (Gehen mit v = 3,5km/h (3h),
t = 45°C, r.F = 45%, 0,1clo) (in Anlehnung an WENZEL 1961)

Die mit der Verdunstung größerer Schweißmengen verbundene stärkere Küh-


lung der Haut führt dazu, dass die Hauttemperatur von einer Hitzebelastung zur
Arbeitsumgebung 881

nächsten weniger stark ansteigt. Entsprechend wird die Erhöhung der Körperkern-
temperatur im Verlauf der Akklimatisationstage kleiner.
Die dargestellten Werte der Herzfrequenz weisen auf eine gleichzeitige Entlas-
tung des Blutkreislaufes hin. Die Herzfrequenz stieg zunächst auf etwa 115 Schlä-
ge/min an und erreichte am Schluss der Untersuchungsreihe nur noch etwa 95
Schläge/min.
Zu weiteren Veränderungen im Verlauf der Hitzeakklimatisation gehört insbe-
sondere, dass der Kochsalzgehalt des vermehrt gebildeten Schweißes abnimmt.
Dadurch wird Salz eingespart und eine erhöhte Salzzufuhr ist bei akklimatisierten
Personen nicht nötig.
Alle diese Veränderungen haben zur Folge, dass im akklimatisierten Zustand
eine gegebene Belastung besser erträglich ist. Eine Arbeit vorgegebener Schwere
wird subjektiv leichter empfunden, es können höhere Leistungen bei einem belas-
tenden Klima erbracht, schwerere Klimabelastungen ertragen bzw. längere Tole-
ranzzeiten erreicht werden.
Es gehört zu den gesicherten Erkenntnissen, dass die dargestellten unmittelba-
ren thermoregulatorischen Umstellungen wie auch die langfristigen Anpassungs-
prozesse der Akklimatisation bei fast allen gesunden Menschen im Prinzip gleich-
artig, wenn auch quantitativ verschieden, ablaufen.

9.4.7 Gestaltungshinweise
Zum Schutz der Arbeitspersonen gibt es zahlreiche Vorschriften, in denen die
Gestaltung der Klimabedingungen beschrieben ist. Da das Klima am Arbeitsplatz
in der Regel von vielen exogenen Faktoren abhängig ist, vermeidet man oft eine
quantitative Angabe und beschränkt sich auf Gestaltungshinweise qualitativer Art.
Die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) galt zwar nur bis 2004, aber für eine
Übergangsfrist von 6 Jahren (bis 2010) sollen die darin enthaltenen Vorgaben
weiterhin als gültig behandelt werden. Darin heißt es unter anderem in §6 Raum-
temperaturen: „(1) In Arbeitsräumen muss während der Arbeitszeit eine unter
Berücksichtigung der Arbeitsverfahren und der körperlichen Beanspruchung der
Arbeitnehmer gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur vorhanden sein. Satz 1
gilt auch für Bereiche von Arbeitsplätzen in Lager-, Maschinen- und Nebenräu-
men. (2) Es muss sichergestellt sein, dass die Arbeitnehmer durch Heizeinrichtun-
gen keinen unzuträglichen Temperaturverhältnissen ausgesetzt sind. (3) In Pau-
sen-, Bereitschafts-, Liege-, Sanitär- und Sanitätsräumen muss mindestens eine
Raumtemperatur von 21°C erreichbar sein. (4) Bereiche von Arbeitsplätzen, die
unter starker Hitzeeinwirkung stehen, müssen im Rahmen des betrieblich mögli-
chen auf eine zuträgliche Temperatur gekühlt werden.“
In den Erläuterungen sind diese Angaben in Abhängigkeit verschiedener Rand-
bedingungen (z. B. Arbeitsschwere, Außentemperaturen) präzisiert und lassen sich
mit Eckdaten zusammenfassen (Tabelle 9.20). Die maximal zulässigen Arbeitszei-
ten bei Hitzearbeit sind in Tabelle 9.21wiedergegeben.
882 Arbeitswissenschaft

Tabelle 9.20: Optimale Klimabedingungen (Auszug aus der ArbStättV, §6, Abs.1, Erläute-
rungen)

Arbeitsform überwiegend sitzende Tätigkeit schwere körperliche Arbeit


Temperatur [°C] 20 - 23 14 - 16
rel. Feuchte [%] 40 - 60 40 - 70
Luftgeschwindigkeit [m/s] max. 0,15 max. 0,15
Mindesttemperatur [°C] 19 12

Tabelle 9.21: Maximal zulässige Arbeitszeiten bei Hitzearbeit (Auszug aus ArbStättV, §6,
Abs.4, Erläuterungen)
Effektivtemperatur [°C] max. Arbeitszeit [h]
27-29 6
29-31 4
31-35 nur Notfallarbeiten

Die weiterhin in Tabelle 9.22 genannten Pausen sind Mindestzeiten, die im


klimaneutralen Bereich gewährt werden müssen. Bei ungünstigeren Bedingungen
sind diese Pausen entsprechend zu verlängern, wie z. B. Thermoregulationsmodel-
le indizieren (LUCZAK 1978).
Tabelle 9.22: Zusätzliche Pausen für eine Arbeitsschicht bei Hitzearbeit (Auszug aus der
ArbStättV, § 6, Abs.1, Erläuterungen)
Klima Effektivtemp. zusätzl. Pausen
[°C] [min]
feuchtheiß 29-30 10
über 30 20
trockenheiß 37-46 15
über 46 30

Die vorstehend genannten Vorschriften zur Einhaltung der Klimawerte bzw.


zur Begrenzung der Expositionszeit müssen am Arbeitsplatz durch flankierende
Maßnahmen unterstützt werden. Ausgewählte Schutzmaßnahmen sind in Tabelle
9.23 dargestellt.
Im klimaneutralen Bereich versteht man darunter beispielsweise eine entspre-
chende Auslegung der Raumklimatisierung oder die Verhinderung direkter Son-
neneinstrahlung bei sehr großen Glasflächen.
Bei Kältearbeitsplätzen (KLUTH et al. 2008) wird die größte Schutzwirkung
durch eine entsprechende Kälteschutzkleidung mit einem hohen clo-Wert zu errei-
chen sein. Falls dies nicht ausreichend ist, können sogar beheizte Schutzkleidun-
gen eingesetzt werden. Zum Schutz der Haut gegen Erfrierungen im Gesicht ist
die Applikation entsprechender Salben zur Prävention angeraten. Schließlich ist
auch die Gestaltung der Pausenräume für die notwendigen Aufwärmungspausen
sehr wichtig. Bei Hitzearbeitsplätzen sind zahlreiche Gestaltungsmaßnahmen zur
Arbeitsumgebung 883

Reduzierung der Beanspruchung notwendig (vgl. unter Anderem LUCZAK et al.


1984, WENZEL u. PIEKARSKI 1982). An erster Stelle sollten arbeitsplatzbezogene
Maßnahmen realisiert werden. Dazu zählt die Trennung von Arbeitsperson und
belastender Arbeitsumgebung. Da dies oft aus technologischen oder wirtschaftli-
chen Gründen nur schwer durchzuführen ist, müssen weitere Maßnahmen zum
Schutz der Arbeitspersonen zum Einsatz kommen. Dazu gehören z. B. Schutz-
schilde gegen Wärmestrahlung in Form von Sandwich-Platten, als Kettenvorhänge
oder als „Wasservorhänge“ (berieselte Flächen oder Drahtnetze). Weitere
Schutzmaßnahmen dienen dem direkten Schutz der exponierten Personen.
Tabelle 9.23: Schutz gegen belastende Klimawirkungen bei der Arbeit

Art der Schutz- Bewer- Bewer-


maßnahme in der Hitze tung in der Kälte tung

Natürliches Nutzung des natürlichen Nutzung des natürlichen


Verhalten Schutzes (Schatten, Wald- Schutzes (Sonne, Wind-
kühle) schutz)
Eingeschränkte Nahrungs- Verstärkte Nahrungsauf-
aufnahme in der Tageshit- nahme
ze
Kühlende Nahrung und Ge- Wärmende Nahrung und
tränke Getränke
Sparende Arbeitsbewe- Ausgiebige Arbeitsbewe-
gungen gungen
Bewusste An- Akklimatisation + Akklimatisation +
passung
der Arbeitstech- Senkung der Arbeitsschwe- + Erhöhung der Arbeits- +
nik an re schwere
das Klima Kühlpausen + Wärmepausen +
Richtige Flüssigkeits- und +
Salzaufnahme
Technische Luftkühlung ++ Luftwärmung ++
Beein-
flussung des Luftbewegung + Abstellen von Luftzug +
Arbeits-
Klimas Senkung der Strahlungs- ++ Erhöhung der Strahlungs- ++
(Makro- und temperatur (Abschirmun- temperatur
Mikroklima) gen)
Lufttrocknung + Luftbefeuchtung +
Leichtere Kleidung + Wärmere Kleidung +
Entkleidung + Beheizte Kleidung +
Spezialkleidung (belüftet, +
reflektierend)

Einen beträchtlichen Effekt verspricht der Einsatz von Schutzkleidungen, die


beispielsweise zur Reflexion der Wärmestrahlung oberflächenbeschichtet (alumi-
884 Arbeitswissenschaft

niumkaschiert) ausgerüstet sind. Bei längerer Exposition haben sich zudem Kühl-
westen und Ganzkörperkühlanzüge (zur Reduzierung des Anstiegs der Körper-
temperatur) bewährt. Zum Schutz des Kopfes eignen sich Schutzhelme mit zusätz-
lichen Gesichtsmasken aus feinmaschigem Drahtgewebe oder aus reflektierend
beschichtetem Kunststoff. Bei all diesen Kleidungsstücken ist das häufig nicht
unerhebliche Eigengewicht zu berücksichtigen, welches zu einer entsprechenden
Erhöhung des Energieumsatzes führt. Hinzu kommt u.U. eine Einschränkung des
Bewegungsraums und des Sichtfeldes für den Träger der Schutzkleidung.
Bei den geschilderten Schutzausrüstungen ist darauf zu achten, dass eine Auf-
heizung der Schilde, Kleidungsstücke etc. vermieden wird, damit diese ihrerseits
nicht selbst zum Strahler werden.
Neben den genannten Beispielen sind auch persönliche Schutzmaßnahmen er-
forderlich. Dazu zählt eine medizinische Eignungsuntersuchung (Arbeitsmedizini-
sche Vorsorgeuntersuchungen gemäß Berufsgenossenschaftlichem Grundsatz G21
Kältearbeit und G30 Hitzearbeit) vor der Hitzeexposition und die laufende Über-
wachung. Ausschließende Bedingungen für Hitzearbeit sind z.B. Herz-Kreislauf-
Erkrankungen, Hautkrankheiten, Alkoholismus, Über- oder Untergewicht, Alter
über 45 Jahre, u.a. auch eine systematische Hitzeakklimatisation vermag die Be-
anspruchung am Arbeitsplatz wirksam zu reduzieren. Zur Prävention von Mangel-
erscheinungen während der Arbeit ist ein entsprechendes Trinkregime mit geeig-
neten Getränken unerlässlich. Damit wird der Verlust von Wasser und Mineralien
ausgeglichen. Da der Flüssigkeitsbedarf mehrere Liter pro Schicht erreichen kann,
sollten die Getränke nach Bedarf und in kleineren Mengen konsumiert werden.
Schließlich ist noch darauf zu achten, dass auch die Nahrungsaufnahme den Ge-
gebenheiten der Hitzearbeit angepasst werden muss. So sind fette und schwerver-
dauliche Speisen zu vermeiden. Eine zusätzliche Salzaufnahme ist in der Regel
nicht erforderlich.
Arbeitsumgebung 885

9.5 Beleuchtung

Das Auge als das wichtigste Organ zur Informationsaufnahme übermittelt ca. 80-
90% aller Reize aus der Arbeitsumgebung (siehe Kap. 3.3.2.1.2.1). Voraussetzung
dafür ist eine ausreichende Beleuchtung bzw. Helligkeit der Objekte. Da die visu-
elle Informationsaufnahme und -verarbeitung in Arbeitssystemen immer wichtiger
wird, gewinnt auch die Gestaltung der Arbeitsbedingungen unter beleuchtungs-
technischen Aspekten an Bedeutung.

9.5.1 Physikalische Grundlagen und lichttechnische Größen


Objekte, die das Auge sehen soll, müssen entweder selbst leuchten oder Licht aus
der Umgebung reflektieren. Wie bereits in Kapitel 9.3 dargestellt wurde, ist Licht
eine elektromagnetische Strahlung im Wellenlängenbereich von ca. 380 bis
780 nm, die im Auge zu visuellen Reizen führt. In Abb. 9.41 sind das Spektrum
elektromagnetischer Strahlung und der relative Helligkeitsempfindlichkeitsgrad
des Auges sowohl für Tag- als auch Nachtsehen dargestellt.

Abb. 9.41: Spektrum der elektromagnetischen Strahlung und relative Helligkeitsempfind-


lichkeitsgrade V(O (Tagsehen) bzw. V‘(O  (Nachtsehen) des menschlichen Auges (nach
SCHIERZ u. KRUEGER 1996 und RIS 2008)
886 Arbeitswissenschaft

Strahler, die wenigstens teilweise in dem genannten Spektralbereich Energie


aussenden, werden daher als Lichtquellen bezeichnet.
Licht setzt sich aus unterschiedlichen Farben zusammen, die wiederum be-
stimmten Wellenlängen zuzuordnen sind. Dabei ist das Auge nicht für alle Farben
gleich empfindlich. Die größte Empfindlichkeit liegt für Tagsehen im gelb/grünen
Farbbereich bei ca. 550 nm Wellenlänge, wie man anhand des spektralen Hellig-
keitsempfindlichkeitsgrades V(O) ablesen kann, der in Abb. 9.41 dargestellt ist.
Um Licht messen, bewerten und beurteilen zu können, bedarf es definierter
physikalischer Größen, die im Folgenden näher erläutert werden sollen.
Lichtstrom
Die gesamte von einer Lichtquelle abgegebene sichtbare Strahlung wird als Licht-
strom ĭ bezeichnet.
Grundsätzlich kann die abgegebene Strahlungsleistung in Watt gemessen wer-
den, hierbei wird jedoch die spektrale Empfindlichkeit des Auges nicht mitberück-
sichtigt. Stattdessen ist die Größe des Lichtstroms mit der Einheit „Lumen“ [lm]
eingeführt worden, die über die Beziehung
) K m ˜ ³ V (O ) ˜ ) e (O ) d O (9.37)
mit der spektralen Licht-Leistungsdichte ĭe(Ȝ) [W/nm] einer Lichtquelle in
Relation steht. Die Konstante Km [lm/W] ist das photometrische Strahlungsäquiva-
lent (Tag: 683 lm/W; Dämmerung: 683-1699 lm/W; Nacht: 1699 lm/W). Der
spektrale Helligkeitsempfindlichkeitsgrad V(Ȝ) kann, wie erwähnt, auf der Ordina-
te des in Abb. 9.41 dargestellten Diagramms abgelesen werden. V(Ȝ) nimmt in
Abhängigkeit der Wellenlänge der Lichtanteile Werte zwischen 0 und 1 an und hat
für 555 bzw. 507 nm den Maximalwert 1 (höchste Empfindlichkeit des menschli-
chen Auges bei Hell- bzw. Dunkeladaption). V(Ȝ) entspricht also einem Frequenz-
bewertungsfilter, wie er z.B. auch in der Akustik zur Berücksichtigung der
menschlichen Hörempfindlichkeit verwendet wird.
Darüber hinaus charakterisiert die sogenannte Lichtausbeute Ș die Effizienz ei-
ner Lampe durch das Verhältnis von abgestrahltem Lichtstrom ĭ und elektrischer
Eingangsleistung Pel einer Lichtquelle. Ein großer Teil der zugeführten elektri-
schen Energie wird bei elektrischen Lampen in Wärme umgesetzt. In Tabelle 9.24
sind typische Werte für verschiedene Lampenarten dargestellt.
Tabelle 9.24: Beispiele für typische elektrische Leistungen, Lichtströme und Lichtausbeu-
ten verschiedener Lichtquellen (aus BÖGE 2007 und RIS 2008)

Lampenart Pel ĭ Ș=ĭ/Pel

Glühlampe 15 - 2000 W 120 - 38000 lm 8 - 20 lm/W


Moderne energiesparende Leuchtstofflampe 10 - 75 W 400 - 4000 lm 30 - 75 lm/W
Halogen-Metalldampf 20 - 18000 W 6500 lm 80 - 110 lm/W
Arbeitsumgebung 887

Lichtstärke
Der Lichtstrom einer Lichtquelle wird im Allgemeinen nicht gleichmäßig in alle
Raumrichtungen abgestrahlt. Die von einer Lichtquelle in eine bestimmte Raum-
richtung ɸ abgegebene sichtbare Strahlung ) bezogen auf den dabei durchfluteten
Raumwinkel Ÿ wird Lichtstärke I genannt. Die Einheit ist Candela [cd=lm/sr]
(Abb. 9.42).

: A / r2 ) IH )H / :

r
A
r ȍ ɸ Iİ

Abb. 9.42: Raumwinkel (links) und Zusammenhang zwischen Lichtstärke und


Raumwinkel (rechts, nach HARTMANN 1993) bei ellipsenförmiger Lichtstärkeverteilung
der Lichtquelle

Raumwinkel
Ein von einem Punkt im Raum ausgehendes Strahlenbüschel bildet einen Raum-
winkel ȍ gemäß dem Zusammenhang ȍ = A/r², wobei A das Oberflächenstück ist,
das der Raumwinkel aus einer Kugel mit dem Radius r vom Ursprung des Strah-
lenbüschels ausschneidet. Aus der Betrachtung der Einheitskugel (r = 1) ergibt
sich der volle Raumwinkel zu ȍvoll = 4ߨ [sr]. Die Einheit [sr] ist der „Steradiant“
(BRONSTEIN et al. 2001). Diese Beschreibung eines Raumanteils mittels eines
Flächenanteils des Einheitskugelmantels stellt das dreidimensionale Äquivalent
zur Beschreibung eines ebenen Winkels über die Länge eines Einheits-
kreisbogenstücks in [rad] dar.
Beleuchtungsstärke
Die am häufigsten gebrauchte lichttechnische Größe ist die Beleuchtungsstärke E.
Sie entspricht dem auf eine Fläche A treffenden Lichtstrom ):
)
E (9.38)
A
Ihre Einheit ist Lux [lx=lm/m2]. Die nach dieser Flächenbeleuchtungsformel er-
rechnete Beleuchtungsstärke ist als Mittelwert aufzufassen, da im Allgemeinen der
Lichtstrom nicht gleichmäßig über die Fläche verteilt ist. Die Beleuchtungsstärke
E kann für große Verhältnisse von r² zu A auch aus der Lichtstärke I und dem
888 Arbeitswissenschaft

Abstand r zwischen Lichtquelle und beleuchtetem Punkt berechnet werden. Wenn


das Verhältnis von Abstand zur Lichtquelle zur Ausdehnung der Lichtquelle grö-
ßer 5 ist, gilt folgende Näherung:
I
E (9.39)
r2
Oftmals steht die beleuchtete Fläche nicht senkrecht unter der Lichtquelle (sie-
he Abb. 9.43). In diesem Fall ist die resultierende Leuchtstärke E´ abhängig vom
Winkel ɸ der betrachteten Fläche zur Lichtquelle und der Anbringungshöhe r
(Abb. 9.43):
I
Ec cos3 H (9.40)
r2


I
r I r İ
E’
E E

I I
E Ec cos 3 H
r2 r2

Abb. 9.43: Beleuchtungsstärke für senkrechten und schrägen Lichteinfall (nach RIS 2008)

Reflexion
Licht wird an Grenz- bzw. Oberflächen entsprechend deren Eigenschaften trans-
mittiert (z.B. Glas), absorbiert (z.B. schwarzer Stoff) und reflektiert (z.B. Spiegel),
wobei unterschiedliche Reflexionseigenschaften von Flächen im Wesentlichen
deren Sichtbarkeit und Erkennbarkeit aufgrund von Kontrasten ermöglichen. Der
Reflexionsgrad ȡ quantifiziert dieses Phänoment durch das Verhältnis des reflek-
tierten Lichtstroms ĭr zum auftreffenden Lichtstrom ĭ0:
)r
U (9.41)
)0
Man unterscheidet gerichtete, gestreute und gemischte Reflexion, die in Abb.
9.44 schematisch dargestellt sind.
Arbeitsumgebung 889

Lichtausbreitung nach Lichtausbreitung nach Lichtausbreitung nach


gerichteter Reflexion gestreuter Reflexion gemischter Reflexion

Abb. 9.44: Arten der Reflexion nach SCHIERZ u. KRUEGER (1996); Spiegel (links),
Lambertstrahler (mitte), Glanz (rechts)

Prinzipiell gilt: Je heller und glatter eine Oberfläche ist, umso größer ist der
Reflexionsgrad. Tabelle 9.25 gibt einige Beispiele für Reflexionsgrade.
Tabelle 9.25: Reflexionsgrade U ausgewählter Oberflächen (aus BENZ et al. 1983)
Metallspiegel 95 – 99%
Silber hochpoliert 90 – 92%
Fensterglas 6 – 8%

für gestreute Reflexionen Udiff :


Papier weiß 70 – 85%
hellgrau 40 – 60%
dunkelgrau 10 – 15%
Holz hell 30 – 50%
dunkel 10 – 25%
Samt schwarz 0,5 – 4%

Leuchtdichte
Die Energie, die als sichtbares Licht in das Auge dringt, wird durch die Leucht-
dichte L beschrieben und in der Einheit [cd/m2] gemessen. Die Leuchtdichte stellt
die objektive physikalische Größe dar, die ein subjektiven Helligkeitsempfindens
hervorruft. Sie resultiert aus der Reflexion einer beleuchteten Fläche oder aus der
Lichtstärke eines selbstleuchtenden Körpers und ist definiert als Lichtstärke I(ș)
bezogen auf den senkrecht zur Betrachtungsrichtung projizierten Teil A(ș) der
betrachteten Fläche A0:
I (T )
L(T ) (9.42)
A(T )
Mit Ausnahme des sog. Lambertstrahlers ist die Leuchtdichte vom
Betrachtungswinkel abhängig. Der Lambertstrahler stellt den Idealfall konstanter
Leuchtdichte über dem Raumwinkel dar. Das Verhältnis aus richtungsabhängiger
Lichtstärke Iref (ș) und projizierter Fläche A(ș) (senkrecht zum Lichtstärkevektor)
890 Arbeitswissenschaft

ist für alle Richtungen gleich. Die Lichtstärkeverteilung Iref (ș)=Iref,0 cos ș eines
Lambertstrahlers bzw. einer Lambertfläche ist in Abb. 9.45 links wiedergegeben
(für A(ș)=A0 cos ș folgt L(ș)=const).

ș ș
I0 I0
Iref Iref,0

Iref

A0 A0

Abb. 9.45: Lichtstärkeverteilung des Lambertstrahlers/-fläche (links) im Vergleich zu einer


beliebigen Lichtstärkeverteilung (rechts)

Die Leuchtdichte der Raumoberfläche lässt sich für vollkommen gestreut re-
flektierende Oberflächen (Näherung Lambertstrahler) mit Hilfe der Beleuchtungs-
stärke E, dem Reflexionsgrad ʌ, dem Abstand r zwischen Auge und beleuchteter
Fläche und der beleuchteten Fläche A berechnen (siehe Abb. 9.46).

Lichtquelle mit Lichtstrom


Ԅ Auge
Lichtstärke auftreffender /
I reflektierter Leuchtdichte des
Lichtstrom Ԅ reflektierten
ref Lref Lichtes
Ԅ0 ȍ Raumwinkel

Vollkommen gestreut r
reflektierende A E
Oberfläche ȡ

Abb. 9.46: Leuchtdichte für vollkommen gestreut reflektierende (matte) Oberflächen

Grundsätzlich ist die Leuchtdichte der Beleuchtungsstärke E proportional. Für


einen nicht gestreut reflektierenden Körper ist der Reflexionsgrad jedoch vom
Abstrahlwinkel, der Abstrahlebene sowie dem Einfallswinkel abhängig.
Arbeitsumgebung 891

9.5.2 Messung von Beleuchtung


Die Messung lichttechnischer Größen dient zur Quantifizierung und objektiven
Überprüfung der Beleuchtungssituation.
Die wichtigsten zurzeit auf dem Markt erhältlichen Messgeräte dienen zur Er-
mittlung der Beleuchtungsstärke („Luxmeter“) bzw. der Leuchtdichte (Leucht-
dichtemessgerät). Sie erfassen prinzipiell nur den Helligkeitsempfindlichkeitsgrad
der Strahlung und nicht das Farbspektrum. Zur Angleichung an die V(ʄ)-Kurve
müssen Filter benutzt werden.
Messung der Beleuchtungsstärke und Leuchtdichte
Sowohl das Luxmeter als auch der Leuchtdichtemesser sind fotometrische Mess-
geräte und arbeiten mit einem Sensor, der auftreffende Lichtquanten mittels eines
Kristalls in einen elektrischen Stromfluss umwandelt (fotoelektrischer Effekt). Die
Beleuchtungsstärke E und der gemessene elektrische Strom IF stehen hierbei in
einem proportionalen Zusammenhang. Um die spektrale Empfindlichkeit des
Sensors an die V(ʄ)-Kurve anzugleichen, sind bei der heutzutage verwendeten Si-
Technologie Filter nötig. Die früher verwendete Selenzelle hat zwar eine dem
menschlichen Auge ähnliche spektrale Empfindlichkeit, ist jedoch deutlich kurz-
lebiger.
Der Leuchtdichtemesser bewertet die Lichtstärke des reflektierten Lichtes einer
Fläche in einem abgegrenzten Feld. Meist geschieht dies um die örtliche Leucht-
dichte bei Blendungsmessungen zu bestimmen oder um Angaben über die
Gleichmäßigkeit der Leuchtdichteverteilung zu erhalten. Für diese Messaufgabe
werden typischerweise Öffnungswinkel von 1° bis 5° verwendet. Gemäß dem
physikalischen Zusammenhang zwischen Leuchtdichte und Beleuchtungsstärke
gibt es Luxmeter, die mittels eines Leuchtdichtevorsatzes die Leuchtdichte mes-
sen. Der Vorsatz entspricht im Wesentlichen einer Raumwinkelbegrenzung für
den einfallenden Lichtstrom.
Messung des Reflexionsgrades
Der Reflexionsgrad wird mittels einer sog. Ulbrichtkugel gemessen. Hierbei er-
mittelt sich der unbekannte Reflexionsgrad ȡ einer Probe durch den Vergleich der
gemessenen Beleuchtungsstärke Ex dieser Probe an einer definierten Stelle inner-
halb der Ulbrichtkugel mit der gemessenen Beleuchtungsstärke EN einer Probe,
deren Reflexionsgrad ȡN bekannt ist:

Ex
Ux UN (9.43)
EN

9.5.3 Lichttechnik
Am Arbeitsplatz muss die Beleuchtung ausreichend sein, um Gefahren für
Mensch und Betriebsmittel abzuwenden und die Möglichkeit einer Leistungser-
892 Arbeitswissenschaft

bringung auf einem angemessenen Beanspruchungsniveau zu sichern. Dazu ist ein


ausreichendes allgemeines Beleuchtungsniveau erforderlich und möglicherweise
zusätzlich eine Arbeitsplatzbeleuchtung.
Das erforderliche Beleuchtungsniveau ist genormt. Die Norm enthält Angaben
über Nennbeleuchtungsstärken, die in einer Höhe von 85 cm über dem Boden
eingehalten werden müssen (Tabelle 9.26). Bei der Planung von lichttechnischen
Anlagen sind diese mit einem Faktor von 1,25 zu multiplizieren (Alterung, Ver-
schmutzung o.ä.).
Das Beleuchtungsniveau wird außer von der direkten Beleuchtung auch von
den Reflexionsgraden der Decke, der Wände, des Bodens und des Mobiliars stark
beeinflusst. Darüber hinaus spielt auch die Farbwiedergabeeigenschaft der Be-
leuchtung am Arbeitsplatz eine Rolle, wenn je nach Arbeitsaufgabe differenziertes
Farbsehen notwendig ist.
Tabelle 9.26: Nennbeleuchtungsstärken für ausgewählte Sehaufgaben; nw = neutralweiß,
ww = warmweiß, tw = tageslichtweiß (nach DIN EN 12464-1)

Nennbeleuchtungs- Art des Innenraumes bzw. Lichtfarbe Farbwiedergabe-


stärke E in Lux der Tätigkeit index Ra

200 Lagerräume (mit Leseaufgabe) nw, ww 20


300 Grobe und mittlere Maschinenarbeiten; nw, ww 60
zulässige Abweichung > 0,1 mm
Montage (mittelfein) nw, ww 80
500 Feine Maschinenarbeiten; nw, ww 60
zulässige Abweichungen ” 0,1 mm
Büroräume nw, ww 80
750 Anreiß-, Kontroll-, u. Messplätze, nw, ww 60
Technisches Zeichnen nw, ww 80
1000 Werkzeug-, Lehren- u. nw, ww, tw 80
Vorrichtungsbau, Feinmechanik
1500 Optiker- und Uhrmacherwerkstatt nw, ww, tw 80
5000 und mehr Sonderfälle je nach je nach
z.B. Operationsfeldbeleuchtung Anwendung Anwendung

Farbwiedergabe
Die Farbwiedergabeeigenschaft einer Lichtquelle beschreibt wie natürlich und
unverfälscht das ausgestrahlte Licht in Relation zum natürlichen Sonnenlicht ist.
Aufgrund der unterschiedlichen Verteilung von Spektralfarben der von Lichtquel-
len ausgesendeten Strahlung, können Spektralbereiche fehlen und die Qualität der
Farbwiedergabeeigenschaft gemindert sein. Angestrahlte Objekte, welche jene
Farben besitzen, die im Spektrum des bestrahlenden Lichtes fehlen, werden dann
als grau wahrgenommen. Ihre tatsächliche Farbe ist nicht erkennbar. Im Allge-
meinen wird die Farbwiedergabe mit dem Farbwiedergabeindex Ra beschrieben,
der bereits in Tabelle 9.26 für verschiedene Lichtquellen dargestellt wurde. Ra
Arbeitsumgebung 893

wird für eine bestimmte Lichtquelle (Lampe) bezogen auf einen Bezugsstrahler
(meist Sonnenlicht) mithilfe von acht Testfarben ermittelt. Je höher der Farbwie-
dergabeindex ist, desto besser ist die Farbwiedergabe. Nach DIN 12464-1 wird die
Farbwiedergabe in sechs Gütestufen unterteilt (Tabelle 9.27). Allgemein gilt, dass
Farbwiedergabe Ra und Lichtausbeute Ș aus physikalischen Gründen in einem
Zielkonflikt stehen (siehe Abb. 9.41 und Gl. (9.37)).
Tabelle 9.27: Farbwiedergabestufen nach DIN 12464-1

Stufe 1A 1B 2A 2B 3 4
Ra 100 bis 90 89 bis 80 79 bis 70 69 bis 60 59 bis 40 39 bis 20

Farbmessung
Durch Mischung der drei Grund-/Primärfarben kann prinzipiell jede Farbe erzeugt
werden. Durch die Angabe der Anteile (X, Y, Z) der drei Grundfarben (rot, gelb,
blau) an einer Farbe ist es möglich, diese zu charakterisieren und in einem
x-y-z-Koordinatensystem darzustellen. Unter der Normierungsvoraussetzung
x+y+z=1 genügt die Angabe von zwei Werten, die in einem ebenen Schaubild,
dem sog. Farbdreieck, dargestellt werden können (Abb. 9.47).
Das Farbempfinden des menschlichen Auges lässt sich über drei Kriterien der
Farbeigenschaften beschreiben und nach DIN 6164 folgenden Maßzahlen zuord-
nen:
x Buntton: Bunttonzahl T
x Sättigung: Sättigungsstufe S
x Helligkeit: Dunkelstufe D
Buntton und die Sättigung sind ebenso im Farbdreieck (Abb. 9.47) dargestellt.
Die Spektralfarben von 380 bis 700 nm sind auf einer Kurve im Farbdreieck
aufgetragen. Die Koordinate x=y=z=0,333 wird „Unbuntpunkt“ (weiß) genannt,
was auf die additive Farbmischung zurückzuführen ist. Von diesem Punkt aus
ziehen sich Geraden gleichen Bunttons, die mit zunehmendem Abstand zum
Unbuntpunkt zunehmende Sättigungsbereiche der Farbe durchlaufen. Farben
gleicher Sättigungsstufe aber unterschiedlichen Farbtons erscheinen dem Be-
obachter als gleich gesättigt oder gleich weißlich.
Die Dunkelstufe D als Maß für die Helligkeit einer Farbempfindung ist nach
einem empirischen Ansatz in zehn empfindungsgemäß äquidistante Stufen einge-
teilt. Die hellste Körperfarbe (Optimalfarbe) eines bestimmten Bunttones ist D=0,
während D=10 die dem idealen Schwarz zugeordnete Dunkelstufe ist. Die Hellig-
keit als dritte Dimension zur Beschreibung des Farbempfindens ist in der zweidi-
mensionalen Darstellung der Farbnormtafel nicht möglich.
Farben lassen sich unter Berücksichtigung menschlicher Wahrnehmung mes-
sen, indem drei zu einer Farbvalenz gehörende Farbmaßzahlen ermittelt werden.
Die Farbvalenz ist die Bewertung eines Farbreizes durch die drei Empfindlich-
keitsfunktionen des Auges und kann als Ortsvektor im dreidimensionalen Farben-
raum dargestellt werden. Der Farbenraum wird durch die x-, y- und z-Koordinaten
894 Arbeitswissenschaft

aufgespannt, mit denen als Grundfarben jede andere Farbe durch Summation be-
schrieben und erzeugt werden kann. Die Koordinaten selbst sind Funktionen der
Farbreizung des Auges ijȜ, der wellenlängenabhängigen Normspektralwertfunkti-
onen für blau X , rot Y und gelb/grün Z sowie einer Reflexions-/ Transmissions-
konstanten ț.

Abb. 9.47: Farbdreieck aus GRÜNWALD u. GUTSCHMIDT (1959), nach DIN 6164

Zur Farbmessung stehen drei Verfahren zur Verfügung:


(1) Beim Spektralverfahren besteht die Messung zunächst aus der spektralen
Ermittlung der Farbreizfunktion ijȜ. Darauf aufbauend werden die gemesse-
nen Werte mit den Spektralwerten der Normspektralwertfunktionen rechne-
risch weiterverarbeitet.
(2) Das Gleichheitsverfahren basiert auf der Fähigkeit des Farbtüchtigen, einer
angebotenen Farbvalenz eine gleichaussehende Vergleichsvalenz aus einer
Sammlung oder durch Einstellung an einem Messgerät gegenüber zu stellen.
(3) Das gebräuchlichste Verfahren zur Farbmessung ist das Dreibereichsverfah-
ren. Hierbei werden die drei Anteile des Lichtes mithilfe vorgesetzter Farb-
Arbeitsumgebung 895

wert-Messfilter photometrisch bestimmt, die die Empfindlichkeit des Photo-


meters an die spektralen Bewertungsfunktionen anpassen.

9.5.3.1 LampenĆ
Als Lampen werden nur die eigentlichen Lichtquellen (Glühlampen, Leuchtstoff-
lampen, Dampflampen) bezeichnet. Lampen werden nach ihrer Lichtfarbe, Farb-
wiedergabeeigenschaften, Lichterzeugung und Lichtausbeute eingeteilt.
Die Lichtfarbe einer Lichtquelle wird entweder durch ihren Farbort in der Farb-
tafel angegeben oder durch die ähnlichste Farbtemperatur. Die ähnlichste Farb-
temperatur ist die fiktive Temperatur eines Temperaturstrahlers, bei der dieser die
beste Annäherung an die Farbe des betrachteten Objektes erreicht. Nur bei Glüh-
lampen kann man die Farbtemperatur genau angeben, da diese Temperaturstrahler
sind. Ihre Lichtfarbe und die sonstiger Quellen mit ähnlich niedriger Farbtempera-
tur bis 3000 K wird als warmweiß (ww) bezeichnet. Lichtquellen, deren Farbtem-
peratur etwa der der Sonne entspricht (ca. 6500 K), werden als tageslichtweiß
(tw), die im Bereich von 4000 K als neutralweiß (nw) bezeichnet (Tabelle 9.28).
Tabelle 9.28: Lichttemperatur und Farbwiedergabe verschiedener Lampen (aus BÖCKER
1981 und RIS 2008, nach DIN EN 12464)

Farbwieder- Lampenart ähnlichste Farbwiedergabeindex


gabestufe Farbtemperatur ca. Ra
1 Glühlampe 2800 K >90
Halogenglühlampen 3100 … 3400K
Leuchtstofflampen 2800 …8000 K
„Warmweiß“ (ww) < 3300 K
„Neutralweiß“ (nw) 3300 … 5300 K
„Tageslichtweiß“ (tw) >5300K
Tageslichtlampe 6000K
Halogenmetalldampflampe 3000…6000 K
2 Leuchtstofflampe „universalweiß“ 4000 K 70 bis 79
3 Leuchtstofflampe „hellweiß“ 5100 K 60 bis 69
Quecksilberdampf-Hochdrucklampe 2900 … 4200 K 40 bis 59
4 Natriumdampf-Hochdrucklampe 2000 … 2200 K 20 bis 39

Die Einteilung der Lampen nach Art der Energieumwandlung führt zu der Un-
terscheidung in Temperaturstrahler, Entladungsstrahler und Halbleiter (z.B.
Leuchtdioden). Bei Temperaturstrahlern entsteht das Licht durch Erhitzung eines
Leuchtfadens. Mit steigender Temperatur in dem Leuchtfaden geht die Lichtfarbe
von rot (1500 K) über gelb und weiß (6500 K) in blau über. Auch die Lichtfarben
von Entladungslampen werden als Temperaturgrößen unter der Annahme angege-
ben, dass die abgegebene Strahlung den gleichen Eindruck wie ein Temperatur-
strahler vermittelt.
896 Arbeitswissenschaft

Temperaturstrahler
Wichtigste Vertreter dieser Gruppe sind die bekannten Glühlampen mit einer
Farbtemperatur von ca. 2000 K, stark rotem Lichtanteil, einer Verlustwärme von
95%, einer geringen Lichtausbeute von 8-20 lm/W, einer geringen Lebensdauer
von 1000 – 1500 h und einer recht hohen Leuchtdichte im Glühfaden mit entspre-
chender Blendgefahr. Im industriellen Bereich werden diese wegen ihrer warm-
weißen Farbe und ihrer geringen Lichtausbeute kaum noch eingesetzt.
Demgegenüber haben Halogen-Glühlampen eine höhere Lichtausbeute und
längere Lebensdauer. In einem Kreisprozess verdampfen Wolframatome aus dem
Glühfaden und bilden mit dem Halogen-Füllgas (meist Jod- oder Bromverbin-
dung) reversibel eine wolframhaltige Atmosphäre. Diese nicht-stabile Verbindung
zerfällt am heißen Glühdraht wieder in ihre Elemente. Die Wolframatome lagern
sich ausschließlich wieder auf dem Glühdraht ab. Eine Schwärzung des Glaskol-
bens der Lampe findet im Gegensatz zur Vakuum-Glühlampe nicht statt, somit
bleibt auch der Lichtstrom dieser Lampe über die gesamte Lebensdauer annähernd
unverändert. Die Lichtausbeute liegt bei 16-25 lm/W, die Lebensdauer bei ca.
2000 h. Anwendung finden Halogenlampen zur Beleuchtung von Baustellen, im
Handel (Verkaufsflächen), im Bühnen- und Studiobereich und in Fahrzeugen aller
Art. Einer der Gründe für die starke Verbreitung dieser Lampen ist deren punkt-
förmige Ausdehnung, die eine Lichtrichtung mit einfachen Optiken erlaubt.
Entladungsstrahler
Bei Entladungsstrahlern bringen elektrische Entladungen feste, flüssige oder gas-
förmige Stoffe mittelbar oder unmittelbar zum Leuchten. Entladungslampen benö-
tigen als Zusatzgeräte einen Starter, einen Kondensator und eine Drossel zur
Strombegrenzung. Nach dem Fülldruck unterscheidet man Nieder- oder Hoch-
drucklampen. Wichtigste Vertreter der Entladungslampen sind die auch im priva-
ten Bereich angewandte Niederdruckentladungslampe (Leuchtstoffröhre), die
Quecksilberdampf-Hochdrucklampe, die Halogen-Metalldampflampe sowie die
Natriumdampfhochdruck- und -niederdrucklampe.
Da die Energien der Entladungen in Leuchtstofflampen vorwiegend im ultravi-
oletten Bereich liegen, wird zur Lichterzeugung eine Leuchtstoffschicht benötigt,
die die absorbierte Strahlung in sichtbare Strahlung umwandelt. Durch verschie-
denartige Zusammensetzung der Leuchtstoffe können verschiedene Lichtfarben
gewählt werden. Leuchtstofflampen werden universell im industriellen Bereich
eingesetzt. Da ihre Lichtausbeute größer ist als bei Glühlampen und außerdem
geringe Kosten bei der Beschaffung entstehen, sind sie eine gut geeignete Licht-
quelle für allgemeine Beleuchtung.
Für besondere Einsatzfälle werden weitere Entladungslampen benutzt:
x Ein monochromatisches Licht im gelb/orange-Bereich (589 nm) wird von der
Natriumdampf-Niederdrucklampe abgegeben. Wegen des großen Wertes von
V(Ȝ) für den gelben Lichtanteil (Abb. 9.41) und ihres schmalen Spektrums
erreicht diese Lampe die höchste Lichtausbeute (175 lm/W), bietet gute
Arbeitsumgebung 897

Durchdringungseigenschaften bei Dunst und Staub aber gleichzeitig sehr


schlechte Farbwiedergabeeigenschaften (nur gelb).
x Natriumdampf-Hochdrucklampen haben eine etwas bessere Farbwiedergabe-
eigenschaft (Stufe 4, Ra > 20), besitzen jedoch eine etwas geringere Licht-
ausbeute (bis max. 150 lm/W). Sie sind für Innenraumbeleuchtung kaum ge-
eignet und werden deswegen vor allem zur Außenbeleuchtung eingesetzt.
x Quecksilberdampf-Hochdrucklampen müssen ähnlich wie die Leuchtstoff-
lampen mit einem Leuchtstoff beschichtet werden, weil die Entladungsstrah-
len in erster Linie bläulich-grünes Licht und UV-Strahlen verbreiten. Licht-
ausbeute (32 bis 58 lm/W) und Farbwiedergabe sind mäßig, ihre lange Le-
bensdauer macht diese Lampe jedoch wirtschaftlich.
x Halogen-Metalldampflampen besitzen eine gute Farbwiedergabeeigenschaft
(Stufe 1 bis 2) und weisen wegen ihrer hohen Lichtausbeute (54 - 120 lm/W)
eine hohe Wirtschaftlichkeit bei der Beleuchtung von Industrie- und Ausstel-
lungshallen auf. Die großen Leistungsstufen prädestinieren diesen Lampen-
typ in erster Linie für die Sportstättenbeleuchtung, zumal sie ein fernseh-
gerechtes Flutlicht durch ihr quasi kontinuierliches Spektrum liefern. Aller-
dings gilt hier wie bei Quecksilberdampf-Hochdrucklampen und Natrium-
dampflampen, dass sie nach dem Ausschalten mehrere Minuten Abkühlzeit
vor dem erneuten Wiedereinschalten benötigen.
Leuchtdioden
Eine Leuchtdiode (LED = light emitting diode bzw. lichtemittierende Diode) ist
ein elektronisches Halbleiter-Bauelement, das bei Stromfluss in Durchlassrichtung
Licht, Infrarotstrahlung oder auch Ultraviolettstrahlung abstrahlt. Die Wellenlänge
ist dabei abhängig vom Halbleitermaterial.
Anders als Glühlampen sind Leuchtdioden keine Temperaturstrahler. Sie emit-
tieren Licht in einem begrenzten Spektralbereich. Somit sind Farbwiedergabe und
Lichtausbeute je nach Spektralanteil des LED-Lichtes eingeschränkt.
Durch die gezielte Auswahl der Halbleitermaterialien lassen sich die Eigen-
schaften des erzeugten Lichtes variieren. Mögliche Einsatzbereiche sind:
x Statusanzeigen, beispielsweise Betriebsbereitschaft bei Geräten aller Art
x Infrarot-LED in Fernbedienungen, vor allem im Bereich der Unterhaltungs-
elektronik
x LED-Bündel in Verkehrsampeln
x Mobile Beleuchtung wie Taschenlampen, Fahrradbeleuchtung, Stirnlampen,
zunehmend auch im Automobilbereich
x als Teil von Bewegungs- und Abstandssensoren, beispielsweise bei der opti-
schen Computermaus oder für Lichtschranken
x als Fassadenbeleuchtung von Gebäuden.
898 Arbeitswissenschaft

Lichtausbeute
Ein großer Teil der zugeführten elektrischen Energie wird bei Temperatur- und
Entladungsstrahlern in Wärme umgesetzt. Aus einer hohen Lichtausbeute kann in
der Regel allerdings nicht auf eine gute Farbwiedergabe der Lampe geschlossen
werden. Denn eine hohe Lichtausbeute kann (siehe Gl. (9.37)) nur erreicht wer-
den, wenn das Lichtspektrum und somit die Lichtleistungsdichte im gelbgrünen
Bereich konzentriert ist. Tabelle 9.29 zeigt verschiedene Lampentypen und deren
Lichtausbeutewerte.
Tabelle 9.29: Lichtausbeute verschiedener Lampenarten in Abhängigkeit von ihrer elektri-
schen Leistungsaufnahme P (aus BÖGE 2007)

Kategorie Typ Lichtausbeute in lm/W

Verbrennung Kerze 0,3


Starklichtlampe 5
Glühlampen 15 W 8
40 W 10
100 W 13,8
500 W 16,5
2000 W 19,2
Glas-Halogen 16
Quarz-Halogen 20 - 25
Hochtemperatur-Glühlampe 35
Leuchtstofflampen Ohne Drossel, 10 - 65 W 30 - 41
Mit Drossel, 13 - 75 W 34 - 53
Mit elektronischem Vorschaltgerät 80 -110
Halogen-Dampflampen 125 W 44
2000 W 62
Leuchtdioden Weiße LED 20 - 100
Bogenlampen Xenon-Bogenlampe 30 - 50
Quecksilber-Xenon-Bogenlampe 20 - 53
Gasentladungslampen Natriumdampf-Hochdrucklampe 100 -150
Natriumdampf-Niederdrucklampe 61 - 175
Schwefellampe bis 150

9.5.3.2 LeuchtenĆ
Leuchten sind Geräte, die einer zweckmäßigen Verteilung des Lichtes, der Be-
grenzung von Leuchtdichten, der Unterbringung der Halterung, der Wärmeabfuhr
und ggf. weiterer Vorschalteinrichtungen dienen. Lampen sind die Lichtquellen,
Leuchten die äußere Umhüllung. Leuchten schränken den Abstrahlwinkel der
Lampen ein, die in Lichtstärkeverteilungskurven dargestellt werden. Deswegen ist
Arbeitsumgebung 899

das Hauptunterscheidungsmerkmal von Leuchten die Hauptrichtung des Licht-


strahls.
Es können fünf Hauptgruppen von Leuchten unterschieden werden:
(1) direkt strahlende
(2) vorwiegend direkt strahlende
(3) gleichförmig strahlende
(4) vorwiegend indirekt strahlend
(5) indirekt strahlende Leuchten.
Für die Auslegung und Berechnung von Beleuchtungsanlagen sind neben der
Lichtausbeute auch der Leuchten- und der Raumwirkungsgrad von Bedeutung.
Der Leuchtenwirkungsgrad KL ist definiert als Verhältnis des aus der Leuchte
austretenden Lichtstroms ĭL zum gesamten Lampenlichtstrom ™ĭ.
Der Raumwirkungsgrad KR hängt ab von
x der Anordnung der Leuchten im Raum,
x der Lichtstromverteilung der Leuchten,
x den Raumabmessungen und
x den Reflexionsgraden der Raumbegrenzungsflächen.
Der Raumwirkungsgrad ist definiert als das Verhältnis aus dem Lichtstrom auf
der Arbeitsfläche ĭ4 zum gesamten Leuchtenlichtstrom ™ĭL. Der Index 4 steht für
einen 85 cm Abstand zwischen Lampe und beleuchteter Fläche.
Typische qualitative Lichtstärkeverteilungen sind in Abb. 9.48 dargestellt. Die
dargestellten Verteilungskurven sind vereinfachend nur für eine Ebene gezeigt, es
handelt sich tatsächlich aber um dreidimensionale Gebilde.

direkt vorwiegend gleichförmig vorwiegend indirekt


direkt indirekt

Abb. 9.48: Hauptgruppen der Leuchteneinteilung mit den dazugehörigen Lichtstärkevertei-


lungskurven (aus BÖCKER 1981)
900 Arbeitswissenschaft

9.5.4 Wirkung des Lichts


Neben emotionalen Wirkungen die Licht auf den menschlichen Körper hat und
dem damit verbundenen Einfluss auf den Gesundheitszustand des Menschen, sind
im arbeitswissenschaftlichen Kontext die funktionalen Zusammenhänge zwischen
Beleuchtung und Leistung, Ermüdung sowie menschlicher Zuverlässig von zentra-
ler Bedeutung. Der Zusammenhang von Leistung bzw. relativer Ermüdung und
der Beleuchtungsstärke beim Aufziehen von Holzperlen auf Draht wird in Abb.
9.49 deutlich. Man kann allerdings davon ausgehen, dass die Sehaufgabe nur
geringe Anforderungen stellte, da bereits bei 30 lx eine hundertprozentige Leis-
tung erzielt wurde.
Bezüglich des Anstiegs der relativen Ermüdung bei Beleuchtungsstärken über
1000 lx (Abb. 9.49) lässt sich mit Bezug auf HARTMANN (1993) anmerken, dass
der Versuch mit Glühlampen durchgeführt wurde. Dies führt bei hohen Beleuch-
tungsstärken zu einer enormen Erwärmung. Vor allem dadurch ist der Anstieg der
Ermüdung zu erklären.

111 Leistung
110
Relative
109
Leistung / Errmüdung [%]

Ermüdung
108
107
106
105
104
103
102
101
100

30 100 200 300 1.000 2.000


Beleuchtungsstärke [lx]

Abb. 9.49: Wirkung der Beleuchtungsstärke auf Leistung und Ermüdung (aus
HARTMANN 1993)

Eine detaillierte Untersuchung der Beleuchtungsstärke und ihr Einfluss auf die
menschliche Leistung sowie Zuverlässigkeit für Werkstatttätigkeiten findet sich in
GALL u. VÖLKER (1996). Abb. 9.50 stellt die Steigerung der Leistung für die Tä-
tigkeiten „Stanzen“, „Abisolieren“, „Bohren“, „Sägen“ und „Zuschneiden“ in
Abhängigkeit der Beleuchtungsstärke dar.
Die Leistungssteigerung durch eine Erhöhung der Beleuchtungsstäke ist dem-
nach auch von der auszuführenden Tätigkeit abhängig. Eine ähnliche Aussage
lässt sich für den in Abb. 9.51 gezeigten Zusammenhang zwischen Beleuchtungs-
stärke und menschlicher Zuverlässigkeit für die gleichen Tätigkeiten treffen.
Arbeitsumgebung 901

Abb. 9.50: Wirkung der Beleuchtungsstärke auf die menschliche Leistung bei industriellen
Tätigkeiten (aus GALL u. VÖLKER 1996)

Abb. 9.51: Wirkung der Beleuchtungsstärke auf die menschliche Zuverlässigkeit bei in-
dustriellen Tätigkeiten (aus GALL u. VÖLKER 1996)
902 Arbeitswissenschaft

9.5.5 Gestaltungshinweise
Die Gestaltung einer guten Beleuchtung ist von vielen Faktoren abhängig. In ers-
ter Linie ist die Tätigkeit bzw. der Zweck dem ein Arbeitsraum im Arbeitssystem
dienen soll zu berücksichtigen. So stellt die Beleuchtungsauslegung für eine Auto-
lackierwerkstatt andere Anforderungen als für einen Operationssaal. In diesem
Abschnitt können daher nur allgemeine Angaben gemacht werden, die an Beispie-
len erklärt werden, sich aber nicht ohne weiteres auf einen anderen Kontext über-
tragen lassen. Für eine detailierte Betrachtung der Auslegung von Innenraumanla-
gen sei auf RIS (2008) verwiesen.
Unabhängig von der Tätigkeit müssen folgende Grundanforderungen erfüllt
sein:
x Details müssen einen Mindestkontrast gegen die unmittelbare Umgebung
aufweisen
x Details brauchen eine Mindestgröße
x Für Details und Umgebung ist eine Mindestleuchtdichte erforderlich
x Details müssen eine Mindestzeit erkennbar sein
x Das Auge muss an die Lichtbedingungen adaptiert sein
x Die Körperlichkeit der Gegenstände ist zu betonen, so dass unterschiedliche
Flächen eines Körpers selbst bei gleichen Reflexionsgraden unterschiedliche
Leuchtdichten aufweisen
x Ein Schlagschatten, der Konturen vortäuscht, die nicht vorhanden sind, ist zu
vermeiden
x Blendung ist durch entsprechende Gestaltung der Arbeitsflächen, der Leuch-
ten selbst, der Platzierung der Leuchten und der Abschirmungen zu vermei-
den.
Künstliche Beleuchtung sollte sich an der Helligkeitsverteilung orientieren, die
durch die Tageslichtbeleuchtung hervorgerufen wird, damit eine Umkehrung der
Lichtrichtung und Schattenwirkung bei rein künstlicher Beleuchtung verhindert
wird. Deshalb sollte das Beleuchtungsmaximum des künstlichen Lichts in Fens-
ternähe liegen (Abb. 9.52).

Abb. 9.52: Beleuchtungsstärkeverteilung bei Tageslicht (links) und bei künstlichem Licht
(rechts), bei der eine Umkehrung der Schattenwirkung vermieden wird (aus HARTMANN
1993)
Arbeitsumgebung 903

In Abb. 9.53 werden die Unterschiede von diffuser, teilweise indirekter Be-
leuchtung und direkter Beleuchtung für die Körperlichkeit von Gegenständen und
Flächen deutlich. Die rein diffuse Beleuchtung erbringt eine gleichmäßige Be-
leuchtung aller Flächen, so dass die Krümmung der Fläche nur am Rande erkenn-
bar wird (Abb. 9.53 links). Mit dem Blick von oben ginge der räumliche Eindruck
verloren. Die gerichtete Beleuchtung (Abb. 9.53 rechts) lässt einen guten Raum-
eindruck entstehen, jedoch mit der Gefahr der Bildung von Schlagschatten. Sinn-
voll ist die teilweise indirekte Beleuchtung, die in der Mitte erkennbar ist.

Abb. 9.53: Rein diffuse (links), teilweise indirekte (mitte) und gerichtete Beleuchtung
(rechts) mit entsprechender Schattenbildung (aus HARTMANN 1993)

KROEMER u. GRANDJEAN (1997) haben für die Verteilung der Leuchtdichten


größerer Flächen im Gesichtsfeld folgende Prinzipien formuliert (siehe auch Abb.
9.54):
x Die Leuchtdichten (Flächenhelligkeiten) aller größeren Flächen und Gegen-
stände im Gesichtsfeld sollen möglichst gleicher Größenordnung sein
x In den mittleren Partien des Gesichtsfeldes (Mittelfeld) sollen die Kontraste
der Flächenhelligkeiten ein Verhältnis von 3:1 nicht überschreiten
x Zwischen der Mitte und den Randpartien (Umfeld) oder innerhalb der Rand-
partien des Gesichtsfeldes sollen die Kontraste ein Verhältnis 10:1 nicht
überschreiten
x Am Arbeitsplatz sollen in der Mitte des Gesichtsfeldes die helleren und au-
ßen die dunkleren Flächen liegen
x Kontraste stören mehr in den seitlichen und unteren Partien des Gesichtsfel-
des als in den oberen
x Lichtquellen sollten im Verhältnis zum Hintergrund einen Kontrast von 20:1
nicht überschreiten
x Das maximal erlaubte Kontrastverhältnis im gesamten Raum beträgt 40:1.
904 Arbeitswissenschaft

Abb. 9.54: Die zulässigen Kontraste der Flächenhelligkeit im Gesichtsfeld. Im Mittelfeld


1:3, im Umfeld 1:10, vom Mittel- zum Umfeld 1:10 (aus KROEMER u. GRANDJEAN
1997).

Bei der Beleuchtungsauslegung sind die konkreten räumlichen Bedingungen


und die Arbeitssituation zu berücksichtigen. Die in Abb. 9.55 bis Abb. 9.60 aufge-
zeigten Gestaltungslösungen dienen dazu, in erster Linie
x ein ausreichend hohes allgemeines aufgabenbezogenes Beleuchtungsniveau
zu sichern (Abb. 9.55),
x Blendung durch Reflexe oder Lichtquellen zu vermeiden (Abb. 9.56),
x die richtige Beleuchtungsart für Räume mit verschiedenen Sehstandorten
(z.B. Treppenhäuser) zu wählen (Abb. 9.57),
x den Einfluss der Leuchtenanordnung bei verschiedenen Sehaufgaben und
Blendung deutlich zu machen (Abb. 9.58),
x Kontrast und Helligkeit der Sehaufgabe anzupassen (Abb. 9.59) sowie
x den gezielten Einsatz unterschiedlicher Lampen und Leuchten für verschie-
dene Arbeitssituationen sicherzustellen (Abb. 9.60).
Weitere Beispiele guter Praxis finden sich in RIS (2008).

Abb. 9.55: Hohe Beleuchtungsgüte durch eine aufgabenbezogene Beleuchtungsstärkever-


teilung am Beispiel von Büroarbeitsplätzen (aus NEUMANN 2007)
Arbeitsumgebung 905

Abb. 9.56: Vermeidung von Blendung durch Leuchten und andere Blendquellen (aus RIS
2008) (1. Reflexblendung im Bildschirm durch nicht abgeschirmte Leuchte, 2. Reflexblen-
dung im Bildschirm durch Fenster im Hintergrund, 3. Direktblendung durch Fenster im
Vordergrund, 4. störender Glanz auf Tastatur und Belegen, 5. Direktblendung durch nicht
abgeschirmte Leuchten)

Abb. 9.57: Treppenbeleuchtung ohne störenden Schlagschatten durch zwei seitlich ange-
brachte Wandleuchten (links) und mit störendem Schlagschatten bei einer Deckenleuchte
(rechts)

keine Reflexblendung Reflexblendung möglich

Abb. 9.58: Beispiele für Reflexblendung und ihre Vermeidung durch richtige Anordnung
der Leuchten am Arbeitsplatz (BÖCKER 1981)
906 Arbeitswissenschaft

Abb. 9.59: Anpassung von Kontrast und Helligkeit an die Sehaufgabe durch korrekte
Anordnung der Leuchten zum Erkennen kleiner Details eines Arbeitsobjektes auf einer
definiert reflektierenden Unterlage. Aus Sicht des Prüfers erscheint das zu prüfende Fein-
blech schwarz, weil die abschirmende Wand keine Reflexion der Stahlerleuchten des Lichts
in Richtung des Prüfers zulässt. Die Fehlstelle „Kratzer“ hebt sich als helles Sehobjekt vom
dunklen Hintergrund ab, da sie das Licht von den Strahlerleuchten auch in Richtung des
Prüfers reflektiert (aus SCHIERZ 2007).

Abb. 9.60: Spezielle Leuchtanordnung in der Fertigung. Links: Arbeitsplatzbeleuchtung an


einer Drehbank. Zusätzlich zur Allgemeinbeleuchtung ist meist eine Einzelplatzbeleuch-
tung einzurichten, wobei das Licht von oben rechts kommend das Werkstück von der Bear-
beitungsseite her aufhellt, ohne dass Schlagschatten entstehen. Mitte: Tätigkeiten an senk-
rechten Arbeitsflächen. Ist die Arbeitsfläche überwiegend senkrecht ausgerichtet, sind
zusätzliche Leuchten für die vertikale Beleuchtungsstärke vorzusehen. Rechts: Arbeiten an
großen waagrechten Flächen (z.B. Blechtafeln). Eine angemessene Beleuchtung lässt sich
in der Regel mit einer arbeitsplatzorientierten Allgemeinbeleuchtung sicherstellen, deren
Lichtrichtung vorwiegend von oben links kommen sollte (nach RIS 2008).
Arbeitsumgebung 907

9.6 Arbeitsstoffe

Materialien und Stoffe sind notwendiger Bestandteil jedweder Güterproduktion.


Sie werden in verfahrenstechnischen Prozessen mechanisch, thermisch, biolo-
gisch, chemisch etc. erzeugt und anschließend urformend, umformend und mit
Hilfe von anderen Fertigungstechnologien zu Vor- oder Endprodukten verarbeitet.
Aus Sicht der Arbeitswissenschaft wird von Arbeitsstoffen gesprochen, mit denen
Arbeitspersonen umgehen. In den Staaten der Europäischen Union werden zurzeit
rund 100.000 Substanzen in über einer Millionen Zubereitungen verwendet. Jedes
Jahr kommen tausende neue Zubereitungen hinzu. Mit vielen dieser Substanzen
und Zubereitungen sind an Arbeitsplätzen Gefährdungen verbunden. Arbeitsper-
sonen können mit ihnen in Kontakt kommen und dadurch möglicherweise beläs-
tigt oder geschädigt werden.
Schadstoffe am Arbeitsplatz können feste, flüssige oder in der Luft schwebende
Stoffe oder Zubereitungen sein.
Das Chemikaliengesetz (ChemG) definiert Stoffe und Zubereitungen folgen-
dermaßen:
x Ein Stoff ist ein chemisches Element und seine Verbindungen in natürlicher
Form oder gewonnen durch ein Herstellungsverfahren, einschließlich der zur
Wahrung seiner Stabilität notwendigen Zusatzstoffe und der durch das an-
gewandte Verfahren bedingten Verunreinigungen, aber mit Ausnahme von
Lösungsmitteln, die von dem Stoff ohne Beeinträchtigung seiner Stabilität
und ohne Änderung seiner Zusammensetzung abgetrennt werden können.
x Zubereitungen sind aus zwei oder mehreren Stoffen bestehende Gemenge,
Gemische oder Lösungen.
Die in der Luft schwebenden Stoffe und Zubereitungen unterteilen sich weiter
in Stäube, Rauche, Nebel, Gase und Dämpfe (Abb. 9.61):
x Stäube sind disperse Verteilungen (Aerosole) fester Stoffe in Gasen, entstan-
den durch mechanische Prozesse (z.B. durch Zerkleinern) oder durch Auf-
wirbelung. Staub kann pflanzlicher, tierischer, metallischer oder minerali-
scher Herkunft sein und daher organische (z.B. Samen, Pollen, Sporen, Här-
chen, Textilfasern, Mehl) und anorganische Bestandteile (z.B. Sand, Kohle,
Kalk, Zement, Metalle) enthalten. Bei der Analyse der Stäube hinsichtlich ih-
rer gefährdenden Eigenschaften sind z.B. neben der Einwirkdauer auch die
Partikelgröße relevant.
x Rauche sind disperse Verteilungen feinster fester Stoffe in einem Gas, insbe-
sondere Luft. Sie entstehen durch thermische und/oder chemische Prozesse.
Thermische Prozesse erzeugen Rauche auf zweifache Weise:
o durch Kondensation aus der Dampfphase, teilweise verbunden mit che-
mischen Reaktionen, z.B. Schweißrauch, Metall(-oxid)-rauch oder
o durch unvollständige Verbrennung organischer Materialien (Ruß) und der
hierin enthaltenen anorganischen Verunreinigungen (Flugasche).
908 Arbeitswissenschaft

Chemische Prozesse können ebenfalls zur Rauchbildung führen (z.B. Reaktion


von Ammoniak mit Chlorwasserstoff). Die Primärteilchen von Rauchen besitzen
in der Regel einen Diffusions-Äquivalentdurchmesser dD < 0,5 Pm. Bei Rauchen
muss, im Gegensatz zu den meisten Stäuben, auch die chemisch-irritative oder
chemisch-toxische Wirkung beachtet werden (DFG 1991).
x Als Nebel werden feinverteilte flüssige Stoffe (flüssige Aerosole) in Gasen,
insbesondere Luft, bezeichnet. Als Beispiel sei hier Ölnebel genannt.
x Gase sind elementare oder molekulare Stoffe, die bei normalen Raumluftbe-
dingungen weit von ihrem Taupunkt entfernt sind und daher nicht als Fest-
stoff oder Flüssigkeit vorliegen. Die Hauptbestandteile der Luft, nämlich
Stickstoff (ca. 78%) und Sauerstoff (ca. 21%), sind bekannte Gase.
x Dämpfe sind gasförmige Stoffe, die durch Verdunsten oder Verdampfen ent-
stehen und mit ihrer flüssigen oder festen Phase im Gleichgewicht stehen.
Zusätzlich müssen noch Krankheitserreger betrachtet werden, die schädliche
Wirkung auf den Menschen haben können. Krankheitserreger sind Bakterien oder
Viren, die beim Menschen Krankheiten verursachen können. Besonders gefährdet
durch Krankheitserreger am Arbeitsplatz sind medizinisches Personal, Personal im
Labor, Reinigungspersonal und Personal bei der Abfallbeseitigung. Krankheitser-
reger werden als Tröpfcheninfektion beim Kontakt mit Patienten (z.B. Masern,
Grippe, Diphtherie, Scharlach, Tbc), beim Umgang mit Untersuchungsmaterial
(z.B. Blut, Ausscheidungen), durch Kontakt als Folge der Inkorporation nach
Verletzungen oder durch Schmierinfektionen über den Mund-, Rachen- oder
Darmweg übertragen (RECK 1982).
In den meisten Fällen reicht die Kenntnis der in einem Arbeitsverfahren einge-
setzten Stoffe und Zubereitungen zur Beurteilung der Gefährdung nicht aus, da es
beim Zusammentreffen mit einem weiteren Stoff (z.B. Verunreinigungen) oder
der Zuführung von Energie zu chemischen Reaktionen mit der Bildung zusätzli-
cher Stoffe kommen kann. So entsteht z.B. beim Schweißen von mit
Trichlorethylen entfetteten Blechen das äußerst toxisch wirkende Phosgen, bei der
thermischen Behandlung von mit Polyurethanen lackierten Oberflächen bilden
sich Isocyanate, und aus Aminen und Nitrit bilden sich krebserzeugende Nitros-
amine, z.B. wenn die in Kühlschmierstoffen enthaltenen Amine (bspw. aus Le-
bensmittelresten) mit dem in der Luft enthaltenen Stickstoff oder im Körper rea-
gieren (siehe LEHDER u. SKIBA 2005; TRGS 611).
Bei der weiteren Behandlung der gefährlichen Arbeitsstoffe sind zwei Katego-
rien gefährlicher Stoffeigenschaften zu unterscheiden. Zum einen sind dies Eigen-
schaften der Stoffe, die bei unbeabsichtigter oder unkontrollierter Entfaltung in-
nerhalb relativ kurzer Zeit zu Schäden führen. Genannt seien hier z.B. die Fähig-
keit zur Explosion, die Eigenschaft, den Verbrennungsprozess anderer Stoffe zu
fördern, akute Vergiftungen sowie Reiz- und Ätzwirkung der Substanzen. Die
Maßnahmen zur Verhinderung von Explosionen und Bränden sind Gegenstand
des Brand- und Explosionsschutzes und sollen daher hier nicht weiter erläutert
werden.
Arbeitsumgebung 909

Schadstoffe

in der Luft
feste flüssige
schwebende
Schadstoffe Schadstoffe
Schadstoffe

Aerosole

feste gasförmige flüssige


Schwebstoffe Schwebstoffe Schwebstoffe

Stäube Rauche Nebel Dämpfe Gase

Abb. 9.61: Gliederung der Schadstoffe am Arbeitsplatz (nach SCHMIDT 89, S. 239)

Zum anderen haben Stoffe toxische Eigenschaften, die erst nach relativ langer
Exposition des Menschen klinisch beobachtbare Schäden zur Folge haben. Bei
genetischen Schäden zeigen sich diese, wenn man von aufwendigen Genomanaly-
sen absieht, gar erst in der folgenden Generation. Erschwerend kommt hinzu, dass
durch den langen Zeitraum zwischen erstmaliger Exposition und Feststellung des
Schadens bisweilen Jahre oder Jahrzehnte liegen und es daher, z.B. bei neuen
Stoffen, lange keine Indizien der Schädlichkeit beim Menschen gibt.
Das Chemikaliengesetz (ChemG) nennt Stoffe und Zubereitungen gefährlich,
wenn sie
x explosionsgefährlich,
x brandfördernd,
x hochentzündlich, leichtentzündlich oder entzündlich,
x sehr giftig oder giftig,
x gesundheitsschädlich,
x ätzend oder reizend,
x sensibilisierend,
x krebserzeugend,
x fortpflanzungsgefährdend oder erbgutverändernd oder
x umweltgefährlich
sind. Ausgenommen sind gefährliche Eigenschaften ionisierender Strahlen (siehe
Kap. 9.3). Abb. 9.62 zeigt einige Gefahrensymbole, die sich an dieser geschlosse-
nen Eigenschaftsliste orientieren.
910 Arbeitswissenschaft

Xi Xn C
+ geringe verwendete Stoffmenge
+ nach Höhe und Dauer niedrige
E
Exposition
iti Schutzstufe 1
+ Maßnahmen nach § 8 Abs. 1-8
ausreichend

Xi Xn C

Schutzstufe 2

T T+

Schutzstufe 3

Krebserzeugend, erbgutverändernd, fruchtbarkeitsgefährdend (Kategorie 1, 2)


Schutzstufe 4
+ AGW nicht eingehalten

Abb. 9.62: Gefahrensymbole und Gefahrenbezeichnungen

Das Gefahrenpotential von Schadstoffen spiegelt sich auch in der Statistik der
Deutschen Unfallversicherung, die die Risiken am Arbeitsplatz für Arbeitsperso-
nen und Arbeitsgeräte versichern, wider: Etwa 1% aller meldepflichtigen Arbeits-
unfälle (ca. 9.400 Unfälle) stehen in Zusammenhang mit gefährlichen Stoffen.
Hierbei muss jedoch nicht immer die gefährliche Eigenschaft des Stoffes unfallbe-
stimmend gewesen sein. 53% dieser Unfälle sind auf Verbrennungen, Verbrühen,
Verätzungen u.ä. und unter 10% auf Vergiftungen und Infektionen zurückzufüh-
ren (siehe HVBG 2005). Die Berufskrankheiten (BK), die den Arbeitsunfällen in
Bezug auf die Versicherungsleistung (Renten) gleichgestellt sind und die aufgrund
des hohen finanziellen Risikos (Rentenhöhe ‚ Lebenserwartung) in einer geschlos-
senen Liste (63 BK) geführt werden, werden nach dem Hauptverband der gewerb-
lichen Berufsgenossenschaften in sechs Kategorien unterschieden:
(1) durch chemische Einwirkungen verursachte Krankheiten
(2) durch physikalische Einwirkungen verursachte Krankheiten
(3) durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten sowie Tro-
penkrankheiten
(4) Erkrankungen der Atemwege und der Lungen, des Rippenfells und des
Bauchfells
(5) Hautkrankheiten
(6) Krankheiten sonstiger Ursachen.
Von den etwa 22.000 bestätigten Berufskrankheiten im Jahr 2006 stehen etwa
70% in Verbindung zu den Wirkungen gefährlicher Arbeitsstoffe (Gruppen 1, 3, 4,
5). Die Hautkrankheiten in Gruppe 5 bilden davon mit rund 56,3% die größte
Gruppe (39% bezogen auf Gesamtzahl BK). Weiterhin bildet die Zahl der Erkran-
kungen der Atemwege und der Lunge, des Rippenfells und des Bauchfells (Grup-
pe 4) mit rund 37,6% (26,6% bezogen auf Gesamtzahl BK) einen weiteren
Schwerpunkt (HVBG 2008).
Arbeitsumgebung 911

9.6.1 Physikalische, chemische und physiologische Grundlagen

9.6.1.1 DieĆWirkungĆbeeinflussendeĆGrößenĆ

Die Wirkung von gefährlichen Arbeitsstoffen ist abhängig von der


x Art des Stoffes, bei Stäuben zusätzlich von der Partikelgröße,
x Konzentration der Stoffe,
x Art und Weise der Einwirkung,
x Einwirkungsdauer,
x individuellen Konstitution der Person,
x Tätigkeit
und schließlich von der Mischung mit anderen Arbeitsstoffen und Genussmitteln
(gleichzeitig oder aufeinander folgend). Zusätzlich spielt die Superposition mit
anderen Einflüssen der Arbeitsumgebung eine Rolle (Kap. 9.7). Zu beachten ist
auch, dass viele gefährliche Arbeitsstoffe nicht nur eine gefährliche Eigenschaft
haben, sondern mehrere: so ist z.B. Benzol nicht nur leicht entzündlich, sondern
das Dampf-Luftgemisch ist explosionsfähig und die Dämpfe sind hochgiftig.

9.6.1.2 ArtĆdesĆStoffesĆ

Im folgenden Abschnitt werden die Schadstoffe zunächst nach ihrem Aggregatzu-


stand unterschieden. Allgemein zur Beschreibung der physikalischen Stoffeigen-
schaften dienen
x der Schmelzpunkt des Stoffes, angegeben in K oder °C bei Normalluftdruck
(1013 hPa). Der Schmelzpunkt ist die Temperatur, bei der der Stoff von der
festen in die flüssige Phase wechselt.
x der Siedepunkt des Stoffes, angegeben in K oder °C bei Normal-Luftdruck
(1013 hPa). Der Siedepunkt ist die Temperatur, bei der der Stoff von der
flüssigen in die gasförmige Phase wechselt.
x der Dampfdruck des Stoffes, angegeben in hPa bei 20 °C. Der Dampfdruck
ist ein Maß für die Flüchtigkeit eines Stoffes; je höher der Dampfdruck, des-
to flüchtiger ist der Stoff. Übersteigt der Dampfdruck den Umgebungsdruck,
siedet der Stoff und dissipiert in die Umgebung.
Die Aufnahme von Schadstoffen in den Körper erfolgt vorwiegend über die
Atmung. Funktionsbestimmende Größe für Transport und Ablagerung des Staubes
in den Atemwegen ist der aerodynamische Durchmesser eines Teilchens (dae). Als
aerodynamischer Durchmesser eines Teilchens beliebiger Form und Dichte wird
der Durchmesser einer Kugel mit der Dichte 1,0 g/cm3 bezeichnet, welche die
gleiche Sinkgeschwindigkeit in ruhender oder laminar strömender Luft besitzt.
Diese Definition gilt auch für faserförmige Teilchen. Als Fasern werden Partikel
mit einer Länge > 5 Pm und einem Durchmesser < 3 Pm bei einem Verhältnis
Länge zu Durchmesser von mindestens 3:1 angesehen. Der aerodynamische
912 Arbeitswissenschaft

Durchmesser von Fasern wird wesentlich durch den geometrischen Faserdurch-


messer, weniger stark durch die Faserlänge bestimmt (LEHDER u. SKIBA 2005).

100
nicht einatembar
Sammelleffizienz (%)

Tracheo- Nasen-
50 Bronchial- Rachen-
staub
t b Kehlkopfstaub
alveolengängig
einatembar
thoraxgängig
10
2 5 10 20 50 100
Aerodynamischer Partikeldurchmesser dae [ȝm]

Abb. 9.63: Staubanteil und staubtechnische Festlegung in Abhängigkeit vom aerodynami-


schen Durchmesser nach dem Filtermodell (angelehnt an DIN EN 481)

Gesundheitsschädliche Stäube und Rauche verursachen verschiedene Erkran-


kungen im Bereich des Atemtraktes. Der Wirkungsort der Erkrankung wird von
dem Ablagerungsort der Teilchen im Atemtrakt bestimmt. Die Abb. 9.63 zeigt die
Wahrscheinlichkeit der Ablagerung in den verschiedenen Teilen des Atemtraktes
in Abhängigkeit von der Teilchengröße. Messtechnisch wird zwischen Gesamt-
und Feinstaub unterschieden.
Gesamtstaub ist der Anteil des Staubes, der vom Menschen eingeatmet wird.
Maßgeblich sind dabei die Ansauggeschwindigkeit im Bereich von Nase und
Mund sowie die Umströmungsbedingungen des Kopfes. Messtechnisch gilt als
Gesamtstaub der Anteil des Staubes, der durch das Probenahmegerät (siehe
Kap. 9.6.3) bei einer Ansauggeschwindigkeit von 1,25 m/s (±10%) erfasst wird.
Feinstaub ist der Anteil des Staubes, der sich in den Alveolen sowie im Bereich
der Bronchiolen ablagert und sowohl über den Tracheo-Bronchialbaum in den
Verdauungstrakt als auch in das Zwischengewebe der Lunge eintreten kann (siehe
Abb. 9.64). Hierbei wird die mukoziliare Reinigung, d.h. Reinigung über Flim-
merhärchen und Schleimtransport nicht betrachtet. Messtechnisch definiert ist
Feinstaub in der DIN EN 481 von 1993. Nach der Jonnisberger Konvention von
1959 ist Feinstaub der Teil des Staubes, der ein Abscheidesystem passiert, das in
seiner Wirkung der theoretischen Trennfunktion eines Sedimentabscheiders ent-
spricht, der Teilchen mit einem aerodynamischen Durchmesser von 5 Pm zu 50%
abscheidet. Der Durchlassgrad eines solchen Vorabscheiders beträgt für Staub-
teilchen der Dichte 1 g/cm3 mit einem Durchmesser von 1,5 Pm 95%, 3,5 Pm
75%, 5,0 Pm 50% und 7,1 Pm 0%.
Faserförmige Teilchen mit Längen bis zu etwa 100 Pm können in den
Alveolarbereich (Bereich des Gasaustausches in der Lunge) gelangen, wenn der
geometrische Faserdurchmesser unter 3 Pm liegt, und die Dichte der Fasern derje-
nigen von Mineralien entspricht (vgl. LEHDER u. SKIBA 2005).
Arbeitsumgebung 913

Aufnahme durch:

EINATMEN
Gase, Dämpfe,
Stäube, Aerosole

VERSCHLUCKEN
Stäube und
Flüssigkeiten

HAUTRESORPTION
Stäube und
Flüssigkeiten

Abb. 9.64: Aufnahmewege für Chemikalien in den menschlichen Körper (in Anlehnung an
MENCHE 2007)

9.6.1.3 KonzentrationĆ
Die Konzentration von Gasen, Dämpfen und flüchtigen Schwebstoffen wird in
ml/m3 (Milliliter pro Kubikmeter), entspricht ppm (parts per million, d.h. Teile pro
1 Million Teile), oder in mg/m3 (Milligramm pro Kubikmeter) angegeben. Die
Angabe in ml/m3 bzw. ppm ist von Temperatur und Luftdruck unabhängig, wäh-
rend sich die in mg/m3 angegebenen Werte auf eine Temperatur von 20 °C und
einen Luftdruck von 1013 hPa beziehen. Die Konzentrationsangabe für nichtflüch-
tige Schwebstoffe (Staub, Rauch, Nebel) erfolgt in mg/m3 (Milligramm des Stof-
fes je Kubikmeter Luft) oder für Asbest auch in Fasern/m3.
Werden Proben bei anderen Umgebungsbedingungen als 20 °C und einem
Luftdruck von 1013 hPa genommen, sind die Messwerte umzurechnen. Grundlage
hierfür ist das ideale Gasgesetz:
m
p ˜V n ˜ R ˜T ˜ R ˜T (9.44)
G
p: Druck [Pa]
V: Volumen [m3]
914 Arbeitswissenschaft

n: Stoffmenge [mol]
R: Gaskonstante (R = 8,314 J/K/mol)
T: Temperatur in K (0°C = 273,16 K)
m: Masse [kg ]
G: Molekulargewicht [kg/mol]
Daraus ergibt sich die folgende Formel zur Umrechnung der bei anderen Zu-
standsbedingungen erhaltenen Konzentrationen:
§ mx · pn Ta
Ca ¨ V ¸ , Cn ˜ ˜ Ca (9.45)
© ¹a Tn pa
Ca: Konzentration bei Umgebungs- bzw. Ausgangsbedingungen
Cn: Konzentration bei Normbedingungen
m x: Masse des zu messenden Stoffes in der Probe
V: Gasvolumen der Probe
p: Druck
T: Temperatur
a: Ausgangsbedingungen
n: Normbedingungen, T = 20 °C, p = 1013 hPa
Abb. 9.65 zeigt die für die Messung und Beurteilung relevanten Stoffkonzent-
rationen in Zahl und vergleichendem Bild.

Beispiel:
Der Gehalt eines Zuckerwürfels aufgelöst in

1 Prozent ist 1 Teil von Hundert 10 Gramm pro 10 g/kg


0,27
Teilen Kilogramm Tassen
Litern
1 Promille ist 1 Teil von 1 Gramm pro 1 g/kg
Tausend Teilen Kilogramm
2,7 Litern Flaschen

1 ppm (part per million) ist 1 Milligramm pro 0,001


0 001 g/kg
1 Teil von 1 Million Teilen Kilogramm (10-3)
2700
Litern Tankzug
1 ppb
b ((part per billion)
billi ) ist
i 1 Mikrogramm
ik 0,000 001 g/kg
/k
pro Kilogramm 2,7
1 Teil von 1 Milliarde Teilen (10-6)
Millionen
(b = billion, engl. für Milliarde) Tanker
Liter
1 ppt (part per trillion) ist 1 Nanogramm pro 0,000 000 001 g/kg Himmelmert

1 Teil von 1 Billion Teilen Kilogramm (10-9) Talsperre


Brenscheid
(t = trillion, engl. für Billion) 2,7 Östertal
Milliarden Östertalsperre
im
Liter Im Ebbe Sauerland

Abb. 9.65: Die für die Messung und Beurteilung von Schadstoffen relevanten Stoffkon-
zentrationen in Zahl und vergleichendem Bild (nach VALENTIN et al. 1985)

9.6.1.4 ArtĆderĆEinwirkungĆ

Gefährliche Arbeitsstoffe können über mehrere Wege in den Körper gelangen


(siehe Abb. 9.64, KATALYSE et al. 1987).
Arbeitsumgebung 915

Einatmen: Beim Einatmen können sich staubförmige Stoffe und Fasern, je nach
Teilchengröße, in den oberen Atemwegen (Nasen-Rachenraum), den Bronchien
oder in der Lunge ablagern. Auf dem gleichen Weg gelangen Gase, Dämpfe und
Nebel in den Körper.
Verschlucken: Nebeltröpfchen oder Stäube gelangen mit dem Speichel in den
Magen- und Darmbereich und können dort Schäden hervorrufen. Auch schon im
Atemtrakt deponierte Stäube können durch die Reinigungsmechanismen des
Atemtraktes in den Verdauungstrakt übertreten und dort resorbiert und biologisch
wirksam werden. Vermehrtes Schlucken durch Kaugummikauen und Essen am
Arbeitsplatz erhöhen die Menge der gefährlichen Arbeitsstoffe, die durch Ver-
schlucken in den Körper gelangen.
Hautkontakt: Über verunreinigte Hände oder Flüssigkeitsspritzer auf der Haut
können manche Stoffe in den Körper gelangen. Über die Haut werden besonders
fettlösende Stoffe in den Organismus aufgenommen.
Nicht immer wirkt der Stoff direkt an der Stelle, wo er mit dem Körper zum
ersten Mal in Berührung kommt (z.B. Verätzung der Haut durch eine starke Lau-
ge). Der Schaden kann auch erst dann entstehen, wenn der Stoff in ein bestimmtes
Organ im Körper transportiert wird oder wenn sich die Substanz im Stoffwechsel-
prozess verändert hat, z.B. Leber- und Nierenschäden durch eingeatmete Lösemit-
tel. Eine Substanz kann auch durch andauernde Einwirkung geringer Dosen, die
scheinbar harmlos sind, schädigen.
Wiederholter Kontakt mit bestimmten Stoffen kann zu allergenen Reaktionen
führen. Zwischen den Stoffeinwirkungen können größere Zeiträume liegen. Hat
eine Sensibilisierung des Organismus stattgefunden, genügen schon geringe Men-
gen, um allergische Reaktionen hervorzurufen.

9.6.1.5 EinwirkungsdauerĆ
Bei der Einwirkungsdauer müssen die Dauer und Häufigkeit der Exposition be-
achtet werden. Während bei vielen Stoffen davon ausgegangen wird, dass die
durch den Stoff verursachten Wirkungen reversibel sind, sich also in der Freizeit
der Person zurückbilden, ist dies bei anderen Stoffen – hierzu gehören vor allem
die krebserzeugenden Stoffe – nicht der Fall.

9.6.1.6 IndividuelleĆKonstitutionĆ

Die angegebenen Grenzwerte beziehen sich normalerweise auf gesunde erwachse-


ne Personen. Abhängig von der individuellen Konstitution der Person können aber
auch stärkere Wirkungen der Schadstoffe auftreten. Für bestimmte Stoffe wird ein
besonderer Schutz für Jugendliche sowie schwangere, stillende oder im gebärfähi-
gen Alter befindliche Frauen vorgeschrieben.
916 Arbeitswissenschaft

9.6.1.7 TätigkeitĆ
Eine schwere körperliche Tätigkeit erhöht z.B. das Atemvolumen. Es werden mit
dem erhöhten Luftumsatz auch mehr Schadstoffe aufgenommen.

9.6.1.8 SuperpositionĆ
Eine Superposition kann u.a. mit
x anderen Umgebungsfaktoren, wie z.B. dem Klima, vorliegen. Es ist eine ge-
nauere Betrachtung der Wirkungsmechanismen notwendig, um zu beurteilen,
ob es in einem oder mehreren organismischen Systemen zu einer Addition
oder Potenzierung der Wirkungen kommt.
x anderen Arbeitsstoffen vorliegen, den so bezeichneten Giftstoff-
Synergismen.
x Genussmitteln wie Alkohol und Zigaretten auftreten. Dabei kann es zu einer
Verstärkung der Wirkung kommen. So muss beachtet werden, dass bei Zu-
sammenwirken von Tabakrauch und einigen industriell anfallenden Gasen,
Rauchen und Stäuben, z.B. von Zement oder beim Schweißen, Summations-
oder Potenzwirkungen der Schädigung auftreten.

9.6.2 Wirkung von gefährlichen Arbeitsstoffen

9.6.2.1 ArtenĆderĆSchädigungĆ
Gefährliche Arbeitsstoffe können akut schädigen, d.h. durch die Stoffe können
Arbeitsunfälle verursacht werden (Verbrennungen, Verbrühungen, Verätzungen,
Vergiftungen, Infektionen, usw.). Es kann auch eine chronische Schädigung beim
Menschen auftreten (allergische Erkrankung, Krebserkrankung, Silikose bzw.
Staublunge, usw.), die dann ggf. als Berufskrankheit anerkannt wird.
Gefährliche Arbeitsstoffe sind oft perzeptiv nicht festzustellen, d.h. der Mensch
besitzt keinen Rezeptor bzw. kein Organ, das ihn vor dem Stoff warnt. Anderer-
seits tritt bei wahrnehmbaren Stoffen oft auch eine Gewöhnung ein, der Geruch
des Arbeitsstoffes wird dann nicht mehr wahrgenommen und verliert seine Warn-
wirkung. Im Folgenden werden für einige ausgewählte Stoffe, geordnet nach dem
Aggregatzustand, beispielhaft die Wirkungsmechanismen erläutert (nach LEHDER
u. SKIBA 2005).

9.6.2.2 StäubeĆ
Staub, der vorwiegend Schädigungen durch Gewebeänderungen verursacht, wird
als fibrogener Staub bezeichnet. Da in der Vergangenheit fast ein Drittel aller
erstmals entschädigten Berufskrankheiten durch Stäube verursacht wurden, sind
besonders zu beachten:
Arbeitsumgebung 917

x Feinstaub aus freier kristalliner Kieselsäure (SiO2-Modifikationen, Quarz,


Cristobalit und Tridymit), der Silikose und Siliko-Tuberkulose (mit Tuberku-
lose einhergehende Silikose) bewirkt (5,7% der anerkannten BK im Jahr
2006, die in Verbindung mit Arbeitsstoffen stehen).
x Asbesthaltiger Feinstaub, d.h. faserförmiger Serpentinasbest (Chrysotil, am
meisten benutzt) und faserförmiger Amphiboasbest (Amosit, Anthophyllit,
Tremolit, Aktinolith, Krokydolith), der Asbestose, Lungenkrebs oder bösar-
tige Tumore (Mesotheliome) des Rippen- oder Bauchfells verursacht (24,1%
der anerkannten BK im Jahr 2006, die in Verbindung mit Arbeitsstoffen ste-
hen). Der zum Teil in den Alveolbereich der Lunge gelangende Feinstaub re-
agiert mit dem Lungengewebe unter Neubildung von Bindegewebe, welches
das atemfähige Gewebe verdrängt und so zu einer Einschränkung der Lun-
genfunktion führt.
x Kanzerogener Staub wirkt krebserzeugend (z.B. Arsen, Beryllium, 6-wertige
Chromate, Nickel).
x Toxischer Staub schädigt durch Giftwirkung auf Körperorgane (z.B. Blei,
Zink, Cadmium, Mangan, Vanadium). Zur Beurteilung wird überwiegend die
Gesamtstaubkonzentration herangezogen.
x Ätzender Staub schädigt durch die Bildung von Basen und Säuren, die das
Gewebe zerstören (z.B. Kalk, Chrom).
x Radioaktive Stäube schädigen durch ionisierende Strahlung. Der Schädi-
gungsmechanismus wird in Kapitel 9.3.4.4 erläutert.
x Allergisierende Stäube schädigen durch akute und chronische Entzündung
der Atemorgane oder der Haut. Genannt seien beispielhaft allergisches Bron-
chialasthma und Hautentzündungen durch Chromate (z.B. in Zementstaub),
Nickelverbindungen, Mehlstaub und Stäube tropischer Hölzer.
x Inerte Stäube sind die Stäube, die weder toxisch noch fibrogen sind und auch
keine anderen spezifischen Gesundheitsschäden hervorrufen (z.B. Eisenoxid,
Magnesiumoxid). Für diese Stäube gilt der „Allgemeine Staubgrenzwert“,
der eine maximale Feinstaubkonzentration für die alveolengängige Fraktion
von 6 mg/m3 festschreibt, da diese Stäube die Lungenfunktion durch Ver-
stopfung von Alveolen beeinträchtigen können.

9.6.2.3 RaucheĆ
Für Rauche gilt sinngemäß das gleiche wie für Stäube. Besonders zu beachten ist,
dass der beim Schweißen von lackierten Teilen entstehende Rauch u.a. Blei, Zink,
Chromoxide und Phosphorverbindungen und der beim Löten gebildete Rauch
Schwermetalle enthält.

9.6.2.4 NebelĆ

Zu beachten ist vor allem der bei der Metallverarbeitung entstehende Ölnebel.
Nach dem Stand der Forschung kann nicht eindeutig belegt werden, ob die in den
918 Arbeitswissenschaft

Werkstätten üblichen Konzentrationen schädlich oder nicht schädlich sind. Fest


steht, dass bei der Metallverarbeitung in den Ölnebeln krebserzeugende Nitros-
amine gefunden und allergische Hautreaktionen beobachtet worden sind.
Eine Gefährdung kann jedoch durch eine Verschlechterung der Sichtverhältnis-
se und durch eine Erhöhung der Rutschgefahr auftreten.

9.6.2.5 DämpfeĆ
Einen niedrigen Siedepunkt haben die organischen Lösungsmittel, die daher häu-
fig als Dämpfe zu finden sind. Besonders leicht bilden die verwandten Chlorkoh-
lenwasserstoffe, wie Tetra(chlormethan) CCl4, Tri(chlorethan) CCl2-CHCl,
Tetrachlorethen (andere Bezeichnung Per(chloräthylen)) CCl2-CCl2, 1,1,1-
Trichlorethan CCl3-CCl3 und Dichlormethan (Methylenchlorid) CH2Cl2, schwere
Dämpfe und verursachen Schwindel, Benommenheit und Rausch. Chronische
Folgen sind Konzentrationsschwäche, Alkoholunverträglichkeit und schwere
Leber- und Nierenschäden. Halogenkohlenwasserstoffe wirken in flüssiger Form
als Kontaktgifte und sind, oral aufgenommen, sehr giftig.
Benzol ist mit einem Siedepunkt von 80 °C Bestandteil vieler Lösemittel und
von Motorbenzin. Die Dämpfe schädigen beim Einatmen die blutbildenden Zen-
tren und sind krebserzeugend. Bei Berührung verursacht Benzol Hautschäden.
Unter den Metalldämpfen ist u.a. das flüssige, leicht verdampfende Quecksilber
sehr gefährlich. Es verursacht Übelkeit, Haarausfall und chronische Störungen des
Zentralnervensystems.

9.6.2.6 GaseĆ

Gase können giftig, ätzend und erstickend wirken. Häufig bilden sie auch mit der
Luft explosionsfähige Atmosphären. Am häufigsten treten folgende Gase auf:
x Kohlenmonoxid (CO) ist farb-, geruch- und geschmacklos. Es entsteht bei
unvollständiger Verbrennung und ist daher in Rauch, Auspuffgasen, Stadtgas
etc. enthalten. Es lagert sich 300 mal fester an den Blutfarbstoff Hämoglobin
an als Sauerstoff und führt so zur Erstickung.
x Kohlendioxid (CO2) ist ein schweres, farb- und geruchloses Gas. Es tritt be-
sonders in Bergwerken aus und führt zu Erstickungen.
x Nitrose Gase sind das farb- und geruchlose NO, das bei höheren Konzentra-
tionen in das ab 200 ppm rötlich-braun sichtbare NO2 übergeht, und andere
Gase, deren wesentlicher Bestandteil NO2 ist. In der Lunge kommt es zu
schweren Schäden, da sich aus den nitrosen Gasen Salpetersäure (HNO3)
bildet.
x Ozon (O3) ist ein typisch riechendes, sehr giftiges Reizgas, das sich bei elekt-
rischen Ladungen in der Luft und bei UV-Bestrahlung bildet. Es tritt daher
beim Schweißen, Röntgen usw., in geringer Konzentration auch bei Dru-
ckern, auf.
Arbeitsumgebung 919

x Schwefeldioxid (SO2) wird bei chemischen Prozessen und der Verbrennung


von Heizmaterialien frei und bildet mit Wasser schweflige Säure HSO3 und
Schwefelsäure H2SO4. Es wirkt stark ätzend.
x Schwefelwasserstoff (H2S) tritt in chemischen Prozessen, im Erdgas und als
Fäulnisprodukt auf. Ab etwa 1 ppm ist das farblose Gas durch den Geruch
nach faulen Eiern wahrnehmbar. Bei hohen Konzentrationen werden die Ge-
ruchsnerven gelähmt, es kommt weiterhin zu Bindehautentzündungen und
Reizung der Atemwege.
x Formaldehyd (CH2O) ist ein farbloses, stechend riechendes Gas, das brenn-
bar und mit Luft explosibel ist. Es wird meist als wässrige Lösung oder als
fester Stoff gehandhabt. Es bewirkt Schleimhautentzündungen, Unwohlsein
und allergene Reaktion. Es besteht der begründete Verdacht auf krebserzeu-
gendes Potential.
x Phosgen (Carbonylchlorid, COCl2) ist ein farbloses, charakteristisch rie-
chendes Gas, das u.a. ungewollt bei der thermischen Zersetzung von Chlor-
kohlenwasserstoffen (z.B. beim Schweißen) entsteht. Es wirkt auf die Lunge
durch Säurebildung, führt zu Atembeschwerden und Husten und wirkt schon
bei geringen Konzentrationen tödlich.

