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Origo gentis
Identitäts- und Legitimitätsstiftung
in früh- und hochmittelalterlichen
Herkunftserzählungen
^ym
Akademie Verlag
Gedruckt mit Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung
für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein
ISBN-13: 978-3-05-004260-2
ISBN-10: 3-05-004260-5
ISSN 1438-7689
Vorwort.9
I. Einleitung.n
A. „Origo gentis" als Thema der Forschung.13
l.Begriffe: gens und „Origo gentis".13
2.„Origo gentis", Ethnogenese und mündliche Überlieferung.18
3.Bisherige Forschung zur Gattung „Origo gentis".24
B. Auswahl der Autoren.27
C. Vorgehensweise.32
D. Die Herkunft der Könige von Wessex nach der Angelsächsischen Chronik.107
B. Fredegar.147
1.Herkunft und Hintergrund des Fredegar und seiner Chronik.147
2.Die Origo der Franken bei Fredegar.151
3.Das Bild der Könige und der Großen bei Fredegar.155
4.Das Bild der Hausmeier bei Fredegar.163
5.Bezeichnung der Franken bei Fredegar.166
6.Abgrenzung der Franken von anderen gentes.168
7.Zusammenfassung.171
5
G.Ausblick.377
VIII. Abkürzungsverzeichnis.379
IX. Verzeichnis der Quellen.380
A. Lexika.385
B. Lexikonartikel.385
Ortsregister.442
Personenregister.444
Vorwort 9
Vorwort
Die vorliegende Arbeit ist die geringfügig veränderte Fassung meiner Habilitations-
schrift, die im Sommersemester 2004 von der Philosophischen Fakultät der Universität
Bonn angenommen wurde. Ihre Entstehung wäre ohne die Mithilfe und Unterstützung
vieler Menschen, denen ich an dieser Stelle meinen Dank aussprechen möchte, nicht
möglich gewesen.
An erster Stelle danke ich Prof. Dr. Matthias Becher, der mir stets Mut gemacht hat,
daß das umfangreiche Thema, das ich mir vorgenommen hatte, zu bewältigen sei, mir
mit zahlreichen Diskussionen bei der Durchdringung der Materie geholfen hat und mir
an seinem Lehrstuhl eine Arbeitsstelle bietet, deren angenehme Atmosphäre von Kolle-
gialität geprägt ist. Daß ich Gelegenheit hatte, diese Arbeit zu schreiben, schulde ich
nicht zuletzt seiner Einstellung zum Thema Zeit- und Arbeitsmanagement, die mir im-
mer die wichtigen Freiräume ließ.
Danken möchte ich auch den weiteren Gutachtern im Rahmen des Habilitationsver-
fahrens, Prof. Dr. Manfred Groten, Prof. Dr. Theo Kölzer, Prof. Dr. Winfried Schmitz
und Prof. Dr. Stefan Zimmer, die mir vielfältige Anregungen boten, die ich für die
Drucklegung der Arbeit verwenden konnte.
Besonders danken möchte ich auch meinem Doktorvater, Prof. Dr. Rudolf Schieffer,
der trotz seiner vielfältigen Verpflichtungen immer wieder bereit war, meine Kapitel zu
lesen und tiefergehende Überlegungen anzustoßen.
Prof. Dr. Hans-Werner Goetz, Prof. Dr. Winfried Hartmann, Prof. Dr. Peter Segl und
Prof. Dr. Helmut G. Walther haben diese Schrift in die Reihe Orbis Medievalis aufge-
nommen und sich insbesondere der Mühe unterzogen, Einleitung und Schluß zweimal
zu lesen und mich zu weiteren Verbesserungen angespornt, wofür ich ihnen sehr dank-
bar bin.
Viele meiner Freundinnen und Freunde, meine Kolleginnen und Kollegen, meine El-
tern und Geschwister und die Familie meines Mannes haben sich über viele Jahre hin-
weg die Besonderheiten der Frühmittelalterforschung im allgemeinen und Herkunftser-
zählungen im besonderen anhören müssen und sind es nie müde geworden, zuzuhören
und mitzudiskutieren. Da ich sie hier nicht alle nennen kann, möchte ich stellvertretend
nur wenige nennen: Frau Ingrid Rachen, die zuverlässig und liebevoll unsere Kinder be-
treute, Frau Mariis Heinrich, die jeden Punkt und jedes Komma prüfte, Frau Dr. Andrea
Stieldorf, die trotz ihres Aufenthaltes in Leipzig jedes Kapitel ausführlich mit mir be-
sprach, Frau Linda Dohmen M.Phil. (Cam.) für die letzte Korrektur und Markus Knipp
10 Vorwort
M.A., ohne dessen Hilfe bei Satz, Druck und Index dieses Buch wahrscheinlich noch
nicht fertig wäre. Alle verbleibenden Fehler sind selbstverständlich meine eigenen.
Die Geschwister Boehringer Stiftung und die Deutsche Forschungsgemeinschaft ha-
ben mit großzügigen Beihilfen den Druck des Bandes ermöglicht.
Mein ganz inniger Dank gilt meinem Mann, Dr. Marcus Heinrich, dafür, daß er mei-
ne Arbeit stets mit Interesse verfolgte und sich deshalb mit lateinischen Quellenzitaten
plagte und daß er mir erfrischende Einblicke in Welten bietet, die sich von der Universi-
tät sehr unterscheiden und für vieles mehr. Von tiefstem Herzen danke ich auch meinen
Kindern Susanne und Konrad, deren Beitrag zu diesem Buch eher als „Abhalten" denn
als „Hilfe" zu umschreiben wäre, ohne deren Existenz ich allerdings auch sehr viel we-
niger glücklich gewesen wäre. Ihnen widme ich dieses Buch.
Einleitung 11
I. Einleitung
Woher kommen wir? Diese Frage nach dem Ursprung ist eine anthropologische Kon-
stante, mit der sich viele Religionen, Mythen und auch wissenschaftliche Literatur be-
schäftigen,1 die sich aber einer letzt gültigen Antwort entzieht. Warum wollen die Men-
schen etwas über ihre Herkunft wissen? Die Antwort auf diese seltenere Frage ist
scheinbar einfach: Weil sie glauben, daß sie mit der Beantwortung der Herkunftsfrage
erklären können, wie ihre eigene Gegenwart zustande gekommen ist.
Die Erklärung der Gegenwart gibt Vertrauen in die bestehende Ordnung und Zuver-
sicht für die Zukunft, so daß Erzählungen über den Ursprung eine wichtige gesellschaft-
liche Funktion erfüllen.2 Eine Stabilisierung, die durch Herkunftserzählungen geleistet
wird, dient der Etablierung oder Bewahrung einer Gesellschaftsordnung. Daher ist zu-
nächst zu vermuten, daß Herkunftserzählungen vor allem in Zeiten der Veränderung
entstehen. Für Mediävisten war wegen der besonderen Situation in dieser Hinsicht der
Übergang von der Antike zum Mittelalter von jeher interessant.
Vgl. dazu etwa Angenendt, Adam, S. 27: Götter wie auch Welt und Menschen können überhaupt
nur 'ursprungsmythisch' gedeutet werden: Der Anfang enthält bereits die ganze Geschichte; denn
im Anfang sind die Lebenskraft wie auch die Lebensnormen ein für allemal grundgelegt worden.
In der sich verkettenden Geschlechterabfolge nimmt dieses anfanghaft-vorbildliche Leben seinen
Weg durch die Geschichte bis zur Gegenwart. In den Wechselfallen des Lebens schafft allein die
Vergegenwärtigung des Ursprungs die notwendige Identität, liefert in Auseinandersetzungen die
umstrittene Legitimität und bringt bei Gefährdung die angestrebte Rettung. Ähnlich Smith, Ethnic
Origins, S. 25f; Bowe, Migration and Mythmaking, S. 2f. Für den indoeuropäischen Bereich
Lincoln, Myth, Cosmos and Society, vor allem S. 141-169.
Zur gesellschaftlichen Funktion von Herkunftserzählungen vgl. etwa Luhmann, Gesellschaft der
Gesellschaft, Bd. 2, S. 648f; Assmann, Kulturelles Gedächtnis, S. 78-83, etwas allgemeiner über
die Funktion der geschichtlichen Erinnerung. Dies ist Bestandteil des Phänomens, das in der
Soziologie als „gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit" bekannt ist. Eine Gesellschaft
existiert nicht nur in einer Wirklichkeit, sondern erschafft sich diese auch, vgl. dazu
Beroer/Luckmann, Gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Letztlich ist es aber nur eine
Ausweitung der „Konstruktion der Realität" durch ein Individuum, die die Psychologie schon seit
längerer Zeit beschäftigt und die erfolgen muß, damit der Umgang mit der Wirklichkeit möglich
ist, vgl. dazu Schmidt, Zähmung des Blicks; Einführung in den Konstruktivismus und
Watzlawick/Krieg (Hrsg.), Auge des Betrachters.
12 Einleitung
Die barbarischen Völker oder besser gentes kamen in der Spätantike in engeren Kon-
takt mit dem römischen Reich. Da sie zu diesem Zeitpunkt selbst nur eine mündliche
Kultur hatten, erfolgte die Beschreibung dieser gentes zunächst einmal ausschließlich
ethnographisch von außen, von den Römern. Bekanntestes Beispiel hierfür dürfte die
Germania des Tacitus sein. Diese Schrift diente wie andere ethnographische Werke in
erster Linie dazu, den Römern eine fremde Kultur in vertrauten Schemata näher zu brin-
gen und damit die eigene Kultur zu kritisieren, und nicht dazu, neutral Wissen über die
gentes zu vermitteln. Daher dienten die antiken und spätantiken ethnographischen
Schriften innerhalb der römischen Gesellschaft einer bestimmten Funktion, nicht aber in
der Gesellschaft der außerrömischen gentes? Diese Beschreibungssituation änderte sich
im Frühmittelalter. Die frühmittelalterlichen gentes gründeten auf dem Boden des ehe-
maligen römischen Reiches eigene regna. Spätestens dann, zumeist aber schon vorher,
kamen sie mit der spätantiken römisch-christlichen Kultur in Berührung. Auf die Eta-
blierung folgten daher im Regelfall die Christianisierung und die Kulturanpassung in
verschiedenen Bereichen. Der Religionswechsel bedeutete einen fundamentalen Wandel
für die gentes, da ihre bisher durch Riten und mündliche Überlieferung geprägte Religi-
on nun durch eine Buchreligion abgelöst wurde. Mit der Christianisierung war also ein
Schub in Richtung Schriftlichkeit einer bis dato oralen Gesellschaft verbunden. Auch
wenn die Fähigkeit des Schreibens und Lesens sich auf wenige beschränkte und der
größte Teil der Gesellschaft weiterhin mündlich geprägt blieb, ergab sich doch mit die-
sem, für die barbarischen gentes neuen Medium eine Horizonterweiterung. Erstmals er-
hielten Vertreter der gentes, manchmal aber auch Romanen in barbarischen Diensten,
die Möglichkeit, über die eigene gens zu schreiben und sie in der Geschichte zu veror-
ten. Diese Erzählungen, die man im allgemeinen als ,Origines gentium' bezeichnet,
sei es nun ihre für uns nicht faßbare mündliche Form oder ihre literarische Ausarbeitung
-
unterscheiden sich fundamental von den ethnographischen Schriften der Antike, da sie
die gens üblicherweise von innen oder doch zumindest von einem sehr viel näheren
-
Zu Tacitus und seiner Wirkungsgeschichte vgl. zusammenfassend Pohl, Germanen, S. 59-65. Zur
Problematik, aus Tácitos etwas über die Germanen zu erfahren, jetzt konzise Fried, Schleier der
Erinnerung, S. 232-237.
Einleitung 13
mündlich tradierten Herkunftswissens ist lange nicht so bedeutsam wie das „Legitimi-
tätserfordernis der Gegenwart".4
Identitätsstiftung und Legitimierung sind also die zentralen Angelpunkte, um die sol-
che Erzählungen kreisen. Diese Funktion von Herkunftserzählungen liegt auf der Hand
und dürfte auch kaum umstritten sein.5 Es stellt sich aber die Frage, auf welche Art und
Weise Identität und Legitimität gestiftet wurden. Sind die Methoden der Schreiber von
Herkunftserzählungen bei der Ausführung ihres Zweckes ähnlich? Gibt es Strategien,
die in einer Umbruchsituation immer wieder angewandt wurden? Kann man Entwick-
lungslinien in den Herkunftserzählungen feststellen, die zeigen, daß der Umgang mit
dem Problem der Legitimierung und Identitätsstiftung sich situationsbedingt änderte? In
welchem Zusammenhang steht dies zur Abhängigkeit einzelner Herkunftserzählungen
von früheren Versionen? Inwieweit haben sich die Autoren untereinander beeinflusst?
Kann man sogar immer wieder verwendete Topoi ausmachen? Diesen Fragen nachzu-
gehen und solche Zusammenhänge zu durchleuchten, ist das Anliegen der folgenden
Überlegungen.
pe von „Wilden".6 Da in unseren Quellen aber Völker und Untergruppierungen mit der
-
Bezeichnung gens belegt wurden, würde eine solche Übersetzung eine Wertung ein-
schließen, die so nicht intendiert wird.7
4
Fried, Schleier der Erinnerung, S. 216. Zu diesem Komplex außerdem ebd., S. 267-291.
5
Bei den untersuchten Erzählungen tritt diese Funktion jedenfalls deutlich zutage, wie in den
einzelnen Kapiteln zu sehen sein wird. Vgl. dazu grundsätzlich auch Davies, Peoples of Britain IV,
S. 15-24, über die Bedeutung von Geschichte und 'historical mythology' für die Identität einer
gens.
6
Das war allerdings nicht immer so, vgl. Wenskus, Stammesbildung, S. 82-87. Daß hin und wieder
auch Familien wie die Merowinger oder Agilolfinger in der an sich ursprünglichen Bedeutung
des Wortes als gens bezeichnet werden, ist nicht problematisch, da diese Verwendung sich
-
Auch Pohl, Strategie und Sprache, S. 93f, und Reynolds, Our Forefathers?, plädieren für die
14 Einleitung
Eine gens ist dabei in allererster Linie eine gesellschaftliche Entität, die sich selbst
als Einheit versteht bzw. von anderen so verstanden wird und diese Einheit an be-
stimmten, häufig äußerlichen Merkmalen festmacht. Diese können Kleidung, Sprache
und Recht sein, aber auch Abstammung resp. die Überzeugung von gemeinsamer Ab-
stammung.8 Zutage treten kann dieses Bewußtsein einer Gemeinsamkeit auch in ge-
meinsamer Kultur, etwa übereinstimmenden Bräuchen, handwerklichen Erzeugnissen
oder ähnlichem. Häufig ist bei einer solchen Entität Endogamie zu beobachten, die ein
entscheidendes Abgrenzungskriterium bildet. Letztlich ausschlaggebend ist aber keines
dieser Kriterien, sondern lediglich das Wir-Bewußtsein.9 Dieses läßt sich für die Indivi-
duen an ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Volkszugehörigkeit festmachen: Die gesell-
schaftliche Entität der gens versteht sich als Abstammungsgemeinschaft. Ein entschei-
dender Faktor für dieses Wir-Bewußtsein der gens sind daher die Erzählungen von ge-
meinsamer Herkunft.
Unter Herkunftserzählungen im weiteren Sinne kann man alle Erzählungen verste-
hen, die in irgendeiner Form die Herkunft ihrer je eigenen Bezugsgruppe in den Blick
nehmen. In diese Kategorie fallt eine Vielzahl von Erzählungen, nicht nur die, die man
üblicherweise unter die Überschrift „Origo gentis" faßt, sondern auch Familiengenealo-
gien, die eine Herkunft schildern, Stadtgeschichten, Bistumsgeschichten und vieles
mehr. Die Herkunftserzählungen hören mit dem Mittelalter nicht auf, auch wenn sie im
Laufe der Neuzeit immer mehr aus der Geschichtsschreibung verschwinden und sich
eher im Bereich der Sagen finden lassen.10
Davon zu unterscheiden ist der Begriff der „Origo gentis". Darunter versteht man üb-
licherweise die zunächst nicht überlieferte mündliche Erzählung über die Herkunft einer
gens und dann den Abschnitt in einem schriftlichen Geschichtswerk über eine gens, der
sich mit deren Herkunft beschäftigt. Diese Abschnitte tauchen bei fast allen frühmittel-
alterlichen Geschichtsschreibern auf, die sich mit der Geschichte einer gens beschäfti-
gen. Man hat diese Texte lange als Gattung verstanden." Diese verschiedenen Origines
Verwendung des Begriffes gens. Zu den vielen möglichen lateinischen und volkssprachlichen
Begriffen vgl. Zientara, Populus gens natio. Zum Begriff der gens und seiner allmählichen
Verknüpfung mit bestimmten Territorien vgl. Goetz, Gens. Im Englischen hat sich der Begriff
- -
„community" etabliert, der im Deutschen allerdings zu plump wirkt, vgl. Reynolds, Origines
Gentium, oder den Band Corradini/Diesenberger/Reimitz (Hrsg.), Construction of Communities.
8
Dazu vgl. unten „Origo gentis", Ethnogenese und mündliche Überlieferung, S. 18.
9
Zur Sprach- und Kulturgemeinschaft einer gens schon Wenskus, Stammesbildung, S. 87-107;
Bromley, Ethnos; Wernhart, Ethnosnotiz; Daim, Ethnosbegriff; Girtler, Ethnos; Mühlmann,
Ethnogonie und Ethnogenese und Müller, Begriff Volk. Geary, Ethnic identify und Pohl, Telling
the Difference, haben nachdrücklich auf die Unzuverlässigkeit solcher äußeren Merkmale bei der
Bestimmung von Zugehörigkeit zu bestimmten gentes hingewiesen. Ähnlich lautet auch die
Definition von „Ethnie", eine vormoderne Kommunität, die Smith, Nation in History, S. 65ff.,
vornimmt. Daß Sprache nicht immer ein wichtiges Kriterium war, ist schon lange beobachtet
worden vgl. dazu zuletzt Goetz, Gentes et linguae. Zum Problem allgemein vgl. auch Davies,
10
Peoples of Britain I, vor allem S. 1-4, und Bartlett, Medieval and Modern Concepts.
"
Vgl. Petzold, Sagenforschung, S. 133-136, zu den sogenannten aitiologischen Sagen.
So etwa Grundmann, Geschichtsschreibung im Mittelalter, S. 12-17; vgl. dazu auch H. Wolfram,
„Origo gentis" als Thema der Forschung 15
gentium haben seit der „Wiederentdeckung" der Germanen, insbesondere aber im 19.
Jahrhundert, große Aufmerksamkeit erfahren.12 Natürlich sind dabei die Gemeinsam-
keiten zwischen den verschiedenen Erzählungen schon oft in den Blick gekommen,
wenn auch kaum einmal absichtlich untersucht worden. Eine ausführliche Betrachtung
und ein Vergleich stehen bis jetzt aus.13
Bisweilen hat man so etwa Herbert Grundmann die Erzählungen, in denen die
Herkunft einer gens überliefert ist, auch als „Volksgeschichte" betitelt.14 Die Ge-
- -
Origo gentis, § 1 Allgemeines, in: RGA 22, S. 174-178, der S. 174 die Origo gentis zwar nicht als
Gattung versteht, aber von einem genus mixtum spricht.
12
Zu diesem Komplex der Aneignung der germanischen Vergangenheit als deutsche vgl. etwa
Amory, People and Identity, S. 326-331 ; Goffart, Notes on Germanie Antiquity; Pohl, Germanen,
S. 1-7 und 45-65; Jarnut, Germanisch; Beck u.a. (Hrsg.) Zur Geschichte der Gleichung
13
„germanisch-deutsch"; Pohl, Nutzen des Germanenbegriffes.
Die vielfältige Literatur zu den einzelnen gentes ist in den entsprechenden Kapiteln erfaßt worden.
14
Grundmann, Geschichtsschreibung im Mittelalter, S. 12-17; Caenegem, Quellenkunde, S. 22f.
(Nationalgeschichten der germanischen Stämme), und Boshof/Düwell/Kloft, Geschichte, S. 125ff.
15
(Origines); Goetz, Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein, S. 119f.
Vgl. dazu die einschlägigen Handbücher zur Gattung von historischen Quellen: Grundmann,
Geschichtsschreibung im Mittelalter, S. 12-17; Caenegem, Quellenkunde, S. 22f., und
Boshof/Düwell/Kloft, Geschichte, S. 125ff, schließlich auch die Aufzählung bei H. Wolfram,
16
Origo gentis, § 1 Allgemeines, in: RGA 22, S. 175.
Ausnahme wäre etwa Gregor von Tours. Zu den Gründen, weshalb sich bei Gregor keine
17
Herkunftserzählung findet, vgl. unten S. 125-132.
Grundmann, Geschichtsschreibung im Mittelalter, S. 12-17; Goetz, Proseminar Geschichte:
Mittelalters. 130f.
18
19
Vgl. dazu H. Wolfram, Origo gentis § 1 Allgemeines, in: RGA 22, S. 174-178, hier S.
174f.
Dies läßt sich schon daran nachweisen, daß man sich immer wieder auf die Vita Martini des
Sulpicius als Standard bezog, Vgl. dazu C. Leonardi, Hagiographie I. Gallisch-Fränkisch-
Germanischer Bereich, in: LexMa 4, Sp. 1841-1845 und von der Nahmer, Lateinische
Heiligenvita.
16 Einleitung
klaren, daß ihre Werke einer Gattung angehören und verstehen diesen Abschnitt ihres
Werkes auch nicht unbedingt als in einer langen Tradition stehend. Auf die Vorläufer
wird daher nicht bewußt als Vertreter der Gattung eingegangen, auch wenn es natürlich
vorkommt, daß einzelne Autoren auf andere Origines von anderen Schreibern zurück-
greifen. Dementsprechend taucht die Bezeichnung „Origo gentis" mit Ausnahme der
Origo gentis Langobardorum nie im Titel auf, sofern dieser überliefert ist.20
„Origo gentis" ist eine Bezeichnung, die von uns Heutigen den mittelalterlichen
Schreibern übergestülpt wird. Eine solche Gattungsbestimmung von außen ist nicht an
sich unberechtigt, bedarf aber einer sorgfältigen Begründung.21 Denn die von außen vor-
genommene Gattungsbestimmung bezieht sich auf gemeinsame Merkmale, die man zu
erkennen glaubt. Ob solche Gemeinsamkeiten wirklich existieren, muß daher immer
wieder hinterfragt werden.
Gerade die „Origo gentis" steht als Gattungsbegriff schon seit dem einflußreichen
Buch von Walter Goffart, The Narrators of Barbarian History, in der Kritik.22 Im Gran-
de genommen hat Goffart anhand von vier prominenten Beispielen, die man gemeinhin
der Rubrik „Volksgeschichte" zugewiesen hat Jordanes, Gregor von Tours, Beda und
Paulus Diaconus versucht, den Nachweis zu führen, daß die angenommenen gemein-
-
samen Merkmale nicht vorhanden sind, sondern daß jedem Autor ein besonderer Dar-
-
stellungszweck eigen ist, der sich nicht in der Aufzeichnung der mündlichen Tradition
der eigenen gens über ihre Herkunft erschöpft. In diesem Punkt ist Goffart vorbehaltlos
zuzustimmen. Eine Auseinandersetzung mit den von Goffart postulierten Darstellungs-
zwecken ist jedoch nötig und wird in dieser Studie erfolgen. Gerade von Seiten der
Wiener Schule, die sich schon seit Jahrzehnten mit dem Thema der „Origo gentis" be-
schäftigt, hat man Goffart vorgeworfen, in seiner kompromißlosen literarischen Analyse
historischer Texte weit über das Ziel hinausgeschossen zu sein,23 und dieser Vorwurf ist
bis zu einem gewissen Grad berechtigt, weil Goffart die spezifischen Funktionen von
Geschichtsschreibung zu sehr außer acht läßt. In seinem Bemühen, den Geschichts-
schreibern nachzuweisen, daß sie sich an bestimmte literarische Schemata wie etwa die
Satire (Gregor von Tours) oder die Komödie (Jordanes) gehalten hätten, übersieht er,
daß eine solche literarische Formung, die durchaus einleuchten kann, nicht bedeuten
muß, daß darüber hinaus keine anderen Darstellungszwecke verfolgt wurden. Zudem
bedeutet die literarische Formung nicht, daß mündliche Traditionen völlig vernachläs-
sigt wurden. Die Nachahmung literarischer Vorbilder muß nicht zwangsläufig einen al-
lein literarischen Zweck verfolgen.
Zur Überlieferung des Titels vgl. W. Pohl, Origo gentis § Langobarden, in: RGA 22, S. 183-189,
hierS. 183.
Zum grundsätzlichen Problem der Gattungsbestimmung vgl. Goetz, Geschichtsschreibung und
Geschichtsbewußtsein, S. 107-124.
Goffart, Narrators. Vgl. zur Auseinandersetzung zwischen Goffart und seiner Schule und
Wolfram auch unten den Abschnitt „Bisherige Forschung zur Gattung Origo gentis", S. 24-27.
Zur Kritik an Goffart vgl. etwa Anton, Origo gentis; Pohl, Tradition, Ethnogenese und literarische
Gestaltung und ders., Ethnicity, aber auch die Rezensionen von W. Pohl, in: Historische
Zeitschrift 249 (1989), S. 149f. und A. Cameron, in: American Historical Review 95 (1990),
S. 1172f.
„Origo gentis" als Thema der Forschung 17
Will man also die „Origo gentis" vergleichend in den Blick nehmen, ist es tatsächlich
nicht ausreichend, allein das Vorhandensein einer Herkunftserzählung, im Rahmen wel-
chen Geschichtswerkes auch immer, als Kriterium für eine Zugehörigkeit anzusetzen
oder sogar die Herkunftserzählung aus ihrem Kontext zu lösen und als einzelnen Text
zu betrachten. Die Gattungsbestimmung muß über solche äußeren Kriterien hinausge-
hen. Der literarische Zweck sollte in die Überlegungen mit einbezogen werden. Daher
ist die Zuordnung eines Geschichtswerkes zur Gattung nur dann gerechtfertigt, wenn es
ein und dieselbe gesellschaftliche Funktion erfüllt wie andere. Die Identitätsstiftung ei-
ner Gesellschaft und die Legitimierung ihrer Ordnung ist ein solcher Zweck. Es läßt
sich nämlich beobachten, daß die Origo, also der Bericht über die Herkunft, zur Erklä-
rung der Gegenwart verwendet wird und damit einem der Hauptzwecke von Geschichts-
schreibung dient. Die Origo wird damit modern gesprochen für die Konstruktion der
eigenen Gesellschaft verwendet. Dabei lassen sich zwei Unteraspekte ausgliedern. Er-
- -
schlüsse auf die Einstellung des Verfassers. In diesem Sinne sollen also historiogra-
phische Werke, die nicht nur mit Hilfe einer Herkunftserzählung, sondern auch im ge-
samten Text die Identität einer gens bestimmen und ihre Herrschaftsordnung legitimie-
ren, den Gegenstand der Analyse bilden. Als Beispiele werden die Geschichtsschreiber
einer genauen Untersuchung unterzogen, die gemeinhin als Mitglied der Gattung „Ori-
go gentis" gelten. Ob sie tatsächlich eine Gattung bilden, ist eine Frage, die sich beant-
worten läßt, wenn abgesteckt wurde, inwieweit die Texte auf Legitimitäts- und Identi-
tätsstiftung hin zweckgebunden sind.
Zeitlich und inhaltlich kann man die frühmittelalterlichen Herkunftserzählungen von
der Geschichtsschreibung abgrenzen, die im 12. und 13. Jahrhundert aufkam und in de-
ren Mittelpunkt dann eher die im Werden begriffenen Nationen als die gentes stehen.26
Grundsätzlich zum Wir-Gefühl Eggert, Wir-Gefühl, vor allem S. 15-19, und allgemein Müller,
Universum der Identität; Davies, Peoples of Britain II, S. 7f, und Pohl, Identität und Widerspruch.
Zum Zusammenhang zwischen regnum und gens vgl. Werner, Völker und regna.
Diese sind hauptsächlich im Mittelpunkt der Arbeit von Kersken, Geschichtsschreibung, der
18 Einleitung
Die Übergänge sind fließend und die Objekte ähnlich, dennoch scheint es sinnvoll, vor
dem Beginn der Fokussierung auf die Nation, die durch ein Territorium und eine vor-
staatliche Verfaßtheit unter einer Herrschaft bestimmt wird,27 eine Zäsur zu setzen. Mit
dem Werden der nationes verschiebt sich der Schwerpunkt der Herkunftserzählungen
auf die gens in einem Reich hin. Den Begriff „Nationalgeschichtsschreibung" schon für
frühmittelalterliche Schreiber zu verwenden, ist gerade deshalb zu vermeiden, weil nach
unserem heutigen Verständnis die frühmittelalterlichen gentes ein von den entstehenden
hoch- und spätmittelalterlichen Nationen unterschiedenes Phänomen waren, unabhängig
von der Tatsache, daß die Nationalgeschichtsschreibungen selber solche Kontinuitäten
postulierten und natio und gens in den Quellen teilweise synonym verwendet werden.28
allem bei der Beschäftigung mit der Ethnogenese der frühmittelalterlichen gentes, also
-
mit der Entstehung der gens als Entität in einer verfaßten Ordnung, im Mittelpunkt der
Aufmerksamkeit. Als wichtigster Vertreter dieser Forschungsrichtung ist Reinhard
Wenskus zu nennen.29 Wenskus hat in seinem 1961 erschienenen Buch über „Stammes-
bildung und Verfassung" eine Theorie der Ethnogenese vorgelegt, die auch heute noch
weit verbreitet ist und die den Einblick in das Funktionieren der barbarischen gentes im
Gegensatz und in Nachahmung zum Römischen Reich entscheidend vertieft hat. Im Ge-
gensatz zu Historikern, die noch den Vorstellungen des 19. Jahrhunderts verhaftet30-
in den einzelnen Origo-Abschnitten die authentische Beschreibung von Fakten sehen
-
wollten, hat Wenskus einen anderen Ansatz verfolgt und die Instrumentalisierung der
Origo für das Gemeinschaftsgefühl deutlich herausgearbeitet. Von Bedeutung ist insbe-
sondere, daß er die in den Origines häufig behauptete gemeinsame Abstammung als
27
allerdings auch auf die frühmittelalterlichen Vorläufer und einige unserer Autoren eingeht.
Zur Abgrenzung von „Ethnie" und Nation, die sich eben hauptsächlich auf ein bestimmtes
Territorium bezieht, vgl. Smith, Nation in History, S. 65f. der zudem, ebd., S. 52-77, dafür
plädiert, die vormodernen Vorläufer von Nationalbewußtsein stärker in die Überlegungen zum
modernen Nationalismus mit einzubeziehen.
28
Aus diesem Grunde ist auch die von Kersken, Geschichtsschreibung, S. 1-12, etwas zu pauschale
Begriffsbildung der „Nationalgeschichtsschreibung" abzulehnen. Die Behandlung der Origo gentis
als Vorläufer der Nationalgeschichtsschreibung ist hingegen berechtigt. Zu natio und gens als
29
Synonymen vgl. Reynolds, Our Forefathers?.
Wenskus, Stammesbildung, sowie zahlreiche kleinere Arbeiten.
30
Zur Kritik an dieser Richtung Wenskus, Stammesbildung, S. 107-112. Prägnante Beispiele etwa
Fröhlich, Herkunft der Langobarden; Wagner, Herkunft der Franken; vor allen Dingen aus dem
Bereich der sächsischen Ethnogenese: Hauck, Lebensnormen und Kultmythen; Lintzel, Sachsen
und die Zerstörung des Thüringerreiches; Hauck, Carmina antiqua; Lammers, Stammesbildung bei
den Sachsen; Vries, Ursprungssage; Hauck, Stammesbildung und Stammestradition. Zur
grundsätzlichen Kritik jetzt auch Fried, Schleier der Erinnerung, S. 267-291.
,Origo gentis" als Thema der Forschung 19
identitätsstiftende Illusion entlarvte.31 Bei ihr handelt es sich um eine intentionale Über-
lieferung, die so nicht der Realität entsprechen muß. Vielmehr gruppierten sich so
Wenskus auch Gruppen anderer ethnischer Herkunft um einen „Traditionskern",32 der
-
die Überlieferung der angeblichen gemeinsamen Abstammung weitergab und so für ein
-
Gemeinschaftsgefühl sorgte. Die „Origo gentis" wurde von Wenskus als Quelle benutzt,
die ihm Einblick in die mündliche Überlieferung einer gens und deren Identitätsgefühl
gab. Diese gefilterte mündliche Überlieferung nutzte er, um Aussagen über die Verfaßt-
heit der gens vor der Aufzeichnung der Origo, nämlich zum Zeitpunkt ihrer Ethnogene-
se, zu treffen.33 Wenskus filterte also Informationen aus den Origines, um die faktische
Entstehung der gens zu rekonstruieren, die dann in der Origo bereits mit Bewußtsein der
eigenen Identität ausgestattet ist. Auch Wenskus nutzte also die Origo für die Rekon-
struktion der Frühgeschichte einer gens. Dabei ging er allerdings wesentlich behutsamer
vor als die Historiker, die noch der Meinung gewesen waren, sie könnten die Wande-
rungen der frühmittelalterlichen gentes anhand der Origo-Erzählungen genauestens
nachvollziehen. Seit Wenskus wurden die Origines also die Abschnitte über die Her-
kunft bei frühmittelalterlichen Geschichtsschreibern von Historikern fast ausschließ-
-
lich unter dem Aspekt der Ethnogenese bis zum Zeitpunkt der Ansiedlung in das Blick-
-
feld genommen.34 Man hoffte, mit ihrer Hilfe Aussagen über die vorschriftliche Zeit der
frühmittelalterlichen gentes machen zu können, sei es, daß man, wie His-toriker des 19.
Jahrhunderts es taten, ihre Aussagen für bare Münze nahm, sei es, daß man sie auf die
mündliche Überlieferung hin unter die Lupe nahm. Die Methode von Wenskus hat also
intensiv auf die Forschung gewirkt und ist vor allem von Wiener His-torikern, allen vo-
ran Herwig Wolfram, obgleich mit erheblichen Modifizierungen, für die Frühmittelal-
terforschung genutzt worden.35
In jüngster Zeit ist der Wenskussche Ansatz und seine Weiterführung durch Wolfram
und seine Schüler vor allem von amerikanischen Forschern um Walter Goffart angegrif-
fen worden. Es wurde dabei der Einwand erhoben, daß die mündliche Überlieferung
zum Teil nur mit Hilfe von sehr viel späteren oder räumlich entfernten Quellen aus der
schriftlich niedergelegten Origo gefiltert und interpretiert werden kann.36 Dies ist ein
51
Etwa Wenskus, Stammesbildung, S. 14-17. Zu diesem Glauben an die gemeinsame Abstammung
als konstituierendes Element der Identität vgl. auch Amory, People and Identity, S. 14ff.
32
Zu diesem Begriff etwa Wenskus, Stammesbildung, S. 71-76.
33
Vgl. die Abschnitte in Wenskus, Stammesbildung, S. 458-575, in denen Wenskus seine Theorie
auf einzelne gentes anwendet.
34
Von philologischer Seite aus sind die Origo-Erzählungen für Aussagen über germanische
Heldensagen genutzt worden vgl. etwa Weddige, Heldensage; Bracciotti, Saga di Gambara, und
dies., II ruolo di Peredeo.
3!
Vgl. etwa Wolfram, Goten, aber auch Pohl, Awaren, um nur die wichtigsten zu nennen. Ein
Sammelband der TRW-Reihe, der sich mit dem Übergang vom spätantiken römischen Reich zu
den regna des Frühmittelalters beschäftigt, vgl. Goetz/Jarnut/Pohl (Hrsg.), Regna and gentes, ist
zwar nicht eigentlich der Wiener Schule entsprungen, aber in ihrem Umfeld entstanden und bietet
einen guten Überblick für die einzelnen regna. Zu den Ethnogenesen der europäischen Völker, vgl.
36
jetzt auch Postel, Ursprünge, S. 59-68, grundsätzlich zur Ethnogenese.
Vgl. den Sammelband Gillett (Hrsg.), Barbarian Identity, vor allem Gillett, Introduction, aber
20 Einleitung
methodisches Problem, das der gesamten sogenannten „germanischen Altertumskunde"
eigen ist. Zur Interpretation spätantiker oder auch frühmittelalterlicher Quellen wurden
im Rahmen der germanischen Altertumskunde andere Zeugnisse herangezogen, die man
im weitesten Sinne als germanisch einstufte. So wurden etwa hochmittelalterliche islän-
dische Quellen verwendet, um spätantike Vorstellungen der Germanen zu erarbeiten.37
Dies hängt mit dem weit verbreiteten Bild eines gemeinsamen Germanentums zusam-
men, das wohl auf den Humanismus zurückgeht.38 Dieses über die Grenzen der einzel-
nen gentes und über viele Jahrhunderte hinweg bestehende Germanentum ist allerdings
nicht nachzuweisen und kann daher auch nicht vorausgesetzt werden. Zudem ist die
Sammelbezeichnung „Germanen" römischer Provenienz und ein gesamtgermanisches
Zusammengehörigkeitsgefühl nicht zu belegen, ganz zu schweigen von tatsächlichen
Gemeinsamkeiten.39 Prägnantes Beispiel für einen solchen Umgang mit den „germa-
nischen" Quellen jeglicher Herkunft sind etwa die Untersuchungen von Karl Hauck, der
aus den Origo-Erzählungen bei Widukind einen frühsächsischen Kultwechsel postuliert,
den er aber letztlich nur mit isländischen Belegen erhärten kann.40 Im Bereich der
Rechtsgeschichte hat sich lange die Vorstellung einer besonderen germanischen Form
auch Amory, People and Identity, S. 33-39, und jetzt Christensen, Cassiodorus, vor allem S. 343-
350, der das gesamte Werk des Cassiodor/Jordanes für eine Fiktion hält. Grundsätzliche Kritik an
der Annahme langlebiger mündlicher Überlieferung jetzt auch bei Fried, Schleier der Erinnerung,
S. 223-291.
Goffart, Notes on Germanie Antiquity, und Gillett, Introduction, vor allem S. 1-7 und 14-18,
sowie Goffart, Distant Past.
Zu diesem Germanenbegriff, der im 19. Jahrhundert seine stärkste Ausprägung erfuhr, vgl. Pohl,
Germanen, S. 45-51 und Beck u.a. (Hrsg.) Zur Geschichte der Gleichung „germanisch-deutsch",
sowie Jarnut, Germanisch.
Goffart, Notes on Germanic Antiquity; Gillett, Introduction, vor allem S. 1-7 und 14-18, sowie
Goffart, Distant Past. Auf der anderen Seite muß man nicht von vornherein davon ausgehen, daß
die Außenzuschreibung „Germanen", die von den Römern erfolgte, falsch gewesen sein muß.
Denn es ist Fried, Gens und regnum, vor allem S. 90f, nicht darin zuzustimmen, daß eine
Zuschreibung von außen nicht erfolgen kann. Es ist sehr wohl möglich, daß ein Beobachter von
außen Gemeinsamkeiten wahrnimmt, die den einzelnen Mitgliedern der beobachteten
Gemeinschaft aufgrund der zu starken Involvierung verborgen bleiben. Dabei muß die
„Theoriebindung" des Außenstehenden kein Hindernis sein. Relevant ist solch eine Zuschreibung
zunächst tatsächlich nur für die Außenstehenden, kann aber von der gemeinten Gruppe durchaus
übernommen werden. Als Beispiel für eine solche Übernahme einer Benennung der Anderen als
Eigenbenennung wäre etwa das Wort Goidel zu nennen, das eine Entlehnung aus dem frühen
Walisischen ist und von den Iren als Bezeichnung für sich selbst übernommen wurde, vgl. dazu
ausführlich Koch, Celts, Britons and Gaels. Ein anderes Beispiel wäre die Benennung der
Normannen in der Normandie, sie sich wohl zunächst selber auch nicht so genannt haben, vgl.
Webber, Evolution, S. 18. Zum Problem der Eigen- und Fremdbezeichnung vgl. allgemein
Bartlett, Medieval and Modern Concepts, S. 40f.
Hauck, Lebensnormen und Kultmythen; ders., Carmina Antiqua; ders., Stammesbildung und
Stammestradition; ders., Wissen Widukinds, und ders., Goldbrakteaten.
„Origo gentis" als Thema der Forschung 21
der Ehe, der sogenannten Friedelehe, gehalten, die aber als nicht-existent nachgewiesen
werden konnte.41
Der Einwand, daß man beim Ausfiltern der mündlichen Tradition vorsichtig vorge-
hen sollte, ist also zweifellos berechtigt. Und sicher ist auch nicht von der Hand zu wei-
sen, daß trotz der gemeinsamen Sprache nicht ohne weiteres von einem „gemeinger-
manischen" Erbe ausgegangen werden kann, das erleichtern würde, Quellen so unter-
- -
schiedlicher Provenienz zum Vergleich heranzuziehen. Auf der anderen Seite kann die
Möglichkeit, die mündliche Überlieferung herauszufiltern, nicht als unmöglich abgetan
werden.42 Daß die Erzählungen in den Origines nicht aus der Luft gegriffen und erfun-
den sind, eine mündliche Überlieferung im Zweifel also vorhanden war, dürfte schon
daran deutlich werden, daß ähnliche Geschichten in verschiedenen Überlieferangssträn-
gen zu finden sind. Als Beispiel wäre etwa die Namensfindung der Langobarden zu
nennen, die sich in mehreren, zum Teil voneinander unabhängigen Quellen nieder-
schlug.43 Zweitens ist mit einem Publikum zu rechnen, das mit den Stoffen, die ihm ge-
boten wurden, vertraut gewesen sein muß. Erfindungen oder Umdichtungen von be-
kannten Erzählungen wären im Gegensatz zu kleineren Akzentverschiebungen, Auslas-
sungen und Hinzufügungen kaum akzeptiert worden. Gerade wenn die Überlieferung
der gens in mehreren schriftlichen Versionen tradiert ist, kann es möglich sein, durch
sorgfältigen Vergleich und unter Einbeziehung der Absichten des Geschichtsschreibers,
der die mündliche Überlieferung literarisch verformt hat, Aussagen über die mündliche
Überlieferung zu treffen. Auch ist die Einbeziehung anderer Traditionen außerhalb der
gens nicht von vornherein unberechtigt, sie sollte nur nicht auf der unreflektierten
Grundlage der Annahme von Gemeinsamkeiten der Germanen beruhen. Selbstverständ-
lich sind solche Rekonstruktionen mündlicher Überlieferung unsicher.44
41
Über die Friedelehe einschlägig Meyer, Friedelehe und Mutterrecht; zur Kritik Ebel, Konkubinat.
Zum Verlauf der Forschungsdiskussion Esmyol, Geliebte oder Ehefrau?, S. 1-36.
42
Eindrucksvoll hat z.B. Müller, Spielregeln, vor allem S. 74-80, am Beispiel des Nibelungenliedes
deutlich gemacht, wie auch ohne vorhandene andere Versionen Hinweise auf die mündliche
Tradition erkannt werden können.
43
Auch hier ist es aber nicht möglich, die mündliche Überlieferung genau zu rekonstruieren, vgl.
dazu W. Pohl, Origo Gentis. Langobarden, in: RGA 22, S. 183-188, hier S. 184f. Vgl. dazu auch
unten, das Kapitel über Paulus Diaconus, insbesondere den Abschnitt Der Ursprung der
Langobarden: Die Historia Langobardorum und ihr Verhältnis zur Origo gentis Langobardorum,
S. 204-215.
44
Zum komplexen Verhältnis zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit in der Mischkultur des
Mittelalters vgl. allgemein: Vollrath, Typik oraler Gesellschaften; Burke, Geschichte als soziales
Gedächtnis; GoodyAVatt (Hrsg.), Konsequenzen der Literalität; Wolf, Medieval Heroic
Traditions; Le Goff, Geschichte und Gedächtnis; Padberg, Geschichtsschreibung und kulturelles
Gedächtnis, und Richter, Formation of the Medieval West; Althoff, Geschichtsschreibung in einer
oralen Gesellschaft. Eine prägnante Zusammenfassung der Diskussion bei Goetz, Moderne
Mediävistik, S. 339-365. Zur leichteren Anpassung von mündlichen Traditionen an die politischen
Verhältnisse der Gegenwart: Cunnison, History of the Luapala; Lewis, Historical Aspects of
Genealogies.
22 Einleitung
Bisher stand die „Origo gentis" als Zeugnis der Ethnogenese einer gens im Mittel-
punkt der Forschung. Unter diesem Aspekt in seiner Gesamtheit sollen die Herkunftser-
zählungen im folgenden nicht untersucht werden, sondern das Ziel wurde enger ge-
wählt. Es soll die Frage beantwortet werden, auf welche Weise die Herkunftserzählung
Identität stiftet und wie sie die bestehende Ordnung der eigenen Zeit legitimiert. Da-
raufhin wird nicht nur die „Origo gentis", also der Abschnitt über die Herkunft der gens,
sondern das gesamte Werk untersucht. Im weiteren Verlauf der Erzählung werden die
Muster der Identitätsstiftung und Legitimierung nämlich immer wieder aufgegriffen und
können daher bei einer Betrachtung des gesamten Werkes deutlicher herausgearbeitet
werden. Die Frage nach der mündlichen Überlieferung ist in diesem Zusammenhang
von untergeordneter Bedeutung. Denn wie auch immer die mündliche Überlieferung be-
schaffen gewesen sein mag, auf jeden Fall wurde sie von dem Geschichtsschreiber an
seinen Darstellungszweck angepaßt, und dies ist der Aspekt, der im folgenden interes-
siert. Es soll also nicht darum gehen, welche Informationen die Origines über die Früh-
zeit der gens bieten können, sondern es geht darum zu erläutern, wie bei der ersten be-
kannten schriftlichen Aufzeichnung die bestehende gens gesehen wurde.45 Der Prozeß
der Ethnogenese bis zum Endpunkt der Wanderung steht also nicht im Mittelpunkt, son-
dern das Identitätsgefühl einer bestimmten gens zu einem Zeitpunkt, als sie schon so
weit in den Verband der christlichen gentes eingetreten war, daß eine Aufzeichnung ih-
rer Geschichte erfolgen konnte.
Inwieweit das Identitätsgefühl und die Legitimierung, die den Quellen entnommen
werden können, nur den Vorstellungen des Schreibers entsprechen und inwieweit der
Schreiber Vorstellungen seines Publikums aufnahm oder sie vielleicht auch prägte, ist
dabei ein kaum bis ins letzte Detail lösbares Problem. Wollte der Schreiber gelesen oder
vorgelesen werden, mußte er sich auf sein Publikum einstellen. Man kann also davon
ausgehen, daß die Erzählungen, die der Autor aufnahm, eine Erwartungshaltung des Pu-
blikums trafen bzw. daß das Publikum gewisse Erzählungen vermißt hätte, wenn der
Autor sie weggelassen hätte. Einschränkend muß man aber vermerken, daß wir kaum
etwas über das intendierte oder auch tatsächliche Publikum eines Werkes wissen46 und
daher mehr als die allgemeine Feststellung, daß ein Schreiber nicht an seinen Lesern
vorbeischreiben konnte, wenn er ihre Aufmerksamkeit erlangen wollte, kaum möglich
ist. Zusätzlich ist natürlich denkbar, daß ein Autor zwar dem Publikum oder seinen Auf-
traggebern gefallen wollte, aber den Nerv der Zeit nicht traf und schlichtweg ignoriert
wurde. Auf der anderen Seite sollte man den Gestaltungswillen der einzelnen Autoren
nicht unterschätzen. Es ist denkbar, daß der Autor mit seinem Werk nicht den Ge-
schmack des Publikums treffen, sondern dessen Meinung und Wirklichkeitswahrneh-
mung formen wollte und dann vielleicht nicht soviel Rücksicht auf vorhandene münd-
liche Überlieferungen nahm. Die Demarkationslinie zwischen Anpassung an Erwar-
45
Schon Graus, Lebendige Vergangenheit, S. 11 f. und ders., Nationenbildung, S. 33ff., hat am
Beispiel der slawischen Geschichtsschreiber diesen Umgang mit den Quellen eingefordert. Am
46
Beispiel der Sachsen hat dies Becher, Rex, dux und gens, geleistet.
Vgl. zu dem Problem grundsätzlich Davies, Peoples of Britain IV, S. 21; McKitterick, History and
its Audiences, und dies., History and Memory, vor allem S. 265-273.
„Origo gentis" als Thema der Forschung 23
tungen des schwer zu bestimmenden Publikums und Formung der Erzählung nach eige-
nem Ermessen läßt sich in den meisten Fällen nicht bestimmen, sondern ist allenfalls
Gegenstand von Vermutungen. Trotzdem wird man grundsätzlich erwarten können, daß
der Autor bis zu einem gewissen Grad ein Beispiel für die Meinung seiner Zeit ist und
auf der anderen Seite sein Werk zu einem bestimmten Zweck schrieb. Der Erfolg eines
Geschichtswerkes, den man etwa an der Anzahl der Handschriften oder auch der Benut-
zung der Identitäts- und Legitimierungsschemata in späteren Texten ablesen kann, mag
ein Anzeichen dafür sein, wie gut der Text beim intendierten Publikum ankam. Dies
muß aber nicht bedeuten, daß schon zur Abfassungszeit die Vorstellungen des Publi-
kums genauestens wiedergegeben wurden, sondern kann auch ein Anzeichen für das be-
sondere Talent des Geschichtsschreibers sein.
Für das Identitätsgefühl, das die Autoren bieten, ist es nicht von Bedeutung, ob und
wie die behaupteten Ereignisse, die die gens konstituiert haben, tatsächlich stattgefun-
den haben. Das kann und sollte nicht von vornherein ausgeschlossen werden, ist aber
für das Bild, das die Autoren absichtlich und unabsichtlich vermitteln, nicht von Bedeu-
tung.
Die Bedeutung mündlicher Überlieferung in der Phase der Ethnogenese und für die
Identitätsfindung soll also keinesfalls heruntergespielt werden. Unsere Autoren bieten
aber einen Blick auf deren schriftliche Überformung, die wir allein betrachten können.
Wesentlich wichtiger als die Bewahrung der eigenen mündlichen Tradition ist im christ-
lich-römischen Kontext die Einordnung in die Heilsgeschichte und in das Gesamtbild
der Christenheit. Diese wird für die eigenen Zwecke genutzt und nicht zur Bewahrung
aufgezeichnet. Die hier untersuchten Autoren sind Beispiele für die Aufnahme der spe-
zifischen Traditionen einer gens in den weiteren Kontext der mittelalterlich-christlichen
Kultur, und sie entspringen dem Bedürfnis einer Standortbestimmung. Die Frage nach
dem „Woher?" ist letztlich nicht so wichtig wie die Tatsache, daß damit auch die Fra-
gen „Wer sind wir?" und „Mit welcher Berechtigung sind wir hier und werden von un-
seren Königen beherrscht?" beantwortet werden. Dies bedeutet eine starke Verwurze-
lung des Identitätsbewußtseins in der Vergangenheit. Den Blick einmal weniger auf die
in den Origines in Ansätzen erkennbare Frühzeit zu lenken als auf das Bild der gens von
sich selbst oder zumindest das, was der Autor des Geschichtswerkes dafür hielt oder
was er vermitteln wollte in dem Moment, in dem sie mit einer Verschriftung in den
-
abendländischen Kulturkreis eintritt und sich darin verortet, ist Zweck unserer Untersu-
-
chungen.
In diesem Zusammenhang ist kurz die Frage zu stellen, was es mit den gentes auf
sich hat, für die solche identitäts- und legitimitätsstiftenden Erzählungen nicht überlie-
fert sind. Dies gilt im Frühmittelalter beispielsweise für die Vandalen, für die Burgun-
der und für die Gepiden, im Hochmittelalter etwa für die Eibslawen. Hier lassen sich
Origines allenfalls in Trümmern erkennen, keine dieser gentes hat die Leistung einer
identitäts- und legitimitätsstiftenden Verschriftung ihrer Geschichte aus der eigenen
Mitte vollbracht, oder eine solche ist nicht auf uns gekommen. Die Fragmente, die uns
für sie überliefert sind,47 werden deshalb hier nicht gesondert untersucht, da sie allen-
47
Vgl. hier etwa für die Burgunder Wood, Ethnicity of the Burgundians; ders., Origo Gentis.
24 Einleitung
falls Zeugen einer versunkenen mündlichen Überlieferung sind, aber nicht im Gesamt-
kontext einer Einbettung der Origo in einen historischen Sinn stehen. Schon Frantisek
Graus hat im Zusammenhang mit den Eibslawen die Vermutung geäußert, daß dort
Überlieferungen nicht etwa deshalb fehlen, weil diese gens untergegangen ist, sondern
daß diese gens untergegangen ist, weil die Einordnung in das vorhandene christliche
Gefüge des Abendlandes mangels eigener Initiativen und tatkräftiger Mission nicht ge-
lang.48 Damit wird die übliche Erklärung für fehlende Herkunftserzählungen auf den
Kopf gestellt und zu einer Erklärung, weshalb eine gens nicht selbstidentisch (oder zu-
mindest im Bewußtsein der Selbstidentität) die Zeiten überdauerte. Die Burgunder sind
ein gutes Beispiel, da sich die Forschung hier einig ist, daß der Name Burgunder und
Burgund mit politischen Einheiten verknüpft wurde, ehe er schließlich an einer franzö-
sischen Provinz haften blieb, die mit den frühmittelalterlichen Burgundern an sich
nichts mehr gemeinsam und nicht das Bewußtsein hat, mit diesen etwas gemeinsam zu
haben.49 Selbstverständlich ist auf der anderen Seite die Existenz eines Geschichts-
werkes resp. einer Einordnung in das Heilsgeschehen keine Garantie für ein Überleben
der Kommunität. Die Langobarden sind dafür ein recht aufschlußreiches Beispiel. Die
heute noch mit einem starken Identitätsbewußtsein ausgestattete italienische Region der
Lombardei hat sich schon im Hochmittelalter nicht mehr auf die Langobarden zurück-
geführt, sondern deren Angriffe, wie auch die der lästigen Deutschen unter den staufi-
schen Kaisern, in eine Reihe von zum Scheitern verurteilter Eroberangsversuche gesetzt
und damit die historischen Tatsachen auf den Kopf gestellt.50 Die Wiederholung bedeut-
samer Ereignisse war durchaus im Interesse der Identitätsstiftung der neuen Gemein-
schaft der Lombarden. Keinesfalls ist der Zusammenhang zwischen Bestehen der gens
und einer identitäts- und legitimitätsstiftenden Erzählung also zwingend. Aber es läßt
sich feststellen, daß gentes, aus deren Mitte ein Geschichtsschreiber hervorging, der
sich zum Thema Identität und Legitimität Gedanken machte, in ihrem Eigenbewußtsein
gestärkt wurden.
Burgunden, in: RGA 22, S. 195-199 und ders., Misremembering the Burgundians und Kaiser,
Burgunder, S. 13f.
Graus, Nationenbildung, vor allem S. 73-82.
Zur Änderung der Region, auf die sich der Name Burgund bezog, schon in merowingischer Zeit,
vgl. Ewig, Volkstum und Volksbewußtsein, S. 632-634. Ausführlich zu diesem Komplex Kaiser,
Burgunder, S. 176-200. Offensichtlich war „Burgunder" auch schon sehr früh keine ethnische
Bezeichnung mehr, vgl. Amory, Meaning and Purpose.
Siehe dazu unten S. 242.
„Origo gentis" als Thema der Forschung 25
„Gattung" der „Origo gentis" im herkömmlichen Sinne, also für die Abschnitte der Ge-
schichtswerke, die sich mit der Herkunft einer gens beschäftigen, ist die Forschungslage
jedoch gar nicht so vielfältig, wie man vielleicht meinen könnte. Im Rahmen seiner For-
schungen, vor allem zu den Goten, hat sich Herwig Wolfram mit einigen Aspekten der
Gattung auseinandergesetzt." Daneben hat Susan Reynolds in einem bereits 1983 er-
schienenen Aufsatz versucht, Grundbedingungen der Origines auszumachen und einiges
bisher für bare Münze Genommene als Topos zu entlarven.52 Weiterhin existieren aus
dem gesamten europäischen Raum kleinere Arbeiten über Gemeinsamkeiten der Ori-
gines.53 Walter Goffart hat mit seinem schon erwähnten Buch über die „Narrators of
barbarian history" eigentlich den Versuch unternommen, die Nicht-existenz der Gattung
zu beweisen.54 Patrick Geary hat sich intensiv mit dem Problem der frühmittelalter-
lichen Ethnogenesen und den verbreiteten eingebürgerten Vorstellungen von deren Ver-
lauf beschäftigt und sich dabei auch mit der Gattung auseinandergesetzt, als deren Ge-
meinsamkeit er die Romanisierung der barbarischen Geschichte sieht.55 Als gute Zu-
sammenfassung des bisherigen Forschungstandes zu den „Herkunftsabschnitten" ist der
kürzlich erschienene Artikel „Origo gentis" im RGA zu betrachten, der unter der Ägide
von Herwig Wolfram entstand.56 Einige Bände des European Science Foundation Pro-
ject „The Transformation of the Roman World", in denen sich Wolframs Schüler zum
Teil zu Wort melden, befassen sich mit der Konstruktion von Gesellschaften im wei-
teren Sinne, wobei der Schwerpunkt nicht nur auf den Origo-Erzählungen der gentes
liegt, sondern auch andere Entitäten in den Blick genommen werden. Zudem wird die
handschriftliche Tradition der Geschichtsschreibung und damit der Wandel des Identi-
tätsgefühls sehr viel stärker und mit vielen neuen Ergebnissen in den Blick genom-
men.57 Nicht nur Walter Goffart hat sich gegen die Wenskussche und Wolframsche Me-
thode der Interpretation von Origines gewandt, sondern in seinem Gefolge auch etliche
seiner Schüler. Ihre Haupteinwände oftmals am Einzelfall exemplifiziert finden sich
in einem Sammelband, der zu Ehren von Goffart erschien.58
- -
51
Wolfram, Überlegungen zur Origo gentis; ders., Le genre de l'origo gentis; ders., Origo et religio.
Ethnische Traditionen; ders., Origo et religio. Ethnic traditions; ders., Typen der Ethnogenese;
ders., Origo gentis § 1 Allgemeines, in: RGA 22, S. 174-178 und ders., Suche nach den
Ursprüngen.
52
Reynolds, Medieval Origines gentium, aber auch Dies., Our Forefathers?
53
Angenendt, Adam; Wunderli, Herkunft; Bourgain, Assimilation, und Quetglas, Nuevas historias
nacionales.
54
Goffart, Narrators.
55
Geary, Europäische Völker, S. 74f. Die deutsche Ausgabe ist die Originalausgabe!
56
Origo gentis, in: RGA 22, S. 174-210.
57
Pohl/Reimitz (Hrsg.), Strategies of Distinction (TRW 2); Egger/Weigl (Hrsg.), Text Schrift
Codex; Corradini/Diesenberger/Reimitz (Hrsg.), Construction of Communities (TRW 12) und
- -
Goetz/Jarnut/Pohl (Hrsg.), Regna and gentes (TRW 13); am Beispiel der Franken vgl. etwa
Reimitz, Konkurrenz der Ursprünge; ders., Weg zum Königtum und ders., Historiographie und
Identität in den fränkischen Regna (6.-9. Jhdt.).
58
Gillett (Hrsg.), Barbarian Identity, vgl. vor allem darin: Gillett, Introduction; Goffart, Distant
Past; Murray, Reinhard Wenskus; vgl. auch die Replik von Pohl, Ethnicity und wiederum die
26 Einleitung
Die meisten dieser Forschungen sind im Zusammenhang mit dem Fragenkomplex
„Origo gentis" und Ethnogenese bzw. „Origo gentis" als mündliche Überlieferung ent-
standen und nehmen daher die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit nicht vorweg, da ihr
Schwerpunkt eben nicht auf der Untersuchung des zeitgenössischen Eigenbewußtseins
der Gesellschaft liegt. In zum Teil anderen Gebieten, wie etwa der alten Geschichte
oder gerade auf dem Gebiet der sogenannten „Nationalgeschichtsschreibung", aber auch
schon für den Einzelfall der Sachsen, sind schon ähnliche Ansätze wie der vorliegende
verfolgt worden und haben seine Tragfähigkeit erwiesen. Zu nennen wären für den alt-
historischen Bereich etwa die Arbeiten von Hans-Joachim Gehrke,59 für den Bereich der
hochmittelalterlichen Nationenwerdung die zahlreichen Arbeiten aus dem Projekt „Na-
tiones"60 und für die Sachsen die Habilitationsschrift von Matthias Becher.61 Hauptsäch-
lich mit der Geschichtsschreibung der Nationen beschäftigt sich auch die Dissertation
von Norbert Kersken, auch wenn er teilweise frühmittelalterliche Vorläufer berücksich-
tigt und einbezieht. Der Aspekt der Identitäts- und Legitimitätsstiftung steht bei Kers-
ken allerdings nicht im Mittelpunkt.62 Wenn im folgenden die „Origo gentis" in den
Antwort darauf von Bowlus, Ethnogenesis. Am Beispiel der Slawen hat Curta, Making of the
Slavs, ein Schüler Goffarts, den Ansatz seines Lehrers verfolgt.
59
Im weitesten Sinne zählen zu diesem Komplex natürlich sämtliche aitiologischen Sagen. Zu den
Origo-Erzählungen der Antike, die insbesondere von Gehrke auf ähnliche Momente hin untersucht
wurden, wie es im folgenden mit den mittelalterlichen Erzählungen gemacht wird, vgl. Gehrke,
Mythos und ders., Antike Exempla. Die klassische Abhandlung zu den antiken Origines ist
Bickerman, Origines gentium.
60
Erwähnt seien hier: Beumann/Schröder (Hrsg.), Aspekte der Nationenbildung (Nationes 1);
Beumann (Hrsg.), Bildung der französischen Nation (Nationes 4); Beumann (Hrsg.), Ethnogenese
(Nationes 5); Schneidmüller, Nomen Patriae (Nationes 7); Ehlers (Hrsg.), Ansätze und
Diskontinuität (Nationes 8). Besonders hervorzuheben ist die Arbeit von Frantisek Graus,
Nationenbildung der Westslawen (Nationes 3), der auf dem Gebiet der slawischen
Identitätsfindung Pionierarbeit geleistet hat und einer der ersten war, die sich intensiv mit dem
Problem der Identitätsstiftung durch Geschichtsschreibung auseinandergesetzt haben.
61
Becher, Rex, dux und gens.
62
Kersken, Geschichtsschreibung, und ders., Nationalgeschichtsschreibung im östlichen
Mitteleuropa, eine kurze Zusammenfassung seiner Ergebnisse zu den östlichen
Geschichtsschreibern. Zu kritisieren ist an Kerskens Werk insbesondere seine Einteilung in
„Vorgeschichte" und Geschichte für die verschiedenen Länder, die zu modern gedacht ist, zumal
er diese Zäsur nicht immer mit der Christianisierung setzt, die einzige Einteilung, die
mittelalterliche Geschichtsschreiber selbst vielleicht empfunden hätten. Was eine
Gesamtbeurteilung von Kerskens ungemein fleißiger Arbeit angeht, kann man sich Hans-Werner
Goetz, in: ZfG 44 (1996), S. 639f, hier 640 anschließen: „Schließlich ließe sich monieren, daß die
vorgenommenen (typologischen) Vergleiche letztlich recht formal bleiben und daß die inhaltlichen
Aspekte des Geschichtsbildes (beispielsweise der Abstammungssagen oder der
heilsgeschichtlichen Deutung), die als solche durchaus thematisiert werden, dahinter zurücktreten.
Aus solcher Perspektive dürfte die vorgenommene Differenzierung von Vor- und
Vergangenheitsgeschichte modernen Kriterien entspringen und in den Quellen nicht explizit
aufweisbar sein bzw. es wäre inhaltlich zu diskutieren, welchen Stellenwert beispielsweise die
Landnahme jeweils auf das .nationale' Geschichtsbild hat. Hier läßt die Arbeit noch Fragen offen.
„Origo gentis" als Thema der Forschung 27
Blick genommen wird, so ist zum einen der Vergleich an sich und die Auseinanderset-
zung mit den Texten als Teile einer „Gattung" ein Desiderat, zum anderen soll im Ge-
gensatz zu den bisherigen Forschungen der Fokus auf die Herkunftserzählung allein
aufgelöst werden, um tiefere Einblicke in die gesellschaftliche Funktion der Erzäh-
lungen zu erhalten.
Sie bietet für eine Weiterbehandlung aber eine verläßliche, in vielerlei Hinsicht anregende und
willkommene Grundlage."
28 Einleitung
Angelsachsen
Pikten
KapitelIII
Franken Wenden
Slaven
Kapitel IV Langobarden
Origo I ientis Lang
Langobarden Paul
Kapitel V Normannen
Fränkischer
Kontext Widukind
Sachsen
KapitelVI Böhmen
Römisch-
Deutscher
Kontext Polen
werke mit Herkunftserzählung mehr verfaßt wurden, zum anderen kann an den britan-
nischen und fränkischen Beispielen das Wechselspiel von Identitätsstiftung und Legiti-
mierung besonders gut beobachtet werden. Bei beiden besteht zudem das Problem, daß
die Autoren, die üblicherweise als erste Geschichtsschreiber der gens gelten, keine
„Origo gentis" im herkömmlichen Sinn verfaßt haben. In ihren Werken findet sich kein
Abschnitt mit einer Herkunftserzählung. Gildas war im engen Sinn kein Geschichts-
schreiber, und Gregor von Tours schrieb keine Geschichte über eine gens. Beide sind
aber von ihren Nachfolgern und Nachahmern immer als Geschichtsschreiber ihrer gens
verstanden worden. Da sie große Wirkung auf ihre Nachfolger hatten und beide Identi-
tätsstiftung und Legitimierung wenigstens teilweise leisten, erweist sich ihre Untersu-
chung als außerordentlich erhellend für das Thema. Sie müssen unter diesem Aspekt,
der für die erweiterte Fragestellung an die Gattung zentral ist, mit ihren Nachfolgern
verglichen werden.
Beda verlieh auf der Grundlage von Gildas den Angelsachsen Identität und Legiti-
mierung, die Historia Brittonum leistete dies für die Briten resp. Waliser. Bedas Vor-
stellungen sind im Grande genommen bis zur normannischen Eroberung Englands
wirksam geblieben. Die Vorstellungen der Historia Brittonum lassen sich bis ins Spät-
mittelalter nachvollziehen.63 Des weiteren bieten die Geschichtswerke der britischen In-
sel ein überaus interessantes Beispiel der Wechselwirkung der verschiedenen gentes un-
Dies liegt hauptsächlich daran, daß Geoffrey von Monmouth manche Erzählung aus der Historia
Brittonum übernahm und veränderte und seine Version der englischen Frühzeit, insbesondere
seine Arthur-Erzählung, ausgesprochen einflußreich war, vgl. dazu Kersken,
Geschichtsschreibung, S. 321-337.
Auswahl der Autoren 29
tereinander und der Nachwirkung von Mustern der Légitimais- und Identitätsstiftung
über mehrere Jahrhunderte hinweg.
Ähnliche Wechselwirkungen und Entwicklungslinien im kleinen sind im Franken-
reich an der gens der Franken zu beobachten. Im Frankenreich haben Fredegar und der
Liber historiae Francorum auf Gregor von Tours aufgebaut und den Franken eine troja-
nische Herkunft, also eine Anbindung an Rom, erfunden. Ähnlich wie die Vorstel-
lungen in Britannien sind die Nachwirkungen dieser Geschichtswerke bis ins Spätmit-
telalter und in die Neuzeit zu beobachten. Der von dem Liber historiae Francorum erst-
mals erwähnte Faramund als Ahnherr für die Merowinger taucht noch in spätmittelalter-
lich-frühneuzeitlichen Genealogien etwa der Habsburger auf.64
Eine Entwicklung, die das Herausarbeiten von Mustern erleichtert, liegt auch bei der
Origo gentis Langobardorum bis zu Paulus Diaconus vor. Der langobardische Fall un-
terscheidet sich dabei signifikant vom Frankenreich und den britannischen Origines.
Die Origo gentis Langobardorum bietet an sich noch eine Herkunftserzählung, die nicht
aus der Reihe fällt, da sie in der üblichen Situation nach der Christianisierung und Eta-
blierang einer gens entstand. Paulus Diaconus aber schrieb zu einem Zeitpunkt, als für
seine gens eine Identitätsstiftung und Legitimierung im Kontext eines regnum nach dem
Untergang des Langobardenreiches eigentlich nicht mehr sinnvoll war. Dementspre-
chend muß er auch unter dem Aspekt betrachtet werden, daß das Langobardenreich zum
Zeitpunkt der Niederschrift seiner Historia Langobardorum schon dem Frankenreich
einverleibt war. So bieten die langobardischen Origines einerseits ein weiteres Beispiel
für Entwicklungslinien und geben auf der anderen Seite Gelegenheit, Identitäts- und Le-
gitimitätsstiftung unter der Bedingung eines Umbruchs zu untersuchen, der über die üb-
liche Verarbeitung der Christianisierung und der Etablierung hinausgeht.
Dudo und Widukind wurden als Beispiele für die nachkarolingische Ordnung in Eur-
opa gewählt. Sie haben erstmals nach dem Zerfall des Frankenreiches wieder ein Ge-
schichtswerk für ihre gens verfaßt. Sie bieten Geschichtsschreibung für Teilregionen
des ehemaligen fränkischen Reiches. Die Normandie war vom Westfrankenreich und
später von Frankreich nahezu unabhängig und hatte eine starke eigenständige historio-
graphische Tradition.65 Sachsen stieg von einem Rückzugsgebiet für Heiden zum Hege-
mon Europas auf, der sich selbst als ausgesprochen christlich geprägt verstand. Dudos
Vorstellungen wurden von anderen normannischen Schreibern zwar intensiv rezipiert
und aufgenommen, aber erst nach der normannischen Eroberung Englands, so daß von
Dudo aus eine Entwicklungslinie zu beobachten ist, in der sich schließlich norman-
nische und angelsächsische Geschichtsschreibung zu englischer Nationalgeschichte ver-
binden.66 Andere Regionen im ehemaligen Frankenreich wie etwa Flandern und die
Grafschaft Anjou weisen zwar ebenfalls Geschichtsschreibung auf, die Identität und Le-
gitimität stiftet, dies aber auf der Grundlage von Genealogien der herrschenden Fami-
lien. Da im Ostfrankenreich resp. Deutschland die Sachsen ihre Hegemonialstellung
wieder verloren, steht Widukind lange allein. Eine bayrische Origo etwa ist erst sehr
Vgl. dazu Althoff, Studien zur habsburgischen Merowingersage, vor allem S. 75-90.
Zu dieser vgl. Kersken, Geschichtsschreibung, S. 78-125.
Dazu vgl. Kersken, Geschichtsschreibung, S. 126-367 zu England.
30 Einleitung
spät überliefert,67 ein thüringisches Bewußtsein entwickelt sich erst im Spätmittelalter68
und eine „deutsche Nationalgeschichtsschreibung", die ohnehin nicht mehr Thema der
Untersuchung wäre, schließlich existiert in diesem Sinne nicht, da sich das Geschichts-
bewußtsein ganz auf die Kontinuität zu Rom konzentrierte.69
Am Übergang zur Nationalgeschichtsschreibung stehen Gallus Anonymus und Cos-
mas von Prag. Sie bieten Geschichtsschreibung für die westslawischen Völker der Polen
und Böhmen, die im Stadium der Ausbreitung des lateinischen Christentums in Europa
in nachkarolingischer Zeit eingegliedert wurden. Da Böhmen und Polen in Kontakt mit
dem römisch-deutschen Imperium standen, lassen sich auch hier Entwicklungslinien bei
der Legitimierung feststellen.
Zwei Namen wird man in dieser Liste wahrscheinlich auf den ersten Blick vermis-
sen: Isidor von Sevilla und Jordanes. Isidor von Sevilla und die spanische Tradition set-
zen zwar früh ein, und Spanien war auch Teil des römischen Reiches. Trotzdem wurde
Isidors Gotengeschichte nicht berücksichtigt, weil sie aufgrund ihrer Kürze und der
mangelnden Anbindung an römische Legitimität für die Fragestellung nur wenig An-
satzpunkte bietet. Zudem ist Isidors Rolle in der spanischen Geschichtsschreibung
hauptsächlich auf das Fortwirken seiner Laus Hispaniae zu Beginn der Gotengeschichte
beschränkt, die als Loblied auf eine Region für die intendierte Untersuchung von Identi-
tät und Legitimität nicht aussagekräftig ist.70
Jordanes' Gotengeschichte, die traditionell an den Anfang der herkömmlichen Gat-
tung der „Origo gentis" gestellt wird und vielen der untersuchten Autoren bekannt war,
wurde ebenfalls nicht näher in den Blick genommen. Das Verhältais zwischen Jor-
danes' Getica und seiner Quelle, der Gotengeschichte des Cassiodor, ist völlig ungeklärt
und wird es wohl auch bleiben. Jordanes schrieb im Vorwort seiner Getica, daß es sich
bei seinem Werk um eine verkürzte Version der Gotengeschichte des Cassiodor han-
delt: id est, de adbrevatione chronicorum, suades, ut nostris verbis duodecem Sena-
...
toris volumina de origine actusque Getarum ab olim et usque nunc per generationes re-
gesque descendentem in uno et hoc párvulo libello choartem...?1 Dies geht weit über die
Art hinaus, in der andere Geschichtsschreiber ihre Vorgänger benutzen. Auch Paulus
Diaconus etwa stützte sich auf den verlorengegangenen Secundus von Trient, forschte
aber auch in anderen Quellen. Nachdem er eine Schlacht der Langobarden mit den
Franken beschrieben hat, gibt er Auskunft über die Herkunft seines Wissens darüber:
Mirandum sane est, cur Secundus, qui aliqua de Langobardorum gestis scripsit, hanc
67
Vgl. Kugler, Das Eigene aus der Fremde, S. 189-191. Zur Bayrischen Stammessage vgl. Störmer,
68
Bayerische Stammes-"Sage".
69
Vgl. dazu Werner, Ich bin ein Durenc.
Vgl. dazu Ehlers (Hrsg.), Ansätze und Diskontinuität (Nationes 8); Thomas, Warum hat es im
Deutschen Mittelalter keine nationalen Chroniken gegeben?, und ders., Julius Cäsar und die
Deutschen.
70
Vgl. dazu Kersken, Geschichtsschreibung, S. 13-77 zu Spanien, besonders S. 22-27 zu Isidor,
S. 58-61 zum Fortwirken der Laus Hispaniae; sowie Reckert, Matter of Britain and Praise of
Spain, zu Spanien vgl. Arce, Enigmatic Fifth Century; Christys, Transformation of Hispania, und
Velazquez, Pro patriae gentisque Gothorum statu, alle drei in Goetz (Hrsg.), Regna and Gentes.
71
Jordanes, Getica, ed. Mommsen, S. 53.
Auswahl der Autoren 31
tantam eorum victoriam praeterierit, cum haec quae praemisimus de Francorum interi-
tum in eorum historia hisdem ipsis pene verbis exarata legantur.12 Paulus wollte also
ein eigenes, unabhängiges Werk schreiben. Dabei benutzte er seinen Vorgänger ledig-
lich und stand ihm auch kritisch gegenüber. Wir können das Verhältnis zu seiner verlo-
renen Vorlage nicht mehr genau bestimmen, wissen aber immerhin, ab wann er sie nicht
mehr benutzt hat,73 und der Wille des Paulus zur Gestaltung eines eigenen Werkes steht
außer Frage. Bei Jordanes liegen die Verhältnisse anders. Da zum einen die Gotenge-
schichte Cassiodors nicht überliefert ist, ist es unmöglich, genau zu bestimmen, welche
Teile der Getica auf Jordanes zurückgehen und welche eher Cassiodor widerspiegeln.
Zum anderen lag es laut seiner eigenen Aussage nicht in Jordanes' Absicht, ein neues
Werk zu schaffen. Die Formulierung, die er wählt, geht über den in den Vorreden üb-
lichen Bescheidenheitstopos74 doch sehr hinaus. Daher ist der Schluß, daß hier ein Werk
vorliegt, dem man die Meinung des Jordanes zweifelsfrei entnehmen kann, nicht ge-
rechtfertigt. Die Intention Cassiodors läßt sich ebenfalls nicht ermitteln, da wir, was den
Inhalt seiner Gotengeschichte angeht, völlig im Dunkeln tappen. Das Grandproblem mit
der Getica ist also, daß man sich genau genommen nie sicher sein kann, ob man nicht
Cassiodors Meinung in einem zugegebenermaßen durch die wohl sehr straffe Kürzung
des Jordanes verzerrten Spiegel vorliegen hat. Deshalb lassen sich weder die Vorstel-
lungen des Jordanes noch die Cassiodors wirklich rekonstruieren. Alle bisherigen zum
Teil sehr beachtlichen Versuche, Jordanes zu interpretieren, setzen die Hypothese vo-
raus, daß die Getica zu großen Teilen auf Jordanes selbst zurückgeht und seine Aussage
einer Verkürzung des Cassiodor nicht ernst zu nehmen ist.75 Angesichts der Überliefe-
rangssituation muß dies aber Hypothese bleiben.76 Zudem ist für eine Erforschung der
mündlichen Tradition, wie sie Herwig Wolfram versucht hat, das spezifische Cassiodor-
Jordanes-Problem nicht von so großer Bedeutung. Eine Traditionslinie, ähnlich der bei
72
Paulus, HL, ed. Waitz, III, 29, S. 133. Vgl. zu den Quellen des Paulus auch unten S. 193.
73
Secundus Geschichte reichte nicht in Paulus eigene Zeit, sondern nur etwa bis 612, vgl. Paulus,
HL, ed. Waitz IV, 40, S. 168.
74
Zum Bescheidenheitstopos Simon, Untersuchungen zur Topik I, S. 109-119, und dies.,
75
Untersuchungen zur Topik II, S. 77f.
Auch wenn die Interpretationen sehr unterschiedlich sind, sei hier doch vor allem auf die
Forschungen von Wolfram, Goten, vor allem Einleitung S. 13-29, und Goffart, Narrators, S. 20-
111, verwiesen, die beide Erstaunliches zum Verständnis des Jordanes beigetragen haben.
76
Zum ungeklärten Verhältnis von Cassiodor und Jordanes vgl. eingängig O'Donnell, Cassiodorus,
S. 43-54; Teillet, Goths, S. 305-334; Goffart, Narrators, S. 23-31 und 58-62; Heather, Goths and
Romans, S. 34-67, und ders., Historical Culture, S. 341-351. Momigliano, Cassiodorus, plädierte
nachdrücklich für einen starken Einfluß des Cassiodor und hat mit dieser Meinung lange die
Cassiodor/Jordanes-Forschung dominiert. Ihm folgten etwa Barnish, Genesis and Completion,
sowie Weissensteiner, Cassiodor/Jordanes und ders., Cassiodors Gotengeschichte. Inzwischen
vertritt man ohne wirklich stichhaltige Gründe mehr den Standpunkt einer größeren
Unabhängigkeit des Jordanes, vgl. bereits Bradley, Composition; dann Baldwin, Purpose; ders.,
-
-
Sources; Croke, Cassiodorus; Goffart, Narrators, S. 23-31, und Bradley, In altum laxare. Das
neueste Werk über gotische Geschichtsschreibung Christensen, Cassiodorus, S. 115-123, bezieht
keine Stellung zu dem Problem.
32 Einleitung
den Herkunftserzählungen Britanniens und bei den fränkischen Geschichtsschreibern,
liegt von Cassiodor zu Jordanes also vor, kann aber nicht rekonstruiert werden. Für die
Frage nach der Identitäts- und Legitimitätsstiftung, die Cassiodor und Jordanes im
Sinne hatten, kann die Getica wegen der Unmöglichkeit, die Anteile der Autoren vonei-
nander zu trennen, aber nicht verwendet werden. Unser Zielpunkt ist nicht die Rekon-
struktion der mündlichen „Origo gentis", sondern die Frage nach der Funktion für Iden-
tität und Legitimität im gesellschaftlichen Kontext des Autors.
Es sei zusätzlich darauf hingewiesen, daß zu dem Zeitpunkt, als Jordanes schrieb, es
für die Goten keine Identität in einer politischen Einheit mehr gab, so daß von Jordanes
keine Tradition der gotischen Geschichtsschreibung fortführt. Die Goten waren im ost-
römischen Reich in der Herrschaft Justinians aufgegangen und das schnelle Auflösen
der gotischen Reste in Italien spricht auch nicht dafür, daß ihr Identitätsgefühl zu die-
sem Zeitpunkt noch sehr ausgeprägt war.77 Anders liegt der Fall etwa bei Paulus Diaco-
nus, dessen Situation insofern vergleichbar ist, als er nach dem Untergang des Lango-
bardenreiches, also auch in der Extremsituation des radikalen Umbruchs, schrieb. Die
Langobarden gerade das Herzogtum Benevent sind jedoch viele Jahrzehnte später
als eigenständige Gruppe faßbar.
- -
C. Vorgehensweise
Da die Geschichtswerke nicht in Bezug auf ihre Verwertung für die Ethnogenese ihrer
gens benutzt werden sollen, sondern ihre gesellschaftliche Funktion der Identitätsstif-
tung und Legitimierung einer gens untersucht werden soll, ist es vonnöten, nicht nur die
eigentliche „Origo gentis" zu untersuchen. Die Herkunftserzählung wird wie oben be-
reits angedeutet nicht isoliert vom restlichen Text in den Blick genommen, sondern
-
soll in den Kontext des gesamten Werkes gestellt werden. Die Deutung der Herkunft,
-
die der einzelne Autor im Sinn hat, erschließt sich erst, wenn der Kontext betrachtet und
beobachtet wird, auf welche Weise die Eigenbestimmung der Gemeinschaft und die
Rechtfertigung der Ordnung, die in der Origo angelegt sind, auch im weiteren Text in
Vgl. dazu Heather, Goths, S. 275f. Die gotische Identität ist umfassend von Patrick Amory
untersucht worden, vgl. Amory, People and Identity.
Zu den fließenden Übergängen vgl. Kersken, Geschichtsschreibung, S. 6-9.
Vgl. zu ihr Cross/Sherbowitz-Wetzor (Hrsg.), Russian Primary Chronicle.
Vorgehensweise 33
teren angemahnt84- die Bibel und mit ihr die Heilsgeschichte sein. Ihr dürften die Auto-
ren nachgeeifert haben, in vielen Fällen sicherlich bewußt, zuweilen vielleicht aber auch
unbewußt. Daß daneben vielleicht auch andere literarische Muster wie z.B. die Komö-
die eine Rolle gespielt haben, soll damit natürlich nicht ausgeschlossen werden. So kann
Zu diesem Begriff und seiner Anwendung in der Geschichtswissenschaft vgl. etwa Spiegel, Social
Logic; dies., Sociology of the Linguistic Turn; Epp, Von Spurensuchern und Zeichendeutern,
S. 43ff; zum „linguistic turn" und seiner Vorgeschichte: Rüsen, Narrativität. Zur Auswirkung des
„linguistic turn" auf die Geschichtswissenschaft: Fried, Wissenschaft und Phantasie;
zusammenfassend Iggers, Geschichtswissenschaft, vor allem S. 87-97, der den Einfluß des
„linguistic turn" auf die Geschichtswissenschaft prägnant zusammengefaßt hat (ebd. S. 96): „Sie
(die Geschichtswissenschaft) braucht aber nicht ihren Anspruch aufzugeben, daß sie wirkliches
Leben, wie perspektivisch auch immer, rekonstruiert"; jetzt außerdem auch Goetz,
Wahrnehmungs- und Deutungsmuster. Skeptisch gegenüber dem postmodernistischen Ansatz,
Evans, Defence, vor allem S. 224-253.
Vgl. gerade für die mittelalterliche Geschichtsschreibung etwa Morse, Truth and Convention. Zum
Konzept vgl. Goetz, Vorstellungsgeschichte.
Vgl. dazu White, Literarisches Kunstwerk, S. 107-113.
White, Metahistory; auch ders., Auch Klio dichtet.
Vgl. Goetz, Geschichte im Wissenschaftssystem, vor allem S. 194-208; Werner, Gott, Herrscher
und Historiograph; Goetz, Gegenwart der Vergangenheit, und Epp, Von Spurensuchern und
Zeichendeutern.
34 Einleitung
dank Goffarts Interpretation von Jordanes' Gotengeschichte als Komödie Jordanes'
Wunsch nach einer Aussöhnung zwischen Goten und (Ost-)Römern hinreichend gewür-
digt werden. Es sollte aber im Auge behalten werden, daß die klassischen literarischen
Muster im Mittelalter nicht von solcher Bedeutung waren wie die Bibel und ihre Exege-
se, also die heilsgeschichtliche Erklärung. Immer wieder finden sich mimetische Inter-
pretationen von Geschichte, also die Betonung des Umstandes, daß ein historisches Er-
eignis auf ein weiteres hinweist und durch dieses neu interpretiert wird und seine Be-
deutung bekommt, so wie das Alte Testament nach mittelalterlicher christlicher Vorstel-
lung auf das Neue hinweist und dessen Ereignisse präjudiziert. Das ist das Muster, an
das sich ein mittelalterlicher Autor im Zweifelsfalle anlehnte, und dies ist ein entschei-
dender Unterschied zu den Historikern des 19. Jahrhunderts.
Die Interpretation von Geschichte als Heilsgeschichte impliziert die Auslegung und
Erklärung von Geschichte, sozusagen ihre Exegese. Damit aber geht die Geschichts-
schreibung über die genannten literarischen Grundmuster hinaus. Das literarische Mu-
ster im Mittelalter ist die Bibel, und die Handhabe, mit der man im Mittelalter die Bibel
deutete, waren die vier Formen der Exegese, die wörtliche, die historische, die übertra-
gene und die eschatologische Auslegung. Die mittelalterlichen Autoren schrieben mit
diesem Erklärangsmuster im Kopf. Wenn sie daher ihre Erzählungen an biblischen Mu-
stern ausrichteten, mußten sie von ihrem Publikum eine Auslegung erwarten, die ent-
lang den traditionellen Bahnen der Beschäftigung mit der Bibel verlief. Gerade etwa der
mimetische Vorgriff auf spätere Ereignisse dürfte mittelalterlichen Lesern, die gewohnt
waren, das Alte Testament in Bezug auf seine Vorhersagen für das Neue zu lesen,
selbstverständlich vorgekommen sein.85 Die Auslegung der Geschichtsschreibung mit
Methoden der Bibelexegese mußten die Geschichtsschreiber von ihren Lesern erwarten.
Diese Erklärung der Geschichte dient nicht einfach der Befriedigung der intellektu-
ellen Neugierde und entspringt keinem Forschungsdrang. Sie dient auch nicht der Auf-
arbeitung von traumatischen Erlebnissen der Vergangenheit.86 Vielmehr hat diese Art
von Geschichtsschreibung einen didaktischen und moralischen und damit einen vor-
nehmlich gesellschaftspolitischen Aspekt. Die Erklärangsmuster für die Identität und
Legitimierung der gens, die sich bei den verschiedenen Autoren finden lassen, hatten
durchaus den Zweck, auf die Gesellschaft zu wirken. Die Auslegung der Geschichte
konnte den Lesern (oder Hörern) dazu dienen, ihren eigenen Platz in der Heilsgeschich-
te besser zu verstehen. Aus diesem Grand wird mit der Aufdeckung der literarischen
Muster, die die Geschichtsschreiber verwenden, nur das Mittel aufgefunden, das sie be-
nutzt haben, um ihren eigentlichen Zweck, nämlich die Erklärung des Ortes, den ihre
gens in der Heilsgeschichte einnimmt, zu erfüllen. Das Herausarbeiten der Muster der
Grundsätzlich zur typologischen Auslegung, die auch halb- und außerbiblisch und gerade in der
Origines und der Entwicklungslinien, die sich von der Origo aus weiter tradieren, dient
dazu, festzustellen, welches Bild von gens die mittelalterlichen Autoren geschaffen ha-
ben. Dieses Bild schließlich ist ein wichtiger Darstellungszweck der Autoren, wenn
auch nicht unbedingt der einzige. Wenn dies umrissen wurde, kann man vielleicht auch
erkennen, welche gesellschaftliche Funktion diesem Bild zukam und ob diese erfüllt
wurde. Dabei kann und soll nicht ausgeschlossen werden, daß nach gebührender Be-
rücksichtigung dieses Zwecks der Geschichtsschreibung auch Aussagen über die ver-
wendeten mündlichen Traditionen versucht werden können.
Die Fragestellung, der nachgegangen wird, unterscheidet sich in drei Punkten von
bisherigen Ansätzen: Erstens werden nicht die „Origines" allein in den Blick genom-
men, sondern der gesamte Kontext der Werke betrachtet. Zweitens steht nicht das Pro-
blem der Ethnogenese im Mittelpunkt, nur die für die Ethnogenese natürlich nicht un-
wichtige Identitäts- und Legitimitätsstiftung. Drittens werden Muster der Identitäts- und
Legitimitätsstiftung einem Vergleich unterzogen, nicht allein einzelne Strakturelemente
der „Origo gentis", die ohnehin nur einen Teil des Textes bildet. Die entdeckten Ge-
meinsamkeiten können dann darüber Aufschluß geben, ob die Definition der „Origo
gentis" als einer Gattung gerechtfertigt ist.
Im einzelnen wird dabei wie folgt vorgegangen: Die Geschichtsschreiber werden zu-
nächst kurz in ihren historischen Kontext und in die Forschungsgeschichte eingeordnet.
Es folgt eine Beschäftigung mit der überlieferten Herkunftserzählung soweit vorhan-
den. Anschließend wird den Mustern der Herkunftserzählung im weiteren Text nachge-
-
spürt. Dies wird daran festgemacht, wie die in der Herkunft angelegte Identität im wei-
teren Verlauf expliziert wird. Wie wird die gens im gesamten Text dargestellt, welche
Eigenschaften werden ihr zugeschrieben, wie wird sie gegen andere abgegrenzt? Für die
Identitätsstiftung ist auch wichtig, auf welche Weise Identifikationsfiguren wie etwa
Herrscher behandelt werden und dies ebenfalls nicht nur in der eigentlichen Origo. Wie
wird weiterhin die in der Herkunftserzählung angelegte Ordnung legitimiert? Wie zieht
sich das Muster dieser Legitimation der Verfaßtheit der gens durch das weitere Werk?
Es ist ein Darstellungszweck des Autors, die Identität der gens als eine Einheit in einer
bestimmten Ordnung, einem bestimmten Reich unter einem bestimmten König oder
Herrschergeschlecht zu bewerkstelligen. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht im fol-
genden also der gesellschaftspolitische Zweck, die gens zu konstruieren, und die Frage,
wie dieser Zweck erfüllt wurde.
IL Herkunftserzählungen in Britannien
1
Zu einer verfehlten Benennung der einwandernden Stämme mit dem sicher nicht passenden
„English" vgl. Whittock, Origins, S. 2. Zur Heterogenität der Stämme vgl. auch Fisher, Anglo-
Saxon Age, S. 22-31; Kirby, English Kings, S. 12-14; Hiñes, The Becoming of the English (aus
archäologischer Sicht); Wood, Migration to Britain; Charles-Edwards (Hrsg.), After Rome;
Postel, Ursprünge, S. 92-111. Zum Begriff instruktiv Reynolds, What Do We Mean by "Anglo-
Saxon" and "Anglo-Saxons"?
2
Zum Titel vgl. Braidotti, Termine conquestas. Möglicherweise ist der Name Gildas ein Alias, vgl.
Sims-Williams, Gildas and the Anglo-Saxons, S. 3.
Einige Überlegungen dieses Kapitels habe ich auch an anderer Stelle dargelegt: Plassmann, Gildas
Gildas und die Negatividentifikation 37
Trotz der Schwierigkeiten, die mit seinem Werk verbunden sind, hat Gildas schon
immer die Beachtung der Historiker gefunden,4 denn hier liegt ein Text eines britischen
Autors vor, der die angelsächsische Landnahme aus der einheimischen Sicht erzählt.
Eine solche Perspektive ist für das Frühmittelalter einzigartig, und so bildet Gildas ganz
eigenständige Erzählschemata aus. Es ist sehr schwer, gesicherte Aussagen über die
Schrift von Gildas zu treffen. Die Forschung ist sich hier nur in wenigen Punkten einig.
Heute besteht Übereinstimmung darin, daß Gildas der alleinige Autor des Werkes ist
und sowohl den historischen Teil als auch den Predigt-Teil verfaßt hat, daß das Werk
also eine Einheit bildet.5
Weitere Parameter des Werkes sind aber wesentlich schwieriger zu definieren. Die
Datierung ist ausgesprochen komplex, da Gildas selbst kaum Anhaltspunkte bietet, und
sie aus anderen dürftigen Quellen erschlossen werden muß.6 Traditionellerweise wird
als Terminus ante quem der Tod von Maelgwn von Gwynedd gesehen, da er von Gildas
noch als lebend erwähnt wird, un nach den Annales Cambriae im Jahr 547 einem Seu-
chenjahr starb.7 Die Datierungen der Annales sind aber höchst unzuverlässig, immer-
-
hin gab es 542 eine große Seuche im oströmischen Reich, die einige Jahre gebraucht ha-
-
ben könnte, bis sie sich auf den britischen Inseln ausbreitete.8 Bei dieser Datierung
kommt man allerdings in Konflikt mit einer anderen Stelle bei Gildas: usque ad annum
obsessionis Badonici montis, novissimaeque ferme de furciferis non minimae stragis,
quique quadragesimus quartus (ut novi) orditur annus mense iam uno emenso, qui et
meae nativitatis est? Interpretiert man diese Stelle so, daß Gildas 44 Jahre nach der
Schlacht von Baddon geschrieben habe, bei der die Briten einen Sieg gegen die Angel-
dene spätrömische Verwaltangsreste können aber nicht gezogen werden.16 Auf der an-
10
Annales Cambriae, ed. John Williams ab Ithel (Rolls Series 20), London 1860, ad a. 516, S. 4.
"
12
Vgl. hierzu auch O'Sullivan, The De Excidio, S. 77-86, über die traditionelle Datierung.
Vgl. z.B. Miller, Relative and Absolute Publication Dates, S. 171ff; O'Sullivan, The De Excidio,
S. 134-157; kürzlich Wiseman, Derivation of the Date of the Badon Entry, der sogar den Versuch
macht, nachzuweisen, die Annales hätten ihr Datum aus Gildas und Beda abgeleitet.
13
Miller, Relative and Absolute Publication Dates, vermutet 539-549 als Publikationsdatum und
491-506 oder 501-516 als Datum für die Schlacht von Baddon. Sie stellt die These auf, daß Gildas
sein Werk in Auszügen schon vor der endgültigen Version veröffentlichte. O'Sullivan's, The De
Excidio, vor allem S. 87-181, eigener Datierungsversuch auf 515-520 hat sich nicht durchgesetzt.
Dumville spricht sich für ca. 544 aus, vgl. Dumville, Chronology. Neuerdings hat Stancliffe,
Sermons attributed to Columbanus, S. 177-181, wieder die traditionelle Datierung befürwortet.
14
Kerlouégan, Le Latin de Gildas; ders., Le De excidio Britanniae; und ders., Metaphora reciproca.
Als Beispiel sind hier die von Gildas umfangreich benutzten Topoi zu nennen, vgl. Kerlouégan,
Le De Excidio, S. 144-167 und 168-196, über die antiken und über die spätantik-kirchlichen
Topoi. Kerlouégan, Le De Excidio, S. 220-289 und S. 471 f., hat auch die Sprache von Gildas
intensiv mit dem spätantiken Latein verglichen und bescheinigt ihm zwar keine Originalität, aber
doch einen für einen Autor des 5. Jahrhunderts ausgesprochen guten Stil. Vgl. auch Lapidge,
Gildas's Education; Wright, Gildas's Prose Style; ders., Gildas's Reading. Schon Winterbottom,
Preface of Gildas, sah enge Verbindungen zur kontinentalen spätantiken Tradition. Zu einigen
sprachlichen Besonderheiten von Gildas vgl. Orlandi, Clausulae in Gildas. Kürzlich hat Ó Riain,
Finnio and Winniau, die These verfochten, Gildas habe eine irische Schule besucht. Da er sich mit
Kerlouégans umfangreichen Stadien aber nicht auseinandersetzt, scheint mir der Schluß zu
voreilig. Auch Ó Riains Interpretation von Gildas' Namen als Gweltas (ders., Gildas) hängt von
dieser Hypothese ab.
15
Sims-Williams, Settlement, S. 15, sieht Gildas' Schrift als passend in den Beginn des 6.
Jahrhunderts; ebenso Wood, End of Roman Britain, der Gildas aufgrund der kontinentalen
Parallelen gerne auf 485-520 datieren würde, und vor allem Kerlouégan, Le De Excidio, S. 140,
198, 209.
16
Vgl. Schaffner, Britain's iudices.
Gildas und die Negatividentifikation 39
deren Seite muß man nach archäologischen Zeugnissen das Ende der römischen Kultur
in Britannien nicht so früh ansetzen, wie man lange gedacht hat.17 Wie sich an den
Sprachbildern erkennen läßt, die aus dem keltischen Umfeld stammen, ist Gildas aber
auch von der mündlichen keltischen Dichtung beeinflußt.18 Letztlich bleibt also nur die
relative Aussage, daß Gildas zu einem Zeitpunkt geschrieben haben muß, als noch ein
gewisses britisches Gesamtbewußtsein existierte und die Briten vielleicht noch nicht
völlig auf Wales, Cornwall und den Norden eingeschränkt waren. Als absoluter Zeit-
punkt ist die Erwähnung von Gildas' Schrift ca. 600 durch Columban zu sehen.19
Daß über die Datierung der Schrift kein genaueres Urteil gefallt werden kann, hängt
damit zusammen, daß wir über Gildas' Person selbst nichts wissen. Seine Herkunft ist
schon in allen britischen Gebieten der Insel lokalisiert worden, und hier gilt das Gleiche
wie für die Datierung: Keine Theorie kann im Grande für sich beanspruchen, die von
Gildas gelieferten Daten in völlige Übereinstimmung zu bringen. Für die meisten Orte,
die Gildas nennt, ist aus dem einen oder anderen Grand ohnehin anzunehmen, daß sie
überregional bekannt waren.20 Daher können auch in diesem Fall die philologischen Ar-
17
Zu diesem Komplex vgl. Wood, Fall of the Western Empire; Meid, Englisch und sein britischer
Hintergrund; Higham, Rome, Britain and the Anglo-Saxons; Dark, Civitas to Kingdom; Jones, End
of Roman Britain; Harke, Briten und Angelsachsen; Snyder, Age of Tyrants; Woolf, Britons.
Anders noch Thompson, Saint Germanus, der sich vehement gegen langandauernde Kontinuitäten
18
ausspricht.
Vgl. Kerlouégan, Le De Excidio, S. 500-542, über Gildas und sein keltisches Umfeld. Das
Verhältnis zwischen Schriftkultar und mündlicher Preisdichtung ist aber insgesamt noch nicht
völlig geklärt, vgl. Sims-Williams, Gildas and Vernacular Poetry. Die Verachtung, die Gildas den
Barden an Maelgwns Hof entgegenbringt, vgl. Williams, Gildas, Maelgwn and the Bards, spricht
auf jeden Fall dafür, daß das Phänomen der Preisdichtung Gildas vertraut war.
19
Sims-Williams, Gildas and the Anglo-Saxons, S. 5. Columban, Epístola I, ed. Walker, S. 8.
20
Higham, Roman Walls, nimmt z.B. eine südliche Herkunft für Gildas an, da er sich mit den
römischen Wällen im Norden offensichtlich nicht auskannte und Erdwerke allein, die er
möglicherweise durch den Wansdyke gekannt haben könnte, für nutzlos hält. Dagegen spricht, daß
auch Beda, der aus dem Norden kam, die Wälle wahrscheinlich nicht betrachtet hat, sie aber auf
jeden Fall keiner ausführlichen Beschreibung für würdig hielt (vgl. Beda, HE, ed.
Colorave/Mynors, I, 5, S. 26f. Anm. 1) und daß Gildas auch die Steinwälle für wenig sinnvoll
hält, wenn sie nicht richtig bemannt sind, vgl. Gildas, ed. Winterbottom, cap. 19,2, S. 95. Higham,
Dark Age Landscape, fuhrt als zusätzliches Argument an, daß Gildas' Beschreibung Britanniens in
der Einleitung aufgrund der dort verwendeten Bilder für die Landwirtschaft eine südliche Herkunft
nahelegen. Auch dies überzeugt wegen der deutlichen Toposhaftigkeit, Kerlouégan, Le De
Excidio, S. 151, der Einleitung nicht. Am ehesten kann man noch dem vorsichtigen Argument von
Dumville und Thompson zustimmen, daß Gildas' Herkunft im Nordwesten der Insel zu suchen ist,
weil er zwar die Ankunft der Angelsachsen als Foederaten gegen die Pikten berichtet, aber von
Landungen im Süden der Insel keine Kenntnis hat (Thompson, Gildas and the History of Britain;
Dumville, Chronology). Thompson, ebd., S. 225, vermutet eine Herkunft aus der Gegend von
Chester, da die dortigen Machthaber in De Excidio Britanniae nicht genannt werden, entweder
weil Gildas sie fürchtete oder weil sie eine Ermahnung nicht nötig hatten. Gegen dieses Argument
hat allerdings Sims-Williams eingewandt, daß Gildas eine solche Tradition auch von
nordbritischen Emigranten erzählt bekommen haben könnte. Sims-Williams, Gildas and the Anglo-
40 Herkunftserzählungen in Britannien
gumente Kerlouégans für eine Herkunft aus Südwales noch am ehesten Wahrscheinlich-
keit für sich beanspruchen.21 Über Gildas' Person läßt sich nur vermuten, daß er Mönch
war und die Ideale des Mönchtams vertrat und vorantreiben wollte.22
Wie Kerlouégan deutlich gemacht hat, handelt es sich bei dem Werk um einen Pre-
digtbrief, der sich möglicherweise an Paulus anlehnt und für den es mit den Patrickbrie-
fen sogar Parallelen in der britischen Tradition gibt.23 Die Absicht von Gildas ist nicht
nur die Wehklage über die schlechte Situation der Briten, sondern durchaus auch die
Suche nach einem remedium, das seiner Meinung nach in der richtigen Hinwendung
zum Glauben liegt. Gildas tat wenig anderes, als die Sünden der Briten zu beklagen,
aber immer in der Absicht, seine Leser aufzurütteln. Dabei verwendet er eine intensive
Bildsprache mit Topoi aus unterschiedlichen Bereichen, die es unwahrscheinlich macht,
daß viele der Beschreibungen von Gildas genau der Wahrheit entsprechen.24
Der historische Teil von De excidio Britanniae, der seiner Predigt vorangeht, trägt
methodisch viele Probleme in sich, da hier wenige Ereignisse mit Namen oder Datum
genannt sind, und insofern nur eine relative Chronologie aufgestellt werden kann. Oh-
nehin ist bei Gildas mit einer starken Schematisierang zu rechnen, weil die historischen
Ereignisse bei ihm so deutlichen Beispielcharakter haben. Einzelne Ereignisse müssen
also nicht unbedingt in der richtigen Reihenfolge genannt sein.25
21
Königreich Durotrigan.
Kerlouégan, Le De Excidio, S. 5.
22
Kerlouégan, Le De Excidio, S. 112; Herren, Gildas and Early British Monasticism. Zum Einfluß,
den Gildas in der Kirche ausübte, vgl. auch Sharpe, Gildas as a Father of the Church.
23
Kerlouégan, Le De Excidio, S. 31-36.
24
Zu Gildas' intensiver Bildsprache vgl. Sutherland, Imagery.
25
Für einen derartigen Versuch vgl. Dumville, Chronology.
26
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 1,1, S. 87: In hac epístola quicquid defiendo potius quam
declamando, viii licet stilo, tarnen benigno, fuero prosecutus, ne quis me qffectu cunctos
spernentis omnibusve melioris, quippe qui commune bonorum dispendium malorumque cumulum
Gildas und die Negatividentifikation 41
römischen Provinzen Britanniens gemeint sein, bzw. der Teil davon, der noch unter bri-
tischer Herrschaft stand.27 Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut,
wird aber im weiteren Verlauf des Briefes klar, da nur von Britannien gesprochen wird.
Gildas beginnt den historischen Teil mit einer Inhaltsangabe, in der schon einiges
von seinem Hauptthema deutlich wird, da wiederholt von subiectio und rebellio die
Rede ist.28 Zunächst liefert Gildas dann eine Beschreibung Britanniens, die Orosius ent-
lehnt ist,29 und die Britannien in der Metapher der geschmückten Braut darstellt: electa
veluti sponsa monilibus diversis ornata.30 Möglicherweise ist Gildas bei diesem Bild
schon durch die von Augustinus vorgenommene Identifizierung der Kirche als Braut
Christi beeinflußt worden.31 Er weckt hier eine Rollenerwartang von Britannien als
Braut und Gott als Bräutigam, die aber wegen der negativen Eigenschaften der Briten
keine Erfüllung findet, wodurch gleich zu Beginn schon eine Spannung zwischen Er-
wartung und Realität erzeugt wird, die sich im Laufe des Sermons noch steigert. An die-
sem Bild wird deutlich, daß zumindest die Erwartungen sehr hoch gespannt werden,
denn im Bild von Britannien als der Braut wird eine Auserwähltheit von Gildas' patria
ausgedrückt.
Deshalb folgt als Kontrast zu dieser anfänglichen Harmonie das Thema, das sich
durch das gesamte Werk zieht: „Von dem Zeitpunkt an, an dem Britannien bewohnt
war, war es hartnäckig, starrsinnig und undankbar einmal gegen Gott, dann gegen die
eigenen Bürger, sogar gegen überseeische Könige und ihre Untertanen."32 Der Sinn der
Einwohner Britanniens stand schon immer einzig und allein danach frangere divino
sensui humanoque fidem?3
consurgit.
33
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 4,1, S. 90.
42 Herkunftserzählungen in Britannien
Dieses Thema sieht Gildas nun durch die britische Geschichte hindurch mehrmals
variiert:
„Die Römer erobern die britische Insel: ...zur Insel übersetzend führten sie ohne Wi-
derstand Gesetze zum Gehorchen ein und unterwarfen das unkriegerische und untreue
Volk, nicht so sehr durch Feuer und Schwert und Belagerangsmaschinen oder wie ande-
re Völker, sondern allein durch Drohungen und Richterstrafen, wenn auch nur ober-
flächlich, da es im tiefsten Herzen seine Trauer verbarg und den Gesetzen Gehorsam
entgegenbrachte."34 Die Römer treffen also auf der Insel ein Volk an, daß durch die Ad-
jektive imbellis und infidelis wie später noch öfter charakterisiert ist, während sie
auf der anderen Seite für militärischen Erfolg und noch viel wichtiger für Recht und
- -
Ordnung stehen. Die auf die Eroberung folgende Rebellion der Boadicea35 wird lächer-
lich gemacht, indem die vulpeculae subdolae bei Ankunft der Römer, bildlich gespro-
chen, den Schwanz einziehen und sich unterwerfen, so daß ita ut in proverbium et deri-
sum longe lateque efferretur quod Britanni nee in bello fortes sint nee in pace fidèles ?6
Die Feigheit und Untreue der Briten gegenüber ihren Herren ist also sprichwörtlich.