9.6.3 Messung

9.6.3.1 Ermittlungs-ĆundĆÜberwachungspflichtĆ

Die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) weist dem Arbeitgeber Ermittlung- und


Überwachungspflichten zu:
x Der Arbeitgeber hat festzustellen, ob die Beschäftigten Tätigkeiten mit Ge-
fahrstoffen durchführen oder ob Gefahrstoffe bei diesen Tätigkeiten entste-
hen oder freigesetzt werden. (§7 (1) GefStoffV).
x Bevor der Arbeitgeber Arbeitnehmer beim Umgang mit Gefahrstoffen be-
schäftigt, hat er zur Feststellung der erforderlichen Maßnahmen die mit dem
Umgang verbundenen Gefahren zu ermitteln und zu beurteilen. Welche
Schutzmaßnahmen zur Abwehr der Gefahren zu treffen sind, die beim Um-
gang mit Gefahrstoffen entstehen können, hat der Arbeitgeber zu regeln, be-
vor er mit dem Gefahrstoff umgeht (§7 (1) GefStoffV).
x Ist das Auftreten eines oder verschiedener gefährlicher Stoffe in der Luft am
Arbeitsplatz nicht sicher auszuschließen, so hat der Arbeitgeber zu ermitteln,
ob die Arbeitsplatzgrenzwerte eingehalten sind (§9 (4) GefStoffV). Außerdem
ist die Gesamtwirkung verschiedener gefährlicher Stoffe in der Luft am Ar-
beitsplatz zu beurteilen.
Die TRGS 400 „Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen“
beschreibt die Vorgehensweisen zur Informationsermittlung und Gefährdungsbe-
urteilungen nach §7 der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV). So besteht eine Ge-
fährdungsbeurteilung grundsätzlich aus den Schritten: 1) Ermittlung und Bewer-
920 Arbeitswissenschaft

tung der inhalativen Exposition, 2) Dokumentation, 3) Festlegungen zur Befundsi-


cherung und Wirksamkeitskontrollen und 4) Überprüfung / Optimierung der
Schutzmaßnahmen.
In der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 402 wird das „Ermitteln und
Beurteilen der Gefährdung bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen“ bei inhalativer Ex-
position näher ausgeführt.
Die Ermittlung der inhalativen Exposition erfolgt in drei Schritten:
(1) Erfassung und Beschreibung der Tätigkeiten und Festlegung des Arbeitsbe-
reichs, für den die Beurteilung erfolgen soll
(2) Erfassung der Gefahrstoffe (siehe TRGS 400 Nummer 4.7)
(3) Ermittlung der Exposition.
Die Gefahrstoffverordnung in Verbindung mit der TRGS 402 verpflichtet also
zur Feststellung, mit welchen Stoffen und Zubereitungen im Arbeitsbereich um-
gegangen wird. Dabei ist zu beachten, dass aus Stoffen und Zubereitungen weitere
Stoffe freigesetzt werden bzw. beim Umgang entstehen. Besondere Vorsicht ist
immer dann geboten, wenn Energie im Arbeitsprozess zugeführt und die Reakti-
onsfreudigkeit der eingesetzten Stoffe und Zubereitungen erhöht wird.
Zur Überprüfung, ob die an dem Arbeitsplatz verwandten bzw. entstehenden
Stoffe gefährlich sind, ist eine Beurteilung der Gefährdung notwendig. In vielen
Fällen ist dies nur durch Messungen zu erreichen.
Die Messung selbst besteht grundsätzlich aus vier Schritten:
(1) Probenahme; sie teilt sich in die strategische Probenahme (Auswahl des
Ortes, des Zeitpunktes und der Zeitdauer der Probenahme) und die eigentli-
che, technische Probenahme
(2) Probeaufbereitung für die Analyse
(3) Analytische Bestimmung einschließlich notwendiger Berechnungen
(4) Beurteilung; z.B. der Vergleich der Messergebnisse mit einem Grenzwert
oder der arbeitsmedizinische Befund.
Die vier Verfahrensschritte können unmittelbar zeitlich aufeinanderfolgen, am
Messort oder auch zeitlich und räumlich getrennt durchgeführt werden.

9.6.3.2 ProbenahmeĆ

Strategische Probenahme
Das Ziel einer Messung bestimmt die Art und Weise einer Probenahme. Neben
den gesetzlich geforderten Messungen können auch zur technischen Gestaltung
des Arbeitsplatzes Messungen hilfreich sein. Um z.B. Hinweise für die Auslegung
einer Absauganlage zu erhalten, spielen das Wissen über den Entstehungsort und
das zeitliche Auftreten einer Schadstoffkonzentration eine Rolle; in diesem Falle
erfolgt die Probenahme sicherlich anders, als wenn es um die Beurteilung einer
auf die Arbeitsperson einwirkenden Schadstoffbelastung geht. Im Folgenden soll
aber nur näher auf den letzteren Fall eingegangen werden.
Arbeitsumgebung 921

Die kontinuierliche, d.h. dauernde Messung der gefährlichen Arbeitsstoffe am


Arbeitsort der Arbeitsperson gibt das genaueste Abbild der einwirkenden Schad-
stoffbelastung. Ist der Arbeitsort der Person jedoch veränderlich, bedeutet dies
einen sehr hohen technischen Aufwand, und zudem ist das dauernde Tragen der
Messapparatur für die Betroffenen meist nicht zumutbar. Für einige Stoffe gibt es
jedoch auf dem Diffusionsprinzip beruhende Monitore, die, ähnlich einem Dosi-
meter, an der Kleidung getragen werden können. Arbeitsplätze, an denen in der
Luft mit Stoffen mit akut toxischer Wirkung oder mit irreversibler Wirkung bei
Überschreitung bestimmter Konzentrationen gerechnet werden muss, sollten mit
kontinuierlich arbeitenden Geräten überwacht werden (WOLF u. BLOME 1980).
Die dort eingesetzten, meist stationären, Messgeräte nehmen und analysieren die
Probe automatisch und warnen die Arbeitnehmer durch optische und akustische
Signale, ggf. lösen sie auch Schutzmaßnahmen aus.
Der Normalfall ist die stichprobenartige Messung von gefährlichen Arbeitsstof-
fen. Es muss, wie bei allen Stichproben, auf die Repräsentativität geachtet werden.
Die Ergebnisse der Messungen bleiben allerdings immer mit einer mehr oder
minder großen statistischen Unsicherheit behaftet, die bei der Beurteilung des
Arbeitsplatzes entsprechend zu berücksichtigen ist.
Von der Arbeitsperson mitgeführte Probenahmeapparaturen haben gegenüber
stationären Aufbauten den großen Vorteil, dass sie am genauesten die von der
Person eingeatmete Schadstoffbelastung erfassen. Bei stationären Aufbauten muss
evtl. das Ergebnis mehrerer Messungen an verschiedenen Orten des Arbeitsberei-
ches gemittelt werden. Gerade bei gerichteten Schadstoffströmen (z.B. durch
Absauganlagen) können an Orten, die vielleicht einen halben Meter auseinander
liegen, ganz unterschiedliche Schadstoffkonzentrationen vorliegen. Stationäre
Aufbauten sollten allerdings bevorzugt werden, wenn die Probenahmeapparatur
die Arbeitsperson durch Größe, Gewicht u.a. gefährdet, behindert oder zu stark
belästigt. Der stationäre Aufbau ist möglichst nahe bei der Arbeitsperson in Höhe
des Atembereichs aufzustellen. Bewegt sich die Person während der Arbeit, so
sind ggf. mehrere Messungen an den verschiedenen Orten durchzuführen, um ein
repräsentatives Messergebnis zu erhalten. Der Zeitpunkt und die Dauer der Pro-
benahme sollten alle vorkommenden Betriebsverhältnisse erfassen. Je kürzer die
Probenahmedauer, desto mehr Messungen müssen durchgeführt werden. Die
TRGS 402 gibt dafür eine Mindestprobenzahl an (Tabelle 9.30).
Tabelle 9.30: Mindestprobenzahl (nach TRGS 402)

Mittelungsdauer (Probenaufnahmedauer) Probenzahl


10 sek t 30
1 min t 20
5 min t 12
15 min t 4
30 min t 3
1 h t 2
t2 h t 1
922 Arbeitswissenschaft

Technische Probenahme
Der zu messende gefährliche Arbeitsstoff liegt in der Luft als Staub, Rauch, Ne-
bel, Dampf oder Gas vor. Eine Möglichkeit der Probenahme ist das Einschließen
eines bestimmten Luftvolumens mit den darin enthaltenen gefährlichen Arbeits-
stoffen, z.B. in einem vorher evakuierten Glasrohr oder in einem Kunststoffbehäl-
ter. Die Gasprobe wird dann der Analyse zugeführt. Oftmals werden jedoch die in
der Probe enthaltenen gefährlichen Arbeitsstoffe für eine Analyse nicht ausrei-
chen. Bei den folgenden Verfahren werden die gefährlichen Stoffe in einer sog.
Sammelphase angereichert und fixiert. Der Messaufbau entspricht fast immer dem
in Abb. 9.66 dargestellten. Oftmals werden auch mehrere Sammelphasen hinterei-
nander geschaltet. Die erste Sammelphase bindet Stoffe, die zu Querempfindlich-
keiten bei der eigentlichen Analyse führen würden. Gasmengenzähler und Re-
gelventil sind meist in der Pumpe integriert.

Barometer

Probeluft

Thermometer
Sammelphase
Regelventil
Pumpe

Uhr
Gasmengenzähler

Abb. 9.66: Prinzipieller Messaufbau zur Messung gefährlicher Arbeitsstoffe

Nach den Anforderungen der Messung und der Art des gefährlichen Arbeits-
stoffes wird die Sammelphase ausgewählt. Für Stäube, Rauche und Fasern sind
dies Glasfaser- oder Membranfilter. Für Nebel, Dämpfe und Gase werden Absorp-
tionsverfahren (absorbieren: aufsaugen, in sich aufnehmen) mit Flüssigkeiten und
Adsorptionsverfahren (adsorbieren: Gase oder gelöste Stoffe an der Oberfläche
eines festen Stoffes anlagern) mit einer Festkörpermatrix als Sammelphase einge-
setzt.
Die Flüssigkeit hält den Stoff entweder auf Grund der reinen Löslichkeit oder
auf Grund einer chemischen Reaktion in einem Mehrkomponentengemisch zu-
rück. Als Flüssigkeiten finden z.B. destilliertes Wasser, verdünnte Mineralsäuren
für basische Gase und Dämpfe, verdünnte Natronlauge für saure Gase und Dämp-
fe, Perhydrollösungen für Schwefeloxid und Bisulfitlösungen für Aldehyde Ver-
wendung (HÖNIG 1982). Die Absorptionsverfahren mit zum Teil zwei Waschfla-
schen sind in der Regel nicht für eine personengebundene Messung geeignet.
Bei den Adsorptionsverfahren wird der Schadstoff physikalisch an der Festkör-
permatrix gebunden. Gebräuchlich sind Matrizen aus Silicagel für organische
Verbindungen und Aktivkohleröhrchen für organische Gase und Dämpfe. Die
Adsorptionsverfahren sind meist in relativ kompakten Bauformen realisierbar und
können daher von der Person mitgeführt werden.
Arbeitsumgebung 923

9.6.3.3 AnalyseverfahrenĆ
Der apparative Aufwand für die Analyse wird i.Allg. größer als der Aufwand für
die Probenahme sein. In vielen Fällen werden gerade in kleinen und mittelständi-
schen Unternehmen die für die Analyse notwendigen Geräte nicht zur Verfügung
stehen. Ist die Probenahme und Analyse nicht möglich, so findet sich auf den
Internetseiten des Bundesverbandes der Messstellen für Umwelt- und Arbeits-
schutz ein Verzeichnis für nach der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV §9 Abs. 6)
akkreditierte Messstellen und Prüflaboratorien. In vielen Fällen bereitet jedoch nur
die innerbetriebliche Analyse Probleme. In diesen Fällen ist das vom Berufsge-
nossenschaftlichen Institut für Arbeitssicherheit (BIA) vorgelegte Konzept „De-
zentrale Probenahme - Zentrale Auswertung“ zu verfolgen (vgl. WOLF u. BLOME
1982, BIA 1983). Die Probenahmebedingungen für die Messung gas-, dampf- und
staubförmiger Schadstoffe sind vom BIA aufgelistet worden. Die so gezogenen
Proben können nun an ein geeignetes Labor zur Auswertung gesandt werden.

9.6.3.4 MessverfahrenĆundĆ-geräteĆ

Im Folgenden wird eine Auswahl von verschiedenen Messverfahren und -geräten


für die Messung von Stäuben sowie Gasen und Dämpfen vorgestellt. Weiterge-
hende Darstellungen finden sich in BGIA (2009).

Messung von Stäuben


Bei der Messung von Stäuben richtet sich die Auswahl des Messverfahrens nach
dem Ziel der Messung. Zur Bestimmung der Staubkonzentration dient die Staub-
abscheidung auf Filtern, ggf. mit einer Feinstaubabscheidung. Häufig werden für
stationäre Messungen das unter Lizenz vom BIA hergestellte Gravikon VC 25
oder das mobile Gravikon PM 4 eingesetzt (siehe Abb. 9.67a). Die Ansaugge-
schwindigkeit des Gravikon VC 25 beträgt 1,25 m/s ± 10%, das entspricht in etwa
der Einatemgeschwindigkeit des Menschen. Es werden standardmäßig 22,5 m3
Luft pro Stunde angesaugt und das Mindestprobeluftvolumen beträgt 5 m3. Stäube
mit einem aerodynamischen Durchmesser von 10 Pm werden etwa zu 80%, 20 Pm
etwa zu 70% und 50 Pm 55% erfasst.
Zur Bestimmung des Gesamtstaubs wird das Gravikon VC 25 mit dem Gesamt-
staubmesskopf verwandt. Eine Auswertung erfolgt mittels Wiegung des getrock-
neten Filtermaterials vor und nach der Messung.
Bei der Bestimmung des Feinstaubs wird das Gerät mit dem Feinstaubmess-
kopf benutzt. Die mit großer Geschwindigkeit auf das Zentrum des Filters treffen-
den Partikel werden aufgrund fehlender Hafteigenschaften und der Elastizität des
Filters wieder in den Luftstrom zurückgeschleudert und von diesem radialsymmet-
risch über den ganzen Filter verteilt. Da größere Partikel eine größere Rück-
sprunghöhe haben, werden sie weiter nach außen getragen als die kleineren Parti-
kel. Der Feinstaub wird also auf einer ringförmigen Fläche des Filters abgeschie-
den (Abb. 9.67b). Eine andere, allerdings relativ ungenaue, Methode der Bestim-
924 Arbeitswissenschaft

mung der Feinstaubkonzentration besteht in der Wiegung des mit dem Feinstaub
beaufschlagten Filtersegments. Dazu wird der entsprechende Teil des Filters aus-
gestanzt und das Gewicht mit dem durchschnittlichen „Leergewicht“ mehrerer
unbeaufschlagter Filtersegmente verglichen. Die folgend beschriebene Methode
der Auswertung ist genauer, kann aber nur von entsprechend ausgerüsteten Labors
vorgenommen werden. Der mit Feinstaub belegte Filterbereich wird mit ȕ-
Strahlen durchstrahlt. Die Absorption von ȕ-Teilchen ist dann ein Maß für die
Feinstaubmenge (FÖDISCH 2004).
Das Probenahmegerät Gravikon PM 4 arbeitet mit einem Volumenstrom von
4 m³/h. Im Gegensatz zum Gravikon VC 25 ist dieses Gerät aufgrund des geringe-
ren Volumenstroms insbesondere in kleinen Räumen einsetzbar, ohne dass die
Schadstoffkonzentration durch den Einsatz des Gerätes beeinflusst wird.

angesaugte angesaugte
Luft Luft

Feinstaub

• • Großstaub

Prallplatte

Abb. 9.67: a) Staubmessgerät; b) Prinzip der Trennung von Fein- und Grobstaub

Für die Messung der Gesamtstaubkonzentration an der Person kann ein eben-
falls vom BIA entwickelter Gesamtstaubmesskopf in Verbindung mit einer von
der Person zu tragenden Messpumpe verwandt werden. An dieser Stelle seien die
gegenüber Standardverfahren abgesicherten Systeme GSP und der Absorber B 70
genannt. Die Ansauggeschwindigkeit des GSP beträgt ebenfalls 1,25 m/s, der
Luftdurchsatz liegt allerdings nur bei 3,5 l/min (GSP 3,5) bzw. 10 l/min (GSP 10),
dementsprechend länger dauern die Messzeiten. Die Auswertung erfolgt mittels
Wiegung. Der Absorber B 70 weist ebenfalls eine Ansauggeschwindigkeit von
1,25 m/s auf bei einer Ansaugrate von 70 l/h.
Zur Bestimmung der Staubart dient eine chemische Analyse der gesammelten
Probe.

Messung von Gasen und Dämpfen


Eine der einfachsten Möglichkeiten Gase und Dämpfe zu messen und (fast)
gleichzeitig zu analysieren, ist die Messung mittels Prüfröhrchen. Mit Hilfe einer
meist handbetriebenen Pumpe wird durch die Röhrchen eine definierte Menge
Luft gesaugt. In den Röhrchen befindet sich ein Reagenz, das sich je nach der
Konzentration des zu prüfenden Stoffes mehr oder weniger stark verfärbt. An
Arbeitsumgebung 925

Hand einer Skala oder einer Vergleichsfarbtafel kann die Konzentration des Stof-
fes vom Röhrchen abgelesen werden.
Es gibt Röhrchen für Kurzzeitmessungen, die z.B. zur Erfassung des Konzen-
trationsverlaufes eingesetzt werden können, und solche für Langzeitmessungen,
die bis zu acht Stunden die Durchschnittskonzentration bestimmen. Spezielle
Röhrchen für Unfallsituationen ermöglichen rasch eine Eingrenzung der ausgetre-
tenen Stoffe. Die Vorteile von Prüfröhrchen sind:
x relativ einfache Handhabung
x schnelle Ergebnisse, da Probenahme und Analyse zeitlich zusammenfallen
x Wirtschaftlichkeit.
Als Nachteile stehen dem gegenüber:
x Querempfindlichkeitsprobleme, die immer dann hinderlich sind, wenn viele
Stoffe gleichzeitig vorhanden sind
x relative Abweichungen von bis zu 30%,
x große Messunsicherheiten im Neu- und Altzustand. Die Messunsicherheit
verschlechtert sich im Altzustand, im schlimmsten Fall wird gar keinen Ge-
fahrstoff mehr angezeigt.
Aus diesen Punkten ergibt sich, dass Prüfröhrchen für orientierende Messungen
zur Erlangung von Vorwissen am günstigsten eingesetzt werden können. Je näher
ein Messwert dem Grenzwert kommt, desto notwendiger ist die Wiederholung der
Messung mit einem spezifischeren oder empfindlicheren Verfahren (QUELLMALZ
1988; WOLF 1977). Positiv lässt sich aber auch feststellen, dass eine Schadstoff-
konzentration nicht vorliegt, wenn ein entsprechendes Röhrchen keine Reaktion
zeigt.
Für genauere Messungen sind von verschiedenen Herstellern mikroprozessor-
gesteuerte, explosionsgeschützte tragbare Messpumpen erhältlich. Diese saugen
mit einstellbarem Volumen Luft aus dem Atembereich der Person durch die
Sammelphase ein.
Für die unterschiedlichen Stoffe gibt es z.B. bei GREIM (2006) Analysevor-
schriften, die Probenahmebedingungen, Sammelphase und Analyse beschreiben.
Für bestimmte Gase gibt es Warngeräte, die bei Überschreiten der festgelegten
Konzentration einen Alarm geben.

9.6.3.5 HautresorptionĆ

Im Gegensatz zur inhalativen Exposition steht keine geeignete Größe zur Quanti-
fizierung der Aufnahme von gefährlichen Stoffen durch die Haut zur Verfügung.
Neben einer lokalen Wirkung sind auch Wirkungen an anderen Stellen des Orga-
nismus zu beachten. Die Fähigkeit eines Stoffs die Haut zu durchdringen, wird mit
der Penetrationsrate beschrieben. Diese ist allerdings experimentell nur sehr auf-
wendig zu ermitteln, daher wird häufig auf die Fettlöslichkeit des Stoffes als Maß-
stab der Penetration zurückgegriffen.
926 Arbeitswissenschaft

9.6.4 Bewertung und Beurteilung


Nach der Gefahrstoffverordnung ist ein Schutzstufenkonzept zur Gefährdungsbe-
urteilung bei Tätigkeiten mit Stoffen und Zubereitungen erforderlich. Anhand der
Zuordnung der Stoffe und Zubereitungen zu einer Schutzstufe sind Sicherheits-
maßnahmen deklariert, die im Betrieb bei entsprechendem Umgang damit umge-
setzt werden müssen. Eine höhere Stufe beinhaltet ebenfalls die Maßnahmen aus
den niedrigeren Stufen:
x Schutzstufe 1 gilt für Tätigkeiten mit geringer Gefährdung. Der Gebrauch
gesundheitsschädlicher Korrekturflüssigkeit im Büro oder die maschinelle
Instrumentendesinfektion in einer Arztpraxis sind Beispiele für Tätigkeiten
mit geringer Gefährdung. In diesem Fall reichen Maßnahmen nach TRGS 500
„Schutzmaßnahmen“ (4.2 Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit geringer
Gefährdung) aus.
x Schutzstufe 2 gilt für Tätigkeiten mit ätzenden, reizenden und gesundheits-
schädlichen Stoffen und Zubereitungen. Im Umgang mit Arbeitsstoffen der
Schutzstufe 2 hat der Arbeitgeber vorrangig – sofern möglich – eine Substi-
tution durchzuführen. Lässt sich die Gefährdung durch Substitution nicht
verringern, so muss er nach dem Stand der Technik für geeignete technische
Schutzmaßnahmen wie bspw. eine angemessene Be- und Entlüftung sorgen.
Neben der Führung eines Gefahrstoffverzeichnisses, der Erarbeitung und
Umsetzung von Betriebsanweisungen und Unterweisungen, sind zusätzlich
noch die sachgerechte Aufbewahrung und die räumlich Trennung von Ar-
beits- und Schutzkleidung zu gewährleisten.
x Schutzstufe 3 gilt für Tätigkeiten mit giftigen und sehr giftigen Stoffen und
Zubereitungen. Beispiele hierfür sind 25%ige Formaldehyd-Lösungen und
Zubereitungen mit 10% Methanol. Zunächst ist die Aufgabe hierbei zu über-
prüfen, inwieweit die Gefahrstoffe durch andere ersetzt werden können. Ist
dies nicht möglich, müssen neben den bereits bekannten Schutzmaßnahmen
von Schutzstufe 1 und 2 noch weitere Maßnahmen ergriffen werden. So ist
die Gefährdung nach dem Stand der Technik soweit wie möglich zu verrin-
gern. Zur Kontrolle muss die Einhaltung der Arbeitsplatzgrenzwerte mittels
Messungen dokumentiert werden.
x Schutzstufe 4 gilt für Tätigkeiten mit krebserzeugenden, erbgutverändernden
und fruchtbarkeitsgefährdenden Stoffen und Zubereitungen. Hier sind als
Beispiel krebserzeugende Arzneimittel oder Eichenholzstaub zu nennen.
Auch hier sind die Zeiten, in denen die Beschäftigten diesen Stoffen ausge-
setzt sind, auf ein Minimum zu reduzieren. Und es ist Sorge dafür zu tragen,
dass mit der abgesaugten Luft andere Mitarbeiter nicht in Berührung kom-
men. Eine Ausnahme bilden Stoffe, die ausschließlich als fruchtschädigend
eingestuft werden, bspw. Halothan. Diese Stoffe werden als giftige Stoffe
eingestuft und somit der Schutzstufe 3 zugeordnet.
Arbeitsumgebung 927

9.6.4.1 SystematikĆderĆGrenzwerteĆ
Zur Beurteilung von gefährlichen Arbeitsstoffen gibt es verschiedene Schwellen,
ab denen Maßnahmen ergriffen werden müssen, und Grenzwerte, die nicht über-
schritten werden dürfen. Dies ist zu allererst die Auslöseschwelle, die durch ver-
schiedene Grenzwertkonzepte konkretisiert wird. Bei den Grenzwerten von Stof-
fen in der Luft am Arbeitsplatz wird zwischen zwei Gruppen von Stoffen unter-
schieden. Es gibt eine Kategorie von Stoffen, für die toxikologisch eine Schwel-
lendosis bestimmbar ist, unterhalb derer durchschnittlich gesunde Menschen nicht
mit einem Gesundheitsschaden rechnen müssen. Eine zweite Kategorie von Stof-
fen umfasst vor allem die krebserzeugenden und erbgutverändernden Stoffe, für
die ein solcher Schwellwert nicht existiert bzw. nicht bestimmbar ist (BUNDES-
ANSTALT 1986). Für diese beiden Gruppen von Stoffen werden gesundheitsbasier-
te AGW (Arbeitsplatzgrenzwerte) aufgestellt, die in ihrer Bedeutung den bisheri-
gen Werten für eine sog. Maximale-Arbeitsplatz-Konzentration (MAK) entspre-
chen. Ebenso existieren Grenzwerte für absolute Quantitäten eines Arbeitsstoffes
bzw. die Auswirkung des Arbeitsstoffes im biologischen Material des Menschen
(z.B. Blut, Harn). Es wird wieder zwischen krebserzeugenden und erbgutverän-
dernden Stoffen sowie anderen Stoffen unterschieden. Der biologische Grenzwert
gilt für letztere Gruppe.

9.6.4.2 ArbeitsplatzgrenzwertĆ

Nach der Gefahrstoffverordnung ist der Arbeitsplatzgrenzwert ein Grenzwert für


die zeitlich gewichtete durchschnittliche Konzentration eines Stoffes in der Luft
am Arbeitsplatz in Bezug auf einen gegebenen Referenzzeitraum. Er gibt an, bei
welcher Konzentration eines Stoffes akut oder chronisch schädliche Auswirkun-
gen auf die Gesundheit i.Allg. nicht zu erwarten sind (§3 Abs. 6 GefStoffV). Neben
den Wirkungscharakteristika der Stoffe werden bei der Aufstellung –
sofern dies möglich ist – die praktischen Gegebenheiten der Arbeitsprozesse bzw.
der durch diese bestimmten Expositionsmuster mit berücksichtigt. Die bis zur
Einführung von AGW geltenden MAK-Werte bilden heute noch vielfach die
Grundlage. Die Grenzwerte sind historisch als Schichtmittelwert konzipiert (8 h
Exposition an 5 Tagen pro Woche während der Lebensarbeitszeit). In der Realität
unterliegen die auftretenden Werte allerdings großen Schwankungen, so können
etwa z.B. kurzzeitige Expositionsspitzen auftreten. Aus diesem Grund sind diese
Abweichungen des Mittelwertes nach oben begrenzt, um Gesundheitsschäden zu
verhüten.
Die Wirkungen der Stoffe sind recht unterschiedlich, deshalb bedarf es auch
verschiedener Grenzwerte für die zulässigen Expositionsspitzen. Bei der Festle-
gung von Expositionsspitzen werden die Stoffe gemäß ihrer toxikologischen Wir-
kung in folgende zwei Kategorien eingeteilt (TRGS 900):
x Kategorie ,Stoffe bei denen die lokale Wirkung grenzwertbestimmend ist
oder atemwegssensibilisierende Stoffe (Beispiele: Chlorwasserstoff, Brom)
928 Arbeitswissenschaft

x Kategorie ,,Resorptiv wirksame Stoffe (Beispiele: Lösemittel, zahlreiche


Organika).
Da die AGW für gesunde Menschen im erwerbsfähigen Alter aufgestellt wer-
den, dürfen sie nicht zur Bewertung der Exposition von Kindern, älteren oder
kranken Menschen sowie von schwangeren Mitarbeiterinnen (hier in Bezug auf
das ungeborenen Kind) herangezogen werden. Ebenso ist die Anwendbarkeit bei
längeren Expositionen (über 8 h pro Tag) insbesondere bei kontinuierlicher
(Raumluft-) Belastung stark eingeschränkt. Im Falle von sensibilisierenden Stof-
fen (wie Chromverbindungen, Acrylharze, Formaldehyd, Mehlstäube) kann auch
bei Einhaltung der AGW eine Sensibilisierung nicht ausgeschlossen werden.

9.6.4.3 BiologischerĆGrenzwertĆ
Seit 1. Januar 2005 werden in der neuen Gefahrstoffverordnung die alten Biologi-
sche-Arbeitsplatztoleranz-Werte (BAT-Werte) durch sog. biologische Grenzwerte
(BGW) ersetzt. Die alten BAT-Werte können und sollen jedoch bis zur vollständi-
gen Umsetzung der Verordnung als Richt- und Orientierungsgrößen weiter ver-
wendet werden. Der biologische Grenzwert ist ein „Grenzwert für die toxologisch-
arbeitsmedizinisch abgeleitete Konzentration eines Stoffes, seines Metaboliten
oder eines Beanspruchungsindikators im entsprechenden biologischen Material,
bei dem im Allgemeinen die Gesundheit eines Beschäftigten nicht beeinträchtigt
wird“ (§3 Abs. 7 GefStoffV).
Biologische Grenzwerte können als Konzentrationen, Bildungs- oder Aus-
scheidungsraten (Menge/Zeiteinheit) definiert sein. Wie bei den Arbeitsplatz-
grenzwerten (AGW) wird in der Regel eine Stoffbelastung von maximal 8 Stun-
den täglich und 40 Stunden wöchentlich zugrunde gelegt. Biologische Grenzwerte
sind als Höchstwerte für gesunde Einzelpersonen konzipiert. Sie werden unter
Berücksichtigung der Wirkungscharakteristika der Stoffe in der Regel für Blut
oder Urin aufgestellt. Maßgebend sind dabei arbeitsmedizinisch-toxikologisch
fundierte Kriterien des Gesundheitsschutzes. Biologische Grenzwerte gelten in der
Regel für eine Belastung mit Einzelstoffen (TRGS 903).

9.6.4.4 MaximaleĆArbeitsplatz-KonzentrationĆ(MAK-Wert)Ć
Die klassischen MAK-Werte (Maximale Arbeitsplatz-Konzentration) sind heute
formaljuristisch nicht mehr relevant. Da sich aber momentan die Arbeitsplatz-
grenzwerte noch an den MAK-Werten orientieren, seien diese im Folgenden
nochmals kurz erläutert. Der MAK-Wert beschreibt die höchstzulässige Konzent-
ration eines Arbeitsstoffes als Gas, Dampf oder Schwebstoff in der Luft am Ar-
beitsplatz, die nach dem gegenwärtigen Stand der Kenntnis auch bei wiederholter
und langfristiger, in der Regel täglich 8-stündiger Exposition, jedoch bei Einhal-
tung einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden (im Vierschicht-
betrieb 42 Stunden je Woche im Durchschnitt von vier aufeinanderfolgenden
Wochen) i.Allg. die Gesundheit der Beschäftigten nicht beeinträchtigt und diese
Arbeitsumgebung 929

nicht unangemessen belästigt. In der Regel wird der MAK-Wert als Durch-
schnittswert über Zeiträume bis zu einem Arbeitstag oder einer Arbeitsschicht
integriert.
Die MAK-Werte berücksichtigen nach Möglichkeit – aber nicht immer – die
unterschiedliche Empfindlichkeit des arbeitsfähigen Menschen, soweit sie durch
Alter, Konstitution, Ernährungszustand, Klima und andere Faktoren bedingt ist.
Die Einhaltung der MAK-Werte gibt allerdings keine Sicherheit gegen das Auftre-
ten von allergischen Krankheiten bei Personen, die zu solchen neigen. Ebenso ist
kein sicherer Schutz des ungeborenen Kindes vor teratogenen (von der Norm
abweichenden) Wirkungen gewährleistet. Die Lästigkeit einer Einwirkung (z.B.
ekelerregender Geruch, kurzfristiger Augenreiz usw.) ist in den MAK-Werten
nach Möglichkeit dem Stand der gesundheitspolitischen Wertung entsprechend
berücksichtigt (LEHDER u. SKIBA 2005).
Die Liste der MAK-Werte/AGW wird jährlich neu von der Senatskommission
zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsge-
meinschaft überarbeitet und an verschiedenen Stellen veröffentlicht (z.B. als TRGS
900).

9.6.4.5 StoffgemischeĆ
Die vorgenannten Grenzwerte gelten in der Regel nur für die Exposition eines
reinen Stoffes, an Arbeitsplätzen treten aber in der Regel Stoffgemische auf. Die
gleichzeitige oder nacheinander erfolgende Exposition gegenüber verschiedenen
Stoffen kann die gesundheitsschädliche Wirkung erheblich verstärken, ggf. auch
vermindern. So ist in der TRGS 402 gefordert, dass eine „Beurteilung der
Gemischexposition vorzunehmen“ ist, wenn „mehrerer Stoffe gleichzeitig oder
nacheinander während einer Schicht zur Exposition beitragen“, sofern für die
einzeln auftretenden Stoffe „verbindliche Grenzwerte“ (bspw, die Arbeitsplatz-
grenzwerte in TRGS 900) vorliegen, wird für das Gemisch folgendes Verfahren
angewendet.
Es wird ein Stoffindex I aus der Division des Schichtmittelwertes C des Einzel-
stoffes mit dem Grenzwert GW des Stoffes gebildet:
C
I (9.46)
GW
Der Bewertungsindex BI für Stoffgemische bildet sich dann aus der Summe der
Stoffindizes für die Stoffe mit einem Arbeitsplatzgrenzwert AGWi:
C1 C2 Cn
BI AGW ¦I
i
i 
AGW1 AGW2
 ... 
AGWn
(9.47)

Solange die berechneten Bewertungsindizes kleiner oder gleich 1 sind, gelten


die Grenzwerte als eingehalten.
Damit ergibt sich jedoch ein messtechnisch-zeitliches Problem, wenn an einem
Arbeitsplatz eine größere Anzahl von Gefahrstoffen auftritt. An Abgießstrecken
930 Arbeitswissenschaft

einer Leichtmetallgießerei, an der mit unterschiedlichen Verfahren hergestellte


Kerne verarbeitet werden, sind ca. 15 unterschiedliche gefährliche Arbeitsstoffe
zu erwarten. Die Messung aller Schadstoffe an einem solchen Arbeitsplatz würde
mehrere Wochen in Anspruch nehmen: Allein die Messung eines gefährlichen
Arbeitsstoffes an einem Messpunkt nimmt mit Auswertung und Darstellung der
Ergebnisse etwa 4 bis 24 Stunden in Anspruch (HAHNE et al. 1988).
Einen Ausweg bietet hier die von SCHÜTZ u. WOLF (1980) und in der TRGS 402
vorgeschlagene Messung von Leitkomponenten. Eine Leitkomponenten eines
Stoffgemisches in der Luft ist ein Stoff, der stellvertretend für alle Stoffe oder eine
Gruppe von Stoffen erfasst und beurteilt wird. Die Expositionsbeurteilung an
Hand einer Leitkomponente ist möglich, wenn die Konzentrationsverhältnisse der
Komponenten in der Luft untereinander langfristig gleich bleibend sind. Die Beur-
teilung erfolgt nur noch auf der Grundlage der für diese Leitkomponenten festge-
stellten Konzentration und der hierfür geltenden Grenzwerte, allerdings wird für
die Leitkomponenten formal die Summenformel nach dem Verfahren für Gemi-
sche herangezogen, die offensichtlich überadditive Wirkungen nach dem Muster
von Giftstoff-Synergismen nicht berücksichtigt.
Sollte es keine verbindlichen Grenzwerte für die Einzelstoffe vorliegen, müssen
zur Bewertung der Exposition andere Beurteilungsmaßstäbe herangezogen wer-
den. Da in diesem Fall kein allgemeingültiges Beurteilungsschema angegeben
werden kann, obliegt es dem Arbeitgeber, eine Beurteilung der inhalativen Expo-
sition eigenverantwortlich bspw. auf der Basis einer bestehenden stoff- oder tätig-
keitsspezifischen TRGS durchzuführen. Dabei dienen ihm dann die in der TRGS
402 genannten Hilfen zur Erhebung des Befundes.

9.6.4.6 HautresorptionĆ
Bei Stoffen, welche die äußere Haut leicht zu durchdringen vermögen, kann über
diesen Weg in der Praxis eine höhere Vergiftungsgefahr bestehen als durch die
Aufnahme über das Einatmen. So können z.B. durch Anilin, Nitrobenzol,
Ethylenglykoldinitrat, Phenole und verschiedene Pflanzenschutzgifte lebensge-
fährliche Vergiftungen entstehen. In der Grenzwert-Liste sind solche Stoffe spezi-
ell gekennzeichnet.

9.6.4.7 BeschäftigungsbeschränkungenĆ fürĆ besondereĆ Personen-


gruppenĆ
Bis 1997 enthielt die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) Beschäftigungsverbote
für bestimmte Personengruppen im Umgang mit Gefahrstoffen. Nach der Neu-
strukturierung sind diese Regelungen in die Verordnungen zum Schutz der Mütter
am Arbeitsplatz (MuSchG) und das Jugendarbeitsschutzgesetz (JarbSchG) überführt
und erweitert worden.
Arbeitsumgebung 931

9.6.4.7.1 Schwangerschaft und Mutterschutz


Erstmals in der MAK-Werte-Liste von 1988 fanden sich Aussagen zu der Anwen-
dung von Grenzwerten während der Schwangerschaft.
In der TRGS 900 sind mittlerweile die Stoffe in Bezug auf die Gefahr der
Fruchtschädigung gekennzeichnet. Es werden drei Kategorien unterschieden:
(1) Stoffe, bei denen ein Risiko der Fruchtschädigung bei Einhaltung des Ar-
beitsplatzgrenzwertes und des biologischen Grenzwertes nicht befürchtet zu
werden braucht, werden mit der Bemerkung „Y“ gekennzeichnet
(2) Stoffe, bei denen ein Risiko der Fruchtschädigung auch bei Einhaltung von
AGW und des BGW nicht ausgeschlossen werden kann, werden mit der Be-
merkung „Z“ gekennzeichnet.
(3) Stoffe, bei denen noch keine Einstufung möglich ist, erhalten keine Bemer-
kung.
Das Mutterschutzgesetz (MuSchG) regelt Beschäftigungsbeschränkungen für
werdende und stillende Mütter. So dürfen werdende und stillende Mütter nicht mit
Arbeiten beschäftigt werden, bei denen sie infolge ihrer Schwangerschaft oder in
der Stillzeit in besonderem Maße der Gefahr, an einer Berufskrankheit zu erkran-
ken, ausgesetzt sind oder bei denen durch das Risiko der Entstehung einer Berufs-
krankheit eine erhöhte Gefährdung für Mutter und Kind besteht (z.B. beim Schä-
len von Holz).
9.6.4.7.2 Jugendschutz
Jugendliche dürfen nach dem Gesetz zum Schutz der arbeitenden Jugend
(JarbSchG) nicht beschäftigt werden
x mit Arbeiten, bei denen sie schädliche Einwirkungen von Gefahrstoffen im
Sinne des Chemikaliengesetzes ausgesetzt sind,
x mit Arbeiten, bei denen sie schädlichen Einwirkungen von biologischen Ar-
beitsstoffen im Sinne der Richtlinie 90/679/EWG des Rates vom 16. Novem-
ber 1990 zum Schutze der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch biologi-
sche Arbeitsstoffe bei der Arbeit ausgesetzt sind.
Die Beschränkungen gelten nicht, soweit dies zur Erreichung ihres Ausbil-
dungszieles erforderlich ist, ihr Schutz durch die Aufsicht eines Fachkundigen
gewährleistet ist und der Luftgrenzwert bei gefährlichen Stoffen unterschritten
wird.

9.6.5 Gestaltungshinweise
Wie bereits in Kapitel 9.6.4 beschrieben, werden die Gefahrstoffe nach der Ge-
fahrstoffverordnung vier unterschiedlichen Schutzstufen zugeordnet, die bezogen
auf die zu treffenden Schutzmaßnahmen aufeinander aufbauen. Das bedeutet, dass
jede höhere Schutzstufe die Maßnahmen der vorherigen beinhaltet.
932 Arbeitswissenschaft

Nachfolgend werden einige Schutzmaßnahmen dargestellt und zu den Schutz-


stufen zugeordnet:
Schutzstufe 1: Grundsätze für die Verhütung von Gefährdungen bei Tätigkeiten
mit geringer Gefährdung
Neben der grundsätzlichen Gestaltung des Arbeitsplatzes und der Arbeitsorganisa-
tion, der Bereitstellung geeigneter Arbeitsmittel für die Tätigkeiten mit Gefahr-
stoffen und die Begrenzung der Dauer und des Ausmaßes der Exposition sei hier
darauf hingewiesen, dass insbesondere gefordert wird, dass nur die erforderliche
Menge des Gefahrstoffes am Arbeitsplatz vorhanden sein soll. Außerdem müssen
alle vorhandenen Gefahrstoffe gekennzeichnet sein. Die Gefahrstoffe müssen in
eindeutig gekennzeichneten Behältnissen gelagert werden, so dass keine Ver-
wechslung – insbesondere mit Lebensmitteln – auftreten kann.
Schutzstufe 2: Grundmaßnahmen zum Schutz der Beschäftigten
Wie bei allen Umgebungsfaktoren gilt bei der Bekämpfung der gefährlichen Ar-
beitsstoffe die Reihenfolge: Vermeidung bzw. Substitution, technische Maßnah-
men, organisatorische Maßnahmen und erst als letzte vorzusehende Möglichkeit
persönliche Schutzmaßnahmen und Verhaltensanweisungen bzw. -anforderungen.
Gefährliche Arbeitsstoffe sollen demnach durch Stoffe substituiert werden, die für
die Gesundheit und die Sicherheit des Beschäftigten nicht oder zumindest weniger
gefährlich sind. Vermeidung bzw. Substitution kann bspw. durch ein anderes
Arbeitsverfahren erfolgen (z.B. Tauchlackierung statt Spritzlackierung vermeidet
Farbnebel) oder durch Ersatz des gefährlichen Stoffes durch einen ungefährlichen
oder zumindest weniger gefährlichen Stoff (z.B. Ersatzstoffe für Asbest, Verwen-
dung von Lacken auf Wasserbasis).
Kann die Gefährdung durch Substitution nicht deutlich verringert werden, müs-
sen technische Maßnahmen durch Gestaltung geeigneter Verfahren und techni-
scher Steuerungseinrichtungen ergriffen werden.
Eine Mittelstellung zwischen Vermeidung und technischen Maßnahmen ist die
Verwendung staubarmer Formulierungen für feste, pulverförmige Stoffe z.B. in
Form von Granulaten, Pellets und Pasten (BUNDESANSTALT 1986).
Im Allgemeinen gilt, dass mit wachsender Entfernung der technischen oder or-
ganisatorischen Maßnahme von der Schadstoffquelle auch die Komplexität der zu
treffenden Maßnahme wächst; es steigt die Anforderung an die Instandhaltung und
Funktionskontrolle bei fallender Effektivität (BUNDESANSTALT 1986).
Sind persönliche Schutzmaßnahmen erforderlich, sind die Schutzausrüstungen
vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen und in ordnungsgemäßem Zustand zu
halten. Dies sind z.B. Schutzcremes, Schutzhandschuhe, Schutzanzüge, Atem-
schutzfilter und Sauerstoffgeräte.
Schutzstufe 3: Ergänzende Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit hoher Gefähr-
dung
Sofern eine Substitution des gefährlichen Stoffes, der Zubereitung oder der Er-
zeugnisse oder der Verfahren nicht möglich ist, so muss die Herstellung bzw. die
Arbeitsumgebung 933

Verwendung des Gefahrstoffes in einem geschlossenen System stattfinden. Darü-


ber hinaus muss der Arbeitgeber sicherstellen, dass die Grenzwerte eingehalten
werden. Dies muss er ggf. durch Messung überprüfen, insbesondere dann, wenn
sich die (Arbeits-) Bedingungen ändern.
Bei Stoffen der Schutzstufe 3 ist außerdem zu gewährleisten, dass nur die Arbeit-
nehmer Zugang haben, die zur Ausübung ihrer Arbeit mit dem Gefahrstoff umge-
hen müssen. Bei der Lagerung ist darauf zu achten, dass nur fachkundige Personen
Zugang haben.
Schutzstufe 4: Ergänzende Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit krebserzeugen-
den, erbgutverändernden und fruchtbarkeitsgefährdenden Gefahrstoffen
Beim Umgang mit krebserzeugenden, erbgutverändernden und fruchtbarkeitsge-
fährdenden Gefahrstoffen, für die ausnahmsweise ein Arbeitsplatzgrenzwert fest-
gelegt ist, oder bei Tätigkeiten, für die verfahrens- und stoffspezifische Kriterien
existieren, gelten die bisher genannten Maßnahmen.
Sofern dies nicht der Fall ist, hat der Arbeitgeber Messungen der Stoffe durch-
zuführen, um infolge unvorhersehbarer Ereignisse oder eines Unfalles erhöhte
Expositionen frühzeitig zu ermitteln. Entsprechende Gefahrenbereiche müssen
abgesperrt und kenntlich gemacht werden. Den Beschäftigten, die bei erhöhten
Expositionen Tätigkeiten mit diesen Stoffen ausüben, müssen Atemschutzgeräte
und Schutzkleidung zur Verfügung gestellt werden.
Bei Absauganlagen und Raumluftanlagen ist die Luft so zu führen, dass keine
Schadstoffe in den Atembereich der Beschäftigten gelangen (Abb. 9.68). Es sei
denn, die Luft ist nach behördlichen oder berufsgenossenschaftlich anerkannten
Verfahren gereinigt worden.
Werden Arbeitsplatzgrenzwerte oder biologische Grenzwerte nicht unterschrit-
ten und hilft weiter der Arbeitgeber der diesbezüglich erhobenen oder veranlassten
Beschwerde des Arbeitnehmers oder dessen Betriebs- oder Personalrats nicht
unverzüglich ab, so kann sich der einzelne Arbeitnehmer nach Ausschöpfung der
innerbetrieblichen Möglichkeiten unmittelbar an die für die Überwachung zustän-
digen Stellen wenden. Besteht durch die Überschreitung eine unmittelbare Gefahr
für Leben oder Gesundheit, hat der einzelne Arbeitnehmer das Recht, die Arbeit
zu verweigern. Dadurch dürfen ihm keine Nachteile entstehen (LEHDER u. SKIBA
2005).
Der Arbeitgeber hat den Inhalt der im Betrieb anzuwendenden Vorschriften der
Gefahrstoffverordnung (§ 18) in einer für den Arbeitnehmer verständlichen Form
und Sprache in einer Betriebsanweisung darzustellen und diese auszulegen oder
auszuhändigen. Die Arbeitnehmer müssen über die Gefahren beim Umgang mit
gefährlichen Stoffen vor Arbeitsbeginn und danach mindestens jährlich unterwie-
sen werden (LEHDER u. SKIBA 2005; TRGS 555).
Seit 1982 enthält das Chemikaliengesetz (ChemG) die Verpflichtung zur Prü-
fung und Anmeldung von Stoffen und zur Einstufung, Kennzeichnung und Verpa-
ckung gefährlicher Stoffe und Zubereitungen. Dies hat die Arbeit in der betrieb-
lichen Praxis vereinfacht. Während es vorher oft unmöglich war, von einem Liefe-
934 Arbeitswissenschaft

ranten die Zusammensetzung seines Produktes zu erfahren, besteht nun ein An-
spruch auf die Bekanntgabe der chemischen Zusammensetzung, soweit gefährli-
che Stoffe enthalten sind. Im eigentlichen Sinne keine Bekämpfung der Gefahr-
stoffe, sondern der Versuch, frühzeitig Veränderungen zu erkennen, sind die ver-
schiedentlich (z.B. in der BGV A 4) geforderten Vorsorgeuntersuchungen. Diese
müssen von staatlich ermächtigten Ärzten durchgeführt werden, über deren Er-
gebnisse ist Kartei zu führen, und die Arbeitnehmer sind auf Verlangen über den
Untersuchungsbefund zu unterrichten.

Prinzip der freien Lüftung Prinzip einer Absaugung

Prinzip der maschinellen Lüftung Prinzip einer raumlufttechnischen Anlage

Abb. 9.68: Unterschiedlich gestaltete Luft Zu- und Abführungen


Arbeitsumgebung 935

9.7 Superposition von Arbeitsumgebungseinflüssen

Ausgehend von der Tatsache, dass die Arbeitsumgebungsfaktoren in praktischen


Arbeitsprozessen quasi nie isoliert auftreten, sondern stets eine Kombination vor-
liegen dürfte, ist an sich auch eine Wirkungsbetrachtung nur für die Gesamtheit
aller einwirkenden Umgebungsfaktoren in Verbindung mit den arbeitsspezifischen
Belastungsarten zulässig. Diese Wirkungszusammenhänge sind jedoch trotz ein-
zelner Bewertungsansätze bislang noch kaum erforscht, so dass in der Praxis nach
wie vor zunächst eine Wirkungsbetrachtung für jede einzelne Belastungsgröße
angebracht erscheint. In einem nächsten Schritt ist die spezifische Wirkung der
Arbeitsumgebungsfaktoren auf bestimmte organismische Systeme zu identifizie-
ren und, bei der Inanspruchnahme gleicher Systeme, einer Engpassbetrachtung
zuzuführen.
Dieses Verfahren bewährt sich z.B. beim Vorliegen belastender Klimafaktoren
im Zusammenhang mit einer hohen energetischen Belastung des Menschen, sog.
Hitzearbeit. Beide Belastungsgrößen führen hier zu einer erhöhten Inanspruch-
nahme des Herz-Kreislauf-Systems, welches in diesem Fall als Engpasssystem zu
betrachten ist (u.a. LUCZAK 1979; WENZEL u. PIEKARSKI 1980). Eine andere Situ-
ation ist bspw. bei der Kombination von Lärm und energetischen oder klimati-
schen Belastungen gegeben. Eine Wirkung des Lärms auf das Gefäßsystem des
Menschen ist die periphere Vasokonstriktion (Gefäßverengung). Energetische
oder klimatische Belastungen bewirken dagegen eine Gefäßerweiterung
(Vasodilatation). Bei einer Kombination beider Belastungen kommt es somit,
allerdings nur unterhalb bestimmter Schwellwerte, zu einer teilweisen Aufhebung
der Lärmwirkung bezogen auf das Gefäßsystem des Menschen (DUPUIS 1979;
JANSEN 1964).
Allein diese beiden Beispiele zeigen, dass die unterschiedlichen Wirkungszu-
sammenhänge einer systematischen Betrachtung bedürfen, die unter dem Begriff
„Belastungssuperposition“ zusammengefasst werden kann. Nach LUCZAK (1982)
unterscheidet man bei der Kombination von verschiedenen Belastungsarten fol-
gende Prinzipien:
Kompensationseffekt, der dann eintritt, wenn die Wirkung einer Belastung der
Wirkung einer (oder mehrerer) weiteren Belastung(en) derart überlagert ist, dass
sich eine insgesamt niedrigere Beanspruchung einstellen wird, als bei Vorliegen
nur einer Belastung. Dies ist z.B. dann zu beobachten, wenn die Reaktion des
Organismus auf eine Belastungsart von der Reaktion der weiteren Belastungsart
quasi verdeckt wird. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Das Beanspruchungs-
verhalten bei der Belastungsart „kaltes Klima“ ist nicht nur mit einer verstärkten
Herz-Kreislauf-Aktivität verbunden, sondern, natürlich damit eng verknüpft, auch
mit einer erhöhten Wärmeproduktion (Kältezittern). Bei einer überlagerten Belas-
tungsart „dynamische Arbeit“ ist, als eine Beanspruchungsreaktion, dagegen eben-
falls eine erhöhte Wärmeproduktion zu erwarten. Für sich genommen, stellt jede
erhöhte Wärmeproduktion eine Beanspruchungserhöhung dar. Im vorliegenden
936 Arbeitswissenschaft

Fall dient jedoch die „Abfallwärme“ durch die dynamische Arbeit der Wärmere-
gulation, die durch das kalte Klima erforderlich ist. Insgesamt wird damit eine
geringere Beanspruchung zu verzeichnen sein, als wenn jede Belastungsart einzeln
betrachtet wird. DIESTEL (1983) bezeichnet den kompensatorischen Effekt folge-
richtig auch als Wirkungsabschwächung.
Indifferenzeffekt beschreibt den Umstand, dass durchaus mehrere Belastungsar-
ten vorliegen können, die keinen wechselseitigen Einfluss auf den Organismus in
Form von Beanspruchungsreaktionen, die über die Beanspruchung aufgrund nur
einer Belastungsart hinausgehen, bewirken. Die unterschiedlichen Belastungsarten
werden dabei in der Regel unterschiedliche Organsysteme beanspruchen, die je-
weils für sich genommen in der Lage sind, die Einzelbelastung im Rahmen ihrer
Kapazität ohne Rückwirkungen auf andere Organsysteme zu verarbeiten. Voraus-
setzung ist dabei, dass die angesprochene Kapazitätsgrenze nicht überschritten
wird, da in diesem Fall regelmäßig mit der Inanspruchnahme weiterer Organsys-
teme zu rechnen ist. Auch hier soll ein Beispiel diesen Zusammenhang verdeutli-
chen: Bei der Kombination der Belastungsarten „dynamische Arbeit“ und „unter-
schiedliche Beleuchtungsstärken“ (als situative Belastungsart) kann ein gegensei-
tiger Einfluss ausgeschlossen werden, da das Herz-Kreislauf-System und das
Organsystem „Auge“ mit den nachgeschalteten Verarbeitungsmechanismen, also
die beanspruchten Organsysteme, als weitgehend unabhängig voneinander funkti-
onierend betrachtet werden können. Voraussetzung ist hier, wie geschildert, dass
keines der beanspruchten Organsysteme „überfordert“ wird. Der Indifferenzeffekt
wird auch mit dem Begriff „Wirkungsgleichheit“ beschrieben.
Kumulationseffekt bedeutet, dass die resultierende Beanspruchungsreaktion des
Organismus höher ist, als die Beanspruchungsreaktionen einzelner Belastungsar-
ten bei isolierter Betrachtung. Dieser Effekt wird naturgemäß dann zu beobachten
sein, wenn durch verschiedene Belastungsarten ein und dasselbe Organsystem
beansprucht wird. Ein Beispiel für den Kumulationseffekt ist das Zusammentref-
fen der Belastungsarten „dynamische Arbeit“ und „warme Klimazustände“. Dabei
wirken beide Belastungen auf das gleiche Organsystem, nämlich das Herz-
Kreislauf-System: Bei der Belastungsart „dynamische Arbeit“ wird das Herz-
Kreislauf-System für die Versorgung der Muskulatur in Anspruch genommen, und
bei der thermischen Belastung hat das Herz-Kreislauf-System die Funktion der
Thermoregulation zu erfüllen (vgl. u.a. LUCZAK et al. 1984). Beide Funktionen sind
dabei eng gekoppelt und wirken gleichermaßen beanspruchungserhöhend. Die
Höhe der resultierenden Beanspruchung ist somit in jedem Falle höher als eine der
Teilbeanspruchungen, die sich bei der isolierten Untersuchung jeweils einer Belas-
tungsart ergeben würde. Die tatsächliche Höhe der Beanspruchung lässt sich indes
nicht einfach aus der Summe der Teilbeanspruchungen ermitteln: Je nach Ausprä-
gung (Belastungshöhe) der Teilbelastungen ist auch ein unter- oder überadditives
Ergebnis als Beanspruchungsgröße zu erwarten. Diesen Effekt bezeichnet DIES-
TEL (1983) als Wirkungsverstärkung.
Im Bereich der stofflichen Arbeitsumgebungsfaktoren wird das Problem der
Überlagerung der Wirkungen verschiedener Stoffe u. a. mit dem Begriff „Gift-
Arbeitsumgebung 937

stoffsynergismus“ bezeichnet (NORPOTH 1982). Gerade hier erweist sich eine


Abschätzung der zu erwartenden Wirkung als äußerst problematisch, da die große
Zahl chemischer Stoffe, die in der Regel nicht allein am Arbeitsplatz vorliegen, zu
unüberschaubaren Kombinationsmöglichkeiten führen. So sind in der Praxis bis-
lang auch erst wenige Kombinationen, die durch häufiges Auftreten besonders
wichtig sind, bezüglich ihrer Wirkung eingehender untersucht worden (z.B. Lö-
sungsmittel – wie Trichlorethylen oder Tetrachlor-Kohlenstoff – in Verbindung
mit anderen Stoffen). Stark vereinfachend kann eine addtive Wirkung unterstellt
werden, wie sie bspw. dem Bewertungsindex BI für Stoffgemische nach Glei-
chung (9.47) zugrunde liegt.
938 Arbeitswissenschaft

9.8 Literatur

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Arbeitsumgebung 939

DIN EN 61672-1 (2003) Elektroakustik – Schallpegelmesser – Anforderungen. Beuth


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DIN EN ISO 1683 (2008) Akustik – Bevorzugte Bezugswerte für Pegel in der Akustik und
Schwingungstechnik. Beuth, Berlin
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beitsstätten –Akustische Gefahrensignale. Beuth, Berlin
DIN EN ISO 9612 (2007) (Entwurf) Akustik – Bestimmung der Lärmexposition am Ar-
beitsplatz. Beuth, Berlin
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DIN EN ISO 11690-2 (1996) Akustik – Richtlinien für die Gestaltung lärmarmer maschi-
nenbestückter Arbeitsstätten. Beuth, Berlin
DIN EN ISO 15667 (2001) Akustik – Leitfaden für den Schallschutz durch Kapseln und
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10 Ergonomische Gestaltung

Die früheste historisch nachweisbare Verwendung des Begriffs Ergonomie erfolg-


te, wie zuvor in Kapitel 1.2.1 dargestellt, bereits 1857 durch den polnischen Wis-
senschaftler Jastrzebowski (JASTRZEBOWSKI 1857). Er verwendet das Kunstwort
Ergonomie (aus dem griech. ergon = Arbeit, Werk und nomos = Gesetz) synonym
zu dem Begriff der Arbeitswissenschaft.
Wie in MÜLLER (2001) ausführlich analysiert, finden sich in der Literatur un-
terschiedliche Auslegungen des Begriffs: Diese reichen nach SCHULTE et al.
(1974) von der Berücksichtigung der rein menschlichen Seite über die Gleichset-
zung von Ergonomie und Arbeitswissenschaft bis hin zur Betrachtung der Ergo-
nomie als Teilgebiet der Arbeitswissenschaft. Weitere Analysen finden sich bspw.
in GÖBEL (2009), STRASSER (2009) und ZINK (2009).
Eine im August 2000 durch die International Ergonomics Association (IEA)
verabschiedete Definition beschreibt Ergonomics als „... the scientific discipline
concerned with the understanding of interactions among humans and other
elements of a system, and the profession that applies theory, principles, data and
methods to design in order to optimize human well-being and overall system
performance” (IEA 2000).
Den letztgenannten Auslegungen folgend wird Ergonomie als Teilgebiet der
Arbeitswissenschaft verstanden (sensu LAURIG 1990) und in den Folgekapiteln
hinsichtlich der Gestaltung im Detail behandelt.
Die ergonomische Gestaltung beinhaltet die Gestaltung von Arbeitssystemen,
-plätzen, -mitteln, Produkten und Prozessen nach Kriterien, die durch die physio-
logischen Leistungen und psychologischen Bedingungen des Menschen sowie
dessen Abmessungen bestimmt werden.
Die ergonomische Gestaltung ist mit der Aufzählung dieser Gesichtspunkte al-
lerdings nur unzureichend zu erklären, deckt sie doch eine Reihe weiterer The-
mengebiete wie bspw. die Arbeitsumgebung (Kap. 9) sowie Gruppen- und Team-
arbeit (Kap. 5) ab (sensu LAURIG 1997) und führt sie unter Berücksichtigung der
Fähigkeiten und Fertigkeiten des Menschen zu wissenschaftlich abgesicherten
Gestaltungslösungen.
Am Anfang dieses Kapitels stehen zunächst die energetischen, informatori-
schen und anthropometrischen Prinzipien, die sich mit der Gestaltung der Schnitt-
stelle zwischen dem Menschen und technischen Elementen, die für eine zielge-
richtete Interaktion im Arbeitssystem notwendig sind, befassen (sog. Mensch-
Maschine-Schnittstelle). Anschließend wird am Beispiel des sog. „Usability Engi-
neering“ ein eher pragmatischer Ansatz zur benutzerzentrierten Auslegung und
Bewertung von Produkten in einem bestimmten Nutzungskontext behandelt. Im
Weiteren wird mit der Softwareergonomie ein im Anwendungszusammenhang der
Mensch-Computer-Interaktion wichtiges Teilgebiet der ergonomischen Gestaltung
950 Arbeitswissenschaft

eingeführt. Schließlich werden innovative Technologien und Werkzeuge zum


„Prototyping“ von Arbeitsmitteln und -objekten vorgestellt, die im Rahmen der
virtuellen Produktentwicklung sowie Prozess- und Fabrikplanung eingesetzt wer-
den.
In Bezug auf eine umfassende Gestaltungslösung unter Beachtung und Anwen-
dung der genannten Prinzipien und Aspekte führt dieses Kapitel die Erkenntnisse
schließlich zu einem ganzheitlichen Gestaltungsansatz zusammen, der sowohl in
der Produktergonomie als auch in der Produktionsergonomie (BRUDER et al. 2009)
seine Anwendung findet. Somit wird dem Ziel der ergonomischen Arbeitsgestal-
tung, die menschzentrierte Auslegung technischer Systeme, Rechnung getragen,
welches sich am besten erreichen lässt, wenn bereits in der Planungsphase eines
Arbeitssystems ergonomische Erkenntnisse angewendet werden (SCHLICK 2009).
Man spricht in diesem Fall von „prospektiver Ergonomie“ (siehe Kap. 1.5.3.2).
Eine Nachbesserung vorhandener Systeme („korrektive Ergonomie“) ist dagegen
in der Regel nur unter Kompromissen bezüglich der für die Arbeitsperson erziel-
baren Ergebnisse und der wirtschaftlichen Aspekte möglich. Wenn jedoch keine
andere Möglichkeit besteht, sollte dennoch mit korrektiven Maßnahmen versucht
werden, unzulängliche Arbeitsbedingungen zu verbessern (LAURIG 1990).

10.1 Gestaltungsprinzipien

10.1.1 Energetisch-effektorisch
Höchste Priorität bei der Gestaltung energetisch-effektorischer Arbeit hat der
Schutz der Gesundheit der Arbeitsperson (siehe auch Kap. 1.5.2). Hierbei ist zu
prüfen, ob eine Gesundheitsgefährdung möglich bzw. wahrscheinlich ist. In die-
sem Falle sind akute Maßnahmen einzuleiten, die sich auf die technisch-
physiologische Gestaltung der Arbeitsprozesse oder der Arbeitsmittel beziehen
können.
Auch wenn keine Gesundheitsgefährdung zu befürchten ist, bieten sich eine
Reihe von Potenzialen, die Arbeitstätigkeit effizienter und einfacher zu gestalten.
Hierzu zählt zunächst die Minimierung der zu leistenden physikalischen Arbeit im
Sinne einer Reduktion der energetischen Belastung in Relation zum bewirkten
Arbeitsergebnis.
Weitere Schritte beziehen sich auf die Optimierung des Wirkungsgrades hin-
sichtlich einer Minimierung der Beanspruchung im Verhältnis zur Belastung. Im
Kontext des Arbeitsprozesses können schließlich Ansätze zur Optimierung der
Beanspruchungswirkungen im Sinne von geeigneten Arbeitsmethoden, Arbeitsab-
folge- und Pausenregimen beitragen.
Ergonomische Gestaltung 951

10.1.1.1 SchutzĆderĆGesundheitĆ
Eine Gesundheitsgefährdung bei energetisch-effektorischen Arbeitsformen tritt
vor allem beim Handhaben von Lasten auf.
Den Konsequenzen möglicher Schädigungen Rechnung tragend, wurde 1993
die Liste der Berufskrankheiten um die bandscheibenbedingten Erkrankungen der
Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten (BK
2108) und um Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen von
Lasten auf der Schulter (BK 2109) erweitert (siehe auch BOLM-AUDORFF 1993).
Darüber hinaus fordert die EU-RICHTLINIE 269/90 bezüglich der Sicherheit und
des Gesundheitsschutzes bei der manuellen Handhabung von Lasten: „präventive
Maßnahmen zur Vermeidung einer Gefährdung durch das Handhaben von Lasten
zu ergreifen und Arbeitsplätze, die mit der Handhabung von Lasten verbunden
sind, bezüglich ihrer Gefährdung für den Mitarbeiter zu bewerten".
Hierzu können vier Kriterien herangezogen werden (z.B. MITAL et al. 1993;
STEINBERG et al. 2000):
(1) Epidemiologisches Kriterium: Tätigkeitspezifischer Risikofaktor (LAURIG et
al. 1985)
(2) Physiologisches Kriterium: Physiologische Grenzwerte
(3) Biomechanisches Kriterium: Abschätzung der mechanischen Belastung des
Skeletts, der Muskulatur oder der Bandscheibe über biomechanische Modelle
(4) Psychophysikalisches Kriterium: Subjektive Einschätzung eines Menschen
über die Erträglichkeit und Zumutbarkeit der Durchführung einer Tätigkeit.
Die Anwendung eines einzigen der genannten Kriterien erweist sich jedoch als
wenig praktikabel, da dann entweder keine präzisen Aussagen für den Einzelfall
möglich sind (z.B. bei 1.) oder ein unverhältnismäßiger Überprüfungsaufwand
entstehen würde (bei 3.). Darüber hinaus ist mit unterschiedlichen Grenzwerten
bei den verschiedenen Ansätzen zu rechnen.
Grundsätzlich ist an Verfahren zur Beurteilung der Belastung die Anforderung
der einfachen Durchführbarkeit im Betrieb zu stellen. Da damit eine Ermittlung
der Beanspruchung nur näherungsweise möglich ist, werden solche Abschätzun-
gen zunächst konservativ angelegt, d.h. es erfolgt eine Prüfung auf mögliche
Überbelastung.
Zur Abschätzung des Interventionsbedarfes bezüglich der Körperhaltungen und
mit Einschränkungen bezüglich der bewegten Lasten kann z.B. die OWAS-
Methode (OVAKO WORKING POSTURE ANALYSING SYSTEM) zur Kör-
perhaltungsanalyse herangezogen werden (KARHU et al. 1977, STOFFERT 1985).
Für die spezifische Problematik der Lastenbewegung stellt sich nach Kenntnis
der Druckbelastbarkeit (siehe Kap. 3.2.11) die praktische Frage nach dem Zusam-
menhang zwischen den Beschreibungsgrößen der Arbeitsaufgabe und der dabei zu
erwartenden mechanischen Belastung der Wirbelsäule. Da nicht für jeden Einzel-
fall eine biomechanische Analyse durchgeführt werden kann, erweist sich eine
Abschätzung nach der BAuA-Leitmerkmalmethode (STEINBERG u. WINDBERG
1997; CAFFIER et al. 1999; STEINBERG et al. 2000, 2007) als nützlich.
952 Arbeitswissenschaft

Die Leitmerkmalmethode stellt eine Methode zur Beurteilung der Gesundheits-


gefährdung dar und stützt sich auf eine Bewertung der Arbeitsbedingungen bei der
manuellen Handhabung von Lasten anhand der vier Merkmale 1) Lastgewicht,
2) Zeitdauer, 3) Körperhaltung und 4) Ausführungsbedingungen. Bei der Anwen-
dung der Leitmerkmalmethode stehen Arbeitsblätter zur Verfügung, die über
Piktogramme, Beschreibungen und Rangzahlen eine Bewertung und Beurteilung
einer manuellen Lastenhandhabung erlauben. Die Bewertung eines manuellen
Lastenhandhabungsprozesses erfolgt anhand von Risikobereichen, die die Höhe
einer potenziellen Schädigungsgefahr für die Wirbelsäule repräsentieren und ggf.
auf die Erfordernis von Gestaltungsmaßnahmen hinweisen. Neben der Leitmerk-
malmethode wurde eine Vielzahl von Methoden zur Beurteilung der Belastung
des Muskel-Skelett-Systems bei der manuellen Lastenhandhabung entwickelt,
denen verschiedene Belastungs-Beanspruchungsmodelle zugrunde liegen. Weit
verbreitet ist z.B. das NIOSH-Verfahren, ein vom National Institute for
Occupational Safety and Health (NIOSH) in den USA entwickeltes Verfahren zur
Abschätzung der Maximallast. Es handelt sich hierbei um eine Methode zur
sicherheitstechnisch-betriebsärztlichen Betreuung auf Basis der Lastenhandha-
bungsverordnung (Screening Verfahren). Als Belastungsgrenzwert wird hierbei
unter optimalen Handhabungsbedingungen eine Druckkraft von maximal 3,4 kN
auf den Lenden-Kreuzbein-Übergang (L5-S1) als tolerabel angesehen. Das
NIOSH-Verfahren basiert auf der Berechnung des Recommended Weight Limit
(RWL). Das RWL ist für ein bestimmtes Set an Arbeitsbedingungen definiert als
das Gewicht einer Last, das nahezu alle gesunden Arbeitspersonen über eine be-
stimmte Zeit (z.B. die Dauer einer 8-Stunden-Schicht) ohne erhöhte Gefahr von
Rückenverletzungen bewältigen können. Die Bestimmung der Maximallast erfolgt
anhand der multiplikativen Verknüpfung einer Lastkonstanten mit den sechs Fak-
toren 1) Kopplungsfaktor Hand-Last, 2) horizontaler Abstand Wirbelsäule-Last,
3) vertikaler Abstand Hand-Boden, 4) vertikal zu überbrückende Hebedistanz,
5) Asymmetrie-Faktor zur Berücksichtigung von Verdrehungen des Körpers bei
der Lastenhandhabung sowie 6) Häufigkeit, d.h. die Frequenz der Lastenhandha-
bung. Zur Bestimmung der einzelnen Faktoren stehen Tabellen und Formeln zur
Verfügung (NIOSH 1981; NTIS 1991; WATERS et al. 1993). Eine Weiterentwicklung
des NIOSH-Verfahrens, welche auch Konstitutions- und Dispositionsmerkmale
der Arbeitspersonen (Geschlecht und Alter) berücksichtigt, stellt der Ansatz nach
JÄGER (1996, 2001) dar.
Zur Abschätzung der Zumutbarkeit der Krafterzeugung kann das Siemens-
Burandt-Verfahren angewendet werden (in modifizierter Form auch als Burandt-
Schultetus-Verfahren bekannt, BURANDT 1978, SCHULTETUS 1987), welches wegen
seiner vergleichsweise einfachen Handhabbarkeit häufig auch in Industrieunter-
nehmen eingesetzt wird (siehe auch VDI 1980, REFA 1987). Dieses Verfahren ba-
siert zunächst auf einer tabellarischen Auflistung von Maximalkräften in Abhän-
gigkeit der Kraftangriffspunkte und -richtungen sowie der Körpergrundhaltungen.
Aus den so ermittelten Maximalkräften für einen bestimmten Arbeitsvorgang
werden mit Hilfe von Multiplikatoren zur Berücksichtigung des Geschlechts und
Ergonomische Gestaltung 953

des Alters der Person, der Ausübungsdauer und der Ausübungsart (statisch, dyna-
misch) die im Einzelfall zulässigen Kräfte abgeschätzt (siehe Kap. 3.2.8).
Ein ähnliches Verfahren wird in der DIN EN 1005-3 dargestellt. Die einfache
Durchführbarkeit dieses Verfahrens und die prinzipielle Anwendbarkeit für nahe-
zu alle Tätigkeiten bedingen, dass die situativen Faktoren nur verhältnismäßig
grob gestuft berücksichtigt werden. Die mit einem solchen Verfahren ermittelten
Ergebnisse sind daher nicht als exakte Grenzwerte zu verstehen, sondern eher als
Anhaltspunkte, ob kritische Grenzen möglicherweise erreicht werden.

Abb. 10.1: Grenzlasten als Funktion der Griffentfernung (links) und als Funktion der Hebe-
frequenz bei verschiedenen Ermittlungsverfahren (aus VEDDER u. LAURIG 1994)

Vergleicht man die ermittelten Grenzwerte verschiedener Verfahren, so werden


die unterschiedlichen Ansätze deutlich (Abb. 10.1). Das Siemens-Burandt-
Verfahren kommt bei Zugrundelegung gleicher Arbeitsbedingungen zu höheren
Grenzlasten – da auf die Maximalkräfte bezogen – als die an der Wirbelsäulenbe-
lastbarkeit orientierten NIOSH-Methoden.
Für die Lastenhandhabung sind grundsätzlich folgende Gestaltungsregeln zu
beachten (siehe auch Abb. 10.2):
x Körpernahe Handhabung der Last
x Heben durch Beinarbeit bei möglichst geradem Rücken
x beidhändig symmetrische Handhabung
x Vermeidung der Torsion des Oberkörpers
x Gleichmäßiger, nicht ruckartiger Bewegungsverlauf.
Der umfassenden Unterweisung der Arbeitspersonen zur Befolgung solcher
Handlungsrichtlinien kommt deswegen große Bedeutung zu, da das Heben „aus
dem Rücken heraus“ energetisch ökonomischer und damit subjektiv leichter er-
scheint, da die mechanische Belastung der Wirbelsäule normalerweise nicht direkt
wahrnehmbar ist. Daher muss mit einer beständigen Tendenz zum „Rückfall"
gerechnet werden, wenn – wie in der Regel der Fall – das richtige Verhalten durch
954 Arbeitswissenschaft

die Gestaltung der Arbeitsaufgabe bzw. des Arbeitsplatzes selbst nicht vorgegeben
werden kann.

Abb. 10.2: Bewegungsabfolge beim Heben einer Stange und beim Heben und Absetzen
einer Kiste (aus ROHMERT 1983a)

Neben der Gestaltung der Arbeitsaufgaben und der geeigneten Ausführungs-


weise spielt auch die Ausführungshäufigkeit und -dauer eine erhebliche Rolle.
Durch die Wahl der Arbeitsabfolge und die Abwechslung mit anderweitigen Be-
lastungen, je nach Beanspruchungsengpass durchaus auch andere energetisch-
effektorische Tätigkeiten, kann die Schädigungsgefahr weiterhin über arbeits-
organisatorische Maßnahmen verringert werden.
Die Ausführung energetisch-effektorischer Arbeit kann jedoch nicht uneinge-
schränkt allen potenziell geeigneten Personen zugemutet werden. Je nach persön-
licher Konstitution und Disposition (ggf. bereits beeinträchtigt durch in früheren
Jahren ausgeführte Tätigkeiten) ist mit Einschränkungen bezüglich der schädi-
gungslosen Zumutbarkeit solcher Arbeitsformen zu rechnen. Daher sind alle Ar-
beitspersonen vor der Tätigkeitsausführung bei hohen Belastungen in ihrem eige-
nen Interesse auf die körperliche Eignung hin zu überprüfen und regelmäßig zu
überwachen.
Ergonomische Gestaltung 955

10.1.1.2 MinimierungĆderĆzuĆleistendenĆArbeitĆ
Vor der Optimierung von Arbeitsbewegungen stellt sich zunächst die Frage, ob
nicht die zu leistende physikalische Arbeit insgesamt verringert werden kann.
Diese Überlegung stützt sich auf die Tatsache, dass menschliche Arbeit immer
positiv gerichtet ist, d.h. einwirkende Kräfte nicht wie bei mechanischen oder
elektro-mechanischen Systemen in Energie zurückgewandelt werden können, und
dass sich physiologische Arbeit entgegen der klassischen Mechanik aus dem Pro-
dukt von Kraft und Zeit bemisst (siehe Kap. 3.2.5.1).
Beispielsweise lässt sich der menschliche Energiebedarf in erheblichem Maße
durch die Verringerung der Hubhöhe beim Be- und Entladen von Lasten verrin-
gern. Ein unverändertes Gewicht der Objekte vorausgesetzt, wäre in diesem Fall
die physikalisch erbrachte Gesamtleistung stets gleich Null. In Bezug auf die
menschliche Arbeit ist jedoch eine positiv gerichtete Arbeit beim Heben der
Werkstücke und eine negativ gerichtete Arbeit beim Absenken der Werkstücke zu
leisten. Im Beispiel aus Abb. 10.3 führt die Verringerung der Hubhöhe in Lösung
II gegenüber Lösung I zu einer erheblichen Verringerung des Arbeitsenergieum-
satzes und infolgedessen zur Beanspruchung des Herz-Kreislauf-Systems, bei
gleichzeitig leicht gesteigerter Arbeitsleistung, hier im Wesentlichen mit dem
kürzeren Bewegungsweg zu begründen. Die Anordnung auf etwa gleicher Höhe
(Lösung III) führt zu einer nochmals geringfügig niedrigeren Beanspruchung, geht
aber mit einer erheblichen Leistungssteigerung einher.

Abb. 10.3: Beschickung eines Durchlaufofens; Einfluss der Betriebsmittelgestaltung auf


Leistung und biologische Parameter (nach SCHULTE und LARUSCHKAT 1980)

Bei Betrachtung der zu leistenden Arbeit ist dabei nicht nur die äußere Masse,
sondern die gesamte bewegte oder zu haltende Masse zu berücksichtigen. Dies ist
insbesondere bei – im Vergleich zum mitbenutzten Körperteilgewicht – kleinen
Lasten von Bedeutung. So ist es unerheblich, ob eine Person ein Blatt oder zwan-
956 Arbeitswissenschaft

zig Blätter Papier bewegt, da das Gewicht des eigenes Arms ein Vielfaches der
äußeren Last beträgt und bei Auf- und Abwärtsbewegungen positiv und negativ
gerichtete Arbeit ebenso für die Körperteilgewichte zu leisten ist (siehe auch Abb.
10.4).
Die unvermeidlichen Schwerkräfte können unterstützend wirken, wenn die aus-
zuübenden Kräfte (wenigstens teilweise) nach unten gerichtet sind. Dies macht
man sich zum Beispiel bei der Pedalbetätigung zu Nutze, bei der das Beingewicht
den Druck auf das Pedal auf natürliche Weise unterstützt und somit zu einer
gleichmäßigeren Kraftaufbringung beigetragen wird (Abb. 10.5).

Abb. 10.4: Stark vereinfachte Darstellung des unterschiedlichen energetischen Aufwands


für gleiche Arbeit infolge des Mittransports des eigenen Körpergewichts (aus HETTINGER
und WOBBE 1993)

Abb. 10.5: Rechts: Kräftespiel beim Betätigen eines Pedals im Sitzen durch die Wirkung
der Eigengewichte (nach JENIK 1979); links: Durchschnittliche maximale Tretkraft eines
Beines im Sitzen in verschiedene Wirkrichtungen bei unterschiedlichen Distanzen der
Sitzebene zur Krafteinleitungsstelle und bei Vorhandensein einer Rückenlehne (aus
HETTINGER u. WOBBE 1993)
Ergonomische Gestaltung 957

An dem Beispiel der Pedalkräfte wird weiterhin deutlich, dass bei der Auf-
bringung von großen Kräften die entsprechenden Abstützungsmöglichkeiten (hier:
Rückenlehne) von großer Bedeutung sind, da sonst zusätzliche innere Arbeit zur
Schwerpunktverlagerung und zur Aufrechterhaltung der notwendigen Körperposi-
tion („Versteifung“) zu leisten ist. Durch die Abstützungswirkung der Rückenleh-
ne verschiebt sich die Maximalkraft erheblich nach oben, allerdings in einer wenig
bequemen Körperhaltung. In der Praxis sollten Pedale daher etwas niedriger, ca.
30° nach unten positioniert werden.
Wie bereits in Kap. 3.2.5.1 aufgeführt, ist der physiologisch sinnvolle Arbeits-
begriff durch das Produkt von Kraft und Zeit gekennzeichnet. Weiterhin ist die
Bewegungsmuskulatur des Menschen für statische Kraftaufbringung außerordent-
lich ermüdungsempfindlich. Im Gestaltungskontext bedeutet dies, dass jegliche
Art von statischer Muskelarbeit möglichst zu vermeiden ist. Dabei spielt es nur
eine untergeordnete Rolle, ob Haltearbeit, Haltungsarbeit oder statische Kontrak-
tionsarbeit zu verrichten ist.
Wenn das Halten von Objekten unvermeidlich ist, so sollte dies körpernah er-
folgen (kleine Momentwirkung), und die Körperteile sollten gleichsinnig zur
Schwerkraft gerichtet sein (Zugbelastung).
In Bezug auf die kräftemäßige Belastung des Menschen muss natürlich berück-
sichtigt werden, dass die angreifenden Kräfte nicht grundsätzlich identisch mit den
durch die Last hervorgerufenen Kräften sind, sondern – entsprechend der klassi-
schen Mechanik – ein vektorielles Kräftegleichgewicht besteht.
Wenn die Angriffsrichtungen der äußeren Last und die der aufgebrachten Kraft
nicht entgegengesetzt, sondern spitzwinklig zueinander gerichtet sind, entsteht
eine weitere Kraftkomponente senkrecht zur Angriffsrichtung der äußeren Kraft.
Bei symmetrisch beidhändiger Arbeit sind diese Komponenten genau entgegen
gesetzt, weswegen keine zusätzliche Kraft auf den Rumpf einwirkt (Abb. 10.6).

Abb. 10.6: Günstige und ungünstige Armhaltung beim Tragen einer gleich schweren Last
mit unterschiedlichem biologischen Kraftaufwand je nach Spreizwinkel der Arme
(HETTINGER u. WOBBE 1993)
958 Arbeitswissenschaft

Allerdings steigt die in Richtung der Kraftaufbringung notwendige Kraft mit


dem Kehrwert des Kosinus des Winkelversatzes an. Infolgedessen nehmen die
Zugkräfte in den Armen und die Haltekräfte an den Händen mit größerem Spreiz-
winkel stark zu. Aus physiologischer Sicht ist daher eine möglichst senkrechte
Armhaltung beim Heben von Gewichtslasten anzustreben (Abb. 10.6 und Abb.
10.7). Noch günstiger wären im gezeigten Fall der Abb. 10.7 Jochkonstruktionen,
die die eingesetzte Muskelmasse verringern und die Krafteinleitung auf die Wir-
belsäule vertikal gestalten.

Abb. 10.7: Einfluss von zwei gleichen Lasten auf die statische Beanspruchung des Trägers
bei Verwendung von Normaleimern und innen abgeflachten Eimern (aus HETTINGER u.
WOBBE 1993)

Bei asymmetrischer Kraftausübung beider Hände wird dadurch eine Kraft und
ein Moment auf den Rumpf erzeugt, denen durch Stabilisierungskräfte zur Auf-
rechterhaltung der Körperposition entgegengewirkt werden muss (Abb. 10.8 und
Abb. 10.9).

Abb. 10.8: Addition der einzelnen Kraftwirkungen bei beidhändiger gleichzeitiger Betäti-
gung einer ungünstig gestalteten Vorrichtung. (in Anlehnung an STIER u. MEYER 1957
aus SCHMIDTKE 1989)

Diese Gesetzmäßigkeiten gelten in analoger Weise auch für die Kraftübertra-


gung mittels der Hand (Abb. 10.10). Ist die Angriffsrichtung der äußeren Kraft ge-
Ergonomische Gestaltung 959

genüber dem Unterarm versetzt, so entsteht auch bei gleicher Kraftrichtung ein
Drehmoment im Handgelenk, welches über eine zusätzliche Muskelanspannung
stabilisiert werden muss.

Abb. 10.9: Der Kraftfluss bei der einhändigen Betätigung eines asymmetrisch angeordne-
ten Hebels und bei der beidhändigen Betätigung zweier symmetrisch angeordneter Hebel
(nach STIER 1957)

Abb. 10.10: Pistolengriff für geradlinigen Kraftfluss vom Unterarm über eine normale
Handhaltung auf die Arbeitsseite von Werkzeugen bei Vermeidung von Kippmomenten
(oben und unten) sowie zum Abfangen von auf das Handgelenk wirkenden rotatorischen
Drehmomenten bei Versatz der Griffposition (Mitte, aus HETTINGER u. WOBBE 1993)
960 Arbeitswissenschaft

10.1.1.3 OptimierungĆdesĆWirkungsgradesĆ
Wie in Kap. 3.2.10.2.3 bereits deutlich wurde, hängt der Wirkungsgrad der me-
chanischen Energieerzeugung in starkem Maße vom „Arbeitspunkt“ der beteilig-
ten Muskeln ab. Dies betrifft die Länge des Muskels (von außen: die Gelenkstel-
lung), die mechanische Last und die Bewegungsgeschwindigkeit. Die beiden
letztgenannten Größen werden darüber hinaus durch die Massenträgheitskräfte der
bewegten Körperteile und Objekte mit beeinflusst.
In Bezug auf geeignete Körperstellungen ist nahezu grundsätzlich eine Lage im
mittleren Bereich des Bewegungsbereiches anzustreben, da die Effizienz der mus-
kulären Krafterzeugung bei großer und bei kleiner Muskellänge abnimmt. Darüber
hinaus stellt sich die Frage nach der Wahl der eingesetzten Muskelgruppen. Grö-
ßere Muskelgruppen ermüden weniger schnell, bringen aber größere Massenbe-
wegungen mit sich, wofür u.U. zusätzlicher energetischer Aufwand benötigt wird.
Die Komplexität der Zusammenhänge und die teilweise entgegengesetzten
Wirkungen bezüglich der verschiedenen Zielgrößen erlauben es nicht ohne wei-
teres, einen relativ optimalen Wirkungsgrad für eine bestimmte Arbeitsaufgabe
über biomechanische Modelle herzuleiten. Auf experimentellem Wege kann aller-
dings über die Messung des Energieumsatzes oder die der Kreislaufbeanspru-
chung (siehe Kap. 3.2.10.2.1 und 3.2.10.3) eine – zumindest vergleichende – Be-
wertung und Beurteilung verschiedener Gestaltungslösungen vorgenommen wer-
den.
Da der Mensch zur Optimierung seiner Gesamtleistung bestrebt ist Ermüdungs-
erscheinungen durch Anpassung der Arbeitsleistung – wenn möglich – zu verhin-
dern, kann in manchen Fällen auch die Leistungserbringung Aufschluss über die
Effizienz der Tätigkeitsausführung geben.
Wie die Abb. 10.11 und Abb. 10.12 zeigen, wirkt sich eine günstige Körperstel-
lung erheblich auf die erbrachte Arbeitsleistung aus.
Neben einer geeigneten Körperstellung haben weiterhin die mechanische Last
und die Arbeitsgeschwindigkeit einen Einfluss auf die energetische Effizienz. Die
physikalisch erbrachte Leistung ist proportional zum Produkt beider Faktoren,
weswegen die Arbeitsgeschwindigkeit bei einem größeren mechanischen Ar-
beitswiderstand theoretisch im gleichen Verhältnis verringert werden kann, ohne
dass die erzeugte Leistung sich verändert.
Ergonomische Gestaltung 961

Abb. 10.11: Auswirkungen des seitlichen Abspreizwinkels der Oberarme auf Energiever-
brauch und Leistung bei repetitiven manuellen Tätigkeiten (nach GRANDJEAN 1991)

Abb. 10.12: Leistung (L) beim Feilen in Abhängigkeit von der Arbeitshöhe (H) in cm für
kleine und große Personen (nach LYSINSKI 1926; SCHMIDTKE 1989)
962 Arbeitswissenschaft

Aus physiologischer Sicht hat dagegen eine Reihe von Faktoren einen Einfluss
auf den Wirkungsgrad:
(1) Die Bewegung von Massen ist mit sog. Blindleistungen verbunden. Beim
Beschleunigen muss Energie zur Überwindung der Massenträgheit aufge-
wendet werden, welche beim Verringern der Geschwindigkeit durch aktive
Gegenkräfte neutralisiert werden muss. Darüber hinaus haben Muskeln, Seh-
nen und Bänder eine elastische Charakteristik (Federwirkung). Je nach Ge-
schwindigkeit sind mehr oder minder große Blindleistungen zunächst aufzu-
bringen und anschließend durch entsprechende Gegenkräfte wieder zu neut-
ralisieren.
(2) Im Bereich von „mittleren“ Geschwindigkeiten (je nach Zusammensetzung
der Impedanzen) ergibt sich in der Regel ein Minimum solchermaßen verlus-
tiger Energieaufwendung (PFAHL 1924; ROHMERT u. RUTENFRANZ 1983)
(siehe auch Abb. 10.13). Eine Steigerung der Arbeitsgeschwindigkeit über
diesen Bereich hinaus muss mit einer erhöhten Erzeugung und Vernichtung
von Blindleistung und folglich mit einer geringeren Effizienz erkauft wer-
den.

Abb. 10.13: Arbeitsenergieumsatz pro m beim Gehen in der Ebene in Abhängigkeit der
Schrittlänge und der Schrittgeschwindigkeit (Veranschaulichung der Punkte 1. und 2.;
Diagramm nach ATZLER u. HERBST, aus LEHMANN 1962)

(3) Die zu erzeugende Energie zur Kompensation von Schwerkräften bzw. zum
Erzeugen von isometrischen Kräften hängt neben der Größe der Last von der
Dauer der Ausübung ab. Daraus leitet sich ein zeitbezogener Anteil ab, wes-
wegen ein besonders langsames Arbeiten zunehmend ineffizient wird (Abb.
10.14). Dieser Effekt ist anschaulich zu belegen beim Tragen von Lasten, bei
dem eine Verlangsamung des Arbeitsvorgangs die Gesamtbelastung für eine
bestimmte Wegstrecke noch erhöht.
Ergonomische Gestaltung 963

25
enz [1/min]
20

15
herzschlagfreque

10

0
Arbeitsh

-5

-10

0,15 0,20 0,25 0,30 0,35 0,40 0,45 0,50 0,55 0,60 0,65

schneller relative Umsetzzeit langsamer


Abb. 10.14: Arbeitsherzschlagfrequenz beim Umsetzen verschiedener Steingewichte ab-
hängig von der relativen Umsetzzeit (aus KLIMMER u. KYLIAN 1995)

(4) Wesentlich für die umgesetzte Energie ist auch die technische Gestaltung der
Arbeitsmittel, nachfolgend am Beispiel Leiter, Treppe und schiefe Ebene zur
Überwindung von Höhendifferenzen dargestellt. Abb. 10.15 gibt eine ver-
gleichende Darstellung des menschlichen Energieumsatzes je mkp Arbeit für
Leiter, Treppe und schiefe Ebene in Abhängigkeit von Steigung, Auftritt und
Neigungswinkel wieder (ROHMERT u. RUTENFRANZ, 1983). In den Schnitt-
punkten der untersuchten Kombinationen von Steigung und Neigungswinkel
sind die gefundenen cal/mkp – Werte (1 cal/mkp = 0,427 J/Nm) eingetragen.
Die Punkte gleichen Energieumsatzes sind zu Kurven verbunden. Die Gera-
de „MN“ in Abb. 10.15 stellt Gleichung (10.1) und die Gerade „AZ“ die
Gleichung (10.2) dar. Längs der gestrichelten Geraden beträgt der Auftritt
konstant 24 cm.
Auftritt  Steigung 12 cm (10.1)
2 ˜ Steigung  Auftritt 63cm (10.2)
(5) Die innere Reibung bei Veränderung der Muskellänge vertilgt einen Teil der
erzeugten Kraft bereits im Muskel, welcher in etwa proportional zum zu-
rückgelegten Weg ist. Beim Arbeiten mit geringer äußerer Last (und hoher
Geschwindigkeit) ist dieser Anteil dementsprechend größer als bei hoher
Last (und niedriger Geschwindigkeit).
964 Arbeitswissenschaft

Abb. 10.15: Vergleichende Darstellung des Energieumsatzes je mkp (1 mkp = 9,807 Nm)
für Leiter, Treppe und schiefe Ebene in Abhängigkeit von Steigung, Auftritt und Nei-
gungswinkel (in Anlehnung an ROHMERT u. RUTENFRANZ 1983)

Die hinter diesen Einflüssen steckende Gesetzmäßigkeit wird nach dem Entde-
cker des Prinzips als Johannson'sche Regel bezeichnet:
Misst man bei verschieden großem Arbeitswiderstand den notwendigen Ener-
gieumsatz pro Arbeitseinheit (dicke Linie in Abb. 10.16), so findet sich im mittle-
ren Lastbereich ein linearer Anstieg (Punkte A, B und C auf der Kurve). Dieser ist
auf einfache Weise durch die mit steigendem Arbeitswiderstand vergrößerte Ar-
beitsleistung zu erklären. Bei einem Arbeitswiderstand von Null ist trotzdem ein
positiver Energieumsatz zu leisten (E0), welcher aus den Leerbewegungen resul-
tiert. Bei sehr großem Arbeitswiderstand (oberhalb des Punktes G nach Abb.
10.16) steigt die Funktion nicht mehr linear, sondern exponentiell. Dies liegt da-
ran, dass die Muskeln zur Ausführung der Bewegung zu hoch beansprucht wer-
den, woraus eine weniger ökonomische Arbeitsweise aufgrund von Muskelermü-
dung oder der ergänzenden Inanspruchnahme weniger ökonomisch wirkender
Muskeln resultiert.
Auch bei konstantem Wirkungsgrad der Muskeln und des Herz-Kreislauf-
Systems sinkt der Gesamtwirkungsgrad aufgrund der immer zusätzlich zu leisten-
den Leerarbeit mit kleiner werdendem Arbeitswiderstand linear ab. Oberhalb der
Grenzlast G wirkt dem der fallende Arbeitswirkungsgrad entgegen.
Ergonomische Gestaltung 965

Aus arbeitsgestalterischer Sicht ist daher zunächst ein verhältnismäßig hoher


Arbeitswiderstand mit entsprechend verringerter Lastzahl und ein möglichst ge-
ringer Aufwand für die Leerbewegung (z.B. durch kleine bewegte Körpermassen)
anzustreben.

Wirkungsgrad von Muskeln


und Herz-Kreislaufsystem
Energieumsatz / Arbeitsseinheit

Wirkungsgrad
C
B
A

E0

G
Gesamter Wirkungsgrad
E

Arbeitswiderstand

Abb. 10.16: Johannson'sche Regel: Abhängigkeit des Wirkungsgrades vom Arbeitswider-


stand, Einfluss der Leerbewegung bei geringem Arbeitswiderstand

10.1.1.4 ArbeitsabfolgeĆundĆPausenregimeĆ

Wie aus dem vorangehenden Abschnitt deutlich wurde, ist es energetisch nicht
sinnvoll, durch eine geringe Belastung (Arbeitswiderstand und Arbeitsgeschwin-
digkeit) zu einer Verminderung der Beanspruchung beizutragen. Im Gegenteil ist
es sogar insgesamt effizienter, die Leistungsfähigkeit des Menschen weitgehend
auszuschöpfen.
Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass hohe Leistungen wegen der
Erschöpfung der Energiespeicher nicht unbegrenzt lange erbracht werden können.
Der zeitlichen Verteilung der Belastung im Sinne einer ergonomischen Arbeitsab-
folge kommt daher eine große Bedeutung für eine ökonomische Ausführungswei-
se und Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit zu.
Grundsätzlich findet sich – wie bei statischer Arbeit, Kurbelergometerarbeit
sowie Umsetzen von Gewichten in Abb. 10.17 zu ersehen – oberhalb der Dauer-
leistungsgrenze ein hyperbolischer Zusammenhang zwischen der Höhe der Leis-
tung und der maximalen Arbeitszeit bis zum Eintreten der Erschöpfung. Für ver-
schiedene Ausführungsbedingungen unterscheiden sich die Zusammenhänge in
ihrem Verlauf, nicht aber in ihrer typischen Charakteristik (siehe Kap. 3.2).
966 Arbeitswissenschaft

Statische Haltearbeit:
NDLG = 0.15 ‚ Maximalkraft
150
Kurbelergometerarbeit:
60 und 72 U/min
45 und 90 U/min
Maxximale Arbeitszeit [min]]

100 Umsetzen von Gewichten


mit gestrecktem Arm:
60 Wdh/min
90 Wdh/min

50

0
0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0
ª N eff º
Eff kti L
Effektive Leistung
i t (Neff) in
i Vielfachen
Vi lf h der
d D
Dauerleistung
l i t (NDLG) « »
¬ N DLG ¼

Abb. 10.17: Grenzen der Ausdauer bei Muskelarbeit (aus ROHMERT 1962)

Beim Arbeiten oberhalb der Dauerleistungsgrenze müssen also rechtzeitige Er-


holungspausen vorgesehen werden.
Wegen des nichtlinearen Charakters der Ermüdungs- und Erholungsphasen
(siehe auch LUCZAK 1983b) ist es allerdings nicht zweckmäßig, bis zum Eintreten
der Erschöpfung zu arbeiten, da dann unverhältnismäßig lange Erholungsphasen
notwendig sind. Vielmehr erweist es sich als physiologisch und ökonomisch güns-
tiger, kurzzyklische Arbeits- und Erholungsphasen vorzusehen (Abb. 10.18).
Die Bemessung von notwendigen Erholzeiten (siehe auch Kap. 2.4.3) orientiert
sich an der Rekonstitution des Körpers, welche üblicherweise bei körperlichen
Arbeitsformen über die Rückkehr der Herzschlagfrequenz auf das Ruheniveau
nachgewiesen wird, da das Herz-Kreislauf-System wegen seiner integralen Stabi-
lisationsfunktion die Gesamtheit des Erholungsprozesses weitgehend widerspie-
gelt (siehe Abb. 10.19).
Die erforderlichen Erholzeiten wurden – ähnlich wie die Ausdauer – in auf-
wendigen Untersuchungen für statische und dynamische Arbeitsformen ermittelt
(ROHMERT 1960 und 1962, Abb. 10.20). Die zugrundeliegende Gesetzmäßigkeit
hinsichtlich des Ermüdungszustandes wurde bereits in Kapitel 2.4.3 erläutert.
Ergonomische Gestaltung 967

Abb. 10.18: Verhalten der Herzschlagfrequenz während und nach der Arbeit mit kurzen
und längeren Pausen bei gleichem Verhältnis zwischen Arbeitsphase und Pause (aus REFA
1993)
968 Arbeitswissenschaft

Abb. 10.19: Rückkehr von Herzfrequenz, Blutdruck, Atmung, Sauerstoffverbrauch und


CO2-Ausscheidung nach anstrengender Arbeit (aus LEHMANN 1962)

Mit Bezug auf Abb. 10.20 wird deutlich, dass der Erholungsbedarf mit zuneh-
mender Länge der Arbeitsphasen in Form einer Potenzfunktion überproportional
zunimmt. Weiterhin wurde festgestellt, dass die Erholung nach statischer Arbeit
erheblich mehr Zeit beansprucht als nach dynamischer Arbeit.
Für die praktische Prozessgestaltung ergeben sich aus diesen Gesetzmäßigkei-
ten von Ermüdung und Erholung zwei wichtige Konsequenzen:
(1) Die dem Körpergefühl folgende Handlungsweise des Arbeitens bis zur of-
fensichtlichen Ermüdung ist, wegen des dann unverhältnismäßig langen Er-
holungszeitraums, nicht sinnvoll, vielmehr sollten die Arbeitspersonen zu
früheren Arbeitspausen angehalten werden.
(2) Die Erholung von energetisch-effektorischer Arbeit bezieht sich primär auf
die über die Dauerleistungsgrenze beanspruchten Organe. Insofern können
während der Erholungsphase dieser Organe durchaus andere Tätigkeiten
ausgeführt werden, z.B. durch den Wechsel auf andere Muskelgruppen, so-
fern keine schwere Arbeitsform mit primärem Beanspruchungsengpass im
Herz-Kreislauf-System vorliegt. Die Rekonstitution des Stoffwechsels im
Muskel bedingt jedoch eine möglichst ungehinderte Durchblutung zum Ab-
transport der Stoffwechselprodukte und zur Wiederherstellung der lokalen
Energievorräte. Bereits eine geringe Muskelanspannung verzögert diesen
Prozess in erheblichem Maße, abgesehen vom dadurch unmittelbar verlang-
samten Rekonstitutionsverlauf durch den gleichzeitigen Verbrauch von
Energiestoffen. Daher muss darauf geachtet werden, dass die erholungsbe-
dürftigen Muskeln auch wirklich völlig erschlaffen.
Ergonomische Gestaltung 969

10

Dauer der Arbeeitsabschnitte in min


ungszuschlag EZ in % der Arbeitszeit
320 1,4
7
§ N · 5
EZ 1,9 ˜ tarb 0,145 ¨ eff  1¸ ˜100 3
280 © N DLG ¹
240 1

200

160

120

80
Erholu

40

0
100 120 140 160 180 200 220
ª N eff º
Effektive Leistung in % der Dauerleistung « » ˜ 100
¬ N DLG ¼

Abb. 10.20: Erholungszuschläge bei dynamischer Muskelarbeit am Fahrradergometer


(nach ROHMERT 1962)

10.1.2 Informatorisch-mental
Bei der Steuerung, Regelung oder Überwachung von technischen Systemen be-
steht die Aufgabe des Menschen darin, auf der Grundlage unmittelbar oder mittel-
bar übertragender Information den Zustand der Maschine zu erfassen, die zukünf-
tige Entwicklung der essentiellen Variablen zu antizipieren und erforderlichenfalls
durch Handlungen eine Zustandsänderung zu bewirken. Unter informatorischer
(auch informationstechnischer) Gestaltung versteht man allg. die Gestaltung von
Komponenten der Mensch-Maschine-Schnittstelle (auch Benutzungsschnittstelle,
engl. human-machine interface), die den Informationsaustausch zwischen Mensch
und Maschine in einem Arbeitssystem gewährleisten sollen.
Grundanforderung für eine ergonomische Gestaltung der Mensch-Maschine-
Interaktion ist die Anpassung der technischen Subsysteme an die Fähigkeiten und
Fertigkeiten des Menschen. Bei der informationstechnischen Gestaltung müssen
demzufolge zum einen die Merkmale und Anforderungen der Arbeitsaufgabe, zum
anderen die Fähigkeiten und Grenzen des Menschen in physiologischer und psy-
chologischer Hinsicht und seine Eigenschaften bei der Informationsverarbeitung
(siehe. Kap. 3.3) berücksichtigt werden. Dieses von einigen Autoren wie bspw.
RASMUSSEN et. al. (1994) in Hinblick auf die zentralen Prozesse menschlicher
Informationsverarbeitung auch als Cognitive Engineering bezeichnete Arbeitsfeld
der Ergonomie betrifft somit alle arbeitstechnischen und -organisatorischen Ele-
mente, die der aufgaben- und benutzergerechten Kommunikation zwischen
Mensch und Maschine dienen.
970 Arbeitswissenschaft

Die Vorgehensweise bei der benutzerzentrierten Gestaltung von Mensch-


Maschine-Systemen ist in DIN EN ISO 13407 festgelegt und sieht auf Grundlage
des Nutzungskontextes einen iterativen Prozess von Anforderungsermittlung,
Gestaltungsentwurf und Systembewertung vor. Allerdings macht sie verständli-
cherweise keine Vorgaben, wie Systeme im Detail zu gestalten sind. Eine formale
Beschreibung des Gestaltungsprozesses findet sich in Kapitel 10.3.1.2.
Mögliche Gestaltungsdimensionen ergeben sich aus dem Verständnis der psy-
chophysiologischen Mechanismen, die beim Menschen bei der Informationsverar-
beitung ablaufen. Dementsprechend sind die von der Arbeitsperson (bzw. Opera-
teur) für die Aufgabendurchführung erforderlichen Informationen so darzustellen,
dass die schnelle und einfache Wahrnehmung der Information und die Extraktion
der wesentlichen Merkmale sichergestellt sind. Ergonomisch gestaltete Anzeige-
systeme sollen zudem die kognitive Weiterverarbeitung erleichtern, d.h. eine
schnelle und zuverlässige Informationsverarbeitung unter geringem Bedarf menta-
ler Ressourcen ermöglichen. Im Weiteren gilt es, die Umsetzung der menschlichen
Entscheidungen in das System durch Interaktionsverfahren zu gewährleisten, die
vom Operateur als „intuitiv“ beurteilt werden, indem sie z.B. adäquat an sein
natürliches Verhalten angepasst oder unmittelbar verständlich sind. Aufgrund der
je nach Anwendungskontext zum Teil immensen Informationsquantität sind darü-
ber hinaus Verfahren für eine benutzergerechte Automation zu realisieren, die eine
Einbindung des Menschen in den Prozess sicherstellen.
Prinzipiell soll also durch eine ergonomische Gestaltung der Mensch-
Maschine-Schnittstelle der Informationsverarbeitungsprozess des Menschen in
den in Kapitel 3.3.2 beschriebenen Phasen Entdecken, Erkennen, Entscheiden und
Informationsabgabe unterstützt werden.
Zur gerichteten Informationsübertragung von einer technischen Einrichtung
zum Menschen werden Anzeigen eingesetzt, die Hinweise auf die Zustände des
technischen Systems, Arbeitsobjekts oder Prozesses geben (siehe Abb. 10.21).
Darüber hinaus nimmt der Mensch andere, direkt vermittelte Informationen
(z.B. Maschinengeräusche, -schwingungen und -gerüche) über seine Sinnesorgane
wahr. Die Informationsübertragung vom Menschen zur Maschine erfolgt durch
Eingabegeräte der Mensch-Maschine-Schnittstelle, die der Mensch durch gezielte
Handlungen oder sein natürliches Verhalten, z.B. Bewegungen, benutzt. Die Ge-
staltung beider Komponenten sowie ihr Zusammenwirken im Aufgabenkontext
hat großen Einfluss auf die schnelle und fehlerfreie Mensch-Maschine-Interaktion.
Mensch-Maschine-Schnittstellen beeinflussen durch ihre Gestaltung den In-
formationsverarbeitungsprozess des Menschen in all seinen Phasen. Mit welchen
Methoden und Technologien hier eine Unterstützung erzielt werden kann, wird in
den folgenden Abschnitten beschrieben. Zuvor soll allerdings auf Gestaltungsan-
sätze eingegangen werden, die dieser Vorgehensweise übergeordnet sind.
Ergonomische Gestaltung 971

Maschine Mensch-Maschine-Schnittstelle
Informationsausgabe Informationseingabe
Anzeigen Eingabegeräte

Stellteile /
unmittelbare Sprach- Gesten- Tracking-
optisch akustisch taktil Bedien-
Informations- eingabe erkennung system
elemente
übertragung

kinäs- olfak-
visuell auditiv haptisch manuell verbal gestikulär Bewegung
thetisch torisch
Informationsaufnahme Informationsabgabe
Erkennen /
Mensch Entscheiden

Abb. 10.21: Informationsübertragung in Mensch-Maschine-Systemen

10.1.2.1 ÜbergeordneteĆGestaltungsansätzeĆĆ
10.1.2.1.1 Kompatibilität von System und Benutzungsschnittstelle
In seiner allg. Form besagt das Kompatibilitätsprinzip, dass Information in einer
Form zu vermitteln ist, die möglichst weitgehend dem zur Bewältigung der Ar-
beitsaufgabe gebildeten mentalen Modell (siehe Kap. 3.3.2.2.4) des Menschen
entspricht, um einen sonst notwendigen Transformationsaufwand zu vermeiden.
Informationstheoretischer Hintergrund dieses Prinzips ist, dass die Transinforma-
tion genau dann maximal ist, wenn die Menge an zu rekodierender Information für
das Individuum am geringsten ist (WILLIGES et al. 1987). Es wird also im Umkehr-
schluss davon ausgegangen, dass je geringer die Inanspruchnahme mentaler Res-
sourcen für Umstellungs- oder Umkodierungsoperationen ist, die Arbeitsaufgabe
selbst um so effizienter bearbeitet werden kann (HACKER 2005). Die Anwendung
dieses Prinzips bei der Gestaltung von Mensch-Maschine-Systemen bedeutet, dass
die Schnittstelle mit der menschlichen Wahrnehmung, dem Gedächtnis, der Prob-
lemlösungsfähigkeit, dem menschlichen Handeln sowie den menschlichen Kom-
munikationsarten und Möglichkeiten kompatibel gestaltet werden muss. In der
häufigsten Form bezieht sich die Kompatibilität auf die räumliche, die Bewe-
gungs- und die konzeptuelle Übereinstimmung von Stimulus und Response, die S-
R-Kompatibilität. Entscheidend sind oft aber auch Stimulus-Stimulus- und Res-
ponse-Response-Kompatibilitäten.
Eine Stimulus-Stimulus-Inkompatibilität ist in jedem Kraftfahrzeug gegeben.
Eine wichtige Information ist der Bremsweg des Fahrzeugs. Angezeigt wird je-
doch die Geschwindigkeit. Daher sollte ständig aus der gefahrenen Geschwindig-
keit, der Reaktionszeit und der Bremsverzögerung unter Berücksichtigung des
Straßenzustands (trocken, nass, glatt) der Bremsweg berechnet werden. Technisch
realisieren lässt sich eine Bremsweganzeige z.B. durch ein sog. „Head-Up
972 Arbeitswissenschaft

Display“, das einen Balken in die Windschutzscheibe einblendet. Dieser erscheint


dem Fahrer dann an der Stelle der Straße, wo das Fahrzeug zum Stehen kommen
würde (siehe SCHMIDTKE 1993). Ein ähnliches Beispiel aus der Flugführung zeigt
Abb. 10.22, bei der die gegenwärtigen translatorischen und rotatorischen Be-
schleunigungen eines Flugzeugs in eine zukünftige Position und Lage verrechnet
werden, die im Head-Up Display angezeigt wird.

Abb. 10.22: Integrierte Flugführungsanzeige im Head-Up Display. Der in Bildmitte er-


kennbare rautenförmige Prädiktor zeigt die vorausberechnete Position und Lage des Flug-
zeugs (GRANDT 2004a)

Eine Response-Response-Inkompatibilität erleben häufig Segelanfänger. Vom


Fahrrad ist bekannt, dass bei einer Rechtsbewegung des Lenkers bzw. des Vorder-
rads das Rad auch nach rechts fährt. Wird hingegen die Pinne des Segelbootes
nach rechts bewegt, segelt die Jolle nach links.
10.1.2.1.2 Multimodale Schnittstellen
Auch heute noch wird die Mehrzahl von Mensch-Maschine-Schnittstellen
unimodal konzipiert, d.h. ein spezifischer Kanal zur Informationsaufnahme, meist
der visuelle, und ein weiterer zur Informationsabgabe, in der Regel der manuelle,
bereitgestellt. Während dies bei einfach strukturierten Aufgaben ausreichend ist,
führt diese Auslegung bei der Benutzung komplexer Systeme, die häufig mit si-
multan auszuführenden Mehrfachtätigkeiten einhergeht, zu Schwierigkeiten. Die
gleichzeitige Ausführung ähnlich strukturierter Aufgaben auf demselben Informa-
tionsverarbeitungskanal kann zu Interferenzeffekten und damit verbundenen Leis-
tungseinbußen führen. Das Modell der multiplen Ressourcen (siehe
Kap. 3.3.1.1.2.3) impliziert die Mehrkanaligkeit der menschlichen Informations-
Ergonomische Gestaltung 973

verarbeitung. Dem Modell folgend kann z.B. eine perzeptiv-kognitive Aufgabe,


bei der räumlich kodierte Informationen vom Benutzer auditiv aufgenommen und
verbal abgegeben werden, besser mit einer reaktiven Tätigkeit, bei der sprachlich
kodierte Informationen visuell aufzunehmen und manuell abzugeben sind, kombi-
niert werden als mit einer gleichartigen Aufgabe.
Das Prinzip der Stimulus-Kognition-Reaktions Kompatibilität (S-C-R Kompa-
tibilität) (WICKENS u. HOLLANDS 1999) wird durch dieses Modell der multiplen
Ressourcen unterstützt. Danach werden räumliche Informationen am besten visu-
ell wahrgenommen und aus der Informationsverarbeitung resultierende Handlun-
gen manuell durchgeführt. Für verbal kodierte Informationen hingegen ist die
auditive Wahrnehmung in Verbindung mit einer sprachlichen Reaktion am besten
geeignet (TSANG u. VIDULICH 1989).
Für die informationstechnische Gestaltung ergibt sich demzufolge die Forde-
rung nach einer Anpassung der bereitgestellten Anzeige- und Eingabeelemente an
die Art der zu übermittelnden und vom Menschen zu verarbeitenden Information.
In komplexen Systemen folgt daraus der Ansatz der multimodalen Schnittstellen,
welche die Vielfalt der bereitgestellten Information durch die Bereitstellung unter-
schiedlicher Anzeige- und Eingabeelemente berücksichtigen (siehe GÄRTNER
2000; TROUVAIN u. SCHLICK 2007). Auch für einfachere Systeme sind multimo-
dale Schnittstellen bedeutsam, wenn ein barrierefreier Zugang zu Informationen
auch für behinderte Arbeitspersonen gewährleistet werden muss.
10.1.2.1.3 Virtuelle Umgebungen
In der jüngeren Literatur wurden zunehmend „intuitiv“ benutzbare Technologien
der Mensch-Maschine-Interaktion wie Virtual Reality (VR, dt. Virtuelle Realität)
und Augmented Reality (AR, dt. Erweiterte Realität) als aussichtsreiche Unterstüt-
zungsverfahren für Arbeitsprozesse betrachtet (KISSNER u. RICHTER 2005; KLIN-
KER et al. 1999; REICHWALD 2003; REUSE u. GOERDELER 2003). Augmented
Reality besitzt hinsichtlich einer anzustrebenden software-ergonomischen Gestal-
tung von Mensch-Maschine-Schnittstellen das Potenzial, bspw. durch multimoda-
le Interaktionstechniken wie Sprachverarbeitung oder Gestikerkennung (FRIED-
RICH u. WOHLGEMUTH 2004), eine besonders erwartungskonforme und aufga-
benangemessene Mensch-Maschine-Kommunikation zu ermöglichen.
Während VR eine vollständig computergenerierte Welt bezeichnet, die der Be-
trachter mit seinen sensorischen Modalitäten wahrnimmt und mit der er in Echt-
zeit interagieren kann (BULLINGER et al. 1997; BURDEA u. COIFFET 1994; ELLIS et
al. 1997; KUHLEN 2003; SCHOOR et al. 2005), nutzt AR die reale Arbeitsumgebung
und reichert diese mit zusätzlichen computergenerierten Informationen an, die
situationsgerecht und mit Kontextbezug zur betrachteten Realität direkt in das
Sichtfeld des Betrachters eingeblendet werden (AZUMA 1997; AZUMA et al. 2001;
BEU et al. 2002; KLINKER et al. 1997;FRIEDRICH 2004; MILGRAM u. COLQUHOUN
1999; NORMAND et al. 1997; RENKEWITZ u. CONRADI 2005).
Die Unterschiede zwischen Erweiterter und Virtueller Realität und ihr Ver-
schmelzen zur sog. Mixed Reality werden bei MILGRAM u. KISHINO (1994) erläu-
974 Arbeitswissenschaft

tert. Der Grad der Einbindung des Menschen in eine Virtuelle Umgebung wird als
Immersion bezeichnet.
Gegenüber physischen Prototypen (Mock-Ups) oder der klassischen 3D-
Bilddarstellung in Form von Animation bieten VR-/AR-Systeme besonders viel-
fältige Möglichkeiten der Informationsdarstellung und (im Unterschied zu Anima-
tionen) der Mensch-Maschine-Interaktion, wie z.B. die Interaktion des Benutzers
mit virtuellen Objekten im dreidimensionalen virtuellen bzw. realen Raum oder
eine die natürlichen Umweltinformationen ergänzende Visualisierung abstrakter
Daten (siehe auch HACKER u. LINDEMANN 2002; ALEXANDER u. GOLDBERG
2007; ODENTHAL et al. 2009, SCHLICK et al. 2009).

10.1.2.1.3.1 Virtuelle Realität


Durch eine umfassende künstliche Nachbildung synthetischer Umgebungsreize
und die Verwendung auf möglichst natürliche Weise vom Menschen ansprechba-
rer Interaktionsverfahren soll der Benutzer vollständig in eine virtuelle Realität
eintauchen. Typische Anwendungen dieser Technologie ergeben sich im Design,
z.B. von Fahrzeugen, in der Architektur oder im Bereich des simulationsgestützten
Trainings (siehe Kap. 10.2.3).
Bei der Virtuellen Realität soll ein möglichst hoher Immersionsgrad erzielt
werden. Ob dies gelingt, hängt im Wesentlichen davon ab, wie naturgetreu die
virtuelle Umgebung durch Anzeigesysteme dargestellt werden kann und in wel-
chem Maße der Benutzer auf diese Weise von der realen Umgebung entkoppelt
wird.
In Bezug auf Anzeigesysteme sind für die Darstellung visueller, akustischer
und auch haptischer Reize entsprechende Systeme am Markt verfügbar. Die Nut-
zung olfaktorischer (Geruchs-) und auch thermaler Reize zur Informationsüber-
mittlung wird erforscht (RENKEWITZ u. ALEXANDER 2007; LINDNER 2006). Zur
Informationsausgabe vom Benutzer an die Virtuelle Umgebung werden häufig
dreidimensionale Eingabegeräte, Verfahren zur Gestenerkennung oder Sprachein-
gabe benutzt. Wichtig für das Erreichen der Immersion ist ferner die örtliche und
zeitliche Synchronisation von Körperhaltungen und -bewegungen des Benutzers
mit der Darstellung visueller Umgebungsinformation, insbesondere die Wiederga-
be einer korrekten Perspektive.

10.1.2.1.3.2 Erweiterte Realität


Um in Anwendungen der erweiterten Realität einen realitätsnahen Eindruck zu
gewinnen, müssen die der realen Szene überlagerten Informationen für den Be-
trachter leicht wahrnehmbar sein und auch bei Kopfbewegungen an der richtigen
Position eingeblendet werden. Für die ortsreferenzierte und perspektivisch korrek-
te Einblendung der Zusatzinformationen ist bei uneingeschränkter Beweglichkeit
des Benutzers ggf. die Registrierung der Kopfposition sowie der Position und
Lage von Objekten im Umfeld mittels unterschiedlicher Trackingverfahren
und Bildverarbeitungsverfahren erforderlich (ALEXANDER et al. 1999;
RENKEWITZ u. CONRADI 2005).
Ergonomische Gestaltung 975

Arbeitswissenschaftlich interessante Anwendungsbereiche für AR ergeben sich


insbesondere dann, wenn der Mensch zur Durchführung von Aufgaben situiert auf
Hintergrundinformationen zurückgreifen muss. Exemplarisch sind hier zu nennen:
x Fertigung: Visualisierung der jeweils folgenden Arbeitsschritte bei der ma-
nuellen Montage oder von Prozessparametern beim Lichtbogenschweißen
x Wartung und Instandhaltung/-setzung: Einblendung von Reparaturanleitun-
gen zur Erleichterung der Fehlersuche und -behebung
x Logistik: Leichteres Auffinden von Artikeln bei der Kommissionierung
x Fahrzeug- und Flugführung: Anzeige von Navigationsinformationen, Stre-
ckengeboten/-verboten, sensoriell festgestellten Hindernissen etc. (Abb.
10.23)
x Architektur / Städtebau: Überlagerung von Gebäude- oder Gestaltungsent-
würfen in die natürliche Außensicht
x Medizin: Überlagerung der realen Sicht auf den Operationssitus mit compu-
terbasierten Patienteninformationen bei operativen Eingriffen
x Militär: Einblendung von georeferenzierten Lageinformationen in die Au-
ßensicht des operierenden Infanteristen.
Weitere Beispiele finden sich in OEHME 2004; PARK 2007; SCHMIDT 2005;
WIEDENMAIER et al. 2003.

Abb. 10.23: Darstellung von wichtigen Informationen für den Pkw-Fahrer in der Außen-
sicht (Quelle: VDO Automotive AG)

Obwohl die Nutzung von AR-Technologien in komplexen Arbeitsprozessen ein


großes Potenzial zur Erhöhung der Arbeitsleistung und Systemsicherheit sowie
zur Verminderung der mentalen Beanspruchung aufweist und auch für Ausbil-
dungs- und Trainingszwecke sinnvoll erscheint, werden AR-Systeme in industriel-
976 Arbeitswissenschaft

len Anwendungen u.A. aufgrund bestehender ergonomischer Gestaltungsmängel


bislang hauptsächlich im Rahmen von Forschungs- und Vorentwicklungsprojekten
prototypisch eingesetzt. Weitere Anwendungsbeispiele für VR/AR im Rahmen
des sog. Prototyping finden sich in Kapitel 10.2.3.

10.1.2.2 UnterstützungĆderĆInformationsaufnahmeĆ
Die von der Informationstechnik zur Verfügung gestellten Möglichkeiten zur
Informationsdarstellung sind nahezu unbegrenzt. Die Aufgabe des Systemgestal-
ters besteht u.A. darin, die Information im Aufgabenkontext so auszuwählen und
darzustellen, dass die Schnittstelle der menschlichen Informationsverarbeitung
angepasst ist und dadurch zu einer möglichst hohen Systemleistung beiträgt. Es
geht also um die Gestaltung der für den Operateur über die Schnittstelle dargebo-
tenen Information im Hinblick auf die Merkmale und Grenzen der Wahrnehmung
und zentralen Informationsverarbeitung des Menschen (BOFF u. LINCOLN 1988).
Obwohl die weitaus größte Informationsmenge optisch wahrgenommen wird,
spielen auch andere Anzeigeformen eine bedeutende Rolle, bspw.
x um in Bezug auf bestimmte Informationen (z.B. Warnhinweise) besondere
Aufmerksamkeit zu erzielen und somit die Voraussetzungen für Situations-
bewusstsein (situation awareness) zu schaffen,
x um mittels multimodaler Schnittstellen eine Redundanz bei der Wahrneh-
mung von Informationen sicherzustellen und, dem Modell multipler Res-
sourcen folgend, andere Informationsverarbeitungsressourcen zu nutzen,
x den visuellen Kanal bei der Informationswahrnehmung zu entlasten oder
x die Manipulation eines Objekts zu erleichtern.
Informationen werden demzufolge in technischen Systemen vorrangig durch
Sichtanzeigen sowie durch akustische Signale (Warnsignale, Sprachübermittlung)
und haptische Merkmale (Position von Stellteilen, Merkmale an Bedienelementen,
Kraftrückmeldung etc.) vermittelt. Die Reproduktion olfaktorischer, gustatorischer
und thermischer Merkmale zum Zwecke der mittelbaren Informationsübermittlung
erfolgt im Rahmen des „affective design“ der Mensch-System- bzw. Mensch-
Umwelt-Kommunikation (siehe KHALID 2006, HELANDER u. KHALID 2006) (siehe
Kap. 10.1.2.2.5).
Weitere sensorisch erfassbare Informationen (z.B. Gerüche bei Überlastung
von Maschinen, Beschleunigungen, Schwingungen) werden häufig unmittelbar
von den technischen Systemkomponenten an den Menschen übertragen.
10.1.2.2.1 Gestaltungsrichtlinien für Anzeigen
Die enorme Anzahl von Freiheitsgraden, die bei der Anzeigengestaltung zur Ver-
fügung steht, zeigt die von WICKENS et al. (2004) aufgestellte, im Folgenden be-
schriebene Zusammenstellung von ergonomischen Gestaltungsrichtlinien für An-
zeigen. Daneben existiert eine Vielzahl von Normen (bspw. im Rahmen der DIN
EN ISO 9241), auf die zurückgegriffen werden kann, um bei spezifischen Gestal-
tungsproblemen Lösungshinweise zu erhalten.
Ergonomische Gestaltung 977

10.1.2.2.1.1 Unterstützung der Wahrnehmung


Für die Wahrnehmbarkeit von Signalen ist neben dem Signal-Rausch-Abstand
eine Vielzahl weiterer Faktoren von Bedeutung, insbesondere aber das Wiederer-
kennen von Referenzinformationen aus dem Gedächtnis. Die hierbei ablaufenden
Mechanismen und die mit ihnen verbundenen Leistungsgrößen beschreibt die
Signalentdeckungstheorie (GREEN u. SWETS 1966) (siehe auch Kap. 3.3.1.2.1).
Folgende Aspekte der Systemgestaltung sollten grundsätzlich Beachtung finden:
Vermeidung von Überforderungen bei der absoluten Bewertung: Der Operateur
sollte nicht gezwungen sein, den Ausprägungsgrad einer dargestellten Variablen
anhand einer einzigen sensorischen Variablen wie der Farbe, Größe oder Lautstär-
ke zu bewerten, die mehr als fünf Stufen umfasst („magical number 7 ± 2“,
MILLER 1956).
Rolle von Erfahrungen und Erwartungen: Signale werden auf der Basis ver-
gangener Wahrnehmungen und den daraus resultierenden Erwartungen wahrge-
nommen und interpretiert. Wenn ein Signal auftritt, das den Erwartungen wider-
spricht, wie z.B. eine Warnung vor einem Ereignis mit geringer
Auftrittswahrscheinlichkeit, müssen zusätzliche Hinweise dargeboten werden, um
sicherzustellen, dass es richtig interpretiert wird (siehe Kap. 3.3.1.2.2).
Gewinn durch Redundanz: Wenn dieselbe Information zur gleichen Zeit mehr-
fach dargeboten wird, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass sie richtig interpre-
tiert wird. Dies gilt besonders, wenn die Information in alternativen Signalformen
dargeboten wird (z.B. Tonhöhe und Lautstärke, Farbe und Form usw.). Dadurch
erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass diese trotz Störungen in einem
Wahrnehmungsbereich (z.B. durch Geräusche überlagerte Stimmwarnung) im
anderen Bereich (alphanumerischer Text) noch richtig wahrgenommen wird.
Diskriminierbarkeit: Ähnlich erscheinende Signale werden leicht verwechselt,
entweder direkt bei der Wahrnehmung, besonders aber, wenn die Information
zunächst im Arbeitsgedächtnis gespeichert und wieder abgerufen werden muss.
Die Ähnlichkeit zweier Signale entspricht dem Verhältnis der ähnlichen Merkma-
le zu den Unterschieden.

10.1.2.2.1.2 Berücksichtigung mentaler Modelle


Prinzip des bildlichen Realismus: Eine Anzeige sollte der Variablen entsprechen,
die sie repräsentiert. Bspw. sollte ein Thermometer, das hohe und niedrige Tempe-
raturen anzeigen kann, vertikal angeordnet sein. Wenn eine Anzeige mehrere
Elemente umfasst, können diese entsprechend der Anordnung beim Echtsystem
dargestellt werden (z.B. schematische Darstellung der Systemkomponenten, wie
Behälter, Pumpen, Ventile, Reaktoren und die sie verbindenden Rohrleitungen
einer verfahrenstechnischen Anlage).
Prinzip des bewegten Teils: Der bewegliche Teil einer Anzeige für dynamische
Information sollte eine Bewegung so darstellen, dass diese sich mit dem mentalen
Modell des Benutzers von dieser Bewegung deckt. So sollte sich der bewegliche
Teil eines Höhenmessers beim Steigflug nach oben bewegen. Kritik: das mentale
978 Arbeitswissenschaft

Modell des Benutzers kann falsch sein, d.h. von den wahren physikalischen Ver-
hältnissen abweichen.
Ökologische Schnittstellengestaltung: Wenn man sowohl das Prinzip des bildli-
chen Realismus als auch das Prinzip des bewegten Teils anwendet, kann man
Anzeigen gestalten, die eine enge Übereinstimmung mit der Umgebung besitzen,
die sie abbilden. Schnittstellen, bei denen dieser Ansatz angewendet wird, werden
auch als ökologische Schnittstellen bezeichnet (siehe auch Kap. 10.1.2.3.2).

10.1.2.2.1.3 Aufmerksamkeitsprinzipien
Bei der Verarbeitung von Information aus komplexen mehrteiligen Anzeigen sind
drei Aspekte der Aufmerksamkeit beteiligt:
x Die selektive Aufmerksamkeit ist bei der Auswahl der Information beteiligt,
die für eine Aufgabe benötigt wird.
x Die fokussierte Aufmerksamkeit erlaubt die gebündelte Wahrnehmung von
Information ohne Ablenkung durch andere Information.
x Die verteilte Aufmerksamkeit erlaubt die gleichzeitige parallele Verarbeitung
von zwei oder mehreren Informationen.
Minimierung der Informationszugangskosten: Informationszugangskosten be-
schreiben die mit der Informationssuche und -dekodierung verbundene Anstren-
gung des Menschen, die sich bspw. in Form mentaler Beanspruchung äußern
kann. Sie entstehen z.B. beim Durchsuchen eines Menüs auf einem Bildschirm,
aber auch bei Verlagerung der Aufmerksamkeit von einer Aufgabe auf eine ande-
re. Eine gute Anzeigengestaltung minimiert die Informationszugangskosten, in-
dem sie häufig aufgenommene Information so darbietet, dass nur geringe Augen-
bewegungen erforderlich und für die Integration benötigte Informationen ähnlich
kodiert sind.
Kompatibilitätsprinzip der Nähe: Die Benutzungsschnittstelle soll zu den Auf-
gaben kompatible Anzeigen aufweisen. Näheres hierzu in Kapitel 10.1.2.3.1.
Nutzung multipler Ressourcen: Das Verarbeiten von großen Informationsmen-
gen kann dadurch erleichtert werden, dass man diese Informationen auf verschie-
dene Ressourcen aufteilt. Informationen,
x die verbale Reaktion erfordern, sollten akustisch,
x solche, die manuelle Reaktion erfordern, sollten visuell
dargeboten werden.

10.1.2.2.1.4 Gedächtnisprinzipien
Unterstützung bei der Vorhersage: Der Mensch kann in komplexen, hochdynami-
schen Systemen auf Grund seiner begrenzten Informationsverarbeitungskapazität
nur schwer zukünftige Ereignisse vorhersagen. Zum großen Teil rühren diese
Einschränkungen daher, dass die Vorhersage stark vom Arbeitsgedächtnis ab-
hängt. Zur Vorhersage ist es erforderlich, die gegenwärtigen sowie möglichen
zukünftigen Zustände zu bedenken und die Regeln zu finden, die es ermöglichen,
aus der gegenwärtigen Situation die zukünftigen Bedingungen zu prognostizieren.
Ergonomische Gestaltung 979

Bei hoher Arbeitsbelastung und in zeitkritischen Situationen versagt die Vorher-


sage, weil proaktives Verhalten, das erlaubt, antizipativ auf zukünftige Ereignisse
zu reagieren, gegenüber reaktivem Verhalten in den Hintergrund tritt. Anzeigen,
die explizit eine Vorhersage treffen, unterstützen das proaktive Verhalten und
beeinflussen die Leistung positiv (SACHS u. SPERL 2000; SACHS et al. 2003;
GRANDT 2004a; siehe auch Abb. 10.22). Durch eine Voranzeige wird die kognitiv
anspruchsvolle Aufgabe, die gegenwärtige Situation in die Zukunft zu projizieren,
durch eine einfache Wahrnehmungsaufgabe ersetzt.
Gedächtniswissen und Systemwissen: Nach NORMAN (1988) unterstützen zwei
Arten von Wissen die Interaktion mit Maschinen: (1) Wissen, das im Gedächtnis
des Benutzers gespeichert ist und bei der Entscheidungsfindung abgerufen wird,
und (2) System- oder Umweltwissen (Wissen in der Welt). System- oder Um-
weltwissen kann dem Operateur visuell vermittelt werden. Geschieht dies zum
richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle, kann so ein situativ geeignetes Verhal-
ten aktiviert werden. Wenn jedoch zu viele Informationen dargestellt werden,
kann dies zu einer Überfrachtung der Anzeige (clutter) führen; das vom System
angebotene Wissen muss deshalb an den Informationsbedarf des Benutzers ange-
passt werden. Bei Computerdialogen, die dem Benutzer bei jedem Schritt eine
Liste der momentan möglichen Optionen liefern, können die geeigneten Hand-
lungsschritte leicht erkannt werden. Um die Konsistenz solcher Dialoge zu ge-
währleisten, sollten die inaktiven Optionen allerdings nicht entfernt, sondern z.B.
ausgegraut dargestellt werden.
Systeme, die sich vermehrt auf Wissen im Gedächtnis abstützen, sind jedoch
nicht notwendigerweise schlecht: Geübte Benutzer bevorzugen z.B. bei Computer-
systemen für den Datenzugriff die direkte Kommandosprache (Gedächtniswissen)
gegenüber Rechnermenüs (Wissen in der Welt). Eine gute Schnittstellengestaltung
muss beide Handlungspräferenzen in ausgewogenem Maße berücksichtigen.
Konsistenz: Aufgrund von Training oder Erfahrung gewöhnt sich der Benutzer
relativ schnell an wiederkehrende Situationen, in denen dann bestimmte Verhal-
tensmuster aktiviert werden. Dies sollte bei der Schnittstellengestaltung beachtet
werden, indem Anzeigen (aber auch die zugrunde liegenden Bedienprozesse)
konsistent zu anderen gestaltet werden, die ein Operateur gleichzeitig oder zeitnah
benutzt (z.B. bei Benutzung mehrerer Rechnersysteme oder bei Übergang von
einem Fahrzeug- oder Flugzeugmuster auf ein anderes). Somit findet ein positiver
Transfer von der alten auf die neue Anzeige statt, der die Informationsverarbei-
tung bei der neuen Anzeige unterstützt. Auch die Farbkodierung sollte bei ver-
schiedenen Anzeigen konsistent sein, wobei bestimmte Farben immer dieselbe
Bedeutung haben sollten (siehe Kap. 10.1.2.2.2.5).
10.1.2.2.2 Sichtanzeigen
Bei der Gestaltung von Anzeigen steht zunächst die visuelle Informationsübertra-
gung (Sichtanzeigen) im Vordergrund, da diese für Systeme im störungsfreien
Normalbetrieb die mit Abstand größte Kanalkapazität besitzt.
980 Arbeitswissenschaft

Sichtanzeigen sind optisch wahrnehmbare Gestaltungselemente zur Informati-


onsübertragung, die durch ihre Kodierung eine verbindliche Zuordnung des darge-
stellten Zeichens (Zahl, Buchstabe, Zeigerstellung) zum Zustand der angezeigten
Größe ermöglichen. Bei den Sichtanzeigen unterscheidet man prinzipiell zwischen
analogen und digitalen Anzeigeformen, die spezifische Vor- und Nachteile auf-
weisen. Eine erste Übersicht zeigt Tabelle 10.1.
Tabelle 10.1: Anwendungsbereiche für Analog- und Digital-Anzeigen (nach BERNOTAT
1993)

Anwendung Digitalanzeige Analoganzeige


bewegte Skala bewegter Zeiger

Quantitative Gut Mäßig Mäßig


Ablesung

Qualitative Ungünstig Ungünstig Gut


Ablesung Zahlen müssen abgelesen Richtung und Größe der Richtung und Größe auf-
werden Abweichung sind ohne grund der Zeigerposition
Änderungen schlecht Ablesen der Skalenwerte leicht erkennbar
bemerkbar nicht erkennbar

Einstellen von Gut Mäßig Gut


Werten Sehr genau, aber bei Bei schnellen Einstellungen Schnell einstellbar, gute
schnellen Einstellungen schwer ablesbar Kontrolle durch Zeigerstel-
schwer ablesbar Beziehung zwischen lung.
Beziehung zwischen Stellteil und Anzeige even- Eindeutige Beziehung
Stellteil und Anzeige unklar tuell missverständlich zwischen Stellteil und
Anzeige

Überwachen und Ungünstig Mäßig Gut


Regeln Änderungen schlecht Änderungen schlecht Zeigerstellung ist leicht zu
bemerkbar bemerkbar überwachen und zu regeln

Bei schnellen Änderungen Bei schnellen Änderungen Leicht verständliche Bezie-


kaum ablesbar kaum ablesbar hung zwischen Stellteile
Beziehung zwischen Beziehung zwischen und Anzeige
Stellteil und Anzeige unklar Stellteil und Anzeige even-
tuell missverständlich
Ergonomische Gestaltung 981

10.1.2.2.2.1 Analoganzeigen
Unter einer analogen Anzeige versteht man eine Einrichtung mit der quantitative
Größen stufenlos, d.h. kontinuierlich abgebildet werden. Normalerweise werden
dazu Instrumente mit bewegtem Zeiger (Abb. 10.24) oder mit bewegter Skala
(Abb. 10.25) verwendet.
Analoganzeigen eignen sich für kontinuierlich ablaufende Vorgänge. Sie erlau-
ben neben dem Messwert auch dessen Veränderung zu erfassen. Neben der quali-
tativen Darstellung von Messwerten eignen sich Analoganzeigen deshalb auch
zum Regeln von Betriebszuständen. Obwohl der technische Unterschied zwischen
Instrumenten mit bewegtem Zeiger und Instrumenten mit bewegter Skala marginal
erscheint, bestehen erhebliche Differenzen bzgl. der Ableseeigenschaften. Der
sich bewegende Zeiger erlaubt eine schnelle und sichere Orientierung, benötigt
jedoch eine größere Fläche. Bei der bewegten Skala ist die Ablesegenauigkeit in
der Regel besser, die Größenordnung des Ablesewerts ist mangels Orientierung
jedoch schlechter zu erfassen Abhilfe kann hier bspw. eine farblich verschieden
unterlegte Skala bieten.

Kreisskala

140
80
60 100
120
40
Zunahme

120
100 Abnahme Zunahme
20 140
80

0 160
Abnahme

60

40

20 40 60 80 100 120 140


20

Abnahme Zunahme

Längsskala Querskala

Abb. 10.24: Zuordnung von Zeigerbewegung zu Funktionsänderung bei Anzeigen mit


fester Skala und bewegtem Zeiger (nach BERNOTAT 1993; SCHMIDTKE 1993)
982 Arbeitswissenschaft

Kreisskala

140
80
60 100
120
40 120
Abnahme

100 Zunahme Abnahme


20 140
80

0 160
Zunahme

60

40 Zunahme Abnahme

20 40 60 80 100 120 140


20

Längsskala Querskala

Abb. 10.25: Zuordnung von Zeigerbewegung zu Funktionsänderung bei Anzeigen mit


bewegter Skala und festem Zeiger (nach BERNOTAT 1993; SCHMIDTKE 1993)

Ein genereller Nachteil der Analoganzeigen besteht in der Notwendigkeit, Zwi-


schenwerte zu schätzen (Interpolation).
Die Ausprägung der Skalen richtet sich nach der zu erfassenden Größe. Bei
kontinuierlich ablaufenden Vorgängen (z.B. Uhrzeit) kommt eine Rundskala zur
Anwendung. Bei Messwerten mit einem definierten Anfangs- und Endzustand
(z.B. Fahrzeuggeschwindigkeit) bedient man sich einer Sektorskala (Abb. 10.26).

Sektorskala Quadrantenskala

30
20
20 Zunahme
10 30
10
Abnahme Zunahme
0 40
Abnahme
0

Abb. 10.26: Weitere Skalenformen: Sektor- und Quadrantenskala (nach BERNOTAT


1993)

Langfeldskalen können für beide genannten Anzeigearten ausgelegt werden,


wobei die Ausführung mit bewegter Skala äußerlich nahezu identisch mit Rund-
skalen ist. Langfeldskalen mit bewegtem Zeiger sind jedoch Rundskalen bei der
schnellen Grobeinschätzung unterlegen, da die Information über die Winkelstel-
Ergonomische Gestaltung 983

lung des Zeigers fehlt (bei der Rundskala bleibt der Bezugspunkt des Zeigers fest,
wohingegen der Zeiger bei der Langfeldskala zu suchen bleibt).
Bei Analoganzeigen ist besonders auf eine sinnvolle Skalengestaltung (Teilstri-
che, Beschriftung) sowie auf eine ablesefreundliche Gestaltung des Zeigers zu
achten. Dabei soll die dargestellte Information (z.B. Anzahl der Teilstriche) in
einem günstigen Verhältnis zur Fähigkeit des Menschen, feine Unterscheidungen
noch zu erkennen, stehen. Der Zeiger soll eine klar erkennbare Spitze haben, da-
mit der Ablesende nicht gezwungen wird, den Messwert zu schätzen (wie es z.B.
bei breiten Zeigern erforderlich wäre). Der Zeiger darf zudem nicht, wie in Abb.
10.27 links dargestellt, die Ziffern der Beschriftung verdecken und sollte mit sei-
ner Spitze bis zu den Teilstrichen reichen. Ein Beispiel für eine gute Gestaltung ist
in Abb. 10.27 rechts gezeigt.
Der Abstand zwischen Zeiger und Skala muss zur Vermeidung von
Ablesefehlern (Parallaxe) gering sein. Weitere Angaben finden sich dazu in
DIN EN 894-2, DIN 43790 und DIN 43802.

40 50

40 50 30 60

30 60
20 70
20 70

10 80
10 80

0 90
0 90

Abb. 10.27: Skalenbeschriftung von Analoganzeigeinstrumenten. Links: Verdeckungs-


effekt durch schlechte Abstimmung von Zeigerform und Innenbeschriftung. Rechts: gut
gestaltete Zeigerform und Beschriftung. (nach SCHMIDTKE 1993)

10.1.2.2.2.2 Digitalanzeigen
Mit Digitalanzeigen werden diskrete (d.h. gestufte) Informationen übermittelt. Die
wesentlichen Ausführungsformen sind die binäre Anzeige mit nur zwei Zuständen
(z.B. über Kontrollleuchten) und alphanumerische Anzeigen mit Ziffern für Zah-
len und Buchstaben.
Die binäre Anzeigeform findet vielfältige Anwendung als Zustandsanzeige,
z.B. als Ein-Aus-Kontrollleuchte bei nahezu allen elektrischen Geräten. Eine sol-
che Anzeige kann jedoch nur über eine geeignete Dekodierung richtig interpretiert
werden. Hierzu kann man sich festgelegter Konventionen bedienen (Farbkodie-
rung, z.B. bei Verkehrsampeln mit Rot = halt, Gelb = Achtung und Grün = freie
Fahrt; Symbolkodierungen, z.B. an Verkehrszeichen angelehnte Begriffe oder
Symbole), andernfalls ist eine dem Benutzer verständliche Erklärung anzubringen.
Häufig erweist es sich als hilfreich, wenn die Bedeutung der Anzeigeeinrichtung
auch im inaktiven Zustand erkennbar ist (z.B. bei auf dem Leuchtfeld angebrach-
984 Arbeitswissenschaft

ten Symbolen). Insbesondere bei Warnsignalen kann der Benutzer so auf direktem
Wege die Bedeutung verstehen, ohne dass der Warnzustand eintreten muss. Prob-
lematisch ist die Verwendung von einfachen Kontrollleuchten, wenn sie in großer
Zahl räumlich eng beieinander positioniert sind (z.B. in Leitwarten) oder komple-
xere Informationen durch die Zusammenschaltung mehrerer Kontrollleuchten
übermittelt werden sollen.
Die Anzeige von Zahlenwerten mit Digitalanzeigen (Abb. 10.28) eignet sich
zur Ablesung quantitativ genau zu erfassender Messgrößen. Die Anzeigegenauig-
keit (-auflösung) kann durch die Erhöhung der Ziffernzahl prinzipiell beliebig
gesteigert werden. Im Unterschied zu Analoganzeigen sind Werteveränderungen
allerdings nur schlecht zu erfassen. Dies gilt sowohl für die Richtung der Verände-
rung als auch für den Gradienten. Sich schnell ändernde Größen sind in der Regel
überhaupt nicht zu erkennen. Die Ablesesicherheit ist wiederum, eine ausreichen-
de Darbietungszeit vorausgesetzt, hoch. Digitalanzeigen finden vorzugsweise dort
Anwendung, wo ein Endwert zweifelsfrei und mit hoher Genauigkeit abgelesen
werden soll, z.B. bei Mengenzählern (z.B. bei Zapfsäulen, Waagen und Stoppuh-
ren).
Ein häufiger auslegungstechnischer Fehler bei digitalen Messwertanzeigen ist
die Wahl einer zu großen Auflösung. Die genaue Darstellung suggeriert beim
Betrachter eine Messgenauigkeit, die, bedingt durch die Toleranz der Messvor-
richtung, möglicherweise nicht vorhanden oder durch Störgrößen konfundiert ist
(z.B. bei einer Außentemperaturanzeige im Fahrzeug, die durch den Fahrtwind
und die Wärmeproduktion im Fahrzeug gestört wird). Eine zu kleine Auflösung
dagegen verhindert das Ablesen von geringen Veränderungen der Anzeigegröße.
Daher spielt die sachgerechte Interpretation der Zahlenwerte, unter Berücksichti-
gung der Eigenschaften der vorgelagerten technischen Systeme, eine wichtige
Rolle beim exakten Ablesen von Digitalanzeigen. Eine sinnfällige Zuordnung von
Stellrichtung und Anzeige ist bei Digitalanzeigen nicht möglich.
Bei der Gestaltung von Digitalanzeigen muss besonders auf eine entsprechende
anguläre Zifferngröße sowie auf ein ausreichendes Kontrastverhältnis zwischen
Zeichen und Untergrund geachtet werden. Die Ziffern sollten mit gut lesbaren
Zeichen dargestellt werden. Bei Anzeigen mit mehreren Ziffern sollten diese in
2er oder 3er-Gruppen angeordnet werden.

10.1.2.2.2.3 Hybridanzeigen
Diese Anzeigeart versucht die Vorteile der Analog- und der Digitalanzeige zu
verbinden, indem die absolute Anzeigegröße und deren Veränderung mit zwei
getrennten Elementen dargestellt werden. Im Allgemeinen wird erstere über eine
Digitalanzeige und zweitere über eine Analoganzeige abgebildet. Hybridanzeigen
finden vorzugsweise beim Erfassen großer Messbereiche Anwendung, deren Ver-
änderung trotzdem schnell und einfach zu erfassen ist (Tachometer mit Kilometer-
zähler, Strom- und Wasserzähler).
Ergonomische Gestaltung 985

digital hybrid

2 1 7 9
80
60 100
40 6
120

Abnahme
1 7 5 5
hybrid
7 20 140
6
2 1 7 9 5

Zunahme
4 160
0

Abb. 10.28: Analog-, Digital- und Hybrid-Anzeigen (nach BERNOTAT 1993)

10.1.2.2.2.4 Bildschirmanzeigen
Heutige Mensch-Maschine-Systeme, seien es Fahrzeuge oder Prozessleitstände,
kommen nicht mehr ohne den Einsatz von Computersystemen aus, die im Hinter-
grund Operationen zur Erfassung, Aufbereitung und Übermittlung von Zustands-
und Prozessdaten durchführen. Durch die softwaregestützte Realisierung von
Anzeige- und Bedienelementen lassen sich vielfältige Funktionen der Mensch-
Maschine-Schnittstelle verhältnismäßig schnell und kostengünstig realisieren und
z.B. bei Überarbeitungen des Systems modifizieren bzw. bei Nachfolgemodellen
zumindest teilweise wiederverwenden. Zur Informationsdarstellung werden dem-
zufolge vielfach Bildschirmanzeigen verwendet, mit deren Hilfe die oben be-
schriebenen Analog- und Digitalanzeigen computergestützt dargestellt werden.
Für die Gestaltung der Anzeigeelemente gelten die oben beschriebenen Gestal-
tungshinweise.
Bildschirmanzeigen erlauben die Erzeugung unterschiedlicher Anzeigearten
und eignen sich deshalb für die Darstellung komplexer Sachverhalte in Form von
Grafiken, Flussbildern oder Diagrammen (Abb. 10.29). Ein wesentlicher Vorteil
ist die große Variabilität der Informationsdarstellung, die eine zustandsabhängige
Darstellung situativ relevanter Informationen mittels sog. konfigurierbarer Anzei-
gen ermöglicht.
Enthält die Bildschirmanzeige neben den Anzeigekomponenten interaktive
Elemente wie Schaltflächen (buttons), mit denen der Benutzer Informationen
auswählen oder andere Systemfunktionen auslösen kann, spricht man von einer
grafischen Benutzungsschnittstelle (graphical user interface – GUI).
Bei Bildschirmanzeigen ist eine ausreichend feine optische Auflösung anzu-
streben. Bei der Zeichendarstellung ist zu beachten, dass das Punktraster zur Ab-
bildung der Buchstaben ausreichend fein aufgelöst ist. Eine Punkt-Matrix- oder 7-
Segment-Anzeige entspricht zwar dem Stand der Technik, nicht jedoch immer den
Bedingungen nach guter Lesbarkeit (z.B. Verwechslungsgefahr zwischen 5, 6 und
8, 7 und 1).
986 Arbeitswissenschaft

Abb. 10.29: Bildschirmanzeige als Ersatz für eine Vielzahl von Kontrollleuchten am Fah-
rerplatz eines Linienbusses. Je nach Betriebszustand werden die anfallenden Informationen
in einfach verständlicher Form und an einem festen Ort dargestellt (GÖBEL u. LUCZAK
2000)

Ebenfalls ist auf ein ausreichendes Kontrastverhältnis zwischen Zeichen und


Hintergrund zu achten (> 1:200 bis 1:500). Elementare Anforderungen finden sich
in DIN EN ISO 9241. Zur räumlichen Anordnung von Bildschirmanzeigen siehe
auch DIN EN ISO 11064-4. Für den Einsatz von Bildschirmanzeigen in Fahrzeugen
siehe auch DIN EN ISO 15008.
Bei Verwendung von Bildschirmanzeigen muss auf eine ausreichend hohe
Bildwiederholfrequenz zur Vermeidung von Flimmererscheinungen, insbesondere
bei hellem Untergrund, geachtet werden. Ab 60 bis 70 Hz (d.h. Bildwechsel pro
Sekunde) kann i.Allg. eine zufrieden stellende Abbildung erreicht werden. Im
Zusammenhang mit Beleuchtungseinrichtungen, deren Helligkeit üblicherweise
mit der Netzfrequenz schwankt, ist zu beachten, dass hierbei Interferenzerschei-
nungen auftreten können. Dabei entstehen Frequenzanteile, die der Differenz
beider Wechselfrequenzen entsprechen und somit unter Umständen in einem Be-
reich hoher Wahrnehmungsempfindlichkeit liegen (10-15 Hz). Hierbei können
Leuchtdichteschwankungen von weniger als 1% deutlich wahrgenommen werden.
Bei Flüssigkristall-Displaysystemen (LCD-Displays) ist dieses Problem wegen der
Trägheit der Kristalle nicht gegeben.
In Anwendungsbereichen von Bildschirmanzeigen werden heute noch zum Teil
Kathodenstrahlröhren (cathode ray tubes, CRT) und daneben zunehmend Flüssig-
kristallanzeigen (liquid crystal displays, LCD) verwendet. Die wichtigsten Vor-
und Nachteile von LCDs gegenüber CRTs sind in Tabelle 10.2 aufgeführt.
Ergonomische Gestaltung 987

Tabelle 10.2: Vor- und Nachteile von Flüssigkristallanzeigen (LCDs) (nach BGI 650)

Vorteile Nachteile

• geringer Platzbedarf durch geringe Bautiefe • etwas höherer Preis


• hohe Leuchtdichte (LCD: 200 cd/m²; CRT: • je nach LCD-Typ Farben, Leuchtdichte und
80-140 cd/m²) Kontrast abhängig von Sehrichtung

• keine Geometrie- und Konvergenzfehler • Darstellungsqualität abhängig von Auflösung;


• scharfes, flimmerfreies Bild; hoher Kontrast optimale Darstellung bei Ansteuerung in der
physikalischen Bildschirmauflösung
• sehr gute Entspiegelung (Reflexionsklasse I
nach DIN EN ISO 13406-2) • ggf. hohe Bildaufbauzeiten; führt bei dynami-
schen Bildern zum Verschwimmen der Bild-
• niedriger Energieverbrauch
inhalte
• geringe Wärmeabgabe
• Unempfindlichkeit gegen elektrische und
magnetische Felder

• geringe elektromagnetische Abstrahlung


(Erfüllung TCO-Norm)

Je nach verwendeter Technologie können sich Leuchtdichte, Kontrast und Far-


be bei LCD-Bildschirmen in Abhängigkeit von der Sehrichtung ändern (siehe
Tabelle 10.3). DIN EN ISO 13406-2 definiert deshalb zur Unterscheidung von
LCDs vier sog. Sehrichtungs-Bereichsklassen (Tabelle 10.4). Werden auf dem
Bildschirm häufig vertrauliche Informationen angezeigt (z.B. am Geldausgabeau-
tomaten) kann die Verwendung eines Displays der Klasse IV sinnvoll sein.
Tabelle 10.3: Unterschiede zwischen LCD-Technologien (nach BGI 650)

Twisted Nematic (Super) In-Plane Multi Domain /


Switching Pattern
Vertical Alignment

Lichttransmission hoch niedrig mittel

Kontrast mittel bis hoch mittel bis hoch mittel bis hoch

Winkelabhängigkeit mittel bis hoch niedrig niedrig

Schaltzeiten niedrig hoch niedrig

Leistungsaufnahme niedrig hoch mittel


988 Arbeitswissenschaft

Tabelle 10.4: Sehrichtungs-Bereichsklassen nach DIN EN ISO 13406-2

Klasse Beschreibung

I • Erlaubt einer Vielzahl von Benutzern, die gesamte Bildschirmfläche beim vorgesehenen
Sehabstand aus allen Richtungen innerhalb eines 80°-Sehkegels ohne Abnahme der
visuellen Leistung zu betrachten.
• Bietet Gleichmäßigkeit über die gesamte Bildschirmfläche; Kopfbewegungen sind
möglich.

• Nicht geeignet für Aufgaben, die einen geringen Sehkegel erfordern.

II • Erlaubt einem einzelnen Benutzer, die gesamte Bildschirmfläche beim vorgesehenen


Sehabstand aus allen Richtungen vor dem Bildschirm ohne Abnahme der visuellen
Leistung zu betrachten.
• Bietet Gleichmäßigkeit über die gesamte Bildschirmfläche; Kopfbewegungen sind
möglich.
• Nicht geeignet für Aufgaben, die einen geringen Sehkegel erfordern.

III • Erlaubt einem einzelnen Benutzer, die gesamte Bildschirmfläche beim vorgesehenen
Sehabstand von einer flexiblen Position (d.h. vorgesehener Sehabstand, vorgesehene
Sehrichtung vor der Mitte des Bildschirms) ohne Abnahme der visuellen Leistung zu be-
trachten.

• Bietet Gleichmäßigkeit über die gesamte Bildschirmfläche; Kopfbewegungen sind nicht


möglich.
• Geeignet für Aufgaben, die einen geringen Sehkegel erfordern.

IV • Erlaubt einem einzelnen Benutzer, die Mitte der Bildschirmfläche beim vorgesehenen
Sehabstand von einer fixierten Position (d.h. vorgesehener Sehabstand, vorgesehene
Sehrichtung vor der Mitte des Bildschirms) ohne Abnahme der visuellen Leistung zu be-
trachten.
• Erfordert Kippen und Drehen des Bildschirms, um eine gleichmäßige Erscheinung der
Bilddarstellung zu erreichen; Kopfbewegungen sind nicht möglich.

• Sehr gut geeignet für Aufgaben, die einen geringen Sehkegel erfordern.

10.1.2.2.2.5 Verwendung von Farben


Die Darstellung von dunklen Zeichen auf hellem Untergrund (Positivdarstellung)
ist vorzuziehen (siehe BGI 650).
Beim Einsatz von Farben als Kodierungsmittel sollten nur gut zu unterschei-
dende Farben in moderater Anzahl (3-5) verwendet werden. Dabei sind nach DIN
EN 981 für bestimmte Informationen die Farben Rot, Gelb, Blau und Grün vorge-
sehen (siehe Tabelle 10.5).
Ergonomische Gestaltung 989

Tabelle 10.5: Wesentliche Bedeutungen von Farbkodierungen bei Sichtanzeigen gemäß


DIN EN 981

Farbe Bedeutung Zweck

Rot Gefahr Notfall, Alarm, Halt, Ausfall, Verbot

Gelb Vorsicht Eingriff, Aufmerksamkeit, Zustandsänderung

Blau Handeln Gebot, Handlung erforderlich, Schutz

Grün Normalzustand Weitermachen, normaler Ablauf oder Zustand

Hinzuweisen ist darauf, dass zwischen 8-9% der männlichen, jedoch nur 1%
der weiblichen Bevölkerung bestimmte Farben nicht wahrnehmen können (Farb-
fehlsichtigkeit, Rot-Grün-Schwäche). Davon zu unterscheiden ist die Farben-
blindheit, die bewirkt, dass farbige Informationen als Graustufen wahrgenommen
werden. Um die Wahrnehmbarkeit wichtiger Informationen zu gewährleisten,
sollte neben der Farbinformation eine dazu redundante Information dargeboten
werden, z.B. durch Formkodierung von Symbolen.
In Bezug auf die Farbkombinationen von Zeichen und Hintergrund sollte eine
nach BGI 650 oder DIN EN ISO 15008 als „sehr gut“ eingestufte Kombination ge-
wählt werden. Eine differenzierte Betrachtung erlaubt DIN EN ISO 9241-8.

10.1.2.2.2.6 Sichtanzeigen für Virtuelle Umgebungen


Um Informationen in Virtuellen Umgebungen räumlich wahrnehmen zu können,
benötigt der Mensch eine stereoskopische Darstellung, bei der dem linken und
rechten Auge ein jeweils um die stereoskopische Parallaxe verschobenes Bild
dargeboten wird.
Stationäre Anzeigesysteme
Die Darstellung Virtueller Umgebungen auf großformatigen, meist horizontal
angeordneten Projektionsflächen (sog. Workbench) oder in Projektionsräumen
(sog. CAVE, Abb. 10.30) ermöglicht es, mehrere Benutzer in eine Virtuelle Um-
gebung einzubinden. Die Möglichkeiten zur Gruppenarbeit bleiben dabei beste-
hen, weshalb diese Verfahren insbesondere dort geeignet erscheinen.
Um das stereoskopisch auf der/den Projektionsfläche(n) projizierte Bild räum-
lich wahrnehmen zu können, müssen die Benutzer in der Regel sog. Shutter-
Brillen bzw. Polarisationsbrillen tragen. Die in der Brille eingebauten Filter de-
cken wechselweise das linke und rechte Auge synchron zur Erneuerungsfrequenz
der um die stereoskopische Parallaxe verschobenen projizierten Bilder ab. Auf
diese Weise sieht der Benutzer mit dem rechten Auge das für das rechte Auge
gerechnete Bild, mit dem linken Auge entsprechend dasjenige für das linke Auge
und es kommt zur Entstehung eines Raumeindrucks. Um die Perspektive korrekt
wiederzugeben, wird die Kopfposition des Benutzers mit einem Tracking-System
verfolgt. Dies ist in der Regel nur für einen Benutzer möglich, alle anderen sehen
ein je nach Abstand vom getrackten Benutzer mehr oder weniger verzerrtes Bild.
990 Arbeitswissenschaft

Abb. 10.30: Technischer Aufbau und Benutzung einer CAVE (Quelle: Rechenzentrum der
RWTH Aachen 2008)

Die Arbeitsflächen-Projektionen (Workbench) erlauben lediglich eine semi-


immersive Einbindung des Benutzers in die Virtuelle Umgebung, da die Sicht auf
die natürliche Umgebung vorhanden bleibt. Bei verbleibender Sicht auf die reale
Umgebung wird mit solchen Sichtgeräten ein geringerer Immersionsgrad erzielt
als bei der Benutzung sog. Head-Mounted Displays, die auf dem Kopf getragen
werden.
Autostereoskopische Displays
Autostereoskopische Displays ermöglichen echte binokulare Darstellungen auf
einem Monitor, ohne den Benutzer mit zusätzlichen Geräten (Shutter-Brille, Pola-
risationsbrille) zu belasten. Dabei unterscheidet man projektive, volumetrische
und holographische Verfahren (EGGERATH 2004).
Projektive Verfahren diskretisieren den Betrachtungsraum in mehrere Raumzo-
nen (two-view, multi-view), die jeweils mit Perspektivbildern ausgeleuchtet wer-
den. Zur diskreten Ausleuchtung dieser Zonen wird räumliches Multiplexing,
zeitliches Multiplexing oder die direkte Kopplung mehrerer Projektoren oder
Monitore eingesetzt. Der Sichtbereich wird entweder durch Verfolgung der Aus-
richtung und Position der Augen (two-view) oder durch permanente Projektion
parallaktischer Teilbilder (multi-view) diskretisiert (DODGSON 1997).
Volumetrische Verfahren unterscheiden sich von projektiven Verfahren durch
die Art der Adressierung der Lichtpunkte im Raum. Während projektive Displays
vorausberechnete Perspektivbilder in den Raum projizieren, wird bei volumetri-
schen Verfahren jeder Rasterpunkt innerhalb eines Raumvolumens in seiner
Leuchtintensität (und Farbe) direkt bestimmt. Die darzustellenden Punkte schei-
nen also direkt im physikalischen Raum zu leuchten. Dies lässt sich z.B. durch
Ergonomische Gestaltung 991

eine sich schnell bewegende Projektionsfläche wie eine rotierende Helix


(ACTUALITYSYSTEMS 2007) oder einen Schwingspiegel erreichen oder mit einer
Aufschichtung mehrerer hintereinander liegender, durchsichtiger LCD-Panels
(LST 2007) realisieren.
In holographischen Displays werden Interferenzmuster aus vorgegebenen 3D-
Daten berechnet, welche dann zur Modulation (Beugung) einer ausfallenden La-
serlichtwellenfront eingesetzt werden. Im Display wird also die Rekonstruktions-
phase eines Weißlichthologramms nachgebildet. Die Anforderungen an Hard- und
Software sind hoch; es sind aber bereits schnelle, auf dem Raytracing-Prinzip
beruhende Verfahren verfügbar, um softwareseitig aus einer gegebenen 3D-
Repräsentation die zugehörigen Interferenzmuster zu berechnen (LUCENTE u.
GALYEAN 1995).

Mobile Sichtanzeigen
Bei Virtuellen Umgebungen werden als Sichtgeräte häufig Head- oder Helmet-
Mounted Displays sowie auch handgeführte Sichtanzeigen eingesetzt. Sie sind
teilweise so ausgeführt, dass der Benutzer über keine Außensicht verfügt und
somit visuell einen hohen Immersionsgrad erreicht, sog. immersive oder video-
see-through HMDs. Zur Generierung der Bilder werden meist Flüssigkristallan-
zeigen verwendet. Es sind auch Geräte verfügbar, bei denen rechnergestützt gene-
rierte Darstellungen über halbdurchlässige Spiegel in die natürliche Außensicht
des Benutzers eingeblendet werden, sog. optical-see-through-HMDs.
Um die Blickrichtung des Benutzers festzustellen, werden Tracking-Systeme
(siehe Kap. 10.1.2.4.6) verwendet, für deren Integration die meisten der genannten
Geräte vorbereitet sind. Bei einigen Geräten ist darüber hinaus ein Akustiksystem
integriert, das dem Benutzer über einen Kopfhörer akustische Reize darstellt.
Bei binokularen Geräten soll der Abstand der Austrittspupillen im Bereich 56-
68 mm verstellbar sein, um eine Anpassung an den Pupillenabstand zu ermögli-
chen. Bei Vorhandensein einer Skala für die Einstellungsvorrichtung können die
Einstellungen auf diese Weise reproduziert werden. Da der Benutzerkreis in der
Regel auch aus Personen mit Sehhilfen besteht, sollte das Gerät mit Sehhilfen
benutzbar sein bzw. für jedes Auge ein Linsensystem zur Sehkorrektur vorweisen.
Um das Einwirken von Streulicht bei Geräten ohne Außensicht zu verhindern,
sollten beide Okulare mit ausreichend großen Okularmuscheln bzw. das Gerät mit
einem Lichtschutztubus ausgestattet sein (SCHMIDTKE u. ZÜLCH 1995).
Bei der Auswahl von Head- oder Helmet-Mounted Displays ist auf ein geringes
Gerätegewicht, homogene Druckverteilung der Gewichtskräfte auf dem Kopf und
eine gute Belüftung der bedeckten Kopfoberfläche zu achten. Große Gewichte,
inhomogene Druckverteilung und Temperaturstau unterhalb der Kopfbefestigun-
gen führen zu Unbehaglichkeit bei der Benutzung. Die meisten Geräte verfügen
ähnlich wie Arbeitsschutzhelme über eine Kopfschale mit einem in Stirnhöhe
rundum und einem weiteren, in der Frontalebene quer über den Kopf verlaufenden
Band. Die homogene Druckverteilung auf dem Kopf sollte durch geeignete Ein-
stellvorrichtungen erreicht werden können; das Anbringen von zusätzlichen Pols-
992 Arbeitswissenschaft

terungen in der Helmschale kann zu einer weiteren Verbesserung der Druckvertei-


lung führen. Sind Kabelverbindungen vom Sichtgerät zum Computer vorhanden,
ist zu berücksichtigen, dass unter Umständen senkrecht nach unten gerichtete
Zugkräfte über das Kabel am Kopf aufgebracht werden, was zum einen die Bewe-
gungsfreiheit einschränkt zum anderen bei längerer Benutzung lästig ist. Es sollte
dann die Möglichkeit einer günstigeren Kabelführung, bspw. von oben, oder das
Abfangen der Kräfte über eine Schlaufe am Oberkörper in Erwägung gezogen
werden.
Zu handgeführten Geräten ist grundsätzlich anzumerken, dass ein hohes Gerä-
tegewicht eine erhebliche statische Haltearbeit erfordert und ein ruhiges sowie
beanspruchungsarmes Halten der Geräte erschwert. Verschiebungen zwischen
Augenpupille und der sog. Austrittspupille des Geräts behindern dann ein kontinu-
ierliches Betrachten der Szene. Es ist deshalb bei diesen Geräten auf ein niedriges
Gewicht bzw. die Möglichkeit zur Abstützung des Geräts auf einem Stativ o.Ä. zu
achten.
10.1.2.2.3 Akustische Anzeigen
Akustische Signale werden eingesetzt, um besondere Betriebszustände (z.B.
Warnsignale bei laufenden Kranarbeiten etc.) hervorzuheben, insbesondere dann,
wenn Signale auch ohne gerichtete Aufmerksamkeit wahrgenommen werden
sollen oder die Aufmerksamkeit auf bestimmte visuelle Anzeigen gelenkt werden
soll. Dabei ist zu beachten, dass diese Informationen auch bei der am Arbeitsplatz
bzw. in der Umwelt üblichen Geräuschkulisse wahrnehmbar sind und nicht durch
Gehörschutz o.Ä. unterdrückt werden (siehe Kap. 9.1). Zur deutlichen Unterschei-
dung können Lautstärke, Tonhöhe und Tonfolge dienen. Die übertragbare Infor-
mationsmenge ist jedoch eingeschränkt, da der Mensch nur eine begrenzte Diffe-
renzierungsmöglichkeit besitzt.
Aufgrund der menschlichen Fähigkeit zur Richtungslokalisation beim
beidohrigen (binauralen) Hören (auch Richtungshören) kann es sinnvoll sein,
ortsreferenzierte Informationen als dreidimensionale Schallereignisse an den Be-
nutzer rückzumelden (BORYS 2003), z.B. um in der Flugführung eine Kollisions-
warnung zu geben. Da bei der Raumwahrnehmung nicht nur Laufzeitdifferenzen,
sondern auch Hall- und Resonanzeffekte eine Rolle spielen, muss das raumbezo-
gene Audiosignal softwaregestützt „spatialisiert“ werden. Zur Wiedergabe des
Schallsignals werden aus mehreren Lautsprechern bestehende Systeme (sog. Sur-
round-Sound) eingesetzt.
Um in Virtuellen Umgebungen durch Nutzung des auditiven Kanals die Im-
mersion zu erhöhen, ist es erforderlich, die direkt am Ohr erzeugten Schallreize so
zu generieren, dass der Position des Hörers in Relation zum virtuellen schaller-
zeugenden Objekt Rechnung getragen wird. Möglichkeiten hierzu beschreiben
LEHNERT u. GIRON (1995).
Es soll auch auf die Möglichkeit der Sprachausgabe hingewiesen werden. Hier-
bei muss jedoch beachtet werden, dass diese Informationen von Unbeteiligten
unter Umständen als unerwünscht oder störend wahrgenommen werden.
Ergonomische Gestaltung 993

10.1.2.2.4 Taktile Anzeigen


Auch haptisch (fühlbar) erfassbare Merkmale können der Übertragung von Infor-
mationen im Arbeitsprozess dienen, da derartige Perzeptionen schnell und erwar-
tungskonform auf die Bewegungssteuerung einwirken können (siehe Kap.
3.3.2.1.2.4 und 3.3.2.3.2; LUCZAK 1994; LUCZAK et al. 1994). Bspw. sind durch
besondere Merkmale an Werkstücken Rückschlüsse auf deren Lage oder Beschaf-
fenheit möglich (z.B. beim Zusammenbau zweier Gehäusehälften). Taktile Anzei-
gen (tactile displays) können zu einer erheblichen Entlastung der visuellen Wahr-
nehmung beitragen. Z.B. kann bei der Flugführung über eine vibro-taktile Weste
die Anzeige von Navigations- oder anderer ortsreferenzierter Informationen erfol-
gen (VAN VEEN u. VAN ERP 2000). TROUVAIN u. SCHLICK (2007) konnten die
Wirksamkeit zweier am rechten und linken Handgelenk positionierter taktiler
Anzeigen als Annäherungsanzeige bei der Überwachung eines teilautonomen
Mehr-Robotersystems nachweisen. Taktile Anzeigen finden auch dort Verwen-
dung, wo Eingabegeräte per se keine ausreichende Rückmeldung geben können.
So werden beim Lenken eines Fahrzeugs wichtige Informationen über die am Rad
wirkenden Kräfte übermittelt, die bei einer starken Servo-Unterstützung fehlen
und damit das Steuern des Fahrzeugs erheblich erschweren. Wenn diese unmittel-
bare Rückkopplung aufgrund der mechanischen Trennung von Stellteil und Ak-
tuator fehlt, ist es von großem Nutzen, solche Informationen ebenfalls zu übermit-
teln oder gar künstlich nachzubilden. Bei den in der Luftfahrt heute gebräuchli-
chen computergestützten Flugführungssystemen (fly-by-wire) werden hierzu Be-
dienelemente mit künstlicher Kraftrückmeldung eingesetzt (sog. Force-Feedback,
siehe Kapitel 10.1.2.4.3), die den Luftwiderstand an den Steuerflächen widerspie-
geln. Im Falle drohender Strömungsabrisse wird auch das typische Vibrieren der
Steuerflächen über den sog. Shaker künstlich nachgebildet. Von GÖBEL et al.
(1995) konnte gezeigt werden, dass die Benutzung einer Computermaus um etwa
25% schneller erfolgt, wenn die Annäherung oder Berührung von Objekten auf
dem Bildschirm zusätzlich auf taktilem Wege – direkt an der Maus – dargeboten
wird. Weiterführende Informationen zur technischen Gestaltung derartiger Anzei-
gesysteme finden sich bei RENKEWITZ u. ALEXANDER (2007).
10.1.2.2.5 Olfaktorische, gustatorische und thermische Anzeigen
Die Anzeige olfaktorischer oder gustatorischer Merkmale ist derzeit nur sehr ein-
geschränkt möglich. Zur Darstellung von Warnhinweisen bedient man sich aller-
dings der menschlichen Sensitivität für Geruchsreize, indem z.B. gasförmigen
Gefahrstoffen Geruchsstoffe beigemischt werden, um deren unbeabsichtigtes
Entweichen aus Rohrleitungen oder Behältern anzuzeigen. Gleichsam werden
gesundheitsschädlichen Stoffzubereitungen, wie z.B. Ködern oder Reinigungsmit-
teln, Bitterstoffe beigemengt, um durch die resultierende Empfindung eines
schlechten oder ekelerregenden Geschmacks ein versehentliches Verschlucken zu
verhindern.
Andererseits wird in der Markenkommunikation versucht, durch die „Anzeige“
von olfaktorischen oder thermischen Merkmalen positive Emotionen zu wecken
994 Arbeitswissenschaft

oder ein bestimmtes Markenbild zu erzeugen (affective design). Beispiele hierfür


sind das Verbreiten von Aromen (REMPEL 2006), z.B. dem Geruch frisch gemah-
lenen Kaffees oder frisch gebackenen Brots, um in Lebensmittelgeschäften die
Kaufbereitschaft für entsprechende Produkte zu erhöhen. In der Herstellung kos-
tengünstige Kunststoffoberflächen in PKW-Innenräumen sollen bei bestimmten
Käufergruppen ein sportliches oder hochwertiges Ambiente vermitteln, indem sie
optisch, haptisch und thermisch mit entsprechenden Attributen behafteten Werk-
stoffen (z.B. Aluminium oder Edelstahl) ähneln.

10.1.2.3 UnterstützungĆderĆInformationsverarbeitungĆ
Bei der Anwendung von Sichtanzeigen spielt nicht nur die richtige Auswahl, son-
dern vor allem auch ihre aufgabengerechte Gestaltung eine große Rolle. Sollen
Informationen nicht lediglich angezeigt, sondern in einer für den Benutzer leicht
erkennbaren und verständlichen Form an diesen übermittelt werden, spricht man
auch von Visualisierung. Nach CARD et al. (1999) beinhaltet die Visualisierung
insbesondere „the use of computer-supported, interactive, visual representations
of abstract data to amplify cognition“. In diesem Zusammenhang meint z.B.
VICENTE (1999) unter Bezug auf die Schnittstelle, die zu einem wesentlichen Teil
zur Informationsdarbietung dient: „The adequacy of the human-computer interface
can either make or break the system“. Die Visualisierung kann die zentrale Infor-
mationsverarbeitung durch eine Verlagerung von kognitiven hin zu Wahrneh-
mungsprozessen entlasten, z.B. indem Informationen leichter erkannt werden,
Tendenzen oder Muster im Informationsstrom sichtbar werden und die besonderen
Leistungsmerkmale der visuellen Aufmerksamkeit bei Überwachungsaufgaben
berücksichtigt werden.
Während sich die Visualisierung mehr mit der Übermittlung der Information
zwischen Maschine und Mensch beschäftigt, behandeln die übergeordneten Ge-
staltungskonzepte die Anordnung und Integration von Anzeigen und die Reprä-
sentation von Betriebsbedingungen des Systems in der Benutzerschnittstelle.
10.1.2.3.1 Kompatibilitätsprinzip der Nähe
Das Kompatibilitätsprinzip der Nähe (WICKENS u. CARSWELL 1995; engl.
proximity compatibilty principle – PCP) ist als eine Richtlinie anzusehen, die bei
der Beantwortung der Frage hilfreich sein kann, wo eine Anzeige im Hinblick auf
andere Anzeigen angeordnet und wie sie gestaltet werden soll. So sollten die
Wahrnehmungsmerkmale von Anzeigen so gestaltet sein, dass sie mit den kogni-
tiven Prozessen kompatibel sind, die sich beim Operateur bei der Durchführung
einer Aufgabe entfalten. Wenn ein Operateur z.B. zwei Informationsquellen zur
Durchführung einer Aufgabe benötigt, so sollte die Anzeige diese Daten auf ir-
gendeine Weise integrieren. Wenn der Operateur sich dagegen auf eine einzige
Informationsquelle konzentriert, um eine Aufgabe durchzuführen, so sollten die
Daten für diese Aufgabe getrennt von anderen dargeboten werden (VICENTE
1997).
Ergonomische Gestaltung 995

Zur aufgabenbezogenen Informationsdarstellung müssen die Aspekte Wahr-


nehmungsnähe und Aufgabennähe aufeinander abgestimmt werden. Zur Redukti-
on von Informationszugangskosten sollen die zur Integration von Einzelinformati-
on notwendigen Anzeigen örtlich nah beieinander zu finden sein, wobei eine Ob-
jektintegration, d.h. die Integration verschiedener Informationselemente zu einem
grafischen Objekt, anzustreben ist. Ferner wird die Nutzung sich aus der in Kapi-
tel 3.3.2.1.3 erläuterten Gestaltpsychologie ergebender sog. emergent features,
also vom Menschen leicht wahrnehmbarer Formreize, zur Visualisierung von
besonderen Prozesszuständen, z.B. im Störungsfall, empfohlen.

10.1.2.3.1.1 Wahrnehmungsnähe (Anzeigennähe)


Die Wahrnehmungsnähe ist definiert als der Abstand, in dem zwei Anzeigenkanä-
le, die aufgabenbezogene Information übertragen, im mehrdimensionalen Wahr-
nehmungsraum des Benutzers auseinander liegen. Die Wahrnehmungsnähe kann
über zwei Dimensionen variiert werden. Über physikalische Variablen wie die
räumliche Nähe oder die chromatische Nähe und über die geometrische Form
(Objektanzeige vs. getrennte Anzeigen). Das Prinzip der Gliederung der Anzeige
in Funktionsgruppen ist eine seit langem bekannte Möglichkeit, über die die
Wahrnehmungsnähe variiert werden kann. Das PCP geht jedoch in mehrerer Hin-
sicht über diesen konventionellen Rahmen hinaus, da es nicht nur die räumliche
Nähe berücksichtigt, sondern den gesamten Wahrnehmungsraum mit einbezieht.

10.1.2.3.1.2 Aufgabennähe
Eine Ähnlichkeit von Aufgaben kann z.B. in Bezug auf folgende Merkmale vor-
liegen (Tabelle 10.6):
x Metrische Ähnlichkeit: Information, die in derselben Einheit dargestellt wird,
z.B. der Druck in zwei verschiedenen Tanks.
x Statistische Ähnlichkeit oder Kovarianz: Ausmaß des Wirkzusammenhangs
zweier Werte.
x Verarbeitungsähnlichkeit: Eine Ähnlichkeit von zwei Aufgaben in Bezug auf
die Informationsverarbeitung. Größere Verarbeitungsähnlichkeit liegt z.B.
bei zwei Regelaufgaben mit gleicher Ansteuerung der Strecke vor (in beiden
Fällen Geschwindigkeitssystem), als bei Regelaufgaben mit unterschiedli-
cher Ansteuerung (Geschwindigkeitssystem und Beschleunigungssystem).
Die einzelnen Ähnlichkeitsmerkmale und das Ausmaß, in dem Informationen
integriert werden müssen, kennzeichnen die resultierende Aufgabennähe:
x Große Aufgabennähe liegt vor, wenn im Rahmen der Aufgabendurchführung
Informationen verschiedener Quellen mental zusammengefasst und integriert
weiterverwendet werden müssen, z.B. die Auswertung des Temperaturver-
laufs innerhalb eines Hochofens.
x Eine geringere Aufgabennähe liegt beim nichtintegrativen Verarbeiten ähnli-
cher Aufgaben vor, z.B. bei der Überwachung der Drehzahlen mehrerer
Triebwerke.
996 Arbeitswissenschaft

x Nichtintegratives Verarbeiten unterschiedlicher Informationsquellen (unab-


hängige Informationsverarbeitung): Dieser niedrigste Grad der Aufgabennä-
he liegt vor, wenn keine Ähnlichkeit oder Interaktion zwischen den Informa-
tionsquellen oder den Verarbeitungsmechanismen der beiden Aufgaben vor-
liegt.
Tabelle 10.6: Merkmale der Aufgabennähe

Ähnlichkeitsmerkmal Hohe Aufgabennähe Geringe Aufgabennähe

Metrische Ähnlichkeit Informationen mit gleicher Informationen mit


physikalischer Einheit unterschiedlicher
physikalischer Einheit

Statistische Ähnlichkeit / Informationen stehen Keine Korrelation zwischen


Kovarianz miteinander in Informationen
Wechselwirkung

Verarbeitungs- (Zeitgleiche) Nutzung gleicher Nutzung verschiedener


ähnlichkeit Verarbeitungsmechanismen Verarbeitungsmechanismen

Inhaltliche Nähe Mehrere Informationen werden Informationen werden


integriert: unabhängig voneinander
ƒ Vergleich von Soll-Wert mit verarbeitet.
Ist-Wert
ƒ Bestimmung der Fluglage
aus Position, Kurs sowie
horizontaler und vertikaler
Geschwindigkeit
ƒ Weiterverwendung von
Information

10.1.2.3.1.3 Manipulation der Anzeigennähe


Basierend auf den gestaltpsychologischen Theorien über die Organisation des
Wahrnehmungsfeldes (z.B. POMERANTZ u. KUBOVY 1986) wurden verschiedene
Möglichkeiten gefunden, die Wahrnehmungsnähe zwischen zwei oder mehr ange-
zeigten Informationsquellen zu variieren und so an die Aufgabennähe anzupassen.
Dazu gehören z.B. das Gesetz der Nähe, der Ähnlichkeit, der Geschlossenheit, der
guten Fortsetzung usw..
Über folgende Faktoren kann die Anzeigennähe manipuliert werden:
x Räumliche Entfernung von Anzeigen
x Linien, die Informationsquellen verbinden oder umranden
x Kodierung der Qualität und Quantität einer Variablen: Die Anzeigennähe
kann durch unterschiedliche Kodierungen reduziert werden, indem man die
Kodierung für die Information mischt, also z.B. einmal binär kodiert, das an-
dere mal analog. Bei homogen kodierten Anzeigen benutzt man immer den-
selben Kode (z.B. Balkenlänge) und erreicht damit eine große Anzeigennähe.
Ergonomische Gestaltung 997

Man muss zwischen der Kodierung der Quantität und der Qualität unter-
scheiden. Z.B. kann die Temperatur durch die rot/blaue Färbung eines Bal-
kens gekennzeichnet werden (Kodierung der Qualität), während die Länge
des Balkens (Kodierung der Quantität) die gemessene Temperatur angibt.
x Objektintegration: Mehrere Informationen werden so angeordnet, dass sie
dem Benutzer als Teil eines einzigen Objekts erscheinen (z.B. Anzeige von
Atemvolumen und -frequenz eines Patienten über die Länge der Seiten eines
Rechtecks). Dies kann über verschiedene Methoden erreicht werden. Eine
Methode besteht darin, den räumlichen Abstand zwischen den Informations-
quellen zu reduzieren. Bei einer anderen Methode, z.B. der Darstellung von
Messwerten in Form von Balken, fügt man eine Kontur hinzu, die die oberen
Kanten der Balken verbindet. Eine weitere Methode besteht in einer extre-
men räumlichen Integration, so dass z.B. ein Punkt in einem kartesischen
Koordinatensystem zwei Dimensionen repräsentiert.
x Konfiguration: Diese Methode ist durch drei Aspekte gekennzeichnet: Durch
die enge räumliche Nähe, die Verwendung homogener Kodes und die An-
ordnung der Informationsquellen in einer Weise, dass sie ein neues Muster
konfiguriert.
Am Beispiel der in der Flugführung üblichen Anordnung von Cockpit-
Anzeigen wird das Prinzip der Anzeigennähe gut verdeutlicht: Die für die Durch-
führung der Flugführungsaufgabe wesentlichen Informationen über Geschwindig-
keit, Fluglage, Höhe und Flugrichtung werden immer in Form eines „T“ darge-
stellt (Abb. 10.31). Auf diese Weise können alle relevanten Anzeigen schnell
überblickt und die Informationen integriert werden. Zudem erleichtert die stets
identische Anordnung den Wechsel der Piloten zwischen verschiedenen Flug-
zeugmustern.

Abb. 10.31: Sog. „Basic-T“ einer Cockpitinstrumentierung; Geschwindigkeitsanzeige,


künstlicher Horizont, Höhenmesser und Kurskreisel sind in Flugzeugcockpits als „T“ zuei-
nander angeordnet
998 Arbeitswissenschaft

10.1.2.3.1.4 Informationszugangskosten
Alle Ansätze, die dazu dienen, die Anzeigennähe zu erhöhen, erleichtern den
Vergleich von Informationsquellen und deren Integration, da die Informationszu-
gangskosten reduziert werden. Informationszugangskosten kommen durch die
notwendigen Augen- und Kopfbewegungen, die visuelle Suche und durch Ände-
rungen in der Aufmerksamkeitszuwendung zustande. Änderungen der Aufmerk-
samkeitszuwendung bei geringer Anzeigennähe (d.h. großem Abstand!) tragen
besonders dann zu den Informationszugangskosten bei, wenn die Suche unter
starkem „visuellem clutter“ (Störungen, Ablenkungen durch andere Anzeigenele-
mente) abläuft. Bei hoher Aufgabennähe erhöhen sich die Informationszugangs-
kosten mit abnehmender Anzeigennähe stärker als bei niedriger Aufgabennähe, da
die Information länger im Arbeitsgedächtnis zwischengespeichert werden muss.

10.1.2.3.1.5 Emergent features


Emergent features bei Anzeigen können durch die spezifische Konstellation meh-
rerer einzelner Anzeigen zueinander herbeigeführt werden. Solche Merkmale sind
z.B. Symmetrie, Ausrichtung oder Parallelität: Merkmale also, die die einzelnen
Anzeigen alleine nicht besitzen. Bei vier Messgrößen kann ein Normalzustand
z.B. durch Parallelität jeweils zweier Seiten eines Quadrats und insgesamt resultie-
rende Symmetrie angezeigt werden. Abweichungen vom Normalzustand werden
entsprechend durch Abweichungen von der Symmetrie, Parallelität usw. ange-
zeigt.
Eine komplexe mentale Integration der einzelnen Daten erübrigt sich bei Vor-
liegen dieser emergent features, weil komplexe kognitive Aktivitäten durch
Wahrnehmungen ersetzt werden. Andererseits sind die einzelnen Daten, falls
erforderlich, auch immer noch einzeln ablesbar. Während bei einer getrennten
Darstellung der Information Verrechnungen oder Vergleiche von individuellen
Anzeigenwerten erforderlich sind, können aus emergent features, d.h. der resultie-
renden Formgebung, direkt Hinweise (cues) für die Aufgabe abgeleitet werden.
Ein Beispiel stellt das in Abb. 10.32 gezeigte Polardisplay dar: Im Normalfall
(links) sind alle sechs Speichen des Polardisplays gleich lang, die resultierende
Figur ist symmetrisch. Bei Abweichungen vom Normalfall (rechts) verändern die
Speichen ihre Längen, was zur Symmetriebrechung führt, die vom Menschen
leicht wahrgenommen werden kann. Aus den spezifischen Veränderungen, d.h.
dem daraus entstehenden Muster, lassen sich zudem Schlussfolgerungen über den
vorliegenden Systemzustand ableiten.
Ein weiteres Beispiel für eine solche Anzeige wären drei parallele Balkenan-
zeigen mit – bei Normalzustand – gleichem Niveau. Bei mehreren z.B. horizontal
angeordneten Rundinstrumenten können emergent features auch dadurch hervor-
gerufen werden, dass die Zeiger im Normalfall alle horizontal ausgerichtet sind
(scanline, siehe Abb. 10.33). Ggf. kann das Verbinden der Zeiger durch Linien
diesen Effekt zusätzlich unterstützen. Abweichungen von diesem Zustand sind
dann mit einem Blick erkennbar.
Ergonomische Gestaltung 999

Abb. 10.32: Polardisplay zur integrierten Anzeige von Sensorinformationen bei der Luft-
raumüberwachung (nach GRANDT u. LEY 2008). Symmetrie kennzeichnet ein normales
Informationsmuster (links) und dient somit als emergent feature. Ein ungewöhnliches Da-
tenmuster führt zu einer visuell leicht wahrnehmbaren Symmetriebrechung (rechts)

Emergent features sollten allerdings nur bei Variablen eingesetzt werden, die
von wesentlicher Bedeutung für die Systemführung sind. Eine Gefahr von
emergent features – besonders, wenn sie stark hervortreten – ist nämlich, dass die
Aufmerksamkeit ungewollt auf die einzelnen Elemente fokussiert wird.

Abb. 10.33: Im Normalzustand (links) ist die durch die einheitliche Zeigerstellung entste-
hende imaginäre Linie ein leicht wahrnehmbares Emergent Feature. Rechts: Die Abwei-
chung eines Anzeigewerts führt unmittelbar zur Unterbrechung der geraden Verbindungsli-
nie der Zeiger (nach WICKENS 1992)

10.1.2.3.1.6 Objektintegration
Homogene Codes können auch zu einem einzigen Objekt integriert werden, z.B.
die Fläche und Form eines Rechtecks, die durch Höhe und Breite der parallelen
Seiten gebildet werden. Weitere Beispiele:
x ein einzelner Punkt, dessen Position in einem kartesischen oder polaren Ko-
ordinatensystem festliegt.
x eine Linie, die mehrere Punkte in einem Diagramm miteinander verbindet.
Der Verlauf der Linie gibt direkt Hinweise auf die Unterschiede zwischen
den Punkten der Trends wahrnehmen lässt und somit komplexe Integrations-
prozesse erübrigt. Als Beispiel kann auch hier das in Abb. 10.32 gezeigte Po-
lardisplay dienen.
Die Kombination von homogenen oder heterogenen Codes für quantitative
Merkmale in einem Objekt kann unabhängig vom Grade der Aufgabennähe einen
wesentlichen Vorteil haben: alle unterscheidbaren Attribute eines Objekts können
parallel verarbeitet werden (object file theory der Aufmerksamkeit, WICKENS
1000 Arbeitswissenschaft

1992). Objektanzeigen können demnach Vorteile bei Integrationsaufgaben bieten


und gleichzeitig Nachteile für fokussierte Aufgaben vermeiden.