Die Römer sind allerdings keinesfalls das positive Gegenbild zu den Briten,37 denn
ihre Herrschaft stellt Gildas durchaus als Gewaltherrschaft dar: Die Römer suorum quo-
sdam relinquentes praepositos indigenarum dorsis mastigias, cervieibus iugum.3* Aber
die Taktik der Römer hat Erfolg, denn ita ut non Britannia, sed Romania censeretur39
wird die Insel dem römischen Reich eingegliedert.
Im Gegensatz zu Origo-Erzählungen tauchen die von Gildas behandelten Briten ab-
rupt aus dem Dunkel der Vorgeschichte als Einwohner Britanniens auf, offenbar ohne
daß Gildas ihre Anwesenheit als erklärangsbedürftig empfunden hätte. Erklärt wird nur
die Anwesenheit anderer gentes als der Briten. Dies spricht für ein stark entwickeltes
Eigenbewußtsein. Daher ist es wohl auch nicht ganz richtig, Gildas als Loyalisten zu
bezeichnen, der weiterhin dem Imperium angehangen habe und dessen Einstellung der
eines Römers um 400 entsprochen habe.40 Schon allein, daß er eben obwohl er selbst
-
34
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 5,2, S. 91: ...transfretans insulae parendi leges nullo obsistente
advexit, imbellemque populum sed infidelem non tarn ferro igne machinis, ut alias gentes, quam
solis minis vel iudiciorum coneussionibus, in superficie tantum vultus presso in altum cordis
dolore sui oboedientiam proferentem edictis subiugavit.
35
So ist wohl die molimina leaena, Gildas, ed. Winterbottom, cap. 6,1, S. 91, zu identifizieren.
36
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 6,2, S. 91, Kerlouégan, Le De Excidio, S. 549, sieht in dieser
Formulierung die auf die rhetorische Spitze getriebene Zusammenfassung der Vorwürfe gegen die
Briten.
Anders Hanning, Vision, S. 52; sogar Kerlouégan, Le De Excidio, S. 55lf, bescheinigt Gildas
38
lediglich eine etwas trockene Darstellung der Römer.
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 7, S. 91, und Gildas, ed. Winterbottom, cap. 14, S. 93: rectoribus
licet immanibus. Thompson, Gildas and the History of Britain, S. 213, sieht das als ein Argument
gegen eine Ansiedlung Gildas' in der römisch-kultarierten Villenlandschaft im Südosten der
britischen Insel.
39
Gildas, ebd.
40
So Kerlouégan, Le De Excidio, S. 563f, 569 und 579, wo er ihn sogar als „letzten Römer"
bezeichnet.
Gildas und die Negatividentifikation 43
schrieb, daß Britannien zu Rom geworden sei von Britannia und nicht Romania
spricht, zeigt, daß seines Erachtens die Einheit Rom und Britannien nicht mehr ge-
-
von
geben war. Britannia seit dem Abzug der römischen Trappen auf sich allein gestellt
bildet daher eigentlich eine neue Einheit, die auch nicht mit den ehemaligen römischen
- -
Provinzen auf der Insel völlig übereinstimmt.41 Dem muß nicht entgegenstehen, daß
Gildas die Briten nach Abzug der Römer weiterhin als cives bezeichnet,42 denn ein Be-
wußtsein, dem römischen Reich wie auch immer anzugehören, muß sich hinter einer
solchen tradierten Bezeichnung nicht mehr unbedingt verbergen. Auch der Name
"Cymry" für die Waliser, der sich aus *combroges = Mitstreiter herleitet und damit sei-
ne Herkunft aus dem römischen Provinzialbewußtsein offenbart, wurde schon früh zur
Bezeichnung für die heutigen Waliser.43
Des weiteren läßt sich gegen ein Selbstverständnis des Gildas als Römer seine Schil-
derung des graduellen Auseinanderwachsens von Britannien und Rom anführen. Die di-
rekt nach der Eroberung von den Römern erreichte Einheit bleibt nicht erhalten. Später
beschreibt Gildas Britannien als nomen Romanum nee tarnen morem legemque tenens.44
Dies bedeutet zwar noch eine nominelle Zusammengehörigkeit, die aber schon von den
Fakten unterhöhlt wird. Der Prozeß der Trennung schreitet schließlich so weit voran,
daß „der Name Rom nur als blasse Erinnerung in den Ohren der Briten klingt"45 und die
Römer in der Konsequenz die Insel verlassen.
Mit dem Aufstand gegen Rom haben die Fehler der Briten noch kein Ende, denn als
der christliche Glaube nach Britannien kommt, werden seine Grundsätze ab incolis te-
pide suseepta sunt.46 Diese Einstellung ist in Gildas' Augen geradezu eine britische Tra-
dition, die ebenso wie die imbellitas und infidelitas im politischen Sinn in vielen histo-
rischen Situationen zutage tritt.
Die einzige Hoffnung für die Briten liegt in der Hinwendung zu Gott, in einer con-
versio: Magnificavit igitur misericordiam suam nobiscum deus volens omnes homines
salvos fieri et vocans non minus peccatores quam eos qui se putant iustos?1 In dieser
Barmherzigkeit Gottes liegt in Gildas' Vorstellung für die Briten ihre einzige Chance.
Auf sie können sie zählen, wenn sie sich von ihren Sünden lossagen. Mit dem heiligen
Alban und anderen Märtyrern ist hier das einzige Mal ein historisches Beispiel gegeben,
41
Britannien als Bezeichnung ist auch in anderen Quellen nicht völlig eindeutig vgl. D. Bullough,
Britannia (2). Verwendung des Begriffs „Britannien" im Mittelalter, in: Lex Ma 2, Sp. 700.
42
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 26,1, S. 98; Kerlouégan, Le De Excidio, S. 561. Zum Wort civis
vgl. Niermeyer, s.v. civis, S. 183, wo unter (3) weiter gefaßte Bedeutungen als der „Bürger"
43
aufgeführt werden, und Snyder, Age of Tyrants, S. 78f.
Vgl. Geiriadur Prifysgol Cymru. A dictionary of the Welsh language, Bd. 1, Cardiff 1950-67 s.v.
Cymro, S. 770. Eine interessante Parallele ist der Name des walisischen Königreiches Powys, das
aus pagenses entstand, vgl. Jackson, Language and History, S. 91 und 443.
44
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 13,1, S.93.
45
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 17,1, S. 94: ...nomenque Romanorum, quod verbis tantum apud
eos auribus resultabat.
46
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 9, S. 91.
47
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 10, S. 92.
44 Herkunftserzählungen in Britannien
das in Gildas' Augen nachahmenswert ist, und auf dessen Vorbildfunktion er sich be-
ruft.
Am Erfolg der arianischen Häresie zeigt sich dann erneut, daß die Briten infideles
sind: Arriania perfidia, atrox ceu anguis, transmarina nobis evomens venena fratres in
unum habitantes exitiabiliter faceret seiungi, weil die Briten "immer Neues hören wol-
len und nichts für gesichert halten."48
Die politische Unzuverlässigkeit gegenüber den Römern findet ihren traurigen Höhe-
punkt in der Usurpation des Maximus, der in Britannien, das nomen Romanum nee ta-
rnen morem legemque tenens,49 383 zum Imperator erhoben wurde.50 Maximus ist in
Gildas' Augen schuldig daran, daß in Britannien keine römische Armee mehr ist und
die Insel omnis belli usus ignara penitus51 von den Schotten und Pikten überfallen wird.
Zweimal bitten die Briten daraufhin in Rom um Hilfe, die ihnen auch gewährt wird, wo-
bei die zur Hilfe gesandte Legion praeteriti mali immemor ist.52 Wie die Römer dann
die Schotten und Pikten vertreiben, wird von Gildas in plastischen Bildern beschrieben,
in denen er die auxiliares egregii der Römer mit einem Adler und einem reißenden
Bergfluß vergleicht, hier zum einzigen Mal mit wirklich positiven Bildern, denen aber
immer noch die militärische Überlegenheit der Römer als Hauptcharakteristikum deut-
lich anzumerken ist.53 Die Römer verlassen Britannien dann endgültig, nicht etwa, weil
sich die Schwierigkeiten des weströmischen Reiches als zu groß erweisen, sondern weil
sie nicht wollen, daß ob imbelles errattcosque latruneulos Romana stigmata, tantum
talemque exercitum, terra ac mari fatigari?4
Vor ihrem Abzug versuchen die römischen Trappen aber noch der imbellttas der
Briten abzuhelfen, indem sie ihnen den Umgang mit Waffen beibringen und (anachroni-
stischerweise) den Hadrianswall aufbauen.
Allerdings bleiben die Briten ihrer Haupteigenschaft treu: Statuitur ad haec in edito
arcis acies, segnis ad pugnam, inhabilis ad fugam, trementibus praecordiis inepta,
quae diebus ac noctibus stupido sedili marcebat?5
Der dritte Hilferuf, den die Briten aussandten, nachdem sie ihre Städte haben verlas-
sen müssen, geht nicht mehr nach Rom, sondern an einen römischen Kommandeur in
Gallien, bei dem es sich wahrscheinlich um Aetius handelt.56 Als dieser Hilferuf unge-
48
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 12,3, S. 93: ...novi semper aliquid audire volenti et nihil certe
stabiliter optinenti.
49
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 13,1, S. 93.
50
Kerlouégan, Le De Excidio, S. 48, sieht in Maximus das genaue Gegenbild zum heiligen Alban.
51
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 14, S. 93. Casey, Magnus Maximus, vermutet, daß der Usurpator
die Truppen wieder auf die Insel zurückgeschickt habe, so daß Gildas' Vorwurf unberechtigt wäre.
52
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 15,2, S. 93.
53
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 17, S. 94. Zu diesen Bildern vgl. auch Sutherland, Imagery,
S. 165.
54
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 18,1, S. 94.
55
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 19,2, S. 95.
56
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 20,1, S. 95. Dieser Brief ist intensiv diskutiert worden. Schon
Stevens, Gildas Sapiens, S. 362, hat klar hervorgehoben, daß es sich bei den in dem Brief
angesprochenen Barbaren eher um Angelsachsen als um Pikten handelt; ähnlich Sims-Williams,
Gildas und die Negatividentifikation 45
hört verhallt, verfallen die Briten endlich auf die nach Gildas richtige Methode, non fi-
dentes in homino, sed in deo?1 Dieses Verhalten jenseits ihrer sonstigen Gewohnheiten
ist aber nicht von langer Dauer, denn als sich nach dem Zurückdrängen der Schotten
und Pikten Friede und Luxus einstellen, verfallen die Sitten rapide: „Nicht nur dies La-
ster, sondern alle, die der menschlichen Natur geläufig sind, übten sie aus und beson-
ders dies, was auch heutzutage den Zustand alles Guten verhindert, nämlich der Haß auf
die Wahrheit mit ihren Anhängern, die Liebe zur Lüge mit ihren Verursachern, der Aus-
tausch des Guten gegen das Böse, die Anbetung der Nichtigkeit anstatt der Großmut,
die Freude an der Dunkelheit anstatt der Sonne und die Annahme Satans anstatt eines
Engels des Lichts."58 Dies entspricht den Grandeigenschaften der Briten, wie Gildas sie
sieht: Moris namque continui erat genti, sicut et nunc est, ut infirma esset ad retunden-
da hostium tela etfortis esset ad civilia bella et peccatorum onera sustinenda, infirma,
inquam, ad exequenda pacis ac veritatis insignia etfortis adscelera et mendacia.59
Daraufhin werden den Briten von Gott mehrere Warnungen gesandt, die sie aber
ignorieren,60 bis sie beschließen, die Angelsachsen zur Verteidigung gegen die Pikten
und Schotten ins Land wohl als Foederaten zu holen: Turn omnes consiltarii una
- -
Settlement, S. 13f; Kerlouégan, Le De Excidio, S. 43. Das Problem bei der Datierung des Briefes
liegt darin, daß Aetius erst 446 zum dritten Mal Konsul war, die Ankunft der Angelsachsen, die
nach Gildas bald auf den Brief folgt, aber nach den gallischen Chroniken schon ca. 429/30
stattfand. Jones, Appeal to Aetius, und Casey/Jones, Date of the Letter, interpretieren den Brief
völlig neu: Sie glauben, daß es sich um einen Brief der an der Loire siedelnden Briten handelt, für
die der Ausdruck von der Falle zwischen der See auf der einen Seite und den Barbaren auf der
anderen Seite besser paßt. Diese hätten an den römischen Kommandeur Aegidius geschrieben, und
Gildas hätte diesen Brief dann in einem völlig falschen Kontext verwendet. Das Problem mit dem
„ter consul" können Jones und Casey allerdings nicht klären. Daher kann Jones auch (ders.,
St Germanus) das Jahr 428 nach der Neuinterpretation der Daten der gallischen Chroniken,
ders./Casey, Gallic Chronicle Restored als das neue Jahr für den Adventas Saxonum annehmen,
-
das mit einem Aufstand eine lange Zeit später nach Gildas und sechs Jahre später nach der Anglo-
-
Saxon Chronicle und nach dem Bericht des Germanus zusammenpaßt. Zu noch grundsätzlicherer
Kritik an Jones/Casey, The Gallic Chronicle Restored, vgl. Burgess, The Dark Ages Return to
Fifth-Century Britain. Für ein Datum zwischen 425-435 spricht sich Higham, Gildas and 'Agitius'
aus, allerdings mit anderen Argumenten: Gildas habe den Inhalt des Briefes über mündliche
Überlieferung erfahren, den genauen Text nach Vergil erstellt und sein Wissen über das dreifache
Konsulat des Aetius eingebaut. Meines Erachtens müssen Gildas und die kontinentalen Quellen
aber nicht übereinstimmen, wenn man annimmt, daß Gildas über die Ankunft der Angelsachsen
im Norden berichtet und über die Angelsachsen im Süden überhaupt nicht Bescheid gewußt haben
muß.
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 20,3, S. 95.
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 21,3, S. 96: Non solum vero hoc vitium, sed et omnia quae
humanae naturae accidere soient, et praecipue, quod et nunc quoque in ea totius boni evertit
statum, odium veritatis cum assertoribus amorque mendacii cum suis fabricatoribus, susceptio
mali pro bono, veneratio nequitiae pro benignitate, cupido tenebrarum pro sole, exceptio Satanae
pro angelo lucís.
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 21,1, S. 95.
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 22, S. 96f.
46 Herkunftserzählungen in Britannien
cum superbo tyranno caecantur?1 Dieser Vorwurf gegen die Briten, die die Angelsach-
sen ins Land geholt hatten, ergibt sich natürlich erst im Nachhinein, denn in der spätan-
tiken Umgebung des superbus tyrannus war der Einsatz von Barbarentrappen für die
Abwehr anderer Bedrohungen nicht ungewöhnlich.62 Gildas interpretiert das Kommen
der Angelsachsen als gerechte Strafe für das gefallene Volk der Briten und zieht in die-
sem Zusammenhang auch erstmals einen direkten Vergleich mit dem Volk Israel, das
von den Assyrera überrannt wurde: Confovebatur namque ultionis iustae praecedenti-
um scelerum causa de mari usque ad mare ignis orientali sacrilegorum manu exagge-
ratus...63
Die Angelsachsen vertreiben die Briten, töten oder versklaven sie, bis sich die Übrig-
gebliebenen schließlich unter Ambrosius Aurelianus zusammentun und vires capessunt,
victores provocantes ad proelium: quis victoria domino annuente cessit.64 Im Zusam-
menhang mit der Schlacht von Baddon, bei der die Briten siegen, bezeichnet Gildas die
Briten erneut als praesens Israel.65 Das Zurückdrängen der Angelsachsen durch die
Briten hat aber, moralisch gesehen, nur kurze Zeit positive Auswirkungen, dann fallen
die Briten wieder in ihre alten Laster zurück: At Ulis decedentibus cum successisset ae-
tas tempestatis illius nescia et praesentis tantum serenitatis experta, ita cuneta veritatis
ac iustitiae moderamina coneussa ac subversa sunt ut earum non dicam vestigium sed
ne monimentum quidem in supra dictis propemodum ordinibus appareat, exceptis pau-
cis...66.
An einer Stelle drückt Gildas dabei mit einem Zitat noch einmal besonders die Sünd-
haftigkeit der Briten, fast schon resignierend, mit Hilfe der Bibel aus: Quod si dixeris,
inquiens, in corde tuo: quare venerunt mala haec? propter multitudinem iniquitatis
tuae. Si mutare potest Aethiops pellem suam aut pardus vareitates suas, et vos poteritis
bene faceré, cum didiceritis malum?1 Die Sündhaftigkeit ist eine Grundeigenschaft, wie
die Hautfarbe der Äthiopier oder die Flecken im Fell des Leoparden, die quasi nicht
oder nur sehr schwer abgelegt werden kann. Diese Einschätzung steht ein wenig der im
historischen Teil entgegen, wo einige wenige positive Bekehrangsereignisse genannt
werden.
Aus diesem Grand sieht sich Gildas auch zu seinem Sermon veranlaßt, der die Briten
zu einem Umdenken veranlassen soll. Für diesen Sermon bildet die geschichtliche Ein-
führang den Hintergrand, sozusagen die Negativfolie, vor der sich die Briten in Zukunft
abheben sollen. Die negativen Eigenschaften, die Gildas den Briten zuschreibt, sind
nicht unlösbar in ihnen verankert, sondern können durch conversio zu wahrhaft christ-
lichem Lebenswandel aufgegeben werden, was aber nach Gildas' Einstellung große An-
strengung erfordert. An dieser Forderung macht sich am deutlichsten Gildas' Herkunft
aus dem mönchischen Umfeld bemerkbar. Die Identifikation für seine gens erfolgt also
bei Gildas nicht anhand von positiven Eigenschaften oder einer Verankerung in der
Vergangenheit, im Gegenteil, von den Eigenschaften der Vergangenheit müssen sich
die Briten nach Gildas' Einstellung entfernen. Das Erringen der eigentlichen Bestim-
mung muß noch stattfinden, wenn die Vergangenheit und mit ihr die negativen Eigen-
schaften vollständig abgeschüttelt sind. Gildas hält den Briten einen Spiegel vor Augen,
der ihnen eine Fratze zeigen soll. Diese Art der Identifikation könnte man als Negativi-
dentifikation bezeichnen; im Gegensatz zu der Verankerung in der Vergangenheit wird
hier die radikale Abkehr von den in der Vergangenheit zutage getretenen negativen
Grandeigenschaften propagiert, die zu einer Unterscheidung in Hinblick auf die Ver-
gangenheit führen soll. Die in der Vergangenheit gesetzte Ordnung und die alten Sitten
sollen nicht gepflegt werden.
Die anderen Völker der britischen Inseln erfahren bei Gildas allerdings eine noch
schlechtere Behandlung als die Briten, weswegen auch der von walisisch-nationali-
stischer Seite geäußerte Verdacht, bei Gildas könne es sich nicht um einen Briten han-
deln, nicht gerechtfertigt ist.68 Die Nichtbriten erfüllen die Rolle von Barbaren, deren
einziger Zweck quasi darin besteht, für die Existenz der Briten so bedrohlich zu sein,
daß die Abkehr von deren unmoralischen Handlungen erfolgt. Pikten und Schotten sind
gentes saevae,69 sie sind ambrones lupi profunda fame rabidi, die in den Schafstall der
Briten einfallen.70 Die Pikten und Schotten werden mit Ungeziefer verglichen, das in
Scharen über die Briten herfällt, als die Römer die Insel endgültig verlassen haben, und
sich im Norden der Insel festsetzt.71 Es ist aber zu bemerken, daß die Pikten und Schot-
ten an keiner Stelle explizit barbari genannt werden, was Kerlouégan damit erklärt, daß
es sich bei ihnen wenigstens teilweise um Christen gehandelt habe.72 Ihrer Rolle ange-
messen erfahren die Pikten und Schotten keine Identifizierung, die sie über den Status
der Nichtbürger erheben würde.
68
Zu diesen Theorien vgl. O'Sullivan, The De Excidio, S. 23-32.
69
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 14, S. 93.
70
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 16, S. 94.
71
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 19, S. 94f. Die Ansiedlung der Pikten im Britannien nördlich des
Hadrianswalles nach dem Abzug der Truppen durch Maximus erlaubt es Gildas, die Schuld dafür
ähnlich wie die Schuld für das Kommen der Angelsachsen einem Tyrannen zu geben, vgl.
Wright, Gildas's Geographical Perspective, S. 100.
-
-
72
Kerlouégan, Le De Excidio, S. 565.
48 Herkunftserzählungen in Britannien
Die Angelsachsen sind noch schlimmer als die Pikten und Schotten, denn Uli nefandi
nominis Saxones sind Deo hominibusque invisi und lupi, cubili und canes?3 Später sind
sie dann allein die hostes an sich, die den cives, also den Briten, gegenüberstehen.74 Die
Darstellung der Angelsachsen weist starke Ähnlichkeiten zu anderen z.T. topischen
spätantiken Barbarenbeschreibungen auf.75 Interessanterweise sind die Angelsachsen die
einzigen, bei denen Gildas wohl unabsichtlich ein Origo-Element nennt: Ihre An-
kunft in drei Schiffen, die zudem mit ihrem angelsächsischen Namen bezeichnet werden
- -
und deren Dreizahl schon lange zum Vergleich mit Jordanes' Gotengeschichte angeregt
hat.76 Schon wegen des Namens der Schiffe ist hier von der Benutzung einer angelsäch-
sischen Quelle oder Kenntnis angelsächsischer Traditionen auszugehen.
73
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 23, S. 97.
74
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 26,1, S. 98.
75
Sims-Williams, Gildas and the Anglo-Saxons, S. 10-14.
76
Jordanes, Getica, ed. Mommsen, cap. 17, S. 82; dazu Vries, Ursprungssage, S. 356; Sims-Williams,
Gildas and the Anglo-Saxons, S. 22f; die angelsächsische Chronik berichtet davon, daß auch die
Normannen im Jahr 787 zuerst in drei Schiffen gelandet seien, vgl. Anglo-Saxon Chronicle MS A,
ed. Bately, ad a. 787, S. 39; MS B, ed. Taylor, ad a. 787, S. 28, und MS D, ed. Cubbin, ad a. 787,
S. 16.
77
Gildas, ed. Winterbottom. cap. 27, S. 99, zur Verwendung des Wortes Tyrann bei Gildas vgl.
Kerlouégan, Le De Excidio, S. 562, und Bachrach, Gildas, Vortigern and Constitutionality, die
beide unabhängig voneinander zu dem Schluß kommen, daß Gildas damit unlegitimierte Herrscher
meinte. Bachrach's, Gildas, Vortigern and Constitutionality, S. 28f., Interpretation dieser Stelle,
daß Britannien Könige, aber auch Tyrannen habe, ist m.E. verfehlt. Wenn es britische Könige
gegeben hätte, die Gildas als positives Beispiel gegen die Tyrannen hätte absetzen können, hätte er
das wohl getan, denn er verwendet ja auch das positive Beispiel des heiligen Alban. Zu dieser
Stelle vgl. auch Snyder, Age of Tyrants, S. 84f. und 101-106. Zur Entwicklung von römischen
Verwaltungsbeamten zu lokalen, einheimischen Machthabern vgl. Dumville, Idea of Government.
Fanning, Rex and Tyrannus, vor allem S. 15-18, hat sich gegen die Interpretation von Bachrach
gewandt, daß tyrannus eine unlegitimierte Herrschaft bedeute. Er weist anhand des klassischen
Bedeutungsfeldes nach, daß tyrannus viel eher eine moralische Abqualifizierung eines Herrschers
ist, der durchaus rechtmäßig sein kann.
78
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 28-36, S. 99-105. Diese Tyrannen, die man nicht ausnahmslos
identifizieren kann, waren schon Gegenstand vielfältiger Spekulation, vgl. z.B. Jackson, Gildas
and the British Princes, der den ausführlichsten Identifizierungsversuch unternommen hat. Weil
Gildas diese Tyrannen nennt, hat man angenommen, daß er in keinem ihrer Herrschaftsbereiche
ansässig war. Wenn Gildas lediglich ein Deckname war, ist diese Annahme nicht zwingend.
Gildas und die Negatividentifikation 49
lungen der Briten. Damit erfüllen die Tyrannen negative Vorbildfunktion, die sie mög-
lichst bald ablegen sollen.79 Constantinus hat parricida sacrilegiique crimen begangen,
Aurelius Caninus ist mit dem Schleim von parricidiorum fornicationum adulteriorum-
que besudelt, Vortipor sitzt auf einem Thron, der durch diversis parricidas et adulteriis
seine Würde verloren hat. Cuneglasus hat neben innumerabiles casus seine Frau versto-
ßen, Maelgwn von Gwynedd schließlich wird als prime In malo angesprochen.80 Den
Tyrannen fehlen, wie Muraglia deutlich gemacht hat, die Grandtagenden honor, timor
Dei, caritas und fides?1
Um die Tyrannen zur Umkehr zu bewegen, gibt Gildas ihnen Beispiele aus der Ge-
schichte der Könige Israels, die für Ungehorsam gegenüber Gott gestraft wurden, und
zitiert aus den Prophezeiungen des Alten Testamentes, um sie davon zu überzeugen,
daß ihnen, wenn sie ihr Verhalten nicht ändern, ein schlimmes Ende bevorsteht.82 Am
Ende unterstreicht Gildas die Notwendigkeit zur Umkehr mit Bibelstellen, die den Ge-
rechten Lohn versprechen.83 Damit wird erneut die Parallele zwischen den Briten und
dem Volk Israel geradezu überdeutlich gemacht. Das vom Wege abgekommene auser-
wählte Volk hat eine Chance, sein Unglück zu wenden. Daß das Verhältnis der Briten
zu Gott dabei in einer Art Wellenbewegung durch ständiges Auf und Ab gekennzeich-
net ist, mag zum einen wiederum am Vorbild des Alten Testamentes liegen, zum ande-
ren aber auch durch die von Boethius ins Christentum eingeführte Fortunavorstellung
beeinflußt sein.84 Als erste der gens, die in der Umkehr vorangehen sollen, erfüllen
Gildas' Könige aber auch die Funktion von Identifikationsfiguren.
5. Zusammenfassung
Gildas hat keine Origo-Erzählung im strengen Sinn geschrieben. Wir haben es hier aber
mit einer neuen Art von Geschichtsschreibung zu tan, in der es weder um das römische
Reich noch um die Kirche geht. Dies macht Gildas zu einem Vorreiter der Geschichts-
schreiber der gentes?5 Insofern ist nicht verwunderlich, daß sich bei ihm nur einige Ele-
mente der Origo-Erzählung finden, schon allein deshalb, weil eine solche gar nicht in
Gildas' Blick und Interesse lag.86
Zu diesem Zweck von De Excidio Britanniae vgl. auch Brooks, Gildas' De Excidio.
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 28,4 cap. 30,1, cap. 31,1, cap. 32,2, cap. 33,1, S. 100, 101 und
,
102.
Muraglia, Valori guida.
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 37-61, S. 105-116.
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 62-65, S. 116-118.
Zu Fortuna vgl. A. Miltenburg, Fortuna, in: Lex Ma 7, Sp. 596f.
Thompson, Gildas and the History of Britian, S. 208: „(Gildas) was the first man in the entire west
to write a provincial history".
So auch Hanning, Vision, S. 49f. M.E. übersieht er dabei, daß Gildas in einer fundamental anderen
Situation war als die barbarischen Geschichtsschreiber, da es für ihn keine neue barbarische
Ordnung zu legitimieren gab.
50 Herkunftserzählungen in Britannien
Drei deutlich identitätsstiftende Elemente lassen sich bei Gildas finden: die Paralleli-
tät zum Volk Israel, die Abgrenzung von den Römern und den anderen Bewohnern der
britischen Insel sowie die Exemplifizierung der inhärenten Eigenschaften an den Kö-
nigen. Gildas stellt für das Volk, über das er schreibt, eine Bühne auf, die Insel Britan-
nien, die mit ihrer paradiesischen Beschreibung dem gelobten Land nahekommt87 und
den Briten übergeben wurde. Wie, wird von Gildas nicht geklärt, bei ihm finden wir
keine Legende einer Wanderung, keine Anknüpfung an die Römer mit einer Troja-Le-
gende oder an die Bibel mit einer Ahnenreihe, die bis hin zu Noahs Söhnen reicht. Bei
Gildas findet sich lediglich eine Parallelisierang zum Volk Israel,88 die aber gerade nicht
durch eine Abstammungs- oder Identitätsbehauptang untermauert wird, die Gildas viel-
leicht nicht für notwendig hielt. Die Parallelität wird im historischen Teil von De Exci-
dio Britanniae deutlich gemacht, indem Gildas die Ereignisse dem vorgegebenen Mu-
ster des gefallenen Volkes anpaßt. Hierbei erfolgt eine Negatividentifikation der Briten
vor allem durch die Eigenschaften imbellis und infidelis. Infidelis hat dabei die Funkti-
on, die Verbindung zum Volk Israel zu knüpfen, auf das nach den umfangreichen Bibel-
zitaten von Gildas diese Zuschreibung zutrifft,89 das Adjektiv imbellis hingegen schafft
eine Abgrenzung zu den Römern. Dies ist für Gildas' Verständnis der Briten ein zen-
traler Punkt, denn an der Abgrenzung zu den Römern wird deutlich, daß Britannien
eben nicht mehr ein Teil des Römischen Reiches ist. Mit der Eigenschaft imbellis wird
gleichzeitig erklärt, warum das so ist, denn die Römer, deren Hauptcharakteristikum bei
Gildas die militärische Tüchtigkeit ist, nehmen bei ihrem Verlassen der Insel im Grande
auch diese Eigenschaft mit, so daß und das ist für Gildas' Argumentation wichtig
auf militärische Hilfe kein Verlaß mehr ist. Die einzige mögliche Rettung liegt daher in
— -
der Hand Gottes. Handlungsvorgaben über die Art und Weise, wie die Briten ihre nega-
tiven Eigenschaften überwinden können, zieht Gildas dann nach den ausführlichen Zi-
taten aus den Prophezeiungen des Alten Testaments. Diese Anweisungen gelten vor
allem für die Könige/Tyrannen und den Klerus, die vorbildhaft vorangehen sollen.90
In der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit der Briten zeichnet Gildas ein
Bild, das in Parallelität zum Volk Israel und in direkter Abgrenzung von den Römern
gewonnen wird. Die anderen von Gildas erwähnten Bewohner Britanniens nämlich
Schotten, Pikten und Angelsachsen werden schon aufgrund ihrer Beschreibung wilden
-
Tieren gleichgesetzt und sind daher für die Identität der Briten nur in einer Hinsicht in-
-
teressant. Die Plagen, denen die Briten durch sie ausgeliefert sind, sind Mittel zum
Zweck. Die Briten sollen durch das Abstreifen der infidelitas ihre Parallelität zum Volk
Israel loslassen und als neues Israel, das zum Paradies Britannien paßt, auch die imbellt-
tas mit der Hilfe Gottes ablegen. Dann erst sind sie der Auserwähltheit wirklich würdig.
Gardner, Gildas's New Testament Motivation, sieht die pastoralen Wünsche Gildas' als sein
Hauptmotiv.
Gildas und die Negatividentifikation 51
Das Ablegen der negativen Eigenschaften ist daher nicht gleichbedeutend mit dem An-
nehmen einer völlig neuen Identität. Denn selbst wenn die Briten die negativen Eigen-
schaften abgelegt haben, bleiben sie dieselbe gens. Gildas plädiert also dafür, den äuße-
ren Mantel der Eigenschaften auszutauschen, der eigentliche Kern der gens, der in der
Auserwählung besteht, ändert sich dadurch selbstverständlich nicht. Trotz der negativen
Eigenschaften, die Gildas den Briten zuschreibt, sind sie als das auserwählte Volk
Gottes den sie umgebenden Barbaren deutlich überlegen.
Gildas steht mit seinem Werk zwischen verschiedenen Traditionen. Es ist weder Kir-
chengeschichte noch römische Geschichte, es ist auch nicht eigentlich britische Ge-
schichte, da der historische Teil seiner Arbeit einem Zweck dient, der im Predigtteil
deutlicher ausgeführt wird.91 Gildas ist für uns ein Glücksfall, weil er der einzige
Schreiber einer nicht von Barbarenkönigen beherrschten gens ist.92 Er erzählt keine Ori-
go, sein Bemühen um eine Identitätsstiftung ist noch unabhängig von Mustern, die sich
erst später entwickeln.
Mit Beda93 wenden wir uns einem Historiographen zu, der, wie der amerikanische Hi-
storiker Walter Goffart so richtig bemerkte, auch ohne die Historia Ecclesiastica, die
ihn berühmt gemacht hat, Ansprach auf unsere Aufmerksamkeit hätte.94 Beda, ein
Mönch des Klosters Jarrow, war ein Gelehrter allerersten Ranges, der in einer Zeit
Zur besonderen Stellung des Gildas zwischen Salvians De Gubernatione und den
frühmittelalterlichen Origines vgl. auch Hamming, Vision, S. 56 -60.
Kerlouégan, Le De Excidio, S. 576.
Allgemein vgl. H.BachtAV. Becker/M. Folkerts/H. Schmid/D.K. Fry, Beda in: LexMa 1,
Sp. 1774-1779; Blair, World of Bede; Blair, Northumbria in the Days of Bede; Gransden,
Historical Writing in England, S. 13-28; Goffart, Narrators, S. 240-248; Ward, Venerable Bede;
Kersken, Geschichtsschreibung, S. 144-158, sowie Pizarro, Ethnic and National History, S. 64-70;
vgl. auch die Sammelbände Bede and his world, darin vor allem Colgrave, Bede and his Times;
Blair, Bede's Ecclesiastical History; Kirby, Bede's Historia; sowie Bonner (Hrsg.), Famulus
Christi, und Houwen (Hrsg.), Beda Venerabilis, der allerdings nicht viel Neues bietet. In dem
ansonsten überholten Thompson (Hrsg.), Bede his life, time and writing, findet sich der immer noch
instruktive Aufsatz von Levison, Bede as Historian, dessen Vorstellung, daß Beda die
Geschichtsschreibung wiederbelebt habe, allerdings Goffart, Narrators, S. 243-245, zu Recht
widerspricht.
Goffart, Narrators, S. 242f.
52 Herkunftserzählungen in Britannien
lebte, die man als „the golden Age of Northumbria" bezeichnet hat. Er wurde 673 gebo-
ren und starb 735. Sein ganzes Leben hat er im Kloster verbracht, dessen hervorra-
gende, von dem ersten Abt Benedict Biscop zusammengestellte Bibliothek95 er zu nut-
zen wußte. Der Geschichtsschreibung wandte er sich erst spät zu, wobei sein Interesse
ursprünglich wohl durch seine computistischen Überlegungen zur exakten Berechnung
der Inkarnationsjahre und des Osterdatams angeregt worden war.96
Die Historia Ecclesiastica gentis Anglorum ist Bedas Alterswerk, 731 zu einem Zeit-
punkt vollendet,97 für den man mit Sicherheit davon ausgehen kann, daß sein Weltbild
wohl überlegt und durchdacht war. Mit den Chronica maiora, der Historia abbatum und
den beiden Viten des heiligen Cuthbert hatte Beda schon Erfahrungen in der Ge-
Zu Benedict Biscop und der von ihm eingerichteten Bibliothek vgl. Laistner, Library of the
Venerable Bede; Wormald, Bede and Benedict Biscop; H.Bacht, Beda I. Leben, in: LexMA 1,
Sp. 1774. Zu Bedas Lektüre, Blair, From Bede to Alcuin; Wright, Bede and Vergil. Zu Bedas
Gesprächspartnern Whitelock, Bede and his Teachers. Zur Verwendung antiker rhetorischer Mittel
für seine Zwecke Kendall, Rhetoric of Faith; Ray, Bede and Early Medieval Historiography,
S. 45, vermutet die Lektüre Ciceros. Rector, Influence of St. Augustine's Philosophy, überschätzt
m.E. den Einfluß des Augustinus auf Beda, wie auch Davidse, Interpretatie (zusammengefaßt in
Davidse, Sense of History) und ders., On Bede as Christian Historian. Zu Bedas an den
Kirchenvätern orientiertem Latein vgl. Grocock, Bede and the Golden Age of Latin Prose.
Vgl. Levison, Bede as Historian, S. 123; Jones, Bede as Early Medieval Historian; Blair, Historical
Writings of Bede. Zu Bedas Komputistik und seiner Zeitalterlehre vgl. Siniscalco, La età de
mondo und Tristram, Sex aetates mundi, vor allem S. 26-30.
Die Überlegungen von Goffart, Narrators, S. 242 Anm. 36, und ders., Bede's Agenda, daß Beda
die Historia Ecclesiastica zu einem späteren Zeitpunkt vollendet habe und einen früheren
Abschluß vortäuschen wollte, sind abzulehnen, da die Argumentation methodisch nicht
überzeugend ist. Wenn man das Konzept eines Geschichtsschreibers aus seinem Werk erschließt,
ist sorgfältig vorzugehen. Zunächst muß man das Konzept aus dem vorhandenen Text erschließen,
ehe man eventuelle Lücken in der Berichterstattung aus diesem Konzept heraus erklären kann.
Aus Lücken im Text auf ein Konzept zu schließen, ist eine Vorgehensweise, die man kaum anders
als gewagt bezeichnen kann. Goffart stützt seine Argumentation auf einen Halbsatz in Beda,
Historia Ecclesiastica, V,23, S. 556 et ipsi (das sind die Sarazenen) non multo post in eadem
prouincia dignas suae perfidiae poenas luebant, in dem scheinbar die Schlacht von Tours und
Poitiers 732 erwähnt wird und auf die Redaktionen der Historia Ecclesiastica, in denen der
annalistische Anhang über 731 weitergeführt wurde. Aber zum einen muß sich der Halbsatz nicht
auf die Schlacht von Tours und Poitiers beziehen, da dieses Ereignis seine Bedeutung natürlich
nur in der Rücksicht bekommt (dazu Nonn, Schlacht von Poitiers) und Beda, wenn er nicht von ihr
gewußt hat, hier auch ein kleineres Scharmützel gemeint haben kann, und zum anderen sollte man,
da alle anderen Hinweise in der Historia Ecclesiastica für 731 sprechen, in dem Fall, daß Tours
und Poitiers gemeint wären, eher davon ausgehen, daß dieser Halbsatz bei den ersten Abschriften
der Historia Ecclesiastica hinzugefügt wurde, vgl. dazu auch die Argumentation von Wallace-
Hadrill, Bede's Europe, S. 83; Kirby, King Ceolwulf, und ders., Bede's Historia Ecclesiastica,
S. 908f. Sollte Beda, wie Goffart meint, absichtlich so getan haben, als ob er 731 geendet hätte,
hätte er doch bei seinem Publikum ein enormes chronologisches Wissen voraussetzen müssen, das
keinesfalls gegeben war. Man könnte mit Campbell, Bede I, S. 15, annehmen, daß Beda deshalb
nichts über Ceolwulfs Regierung schrieb, weil er noch abwarten wollte, wie sich Gottes Wille in
ihr offenbarte. Außerdem ist zu bedenken, daß Beda die Historia Ecclesiastica mit der Annahme
Bedas Historia Ecclesiastica und die Ausrichtung auf die Zukunft 53
des katholischen Ostern durch das Kloster lona 716 enden läßt und alle danach stattgefundenen
Ereignisse nur nebenbei erwähnt werden. Für Bedas Darstellungsabsicht spielte die Schilderung
der Gegenwart keine Rolle.
Goffart, Narrators, S. 245-248; W. Becker, Beda II. Beda als lateinischer Schriftsteller, in:
LexMAl,Sp. 1776f.
Wohl schon seit den 720er Jahren vgl. Blair, World of Bede, S. 69-70. Zu Bedas Gewährsleuten
in den verschiedenen Königreichen vgl. Kirby, Bede's Native Sources.
Beda, Vita S.Cuthberti, ed. Colgrave, S. 144. Beda geht hier sehr ausführlich darauf ein, wie er
zuerst die Notizen vorlegte ac nonnulla ad arbitrium eorum prout uidebantur sedulus emendaui
und dann das Manuskript vorlas, an dem nullus omnimodis inuentus est sermo qui mutari
debuisset, sed cuneta quae scripta erant communi consilio decernebantur absque ulla ambiguitate
legenda, et his qui religionis studio uellent ad transcribendum esse tradenda (S. 144). Daher kann
man keinesfalls, wie es Kirby, King Ceolwulf, vor allem S. 171-173, getan hat, davon
ausgehen,
daß Ceolwulf besonders in bezug auf die irische Mission und seine Vorgänger fundamental in
Bedas Konzept eingegriffen hat, da sich darauf im Vorwort der Historia Ecclesiastica kein
Hinweis findet. Schon allein wegen der bei tiefgreifenden Änderungen zu erwartenden Mühen bei
der Manuskriptabfassung scheint dies nicht unbedingt wahrscheinlich. Wenn ein Einfluß
Ceolwulfs auf das Konzept Bedas angenommen werden soll, sollte man eher von „vorauseilendem
Gehorsam" von Bedas Seite ausgehen, so daß Ceolwulf beim legere und probare der Historia
Ecclesiastica nicht viel auszusetzen hatte. Die enge Zusammenarbeit mit den Brüdern von
Lindisfarne bei der Erstellung der Cuthbert-Vita erklärt sich natürlich auch damit, daß Beda die
Vita auf ihren Wunsch schrieb, während die Historia Ecclesiastica seine eigene Idee war.
Wormald, Bede, Beowulf and the Conversion, S. 69.
Vgl. Böhme, Ende der Römerherrschaft; Higham, Rome, Britain, and the Anglo-Saxons, besonders
S. 152; Hills, Anglo-Saxon Settlement und Jones, End of Roman Britain, vor allem S. 8-38.
Allgemein für eine starke britische Kontinuität spricht sich Dark, Civitas and Kingdom aus;
anders Hines, Philology. Zur älteren Meinung vgl. Myres, Angles, Saxons and Jutes. Ein
klassisches Beispiel für eine Fehlinterpretation von Rnochenfunden behandelt Darling, Caistor-
by-Norwich ,Massacre'. Wood, The Channel from the 4"1 to the 7th Centuries, hat neuerdings
dargelegt, daß auch schon die sächsische Piraterie im 4. Jahrhundert wegen Bedas späterem
Zeugnis stark überschätzt worden ist und der Ärmelkanal vom 4. bis zum 7. Jahrhundert unter
54 Herkunftserzählungen in Britannien
daß Beda in seiner Geschichtsschreibung sich fast wie ein „objektiver" Positivist des
19. Jahrhunderts verhalten habe, läßt sich nicht mehr halten.103 Beda spricht zwar in sei-
nem Vorwort davon, daß er gemäß der uera lex historiae aufgezeichnet habe,104 wie die-
se Berufung auf das wahre Gesetz der Geschichte zu verstehen ist, ist aber umstritten. In
seinem sonstigen Werk beruft sich Beda einmal in seinem Kommentar zum Lukas-
evangelium auf dieses Gesetz, wo es auf Hieronymus zurückgeht.105 Ray hat auf die
Möglichkeit hingewiesen, daß diese Stelle in Auseinandersetzung mit der Definition
von historia zu sehen sein könnte, die sich bei Isidor von Sevilla findet, der ausdrück-
lich nur Augenzeugen als Grundlage für Geschichtsschreibung gelten lassen will.106
Beda aber beruft sich des öfteren auf Dokumente, die er oder Freunde eingesehen haben
wollen.107 Insofern ist es möglich, daß er sich gegen Isidor auf die uera lex histo-riae
berief.108
Es ist mit Recht gefordert worden, die moralische Intention, die Beda mit seiner Ge-
schichtsschreibung verfolgte, ernst zu nehmen.109 Diese drückte Beda im Vorwort zur
Historia ecclesiastica folgendermaßen aus: Siue enim historia de bonis bona referai, ad
fränkischer Hegemonie stand. Wie man archäologisch übereinstimmende Funde in bezug auf die
Volkszugehörigkeit zu interpretieren hat, ist ein letztlich kaum zu lösendes Problem. Bei der
Interpretation der Funde sind die Archäologen auf sorgfältige Analyse der historischen Hinweise
angewiesen, vgl. Daim, Ethnosbegriff, S. 63f und 67-69, und Pohl, Conceptions of Ethnicity,
S. 47. Auch der Einfluß der britischen Sprache auf das Englische wird heute etwas höher
eingeschätzt, vgl. Meid, Englisch und sein britischer Hintergrund, und Gelling, Why aren't we
speaking Welsh. Vollrath, Landnahme der Angelsachsen, hält die historischen Quellen, Gildas,
Beda und die Angelsächsische Chronik, für eine Beurteilung der Landnahme aufgrund ihres
Ungewissen bzw. späten Entstehungsdatums grundsätzlich für unbrauchbar. Zur Landnahme der
Angelsachsen vgl. auch den Sammelband Hässler (Hrsg.), Wanderung der Angeln nach England
(Studien zur Sachsenforschung 11 ), sowie Yorke, Anglo-Saxon Gentes, die wieder sehr stark auf
die traditionelle Linie der Einteilung in Angeln, Sachsen und Juten einschwenkt.
Z.B. Gransden, Historical Writing in England, S. 24f: „His grasp of historical method was unique
in the middle ages." Noch Diesner, Antikerezeption, wagt den Vergleich mit Thukydides, und
Olsen, From Bede to the Anglo-Saxon presence, stellt die anachronistische Frage, ob Beda ein
Humanist gewesen sei. Fry, Art of Bede II, untersucht die rhetorischen Mittel, mit denen Beda
seine Glaubwürdigkeit erhöhte.
Beda, HE, Praefatio, S.6.
Beda, In Lucae euangelium expositio, ed. Hurst, ad II, 33-34, S. 67, Z. 1908-1911.
Ray, Bede's Vera Lex historiae. Zu Isidors Verständnis von historia vgl. Goetz, Geschichte im
Wissenschaftssystem, S. 182f.
Vgl. die Aufzählung in der Praefatio, S. 2-6.
Allerdings stand Beda Isidor vielleicht nicht ganz so feindlich gegenüber, wie man lange Zeit
geglaubt hat, vgl. dazu McCready, Bede and the Isidorian Legacy, und ders., Bede, Isidore and the
Epístola Cuthberti. Dies muß aber Rays Argumentation nicht beeinträchtigen, da Beda Isidor auch
widersprechen konnte und ihm seinen eigenen Begriff von historia entgegenhalten konnte, wenn
er sich nicht als dessen Gegenspieler sah.
Vgl. Schoebe, Geschichtliche Wirklichkeit; Ward, Miracles and history; McClure, Bede's Old
Testament kings; Mayr-Harting, Bede's patristic thinking as an historian und McCready, Miracles
and the Venerable Bede.
Bedas Historia Ecclesiastica und die Ausrichtung auf die Zukunft 55
imitandum bonum auditor sollicitus instigatur; seu mala commemoret de prauis, nihi-
lominus religiosus acpius auditor siue lector deuitando quod noxium est ac peruersum,
ipse sollertius ad exsequenda ea quae bona ac Deo digna esse cognouerit, accen-
ditur.110 Eventuell hat man die uera lex historiae eher in diese Richtung zu deuten, da
Beda sich an anderer Stelle selbst als uerax historicus bezeichnet, der simpliciter ea,
quae de Mo slue per illum sunt gesta, descrlbens et quae laude sunt digna in eius acti-
bus laudans, atque ad utilitatem legentium memoriae commendans.111 Auch ist die Ein-
ordnung der Historia Ecclesiastica in Bedas sonstiges Werk stets im Auge zu behalten.
Seine Einstellung zu Geschichte und Geschichtsschreibung und zur Welt im allgemei-
nen, wie man sie anhand seiner theologischen und computistischen Werke vor der Hi-
storia Ecclesiastica ablesen kann, ist natürlich nicht ohne Einfluß auf die Historia Ec-
clesiastica geblieben.112 Beda war in erster Linie Theologe und Exeget, und nichts läge
ferner, als anzunehmen, er habe die Methoden und Eigenheiten dieser Wissenschaften
beim Erstellen der Historia Ecclesiastica abgestreift. Das hat zur Folge, daß Beda bei
historischen Ereignissen nicht nur das Ereignis an sich sieht, sondern auch die Bedeu-
tung, die dieses Ereignis im Gesamtablauf der Heilsgeschichte hat, sozusagen die Inter-
pretation, die über den rein „wörtlichen" Sinn des Ereignisses eben hinausgeht."3 Deut-
lich wird deren Einfluß besonders an den Wundererzählungen der Historia Ecclesiasti-
ca, die Beda eines Berichtes würdigt. Er ist weit davon entfernt, Wundern mit Skepsis
zu begegnen, und fügte sie als integralen Bestandteil in seine didaktisch und heilsge-
schichtlich orientierte Historiographie ein.114
110
Beda, HE, Praefatio, S. 2.
1,1
Beda, HE, III, 17, S. 264/266.
112
Vgl. Ray, Bede, the Exegete, as Historian und Mayr-Harting, Bede's Patristic Thinking as an
Historian. Verfehlt scheint die Trennung, die Vaughan, Past in the Middle Ages, zwischen dem
Historiker und dem Theologen zieht, auch wenn man Beda ein echtes Interesse an der
Aufzeichnung von Geschichte kaum absprechen kann. Vgl. dazu auch Davidse, Interpretatie,
S. 190. Zu Bedas Hintergrund als Priester mit pastoralen Aufgaben vgl. Bonner, Bede Priest and
Scholar. -
113
Zur Methode der Bibelauslegung vgl. H. Riedliner, Art. Bibel (Lateinischer Westen. Geschichte
der Auslegung), in: LexMa 2, Sp. 47-58. Zum Einfluß der Bibelexegese auf das mittelalterliche
Verständnis von Geschichtsschreibung vgl. Goetz, Geschichte im Wissenschaftssystem, S. 194-
208. In diesem Sinne ist Vaughan, Past in the Middle Ages, vor allem S. 8ff. in seiner
Einschätzung Bedas nicht zuzustimmen. Vaughan betrachtet nur die inhaltliche Beschäftigung mit
tatsächlich nicht biblischen Ereignissen und läßt dabei die Methode außer acht.
114
Vgl. McCready, Miracles and the Venerable Bede, S. 70 und 204. Rosenthal, Bede's Use of
Miracles, bescheinigt Beda einen vorsichtigen Umgang mit den Wundererzählungen, für die er oft
Gewährsleute heranzieht. Im Lichte von McCreadys Ergebnissen muß man aber wohl zugeben,
daß Beda nicht so sorgfaltig wie Gregor der Große selbst war. Berlin, Bede's Miracle Stories,
macht darauf aufmerksam, daß Beda die Wunder an Wundern der Bibel und der Kirchenväter
ausrichtete, und nur im Falle eines nichttraditionellen Wunders einen Augenzeugen nennt.
McNamara, Bede's Role in Circulating Legend, sieht in der Nennung von Gewährsleuten auf eine
allgemeine Art, wie z.B. multi ferunt oder ähnliches, ein Element der mündlichen Erzählkultur,
das Beda übernommen habe. Zur Ausrichtung Bedas an biblischen Erzählungen vgl. Davidse,
Interpretatie, S. 191, und allgemein Kendall, Imitation. Dickerson, Bede as Literary Architect,
56 Herkunftserzählungen in Britannien
Das Gesamtkonzept der Historia Ecclesiastica kommt schon deutlich in dem von
Beda selbst gewählten Titel zum Ausdruck, wie auch an den Stellen, an denen er auf
das Werk verweist: eine Kirchengeschichte des englischen Volkes.115 Im Titel schon
werden zwei historiographische Gattungen zusammengefaßt, die in Bedas Werk erst-
mals vereinigt werden, nämlich die Kirchengeschichte, bis dato immer auch Universal-
geschichte, und die Geschichte einer gens, bis dato immer Partikulargeschichte.116 Beda
wollte also im eigentlichen Sinne keine Geschichte seiner gens schreiben, sondern deren
Kirchengeschichte. Am deutlichsten wird das Konzept in Bedas Nachwort formuliert:
Haec de historia ecclesiastica Brittaniarum, et maxime gentis Anglorum, prout uel ex
litteris antiquorum, uel ex traditione maiorum uel ex mea Ipse cognitione scire potui,
Domino adiuuante digessi Baeda famulus Christi..?11 Kann man daher bei Beda über-
haupt ein identitätsstiftendes Element erwarten, das sich auf die Gesamtheit der Angel-
sachsen bezieht, oder findet seine Identifikation nur mit der Kirche statt und sieht er die
gens nur als religiöse Gemeinde? Zunächst ist dafür zu klären, ob vor Beda schon ein
Zusammengehörigkeitsgefühl anzutreffen ist, auf das er zurückgreifen konnte.
Die heidnischen Königreiche, die nach der Übernahme der Herrschaft durch die Angel-
sachsen entstanden, waren zunächst zahlreich und klein, ehe sich die Vorherrschaft von
sieben Königreichen herausbildete, die man als „Heptarchie" bezeichnet hat.118 Dies wa-
ren Essex, Sussex, Wessex, Kent, Ostanglia und Mercia südlich des Flusses Humber
S. 93, trifft sicher den Kern des Problems, wenn er über die moderne Einstellung zu Bedas
Wundererzählungen bemerkt: „Hagiography, after all, offends modern sensitivities, and the use of
it suggests that Bede was either a gullible dupe or a willing liar." Dickerson setzt sich ähnlich
wie Lutterkort, Beda Hagiographicus vehement für ein Ernstnehmen der Wundererzählungen
-
innerhalb von Bedas Konzept ein. Einen interessanten Vergleich von bei Beda erzählten
-
und Northumbria (aus Bernicia und Deira entstanden) nördlich des Humber.119 Die Kö-
nigreiche bekriegten sich untereinander mindestens ebensohäufig wie mit den benach-
barten walisischen Königreichen sowie den Schotten und Pikten und restlichen Briten
im nördlichen Britannien. Es ist insofern fraglich, ob ein Zusammengehörigkeitsgefühl
trotz der Kriege untereinander bestand. Die Frage danach entzündet sich zumeist an ei-
ner viel diskutierten Stelle in der Historia Ecclesiastica. In II, 5 berichtet Beda von sie-
ben „Imperiumsträgern", die die Länder südlich des Humber in ihrer Oberherrschaft ge-
habt haben sollen. Diese werden in mehreren Versionen der Angelsächsischen Chronik
als Bretwalda bezeichnet.120 Dieser Begriff selbst ist fast ebenso umstritten wie die Fra-
ge, aufweiche rechtlichen Grundlagen sich das Imperium stützte und inwieweit es über-
haupt institutionalisiert war.121
Ehe die Wessex-Dynastie sich in einem zentralen Königtum durchsetzte, sollte sich
der Einigungsprozeß Englands aber noch einige Jahrhunderte hinziehen. Zunächst
scheinen die Kämpfe der Königreiche untereinander eher ein Eigenbewußtsein in den
Königreichen unter ihrer jeweiligen Dynastie gefördert zu haben. In Northumbria bei-
spielsweise weigerten sich deirische Nonnen, den Leichnam des aus Bernicia stammen-
den Oswald in ihre Mauern aufzunehmen.122 Auch bei Beda selbst kann eine Vorliebe
für seine Heimat, Northumbria, nicht geleugnet werden. Ein solches Eigenbewußtsein
119
Zur Geschichte dieser Königreiche vgl. Yorke, Kings and Kingdoms, und Charles-Edwards
120
(Hrsg.), After Rome.
Anglo-Saxon Chronicle MS A, ed. Bately, ad a. 827, S. 4;, MS B, ed. Taylor, ad a. 827, S. 29f;
MS C, ed. Cubbin, ad a. 827, S. 20.
121
Grundsätzlich zur Problematik der Bedaschen Terminologie vgl. Campbell, Bede's reges and
principes. Vollrath, Königsgedanke und Königtum, vor allem S. 119-121 und 227, sieht in dem
Bretwaldatum einen ursprünglich gegen die Kelten gerichteten militärischen Oberbefehl, der
später obsolet und erst unter den Wikingerüberfällen wiederbelebt wurde; ganz skeptisch zu der
Einrichtung steht Yorke, Vocabulary; Wormald, Bretwaldas, sieht darin lediglich einen Titel;
Fanning, Bretwaldas, sieht in dem Bretwalda einen echten „overlord"; Kirby, English Kings, S. 14-
20, geht von einer Art Vorherrschaft aus, die er aber keinesfalls als institutionalisiert sieht; sehr
skeptisch ist Keynes, Raedwald the Bretwalda; Higham, An English Empire, S. 53f., sieht den
Bretwalda als militärisch erfolgreichen Herrscher, und ders., Medieval 'overkingship' in Wales,
S. 158f, sowie An English Empire, S. 26, möchte das Bretwalda-tum mit einem walisischen
Konzept von „overkingship" in Verbindung bringen. Seine zum Teil sehr weitreichenden
Schlüsse, besonders was die nicht genau zu bestimmende Stellung Aethelberts und Raedwalds
angeht, haben aber letztlich nur wenig Basis in den Quellen. Ähnlich verfehlt ist seine
Einschätzung über eine „overkingship" König Cearls von Mercia, ders., King Cearl, die sich auf
eine einzige Beda-Stelle stützt. Argumenta e silentio werden von ihm zu häufig verwendet. Vgl.
auch die Kritik von H. Vollrath an Higham, An English Empire, in: DA 52, S. 718. Man kann
sich Kleinschmidt, The Geuissae, vor allem S. 69-78 und 81, nicht anschließen, daß Beda in dieser
Liste eine Vereinigung der Identitätsstiftang über den Glauben und die Abstammung der Könige
von Wodan versucht habe. Zum Problem der „Overkingship" vgl. jetzt auch Dumville,
Terminology of Overkingship, bes. S. 350ff. über Bedas Liste. Die Diskussion zum Bretwaldatum
ist jetzt übersichtlich ohne eigene Stellungnahme, da sie sich lediglich der Mehrheit anschließt,
von Tugène, Nation anglaise, S. 70-78, zusammengefaßt worden.
122
Vgl. Beda, HE III, 2, S. 246.
58 Herkunftserzählungen in Britannien
in den Königreichen schließt ein gemeinsames Bewußtsein auf der anderen Seite nicht
völlig Zumindest kann man davon ausgehen, daß sich die heidnischen Angelsach-
aus.
sen ihrer Unterscheidung zur benachbarten keltischen christlichen Welt bewußt wa-
ren.123
Die Christianisierung und damit auch eine intensivere Anbindung aneinander und an
die christlichen Reiche Europas ging langsamer und weniger einheitlich vonstatten, als
Beda es uns glauben lassen möchte. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
waren die von Gregor dem Großen aus Rom gesandten Missionare nicht die ersten, die
versuchten, die Angelsachsen zu bekehren. Schon lange hat die Forschung erkannt, daß
Beda um seiner Romtreue willen die Missionsversuche durch Franken und Briten unter-
schlug und die irische Mission zumindest an den zweiten Platz verwies.124 Außerdem
hatte die Bekehrung zum Christentum auch keinen radikalen Kulturwechsel zur Folge.
Die säkulare Welt war immer noch stark von heidnischen Idealen und heroischen Vor-
stellungen geprägt, die nicht von heute auf morgen verschwanden. Die Übernahme des
christlichen Glaubens hatte dennoch Verbindungen gerade zum Kontinent geschaffen,
die nicht mehr wegzudenken waren, und der allen gemeinsame Kult bildete einen äu-
ßerst wichtigen Integrationsfaktor.125
In Bedas Northumbria war die Situation zum Zeitpunkt der Niederschrift der Histo-
ria Ecclesiastica nicht einfach. König Ceolwulf, dem Beda die Historia Ecclesiastica
widmete, wurde kurz danach von einer Adelsopposition zeitweise abgesetzt und ge-
schoren.126 Die kirchliche Situation scheint reformbedürftig gewesen zu sein, wie man
an einem 732 an Bischof Egbert von York geschriebenen Brief Bedas ablesen kann.127
Laut Graus, Kontinuität und Diskontinutität, S. 78f, steht das Fremdbewußstein zeitlich immer
vor dem Eigenbewußtsein und manifestiert sich vor allem in der Sprache.
Angenendt, Conversion of the Anglo-Saxons, glaubt, daß Aethelbert von Kent absichtlich keine
fränkischen Missionare erbeten habe, um nicht in politische Abhängigkeit zu geraten, dagegen
findet Wood, Mission of Augustine, Hinweise auf Anfragen für die Mission ins Frankenreich; zur
fränkischen Mission außerdem Prinz, Bekehrung der Angelsachsen. Zur Einstellung Bedas
gegenüber den keltischen gentes und ihren Missionsbemühungen Pepperdene, Bede's Historia
Ecclesiastica; Charles-Edwards, Bede, the Irish, and the Britons; Campbell, First Century of
Christianity, und Thacker, Bede and the Irish. Campbell, Observations on the Conversion of
England, S. 72, scheint die Möglichkeit eines britisch-christlichen Einflusses nicht völlig
unmöglich, wohingegen Frend, Ecclesia Britannica, einen Niedergang der britischen Kirche
postuliert, der es Augustinus unmöglich gemacht habe, sich auf sie zu stützen. Allgemein zur
frühen Mission und zur britischen Kirche vgl. jetzt auch Stancliffe, British Church. Zum
Verhältnis von Beda zu den Angelsachsen auf der einen Seite und den keltischen Völkern auf der
anderen Seite hat schon Blasche, Angelsachsen und Kelten, wichtige Erkenntnisse gewonnen,
wenn man von der zeitbedingten Einfärbung der Sprache absieht. Zur Einbettung von Gregors
Missionsbemühungen in seine allgemeinen theologischen Vorstellungen vgl. Chadwick, Gregory
the Great and the Mission to the Anglo-Saxons. Allgemein zur Mission der Angelsachsen ist
Mayr-Harting, Coming of Christianity nach wie vor das Standardwerk.
Vgl. dazu Padberg, Mission und Christianisierung, vor allem S. 231-238.
Zu den Wirren in Northumbria in dieser Zeit vgl. Kirby, English Kings, S. 147ff.
Epístola ad Ecgbertum Episcopum, ed. C. Plummer, Bedae Op. Hist., Bd. 1, Oxford 1896, S. 405-
423, hier S. 415. Zum Reformbedürfhis vgl. auch Reuter, „Kirchenreform" und „Kirchenpolitik".
Bedas Historia Ecclesiastica und die Ausrichtung auf die Zukunft 59
128
Daß Beda an keiner Stelle die Gelegenheit wahrnimmt, eine Adelsopposition als verwerflich
darzustellen, spricht m.E. auch gegen Goffarts Argument (Goffart, Bede's Agenda), daß Beda die
Historia nach 731 verfaßt hat.
129
Goffart, Narrators, S. 254.
130
Campbell, Bede I, S. 19; vgl. auch Beda, In primam partem Samuhelis libri Uli, ed. Hurst, 1. II, 15,
30-31, S. 135, Z. 2812-2830.
131
Goffart, Narrators, S. 299.
132
Zur Orientierung an der Gregor-Vita Goffart, Narrators, S. 303-307. Angesichts der Tatsache, daß
die Benutzung der Whitby-Vita aber, wie Goffart, ebd., S. 265f, auch selbst einräumt, nicht
gesichert ist, ist m.E. Goffarts Postulat, daß Beda sie als eine Art Gegenbild benutzt habe, nicht
völlig überzeugend. Zur insgesamt überzeugenderen Orientierung an der Vita Wilfridi Goffart,
Narrators, S. 307-324. Dennoch bleibt auf jeden Fall anzumerken, daß Goffarts Sicht Beda zu sehr
auf einzelne Beweggründe einengt. Zur Ablehnung der Zuschreibung der Vita an Aeddi Stephanus
Goffart, Narrators, S. 281f.
133
Vgl. Gransden, Historical Writing, S. 15.
60 Herkunftserzählungen in Britannien
3. Origo der vorenglischen gentes in der Historia Ecclesiastica
Beda setzt bei der geographischen Beschreibung Britannien in Relation zu Germanien,
Gallien und Spanien.134 Damit steht die Insel in einem anderen Kontext als bei Gildas.
Für Gildas war nur die (ehemalige) Zugehörigkeit zum römischen Reich von Bedeu-
tung135. Für Beda steht Britannien und mit ihm die dort ansässigen Kirchen in einem
Kontext der christlichen Reiche, worin sich eine Bewußtseinsverschiebung zur Einord-
nung in den Kreis der frühmittelalterlichen christlichen Reiche hin verdeutlicht. Britan-
nien ist keine römische Provinz mehr, sondern eine Region mit einem eigenen Charak-
ter, die zwar politisch unabhängig von anderen Reichen ist, aber durch den gemein-
samen Glauben das katholische Rom als Bezugspunkt hat.
Ganz im Gegensatz zu Gildas konzentriert sich Beda nicht auf Briten und Angelsach-
sen und deren Auseinandersetzung allein.136 Gleich zu Beginn erwähnt er die fünf auf
der Insel verwendeten Sprachen: britisch, schottisch, piktisch, angelsächsisch und als
Lingua franca der gelehrten, christlichen Einwohner das Lateinische. Diesem Blickwin-
kel gemäß, der die anderen Einwohner Britanniens nicht gänzlich vernachlässigt, ver-
sieht Beda auch die anderen Völker Britanniens jeweils mit einer Origo, die allerdings
alle konzeptionell nicht völlig ausgereift sind.
Die Briten sieht Beda als die ersten Einwohner Britanniens, nimmt aber auch bei ih-
nen eine Einwanderung aus Aremorica an,137 so daß man sich die Insel vor den Briten
wohl unbewohnt denken muß, auch wenn Beda dies nicht explizit sagt. Die Einwande-
rung aus Aremorica lag vielleicht deshalb nahe, weil britische Auswanderer vor den
Angelsachsen in die heutige Bretagne geflohen waren. Die Verwandtschaft mit den In-
selbriten und die sprachliche Nähe waren gut bekannt. Daher mag für Beda diese Erklä-
rung nahegelegen haben. Ein für Bedas Konzept positiver Nebeneffekt mag dabei gewe-
sen sein, daß die Briten zwar zu namengebenden Einwohnern Britanniens wurden, ihr
Recht, auf der Insel zu wohnen, damit aber nur älter als das der anderen Völker, aber
nicht zwangsläufig besser war, da die Stellung einer gens mit ihrem Verhältnis zu Gott
zusammenhängt.138 Vielleicht konnte sich Beda eine Origo ohne Wanderung auch gar
nicht vorstellen. Auf die Herrscher und Anführer der Briten geht Beda nicht ein und
nennt auch keinen Grand für die Auswanderung. Ein typisches Origo-Element, das
Beda auch kaum verschweigen konnte, ist dabei die Identität von Volksname und
Landesname, die im Normalfall die Zugehörigkeit des einen zum anderen unterstreicht.
Die Pikten, die zweite gens, die die Insel besiedelt,139 haben ihre Herkunft laut Beda
in Skythien. Sie segeln zunächst nach Irland, wo sie sich niederlassen wollen, was ihnen
aber von den Iren nicht erlaubt wird. Die Iren schlagen ihnen vor, in Britannien zu sie-
deln, und bieten ihre Hilfe an, falls sie dort auf Widerstand stoßen sollten. Außerdem
überlassen die Iren den Pikten ihre Frauen, verlangen aber dafür im Gegenzug, daß die
Pikten ihre Könige immer aus der mutterrechtlichen Linie wählen sollen.140 Die Her-
kunft aus Skythien könnte eine Verwechslung Bedas mit Skandinavien sein.141 In die-
sem Fall fände sich bei der Origo der Pikten ein Anklang an eines der möglichen Her-
kunftsländer für eine Origo-Erzählung.142 Auch der vergebliche Versuch, zunächst in
einem anderen Land als dem dann erreichten zu siedeln, findet sich des öfteren in Ori-
gines. Das Hilfsangebot der Iren gegen die Einwohner Britanniens ist in Hinblick auf
ihre späteren gemeinsamen Raubzüge in britisches Gebiet zu verstehen, die damit eine
Wurzel in der gemeinsamen Geschichte erhalten. In für eine Origo typischer Weise er-
klärt Beda die ihn sicher merkwürdig anmutende Form der piktischen Königsnachfolge.
Die Vorstellung, daß die Frauen eines Volkes ursprünglich von einem anderen Stamm
sind, ist dabei den Origines auch nicht fremd.143 Das Motiv ist nur insofern bemerkens-
wert, als der Normalfall die Einheirat der Einwanderer in die autochthonen Familien ist.
Der oft bestehende Zusammenhang mit Raub oder Vergewaltigung man vergleiche
nur den klassischen Raub der Sabinerinnen findet sich hier nicht.144 Die irischen
-
Frauen, die den Pikten gegeben werden, sind in diesem Fall Unterpfand des Bündnisses.
-
Die Vereinigung mit ihnen wirkt gesellschaftsstiftend; aus ihr bezieht das piktische Kö-
nigtum seine Legitimität. Deutlich wird, daß Beda den Pikten mehr Elemente der üb-
lichen Origo-Erzählung als den Briten gönnt. Sie werden mit einem Herkunftsland, ei-
ner Wanderlegende und einer Legitimierung ihres Königtums versehen, aber andere
wichtige Elemente, wie die Erklärung des Namens145 oder der Anfangsheld, der die Kö-
nigsdynastie gründet, fehlen. Später werden die Pikten laut der Historia Ecclesiastica
Gildas sah im Gegensatz zu Beda die Pikten nicht autochthon. Gildas nahm eine Siedlung der
Pikten in Britannien offensichtlich erst nach ihren ersten Raubzügen an, da er ihre Ansiedlung so
mit den Fehlem eines tyrannus in Verbindung bringen kann. Vgl. dazu Wright, Gildas'
Geographical Perspective, S. 100.
Beda, HE I, 1, S. 18. Miller, Pictish Succession, vermutet Auswirkungen des piktischen Rechts
auf die Nachfolge der schottischen Könige bis ins 9. Jahrhundert.
Beda HE, I, 1, S. 18. Vgl. Colgrave/Mynors Anm. Nr. 3, und Wallace-Hadrill, Commentary, S. 8
und 208. Es dürfte vielleicht auch eine Rolle spielen, daß Skythien klassisch als Land der
Barbaren an sich galt, vgl. Lung, L'image de l'espace, S. 7.
Zu Skandinavien als Origo-Element vgl. Bollnow, Herkunftssagen; Reynolds, Medieval Origines
Gentium; Wolfram, Origo et religio. Ethnische Traditionen, S. 31f.
Vgl. dazu Geary, Cur in feminas tamdiu persévérât?.
Allerdings hat MacEoin, Origin of the Picts, S. 140, 148 und 153, gezeigt, daß in älteren
Versionen der Origo die Pikten die Frauen von den Iren rauben.
In anderen Versionen der Pikten-Origo gründen die Pikten auf ihren Wanderungen in
eponymischer Weise die Stadt Poitiers (Pictavis), vgl. MacEoin, Origin of the Picts, S. 143f.
62 Herkunftserzählungen in Britannien
vom heiligen Ninian bekehrt, der zwar Brite ist, dem Beda aber ausdrücklich eine ortho-
doxe, in Rom erhaltene Einstellung bescheinigt.146
Auch den Iren in Britannien, den späteren Schotten, stellt Beda eine Origo: Sie kom-
men unter ihrem Heros eponymos Reuda147 nach Britannien und gewinnen Land von
den Pikten, bezeichnenderweise teilweise durch Verhandlungen und teilweise mit dem
Schwert. Nach ihrem Anführer heißen sie Dalreudini, ihr Königreich Dalriada. Auf ihr
Herkunftsland geht Beda noch näher ein, indem er Irland ausführlichst beschreibt, wo-
bei er, seiner Hochachtung für die Iren gemäß, das Land mit noch positiveren, zum Teil
sagenhaften Eigenschaften versieht als Britannien: Irland beherbergt z.B. keine Schlan-
gen, und alles aus Irland ist wirksam gegen Gifte.148 So kurz die Origo der Schotten
auch ist, sie bietet doch wichtige Elemente, da wir das Herkunftsland, den namenge-
benden Anfangshelden mit einer zumindest angedeuteten primordialen verbrecherischen
Tat die Landnahme mit dem Schwert kennenlernen. Daß Beda Verhandlungen mit
den Pikten zur Landnahme erwähnt, mag eine erneute Anspielung auf das spätere schot-
- -
tisch-piktische Bündnis sein. Das dalreudinische Königtum wird nicht weiter legiti-
miert.
Bedenkt man die Tatsache, daß Gildas nichts über Werden und Ansiedlung dieser
beiden gentes verlauten läßt, das über ihre Rolle in De excidio Britanniae als äußere
Feinde hinausginge, so wird deutlich, daß Beda mit seinen Beschreibungen ein ganz an-
deres Ziel verfolgt als Gildas, da alle in Britannien ansässigen gentes von ihm eine
Identität zugestanden bekommen, wenn auch unterschiedlich intensiv.
Mit den Römern kommt laut Gildas eine römische Identität, die den feigen und verrä-
terischen Briten aufgezwungen wird, ita ut non Britannia, sed Romani censeretur et
quicquid habere potuisset aeris argenti vel auri imagine Caesaris notaretur.149 Für
Gildas übernimmt das imperium die Funktion eines Ideals, das er seinen Landsleuten
immer wieder vorhält.150
Trotzdem geht Beda ausführlicher als Gildas auf die römische Eroberung ein. Er er-
wähnt das Übersetzen Cäsars und die Eroberung durch Claudius und berichtet auch, wie
die Orkneys und die Isle of Wight angegliedert wurden, so daß Britannien mit allen In-
seln in römischer Hand war.151 Bezeichnenderweise werden die Römer nicht mit einer
Origo versehen, ihr Bestehen wird als gegeben gesehen und unterscheidet sich damit
fundamental von dem der anderen gentes auf der Insel. Das mag damit zusammenhän-
gen, daß sie als einzige der fünf gentes, die die Insel in Bedas Vorstellung prägen, nicht
mehr auf ihr seßhaft sind. Während für Gildas die Römer zumindest in militärischer
Hinsicht das positive Gegenbild zu den Briten bilden, ist bei Beda schon die Stellung
Roms als Mittelpunkt des Christentums deutlich. Insofern bildet die Behandlung der
146
Beda, HE II, 4, S. 222: qui erat Romae regulariterfidem et mysteria ueritatis edoctus...
147
Reudas historische Realität ist ungesichert vgl. Nieke/Duncan, Dalriada, S. 9.
148
Beda, HEI, 1, S. 18/20.
149
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 7, S. 91.
150
S.o. S. 44.
151
Beda, HE I, 2,3 S. 20-24.
Bedas Historia Ecclesiastica und die Ausrichtung auf die Zukunft 63
Römer als gens einen Sonderfall, der sie der Notwendigkeit einer identitätsstiftenden
Origo enthebt.
Die Bekehrung der Briten zum Christentom berichten Beda und Gildas ebenfalls in
signifikant unterschiedlicher Weise. Gildas erzählt, daß schon zur Zeit des Kaisers Ti-
berius Missionare nach Britannien kamen obwohl Britannien erst nach Claudius wirk-
lich römische Provinz war. Die Briten waren zwar keine enthusiastischen Christen, kön-
-
nen aber für die Zeit der Verfolgung durch Diokletian immerhin einige Märtyrer, u.a.
den heiligen Alban, vorweisen.152
Beda hingegen übernimmt eine Geschichte aus dem Liber pontificalts, nach der ein
König Lucius den Papst um Unterweisung im Glauben gebeten habe.153 Diese Übernah-
me aus dem Liber fügt sich in Bedas Konzept ein. Zum einen wird hier schon deutlich,
daß die einzige Institution, die den Glauben richtig vermitteln kann, das Papsttum in
Rom ist, während auf der anderen Seite die spätere Schuld der Briten, die nicht an der
römischen Kirche festhielten, an die sie sich einmal gewandt hatten, größer wird.
Gildas' Charakterisierung der Briten im Zusammenhang mit dem Arianismus über-
nimmt Beda fast wörtlich: „Die Lust daran, etwas Neues zu hören, und nicht an einem
Glauben festzuhalten."154 Hier paßt Gildas' Erzählung wieder in Bedas Konzept.
Die pelagianische Häresie, die von Gildas nicht erwähnt wird, wird von Beda in die-
selbe Traditionslinie gestellt, wobei er die Anfälligkeit der Briten für sie stark tadelt.155
Bei der Darstellung des Ursupators Maximus übernimmt Beda Gildas' Charakterisie-
rung nicht völlig. Maximus wird in der Historia Ecclesiastica etwas positiver darge-
stellt, da er zumindest des Augustos-Titels als würdig erachtet wird, und die Erhebung
zum Imperator propemodum inuitus stattfand.156 Beda hat die Stelle von Orosius über-
nommen und weicht so der extremen Beurteilung des Gildas aus.157 Möglicherweise läßt
sich dies dadurch erklären, daß der „Sündenfall" des Maximus, den Gildas mit seinen
Worten geißelte, politischer Natur war, so daß er nicht in Bedas Konzept der geistigen
Sünden der Briten paßte.
Auch bei der Erzählung von der zweimaligen römischen Hilfe für Britannien gegen
die Raubzüge der Schotten und Pikten übernimmt Beda Gildas in vielen Einzelheiten,
fügt einiges über die römischen Wälle hinzu, läßt aber Gildas' Beschimpfungen der bar-
barischen Schotten und Pikten weg, denen aufgrund der Rechtgläubigkeit, die sie im
Laufe der Historia Ecclesiastica erwerben, eine solche Klassifizierung nicht zukommt.
Beda erwähnt wie auch Gildas den Brief der verzweifelten Briten an Aetius, gibt aber
im Gegensatz zu ihm eine Begründung für Aetius' Ablehnung, die ihm wohl aus Mar-
cellinus Comes zur Verfügung stand und auf die er zurückgriff, weil ihm vielleicht die
Erzählung bei Gildas nicht konsequent erschien.158
152
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 8, 9, 10 und 11, S. 91 f.
153
Beda, HE, I, 4, S. 24. Dazu daß sich diese Episode gar nicht auf einen britischen König bezieht,
154
vgl. Levison, Bede as Historian, S. 135.
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 12, S. 93; Beda, HE, I, 8, S. 36, Wortlaut nach Apg 17,21.
155
Zu Bedas Darstellung des Pelagianismus vgl. Lozito, Traditione celtiche.
156
Beda, HE, I, 9, S. 36.
157
Nach Paulus Orosius, Historia aduersum paganos, ed. Zangemeister, VII, 34, § 9, S. 524.
158
Marcellinus Comes, Chronicon, ed. Mommsen, S. 80-82; vgl. dazu auch Sims-Williams, Settlement,
64 Herkunftserzählungen in Britannien
Beda ist also auf Gildas als wichtige Quelle angewiesen, hängt aber dennoch nicht
sklavisch von ihm ab und ordnet in jedem Fall die Benutzung von Gildas seinem eige-
nen Konzept vollständig unter.
S. 19.
159
Beda, HE I, 1, S. 14-20. Zu dieser Art und Weise des Anfangs vgl. Markus, Bede and the Tradition
of Ecclesiastical Historiography, S. 388 und Wallace-Hadrill, Commentary, S. 6. Einen Versuch
der Parallelisierung der ersten Kapitel der Historia Ecclesiastica mit Genesis I, 1 macht Speed,
Bede's Creation, der aber m.E. überspannt und ohnehin nicht sorgfältig recherchiert ist, wie man
z.B. S. 150 sieht, wo die schon lange bekannte Abhängigkeit von Gildas in bezug auf die 28 Städte
Britanniens übersehen wird.
160
Beda, HEI, 1-14, S. 14-48.
161
Beda, HEI, 1, S. 14-16.
162
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 3, S. 89f.
163
164
Vgl. auch Howe, Migration and Mythmaking, S. 59.
Beda, HE I, 15, S. 50. Die Verwendung des Wortes patria zeigt hier deutlich den Einfluß Gildas',
der patria synonym für Britannia verwendet.
165
Britische Abwehr: Beda, HE I, 16, S. 52/54,1, 20, S. 62/64.
Bedas Historia Ecclesiastica und die Ausrichtung auf die Zukunft 65
Es stellt sich nun die Frage, wieso Beda ein solches Schema verwendet, das den Er-
wartungen an eine Herkunftsgeschichte so wenig entspricht, da wichtige Elemente feh-
len: Die „Urheimat" der Angelsachsen wird nicht genannt, und der Name der Angel-
sachsen wird nicht erklärt. Einzig die Anführer der Angelsachsen werden genannt, aber
ihre Führung wird in keiner Weise legitimiert.
Andere übliche Fragen an eine Herkunftserzählung werden immerhin beantwortet.
Der Ort, an dem die Angelsachsen jetzt wohnen, nämlich Britannien, wird sehr ausführ-
lich beschrieben. Auch die Legitimierung der Königsherrschaft läßt sich in Ansätzen
finden, wenn auch nicht so deutlich wie in anderen Origo-Erzählungen. Wie bringt
Beda nun aber eine Identitätsstiftong zuwege? Für diese Frage ist das Verhältnis von
Beda zu Gildas' De excidio Britanniae von Bedeutung, da Beda sich im ersten Teil stark
auf den britischen Autor des 6. Jahrhunderts stützt.166
Im Gegensatz zu Goffart167 sei betont, daß Bedas Erzählung auch in dem ersten Teil
über ein bloßes Umformen von Gildas' vorgefertigtem Konzept weit hinausgeht. Daß
nicht nur die Benutzung, sondern auch die Umwandlung und das Übergehen einiger
Stellen in Gildas' De excidio Britanniae wichtige Aspekte bei Beda beleuchten, soll im
folgenden deutlich werden.
Anders als Gildas schildert Beda die Herkunft und Stämme der Angelsachsen zumin-
dest sehr genau. Er nennt Sachsen, Angeln und Juten als einwandernde Stämme und
geht auf die spätere Verteilung der Stämme in England ein.168 Diese von Beda gestützte
bzw. vielleicht sogar von ihm erfundene Einteilung ist lange Zeit als verbindlich aner-
kannt worden, wohingegen man heute davon ausgeht, daß noch mehr germanische
Stämme an der Landnahme beteiligt waren.169 Auch Beda selbst erwähnt an sehr viel
späterer Stelle, anläßlich ihrer geplanten Missionierung, weitere Völker auf dem Konti-
nent als Vorfahren der Angelsachsen in Britannien, ohne den Widersprach zu seiner er-
17°
sten Aussage von den Sachsen, Angeln und Juten zu lösen. Die Angeln und Sachsen
werden dabei von Beda mit der Region in Verbindung gebracht, die ihren Namen trägt,
die Sachsen mit id est ea regtone quae nunc Antiquorum Saxonum cognominatur und
die Angeln de illa patria quae Angulus dicitur. Den Juten ordnet Beda keine Herkunfts-
region zu, da er sie vielleicht nicht kannte. Die an sich wichtige Verbindung von Reg-
ionenname und Volksname wie sie beispielsweise bei Britannien und den Briten zum
Tragen kommt wird hier aber nicht explizit vollzogen, wofür Beda, wie zu sehen sein
-
wird, Gründe hatte. Weiter geht Beda auf die Vorgeschichte der Angelsachsen nicht ein,
-
Zum Verhältnis von Beda zu Gildas vgl. auch Hanning, Vision, S. 63-90; Mller, Bede's Use of
Gildas und Goffart, Narrators, S. 299-303. Zur Abhängigkeit von Bedas Chronologie von den
wenigen Hinweisen in Gildas vgl. Sims-Williams, Settlement, S. 15-26.
Vgl. Goffart, Narrators, S. 299.
Beda, HEI, 15, S. 50.
Archäologische Funde legen diese Beteiligung nahe, vgl. allgemein Higham, Rome, Britain; zu den
einzelnen möglicherweise beteiligten Stämmen z.B. Whittock, The Origins of England, S. 1-58.
Zur Benennung der Juten als gens vgl. auch Kleinschmidt, Personennamen I und II.
Beda, HE V, 9. S. 476. Möglicherweise diente diese Liste dazu, die Barbarei der kontinentalen
Sachsen hervorzuheben, vgl. Pohl, Ethnic Names and Identities, S. 15. Zu dieser Liste vgl. auch
Wood, Migration to Britain, bes. S. 41f. sowie S. 55f. und 58f. (Diskussion).
66 Herkunftserzählungen in Britannien
ein Aspekt, der an sich schon bemerkenswert ist, da kein Versuch gemacht wird, die
Angelsachsen mit irgendeiner „klassischen" Herkunft wie Troja oder den Söhnen Noahs
oder auch der skandinavischen Halbinsel zu versehen. Ähnlich unsentimental erwähnt
Beda die beiden heroischen Anführergestalten Hengist und Horsa: Duces fuisse perhi-
bentur eorum primi duo fratres Hengist et Horsa?11 Den beiden ersten Anführern gibt
er eine Genealogie, die auf Wodan zurückgeht. Dabei fallen zwei Auslassungen Bedas
ins Auge: Zum einen geht er nicht auf das Problem ein, was für ein Amt die Vorfahren
von Hengist und Horsa innehatten, da die Brüder eindeutig als die primi duces einge-
führt werden. Zum anderen sagt Beda nichts über die Identität von Wodan mit der höch-
sten germanischen Gottheit.172 Die übermenschliche Legitimität, die sich daraus für die
Anführer ergeben würde, wird von Beda gerade nicht genutzt. Als Begründung für diese
offensichtlichen Lücken bei Beda kann man anführen, daß, wie später in Buch V bei der
Beschreibung der Altsachsen deutlich wird,173 diese in Bedas Vorstellung kein Königs-
amt gehabt haben sollen und insofern die Bezeichnung von primi duces für Hengist und
Horsa berechtigt ist. Daß Beda hingegen Wodan nicht als Gottheit identifiziert, hängt si-
cher mit seiner tief verwurzelten Rechtgläubigkeit zusammen, die ihn überhaupt von der
Beschreibung heidnischer Sitten und heidnischen Glaubens zurückschrecken ließ.174
Dies muß aber das sollte im Auge behalten werden nicht der einzige Grund sein. Es
ist also zunächst festzuhalten, daß Beda weder für die einzelnen Stämme noch für die
- -
Anführer eine Legitimität und Identität aus ihrer Herkunft heraus erschließt. Es ist im
Gegensatz sehr bezeichnend, daß Beda ausgerechnet an dieser Stelle, wo er auf die Her-
kunft eingeht an sich der passende Ort, um Verwandtschaft und Einheit der gens dar-
zulegen -, gerade auf die unterschiedliche Herkunft der Stämme verweist. Weiterhin
-
geht Beda hier nicht auf den Namen der Angelsachsen ein. In diesem Punkt ist Beda,
was die Erwartungen an eine Origo-Erzählung angeht, also eine herbe Enttäuschung,
und es stellt sich die Frage, weshalb er mit seiner Erzählung so vorgegangen ist, da, wie
wir am Beispiel der Briten, Pikten und Schotten gesehen haben, bei denen Beda Origo-
Elemente verwendet, es nicht daran gelegen haben kann, daß er nicht wußte, wie man
eine Origo erzählt und was in ihr vorzukommen hat.
In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob Beda vielleicht andere Er-
zählungen der angelsächsischen Frühzeit kannte, an die er absichtlich nicht angeknüpft
hat. Zu denken wäre etwa an Heldenerzählungen aus der Frühzeit auf dem Kontinent,
171
Beda, HE I, 15, S. 50. Zu den Mythen, die sich hinter diesen „Pferde"- Zwillingen verbergen, vgl.
Turville-Petre, Hengest and Horsa sowie Vries, Die beiden Hengeste, S. 3f. und Caprini, Hengist
e Horsa.
172
Zu der Vorstellung, daß es sich bei Woden/Wodan nicht um eine Gottheit, sondern einen
frühgermanischen Helden handeln könnte vgl. Harrison, Woden. Die Tatsache, daß so viele
angelsächsische Königshäuser ihre Herkunft auf Wodan zurückführen, spricht aber m.E. gänzlich
gegen diese Theorie, die sich auch nicht durchgesetzt hat. Zur behaupteten göttlichen
'73
Abstammung der angelsächsischen Könige vgl. auch Yorke, Reception of Christianity, S. 154f.
Vgl. Beda, HE, V, 10, S. 480/482. Zur altsächsischen Verfassung vgl. Becher, Non enim habent
regem idem Antiqui Saxones.
174
Vgl. Miller, Starting to Write History, S. 459, und Meaney, Bede and Anglo-Saxon Paganism,
S. 2 und 8.
Bedas Historia Ecclesiastica und die Ausrichtung auf die Zukunft 67
Vgl. vor allem die Finsburg-Erzählung, in der Hengist erwähnt wird. Beowulf with the Finnesburg
Fragment, ed. Wrenn/Bolton, Vers 1068-Vers 1159, S. 138-143 sowie ebd. Finnesburg-Fragment,
S. 214-21. Dazu auch Vries, Die beiden Hengeste, der diesen Hengest mit dem kentischen Hengest
für identisch hält und eine historische Gestalt hinter beiden vermutet. Stanley, Hengestes heap,
dagegen hält diesen Hengest für eine reine Sagengestalt.
HB, ed. Dumville, cap. 26, Bd. 3, S. 97-99, Widukind I, 6, S. 7, Benennung nach dem sahs
Widukind I, 7, S. 7. Dies entspricht dem chinesischen Stratagem 10. Hinter dem Lächeln den
Dolch verbergen, vgl. von Senger, List im chinesischen und abendländischen Denken, S. 31.
Dumville, Nennius, S. 89, über die englischen Quellen der Historia Brittonum vor allem in den
Geschichten über Kent. Über die mündliche gemeinsächsische Tradition und Bedas Auslassung
schon Vries, Ursprungssage, S. 350f, allerdings ohne einleuchtenden Grund für Bedas Schweigen.
Vgl. dazu H. Wolfram, Origo gentis, § 1 Allgemeines, in: RGA 22, S. 174-178, S. 176f.
Dazu Richter, Formation of the Medieval West.
Vgl. etwa Vries, Sachsenproblem; Wolfram, Überlegungen zur Origo gentis, S. 29. Zur
Besonderheit der Waffe und ihrer sozialen Bedeutung vgl. Westphal, Saxklingen.
68 Herkunftserzählungen in Britannien
tet,181bewußt die sächsische Tradition beiseite gelassen haben, wie er sich auch ent-
schloß, Angli als Gesamtbezeichnung zu verwenden und nicht das von den Briten und
dann von den Walisern bis zum heutigen Tag verwendete Sachsen/Saeson, das zu Bedas
Zeit auch noch sehr verbreitet war.182 Zum anderen könnte Bedas Vorstellung der
Gildasschen Interpretation so weit verpflichtet sein, daß kein Raum für eine andere
Auslegung als allein als Geißel der Briten blieb.
Auf den ersten Blick spricht vieles für diese Begründungen. Zum einen läßt sich Be-
das „Lokalpatriotismus" an vielen Stellen in der Historia Ecclesiastica belegen. Der
Schwerpunkt seiner Geschichte liegt, nachdem er die römische Mission in Kent abge-
handelt hat, eindeutig auf dem Norden und dem Königreich, in dem er beheimatet war,
und schon allein daher läßt sich seine Betonung der Angli verstehen. Zum anderen ist
die Anlehnung an Gildas' Verständnis der Angelsachsen als das Instrument Gottes zur
Bestrafung der Briten ebenfalls deutlich. Beda war das negative Zeugnis, das Gildas sei-
nen Landsleuten ausstellte, willkommen, da sich damit eine positive Beurteilung der
gens Anglorum leicht verknüpfen ließ, die Gildas selbst nicht vorgesehen hatte. Anläß-
lich der Einladung des britischen Königs Vortigern an sächsische Söldner schrieb Beda:
Quod Domini nutu dispositum esse constat, ut ueniret contra inprobos malum, sicut eu-
identius rerum exitus probauit, und später: Sie enim et hie agente impío uictore, immo
disponente iusto Iudice, próximas quasque ciuttates agrosque depopulans, ab orientali
mari usque ad occidentale nullo prohibente suum continuauit incendium, totamquepro-
pe insulae pereuntis superficiem obtexit, was Beda deutlich von Gildas übernahm.183
Die Gildassche Interpretationslinie der Bestrafung der Briten wird sogar noch in Teile
der Historia Ecclesiastica übernommen, die nicht mehr von Gildas abhängen. In II, 2
berichtet Beda von der Strafe, die britische Mönche in einer Schlacht gegen den heid-
nischen Aethelfrith von Northumbria erfahren, weil sie das römische Osterfest abge-
lehnt haben.184
Dennoch sind dies nicht die einzigen Gründe für die Auslassung typischer Origo-Ele-
mente und die Übernahme des Namens „Angeln" für die Gesamtheit der germanischen
Einwanderer. An anderer Stelle geht Beda nämlich auf den Namen der Angeln ein so-
wie auf den Namen eines ihrer Königreiche. Nee silentio praetereunda opinio, quae de
beato Gregorio traditione maiorum ad nos usque perlata est, qua uidelicet ex causa ad-
monitus tarn sedulam erga salutem nostrae gentis curam gesserit, so führt Beda die Er-
'
Zu Bedas northumbrischem Bewußtsein vgl. Gransden, Historical Writing, S. 24; Goffart,
Narrators, S. 240, und Wormald, The Venerable Bede, S. 23. Goffart, Narrators, S. 25lf, spricht
sogar davon, daß sich die Historia Ecclesiastica zu einer „narrow perspective" verschränke und
ohnehin zu 52% northumbrisch sei. Dies muß aber Bedas Perspektive nicht notwendigerweise
einengen, da er Northumbria als Vorreiter der gens Anglorum sah. Bedas Interesse an
northumbrischer Geschichte wird schon daran deutlich, daß seine historischen Werke vor der
Historia Ecclesiastica, die beiden Viten Cuthberts und die Historia abbatum, sich mit
northumbrischer Geschichte beschäftigen.
2
3
Vgl. Richter, Bede's Angli, S. 105-107.
Beda HE I, 14, S. 48 und I, 15, S. 52, vgl. Gildas, ed. Winterbottom, cap. 24, S. 97.
4
Beda HE II, 2, S. 140.
Bedas Historia Ecclesiastica und die Ausrichtung auf die Zukunft 69
Zählung über Gregor den Großen und die anglischen Sklaven auf dem römischen Markt
ein,185 die sich auch in anderer Fassung in der Whitby-Vita des heiligen Gregor findet
und wohl auf eine mündliche northumbrische Tradition zurückgeht. Daß Beda mit die-
ser Formulierung keineswegs andeuten wollte, daß es sich „nur" um eine mündliche
Tradition handelt, die er nicht weglassen konnte, sondern daß es ihm vielmehr auf diese
Geschichte ankam, läßt sich daran deutlich machen, daß er Wundererzählungen häu-
figer mit Bescheidenheitsformulierungen einleitet, in denen der Verweis auf maiores
oder nee silentio praetereunda vorkommt, so daß dies eher rhetorisch zu verstehen
ist.186 Es kann keine Rede davon sein, daß Beda der Erzählung mit Skepsis begegnet
wäre.187
lung von Gregor dem Großen und seiner prophetischen Erläuterung des Namens erfüllt
den Zweck, den auch sonst Namengebungsgeschichten haben. Sie gibt den Benannten
eine Identität, die hier ihre Bedeutung nur nicht wie sonst üblich in der Vergangen-
heit hat, sondern erst in der Zukunft bekommen wird. Der Name der gens Anglorum ist
- -
nicht aus der Geschichte gewachsen, sondern ist Programm für die Zukunft. Damit be-
kommen die Angli ihre Legitimität, die sich über Gregor den Großen auch auf Rom
stützen kann, aber noch weiter hinausreicht auf den allmächtigen Gott, wie auch an an-
derer Stelle deutlich wird, als Beda den Briten vorwirft, die Mission der Angeln und
Sachsen vernachlässigt zu haben. Sed, so schreibt er, non tarnen diuina pietas plebem
suam, quam praesctuit, deseruit; qutn multo dignlores genti memoratae praecones ueri-
tatis, per quos crederet, destinauit.m
Damit wird auch der Sinn der Einleitangsworte zur Erzählung über Gregor den Groß-
en und den Sklavenmarkt deutlich. Der Grund für Gregors Engagement für die Mission
liegt nicht nur darin, daß er Mitleid mit den zur Verdammnis bestimmten Angli hatte,
sondern auch darin, daß Gregor zu dieser Aufgabe von Gott bestimmt war. Die Interpre-
tation, die Gregor dem Namen der Angeln gibt, wird so zu einer Auslegung des schon
immer vorhandenen göttlichen Willens. Der Sinn des Namens der Angeln war schon
immer da, nur wird diese Identität mit dem Namen erst durch die Mission vollzogen.
Dieses Verständnis der Gregorlegende stimmt mit Bedas Methode der Bibelauslegung
überein.190
Der Name Aelle wird mit Alleluja in Verbindung gebracht, das Königreich Deira, soll de ira Dei
gerettet werden, vgl. Beda, HE II, 1, S. 134. Zur heilsgeschichtlichen Interpretation von Namen
vgl. Amsler, Literary Onomastics, der S. 108 die Gregorlegende bei Beda ähnlich deutet.
Beda, HE I, 22, S. 68.
Vgl. z.B. die Auslegung von De Templo Salomonis, ed. Hurst (CC Series latina 119 A), cap. 20,
S. 218, die ebenfalls deutlich daraufhinweist, daß Beda die Angli als ein vorhergewußtes Volk
sah: Rotae basem subpositae ad portandum luterem templi a terra sustollebant cum nostris nuper
temporibus beatus papa Gregorius euangelicis roboratus eloquiis Romanam rexit ecclesiam;
rotae eaedem currus Dei subnexae longe gestabant cum reuerendissimipatres Augustini Paulinus
et ceteri socii earn eisdem euangelicis confirmati oraculis iubente Mo venere Britanniam et
uerbum Dei incredulis dudum commisere gentibus. An anderen Stellen der Historia Ecclesiastica
kommt diese Einstellung Bedas über die Vorbestimmung als historisches Element ebenfalls zum
Vorschein: credebantque et baptizantur quotquot erant praeordinati ad uitam aeternam (HE II,
14, S. 186) wird die Taufe einiger Northumbrier nach der Bekehrung Edwins beschrieben, vgl.
auch Dickerson, Bede as Literary Architect, S. 105. Eine Namensauslegung, die ebenfalls auf die
zukünftigen Geschehnisse hinweist, findet sich HE III, 2, S. 216, bei der Interpretation des
Ortsnamens Caelestis Campus, der dazu bestimmt war, den Schlachtensieg Oswalds zu sehen.
Auch bei den Missionsbemühungen des Bischofs Felix weist sein Name auf den Erfolg seiner
Anstrengungen hin, vgl. Beda, HE II, 15, S. 190: Siquidem totam illam prouinciam, iuxta sui
nominis sacramentum, a longa iniquitate atque infelicitate liberatam adfidem... Prophezeiungen
Bedas Historia Ecclesiastica und die Ausrichtung auf die Zukunft 71
Folgerichtig ist von diesem Zeitpunkt an nur noch von den Angli und von den reges
Anglorum die Rede, es sei denn, die Einzelkönigreiche sind gemeint.191 Daß die Ver-
wendung des Wortes Angeln für die Gesamtheit der Angelsachsen, wie Wormald und
Richter nachgewiesen haben, zuerst in den Briefen Gregors des Großen zu beobachten
ist,192 der die germanischen Stämme in Britannien vielleicht nicht zu unterscheiden
wußte, muß Beda gar nicht bewußt gewesen sein, würde dieser Bezeichnung aber natür-
lich zusätzliche Autorität verleihen.
In diesem Zusammenhang ist auch die Landung des Augustinus auf der Insel Thanet
bemerkenswert, der die Insel dann auch von König Aethelbert als Wohnort zugewiesen
finden sich in HE III, 6, S. 230, als Aidan prophezeit, daß der Arm des heiligen Oswald nicht
verrotten wird, oder HE III, 8, S. 238, als Earcongota ihren Tod voraussieht. Ähnlich HE III, 15,
S. 260, als Bischof Aidan dem Priester Utta das Öl mitgibt, das auf seiner Schiffsreise die Wogen
glätten wird, oder HE III, 22, S. 284, als der Besuch im Hause eines Exkommunizierten den
vorhersehbaren Tod von König Sigeberht zur Folge hat, oder HE V, 19, S. 528, als Bischof
Wilfried seine Rehabilitation als Bischof vorhersieht. Diese Ausrichtung auf das zukünftige
himmlische Reich ist sicher von Augustinus und Eusebius beeinflußt, vgl. dazu Lucken, Fin des
temps, S. 50-52.
Vgl. besonders Beda, HE II, 12, S. 178 (Vision Edwins) und HE II, 20, S. 202. Beda geht sogar so
weit, die einzelnen Völker mit Hilfe des Gesamtnamens zu erklären, vgl. z.B. HE II, 8, S. 162:
gens Nordanhymbrorum, hoc est ea natio Anglorum quae ad aquilonalem Humbrae fluminis
plagam habitat. Interessant ist z.B., daß Raedwald, einer der Bretwaldas, als rex Anglorum (HE II,
12, S. 176) bezeichnet wird, wohingegen sein Sohn, der den Bretwalda-Titel nicht erbte, lediglich
der rex Orientalium Anglorum (HE II, 15, S. 188) ist. Ausnahme bildet die Bezeichnung der
beiden apostatischen Könige Osric und Eanfrith von Deira und Bernicia als reges Anglorum (HE
III, 1, S. 214, und HE III, 9, S. 240), das hier offensichtlich auf die Angeln gemünzt ist. An
anderen Stellen spricht Beda in den einzelnen Königreichen von populus, z.B. HE III, 6, S. 230,
als die Deirer und Bernicier zu einem Volk (den Northumbriern) werden. Eorcenberht, König von
Kent, der als erster eine regelrechte Heidenverfolgung initiierte, wird HE III, 8, S. 236, als rex
Anglorum bezeichnet, sicher weil ihn seine Heidenverfolgung eines solchen Titels würdig macht.
Dies Beispiel ist auch gegen Brooks, Bede and the English, S. 10, einzuwenden, der meint, daß
Beda Angli nicht für die Sachsen verwendet habe. Angeln als Gegensatz zu Franken findet sich in
HE V, 19, S. 520: Uilfrid ad suae potius, hoc est Anglorum, gentis episcopatum reseruatus.
Keinesfalls kann man davon ausgehen, daß Beda mit den Angli nur die Angeln gemeint hat, oder
wie Goffart, Narrators, S. 253, glauben, daß er nur eine Geschichte der northumbrischen Kirche
in England schrieb. Dies hat Wormald, Venerable Bede, S. 21f, mit einer Wortfelduntersuchung
hinreichend deutlich gemacht. Also ist auch Pohl, Ethnic Names and Identités, S. 19, nicht
zuzustimmen, daß Beda Angli mehr im religiösen Kontext und Saxones mehr im militärischen
Kontext verwendet. Zum umgekehrten Fall, der Benennung von Angeln mit dem Terminus
Saxones vgl. den Brief Papst Vitalians an Oswiu (HE III, 29, S. 318) und Stefan, Vita Wilfridi, ed.
Colgrave, cap. 30, S. 60. Zu Bedas Verwendung der Worte gens, populus, natio, provincia und
regio auch Yorke, Political and Ethnic Identity, besonders S. 71-76, sowie Tugène, Nation
anglaise, S. 62-70. Es kann aber keinesfalls die Rede davon sein, daß Beda die Termini gens
Anglorum „unlogisch" auf alle Angelsachsen und die Angeln allein verwendet habe, wie Tugène,
ebd., meint. Wenn sich die Bezeichnung einer Teilgens zur Gesamtbezeichnung entwickelt, ist
eine solche inkonsistente Verwendung der Begriffe für die kleinere und größere Einheit kaum
72 Herkunftserzählungen in Britannien
bekommt.193 Nach der in der Historia Brittonum überlieferten Tradition waren es Hen-
gist und Horsa, die auf der Insel Thanet durch einen britischen König angesiedelt wur-
den.194 Beda verlagert so die weltliche Legitimation der kentischen Dynastie, die sich
bei ihm ebensowenig findet wie die Erzählung von der hinterlistigen Ermordung der
Briten, auf eine heilsgeschichtlich bedeutsame Ebene. Diese ist für alle Angelsachsen
von Bedeutung, da die Landung des Augustinus als von Gregor dem Großen ge-
schickten Missionar den Anfangspunkt für ihre christliche Identität bedeutet.
Vor diesem Hintergrund läßt sich auch verstehen, weshalb Beda die Königsgeschlechter
der angelsächsischen Reiche nicht mit legitimierenden Vorfahren oder Legenden ver-
sieht. Da die Identität der gens Anglorum sozusagen im Vollzug ist und erst mit der ab-
geschlossenen Mission erreicht sein wird, kann Beda zur Legitimierung des Königtums
nicht in die Frühzeit zurückgreifen. Die Legitimierung ergibt sich für einen König aus
seinem rechtmäßigen Glauben.195 Das beste Beispiel dafür ist Oswald, dessen Leben
überaus vorbildlich und damit heilig ist.196 Dieser Sinn bietet auch eine mögliche Inter-
pretation für die bekannte bretwalda-Liste in 11,5. Erster der Liste ist Aelle, rex Austra-
llum Saxonum, dessen Namensvetter Aelle von Deira in der Gregorlegende für eine Pro-
phezeiung gut war. Erst der dritte der Liste ist Aethelbert von Kent, sed primus omnium
caeli regna conscendit?91 Bezeichnenderweise ist es auch Aethelbert, der decreta Uli iu-
verwunderlich.
Wormald, Bretwaldas, S. 124 und ders., Venerable Bede, S. 20. Richter, Bede's Angli, vor allem
S. 103-105, spricht sich sogar dafür aus, daß die Gregorlegende auf Gregor den Großen selbst
zurückgeht.
Beda, HEI, 15, S. 72.
HB, ed. Mommsen, cap. 31, S. 171.
Vgl. zu Bedas Vorstellung vom idealen Königtum auch Diesner, Anglische Königsporträts und
Loyn, Bede's Kings. Wallace-Hadrill, Gregory of Tours and Bede; ders., Bede, und Tugène, Rois
moines et rois pasteurs, haben darauf hingewiesen, das sich gerade beim Königsideal bei Beda
eine Hochachtung auch vor der vita activa beobachten läßt, die an der Pastoral Gregors des
Großen ausgerichtet ist. Zum orthodoxen Glauben als systemstützendes Moment vgl. Lozrro,
Primato Romano.
Daß Oswalds Heiligkeit nichts mit einem Märtyrertod zu tun hat, sondern mit seinem Leben, hat
überzeugend Gunn, Bede and the Martyrdom of St Oswald, nachgewiesen. Zu Oswald als idealem
König bei Beda vgl. auch Stancliffe, Oswald, vor allem S. 33-46, und Chenard, King Oswald's
holy hands. Zum Weiterleben der Oswald-Legende vgl. etwa Jansen, Legends of St Oswald, aber
auch den Sammelband Stancliffe (Hrsg.), Oswald. Northumbrian King to European Saint.
Beda, HE II, 5, S. 148. Ob man allerdings, wie Higham, An English Empire, S. 55, es tut, davon
ausgehen sollte, daß Aethelbert deshalb den dritten Platz bekommen hat, weil die dritte Person der
Trinität der heilige Geist ist, scheint fraglich. Zum einen wäre bei einem Vergleich mit der Trinität
eher nur die Zahl drei und nicht die Zahl sieben zu erwarten, und zum anderen kommen damit die
heidnischen Aelle und Ceawlin sozusagen auf den Platz des Vaters und des Sohnes in der Trinität!