10.1.2.3.1.7 Visuelles Moment


Wie bereits erläutert, können in gewissem Maße kognitive Transformationen
durch Wahrnehmungen ersetzt werden. Durch Nutzung des visuellen Moments
wird der kognitive Übergang zwischen zwei Ansichten derselben Informations-
domäne so leicht wie möglich gemacht, so dass der Beobachter versteht, welcher
Zusammenhang zwischen der in zwei Anzeigen enthaltenen Information besteht.
Dieses Prinzip wurde z.B. von ARETZ (1991) bei elektronischen Landkarten ange-
wendet. Es fällt schwer, die Perspektive bei weltfesten (nordstabilen) Karten mit
der Perspektive in der Außensicht in Übereinstimmung zu bringen, da die Blick-
richtung in der Karte und der Sicht nicht miteinander übereinstimmen (Abb.
10.34). Dies gilt vor allem bei südlicher Bewegungsrichtung. Durch eine Darstel-
lung des Sichtwinkels in der weltfesten elektronischen Karte kann diese Aufgabe
erheblich erleichtert werden.

Vergleich

Außensicht

Anzeige des
Sichtwinkels
N

Weltfeste Karte Mensch

Abb. 10.34: Anzeige des von der Flugrichtung abhängigen Sichtwinkels beim weltfesten
(nordstabilen) Kartendisplay als visuelles Moment zur Vermeidung kognitiver Transforma-
tionen (hier durch mentale Rotation einer Landkarte) (nach WICKENS 1992)
Ergonomische Gestaltung 1001

10.1.2.3.2 Ökologische Schnittstellengestaltung


Der Ansatz zur ökologischen Schnittstellengestaltung (VICENTE u. RASMUSSEN
1992; engl. ecological interface design – EID) gründet auf der Annahme, dass
Störungen und Unfälle beim Betrieb von Mensch-Maschine-Systemen häufig aus
einer Überschreitung der im Systemdesign festgelegten Betriebs- und Randbedin-
gungen herrühren. Bei einem einwandfrei funktionierenden System bestehen feste
Beziehungen zwischen den Systemeigenschaften und -parametern, die bestimmten
Funktionen unterliegen. Diese Betriebs- und Randbedingungen repräsentieren
daher Regeln, bei deren Einhaltung das System fehlerfrei funktioniert (rules of
rightness). In Fehlersituationen hingegen werden eine oder mehrere dieser Rah-
menbedingungen verletzt.
Die Autoren verweisen darauf, dass sich nach einer Studie von 29 Zwischenfäl-
len in Kernkraftwerken und in der Luftfahrt zeigte, dass die Operateure mit Feh-
lersituationen konfrontiert waren, die von den Systementwicklern nicht vorherge-
sehen worden waren oder nicht vorhergesehen werden konnten. Folglich sei das
Hauptaugenmerk bei der Verbesserung der Systemsicherheit darauf zu richten, die
Operateure bei der Bewältigung von ungewöhnlichen und unvorhergesehenen
Ereignissen zu unterstützen. Beim Entwurf der Schnittstelle ist die Gesamtheit der
zielrelevanten Rahmenbedingungen des Systems so darzustellen, dass das Über-
schreiten von Toleranzbereichen festgestellt und Fehler direkt diagnostiziert wer-
den können.
Das EID zielt darauf ab, dem Benutzer den aktuellen Systemzustand in Bezug
auf die Gesetzmäßigkeiten des Systems (invariants) und die Randbedingungen des
Systembetriebs (constraints) zu verdeutlichen sowie die daraus resultierenden
Handlungsmöglichkeiten als Aufforderungen (affordances) anzuzeigen. So soll
erreicht werden, dass
x die Tendenz zum Eintreten in einen unsicheren Systemzustand frühzeitig
feststellbar ist und
x die Fehlersuche und -kompensation nach Eintritt eines unsicheren Systemzu-
stands erleichtert wird.
Voraussetzungen hierfür sind die Kompatibilitäten
x der Mensch-Maschine-Schnittstelle zu den Bedingungen in deren Umwelt
(ökologische Kompatibilität),
x des Systemmodells zum mentalen Modell des Benutzers von diesem System
(kognitive Kompatibilität).
Die ökologische Schnittstellengestaltung stützt sich im Wesentlichen auf zwei
theoretische Konzepte ab, die im Folgenden kurz dargestellt werden.

10.1.2.3.2.1 Abstraktionshierarchien
Abstraktionshierarchien bestehen aus mehreren Schichten, die sich jeweils durch
den Grad der Detaillierung in Bezug auf die Realisierung einer Funktion vonei-
nander unterscheiden (siehe auch Kap. 3.3.2.2.5.1). Je höher das Abstraktionsni-
veau, desto geringer die Auflösung in Bezug auf Einzelheiten. Ein System wird
1002 Arbeitswissenschaft

auf einem definierten Abstraktionsniveau in Form der Komponenten und ihrer


Beziehung zueinander beschrieben, welche wiederum auf einem niedrigeren Ab-
straktionsniveau in ihre konstituierenden Komponenten aufgelöst werden können
(Abb. 10.35).

Gesamt-Teil-Relation
Aggregation Dekomposition

Gesamt- Funktionale
Subsystem Baugruppe Komponente
system Einheit

Funktionaler
Zweck
Abstraktion

A ist Grund für B

Abstrakte
A
Mittel-Zweck-Relation

Funktion B ist verbunden mit C (kausal etc.)

Generalisierte
Funktion B dient dem Zweck A B C D besteht aus E und F
Konkretisierung

Physikalische
Funktion D E F
Physische E und F sind Teile von D
Form

Abb. 10.35: Betrachtungsebenen einer Abstraktionshierarchie

In der Prozessführung werden üblicherweise fünf Schichten unterschieden:


x Funktioneller Zweck: Der Zweck, für den das System entworfen wurde.
x Abstrakte Funktion: Die vorgesehene Kausalstruktur des Prozesses in Bezug
auf Masse, Energie, Information oder „Wertefluss“.
x Generalisierte Funktion: Die Grundfunktionen, zu deren Durchführung die
Anlage entworfen wurde.
x Physikalische Funktion: Die Merkmale der Komponenten und deren Verbin-
dungen untereinander.
x Physikalische Form: Die äußere Erscheinung und die Lage der Komponen-
ten.
Nach VICENTE u. RASMUSSEN (1992) besitzen Abstraktionshierarchien als Re-
präsentationen eines Arbeitsbereichs zwei Vorteile: Sie liefern dem Operateur eine
Operationsbasis zur Bewältigung von unvorhergesehenen Ereignissen und dienen
als Grundlage für den Aufbau mentaler Modelle, folglich validen Repräsentatio-
nen von Systemen.
Die Abstraktionshierarchie liefert die Basis für die Rahmenbedingungen, die in
einem Arbeitsbereich herrschen. Jede Schicht in der Hierarchie repräsentiert eine
andere Klasse von Rahmenbedingungen. Höhere Schichten sind weniger detail-
Ergonomische Gestaltung 1003

liert abgebildet als niedrigere Schichten, so dass ein System auf einem höheren
Abstraktionsniveau einfacher aussieht als auf einem niedrigeren. Dies ermöglicht
es, die Komplexität des Systems zu bewältigen.
Die Systemdiagnose wird durch die Zielgerichtetheit der Abstraktionshierarchie
stark vereinfacht und beschleunigt. Da die verschiedenen Abstraktionsniveaus
durch Mittel-Ziel-Beziehungen verbunden sind, kann die Fehlersuche auf einem
relativ hohen Abstraktionsniveau beginnen und sich dann auf die Verzweigung der
Hierarchie konzentrieren, die mit dem fehlerhaften Teilsystem verbunden ist. Bei
der Fehlersuche bei einem Fernseher könnte man z.B. bei der Stromversorgung
beginnen und dann in der darunter liegende Ebene nur die Teile berücksichtigen,
die mit der Stromversorgung zusammenhängen. In Abb. 10.36 ist beispielhaft ein
anhand der Abstraktionshierarchie abgeleitetes Modell eines zur Luftraumüberwa-
chung eingesetzten Radarsystems dargestellt. Solche Systeme haben den (funktio-
nalen) Zweck, für die Erstellung eines aktuellen, vollständigen und korrekten
Lagebildes in vorgegebenen Überwachungsbereichen auch bei Störung durch
Radarstörsysteme (jammer) Informationen bereitzustellen (WITT u. PIORO 2008).
Weitere Beispiele, in denen Abstraktionshierarchien erfolgreich zur strukturierten
Darstellung komplexer Systeme genutzt wurden, finden sich z.B. bei WITT et al.
(2007) sowie FOLTZ (2009).

Abb. 10.36: Abstraktionshierarchie eines Radarsystems (aus WITT u. PIORO 2008)

10.1.2.3.2.2 Anpassung an die Taxonomie des menschlichen Verhaltens


Menschliches Verhalten kann in Bezug auf die Mechanismen, die bei der Informa-
tionsverarbeitung ablaufen, verschiedenen Ebenen zugeordnet werden. Das bereits
in Kap. 3.3.1.1.1.3 beschriebene Modell von RASMUSSEN (1983) unterscheidet
z.B. die drei Ebenen des fertigkeits-, regel- und wissensbasierten Verhaltens.
1004 Arbeitswissenschaft

VICENTE u. RASMUSSEN (1992) belegen mit zahlreichen Beispielen, dass die


Wahrnehmung und Verarbeitung von Signalen und Zeichen (fertigkeits- und re-
gelbasiertes Verhalten) dem analytischen Denken (wissensbasiertes Verhalten)
zeitlich in der Regel deutlich überlegen ist und z.B. bei Schätzaufgaben bevorzugt
wird. Besondere Bedeutung besitzt das wiedererkennende Entscheidungsverhalten
(recognitional decision making), das vorwiegend auf der Wahrnehmung bekannter
Signale und Parametermuster beruht. Auch KLEIN (1989) konnte zeigen, dass
Fachleute aufgrund ihrer großen Erfahrung in kritischen Fehlersituationen dieses
Entscheidungsverhalten bevorzugen und nicht analytisch vorgehen. Die ökologi-
sche Schnittstellengestaltung berücksichtigt dies und verbindet die Invarianten der
Arbeitsdomäne isomorph mit Wahrnehmungsinvarianten, um so die Aufmerksam-
keit der Operateure auf die wesentlichen Merkmale des Problems zu lenken. Auf
diese Weise werden zeit- und ressourcenaufwändige sowie potenziell unzuverläs-
sige Denkprozesse durch schnelle und konvergente Wahrnehmungsprozesse er-
setzt (Abb. 10.37).
Auf der Ebene des fertigkeitsbasierten Verhaltens werden Informationen als
Signale interpretiert. Fertigkeitsbasiertes Verhalten kann nur aktiviert werden,
wenn die Information in Form von dynamisch im Raum manipulierbaren Objekten
dargeboten wird. Um die Interaktion über räumlich-zeitliche Signale zu unterstüt-
zen, sollte der Operateur die auf dem Bildschirm dargestellten Objekte des Sys-
tems mit einem Eingabegerät direkt manipulieren können. Weiterhin sollte eine
„Chunkbildung“ im Bereich der Wahrnehmung und der Handlung möglich sein.
Dies geschieht durch Berücksichtigung entsprechender Prinzipien der Wahrneh-
mungsorganisation, wobei Information auf höherer Ebene als eine Aggregation
von Information auf niedrigerer Ebene dargestellt wird. Dies lässt sich z.B. über
Objektanzeigen oder emergent features bewerkstelligen.
Auf der Ebene des regelbasierten Verhaltens verfolgt die ökologische Schnitt-
stellengestaltung das Ziel, über die Schnittstelle eine konsistente Abbildung (map-
ping) zwischen den Rahmenbedingungen (constraints) der Arbeitsdomäne und
den Hinweisreizen (cues) oder Zeichen (signs) darzubieten. Bei konventionellen
Benutzungsschnittstellen besteht häufig keine konsistente Beziehung zwischen
den von der Benutzungsschnittstelle gelieferten Hinweisreizen und den Rahmen-
bedingungen, denen der Prozess unterliegt. Die Hinweisreize, auf die sich die
Operateure verlassen, um das System zu führen, sind also nur unvollkommen mit
dem tatsächlichen Systemzustand korreliert. Zudem sind die Hinweisreize, die die
Operateure lernen, für vertraute oder erwartungsgemäße Situationen optimiert. Da
sie aber nicht auf den grundlegenden Prozessmerkmalen beruhen, sind sie für die
Bewältigung seltener Ereignisse ungeeignet. Eine definierte Konstellation von
Hinweisreizen und Rahmenbedingungen soll es bei der ökologischen Schnittstel-
lengestaltung erlauben, eindeutig auf einen definierten Systemzustand zu schlie-
ßen.
Ergonomische Gestaltung 1005

Abb. 10.37: Ökologische Schnittstelle zur Beurteilung von Objekten im Luftraum. Bei der
Darstellung von entscheidungsrelevanten Parametern wie Entfernung und Geschwindigkeit
wird a priori Wissen als Toleranzbereich integriert. Abweichungen vom Toleranzbereich
sind leicht wahrnehmbar; die Spannweite bisheriger Beobachtungen wird zur Entlastung
des Arbeitsgedächtnis angezeigt. Die Anzeige leistet eine Vorklassifikation bestimmter
Information durch Farbkodierung (blau = freundlich, grün = neutral, orange = kritisch, rot =
feindlich). In der kreisförmigen Anzeige unten werden Ergebnisse eines Entscheidungs-
unterstützungssystems in einer an die dem Bewertungsprozess zugrunde liegenden Ent-
scheidungsregeln angepassten Weise visualisiert. (aus GRANDT u. LEY 2008)

In Bezug auf die wissensbasierte Informationsverarbeitung zielt die ökologi-


sche Schnittstellengestaltung darauf ab, die Arbeitsdomäne in Form einer Abstrak-
tionshierarchie abzubilden, die quasi als „externalisiertes mentales Modell“ das
wissensbasierte Problemlösen unterstützen soll und auch die Koordination im
Team erleichtert (siehe FOLTZ 2009).

10.1.2.3.2.3 Gestaltungsmöglichkeiten
Ziel der ökologischen Schnittstellengestaltung ist es, die benutzerrelevante Infor-
mation über den Zustand der Arbeitsumgebung entsprechend deren invarianten
Eigenschaften strukturiert darzubieten. Diese invarianten Eigenschaften einer
Arbeitsumgebung resultieren aus den kausalen, funktionalen und intentionalen
Faktoren und bilden die Rahmenbedingungen (constraints) des Systembetriebs.
Sie sollten die Darstellung des Systems bei der Schnittstellengestaltung ganz ent-
scheidend prägen. PEJTERSEN u. RASMUSSEN (1997) geben vier Arten von Inva-
rianten an:
x Beziehungen zwischen den Systemkomponenten: z.B. kausal, intentional,
empirisch, organisatorisch
x Grenzen des Systembetriebs: z.B. physikalisch, intentional, formal, legal,
ressourcenbezogen
1006 Arbeitswissenschaft

x vorgegebene zeitliche oder räumliche Reihenfolgen der Systemprozesse


x Verhaltensvorschriften: z.B. Kennlinien von Systemkomponenten, Schritte
einer Strategie.
Invarianten können als Informationen über den aktuellen Systemzustand vor
dem Hintergrund des angestrebten Zustands dargestellt werden:
x Darstellung als „gute“ Konfiguration: Nutzung von Linearität, Symmetrie,
Balance, Ausrichtung; die „gute“ Konfiguration sollte neben der Darstellung
der „nicht guten“ Abweichung des Ist-Zustands vom Sollzustand beibehalten
werden, um deren Wahrnehmbarkeit und Differenzierbarkeit zu verbessern.
Siehe hierzu auch Abb. 10.32 und Abb. 10.33.
x Darstellung als graphische Abbildung (Skalar): Falls möglich und relevant
unter Einbeziehung einer vergleichenden Kodierung („ist“ vs. „soll“, „ist“
vs. „war“, „und“ vs. „oder“, „ist“ vs. „wird sein“).
x Darstellung als graphisches Symbol, d.h. als Nachbildung oder Analogie:
Nutzung der Position, Größe, Fläche, des Umrisses und der Textur mit oder
ohne Text, um diskret oder dynamisch den Zustand, das Ergebnis oder die
Folgen darzustellen.
x Darstellung der Verbindungen zwischen den Elementen: als geometrische
Linien, Schnittpunkte und Übereinstimmungen, unter Benutzung der Strich-
stärke, Textur und Richtung, um die Art der Beziehung zu kodieren.
Die Darstellung der für den sicheren Systembetrieb maßgeblichen Rahmenbe-
dingungen kann auf folgende Weise erfolgen:
x Grenzen und Bereiche im Hintergrund darstellen
x Bei Textaussagen Größe, Umrandung, Textur usw. benutzen, um Art und
Dringlichkeit hervorzuheben.
Die zweite wichtige Gruppe von „ökologischen Parametern“ bilden die Hand-
lungsaufforderungen (affordances), die von einem Objekt, System oder Ereignis
ausgehen. Sie weisen den Benutzer situationsabhängig auf Handlungsmöglichkei-
ten oder -notwendigkeiten hin. Darstellungsmöglichkeiten sind:
x Handlungsaufforderungen zum Einstellen, Drehen, Hochheben, Bewegen,
Verbinden usw., die über eine direkte Manipulation der dargestellten Objekte
durchführbar sind, können als Folgespur, Muster oder in Form anderer geo-
metrischer Figuren angezeigt werden.
x Handlungsaufforderungen zur Auswahl (Operation, Manipulation) können in
Form von Alternativen angegeben werden. Die Alternativen können als Text,
ikonische (icons) oder geometrische Darstellungen abgebildet und wahlweise
nur nach den Umständen sichtbar und verfügbar sein.

10.1.2.4 UnterstützungĆderĆInformationsabgabeĆ
Dem Modell der multiplen Ressourcen (WICKENS u. HOLLANDS 1999) zufolge
können je nach Wahl der Eingabemedien Einschränkungen in der Informations-
verarbeitung auftreten, die zu Verlängerungen der Bearbeitungszeiten und zu
Ergonomische Gestaltung 1007

Fehlern bei der Dateneingabe führen können. Die ergonomische Auslegung von
Interaktionsverfahren soll eine erwartungskonforme und konsistente Interaktion
mit dem Mensch-Maschine-System ermöglichen. Hinsichtlich der Interaktions-
verfahren ist es deshalb erforderlich, dem Benutzer eine an seine Fähig- und Fer-
tigkeiten angepasste Informationsabgabe zu ermöglichen.
Während in der Vergangenheit Eingaben über mechanisch wirkende Stellteile
erfolgten (Handrad, Hebel; z.B. im Stellwerk), werden heute hauptsächlich Einga-
ben und Steuerungen über Tasten bzw. Tastaturen mit leichtgängigen Bedienele-
menten (z.B. Drucktastenstellwerk) oder über vollständig softwarebasierte Benut-
zungsschnittstellen (z.B. digitalisierte Stellwerke, Prozessleitwarten) vorgenom-
men.
Bei der Auswahl der richtigen Eingabetechnologie sind vielfältige technische
Ansätze möglich, die von der manuellen Eingabe der Daten mit Maus oder Roll-
ball, über die Spracheingabe bis hin zur Nutzung der bereits zuvor dargestellten
Technologien der Erweiterten oder Virtuellen Umgebungen reichen.
Darüber hinaus werden derzeit weitere Verfahren entwickelt, die eine intuitive
Interaktion zwischen Mensch und Maschine ermöglichen sollen oder bei Ein-
schränkungen der motorischen Möglichkeiten des Benutzers zum Tragen kommen
können, bspw. die Steuerung von Computerdialogen mit Blickbewegungen
(RÖTTING u. SEIFERT 2000; SCHNEIDER et al. 2008).
10.1.2.4.1 Stellteile
Je nach Gestaltung der Stellteile werden verschiedene Griffarten unterschieden
(Kontaktgriff, Zufassungsgriff, Umfassungsgriff; siehe SCHMIDTKE 1993). Wei-
terhin können Stellteile entweder rotatorisch oder translatorisch betätigt werden,
darüber hinaus spielt die Betätigungsrichtung in Bezug zum menschlichen Körper
eine Rolle (Anordnung in horizontaler oder vertikaler Ebene, translatorische Ele-
mente in Längs- oder Querrichtung zu Körper). Die Gestaltung von Stellteilen ist
außerdem vom Stellwiderstand, d.h. den aufzubringenden Kräften und Wegen und
deren Charakteristik (Feder, Masse, Dämpfung, Linearität), deren Größe und dem
Betätigungsweg bzw. -winkel abhängig. Alle diese Faktoren besitzen einen Ein-
fluss auf die Erreichbarkeit, Geschwindigkeit und Genauigkeit der Betätigung.
Hinweise zur aufgabenbezogenen Auswahl von Stellteilen gibt DIN EN 894-3.
Die Stellteile sind gut erreichbar, d.h. im Greifraum der Arme bzw. im nahen
Fußraum anzuordnen. Die Anordnung ist von der Häufigkeit, der Wichtigkeit und
vom Kraftaufwand der Betätigung abhängig, d.h. häufig zu betätigende Elemente
müssen im (für kleine und große Personen) günstigen Griffbereich positioniert
werden.
Die Größe der Elemente muss sich an der Größe der Finger und der Hand ori-
entieren (Angaben zur Auslegung finden sich z.B. in SCHMIDTKE 1989).
Auch bei nur geringen aufzubringenden Kräften muss bei länger andauernder
oder häufiger Benutzung die statische Muskelbelastung zur Aufrechterhaltung der
Fuß- und Bein- bzw. Hand- und Armposition berücksichtigt werden. In diesem
Fall sind Abstützungsmöglichkeiten vorzusehen.
1008 Arbeitswissenschaft

Bei der Gestaltung ist zu beachten, dass die Stellteile in ihrem Betätigungssinn
dem erwarteten Funktionseffekt entsprechen (Beispiel: Bewegen des Vorschubhe-
bels einer Bohrmaschine nach unten = Werkzeugbewegung nach unten). Diese
Bewegungs-Effekt-Stereotypien folgen eingespielten Konventionen, sind aber
nicht frei von Unsicherheiten. In DIN EN 60447 sind deshalb die Zusammenhänge
von Funktion und Bewegungsrichtung festgelegt (Tabelle 10.7). Ähnliche Rege-
lungen finden sich zudem in DIN 1410.
Diese Festlegungen sind, nicht zuletzt aus Sicherheitsgründen, einzuhalten.
Wenn diese Sinnfälligkeit nicht eindeutig zu erkennen ist, sind zusätzliche Hin-
weise oder gestalterische Maßnahmen erforderlich. Als Beispiel sei auf den Zu-
sammenhang „Ventil öffnen = Bewegungssinn entgegen dem Uhrzeigersinn“
hingewiesen. Wenn für den Menschen nicht zweifelsfrei erkennbar ist, dass sich
hinter dem Stellteil ein Ventil befindet (oder z.B. wie bei Elektroherden eine ent-
sprechende Analogie angenommen wird), muss durch zusätzliche Maßnahmen
kenntlich gemacht werden, bei welcher Betätigungsrichtung eine Zunahme oder
Abnahme erwartet werden kann.
Tabelle 10.7: Betätigungssinn und Anordnung von Stellteilen (nach DIN EN 60447) ein-
schließlich Erweiterung

Resultierende Endzustände
Zustandsänderung
Gruppe 1 Gruppe 2

Änderung einer physikalischen Größe (Spannung, Stromstärke,


Leistung, Geschwindigkeit, Frequenz, Temperatur, Beleuch- Zunahme Abnahme
tungsstärke, Durchflussmenge usw.)

einschalten ausschalten

starten stoppen

beschleunigen bremsen
Änderung der Bedingung
Stromkreis Stromkreis
schließen öffnen

entzünden auslöschen

aufwärts abwärts

Bewegung eines Objekts oder Fahrzeugs nach rechts nach links

vorwärts rückwärts

vom Bediener auf den Bediener


Bewegung in Bezug zum Bediener
weg zu
Ergonomische Gestaltung 1009

Tabelle 10.7 (Fortsetzung): Betätigungssinn und Anordnung von Stellteilen (nach


DIN EN 60447) einschließlich Erweiterung

Art des Bedienteils Art der Handlung Richtung der Handlung

im entgegen dem
Handrad, Kurbel, Knopf Drehbewegunga)
Uhrzeigersinn Uhrzeigersinn
a)
zur Regelung von Durch- entgegen dem im
flussmengen Uhrzeigersinn Uhrzeigersinn

von unten von oben


vertikale Bewegung
nach oben nach unten

rechts-
nach rechts nach links
Griff, Hebel, mit linearer Bewe- links

gung horizontale vorwärts- vom Bediener auf den Bediener


Bewegung rückwärtsb) weg zu
b)
heben- auf den Bediener vom Bediener
senken zu weg

Druck-Zug-Knopf Bewegung in Bezug zur vom Gehäuse auf das Gehäuse


Oberfläche des Stellteilge- weg, ziehen zu, drücken
häuses

Art und Anordnung der Be- Punkt für die Ausübung der Hand-
Art der Handlung
dienteilgruppe lung

Gruppe von Griffen, unter- an der oberen an der unteren


Drucktasten, He- einander Einrichtung Einrichtung
beln, Zugseilen Druck, Zug, usw.
neben- an der rechten an der linken
usw. mit gegensätz-
einander Einrichtung Einrichtung
lichem Effekt

Für die Gestaltung und Funktionsweise von Stellteilen zum (Not-)Ausschalten


von Systemen gelten besondere Anforderungen (DIN EN 60447).
Neben der Anordnung sind die Größe (Lesbarkeit sowie Wichtigkeit, z.B. bei
NOT-AUS), die Form (Wiedererkennung, z.B. von Schaltstellungen) sowie die
Beschriftung und die Farbe (z.B. „NOT-AUS“ in Rot) wichtige Kriterien bei der
Gestaltung von Stellteilen. Für die Sicherheit bei der Bedienung sind ferner die
Oberflächenstruktur (gegen Abrutschen) sowie der Abstand der Stellteile unterei-
nander (Zugang und Verwechslungsgefahr) maßgebend.

Zusammenwirken von Anzeigen und Stellteilen


Bei der Verwendung von Stellteilen kann in der Regel nicht unmittelbar die Wir-
kung der Verstellung beobachtet werden. In diesem Fall geben entsprechende
Anzeigen Informationen über die erfolgte Betätigung. Dabei ist zu beachten, dass
Bedienteil und Anzeige kompatibel gestaltet werden, also einer Hebel- oder Dreh-
1010 Arbeitswissenschaft

bewegung nach rechts bspw. auch ein Zeigerausschlag nach rechts folgt (Prinzip
des funktionellen Zusammenhangs, DIN EN 894-1). Stellteil und zugehörige An-
zeige sollten räumlich eng positioniert werden, so dass ihre Beziehung zueinander
dem Benutzer offensichtlich wird (DIN EN 894-1). Dies entspricht zum einen der
Erwartungshaltung des Benutzers und zum anderen wird die Transformation bzw.
Dekodierung einfacher und damit schneller und sicherer. Abb. 10.38 zeigt die
sinnfällige Zuordnung von Bedienteil und Anzeige.

Abb. 10.38: Kompatibilität bei der Anordnung von Stellteil und Anzeige in verschiedenen
Ebenen. Die Anordnung in der Mitte weist die höchste Eindeutigkeit zwischen Stellteilbe-
wegung (schwarz) und Reaktion der Anzeige (grau) auf. Weniger günstig ist die Zuordnung
links. Bei der Darstellung rechts mit Drehknopf und Langfeldskala in versetzten Ebenen
können bereits Unsicherheiten in der Zuordnung von Ursache und Wirkung auftreten (nach
GRANDJEAN 1988)

Eine Abweichung, bspw. aus konstruktiven Gründen, wird durch den hohen
Grad der Automatisierung von Bewegungen und durch die Erwartungshaltung des
Benutzers (Bewegungs-Effekt-Stereotypien) zwangsläufig zu einer höheren Feh-
lerhäufigkeit führen.
Neben der Kompatibilität zwischen Bedienungsrichtung und Anzeige muss
auch die Anzeige den erwarteten Effekt sinnfällig zeigen. Hierbei gelten die glei-
chen Gesetzmäßigkeiten wie bei Stellteilen (Tabelle 1.7).
Bei der Verwendung von Stellteilen in Form von Tastaturen ist der Signal-
Reaktions-Kompatibilität besondere Aufmerksamkeit zu schenken, da bei der
Eingabe in der Regel kein Betätigungssinn erkennbar ist. Hier kann man bspw.
durch die Lage und Anordnung der Tasten (obere Taste = aufwärts, untere Taste =
abwärts) eindeutige Funktionszusammenhänge herstellen.
In vielen Anwendungszusammenhängen werden eine Reihe von verschiedenen
Anzeigeeinrichtungen und Stellteilen räumlich eng beieinander angeordnet. Ihre
symmetrische und damit häufig als ästhetisch ansprechend empfundene Anord-
nung erweist sich jedoch nicht selten als unzweckmäßig.
Grundsätzlich eignen sich zur Festlegung der Anordnung von Anzeigen und
Stellteilen bestimmte Ordnungsprinzipien. Allerdings entsteht i.Allg. die Schwie-
rigkeit, dass diese zum Teil einander widersprechen. Ein „Kompromiss“, bei dem
Ergonomische Gestaltung 1011

verschiedene Prinzipien vermischt angewendet werden, ist jedoch in der Regel


nicht sinnvoll. Im Folgenden sind in der ergonomischen Praxis bedeutsame Ord-
nungsprinzipien aufgeführt:
x Anordnung nach räumlicher Kompatibilität (Abb. 10.39 und Abb. 10.40)
x Anordnung nach Funktionsstruktur (z.B. entsprechend den Stoffströmen in
einer chemischen Anlage oder der physikalischen Gestalt des zu bedienenden
Systems, wie in Abb. 10.41 dargestellt)
x Anordnung nach Abfolge und Häufigkeit der Benutzung (siehe Abb. 10.31)
x Anordnung nach sicherheitstechnischer Relevanz.

Abb. 10.39: Funktionelle Gruppierung des Anzeigefeldes im Flugzeug. Links der Bereich
mit Anzeigen für den Piloten, rechts die identische Anzeigengruppe für den Copiloten. In
der Mitte die Anzeigeinstrumente zur Überwachung der (hier vier) Triebwerke

Abb. 10.40: Räumliche Gruppierung von Anzeigeelementen auf einem alternativen Radar-
bildschirm, bei dem – anstelle der Höhenangabe in numerischer Form – die Objekte mittels
eines stereoskopischen Bildschirms in ihrer realen Raumstruktur abgebildet werden
(GÖBEL et al. 1995)
1012 Arbeitswissenschaft

M 1 2

Abb. 10.41: Gestaltung einer Bedienungsvorrichtung für die Sitzverstellung anhand der
miniaturisierten Form des Sitzes. Sitzfläche und Sitzlehne lassen sich entsprechend der
gegebenen Verstellmöglichkeiten bewegen. Um z.B. die Sitzvorderkante höher zu stellen,
hebt man den vorderen Teil des Sitzflächen-Hebels

Insbesondere bei hoch repetitiven Abläufen ist, eine entsprechende Übungs-


möglichkeit vorausgesetzt, die Ordnung nach Abfolge und Häufigkeit der Benut-
zung am effizientesten, obwohl die funktionale Struktur dabei in der Regel „verlo-
ren geht“.
Hilfreich in Bezug auf einzugehende Kompromisse sind nebengelagerte Struk-
turierungshilfen, z.B. in Form von optischen Orientierungshilfen, die übrigens
auch nachträglich anzubringen sind und somit eine Möglichkeit der korrektiven
Ergonomie darstellen.
Neben der räumlichen Strukturierung besteht weiterhin die Möglichkeit (im ei-
gentlichen Sinne die Notwendigkeit!), verschiedene Funktionen auch in verschie-
denen Formen darzustellen.
Aus diesen Zusammenhängen ergibt sich, dass eine ergonomische Anordnung
und Ausführung von Anzeigen und Stellteilen fast immer mit einer gewissen opti-
schen Irregularität einhergeht. Die Vermutung, dass eine nach den Regeln der
Gestaltpsychologie im Sinne von optischer Symmetrie, Gleichartigkeit etc. „schö-
ne Gestalt“, eine ergonomische Gestaltung impliziert, ist deshalb häufig nicht
wissenschaftlich belegbar.
10.1.2.4.2 Tastaturen
Im Zuge der fortschreitenden technischen Entwicklung werden die unmittelbar
mechanisch wirkenden Stellteile zunehmend von abstrakteren Mitteln zur Infor-
mationseingabe verdrängt.
Beispielsweise werden Tastaturen in den unterschiedlichen Konfigurationen
angewendet. Man unterscheidet zwischen numerischen Tastaturen zur Eingabe
von Zahlen und Alpha-Tastaturen zur Eingabe von Buchstaben, Worten oder Tex-
ten. Häufig sind beide zu alphanumerischen Tastaturen zusammengefasst und
besitzen zusätzliche Steuertasten zur Eingabe fester Befehle.
Ergonomische Gestaltung 1013

Die Größe der Tasten richtet sich nach der Häufigkeit und Wichtigkeit der Ein-
gabe. Häufig zu betätigende Tasten (z.B. Zehner-Tastaturen von Tischrechnern)
müssen so dimensioniert werden, dass ein dynamisches Arbeiten ohne ständige
Sichtkontrolle möglich ist. Dies gilt ebenso für Schreibmaschinentastaturen. Hier
wählt man einen Abstand von Tastenmitte zu Tastenmitte von 19 mm
(SCHMIDTKE et al. 1989; NORMENREIHE DIN 2137). Bei seltener zu betätigenden
Tasten, die in der Regel nur mit einem Finger bedient werden, ist eine geringere
Tastengröße möglich, z.B. bei Taschenrechnern (DIN 32758). Dabei ist zu beach-
ten, dass zu kleine Tasten zu häufigeren Fehlbedienungen führen. Nach dem be-
reits in Kap. 3.3.1.2.2.2 erwähnten Fitts’schen Gesetz (FITTS 1954) hängt der für
eine Zielbewegung erforderliche Zeitbedarf (movement time, MT) von der Entfer-
nung des Stellteils und seiner, in Bezug zur Bewegungsrichtung gegebenen Breite
ab:
MT a  b ˜ ID (10.3)
In Gl. (10.3) sind a und b empirisch gewonnene Konstanten und ID der sog.
Schwierigkeitsgrad (index of difficulty). Dieser ergibt sich zu:
§ 2A ·
ID log 2 ¨ ¸ (10.4)
©W ¹
Bei der Definition des Schwierigkeitsgrades nach Gl. (10.4) gibt A die Entfer-
nung zwischen Start- und Zielpunkt an und W die Breite des Ziels längs der Be-
wegung. Für kleine ID-Werte schlägt MACKENZIE (1992) eine Bestimmung nach
Gl. (10.5) vor.
§ A ·
ID log 2 ¨  1¸ (10.5)
©W ¹
Bei Tastaturen in zeitkritischen Prozess- oder Fahrzeugführungssystemen kön-
nen deshalb in Abhängigkeit von der räumlichen Anordnung eine deutlich größere
Dimensionierung der Tasten und eine Vergrößerung des Tastenmittenabstands
erforderlich sein. Eine interessante Erweiterung des Fitts’schen Gesetzes in Hin-
blick auf die Informationseingabe mit tragbaren Computern, die bei unterschiedli-
chen Gehgeschwindigkeiten benutzt werden, findet sich bei ALEXANDER et al.
(2007).
Die Anordnung der Tasten richtet sich nach dem Verwendungszweck und ist an
Konventionen gebunden, die in der Regel in den oben zitierten Normen festge-
schrieben sind. Als Beispiel sei die Anordnung der Buchstaben auf der Schreib-
maschinentastatur genannt. Differenzen gibt es bei der Anordnung der Tasten bei
Zehnertastaturen: Rechnertastaturen sind nach dem Schema 7-8-9 / 4-5-6 / 1-2-3 /
0 aufgebaut; die Tasten der Telefone sind dagegen nach dem Schema 1-2-3 /
4-5-6 / 7-8-9 / 0 angeordnet. Eingeübte Benutzer werden bei beiden Anordnungen
keine Leistungsunterschiede feststellen. Generell sollte jedoch die Bezifferung der
Tasten im üblichen Lesesinn erfolgen (Telefon), um auch ungeübten Benutzern
eine möglichst problemlose Benutzung zu ermöglichen.
1014 Arbeitswissenschaft

Die Ausführung der Tasten in technischer Hinsicht sollte dem Benutzer eine
Rückmeldung über die erfolgte Eingabe geben. Dies kann akustisch geschehen
(„piep“) oder taktil erfolgen (mechanischer Druckpunkt). Die akustische Rück-
meldung findet man vorzugsweise bei den technisch weniger aufwendigen Folien-
tastaturen, sie ist jedoch aus ergonomischer Sicht ungünstiger zu bewerten. Die
taktile Rückmeldung erfordert einen Betätigungsweg beim Drücken einer Taste.
Die Beschriftung der Tasten kann durch Buchstaben, Zahlen, feste Begriffe
oder eindeutige Symbole erfolgen.
Bedienungserleichterungen erreicht man mit einer sinnfälligen Gruppierung der
Tasten (siehe Kap. 0).
Bei der Anordnung von Tastaturfeldern, die über längere Zeit bzw. mit hoher
Frequenz bedient werden, ist weiterhin auf eine günstige Arm-, Hand- und Fin-
gerposition zu achten. Dies kann durch ergonomische Armabstützungsmöglichkei-
ten unterstützt werden. Insbesondere bei Computertastaturen entspricht die von
der Schreibmaschine übernommene Tastenanordnung nicht den Erfordernissen
des Menschen, da hierbei die Unterarme einwärts und die Hände nach außen ge-
dreht werden müssen (siehe Abb. 10.42). Diese Zwangshaltung des Hand-Arm-
Systems bei der Bildschirmarbeit begründet das sog. Repetitive Strain Injury
(RSI) (siehe auch VAN TULDER et al. 2007), eine mit Taubheitsgefühlen oder
Schmerzen einhergehende Belastungsfolge, die sich zum RSI-Syndrom weiter-
entwickeln kann.

Abb. 10.42: Stellung des Hand-Arm-Systems bei Nutzung einer konventionellen Tastatur

Die schon seit den siebziger Jahren immer wieder unternommenen Versuche
der Einführung ergonomisch gestalteter Tastaturen (Abb. 10.43), deren Herstel-
lungsaufwand nur unbedeutend größer ist, scheitert bis dato im Wesentlichen an
der Gewohnheit der Benutzer, mit traditionellen Bauformen zu arbeiten, und der
damit verbundenen Umlernerfordernis.
Ergonomische Gestaltung 1015

Abb. 10.43: Ergonomisch gestaltete Tastatur, die eine natürliche Haltung des Hand-Arm-
Systems erlaubt (Quelle: Microsoft Deutschland GmbH)

10.1.2.4.3 Zeigergeräte und Steuerknüppel


Insbesondere an Rechnerarbeitsplätzen im Büro werden Tastaturen in der Regel in
Verbindung mit anderen Eingabegeräten benutzt, welche die Positionierung des
Mauszeigers (cursors) auf dem Bildschirm und die Aktivierung von Funktionen
der Computersoftware ermöglichen. Häufig Verwendung finden hier Computer-
mäuse, Rollbälle, Grafiktabletts und Touchpads. Die in der Treibersoftware im-
plementierte Transferfunktion dieser Peripheriegeräte erlaubt die Durchführung
sowohl großer Bewegungsamplituden bei schneller Bewegung als auch das präzi-
se Positionieren des Mauszeigers bei kleinen Bewegung des Eingabegeräts.
Sowohl an Rechnerarbeitsplätzen als auch im Bereich der Fahrzeugführung und
zur Bedienung von Maschinen und Anlagen werden Steuerknüppel (Joysticks)
eingesetzt. Diese setzen entweder die manuell aufgebrachte Auslenkung (Wegcha-
rakteristik, isotonisch) oder die aufgebrachte Kraft (isometrisch) in eine Auslen-
kung des Mauszeigers bzw. Bewegung des geführten Systems um. Im Bereich der
Flugführung werden Steuerknüppel mittlerweile als sog. Sidesticks seitlich positi-
oniert. Um der Cockpitbesatzung eine Rückmeldung über die an den Steuerflä-
chen wirksamen Kräfte zu geben, werden aktive Sidesticks verwendet, die Gegen-
kräfte und Vibrationen (shaker beim Strömungsabriss) erzeugen können. Bei 2-
Mann Besatzungen können aktive Sidesticks gekoppelt werden, um die Eingaben
gegenseitig rückzukoppeln (THURECHT 1998). Weitere Hinweise zur Auslegung
von Zeigergeräten und Steuerknüppeln finden sich bei HINCKLEY (2007).
10.1.2.4.4 Berührempfindliche Bildschirme
KO (2000) stellt fest, dass die Nutzung berührempfindlicher Bildschirmoberflächen
(sog. Touch Input Displays) eine mindestens gleich schnelle oder sogar schnellere
Informationseingabe als andere Eingabeelemente erlaubt. GRANDT et al. (2003)
zeigen, dass berührempfindliche Bildschirme bei einer einfachen Auswahlaufgabe
1016 Arbeitswissenschaft

sowohl hinsichtlich der resultierenden Bearbeitungszeit als auch in Bezug auf die
subjektiv wahrgenommene Aufgabenschwierigkeit Vorteile gegenüber Eingabege-
räten wie Computermaus, Rollball und Trackball sowie der Spracheingabe auf-
weisen. Untersuchungen von SCHNEIDER et al. (2008) bestätigen dies und zeigen
darüber hinaus, dass ältere Benutzer (Lebensalter > 60 Jahre) durch Verwendung
eines Touchscreens altersbedingte sensumotorische Einschränkungen kompensie-
ren und ähnliche Leistungen erzielen können, wie jüngere Benutzer mit der Com-
putermaus.
Eingaben werden bei berührempfindlichen Bildschirmen am besten über aus-
reichend dimensionierte Schaltflächen (buttons) vorgenommen. Der Abstand
virtueller Tasten soll dabei mindestens 5 mm betragen und bei geringer Auflösung
der berührempfindlichen Maske mindestens doppelt so groß sein wie die Auflö-
sung der Eingabemaske (RÜHMANN u. GRONER 1989). Eine unbeabsichtigte Be-
tätigung von Schaltflächen muss bei sicherheitskritischen Funktionen z.B. durch
eine Zweihandbetätigung oder durch nochmaliges Bestätigen der Funktionsaus-
führung verhindert werden (DIN EN 60447).
Durch eine geeignete Positionierung des berührempfindlichen Bildschirms sol-
len Ermüdungseffekte des Hand-Arm-Systems vermieden werden. Der Bildschirm
sollte folglich für längere Bearbeitungsdauern nicht vertikal, sondern gegenüber
der Horizontalen leicht angewinkelt positioniert werden. Große Bewegungen des
Hand-Arm-Systems sowie des Oberkörpers sollten ebenfalls vermieden werden.
10.1.2.4.5 Spracheingabe
Die menschliche Sprache kann ebenfalls zur Eingabe von Informationen genutzt
werden. Entsprechende Methoden der Signal- und Informationsverarbeitung stüt-
zen sich häufig auf die Bayes-Statistik und lassen sich dem „Maschinellen Ler-
nen“ (machine learning) zuordnen. Spracherkennungssysteme wurden u.A. im
Bereich der Flugsicherung (BIERWAGEN u. VIELHAUER 2000) und im Bereich der
militärischen Flugführung (GUBANKA u. SANDL 2000) experimentell erfolgreich
erprobt und dienen darüber hinaus in einer Vielzahl von Beispielen zur Realisie-
rung sog. barrierefreier Benutzungsschnittstellen. Die verbale Informationseingabe
wird bei geeigneter Auslegung des Eingabesystems im Vergleich zu klassischen
Eingabeverfahren wie der Computermaus als beanspruchungsarm beurteilt
(GRANDT et al. 2003; SCHNEIDER et al. 2008).
Zur Zeit kann davon ausgegangen werden, dass schon die syntaktisch korrekte
Identifikation eines Worts bzw. Synonyms aus empfangenen Spektrogrammen
einen hohen Rechenaufwand erfordert und mit Unsicherheit behaftet ist (entspre-
chende Eingabegeräte sollen eine erwartungskonforme Interaktion ermöglichen,
die Erkennung eines Worts muss deshalb quasi in Echtzeit erfolgen). Für den
jeweiligen Anwendungsfall muss ein erheblicher, auch finanzieller, Aufwand
betrieben werden, um eine für den sicheren Betrieb und zur Gewährleistung der
Akzeptanz seitens der Benutzer erforderliche Erkennungsgüte zu erzielen. Dies
betrifft insbesondere Bereiche, in denen fremdsprachliche Fachbegriffe verwendet
werden oder hohe Störgeräuschpegel zu verzeichnen sind.
Ergonomische Gestaltung 1017

Vorteilhafte Anwendungsmöglichkeiten der Spracheingabe liegen bspw.


x beim Schreiben von Texten (Geschwindigkeit, Tippfehler),
x beim Eingeben von Befehlen bei gleichzeitiger Benutzung der Hände für an-
dere Zwecke (parallele Bearbeitung möglich, z.B. im Kraftfahrzeug),
x bei sehr komplexen System- oder Menüstrukturen, die mit Sprachbefehlen
schnell übersprungen werden können und
x bei der Eingabe komplexer Befehle unter sehr engen räumlichen Verhältnis-
sen, die die Anwendung einer vollständigen alphanumerischen Tastatur nicht
erlauben.
Neben technischen Aspekten spielen auch die Fähigkeiten und Fertigkeiten des
Menschen eine wichtige Rolle. Während die Benutzung von mechanischen Einga-
bevorrichtungen in aller Regel zunächst zu erlernen und zu üben ist (Bedeutung
der Funktionen, schnelles Auffinden der benötigten Elemente), kann die Sprach-
eingabe quasi sofort erfolgen (LUCZAK 1997). Es gibt jedoch auch eine Reihe von
Schwierigkeiten, die auch bei sehr gut funktionierenden Spracheingabesystemen
verbleiben:
x Eine Reihe von Befehlen ist sprachlich wesentlich schwerer zu artikulieren,
als über Körperbewegungen. Dies gilt insbesondere für jegliche Art von kon-
tinuierlichen Steuersignalen (z.B. zum Lenken eines Fahrzeugs).
x Die Umgebung kann durch das Sprechen mit dem Eingabesystem gestört
werden (z.B. bei der Rechnerbenutzung in Großraumbüros).
x Das Eingabesystem vermag nicht ohne weiteres zu unterscheiden, ob die
Kommunikation an das System oder an andere Menschen gerichtet ist.
x Die Stimme des Benutzers kann sich bei hoher Beanspruchung verändern
(VLOEBERGHS et al. 2001). Bei Spracherkennungssystemen, die ein Training
erfordern, sinkt dann die Erkennungsrate.
In der Praxis anwendbare, höchst zuverlässige Spracheingabesysteme können
derzeit nur mit einem vergleichsweise eng umrissenen, syntaktisch formalisierten
Befehlsumfang (Kommandosprache) arbeiten. Verwendet der Benutzer andere als
die parametrisierten Kommandos, so können die Funktionen nicht zuverlässig
ausgeführt werden. Eine natürlich-sprachliche Spracheingabe erfordert die rech-
nergestützte Interpretation semantischer Zusammenhänge. Zu ihrer Realisierung
werden neue Verfahren wie z.B. Ontologien erprobt, um den in der Realität zu
erwartenden (sprachlichen) Zustandsraum computerbasiert repräsentieren und
auswerten zu können (HECKING 2004).
10.1.2.4.6 Eingabetechnologien für Virtuelle Umgebungen

10.1.2.4.6.1 Tracking-Systeme
Tracking-Systeme kommen als Eingabegerät in Virtuellen Umgebungen zur Be-
stimmung der räumlichen Position und Orientierung einzelner Körperteile, meis-
tens des Kopfs sowie einer Hand, sowie von Objekten, die in der realen Umge-
bung vorhanden sind, aber in der Virtuellen Umgebung visualisiert werden sollen,
1018 Arbeitswissenschaft

zum Einsatz. Die Positionsangaben des Kopfs sind für die Berechnung perspekti-
vischer Bilder, die der Hand zur Navigation in der Virtuellen Umgebung notwen-
dig. Folgende Technologien sind verbreitet:
x Elektromagnetische Tracking-Systeme: Sie bestehen aus einem ortsfesten
Sender, der ein elektromagnetisches Feld erzeugt, und Empfängern, die an
den zu detektierenden Objekten fixiert sind. Aus der am Empfänger vorlie-
genden Stärke und Richtung des elektromagnetischen Felds kann die Positi-
on und Lage des zugehörigen Körperteils bzw. Objekts errechnet werden.
Die heute verfügbaren Geräte benutzen sowohl Gleich- als auch Wechsel-
stromfelder. Gleichstromfelder besitzen den Nachteil, dass in der Umgebung
befindliche, eisenhaltige Metalle magnetisiert werden, was die Messung ver-
fälscht. Es ist dementsprechend die Verwendung anderer Werkstoffe (bspw.
Holz, Kunststoff, NE-Metalle) in der Umgebung zu empfehlen. Dieses Prob-
lem tritt bei Wechselstromfeldern nicht auf, da das elektromagnetische Feld
periodisch wechselt; der Aufbau von permanenten magnetischen Feldern in
eisenhaltigen Metallen wird somit unterdrückt.
x Optische Tracking-Systeme: Diese arbeiten mit Bildverarbeitungsalgorith-
men, die auf dem Objekt fixierte Infrarot(IR)-Leuchtdioden detektieren und
so die Position und Lage bestimmen. Neben diesen aktiven Systemen sind
passive Systeme erhältlich, bei denen IR-reflektierende Marker am zu detek-
tierenden Körper/Objekt fixiert und von einer oder mehreren IR-Strahlern
beleuchtet werden. (siehe Abb. 10.44)

Abb. 10.44: Komponenten eines optischen Trackingsystems. Links: IR-Quelle und Kame-
ra; Mitte: IR-reflektierende Marker an zu detektierenden Objekten; Rechts: Aktive Marker
zur Verfolgung der Hand- und Fingerbewegungen (Quelle: ART – Advanced Realtime
Tracking GmbH)

x Mechanische Tracker sind gelenkig mit dem zu detektierenden Objekt ver-


bunden, so dass sich Objektbewegungen in Form von Kräften und Momenten
auf den Tracker übertragen. Die Bewegungen der Trackergelenke werden
mittels Sensoren gemessen. Tracker dieser Bauart sind meist in Verbindung
mit einem Sichtgerät erhältlich.
Ergonomische Gestaltung 1019

x Ultraschall-Tracker arbeiten ähnlich wie elektromagnetische Tracker mit ei-


nem Sender und mehreren Empfängern, benutzten als Übertragungsmittel je-
doch Schallwellen mit Frequenzen jenseits der Wahrnehmungsgrenze.
x Inertial-Tracker messen über Beschleunigungssensoren die Winkelbeschleu-
nigungen des detektierten Objekts und errechnen daraus die Lage. Über
Koppelverfahren kann die Position ermittelt werden.
Weitere Informationen findet der Leser z.B. bei ALEXANDER et al. (1999).

10.1.2.4.6.2 3D-Eingabegeräte
Eingabegeräte dienen in Virtuellen Umgebungen zunächst zur (meist menüge-
stützten) Eingabe von Informationen durch das Betätigen von virtuellen Drucktas-
ten (z.B. mit sog. Spacemouse für 3D-Navigation und Joystick) oder durch das
Ausführen bestimmter Gesten (z.B. mit sog. Datenhandschuh). Ferner kann der
Benutzer mit ihrer Hilfe in der Virtuellen Umgebung navigieren, d.h. seine Positi-
on, Lage und Blickrichtung verändern. Hierbei ist eine möglichst hohe Anzahl an
Freiheitsgraden anzustreben. Eine Spacemouse bietet drei translatorische und
rotatorische Freiheitsgrade. Beim Datenhandschuh kommen drei weitere für die
Fingerbewegung hinzu.
Nach dem Grad der Immersion kann zwischen hoch-immersiven und semi-
immersiven Geräten unterschieden werden. Als semi-immersiv werden insbeson-
dere solche Eingabegeräte verstanden, die wie eine Maus oder ein Joystick auf der
Arbeitsfläche bewegt werden. Man bezeichnet die damit verbundene Technik auch
als „Desktop VR“.
Hoch-immersive Eingabegeräte wie der Datenhandschuh (Abb. 10.45) ermögli-
chen dem Benutzer die erwartungskonforme Interaktion mit der Virtuellen Umge-
bung mittels Gesten. Um den Immersionsgrad zu erhöhen, können durch Zusatz-
ausrüstungen zum Datenhandschuh haptische Rückmeldungen für Benutzer er-
zeugt werden. Dadurch kann der Benutzer die Objekte in der Virtuellen Umge-
bung „anfassen“ und direkt mit ihnen interagieren.

Abb. 10.45: Datenhandschuh (Quelle: Fa. 5DT Fifth Dimension Technologies Ltd.)
1020 Arbeitswissenschaft

Basierend auf Bildverarbeitungsverfahren zur Positions- und Gestenerkennung


der Hand wurden Eingabegeräte entwickelt, die dem Benutzer in einem definier-
ten auswertbaren Volumen vor einer Kamera eine freie Beweglichkeit der Hand
ermöglichen.

10.1.2.5 SystemergonomischeĆGesichtspunkteĆ
Legt man das gestaltungsorientierte Informationsverarbeitungsmodell von
WICKENS zugrunde (WICKENS 1992; WICKENS u. HOLLANDS 1999), wird die für
den Menschen verfügbare Information in einem mehrstufigen Prozess verarbeitet
(siehe Abb. 3.51). Ausgehend von einer Kurzzeitspeicherung des eingehenden
Signals, dessen Stärke eine je nach Sinnesorgan und auch individuell begrenzt
variierende Empfindungsschwelle überschreiten muss, um überhaupt wahrge-
nommen zu werden, erfolgt in der perzeptiven Phase unter Zuhilfenahme des
Gedächtnisses eine Strukturierung der Reize. In der kognitiven Phase schließt sich
die Extraktion des Informationsgehalts (Erkennen) und die Verarbeitung der
wahrgenommenen Symbole an. Diese kann in Abhängigkeit von ihrer Eindeutig-
keit und der Komplexität resultierender Aktionen nach dem Drei-Ebenenmodell
von RASMUSSEN (1983) auf verschiedenen Niveaus eines Entscheidungs- oder
Problemlösungsprozesses, nämlich fertigkeitsbasiert, regelbasiert oder wissensba-
siert, erfolgen (SCHMIDT u. GRANDT 2008). Die in der kognitiven Phase situati-
onsbezogen getroffenen Entscheidungen fließen in Handlungspläne und hierzu
notwendige Aktionsfolgen ein, die in eine manuelle oder verbale Reaktionsausfüh-
rung und somit in das von außen beobachtbare Verhalten des Menschen münden.
Wesentliche Bedeutung in diesem Prozess haben die aus dem Arbeits- und Lang-
zeitgedächtnis abrufbaren Informationen, die das Erkennen von Reizen und Situa-
tionen sowie das Einbeziehen von a priori vorhandenem Erfahrungswissen erst
ermöglichen.
Alle bei der Informationsverarbeitung beteiligten Funktionsbereiche konsumie-
ren „Energie“, die durch Ressourcen bereitgestellt wird (zu den verschiedenen
Ressourcenbegriffen siehe Kap. 3.3.1.1.2). Konstituierendes Merkmal der dem
Prozess bereitgestellten Ressourcen ist, dass diese – unabhängig von der ihnen
zugrunde gelegten Dimensionalität – begrenzt sind, die Ressourcenkapazität also
endlich ist. Daraus folgt, dass die Leistungsfähigkeit des Informations-
verarbeitungsprozesses sowohl hinsichtlich der Verarbeitungskapazität als auch in
Bezug auf die Verarbeitungszeiten Grenzen aufweist, die u.A. in Abhängigkeit
von der Disposition sowie der Fähigkeiten und Fertigkeiten intra- und interindivi-
duell variieren. Das Ausmaß der Ressourcenauslastung kennzeichnet dabei die
mentale Beanspruchung des Menschen.
Wenn für die Informationsverarbeitung nur wenig Zeit zur Verfügung steht, re-
sultiert je nach Disposition des Menschen eine hohe bis sehr hohe Beanspruchung,
die sich – wenn der Operateur das hohe Arbeitsvolumen nicht mehr durch ein
Steigerung der Aktivierung bewältigen kann – in einer erhöhten Fehlerrate und
einer abrupten Reduktion der Leistung äußern kann (siehe Abb. 3.104). Dies
Ergonomische Gestaltung 1021

kennzeichnet den Zustand der Überforderung. Ähnliche Symptome zeigen sich


jedoch auch dann, wenn die zur Verfügung stehende Zeit viel größer ist, als die
zur Aufgabendurchführung benötigte Zeit, d.h. bei der Unterforderung wie sie z.B.
bei monotonen Aufgaben aufkommen kann.
Ziel ist es, das für die Aufgabenbearbeitung verfügbare Zeitbudget so einzustel-
len, dass eine mittlere mentale Beanspruchung des Operateurs resultiert, bei der
ein hohes Situationsbewusstsein erzielt werden kann. Nach ENDSLEY (1995) um-
fasst dies die Wahrnehmung der in der Umgebung vorhandenen Objekte,
das Verstehen ihrer Bedeutung und somit das Erkennen der Situation sowie die
korrekte Projektion der momentanen Veränderungen der Objekte und damit die
Vorhersage eines zukünftigen Systemzustands.
10.1.2.5.1 Automatisierung
Betrachtet man das hohe Informationsaufkommen in komplexen Mensch-
Maschine-Systemen, z.B. in der Fahrzeug- und Prozessführung, auf der einen
Seite und die begrenzte Informationsverarbeitungskapazität des Menschen auf der
anderen, so kann die menschliche Informationsverarbeitung in der Gesamtstruktur
des Arbeitssystems auch bei ergonomisch günstiger Gestaltung leicht einen unge-
wollten Engpass darstellen. Zudem weist der Mensch erhebliche intra- und inter-
individuelle Leistungsschwankungen sowie insbesondere unter Zeitdruck eine
geringe Handlungszuverlässigkeit auf (SWAIN u. GUTMANN 1983). Aus diesen
Gründen ist es erforderlich, den Menschen durch den Einsatz von Automatisie-
rung zu unterstützen, nicht aber zu ersetzen. Denn insbesondere bei informatori-
scher Arbeit gilt, dass der Mensch der Maschine in Hinblick auf Flexibilität und
Kreativität deutlich überlegen ist. Zur Bewältigung a priori nicht vorhersehbarer
Situationen und Aufgaben benötigen automatisierte Systeme deshalb die Unter-
stützung, d.h. einen manuellen Eingriff, des menschlichen Operateurs.
Aufgabe der systemergonomischen Gestaltung ist es, für das jeweilige System
auf Grundlage der festgestellten Gestaltungsziele und einer umfassenden Funkti-
onsanalyse einen adäquaten Automatisierungsgrad zu bestimmen und auf der
Grundlage von Aufgaben- und Funktionsanalysen eine entsprechende Funktions-
zuweisung zwischen Mensch und Maschine (function allocation) festzulegen.
Daran schließt sich im Weiteren die Spezifikation der Arbeitsaufgaben und ihre
Zuweisung an die Operateure an (DIN EN 614).
Zur Bestimmung einer zweckmäßigen Funktionsteilung zwischen Mensch und
Maschine kann die klassische MABA-MABA-Liste („men are better at“ – „ma-
chines are better at“) von FITTS (1951) erste Anhaltspunkte bieten. Nach der in
Tabelle 10.8 zu findenden Auflistung nach KRAISS u. SCHMIDTKE (2002) eignen
sich Menschen demnach insbesondere für Aufgaben, welche die Verarbeitung
komplexer, ggf. auch unvollständiger Informationen in unvorhergesehenen Situa-
tionen oder schwach strukturierten Prozessen und eine bestmögliche, flexible
Verhaltensanpassung erfordern. Legt man die Taxonomie menschlichen Verhal-
tens nach RASMUSSEN (1983) zugrunde, ergibt sich eine besondere Eignung des
Menschen für wissensbasierte Informationsverarbeitungsprozesse. Aufgrund ihres
1022 Arbeitswissenschaft

deterministischen Verhaltens und der großen Rechenkapazität sind Maschinen


dem Menschen hingegen bei der simultanen und schnellen Verarbeitung von Da-
tenströmen und der Ausführung repetitiver Aktivitäten weit überlegen. Hieraus
ergibt sich eine besondere Eignung für fertigkeits- und regelbasierte Prozesse,
allerdings nur, wenn diese a priori mathematisch modellierbar sind. Dies ist bei
fertigkeitsbasierten Prozessen, die multiple Informationskanäle verwenden, jedoch
oft nicht der Fall.
Tabelle 10.8: MABA-MABA-Liste (nach KRAISS u. SCHMIDTKE 2002)

Vorzüge des Menschen Vorzüge der Maschine

• Niedrige Wahrnehmungsschwelle und hohe • Empfindlichkeit für Reize außerhalb des


Empfindlichkeit der Sinnesorgane für visuel- Empfindlichkeitsbereichs menschlicher Sin-
le, akustische oder chemische Reize nesorgane
• Erkennung visueller oder akustischer Muster • Schnelle und präzise Durchführung komple-

• Lange Speicherung großer Informationsmen- xer Rechenoperationen

gen und zeitgerechter Abruf relevanter Infor- • Speicherung und Abruf großer Datenmengen
mationen in kurzer Zeit
• Urteilsbildung bei unvollständiger Information • Simultane Durchführung mehrerer Funktio-
• Induktive Situationsanalyse nen

• Lern- und Anpassungsfähigkeit und Originali- • Deduktive Situationsanalyse


tät • Unermüdliche, kontinuierliche, schnelle und
• Reaktionsfähigkeit auf unerwartete und präzise Wiederholung von Aufgaben
unvorhersehbare Ereignisse • Kurze Reaktionszeit auf Steuerungs- und
• Hohe motorische Präzision Regelungssignale

• Leistungserbringung auch bei Überlast • Vorsichtige und präzise Übertragung großer


Kräfte

• Unempfindlichkeit gegenüber extremen


Umwelteinflüssen

Auch mit der heute verfügbaren Technologie und Technik ergeben sich jedoch
auch in den Bereichen Grenzen der Automatisierung, für welche die Maschine
eigentlich prädestiniert erscheint. KRAISS u. SCHMIDTKE (2002) nennen hierfür
folgende Gründe:
x Beschränkungen der Situationserfassung: Fehlende oder unzuverlässige Sen-
sorik und Sensordatenverarbeitung bei zugleich großer Variabilität von Zu-
standsgrößen, z.B. witterungsabhängige Einflüsse auf Sensorsysteme im
Kraftfahrzeug verhindern die für den autonomen Systembetrieb erforderliche
vollständige Erfassung und Projektion der Situation.
x Fehlende Autonomie: Wegen der Unflexibilität von automatisierten Syste-
men können diese nicht mit unbekannten oder erheblich variierenden Situati-
onen umgehen.
Ergonomische Gestaltung 1023

x Beschränkte Zuverlässigkeit: Hardware kann zwar durch Redundanz insge-


samt ausfallsicher gemacht werden, bei komplexer Software können Fehler
jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen werden.
Aber auch der aus dem Vorgenannten möglicherweise gezogene Umkehr-
schluss, den Automatisierungsgrad am technisch Machbaren zu orientieren, ist
keineswegs sinnvoll: In den 1960er und 1970er Jahren wurde vor dem Hinter-
grund der damaligen Fortschritte in der Automatisierungstechnik der Ansatz ver-
folgt, Mensch-Maschine-Systeme weitest möglich zu automatisieren, um die
Schwächen des Menschen zu kompensieren oder den vermeintlich unzuverlässi-
gen Menschen ganz aus den Systemen zu eliminieren (FABER 2004). In solchen
hochautomatisierten Systemen wurden Operateure von Routineaufgaben entlastet
und hatten fortan die Aufgabe, das automatisierte System zu überwachen
(supervisory control, SHERIDAN 1997), um z.B. im Störungsfall die manuelle
Führung und Lenkung übernehmen zu können und das System in einen sicheren
Zustand zu überführen. Sheridan grenzt hierfür fünf typische Benutzeraufgaben
voneinander ab, die in einem kaskadierenden Verhältnis zueinander stehen (siehe
Abb. 10.46).

Auftrag
u t ag
Mensch
planen
HMI

instruieren Programm

mentales
Modell überwachen Prozess

intervenieren

lernen Ablauf
Information

Abb. 10.46: Supervisory Control nach SHERIDAN 1997 (erweiterterte Darstellung aus
MAYER et al. 2008; HMI: human-machine interface)

Im Anschluss an das Planen, für welchen der Operator die Zusammenhänge der
geführten Maschine sowie des geregelten physikalischen Prozesses verstehen und
ein mentales Modell aufbauen muss, ist das System zu instruieren, d.h. der Opera-
teur übersetzt Ziele und Aufgaben in Computerbefehle, so dass die Aufgabe (teil-)
automatisiert ablaufen kann. Dieser Ablauf ist hinsichtlich seiner Prozess- und
Ergebnisqualität zu überwachen. Nach Ausführung einzelner Teilaufgaben durch
den Computer muss der Operateur intervenieren, seine Instruktionen aktualisieren
bzw. manuell eingreifen. Schließlich muss der Operateur eine geeignete Archivie-
rung der Prozessdaten bzw. eine kontinuierliche Anpassung der Modelle sicher-
stellen, wobei – einem Lernprozess ähnlich – vorliegende Prozessinformationen,
Kennwerte oder Trendanalysen helfen, Anomalien zu vermeiden. Eine Anwen-
1024 Arbeitswissenschaft

dung des Supervisory-Control-Modells für die automatisierte Produktion ist in


Kap. 10.3.2.6 dargestellt.
BAINBRIDGE (1987) kritisiert die beschriebene Rolle des Operateurs in ihrem
berühmten Aufsatz zu „Ironies of Automation“: Der Mensch überwacht ein auto-
matisches System, das ihn selbst ersetzt hat, weil er zu viele Fehler macht.
Es zeigten sich z.B. in der Luftfahrt schon bald die zum Teil fatalen Konse-
quenzen: Bei Änderungen des Flugwegs oder im – seltenen – Störungsfall wurden
den ansonsten mit monotonen Überwachungsaufgaben „beschäftigten“ Piloten,
z.B. beim Umprogrammieren des Flight Management Systems, kurz vor dem
Endanflug extrem zeitkritische Handlungen abverlangt („99% Langeweile – 1%
Panik“; KRAISS 1994). Daraus resultierten zum einen bis dahin ungewöhnliche
menschliche Fehlhandlungen, deren Ursachen in einer weitgehenden Entkopplung
aus dem Regelkreis („operator out of the loop“-Problem, ENDSLEY u. KIRIS 1995)
und einem stark verminderten Situationsbewusstsein (situation awareness), z.B.
über die jeweiligen Systemzustände des Autopiloten (mode awareness), zu sehen
sind. Zum anderen waren bei den Piloten erhebliche, aus ihrer zunehmenden Pas-
sivität herrührenden Verluste der fliegerischen Grundfähigkeiten (basic skills)
sowie ein Übervertrauen in die Automation zu beobachten (WIENER 1988;
GRANDT u. GÄRTNER 2002; GRANDT 2004b).
Bei der Automation von Funktionen in komplexen Mensch-Maschine-
Systemen ist es folglich wichtig,
x keinen zu geringen Automatisierungsgrad zu wählen, um Überforderung und
damit verbundene Ermüdung zu vermeiden und
x keinen zu hohen Automatisierungsgrad vorzusehen, um Monotonie, Überver-
trauen in die Automation und Übungsmängel zu verhindern.
Welcher Automatisierungsgrad in einzelnen Systemen nunmehr geeignet ist,
hängt neben der Systemkomplexität und -dynamik von weiteren Faktoren, wie
z.B. der Eintrittswahrscheinlichkeit unvorhersehbarer kritischer Ereignisse, der zu
erzielenden Zuverlässigkeit des Gesamtsystems und der Qualifikation und Kom-
petenz der Operateure, ab. Die Klassifikation von Automatisierungsgraden von
SHERIDAN (2002, Tabelle 10.9) gibt Hinweise auf mögliche Abstufungen bei der
Systemgestaltung.
Unter Zugrundelegung des menschlichen Informationsverarbeitungsprozesses
können Automatisierungsfunktionalitäten und -grade auch den einzelnen Verar-
beitungsstufen zugeordnet werden (Abb. 10.47).
Obwohl der Operateur bei Systemen mit hohem Automatisierungsgrad eher
überwachende Funktionen ausführt, bedeutet dies keinesfalls, dass diese Systeme
geringere Ansprüche an die Gestaltung der Benutzungsschnittstelle stellen als
solche mit einem höheren Anteil vom Menschen ausgeführter Funktionen. Ein
hoher Automatisierungsgrad stellt den Operateur nämlich vor das Problem, den
Überblick über den Systemzustand zu behalten (KRAISS u. SCHMIDTKE 2002).
Deshalb ist gerade bei diesen Systemen insbesondere in Bezug auf Anzeigen und
Ergonomische Gestaltung 1025

grafische Darstellungen auf eine an den Menschen angepasste Gestaltung zu ach-


ten.
Wie erläutert, besteht eine weitere Gefahr von hochgradig automatisierten Sys-
temen darin, dass die im Wesentlichen zur Systemüberwachung eingesetzten Ope-
rateure durch eine zu geringe Aktivität Übungsverluste erleiden und das System
somit im Störungsfall nicht beherrschen können. Eine dynamische Funktionszu-
weisung zwischen Mensch und Maschine, also ein regelmäßiger Wechsel zwi-
schen manuellem und automatisiertem Systembetrieb, kann einem Übungsverlust
der Operateure vorbeugen. Soweit dies im Regelbetrieb nicht möglich ist, kann ein
parallel stattfindendes Training, z.B. in Simulatoren, einen Trainingszustand ge-
währleisten, der ein für die Sicherheit erforderliches Mindestmaß der erforderli-
chen Fertigkeiten und Fähigkeiten umfasst.
Tabelle 10.9: Automatisierungsgrade nach SHERIDAN (2002)

Stufe Beschreibung

1 Der Computer bietet keine Unterstützung; der Operateur erledigt alles.

2 Der Computer schlägt Alternativen zur Aufgabendurchführung vor.

3 Der Computer wählt eine Lösungsoption aus und

4 … führt diese nach Bestätigung des Operateurs aus.

5 … räumt dem Operateur vor der Ausführung eine bestimmte Zeit zum Einlegen eines Vetos
ein.

6 … führt diese aus und informiert falls nötig den Operateur.

7 … führt diese aus und informiert auf Anfrage den Operateur.

8 Der Computer wählt die Lösungsoption aus, führt diese aus und ignoriert den Operateur.

Informationen sammeln Problemlösen Aktions-


und auswerten ausführung
Anteil von Funktionen zur Automation Operateur Ausführung
hoch
Automattisierungsgrad

• Steuerung der Aufmerksamkeit wählt und initiiert Handlung -/- automatisiert


und zur
wählt und initiiert Handlung kann Handlung ablehnen
• Hervorhebung,
• Filterung, wählt Handlung initiiert Handlung
• Auswahl und empfiehlt optimale Handlung wählt und initiiert Handlung
• Aggregation empfiehlt Handlungsoptionen wählt und initiiert Handlung
niedrig

von Informationen.
analysiert Handlungsoptionen,
-/- manuell
wählt u. initiiert Handlung

Abb. 10.47: Zuordnung von Automatisierungsgraden zu den Phasen der Informationsver-


arbeitung
1026 Arbeitswissenschaft

10.1.2.5.2 Kooperative Automation


Die alleinige Kompensation der menschlichen Erkennungs- und Entscheidungs-
funktionen durch einen hohen Automatisierungsgrad technischer System-
komponenten kann – wie oben erläutert – nicht zielführend sein, wenn der Mensch
die Entscheidungskompetenz behalten soll.
Statt konventioneller Automation erscheint es wegen der mit ihr verbundenen
Risiken sinnvoll, einen auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Operateure abge-
stimmten Ansatz zur benutzerzentrierten Automation (BILLINGS 1997) zu wählen
und diesen zur sog. kooperativen Automation zu erweitern. Die Grundidee der
kooperativen Automation besteht darin, dass sich Mensch und Technik nicht kont-
rär gegenüberstehen, sondern im Team synergetisch wirken. Voraussetzung hier-
für ist, dass beide Kooperationspartner hinreichend genau abschätzen können,
welche Absichten sich hinter dem Verhalten des jeweils anderen verbergen, und
dass die Maschine ähnliche Prozeduren verfolgt wie der menschliche Operateur.
Diesen Ansatz bezeichnet SCHULTE (2002) als „kognitive Automation“. Ansätze
für solche Systeme finden sich in der Luftfahrt in Bezug auf die Führung unbe-
mannter Systeme (unmanned aerial vehicles – UAVs) (DONATH u. SCHULTE
2006; FREY 2005, PUTZER 2004), in der Produktionstechnik hinsichtlich kognitiver
Steuerungssysteme für Montagezellen (MAYER et al. 2009a; ODENTHAL et al. 2009,
SCHLICK et al. 2009) und im Bereich der militärischen Luftraumüberwachung
(GRANDT u. LEY 2008) und Fahrzeugsteuerung (HAKULI et al 2009).
Wenn die technische Komponente keine oder nur geringe Autonomie besitzt,
sondern dem menschlichen Operateur lediglich beratend zur Seite steht, z.B. kriti-
sche Situationen und Gefahrenzustände identifiziert und die Aufmerksamkeit des
Benutzers auf diese lenkt, kann auch von Assistenzsystemen gesprochen werden.
Handelt es sich um Verfahren, die dem Benutzer eine Handlungsempfehlung offe-
rieren, ist auch von Entscheidungsunterstützungssystemen die Rede. Insbesondere
bei ihnen gilt es, die Eigenschaften des menschlichen Problemlösens zu berück-
sichtigen. So führen WICKENS u. HOLLANDS (1999) eine ganze Reihe von Schwä-
chen bei der Informationssammlung, Hypothesenbildung, Hypothesenprüfung und
Aktionsauswahl auf, denen der Mensch gerade unter Zeitdruck in unsicheren (sog.
natürlichen) Situationen (ORASANU u. CONNOLLY 1993) unterliegt. Als Forde-
rung kann daraus abgeleitet werden, dass Entscheidungsunterstützungssysteme
stets auch (hinreichend begründete) Alternativhypothesen aufführen und die Hy-
pothesen mit Argumenten unterlegen sollten, die den Vorschlag für den Benutzer
nachvollziehbar machen. Unmittelbaren Einfluss haben diese Forderungen auch
auf die Ergebnisdarstellung (GRANDT u. WITT 2004).
10.1.2.5.3 Adaptive Systeme
Anders als eine Maschine verhält sich der Mensch aufgrund seiner variablen Dis-
position und seiner Anpassungsmerkmale nicht deterministisch. Deutlich wird
dies daran, dass identische Aufgabensituationen, die nach dem Belastungs-
Beanspruchungs-Konzept von ROHMERT (1984) als Belastung anzusehen sind,
sogar intraindividuell aufgrund der schon oben erwähnten Variabilität der dispo-
Ergonomische Gestaltung 1027

nierbaren Ressourcen je nach „Tagesform“ zu unterschiedlicher Beanspruchung


des Operateurs führen. Folglich erscheint es im Weiteren sinnvoll, die Auslastung
der Verarbeitungsressourcen, also die mentale Beanspruchung, über eine Anpas-
sung des (technischen) Systemverhaltens, d.h. eine dynamische Funktionsteilung
zwischen Mensch und Maschine oder einen dynamischen Automatisierungsgrad,
so zu modulieren, dass Über- und Unterforderungszustände weitestgehend ver-
mieden werden.
Systeme, die sich den zeitlich variablen Eigenschaften unterschiedlicher Benut-
zer anpassen können, um so bei adäquater mentaler Beanspruchung der menschli-
chen Operateure ein insgesamt kohärentes Systemverhalten zu erzielen, werden
als adaptive Systeme bezeichnet. Eine frühe Beschreibung eines in diese Richtung
weisenden Konzepts einer „intelligenten“ Mensch-Maschine-Schnittstelle findet
sich bei ROUSE (1991). Vollständige Adaption setzt voraus, dass sich das System
an variierende Situationen, Aufgaben und Benutzer(zustände) anpassen kann, um
den Benutzer im Sinne der kognitiven Automation situationsgerecht zu unter-
stützen. Als Grundlage für eine an Situation, Aufgabe und Benutzerzustand adap-
tierte Unterstützung benötigt man Informationen über die Zustände und Zustands-
gleichungen der im System eingebundenen Komponenten, also des technischen
Systems, der Umwelt und des Benutzers. Der Zustand der technischen Systeme
wird durch dessen mittels Sensoren erfassbaren Betriebszustand beschrieben, der
Zustand der Umwelt kann als Umgebungssituation bezeichnet werden, die eben-
falls anhand von Sensoren zumindest geschätzt werden kann. Beide Zustandsin-
formationen zusammen können für eine Situationsanpassung des Systems heran-
gezogen werden.
Ein komplexeres Problemfeld ergibt sich aus der Adaption des Unterstützungs-
systems an den Operateur. Die Unterstützung soll entsprechend der momentan
ausgeführten Aufgabe und der Höhe des für diese Aufgabe notwendigen Unter-
stützungsbedarfs erfolgen. Beide Aspekte werden durch den Benutzerzustand
beschrieben. ROUSE (1991) sieht für die Gewinnung von Informationen über den
Benutzerzustand die Implementierung eines (normativen) Benutzermodells in die
„intelligente“ Schnittstelle vor. Durch die Analyse des Benutzerverhaltens soll
unter Berücksichtigung der Missionsziele analytisch auf der Basis normativer
Modelle abgeschätzt werden, welche Absicht der Benutzer verfolgt und welcher
Ressourcenbedarf damit verbunden ist. SCHLICK et al. (2006) sprechen auch von
antizipativen Benutzungsschnittstellen. Hierbei werden alle Eingaben (Tastenbetä-
tigungen, Regeltätigkeiten etc.) erfasst, modelliert und vorhergesagt. Dies setzt
allerdings voraus, dass die vom Benutzer durchgeführten Aufgaben solche Einga-
ben erforderlich machen. Ein Merkmal von Planungs- und Überwachungsaufga-
ben ist es jedoch, dass nur wenige oder gar keine Bedientätigkeiten erfolgen, die
entsprechend analysiert werden können. In solchen Situationen kann die Absicht
des Benutzers aus der Auswertung des äußerlich sichtbaren Verhaltens, bspw. von
Blickbewegungen (FLEMISCH u. ONKEN 1997; FLEMISCH 1998; SCHLICK 2004),
gewonnen werden. Die Abschätzung des Ressourcenbedarfs der Informations-
verarbeitung bei der Prozessüberwachung erscheint schon wegen der großen inter-
1028 Arbeitswissenschaft

individuellen Unterschiede mit analytischen Verfahren kaum möglich. Die


Online-Analyse der mentalen Beanspruchung kann in diesen Fällen die Informati-
onslücke analytischer Verfahren schließen (GRANDT 2004a). Welche Indikatoren
für eine Erfassung des Benutzerzustands (operator functional state) in Frage
kommen, wird bei NATO-RTO (2004) erläutert. Allerdings ist für den gegenwärti-
gen Erkenntnisstand zu konstatieren, dass insbesondere in Hinblick auf die Erfas-
sung der mentalen Beanspruchung in Echtzeit noch erheblicher Forschungsbedarf
besteht. Die Realisierung einer solch weitgehenden Adaption von Mensch-
Maschine-Systemen an den Benutzer ist folglich in näherer Zukunft nicht zu er-
warten.

10.1.3 Anthropometrie und räumliche Gestaltung


Die räumliche Gestaltung umfasst die ergonomische Auslegung und Anpassung
von geometrisch definierten Beziehungen zwischen den arbeitenden Menschen
und den Elementen des Arbeitssystems. Dies bedeutet, dass die Form, Gestalt,
Abmessungen und relative Anordnung einzelner Elemente von Arbeitsplätzen
bzw. -bereichen (z.B. Arbeitsflächen oder Arbeitsmittel) festgelegt werden.
Nach MAINZER (1992) sind folgende Einflussgrößen bei der räumlichen Gestal-
tung zu berücksichtigen:
x Die Arbeitsaufgabe und daraus resultierenden räumlichen Anforderungen,
z.B. an manuelle und visuelle Zugänglichkeit, an Körperhaltungen und
-bewegungen
x Die räumlichen Anforderungen, die sich aus energetisch-effektorischen so-
wie informatorischen Gestaltungsprinzipien ergeben (siehe Kap. 10.1.1 und
10.1.2)
x Die Maße und Maßverhältnisse des menschlichen Körpers mit ihrer inter-
individuellen Variabilität.
Die Anthropometrie (griechisch; Lehre von den Maßen, Maßverhältnissen und
der Messung des menschlichen Körpers) bildet die wissenschaftliche Grundlage
für die ergonomisch-räumliche Gestaltung von Arbeitssystemen.
Der räumliche Gestaltungszustand eines Arbeitssystems muss in diesem Zu-
sammenhang einer Vilezahl von Anforderungen Rechnung tragen, die bei den
einzelnen Gestaltungsansätzen einen Bezug zum Arbeitsraum aufweisen. Ihre
systematische Berücksichtigung und gezielte Umsetzung bei der räumlichen Ge-
staltung setzen eine integrative Vorgehensweise voraus, wobei hauptsächlich
Maße, Massenverteilungen und Kräfte in Auflage- und Ausübungszusammenhang
zu berücksichtigen sind.

10.1.3.1 KörpermaßeĆ
Die Körpermaße bzw. geometrische Parameter können nach der Art ihres Ur-
sprungs und ihrer Verwendung in zwei Gruppen aufgeteilt werden:
Ergonomische Gestaltung 1029

(1) Räumliche Begrenzungsmaße des menschlichen Körpers, die aus den


Skelett- und Umrissmaßen abgeleitet werden können
(2) Funktionsmaße des menschlichen Körpers, z.B. Bewegungsbereiche, Reich-
weiten und Sichtmaße.
Die Ermittlung der Maße des Menschen und die Erarbeitung von Gesetzmäßig-
keiten der Proportionslehre werden bereits seit Jahrtausenden in der Kunst und
Wissenschaft betrieben. So wurden menschliche Darstellungen schon in Ägypten
nach diesen Gesetzmäßigkeiten aufgebaut (Abb. 10.48).

Abb. 10.48: Aus dem Achsenkreuz konstruierte Darstellung eines Grabträgers (BRAUN-
FELS et al. 1973)

Auch aus Indien und China sind umfangreiche Proportionsstudien bekannt (sie-
he RAU u. GAO 2009).
Dies rührt – neben dem wissenschaftlichen Interesse – vor allem daher, dass
schon in vorindustrieller Zeit, in der praktisch alle Gegenstände nach individuel-
lem Auftrag und Maß angefertigt wurden, Dinge, die für die Allgemeinheit be-
stimmt waren (z.B. öffentliche Anlagen und Häuser), auch nach allgemeinen Ma-
ßen auszulegen waren. Seit Beginn der industriellen Fertigung besteht nun die
Notwendigkeit, praktisch alle solche Gegenstände ohne individuelle Kenntnis des
späteren Benutzers und darüber hinaus mit nur einer oder möglichst wenigen Va-
rianten zu dimensionieren und dennoch eine einwandfreie Benutzbarkeit zu ge-
1030 Arbeitswissenschaft

währleisten. Dies setzt die Kenntnis der Größenverteilung des menschlichen Kör-
pers und dessen Extremitäten voraus.
Erste Ansätze einer wissenschaftlichen Anthropometrie, die sich auf exakte
anthropologische Messpunkte des Körpers stützen, sind bereits aus dem
18. Jahrhundert bekannt. Dies wurde durch die Erforschung des Knochenbaus
möglich und erlaubte eine Abkehr von den beispielsweise aufgrund der
Verschiebbarkeit der Haut wenig exakten, äußerlichen Messpunkten. Damit waren
die Grundlagen geschaffen, um die Maße des menschlichen Körpers zu erfassen,
die uns heute in unterschiedlichen, sehr umfangreichen Tabellen vorliegen.
Über die empirische Ermittlung der Abmessungen verschiedener Gliedmaßen
und Körperteile hinaus befasst sich die Anthropometrie mit der Untersuchung der
Einflussfaktoren auf die Körpermaße, wie z.B. Alter, Geschlecht oder Bevölke-
rungsgruppe.
Die Körpergröße ist der wichtigste anthropometrische Parameter, von dem die
anderen Körpermaße – unter der Voraussetzung der gesetzmäßigen Proportionali-
tät – abgeleitet werden können. Für die Zwecke der ergonomischen Gestaltung hat
der Begriff Körpergröße zwei Bedeutungen: Entweder im Sinne der individuellen
Körpergröße, d.h. die Körpergröße eines konkreten Individuums oder im Sinne
einer statistischen Größe, die sich auf bestimmte Gruppen von Menschen bezieht
und deren Wert einer bestimmten Summenhäufigkeit bzw. der daraus geschätzten
Wahrscheinlichkeitsverteilung unterworfen ist. Beide Begriffe – die individuelle
und die statistische Körpergröße – sind streng voneinander zu unterscheiden.
Der arithmetische Mittelwert von Körpermaßen, besonders die Körpergröße
selbst, ist zeitlich und geographisch ein statistischer Parameter, der für die ergo-
nomische Raumgestaltung alleine kaum von Bedeutung ist. Gemeinsam mit der
Standardabweichung lässt sich aber die Wahrscheinlichkeitsverteilung eines Kör-
permaßes – unter der Annahme einer Normalverteilung – mathematisch präzise
und ergonomisch sinnvoll beschreiben.
Betrachtet man die Auftretenshäufigkeit einzelner Maße in der Bevölkerung, so
findet sich aufgrund der Vielzahl von Einflussfaktoren, die additiv wirken in etwa
eine Normalverteilung (Abb. 10.49).

Abb. 10.49: Körpergrößenverteilung von Männern (durchgezogene Linie: Stichprobe von


7144 Männern, gestrichelte Linie: gesamter Geburtsjahrgang, 356000 Männer; aus
JÜRGENS 1989)
Ergonomische Gestaltung 1031

Eine solche Verteilung wird für praktische Zwecke auch häufig als Verteilungs-
funktion angegeben, die sich auf die Summenhäufigkeit bezieht und aus der sich
leicht Körpergrößenklassen ableiten lassen (Abb. 10.50).
Die angesichts der Variationsbreite (siehe Abb. 10.50 und Tabelle 10.11: Das
Problem der „durchschnittlichen Gestalt“) scheinbar sinnvolle Entscheidung, den
sog. „mittleren Menschen“ als Bezugsmaß zu wählen, erweist sich in vielen Fällen
als ungeeignet.

Abb. 10.50: Summenhäufigkeit der Körperhöhe (einschließlich 30 mm für gebräuchliches


Schuhwerk) sowie damit verbundene Körpergrößen-Klassen für Frauen und Männer (nach
JENIK 1972, modifizierte Darstellung aus JENNER u. BERGER 1986)

Würde man bspw. die Höhe eines Stuhles nach der durchschnittlichen Unter-
schenkellänge einschließlich des Fußes bemessen, so könnte ungefähr die Hälfte
der Benutzer ihre Füße nicht mehr bequem auf den Boden aufsetzen. Daraus wird
deutlich, dass im Gestaltungsprozess weniger die mittleren Maße, als vielmehr die
Extremwerte – bei Innenmaßen die der „kleinsten“ Person, bei Außenmaßen die
der „größten“ Person – von entscheidender Bedeutung sind (siehe Kap. 10.1.3.3).
Da eine Orientierung am kleinsten und am größten Menschen im Sinne einer
allgemeingültigen Gestaltung zu unverhältnismäßigen Auslegungsanforderungen
führen würde, werden Körpergrößenklassen gebildet und entsprechende Vertei-
lungsbereiche ausgewählt.
Die Grenzen der Verteilungsbereiche werden üblicherweise bei 5% und 95%
festgelegt und als 5. Perzentil bzw. 95. Perzentil bezeichnet (siehe Abb. 10.50).
Innerhalb dieser Grenzen liegen somit 90% der Bevölkerung bzw. der jeweiligen
Bevölkerungsgruppe hinsichtlich des bezeichneten Bezugsmaßes. Wegen der
deutlichen Differenzen zwischen Frauen und Männern werden diese normalerwei-
se getrennt erfasst und als Grenzwerte die Maße einer Frau des 5. Perzentils und
die eines Mannes des 95. Perzentils herangezogen. Damit sind ungefähr 95% der
Bevölkerung berücksichtigt sowie der überwiegende Teil der Population im Rah-
men eines technisch vertretbaren Maßintervalls.
1032 Arbeitswissenschaft

Bei der Festlegung von sicherheitsrelevanten Maßen reicht die Begrenzung


beim 5. bzw. 95. Perzentil jedoch nicht aus, da sonst die Wirksamkeit einer
Schutzmaßnahme für 5% der Bevölkerung nicht gewährleistet wäre. Hierfür ist
das 1. bzw. das 99. Perzentil vorzuziehen. Für die Bevölkerung Deutschlands sind
die wichtigsten Maße in der DIN 33 402 zusammenfasst (Abb. 10.51, Tabelle
10.10).
Die Anwendung von Tabellenwerten der Körpermaße muss jedoch mit großer
Vorsicht erfolgen:
Im Laufe der Zeit ist, insbesondere in den Industrieländern, eine allgemeine
Zunahme der Körpermaße zu verzeichnen. Diese als Akzeleration bezeichnete
Erscheinung wird vor allem auf die Verbesserung der Lebensumstände (Hygiene,
Ernährung, Arbeitsbedingungen) zurückgeführt und beträgt im Rückblick des
letzten Jahrhunderts durchschnittlich etwa 1 mm pro Jahr (Abb. 10.52).
Eine Extrapolation zur Angleichung älterer Tabellen oder zur Abschätzung zu-
künftiger Verhältnisse ist jedoch problematisch, da die Größenzunahme nicht
kontinuierlich erfolgt und keine zuverlässige Prognose über ein mögliches Ende
der Akzeleration vorliegt. Anwender sollten daher immer möglichst aktuelle Ta-
bellen benutzen. Wegen des Aufwands zur Erstellung solcher Tabellen sind die
Möglichkeiten jedoch begrenzt.

Abb. 10.51: Körpermaße nach DIN 33402-2 (in mm; Auszug, Mittelwerte der deutschen
Bevölkerung von 18 bis 65 Jahren)
Ergonomische Gestaltung 1033

Tabelle 10.10: Tabellarische Körpermaße nach DIN 33 402, Teil 2 (in mm; Auszug, Mit-
telwerte der deutschen Bevölkerung von 18 bis 65 Jahren)

Nr. Maßbezeich- Perzentilmaße Gestaltungsprinzipien

nung 5. 50. 95.

3 Körperhöhe F 1 535 1 625 1 720 Türöffnung


M 1 650 1 750 1 855
4 Augenhöhe F 1 430 1 515 1 605 Verkaufsregale
M 1 530 1 630 1 735
5 Schulterhöhe F 1 260 1 345 1 425
M 1 345 1 450 1 550
11 Schulterbreite F 395 435 485 Seitlicher Abstand von
(bideltoid) M 440 480 525 Kinositzen

19 Höhe der Hand F 670 715 760 Koffer und Taschen


(Griffachse) M 730 765 825
21 Reichweite F 625 690 750 Bedienteilausrichtung
nach vorne M 685 740 815
22 Körpersitzhöhe F 810 860 910 Dachhöhe Pkw
(Stammlänge) M 855 910 965
23 Augenhöhe F 705 755 805 Sichtbedingung im Hörsaal mit anstei-
(sitzend) M 740 795 855 genden Stuhlreihen

25 Ellenbogenhöhe F 185 230 275 Auflagenabstützungshöhe


über Sitzfläche M 210 240 285
27 Länge des F 375 415 450 Sitzbankhöhen
Unterschenkels M 410 450 490
29 Gesäß-Knie- F 435 485 530 Sitzbanktiefe
Helen-Länge M 450 495 540
30 Gesäß- F 545 590 640 Knieraum von Hörsaalsitzreihen
Knielänge M 565 610 655
33 Breite über die F 395 485 555 Schalthebelanordnung
Ellenbogen M 415 480 555
34 Hüftbreite F 360 390 460 Profilierter Fahrzeugsitz
(sitzend) M 350 375 420
1034 Arbeitswissenschaft

Der Einfluss des Alters muss ebenfalls berücksichtigt werden. Neben den spe-
ziellen Verhältnissen bei Kindern und Jugendlichen (für die spezielle Tabellen
heranzuziehen sind), nimmt beispielsweise die Körpergröße Erwachsener mit
zunehmendem Alter wieder ab. Dabei erhöht sich das Körpergewicht. Darüber
hinaus sind Proportionsänderungen zu beachten.

177

176

175
Körpergröße [cm]

174
8,4 cm
173 (4,9 %)
172

171

170

169

168
1880 1890 1900 1910 1920 1930 1939 1949 1961
Jahr

Abb. 10.52: Zunahme der Körperhöhe der Erwachsenen in Schweden im Verlauf von 80
Jahren (aus BRAUNFELS et al. 1973)

Neben der unterschiedlichen Körpergröße von Männern und Frauen sind weite-
re geschlechtsspezifische Unterschiede zu beachten, z.B. andere Körperproportio-
nen (Becken- und Schulterbreite, Lage der Körperfettdepots).
Die Körpermaße weisen schließlich ethnische bzw. regionale Unterschiede auf.
So sind z.B. Norddeutsche durchschnittlich 2 cm größer als Süddeutsche, inner-
halb des europäischen Kontinents sind die Schwankungen noch wesentlich größer.
Insbesondere bei der Arbeitsplatzgestaltung für ausländische Mitarbeiter und
bei international vertriebenen Produkten müssen daher weitergehende Daten her-
angezogen werden (z.B. internationaler anthropometrischer Datenatlas, JÜRGENS
et al. 1989). Da sowohl die Körperproportionen als auch die Verteilungsbreiten
unterschiedlich ausgeprägt sind, genügt es dabei nicht, eine vorhandene Tabelle
einfach im Verhältnis der unterschiedlichen Durchschnittsgrößen umzurechnen:
x Die Art der Kleidung (Winterbekleidung, Arbeitsschutzkleidung o.Ä.) und
des Schuhwerks muss mit entsprechenden Zuschlägen berücksichtigt wer-
den.
Ergonomische Gestaltung 1035

x Auch der Ermüdungsgrad hat einen Einfluss auf die wichtigsten Körperma-
ße. Wichtig ist besonders der Unterschied zwischen zusammengesackter
(ermüdeter) und aufrechter Sitzhaltung.
x Die gebräuchlichen Tabellen berücksichtigen nur ungenügend die Korrela-
tionen zwischen Körpermaßen, die wesentlich stärker schwanken können als
es die Körperhöhe erwarten lässt.
x Personen gleicher Körperhöhe können sehr unterschiedliche Proportionen
besitzen (Abb. 10.53).

Abb. 10.53: Unterschiedliche Rumpfproportionen bei gleicher Körperhöhe


(aus DIN 33 402-2)

DANIELS u. CHURCHILL (1953) versuchten hierzu z.B. zu ermitteln, wie viele


Menschen innerhalb eines Kollektivs von 4063 Männern als Flugpersonal in Be-
zug auf zehn verschiedene Körperabmessungen als anthropometrisch
,,durchschnittlich“ betrachtet werden können. Um sich die Aufgabe zu erleichtern,
haben die Autoren mit dem Begriff des ,,ungefähren Mittelwertes“ operiert, der
dem Bereich einer Abweichung von plus minus 15% vom arithmetischen Mittel-
wert entsprechen sollte. Von den untersuchten 4063 Männern entsprachen diesem
Bereich ,,ungefähr durchschnittlicher“ Körperhöhe nur noch 25,9% (siehe Tabelle
10.11), von diesen hatten dann den ,,ungefähr durchschnittlichen“ Brustumfang
nur noch 7,4% und von diesen entsprachen in der Armlänge nur noch 3,5% dem
Mittelwert. Für das zehnte Körpermaß blieb kein ,,ungefähr durchschnittlicher“
Mann übrig.
Die relative Vorkommenshäufigkeit in Stichproben ist gleichzeitig ein Schätz-
wert der Wahrscheinlichkeit des Vorkommens eines konkreten Körpermaßes in
der Population nach dem Maximum-Likelihood-Prinzip. Im diskutierten Beispiel
handelt es sich um eine zusammengesetzte Wahrscheinlichkeit, die schon beim
dritten Körpermaß unter der Annahme der statistischen Unabhängigkeit auf 0,33
= 2,7% sinkt und beim zehnten mit 0,310 (etwa 6·10-6) fast den Nullwert erreicht.
1036 Arbeitswissenschaft

Daraus ergibt sich, dass ein in allen Abmessungen ,,durchschnittlicher“ Mensch


kaum existieren kann, und dass es deshalb wenig zweckmäßig ist, sich zu bemü-
hen, für eine ,,durchschnittliche“ Gestalt einen Arbeitsplatz zu gestalten, da dieser
nur diese und keine andere Gestalt maßlich und gestalterisch befriedigen kann.
Tabelle 10.11: Das Problem der „durchschnittlichen Gestalt“ (DANIELS u.
CHURCHILL 1953)

Maß Anzahl davon berücksichtigtes Prozentwerte


Nr. Personen1 ‡2 Körpermaß tatsächlich theoretisch
1. 4063 1055 Körperhöhe 25,9 30
2. 1055 302 Schulterumfang 7,4 9
3. 302 143 Ärmellänge 3,5 2,7
4. 143 73 Hosenschritthöhe 1,8 0,8
5. 73 28 Brustumfang 0,69 0,243
6. 28 12 Hüftumfang 0,29 0,0729
7. 12 6 Halsumfang 0,14 0,02187
8. 6 3 Taillenumfang 0,07 0,00656
9. 3 2 Oberschenkelumfang 0,04 0,00197
10. 2 0 Hosenlänge 0,00 0,00590
1 Ausgangskollektiv: n = 4063 Männer
2 Durchschnitt (‡): entspricht dem Mittelwert mit einer beidseitigen Streuung von r15%

In diesem Zusammenhang besitzt eine Person mit der Körperhöhe des


5. Perzentils daher nicht zwangsläufig auch eine Armlänge entsprechend dem
5. Perzentil. Dies führt dazu, dass die einzelnen Messgrößen streng genommen
weder direkt miteinander verrechnet noch gemeinsam betrachtet werden dürfen.
Addiert man bspw. die Bein-, Rumpf- und Kopfhöhe der Werte des 95. Perzentils,
so ist die auf diese Weise berechnete Körperhöhe deutlich größer als die tatsächli-
che Körperhöhe des 95. Perzentils. Die Addition von Einzelmaßen zur Bildung
einer einzelnen Maßgröße ist jedoch dann zulässig, wenn sichergestellt ist, dass
die dabei unvermeidlichen Fehler zu einer Verschiebung in Richtung der jeweili-
gen Extreme führen und die daraus resultierenden größeren Verteilungsbereiche
konstruktiv tolerierbar sind. So dürfte beispielsweise die geschilderte Berechnung
der Körperhöhe aus den Einzelgliedmaßen zur Dimensionierung einer Türhöhe
herangezogen werden, da der Fehler zu einer gegenüber den tatsächlichen Erfor-
dernissen höheren Tür führt. Zur Betrachtung eines konkreten Falls bleiben also
jeweils die inneren Abhängigkeiten der verschiedenen Maßkombinationen zu
berücksichtigen, die einer sog. Korrelationsmatrix der Körpermaße entnommen
werden können. Eine hohe Korrelation (ȡ > 0,7) deutet dabei auf eine starke Ab-
hängigkeit der Maße voneinander hin (mit einem moderaten Fehler bei der Ver-
rechnung von Einzelmaßen), wohingegen eine kleine Korrelation (ȡ < 0,3) eine
weitgehende Unabhängigkeit anzeigt.
Obwohl die Körpermaße des Menschen nur eine individuelle Varianz im Ver-
gleich zur zusätzlichen intraindividuellen Varianz bei vielen weiteren Attributen
Ergonomische Gestaltung 1037

aufweisen, kann die anthropometrische Gestaltung aus den genannten Gründen


nicht als einfache Aufgabe bezeichnet werden.
Ergonomisch richtig gestaltete Arbeitsplätze müssen deshalb an einen vorgege-
benen Körpergrößenbereich angepasst werden und nicht an einen hypotetischen,
in Wirklichkeit nicht existierenden „durchschnittlichen“ Menschen. Wenn keine
Gründe für die Wahl eines besonderen Körpergrößenbereiches vorliegen, sind
folgende Bereiche von Körpergrößen zu verwenden (ROHMERT 1994, vgl. hierzu
Tabelle 10.10):
x für Männer der Bereich von 1630 mm bis 1900 mm
x für Frauen der Bereich von 1500 mm bis 1760 mm
x für Männer und Frauen der Bereich von 1500 mm bis 1900 mm.
Die Körpergrößenangaben verstehen sich einschließlich gebräuchlichen
Schuhwerks von 30 mm Höhe.

10.1.3.2 FunktionsräumeĆ
Aufgrund der Komplexität der Zusammensetzung einer Bewegung aus mehreren
Einzelbewegungen und zur Berücksichtigung der von der Gelenkstellung abhän-
gigen (wirksamen) Gliedmaßenlänge – die menschlichen Gelenke besitzen keinen
festen Drehpunkt – werden für die Raumauslegung meist Funktionsräume ange-
wandt. Die wichtigsten Funktionsräume des menschlichen Körpers sind die Sicht-,
Greif- und Bewegungsräume. Die Funktionsräume werden grundsätzlich bestimmt
durch eine konkrete Tätigkeit mit ihren Randbedingungen sowie durch die anato-
mischen Gegebenheiten. Zum Beispiel ergibt sich die maximale Reichweite aus
der räumlichen Anordnung der Arbeitsfläche relativ zur Arbeitsperson, aus der für
die Ausführung der Tätigkeit erforderlichen Arm- bzw. Körperhaltung mit den
jeweiligen Bewegungsmöglichkeiten sowie aus den variablen Körpergrößen.
Daraus folgt, dass die in der Literatur zu findenden Angaben zu Funktionsräu-
men (z.B. Greifräume) in der Regel nur für eindeutig definierte Fälle gelten kön-
nen. Abb. 10.54 stellt die Überdeckung der Funktionsräume (optimaler Greifraum,
Beinraum und Sehraum) für Sitzen und Stehen für zwei Körperhöhen – 1500 mm
und 1900 mm – dar. Es ist erkennbar, dass für Sitzen eine ausreichende Überde-
ckung der Funktionsräume vorliegt. Durch aufgabengerechte Anordnung von
Arbeitsmitteln bzw. Arbeitsgegenständen innerhalb der gemeinsamen Bereiche
können günstige räumliche Verhältnisse für alle Arbeitspersonen geschaffen wer-
den. Hier müssen in der Höhe sowohl die Fußstütze als auch die Sitzfläche ver-
stellbar sein.
Für einen Steh-Arbeitsplatz kann man eine Überdeckung der Sichträume und
der Manipulationsräume mit Hilfe einer verstellbaren Fußstütze erreichen.
In der Abb. 10.55 wird beispielhaft für allgemeine Angaben ein Horizontal-
schnitt durch einen Greifraum nach VDI Handbuch (Arbeitsgestaltung und Ar-
beitsorganisation, VDI HANDBUCH 1980) wiedergegeben. Die einzelnen Flächen
des Greifraumes werden im gegebenen Falle ansatzweise nach funktionalen Ge-
sichtspunkten bewertet. Die Arbeitsfläche bzw. Schnittebene des Greifraumes
1038 Arbeitswissenschaft

entspricht derjenigen der Arbeitsfläche. Diese wurde mit etwa 80 cm Höhe im


Sitzen – d.h. etwa in der Ellenbogenhöhe – angenommen. Diese Abbildung nimmt
besonderen Bezug auf die Anordnung von Stellteilen.

Abb. 10.54: Funktionsräume (optimaler Greifraum, Beinraum und Sehraum) für Sitzen und
Stehen für zwei Körperhöhen: 1500 mm und 1900 mm (ROHMERT 1994)

Abb. 10.55: Horizontalschnitt durch den Greif- und Sehraum nach VDI Handbuch (1980)
(gilt für Stehen und Sitzen)

Ein weiterer Faktor ist die maximale Reichhöhe. Diese unterscheidet sich von
den Angaben des Greifraumes dadurch, dass in der Regel ein Gegenstand von
Ergonomische Gestaltung 1039

einer höher gelegenen Ablagefläche zu ergreifen ist. Als konservatives Kriterium


– freier Stand und aufgelegte Hand – kann für die maximale Reichhöhe das
1,25-fache der Körperhöhe angesetzt werden. Beim Transport von Gegenständen
mit relevantem Eigengewicht oder häufiger bzw. länger andauernder Tätigkeits-
ausübung sind die so ermittelten Werte jedoch – unter Umständen erheblich –
herabzusetzen.
Bei der Handhabung von Gegenständen sowie von Handwerkzeugen ist beson-
deres Augenmerk auf die Bewegungsmöglichkeiten des Handgelenks zu legen
(Abb. 10.56). Die jeweils „optimale“ Handgelenkstellung hängt in hohem Maße
von den aufzubringenden bzw. einwirkenden Kräften und Kraftrichtungen ab. Im
Normalfall sollten die in Abb. 10.56 angegebenen Bereiche nicht überschritten
werden. Ohne Einwirkung einer nennenswerten Kraft ist eine entspannte Haltung
im Bereich der Nulllage möglich. Normalerweise wirkt jedoch zumindest die
Schwerkraft ein, so dass im Zusammenhang mit der elastischen Wirkung der
Muskeln, Sehnen und Bänder eine – lageabhängig – davon abweichende Haltung
zu bevorzugen ist.

Abb. 10.56: Bewegungsbereiche des Hand-Arm-Gelenks (HEEG et al. 1989)

In DIN 33414-1 werden geometrische Parameter des Sehraumes definiert. Im


Einzelnen sind dies
x Sehachsen und
x Sehbereiche (Gesichts-, Blick-, und Umblickfeld mit ihren Kombinationen
und Maximal- sowie Optimalbereichen).
1040 Arbeitswissenschaft

Da nahezu jede Tätigkeitsausführung mit der visuellen Kontrolle des Tätig-


keitsablaufes verbunden ist, müssen neben der Gewährleistung der Sichtmöglich-
keit weiterhin die Kopfhaltung und die Augenlage berücksichtigt werden. Hierbei
ist zu beachten, dass die kopfbezogene Sehachse (bei entspannter Mittellage der
Augen) um 15-30° unterhalb der horizontalen Kopfachse liegt und eine entspannte
Kopfhaltung bei einer Kopfneigung (nach vorne) von 0-15° im Stehen und von ca.
25° im Sitzen eingenommen werden kann (Abb. 10.57).

Abb. 10.57: Bequeme Blicklinien für stehende und sitzende Haltungen (HETTINGER u.
WOBBE 1993)

Die mittlere Sehachse ist somit um 15-40° gegenüber der Horizontalen nach
unten geneigt. Wegen der großen Flexibilität des Menschen in Bezug auf den
Kopf- und Augenbewegungsbereich kann die Durchführbarkeit einer Tätigkeit
zwar häufig auch bei deutlicher Abweichung davon gewährleistet werden, dies
führt jedoch zu unter Umständen erheblichen zusätzlichen Beanspruchungen der
Muskulatur. Insbesondere bei lang andauernder Tätigkeitsausübung in solch un-
günstiger Körperposition (z.B. bei Arbeiten am PC) sind dann Verspannungser-
scheinungen der Nacken- und Schultermuskulatur sowie Ermüdungsphänomene
die Folge.
Für die praktische Anwendung können ausgewählte Angaben der DIN 33414-1
benutzt werden. Diese sind in Abb. 10.58 zusammengefasst (siehe. LANDAU u.
STÜBLER 1992).
Ergonomische Gestaltung 1041

Abb. 10.58: Ausgewählte geometrische Parameter des Sehraumes mit ihren Werten nach
DIN 33 414-1 (LANDAU u. STÜBLER 1992)

Nach Abb. 10.58 beschreibt das Gesichtsfeld die Eigenschaft des Auges, defi-
nierte Hellreize bis zu einem bestimmten Abweichungswinkel von der Sehachse
wahrzunehmen. Sowohl horizontal als auch vertikal ist jeweils in einem Bereich
von ca. ± 15° von der Sehachse das optimale Gesichtsfeld definiert, in dem auch
die Unterscheidung von unterschiedlichen Farben der Hellreize gesichert ist. Die
maximalen Winkelangaben für unterschiedliche Farbengesichtsfelder sowie für
Hellreize sind in der DIN-Norm enthalten, für die Arbeitsgestaltung sind diese
Angaben nur in spezifischen Fällen – z.B. für die informatorische Gestaltung von
Anzeigen – von Bedeutung.
Das Umblickfeld (siehe Abb. 10.58) umfasst die Gesamtheit aller Raumpunkte
in der horizontalen und vertikalen Ebene, die (bei ruhendem Körper) durch Kopf-
1042 Arbeitswissenschaft

und Augenbewegungen fixiert werden können. Eine Erweiterung des


Umblickfeldes zum Umblick-Gesichtsfeld ergibt sich, wenn die Fixierpunkte des
Umblickfeldes als jeweilige Zentren des Gesichtsfeldes verwendet werden.
Der schematische Ablauf zu räumlicher Gestaltung von Arbeitsplätzen ist in
der Abb. 10.59 dargestellt.
Die aufgabenbedingten Anforderungen bestimmen die Sichtgeometrie, analo-
ges gilt für die Arm- bzw. Körperhaltung sowie die Greifräume. Die erforderliche
Überschneidung der Seh- und Greifräume führt auch zu aufgabenspezifischen
Haltungen bzw. Gestaltungskompromissen.

Abb. 10.59: Schematischer Ablauf räumlicher Gestaltung von Arbeitsplätzen


Ergonomische Gestaltung 1043

Für die Gesamtanordnung des Arbeitsplatzes erforderliche Stützflächen und ih-


re Verstellbarkeit ergeben sich aus den funktionellen und anatomischen / physio-
logischen Anforderungen. Sie sind nicht ohne weiteres allgemein übertragbar.
Die räumliche Gestaltung orientiert sich an einer Gruppe von Arbeitspersonen
mit definiertem Körpergrößenbereich (in gegebenem Falle Frauen).
Die „auf dem Reißbrett“ entstandenen Entwürfe sind anhand von Arbeitsplatz-
prototypen unter praxisnahen Bedingungen zu überprüfen. Die räumlichen Gestal-
tungsmethoden sind ihrer Natur nach relativ ungenau und statisch, im „Mikro-
Bereich“ (z.B. Abstützung und Bewegungen der Finger und Hände) daher nur sehr
begrenzt einsetzbar, die Gestaltungsforderungen anderer Gestaltungsbereiche (z.B.
Bewegungsgestaltung, physiologische Gestaltung) sind häufig nur anhand von
Prototypen abzustimmen.
Die sinnvolle Nutzung der Anpassungsmöglichkeiten des Arbeitsplatzes als Er-
gebnis eines adäquaten Gestaltungsprozesses erfordert eine entsprechende Einwei-
sung der Arbeitspersonen.
Anhand der dargestellten Vorgehensweise sind für den gesamten zugrunde ge-
legten Körpergrößenbereich die erforderlichen räumlichen Gestaltungs-
maßnahmen ableitbar.

10.1.3.3 AnthropometrischeĆArbeitsplatzgestaltungĆ
Ein häufiges Problem bei der konstruktiven Festlegung von Abmessungen ist die
Wahl des jeweils angemessenen Grenzwertes. So ist zum Beispiel die Bemessung
der Stuhlbreite anhand des 95. Perzentils vorzunehmen, die der Stuhlhöhe jedoch
anhand des 5. Perzentils. In vielen Fällen sind die Verhältnisse jedoch nicht so
offenkundig wie im aufgeführten Beispiel, so dass auf diese Problematik eine be-
sondere Aufmerksamkeit zu richten ist.
Der häufig gemachte Fehler, bei der Gestaltung eines Arbeitsplatzes vom mitt-
leren Menschen auszugehen, erweist sich bei genauerer Überlegung als fatal: wäre
die Höhe eines Türdurchgangs nach dem 50. Perzentilmaß der Körperhöhe konzi-
piert, so hätte das zur Folge, dass sich 50% der Passanten recht heftig an dieser
Tür den Kopf anschlagen würden. Dies ist natürlich keinesfalls akzeptabel. Hier
wäre ein Entwurf angebracht, der sich an den größten Personen einer Benutzer-
gruppe orientiert. Wäre hingegen ein Regalbrett in einer öffentlichen Bibliothek
anzubringen, auf dem Bücher stehen sollen, so wäre es ebenfalls verhängnisvoll,
wenn man sich am 50. Perzentil oder gar an der größten Person eines Benutzer-
kreises orientieren würde. Dort abgestellte Bücher könnten dann nur noch von den
großen Menschen problemlos gelesen werden.
In Bezug auf die anthropometrische Gestaltung sind zwischen inneren und äu-
ßeren Maßen des Arbeitsplatzes zu unterscheiden: Als Innenmaße werden die
Abmessungen bezeichnet, die mindestens notwendig sind, um auch den größten
Personen ein ungehindertes Arbeiten zu ermöglichen (z.B. Kniefreiheit zwischen
Tisch und Stuhl, siehe Abb. 10.60). Als äußere Maße bezeichnet man Abmessun-
gen, die eingehalten werden müssen, um auch den kleinsten zu berücksichtigenden
1044 Arbeitswissenschaft

Personen ein ungehindertes Arbeiten zu ermöglichen (z.B. Abstand zu Griffen,


Werkzeugen, Vorratsbehältern).
Bei der Gestaltung der Arbeitsplätze wird deutlich, dass ein Einhalten aller
Forderungen, insbesondere im Hinblick auf die Bequemlichkeit der Körperhal-
tung, nur sehr selten ohne die individuelle Anpassung einzelner Arbeitsplatzele-
mente (z.B. verstellbare Stühle und Tische, Fußpodeste) möglich ist. Da die voll-
ständige Realisierung solcher Verhältnisse in der Praxis auf große Schwierigkeiten
stößt, wurden Kompromisslösungen für eine Vielzahl verbreiteter Fragestellungen
erarbeitet, auf die zunächst zurückgegriffen werden kann (z.B. SCHMIDTKE 1993).
So ergibt sich für die Anthropometrie die einfache Gestaltungsregel (Abb.
10.60):
x Innere Maße orientieren sich an der größten Person
x Äußere Maße orientieren sich an der kleinsten Person.

Abb. 10.60: Vereinfache Darstellung der falschen (oben, für eine durchschnittliche Gestalt)
und richtigen (unten, für die größte und kleinste Gestalt) Ableitung der inneren und äußeren
Abmessungen eines Arbeitsplatzes (ROHMERT 1992; nachgezeichnet SCHAUB, 1988)
Ergonomische Gestaltung 1045

Nun stellt sich aber die Frage, was unter der kleinsten bzw. größten Person ei-
nes Benutzerkreises zu verstehen ist. Aus technischen Gründen ist es sicher nicht
sinnvoll, die gesamte – in der Bevölkerung auftretende – Varianz zu berücksichti-
gen. Wollte der Konstrukteur nahezu 100% der Bevölkerung bei seiner Konstruk-
tion beachten, so wäre für die Körperhöhe eine Differenz von 80 cm (210-130 cm)
in Ansatz zu bringen. Eine Reduzierung der Bevölkerung auf das 1. bis 99. Per-
zentil würde die Variationsbreite bereits auf etwa 40 cm einschränken, eine Be-
grenzung auf das 5. bis 95. Perzentil gar auf etwa 30 cm. Nun hängt die Eingren-
zung der Personengruppe sicherlich von der jeweiligen Anwendung der Konstruk-
tion ab.
Angesichts der großen Anzahl der in der Praxis vorkommenden Aufgaben für
die räumliche Gestaltung wird im Folgenden an einem Beispiel die Bedeutung der
Funktionsräume und ihr Zusammenhang bei der Lösung von Gestaltungsaufgaben
verdeutlicht.
Aus der nachfolgenden Abbildung (Abb. 10.61) geht eine vereinfachte,
schrittweise Entwicklung eines idealisierten Näharbeitsplatzes hervor (siehe
LANDAU u. STÜBLER 1992):
(1) In der Seitenansicht der Nähmaschine wird der Verlauf der Blicklinien in der
Körper-Symmetrieebene ermittelt (Abb. 10.61). Im gegebenen Fall wird eine
erforderliche Entfernung von ca. 350 mm und ein Einfallwinkel der Blickli-
nie zur Horizontalen von ca. 45 Grad angenommen. Daraus ergibt sich in der
Seitenansicht die räumliche Zuordnung des Augenpunktes (AP) relativ zum
Arbeitsobjekt (Nadel), der hier gleichzeitig auch den Mittelpunkt des manu-
ellen Arbeitsbereiches darstellt.
(2) Im zweiten Gestaltungsschritt wird unter Zugrundelegung einer aufrechten,
sitzenden Körperhaltung (Bezugspunkte: Augenpunkt und Nadel) und einer
horizontalen Tischfläche die Grundanordnung des Arbeitsplatzes für die
Körpergröße von 1500 mm (kleine Frau) abgeleitet.
(3) Als zu berücksichtigender Körpergrößenbereich wird im gegebenen Fall der
Körpergrößenbereich der Frauen von 1500 - 1760 mm angenommen und der
Gestaltungsschritt 2 analog für die Körpergröße von 1760 mm nachvollzo-
gen. Die Annahme ist, dass für beide extreme Körpergrößen die Fußboden-
ebene als gemeinsame Bezugsebene gewählt wurde.
(4) Ausgehend aus der resultierenden Armhaltung (unter Annahme einer Arm-
abstützung auf dem Arbeitstisch im Ellbogenbereich) können die Bewe-
gungslinien auf dem Arbeitstisch konstruiert werden, die sich aus der Rotati-
on der Unterarme ergeben (siehe Abb. 10.62 Linie RU in der Draufsicht).
Darüber hinaus können auch die Grenzen der maximalen Greifräume bei
ausgestreckten Armen abgeleitet werden (siehe Linie AA in der Draufsicht).
(5) Die erforderlichen Arbeits- bzw. Stützflächen mit ihren Verstellbereichen
gehen aus den Abbildungen hervor. Das Ergebnis ist ein höhenverstellbarer
Arbeitstisch.
1046 Arbeitswissenschaft

Abb. 10.61: Körpergrößenbereiche für eine kleine und eine große Frau (LANDAU u.
STÜBLER 1992)

Abb. 10.62: Draufsicht eines mit Greifräumen idealisierten Näharbeitsplatzes (LANDAU


u. STÜBLER 1992)

Bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen kann man zusammenfassend sagen, dass
anhand eines skizzenhaften Layouts zunächst die Positionen und Greif- bzw.
Funktionsräume für die kleinste und für die größte zu berücksichtigende Person
bestimmt werden. Dabei erhält man Bereiche, die von beiden Personen erreicht
werden können. Streng genommen dürften Arbeitsmittel, Stellteile etc. nur in
diesem sog. Überdeckungsbereich platziert werden. Es ist zu beachten, dass zu-
nächst rein geometrische Bereiche erarbeitet werden und diese noch keine endgül-
tige Aussage über die Bequemlichkeit erlauben. Deshalb sind diese Bereiche je-
weils anhand der konkreten Tätigkeit kritisch zu überprüfen.
Ergonomische Gestaltung 1047

10.1.3.3.1 Verstellbarkeit der Arbeitsplatzelemente


Um die maßlichen Unterschiede zwischen den individuellen Körpermaßen und der
räumlichen Anordnung der Stellteile und Anzeigegeräte auszugleichen bzw. um
den Arbeitsplatz den individuellen anthropometrischen Anforderungen anzupas-
sen, muss eine Verstellbarkeit der Arbeitsplatzelemente vorgesehen werden. Als
,,Arbeitsplatzelemente“ gelten alle konstruktiven Teile des Arbeitsplatzes, beson-
ders die einzelnen Stützflächen des Körpers (Podeste beim Arbeitssitz, die Sitzflä-
che, Rückenlehne, Armlehne, Kopflehne, Fußstütze), ferner aber auch Kontakttei-
le der Stellteile (Handgriffe, Tretflächen) und andere Teile, die den gleichen Ef-
fekt der ,,Anpassung“ erzielen sollen, wie z.B. die Verstellbarkeit der Lenksäule in
der Neigung und Länge. Erst auf diese Weise, d.h. durch Anwendung verschiede-
ner Nachstellbarkeit, kann der Arbeitsplatz individuell anpassbar werden. Zu ei-
nem „Arbeitsplatz nach Maß“ kann der verstellbar konstruierte Arbeitslatz aller-
dings erst dann werden, wenn er individuell ausprobiert wird. Der bestkonstruierte
Arbeitsplatz bringt kaum Nutzen, wenn er nicht richtig verwendet und individuell
eingestellt wird. Aus diesen Tatsachen folgen besondere Anforderungen an die
Ausführung und Anwendung der ,,Verstellbarkeit“, die häufig auch dann, wenn
sie gegeben ist, in der Praxis nicht in jedem Fall auch richtig genutzt wird.
Die elf wichtigsten Regeln für die Verstellbarkeit der Arbeitsplatzelemente
können folgendermaßen formuliert werden:
(1) Der Benutzer soll über Sinn und Vorteil der Verstellbarkeit informiert wer-
den. Genügend instruktives Material (Abbildungen, Anleitung) muss zur
Verfügung stehen.
(2) Die Anwendung der verstellbaren Elemente soll vorgeführt und geübt wer-
den.
(3) So wie die oder der ,,Neue“ in seiner Arbeit eingewiesen werden soll, so
sollen an sie oder ihn auch die verstellbaren Elemente angepasst werden. Da-
zu muss in Ruhe und sorgfältig getestet und die für ihn optimale Einstellung
gefunden werden.
(4) Die individuell gefundenen Einstellwerte sollten normiert, markiert und
bezeichnet werden, damit die Arbeitsperson diese persönlichen Werte nicht
vergisst und damit der Schichtarbeiter nicht jeden Tag von neuem seine Ein-
stellung mühsam ausprobieren muss, sondern gleich seine Marken einstellen
kann.
(5) Die Verstellbereiche müssen aus einer gründlichen somatografischen Studie
der in Frage kommenden Gruppe von Arbeitspersonen abgeleitet werden.
(6) Die Verstellbarkeit muss konstruktiv einfach, absolut zuverlässig und funkti-
onell sein.
(7) Die Verstellung selbst darf keinen größeren Kraftaufwand verlangen.
(8) Das Lösen und Anziehen der Verstellorgane muss einfach durchführbar sein,
am besten ohne Schraubenschlüssel, direkt von der Hand mittels Flügelmut-
ter, Sternhandgriff oder geriffelten Handrädchen. Alle derartigen Verstelltei-
1048 Arbeitswissenschaft

le müssen genügend groß sein, um unzulässige Pressungen an der Handflä-


che zu vermeiden.
(9) Die Stellteile müssen in allen Stellungen bequem und leicht zugänglich und
erfassbar sein (an Arbeitssitzen in sitzender Haltung). Genügend freier Raum
in ihrer Nähe ist vorzusehen, um Verletzungen von Handknöcheln beim An-
fassen oder beim Bewegungsablauf zu vermeiden.
(10) Genügend große Passflächen sind zu wählen (Durchmesser, Gewinde mög-
lichst in Trapezform), um vorzeitigen Verschleiß und Verklemmungen zu
vermeiden.
(11) Im ganzen Bereich der Verstellungen sind Skalen oder Markierungen anzu-
bringen und der bewegliche Teil ist mit einem einfachen Zeiger zu versehen,
der deutlich die eingestellte Lage erkennen lässt.
Die sinnvolle Umsetzung der Verstellmöglichkeiten bedingt eine Bewertung
der möglichen Körperhaltungen nach objektiven Kriterien.
Die geometrischen Auslegungen der hier behandelten Körperunterstützungen
müssen systematisch in eine Beziehung gebracht werden. Besondere Bedeutung
hat das bei Arbeitsplätzen, an denen ein Wechsel zwischen Sitzen und Stehen
möglich sein soll, so genannten Steh-Sitz-Arbeitsplätzen. Gängige Fachmeinung
ist, einen häufigen Wechsel zwischen Stehen und Sitzen zu ermöglichen, weil
auch durch Gewöhnung keine Anpassung des Menschen an dauerndes Stehen oder
ungünstiges Sitzen möglich ist (STRÖDER 1991). Das praktische Problem bei Sitz-
Steh-Arbeitsplätzen ist jedoch die Interdependenz zwischen Körpergröße, Arbeits-
flächenhöhe und Arbeitssitzhöhe (STRÖDER, 1991). Dieses Trilemma ist nur lös-
bar, wenn die Arbeitsflächenhöhe für das Stehen ausgelegt wird und beim Sitzen
die Arbeitssitzfläche in eine relativ hohe Sitzposition zu bringen ist (siehe DIN
68877). Deshalb ist neben dem Arbeitssitz auch die Arbeitsfläche zu betrachten.
Weiterhin sind Entlastungsmöglichkeiten beim Stehen, Unterstützungen für die
Füße, ggf. auch für die Arme und Hände zu berücksichtigen (siehe. Abb. 10.63).

Körperunterstützung

Rücken, Gesäß,
Arme, Hände Füße
Oberschenkel

beim Sitzen beim Stehen

Konsolsitze starre Stehhilfe Arbeitsflächen Fußstützen


pendelnd
Arbeitssitze Arm- und Handstützen
gelagerte Stehhilfe
Kniesitze

Abb. 10.63: Übersicht zu den Körperunterstützungen (nach ROHMERT 1983b)


Ergonomische Gestaltung 1049

In den folgenden Abschnitten wird kurz erläutert, mit welchen Ausstattungs-


mitteln Körperunterstützungen zu erreichen sind.
10.1.3.3.2 Arbeitssitze
Sitzwinkel und Sitzstellung
Bei sitzender Körperhaltung werden in der Literatur überwiegend drei Sitzgrund-
stellungen unterschieden:
(1) nach vorn gebeugter Oberkörper (Schreibhaltung)
(2) senkrecht aufrechter Oberkörper
(3) nach hinten angelehnter Oberkörper.
Je nach Sitzstellung entstehen andersartige Belastungen:
x Bei entspannter, leicht nach vorn gebeugter Rumpfstellung wird die Rü-
ckenmuskulatur am geringsten belastet; der Bandscheibeninnendruck wird
bei der dabei entstehenden Kyphosetendenz erhöht (siehe Abb. 10.64).
x Bei aufrechter Rumpfstellung wird die Rückenmuskulatur höher belastet; der
Bandscheibeninnendruck wird dabei reduziert.

0,5
Normalisierter Bandschheibeninnendruck

30

EMG-Aktivität der Rücckenmuskulatur


Bandscheibeninnendruck
0,3 EMG-Aktivität der Rückenmuskulatur
beim L3/L4 [Mpa]

beim Th8 [ȝV]


0,1 20
0
-0,1
10
-0,3

-0,5
0 0

Abb. 10.64: Einfluss des Sitzwinkels auf den Bandscheibeninnendruck (gerasterte Säulen)
und die EMG- Aktivität der Rückenmuskulatur (ungerasterte Säulen), nach NACHEMSON
u. ELFSTRÖM (1970) und ANDERSON u. ÖRTENGREN (1974)

Die meisten Menschen entscheiden sich bei diesem Dilemma für eine mög-
lichst häufige Einnahme der erstgenannten Sitzstellung, weil die
Muskulaturbelastung schnell als unangenehm empfunden wird. Band-
scheibenbelastungen werden dagegen häufig erst dann als unangenehm registriert,
wenn es bereits zu Schädigungen gekommen ist. Für die Gestaltung und Auswahl
von Sitzen ist es deshalb wichtig, dass ein dynamisches Sitzen möglich ist, d.h. ein
häufiger Wechsel zwischen verschiedenen Sitzstellungen.
1050 Arbeitswissenschaft

In Studien von NACHEMSON u. ELFSTRÖM (1970) sowie ANDERSON u.


ÖRTENGREN (1974) wurden nicht nur die Auswirkung verschiedener Körperhal-
tungen, sondern auch von verschiedenen Sitzstellungen auf den Bandscheibenin-
nendruck untersucht. Abb. 10.64 ist zu entnehmen, welchen Einfluss der Sitzwin-
kel (Winkel zwischen Rückenlehne und Sitzfläche) hat: Erstens auf den Band-
scheibeninnendruck beim 3./4. Lendenwirbel und zweitens auf die elektrische
Aktivität der Rückenmuskulatur in Höhe des 8. Brustwirbels.
Der Bandscheibeninnendruck ist in den schwedischen Veröffentlichungen in
MPa angegeben (1 MPa § 102 N/cm2). Der Referenzdruck von 0 wurde bei einem
Sitzwinkel von 90° ermittelt und entspricht etwa 0,5 MPa bzw. 51 N/cm2.
Abb. 10.65 zeigt den Einfluss verschiedener Rumpfstellungen und Armhaltun-
gen auf den Bandscheibeninnendruck.

0,2
Normalisierter Bandschheibeninnendruck

0,1
beim L3/L4 [Mpa]

-0,1

Maschinen-
Rücken entspannt Schreibhaltung hängende Arne Gewicht halten
schreiben

Abb. 10.65: Einfluss der Rumpfstellung und Armhaltung auf den Bandscheibeninnendruck,
nach NACHEMSON u. ELFSTRÖM (1970) und ANDERSON u. ÖRTENGREN (1974)

Aus beiden Abbildungen ist zu schließen, dass


x durch Anlehnen des Rumpfes unter stumpfem Sitzwinkel an eine Rücken-
lehne die Bandscheiben um einen Teil des Oberkörper-Lastengewichts ent-
lastet werden und
x mit stumpfer werdendem Sitzwinkel und Nutzung einer Rückenlehne die Be-
lastung der Rückenmuskulatur abnimmt.
Deshalb kommt es bei sitzender Arbeitsweise darauf an, dass die konstruktive
Auslegung des Arbeitssitzes eine nutzeradäquate Verwendung überhaupt zulässt
und der Arbeitssitz seiner technischen Möglichkeit entsprechend zweckmäßig
genutzt wird.
Ergonomische Gestaltung 1051

10.1.3.3.3 Ausstattungselemente von Arbeitssitzen


Sitzfläche
Durch zweckmäßige Gestaltung der Sitzflächenform soll der Druck auf das Kör-
pergewebe möglichst gering gehalten werden.
Die beiden wichtigsten Maße der Sitzfläche sind Sitztiefe und Sitzbreite. Die
quantitativen und qualitativen Angaben sind in DIN 1335-2 enthalten. Auch die
Massenverteilung der Hinterbacken ist zur Minimierung der Flächenpressung zu
berücksichtigen, was aus Sitzreliefstudien abzuleiten ist.
Rückenlehne
Bei vorderer Sitzstellung sind Rückenstützen nicht erforderlich. Bei hinterer Sitz-
stellung und in Ruhepausen, wenn der Rumpf zur Entspannung nach hinten ge-
lehnt wird, dienen sie dazu, Kyphose und Beckenrückdrehung zu begrenzen und
die Muskulatur zu entlasten. Für die Massenverteilung sind wiederum
Lendenlordosenstützen empfohlen, um den Komfort zu steigern.
Einige Stuhlmodelle verfügen über ergonomisch geformte Zonen auf der Rü-
ckenlehne, die mit unterschiedlichen Polsterhärten die Rückenmuskulatur stimu-
lieren sollen. Auf dem Markt gibt es bspw. auch zweigeteilte Rückenlehnen, die
sich durch Höhen- und Breiteneinstellung flexibel an den Benutzer oder die Be-
nutzerin anpassen (siehe auch WITTIG-GOETZ 2004).
Die vier wichtigsten Maße der Rückenlehne sind:
(1) Rückenlehnenhöhe (DIN 1335-2: Abstand zwischen Ober- und Unterkante der
Lehne, in der Mitte der Breite)
(2) Rückenlehnenbreite (DIN 1335-2: größter waagrechter Abstand zwischen den
Seitenkanten der Lehne)
(3) Höhe des Abstützpunktes über dem Sitz (DIN 1335-2: senkrechter Abstand
des Abstützpunktes der Rückenlehne von der Sitzfläche, gemessen am
Schnittpunkt von Drehachse und Sitzfläche, bei der von einer halbkugelför-
migen Gewichtslast von 600 N mit einem Durchmesser von 350 mm nieder-
gedrückten Polsterung ausgegangen wird)
(4) größte Ausladung der Rückenlehne (DIN 1335-2: horizontaler Abstand des
Abstützpunktes der Rückenlehne von der Drehachse des Stuhles).
Das Kippsicherheitsmaß (Abstand des Abstützpunktes der Rückenseite von der
Drehachse des Stuhls) ist zu beachten, um beim Verlagern des Körperschwer-
punktes nach hinten die Standsicherheit des Arbeitssitzes nicht zu gefährden.
Armauflagen
Armauflagen sollen eine zusätzliche Stützhilfe beim Sitzen sein, indem sie Schul-
ter- und Oberarmmuskulatur von statischer Haltungsarbeit entlasten. Sie sollen die
Bewegungsfreiheit der Arme und Hände nicht beeinträchtigen und beim Auflegen
der Unterarme keine nennenswerte Flächenpressung bewirken. Die Armstützen
sind oft von Nutzen bei Tätigkeiten, die Genauigkeit und eine ruhige Hand oder
ungünstige Hand- und Armhaltungen erfordern (z.B. Montagearbeitsplätze, Büro-
1052 Arbeitswissenschaft

plätze). Je nach Anwendung und Arbeitsplatztyp werden sie überwiegend auf der
Arbeitsfläche (siehe Abb. 10.66) oder am Sitz (siehe Tabelle 10.12) angebracht.

Abb. 10.66: Armauflage an der Arbeitsfläche; Armauflagen am Sitz

Armauflagen werden oft eher als hinderlich empfunden, weil zu einem hohen
Zeitanteil in vorderer Sitzstellung gearbeitet wird oder sich mancher durch die
Armauflagen eingeengt fühlt. Die wichtigsten Maße bei den Armauflagen sind in
der DIN 1335-2 sowie BGI 650 enthalten.
Tabelle 10.12: Gestaltungsanforderungen für Armstützen am Arbeitsstuhl
(nach BGI 650)

Merkmale Qualitative / quantitative


Anforderungen
Länge der Armauflagen mindestens 200 mm

Breite der Armauflagen mindestens 40 mm

Höhe der Armauflagen über dem Sitz Fest; h=200 mm bis 250 mm
Verstellbar: ” 200 mm bis • 250 mm

Abstand der Armauflagen von der Vorderkante mindestens 100 mm


der Sitzfläche

Lichte Weite zwischen den Arm-auflagen 460 mm bis 510 mm

Stellteile des Arbeitsstuhls


Die Stellteile bei Arbeitsstühlen dienen der individuellen Einstellung von:
(1) Sitzhöhe
(2) Sitzflächenneigung
(3) Rückenstützenhöhe und -tiefe
(4) Lendenbauschhöhe
(5) Synchronmechanismus.
Ergonomische Gestaltung 1053

Die Stellteile sollen einfach, leicht, ohne Verletzungsgefahr, sinnfällig und im


Sitzen zu handhaben sein. Sie sollten stufenlos verstellbar sein, um den Arbeitssitz
genau an die individuellen Bedürfnisse der Benutzer anpassen zu können.
Untergestell
Das Untergestell muss zwei Anforderungen erfüllen:
(1) Standsicherheit des Arbeitssitzes (kein Kippen oder Wegrollen) gewährleis-
ten
(2) Wechsel des Standortes ermöglichen.
Dabei sind vier konstruktive Elemente näher zu betrachten: Rollen und Gleiter,
Fußkreuz, Stuhlsäule sowie Fußstütze.
Die meisten heute angebotenen Arbeitssitze lassen wahlweise die Verwendung
von Gleitern, z.B. wenn der Sitz gegen Verschieben zu sichern ist, oder Rollen zu.
Das Fußkreuz soll so weit ausgelegt sein, dass ein Kippen vermieden wird, ohne
durch eine zu weite Auslage zu einer erheblichen Stolpergefahr zu führen (siehe
DIN 1335-2).
Je nach Höhe der Arbeitsfläche ist es notwendig, anstelle des Fußbodens als Er-
satz-Unterstützungsfläche eine Fußstütze zu benutzen. Am zweckmäßigsten sind
am Arbeitstisch angebrachte, verstellbare Fußstützen. Lässt sich das nicht ver-
wirklichen, ist eine am Arbeitssitz befestigte, horizontal, vertikal und im Nei-
gungswinkel verstellbare Fußstütze zweckmäßig. Bei hohen Arbeitssitzen dient
diese für kleine Personen auch als Aufstieghilfe. Die Fußstütze sollte zur Sitzflä-
che hin verstellbar (individuelle Grundeinstellung), aber auch parallel zu dieser zu
verstellen sein. Wird sie nicht benötigt, sollte sie leicht hochzuklappen oder abzu-
nehmen sein.
Kniesitze
Kniesitze (siehe Abb. 10.67), auch als Balancesitze bezeichnet, werden insbeson-
dere von skandinavischen Entwicklern und Herstellern propagiert. Im Produkti-
onsbereich werden sie gar nicht, im Bürobereich selten verwendet. Kniesitze sind
durch zwei konstruktive Merkmale gekennzeichnet:
(1) Eine nach vorn geneigte Sitzfläche (besser Abstützfläche) sorgt dafür, dass
gegenüber dem Sitzen auf einer mehr oder weniger ebenen Sitzfläche keine
Beckenrückdehnung und keine daraus resultierende Kyphose entsteht.
(2) Die Körperlast wird mit den Knien abgefangen, was zu einer entsprechenden
Flächenpressung im Kniebereich führt.
Im Gegensatz zu den Stehhilfen wirkt das Körpergewicht nicht auf die Füße,
sondern überwiegend auf die Knie. Neben dem Vermeiden einer Kyphose wird
durch diese Sitzhaltung eine bessere Durchblutung der inneren Organe erreicht.
Als Nachteil gelten neben dem relativ hohen Druck im Kniebereich eine erschwer-
te Durchblutung der Beine.
1054 Arbeitswissenschaft

Abb. 10.67: Kniesitz

Positive Erfahrungen aus dem Einsatz von Kniesitzen liegen bei Personen mit
Bandscheibenvorfällen vor. Darüber hinaus scheint die derzeit überwiegende
Meinung zu sein, dass Kniesitze im Bürobereich eine zeitweilige, jedoch keine
vollständige Alternative zu Arbeitssitzen sind.
Stehhilfen
Auch wenn an vielen Arbeitsplätzen ein Sitzen nicht möglich ist, lassen sich gele-
gentlich dennoch Körperunterstützungen verwenden, um die Bein- und Rücken-
muskulatur zu entlasten. Diese werden als Stehhilfen (Stehsitze) bezeichnet.
Eine Studie von WINDBERG et al. (1982) stellt zusammengefasste Erkenntnisse
für Stehhilfen dar.
In Abb. 10.68 sind zwei Beispiele für starre und ein Beispiel für eine pendelnd
gelagerte Stehhilfe dargestellt.

Abb. 10.68: Beispiele für starre und pendelnd gelagerte Stehhilfen


Ergonomische Gestaltung 1055

Eine Rückenabstützung ist beim Einsatz von Stehhilfen nicht erforderlich. Die
bei Stehhilfen sinnvolle Körperstellung erfordert nur eine Gesäßabstützung. Be-
reits WINDBERG et al. (1982) haben ermittelt, dass der Greifbereich bei pendelnd
gelagerten Stehhilfen nicht größer als bei starren Stehhilfen ist. Da sie nach heuti-
gem Erkenntnisstand eher zum Umkippen, Wegrutschen oder nur zu höherem
Unsicherheitsgefühl führen, sollte man starre Stehhilfen bevorzugen.
Beim Verwenden von Stehhilfen ist der Greifbereich, entgegen verbreiteter
Auffassung, gegenüber dem Stehen nicht eingeschränkt, wenn ein ausreichender
Bein- und Fußfreiraum vorhanden ist. Da der Körper durch schräg nach vorn ge-
stellte Beine abgestützt wird, würde ohne diesen Freiraum der Abstand von der
Arbeitsfläche so groß, dass der Greifraum auf der Arbeitsfläche tatsächlich kleiner
als beim Stehen wird. Um ein Wegrutschen der Stehhilfe und der Füße der Benut-
zer zu verhindern, muss der Bodenbelag rutschfest sein.
Fußstützen
Fußstützen sind seit langem als Mittel zum Ausgleich von Sitzfläche und Fußbo-
denebene bekannt. Eine Vorläuferin der heutigen Fußstützen war die Fußbank.
Fußstützen werden eingesetzt, um:
x bei gegebener Arbeitsflächenhöhe insbesondere kleinen Personen ein Ab-
stützen der Füße zu ermöglichen und
x auch kleinen Personen das Sitzen mit nach vorn ausgestreckten Unterschen-
keln (stumpfer Winkel im Kniegelenk) und damit eine minimale Flächen-
pressung des Gesäßes zu ermöglichen.
Ein Verzicht auf Fußstützen kann zu einer Zunahme des Beinvolumens, also zu
einem reduzierten Kapillar-Innendruck in den Blutgefäßen der Beine führen.
Abb. 10.69 ist zu entnehmen, dass mit zunehmender Arbeitshöhe auch der An-
teil derjenigen zunimmt, die eine Fußstütze benötigen.

Abb. 10.69: Abhängigkeit des Anteils der Personen, die eine Fußstütze benötigen, von der
Arbeitsflächenhöhe (nach PETERS 1976)
1056 Arbeitswissenschaft

In DIN 4556 sind Anforderungen an Fußstützen für Büroarbeitsplätze formu-


liert. In der Praxis werden Fußstützen leider häufig nicht genutzt.
Arm- und Handstützen
Zweck von Armauflagen bei Arbeitssitzen ist die Entlastung der Arme bei hinterer
Sitzstellung, z.B. bei Überwachungsaufgaben. Bei vorderer Sitzstellung können
Armauflagen zweckmäßig sein, wenn die Unterarme bei feinmotorischen Tätig-
keiten (z.B. Mikroskopierarbeiten) abgestützt werden, um den Handtremor auszu-
gleichen oder die Belastung durch statische Haltearbeit zu reduzieren. Derartige
Arm- und Handstützen werden im Allgemeinen auf der Arbeitsfläche angebracht.
Arm- und Handstützen werden in der Praxis selten eingesetzt und haben ver-
mutlich deshalb eine geringe Akzeptanz, weil sich die Benutzer dadurch mehr in
ihrer Bewegungsfreiheit eingeengt als unterstützt fühlen.
Arbeitsflächen
Als Arbeitsflächen werden (Schreib-)Tische, Werkbänke, Konsolen, Pulte u. ä.
bezeichnet, an denen in stehender, angelehnter oder sitzender Körperhaltung Ar-
beitsgegenstände manipuliert werden. Auch Arbeitsgegenstände können Arbeits-
flächen sein, z.B. bei Montagen, wenn Werkstücke auf Werkstückträgereinrich-
tungen gefördert werden. Arbeitsflächen werden auch zum Auflegen von Armen
und Händen benutzt und sind von daher Körperunterstützungen. Maßgebend für
die Arbeitsflächenhöhe ist nicht die Tisch- oder Werkstückträgerhöhe, sondern die
Einwirkungsstelle des Menschen am Arbeitsgegenstand. Beim Auslegen von Ar-
beitsflächen sind insbesondere folgende Aspekte zu beachten (siehe auch
SCHMIDTKE 1989):
x Körperhaltung (sitzend, stehend) und -stellung der Benutzer
x maximaler und funktioneller Greifraum der Benutzer
x Höhe der Vorrichtungen und darin fixierten Arbeitsgegenstände über der Ar-
beitsfläche
x erforderlicher Bein- und Fußfreiraum
x Oberflächeneigenschaften der Arbeitsfläche.
Zusätzliche Probleme beim Festlegen von Arbeitsflächenhöhen ergeben sich
wenn
x im Stehen und Sitzen gearbeitet wird (Lösung: fürs Stehen auslegen),
x verschiedene Personen, evtl. auch beiderlei Geschlechts, tätig sind (Lösung:
nach größter Person auslegen) oder
x die Abmessung zu bearbeitender Arbeitsgegenstände erheblich differieren
(Lösung: nach den Abmessungen der am häufigsten bearbeiteten Teile ausle-
gen).
JÜRGENS et al. (1976) haben festgestellt, dass geschlechtsspezifische Differen-
zierungen von Arbeitsflächen- und Fußstützenhöhen zu keiner wesentlichen Re-
duzierung, eine Differenzierung nach fein- und grobmotorischen Arbeiten dage-
Ergonomische Gestaltung 1057

gen zu einer deutlichen Reduzierung der erforderlichen Verstellmöglichkeiten


(Tabelle 10.13) führen. Die notwendige Höhe der Arbeitsfläche hängt ab von
x den Sehanforderungen (Sichtgeometrie),
x der Art muskulärer Belastung (fein- oder grobmotorische Arbeit),
x der Körperhaltung (sitzen oder stehen) und
x der Höhe eventueller Vorrichtungen und Arbeitsgegenstände auf der Fläche.
Bei Arbeitsplätzen, an denen im Sitzen gearbeitet wird, ist ein Höhenausgleich
durch Anpassung der Sitzhöhe an die Arbeitsflächenhöhe möglich. Bei stehender
Arbeit werden dagegen Anpassungen der Arbeitsflächen- oder Fußbodenhöhe um
so eher erforderlich, je stärker die Körperhöhen der Benutzer streuen.
Tabelle 10.13: Abhängigkeit der Arbeitsflächenhöhe bei sitzender Tätigkeit von der Be-
nutzergruppe und der Art der Arbeit (nach Jürgens et al. 1976)

Gestaltungs- männliche Nutzer weibliche Nutzer undifferen-


parameter (Maße in mm) (Maße in mm) ziert
Fein- Grob- Grob- Grob-
motorische motorische motorische motorische
Arbeit Arbeit Arbeit Arbeit
Höhe der
850 775 800 725 850
Arbeitsfläche
Verstellbereich
500-575 500-650
der Sitzfläche
Verstellbereich
0-175 0-300
der Fußstützen

10.1.3.4 ĆHilfsmittelĆzurĆanthropometrischenĆGestaltungĆ

Für die anthropometrische Gestaltung von Arbeitsplätzen existieren eine Reihe


von sog. somatografischen Hilfsmitteln (Somatografie, griechisch: Körperzeich-
nen), die als
x Schablonen-Somatografie,
x Video-Somatografie und
x Computergestützte Somatografie
bekannt sind (siehe auch ELIAS u. ISTANBULI o.J.).
Schablonen wurden im Maßstab 1:10 von der Fa. Bosch (JENNER 1985) für vier
markante Körperhöhen angeboten (Abb. 10.70). Sie zeigen die menschliche Ge-
stalt in der Seitenansicht, in der Vorderansicht und in der Draufsicht. Die Angabe
von Gelenkmittelpunkten erlaubt eine einfache Darstellung verschiedener Körper-
stellungen zur Überprüfung der maßlichen Gestaltung von Arbeitsplätzen.
Genaueres Arbeiten ist mit den „Kieler Puppen“ im Maßstab 1:5 und 1:1 mög-
lich (Abb. 10.71, DIN 33 408). Sie berücksichtigen Proportionsunterschiede von
Männern und Frauen (deshalb sechs Schablonen für je drei markante Körper-
höhen) und erlauben durch die detailliertere Ausarbeitung der Gelenke (Bahnkur-
1058 Arbeitswissenschaft

ven) wesentlich genauere Zeichnungen. Die Kieler Puppen werden hauptsächlich


für die Anwendung bei Sitzarbeitsplätzen verwendet; Zusatzteile erlauben auch
die Darstellung stehender Personen.

Abb. 10.70: Bosch-Schablone (links) und Jenik-Schablone (rechts) im Maßstab 1:10 für
den 50.-Perzentil-Mann in Draufsicht, Frontalansicht und Seitenaufriss (nach JENIK 1974)

Abb. 10.71: Gelenkwinkel nach dem funktionstechnischen Maßsystem in Seitenansicht,


Vorderansicht und Draufsicht (nach DIN 33 408 – „Kieler Puppen“)

Grundsätzliche Probleme bei der Anwendung von mechanischen Schablonen-


verfahren liegen in der
x Berücksichtigung unterschiedlicher Körperproportionen (z.B. „Sitzriesen“
und „Sitzzwerge“ mit gleicher Körperhöhe),
Ergonomische Gestaltung 1059

x Berücksichtigung der Gelenkstellung (da nur eine ebene Projektion der


räumlichen Körperhaltung erzeugt wird) sowie
x Abhängigkeit mehrerer Gelenkstellungen voneinander (z.B. zur Aufrechter-
haltung des Körpergleichgewichts).
Abb. 10.72 stellt das Beispiel einer somatografischen Analyse zur Überprüfung
der räumlichen Bedingungen eines Montagearbeitsplatzes nach ROHMERT et al.
(1976) dar.

Abb. 10.72 Beispiel einer somatografischen Analyse eines Montagearbeitsplatzes (nach


ROHMERT et al. 1976)

Die genannten Verfahren erlauben zwar eine mehr oder weniger detaillierte
maßliche Konzeption eines Arbeitsplatzes, beziehen jedoch keine realen Personen
ein, die beispielsweise über die rein geometrischen Bewegungsbereiche hinaus
Angaben über Bequemlichkeit oder Komfort einer Arbeitshaltung machen kön-
nen. Darüber hinaus scheitert deren Anwendung bei normabweichenden persönli-
chen Verhältnissen, die zum Beispiel bei körperbehinderten Menschen vorliegen.
Diese Nachteile können mit der Video-Somatografie (siehe Abb. 10.73) vermie-
den werden (MARTIN 1981). Hierbei wird das Videobild einer Versuchsperson
dem einer Zeichnung oder eines Modells des geplanten Arbeitsplatzes maßstäblich
überlagert.
Über einen Kontrollmonitor kann die Versuchsperson dabei ihre Bewegungen
koordinieren. Somit ist es möglich, die Gestaltung eines Arbeitsplatzes ohne die
Anfertigung von realen Modellen durch einfache Verschiebung oder Veränderung
der Zeichnung zu prüfen und zu optimieren.
1060 Arbeitswissenschaft

Abb. 10.73: Schematische Darstellung der Video-Somatografie (MARTIN 1981)

In einer computergestützten Variante kann anstelle des Videobildes mit der


Zeichnung auch das CAD-Modell eines Arbeitsplatzes eingeblendet und dem
Sichtfeld der Versuchsperson überlagert werden, womit eine computergestützte
Konstruktion auf direktem Wege experimentell überprüft werden kann. Man
spricht auch von sog. Erweiterter Realität, die in Kapitel 10.1.2.1.3.2 aus Sicht der
informatorischen Gestaltung bereits erläutert wurde.
Problematisch bei der Anwendung der Video-Somatografie ist bei Arbeitssys-
temen mit Arbeitsplatzwechsel die Bereitstellung eines repräsentativen Personen-
kollektivs sowie die fehlende Möglichkeit der Kraftausübung und -aufnahme.
Eine repräsentative Analyse ist mit Hilfe der computergestützten Somatografie
über die zwei- oder dreidimensionale Abbildung des Menschen als geometrisches
Modell (Draht-, Flächen- oder Volumenmodell) möglich (Abb. 10.74). Durch
entsprechende Funktionen lässt sich die Auflösung variieren (z.B. Bewegungen
des gesamten Körpers oder Untersuchungen einzelner Finger), ebenso können
Bewegungen simuliert werden. Ein für die Arbeitsplatzgestaltung sehr interessan-
ter Ansatz liegt in der Kombination von digitalen Menschmodellen (digital human
model) mit biomechanischen Modellen (z.B. zur Berechnung des Gleichgewichts-
zustandes, der Wirbelsäulenbelastung und des Drucks auf die inneren Organe) und
Datenbanken zur Komfortabschätzung, für die, trotz erheblicher Schwierigkeiten
Ergonomische Gestaltung 1061

bezüglich der Integration und Extrapolation der gespeicherten Informationen, in


der Forschung gegenwärtig mehrere Prototypen entwickelt werden.

Abb. 10.74: Einsatz des Menschmodells „ERGOMan“ in der Autoproduktion (aus


LANDAU 1996)

Digitale Menschmodelle
Historische Entwicklung
Digitale Menschmodelle sind dreidimensionale, modellhafte Abbilder des
menschlichen Körpers. Seit den 1960er Jahren wurden im Laufe der Zeit viele
Modelle entwickelt, die teilweise wieder eingestellt, teilweise zusammengeführt
oder in andere Modelle integriert wurden.
Es entstanden so Softwarelösungen historisch bedeutender Modelle wie
Anthropos ErgoMAX, BoeMan, CombiMan, CyberMan, ERGOMan, Franky,
HEINER, Safework, oder TEMPUS. Zu diesen und anderen Modellen sind zu-
sammenfassende Beschreibungen und Darstellungen u.A. in SCHAUB (1988), GILL
(1998), LANDAU et al. (1997), CHAFFIN (2001, 2005), MÜHLSTEDT et al. (2008) zu
finden.
Die industriell relevanten digitalen Menschmodelle haben vielfach gemeinsame
Eigenschaften und Funktionen. Aufgebaut aus einem Skelettmodell und einer
Hüllfläche, die Haut bzw. Kleidung darstellt, sind die Modelle durch Vorwärtski-
nematik, inverse Kinematik oder Zugriff auf eine Haltungs-Datenbank
1062 Arbeitswissenschaft

positionierbar. Ein Funktionsschema digitaler Menschmodelle ist in Abb. 10.75


dargestellt.

Abb. 10.75: Funktionsschema digitaler Menschmodelle (MÜHLSTEDT u. SPANNER-


ULMER 2009)

Dabei sind entweder Im-/Export-Schnittstellen zum Austausch von CAD-Daten


vorhanden oder das Menschmodell ist als „Plug-In“ bzw. Teil einer CAD-
Software implementiert und kann so auf die gewöhnlichen CAD-Daten der Kon-
strukteure und Planer zurückgreifen (siehe Kap. 10.2.3).
Die Zeitstruktur ist in den Modellen unterschiedlich berücksichtigt. Eingaben
von Parametern (Perzentil, Akzeleration, usw.) werden über diverse Eingabeme-
nüs realisiert.
Menschmodelle kommen durch ihre Funktionalitäten in vielen Bereichen zur
Anwendung. Neben dem klassischen Anwendungsgebiet in Entwicklung und
Konstruktion, werden sie auch bei der Fertigungs- und Montageplanung, organisa-
torischen Simulationen oder Trainingsszenarien eingesetzt. Dabei ist der Fokus
entweder auf der Prozess- oder der Produktgestaltung.
Die wichtigsten Industriezweige, die digitale Menschmodelle einsetzen, sind
die Automobilindustrie, das Militär sowie die Luft- und Raumfahrtindustrie. Aber
auch in der Spezialfahrzeugindustrie, der Unterhaltungselektronik, im Schiffbau
oder der Architektur werden sie zunehmend genutzt. Vier populäre Modelle sind
in Abb. 10.76 dargestellt.
Bei der Prozessgestaltung, die sich oft mit der Planung von Arbeitsplätzen aus-
einandersetzt, werden die Menschmodelle versatiler genutzt. Neben Sicht- und
Erreichbarkeitsanalysen sind Tätigkeitssimulationen, Ergonomie-Analysen oder
Analysen zur Lastenhandhabung wichtige Bestandteile der Gestaltung.
Sowohl für die Produkt- als auch für die Prozessgestaltung ist die Visualisie-
rung eines Sachverhaltes ein einfaches, aber auch sehr wirkungsvolles Ergebnis.
Ein Bild oder eine Animation eines Menschmodells, das mit der Umgebung inter-
Ergonomische Gestaltung 1063

agiert, ist eine äußerst effektive Methode, um Probleme zu erkennen und Lö-
sungsansätze entwickeln zu können.

Human Builder Jack RAMSIS SANTOS


(Dassault Systemes) (Siemens PLM) (Human Solutions) (US Army)

Abb. 10.76: Häufig verwendete Menschmodelle (nach MÜHLSTEDT et al. 2008)

Neben den Hauptfunktionen werden mitunter bestimmte Spezialfunktionen als


Zusatzpaket angeboten, z.B. zu bestimmten Analysen im Automobil, zur Anwen-
dung in VR-Labors oder für individuelle Anpassungen der Anthropometriewerte.
Die Softwareergonomie der Menschmodelle selbst ist sehr unterschiedlich.
Teilweise werden bekannte und bewährte Konzepte aus anderen Softwareberei-
chen übernommen (z.B. beim Bewegen und Drehen der Modelle), teilweise kom-
men aber auch proprietäre Lösungen zur Anwendung, die u.U. eines nicht uner-
heblichen Einarbeitungsaufwandes bedürfen oder auch bei häufiger Anwendung
nur zeitaufwendig zu benutzen sind.
Der Datenaustausch der jeweiligen Programme mit anderen ist nur bedingt
möglich. Zwar bieten diese meist Schnittstellen in Standard-Formaten an (dxf, stl,
iges usw.), aber selbst wenn der Im- oder Export gelingt, gehen durch den Trans-
fer meist wichtige Daten (Farben, Größen, …) oder gar Funktionalitäten verloren
(Bewegungen, Kamerapositionen o.Ä.).
Verbesserungswünsche aus der Praxis betreffen u.A. die Eingabemöglichkei-
ten. Es ist mitunter recht aufwendig, Haltungen oder Bewegungen zu erzeugen.
Ebenso sind Verbesserungen der Analysemodule gefordert. Für verschiedene
Haltungen, und besonders für Bewegungen und Analysen mit Beachtung der Zeit-
struktur fehlen wissenschaftliche Modelle, die für eine Implementierung nötig
wären, bzw. die vorhandenen Modelle wurden bislang nicht eingearbeitet. Auch
bei der Bewertung der Analysen werden Unterstützungen gefordert, um bestimmte
kritische Situationen, Haltungen, o.Ä. klarer identifizieren und schneller herausfil-
tern zu können und ebenso die Elemente aufgezeigt zu bekommen, durch die eine
Verbesserung der Situation erreicht werden würde (siehe CHAFFIN 2001; CHAFFIN
2005).
1064 Arbeitswissenschaft

Derzeit werden Computersysteme zur Erzeugung sog. Virtueller Umgebungen


mithilfe digitaler Menschmodelle (siehe Kap. 10.1.2.1.3) verstärkt auch in der
Arbeitssystemgestaltung eingesetzt. Hierbei wird für die Arbeitsperson die Inter-
aktion in einer digital simulierten Umgebung in Echtzeit möglich.

10.2 Ausgewählte Methoden zur Gestaltung und Bewertung

10.2.1 Usability Engineering

10.2.1.1 GrundlagenĆ
Der Begriff „Usability“ stammt aus dem Englischen, wird jedoch mittlerweile im
deutschen Sprachgebrauch synonym zu den Begriffen „Benutzerfreundlichkeit /
Gebrauchstauglichkeit“ verwendet. Für den Begriff gibt es unterschiedliche Defi-
nitionen, die verdeutlichen, mit welchem fachlichen Hintergrund sie geschrieben
wurden. Hierbei handelt es sich auf der einen Seite um Definitionen, die aus der
Forschung stammen und auf der anderen Seite um Definitionen, die Normen vor-
anstehen und ihren Fokus auf der praktischen Gestaltung und Überprüfbarkeit von
Usability haben.
SPINAS et al. (1990) definieren Benutzerfreundlichkeit und somit gleichsam den
Begriff Usability mit den Worten:
„…ein Dialogsystem ist dann als benutzerfreundlich zu bezeichnen, wenn es
den Benutzer durch vielfältige Anwendungsmöglichkeiten von Routinearbeit ent-
lastet und ihm – bei hoher Verfügbarkeit – in der Interaktion am Bildschirm seiner
Erfahrung und Geübtheit angemessene Freiheitsgrade für unterschiedliche Vor-
gehensweisen gewährt, ohne ihm dadurch neue Routinearbeit und komplizierte
Bedienungsoperationen aufzubürden.“
Dieser Zusammenhang ist in Abb. 10.77 in Form von Aspekten und Kriterien
verdeutlicht.

Benutzerfreundlichkeit

Anwendungsmöglichkeiten Verfügbarkeit Kontrollmöglichkeiten


(Funktionalität) (Antwortzeit / Störungen) (Handhabung)

Informationen;
Verarbeitungsprozesse / Beeinflussbarkeit Orientierung
Funktionen

AUFGABEN- FLEXIBILITÄT / UNTERSTÜTZUNG TRANSPARENZ


ANGEMESSENHEIT INDIVIDUALISIERBAR- KONSISTENZ
KEIT KOMPATIBILITÄT
FEEDBACK

Abb. 10.77: Aspekte und Kriterien der Benutzerfreundlichkeit (SPINAS et al. 1990)
Ergonomische Gestaltung 1065

In Erweiterung der vorwiegend auf Funktionalität orientierten Definition der


Gebrauchstauglichkeit, werden in jüngster Zeit verstärkt auch Aspekte der Nutzer-
akzeptanz bei der Definition der Usability berücksichtigt. So wird in der DIN EN
ISO 9241 Usability folgendermaßen definiert:
„Usability ist das Ausmaß, in dem ein Produkt durch bestimmte Nutzer in ei-
nem bestimmten Nutzungskontext genutzt werden kann, um bestimmte Ziele effek-
tiv, effizient und zufriedenstellend zu erreichen.“
Usability ist somit kein Produktattribut, sondern ein Attribut der Interaktion des
Menschen mit einem Produkt in einem bestimmten Kontext (KARAT 1997). Der
Kontext muss daher definiert werden, zusammen mit der Beschreibung der Benut-
zer, deren Zielen und Aufgaben und auch mit der physikalischen und sozialen
Umgebung. Erst dann kann das Produkt anhand der drei Kriterien Effektivität,
Effizienz und Zufriedenheit beurteilt werden. Effektivität bezeichnet die
Akkuratheit und Vollständigkeit, mit denen ein Ziel erreicht werden kann. Die
Effizienz beschreibt das Verhältnis vom Aufwand der Ressourcen zum Nutzen,
die in Bezug auf die Zielerreichung notwendig sind. Die Zufriedenheit dagegen ist
eine subjektive Komponente, die die Abwesenheit von Frustration, aber auch
positive Einstellungen gegenüber dem Produkt beschreibt.
Usability-Studien wurden zunächst im Bereich der Softwareergonomie durch-
geführt (siehe Kap. 10.2.2). Allerdings ist eine Übertragung auf eine Vielzahl
anderer Mensch-Maschine-Systeme sinnvoll und möglich. Durch die Berücksich-
tigung von Nutzer- und nutzungsbezogenen Kriterien können Mensch-Maschine-
Systeme so gestaltet werden, dass sie den menschlichen Anforderungen und Be-
dürfnissen genügen und schnell und einfach zu benutzen sind.
Die Gestaltung von benutzerfreundlichen Produkten gewinnt immer mehr an
Bedeutung. Durch unergonomische Software und benutzerunfreundliche Produkte
und die daraus resultierenden Zeit- und Motivationsverluste entsteht ein volks-
wirtschaftlicher Schaden in Milliardenhöhe (SARODNICK u. BRAU 2006). Durch
benutzerfreundlich gestaltete Produkte dagegen können für Unternehmen deutli-
che Wettbewerbsvorteile erzielt und Kosten eingespart werden (COY et al. 1993).
Gebrauchstauglichkeit kann ebenfalls als Marketingfaktor beim Verkauf von Pro-
dukten (CHAPANIS 1991) eine Rolle spielen, da sich die Nutzer in aller Regel
einfach zu bedienende Produkte wünschen. Hierdurch entstehen für sie Vorteile,
wie beispielsweise eine verkürzte Zeit zum Erlernen der Funktionen des Systems
und ein zufriedeneres Arbeiten (NIELSEN 1994a).
Zur Veranschaulichung soll das Beispiel eines Online-Marktes dienen, bei dem
durch gesteigerte Usability mehr Kunden die richtigen Produkte finden und somit
zufriedener sind, es aber auch geringe Abbruchraten beim Kaufvorgang gibt und
weniger Anrufe bei der Hotline eingehen, wodurch sich für das Unternehmen
erhebliche wirtschaftliche Vorteile erschließen.
In der Norm DIN EN ISO 13407 werden die Vorteile von benutzerfreundlichen
Produkten wie folgt zusammengefasst:
x Sie sind einfacher zu verstehen und zu benutzen, wodurch Trainings- und
Supportkosten reduziert werden.
1066 Arbeitswissenschaft

x Sie erhöhen die Zufriedenheit der Benutzer und reduzieren Stress im Sinne
mentaler und körperlicher Beanspruchung bei der Benutzung.
x Sie erhöhen die Produktivität der Nutzer und somit auch die Produktivität
von Unternehmen.
x Sie erhöhen die Produktqualität und können somit einen Wettbewerbsvorteil
nach sich ziehen.

Barrierefreiheit
Als Besonderheit der Gebrauchstauglichkeit wird häufig die Barrierefreiheit von
Produkten gefordert. Barrierefreiheit bezieht sich auf die Forderung, dass aus-
nahmslos alle Menschen, auch solche mit motorischen, perzeptiven, kognitiven,
sprachlichen oder altersbedingten Einschränkungen ein bestimmtes Produkt be-
nutzen können. Insbesondere im Zusammenhang mit dem Medium Internet er-
langte der Begriff Barrierefreiheit in den letzten Jahren großes Interesse, im eng-
lischsprachigen Raum wird meist der Begriff „accessibility“ verwendet. Der Be-
griff der Barrierefreiheit wird in §4 des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter
Menschen (BGG) wie folgt festgeschrieben: „Barrierefrei sind bauliche und sons-
tige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der
Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kom-
munikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für
behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwer-
nis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.“ Bei Inter-
netseiten kann dies beispielsweise dadurch umgesetzt werden, dass Schriftgrößen
skalierbar sind, die Seiten gut strukturiert sind (damit sie durch sog. Screenreader
auch für Blinde erfassbar sind), oder die Möglichkeit besteht auch über die Tasta-
tur navigieren zu können (für Menschen, die die Maus nur schwer benutzen kön-
nen). Eine aktuelle Übersicht zum Stand der Forschung sowie Normgebung hin-
sichtlich Accessibility findet sich in CAKIR (2009).

10.2.1.2 VorgehenĆbeimĆUsabilityĆEngineeringĆ
Unter Usability Engineering wird der Prozess verstanden, der die spätere Ge-
brauchstauglichkeit eines Produktes zum Ziel hat und dieses Ziel während des
gesamten Produktplanungs- und -entwicklungsprozesses konsequent verfolgt. Das
Usability Engineering stellt systematisch Methoden zusammen, um eine Schnitt-
stelle gestalten zu können, die leicht verstanden und schnell gelernt wird (BUTLER
1996). Zunächst entwickelte sich die Disziplin des Software-Engineering, um die
Softwareentwicklung mit Modellen und Methoden zu unterstützen. In einer Erwei-
terung des ursprünglichen Anwendungsbereichs richten sich diese jedoch nicht
nur auf die Technologie, sondern auf die gesamte Mensch-Rechner-Interaktion.
ZÜHLKE (2004) spricht in dem Zusammenhang von Useware-Engineering.
Useware steht als Sammelbegriff für alle Hardware- und Software-Komponenten,
die der Benutzung eines Systems dienen und stellt „eine Fokussierung der Tech-
nikgestaltung auf menschliche Fähigkeiten und Bedürfnisse“ (ZÜHLKE 2004) dar.
Ergonomische Gestaltung 1067

Dafür sind genaue Kenntnisse menschlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten notwen-


dig, die für die Informationsaufnahme, -verarbeitung und -abgabe nötig sind. Da-
runter fällt Wissen über
x die Sensorik und Wahrnehmung des Menschen (Entdecken von Informatio-
nen über die Sinneskanäle),
x die Kognition (Erkennen und Interpretieren der aufgenommenen Informati-
on, Verarbeitung der Information und Entscheidungsfindung) und
x die Motorik (Umsetzung in Handlungspläne, Ausführung der Pläne über ver-
schiedene Modalitäten).
In Kapitel 3.3.1 werden die genannten Phasen der menschlichen Informations-
verarbeitung näher erläutert.
Grundlegend für das Usability Engineering ist die Benutzereinbindung und eine
iterative Vorgehensweise. Es ist wichtig, bereits in frühen Phasen der Entwicklung
die Nutzer einzubinden und ihre Anforderungen zu kennen. Durch die direkte
Einbindung von Benutzern in den Entwicklungsprozess können schwerwiegende
Gestaltungsmängel, die bei einer späteren Entdeckung schwer zu beheben sind
und zu hohen Kosten (Supportbedarf oder gar Rückruf) führen können, vermieden
werden. Der Prozess ist dabei stets ein iterativer, d.h. bei jedem Gestaltungszyklus
werden erneut die Benutzerfreundlichkeit und Übereinstimmung mit den Zielen
der Nutzer überprüft. Bei Abweichungen werden vorangegangene Projektschritte
entweder komplett wiederholt oder nachgebessert. Dieses Vorgehen steht im Ge-
gensatz zu dem weit verbreiteten Vorgehen, bei dem die Evaluation des Systems
nur am Ende der Entwicklung durchgeführt wird. Beim Usability Engineering
(oder Useware Engineering) verläuft die Evaluation immer parallel zu allen Pha-
sen der Entwicklung.
Nach REUTHER (2003) und ZÜHLKE (2002) verläuft das Usability Engineering
in insgesamt fünf Phasen:

1) Analyse
In der ersten Phase, der Analyse, werden die Benutzeraufgaben und Benutzeran-
forderungen erhoben. Dies ist wichtig, da oft bei den Entwicklern ein nur unvoll-
ständiges Wissen darüber besteht welche verschiedenen Benutzergruppen es gibt
und was diese ausmacht. Für diese Analyse werden unterschiedliche Methoden
verwendet, um ein möglichst vollständiges Bild von der Benutzergruppe an sich,
von deren typischen Aufgaben und deren Arbeitsumgebungen zu bekommen.
Einige der häufig verwendeten Methoden, die in dieser Phase Verwendung finden,
werden später in diesem Kapitel vorgestellt, wie beispielsweise die teilnehmende
Beobachtung oder das Interview.

2) Strukturgestaltung
In der zweiten Phase zur Strukturgestaltung werden die Ergebnisse der Nutzerana-
lyse in ein Benutzungsmodell überführt, dieses ist noch unabhängig von der Reali-
sierung und stellt die Interaktion des Nutzers mit dem System abstrakt dar. Diese
1068 Arbeitswissenschaft

grundlegende Struktur für die Interaktion mit dem System, orientiert sich bei-
spielsweise an elementaren Aufgaben, die in der Analysephase erhoben wurden.
Das Benutzungsmodell ist aufgabenorientiert, jedoch noch plattformunabhängig,
es basiert auf Benutzungsobjekten. Eine einfache Art und Weise zur Erarbeitung
eines Benutzungsmodells sind Strukturlege-Techniken, es gibt jedoch auch Mo-
dellierungswerkzeuge wie die Useware Markup Language (ZÜHLKE 2004).

3) Bediensystemgestaltung
In der dritten Phase, der sog. Bediensystemgestaltung wird das Benutzungsmodell
konkretisiert. Das Benutzungsmodell wird auf eine Interaktionsplattform übertra-
gen. Hier spielen ergonomische Kenntnisse eine große Rolle, da die Struktur des
Systems und die Anordnung der Elemente einen großen Einfluss auf die Benutz-
barkeit haben. In diese Phase fällt das Design der Schnittstelle (Auswahl der Platt-
form, Interaktionsform, Dialog und grafisches Layout). Erster Schritt ist die Aus-
wahl der Bediensystemplattform (Tastenbedienung, Touchscreen etc.), auf deren
Basis dann ein Layoutentwurf erstellt wird, beispielsweise mit einer ersten Auftei-
lung des Bildschirms. Im Feinkonzept werden dann erste Dialoge umgesetzt, die
auch mit Benutzer getestet werden können. Weitere Informationen zur Bediensys-
temgestaltung und Bildschirmlayouts findet man bei ZÜHLKE (2004).

4) Realisierung
In der vierten Phase, der sogenannten Realisierung, wird das Konzept umgesetzt.
Diese Phase steht in enger Wechselwirkung mit der dritten Phase und erfolgt teil-
weise auch parallel. Die genauen Interaktionsobjekte und Inhalte des Bildschirms
werden festgelegt und die Anbindung an die Maschinensteuerung, bzw. andere
Elemente des Arbeitssystems vorgenommen. Ergebnis ist das fertige System.

5) Evaluation
Als ein zusätzlicher Arbeitspunkt gilt die Evaluation. Die Evaluation soll während
allen Phasen immer wieder durchgeführt werden auf Basis von ersten Skizzen,
Prototypen und schließlich dem fertigen System. Diese entwicklungsbegleitende
Evaluation stellt sicher, dass nicht erst zu einem späten Zeitpunkt ergonomische
Mängel entdeckt werden, die dann kaum noch behoben werden können, sondern
dass die Nutzerbedürfnisse in allen Phasen der Entwicklung berücksichtigt wer-
den. Wichtiger Bestandteil des Usability Engineering ist der benutzerorientierte
Gestaltungsprozess nach DIN EN ISO 13407 (siehe Abb. 10.98 in Kap. 10.3.1.2).

10.2.1.3 MethodenĆdesĆUsabilityĆEngineeringĆĆ
Für den Prozess des Usability Engineering steht eine Vielzahl von Methoden zur
Verfügung, die die obengenannten Phasen unterstützen und sowohl die subjektive
als auch objektive Bewertung von Usability ermöglichen. Usability-Probleme
können durch eine Evaluation identifiziert und entsprechende Lösungen entwi-
ckelt werden.
Ergonomische Gestaltung 1069

Für die benutzerfreundliche Gestaltung eines Produktes, sei es ein Konsumgut


oder die Mensch-Maschine-Schnittstelle einer Produktionsanlage, werden Kennt-
nisse über die menschliche Informationsverarbeitung, Benutzerverhalten sowie
Interaktionstechnologien angewendet. Viele der Usability-Methoden haben ihren
Ursprung in den wissenschaftlich zugeordneten Unterdisziplinen.
10.2.1.3.1 Entscheidungen vor Auswahl einer Usability-Methode
Es existieren sehr unterschiedliche Usability-Methoden. Die Entscheidung welche
Verfahren eingesetzt werden sollen oder können, hängt von Ziel und damit ge-
wünschter Qualität, der verfügbaren Zeit, vom Budget und auch von der Phase im
Produktgestaltungsprozess ab. Eine Reihe von grundsätzlichen Fragen müssen
geklärt werden, bevor die Entscheidung für eine spezielle Methode getroffen wer-
den kann. Es muss zunächst entschieden werden, an welchem Ort, mit welchen
Aufgaben und mit welchen Teilnehmern ein Test durchgeführt werden soll.

10.2.1.3.1.1 Ort
Die Untersuchung kann entweder am konkreten Arbeitsplatz im Betrieb oder in
einem speziellen Usability-Labor (siehe Abb. 10.78) durchgeführt werden. Ab-
hängig von der Fragestellung kann ein Usability-Labor sinnvoll sein, um unter
vergleichbaren Bedingungen die Benutzer beobachten und befragen zu können.
Ein Usability-Labor stellt eine Umgebung dar, in der die Nutzer mit dem neuen
Produkt interagieren und mittels Kameras oder Einwegspiegeln von einem Neben-
raum aus beobachtet werden können. Oftmals werden neben der Video-
Aufzeichnung von Mimik, Gestik und Äußerungen auch Blickbewegungen aufge-
zeichnet und die Benutzer nach der Benutzung befragt (siehe Kap. 10.2.1.3.2.4).

Abb. 10.78: Beispiele für Usability Labore

10.2.1.3.1.2 Aufgaben
Bei Usability-Tests werden, sobald Prototypen entwickelt wurden, spätere Tätig-
keiten mit dem interaktiven System nachgestellt. Dafür werden meist typische
Aufgaben, die später mit dem Produkt durchgeführt werden sollen, ausgewählt
und von Teilnehmern bearbeitet. Dabei ist die richtige Auswahl der Testaufgaben
von entscheidender Bedeutung. Die Aufgaben sollen so repräsentativ wie möglich
sein für die spätere Nutzung des Systems und die wichtigsten Funktionsbereiche
1070 Arbeitswissenschaft

des Produkts abdecken (NIELSEN 1993). Sie sind aus den typischen Arbeitsaufga-
ben der Anwender abgeleitet. Bei einem Usability-Test werden sie den Probanden
nacheinander gestellt und werden unter Einsatz verschiedener Methoden (siehe
Kap. 10.2.1.3.2.4) bearbeitet.

10.2.1.3.1.3 Teilnehmer
Usability-Tests können danach unterschieden werden, ob sie sich auf analytische
oder empirische Methoden stützen (SARODNICK u. BRAU 2006). Bei den analyti-
schen Usability-Tests werden Usability-Experten befragt, die ihre Erfahrungen
und ihr Wissen einbringen (Experten-Evaluation). Bei den empirischen Usability-
Tests werden dagegen Informationen direkt aus der Befragung und Beobachtung
von späteren Nutzern gezogen (User-Evaluation). Da Usability ein multidimen-
sionales Konzept ist, werden oft verschiedene Methoden miteinander kombiniert
(KARAT 1997).
Bei Experten-Tests begutachten erfahrene Usability-Experten eine Mensch-
Maschine-Schnittstelle. Diese Usability-Methoden haben den Vorteil, dass keine
Vorbereitungen zur Auswahl und Bezahlung von Probanden getroffen werden
müssen. Sie können so sehr schnell angewendet werden, auch wenn noch keine
funktionsfähigen Prototypen entwickelt wurden. Zumeist wird mehr als ein Exper-
te ein System begutachten, da verschiedene Evaluatoren auch unterschiedliche
Fehler finden. Zum Einsatz kommen insbesondere Gestaltungsrichtlinien, die
heuristische Evaluation und der sog. Cognitive Walkthrough (SARODNICK u.
BRAU 2006).
Die Untersuchung von Produkten mit Hilfe der Beobachtung und Befragung
von späteren Benutzern eröffnet Einblicke bei der Analyse von Problemen, die
alleine durch die Expertenbefragungen nicht möglich wären. User-Tests werden
bei fast allen Usability-Untersuchungen eingesetzt, oft in Verbindung mit Exper-
ten-Tests. Wichtig für die Durchführung von User-Tests ist die Auswahl der Pro-
banden. Die Probandengruppe sollte sich aus Nutzern aus der zukünftigen Ziel-
gruppe zusammensetzen. Nach RAUTERBERG et al. (1994) sollte eine heterogene
Zusammensetzung in Bezug auf Vorerfahrung mit Informationstechnologien,
Alter, Geschlecht, Ausbildung und Beruf gegeben sein. Oft ist jedoch besonders
wichtig, dass aus jeder Nutzergruppe ein repräsentativer Querschnitt an potenziel-
len Kunden befragt wird. Die Anzahl der Probanden hängt von der gewählten
Methode und der gewünschten Qualität ab. Bei Methoden, wie beispielsweise dem
Interview, werden selten mehr als zehn Probanden befragt. Um jedoch statistisch
gesicherte Ergebnisse bei einem Fragebogen zu erhalten, ist eine Untersuchung
mit mindestens 20 Probanden zu empfehlen.
10.2.1.3.2 Einsatz von Usability-Methoden im Produktgestaltungsprozess
In allen Phasen des benutzerorientierten Produktgestaltungsprozesses (siehe
Kap. 10.3.1.2) spielt die Evaluation von Usability eine wichtige Rolle und sollte
durch das Usability Engineering im Prozess verankert sein. In die Phasen zur
Ergonomische Gestaltung 1071

Analyse, Strukturgestaltung, Bediensystemgestaltung und Realisierung sollen die


Nutzer aktiv einbezogen werden.
Im Folgenden sollen einige verbreitete Methoden herausgegriffen und darge-
stellt werden. Dabei werden sie den Phasen des Produktgestaltungsprozesses zuge-
teilt. Dies bedeutet jedoch nicht zwingend, dass sie nur in dieser Phase verwendet
werden können, teilweise kann der Einsatz auch in anderen Phasen sinnvoll sein.
Die meisten Methoden finden ihre Verwendung in der letzten Phase, der Bewer-
tung von Gestaltungslösungen, da diese Phase die klassische formative Evaluation
beschreibt.

10.2.1.3.2.1 Analyse und Identifikation des Nutzungskontextes

Feldbeobachtung
Eine wichtige Methode bei der Identifikation des Nutzungskontextes stellt die
Feldbeobachtung, auch teilnehmende Beobachtung genannt, dar (ROTH u.
HOLLING 1999). Bei dieser Methode werden in der Umgebung der späteren Be-
nutzung die Benutzer bei ihrer Tätigkeit mit dem System beobachtet. Anders als in
einem Labor kann hier die konkrete Umgebung analysiert werden, in der ein Pro-
dukt später genutzt werden soll, beispielsweise wie der Arbeitsplatz bisher schon
ausgestattet ist und welche behindernden oder fördernden Umstände es im Umfeld
gibt.
Die teilnehmende Beobachtung an sich dient dazu Verhaltensmuster von Be-
nutzern in ihrer gewohnten Umgebung zu untersuchen. Dadurch kann ein Einblick
in Arbeits- und Dialogabläufe gewonnen werden und Standardsituationen erfasst
werden. Kritische oder selten auftretende Ereignisse dagegen können durch die
Methode nur schlecht aufgedeckt werden.

10.2.1.3.2.2 Strukturgestaltung und Benutzeranforderungen festlegen

Fokusgruppen
Fokusgruppen werden prinzipiell in jeder Phase eingesetzt. Häufig dienen sie
jedoch dazu, Benutzeranforderungen (auch requirements genannt) an ein Produkt
zu erfassen. Damit ist die Erhebung, Beschreibung und Dokumentation der Erwar-
tungen und der Wünsche der Nutzer an das Produkt gemeint (NIELSEN 1993).
Fokusgruppen setzen sich aus etwa fünf bis zehn Teilnehmern zusammen, wo-
bei die Nutzer aus der potenziellen Zielgruppe stammen. Unter der Führung durch
einen Leiter (aus dem Gestaltungsteam) wird die Gruppe zu Diskussionen über
das Produkt angeregt.
Fokusgruppen bieten die Möglichkeit Anforderungen zu erheben, und auch
schon in frühen Entwicklungsphasen erste Konzepte evaluieren zu lassen. Sie
ermöglichen die Erhebung von qualitativen Daten bezüglich Nutzerbedürfnissen
und Nutzererwartungen.
1072 Arbeitswissenschaft

10.2.1.3.2.3 Bediensystemgestaltung und Entwurf von Gestaltungslö-


sungen

Card Sorting
Card Sorting stellt eine Methode dar, die eingesetzt wird, um Gestaltungslösungen
zu entwickeln. Sie wird mit den zukünftigen Nutzern des Systems durchgeführt
und kann helfen, die Wahrnehmung und Kognition der Nutzer zu verstehen und
somit eine Struktur aufzubauen, die der gleichkommt, wie Benutzer Informationen
gruppieren und verarbeiten.
Dafür werden den Benutzern Karten ausgehändigt, auf denen Begriffe stehen
(beispielsweise die Namen aller Seiten eines neuen Internetangebots). Zunächst
sollen die Begriffe nach ihrem spontanen Verständnis erklärt werden. Dies gibt
bereits einen Einblick, ob die richtigen Begriffe gewählt wurden oder ob diese zu
verändern sind. Bei offenen Card Sortings sollen die Karten danach so angeordnet
werden, dass Ähnliches gruppiert wird. Daraufhin soll erklärt werden, warum die
Karten so verteilt wurden und den neu gebildeten Kategorien Namen gegeben
werden. Diese Struktur und ihre Benennung geben Auskunft darüber, wie Nutzer
Informationen gruppieren und wie demzufolge auch ein Internetangebot struktu-
riert sein könnte. Bei geschlossenen Card Sortings sind bereits Kategorien vorge-
geben, denen die Karten zugeteilt werden sollen. Jedoch werden bei dem Entwurf
von Gestaltungslösungen oftmals die offenen Card Sortings eingesetzt (TULLIS u.
WOOD 2004; XU et al. 2007).

10.2.1.3.2.4 Realisierung und Bewertung von Gestaltungslösungen


Experten-Evaluation
Im Folgenden sind mit Gestaltungsrichtlinien bzw. Leitfäden, heuristischer Eva-
luation und Cognitive Walkthrough drei typische Verfahren der Experten-
Evaluation näher erläutert.

Gestaltungsrichtlinien und Leitfäden


Gestaltungsrichtlinien sind ein basales Instrument zur Usability Evaluation. In
Gestaltungsrichtlinien werden Listen von Prinzipien gesammelt, die befolgt wer-
den sollten, um ein gebrauchstaugliches System zu entwickeln. Diese Gestaltungs-
richtlinien können unterschiedlich formuliert sein. Eine Form von Gestaltungs-
richtlinien sind beispielsweise Expertenleitfäden, die wie Checklisten verwendet
werden können.
Für Gestaltungsrichtlinien sei beispielhaft auf die sehr ausführliche Sammlung
von SMITH u. MOSIER (1986) verwiesen. SMITH und MOSIER stellten 1986 eine
Sammlung von fast 1000 Guidelines auf, die sich auf sechs Sektionen verteilen:
1) Data Entry, 2) Data Display, 3) Sequence Control, 4) User Guidance, 5) Data
Transmission und 6) Data Protection.
Expertenleitfäden konkretisieren demgegenüber die Durchführung von Evalua-
tionen noch mehr. Ein bekannter Expertenleitfaden ist der EVADIS II von
Ergonomische Gestaltung 1073

OPPERMANN et al. (1992) zur ergonomischen Evaluation von Software. Dieser


Expertenleitfaden stellt eine Kombination von verschiedenen Methoden dar. Er
setzt sich zusammen aus einer Prüffragensammlung zur Bewertung durch den
Experten, einer Benutzerbefragung zur Erfassung von Benutzermerkmalen und
einer Arbeitsanalyse durch ein Beobachtungsinterview. Das Resultat ist ein stan-
dardisierter Prüfbericht.
Gestaltungsrichtlinien sind formal-analytische Verfahren und leicht anwendbar.
Sie können bereits bei einfachen Prototypen eingesetzt werden, jedoch ist immer
zu beachten, dass das Domänenwissen der Benutzer u.U. zu wenig berücksichtigt
wird und sie in Ergänzung zu User-Tests durchgeführt werden sollten. Desweite-
ren bergen sie bei komplexen Aufgaben, insbesondere bei speziellen Benutzer-
gruppen und komplexen Nutzungskontexten die Gefahr, nicht alle Probleme auf-
decken zu können (WIDDEL u. MOTZ 2002).

Heuristische Evaluation
Über Gestaltungsrichtlinien und Leitfäden hinaus wurden auf Grundlage umfang-
reicher empirischer Untersuchungen Heuristiken entwickelt, die für die ergonomi-
sche Produktgestaltung verwendet werden können. Besonders bekannt sind die
zehn Heuristiken von NIELSEN (1994a). Darunter fallen zum Beispiel „Sichtbar-
keit des Systemzustandes“, „Konsistenz und Standards“ und „Übereinstimmung
zwischen System und realer Welt“.
Bei der heuristischen Evaluation inspiziert eine kleine Zahl von Evaluatoren
unabhängig voneinander, nach einer kurzen Übungsphase (Einführung in die Do-
mäne), zunächst ein System. Im nächsten Schritt werden die Ergebnisse in einer
Liste zusammengeführt und den Heuristiken zugeordnet. Die Evaluatoren bewer-
ten die aufgezeichneten Probleme daraufhin auf einer Skala nach ihrer Notwen-
digkeit zur Behebung. Oft werden heuristische Evaluationen in frühen Phasen der
Entwicklung eingesetzt.

Cognitive Walkthrough
Bei dieser Methode (LEWIS et al. 1990) liegt der Fokus auf dem „Ease of Lear-
ning“, also der Erlernbarkeit. Sie basiert auf der Theorie des Lernens durch Explo-
ration und hat zum Ziel, alles, was exploratives Lernen verhindert, zu beseitigen.
Bei dieser Methode sollen also die mentalen Prozesse des Benutzers analysiert
und nicht das Interface an sich evaluiert werden.
Dabei wird wie folgt vorgegangen: Experten identifizieren die „optimalen“
Problemlösungspfade für eine Aufgabe (beispielsweise das Auffinden eines spezi-
fischen Produkts bei einer Shopping-Website). Danach wird beurteilt, wie ein
normaler Nutzer zu diesem Ziel gefunden hätte. Im letzten Schritt wird bewertet,
wie sehr diese beiden Wege voneinander abweichen und welche Gründe es für
Abweichungen gibt. Alternativlösungen für Abweichungen können direkt von den
Experten entwickelt werden.
Eine Weiterentwicklung ist der Pluralistic Usability Walkthrough (BIAS 1994;
HELANDER et al. 1997; SANDOM et al 2007), auf den hier nur kurz verwiesen sei,
1074 Arbeitswissenschaft

bei dem Nutzer, Usability-Experten und Entwickler gemeinsam ein Produkt beur-
teilen. Diese Verfahren stellt bereits eine Kombination aus Experten-Test und
User-Test dar.
User-Evaluation
Neben der Experten-Evaluation werden beim Usability Engineering natürlich auch
Verfahren verwendet, die mit zukünftigen Benutzern des Produktes durchgeführt
werden.
Bei sog. User-Tests werden den Benutzern Aufgaben gestellt (siehe
Kap. 10.2.1.3.1.2), die sie bearbeiten müssen. Dabei können während und nach
der Bearbeitung eine Reihe von Methoden eingesetzt werden, um Informationen
über die Effektivität, Effizienz und Zufriedenheit bei der Arbeit mit dem interakti-
ven System zu erhalten. Es gibt Methoden, die objektive Maße erfassen, wie bei-
spielsweise Körperhaltung und Mimik (durch Videoaufnahmen), Eingabesequen-
zen (durch Logfiles), psychophysiologische Variablen (durch Biosignale), sowie
Blickdauern und -häufigkeit (Blickbewegungsanalyse). Subjektive Maße dagegen
werden durch die Aufzeichnung von „lautem Denken“, Befragungen und die
Verwendung von standardisierten Fragebögen erhoben.