Bedas Historia Ecclesiastica und die Ausrichtung auf die Zukunft 73
diciorum iuxta exempla Romanorum cum consilio sapientium constituit; quae conscrip-
ta Anglorum sermone hactenus habentur et obseruantur ab ea?9% Mit dieser Bemerkung
wird ein weiteres legitimierendes Element gerade mit dem ersten christlichen bretwalda
in Verbindung gebracht: die Gesetzgebung. Aethelbert kommt damit auch einer aus
christlicher Sicht wichtigen herrscherlichen Aufgabe nach. Auch die Herrscher der An-
geln finden wie ihr Volk ihre Identität, Bestimmung und Legitimität mit dem Christen-
tum. Die Legitimität ist nicht von Anfang an gegeben, sondern vollzieht sich erst mit
dem Übergang des Imperiums von den anfänglichen heidnischen Herrschern zu den
christlichen, bisweilen sogar heiligen Königen Northumbriens. Auch hier sehen wir eine
Legitimität in der Entwicklung. In der Liste findet eine Steigerung statt, die mit Oswiu
als dem siebten Imperiumsträger endet, der unter seine Herrschaft auch die Pikten und
Iren auf der Insel vereinigt, so daß bis auf die „häretischen" Briten ganz Britannien un-
ter einer christlich legitimierten Herrschaft steht. Zu dieser Legitimität gehört auch das
Festhalten am römischen Ritas, da Rom die Identität des Volkes verliehen hat. Insofern
ist eine Einbeziehung der Schotten und Iren in den römischen Osterzyklus auch für sie
identitätsstiftend.199 Immer wieder kommt Beda auf die Wichtigkeit dieser Angelegen-
heit zu sprechen. Wie es Wormald treffend ausgedrückt hat, war Beda ein „scholar to let
his speciality dominate his perspective."200 Es ist daher nicht erstaunlich, daß die Histo-
ria Ecclesiastica mit der Bekehrung von lona zum richtigen Osterzyklus beendet ist.
Die im Westen übriggebliebenen Briten bleiben als verworfenes Volk von einer solchen
Identität ausgeschlossen.
Die Verbindung zur heidnischen Frühzeit bricht dabei nicht völlig ab. Aethelberts
Stammbaum wird bis auf Hengist zurückgeführt,201 bezeichnenderweise aber nicht bis
Wodan.
In Historia Ecclesiastica II, 5, der bereits erwähnten Stelle über die Imperiumsträger,
ist davon die Rede, daß Aethelbert von Kent tertius quidem in regibus gentis Anglorum
cunctis australibus eorum prouinciis, que Humbrae fluuio et contiguis ei terminis se-
questrantur a borealibus, imperauit.202 Hier besteht mit dem „Bretwalda" eine Identi-
tätsfigur aller Angelsachsen und nicht eines einzelnen Königreiches. Bei dem fünften
„Bretwalda" Edwin spricht Beda davon, daß er Meunias Brittonum ínsulas... Anglorum
subiecit imperio.203 Auch hier steht Angli wieder für alle Angelsachsen.
Der erste König Nordhumbriens, der Imperiumsträger wurde, bekommt in der Histo-
ria Ecclesiastica Eigenschaften eines legendären Helden: Tanta autem eo tempore pax
in Britannia, quaquauersum imperium régis Eduini peruenerat, fuisse perhlbetur ut, si-
cut usque hodie in prouerbio dicitur, etiam si mulier una cum recens nato paruulo uel-
Beda, HE II, 5, S. 150. Tugène, Nation anglaise, S. 27f, hat diese Rechtskodifikation als einen
Rückbezug auf römische Beispiele verstanden. Zu Aethelberts Gesetzgebung vgl. auch Wormald,
Inter cetera bona.
Insofern ist Cowdrey, Bede and the 'English People', nicht zuzustimmen, daß das orthodoxe Ostern
allein für die Angelsachsen identitätsstiftend war.
Wormald, Venerable Bede, S. 18.
Beda, HE, II, 5, S. 150.
Beda, HE II, 5, S. 148.
Beda, HE II, 5, S. 148/150.
74 Herkunftserzählungen in Britannien
let totam perambulare insulam a mari ad mare, nullo se ledente ualeret?04 Diese Art
von legendärem Frieden wird oft mit dem ersten legitimen Herrscher eines Reiches ver-
bunden.205 Edwin als erster christlicher Imperiumsträger Nordhumbriens, der erstmals
ganz Britannien unter seiner Herrschaft hatte,206 ist in Bedas Vorstellung auch der erste
wirklich vollständig legitimierte Herrscher, der David, der auf Saul (Aethelfrith)
folgt.207 Dementsprechend wird seine Bekehrung von Beda ausführlich erzählt. Sie fin-
det auf dreifache Weise statt: Zum einen über die glückliche Geburt einer Tochter von
seiner christlichen Ehefrau,208 zum anderen über Bischof Paulinus, der auf die göttliche
Gnade hinweist, die Edwin schon vor seiner Erhöhung zum König im Exil zugute kam,
und schließlich durch einen gemeinsamen Beschluß Edwins und seiner Ratgeber, die
sich mitsamt dem obersten heidnischen Priester von den heidnischen Göttern ab- und
dem christlichen Gott zuwenden.209 Diese dreifache Bekehrung des Edwin ist nicht etwa
durch eine besondere „Hinhaltetaktik" des Herrschers bedingt, sondern dient der Be-
kräftigung des heilsgeschichtlich bedeutsamen Ereignisses.
Ein anderer Imperiumsträger, der northumbrische König Oswald, wirft sich vor der
Schlacht gegen seinen britischen Feind Cadwallon vor einem Kreuz nieder und wendet
sich an das Heer: Flectamus omnes genua, et Deum omnipotentem uluum ac uerum in
commune deprecemur, ut nos ab hoste superbo ac feroce sua miseratione defendat; seit
enim ipse quia iusta pro salute gentis nostrae bella suseepimus.210 In Anbetracht der
Tatsache, daß Cadwallon quamuis nomen et professionem haberet Christiani, adeo
—
tarnen erat animo moribus barbants 2U laut Beda die Vertreibung aller Angli ge-
ac
schworen hatte,212 ist dieses Gebet Oswalds nur zu verständlich. Die Erzählung erfüllt
-
mehrere Funktionen. Zum einen wird mit ihr Oswalds persönlicher tiefer Glaube her-
vorgehoben, der ihn zu einem heiligen König macht, zum zweiten wird die göttliche Le-
gitimität Oswalds deutlich, und zum dritten gewinnen die Angli einen Helden, der ihnen
einen Sieg über einen äußeren Feind verschafft. Damit hat diese Erzählung auch ein ge-
meinschaftstiftendes Element, da eine Identifikation mit einem Anführer sowie die Ab-
grenzung gegen eine andere Gruppe, die Nicht-Christen/Briten, erfolgen kann. Der Sieg
Oswalds im Glauben wird durch die Wunderkraft des von ihm aufgestellten Kreuzes
immer wieder vergegenwärtigt. Von dem Caelestis Campus, auf dem Oswalds Schlacht
gegen die Briten geschlagen wurde, sagt Beda ausdrücklich quod certo utique praesa-
gio futurorum antiquitus nomen accepit; significans nimirum quod ibidem caeleste eri-
gendum tropeum, caelestis inchoanda uictoria, caelestia usque hodie forent miracula
celebrando?13 An dieser Stelle wird Bedas Geschichtssicht von der Vorbestimmung der
Angelsachsen als neues Israel bestätigt. Deshalb ist es auch wichtig, die Wunder des
Oswald-Kreuzes zu berichten: Nee ab re est unum e pluribus, quae ad hanc crucem pa-
trata sunt, uirtutis miraculum narrare?14 Für das Wunder, das Beda dann beschreibt,
kann er auch den noch lebenden Zeugen Bothelm anführen. Die Wunder, die Beda spä-
ter über andere mit Oswald verbundene Stellen berichtet, haben sicherlich auch die
Funktion der Vergegenwärtigung des heiligen Königs.215 Bezeichnenderweise kann bei
den Wundern ein Brite nur die Heiligkeit der Erde, auf der Oswald fiel, erkennen, wäh-
rend ein Ire von der Wunderkraft des Heiligen auch profitieren kann.216Auch in Sussex
wirkt der König der Northumbrier ein Wunder, so daß er als Identifikationsfigur über
die Grenzen seines Einzelreiches hinauswirkt. Bei diesem Wunder nennt Beda mit sei-
nem Freund Acca ebenfalls einen Gewährsmann.217
2,1
Beda, HE II, 20, S. 202.
212
Beda, HE II, 20, S. 204: ac totum genus Anglorum Brittaniae finibus erasurum se esse délibérons.
Zum positiven Bild Cadwallons in der britisch-walisischen Überlieferung vgl. Bromwich, Trioedd
Ynys Prydein, S. 294f, und Goetinck, Blessed Heroes. Möglicherweise hat Oswald mit der
Errichtung des Kreuzes einen heidnischen Ritus der Errichtung einer „Siegessäule" nach der
Schlacht imitiert, um seinen Gefolgsleuten Zuversicht zu geben und sie gleichzeitig auf den neuen
Glauben einzuschwören, vgl. dazu Tolley, Oswald's Tree. Neuerdings hat Woolf, Caedualla rex
brettonum, die traditionelle Identifizierung Cadwallons mit Cadwallon von Gwynedd in Frage
213
gestellt.
Beda, HE III, 2, S. 216. Edel, Kirche und Gesellschaft, S. 103, interpretiert den Ortsnamen falsch.
Siehe dazu auch oben S. 70 Anm.
214
Beda, HE III, 2, S. 216.
215
Beda, HE III, 9-13, S. 240-254. Ein weiterer Aspekt, der Beda am Herzen lag, auf den Stephens,
Bede's Ecclesiastical History, S. 13, hingewiesen hat, ist möglicherweise, daß Beda den z.T. noch
von heidnisch-heroischen Vorstellungen geprägten Angelsachsen mit diesen Geschichten bewies,
daß man auch als christlicher König lang andauernden Ruhm erwerben konnte.
2,6
Beda, HE III, 10, S. 244, und HE III, 13, S. 252/254.
217
Beda, HE IV, 14, S. 376-380, am Jahrestag des Todes von Oswald. Hingegen kommt m.E. dem
Verschweigen Bedas, daß Wilfried den Oswald-Kult unterstützte, nicht eine solche Bedeutung zu.
76 Herkunftserzählungen in Britannien
Oswald kommt seiner Aufgabe als Anführer auch nach, desiderans totam cui praees-
se coepit gentem fidei Christianae gratia inbui21i schickt er nach Bischof Aidan, um üb-
riggebliebene Heiden zu missionieren. Oswald übernimmt sogar noch weitere Aufga-
ben, um die Bekehrung seines Reiches zu bewerkstelligen, indem er die Predigten des
Aidan ins Englische übersetzt.219 Daß die Wohltat der Bekehrung nicht nur für Nor-
thumbria allein gedacht ist, wird daran deutlich, daß die irischen Missionare in Ulis An-
glorum prouinciis, quibus regnauit Osuald kommen, also wohl auch in Gebiete, die sei-
nem imperium unterstehen,220 und das waren laut Beda schließlich omnes nationes et
prouincias Brittaniae?21 Daher wird Oswald auch der Pate des westsächsischen Königs
Cynegisl.222 Aidan der Missionar, der in Oswalds Auftrag arbeitete, wird von Beda auch
als Heiliger beschrieben, dessen Wunder in die Gegenwart wirken, so daß die Angel-
sachsen auch in ihm eine Identifikationsfigur haben.223
Die Bedeutung der Schlacht von Oswald gegen den britischen Cadwallon wird noch
einmal besonders deutlich, wenn wir sie mit der Beschreibung der Schlacht von Winwa-
ed vergleichen, die Oswalds Bruder und Nachfolger Oswiu gegen den mercischen Pen-
da schlug, in der die Identität der gens Anglorum keine Rolle spielt. Oswiu gewinnt
zwar mit göttlicher Hilfe, aber nicht durch ein Gebet, sondern das Versprechen einer
Schenkung.224
Ein weiteres mögliches identitätsstiftendes Element könnte sein, daß die Bekehrung
Edwins, des Königs, der dem biblischen David entspricht, traditionsbildend ist, und
vielleicht ist darin auch der Grand zu suchen, daß Beda drei verschiedene Versionen der
Bekehrung Edwins kennt und berichtet. König Peada von Mercia, Sohn des heidnischen
Penda, wird durch die Heirat mit einer Christin dem Glauben zugeführt, die der Heirat
Wenn Goffarts Argumentation, Narrators, S. 26lf, zutreffen würde, wäre es verwunderlich, daß
Beda nicht in Anti-Wilfried-Manier die Gelegenheit ergreift, den Edwin-Kult zu propagieren!
Beda, HE, III, 3, S. 218. M.E. kommt in der Formulierung praeesse coepit zum Ausdruck, daß
hier nicht nur die Angeln/Northumbrier gemeint sind, da sich praeesse auf das Imperium bezieht,
zumindest wird es für den „Bretwalda" Edwin als Verb für das Imperium gebraucht: praefuit (HE
II, 5, S. 148) undpraeesset (HE II, 20, S. 202).
Beda, HE III, 3, S. 220: Vbipulcherrimo saepe spectaculo contigit, ut euangelizante antistite, qui
Anglorum linguam perfecte non nouerai, ipse rex suis ducibus ac ministris interpres uerbi
existeret caelestis, quia nimirum tarn longo exilii sui tempore linguam Scottorum iam plene
didicerat. Zu den Verbindungen der bernicischen Dynastie zu den Iren vgl. auch Edel, Kirche und
Gesellschaft, S. 103 und 110. Gerade in dieser Tat Oswalds tritt eine für Beda erstrebenswerte
Verbindung von Heiligkeit und verantwortungsvoller Königsherrschaft zutage, vgl. Tugène, Rois
et saints, S. 15. Anders, aber wenig überzeugend, Guerriri, Modelli di santità, etwa S. 260, der
davon ausgeht, daß Bedas Heiligenideal eher monastisch als politisch gewesen sei.
Beda, HE III, 3, S. 220. Aidan selbst kommt nur zur provincia Anglorum (Northumbrien?) (HE
III, 5, S. 226).
Beda, HE III, 6, S. 230.
Beda, HE III, 7, S. 232. Ein anderer Aspekt der Patenschaft ist, wie Angenendt, Conversion of the
Anglo-Saxons, dargelegt hat, die Festigung der politischen Vorherrschaft.
Beda, HE III, 15-17, S. 260-266.
Beda, HE III, 24, S. 290/292.
Bedas Historia Ecclesiastica und die Ausrichtung auf die Zukunft 77
Edwins mit Aethelburh von Kent auffallend ähnelt,225 während Sigeberht von Essex von
Oswiu überzeugt und nach einem consilium cum suis,226 das im kleinen vielleicht Ed-
wins bekannteres consilium widerspiegelt,227 bekehrt wird. Möglicherweise werden da-
mit diese beiden Reiche einer northumbrischen Traditionslinie einverleibt, die das Im-
perium, das Oswiu über andere Reiche hatte, auch auf diesem Gebiet deutlich macht.
Eine solche „Edwin-Tradition" gibt es nicht für die apostatischen Könige, die sich vom
neuen Glauben wieder abwandten, sie werden regelmäßig von Klerikern wieder auf den
rechten Weg geführt.228
fen an der Grenze zwischen Hwicce und Westsachsen stattfand, kann dieser Angelsach-
se hier nur als Vertreter seiner gesamten gens verstanden werden, dem auch in der Hei-
lung von der Blindheit eine auf die Abkehr seines Volkes von der heidnischen Dunkel-
heit hinweisende Behandlung zuteil wird. Folgerichtig fordert Augustinus von den
Briten u.a. ut genti Anglorum una noblscum uerbum Domini praedtcetts,230 auch hier
sind wieder alle Angelsachsen gemeint. Wie bei der Heilung des Blinden versagen die
britischen Kleriker, denen Augustinus eine göttliche Strafe verheißt, die sie durch Aeth-
elfrith rex Anglorum231, eigentlich König von Bernicia, ereilt.
5
Beda, HE III, 21, S. 278. Heirat Edwins mit Aethelburh: HE II, 9, S. 162. Insgesamt ist allerdings
Armstrong, Holy Queens, vor allem S. 239ff, dahingehend zuzustimmen, daß die Rolle der
Königinnen bei der Bekehrung nicht übermäßig betont wird, von einem Verschweigen (ebd.,
S. 240f.) kann aber meines Erachtens auch keine Rede sein. Lazzari, Regine, hat darauf
hingewiesen, daß mit zunehmendem Organisationsgrad der neuen Religion die Bedeutung der
Frauen in der Kirche abnimmt.
6
Beda, HE III, 22, S. 282.
7
Beda, HE II, 13, S. 182-186. Zu Bedas bekanntem Bericht über das consilium Edwins, auf der die
Annahme des Christentums beschlossen wurde, vgl. Fry, Edwin's council.
8
Z.B. Beda, HE III, 30, S. 322, König Sigehere der Ostsachsen.
9
Beda, HE II, 2, S. 136. Zu der Blindenheilung als hagiographischem Topos vgl. Elfassi, Germain
d'Auxerre, S. 42.
°
Beda, HE II, 2, S. 138.
1
Beda, HE II, 2, S. 140. Zu diesen Episoden vgl. auch Stancliffe, British Church, S. 124-129.
78 Herkunftserzählungen in Britannien
Ein weiteres wichtiges identitätsstiftendes Moment ist die Synode von Whitby, auf
der die Osterfrage zumindest in einem bestimmten Bereich endgültig geklärt wurde,232
wodurch die Einheit des Glauben gewährleistet wurde. Ihre Schilderung nimmt in Be-
das Historia Ecclesiastica breiten Raum ein.233 Als Quelle für die Synode stand Beda
Stephans Lebensbeschreibung des heiligen Wilfried zur Verfügung, die er in seiner Er-
zählung seinem eigenen Wissensstand über Ostern und die Zeitrechnung gemäß abwan-
delt. Vielleicht läßt er auch ein wenig seine eigene Abneigung gegen Bischof Wilfried
zu Wort kommen.234 Vor der Beilegung des Osterstreites wird von Beda die Ernsthaftig-
keit der Situation betont, indem er schildert, wie König und Königin in Northumbria zu
unterschiedlichen Zeiten Ostern feiern.235 Oswiu eröffnet die Synode, indem er das Ziel
der una regula vivendi für die nennt, die schon eines Glaubens sind.236 Die Iren begin-
nen mit der Erklärung ihres Osterfestes, ein bezeichnender Zeitpunkt, denn bei der
Überlieferung eines Disputes wurde der unterlegenen Partei anscheinend oft die erste
Wortmeldung überlassen.237 Während sich Colman auf die Tradition und den Apostel
Johannes beruft, beruft sich sein Gegner Wilfried auf die Gewohnheit in allen christ-
lichen Ländern, die er bereist hat, also sozusagen auf die consuetudo, und auf die Apo-
stel Petrus und Paulus, wobei Beda ihm weitaus mehr Raum für seine Antwort gibt, die
er für die richtige hielt. Sicher tritt bei diesen einzelnen Argumenten, die Beda so aus-
führlich berichtet, sein eigenes Interesse an der Osterfrage und der korrekten Zeitrech-
nung zutage. Die Entscheidung über die Osterfrage wird schließlich von Oswiu herbei-
geführt, der sich der höheren Autorität des Apostels Petras beugt, der von Christas die
Schlüssel zum Himmelreich bekam. Die Versammelten fauerunt adsidentes quique siue
adstantes maiores una cum mediocribus, et abdicata minus perfecta institutione, ad ea
quae meliora cognouerant sese transferre festtnabant?3%
Wormald, Venerable Bede, S. 17, weist darauf hin, daß die Synode von Whitby im Zuge von
Bedas ausführlicher Schilderung in ihrer kirchengeschichtlichen Bedeutung oft überschätzt wurde,
da die von Theodor von Canterbury geleitete Synode von Hertford wohl wichtiger war. Zur
Synode vgl. Vollrath, Synoden Englands, S. 48-56.
Beda, HE III, 25. S. 294-308.
Vgl. Beda, HE, III, 25, S. 306 Anm. 2, und Goffart, Narrators, S. 311-313. Daß Wilfried in seinen
Bemerkungen über Columban von Beda geradezu unverschämt dargestellt wird, mag durch einen
Ausdruck verdeutlicht werden: Sed absit, ut hoc de patribus uestris dicam, qui iustius multo est de
incognitis bonum credere quam malum. (S. 306). Mag Wilfried Columban selbst tatsächlich nicht
gekannt haben, so sollte er doch wenigstens von ihm gehört haben, was er hier zu leugnen scheint.
Zur Abneigung Bedas gegen Wilfried vgl. Barnard, Bede and Eusebius, S. 119. Isenberg,
Würdigung Wilfrieds, S. 110, kommt zu einem anderen Ergebnis, das allerdings nicht
gerechtfertigt erscheint, wenn man die vielen Stellen betrachtet, an denen Beda die Vita Wilfridi
nicht übernommen hat.
Beda, HE III, 25, S. 296.
Beda, HE III, 25, S. 298.
Dies ist leider noch nicht untersucht worden, scheint aber auf viele Synoden zuzutreffen, auf
denen Streitigkeiten entschieden wurden.
Beda, HE III, 25, S. 306/308.
Bedas Historia Ecclesiastica und die Ausrichtung auf die Zukunft 79
Betrachtet man diese Szene, ist die Art und Weise auffällig, wie eine Einigung
schließlich erreicht wurde. Oswiu entscheidet im Grunde nicht über die Autorität der ei-
nen oder anderen Partei. Seine Argumentation, daß Petras schließlich die Schlüssel zum
Himmelreich habe, besticht auf den ersten Blick durch den darin scheinbar zutage tre-
tenden Pragmatismus. Man ist sogar so weit gegangen, Oswius Bemerkung als „fri-
volous quip" zu bezeichnen,239 als ob ein König nichts Besseres zu tan hätte, als eine
Synode mit einer frivolen Bemerkung zu schließen. M.E. muß man Oswius Worte aber
mit Blick auf seine Eingangsworte lesen, wo er darauf verweist, daß unum omnes in
caelis regnum expectorent?40 Dieser Verweis auf das Himmelreich wird in seinen ab-
schließenden Worten wiederholt. Das zeigt, daß es sich bei Oswius „pragmatischer" Lö-
sung keinesfalls um eine Frivolität handelte. Vielmehr deutet alles daraufhin, daß diese
Lösung der keltischen Partei, der Oswiu durch seine Erziehung nahe stand, erlaubte, das
Gesicht zu wahren, da die Autorität ihrer Heiligen zwar durch Wilfried angegriffen wur-
de, durch die Entscheidung Oswius, der die keltische Partei nicht verdammte, sondern
sich nur auf Petras als Schlüsselbewahrer berief, dessen Autorität von allen Anwe-
senden anerkannt wurde, aber letztlich nicht in Frage gestellt wurde. Daß Oswiu am
Anfang schon auf das gemeinsame Streben nach dem Himmelreich verweist, das
schließlich eine Lösung des Konflikts ermöglicht, ist zum einen wieder ein Hinweis auf
Bedas Vorstellung von einer Vorbestimmtheit der Geschichte, die sich an der Synode
manifestiert, die die junge angelsächsische Kirche mit der gesamten Weltkirche vereint
ein Punkt, der in Wilfrieds Argumentation bei Beda mehrmals hervorgehoben wird.
Es ist in diesem Zusammenhang zu betonen, daß sich der anfängliche Hinweis Oswius
-
auf das Himmeheich in der Überlieferung der Synode in der Vita Wilfridi des Stephan
nicht findet.241 Zum anderen ist die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, daß bei der Sy-
node, deren Ausgang so wichtig für die angelsächsische Kirche war, kein Risiko einge-
gangen wurde, und daß der Verlauf des Disputes, dem Oswiu ein Ende macht, ohne da-
bei die keltische Partei als häretisch zu brandmarken und zu bestrafen, vorher abgespro-
chen wurde. Als Wilfried die Einsetzungsworte an Petras zitiert, stellt Oswiu, der sich
bis dahin nicht eingemischt hat, ausgerechnet an dieser Stelle eine Frage und nicht etwa
an Wilfried, sondern an dessen Gegner Colman. Dies könnte dafür sprechen, daß dieser
Dialog vorherigen Überlegungen entsprang. Denn Oswiu versichert sich der Zustim-
mung beider Parteien für diese Einsetzungsworte, ehe er sie als Begründung für seine
Entscheidung anführt.242 Die auf Oswius Machtwort hin erzielte sofortige Einigkeit der
Colgrave, Bede and his Times, S. 6. Möglicherweise ist er durch die Bemerkung Stefans, Vita
Wilfridi, ed. Colgrave, S. 22, daß Oswiu subridens die entscheidende Frage gestellt hat, dazu
veranlaßt worden.
Beda, HE III, 25, S. 298.
Vita Wilfridi, ed. Colgrave, S. 20, heißt es: Quodam tempore in diebus Colmani Eboracae
civitatis episcopi metropolitani, regnantibus Oswiu et Alchfritho filio eius, abbates et presbiteri
omnesque ecclesiasticae disciplinae gradus simul in unum convenientes in coenobio, quod
Streuneshalgh dicitur, praesente sanctimoniale matre piissima Hilde, praesentibus quoque
regibus et duobus Colmano et Aegilbertho episcopis, depaschali ratione conquirebant, quid esset
rectissimum...
Beda, HE III, 25, S. 306. Goffart, Narrators, S. 313, glaubt, daß das subridens der Vita Wilfridi
80 Herkunftserzählungen in Britannien
Versammlung erhärtet diese Vermutung.243 Auch die Ereignisse nach der Synode spre-
chen für eine gezielte Einigung, denn Colman kehrte nach Irland zurück, während der
Ire Cedd das katholische Ostern akzeptierte und auf Colman ein irischer Kompromiß-
kandidat folgte, der die katholischen Gewohnheiten akzeptierte.244 Auf diese Art und
Weise schloß sich Northumbria der katholischen Observanz an, ohne daß Colman selbst
dazu gezwungen wurde. Möglicherweise erfolgte die spätere Ernennung Wilfrieds
durch Oswius Sohn Alhfrith entgegen den ausgehandelten Bestimmungen, so daß in
diesem Licht die Ernennung des Kelten Chad durch Oswiu selbst, dessen Bestätigung
durch Erzbischof Theodor von Canterbury und die anhaltenden Streitigkeiten über
Wilfrieds Amt zu erklären wären.245 Wilfried scheint überhaupt die katholische Obser-
vanz mit größerem Eifer verfolgt zu haben, als ursprüglich geplant war, denn crescente
per dies institutione catholica, Scotti omnes, qui inter Anglos morabantur, aut his ma-
nus darent aut suam redirent adpatriam?46 Insgesamt sind allerdings die Verfahren von
Synoden noch zu wenig auf ihre Ritaalität oder demonstrative Inszenierung hin unter-
sucht worden, so daß sich hier nur ein Verdachtsmoment etablieren läßt.247
Daß Beda die Erlangung des Himmelreiches ein zentrales Anliegen war, läßt sich an
mehreren Erzählungen der Historia Ecclesiastica über Sterbende festmachen, bei deren
Tod die Umgebung deutliche Zeichen für die erfolgte Aufnahme in den Himmel erhält.
Auf diese Weise wird der Erfolg von Oswius Taktik dem Publikum deutlich vor Augen
geführt.248
Im Interesse der gesamten ecclesta Anglorum kümmerte sich Oswiu dann zusammen
mit Egbert von Kent vielleicht in seiner Eigenschaft als „Bretwalda" um einen Erz-
- -
(vgl. S. 79 Anm.) zeigt, daß Oswiu die Antwort auf seine Frage schon kannte!
Bei Vita Wilfridi, ed. Colgrave, S. 22, ist sich die Synode bezeichnenderweise schon vorher einig,
als sie auf Oswius Frage nach der größeren Macht von Columban oder Petrus antwortet, die so bei
Beda gar nicht gestellt wird: Omnis synodus una voce et consensu respondit...
Beda, HE III, 26, S. 308. Zur weiteren Entwicklung der irischen Kirche, die durch die Synode von
Whitby keinesfalls völllig zurückgedrängt wurde, vgl. Veitch, Columban Church.
Beda, HE III, 28, S. 314/316, und HE IV, 2, S. 334 (Bestätigung durch Theodor.)
Beda, HE III, 28, S. 316.
Für die Synoden der Kirchenreform hat dies Laudage, Ritual und Recht auf päpstlichen
Reformkonzilien, untersucht und ist überzeugend zu dem Schluß gekommen, daß sich bei
Kirchensynoden, die Einstimmigkeit demonstrieren sollten, oft eine Vorausplanung der
Abstimmungen erkennen läßt. In diesem Zusammenhang sei der Hinweis auf die Synode von
Toledo gestattet, bei der die einhellige Abkehr vom arianischen Glauben bei einem Vortreffen
zwischen König Rekkared und den arianischen Bischöfen abgesprochen wurde, vgl.
Orlandis/Ramos-Lisson, Synoden der Iberischen Halbinsel, S. 95-117.
Z.B. Beda, HE IV, 3, S. 336-346; IV, 7, S. 356/358; IV, 8, S. 358; IV, 9, S. 360/362; IV, 10,
S. 362/364; IV, 11, S. 364-368; IV, 14, S. 376-380; oder HE IV, 16, S. 382 (allerdings ohne
Wunder), sowie HE IV, 23, S. 404-414; HE V, 7, S. 468-472 (Tod Caedwallas, des Königs der
Westsachsen, in Rom, der in der Taufe den Namen Peter erhielt) oder eindrücklich HE V, 12,
S. 488-498, die Jenseitsvision des Bruder Drythelm von Melrose, negativ gespiegelt in den
Erlebnissen des Königsmannes und des Schmiedes, die vorherwissen, daß sie in die Hölle
kommen (HE V, 13, S. 498-502, und HE V, 14, S. 502-504).
Bedas Historia Ecclesiastica und die Ausrichtung auf die Zukunft 81
bischof katholischer Observanz und sandte dafür Wigheard nach Rom.249 An dieser
Stelle inseriert Beda einen Papstbrief, der seine Vorstellung von einer Vorbestimmung
der Angelsachsen und ihrer Bestimmung zur kirchlichen Einheit unterstreicht: dextera
Domini protegente ist Oswiu zu katholischer Observanz gekommen. Benedicta igitur
gens, quae talem sapientissimum et Dei cultorem promeruit habere regem, quia non so-
lum Ipse Del cultor extitit sed etiam omnes subiectos suos meditatur die ac nocte adfi-
dem catholicam atque apostolicam pro suae animae redemtione conuerti, äußert sich
Papst Vitalian. Für die Vorbestimmung der Angelsachsen zum Glauben beruft sich Vi-
talian auf Prophezeiungen des Jesaja und bemerkt abschließend: Ecce, excellentissime
fill, quam luce clarius est non solum de uobis sed etiam de omnibus prophetarum genti-
bus, quod sint crediturae in Christo omnium conditore.250 Vitalian schließt mit einer
Prophezeiung für die Gesamtheit Britanniens: Nimirum enim quaerit et inpetrabit, et ei
omnes suae insulae, ut optamus, subdentur.251 Da dieser Papstbrief so genau in Bedas
Konzeption paßt, wird er von ihm in aller Ausführlichkeit zitiert. Es wäre sicher interes-
sant zu wissen, ob Beda noch andere Papstbriefe aus dieser Zeit hatte, die er absichtlich
nicht in sein Werk aufnahm.252 Leider können wir nicht im einzelnen nachvollziehen,
welche Dokumente Beda zur Verfügung standen.
Als katholischer Erzbischof für England wird in Rom, das auf diese Weise zum zwei-
ten Mal für die angelsächsische Kirche entscheidende Weichen stellt, der Grieche Theo-
dor bestimmt.253 Die Ankunft Theodors, der die angelsächische Kirche fest mit Rom
verband und der primus erat in archiepiscopis, cui omnis Anglorum ecclesia manus
dare consentiret, wird genau wie die Synode von Whitby von Beda datiert,254 da sie ein
goldenes Zeitalter für die Kirche einleitet: Neque umquam prorsus, ex quo Brittaniam
petierunt Angli, feliciora fitere témpora255 und tantum profectus spiritalis tempore prae-
sulatus illius Anglorum ecclesiae, quantum numquam antea potuere, ceperunt?56 Theo-
1
Episodios de convivencia, hingewiesen.
Zur Orientierung in der Beschreibung Cuthberts am Ideal der Pastoral Gregors des Großen vgl.
Thacker, Bede's Ideal of Reform.
2
Beda, HE IV, 27-32, S. 430-448, Kapitel 31 und 32, S. 444-448, über die Wunder am Grab und
mit Reliquien. Eine Wunderepisode der Cuthbert-Vita hat Hill, Bede and the Boors, näher
untersucht, um auf heidnisches Gedankengut zurückzuschließen. Dem gegenüber scheint die
3
Interpretation von Higham, An English Empire, S. 227, nicht so überzeugend.
Beda, HE V, 1,S. 454-456.
4
Beda, HE V, 2-6, S. 456-468.
Bedas Historia Ecclesiastica und die Ausrichtung auf die Zukunft 83
auch diese Völker zum Christentum zu bekehren.265 Dabei wird von den Missionaren,
wie Beda ausführlich berichtet, der Kontakt zum Papsttum gesucht.266
Als letzte Ereignisse werden in der Historia Ecclesiastica die Bekehrung der Pikten
und des Klosters lona zum römischen Ostern geschildert, die damit auch den Weg zum
Heil beschreiten.267 Damit sind von den Völkern Britanniens nur noch die Briten vom
richtigen Weg ausgeschlossen, wie Beda sagt: Quod mira diuinae constat factum dis-
pensatione pietatis, ut quoniam gens illa quam nouerai scientiam diuinae cognitionis li-
benter ac sine inuidia populis Anglorum communlcare curauit, ipsa quoque postmodum
per gentem Anglorum in eis quae minus habuerat ad perfectam uiuendi normam perue-
niret. Sicut econtra Brettones, qui nolebant Anglis earn quam habebantfidei Christiani-
ae notitiam pondere, credentibus iam populis Anglorum et in regula fidei catholicae
per omnia instructis, ipst adhuc inueterati et claudicantes a semitis suis et capita sine
corona praetendunt et sollemnia Christi sine ecclesiae Christi societati uenerantur?6%
7. Zusammenfassung
Bedas Identitätsstiftang für die Angeln ist durchaus ungewöhnlich, entspricht aber völ-
lig seiner Interpretation, daß Gläubige und Volk identisch sind.269 Nach der Beschrei-
bung Bedas tritt die gens Anglorum auf eine Bühne.270 Sie erreicht erst auf der Insel Bri-
tannien festen historischen Boden. Die Frage, die Beda in Bezug auf seine gens also zu-
erst beantwortet, ist die Frage nach dem Ort. Hier haben die Angelsachsen zunächst
eine Aufgabe zu erfüllen, nämlich die Bestrafung der Briten, die sich und diese Inter-
pretation hat Beda von Gildas übernommen und erweitert als verworfenes Volk Israel
-
entpuppen, das auch der heilige Germanus nicht auf Dauer retten kann.271 Dies ist zu-
nächst der berechtigte Grand für ihr Bleiben auf der Insel, und ihre Inbesitznahme der
265
Beda, HE V, 10, S. 480-484.
266
Beda, HE V, 11, S. 484/486.
267
Beda, HE V, 21, S. 532-552, und HE V, 22, S. 552-554. Zur Bekehrung der Pikten vgl. auch
Hughes, Early Christianity in Pictland; Kirby, Pictish Church; Duncan, Bede, lona and the Picts,
der irische Quellen für Bedas fünftes Buch vermutet, das sich vor allem mit der Bekehrung lonas
und der Pikten zur Orthodoxie beschäftigt (S. 42), sowie Picard, Bede, Adomnán, and the Writing
of History. Zur Steigerung der kirchlichen Einheit auf der britischen Insel vgl. auch Tugène,
Nation anglaise, S. 85-91.
268
Beda, HE V, 22, S. 554.
269
Zur Bedeutung der Kirche für die Identitätsbildung der Angelsachsen vgl. auch Scharer, Rolle der
Kirche.
270
Der Meinung von Stephens, Bede's Ecclesiastical History, daß Beda seiner gens eine britische
Vorgeschichte gibt, kann man sich nicht anschließen, da die Angelsachsen in Britannien weder
eine Verbindung zur britischen noch zur römischen Geschichte knüpfen. Mir scheint mit der
ausführlichen Behandlung der Vorgeschichte der Insel vor den Angelsachsen eher eine Art ,Ältes
Testament" vorzuliegen, das die Geschichte des alten, inzwischen verworfenen Israel den Briten
erzählt.
271
Zur Rolle des Germanus in der Historia Ecclesiastica vgl. auch Elfassi, Germain d' Auxerre.
84 Herkunftserzählungen in Britannien
vormals keltischen Länder wird damit gerechtfertigt. Im Unterschied zu anderen Her-
kunftssagen ist dieser anarchische Akt der Landnahme bei Beda aber nicht konstitutiv
für die gens, die nun auf der Insel lebt.
Die eigentliche Entstehung der gens, über die Beda seine Historia Ecclesiastica
schreibt, steht nämlich noch bevor. Dies ist die Bekehrung zum Christentum durch die
von Rom ausgesandten Missionare. In diesem Zusammenhang erzählt Beda dann auch
eine namenerklärende Geschichte, die einen ganz anderen Charakter hat als die sonst in
den Ursprangssagen zu findenden. Nach der Gregorlegende hat der Name der Angli
heilsgeschichtlichen, zukunftsgerichteten Charakter. So werden die Angelsachsen mit
einem Namen von ausgeprägt christlicher Bestimmung versehen.272 Im Gegensatz zu
dem sprechenden Namen der Sachsen, der sich auf eine heroische primordiale Tat in der
Frühzeit bezieht, ist dies ein sprechender teleologischer Name. Die Angelsachsen erhal-
ten so ihren Zusammenhalt nicht aus der Vergangenheit, sondern aus einer zu errei-
chenden Zukunft, die Beda beschreibt. Die Ethnogenese der Angelsachsen vollzieht
sich nach Beda im Laufe der Mission. In diesem Zusammenhang ist die einheitliche
Verwendung des Namens „Angeln" für die germanischen Einwanderer auf der bri-
tischen Insel zu sehen, der ihnen erhalten bleiben sollte, und nicht etwa nur in einer pa-
triotischen Vorliebe für die in Bedas Northumbrien siedelnden Stämme.
Die zu Beginn gewonnene Identität wird durch vorbildliche Könige gestützt, so daß
die gens in ihnen weiter zur Herrschaft auf der Insel Britannien legitimiert wird. Das
Thema der gläubigen gens als der gens, die zu ihrer Bestimmung findet, schlägt sich
nicht nur in der Beschreibung der Könige nieder, sondern zieht sich durch das gesamte
Werk. Die Identität im Vollzug muß durch immer neue Handlungen, insbesondere Sy-
noden, die die Einheit der christlichen gens und ihre Verbindung zu Rom gewährleisten,
unterstützt werden.
Dieses Konzept Bedas hat weitreichende Folgen für das Geschichtsbewußtsein, denn
die Legitimität im Vollzug macht im Gegensatz zu einer Legitimität aus der Vergangen-
heit her einen Verlust der Identität der gens und der Stellung der Könige möglich. Diese
Vorstellung beinhaltet also einen Maßstab, an dem sich die Berechtigung der angelsäch-
sischen gens und ihrer Könige jederzeit ablesen läßt. Ein Abweichen vom Pfad zur
Identität mit den Angelí hat einen Legitimitätsverlust zur Folge. Folgerichtig werden da-
her Könige bestraft, die sich unchristlich verhalten.273 In diesem Licht muß man auch
den bereits erwähnten Brief Bedas sehen, den er kurz vor seinem Tod schrieb und in
dem er sich über die Zustände der angelsächsischen Kirche beklagte. Die gegenüber der
in der Historia Ecclesiastica dargestellten Blütezeit vernachlässigte und im Niedergang
begriffene Kirche hatte in Bedas Augen auch negative Konsequenzen auf die so stark
mit dem Christentum und der römischen Kirche verschmolzene gens, die mit dem Chri-
stentum ihre Identität zu verlieren drohte. Das Bedasche Konzept, das einem christ-
lichen Volk die Überlegenheit und den Sieg verhieß, sollte bei der Interpretation der
Wikingerüberfälle und auch in späteren Jahrhunderten noch eine große Rolle spielen
Zu diesem Schluß kommt auch Wormald, Venerable Bede, vor allem S. 24, und ders., Engla Land,
S. 12f, der aber die Gregor-Legende nicht in seine Überlegungen mit einbezieht.
Beda, HE IV, 26, S. 426/428.
Bedas Historia Ecclesiastica und die Ausrichtung auf die Zukunft 85
und ist letztlich auch zu den Motiven zu zählen, die die Angelsachsen zu einer Mission
auf dem Kontinent veranlaßten.274
Howe, Migration and Mythmaking, S. 8-32 und S. 108-142; Wormald, Venerable Bede, S. 24-27;
ders., Engla Land, S. 17f.; Boureau, L'adage vox popuii; Brooks, Bede and the English; I. Wood,
Origo Gentis. Angelsachsen, in: RGA 22, S. 199-203, hier S. 202f. Foot, Angelcynn, besonders
S. 33 und 36ff, und Harris, Alfredian World History, sehen diese Entwicklung erst unter Alfred
dem Großen abgeschlossen. Zur dann selbstverständlichen englischen Identität vgl. Davies,
Peoples of Britain I, S. 13f, ders., Peoples of Britain II, S. lOff. und ders., Peoples of Britain IV,
S. 18f.
Zur Historia Brittonum vgl. vor allem die Forschungen von Dumville: Dumville, Some Aspects of
the Chronology; Ders., Nennius; Ders., Historical Value; Ders., Historia Brittonum. Die älteren
Untersuchungen von Zimmer, Nennius, und Lot, Nennius, bieten, obwohl sie größtenteils durch
Dumville überholt sind, einige wertvolle Hinweise. In breiterem Zusammenhang vgl. etwa
Hanning, Vision; Mller, Starting to Write History, und Bertini, Storiografia.
So etwa Liebermann, Nennius; Lot, Nennius; vorsichtiger schon Gransden, Historical Writing in
England, S. 6.
Überholt ist damit Liebermann, Nennius, dessen Versuch einer Charakterisierung des Autors
ohnehin nicht überzeugen kann. Vgl. zum Prolog aus dem 11. Jahrhundert Dumville, Corpus
Christi Nennius; ders., Nennius, S. 93. Neuerdings hat Field, Nennius and his History, Dumvilles
Position angegriffen, sich aber nicht durchsetzen können. Nicht ganz deutlich ist die Position von
Thomson, Nennius and Asser, der eine Einheitlichkeit der Historia Brittonum annimmt, die sich
aber wohl allein auf die Harleysche Fassung bezieht. Daher differiert er nicht von Dumville.
86 Herkunftserzählungen in Britannien
stehen.278 Die um 829/30 unter der Ägide eines britischen/walisischen Autors entstan-
dene Historia Brittonum219 bietet uns ein Selbstbild der Briten/Waliser etwa dreieinhalb
Jahrhunderte nach Gildas. Dabei ist mit Dumville zu betonen, daß der Wert der Historia
Brittonum für die Geschichte des 5. und 6. Jahrhunderts, über die sie berichtet, sehr
niedrig anzusetzen ist.280 Dies muß aber einer Auswertung für das walisische und even-
tuell auch das angelsächsische und das schottische Identitätsgefühl nicht entgegenste-
hen, da die Historia Brittonum nicht nur in Wales, sondern auf der ganzen britischen In-
sel außerordentlich beliebt war.281
Die vielen Traditionen, die der Autor der Historia Brittonum verarbeitet hat, fuhren
zu mehreren Perspektivwechseln im Verlauf der Erzählung. Wir finden in ihr gesamt-
britische Elemente, gerade im ersten Teil des Textes, Auszüge aus einer kentischen
Chronik, sagenhafte Einsprengsel über König Arthur und den heiligen Patrick sowie das
Leben des hl. Germanus.282 An mehreren Stellen widerspricht sich die Historia Britto-
num. Beispielsweise wird einmal behauptet, daß ein römischer Konsul namens Brutus
der Gründer Britanniens sei, an anderer Stelle ist ein Britto, ein Nachfahre des Aeneas,
der Stammvater. Auch die Origo der Iren resp. Schotten ist nicht einheitlich.283 Deshalb
ist dem Autor der Historia Brittonum oft der Vorwurf gemacht worden, ungeschickt
und kurios zu sein.284 Für das mittelalterliche Publikum muß dieser Eindruck aber nicht
erweckt worden sein, da auch in anderen Erzählungen explizit mehrere Variationen ge-
boten werden.285 Darüber hinaus ist sich der Autor der verschiedenen Versionen durch-
aus bewußt,286 scheint sich allerdings nur selten wirklich Gedanken über die verschie-
denen Erzählungen gemacht zu haben, im Gegensatz zu anderen Geschichtsschreibern,
8
Leider muß hierfür auf die ältere Edition von Mommsen in MGH AA 13, S. 111-222,
zurückgegriffen werden, der die Harleysche Fassung zugrundelegt (vgl. ebd. S. 113), da die
Neuedition sämtlicher Fassungen der Historia Brittonum durch Dumville noch nicht über die
9
Vatikan-Fassung hinausgekommen ist.
Dumville, Nennius, S. 78; Dumville (ed.), Historia Brittonum. Vatican Recension, S. 3; Dumville,
North British Section, S. 353f, wendet sich gegen Jackson, Northern British Section, der schon für
dieses erste Stadium mehrere Kompilatoren angenommen hatte. Zur Zugehörigkeit des Autors zu
den Walisern vgl. Dumville (ed.), Historia Brittonum. The Vatican Recension, S. 5, über die
deutlichen Anzeichen in der Harleyschen Fassung dafür, aber auch schon Mommsen in seiner
Vorrede, S. 114. Noch genauer geht Thomson, Nennius and Asser, auf die vom Altwalisischen
geprägte Sprache der Historia Brittonum ein. Zum Stemma der verschiedenen Fassungen vgl.
Dumville (ed.), Historia Brittonum. Vatican Recension, S. 53.
0
Dumville, Historical Value; etwas weniger skeptisch Charles-Edwards, Arthur of History.
1
Vgl. dazu Dumville, Historia Brittonum; Dumville (ed.), Historia Brittonum. Vatican Recension,
S. 3.
2
Zu den Quellen vgl. Dumville, Sub-Roman Britain, S. 177.
13
HB, ed. Mommsen, cap. 13 und 15, S. 154ff. und 156ff.
4
15
Vgl. Hamming, Vision, S. 94f. und Gransden, Historical Writing in England, S. 7.
Vgl. Goetz, Gegenwart der Vergangenheit, S. 70ff. Auch Althoff, Das argumentative Gedächtnis,
hat in anderem Zusammenhang darauf aufmerksam gemacht, daß die episodenhafte Darstellung
mittelalterlicher Autoren in unseren Augen Argumentationsstränge verbergen kann, die den
16
Zeitgenossen deutlich waren.
HB, ed. Mommsen, cap. 7 und 10, S. 147 und 150ff.
Historia Brittonum: Römische Anbindung und Abgrenzung von anderen gentes 87
die sich hin und wieder für eine Variante entscheiden. In diesem Sinn mag die Formu-
lierung des Prologs ego autem coacervavi omne quod invenim die Motivation des Au-
tors durchaus zutreffend beschreiben, auch wenn sie für die früheste Fassung nicht au-
thentisch ist. Das Bedürfnis nach Konsistenz ist ohnehin modern und war dem mittelal-
terlichen Leser fremd. Für ihn ergab sich durch verschiedene Ausführungen nicht unbe-
dingt ein Widersprach, da die eine Wahrheit in verschiedenen Formen zutage treten
konnte. Die verschiedenen Versionen sind dann einzuschätzen wie die Auslegungen der
Bibel, die auf verschiedenen Ebenen stattfanden und dennoch die eine Wahrheit ver-
deutlichten.288 So betrachtet, sind die Varianten in der Historia Brittonum nur Ausdruck
der einen Wahrheit, nämlich der römischen Abstammung der Briten resp. der spa-
nischen Abstammung der Iren und Schotten.
Die in der Historia Brittonum angegebenen Datierungen bereiten wegen einer Ver-
mengung von Anno Domini mit Anno Passionis sowie Konsulatsjahren große Schwie-
rigkeiten.289 Die zahlreichen Origo-Erzählungen, die sich in der Historia Brittonum fin-
den, lassen Rückschlüsse auf das Identitätsgefühl der Waliser und ihrer Nachbarn, der
Iren, Schotten, Pikten und Angelsachsen, zu. Zum Teil kann man dabei auch Darstel-
lungsabsichten des Autors herauskristallisieren, die ihn dazu veranlaßt haben könnten,
einige Geschichten anderen Überlieferungen vorzuziehen. Da die Erzählungen in der
Historia Brittonum grob chronologisch sortiert sind und die verschiedenen orígenes da-
her nicht nacheinander erzählt werden, ist es am sinnvollsten, von gens zu gens vorzu-
gehen. Seinen Vorläufer Gildas hat der Autor der Historia Brittonum ganz offensicht-
lich gekannt; ob er Beda gekannt hat, ist umstritten. Die Beweiskraft der von Lot und
Dumville aufgeführten Parallelstellen zu Beda ist nicht ganz hinreichend. Man kann zu-
sätzlich darauf hinweisen, daß, um mit Sims-Williams zu sprechen, „the Historia Brit-
tonum almost reads like a reply to Bede."290 M.E. ist gerade das negative Bild, das Beda
von den Briten zeichnet, ein Ansporn für den Autor gewesen, seiner gens mehr Gerech-
tigkeit zukommen zu lassen.
Nachdem der Autor deutlich gemacht hat, daß Brittones olim implentes earn a mari
usque ad mare iudicaverunt,294 spekuliert er über den Zeitpunkt der Einwanderung der
Briten, die er nicht als autochthon sieht, und stellt einen Stammvater vor: Aeneas habe
nach dem Tod Lavinias ein zweites Mal geheiratet und mit dieser Frau einen Sohn Sil-
vius gehabt. Dieser Silvius wiederum heiratete, und als seine Frau schwanger wurde,
wurde ein Wahrsager zu Rate gezogen, der prophezeite, daß der Sohn (Britto) den Tod
von Vater und Mutter verursachen würde. Obwohl der Verkünder solchen Unheils getö-
tet wurde, erfüllte sich das Schicksal des Britto, als er beim Spiel den Vater mit einem
Pfeilschuß tötete. Dies hatte Brittas Verbannung zur Folge, die nach einer Odyssee über
Griechenland und Gallien in Britannien endete, das nach ihm benannt wurde. So unein-
heitlich und inkonsequent die Geschichte erzählt ist Turnus, der Gegenspieler des Ae-
neas, wird in Italien von diesem getötet, aber Britto wird wegen Turnus aus Griechen-
-
land vertrieben, der prophezeite Tod der Mutter des Britto, am ehesten im Kindbett,
wird nicht erwähnt,295 Britto gründet die Stadt Tours in Frankreich, wobei der der Stadt
beigelegte Name Turnis eher auf Turnus als Gründer schließen ließe296 finden wir
doch in ihr deutliche Origo-Elemente: Britto ist trotz seines schrecklichen Verbrechens
-
der Heros eponymos der Insel Britannien, auf ihn geht der Name der vorher unbe-
wohnten Insel zurück, von ihm stammen die Einwohner Britanniens ab. Dies sind klas-
sische Origo-Elemente, die eine enge Verbindung zwischen dem Namen des Ahnherrn
und der Selbstbezeichnung der gens schaffen. Die Ansippung an Aeneas und die Troja-
ner hat eine Verwandtschaft mit den Römern zur Folge,297 die gegenüber der bloßen
Verbindung über den Konsul vielleicht vorzuziehen gewesen wäre, wenn der Autor sich
für eine Version entschieden hätte. So wie die Historia Brittonum nun beide Varianten
erzählt, besteht die Möglichkeit, daß für den mittelalterlichen Leser mit den zwei Origo-
Varianten der Briten die römische Herkunft doppelt gesichert wurde.
Brittas Herrschaft in Britannien wird darüber hinaus zeitlich zum Alten Testament in
Bezug gesetzt: Er habe zur selben Zeit regiert wie der Hohepriester Eli in Israel.298 Dies
ist eine erste Einordnung in die Heilsgeschichte.
Dann, zum Abschluß der Origo-Erzählungen über Pikten, Iren und Schotten, kommt
der Historia Brittonum-Verfasser in der für ihn typischen Art erneut auf die britische
Origo zu sprechen und legt eine Tradition über einen weiteren Britto und die Verwandt-
schaft mit Rom dar. Er skizziert einen Stammbaum der Völker, der die Völker Europas
von Japhet, dem Sohn Noahs, ableitet und ihnen damit einen festen Platz in der Heilsge-
schichte zuordnet.299 Die Briten werden in diesem Stammbaum durch ihren Vorfahr
Hessitio zu direkten Brüdern der Franken, Römer und Alemannen: Hessitio autem ha-
buit filios quatuor: hi sunt Francus, Romanus, Britto, Albanus. Armenon autem habult
quinqué [!] filios: Gothus, Valagothus, Gebidus, Burgundus. Negue autem habuit tres
filios: Wandalus, Saxo, Boguarus. Ab Hisitione autem ortae sunt quattuor gentes:
Franci, Latini, Albani et Britti. Ab Armenone autem quinqué: Gothi, Walagothi, Gebidi,
Burgundi, Langobardi. A Neguio vero quattuor: Boguarii, Vandali, Saxones et Turin-
gi?00 Diese Völkertafel, ohne die Verbindung zu Noah nur mit den drei Brüdern Hessi-
tio, Ingue und Hermio, findet sich allerdings leicht modifiziert ebenfalls in Hand-
schriften des Frankenreiches und Italiens und stammt ursprünglich aus dem frühen 6.
Jahrhundert. Sie ist aber wohl erst im 7., 8. Jahrhundert ins Frankenreich gelangt, ehe
sie von dort verbreitet wurde.301 Die hier in der Historia Brittonum vorliegende Fassung
ist nur noch in einer Handschrift vertreten, die wahrscheinlich in Italien entstand.302 Wie
die Völkertafel auf die britische Insel gelangt ist und das gerade in der „italienischen"
Fassung, ist ungeklärt.303
Der Sinn dieser in der Historia Brittonum vorliegenden Völkerauflistang liegt darin,
daß die Geschichte Europas und der dort bekannten gentes aufs engste mit der bi-
blischen Heilsgeschichte in Verbindung gebracht wird und die gentes zueinander in eine
fast gleichrangige Beziehung gesetzt werden. Die Verbindung mit der biblischen Heils-
geschichte gab dem eigenen Volk eine göttliche Legitimation und einen Platz in der zu-
sammenhängenden, von Gott geplanten Weltgeschichte. Die prinzipielle Gleichwertig-
des Verfassers, so daß er sich nicht bemüßigt fühlen mochte, bei allen zusammengetra-
genen Traditionen auf alle Völker Britanniens Rücksicht zu nehmen.
Auch im weiteren Verlauf der Erzählung finden sich in der Historia Brittonum Identifi-
kationsmomente für die Briten. Bei der Beschreibung der römischen Eroberung Britan-
niens sind die nahen Verwandten zunächst auf Konfrontationskurs: Romani autem, dum
acciperent dominium totius mundi, ad Brittanos miserunt legatos, ut obsides et censum
acctperent ab Ulis, sicut accipiebant ab universis regionibus et insulis. Britanni autem,
cum essent tyranni et tumidi, legationem Romanorum contempserunt?10 Dieser Text er-
innert an Gildas' Interpretation der römischen Eroberung Britanniens, da die Römer als
Herren der Welt dargestellt werden, denen nur noch die Insel Britannien zur Eroberung
bleibt.3" Auch die Charakterisierung der Briten in diesem Zusammenhang erinnert we-
gen des Wortes tyranni an Gildas. Der weitere Verlauf der Eroberung ist aber weit von
Gildas entfernt. Während den Römern bei Gildas die Insel quasi in den Schoß fallt,312
kann in der Historia Brittonum Julius Caesar [nicht Claudius!] die Insel erst in der drit-
ten Schlacht, die im Unterschied zu den vorhergehenden, für die Briten siegreichen
Schlachten nicht beschrieben wird, in seine Gewalt bringen.313 Damit werden die Briten
im Gegensatz zu Gildas' und Bedas Schilderung zu würdigen Gegnern der Römer. Dem
dreimaligen Versuch der Eroberung kommt möglicherweise nicht nur eine christliche
Bedeutung zu,314 sondern ist auch durch die Fixierung der britisch-walisischen Überlie-
ferung auf die Zahl drei zu erklären.315
Die selbstbewußte Haltung der Briten wird auch in der Zeit der römischen Herrschaft
deutlich: et censum a Britannia ipse (d.i. Julius Caesar) solus accepit?16 Steuern werden
nur „britischen Kaisern", womit wohl die Kaiser, die sich in Britannien aufhielten, ge-
meint sind, bezahlt: In tempore illius (d.i. Claudius) quievit dare censum Romanis a
Britannia, sed Britannicis imperatoribus redditum est?11 Von einer völligen Unterwer-
fung der Provinz unter die römische Herrschaft, wie sie von Gildas berichtet wird, kann
hier keine Rede mehr sein. Es entsteht trotz der Unterwerfung durch die Römer der Ein-
druck einer großen Eigenständigkeit. Im Konflikt und in Zusammenarbeit mit den Rö-
310
HB, ed. Mommsen, cap. 19, S. 162.
311
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 5, S. 90f.
312
Gildas, ed. Winterbottom, cap. 5,2, S. 91: ...transfretans insulae parendi leges nullo obsistente
advexit...
313
HB, ed. Mommsen, cap. 19 und 20, S: 162ff. Die dritte Schlacht wird lediglich lokalisiert: Gestum
est bellum tertio iuxta locum qui dicitur Trinovantum. Et accepit Iulius imperium Britannicae
gentis...
314
315
Vgl. dazu R. Mehrlein, Art. Drei, in: RAC IV, Sp. 269-310.
Diese wird schon daran deutlich, daß die Überlieferung über sagenhafte Ereignisse in Form von
Triaden erfolgte, vgl. Bromwich, Trioedd Ynys Prydein, S. LXIIIf.
316
HB, ed. Mommsen, cap. 20, S. 164.
317
HB, ed. Mommsen, cap. 21, S. 164.
92 Herkunftserzählungen in Britannien
mern zeigt sich gerade die Stärke der Briten, die hier zu gleichberechtigten Partnern
werden. Damit ändert sich ihre Stellung gegenüber den bei Gildas noch so überlegenen
Römern enorm.
So erfahren auch die aus Britannien stammenden Usurpatoren des römischen Kaiser-
thrones318 eine völlig neue Interpretation. Sie sind nicht symptomatisch für die Untreue
der Briten, sondern für ihre Stärke.
Den Briten wird im Gegensatz zu Gildas bescheinigt, daß sie sich selbst von der rö-
mischen Herrschaft befreit hätten: Hucusque regnaverunt Romani apud Brittones CCC-
CVIIII annis. Brittones autem deiecerunt regnum Romanorum neque censum dederunt
Ulis neque reges illorum acceperunt, ut regnarent super eos, neque Romani ausi sunt,
ut venirent Britanniam ad regnandum amplius, quia duces illorum Brittones occi-
derant?19 Dies stellt erneut die unabhängige Stärke der Briten unter Beweis.
Ähnlich wie bei Gildas bereuen die Briten ihren Abfall von Rom aber, als sie von
Pikten und Schotten bedroht werden, und holen die Römer zuhilfe cum iuramento acci-
pere iugum Romanici iuris, licet durum fuisset?20 Hier ist ein weiterer Anklang an
Gildas, da auch er die Herrschaft der Römer nicht als Idealherrschaft gesehen hatte.321
Zusätzlich nutzen die Römer die Reichtümer der Insel aus: spoliata Britannia auro ar-
gentoque cum aere et omni pretiosa veste et melle cum magno triumpho reverteban-
tur?22
Es läßt sich also feststellen, daß der Autor der Historia Brittonum ein sehr viel posi-
tiveres Bild der Briten zeichnet, als wir dies bei Gildas oder Beda gesehen haben. Der
Anonymus gibt den Briten illustre römische Verwandtschaft, sei es die Abstammung
von einem römischen Konsul oder die von einem gewissen Britto aus der Linie des Ae-
neas oder die gemeinsame Abstammung über Hessitio von Japhet. Durch die verschie-
denen Versionen erfolgt dabei sowohl eine Anbindung an die legitimationsstiftenden
Römer als auch an das christlich-jüdische heilsgeschichtliche Weltbild. Vielleicht war
es dem Autor der Historia Brittonum deshalb wichtig, die verschiedenen Versionen alle
aufzunehmen. Damit gibt er ihnen eine Legitimationsgrundlage, die im Grunde besser
ist als die der in der Völkertafel nur kurz verzeichneten Sachsen. Im Fall der Historia
Brittonum wird auch das Anrecht der Briten auf die Provinz unterstrichen, indem sie als
erste die britischen Inseln besiedeln. Ihre Position gegenüber den Römern wird im Ver-
gleich zu Gildas und Beda wesentlich gestärkt. Aufschlußreich ist daher, daß der Autor
der Historia Brittonum Gildas nur dann benutzt, wenn sich dort keine pejorative Be-
schreibung der Briten findet, und daß seine Beschreibung der Briten völlig im Gegen-
satz zum bei Gildas und Beda vorgefundenen negativen Bild steht und wohl auch so ge-
dacht war. Die Varianten über die römische Abstammung sind nicht als Inkonsequenz
3.8
HB, ed. Mommsen, cap. 25, 26 und 27, S. 166f.
3.9
HB, ed. Mommsen, cap. 28, S. 167f. Orsi, Algune osservationi, glaubt, daß der Autor der Historia
Brittonum für die Beschreibung des Abzugs der römischen Truppen auf mündliche britische
Traditionen zurückgriff.
320
HB, ed. Mommsen, cap. 30, S. 169f.
321
S.o. S. 42.
322
HB, ed. Mommsen, cap. 30, S. 170.
Historia Brittonum: Römische Anbindung und Abgrenzung von anderen gentes 93
zu werten, sondern dienen der Bekräftigung der römischen Verbindung, die auf diese
Art dreifach bestätigt wird, durch den römischen Konsul Brutus, den Aeneasenkel Brit-
to und den Hessitiosohn Britto, Bruder des Francus, Albanus und Romanus.
von Erfolg gekrönt.325 Folgende Motive sind origo-typisch: Zum einen findet eine Wan-
-
derung in die neue Heimat Irland statt, zum anderen sind die ersten schließlich erfolg-
reichen Siedler von geringer Zahl, nämlich 30 Männer und 30 Frauen, die in einem
Boot in Irland ankommen. Andere Elemente fehlen zunächst : Der Name der Iren, Scoti,
wird ebensowenig erläutert wie der Name der Insel Hibernia. Es ist allerdings immerhin
denkbar, daß Spanien deshalb als Ausgangspunkt gewählt wurde, weil der Gleichklang
Hispania Hibernia in der ersten Silbe eine Verbindung nahelegte.326 Ungewöhnlich ist
der dreifache Versuch einer Besiedelung Irlands, der wiederum mit der Besonderheit
-
7
Vgl. LG, ed. MacAlister, cap. 273, Bd. 2, S. 272f; cap. 211, Bd. 3, S. 8f; cap. 221, Bd. 3, S. 20f,
die zweite Besiedlung Irlands scheitert an einer Seuche. LG, ed. MacAlister, cap. 248, Bd. 3,
S. 128ff; cap. 256, Bd. 3, S. 140f, Angriff auf einen goldenen Turm, der das Ertrinken vieler zur
Folge hat. Zur Kenntnis der irischen Erzählungen schon Lot, Nennius, S. 43. Zum Leabhair
Gabhala als pseudohistorischem Werk vgl. Carey, Irish Origin-Legend. Zum Verhältnis der
Historia Brittonum zum Leabhair Gabhala Erenn schon Zimmer, Nennius, S. 216-225.
8
HB, ed. Mommsen, cap. 13, S. 155; LG, ed. MacAlister, cap. 372, Bd. 4, S. 202ff.
9
HB, ed. Mommsen, cap. 14, S. 156.
0
HB, ed. Mommsen, cap. 14, S. 156.
1
HB, ed. Mommsen, cap. 15, S. 156ff.
2
Carey, Irish Origin-Legend, S. 6f., macht zu Recht darauf aufmerksam, daß diese Wanderung dem
biblischen Muster der Wanderung des Volkes Israel angepaßt ist.
3
Dies spricht auch gegen die Vermutung von Carey, Irish Origin-Legend, S. 12f, daß der Autor der
Historia Brittonum die Gotengeschichte Isidors von Sevilla mit der Gleichsetzung Goti/Getae und
der Rückführung auf Magog verwendet hat. Im irischen Leabhair Gabhala wird die Verbindung
Historia Brittonum: Römische Anbindung und Abgrenzung von anderen gentes 95
aus Scythia eine Art Heros eponymos. Gleichzeitig werden die Scoti mit der Heilsge-
schichte in Verbindung gebracht, da ihr Heros dem Volk Israel begegnet. Dabei setzt er
sich positiv von den verfolgenden Ägyptern ab, was möglicherweise, wiederum nicht
explizit erwähnt, positive Folgen in der Zukunft ermöglicht, da sich der Heros dem Wil-
len Gottes nicht widersetzt.334 Die Gründung von Dalriada erfolgt zu dem Zeitpunkt, als
in Rom der Konsul Brutus (nicht der Gründer Britanniens, sondern ein späterer)
herrscht, wie der Verfasser der Historia Brittonum ausdrücklich vermerkt.335 Damit er-
folgt eine Einbindung in die Geschichte der Briten.
Die Gründung Dalriadas erfolgt ein Zeitalter nach der ersten Besiedlung Britanniens
durch die Briten.336 Ob der Verfasser der Historia Brittonum mit dieser zeitlichen Nach-
ordnung auch eine Hierarchie der Völker Britanniens etablieren wollte, muß unklar blei-
ben, da er dies nicht ausdrücklich so deutet. Die verschiedenen Origo-Erzählungen der
Iren bzw. Schotten brachte der Autor leicht in Einklang, indem er zum einen die Besied-
lung Irlands und zum anderen die Schottlands (Dalriadas) erzählt. So ergibt sich für Iren
und Schotten eine Trennung. Offenbar hat der Verfasser der Historia Brittonum sie
schon als zwei unterschiedliche gentes verstanden, ohne daß ihre Verbindung in seiner
Darstellung völlig verlorenging. Bei den Iren und Schotten haben die Varianten der Ori-
go eine Trennung dieser beiden miteinander verwandten Völker zur Folge.337
Auch die Bretonen erhalten eine Origo-Erzählung, in deren Mittelpunkt der Usurpa-
tor Maximinianus (Maximus bei Gildas, Macsen in der walisischen Überlieferung)
steht, der Trappen der Briten in Aremorica angesiedelt habe.338 Die Deutung des wali-
sischen Namens für die Bretagne (Llydaw) mit einer etymologisierenden Erzählung ist
allerdings eine Hinzufügung in zwei Handschriften des 13. Jahrhunderts,339 die aber,
weil sie Mustern einer Origo-Erzählung genügt, betrachtet werden soll. Die in Aremori-
ca angekommenen Briten nehmen das Land in Besitz, indem sie nee mingentes adpari-
etem vivere reliquerunt?40 eine Formulierung, die aus dem Alten Testament stammt.341
Scythia/Scotia enger geknüpft, indem der Name der Pharaotöchter, die in die Familie des Mil
einheiraten, als Scota überliefert wird, vgl. LG, ed. MacAlister, cap. 18, Bd. 1, S. 38f; cap. 129,
Bd. 2, S. 40f.; cap. 153, Bd. 2, S. 68f. Zur weiteren Entwicklung der Scota-Legende im
334
Spätmittelalter und der Renaissance vgl. Matthews, Egyptians in Scotland.
Noch deutlicher ist die positive Bewertung der Begegnung mit dem Volk Israel im Leabhair
Gabhala, ed. MacAlister, cap. 118, Bd. 2, S. 118ff.; cap. 143, Bd. 2, S. 58f., in denen ein
Freundschaftsbund zwischen Aaron und Nel, dem Skythen, geschlossen wird.
335
HB, ed. Mommsen, cap. 15, S. 157f.
336
HB, ed. Mommsen, cap. 15, S. 158: Brittones venerunt in tertia aetate mundi ad Britanniam; Scotti
autem in quarta obtinuerunt Hiberniam.
337
Zu der später noch sehr viel fruchtbareren Tradition der Berufung auf den irischen Ursprung der
Schotten vgl. Broun, Irish Identity of the Kingdom of the Scots.
338
HB, ed. Mommsen, cap. 27, S. 167.
339
HB, ed. Mommsen, S. 124f. In der Handschrift C ist die Erzählung zwar ein Zusatz von späterer
Hand, in L, ebenfalls aus dem 13. Jahrhundert und laut Mommsen von C abgeschrieben, ist die
340
Erzählung in den fortlaufenden Text inkorporiert.
HB, ed. Mommsen, cap. 27, S. 167 Anm. 1.
341
Z.B. 1 Sm 25,22 und 34, 3 Kö (=1 Chr) 14,10; 16,11 und 21,21 sowie 4 Kö (=2 Chr) 9,8.
96 Herkunftserzählungen in Britannien
Die Frauen der ermordeten Männer werden von den Briten geheiratet und damit sie
den gemeinsamen Kindern ihre Sprache nicht beibringen können ihrer Zungen be-
-
raubt. Daher bekommen die Bretonen den Namen Letewicion, was der Autor der Histo-
-
ria Brittonum als halb-stumm deutet.342 In dieser kurzen Erzählung sind mehrere Origo-
Elemente anzutreffen. Die Gründung durch eine wenn auch usurpierte römische Autori-
tät (Maximinianus), die „etymologische" Erläuterung des Namens des Landes und der
Bewohner, die primordiale verbrecherische Tat, die durch das Töten der Männer und
die Vergewaltigung und Verstümmelung der Frauen gewährleistet, daß allein die Ord-
nung und Sprache der Eroberer in der Zukunft in dem „neuen" Land bestehen.
Die Ansiedlung der britischen Legion in Aremorica durch Maximinianus hat die Pro-
vinz Britannien ihrer Schlagkraft beraubt, so daß ihm wie auch schon bei Gildas in
der Historia Brittonum die Schuld an dem Einfall der Sachsen gegeben wird: Propter
- -
hoc Britannia occupata est ab extrañéis gentibus et cives expulsi sunt, usque dum Deus
auxilium dederit Ulis?43 An dem sonst nicht verwendeten cives für die Briten und der
Andeutung, daß das Schicksal der Briten in der Hand Gottes liegt, läßt sich der Einfluß
der Interpretation Gildas' festmachen.
Die Angelsachsen werden nach der kurzen Erwähnung in der Völkertafel erst bei ih-
rer Ankunft in Britannien eingeführt. Der Autor stützt sich bei dieser Erzählung wohl
auf eine kentische Chronik, eine englische Quelle also, so daß er auf der einen Seite
eine Außensicht auf die Angelsachsen bietet, auf der anderen Seite sich aber auch Ele-
mente einer Innensicht bemerkbar machen. In der kentischen Chronik wird die schon
aus Beda bekannte Geschichte von Hengist und Horsa erzählt,344 allerdings in einem an-
deren Gewand.
Interea venerunt tres ciulae a Germania expulsae in exilio, in quibus erant Hors et
Hengist?45 so führt der Autor der Historia Brittonum die beiden Brüder ein. Das Exil-
Motiv, das schon bei Brutus bzw. Britto und der Gründergestalt der Schotten angetrof-
fen wurde, wird hier wieder aufgegriffen und steht damit im Gegensatz zu den Erklä-
rungen bei Gildas und Beda. Die drei Boote begegnen uns in ihrer magischen Anzahl
auch außerhalb des britischen Umfelds bei Jordanes,346 aber auch in der einen Version
der Origo-Erzählung der Iren/Schotten, wo von den drei Booten allerdings nur eines für
die Besiedlung Irlands relevant wird. In der anschließend angegebenen Generationen-
folge von Hengist und Horsa kommen sowohl Wodan als auch Gaut vor, deren legiti-
mierende Kraft vom Autor allerdings durch die Erklärung, daß es sich um idoli handele,
quod ipsi colebant,341 geschwächt wird. Hier treffen deutlich Innen- und Außensicht
aufeinander. Für die Angelsachsen war die Abstammung von Wodan, die nicht nur für
das kentische Königshaus berichtet wird,348 offensichtlich wichtig, der Autor der Histo-
ria Brittonum aber scheint die Information geradezu zur Verunglimpfung der Angel-
sachsen zu nutzen, indem er sie zu Götzenanbetern stempelt.
Die weitere Niederlassung der Angelsachsen wird nicht konsequent erzählt. Auf der
einen Seite berichtet er, die Zahl der Söldner sei so stark gestiegen, daß die Briten sie
nicht mehr hätten bezahlen können. Daraufhin hätten sie den Sachsen befohlen, sich zu-
rückzuziehen, worauf sie consilium fecerunt cum majoribus suis, ut pacem disrumpe-
rent?49 Dies wirkt wie die Vorbereitung auf einen Aufstand der Foederaten, wie er bei
Gildas erzählt wird.
Dann wird aber wieder Hengist in den Mittelpunkt gestellt, der als vir doctus atque
astutas et callidus, cum explorasset super regem inertem et super gentem illlus, quae
sine armis utebatur..?50 eine List vorbereitet, um mehr Land vom britischen König Vor-
tigern zu erhalten. Er argumentiert gegenüber dem britischen König, daß die Zahl der
Sachsen nicht groß genug sei, um ihn und seine gens zu verteidigen, und veranlaßt ihn
so dazu, mehr Sachsen kommen zu lassen. Hengists Argumentation steht im direkten
Widersprach zu der vorherigen Aussage, daß die Zahl der Sachsen zugenommen hätte.
Dies spricht dafür, daß der Autor der Historia Brittonum hier zwei Überlieferangssträn-
ge verarbeitet hat einen der Gildas-Tradition des Foederatenaufstandes und eine an-
gelsächsische Quelle. Die betonte Kriegsuntauglichkeit der Briten steht ebenso wie der
-
angedeutete Aufstand eindeutig in Gildas' Tradition, kontrastiert aber mit der von der
Historia Brittonum behaupteten, den Römern gegenüber bewiesenen Tapferkeit.
Die neu hinzukommenden Sachsen fahren in ciulis, ein angelsächsisches Wort für
ihre Boote.351 Auf diesen Schiffen kommt auch Hengists Tochter, die auf einem Fest-
bankett die Sinne des betrunkenen britischen Königs Vortigern betört, Intravlt Satanas
In corde Guorthigirni, ut amaret puellam?52 Vortigern gibt den Angelsachsen daraufhin
das Königreich Kent als Brautpreis, auch wenn dort noch ein britischer König herrscht.
Daß die Begierde Vortigerns zu Hengists Tochter vom Teufel selbst angezettelt wird,
könnte eine Interpretation des Autors der Historia sein und war sicher kein Bestandteil
der ursprünglichen angelsächsischen Erzählung.
s
Vgl. Beda, HE, I, 15, S. 50, und die von Dumville herausgegebenen Stammtafeln der
angelsächsischen Könige nach der nordenglischen Sammlung, Dumville, Anglian Collection,
S. 30- 34, für Deira, Bernicia, Kent, Ostanglia, Mercia und Wessex und in der Historia Brittonum
selber bei den angehängten Genealogien, HB, ed. Mommsen, S. 202-204, für Northumbria,
Ostanglia, Mercia und Deira. Nach Baesecke, Germanisch-deutsche Stammtafeln, ist die
Rückführung auf einen göttlichen Vorfahren ein den Stammtafeln der Franken, Langobarden und
9
Angelsachsen gemeinsames Prinzip.
HB, ed. Mommsen, cap. 36, S. 177.
0
HB, ed. Mommsen, cap. 37, S. 177.
1
Laut Dumville (ed.), Historia Brittonum. Vatican Recension, S. 5, schon im Harleyschen
2
Manuskript, vgl. auch Mommsen, S. 171.
HB, ed. Mommsen, cap. 37, S. 178.
98 Herkunftserzählungen in Britannien
Hengist hält mit suis senioribus, qui venerunt secum de ínsula Oghgul,353 eine Bera-
tung ab, was wohl auf die Landschaft Angeln als Herkunft deutet. An anderen Stellen in
der Historia Brittonum wird das Herkunftsland der Angelsachsen immer als Germania
bezeichnet.354
Hengist hat sein Königreich mit List erhalten, indem er seinen Schwiegersohn dazu
veranlaßt, den rechtmäßigen König seines Amtes zu entheben. Das Element der List
beim Landerwerb ist als Motiv verbreitet.355 Hengist erlangt dann auch noch Gebiete im
Norden des heutigen England für seine gens, die in immer mehr ciulae über das Meer
kommt, ita ut ínsulas ad quas vénérant absque habitore relinquerent?56 Dieses Element
mag auf Beda zurückgehen, der ebenfalls die Leere gerade der Landschaft Angeln er-
wähnt.357
NurVortigerns Sohns Vortimer stellt sich gegen die Sachsen: Et postea pugnabant
(Saxoni) contra reges nostrae gentis: aliquando vincebant et dilatabant términos suos,
aliquando vincebantur et expellebantur?5* Dies scheint ebenso wie die aufgezählten,
von Vortimer gewonnenen Schlachten359 eine britische Tradition zu sein, da sich eine
ähnliche Formulierung bei Gildas findet. Daß Vortimer von seinen Getreuen nicht, wie
er selbst es gewünscht hatte, an der Küste begraben wird, wo sein Grab weitere Invasi-
onen der Angelsachsen magisch verhindern könnte,360 erweist sich als verhängnisvoll
für die Briten, da barbari reversi sunt magno opere?61 Dabei fühlt sich der Autor der
Historia Brittonum bemüßigt zu betonen, daß dies nicht die Schuld der Briten allein ist,
quia non de virtute sua (Saxones) Brittanniam occupaverunt, sed de nutu Dei. contra
voluntatem Del quis resistere poterit et nitatus?362 Dies ist sicherlich ein Widerhall von
Gildas einflußreicher Erklärung der angelsächsischen Übermacht, hier allerdings ohne
die damit verbundene, auf die Umkehr gerichtete Kraft der Negatividentifikation. Auch
der Autor der Historia Brittonum erklärt sich den Einfall und Sieg der Angelsachsen
3
HB, ed. Mommsen, cap. 37, S. 178. Die Bezeichnung könnte laut Lot, Nennius, S. 66, von Beda
übernommen sein. Dann verwundert allerdings die völlig andere Schreibung.
4
HB, ed. Mommsen, cap. 31, 43, 56, S. 171, 187 und 200.
5
Vgl. etwa einige Beispiele bei Grimm, Deutsche Rechtsalterthümer, S. 124-127. Vgl. etwa auch
Graus, Lebendige Vergangenheit, S. 122; I. Köhler, Grenze, in: EM 6, Sp. 134-142, hier Sp. 135,
und L. Priesner, Gründungssage, in: EM 6, Sp. 264-271, hier Sp. 266f.
6
HB, ed. Mommsen, cap. 38, S. 180.
7
Beda, HE, I, 15, S. 50.
8
HB, ed. Mommsen, cap. 43, S. 187.
9
HB, ed. Mommsen, cap. 44, S. 187f. Noch deutlicher ist die Ähnlichkeit zu Gildas in HB, ed.
Mommsen, cap. 63, S. 206: In Mo autem tempore aliquando hostes, nunc cives vincebantur, was
sich allerdings auf die Kriegszüge des Urien von Rheged bezieht. Vgl. Gildas, ed. Winterbottom,
cap. 26,1, S. 98: Ex eo tempore nunc cives, nunc hostes vincebant...
"
Zu Begräbnisstätten als „Küstenschutz" vgl. Pearce, Tomb by the Sea, der allerdings nur auf die
Geschichte des Motivs in der Antike eingeht.
1
HB, ed. Mommsen, cap. 45, S. 188.
2
HB, ed. Mommsen, cap. 45, S. 188, Hanning, Vision, S. 108, irrt also, wenn er dem Autor der
Historia Brittonum unterstellt, er habe Gottes Wirken bei dem Untergang der Briten nicht am
Werk gesehen.
Historia Brittonum: Römische Anbindung und Abgrenzung von anderen gentes 99
also durch das Wirken Gottes. Nur die Erklärung als Strafe bleibt aus, so daß der Wille
Gottes, der die Angelsachsen unterstützt, in der Historia Brittonum im Gegensatz zu
Gildas und Beda unerklärt bleibt. Dies hat zwar zur Folge, daß das Bild der Briten/Wa-
liser positiver geprägt ist, weil die angelsächsischen Einfalle nicht mehr als verdiente
Strafe interpretiert werden, läßt aber zunächst eine Lücke in der Erklärung offen.
Nach Vortimers Tod senden die Sachsen ein Friedensangebot an Vortigern, hinter
dem sich wiederum eine List des Hengist verbirgt. Die Sachsen kommen bewaffnet zur
Verhandlung und töten auf Hengists Zeichen hin die unbewaffneten Briten. Wichtig ist
hierbei der Ruf Eu, Saxones, entmint saxas!, den der Autor der Historia Brittonum über-
liefert.363 Dieser legt über die in weiten Teilen durch die Innensicht der Angelsachsen
geprägte Art der Erzählung hinaus nahe, daß wir es hier mit einer angelsächsischen Tra-
dition zu tun haben, wahrscheinlich sogar einer mündlichen,364 außerdem wird mit die-
sem Sprach deutlich, warum durchweg die Bezeichnung Sachsen und nicht etwa An-
geln für die germanischen Einwanderer verwendet wird. Der Name der Sachsen leitet
sich von ihren Waffen und vielleicht auch von dieser Bluttat her, die in der späteren bri-
tisch-walisischen Überlieferung eine große Rolle spielt.365 Unterstrichen wird dieser Zu-
sammenhang noch, indem Vortigern, der einzige Überlebende, für seine Lösung die
Länder Essex und Sussex vergibt, ausgerechnet diejenigen von angelsächsischen Kö-
nigen beherrschten Länder, die die Herkunft aus Sachsen im Namen tragen.366 Die bei
Widukind überlieferte ähnliche Bluttat der festländischen Sachsen an den Thüringern
unterstützt die These von einer mündlichen gesamtsächsischen Tradition, die mögli-
cherweise sehr alt sein könnte.367 So ergibt sich in dieser Erzählung die etymologische
Einheit des Namens und des Landes der gens mit der verbrecherischen Tat, die die In-
besitznahme und neue Ordnung ermöglicht. Es ist daher kaum denkbar, daß eine solche
Erzählung auf britische Überlieferung zurückgeht. Wie im Parallelfall der irischen
Überlieferung lag dem Autor der Historia Brittonum hier sicher eine angelsächsische
Origo vor, die er verwendet hat. Diese Origo-Erzählung der Angelsachsen hält sich an
die Bezeichnung Saxones für die germanischen Einwanderer. Sie ist älter als die durch
Beda eingeführte Gesamtbezeichnung Angli, die durch die suggestive Erzählkunst Be-
das und die Kraft der Identifizierung der Angli anhand eines christlich geprägten Sche-
mas verdrängt wurde.
HB, ed. Mommsen, cap. 46, S. 188. Enimit saxas nach Dumville (ed.), Historia Brittonum. Vatican
Recension, S. 5.
Vgl. Dumville, Historical Value, S. 13; Brooks, English Origin Myth, S. 85 und 89, vermutet den
Hof Aethelberts von Kent als den wahrscheinlichsten Ort für einen Ursprung der mündlichen
Tradition.
Vgl. Geoffrey von Monmouth, Historia Regum Britanniae, ed. Hammer, VI, 8f, S. 117ff.
HB, ed. Mommsen, cap. 46, S. 180. Vgl. auch Brooks, English Origin Myth, S. 87. Deswegen
fühlte sich vielleicht auch ein späterer Kompilator (der Vatikan-Fassung) bemüßigt, Middlesex
hinzuzufügen, vgl. Dumville (ed.), Historia Brittonum. Vatican Recension, S. 5.
Widukind, I, 6, S. 7. Siehe auch oben S. 66. Fried, Schleier der Erinnerung, S. 281, scheint die
Überlieferung aus der Historia Brittonum nicht bekannt zu sein, da er davon ausgeht, daß sich bei
Angelsachsen und Sachsen keine gemeinsame Tradition findet.
100 Herkunftserzählungen in Britannien
Der Autor der Historia Brittonum, getreu seinem Versuch, den Ruf der Briten zu bes-
sern, hört in seiner Erzählung nicht bei diesem für die Briten desaströsen Ereignis auf:
Er endet in der fortlaufenden Ereigniswiedergabe mit den legendären Siegen des Königs
Arthur,368 wodurch die Dinge für die Briten nicht mehr so finster erscheinen. Die Gene-
alogien späterer Herrscher und einige Details der northumbrischen Geschichte hat er
wohl lediglich aus Sammlerinteresse hinzugefügt, da sie in den Fluß der Erzählung
nicht hineinpassen.
vertrieben werden.
-
Diese Erzählung war für das Selbstbild der Briten von besonderer Bedeutung und ist
in vielen Variationen wiederaufgenommen worden. Eine der bekanntesten dürfte sicher-
lich die Historia des Geoffrey von Monmouth sein, in der der berühmte Zauberer Merlin
die Rolle des Propheten spielt.370 Hier findet die ungewöhnliche Gleichsetzung einer
gens mit einem symbolischen Tier statt, die soweit geht, daß auch der Erzfeind durch
dasselbe Tier verkörpert wird.371 Die Erfüllung der hoffnungsvollen Prophezeiung, die
8
HB, ed. Mommsen, cap. 56, S. 199ff. Mit dieser Liste von Arthurs Siegen beschäftigte sich zuletzt
Bachrach, Question of Arthur's Existence. Zu Arthur und seiner möglichen bzw. unmöglichen
historischen Existenz vgl. jetzt Padel, Nature of Arthur.
9
HB, ed. Mommsen, cap. 42, S. 185f. Sims-Williams, Functions of Origin Stories, S. 106 und 114,
vermutet, daß vermes absichtlich als Wort gewählt wurde, um eine Verbindung zum walisischen
Wort gormes, Eroberung/Unterdrückung herzustellen, die der Sage nach zum Scheitern verurteilt
ist.
0
1
Geoffrey von Monmouth, Historia Regum Britanniae, ed. Hammer, VI, 11- VIII, 1, S. 120-135.
Dabei ist die Verwendung des Drachens als Fahne oder Feldzeichen weder bei Angelsachsen noch
Walisern sicher bezeugt. Tatlock, Dragons, vermutet, daß die Westsachsen das Zeichen zuerst
genutzt hätten und die Waliser, für die es erst beim Aufstand des Owain Glyn Dwr belegt sei, es
übernommen hätten. Schramm, Geschichte der Fahnen und ihrer Verwandten, S. 661, machte
zurecht darauf aufmerksam, daß die Belegstellen, die Tatlock aus Heinrich von Huntingdon
Historia Brittonum: Römische Anbindung und Abgrenzung von anderen gentes 101
in der walisischen Literatur immer wieder Nachfolger gefunden hat,372 liegt in der Zu-
kunft. Hier haben wir einen Reflex auf die Negatividentiftkation des Gildas vorliegen,
der im Falle einer britischen Umkehr Gottes Hilfe bei der Vertreibung der Angelsachsen
versprach.373 Anders als bei Gildas ist die Prophezeiung an keine Bedingung des Wohl-
verhaltens geknüpft, und das Bild der Briten verliert die bei Gildas vorhandenen nega-
tiven Konnotationen. Die Prophezeiung bildet die Antwort auf das bis dahin nicht er-
klärte Eingreifen Gottes zugunsten der angelsächsischen Eroberer. Die Niederlage der
Briten wird dadurch vom Autor der Historia Brittonum von der Gildasschen Strafe
Gottes für das unwürdige Volk zu einer Prüfung gewandelt, die allein durch Geduld der
Briten bezwungen werden kann. Die traditionsbildende Kraft dieser Prophezeiung ist
vor allem dann erstaunlich, wenn man sich vor Augen führt, daß Gildas' Erklärung für
den Verlust Britanniens durch die Vermittlung in Bedas Historia Ecclesiastica ausge-
sprochen einflußreich gewesen ist. Auf der anderen Seite ist bedeutsam, daß eine Identi-
tät der Briten/Waliser in dieser Erzählung vor allem durch ihren Kampf gegen die ger-
aufführt, sich zwar auf die angelsächsische Zeit beziehen, aber nach Geoffrey von Monmouth
entstanden sind, dem er überhaupt, S. 662-664, eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung des
Drachens als Fahnenzeichen gerade der englischen Könige nach Richard Löwenherz zuschreibt.
Beide schenken der Erzählung in der Historia Brittonum keine Beachtung. Daher sind ihre
Schlußfolgerungen bezüglich der Verwendung des Drachens als Fahne oder Zeichen durch die
Briten bzw. Waliser m. E. nicht gerechtfertigt. So scheint mir eine Übernahme des römischen
Drachenfeldzeichens (vgl. dazu T.G. Kolias/O. Neubecker, Art. Feldzeichen, in: LexMa 4,
Sp. 338) durch die Waliser nicht so unwahrscheinlich wie Tatlock und Schramm, gerade wenn
man den auch anderweitig belegten römischen Einfluß bedenkt, wie er etwa bei Gildas zutage tritt,
(vgl. dazu oben den Abschnitt über Gildas, S. 36-40). Dazu vgl. auch Lofmark, Der rote Drache.
Auf jeden Fall kann man in der Stelle in der Historia Brittonum wohl den Beweis für eine
Verwendung eines offensichtlich positiv besetzten Drachenzeichens durch die Waliser sehen.
Auch die (Angel-)Sachsen könnten das Zeichen möglicherweise genutzt haben. Dafür läßt sich
eine Darstellung auf dem Teppich von Bayeux als Beleg anbringen (vgl. Der Teppich von Bayeux.
Triumphdenkmal der Normannen, hg. von Wolfgang Grape, München 1994, S. 164) und die
Erwähnung eines aus Adler, Löwe und Drachen gebildeteten Feldzeichens bei Widukind, I, 11,
S. 18, sofern Widukind hier nicht nur eine reine Übernahme und Umdeutung der römischen
Feldzeichen vornimmt. Auf die Verwendung des Drachens durch die Waliser geht Scheibelreiter,
Tiernamen und Wappenwesen, S. 62f, nicht ein. Zu den möglicherweise keltischen und biblischen
Ursprüngen der Drachengeschichte in der Historia Brittonum vgl. Curley, Animal Symbolism,
S. 160.
Z.B. die um 930 entstandene Prophezeiung Armes Prydein, in der ebenfalls die endgültige
Niederlage der Angelsachsen vorhergesagt wird; dazu MacCana, Art. Armes Prydein, in: LexMa
1, Sp. 981; etwas später auf ca. 935-350 datiert Dumville, Armes Prydein, bes. S. 150f. das
Gedicht; Zur Geschichte des Motives vgl. auch Roberts, Geoffrey of Monmouth.
Die Interpretation von Charles-Edwards, Arthur of History, über die Intention der Historia
Brittonum (bes. S. 20: „Perhaps the main concern of the author of the Historia Brittonum is to
encourage the Britons to come to terms with defeat and loss of territory.The victories of
Gwrthefyr (d.i. Vortipor), or an Arthur, might be glorious, but they had no future; the triumphs of
a Patrick and of a Rhun ab Urien would bring whole peoples to salvation.") läßt sich im Licht
dieser Prophezeiung des Ambrosius nicht nachvollziehen.
102 Herkunftserzählungen in Britannien
manischen Eroberer gestiftet wird, der symbolhaft von den „Wappentieren" ausgetragen
wird. Möglicherweise ist der weiße Drache nicht zufällig der der Angli und nicht etwa
der Saxones. Ausgerechnet in diesem Zusammenhang wird der Name genannt, der
durch Beda zur Gesamtbezeichnung der Angelsachsen für sich selber geworden ist.
Neben der Umwandlung des Gildas-Bildes hat die Prophezeiung aber noch eine an-
dere Funktion. Sie bildet eine Art Gegenstück zu den Geschichten der Listen des Hen-
gist. Die Sachsen gewinnen ihre Identität und möglicherweise auch ihren Namen durch
den heimtückisch errungenen Sieg über die Briten. Für die Briten/Waliser liegt ein iden-
titätsstiftendes Moment in der Prophezeiung, die ihnen den Sieg über die germanischen
Einwanderer verspricht. Beide, sowohl Angelsachsen als auch Briten, gewinnen einen
Teil der eigenen Identität, indem sie sich als Feinde der jeweils anderen definieren.
Es handelt sich aber wohl nicht um den heiligen Germanus, sondern den heiligen Garman, einen
Heiligen, der wahrscheinlich in Powys gewirkt hat, wo ihm viele Kirchen geweiht sind, vgl.
Miller, Date-Guessing and Dyfed, S. 51, für den eine Vita aber nicht überliefert ist, vgl. Kirby,
Vortigern, S. 50. Möglicherweise hat der Autor der Historia Brittonum die Ähnlichkeit der Namen
bewußt genutzt, um der Geschichte höhere Autorität zu verleihen, sicher auch deshalb, weil
Germanus aus der von Constantin geschriebenen Vita als Vorstreiter gegen die heidnischen
Sachsen bekannt war. Diese Erzählung findet sich dann auch in der Legenda áurea vgl. Boureau,
Légende dorée, S. 208f.
Möglicherweise ist die Bezeichnung tyrannus erneut von Gildas beeinflußt.
HB, ed. Mommsen, cap. 32, S. 174.
HB, ed. Mommsen, cap. 34, S. 175.
Historia Brittonum. Vatican Recension, ed. Dumville, cap. 35, S. 176.
Historia Brittonum: Römische Anbindung und Abgrenzung von anderen gentes 103
reges facti sunt, et a semine illorum omnis regio Povisorum regitur usque in hodiernum
diem?19
Diese Gründungslegende der regierenden Familie von Powys (Nordostwales), der
Nachfahren von Cadell, weist Origo-Elemente auf. Zum einen erfolgt die Gründung der
Dynastie durch eine äußere Macht und ist in diesem Fall zusätzlich durch den christ-
lichen Gott legitimiert. Auf einer kleineren Ebene als der der gentes ist die Dynastie von
Powys dadurch in die Heilsgeschichte eingebettet. Der Gründung der neuen Dynastie
geht ein zerstörerischer Akt voran, der die alte Ordnung und Herrschaftsstraktur endgül-
tig vernichtet.380 Die Destruktion geht hier nicht wie bei den primordialen Verbrechen
auf den neuen Herrscher oder Ahnherrn selbst zurück. Cadell profitiert nur davon, wo-
bei er seine Eignung schon vor seiner Einsetzung durch die Einhaltung der Gastfreund-
schaft bewiesen hat. Wichtig für die Legitimität und Identitätsstiftang der Familie ist
die Kontinuität der Dynastie in dem ihnen übergebenen Land, die zum einen durch die
neun Söhne des Cadell und zum anderen durch die prophezeienden Worte des Germa-
nus garantiert ist. Das Element der Namensherleitang vom Gründer des Reiches fehlt.
Bleibt noch die Frage zu beantworten, warum der Autor der Historia Brittonum diese
Geschichte der Dynastiegründung von Powys erzählt hat, die wir aus keiner anderen
Quelle kennen. Eine Antwort darauf gibt die walisische Eliseg-Säule, nach deren In-
schrift die Herrscherfamilie von Powys von genau jenem Vortigern abstammte,381 des-
sen Ansehen durch Beda und noch mehr durch die Historia Brittonum nachhaltig beein-
trächtigt wurde, da er als der Schuldige an der angelsächsischen Landnahme galt.382 Mit
der Anknüpfung an Germanus erlangte die Dynastie eine neue Legitimität, die sie von
dem nach dem Zeugnis der Eliseg-Säule nicht immer so negativ besetzten Vortigern
trennte. Ein Umfeld in Powys ist daher für den Autor der Historia Brittonum durchaus
denkbar.383
Verstärkt wird der Eindruck, daß Vortigern aus dem Stammbaum der Herrscher von
Powys herausgelöst werden sollte, noch dadurch, daß der Autor der Historia Brittonum
nach der Dynastiegründung von Powys noch andere Taten des Germanus berichtet, die
mit Vortigern zu tan haben. Nach der Aufdeckung seines Inzestes mit seiner Tochter
flieht Vortigern vor Germanus und dem britischen Klerus in die Landschaft Gwrtheyr-
HB, ed. Mommsen, cap. 35, S. 176; Schon Hamming, Vision, S. 113, bezeichnet diese Geschichte als
„origin story", allerdings ohne dies näher auszuführen.
HB, ed. Mommsen, cap. 34, S. 175f: ...et arx non aedificata est usque hodie.
Bartrum, Welsh Genealogies, S. 2.
Zu diesem Vorwurf an Vortigern vgl. etwa Bromwich, Trioedd Ynys Prydein, Nr. 51 und 59,
S.132f.undl59.
Vgl. Kirby, Vortigern, S. 51, und ders., British Dynastie History, S. 102, der den Einfluß des
walisischen Königs Merfyn Frych in Powys für diese Zusammenstellung der Geschichten
verantwortlich macht, da er als Nachfahr von Llywarch Hen, vgl. Bartrum, Welsh Genealogies,
S. 12, ein Interesse an den Geschichten über den „alten Norden" (d.h. die alten britischen
Königreiche im Norden Britanniens) hatte. Sims-Williams, Historical Need and Literary Narrative,
S. 39f, gibt allerdings in anderem Zusammenhang zu bedenken, daß Merfyns Abstammung von
Llywarch nicht für Merfyns Zeit selbst belegt ist.
104 Herkunftserzählungen in Britannien
nion in eine Festung.384 So kann der Autor der Historia Brittonum erklären, wieso diese
Landschaft nach Vortigern benannt wurde,385 ohne eine Herrschaft des Vortigern dort
annehmen zu müssen, wie sie als Erklärung eigentlich auf der Hand läge. Als Vortigern
vor Germanus in eine weitere Festung flieht, wird er dort von einem Feuer vom Himmel
vernichtet. Die strukturelle Ähnlichkeit zu der Erzählung des Tyrannen Benlli ist deut-
lich und möglicherweise nach Art einer figura, wie man sie im Mittelalter zwischen Al-
tem und Neuem Testament annahm, beabsichtigt.
Der Autor der Historia Brittonum berichtet schließlich, daß ein Nachkomme des
Vortigern, Pascent, in Builth und Gwrtheyrnion geherrscht habe, zwar post mortem pa-
tris sui, aber largiente Ambrosio, qui fuit rex inter omnes reges Britannicae gentis?*6
Auf diese Weise bezieht Pascent seine Legitimität nicht aus dem Erbrecht, sondern von
Ambrosius, einer Art Oberkönig, der aus Gildas als Vorkämpfer gegen die Sachsen be-
kannt war eher nicht mit dem prophetischen Kind identisch. Der Sinn dieser Genealo-
gie wird deutlich, als der Autor der Historia Brittonum erwähnt, daß Ffernfael, der
-
der finden sich einige Origo-Elemente: Die Wanderung des Stammvaters zusammen mit
den die dynastische Kontinuität sichernden Söhnen und die Vertreibung der vorherigen
Herrscher durch eine Bluttat. Lange Zeit ist versucht worden, die Wanderung Cuneddas
in einen spät- oder nachrömischen Kontext einzubetten,393 aber ob eine solche Wande-
rung aus dem Norden Britanniens nach Nordwales je stattgefunden hat, ist durchaus
fraglich.
Unsicherheitsfaktoren in der Erzählung sind unübersehbar. Ein Herrschaftsgebiet
Manaw Gododdin ist sonst nicht bekannt, auch wenn der Name an sich keltisch ist. Die
146 Jahre, die von Cuneddas Wanderung bis zu Maelgwns Herrschaft angeblich ver-
gangen sind, strapazieren die Phantasie, denn auf der einen Seite steht die Aussage, Cu-
nedda sei Maelgwns atavus gewesen, auf der anderen die Feststellung, er habe bei sei-
ner Wanderung schon erwachsene Söhne gehabt. Die Anzahl der Jahre war wohl eher
biblisch motiviert. Auch die Vertreibung der Iren aus Nordwales kann nicht überzeu-
gen, da die irische Einwanderung in den Nordwesten bei weitem nicht so dicht war wie
die in den Südwesten.394 Möglicherweise war die Ansippung der Königsfamilie von
Gwynedd an einen Stammvater aus dem Norden Britanniens deshalb attraktiv, weil da-
durch für die Dynastie Gwynedds eine Verknüpfung zu den walisischen Helden ge-
schaffen wurde, die in Liedern über den „alten Norden", also die britischen Königreiche
im Norden vor der Inbesitznahme durch die Angelsachsen, gefeiert wurden. Eine Ver-
bindung mit den ganz großen und bekannten Helden wie z.B. Urien von Rheged er-
schien dabei vielleicht als zu riskant, weshalb Cunedda als Ahnherr herangezogen wur-
de. In diesem Zusammenhang ist möglicherweise sogar eine Totenklage auf Cunedda
entstanden, der so nachträglich in den Rang eines Helden erhoben wurde.395 Gleichzeitig
lag durch die Herkunft aus Manaw Gododdin aber die Assoziation mit dem Heldenge-
dicht Gododdin nahe, das eine Schlacht der Briten gegen die Angelsachsen besingt.396
Gedichtes vgl. Charles-Edwards, Authenticity of the Gododdin; Alcock, Gwyr y Gogledd, und
Dumville, Early Welsh Poetry. Neuerdings ist bestritten worden, daß die Gododdin in dem
Heldengedicht gegen Angelsachsen kämpfen, vgl. Cessford, Where are the Anglo-Saxons in the
106 Herkunftserzählungen in Britannien
Sollte diese Vermutung zutreffen, hätten wir mit dem Stammbaum Maelgwns die
Origo einer Familie vorliegen, die nach bekannten Schemata gebildet wurde, und daher
nicht unbedingt auf tatsächliche historische Ereignisse zurückgehen muß. Es besteht die
Möglichkeit, daß die Cunedda-Sage bewußt oder unbewußt an vorhandene Muster an-
gelehnt wurde, wie sie nicht zuletzt durch die Wanderung des Volkes Israel vorgegeben
waren.
7. Zusammenfassung
Wir treffen in der Historia Brittonum auf Identitätsstiftangen, die sich von denen bei
Gildas und Beda fundamental unterscheiden. Die Briten/Waliser erfahren eine sehr viel
positivere Beschreibung, die auf der anderen Seite aber auch nicht mehr so außerge-
wöhnlich ist. Die Origo der Briten/Waliser wird sozusagen „normal", indem eine Wan-
derung, eine römische Anbindung und ein Heros eponymos eingeführt werden, gleich-
zeitig wird Gildas' intensive Parallelisierang mit dem Volk Israel gekappt und somit die
christliche Dimension stark eingeschränkt. Der Autor der Historia Brittonum setzt sich
allerdings nicht in allen Vorstellungen von Gildas ab. Teile seiner Interpretation, näm-
lich den Willen Gottes, der die angelsächsische Eroberung ermöglichte, hat er doch
übernommen. Ungewöhnlich für eine Identitätsstiftang ist dabei lediglich die Prophe-
zeiung des Ambrosius/Merlin, die die Briten ganz im Antagonismus zu den Angelsach-
sen definiert. Deren Auseinandersetzung soll in der Zukunft siegreich für die Briten ent-
schieden werden. Dies ist auf der einen Seite ein Reflex auf Gildas, dessen Interpretati-
on hier nur der Bedingung für den Sieg, der christlichen Umkehr, beraubt ist. Auf der
anderen Seite ist es auch eine Antwort auf Beda, da die Überlegenheit und die Siege der
Angelsachsen so als temporäre Ausnahmeerscheinungen, geradezu als Prüfung erklärt
werden.
Die Origo der Iren bzw. Schotten lehnt sich an deren pseudo-historische Überliefe-
rungen an und gibt uns daher Einblick in ihr Eigenverständnis. Auffällig ist hierbei we-
niger die prinzipielle Ähnlichkeit, die mit Wanderung, Verbindung zum Volk Israel und
Heros eponymos gegeben ist, als die sagenhaften Elemente, die aus diesem Rahmen fal-
len und spezifisch irisch zu sein scheinen, wie z.B. die auch im Leabhair Gabhala ähn-
lich überlieferte Eroberung des anderweltlichen Glastarmes. Dem Autor der Historia
Brittonum waren aber nicht alle irischen Elemente, wie sie das Leabhair überliefert, be-
kannt, wie sich z.B. daran zeigt, daß er die Verbindung Scythia-Scotia nicht explizit
vollzieht. Oder er erweist sich in diesem Fall als nachlässiger als bei der Origo der
Briten, weil ihm die irischen Erzählungen nicht so wichtig sind. Hier findet also letzt-
lich nur eine Außensicht statt. Es muß davon ausgegangen werden, daß dem Autor der
Historia Brittonum andere Traditionen als die uns heute bekannten vorgelegen haben.
Die angelsächsische Origo-Erzählung ist insofern von besonderer Bedeutung, als wir
es zumindest teilweise mit der Innensicht der Angelsachsen zu tun haben, die durch die
Niederschrift der Historia Brittonum lediglich überformt wurde. So läßt sich feststellen,
Gododdin poem?.
Historia Brittonum: Römische Anbindung und Abgrenzung von anderen gentes 107
daß es neben der durch Beda eingeführten christlichen Identitätsstiftung für die Angel-
sachsen offensichtlich auch eine herkömmliche gab, die einen listigen Anfangsheld
(Hengist), eine göttliche Legitimität (Abstammung von Wodan), eine Verbannung aus
dem ursprünglichen Heimatland, eine Wanderung in drei Schiffen, eine primordiale ver-
brecherische Tat (die Ermordung der britischen Unterhändler) und eine Einheit von Be-
nennung der gens und der Einsetzungstat zu bieten hat. Diese Origo verbindet sich mit
dem Namen Saxones und ist daher wohl älter als die allein auf Beda zurückgehende
Vereinnahmung der Angli als Gesamtbezeichnung. Im Bereich der angelsächsischen
Welt hatte Beda schon bald die ältere Origo verdrängt, die Überlieferung über den Um-
weg eines walisischen Schreibers ist ein ausgesprochener Glücksfall.
Die Schemata der Herkunftserzählungen wurden dann zur Legitimierung von Herr-
schern eingesetzt, deren Familien die Historia Brittonum eine Origo gibt. Die Herrscher
von Powys wurden so von der Verwandtschaft mit dem berühmt-berüchtigten Vortigern
befreit, die Herrscher von Gwynedd erhielten eine zusätzliche Legitimation durch eine
Verknüpfung zu dem aus Heldenliedern bekannten Norden Britanniens und durch die
Vertreibung der Iren aus ihrem Land.
Vgl. A. Lutz, Chronik, Angelsächsische, in: LexMa 2, Sp. 2028.; Gransden, Historical Writing in
England, S. 32.
Vgl. N.P. Brooks, Cerdic, in: LexMa 2, Sp. 1629.
Gransden, Historical Writing in England, S. 34f; vgl. jetzt auch Wallace-Hadrill, Franks and
English, S. 210; Keynes, Tale of Two Kings, S. 196-201; Foot, Angelcynn, S. 35f.
ASC, MS A, ed. Bately, S. 19: AN. ccccxcv. Her cuomon twegen aldormen on Bretene, Cerdic 7
Cynric his sunu, mid .v. scipum in hone stede pe is gecueden Cerdicesora 7 by ilcan daege
108 Herkunftserzählungen in Britannien
heißen Orte, an denen Cerdic eine Schlacht schlug, Cerdicesford und Cerdicesleag.401
Die Genealogie Cerdics wird bis auf Wodan zurückgeführt.402
Die Historizität Cerdics bzw. der in der Angelsächsischen Chronik geschilderten Er-
eignisse wird seit längerem bezweifelt.403 Zum einen ist die Chronik selbst im Datum
nicht konsequent. Cerdics Landung bzw. die der Westsachsen wird nämlich nicht nur
zum Jahr 495, sondern auch zu 514 berichtet. Des weiteren sind die Generationen der
westsächsischen Könige, die von Cerdic bis zu Alfred überliefert sind, aufgrund wider-
sprüchlicher Aussagen in Zweifel gezogen worden, nicht nur was die genaue Generatio-
nenfolge, sondern auch was die Abstammung aller überlieferten westsächsischen Kö-
gefiihtun wib Walum. Ebd. S. 20: AN. .dxiiii Her c[u]omon Westseaxe in Bretene mid .iii.scipum
in ba stowe be is gecueden Cerdicesora, 7 Stuf 7 Wihtgar [7] fuhtun wib Brettas 7 hie gefliemdon.
Ebd., AN. .dxviiii. Her Cerdic 7 Cynric Westsexena rice onfengun 7 by ilcan geare hie fuhton wib
Brettas baer mon nu nemneb Cerdicesford. 7 sibban ricsadan Westsexana cynebearn of ban daege.
Ebd., S. 21: AN. dxxxiiii. Her Cerdic forbferde, 7 Cynric his sunus ricsode forb .xxvi. wintra;
ASC MS B, ed. Taylor, S. 15: [An. .cc]ccxcv. Her coman twegen ealdormen on Brytene, Cerdic 7
Cynric his sunu, mid .v.scipum on hone stede be is gecweden Cerdicesora, 7 by ilcan daege hie
gefuhtan wib Wealum. Ebd.: [A]n. dxiiii Her coman Westseaxe on Brytene mid brim scipum on
ba stowe be is gecweden Cerdiceshora. Ebd., S. 16: AN. .dxxxiiii Her Cerdic ford ferde, 7 Cynric
his sunu rixode xxvii. Wintra; Die Annalen von St. Neot, ed. Dumville/Lapidge, S. 6, haben dux
als Übersetzung von ealdorman. Dumville, West Saxon Genealogical Regnal Lists, S. 35ff, hat
-
die Informationen aus allen Rezensionen der Angelsächsischen Chronik zusammengetragen. Nur
die Annalen von St. Neot bieten den Eintrag zu 514 nicht, und die lateinische Version von F bietet
für dieses Ereignis 513 als Jahreszahl. Sonst sind keine Unterschiede in den Versionen
festzustellen.
ASC MS A, ed. Bately, S. 20: AN. dxviiii. Her Cerdic 7 Cynric Westsexena rice onfengun 7 by
ilcan geare hie fúhton wib Brettas baer mon nu nemneb Cerdicesford. Ebd., S. 21: AN. dxxvii Her
.
Cerdic 7 Cynric fuhton wib Brettas in baere stowe be is gecueden Cerdicesleaga. ASC MS B, ed.
Taylor, S. 15: AN. .dxix. Her Cerdic 7 Cynric rice onfengon 7 by ilcan geare hie gefuhtan wib
Bryttas baer man nemned Cerdicesford. Ebd., S. 16: AN. dxxvii. Her Cerdic 7 Cynric fiihtan wib
Bryttas on daere stowe de is gecweden Cerdicesleag.
ASC MS A, ed. Bately, S. 22: AN. .dlii. Her Cynric gefeaht wib Brettas in baere stowe be is
genemned [aet] Searobyrg 7 ba Bretwalas gefliemde. Cerdic waes Cynri[ces faeder, Cerdic
Elesing, Elesa Esling, Esla Gewising, Gewis Wigins, Wig Freawining, Freawine Fri'th'ogaring,
Fri'th'ugar Brandind, Brand Be,ldaeging, Be,ldaeg Wodening. ebd., S. 25 An. .dxcvii ...se waes
CuJ)aing, Cuba Cynricing, Cynric Cerdicing, Cerdic Elesing, Elesa Esling, Esla Gewising, Giwis
Wiging, Wig F<r>eawining, Freawine Fribugaring, Fribugar Branding, Brand Be,ldaeging,
Be.ldaeg Wodening. ASC MS B, ed. Taylor, S. 16f: AN. .dlii. Her Cynric feaht wib Bryttas on
baere stowe be is genemned Searoburh 7 ba Bryttas geflymde. Cerdic waes Cynrices faeder,
Cerdic Elesing, Elesa Esling, Esla Gewising, Gewis Wiging, Wig, Freawining, Freawine
Freobogaring, Freobogar Bran<d>ing, Brand Baeldaeging, Baeldaeg Wodening. Ebd., S. 18: AN.
.dxcvii... se waes Cubing, Cuba Kynricing, Cynric Cerdicing, Cerdic Elesing, Elesa Esling, Esla
Gewising, Gewis Wiging, Wig Freawining, Freawine Freobogaring, Freobogar Branding, Brand
Baeldaeging, Baeldaeg Wodening. Zur Bedeutung dieser göttlichen Abstammung für die
Germanen vgl. Moisl, Anglo-Saxon Royal Genealogies, S. 217, 228 und 236. Der in der
Genealogie erwähnte Gewis hat eponymischen Charakter vgl. Sisam, Anglo-Saxon Royal
Die Herkunft der Könige von Wessex nach der Angelsächsischen Chronik 109
nige von Cerdic betrifft, die bei einigen Namen zumindest nicht naheliegt.404 Dabei
wäre die westsächsische Genealogie natürlich nicht die einzige, die eine Königsfolge
mit der Fiktion der Verwandtschaft versieht.405 Des weiteren kann man, wie Dumville
gezeigt hat, wenn man von König Cynegisls ausgeht, der 641 starb, und alle Regie-
rungszeiten der Westsächsischen Königsliste bis zu Cerdic zusammenzählt, nur bis zum
Jahr 537/38 gelangen.406 Nimmt man die in der Überlieferung genannten sechs Jahre für
die Eroberung von Wessex ernst, erreicht man 532 als das Jahr der Landung des Cerdic.
Die Generationenfolge kann zumindest gestreckt werden, indem man Cynric nicht als
Sohn des Cerdic, sondern als dessen Enkel und Sohn eines gewissen Creoda ansetzt.
Creoda taucht in einigen Handschriften einer von der Angelsächsischen Chronik unab-
hängigen, aber zur gleichen Zeit unter Alfred entstandenen westsächsischen Genealogie,
bei Asser und in einer Sammlung aus Anglia auf, aber nicht in der Angelsächsischen
Chronik.407 Erst die Schreiber der Angelsächsischen Chronik hätten demzufolge die Tat-
sache, daß Cynric Cerdics Enkel und nicht sein Sohn war, als peinlich bzw. inkonse-
Genealogies, S. 303, und Gransden, Historical Writing in England, S. 37. Sisam, Anglo-Saxon
Royal Genealogies, S. 301-305 und 328, geht davon aus, daß die Genealogie Cerdics bis zu
Wodan gerade wegen ihrer Reimstruktur ganz oder zu großen Teilen fiktiv ist und von einem
Schreiber des 9. Jahrhunderts stammt, der sie wahrscheinlich von der northumbrischen langen
Genealogie Idas übernommen hat. Schon Wenskus, Ansippung, S. 651-656, und Kleinschmidt,
Stirps regia, S. 1 lf., vermuten, daß die Rückführung auf Wodan durch eine „Ansippung" an die
bernicische Königsfamilie motiviert sei.
Zusammenfassend Yorke, Kings and Kingsdoms, S. 128-132, und dies., Wessex, S. 32-34, mit
Kritik an den Versuchen, die Erzählung der Angelsächsischen Chronik mit archäologischen
Zeugnissen in Einklang zu bringen.
Sisam, Anglo-Saxon Royal Genealogies, S. 321 f. Nach Moisl, Anglo-Saxon Royal Genealogies, ist
es möglich, daß die Genealogien auf eine mündliche Tradition
zurückgehen, die von Barden der
Angelsachsen, den scops, weitergegeben wurden. Dies muß aber keine zuverlässige Überlieferung
bedeuten. Wie Dumville, West Saxon Genealogical Regnal Lists, S. 60f., bemerkt, gibt die
Betonung der durchgehenden Dynastie der Cerdicinge eher Anlaß zu Mißtrauen. Zur Herrschaft
von Königen, die nicht aus der Cerdic-Linie stammten vgl. etwa auch Yorke, Wessex, S. 79-84.
Kleinschmidt, Stirps regia, v.a. S. 15-22, hält die Berufung auf Cerdic und die Rückführung auf
Wodan für einen Versuch der Nachfolger Ines bzw. Ingelds, den Erbgang der westsächsischen
Krone auf ihre Familie einzuschränken.
Bekanntestes Beispiel ist die Ansippung der Karolinger an ihre Vorgänger, die Merowinger, vgl.
dazu Wenskus, Ansippung.
Dumville, West Saxon Genealogical Regnal Lists, S. 50. Daß die Königsliste trotzdem 495 als
Landungsdatum angibt, liegt an einer Kontamination mit der revidierten Chronologie, die auch der
Angelsächsischen Chronik zugrunde liegt.
Asser, Leben des heiligen Alfred, ed. Stevenson, S. 2. Vgl. dazu Sisam, Anglo-Saxon Royal
Genealogies, S. 337f, und Dumville, The West Saxon Genealogical Regnal Lists. Manuscripts and
Texts, S. 15, 25 und 30. Nach Dumville, West Saxon Genealogical Regnal Lists, S. 56, ist die
Königsliste vor der Kompilation der Angelsächsischen Chronik entstanden, wenn auch nicht
unbedingt lange davor.
110 Herkunftserzählungen in Britannien
quent empfunden, weil er der Überlieferung nach mit Cerdic zusammen gekämpft und
gesiegt haben soll. Aus diesem Grund machten sie ihn zu seinem Sohn.408
Das Hauptproblem im Zusammenhang mit der Gründung von Wessex besteht aber
darin, daß Cerdic überhaupt kein angelsächsischer, sondern ein Name britisch-keltischer
Herkunft ist.409 Es ist kaum zu glauben, daß ein gerade aus Altsachsen eingetroffener
Anführer einen keltischen Namen getragen haben soll. Daher liegt der Verdacht nahe,
daß die Geschichte seiner Landung nichts weiter als ein Märchen im Dienste der west-
sächsischen Dynastie ist.
Dumville hat darauf aufmerksam gemacht, daß möglicherweise eine Verschiebung
der Ankunftsdaten von Cerdic und Cynric um eine bzw. zwei Generationen vorgenom-
men wurde,410 um das westsächsische Königsgeschlecht an die durch andere vorgege-
benen Muster anzupassen. Denn durch die Verschiebung der angeblichen Ankunft von
Cerdic und Cynric von 532 auf 514 und dann auf 495 erreichte man, daß die Ankunft
der Cerdicinge nicht wesentlich nach der durch Beda für 449 bezeugten Landung von
Hengist und Horsa lag.4" Cerdic wird so fast zu einem Zeitgenossen des Hengist, und
damit ist seine Legitimität und die seiner Nachfolger ebenso gut wie die der Könige von
Kent. Die christlichen Schreiber nach 596 verschleierten die Tatsache, daß es neben den
als „Heptarchie" bekannten Königreichen andere kleinere gegeben hatte und daß die
Gründung dieser Reiche oft erst im 6. Jahrhundert stattgefunden hat und nicht schon da-
vor.412 Neben der zeitlichen Anpassung ist die thematische Anpassung an die durch
Beda überlieferte Hengist und Horsa-Erzählung deutlich. Möglicherweise ist Bedas Ein-
fluß auf die Schreiber der Angelsächsischen Chronik dadurch zu erklären, daß im Um-
feld von Alfred gerade in diesen Jahren auch die Übersetzung von Bedas Historia Ec-
clesiastica entstand.413
Zu den strukturellen Ähnlichkeiten mit schon bekannten Origo-Geschichten zählen
die Überfahrt mit fünf resp. drei Schiffen, die Doppelung des Anführers bzw. dux Cer-
dic durch seinen Sohn Cynric, wie man sie ähnlich bei den Brüdern Hengist und Horsa
findet, der Sieg über die einheimischen Briten, die Benennung eines Ortes nach dem
Anführer und die legitimitätsstiftende Abkunft vom germanischen Gott Wodan. All dies
gewährleistet, daß die Cerdic-Geschichte sich in das übliche Schema einer Ankunft von
408
Dumville, West-Saxon Genealogical Regnal Lists, S. 60. Wie Dumville richtig bemerkt hat, muß
das Motiv für die Eleminierung Creodas sehr stark gewesen sein, da man mit ihm eigentlich einen
weiteren Herrscher zur Verfügung gehabt hätte, um die Regierungszeiten der westsächsischen
409
Könige passend zum Landungsdatum von 495 auszudehnen.
Vgl. dazu zuletzt Parson, British 'Caraticos. Coates, Some Controversy, hält auch den Namen des
Enkels bzw. Urenkels von Cerdic, Ceawlin, für einen britischen Namen.
410
Dumville, West-Saxon Genealogical Regnal Lists, S. 50f.
411
Dumville, West-Saxon Genealogical Regnal Lists, S. 44f. und 62-65. Die Verschiebung um genau
19 Jahre liegt möglicherweise daran, daß die Daten vom 19jährigen Mondzyklus der
Angelsachsen auf die Anno Domini-Rechnung übertragen wurden und die Umrechnung dabei
nicht gelang, vgl. Harrison, Wessex Annais.
412
Dumville, West-Saxon Genealogical Regnal Lists, S. 65.
413
D.K. Fry, Beda III. Beda und die altenglische Literatur, in: LexMa 1, Sp. 1778f. Zur Benutzung
Bedas für ein Vorantreiben des englischen Identitätsgefühls, vgl. Foot, Angelcynn, S. 35f.
Die Herkunft der Könige von Wessex nach der Angelsächsischen Chronik 111
angelsächsischen Königen und Anführern einfügt. Cerdic wird damit zu einem ty-
pischen ersten angelsächsischen König, die Tradition von Wessex wird ebenso ehrwür-
dig wie die von Kent, die westsächsische Königsfamilie paßt genau in das Umfeld der
Könige anderer Reiche.
An Alfreds Hof bestand reges Interesse, eine solche Version der Landung des Cerdic
zu verbreiten,414 denn mit Alfred stieg Wessex durch die Siege gegen die Wikinger zur
Hegemonie auf, die bis zum Ende des angelsächsischen Königtums bestehen bleiben
sollte. Aus diesem Grand ist auch gerade im Zusammenhang mit Alfred die westsäch-
sische Genealogie der Cerdicinge noch erweitert worden, so daß sie schließlich auch
den heidnischen Geata, Noah und Adam einschloß.415 Damit ist nicht nur eine Anknüp-
fung an die heidnische Vergangenheit und deren Legitimität gegeben, sondern eben
auch an die christliche Heilsgeschichte, so daß die Genealogie Alfreds eine doppelte
Verwurzelung in der Vergangenheit erfährt.
Cerdics Existenz als solche ist hingegen aus zwei Gründen wahrscheinlich. Zum ei-
nen ist nicht einsichtig, warum ein westsächsischer König mit einem keltischen Namen
erfunden sein sollte, und zum anderen sind die Ortsnamen mit dem Element Cerdic-
nicht vor den Angelsachsen nachzuweisen, so daß sie tatsächlich ein Reflex eines histo-
rischen Cerdic sein könnten.416
Cerdic könnte ein Fürst der Angelsachsen britischer Herkunft gewesen sein, der sich
die Kleinstkönige seiner Umgebung unterwarf und so ein Reich ins Leben rief, das den
Grundstein für Wessex bildete.417 Diese Entwicklung fand erst in der zweiten Hälfte des
6. Jahrhunderts statt. Im Zuge von Wessex' Aufstieg zum Hegemon über die angelsäch-
sischen Reiche wurde ein solcher Gründervater zunehmend peinlich und unglaubwür-
dig. Die Gründung von Wessex wurde zeitlich vorgeschoben, um parallel zu der durch
Beda bezeugten Gründung Kents zu sein, die britische Abkunft Cerdics wurde unter-
schlagen, um ihn zu einem Helden der Wanderzeit zu stilisieren, der nach dem üblichen
Schema vorging: Landung, Vertreibung der Einheimischen und Gründung eines eigenen
414
Dumville, West Saxon Genealogical Regnal Lists, S. 52f, vermutet, daß der Compilator, der die
„geschobene" Version der westsächsischen Daten in die Angelsächsiche Chronik aufnahm, im
Umfeld Alfreds zu suchen ist. Er hätte aus diesem Grund auch absichtlich die Regierungsjahre der
Könige, die man in der Königsliste noch findet, nicht übernommen, um seine Daten nicht
unglaubwürdig zu machen. Insgesamt zum Interesse der Wessex-Dynastie an einer Manipulation
der Geschichtsvorstellungen auch Kleinschmidt, Anglo-Saxon Chronicle on Ethnic Origins.
415
Vgl. Asser, Leben des heiligen Alfred, ed. Stevenson, S. 2-4; ASC MS A, ed. Bately, S. 45f., AN.
.dccclv. Zur Verlängerung der Genealogie Taviani-Carozzi, De l'histoire au mythe. Die
Einbeziehung von Noah und Adam beinhaltete eine Euhemerisierung der heidnischen Götter als
sterbliche Helden vgl. Faulkes, Descent from the Gods, S. 93 und 109f. Zu Geata/Gaut vgl. M.
Diesenberoer, Gaut 2. Historisches, in: RGA 10, 1998, S. 486f.
416
Gransden, Historical Writing in England, S. 37f.
417
Sisam, Anglo-Saxon Royal Genealogies, S. 305, vermutet, daß Cerdic ein gewählter Anführer war,
der keinen Stammbaum besaß. Zur allmählichen Vereinigung mehrerer Kleinkönigreiche zum
Reich Wessex, vgl. Yorke, Wessex, S. 52-93.
112 Herkunftserzählungen in Britannien
Reiches.418 Offensichtlich wollte man die Entstehung einer Herrschaft, die ausreichend
legitimiert sein sollte, nicht anders darstellen.
Wie bei der Wanderung des Cunedda nach Nordwales haben wir es hier also mit ei-
ner Origo-Erzählung zu tan, die aus Legitimationsgründen an bestehende Schemata an-
gepaßt wurde.
Zu den Origo-Erzählungen der einzelnen angelsächsischen Reiche vgl. auch Yorke, Political and
Ethnic Identity, besonders S. 76-82.
Die britannischen Origo-Erzählungen im Vergleich 113
werden, daß Gildas zwar ein negatives Bild seiner gens zeichnet, daß sie aber trotzdem
für ihn das auserwählte Volk bleibt, so daß sie den umgebenden heidnischen Völkern
durchaus überlegen ist.
Beda hingegen beschäftigt sich mit allen auf der Insel ansässigen gentes, setzt seinen
Schwerpunkt aber auf die Angli, die Angelsachsen. Die Pikten, Schotten und Briten er-
halten durch Beda eine herkömmliche Origo-Erzählung, die ihre Herkunft und einige
ihrer gesellschaftlichen und politischen Strukturen erklärt. Beda übernimmt dabei die
von Gildas für die Briten etablierten negativen Eigenschaften, allerdings ohne die Zu-
kunftsprojektion des Gildas. Gegen die Briten kann er nun die Angli positiv absetzen,
wobei er interessanterweise eine auf die Zukunft gerichtete Identität für seine Angli stif-
tet. Ihre Erfüllung wird in den prophetischen Worten Papst Gregors des Großen ange-
deutet, daß sie Angelí werden sollen. Beda hat hier Gildas' Konzept fundamental umge-
arbeitet, um seiner eigenen gens eine positive Identifizierung zu ermöglichen. Auffallig
ist dabei, daß Beda die heidnische Vergangenheit zwar nicht leugnet, sie aber letztlich
für die Identitätsstiftang nicht benötigt. Wie bei Gildas wird bei Beda die Identität der
gens ganz entschieden durch das Christentum bestimmt, die Verwurzelung in der Ver-
gangenheit und ihren Sitten ist gerade nicht wichtig. Durch die Gemeinschaft im Glau-
ben schafft Beda für seine gens indirekt eine Anbindung an Rom in Gestalt der rö-
mischen Kirche und des Papsttums. Deshalb sind die Identifikationsfiguren bei Beda
christliche Könige, wie Aethelbert von Kent, Edwin von Northumbria und Oswald von
Northumbria, deren traditionsbildende Bedeutung durch Wundererzählungen untermau-
ert wird, die Beda unter Berufung auf zeitgenössische Zeugen überliefert. Beda propa-
giert damit ähnlich wie Gildas, aber sehr viel geschickter, eine Abkehr von der (heid-
nischen) Vergangenheit. Er macht seinem sicher noch von heidnischen Idealen ge-
prägten Publikum deutlich, daß ein christlicher König genauso gut wie ein heidnischer
Held Ruhm und Erfolg erwerben kann. Bedas Konzept der Anglt-Angeli ist dabei für
das angelsächsische bzw. englische Bewußtsein von kaum zu überschätzender Bedeu-
tung gewesen. Zum einen hat sich seine von Gregor dem Großen übernommene Benen-
nung der germanischen Einwanderer mit dem eine bestehende Gemeinschaft suggerie-
renden Angli durchgesetzt, was an sich schon ein ausreichendes Zeichen seiner Bedeu-
tung ist. Zum anderen hat sich seine Vorstellung, daß die Angli ihrer Bestimmung wür-
dig sein müßten, in der Zeit der Wikingerüberfälle ausgewirkt. Die Erklärung der Wi-
kingerüberfalle durch die Sündhaftigkeit der Angelsachen steht deutlich in der Beda-
schen Traditionslinie. Eine gens, die ihre Bestimmung nicht erfüllt, muß mit göttlicher
Strafe rechnen.
Die Historia Brittonum läßt sich letztlich nicht ohne Beda verstehen, denn der ano-
nyme Autor versuchte gegen dessen Britenbild anzuschreiben. Dabei griff er auf kon-
ventionellere Muster von Origines zurück, die eine heroische Vergangenheit evozieren,
aber die suggestive Kraft von Gildas und Beda nie erreichen. In der Historia Brittonum
wird den Briten eine römische Abstammung bzw. eine enge Verwandtschaft zu den Rö-
mern gegeben, die sie positiv von den anderen auf der Insel ansässigen gentes absetzen
soll. Die Angelsachsen erhalten eine durch ein primordiale verbrecherische Tat gekenn-
zeichnete Origo, die ihnen den Namen „Sachsen" gibt. Diese andere Art der Identifizie-
rung der Angelsachsen mit einem in der Frühzeit der Wanderung begangenen Verbre-
114 Herkunftserzählungen in Britannien
chen ist natürlich von der Außensicht des britischen Anonymus geprägt. Gleichzeitig
liegt hier aber wohl eine genuin angelsächsische Tradition und eine Innensicht vor, die
in der britischen Überlieferung eine andere Origo als die Bedas für die Angelsachsen
belegt, die sich aufgrund von Bedas einflußreichem Werk nicht durchgesetzt hat und
untergegangen ist. Wie Beda handelt der Autor der Historia Brittonum auch die Ori-
gines der anderen gentes der britischen Insel ab und greift beispielsweise für die Schot-
ten auch auf deren eigene Traditionen zurück. Die Origo der Briten ist dabei wegen der
römisch-trojanischen Abstammung natürlich vornehmer als die der anderen gentes. Die
auf die Zukunft gerichtete Identifizierung der gens findet sich in der Historia Brittonum
nur verdunkelt in der Erzählung der Prophezeiung des Ambrosius, in der den Briten
eine glorreiche Zukunft verheißen wird. Im Gegensatz zu der bei Gildas und Beda vor-
genommenen Zukunftsausrichtang ist sie allerdings an keine Bedingung des Wohlver-
haltens geknüpft. Auffällig bei der Abgrenzung von anderen gentes ist die polarisierte
Darstellung der Briten auf der einen und der Angelsachsen auf der anderen Seite, die ih-
ren Höhepunkt im Kampf der beiden „Wappentiere" hat. Dieser Antagonismus zwi-
schen Briten und Angelsachsen geht auf Gildas und Beda zurück, wird in der Historia
Brittonum aber noch wesentlich verschärft. Letztlich ist die Darstellung in der Historia
Brittonum nicht so innovativ wie die von Gildas und Beda, was sicher auch durch deren
größere Stilsicherheit und Kompetenz erklärt werden kann. Dennoch bietet uns die Hi-
storia Brittonum einen guten Einblick in das Selbstverständnis der Briten. Interessanter-
weise spielt in der Historia Brittonum ein explizites walisisches Bewußtsein noch keine
Rolle. Dies ist im Grande auch erst im 11. und 12. Jahrhundert entstanden, als unter den
Fürsten von Gwynedd walisische Einigungsbestrebungen entstanden.
Die in den Origines der gentes verbreiteten Identifikationsmuster haben ihren Nieder-
schlag auch in anderen Erzählungen gefunden, in den Familienorigines oder in Erzäh-
lungen von Dynastiegründungen, wobei auch hier Bedas Einfluß kaum überschätzt wer-
den kann. In der Historia Brittonum ließ sich anhand der Erzählung von Cadell und der
Gründung der Dynastie von Powys beobachten, wie das gängige Muster einer Legitimi-
tätsstiftung durch eine höhere Gewalt und die Erzählung einer primordialen Zerstörung
auf die Geschichte einer Familie übertragen wurden. Bei der Dynastie des Cadell von
Powys spielte dabei wohl der Wunsch eine Rolle, den durch Beda und die Historia
Brittonum in seiner Reputation geschädigten Vortigern aus dem Familienstammbaum
zu kappen. Bei der Rückführung der Dynastie Gwynedds auf einen gewissen Cunedda
wird als Origo-Element eine sagenhafte Wanderung aus dem Norden Britanniens ver-
wendet, die als solche nicht wahrscheinlich ist.
Auch bei der sagenhaften Herkunft der westsächsischen Königsdynastie, die sich
zum ersten Mal unter Alfred festmachen läßt, macht sich der Einfluß Bedas sehr stark
bemerkbar. Zur Legitimitätsstiftung wird Cerdic, der Gründer der Dynastie, mit einem
Stammbaum versehen, der ihn zu einem Nachkommen Wodans macht, ihn damit in die
Nähe zu anderen angelsächsischen Dynastien rückt und ihn zusätzlich heilsgeschicht-
lich bedeutsam mit Noah und Adam verknüpft. Außerdem wird die Geschichte einer
Landung des Cerdic und eines Sieges über die Briten berichtet. Diese Erzählung knüpft
an die durch Beda bekannte Landung des Hengist und des Horsa an und rückt sie wohl
absichtlich in deren zeitliche Nähe. Damit wurde die keltische Herkunft des Dynastie-
Die britannischen Origo-Erzählungen im Vergleich 115
1
Zur Forschungsgeschichte über Gregor vgl. Ganshof, Gregorius van Tours, etwas älter und noch
sehr derVorstellung von Gregors „Frankengeschichte" verhaftet; Goffart, Narrators, S. 112-119;
Breukelaar, Historiography and Episcopal Authority, S. 16-19; Heinzelmann, Père de l'histoire de
France, und sehr instruktiv ders., Zehn Bücher Geschichten, S. 1-5; Wood, Gregory of Tours;
Anton, Gregor von Tours; Wood, Individuality, und Pizarro, Ethnic and National History, S. 52-
56. Für die Geschichte der älteren Forschung vgl. den 1951 entstandenen Artikel von Wallace-
Hadrill, Gregory of Tours in the Light of Modern Research. 2002 ist ein Sammelband über
Gregor erschienen, der ihn und sein Werk in vielen Einzelaspekten beleuchten, vgl. Mitchell
/Wood (Hrsg.), World of Gregory of Tours.
2
Zur Entstehung von Libri historiarum decem um diese Zeit vgl Wattenbach/Levison,
Geschichtsquellen, Vorzeit und Karolinger. Heft 1, S. 99-108, und H.H. Anton, Gregor von Tours,
in: LexMa IV, Sp. 1679ff. Goffart, Narrators, S. 184f., vermutet, daß Gregor die Libri
historiarum decem zwar auch nach dem Tod Guntchramns bis 593/94 weitergeführt, aber aus
konzeptionellen Gründen den Tod nicht mehr erwähnt habe; Wood, Gregory of Tours, S. 1-4,
vermutet 593/94 als Datum der Endredaktion.
3
Vgl. Goffart, Narrators, S. 120, mit Anm. 39.
Gregor von Tours: Eine Geschichte der Franken? 117
4
Vgl. etwa Breukelaar, Historiography and Episcopal Authority, S. 82; Heinzelmann, Die Franken
und die fränkische Geschichte in der Perspektive des Gregor von Tours, und ders., Zehn Bücher
Geschichte, S. 171-175.
5
Verdón, Grégoire de Tours.
6
Gregor, Libri historiarum decem, ed. Krusch/Levison. In der ersten Auflage von 1884, die W.
Arndt mit Krusch erstellte, lautet der Titel noch Historia Francorum.
Monod, Études critiques, S. 247ff. Er wurde darin wohl durch einige frühe Handschriften bestärkt,
die nur sechs der zehn Bücher enthalten, vgl. Goffart, Narrators, S. 121. Gegen Monod vgl.
Krusch, Die handschriftlichen Grundlagen, S. 680ff. Zur anderen Ausrichtung der sechs Bücher
und deren politischer Zielsetzung vgl. Reimitz, Social Networks.
8
Die Theorie der zwei Redaktionen und der Titel Frankengeschichte haben sich im französischen
und angelsächsischen Sprachraum länger gehalten, vgl. dazu Goffart, From Historiae to Historia
Francorum and Back again, sowie ders., Narrators, S. 119-127 und S. 165f; Breukelaar,
Historiography and Episcopal Authority, S. 25-28 und Heinzelmann, Die Franken und die
fränkische Geschichte in der Perspektive der Historiographie Gregors von Tours, vor allem
S. 327f. Aber vgl. etwa noch Fuhrmann, Klio schweigt, S. HOf, über die „Frankengeschichte"
Gregors.
118 Die Herkunftserzählungen der Franken
Standard entspricht, zum anderen weil er auch in den Libri historiarum decem seiner
Vorliebe für Wundererzählungen nachgab, einer Neigung, die noch intensiver in seinen
anderen Werken zum Tragen kommt. Historiker, die sich mit der frühen Geschichte der
Franken beschäftigten, haben zudem schon immer seine offensichtliche Parteilichkeit
und seine moralisierende Tendenz beklagt,9 eine Klage, die sich nicht nur über Gregor
führen läßt. Walter Goffart wirft Gregor sogar vor, viele Ereignisse verschwiegen zu ha-
ben.10 Die Auseinandersetzung mit dem sermo rusticus des Gregor, der vom klassischen
Latein so stark absticht, erfolgte schon früh, vor allem im Zusammenhang mit Überle-
gungen über die in den Vorreden reklamierte „Bescheidenheit"," die man für echt hielt.
Gregor sei sich seiner unbeholfenen Sprache bewußt gewesen.12 Auf der anderen Seite
haben Breukelaar, Goffart und Heinzelmann zu Recht auf die spätantike Tradition der
einfachen Rede verwiesen,13 die einem christlichen Publikum die wichtigen Inhalte nä-
herbringen sollte, deren essentieller Gehalt im Gegensatz zu den rhetorisch kunstvollen
heidnischen Schriften die veritas war. Sieht man Gregor in dieser Tradition, ist die
Wahl des Stils nicht verwunderlich, und man kommt nicht in die Verlegenheit, eine an-
geblich niedergegangene Sprachkultur der Zeit Gregors mit den ausgefeilten Gedichten
seines Zeitgenossen Venantius Fortunatas14 in Einklang bringen zu müssen.
Gregor wählte also bewußt die einfache Sprache, weil er die Wahrheiten, die er zu
sagen hatte, nicht rhetorisch verbrämen mußte und wollte. Ob darüber hinaus seine
sprachlichen Fähigkeiten zu einer rhetorischen Verbrämung ohnehin nicht ausgereicht
hätten, sei dahingestellt und ist wegen der stark entstellenden Überlieferung seit dem 7.
Jahrhundert, die wohl für viele Barbarismen verantwortlich ist,15 auch kaum zu ent-
9
Zu Gregor als Moralisten vgl. etwa Goffart, Narrators, S. 168-174.
10
Goffart, Narrators, S. 159-164. Goffarts Vorwurf hängt allerdings sehr stark von der heutigen
Einschätzung der Bedeutung einiger Personen und Ereignisse ab, die Gregor nur am Rand oder gar
nicht erwähnt. Gregor selbst muß diese Ereignisse nicht für wichtig gehalten haben, und es ist ihm
daher aus der Auslassung, die in Geschichtsschreibung ohnehin immer stattfindet, auch kein
Vorwurf zu machen.
11
Gregor, ed. Krusch/Levison, Prefatio prima, S. 1: ...et praesertim his inlicitus stimulis...; Gregor,
ed. Krusch/Levison, I, Prefatio, S. 3: Sedprius veniam legentibus praecor, si aut in litteris aut in
sillabis grammaticam artem excessero, de qua adplene non sum inbutus... Zu Gregor und dem
Bescheidenheitstopos vgl. etwa Goffart, Narrators, S. 145-150, und Breukelaar, Historiography
and Episcopal Authority, S. 319ff. Zum sermo rusticus Beumann, Gregor von Tours und der Sermo
rusticus. Die unüberholte Studie zu Gregors Latein ist Bonnet, Le Latin de Grégoire de Tours.
12
So etwa Beumann, Gregor von Tours und der sermo rusticus, bes. S. 95ff.
13
Beumann, Gregor von Tours und der sermo rusticus, S. 75ff., interpretiert letztlich die
Bescheidenheit Gregors doch als echt, anders Goffart, Narrators, S. 155ff.; Breukelaar,
Historiography and Episcopal Authority, 321 fF. und 332f, und Heinzelmann, Zehn Bücher
Geschichte, S. 84-90.
14
Bezeichnenderweise verwendete Venantius für seine Prosawerke einen sehr viel einfacheren Stil
15
vgl. Hen, Culture and Religion, S. 26.
Gregor, Zehn Bücher Geschichte, ed. Buchner, Einleitung, S. XXXIII-XXXVI. Zu der Einordnung
von Gregors parataktischem Stil vgl. auch Roberts, Gregory of Tours, bes. S. 184, die
herausarbeitet, daß Gregors Stil u.U. auch dadurch bedingt war, daß er von den Lesern
weitreichende Vorkenntnisse erwartete.
Gregor von Tours: Eine Geschichte der Franken? 119
scheiden. In diesem Fall hätte Gregor allerdings aus einer Not eine Tugend gemacht.
Die in den Vorreden geäußerte Bescheidenheit ist daher tatsächlich als Topos zu verste-
hen. Ohnehin spricht die „Fluchformel" Gregors am Ende der Libri historiarum decem,
mit der er mögliche Verbesserer an seinem Werk belegt, für sein Bewußtsein, ein in
sich stimmiges Werk geschaffen zu haben, das keiner Veränderung bedarf.16 Daran än-
dert sogar die Feststellung nichts, daß diese Fluchformel ebenfalls auf spätantike und
biblische Vorbilder zurückgeht.17
Gregors Stil hat auf der anderen Seite wegen seiner Einfachheit Bewunderung erfah-
ren. Walter Goffart nennt ihn einen „master of understatement."18 Goffart glaubt in Gre-
gors Werk sogar deutliche Zeichen von Ironie zu entdecken und erklärt die Libri histo-
riarum decem zu einem satirischen Werk.19 Es ist allerdings fraglich, ob man bei der
„Entdeckung" von Ironie in mittelalterlichen Werken nicht doch dem Autor nur ein uns
vertrautes Konzept überstülpt. Insgesamt ist bei der literatarwissenschaftlichen Analyse
mittelalterlicher Werke aus diesem Grand Vorsicht geboten. Insbesondere Satire läßt
sich eigentlich nur dann erkennen, wenn ausreichend Vergleichsmaterial vorhanden ist,
so daß man die Schilderungen entweder mit der realen gesellschaftlichen Situation oder
mit mehreren anderen zeitgenössischen Autoren vergleichen kann. Beides ist bei Gregor
nicht der Fall. Wir beziehen unsere Kenntnis der Gesellschaft Galliens im 6. Jahrhun-
dert eigentlich fast nur aus Gregor,20 und das Vergleichsmaterial anderer Schriften der-
selben Zeit ist zu dünn, um eine solche literatarwissenschaftliche Aussage zu wagen.
Goffarts Überlegung, daß Gregor Kenntnis von antiken satirischen Autoren über die
Vermittlung des Venantius Fortunatas erhalten habe,21 ist nicht nachzuweisen, da eine
solche Kenntnis im Werk selbst nicht belegt werden kann. Daher muß Goffarts Vorstel-
lung von Gregors Werk als Satire in den Bereich der unbewiesenen Hypothese verwie-
sen werden. Trotzdem ist Goffart das Verdienst zuzurechnen, daß seit seiner Untersu-
chung Gregor verstärkt als Autor mit einem eigenen Konzept wahrgenommen wird und
er nicht mehr nur als „Steinbruch" für Untersuchungen zur fränkischen Geschichte be-
16
Gregor ed. Krusch/Levison, X, 31, S. 449: Quos libros licet stilo rusticiori conscripserim, tarnen
coniuro omnes sacerdotes Domini, qui post me humilem ecclesiam Turonicam sunt recturi, per
adventum domini nostri Iesu Christi ac terribilem reis omnibus iudicii diem, si numquam confusi
de ipso iudicio discedentes cum diabolo condempnemini, ut numquam libros hos aboleri faciatis
aut rescribí, quasi quaedam eligentes et quaedam praetermittentes, sed ita omnia vobiscum
integra inlibataque permaneant, sicut a nobis relicta sunt.
"
Wie Beumann, Gregor von Tours und der Sermo rusticus, S. 95ff, und Heinzelmann, Zehn Bücher
Geschichte, S. 84, sowie ders., Réécriture hagiographique, vor allem S. 15-23, darlegen, ist die
„Fluchformel" in der Stellung an die am Ende der Apokalypse angelehnt, im Wortlaut aber an ein
Werk des Irenäus von Lyon. Gregor steht also auch mit ihr innerhalb der spätantiken Tradition.
Fluchformeln als solche sind noch älter und bereits im 19. Jhd v. Chr. bezeugt, vgl. M. Belgrader,
Fluch, Fluchen, Flucher in: EM 4, Sp. 1315-1328, bes. Sp. 1317.
18
Goffart, Narrators, S. 177.
19
Goffart, Narrators, S. 179ff. und 197-203.
20
21
Vgl. etwa Weidemann, Kulturgeschichte der Merowingerzeit.
Vgl. Goffart, Narrators, S. 200.
120 Die Herkunftserzählungen der Franken
nutzt wird. Auf dieser Grandlage haben Breukelaar und Heinzelmann mit ihren Inter-
pretationen Gregors aufgebaut.22
Gregors Wundererzählungen erfahren ähnlich wie die anderer Autoren heute ge-
nau wie sein Stil eine andere Beurteilung als bisher. Sie werden nicht mehr als Aber-
-
-
Es stellt sich also die Frage, inwieweit bei Gregor überhaupt eine Identitätsstiftang
und Legitimierung für eine weitere soziale Gruppe, sei es eine gens oder gar das Fran-
kenreich, stattfindet oder intendiert ist. In bezug auf Gregors Wir-Gefühl ist schon fest-
gestellt worden, daß es für seine Familie, seinen Stand, seine Amtsbrüder und in ganz
weitem Sinne für seine Glaubensgemeinschaft besteht, nicht aber für eine bestimmte
gens.26 Edward James hat in bezug auf Gregors Identitätsgefühl den Vorschlag gemacht,
daß Gregor sich als Funktionsträger der Herrschaft der Frankenkönige verstand und als
ein solcher sich mit Franken und Gallo-Romanen in einer Einheit wußte und daß ihm
eben deshalb eine ethnische Differenzierung zwischen Franken und Gallo-Romanen
nicht wichtig war.27 Diese Überlegung mag Gregors für uns oft enttäuschend nachläs-
sige Verwendung des Wortes Francus, Franci erklären, steht aber m.E. dem Befund für
die Bedeutung des Wortes nos entgegen, das von Gregor eben hauptsächlich für seine
Standesgenossen, die Bischöfe und in sehr weitem Sinne für seine Glaubensgenossen
herangezogen wird. Hingegen kann man feststellen, daß die allerdings nicht häufig auf-
tauchende Bezeichnung Francus nur selten ethnisch gemeint ist, sondern daß im Zwei-
fel damit die herrschende Schicht abgegrenzt wird.28 In seinem Werk finden sich daher
nur wenige Andeutungen, die die verschiedenen Ethnien in Gallien überhaupt unter-
scheiden lassen.29 Diesem Befund entspricht die neuerdings in der Forschung betonte
Verschmelzung der verschiedenen Ethnien durch den gemeinsamen katholischen Glau-
ben unter dem Dach der Herrschaft der Frankenkönige.30 Daher haben wir es bei Gregor
Blume, Menschenbild Gregors von Tours, vor allem S. 41-56; Heinzelmann, Die Franken und die
fränkische Geschichte in der Perspektive des Gregor von Tours. Heinzelmann, Zehn Bücher
Geschichten, S. 7-10, äußert sich skeptisch über einen angeblichen Familienstolz Gregors, da sich
ein Gutteil der Verwandtschaft von Gregor nur indirekt aus anderen Schriften erschließen läßt; so
auch Wood, Individuality. Zur Glaubensgemeinschaft als der primären Gruppe der
Selbstidentifikation vgl. Goffart, Foreigners, bes. S. 285f. Keely, Arians and Jews, geht soweit, in
der Abgrenzung von Arianern und Juden ein Moment der Selbstbestimmung und
Selbstidentifikation der katholischen Kirche zu sehen. Dies ist ein Motiv, das in der Frühzeit des
Christentums eine Rolle gespielt haben mag, zu Gregors Zeit mit der Verbreitung des katholischen
Glaubens in Gallien aber weit hergeholt erscheint. Die Frage, wie weit das Christentum die
Gesellschaft durchdrungen hatte, wird von Hen, Culture and Religion, bes. S. 11-16, dahingehend
beantwortet, daß das Christentum in Gallien das Heidentum fast vollständig verdrängt hatte und
eine substantielle Abgrenzung zum Heidentum nicht mehr nötig war. Zum Werk von Hen vgl.
allerdings die kritische Rezension von M. Richter, in: Historische Zeitschrift 264 (1997), S. 446f.
James, Gregory of Tours and the Franks.
Goetz, (Kultur-) Synthese in der merowingischen Geschichtsschreibung, S. 553ff. Die ältere
Auffassung von Rouche, Francs et Gallo-Romains, bes. S. 169, der Francus als abgesetzt von
Romanus und Christianus sieht, kann man wohl eher nur für die Berichte über die Frühzeit
bestätigen, als die Franken noch Heiden waren.
Vgl. Goffart, Foreigners, und ders., Narrators, S. 212f.
Vgl. etwa Périn, „Question franque", vor allem S. 551 f., und ders., A propos de publications
récentes, zu archäologischen Funden, die man nicht nach Romanen bzw. Franken differenzieren
kann und soll; ders., L'assimilation ethnique vue par l'archéologie; Hen, Culture and Religion,
S. 11-16; Werner, „Conquête franque"; Schmauder, Relationship. Dagegen Scheibelreiter,
Barbarische Gesellschaft, S. 208-214, über den grundsätzlichen Gegensatz zwischen barbarischer
122 Die Herkunftserzählungen der Franken
nicht wirklich mit einer Perspektive zu tan, die die Franken lediglich von außen be-
trachtet. Gregor schreibt keinesfalls von einer „fränkischen" Warte aus und hat auch
kein Interesse an einem „fränkischen" Standpunkt. Es ist damit zu rechnen, daß Gregor,
sollte er fränkische Informationen gerade mündlicher Art benutzt haben, deren Bedeu-
tung in einem Kontext fränkischer Selbstidentifikation nicht verstand und daher nicht so
benutzte.
Lebenshaltung und Christentum, vgl. zu Scheibelreiter aber auch die Rezension von M. Becher, in:
HZ 272 (2001), S. 168-170.
31
32
Gregor, ed. Krusch/Levison, I, Vorrede, S. 5, nennt Gregor namentlich Eusebius und Hieronymus.
33
Gregor, ed. Krusch/Levison, I, 1-15, S. 5-15.
Gregor, ed. Krusch/Levison, I, 17, 18, S. 16f. Gregor scheint dies der Vollständigkeit halber
einzufügen: Ergo ne videamur unius tantum Hebreae gentes habere notitiam, reliqua regna, quae
vel quali Israhelitarum fuerint tempore, memoramus.
34
Gregor, ed. Krusch/Levison, I, 28, S. 21: Sed et in Galleis multi pro Christi nomine sunt per
martyrium gemmis caelestibus coronati...; Gregor, ed. Krusch/Levison, I, 29, S. 21: Ex quibus et
Me primus Lugdunensis ecclesiae Photinus episcopusfuit...
35
Gregor, ed. Krusch/Levison, I, 36, S. 26.
36
Gregor, ed. Krusch/Levison, I, 39, S. 27. Gregor benutzt nahezu immer den Plural Galliae. Dies
geht wohl aus der Bezeichnung der römischen Provinzen hervor und ist ein deutliches Zeichen für
die römische Prägung von Gregors Denken.
37
Gregor, ed. Krusch/Levison, I, 39, S. 27. Zur Funktion Martins vgl. auch Breukelaar,
Historiography and Episcopal Authority, S. 223. Anhand der von Gregor geschriebenen Vita
Martins kann Corbett, Saint as Patron, deutlich machen, daß Martin von Gregor zu einem
Gregor von Tours: Eine Geschichte der Franken? 123
für die Galliae, sondern besonders der Heilige für die Stadt Tours. Dies macht Gregor
deutlich, indem er erzählt, wie die Einwohner von Tours mit der Hilfe göttlichen Ein-
greifens in den Besitz des wundertätigen Leichnams des Heiligen kommen.38
Bei dem Bericht über Martins Leben fällt auf, daß Gregor es im ersten Buch nicht zu-
sammenhängend erzählt und, obwohl er die Bedeutung des Heiligen herausstreicht,
überhaupt nicht sonderlich ausführlich auf ihn eingeht. Ein möglicher Grund könnte
sein, daß Gregor bereits ein Buch über Martin geschrieben hatte und er eine Wiederho-
lung in allen Einzelheiten für überflüssig hielt. Für sein Konzept innerhalb der Libri hi-
storiarum decem waren nur vier Dinge über Martin wirklich wissenswert, seine edle
Abkunft, seine Identifizierung als lumen nostrum, seine Bekämpfung des Heidentums
und des Irrglaubens und die Tatsache, daß sein Begräbnis in Tours auf göttlichen Willen
zurückgeht. Dies erklärt sich durch die bereits angesprochenen drei Zentren der Selbsti-
dentifikation, die bei Gregor zu beobachten sind: der gallo-römische Senatorenstand,
die christliche Glaubensgemeinschaft und die städtische Gemeinschaft von Tours.
Der Einfluß Martins auf die Gemeinde von Tours und auf die Bischofsbesetzung geht
noch nach seinem Tode weiter, so daß durch den Heiligen in der Bischofsreihe von
Tours Legitimität und Kontinuität gestiftet werden. Martin prophezeit die Nachfolge
des Brictius, obwohl es sich zunächst um einen unwürdigen Nachfolger handelt, da er
dem heiligen Martin zu Lebzeiten nicht genug Achtung entgegenbringt. Brictius wird
fälschlich angeklagt und zeitweilig aus der Stadt vertrieben und taucht erst wieder ge-
läutert in Tours auf, als er Buße für seinen Unglauben dem Heiligen gegenüber geleistet
hat.39 Mit Martin und dem Christentum ist der Zusammenhalt der Galliae schon gege-
ben, als die Franken in Gregors Werk die historische Bühne betreten.
Bevor die Galliae dann unter die Herrschaft der Franken geraten, entwirft Gregor mit
Hilfe einer pejorativen Beschreibung der Vandalen und anderer germanischer Völker
ein negatives Bild, vor dessen Hintergrund sich die Franken zumindest später als ka-
tholische Christen positiv abheben können.40 Er berichtet am Beispiel einer puella
-
ria florens et, quod his omnibus est nobilius, fide catholica pollens, wie der vandalische
König Trasamund die katholischen Christen verfolgt.41 Es ist bezeichnend, daß die ver-
folgte Frau dem Senatorenstand angehört und damit über ihren Glauben hinaus Mitglied
einer weiteren Gruppe ist, der Gregor sich selbst zugehörig fühlte. Die Taten der Van-
patronus stilisiert wird, der spätantike Züge trägt. Zur Funktion Martins vgl. auch Corbett, Cult of
the Saints.
38
39
Gregor, ed. Krusch/Levison, I, 48, S. 32ff.
40
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 1, S. 37f.
Moorhead, Gregory of Tours on the Arian Kingdoms, bes. S. 914, hat nachgewiesen, daß Gregor
bei der Schilderung der arianischen Germanen ausgesprochen parteiisch und unzuverlässig ist und
seine Quellen oft verfälscht. Speziell für die Goten und ihre Darstellung ist Saitta, Visigoti di
Gregorio di Tours, heranzuziehen. Keely, Arian and Jews, hat ebenfalls einige Stellen in Gregor
zu den Arianern zusammengetragen, die auch dann nützlich sind, wenn man sich ihren
41
Folgerungen nicht anschließt, s.o. S. 121 Anm.
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 2, S. 39.
124 Die Herkunftserzählungen der Franken
dalen gegen die Christen werden noch mit weiteren Erzählungen verdeutlicht.42 Eine
von diesen anti-vandalischen Erzählungen ist die Heilung eines Blinden durch Bischof
Eugenius, die erfolgt, nachdem der Mann erst durch die Schuld des arianischen Bi-
schofs Cirola sein Augenlicht verliert.43 Die Heilung eines Blinden steht auf einer meta-
phorischen Ebene für die Heilung vom Unglauben.44 Sie ist ein beliebtes Motiv und
wird von Gregor in einen vandalischen Kontext eingebettet. Die gute Tat des Bischofs
Eugenius, die zugleich seinen Glauben als den wahren legitimiert, steht im Kontrast zu
der Untat des Arianers. Durch diese Gegenüberstellung wird die Legitimität des katho-
lischen Glaubens deutlich hervorgehoben. Neben den Vandalen werden die arianischen
Goten als Verfolger der Katholiken dargestellt45 und stehen damit auf derselben Stufe.
Die heidnischen Hunnen, eine weitere gens, die durch ihren Einfall in Kontakt mit
den Galliae kommt, stellen nach Gregors Ansicht ein göttliches Strafgericht dar.46 Nur
der Fürbitte des Anian, Bischof von Orléans, war in seinen Augen der Sieg des Aetius,
der Franken und der Goten zu verdanken, also nicht etwa der persönlichen Tüchtigkeit
des Aetius oder anderen menschlichen Faktoren.47 Die Franken tauchen im Zusammen-
hang der Hunnenabwehr zum ersten Mal auf, ihre Existenz als solche wird aber wie die
der Vandalen, Alemannen oder Goten, die Gregor schon erwähnt hatte, nicht erklärt.
Den Namen des an der Schlacht beteiligten Frankenkönigs hat Gregor ebenso wenig
überliefert. Gregor fand von ihm nur die Tatsache berichtenswert, daß er sich von Aeti-
us um die Beute bringen ließ.48 An dieser Nachlässigkeit wird deutlich, daß es Gregor
nicht auf eine Darstellung der Geschichte der fränkischen gens ankam. Das mangelnde
Interesse Gregors an der Herkunft der Franken in dieser Episode ist ein deutlicher Hin-
weis darauf, daß sie für ihn erst in dem Moment wichtig werden, als sie die Herrschaft
in Gallien übernehmen. Immerhin ist in dieser Episode aber doch eine Betonung der
fränkischen Rolle bei der Hunnenabwehr zu bemerken, die Gregor von anderen Autoren
unterscheidet.49
42
43
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 3, S. 40-45.
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 3, S. 42ff. Bei dieser Episode kann man Gregor die Verfälschung
seiner Quelle nachweisen, vgl. Moorhead, Gregory of Tours on the Arian Kingdoms, S. 904f. Zu
dieser Episode vgl. auch Keely, Arian and Jews, S. 107f.
44
Dies wird z.B. auch bei Beda, HE, II, 2, S. 136, bei der Heilung eines Blinden durch Augustinus
deutlich, vgl. oben S. 77.
45
46
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 4, S. 45.
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 5, S. 45f.: Sed sentiens per spiritum, pro dilictis popuii sibi hoc
(die Schonung vor den Hunnen) non fuisse concessum...; Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 6, S. 47:
Pro urbe (d.i. Metz) vero non obtinebimus, quia dominicae sanctionis super earn sententiam iam
processif. Invaluit enimpeccatumpopuii...
47
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 7, S. 50: Nam nullus ambigat, Chunorum exercitum obtenttu
memorati antestites fuissefugatum.
48
Gregor II, 7, ed. Krusch/Levison, S. 50: Simili et Francorum regem dolo fugavit. Gregors Quelle
für diese Information ist nicht bekannt.
49
Vgl. Banniard, L'aménagement de l'histoire; Goffart, Narrators, S. 2f 6, und Moorhead, Gregory
of Tours on the Arian Kingdoms, bes. S. 907.
Gregor von Tours: Eine Geschichte der Franken? 125
Die nicht-römischen gentes werden von Gregor so negativ geschildert, daß sich die
Franken, die Frankenkönige und die Mitglieder des Frankenreiches insgesamt positiv
von ihnen abheben können. Dieses Stilmittel der Kontrastierung wird von Gregor häufig
verwendet.
Gregor schließlich ausführlich auf die Franken zu sprechen kommt, macht er sich
Als
im Gegensatz zu seiner Behandlung der anderen germanischen gentes die Mühe, die
Aussagen der von ihm benutzten Geschichtsschreiber, Sulpicius Alexander und Renatas
Profutaras Frigiredus,50 über die Franken zu sammeln. Da diese Schreiber verloren sind,
lassen sich leider keine Aussagen darüber treffen, ob Gregor vielleicht andere Informa-
tionen nicht überliefert hat.
Eine wichtige Aussage stellt Gregor an den Anfang der Erzählung von den Franken:
De Francorum vero regibus, quis fuerit primus, a multis Ignoratur. Nam cum multa de
eis Sulpici Alexandri narret historia, non tarnen regem primum eorum ullatinus nomi-
nat, sed duces eos habuisse dicit.51 In Anbetracht der Tatsache, daß Gregors Infor-
manten die Franken von außen betrachteten, ist nicht verwunderlich, daß die identitäts-
stiftende Gründergestalt eines Helden in deren Erzählungen fehlt. Gregor zeigt sich über
die ungenaue Terminologie des Sulpicius erstaunt, der von duces, von regales, von sub-
reguli und schließlich von reges der Franken spricht.52 Gregor fällt auch auf, daß der
Geschichtsschreiber Renatas Profutaras Frigiredus zwar von Königen anderer gentes
aber nicht von Frankenkönigen spricht.53
Gregor zieht also das Resümee: Hanc nobis notitiam de Francis memorad historici
reliquere, regibus non nominatis?4 Immerhin scheint Gregor die Existenz eines frän-
kischen Königs so selbstverständlich zu sein, daß die Nichtnennung von Königen seine
Verwunderung hervorruft. Dann gibt er eine offensichtlich mündliche Tradition wieder,
die wohl als fränkisch anzusehen ist, nach der die Franken aus Pannonien kamen, am
50
Zu ihrer Benutzung durch Gregor vgl. Gregor, Zehn Bücher Geschichten, ed. Buchner, Einleitung,
S. XXVIII.
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 9, S. 52. Über diese Stelle zuletzt Anton, Troja-Herkunft, S. 3-12,
51
der etwas weitgehende Rückschlüsse auf die fränkische Verfaßtheit als Vielkönigtum zieht.
52
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 9, S. 52: duces eos habuisse dicit.Genobaude, Marcomere et
Sunnone ducibus. Gregor kommentiert (S. 54) Cum autem eos regales vocet, nescimus, utrum
reges fuerint, an in vices tenuerunt regnum. Zu Sulpicius (S. 54): Marcomero et Sunnone
Francorum regalibus... Weiterhin Sulpicius (S. 55): Arbogastis Sunnonem et Marcomere
subregulos Francorum gentilibus odiis insectans...Weiterhin Gregor (S. 55) herum hic, relictis
tarn ducibus quam regalibus, aperte Francos regem habere désignât... ait (Sulpicius) Eugenius
tyrannus ...cum Alamannorum et Francorum regibus vetustis foederibus ex more initis...
53
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 9, S. 56: Movet nos haec causa, quod cum alionan gentium regis
nominal,eur non nominet et Francorum.
54
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 9, S. 57. Zu dieser Stelle über den primus rex auch Reimitz,
Konkurrenz der Ursprünge, vor allem S. 264-270.
126 Die Herkunftserzählungen der Franken
Rhein55 und später transacto Rheno in Thoringia siedelten, wo sie iuxta pagos vel civi-
tates regis crinitos super se creavisse de prima et, ut ita dicam, nobiliore suorum fami-
lia.56 Nach dieser Tradition waren die Merowinger die vornehmste Familie der Franken,
und eskann vermutet werden, daß sich hinter dieser Erzählung merowingische Famili-
enpropaganda verbirgt. Interessanterweise schenkt Gregor dieser mündlichen Tradition
Glauben, denn daß die Merowinger die vornehmste Familie waren, sieht er durch die
Siege Chlodwigs bestätigt: Quod postea probatum Chlodovechi victuriae tradedi-
runt..?1 Die Erhebung der Merowinger zu fränkischen Königen58 erhält in Gregors Au-
gen ihre Rechtfertigung im nachhinein durch Chlodwigs Siege. In ihrer Erhebung ist ein
auf einen zukünftigen Höhepunkt gerichtetes Moment zu erkennen. Ein weiteres Motiv
Gregors bei seiner Deutung der merowingischen Frühgeschichte könnte nach Breu-
kelaar die implizite Zurückweisung der von Gregor als heidnisch empfundenen Meere-
sungeheuer-Tradition gewesen sein, wie sie sich später in Fredegar findet.59
Gregor nennt noch einen nicht-merowingischen König, den er einer anderen Quelle,
den Konsullisten, entnommen hat, einen Theodomer, über den er keine weiteren Nach-
richten erhalten hat oder über den er keine weiteren Nachforschungen angestellt hat.60
Bei der Nennung des Chlogio, der als erster fränkischer König auch Land erobert und
nicht nur in barbarischer Weise überfallt,61 also im Land bleibt und nicht nach einem
Gregor ebd. Waoner, Zur Herkunft der Franken aus Pannonien, vermutet, daß eine Verwechslung
zwischen Hugen, einem alten Namen für die Franken, und Hunnen, deren Herkunft aus Pannonien
bekannt war, vorliegt sei sie durch Gregor selbst oder seine Quellen verursacht. Eine
Verbindung zur Trojalegende sieht er nicht. Barlow, Gregory of Tours and the Myth of the Trojan
-
Origin, verdächtigt Gregor hier mit der Herkunft aus Pannonien und der Ansiedelung am
Niederrhein eine ihm bekannte Trojalegende zu verschleiern. Wood, Defining the Franks, S. 53,
hingegen stellt die Überlegung an, daß Gregor die Trojalegende, falls er sie gekannt haben sollte,
nicht wichtig war, da für ihn die Franken ihren Anfang in den Merowingern nahmen. Ewig,
Trojamythos, S. 9-12 und 25, und ders., Troja und die Franken, S. 5, geht ebenfalls davon aus, daß
Gregor die Trojalegende in der Form, wie sie bei Fredegar überliefert ist, bekannt war. Skeptisch
dagegen Giardina, Le origini troiane, S. 206f, der Fredegar als den Erfinder der fränkischen
Trojalegende sieht, und Anton, Troja-Herkunft, S. 12f, der andererseits, ebd. S. 29, nicht
ausschließen will, daß Gregor einige „Elemente des mit Priamus, Antenor, Faramundus zu
umschreibenden Komplexes (d.i. die Troja-Herkunft nach der Version des Liber Historiae
Francorum) bekannt waren".
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 9, S. 57.
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 9, S. 57.
Zum merowingischen Königtum vgl. Kaiser, Römisches Erbe und Merowingerreich, S. 83-87.
Sollte Gregor hier eine Wahl der Könige gemeint haben, könnte ihm als Vorbild die Bischofswahl
vorgeschwebt haben.
Vgl. Breukelaar, Christliche Herrscherlegitimation, vor allem S. 331-335. Auch Anton, Troja-
Herkunft, S. 27, glaubt, daß Gregor einen Merowingermythos aus einer Liedtradierung gekannt
hat. Dagegen glaubt Reydellet, Royauté, S. 353, nicht, daß Gregor diese Tradition gekannt habe.
Diese Überzeugungen hängen ganz an der unterschiedlichen Interpretation der von Gregor
übermittelten Frühgeschichte.
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 9, S. 57.
Aus Sulpicius Alexander übernimmt Gregor beispielsweise noch die Erzählung von einem
Gregor von Tours: Eine Geschichte der Franken? 127
Beutezug wieder verschwindet, beruft er sich wieder auf die mündliche Tradition, nach
der dieser König utilem ac nobilissimum in gente sua regem fuisse Francorum gewesen
sei und de huius stirpe quidam Merovechum regem fuisse adserunt, cuius fuit filius
Childericus.62 Bei Gregor lassen sich lediglich Elemente einer fränkischen Origo finden,
die von ihm aber gerade nicht in einen sinnvollen, identitätsstiftenden Zusammenhang
gebracht werden: Die Landnahme in Gallien bzw. Thoringia erfolgt nach einer Wande-
rung und nachdem der Rhein, die römische Reichsgrenze, überschritten wurde. Dane-
ben ist ein Gegensatz zu den Nachbarvölkern, u.a. den arianischen Goten, von vornhe-
rein vorhanden. Auch die Übernahme der römischen pagus vel civitates als Herrschafts-
gebiete der merowingischen Könige mag in fränkischer mündlicher Tradition ein wich-
tiger Aspekt gewesen sein.63
Es stellt sich die Frage, weshalb Gregor die mündliche Tradition der Franken die
am ehesten auf merowingische Familienpropaganda zurückgeht zwar erwähnte, sie
-
aber im Grande nicht für eine Identitätsstiftung oder für die Legitimation ausbaute. Mit
-
seiner Erzählung vom Ursprung der Merowinger befriedigt Gregor lediglich eine ge-
wisse Neugier des Lesers, ohne die Gelegenheit zu nutzen, Traditionslinien zu erstellen.
Hemmungen gegenüber den benutzten Quellen, die keine Könige nennen, können ihn
eigentlich nicht davon abgehalten haben, da Gregor es sonst durchaus versteht, andere
Quellen seinen Vorstellungen gemäß zu übernehmen.64 Ein möglicher Grund könnte
sein, daß Gregor durch die Terminologie seiner Quellen verwirrt wurde, die von duces,
regales, subreguli und reges sprachen, ohne damit genau bestimmte Ämter zu meinen.65
Ein weiterer Grund ist darin zu sehen, daß Gregor, der sich nicht mit der fränkischen
gens identifizierte, ein solcher Anker in der Vergangenheit nicht wichtig war. Die Me-
rowinger haben nicht deshalb eine erhöhte Legitimität, weil sie aus der vornehmsten Fa-
milie der Franken stammen, sondern die Merowinger müssen die vornehmste Familie
sein, weil der Sieger Chlodwig ihr entstammt. Der Beweis läuft für Gregor rückschlie-
ßend von Chlodwig aus. Damit hat er den eigentlichen Mechanismus bei der Entstehung
von legitimitätsstiftenden Ursprungserzählungen von Familien vielleicht unbewußt
in Worte gefaßt, denn solche Geschichten dienen natürlich zur Rechtfertigung von Herr-
-
-
schaft. Nicht eine sagenhafte Gründergestalt ist ihm wichtig, sondern der erste katho-
lische Frankenkönig Chlodwig, dessen Herrschaftsantritt zu diesem Zeitpunkt noch in
der Zukunft liegt. Chlodwig verkörpert die Erfüllung der Zukunftshoffhung, seine Er-
folge und sein Übertritt zum Christentum legitimieren die Erhebung der Merowinger im
nachhinein. So tritt hier das allein bedeutsame heilsgeschichtliche Moment zutage, das
die heidnischen Wurzeln unwichtig werden läßt.
fränkischen Beutezug in die Provinz Germanien und einem gescheiterten römischen Gegenschlag
rechts des Rheines. Hier entsprechen die Franken noch völlig dem Bild der wilden Barbaren, die
die römische Zivilisation verwüsten. Vgl. Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 9, S. 55. Zum
Verhältnis von Gregor zu den von ihm benutzten spätantiken Schriftstellern vgl. allg. Oldoni,
62
Gregorio di Tours.
63
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 9, S. 58.
64
Vgl. Becher, Eid und Herrschaft, S. 110.
65
Vgl. etwa den Umgang mit Quellen, die arianische Herrschaften betreffen, oben S. 123 Anm.
Ewig, Trojamythos, S. lOf.
128 Die Herkunftserzählungen der Franken
Nachdem Gregor die Franken auf den Boden Galliens geführt hat, beklagt er ihr Hei-
dentum: Sed haec generado fanaticis semper cultibus visa est obsequium praebuisse,
nee prursus agnovere Deum, sibique silvarum atque aquarum, avium bestiarumque et
aliorum quoque elementorum finxere formas, ipsasque ut Deum colère eisque sacrifiti-
um dellbare consueti.66 Gregor macht mit umfangreichen Bibelzitaten klar, daß das
Festhalten am Heidentum ins Unglück führt. Aber die Generation Childerichs I. ver-
nimmt die biblischen Worte nicht: Haec autem generatio Francorum non intellextt pri-
mum; intellexerunt autem postea, sicut sequens historia narrât.61 Dieser Hinweis spielt
ähnlich wie der bei der Einführung der Merowingerfamilie auf Chlodwig an. So wie die
Merowinger als königliche Familie dadurch gerechtfertigt werden, daß Chlodwig ihr
angehört, so werden die Franken gerechtfertigt, weil sie Christen werden. Weil sie
Christen werden, treten die unheilschwangeren Prophezeiungen des Alten Testaments,
die Gregor an dieser Stelle zitiert, eben nicht ein. Es ist deutlich, daß Gott anderes mit
den Franken vorhat. Die negativen Prophezeiungen für Ungläubige haben stilistisch
wieder die Funktion eines Kontrastes, ähnlich wie in der Erzählung, in der der aria-
nische Bischof Cirola und Eugenius sich gegenüberstehen. Chlodwigs Siege und der
Aufstieg des Frankenreiches heben sich von dem Untergang der Franken ab, der bei
einem Verharren im Heidentum möglich gewesen wäre und der die arianischen Völker
durch die Hand Chlodwigs heilsgeschichtlich folgerichtig ereilte.
Kurz darauf kommt Gregor auf König Childerich I. zu sprechen, den Vater Chlod-
wigs I.68 Diese Erzählung ist schon oft als sagenhaft abgetan worden, und sicher ist ihr
historischer Gehalt nur gering. Sie kann für uns dennoch interessant sein, da sie am
ehesten auf fränkische mündliche Traditionen zurückgeht und wir in ihr vielleicht frän-
kische Origo-Elemente entdecken können, die Gregor übernommen hat, ohne sich ihrer
Bedeutung im Zusammenhang einer fränkischen Origo bewußt zu sein.
König Childerich erweist sich als unwürdiger Herrscher der Franken, weil er coepit
filias eorum stuprose detrahere, sich also wohl der Vergewaltigung schuldig gemacht
hat, und wird von den Franken vertrieben. Er nimmt Zuflucht beim König von Thorin-
gia Bisin und dessen Frau Basina. Bei den Franken bleibt ein Vertrauter zurück, der
heimlich gegen den von den Franken gewählten Römer Aegidius intrigiert. Als Aegidi-
us acht Jahre regiert hat, schickt der Vertraute Childerichs ihm die eine Hälfte eines
Goldstückes, wie er und Childerich es als Zeichen vereinbart hatten. Childerich kehrt
zurück. Die Königin Basina verläßt ihren Mann und folgt Childerich, weil sie seine uti-
litas erkennt.69 Childerich heiratet sie und bekommt mit ihr den Sohn Chlodwig.
Die Funktion dieser Geschichte in Gregors Libri historiarum decem ist sicherlich
zum einen aufzuzeigen, wie ein ungerechter Herrscher bestraft wird. Zum anderen
macht sie die ungewöhnliche Herkunft Chlodwigs deutlich.70 Chlodwig ragt interessan-
terweise gerade nicht durch einen beispielhaften Vater heraus. Die Herrschaft Childe-
richs ist also, obwohl er ein valde strinuus ist, alles andere als selbstverständlich, und er
wird zeitweise von einem Römer verdrängt, dessen Legitimität auf das Imperium zu-
rückgeht, da er magister militum a re publica missus ist.71 Basina erkennt allerdings das
Potential des Merowingers. Fast scheint es, als würde sie Childerich erwählen, um von
ihm den Sohn Chlodwig zu empfangen. Das Kapitel schließt dementsprechend mit der
Beschreibung Chlodwigs: Hic fuit magnus etpugnatur egregius?2
Andererseits weist die Geschichte darüber hinaus einige Elemente einer Origo-Erzäh-
lung auf, die von Gregor eher unabsichtlich aus der fränkischen Überlieferung über-
nommen worden sein könnten. Die ursprüngliche Struktur der Erzählung könnte fol-
gende Elemente enthalten haben: Das Verbrechen des Helden, die darauf folgende Ver-
treibung, die anschließende Sicherung der Herrschaft im Exil, die Eheschließung mit ei-
ner „Einheimischen", die Sicherang der Kontinuität der Dynastie, die durch eine außer-
gewöhnliche (nämlich ehebrecherische) Verbindung erreicht wird. Der einzige Aspekt,
der nicht in dieses übliche Muster paßt, ist die Tatsache, daß Childerich keine Herr-
schaft in seinem Exil aufbaut, in Thoringia, die er dann durch eine Heirat mit der dor-
tigen Königin sichern würde. Im Gegenteil, er kehrt in sein eigenes Reich zurück, wo er
wieder in die Herrschaft eingesetzt wird. Dadurch entfallt natürlich der ursprünglich
vielleicht vorhandene legitimierende Aspekt der Heirat mit Basina. Für eine solche zu-
mindest herausragende Bedeutung der Basina in der Familientradition sprechen die Tat-
sachen, daß ihr Name als einer der wenigen Frauennamen bei einer Nachbenennung
verwendet wurde und daß ihr bei Fredegar die Fähigkeit zur Interpretation prophe-
tischer Träume über die Zukunft der Merowinger zugeschrieben wird.73 Es ist nicht
leicht zu beurteilen, ob Gregor hier tatsächlich eine fränkische Legende verwendet hat.
Es ist immerhin möglich, daß die Geschichte ursprünglich von der Herrschaftsnahme in
einem Land berichtete, in das Childerich als Verbannter kam. Dort hätte er den alten
König abgesetzt und sich durch eine Heirat mit dessen Frau legitimiert. Da Gregor aber
aus den von ihm benutzten Schriftstellern schon von fränkischen Königen in Gallien
wußte, könnte er die Geschichte verwandelt haben und mit einem Märchenmotiv, dem
treuen Freund und dem halbierten Goldstück, verbunden haben.74 Dies könnte erklären,
betonen. Aber auch Heinzelmann, Heresy, S. 69, kann darin nicht zugestimmt werden, daß Gregor
die Geburt Chlodwigs mit Lukas 1, 31 parallelisiert. Dazu scheint mir die Situation der
ehebrecherischen Eltern Chlodwigs doch zu unterschiedlich von der der Eltern Jesu. Joye, Basine,
spricht der Erzählung legitimitätsstiftende Funktion im Hinblick auf die spätere Eroberung des
Thüringerreiches zu.
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 12, S. 62.
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 12, S. 62. Reydellet, Royauté, S. 403ff, interpretiert diese
Geschichte als Betonung der heilsgeschichtlichen Rolle Chlodwigs.
Die Tocher Chilperichs I. und der Audovera im Nonnenkloster von Poitiers hieß Basina. Vgl. auch
Ewig, Namengebung, S. 37ff, über die Benennung der merowingischen Frauen. Zum
prophetischen Traum vgl. Fredegar, ed. Krusch, III, 12, S. 97f.
Halbierte Gegenstände können im Märchen als Erkennungszeichen bei räumlicher und zeitlicher
Trennung dienen, vgl. R. Wehse, Erkennungszeichen, in: EM 4, Sp. 180-194, v.a. § 2.
Wiedererkennen nach Trennung, und § 12. Verständigung durch Zeichen bei räumlicher
130 Die Herkunftserzählungen der Franken
weshalb Gregor die Franken Aegidius zum König wählen läßt, eine Wahl, die Histori-
kern schon häufig Kopfzerbrechen bereitet hat und unterschiedlich erklärt wurde.75 Die
Umstellung der Geschichte auf ein Exil Childerichs mit anschließender Rückkehr aus
der Verbannung verlangte einen Herrscher in Gallien, den Childerich absetzen konnte.
Da Gregor Aegidius aus anderen Quellen als magister militum in Gallien kannte, bot er
sich dafür an.76
Einen weiteren Hinweis auf eine ältere fränkische Tradition von einer Herrschafts-
übernahme des Childerich in Thoringia könnte die Bemerkung Gregors in II, 9 sein, daß
die Franken über den Rhein gezogen seien und in Thoringia regis crinitos super se
creavisse?1 Gregor könnte also versucht haben, die spätantiken Nachrichten über die
Franken und ihre Anführer Marcomer, Sunno, Theudemer und Chlogio mit den münd-
lichen Traditionen der Franken über die Merowinger zu verbinden. Die Childerich-Ge-
schichte könnte eine Remineszenz an eine Sage enthalten, die eine Herrschaftsaneig-
nung der Merowinger in Thoringia berichtete, die nicht friedlich verlaufen sein muß.
Diese Argumentation gilt nur dann, wenn die in der Childerich-Erzählung erwähnte
Thoringia mit der linksrheinischen Thoringia, in die die Franken nach dem Verlassen
Pannoniens siedelten und wo sie reges crinitos erwählten, identisch ist. In der Childe-
rich-Erzählung spricht nichts gegen eine solche Identität, die Gregor selbst nicht bewußt
gewesen sein muß. Gregor scheint die Thoringia in der Childerich-Erzählung eher mit
der rAonngfa/Thüringen gleichzusetzen, das später von Chlodwig und seinen Nachfol-
gern bekämpft wurde.78 Aus diesem Grund könnte er in Parallelität zu dem Namen der
Königin Basina den ihm vielleicht aus anderen Quellen bekannten Thüringerkönig Bisin
als ihren Ehemann eingeführt haben. Der tatsächlich bezeugte thüringische König Bisin
kann hingegen keinesfalls ein Zeitgenosse Childerichs gewesen sein, und eine Basina
als seine Frau ist nicht belegt.79 Daher muß in der ursprünglichen fränkischen Tradition
Thoringia nicht unbedingt identisch mit Thüringen sein. Angesichts der Tatsache, daß
Getrenntheit, Sp. 181f. und 191f. Der Motif-Index of Folk-Literature, hg. von Thompson, Bd. 3,
kennt das Motiv (H 82) „Identifying tokens sent with messenger".
75
Zur Wahl des Aegidius durch die Franken vgl. Schneider, Königswahl und Königserhebung, S. 68,
und Jarnut, Gregor von Tours, II, 12, S. 134, der hervorhebt, daß sich in anderen germanischen
Reichen Parallelen für die Einsetzung/Wahl eines Römers in Krisensituationen finden lassen.
76
Frye, Aegidius, Childeric, Odovacer and Paul, hat eine andere Erklärung für diese Childerich-
Geschichte. Childerich sei von seinem Rivalen Aegidius vertrieben worden und habe mit Hilfe des
Halbthüringers Odoaker den Römer besiegt und seine Herrschaft nördlich der Loire gefestigt.
Daher komme Childerich bei der Gründung des Merowingerreiches eine größere Bedeutung zu als
bisher angenommen.
77
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 9, S. 57. S. o. S. 125.
78
E. Ewig, Chlodwig, in: LexMA 2, Sp. 1863, sieht in den von Chlodwig besiegten Thoringi die
Bewohner eines niederrheinischen Kleinreiches, das nichts mit Thüringen zu tun habe.
79
Vgl. R. Wenskus, Bisinus, in: RGA 3, Sp. 45f; Zöllner, Geschichte der Franken, S. 40.
Gregor von Tours: Eine Geschichte der Franken? 131
die Lokalisierung dieser Thoringia umstritten ist und bleibt,80 ist die Identität der linksr-
heinischen Thoringia mit der Thoringia Bisins natürlich Spekulation.
Die Childerich-Erzählung von der Verbannung und der anschließenden erneuten
Herrschaftsübernahme ist die einzige Erzählung in Gregors Libri historiarum decem, in
der sich möglicherweise fränkische Origo-Elemente fassen lassen. Bezeichnenderweise
werden sie von Gregor nicht weiter genutzt.
Daß Gregor den spätantik überlieferten Chlogio zu den Merowingern in Bezug
setzte,81 muß nicht ursprünglicher fränkischer Tradition entsprochen haben, sondern
könnte ein Versuch Gregors oder anderer sein, eine Traditionslinie der Merowinger her-
zustellen, die anders belegte Frankenkönige integrierte und über Childerich hinausging.
Die weiteren Nachrichten Gregors über Childerich und die Franken handeln von
Kämpfen,82 deren Gegner und Konstellationen nicht genau ermittelt werden können.
Deshalb hat man schon lange vermutet, daß Gregors Quelle hier kurze annalistische
Aufzeichnungen sind, die schon er selbst nicht mehr rekonstruieren konnte.83
In Kapitel II, 23, interessanterweise noch unter der Herrschaft Childerichs, erwähnt
Gregor einen wichtigen Aspekt der Legitimierung von fränkischer Herrschaft in Galli-
en: Interea cum iam terror Francorum resonare in his partibus et omnes eos amore de-
siderabili cupirent regnare..?4 Die zukünftigen Eroberungen des Chlodwig werden
nicht nur durch das Recht des Eroberers legitimiert, sondern auch durch den Wunsch
„aller". Dies ist ein Moment, das sonst bei der Legitimierung von Bischofsherrschaft
eine Rolle spielt und daher Gregor besonders vertraut war.85
Vgl. Krusch, Unzuverlässigkeit Gregors von Tours, S. 486f, identifiziert Thoringia mit Tongern;
Zöllner, Geschichte der Franken, S. 27, vermutet ein linksrheinisches thüringisches kleines Reich;
Bachrach, Procopius and the Chronology, S. 24, weist darauf hin, daß Prokop (Gotenkriege, ed.
Haury, I, 12, S. 63-70, hier S. 64, US ed. Dewing, S. 118-121) von Thüringern in Gallien berichtet,
die Augustus angesiedelt habe. Daher scheint die Interpretation von Gerberding, Rise of the
Carolingians, S. 38f, der annimmt, daß Gregor die Rheinseiten verwechselt habe, nicht
überzeugend.
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 9, S. 58.
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 18 und 19, S. 65.
Vgl zuletzt zu dieser Stelle Frye, Aegidius, Childeric, Odovacer and Paul, vor allem S. 13f.
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 23, S. 69. Reydellet, Royauté, S. 366f., hat darauf aufmerksam
gemacht, daß in diesem Zusammenhang und auch sonst selten bei Gregor eben nicht von
regnum die Rede ist.
- -
Zur Bischofswahl durch Klerus und Volk vgl. Weidemann, Kulturgeschichte der Merowingerzeit,
S. 115-118.
132 Die Herkunftserzählungen der Franken
4. Das Bild der Könige bei Gregor von Tours
a. Chlodwig
Schließlich kommt Gregor auf Chlodwig und seine „Heldentaten" zu sprechen. Das
Chlodwigbild Gregors war schon Gegenstand zahlreicher Untersuchungen, und es ist zu
recht bemerkt worden, daß es einseitig ist und die Wirklichkeit eher nicht adäquat wie-
dergibt.86 Nach Gregor von Tours war Chlodwig ein schlauer, vielleicht sogar hinterli-
stiger, barbarischer König, der skrupellos alles tat, um seine Herrschaft zu erweitern, die
aber durch seinen rechten Glauben legitimiert wurde. Systematisch eliminierte Chlod-
wig laut Gregor die umliegenden Könige und verleibte deren Reiche seiner Herrschaft
ein. Dabei hielt er sich nach Gregor an einen Zeitabstand von jeweils fünf Jahren.
Dieses Muster ist natürlich schon lange als ein solches erkannt worden.87
Zu dem Zeitpunkt, als Chlodwig noch fanaticis erroribus tnvolutus ist, besiegt er den
Römer Syagrius und nimmt sein Reich in Besitz.88 Dennoch erweist sich Chlodwig
schon damals als Freund der Bischöfe, da er einem Bischof ein aus dessen Kirche ent-
wendetes Gefäß zurückgeben möchte.89 Möglicherweise ist es Gregor wichtig zu beto-
nen, daß Chlodwig zu diesem Zeitpunkt noch ungläubig war, weil damit das Vorgehen
gegen die römischen Mitkatholiken nicht besonders gerechtfertigt werden muß. Denn
wie Wood gezeigt hat, entspricht das von Gregor behauptete Heidentum Chlodwigs
nicht unbedingt der Wahrheit. Es besteht immerhin die Möglichkeit, daß Chlodwig zu-
nächst mit dem arianischen Glauben liebäugelte.90
Als nächstes Volk werden die Thoringi von Chlodwig unterworfen. Erst dann, als
Chlodwig nur noch gegen arianische oder heidnische Feinde anzutreten hat, erzählt Gre-
gor die Geschichte seiner Bekehrung.
Chlodwig wird zunächst durch seine Frau Chrodechilde an den Glauben herange-
führt, die ihn mit den Worten spätantiker Apologeten zu überzeugen sucht.91 Die drama-
Vgl. etwa Daly, Clovis: How Barbaric, how Pagan?, der deutlich macht, daß die zeitgenössischen
Quellen über Chlodwig keinesfalls das Bild des hinterlistigen Barbarenkönigs aus Gregor
bestätigen.
Zuletzt Carozzi, Clovis, der vermutet, daß Gregor sich bei den Jahresabständen an die spätantiken
Decennalien und Vicenalien angelehnt hat und daß er Chlodwigs Geschichte den augustinischen
Stufen des Lebens, ante legem, sub lege, sub gratia, in pace, angepaßt hat.
Laut James, Childéric, besteht die Möglichkeit, daß schon Childerich Syagrius oder einen anderen
Römer besiegte, daß aber Gregor seinen Helden Chlodwig die Lorbeeren dafür einheimsen lassen
wollte. Zur Benennung des Syagrius mit dem Titel rex Romanorum vgl. Fanning, Emperors and
Empires, bes. S. 294f, der nachweist, daß die Benutzung von rex für römische Herrscher durchaus
nicht auf Gregor beschränkt ist.
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 27, S. 72: Rogo vos, o fortissimi proeliatores, ut saltim mihi vas
istud... extra partem concidere non abnuatis. Dies ist die bekannte Anekdote des Gefäßes von
Soissons.
Wood, Gregory of Tours and Clovis.
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 29, S. 74. Vgl. zur Rolle der Chrodechilde bei der Bekehrung auch
Gregor von Tours: Eine Geschichte der Franken? 133
tische Bekehrung erfolgt allerdings erst auf dem Höhepunkt einer Schlacht gegen die
Alemannen, die nach Anrufung Gottes siegreich für Chlodwig endet.92 Bezeichnender-
weise wendet sich Chlodwig dem Christentum zu, als er gegen Heiden kämpft. Das Mo-
tiv der Anrufung Gottes in der Schlacht und der Bekehrung durch die Sieghilfe des
christlichen Gottes ist der Constantinlegende entlehnt, auf die Gregor bei der Taufe
noch einmal zurückgreift.93 Daß die Darstellung Chlodwigs nach dem Vorbild des
christlichen Kaisers gestaltet wird, erhöht zum einen seinen Heldenstatas und seine Be-
deutung als erster fränkischer christlicher König, zum anderen stärkt sie seine Legitimi-
tät, da er als quasi-römischer Herrscher an das römische Gallien anknüpft. Der Ver-
gleich zu Constantin ist zudem deshalb aufschlußreich, weil Constantin, der erste christ-
liche Kaiser, als traditionsstiftend empfunden wurde, die Eigenschaften eines Reichs-
gründers aber eben gerade nicht aufweist. Das römische Kaisertum wird durch ihn wei-
tergeführt. Ähnlich ist Chlodwig in anderen Bereichen außerhalb des Glaubens kein
Neuerer.
Chlodwigs Hinwendung zum Christentum erfolgt in drei Stufen, durch die Mahnre-
den seiner Frau,94 durch den von Gott gewährten Schlachtensieg95 und durch die Bekeh-
rung der Franken,96 die ihm die Aufgabe der alten heidnischen Götter überhaupt erst er-
möglicht. Durch diese dreifache Abstufung wird Chlodwigs Glaubenswechsel in seiner
zentralen Bedeutung hervorgehoben, ein Muster, das sich bei anderen Bekehrungsge-
schichten genauso findet.97 Die Bekehrung Chlodwigs hängt mit zwei in Gallien ansäs-
sigen gentes zusammen, die Gregor selbst noch bekannt waren. Chrodechilde, seine Ge-
mahlin, war eine Burgunderin und gehörte einem Reich an, das später von Chlodwig
noch besiegt und von seinen Söhnen erobert werden sollte und das in Gregors Zeit als
Teilreich unter König Guntchramn eine gewichtige Rolle spielte. Auf diese Art und
Weise wird Chlodwigs Bekehrung von einem Teil der Bevölkerung der Galliae mit ein-
geleitet. Der heilige Remigius von Reims gehörte dem gallo-römischen Senatorenadel
an, so daß Chlodwig mit der Taufe durch Remigius eine Legitimität durch die politisch
bedeutungsvollen Bischöfe erhält. Daß die Bekehrung während der Schlacht gegen die
Alemannen stattfindet,98 sorgt dabei zugleich für eine Abgrenzung nach außen und für
eine Legitimierung durch das Schlachtenglück Chlodwigs. Die Bekehrung Chlodwigs in
drei Stufen, wie Gregor sie berichtet, bezeugt daher nicht ein ausführliches Taktieren
tigung, einen Teil der Galliae zu halten, wohingegen für Chlodwigs Sache die göttliche
Hilfe zu erwarten ist.106 Auf dem Weg zur Schlacht gegen die Westgoten erfahrt Chlod-
wig dreimal Unterstützung, zweimal von heiligen Bischöfen. Zunächst hilft ihm der hei-
lige Martin von Tours, dem Chlodwig vorher seine Verehrung gezeigt hat, indem
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 31, S. 77: De exercito vero eius baptizati sunt amplius tria milia.
Zur Datierung der Taufe Chlodwigs trotz der Einwände von Weiss, Chlodwigs Taufe; Wood,
Gregory of Tours and Clovis; Dierkens, Taufe, sowie Shanzer, Dating the Baptism, immer noch
einschlägig von den Steinen, Chlodwigs Übergang zum Christentum. Neuerdings hat sich auch
Spencer, Dating the Baptism, nach einem instruktiven Überblick über die Forschungsgeschichte
wieder für das traditionelle Datum stark gemacht. Zur Bedeutung der Taufe vgl. etwa Geuenich,
Taufe, S. 433ff. Zu dem berühmten Ausspruch des Remigius: ,Müis depone colla, Sigamber" (S.
77) vgl. Bourgain/Heinzelmann, Courbe-toi, fier Sicambre, die die Deutung von Hoyoux, Collier de
Clovis, der colla als Halsketten interpretiert, ablehnen.
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 32, 33, 34, 35, 36 und 37, S. 78-88.
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 34, S. 81. Gregor übertreibt möglicherweise die Verbreitung des
Arianismus unter den Burgundern, um Chlodwigs Gegner anzuschwärzen, vgl. Wood, Ethnicity of
the Burgundians, S. 59ff.
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 35, S. 84.
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 36, S. 84.
Vgl. Moorhead, Gregory of Tours on the Arian kingdoms, S. 910.
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 37, S. 85.
Deutlich wird so der Kampf gegen die Westgoten in einen heilsgeschichtlichen Kontext gestellt,
vgl. Demyttenaere, Clovis en de Kanaänieten, vor allem S. 22 und 30.
Gregor von Tours: Eine Geschichte der Franken? 135
Chlodwigs Gesandte in seiner Kirche ein Vorzeichen des Sieges erhalten.107 Durch eine
Hirschkuh wird Chlodwig der Weg über eine schwierige Furt offenbar.108 Und zu guter
Letzt weist ein himmlisches Licht der Kirche des heiligen Hilarius von Poitiers, im Le-
ben ein entschiedener Vorkämpfer der katholischen Sache gegen den Arianismus,109 den
Franken den Weg zu ihren Gegnern, scilicet ut... liberius heréticas acies, contra quas
saepe idem sacerdos pro fide conflixerat, debellaret?10 Chlodwigs Kampagne wird hier
also von den Heiligen als gerechtfertigt akzeptiert, die in Gregors Augen zu den wich-
tigsten Identifikationsfiguren Galliens gehören. In diesem Fall sind göttliche Legitimati-
on, Unterstützung durch die Bischöfe und Akzeptanz durch gallo-römische Autoritäten
eng miteinander verwoben. Gregor selbst als Nachfolger des Bischofs von Tours und
seine Amtskollegen sind auf diese Weise gegenüber den merowingischen Königen in
die Pflicht genommen, da sie in einer Traditionslinie mit ihnen stehen.111
Aber auch die merowingischen Könige haben gegenüber den sie legitimierenden
Heiligen und Bischöfen eine Pflicht, wie Gregor deutlich macht. Chlodwig schützt das
Eigentum der Bischöfe und der Heiligen.112 In Gregors Augen vernachlässigen Chlod-
wigs Nachfolger diese Pflicht.113
Während der Schlacht gegen die Westgoten erfüllt sich die Prophezeiung der gött-
lichen Hilfe, und Chlodwig kann schließlich sogar eine Stadt der Goten mit massiver
göttlicher Hilfe einnehmen: Cui tantam Dominus gratiam tribuit, ut in eius contemplati-
one muri sponte corruerent?14 Im Vorwort zu Buch III bringt Gregor Chlodwigs Sieg
und Alarichs Niederlage direkt mit ihrem Glauben in Verbindung: Hanc (die Trinität)
Cholodovechus rex confessus, tpsus heréticos adiuturium eius oppraesset regnumque
suum per totas Gallias dilatavit; Alaricus hanc denegans, a regno et populo atque ab
ipsa, quod magis est, vita multatur aeterna.115 Heinzelmann bringt diese Einstellung
Gregors auf den Punkt: „Die Bedeutung Chlodwigs als thematische Zentralfigur von
Buch II ist nicht die des historischen Frankenkönigs, sondern die des Vollstreckers des
107
108
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 37, S. 86.
109
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 37, S. 86.
110
Vgl. J. Fontaine, Hilarius (3), in: LexMa V, Sp. 9f.
"'
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 37, S. 86.
Daher sind auch die Episoden in seinen historiographischen Werken, in denen Gregor selbst
vorkommt, nicht autobiographisch gedacht, sondern dienen in erster Linie dazu, den Königen
Handlungsanweisungen zu geben und Gregor in eine Traditionslinie der herrschaftsstützenden
Bischöfe zu stellen, vgl. Mitchell, History and Christian Society, S. 200; dies., Saints and Public
Christianity, S. 84; Goffart, Narrators, S. 191-193; Heinzelmann, Histoires, rois et prophètes, und
ders., Zehn Bücher Geschichte, S. 113.
1,2
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 37, S. 85: ...pro reverenda beati Martini dedit edictum, ut nullus
de regione Ma aliud quam herbarum alimenta aquamquepraesumeret... (S. 86) ...Contestatus est
autem omni exercitu, ut nee ibi quidem aut in via aliquem expoliarent aut res cuiusquam
113
direperent.
S.u. den Abschnitt Weitere Beispiele für die Legitimität von Königsherrschaft in den Libri
historiarum decem S. 140-144.
"4
115
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 37, S. 88.
Gregor, ed. Krusch/Levison, III, Vorrede, S. 97.
136 Die Herkunftserzählungen der Franken
göttlichen Willens gegenüber den Feinden der Orthodoxie.""6 Daher ist Chlodwig
selbstverständlich nicht dem Muster eines Gründungsheros einer Origo-Erzählung ange-
paßt.
Chlodwigs Herrschaft wird nach dem Sieg über die Goten noch durch das oströ-
mische Reich legitimiert, indem Chlodwig den Titel eines Konsuls verliehen be-
kommt."7 Gregor ist diese Legitimation hingegen nicht so wichtig wie die durch die Bi-
schöfe, da er ihr nur wenig Platz widmet. Die Legitimation durch das (ost-)römische
Reich ist gegenüber der durch die gallo-römischen Bischöfe und das römisch-katho-
lische Christentum peripher.118
Nachdem Chlodwig die äußeren Feinde besiegt hat, macht er sich nach Gregor daran,
fränkische Rivalen um die Herrschaft teilweise Verwandte skrupellos auszuschal-
ten."9 Seine Aktionen tarnt er teilweise unter dem Mantel gerechter Rache. Dieser As-
- -
pekt des Chlodwigschen Herrschaftsaufbaus wird von Gregor nicht direkt legitimiert,
immerhin aber mit einem passenden Bibelspruch kommentiert: Prosternebat enim coti-
dlae Deus hostes eius sub manu ipsius et augebat regnum eius, eo quod ambularet rec-
to corde coram eo etfacerit quae placita erant in ocults eius.120
Es ist auffällig, daß Gregor eine direkte Legitimierung der Handlungen Chlodwigs
immer dann unterläßt, wenn dieser sich gegen Glaubensgenossen wendet, wie im Fall
des Syagrius. Dort kann Gregor allerdings das Problem ein wenig umgehen, indem er
Chlodwig noch als Heiden darstellt, der aber immerhin gegenüber Kirchenbesitz schon
den nötigen Respekt hat. Bei der Ausschaltung der fränkischen Rivalen und Verwand-
ten des Chlodwig greift Gregor auf eine allgemeine biblische Formulierung zurück, de-
ren Kontext nichts mit der Durchsetzung von Herrschaft im Innern zu tan hat. So kann
er betonen, daß Gott Chlodwig seine Gnade schenkt, ohne direkt auf das Problem des
hinterlistigen Verwandtenmordes einzugehen.121 Möglicherweise sah sich Gregor in die-
116
Reydellet, Royauté, S. 369, der Chlodwig in Gregors Darstellung als „un instrument de la
Providence" sieht, und Heinzelmann, Zehn Bücher Geschichten, S. 119.
117
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 38, S. 88f. Hen, Pro-Merovingian Propaganda, sieht hierin das
Echo einer promerowingischen Propaganda gallo-römischer Bischöfe, die gegen die von ihnen als
intolerant empfundenen Arianer gerichtet war. Zum Konsulat Chlodwigs und zu seinem Einzug in
Tours vgl. McCormick, Clovis at Tours, der zu dem Schluß kommt, daß es sich um ein
Ehrenkonsulat gehandelt habe und daß Chlodwig seinen Einzug dem triumphalen adventus
byzantinischer Generäle nachempfunden habe. Nach H. Castritius, Krönung, in: RGA 17, S. 382,
wurde Chlodwig hier die Würde eines patricius, also die Rangstufe eines gewesenen Konsuls
verliehen.
118
Auch Reydellet, Royauté, S. 437, kommt zu dem Schluß, daß das römische Reich bei Gregor
keine legitimierende Rolle spielt. Dies mag auch damit zusammenhängen, daß Gregor auf
byzantinische Einflußnahme im Frankenreich nicht gut zu sprechen war, wie man am Beispiel der
119
byzantinischen Unterstützung für den Prätendenten Gundowald sieht, s.o. S. 138f.
120
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 40, 41 und 42, S. 89-93.
121
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 40, S. 91, nach 2 Chron 20, 32; 1 Kö 3,6; Jer 18,4.
Simonetti, Qualche osservazioni, S. 42, weist daraufhin, daß die unmoralischen Taten Chlodwigs
kein Hindernis für die göttliche Gnade darstellen; so auch Zotz, Odysseus im Mittelalter, S. 228.
Demyttenaere, Clovis en de Kanaänieten, S. 33, hebt hervor, daß es im Fall der Verwandtenmorde
Gregor von Tours: Eine Geschichte der Franken? 137
sem Fall nicht zu einer Rechtfertigung genötigt, weil zum einen die Legitimation von
Chlodwigs Handlungen im Ergebnis der Alleinherrschaft über die Galliae lag, und zum
anderen weil es zu Gregors Zeit keine Gruppe gab, gegenüber der man die Rechtmäßig-
keit von Chlodwigs Morden verdeutlichen mußte. Gregor mag zusätzlich befürchtet ha-
ben, bei Zustimmung für Chlodwigs Vorgehen gegen seine Verwandten ein schlechtes
Beispiel für die ohnehin zerstrittenen Zweige der Merowingerfamilie zu liefern.
b.Legitimität von Königsherrschaft in Krisensituationen
Daß Chlodwig für seine Eroberungen die Unterstützung der heiligen Bischöfe zur Ver-
fügung hatte, ist ein deutlich traditionsstiftendes Moment. Die Unterstützung der legiti-
men Herrschaft der Merowinger war für Gregor, seinen Stand und seine Amtskollegen
weiterhin von Bedeutung. Die Erfolgsgeschichte der Merowinger wird zunächst unter
den Söhnen Chlodwigs fortgesetzt, von deren Siegen gegen äußere Feinde Gregor be-
richtet.122
Aufschlußreich für Gregors Legitimationsvorstellung sind die Erzählungen von
Usurpatoren. Deren erster ist Munderich, qui se parentum regium adserebat,123 der sich
also für einen Verwandten der Merowinger hält. Munderich faßt den Entschluß, die
Herrschaft zu usurpieren: ...collegam populum meum atque exegam sacramentum ab
eis, ut sciat Theudortcus, quia rex sum ego, sicut et ille. Das Volk, das Munderich folgt,
ist allerdings nur eine rustica multitudo, auch wenn sie dantes sacramentum fidelitatis
et honorantes eum ut regem?24 Wie schon bei den Eroberungen Chlodwigs spielt hier
die Zustimmung durch den populus als legitimitätstiftender Faktor eine Rolle ebenso
wie die Verwandtschaft zum Königshaus. Als Munderich sich auf eine Burg zurück-
zieht, hat er nämlich bei sich nur diejenigen, quos seduxerat?25 Sowohl Verwandtschaft
mit den Merowingern als auch Zustimmung des Volkes sind im Fall Munderich also nur
scheinbar vorhanden, ganz zu schweigen von göttlichem Beistand oder bischöflicher
Unterstützung, so daß es mit ihm ein schlechtes Ende nimmt.126
auf das gute Resultat, die Alleinherrschaft, und nicht auf die gute Intention ankommt; zum
positiven Kontext der Alleinherrschaft vgl. auch Zanella, Legittimazione, S. 66. Mitchell, History
and Christian Society, 74f, glaubt, daß Gregor Chlodwig nicht rechtfertigen mußte, zum einen
weil er katholisch war und seine Siege verdient hatte, und Chlodwig zum anderen durch die
Schilderhebung der Franken Sigiberts deren rechtmäßiger Herrscher geworden sei.
Etwa Gregor, ed. Krusch/Levison, III, 3, S. 99: gegen Seeräuber III, 6, S. 101 f.: gegen Burgund;
III, 7, S. 103-105: gegen Thüringen; III, 11, S. 108f: gegen Burgund; III, 29, S. 125f.: ein Feldzug
in Spanien; III, 32, S. 128: Theudeberts Zug in Italien; IV, 10, S. 141: Chlothars Feldzug gegen
die Sachsen.
Gregor, ed. Krusch/Levison, III, 14, S. 110. Zur Usurpation des Munderich vgl. auch Schneider,
Königswahl, S. 77-79; Reydellet, Royauté, S. 39 ff, und Becher, Eid und Herrschaft, S. 94-96.
Gregor, ed. Krusch/Levison, III, 14, S. 110.
Gregor, ed. Krusch/Levison, III, 14, S. 111.
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 14, S. 112.
138 Die Herkunftserzählungen der Franken
Die Affäre Gundowald, qui se filium Chlothart regis esse dicebat,121 gibt ähnliche
um
Anhaltspunkte. Gundowald wird zwar von Childebert I. als Merowinger anerkannt, aber
von seinem angeblichen Vater seiner langen Haare beraubt, die ihn als Mitglied der kö-
niglichen Familie auszeichnen.128 Ebenso wie die Verwandtschaft zum Königshaus bei
Gundowald nicht anerkannt wird, erhält er auch keine Unterstützung beim Volk, son-
dern lediglich, wie Gregor andeutet, aus Byzanz. Bischof Theodoras, der Gundowald
geholfen hatte, wird vorgeworfen, voluissetque Francorum regnum imperialibus per
haec subdere ditionibus.129 Damit wird am Beispiel des Prätendenten Gundowald deut-
lich, daß zur Legitimität die Zugehörigkeit zur merowingischen Familie und die Zustim-
mung des populus und der Bischöfe der Galliae nötig ist. Als Gundowald später eine
Schilderhebung erfahrt, berichtet Gregor, daß er heruntergefallen sein soll. Dieses Ge-
schehen beeinträchtigt seine Legitimität natürlich als böses Vorzeichen. Zusätzlich be-
zeichnet Gregor diejenigen, die Gundowald erhoben haben, lediglich als circumstantes,
wodurch ihr mangelndes Zusammengehörigkeitsgefühl, das aber für den Prätendenten
so wichtig wäre, zutage tritt.130 Als Gundowald sich der Stadt Toulouse nähert, wendet
sich der dortige Bischof an sein Volk: Seimus enim, regis esse Gunthchramnum ac ne-
potem eius; hunc autem neseimus unde sit. Estote ergo parati, et si voluerit Desiderius
dux hanc calamitatem inducere super nos, simili ut Sigulfus sorte depereat, sitque om-
nibus exemplum, ne quts extraneorum Francorum regnum audeat violare?31 Die Legiti-
mität Gundowalds ist eben nicht durch eine Verwandtschaft mit den Merowingern gesi-
chert, die eine solche nicht anerkennen. Vielmehr ist Gundowald ein extraneus, wahr-
scheinlich erneut eine Anspielung auf die Unterstützung durch Byzanz. Der Bischof von
Toulouse wird von den Anhängern des Gundowald genau dann mißhandelt, als er
Gundowalds merowingische Abkunft bezweifelt,132 so daß sich hier erneut die Verknüp-
fung von merowingischer Legitimität und Bischofsunterstützung, diesmal im negativen
Sinn, bemerkbar macht. Gundowald selbst beruft sich für seine Legitimität nicht nur auf
Chlothar, seinen pater, sondern auch auf die Einladung der principes regni regis Chil-
deberthi und der séniores regni.133 Bezeichnenderweise beruft sich Gundowald hier
ebenso wenig wie vorher auf Bischöfe oder Heilige, so daß man wohl davon ausgehen
127
Gregor, ed. Krusch/Levison, VI, 24, S. 291. Zur Gundowald-Affäre vgl. auch Schneider,
Königswahl, S. 99-109; Reydellet, Royauté, S. 392-395; Nonn, Ballomeris quidam, und
Bachrach, Anatomy of a Little War.
128
129
Gregor, ed. Krusch/Levison, VI, 24, S. 291.
130
Gregor, ed. Krusch/Levison, VI, 24, S. 291.
Gregor, ed. Krusch/Levison, VII, 10, S. 332: Sed cum tertio cum eodem girarent, cecidisse fertur,
ita ut vix manibus circumstantium sustentare potuisset. Zu dieser Episode vgl. auch Weidemann,
131
Kulturgeschichte der Merowingerzeit, S. 12.
Gregor, ed. Krusch/Levison, VII, 27, S. 345.
132
Gregor, ed. Krusch/Levison, VII, 27, S. 346: caesumque communiter hastis, pugnis et calcibus ac
133
fune revinetum exilio damnaverunt, resque eius tarn proprias quam aecclesiae integre auferentes.
Gregor, ed. Krusch/Levison, VII, 36, S. 357: Quod me Chlothacharius pater meus exosum
habuerit... S. 358: (Guntchramn Boso): Veni, quia ab omnibus regnis regis Childeberthiprineibus
invitaris....; S. 358: habebat enim (der Bischof, der Gundowald empfangt) scripta seniorum regni
nepotis mei.
Gregor von Tours: Eine Geschichte der Franken? 139
kann, daß Gregor ihm ein fundamentales Unverständnis der Legitimitätsfunktionen der
gallischen Kirche unterstellt. Gundowalds Scheitern ist also kaum verwunderlich: Er
wird von seinen Anhängern umgebracht, die selbst bald darauf die göttliche Strafe er-
eilt.134
Aufschlußreich für Gregors Ideen zur Legitimation sind neben den Prätendenten Kri-
sen beim Tode eines Königs. Die Söhne Chlodomers z.B. werden nach seinem Tod von
ihren Onkeln umgebracht, weil sie kein eigenes Gefolge aufweisen können. Nur der
dritte Sohn Chlodovald wird auxllium virorum fortium gerettet.135 Ähnlich kann der
Sohn Theuderichs, der erwachsene Theudebert, die Anschläge Childeberts und Chlo-
thars abwehren, indem er muneribus placatis a leodibus suis defensatus est et in re-
gnum stabilttus.136 Die Herrschaft Theudeberts wird folgendermaßen charakterisiert:
Erat enim regnum cum iustitia regens, sacerdotes venerans, pauperes relevans et multa
multis beneficia pia ac dulclssima accomodans volúntate?31 Neben traditionellen Herr-
schertagenden zeigt Theudebert eben den wichtigen Respekt vor den herrschaftsstüt-
zenden Bischöfen. Dies verdeutlicht Gregor noch in einer weiteren Episode, in der
Theudebert dem Bischof Desideratas von Verdun Geld für die Armen überläßt und da-
mit ein Unrecht seines Vaters gutmacht.138
Chlothar wird, als Childebert und Theudebert ihn gemeinsam angreifen, durch ein
Unwetter vor der Niederlage geschützt, das Gregor als vom heiligen Martin initiiert
sieht.139 Die Verbindung zwischen Merowingern und gallischem Heiligen ist so eng, daß
sogar Chlothars von Gregor berichtete Verbrechen einer Unterstützung durch Martin
nicht entgegenstehen.
Kontrastiert zu dieser Legitimität der Merowingerkönige werden die Goten, von de-
nen Gregor sagt, daß sumpserant enim Gotht hanc detestabilem consuetudinem, ut, si
quis eis de regibus non placuisset, gladio eum adpeterent, et qui Hbutsset animo, hunc
sibi statuèrent regem.140 Die gotischen Könige erhalten ihren Thron also nur durch Ge-
walt und können sich nicht auf eine Ordnung berufen. Dieser Kontrast erhöht die von
Gregor herausgearbeitete merowingische Legitimität.
Gregor, ed. Krusch/Levison, VII, 38, S. 361f. und VII, 39, S. 362f.
Gregor, ed. Krusch/Levison, III, 18, S. 119. Vgl. dazu zuletzt Erkens, Divisio legitima, S. 443f.
Gregor, ed. Krusch/Levison, III, 23, S. 123.
Gregor, ed. Krusch/Levison, III, 25, S. 123. Mitchell, History and Christian Society, S. 93, hat
darauf hingewiesen, daß die Vorbildfunktion Theudeberts ähnlich wie bei anderen Herrschern wie
etwa Chrodechilde oder dem byzantinischen Kaiser Tiberius durch die zeitlich oder räumlich
bedingte Ferne erhöht wird. Zum positiven Theudebert-Bild bei Gregor vgl. auch Reydellet,
Royauté, S. 412-416, und Goffart, Narrators, S. 224f.