Erhebungsmethoden für objektive Maße


Bei den Untersuchungen in Usability-Laboren werden häufig Videoaufnahmen der
Probanden angefertigt. Diese Videos dienen auf der einen Seite zur Aufzeichnun-
gen von Handlungen und Handlungsdauern und auf der anderen Seite zur Auswer-
tung von Mimik und Gestik. Mimik und Gestik etwa können Aufschluss darüber
geben, wie die Stimmung (Beispiel: Frustration) bei den Teilnehmern ist oder
informatorische Engpässe kennzeichnen.
Videoaufnahmen können auch im Nachhinein mit dem Probanden angeschaut
werden (sog. „Videokonfrontation“ bzw. „Videofeedback“). Dabei können be-
stimmte Situationen gemeinsam besprochen und die Probanden befragt werden,
warum sie in den betreffenden Fällen so gehandelt oder was sie dabei gedacht und
gefühlt haben.
Wenn es sich bei dem zu evaluierenden Produkt um eine Software handelt,
können direkt am Computer sogenannte Logfiles aufgezeichnet werden. Logfiles
sind die Protokolle der Eingaben, die das System speichern kann. Hierbei kann die
Zeit, aber auch die genaue Sequenz von Ereignissen aufgezeichnet werden, welche
für die Auswertung relevant sein kann.
Auch psychophysiologische Indikatoren können bei der Usability-Evaluation
erhoben werden (siehe auch Kap. 3.3.3.2.1). Psychophysiologische Indikatoren
lassen von Prozessen des zentralen und peripheren vegetativen Nervensystems auf
das subjektive Erleben des Nutzers schließen (HÄCKER u. STAPF 1998). Durch
Sensoren können beispielsweise die Herzschlagrate, die Herzschlagratenvariabili-
tät und der Hautleitwert aufgezeichnet werden. Auch der Einsatz von biochemi-
schen Größen, beispielsweise Adrenalin bei Erregung, ist möglich. Diese psycho-
physiologischen Größen können darüber Aufschluss geben, wie beanspruchend
Ergonomische Gestaltung 1075

beispielsweise der Umgang mit einer neuen Software ist oder wie die Nicht-
Erfüllung von Aufgaben zu Frustration führt. Psychophysiologische Maße haben
den Vorteil, dass sie auch nicht-bewusste, nicht zu verbalisierende Prozesse
(KEMPTER u. BENTE 2004) aufzeichnen können. Als nachteilig sind die teilweise
hohen Kosten und die aufwändige Datenauswertung zu nennen.
Besonders in Form von „beanspruchungsinduzierter Videokonfrontation“ wer-
den unbewusste Beanspruchungsmaxima ex post den Nutzern in Form einer aus-
gewählten parallel erhobenen Videosequenz präsentiert und zur Kommentierung
aufgegeben. Damit werden auch im Unterbewusstsein wirksame Gestaltungsmän-
gel identifizierbar (SPRINGER 1997).
Die Blickbewegungsanalyse wird im Usability-Test oft als Methode verwendet
(RÖTTING 2001). Dabei gibt es unterschiedliche Systeme, bei denen entweder
durch einen Helm, den die Probanden tragen, oder über auf dem Tisch fixierte
Kameras die Augenbewegungen, d.h. Fixationen (Blickpunkte) und Sakkaden
(Sprünge von einem Fixationspunkt zum nächsten), aufgezeichnet werden. Die
Fixationen können dabei Auskunft über die Aufmerksamkeitsverteilung und die
Informationsverarbeitung bei der Arbeit mit einem System geben. Durch
Sakkadenweiten kann bspw. auf die mentale Beanspruchung rückgeschlossen
werden. Nachteilig sind bei diesem Verfahren jedoch die hohen Anschaffungskos-
ten und auch die eingeschränkte Einsatzfähigkeit bei manchen Nutzergruppen wie
beispielsweise bei Brillenträgern.

Erhebungsmethoden für subjektive Maße


Methode des lauten Denkens
Die Methode des lauten Denkens ist eine aus der Psychologie stammende Metho-
de (DUNCKER 1935), die sehr häufig in Usability-Tests eingesetzt wird. Die Me-
thode des Lauten Denkens macht es möglich, Auskunft über die während der
Interaktion auftretenden kognitiven Prozesse und Emotionen zu bekommen. Dabei
können qualitative Informationen gewonnen werden, die auch über die mentalen
Modelle der Benutzer Auskunft geben. Bei dieser Methode werden den Probanden
Aufgaben gestellt, die mit Hilfe des Systems bearbeitet werden sollen. Die Pro-
banden werden während der Bearbeitung dazu aufgefordert, ihre Gedanken laut zu
verbalisieren. Sollte ein Proband aufhören dies zu tun, wird er vom Versuchsleiter
immer wieder erneut dazu aufgefordert, weiter zu sprechen. Das Ergebnis sind
qualitative Informationen über das, was der Nutzer wahrnimmt, interpretiert und
versteht und seine Probleme und Schwierigkeiten beim Erlernen der betreffenden
Materie (KATO 1986). Allerdings ist das Verbalisieren zuweilen schwieriger als
die Aufgabe selbst.
Interviews
Bei Interviews werden die Probanden vom einen Interviewer dazu befragt, wie sie
mit dem betreffenden System gearbeitet haben. Dabei können Leitfaden-
Interviews mit einer vorgegebenen Struktur oder ganz freie Interviews durchge-
führt werden (siehe auch Kap. 1.5.1.4). Interviews können aber auch nach der
1076 Arbeitswissenschaft

„Critical Incident Technique“ (FLANAGAN 1954) geführt werden, bei der beson-
ders positive und besonders negative Erlebnisse bei der Interaktion genannt wer-
den sollen.
Standardisierte Fragebögen
Fragebögen können relativ einfach und ohne großen Aufwand bei Usability-
Untersuchungen eingesetzt werden. Sie haben den Vorteil, dass sie bereits vali-
diert sind und einfach ausgewertet werden können.
Am bekanntesten dürfte der ISONORM-Fragebogen von PRÜMPER u. ANFT
(1993) sein. Dieser Fragebogen orientiert sich direkt an der DIN EN ISO 9241-110.
Zu jedem der sieben Gestaltungsgrundsätze, die in der ISO Norm beschrieben sind
(Aufgabenangemessenheit, Selbstbeschreibungsfähigkeit, Fehlertoleranz, Lernun-
terstützung, Erwartungskonformität, Steuerbarkeit, Individualisierbarkeit, siehe
Kap. 10.2.2.2), gibt es fünf Fragen. Jede der Fragen muss auf einer siebenstufigen
Skala von „sehr negativ“ bis „sehr positiv“ beantwortet werden. Zu diesen insge-
samt 35 Fragen kommen zusätzlich die Frage nach einen Gesamturteil sowie
Kommentarfelder. Die Dauer zur Bearbeitung des Fragebogens liegt bei etwa 15-
20 Minuten. Durch die Bildung von Mittelwerten über die Gestaltungsgrundsätze
wird deutlich, in welchem Bereich des Systems Schwachpunkte vom Nutzer
wahrgenommen werden.
Ein weiterer Fragebogen, der in der Praxis oft eingesetzt wird, ist der
„Questionnaire for User Interaction Satisfaction“ von SHNEIDERMAN (1987). Er
bezieht sich auf die Nutzerzufriedenheit und erfasst damit die subjektiven Erfah-
rungen mit einem System. In seiner ersten Version umfasst dieser Fragebogen
insgesamt 90 Items, wobei es einen Teil für die generelle Bewertung der Zufrie-
denheit gibt und sich der restliche Teil auf weitere 20 Konstrukte bezieht. Der
Fragebogen liegt auch in einer Kurzversion von 25 Fragen vor. Die Antworten
werden auf einer zehnstufigen Skala zwischen einem positiven und einem negati-
ven Item auf beiden Seiten (beispielsweise: verwirrend – klar) gegeben.
Weitere Fragebögen sind das „Software Usability Measurement Inventory“
(PORTEOUS et al. 1993), „IsoMetrics“ (WILLUMEIT et al. 1996) oder AttrakDiff
(HASSENZAHL et al. 2003).

10.2.2 Softwareergonomie
Der Anteil der mit Computern arbeitenden Menschen hat in den letzten Jahren und
Jahrzehnten ständig zugenommen. So arbeiteten laut Statistischem Bundesamt
(STAT. BUNDESAMT 2005) im Mai 2000 ca. 52% der Erwerbstätigen in Deutsch-
land beruflich mit einem Personal Computer (PC), wohingegen im März 2004 der
Anteil bereits bei 59% lag. In Abhängigkeit von der Tätigkeit variiert der Anteil
der Beschäftigten, die bei ihrer Arbeit einen PC nutzen, erheblich. Den höchsten
Anteil an PC-Nutzern hat mit 94% der Beschäftigten die Gruppe der im (techni-
schen) Büro sowie in Forschung und Entwicklung tätigen Personen. Aber auch im
Ergonomische Gestaltung 1077

Freizeitbereich und in der Medienkommunikation wächst die Bedeutung von


Software z.B. für Spielkonsolen, Multifunktionssysteme in Automobilen oder
Mobiltelefone rasant. Software hat sich somit zu einem zentralen Arbeitsmittel
entwickelt. Durchschnittlich bestehen nach klassischen Untersuchungen von
LANDAUER (1995) aber bei jeder Benutzungsschnittstelle ca. 40 Fehler. Eine früh-
zeitige Vermeidung der daraus entstehenden ergonomischen Defizite kann die
Produktivität der softwaregestützten Tätigkeit um bis zu 700% erhöhen.
Laut einer britischen Feldstudie lassen sich 12% dieser Designfehler durch un-
übersichtliche Dialogelemente, 25% durch uneinheitliche Gestaltung der grafi-
schen Benutzungsoberfläche und 60% durch nicht an den Arbeitsablauf angepass-
te Dialogfolgen begründen (SYSTEM CONCEPTS LTD. 2008). Die Folgen sind
unnötig beanspruchte und in Extremfällen sogar frustrierte Mitarbeiter sowie un-
nötiger Verlust produktiver Arbeitszeit. Bei Online-Angeboten kommen Umsatz-
einbußen durch unzufriedene Kunden sowie Imageverluste hinzu. Um diese Defi-
zite bereits in der Entwicklung zu vermeiden, existieren Modelle, Methoden und
Vorgehensweisen, die bei der ergonomischen Gestaltung von Software berück-
sichtigt werden sollten. Weiterhin bestehen Normen wie DIN EN ISO 9241, DIN EN
ISO 14915, VDI 5005 sowie Gesetze und Verordnungen, hier sind die Bildschir-
marbeitsverordnung (BildscharbV) und die Barrierefreie Informationstechnik-
Verordnung (BITV) zu nennen, die gesetzlich vorgeschriebene und daher im Prin-
zip „einklagbare“ Eigenschaften von Software angeben.

10.2.2.1 GrundlagenĆ
Der Begriff der Software-Ergonomie fasst sämtliche Modelle, Methoden und
Werkzeuge zusammen, die der ergonomischen Gestaltung der Mensch-Rechner-
Interaktion sowie der Analyse und der Evaluation der Benutzbarkeit interaktiver
Softwaresysteme dienen. Ausgehend vom Ansatz des Arbeitssystems (siehe
Kap. 1.5.1.1) sind dabei folgende Gestaltungsbereiche differenzierbar:
x Die in einem Arbeitssystem verwendeten Software-Applikationen im Sinne
eines interaktiven Arbeitsmittels und die Schnittstelle zwischen Computer
und Benutzer (z.B. Informationsdarstellung), werden gegenüber den tech-
nisch-physikalischen Elementen (z.B. Tastatur, Bildschirm), den sog.
Anpassmitteln (Stuhl, Tisch etc.) und den Arbeitsumgebungsfaktoren (z.B.
Licht, Lärm, Klima) durch den Bereich der ergonomischen Gestaltung der
Hardware (Hardware-Ergonomie) abgegrenzt. Diese sind für die software-
ergonomische Gestaltung nur von Bedeutung, wenn software-ergonomische
Kriterien, wie z.B. die Individualisierbarkeit, davon beeinflusst werden.
Software benötigt natürlich stets Hardwaresysteme zur Ein- und Ausgabe
von Informationen. Jedoch ist die Frage, ob aufgrund von Platz- oder Sicher-
heitsaspekten eine Maus, ein Trackball, eine Tastatur oder ein Touchscreen
zum Einsatz kommt, nur für die Anpassungen der Software an den Menschen
relevant. Hierfür kann als Beispiel die individuelle Einstellung der Ge-
schwindigkeitsrelationen zwischen Zeigerbewegung und Bewegung des Ein-
1078 Arbeitswissenschaft

gabe-Geräts angeführt werden. Diese ist im Falle eines Touchscreens durch


den Benutzer direkt steuerbar, wohingegen bei der Verwendung einer Maus
stets ein – wenn auch teilweise einstellbares – Übersetzungsverhältnis be-
steht.
x Die mittels Softwaresystem zu verrichtenden Tätigkeiten (Arbeitsaufgaben,
Anwendungsbereiche etc.) in Verbindung mit den individuellen Fähigkeiten
und Fertigkeiten sowie die Vorerfahrung der Benutzer oder Benutzergrup-
pen.
x Der organisatorische Kontext, in dem Informationen im Allgemeinen von
verschiedenen Personen und Gruppen genutzt werden und in den Computer-
systeme für die Verarbeitung betrieblicher Daten integriert sind. Dies bezieht
sich z.B. auf das Daten- und Austauschformat, die Form und den Umfang der
Vernetzung (privates Netz, Firmennetz, Internet) oder auch auf die Eigen-
schaften und Dienstequalitäten (z.B. Übertragungsgeschwindigkeit). Dabei
werden stets nur die Eigenschaften des Systems betrachtet, die für den Be-
nutzer in Erscheinung treten.
Ein Softwaresystem wird für bestimmte Einsatzgebiete (z.B. Konstruktion von
Bauteilen, Textverarbeitung, Kalkulation, Zeichnungserstellung) konzipiert und in
der Regel von einer großen, nicht homogenen Benutzergruppe genutzt. Die
Mensch-Rechner-Schnittstelle ist in ein organisatorisches System eingebunden,
welches Anforderungen an die Software-Architektur-Modelle für Benutzungs-
schnittstellen durch Kriterien darstellt, die entweder dem Anwendungszusammen-
hang oder Utilitätserwägungen entstammen. Hieraus lässt sich erkennen, dass die
Softwareergonomie ein interdisziplinäres Feld darstellt, in welchem die Arbeits-
wissenschaft für die Analyse und Gestaltung der Arbeitsabläufe sowie für die
ergonomische Gestaltung der Mensch-Rechner-Interaktion, die Soziologie und
Psychologie für die Berücksichtigung der sozialen Aspekte und Wechselwirkun-
gen sowie psychischen Eigenschaften und Funktionen des Menschen und die
Informatik für die softwaretechnische Konzeption und Implementierung, das „De-
sign“ für eine „visuell attraktive“ Oberfläche und schließlich der Anwender zur
Definition neuer Anforderungen und Bedürfnisse sowie Bewertung der gewünsch-
ten Anwendungen verantwortlich ist.

Semiotisches Modell der Mensch-Rechner-Interaktion


Aus Sicht der Arbeitswissenschaft läuft die Interaktion zwischen Mensch und
Rechner auf verschiedenen Abstraktionsebenen ab. Zur Beschreibung bietet sich
das sog. semiotische Modell nach MORRIS (1946) an, welches eigentlich für die
Mensch-Mensch-Kommunikation geschaffen wurde, sich jedoch sehr gut auf die
Mensch-Rechner-Interaktion übertragen lässt. Dieses Modell unterscheidet vier
Abstraktionsebenen (Abb. 10.79):
(1) Auf der physikalischen Ebene, häufig auch als lexikalische Ebene bezeich-
net, löst die Aktion des Benutzers ein Ereignis aus, das vom Input/Output
(I/O)-Manager interpretiert und in eine entsprechende Antwort umgesetzt
Ergonomische Gestaltung 1079

wird, z.B. bewirkt ein Tastendruck die Darstellung eines Zeichens auf dem
Bildschirm.
(2) Auf der syntaktischen Ebene wird das Regelwerk festgelegt, welches der
Dialogstruktur zugrunde liegt. Ein Dialog-Manager verarbeitet die betreffen-
den Ereignisse und Zeichenketten in Abhängigkeit des Dialogzustandes, z.B.
verlangt ein Eingabemenü die Eingabe von Daten in bestimmte Felder und
evtl. auch in bestimmter Reihenfolge.
(3) Auf der semantischen Ebene werden Objekte und Funktionen festgelegt, die
das funktionale Modell einer Arbeitsaufgabe auf Funktionselemente einer
Software abbilden und die notwendigen Werkzeuge zur Erfüllung der Funk-
tionsstruktur auf Benutzerseite bereitstellen, z.B. das Format eines Datensat-
zes für die betriebliche Ressourcenplanung, dessen Bearbeitungsweise sowie
Bedeutung.
(4) Auf der pragmatischen Ebene wird die Aufgabenrepräsentation in ein Appli-
kations- und Ablaufschema umgesetzt. Dieses setzt sich aus Objekten und
Funktionen der unteren Ebenen zusammen. So lässt sich z.B. ein Algorith-
mus für eine kundenspezifische Suche von Datensätzen in einem sog.
Enterprise Ressource Planning-System (ERP) vom Benutzer in Form eines
sog. Makros selbst entwickeln.
Das semiotische Interaktionsmodell wurde erstmals in den späten 70er Jahren
für die Gestaltung von Benutzungsschnittstellen herangezogen (siehe FOLEY et. al.
2005) und besitzt eine unübersehbare Ähnlichkeit mit den in Kapitel 10.1.2.3.2.1
eingeführten Abstraktionshierarchien. Der Gestaltungsprozess erfolgt i.d.R. top-
down, so dass die pragmatische Ebene des Anwendungsprogramms das mentale
Benutzermodell widerspiegeln sollte. Hierbei werden benutzbare Objekte, Objekt-
eigenschaften, Relationen zwischen Objekten und Operationen unterschieden, die
i.d.R. in sog. Benutzungsmetaphern eingebettet sind.

Benutzer Computer

Ziel- und Pragmatische Ebene


Applikationsmanager
Aufgabenrepräsentation Konzepte, Modelle

Semantische Ebene
Funktionsrepräsentation Werkzeugmanager
Funktionen und Objekte

Syntaktische Ebene
Dialogarten Dialogmanager
Dialogstruktur

Physikalische Ebene
Interaktionsausführung Display- und I/O-Ebene
Dateneingabe und -ausgabe

Abb. 10.79: Semiotisches Modell der Mensch-Rechner-Schnittstelle in Anlehnung an


FOLEY et al. (2005)
1080 Arbeitswissenschaft

Bei der Gestaltung der physikalischen Ebene müssen neben ergonomischen Ge-
staltungsaspekten (im Sinne von Kap. 10.1) Möglichkeiten zur Kodierung von
unterschiedlichen Informationen mittels Tastengestaltung (Input) und Anzeigege-
staltung (Output) betrachtet werden. Dabei sollte die Software-Architektur eine
multimodale Interaktion berücksichtigen, so dass verschiedene Ein- bzw. Ausga-
bekanäle des Menschen (visuell, auditiv, haptisch o.Ä.) für einen Informationsaus-
tausch zur Verfügung stehen.

Grundsätze der Dialoggestaltung


Gemäß DIN EN ISO 9241-110 sollte sich die Gestaltung von Dialogen bei Tätigkei-
ten mit sog. Bildschirmgeräten im Sinne der Bildschirmarbeitsverordnung
(BildscharbV) an gewissen ergonomischen Grundsätzen orientieren, die sich
durch folgende sieben Kriterien beschreiben lassen:
(1) Aufgabenangemessenheit
Ein Softwaresystem ist aufgabenangemessen, wenn es den Benutzer unter-
stützt, seine Arbeitsaufgabe zu erledigen, d.h., wenn Funktionalität und Dia-
log auf den charakteristischen Eigenschaften der Arbeitsaufgabe basieren,
anstatt sich lediglich auf die zur Aufgabenerledigung eingesetzten Technolo-
gie zu beziehen.
(2) Selbstbeschreibungsfähigkeit (Transparenz)
Ein Dialog ist in dem Maße selbstbeschreibungsfähig, in dem für den Benut-
zer zu jeder Zeit offensichtlich ist, in welchem Dialogzustand und an welcher
Stelle im Dialog er sich befindet, welche Handlungen unternommen werden
können und wie diese ausgeführt werden können.
(3) Steuerbarkeit
Ein Dialog ist steuerbar, wenn der Benutzer in der Lage ist, den Dialogablauf
selbst zu starten sowie seine Richtung und Geschwindigkeit zu beeinflussen,
bis das Ziel erreicht ist.
(4) Erwartungskonformität (Konsistenz)
Ein Dialog ist erwartungskonform, wenn er den aus dem Nutzungskontext
heraus vorhersehbaren Benutzeranforderungen und -bedürfnissen sowie all-
gemein anerkannten Konventionen und Standards entspricht.
(5) Fehlerrobustheit (Toleranz)
Ein Dialog ist fehlerrobust, wenn das beabsichtigte Arbeitsergebnis trotz er-
kennbar fehlerhafter Eingaben entweder mit keinem oder mit minimalem
Korrekturaufwand seitens des Benutzers erreicht werden kann.
(6) Individualisierbarkeit
Ein Dialog ist individualisierbar, wenn Benutzer die Mensch-System-
Interaktionen und die Darstellung von Informationen ändern können, um die-
se an ihre individuellen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Bedürfnisse anzupas-
sen.
Ergonomische Gestaltung 1081

(7) Lernförderlichkeit
Ein Dialog ist lernförderlich, wenn er den Benutzer beim Erlernen der Be-
nutzung des interaktiven Systems unterstützt, anleitet und den Wissens- und
Kompetenzerwerb fördert.
Grundsätzlich müssen diese Kriterien auf allen Ebenen des semiotischen
Mensch-Rechner-Modells erfüllt sein. Eine differenzierte Darstellung dieser Krite-
rien auf den vier semiotischen Abstraktionsebenen findet sich in Abb. 10.80

Ebenen des Gestaltungsgrundsätze


semio-
tischen Aufgabenan- Selbstbeschrei- Steuer- Erwartungs- Fehler- Individuali- Lernförder-
Systems gemessenheit bungsfähigkeit barkeit konformität robustheit sierbarkeit lichkeit

Pragmatische Genereller Be- Informationen Definition Übereinstimmung Änderung von Anpassung an Generierbarkeit
Ebene zug zur Arbeits- über eigener des rechnerin- Modelleigen- individuelle eigener Ord-
(Modelle und aufgabe Modelleigen- Modelle ternen mit dem schaften Eigenschaften nungskriterien
Konzepte) schaften mentalen Modell der Benutzer und Merkregeln

Semantische Ausführung von Verständlich- Wahlmöglich- Funktionen Reversibilität Individuelle Be- Unterstützung
Ebene Funktionen keit der keit zwischen in Analogie zu der fehlerhaften zeichnung von unterschied-
(Funktionen dient der Ziel- Auswirkung verschiedenen bisherigen Ausführung Funktionen und licher Lern-
und Objekte) erreichung von Funktionen Funktionen Tätigkeiten einer Funktion Objekten strategien

Syntaktische Befehlsbe- Befehls- Wahl zwischen Gleiche Vertauschen der Präferenzen in Wiederauf-
Ebene zeichnung bezeichnung Menüsteuerung Bezeichnung Eingabereihen- der Auswahl frischen von
(Dialog- in Aufgaben- verdeutlicht oder Kommando- gleicher folge von Para- von Dialog- Gelerntem er-
struktur) vokabular Funktion eingabe Parameter metern möglich techniken möglichen

Physikalische Art/Form der Verständliche Wahl zwischen Einheitliche Einfache Modifizierbare Verdeutlichung
Ebene Ein-/Ausgabe Tasten- Maus- oder Tasten- Änderung von Tasten- von Lern- vs.
(Dateneingabe ist der Aufgabe bezeichnung Tabletteingabe belegung Tippfehlern belegung Aufgabenin-
und -ausgabe) angepaßt halten

Abb. 10.80: Semiotisches Modell und Grundsätze der Dialoggestaltung

10.2.2.1.1 Entwicklung software-ergonomischer LeitlinienĆund Standards


Die Softwareergonomie hat sich erst Ende der 80er Jahre als eigenständiges For-
schungsgebiet entwickelt. Während bis in die 60er Jahre in erster Linie die Ent-
wickler mit den von ihnen gestalteten Softwaresystemen arbeiteten, erweiterte sich
in den 70er und 80 Jahren der Kreis der Spezialisten auf benutzerorientierte Ent-
wickler, es standen jedoch nach wie vor technische Aspekte im Vordergrund. Mit
dem Aufkommen preiswerter grafisch-interaktiver Systeme durch die Weiterent-
wicklung von Hard- und Software rückte in den 90er Jahren der Fokus auf die
Benutzerfreundlichkeit, die durch ergonomische Softwaregestaltung für die Mehr-
zahl von Mitarbeitern bspw. in kaufmännischen Bereichen oder in Entwicklungs-
abteilungen erreicht werden sollte. Spezialisten anderer Bereiche sollten die Soft-
ware als „Hilfsmittel“ einsetzen können. Für den Begriff „Softwareergonomie“
wurden die in der DIN EN ISO 9241-110 beschriebenen Grundsätze der Dialogge-
staltung ergänzt. Durch die zunehmende Forschung entwickelte sich der Begriff
der Softwareergonomie (oder synonym der benutzergerechten Gestaltung der
Mensch-Rechner- bzw. Mensch-Computer-Interaktion (MRI/MCI), der Benutzer-
freundlichkeit, der Mensch-Rechner-Kommunikation oder Human-Computer
Interaction – HCI) für das entstandene gemeinsame Arbeitsfeld der Arbeitswis-
senschaft, Psychologie und Informatik. Dementsprechend werden diese Perspekti-
ven als Herangehensweise für ergonomische Softwaregestaltung gewählt. Inzwi-
1082 Arbeitswissenschaft

schen hat sich die Informationstechnologie in weite Bereiche des Berufs- und
Privatlebens ausgedehnt. Als neue Leitbilder werden unter dem Begriff der „Soft-
ware Usability“, der Gebrauchstauglichkeit von Software, die „Virtuellen Umge-
bungen“ (Virtual Reality, siehe Kap. 10.1.2.1.3.1) und die „Intelligenz von All-
tagsgegenständen“ (Ambient Intelligence, WEBER et al. 2005) genannt.
10.2.2.1.2 Physikalische Ebene
Für die Gestaltung der physikalischen Ebene der Mensch-Rechner-Interaktion sind
im Kapitel 10.1.2.2.2 die wesentlichen Gestaltungsempfehlungen bereits gegeben
worden. Die Gestaltung des Arbeitsplatzes bezogen auf Tisch, Stuhl, Ein- Ausga-
begeräte, Arbeitsvorlagen (z.B. akustisch aufgenommene Texte, Vorlagenhalter
für technische Zeichnungen), Beleuchtung und Klima beeinflusst ebenfalls die
Arbeit mit Computersystemen, werden aber nicht zur Software-Ergonomie im
engeren Sinne gezählt. Sie sind z.B. Gegenstand der DIN EN ISO 9241-5 und soll-
ten die Benutzung des Bildschirms im Bereich des vorgesehenen Sehabstandes
von mindestens 400 mm bei einer Beleuchtungsstärke zwischen 400 und 600 Lux
erlauben. Für die ergonomische Gestaltung von Software sind folgende physikali-
sche Aspekte relevant:
x Die Darstellung alphanumerischer Zeichen und graphischer Symbole, wobei
Gestalt, Leuchtdichte, Farbe, Kontrast, Auflösung, Verzeichnungen oder
Bildwiederholfrequenzen eine Rolle spielen (siehe SCHLICK et al. 2008),
x die Darbietung und Anordnung von Daten auf dem Bildschirm, wie die
Gruppierung zusammengehörender Informationen, Minimierung von Aus-
wahlbewegungen in Bildschirmmenüs etc. sowie
x die Kodierung von Informationen zur Ein- und Ausgabe.
Üblicherweise werden aufgrund der visuellen Dominanz bevorzugt die Mög-
lichkeiten einer visuellen Kodierung genutzt. Die Art der Zeichen, verschiedene
Eigenschaften der Zeichen wie Größe, Farbe, Lage oder Richtung ist dabei ebenso
zu gestalten wie die physikalischen Eigenschaften der Bildschirme. Hierfür beste-
hen unterschiedliche technische Lösungen, die von klassischen Kathodenstrahl-
röhren über elektronisches Papier bis hin zu holografischen Displays reichen (sie-
he SCHLICK et al. 2008). Aufgrund der unterschiedlichen physikalischen Wirkprin-
zipien und ihrer Größe unterscheiden sich die Displays in ihren physikalischen
Eigenschaften, wie z.B. Kontrast, Auflösung, Verzeichnungen oder Bildwieder-
holfrequenzen und sind entsprechend der Anwendung auszuwählen und einzuset-
zen. Sie sollten entsprechend der erforderlichen Grenzen an das Wahrnehmungs-
vermögen und die sensomotorischen und geistigen Fähigkeiten, z.B. für ältere
Computernutzer, deren Leistungsvermögen eventuell altersbedingt eingeschränkt
ist, für sehbehinderte oder farbenfehlsichtige Benutzer, angepasst werden können.
Dies betrifft im Wesentlichen die Darstellung der Schriftgröße (idealerweise zwi-
schen 20 bis 22 Bogenminuten, entspricht bei einem Sehabstand von 400 mm
etwa 2 mm), die Leuchtdichte, welche abhängig von der Umgebungshelligkeit
möglichst 100 – 200 cd/m2 betragen sollte, die Bildwiederholfrequenz (mind. 80
Herz für eine flimmerfreie Darstellung) sowie das Leuchtdichte-
Ergonomische Gestaltung 1083

Kontrastverhältnis welches mindestens 3:1 betragen sollte (DIN EN ISO 9241-303).


So haben bspw. SCHNEIDER et al. (2007) in einer empirischen Studie die alters-
differenzierte Anpassung der Schriftgröße basierend auf dem Sehvermögen der
Benutzer untersucht und festgestellt, dass die von Microsoft standardmäßig zur
Verfügung gestellte Schriftgröße von 11 Punkten (pt) unter normalen räumlichen
Verhältnissen nicht für alle Nutzer gleichermaßen geeignet ist, sondern eine an
dem Sehvermögen der Benutzer adaptierte Schriftgröße verwendet werden sollte.
Neben diesen Attributen auf dem optischen Kanal kann die zeitliche Variation
der genannten Merkmale dem Benutzer zusätzlich Informationen vermitteln. Das
Zeitverhalten lässt sich nach Variabilität und Dauer unterscheiden
(SHNEIDERMAN 1987), wobei der Einfluss der Dauer gering ist, wenn der Benut-
zer das Systemverhalten interpretieren und erklären kann (z.B. werden komplexe
Operationen als rechen(zeit)intensive Systemaktionen eingeschätzt). Längere
Antwortzeiten können, wenn sie bekannt sind, bei komplexen Systemoperationen
als Erholzeiten wirken und kreative Prozesse initiieren, während zu kurze Ant-
wortzeiten als ständiger Druck zu neuen Benutzereingaben empfunden werden
können (HACKER 1988, BOUCSEIN 2009). Grundsätzlich gilt jedoch, dass bei
längeren Antwortzeiten eine Prozesszeitanzeige (z.B. 75% der Software installiert)
vorgesehen werden muss. Das heißt es ist sinnvoll, die Zeit als dynamisches
Merkmal einer Kodierung zu nutzen. Dies kann bspw. über zeitlich veränderliche
Symbole wie einen rotierenden Zeiger, eine rotierende Sanduhr oder ein sich zu-
nehmend füllender Statusbalken (zeitliche Veränderung der Position und Richtung
einer Linie) geschehen. So lässt sich kennzeichnen, dass ein Prozess derzeit in
Bearbeitung ist und somit weitere Eingaben nicht durchgeführt werden können.
Eine umfassende Literaturanalyse zu Antwortzeiten bei der Mensch-Rechner-
Interaktion findet sich bei BOUCSEIN (2009).
Weiterhin stehen auch akustische, haptische oder z.B. in aufwändigen Simula-
toren – wie Fahr- oder Flugsimulatoren zu Trainingszwecken –, kinästhetische
Arten der Kodierung von Ausgabeinformationen zur Verfügung. Unter dem As-
pekt der Konsistenz ist dabei wichtig, Gestaltungsparameter konsequent in einer
Software bzw. in verschiedenen Applikationen am Arbeitsplatz einzusetzen. Abb.
10.81 zeigt am Beispiel von verschiedenen Eingabefeldern, dass die verwendeten
Gestaltungsparameter beim Benutzer Erwartungen initiieren, denen bei der Soft-
waregestaltung Rechnung getragen werden muss.
Am Beispiel der Lage von Zeichen (siehe Abb. 10.82 oben) wird gezeigt, wie
die Information über die logische Zusammengehörigkeit von Radiobuttons, deren
Bedeutung (z.B. Links-Mitte-Rechts versus Oben-Mitte-Unten) und deren Lage
selbstbeschreibungsfähig dargestellt werden kann. Die beiden im unteren Bereich
der Abbildung dargestellten Lösungen bieten durch graphische Symbole (rechts)
und die Berücksichtigung der Gestaltgesetze (links) eine bessere Unterstützung,
die dem Benutzer signalisiert, was der jeweilige Befehl bewirkt und welche zu-
sammengehörigen Auswahlmöglichkeiten bestehen. In Abb. 10.82 (links unten)
ist die Funktion der jeweils für sich abgesehen von ihrem Zustand (ein- / ausge-
schaltet) bedeutungsfreien Buttons durch ihre Lage eindeutig definiert.
1084 Arbeitswissenschaft

5
3

2
1

Abb. 10.81: (1) Radio-Buttons: nur eine Option kann eingeschaltet werden; (2) Buttons:
ein Ereignis wird ausgelöst, wobei Erwartungen bestehen; (3) Checkbox: die Box kann ein-
oder ausgeschaltet werden; (4) alphanumerische Parameter können eingetragen werden, die
auch angezeigt werden; (5) alphanumerische Parameter können eingetragen werden, wer-
den jedoch aus Sicherheitsgründen nur als Sternchen angezeigt

Objekte ausrichten

Linke Seite L/R Mitte Rechte Seite

Oben O/U Mitte Unten

Objekte ausrichten

Links oben Mitte oben Rechts oben

Links Mitte Mitte Rechts Mitte

Links unten Mitte unten Rechts unten

Abb. 10.82: Kodierung durch horizontale Radio-Buttons (oben) oder matrixförmig ange-
ordnet (links unten), grafische Illustration der Ausrichtoptionen, selbstbeschreibungsfähig
(rechts unten)

Alternativ veranschaulicht Abb. 10.82 (rechts unten), wie eine platzsparende


Visualisierung und Informationskodierung durch graphische Symbole dem Benut-
zer die Auswirkungen des Befehls in Form eines Menüs verdeutlicht. Dem gegen-
über ist die Anordnung der Radiobuttons (oben) wenig transparent und nicht so
selbstbeschreibend.
Die überwiegende Anzahl von Informationen wird, abgesehen von einzelnen
akustischen Warnmeldungen oder der Sprachausgabe, auf Bildschirmen visuali-
siert. Die Anordnung von Informationen auf dem Bildschirm in verschiedenen
Fenstern (Fenstertechnik seit den 70er Jahren) mit der Möglichkeit des
Ergonomische Gestaltung 1085

Übereinanderlegens eröffnet ein breites Spektrum an Gestaltungsmöglichkeiten,


vor allem da in der Regel die Bildschirme zu klein für die simultane Darstellung
aller Anwendungen sind. Einschränkend wirken sich Bildschirmgröße und
-auflösung vor allem auf die Übersichtlichkeit und damit die gute Wahrnehmbar-
keit von Informationen aus. Seit den 90er Jahren orientieren sich Benutzungskon-
zepte an der Metapher eines Schreibtisches, auf dem ebenfalls unterschiedliche
Dokumente über- und nebeneinander liegen können. Die Metaphern sind aber
kontextabhängig: So verwenden CAD-Systeme Analogien aus Konstruktionstätig-
keiten und Konstruktionsarbeitsplätzen oder Enterprise-Resource-Planning-
Systeme Zeitbanddarstellungen zum aufgabenbezogenen Einsatz von Menschen,
Maschinen und Material. Hier sind in absehbarer Zeit keine wesentlichen Verän-
derungen zu erwarten.
Bei Eingabe- wie auch Ausgabegeräten ist jedoch die Tendenz zu beobachten,
die Geräte aufgabenspezifisch weiterzuentwickeln. Dies bietet sich insbesondere
dort an, wo ohne Tastatur oder Maus mit alternativen handgeführten Eingabegerä-
ten (z.B. stiftbasierte Systeme) gearbeitet wird. Ein Beispiel ist der Tablet-PC
(siehe Abb. 10.83 links), eine Weiterentwicklung des „Notebooks“, der neben
Tastatur und Maus über einen eingabefähigen Touchscreen verfügt, so dass In-
formationen per Stifteingabe manipuliert und in standardisierte Symbole (alpha-
numerische Zeichen, grafische Symbole) umgesetzt werden können. Hierbei wer-
den Handschriften- und Handskizzenerkennung genutzt.

Abb. 10.83: Tablet PC der Fa. Fujitsu Siemens(links); CyberGlove II - Drahtloser Daten-
handschuh von Immersion (rechts)

Bei der Entwicklung neuer Eingabegeräte spielt neben dem Anwendungsgebiet


jedoch auch die Benutzergruppe eine wichtige Rolle. So hat sich gezeigt, dass vor
allem ältere Benutzer mit den traditionellen Eingabegeräten, wie beispielsweise
der Maus, Probleme haben (WALKER et al. 1996, SCHNEIDER et al. 2008). Einga-
bemedien, die eine direkte Manipulation ermöglichen, wie bspw. ein Touchscreen
oder eine blickbasierte Eingabe sind für diese Nutzergruppe besser geeignet
(SCHNEIDER et al. 2008).
1086 Arbeitswissenschaft

Auch im Bereich der klassischen Informationseingabe und -ausgabe werden


neue Systeme entwickelt. Dies zeigen z.B. Produkte wie der „Datenhandschuh“,
die 3D-Maus oder das Head-Mounted Display (CAKMAKCI u. ROLLAND 2006)
zur Interaktion in einer „Virtuellen Realität“ (VR) (siehe Kap. 10.1.2.1.3.1). Be-
sonders im Anwendungsfeld der Virtuellen Umgebungen werden zunehmend auch
Tracking-Systeme oder Verfahren zur Gestikerkennung zur Eingabe von Daten
und zur Steuerung der Systeme eingesetzt. Mit dem Einsatz von VR, deren Kom-
bination mit realen Objekten auch als sog. Augmented Reality (AR, erweiterte
Realität) bezeichnet wird, erschließen sich z.B. in der Konstruktion neue Mög-
lichkeiten der Benutzerinteraktion. Dies erfolgt neben der pseudo-natürlichen
Interaktion mit dem System mittels Gestenerkennung oder Spracheingabe auch
auf Seiten der Datenausgabe. Die Leistungsfähigkeit der Computer ermöglicht es
hier inzwischen beinahe real wirkende Umgebungen oder Objekte dreidimensio-
nal, z.B. in einer CAVE oder auf einer Workbench, darzustellen. Der Benutzer
kann somit in eine nicht oder nur in Teilen reale Welt eintauchen. Dieses „Eintau-
chen“ wird auch als Immersion bezeichnet. Weitere Informationen finden sich in
Kapitel 10.1.2.1.3.
10.2.2.1.3 Syntaktische Ebene
Unter einem Dialogsystem wird im Sinne der Norm „Grundsätze ergonomischer
Dialoggestaltung“ (DIN EN ISO 9241-110) ein Ablauf verstanden, „bei dem der
Benutzer zur Abwicklung einer Arbeitsaufgabe […] Daten eingibt und jeweils
Rückmeldung über die Verarbeitung dieser Daten erhält“. Ein Dialog ist im Ein-
zelnen als die Interaktion zwischen einem Benutzer und einem Dialogsystem
definiert. Ein Dialog ist selbstbeschreibungsfähig, wenn jeder einzelne Schritt
verständlich ist oder zu jedem Zeitpunkt Erläuterungen über Programmschritte
abrufbar sind.
Die Anordnung und Bezeichnung der einzelnen Dialogschritte sollte dabei der
Aufgabenstellung angepasst werden (Aufgabenangemessenheit). Das Respektieren
gewohnter Arbeitsweisen durch Analogien in der Bedienung des Systems und ein
einheitliches Dialogverhalten kennzeichnen ein erwartungskonformes Systemver-
halten. So sollen z.B. ähnliche Parameter bei verschiedenen Funktionen gleich
bezeichnet oder aus anderen Arbeitsbereichen übertragen werden (z.B. Befehls-
eingabe zur Bemaßung einer Nut durch fertigungsprozesstypische Bezeichnungen,
siehe Abb. 10.84).
Für Antwortzeiten des Systems sollen kalkulier- und absehbare Dauern und Er-
gebnisse angestrebt werden. Durch die eindeutige, dem gängigen Aufgabenvoka-
bular folgende Bezeichnung von Befehlen bzw. die durchgängig gleiche Bezeich-
nung von Parametern wird nicht nur die Befehlsfunktion verdeutlicht sondern
auch das Erlernen bzw. „Wiederauffrischen“ schon erlernter Operationen geför-
dert. Auch die Gestaltung von Symbolen, die inhaltliche Gruppierung bzw. Zu-
sammenfassung von zusammenhängenden Befehlen und Parametern, die Reihen-
folge (alphabetisch auf- oder absteigend sortiert, semantisch strukturiert, etc.), die
Form der Schachtelung von Menüs wie auch die Anordnung von Menüs (pull
Ergonomische Gestaltung 1087

down versus pull out), die Anordnung von Menüpunkten (als Liste oder im Kreis),
die Platzierung der Menüs auf dem Bildschirm bzw. in Relation zu Fenstern, die
Anzahl gleichzeitig dargestellter Menüs etc. sind Gestaltungsbereiche, die zu
einem transparenten Dialog beitragen.

Abb. 10.84: Maßangaben zur Eingabe einer Nut in einem CAD-System

Art und Umfang von Ein- und Ausgaben, Auswahl und Reihenfolge von Ar-
beitsmitteln und die Geschwindigkeit des Ablaufs sollen im Sinne der Steuerbar-
keit vom Benutzer beeinflusst werden können. Im Zuge der Weiterentwicklung
von interaktiven Benutzeroberflächen, die auf selbstbeschreibungsfähigen Dialo-
gen beruhen, werden zunehmend die sog. Techniken der direkten Manipulation
eingesetzt. Alle Objekte von Interesse sind sichtbar und Operationen werden
durch direkte manuelle Manipulation (SHNEIDERMAN u. PLAISANT 2004) der
Objekte durchgeführt, z.B. das Löschen einer Datei durch Selektieren und Schie-
ben in einen Papierkorb. Der Papierkorb selbst wiederum kann geöffnet werden
(siehe Abb. 10.85), um beispielsweise versehentlich gelöschte Dateien wieder aus
dem Papierkorb „herauszuholen“.

Abb. 10.85: Papierkorb leer (links) und mit gelöschten Dokumenten (rechts)
1088 Arbeitswissenschaft

Um dem Kriterium der Individualisierbarkeit gerecht zu werden, kann indivi-


duell zwischen dem benutzergeführten Dialog (Zugriff auf alle möglichen Befehle
über z.B. Kommando- oder Tabletteingabe) und dem systemgeführten Dialog
(Auswahl aus vom System dargebotenen Befehlen über z.B. ein dynamisches
Bildschirmmenü) unterschieden werden.
Ungeübte Benutzer tendieren dazu, eher aus einem Ordnungsschema (Menü)
auszuwählen. Der Vorteil dieser Technik liegt darin, dass auf das „Eingeben von
Befehlen“ weitestgehend verzichtet und damit die mentale Beanspruchung durch
Analogiebildung stark vermindert werden kann.
Demgegenüber bevorzugen geübte Benutzer eher die direkte Anwahl über das
Eingeben eines Kommandos, wodurch einzelne Befehle zusammengefasst werden
können und dadurch die Aufgabenbearbeitungszeit wesentlich reduziert werden
kann. Direkt manipulative Systeme sind jedoch häufig mit Menüsystemen ausge-
stattet, so dass vom Benutzer zwischen beiden Dialogformen gewählt werden
kann.
Beide Arten haben je nach Qualifikation des Benutzers und Befehlsumfang des
Programms ihre Berechtigung. Ein Wechsel zwischen beiden sollte, wie dies bei
Mischformen, sog. hybriden Dialogtechniken der Fall ist, beliebig möglich sein.
Beispielsweise bieten CAD-Systeme häufig die Möglichkeit sowohl über system-
geführte Dialoge als auch über Kommandozeilen Befehle entgegenzunehmen
(siehe Abb. 10.86).

Abb. 10.86: Unterschiedliche Dialogarten zur direkten Manipulation oder in Form einer
Kommandosprache bei einer CAD-Anwendung
Ergonomische Gestaltung 1089

Die Fehlerrobustheit von Softwaresystemen ist abhängig von der Art des
Fehlers. Es soll trotz einer fehlerhaften Eingabe das gewünschte Ziel mit minima-
lem oder ohne Korrekturaufwand erreicht werden, z.B. durch das Verändern einer
Eingabe statt einer Neueingabe. Dies kann durch Kontrollfunktionen, wie einer
Plausibilitätsprüfung (z.B. darf die Eingabe eines Bauteilmaßes keine Buchstaben
enthalten) erfolgen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Eingabe auf den
Fehler hinweist. Vermeintliche Fehler müssen darüber hinaus als Teil von Lern-
vorgängen (Exploration) und somit als lernförderliche Handlung bezogen auf eine
verständliche Systemantwort (siehe auch Selbstbeschreibungsfähigkeit) akzeptiert
werden. Dazu sollte die Reihenfolge der Parametereingabe sowie im Rahmen
sinnvoller Grenzen auch der Befehle dem individuellen Arbeitsprozess angepasst
werden können, um im Verlauf des Arbeitsprozesses entstandene und erst einige
Arbeitsschritte später bemerkte Fehler gezielt korrigieren zu können, ohne korrekt
durchgeführte Teile des Arbeitsprozesses wiederholen zu müssen (Korrigieren
einzelner Maße in einer Eingabemaske). Ein unkontrolliertes Beenden des Pro-
gramms muss ebenso vermieden werden wie der „Absturz“ des gesamten Be-
triebssystems. Dabei sollten unterschiedliche Arten menschlicher Fehler berück-
sichtigt werden.
Fehler lassen sich nach ZAPF et al. (1999) nach Fehlleistungen und Fehlhand-
lungen unterscheiden, wobei die Intention der Person bezogen auf den verursach-
ten Fehler im Vordergrund steht. Fehlleistungen entstehen, wenn der Benutzer die
richtige Intention hatte, aber Probleme in der Entwicklung und Ausführung eines
Handlungsplanes auftraten (z.B. Tippfehler). Fehlhandlungen dagegen setzen die
Bildung einer falschen Intention voraus und sind insofern schwer interpretierbar
(z.B. Konstruktion eines Bauteils und Verwechslung von Durchmesser und Radi-
us). Aus formal richtigen Eingaben muss auf die Intention des Benutzers geschlos-
sen werden, um Fehlhandlungen nachzuweisen. Dies ist aufgrund unvollständiger
Fehlerkriterien oft nicht möglich. Bei Funktionen, deren Ausführung weitreichen-
de Konsequenzen hat (z.B. Löschen von Dateien oder Eingaben), führt eine zu-
sätzliche Bestätigungsanforderung zu einer erneuten Kontrolle durch den Benut-
zer. Somit kann eine vorhergegangene Fehlhandlung unter Umständen rückgängig
gemacht werden. Solche Bestätigungen sollten jedoch nicht zu häufig angefordert
werden, da diese sonst zur Routine werden, ungeprüft bestätigt oder verworfen
werden und somit ihren kontrollierenden Charakter verlieren.
Bei geringer Übung des Benutzers ist eine hohe mentale Beanspruchung im
Umgang mit dem Softwaresystem zu erwarten und damit auch eine hohe Fehler-
häufigkeit. Der Einsatz eines systemgeführten Dialogs und die damit verbundenen
Vorteile entlasten in diesem Fall dadurch, dass z.B. nur die Auswahl eines Befehls
statt ständig alle Befehle, die aktuell aufrufbar sind, im Gedächtnis vorgehalten
werden müssen. Die Gestaltung benutzereigener Menüs (Tablett- oder Bild-
schirmmenüs) entspricht einem durch den Benutzer gesteuerten systemgeführten
Dialog und kann diese Vorteile nutzen. Das Modifizieren des Menüs muss leicht
durchführbar sein, um Zusatzbelastungen durch Programmierarbeiten zu vermei-
den. Ein Beispiel dafür ist die Menüauswahl „Erweiterte Optionen“, die zusätzli-
1090 Arbeitswissenschaft

che Schaltflächen zur Einstellung detaillierter Parameter einblendet. Das Zusam-


menfassen von Befehlen und die Definition benutzereigener Kurzbefehle bspw. in
Form von Freihandsymbolen, einer weiteren Form transparenter Dialogtechnik,
mit deren Hilfe Systeme gesteuert werden können, erweitert die Möglichkeiten zur
Gestaltung individueller Dialogformen. Auch hier gilt, dass möglichst der Benut-
zer selbst durch eine entsprechende Softwaregestaltung in die Lage versetzt wer-
den soll, die Software seinen individuellen und aufgabenspezifischen Bedürfnis-
sen anzupassen. Das Dialogsystem sollte Techniken zur Anpassung an Sprache
und andere kulturelle Eigenheiten des Benutzers zur Verfügung stellen. Auch
sollte das Dialogsystem die Möglichkeit bieten, zwischen alternativen Formen der
Darstellung zu wählen, um individuellem Arbeitsstil und Vorlieben des heteroge-
nen Benutzers gerecht zu werden. So bieten moderne Betriebssysteme wie MAC
OS X und Windows Vista durch „Aero-Optik“ transparente und dreidimensional
gestaltete Fenster, die dynamisch Benutzervorlieben antizipieren. Oft sind die
gewählten Konfigurationen allerdings ergonomisch nicht günstig sondern wirken
lediglich ästhetisch.
Hilfestellungen sollen aus einer aufeinander abgestimmten Kombination aus
Benutzerhandbüchern und Informationen auf dem Bildschirm (Auswahl möglicher
Systemantworten mit den entsprechenden Auswirkungen, HELP-Kommando,
Online-Tutorial etc.) bestehen. Ein computergestütztes Hilfesystem muss kontext-
sensitiv sein, d.h. abhängig vom momentanen Bearbeitungsstatus, in dem eine
Hilfe angefordert wird. Die Hilfestellung sollte direkt zu dem Bearbeitungsstatus
erfolgen, ohne dass der Benutzer erst aufwendige Abfragen des Systems durchlau-
fen muss. Dies kann bspw. durch kontextabhängige „Tooltips“ erfolgen, die In-
formationen über einzelne Elemente der Benutzungsschnittstelle und deren Funk-
tion liefern. Die Genauigkeit der Erklärungen hat einen Einfluss auf Nutzen und
Anwendungshäufigkeit der Hilfen und muss an verschiedene Benutzergruppen
angepasst werden können (MOLL u. SAUTER 1987). Sind die Hilfestellungen zu
ausführlich, werden sie von qualifizierten Benutzern nicht genutzt und Detailin-
formationen verwirren den Anfänger. Eine Abhilfe hierfür bieten Hilfefunktionen,
die unterschiedliche Detailierungsgrade und Beispiellösungen bieten, die durch
den unerfahrenen Nutzer auf die bei ihm vorherrschende Fragestellung übertragen
werden können.
10.2.2.1.4 Semantische Ebene
Die Benutzung eines Softwaresystems als ein Werkzeug zur Lösung von Arbeits-
aufgaben ist auf der semantischen Ebene repräsentiert. Daraus werden die im
System implementierten Funktionen und die mit dem System definierbaren und
manipulierbaren Objekte der Aufgabe angemessen gewählt und gestaltet. Der
Leistungsumfang eines Systems setzt sich dabei zusammen aus Art und Umfang
der Funktionen bezogen auf zu verrichtende Operationen und aus Art und Umfang
der Objekte, mit deren Hilfe die Ziele und den Arbeitsaufgaben zugrundeliegen-
den Modelle abgebildet werden können. Softwareergonomische Defizite auf der
semantischen Ebene liegen oft in der mangelhaften Übereinstimmung der Objekte
Ergonomische Gestaltung 1091

und Funktionen des Anwendungssystems mit den im mentalen Modell des Benut-
zers repräsentierten Konstrukten.
LUCZAK et al. (2006) nennen einige für die Gestaltung einer Benutzungsober-
fläche von CAD-Systemen auf semantischer Ebene wesentliche Funktionen. So ist
eine weitestgehende direkte Manipulation der Objekte mittels geeigneter Eingabe-
geräte zu gewährleisten. Dazu gehört neben der unkomplizierten Objekterzeugung
auch deren geometrische Veränderung. Dabei ist bspw. aufgrund der notwendigen
Exaktheit des Systems auch ein unmittelbares numerisches Feedback notwendig.
Für einen ersten Entwurf, meist nicht bis in alle Details ausgearbeitet, sondern auf
einen verhältnismäßig groben mentalen Modell begründet, sollte eine Handskizze
erstellt werden können, über deren Transformation in exakte CAD-Elemente der
Nutzer anschließend selbst entscheiden kann.
Bei der Objekterzeugung in einem CAD-Programm ist es für den Benutzer von
Vorteil, den chronologischen Ablauf der realen Fertigung eines Bauteils auch bei
der Erzeugung in der CAD-Umgebung abzubilden, z.B. wird das nachträgliche
Entfernen von Material an einem Objekt (das z.B. dem realen Fräsen oder Drehen
entspricht) dem nachträglichen Hinzufügen vorgezogen. Die Software kann dieses
Verfahren durch eine entsprechende Strukturierung der virtuellen Fertigungs-
schritte vorgeben.

Funktionen
Art und Umfang der implementierten Funktionen beeinflussen die Art der Arbeits-
teilung zwischen Benutzer und Software, in dem Teilaufgaben auf die Software
übertragen werden können (z.B. mittels Bemaßungsfunktion in CAD-Systemen).
In CAD-Systemen wird dies häufig mit sog. „Toolbox“-Funktionen realisiert, die
je nach Absicht des Anwenders automatisch eingeblendet werden. Ein Beispiel für
solch eine von der Software bereitgestellte Funktion aus einer CAD-Anwendung
ist die sog. „Assembly“-Funktion (siehe Abb. 10.87). Nachdem mehrere Bauteile
erstellt wurden kann in den Montage-Modus gewechselt werden, der bspw. das
parallele oder orthogonale Ausrichten von Flächen bei der Zusammenstellung von
Baugruppen übernimmt.
Die Gestaltung der Funktionen hat aber auch entscheidenden Einfluss auf das
Dialogverhalten des Systems (z.B. Steuerbarkeit von Dialogen nur in den durch
die Funktionen zugelassen Grenzen) und damit auf den Arbeitsablauf. So stellt die
Software dem Anwender alle nötigen Werkzeuge zur Assemblierung bereit, die
vom Benutzer zu erledigenden Tätigkeiten werden dadurch stark reduziert. Grund-
sätzlich sollte hierfür durch den Benutzer zwischen unterschiedlichen Funktionen
gewählt werden oder innerhalb einer Funktion zwischen unterschiedlichen Lö-
sungswegen gewechselt werden können. Je mehr Voraussetzungen und damit
Regeln und Funktionen die zu manipulierenden Objekte selbst mit sich tragen und
damit für das Benutzen einer Funktion existieren, desto geringer ist der Freiraum
während der Ausführung der Funktion und desto mehr Vorarbeiten müssen durch-
geführt werden. Auch bei der benutzerspezifischen Veränderung eines Systems
muss beachtet werden, dass zusätzliche Funktionen ein Softwaresystem größer,
1092 Arbeitswissenschaft

komplexer und somit auch langsamer und fehleranfälliger machen können. Damit
entstehen durch existierende Funktionen Beeinträchtigungen, die kritische Fehler
und mangelnde Benutzbarkeit verursachen können. Hingegen hat der Benutzer so
während der Funktionsausführung eine ständige Handlungskontrolle, da er selbst
jederzeit über Reihenfolge, Art und Geschwindigkeit auszuführender Funktionen
entscheiden kann.

Abb. 10.87: Assembly-Modus eines CAD-Programms: Die Software stellt dem Benutzer
die nötigen Werkzeuge bereit, sobald vom Zeichnen- in den Assembly-Modus gewechselt
wird. Die Box rechts stellt dabei alle bereits fertigen Teile bereit, die zu der Baugruppe
gehören, die nun assembliert wird

Die direkte Manipulation von graphischen Objekten stellt in gewissen Grenzen


einen benutzergeführten Dialog dar, wenn nur die für den jeweiligen Zeitpunkt
relevanten Funktionen in Form von Objekten dargestellt werden. Nicht verfügbare
Funktionen können ausgeblendet, „ausgegraut“ oder auf eine andere Weise ge-
kennzeichnet werden. Zu empfehlen ist, Benutzungsoberflächen der jeweils ge-
wünschten Funktion und den sonstigen Absichten des Anwenders anzupassen, sei
es durch kontextsensitive Menügestaltung, interindividuelle, benutzerprofilabhän-
gige Anpassungen oder eine durch Administratoren voreinstellbare Funktionsaus-
wahl.
Die Rücknahme der letzten Befehle bzw. Funktionsstufen durch UNDO-/
REDO-Funktionen und das ausreichend häufige Zwischenspeichern des Arbeits-
Ergonomische Gestaltung 1093

ergebnisses verhindern, dass nur eine erneute Eingabe die Auswirkungen von
Fehlhandlungen beseitigen kann.

Objekte
Die Art der Datenstruktur, die in einem Softwaresystem erzeugt, verwaltet und
manipuliert werden kann, bestimmt zu wesentlichen Teilen die Bearbeitungsmög-
lichkeiten von Arbeitsaufgaben. Existiert bspw. in einem CAD-System die Mög-
lichkeit, die Zusammengehörigkeit einzelner Bauteile zu einer Baugruppe zu defi-
nieren, so kann automatisch ein Überblick bspw. über Gewicht und Umfang des
Gesamtproduktes erstellt und evtl. modifiziert werden. Dazu müssen bspw. alle
Geometrieinformationen in eine homogene und konsistente Datenstruktur einge-
bunden werden. Nur so können Zusammenhänge zwischen einzelnen Objekten
durch den Benutzer wohl definiert und durch das System automatisiert verwaltet
werden. Im Beispiel des Assembly-Modus kann die Montage verschiedener Teile
durch eine geeignete Datenstruktur stark vereinfacht werden, indem z.B. die Ober-
flächen unterschiedlicher Teile bei gegenseitiger Eignung automatisiert aneinan-
dergefügt werden können und/oder eine Durchdringung von Teilen nicht erlaubt
wird. Diese Datenstrukturen sollten darüber hinaus dafür genutzt werden, dem
Nutzer auf Anfrage oder je nach Arbeitsschritt laufend aktuelle Informationen
über Position und Geometrie der durch ihn erstellten Objekte bereitzustellen
(LUCZAK et al. 2006).
Andererseits müssen beim Fehlen einzelner Objekte in einer Datenstruktur, die
zur Bearbeitung der Arbeitsaufgabe notwendig ist, unterschiedliche Datenträger
(verschiedene Programme oder schriftliche Unterlagen etc.) parallel gehandhabt
werden, was ebenfalls Auswirkungen auf die Tätigkeitsstruktur hat.
10.2.2.1.5 Pragmatische Ebene
Welche Aufgaben in welcher Form mit einem Softwaresystem bearbeitet werden
können, wird durch die Gestaltung des Softwaresystems auf der pragmatischen
Ebene bestimmt. So besteht z.B. meist zu Beginn der Konstruktionsarbeit mit
einem CAD-System bereits eine abstrakte Idee eines konstruktiven Lösungsansat-
zes im Kopf des jeweiligen Benutzers (SCHMIDT 2004). Diese sollte – der Aufga-
be angemessen – zunächst schnell „zu Papier“ gebracht werden können.
Die Gesamtheit der bereits in der Skizzenphase notwendigen Funktionen defi-
niert die Struktur unterschiedlicher Objekte und die Modelle, mit denen ein Be-
nutzer Arbeitsaufgaben löst. Zum Beispiel bilden die geometrischen Objekte eines
CAD-Systems (Punkt, Linie, Kreis, etc.) in ihrer Gesamtheit das geometrische
Modell eines Bauteils, mit dem der Benutzer operiert. Bei der Modellerstellung
soll dem Benutzer z.B. auch die Möglichkeit gegeben werden, einige Modellin-
formationen (z.B. Geometrieinformationen) zunächst undefiniert zu belassen und
diese mit zunehmender Konkretisierung des Modells erst später festzulegen. Hier-
bei können auch sog. Feature-Bibliotheken hilfreich sein, die basierend auf vorab
festgelegten Logiken bestimmte funktionelle Zusammenhänge, wie z.B. den Ver-
lauf einer Phase oder Modellelemente (z.B. die Geometrieverhältnisse einer Nut
1094 Arbeitswissenschaft

für genormte Passfedern), bereitstellen. Dabei bestimmen nicht nur die Eigen-
schaften des einzelnen Objektes die Arbeitstätigkeit, sondern auch die Verbindun-
gen der Objekte untereinander und die Verknüpfung zu einem Gesamtmodell.
Lassen sich z.B. Abhängigkeiten zwischen Objekten definieren (im Falle eines
CAD-Systems z.B. zwischen einer Bemaßung und den dazugehörenden geometri-
schen Objekten), so wird damit sichergestellt, dass im Falle einer Veränderung
eines Objektes andere Objekte ebenfalls z.B. aufgrund gegebener Abhängigkeiten
verändert werden. Diese Änderung der Modelleigenschaften muss möglich sein,
ohne gravierende Fehler oder gar Dateninkonsistenz zu provozieren.
Neben der Erstellung eigener Modelle oder deren Änderungen sollten prozedu-
rale Strukturen im Sinne von Konzepten definiert werden können, in denen Me-
thoden zur Bearbeitung algorithmisch abgelegt werden (sog. Makros). Damit wird
die Arbeitsperson zunehmend selbst zum Programmierer, da sie Programmiertä-
tigkeiten (Erstellen von Anwendungsprogrammen, Subroutinen etc.) zusätzlich
zur eigentlichen Arbeit ausführt. Dadurch wird ein Benutzer in die Lage versetzt,
für definierte Teilaufgaben Lösungskonzepte auf den Rechner zu übertragen. Der
Konstrukteur soll in die Lage versetzt werden, das systemeigene CAD-Modell mit
wenig mentaler „Übersetzungsleistung“ modifizieren zu können. Daher sollte das
interne Datenmodell an die beim Benutzer vorliegende Modellrepräsentation eng
angelehnt sein (LUCZAK et al. 2006).

10.2.2.2 MethodenĆzurĆEvaluationĆvonĆSoftwareĆ
Die Vielzahl an Gestaltungsdimensionen ist dafür verantwortlich, dass in frühen
Phasen der Entwicklung nur selten eine ergonomisch „optimale“ Software gefun-
den werden kann. Eine empirische Analyse und Evaluation von Softwaresystemen
ist daher trotz der zahlreichen genormten Gestaltungskriterien notwendig. Sie ist
zwar meist aufwendig, ihr Aufwand kann sich aber bereits nach kurzer Zeit durch
bessere Benutzbarkeit und damit effektivere und effizientere Nutzung sowie hier-
durch zufriedenere Benutzer und Kunden amortisieren.
Eine Evaluation ist nur möglich, wenn für spezifische Aufgaben Prüfkriterien
mit nachprüfbaren Parametern hinterlegt werden können. Ohne einen zu hohen
Anteil subjektiver Interpretationen des Bewerters muss entschieden werden kön-
nen, ob bzw. in welchem Maße eine Anforderung erfüllt wird oder nicht. Dies
bedeutet, dass nur in definierten Arbeitszusammenhängen und teilweise nur in
Abhängigkeit von bestimmten Benutzertypen beurteilt werden kann, ob und in
welcher Form eine Software ergonomisch gestaltet ist. Derartige Zusammenhänge
werden auch als (Nutzungs-)Szenarien bezeichnet, mit deren Hilfe sowohl Anfor-
derungskriterien definiert als auch Gestaltungszustände bewertet werden können.
Folglich ist es sinnvoll, die Analyse der Benutzer bereits möglichst früh, evtl. auch
im Rahmen der stetigen Benutzerpartizipation, in den Softwareerstellungsprozess
mit einzubeziehen.
Die Möglichkeiten der Klassifizierung von Methoden zur Evaluation von Soft-
waresystemen sind vielseitig, ein Ansatz ist in PIEPENBURG u. RÖDIGER (1989)
Ergonomische Gestaltung 1095

dargestellt. Demnach können Evaluationsmethoden sowohl hinsichtlich ihrer


Herangehensweise in formale und experimentelle Methoden, als auch hinsichtlich
ihres Evaluationszeitpunktes in formative und summative Verfahren unterteilt
werden. Dabei lässt sich die Art der Datengewinnung auf einem Kontinuum zwi-
schen subjektiven und objektiven Evaluationsverfahren abbilden. Die Norm
ISO/TR 16982 (Ergonomie der Mensch-System-Interaktion-Methoden zur Gewähr-
leistung der Gebrauchstauglichkeit, die eine Benutzer-orientierte Gestaltung unter-
stützen) fasst zahlreiche ergonomische Bewertungsmethoden zu einem Überblick
zusammen und hinterlegt die benutzerorientierte Gestaltung aus DIN EN ISO 13407
(siehe Kap. 10.3.1.2) mit zahlreichen Verfahren, wie u.A. der Benutzer-
Beobachtung, unterschiedlichen Fragebögen, Laborexperimenten, Walktrough-
Entwürfen, Experten-Gutachten und Laien-Befragungen für Entwickler und Pro-
jektleiter.
Zur Entdeckung und Behebung von Gestaltungsmängeln oder zur Entwicklung
von Gestaltungsalternativen im Entwicklungsprozess werden formative Verfahren
eingesetzt. Maßgeblich lassen sich hierfür Verfahren der qualitativen Datenerhe-
bung einsetzen. Insbesondere die Beobachtung sowie die Protokollierung des
Verhaltens oder die Methode des lauten Denkens (VAN SOMEREN et al. 1994)
haben sich dabei als wertvoll erwiesen. Weiterhin lassen sich auch Fragebögen
wie bspw. IsometricsL (WILLUMEIT et al. 1996) in diesem frühen Stadium einset-
zen. Durch die Einbeziehung erfahrener Usability-Experten können diese im
Rahmen einer sog. Usability Inspection aufgrund ihrer Erfahrung wahrscheinliche
Probleme der Endanwender vorhersagen, wodurch auch bereits früh ergonomische
Probleme erkannt werden können. Nach NIELSEN (1994b) können dabei durch
einen Gutachter bereits 38%, durch fünf Gutachter schon 70% und durch 10 Gut-
achter beinahe 90% der Usability-Probleme identifiziert werden. Zu den hierfür
eingesetzten Verfahren gehört der Cognitive Walkthrough (WHARTON et al. 1994),
das expertenbasierte „Thinking Aloud“ (BOREN u. RAMEY 2000) oder auch das
„Verbal Protocol“ (NEWELL u. SIMON 1972). Sowohl bei der ergonomischen
Gestaltung von Softwaresystemen als auch zur Evaluation noch nicht vollständig
implementierter Softwarekonzepte können formale Methoden der Softwareeva-
luierung eingesetzt werden. Hierzu zählen Checklisten (z.B. Screenchecker für die
Ausgabecharakteristika von Bildschirmen, TBS-Liste für Bildschirmarbeitsplätze
(siehe POHLANDT et al. 1999) ebenso wie Fragebögen (z.B. IsoMetrics (siehe
GEDIGA u. HAMBORG 1999) und Kataloge von Prüfkriterien (EVADIS II, siehe
OPPERMANN et. al. 1992). Anforderungen an Software werden somit formal und
mehr oder weniger losgelöst vom Anwendungs- und Benutzungskontext beschrie-
ben und bewertet.
Eine weitere Möglichkeit der Evaluation bietet die Simulation der Mensch-
Rechner-Interaktion. Hierdurch wird das Benutzerverhalten durch ein quantitati-
ves Benutzermodell formalisiert beschrieben und der Interaktionsablauf mit einem
Rechnersystem simuliert. Hierzu lassen sich unterschiedliche Verfahren aus der
Familie der GOMS-Methoden einsetzen (z.B. das klassische GOMS-Modell
(Goals, Operators, Methods and Selection Rules), das (N)GOMS(L)-Modell: (Na-
1096 Arbeitswissenschaft

tural) Goals, Operators, Methods und Selection Rules (Language) oder das KLM
(Keystroke Level Model) (DIAPER et al. 2004). Wesentlicher Nachteil derartiger
Simulatoren ist, dass bis heute nur determinierte Arbeitsabläufe beschrieben wer-
den können. Dies ist bei einer Vielzahl von Arbeitsaufgaben nicht möglich, da
beim Benutzer ein hohes Maß von Autonomie in der Aufgabenausführung vor-
liegt. Selbst „weich“ formulierte Benutzermodelle (z.B. FUZZY-GOMS,
KARWOWSKI et al. 1990) bieten hier nach aktuellem Stand der Forschung nur
wenig Abhilfe.
Experimentelle Methoden versuchen dagegen, mit „realen“ Benutzern und
„echten“ Aufgaben fertige Softwareprodukte oder -prototypen im Einsatz zu be-
werten. Summative Verfahren dienen dabei der Feststellung und der Dokumenta-
tion eines Qualitätsstandards eines Prototypen oder eines fertigen Produktes am
Ende eines Entwicklungsprozesses oder bei modularisierten Produkten für einzel-
ne Softwareelemente an markanten Zwischenstufen. Jede größere Softwarefirma
unterhält heutzutage eigens dafür aufgebaute „Usability Labs“. Mit zum Teil un-
terschiedlichem Aufwand an Versuchsmethodik (Beobachtung, Befragung, Mess-
protokolle wie Keystroke-Protokolle, Bildschirmmitschnitte etc.) wird versucht,
das Benutzerverhalten bei der Aufgabenbearbeitung möglichst präzise zu erfassen,
zu interpretieren und gegebenenfalls Rückschlüsse auf ergonomische Defizite in
der Softwaregestaltung zu ziehen. Wesentliches Problem dabei ist, dass zwar die
Eingabe und die Ausgabe von Informationen erfasst werden kann, aber auf die
mentalen Leistungen des Benutzers nur schwer Rückschlüsse gezogen werden
können. Methoden wie „lautes Denken“ der Probanden oder die nachträgliche
Konfrontation des Benutzers mit aufgezeichnetem Videodokumentationsmaterial
und eine entsprechende Befragung (Videoselbstkonfrontation) sind Methoden, die
hier tiefere Erkenntnisse liefern sollen. Problematisch ist dabei häufig der anfal-
lende Analyse- und Auswertaufwand, weshalb diese empirischen Evaluationsme-
thoden, deren Ergebnisse zwar valide sein können jedoch mit sehr hohem Auf-
wand verbunden sind, nur gezielt eingesetzt werden sollten. Eine detaillierte Dar-
stellung von Methoden des sog. Usability-Engineerings, die auch zur ergonomi-
schen Beurteilung von Software eingesetzt werden können, findet sich in Kapitel
10.2.1.3.2.4. Darüber hinaus können die bereits in Kapitel 3.3.3 ausführlich darge-
stellten Verfahren zur Bewertung der menschlichen Informationsverarbeitung
genutzt werden, um informatorische Engpässe beim Softwarebenutzer zu identifi-
zieren.

10.2.2.3 KommunikationĆzwischenĆBenutzerĆundĆEntwicklerĆ
Die Arbeit mit Softwaresystemen sollte nicht durch die Sichtweise des Entwick-
lers sondern durch den Benutzer des Systems bestimmt werden. Gemäß einer
Erhebung der Standish Group (STANDISH GROUP INTERNATIONAL 1999) ist
diese Maßnahme mit einem Beitrag von 20% zum Projekterfolg die wichtigste.
Eine frühzeitige Kommunikation von Entwickler und Benutzer erhöht die Akzep-
tanz und spart in der Regel Kosten, da schon vor der eigentlichen Entwicklungs-
Ergonomische Gestaltung 1097

phase detaillierte Anforderungen an das Programm festgelegt werden können. In


Kapitel 10.3.1.2 wird die prinzipielle iterative Vorgehensweise bei der softwareer-
gonomischen Gestaltung ausführlich dargestellt. Die Projektorganisation bei einer
iterativen Entwicklung erfordert Planungs- und Managementkompetenz und hohe
kommunikative Fähigkeiten zur effektiven Zusammenarbeit der verschiedenen
Fachleute.
Nach Abb. 10.98 identifiziert die Analyse des Nutzungskontextes neben den
Anforderungen der Arbeitsaufgabe die Eigenschaften der Arbeitsumgebung und
der Beteiligten, die für das Softwaresystem relevant sind. Um dann die Anforde-
rungen entwickeln und ableiten zu können, muss die Arbeitsaufgabe gut verstan-
den sein, um zu entscheiden, welche Aufgabenunterstützung sinnvoll ist und wie
die Aufgabe technisch umsetzbar ist. Denn Benutzerfreundlichkeit hängt von der
„richtigen“ Arbeitsaufgabe oft wesentlich stärker ab als von der physikalischen,
syntaktischen oder semantischen Oberflächengestaltung. Die Entwicklung von
Prototypen dient der Darstellung der Entwurfsidee mit dem Ziel ein gemeinsames
Verständnis von Anwendern und Entwicklern zu erreichen. Diese Prototypen
werden getestet und bewertet und führen entweder zum Projektabschluss oder zur
Überarbeitung und Anpassung. Eine Beteiligung des Benutzers am Entwicklungs-
prozess kann auch dazu führen, dass Software so flexibel gestaltet wird, dass der
Benutzer Merkmale des Softwareverhaltens nachträglich steuern bzw. ändern
kann (siehe Steuerbarkeit).

10.2.3 Prototyping in der Systemkonzeption und -entwicklung

10.2.3.1 VirtuelleĆProduktentwicklungĆ
Immer kürzer werdende Entwicklungsphasen erfordern neuartige Entwicklungs-
prozesse. Bereits während der Konstruktionsphase, d.h. weit vor ersten Versuchen
mit realen Prototypen, müssen zuverlässige Erkenntnisse über die späteren Pro-
dukteigenschaften vorliegen. Durch die Verteilung von Kompetenzen und Spezia-
lisierungen innerhalb des Produktentwicklungsprozesses ist es dabei notwendig,
nicht nur unternehmensinterne, sondern auch unternehmensübergreifende räumli-
che und zeitliche Separationen und Distributionen zu überwinden (KUHN u.
SCHLICK 2007).
Die virtuelle Produktentwicklung ermöglicht es, auf der Basis von Simulatio-
nen die Eigenschaften eines Produkts oder einzelner Teile frühzeitig zu erkennen
und zu bewerten, ohne auf ein reales Modell angewiesen zu sein. Sie ist ein integ-
raler Bestandteil des Product Lifecycle Management (kurz: PLM) (ARNOLD et al.
2005). Unter einem PLM-System wird dabei in erster Linie ein informationstech-
nologischer Ansatz verstanden, bei dem alle Bereiche und Systeme eines Unter-
nehmens, die mit dem oder den Produkt(en) in Berührung kommen, auf eine kon-
solidierte und konsistente Datenbasis zugreifen. In einem erweiterten Kontext
ergibt sich daraus eine Unternehmensstrategie, die es einem global agierenden
1098 Arbeitswissenschaft

Unternehmen erlaubt, standortübergreifend zu kooperieren und damit quasi als


eine geschlossene virtuelle Organisation zu operieren.
Durch PLM soll ein Unternehmen in die Lage versetzt werden, in jeder Phase
des Produktlebenszyklus nachvollziehbare, transparente und informationsgetrie-
bene Entscheidungen treffen zu können sowie durch Innovation und kontrolliertes
Wachstum die eigene Konkurrenzfähigkeit zu sichern. Basis bildet dabei das Pro-
duktdatenmanagement-System (kurz: PDM) (EIGNER u. STELZER 2004), das die
kontinuierlich entstehenden Produkt- und Prozessdaten revisions- und varianten-
übergreifend verwaltet und ein unternehmensweites Rollen- und Berechtigungs-
konzept durchsetzt. In ihm werden Geometriedaten, Produktstrukturen, die für die
Entwicklung relevanten Dokumente sowie alle während der Produktentwicklung, -
fertigung und -pflege zum Teil parallel ablaufenden Prozesse verwaltet. Dadurch
wird es möglich, unternehmensweit auf eine konsolidierte Datenbasis zuzugreifen
und Prozesse weitgehend zu vereinheitlichen. Alle mit PLM in Verbindung ste-
henden Software-Werkzeuge haben dabei einen großen Einfluss auf derzeitige und
künftige Arbeitsprozesse in der Produktentwicklung und Produktion. Ihre Ge-
brauchstauglichkeit bzw. Benutzbarkeit wird einen wachsenden Einfluss auf ihre
Akzeptanz und Verbreitung und damit auf die Produktivität innerhalb der meisten
Hochlohnländer haben.
10.2.3.1.1 Computer Aided (Industrial) Design (CAD/CAID)
Basis der virtuellen Produktentwicklung sind digitale Konstruktionsdaten, die aus
entsprechenden computergestützten Werkzeugen des Computer Aided Design
(CAD) hervorgehen. Ergebnis des Entwicklungs- und Konstruktionsprozesses sind
geometrische, numerische und technologische Daten zu den Einzelteilen des kon-
struierten Produktes (Zeichnungen, Berechnungsergebnisse, Werkstoffe, Toleran-
zen usw.). Darüber hinaus ergeben sich Erzeugnisstrukturdaten (Stücklisten) so-
wie aus der Konstruktionsphase hervorgegangene experimentelle Ergebnisse (z.B.
Messprotokolle) und ergänzende Textinformationen (z.B. Berichte, Bedienungs-,
Wartungs-, Reparatur- und Montageanleitungen). Traditionell hat CAD im Anla-
gen- und Maschinenbau sowie im Automobil-, Schiffs- und Flugzeugbau und in
der Architektur einen hohen Verbreitungsgrad, doch auch andere Bereiche, wie
die Zahnmedizin und die Orthopädie, folgen diesem Trend.
Ursprünglich waren nur 2D-Darstellungen üblich, die jedoch durch 2,5D-
Darstellungen (2D-Skizzen auf Flächen im Raum) bzw. 3D-Volumenmodelle
verdrängt werden, da sie einen wesentlich plastischeren Eindruck des Produktent-
wurfs vermitteln. Bei 2D-CAD-Systemen wird die Konstruktion durch ein zwei-
dimensionales (Daten)Modell im Rechner wiedergegeben. Die Vorgehensweise
bei der Erstellung und das Aussehen des Modells entsprechen im Wesentlichen
der manuellen Konstruktionsweise am Zeichenbrett. Mit einem 3D CAD-System
besitzt der Konstrukteur ein Hilfsmittel, das vom Prinzip her eine vollständige
geometrische Beschreibung seiner Arbeitsergebnisse erlaubt und dessen Leis-
tungsumfang deutlich über das hinausgeht, was die klassischen Werkzeuge (Zei-
chenbrett, Zirkel und Stift) bieten können (siehe Abb. 10.88).
Ergonomische Gestaltung 1099

CAD-Anwender, die einen konsequenten Übergang von der 2D zur 3D-


Arbeitsweise vollführen, berichten häufig über spürbare Vorteile, die vor allem
aus verkürzten Konstruktionszeiten, aus einer Verminderung der Konstruktions-
fehler und aus einer verbesserten Fertigungs- und Montagegerechtheit der
Konstruktionsergebnisse resultieren (LUCZAK et al. 2006). Neben einer Compu-
termaus kommen an CAD-Arbeitsplätzen weitere Eingabegeräte mit einer gestei-
gerten Anzahl an Freiheitsgraden zum Einsatz, wie z.B. eine Spacemouse (ein
„Puck“ aus Kunststoff, der sowohl translatorisch als auch rotatorisch beweglich
gelagert ist) (siehe Kap. 10.1.2.4.3). Derartige Geräte ermöglichen eine erwar-
tungskonforme und schnelle Navigation im dreidimensionalen Raum.

Abb. 10.88: CAD-Arbeitsplatz, simultaner Einsatz von Space Ball und Maus zur Geomet-
riemodellierung (Quelle: SolidWorks, 2008)

Unternehmen mit hohen Anforderungen an das Design ihrer Produkte benöti-


gen in ihren Entwicklungsabteilungen darüber hinaus eine Technologie, die über
integrierte Werkzeuge verfügt, mit der Industriedesigner neue Produkte entwi-
ckeln können, während sie in einer Umgebung arbeiten, die die Zusammenarbeit
mit den darauffolgenden Abteilungen (wie z.B. mechanische Konstruktion, Werk-
zeugkonstruktion und Fertigung) unterstützt (siehe Abb. 10.89). Im Idealfall gibt
es eine gemeinsame Plattform für die Erzeugung der Geometrie, die sowohl ein
CAID- (Computer Aided Industrial Design) als auch ein CAD-Programm unter-
stützt, denn beide Anwendungen sollten kooperativ die Formen definieren und
1100 Arbeitswissenschaft

dabei die gleichen Algorithmen verwenden, so dass die Übersetzung der Daten
reibungslos verläuft. Kennzeichnend für CAID ist eine im Vergleich zu herkömm-
lichem CAD erweiterte Palette an Eingabegeräten, z.B. ein Grafiktablett.
CAD-Rohdaten werden zur Weiterverarbeitung in Informationssystemen ande-
rer Funktionsbereiche (CAE, CAM, CAPP) in der Regel entsprechend weiter
aufbereitet, um Informationen zu extrahieren bzw. das Datenvolumen zu reduzie-
ren. So werden bspw. Polygonflächen durch die sog. Tessellierung in eine große
Anzahl von primitiven Flächen (z.B. Dreiecke oder Vierecke) zerlegt, da solche
Flächen leichter zu handhaben sind als komplexe – insbesondere konkave – Poly-
gone.

Abb. 10.89: CAID-Programm (Quelle: Siemens PLM Software 2008)

10.2.3.1.2 Computer Aided Engineering (CAE)


Im fortgeschrittenen Stadium des Produktentwicklungsprozesses ermöglichen
moderne Verfahren des Computer Aided Engineering eine weitgehende Verbesse-
rung der Konstruktion. CAE steht dabei i. Allg. für alle Möglichkeiten der Com-
puterunterstützung von Arbeitsprozessen der Ingenieure und erweitert somit den
Begriff des Computer Aided Design um Analysen und Simulationen zur Absiche-
rung des Arbeitsergebnisses. CAE lässt sich dabei in mehrere Teilgebiete mit
unterschiedlicher Fokussierung unterscheiden. Zu den wichtigsten zählen das
Digital Mock-Up, die Mehrkörpersimulation, die Simulation mechanischer und
thermischer Bauteilbeanspruchung und Strömungssimulationen.
Ergonomische Gestaltung 1101

10.2.3.1.2.1 Digital Mock-Up (DMU)


Ein Digital Mock-Up repräsentiert eine Baugruppe bzw. Produktstruktur unter
Berücksichtigung der geometrischen Lagerichtigkeit der Einzelteile, d.h. ergän-
zend zur Stückliste verweist jede Einzelteilinstanz auf eine entsprechende Trans-
formation, die es translatorisch und rotatorisch korrekt innerhalb der Baugruppe
platziert (siehe Kofferraumdeckel in Abb. 10.90). Dies gilt sowohl für Produkttei-
le als auch für Werkzeuge, das Vorhandensein entsprechender Geometriedaten
vorausgesetzt. Bei hinreichender Genauigkeit der verwendeten Geometrien kön-
nen Kollisionsbetrachtungen und virtuelle Einbauuntersuchungen durchgeführt
werden, die den Aufbau eines entsprechenden realen Versuchsszenarios nahezu
überflüssig machen. Dadurch kann bereits in einem frühen Entwicklungsstadium
sowohl die Passgenauigkeit der Teile als auch die Sequenz der Montageschritte
optimiert werden, es ergibt sich also ein maßgeblicher Einfluss auf die übergeord-
nete Prozessplanung (RUDOLF 2007). Schließlich kann ein Digital Mock-Up den
Aufbau einer prototypischen Produktionslinie (Physical Mock-Up) bislang noch
nicht vollständig ersetzen, jedoch kann der Aufwand hierzu auf besonders kriti-
sche Varianten reduziert werden.

Abb. 10.90: Digital Mock-Up inklusive Mensch-Modell (Quelle: Dassault Systèmes 2008)
1102 Arbeitswissenschaft

10.2.3.1.2.2 Mehrkörpersimulation (MKS)


In Mehrkörpersimulationen werden Systeme aus verschiedenen, massebehafteten
starren oder elastischen Körpern beschrieben, die untereinander durch Verbindun-
gen gekoppelt sind (WITTENBURG 2007). Die Verbindungen können dabei über
klassische Kraftelemente (masselose Federn und Dämpfer, Stellglieder) erfolgen
oder durch Gelenke realisiert sein. Unter Vorgabe von Anfangs- und Randbedin-
gungen liefert eine MKS die Bewegungsabläufe und die dabei an den Körpern
wirkenden Kräfte und Momente, so z.B. durch äußeren Einfluss auftretende Belas-
tungen des menschlichen Bewegungsapparats (s. Abb. 10.91). Dazu werden die
entsprechenden Differentialgleichungen aufgestellt und numerisch gelöst. Eine
besondere Herausforderung stellt von daher die Echtzeit-Mehrkörpersimulation
dar, da bei ihr ein Kompromiss aus hinreichender Genauigkeit und echtzeitfähiger
Geschwindigkeit gefunden werden muss. MKS werden in verschiedensten Bran-
chen weit verbreitet eingesetzt, wie z.B. in der Luft- und Raumfahrttechnik, bei
der Simulation von Straßen- und Schienenfahrzeugen oder in der Automobilent-
wicklung.

Abb. 10.91: Biomedizinische Modellierung des Hals-Nacken-Bewegungsapparats


(Quelle: Universität Tübingen, Institut für Astronomie und Astrophysik 2006)

10.2.3.1.2.3 Mechanische und thermische Beanspruchung


Mechanische und thermische Belastungen von Bauteilen lassen sich mit partiellen
Differentialgleichungen mit Anfangs-, Rand- oder Übergangsbedingungen ma-
Ergonomische Gestaltung 1103

thematisch formulieren. Zur Simulation und Visualisierung derartiger Beanspru-


chungen müssen diese Gleichungen gelöst werden. Da dies aufgrund der Komple-
xität auf analytischem Weg nur in Ausnahmefällen möglich ist, werden numeri-
sche Lösungsverfahren herangezogen. Unter diesen hat sich die Finite-Elemente-
Methode (kurz: FEM , siehe Abb. 10.92) besonders etabliert (MEIßNER u.
MAURIAL 2008), bei der das zu analysierende Berechnungsgebiet in eine endliche
(finite) Anzahl kleiner Teilgebiete aufgeteilt wird, für die entsprechende Ansatz-
funktionen definiert werden, die zu einem linearen oder auch nichtlinearen Glei-
chungssystem führen. Dessen Lösung beschreibt dann eine numerische approxi-
mative Lösung des ursprünglichen Problems. Mittlerweile enthalten viele CAD-
Umgebungen optionale FE-Module, mit denen direkt aus der konstruktiven Arbeit
heraus physikalische Experimente vorweggenommen werden können, so z.B. ob
ein Bauteil einer bestimmten Biegebeanspruchung Stand halten kann oder welche
Oberfläche eine optimale Wärmeverteilung, z.B. bei Verbrennungsprozessen
bietet.

Abb. 10.92: FEM-Simulation des Auslösevorgangs eines Seitenairbags (Quelle:


Advea 2008)

10.2.3.1.2.4 Strömungssimulation
In Strömungssimulationen wird das physikalische Verhalten von Fluiden simu-
liert, wobei unter einem Fluid eine Substanz verstanden wird, die einer beliebigen
Scherspannung keinen Widerstand entgegengesetzt, so z.B. Gase und Flüssigkei-
ten. Eine etablierte mathematische Herangehensweise zur Realisierung einer
1104 Arbeitswissenschaft

Strömungssimulation ist die numerische Strömungsmechanik (Computational


Fluid Dynamics, kurz: CFD, siehe Abb. 10.93), die verschiedene numerische
Methoden zur Ermittlung einer approximativen Lösung einsetzt (HERZINGER u.
PERIC 2007). Dies ist vor allem aufgrund des nichtlinearen Charakters vieler strö-
mungsmechanischer Probleme von Vorteil. Dennoch ist oftmals ein hoher Auf-
wand an Rechenleistung und -zeit notwendig, um zu hinreichend genauen Ergeb-
nissen zu gelangen. Konnten in der Vergangenheit derartig hohe Rechenleistungen
und Speicherkapazitäten nur von spezialisierten und sehr teuren Supercomputern
bereit gestellt werden, so ist es mit parallelisierten Berechnungsverfahren möglich,
diese enormen Rechenkapazitäten mit handelsüblichen Rechnerkomponenten
preiswert und direkt am Arbeitsplatz des Ingenieurs bereitzustellen. Damit eröff-
nen sich völlig neue Möglichkeiten bei der Verfahrensentwicklung und
-optimierung. Die Einsatzgebiete von Strömungssimulationen sind vielfältig und
reichen von der Auslegung und Optimierung von Anlagen der Verfahrenstechnik
bis hin zu industrienahen Anwendungen bei der Berechnung des Transports von
Schüttgütern, der Abgasreinigung und Partikelabscheidung aus Gasen und Flüs-
sigkeiten in Wäschern und Zyklonen.

Abb. 10.93: Strömungssimulation einer Baggerführerkabine (Quelle: Flomerics 2008)

10.2.3.1.3 Computer Aided Manufacturing (CAM)


Beim Computer Aided Manufacturing (CAM) werden informationstechnische
Arbeitsmittel zur Planung und Durchführung von Fertigungsprozessen eingesetzt
(AMIROUCHE 2004). Als wesentlicher Bestandteil der Mensch-Computer Inte-
grierten Produktion (H-CIM) ist CAM in Bezug zur direkten Steuerung von Pro-
duktionsanlagen sowie der dazugehörigen Transport- und Lagersysteme zu sehen
Ergonomische Gestaltung 1105

(siehe Kap. 10.3.2.6). Wichtiges Merkmal ist dadurch ein weitgehender Verzicht
auf herkömmliche papiergebundene Datenträger (Zeichnungen, gedruckte Ferti-
gungsanweisungen etc.), um eine unmittelbare Kopplung an Maschinen und Anla-
gen zu erreichen. Zusätzlich zur Maschinensteuerung wird eine vorbereitende
Unterstützung, z.B. bei der Verwaltung und Bereitstellung von Rohstoffen, Roh-
teilen und Hilfsstoffen sowie Einzelteilen angestrebt. Die Mitarbeiter in der Ferti-
gung bekommen dadurch Fertigungspläne und Arbeitsschritte direkt am Arbeits-
platz zur Verfügung gestellt und können verschiedene Statusinformationen wie
(z.B. Verfügbarkeit und Bereitstellungszeitpunkte) von Verbrauchsmaterialien
abrufen und Fertigungsmaschinen ggf. programmieren (siehe Abb. 10.94). Dann
können Bearbeitungsschritte initiiert werden und Ergebnisse unmittelbar in ange-
bundene Systeme, wie z.B. Produktionsplanung und -steuerung (kurz PPS)
(SCHUH 2006), eingespeist oder für die rechnerunterstützte Qualitätssicherung
(kurz CAQ) (PFEIFER u. THEIS 1995) bereitgestellt werden.

Abb. 10.94: CAM-Arbeitsplatz (Quelle: Verlyn Enterprises 2008)

10.2.3.1.4 Rapid Prototyping


Um schon in einer frühen Phase des Entwicklungsprozesses einen realen, quasi
„greifbaren“ Eindruck von der Konstruktion zu bekommen, empfiehlt sich der
Einsatz des Rapid Prototyping, einem Verfahren zur schnellen Herstellung von
Musterbauteilen, ausgehend von Konstruktionsdaten (siehe Abb. 10.95). Zielset-
zung des Rapid Prototyping ist, vorhandene CAD-Daten möglichst ohne manuelle
Arbeitsschritte oder Formenbau direkt aus den Daten heraus schnell in reale
Werkstücke umzusetzen. Bei Rapid Prototyping erfolgt die Formgebung nicht wie
beim Drehen oder Fräsen durch Abtragen, sondern das Bauteil entsteht durch
Aneinanderfügen von Volumenelementen, in aller Regel von Schichten. Rapid
1106 Arbeitswissenschaft

Prototyping Verfahren werden deshalb auch „Generative Fertigungsverfahren“


(GEBHARDT 2007) genannt. Im industriellen Bereich unterscheidet man die Ver-
fahren Stereolithographie, Lasersintern, Schicht- (Laminat-) Verfahren,
Extrusions-Verfahren und das 3D-Printing (Pulver-Binder-Verfahren). Ergebnis
ist ein haltbares maßstabsgetreues oder skaliertes Modell des geplanten Produktes.
Aufgrund der hohen Anschaffungskosten eines entsprechenden Gerätes empfiehlt
sich z.B. für mittelständische Unternehmen die Beauftragung eines auf Rapid
Prototyping spezialisierten Dienstleisters.

Abb. 10.95: Rapid Prototyping in der Medizintechnik (Quelle: HFZ Basel 2008)

10.2.3.2 VirtuelleĆProzess-ĆundĆFabrikplanungĆ
10.2.3.2.1 Computer Aided Process Planning (CAPP)
In der heutigen Fertigungsindustrie spielen die kritischen Erfolgsfaktoren Markt-
reife und Produktionsvolumen eine zentrale Rolle, da sich die Unternehmen, die
leistungsfähige und flexible Produktionsprozesse in kürzester Zeit einführen kön-
nen, einen besonderen Wettbewerbsvorteil sichern können. Eine gründliche und
schnelle Prozessplanung ist Voraussetzung hierzu. Dies kann dadurch geschehen,
dass mögliche Szenarien von Fertigungsprozessen und Montagesequenzen schnell
vorab virtuell anschaulich definiert, beurteilt und verglichen werden. Dabei kön-
nen gleichzeitig Fertigungslinien abgetaktet, bzgl. ihres Durchsatzes und ihrer
Ergonomische Gestaltung 1107

Ressourcenauslastung optimiert und Fertigungskosten analysiert werden. In Zu-


sammenhang mit menschlicher Arbeit (siehe Abb. 10.96) ergibt sich damit die
Möglichkeit einer Kapazitätsplanung und -steuerung von teilautomatisierten Mon-
tagelinien und Stationen, in der auch ergonomische Kriterien berücksichtigt wer-
den können.