Gregor, ed. Krusch/Levison, III, 34, S. 129f.
Gregor, ed. Krusch/Levison, III, 28, S. 125: Quod nullus ambigat, hanc per obtentum reginae
beati Martini fuisse virtutem. Vgl. dazu auch Mitchell, History and Christian Society, S. 135.
Gregor, ed. Krusch/Levison, III, 30, S. 126. Etwas schwächer in III, 31, S. 127, bei der Wahl
Theodahads: Theodadum regem Tusciae invitantes, super se regem statuunt.
140 Die Herkunftserzählungen der Franken
c. Weitere Beispielefür die Legitimität von Königsherrschaft
Die Legitimation der Merowinger wird ernsthaft erschüttert, als die Söhne Chlothars an
die Macht kommen. Gregor sieht den Respekt vor den Bischöfen gefährdet und hält es
daher nicht für verwunderlich, daß vielfältige Leiden über das Land kommen: Sed re-
curramus ad illud quod parentes eorum egerunt et isti perpétrant. Uli post praedicatio-
nem sacerdotum defanis ad ecclesias sunt conversi; isti cotidie de ecclesiis praedas de-
trahunt. Uli sacerdotes Domini ex toto corde venerati sunt et audierunt; isti non solum
non audiunt, set etiam persecuntur. Uli monasterio et ecclesias ditaverunt; isti eas diru-
unt ac subervertunt.141 Die Kontrastierang mit den vorbildlichen Ahnen ist hier ein Stil-
mittel. Dabei ist eine Erklärung der Bürgerkriege als Strafe Gottes ebenfalls impliziert:
Sed ut bellum civili in maiore pernicitate crescertt, eos [das sind die Bischöfe] audtre,
peccatis facientibus, distulerunt [nämlich Guntchramn und Chilperich, die Söhne Chlo-
thars].142
In der Vorrede fünften Buch hält Gregor den Söhnen Chlothars das Beispiel
zum
Chlodwigs Augen, qui adversos reges interficet, noxias gentes elisit, patrias subiu-
vor
gavlt, quarum regnum vobis integrum inlesumque reliquit?43 Es ist unwahrscheinlich,
daß Gregor den Verwandtenmord nach Art Chlodwigs propagiert. Ihm kommt es auf
die Einheit des Reiches an, nicht unbedingt auf einen einzigen König.144 Er möchte den
Königen lediglich gemeinschaftliches Handeln ans Herz legen, am besten unter der Lei-
tung von Heiligen oder deren Stellvertretern bzw. Nachfolgern, den Bischöfen. Als sich
Guntchramn, Chilperich und Sigibert einmal friedlich einigen, urteilt Gregor, daß dies
nicht sine beati Martini hätte passieren können.145
Daß Gregor die gemeinschaftliche Herrschaft eher am Herzen lag als die Herrschaft
unter einem einzelnen, erkennt man daran, daß er die Übernahme des Teilreiches eines
Bruders durch einen anderen als nicht gerechtfertigt sieht und dementsprechend berich-
tet, wie solche Versuche mißlingen. Als Sigibert in das Teilreich seines Bruders Chilpe-
rich einmarschieren will, erhält er von einem Bischof die Warnung, er solle nicht nach
dem Leben seines Bruders trachten. Als Sigibert nicht auf den Bischof hört, zieht dies
folgerichtig seinen Tod nach sich.146
Gegenüber Chlodwigs ehrfürchtigem Verhalten zu den Bischöfen fällt von seinen
Enkeln vor allem Chilperich ab. Deshalb verleiht Gregor bei mehreren Auseinanderset-
zungen, die er mit Chilperich hatte, seiner Meinung von der Bedeutung der Bischöfe für
die Königsherrschaft Nachdruck. Als ein Bote Chilperichs die Herausgabe eines Asyl-
suchenden verlangt, läßt Gregor ihm ausrichten: ...nee modo permitti posse, ut basilica
saneta violaretur; quod st fierlt, nee sibi fore prosperum nee rege, qui haec iussa man-
dasset; metueretque magis sanetitatem antestetis (d.i. der heilige Martin), cuius virtus
141
Gregor, ed. Krusch/Levison, IV, 48, S. 184.
142
Gregor, ed. Krusch/Levison, IV, 47, S. 184. Ähnlich auch V, 34, S. 238f: Nam et discordantibus
reges et Herum bellum civile parantibus, desentericus morbus paene Gallias totas praeoecupavit.
143
144
Gregor, ed. Krusch/Levison, V, Vorrede, S. 193.
Zur Einstellung Gregors gegenüber den Reichsteilungen vgl. Reydellet, Royauté, S. 358f.
145
146
Gregor, ed. Krusch/Levison, IV, 49, S. 186.
Gregor, ed. Krusch/Levison, IV, 51, S. 187-190. Vgl. auch Reydellet, Royauté, S. 371f.
Gregor von Tours: Eine Geschichte der Franken? 141
hesterna die paralitica membra dirixisset?41 Als Chilperich eine Synode dazu veranlas-
sen möchte, Bischof Praetextatas von Rouen zu verurteilen, bittet Gregor seine Mitbrü-
der: adhibite ei consilium sanctum atque sacerdotalem, ne exardiscens in ministrum
Dei pereat ab ira eius et regnum perdat et gloriam.14i Sollte Chilperich die bischöf-
lichen Ratschläge nicht befolgen, so ist ihm der Entzug der göttlichen Gnade gewiß. Bei
einer persönlichen Konfrontation mit Chilperich äußert sich Gregor so: Habes legem et
cañones; haec te diligenter rimari oportet, et tune quae praeciperint si non observabe-
ris, noveris, tibi Del iudicium imminere.149 Als Chilperich Gregor dazu veranlassen will,
seine Schrift über die Dreifaltigkeit zu verbreiten, ermahnt Gregor ihn: Observare te
convenit, neque Deum neque sanctos eius habere offensos?50
Nur wenige Male lobt Gregor Chilperich für sein richtiges Verhalten gegenüber den
Bischöfen, z.B. als der König sich folgendermaßen äußert: libenter audiam quae iube-
tis. Daraufhin, so Gregor, mirati sunt omnes regis vel prudentiam vel patientiam si-
mul?51 Für Gregor selbst war dies eine besonders wichtige Entscheidung, da sein eige-
ner Fall von den Bischöfen beurteilt werden sollte. Bei einer anderen Gelegenheit erfüllt
Chilperich eine Bitte Gregors.152 Als Bischof Cartherius von Périgueux vor Chilperich
angeklagt wird, subversive Reden gegen ihn zu führen, untersucht Chilperich den Sach-
verhalt genau, si vera essent quae et opponebantur an non. Als er die Unschuld des Bi-
schofs erkennt, läßt er ihn frei und supplicans, ut pro se sacerdos oraret?53 Hier ist die
Wechselbeziehung zwischen gerechtem Verhalten den Bischöfen gegenüber und der
Vermittlung der göttlichen Gnade an den König durch die Bischöfe besonders deutlich.
Im allgemeinen ist Chilperich für Gregor aber nicht der vorbildliche König, sondern
ein negatives Beispiel. In seinem Nachruf auf Chilperich, dem Nero nostri temporis et
Herodis, tadelt Gregor neben anderen Lastern besonders das unziemliche Verhalten
Chilperichs gegenüber den Bischöfen: Sacerdotes Domini assiduae blasphemabat, nee
aliunde magis, dum secricius esset, exercebat ridicola vel tocos quam de eclesiarum
episcopis.154
Als ein besonders abschreckendes Beispiel führt Gregor schließlich die Königin Fre-
degunde an, die sogar nicht vor einem Mord an Bischof Praetextatas von Rouen zurück-
schreckt.155
Ein positives Beispiel für die Zusammenarbeit von König und Bischöfen kann Gre-
gor hingegen in König Guntchramn anführen. Guntchramn, ut erat benignus et profluus
147
148
Gregor, ed. Krusch/Levison, V, 4, S. 199.
149
Gregor, ed. Krusch/Levison, V, 18, S. 218.
Gregor, ed. Krusch/Levison, V, 18, S. 220. Zu dieser Episode vgl. auch Keely, Political Ideas of
Gregory of Tours, die an ihr Gregors Vorstellungen vom Verhältnis zwischen Bischöfen und
Königen festmacht. Daß Heinzelmann, Zehn Bücher Geschichten, schon ähnliche Schlüsse auf
Gregors Vorstellungen gezogen hatte, ist ihr entgangen.
150
Gregor, ed. Krusch/Levison, V, 44, S. 253.
151
152
Gregor, ed. Krusch/Levison, V, 49, S. 261.
153
Gregor, ed. Krusch/Levison, VI, 10, S. 279f.
Gregor, ed. Krusch/Levison, VI, 22, S. 290.
154
155
Gregor, ed. Krusch/Levison, VI, 46, S. 319f.
Gregor, ed. Krusch/Levison, VIII, 31, S. 397f.
142 Die Herkunftserzählungen der Franken
ad miserandum, gewährt beispielsweise einem zu Unrecht vertriebenen Bischof aus
dem Reich Chilperichs Zuflucht und gibt ihm bei seiner Rückkehr reichlich Geschenke
mit.156 Auch zu anderen Gelegenheiten erweist sich Guntchramn als vorbildlich im Um-
gang mit der Kirche.157 So ist nicht verwunderlich, daß ein Anschlag gegen Gunt-
chramn, der in einer Kirche stattfindet, fehlschlägt.158
Guntchramn ist der König, der nach Gregor die stützende Funktion der Bischöfe und
Heiligen am besten erfaßt. Bei Verhandlungen mit Childebert II. zeigt Guntchramn die
mit Chilperich und Sigibert abgeschlossenen Verträge, die besagen, ut, quisque sine
fratris voluntatem Parisius urbem ingrederetur, amitteret partem suam, essetque Polio-
ctus martyr cum Hylario adque Martino confessoribus iudex ac retributor eius. Post
haec ingressus est in ea germanus meus Sigyberthus, qui iudicio Dei interiens amisit
partem suam. Similiter et Chilpericus gessit. Per has ergo transgressiones amiserunt
partes suas?59 An dieser Stelle werden von Gregor drei wichtige Faktoren deutlich ge-
macht. Zum einen, daß die Legitimität der Merowinger auf ihrem Wohlverhalten be-
ruht, zum anderen, daß über die Herrschaft der Merowinger vor allem der gallo-rö-
mische heilige Martin wacht,160 und zum dritten, daß einem vorbildlichen König wie
Guntchramn dieser Zusammenhang so deutlich ist, daß er den jeweiligen Tod von Sigi-
bert und Chilperich richtig als Strafe der Heiligen versteht.
Guntchramn erkennt laut Gregor die Verbindung zwischen gottgefälligem Regie-
rangsstil und militärischem Erfolg. Als eine Expedition gegen die Goten fehlgeschlagen
ist, wendet sich Guntchramn an seine Großen, einschließlich der Bischöfe: Qualiter nos
hoc tempore victuriam obtenere possumus, quia ea quae patres nostri secutt sunt non
costodimus? Uli vero aeclesias aedificantes, in Deum spem omnem ponentes, martyres
161
162
Gregor, ed. Krusch/Levison, VIII, 30, S. 395.
S.o. S. 140f.
163
Gregor, ed. Krusch/Levison, IX, 8, S. 421, als Childebert von seinem Taufpaten Bischof Agerich
von Verdun zur Milde gegenüber einem Gefolgsmann gestimmt werden kann. Ähnlich IX, 38,
S. 459, als Childebert durch Legaten des Guntchramn, inter quos episcopi erant, zur Milderung
einer Strafe gestimmt wird. Di, 12, S. 427: Misit autem Childeberthus rex eum muneribus, ut a
merore revocaretur: Childebert bietet dem Bischof von Verdun Geschenke wegen des in seiner
Kirche von ihm vergossenen Blutes an.
164
165
Gregor, ed. Krusch/Levison, IX, 20, S. 435.
Gregor, ed. Krusch/Levison, IX, 20, S. 441. Ähnlich schon VIII, 4, S. 373: Unde, si oratio vestra
prosequitur, poterit hie (d.i. Childebert), Domino annuente, regnare, äußert sich Guntchramn
gegenüber einer Bischofsversammlung.
166
167
Gregor, ed. Krusch/Levison, V, 20, S. 227.
Mitchell, History and Christian Society, S. 72, betont, daß der Herrscher Aufgaben eines
168
„spiritual leader" habe.
Gregor, ed. Krusch/Levison, V, 20, S. 228. Zur besonderen Bedeutung, die der praesentia regis bei
Gregor zukommt vgl. Reydellet, Royauté, S. 376-381.
144 Die Herkunftserzählungen der Franken
täte tractastis, edicite?69 Guntchramn macht hier den Bischöfen ihre Verpflichtung ge-
genüber der politisch herrschenden Familie klar. Da er ein vorbildhafter König ist, kann
er diese Bringschuld der Bischöfe einfordern. Als Guntchramn allerdings mehrere in die
Gundowald-Affäre verwickelte Bischöfe in die Verbannung schicken will, ereilt ihn
eine Krankheit, die ihn daran hindert.170
Gregor berichtet in seiner üblichen Kontrastierangsmethode den Fall von Bischof
Aegidius von Reims, der Intrigen gesponnen und sich mit Chilperich zur Ermordung
König Childeberts verschworen habe. Dieser Bischof Aegidius wird mit dem Ausstoßen
aus der Bischofsgemeinschaft bestraft.171 An diesem negativen Beispiel wird die Not-
wendigkeit der Zusammenarbeit von Bischöfen und König natürlich ebenfalls deutlich.
Die besondere Legitimitätsfunktion der Bischöfe erlaubt ihnen, zukünftige Ereignisse
im Königshaus vorherzusehen, wie Gregor es am Beispiel des Bischofs Salvius zeigt,
der kurz vor dem Tod von Chilperichs Kindern in einer Vision über dessen Haus ein ge-
zücktes Schwert schweben sieht.172
Gregor beendet seine Libri historiarum decem mit einer Bischofsliste der Amtsinha-
ber von Tours.173 Daran sieht man die eigentliche Aussage von Gregor, die nichts mit
den Franken oder einer fränkischen gens, sondern mit dem heiligen Martin, den Bischö-
fen und der Bischofsgewalt in Gallien zu tan hat.174 Diese ist die Grundlage der Gesell-
schaft, die zur Legitimierung der Königsfamilie dient und ohne die eine fränkische
Herrschaft nicht denkbar wäre.
Interessanterweise erfüllen aber noch nicht einmal die Herrscher Chlodwig und
Guntchramn, die Gregor in vielen Dingen als Vorbilder hinstellt, die hohen Ideale des
Bischofs von Tours. Dies bleibt eigentlich nur dem Kaiser Tiberius im fernen Byzanz
vorbehalten.175
5. Zusammenfassung
Wie bereits deutlich herausgestellt wurde, haben wir es bei Gregor nicht mit einer Ori-
go-Erzählung zu tun.Gregor berichtet nicht die Geschichte und Tradition einer gens,
sondern erzählt die gesta praesentia in den römischen Provinzen Galliens. Eine Identi-
tätsstiftung ist bei ihm daher nicht auszumachen. Dies wird schon daran offenbar, daß
Gregor die Nachrichten anderer Geschichtsschreiber über die Franken zusammenstellt,
ohne sie in eine Ordnung zu bringen, die einer Origo-Erzählung entspricht, und sogar
ohne den Namen der Franken zu erklären. Das von Gregor dennoch formulierte Interes-
se an den ersten fränkischen Königen wird gerade nicht durch eine konsistente Ur-
sprangserzählung befriedigt. Zwar kann man im Bericht über die Rheinüberschreitang
und Ansiedlung in Thoringia und in der Erzählung von Childerich Elemente einer frän-
kischen Origo ausmachen, die Gregor aber nicht auswertet und möglicherweise auch
nicht als solche verstanden und interpretiert hat. Chlodwigs Gestalt, die sich eigentlich
für eine Einpassung in das Schema des Anfangshelden durchaus eignen würde, wird
von Gregor nicht als eine solche dargestellt. Chlodwigs Taten werden von Gregor nicht
als traditionsstiftend herausgearbeitet. Chlodwig hat zwar eine deutliche Aufgabe in der
Heilsgeschichte der Galliae, aber eben nicht für die fränkische gens oder das Franken-
reich. Daher ist es auch nicht Chlodwig, auf den sich die Legitimität der merowin-
gischen Dynastie und der fränkischen Herrschaft gründet. Chlodwig ist auch nicht der
Begründer einer neuen Ordnung. Denn obwohl Gregor die Ausweitung des Franken-
reiches unter seiner Aegide schildert, ist nicht von der Stiftung einer neuen Ordnung die
Rede. Es bleibt nach Chlodwigs Eroberangszügen alles beim alten. Chlodwigs Gestalt
dient nicht der Vermittlung einer Legitimität außerhalb seiner selbst. Damit ist er weder
derjenige, der in einer primordialen Tat neue Ordnung setzt, noch derjenige, der Legiti-
mität und Tradition stiftet oder vermittelt. Chlodwig hat daher gerade nicht die Eigen-
schaften eines Dynastiegründers und einer herausragenden Identifikationsfigur.
Dieses Phänomen hängt damit zusammen, daß es Gregor nicht auf eine Identitätsstif-
tang ankommt. Er scheint sich der Identität des Frankenreiches mit den römischen Pro-
vinzen Galliens völlig sicher gewesen zu sein und es kommt ihm offensichtlich über-
haupt nicht die Idee, daß das Reich, in dem er selbst lebt, auf irgendeine Art erklärungs-
bedürftig sei. Dies ist ein interessanter Befund, da nach Gregors Auffassung offensicht-
lich eben kein Brach in der Geschichte der Galliae zu finden ist. Bei der merowin-
gischen Herrschaft handelt es sich in seinen Augen um etwas völlig Selbstverständ-
liches.
Daher ist die Legitimitätsstiftung die einzige Gemeinsamkeit, die Gregor mit anderen
Origo-Erzählungen hat. Entsprechend seiner Vorstellung einer Kontinuität ist die Legi-
timation ganz auf die vorhandenen spätantiken römischen Strukturen angelegt. Die
Herrschaft der fränkischen Könige wird bei Gregor durch die gallischen Heiligen und
die Bischöfe gerechtfertigt.176 Ein König, der sich von den Bischöfen leiten läßt, ist ein
Guntchramns bestimmt.
Die weltlichen Großen bleiben dabei letztlich außen vor, vgl. dazu auch Heinzelmann, Adel, vor
allem S. 242-256.
146 Die Herkunftserzählungen der Franken
guter König, einer, der nicht auf sie hört, muß mit Strafe der Heiligen oder gar seinem
Tod rechnen. Diese Beziehung zwischen fränkischen Königen und Bischöfen ist dabei
durchaus wechselseitig, da der König umgekehrt die Verpflichtung hat, das Kirchengut
und die kirchlichen Rechte zu schützen, bei moralischen Verfehlungen der Bischöfe
aber diese ebenso zur Ordnung rufen kann wie jene ihn. Beispielhaft für ein nahezu
ideales Verhältnis des Königs zu den legitimitätsstiftenden Bischöfen ist für Gregor
Guntchramn, der König des Teilreichs von Burgund.
Diese Art der Legimititätsstiftang ist insofern bemerkenswert, als den fränkischen
Königen ihre Legitimität aus dem Innern des von ihnen beherrschten Reiches erwächst.
Ihre Legitimität wird nicht durch eine transzendentale äußere Macht gewährleistet, son-
dern von ihrer eigenen Bevölkerung. Daher ist die gelegentliche Erwähnung des popu-
lus wichtig. Die Bischöfe, die bei Gregor diese Funktion wahrnehmen, sind dabei Über-
bleibsel der spätantiken nachrömischen Strukturen in Gallien,177 eine Tatsache, die Gre-
gor allerdings weder erwähnt, noch der er sich überhaupt bewußt zu werden scheint. In-
sofern knüpft Gregor die Franken an vorhandene Legitimationsgrandlagen und Struk-
turen an, ohne ihnen eine neue Identität und Begründung zu geben, die er nicht für nötig
hält. Daher werden die ihm überlieferten Origo-Elemente im Grande genommen nicht
genutzt.
Unter diesem Gesichtspunkt ist Gregor bei weitem mehr der Spätantike verhaftet als
man vielleicht meinen möchte, da er die alte Ordnung wie unter dem heiligen Martin im
4. Jahrhundert immer noch am Werk sieht und sich keine Gedanken darüber macht, daß
er unter Umständen schon in einer völlig veränderten Welt lebt, die er dementsprechend
nicht erklärt. Sein Rückgriff auf römische bzw. christliche Traditionen zur Legitimati-
onsstiftung, wie etwa auf den römischen Kaiser Constantin oder den heiligen Martin, er-
folgt nicht immer bewußt, sondern oftmals unbewußt, da für ihn die Bischöfe die Ga-
ranten einer göttlich bestimmten Ordnung sind und keine Vermittler von antiker, rö-
mischer Tradition.
Gregors Vorstellung ist insofern aufschlußreich. Bei dem Frankenreich der Merowin-
ger haben wir es mit einer der germanischen „Neugründungen" auf römischem Boden
zu tan. Dies scheint aber dem gallo-römischen Geschichtsschreiber, der unter frän-
kischen Herrschern schrieb, die die Spitze des Staates eher ausgetauscht hatten als wirk-
lich zu erobern,178 nicht bewußt geworden zu sein. Er sieht keine neue Ordnung, die er-
klärt werden muß, die fränkischen Herrscher sind durch die Bischöfe und die Heiligen
legitimiert und bedürfen daher weder einer konsistenten, traditionsstiftenden Origo, die
ihre Existenz rechtfertigt, noch einer Legitimation, die über das hinausgeht, was schon
vorhanden ist. Dem steht nicht entgegen, daß Gregor durchaus eine Erzählung bietet,
die das Auftauchen der merowingischen Könige erläutert, es aber gerade nicht in eine
historische Tradition stellt. Für Gregors Wahrnehmung seiner eigenen Gesellschaft
scheinen daher Strukturen, die durch die spätantiken Veränderungen in Gallien entstan-
Zur Entstehung und zum Phänomen der Bischofsherrschaft vgl. Heinzelmann, Bischofsherrschaft
in Gallien; Prinz, Bischöfliche Stadtherrschaft; Scheibelreiter, Bischof in merowingischer Zeit;
Heinzelmann, Bischof und Herrschaft, und Jussen, Bischofsherrschaften.
Vgl. dazu oben die Literatur S. 121 Anm. 30.
Gregor von Tours: Eine Geschichte der Franken? 147
den, wesentlich wichtiger zu sein als das „Neue" der merowingischen Herrschaft. Ver-
gleicht man Gregor mit dem in Britannien schreibenden Gildas, der, obwohl er vor Gre-
gor schrieb, doch eine sehr klare Vorstellung davon hatte, daß es sich bei Britannien
eben nicht mehr um Rom handelte, ist dieser Befund tatsächlich erstaunlich. Während
wir bei Gildas das klare Bewußtsein einer eigenen Identität haben, ist bei Gregor ein
solches noch nicht einmal in Ansätzen vorhanden. Für ihn gab es zwischen römischem
Reich und fränkischen Königen keinen Brach.
Dieser Befund paßt mit anderen Ergebnissen der momentan in Fluß befindlichen For-
schung zusammen, da seit geraumer Zeit für die Merowingerzeit der spätantike Hinter-
grund als maßgeblich erkannt worden ist.179 Gregor fügt sich genau in dieses Bild ein.
Der spätantiken Struktur in Gallien verhaftet, kann er das Frankenreich nicht als eine
neue Entität sehen, sondern er erklärt diese Herrschaft mit ihm bekannten traditionellen
Mustern. Selbst wenn Gregor fränkische Traditionen benutzte, bei denen man davon
ausgehen kann, daß sie ein stärkeres Bewußtsein für das Neue und Einzigartige der
fränkischen Situation mitbrachten, sind Origo-Elemente bei ihm allenfalls schemenhaft
zu erkennen. Ein Grand für diesen Befund ist darin zu suchen, daß Gregor kein Franke
war und ihm die fränkische Tradition wie auch ein eventuelles Legitimationsdefizit der
fränkischen Herrschaft daher fremd waren. Eine Geschichte aus der Feder eines Fran-
ken hätte bestimmt ganz anders ausgesehen. Wegen seiner Mitteilungen über die Fran-
ken ist Gregor von späteren Geschichtsschreibern wie Fredegar und dem Autor des Li-
ber historiae Francorum herangezogen worden und als Steinbruch für deren Erzäh-
lungen, die tatsächlich Origo-Charakter haben, benutzt worden. Somit steht Gregor am
Anfang einer Tradition, die er nicht gründen wollte und deren Intention ihm höchst-
wahrscheinlich nicht verständlich gewesen wäre. Es ist aber durchaus möglich, daß die
Franken zu Gregors Zeit nicht unbedingt anders empfanden. Erst als sich das Franken-
reich von der spätantiken Tradition löste und es ins Bewußtsein seiner Bewohner drang,
daß ihre Lebenswelt nicht mehr mit den Galliae übereinstimmte, mag überhaupt das
Bedürfnis nach einer eigenen „fränkischen" Identität, einer eigenen Legitimation und
einer Origo entstanden sein.
B. Fredegar
Vgl. etwa Geary, Before France and Germany, besonders S. 226-231; Barnwell, Emperor,
Prefects and Kings, S. 90- 113; ders., Kings, Courtiers and Imperium, S. 5-5,4 und Goetz, Franks.
148 Die Herkunftserzählungen der Franken
Die Zuschreibung der Chronik180 an einen gewissen Fredegar fand erst im 16. Jahr-
hundert statt. Trotzdem soll im folgenden der Name Fredegar beibehalten werden, der
sich für die Bezeichnung der Chronik eingebürgert hat.
Die Frage nach dem oder den Autoren hat die Forschung jahrelang beschäftigt. Nach-
dem zunächst von einem einzigen Autor der Chronik ausgegangen wurde, trat 1882
Bruno Krasch,181 der später die Edition Fredegars für die MGH leistete,182 mit einer
Drei-Verfasser-Theorie auf, die sich lange Zeit hielt, obwohl ihre Schwachpunkte früh
von der französischen Forschung bemängelt wurden.183 Die Chronik wurde nach
Kraschs Meinung von drei Personen geschrieben, die zu unterschiedlichen Zeiten arbei-
teten: A, ein Burgunder, faßte um 613 mehrere Vorlagen zusammen, B, ebenfalls ein
Burgunder, fügte Auszüge aus Gregor von Tours hinzu und führte die Chronik bis 642
weiter, C schließlich, ein Austrasier, arbeitete etwa um 660, kompilierte die Samm-
lungen von A und B, nahm einige Interpolationen vor und revidierte die Chronik zu
einem Ganzen. Krasch stütze sich in seiner Theorie vor allem auf sprachliche Argu-
mente und maß der Lücke, die sich in der Schilderung der Ereignisse ab 613 feststellen
läßt, ein großes Gewicht bei. 1935 nahm Siegmund Hellmann eine Modifizierung zu ei-
ner Zwei-Verfasser-Theorie vor, die nur noch einen burgundischen Schreiber bis 613
und einen austrasischen Kompilator um 660 annahm und schon den wesentlichen Anteil
der Chronik diesem zweiten Kompilator zusprach.184 Inzwischen haben Alvar Erikson
und Walter Goffart185 überzeugend dargelegt, daß die von Krasch und Hellmann be-
haupteten sprachlichen Unterschiede, die sie auf die unterschiedlichen Verfasser zu-
rückführten, zum einen nicht so auffällig sind und sich zum anderen auf die unter-
schiedlichen Quellen Fredegars zurückführen lassen. Die Lücken in der Berichterstat-
tung lassen sich nach Meinung von Erikson und Goffart ebenso durch die Quellen des
Fredegar erklären. Ein weiteres Argument gegen Kraschs Theorie ist die Tatsache, daß
sich die postulierten unterschiedlichen Verfasser jedenfalls nicht in der Handschriften-
tradition niederschlagen. So ist man heute im allgemeinen186 zur Meinung vor Krasch
Zur Fredegar-Chronik vgl. U. Nonn, Fredegar, in: LexMa IV, Sp. 884; Kusternig (Hrsg.), Quellen
zur Geschichte des 7. und 8. Jahrhunderts, S. 3-41, zum folgenden vor allem 9-13; Collins,
Fredegar; Scheibelreiter, Fredegar Chronist einer Epoche, und Pizarro, Ethnic and National
History, S. 59-62. Noch auf der Mehrautorentheorie basierend: Wattenbach/Levison,
-
zurückgekehrt und geht von einem Verfasser bzw. zumindest einem Kompilator aus,
der um 658/660 letzte Hand an die Chronik legte.
Die Chronik selbst berichtet zwar nur Ereignisse bis 642, ist aber offensichtlich un-
vollendet. Vorgriffe auf spätere Ereignisse in einigen Kapiteln des vierten Buches las-
sen etwa den Zeitpunkt 660 für die Abfassung wahrscheinlich werden. Roger Collins
möchte die Abfassungszeit gar zwischen 659 und 714 ansetzen, da die erste überlieferte
Handschrift auf 714 zu datieren ist.187 Aufgrand der Vorliebe für Burgund hat man Fre-
degars Herkunft dort vermutet, und zwar in der Gegend von Avenenes.188 Es ist aller-
dings anzunehmen, daß er später in Metz wirkte, wo die Verbreitung der Handschriften
seines Werkes ihren Ausgang nahm.189 Wegen Fredegars Sprache läßt sich eine roma-
nische Herkunft wahrscheinlich machen, die Kenntnis bestimmter Urkundenformulie-
rungen und anderer Rechtsbegriffe sprechen für eine Tätigkeit in Kanzlei-Geschäften
und zwar in Austrasien. Dies erklärt seine Nähe zu den austrasischen Hausmeiern, den
Pippiniden, die ihren Ausdruck in einer Ablehnung der Merowinger und eines starken
Königtums und einer im großen und ganzen proarnulfingischen Haltung findet.190
Fredegar schrieb also etwa zwei Generationen nach Gregor, als die Verhältnisse im
Frankenreich anders als zu dessen Zeit waren.191 Zum einen hatte sich das Frankenreich
als politische Entität stabilisiert; gleichzeitig hatte sich die Einteilung in die Teilreiche
Austrasien, Neustrien und Burgund als dauerhaft erwiesen192 und wurde von Königen
und Adel bei der Aufteilung von Herrschaft berücksichtigt, etwa bei der Einsetzung von
neuen merowingischen Königen oder Hausmeiern, die oft nur für ein Teilreich einge-
setzt wurden. Das politische Gewicht hatte sich von den Königen weg hin zu den Groß-
en verschoben. Diese Entwicklung wird in der zunehmenden Macht der Hausmeier be-
sonders deutlich.
Ein Grand für diese Entwicklung ist wahrscheinlich in den von Gregor so ausführlich
beschriebenen Kriegen zwischen der neustrischen Chilperich-Linie und der austra-
sischen Sigibert-Linie zu suchen, die erst mit dem Triumph Chlothars II. beendet wur-
den. Diese hatten eine Schwächung der Königsmacht zur Folge: Die Großen der Teil-
reiche füllten das Machtvakuum aus und beschränkten sich dabei in den meisten Fällen
s.u. S. 153f.
Fredegar, ed. Krusch, IV, 48, 76, 79, 81, 82 und 84, S. 144f, 159, 161, 162, 162f. und 163. Vgl.
Collins, Fredegar, S. 82f. Die erste Handschrift, der der letzte Teil schon fehlt, ist von 714.
Collins, ebd., gibt auch die Möglichkeit zu bedenken, daß der letzte Teil der Chronik schon früh
verschollen ist.
Kusternig (Hrsg.), Quellen zur Geschichte des 7. und 8. Jahrhunderts, S. 13. Zur burgundischen
Herkunft vgl. auch Collins, Fredegar, S. 111.
Kusternig (Hrsg.), Quellen zur Geschichte des 7. und 8. Jahrhunderts, S. 13 und 36f.
Kusternig (Hrsg.), Quellen zur Geschichte des 7. und 8. Jahrhunderts, S. 12. Wood, Fredegar's
Fables, vermutet sogar, daß Fredegar für die Überlebenden der Grimoald-Fraktion schrieb. Zu den
wenigen germanischen Lehnwörtern in Fredegars Chronik vgl. Gaeng, Germanic Influences.
Vgl. dazu allgemein Geary, Before France and Germany, S. 179-220; Ewig, Merowinger, S. 142-
181, und Wood, Merowingian Kingdoms, S. 140-158 und S. 221-238.
Zu den Teilungen vgl. Ewig, Fränkische Teilungen und Teilreiche; ders., Fränkische Teilreiche;
zuletzt Erkens, Divisio legitima.
150 Die Herkunftserzählungen der Franken
eben auf das Teilreich, in dem sie lebten und Einfluß hatten. Nach dem Tod Dago-
berts I. ist ein massiver Schwund der Königsmacht zu verzeichnen.193 Die Großen spie-
len zur Zeit Fredegars eine ganz andere Rolle als zur Zeit Gregors, dementsprechend ist
bei Fredegar eine veränderte Einstellung zu weltlichen Machthabern und zu den Bischö-
fen zu erwarten. Die gallo-römische Senatorenklasse und der von ihr gestellte Episkopat
tritt bei Fredegar nicht so stark hervor wie die politisch bestimmende Klasse der welt-
lichen Großen.
Für seine Weltchronik hat Fredegar hauptsächlich aus fünf älteren Chroniken relativ
unbekümmert und frei exzerpiert, dem Liber Generationis des Hippolyt von Porto, den
Chroniken von Isidor, Eusebius-Hieronymus, Hydatius und aus den ersten sechs Bü-
chern der Libri historiarum decem des Gregor von Tours,194 wobei für uns vor allem der
Zusammenhang mit letzterem bedeutsam ist. Für die Zeit nach dem Tod Chilperichs I.
(584) war Fredegar auf andere Nachrichten angewiesen, deren Herkunft sich nur vermu-
ten läßt;195 je näher er seiner eigenen Zeit kommt, desto informierter zeigt er sich. Daher
ist eine Lücke in der ausführlichen Berichterstattung zwischen 613 und 624 wohl auf
Fredegars Quellen zurückzuführen.
Die von Krasch übernommene Einteilung der Chronik in vier Bücher, die sich in
einem Teil der Handschriften findet, ist nicht ursprünglich,196 wird der Bequemlichkeit
halber aber beibehalten.
Mit Fredegar haben wir es also erneut mit einem Romanen zu tan, der die fränkische
Geschichte, zumindest was seine ethnische Herkunft betrifft, in „Außensicht" betrach-
tet. Daß dieser Aspekt für den Autor der Chronik keine Rolle spielte, zeigt auf der ande-
ren Seite die starke Identifikation mit dem austrasischen Adel, insbesondere den Arnul-
flngern. Seine Darstellung sollte im wesentlichen der Selbstsicht dieser Gruppe entspre-
chen, die sich stark von Gregors Senatorenadel unterschied und über die Teilreich-iden-
tifikation hinaus ein „fränkisches" Eigenbewußtsein hatte, das nicht unbedingt ethnisch
motiviert und definiert war. Die Franken und nicht etwa Austrasier, Neustrier oder Bur-
gunder bilden den Bezugspunkt dieser Gruppe, auch wenn die Teilreiche in der Darstel-
lung natürlich ebenfalls eine Rolle spielen und eine Differenzierung der Franken in ent-
sprechende Untergruppen durchaus vorgenommen wird.197 Bei Fredegar sollten wir es
also mit einer austrasisch-burgundisch gefärbten Wahrnehmung der Franken zu tan ha-
ben, die von der dortigen Elite geprägt ist. Im Gegensatz zu dem, was wir bei Gregor
von Tours antreffen konnten, ist ein verstärktes Interesse an der Herkunft und Einord-
nung der Franken in die Weltgeschichte zu erwarten, die sich anders als noch bei Gre-
gor von Tours in einer eigenen Origo für diese gens bemerkbar macht.
Zu den Merowingern als „rois fainéants" vgl. Kölzer, Die letzten Merowinger.
Kusternig (Hrsg.), Quellen zur Geschichte des 7. und 8. Jahrhunderts, S. 4; Collins, Fredegar,
S. 85f. Diese Ausschnitte aus Gregor fußen auf der Sechs-Bücher-Version, vgl. Reimitz, Social
Networks, S. 240f, und ders., Konkurrenz der Ursprünge, S. 275-277.
Vgl. Kusternig (Hrsg.), Quellen zur Geschichte des 7. und 8. Jahrhunderts, S. 16ff.
Collins, Fredegar, S. 83-91.
Vgl. dazu auch Goetz, (Kultur-)Synthese in der merowingischen Geschichtsschreibung, S. 557-
560.
Fredegar 151
rang bringen konnten, wie Eugen Ewig vermutet hat.206 Unterworfen werden die Fran-
ken nur einmal kurzfristig unter Pompeius zu einem Zeitpunkt, als sie von duces be-
herrscht werden. Sicherlich ist die unterschiedliche Art der Formulierung, die Fredegar
für die Königserhebung und die ifoces-Erhebung wählt, nicht zufällig. Francio wird ge-
wählt bzw. ausgewählt (electum)201 während die duces ex se erhoben werden. Damit ist
die Zugehörigkeit der duces zu den Franken wesentlich deutlicher betont als die der Kö-
nige. Die duces sind Franken, die zu ihrem Amt erhoben werden, der König Francio
wird ausgewählt. Die Franken erhalten durch den Widerstand gegen Pompeius ein
starkes Element der Selbstkonstitaierang als gens, da nach dem Sieg über Pompeius
nulla gens, also keine andere gens, in der Lage ist, die Franken zu besiegen208 und damit
ihre Identität zu unterdrücken. Die Identität der gens bestätigt sich im kriegerischen
Konflikt mit den „anderen". Die erste kurze Trojalegende weist also schon mehrere Ori-
go-Elemente auf: die Wanderung, die Eigendefinition im Verhältnis zu anderen gentes,
die vornehme römische und makedonische Verwandtschaft, einen Heros eponymos, ei-
nen militärischen Sieg, der konstituierend für die gens wirkt und schließlich einen Kö-
nig (Francio), der eine Identifikationsfigur darstellt, sowie die Unabhängigkeit der gens,
die eigens betont wird.
Eine trojanische Herkunft für die Franken zu postulieren, ist höchstwahrscheinlich
keine Erfindung von Fredegar. Zum einen findet sich eine unabhängige Version der
Troja-Herkunft im Ltber historiae Francorum, und zum anderen wurden schon von
Ammianus Marcellinus (t395) verwandtschaftliche Verbindungen der Burgunder zu
den Römern behauptet sowie die Ansiedlung von Trojanern in Gallien.209 Dem Bezug
Ewig, Trojamythos, S. 8 und 27f. Cahen, Frédégaire et les Turcs, S. 26f, vermutet einen Einfluß
der bei Jordanes genannten Torcilingui. Wagner, Torci bei Fredegar, nimmt an, daß die Torci, die
er auch als Türken identifiziert, aufgrund der gemeinsamen Gegnerschaft zu den Awaren als
Verwandte der Franken empfunden wurden. Die türkische Gesandtschaft zwischen 567 und 569
hat große Aufmerksamkeit erhalten und „phantastische Erzählungen" über die Türken
hervorgerufen, vgl. Pohl, Awaren, S. 43.
Zur Bedeutung von eligere, das eher bestimmen, auswählen heißt als wählen, so wie wir es heute
verstehen, vgl. Springer, Lebuins Lebensbeschreibung, S. 254-257.
Fredegar, ed. Krusch, II, 6, S. 46. Fredegar II, 42, S. 67, erwähnt einen Sieg des Constans über die
Franken, den er der Chronik des Hieronymus entnommen hat, ohne den Widerspruch aufzulösen.
Nach seiner Vorstellung war die einzelne verlorene Schlacht vielleicht auch nicht von Bedeutung.
Zur Bedeutung des Sieges über die Römer auch Kersken, Geschichtsschreibung, S. 805f.
Ammianus Marcellinus, ed. Rolfe, Bd. 3, XXVIII, 5, 11, S. 166: ...a temporibus priscis subolem
se esse Romanam Burgundii sciunt. Ders., ebd., XV, 9,5, Bd. 1, S. 178: Aiunt quidam paucos post
excidium Troiae fugitantes Graecos ubique dispersos loca haec occupasse tune vacua. Vgl. auch
Wallace-Hadrill, Fredegar and the History of France, S. 82; Graus, Lebendige Vergangenheit,
S. 83, und Collins, Fredegar, S. 102; zum Liber s.u. S. 175-179. Zur Bedeutung der gallischen
Trojatradition und zur Entstehung der fränkischen vgl. Hommel, Die trojanische Herkunft der
Franken; Luiselli, II mito deH'origine troiana; Wood, Merovingian Kingdoms, S. 33ff; Wood,
Defining the Franks, S. 51 ff. ; Ewig, Trojamythos, S. If; H.H. Anton, Origo gentis. Franken, in:
RGA 22, Sp. 189-195, hier S. 193f. Die behauptete Verwandtschaft der Burgunder mit den
Römern dürfte durch diplomatisch bestimmte Floskeln zu erklären sein.
Fredegar 153
auf Troja sollte im Verlauf der weiteren Geschichte gerade im Westfrankenreich, dem
späteren Frankreich, eine große Rolle beschieden sein.210
Zur weiteren Betonung der fränkischen Rolle in der Weltgeschichte fügt Fredegar die
Franken noch an anderen Stellen in seine Vorlagen ein, so etwa als er von den Erobe-
rungen der Germanen berichtet.2" Bei seiner Exzerpierung der Chronik des Hydatius er-
klärt er ein auffälliges Nataranglück als Vorzeichen der kommenden fränkischen Herr-
schaft.212 Die Franken haben damit Teil an der Weltgeschichte und der Völkerfamilie in
Europa.213
Außerdem berichtet Fredegar von der Ankunft der Burgunder in Gallien, die ubi ca-
stra posuerunt, quasi burgo vocttaverunt; ob hoc nomen acceperunt Burgundtones?14
Diese kurze Origo der Burgunder ist insofern aufschlußreich, als sie von Fredegar, ob-
wohl ihm Burgund später nur als Teilreich des Frankenreiches geläufig war, eindeutig
als eigene gens verstanden werden, die keine Verbindung zu den Franken haben und zu
den Römern nur eine sehr lockere durch ihre Ansiedlung in Gallien. Die Burgunder be-
ziehen ihren Namen, so Fredegar, von den Burgen, die sie in Gallien gebaut haben und
von denen Fredegar offensichtlich die Vorstellung hat, daß dies die Burgunder signifi-
kant von den sie umgebenden gentes unterscheidet. Als Origo-Elemente finden sich hier
die Ansiedlung in einem neuen Land und die Benennung nach einer besonderen Sitte.
An späterer Stelle wird im Zusammenhang der Niederwerfung des burgundischen Rei-
ches durch Chlodwig und seine Söhne von Burgund berichtet.215 Danach treten „Bur-
gunder" nur noch im Zusammenhang ihres Teilreiches im Gegensatz zu Neustriern und
Austrasiern auf.
Als die Franken schließlich tatsächlich auf gallischem Boden auftauchen, tan sie dies
unvermittelt im Zusammenhang der Hunneneinfalle. Aetius verfolgt die Hunnen eum
suis, etiam Francos secum habens?16 Da Fredegar den Bericht über den hunnischen
Einfall aus Gregors Libri historiarum decem entnommen hat, ist die Teilnahme der
Franken an der Hunnenabwehr nicht verwunderlich.
Erst im dritten Buch berichtet Fredegar dann noch einmal ausführlich über die Früh-
geschichte der Franken und bringt sie wieder explizit in Verbindung mit den Troja-
2,0
Zur weiteren Benutzung des Trojamythos im Hoch- und Spätmittelalter vgl. etwa Grau, Gedanke
der Herkunft, vor allem ab S. 26 über das Fortleben in der deutschen Historiographie; Graus,
Lebendige Vergangenheit, S. 81-89; Homeyer, Trojanische Abstammung, S. 98-104 über die
französische Trojatradition; Garber, Trojaner Römer Franken Deutsche; Graus, Troja und
die trojanische Herkunftssage, und Waswo, Our Ancestors, the Trojans; zum Weiterleben der
- - -
211
Trojalegende in Frankreich bis weit in die Neuzeit hinein vgl. Huppert, Trojan Franks.
212
Fredegar, ed. Krusch, II, 40, S. 64: Francos in eorum habentes auxilium.
Fredegar, ed. Krusch, II, 56, S. 77: signefecans, Gothorum dominatione sublata, Francorum
adveniente regno.
213
Fredegar, ed. Krusch, I, 5, S. 21, erfolgt sogar eine kurze Einordnung in die biblische Geschichte,
da Priamus und Friga als Nachkommen Japhets bezeichnet werden.
214
215
Fredegar, ed. Krusch, II, 46, S. 68.
216
Fredegar, ed. Krusch, III, 17-20, und III, 22 und 23, sowie III, 33-36, S. 99-101, 102 und 104f.
Fredegar, ed. Krusch, II, 53, S. 74.
154 Die Herkunftserzählungen der Franken
nern.217 Diese Darstellung unterscheidet sich in Nuancen von der bereits besprochenen.
Priamus gilt als erster
König der Franken. Nach dem Fall Trojas erwähnt Fredegar drei
eponymische Helden, zuerst Friga, nach dem die Frigii genannt sind, und nach einer
Trennung der Frigii die Könige Francio und Torcoth, die Franken und Türken be-
herrscht hätten. Am Rhein hätten die Franken versucht, ein zweites Troja zu bauen, das
man schon lange mit Xanten (Colonia traiana verballhornt zu Colonia troiana)21i iden-
tifiziert hat. Die Verbindung zu den Trojanern ist für die Franken natürlich auf jeden
Fall prestigeträchtig. So werden sie zu einer gleichberechtigten gens neben den Rö-
mern.219 Ein Verwandtschaftsverhältnis von Priamus, Friga, Francio und Torcoth wird
hingegen nicht behauptet. Ihre Gemeinsamkeit ist die Herrschaft über die gens, die von
Phrygern zu Franken wird. Es stellt sich die Frage, warum Fredegar keine Verwandt-
schaft der Könige behauptet. Die Königsreihe Priamus-Friga-Francio dient nicht der
merowingischen Propaganda.220 Möglicherweise macht sich an dieser Stelle bemerkbar,
daß ihm die Könige der Franken als solche nicht wichtig waren und sie keiner besonde-
ren Legitimitätsstiftung bedurften. Die Könige in seiner Erzählung haben mit der Be-
nennung der gens ihren eigentlichen Zweck erfüllt. Daß die Troja-Herkunft bei Frede-
gar zwei unterschiedliche Ausformungen hat, will Hans-Hubert Anton auf die unter-
schiedlichen Vorlagen von Fredegar zurückführen, deren Intention sich Fredegar mit
den unterschiedlichen Versionen angepaßt habe.221 Es ist aber durchaus denkbar, daß
Fredegar eher unterschiedliche Aspekte betonen wollte. Wie schon an anderen Beispie-
len deutlich wurde, dienen scheinbare Widersprüche in verschiedenen Origo-Versionen
desselben Autors mitunter dem Herausarbeiten von verschiedenen Gesichtspunkten, die
dem Autor wichtig waren. Im einen Fall scheint Fredegar die Verwandtschaft mit den
Makedonen und Römern wichtig zu sein, sowie die Durchsetzung der Franken gegen-
über den mit ihnen verwandten Römern. Der erfolgreiche Widerstand findet gerade un-
ter den duces statt, wodurch die aus der Mitte der Franken erhobenen duces eine Rolle
bei der politischen Abgrenzung spielen, die Könige hingegen nur bei der Namenge-
bung. Daß die Herrscher vor den Merowingern also bei Fredegar zu duces „herabge-
staft" werden, obwohl Fredegar bei Gregor noch finden konnte, daß die Bezeichnung
subreguli oder regales möglich war, weist auf eine allgemeine Schwächung des König-
tums hin.222 Bei der zweiten Trojalegende kommt es Fredegar offensichtlich auf die tro-
217
218
Fredegar, ed. Krusch, III, 2, S. 93.
Hommel, Die trojanische Herkunft der Franken, S. 327ff, sieht in dieser Verballhornung einen
Hauptanstoß für die Idee der Verknüpfung der Franken mit den Trojanern. Zu Xanten als
219
„Trojanerstadt" vgl. auch Runde, Xanten, S. 135-150.
Anton, Troja-Herkunft, S. 18f, sieht bei Fredegar eine besondere Betonung der Gleichwertigkeit
von Franken und Römern besonders in den kriegerischen Auseinandersetzungen.
220
Ewig, Trojamythos, S. 6; ders., Troja und die Franken, S. 6. So auch schon Fritze,
221
Untersuchungen, S. 146f.
Anton, Troja-Herkunft, S. 24. Gerberding und Ewig führen die zwei Troja-Erzählungen als
Argument für mehrere Autoren an (Gerberding, Rise of the Carolingians, S. 14f, und Ewig, Troja
und die Franken, S. 8).
222
Ewig, Troja und die Franken, S. 4, geht indes davon aus, daß die subreguli vor dem Hintergrund
des merowingischen Großkönigtums zu duces verblaßten. Der Meinung Fritzes, Untersuchungen,
Fredegar 155
janische Kontinuität an, die ihren Ausdruck im Bau eines zweiten Troja am Ufer des
Rheins findet. Damit wird in diesem Zusammenhang das Siedlungsgebiet der Franken
mit der Vergangenheit in Beziehung gesetzt.
Königtums dient zusammen mit der Betonung der Freiheitsliebe dazu, die Franken als
gens in den Mittelpunkt zu stellen, wobei sich für Fredegar eine Frage nach der Legiti-
mität der Herrschaft anscheinend überhaupt nicht stellt. Dementsprechend werden die
duces Marcomer, Sunno und Genobaudes zwar genannt, aber bei den dann von Frede-
gar erzählten Auseinandersetzungen mit den Römern und namentlich genannten rö-
mischen Heermeistern treten immer nur die Franci als eigentlich agierende Personen
auf. Fredegars mangelndes Interesse an der Legitimität der Königsfamilie an sich hängt
sicher mit seiner Einstellung bzw. Wunschvorstellung gegenüber den Hausmeiern als
besseren Herrschern zusammen. Der Ursprung der Königsmacht interessierte aus die-
sem Grand nicht mehr so sehr.
Erst nach der erfolgreichen Auseinandersetzung mit den Römern kommt Fredegar
auf einen Widersprach zwischen Dukatsverfassung und Königtum zu sprechen: Dehinc,
extinctis ducibus, in Francis dinuo regis creantur ex eadem stirpe, qua prlus fu-erant?24
In diesem Einschub erklärt Fredegar nun, die Franken hätten Könige aus demselben Ge-
schlecht wie vorher erhoben. Möglicherweise ist dieser Einschub durch Gregor von
Tours und dessen Formulierung bei der Königserhebung der Merowinger veranlaßt: re-
gis crinitos super se creavisse de prima et, ut ita dicam, nobiliore suorum familia.225 Da
die Könige bei ihren vorherigen Erwähnungen keinem Geschlecht zugeordnet wurden,
ist es möglich, daß Fredegar Gregor aus dem Gedächtnis falsch zitiert hat. Es ist eben-
S. 142, daß die Franken als geschwächtes Volk die Vielherrschaft von duces hätten ertragen
müssen, während sie als starkes Volk befähigt gewesen seien, die Einherrschaft eines Königs
hervorzubringen, kann man sich nicht anschließen. Denn unter den duces betont Fredegar gerade
die militärische Stärke, die den Sieg über die Römer ermöglicht, auch wenn man kurzfristig gegen
Pompeius eine Niederlage einstecken mußte.
Fredegar.ed. Krusch, III, 2f, S. 93.
Fredegar, ed. Krusch, III, 5, S. 94. Es ist zweifelhaft, ob man dies tatsächlich so verstehen darf,
daß die Franken ihre duces getötet hätten (so Kusternig [Hrsg.], Quellen zur Geschichte des 7. und
8. Jahrhunderts, S. 87). Wahrscheinlich scheint die Erklärung, daß es Arbogast, dessen Haß auf die
fränkischen duces Fredegar in III, 4, ed. Krusch, S. 94, ausdrücklich erwähnt, gelungen ist, die
Frankenherzöge auszuschalten.
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 9, S. 57.
156 Die Herkunftserzählungen der Franken
falls denkbar, daß er die Abstammung der Merowinger von den trojanischen Königen
für so selbstverständlich hielt, daß er die Verwandtschaft von Friga und Francio mit Pri-
amus nicht extra erwähnte. Auf jeden Fall zeigt sich an dem Befund, daß die Verwandt-
schaft von Merowingern mit Trojanern nicht herausgearbeitet wird, erneut eine Ver-
nachlässigung des Aspektes der Legitimität der Herrscherfamilie, besonders wenn man
Fredegars Formulierung mit der von Gregor vergleicht. Der Einschub steht möglicher-
weise an falscher Stelle, denn im folgenden Abschnitt (III, 7) berichtet Fredegar von der
Einnahme Triers, wobei wieder die Franken die handelnden Subjekte darstellen und
nicht etwa deren Könige.226
Der Bericht von der Königserhebung der Merowinger nach dem Überfall auf Trier ist
dann eine Vermischung der Trojalegende mit den aus Gregor von Tours zu gewin-
nenden Informationen: Franci electum a se regt, stcut prius fuerat, crinitum, inqui-
rentes diligenter, ex genere Priami, Frigi et Francionis super se créant nomen Theude-
marem, filium Richemeris, qui in hoc prilio, eo supra memini, a Romanis interfectus
est. Substituetur filius eius Chlodeo in regno, utilissimus vir in gente sua, qui apud
Esbargium castrum resedebat, quod est in termino Thoringorum.221 Den rex crinitus hat
Fredegar wohl aus Gregor übernommen, ebenso wie den Namen des ersten wirklich be-
legten Frankenkönigs.228 Chlodio, seine Charakterisierung als utilissimus in gente sua
und dessen Herrschaftsgebiet in termino Thoringorum hat Fredegar ebenfalls von Gre-
gor.229 Gegenüber Gregor fallen allerdings einige Dinge ins Auge: Der König Theude-
mer ist bei Gregor kein Merowinger, Gregor umgeht die Bezeichnung electus im Zu-
sammenhang mit der Königserhebung, und Chlodio ist bei Gregor utilis ac nobilissimus
in gente sua. Fredegar stellt also mit den aus Gregor bekannten Namen eine Familienge-
nealogie her, die auf Priamus zurückgeht und in der der Heros eponymos der Franken
einen Platz hat. Daß Fredegar lediglich die utilitas des Chlodio erwähnt, ist ebenfalls
aufschlußreich. Für Gregor war die nobilitas der Familie wichtiger. Fredegar drängt sie
völlig in den Hintergrund und erwähnt auch nicht, daß die Merowinger eme familia no-
bilis seien. Die gesamte Königserhebung wird durch die Zusätze Fredegars inquirentes
diligenter und electus sehr viel mehr von der Handlungsinitiative der Franken bzw. ih-
rer Großen abhängig und damit aus dem heilsgeschichtlichen Kontext bei Gregor ausge-
löst. Wieder stehen die Franken eher im Mittelpunkt als deren Königsgeschlecht. Von
den Königen als Erfüllungsgehilfen der Heilsgeschichte kann bei Fredegar jedenfalls
nicht die Rede sein.
Der namengebende Stammvater der Merowinger wird dann bei Fredegar auf eine
ganz andere Art eingeführt als bei Gregor: Fertur, super litore maris aestatis tempore
Chlodeo eum uxore resedens, meridiae uxor ad mare labandum vadens, bistea Neptuni
Quinotauri similis earn adpetisset. Cumque in continuo aut a bistea aut a viro fuisset
concepta, peperit filium nomen Meroveum, per co regis Francorum post vocantur Me-
rohingii.230 Diese Erzählung von der mythischen Abstammung der Merowinger von
einem Meeresungeheuer ist schon häufig auf alte heidnische Vorstellungen der gött-
lichen Abstammung bezogen worden.231 Auf diese Art und Weise erhalten die Mero-
winger bei Fredegar nicht nur eine Verbindung zu den Trojanern, die sie in Verbindung
zu den Römern bringt, sondern zusätzlich eine Verbindung zu einer außerchristlichen
Gottheit. Es ist denkbar, daß Fredegars Erzählung der nur halb verstandene Reflex einer
alten fränkischen Tradition über das Herrscherhaus ist.
Neuerdings hat Alexander Murray eine andere Deutung vorgeschlagen:232 Das Meer-
esungeheuer sei durch eine etymologisierende Deutung des Namens Merowech/Mero-
veus als „Meervieh" zu erklären. Fredegar habe sie übernommen, um neben den Troja-
nern eine weitere Verbindung zur klassischen Antike in Form des Minotauras zu haben.
Eine Verbindung zum Minotauras habe vor Fredegar nicht bestanden. Daher dürfe man
die Erzählung bei Fredegar nicht mit einem wie auch immer gearteten Stierkult der Ger-
manen in Verbindung bringen, für den es kaum Belege gibt.233
Es besteht eher die Möglichkeit, daß Fredegar den Stammvater der Merowinger da-
mit verunglimpfen wollte,234 denn im Gegensatz zu einer Abstammung von den troja-
nischen Helden, die zwar auch Heiden waren, aber deren Tapferkeit respektheischend
wirkte, konnte eine heidnische Abstammung die explizit auf den römischen Gott Nep-
tun zurückgeführt wird als negativ empfunden werden. Außerdem spricht die Verwen-
-
dung des Wortes bistea (und eben nicht taurus) für eine negative Einstellung Fredegars
-
gegenüber der merowingischen Abstammung, denn bistea wird später bei der Prophe-
zeiung der Basina für eindeutig negativ besetzte Tiere verwendet.235 Der ursprünglich
vielleicht vorhandene legitimierende Aspekt, der einer Verbindung zu einer Gottheit in-
newohnen kann, kommt bei Fredegar jedenfalls abhanden und wird von ihm gar nicht
1
Fredegar, ed. Krusch, III, 9, S. 95.
Vgl. zu diesem Komplex etwa Baesecke, Germanisch-deutsche Stammtafeln; Scheibelreiter,
Mythos zur Geschichte, S. 35ff, der Fredegars Erzählung als die mythenkritische Darstellung
einer „heiligen Hochzeit" sieht. Ewig, Trojamythos, S. 14, hat zu Recht darauf hingewiesen, daß
nach der Namensform Merohingii der Stammvater eigentlich Mero sein müßte.
2
Murray, Post vocantur Merohingii, vor allem S. 134-144.
3
Murray, Post vocantur Merohingii, S. 124-132. Hauck, Carmina antiqua, S. 3lf., verweist auf
einen Stierkopf im Childerichgrab. Bezeichnenderweise existiert kein Eintrag „Stier" im RGA.
Außer im griechischen Bereich ist ein Stiergott noch bei den Iren belegt, vgl. Cross, Motif-Index
of early Irish literature, S. 5, A. 132.9. Die Übersetzung von Merowech als „Meervieh" wird von
H. Tiefenbach, Merowech. § 1 Namenkundliches, in: RGA 19, S. 574f, nicht in Erwägung
gezogen. Zur Kritik am „Stierkult" auch Fried, Schleier der Erinnerung, S. 272.
14
Ewig, Trojamythos, S. 15, sieht hingegen in dieser Erzählung den Versuch, die Trojamär mit der
5
mythischen Haustradition zu verbinden.
Fredegar, ed. Krusch, III, 12, S. 97: ...ad instar canibus et minoribus bisteis... Neuerdings hat
auch Wood, Deconstructing the Merovingian Family, S. 15Iff., sich dafür ausgesprochen, daß die
Erzählung vom „Meervieh" und die Prophezeiung der Basina für eine Verunglimpfung der
Merowinger sprechen.
158 Die Herkunftserzählungen der Franken
ausgesprochen. Fredegar wollte durch die Aufnahme dieser Erzählung ein weiteres Mal
den bei Gregor so deutlichen heilsgeschichtlichen Aspekt der Merowingerherrschaft ab-
schwächen, indem das Wirken Gottes völlig in den Hintergrund gedrängt wird.
Die Erzählung über Merowechs Sohn Childerich und sein Exil findet sich bei Frede-
gar ebenfalls in anderer Form als bei Gregor, auch wenn die Grandkomponenten die
gleichen bleiben: Childerich wird wegen schlechter Herrschaft vertrieben, sein Freund
hier mit dem Namen Wiomad gibt ihm ein halbes Geldstück als Zeichen mit, Childe-
-
rich geht nach Thüringen ins Exil, Aegidius wird zum Frankenkönig erhoben, nach ei-
-
ner Weile wollen die Franken Childerich als Herrscher zurück. Als Childerich wieder
im Frankenreich etabliert ist, folgt ihm Basina, die Frau des Thüringerkönigs, um ihn zu
heiraten.236
Bei Fredegar ist die Erzählung folgendermaßen differenziert: Childerich kann seine
Herrschaft nur durch die List seines Freundes Wiomad wiedergewinnen, der den Fran-
ken vorgaukelt, Aegidius sei ein schlechter Herrscher, und der überdies den byzanti-
nischen Kaiser überlistet. Als Childerich die Herrschaft wieder angetreten hat, faßt er
auf Anraten seines Freundes vernünftige Beschlüsse. Die Eigeninitiative des Freundes
ist bei Gregor nicht so bedeutend, da er dort relinquens ibi (d.i. bei den Franken) homi-
nem sibi carum, qui virorum furenttum animus verbis linibus mollire possit?31 Damit
steht Childerich für Fredegar, im Gegensatz zu Gregor, in einer Traditionslinie von auf
Hilfe und Rat angewiesenen Merowingern. Ohne die tatkräftige Hilfe seines Freundes
wäre Childerich die Herrschaft wohl für immer abhanden gekommen. Dieser Aspekt der
Abhängigkeit der Könige von der Mithilfe ihrer Ratgeber wird von Fredegar später
noch stärker herausgearbeitet. Die Franken selbst sind in dieser Erzählung wie schon an
anderen Stellen stärker als handelnde Personen im Vordergrund, und sie maßen sich
viel Einmischung in die Herrschaft an: Als Childerichs Freund die Franken nach ihren
Wünschen fragt, entgegnen sie: Si Childerico ubicumque potuissemus conperire, li-
benter eum super nos recipebamus ad regem und bei der Wiedereinsetzung von Childe-
rich heißt es: Deinde ab omnes Francos resublimatur in regno?3% Vergleicht man diese
Formulierungen mit denen bei Gregor,239 wird deutlich, wie viel mehr Fredegar die poli-
tische Eigenständigkeit und Handlungsfähigkeit der Franken im Gegensatz zu seiner
Vorlage betont. Die Rolle Childerichs wird hingegen von der des Freundes in den Hin-
tergrund gedrängt, dessen Initiative allein zu verdanken ist, daß Childerich seine Herr-
schaft wieder antreten kann. Gleichzeitig stellt Fredegar Childerich als abhängig vom
byzantinischen Kaiser dar, von dem er die Vollmacht zum Eingreifen in Gallien erhält.
Als Childerich inzwischen in Byzanz, ein Detail, das sich bei Gregor ebenfalls nicht
findet Nachricht von seinem Freund bekommt, daß alles für seine Wiederkehr bereit
-
ist, bittet er den byzantinischen Kaiser: lobe me servo tuo Ire in Galleis; ego fororem
-
indignationis tuae super Eiegio ulciscor?40 Mit dieser Abweichung von Gregor streicht
Fredegar die Abhängigkeit des merowingischen Königs heraus. Bei Gregor war Childe-
rich noch ein unabhängiger König, der höchstens in Kontakt mit Byzanz stand. Die
Tendenz dieser Byzanz-Episode ist durch die antibyzantinische Haltung Fredegars zu
erklären.241
Noch deutlicher tritt die Abwertung des merowingischen Königsgeschlechtes zutage,
als Fredegar die Visionen Childerichs schildert, in denen dessen Frau Basina verschlüs-
selt etwas über die Zukunft der Merowinger erfährt.242 Zuerst sieht Childerich Löwen,
Einhörner und Leoparden, dann Wölfe und Bären und schließlich Hunde. Alle diese
Tiere stehen in der Interpretation der Basina für Generationen der Merowinger. Chlod-
wig verkörpert als heldenhafter, kriegerischer König, der auch von Fredegar bewundert
wird, den Löwen, seine Söhne die Leoparden und Einhörner, seine Enkel schließlich die
Bären und Wölfe, nach denen dann der Verfall in Gestalt der Hunde eintritt. Für sie fin-
det Basina starke Worte der Kritik, die für die eigenen Nachkommen ein wenig merk-
würdig anmuten: Tercio que vidisti ad discessum columpna regni huius erunt, que reg-
naverint ad instar canibus et minoribus bisteis; eorum consimilis erit fortitudo. Plure-
tas autem minoribus bisteis, que ab invicem detrahentes volutabant, populos sine timo-
ré principum ab invicem vastantur.243 Eine solche Prophezeiung ex éventa ist nicht un-
gewöhnlich. Ihr Zweck dürfte sein, den Verfall der Merowingerherrschaft als schick-
salsgegeben hinzustellen. Es handelt sich wieder um ein Manöver Fredegars, die bei
Gregor betonte heilsgeschichtliche Bedeutung der Merowinger auszuhebein. Dabei ist
der Verfall nach Chlodwig in Ansätzen schon in Gregors Erzählung angelegt, da Gregor
anläßlich der Bürgerkriege unter Chlodwigs Enkeln (den Bären und Wölfen der Prophe-
zeiung) einen Verfall der Herrschaft konstatiert. Bei Fredegar ist die Kritik allerdings
weniger auf einzelne Personen wie etwa Chilperich und Fredegunde bezogen, sondern
mehr auf die merowingische Familie an sich. Der Verfall unter späteren Generationen
wirft einen Schatten auf die Errungenschaften Chlodwigs. Denn die „Löweneigen-
schaften" des Chlodwig bestätigen letztlich die Prophezeiung der Basina vom zukünf-
tigen Niedergang.
Chlodwig, Gregors „Lichtgestalt", wird bei Fredegar etwas stiefmütterlicher behan-
delt. Er taucht das erste Mal im Zusammenhang mit der Lebensbeschreibung Theode-
richs des Großen auf.244 In dieser Erzählung kommen noch keine besonderen Eigen-
schaften Chlodwigs zum Tragen. Sie konzentriert sich völlig auf die Beschreibung The-
oderichs. Chlodwig tritt in Verhandlungen mit dem Westgotenkönig Alarich, die schei-
tern, weil die Goten bewaffnet zu den Verhandlungen erscheinen. Ein Gefolgsmann des
Chlodwig kann die Katastrophe verhindern, und Theoderich wird als Vermittler heran-
5
Fredegar, ed. Krusch, III, 12, S. 97, übernimmt beispielsweise die Formulierung von Gregor:/«/';
magnus etpugnator egregius aus Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 12, S. 62.
6
7
Fredegar, ed. Krusch, III, 15, S. 98.
8
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 27, S. 72.
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 27, S. 72: hostes abstulerant, dahingegen bei Fredegar, ed. Krusch,
III, 16, S. 98: hostis abstulerat.
9
0
Fredegar, ed. Krusch, III, 16, S. 99.
1
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 27, S. 72.
Fredegar, ed. Krusch, III, 17-19, S. 99ff. Im Laufe der Zeit nahm die Erzählung von Chlodwig und
Chrodechilde legendenhafte Züge an, vgl. Bourgain, Clovis et Clothilde.
2
3
Fredegar, ed. Krusch, III, 20 und 21, S. 101.
Fredegar, ed. Krusch, III, 21, S. 101: clam a sancto Remedio Remensis urbis episcopum,
adtrahentem etiam Chrotechilde regina, baptismi gratiam cum sex milia Francis in pascha
Domini consecratus. Bei Gregor war Remigius nur heimlich zur Unterweisung im Glauben
gerufen worden, die Taufe fand aber öffentlich statt. Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 31, S. 75f.
Zum Unterschied in der Darstellung Gregors und Fredegars vgl. auch Fritze, Untersuchungen,
S. 124-127.
Fredegar 161
gedeutet wurde, heraus. Ähnlich berichtet Fredegar bei den Kämpfen mit Burgundern
und Goten nicht von göttlicher Hilfe.254 Chlodwig bestreitet sie allein mit Waffengewalt
und List. Allein am Ende gesteht Fredegar Chlodwig die bei Gregor ausführlich überlie-
ferte Hilfe des Martin und des Hilarius zu: Multis muneribus ecclesia sancti Marthini et
sancti Helariae ditavit, quorum fultus auxilio haec cernitur implisse.255 Durch das cer-
nitur wird die Hilfe der Heiligen gegenüber dem direkten Eingreifen bei Gregor sehr
eingeschränkt, da sie nicht als Tatsache hingestellt wird, sondern nur eine Meinung wie-
dergibt. Erneut macht sich bemerkbar, wie Fredegar Chlodwig und mit ihm die Mero-
winger aus dem ihnen von Gregor beigegebenen heilsgeschichtlichen Kontext löst.
Fredegar äußert implizit Kritik an den Streitigkeiten innerhalb der merowingischen
Königsfamilie nach Chlodwig: Chlodovald, ein Sohn Chlodomers, dessen Brüder von
ihren Onkeln erschlagen worden waren, wird laut Fredegar ad clerecatum tundetur, di-
gnamque vitam gerens; ad cuius sepulcrum Dominus virtutes dignatur ostendere?56 Die
Heiligmäßigkeit des geschorenen und um sein Recht gebrachten Chlodovald unter-
streicht das unrechte Handeln seiner Onkel. Dabei geht Fredegar eindeutig erneut über
Gregor hinaus.
Nur zuweilen hat Fredegar Gregors Interpretation übernommen.257
Im allgemeinen treten nach dem Herrschaftsantritt der Merowinger die Franken als
handelnde Personen in den Hintergrund, weil Fredegar zu großen Teilen Gregor exzer-
piert. Nur wenige Male werden sie von Fredegar noch erwähnt. Erst mit den späteren
Merowingern ab den Söhnen Chlothars I. treten sie als handelnde gens wieder zuneh-
mend in den Vordergrund. Dadurch wird der Verfall der Königsherrschaft verdeutlicht
und gleichzeitig eine Rückkehr zur ursprünglichen Verfaßtheit der Franken, wie sie in
der duces-Herrschaü zutage trat, postuliert. So findet sich etwa, als Chilperich seinen
Vertrag mit den Brüdern bricht und in Paris einzieht, folgende Formulierung: Illud tem-
pore Chilpertcus Parisius contra pactum, quam eum Francis inierat, ingreditur?5i Ähn-
Fredegar, ed. Krusch,'III, 22-24, S. 102f. Dagegen Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 37, S. 85f. S.o.
S. 134f.
Fredegar, ed. Krusch, III, 24, S. 102f.
Fredegar, ed. Krusch, III, 38, S. 105. Bei Gregor, ed. Krusch/Levison, III, 18, S. 119, fällt
Chlodovald selbst die Entscheidung für den Priesterstand, und es wird nicht von Wundern an
seinem Grab berichtet.
So berichtet er wie Gregor von einem Feldzug Childeberts und Theudeberts gegen Chlothar, der
durch das Eingreifen des heiligen Martin verhindert wird: Fredegar, ed. Krusch, III, 40, S. 105:
sed oracionibus Chrotechilde ad limina sancti Martini et divino noto grandinem et infestationem ...
tonitrui et fulgora venientem... Guntchramn wohl wegen seiner Stellung als König des
burgundischen Teilreiches ist bei Fredegar ebenso wie bei Gregor ein rex bonus, timens Deum,
-
der Burgundiae regnum bonitate plenus féliciter regebat, cum sacerdotibus uitque sacerdus ad
-
instar se ostendebat et eum leudis erat aptissimus, aelymosinam pauperibus large tribuens, tante
prosperitatis regnum tenui, ut omnes etiam vicinas gentes ad plinitudinem de ipso laudis canerent,
vgl. Fredegar, ed. Krusch, III, 56, S. 108, und IV, 1, S. 124; Sigibert wird erschlagen, weil er mit
seinem Bruder Chilperich kämpft und ihm sein Reich wegnehmen will, Fredegar, ed. Krusch, III,
71, S. 112.
Fredegar, ed. Krusch, III, 90, S. 118. Bei Gregor, ed. Krusch/Levison, VI, 27, S. 295, ist nur vom
162 Die Herkunftserzählungen der Franken
liehe Strukturen der Herrschaft werden beschworen, als Theuderich II. und Theude-
bert II. in Seltz zusammentreffen, um ihren Streit Francorum iudicio zu beenden.259 Auf
einem Höhepunkt des austrasisch-neustrischen Konfliktes bietet Chlothar II. Brunichil-
de an, daß iudicio Francorum electorum quiequid, precedente Domino, a Francis inter
eosdem iudicabatur.260 Chlothar II. und sein Sohn Dagobert lassen ihren Streit von
einem Schiedsgericht beilegen: Elictis ab his duobus regibus duodeeim Francis, ut eo-
rum diseeptatione haec finiret intentio?61 Mit Dagobert tauchen wieder duces als poli-
tisch handelnde Personen auf. In den meisten Fällen wird dux von Fredegar zwar ledig-
lich als Titel für bestimmte Personen verwendet, aber es lassen sich auch Belege dafür
finden, daß er mit duces eine Oberschicht anspricht, meist im Zusammenhang mit krie-
gerischen Aktionen: Dagobert rekrutiert ein Heer aus Neustrien und Burgund gegen die
Wenden eum ducebus et grafionebus ?62 Ein Heer aus Burgund, das von Dagobert gegen
die Basken gesandt wird, steht unter der Führung mehrerer duces.263 Im Heer Sigi-
berts III. gegen Radulf von Thüringen spielen duces ebenfalls eine wichtige Rolle.264 In
Burgund treten unter dem Hausmeier Flaochad duces als eigenständige Schicht auf, die
bei Beratungen herangezogen wird.265 Neben Franci und duces gibt es andere Wörter,
die für die politisch handelnde Schicht benutzt werden, die im Bericht über die Frühzeit
noch nicht auftauchen und daher keinen Brückenschlag zur Vergangenheit ermöglichen.
In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, daß Fredegar die kurzfristige duces-
Herrschaft der Langobarden nicht unerwähnt läßt, die auch bei Paulus Diaconus überlie-
fert wird.266 Somit wird der Rückbezug auf die Verfaßtheit der Franken vor der Königs-
herrschaft der Merowinger durchaus deutlich.
Bei der Exzerpierang aus Gregor fällt auf, daß Fredegar oft entschuldigende Erklä-
rungen Gregors für das Verhalten der merowingischen Könige ausläßt, so etwa als
Guntchramn die Ärzte töten ließ, die angeblich für den Tod seiner Gemahlin Austrechil-
de verantwortlich waren. Bei Gregor wird Guntchramn weitestgehend entlastet,267 wäh-
rend bei Fredegar nur knapp berichtet wird: Iusso Gunthramni medici diversis poenis
adfecti migrant a saeculo.26*
Die merowingischen Könige werden von Fredegar allerdings nicht immer schlecht
gemacht. So kann pacientia Chlothariae (seil. II.) interveniente ein Streit unterbunden
werden.269 Die pacientia stellt für Fredegar eine wichtige Voraussetzung zur Herrschaft
dar, die nicht nur von Königen erfüllt wird. Für Dagobert findet Fredegar sehr lobende
Worte, bezeichnenderweise zu einem Zeitpunkt, als er maßgeblich von Pippin dem Äl-
teren beraten wird: Huius benignitatis desiderio plenus nee somnum capiebat oculls nee
eibum saclabatur, intentissime cogitans, ut omnes cum iustitia recepta de conspectu suo
remearint?10
269
270
Fredegar, ed. Krusch, IV, 55, S. 148.
271
Fredegar, ed. Kausch, IV, 58, S. 149f.
272
Fredegar, ed. Krusch, III, 58, S. 109.
273
Fredegar, ed. Krusch, III, 58 und 59, S. 109.
Fredegar, ed. Krusch, IV, 28, S. 132.
164 Die Herkunftserzählungen der Franken
Die Eigenschaften strenuus in eunetis und die patientia scheinen besonders wichtig
gewesen zu sein. Sie werden wie schon bei Chrodinus als positive Charaktermerkmale
aufgeführt.
Ein weiterer Hausmeier ist Warnachar, der beim Sturz Branichildes und der Einset-
zung Chlothars II. im gesamten Frankenreich eine Schlüsselrolle spielt. Brunichilde hat
in Fredegars Augen den Verrat Warnachars ihr gegenüber im entscheidenden Moment
selbst verschuldet, weil sie den Auftrag gegeben hatte, ihn zu töten.274 Die Maßnahmen
Warnachars zu ihrem Sturz sind also als Selbstverteidigung gerechtfertigt.
Die Arnulfinger und die Hausmeier aus ihrem Geschlecht werden von Fredegar be-
sonders positiv hervorgehoben. Arnulf, Bischof von Metz, ist beatissimus,215 ein Attri-
but, das deutlich auf die ihm entgegengebrachte Verehrung hinweist. An anderer Stelle
wird seine friedfertige Art hervorgehoben: benignissime, ut sua erat sanetitas, inter pa-
trem et filium pro pacis loquebatur concordia?16 Arnulf und Pippin sorgen gemeinsam
für die gute Herrschaft Dagoberts: Usque eodem tempore ab inicio quo regnare ciperat
consilio primetus beatissime Arnulfi Mettensis urbis pontefice et Pippino maiorem do-
mus usus, tante prosperetatis regale regimen in Auster regebat, ut a eunetis genttbus
inmenso ordine laudem haberit.... ut nullus de Francorum regibus precedentibus suae
laudis fuisset precellentior?11
Als Dagobert nicht mehr auf den Rat Pippins hört, wird seine Herrschaft deshalb
rasch schlechter, aber der Hausmeier weicht, auch wenn er seinen weltlichen Einfluß
eingebüßt hat, laut Fredegar dennoch nicht vom rechten Pfad ab: Peppinus... plenlsse-
mus fide, ab omnibus delictus pro iustitiae amorem, quam Dagoberti consiliose in-
struxerat, dum suo husus fuerat consilio, sibi tarnen nee quiequam oblitus iustitiam ne-
que recedens a viam bonitates..?1% Daher kann der Neid der übrigen Austrasier ihm
nichts anhaben: iustitiae amor et Dei timor, quam diligenter amplexerat, ipsum libera-
vit a malis?19 Die negative Beschreibung Dagoberts nach seiner Umsiedlung nach Neu-
strien erklärt sich sicher auch dadurch, daß Fredegar austrasisch-burgundische Vorlie-
ben hatte, wie anläßlich eines Feldzuges gegen die Wenden deutlich wird, bei der das
Versagen der Austrasier folgendermaßen erklärt wird: Estaque victuria, qua Winidi
contra Francos meruerunt, non tantum Sclavinorum fortitudo optenuit, quantum de-
mentado Austrasiorum, dum se cernebant cum Dagoberto odium ineurrisse et adsiduae
expoliarintur?%0 Erst als Dagobert die austrasische Selbständigkeit gebührend anerkennt
und dort seinen Sohn Sigibert einsetzt, nimmt die Verteidigungsbereitschaft der Austra-
Fredegar, ed. Krusch, IV, 40, S. 140f.: Warnacharius cernens se vitae pericolum habere, deineeps
vehementer cogitare coepit, quo pacto filii Theuderici opprimerentur, et regnum Chlothariae
aelegerit.
Fredegar, ed. Krusch, IV, 52, S. 146.
Fredegar, ed. Krusch, IV, 53, S. 147.
Fredegar, ed. Krusch, IV, 58, S. 150.
Fredegar, ed. Krusch, IV, 61, S. 151.
Fredegar, ed. Krusch, IV, 61, S. 151.
Fredegar, ed. Krusch, IV, 68, S. 155.
Fredegar 165
sier wieder zu: Deinceps (nach der Erhebung Sigiberts III.) Austrasiae eorum studio 11-
mitem et regnum Francorum contra Winedus utiliter definsasse nuscuntur?%1
Während der Unmündigkeit Sigiberts III. sind Pippin und der ihm in amicitia verbun-
dene Kunibert von Köln bénigne gobernantes in Austrasien.282 Nach dem Tod Pippins
trachtet sein Sohn Grimoald nach dem Hausmeieramt, wobei er sich ebenfalls der Un-
terstützung Kuniberts versichert: Grimoaldus cum Chuniberto pontefice se in amictciam
constringens, ceperat cogitare, quo ordine Otto [seinen Gegenspieler] de palacio aegi-
ceretur, et gradum patris Grimoaldus adsumeret?*3 Grimoalds Ansprach ist anschei-
nend für Fredegar schon selbstverständlich. Grimoald gelingt es, seinen Gegenspieler
auszuschalten, so daß gradus honoris maiorem domi in palacio Sigyberto et omnem re-
gnum Austrasiorum in mano Grimoaldo confirmatum est vehementer.2i4 Damit ist der
Übergang der realen Macht auf die Hausmeier deutlich, da jetzt das regnum selbst in
der Hand Grimoalds ist und er nicht lediglich beratende Funktionen ausübt, wie noch
sein Vater Pippin. Schon Dagobert war in Fredegars Augen in der Eigenständigkeit sei-
ner Regierung stark eingeschränkt, da sein Regierangsstil von seinen Ratgebern abhing.
In der nächsten Generation wird die Übernahme der realen Macht durch die Hausmeier
zwar nicht explizit erwähnt, tritt in den Formulierungen aber sehr deutlich
zutage, wenn
auch, wie Ulrich Nonn nachgewiesen hat,285 das Verb regnare noch den Königen vorbe-
halten bleibt.
Die neustrischen Hausmeier werden von Fredegar ebenso gelobt. Dagobert hinterläßt
seinen Sohn Chlodwig in der Obhut des Hausmeiers Aega consilium Aegane peragra-
tum habens, quod cum eius instancia regnus strenuae gubernari possit?S6 Später heißt
es von diesem Hausmeier: Aega vero inter citiris primatebus Neustreci prudencius
agens et plenitudenem pacienciae inbutus, cumtis erat precellentior.2*1 Bei Aega spielen
also die strenuitas und die patientia eine ähnliche Rolle für seine gute und damit legiti-
mierte Herrschaft. Im Gegensatz zu den austrasischen Hausmeiern aus arnulfingischem
Geschlecht hat Fredegar aber diesmal eine negative Eigenschaft mitzuteilen, nämlich
daß Aega auch avariciae deditus war.288
Der Hausmeier Erchinoald von Neustrien zeichnet sich nach Fredegar ebenfalls
durch positive Eigenschaften aus: Eratque homo paciens, bonetate plenus, cum esset
paciens et cautus, humiletatem et benignam voluntatem circa sacerdotibus omnebusque
pacienter et bénigne respondens nullamque tumens superbtam, neque cupiditatem sae-
viaebat; tanta in suo temporepacem sectansfuit, ut Deum esse placebelem.2*9 Dem bur-
Fredegar, ed. Krusch, IV, 75, S. 159. Curta, Slavs in Fredegar, S. 8ff., vermutet, daß Fredegar mit
dieser Erzählung vor allem die Bedeutung des austrasischen Adels für eine erfolgreiche Herrschaft
des Dagobert betonen wollte.
Fredegar, ed. Krusch, IV, 85, S. 164.
Fredegar, ed. Krusch, IV, 86, S. 164.
Fredegar IV, 88, ed. Krusch, S. 165.
Nonn, Herrschaft der fränkischen Hausmeier, S. 44.
Fredegar, ed. Krusch, IV, 79, S. 161.
Fredegar, ed. Krusch, IV, 80, S. 161.
Fredegar, ed. Krusch, IV, 80, S. 161.
Fredegar, ed. Krusch, IV, 84, S. 163.
166 Die Herkunftserzählungen der Franken
gundischen Hausmeier Flaochad hingegen werden ähnlich wie Grimoald keine posi-
tiven Eigenschaften mehr zugeschrieben, zu seinen Eigenschaften zählen perfidia und
mendacia.290 Dafür ist seine Herrschaft schon eine Selbstverständlichkeit, wie man an
der Einberufung von Versammlungen der Bischöfe und duces in Burgund erkennen
kann, die durch ihn und nicht durch den König erfolgen.291
1
Fredegar, ed. Krusch, IV, 90, S. 168.
Fredegar, ed. Krusch, IV, 90, S. 166: collictis secum pontefecis et ducibus de regnum
2
Burgundiae...
Fredegar, ed. Krusch, II, 62, S. 88: Buccelenum quidam Franco; TV, 18, S. 128; IV, 24, S. 130;
IV, 34, S. 133; IV, 43, S. 142; IV, 48, S. 144: natione Francos; möglicherweise IV, 51, S. 146 und
IV, 71, S. I56:parentem Francorum; IV, 78, S. 160; IV, 89, S. 165.
13
Fredegar, ed. Krusch, IV, 78, S. 160: genere Burgundionum; TV, 28, S. 132: genere Romanus; TV,
78, S. 160: genere Romano.
14
Fredegar, ed. Krusch, IV, 11, 12, 15 und 78, S. 126f. und 160: Franken im Gegensatz zu Bretonen;
II, 56 und 58, IV, 33 und 73, S. 77, 82f, 133 und 157f: Franken im Gegensatz zu Goten; IV, 38,
S. 139: Franken im Gegensatz zu ceterae gentes; TV, 45, S. 143f: Franken im Gegensatz zu
Langobarden; IV, 68, S. 154f: Franken im Gegensatz zu Wenden/Slawen; IV, 74, S. 158: Franken
im Gegensatz zu Wenden/Slawen und Sachsen; IV, 78, S. 159ff.: Franken im Gegensatz zu
Basken; III, 2t, S. 101: Franken im Gegensatz zu den alten Burgundern.
'5
Fredegar, ed. Krusch, IV, 37, S. 138: Francorum iudicio; TV, 40, S. 140: iudicio Francorum
electorum; IV, 72, S. 157: ...dummodo pertractabat eum Francis...; ...consilium Francorum.
Auch beim Liber historiae Francorum stellt Wood, Defining the Franks, S. 48, fest, daß die
Franci dort Bezeichnung für eine soziale Schicht sind.
Fredegar 167
teln sollen.296 In diesen Bereich gehören ebenso die Belege, bei denen von einer Königs-
erhebung (electio) durch die Franken und anderen ähnlichen politischen Aktivitäten die
Rede ist.297 In diesen Fällen sind mit Franci wohl die Großen bzw. die Elite der gens ge-
meint, die bei Entscheidungsfindungen eine Rolle spielten.298 Genau diese Gruppe ist es,
die für Fredegar identitätsstiftend wirkt. Sie sind die Handlungsträger der gens.
Dies kann am Beispiel der Teilreiche verdeutlicht werden. Die Bezeichnungen Aus-
trasii, Neustrasii und Burgundiones sowie Auster, Neuster und Burgund dienen seit der
Teilung unter den Söhnen Chlothars I., die sich als dauerhaft erweisen sollte, also ab
dem dritten Buch (III, 55) in der Regel dazu, die Teilreiche voneinander abzugrenzen.299
Eine solche Unterscheidung ist natürlich vor allen Dingen bei Konflikten zwischen den
Teilreichen nötig. In einem Einzelfall scheint Fredegar beispielsweise daran gelegen zu
sein, genau zu bestimmen, in welchem Teilreich ein Heer rekrutiert wurde.300 Nach dem
Vorbild der politisch aktiven Franken findet man einige Male die Austrasier als poli-
tisch handelnde Personen, einmal ist ganz allgemein von einem consilium Austrasiis für
Königin Bilichild die Rede,301 einmal hat Pippin mit dem zelus Austrasiorum zu kämp-
fen,302 und zweimal tauchen die primates bzw. duces der Austrasier als entscheidende
Figuren auf.303 All diese Ereignisse beschränken sich auf das Teilreich Austrasien, und
Fredegars Differenzierung ist leicht nachzuvollziehen. Im Zusammenhang mit König
Dagobert ist zweimal von einem consilium Neustrasiorum die Rede. Das eine consilium
bezieht sich auf die Nachfolge von Dagobert in Neustrien304 und ist nicht erstaunlich,
das andere bezieht sich auf eine Abmachung mit den Sachsen, die diese nicht einhal-
ten.305
Das Teilreich Burgund ist insofern ein Sonderfall, als die Bezeichnungen Burgund
und Burgunder sich schon bei der Abhandlung von der Eroberung des alten Burgunder-
Fredegar, ed. Krusch, IV, 53, S. 147: Elictis ab his duobus regibus duodecim Francis...
S.o.S. 156f.
Zum Verhältnis von Großen und Königtum, wie es sich in Fredegar darstellt, vgl. auch Hannig,
Consensus fidelium, S. 123-129.
Zu den Begriffen, die Fredegar für die Teilreiche verwendet vgl. auch Fritze, Untersuchungen,
S. 244-250, und jetzt auch Goetz, Concepts, S. 77f., und ders., Wandlung des Frankennamens.
S. 138f.
Fredegar, ed. Krusch, IV, 68, S. 155, als das Heer der Austrasier gegen die Wenden zieht. Im
direkten Gegensatz zu den Wenden ist allerdings von Franci die Rede (Z. 15). Der
Teilreichkonflikt liegt hier vor, da die Austrasier sich von dem inzwischen in Neustrien ansässigen
Dagobert, der sie auf den Kriegszug ausgeschickt hat, ausgeplündert fühlen (ebd.). Deshalb leisten
die Austrasier nach der Versöhnung mit Dagobert in IV, 75, S. 159, die Abwehr gegen die
Wenden, allerdings eben für das gesamte regnum Francorum: Deinceps Austrasiae eorum studio
limetem et regnum Francorum contra Winedus utiliter definsasse nuscuntur.
Fredegar, ed. Krusch, IV, 35, S. 134.
Fredegar, ed. Krusch, IV, 61, S. 151.
Fredegar, ed. Krusch, IV, 76, S. 159, und IV, 85, S. 163f.
Fredegar, ed. Krusch, IV, 76, S. 159.
Fredegar, ed. Krusch, IV, 74, S. 158. Indem Fredegar hierfür den Neustriern die Verantwortung
zuweist, kann er die Austrasier von Schuld freisprechen.
168 Die Herkunftserzählungen der Franken
reiches durch die Franken finden und älter sind als die Entstehung der Teilreiche.306 In
deren Zusammenhang sieht der Befund für Burgund allerdings nicht anders aus als der
für Austrasien und Neustrien. Die Bezeichnung Burgundia oder Burgundiones dient vor
allem der Abgrenzung von den anderen Teilreichen. Die politisch aktive Schicht wird
mit der Bezeichnung Burgundofarones allerdings ganz deutlich abgegrenzt.307 Nur
zweimal ist hingegen von burgundischer Herkunft die Rede.308
Wie bei den Franken in ihrer Gesamtheit wird in den Teilreichen also eine politisch
aktive Schicht mit den Begriffen Neustrii, Austrasii und Burgundofarones belegt, die
innerhalb der Struktur des Reiches eine wichtige Rolle spielten. Leider haben sie nur im
Falle der Burgundofarones eine Bezeichnung, die das Absetzen von den anderen Be-
deutungen des Wortfeldes Burgundia/Burgundus erleichtert. Die Könige spielen bei
Fredegar keine identitätsstiftende Rolle. Diese wird von der Elite der gens übernom-
men, die Fredegar als totas pro parte mit der Bezeichnung Franci versieht.
306
S.o. S. 153.
307
Fredegar, ed. Krusch, IV, 41, S. 141; IV, 44, S. 143, und IV, 55, S. 148, vgl. dazu Ewig, Volkstum
und Volksbewußtsein, S. 626.
308
Fredegar, ed. Krusch, IV, 44, S. 142: eo quod esset regio genere de Burgundionibus, ohnehin eine
rätselhafte Stelle, da der Bezug nicht deutlich ist, und IV, 78, S. 160, in Abgrenzung zu Franken,
Romanen und Sachsen!
309
Wallace-Hadrill, Fredegar and the History of France, S. 89; Vgl. u. das Kapitel zu Paulus
Diaconus, insbesondere den Abschnitt: Der Ursprung der Langobarden, S. 204-215. Natürlich
handelt es sich bei Fredegars Langobarden-Origo um eine Außensicht, vgl. Cingolani, Storie dei
Longobardi, S. 31. Pohl, Werkstätte der Erinnerung, S. 120, vermutet die langobardische Königin
310
Gundeberga als Vermittlerin der Sage ins Frankenreich.
3.1
Fredegar, ed. Krusch, III, 65, S. 110.
Zur skandinavischen Herkunft als Origo-Element vgl. Bollnow, Herkunftssagen; Reynolds,
Medieval Origines Gentium, und Wolfram, Origo et religio. Ethnische Traditionen, S. 31 f.
3.2
Zu diesem Aspekt als Origo-Element vgl. Wolfram, Überlegungen zur Origo gentis, S. 31.
Fredegar 169
zeichnenderweise von Fredegar nicht genauer gedeutet wird,313 der militärische Sieg
über die Nachbarn (die Hunnen) und schließlich der Einfall nach Italien unter der Füh-
rung eines römischen Generals, die der Inbesitznahme Legitimität verleiht. Ähnlich wie
die Franken sind die Langobarden schon vor ihrer Benennung eine Einheit und wie sie
gewinnen sie ihre Eigenständigkeit im kriegerischen Konflikt. Anders als die Franken
haben sie keine Verwandtschaft zu den Römern vorzuweisen, verdanken aber wie die
Burgunder zumindest die Ansiedlung in ihrer jetzigen Heimat den Römern, nämlich
dem römischen General Narses. Die Namengebung erfolgt nicht nach einem Heros epo-
nymos, sondern ist ganz offensichtlich der langobardischen Überlieferung entnommen.
Möglicherweise hatte Fredegar ein Interesse daran, den langobardischen Nachbarn
eine Origo-Erzählung zu geben, um sie stärker von den Franken abzugrenzen. Ein ähn-
liches Motiv ist bei der Absetzung der verschiedenen Origines der Angelsachsen, Schot-
ten und Pikten bei Beda zu beobachten.314 Die Langobarden erhalten eine ganz eigene
Identifikation, auch wenn gleichzeitig die der Franken mit römisch-trojanischer Ab-
stammung vornehmer ist. Interessant ist die Tatsache, daß Fredegar die Langobarden
schon vor ihrer Benennung als eigenständige Entität sieht. Die Verwechslung von Awa-
ren und Hunnen, die Fredegar in dieser Erzählung unterläuft, mag aufschlußreich sein.
Dadurch, daß die Hunnen die Feinde der Langobarden sind, haben Langobarden und
Franken in den Hunnen einen gemeinsamen Feind, der bei beiden die Identitätsstiftang
in der Abgrenzung zum „anderen" erleichtert. Dies ist bemerkenswert, weil Franken
und Langobarden auch gerade zur Zeit Fredegars nicht immer einmütig waren, wie in
den folgenden Kapiteln deutlich gemacht wird, in denen Fredegar langobardische Ein-
fälle in Gallien schildert.315 Die Wahrnehmung der unmittelbaren Nachbarn der Franken
mag durch die häufigen Auseinandersetzungen geschärft sein. Fredegar könnte die Her-
kunft der Langobarden relativ ausführlich geschildert haben, weil er ein Interesse daran
hatte, sie gegenüber den Franken, der gens, mit der er sich identifizierte, abzusetzen.
Die Darstellung der Langobarden als eigene gens mußte am besten mit Hilfe einer Ori-
go-Erzählung gelingen. Daß ähnliche Elemente in der langobardischen Überlieferang zu
finden sind, spricht dafür, daß Fredegar diese bekannt war. Insofern mag ein weiteres
Motiv für die Niederschrift der langobardischen Origo darin zu finden sein, daß Frede-
gar diese Origo kannte. Im Gegensatz zu den untergegangenen alten Burgundern haben
die Langobarden eine eigene Existenz, unabhängig von den Franken, wie in einigen
Episoden Fredegars zum Vorschein kommt.316 Später berichtet Fredegar in den meisten
313
Laut Cingolani, Storie dei Longobardi, S. 39, und schon Fritze, Untersuchungen, S. 276f, handelt
es sich um eine christliche Uminterpretation Wodans. Dies ist nicht ganz einsichtig, da die
körperlose Stimme bei Fredegar nicht eindeutig identifiziert wird. Möglicherweise hat die
biblische Erzählung der Taufe im Jordan hier eine Rolle gespielt, es ist aber auch denkbar, daß
Fredegar die Stimme absichtlich unidentifiziert läßt, um eben keine „göttliche Einsetzung" der
314
Langobarden zu postulieren.
S.o. das Kapitel über Beda, insbesondere den Abschnitt: Origo der vorenglischen gentes, S. 60-64.
315
316
Fredegar, ed. Krusch, III, 66-68, S. 111.
Es seien hier einige Beispiele genannt: Childebert II. zieht auf Veranlassung der oströmischen
Kaiser nach Italien, um die Langobarden zu vertreiben non solum eis non nocuit, amicicias eum
ipsos inivit (Fredegar, ed. Krusch, III, 92, S. 118. Bei Gregor, ed. Krusch/Levison, IV,42, S. 314,
170 Die Herkunftserzählungen der Franken
Fällen zwar im Zusammenhang mit den Franken von den Langobarden, es wird aber
immer deutlich, daß es sich um „andere" handelt.317 Die langobardischen Nachbarn ste-
hen also deutlich im Kontakt mit den Franken, sind aber von ihnen abgesetzt.
Über andere Nachbarn der Franken, die Wenden bzw. Slawen, berichtet Fredegar
ebenfalls mit origo-ähnlichen Elementen. Erneut spielen die Hunnen die Rolle der Geg-
ner: Die Wenden waren zunächst von den Hunnen unterdrückt worden, ehe eine neue
Generation, bezeichnenderweise die Söhne der hunnischen Machthaber, einen Aufstand
begann. Die Hunnen wurden mit Hilfe des fränkischen Kaufmanns Samo besiegt und
Winidi cementes utilitatem Samones, eum super se eltgunt regem?li Die Eigenständig-
keit der wendischen gens, auch wenn sie in Grandzügen ähnlich wie die der Langobar-
den schon angelegt ist, wird wie bei den Langobarden im Konflikt gegen die „Hunnen"
geboren und findet ihren Ausdruck nach dem militärischen Sieg über die Feinde in der
freien Erhebung eines Königs, der sich in dem Konflikt hervorgetan hat und daher, ob-
wohl von außerhalb kommend, Legitimität erreicht. Wie bei der Erhebung des Franken-
königs spielt die utilitas eine große Rolle, so daß die Ethnogenese der Wenden in Paral-
lelität zu der der Franken verläuft. Ihre geringere Stellung ist dabei dadurch gewährlei-
stet, daß sie keine römische Verbindung haben und ihr erster König lediglich ein frän-
ist nur von pax die Rede, nicht von amicitia). Diese amicitia wird an anderer Stelle von Fredegar
als ein patrocinium der Franken über die Langobarden interpretiert, die ihnen daraufhin Tribut
zahlen müssen (Fredegar, ed. Krusch, IV, 45, S. 143: Post haec integra devocione patrocinium
elegunt Francorum...). Auch von einer amicitia zwischen Chlothar II. und den Langobarden ist
die Rede (Fredegar, ed. Krusch, IV, 45, S. 144: Chlotharius... amiciciam perpetuam cum
317
Langobardis sacramentis etpactisfirmavit...).
So geht Fredegar beispielsweise ausführlich auf die Heirat Theudelindes ex genere Francorum mit
dem Langobardenkönig Agilulf ein (Fredegar, ed. Krusch, IV, 34, S. 133f). Auch die Erhebung
Arioalds zum König und die Absetzung Adaloalds berichtet er (IV, 49 und 50, S. 145), sowie die
Gefangenschaft der Königin Gundeberga, die auf Veranlassung eines fränkischen Gesandten
wieder freigelassen wird (IV, 70 und 71, S. 156f). Gundeberga galt wohl deshalb als Verwandte
der Franken, weil Theudowald ihre Ahnin Walderada geheiratet hatte, vgl. Conti, Storia dei
Longobardi, S. 47 und 52, und Fröhlich, Studien, S. 140. Zu den langobardischen Erzählungen bei
318
Fredegar vgl. auch allgemein Conti, Storia dei Longobardi.
Fredegar, ed. Krusch, IV, 48, S. 144f. Curta, Slavs in Fredegar, S. lOff; ders., Slavs in Paul the
Deacon, S. 150-155, sowie ders., Making of the Slavs, S. 59-61, vermutet, daß Fredegar die
slawische Origo über Missionare erfahren hat. Da sie auch in einer slawischen Quelle zu finden ist
(Russian Primary Chronicle, übersetzt von Cross/Sherbowitz-Wetzor, S. 55f), handelt es sich
seiner Meinung nach um eine genuin slawische Tradition. Die utilitas des Samo spricht m.E.
gegen die Meinung Irsiglers, Geschichte des frühfränkischen Adels, S. 240, daß es sich bei
utilitas lediglich um eine Variante der nobilitas handelt. Gegen die Gleichsetzung von utilitas und
nobilitas auch schon Grahn-Hoek, Fränkische Oberschicht, S. 99f. Fritze, Untersuchungen, S. 281,
hat darauf aufmerksam gemacht, daß Fredegar die wendische Origo an ihrem chronologisch
richtigen Platz erzählt und nicht erst beim ersten Auftauchen Samos, womit die Eigenständigkeit
der gens als politische Größe betont wird. Zu den linguistischen Aspekten der in Fredegars
Wendenbericht erwähnten Orts- und Personennamen vgl. Schutz, Fredegar: Über Wenden und
Slawen. Zur überaus reichhaltigen Literatur zu Samo sei hier nur auf W. Pohl, Samo, in: LexMa 7,
Sp. 1342f., und ders., Awaren, S. 256-261, verwiesen.
Fredegar 171
kischer Kaufmann ist. Möglicherweise tritt an dieser Stelle schon ein Aspekt zutage, der
sich bei späteren Origines beobachten läßt.319 Die Franken lösen die nicht mehr zur Ver-
fügung stehenden Römer in ihrer Eigenschaft als Legitimationsstifter für eine neue gens
ab. Ähnlich wie bei den Langobarden ist die weitere Geschichte der Wenden mit den
Franken von Auseinandersetzungen geprägt.320 Die Hunnen treten demgegenüber als
Gegner völlig zurück.321
Vergleicht man die Origines der Langobarden und der Wenden mit der der Franken,
so wird deutlich, welche Elemente Fredegar besonders wichtig sind: die Behauptung der
Eigenständigkeit gegenüber einer anderen gens und die politische Handlungsfähigkeit
der Oberschicht, die ihren Ausdruck in der Ernennung der Herrscher findet. Demgegen-
über ist die Herkunft des Namens nicht so wichtig, die bei Franken und Langobarden
unterschiedlich erzählt wird und bei den Wenden überhaupt nicht der Erwähnung für
wert befunden wird. Die „Seniorität" der Franken gegenüber den anderen beiden gentes
wird zum einen durch ihre trojanische Abkunft deutlich gemacht, zum anderen dadurch
hervorgehoben, daß sie ihren Willen zur politischen Eigenständigkeit gegenüber den
Römern durchsetzen und nicht gegenüber den Hunnen, wie dies Langobarden und Wen-
den tan. Darüber hinaus wird die wendische Origo durch einen Franken angestoßen.
7. Zusammenfassung
Bei Fredegar findet man also eine ganz andere Art der Legitimations- und Identitätsstif-
tang als bei Gregor. Die Franken werden durch die Abkunft von den Trojanern mit den
Römern verwandt und haben als solche eine Berechtigung, die Herrschaft in den ehe-
maligen gallischen Provinzen zu übernehmen, wobei der Prozeß der Herrschaftsüber-
nahme in Gallien selber von Fredegar nicht ausführlich erzählt, sondern als bekannt vo-
rausgesetzt wird. Der Name der Franken leitet sich von einem Heros eponymos Francio
her. Dieser steht in der Nachfolge von Priamus und Friga, ohne daß eine Verwandt-
schaft der Könige untereinander übermäßig betont würde. Nach Francio hat das König-
tum zunächst ausgespielt, und die duces werden aus der Mitte der Franken erhoben. Un-
ter ihnen erfolgt das für die Identität so wichtige Absetzen von den Römern in einer
kriegerischen Auseinandersetzung und die Durchsetzung der fränkischen Freiheitsliebe,
die die Franken als gens unschlagbar macht. Dadurch wird deutlich, daß das Königtum
für die Franken keine identitätsstiftende Funktion hat. Dementsprechend betont Frede-
gar anders als Gregor von Tours die Ernennung der Frankenkönige durch die Großen
der gens. Zwar verbindet er die Merowinger mit den trojanischen Königen, aber, wie
deutlich wurde, kommt es ihm bei den Königen eher auf die utilitas als auf die nobilitas
an. Die Abstammung des namengebenden Ahnen Merowech wird von Fredegar in einer
319
320
Vgl. unten die Kapitel zu Dudo und Widukind, insbesondere S. 255 und 277f.
Fredegar, ed. Krusch, IV, 68, S. 154f. Laut Curta, Slavs in Paul the Deacon, S. 165f., ist die
321
Gegnerschaft zu den Franken einer der Hauptgründe für den Bericht der Origo.
Normal scheint bei einer Origo zu sein, daß schon der erste Sieg gegen einen traditionellen
„Erbfeind" errungen wird, vgl. Wolfram, Überlegungen zur Origo gentis, S. 31.
172 Die Herkunftserzählungen der Franken
sagenhaften Erzählung dargelegt. Meines Erachtens findet sich dort allerhöchstens der
unbewußte Reflex einer göttlichen merowingischen Abstammung. Fredegar selbst liegt
aber vielmehr daran, Merowechs Abkunft zu verunglimpfen, wie durch das abwertende
bistea und die explizite heidnische Anknüpfung deutlich wird. Ganz im Gegensatz zur
Verwandtschaft mit den trojanischen Königen ist die Verwandtschaft mit dem „Meeres-
biest" nicht positiv zu verstehen. Unter Umständen ist dann in der Prophezeiung der Ba-
sina, daß spätere Generationen der Merowinger wie bisteae sein würden, ein weiteres
pejoratives Element zu entdecken. Die Merowinger kehren zu ihren Ursprüngen zurück.
In der Childerich-Erzählung wird dann von Fredegar deutlich herausgearbeitet, daß der
König auf einen guten Ratgeber angewiesen ist. Ohne diesen kann seine Herrschaft
nicht bestehen. Dies ist ein Thema, das Fredegar mit den späteren Merowingern wieder
aufgreift. Die Prophezeiungen der Basina dienen dazu, den Niedergang der merowin-
gischen Dynastie als schicksalsgegeben hinzustellen. Sogar die Tapferkeit und die Er-
folge Chlodwigs, der ohnehin bei Fredegar schlechter abschneidet als bei Gregor, die-
nen lediglich dazu, die Wahrheit der Prophezeiung der Basina zu erhärten. Mit den spä-
teren Merowingern treten die Franci als politisch Handelnde wieder hervor, jetzt auch
im Rahmen der Teilreiche. Bezeichnenderweise hängt eine gute Königsherrschaft mit
dementsprechenden Erfolgen von guten Ratgebern ab. Damit treten die Franken bzw.
die Großen der Franken als identifikationsstiftende Figuren und Vorreiter ihrer gens
wieder deutlicher in den Vordergrund. Die Bedeutung der Könige sinkt stark, die Haus-
meier der Teilreiche werden als Herrscher und Integrationsfiguren stilisiert, die das Kö-
nigtum zurückdrängen. So hat man nach Fredegar fast wieder eine Rückkehr zur duces-
Verfassung der Frühzeit. Die Franci kehren zu ihren Ursprüngen zurück, indem sie die
handelnde Rolle wieder übernehmen, ebenso wie die Merowinger wieder zur „Tierhaf-
tigkeit" ihrer Anfange gelangen.
Wie bei Gregor von Tours ist die Legitimationsstiftung keine Sache des Königtums,
sondern einer Oberschicht, die das Königtum stützt. Bei Fredegar sind es allerdings
nicht die Bischöfe, sondern die weltlichen Großen und Hausmeier, die eine gerechte
Ordnung und militärische Siege gewährleisten. Nur das Königtum der Frühzeit ist aus
sich heraus gerechtfertigt, danach erfahren die Könige ihre Legitimität durch explizite
Auswahl, die sich an ihrer utilitas ausrichtet, oder durch die Anstellung von guten Rat-
gebern aus der Mitte der Franken, die eine gute Herrschaft gewährleisten. Sollte es sich
bei der Erzählung vom Meeresungeheuer also tatsächlich um eine alte Legitimationser-
zählung handeln, die dem merowingischen Geschlecht eine Legitimation von außen
verlieh, so ist sie von Fredegar ob absichtlich oder unabsichtlich sei dahingestellt so
verzerrt worden, daß der Erzählung diese Funktion abhanden gekommen ist. Die Fran-
- -
ken und im besonderen die Großen der Franken, sei es in ihrer Gesamtheit oder in den
einzelnen Teilreichen, sind für den Zusammenhalt der gens und ihre Identität verant-
wortlich.
So ergibt sich bei Fredegar folgendes Bild: Die Franken sind durch ihre trojanische
Abstammung nicht nur Mitglied der Völkerfamilie, sondern gewinnen eine besonders
vornehme Abkunft, die sie gegenüber der anderer gentes auszeichnet. Die Benennung
Fredegar 173
der Franken erfolgt nach einem sagenhaften König,322 die Identität der Franken als einer
gens ist im Grande genommen schon vorher gegeben, wodurch die Benennung eine we-
sentlich geringere Rolle spielt als in anderen Origo-Erzählungen. Die Eigenbestimmung
der gens wird unter duces gegenüber den Römern durchgesetzt. Damit ist das Werden
der gens schon vollzogen, als die merowingischen Könige auf der Bildfläche erschei-
nen. Diese dienen bei Fredegar nicht als Integrationsfiguren oder Vermittler von Legiti-
mität. Im Gegenteil wird ihnen die Legitimität über die Franken vermittelt. Daß die
Herrschaft des Königs allein nicht bestehen kann, wird von Fredegar schon am frühen
Beispiel des Childerich deutlich gemacht. Die Funktion Chlodwigs ist nicht die eines
Reichsgründers, sondern seine Gestalt dient dazu, die Prophezeiung über das Königsge-
schlecht und seinen Niedergang gerade durch seine tatkräftigen „Löweneigenschaften"
zu erhärten. Das Gesetz des Handelns fällt unter den späten Merowingern wieder an die
Großen der gens zurück, womit sich der Kreis schließt. Die idealen Bedingungen der
duces-Verfassung und der Frühzeit der Franken sind wieder gegeben. Die Großen der
Franken, allen voran die Hausmeier der Teilreiche, sind jetzt diejenigen, die durch stre-
nuitas und patientia und durch die Wahl der Franken in der Herrschaftsausübung legiti-
miert sind.
Fredegar ist durchaus innovativ mit seiner Vorlage Gregor umgegangen. Die Origo
der Franken dient ihm dazu, zeitgenössische Zustände zu erhellen und die momentane
Verfaßtheit des Frankenreiches in der Vergangenheit zu verankern. So ist nicht erstaun-
lich, wie sich die Akzente unter Fredegars Feder von Gregors Intention weit entfernen.
War bei Gregor die Kontinuität des römischen Gallien und die legitime Herrschaft sei-
ner Bischöfe, die von den merowingischen Königen gewährleistet und unterstützt wird,
ein zentraler Aspekt, so ist es bei Fredegar genau anders. Die Eigenständigkeit der Fran-
ken gegenüber den Römern, die wenn auch nahe Verwandte, so doch Feinde sind, ist es,
die die Kontinuität der Ordnung gewährleistet. Die Franken selbst bzw. ihre politische
Führungsschicht legitimieren ihre Herrscher, seien es Könige oder Hausmeier. Die me-
rowingischen Könige haben keine heilsgeschichtliche Funktion, ihre Aufgabe können
sie, wenn überhaupt, nur im Verein mit den fränkischen Großen zur Zufriedenheit be-
wältigen. Fredegar hat also nicht das Konzept einer Legitimitätsstiftung, die von außen
vermittelt wird. Sie besteht in den Franken selbst. Die Identität der Franken wird eben-
sowenig von außen gestiftet. Die Abspaltangen von den Trojanern geschehen ohne Ein-
greifen einer göttlichen Gewalt. Bei den anderen Origines, die Fredegar erzählt, läßt
sich beobachten, daß die Eigenständigkeit, die gegenüber anderen gentes wie z.B. den
Hunnen behauptet wird, das konstituierende Element an sich ist. Demgegenüber tritt die
Benennung deutlich in den Hintergrund. Wie man am Beispiel der Langobarden deut-
lich machen kann, wird eine vorhandene Benennung von außen von Fredegar nicht in
der Richtung von Legitimitätsstiftung genutzt. In Fredegars Darstellung des Ursprungs
der Franken zeigt sich daher eine Einstellung, die man als weitaus „weltlicher" als die
von Gregor bezeichnen kann. Gottes Hand oder die seiner Heiligen zeigt sich nur selten
bzw. wird nur selten angedeutet.
Ewig, Trojamythos, S. 9, weist darauf hin, daß sich die Benennung der Franken nach einem
Francio schon 557-561 in einer Schrift des Johannes Lydos findet.
174 Die Herkunftserzählungen der Franken
Es ist sehr aufschlußreich, daß Fredegar eine Legitimation und Identitätsstiftung von
außen nicht für nötig hielt. Dies spricht dafür, daß sein Bewußtsein der gens als einer
gegebenen, politisch handlungsfähigen Einheit sehr ausgeprägt war, die ohne weiteres
über die Grenzen der Teilreiche hinausgeht, auch wenn die Franken der Teilreiche als
Untergruppen sehr deutlich wahrzunehmen sind. Das ist ein überraschender Befund. In-
nerhalb von zwei Generationen nach Gregor hatte sich das Bewußtsein von einer frän-
kischen gens weitgehend verdichtet und zwar in einem solchen Umfang, daß eine Origo
erzählt und für die Erklärung der Gegenwart für notwendig befunden wurde, ohne daß
eine Verankerung der Origo jenseits des eigenen Erfahrangshorizontes stattfand. Eine
göttliche Legitimation der gens und der fränkischen Herrschaft wurde offenbar nicht für
notwendig empfunden. Stattdessen wurde eine Verknüpfung zu den Römern gesucht
und gefunden, mit Hilfe der trojanischen Verbindung eben gerade ohne christlichen
Hintergrund, während bei Gregor die Verknüpfung Chlodwig-Constantin eindeutig
heilsgeschichtlichen Hintergrund hatte. Obwohl Fredegar also Gregor heranzog und
nutzte, ist seine Intention der von Gregor geradezu entgegengesetzt.
Der Liber historiae Francorum323 entstand etwa 727 und bietet eine Darstellung der
fränkischen Geschichte bis zu diesem Jahr. Der Verfasser des Werkes ist unbekannt.
Man hat lange eine Abfassung in der Gegend von Laon vermutet, neuerdings hat Ger-
berding für Soissons votiert, und Nelson und Hartmann haben plausible Argumente für
eine Verfasserin aus Notre-Dame de Soissons zusammengetragen324. Die neustrische
Ausrichtung des Verfassers ist auf jeden Fall unverkennbar.325 Für die fränkische Früh-
zeit bietet der Verfasser des Liber eine trojanische Herkunftssage, die unabhängig von
der Fredegarversion ist,326 und greift für die frühe Geschichte der Merowinger auf die
Zum Liber historiae Francorum vgl. J. Prelog, Liber historiae Francorum, in: LexMa 5,
Sp. 1944f; Wattenbach/Levison, Geschichtsquellen, Vorzeit und Karolinger, Heft 1, S. 114-119;
Kusternig (Hrsg.), Quellen zur Geschichte des 7. und 8. Jahrhunderts, S. 329-331; Gerberding,
Rise of the Carolingians; Pizarro, Ethnic and National History, S. 62-64, Nelson, Gender and
Genre, Hartmann, Darstellung der Frauen, vor allem S. 209-219.
Nelson, Gender and Genre, Hartmann, Darstellung der Frauen.
Besonders deutlich wird diese in LHF, ed. Krusch, cap. 43, S. 315f., bei der Bestrafung des
austrasischen Hausmeiers Grimoald, die von Neustriern durchgeführt wird. Zum „Staatsstreich"
des Grimoald vgl. Gerberding, Rise of the Carolingians, S. 47-66; Becher, Staatsstreich Grimoalds.
Die Lokalisierung des Autors in Saint Denis, die Kurth, Étude critique, vorgenommen hat, hat
sich nicht durchsetzen können.
Gerberding, Rise of the Carolingians, S. 17.
Liber historiae Francorum 175
ersten sechs Bücher des Gregor von Tours zurück.327 Je näher er seiner eigenen Zeit
rückt, desto mehr zieht der Autor eigene Erfahrungen und Augenzeugenberichte heran
und ist deshalb schon immer für den Aufstieg Karl Martells als maßgebliche Quelle be-
nutzt worden. Für das 7. Jahrhundert hingegen ist sein Quellenwert begrenzt. Die Frede-
gar-Chronik hat der Autor nicht gekannt.
Mit dem Liber liegt uns eine Version der fränkischen Geschichte vor, die gute zwei
Generationen nach Fredegar entstanden ist. Die Situation des fränkischen Reiches hatte
sich nicht entscheidend geändert. Die Teilreiche Neustrien, Austrasien und Burgund
waren weiterhin feste Bezugsgrößen der fränkischen Politik. Die merowingischen Kö-
nige waren endgültig in die Bedeutungslosigkeit abgesunken, und Karl Martell war un-
umstrittener Herrscher des Frankenreiches.
Aufgrund der neustrischen Sicht des Verfassers des Liber kann man auch im Falle
des Liber nicht von einer „fränkischen" Innensicht ausgehen, aufgrund der Verschmel-
zung der romanischen und germanischen Eliten im Frankenreich328 ist allerdings davon
auszugehen, daß es auf diesen Aspekt im 8. Jahrhundert nicht mehr wirklich ankommt.
Die neustrische Ausrichtung des Liber historiae Francorum ist daher wichtiger als die
Frage nach seiner wahrscheinlich romanischen Herkunft.
Das Verhältnis vom Liber historiae Francorum zu Gregor ist kurz von Gerberding, Rise of the
Carolingians, S. 31-46, betrachtet worden, harrt aber noch der genaueren Untersuchung.
Gerberding erwähnt z.B. die Unterschiede in der Childerich-Erzählung bis auf die Benennung von
Childerichs Freund Wiomad (S. 33) nicht. Dazu s. u. S. 180. Wie Fredegar fußt auch der Liber
historiae Francorum auf der Sechs-Bücher-Version des Gregor, vgl. Reimitz, Social Networks,
S. 240ff. McKitterick, History and Memory, S. 9ff, hat zu Recht eingefordert, trotz des
Rückgriffs auf Gregor auch die Erzählungen über den Anfang der Franken ernst zu nehmen, und
sich bei der Betrachtung des Liber nicht auf die zeitgenössischen Kapitel zu beschränken.
Vgl. etwa Hen, Culture and Religion, S. 11-16, schon zur frühen Merowingerzeit; dagegen
Scheibelreiter, Barbarische Gesellschaft, S. 208-214, über den grundsätzlichen Gegensatz
zwischen barbarischer Lebenshaltung und Christentum, vgl. zu Scheibelreiter aber auch die
Rezension von M. Becher, in: Historische Zeitschrift 272 (2001), S. 168-170.
LHF, ed. Krusch, cap. 1, S. 241.
LHF, ed. Krusch, cap. 1, S. 241.
176 Die Herkunftserzählungen der Franken
ben. Wie auch in der Fredegar-Version ist Aeneas, dem sogar der Titel tyrannus gege-
ben wird, kein direkter Ahnherr der Franken, diese Ehre kommt nach dem Liber den
principes Priamus und Antenor zu, deren Abstammung nicht weiter geklärt wird.331
Diese führen einen Teil der Trojaner nämlich 12.000 Mann an die Ufer des Don,
durch die Asowschen Sümpfe bis nach Pannonien, wo die Trojaner coeperunt aedifica-
- -
'
Interessanterweise verwendet der Autor des Liber historiae Francorum nicht die Bezeichnung
duces. Er scheint daher eine andere Vorstellung von der frühen fränkischen Verfaßtheit zu haben
als Fredegar, vgl. Ewig, Trojamythos, S. 17.
2
LHF, ed. Krusch, cap. 1, S. 242. Laut Gerberding, Rise of the Carolingians, S. 20f, ist es nicht
ausgeschlossen, daß der Autor des Liber historiae Francorum Informationen über die tatsächliche
3
Stationierung von Sicambern in Pannonien zu römischer Zeit hatte.
Gregor, ed. Krusch/Levison, II, 31, S. 77. Die Anrede Chlodwigs mit Sicamber wird später
immerhin vom Autor des Liber historiae Francorum aus Gregor von Tours übernommen (LHF,
ed. Krusch, cap. 15, S. 263). Zu Sicambria vgl. auch Gerberding, Rise of the Carolingians, S. 12,
und Ewig, Trojamythos, S. 18f, über die möglichen Deutungen. Über die Einengung auf die
4
merowingische Dynastie allein, vgl. Anton, Troja-Herkunft, S. 14.
LHF, ed. Krusch, cap. 2, S. 242. Zu einem möglichen historischen Hintergrund der
5
Auseinandersetzung mit den Alanen vgl. Ewig, Trojamythos, S. 19f.
LHF, ed. Krusch, cap. 2, S. 242f.
6
LHF, ed. Krusch, cap. 2, S. 243. Diese Namenserläuterung geht auf die Etymologien Isidors
zurück ed. Lindsay, IX, 2, 101, der allerdings auch die Möglichkeit einräumt, daß die Franken so
nach einem dux benannt worden seien. An anderer Stelle (Et XVIII 6,9) erklärt Isidor den
Frankennamen von der Waffe francisca her. Zu der Parallele bei dem griechischen Schriftsteller
Libanios vgl. Ewig, Trojamythos, S. 20f. Die „attische" Etymologie spricht laut Ewig, Troja und
Liber historiae Francorum 177
dieser Namengebungsgeschichte fallen mehrere Aspekte ins Auge. Zum einen erhalten
die Franken ihren Namen nach einem Konflikt mit einer anderen gens,331 ein Vorgang,
der in Origines nicht ungewöhnlich ist. Zum anderen erklärt sich ihr Name aus Eigen-
schaften, die sie schon in trojanischer Zeit an den Tag gelegt haben und die auch bei der
Auseinandersetzung mit den Alanen die entscheidende Rolle spielen. Schließlich wird
ihnen der Name von außen von einer höheren Autorität verliehen und zwar dem rö-
mischen Kaiser. Damit haben wir bei der Benennung der Franken wichtige identitäts-
stiftende Elemente für die gens: die Abgrenzung zu anderen gentes, die Kontinuität be-
stimmter Eigenschaften, die charakteristisch für die Mitglieder der gens sind, die Be-
nennung durch eine äußere Autorität, die auf diese Art legitimitätsstiftend für die gens
wirkt. Interessanterweise spielt für die Benennung keine göttliche oder transzendentale
Autorität eine Rolle. Diese Benennung ist der der Sachsen, wie sie uns in der Historia
Brittonum begegnet ist, nicht unähnlich, da diese auch im Moment eines Konflikts mit
einer anderen gens entstand und der Name Ausdruck einer spezifischen Eigenart der
gens ist. Im Gegensatz zu Fredegar spielt also der Heros eponymos Francio hier keine
Rolle, der Namenserwerb der Franken ist aber so viel origo-typischer und erfüllt mehre-
re Zwecke auf einmal, nämlich die Abgrenzung von den anderen, die Verdeutlichung
der der gens inhärenten Eigenschaften im Namen sowie die Legitimierung von außen.
Zehn Jahre nachher wurden dem Liber zufolge Steuereintreiber, exactores, von Kai-
ser Valentinian an die Franken gesandt. Dies impliziert eine Unterstellung unter die Rö-
mer, die allerdings nicht erklärt wird, genausowenig wie die Existenz von Römern und
Alanen überhaupt. Die Franken wollen aus Grausamkeit und Dummheit338 die rö-
mischen Steuern nicht zahlen und insidiis vero praeparatis interficerunt eos (d.s. die
Steuereintreiber).339 Gegen die geballte Macht des von Valentinian aufgestellten Heeres
von Römern und anderen gentes340 können sich die Franken aber nicht zur Wehr setzen.
Nach dem Tod des Priamus müssen sie fliehen und Sicambria verlassen und lassen sich
schließlich in extremis partibus Reni fluminis in Germaniarum oppidts nieder.341 Die
Version des Liber unterscheidet sich hier sehr stark von der in der Fredegar-Chronik, in
der die Franken nur kurze Zeit unter Pompeius tributpflichtig waren und schließlich er-
folgreich für ihre Freiheit stritten. Im Liber werden die Franken von den Römern ver-
trieben. Ein Grund für diese Erzählung mag sein, daß der Autor des Liber die Wande-
rung an den Rhein aus dem Wirkungskreis des oströmischen Reiches hinaus noch erklä-
ren mußte. Allerdings hätte er dafür ohne weiteres auf eine ähnliche Erklärung wie Fre-
degar zurückgreifen können, der die Wanderung mit großer Bevölkerungszahl erklärte
die Franken, S. 11, auch für eine Entstehung der Legende bis zum 6. Jahrhundert. Zu der
möglichen Benennung der Franken nach einer Waffe vgl. auch Vries, Völkerwanderung und
Wikingerzeit, S. 216f. Skeptisch über die Möglichkeit einer Differenzierung der Franken durch
ihre bevorzugte Waffe jetzt Pohl, Difference, S. 33-37.
Anton, Troja-Herkunft, S. 25, geht allerdings zu weit, wenn er die Alanen als die einzige den
Franken feindliche gens interpretiert.
LHF, ed. Krusch, cap. 3, S. 243: sicut erant crudeles et inmanissimi, consilio inutile accepto.
LHF, ed. Krusch, cap. 3, S. 243.
LHF, ed. Krusch, cap. 4, S. 243: ....Romanorum et aliarum gentium...
LHF, ed. Krusch, cap. 4, S. 244.
178 Die Herkunftserzählungen der Franken
und erst nach der Niederlassung am Rhein den Heros eponymos Francio einführte. Die
zurückgelassenen Trojaner wurden bei ihm zu Torci. Hätte der Autor des Liber histori-
ae Francorum eine solche Erklärung gewählt, wäre er wohl kaum darum herumgekom-
men zu erläutern, was aus den in Sicambria Zurückgebliebenen geworden ist. Die von
Fredegar eingeführten Torci mögen ihm unbekannt gewesen sein, aber er hätte ein an-
deres Volk einführen können. Es läßt sich vermuten, daß eine wie auch immer geartete
Spaltung der Franken nach ihrer Benennung durch den oströmischen Kaiser dem Autor
des Liber historiae Francorum nicht mehr erwünscht war. Offenbar war die Einheit der
Franken nach der Benennung so wichtig, daß er auch die Erwähnung einer Niederlage
gegen die Römer in Kauf nahm. Der Einheitsgedanke mag dem Autor des Liber histori-
ae Francorum deshalb wichtig gewesen sein, weil eine Einheit der Franken zu seiner
Zeit, als die Teilreiche Austrasien, Neustrien und Burgund etabliert waren, nicht mehr
so offensichtlich war. Als einen weiteren Grand für diese Vorgehensweise im Liber hi-
storiae Francorum läßt sich vermuten, daß zu diesem Zeitpunkt die Etablierang der
Franken als gens noch nicht abgeschlossen war, weil sie noch keine Könige und keine
Gesetze hatten. Erst danach sind sie stark genug, um sich gegen andere gentes durchzu-
setzen und die Niederlage gegen die Römer wäre dann als Beweis zu werten, daß der
Autor des Liber die Franken ohne Könige und Gesetze noch nicht für durchsetzungsfä-
hig genug hielt.
Am Rhein angekommen, wohnten die Franken dort viele Jahre cum eorum principi-
bus Marchomire, filium Priamo, et Sunnone, filio Antenor [sie!], bis sie schließlich re-
gem sibi unum constituerunt, sicut ceterae gentes... et elevaverunt eum regem super se
crinitum?42 Dieser erste König der Franken ist Faramund, der Sohn Marcomers, der hier
das erste Mal in der Überlieferung anzutreffen ist.343 Gleichzeitig erhalten die Franken
durch die priores gentiles Gesetze.344 Die Namen Marcomer und Sunno hat der Autor
des Liber historiae Francorum aus Gregor übernommen, genauso wie den Ausdruck
rex crinitus, den Gregor allerdings gerade nicht auf Marcomer und Sunno anwendet.
Die beiden Anführer der Franken am Rhein werden allerdings mit den vorherigen An-
führern in Sicambria verwandtschaftlich verknüpft und auf diese Art in eine Traditions-
linie gestellt.
LHF, ed. Krusch, cap. 4, S. 244. Zur Bedeutung des Namens Antenor für das Fortleben des
fränkischen Trojamythos vgl. Auch Giardina, Origini troiane, S. 186-190.
Zum Weiterleben des Faramund als des Ahnherrn an sich vgl. Homeyer, Trojanische Abstammung,
S. 99-104. So etwa in der Genealogie der Habsburger, die Jakob Mennel unter Maximilian I.
entwarf, vgl. Crónica Habsburgensis nuper rigmatice edita, ed. Albert, Habsburgische Chronik,
Vers 45, S. 214 (dazu Althoff, Studien zur habsburgischen Merowingersage, bes. S. 75-90) oder
in der Genealogie der Grafen von Hennegau, (Balduinus Avennensi, Chronicon Hanoniense, ed.
Heller, S. 419), in der Faramund auftaucht (dazu Patze, Adel und Stifterchronik II, S. 97f.) oder
im Liber de compositione castri Ambaziae, ed. Halphen/Poupardin, S. 16, sowie in der Genealogie
der Grafen von Flandern (Genealogia regum Francorum comitumque Flandriae, ed. Bethmann,
S. 308, Z. 20) und der Genealogie der Herzöge Brabants (Genealogiae dueum Brabantiae, ed.
Heller, S. 387 und 392 und 406); außerdem in der Genealogia comitum Buloniensium, ed.
Génicot, S. 243.
LHF, ed. Krusch, cap. 4, S. 244.
Liber historiae Francorum 179
Die Konzentration allein auf die fränkische Geschichte hat zur Folge, daß der Autor
keine Rücksicht auf andere Daten nimmt. Die beiden Anführer Priamus und Antenor
können kaum den trojanischen Krieg erlebt und bis zur Zeit Valentinians überlebt ha-
ben. Dies mag auch dem Autor des Liber historiae Francorum bewußt gewesen sein,
war ihm jedoch nicht wichtig. Möglicherweise war ihm das Datum von Trojas Fall aber
auch unbekannt.345 Bedeutender war für ihn die Entstehung der fränkischen gens, die in
seiner Darstellung inklusive der Vertreibung durch die Römer innerhalb weniger Gene-
rationen erreicht wurde. Die Formulierung bei der Erhebung des Faramund ist hierbei in
besonderer Weise bedeutsam: Sicut ceterae gentes hätten die Franken Faramund erho-
ben. Dies ist eine Anspielung auf 1 Samuel 8, 20, wo anläßlich der Erhebung Sauls zum
König folgende Formulierung gebraucht wird: sicut omnes gentes?46 Faramund wird auf
diese Weise zum ersten König Israels in Parallele gesetzt. Dies muß nicht unbedingt
dazu gedient haben, die Franken als erwähltes Volk zu stilisieren, sondern dürfte eher
der Betonung dienen, daß Faramund eben tatsächlich der erste König der Franken war.
Der Autor des Liber historiae Francorum nennt die Anführer vor Faramund sorgfältig
nur principes. Die Wahl eines Königs wird auf diese Weise zu einem zivilisatorischen
Anpassungsprozeß, der die Franken in ihrer Entwicklung voranbringt. Wahrscheinlich
wird auch vom Autor des Liber deshalb in diesem Zusammenhang die Gesetzgebung er-
wähnt, die zwar nicht durch Faramund, aber in seiner Zeit stattfand und die ebenfalls ei-
nen zivilisatorischen Aspekt hat.347 Eine parallele Überlieferung ebenfalls mit den Na-
men Wisogast, Bedogast, Salegast und Widogast als Gründer des Rechts findet sich im
Paetus legis saltcae.34i Nach ihrer Namensfindung erhalten die Franken also nun eine
Heimat und kommen durch Königserhebung und Gesetzgebung in ihrem Entstehungs-
prozeß ein gutes Stück weiter.
Gerberding, Rise of the Carolingians, S. 17. Wie schon Ewig, Troja und die Franken, S. 10f,
ausgeführt hat, spricht die Formulierung creverunt in gentem magnam (LHF, ed. Krusch, cap. 1,
S. 242) allerdings dafür, daß der Autor des Liber einen Aufenthalt von mehreren Generationen
annahm.
So auch schon Gerberding, Rise of the Carolingians, S. 23. Sollte es tatsächlich bereits unter den
Merowingern eine Königssalbung gegeben haben, wie neuerdings Hack, Königssalbung, postuliert
hat, ist allerdings erstaunlich, weshalb der Autor des Liber historiae Francorum hier nicht diese
weitere Parallele zu den Königen Israels hervorhebt. Hack scheint ohnehin quellenkritisch nicht
sauber zu argumentieren: Als zeitgenössischen Beleg dafür, daß die Salbung Pippins „nach alter
Sitte" erfolgte, kann man nur die Continuatio Fredegarii ansehen, in der aber nur von einer
consecratio die Rede ist, die ut antiquitus ordo deposcit erfolgt sei, und gerade nicht von einer
unetio. Die Frage der Königssalbung ist daher nach wie vor offen.
Vgl. dazu auch Wood, Defining the Franks, und Ewig, Trojamythos, S. 23.
Paetus legis salicae, ed. Karl August Eckhardt, S. 314f.
180 Die Herkunftserzählungen der Franken
Nach dem Tod Faramunds findet dann mit der Erhebung seines Sohnes Chlodio die Dy-
nastiebildung statt: Id temporis crinitos reges habere coeperunt349 kommentiert dies der
Autor des Liber historiae Francorum. Dem Chlodio überläßt es der Autor des Liber hi-
storiae Francorum dann, die Schmach der alten Niederlage gegen die Römer wettzuma-
chen, indem er den König mehrmals die Römer schlagen und das Gebiet bis zur Somme
erobern läßt.350 Auf Chlodio folgt Merowech de genere eius, der heros eponymos der
merowingischen Königsfamilie. Ab ipso Merovecho rege utile reges Francorum Mero-
vingi sunt appellatl?51 Die utilitas des Merowech wird allerdings vom Liber historiae
Francorum nicht näher erläutert, was um so mehr verwundern muß, da mit den direkt
darauf geschilderten Hunneneinfällen und deren Abwehr eigentlich der ideale Hinter-
grund für profilierende Taten des Merowingers gegeben wäre. Gerade gegenüber sei-
nem Verwandten Chlodio muß Merowech daher abfallen, und es stellt sich die Frage,
weshalb die beiden Könige so stark miteinander kontrastiert werden. Dies mag durchaus
mit ihrer Funktion im Erzählfluß zusammenhängen. Chlodios Aufgabe ist es, die jetzt
durch Königtum und Gesetze gestärkte gens noch einmal gegen die Römer zu führen
und siegen zu lassen und damit ihre frisch gewonnene Identität zu festigen, wohingegen
Merowech nur eine Funktion für das Königsgeschlecht selbst hat. Daher hat der Autor
des Liber historiae Francorum ihn vielleicht als weniger wichtig empfunden und sah
sich nicht genötigt, Taten, die den Heros eponymos der Merowinger zu einem echten
Helden gemacht hätten, explizit auszuführen. Davon abgesehen besteht zusätzlich die
Möglichkeit, daß dem Autor des Liber keine solchen Taten bekannt waren und er sich
insofern mit dem schlichten Hinweis auf die utilitas des Merowech begnügen mußte.
Überaus aufschlußreich für die Einstellung des Llber historiae Francorum-Autors
gegenüber den Franken und der merowingischen Königsdynastie ist dann die Behand-
lung der Childerich-Erzählung, die sich hier ebenso wie bei Gregor und Fredegar findet,
und zwar in einer interessanten Mischung aus beiden Traditionen.
König Childerich wird von den Franken vertrieben, weil er sich an ihren Töchtern
vergeht. Mit seinem Freund Wiomad macht er ein Zeichen aus, das dieser ihm senden
soll, wenn er die Franken besänftigt hat, und Childerich nimmt Zuflucht in Toringa
apud regem Bisinum nomine uxoremque eius?52 Die Franken erheben Aegidius zum
König malum consilium tractantes.353 Wie schon die Tötung der römischen Steuerein-
treiber, die consilio inutile accepto geschah,354 erweist sich das Verhalten der Franken
als verhängnisvoll. Wiomad bringt nämlich Aegidius dazu, die Franken zu unterdrü-
cken, und antwortet ihnen, als sie sich an ihn um Rat wenden: Quare non recordatis,
quomodo eiecerunt Romani opprementes gentem vestram et de eorum terra eiecerunt
9
LHF, ed. Krusch, cap. 5, S. 245.
0
LHF, ed. Krusch, cap. 5, S. 245f.
'
LHF, ed. Krusch, cap. 5, S. 246.
2
LHF, ed. Krusch, cap. 6, S. 247f.
3
LHF, ed. Krusch, cap. 7, S. 248.
4
LHF, ed. Krusch, cap. 5, S. 243.
Liber historiae Francorum 181
eos? Vos vero eiecistis regem utilem et saptentem et elevastis super vos militem
vestrum
istum imperatoris superbum atque elatum; non bonum consilium fecistis, sed nimium
malum?55 Kleinlaut geben die Franken ihren Fehler zu, und Childerich wird von Wio-
mad in sein Reich zurückgerufen. Ihm folgt die Königin Basina, mit der er schon in To-
ringa Ehebruch beging, weil sie Childerichs utilitas und pulchritudo erkannte.356 Chil-
derich und Basina bekommen den Sohn Chlodwig, der fuit rex magnus super omnes
reges Francorum et pugnator fortissimus?51
Gegenüber der Darstellung bei Gregor fällt auf, daß der Liber historiae Francorum
betont, daß es sich bei Aegidius um einen Römer und einen Beauftragten des römischen
Kaisers handelt, die Franken also einen „Feind" zu ihrem König gemacht hätten. Dies
paßt in die Tradition der Auseinandersetzung mit den Römern, die der Liber historiae
Francorum betont. Aegidius ist wie die römischen Steuereintreiber, die die Franken in-
sidiis beseitigten, ein Mann des Kaisers, der den Franken im Zweifelsfalle nicht wohl
will. Wiomad nimmt in seiner Rede an die Franken ausdrücklich Bezug auf die lange
Feindschaft zwischen Römern und Franken.
Der Liber historiae Francorum weist also ein merkwürdig ambivalentes Verhältnis
zu den Römern auf. Auf der einen Seite spielt Valentinian eindeutig die Rolle eines Le-
gitimations- und Identitätsstifters, indem er den Franken ihren Namen gibt, auf der an-
deren Seite werden die Römer zu den Feinden der Franken schlechthin stilisiert. Dies
mag auch der Grand sein, weshalb die trojanische Abstammung der Römer nie explizit
erwähnt wird. Zu Beginn des Liber historiae Francorum ist lediglich die Rede davon,
daß Aeneas in Italia locare gentes ad pugnandum?5% Die Römer sind so zugleich Vor-
bild und Gegenbild der Franken.359 Unter Umständen sollten die Auseinandersetzungen
mit den Römern, die schließlich zugunsten der Franken entschieden werden, der wei-
teren Glorifizierang der gens dienen, denn die Römer konnten als ernstzunehmende
Gegner gelten.
Im Unterschied zur Childerich-Erzählung bei Fredegar, bei der der vertriebene König
ganz auf die Hilfe seines Freundes angewiesen war, wird in der Erzählung des Liber hi-
storiae Francorum seine utilitas ausführlich durch den Mund der Basina betont. Das
byzantinische Reich spielt hier nur eine Rolle am Rande: Mit dem Imperator, unter des-
sen Befehl Aegidius steht, ist sicher der oströmische Kaiser gemeint. In einem Detail
weicht der Liber historiae Francorum noch von den Erzählungen Gregors und Frede-
gars ab: Childerich beginnt schon in Toringa mit Basina ein Verhältnis. Möglicherweise
dient dieses Detail der konsequenten Charakterzeichnung des Childerich, der überhaupt
erst wegen seiner erotischen Eskapaden Schwierigkeiten mit den Franken bekommen
hatte. Die Charakterisierung des Chlodwig am Ende des Kapitels fügt sich hingegen
nahtlos in die von Gregor und Fredegar vorgenommene Beurteilung ein. Diente die
regina matre (d.i. Balthild) regnaturum (LHF, ed. Krusch, cap. 44, S. 317); Auch Childebert III.
Liber historiae Francorum 183
ger treten also nicht mehr einfach die Erbschaft an, sondern erhalten die Herrschaft von
den Franken.
Ähnlich wie bei Fredegar erfolgt die Wortwahl bei der Erhebung der Hausmeier in
Anlehnung an die Königserhebung. Ein typisches Beispiel ist etwa die Erhebung Ebro-
ins in Neustrien: Eo tempore, defuncto Erchonoldo maiorum domo, Franci in incertum
vacellantes, prefinito consilio, Ebroino huius honoris altitudine maiorum domo in aula
regís statuunt.364 Teilweise werden die Hausmeier allerdings auch von den Königen ein-
gesetzt.365 Pippin der Mittlere wird dann bezeichnenderweise nicht mehr von den Fran-
ken erhoben: ...instigante Anseflide post haec Pippinus Theuderico rege coepit esse
principale regimine maiorum domus?66 Auch dessen Sohn Grimoald maiorum domus
effectus est,361 also ohne daß eine direkte Beteiligung der Franken oder der Könige ge-
nannt würde. Der Enkel Pippins des Mittleren wird schon auf seinen Befehl hin erho-
ben: Theudoaldum vero, iubente avo, in aula regis honorem patris sedem sublimem in-
stttuunt.36g Pippins Gemahlin Plektrud übernimmt die Herrschaft fast selbstverständlich:
Plectrudts quoque eum nepotibus suis vel rege cuneta gubernabat sub discreto regi-
in regno statutus est (LHF, ed. Krusch, cap. 49, S. 323). Andere Formulierungen sprechen
ebenfalls nicht für einen einfachen Erbgang: His regibus mortuis, Burgundiones et Austrasii, cum
reliquis Francis pace faeta, Chlotharium regem in totis tribus regnis in monarchiam elevaverunt
(LHF, ed. Krusch, cap. 40, S. 310), anläßlich der Erhebung Chlothars II. im Gesamtreich; auch
Theuderich III. elevatus est rex Francorum (LHF, ed. Krusch, cap. 45, S. 317); Gleichzeitig wird
sein Bruder Childerich II. nach Austrasien geschickt regnum suseipere (LHF, ed. Krusch, cap. 45,
S. 317); später wird Childerich ebenso in regno Francorum elevatus est, also in Neustrien (LHF,
ed. Krusch, cap. 45, S. 318); Chlodwig III. puer regalem sedem suseepit (LHF, ed. Krusch, cap.
49, S. 323), eine Formulierung, die weder eine Erhebung noch wirklich ein Erbschaft zu
beinhalten scheint; Bei dem kurzzeitig zum Mönch geschorenen Chilperich II. findet sich die
Formulierung in regnum stabiliunt (LHF, ed. Krusch, cap. 52, S. 326).
LHF, ed. Krusch, cap. 45, S. 317. Auch der Sohn Erchinoalds wird gewählt: Franci autem
Leudesio, filio Erchonoldo, in maiorum domato palacii elegunt (LHF, ed. Krusch, cap. 45,
S. 318). Dabei wird diese Initiative der Franken nicht immer positiv bewertet, so etwa bei der
Bestallung des Berchar: Bercharium quondam statura pusillum, sapientia ignobilem, consilio
inutile, in maiorum domato oberrantes statuunt Franci in invicem divisi (LHF, ed. Krusch, cap.
48, S. 322). Durch die Betonung der Uneinigkeit der Franken wird die Kritik hier allerdings
abgeschwächt. Vom Hausmeier Raganfrid, der nicht aus pippinidischer Linie stammte und dessen
Erhebung wohl gegen Plektrud gerichtet war, wird wieder von einer Wahl berichtet: Ragamfredo
in prineipatum maiorum palacii elegerunt (LHF, ed. Krusch, cap. 51, S. 325).
Fredegundis autem eum Chlothario rege parvolo, filio suo, et Landerico, quem maiorum domo
palacii elegerunt, in regno resedit (LHF, ed. Krusch, cap. 35, S. 304); Der Hausmeier Waratto
wird cum iussione regis allerdings von den Franken zum Hausmeier gemacht (LHF, ed. Krusch,
cap. 47, S. 321); Dagobert erhebt Erchinoald: Dagobertus rex Erchonoldo viro inlustre in
maiorum domato statuit (LHF, ed. Krusch, cap. 42, S. 314), und Sigibert von Austrasien Grimoald
(LHF, ed. Krusch, cap. 43, S. 315f).
LHF, ed. Krusch, cap. 48, S. 323.
LHF, ed. Krusch, cap. 49, S. 323.
LHF, ed. Krusch, cap. 50, S. 325.
184 Die Herkunftserzählungen der Franken
mine?69 Schließlich übernehmen einige Große gar ohne Wahl die Herrschaft: Eo quo-
que tempore, decedente Vulfoaldo de Auster, Martinus et Pippinus iunior, filius An-
seghiselo quondam, decedentibus regibus, dominabantur in Austria.310 Hier ist die Ver-
schiebung der Macht von den Königen zu den Großen, die nach und nach immer mehr
politische Entscheidungen übernehmen, wie bei Fredegar ganz deutlich zu beobach-
ten.371 Austrasii superiores Franci stellen zusammen mit Burgundern ein Heer auf.372
Fredegunde stellt cum Landerico et reliquos Francorum duces ein Heer auf.373 Bruni-
childe wird a viris nobilibus vor dem Zorn ihres Enkels gerettet.374 Die maiores natu
Francorum zetteln einen Aufstand gegen Childerich II. an.375 Den Merowingern wird al-
lerdings anders als bei Fredegar eine gewisse Hervorgehobenheit nicht abgespro-
chen.376
- -
Gemäß den eigenen Schwerpunkten übernimmt der Verfasser des Liber historiae
Francorum aus dem Werk Gregors von Tours. So wird ähnlich wie bei Fredegar die
Erzählung der Heirat von Chlodwig und Chrodechilde und die Bekehrung des Chlodwig
- -
5. Zusammenfassung
Obwohl der Autor des Liber historiae Francorum wie Fredegar die Trojalegende für die
Herkunft der Franken nutzt, sind seine Akzente völlig andere. Die Herkunft aus Troja
dient im Gegensatz zu Fredegar nicht dazu, die Verwandtschaft zu den Römern zu beto-
nen, sondern dient allein der Betonung der vornehmen Abkunft der Franken. Interessan-
terweise hat der Autor des Liber historiae Francorum allein die Trojalegende verwertet
und nicht wie Fredegar auch die biblische Abstammungslehre einbezogen. So ist allein
das Imperium Romanum etwa in der Benennung Referenzgröße für das Franken-
reich und nicht irgendwelche Reiche, die im Alten Testament erwähnt werden. Es ist
- -
schwer zu entscheiden, warum die biblische Herkunft für den Autor des Liber historiae
Francorum nicht wichtig ist. Vielleicht wollte er, um die Einheit der Franken zu beto-
nen, eine kohärente Origo erzählen, bei der zusätzlich biblische Abstammungstheorien
nur gestört hätten. Auf jeden Fall ist die Origo im Liber historiae Francorum dadurch
„weltlicher" als die bei Fredegar. An sich hätte eine Anknüpfung an Japhet, den Grün-
dervater Europas, ebenfalls nahegelegen. Diese hätte aber auch die Existenz anderer
ebenbürtiger gentes impliziert, die die Franken ihrer einzigartigen Stellung beraubt hät-
ten. Möglicherweise spielt auch zunehmender Antijudaismus eine Rolle, der eine Ab-
stammung von den Römern wünschenswerter erscheinen ließ als eine deutliche Verbin-
dung zu den Juden.391
Wie bei Fredegar sind die Römer Feinde der Franken und spielen eine wichtige Rolle
für sie, da sich die Franken von ihnen absetzen. Anders als bei Fredegar ist die Rolle der
Römer aber durchaus ambivalent: Denn der römische Kaiser Valentinian gibt den Fran-
ken ihren Namen, der sich aus einer ihnen inhärenten Eigenschaft, der feritas, ableitet,
so daß Valentinian als äußere Autorität für die Identitätsfindung der Franken von großer
Bedeutung ist. Erst als die Franken nach ihrer Vertreibung aus Sicambria durch die Er-
hebung eines Königs Faramund und eine neue Gesetzgebung ihre Entwicklung zur gens
abgeschlossen haben, sind sie in der Lage, die Niederlage gegen die Römer wettzuma-
chen. Das Königtum spielt also eine wichtige Rolle, zumindest bei der Entstehung der
Franken. Die Identität der Franken über die Zeit hinweg wird vom Autor des Liber hi-
storiae Francorum anhand der Eigenschaften der Wildheit und der Listigkeit festge-
macht, die im Laufe der Erzählung immer wieder als hervorragende und lobenswerte
Eigenschaften herausgestellt werden.392 Nur zweimal bei der Auseinandersetzung mit
den römischen Steuereintreibern und bei der Erhebung des römischen Aegi-dius zum
-
fränkischen König folgen die Franken schlechtem Rat. Für den Autor des Liber histo-
riae Francorum sieht das geschichtliche Werden der Franken daher anders aus als für
-
Fredegar. Bei Fredegar stand die frühe Verfaßtheit der Franken im Vordergrund, die für
ihn vorbildhaft für seine eigene Zeit war.
Für den Autor des Liber historiae Francorum spielt es aber offensichtlich eine größe-
re Rolle, die Ethnogenese der Franken in allgemein verständlicher Form zu gestalten:
Die inhärenten Eigenschaften, die Benennung von außen nach einer dieser Eigen-
schaften, die Durchsetzung gegenüber der anderen gens der Alanen und dann der Rö-
mer, der Aufstieg der Königsdynastie und die Gesetzgebung.
Auf der anderen Seite ist der Befund des Liber in mancher Beziehung ähnlich wie bei
Fredegar: Die mangelnde Erklärung über den Übergang vom Wahl- zum Erbkönigtam,
die Annäherung der Hausmeier an die königliche Gewalt, die durch Formulierungen bei
ihrer Erhebung unterstrichen wird und die Betonung der Rolle der Großen. Insofern
spiegeln beide Quellen die reale Machtverschiebung von den Königen zu Hausmeiern
und Großen möglicherweise etwas zugunsten der Hausmeier verzerrt wider. Im Ge-
gensatz zu Fredegar hat der Autor des Liber historiae Francorum aber nicht versucht,
-
-
die Zustände seiner eigenen Zeit auf die Frühzeit zurückzuprojizieren. Daher ist seine
Franken-Origo im Grande sehr viel allgemeingültiger als die Fredegars und könnte in
einem beliebigen Kontext über eine beliebige gens erzählt werden, sie ist sehr viel we-
niger franken- und sitaationsspezifisch als die Origo Fredegars. Die Libri historiarum
decem des Gregor von Tours werden vom Autor des Liber historiae Francorum ledig-
lich als Steinbruch benutzt. Die aus ihm gewonnenen Bausteine verwendet er, um seiner
farbigen legendenhaften Ausschmückung der frühen fränkischen Zeit einen soliden
Grand zu geben. Eine Auseinandersetzung mit dem komplexen Konzept der Libri histo-
riarum decem ist im Gegensatz zu Fredegar, der gegen Gregors promerowingische Ten-
denzen und seine heilsgeschichtliche Deutung anschreibt, nicht zu erkennen. Die allge-
meingültige fränkische Origo des Liber ist blasser als die des Fredegar, weil sie keinen
Bezug zu seiner eigenen Zeit hat und außer einer allgemeinen Glorifizierung der Fran-
ken keinen darüber hinausgehenden Zweck. Weder die Auseinandersetzung mit den Rö-
mern noch die fränkische feritas und List scheinen in der Gegenwart von Bedeutung zu
Es ist McKitterick, Constructing the Past, S. 127, nicht unbedingt dahingehend zuzustimmen, daß
im Liber historiae Francorum und bei Fredegar die Identität der Franken noch nicht so stark
herausgearbeitet wurde wie später in den Reichsannalen.
188 Die Herkunftserzählungen der Franken
sein, auch wenn die Franken diese Eigenschaften noch aufweisen und damit Identität
mit sich selbst zeigen. Die fränkische Origo erhält ihre Besonderheit im Liber nur durch
die Tatsache, daß sie die einzige ist, die der Autor kennt. Somit sind für den Autor des
Liber historiae Francorum die Franken die einzige geschichtliche gens überhaupt.
Der Autor des Liber historiae Francorum ist also viel weniger innovativ mit den
fränkischen Ursprüngen umgegangen. Nicht von ungefähr ist es daher diese allgemein-
gültige Origo-Version als nicht zeit- oder konzeptgebundene, die durch die Faramund-
Legende weitergelebt hat und von anderen Geschichtsschreibern adaptiert wurde. Diese
Origo ließ sich leichter an die Situation der jeweiligen Schreiber anpassen. Die legen-
denhaften Ausschmückungen des Liber historiae Francorum waren geht man nach
der Anzahl der Handschriften sehr viel beliebter als die an der erwünschten Verfaßt-
-
Könige steht bruchlos in einer Entwicklungslinie zur Zeit des spätantiken heiligen Mar-
tin. Im Gegensatz zu dem britischen Gildas scheint er einen wesensmäßigen Unter-
schied des merowingischen Frankenreiches zu der Verfaßtheit der spätantiken Provin-
Die fränkischen Origo-Erzählungen im Vergleich 189
zen der Galliae nicht wahrgenommen zu haben. Die Person Chlodwigs, deren Eignung
als Gründergestalt gegeben wäre, wird von Gregor ganz in den heilsgeschichtlichen
Kontext und mit Hilfe der Parallele zu Constantin in die römische Tradition gestellt.
Der Rückgriff auf die Römer erfolgt bei Gregor unbewusst, und sie spielen bei ihm
nicht die Rolle von Legitimitätsstiftern. Elemente einer genuin fränkischen Origo-Er-
zählung lassen sich bei Gregor allenfalls in der Childerich-Episode erahnen, werden
aber von Gregor ganz für seine Erzählabsicht vereinnahmt. Die origo-typische Einfüh-
rung einer neuen Ordnung und deren Erklärung findet bei Gregor nicht statt. Gregor von
Tours war also bei aller mittelalterlichen Wundergläubigkeit in vielerlei Hinsicht der
Spätantike noch stark verhaftet.
Obwohl Gregor keine Origo verfassen wollte, ist seine Schrift von seinem Nachfol-
ger Fredegar als „Frankengeschichte" benutzt worden. Fredegar verwob die Erzäh-
lungen, die er bei Gregor fand, mit einer fränkischen Trojaversion. Er schrieb an vielen
Stellen mit seinen Erweiterungen, z.T. aber auch mit den aus Gregor übernommenen
Episoden, geradezu gegen dessen Konzept an. Die prinzipiell promerowingische Ten-
denz Gregors sowie seine heilsgeschichtliche Interpretation wird bei Fredegar oft aufge-
hoben oder in ihr Gegenteil verkehrt. Bei Fredegar läßt sich eine fränkische Identität
ganz klar an der von ihm erzählten Origo festmachen. Die Franken werden in die Welt-
geschichte eingeordnet. Sie erhalten eine biblische Verortang und eine trojanische Ab-
stammung, die sie in die Nähe der Eroberervölker der Römer und Makedonen rückt, so-
wie einen Heros eponymos Francio. Die Franken erhalten ihre Identität hauptsächlich in
der Auseinandersetzung mit den Römern, gegen die sie ihren Freiheitsdrang durchset-
zen. Entscheidend für Fredegar ist die frühe Verfaßtheit der Franken unter duces. Diese
stellt für ihn den Idealzustand dar. Die Macht der Großen, insbesondere der Hausmeier
zu Fredegars Zeit, wird von ihm in die Frühzeit der Franken zurückprojiziert. So kommt
es, daß unter den duces der entscheidende Schlag gegen die Römer geführt wird und
daß die Großen der Franken immer wieder politisch in den Vordergrund treten. Demge-
genüber ist die Legitimierung der Könige und des merowingischen Geschlechts unwich-
tig. Die oft als Beleg für eine heidnische Gottheit als Spitzenahn der Merowinger heran-
gezogene Erzählung vom Meeresungeheuer erweist sich als Verunglimpfung des Kö-
nigsgeschlechtes, dem bei Fredegar durch den Mund der Basina eine schlimme Zukunft
prophezeit wird. Das Legitimationsschema der Könige der Frühzeit, die durch ihre utili-
tas herausragen und ausgewählt werden, wird von Fredegar durch die Verwendung ähn-
licher Formulierungen auf die Hausmeier der Teilreiche übertragen, die als die eigent-
lichen und erwünschten Machthaber aufgedeckt werden. Fredegar erklärt seine eigene
Zeit mit Hilfe der Origo. Für ihn besteht Legitimität nicht wie für Gregor in der Unter-
stützung der Bischöfe, sondern in Rat und Hilfe der weltlichen Großen. Er trifft sich mit
Gregor lediglich darin, daß sich auch für ihn Herrschaft aus der Gesellschaft legitimiert
und keiner Rechtfertigung oder Setzung von außen bedarf. Fredegar nutzt eine äußere
Legitimation auch dann nicht, wenn sie, wie im Falle der bei ihm überlieferten Lango-
barden-Origo, vorhanden ist. So ergibt sich bei Fredegar eine fränkische Identität in Ab-
setzung zu den Römern, eine Legitimation aber durch die weltlichen Großen, wie es an
der frühfränkischen Dukatsverfassung exemplifiziert wird.
190 Die Herkunftserzählungen der Franken
Der Liber historiae Francorum entstand unabhängig von Fredegar, benutzte aber
ebenfalls Gregor. In ihm finden wir eine andere Variante des Trojaursprangs der Fran-
ken. Da keine Anknüpfung an biblische Völker versucht wird und die trojanische Ab-
kunft der Römer unterschlagen wird, dient die Trojalegende lediglich der Betonung der
Einzigartigkeit der Franken. Die Römer spielen im Liber historiae Francorum eine am-
bivalente Rolle als diejenigen, die durch Kaiser Valentinian den Franken zu ihrem Na-
men verhelfen, und sich gleichzeitig zum „Erbfeind" der Franken entwickeln. Der vom
Liber historiae Francorum erstmals eingeführte Faramund weist typische Züge einer
Gründergestalt auf. Er wird als erster König der Franken herausgestellt, der die Einheit
der fränkischen gens durch Gesetzgebung festigte. Das Königtum hat für die Identität
der gens eine weit wichtigere Rolle als bei Fredegar. Im Unterschied zu Gregor und
Fredegar findet im Liber historiae Francorum die Setzung der Identität durch die äuße-
re Größe der Römer statt. Von einer von der Gesellschaft getragenen Legitimierung
kann nicht mehr die Rede sein, auch wenn sich natürlich ähnlich wie bei Fredegar
der gewachsene Einfluß der Großen und der Hausmeier im Liber historiae Francorum
- -
widerspiegelt. Die Origo des Liber historiae Francorum dient nicht der Erklärung der
eigenen Situation, sondern nur der Glorifizierang der gens. Weder die Auseinanderset-
zung mit den Römern noch die typisch fränkischen Eigenschaften der Wildheit und List
bekommen in der Gegenwart des Autors eine Bedeutung zugeschrieben. Die Origo fällt
im Liber historiae Francorum sehr viel allgemeiner und unklarer aus. Allein die Fran-
ken stehen im Mittelpunkt, ohne daß andere gentes wirkliche Bezugspunkte bilden wür-
den. Die Origo im Liber historiae Francorum ist vielmehr aus Versatzstücken gebildet,
die nicht spezifisch für die Franken und das Frankenreich sind.
In der fränkischen Geschichtsschreibung läßt sich ein quasi selbstgenügsamer Zug
erkennen. Gregor und Fredegar beziehen die Legitimität der Könige aus der ihnen be-
kannten Gesellschaft, Gregor von den Bischöfen her, Fredegar von den weltlichen
Großen. So wird die Legitimität der Könige viel mehr von innen heraus gesetzt als von
außen begründet Eine Identitätsstiftang läßt sich bei Gregor überhaupt nicht erkennen,
der seiner eigenen Welt so verhaftet ist, daß er eine Erklärung der fränkischen Herr-
schaft nicht für notwendig erachtet. Bei Fredegar wird die Identität der Franken eben-
falls nicht von außen begründet, sondern von innen durch die Erhebung des Francio
zum König und durch die Behauptung gegenüber den Römern erarbeitet. Der Liber hi-
storiae Francorum bietet zwar mit der Valentinian-Legende eine Legitimitäts- und
Identitätsstiftung von außen, diese erfolgt aber durch die zur Zeit des Liber historiae
Francorum schon in sagenhafte Vergangenheit versunkenen Römer und hat keinen Be-
zug zur Wirklichkeit des Autors. Der selbstgenügsame Zug besteht beim Liber historiae
Francorum in der völligen Beschränkung auf eine Geschichte der Franken, deren Ein-
ordnung in eine Weltgeschichte nicht einmal versucht wird.
IV. Die langobardischen
Herkunftserzählungen
1
Damit ist sie Jordanes' Gotengeschichte und Gildas vergleichbar, vgl. Quetglas, Nuevas historias
nacionales, S. 174. Anders Capo, Paolo Diácono e il mondo franco, die Paulus für einen
Ausnahmefall hält.
2
Vgl. allgemein zum folgenden Leicht, Paolo Diácono; Wattenbach-Levison, Deutschlands
Geschichtsquellen. Vorzeit und Karolinger, Heft 2, S. 203-224; Sestan, La storiografia dell'Italia
longobarda; Corbato, Paolo Diácono; Goffart, Narrators, S. 329-347; Mortensen, Civiliserede
barbarer; Pohl, Paulus Diaconus; ders., Paolo Diácono e la costruzione dell'identità longobarda;
Pizarro, Ethnic and National History, S. 70-73, sowie den Sammelband Paolo Chiesa (Hrsg.),
Paolo Diácono, und H. Seibert, Paulus Diaconus, in: NDB 20, S. 131-133.
Zu Paulus' Stellung am Hof Karls vgl. etwa Fleckenstein, Bildungserlasse, vor allem S. 357ff.
192 Die langobardischen Herkunftserzählungen
bardischen Familie aus dem Herzogtum Friaul, die laut eigenen Erzählungen des Paulus
auf eine lange Geschichte zurückblicken konnte.4
Vor seinem Auftreten am Hof Karls hatte sich Paulus wahrscheinlich schon in den
740er Jahren am Hof des langobardischen König Ratchis aufgehalten. Nach Ratchis'
Abdankung zog sich Paulus mit dem König nach Benevent5 und vielleicht auch Monte-
cassino zurück.6 Paulus hatte auf jeden Fall intensive Verbindungen zum Kloster Mon-
tecassino, ob er jemals eintrat, ist neuerdings allerdings angezweifelt worden.7 Zu kei-
nem langobardischen König hat Paulus ein so vertrautes Verhältnis gewonnen wie spä-
ter zu Karl und dessen Hof, auch wenn er zumindest nach Ausweis späterer Quellen
zeitweise als Schreiber bei König Desiderius beschäftigt war.8 Vor dem Untergang des
Langobardenreiches im Jahr 774 schrieb Paulus seine Historia Romana? Sieben Jahre
nach der Verbannung seines Bruders Arichis, der in den Aufstand Herzog Rodgauds
vom Friaul 776 verwickelt war,10 gelang es Paulus, sich den Frankenkönig Karl mit
einem Gedicht gewogen zu machen, in dem er um die Freilassung seines aufständischen
Bruders bat.11 Von diesem Zeitpunkt an verschrieb sich Paulus ganz dem Dienst an der
karolingischen Sache, wie besonders an den Gesta archiepiscoporum Mettensium deut-
lich wird, in denen der karolingische Spitzenahn Arnulf von Metz im Mittelpunkt
steht.12 Auf die Gesta folgten kleinere Werke,13 ehe er sich zwischen 786 und 796 daran
machte, die Historia Langobardorum zu schreiben.14 Die Historia Romana bietet die
Geschichte des römischen Reiches bis zum Eintreffen der Langobarden, die Historia
Langobardorum setzt sie fort und zwar vor allem die Geschichte der italienischen Halb-
4
Paulus, HL, ed. Waitz, IV, 37, S. 164-166. Zu dieser Genealogie auch Goetz,
Vergangenheitswahmehmung, S. 202f. Zu der Geschichte von Paulus' Urgroßvater, der von einem
Wolf auf den richtigen Weg geleitet wurde, vgl. Cammarosano, Antenati di Paolo Diácono, und
Pohl, Paolo Diácono e la costruzione dell'identità longobarda, S. 418f.
5
Zu Paulus' Tätigkeit am beneventanischen Hof vgl. Belting, Studien, 164-169.
6
Goffart, Narrators, S. 335ff.
Zu Paulus' Gründen für einen Eintritt, vgl. Costambeys, Monastic Environment. McKitterick, Paul
the Deacon and the Franks, S. 325f. und 334ff, hat hingegen vermutet, daß Paulus sich zwar spät
in seinem Leben zurückgezogen, aber Kontakte zum Hof Pippins von Italien behalten habe.
8
Wattenbach-Levison, Deutschlands Geschichtsquellen. Vorzeit und Karolinger, S. 213.
Dabei ist ein deutlicher Akzent auf der Geschichte der Orthodoxie zu bemerken, vgl. Cervani,
Romanità e Cristianesimo; Wallace-Hadrill, Barbarian West, S. 43, und Goetz,
Vergangenheitswahrnehmung, S. 206ff. Mortensen, Impero Romano, erklärt das Ende der
Historia Romana an diesem Zeitpunkt mit dem Abbrechen von Paulus' Quellen zum Imperium
Romanum. Zur Historia Romana vgl. auch ausführlich Goffart, Narrators, S. 340f. und 347-370.
10
Zu diesem vgl. Krahwinkler, Friaul, S. 119-143.
11
Goffart, Narrators, S. 341f, der Paulus' Ankunft an Karls Hof auf 781 datiert.
12
Vgl. dazu Goffart, Paul the Deacon's Gesta episcoporum Mettensium, und ders., Narrators, S. 342
und 370-378.
13
14
Vgl. Goffart, Narrators, S. 343.
Zum Datum vgl. McKitterick, Paul the Deacon and the Franks, S. 334, und Pohl, Paolo Diácono e
la costruzione dell'identità longobarda, S. 413f: Da Paulus das Awarenreich noch als existent
bezeichnet, muß die Historia Langobardorum vor Karls erfolgreichem Awarenfeldzug 796
geschrieben worden sein.
Paulus Diaconus: Identitätsstiftang ohne Sinn? 193
insel bis zum Tod König Liutprands (744).15 Man hat die beiden Werke immer als zu-
sammengehörig verstanden und in dem einen den Bericht über den Untergang des Im-
perium Romanum sehen wollen und in dem anderen die Erzählung über den Aufbau
eines Reiches auf italienischem Boden, dessen Bestimmung letztlich eine Synthese zwi-
schen Römern und Langobarden, also eine Zivilisierang der Barbaren, war.16
Einigkeit besteht über die Quellen, die Paulus benutzte, da er sie zu großen Teilen
nennt: Die Origo gentis Langobardorum, die Geschichte des Secundus von Trient, Jor-
danes, Gregor von Tours, Fredegar und seine Fortsetzer, Beda, den Liber pontificalis bis
zu Stephan II. sowie byzantinische Quellen über die oströmischen Kaiser.17 Bis auf Se-
cundus18 sind uns diese Quellen alle überliefert, und so läßt sich feststellen, daß Paulus
frei mit ihnen umging und sie zu großen Teilen nur als Informationssteinbruch nutzte.19
Man vermutet schon lange, daß Paulus auch mündliche Überlieferungen genutzt hat,
wie dies manche Erzählungen nahelegen.20
15
Zanella, Legittimazione, S. 71, argumentiert dafür, daß es zwischen Historia Romana und
Historia Langobardorum keinen Bruch gibt, sondern daß die Geschichte des Imperium Romanum
wie selbstverständlich in eine der italienischen Halbinsel gemündet habe, so auch schon Mommsen,
Quellen der Langobardengeschichte, S. 77f. Goffart, Narrators, S. 370, sieht den Inhalt der
Historia Romana folgendermaßen: „The end of the ancient world and the beginning of ,our
times'."
16
Vgl. Alfonsi, Romani e barbari; Morghen, La civiltà dei Longobardi; Alfonsi, Aspetti del pensiero,
und Capo, Paolo Diácono e il problema della cultura dell'Italia Longobarda.
17
Zu Paulus' Quellen immer noch instruktiv Mommsen, Quellen der Langobardengeschichte;
außerdem Goffart, Narrators, S. 381; McKitterick, Paul the Deacon and the Franks, S. 332,
vermutet, daß Paulus zumindest den Autor der Reichsannalen gekannt habe, wenn auch nicht
unbedingt die Annalen selbst; zum Rückgriff des Paulus auf byzantinische Quellen und zur
Darstellung der byzantinischen Kaiser vgl. Lamma, Mondo bizantino. Skeptisch beurteilt Sot,
Écrivains carolingiens, die Benutzung des Gregor von Tours, der nur selten direkt von Paulus
zitiert wird; anders Reimitz, Social Networks, S. 235ff. Cassiodors Gotengeschichte hat Paulus
eher nicht gekannt, vgl. Weissensteiner, Cassiodors Gotengeschichte, S. 125.
18
Gardiner, Paul the Deacon and Secundus of Trento, vermutet, daß es sich um ein Annalenwerk
gehandelt hat, was er an den Beschreibungen von Unwettern und Himmelserscheinungen
festmacht.
19
Zu Paulus und seinem Umgang mit den Quellen vgl. Mommsen, Quellen der
20
Langobardengeschichte, und Bognetti, Processo lógico.
Dazu bereits Bugge, Paulus Diaconus's "langobardernes Historie"; Bullough, Ethnic History, geht
davon aus, daß die ganze Langobardengeschichte dazu diente, der mündlichen Überlieferung
Glaubwürdigkeit zu verleihen. Dies scheint mir nicht gerechtfertigt, da Paulus die Berichte, die auf
mündliche Tradition zurückgehen, viel zu wenig ausschmückt und deren Potential nicht nutzt, vgl.
dazu unten vor allem den Abschnitt: Könige und Herzöge und ihr Zusammenspiel, S. 215-233.
Ausführlich zu den mündlichen Grundlagen des Paulus: Gschwantler, Überlieferung; Moisl,
Kinship and Orally Transmitted „Stammestradition", und Meli, Eco Scandinave.
194 Die langobardischen Herkunftserzählungen
Die Qualität von Paulus' Stil ist umstritten.21 Dies ist auch ein Handschriftenproblem,
da die Historia Langobardorum aufgrund der Beliebtheit der Langobardengeschichte in
sehr vielen Abschriften überliefert ist.22 Die Herausgeber bei den MGH haben mögli-
cherweise den Stil etwas schlechter eingeschätzt als er wirklich war.23
Die Historia Langobardorum ist Gegenstand ausführlicher Diskussionen gewesen.
Umstritten ist einmal die Frage nach dem Zweck des Werkes. Da es sich um ein viel-
schichtiges Oeuvre handelt, das viele Bereiche zum Inhalt hat, hat man schon lange er-
kannt, daß sich Paulus' Langobardengeschichte nicht in einer bloßen „Volksgeschichte"
erschöpft, sondern daß sich auch weitere Darstellungsabsichten erkennen lassen. So ist
beispielsweise seit kurzem deutlich geworden, daß Paulus ein besonderes Augenmerk
auf die Entwicklung bei den Franken richtet24 angesichts der Eroberung des Langobar-
denreiches durch die Franken wohl kaum verwunderlich. Daneben widmet er sich aus-
-
führlich einzelnen Herzogtümern und deren Entwicklung, vor allem dem Herzogtum
Benevent, so daß sogar die Meinung vertreten wurde, Paulus habe die Herzöge von Be-
nevent als Fortsetzer der langobardischen Tradition etablieren wollen25 und man habe
dort vielleicht auch seine Auftraggeber zu vermuten.26 Relativ ausführlich widmet Pau-
lus sich auch den Kaisem im Osten, so daß deutlich wird, daß diese zumindest in seinen
Augen eine große Relevanz für die Geschichte Italiens hatten.21 Walter Goffart hat ver-
Vehement hat Engels, Observations sur le vocabulaire de Paul Diacre, bes. S. 266, Paulus' Stil
gegen Waitz, Handschriftliche Überlieferung, verteidigt, den er einem gesamtitalienischen
Hintergrund zuordnet, der eine karolingische Renaissance nicht nötig gehabt habe. Ähnlich lobend
Goffart, Narrators, S. 425f.
Zu den Handschriften: Waitz, Handschriftliche Überlieferung. Einen neuen Überblick bietet Pani,
Aspetti della tradizione manoscritta. Zur noch wenig bearbeiteten Rezeptionsgeschichte des Paulus
vgl. Taviani-Carozzi, Souvenir et la légende; Pohl, Paulus Diaconus und die HL, S. 388-405, und
Chiesa, Caratteristiche della trasmissione.
So Bianchi, Testo.
McKitterick, Paul the Deacon and the Franks, und dies., Paolo Diácono e i Franchi. Siehe dazu
auch unten vor allem S. 224f.
Krüger, Beneventanische Konzeption, und Goffart, Narrators, S. 332f. Zur Geschichte des
Herzogtums zur Zeit Karls des Großen und zur Weiterfuhrung der langobardischen Tradition vgl.
auch Belting, Studien, und Christie, Lombards, S. 204-225. Tatsächlich finden sich in Benevent
noch lange langobardische Traditionen, vgl. Deeters, Pro salvatione.
So Zanella, Legittimazione, S. 70, die die Fürstin Adelperga von Benevent, der Paulus etwa auch
die Historia Romana gewidmet hatte, als Auftraggeberin vermutet. Anders Gatto, Città e vita
cittadina, der davon ausgeht, daß Paulus die Zukunft Italiens nicht mehr bei den Langobarden,
sondern in den Städten sah.
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 25, S. 72f, ein ausfuhrliches Kapitel über Justinian. Später dann III, 11
und 13, S. 118-122, über Justinus II. und Tiberius I.; Ill, 15, S. 122f, über die Nachfolge des
Maurikios; III, 17, über Maurikios' Verhandlungen mit den Franken; III, 22, S. 127, über weitere
Verhandlungen mit den Franken; IV, 26, S. 156: Usurpation des Phokas; IV, 36, S. 160f:
Heraklius übernimmt die Herrschaft; IV, 49, S. 172f.: die Nachfolger des Heraklius bis zu
Konstans II ./Konstantin III.; IV, 50, S. 173f: Wanderlegende von der Bekehrung des Perserkönigs
durch seine Frau (diese ist wahrscheinlich aus Fredegar, ed. Krusch, IV, 9, S. 125f, übernommen,
vgl. Goffart, Narrators, S. 402); V, 11, S. 190f: Konstantin III. in Rom und Sizilien; V, 12,
Paulus Diaconus: Identitätsstiftang ohne Sinn? 195
mutet, daß es Paulus vor allen Dingen auf zwei Dinge ankam, auf die er seine Erzäh-
lung ausrichtete: Die Vertreibung der Byzantiner aus Italien, denen man in Paulus' Au-
gen nur ketzerische Ideen verdankte, und ein gutes Verhältnis des Herzogs von Bene-
vent zu Karl dem Großen.28 Gegen eine solche Interpretation spricht, daß Paulus viele
byzantinische Kaiser positiv beschreibt, auch wenn er die wenigen Einmischungen in
Italien nicht gerne sah. Neben den Langobarden bietet Paulus auch ganz andere Inhalte:
Berichte über die Päpste, die Patriarchen von Aquileia und die Exarchen von Ravenna.29
Im ersten Buch erwähnt er die Stämme der Skritobinen, der Heraler und der Amazo-
nen.30 Des weiteren lassen sich seine benediktinischen Interessen an einem ausführ-
lichen Kapitel über den heiligen Benedikt und mehrere Ereignisse in der Geschichte des
S. 191: Usurpation des Mezentius in Sizilien; V, 30, S. 197: Konstantin IV. folgt nach
Niederwerfung des Mezentius auf Konstantin III.; VI, 4, S. 213: Paulus berichtet vom
Monotheletismus und dem sechsten allgemeinen Konzil in Konstantinopel; VI, 11, S. 216: Auf
Konstantin IV. folgt Justinian II.; VI, 12, S. 217: Auf Justinian II. folgt Leontius; VI, 13, S. 217:
Auf Leontius folgt Tiberius III.; VI, 31, S. 225f: Justinian II. kann sich wieder durchsetzen; VI,
32, S. 226: Justinian II. wird endgültig von Philippikos abgesetzt; VI, 34, S. 226f: Philippikos
wird von Anastasios II. abgesetzt; VI, 36, S. 228: Thedosius III. löst Anastasios II. ab; VI, 41,
S. 231: Auf Theodosius III. folgt Leon III.; VI, 49, S. 234f: Leon leitet in Konstantinopel den
Bildersturm ein. Zu der bisher eher vernachlässigten Geschichte des byzantinisch-langobardischen
Verhältnisses vgl. Christou, Byzanz und die Langobarden.
Goffart, Narrators, S. 424-431.
Päpste etwa: Paulus, HL, ed. Waitz, II, 10, S. 92: Papst Benedikt; III, 20, S. 126: Papst Pelagius
II.; III, 24 und 25, S. 128f: Papst Gregor der Große. Patriarchen etwa: II, 10, S. 92: Patriarch
Paulus von Aquileia; IV, 33, S. 159f: Wechsel in den Ämtern der Patriarchen von Aquileia und
Gradus: VI, 14, S. 217: Auf Ermahnung des Papstes nimmt die Synode von Aquileia die
Bestimmungen des fünften allgemeinen Konzils an; VI, 33, S. 226: Serenus folgt auf Petrus von
Aquileia; VI, 45, S. 232: Auf Serenus folgt Calixtus als Patriarch. Zur Beschäftigung des Paulus
mit Aquileia vgl. auch ausführlich Cessi, Cataloghi patriarcali, und Alfonsi, Aspetti del pensiero,
S. 17. Exarchen etwa: III, 18, S. 124: Friedensschluß mit Smaragdus; IV, 12: Friede zwischen
Gallicinus und Agilulf; IV, 32, S. 159: Friedensschluß zwischen Agilulf und Smaragdus; III, 18
und 19, S. 124ff.: Aufstand des Droctulf mit Unterstützung des Exarchen; IV, 8, S. 147: Der
Exarch Romanus verbündet sich mit Herzog Maurisius gegen den König; II, 29, S. 106f: Der
Exarch Longinus überredet Rosamunde dazu, Helmichis zu ermorden, um ihn zu heiraten; IV, 20,
S. 153f: Der Patricius Gallicenus nimmt die Tochter Agilulfs mit ihrem Mann gefangen; IV, 38,
S. 166f: Der Patriarch Gregorius tötet die Herzogssöhne Taso und Kakko vom Friaul mit Hilfe
einer List und erfüllt an ihren Leichen den ihnen geleisteten Schwur; IV, 42, S. 169: Aio, der Sohn
Arichis' von Benevent erhält einen Trank, der ihn wahnsinnig macht; III, 26, S. 129-132: der
Patricius Smaragdus versucht die Verdammung der Drei-Kapitel durchzusetzen; IV, 34, S. 160:
der Patricius Eleutherius nimmt imperii iura an; IV, 10, S. 149: Marianus folgt im Erzbistum
Ravenna auf Johannes; IV, 12, S. 150; Gallicinus folgt im Exarchat auf Romanus; IV, 25, S. 156:
Exarch Gallicinus wird von dem aus der Verbannung zurückgekehrten Smaragdus abgelöst; IV,
28, S. 157: Mit Hilfe der Awaren kann König Agilulf einen Sieg gegen den Exarchen erkämpfen,
so daß dieser gezwungen ist, Agilulfs Tochter aus der Gefangenschaft zu entlassen.
Skritobinen: Paulus, HL, ed. Waitz, I, 5, S. 54f; Heruler: I, 19, S. 64f; Amazonen: I, 15, S. 62.
196 Die langobardischen Herkunftserzählungen
Klosters Montecassino ablesen.31 Heiligenlegenden, wie etwa die der schlafenden Brü-
der,32 eine Erzählung über Bischof Felix von Treviso und Venantius Fortunatas,33 eine
kurze Erwähnung des heiligen Columban und der Gründung Bobbios34 sowie Erzäh-
lungen über die Weissagerkräfte des heiligen Baodolinus und des Teudelapius35 fehlen
ebenfalls nicht. Einige Male berichtet er von Kriegszügen der Sarazenen und nicht nur
von der Eroberung Siziliens.36 Naturwissenschaftliche Betrachtungen stellt er auch an,37
berichtet ausführlich über Pestepidemien und Seuchen38 oder andere Naturkatastro-
phen39 und verzeichnet vielfältige Kleinigkeiten, die sich nicht genau einordnen lassen.40
Wie Walter Pohl bemerkt hat, ist Paulus' Langobardengeschichte so vielfältig, daß man
sie kaum auf einen Zweck reduzieren kann.41
31
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 26, S. 73-79: Benedikt (vgl. dazu auch Paulus, HL, ed. Capo,
Kommentar, S. 411-418); IV, 17, S. 152: Zerstörung des Klosters unter dem Abbatiat des Bonitus,
als Langobarden über das Kloster herfallen; VI, 2, S. 21 lf.: Überführung der Gebeine des
Benedikt und der Scholastika nach Gallien (vgl. dazu auch Paulus, HL, ed. Capo, Kommentar,
S. 564); VI, 40, S. 230: Wiederaufbau unter Abt Petronax. Über die Bedeutung des Benedikt in
Paulus' Werk vgl. auch Alfonsi, Aspetti del pensiero, bes. S. 13f.
32
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 4, S. 54.
33
Paulus, HL, ed. Waitz, II, 13, S. 93-95, und Paulus, HL, ed. Capo, Kommentar, S. 436f.
34
Paulus, HL, ed. Waitz, IV, 41, S. 168, und vgl. auch Paulus, HL, ed. Capo, Kommentar, S. 519f.
35
Paulus, HL, ed. Waitz, VI, 58, S. 240f. Zur Rolle der Heiligen bei Paulus vgl. auch Limone, Santi
ed Eroi.
36
Paulus, HL, ed. Waitz, V, 13, S. 192: Eroberung Siziliens; VI, 10, S. 216: Eroberung Karthagos;
VI, 46, S. 233: Eroberung Spaniens; VI, 47, S. 233f: Belagerung Konstantinopels.
37
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 5, S. 55: über die längeren Schatten in Nordeuropa; I, 6, S. 55f: über
Ebbe und Flut; II, 8, S. 90: über die großen Ochsen Pannoniens; IV, 10, S. 149: ein Komet; IV, 32,
S. 159: ein Komet; IV, 33, S. 160: ein Komet; V, 31, S. 197: ein Komet; VI, 5, S. 213: eine
Sonnen- und eine Mondfinsternis; VI, 9, S. 216: eine Himmelserscheinung und ein
Vulkanausbruch.
38
Paulus, HL, ed. Waitz, II, 4, S. 86f.; III, 24, S. 128; IV, 4, S. 145; IV, 14, S. 150f; IV, 45, S. 171:
clades scabearum; V, 31, S. 197; VI, 4, S. 213; VI, 47, S. 234.
39
Paulus, HL, ed. Waitz, III, 23 und 24, S. 127f: eine Überschwemmung in Verona und Rom; IV, 2,
S. 144f: eine Dürre und eine Heuschreckenplage; IV, 4, S. 145: ein strenger Winter und
Blutzeichen in Regen und Wasser; IV, 15, S. 151: Blutzeichen am Himmel; IV, 29, S. 158: ein
harter Winter, der ungewöhnlich für Paulus auf Gottes Wirken zurückgeführt wird, als äußeres
Zeichen für den bedauernswerten Tod Gregors des Großen; IV, 45, S. 171: ein Erdbeben und eine
- -
Überschwemmung; V, 15, S. 192: heftige Regenfalle und Gewitter; VI, 36, S. 229:
40
Überschwemmungen in Rom. Zu den Blutzeichen bei Paulus vgl. Ferrarini, Sangue e Salvezza.
Paulus, HL, ed. Waitz, IV, 31, S. 159: Der Unfalltod eines cantor in Pavia; IV, 40, S. 168: Tod
des Secundus von Trient; V, 14, S. 192: Tod der Tochter Grimualds in Sizilien; V, 30, S. 197: das
Bußbuch des Theodor von Canterbury; VI, 7, S. 215: Über den Grammatiker Felix, ein Onkel von
Paulus' Lehrer; VI, 29, S. 225: Erzbischof Benedikt von Mailand versucht vergeblich, Pavia als
41
Suffraganbistum zu bekommen; VI, 40, S. 231: Gründung des Kloster St. Vincentius.
Pohl, Paulus Diaconus, S. 388: „Sie ist keine geschlossene Narratio, die auf irgendeinen (wenn
auch nicht mehr geschriebenen) Fluchtpunkt, eine Auflösung hin konzipiert ist.", und ders., Paolo
Diácono e la costruzione dell'identità longobarda, S. 424ff.
Paulus Diaconus: Identitätsstiftang ohne Sinn? 197
eigene Meinung wird nicht oft deutlich. Er hält sich mit der Bewertung der
Paulus'
Ereignisse sehr zurück. Insofern sollte man sehr vorsichtig damit sein, Paulus eine Mei-
nung unterzuschieben, die er explizit nicht geäußert hat und die er auch nicht andeutet,42
weil durchaus denkbar ist, daß sich Episoden auch anders interpretieren lassen.
Ein weiterer strittiger Punkt ist die Frage nach der Vollständigkeit der Historia Lan-
gobardorum, die natürlich auch für die Darstellungsabsicht des Paulus von Belang ist.
Die wichtigsten Argumente sollen hier kurz rekapituliert werden. Textimmanent spricht
für eine Unvollständigkeit das Fehlen einer Einleitung, Andeutungen auf Ereignisse
nach 744 in Buch V43 und VI44 sowie die Tatsache, daß Paulus nicht bis zu seiner eige-
nen Zeit geschrieben hat. Kurz vor Ende der Langobardengeschichte macht Paulus eine
Bemerkung, die man auf eine mögliche Weiterfuhrung interpretieren kann: Cuius nos
aliquod miraculum, quod posteriori tempore gestum est, in loco proprio ponemus?5 Da
Paulus um 799 gestorben ist, könnte ihm der Tod oder eine vorhergehende Krankheit
die Feder kurz vor der Fertigstellung aus der Hand genommen haben. Auf der anderen
Seite reichen auch Paulus' andere Werke nicht bis zu seiner eigenen Zeit,46 und zumin-
dest in den Gesta, die eindeutig abgeschlossen sind, findet sich auch ein Abschnitt, der
auf Ereignisse nach dem eigentlichen Ende des Werkes hinweist.47 Laut Helmut Rogan
spricht die Komposition der Buchschlüsse für eine Vollständigkeit: Jedes Buch, bis auf
Buch I, das mit dem Interregnum schließt, endet mit dem Höhepunkt der Herrschaft
eines Königs, nachdem der neue König bereits vorgestellt wurde. Das geschieht nur im
letzten Buch nicht.48 Allerdings trifft dies in den Einzelheiten nicht zu. In den fünf er-
sten Büchern wird zwar der neue König immer als solcher vorgestellt, aber auch im
letzten Buch finden sich die beiden unmittelbaren Nachfolger des Liutprand zumindest
erwähnt, nämlich dessen Neffe Hildeprand, dessen Erhebung zum Mitkönig sogar ver-
merkt wird,49 und Ratchis, Herzog vom Friaul.50 Gerade daß tapfere Taten von Ratchis
42
Dies tut Goffart, Narrators, sehr häufig. Dabei lassen sich sogar Episoden wie die Verhinderung
der Ermordung des Perctarit, die Paulus explizit dem göttlichen Eingreifen zuschreibt,
unterschiedlich interpretieren. Der eine Aspekt wäre die wunderbare Rettung des Perctarit, seine
Vorbestimmung für den langobardischen Königsthron, der andere die Bewahrung des Grimuald
vor einer Sünde. Paulus wählt nur die zweite Interpretation.
43
Paulus, HL, ed. Waitz, V, 6, S. 187: Der Untergang des Langobardenreiches.
44
Paulus, HL, ed. Waitz, VI, 16, S. 218: Die Königserhebung Pippins.
45
Paulus, HL, ed. Waitz, VI, 58, S. 241, vgl. auch Paulus, HL, ed. Capo, Kommentar, S. 609.
McKitterick, Paul the Deacon and the Franks, S. 327 Anm. 25, hat darauf aufmerksam gemacht,
daß Paulus vielleicht vorgehabt habe, eine Vita dieses Baodolinus zu verfassen, auf die sich der
Hinweis beziehen könnte.
46
47
Vgl. Goetz, VergangenheitsWahrnehmung, S. 21 lf.
Vgl. Paulus, Gesta espiscoporum Mettensium, ed. Pertz, 1829, S. 265, Paulus spricht hier
48
ausgerechnet den Untergang des Langobardenreiches an. Siehe dazu unten S. 239f.
Rogan, Laudator temporis acti, S. 407-421.
49
Paulus, HL, ed. Waitz, VI, 55, S. 238f.
50
Paulus, HL, ed. Waitz, VI, 26, S. 224, und VI, 51 und 52, S. 235-237. Weshalb Rogan, Laudator
temporis acti, S. 407-21, meint, daß mit Ratchis nur der Herzog vom Friaul vorgestellt würde, ist
nicht ersichtlich. Auch der Argumentation von McKitterick, Paul the Deacon and the Franks (S.
198 Die langobardischen Herkunftserzählungen
berichtet werden und seine pietas betont wird,51 spricht dafür, daß er ähnlich wie Agi-
lulf, Grimuald und Liutprand in den vorigen Büchern als Held eingeführt werden sollte.
Die Beobachtung, daß die neuen Könige immer schon vor dem Buchschluß vorgestellt
werden, ist wegen der Erwähnung des Hildeprand und des Ratchis in Buch VI eher ein
Argument für eine Unvollständigkeit.
Zudem enden nicht alle Bücher mit dem Höhepunkt einer Herrschaft: Das zweite
Buch schließt mit der duces-Werrschaft, dem Interregnum, das dritte Buch mit der Ver-
mählung von Agilulf und Theudelinde, die aber nicht unbedingt den Höhepunkt von
Agilulfs Herrschaft darstellt, da er später seine Herrschaft noch gegen rebellische
Herzöge durchsetzen muß. Das vierte Buch endet mit dem Tod König Godeperts durch
die Hand Grimualds von Benevent, einem Herrschaftswechsel durch eine Usurpation.
Das fünfte Buch stellt mit dem Tod des Alahis, der allerdings nur ein Usurpator war,
Kuninkperts Herrschaft als gesichert dar. Das sechste schließt mit dem Tod Liutprands.
Das vierte, fünfte und sechste Buch enden also mit dem Tod eines Königs! Zudem ha-
ben wir keinerlei Hinweis darauf, daß Buch VI vollständig ist. Paulus könnte durchaus
eine Fortsetzung des Buches zumindest bis zur Erhebung des Ratchis geplant haben.
Der Tod Liutprands ist nicht notwendigerweise das letzte Ereignis des ursprünglich in-
tendierten Buches.
Die Buchabschlüsse insgesamt sind zu diversifiziert, um daraus Rückschlüsse auf die
Vollständigkeit oder Unvollständigkeit des Werkes ziehen zu können. Eher läßt sich mit
Goffart argumentieren, daß wichtige Themen wie Alboin, die königslose Zeit, Agilulf
und Theudelinde, Grimoald I., Kuninkpert und schließlich Ratchis und Aistalf die Un-
terbrechungen durch die Buchabschlüsse überbrücken52 und so auf eine Unvollständig-
keit schließen lassen.
Andere Argumente gehen nicht vom Text aus, sondern von der Darstellungsabsicht
des Paulus, schließen vom Ergebnis her und sind daher per se weniger stichhaltig. So
wurde immer wieder gerade von italienischer Seite angeführt, daß Paulus es als sozusa-
gen „patriotischer Langobarde" nicht ertragen habe, über das Ende des Langobarden-
reiches zu berichten und es deshalb auch nicht gewollt habe.53 Donald Bullough hat als
Argument angeführt, daß Paulus möglicherweise die Franken nicht verärgern wollte
und das heikle Thema des Verlustes der langobardischen Unabhängigkeit einfach um-
gangen habe.54 Helmut Rogan hat das Königsbild des Paulus intensiv betrachtet und
kommt zu dem Schluß, daß Paulus die letzten Könige absichtlich nicht mehr berück-
327: „no other king or potential king is mentioned."), ist nicht zuzustimmen.
51
Paulus, HL, ed. Waitz, VI, 52, S. 236f. ,und VI, 56, S. 239 (dort die pietas).
52
Goffart, Narrators, S. 379.
53
So etwa Vinay, Mito per soprawivere. Im Grunde geht dies auf eine Bemerkung Erchemperts
zurück (Erchempert, Historia Langobardorum Beneventorum, ed. Waitz, S. 234: In his autem non
frustra exclusif aetas loquendi, quoniam in eis Langobardorum desiit regnum.), wie Goffart,
Narrators, S. 344, deutlich gemacht hat. Möglicherweise spielt auch die Legendenbildung um
Paulus Diaconus selbst (dazu vgl. Cingolani, Storie dei Longobardi, S. 167-194, und Pohl,
Memory, Identity and Power, S. 21) dabei eine Rolle. Zum „Patriotismus" des Paulus auch Pohl,
Paulus Diaconus, S. 375ff., und unten S. 240f.
54
Bullough, Ethnic History, bes. S. 100.
Paulus Diaconus: Identitätsstiftang ohne Sinn? 199
sichtigt habe, weil man aus ihrem Beispiel nichts lernen konnte.55 Die Nachfolger Liut-
prands hätten nicht an ihn herangereicht und letztlich auch den Untergang des Lango-
bardenreiches verursacht.56 Gegen dieses Argument läßt sich anführen, daß Paulus auch
über andere ihm unsympathische Menschen berichtet, ohne davor zurückzuschrecken.57
Zudem sei es für Paulus, der ein karolingischer Höfling war, unmöglich gewesen, einen
Zeitgenossen Karls des Großen positiv zu beschreiben, und er habe daher aufgehört, be-
vor er in die Verlegenheit kam.58 Dies ist ebenfalls nicht stichhaltig, denn wenn Karl der
Große keine Schmeichelei anderen Königen gegenüber dulden wollte, wäre auch die
positive Schilderung gestorbener Könige wie etwa des Merowingers Guntchramn nicht
unbedingt ratsam gewesen.
Alle diese Argumente implizieren letztlich eine Konzentration der Historia Lango-
bardorum auf die Langobarden allein, die nicht gegeben ist. Sieht man die Historia
Langobardorum vielmehr als eine Geschichte der italienischen Halbinsel, dürfte der
Schluß näherliegen, daß sie nicht fertiggestellt wurde. Die Historia Langobardorum ist
so außerordentlich vielschichtig, daß sich auf jeden Fall eine Darstellungsabsicht finden
läßt, die je nach dem angenommenen inhaltlichen Schwerpunkt von Paulus' Werk als
Argument für die Vollständigkeit oder die Unvollständigkeit herangezogen werden
kann.
Aus Paulus' anderen Werken werden weitere Argumente für die Vollständigkeit oder
Unvollständigkeit erschlossen. In der Historia Romana hatte Paulus eine Fortsetzung
bis in seine eigene Zeit versprochen.59 Es ist nicht sicher, ob Paulus die Historia Lango-
bardorum tatsächlich als Fortsetzung der Historia Romana ansah und ob nicht ein Ab-
schluß in der Zeit des Liutprand noch als nostra aetas gegolten haben könnte.
Aus diesem Grand ist es angemessen, sich an die textimmanenten Argumente zu hal-
ten, und hier sind die fehlende Einleitung und der Hinweis auf die mögliche Fortfüh-
rung die stärksten Hinweise.60 Die Einwände gegen eine Unvollständigkeit können dem-
gegenüber nicht völlig überzeugen, zumal sie sich zu großen Teilen auf die erschlossene
Darstellungsabsicht berufen. Daher wird im folgenden davon auszugehen sein, daß die
Historia Langobardorum nicht vollendet wurde. Außerdem werden einige neue Indizien
für eine Absicht des Paulus gesammelt, die es ebenfalls wahrscheinlich erscheinen las-
sen, daß das Werk unvollendet blieb. Dies sind aber nur Indizien und als einzige Basis
für ein Urteil über die Vollständigkeit des Paulus genausowenig tragfähig wie andere
Argumente, die von der Darstellungsabsicht ausgehen.
Im Zusammenhang unserer gesamten Fragestellung und im Hinblick auf eine Identi-
tätsstiftang der Langobarden ist bei Paulus zu berücksichtigen, daß er seine Historia
55
Rogan, Laudator temporis acti, S. 394-398: Ratchis und Aistulf seien nur noch als positive
56
Beispiele für eine Dukatsfamilie zu werten.
So etwa Goetz, Vergangenheitswahrnehmung, S. 21 Of, und McKitterick, Paul the Deacon and the
Franks, S. 327-330.
57
So etwa Alahis, Frechulf vom Friaul, Kaiser Konstanin IV., Aripert II.
58
Leonardi, La figura di Paolo Diácono.
59
Paulus, Historia Romana, ed. Crtvellucci, Widmung, S. 4: ad nostram
...
usque aetatem eandem
historiam protelare.
60
So auch Goffart, Narrators, S. 344.
200 Die langobardischen Herkunftserzählungen
Langobardorum einem Zeitpunkt geschrieben hat, als das Langobardenreich bereits
zu
untergegangen und
war unter der Herrschaft Karls des Großen stand. Insofern stellt sich
die Frage, ob Paulus an einer Identitätsstiftang für die langobardische gens gelegen sein
konnte und für wen er wenn überhaupt Legitimität stiftete. Der Titel des Werkes ist
irreführend. Das Feld, das von Paulus erfaßt wird, könnte man eher als eine Geschichte
- -
des langobardischen Italien bezeichnen.61 Deutlich wird dies, wenn man die Herr-
schafts- und Amtswechsel in der Historia Langobardorum einer Untersuchung unter-
zieht. Die langobardischen Könige werden selbstverständlich alle erwähnt, und auch
ihre Herrschaftsantritte werden vermerkt, aber nicht nur sie. Lückenlos ist auch die Fol-
ge der byzantinischen Kaiser ab dem Jahr der langobardischen Eroberung aufgezählt,
ebenfalls mit genauer Erwähnung der Herrscherwechsel.62 Soweit wir das beurteilen
können, sind auch die Herzöge von Benevent, vom Friaul, Spoleto und Trient erfaßt,
wobei ein Urteil darüber schwierig ist, da Paulus oft unsere einzige Quelle ist.63 Der
Amtswechsel im Exarchat von Ravenna wird nur in spektakulären Fällen verzeichnet.64
61
62
Vgl. Goetz, Vergangenheitswahrnehmung, S. 208f.
Paulus, HL, ed. Waitz, III, 11 und 13, S. 118-122: über Justinus und Tiberius; III, 15, S. 122f.:
über die Nachfolge des Maurikios; IV, 26, S. 156: Usurpation des Phokas; IV, 36, S. 160f:
Heraklius übernimmt die Herrschaft; IV, 49, S. 172f.: die Nachfolger des Heraklius bis zu
Konstans II./Konstantin III.; V, 12, S. 191: Usurpation des Mezentius in Sizilien; V, 30, S. 197:
Konstantin IV. folgt nach Niederwerfung des Mezentius auf Konstantin III.; VI, 11, S. 216: Auf
Konstantin IV. folgt Justinian IL; VI, 12, S. 217: Auf Justinian II. folgt Leontius; VI, 13, S. 217:
Auf Leontius folgt Tiberius III.; VI, 31, S. 225f: Justinian II. kann sich wieder durchsetzen; VI,
32, S. 226: Justinian II. wird endgültig von Philippikos abgesetzt; VI, 34, S. 226f: Philippikos
wird von Anastasios II. abgesetzt; VI, 36, S. 228: Thedosius III. löst Anastasios II. ab; VI, 41,
S. 231: Auf Theodosius III. folgt Leon III.
63
Vgl. dazu Jarnut, Prosopographische Studien, zum Friaul, S. 399f. Überblick, mit den Personen
(in chronologischer Folge) auf S. 354, 356f, 354f., 371, 347f, 357, 337, 361, 376, 360, 367, 343,
336, 351, 348, 363, 366; zu Trient: Übersicht S. 400 und Personen (in chronologischer Folge)
S. 350, 351 337f. Zum Friaul in der Darstellung des Paulus vgl. Leicht, Ducato friulano; zu
Spoleto vgl. Gasparri, Duchi longobardi, S. 73-85, und ders., Ducato Longobardo di Spoleto, v.a.
S. 83f, über Paulus als Quelle für die spoletanische Geschichte; zu Benevent vgl. ausführlich
Pochettino, Longobardi, und Gasparri, Duchi longobardi, S. 86-100. Nach dem Text des Paulus
muß man zumindest vermuten, daß er der Meinung war, die spoletanischen Herzöge vollständig
zu verzeichnen, da er alle Amtswechsel vermerkt: Paulus, HL, ed. Waitz, III, 13, S. 122: Faroald
ist erster Herzog; IV, 16, S. 151 f.: Nachfolge des Ariulf und des Teudelapius; IV, 50, S. 174:
Nachfolge des Atto; V, 16, S. 192: Transamund I.; VI, 30, S. 225: Faroald II.; VI, 44, S. 232:
Transamund II.; VI, 55, S. 238: Hilderich. Paulus vermerkt auch in Benevent alle
Herrschaftswechsel: III, 33, S. 138: erster Herzog Zotto; IV, 18, S. 152f.: Arichis; IV, 43 und 44:
Aio und Roduald; IV, 46, S. 171: Grimuald I.; IV, 51, S. 175: Romuald I.; VI, 2, S. 211: Grimuald
II. und Gisulf; VI, 39, S. 230: Romuald II.; VI, 55 und 56, S. 238f.: Gisulf, Gregor und
Gottschalk; VI, 58, S.240: Gisulf II.
64
Dazu vgl. Paulus, HL, ed. Waitz, III, 26, S. 130f.: Auf Smaragdus folgt Romanus; IV, 12: Auf
Romanus folgt Gallicinus; IV, 25, S. 156: Smaragdus vertreibt Gallicinus. Zum Exarchat von
Ravenna vgl. auch Hartmann, Byzantinische Verwaltung, S. 4-34; Goubert, Byzance, Bd. 2/2,
S. 75-124, und Brown, Gentlemen and Officers, S. 48-53. Paulus nennt nicht alle Exarchen.
Paulus Diaconus: Identitätsstiftang ohne Sinn? 201
Die Reihenfolge der fränkischen Könige hat Paulus wohl zu großen Teilen aus Gregor
von Tours und Fredegar übernommen, so daß sie nur von Chlothar I. bis Dagobert I.
vollständig sind. Die fränkischen Hausmeier aber sind seit Pippin dem Mittleren alle er-
wähnt. Erstaunlich unvollständig sind lediglich die Listen der Päpste, besonders in An-
betracht der Tatsache, daß Paulus der Liber pontificalis als Quelle vorlag. Aber mögli-
cherweise liegt gerade darin die Erklärung, denn da es sich bei dem Liber um eine weit
verbreitete Quelle handelt, war Paulus vielleicht der Meinung, daß er die in ihm vorhan-
denen Informationen nicht vollständig auswerten müßte. Dies läßt wichtige Rückschlüs-
se auf die intendierten Leser des Paulus zu: Er wollte sie umfassend über die langobar-
dischen Könige, die byzantinischen Kaiser und die wichtigen Amtsträger im langobar-
dischen Reich informieren sowie über das Exarchat von Ravenna. Eine ausführliche
Darstellung der Papstgeschichte hielt er indes nicht für nötig, vielleicht weil es diese in
Gestalt des Liber pontificalis schon gab.
Zeitpunkt der Eroberung ihres Reiches noch nicht in engeren Kontakt zum römischen
Imperium getreten.66 Bis zum Untergang des Reiches 774 wurde dieses anfänglich ero-
berte Gebiet immer wieder erweitert, so daß zu dem Zeitpunkt, als Karl der Große das
Langobardenreich in Besitz nahm, nur die Territorien des Papstes und Süditalien nicht
in langobardischer Hand waren. Die langobardischen Könige wählten Pavia als ihren
Sitz, übernahmen zu großen Teilen den römischen Verwaltangsapparat und versuchten
schon bald, ihre Herrschaft über Gesetzgebung zu konsolidieren. Man kann von einem
Folgende nennt er nicht (in chronologischer Folge): Julianus (Brown, S. 50 Anm. 23); Theodorus
(Brown, S. 277); Johannes (Hartmann, S. 13, und Brown, S. 263); Isacius (Hartmann, S. 14f, und
Brown, S. 265); Theodorus Calliopa (Hartmann, S. 15 und Brown, S. 277); Olimpius (Hartmann,
S. 15f., und Brown, S. 271); Plato (Hartmann, S. 15); Theodorus (Hartmann, S. 18f, und Brown,
S. 277); Anastasius (Brown, S. 251); Theocaristus (Brown, S. 277); Johannes Platyn (Hartmann,
S. 19, und Brown, S. 263); Theophylactus (Hartmann, S. 20f); Johannes Rizokopus (Hartmann,
S. 21, und Brown, S. 263); Eutychius (Brown, S. 259); Stephanus (Brown, S. 277). Julianus,
Theodorus, Theocaristus und Stephanus sind nur auf griechischen Siegeln belegt (vgl. Brown) und
nicht in italienischen Quellen.
Zum folgenden vgl. auch die Überblicke bei Jarnut, Geschichte der Langobarden; ders.,
Landnahme der Langobarden; Christie, Lombards; Delogu, Lombard and Carolingian Italy;
Harrison, The Lombards; Jarnut, Gens of the Lombards, und Postel, Ursprünge, S. 233-266. Zu
den Langobarden vgl. auch allgemein die Sammelbände I Longobardi dei ducati di Spoleto e
Benevento und Pohl/Erhart (Hrsg.), Die Langobarden (im Druck).
Immerhin besteht, wie Jarnut, Langobardische Herrschaft über Rugiland, herausgearbeitet hat, die
Möglichkeit, daß die Langobarden dort alsfoederati angesiedelt wurden.
202 Die langobardischen Herkunftserzählungen
gewissen Maß an Kontinuität zwischen der spätantiken Verwaltung und dem langobar-
dischen Reich ausgehen, wenn auch die Voraussetzungen dafür in dem vom langen Ost-
gotenkrieg zermürbten Italien nicht so gut waren wie in den gallischen Provinzen. Ne-
ben dem König spielten die herzoglichen Amtsträger eine große Rolle in der langobar-
dischen Geschichte wegen ihrer großen Selbständigkeit, die dem Königtum immer wie-
der Probleme bereitete und bis zur Usurpation des Thrones führen konnte,67 und wegen
ihrer Bedeutung als Stütze für die Königsherrschaft. Die langobardische gens war zah-
lenmäßig den Romanen weit unterlegen und ethnisch sehr diversifiziert,68 so daß es
nicht verwunderlich ist, daß wir zum einen eine Langobardisierang der Teile der rö-
mischen Bevölkerung beobachten können, die sich davon Aufstiegschancen verspra-
chen, und zum anderen eine zunehmende Romanisierung der Langobarden vor allem in
der Sprache. Die Unterschiede zwischen Romanen und Langobarden verblaßten schon
bald. Paulus sah sich veranlaßt zu erklären, daß es einst einen langobardischen Klei-
dungsstil gegeben haben solle,69 der zu seiner Zeit schon völlig in Vergessenheit geraten
sei. Das Königtum im Langobardenreich war nicht so stark wie etwa in Gallien, und es
war vor allen Dingen kein echtes Erbkönigtum. Ein gewisser Ansprach auf den Thron
ließ sich von königlicher Verwandtschaft herleiten, aber auch Usurpationen oder Wahl-
en waren häufig.70 Die langobardischen Könige versuchten immer wieder, ihre Söhne zu
Königen wählen zu lassen. Zu ihren Lebzeiten mochten sie das noch durchsetzen, aber
die Söhne selbst scheiterten dann am Widerstand der Großen oder der Durchsetzungs-
kraft eventueller Usurpatoren. Die Geschichte des Langobardenreiches ist daher von
den Auseinandersetzungen zwischen Königen und Großen geprägt, die eine stabile
Herrschaft wie in Gallien unter den ersten Merowingern oder den frühen Karolingern
unmöglich machten.
Die Langobardenkönige mußten sich auch nach außen hin immer wieder behaupten.
Eine Konstante in der Geschichte des Langobardenreiches sind die Auseinanderset-
zungen mit dem Exarchat von Ravenna und damit indirekt auch den oströmischen Kai-
sern sowie dem Papsttum, da Gebietszuwachs, der eine gewisse Satarierang von Groß-
en und inneren Frieden zur Folge hatte, letztlich nur auf deren Kosten zu bewerkstelli-
gen war. Die Beziehungen zu den Franken und Bayern nördlich der Alpen wechselten
zwischen Bündnissen und Feindschaften, wobei die Bayern eher Verbündete und die
Franken eher Feinde waren. Erst gegen Ende des Langobardenreiches ab der Herrschaft
des Ratchis überschattete das Verhältnis zum mächtiger werdenden Frankenreich letzt-
lich alle anderen Wirkungsmöglichkeiten des Langobardenkönigs.71
67
So etwa Grimuald, Alahis und Ratchis.
68
Fröhlich, Studien, S. 78f, und Jarnut, Geschichte der Langobarden, S. 47-50, über die
Landnahme.
69
Paulus, HL, ed. Waitz, S. IV, 22, S. 155.
70
Zu den langobardischen Königswahlen vgl. knapp und lucide Schneider, Königswahl und
Königserhebung, S. 5-63, ausführlicher Fröhlich, Studien, vor allem die Zusammenfassung
S. 261-289.
71
Vgl. dazu Pohl, Papsttum und Langobarden. Zu den letzten unabhängigen Jahrzehnten des
Langobardenreiches vgl. auch Delogu, Lombard and Carolingian Italy.
Paulus Diaconus: Identitätsstiftung ohne Sinn? 203
Unsere Quellen berichten so gut wie nichts über die religiöse Entwicklung der Lan-
gobarden, und ihre letztliche Bekehrung zum Katholizismus verläuft daher in unseren
Augen zu großen Teilen unspektakulär. Es gibt Hinweise, daß die Langobarden schon
zu einem frühen Zeitpunkt noch außerhalb Italiens mit dem Christentum vielleicht sogar
katholischer Prägung in Berührung kamen, das sie aber höchstens oberflächlich annah-
men.72 568, als die Langobarden in Italien einfielen, war sicher ein großer Teil der gens
noch heidnisch, Teile hingen dem arianischen Glauben an. Die Hinwendung zum Ka-
tholizismus ob vom Heidentum oder vom Arianismus aus erfolgte zögerlich und ist
vor allem auf den Einfluß der agilolfingischen Könige zurückzuführen, die sich von der
- -
Die Origo gentis Langobardorum bietet also eine Erzählung, in der die identitätsstif-
tende Umbenennung von Winnilern zu Langobarden von außen von einer heidnischen
Gottheit erfolgt und mit einem Sieg über einen äußeren Feind verknüpft wird. Eine ähn-
liche Verbindung zwischen Benennung und Sieg über äußere Feinde findet sich etwa in
der Historia Brittonum und bei Widukind für die Sachsen, ohne daß dort allerdings die
Zu Origo-Erzählungen als Legitimation für Gesetzgebung vgl. Wormald, Lex Scripta, S. 121, und
Dilcher, Mythischer Ursprung. Zum Edictum Rothari speziell und der Verbindung von Gesetz und
Origo vgl. Pohl, Werkstätte der Erinnerung, S. 117f. und 136.
Origo, ed. Bracciotti, cap. 1, S. 105. Zur Namensform Scandana vgl. ebd., S. 129-132. Zur
Bezeichnung princeps für Ybor und Agio vgl. Fröhlich, Studien, S. 25. Cinoolani, Storie dei
Longobardi, S. 41-44 und 84f. hält Gambara, Ybor und Agio für einen Zusatz zu der
ursprünglichen Erzählung, die Fredegar überliefere. Zu Fredegars Langobarden-Origo s.o. S. 168f.
Origo, ed. Bracciotti, cap. 1, S. 106.
Origo, ed. Bracciotti, cap. 1, S. 107.
Paulus Diaconus: Identitätsstiftang ohne Sinn? 205
Legitimität von außen beigegeben würde. Diese bekannte Erzählung von den Langbär-
ten hat man schon lange als Reminiszenz an einen Kultwechsel der Langobarden in ih-
rer Frühzeit verstanden, als sie sich dem Kriegsgott Wodan anschlössen und sich von ei-
ner mehr matriarchalisch organisierten Religion, wie sie an der Verehrung von Freia
und der Herrschaft der Gambara deutlich wird, abgewandt hätten.82 Es ist nicht unpro-
blematisch, eine Quelle des 7. Jahrhunderts für die Geschichte der Langobarden vor 568
zu benutzen und eine derart lange mündliche Überlieferung zu postulieren. Da man je-
doch kaum davon ausgehen kann, daß in christlicher Zeit ein Interesse an einer heid-
nischen Kultwechselerzählung vorhanden war, ist es plausibel, anzunehmen, daß es sich
um eine längere Tradition handelt. Im Kontext der Origo gentis Langobardorum schei-
nen die Benennung als Identitätsstiftang und die Etablierung der Langobarden als krie-
gerisches und siegreiches Volk wichtiger zu sein, zumal der Autor auf die heidnischen
Bezüge überhaupt nicht zu sprechen kommt, sie allerdings vielleicht bei seinen Lesern
als bekannt voraussetzt.
Dann berichtet die Origo gentis Langobardorum kurz über den Wanderungsweg der
Langobarden, der sich zum Teil rekonstruieren läßt,83 zählt die Könige bis Godehoc
auf84 und kommt auf die Landnahme in Rugiland zu sprechen.85 Es folgt die lethingische
Königsreihe,86 ehe die Wanderung nach Pannonien unter Audoin und der Krieg seines
Sohnes Alboin mit den Gepiden behandelt wird.87 Diese langobardische Königsreihe ist
zum einen durch ein allgemeines Interesse an solchen Königsreihen motiviert, zum an-
deren dient sie aber auch dazu, die Herrschaft des Rothari in eine lange Traditionslinie
zu stellen, die in die voritalienische Zeit zurückreicht.