Abb. 10.96: Digitale Prozessplanung mit integriertem Mensch-Modell (Quelle: Siemens


PLM Software 2008)

Ziel ist ein Prozessplan, der eine genaue Beschreibung beinhaltet, wie ein Pro-
dukt hergestellt, montiert, geprüft und verpackt wird. Dieser Plan kann dann die
Grundlage für eine Zusammenarbeit von Planungsteams, Unternehmen, Lieferan-
ten und Fremdfirmen sein.
10.2.3.2.2 Computer Aided Plant Planning
Die Planung einer modernen Fabrik inklusive aller Anlagen, Maschinen und Ver-
sorgungsleitungen ist eine komplexe Aufgabe. Dennoch sollten alle Details schon
in der Planung möglichst optimal aufeinander abgestimmt sein. Jeder nachträgli-
che Umbau auch nur einer Maschine kann sich nachhaltig auf die Investitions-
summe auswirken. Um einen optimalen Anlauf der Produktion und einen sicheren
Betrieb gewährleisten zu können, nutzen Fabrikplaner deshalb zunehmend digitale
Werkzeuge und virtuelle Methoden (s. Abb. 10.97). Dabei ist es aus arbeitswis-
senschaftlicher Sicht notwendig, auch menschliche Aspekte in das Produktions-
management zu integrieren (SCHLICK 1999; ZÜLCH et al. 2005). Mit Hilfe eines
passenden Simulationsmodells können in Abhängigkeit der geplanten Ressourcen
Kenngrößen wie Durchsatz, ausreichende Dimensionierungen, Durchlaufzeiten,
Leistungsgrenzen, Störeinflüsse, Personalbedarf und sonstige Planungsparameter
1108 Arbeitswissenschaft

bestimmt werden. Zudem können verschiedene Alternativen bewertet und mitei-


nander verglichen werden (siehe Kap. 4.3.4.4).
Die virtuelle Fabrikplanung sollte Bestandteil eines kontinuierlichen Optimie-
rungsprozesses sein, da stetig wachsende Anforderungen an die Flexibilität beste-
hender Produktionsstandorte ein häufiges Umplanen erfordert. Ein einmal erstell-
tes Simulationsmodell sollte daher begleitend zum laufenden Produktionsbetrieb
gepflegt und aktualisiert werden, um auch kurzfristig zur Beurteilung veränderter
Rahmenbedingungen herangezogen werden zu können.

Abb. 10.97: Virtuelle Fabrikplanung (Quelle: Enterprise Dynamics 2008)

10.3 Anwendungsgebiete und Schwerpunkte

10.3.1 Produktgestaltung

10.3.1.1 GrundlagenĆ

Begriffe
Die in diesem Kapitel verwendeten Begriffe werden im Folgenden kurz erläutert:
x Produkt: Ein Produkt soll hier verstanden werden als das Objekt, mit dem der
Mensch (=Benutzer) interagiert, um ein Ziel zu erreichen.
x Benutzer: Der Mensch, der mit einem Produkt arbeitet, wird als Benutzer be-
zeichnet.
Ergonomische Gestaltung 1109

x Mensch-Maschine-Schnittstelle: Diese ermöglicht die informatorische, ener-


getische und stoffliche Interaktion zwischen einem Menschen (=Benutzer)
und einer Maschine bzw. einem Produkt (=Objekt).
x Produktgestaltung: Unter Produktgestaltung wird hier der Prozess von der
Produktidee bis zur Herstellung und Inbetriebnahme des entwickelten Pro-
dukts verstanden. Synonym werden die Begriffe Produktentwicklung und
Gestaltungsprozess verwendet.
x Interdisziplinärer Ansatz: Dieser beschreibt das Zusammenarbeiten mehrerer
Wissenschaftsrichtungen. Beim Entwickeln von Produkten arbeiten in Ab-
hängigkeit der Aufgabenstellung folgende Disziplinen zusammen: Natur-
und Ingenieurwissenschaften, Industrial Design, Informations- und Kommu-
nikationswissenschaften, Wirtschafts- und Managementwissenschaften,
Geistes- und Sozialwissenschaften (siehe PAHL et al. 2007).

Gründe für die Berücksichtigung der Ergonomie bei der Produktentwicklung


Seit Beginn der Menschheit wird mit der Entwicklung von Werkzeugen und Mate-
rialien (z.B. zum Jagen, Wohnen oder zur Herstellung von Kleidung) versucht, das
Leben in einer bestimmten Umgebung einfacher und besser zu gestalten. Vor ca.
150 Jahren hat eine technische Revolution durch die Verwendung von neuen
Energiequellen (Watt’sche Dampfmaschine) die stärker technisch-wissenschaft-
lich geprägte Entwicklung von Produkten angestoßen. Diese Revolution hat zum
einen zu einer Beschleunigung von Entwicklungsprozessen geführt, und zum
anderen zumindest eine partielle Ersetzung menschlicher Arbeit durch Maschinen
bewirkt (siehe Kap. 10.1.2.5).
Im Laufe der Zeit hat sich die Rolle des Menschen im Produktentwicklungs-
prozess verändert. Während früher zunächst die funktionell-produktorientierte und
anschließend die menschorientierte Sicht die Gestaltung beherrschten, wird heute
ein systemorientierter Ansatz favorisiert, der beide Perspektiven miteinander eng
verzahnt.
Generell lassen sich drei Perspektiven unterscheiden:
(1) Produktorientierte Perspektive: Das Produkt wird anhand funktionaler, tech-
nologischer, technischer und finanzieller Kriterien entwickelt und der Benut-
zer wird durch Auswahl und Training daran angepasst.
(2) Menschenorientierte Perspektive: Das Produkt wird durch eine energetisch-
effektorische, informatorische und anthropometrische Gestaltung an die Fä-
higkeiten und Fertigkeiten des Menschen angepasst.
(3) Systemorientierte Perspektive: Bei der systemorientierten Produktentwick-
lung wird versucht, den Menschen und das Produkt iterativ aneinander anzu-
passen, um das mit der Benutzung des Produkts verfolgte Ziel möglichst ef-
fektiv und effizient zu erreichen. Dazu werden die Charakteristika des Men-
schen und des technischen Systems identifiziert und das Produkt so ausge-
legt, dass diese Charakteristika jeweils möglichst kompatibel sind.
1110 Arbeitswissenschaft

Die Berücksichtigung des Menschen während des Produktentwicklungspro-


zesses wird häufig durch den Einsatz interdisziplinärer Teams erreicht, in dem
auch die Ergonomie eine wichtige Rolle einnimmt. Zahlreiche Einflussfaktoren
auf die Produktentwicklung, wie z.B. kurze Entwicklungszeit, technische Ein-
schränkungen, Design, zur Verfügung stehende Entwicklungsbudgets sowie die
Unterschätzung des von der Ergonomie ausgehenden Potenzials für die Produkt-
entwicklung in Verbindung mit Schwierigkeiten der Kosten-Nutzen Zuordnung
für ergonomische Maßnahmen können dazu führen, dass nicht alle vom Menschen
als Benutzer ausgehenden Anforderungen an das Produkt berücksichtigt werden
können. Die fehlende Berücksichtigung von Ergonomie im Produktentwicklungs-
prozess kann dazu führen, dass das neu entwickelte Produkt am Markt keinen
Erfolg hat, obwohl es zwar funktionell exzellent gestaltet ist, der Benutzer aber die
Komplexität der Funktionen nicht beherrschen kann. Auch hohe Nutzungskosten
können durch eine Nichtberücksichtigung der Ergonomie entstehen, wenn bei
komplexen Produkten und unterschiedlichen Kenntnisständen der Benutzer lange
Lernphasen sowie gegebenenfalls Wiedererlernzeiten durch Verlernen benötigt
werden. Treten bei der Benutzung eines Produktes Probleme auf, die auf eine
nicht benutzergerechte Gestaltung zurückzuführen sind, muss das Produkt geän-
dert werden. Änderungen am Produkt, die während der bereits laufenden Produk-
tion eingeführt werden müssen, sind bedeutend teurer als die Berücksichtigung
ergonomischer Erkenntnisse während der Produktentwicklung. Durch die Über-
tragung von ergonomischen Erkenntnissen und Erfahrungen auf ähnliche Produkte
kann das Risiko nachträglich notwendiger Produktänderungen reduziert werden.
In Bereichen, in denen die Sicherheit von Personen eine große Rolle spielt, dürfen
keine folgenschweren Benutzungsfehler vorkommen (z.B. Flugsicherung). Ein
Beitrag der Ergonomie muss es hier sein, Produkte und Systeme so zu gestalten,
dass die Sicherheit für Mensch und Umwelt gewährleistet ist.
Um Misserfolge am Markt aufgrund gravierender oder häufig vorkommender
„Bedienfehler“ sowie die Entstehung indirekter Kosten durch die Bildung von
Misstrauen und Kosten durch nachträgliche Korrekturen des Produkts zu vermei-
den, muss die Ergonomie ein integraler Bestandteil des Produktentwicklungspro-
zesses sein. Den oben genannten Schwierigkeiten bei der Berücksichtigung der
Ergonomie während des Produktentwicklungsprozesses kann durch die Einfüh-
rung einer methodisch geleiteten Vorgehensweise begegnet werden. Diese ist
gekennzeichnet durch
x eine frühzeitig Einführung der Ergonomie in den Produktgestaltungsprozess
und deren Weiterverfolgung bis zum Ende des Prozesses,
x die Einführung von standardisierten ergonomischen Analysen während des
Entwicklungsprozesses und das Durchlaufen von mehreren iterativen Schlei-
fen zur ergonomischen Gestaltung innerhalb einer Phase sowie
x eine systemorientierte Betrachtung des zu entwickelnden Produkts, bei der
die Wechselwirkungen und Zusammenhänge der unterschiedlichen System-
teile sowie mit dem Menschen berücksichtigt werden.
Ergonomische Gestaltung 1111

Die ergonomische Gestaltung wird in verschiedenen Schritten durchgeführt. In


Abhängigkeit des zu gestaltenden Systems können diese mit unterschiedlichem
Schwerpunkt sowie in unterschiedlicher Reihenfolge bearbeitet werden.
Für die Gestaltung von Arbeitsplätzen wird oft das klassische Schema von
ROHMERT (1983b) verfolgt. Nach einer Analyse der Arbeitsplatzsituation werden
Situationsparameter gemessen und beurteilt bevor die Gestaltung des Arbeitsplat-
zes stattfinden kann.
Im Bereich der Produktergonomie werden ähnliche Prozesse durchlaufen, die
von den Eigenschaften und der Komplexität des zu entwickelnden Produkts sowie
der Entwicklungsphase des Produkts beeinflusst werden. Das Vorgehen bei der
Produktentwicklung wird in den nächsten Kapiteln veranschaulicht.

10.3.1.2 BeschreibungĆdesĆProduktgestaltungsprozessesĆ
Für die Durchführung der Produktgestaltung wurden unterschiedliche Ansätze
entwickelt, die diesen Prozess formal und systematisch begleiten. Alle diese An-
sätze verfolgen das Ziel, ein Produkt zu schaffen, das festgelegte Anforderungen
erfüllt. Für sozio-ökonomisch-technische Prozesse sind die Methoden der System-
technik von besonderer Bedeutung (PAHL et al. 2007). Die Systemtechnik stellt
Methoden, Verfahren und Hilfsmittel zur Verfügung, die die Analyse, Planung
und Auswahl von Lösungen mit dem Ziel der optimalen Gestaltung komplexer
Systeme unterstützen. Sie wurden bereits bei der Darstellung des Arbeitssystems
in Kapitel 1.5.1.1 verdeutlicht. Im Folgenden werden zwei Vorgehensmodelle
beschrieben, die die Produktgestaltung mit unterschiedlichen Schwerpunkten
beschreiben – benutzerorientiert und technikorientiert.

Benutzerorientierter Produktgestaltungsprozess
Als Basis für die benutzerorientierte Betrachtung der Produktgestaltung dient das
in der internationalen Norm DIN EN ISO 13407 beschriebene Vorgehen (Abb.
10.98). Dieses ist generell gut geeignet, um bei der ergonomischen Entwicklung
von Produkten den Menschen als Benutzer zu berücksichtigen, obwohl in der
Norm eigentlich nur die Vorgehensweise für die gebrauchstaugliche Gestaltung
von Hard- und Softwarekomponenten interaktiver Systeme festgelegt wurde. Der
benutzerorientierte Produktgestaltungsprozess ist eine interdisziplinäre Aktivität,
die sowohl menschbezogene als auch technische Erkenntnisse berücksichtigt.
Dabei wird dieser Gestaltungsprozess als Ergänzung zu anderen bestehenden
Konzepten und Verfahren verstanden und dient vor allen Dingen der effektiven
sowie rechtzeitigen Festlegung der benutzerorientierten Gestaltungsaktivitäten.
Der benutzerorientierte Gestaltungsprozess zeichnet sich dadurch aus, dass die
Benutzer aktiv beteiligt werden und ein klares Verständnis von Benutzer- und
Aufgabenanforderungen vorliegt. Durch die Beteiligung von Benutzern und Ex-
perten wird Wissen über den Nutzungskontext und die zu erfüllenden Arbeitsauf-
gaben erlangt sowie Erkenntnisse darüber, wie die Benutzer mit dem zukünftigen
Produkt arbeiten werden. Als Experten werden hier Personen verstanden, die sich
1112 Arbeitswissenschaft

im Unternehmen mit dem Produkt beschäftigen (z.B. Entwickler, Produkt-


manager). Im benutzerorientierten Gestaltungsprozess wird eine geeignete Funkti-
onsaufteilung zwischen Benutzern und Technik angestrebt, so dass den Benutzern
eine sinnvolle Menge und Folge von Funktionen zugeordnet werden kann. Die
Gestaltungslösungen werden auf der Grundlage der Rückmeldungen von Benut-
zern iterativ verbessert, die eine äußerst wichtige Informationsquelle darstellen.
Die Beteiligung interdisziplinärer Gruppen am Gestaltungsprozess stellt die Be-
rücksichtigung menschlicher Aspekte sicher.
Die folgenden vier Aktivitäten sind während der benutzerorientierten Produkt-
gestaltung durchzuführen (Abb. 10.98):
(1) Nutzungskontext identifizieren
(2) Benutzeranforderungen festlegen
(3) Gestaltungslösungen entwerfen
(4) Gestaltungslösungen bewerten.

1 2

0 Nutzungskontext
Benutzer-
identifizieren:
Projektstart • Benutzer
anforderungen
• Arbeitsaufgabe festlegen
• Umgebung

nicht
5 okay
Projektziel 4 3

Produkt okay Gestaltungs- Gestaltungs-


erfüllt Benutzer- lösungen Prototyp lösungen
anforderungen bewerten entwerfen

Abb. 10.98: Benutzerorientierter Gestaltungsprozess nach DIN EN ISO 13407 (2000)

Der benutzerorientierte Gestaltungsprozess nach DIN EN ISO 13407 sollte be-


reits im Anfangsstadium des Entwicklungsprojektes begonnen und wiederholt
durchlaufen werden, zumindest bis das entwickelte Produkt die festgelegten An-
forderungen erfüllt, besser noch bis das Produkt am Markt eingeführt ist.
Der Nutzungskontext (Aktivität 1) wird durch Merkmale der Benutzer, die vom
Menschen mit dem Produkt auszuführenden Arbeitsaufgaben sowie die Arbeits-
umgebung in der das zu entwickelnde Produkt genutzt wird, bestimmt. Die we-
sentlichen zu berücksichtigenden Merkmale der Benutzergruppe, die das Produkt
verwenden werden, werden bestimmt durch deren Eigenschaften, Fähigkeiten,
Fertigkeiten (z.B. Ausbildung, Kenntnisse und Erfahrungen) sowie ihre Motivati-
on. Die Motivation des Benutzers wird bestimmt durch seine Einstellungen zur
Technik, Markentreue/-bewusstsein, Umweltbewusstsein usw. Hier sind auch
mögliche kulturelle Unterschiede der Benutzer sowie ihres Kontextes zu berück-
Ergonomische Gestaltung 1113

sichtigen. Die Beschreibung der durchzuführenden Arbeitsaufgabe beinhaltet das


Ziel, durchzuführende Teilaufgaben, eingesetzte Arbeitsweisen/-methoden, die
Aufgabenteilung zwischen Mensch und technischem Produkt sowie Häufigkeit
und Dauer der Aufgabendurchführung. Sind bereits ähnliche Produkte vorhanden,
sind die gewonnen Erfahrungen aus der Nutzung dieser zu berücksichtigen. Die
Arbeitsumgebung, in der das Produkt genutzt wird, wird im Wesentlichen be-
stimmt durch Beleuchtung, Klima, Lärm und mechanische Schwingungen (siehe
Kap. 9), aber auch organisatorische und soziale Umgebungsfaktoren sind zu be-
rücksichtigen. Oftmals wird diese Beschreibung des Nutzungskontextes im Laufe
des Gestaltungsprozesses überarbeitet und erweitert.
Bei der Festlegung von Benutzeranforderungen (Aktivität 2) werden Anforde-
rungen, die sich aus den drei Bereichen Benutzer, Arbeitsaufgabe und -umgebung
des identifizierten Nutzungskontexts (Aktivität 1) ergeben sowie funktionelle
Anforderungen berücksichtigt. Des Weiteren sind Anforderungen, die sich aus
relevanten Gesetzen und Vorschriften ergeben, Anforderungen, die die Gestaltung
der Mensch-Maschine-Schnittstellen und des Arbeitsplatzes betreffen sowie An-
forderungen, die auf gegebene Randbedingungen zurückzuführen sind, zu be-
stimmen.
Das Entwerfen von Gestaltungslösungen (Aktivität 3) geschieht unter Berück-
sichtigung des Stands von Wissenschaft und Technik, der Erfahrungen und Er-
kenntnisse der Teilnehmer am Gestaltungsprozess und der Ergebnisse der Nut-
zungskontext-Analyse (Aktivität 1). Dabei werden folgende Teilaktivitäten ausge-
führt: (3.1) Anwenden des vorhandenen Wissens, um Gestaltungsvorschläge mit
interdisziplinärem Ansatz zu entwickeln, (3.2) Konkretisieren der Gestaltungs-
lösungen durch Zeichnungen, Simulationen oder Modelle, (3.3) Diskussion der
Gestaltungslösungen mit potenziellen Benutzern und (3.4) Änderung der Gestal-
tungslösungen entsprechend der Benutzerrückmeldungen.
Die Teilaktivitäten 3.3 und 3.4 werden iterativ durchgeführt bis die benutzer-
orientierten Gestaltungsziele erfüllt sind, da es schwierig ist, bei dem ganzheitli-
chen Gestaltungsansatz alle Aspekte eines Produkts bereits von Anfang an zu
berücksichtigen.
Das Bewerten von Gestaltungslösungen (Aktivität 4) wird von potenziellen Be-
nutzern des Produkts durchgeführt, ergänzend können auch Experten zu Rate
gezogen werden. Grundlage für die Bewertung sind die festgelegten Benutzeran-
forderungen (Aktivität 2). Diese Beurteilungen können genutzt werden, um
Rückmeldungen zu geben, die zur Verbesserung der Gestaltungslösung führen und
um zu beurteilen, ob die Benutzerziele erreicht wurden.
Für die Bewertung von Gestaltungslösungen werden in der Regel empirische
Untersuchungen mit einer Gruppe von potenziellen Benutzern des Produkts
durchgeführt. Diese Untersuchungen können mehr oder weniger gut geplant
durchgeführt werden, so dass sie entweder nur den Charakter von Vortests haben
oder einer statistisch auswertbaren Versuchsreihe entsprechen. Der Umfang der
Untersuchung wird von dem verfolgtem Ziel, den angestrebten Untersuchungser-
gebnissen und dem zur Verfügung stehenden Kosten- und Zeitrahmen bestimmt.
1114 Arbeitswissenschaft

Die Aktivitäten (4.1) Untersuchungsziel klären, (4.2) Untersuchungskonzept er-


stellen, (4.3) Versuche durchführen, (4.4) erhobene Daten statistisch analysieren
und (4.5) mögliche Gestaltungspotenziale ableiten sind für die Beurteilung von
Gestaltungslösungen durchzuführen. Beim Klären des Untersuchungszieles ist
festzulegen, welche Aussagen aus den erhobenen Daten abgeleitet werden sollen.
Die Erstellung des Untersuchungskonzeptes beinhaltet die Festlegung der Unter-
suchungsumgebung (z.B. Simulation, Labor, reale Arbeitsumgebung, siehe
BRUDER et al. 2007), die Auswahl der einzusetzenden Probanden und die Aufstel-
lung eines statistischen Versuchsplans. Außerdem müssen die zu erhebenden
Daten (z.B. Befragungen, Bewertung der Aufgabenerfüllung und des notwendigen
Zeitaufwandes, Analyse der Blickbewegungen des Benutzers, z.B. GAWRON 2000,
STANTON et al. 2005, siehe auch Kap. 3.3.3 sowie Kap. 10.2.1.3) spezifiziert wer-
den sowie die Versuchsaufgabe für die Probanden und der Versuchsablauf festge-
legt werden. Diese Aktivitäten führen dazu, dass der Versuchsablauf standardisiert
ist und die Ergebnisse der Versuche unter vergleichbaren Bedingungen entstehen.
Das entwickelte Untersuchungskonzept ist mit Vorversuchen zu evaluieren. Die
anschließende Durchführung der Versuche erfolgt mit den ausgewählten Proban-
den entsprechend dem erstellten Untersuchungskonzept. Die erhobenen Daten
müssen statistisch ausgewertet und interpretiert werden. Anhand der Ergebnisse
wird festgestellt, ob die in Aktivität 2 festgelegten Benutzeranforderungen erfüllt
sind oder weiteres Gestaltungspotenzial für das Produkt besteht, welches durch ein
erneutes Durchlaufen des Gestaltungsprozesses bei der Produktentwicklung be-
rücksichtigt wird.

Technikorientierter Produktgestaltungsprozess
Der im Maschinenbau entstandene Ablauf des Entwicklungs- und Konstruktions-
prozesses nach PAHL et al. (2007) stellt das in der VDI Richtlinie 2221 festgelegte
allgemeine, branchenunabhängige Vorgehen ausführlich dar. Der von PAHL et al.
(2007) geprägte Prozess geht detailliert auf das Entwerfen von Gestaltungslösun-
gen ein und ist daher eine geeignete Ergänzung des benutzerorientierten Gestal-
tungsprozesses nach DIN EN ISO 13407.
Der Entwicklungs- und Konstruktionsprozess wird in die Hauptphasen
(1) Planen und Klären der Aufgabe,
(2) Konzipieren,
(3) Entwerfen und
(4) Ausarbeiten
unterteilt, was einer Festlegung von Information, Prinzip, Gestaltung und Herstel-
lung entspricht (Abb. 10.99). Eine scharfe Trennung der Phasen ist in der Praxis
jedoch in der Regel nicht möglich. Die Hauptphasen werden jeweils mit einer
Entscheidung abgeschlossen, die ein Arbeitsergebnis nach einer entsprechenden
qualitativen Beurteilung definitiv abschließt und weitere erforderliche Hauptpha-
sen oder Arbeitsschritte freigibt. Das Ergebnis eines Entscheidungsschrittes kann
auch ein erneutes Durchlaufen einer Iterationsschleife sein, wenn das vorliegende
Ergonomische Gestaltung 1115

Arbeitsergebnis noch nicht hinreichend ist. Auch in diesem Prozess kommt ein
interdisziplinär zusammengesetztes Team zum Einsatz. In der VDI Richtlinie 2242
Bl.1 ist festgehalten, welche ergonomischen Aspekte in diesen vier Phasen zu
berücksichtigen sind. Blatt 2 dieser Richtlinie gibt einen Überblick über relevante
Literatur zu ergonomisch wichtigen Erkenntnissen, allerdings auf dem Stand von
1986.
In der Phase Planung und Klärung der Aufgabenstellung werden Informationen
über die Anforderungen, die an das Produkt im Einzelnen gestellt werden, und
über die bestehenden Randbedingungen sowie deren Bedeutung beschafft. Als
Ergebnis wird eine Anforderungsliste erstellt, die während des gesamten Entwick-
lungsprozesses aktualisiert werden muss.
Das Konzipieren umfasst die prinzipielle Festlegung einer Lösung. Diese wird
nach Klärung der Aufgabenstellung durch Abstrahieren auf die wesentlichen
Probleme, Aufstellen von Funktionsstrukturen und durch Suche nach geeigneten
Wirkprinzipien und deren Kombination in einer Wirkstruktur erreicht. Die Ge-
samtfunktion wird dabei in Teilfunktionen niedrigerer Komplexität aufgegliedert,
für die jedoch nicht voneinander unabhängig Lösungen gesucht werden, die Ver-
knüpfung der Teilfunktionen ergibt die Funktionsstruktur. Für die Teilfunktionen
werden Wirkprinzipien gesucht, die später zu einer Wirkstruktur zusammengefügt
werden und aus der bei weiterer Konkretisierung die prinzipielle Lösung entsteht.
Das Wirkprinzip enthält den für die Erfüllung einer Funktion erforderlichen phy-
sikalischen Effekt sowie die geometrischen und stofflichen Merkmale. Die gefun-
denen Lösungsvarianten werden anhand der Kriterien aus der Anforderungsliste
beurteilt und es wird entschieden, welche Varianten weiter verfolgt werden.
Beim Entwerfen wird die Baustruktur erarbeitet, ausgehend von den eher quali-
tativen Konzepten wird die Gestaltung konstruktiv festgelegt. Oftmals werden
mehrere Entwürfe angefertigt und bewertet. Dabei handelt es sich in der Regel um
einen iterativen Prozess, in dem die Entwürfe auf Grundlage der Bewertungen
sowie durch Teillösungen aus alternativen Entwürfen verbessert werden. Ab-
schließend wird die Entscheidung für die Gestaltung des endgültigen Gesamtent-
wurfs gefällt.
In der abschließenden Phase des Ausarbeitens werden herstellungstechnische
Details der Baustruktur festgelegt.
Der in Abb. 10.99 dargestellte technikorientierte Gestaltungsprozess umfasst
per se nicht die Herstellung von Modellen und Prototypen, die für die Analyse und
Bewertung der Mensch-Technik-Interaktion genutzt werden können. Diese sollten
zur Informationsgewinnung immer dort eingesetzt werden, wo sie Entwicklungs-
entscheidungen verbessern und beschleunigen können, oftmals bereits in der Kon-
zeptphase (siehe Kapitel 10.2.3).
1116 Arbeitswissenschaft

Abb. 10.99: Technikorientierter Gestaltungsprozess nach PAHL et al. (2007)


Ergonomische Gestaltung 1117

Zusammenhänge zwischen beiden Ansätzen


Die dargestellten normativen Prozesse zur Produktgestaltung haben gemeinsam,
dass ihre Prozessschritte den Tätigkeiten Analysieren, Gestalten und Bewerten
folgen (Abb. 10.100). Während beim benutzerorientierten Vorgehen, dem Analy-
sieren mit den beiden Prozessschritten Nutzungskontext identifizieren und Benut-
zeranforderungen festlegen große Beachtung geschenkt wird, liegt beim technik-
orientierten Vorgehen der Fokus stärker auf dem Gestalten, wo jeder Prozess-
schritt auch eine Bewertung beinhaltet.

Benutzerorientierter Technikorientierter
Gestaltungsprozess Gestaltungsprozess

1 Nutzungskontext identifizieren ANALYSIEREN Planen und Klären der Aufgabe 1

2 Benutzeranforderungen festlegen

3 Gestaltungslösungen entwerfen GESTALTEN Konzipieren 2

Entwerfen 3

4 Gestaltungslösungen bewerten BEWERTEN Ausarbeiten 4

Abb. 10.100: Vergleich der Gestaltungsprozesse

Die beiden Gestaltungsprozesse unterscheiden sich im Wesentlichen dadurch,


dass der technikorientierte Prozess eine Aufgliederung in Teilaufgaben durch
Strukturbildung und Aufgliederung in Module vornimmt, während der benutzer-
orientierte Prozess eine Gesamtbetrachtung des Produkts vorsieht. Durch diese
Aufgliederung im technikorientierten Prozess wird die Komplexität des Systems
reduziert, der Entwicklungsprozess in kalkulierbare Teilschritte aufgegliedert und
somit die Anwendung standardisierter Lösungsmethoden erleichtert (PAHL et al.
2007). Der benutzerorientierte Prozess ist eher ein Problemlösezyklus, in dem
Gestaltungslösungen gesucht, durch potenzielle Benutzer bewertet und anhand der
gegebenenfalls auch bei der Bewertung neu hinzukommenden Anforderungen
präzisiert oder gegebenenfalls wieder verworfen werden. Der benutzerorientierte
Prozess ist darauf ausgelegt, durch Variation und Kombination vorhandener An-
sätze und Ideen neue oder präzisierte Varianten zu generieren. Dabei wird dieser
Prozess so oft durchlaufen, bis eine den Anforderungen entsprechende Gestal-
tungslösung gefunden ist. Während beim technikorientierten Prozess die Gestal-
1118 Arbeitswissenschaft

tungslösung durch das Zusammenfügen von Teilmodulen gefunden wird, wird im


benutzerorientierten Prozess eine ganzheitliche Lösung gesucht und schrittweise
präzisiert (GÖBEL 2004).
Die während des Entwicklungsprozesses durchgeführten Bewertungen haben
aus ergonomischer Sicht das Ziel, notwendige Änderungen frühzeitig im Prozess
im Sinne einer prospektiven Ergonomie umsetzen zu können. Nach Abschluss des
Entwicklungsprozesses werden weitere Bewertungen des serienreifen Produkts
durchgeführt, um die Nutzung des Produkts in einer realen Arbeitsumgebung
bewerten zu können. Ziel der durchzuführenden Tests ist es, mögliche Defizite des
entwickelten Produkts aufzudecken und dann im Sinne einer korrektiven Ergono-
mie in Produktüberarbeitungen einfließen zu lassen.

10.3.1.3 AnwendungĆdesĆProduktgestaltungsprozessesĆinĆderĆPraxisĆ
Im Folgenden wird der benutzerorientierte Gestaltungsprozess aus ergonomischer
Sicht anhand unterschiedlicher Beispiele veranschaulicht. Die ausgewählten Bei-
spiele stammen aus den Anwendungsbereichen Medizintechnik und Fahrzeug-
technik, sie beziehen sich auf unterschiedliche Produktarten in unterschiedlichen
Phasen des Entwicklungsprozesses (Neuentwicklung, Weiterentwicklung, Funk-
tionserweiterung). Anhand dieser Beispiele wird gezeigt, dass der hier beschriebe-
ne Produktgestaltungsprozess für eine Vielfalt an Produkten gilt und somit in allen
Phasen der Entwicklung bzw. der Weiterentwicklung bei einer erfolgreichen Be-
rücksichtigung des Benutzers systematisch angewendet werden kann.

Medizintechnik - Entwicklung einer Schnittstelle für Dental Röntgengeräte


Bei der Benutzung eines bereits existierenden Röntgengeräts für Zahnärzte zur
Anfertigung von Panoramabildern des gesamten Gebisses (Abb. 10.101) haben
sich ergonomische Verbesserungs- und Erweiterungspotenziale insbesondere für
die Benutzung durch ungeübte Personen gezeigt, die durch Einsatz eines Gestal-
tungsprozesses in einer überarbeiteten Produktgestaltung umgesetzt werden soll-
ten.

Abb. 10.101: Beispiel eines Dental Röntgengerätes (Sirona)


Ergonomische Gestaltung 1119

Die Entwicklung einer neuen Produktgeneration mit neuen Benutzungskonzep-


ten wurde anhand der Vorgehensschritte des benutzerorientierten Gestaltungspro-
zesses durchgeführt.
(1) Nutzungskontext identifizieren
Als Basis für die Identifikation des Nutzungskontexts, und noch wichtiger, für die
Festlegung der Benutzeranforderungen bezüglich einer neuen und modernen
Mensch-Maschine-Schnittstelle wurden Befragungen mit Fragebögen bzw. Inter-
views durchgeführt und Videos der Arbeitsabläufe aufgezeichnet. Für den Einsatz
dieser Geräte haben sich zwei Nutzungskontexte ergeben: Zahnkliniken und
Zahnarztpraxen. In Zahnkliniken wird dieses Röntgengerät mehrmals am Tag (ca.
30-mal pro Tag), abwechselnd von mehreren Personen benutzt. In Zahnarztpraxen
wird dieses Gerät seltener und unregelmäßiger von nur 1 bzw. 2 Personen benutzt
(3-4-mal am Tag). Die Ausbildung des Personals ist unabhängig von der Nut-
zungsumgebung. Die Benutzer in den Zahnkliniken sind jedoch durch die häufige
und regelmäßige Benutzung routinierter und mit dem Röntgengerät bestens ver-
traut.
(2) Benutzeranforderungen festlegen
Die zwei unterschiedlichen Benutzergruppen wurden befragt, welche Anforderun-
gen die Bedienelemente für ein Dental-Röntgengerät erfüllen sollten, um die Be-
dienung optimal durchführen zu können. Dabei wurden Kommentare zur Ist-
Situation sowie Wünsche für ein verbessertes Bedienkonzept erhoben. Es hat sich
gezeigt, dass sich die Anforderungen in Abhängigkeit des Nutzungskontextes
unterscheiden: In Zahnarztpraxen wurde die Einfachheit (Bedienfehlerfreiheit)
und die Intuitivität (sichere Bedienung ohne weitere Erklärungen) der Bedienung
auch nach mehreren Tagen ohne Praxis als sehr wichtig beurteilt, wohingegen in
Zahnkliniken die Sicherheit, die Qualität des Bildes und die Effizienz als am
wichtigsten bewertet wurden. Für beide Benutzergruppen war die Position des
Bedienelements ein zentrales Thema, da die mehr oder weniger gleichzeitigen
Tätigkeiten Einrichten und Beruhigen des Patienten, Bedienen des Gerätes und
Schutz der eigenen Person gegen die Strahlung mit einer fixierten Position des
Bedienelements schwierig zu erfüllen sind.
(3) Gestaltungslösungen entwerfen
Anhand der festgelegten Benutzeranforderungen wurden mehrere Lösungsvor-
schläge entworfen. Dabei wurden eine klassische Schnittstelle mit Tasten, die mit
abgekürzten Begriffen gekennzeichnet waren, und mehrere digitale Displays ge-
kennzeichnet mit abgekürzten Begriffen sowie mit Symbolen betrachtet (Abb.
10.102). Außerdem wurden mehrere Lösungen für die Position des Bedienele-
ments in Betracht gezogen: eine fixe Position, ein bewegliches Bedienelement mit
langen Kabeln und eine kabellose Schnittstelle.
1120 Arbeitswissenschaft

Abb. 10.102: Lösungsvorschläge für das Bedienelement (Sirona)

(4) Gestaltungslösungen bewerten


Die Gestaltungslösungen wurden in Form von Skizzen sowie mit einem in der
Funktion ähnlichem Bedienelement, das mit einem Rapid-Prototyping-Tool
(MUSSGNUG et al. 1999) auf dem Rechner simuliert wurde, von den potenziellen
Benutzern (Personal aus Zahnarztpraxen und Zahnkliniken) mit Hilfe von Inter-
views und Fragebögen bewertet. Die Bewertungen sind analysiert und die Ergeb-
nisse in Verbesserungsvorschläge umgesetzt worden. Anschließend wurden die
entworfenen Gestaltungslösungen überarbeitet. Nach einer erneuten Überprüfung
der Lösungen mit den Benutzern wurde ein Bedienelement ausgewählt und kon-
struktiv so ausgestaltet (Abb. 10.103), dass es produziert werden konnte.

Abb. 10.103: Beispiele von untersuchten Schnittstellen für Dental Röntgengeräte (Sirona)
Ergonomische Gestaltung 1121

Medizintechnik - Entwicklung einer neuen ergonomischen Pipette


Ein weiteres Beispiel für die Anwendung des benutzerorientierten Gestaltungspro-
zesses ist die Entwicklung einer Pipette, die an die natürliche Form der Hand
sowie deren Bewegung angepasst werden sollte, um insbesondere bei Dauernut-
zung das Risiko muskuloskelettaler Erkrankungen zu reduzieren (Abb. 10.104).
Hierbei handelt es sich um eine Neuentwicklung, bei der explizit die späteren
Nutzer im Vordergrund standen.

Abb. 10.104: Einsatz einer Pipette in einem Forschungslabor

(1) Nutzungskontext identifizieren


Zum Projektstart wurde zunächst der Nutzungskontext identifiziert. Hierzu wurde
eine umfangreiche Feldstudie durchgeführt, um ein gutes Verständnis für die Ab-
läufe, Unterschiede und Besonderheiten des Pipettierens zu gewinnen. Über 20
verschiedene Einrichtungen und Unternehmen, die mit Pipetten arbeiten, wurden
besucht. Dort wurden die Arbeitsabläufe mit einer Kamera dokumentiert, die
Arbeitspersonen wurden im Rahmen eines halbstrukturierten Interviews zu den
Vor- und Nachteilen bestimmter Pipetten befragt. Aussagen bezüglich der Nutzer-
populationen wurden per Fragebogen erfasst. Neben persönlichen und arbeits-
platzbezogenen Daten wurden primär Pipettenkenntnisse und Präferenzen abge-
fragt, dazu kam die Erhebung körperlicher Beschwerden.
Die Feldstudien haben gezeigt, dass der Arbeitsablauf beim Pipettieren durch
die noch weiter untergliederbaren Teiltätigkeiten Aufnehmen der Pipette, Aufste-
cken der Spitze, Aufnahme, Transport und Abgabe der Flüssigkeit sowie dem
anschließenden Abwurf der Spitze und dem Ablegen der Pipette beschrieben wer-
den kann. Die Volumenverstellung ist optional und kann direkt vor oder unmittel-
bar nach dem Aufstecken der Spitze erfolgen. Die in den verschiedenen Anwen-
dungsbereichen beobachteten Tätigkeiten können unterschiedlichen Kategorien
zugeordnet werden. Eine für die Pipettengestaltung relevante Unterscheidung
1122 Arbeitswissenschaft

ergibt sich auch auf der Benutzerseite: Neben routinierten Vielbenutzern gibt es
auch eine ganze Reihe an Gelegenheitsnutzern, für die das Pipettieren nur einen
kleinen Teil ihres Aufgabenspektrums ausmacht.
Ergänzend wurde die Pipettiertätigkeit mit 11 unterschiedlichen Pipetten im
Labor mit ungeübten Probanden sowie Experten analysiert. Dabei wurden folgen-
de Daten erhoben: Charakteristik der Benutzer (z.B. Abmessungen der Hand,
Daumenkraft), Beschreibung der Pipette (z.B. Abmessungen, Kraft-Weg-Verlauf),
Akzeptanz der Benutzer (z.B. Griff-Form, Bedien-/Hubweg), elektromyographi-
schen Aktivität von für das Pipettieren relevanten Muskeln an der Hand und Be-
wegungstrajektorien der Finger. Anhand der Ergebnisse dieser Laborversuche
konnten detaillierte Anforderungen an die Neuentwicklung abgeleitet werden.
Die durchgeführten Analysen haben gezeigt, dass die Einsatzgebiete der Pipet-
ten, Nutzungshäufigkeiten und -dauern sowie die Pipetten-Benutzer sehr unter-
schiedlich sind. Dementsprechend war zu prüfen, ob die sich daraus ergebenden
Anforderungen alle mit einem Produkt abgedeckt werden können oder für unter-
schiedliche Anwendungsfälle auch verschiedene Pipettenkonzepte zu entwickeln
sind. Für die Analyse der abzudeckenden Anwendungsfälle wurde das in Abb.
10.105 dargestellten Positionierungsmodell erstellt, in dem die Benutzergruppen
und Anwendungsgebiete (Tabelle 10.14) in Zusammenhang gesetzt sind.

Vielbenutzer
üllung
es

Massenbefü
hochspezialisierte
Arbeiten

Allgemeingebrauch
aufgaben- handlungs-
orientiert orientiert

akademisches
Pipettieren

Wenigbenutzer

Abb. 10.105: Einordnung der ausgearbeiteten Einsatzgebiete


Ergonomische Gestaltung 1123

Tabelle 10.14: Beschreibung der im Positionierungsmodell unterschiedenen Benutzergrup-


pen und Anwendungsgebiete
Benutzergruppen Anwendungsgebiete

Vielbenutzer – Erfahrene Nutzer Aufgabenorientiert


x z.B. Experten, ausgebildete Laborkräfte x hochpräzises Liquid-Handling
x tagtägliches Pipettieren x eingeschränktes oder hoch-
x Hauptwerkzeug Pipette spezialisiertes Arbeiten
Wenigbenutzer – Unerfahrene Nutzer Handhabungsorientiert
x z.B. Akademiker mit anderen Auf- x weniger präzisionsbedürftiges
gabenschwerpunkten, Studenten, Novizen Liquid Handling
x gelegentliches Pipettieren x hohe Arbeitsfrequenz

(2) Benutzeranforderungen festlegen


Die Analyse des Nutzungskontextes von Pipetten hat gezeigt, dass für die unter-
schiedlichen Anwendungsfälle auch verschiedene Pipetten mit speziellen Eigen-
schaften zu entwickeln sind. Ganz allgemein können folgende Anforderungen für
alle ergonomisch zu gestaltenden Pipetten abgeleitet werden (auf die speziellen
Anforderungen für die einzelnen Anwendungsgebiete wird hier nicht weiter ein-
gegangen):
x Griffgestaltung: Größe, insbesondere Länge und Durchmesser an Handgrö-
ßen anpassen; Handanschlag an Form der Hand anpassen (häufig sind zu en-
ge Innenradien am Handanschlag zu erkennen, und teilweise liegt gar kein
ausgeprägter Handanschlag vor).
x Länge der Pipette an die hohen visuellen Anforderungen des Pipettierens an-
passen, so dass die Benutzer eine gute Körperhaltung einnehmen.
x Optimierung der Bedienkräfte im Bereich zwischen Kraftgrenzen für repeti-
tive Tätigkeiten (DIN EN 1005-5), muskulären Kraftgrenzen (DIN EN 1005-3)
und sinnvollen Untergrenzen zur Vermeidung von Kraftspitzen am An-
schlag.
x Optimierung des Bedienknopfes – Höhe und Bedienweg: Aus ergonomischer
Sicht müsste die Knopfhöhe nach dem sich einstellenden Daumenwinkel
ausgelegt werden. Da dies aber aus Praktikabilitätsgründen nicht in Frage
kommt, sollte zumindest ein Knopfhöhenbereich zwischen 22 und 28 mm
über Zeigefingerniveau nicht verlassen werden. Zudem sollte die Behinde-
rung des Daumens durch Stellteile und Gehäusevorsprünge minimiert wer-
den, um dem Benutzer eine maximale Zugänglichkeit zu ermöglichen.
(3) Gestaltungslösungen entwerfen
Der Entwurf der Gestaltungslösungen wurde in 3 Phasen unterteilt. Zunächst wur-
den in Phase 1 mit Hilfe von Moodboards (großer Kartonbogen, auf den Fotos,
Zeichnungen, Materialien, kurze Texte aufgebracht werden) die möglichen Ein-
satzgebiete, die formalen Gestaltungsmöglichkeiten des Produkts bzw. die Tätig-
1124 Arbeitswissenschaft

keitsbeschreibung visuell konkretisiert. Ergebnis der ersten Phase war eine verbale
Konzeptformulierung, hier wurden vier unterschiedliche Pipettenkonzepte festge-
legt. In der zweiten Phase wurden erste Modelle aufgrund der festgelegten Benut-
zeranforderungen entworfen, mit Experten diskutiert und einem Auswahlprozess
unterworfen. Anschließend wurden drei Konzepte für eine Weiterentwicklung im
Rahmen der finalen Entwurfsphase ausgewählt (Phase 3). Beispielhaft wird im
Folgenden einer der endgültigen Entwürfe weiter betrachtet.
Dieses Pipettenkonzept ist für Vielbenutzer, die Erfahrung im Umgang mit Pi-
petten haben und im Sitzen oder Stehen arbeiten, ausgelegt. Geeignet ist dieses
Produkt insbesondere für das mehrkanalige Befüllen von Titerplatten. Folgende
ergonomische Gestaltungsmerkmale wurden bei dieser Pipette realisiert:
x Griffform basierend auf Analysedaten
x Vollsymmetrischer Griff und Funktionselemente erlauben rechts- und links-
händige Nutzung
x Weicher Gel-Griff minimiert Druckstellen und Ermüdung an den Händen
x Breiter, abgerundeter Pipettierknopf verhindert Druckstellen am Daumen
x Erhöhter Handanschlag und Kuhle verkürzen Daumenweg
x Entlastung des Daumens durch Kombination von Daumenknopf und Ab-
wurfhebel
x Individuelle Einstellbarkeit des Winkels, der Situation und persönlichen Nei-
gung entsprechend.
(4) Gestaltungslösungen bewerten
Ziel dieses Bewertungsprozesses war es, erste Erfahrungen bei der Nutzung dieser
neuartigen Pipetten zu sammeln und zu prüfen, ob sich die ergonomischen Gestal-
tungsdetails auch in der Praxis bewähren. Die Ergebnisse sollten Basis für eine
Optimierung der Pipetten sein, bevor diese in Serie hergestellt werden. Dazu wur-
den die drei Pipettenkonzepte als Prototypen gebaut und im Rahmen von Ver-
suchsreihen im Labor bewertet. Insgesamt wurden für jede Pipette 12 Probanden
entsprechend dem definierten Nutzerkollektiv eingesetzt. Es wurden dieselben
Daten wie bei dem zur Analyse des Nutzungskontextes durchgeführten Laborver-
such erhoben. Somit konnten die in dieser Phase erhobenen Daten mit den Refe-
renzdaten aus Phase 1 verglichen und der ergonomische Nutzen quantifiziert wer-
den. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass sich die drei Konzepte insgesamt sehr gut
bewährt haben, kleinere Details der Gestaltung wurden nochmals überarbeitet.

Fahrzeug - Funktionserweiterung und Schnittstelle eines Abstandregelsystems


Ein Abstandsregelsystem, auch ACC (Adaptive Cruise Control) genannt, ist ein
Fahrerassistenzsystem, welches die Beschleunigung und die Bremsvorgänge des
Fahrzeugs anhand des Abstands zum vorausfahrenden Fahrzeug bzw. der
Wunschgeschwindigkeit des Fahrers regeln kann (WEISSE et al. 2002). Bei der
Einführung auf den Markt konnten diese Systeme nur ab einer Geschwindigkeit
von ca. 30 km/h aktiviert werden, was eine Nutzung in einem städtischen Umfeld
oder in Stausituationen ausschließt. Heute werden hingegen Systeme angeboten,
Ergonomische Gestaltung 1125

die bis zum Stillstand des Fahrzeugs aktiv bleiben und unter bestimmten Randbe-
dingungen auch wieder selbständig anfahren können. Mit dieser technischen Ent-
wicklung ist es dem Fahrer möglich, mit einem aktiven ACC in „Stop and Go“
Situationen oder in der Stadt zu fahren.
Die erweiterte Funktionalität wirft die Frage auf, ob die für den Geschwindig-
keitsbereich über 30 km/h entwickelte Schnittstelle, insbesondere die angezeigten
Informationen, auch für den Niedriggeschwindigkeitsbereich mit anderen Fahr-
umgebungen geeignet ist. Zur Klärung dieser Frage müssen die ersten zwei Akti-
vitäten des benutzerorientierten Gestaltungsprozesses (Klärung des Nutzungskon-
textes und der Benutzeranforderungen) durchgeführt werden (ABENDROTH et al.
2005; DIDIER et al. 2008). In Abhängigkeit der Ergebnisse der ersten Analysen wird
dann entschieden, ob die nächsten zwei Aktivitäten des Entwicklungsprozesses,
Entwerfen und Bewerten, durchgeführt werden müssen.
(1) Nutzungskontext identifizieren
In dieser ersten Phase ist die Präzision der Analyse des Nutzungskontextes beson-
ders wichtig. Auf den ersten Blick bewirkt die Funktionserweiterung von über 30
km/h auf unter 30 km/h für den Benutzer bzw. seine Tätigkeit keine großen Ände-
rungen. Bei der Nutzungsumgebung sind die Modifikationen von größerer Bedeu-
tung, weil das System unter bestimmten Randbedingungen das Fahrzeug selbstän-
dig wieder anfahren lässt. Damit wird die Hauptanforderung für das Fahren in
Städten erfüllt. Dieses unterscheidet sich hinsichtlich der Bedingungen wesentlich
von Autobahnfahrten, die bisher die Hauptnutzungsumgebung von ACC-
Systemen darstellten. Dadurch wird auch zum Teil die Tätigkeit des Fahrers modi-
fiziert: Der Fahrer muss bei der Handlung „Wieder-Anfahren“ (z.B. an der Am-
pel) verstanden haben, ob die Randbedingungen des ACC-Systems für ein „auto-
nomes Wieder-Anfahren“ (z.B. Stillstand des Fahrzeugs kürzer als 2 Sekunden)
erfüllt sind oder nicht. Wenn nicht, muss der Fahrer die Handlung selbst überneh-
men. Eine weitere wichtige Änderung des Nutzungskontexts ergibt sich aus der
Komplexität der Fahrumgebung, insbesondere aus der Anzahl der für die Fahrtä-
tigkeit relevanten visuellen Informationen. Die entsprechende Belastung des visu-
ellen Kanals aufgrund der komplexen Verkehrsumgebung könnte die Aufnahme
von ACC-Informationen auf einem Display im Tachobereich beeinflussen bzw.
erschweren.
(2) Benutzeranforderungen festlegen
Die Benutzeranforderungen derart komplexer Systeme können nicht nur durch
Befragungen erschlossen werden, da es speziell in diesem Bereich dem potenziel-
len Nutzer schwer fällt, sich theoretische Konstrukte vorzustellen. Zur Erhebung
von realistischen Anforderungen wird empfohlen, Experten des Systems bzw.
erfahrene Benutzer zu befragen und, wenn möglich, ähnliche Produkte zu testen.
Die getesteten Produkte sind dann bei der Analyse als Referenz zu betrachten. Für
die Ableitung von Benutzeranforderungen wurden zwei erweiterte ACC-Systeme
durch Experten überprüft, dabei haben sich zwei Einflussfaktoren herausgestellt:
1126 Arbeitswissenschaft

1) Anzahl bzw. Relevanz der angezeigten Informationen in Abhängigkeit der


jeweiligen Fahrsituationen; 2) Informationsaufnahme bezüglich des Ortes der
Informationspräsentation bei Stadt-Fahrbedingungen. Der Fahrer benötigt z.B.
folgende Informationen insbesondere im Stadtverkehr:
x „Das Zielfahrzeug wurde vom ACC-System erkannt“
x „Das ACC-System fährt nach Stillstand (z.B. Ampel) autonom wieder an“
Die Ergebnisse dieser ersten zwei Aktivitäten des Gestaltungsprozesses (Klä-
rung des Nutzungskontextes und der Benutzeranforderungen) haben gezeigt, dass
die Funktionsänderung einen wesentlichen Teil des Nutzungskontextes sowie der
Benutzeranforderungen verändert. Ein benutzerorientierter Gestaltungsprozess
unterstützt in diesem Fall den Entwurf von Lösungen (technisch, funktionell), die
an die neuen Anforderungen angepasst werden sowie eine differenzierte Überprü-
fung der unterschiedlichen Lösungen.
(3) Gestaltungslösungen entwerfen
Ziel dieses Schrittes ist die Erstellung von Lösungen, die die Anforderungen,
formuliert in Phase 1 und 2, erfüllen können. Am Anfang dieser Phase sollen
Vorschläge ohne Berücksichtigung der Machbarkeit, der Kosten oder der Konflik-
te mit anderen Anforderungen formuliert werden. Basierend auf der Analyse der
Anforderungen wurde die Schnittstellengestaltung unter mehreren Aspekten bear-
beitet: Anzahl und Relevanz der ACC-Informationen, Darbietungsort der Informa-
tionen, Art der angezeigten Informationen usw. Im Folgenden wird der Fokus nur
auf der Problematik der ACC-Informationsaufnahme bezüglich des Darbietungs-
orts gelegt. In der Stadt kann der Fahrer nur bedingt Information über das ACC-
System vom Tacho aufnehmen. Hauptursache dafür ist die Belastung des visuellen
Kanals im Stadtverkehr, in welchem die Komplexität der Fahrsituationen stark
variiert, von ruhigen Straßen ohne Verkehr, Fußgängern oder Kreuzungen bis zu
mehrspurigen Straßen mit viel Verkehr, Fußgängern, Fahrrädern, Kreuzungen mit
Vorfahrt und Ähnlichem. Eine erste Lösung besteht in der Verlagerung der ACC-
Informationen auf einen anderen Darbietungsort oder deren Vermittlung über
einen anderen Sinneskanal. Bei der Verlagerung des Darbietungsortes sollen die
ACC-Informationen direkt ins Blickfeld des Fahrers projiziert werden. Eine Pro-
jektion der Informationen in der Windschutzscheibe, z.B. mit Hilfe eines Head-Up
Displays (siehe auch Kap. 10.1.2.1.1), soll die Informationsaufnahme von ACC-
Informationen vereinfachen: Der Fahrer kann seinen Blick sehr schnell mit gerin-
gerer Ablenkung zwischen Straße und Display bewegen. Ein weiterer innovativer
Entwurf wäre die Nutzung des haptischen Kanals, um den Fahrer über den ACC-
Status zu informieren. Haptische Informationen werden bisher hauptsächlich für
Warninformationen eingesetzt, z.B. durch Vibrationen im Sitz oder Lenkrad. Für
den Entwurf neuer Lösungen ergeben sich z.B. folgende Fragen: Ist der haptisch
Kanal auch effizient für Informationen, die keine Reaktion fordern, sondern nur
informativ sind? Können haptische Informationen über andere Körperteile intuitiv
in die richtige Reaktion umgesetzt werden? Am Anfang der Phase „Entwurf von
Gestaltungslösungen“ ist es wichtig, dass die Entwickler unabhängig von der
Ergonomische Gestaltung 1127

technischen oder finanziellen Realisierbarkeit nach Lösungen suchen, um neue


Wege zu explorieren. Natürlich werden diese Machbarkeitskriterien bei der Aus-
wahl der Lösung berücksichtigt. Wenn ein Projekt finanziell oder zeitlich sehr
begrenzt ist, können neue Technologieentwicklungen nicht innerhalb des Projekts
umgesetzt werden, jedoch die Basis für ein neues Projekt sein.
(4) Gestaltungslösungen bewerten
In dieser Phase sind zunächst das Ziel sowie der Umfang der durchzuführenden
Bewertung in Abhängigkeit des Budgets, des Zeitrahmens sowie der verfügbaren
Ressourcen zu definieren. Unter Anderem war ein Ziel die Feststellung des zu
erwartenden Verbesserungspotenzials, das eine Änderung des Darbietungsortes
mit sich bringen könnte. Eine Laborsimulation mit einer kleinen Anzahl von
ACC-Benutzern konnte eine erste Tendenz zeigen. Es wurde entschieden, drei
Darbietungsorte bzw. -arten (Head-Down, Head-Up, bzw. Kontakt Analog Dis-
play) zu betrachten (Abb. 10.106).

Abb. 10.106: Beispiele unterschiedlicher Darbietungsorte (links: Head-Down; Mitte: Head-


Up; rechts: Kontakt Analog Display)

Bei der Bewertung der neuen Lösungen ist darauf zu achten, dass diese mit den
„traditionellen“ und den a priori schlechteren Lösungen verglichen werden. Des-
halb wurde ein klassischer Tacho (Head-Down) gegenüber zwei neuen Lösungen
(Head-Up) getestet. Die Art der Information wurde ebenfalls untersucht. Abb.
10.107 zeigt Beispiele der getesteten Darbietungen.

Abb. 10.107: Beispiele unterschiedlicher Informationsdarbietung (links: Fahrzeug erfasst,


rechts: Fahrrad erfasst)
1128 Arbeitswissenschaft

Die auszuwertenden Daten wurden mit Hilfe von Fragebogen und Interview er-
hoben, außerdem wurde eine qualitative Analyse durchgeführt. Die Ergebnisse
haben bezüglich der Darbietungsorte (Abb. 10.108) bzw. -arten für viele der An-
zeigenalternativen klare Präferenzen der Nutzer gezeigt, die als Anforderungen für
die Entwicklung zukünftiger Niedriggeschwindigkeitsbereich-ACC-Systeme die-
nen können. Zunächst nicht verwertbare Ergebnisse sollen nach einer Überprüfung
der Relevanz der Entwurfslösung, noch einmal überprüft werden, idealerweise im
realen Verkehr. Mit der Umsetzung der Ergebnisse der Phase 4 „Bewertung“ in
konkrete Anforderungen endet der Produktentwicklungsprozess.

Abb. 10.108: Von einem Probanden ausgewählte Darbietungsorte - ein Beispiel

Die exemplarischen Ergebnisse in Abb. 10.109 zeigen, dass die Funktion „Set
Speed“ in Kurven sowie bei Kreuzungen mit Ampeln im Gegensatz zu Autobahn-
Situationen nicht als „wichtig“ beurteilt wird, „Erkennen Zielfahrzeug“ wird in
allen drei Situation als eine wichtige Information bewertet. Unter Berücksichti-
gung der Tatsache, dass der Mensch beim Fahren nur eine begrenzte Anzahl an
Informationen zusätzlich aufnehmen kann, können solche Ergebnisse die Auswahl
der anzuzeigenden Informationen unterstützen.
Ergonomische Gestaltung 1129

Warnung

Deaktiviert

Verlust Zielfahrzeug

Erkennen Zielfahrzeug

Abstand Zielfahrzeug

Geschwindigkeit

System Status

Wunschabstand

Wunschgeschwindigkeit

1 2 3 4 51 2 3 4 51 2 3 4 5

Kurve Ampel Autobahn

Abb. 10.109: Frage: Wie wichtig sind die folgenden Informationen in diesen Fahr-
situationen? [1= nicht wichtig bis 5=sehr wichtig] - Mittelwert über alle Probanden

Fazit
Diese Beispiele zeigen, dass der Identifizierung des Nutzungskontextes eine große
Bedeutung zukommt, da dieser sehr unterschiedlich sein kann und somit sich auch
unterschiedliche Anforderungen der Benutzer ergeben können. In solchen Fällen
muss geprüft werden, ob die Anforderungen unterschiedlicher Nutzer in einem
Produkt umgesetzt werden können oder unterschiedliche Produkte bzw. Schnitt-
stellen für die verschiedenen Nutzergruppen entwickelt werden sollten. Falls ein
Produkt unterschiedliche bzw. widersprüchliche Anforderungen, z.B. für sehr
unterschiedliche Nutzergruppen, erfüllen soll, ist es besonders wichtig, dass die
Anforderungen gewichtet werden. Bei ergonomischer Gestaltung werden die An-
forderungen aller Nutzer berücksichtigt; ist dies nicht möglich, haben die Anfor-
derungen der „schwächsten“ Nutzer Priorität.

10.3.2 Produktionsgestaltung
Belastungen vorwiegend körperlicher Arbeit und ihre Auswirkungen stellen wei-
terhin ein großes Problemfeld für produzierende Betriebe, die Volkswirtschaft und
für die Arbeitspersonen selbst dar (LAWACZECK 2001), das durch die im Folgen-
den erläuterten Gestaltungsmethoden systematisch durchdrungen und einer pro-
duktionsergonomischen Lösung zugeführt werden kann. Zur methodisch geleite-
ten Gestaltung von Arbeitssystemen in der Produktion mit überwiegend informa-
torischer Arbeit sei generell auf Kapitel 10.1.2 verwiesen. Darüber hinaus finden
sich einige ausgewählte Beispiele zur ergonomischen Gestaltung von Mensch-
Maschine-Schnittstellen für die automatisierte Produktion in Kapitel 10.3.2.6.
1130 Arbeitswissenschaft

10.3.2.1 GrundlagenĆ

Begriffe
x Produktentstehungsprozess (PEP): Umfasst alle zur Planung und Herstellung
eines Produktes notwendigen Prozesse und Abläufe.
x Produktionsgestaltung: Steht bei der Produktgestaltung (Kap. 10.3.1) die
Gestaltung von menschzentrierten Produkten im Vordergrund, so wird
innerhalb der Produktionsgestaltung vorrangig eine ergonomische
Arbeitsprozessgestaltung angestrebt.
x Prozess: Bezeichnet das zeitliche und räumliche Zusammenwirken von Men-
schen, Arbeitsobjekten sowie Arbeits-/Sachmittel, bei dem eine Transforma-
tion der Eingabe (Prozessinput) in die Ausgabe (Prozessoutput) vollzogen
wird.
x Quality Gate: Bezeichnet einen speziellen Meilenstein in einem Projekt, der
sich zwischen einzelnen Prozessphasen, welche auf besondere Weise von
den Ergebnissen der Vorphase abhängig sind, befindet. Jedes Gate beinhaltet
eine qualitative bzw. quantitative Prüfung der Ergebnisse der
vorhergehenden Phase innerhalb des Produktentstehungsprozesses.
x Risikoanalyse und -bewertung: Umfassende Einschätzung der
Wahrscheinlichkeit und des Schweregrades möglicher Verletzungen oder
Gesundheitsschädigungen, um so geeignete Sicherheitsmaßnahmen
auszuwählen (DIN EN 1005-1).
x Gefährdungsbeurteilung: Gehört nach §5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) zu
den Pflichten des Arbeitgebers mit dem Ziel, die Arbeitsbedingungen in
seinem Betrieb im Hinblick auf Gefährdungen für die Arbeitspersonen zu
beurteilen und notwendige Maßnahmen des Arbeitsschutzes daraus
abzuleiten.

10.3.2.2 ZieleĆundĆAnwendungsbereicheĆĆ
Eine traditionelle Art der Klassifikation von Ergonomie ist die Unterscheidung in
die Produktergonomie (siehe Kap. 10.3.1), welche die Benutzbarkeit von
Produkten im Fokus hat und in die Produktionsergonomie, die sich dem
ergonomiegerechten Herstellungsprozess von Produkten und Dienstleistungen
widmet. Alle arbeitswissenschaftlichen Konzepte und Modelle, wie sie in den
Grundlagenkapiteln beschrieben wurden, haben auch in der Produktionsergonomie
ihre Gültigkeit.
Ziel der Produktionsergonomie ist die humane und wirtschaftliche Gestaltung
menschlicher Arbeit in der Fertigung und Montage. Angesichts eines steigenden
Kostendrucks, hervorgerufen u.A. durch den globalen Wettbewerb und den
demografischen Wandel in Europa, lässt sich eine wirtschaftliche Produktion nur
noch durch eine effektive und effiziente Nutzung der „Ressourcen“ des Menschen
erreichen. Nach jahrzehntelanger technischer Optimierung in der industriellen
Fertigung reicht auch in der Produktionsergonomie eine korrektive
Ergonomische Gestaltung 1131

Arbeitsgestaltung, z.B. im Rahmen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses


(KVP, siehe Kap. 4.3.4.2), hinsichtlich der ökonomischen und humanen
Verbesserungspotenziale nicht mehr aus, um optimale Bedingungen zu schaffen.
In immer stärkerem Maße muss im Rahmen des Produktentstehungsprozesses
(PEP) eine kostengünstige konzeptive Ergonomie eine menschengerechte und
wirtschaftliche Prozess- und Produktplanung ermöglichen (Abb. 10.110).

Abb. 10.110: Ergonomie und Wirtschaftlichkeit im Produktentstehungsprozess

Aus arbeitswissenschaftlicher Sicht ist von Interesse, welche Auswirkungen der


Zusammenhang zwischen der Gestaltung eines Produktes und der daraus folgen-
den Produktivität bei der Herstellung des Produktes für die an der Produktent-
wicklung und der Produktion beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben
kann.
Für die Beteiligten am Produktentwicklungsprozess ist insbesondere von Be-
deutung, wie die Auswirkungen einer Gestaltungsvariante auf den Produktions-
prozess frühzeitig erkannt und bewertet werden können.
Dies erfordert einen frühzeitigen und intensiven Austausch zwischen Experten
in der Produktgestaltung sowie der Produktionsplanung. Zusätzlich müssen alle
Beteiligten der Produktentwicklung die Auswirkungen der Produktgestaltung und
der daraus folgenden Produktionsplanung auf die Arbeitsprozesse und damit auch
auf die Leistungserbringung und die Beanspruchungsreaktion der an der Produkti-
on beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einschätzen können.
Für die Arbeitspersonen in der Produktion können sich durch die mit der Pro-
duktgestaltung in Verbindung stehende Prozessgestaltung folgende Anforderun-
gen ergeben:
1132 Arbeitswissenschaft

x Eine zunehmende Variantenvielfalt von Produkten verstärkt die Notwendig-


keit einer hohen Flexibilität der Arbeitsprozesse in der Fertigung.
x Verbunden mit der Forderung nach Produktivitätssteigerungen kommt es
aber auch zu einer zunehmenden Standardisierung von Produkten, Arbeits-
mitteln und Arbeitsprozessen.
Nachfolgend soll zunächst aufgezeigt werden, wie die Tätigkeit der am Pro-
duktentstehungsprozess Beteiligten so unterstützt werden kann, dass die gleichzei-
tige Erfüllung eines Zielsystems bestehend aus Kundenanforderungen, Produktivi-
tätsanforderungen und Beschäftigtenanforderungen ermöglicht wird.

10.3.2.3 ErgonomieĆinnerhalbĆdesĆProduktentstehungsprozessesĆ
Zieht man beispielhaft die Automobil- und Zulieferindustrie heran, so gibt es je
nach Unternehmenskultur unterschiedliche Ausprägungen von sog.
Ganzheitlichen Produktionssystemen, die sich mehr oder weniger an dem
bekannten Toyota Produktionssystem (TPS) anlehnen (siehe Kap 4.4.2) z.B. das
Mercedes-Benz-Produktionssystem (MPS), die Arbeits- und Prozessorganisation
(APO) bei Volkswagen (IFAA 2008) oder das Bosch-Produktions-System (BPS)
bei der Robert Bosch GmbH. Allen ist gemeinsam, dass bereits bei der
Produktentwicklung der gesamte Wertschöpfungsprozess betrachtet wird. Die
Entwicklung neuer Produkte ist dabei oftmals in einem festen Prozess
niedergeschrieben. Im Produktentstehungsprozess werden die hierfür
erforderlichen Schritte auf einer Zeitachse beschrieben. An definierten Quality
Gates werden technische oder qualitative Erfüllungsgrade (Prozessziele) anhand
von Checklisten überprüft und ggf. Verbesserungsmaßnahmen durchgeführt. Im
ungünstigsten Fall einer „No-go“- Situation wird der Prozess angehalten, bis das
vorliegende Problem einer befriedigenden Lösung zugeführt ist.
Die frühzeitige Berücksichtigung ergonomischer Anforderungen im Prozess der
Produktentwicklung ist nicht zuletzt aus wirtschaftlicher Sicht dringend geboten.
Mittels frühzeitiger Vermeidung ungünstiger Arbeitsbedingungen lassen sich
Kosten senken und Qualitätsverluste vermeiden (LANDAU et al. 2003). Durch die
Berücksichtigung ergonomischer Forderungen für den Produktionsprozess bereits
in der Produktentwicklung kann dem Wunsch nach einer konzeptiven anstelle
einer korrektiven Ergonomie entsprochen werden.
Zur kontinuierlichen und umfangreichen Berücksichtigung der Ergonomie im
Produktentstehungsprozess wurde ein konzeptioneller Ansatz entwickelt, der sich
aus vier Modulen zusammensetzt (BRUDER et al. 2008). Ergänzt wird das 4-Modul
Konzept durch eine Bilanzierung und Steuerung der in den einzelnen Stufen
durchgeführten Maßnahmen (siehe Abb. 10.111).
Eine Grundvoraussetzung für die Berücksichtigung von ergonomischen Belan-
gen ist die Nutzung von Methoden zur Bewertung der Belastungssituation an
vorhandenen oder geplanten Arbeitsplätzen. In vielen Unternehmen liegen solche
Werkzeuge vor, die aber häufig noch an geänderte Arbeitsbedingungen angepasst
Ergonomische Gestaltung 1133

werden müssen (SCHAUB et al. 2008). In Kapitel 10.3.2.4 werden solche Werkzeu-
ge vorgestellt.

Abb. 10.111: 4+1 Module zur Integration der Ergonomie in den Produktentstehungsprozess

Durch die Erweiterung des Werkzeug-Einsatzes (Modul 2) soll sichergestellt


werden, dass die Erkenntnisse zur Belastungssituation an aktuellen und zukünfti-
gen Arbeitsplätzen für vielfältige Anwendungen im Unternehmen zur Verfügung
stehen. So sind die Ergebnisse von Belastungsanalysen für die technische Ausle-
gung von Arbeitsplätzen (Arbeitsplatzgestaltung im engeren Sinn), aber auch für
die organisatorische Planung von Arbeitssystemen nutzbar.
Hier sei als Beispiel die Nutzung von Belastungsanalysen für die Auslegung
von Maßnahmen des Job-Rotation hinsichtlich des Wechselregimes und der im
Rotationsschema zu berücksichtigenden Arbeitsstationen genannt (BRUDER et al.
2009).
Mit einem erweiterten Werkzeug-Einsatz soll auch verhindert werden, dass die
teilweise aufwendige Erhebung von Belastungssituation mehrfach durchgeführt
werden muss, bzw. dass auf eine Erhebung mit dem Hinweis auf den zusätzlichen
Zeitaufwand der Erhebung gar verzichtet wird.
Eine nächste logische Stufe in der Berücksichtigung der Ergonomie ist die Ein-
führung von sogenannten ergonomischen „Quality gates“ (siehe Abb. 1.24 in Kap.
1.5.3.3).
Mit solchen ergonomischen Quality Gates wird nachprüfbar festgelegt, zu wel-
chem Zeitpunkt, von wem, mit welchen Verfahren eine Überprüfung der ergono-
mischen Güte der Arbeitsbedingungen in der Produktion durchgeführt werden
muss. Es wird weiterhin festgelegt, welche Maßnahmen in Abhängigkeit von den
erhaltenen Ergebnissen der Ergonomieanalysen zu treffen sind. In Kapitel 10.3.2.5
wird anhand eines Beispiels aus der Automobilindustrie gezeigt, wie das frühzei-
tige Aufzeigen von massiven ergonomischen Gestaltungsdefiziten für geplante
Arbeitsstationen in der Montage zu einer Änderung des Fahrzeugdesigns führten.
1134 Arbeitswissenschaft

Aus Abb. 1.24 (Kap. 1.5.3.3) ist ebenfalls ersichtlich, dass die erhobenen ergo-
nomischen Daten in den einzelnen Phasen des Produktentwicklungsprozesses
nicht nur für den aktuellen Prozess (Model 1.0), sondern gerade auch für die Ge-
staltung zukünftiger Produkte (Model 1.x) genutzt werden können. Mit der
Schließung von möglichen Datenlücken zwischen der Entwicklung von Produkten
unterschiedlicher Generationen ergibt sich auch die Möglichkeit zur kontinuierli-
chen Verbesserung von Arbeitsprozessen und somit auch zur Verbesserung der
Produktivität.
In einem vierten Schritt der konzeptiven Einbindung der Ergonomie in den
Produktentwicklungsprozess erfolgt die Verbindung von Anforderungen der Ar-
beitssituation mit den Fähigkeiten von Arbeitspersonen. Die Betrachtung der Fä-
higkeiten kann im Einzelfall notwendig sein, weil für eine Arbeitsperson im Rah-
men einer Rehabilitationsmaßnahme (z.B. nach einem Arbeitsunfall) zu klären ist,
welche Tätigkeiten von ihr noch ausgeführt werden können. Aber es kann auch
sinnvoll sein, die aktuellen oder auch zukünftig vorhandenen Fähigkeiten von
Populationen von Werkern in Bezug zu den aktuellen und zukünftig geplanten
Anforderungen der Arbeitsplätze zu bringen. Dieser Vergleich zwischen den Ar-
beitsanforderungen eines neu gestalteten Produktionssystems und den vorherzuse-
henden Fähigkeiten des eigenen Personals in Zukunft wird zu einer wichtigen
Aufgabe für Unternehmen im Rahmen der Herausforderungen durch den demo-
graphischen Wandel (RADEMACHER et al. 2008).

10.3.2.4 BelastungsanalysenĆalsĆBasisĆfürĆGestaltungsansätzeĆ
Das Arbeitsschutzgesetz, aber auch die 9. Verordnung des Geräte- und
Produktsicherheitsgesetzes (nationale Umsetzung der EU-MASCHINENRICHTLINIE
98/37/EG, ehemals 89/392/EWG, künftig 2006/42/EG) erfordern schnell einsetzbare
und robuste Verfahren zur ergonomischen Gefährdungs- und Risikoanalyse, um
„flächendeckende“ Analysen zu ermöglichen. Dies gilt insbesondere auch für die
Aussagen der neuen MASCHINENRICHTLINIE 2006/42/EG, Anhang I, Ziffer 1.1.6,
dass bei bestimmungsgemäßer Verwendung Belästigung, Ermüdung sowie
körperliche und psychische Fehlbeanspruchung des Personals auf das mögliche
Mindestmaß unter Berücksichtigung ergonomischer Prinzipien reduziert sein
müssen. Gefährdungs- und Risikoanalysen zeigen ergonomischen
Handlungsbedarf in Bezug auf gesetzliche Vorgaben an und geben aufgrund der
erkannten Engpässe Hinweise zu Gestaltungsansätzen.
Auf der Basis verschiedener Methoden und Verfahren, wie z.B. der
Leitmerkmalmethode Heben, Halten, Tragen (LMM-HHT) der Bundesanstalt für
Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) (STEINBERG u. WINDBERG 1997;
CAFFIER et al. 1999; STEINBERG et al. 2000, siehe auch Kap. 10.1.1.1), sind in den
vergangenen Jahren eine Reihe von praxisorientierten Belastungsbewertungs-
verfahren entwickelt worden, die im Sprachgebrauch als „Screening-Verfahren“
bezeichnet werden. Diese Verfahren wurden eigens für den Einsatz in der
Ergonomische Gestaltung 1135

Produktionsergonomie konzipiert und einige Beispiele werden nachfolgend kurz


beschrieben.
Für den Einsatz solcher Verfahren in der industriellen Praxis sind insbesondere
eine kurze Einstufungsdauer und eine nachvollziehbare Ergebnisdarstellung von
Bedeutung sowie eine Übereinstimmung mit bestehenden Verfahren zur
Bewertung körperlicher Belastungen.
Neu ist allerdings die Grundphilosophie der Belastungsbewertung dieser
praxisorientierten Verfahren. Während „klassische“ deutsche Verfahren wie z.B.
nach BURANDT u. SCHULTETUS (1978), REFA (1993) oder VDI (1980) mit ihren
sog. Grenzkräften, -momenten und -gewichten ein Zweizonenmodell favorisierten
(siehe Kap. 3.2.8 sowie Kap. 10.1.1.1), nutzen praxisorientierte Verfahren, ebenso
wie die Leitmerkmalmethoden der BAuA, das von der EU-Maschinenrichtlinie
vorgeschlagene Dreizonenmodell (Ampelschema gemäß DIN EN 614-1 Anhang A).
Anders als die Leitmerkmalmethoden der BAuA oder die einschlägigen CEN (DIN
EN 1005 Serie) und ISO (ISO 11226 und ISO 11228 Serie) Normen zur Bewertung
körperlicher Belastungen, ermöglichen praxisorientierte Screening-Verfahren auch
eine summarische Bewertung der Teilbelastungsarten Körperhaltungen,
Aktionskräfte und Lastenhandhabungen.
Die Screening-Verfahren haben in viele Unternehmen der Automobil- und
Zulieferindustrie Eingang gefunden; sie werden aber auch in der Metall- und
Elektroindustrie eingesetzt.
Die Verfahren können auf mitarbeiterorientierte (z.B. Ellbogenhöhe) oder
arbeitsplatzorientierte Koordinaten bezogen sein. Das Ziel der Verfahren besteht
darin, belastende Arbeitssituationen zu dokumentieren, zu bewerten und ggf.
Problemverfolgungssystemen zuzuführen. Darüber hinaus gilt es, bestehende
Regeln zum Arbeitsschutz zu befolgen.
Die Verfahren sprechen folgende Zielgruppen an:
x Konstrukteure und Fertigungsplaner im Entwicklungszentrum
Sie sind daran interessiert, frühzeitig zu überprüfen, inwiefern ihre Vorgaben
in der Fertigung zu besonderen Belastungen führen können, um frühzeitig
durch geeignete Maßnahmen Abhilfe zu schaffen (Forderung der EU-
Maschinenrichtlinie, des Arbeitsschutzgesetzes und des Betriebsverfassungs-
gesetzes).
x Fertigungsplanung der Werke
In der Fertigungsplanung der Werke und in den Werksbereichen geht es
darum, belastende Situationen zu erkennen und Vorschläge, Vorgaben oder
Maßnahmen zur Verbesserung der Gestaltungssituation zu entwickeln
(Forderungen gemäß Arbeitsschutzgesetz sowie Betriebsverfassungsgesetz).
Darüber hinaus können die Verfahren als standardisiertes Kommunikations-
werkzeug im Rahmen eines Ergonomieprozesses zwischen den Werken und dem
Entwicklungszentrum eingesetzt werden und somit den Forderungen des dualen
europäischen Systems zur Arbeitssicherheit nach ergonomischen Risikoanalysen
entgegenkommen.
1136 Arbeitswissenschaft

Ähnlich wie die Leitmerkmalmethoden der BAuA vergeben die vom Institut
für Arbeitswissenschaft Darmstadt (IAD) entwickelten Screening-Verfahren
Belastungspunkte für ergonomisch ungünstige Belastungssituationen. Die Summe
der Belastungspunkte erhöht sich mit zunehmender Belastungsdauer und -höhe.
Alle Verfahren existieren als Papier- und Bleistiftverfahren. Einige Verfahren
stehen auch rechnergestützt zur Verfügung.
10.3.2.4.1 Personenorientierte Verfahren
Personenorientierte Verfahren wie die am Institut für Arbeitswissenschaft der TU
Darmstadt entwickelten IAD-BkA (Bewertung-körperlicher-Arbeit) (SCHAUB
2002), NPW (New-Production-Worksheet) (SCHAUB u. STORZ 2003; SCHAUB u.
KALTBEITZEL 2006) und AAWS (Automotive-Assembly-Worksheet) (SCHAUB
2004) berücksichtigen körperliche Belastungen in einer tätigkeitsorientierten
Klassifikation in Form von:
x Körperhaltungen und -bewegungen mit geringem Kraftaufwand (< 30-40 N
bzw. 3-4 kg)
x Aktionskräfte in realen Körperhaltungen oder Greifarten (> 30-40 N)
x Lastenhandhabungen in realen Körperhaltungen (> 3-4 kg).
Diese Gliederungssystematik orientiert sich an den national und international
verfügbaren Bewertungsverfahren.
Die in den drei aufgelisteten Kategorien eingestuften Belastungspunkte werden
zu einer Gesamtbewertung zusammengefasst. Dies ist die Basis für die
anschließende Bewertung.
Das European Assembly Worksheet (EAWS) (SCHAUB u. GHEZEL-AHMADI
2007) und das Verfahren zur Bewertung körperlicher Belastung (IAD-BkB)
(GHEZEL-AHMADI et al. 2007) berücksichtigen zusätzlich repetitive / kurz-
zyklische Belastungen der oberen Extremitäten. In Abb. 10.112 ist ein Ausschnitt
des EAWS dargestellt.
10.3.2.4.2 Arbeitsplatzorientierte Verfahren
Arbeitsplatzorientierte Verfahren berücksichtigen in ihrem Gestaltungsansatz
keine spezifischen anthropometrischen und biomechanischen Bevölkerungs-
perzentile, sondern berücksichtigen den für die ergonomische Gestaltung
relevanten Perzentilbereich der beabsichtigten Nutzerpopulation. Als Beispiel für
ein solches Verfahren wird im Folgenden der DesignCheck (DC) beschrieben
(WINTER et al. 1999, SCHAUB u. WINTER 2002).
Auf der Vorderseite des Bewertungsbogens findet sich ein Bewertungs-
diagramm, dessen Ordinate die Arbeitshöhe in stehender und sitzender Körper-
stellung darstellt. Seine Abszisse enthält eine physiologisch-biomechanische
Bewertungsskala dessen Punktwerte auf der Rückseite des Bogen ermittelt
werden. Dabei werden Ganzkörperbelastungen, Belastungen der oberen
Extremitäten sowie physisch relevante Belastungen aus der Arbeitsumgebung
berücksichtigt (siehe Abb. 10.113).
Ergonomische Gestaltung 1137

Abb. 10.112: Ausschnitt aus der EAWS Bewertung „Körperhaltungen mit geringem
Kraftaufwand“
1138 Arbeitswissenschaft

DesignCheck steht in verschiedenen Modi zur Verfügung. Ursprünglich waren


nur ganze Schichten einstufbar. Mittlerweile sind auch einzelne Takte oder
Arbeitsvorgänge innerhalb eines Taktes bewertbar. Job rotation kann ebenso wie
Mehrstellenarbeit bewertet werden. Auch ein Vergleich von Gestaltungsvarianten
ist möglich.
Legende

230

Gesamtwert für einen Takt


mit drei Arbeitsvorgängen (AVo)
180

130

80

30

10 100 1000

Legend
'AVo'

Einzelplatz, Takt 'Gesamt'

Abb. 10.113: DesignCheck zur Bewertung eines Taktes an einem Arbeitsplatz. Die Rauten
stellen die Bewertung einzelner Arbeitsvorgänge (AVo) dar; das Quadrat ihre zeitlich
gewichtete Gesamtbewertung

DesignCheck baut auf den geschlechtsneutralen europäischen Körperhöhen auf.


Die Ermittlung der physiologisch-biomechanischen Punkte auf der Rückseite
erfolgt ebenfalls geschlechtsneutral. Es ist jedoch auch möglich die Werte nur auf
ein Geschlecht zu beziehen.
10.3.2.4.3 Kombinationsverfahren
Kombinationsverfahren verbinden die Ansätze von mitarbeiterorientierten mit
denen von arbeitsplatzorientierten Verfahren. Als Beispiele werden im Folgenden
MTMergonomics und das Ergonomische-Frühwarnsystem erläutert.
MTMergonomics
MTMergonomics (SCHAUB et al. 2004a, 2004b, 2005) entstand in einem Koopera-
tionsprojekt zwischen der deutschen MTM Vereinigung und dem IAD und
ermöglicht ergonomische Risikoanalysen auf Basis von MTM-UAS oder MTM-
MEK Analysen (siehe Kap. 7.3.9). Ergonomierelevante Daten werden aus den
MTM-Kodes übernommen; noch fehlende Informationen werden über den
Ergonomiekodegenerator (siehe Abb. 10.114) interaktiv eingegeben.
Ergonomische Gestaltung 1139

Abb. 10.114: MTMergonomics – Ergonomiekodegenerator zur detailgetreuen


Beschreibung von körperlicher Belastungen

Der Arbeitssystemplaner arbeitet dabei in einem arbeitsplatzbezogenen


Koordinatensystem. Er definiert für seine durchzuführenden Risikoanalysen die
Zielgruppe (5., 50. oder 95. Körperhöhenperzentil einer geschlechtlich nicht
differenzierten europäischen Bevölkerung) und MTMergonomics leitet aus den
Parametern
x 3D Lage der Wirkstelle,
x Zugangsrichtung zur Wirkstelle und
x Lage der Griffachse
eine eindeutig definierte Körperhaltung ab, welche als Strichmännchen darstellbar
ist und in Verbindung mit Gewichten oder Kräften als Körperhaltung mit geringer
körperlicher Belastung, Lastenhandhabung, Aktionskraft oder kurzzyklische/
repetitive Belastung der oberen Extremitäten auszuwerten ist. Anschließend
erfolgt eine Bewertung der gefundenen Belastungen auf Basis von AAWS (siehe
Abb. 10.115), EAWS oder des Daimler Ergonomietools EAB (Ergonomische
Arbeitssystem-Beurteilung) (KRÄMER 2007). MTMergonomics schlägt somit eine
Brücke zwischen den arbeitsplatzbezogenen und den personenbezogenen
Verfahren zur ergonomischen Gefährdungs-/Risikoanalyse.
1140 Arbeitswissenschaft

Abb. 10.115: Bewertung einer ergonomischen Risikoanalyse in MTMergonomics auf der


Basis des AAWS

MTMergonomics gestattet es somit in der Produktionsphase, aber auch in einer


frühen Phase des Produktentstehungsprozesses ergonomische Risikoanalysen
durchzuführen, ergonomiebezogene Gefährdungen zu erkennen und
Handlungspotenziale abzuleiten.
Ergonomisches Frühwarnsystem (Ergo-FWS)
Kern des ergonomischen Frühwarnsystems (SINN-BEHRENDT et al. 2004) ist es,
mit Hilfe eines Profilvergleiches von Arbeitsplatzanforderungen und
Personenfähigkeiten einen fähigkeitsgerechten Mitarbeitereinsatz zu planen.
Langfristiges Ziel ist es dabei nicht erst auf Erkrankungen oder gesundheitliche
Einschränkungen zu reagieren, sondern frühzeitig arbeitsbezogene
Befindlichkeitsstörungen zu erkennen und geeignete Gegenmaßnahmen zu
ergreifen.
Individuelle Betrachtungsweisen (z.B. Wiedereingliederung von Leistungs-
gewandelten) sind dabei ebenso möglich wie statistische (z.B. alternsgerechte
Gestaltung von Arbeitsplätzen). Im Profilvergleich werden nicht nur körperliche
Belastungen berücksichtigt, auch Elemente der Gefährdungsanalyse (Arbeits-
schutz) und „sonstige Anforderungen“ finden Berücksichtigung.
Ergonomische Gestaltung 1141

10.3.2.5 FallbeispieleĆ zurĆ VerbesserungĆ derĆ ArbeitsbedingungenĆ undĆ


ProduktivitätĆ
Bei einem Automobilhersteller wurden insgesamt 14 Ergonomie-Workshops
durchgeführt, um Vorschläge zu entwickeln, mit denen sich die Belastungssituati-
on von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Produktion verbessern lassen. Bei
den Verbesserungsvorschlägen galt es zu beachten, dass bei diesem Automobil-
hersteller zugleich hohe Anforderungen an die Verbesserung der Produktivität
bestehen (WINTER et al. 2007).
Die Ergebnisse der Ergonomie-Workshops sind in Abb. 10.116 kurz darge-
stellt. Die einzelnen Vorschläge wurden hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit in die
Kategorien „kurzfristig umsetzbar“ (bis zu 10 Wochen), „mittelfristig umsetzbar“
(bis zu 24 Wochen) und „langfristig umsetzbar“ (> 52 Wochen) eingeteilt.
Zu den eher langfristig umsetzbaren Verbesserungsvorschlägen gehören dabei
die Hinweise zur ergonomischen Optimierung von Produkten hinsichtlich der
Produzierbarkeit. So bietet die Produktgestaltung mit immerhin 28% der gesamten
Verbesserungsvorschläge ein großes Potenzial zur Verbesserung von Produkti-
onsbedingungen.

Abb. 10.116: Ergebnisse aus Ergonomie Workshops (n=14) bei einem Automobilhersteller

Nachfolgend soll an einem ausgewählten Beispiel aufgezeigt werden, wie eine


frühzeitige Visualisierung von Produktionsbedingungen, die sich aufgrund von
Produktänderungen ergeben, zu einer Änderung der Vorschläge führen können.
Es handelt sich im gewählten Beispiel um die Montage von Heckscheibenwi-
schern. Vor der Durchführung der Änderung am Produkt wurden die Heckschei-
1142 Arbeitswissenschaft

benwischer von außen in einer gut zugänglichen Position montiert. Dabei erfolgte
der Einbau der Wischermechanik durch eine Öffnung in der Karosserie.
Als Ergebnis einer Änderung sollte die Öffnung der Karosserie vermieden wer-
den und stattdessen eine kleine Öffnung in der Heckscheibe für die Verbindung
von Wischermotor und Wischermechanik genutzt werden. Somit wurde der Ein-
bau der Wischermechanik aus dem Fahrzeuginnern heraus notwendig. Die be-
schriebene Arbeitssituation ist in Abb. 10.117 dargestellt.

Abb. 10.117: Simulation der Positionierung und Fügen als Folge einer Designänderung
(WINTER et al. 2007)

Eine Analyse der Arbeitssituation mit dem Verfahren Design Check (WINTER
et al. 1999, SCHAUB u. WINTER 2002) ergab eine hohe, zu vermeidende Belas-
tungssituation beim Einbau aus dem Fahrzeuginneren („rote Belastungssituation“
gemäß Ampelschema nach DIN EN 614-1).
Nach Rücksprache mit der Produktentwicklung wurde eine Änderung der ur-
sprünglich geplanten Lösung vorgenommen und die Öffnung der Heckscheibe
wurde wieder entfernt. Als Ergebnis der Änderung konnte der Heckscheibenwi-
scher-Motor von außen verbaut werden (siehe Abb. 10.118). Dies hat eine deutlich
verbesserte Körperhaltung für die Arbeitsperson zur Folge („grüne Belastungssi-
tuation“ gemäß DIN EN 614-1). Zudem kann die Heckscheibe nach der Änderung
automatisch gefügt werden, was zusätzlich eine Produktivitätsverbesserung zur
Folge hat (siehe auch WINTER et al. 2008).
Ergonomische Gestaltung 1143

Abb. 10.118: Auswirkung einer Produkt- und Prozessänderung auf die Körperhaltung des
Mitarbeiters

Auch im zweiten Fallbeispiel war der Ausgangspunkt für ergonomische Inter-


ventionen eine Sensibilisierung der am Produktentwicklungsprozess beteiligten
Spezialisten (SCHAUB et al. 2003).
Auf der Grundlage von Belastungsanalysen in der Montage konnte dargestellt
werden, welchen Einfluss die Produktentwicklung auf die ergonomische Güte von
Arbeitsplätzen hat. So erzeugt eine Karosserienaht im Motorraum eine hoch belas-
tende Arbeitssituation, da bei der Nahtabdichtung entweder Überkopfarbeit (Ab-
dichtung von unten), oder stark gebeugte und verdrehte Rumpfhaltungen entstehen
(Abdichtung von oben). In Abb. 10.119 ist der Anteil der ungünstigen Körperhal-
tungen dargestellt, die sich bei Montageprozessen in einzelnen Bereichen eines
Fahrzeuges ergeben können.

Abb. 10.119: Anteil ungünstiger Körperhaltungen bei Montageprozessen in einzelnen


Bereichen des Fahrzeugs
1144 Arbeitswissenschaft

Eine problematische Situation stellte der Einbau des Heckraumdeckels bei einer
vorhandenen Montagelinie dar. Für die Montage des Heckraumdeckels sind hohe
Fingerkräfte erforderlich, um die Schlauchfeder auf die Zugfeder zu pressen und
hohe Armkräfte um die Zugfeder zum Einhängen zu dehnen. Wegen der notwen-
digen visuellen Kontrolle der Montagestelle mussten die Arbeitspersonen eine
starke seitliche Rumpfbeugung in Verbindung mit starker Rumpftorsion einneh-
men (siehe Abb. 10.120).

Abb. 10.120: Ehemalige Montage der Zugfeder mit hohen Finger- und Armkräften bei
seitlich gebeugtem und gedrehtem Rumpf

Im Rahmen der Entwicklung einer neuen Produktvariante wurden anstelle der


bisherigen Schlauch- und Zugfedern Gasdruckfedern eingesetzt. Die Montage
dieser Gasdruckfedern kann nun mit deutlich geringerem Kraftaufwand bei nahe-
zu aufrechter Körperhaltung und in kürzerer Zeit erfolgen (siehe Abb. 10.121).
Die vorgestellten Fallbeispiele fokussieren auf den Zusammenhang zwischen
der Produktgestaltung und den daraus folgenden Produktionsbedingungen. Wei-
terhin werden die körperlichen Engpässe bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen in
der Produktion in den Vordergrund gestellt. Aufgrund des noch immer vorhande-
nen hohen Anteils an Muskel- und Skeletterkrankungen an der Krankheitsartensta-
tistik auch im Produktionsbereich (BUNDESMINISTERIUM FÜR ARBEIT UND
SOZIALES 2007) ist die Betrachtung der körperlichen Engpässe zwingend erfor-
derlich.
Allerdings sind gerade auch im Produktionsbereich die mentalen und emotiona-
len Belastungen von hoher Bedeutung. Dies gilt beispielsweise für die Führung
von Werkzeugmaschinen, die Tätigkeiten an Transferstraßen oder in Planung von
Ergonomische Gestaltung 1145

Produktionsprozessen unter Nutzung von virtuellen Technologien des Prototyping


(siehe Kap. 10.1.2.1.3).