Die Eroberung Italiens durch Alboin wird auf eine Einladung des Narses zurückge-
führt,88 der allerdings ebenso wie Wodan nicht näher vorgestellt wird, so daß nicht
sicher ist, ob hier eine Legitimitätsstiftang durch einen Römer intendiert war. Die Krise
- -
nach der Ermordung des Alboin durch Rosamunde wird von der Origo gentis Lango-
bardorum nicht verschleiert. Es wird berichtet, daß den Langobarden ihr Schatz abhan-
den kam89 und daß es nach der nur zweijährigen Herrschaft des Cleph ein 12jähriges In-
terregnum gegeben habe,90 das neutral beurteilt wird. Die Herrschaft der Herzöge wird
nur leicht differenziert als iudicare bezeichnet. Dann folgen wieder Königslisten und
Verwandtschaftsaufzählungen. Unter ihnen wird nur die Herrschaft des Agilulf positiv
Fortunatas,99 den Stämmen der Skritobinen,100 der Heraler101 und der Amazonen102 die
Rede. Breiten Raum nimmt eine Schilderung der italienischen Provinzen ein.103 Viele
der italienischen Städte- und Provinznamen werden dabei von Paulus mit Heroes epo-
nymoi erklärt. Dies macht deutlich, daß Paulus zumindest im Ansatz auch Origines für
Teile Italiens und nicht nur für die Langobarden bietet, die auch später als solche be-
nutzt wurden.104
Bei einigen Erzählungen ist eine Verbindung zu den Langobarden wenigstens gege-
ben, wie z.B. der Bericht über Odoakers Auseinandersetzung mit den Heralern, die es
den Langobarden ermöglicht, Rugiland zu besiedeln,105 oder die Narses-Erzählung,106
die allerdings sehr viel weiter ausgeschmückt wird, als es die Verknüpfung zur Lango-
bardengeschichte nötig machen würde. Die Origo der Langobarden wird gegenüber den
anderen Erzählungen nicht vollständig vernachlässigt, erhält aber doch andere Akzente
als in der Origo gentis Langobardorum.
Die Herkunft der Langobarden aus Skandinavien107 wird von Paulus in gelehrter
Weise erklärt. Die nördlichen Gegenden seien günstig für einen Bevölkerungsanstieg
und brächten daher populorum multitudines hervor. Im Rückgriff auf Isidor von Sevilla
scheint Paulus den Namen Germania von germinare herzuleiten.108 Die gentes, die aus
Germanien gekommen seien, hätten Europa geplagt, so Paulus. Vor allem die unglück-
lichen italienischen Provinzen hätten unter der saevitas dieser feroces et barbarae na-
tiones zu leiden gehabt. Die Winniler seien eines von diesen Völkern gewesen und den
Goten, Rugiera und anderen zu vergleichen. Immerhin hätten sie später Italien féliciter
beherrscht.109 Deutlich wird, daß Paulus sich keinesfalls bedingungslos mit den Lango-
barden identifiziert, sondern sie sozusagen in einer römischen Perspektive als Barbaren
Paulus, HL, ed. Waitz, II, 13, S. 93-95; Paulus, HL, ed. Capo, Kommentar, S. 436f.
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 5, S. 54f.
Etwa Paulus HL, ed. Waitz, I, 19, S. 64f.
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 15, S. 62.
Paulus, HL, ed. Waitz, II, 14-24, S. 95-102.
Wie Busch, Lombarden und Langobarden, S. 300f, gezeigt hat, war gerade dieser Teil der
Historia Langobardorum besonders beliebt, als die italienischen Städte im Hochmittelalter nach
ihrer Vorgeschichte suchten.
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 19, S. 64f.
Paulus, HL, ed. Waitz, II, 2-5, S. 84-89, und II, 11, S. 93.
Es ist umstritten, ob es sich hierbei um einen Topos handelt, vgl. dazu Bollnow, Herkunftssagen.
Wolfram, Origo et religio. Ethnische Traditionen, S. 31 f., betont allerdings, daß der Topos nicht
bedeutet, daß eine Herkunft aus Skandinavien nicht vielleicht doch möglich war. Fröhlich,
Herkunft der Langobarden, äußert sich skeptisch über eine Herkunft aus Skandinavien und
vermutet wie auch Osten, Frühgeschichte der Langobarden, die Langobarden an der unteren Elbe.
Ganz ablehnend jetzt Fried, Schleier der Erinnerung, S. 244-252. Zu den Stationen der
langobardischen Wanderung und ihrer traditionellen Identifizierung Postel, Ursprünge, S. 233-
236.
Isidor, Etymologiae, ed. Lindsay, XIV, IV, 4: Terra dives vi'rwm[!] ac populis numerosis et
inmanibus; unde et propter fecunditatem gignendorum populorum Germania dicta est. So auch
schon Mommsen, Quellen der Langobardengeschichte, S. 61.
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 1, S. 52f.
208 Die langobardischen Herkunftserzählungen
beurteilt. Der isidorischen Erklärung für Germania folgt Paulus dann auch weiterhin,
als er als Begründung für den Auszug aus Skandinavien die Überbevölkerung nennt, die
die Winniler gezwungen habe, mit dem Los den dritten Teil ihres Volkes zur Auswan-
derung zu bewegen.110 Diese tanta multitudo entspricht einem weit verbreiteten Topos
über die Gründe für die Völkerwanderung, steht aber im Gegensatz zu der parva manus
der Origo gentis Langobardorum. Der Loswurf wird von Paulus nicht weiter erläutert
und nicht zum Instrument eines wie auch immer gearteten göttlichen Heilsplanes stili-
siert.
Im Gegensatz zur Origo gentis Langobardorum wird die Herrschaft der duces Ybor
und Agio sowie Gambara, die hier nicht als principes bezeichnet werden, erklärt, sie
werden ceteris praestantiores gewählt. Ihre Mutter Gambara zeichnet sich durch außer-
ordentliche Klugheit aus.111 Die Bezeichnung der Anführer der gens als duces ist nicht
ungewöhnlich, aber es ist bezeichnend, daß Paulus hier einen Begriff wählte, der später
im Langobardenreich eine so wichtige Rolle spielen sollte. Möglicherweise greift er
hier der Bedeutung der duces vor.
In der Origo gentis Langobardorum findet die Begegnung mit den Vandalen noch in
Scandana statt, bei Paulus erst auf der ersten Station der Wanderschaft, in Scoringa.112
Also werden bei Paulus die Langobarden erst umbenannt, als sich die gens von der alten
Heimat getrennt hat und es sich nur noch um den dritten Teil der Winniler handelt, eine
gute Voraussetzung zur Ausbildung einer neuen gens. Die Vandalen sind deshalb für
die Winniler, die numero perexigui sind, eine große Gefahr. Diese Aussage widerspricht
dem Topos der Überbevölkerung. Paulus muß sie aber sinngemäß aus der Origo gentis
Langobardorum entnommen haben, wo von parva manus die Rede ist.113 Die Umbenen-
nung der Winniler in Langobarden vor der Schlacht mit den Vandalen bekommt bei
Paulus ein ganz anderes Gewicht als in der Origo gentis Langobardorum. Dort ent-
sprach sie einem häufigen Origo-Schema. Bei Paulus wird sie ihrer Bedeutung entklei-
det. Er bezeichnet die Wodan-Erzählung als ridicula fabula, berichtet sie vollständig in
indirekter Rede und resümiert: Haec risut digna sunt et pro nihtlo habenda. Victoria
110
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 2, S. 53: Intra hanc ergo constituti popuii dum in tantam multitudinem
pullulassent,ut iam simul habitare non valerent, in tres, ut fertur, omnem catervam partes
dividentes, quae ex Mis pars patriam relinquere novasque deberet sedes exquirere, sorte
perquirunt. Über den Klima-Topos (das nördliche Klima als Voraussetzung für die Fruchtbarkeit
der germanischen Völker) vgl. Cingolani, Storie dei Longobardi, S. 45.
111
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 3, S. 53f, vgl. auch Paulus, HL, ed. Capo, Kommentar, S. 372f. Ob
Paulus das Trio Gambara, Agio und Ybor wirklich nach dem Vorbild Moses, Aaron, Miriam
gebildet hat, wie Ferrarini, Sangue e Salvezza, S. 1619, meint, scheint angesichts der Tatsache,
daß sich die drei auch in der Origo gentis Langobardorum finden, eher fraglich.
112
Möglicherweise die Insel Rügen, wenn man die Bezeichnung als „Land der Felsvorsprünge"
deutet, vgl. Jarnut, Frühgeschichte, 5-6 und 9-10. Die ältere Forschung nahm eine Verbindung zu
engt „shore" an. Dann wäre eine Landschaft an der Elbe oder am Rhein möglich, vgl. Fröhlich,
Herkunft der Langobarden, S. 9-13.
113
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 7, S. 57f. Zum Topos der kleinen Menge, der die gens adelt, vgl. auch
Wolfram, Überlegungen zur Origo gentis, S. 31.
Paulus Diaconus: Identitätsstiftung ohne Sinn? 209
enim non potestad est adtributa hominum, sed de cáelo potius ministratur?14 Wodan
wird wie in der Origo gentis Langobardorum erwähnt, ohne eingeführt zu werden; auf
seinen Status als heidnischer Gott geht Paulus zunächst nicht ein. Vielmehr scheint er
mit dem letzten Satz der Origo-Erzählung anzudeuten, daß Wodan eher ein Mensch ge-
wesen sei. Später erläutert er, daß es sich bei Wodan, der ut deus adoratur, um Merkur
handele, der nicht aus Germania, sondern Grecia gewesen sei.115 Damit wird zusätz-
licher Zweifel an der Erzählung geschürt. Paulus hatte den Eindruck, daß er die offen-
bar weit verbreitete Erzählung von der Benennung der Langobarden nicht auslassen
könne, ohne die Erwartungen seiner Leser zu enttäuschen.116 Darauf deutet die Einlei-
tung Referí hoc loco antiquiías hin.117 Aber er rückt diese Erzählung in eine ganz andere
Perspektive, die den Langobarden einen guten Teil ihrer in der Origo gentis Langobar-
dorum angedeuteten Sonderstellung nimmt. Zusätzlich relativiert er die Wodan-Erzäh-
lung weiter, indem er den Namen der Langobarden als „Langbärte" deutet, den er mit
ihrer üblichen Haartracht und nicht mit einer Benennung durch Wodan erklärt.118
Eine Identitätsstiftang durch eine heidnische Gottheit ist Paulus offenbar nicht so
lieb. Seine Ablenkung von dieser Identitätsstiftang besteht allerdings nur darin, sie ab-
zuleugnen und eine rationale geradezu nüchterne Erklärung anzubieten. Eine Alternati-
ve bietet er aber nicht. Den Sieg über die Vandalen schreibt Paulus der langobardischen
Tapferkeit119 und der göttlichen Vorsehung zu. Aufschlußreich ist die Tatsache, daß dies
eine der wenigen Stellen der Hisloria Langobardorum ist, an der auf die Heilsgeschich-
te überhaupt Bezug genommen wird und sie als positive Wirkkraft für die Langobarden
aufgefaßt wird.120 Wenn Paulus die Wodanlegende durch eine christliche Identitätsstif-
114
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 8, S. 58. Zur Wodanlegende vgl. auch Paulus, HL, ed. Capo, Kommentar,
S. 379f. Zu dieser Ablehnung der heidnischen Götterfabeln in augustinischer Tradition vgl.
Wolfram, Lügen mit der Wahrheit, S. 21 f. Der Interpretation von Scheibelreiter, Mythos zur
Geschichte, S. 31 f., von ridicula fabula als lustige Geschichte ist keinesfalls zuzustimmen.
115
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 9, S. 59. vgl. auch Paulus, HL, ed. Capo, Kommentar, S. 380f.
116
Pohl, Gebrauch der Vergangenheit, S. 173.
117
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 8, S. 58. Zum Bekanntheitsgrad der Erzählung und der mündlichen
118
Verbreitung vgl. Bracciotti, Saga di Gambara.
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 9, S. 58f. Laut Cingolani, Storie dei Longobardi, S. 74, ist dies durchaus
eine Möglichkeit. Zu der „Säkularisierung" der Wodanlegende vgl. auch Goffart, Narrators,
S. 382-386. Die Deutung der Langobarden als „Langbärte" hat Paulus möglicherweise aus Isidor
übernommen, vgl. Isidor, Etymologiae, ed. Lindsay, II, II, 95: Langobardos vulgo fertur
nominatos prolixa barba et numquam tonsa, so auch schon Mommsen, Quellen der
119
Langobardengeschichte, S. 66.
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 10, S. 59. Die Langobarden kämpfen acriter, utpotepro libertatis gloria.
120
Andere Belege, etwa der Ausruf eines Herulers im Anblick der Niederlage gegen die
Langobarden, Paulus, HL, ed. Waitz, I, 20, S. 67: Ve Ubi misera Herolia, quae caelestis Domini
plecteris ira. Die Heruler trifft die caelitus ira (ebd.); II, 29, S. 107, der gerechte Tod der Mörder
Alboins; III, 2, S. 112f: Nur die beiden Herzöge, die sich zum Christentum bekehrt haben, kehren
glücklich aus Gallien zurück. Ob man die Plazierung der Berichte von Seuchen, Unwettern und
ähnlichen Katastrophen wirklich als implizite Hinweise des Paulus auf göttliches Wirken
verstehen kann, wie es Goffart, Narrators, S. 382-424, häufiger tut, scheint mir zweifelhaft, da
Paulus durchaus in der Lage war, explizit Stellung zu nehmen.
210 Die langobardischen Herkunftserzählungen
tang hätte ablösen wollen, hätte er es wesentlich geschickter anstellen können. Es hätte
etwa die Möglichkeit bestanden, wie Fredegar, den Paulus kannte, allgemein von einer
Stimme von oben zu sprechen, ohne auf die Identität der Gottheit näher einzugehen.121
Paulus hätte auch wie Beda die mündlich überlieferte Erzählung ganz verschweigen
können und eine neue Identitätsstiftung für die Langobarden versuchen können. Daß er
dies nicht versucht hat, nur allgemein auf die göttliche Vorsehung für den Sieg über die
Vandalen zu sprechen kommt und den Namen der Langobarden sachlich erklärt, spricht
dafür, daß er lediglich die Wodan-Erzählung diskreditieren wollte.
Die Vorbehalte des Paulus gegen die Wodan-Erzählung sind nicht durch eine Abnei-
gung gegen Fabeln an sich zu erklären, denn Paulus berichtet ausführlich, wie die Lan-
gobarden die Assipiter mit einer List in die Flucht schlugen, indem sie vorgaben,
Hundsköpfige, Kynokephaler, bei sich zu haben, und wie sie sich in einem Zweikampf
gegen die Assipiter durchsetzten.122 Skepsis zeigt er bei seinem Bericht über die Amazo-
nen, an deren Existenz er zweifelt. Er sucht aber eine mögliche Erklärung dafür, daß die
Langobarden sie auf ihren Wanderungen getroffen haben könnten.123
Nach dem Tod Ybors und Agios nolentes iam ulira Longobardi esse sub ducibus, re-
gem sibi ad ceierarum insiar gentium statuerunt.124 Dies ist eine Anspielung auf die Er-
hebung Sauls zum König von Israel.125 Damit werden die Langobarden in die Nähe des
Volkes Israel gerückt, diese Parallele wird allerdings von Paulus nicht weiter ausgear-
beitet und ist vielleicht auch eher als ein Topos anzusehen, den man bei Beginn des Kö-
nigtums zu zitieren hatte. Eine Gründergestalt, die identitäts- und legitimitätsstiftend
wirkt, ist jedenfalls bei Paulus nicht auszumachen. Lamissio, der als ein Mann aus dem
Nichts126 eigentlich Züge eines ersten Königs aufweist, wird nicht als Gründergestalt ge-
nutzt. Seine Auseinandersetzung mit den Amazonen wird von Paulus ähnlich wie die
Wodanlegende mit rationalen Überlegungen beiseite geschoben.127 Ähnlich verfahrt
Paulus bei Alboin. Als der König, der die Langobarden nach Italien führte, wäre er
ebenfalls eine mögliche Gründergestalt, wird aber von Paulus dennoch nicht zur Identi-
fikationsfigur stilisiert. Er berichtet zwar von den Heldentaten des Alboin im Kampf ge-
gen die Gepiden, aber allein die audacia des Alboin wird als positive Eigenschaft her-
Fredegar, ed. Krusch, III, 65, S. 110: Fertur desuper uterque falangiae vox dixisse.
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 11 und 12, S. 59f. Zur positiven Rolle der List vgl. Rogan, Laudator
temporis acti, S. 116f. Möglicherweise deutet diese Erzählung auf Hundemasken hin vgl.
Scheibelreiter, Tiernamen und Wappenwesen, S. 106.
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 15, S. 62.
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 14, S. 61.
1 Samuel 8, 20.
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 15, S. 61 f. Zur Deutung des Namens als "kleiner Beller" vgl.
Scheibelreiter, Tiernamen und Wappenwesen, S. 34f. und 105f, und Fröhlich, Studien, S. 37f.
Bezeichnend ist, daß die Langobarden zuerst Winniler hießen, was soviel wie beulende Hunde"
bedeutet: Mitglieder kriegerischer Junggesellenverbände wurden oft mit Wölfen oder Hunden
verglichen, vgl. McCone, Hund, Wolf und Krieger.
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 15, S. 62: Constat sane, quia huius assertionis series minus veritate
subnixa est.
Paulus Diaconus: Identitätsstiftang ohne Sinn? 211
vorgehoben.128 Erst beim Herrschaftsantritt des Alboin erwähnt er noch andere positive
Eigenschaften wie liberalitas, gloria bellorum, felicitas und virtus?29 Identitätsstiftende
Taten werden diesem König ebensowenig zugeschrieben wie Lamissio.
Nach Italien kommen die Langobarden über die Vermittlung des Narses. Im Gegen-
satz zur Origo gentis Langobardorum wird die Rolle des Narses von Paulus sehr viel
weiter ausgeschmückt. Zunächst berichtet er von der Rolle der Langobarden im Goten-
krieg.130 Dann geht er auf die Geschichte des Narses ein,131 die in der Einladung an die
Langobarden gipfelt, Italien einzunehmen. Diese spricht Narses aus Rache aus, weil er
beim byzantinischen Kaiser wie Paulus deutlich macht, ungerechtfertigt in Ungnade
gefallen ist.132 Bezeichnenderweise kommen die Langobarden nicht auf eigene Initiative
- -
hin nach Italien, sondern erhalten mit der Einladung des Narses eine Legitimität von au-
ßen, die römischen Ursprungs ist. Narses handelt mit der Einladung an die Langobarden
aber nicht als Vollzugsorgan des Kaisers, sondern die langobardische Eroberung wird
auf inneren Dissens im römischen Reich zurückgeführt. In diesem Zusammenhang
scheint der Satz, mit dem Paulus die Beteiligung der Langobarden am Gotenkrieg kom-
mentiert, aufschlußreich: Omnique tempore quo Longobardi Pannoniam possiderunt
Romanae rei publicae adversum aemulos adiutores fuerunt.133 Bis zum inneren Zwist
waren die Langobarden Verbündete des Römischen Reiches. Daß die Rache des Narses
und der Einfall der Langobarden nicht uneingeschränkt positiv zu beurteilen sind, macht
Paulus deutlich, indem er von terribilia signa spricht, die am Himmel erschienen seien
und das große Blutvergießen vorangekündigt hätten.134 Zum einen wird hier erneut deut-
lich, daß Paulus sich nicht rückhaltlos mit den Langobarden identifiziert und auch die
Legitimität von außen relativiert, zum anderen läßt sich vermuten, daß es ihm eher da-
rauf ankommt, die Folgen des inneren Zwistes darzustellen. Was in der Origo Gentis
Langobardorum möglicherweise noch die Andeutung einer römischen Legitimation von
außen war, wird bei Paulus zu einem Schulbeispiel für die Folgen von innerem Zwist
und ungerechter Herrschaft.
128
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 23-24, S. 70f.
129
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 27, S. 81.
130
Paulus, HL, ed. Waitz, II, 1, S. 84.
131
Paulus, HL, ed. Waitz, II, 2-5, S. 84-88.
132
Paulus, HL, ed. Waitz, II, 5, S. 88: legatos mox ad Langobardorum gentem dirigit, mandans, ut
paupertina Pannoniae rura desererent et ad Italiam eunetis referiam divitiis possidendam
venirent. Vgl. Paulus, HL, ed. Capo, Kommentar, S. 429f. Ob eine solche Einladung stattgefunden
hat, oder ob die Langobarden von sich aus in Italien einfielen, ist strittig, läßt sich aber letztlich
nicht entscheiden, vgl. Christie, Invasion or Invitation. Jarnut, Langobarden zwischen Panonnien
und Italien, vermutet, daß Narses den Langobarden für ihre Teilnahme im Ostgotenkrieg
Foederatenland in Italien versprochen hatte und dann sein Versprechen brach, so daß sich die
Langobarden 568 auf dieses Versprechen berufen konnten. Zu den Verträgen zwischen dem
Römischen Reich und den Langobarden vgl. auch Pohl, L'armée romaine et les Lombards, und
ders., Empire and the Lombards.
133
Paulus, HL, ed. Waitz, II, 1,S. 84.
134
Paulus, HL, ed. Waitz, II, 5, S. 88f. Insofern läßt sich Goffart, Narrators, S. 389f., nicht
zustimmen, der eine positive Schilderung der langobardischen Eroberung auszumachen glaubt.
212 Die langobardischen Herkunftserzählungen
Im Zusammenhang mit der Narses-Erzählung tauchen die Franken zum ersten Mal in
der Historia Langobardorum auf und zwar unabhängig von den Langobarden, nämlich
als Paulus von fränkischen Auseinandersetzungen mit dem römischen General berich-
tet.135 Dies macht schon deutlich, daß Paulus die Franken als eigene Größe betrachtet,
die ebenso wie die byzantinischen Kaiser aus eigenem Recht erwähnt werden. So ist im-
mer wieder von den Franken die Rede, ohne daß mehr als ein lockerer Zusammenhang
zur Geschichte der langobardischen gens zu bemerken wäre.136 Möglicherweise gehen
die Informationen über die Franken, die über Gregor von Tours und Fredegar hinausge-
hen, wie Gardiner meint,137 zu großen Teilen auf Secundus von Trient zurück, aber es ist
auffällig, daß Paulus sie in sein Werk aufnimmt.
Als Alboin aus Pannonien aufbricht, wird dieses Ereignis von Paulus genau datiert,138
was ein Hinweis darauf ist, wie wichtig er es nahm. Als Alboin die extremos Italiae
fines mit omnt suo exercitu vulgique promiscui multitudtne erreicht, ersteigt er einen
Berg (mons Regis) und blickt auf Italien hinab.139 Diese Szene mag den Leser an das
Buch Moses erinnert haben, der das gelobte Land ebenfalls von einem Berg aus er-
blickte.140 Eine solche Parallele wird aber von Paulus nicht ausgebaut, und er betont aus-
gerechnet an dieser Stelle, wie auch später noch einmal,141 eher die Diversifiziertheit des
langobardischen Heeres als die einheitliche Identität142 und vermeidet eine Parallelisie-
rang zum homogen verstandenen Volk Israel. Weder die identitätsstiftenden noch die
legitimitätsstiftenden Momente, die der Erzählung von der Benennung des „Königs-
berges" innewohnen, werden von Paulus genutzt.
Anläßlich der Eroberung der Stadt Pavia nach dreijähriger Belagerung berichtet Pau-
lus, daß das Pferd des Alboin die Stadt nicht habe betreten können, ehe nicht Alboin
sein Gelübde zur Vernichtung aller Bewohner gebrochen habe und statt dessen indul-
gentia walten ließ. Paulus scheint sich wiederum eher von den langobardischen Erober-
ern zu distanzieren, indem er die Pavesen als vere christianus populus bezeichnet, das
tantas antmum miserias erlitten habe. Die plötzliche Lahmheit des Pferdes wird von
Paulus nicht einmal im Ansatz erklärt, der Vorschlag, daß Alboin die christlichen Ein-
wohner der Stadt schonen soll, wird einem Gefolgsmann in den Mund gelegt. Paulus
zelebriert göttliches Einwirken erneut bewußt nicht. Immerhin sieht er in Alboins Ein-
zug spes futura für die Stadt.143 Dies ist ein ähnlicher Gegensatz wie ihn Paulus zu Be-
ginn seines Werkes herausarbeitet, als er von den feroces gentes spricht, die dennoch
später Italien féliciter regierten.144
Alboin hat jedoch keine Gelegenheit, seine Herrschaft auszubauen. Paulus berichtet
die bekannte Geschichte seiner Ermordung, die weit verbreitet war und von Paulus
schon deshalb kaum übergangen werden konnte.145 Alboin betrinkt sich bei einem Mahl
und provoziert seine Gemahlin Rosamunde, indem er sich über das Andenken ihres Va-
ters lustig macht, zu Mordplänen gegen sich.146
Die Trunksucht des Alboin als negative Eigenschaft hat weitreichende Folgen. Nach
der Ermordung des Alboin wird Cleph zum König gewählt, der die römische Ober-
schicht beseitigt: Hie multos Romanorum viros potentes, alios gladiis extinxit, alios ab
Italia exturbavit?41 Paulus scheint dies Verhalten nicht gutzuheißen, da er von der Er-
mordung des Cleph a puero de suo obsequio berichtet,148 ohne darin einen göttlichen
Richtspruch zu sehen wie etwa bei Rosamundes und Helmechis Tod, den Mördern von
Alboin, die ihre gerechte Strafe erhalten.149
rapinis intentus, homicidiis prumptus; in quibus non est iustitiae fructus: non decimae
dantur, non pauper alitur, non tegitur nudus, non suscipitur hospitio peregrinus.151
Elemente einer Identitätsstiftung sind bei Paulus äußere Merkmale der Langobarden
wie z.B. ihre langen Barte,152 die weißen Strümpfe,153 die Kopffrisur und ihre Klei-
dung,154 Memorialbräuche,155 oder die oft erwähnte Tapferkeit.156 Auch sie werden von
Paulus allerdings in keiner Weise herausgearbeitet, allerhöchstens am Rande erwähnt.
Im Vergleich mit der Origo gentis Langobardorum läßt sich also festhalten, daß Pau-
lus an einer Identitätsstiftang der Langobarden, wie sie in der Überlieferung vor ihm zu-
mindest ansatzweise zum Vorschein kommt, nicht gelegen war. Im Gegenteil kann man
feststellen, daß er Möglichkeiten der Identitätsstiftang bewußt umgeht. Der Auszug der
Winniler aus Skandinavien wird nicht heilsgeschichtlich gedeutet, die Benennung als
„Langbärte" durch Wodan wird diskreditiert, unter den ersten Königen findet sich keine
tas aus.160 Alboins Trunksucht indes führt indirekt zu seinem Tod und zu inneren Wir-
ren im Langobardenreich.161
Anläßlich der Erhebung Autharis zum König162 wird sehr deutlich, wie Paulus sich
das ideale Zusammenspiel von König und Herzögen vorstellt: Die Langobarden be-
schließen nach zehnjähriger Herzogsherrschaft, communi consilio wieder einen König
zu erheben, den Authari, Clephs Sohn. Alle Herzöge treten ob restaurationem regni
Alboins Schatz war nach seiner Ermordung an die Byzantiner verloren gegangen die
-
Hälfte ihres Besitzes ab. Sie sichern dem König seine materielle Grundlage und erwei-
-
sen sich damit bei der Neugründung der Königsherrschaft als ideale Partner. Dann tritt
nach Paulus' Erzählung im Langobardenreich endlich der ersehnte Friede ein: Nulla
erat violentia, nullae struebantur insidiae; nemo aliquem iniuste angariabat, nemo spo-
liabat; non erant furta, non latrocinia; unusquisque quo libebat securus sine timoré
pergebat.163 Die Einigkeit von König und Herzögen führt zu innerem Frieden, der in sei-
ner toposhaften Beschreibung an andere Erzählungen vom Friedensherrscher erinnert.164
Die Langobarden scheinen jetzt keine Barbaren mehr zu sein, die den Frieden der italie-
nischen Halbinsel stören.165 Der Friede wird von Paulus aber nicht einem Herrscher al-
lein zugeschrieben, sondern dem Einverständnis von König und Herzögen.166 Königs-
wahlen, die diesem Einverständnis entspringen, zur Eintracht führen und sichtbarer
Ausdruck der Einigkeit sind, werden von Paulus daher sehr viel positiver beurteilt als
die reine Sohnesfolge.167
König Authari hat in der Beschreibung, die Paulus von ihm gibt, lediglich äußerliche
positive Eigenschaften, er ist iuvenali aetate floridus, statura decens, candido crine
perfusus et satis decorus aspectu?6% In der mündlichen Überlieferung spielte Authari die
160
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 24, S. 71 und I, 27, S. 81; II, 12, S. 93. Auch in der Erzählung von der
Eroberung Pavias, Paulus, HL, ed. Waitz, II, 27, S. 103f, kommt die Großzügigkeit Alboins zum
Vorschein.
161
Paulus, HL, ed. Waitz, II, 28-32, S. 104-109.
162
Dazu vgl. Fröhlich, Studien, S. 89-99.
163
Paulus, HL, ed. Waitz, III, 16, S. 123.
164
Zum Topos des Friedensherrschers vgl. Graus, Herrschersage, S. 74-79, und Kersken,
Geschichtsschreibung, S. 81 lf. Ähnlich z.B. der erste normannische Herzog Rollo vgl. Dudo, ed.
Lair, II, 32, S. 172f. und Robert von Torigni zu Wilhelm von Jumièges, ed. van Houts, Bd. 1,
S. 70; etwa auch Frotho bei Saxo Grammaticus, Gesta Danorum, ed. Olrik/Reder, lib. V,XV, 2,
S. 141.
165
Das Interregnum hat positive Auswirkungen auf die Zivilisierung der Langobarden, vgl. Capo,
Paolo Diácono e il problema della cultura dell'Italia Longobarda, S. 178.
I6*
Sestan, Storiografia dell'Italia longobarda, S. 377, sieht eine Kontrastierung zur brutalen
Herrschaft des Cleph, aber m.E. ist von größerer Bedeutung, daß sich König und Herzöge einig
sind.
167
Dazu auch Rogan, Laudator temporis acti, S. 76-89. Auf Autharis Erbanspruch legt Paulus keinen
168
großen Wert, aber anders Schneider, Königswahl und Königserhebung, S. 26.
Paulus, HL, ed. Waitz, III, 30, S. 135. Goffart, Narrators, S. 397, hat darauf aufmerksam gemacht,
daß der gute Authari im Aufbau von Buch III von Besseren flankiert wird: Kaiser Tiberius und
dem fränkischen König Guntchramn.
Paulus Diaconus: Identitätsstiftung ohne Sinn? 217
Rolle desjenigen, der das Reich festigt: Paulus berichtet, daß er bis zum Ende des Lan-
gobardenreiches geritten sei und eine Säule als Grenze gekennzeichnet habe, die dann
als columna Authari bekannt geworden sei.169 Aber wie sich auch schon an der Origo-
Erzählung beobachten ließ, wird dies von Paulus nicht weiter ausgebaut.
Die Erhebung des Agilulf hatte in der Überlieferung einen gewissen providentiellen
Anstrich. Als Theudelinde und Authari heiraten, sieht einer von Agilulfs Gefolgsleuten
dessen Heirat mit der Braut voraus, allerdings mit den Worten des Paulus per artem
diabolicam.110 Das Eingreifen einer äußeren Macht zugunsten der Langobarden denn
Agilulf erweist sich als guter König wird von Paulus mit einem Hauch von Zweifel
-
belegt. Die Voraussage des Dieners von Agilulf ist kein Wirken des christlichen Gottes,
-
169
Paulus, HL, ed. Waitz, III, 32, S. 138, vgl. Paulus, HL, ed. Capo, Kommentar, S. 488.
170
Paulus, HL, ed. Waitz, III, 30, S. 135f.
171
Paulus, HL, ed. Waitz, III, 34, S. 139. Mit der Geschichte der Franken ist hier wohl Gregor von
Tours gemeint, zu dieser Erzählung vgl. H.-J. Uther, Guntramn, in: EM 6, Sp. 305-311.
172
Paulus, HL, ed. Waitz, III, 34, S. 139.
173
Paulus, HL, ed. Waitz, III, 12, S. 119f.
218 Die langobardischen Herkunftserzählungen
utiliter possit?14 Die utilitas steht für die Idoneität des Königs. Bezeichnenderweise
trifft Theudelinde auch ihre Entscheidung consilium eum prudentibus habens, und Agi-
lulf werden im Gegensatz zu Authari nicht nur äußerliche positive Eigenschaften zuge-
schrieben. Er ist vir strenuus et bellicosus et tarn forma quam animo ad regni guberna-
cula coaptatus.115 Die Idoneität spielt wieder, wie in der Frühzeit bei Gambara, Ybor
und Agio, eine Rolle. Eine geringere Bewandtnis hat hingegen seine Verwandtschaft zu
Authari, die von Paulus nur am Rande erwähnt wird.176 Schließlich wird Agilulf con-
gregatis In unum Langobardis... ab omnibus in regnum... levatus.111 Agilulfs Erhebung
beruht wie die des Authari auf Konsens und kann große Legitimität für sich beanspru-
chen. Zusätzlich erweist sich Agilulf unter dem Einfluß der Theudelinde als frommer
Herrscher, der die Kirchen beschenkt und die Bischöfe ad dignitatis solitae honorem
reduxit.m Theudelinde wirkt noch in anderer Hinsicht identitätsstiftend. Sie baute eine
Kirche für Johannes den Täufer, die von Paulus mit dem Schicksal des Langobarden-
reiches verknüpft wird.179
Die Befähigung des Agilulf zeigt sich in seinen Friedensbemühungen mit den Fran-
ken, Awaren und byzantinischen Kaisern.180
Die Erhebung Adaloalds zum König erfahrt keine Legitimation durch die langobar-
dischen Großen, sondern findet lediglich in praesentia patris sui Agilulfi regis, adstan-
tibus legatis Teudepertt regis Francorum statt.181 Deutlich ist die Nachfolge eines
Sohnes auf andere Art legitimiert als die Erhebung eines nichtverwandten Königs, der
Idoneität besitzt. Die fränkischen Legaten spielen nur die Rolle von Beobachtern.182
Eine weitergehende Bedeutung ist nicht zu erkennen.
Die Herrschaft des Adaloald zusammen mit seiner Mutter Theudelinde wird von Pau-
lus zunächst positiv geschildert: Sub his ecclesiae restauratae sunt et multae dationes
per loca venerabilia largitae. Als Adaloald wahnsinnig wird, folgt ihm Arioald a Lan-
gobardis in eius loco substttutus est, über den Paulus nicht viel zu berichten weiß.183
174
Paulus, HL, ed. Waitz, III, 35, S. 140.
175
Paulus, HL, ed. Waitz, III, 35, S. 140.
176
Paulus, HL, ed. Waitz, III, 35, S. 140f: qui fuerat cognatus regis Authari. Zur Verwandtschaft
177
vgl. Fröhlich, Studien, S. 104.
Paulus, HL, ed. Waitz, III, 35, S. 141.
178
Paulus, HL, ed. Waitz, IV, 6, S. 146. Zur Rolle von Agilulf und Theudelinde für die christliche
Herrschaft vgl. auch Capo, Paolo Diácono e il problema della cultura dell'Italia Longobarda,
S. 178, sowie Paulus, HL, ed. Capo, Kommentar, S. 493f. Zur Rolle der Theudelinde bei der
179
Bekehrung des Agilulf zum Katholizismus vgl. Nolte, Conversio, S. 122-130.
Paulus, HL, ed. Waitz, IV, 21, S. 154f. Später berichtet Paulus, daß die Pflege dieser Kirche für
den Bestand des Langobardenreiches wichtig sei, V, 6, S. 187f. S. u. S. 235.
180
Paulus, HL, ed. Waitz, IV, 35, S. 160: Friedensschluß mit Phokas; IV, 40, S. 168: Frieden mit dem
Kaiser; IV, 40, S. 168: Agilulf schließt Frieden mit den Franken und nimmt die Verhandlungen
Autharis, die nach dessen Tod zum Erliegen gekommen waren (III, 35, S. 140), wieder auf.
181
Paulus, HL, ed. Waitz, IV, 30, S. 159. Zu Adaloald vgl. auch Offergeld, Reges pueri, S. 149ff.
182
Anders Fröhlich, Studien, S. 119f.
183
Paulus, HL, ed. Waitz, IV, 41, S. 168, vgl. auch Paulus, HL, ed. Capo, Kommentar, S. 517f.
Paulus Diaconus: Identitätsstiftang ohne Sinn? 219
Dieser wird aber durch den Konsens legitimiert, woran sich deutlich der Vorrang der
Idoneität vor dem Erbanspruch zeigt.
Auch König Rothari weist einige positive Eigenschaften auf, die einen König ausma-
chen. Er ist viribus fortis et iustitiae tramitem sequens, also nicht nur tapfer, wie viele
langobardische Könige vor ihm, sondern auch gerecht, eine Rolle, die durch die Gesetz-
gebung des Rothari bestätigt wird.184 Rothari ist auf der anderen Seite der erste König,
über den Paulus explizit klagt, daß er Arianer gewesen sei.185 Immerhin weiß Paulus da-
von zu berichten, daß die Schändung der Gebeine des Rothari licet non recte credens
vom heiligen Johannes gerächt wird. Begründet wird dies nicht durch gute Taten des
Rothari, sondern damit, daß Rothari sich dem heiligen Johannes anvertraut habe.186 Die
Wirkkraft Johannes des Täufers zugunsten des langobardischen Königs wird im Gegen-
satz zu anderen zum Teil schon genannten Episoden von göttlichem Einwirken von
Paulus nicht relativiert. Dies mag damit zusammenhängen, daß Johannes der Täufer so-
zusagen der Schutzheilige der Langobarden war und Paulus sein Erscheinen nicht in
Verruf bringen wollte und der erscheinende Heilige auch namentlich genannt wird. Pau-
lus mochte befürchten, den namentlich bekannten Heiligen selbst zu verärgern, wenn er
seine Rolle unbedeutender darstellte, als sie war.
Aber Rothari kann die Rolle eines identitätsstiftenden Herrschers nicht ausfüllen.
Sein Sohn Roduald folgt ihm und legitimiert sich offensichtlich durch die Heirat mit ei-
ner Tochter Agilulfs und der Theudelinde.187 Roduald tat sich während seiner Herr-
schaft nicht hervor: Er klagt seine Frau fälschlich des Ehebruchs an, und dum uxorem
cuiusdam Langobardi stuprasset, ab eodem interfectus est?%% Der nächste König Ari-
pert, ein Neffe der Theudelinde, scheint seine Legitimität wieder von der Königin baye-
rischer Herkunft zu beziehen.189 Die Tochter Theudelindes und ihr Neffe Aripert zeich-
nen sich beide durch den Bau von Kirchen aus.190
Ähnlich wie Agilulf vor dem Tod Autharis wird Grimuald von Benevent schon vor
Agilulfs Tod vorgestellt, den er einmal ablösen wird. Grimuald kann sich ähnlich wie
der sagenhafte König Lamissio191 schon im zarten Alter als tapfer erweisen, weil ihm
184
Paulus, HL, ed. Waitz, IV, 42, S. 169, vgl. auch Paulus, HL, ed. Capo, Kommentar, S. 521f. Daß
Paulus von dem Erlaß des Ediktes 77 Jahre nach der Ankunft der Langobarden in Italien spricht
und die im Edikt selbst, das ihm vorlag, überlieferte Zahl 76 wohl bewußt verfälschte, mag
vielleicht mit Zahlensymbolik zusammenhängen.
185
Paulus, HL, ed. Waitz, IV, 42, S. 169: sed tarnen fidei christianae non rectam lineam tenens,
Arrianae hereseos perfidia maculatus est.
186
Paulus, HL, ed. Waitz, IV, 47, S. 171, vgl. auch Paulus, HL, ed. Capo, Kommentar, S. 526f;
sowie Pohl, Paulus Diaconus, S. 386.
187
Paulus, HL, ed. Waitz, IV, 47, S. 171. Daß Paulus hier Roduald mit Rothari, der Gundeberga
heiratete, verwechselt, vgl. Fröhlich, Studien, S. 127-134, ist an dieser Stelle unerheblich.
188
Paulus, HL, ed. Waitz, IV, 47 und 48, S. 171f.
189
Paulus, HL, ed. Waitz, IV, 48, S. 172.
190
Paulus, HL, ed. Waitz, IV, 47 und 48, S. 172.
191
Diese Parallele hat schon Goffart, Narrators, S. 380 und 404, bemerkt.
220 Die langobardischen Herkunftserzählungen
bei einem Überfall der Awaren in das Friaul die Flucht aus der Gefangenschaft ge-
lingt.192 Später bezeichnet Paulus ihn als vir bellicosissimus et ubique insignis.193
Aripert hinterläßt das Reich, offensichtlich nach einer Teilung, seinen Söhnen Gode-
pert und Perctarit.194 Zwischen diesen entsteht facientibus malignis hominibus Streit,
den Paulus noch schärfer verurteilt als die Auseinandersetzungen zwischen König und
Herzögen, weil sie die innere Einheit noch stärker gefährden. Denn nun ergreift Gri-
muald von Benevent die Gelegenheit, das Langobardorum regnum, quod aduliscentes
germani dissipabant, selbst an sich zu reißen, weil er aetate maturus, consilio providus
et viribus fortis sei.195 Im Gegensatz zu Godepert und Perctarit bezieht Grimuald seine
Legitimation aus seiner Idoneität und kann sich daher auch durchsetzen. Die Ermordung
des Godepert durch Grimuald schiebt Paulus einem verräterischen Gefolgsmann des
Godepert in die Schuhe, der Grimuald zu der Tat angestiftet habe.196 Grimuald wird
vom Königsmord reingewaschen. Paulus verdeutlicht dies, indem er schildert, daß Gri-
muald die minderjährigen Mitglieder der Königsfamilie schont, der Anstifter aber aus
Rache von einem weiteren Gefolgsmann des Godepert erschlagen wird.197 So kann Pau-
lus nachweisen, daß Grimuald den Königsmord nicht wirklich selber begangen hat und
daß den wahren Mörder die Strafe ereilt hat. Nur durch maligni adolatores wird Gri-
muald dazu überredet, einen Versuch zur Ermordung des erwachsenen Perctarit zu un-
ternehmen, dem er eigentlich Gnade versprochen hatte. Aber die Vorsehung will es an-
ders: Perctarit kann mit einer List entkommen. Sicque Deus omnipotens dispositione
misericordiae et innocentem a morte eripuit et regem ex animo bona faceré cupientem
ab offensione servavit.19% Interessanterweise wird hier nur hervorgehoben, daß Grimuald
vor einer Sünde und ein Unschuldiger vor dem Tod gerettet wird. Paulus geht an dieser
Stelle nicht darauf ein, daß Perctarit den Thron noch einmal wiedergewinnen wird. Die
guten Intentionen Grimualds werden dann bei der Behandlung von Perctarits Fluchthel-
fern bestätigt. Anstatt sie zum Tode zu verurteilen, wie seine Gefolgsleute fordern, be-
lohnt und lobt Grimuald ihre Treue und entläßt sie zu Perctarit.199 Die Ereignisse von
Perctarits Entkommen würden an sich auch eine andere Stilisierung etwa als die durch
einen Tyrannen verfolgte Unschuld erlauben, die aber von Paulus wegen der positiven
Darstellung des Grimuald nicht versucht wird. Damit ist Grimuald neben Liutprand der
einzige langobardische König, für den Paulus explizit Gottes Wirken in Ansprach
nimmt.
Dann wird Grimuald in seiner Herrschaft bestätigt und verschafft sich noch zusätz-
lich Legitimität, indem er die Tochter Ariperts heiratet, wiederum eine Verwandte der
Theudelinde.200
Grimuald kommt auch seiner gesetzgeberischen Aufgabe nach und verbessert das
Edikt des Rothari um aliqua capitula legis, quae ei utilia visa sunt?01 Bei seinem Tod
wird er von Paulus noch einmal ausdrücklich gelobt: audacia primus... non minus con-
silio quam viribus decoratus sei er gewesen.202
Die Usurpation des Grimuald von Benevent beurteilt Paulus nicht negativ: Die Ver-
antwortung für die Ermordung des Vorgängers Godepert weist er einem anderen zu und
macht überdeutlich, daß Grimuald der geeignetere König ist.203 Aber Grimualds Herr-
schaft ist keine Friedensherrschaft. Er muß den byzantinischen Kaiser zurückschlagen,
der die Langobarden aus Italien vertreiben will.204 Bei diesem Anlaß wird deutlich, daß
er nicht alle Langobarden hinter sich hat, denn plures ex Langobardis verlassen ihn auf
dem Weg, ad propria remearunt, dicentes, quia expoliasset palatium et iam non rever-
sus répéteret Beneventum?05 Grimuald werden Partikularinteressen vorgeworfen. Als
seine Stellung wieder erstarkt ist, rächt er sich an den Verrätern, die nicht mit gegen den
byzantinischen Kaiser ziehen wollten.206 Auch eine Stadt, die sich auf die Seite des Kai-
sers gestellt hat, wird von ihm grausam bestraft.207 Paulus sieht sich veranlaßt, dies Ver-
halten des Grimuald zu erklären: Erat quidem Grimualdo contra Romanos non medio-
cre odium, pro eo quod eius quondam germanos Tasonem et Cacconem in sua fide de-
cepissent?m An diesem Exempel kann Paulus zeigen, wie schädlich es ist, Hinterlist an-
zuwenden, und wie diese den inneren Frieden in Italien gefährdet, indem sie einen an
sich gütigen Mann zu Gegenschlägen und damit zu Fehlverhalten verleitet.
Es stellt sich die Frage, weshalb der Usurpator Grimuald im großen und Ganzen po-
sitiv beurteilt wird. In Hinblick auf eine mögliche Legitimitätsstiftung für Nachfolger
bieten sich zwei Möglichkeiten an. Zum einen könnte er positiv dargestellt worden sein,
weil er ein Herzog von Benevent war und Paulus für die Herzöge von Benevent schrieb,
zum anderen könnte er als Usurpator mit Idoneität, deren Bedeutung für eine in Paulus'
Augen legitime Herrschaft auch bei anderen Fällen deutlich wird, auf die Eroberung des
Langobardenreiches durch Karl den Großen vorgreifen.
Paulus, HL, ed. Waitz, V, 1, S. 179f., allerdings geht Paulus an dieser Stelle nicht auf die
Verwandtschaft ein.
Paulus, HL, ed. Waitz, V, 33, S. 198.
Paulus, HL, ed. Waitz, V, 33, S. 198. Goffart, Narrators, S. 379 und 407f, und Rogan, Laudator
temporis acti, S. 37: Grimuald ist die Verkörperung des idealen Königtums. Pohl, Paulus
Diaconus, S. 386f, hat darauf aufmerksam gemacht, wie sehr Paulus die Ereignisse verbiegt, um
Grimuald als Helden zu stilisieren.
Paulus, HL, ed. Waitz, IV, 51, S. 174ff.
Paulus, HL, ed. Waitz, V, 6-10, S. 186-190.
Paulus, HL, ed. Waitz, V, 7, S. 188.
Paulus, HL, ed. Waitz, V, 26, S. 195f.
Paulus, HL, ed. Waitz, V, 27, S. 196.
Paulus, HL, ed. Waitz, V, 28, S. 196. Dazu auch Pohl, Paulus Diaconus, S. S. 387.
222 Die langobardischen Herkunftserzählungen
Die Herrschaft von Grimualds minderjährigem Sohn Garibald währt nur kurz, ehe er
von Perctarit vertrieben wird.209 Perctarits Herrschaft scheint nach dem Willen Gottes zu
beginnen, denn als Perctarit nach Britannien fliehen will, hört er vom Ufer eine Stimme
rufen, die ihm den Tod Grimualds mitteilt. Da er den Rufer nicht ausfindig machen
kann, unde arbitratus est, non hunc hominem, sed divinum nuntium fuisse?10 Paulus
deutet nicht etwa an, daß die Nachfolge des Perctarit Gottes Willen entspricht, sondern
erzählt lediglich, daß Perctarit dieser Meinung gewesen sei. Ähnlich wie bei der Wod-
anlegende und der Prophezeiung für Agilulf nutzt Paulus die legitimitätsstiftenden
Möglichkeiten nicht, die in der Struktur der Geschichte vorgegeben sind, um göttliches
Einwirken zu postulieren.
Perctarit wird ab universis Langobardis ins Reich eingesetzt.211 Wie bei vielen Kö-
nigsnachfolgen üblich, erfolgt eine Legitimierung durch die Langobarden. Perctarit
wird von Paulus positiv beschrieben: Erat autem virpius.fi.de catholicus, iustitiae tenax
pauperumque largissimus nutritor und mitis per omnia et suavis?12 Im Gegensatz zu
den Königen vor ihm gehört die Tapferkeit nicht zu seinen Eigenschaften. Wie andere
Könige aus der Verwandtschaft der Theudelinde zeichnet sich auch Perctarit nebst Ge-
mahlin durch Schenkungen an Kirchen aus.213
Die Herrschaft Perctarits und seines Sohnes, den er ohne Mitwirkung der Langobar-
den zum Mitherrscher erhob,214 wird durch Alahis, Herzog von Trient, bedroht, dessen
Machenschaften eindeutig negativ beurteilt werden. Mitten in magna pace und ex omni
parte in circuitu tranqutllitatem haberent, erhebt er sich ohne ersichtlichen Grund. Des-
halb wird er als filius iniquitatis bezeichnet.215 Auf Vermittlung seines Sohnes Kunink-
pert verzeiht König Perctarit dem Alahis mehrere Male, obwohl er ihn eigentlich töten
möchte eine bewährte Methode zur Problemlösung bei rebellischen Herzögen. Se-
henden Auges macht er dann Alahis auch noch zum Herzog von Brescia, obwohl er
-
weiß, daß Brexiana denique civitas magnam semper nobilium Langobardorum multitu-
dinem habuit, quorum auxilio metuebat Perctarit Alahis potentiorem fore.216 Perctarit
allerdings hat dann mit dem schwierigen Herzog nicht mehr zu kämpfen, sondern sein
Sohn. Dies mag damit zusammenhängen, daß Kuninkpert keine positiven Eigenschaften
zugeschrieben werden. Paulus scheint sogar anzudeuten, daß das Verhalten des Königs
im sexuellen Bereich ausschweifend gewesen sei.217 Ausgerechnet aus dem Mund des
209
Paulus, HL, ed. Waitz, V, 33, S. 198f. Zu Garibald vgl. Offergeld, Reges pueri, S. 153f.
2,0
Paulus, HL, ed. Waitz, V, 33, S. 198f.
211
Paulus, HL, ed. Waitz, V, 33, S. 199.
212
Paulus, HL, ed. Waitz, V, 33, S. 199 sowie V, 37, S. 201, anläßlich Perctarits Tod. Wie Goffart,
Narrators, S. 412, diese Stelle als Stilisierung des Perctarit als „roi fainéant" interpretieren kann,
ist nicht ersichtlich.
213
Paulus, HL, ed. Waitz, V, 34, S. 199.
214
Paulus, HL, ed. Waitz, V, 35, S. 199f.
215
Paulus, HL, ed. Waitz, V, 36, S. 200.
216
Paulus, HL, ed. Waitz, V, 36, S. 200.
217
So ließe sich die Erzählung von der Theodote deuten, die von Kuninkpert in einer Anwandlung zu
seiner Geliebten gemacht und dann in ein Kloster gesteckt wird, Paulus, HL, ed. Waitz, V, 37,
S. 201 f.
Paulus Diaconus: Identitätsstiftang ohne Sinn? 223
Alahis erfolgt eine eher negative Beschreibung: Quamvis ebriosus sit et stupidi cordis,
tarnen satis est audax et mirae fortitudinis?1% Auf der anderen Seite kann Kuninkpert
auf die Unterstützung der Priester und Geistlichen zählen, allerdings nicht wegen seiner
eigenen Tugend, sondern nur weil Alahis sie verabscheut.219 So ist Alahis der größere
Bösewicht: oblitus tantorum beneficiorum quae in eum rex Cunincpert inpenderat, ob-
litus etiam iusiurandum quo ei se fidelissimum esse spoponderat, nimmt er den Palast in
Pavia in Besitz.220 Allerdings kann Alahis auf die Unterstützung von multis ex Lango-
bardis bauen,221 genau wie es Perctarit vorhergesehen hat. Da der tyrannus und perva-
sor regni Alahis durch sein Verhalten die Priester und Geistlichen noch weiter gegen
sich aufbringt,dauert seine Herrschaft nicht lange: non diutius feritas et cruda barba-
ries pervasum regnum optinuit.222 Die Usurpation des Alahis wird ganz anders beurteilt
als die des Grimuald, der sich durch Idoneität auszeichnete. Alahis weist keine positiven
königlichen Eigenschaften auf. Allerdings wird er erst aus dem Königspalast vertrieben,
als er seine eigenen Gefolgsleute, die er um ihr Vermögen bringen will, gegen sich auf-
bringt und sich diese wieder mit Kuninkpert zusammentun. Alahis teilt seine Pläne
einem kleinen Jungen mit, weil er ihn noch nicht für verständig genug hält.223 Auch in
diesem Fall läßt Paulus die Gelegenheit verstreichen, den Jungen etwa zum Werkzeug
der Vorsehung zu erklären, sondern erzählt nüchtern von den Worten, die der Junge ge-
hört hat, und nimmt so keine göttliche Hilfe für Kuninkpert in Ansprach.
Die Geistlichkeit kann schließlich Kuninkpert sogar zum Sieg verhelfen, weil sich
der Diakon Seno bezeichnenderweise custus basilicae beati Iohannis baptistae, also
an der Kirche des Heiligen, der die Langobarden besonders schützt mit Kuninkperts
-
Rüstung wappnet und von Alahis, der der Täuschung erliegt, erschlagen wird.224 Alahis
-
will sich nicht auf einen Zweikampf mit Kuninkpert einlassen, zunächst weil er seine
Stärke fürchtet225 und dann, weil er eine Erscheinung des Erzengels Michael hat. Dies
wird ihm von seinen Gefolgsleuten als Schwäche ausgelegt, da er seinen Aufstand
schließlich kaum noch rückgängig machen könne, und er fällt schließlich in der
Schlacht.226 Paulus trifft keine Aussage über die Wahrhaftigkeit der Michaels-Erschei-
nung des Alahis, die von den Gefolgsleuten eher ins Lächerliche gezogen wird. Erneut
Kuninkpert, dessen positive Eigenschaften der audacia und der bonitas hervorgeho-
ben werden, hinterläßt seinen minderjährigen Sohn, und es folgen Thronwirren,228 die
schließlich Aripert II. für sich entscheiden kann. Bezeichnenderweise folgt die Be-
schreibung der Thronwirren direkt im Anschluß an eine Bemerkung des Paulus über
den Niedergang des fränkischen Königtums und den göttlich bestimmten Aufstieg der
Karolinger. Es ist immerhin möglich, daß Paulus eine inhaltliche Verknüpfung sugge-
rieren wollte.229 Dem Niedergang des Langobardenreiches wird spiegelbildlich der Auf-
stieg der Karolinger entgegengestellt und zwar außerhalb der chronologisch richtigen
Reihenfolge. Hoc tempore aput Gallias Francorum regibus a sólita fortitudine et selen-
ita degenerantibus, hi qui maiores domui regalis esse videbantur administrare régi [!]
potentiam et quicquid regibus agere mos est coeperunt; quippe cum caelitus esset dis-
positum, ad horum progeniem Francorum transvehi regnum.230 Paulus greift nicht nur
auf ein Ereignis vor, das nach dem Schluß des sechsten Buches stattfand, an sich schon
außergewöhnlich genug. Zugleich schwingt eine Bewunderung für die Franken mit, die
sich eine Königsfamilie mit Idoneität gewählt haben. Zu guter Letzt ist dies eine der
wenigen Stellen in Paulus' Werk, an der explizit auf den Ratschluß Gottes verwiesen
wird. Dies geschieht im Zusammenhang mit den Karolingern und nicht mit den lango-
Paulus, HL, ed. Waitz, VI, 6, S. 214f., vgl. auch Paulus, HL, ed. Capo, Kommentar, S. 567f.
Paulus, HL, ed. Waitz, VI, 178-22, S. 219-221.
So auch Goffart, Narrators, S. 417.
Paulus, HL, ed. Waitz, VI, 16, S. 218.
Paulus Diaconus: Identitätsstiftang ohne Sinn? 225
bardischen Königen. Die lobenden Worte für Arnulf von Metz231 erklären sich also nicht
nur durch das persönliche Interesse, das Paulus noch von seiner Arbeit an den Gesta
episcoporum Mettensium her an ihm hatte, sondern auch durch seine Stellung als Spit-
zenahn der Karolinger. Von Karl Martell an vollzieht Paulus den Dynastiewechsel
schon im vorhinein, indem er die Wechsel im fränkischen Hausmeieramt und nicht
mehr die im Königshaus verzeichnet.232 Interessanterweise spielen hier zwei Vorstel-
lungen hinein. Zum einen haben die merowingischen Könige ihre Idoneität verloren,
was sie nach Paulus' Vorstellungen für eine Absetzung prädestiniert, auf der anderen
Seite betont er, daß die progenies der Karolinger, also eine Familie, deren Nachfolger
sind. In der Langobardengeschichte sind es sonst immer einzelne, deren Idoneität für
eine Königswahl sorgt, nie eine Familie. In diesem Fall, indem aufgrund des hervorra-
genden Spitzenahnes eine Gefahr der Degeneration offensichtlich nicht gegeben zu sein
scheint, hat Paulus gegen die Vererbung der Königskrone keine Einwände. Die Ablö-
sung der Merowinger durch die Karolinger ist auf den göttlichen Willen zurückzufüh-
ren, der damit einer Familie Idoneität gibt und den letztlich leichter gangbaren Weg der
Erbschaft legitimiert. Karl der Große als geeigneter Herrscher für die Langobarden ist
nach göttlichem Ratschluß schon König der Franken durch Erbschaft.
Ariperts Ausschalten der Rivalen entkommt allein Liutprand. Quod Dei omnipotentis
nutu factum fuisse, qui eum ad regni gubernacula praeparabat, dubium non est.233 Liut-
prand ist also der einzige langobardische König, für desssen Herrschaftsantritt Paulus
explizit Gottes Willen postuliert. Auch für Grimuald hatte Paulus göttliches Wirken in
Ansprach genommen, aber nur für die Verhinderung des Mordes an Perctarit. Dies
hängt damit zusammen, daß Liutprand, wie man schon lange erkannt hat, alle mög-
lichen positiven Eigenschaften eines Königs auf sich vereinigt und von Paulus als idea-
ler König stilisiert wird.
Aripert II. hingegen wird eher negativ beschrieben. Er bringt seine Widersacher
wahllos um, verstümmelt Mutter und Schwester des Liutprand234 und läßt einen Herzog
wegen einer Beleidigung blenden.235 Sein Ende schließlich ist durch seine Feigheit und
Habsucht bedingt. Weil er sein Heer im Stich läßt und sich nach Pavia zurückzieht, hat
er seine Chance auf den Sieg gegen Ansprand und den mit ihm verbündeten bayrischen
Herzog vertan und muß ins Frankenreich fliehen. Auf seiner Flucht nimmt er soviel
Gold mit, daß er ertrinkt.236 Dennoch lobt Paulus ihn am Ende seiner Herrschaft als vir
pius, elymoslnis deditus ac iustitiae amator; in cuius temporibus terrae ubertas nimia,
sed témpora fuere barbárica.231 Unterstrichen wird seine Gerechtigkeitsliebe noch
durch den Topos des Königs, der sich unerkannt unters Volk mischt, um Ungerechtig-
prandum, eius filium, in regali constituunt solio.239 Liutprand hat wie andere Könige vor
-
ihm mit Anschlägen zu kämpfen. Paulus hebt die Tapferkeit hervor, mit der er den An-
schlägen begegnet, und führt seine Großmut, mit der er den Anstiftern verzeiht, deutlich
vor Augen.240 Liutprand tat sich desgleichen durch das Stiften und Beschenken von Kir-
chen hervor.241
Liutprand ist nach der Beschreibung des Paulus nicht nur ein tapferer König, sondern
auch in allen Kriegen mit den Romani (also dem Exarchat von Ravenna) semper vic-
tor.242 Am Ende seines Lebens resümiert Paulus: vir multae sapientiae, consilio sagax,
pius admodum et pads amator, belli praepotens, delinquentibus clemens, castus, pudi-
cus, orator pervigil, elemoslnls largus, litterarum quidem ignarus, sed philosophis
aequandus, nutritor gentis, legum augmentator.243 Die Liste liest sich fast wie eine Zu-
sammenstellung aller möglichen positiven Königseigenschaften, die in dieser Häufung
noch bei keinem anderen König anzutreffen waren.
Paulus berichtet auch von der Erhebung seines Neffen Hildeprand zum König.244 Im
Gegensatz zu den üblichen Sohnesnachfolgen erfolgt diese Erhebung durch die Lango-
bardi, die denken, daß der kranke Liutprand dem Tode nahe sei, aber nicht mit Einver-
ständnis des Königs, der das nicht aequo animo akzeptiert, dann aber doch den Hilde-
prand als consors duldet.245
Besonders bedeutsam scheint der Bericht über die „Adoption" Pippins des Jüngeren
durch König Liutprand: Circa haec témpora Carolus princeps Francorum Pipinum
suum filium ad Liutprandum direxit, ut eius iuxta morem capillum susciperet. Qui eius
caesariem incidens, ei pater effectus est multisque eum ditatum regiis muneribus geni-
tori remisit?46 Deutlich wird hier eine Verwandtschaft zum Langobardenkönig ge-
knüpft, die als eine sehr enge Beziehung dargestellt wird. Liutprand wird zum pater, der
fränkische Hausmeier Karl ist nur noch der genitor. Pippin wird mit regiis muneribus
beschenkt. Dies unterstreicht seine königliche Stellung. Aufgrund einer Auswahl durch
den Langobardenkönig wird Pippin königsgleich. Daß er dann auch Idoneität aufweisen
muß und nach den Worten des Paulus über die Familie der Hausmeier ohnehin nach
göttlichem Willen besitzt, versteht sich von selbst.
Die Bartschur Pippins247 durch Liutprand und seine Aufnahme in die Familie hat drei
Präzedenzfalle in der Langobardengeschichte aufzuweisen.
Der wichtigste Präzendenzfall ist die Annahme von Roduald und Grimuald vom Fri-
aul loco filiorum durch Herzog Arichis von Benevent.248 Später empfiehlt Arichis die
beiden quasi proprios filios als Nachfolger im Herzogtum, weil sein eigener Sohn nicht
fähig ist.249 Roduald und Grimuald folgen zwar erst nach, als der Sohn gefallen ist,250
aber es ist bezeichnend, daß Paulus den politischen Willen des Arichis deutlich macht.
Ein solcher politischer Wille Liutprands wird von Paulus nicht postuliert, aber Paulus
läßt den Sohn des fränkischen Hausmeiers zu einem Verwandten des Königs werden
und berichtet gleichzeitig, ebenfalls in Parallele zu der Episode aus Benevent, Liut-
prands Unwillen über die Herrschaft seines leiblichen Neffen. Karl der Große avan-
cierte damit zum Enkel Liutprands. Die Bartschur Pippins mag für den fränkischen
Hausmeier und seinen Sohn Pippin tatsächlich den Vorteil gehabt haben, eine königs-
gleiche Aura um den Hausmeier zu schaffen,251 auf der anderen Seite ist auch eine Inter-
pretation in legitimitätsstiftender Hinsicht für die fränkische Eroberung denkbar, die
Paulus allerdings nicht explizit vollzieht.252 Auffällig ist zumindest, daß er das Ereignis
6
Paulus, HL, ed. Waitz, VI, 53, S. 237. Dazu vgl. auch McKitterick, Paul the Deacon and the
Franks, S. 329f. Zu dieser Adoption vgl. demnächst auch Becher, Post defunctum Theuderici
7
Regis, (in Vorbereitung).
Zur Bartschur als fränkischem Brauch vgl. Bartlett, Symbolic Meanings of Hair, S. 48, und Hen,
Culture and Religion, S. 137-143. Genaugenommen ist nur von einem Schneiden der Haare die
Rede, allerdings ist es wegen der Parallelen wohl am einleuchtendsten, von einem Schneiden der
Barthaare auszugehen. Das symbolische Abschneiden der Haare kann die Aufnahme ins
Erwachsenenalter bedeuten, vgl. Dazu McCone, Hund, Wolf und Krieger, S. 126f, und
Diesenberger, Hair, S. 185. Eine interessante Parallele zu diesem Brauch des Haareschneidens für
das Knüpfen eines Bandes, das wohl über das verwandtschaftliche hinausgeht, findet sich im
keltischen Bereich in der walisischen Sage von Culhwch, der seinen Vetter Arthur um das
Schneiden seiner Haare bittet und sich ihm damit verbindet, vgl. Culhwch and Olwen, ed.
Bromwich/Evans, S. 3, Z. 57-59, und S. 6/7, Z. 163-5 (deutsche Übersetzung von Zimmer, Die
keltischen Wurzeln der Artussage, Kap. VII).
*
Paulus, HL, ed. Waitz, IV, 39, S. 167.
9
Paulus, HL, ed. Waitz, IV, 43, S. 169f.
0
Paulus, HL, ed. Waitz, IV, 44 und 46, S. 170f. Goffart, Narrators, S. 406f, sieht in dieser
Erzählung die Erhebung des Arichis von Benevent durch den König vorweggenommen und
Grimuald als Präzedenzfall eines beneventanischen Herzoges von außerhalb. Dagegen spricht, daß
in der Grimuald-Erzählung der langobardische König keine Rolle spielt.
1
So Jarnut, Adoption Pippins.
2
Laut Fröhlich, Studien, S. 192, hatte die Adoption keine rechtliche Bewandtnis.
228 Die langobardischen Herkunftserzählungen
erwähnt. Es ist denkbar, daß Paulus, wenn er seine Langobardengeschichte weiterge-
führt hätte, an späterer Stelle noch einmal auf die „Verwandtschaft" zwischen Liutprand
und Pippin zu sprechen gekommen wäre.
Der zweite Präzedenzfall ist ein negativer: Der Exarch Gregorius verspricht Taso
vom Friaul, ut et barbam, sicut moris est, incideret eumque sibi filium facer et. Das Ver-
sprechen der Bartschur erfüllt er erst am Leichnam des Taso.253 So ist die Bartschur als
Brauch zumindest schon eingeführt, bevor Liutprand sie an Pippin vollzieht.
Möglicherweise ist auch die Erzählung von Alboin, der sich vom Gepidenkönig Waf-
fen geben läßt, ein Vorgriff auf die Adoption Pippins durch Liutprand.254 Da Alboin den
Gepidenkönig später besiegt, ebenso wie Pippin die Langobarden, gäbe es sogar noch
eine weitere Parallele.
Das Einverständnis zwischen Liutprand und Karl Martell führt sogar dazu, daß sie
gemeinsam die Sarazenen aus Gallien zurückschlagen können,255 ein Beispiel, wie posi-
tiv fränkisch-langobardisches Einvernehmen zu werten ist. Dies ist auch das Resümee
des sechsten Buches und der Herrschaft des Liutprand: maxima semper cura Franco-
rum Avarumque pacem custodiens.256 Deutlich wird, wie wichtig das langobardisch-
fränkische Verhältnis in Paulus' Augen war, und man kann sich gut vorstellen, wie er
die späteren Streitigkeiten beurteilt und dargestellt hätte, wenn er seine Geschichte wei-
tergeführt hätte.
Duces tauchen bei Paulus von Anfang an auf, die beiden ersten Ybor und Agio wer-
den anläßlich der Auswanderung eines Teiles der Winniler aus Skandinavien gewählt
(ordinati)?51 Ihre Wahl wird dadurch erklärt, daß sie ceteris praestantiores seien, ihre
Idoneität wird hervorgehoben, da sie legitimierend wirkt.
Die häufigen Auseinandersetzungen zwischen Königen und Herzögen scheint Paulus
sehr zu bedauern und malt ihre negativen Folgen deutlich aus. Seine Begründungen für
diese Unstimmigkeiten sind vielfältig. So erweist sich die Erhebung des Droctulf, eines
ehemaligen gefangenen Schwaben, im Nachhinein als Fehler, weil dieser schon lange
die Rache für seine Gefangenschaft erstrebte und sie in der Position als Herzog auch
nehmen kann.258
Agilulf muß sich gleich mehrerer Rebellen erwehren.259 Einer von ihnen wird getötet,
eo quod se superiori tempore Francorum ducibus tradidisset?60 Der langobardische Kö-
nig sieht dies vor seinem eigenen Friedensschluß mit den Franken als einen verräte-
rischen Akt an. Auch das Bündnis eines Herzogs mit dem Exarchen von Ravenna wird
von Agilulf dem Tod bestraft.261 Überhaupt ist Agilulf im Umgang mit rebellischen
mit
Herzögen nicht zimperlich, da er häufiger für deren vorzeitiges Ableben sorgt.262
Die Zusammenarbeit von Herzögen und König kann aber auch positive Ergebnisse
zeitigen, sei es, daß sie sich bei Kriegszügen vereinigen263 oder daß die Herzöge fried-
liche Aufträge für die Könige erfüllen.264
Grimuald übergab in seiner Abwesenheit bei einem Feldzug gegen den byzanti-
nischen Kaiser Lupus vom Friaul suum palatium?65 Lupus aber, der multa insolenter
aput Ticinum egisset, fürchtete den Zorn des Königs und suae nequitiae conscius rebel-
lavit?66 Wie im Falle des Droctulf hat sich hier ein König in einem Herzog geirrt, dem
dafür von Paulus eindeutig die Schuld zugewiesen wird. Aber dann begeht der König
den Fehler, äußere Feinde, die Awaren, einzuladen, um Lupus zu besiegen.267 Lupus
fallt zwar, aber die Awaren per omnes eorum fines discurrentes, cuneta rapinis invad-
unt vel subposito igne conburunt?6* Grimuald muß, um seine übereifrigen Verbündeten
loszuwerden, selbst ein Heer aufbieten, kann aber die Awaren mit List loswerden.269 Der
Zusammenhang zwischen innerem und äußerem Frieden und die Notwendigkeit der Zu-
sammenarbeit von Herzögen und Königen tritt deutlich zutage.
Auch der oben genannte Aufstand des Alahis zeigt, daß die Könige ihre Schwierig-
keiten selbst verschulden, indem sie unzuverlässige Personen zu Herzögen machen.
Unter der Herrschaft von Kuninkpert kommt es dann noch einmal zu einem Auf-
stand. Ansfrid usurpiert zunächst das Herzogtum Friaul und vertreibt den rechtmäßigen
Herzog, und non contentus ducatum, läßt er sich auch noch auf eine Rebellion gegen
Kuninkpert ein, wird aber von Kuninkpert besiegt und in die Verbannung geschickt.270
Diese Episode verdeutlicht zum einen die Verpflichtung des Königs gegenüber seinen
Herzögen, da Kuninkpert sich nicht für den rechtmäßigen Herzog einsetzt, und zum an-
deren die Notwendigkeit, die Herzöge zufrieden zu halten, um Aufstände zu vermeiden.
Paulus, HL, ed. Waitz, VI, 8, S. 216f: ex eo die honore debito coluit.
Paulus, HL, ed. Waitz, VI, 51, S. 235f.
Paulus, HL, ed. Waitz, VI, 55, S. 238, und VI, 56 und 57, S. 239f.
Paulus, HL, ed. Waitz, VI, 55, S. 238.
Paulus, HL, ed. Waitz, VI, 57 und 58, S. 240.
Paulus, HL, ed. Waitz, II, 9, S. 90f. Ob diese Episode wirklich dazu dient, die Großzügigkeit des
Alboin als negative Eigenschaft bloßzustellen, da sie dem Herzogtum zuviel Unabhängigkeit
verschafft habe, wie Rogan, Laudator temporis acti, S. 41-46, meint, scheint in Anbetracht der
Tatsache, daß sie immer zusammen mit den positiven Eigenschaften genannt wird, nicht
stichhaltig.
Paulus, HL, ed. Waitz, IV, 16, S. 151f, vgl. auch Paulus, HL, ed. Capo, Kommentar, S. 497f.
Paulus Diaconus: Identitätsstiftung ohne Sinn? 231
In einer Erzählung über Herzog Ferdulf vom Friaul will Paulus ein negatives Beispiel
für Herzogsherrschaft geben, was er ausnahmsweise einmal deutlich formuliert: Haec
ideo vel maxime in hacposuimus historia, ne quid aliquid[\] per contentionis malum si-
mile contingat?1% Der homo lubricus et elatus will victoriae laudem de Sclavis habere
und bezahlt Slawen, die in sein Gebiet einfallen sollen. Den Sculdahis Argait, einen vir
nobilis animoque et viribus potens, der die Slawen verfolgt, aber nicht einholen kann,
beschimpft Ferdulf als Feigling. Als das langobardische Heer den Slawen erneut gegen-
über steht, stacheln sich Argait und Ferdulf gegenseitig zu einem unsinnigen Angriff an,
der den Untergang des Heeres zur Folge hat. Paulus geißelt dieses Verhalten mit deut-
lichen Worten: Tantique ibi viri fortes per contentionis malum et inprovidentiam debel-
lati sunt, quanti possent per unam concordiam et salubre consilium multa milia
stemere aemulorum?79 Die innere Eintracht wird in ihrer Bedeutung hervorgehoben.
Paulus gibt hier ein Paradebeispiel für die Notwendigkeit des Zusammenhalts.
Paulus bietet seinen Lesern darüber hinaus zahlreiche Informationen über verwandt-
schaftliche, Heirats- und andere Beziehungen der Herzöge280 und berichtet am Rande
über deren Kriegszüge.281 Hin und wieder gibt er Informationen, die auf innere Streitig-
keiten hinweisen, ohne daß er sie erklären kann.282 Zu den wichtigen Herzogtümern hat
er offenbar alle Informationen zusammengetragen, die er bekam.283 Bei diesen Anlässen
S. 150: Herzog Gaiduald folgt in Trient auf Ewin; IV, 16, S. 152: Teudelapius setzt sich in Spoleto
gegen seine Rivalen durch und folgt auf Ariulf; IV, 18, S. 152f: in Benevent folgt der von Agilulf
gesandte Arichis auf Zotte; IV, 38, S. 166f: Nach dem Tod von Herzog Gisulf vom Friaul werden
seine beiden Söhne von Patricius Gregorius getötet; IV, 43, S. 169f: Herzog Arichis von Benevent
empfiehlt seine Ziehsöhne Roduald und Grimuald als Nachfolger vor seinem eigenen Sohn; IV,
50, S. 174: Auf Grasulf folgt im Friaul Herzog Ago, auf Teudelapius in Spoleto Herzog Atto; V,
1, S. 180: Herzog Grimuald behält nach seiner Usurpation Beneventaner in seiner Nähe; V, 16,
S. 192: König Grimuald setzt Transamund als Herzog von Spoleto ein; V, 17, S. 193: Nachfolge
im Friaul bis zu Lupus; V, 22, S. 194: Lupus Sohn Arnefrit versucht vergeblich, das Herzogtum
Friaul für sich zu erobern; V, 23, S. 194f: Wechtari erhält das Herzogtum vom Friaul; V, 24,
S. 195: Auf Wechtari folgen im Friaul Landari und Roduald; V, 29, S. 196f: Im Herzogtum
Benevent werden Bulgaren angesiedelt; V, 1, S. 211: Theuderata von Benevent erbaut in Benevent
eine Kirche des hl. Petrus; VI, 24, S. 223: Munichis, der Vater Herzogs Petrus vom Friaul und
Herzogs Ursus von Ceneta, entkommt als einziger in einer Schlacht mit den Slawen; IV, 26,
S. 224: Pemmo wird Herzog vom Friaul; VI, 30, S. 225: Faroald von Spoleto folgt auf
Transamund und Wachilapus; VI, 39, S. 230: Romuald von Benevent folgt auf Gisulf; VI, 55,
S. 238: Transamund von Spoleto wird abgesetzt und Hilderich eingesetzt, den Transamund später
tötet; VI, 55, S. 238: Gregor, Neffe König Liutprands wird nach dem Tod des Romuald in
Benevent eingesetzt; VI, 56, S. 239: Gottschalk folgt auf Gregor von Benevent; VI, 57, S. 239f:
Ansprand wird in Spoleto eingesetzt, Gisulf statt Gottschalk in Benevent; VI, 44, S. 232:
Transamund reißt in Spoleto die Macht an sich und macht seinen Vater zum Geistlichen.
Rogan, Laudator temporis acti, S. 37.
Cammarosano, Paolo Diácono e il problema della regalità, betont, daß bei Paulus magische
Vorstellungen über das Königtum keinen Platz haben.
Dazu Capo, Paolo Diácono e il problema della cultura dell'Italia Longobarda, S. 177, und Zanella,
Legittimazione, S. 80.
Zanella, Legittimazione, S. 77-79, und Rogan, Laudator temporis acti, S. 35, 220 und 252-256.
Paulus Diaconus: Identitätsstiftung ohne Sinn? 233
vielmehr Gelegenheiten, die sich für eine solche ergeben würden, absichtlich nicht
nutzt, verstärkt sich, wenn man die Königsdarstellungen betrachtet. Bis auf den Usurpa-
tor Grimuald und den tugendhaften Liutprand macht Paulus für keinen langobardischen
König göttliche Vorsehung geltend. Erzählungen, die sich eigentlich dafür eignen wür-
den, werden von Paulus ins Dämonische verzerrt oder als subjektive Wahrnehmung ein-
zelner relativiert. Im Gegensatz zu den langobardischen werden die fränkischen Könige
positiv hervorgehoben. Guntchramn dient als Beispiel eines von Gott unterstützten Kö-
nigs, der Aufstieg der Linie Arnulfs von Metz wird explizit göttlichem Einwirken zuge-
wiesen. Die Idoneität der Hausmeier wird hervorgehoben und durch den idealen lango-
bardischen Herrscher Liutprand bestätigt.
Die positiven Figuren Grimuald und Liutprand sprechen für eine intendierte Legiti-
mitätsstiftung für Karl den Großen. Grimuald spielt als Usurpator mit Idoneität eine
Vorreiterrolle für eine gelungene Herrschaft Karls, Liutprand kann durch sein gutes
Verhältnis zu den Franken und die enge Anbindung an die Arnulfinger als Vorgänger
vereinnahmt werden.
Paulus, HL, ed. Waitz, III, 18, S. 124: Friedensschluß mit Smaragdus; IV, 12: Friede zwischen
Gallicinus und Agilulf; IV, 32, S. 159: Friedensschluß zwischen Agilulf und Smaragdus.
So etwa Paulus, HL, ed. Waitz, III, 18 und 19, S. 124ff.: Aufstand des Droctulf; JV, 8, S. 147: Der
Exarch Romanus verbündet sich mit Herzog Maurisius.
Paulus, HL, ed. Waitz, II, 29, S. 106f: Longinus überredet Rosamunde dazu, Helmichis zu
ermorden, um ihn zu heiraten; IV, 20, S. 153f: Der Patricius Gallicenus nimmt die Tochter
Agilulfs mit ihrem Mann gefangen; IV, 38, S. 166f.: Der Patriarch Gregorius tötet die
Herzogssöhne Taso und Kakko vom Friaul durch eine List und erfüllt an ihren Leichen den ihnen
geleisteten Schwur; IV, 42, S. 169: Aio, der Sohn Arichis' von Benevent erhält einen Trank, der
ihn wahnsinnig macht.
Paulus, HL, ed. Waitz, III, 26, S. 129-132: Der Patricius Smaragdus versucht die Verdammung
der Drei-Kapitel durchzusetzen; IV, 34, S. 160: der Patricius Eleutherius nimmt imperii iura an.
234 Die langobardischen Herkunftserzählungen
Exarchen oder des Erzbischofs von Ravenna.292 Immer wieder versuchen die langobar-
dischen Könige, den von Paulus so genannten Romani Städte oder Gebiete abzuneh-
men, und es kommt häufig zu Kämpfen vor und um Ravenna.293 Die Langobarden sind
deutlich von den feindlichen Romani abgegrenzt. Daraus läßt sich der Schluß ziehen,
daß sich die mangelnde Identitätsstiftang für die Langobarden, die man bei Paulus beo-
bachten kann, jedenfalls nicht auf ein mangelndes Bewußtsein einer solchen Identität
zurückführen läßt, denn dies ist zumindest in Abgrenzung zum Exarchat auf jeden Fall
gegeben.
Paulus kommt ebenfalls oft auf das Papsttum zu sprechen. Seine Mitteilungen gehen
dabei weit über das hinaus, was das Langobardenreich angeht,294 obwohl die Beschrei-
bungen von Auseinandersetzungen und Kontakten mit den Langobarden ein besonderes
Gewicht haben. Häufig kommen die Langobarden dabei nicht unbedingt gut weg.295 Die
friedliche Haltung Gregors des Großen gegenüber den Langobarden, die diese eigent-
lich gar nicht verdient hätten, wird von Paulus besonders gelobt: Ecce quante innocen-
tie, qui nee in morte Langobardorum, qui utique et increduli erant et omnia deva-
stabant, se noluerit ammisceri?96 Positiv hervorgehoben wird etwa das Einverständnis
und der briefliche Kontakt zwischen Gregor dem Großen und Königin Theudelinde so-
wie Herzog Arichis von Benevent.297 Ebenso betont Paulus das freundschaftliche Ver-
Paulus, HL, ed. Waitz, IV, 10, S. 149: Marianus folgt im Erzbistum auf Johannes; IV, 12, S. 150:
Gallicinus folgt im Exarchat auf Romanus; IV, 25, S. 156: Gallicinus wird von dem aus der
Verbannung zurückgekehrten Smaragdus abgelöst.
Paulus, HL, ed. Waitz, III, 19, S. 124f; IV, 8, S. 146f; IV, 28, S. 157f; IV, 45, S. 170f.; VI, 49,
S. 234f.;VI, 54, S. 237.
Z.B. Paulus, HL, ed. Waitz, III, 20, S. 126: Informationen über Schreiben des Pelagius II.; III, 24,
S. 128f: Wahl Gregors des Großen und Beschreibung der von ihm initiierten Litanei; III, 25,
S. 129: Bekehrung der Angelsachsen durch Gregor; IV, 5, S. 146: Gregor der Große verfaßt die
Dialoge; IV, 29, S. 158: Sabinianus folgt auf Gregor den Großen; V, 30, S. 197: Papst Vitalian
schickt Erzbischof Theodor und Abt Adrian nach Britannien; V, 31, S. 197: Papst Donus läßt vor
St. Peter ein Marmorpflaster legen; VI, 31, S. 225f: Papst Constantin wird von Justinian II.
empfangen; VI, 34, S. 226f: Theologische Auseinandersetzungen des Papstes Constantin mit
Kaiser Philippikos; VI, 40, S. 231: Papst Zacharias schickt Petronax von Montecassino die
Benediktregel; VI, 49, S. 234f: Auseinandersetzung des Papstes mit Kaiser Leon III. wegen des
Bildersturmes. Theologische Fragen in der Auseinandersetzung mit den byzantinischen Kaisern
scheinen Paulus ohnehin interessiert zu haben, vgl. Herren, Theological Aspects.
So etwa Paulus, HL, ed. Waitz, III, 11, S. 119: Denique et eum Roma temporibus Benedictipapae,
vastantibus omnia per cireuitum Langobardis, famis penuria laboraret...; III, 20, S. 126: ...eo
quod Longobardi Romam per cireuitum obsiderent, nee posset quisquam a Roma progredi; TV, 8,
S. 147: Gregor der Große unterbricht seinen Ezechiel-Kommentar in tantum... exterritus; VI, 28,
S. 225: quae quondam ad ius pertinuerat apostolicae sedis, sed a Langobardis multo tempore fuit
oblata...; VI, 40, S. 231: Auseinandersetzungen zwischen den Langobarden und dem Herzog von
Neapel um die Burg Cumä, die vom Papst ausgelöst wird.
Paulus, HL, ed. Waitz, IV, 29, S. 159. Zum insgesamt sehr positiven Gregor-Bild vgl. Alfonsi,
Aspetti del pensiero, S. 19, und Azzara, Figura di Gregorio Magno.
Paulus, HL, ed. Waitz, IV, 5, S. 146: Gregor sendet Theudelinde seine Dialoge; IV, 8 und 9,
S. 147f: Gregor bedankt sich bei Theudelinde für die Vermittlung eines Friedensschlusses; IV, 19,
Paulus Diaconus: Identitätsstiftang ohne Sinn? 235
hältnis von Liutprand zu den Päpsten.298 Auch in dieser Beziehung ist Liutprand ein vor-
bildlicher König. Ein gutes Verhältnis zum Papsttum zeigt eine gelungene Herrschaft
an, ein schlechtes deutet auf einen schlechten König hin. Dies ist ein Vorgriff auf Karl
den Großen, der sich eines hervorragenden Verhältnisses zum Bischof von Rom rühmen
konnte. Liutprand ist in dieser Beziehung ein legitimitätsstiftender Vorgänger für Karl.
Nur einmal berichtet Paulus davon, daß ein byzantinischer Kaiser versucht haben
soll, die Langobarden aus Italien zu vertreiben. Bei diesem Anlaß spricht ein Einsiedler
eine Prophezeiung aus: Die langobardische gens würde erst dann untergehen, wenn die
von Theudelinde gegründete Kirche Johannes des Täufers nicht mehr in Ehren gehalten
würde.299 Diese Passage hat schon von jeher viel wissenschaftliche Aufmerksamkeit auf
sich gezogen, da sich in ihr ein Hinweis auf den Untergang des Langobardenreiches fin-
det. Denn Paulus schließt an die Aussage des Eremiten an: Quod nos ita factum esse
probavimus, qui ante Langobardorum perditionem eandem beati Iohannis basilicam....
per viles personas ordinari conspeximus..?00 Bezeichnenderweise ist an dieser Stelle
nicht vom regnum Langobardorum die Rede, sondern von der perdido Langobardorum
und damit eher von der langobardischen gens. Paulus ist offensichtlich der Meinung,
daß die langobardische gens zu seiner Zeit nicht mehr existiert. Aus diesem Grund wäre
auch eine Identitätsstiftung nicht sinnvoll, die Niederschrift alter Überlieferungen kann
aber dennoch sinnvoll sein, wenn die sagenhaften Erzählungen über die langobar-
dischen Könige eine weite Verbreitung hatten und man nach Mitteln und Wegen suchen
mußte, deren identitätsstiftende Funktion auszuhebein. Goffart vermutet sogar, daß die-
se Episode eine Art spiegelverkehrter Vorgriff auf die Eroberung des Langobarden-
reiches durch Karl den Großen sein soll, die für den byzantinischen Kaiser negativ aus-
geht.301 Damit ließe sich hier ein weiterer Vorgriff auf die Frankenherrscher finden. Die
byzantinischen Kaiser sind trotz ihrer Würde nicht in der Lage, die Langobarden zu ver-
treiben oder zu unterwerfen. Damit gewinnt die Eignung Karls, dem die Eroberung des
Langobardenreiches im Gegensatz zu den Byzantinern gelang, große Bedeutung.
Aus der Frühzeit der Langobarden berichtet Paulus von mehreren gegnerischen gentes,
den Vandalen, den Assipitern, den Amazonen, den Heralern und den Gepiden. Sie alle
werden von den Langobarden besiegt, sogar wenn, wie im Falle der Heraler, ein von
Paulus deutlich als solches betontes Unrecht der Langobarden am Beginn der Auseinan-
302
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 20, S. 65-68. Paulus verurteilt die Tat mit folgenden Worten: mox
...
crudelis femina signum dédit, iniqua mandata perficiuntur. Die Erzählung von der Schwester des
Tato, die mit der Ermordung des Bruders des Herulerkönigs den Anlaß für den Krieg lieferte, ist
deutlich misogyn geprägt, wie auch die Erzählung über Herzogin Romilda vom Friaul s.u. S. 236
Anm.
303
Vgl. dazu auch Rogan, Laudator temporis acti, S. 89-102, zur Bedeutung der persönlichen
Anwesenheit beim Kampf.
304
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 20, S. 67: ut ultra super se regem omnímodo non haberent. Zu den
mündlichen Bestandteilen des Herulerunterganges vgl. Gschwantler, Überlieferung, S. 6Iff.
305
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 23, S. 70.
306
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 23-24, S. 70f.
307
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 27, S. 81.
308
Paulus, HL, ed. Waitz, I, 27, S. 80.
309
Paulus, HL, ed. Waitz, II, 1, S. 89.
310
Paulus, HL, ed. Waitz, IV, 4, S. 145; ÎV, 12, S. 150; IV, 20, S. 154: Agilulf schickt dem Khan
Handwerker; IV, 24, S. 156: Die Awaren versuchen zusätzlich, Frieden zwischen Langobarden
und Franken zu vermitteln und helfen den Langobarden bei einem Kriegszug in Istrien; IV, 28,
S. 157: die Awaren helfen Agilulf gegen den Exarchen von Ravenna.
311
Paulus, HL, ed. Waitz, IV, 37, S. 161-164. Wie die Erzählung von Rumetruda, der Schwester des
Audoin, und die Erzählung von Rosamunde hat die Darstellung der Romilda leicht misogyne
Züge. Zur Stilisierung dieser Erzählung vgl. auch Goffart, Narrators, S. 404f.
3,2
Paulus, HL, ed. Waitz, VI, 2, S. 180.
Paulus Diaconus: Identitätsstiftang ohne Sinn? 237
zu holen, wo sie furchtbar wüten, kann sie aber durch eine List wieder loswerden.313
Auch gegenüber den Awaren bemüht sich Paulus nicht um eine tiefergehende Abgren-
zung.
Eine nicht unbedeutende Rolle spielen in der Langobardengeschichte die benachbar-
ten Bayern. Die bekannteste Erzählung ist die Brautwerbung Autharis um Theudelin-
de.314 Daß diese Geschichte bei Paulus so ausführlich berichtet wird, mag zum einen da-
ran liegen, daß es eine verbreitete mündliche Erzählung gab, die die Brautwerbung zum
Inhalt hatte,315 die Paulus nicht übergehen wollte, und zum anderen daran, daß Theude-
linde eine große Rolle für die Zukunft des Langobardenreiches spielte, weil sie auch
den nächsten König heiratete und Stammutter anderer langobardischer Könige wurde.
Die Auseinandersetzungen der Bayern mit Slawen und Awaren werden häufiger ge-
schildert, ohne einen Zusammenhang zur langobardischen Geschichte.316 Etwas promi-
nenter treten die Bayern dann wieder in Erscheinung, als Ansprand auf der Flucht vor
König Aripert mit seinem Sohn Liutprand vom bayerischen Herzog aufgenommen und
später unterstützt wird.317
Andere gentes begegnen nur am Rande, etwa die Sachsen, die Alboin mit nach Ita-
lien nimmt318 und die später wieder in ihre Heimat zurückziehen, weil die Langobarden
ihnen nicht erlaubt hätten, in proprio iure subsistere?19 Einige Male berichtet Paulus
von den Angelsachsen, aber immer im Zusammenhang mit der Geschichte Italiens oder
der Langobarden.320 Die Slawen tauchen häufig als Gegner der Langobarden im Friaul
auf.321
313
Paulus, HL, ed. Waitz, V, 19-21, S. 193f.
314
Paulus, HL, ed. Waitz, III, 30, S. 133-136, vgl. Paulus, HL, ed. Capo, S. 484f.
315
Dazu Gschwantler, Überlieferung, S. 80f.
316
Paulus, HL, ed. Waitz, IV, 7, S. 146: Zug Tassilos I. gegen die Slawen; IV, 10, S. 150; IV; 39,
317
S. 167: Auseinandersetzungen von Bayern gegen Slawen unter Garibald und Sieg der Bayern.
Paulus, HL, ed. Waitz, VI, 21, S. 221; VI, 35, S. 227f; VI, 43, S. 232: die darauffolgende Heirat
318
Liutprands mit der Tochter des bayerischen Herzogs.
Paulus, HL, ed. Waitz, II, 6, S. 89.
319
Paulus, HL, ed. Waitz, III, 5-7, S. 114ff, hier S. 115. Die Annahme des langobardischen Rechts
war offensichtlich die Voraussetzung zur Integration vgl. Jarnut, Aspekte frühmittelalterlicher
320
Ethnogenese, S. 87.
Paulus, HL, ed. Waitz, III, 25, S. 129: Mission Gregors des Großen; V, 30, S. 197: Papst Vitalian
schickt Theodor als Erzbischof von Canterbury nach Britannien; V, 32, S. 198: Der im Exil
lebende Perctarit wird in Britannien aufgenommen; VI, 15, S. 217: König Cedoald bekehrt sich
und macht eine Wallfahrt nach Rom mit einer Station bei König Kuninkpert; VI, 28, S. 225: Zwei
angelsächsische Könige sterben in Rom; VI, 37, S. 229: Pilgerfahrten von Angelsachsen nach
Rom.
321
Friedliche Kontakte: Paulus, HL, ed. Waitz, IV, 24, S. 156, und IV, 28, S. 157: als Verbündete der
Awaren und Langobarden; IV, 37, S. 166: Eine slawische Frau hilft dem Urgroßvater des Paulus;
Kriegerische Kontakte: IV, 40, S. 168: Auseinandersetzungen mit den Slawen in Istrien; IV, 44,
S. 170: Auseinandersetzungen mit den Slawen im Friaul; IV, 22, S. 194: Auseinandersetzungen
mit den Slawen im Friaul; IV, 23, S. 194f.: Herzog Wechtari vom Friaul schlägt die Slawen; VI,
24, S. 222f: Herzog Ferdulf vom Friaul fällt in der Schlacht mit den Slawen; VI, 45, S. 232f:
Herzog Pemmo vom Friaul schlägt die Slawen zurück; vgl. dazu auch Curta, Slavs in Paul the
238 Die langobardischen Herkunftserzählungen
Bei den Auseinandersetzungen zwischen Franken und Langobarden sind es nicht im-
mer die Langobarden, die eindeutig die Guten sind. So kommen etwa bei einem Einfall
mehrerer Herzöge in Gallien bis auf zwei alle um, weil sie sich nach der Predigt des
heiligen Hospitius nicht bekehren wollten.322 Der Patricius Mummulus kann die Lango-
barden mehrmals zurückschlagen, allerdings in ihrer königslosen Zeit.323 Auf der ande-
ren Seite werden langobardische Siege nicht verschwiegen, scheinen aber vor allem auf
italienischem Boden errangen worden zu sein.324 Hin und wieder gibt Paulus einen gu-
ten Grund für die fränkischen Überfalle an. Childebert II. zum Beispiel greift die Lan-
gobarden an, um die Gunst des byzantinischen Kaisers zu gewinnen und mit dessen Hil-
fe seine Schwester aus Konstantinopel zu befreien.325 Bei der Auseinandersetzung
Autharis und Childeberts II. können die Langobarden den Sieg erringen, weil sie pro li-
bertatis statu kämpfen.326 Dies setzt sie offensichtlich gegenüber den Franken in eine
stärkere Position, auch wenn Paulus das nicht ausdrückt. Bei einer anderen Gelegenheit
muß sich das Heer Childeberts II. wegen einer Seuche und einer darauffolgenden Hun-
gersnot zurückziehen.327 Erneut verpaßt Paulus eine Gelegenheit, um göttliche Unter-
stützung für die Langobarden geltend zu machen.
Daneben berichtet Paulus auch von friedlichen Kontakten.328
Daß die Franken eine so prominente Rolle in der Historia Langobardorum spielen,
ist angesichts der politischen Umstände kaum verwunderlich. Den gentes der karolin-
gischen Zeit blieb kaum eine andere Wahl, als sich gegen oder mit den Franken zu defi-
nieren.329 Ähnlich wie bei den Päpsten besteht ein Zusammenhang zwischen gelungener
langobardischer Königsherrschaft und gutem Verhältnis zu den mächtigen Franken. Das
Musterbeispiel ist wieder einmal Liutprand, der gemeinsam mit Karl Martell die heid-
nischen Sarazenen zurückschlägt. Die fränkische Herrschaft im Langobardenreich be-
1
Capo, Paolo Diácono e il problema della cultura dell'Italia Longobarda, S. 183.
2
Rogan, Laudator temporis acti, S. 27-35.
3
McKitterick, Paul the Deacon and the Franks, S. 330.
Paulus Diaconus: Identitätsstiftang ohne Sinn? 241
derbarer Traum wird durch ein Zeugnis von außerhalb bestätigt, und der Aufstieg der
Karolinger zum fränkischen Thron wird explizit göttlichem Wirken zugeschrieben. Be-
denkt man dann noch den auffälligen Zusammenhang zwischen der Idoneität der lango-
bardischen Könige und dem freundschaftlichen Verhältnis zu den Franken, läßt dies den
Schluß zu, daß Paulus mit der Historia Langobardorum auch den Zweck verfolgte, die
Herrschaft Karls des Großen über das Langobardenreich zu legitimieren. Karl bekommt
mit dem Usurpator Grimuald einen positiven Vorgänger und mit Liutprand einen posi-
tiven adoptierten Großvater. Die beiden langobardischen Könige, die in Paulus' Darstel-
lung am besten wegkommen, sind also die Vorläufer des großen Frankenkönigs. Eine
Weiterführung der Historia Langobardorum wäre möglicherweise vom Grundtenor wie
der kurze Abschnitt in den Gesta archiepiscoporum Mettensium ausgefallen mit einer
bedingungslos positiven Interpretation der Eroberung. Dafür sprechen neben der Be-
handlung der Franken in der Historia Langobardorum die Berichte von den Auseinan-
dersetzungen der langobardischen Könige mit dem Papsttum, die durchweg verurteilt
werden. Karl der Große hätte als Befreier des Papsttums dastehen können.
Die Darstellungsabsicht der Historia Langobardorum erschöpft sich aber nicht in ei-
ner Legitimitätsstiftung für die Franken. Der Wert, den Paulus der guten Zusammenar-
beit von Königen und Herzögen beimißt, legt den Schluß nahe, daß seine Historia Lan-
gobardorum für ein Publikum gedacht war, das sich diese Lektionen zu Herzen nehmen
konnte und sollte. Als intendierte Leserschaft liegen fränkische Große im Langobarden-
reich oder langobardische Große, die mit den Franken kooperierten, nahe.334 Ihnen wur-
de eindrücklich vor Augen geführt, welche schlimmen Folgen mangelnde Zusammenar-
beit und Rücksichtnahme haben konnten, und viele Ereignisse der langobardischen Ge-
schichte erhalten so eine Deutung als negatives exemplum. Ganz besonders dürfte dies
für die Machenschaften des Alahis und die Torheit des Fredulf gelten. Für langobar-
dische Große vielleicht auch für die Herzöge von Benevent liegt in den Erzählungen
eine deutliche Warnung. Des weiteren stellte Paulus Informationen über familiäre und
- -
So auch McKitterick, Paul the Deacon and the Franks, bes. S. 326f.
242 Die langobardischen Herkunftserzählungen
ausgearbeitet wird. Ein Miteinander von Franken, Langobarden und Papsttum, das, wie
Paulus' historische exempla beweisen, Frieden und Wohlstand zur Folge haben wird.
Paulus arbeitet vor dem Hintergrund eines starken vorhandenen Identitätsgefühl, das er
aber bewußt zugunsten der von ihm verehrten Karolinger aushebelt.
Bis zu einem gewissen Grad läßt sich feststellen, daß Paulus Erfolg gehabt hat: Im
Hochmittelalter zumindest waren sämtliche Erinnerungen an eine langobardische Iden-
tität endgültig verlorengegangen. Das Langobardenreich hat nicht mehr identitätsstif-
tend gewirkt. Im Gegenteil: die hochmittelalterlichen Lombarden sahen die Langobar-
den als eines der vielen Eroberervölker an, die die Lombarden erfolgreich abgewehrt
hätten. Der historische Zusammenhang war ihnen nicht mehr bewußt.335
Vgl. dazu Busch, Lombarden und Langobarden, und Pohl, Memory, identity and power, S. 9f.
V. Legitimation im fränkischen Kontext
Auf dem Boden des Westfrankenreiches wurde die Trojalegende, ehe sie auf Frankreich
und die Franzosen übertragen wurde,1 nach Fredegar und dem Liber historiae Franco-
rum noch ein weiteres Mal vereinnahmt. Zu Beginn des 11. Jahrhunderts entstand in der
Normandie ein Werk, das ein besonders gutes Beispiel für die Übernahme von Origo-
Schemata in einen anderen historischen Kontext darstellt.
Der Dekan Dudo von St-Quentin schrieb im Auftrag der normannischen Herzöge
eine Geschichte über die mores et actus telluris Normannicae? Der Titel des Werkes
De moribus et actis primorum Normanniae ducum, den Duchesne ihm in seiner Erstedi-
tion gab, ist irreführend, der in mittelalterlichen Katalogen überlieferte Titel Historia
Normannorum trifft den Inhalt des Werkes besser.3 Dudo verfaßte eine erste Prosaver-
sion etwa zwischen den Jahren 994 und 1015,4 anschließend erweiterte er sie um viele
Gedichte,5 die den Verlauf der Erzählung allerdings nur kommentieren. Den Anstoß für
1
In Frankreich wurde besonders für die Königsdynastie öfter auf die trojanische Herkunft der
Franken zurückgegriffen als in Deutschland, vgl. dazu Graus, Troja, vor allem S. 35ff. Vgl. zu
Dudo allgemein Prentout, Étude critique; M. Sot, Dudo von St-Quentin, in: LexMa 3, Sp. 1438f;
Kersken, Geschichtsschreibung, S. 81-86.
2
Dudo, ed. Lair, Epístola panegyrica, S. 119. Einige der hier gemachten Überlegungen habe ich
schon an anderer Stelle geäußert, vgl. Plassmann, Tellus Normannica.
3
Van Houts, The GND. A History without an End, S. 107.
4
Van Hours, The GND. A History without an End, S. 107, und Huisman, Notes on the Manuscript
Tradition, S. 135.
5
Huisman, Notes on the Manuscript Tradition, S. 125. Dagegen Christiansen (Hrsg.), Dudo of Saint
Quentin, S. XIII.
244 Legitimation im fränkischen Kontext
De moribus et actis hat der normannische Herzog Richard I. gegeben. Es handelt sich
um ein Auftragswerk, das vor allem der Verherrlichung der Herzogsdynastie gedient
haben dürfte, die mit den Normannen allerdings so eng verknüpft wird, daß eine nor-
mannische Geschichte entstand.6 Diese normannische Geschichte diente der Einbettung
der „Parvenus" in die westfränkische Umgebung. Daher bietet die normannische Ge-
schichte des Dudo Legitimation und Identitätsstiftung für die Normannen, die an ihrer
Herkunft exemplifiziert werden.
Dudo war durch den karolingischen Bildungskanon geprägt und wurde wahrschein-
lich in Lüttich erzogen.7 Die noch junge Kirchenreform hat ihn nicht beeinflusst, und
ihre Vertreter sind von Dudo eher abgelehnt worden.8
Dudo selbst war kein Normanne, sondern stammte aus der Grafschaft Vermandois.9
Bei Dudo haben wir es wie bei Gregor von Tours mit einer „Außensicht" zu tan. Die
Normannen, später in den europäischen Kultarkreis eingetreten als die gentes des Früh-
mittelalters, fanden in ihm den lateinischen Geschichtsschreiber ihrer Herkunft, der sie
in die christlichen gentes einreihte10: Er ersetzte ihre eigene vorchristliche Tradition
durch eine trojanische Herkunft.
6
Abzulehnen ist die These von Lifshiz, Dudo's Historical Narrative, vor allem S. 117ff, daß Dudo
sein Werk geschrieben habe, um für die Nachfolge Richards II. einzutreten. Diese war aber nicht
in dem Maße gefährdet, wie Lifshiz annimmt, und es ist kaum davon auszugehen, daß Dudo sein
Werk in der kurzen Zeit vor Richards I. Tod (996) vollendet haben könnte. Nach dessen Tod wäre
dann der Zweck für die Abfassung des Werkes entfallen und Dudo hätte sich nicht weiter
bemühen müssen. Vgl. dazu auch Christiansen (Hg.), Dudo of Saint Quentin, S. XXVIIIf. und
Webber, Evolution, S. 34. Lifshiz S. 106, stützt ihre These hauptsächlich auf eine Emendation der
,
Edition von Lair. Den Satz bei Dudo, ed. Lair, Epistola Panegyrica S. 119: scilicet ut mores
actusque telluris Normannicae, quin etiam et proavi sui Rollonis, quae posuit in regno jura
describerem. emendiert sie folgendermaßen: mores actusque telluris Normannicae, quin etiam
proavi sui Ricardus quae posuit in regno iura. Dudo habe das Recht Richards II. auf die
Normandie, das Reich seines Urgroßvaters, bekräftigen sollen. Dagegen ist einzuwenden, daß die
Verwendung des Verbs poneré in dieser Bedeutung merkwürdig wäre und proavi sui eher bei
regno stehen müßte, wenn es sich auf regno bezöge. Außerdem berichtet Dudo im ersten Buch
tatsächlich über die Gesetzgebung Rollos, wie er es laut dem Text der Edition Lairs auch
angekündigt hat, geht aber keinesfalls explizit auf Nachfolgeprobleme Richards II. ein, wie man
nach Lifshiz' Vermutung erwarten sollte. So ergibt der Satz nur in der Version bei Lair Sinn und
Lifshiz' Emendation ist nicht berechtigt. Zum Zweck der De moribus et actis vgl. auch Shopkow,
History and Community, S. 181-189. Die Ausführungen von Albu, Normans in their Histories,
S. 7-46, sind zu großen Teilen spekulativ.
7
Shopkow, Carolingian World.
8
Vgl. Vopelius-Holtzendorff, Studien zu Dudo, S. 69 und Plassmann, Wandel des normannischen
Geschichtsbildes, S. 206.
9
Wie er selbst berichtet, Dudo, ed. Lair, IV, 127, S. 295, kam Dudo das erste Mal als junger
Kanoniker im Auftrag Graf Alberts von Vermandois an den Hof Richards I. Spuren einer
positiven Einstellung gegenüber den Grafen von Vermandois lassen sich in seinem Werk finden,
wo immer sie sich gut in seinen normannischen Erzählstrang einfügen, vgl. Shopkow, Man from
Vermandois.
10
Dazu auch Shophkow, History and Community, S. 185f.
Dudo von St-Quentin 245
Dudo ist als historische Quelle lange verlacht und kritisiert worden.11 Da er von der
normannischen Frühzeit nicht als Augenzeuge berichtet und eine stark anekdotenhafte
Darstellungsweise hat, galt er als unzuverlässig. Betrachtet man ihn indes als Quelle für
die Einstellung der normannischen Herzöge ihrer eigenen Geschichte gegenüber, ist er
von großem Wert.12
Dudos Werk entstand drei Jahrhunderte nach dem Liber historiae Francorum und
seiner Trojaversion. Eine Traditionslinie läßt sich daher schwer ziehen, insbesondere da
es nicht mehr um die trojanische Herkunft der Franken geht.13 Andererseits ist in Dudos
Werk eine Anlehnung an die Aeneis zu spüren, 14 so daß die Trojaerzählung ihm nicht
fremd war.