Abb. 10.121: Geändertes Dämpfungskonzept am Kofferraumdeckel

10.3.2.6 ErgonomischeĆ GestaltungĆ vonĆ Mensch-Maschine-SchnittstellenĆ


fürĆdieĆautomatisierteĆProduktionĆ
Die wachsende Komplexität der Arbeitssysteme in der Produktion sowie hohe
Produktivitätsanforderungen bezüglich der Prozessfähigkeit von Maschinen und
Anlagen erfordern im Zuge der technischen und organisationalen Entwicklung
eines Betriebs den verstärkten Einsatz von computergestützten Führungs- und
Planungsinformationssystemen sowie der damit verbundenen Automatisierungs-
technik. Dies wurde bereits bei der Einführung des erweiterten Arbeitssystems in
Kap. 1.5.1.1 deutlich zum Ausdruck gebracht (siehe Abb. 1.9) und gilt sowohl für
die Fertigung als auch Montage. Durch computergestützte Führungs- und Pla-
nungsinformationssysteme kann der Mensch von Routineaufgaben zur Prozess-
planung, -führung und -überwachung entlastet sowie bei gesundheitsgefährdenden
bzw. stark physisch oder mental beanspruchenden Aufgaben vor Ort unterstützt
werden. Ebenso können Konzepte zur Mehrmaschinenführung entwickelt und
umgesetzt werden. Durch eine ergonomische Gestaltung der Mensch-Maschine-
Schnittstelle (MMS) von Führungs- und Planungsinformationssystemen für die
automatisierte Produktion lassen sich die besonderen menschlichen Kenntnisse
und Erfahrungen mit Bezug auf Werkstoff, Werkzeug, Bearbeitungsstrategie o.Ä.
erhalten und weiterentwickeln, so dass durch eine effektive Mensch-Maschine-
1146 Arbeitswissenschaft

Interaktion auch komplexe Bearbeitungsprozesse mit einem hohen Grad an


Selbstständigkeit über einen längeren Zeitraum störungsfrei durchgeführt werden
können. Diese durch die Integration des Menschen besonders flexible Art der
Automatisierung stellt beispielsweise ein herausragendes Leistungsmerkmal auto-
nomer Produktionszellen dar (siehe PFEIFER u. SCHMITT 2006). Auf die Maschi-
nen- und Anlagenführer (sog. Operateure) kommen damit veränderte Aufgaben
zu, da sie einen erheblichen Teil der Prozess- und Maschineninformationen nicht
mehr direkt wahrnehmen können sondern über (eingebettete) Computersysteme,
welche die Signale des eigentlichen Prozesses mit Hilfe von Sensorsystemen mes-
sen, filtern und verdichten, technisch vermittelt bekommen. Dies geschieht häufig
auf einer symbolischen Ebene in Form von diskreten Ereignissen bzw. Alarmen
sowie asynchron zum eigentlichen Prozess. Hierdurch ändert sich die Rolle des
Menschen in der Produktion sowie die Funktionsteilung zwischen Mensch und
Maschine erheblich (siehe SCHLICK 1999, REUTH 2003). Darüber hinaus sind bei
einer vollständigen Tätigkeit Kenntnisse von textuellen oder graphischen Pro-
grammiersprachen notwendig, um die Befehle für die Maschinen und Anlagen
spezifizieren zu können.
Bei einer weitgehend automatisierten Fertigungsaufgabe, wie bspw. dem 3D-
Laserschweißen, übernimmt der Operateur vermehrt die von SHERIDAN (1997)
definierten Supervisory-Control-Funktionen, nämlich Planen, Instruieren, Über-
wachen, Intervenieren und Lernen (siehe Kap. 10.1.2.5.1). Konventionelle Aufga-
ben zur manuellen Lenkung und Steuerung treten nur selten auf. Daher sollte der
Operateur bereits bei der ersten Funktion – der Prozess- und Betriebsmittelpla-
nung – unterstützt werden, wofür die für ihn notwendigen Informationen durch die
ergonomische Gestaltung der Mensch-Maschine-Schnittstelle aufgabenangemes-
sen, selbstbeschreibungsfähig, erwartungskonform und lernförderlich darzustellen
und in unterschiedliche Dialogarten einzubinden sind (siehe Kap. 10.2.2.1). Ein
Beispiel für die Greif- und Spannplanung beim 3D-Laserschweißen ist in Abb.
10.122 wiedergegeben. Hierbei kommen auch automatisierte Greifsysteme zum
Einsatz. Ein weiteres Beispiel für die Bahnplanung einschließlich der Parametri-
sierung von Sensorik und Aktorik findet sich in Abb. 10.123.
Die der Planung nachfolgende Funktion des Instruierens (teach) lässt sich
ebenso durch eine ergonomische Gestaltung der Mensch-Maschine-Schnittstelle
wesentlich unterstützen. So sollte der Operateur die bei der Planung entwickelten
Ziele, Pläne und Bearbeitungsstrategien in für ihn gewohnte Befehle für die nume-
rische Steuerung (numerical control, kurz NC) der Produktionsmaschine überset-
zen können, so dass die Fertigungsaufgabe (teil)automatisiert ablaufen kann, bis
die Instruktionen aufgrund des Prozesszustands modifiziert werden müssen oder
die Prozessführung durch den Menschen als Regler gar vollständig übernommen
werden muss. Im gewählten Beispiel des 3D-Laserschweißens fällt unter das In-
struieren die Erstellung bzw. Anpassung des NC-Programms in der Werkstatt
sowie das sog. Einfahren (Programmprüfung und -optimierung bis zum ersten
Los) des NC-Programms. Bei der Laserbearbeitung ist zudem eine werkstattorien-
tierte Simulation des Fertigungsprozesses auf der Basis physikalischer Prozess-
Ergonomische Gestaltung 1147

und Sensormodelle möglich, so dass eine Verifikation der Planung vor Ort erfol-
gen kann.

Abb. 10.122: Mensch-Maschine-Schnittstelle zur interaktiven Planung von Greifvorgängen


beim automatisierten Schweißen mit Laserstrahlung (KÜNZER 2005)

Abb. 10.123: Mensch-Maschine-Schnittstelle zur Bahnplanung und Prozessparametrisie-


rung beim automatisierten Schweißen mit Laserstrahlung (KÜNZER u. KITTEL 2004)
1148 Arbeitswissenschaft

Der automatisierte Fertigungsprozess, welchen die Maschinensteuerung im


Normalfall aufgrund des NC-Programmes mit Hilfe der Sensorik und Aktorik
selbständig durchführt, muss nun durch den Operateur überwacht werden, um
bspw. im Fehler- oder Störungsfall eingreifen zu können oder eine Optimierung
der Prozessparameter herbeizuführen. Hierbei werden die Fertigteile produziert
und es findet kontinuierlich oder intermittierend eine Beurteilung der Prozessqua-
lität anhand der technisch vermittelten Prozessindikatoren bzw. direkt wahrge-
nommenen Prozesssignale sowie der Sichtprüfung des gefertigten Bauteils statt.
Die für diesen Zweck gestaltete Mensch-Maschine-Schnittstelle (siehe Abb.
10.124) stellt dem Operateur die wesentlichen Parameter für das Schweißen mit
Laserstrahlung dar. Hierbei besteht die Möglichkeit, den Prozess in Echtzeit am
Bildschirm aus demselben Blickwinkel zu betrachten, wie es den räumlichen Ver-
hältnissen an der Anlage entspricht, oder mit unterschiedlicher Detaillierungstiefe
und mit unterschiedlichem Fokus aufgabenspezifisch zu analysieren. Für eine
ergonomische Prozessüberwachung können auch kopfbasierte Anzeigen (head-
mounted displays, siehe Kap. 10.1.2.2.2.6) benutzt werden, die eine Überlagerun-
gen von Programmschritten und Messgrößen im Sichtfeld des Operateurs ermög-
lichen (siehe SCHLICK et al. 1997).

Abb. 10.124: Mensch-Maschine-Schnittstelle zur Überwachung des 3D-Schweißprozesses


(KÜNZER 2005)

Treten während des Bearbeitungsvorgangs Fehler oder Störungen auf bzw.


muss der Prozess aus ablaufbedingten Gründen unterbrochen werden, so nimmt
der Operateur im Sinne der vorher beschriebenen Systematik die Funktion des
Intervenierens (intervene) wahr. Je nach Art und Umfang der Störung muss der
Ergonomische Gestaltung 1149

Operateur die Instruktionen modifizieren, aktualisieren oder sogar manuell in den


Prozess eingreifen, um Schaden am Werkstück, Werkzeug, Greif-/Spannmittel
oder der Maschine zu vermeiden und eine sichere Prozessdurchführung zu ge-
währleisten. Da es sich bei den geregelten Prozessen zum Teil um multivariate
dynamische Systeme handelt, die nicht einfach punktuell gestoppt bzw. wieder
angefahren werden können, ist womöglich eine „gleichmäßige“ Übernahme bzw.
Wiederabgabe der Regelung notwendig, um Instabilitäten bzw. Qualitätsprobleme
zu vermeiden. Beim 3D-Laserschweißen ist aufgrund der sehr hohen Verfahr-
geschwindigkeit, der technologischen Komplexität sowie der gesundheitlichen
Gefahren (Zerstörung der visuellen Rezeptoren o.Ä.) eine manuelle Übernahme
der Regelung im Normalfall jedoch nicht möglich. Der Prozess kann lediglich
vollständig unterbrochen und wieder angefahren werden. Nichtsdestotrotz kann
der Operateur bei der systematischen Fehlersuche am aufgespannten Bauteil mit
Hilfe von Prozessmodellen und -heuristiken, die in die Mensch-Maschine-
Schnittstelle integriert sind, unterstützt werden.
Schließlich muss der Operateur sicherstellen, dass die Prozess- und Maschi-
nendaten sowie Messergebnisse geeignet archiviert und die numerischen Modelle
bezüglich gegenwärtiger Bedingungen aktualisiert werden. Historische Daten
müssen im Hinblick auf Trends bzw. statistisch signifikante Abhängigkeiten
analysiert werden, um Anomalien zu vermeiden bzw. zu kompensieren. Dieser
gesamte Datenbestand sollte in leicht benutzbarer Weise für den zukünftigen
Durchlauf der ersten vier Funktionen, ggf. auch für andere Personen im Rahmen
von Crew-Konzepten, zur Verfügung stehen. Dies kann beim 3D-Laserschweißen
beispielsweise durch eine sog. Erfahrungsdatenbank unterstützt werden, welche
optimierte Konfigurationen beim Auftragsdurchlauf speichert und für zukünftige
vergleichbare Situationen auf der Grundlage eines fallbasierten Schlußfolgerns
dem Operateur für eine verbesserte Prozessplanung und -bearbeitung zur Verfü-
gung stellt.
Vertiefende Darstellungen zur ergonomischen Gestaltung von Mensch-
Maschine-Schnittstellen für die automatisierte Produktion am Beispiel des 3D-
Schweißens mit Laserstrahlung ebenso wie auch Beispiele für die Fräsbearbeitung
finden sich in SCHLICK (1999), REUTH (2003) sowie KÜNZER (2005). Die erzielten
Forschungsergebnisse zur Mensch-Maschine-Interaktion flossen weiterhin in die
Entwicklung eines ereignisdiskreten Simulationsmodell der Arbeitsprozesse ein
(siehe SCHLICK 1999, SCHLICK et al. 2002, LUCZAK et al. 2004), welches durch
REUTH (2003) hinsichtlich der Auswirkungen menschlicher Fehler ergänzt wurde.
Dieses Simulationsmodell ermöglicht bereits in frühen Phasen der Prozessplanung
die Analyse und Bewertung der Funktionsteilung zwischen Mensch und Maschine
hinsichtlich Leistung und Zuverlässigkeit sowie die Ableitung von Empfehlungen
für die aufgabenangemessene Gestaltung der Benutzungsschnittstellen. Darüber
hinaus können durch organisatorische Simulationen (siehe Kap. 4.3.4.4) Crew-
Konzepte bewertet und beurteilt werden.
Aktuelle Erweiterungen automatisierter Produktionssysteme um simulierte
kognitive Funktionen führen zur sog. kognitiven Automation (SCHULTE 2002,
1150 Arbeitswissenschaft

siehe Kap. 10.1.2.5.2). Hierbei wird darauf abgezielt, dass sowohl Mensch als
auch Maschine hinreichend genau abschätzen können, welche Absichten und
Pläne sich hinter dem Verhalten des jeweils anderen verbergen, und dass die Ma-
schine ähnliche Problemlösungsstrategien verfolgt wie der menschliche Operateur.
So soll z.B. eine kognitive Maschinensteuerung aufgrund ihrer kognitiven Simula-
tionsmodelle (kognitive Architektur auf der Basis von SOAR, siehe Kap.
3.3.2.2.5.2) und durch die Kooperation mit dem Operateur in die Lage versetzt
werden, den Fertigungsablauf unter sich ändernden Randbedingungen sowie un-
vollständigen Informationen fein zu planen und ggf. zu optimieren (BRECHER et
al. 2008). Hierfür werden u.A. Regelwerke in Form von Wenn-Dann-Konstrukten
verwendet (production rules), die situativ miteinander verknüpft werden. Ein
derartiges System wäre zunächst auf der höchsten Stufe der Automatisierung nach
SHERIDAN (2002) (siehe Kap. 10.1.2.5.1) anzusiedeln, die jedoch keine Koopera-
tion mit dem Menschen vorsieht (Abb. 10.46). Daher wurde eine Erweiterung des
Supervisory-Control-Modells notwendig, die in Abb. 10.125 wiedergegeben ist.
Durch die Modellerweiterung können u.A. (fein)planerische Funktionen auf die
kognitive Maschinensteuerung übertragen werden. Der Mensch nimmt jedoch
nach wie vor die Definition der Fertigungsziele, Randbedingungen (constraints)
und Prioritäten vor, und ihm steht durch die ergonomische Gestaltung der
Mensch-Maschine-Schnittstelle jederzeit die Möglichkeit zur (proaktiven) Inter-
vention in den Fertigungsprozess offen (SCHLICK et al. 2009, siehe Abb. 10.125).

Auftrag
Mensch MMS kognitive Steuerung
planen Aufgabe
i t i
instruieren
Programm planen

mentales Prozess-
Modell überwachen Prozess überwachen wissen

intervenieren intervenieren
nein direkt
möglich?
indirekt
lernen Ablauf lernen
Information

Abb. 10.125: Aufgabenteilung zwischen Mensch und kognitiver Steuerung (nach MAYER
et al. 2008, modifiziert; MMS: Mensch-Maschine-Schnittstelle)

Betrachtet man dabei die direkte Mensch-Maschine-Kooperation  z.B. im Fall


einer störungsbedingten Intervention  so ist es einerseits schon bei der Entwick-
lung des Regelwerkes für eine kognitive Steuerung notwendig, die Erwartungs-
konformität der Regeln für den Operateur sicherzustellen und das Maschinenver-
halten somit besser vorhersagbar zu machen. Das Verhalten des Gesamtsystems
wird quasi dem mentalen Modell des Operateurs angeglichen (MAYER et al.
2009b). Andererseits ist es notwendig, den qualifizierten Facharbeiter entspre-
Ergonomische Gestaltung 1151

chend der an ihn gerichteten Anforderungen hinsichtlich Zeit, Kosten und Qualität
Hardware-ergonomisch zu unterstützen. Dazu muss der Operateur, der zumeist
mehrere Fertigungsanlagen simultan zu überwachen hat, schnell und sicher in die
Lage versetzt werden, Fehler am Bauteil oder an der Anlage zu identifizieren, um
sie im nächsten Schritt beheben zu können. Hierbei können kopfbasierte Anzeigen
die Fehleridentifikation und -klassifikation wesentlich erleichtern (ODENTHAL et
al. 2009, SCHLICK et al. 2009). Ein exemplarisches Benutzungsbeispiel einer kopf-
basierten Anzeige in einer Roboterzelle für die kognitiv-automatisierte Montage
wird in Abb. 10.126 gezeigt.

Abb. 10.126: Benutzungsbeispiel einer kopfbasierten Anzeige (head-mounted display) zur


Führung und Überwachung einer Roboterzelle zur kognitiv-automatisierten Montage
1152 Arbeitswissenschaft

10.4 Literatur

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DIN EN 894-2 (2009) Sicherheit von Maschinen – Ergonomische Anforderungen an die
Gestaltung von Anzeigen und Stellteilen – Anzeigen. Beuth, Berlin
DIN EN 894-3 (2009) Sicherheit von Maschinen – Ergonomische Anforderungen an die
Gestaltung von Anzeigen und Stellteilen – Stellteile. Beuth, Berlin
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DIN EN 1005-2 (2009) Sicherheit von Maschinen – Menschliche körperliche Leistung –
Manuelle Handhabung von Gegenständen in Verbindung mit Maschinen und
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DIN EN 1005-3 (2009) Sicherheit von Maschinen – Menschliche körperliche Leistung –
Empfohlene Kraftgrenzen bei Maschinenbetätigung. Beuth, Berlin
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Risikobeurteilung für kurzzyklische Tätigkeiten bei hohen Handhabungsfrequenzen.
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Wartenräumen. Beuth, Berlin
DIN EN ISO 11064-4 (2004) Ergonomische Gestaltung von Leitzentralen – Auslegung und
Maße von Arbeitsplätzen. Beuth, Berlin
DIN EN ISO 11064-5 (2008) Ergonomische Gestaltung von Leitzentralen – Anzeigen und
Stellteile. Beuth, Berlin
DIN EN ISO 11064-6 (2005) Ergonomische Gestaltung von Leitzentralen – Umgebungsbe-
zogene Anforderungen an Leitzentralen. Beuth, Berlin
DIN EN ISO 11064-7 (2006) Ergonomische Gestaltung von Leitzentralen – Grundsätze für
die Bewertung von Leitzentralen. Beuth, Berlin
DIN EN ISO 13406-2 (2003) Ergonomische Anforderungen für Tätigkeiten an optischen
Anzeigeeinheiten in Flachbauweise – Ergonomische Anforderungen an Flachbild-
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DIN EN ISO 14915-1 (2003) Software-Ergonomie für Multimedia-Benutzungs-
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DIN EN ISO 14915-2 (2003) Software-Ergonomie für Multimedia-Benutzungs-
schnittstellen – Multimedia-Navigation und. Beuth, Berlin
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stellungsgesetz (Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung - BITV) (Bundesge-
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Index

3D-Maus ......................................... 1086 Allgemeines Gleichbehandlungs-


3D-Eingabegeräte............................ 1019 gesetz (AGG)........................ 90, 109
3D-Volumenmodell......................... 1098 Alkoholismus .................................... 164
5. Perzentil ...................................... 1031 alphanumerische Parameter ............ 1084
95. Perzentil .................................... 1031 Alpha-Strahlung................................ 806
Ablaufabschnitte ....... 630, 667, 668, 700 Alpha-Wellen ................................... 402
Ablaufarten ............... 668, 678, 683, 690 Alter ................ 88, 90, 92, 115, 116, 120,
ablaufbedingtes Unterbrechen ........... 668 123, 125, 127, 128, 146
Ablaufmodellierung .......................... 463 ältere Arbeitspersonen ...................... 120
Ablauforganisation .................... 434, 455 Altersmanagementkonzept................ 133
Ablaufprinzipien in der Produktion ... 476 Altersmiose ....................................... 123
Fließfertigung.............................. 478 Altersschwerhörigkeit ............... 126, 784
Inselfertigung .............................. 479 Altersstruktur, -aufbau ...... 117, 132, 133
One-Piece-Flow .......................... 481 Altersteilzeit ..................................... 611
Reihenfertigung .......................... 477 Ambient Intelligence ...................... 1082
Werkstättenfertigung................... 476 Amplitude ......................................... 790
Ablesegenauigkeit ............................. 981 Analyse ......................7, 11, 32, 34, 1067
Abrufarbeit ........................................ 614 somatografische ........................ 1059
Absorptionsgrad ................................ 322 Anforderungsanalyse .......... 58, 151, 639
Absorptionsverfahren ........................ 922 Anforderungsarten ............................ 640
Abstraktionshierarchie ............ 377, 1001 Anforderungsermittlung ..... 57, 638, 970
Adaptation ................................. 123, 318 Anforderungsgerechtigkeit ............... 634
adaptives System ..................... 308, 1026 Anforderungshöhe .....638, 640, 642, 646
Additivitätshypothese ........................ 698 Anforderungsmerkmale .... 639, 641, 645
Adrenalin........................................... 409 Anforderungsniveau ......... 528, 639, 645
Adsorptionsverfahren ........................ 922 animal rationale .............................. 3, 25
AET ..................................................... 57 Anpassungsmerkmale ................. 88, 182
Afferenz ............................ 384, 385, 388 Anreizsysteme .................. 436, 556, 666
A-Filter.............................................. 781 Anspannung, psychische........... 409, 416
Agonist .............................. 381, 385, 386 Anstrengung .................... 292, 293, 295,
Akklimatisation ................. 879, 883, 884 296, 361, 369, 396, 410, 416
Akkommodation................ 123, 318, 329 Antagonist......................... 381, 384, 385
Akkord .............................................. 656 Anthropometrie..................... 1028, 1030
-fähig ........................................... 657 anthropometrische Arbeitsplatz-
-reif ............................................. 657 gestaltung ................................. 1043
Akkordrichtsatz ................................. 657 Antworteigenschaft ........................... 302
Aktionskräfte..................................... 251 Antwortzeiten ................................. 1083
Aktionspotential ........................ 382, 399 Anzeigen
Aktiviertheit .............................. 293, 414 akustische ................................... 992
Aktivierung .............. 235, 265, 291, 369, alphanumerische ......................... 983
381, 386 binäre .......................................... 983
1174 Arbeitswissenschaft

Gestaltungsrichtlinien für............ 976 Arbeitsbewertung............. 635, 637, 638,


gustatorische ............................... 993 642, 651, 678
olfaktorische ............................... 993 analytische .......................... 639, 640
Sicht- ........................................... 979 summarische ....................... 639, 646
taktile .......................................... 993 arbeitsbezogene Wissenschaften........ 11,
thermische ................................... 993 13, 27
Anzeigegenauigkeit ........................... 984 Arbeitsdisposition, Prinzip der ......... 631
Anzeigengestaltung ........................... 976 Arbeitsenergieumsatz ....... 269, 271, 275
Anzeigennähe .................... 995, 996, 998 Arbeitsentgelt ................................... 632
Arbeit Arbeitsermüdung ...................... 194, 669
allseitig dynamische .................... 230 Arbeitserweiterung
Begriffe ..................................... 1, 14 horizontale .................................. 506
diskriminatorische ....................... 227 vertikale ...................................... 507
dynamische ......................... 225, 230 Arbeitsflächen........902, 906, 1048, 1056
einseitig dynamische ................... 230 Arbeitsformen ................................... 223
energetisch-effektorische ........... 224, allseitig dynamische Arbeit ........ 230
228, 950 diskriminatorische Arbeit ........... 227
informatorisch-mentale ....... 286, 969 dynamische Arbeit .............. 225, 230
kombinatorische/ einseitig dynamische Arbeit ....... 230
kombinative .................. 224, 227 energetisch-effektorische
kooperative ................................. 495 Arbeit ........................... 224, 228
kreative ............................... 224, 227 informatorisch-mentale Arbeit ... 286
mechanische ................................ 224 kombinatorische/
motorische................................... 224 kombinative Arbeit....... 224, 227
signalisatorisch-motorische ......... 227 kooperative ................................. 495
sensumotorische .......................... 228 kreative Arbeit .................... 224, 227
reaktive ....................................... 224 mechanische Arbeit .................... 224
schwere dynamische ................... 230 motorische Arbeit ....................... 224
sensorische .................................. 227 signalisatorisch-motorische
statische............................... 224, 231 Arbeit ................................... 227
Arbeitsablauf ..... 629, 667, 672, 696, 698 sensumotorische Arbeit .............. 228
Arbeitsablaufanalyse ................. 667, 669 reaktive Arbeit ............................ 224
Arbeitsablaufbeschreibung ................ 667 schwere dynamische Arbeit ........ 230
Arbeitsablaufstudie ........................... 667 sensorische Arbeit ...................... 227
Arbeitsablaufzeit ............................... 699 statische Arbeit ................... 224, 231
Arbeitsanalyseverfahren .............. 56, 515 Arbeitsgänge ............................. 668, 682
Arbeitsaufgabe ....... 28, 35, 44, 437, 459, Arbeitsgeschwindigkeit .................... 965
495, 506, 508, 630, 631, 638, 645, Arbeitsgestaltung ....11, 69, 505, 700,759
760 differentielle ................................. 70
Arbeitsauftrag...................... 35, 496, 630 flexible.......................................... 70
arbeitsbedingte Erkrankungen ... 718, 756 dynamische ................................... 70
Arbeitsbedingungen ............. 3, 7, 27, 33, konzeptionelle .............................. 72
43, 57,68, 70, 115, 132, 506, 526, konzeptive .................................... 72
667, 672, 673, 698, 700, 713, 718, korrektive ............................. 71, 759
754, 1132, 1141 korrigierende ................................ 71
subjektive Einschätzung von ....... 201 organisatorische .......................... 505
Arbeitsbegriffe .................................... 14 partizipative ................................ 505
Arbeitsbereicherung .......................... 507 Prinzipien der ....................... 69, 505
Arbeitsbereitschaft .................... 587, 596 prospektive ........................... 72, 759
Arbeitsbeschreibung .......... 191, 638, 650 sicherheitstechnische .................. 741
Arbeitsbeschreibungsbogen (ABB) ... 191 Strategien der................................ 71
Index 1175

Arbeitsgestaltungsmaßnahmen ...... 65, 70 Arbeitsstättenverordnung .. 726, 737, 881


Arbeitsgruppen .......................... 495, 501 Arbeitsstandards ............... 530, 629, 630
Führung von ........ 512, 520, 524, 533 Arbeitsstoffe ............................. 770, 908
mehrkulturelle ............................. 111 Arbeitsstrukturierung ........................ 506
teilautonome ............... 497, 501, 762 Arbeitsstudie ........................... 2, 24, 667
Arbeits-Herzschlagfrequenz .............. 278 Arbeitssubstitution, Prinzip der ........ 630
Arbeitskosten .................................... 666 Arbeitssystem ..... 11, 35, 43, 67, 69, 435,
Arbeitslehre ......................................... 18 473, 482, 528, 545, 629, 638, 639,
Arbeitsmethode ................. 556, 672, 698 667, 672, 683, 705, 744, 949, 1129
Arbeitsmigration ............................... 108 erweitertes .................................... 36
Arbeitsmittel.............................. 629, 630 Arbeitssystemgestaltung ........ 11, 34, 69,
Arbeitsmotivation............. 182, 183, 193, 71, 89, 287, 435, 629, 759, 949,
435, 506, 508, 512, 511, 512, 521, 1129
527, 531, 630, 735 Arbeitstechnologie .............................. 24
Arbeitsobjekte ............. 34, 629, 630, 677 Arbeitsteilung .................... 96, 434, 438,
Arbeitsorganisation ................... 129, 435 448, 505, 506, 521, 531, 630, 1091
Arbeitspensum .................................. 667 Arbeitsunfähigkeitsrate ..................... 758
Arbeitsperson ................................ 41, 87 Arbeitsunfall ...... 152, 713, 724, 746, 910
Anpassungsmerkmale ................. 182 Arbeitsverrichtungen ................ 668, 682
Disposition .................................. 112 Arbeitsvertrag ....................... 2, 590, 632
Kompetenz .................................. 170 Arbeitsvorgänge.......229, 667, 677, 1138
Konstitution .................................. 89 Arbeitswiderstand ............................. 965
Qualifikation ............................... 170 Arbeitswirtschaft ................ 12, 629, 664
Arbeitsphysiologie .............................. 22 Arbeitswissenschaft .......................... 1, 7
Arbeitsplanung .......... 436, 458, 475, 543 Aspektwissenschaften................... 13
Arbeitsplatzbesetzung ....................... 584 Aufgaben der ................................ 32
Arbeitsplatzelemente ....................... 1047 Gegenstand der ............................... 7
Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) ........ 68, Kerndefinition der .................... 7, 32
928, 930, 932, 934 Leitbilder der .................................. 5
Arbeitsplatzwechsel .......................... 507 Arbeitszeit......... 206, 269, 575, 667, 713,
Arbeitspolitik ............................ 629, 631 734, 881, 965
Arbeitsproduktivität ............. 6, 436, 579, Arbeitszeitdauer ................................ 584
632, 706 Arbeitszeitgesetz ........575, 587, 716, 734
Arbeitsprozess .............. 7, 28, 30, 36, 66, Arbeitszeitkonten .............................. 613
269, 275, 434, 438, 456, 460, 463, Arbeitszeitmodelle ............................ 591
466, 505, 521, 630, 667, 699, 1130 Arbeitszeitsystem.............................. 591
Arbeitsprozessgestaltung......... 463, 1130 Arbeitszeitverteilung......................... 584
Arbeitsrecht Arbeitszufriedenheit .......... 65, 131, 182,
individuelles .................................. 20 188, 193, 512, 516, 527, 753
kollektives ..................................... 20 Arbeitszufriedenheits-Kurzfragebogen
Arbeitsschutz...... 12, 713, 729, 734, 847, (AZK) ......................................... 193
930, 1130, 1134, 1140 Armauflage ..................................... 1051
Normen ....................................... 728 Armhaltung ..................................... 1050
Richtlinien................................... 728 Armlehne ........................................ 1047
sozialer ........................................ 720 Armstütze ....................................... 1056
technischer .................................. 720 Arousal ............................. 292, 293, 358
Technische Regeln ...................... 728 Assistenzsystem .............................. 1026
Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) ....... 717, Atmung ......................224, 400, 911, 968
719, 726, 729, 734, 737, 1134 Audiometrie ...................................... 779
Arbeitssitze ..................................... 1049 auditives System ........125, 315, 338, 391
Arbeitsspeicher.......................... 366, 368
1176 Arbeitswissenschaft

Aufbauorganisation ... 434, 436, 443, 455 Basilarmembran ........................ 338, 340
Einlinienorganisation .................. 444 Basiseffektivtemperatur .................... 869
Matrixorganisation ...................... 446 BAuA-Leitmerkmalmethode .. 951, 1134
Mehrlinienorganisation ............... 445 Baustellenverordnung ....................... 738
Produktorientierte Organisation .. 449 Beanspruchung ... 38, 230, 394, 777, 782,
Prozessorganisation..................... 447 794, 797, 818, 843, 871, 875, 900,
Stab-Linien-Organisation ............ 446 916, 926, 935
Aufenthaltsgesetz .............................. 109 emotionale ... 394, 399, 402, 404, 409
Aufgabe ....................................... 34, 455 mentale ....... 287, 291, 293, 294, 298,
siehe Arbeitsaufgabe 320, 379, 392, 394, 396, 400, 403,
Aufgabenanalyse ................. 58, 434, 437 404, 408, 410, 413, 416, 1020, 1027
Aufgabenangemessenheit ...... 1064, 1080 subjektiv erlebte ......................... 416
Aufgabengestaltung... 508, 512, 514, 761 Beanspruchungsbewertung ....... 395, 416
Aufgabennähe ................... 995, 996, 998 Beanspruchungsmessung, psycho-
Aufgabenorientierung ....................... 513 physiologische ............................ 396
Aufgabenstrukturierung .................... 475 Bedarfsgerechtigkeit ......................... 634
Aufgabensynthese ............. 434, 437, 505 Bediensystemgestaltung ................. 1068
Aufgabenvollständigkeit ... 513, 519, 551 bedingungsbezogene Analyse-
Aufmerksamkeit ....... 128, 151, 168, 188, verfahren ...................................... 57
196, 292, 296, 298, 316, 343, 356, bedingungsbezogene Intervention .... 755
361, 379, 403, 407, 413, 662, 871, Bedürfnispyramide ........................... 185
976, 978, 989, 992, 999, 1025, 1026, Beeinträchtigungsfreiheit ........ 59, 65, 67
1075 Befragung .... 53, 57, 60, 671, 1074, 1096
Aufmerksamkeitsreaktion ................. 397 Behinderung ................90, 147, 151, 736
Auftragsabwicklung .. 437, 475, 540, 666 geistige ............................... 155, 162
Auftragsinsel ..................................... 543 körperliche.......................... 153, 161
Auftragszeit ....................... 657, 670, 671 psychische (seelische) ........ 153, 162
Auge ................................. 298, 314, 317, Belastung ......................38, 41, 283, 772,
318, 323, 325, 329, 331, 334, 335, 790, 806, 862, 885, 911, 935
345, 402, 405, 407, 815, 822, 832, energetische ...........41, 200, 228, 950
849, 885, 937 informatorische............. 41, 286, 394
Augenbewegung............ 407, 1040, 1075 physikalisch-chemische .............. 769
Augmented Reality.................. 973, 1086 soziale......................................... 495
Ausdauerdiagramm ........................... 199 Belastungsabschnitt ............................ 40
Ausführbarkeit ........................ 42, 63, 66 Belastungs-Beanspruchungs-
Ausführungsdauer ............................. 954 Konzept .................38, 63, 392, 1026
Ausführungshäufigkeit ...................... 954 Belastungsdauer ............40, 58, 201, 769,
Ausgabeinformation ........................ 1083 935, 1136
Ausgleichsabgabe.............................. 165 Belastungshöhe .............40, 57, 201, 279,
Außenmaße ........................... 1031, 1043 283, 769, 935, 1136
Automation ..................................... 1024 Belastungssuperposition ................... 935
kognitive ......................... 1026, 1149 Belastungstyp ..................................... 40
kooperative ............................... 1026 Belegungszeit ................................... 670
Automatisierung ..................... 7, 24, 102, Beleuchtung ...............125, 320, 327, 885
159, 228, 286, 581, 1021, 1146 Beleuchtungsstärke .......... 124, 887, 891,
autonome Produktionszellen ... 479, 1146 892, 900, 936
Autonomie................ 442, 496, 507, 509, Benutzeranforderungen.. 73, 1067, 1071,
512, 514, 519, 528, 535, 1022 1080, 1112, 1117, 1118
autostereoskopische Displays ............ 990 Benutzeraufgaben ................. 1023, 1067
Bandscheibeninnendruck ................ 1049 Benutzerfreundlichkeit ......... 1064, 1067
Barrierefreiheit ................................ 1066 Benutzerzustand.................... 1027, 1028
Index 1177

Benutzungsmodell ........................... 1067 Bewegungen, Lernen von ................. 386


Benutzungsoberfläche ........... 1087, 1091 Bewegungsanalyse............................ 255
Benutzungsschnittstelle ............ 364, 377, Bewegungsapparat ............................ 404
969, 971, 978, 1001, 1076 Bewegungsbereiche ........................ 1029
antizipative ................................ 1027 Bewegungselemente .......... 41, 177, 459,
grafische...................................... 985 668, 696, 698, 700
Beobachtung................. 51, 57, 671, 672, Bewegungsfolgen ............................. 668
678, 682, 690, 1071, 1096 Bewegungsparallaxe ......... 333, 334, 335
Beobachtungsinterview ....... 57, 59, 1073 Bewegungsraum ..................... 243, 1037
Berufsbildungsforschung .................... 18 Bewegungswahrnehmung ......... 318, 390
Berufsbildungswerke (BBW) ............ 157 Bewegungszeit .................................. 388
Berufsförderungswerke (BFW) ......... 158 Bewertungsebenen
Berufsgenossenschaften ............ 715, 721 nach Rohmert und Kirchner ......... 63
Berufskrankheit ...... 4, 66, 152, 724, 772, nach Hacker .................................. 65
795, 832, 910, 916, 931, 951 Bewertungsprinzipien ......................... 69
Berufsspektrum ................................... 97 Bezugsleistung .................................. 669
Berufswahl ........................................ 105 Bezugszeitraum ................................ 584
Beschäftigungsbeschränkungen ........ 931 Big Five ............................................ 115
Beschäftigungspflicht ........................ 165 bildlicher Realismus ......................... 977
Beschäftigungsquote schwerbehinderter Bildschirmarbeitsverordnung........... 738,
Menschen .................................... 160 1077, 1080
Beschleunigungsaufnehmer .............. 796 Bildungsbeteiligung .......................... 104
Beschleunigungssystem .................... 312 Bildwiederholfrequenz ........... 986, 1082
Bestimmtheitsmaß ............................. 704 binäre Entscheidung ........................... 68
Bestrahlung ....................................... 805 biologische Arbeitsstoffe .................. 932
BET ................................................... 869 biologischer Grenzwert (BGW) ....... 928,
Beta-Strahlung .................................. 806 931, 933
Beta-Wellen ...................................... 402 Biorhythmus ..................................... 167
Beteiligung ........... 67, 73, 500, 505, 510, Blendung ..................125, 325, 327, 406,
512, 513, 529, 533, 548, 553, 556, 902, 904
661, 756, 856, 1111 Blickbewegung ....................... 405, 1075
Beteiligungsgruppe ................... 551, 553 Blickbewegungsanalyse ........ 1074, 1075
betriebliche Gesundheitsförderung... 134, Blickfeld ......................... 323, 324, 1039
713, 753 Blindleistungen ................................. 962
Betriebsorganisation .................. 433, 435 Blutdruck ..... 55, 294, 393, 398, 401, 968
Betriebsärzte.............................. 722, 723 Brechung .......................................... 829
Betriebsmittel ... 433, 455, 456, 472, 476, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und
479, 585, 629, 630, 665, 668, 670, Medizin (BAuA)......................... 718
674, 677, 717, 785, 814, 853, 955 Business Process Modeling Notation
Betriebssicherheitsverordnung .......... 738 (BPMN) ...................................... 462
Betriebsvereinbarung ......... 20, 553, 587, Business Process Reengineering ....... 466
590, 613, 722 Button ........................... 985, 1016, 1083
Betriebsverfassungsgesetz ........ 133, 497, Card Sorting.................................... 1072
556, 587, 722, 1135 CE-Team .......................... 500, 503, 534
Betriebszeit ....... 577, 589, 606, 618, 620 CFD ................................................ 1104
Betriebszeitorganisation .................... 585 Chaku-Chaku-Prinzip ....................... 482
Beurteilung der Gefährdung .............. 921 Change Management ........................ 550
Beurteilungsebenen ... 27, 64, 65, 75, 508 Checkbox ........................................ 1084
Beurteilungspegel.............. 782, 784, 787 Chemikaliengesetz ........... 726, 739, 907,
Beurteilungsverfahren ....................... 659 909, 932, 934
Bewegungen, Regelung der....... 381, 384 chromatische Aberration ................... 318
1178 Arbeitswissenschaft

Cognitive Engineering ...................... 969 Durchlaufzeit ................... 456, 461, 466,


Cognitive Walkthrough .................. 1070, 477, 478, 480, 482, 483, 487, 529,
1073, 1095 532, 630, 666, 1107
Computational Fluid Dynamics....... 1104 durchschnittliche Gestalt ............... 1031,
Computer Aided 1036, 1044
Design (CAD) ........................... 1098 dynamische Arbeit .................... 225, 230
Engineering (CAE) ................... 1100 Ebenenmodell von Arbeitsprozessen .. 30
Manufacturing (CAM) .............. 1104 ecological interface design.............. 1001
Plant Planning ........................... 1107 EEG .......................................... 397, 402
Process Planning (CAPP).......... 1106 Effektivbeschleunigung .................... 796
Quality (CAQ) .......................... 1105 Effektivität .......................... 7, 286, 1065
Concurrent Engineering .... 486, 500, 534 Gesamt- .............................. 202, 207
Concurrent Engineering-Team ......... 500, Team- ......................................... 516
503, 534 Effektor ............................................. 387
Cooper-Harper Skala ......................... 414 Effizienz ............................. 7, 286, 1065
Cornea ....................................... 317, 405 energetische ........................ 275, 960
Cortex................ 313, 319, 336, 369, 381 Team- ......................................... 517
Cortisol.............................................. 409 Eigenreflex ............................... 385, 388
Crest-Faktor ...................................... 790 Eigenzustandsskala ..................... 53, 415
Dämpfe.............. 908, 913, 915, 918, 924 Einbauuntersuchung ....................... 1101
Datenhandschuh .............................. 1085 Eingruppierung ................................. 641
Datenträger ............................ 1093, 1105 Einkommensunterschiede ................. 103
Dauerleistungsgrenze ................. 93, 194, Einlinienorganisation ........................ 444
199, 201, 202, 271, 280, 965, 968 Einwirkungsdauer ............................... 23
defensive Reaktion ............ 397, 400, 402 Arbeitsstoffe ....................... 911, 915
Defizit-Modell........................... 120, 122 Strahlung ..... 815, 821, 839, 848, 851
Dehnungsreflex ................................. 384 Einzelzeitmessung ............................ 672
Delegation ................................. 442, 630 EKG .................................................. 399
Delta-Wellen ..................................... 402 Elastizitätstempo ............................... 389
Demographische Entwicklung .......... 116 elektrische Feldstärke ....................... 807
Design Structure Matrix (DSM) ........ 463 elektrische Flussdichte ...................... 807
Destabilisierungstheorie .................... 198 elektrodermale Aktivität ................... 408
Dialoggestaltung ............................. 1080 Elektroencephalografie ..................... 402
Dialogschritte .................................. 1086 Elektroencephalogramm ................... 397
Dialogsystem......................... 1064, 1090 Elektrokardiografie ........................... 399
Digital Mock-Up (DMU) ................ 1101 Elektrokardiogramm ......................... 399
Digitale Menschmodelle ................. 1061 elektromagnetisches Spektrum ......... 812
Dilatation........................................... 318 Elektromyografie .............................. 404
Diskriminierbarkeit ........................... 977 Elektromyogramm .......... 260, 404, 1049
Diskriminierung .......................... 90, 109 Elektrookulografie ............................ 405
Disparation/Disparität ....................... 330 Elementarzeiten ................................ 698
Dispositionsmerkmale ................. 88, 115 Elterngeld, -zeit ................................ 101
Diversity .................................... 108, 110 emergent feature ....................... 998, 999
Diversity-Management ...................... 111 EMG ............................... 260, 404, 1049
Divided Attention Deficit .......... 375, 379 Empfindungsstärke ................... 315, 354
Doppeltätigkeit .......................... 294, 297 endokriner Apparat ........................... 409
Dosimeter .................................. 841, 842 energetisch-effektorische Arbeit ...... 224,
Dosis ................................................. 831 228, 950
Dosisleistung ............................. 817, 841 Energieerzeugung, menschlich ......... 228
Dreibereichsverfahren ....................... 895 Energieumsatz .................................. 269
Engpassbetrachtung .................... 23, 936
Index 1179

Engramm ........................................... 387 Erregung ...................235, 313, 320, 340,


Entfremdung........................................ 19 346, 349,384, 399, 404
Entgelt ............... 182, 631, 632, 633, 677 Erschöpfung ....... 195, 272, 275, 280, 965
anforderungsabhängiges.............. 636 Erträglichkeit .................. 42, 63, 66, 951
leistungsabhängiges ............ 635, 651 Erwartungskonformität ......... 1080, 1150
Entgeltband ....... 635, 636, 638, 640, 646 erweiterte Ereignisgesteuerte Prozess-
Entgeltbestandteile ............................ 634 ketten (eEPK) ............................. 462
Entgeltdifferenzierung Erwerbsbeteiligung ............................. 98
anforderungsabhängiges.............. 636 ethnische Herkunft ............................ 108
leistungsabhängiges .................... 651 Evaluation
Entgeltgerechtigkeit .......................... 633 ergonomische ............................... 73
Entgeltgruppe ........... 635, 636, 638, 640, experimentelle .......................... 1095
644, 646, 648, 655, 666, 678 Experten- .................................. 1072
Entgeltgruppendefinitionen ............... 649 formale ..................................... 1095
Entgeltgruppenkatalog ...................... 648 formative .................................. 1095
Entgeltgruppenverfahren ................... 648 heuristische ..................... 1070, 1073
Entgeltlinie ........................................ 652 objektive ................................... 1095
Entgeltrahmenabkommen (ERA) ..... 645, Software- .................................. 1094
649, 656, 660 subjektive ................................. 1095
Entgeltschlüssel ................................. 648 summative ................................ 1095
Entgeltsystem ............ 556, 557, 629, 634 User- ............................... 1070, 1074
Entladungslampen ............................. 897 evoziertes Potential ................... 397, 402
Entscheidungskompetenz ......... 510, 511, Expected-Utility-Modell ................... 362
528, 532, 1026 Expertenverfahren .............................. 61
Entscheidungsmatrix ................. 362, 365 Expositionszeit/-dauer
Entscheidungsspielraum .................... 510 Klima .................................. 878, 882
Entscheidungsunterstützungssystem1026 Lärm ........................... 779, 784, 787
Entwicklungsprozess ....................... 1097 Schwingungen ............ 795, 799, 803
Epidermis .......................................... 831 Exterozeptoren .................................. 313
Ergonomie ......................................... 949 Extraversion .............................. 112, 115
korrektive .................................... 950 Extremalwerte..................................... 68
prospektive .................................. 950 FAA .................................................... 58
konzeptive ................................. 1131 Fabrikplanung, virtuelle ........ 1106, 1108
ergonomisch-räumlich..................... 1028 Farbfehlsichtigkeit ............................ 989
ergonomisches Frühwarnsystem Farbkodierung................. 983, 989, 1005
(Ergo-FWS) .............................. 1140 Farbwahrnehmung .................... 123, 321
Erholung.................... 195, 312, 603, 968 Farbwiedergabe ................................ 892
Erholungsbedarf ................................ 968 Feder-Masse-Dämpfer Modell .......... 791
Erholungszeit .................... 670, 784, 966 Fehlerrobustheit .................... 1080, 1089
Erkennen .......................... 286, 295, 309, Fehlertoleranz ....................... 1076, 1080
319, 336, 346, 360, 379 Fehlhandlungen .....44, 1024, 1089, 1093
Erlernbarkeit.................................... 1073 Fehlleistungen......................... 198, 1089
Ermittlung maximaler isometrischer Fehlzeiten ......... 189, 507, 512, 575, 603,
Muskelkräfte 758, 761
objektiv/direktes Verfahren......... 250 Feinstaub .................................. 913, 918
objektiv/indirektes Verfahren...... 250 FEM ................................................ 1103
subjektiv/direktes Verfahren ....... 248 Fenstertechnik................................. 1084
subjektiv/indirektes Verfahren .... 249 fertigkeitsbasiertes Verhalten . 290, 1003
Ermüdung .......................................... 194 Fertigungsteam ......................... 501, 526
Ermüdungsverlauf ............................. 197 Fettgewebe........................................ 829
Figurzeit............................................ 389
1180 Arbeitswissenschaft

Finite-Elemente-Methode (FEM) .... 1103 Gefahrstoffverordnung .... 920, 921, 924,


Fitts‘sches Gesetz .................... 307, 1013 927, 928, 929, 931, 932, 934
Fixationsdauer ................................... 408 Geführte Gruppenarbeit .................... 533
fixed action pattern.................... 310, 386 Gehalt ............................................... 633
Fließfertigung .................................... 478 Gehirnaktivität .................................. 402
Flimmerverschmelzungsfrequenz .... 320, Gehörschädigung ...................... 772, 784
408 Gehörschutzmittel, persönliche ........ 787
Fluktuation ........ 184, 189, 194, 512, 527 Geldakkord ....................................... 657
Fluktuationsrate ................. 435, 631, 761 Gelenkrezeptor.................................. 385
Flüssigkristallanzeige ........................ 986 Gelenksensor ............................ 349, 384
Flussprinzipien .................................. 463 Gender ................................................ 90
Focused Attention Deficit ................ 362, Gender Mainstreaming ....................... 95
375, 379 Genfer Schema ................................. 641
Fokusgruppen .................................. 1071 Geräuschimmission .......................... 784
Folgebewegung ................................. 407 Geruchssinn ...................................... 351
Force-Feedback ................................. 993 Gesamtstaub ..................................... 913
Formalisierung .......................... 440, 445 Gesamtwirkungsgrad ........................ 964
Fort- und Weiterbildung ...... 19, 131, 171 Geschäftsprozess .............................. 460
Fortschrittszeiten ............................... 672 Geschicklichkeit ............................... 174
Fragebogen zum Belastungsverlauf .. 416 Geschlecht .......................................... 89
Fremdaufschreibung .................. 672, 677 biologisches .................................. 90
Fremdreflex ....................................... 385 genetisches ................................... 89
Frequenzanalyse ................................ 782 genitales........................................ 89
Frequenzbewertung ................... 780, 798 gonadales ...................................... 89
Frequenzunterschied ......................... 339 Identitäts-...................................... 90
Fristenplanung........................... 665, 666 morphologisches ........................... 89
Führungs- und Planungsinformations- soziales ......................................... 90
system ....................................... 1145 geschlechtsbedingte Unterschiede ...... 93
Führungsgröße .................................. 308 Geschmackssinn ....................... 351, 353
Fundamentalprinzip............................. 27 Geschwindigkeitssystem................... 312
Fundamentmodelle .............................. 27 Gesetzliche Unfallversicherung ........ 724
Fünf-Faktoren-Modell ............... 112, 114 Gesichtsfeld ...........323, 324, 1039, 1041
Funktionsmaße ................................ 1029 Gestaltprinzipien ....................... 354, 355
Funktionsräume ..................... 1037, 1045 Gestaltung ........................................... 69
Funktionsteilung.......... 1021, 1027, 1146 anthropometrische .................... 1028
Funktionszuweisung .............. 1021, 1025 energetisch-effektorische ............ 950
Fußstütze ............................... 1047, 1055 ergonomische ............................. 949
Ganzkörperschwingungen ................. 790 informatorisch-mentale............... 969
Gase .................................. 909, 919, 923 organisatorische .................. 433, 495
Gebrauchstauglichkeit ........... 1064, 1082 technisch-technologische ............ 963
Gedächtnis......... 360, 366, 372, 379, 390 Gestaltungsspielraum.................. 72, 510
episodisch ................................... 370 Gestaltungsstrategien .......................... 71
semantisch................................... 370 Gestenerkennung ............................ 1086
Kurzzeit- ..................................... 367 Gesundheit ......... 146, 729, 753, 761, 951
Langzeit ...................................... 369 Gesundheitsbeeinträchtigung ............ 819
Gedächtnisprinzipien......................... 978 Gesundheitsförderung ....... 134, 753, 754
Gefährdungsbeurteilung ........... 623, 730, Gesundheitsgefährdung ............ 950, 951
919, 926, 1130 Gesundheitsmanagement .................. 753
Gefahrenbezeichnungen .................... 910 Gesundheitsmanagementkonzepte .... 756
Gefahrensymbole .............................. 909 Gesundheitsschutz ............................ 729
Gefahrstoffe .............................. 739, 907 Gesundheitszirkel ............. 502, 549, 718
Index 1181

Gewerbeaufsicht................................ 720 Hautleitfähigkeit ............................... 408


Gewissenhaftigkeit .................... 113, 115 Hautoberfläche.................. 346, 404, 408
Giftstoffsynergismus ......................... 938 Hautresorption .......................... 926, 931
Gleichheitsverfahren ......................... 895 Hautrezeptor ............................. 346, 385
Gleichstellung ......... 90, 95, 96, 100, 102 Hautsinnesorgan ............................... 346
Gleitzeitarbeit .................................... 608 Hautwiderstand ................................. 408
Glukokortikoide ................................ 409 Head-Mounted Display (HMD) ....... 991,
Golgi-Sehnenorgan ........................... 385 1086, 1148
GOMS ............................................. 1095 Heat-Stress-Index (HSI) ................... 869
Grad der Behinderung ....................... 150 Heimarbeitsgesetz ............................. 736
Grad der Schädigungsfolgen ............. 150 Heimarbeitsplatz ............................... 617
Grafiktablett .................................... 1100 alternierender .............................. 617
Graphenbäume .................................... 47 Helligkeitswahrnehmung .................. 320
Greifräume ...................................... 1037 Helmet-Mounted Display ................. 991
Grenzfrequenz ........................... 390, 393 Herstellkosten ........................... 665, 666
Grenzwerte .................................. 68, 928 Herz-Kreislauf-System ............. 267, 937
Grundbewegungen ............................ 697 Herzschlagfrequenz .......... 278, 294, 399
Grundentgelt...................................... 634 Herzschlagfrequenzvariabilität ......... 400
anforderungsabhängiges.............. 636 heuristische Evaluation ......... 1070, 1073
Grundzeit................................... 670, 674 Hick-Hyman‘sche Gesetz ................. 307
Gruppenarbeit............................ 495, 497 Hirnstamm ........................................ 381
Einführung von ........................... 549 Hitzeakklimatisation ......................... 880
qualifizierte ................................. 528 Hitzearbeit ....................... 869, 870, 880,
teilautonome ....... 497, 508, 540, 550 881, 882, 885, 936, 937
Gruppenarbeitsformen....................... 501 homo faber ...................................... 3, 25
Gruppenarbeitszeit ............................ 615 homo oeconomicus ............................. 15
Gruppenaudit..................................... 555 Hormon ..................................... 398, 409
Gruppendesign .................................. 519 Hörschall .......................................... 772
Gruppeneffektivität ........................... 517 Hörvermögen .................................... 125
Gruppenlernen........................... 520, 521 HSI ................................................... 869
Gruppensynergie ............................... 517 Human-Computer Interaction ......... 1081
Habituation ................................ 358, 397 Humanisierung ........................... 4, 7, 71
Halogen-Glühlampen ........................ 897 ICD-10 ...................................... 154, 155
Haltearbeit ................................. 225, 957 ICF (Int. Classification of Functioning,
Haltungsarbeit ........................... 225, 957 Disability and Health)................. 147
Hamburg-Wechsler-Intelligenztest.... 136 ideales Gasgesetz .............................. 913
Hand-Arm-Schwingungen ................ 790 Immersion ................................. 974, 992
Handhaben von Lasten ............. 230, 285, Indifferenzeffekt ............................... 937
952, 1136 Individualisierbarkeit ...1064, 1080, 1088
Handlungsbereitschaft ....................... 182 Informationsdarstellung ............ 344, 976
Handlungsfähigkeit ........................... 183 Informationstheorie .......................... 305
Handlungsregulation Informationsverarbeitung.......... 286, 969
hierarchisch-sequentielles Modell . 46 Informationszugangskosten ............. 978,
Oberflächenstruktur ...................... 47 995, 998
Tiefenstruktur................................ 47 informatorisch-mentale Arbeit .. 286, 969
Handlungsregulationstheorie ......... 43, 58 Innenmaße ............................ 1031, 1043
Handlungsspielraum ........ 7, 72, 506, 510 Innervierung, Innervation ........ 235, 349,
Handschriftenerkennung ................. 1085 351, 381, 386
Handskizzenerkennung ................... 1085 Input-Prozess-Output-Modell ........... 517
Handstützen..................................... 1056 Inselfertigung .................................... 479
Haupttätigkeit .................................... 668 Inselkonzepte ............................ 501, 529
1182 Arbeitswissenschaft

Instanz ............................................... 444 Kennzahlenvergleich ................ 651, 652


Intelligenz ......................... 126, 134, 146 Kerndimensionen der Arbeits-
fluide ........................................... 143 tätigkeit....................................... 512
kristalline .................................... 143 Kernprozess ...................................... 460
-modelle .............................. 138, 142 Kieler Puppe ................................... 1057
Intelligenzdefinitionen ...................... 138 Kinderarbeitsschutz .......................... 735
Intelligenzleistung ..................... 127, 137 Kinetose ............................................ 794
Interaktion Kippsicherheitsmaß ........................ 1051
Mensch-Computer- ......... 1077, 1081 Klassifikation
Mensch-Maschine-...................... 969 kardinale ....................................... 68
Mensch-Rechner- ............ 1077, 1081 nominale ....................................... 68
interkulturelle Zusammenarbeit ........ 110 ordinale ......................................... 68
International Ergonomics Klima ........................................ 936, 937
Association (IEA) ................... 9, 949 Klimabewertung ............................... 877
Investment-Center ............................. 450 Klimafaktoren ................................... 861
Iris ............................................ 317, 405 Klimasummenmaß .....867, 871, 875, 879
Ist-Zeiten ........................... 665, 669, 672 KLM ............................................... 1096
Job Characteristics Inventory .............. 60 Knalltraumata ................................... 779
Job Characteristics Model ......... 512, 519 Kniesitze ......................................... 1053
Job Descriptive Index (JDI) ............... 60, kognitive Architektur .............. 378, 1150
192, 515 kognitive Maschinensteuerung ....... 1150
Job Diagnostic Survey (JDS) ............. 60, kognitives Simulationsmodell......... 1150
515, 554 kollektive Autonomie ............... 510, 528
Job Enlargement ................................ 506 Kollisionsbetrachtung ..................... 1101
Job Enrichment ................. 506, 514, 760 Kommando ..................................... 1088
Job Rotation ..................... 506, 514, 527, Kommunikation ............... 390, 497, 514,
532, 533, 1133 519, 527
Johannson’sche Regel ....................... 964 Mensch-Computer- ......... 1078, 1081
Jugendarbeitsschutz........................... 735 Mensch-Maschine- ............. 969, 973
Jugendarbeitsschutzgesetz .......... 118,931 Mensch-Mensch- ...................... 1078
Jugendliche ............... 118, 157, 713, 735 Mensch-Rechner- ........... 1078, 1081
Just-in-Time ...................... 481, 483, 577 Kommunikationswege ............. 438, 440,
K3 .................................................... 462 451, 469, 485
Kaizen ....................................... 466, 545 Kompatibilität .......292, 971, 1001, 1010,
Kälteakklimatisation ......................... 879 1011
Kältearbeitsplätze .............................. 883 Kompatibilitätsprinzip ...................... 971
Kälteschmerz..................................... 350 der Nähe ............................. 978, 994
Kapazitätsmodelle menschlicher Kompensations-Modell............. 120, 122
Informationsverarbeitung .... 287, 291 Kompetenz...........87, 120, 170, 178, 514
aktivierungstheoretische -abgrenzung ........................ 451, 452
Konzepte ............................... 291 -ausprägung ................................ 180
aufmerksamkeitstheorethische -begriff................................ 170, 178
Konzepte ............................... 294 -dimensionen ...................... 179, 180
multiple Ressourcenmodelle ....... 298 -entwicklung .........70, 180, 181, 507,
kardiovaskuläre Leistungsfähigkeit ... 130 509, 529, 545
Karriere-Kompetenzen ...................... 585 -messung .................................... 181
Kaskadenmodelle ...................... 289, 516 -niveau ........................................ 180
Katalogverfahren ....................... 640, 648 stellenbezogene .......... 438, 445, 755
Katecholamine .................................. 409 -zusammenführung ............. 487, 534
Kathodenstrahlröhre .......................... 986 Konfiguration (Organisation) ... 434, 441
Kennzahlen ............................... 652, 654 konfigurierbare Anzeige ................... 985
Index 1183

Konkordanz ......................................... 57 Lärmschäden..................................... 779


Konsistenz ........... 979, 1064, 1073, 1080 Lärmschutz ....................................... 785
Konstitutionsmerkmale ................. 87, 89 Lärmschwerhörigkeit ........................ 772
kontinuierlicher Verbesserungsprozess ... Laser ................................................. 849
466, 545 Lastenhandhabung ...230, 285, 952, 1136
Kontrast .................... 123, 227, 318, 321, Lastenhandhabungsverordnung ........ 738
325, 335, 343, 888, 902, 986, 1082 laterale Inhibition .............................. 321
Kontrollleuchte.................................. 984 Laufbahnplanung .............................. 134
Konvektion ........................................ 863 lautes Denken ........54, 1074, 1075, 1096
Konvergenz ....................... 318, 329, 369 Lautstärke ..................314, 340, 391, 776
Konzentration (chem.)....... 315, 351, 913 Lautstärkeempfindung ...................... 776
Grenzwerte .................................. 927 Lautstärkepegel................................. 776
Konzept der vollständigen Lautstärkewahrnehmung................... 339
Tätigkeit ...................................... 508 Lean-Gruppe ...... 500, 501, 504, 526, 529
Kooperation............. 433, 436, 470, 495, Lebenserwartung .............................. 116
514, 526, 645 Leistung, physikalisch erbrachte...... 955,
Mensch-Maschine-.......... 1026, 1150 960
kooperative Arbeitsformen ................ 495 Leistungsabfall ................. 295, 356, 409
Kopflehne ........................................ 1047 Leistungsbereitschaft ................. 87, 120,
Körpergröße .............................. 94, 1030 131, 168, 183
Körpergrößenbereich....................... 1037 Leistungsbeurteilung ................ 651, 658
Körpergrößenverteilung .................. 1030 Leistungsbewertung .......................... 651
Körpermaße..................... 94, 1028, 1047 Leistungs-Entgelt-Relation ............... 652
Körperproportionen ............... 1034, 1058 Leistungserbringung ................... 87, 654
Körperschall .............................. 772, 785 Leistungsergebnis ............ 187, 652, 654,
Körperunterstützungen .................... 1048 655, 659, 664
Korpuskularstrahlen .......................... 806 Leistungsfähigkeit ......87, 120, 122, 131,
Korrekturaufwand ................. 1080, 1089 146, 309, 385, 389, 416
Korrelationskoeffizient...................... 704 kardiopulmonale ........................... 92
Kosten- und Leistungsrechnung ........ 667 Leistungsflussdichte ......................... 805
Kraftausübung ........... 251, 254, 255, 952 Leistungsgerechtigkeit ...................... 634
asymmetrische ............................ 958 Leistungsgrad ............672, 674, 675, 676
Krafterzeugung, menschliche ........... 228, Leistungsgradbeurteilung ......... 671, 675
237, 256, 265, 266, 952, 960 Leistungsinterdependenz .................. 470
Kräfte, zulässige ........................ 251, 953 Leistungsmotiv ......................... 185, 758
Kräfteatlas ........................... 92, 252, 255 Leistungswandlung ........................... 151
Krankheitserreger .............................. 908 Leistungszulage ........................ 658, 659
Kreislaufregulation ............................ 276 Leitkomponenten .............................. 931
Kumulationseffekt ............................. 937 Leitmerkmalmethode .............. 951, 1134
Kurven gleicher Lautstärke ....... 340, 776 Leittextmethode ........................ 177, 178
Kurzzeitgedächtnis .... 127, 228, 367, 375 Lernen...................4, 131, 175, 181, 372,
KVP-Gruppen ........... 500, 502, 545, 548 386, 484, 509, 520, 522, 1023, 1150
Lampen ............................................. 895 Lernen im Prozess der Arbeit ... 509, 514
Langfeldskala .................................... 982 Lernförderlichkeit ................. 1081, 1089
Längsdisparation ............................... 330 lernfördernde Aufgaben .................... 508
Längsschnittstudien ........................... 122 Lerninsel ........................................... 502
Langzeitgedächtnis ........... 127, 295, 366, Lernkurve ......................................... 175
369, 372, 376, 388 Lernleistung
Lärm .................. 341, 343, 394, 772, 936 motorische .................................. 388
Lärmbereiche .................................... 789 Lernphase ......................... 310, 373, 387
Lärmexpositionspegel ............... 783, 784
1184 Arbeitswissenschaft

Lernprozess ................................ 88, 131, Menschenbild ........................ 14, 16, 18,


170, 172, 175, 181, 374 20, 21, 22, 23, 25
Lernresultat ....................... 172, 175, 181 Menschengerechtheit .......................... 63
Lernvorgänge .................................. 1089 mentales Modell ......375, 971, 977, 1002
Leuchtdichte .................... 325, 889, 1082 Menü.......... 979, 1079, 1081, 1084, 1086
Leuchtdichte-Kontrastverhältnis ..... 1083 Merkmalsextraktion .................. 290, 336
Leuchtdiode....................................... 897 Messtechnik, physiologische .............. 55
Leuchten............................................ 898 Messung
Leuchtstofflampen............................. 897 der Luftfeuchtigkeit .................... 872
Lichtausbeute .................... 886, 895, 898 der Lufttemperatur ...................... 872
Lichtbedarf ........................................ 123 von Dämpfen .............................. 925
Lichtfarbe .................................. 892, 895 von Gasen ................................... 925
Lichtstärke......... 315, 850, 887, 889, 891 von Lärm .................................... 796
Lichtstärkeverteilungskurven ............ 899 von Stäuben ................................ 924
Lichtstrom ......................................... 887 von Strahlung ............................. 836
Lidschluss ................................. 406, 407 Messverfahren
Linienstelle ........................................ 437 chemische ............................. 56, 924
Linked Employer-Employee-Datensatz .. physikalische ............... 56, 780, 796,
132 836, 872, 892, 924
Logfiles ........................................... 1074 psychophysiologische ........... 56, 396
Logistikinsel ...................................... 543 Methode des Lauten Denkens ... 54, 1075
Lohn .................................................. 633 Methoden zur leistungsabhängigen
Lohnkosten ........................................ 631 Entgeltdifferenzierung ................ 651
Luftfeuchtigkeit ......... 861, 862, 871, 872 Methods-Time-Measurement............ 459
Luftgeschwindigkeit .......................... 862 Migration .......................................... 108
Luftgrenzwert .................................... 932 Minimalreaktionszeit ........................ 388
Luftschall .......................................... 772 Mitarbeitergespräch .......... 556, 658, 663
Lufttemperatur ................. 352, 861, 862, Mitbestimmung....31, 497, 556, 609, 755
871, 872 Mittelungspegel ................................ 783
magnetische Feldstärke ..................... 807 Mixed Reality ................................... 973
magnetische Flussdichte.................... 807 MKS ............................................... 1102
Makros .................................. 1079, 1094 MMH-Verfahren ............................... 688
Management by Objectives (MbO) ... 661 MMZ-Verfahren ............................... 689
Managementinformationssysteme ..... 667 Mnemotechniken .............................. 372
Managementteam .............................. 503 Modalität ........... 298, 313, 344, 357, 367
Marktgerechtigkeit ............................ 634 Modell der multiplen Ressourcen .... 298,
Marktorientierte Organisation ........... 449 972, 1006
Maschinensteuerung ........................ 1105 Modelle menschlicher Informations-
Matrixorganisation .... 446, 451, 452, 503 verarbeitung................................ 286
maximale Sauerstoffaufnahme .. 118, 129 Monotonie.................196, 293, 393, 439,
Maximaler Arbeitsplatz-Konzentrations- 480, 485, 506, 630, 1024
Wert (MAK) ............... 928, 929, 932 montagespezifischer Kraftatlas ... 92, 255
Maximalkräfte .................... 91, 244, 246, MOST (Maynard Operation Sequence
254, 285, 952 Technique).................................. 697
Mehrarbeit ........................ 166, 580, 585, Motivation ..................88, 182, 183, 193,
606, 612, 614, 618 393, 435, 506, 511, 512, 521, 529,
Mehrkörpersimulation (MKS) ......... 1102 531, 536, 735, 761
Mehrlinienorganisation ............. 445, 451 Motivationstheorien .......................... 184
Mensch-Arbeits-Beziehung ................. 64 Bedürfnis-Motiv-Wert-Theorien 184
Mensch-Maschine Schnittstelle ........ 949, Inhaltstheorien ............................ 184
969, 1145, 1148, 1149 kognitive Theorien der Zielwahl 186
Index 1185

Prozesstheorien ........................... 184 Nebel ................................ 909, 918, 923


volitionale Theorien der Ziel- Nebentätigkeit................................... 668
realisierung ........................... 187 negative Rückkopplung .................... 385
Zielsetzungstheorie ..... 187, 512, 661 Nerv .................................................. 820
Motive ......... 87, 131, 182, 183, 184, 185 Nervensystem
motorisches System................... 381, 407 parasympathisches ...................... 396
MTM-Normleistung .......................... 669 sympathisches............. 294, 396, 408
MTM-Verfahren (Methods-Time Nervenzelle ....................................... 819
Measurement) ............................. 697 NET .................................................. 868
MTMergonomics ............................ 1138 Netzhaut..... 298, 317, 324, 326, 335, 406
multimodale Schnittstelle .................. 972 neuronale Programme ....................... 384
Multimomentaufnahme ............. 676, 690 Neurotizismus ........................... 112, 115
Multimoment-Häufigkeits-Zähl- Neutronenstrahlung .......................... 806
verfahren (MMH-Verfahren) ...... 676 Niveaubeispiel .................................. 650
Multimoment-Hauptformel ............... 690 Niveaustufe ............................... 172, 179
Multimomentstudie ................... 687, 690 Noradrenalin ..................................... 409
Multimomentverfahren.............. 671, 675 Normaleffektivtemperatur ................ 868
Multimoment-Zeit-Messverfahren Normalleistung ................................. 669
(MMZ-Verfahren) ....................... 676 Normalverteilung .............................. 679
Muskel ..................... 233, 309, 310, 318, Numerical Control .......................... 1146
348, 381, 383, 384 Nutzungskontext ...........970, 1065, 1071,
Muskel- und Skeletterkrankungen..... 756 1112
Muskelaktivität.................. 259, 349, 404 Oberflächensinn ................................ 346
Muskelanatomie ........................ 233, 230 Objektgrößen-Differenzen ................ 326
Muskelarbeit Objektivität ......................................... 57
Ausdauer ............................. 200, 966 Offenheit ................................... 113, 115
dynamische ......................... 225, 230 Off-Zentrum ..................................... 320
Erholungszuschläge ............ 249, 969 Ohr ............................298, 313, 338, 341
Formen von ................................. 226 Ohrmuschel....................................... 343
schwere dynamische ................... 225 olfaktorisches System ............... 314, 351
statische....................... 224, 230, 957 One-Piece-Flow ........................ 481, 482
Muskelermüdung .............................. 259 On-Zentrum ...................................... 320
Muskelenergetik ................................ 235 Operative Abbildsysteme (OAS) 44, 387
Muskelerregung ........................ 235, 260 optimale Handgelenkstellung ......... 1039
Muskelfaser ....... 233, 349, 381, 384, 404 optimaler Beinraum ........................ 1038
Muskelgewebe .................................. 829 optimaler Greifraum ....................... 1038
Muskelkraft ........................ 91, 130, 151, optimaler Sehraum .......................... 1038
233,237, 240, 242, 389 Ordnungsmodelle................................ 27
Ermittlungsverfahren .. 248, 249, 250 Organigramm .................................... 437
maximale isometrische................ 248 Organisation ............................. 433, 495
Muskelspindelrezeptor ...................... 384 der Produktion ............................ 476
Muskelsystem.................................... 233 der Produkt- und Prozess-
Muskelzelle ....................... 235, 381, 819 entwicklung .......................... 485
Muskulatur ........................ 233, 308, 937 funktionaler Begriff .................... 434
Mutterschutz.............................. 735, 932 im Dienstleistungs- und Service-
Mutterschutzgesetz............................ 931 bereich .................................. 488
NASA Task Load Index .................... 416 institutioneller Begriff ................ 435
Nachtarbeit ........ 170, 575, 588, 597, 734 konfigurativer Begriff................. 434
Nationalität ........................................ 108 Organisationsentwicklung ........ 111, 549
Natriumdampf-Hochdrucklampen..... 898 Organisationsstruktur........ 434, 438, 761
Natriumdampf-Niederdrucklampe .... 897 orientierende Verfahren ...................... 61
1186 Arbeitswissenschaft

Orientierungsreaktion ................ 397, 401 Planzeitsystem .................. 699, 701, 706


Ottawa-Charta ........................... 753, 755 Pluralistic Usability Walkthrough... 1073
Outsourcing ............................... 469, 630 PMV-Index ....................................... 867
P4 SR-Index ...................................... 870 Podeste............................................ 1047
paarweiser Vergleich ......................... 646 Polardisplay .............................. 998, 999
Pädagogik ............................................ 18 Positionssystem ................................ 312
Arbeits- ......................................... 18 Positivdarstellung ............................. 988
Pandämonium............................ 336, 337 Power Law of Practice ...................... 175
PAQ .................................................... 58 PPD................................................... 868
Parallaxe............................................ 330 pragmatische Ebene .............. 1079, 1093
Parallelperspektive ............................ 327 Prämie ....................................... 656, 657
Partizipation .................. 5, 147, 505, 520 Prävention ......................... 133, 730, 754
Partizipatives Produktivitäts- Verhaltens- ................................. 754
management ................................ 520 Verhältnis- .................................. 756
Pausen ......... 66, 195, 202, 575, 587,603, praxeologische Ansätze ...................... 12
734, 881, 968 Predicted Mean Vote ........................ 867
Pausenregelung ........................ 269, 557, Predicted Percentage of Dissatisfied . 868
587, 592, 965 Predicted-Four-Hour-Sweat-Rate-
Pedalkräfte ........................................ 957 Index........................................... 870
Performance Operating Prinzipien
Characteristic .............................. 297 der Arbeitswirtschaft .................. 629
Performance Resource Function ....... 296 der Arbeitsgestaltung ............ 69, 505
Periodentheorie ................................. 340 der ergonomischen Gestaltung ... 950
Permanent Threshold Shift ................ 779 Probenahme
Personalbedarf................................... 631 strategische ................................. 920
Personaleinsatz .................................. 631 technische ........................... 920, 923
Personaleinsatzplanung ..................... 475 Product Lifecycle Management ...... 1097
Personalintegriertes Simulations- Produktentstehungsprozess ................ 74,
modell ......................................... 475 488, 534, 1130, 1132
Personalkapazität .............................. 631 Produktentwicklung ........... 72, 458, 485,
personenbezogene Analyse- 665, 1109
Verfahren ...................................... 60 virtuelle .................................... 1097
personenbezogene Intervention ......... 755 Produktentwicklungsprozess ..... 73, 474,
persönlich bedingtes Unterbrechen 485, 1097, 1110
der Tätigkeit ................................ 669 Produktgestaltung ........................... 1108
Persönlichkeit .................................... 112 Produktgestaltungsprozess
Persönlichkeitsentfaltung ... 3, 59, 66, 72, benutzerorientierter .................. 1111
114, 514, 516, 527 technikorientierter .................... 1114
Persönlichkeitsentwicklung .... 59, 70, 72, Produktionsergonomie .................... 1130
115, 160, 514, 759 Produktionserhöhung ........................ 580
Persönlichkeitsförderlichkeit ............... 65 Produktionsgestaltung..................... 1129
Perspektive ........................................ 327 Produktionsplanung .......................... 666
Petri-Netze ........................................ 463 Produktionssteuerung ....................... 666
Photorezeptor .................................... 318 Produktionssystem ............................ 482
physikalische Ebene ........................ 1078 Produktivität .............2, 6, 117, 130, 132,
physikalische Stoffeigenschaften ...... 912 436, 438, 466, 479, 504, 507, 520,
physiologische Arbeitskurve ............. 168 526, 545, 579, 622, 632, 753, 761,
physiologische Größen ........................ 55 1077, 1131, 1141
Planungsinsel .................................... 540 Produktlebenszyklus ....................... 1098
Planzeiten .................................. 671, 702 Produktorientierte Organisation ........ 449
Planzeitermittlung ..................... 702, 705 Produktsicherheit ...................... 731, 741
Index 1187

Profit-Center...................................... 449 mit getrennter Gewichtung ......... 642


Projekt ....................................... 452, 705 Rationalisierung ................................ 6, 7
Projektgruppe ............................ 500, 502 Rationalisierungsprinzipien .............. 629
Projektierungsinsel ............................ 543 Rauche .......................908, 913, 918, 923
Projektorganisation ........................... 452 räumliche Gestaltung ...1028, 1030, 1043
Projektteam ....................... 500, 502, 515 Raumwahrnehmung .......................... 341
Propriozeptor..................................... 313 Raumwinkel ...................................... 888
Protonenstrahlung ............................. 806 Reafferenzprinzip ............................. 387
Prototypen ....................................... 1073 Reaktion.....................298, 313, 337, 367
Prototyping ...................................... 1097 ballistische .................................. 386
Rapid ......................................... 1105 biologische ......................... 818, 829
Prozessbegleiter ................................ 553 defensive ............................ 397, 400
Prozessmodellierung ......................... 699 motorische .......................... 385, 388
Prozessoptimierung ........................... 466 physiologische ............ 397, 778, 794
Business Process Reengineering . 466 psychische .................................. 392
heuristische ................................. 467 stereotype ........................... 382, 384
Kontinuierlicher Verbesserungs- vegetative ................................... 350
prozess .................................. 466 Reaktionsvermögen .......................... 174
simulationsgestützte .................... 472 Reaktionszeit ..... 128, 287, 310, 388, 411
Prozessorganisation ................... 447, 451 REBA ................................................. 59
Prozessplanung................................ 1101 Receiver Operating Characteristic .... 304
Prozesszeitanzeige........................... 1083 rechnerisch-analytische Verfahren.... 671
Psychologie ......................................... 21 Rechtswissenschaft ............................. 20
Arbeits- ......................................... 21 Redundanz ................................ 306, 977
Organisations- ............................... 21 REFA-Normalleistung ...................... 669
psychophysiologische Indikatoren ..... 56, Reflex ....................................... 354, 384
396, 1074 Reflexion .................................. 829, 889
Pupille ............................................... 405 Reflexionsgrad .................................. 889
Pupillendurchmesser ......................... 405 Regelabweichung.............................. 308
Quadrantenskala ................................ 982 regelbasiertes Verhalten.......... 290, 1003
Qualifikation ......... 87, 88, 130, 170, 631 Regelkreis ......................... 308, 384, 389
affektive ...................... 172, 173, 174 Regelstrecke ..................... 308, 309, 390
kognitive ..................... 172, 173, 174 Regelung
sensumotorische .......... 172, 174, 175 der Bewegung ............................. 384
soziale ......................................... 173 stabile ......................................... 309
Qualifikationsdimensionen................ 172 regelungstechnische Menschmodelle 308
Qualifikationsmerkmale .................... 173 Regler ............................... 308, 312, 390
Qualifikationsprofil ................... 553, 631 Mensch als .................................. 308
Qualifizierungsmaßnahmen ...... 176, 529 Regressionsanalyse ........... 671, 702, 706
Qualifizierungsmatrizen .................... 630 Regulation
Qualitätssicherung, rechner- Antriebs- ....................................... 87
unterstützte ................................ 1105 Ausführungs- ................................ 87
Qualitätszirkel ........... 500, 502, 533, 545 automatisierte ............................... 49
Quality Gate .................................... 1130 intellektuelle ................................. 49
Quecksilberdampf-Hochdrucklampen ..... perzeptiv-begriffliche ................... 49
898 psychische ...................... 31, 43, 290
Querdisparation ......................... 330, 331 Regulationsebenen .............. 49, 290, 387
Querschnittstudien ............................ 122 Regulationsebenenmodelle ....... 289, 361
Radio-Button ................................... 1084 Rehabilitation ................... 149, 156, 721
Rangfolgeverfahren ................... 640, 646 berufliche.................................... 156
Rangreihenverfahren ................. 640, 642 Reichhöhe ....................................... 1038
1188 Arbeitswissenschaft

Reichweiten..................................... 1029 Schädigung ........................ 42, 148, 195,


Reihenfertigung ................................. 477 207, 283, 733, 779, 795, 801, 822
Reihung ............................................. 639 akute ................................... 779, 916
Reizintensität..................................... 313 chronische .......................... 779, 916
Reizschwellenintensität ..................... 315 Schädigungslosigkeit ............ 65, 67, 770
Reizstärke .......................................... 315 Schadstoffbelastung .......................... 922
Reiztransformation ............................ 316 Schablonenmodelle ........................... 336
Rekrutierung.............................. 235, 382 Schadstoffe ....................................... 910
Reliabilität ........................................... 57 Schall ................................................ 772
Renten ............................................... 117 Schalldämmung ................................ 785
Resistenz, psychophysiologische ........ 41 Schalldämpfung ................................ 785
Respirationsmaß ................................ 401 Schalldruck ....................................... 773
Ressource effektiver .................................... 773
multiple ....................... 298, 299, 413 Schalldruckpegel .............................. 773
räumliche .................................... 298 bewerteter ................................... 781
verbale ........................................ 298 energieäquivalenter .................... 783
Ressourcenmodelle, multiple ............ 298 Schalleistungspegel .......................... 774
Retina ........................................ 318, 405 Schallintensität ................................. 773
Rezeptor .... 313, 318, 345, 351, 384, 388 Schallintensitätsmessung .................. 780
RHIA ................................................... 59 Schallintensitätspegel ....................... 774
rhythmische Kontrolle von Schallleistung ................................... 773
Bewegungen ............................... 385 Schallpegel ....................................... 773
Rhythmus .................................. 300, 386 Schallpegelmesser ............................ 780
Richtbeispiele .................................... 642 Schaltfläche ............................ 985, 1016
Richtungshören ................................. 992 Schattierung ...................................... 327
Risikobewertung ............................... 731 Scheitelfaktor .................................... 790
Röntgenstrahlung .............................. 816 Schichtarbeit ..................... 578, 594, 596
Rückenlehne .......................... 1047, 1051 Schmerz .................................... 316, 350
Breite ........................................ 1051 -empfindung ....................... 207, 350
Höhe.......................................... 1051 -grenze ........................ 316, 773, 774
Rückenmark ...................... 381, 384, 404 -mediatoren................................. 350
Rückkopplung .......... 291, 384, 385, 391, -sinn .................................... 316, 346
393, 399, 464, 516, 993 -wahrnehmung ............................ 314
Rufbereitschaft .................................. 614 Schnittstellengestaltung,
Ruhestand .......................................... 120 ökologische.... 978, 1001, 1004, 1005
Ruhezeit ............................................ 588 Schriftgröße .................................... 1082
Rumpfstellung ................................. 1050 Schutzstufenkonzept ......................... 927
Rundgangshäufigkeiten ..................... 686 schwach strukturierte Prozesse ......... 473
Rundgangsplan .................................. 685 Schwangerschaft ............................... 932
Rundskala .......................................... 982 Schwerbehindertenquote................... 151
Rüst- und Nebenzeiten ...................... 581 Schwerbehindertenrecht ................... 150
Rüsten ............................................... 670 Schwerbehinderung .................. 150, 736
Rüstzeitstudien .................................. 676 Schwingungen
Sabbatical .......................................... 612 Ganzkörper-................................ 790
Sakkade ............................................. 406 Hand-Arm- ................................. 790
Salutogenese...................................... 133 mechanisch ................................. 790
Sammelphase .................................... 923 Schwingungsfrequenz ....................... 790
Sättigung ........................................... 322 Schwingungsisolation ....................... 803
SAZ ................................................... 190 aktive .......................................... 803
passive ........................................ 803
Index 1189

Schwingungsschutz ........................... 802 Simultaneous Engineering .............. siehe


Screeningverfahren ............................. 61 Concurrent Engineering
Seattle-Längsschnittstudie ................. 130 Sinnesorgan ..............224, 227, 292, 308,
Segmentmodelle .................................. 28 313, 314, 317, 366, 970, 1020, 1022
Sehachsen ........................................ 1039 Situationsbewusstsein .............. 375, 976,
Sehbereiche ..................................... 1039 1021, 1024
Sehfähigkeit .............................. 123, 125 Sitzfläche .............................. 1047, 1051
Sehrichtung ............................... 987, 988 Sitzstellung ..................................... 1049
Sehschärfe ................................. 324, 325 Sitzwinkel ....................................... 1049
Sektorskala ........................................ 982 Skala
Selbstaufschreibung ............ 54, 676, 677 bewegte .............................. 980, 981
Selbstbeschreibungsfähigkeit ......... 1076, feste .................................... 980, 981
1080 Skelett- und Umrissmaße ................ 1029
Selbsteinstellung ............................... 309 Skelettsystem .................................... 281
Selbstregulation ......... 510, 521, 528, 530 SMART-Formel................................ 663
Selektion ........................................... 133 Software
semantische Ebene ................ 1079, 1090 -ergonomie ..................... 1077, 1081
semiotisches Modell .... 1078, 1079, 1081 Evaluation von.......................... 1094
Sensibilisierung ......................... 915, 928 Funktionen................................ 1091
Sensibilität......................... 313, 346, 391 Objekte ..................................... 1093
sensorische Modalitäten .................... 314 Soll-Zeitdaten ................................... 666
sensorische Rückkopplung ................ 384 Soll-Zeiten ........................ 665, 669, 696
sensorischer Speicher ................ 366, 367 Somatografie................................... 1057
sensumotorische Eigenschaften ......... 118 computergestützte ........... 1057, 1060
sequentielle Modelle menschlicher Schablonen- .............................. 1057
Informationsverarbeitung ............ 287 Video-............................. 1057, 1059
Kaskadenmodelle ........................ 289 Sonn- und Feiertagsruhe ................... 589
Regulationsebenenmodelle ......... 289 soziale Gerechtigkeit ........................ 634
Subtraktionsmethode................... 288 Sozialverträglichkeit ........................... 67
Shutterbrille............................... 989, 990 Soziologie ........................................... 16
Sicherheitstechnik Arbeits- ......................................... 16
hinweisende ................................ 743 Berufs- .......................................... 17
mittelbare .................................... 743 Betriebs- ....................................... 16
unmittelbare ................................ 743 Bildungs- ...................................... 17
Sichtanzeige ...................... 976, 979, 994 Industrie- ...................................... 16
Analoganzeige .................... 980, 981 Organisations- .............................. 17
Bildschirmanzeige ...................... 985 Technik- ....................................... 17
Digitalanzeige ..................... 980, 983 Wirtschafts- .................................. 18
für Virtuelle Umgebungen .......... 989 soziotechnischer Systemansatz ........ 435,
Hybridanzeige ............................. 984 513, 528, 759
mobile ......................................... 991 Speed Accuracy Trade-Off ............... 411
Sichtmaße ........................................ 1029 Spektralverfahren.............................. 895
Sichträume ...................................... 1037 Spezialisierung ................................. 438
Signalentdeckungstheorie......... 300, 301, Spinalmotorik ................................... 384
302, 393, 977 Sprache ............................................. 390
Signal-Rauschverhältnis .................... 358 Spracheingabe....................... 1016, 1086
Simulation ......................................... 472 Sprachschalldruckpegel .................... 777
aktororientierte ............................ 475 S-R-Kompatibilität ........................... 971
personalorientierte....................... 475 Stäbchen ........................... 313, 318, 324
prozessorientierte ........................ 475 Stab-Linien-Organisation ......... 446, 451
Simulationsstudie .............................. 474 Stabsstelle ......................................... 437
1190 Arbeitswissenschaft

Standardisierung....... 440, 505, 531, 630, Strukturdimensionen der


699 Organisation ............................... 438
Stanford-Binet-Test ........................... 136 Delegation .................................. 442
statische Arbeit .................................. 238 Formalisierung ........................... 440
statische Haltearbeit .................. 225, 231 Konfiguration ............................. 441
statische Haltungsarbeit............. 225, 231 Spezialisierung ........................... 438
statische Kontraktionsarbeit .............. 231 Standardisierung ......................... 440
Staub ......................... 908, 913, 917, 923 Strukturebene ...................................... 28
allergisierende ............................. 918 Stückakkord ...................................... 657
ätzende ........................................ 918 Stufenmodelle menschlicher Infor-
inerte ........................................... 918 mationsverarbeitung ................... 287
kanzerogene ................................ 918 Stufenwertzahlverfahren ........... 640, 644
radioaktive .................................. 918 Stufung ............................................. 639
toxische ....................................... 918 Stützmotorik ..................................... 384
Staubanteil......................................... 913 subjektive Wahrscheinlichkeit .......... 365
Stehhilfen ........................................ 1054 Subtraktionsmethode ........................ 288
Stelle ................................................. 436 Superposition .................... 912, 917, 936
Stellteile ...................... 1007, 1048, 1052 Supervisory Control ........................ 1023
stereoskopische Darstellung .............. 989 erweitertes Modell .................... 1150
stereoskopische Parallaxe .................. 332 Funktionen................................ 1146
Steuerbarkeit ......................... 1076, 1080 Supportprozess (Stützprozess) .......... 460
Steuerknüppel.................................. 1015 syntaktische Ebene ............... 1079, 1086
Stevens‘sche Potenzfunktion............. 315 Systemantwort ................................ 1089
Stillstandszeiten ................................ 676 Systeme vorbestimmter Zeiten ........ 668,
Stimulus ............ 316, 340, 354, 367, 406 671, 674, 696, 698
Stoffgemische............................ 929, 935 Systemkonzeption ........................... 1097
Stoffkonzentrationen ......................... 915 Tablet-PC........................................ 1085
Stoffwechsel ...................................... 266 TAI ..................................................... 58
Strahlenexposition ............................. 852 Tarifvertrag ......................................... 20
Strahlenschäden Task-Forces ...................................... 537
genetische ................................... 834 Tastatur ........................................... 1012
somatische................................... 834 Tastsinn ............................................ 346
Strahlung ........................................... 863 Tätigkeitsbewertungssystem ............... 59
elektromagnetische ..................... 807 Tätigkeitsspielraum .......................... 509
hochfrequente.............................. 814 Tätigkeitszeiten..........670, 696, 698, 699
infrarote............................... 815, 832 TBS............................................. 59, 515
ionisierende ................................. 816 Teamarbeit ........................................ 495
kosmische ................................... 817 Teamdiagnose ................................... 555
Laser- .......................................... 832 Teameffektivität................................ 516
nichtionisierende ......................... 806 Teameffektivitätsmodelle ................. 516
niederfrequente ........................... 812 Teamführung ............................ 520, 524
optische ....................................... 815 Teamgestaltung................................. 519
radioaktive .................................. 817 Technische Regel für Gefahrenstoffe
ultraviolete .................................. 815 (TRGS) ............................... 921, 932
Strahlungsenergie .............................. 805 teilautonome Arbeitsgruppen ... 497, 501,
Strahlungsleistung ............................. 805 526, 527, 762
Streubreiten der Körpermaße .............. 94 teilautonome Gruppenarbeit ..... 498, 762
Streuzahlverfahren ............................ 674 Teilbeanspruchung.............................. 40
Strömungsmechanik Teilbelastung ................................ 39, 40
numerische ................................ 1104 Teilzeitarbeit ..................................... 617
Strömungssimulation....................... 1103
Index 1191

Telearbeit .......................................... 616 Tests ......................................... 1069


alternierende ............................... 617 User-Test .............................. 1070, 1074
Temperaturempfindung ..................... 350 Useware Engineering ...................... 1066
Temperaturregulation ........................ 822 Validität .............................................. 57
Temperatursinn ......................... 346, 350 Varianz ............................................. 679
Temperaturstrahler .................... 896, 897 Variationszahlverfahren .................... 674
Temporary Threshold Shift ............... 777 VERA ................................................. 59
Terminkontrolle ................................ 665 Veränderungsprozess ........................ 549
Terminplanung .................................. 665 Verarbeitungskapazität ..................... 295
Terminsteuerung ............................... 665 Verarbeitungsprozess
Tessellierung ................................... 1100 perzeptueller ............................... 298
Theorie-Praxis-Verhältnis ................... 10 zentraler ...................................... 298
Thermischer Widerstand ................... 868 Verarbeitungsstufe ................... 287, 295,
Thermoregulation ...................... 865, 937 297, 340, 349
Thermorezeptoren ..................... 831, 871 Verdeckung............................... 327, 983
Theta-Wellen..................................... 403 Verdunstung ..................................... 863
Thinking Aloud ............................... 1095 Vereinbarkeit von Familie und
Tiefensensibilität ............................... 346 Beruf..................................... 96, 105
Tiefensinn ................................. 346, 348 Vererbungstheorie ............................ 144
Toleranz .......................................... 1080 Verfahren nach Burandt / REFA /
TOTE-Einheit...................................... 46 Schultetus ................................... 251
Totzeit ............................................... 310 Vergessen ................................. 371, 388
Touchscreen .......................... 1015, 1085 Vergleichen....................................... 671
toxische Eigenschaften ...................... 910 verhaltensorientierte Intervention ..... 757
Toyota Produktionssystem ....... 482, 530, verhältnisorientierte Intervention ...... 757
545 Verlaufsebene ..................................... 28
Training ..................................... 129, 177 Verstellbarkeit der Arbeitsplatz-
trait .................................................... 112 elemente ................................... 1047
Transparenz ..................................... 1080 Verteilzeit ......................................... 670
Tremor .............................................. 404 Verteilzeitstudien .............................. 678
Überbaumodelle .................................. 27 Verteilzeitzuschläge.......................... 678
Überforderung .................. 361, 379, 380, Verträglichkeit .......................... 113, 115
410, 412, 977 Vertrauensbereich ............................. 682
Übermüdung.............................. 195, 207 Vertrieb ............................................. 665
Umblickfeld .................................... 1039 Vertriebsinsel .................................... 543
Umblickgesichtsfeld ........................ 1041 Verzögerungsverhalten ..................... 310
Umgebungseinflüsse ......................... 769 Vestibulärsystem .............................. 345
Umgebungseinflussfaktor.................. 790 Vibrationsbedingte Knochen- und Ge-
Umgebungstheorie ............ 144, 145, 146 lenkerkrankungen ....................... 795
Unified Modeling Language (UML) . 462 Vibrationsschutzhandschuhe ............ 804
Unterbrechung der Tätigkeit Videoaufnahmen ............................. 1074
störungsbedingte ......................... 668 Videookulografie (VOG) .................. 405
ablaufbedingte............................. 668 VIE-Modell....................................... 187
Unterforderung .......... 361, 379, 393, 410 Vier-Stufen-Methode ........................ 177
Untergestell ..................................... 1053 Vigilanz ............................................ 356
Unterschiede, interindividuelle ........... 87 Virtual Reality ................................ siehe
Unterstützungssystem ..................... 1027 Virtuelle Umgebung
Usability ................................ 1064, 1065 Virtuelle Umgebung ......................... 973
Engineering ..................... 1066, 1067 Erweiterte Realität ...................... 974
Inspection.................................. 1095 Virtuelle Realität .... 974, 1082, 1086
Labor ......................................... 1069 virtuelles Team ................................. 503
1192 Arbeitswissenschaft

Visualisierung ........................... 994, 995 Wirkungsbetrachtung........................ 935


visuelles Moment ............................ 1000 Wirkungsgleichheit ........................... 936
Volkswirtschaftslehre .......................... 14 Wirkungsgrad ... 237, 248, 269, 275, 950,
Vollständigkeit .......... 508, 513, 514, 551 960
hierarchische ............................... 509 Wirkungsverstärkung........................ 936
sequentielle ................................. 508 Wirtschaftlichkeitsprinzip..................... 6
Vorgabezeitbestimmung.................... 678 Wirtschaftswissenschaften .................. 14
Vorgabezeiten ................... 667, 670, 676 wissensbasiertes Verhalten ..... 290, 1003
Vorgänge Zapfen....................................... 313, 318
antriebsregulatorische ................... 49 Zeiger....... 980, 981, 982, 983, 998, 1048
ausführungsregulatorische ............ 49 Zeigergeräte .................................... 1015
Vorgangselemente ............................. 696 Zeitakkord......................................... 657
Wahlreaktionszeit.............................. 288 Zeitarten............................................ 669
Wahrnehmung Zeitaufnahme .................... 671, 672, 705
auditive ....................................... 338 Zeitaufnahmebogen .......................... 672
Beschleunigungs- und Lage- ....... 345 Zeitbewertung ................................... 780
Geschmacks- und Geruchs- ........ 351 Zeitdaten ........................................... 665
haptische ..................................... 346 Zeitdatenermittlung .......... 665, 669, 671
Lautstärke- .................................. 339 Zeiteinflussgrößen .................... 701, 707
Oberflächen- und Tiefen- ............ 346 Zeitfenster-System ............................ 616
Tonhöhen- ................................... 339 Zeitgliederung................................... 670
visuelle ........................................ 317 Zeitgrad ............................................ 656
Wahrnehmungsnähe .................. 995, 996 Zeitkonstante, neuromuskulär ........... 310
Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion .. 693, Zeitmessung ...................................... 672
1030 Zeitstandards..................................... 629
Wärmeaustausch ....................... 863, 875 Zeitstudie .......................... 657, 667, 672
Wärmebilanz ..................................... 864 Zeitwirtschaft .................................... 664
Wärmeentwicklung ........................... 821 Zentraler Grenzwertsatz.................... 678
Wärmeleitung .................................... 863 Zentralisationsgrad ........................... 443
Wärmeregulation ............... 267, 864, 876 Zentralnervensystem (ZNS) .............. 381
Wärmestrahlung ........................ 862, 873 Zentralperspektive ............................ 328
Wärmeübergangskoeffizient ............. 863 Ziele .......................................... 187, 663
Warnhinweis ............................. 976, 993 Zielmotorik ....................................... 382
Warnsignal ................ 777, 976, 984, 992 Zielsetzungstheorie ........... 187, 512, 661
Warnung .......................... 752, 977, 1129 Zielvereinbarung .......512, 513, 520, 525,
Wartezeit ........................................... 670 555, 630, 651, 661
WBGT-Index .................................... 878 Zifferngröße ...................................... 984
Weber-Fechner‘sche Gesetz .............. 315 Zirkadiane Rhythmik ........................ 167
Weißfingerkrankheit ......................... 795 Zubereitungen ............739, 907, 920, 926
Weiterbildung..... 19, 104, 131, 134, 157, Zufriedenheit .... 63, 67, 73, 88, 188, 512,
171 1065, 1074
Wellenlänge .............................. 322, 338 Zugriffszeit ....................... 289, 310, 387
Werkstätten für behinderte Menschen Zumutbarkeit ........................ 63, 67, 951
(WfbM) ....................................... 158 zusätzliche Tätigkeiten ..................... 668
Werkstättenfertigung ......................... 476 Zusatzurlaub ..................................... 166
werktägliche Arbeitszeit.................... 587 Zwei-Ebenen Intensitäts-Skala
Werkvertrag .......................................... 2 (ZEIS)......................................... 416
Wertschöpfungskette ......................... 448 Zweifachaufgabe .............................. 412
WF-Verfahren (Work-Factor) ........... 697 Zweitaufgabe .................................... 297
Wirkung radioaktiver Strahlung ........ 835

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