Dudo ist ein exzellentes Beispiel für die Möglichkeiten, die eine Origo bot, denn im
Fall der Normandie haben wir es nicht mehr im strengen Sinn mit einer barbarischen
gens zu tan, die auf dem Boden des ehemaligen römischen Imperium ein Reich gründe-
te. Dudos Werk entstand auf einer zweiten Stufe der gesamteuropäischen Entwicklung,
der Vermittlung des Christentums und des römischen Erbes an gentes, die erst nach dem
Zusammenbrach des römischen Reiches in engeren Kontakt mit der christlichen Welt
getreten waren. Daher erfolgt die Orientierung nicht an dem spätantiken Imperium, son-
11
Höhepunkt dieser Quellenkritik alten Stils ist Prentout, Étude critique. Aber auch noch Bates,
12
Normandy before 1066, S. 8f, kann Dudo als Quelle nichts abgewinnen.
Darauf hat schon Searle, Fact and Pattern, v.a. S. 120f, hingewiesen. Dagegen Christiansen
(Hrsg.), Dudo of Saint Quentin, S. XXIIIf, der die Bitte Richards I. um eine Niederschrift der
normannischen Geschichte für einen literarischen Topos hält. Selbst wenn Dudo die Schilderung
von Richards I. Bitte tatsächlich an Heiric von Auxerre angelehnt hat, spricht dies nicht dagegen,
daß eine solche Bitte stattgefunden hat. Christiansen a.a.O. S. XXIX kann dann konsequenterweise
auch keinen Initiator für das Werk ausmachen. Es scheint aber etwas merkwürdig, daß Dudo das
umfängliche Werk geradezu aufs Geratewohl geschrieben haben soll, wenn sich gleichzeitig solch
deutliche Anzeichen für einen panegyrischen Zweck finden lassen.
13
Die trojanische Herkunft der Franken ist im 12. Jahrhundert nachweisbar im normannischen
Kloster Bec bekannt gewesen, vgl. Lair, Matériaux, S. 30f: In einem von Robert von Torigni
benutzten Manuskript (Leiden, Universitätsbibliothek, MS BPL 20 von c. 1160) findet sich die
Abbreviatio gestorum regum Franciae, (fol. 52r-59r), deren Erwähnung von Sicambria (Lair,
Matériaux, S. 31) dafür spricht, daß sie die Trojaversion des Liber historiae Francorum geboten
hat. In derselben Handschrift ist außerdem die Historia Brittonum (fol. 101v-106r) überliefert, die
die Trojaherkunft der Briten bietet. Zum Manuskript vgl. auch Wilhelm von Jumièges, ed. van
Hours, S. ClXf. Die Abbreviatio ist unter dem Titel Historia regum Franciae monasterii Sancti
Dionysii von Waitz ediert worden, vgl. MGH SS 9, S. 395-406 und ebd. S. 343 den Kommentar.
Ermoldus Nigellus, In Honorem Hludovici, ed. Dümmler, 1.4, S. 59, Z. 18, scheint auf eine
Abkunft der Franken von den Dani anzuspielen: Unde genus Francis adfore fama referí, und
damit eine Verwandtschaft zu behaupten. Schon Faral, La légende Arthurienne, S. 288-293, ging
davon aus, daß Dudo und Wilhelm die fränkische Trojaversion gekannt und auf die Normannen
14
übertragen haben.
Bouet, Dudon et Virgile. Neuerdings hat man hinter dieser Anlehnung an Vergil eine ironische
Absicht vermutet, vgl. Hanawalt, Dudo, und dies. (Albu), Normans in their Histoires, S. 40ff. Dies
ist m.E. aber weit hergeholt, und es sprechen ähnliche Gründe dagegen wie bei einer „ironischen"
Interpretation des Gregor von Tours, s. o. S. 119.
246 Legitimation im fränkischen Kontext
dem an der spätkarolingischen Welt, in der Dudo aufgewachsen ist. Eine Verschiebung
der Origo-Schemata ist bei Dudo aus diesem Grand sicher zu erwarten.
Auf der einen Seite ist Dudos Zweck in der Beschreibung normannisch-fränkischer
Feindschaft vermutet worden, auf der anderen Seite wurde sein Werk als Zeugnis der
Integration in die (west-)fränkische Welt interpretiert.15 Dudo leistet aber beides.
2. Kurzer Abriß der Geschichte der Normandie von Rollo bis Richard II.
Wie in den Fällen anderer gentes setzt die historiographische Überlieferung in der Nor-
mandie erst ein, als die innere Ordnung bereits eine Generation gefestigt war. Vor Dudo
haben wir lediglich durch fränkische Geschichtsschreiber und einige urkundliche Quel-
len Nachricht von den Normannen, so daß sich die von Dudo beschriebenen Ereignisse
nur bedingt an anderen Quellen überprüfen lassen.16 Ein bei der Entstehung der Nor-
mandie immer wieder diskutiertes Problem ist die Frage nach Kontinuität: Griffen die
Normannen auf fränkische Vorbilder und Verwaltangsstruktaren zurück oder schufen
sie etwas Neues?17 Dudo suggeriert einen Neuanfang, so daß wir zumindest im Selbst-
verständnis der Normannen mit einem Bruch zwischen der fränkischen Vorgeschichte
und der normannischen Übernahme rechnen müssen. Die Normannen sind für Dudo eng
mit der Normandie verbunden, tellus Normannica steht im Mittelpunkt seiner Darstel-
lung. Andere ethnische Elemente der Bevölkerung der Normandie sind Dudo dabei ge-
mäß seiner Darstellung eines radikalen Neuanfanges unwichtig.
Die Entwicklung der Normandie läßt sich grob folgendermaßen skizzieren:18 In
einem foedus wurden von Karl dem Einfältigen im Jahre 911 Normannen, unter ihnen
Rollo, in Rouen angesiedelt, die ihresgleichen von den Küsten fernhalten sollten.19 Ob
Rollo dabei in das Grafenamt von Rouen eingesetzt wurde, ist umstritten.20 Seinem
15
Vgl. etwa Searle, Fact and Pattern, die die Diskontinuität betont, und Shopkow, Carolingian
World, die den fränkischen Einfluß hervorhebt.
16
Zu den wenigen Quellen vgl. Bates, Normandy before 1066, S. XIII.
17
Dies ist auch in den letzten Jahren immer wieder unterschiedlich beantwortet worden: vgl. etwa
Bates, Normandy before 1066 (Kontinuität) und Searle, Predatory Kinship (Diskontinuität),
zuletzt Chibnall, Normans, vor allem S. 9-37 (Kontinuität). Einen etwas älteren aber immer noch
instruktiven Überblick über das Kontinuitätsproblem bietet de Bouard, De la Neustrie
carolingienne à la Normandie féodale; jetzt aber auch Bates, Northern Principalities, über das
Problem der Kontinuität überhaupt und besonders S. 404-406 über die Normandie sowie Bauduin,
Première Normandie, S. 25-34.
18
Vgl. Bates, Normandy before 1066, S. 2-38 und ausführlich vor allem unter dem Aspekt der
Grenze Bauduin, Première Normandie.
19
Recueil des actes de Charles le Simple, Nr. 92, S. 211: pro tutela regni habe Karl Rollo Land
gegeben, vgl. auch Zettel, Bild der Normannen, S. 285f. Allerdings hat Searle, Frankish
Rivalries, vor allem S. 203f, darauf aufmerksam gemacht, daß die Normannen für Karl den
20
Einfältigen auch willkommene Bundesgenossen gegen andere fränkische Große sein konnten.
Dafür sprechen sich etwa Werner, Débuts du „duché" de Normandie, S. 695, und Bates,
Normandy before 1066, S. 10, aus. Der in einer Urkunde Karls von 905 erwähnte Odilo (Recueil
Dudo von St-Quentin 247
Nachfolger Wilhelm Langschwert gelang es, sich zum alleinigen Anführer der Norman-
nen zu machen und seinen Machtbereich auszudehnen, bis er auf Betreiben des Amulf
von Flandern ermordet wurde.21 Unter Richard I. gelangte nach der Überwindung der
Krise während der Minderjährigkeit neben der Gegend um Rouen nun auch die Hoch-
normandie unter die Herrschaft des princeps Normannorum.22 Der Herzogtitel taucht
zum ersten Mal unter Richard II. auf, bezeichnenderweise erst nach der Erhebung Hugo
Capets vom dux Franciae zum rex?3 Die Normandie wurde Rollo nicht als geschlos-
sene Herrschaft oder gar als Herzogtum übergeben, sondern entwickelte sich erst unter
Richard II. zu der Gestalt, die Dudo seinem Publikum als immer schon vorhanden sug-
geriert.24
Zum Zeitpunkt der Entstehung von Dudos Werk war die Normandie ein gefestigtes
Fürstentum im Westfrankenreich.25 Die normannischen Herzöge hatten sich im Kreise
ihrer Nachbarn durchgesetzt. Im allgemeinen unterstützten die normannischen Herzöge
Richard I. und Richard II. die neue kapetingische Dynastie. Ein expansives Ausgreifen
der Normannen auf ihre Umgebung ist zu diesem Zeitpunkt noch auf die Bretagne be-
schränkt. Auf der anderen Seite erfolgte die Aufnahme der Normannen in den Kreis der
westfränkischen Großen nur zögerlich und schrittweise. Noch um 996 hatte Richer von
St-Remi die Normannen als pyratae beschimpft.26 Auf normannischer Seite mag also
das Verlangen bestanden haben, die endgültige Aufnahme in die christliche Zivilisation
zu forcieren bzw. zu befestigen. Sie hatten das Bedürfnis der Aufsteiger nach Rechtfer-
des actes de Charles le Simple, Nr. 51, S. 112f.) wird als Graf von Rouen identifiziert, obwohl sich
dafür keinerlei Hinweise finden, und als der „Vorgänger" Rollos angesehen. Diese Deutung wird
von Searle, Predatory Kinship, S. 200, angegriffen. Gegen die These vom Grafenamt spricht auch
die Tatsache, daß Flodoard an einer Stelle von mehreren Normannen spricht, denen Land gegeben
wurde, und an einer anderen Stelle die Übereinkunft mit Karl dem Einfältigen als foedus
bezeichnet, siehe Flodoard, Annales, ed. Lauer, ad a. 925, S. 29: Nordmanni de Rodóme foedus
quod olim pepigerant... Auch in einer Urkunde Karls ist davon die Rede, daß er das Land Rolloni
suisque comitibus gegeben habe, also Rollo und seinen Gefährten, vgl. Recueil des actes de
Charles le Simple, Nr. 92, S. 211.
Daß Arnulf von Flandern hinter der Ermordung stand, ist keine Erfindung von Dudo; vgl.
Flodoard, Annales, ed. Lauer, ad a. 942, S. 86.
Dieser Titel wird bei Flodoard verwendet: Annales, ed. Lauer, ad a. 933, S. 55.
Vgl. Werner, Débuts du „duché" de Normandie, S. 706f, und ders., Völker und Regna, S. 36f.
Zur Verwendung des Herzogtitels ab Richard II. durch die Herzöge selbst vgl. auch Kienast,
Herzogstitel, S. 111-137, zur Benennung als Herzog durch die französischen Könige, S. 138f.
Zur Entwicklung der Normandie vgl. auch Bates, Normandy before 1066, S. 9f. Zur Illusion des
immer schon vorhandenen Herzogtums überaus instruktiv Werner, Débuts du „duché" de
Normandie.
Zur Geschichte der Normandie vor Wilhelm dem Eroberer vgl. Bates, Normandy before 1066;
Searle, Predatory Kinship, und Bauduin, Première Normandie.
Richer, ed. Hoffmann, II, 20, S. 112: Wilhelm ist piratarum dux; Richer, ed. Hoffmann, II, 28,
S. 118: Wilhelm Langschwert ist princeps pyratarum.
248 Legitimation im fränkischen Kontext
3. Die Origo der Normannen
Ehe sich Dudo an die Beschreibung der Taten der Normannen macht, bietet er einen
geographischen Überblick über Europa und lokalisiert das Land Dada in der Nähe der
Skythen. Die zwischen Donau und dem pons scythicus lebenden Völker sind ferae
gentes et barbarae. Sie kamen barbárica consuetudine von der Insel Canza, die man
nach Dudos etwas ungenauer Beschreibung in Germania vermuten muß, und besiedeln
die Provinzen Alania, Dada und Getia?1 Da sie dort innúmeras sobóles zeugen, haben
sie bald Probleme: Die geringen Ressourcen sind Gegenstand heftiger Auseinanderset-
zungen, und daher werden junge Männer nach Loswurf veterrimo ritu, in externa regna
extruduntur nationum, ut acquirant sibi praeliando regna, quibus vivere possint pace
perpetua ?% Die Erklärung der Wanderung der Daci durch Bevölkerangsdrack dürfte
wie auch der Name der Insel Canza auf Jordanes zurückgehen.29 Mit diesem Herkunfts-
gebiet konnte Dudo eine Verwandtschaft der Normannen zu den Trojanern nachweisen.
Die Daci, also Daker, setzt Dudo mit den Danai oder Dani, den Danaern gleich, die er
fälschlich für Trojaner hält: Igitur Daci nuncupantur a suis Danai, vel Dani, glorian-
-
Der aus Dada32 vertriebene Hasting begibt sich ins Frankenreich, um dort Beute zu
machen und zu plündern. Dudo beschreibt sein Wüten in den kräftigsten Farben, wie
ein Wolf im Schafstall, wie ein Löwe gegen Hirsche sei Hasting im Frankenreich einge-
fallen.33 Hastings heidnische Einstellung wird daran deutlich, daß er Kirchen und Klö-
ster überfällt.34 Er wütet so schlimm, daß das Frankenreich schließlich sogar penitus
evacúala ist.35 Auf dem Höhepunkt der Plünderangszüge beschließt er Rom zu erobern:
Romam eamus, eamque sicuti Franciam nostro dominatui subjugemus?6 Die Norman-
nen landen aber nicht in Rom, sondern in einer italienischen Stadt namens Luna, die sie
fälschlich für Rom halten. Da Hasting die Stadt nicht mit Waffengewalt nehmen kann,
ersinnt er eine List: Er tat so, als sei er erkrankt und wolle sich taufen lassen. Anschlie-
ßend tragen seine Gefolgsleute die „Leiche" in die Stadt zum Begräbnis, wo der wieder-
erstandene Hasting die Stadtbewohner dann niedermacht.37 Die Taufe, die Hasting er-
32
Dies sollte man nicht eingeschränkt als Dänemark verstehen, sondern eher als Skandinavien
allgemein. So schon Lair, Étude historique sur Dudon de St-Quentin, in: ders. (Hrsg.), Dudo, De
moribus et actis, S. 50. Prentout, Étude critique, S. 136; Douglas, Rollo of Normandy, S. 419;
Searle, Fact and Pattern, S. 136, und Renaud, Vikings, S. 50, gehen davon aus, daß Dudo eine
dänische Herkunft Rollos, die durch spätere Sagas widerlegt werde, mit Absicht vorgetäuscht
habe. Dies ist m.E. unwahrscheinlich. Die fränkischen Quellen vor Dudo machten keinen
Unterschied zwischen Norwegern und Dänen, sondern benannten die Wikinger allgemein
Nortmanni oder Dani (vgl. Böhm, Nomen gentis Normannorum, S. 643, und Zettel, Bild der
Normannen, S. 41-44), was Dudo übernommen haben dürfte. Die sprachlich lediglich dialektal
wahrnehmbaren Unterschiede zwischen Norwegern und Dänen zur Zeit Dudos dürften ihm gar
nicht bewußt geworden sein. Daher ist auch die Erklärung von Loud, Gens Normannorum,
S. 108f., von Daci als Dänen zurückzuweisen. Daß Dudos Nachfolger Wilhelm von Jumièges
dann die Daci tatsächlich als Dänen verstand, heißt nicht, daß Dudo dies schon so gedacht hat.
Nach der Beschreibung, die Dudo am Anfang seines Werkes liefert, ist Dada im Süden zwischen
Pons Scythicus und Donau angesiedelt. Er hat hier offensichtlich seine verschiedenen Quellen
vermischt, vgl. Stok, II mondo geo-antropico di Dudone, S. 141. Dudos Vorstellung von
Skandinavien (Scanza) dürfte nicht allzu genau gewesen sein. Nur an einer einzigen Stelle (IV,
119, S. 282) spricht Dudo von Northguegigenae. Musset, L'image de la Scandinavie, S. 216f,
verweist auf eine Stelle bei Dudo (ed. Lair, III, 54, S. 198), an der von Auseinandersetzungen
zwischen Sachsen und Dänen die Rede ist, und interpretiert dies so, daß Dudo die Lage
Dänemarks bewußt gewesen sein muß. Dies trifft aber nur dann zu, wenn Dudo genaue
33
Vorstellungen über die Sachsen hatte.
Dudo, ed. Lair, I, 3, S. 131: Frémit circa muros praesidiorum, ceu lupus circa caulas ovium...
Persequitur cunetas, ceu leo cervos. Ob das negative Bild des Wolfes, das sich bei Dudo findet,
wirklich auf den Fenriswolf zurückgeht, wie Albu, Normans in their Histories, S. 42, meint,
scheint eher zweifelhaft, da die christliche Interpretation völlig ausreicht, um die Wölfe als negativ
zu klassifizieren. Vgl. etwa die Wolfmetaphern bei Gildas, der germanische Mythologie eher nicht
kannte, s. o. S. 47f.
34
Dudo, ed. Lair, I, 3, S. 131.
35
Dudo, ed. Lair, 1,4, S. 132.
36
Dudo, ed. Lair, 1,5, S. 132.
37
Dudo, ed. Lair, I, 5-7, S. 133-135. Dieses Motiv des listigen vorgetäuschten Todes ist von
weiteren Schriftstellern in anderen Kontexten übernommen worden, vgl. Böhm, Nomen gentis
250 Legitimation im fränkischen Kontext
hält, ist ad animae suae lnteritum.3i Hasting ist laut Dudo ein nequissimorum nequior,39
also die Verkörperung der Bosheit. Parallel dazu werden die principes illius urbis als
martyrio coronandi beschrieben.40 Nach der Eroberung Lunas triumphiert Hasting, weil
er meint Rom eingenommen zu haben, die dominatrix gentium?1 Seinen Zorn darüber,
daß es sich doch nicht um Rom handelt, läßt Hasting dann an der Stadt aus, indem er sie
in Schutt und Asche legt.42 Ins Frankenreich zurückgekehrt, wird Hasting vom rex
Francorum durch Tributzahlungen beschwichtigt.43 Damit schließt die Erzählung über
Hasting.
Hastings Funktion ist eindeutig die eines Gegenbildes zu Rollo, dem Gründer der
Normandie.44 Er ist zwar ähnlich wie später Rollo aus Dada vertrieben worden, aber im
Gegensatz zu Rollo hat er keine Bestimmung, die in einem fernen Land erfüllt werden
müßte. Seine Vertreibung geht auf einen zufälligen Loswurf zurück, die des Rollo auf
den Neid des dacischen Königs. Auch die Bestimmung, die Hasting sich selber anmaßt
anstatt sie wie Rollo von der göttlichen Allmacht zu erhalten -, nämlich Rom zu be-
siegen, wird nicht erfüllt. Hasting will die dominatrix gentium erobern, und es gelingt
-
ihm doch nur, ein kleines italienisches Städtchen zu überlisten. Er greift nach dem
Mond und wird von Dudo lächerlich gemacht. Hasting, der seinen Weg selbst bestim-
men will, scheitert kläglich. Eine weitere Funktion des Hasting ist, den Boden für Rollo
und seine Normannen zu bereiten, denn die Verwüstung der Francia ist gewissermaßen
die Grundlage, auf der die Normandie unter Rollo als neues regnum entstehen kann.45
Hasting vollzieht also stellvertretend für Rollo das primordiale Verbrechen, das die Eth-
nogenese der Normannen erst ermöglicht. Rollos normannische Wildheit läßt sich im
Unterschied zu der des Hasting zähmen und wird von vornherein nicht in so kräftigen
Farben gemalt. Rollo wird von Hasting „entlastet". Unterstrichen wird der Gegensatz
Hasting-Rollo durch die parallele Gestaltung von Details, die den Unterschied zwischen
beiden um so deutlicher hervortreten lassen. Hasting etwa verhandelt in Luna mit comes
und episcopus,46 ähnlich wie Rollo mit dem Bischof von Rouen und dem Herzog von
Francia konferiert.47 Des weiteren setzt sich schon Hasting mit den Franken auseinan-
der.
Normannorum, S. 677. Zu dieser speziellen List auch Zotz, Odysseus im Mittelalter, S. 226.
38
Dudo, ed. Lair, 1,6, S. 133.
39
Dudo, ed. Lair, 1,6, S. 134.
40
Dudo, ed. Lair, 1,6, S. 134.
41
Dudo, ed. Lair, I, 7, S. 135, und I, 5, S. 132, Rom ist die domina gentium.
42
Dudo, ed. Lair, I, 7, S. 135.
43
Dudo, ed. Lair, I, 8, S. 136f.
44
So auch Shopkow, History and Community, S. 70f. Zu Hasting vgl. auch Amory, Viking Hasting,
und Meli, Preistoria vichinga.
45
Eindrucksvoll von Dudo, ed. Lair, I, 26, S. 166, bei den Verhandlungen der Franken mit Rollo
46
ausgeführt: Terra haec penitus desoíala, militibus privata, aratro non exercita...
Dudo, ed. Lair, I, 6, S. 133.
47
Dudo, ed. Lair, II, 26 und 27, S. 167.
Dudo von St-Quentin 251
stiftete göttliche Legitimität. In England hat Rollo dann wiederum einen Traum, der
-
noch ausführlicher ist: Er befindet sich auf einem Berg in Francia und wird an einer
Quelle vom Aussatz geheilt, von dem Berg sieht er auf die Nester vieler Vögel unter-
schiedlicher Art hinab, die aber alle einen roten Flügel haben. Dies ist laut Dudo ein
Bild des zukünftigen Friedens in der Normandie, in der Menschen unterschiedlicher
- -
begeben. Dudo spielt hier natürlich auf das Wortspiel Angeli-Angli an, das er aus Bedas
-
Kirchengeschichte gekannt hat. Daß die Träume Rollos seine heilsgeschichtliche Bestimmung
widerspiegeln, hat auch Carozzi, Des Daces aux Normands, S. 13, hervorgehoben.
Zur Orientierung an den Irrfahrten des Aeneas vgl. Searle, Fact and Pattern, S. 128f; Shopkow,
History and Community, S. 150, und allgemein Bouet, Dudon et Vergile, sowie Albu, Normans in
their Histories, S. 7-46.
252 Legitimation im fränkischen Kontext
Herkunft unter der Herrschaft der Herzöge vereint werden.54 Die Heilung vom Aussatz
durch die Quelle, die die christliche Taufe symbolisiert, ist der Constantin-Silvesterle-
gende entlehnt,55 die Beschreibung der Vögel geht wohl auf ein skandinavisches Motiv
zurück.56 Die Anlehnung an die Silvesterlegende, die auch Dudos Publikum bekannt ge-
wesen sein dürfte, betont erneut die überirdische Legitimierung der Normannenherr-
schaft, das Bild der Vögel macht deutlich, daß die Entwicklung der Normannen erst in
der Normandie unter der friedlichen Herrschaft des Herzogs abgeschlossen sein wird
und daß ihre Erlebnisse vorher nur Stationen auf dem Weg zur Identitätsfindung in der
für sie vorgesehenen Normandie sind. Als Rollo das erste Mal Rouen betritt, erkennt er
gleich, daß diese Stadt ihm in seiner Vision verheißen wurde. Auch seine principes sind
quasi futurorum praescii divinaeque inspirationis praesagio imbuti überzeugt, daß sie
das ihnen verheißene Land vor sich haben: Forsan interpretatio tuae visionis vertetur in
finibus istis.51 Bestätigt wird dies später noch einmal vom englischen König Alstemus,
dem Rollo von der Belagerung Paris' zur Hilfe eilt: Tibí praemaximas debeo grafías,
quia tibi a Deo datum regnum propter me dimisisti.5i Als die Normannen sich endgültig
mit den Franken einigen wollen, weist Dudo noch einmal auf die Vision zurück.59
Glaubt man Dudo, so hat Rollos Enkel Richard I. die Abtei von Fécamp im Gedenken
an die Vision seines Großvaters erbaut.60
Aufgrund der legitimitätsstiftenden Funktion Gottes ist das Christentum ein stabili-
sierendes Moment in der Herrschaft der Herzöge, und die Bekehrung der Normannen
wird von Dudo entsprechend herausgearbeitet, indem er an einzelnen Stationen immer
wieder innehält und auf das Thema zurückkommt. So erfolgt die Bekehrung des Rollo
in Dudos Bericht allmählich. Während eines vergilischen Sturms wird Rollo gefährdet
und dazu gebracht, für die sichere Landung zu beten.61 Im Frankenreich angekommen
deponiert Rollo obwohl er noch nicht getauft ist die Reliquien einer heiligen Hamel-
trud in der Nähe von Jumièges.62 Bei der Belagerung von Chartres, das Rollo nicht als
- -
Herrschaftsgebiet bestimmt ist, wird die Stadt durch den Einsatz eines Kreuzes und ei-
54
Dudo, ed. Lair, II, 6, S. 146. Potts, Unum ex diversis gentibus, S. 142, hat darauf aufmerksam
gemacht, daß hier die unterschiedliche ethnische Herkunft der Normannen deutlich gemacht wird,
die der Fiktion der gemeinsamen Abstammung widerspricht. Daß die unterschiedliche ethnische
Herkunft einer gens in der Origo selbst zutage tritt, ist selten.
55
Zu den Anklängen an die Constantin-Silvesterlegende vgl. auch Shopkow, History and
56
Community, S. 127.
Dafür spricht ihr Auftauchen in Quellen des ebenfalls von Skandinaviern besiedelten Ostanglia,
57
vgl. Hart, East Anglian Chronicle, v.a. S. 260.
Dudo, ed. Lair, II, 11, S. 152f.
58
Dudo, ed. Lair, II, 18, S. 158.
59
Dudo, ed. Lair, II, 26, S. 167: Rollo igitur et sui, his renuntiatis, nimium exhilarati, typicum
intellectum remémorant visionis.
60
Dudo, ed. Lair, IV, 126, S. 290f.
61
Dudo, ed. Lair, II, 9, S. 149: Hamm vero orationum precibus finitis, mox mare quiescit.
Möglicherweise hat Dudo das Motiv der Bedrängnis auf See auch der Vita des heiligen Germanus
von Heiric von Auxerre entlehnt, vgl. Shopkow, History and Community, S. 128.
62
Dudo, ed. Lair, II, 9, S. 152.
Dudo von St-Quentin 253
ner Reliquie der Muttergottes vor Rollo gerettet, der damit erneut eine Demonstration
der Macht des christlichen Gottes erlebt.63 Rollo wird schrittweise an den neuen Glau-
ben herangeführt und zeigt schon vor seiner Taufe Verhaltensweisen, die einem christ-
lichen Herrscher angemessen wären. Schließlich wird er nach dem Friedensschluß mit
dem westfränkischen König getauft und trägt seinem neuen Glauben Rechnung, indem
er Schenkungen an Kirchen veranlaßt. Außerdem bewegt er seine Gefährten zur Tau-
fe.64 Dies Element hat Dudo der Taufe Chlodwigs nachgebildet.65 Das Christentum sei-
nes Nachfolgers Wilhelm Langschwert ist dann schon so tief verwurzelt, daß er in das
Kloster Jumièges eintreten will.66 Seine Ermordung wird von Dudo zu einem Martyrium
stilisiert,67 das der Herzogsfamilie einen heiligen Ahn verschafft. Richard I. schließlich
ist so standhaft im Glauben, daß er in der Normandie neu angekommene heidnische
Daci durch eine Predigt bekehren und in die normannische Gemeinschaft integrieren
kann.68 Er ist die Verkörperung aller christlichen Herrschertagenden. Dudo bezieht die
Seligpreisungen des Neuen Testamentes explizit einzeln auf Richard und erläutert ge-
nauestens, weshalb sie auf Richard zutreffen.69
63
Dudo, ed. Lair, II, 23-34, S. 162ff.
64
Dudo, ed. Lair, II, 30, S. 170f. Ob Rollo tatsächlich getauft wurde, ist unklar. Der Planctus auf
Wilhelm Langschwert, ed. Becker, S. 194, bezeichnet ihn als Heiden. Auf der anderen Seite ist die
Taufe üblicherweise eine Voraussetzung zur Einigung mit Normannen gewesen vgl. Zettel, Bild
der Normannen, S. 285; Schmitz, Heriveus von Reims, S. 73ff. Zu Rollos Schenkungen vgl. Potts,
Monastic Revival and Regional Identity, S. 14.
65
Shopkow, Carolingian World, S. 28.
66
Dudo, ed. Lair, III, 58, S. 200-203. Die Interpretation von Shopkow, History and Community,
S. 71-73, daß Wilhelm Langschwert ein Keuschheitsgelübde abgelegt habe, das ihm in Dudos
Augen seine sexuelle und kriegerische Kompetenz geraubt habe, scheint etwas zu weit zu gehen.
-
67
Dudo, ed. Lair, III, 62, S. 207: Hie martyrizandus citra, ille dolosus et perfidus ultra beschreibt
-
Dudo die Verhandlungsparteien zwischen Arnulf und Wilhelm am Ufer der Somme. Wilhelm
kommt außerdem mit 12 (!) Gefährten zu der Verhandlung. Schließlich heißt es dann: Sie
pretiosus marchio Willelmus testisque Christi gloriosissimus felici martyrio consecratur.
Taliterque regnum coelorum, quod diu coneupivit, adeptus, vivens in Christo féliciter coronatur,
Dudo, ed. Lair, III, 64, S. 208. Die Formulierung perfusum quippe sui cruoris rore beati viri
corpus jaeuit exánime. Verum anima, in coelum ab angelis deducía, inter choros angelorum
inaestimabiliter est collocata ist der Vita Lamberti des Stephan von Lüttich, ed. Migne, Sp. 659,
entlehnt, vgl. Shopkow, Carolingian World, S. 27.
68
Dudo, ed. Lair, IV, 121, S. 283ff. Vgl. dazu auch Searle, Fact and Pattern, S. 130-133. Zu der
Vertiefung im Christentum der normannischen Herzöge, die von Rollo zu Richard I. erfolgt, vgl.
auch Jordan, Hagiography of Dudo, und Bourgain, Assimilation, S. 43. Zur Redekunst Richards I.,
die die Bekehrung der Heiden ermöglicht, und deren Stilisierung vgl. auch Kamp, Macht der
Zeichen und Gesten, S. 146ff.
69
Dudo, ed. Lair, IV, 127, S. 293ff. Zu den normannischen Herzögen als vorbildlichen Herrschern
bei Dudo vgl. auch Koziol, Begging pardon, S. 147-159.
254 Legitimation im fränkischen Kontext
Die Gründergestalt Rollo führt aber nicht nur das Christentum ein,70 sondern garan-
tiert auch noch auf andere Art eine zuverlässige neue Ordnung, indem er das Land unter
seine Gefährten verteilt und eine neue Gesetzgebung veranlaßt.71 Die Verteilung des
Landes erfolgt funículo et sorte. Durch diese Formulierung wird die göttliche Legitimie-
rung der normannischen Herrschaft von Dudo deutlich hervorgehoben, denn sie findet
sich in den Psalmen bei einer Anspielung auf die Inbesitznahme des gelobten Landes
durch das Volk Israel.72 Es handelt sich also bei der Verteilung nicht zwingend um ei-
nen alten normannisch-skandinavischen Brauch, wie man lange angenommen hat.73 Die
Inbesitznahme des Landes wird dadurch erleichtert, daß wie Dudo bemerkt das -
Land militibus privata ist, ein Umstand, der den Machenschaften des Hasting zu ver-
-
danken ist. Die normannischen Krieger können ohne Widerstand die neue militärische
Elite werden.74 Veranschaulicht wird die Gerechtigkeitsliebe des Rollo dann noch an-
hand einer Anekdote, in der ein Bauer des Betrages überführt wird.75 Die legendenhafte
Ausschmückung der Gerechtigkeit Rollos wurde bei späteren normannischen Ge-
schichtsschreibern noch bis zum Topos vom öffentlich zur Schau gestellten nicht ge-
raubten Gold weitergeführt.76
Neben der heilsgeschichtlichen Legitimation und dem Recht des Eroberers ist die
von Dudo berichtete Belehnung durch den westfränkischen König für die Legitimation
der Normannen nicht so bedeutsam. Da Rollo im Grande genommen schon vor der Ei-
nigung mit Karl dem Einfältigen Besitzer der Normandie war, hat die Belehnung bei
70
Dudo hat die Schnelligkeit der Bekehrung übertrieben. Es ist aber Kaufhold, Die wilden Männer
werden fromm, mit seinem Ansatz von vier Generationen für die endgültige Bekehrung kaum
zuzustimmen. Sein entscheidendes Argument bezieht er aus den unterschiedlichen Berichten von
Dudo von St-Quentin und Wilhelm von Jumièges über die Taufe Rollos und die Bekehrungsrede
Richards I., die zeigen würden, daß Dudo noch Bekehrungssituationen erlebt habe. Die Rede
Richards L, so sie denn stattgefunden hat, ist allerdings in die 960er Jahre zu datieren, Dudo kam
aber erst 987, also knapp 30 Jahre später, in die Normandie. Die unterschiedliche Darstellung bei
Dudo und Wilhelm läßt sich anders interpretieren, vgl. Plassmann, Wandel des normannischen
Geschichtsbildes, S. 205, und ist als einziges Argument aus den Quellen für eine späte Konversion
der Normannen ohnehin nicht stichhaltig. Für die Bekehrung der Normannen ist daher weiterhin
GunxoT, Conversion I, und ders., Conversion II, heranzuziehen. Webber, Evolution, S. 18-39,
weist daraufhin, daß die Betonung des Christentums auch in den späteren normannischen Quellen
eine große Rolle spielt.
71
Dudo, ed. Lair, II, 31 S. 171, und III, 28, S. 182.
72
Vulgata, ed. Fischer, Ps iuxta LXX 77,54, Bd. 1, S. 868. Et eiecit a facie eorum gentes, et sorte
divisit eis terram in funículo distributions. Lifshiz, Dudo's Historical Narrative, S. 1 lOff, hat
darauf aufmerksam gemacht, daß neben Vergil die Bibel viele Muster für Dudos Erzählung liefert.
Shopkow, History and Community, S. 68, weist ebenfalls auf die Parallelen zur Geschichte des
Volkes Israel hin.
73
Prentout, Étude critique, S. 265f.; Douglas, Rise of Normandy, S. 103, und van Houts,
Scancinavian Influence, S. 109.
74
Dudo, ed. Lair, II, 26, S. 166.
75
Dudo, ed. Lair, II, 32, S. 172f.
76
Robert von Torigni zu Wilhelm von Jumièges, ed. van Houts, S. 70. Webber, Evolution, S. 20,
weist dieser Erzählung lediglich anekdotische Qualität zu, ohne sie als Topos zu erkennen.
Dudo von St-Quentin 255
Dudo lediglich bestätigenden Charakter.77 Die Legitimation der Herrschaft ist schon
durch die göttliche Unterstützung für Rollo gegeben, die selbstverständlich eine bessere
Rechtfertigung darstellt als die Vergabe durch den fränkischen König. Dennoch hat
auch diese Bestätigung der Rechte an der Normandie den origo-typischen Aspekt einer
Legitimierung von außen. Die Legitimationsstifter sind in diesem Fall wie schon bei
den Wenden des Fredegar die Franken, die in die Fußstapfen der Römer als Legitima-
-
tionsvermittler an andere gentes treten. Trotz der trojanischen Herkunft der Normannen,
-
die an sich eine Anbindung an die Römer erlauben würde, wird diese nicht gesucht. Die
Luna-Episode im Buch Hasting läßt sogar eher den Schluß zu, daß eine Legitimations-
vermittlung durch die Römer gar nicht erwünscht war. Die Rolle des Legitimationsstif-
ters muß nicht zwangsläufig mit Römern besetzt werden, sondern wird an die Gegeben-
heiten hier die westfränkische Umgebung der Normannen angepaßt. Befestigt wird
die Einigung mit den Franken durch die (unhistorische) Heirat Rollos mit Gisela, einer
-
-
Das Ziel der Herrschaft der normannischen Herzöge in der Normandie ist die pax per-
petua, die sieam Ende von Dudos Erzählung gewinnen. Vorbereitet wird dies, indem
schon vorher die friedensstiftenden Eigenschaften der normannischen Herzöge immer
wieder hervorgehoben werden.80 Besonders Richards Friedensliebe wird von Dudo un-
Dudo, ed. Lair, II, 28, S. 168f. Zu diesem Treffen vgl. auch Kolb, Herrscherbegegnungen, S. 18f.,
und Hattenhauer, Aufnahme der Normannen.
Dudo, ed. Lair, II, 29, S. 169. Möglicherweise hat Dudo sie der Heirat des Normannen Gottfried
mit einer Karolingerin Gisela nachempfunden, die bei dessen Belehnung mit Friesland
ausgehandelt wurde. Vgl. schon Prentout, Étude critique, S. 206f, aber auch Searle, Predatory
Kinship, S. 43. Es ist aber auch an eine Geiselübereinkunft gedacht worden, vgl. Eckel, Charles le
Simple, S. 82f.
Dudo, ed. Lair, II, 16, S. 157: Rollos Heirat mit einer gewissen Poppa.
Rollo führt bei seinen Irrfahrten vor seiner Ankunft in der Normandie häufig Friedensgespräche,
Dudo, ed. Lair, II, 7, S. 147: Vendendi atque emendi sequestram pacem petimus, wendet sich
Rollo an Alstemus, rex Anglorum christianissimus; Dudo, ed. Lair, II, 10, S. 151: ...et nullatenus
sit discordia, sed sempiterna inter me et te pax et amicitia, wendet sich Rollo an Reginar I. von
Friesland; Dudo, ed. Lair, II, 20, S. 160, und II, 26, S. 167: Rollo gewährt Karl dem Einfaltigen
auf dessen Bitte hin einen dreimonatigen Waffenstillstand; Wilhelm Langschwert vermittelt
zwischen Ludwig IV. und Otto I.: Dudo, ed. Lair, III, 50- 52, S. 194ff; Bei den Verhandlungen
des Karolingers mit dem Ottonen kann Wilhelm durch seine Befehlsgewalt eine Eskalation von
256 Legitimation im fränkischen Kontext
terstrichen, als er den Nachweis führt, daß alle neutestamentlichen Seligpreisungen auf
Richard I. zutreffen.81
Die Verheißungen der Vision des Rollo finden unter Richard I. schließlich ihre Erfül-
lung. Die Einwohner der Normandie werden unter seiner Herrschaft vereint: Hie (d.i.
Richard) Dacos suavitate verborum et donis coereuit. Hie Francos caeterasque gentes
humillimis verbis et manibus sibi provocans aseivit. Hic incolas Northmannicae regio-
nis summa devotione protexit. Hie domigenas ut paterfamilias devotus, fovit?2 Diese
domigenae sind parallel zu den von Dudo als Francigenae bzw. Dacigenae bezeichne-
ten Franken und Normannen zu verstehen, gemeint sind die unter der Herzogsherrschaft
vereinten Einwohner der Normandie.83 Richard I. spielt schließlich eine große Rolle für
den Frieden auch über die Normandie hinaus: Pacificabat enim Francigenas et Lothari-
enses, Burgundiones et Flandrenses, Anglos et Htbernenses, Northmannos et Britones?4
Der Frieden, die pax perpetua, wird aber nicht allein durch die herzogliche Herr-
schaft gesichert. Zu verschiedenen Gelegenheiten streicht Dudo immer wieder die Be-
deutung der Großen heraus, die die Herrschaft des Herzogs eigenständig unterstützen.
So berichtet er an einer bekannten Stelle, daß die Normannen folgendes von sich selbst
sagen: numquam cuilibet subjugabimus, nee cutuspiam servitud unquam adhaerebimus,
neque beneficia a quoquam excipiemus. Davon abgesehen seien sie aequalis po-testa-
tis?5 Bei der Landnahme bestätigen sie ihrem Anführer Rollo, daß die Normandie die
Erfüllung seiner Vision darstellt.86 Die Sorge der Großen für das Herzogtum tritt insbe-
sondere bei den Nachfolgeregelungen zutage. Sie sind es oft, die eine Designation für
den Nachfolger erbitten87 und im kritischen Moment des Übergangs die innere Stabilität
Feindseligkeiten zwischen Sachsen und Normannen verhindern: Dudo, ed. Lair, III, 53, S. 197; Er
geht dem intriganten Arnulf von Flandern nur deshalb in die Falle, weil dieser ihm vorgaukelt,
Frieden schließen zu wollen: Dudo, ed. Lair, III, 61, S. 205ff; Richard I. wird unter der
Vortäuschung von Friedenswilligkeit in einen Hinterhalt gelockt, allerdings rechtzeitig gewarnt:
Dudo, ed. Lair, IV, 105, S. 267; Richard I. vermittelt zwischen Franken und heidnischen Daci:
Dudo, ed. Lair, IV, 118- 123, S. 281-287.
Dudo, ed. Lair, IV, 127, S. 293ff.
Dudo, ed. Lair, IV, 127, S. 293.
Die Übersetzung als „members of the household" wie sie Christiansen (Hrsg.), Dudo of Saint
Quentin, S. 167, bietet, scheint mir in diesem Zusammenhang nicht gerechtfertigt, da es doch um
die Einwohner der Normandie geht und Dudo sicher das Zusammenwachsen der Dacigenae und
Francigenae zu incolae Northmanniae, zu domigenae betonen wollte.
Dudo, ed. Lair, IV, 127, S. 295. Auch unter Wilhelm Langschwert ist dieser europäische Friede
nach Dudos Erzählung schon einmal kurz verwirklicht, Dudo, ed. Lair, III, 47, S. 192:
...Franciscae gentis principes, Burgundionumque comités famulabantur ei (d.i. Wilhelm).
Dacigenae et Flandrenses, Anglique et Hibernenses parebant ei, caeteraeque gentes, in affinitate
regni sui commorantes, obediebant ejus imperio unanimes.
Dudo, ed. Lair, II, 13, S. 154.
Dudo, ed. Lair, II, 12, S. 153.
Dudo, ed. Lair, II, 34 S. 173, und III, 37, S. 181 (Nachfolge Rollos); Dudo, ed. Lair, III, 58,
S. 202f, III, 64, S. 208f, IV, 67, S. 220f., und IV, 69, S. 223, (Nachfolge Wilhelm Langschwerts);
Dudo, ed. Lair, IV, 128, S. 297f: auf Initiative des Rolf von Ivry, eines Halbbruders, wird Richard
II. der Nachfolger seines Vaters.
Dudo von St-Quentin 257
sichern. Unter den Großen ist der im Buch Richard auftretende Bernhard Dacigena
ganz besonders bedeutsam, da er zum Retter der Herrschaft des minderjährigen Richard
avanciert.88 Die Großen sind bei Dudo eine wichtige Stütze der Herzogsherrschaft und
damit für den inneren Zusammenhalt der gens.
Für die Identität der Normannen spielt neben dem Herzog als Integrationsfigur das
Land, in dem sie leben, eine zentrale Rolle. Wie Normannen und Normandie zusam-
menwachsen, wird von Dudo anhand der Terminologie nachvollzogen. Denn bei der
Vision des Rollo und ihrer Erklärung ist noch nicht von der Normandie die Rede, son-
dern nur von Francia. Der Name Normannen findet sich als Bezeichnung für die Daci
konsequent erst, als sie das erste Mal in der Normandie auftauchen: Audientes igitur
pauperes homines inopesque mercatores Rotomo commorantes illiusque regionis habi-
tatores copiosam multitudinem Normannorum adesse Gimegias?9 Im allgemeinen ver-
wendet Dudo auch im folgenden eher das Wort Daci, aber ab der Inbesitznahme der
Normandie findet man Normanni immer häufiger als Bezeichnung der gens, oft als Ge-
nitiv-Attribut zu principes, den Großen der Normandie, oder zu dux.90 Dies macht den
inneren Zusammenhang zwischen dem Herzog, den Großen und der gens deutlich. Das
Adjektiv Northmannicus findet sich außer auf das Land bezogen im Zusammenhang mit
exercitus und gens sowie optimates.
Der Name Normandie selbst tritt erst sehr viel später auf. Zunächst benutzt Dudo
Umschreibungen. Als Karl der Einfältige Rollo erstmals die Normandie anbietet, be-
zeichnet er sie als terra marítima, ab Halstingo et a te nimium devástala?4 Bei der
Lehnsübergabe an Rollo wird die Normandie definiert als terra determinata a flumine
Eptae usque ad mare?5 Selbst bei der Übergabe der Herrschaft an seinen Sohn Wilhelm
ser Bezeichnung schon bei der Vertreibung Rollos und Hastings aus Dada, als davon
die Rede ist, daß die Abenteurer sich regna aneignen sollen.106 Zu der Verwendung re-
gnum für die Normandie paßt auch folgende Formulierung Dudos, in der rex zu reg-
num gestellt wird: Interim rex Luthdovicus, morulans Rotomagensis urbis moenibus,
zeugt ihn dann davon, Otto dem Großen Lothringen im Gegenzug für militärische Un-
terstützung gegen Herzog Richard zu versprechen.111 Zumindest einigen fränkischen
Rittern unterstellt Dudo sogar den Wunsch, die Normannen wieder zu vertreiben.112
sehr auf die Normannen als solche an. Allgemein vgl. zum Komplex regnum bzw. regna, zum
Westfrankenreich vor allem Werner, La genèse des duchés, und ders., Völker und regna; eher aus
ostfränkischer Perspektive: Fried, Der Karolingische Herrschaftsverband, und ders., Gens und
regnum, sowie Goetz, Regnum, und ders., Gentes.
106
S.o. S. 248.
107
Dudo, ed. Lair, IV, 83, S. 238.
108
Dudo, ed. Lair, IV, 93, S. 250.
109
Dudo, ed. Lair, in, 58, S. 201.
110
Dudo, ed. Lair, IV, 67, S. 220, und IV, 68, S. 222. Ähnlich auch principatus Northmannicae
regionis, Dudo, ed. Lair, IV, 85, S. 240.
111
Dudo, ed. Lair, IV, 94, S. 252.
112
Dudo, ed. Lair, IV, 83, S. 238: Hos advenas Northmannos expelle abhinc et extermina] fordern
einige Ritter König Ludwig IV. auf.
"3
Dudo, ed. Lair, II, 14, S. 156. Ähnliche Vorwürfe hatte Rollo schon in Friesland geäußert, vgl.
Dudo, ed. Lair, II, 10, S. 151, hatte den Friesen aber immerhin nicht vorgeworfen, die Invasoren
260 Legitimation im fränkischen Kontext
Werk hindurchzieht, den normannisch-fränkischen Gegensatz. Prägnantes Beispiel hier-
für ist die empörte Frage der Normannen an Wilhelm Langschwert, als dieser sich ins
Kloster zurückziehen will: Quis ab insidiis Franciscae gentis nos tuebiturl114 Die Fran-
ken werden in ihren Auseinandersetzungen mit den Normannen von Dudo fortwährend
ins Unrecht gesetzt. So wird etwa König Ludwig auf seiner Flucht vor den Normannen
von einem miles aus Rouen vorgeworfen: Non nostris elaberis finibus, quos injuste in-
vadens te stulte irrepsisti?15 Der Unterschied wird von Bernhard Dacigena einprägsam
auf den Punkt gebracht: Alterius morís est gens haec quam Francigena, argumentosae
calltditatis nimis plena.116 Weitere Höhepunkte der normannisch-fränkischen Auseinan-
dersetzungen sind die Gefangennahme Richards I. durch Ludwig IV.,117 der Versuch der
Franken, die Normannen zu vertreiben,"8 und die Belagerung Rouens durch Lud-
wig IV., Otto den Großen und Arnulf von Flandern.119 Wie auch in anderen Origo-Er-
zählungen dient die Stilisierung des Gegensatzes der Absetzung von umgebenden
gentes und der schärferen Profilierung der eigenen. Erst gegen Ende der Erzählung Du-
dos stehen Francia und Normannia zwar getrennt, aber im Sinne von Dudos Endziel
der pax perpetua friedlich nebeneinander: Richard I. tanti thesauri muñera per uni-
—
keineswegs darauf an, den Weg der Normannen als eine Integration in das westfrän-
kische Reich zu beschreiben.121 Vielmehr kommt es ihm auf Eigenständigkeit und Eben-
zu sein!
114
Dudo, ed. Lair, III, 58, S. 202.
115
Dudo, ed. Lair, IV, 87, S. 243.
1,6
Dudo, ed. Lair, IV, 86, S. 241.
1"
Dudo, ed. Lair, IV, 72-75, S. 227-231.
118
Dudo, ed. Lair, IV, 83-86, S. 238-242.
119
Dudo, ed. Lair, IV, 94-99, S. 252-261. Weitere Hinweise auf die Feindschaft zwischen
Normannen und Franken: So versprechen die comités dem alternden Rollo, daß sie seinen Sohn
anerkennen und gentisque Franciscae regnum faciemus ei acclivium, Dudo, ed. Lair, III, 37,
S. 181. Aufständische Bretonen berufen sich gegen den Herzog Wilhelm auf ihre Zugehörigkeit
zum westfränkischen Reich: Sub imperio Franciscae dominationis semper viximus... Regem
usquemodo habuimus, duce et protectore non caruimus, Dudo, ed. Lair, III, 39, S. 183. Der
normannische Aufständische Riulf wirft Wilhelm Langschwert vor, daß er Francigenas amicos
acquirit sibi... Terram autem quam possidemusparentibus suis in haeredum suorum possesionum
dabit, Dudo, ed. Lair, III, 43, S. 187. Als Wilhelm Langschwert Hilfe gegen die aufständischen
Normannen bei Franken holen will, trifft das bei seinen Gefolgsleuten auf Unverständnis, Dudo,
ed. Lair, III, 45, S. 189f: ...verum Franciam non penetrabimus; quia quondam cum pâtre tuo
earn saepe bellis repetivimus, multosque incoepto praelio prostravimus.... Aliena mavis quadra
vilis nulliusque utilitatis vivere, quem regnum regere et protegeré... Navigio ergo Daciam,
nostrae nativitatis terram, repetemus, quia duce et advócalo caremus. Als er sich aber von ihnen
herausgefordert den Aufständischen in der Schlacht stellt, kann er more Dacorum den Sieg
-
davontragen, Dudo, ed. Lair, III, 45, S. 190. Seine fränkische Abkunft bringt Wilhelm
-
Langschwert also in Schwierigkeiten, vgl. dazu auch Searle, Frankish Rivalries, S. 210; dies.,
Predatory Kinship, S. 65 und Potts, Unum ex diversis gentibus, S. 144.
120
Dudo, ed. Lair, IV, 125, S. 289.
121
So etwa Davis, Normans and their Myth, S. 53f. und 105 und Shopkow, Carolingian World, S. 32f.
Dudo von St-Quentin 261
bürtigkeit an. Dies wird z.B. auch dadurch betont, daß es Richard I. ist, der den Franken
und König Lothar gegen Ende von Dudos Erzählung den gewünschten Frieden mit den
heidnischen Daci verschafft.122 Beim Friedensschluß mit König Lothar wird die Gleich-
rangigkeit der Parteien betont, indem Lothar bis zur Epte, dem Grenzfluß der Norman-
die, dem Herzog entgegenkommt und sie beide Geschenke austauschen.123
Die Ebenbürtigkeit von Normannen und Franken, wenn nicht gar die Überlegenheit
der Normannen, ist auf der anderen Seite aber ein Thema, das von Dudo schon vorher
herausgearbeitet wurde: Durch die Eheschließung von Rollo mit Gisela wird deutlich
gemacht, daß der normannische Herzog ein Partner für eine Karolingerin sein kann. Die
normannische Stellung wird im Anschluß an die Belehnungszeremonie von Dudo noch
weiter hervorgehoben: Rollo weigert sich, dem König die Füße zu küssen, und läßt dies
durch einen seiner Gefolgsleute ausführen, der den König zu Fall bringt, weil er mit ge-
radem Rücken den Fuß des Königs zum Mund führt.124 Auf diesen unbeugsamen nor-
mannischen Rücken als anatomische Besonderheit der Normannen wird auch an ande-
ren Stellen verwiesen.125 Außerdem schwört König Karl Rollo einen Eid. Dies unter-
streicht Rollos Gleichrangigkeit, da Könige gegenüber Niedrigeren nicht schwören
mußten und ohnehin die Eidesleistung meistens durch einen Stellvertreter leisteten.126
Wilhelm Langschwert ist laut Dudo der Taufpate König Lothars, und so ist erneut ein
Normanne den Karolingern ebenbürtig.127 Dudo stellt die Normannen und die Franken
also auf eine Ebene. Sie sind wie die Franken trojanischer Abstammung und bei den
Verhandlungen mit ihnen wird deutlich gemacht, daß nicht der fränkische König den
Normannen ihr Land gibt, sondern daß er lediglich den göttlichen Willen bestätigt. Bei
weiteren Gelegenheiten betont Dudo die Gleichwertigkeit von Normannen und Franken.
Nur durch das Eingreifen Wilhelm Langschwerts kann der westfränkische König Lud-
122
Dudo, ed. Lair, IV, 119-123, S. 282-287.
123
Dudo, ed. Lair, IV, 124, S. 287: Decurso igitur tempore desiderati placiti, venit rex Lotharius
super Eptae fluviolum eum Francigenis, pepigitque duci Ricardo fidem inextricabilis pacis;
juravitque ipse eí optimates regnis Northmannicum regnum ipsi ejusque posteris, quatinus ipse et
nemo, se hortante, damnum illius regiminis minime faceret Uli. Finito namque impetratae pacis
plácito, foederatisque rege et duce Ricardo, muneribusque alternis utroque largiflue ditato,
regreditus, ad sua quisque equitatu prospero. Daß solche Bedingungen der Begegnung
Gleichrangigkeit bedeuten, dazu vgl. etwa Voss, Herrschertreffen, S. 155; Kolb,
Herrscherbegegnungen, S. 52 und 60f, und Althoff, Ungeschriebene Gesetze, S. 302. Der
Höherrangige sollte mehr Geschenke geben, vgl. etwa auch eine Bestimmung in der Ordinatio
124
impertí MGH Capit I. Nr. 136, hier § 4, S. 271.
Dudo, ed. Lair, II, 29, S. 169.
125
So etwa Dudo, ed. Lair II, 2, S. 141: Rollos Vater hat nie eine Kommendation geleistet, Dudo, ed.
Lair, II, 13, S. 154: Die Normannen verweisen gegenüber den Franken auf ihre Unabhängigkeit.
126
Kolb, Herrscherbegegnungen, S. 102. Zur Eidesleistung durch Vertreter vgl. Goez, ...iuravit in
anima regis.
127
Dudo, ed. Lair, III, 55, S. 198f. Dies ist nicht wahrscheinlich vgl. Prentout, Étude critique, S. 329.
262 Legitimation im fränkischen Kontext
wig IV. seine Herrschaft antreten,128 und dieser Herzog ist es auch, der Ludwig IV. otto-
nische Unterstützung vermittelt.129
Dudo setzt die Normannen und die Franken voneinander ab und betont zur selben
Zeit ihre Gleichrangigkeit. Er braucht die Franken sowohl zur Abgrenzung als auch als
zivilisatorisches, schließlich erreichtes Vorbild für seine Normannen.130
Die benachbarten Bretonen hingegen sind nach Dudo von Beginn an in einer Abhän-
gigkeit vom normannischen Herzog. Rollo bekommt die Bretagne beim Vertrag von
Saint Clair-sur-Epte als Land geschenkt, de qua posset vivere?31 Bei der Nachfolge Rol-
los und der Wilhelm Langschwerts werden die bretonischen Fürsten einbezogen.132
Dementsprechend wird die Auseinandersetzung von Wilhelm Langschwert mit dem
Bretonenfürst Alanus von Dudo als Rebellion dargestellt.133 Die Bretonen sind von den
Normannen unterschieden, bilden eine eigene gens, sind aber der Herrschaft des Nor-
mannenherzogs unterworfen.134
Die Abgrenzung gegenüber Flandern im Osten erfolgt im Gegensatz dazu nur durch
die Beschreibung von Feindseligkeiten, ganz besonders natürlich durch die gegen die
Normannen und ihre Herzöge gerichteten Intrigen des Arnulf von Flandern, der bei
Dudo zum Bösewicht schlechthin avanciert.135 Bei den Flamen scheint Dudo eine Beto-
nung der Gleichrangigkeit im Gegensatz zu den Franci nicht nötig zu sein.
Neben der Abgrenzung von anderen gentes weisen die Normannen inhärente Eigen-
schaften auf, die immer wieder zutage treten. Sie sind eine gens belligera et effera.136
Außerdem sind sie listig und können ihre Feinde oft durch Klugheit besiegen: Alterius
128
Dudo, ed. Lair, III, 49, S. 193f.
129
Dudo, ed. Lair, III, 50ff, S. 194-197. Zu dieser übertriebenen Einschätzung der Bedeutung der
normannischen Herzöge vgl. auch Shopkow, History and Community, S. 181f. Zu der Vermittlung
des Wilhelm Langschwert und mit welcher Zeichensprache Dudo in diesem Zusammenhang die
Bedeutung des Herzogs unterstreicht vgl. ausführlich Kamp, Macht der Zeichen und Gesten,
S. 132-140.
130
Potts, Unum ex diversis gentibus, S. 142, scheint diese Ambivalenz von Dudos Werk am besten
einzufangen: „The primary reason scholars have been able to draw such diverging conclusions
from this text is because Dudo's tale captures the conflict at the heart of the Norman identity: fear
of not fitting in co-existed and conflicted with fear of fitting in too well."
131
Dudo, ed. Lair, II, 28, S. 169.
132
Dudo, ed. Lair, II, 34, S. 173, und III, 37, S. 181 (Nachfolge Rollos), und III, 58, S. 202f; III, 64,
S. 208f, und IV, 69, S. 223. (Nachfolge Wilhelm Langschwerts).
133
Dudo, ed. Lair, III, 39-41, S. 183ff.
134
Von einer Einmischung der Normannen in bretonische Angelegenheiten muß schon früh
ausgegangen werden, vgl. dazu Searle, Frankish rivalries, S. 209. Dafür spricht etwa eine Münze
Wilhelm Langschwerts, auf der sich der Titel dux Britonum findet, vgl. Dolley/Yvon, Coins,
S. 7ff.
135
Dudo, ed. Lair, III, 61, S. 205: Arnulfus, dux Flandrensium supra memoratus, veneno vipereae
calliditatis nequiter repletus, aestuque diabolicae fraudis exitialiter illectus... Zur „teuflischen"
136
Stilisierung der Gegner der Normannen vgl. auch Shopkow, History and Community, S. 82f.
Dudo, ed. Lair, IV, 112, S. 275. Diese Eigenschaft findet sich für die Normannen schon in den
fränkischen und angelsächsischen Quellen besonders hervorgehoben, vgl. Zettel, Bild der
Normannen, S. 12Iff.
Dudo von St-Quentin 263
8. Zusammenfassung
Die Identitätsstiftung der Normannen, die wesentlich auf der Verbindung zwischen Her-
zogshaus, dem Land und der gens beruht, geht in drei Stufen vor sich: Zuerst wird das
Land von der heilsgeschichtlich dafür vorgesehenen Gründergestalt Rollo in Besitz ge-
nommen und mit Recht ausgestattet, so daß eine neue Ordnung entstehen kann. Ganz
im Sinne eines primordialen Verbrechens wird dafür der Boden durch die jahrelangen
Plünderungszüge gerade unter der finsteren Gestalt des Hasting vorbereitet. Die
Normannen fangen in der Normandie daher quasi bei Null an, greifen nicht auf frän-
- -
kisches Erbe zurück und errichten ein neues regnum.139 Legitimiert wird dieser Schritt
mehr durch die göttliche Bestimmung als durch die königlich-fränkische Autorität auf
jeden Fall aber von außen. Als zweiter Schritt wird die Herzogsfamilie in Wilhelm
-
Langschwert „geheiligt", der von Dudo zum Märtyrer stilisiert wird, und erweist sich
weiterhin als Familie mit Heilscharakter. In einem dritten Schritt werden die Norman-
Dudo, ed. Lair, IV, 86, S. 241. Diese beiden Eigenschaften sehen auch schon Loud, Gens
Normannorum, S. 111, und Kersken, Geschichtsschreibung, S. 123f, als die normannischen in der
Historiographie der gens. Böhm, Nomen gentis Normannorum, S. 676, nennt noch Herrsch- und
Ruhmsucht, sowie Tatendrang als von den normannischen Schreibern hervorgehobene
Eigenschaften, die sich allerdings bei Dudo nicht in dem Maße finden lassen. Die Normannen
selber haben offensichtlich anders über ihre Eigenschaften gedacht. Im schwarzen Buch von Saint
Ouen (Rouen, Bibliothèque municipale, Y. 46, fol A verso) findet sich eine Aufzählung der Laster
und Tugenden der Völker, den Normannen wird Habsucht als Laster und communio als Tugend
zugeschrieben, vgl. auch Shopkow, History and Community, S. 15f. Zur List als normannischer
Eigenschaft vgl. auch Zotz, Odysseus im Mittelalter, S. 218.
Folgende Beispiele seien genannt: Hasting überlistet die Einwohner der Stadt Luna: Dudo, ed.
Lair, I, 5-7, S. 133ff; Einige eingeschlossene Normannen täuschen des Nachts Entsatz durch ihren
Anführer Rollo vor und können so der Falle entkommen: Dudo, ed. Lair, II, 24, S.164f; Wilhelm
Langschwert bringt mit einer List Herzog Hugo den Großen dazu, seinem Gefolgsmann Herluin
zu helfen: Dudo, ed. Lair, III, 59-60, S. 203ff. (dazu auch Kamp, Macht der Zeichen und Gesten,
S. 141 f.); Ein gewisser Osmund entführt Richard I. mit List aus der Gefangenschaft: Dudo, ed.
Lair, IV, 73-75, S. 230f; Bernhard Dacigena kann Ludwig IV. und Hugo Magnus daran hindern,
gemeinsam gegen die Normandie vorzugehen: Dudo, ed. Lair, IV, 81-82, S. 236ff.
Die normannischen Einfalle als Moment der Diskontinuität treten nach dem Vorbild von Dudo
auch in den Geschichten anderer Geschlechter auf, vgl. dazu Dunbabin, Discovering a Past, S. 5.
264 Legitimation im fränkischen Kontext
nen und mit ihnen die Normandie scharf gegen die umgebenden Franci abgegrenzt, in-
dem die Geschichte der Auseinandersetzung mit ihnen zur Zeit der Minderjährigkeit
Richards I. dargelegt wird. Die Normannen setzen sich gegen die Franci durch und
können noch eine weitere Gruppe von Daci, die sie zum Christentum bekehren, inte-
grieren. Dies gelingt durch die Vereinigung von mehreren Herrschertagenden in
Richard I., der sich als vorbildlicher Herzog für die Normandie erweist. Unter ihm wird
die Rollo verheißene pax perpetua erfüllt. Aus diesem Grund führte Dudo seine Erzäh-
lung nicht mehr in seine eigene Zeit fort. Die Geschichte der Normandie, wie er sie sah,
hatte unter der Herrschaft Richards I. ihren Höhepunkt erreicht.140 Eine weitere Darstel-
lung über seinen Tod hinaus war daher nicht nötig. Unter Richard II. war keine Verän-
derung mehr zu erwarten.
Dudos Geschichte der normannischen Herzöge weist einige sehr typische Origo-Ele-
mente auf: Die Wanderung, die primordiale verbrecherische Tat, die die neue Ordnung
ermöglicht, die Legitimation von außen, die Bewährung der gens in Auseinanderset-
zung mit anderen gentes, die Zivilisierung der gens durch Gesetzgebung und Bekehrung
zum Christentum. Die Identität der gens wird durch ihr inhärente Eigenschaften betont.
Wie auch bei anderen Origines wird die zur Zeit des Verfassers erfahrene Wirklichkeit
der Ordnung auf die Frühzeit übertragen, wie man insbesondere an der Rolle der Groß-
en beobachten kann. Gegenüber anderen Origines fallt bei Dudo ins Auge, daß der
Name Daci zwar für eine vornehme trojanische Abkunft verwendet wird, aber keine Er-
klärung erfahrt und das Potential der trojanischen Abkunft, nämlich die Verbindung zu
den Römern, gar nicht voll ausgeschöpft wird. Da die Normannen keine römische Pro-
vinz, sondern einen Teil des Frankenreichs übernahmen, war aus Legitimitätsgründen
eine solche Verbindung nicht notwendig und wurde von Dudo bezeichnenderweise
nicht versucht. Der Namenswechsel von Daci zu Normanni geht unauffällig vor sich
und erfahrt keine besondere Begründung. Dies mag an einem Aspekt liegen, der bei
Dudo deutlicher zutage tritt als bei früheren Geschichtsschreibern: Die Identität und Le-
gitimation der gens hängt nicht nur an der Herrscherfamilie und an einer Gründerge-
stalt, sondern auch am beherrschten Gebiet, dessen Einheit von Dudo z.T. unauffällig
suggeriert, z.T. vehement behauptet wird. Diese Verbindung zur tellus Normannica ist
es, die neben ihrem Herzogshaus für die Normannen identitätsstiftend wirkt. In Dudos
Origo tritt ein neues Origo-Element zutage, das in den frühmittelalterlichen Origines
noch nicht zu beobachten war. Diese gedankliche Verbindung der gens und des Herr-
schers mit einer bestimmten fest umrissenen geographischen Einheit wurde durch ge-
schlossenere Herrschaften möglich, die erst im Hochmittelalter zu beobachten sind.
Dudo von St-Quentin bietet uns ein besonders virtuoses Beispiel für die Anpassung von
Origo-Schemata an einen neuen Kontext. Er leistet eine feste Verknüpfung von Herr-
scher, beherrschter gens und beherrschtem Land, die seine Vorgänger auf fränkischem
Boden noch nicht geleistet haben.
Als eine der wichtigsten Quellen für die Zeit Ottos des Großen stand Widukind von
Corvey als „Kronzeuge" schon immer im Mittelpunkt des Forschungsinteresses.141 Die
genaue Abfassungszeit seiner Sachsengeschichte ist dabei seit langem umstritten. Da
das Werk in drei Rezensionen überliefert ist,142 sind die unterschiedlichsten Ansätze für
die Entstehungszeit der Rezensionen A bis C und ihr Verhältnis zueinander vertreten
worden. Unstrittig war dabei immer, daß die letzte Rezension C (Fassung letzter Hand)
nach dem Tod Ottos des Großen 973 entstand. Heftiger wogte die Auseinandersetzung
in der Forschung um die Frage nach der Entstehungszeit der ersten und zweiten Redak-
tion und des intendierten Publikums für die Rezension A (sogenannte Klosterfassung)
und B (sogenannte Widmungsfassung). Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand dabei
schon immer, daß Widukind in der „Klosterfassung" die Kaiserkrönung Ottos des Groß-
en 962 und die Gründung des Erzbistums Magdeburg 968 nicht erwähnt. Der daraus ei-
gentlich zu ziehende Schluß, diese Fassung sei vor 962 entstanden,143 paßt nicht mit der
Erwähnung anderer Ereignisse zusammen und wurde von Edmund E. Stengel endgültig
zurückgewiesen, indem er das Konzept eines „romfreien" Kaisertums herausarbeitete.144
Das Verschweigen von Kaiserkrönung und Erzbistamsgründung ist seither als Reflex
von Widukinds Einstellung verstanden worden und nicht als Hinweis auf das Entste-
hungsdatam. Rezension A wird mittlerweile auf vor 968 datiert, da in Res gestae Saxo-
nicae III, 69 der Tod Wichmanns in diesem Jahr geschildert wird145 und man in der For-
mulierung at finis civilis belli terminus sit libelli146 einen vorläufigen Abschluß zu er-
kennen glaubte.
In der kritischen Situation der längeren Abwesenheit Kaiser Ottos I. in Italien (966-
972) sollte so Gerd Althoff dann der Kaisertochter Mathilde eine Handhabe für die
Bewältigung politischer Probleme nördlich der Alpen gegeben werden, die ihr in der
- -
Althoff, Widukind von Corvey. Kronzeuge und Herausforderung, vor allem S. 268ff.
Laudage, Otto der Große, S. 102f. und ders., Widukind.
Fried, Gedächtnis der Zeugen, S. 50-55 und 58-61.
Beumann, Widukind von Korvei, etwa S. 94-100 über den Einfluß von Sallust auf Widukind. Die
ältere Untersuchung von Herrmann, Latinität Widukinds, mißt Widukind vor allem am Maßstab
des klassischen Latein.
Über die Rolle der Römer hat schon Beumann, Widukind von Korvei, S. 218, geäußert: „Daß
Widukind die Sachsen nur in Britannien als Nachfolger der Römer ansieht, zeigt jedoch, daß er
von der Konstruktion einer translatio impertí, einer Identifizierung des mittelalterlichen Imperium
mit dem römischen, weit entfernt ist."
Zumindest für Widukind nimmt dies Mortensen, Stylistic choice, S. 99, an. Für Dudo scheint mir
dies auch gegeben zu sein, so daß Mortensens Hypothese eines Kleruspublikums für Dudo, ebd.,
S. 101, eher nicht zuzutreffen scheint.
Vgl. etwa Karpf, Widukinds Sachsengeschichte, S. 550f; Brühl, Deutschland-Frankreich, S. 412,
der in überspitzter Weise Widukinds prosächsischer Gesinnung „peinliche Züge" attestiert; zur
Einordnung von Widukinds Parteilichkeit in den Kontext einer Mentalitätsänderung im östlichen
Widukind von Corvey 267
Hinsicht ist seine Situation anders als die von Dudo und vielleicht eher der Bedas zu
vergleichen, der ähnlich wie Widukind rund fünf Generationen nach der Bekehrung sei-
ner eigenen gens zur Feder griff und den Nachweis führte, daß die Christanisierang der
Angelsachsen im göttlichen Heilsplan angelegt war. Ähnlich wie bei Beda hat Widu-
kinds Geschichtsschreibung eine moralische Absicht: Unde ex optima et gloriosissima
melior gloriosiorque efficiaris,154 spricht er die Kaisertochter Mathilde in seiner Wid-
mung an, eine Formulierung, die über die didaktische Intention hinaus die Belehrung
der Kaisertochter im Sinne der Althoffschen These deutlich belegt. Die Heilsgeschichte
steht jedoch bei Widukind nicht im Vordergrund. Denn es kommt ihm auf die Unterhal-
tung des Lesers an. Vor allem der Bericht de origine statuque gentis ist dadurch moti-
viert, denn Mathilde soll bei ihrer Lektüre Freude haben, die Sorgen vergessen und
kurzweilig unterhalten werden.155 Auch bei den anderen Teilen der Sachsengeschichte
kommt es Widukind auf Gefälligkeit an: et per partes scribimus, ut sermo sit legenttbus
planus, non fastidiosus?56 Widukind hat im Gegensatz zu Beda eine etwas andere Ein-
stellung zur Heilsgeschichte. Die Res gestae Saxonicae werden von Widukind eben
nicht als solche verstanden. Vielmehr ist er der Meinung, daß er auf dem Gebiet der
Heilsgeschichte seine Schuldigkeit bereits mit anderen Werken getan habe, indem er
summi imperatoris militum triumphos geschildert habe.157 Die Darstellung der Ge-
schichte seiner eigenen gens erfolgt aus einer ganz anderen Motivation heraus als bei
Beda, ist eher ein Werk der Erbauung und Unterhaltung als der Belehrung. Deutlich vor
Augen geführt wird diese Einstellung in I, 8, wo Widukind die Erzählung von Beda
über die Landung der Angelsachsen in Britannien übernimmt.158 Bedas heilsgeschicht-
liche Deutung wird völlig vernachlässigt und fast in ihr Gegenteil verkehrt.159 Aus die-
sem Grand ist ein näherer Vergleich mit Beda nicht lohnend, da Widukind ihn lediglich
als Quelle nutzt, aber von Bedas Konzept unbeeindruckt bleibt.
und westlichen regnum Francorum vgl. aber auch Schneidmüller, Widukind von Corvey, Richer
von Reims und der Wandel politischen Bewußtseins.
154
Widukind, Vorrede, S. 1.
155
Ut ea legendo animum oblectes, curas releves, pulchro otio vaces, Widukind, Vorrede, S. 2. Das
unterhaltsame Moment einer Schrift ist Topos vgl. Simon, Untersuchungen zur Topik II, S. 109f.
156
Widukind, Vorrede, S. 1. Der einfache Stil entspricht dem weitverbreiteten Bescheidenheitstopos
vgl. Simon, Untersuchungen zur Topik I, S. 109-119, und dies., Untersuchungen zur Topik II,
S. 77f.
157
Widukind, I, 1, S. 4.
158
S.u. S. 272f.
159
Dazu auch Laudage, Otto der Große, S. 56f.
268 Legitimation im fränkischen Kontext
denen Ereignissen historische Faktizität zukäme160 und ob sich „germanische Mytholo-
gie" in ihnen widerspiegele.161 Heute stehen in der Beurteilung der nicht nur bei Widu-
kind geschilderten Sachsen-Origo eher die zeitgenössischen Bezüge im Vordergrund.
Die Unveränderbarkeit und Unumstößlichkeit der zeitgenössischen Ordnung, die als
von Gott vorhergesehen und gewollt verstanden wird, wird durch die Begründung in der
Vorzeit fest verankert.162
Wie Widukind selbst sagt, folgt er im ersten Bericht über die Landnahme der fama,
wobei er sich der Ungewißheit der Überlieferung durchaus bewußt ist.163 Für die Her-
kunft der Sachsen bietet er zwei Alternativen: Sie stammten von den Dani bzw. Nor-
manni ab oder von den Resten des Heeres Alexanders des Großen.164 Widukind selbst
bringt später ein stützendes Argument für eine Herkunft aus Griechenland.165 In beiden
Fällen wäre durch die Herkunft der Sachsen ihre kriegerische Tüchtigkeit erklärt, da die
Normannen, die vor allem im 9. Jahrhundert ihre Raubzüge unternahmen, als kriege-
risches Volk bekannt waren166 und man sie vielleicht von einem Feldzug Ottos des
Großen zusammen mit dem westfränkischen König Ludwig IV. gegen die norman-
nische Residenz Rouen gut in Erinnerung hatte.167 Die Herkunft aus dem Heer Alexand-
160
Viele der Beiträge sind in dem Sammelband Lammers (Hrsg.), Entstehung und Verfassung des
Sachsenstammes, zusammengestellt. Im einzelnen vgl. etwa Lintzel, Sachsen und die Zerstörung
des Thüringerreiches; Genrich, Altsachsen, und Hauck, Wissen Widukinds, die sich vehement für
einen historischen Hintergrund gerade der sächsischen Beteiligung am Thüringerkrieg
aussprechen. Eine solche Annahme wurde schon früh angezweifelt, etwa durch von Sybel, Sage
bei Widukind, der sich 1844 skeptisch zu der Möglichkeit äußerte, historische Fakten über die Zeit
des Thüringerkrieges aus Widukind zu entnehmen, aber auch durch Pelka, Studien zur Geschichte
des Untergangs, der ein Heldenlied als Vorlage des Thüringerkrieges bei Widukind vermutet.
Weiterhin nahm Drögereit, Fragen der Sachsenforschung; ders., Haduloha und Hadugot; ders.,
Sächsische Stammessage, Stellung gegen die Faktizität der Thüringerkriege. Aber auch dann noch
wurden völlig selbstverständlich (etwa Giese, Stamm der Sachsen, S. 16) die Thüringerkriege
historisch verortet. Neuerdings hat Springer, Sage und Geschichte, und ders., Sachsen, S. 57-96,
die Problematik zusammengefaßt, sich gegen Haucks Interpretationen gewandt und sich massiv
dafür ausgesprochen, die „sächsische Sage" als literarische Fiktion zu begreifen.
161
So etwa Hauck, Stammesbildung und Stammestradition.
162
Vgl. M. Becher, Origo gentis. Sachsen in: RGA 22, S. 203-206. Interessanterweise sind die
Niederschriften der sächsischen Origo wohl alle unabhängig voneinander entstanden. Über die
Version in den Annales Quedlinburgenses, die hier wegen des annalistischen Charakters der
Quelle nicht betrachtet wird, vgl. vor allem Haubrichs, Heldensage, und Müller, Helden, und den
Überblick bei Giese, Vorwort zu ihrer Edition der Annalen, S. 101-121.
163
Widukind I, 2, S. 4. Nimia vetustate omnemfere certitudinem obscurante.
164
Widukind I, 2, S. 4.
165
Widukind I, 12, S. 19f.: Ex hoc apparet aestimationem illorum utcumqueprobabilem, qui Saxones
originem duxisse putant de Graecis... Daher kann bei ihm nicht die Rede von einer Modifizierung
des Trojamythos sein, wie Grau, Gedanke der Herkunft, S. 16, und Southern, European Tradition
of Historical Writing I, S. 190, behaupten. Später sind die Graeci immer die Byzantiner, vgl.
Widukind III, 56, S. 135; III, 63, S. 137; III, 71 und 72, S. 148f; III, 75, S. 152.
Vgl. Davis, Normans and their Myth, S. 27f. und Chibnall, Normans, vor allem S. 3-15.
166
167
Vgl. dazu oben S. 259. Bezeichnenderweise tauchen die Dani in Widukinds Werk sonst nur in
Widukind von Corvey 269
ers würde neben einer Anknüpfung an eine aus der Antike bekannte gens von „aner-
kannter Autorität"168 ebenfalls die kriegerische Tüchtigkeit als eine Haupteigenschaft
der Sachsen betonen.
Beide Möglichkeiten der Herkunft stehen nicht im Gegensatz zueinander, da sie die
Haupteigenschaft der Sachsen, ihren Mut resp. ihre kriegerische Tüchtigkeit, in der Ver-
gangenheit verankern und erklären. Wie in anderen Fällen dient die scheinbare Wider-
sprüchlichkeit der Herkunftsangaben dem Herausarbeiten von Eigenschaften, die der
gens inhärent sind.169 Die einschränkenden Formulierungen von Widukind sind daher
vielleicht nicht als Skepsis gegenüber der Sage oder der mündlichen Überlieferung zu
deuten,170 sondern sind ähnlich wie die Formulierungen Bedas bei Wundererzählungen
zu verstehen.171 Ein weiterer Aspekt der Dänen-Normannenherkunft bzw. der Abstam-
mung von den Resten des Alexanderheeres könnte eine Differenzierung des Verhält-
nisses zu den Franken sein. Zum einen dient sie der Abgrenzung zu den Franken, deren
trojanische Herkunft zu Widukinds Zeit bekannt war,172 zum anderen der Statasanglei-
chung, indem die Sachsen ebenso wie die Franken auf ein antikes Volk zurückgeführt
werden. Ob darüber hinaus für Widukind eine Rolle gespielt hat, daß die angeblichen
Vorfahren der Sachsen, die Griechen, die trojanischen Ahnen der Franken vernichtend
geschlagen hatten, wird explizit nicht deutlich, ist aber angesichts des Bekanntheits-
grades des Trojanischen Krieges kaum von der Hand zu weisen. Zumindest dem gebil-
deteren Publikum von Widukind dürfte ein solcher Zusammenhang bekannt gewesen
sein.
folgenden Zusammenhängen auf, wo es sich um Dänen handelt: Widukind, I, 16, S. 26; I, 28,
S. 40; I, 31, S. 44; I, 40, S. 59; II, 20, S. 85; III, 64, S. 139; III, 65, S. 140; III, 68, S. 143; III, 70,
S. 148; III, 75, S. 153. Nur I, 29, S. 41, und I, 33, S. 46 sind die Normannen der Normandie
gemeint. Die Belagerung Rouens, der urbs Danorum, wird erwähnt III, 4, S. 107, wo ihre
Erfolglosigkeit nicht ganz verschleiert werden kann. Aus dem 9. Jahrhundert ist die Bewunderung
für normannische Tüchtigkeit belegt: Annales Fuldenses, ed. Kurze, ad a. 882, S. 98f., als eine
normannische Burg von Franken bestaunt wird, vgl. dazu auch Jäschke, Burgenbau, S. 61.
Wenskus, Sachsen Angelsachsen Thüringer, S. 513.
Vgl. etwa auch oben S. 86 zur Historia Brittonum.
- -
gestellt werden, verschafft ihnen eine schwächere Position und prädestiniert sie, die kei-
ne Origo haben, gegenüber den einwandernden Sachsen zur Niederlage.
Ein junger Sachse bringt einen Thüringer dazu, ihm einen Erdhaufen für einen gol-
denen Halsring und andere Schmuckstücke zu verkaufen. Explizit sagt der Sachse dem
Thüringer: emptorem quaero?sl Mit der Erde, die er fein auf den Boden streut, gewinnt
der Sachse loca castrorum?%2 Als die Thüringer sich beschweren, verweisen die Sach-
sen auf ihre Einhaltung des Vertrages und betonen, daß sie das erworbene Land eum
pace velle obtinere aut certe armis defenderé?%3 Dies ist einer der Schlüsselsätze zum
Verständnis der Identitätsstiftang der Sachsen bei Widukind. Denn die von ihm hervor-
gehobene kriegerische Tüchtigkeit der Sachsen ist nicht aus sich selbst heraus positiv,
sondern hat ihre Bestimmung in der Verteidigung des Landes, in dem die Sachsen in
Frieden leben wollen. Die pax ist bei Widukind ein ähnlich durchgängiges Thema wie
bei Dudo, und es ist für sein Verständnis der Sachsen bezeichnend, daß sie in Auseinan-
dersetzung mit anderen gentes verteidigt werden muß.
Die Thüringer greifen die Sachsen daraufhin an, die dann weitere circumcirca loca
iure belli erobern.184 Die Sachsen haben sich buchstäblich an den Vertrag gehalten, han-
deln aber dem Sinn zuwider, indem sie Land erwerben. Eine solche Überlistang des
Feindes, indem man sich an den genauen Wortlaut einer Absprache hält, ist ein be-
liebtes Motiv.185 In der Formulierung iure belli kommt dann zusätzlich das Eroberungs-
recht als Legitimation zum Vorschein.186 Die gesamte Erzählung von der Eroberung des
Landes in Auseinandersetzung mit den Thüringern fußt zwar auf dem „Recht des Stär-
keren", das wird aber nur an dieser Stelle explizit gemacht.
Erst nachdem die Sachsen Land mit List erschlichen und dann zusätzliches Land ero-
bert haben, erfolgt in einem dritten Schritt die Inbesitznahme der tota regio durch ein
primordiales Verbrechen. Die Sachsen treffen sich zu einer Friedensverhandlung mit
den Thüringern, nehmen ihre Messer, ihre „Sachse", unter den Mänteln mit und ermor-
den die Ahnungslosen. Auf diese Weise kommen die Sachsen nicht nur zu einem krie-
gerischen Ruf bei den vicinae gentes, sondern auch zu ihrem Namen.187 Dies scheint
eine ältere gesamtsächsische Erzählung gewesen zu sein, da sie zum einen der Etymolo-
Widukind, I, 5, S. 6.
Widukind, I, 5, S. 6.
Widukind, I, 6, S. 7.
Widukind, I, 6, S. 7.
Vgl. etwa K. Horn, List, in: EM 8, Sp. 1097-1104, bes. Sp. 1101: „Das Eigentumsrecht, bes. das
Umgehen von Gesetzen und die Überlistung von Nachbarn oder Vertragspartnern, ist ein beliebtes
Thema von Rechtsschwänken und Grenzsagen"; vgl. etwa auch E. Moser-Rath, Eideslist, in: EM
3, Sp. 1154-1158; I. Köhler, Grenze, in: EM 6, Sp. 134-142, hier Sp. 135, und L. Priesner,
Gründungssage, in: EM 6, Sp. 264-271, hier Sp. 266f, sowie zukünftig EM s.v. „Wörtlich
nehmen".
Zum „Eroberungsrecht" vgl. etwa Bartlett, Making of Europe, S. 94f.
Widukind, I, 6, S. 7: Saxones clari existere et nimium terrorem vicinis gentibus incutere coeperunt
und I, 7, S. 7: Fuerunt autem et qui hoc facinore nomen Mis inditum tradant. Vgl. dazu auch
Weddige, Heldensage, S. 37.
272 Legitimation im fränkischen Kontext
gie der Sachsen bei Isidor widerspricht188 und sich außerdem parallel in der Historia
Brittonum findet.189 Widukind führte allerdings die Namengebungsgeschichte nicht kon-
sequent durch und nahm sie vielleicht nicht emst, da bei ihm die Sachsen von vornhe-
rein ihren Namen tragen und kein Namenswechsel stattfindet, der das primordiale Ver-
brechen bzw. die Waffe stärker mit der Identität der Sachsen verknüpfen würde. Bei
ihm dient die Erzählung der tödlichen Kriegslist gegen die Thüringer eher dem Zweck,
die Tapferkeit der Sachsen hervorzuheben, die sich als eine ihrer Haupteigenschaften
durch das ganze Werk zieht. Den Mißbrauch des Vertrauens der an dieser Stelle extra
so genannten hostes eigentlich Feinde von außerhalb, die das eigene Gebiet bedrohen
verurteilt er nicht. Dies läßt sich schon daran erkennen, daß Widukind im späteren
-
Verlauf der Erzählung eine List des von Otto I. eingesetzten Markgrafen Gero gegenü-
-
ber slawischen Fürsten, die ebenfalls bei Verhandlungen getötet werden, mit lobenden
Worten erwähnt, wenn er auch Geros Tat noch zusätzlich als Präventivschlag rechtferti-
gt.190 Die Überlistung des Gegners bei Verhandlungen taucht in der Historiographie im-
mer wieder auf, es handelt sich aber eher nicht um einen literarischen Topos, sondern
um wirklich angewandte Kriegslist.191 Es läßt sich nicht entscheiden, ob Widukind das
Thema vielleicht aufgriff, um einen legitimierenden Präzedenzfall für Geros Tat in der
Vergangenheit zu schaffen.
Auch in I, 8, wo Widukind frei nach Beda von der Landung der Sachsen in Britan-
nien berichtet, steht die kriegerische Tüchtigkeit im Vordergrund. Die Briten senden
eine Botschaft an die Sachsen, in der sie diese bitten, ihnen gegen die Schotten und Pik-
ten zu Hilfe zu kommen, weil sie von den Römern verlassen wurden: post Romanos vo-
bis meltores Ignoramus... Vestra virtute, vestris armis hostibus tantum superiores inve-
188
Vgl. dazu M. Becher, Origo gentis. Sachsen, in: RGA 22, S. 203-206. Schon Drögereit, Haduloha
und Hadugoto, S. 178, machte auf die isidorische Etymologie aufmerksam. Vries, Bemerkungen
zum Sachsenproblem; Hauck, Goldbrakteaten, S. 62-69 und 87; Wolfram, Überlegungen zur
Origo gentis, S. 29; Genrich, Name der Sachsen, S. 141, sowie Becher, Rex, dux und gens, S. 28,
vermuten eine tatsächliche Benennung der Sachsen nach ihrer Waffe. Westphal, Saxklingen, hat
das Problem vom Blickpunkt der Archäologie beleuchtet und spricht sich ebenfalls für eine
Benennung der geni nach den Sahsmessern aus; anders Springer, Sachsen, S. 122-130.
189
S.o. S. 99. Schon Vries, Ursprungssage, vor allem S. 350f, nahm eine gemeinsächsische
Überlieferung an. Den Bericht in der Historia Brittonum hat Springer, Sachsen, S. 128f. nicht in
seine Überlegungen mit einbezogen und meint daher, daß Widukind die Erzählung erfunden habe.
190
Widukind II, 20, S. 84f. Zu dieser List vgl. auch Zotz, Odysseus im Mittelalter, S. 221.
191
Vgl. etwa die Ermordung des Odoaker durch Theoderich in: Jordanes, Getica, ed. Mommsen,
S. 134, die allerdings nicht ausführlich beschrieben wird; sowie Giraldus, Itinerarium Kambriae,
ed. Dimmock, I, 4, S. 49 Anm. 2: die Ermordung von Walisern durch Normannen, und ders., De
principis instructione, ed. Warner, I, 18, S. 97: die Ermordung von Pikten durch Schotten nach
einem convivium und der belegte neuzeitliche Fall des Massakers von Glencoe im Jahre 1692,
dazu s.v. Glencoe in: The New Encyclopaedia Britannica. Micropaedia 151974, Bd. 4, S. 573. Die
in der Wenzelslegende des sogenannten Christian, ed. LudvIkovsky, cap. 2, S. 22/24, und in der
Reimchronik des Dalimil, ed. Jirecek, cap. 72, S. 152-155, überlieferte Ermordung von Deutschen
durch Tschechen, die der Erzählung Widukinds sehr ähnlich ist, behandelt Graus, Böhmen und
Altsachsen, plädiert aber ebd., S. 362f, gegen eine direkte Entlehnung aus Widukind.
Widukind von Corvey 273
Widukind, I, 8, S. 9.
Widukind, I, 8, S. 9.
So auch schon Beumann, Widukind von Korvei, S. 217f. und Giese, Stamm der Sachsen, S. 68f.
Widukind, III, 56, S. 135: Erwähnung römischer und griechischer Gesandter; Widukind, III, 63,
S. 137: Otto besiegt ein römisches Heer. Erst Widukind, III, 76, S. 154, begegnet der Titel
imperator Romanorum.
S.o. das Kapitel über Beda insbesondere den Abschnitt: Origo gentis Anglorum. S. 64-72.
Widukind I, 8, S. 10: ...qualiter ad Christianitatis nomen per virum suis temporibus
sanctissimum, papam videlicet Gregorium, pervenerint.
So auch Laudage, Otto der Große, S. 57.
Translatio S. Alexandri, ed. Krusch, S. 423.
Widukind I, 8, S. 10. Diese Bezeichnung ist erst mit Alfred dem Großen aufgekommen, aus Beda
hatte Widukind sie jedenfalls nicht, vgl. oben S. 84f.
274 Legitimation im fränkischen Kontext
4. Zweite Stufe der Origo: Krieg gegen die Thüringer im Verbund mit den
Franken
Die Auseinandersetzung mit den Thüringern im Auftrage der Franken, die die Landver-
gabe durch die Franken und die endgültige Unterwerfung der Thüringer als Ergebnis
zeitigt, bildet bei Widukind den zweiten und wichtigeren Schritt der Entwicklung der
sächsischen gens. Der Thüringerkrieg wird im Gegensatz zu der Überlieferung, wie sie
sich in der Translatio S. Alexandri findet,201 als Schuld der Thüringer gedeutet, die auf
Anraten Amalabergas, der Frau des Thüringerkönigs Irminfried und ehelichen Halb-
schwester des Frankenkönigs Theuderich, das Friedens- und Bündnisansinnen des frän-
kischen Königs ausschlagen und so ihren Untergang selbst auf sich herabrufen,202 ähn-
lich wie es auch schon den Briten geschehen ist.
Im anschließenden Krieg der Franken mit den Thüringern werben die Franken die
Sachsen als acerrimi hostes der Thüringer an und versprechen ihnen terram in possessi-
onem aeternam.203 Bei der Begegnung der Sachsen mit dem fränkischen König Theude-
rich tritt ihre kriegerische Tüchtigkeit, um deretwillen sie auch als Bündnispartner ge-
wonnen werden sollen, deutlich hervor. Die Sachsen stellen zum einen selbst in einer
Ansprache an Theuderich den Beweis der Tapferkeit für die Freundschaft mit ihm als
ihren sehnlichsten Wunsch dar: Aliam enim causam nullam Saxonibus esse scias, nisi
vincere velle aut eerie vivere nolle. Neque enim gratlam maiorem amicis exhibere pos-
sumus, quam ut pro els mortem contempnamus. Et ut hoc experimento discas, omnino
desideramus.204 Außerdem nehmen die Franken auch von außen den Mut der Sachsen
wahr.205 Gerade die Anerkennung durch die Franken verleiht dieser sächsischen Eigen-
schaft größere Bedeutung. Denn eine Eigenschaft, die von außen als solche wahrge-
nommen wird, entwickelt sich dadurch von einer Selbstbehauptung zu einer Wahrheit.
Zudem wird damit gemeinsame Identität für die Sachsen von außen gestiftet. Die Ge-
meinsamkeit der Sachsen verstärkt Widukind noch dadurch eindrücklich, daß er das
Äußere der Sachsen als einheitlich beschreibt und besonders ausführlich die außerge-
wöhnliche Bewaffnung der namengebenden langen Messer schildert.206 Die Einsicht,
daß die Sachsen dann letztlich dazu bestimmt sind, nicht nur Bundesgenossen der Fran-
ken zu sein, sondern sie dereinst überflügeln sollen, wird von Widukind einigen hell-
sichtigen Franken in den Mund gelegt: si presentem terram inhabitarent, eos procul du-
bio esse, qui Francorum imperium quandoque destruerent?01
Im ersten Zusammentreffen der Franken mit den Sachsen werden also von Widukind
mehrere Dinge verdeutlicht: Die kriegerische Tüchtigkeit der Sachsen wird ebenso wie
ihre einheitliche Erscheinung hervorgehoben, die ihre Identität nach außen hin doku-
mentiert. Widukind streicht die Gleichrangigkeit der Sachsen mit den Franken heraus,
indem er die Bewunderung der Franken für die Sachsen erwähnt. Die Sachsen nennen
sich selbst amici der Franken, und die Ablösung des fränkischen Reiches durch die
Sachsen wird hellsichtig in einer Prophezeiung ex eventu vorhergesagt.
Die kriegerische Tüchtigkeit der Sachsen und die Gefahr, die sie für die Franken dar-
stellen, wird auch von ihren thüringischen Feinden erkannt: Die Sachsen sind duri et in-
superablles, ein genus hominum indomabile et ad omnem laborem perdurabile, a quo
nichil expectaret Francorum imperium nisi solum periculum?0% Wegen der Gefährlich-
keit der Sachsen einigen sich Franken und Thüringer in dem Moment, als die Niederla-
ge der Thüringer durch sächsische Hand vorgegeben erscheint, und beschließen, die
Sachsen gemeinsam zu überwältigen.209 Doch die Sachsen erhalten Kenntnis von dem
geplanten Anschlag, weil ein Thüringer, der seinen Falken verloren hat, einem Sachsen
gegen die Rückgabe des Falken das Geheimnis verrät.210 Diese Episode ist der Erzäh-
lung vom Tausch des Goldhalsringes gegen Land nachgeahmt, der ebenfalls zum Nach-
teil der Thüringer als Gesamtheit wirkte, weil ein einzelner seinen Vorteil im Auge hat-
te. Die Sachsen erfahren von dem geplanten Anschlag211 und können wiederum ähn-
lich wie bei der Überrumpelung der Thüringer während des Friedensmahles die Thü-
-
ringer heimlich überfallen und niedermachen.212 Dabei folgen sie einem Feldzeichen mit
-
Löwe, Drache und Adler, quod apud eos habebatur sacrum,213 deren gemeinschaftsstif-
tende Funktion von Widukind hervorgehoben wird. Die Sachsen begehen ihren Sieg mit
einem gemeinsamen Mahl, dessen traditionsstiftende Aspekte schon Widukind hervor-
gehoben hat.214 Die sächsische Siegesfeier ist dabei wie Hauck betont hat zu Beginn
durch das zu früh gefeierte Freudenfest der Thüringer vorweggenommen.215 Dieses er-
- -
neute Verbrechen bzw. diese Kriegslist führt wie zuvor zur Inbesitznahme von Land,
207
Widukind, I, 9, S. 16.
208
Widukind, I, 10, S. 17.
209
Widukind, I, 10, S. 17.
210
Widukind, I, 10, S. 18.
211
Widukind, I, 10, S. 18.
212
Widukind, I, 11, S. 19. Zu einer wohl überzogenen mythologischen Deutung der Rolle despater
patrum Hathagat vgl. Vries, Ursprungssage, S. 357ff. Zum Namen Hauck, Goldbrakteaten, S. 43-
52.
213
Widukind, I, 11, S. 18. Laut Wagner, Irmin, S. 389, ist das Feldzeichen dem römischen
Feldzeichen nachgeahmt, nur daß die Weltkugel durch den nach Isidor für den Mut stehenden
Löwen ersetzt wurde.
214
Widukind, I, 12, S. 20. Vgl. dazu auch Beumann, Historiographische Konzeption, S. 866.
215
Hauck, Goldbrakteaten, S. 60.
276 Legitimation im fränkischen Kontext
diesmal vermittelt durch den fränkischen König als Legitimationsstifter, der sich des
versuchten Betrages an den Sachsen nicht zu erinnern scheint: ab eo suscepti satisque
laudati et terra presentí in aeternam possessionem donati sunt. Socii quoque Franco-
rum et amici appellati urbem, cui ab igne ut propriis moeniis pepercere, primum inco-
luerunt?16 Vorläufig können sie dort summa pace verweilen, auch wenn sie noch im
Heidentum verbleiben.217
Es stellt sich die Frage, weshalb Widukind die anfängliche Identitäts- und Legitimi-
tätsstiftung der Sachsen auf diese Art und Weise doppelt. Daß die kriegerische Tüchtig-
keit der Sachsen sich in mehreren Episoden bewährt und von ihren Feinden anerkannt
wird, mag noch dadurch zu erklären sein, daß eine solche Wiederholung dem Leser die-
se Eigenschaft auf eindringlichere Weise näherbrachte als der bloße Hinweis auf die
Tapferkeit, wie er sich etwa bei Rudolf von Fulda findet.218 Hingegen ist weniger deut-
lich, weshalb die Thüringer zweimal überlistet werden und zweimal ein Verbrechen
bzw. eine Kriegslist an ihnen begangen wird, die den Sachsen ihr Land sichert. Einmal
scheint Widukind damit anzudeuten, daß gegen äußere Feinde zum Erhalt des dauer-
haften Friedens für die sächsische gens jedes Mittel recht ist, wie dies auch später von
ihm exemplifiziert wird.219 Und dann wird die soziale Stellung der incolae, die laut Wi-
dukind dann den Sachsen untergeordnet sind, damit gerechtfertigt, da sie zweimal
dumm genug waren, auf die sächsische List hereinzufallen. Der wichtigste Grund für
die Doppelung ist, daß die Thüringer unabhängig davon, ob eine Beteiligung der
Sachsen am Thüringerkrieg als historisch einzuschätzen ist als „Erbfeinde" der Sach-
-
sen den Hintergrund bilden, vor dem sich die Identität der sächsischen gens stärker pro-
-
filieren kann.220 Auch der Hilferuf der Franken an die Sachsen und die prophezeite
Übernahme des Frankenreiches durch die Sachsen findet eine Parallele im Bündnis der
Briten mit den Angelsachsen und der Verknechtang der Briten durch die Angelsachsen,
wie sie in dem aus Beda übernommenen Kapitel geschildert werden. Auf diese Weise
verschränken sich die verschiedenen Ursprungsgeschichten der Sachsen, wobei es Wi-
dukind nicht so sehr auf die Stringenz der Erzählung ankommt, sondern mehr auf die
Hervorhebung bestimmter Sachverhalte, die die Identität und Legitimität der gens stif-
ten. Dies sind die militärischen Fähigkeiten der Sachsen, die sie bei anderen Völkern,
nämlich Briten, Franken und Thüringern berühmt machen und Voraussetzung für ihren
Aufstieg sind. Der Nutzen der Tapferkeit erschöpft sich aber nicht im Gewinn von Ehre
und Ruhm. Die Tapferkeit dient einem höheren Zweck, nämlich das Land zu halten und
216
Widukind, I, 13, S. 22. Interessanterweise haben die Sachsen die Burg nicht zerstört.
2,7
Widukind, I, 14, S. 23ff.
218
Translatio S. Alexandri, ed. Krusch, S. 424: Erant enim inquieti nimis et finitimorum sedibus
2,9
infesti.
So etwa bei der List Geros gegenüber den Slawenanführern und der Vertragsaufkündigung mit
den Ungarn durch Heinrich I.
220
Zur Funktion eines Erbfeindes vgl. etwa auch Wolfram, Überlegungen zur Origo gentis, S. 31.
Aus diesem Grund ist auch das Argument von Lintzel, Sachsen und die Zerstörung des
Thüringerkrieges, S. 61, abzulehnen, daß in einer Zeit sächsisch-thüringischer Freundschaft kaum
vom Thüringerkrieg gesprochen werden konnte, wenn dieser nicht auf historischer Grundlage
beruhte.
Widukind von Corvey 277
den Sachsen dort ein friedliches Leben zu ermöglichen. Nur in einem Fall ist keine
Doppelung zu bemerken. Die Franken erscheinen nur im Thüringerkrieg als legitimi-
tätsstiftend, in der Landungssage setzen die Sachsen selbst ihre Legitimation, indem sie
ein primordiales Verbrechen begehen. Dadurch sind die Franken als Legitimationsstifter
gegenüber dem Landerwerb durch eigene List und dem Eroberangsrecht abgestuft. Die
Identität der gens wird in ungewöhnlicher Weise auch mit ihrem äußeren Erscheinungs-
bild abgerundet, das sie in Kleidung und Aussehen von den anderen gentes absetzt.
Ähnlich wie die Legitimität wird so die Identität der Sachsen zumindest teilweise aus
der gens heraus selbst gesetzt.
Die für den zivilisatorischen Prozeß wichtige Gesetzgebung wird von Widukind
nicht erwähnt, genausowenig wie ein gesetzgebender König. Bei ihm findet sich ledig-
lich eine Zustandsbeschreibung der Gesetze, die nicht in den weiteren Rahmen der Ur-
sprungs- und Entstehungsgeschichte gebettet wird.221 Ob die auffällige Dreiteilung der
Sachsen in drei Stämme unter drei Fürsten und in drei Stände222 eine tiefergehende Be-
deutung über die Erklärung des momentanen Zustandes hinaus hat, ist unklar.
Die Franken übernehmen bei der Vermittlung des Christentums ebenfalls die Legiti-
mationsstiftung. Dies wird von Widukind nur sehr kurz abgehandelt, nunc blanda sua-
sione, nunc bellorum inpetu habe Karl der Große die finitimam gentem nobilemque zum
Christentum bekehrt,223 eine doch recht drastische Reduzierung der Maßnahmen und
Kriegszüge Karls, deren apologetische und verdrängende Wirkung man schon lange er-
kannt hat.224 Karl der Große wird so zum Vollstrecker des Schicksals, das den edlen
Sachsen das Christentum und eine Vorreiterrolle in Europa bestimmt hat. Das Ergebnis
der Christianisierung ist die völlige Gleichrangigkeit von Franken und Sachsen, die jetzt
nicht mehr nur socii et amici, sondern fratres sind und zu quasi una gens ex Christiana
fide verschmelzen.225 Das Christentum bildet die Voraussetzung, unter der Sachsen und
Franken überhaupt zu einer gens verschmelzen können. Mit der Betonung der Gleich-
rangigkeit wird die legitimitätsstiftende Rolle der Franken weiter heruntergespielt.
1
Widukind, I, 14, S. 23f. Ob sich die bei Widukind eingangs erwähnte Berichterstattung über den
status der sächsischen gens also wie von Stetten, Niederschlag liudolfingischer
Hausüberlieferung, S. 75, meint auf diese kurze Abhandlung über das Recht der Sachsen
-
bezieht, ist eher zweifelhaft. Daß Widukind die Gesetzgebung überhaupt erwähnt, scheint an der
-
Verknüpfung zwischen Origo-Erzählung und Gesetzgebung zu liegen, die sich auch bei anderen
gentes beobachten läßt, vgl. dazu Wormald, Lex scripta, S. 121.
2
Zur Einteilung der Sachsen in Ostfalen, Westfalen und Engern und den Zusammenhang mit den
Kriegszügen gegen die Franken vgl. Becher, Non enim habent regem idem Antiqui Saxones,
S. 18-28, bes. S.24f.
3
Widukind, I, 15, S. 25.
4
Beumann, Die Hagiographie „bewältigt", und Keller, Ottonen und Karl der Große, vor allem
S. 115-119.
:5
Widukind,!, 15, S. 25.
278 Legitimation im fränkischen Kontext
5. Weiterer Aufstieg der sächsischen gens unter den Herzögen und Königen
Schon mit Otto dem Erlauchten haben die Sachsen dann einen „Herzog",226 der die Vo-
raussetzung der Idoneität für die Krone erfüllt. Dennoch wird dies Ziel nicht erreicht.
Zwar will omnisque populus Francorum atque Saxonum Oddonl diadema imponere
regni,221 aber Otto der Erlauchte wird nur zur fadenziehenden grauen Eminenz.228 Die
Auseinandersetzungen von Franken und Sachsen haben noch kein Ende, wie Widukind
am Beispiel von Kriegszügen des Eberhard von Franken gegen Heinrich von Sachsen
verdeutlicht.229 Erst mit dem Tod Konrads I. wird die Verschmelzung von Sachsen und
Franken für Widukind auch zu politischer Wirklichkeit. Konrad I. steht offensichtlich
noch allein den Franken vor, die er aber in Heinrichs Obhut sehen will: Quid enim ne-
cesse est, ut cadat populus Francorum tecum coram eo (d.i. Heinrich)?230 Als Eberhard
dann eine amicitia mit Heinrich abschließt, kann Heinrich coram omni populo Franco-
rum atque Saxonum zum König gemacht werden.231 So erreichen die Sachsen zu guter
Letzt die vollständige politische Vorrangstellung mit Heinrich I., qui primus libera po-
testate regnavit in Saxonia.232 Er ist der rerum dominus primus?33 Die Einheit von gens
und Land ist erst unter dem primus rex gewährleistet, eine Verbindung von Herrscher,
Beherrschten und Land, wie wir sie ähnlich schon bei Dudo antrafen. Widukind schreibt
Heinrich I. zwei große Ziele zu: glorificando gentem suam et pacem confirmando.234
6
Zum Titel Herzog für Otto den Erlauchten bei Widukind vgl. Becher, Rex, dux und gens, S. 59f.
7
Widukind, I, 16, S. 26. Zum auffälligen Singular populus Francorum atque Saxonum vgl. auch
Karpf, Herrscherlegitimation, S. 173f; Beumann, Kaisertum, S. 81; Brühl, Deutschland
Frankreich, S. 289f, und Eggert, Franken und Sachsen, S. 524-530, der sich vehement für einen
-
Hilferuf der Briten an die Sachsen auf, die zur angelsächsischen Einwanderung in Britannien
führt, und bezeichnet dort das Herkunftsgebiet der Angelsachsen, vgl. Widukind I, 8, S. 8. Später
steht Saxonia für das Gebiet oder das Herzogtum Sachsen, vgl. Widukind I, 16, S. 26; I, 20,
S. 29f; I, 22, S. 35; I, 23, S. 35; I, 31, S. 44; I, 32, S. 45; I, 33, S. 46; I, 34, S. 48; I, 35, S. 51; I,
36, S. 54; I, 38, S. 56; I, 39, S. 58; II, 2, S. 67; II, 3, S. 68; II, 4, S. 71; II, 9, S. 73; II, 14, S. 78f;
II, 15, S. 80; II, 19, S. 83f; II, 22, S. 85f.; II, 26, S. 89; II, 41, S. 100; III, 4, S. 107; III, 8, S. 109;
III, 9, S. 109; III, 10, S. 109; III, 23, S. 115f; III, 28, S. 117; III, 42, S. 122; III, 44, S. 123; III, 46,
S. 126; III, 49, S. 129; III, 59, S. 136; III, 63, S. 137f; III, 70, S. 146; wohl auch I, 17, S. 27.
3
Widukind, Vorrede, S. 1.
14
Widukind, I, 17, S. 27. Vgl. etwa auch Widukind 1, 39, S. 58: eum esset in exaltando gentem
suam....
Widukind von Corvey 279
Das Thema der sächsischen Tüchtigkeit, die anderen Völkern bekannt gemacht werden
soll, wird ebenso wieder aufgenommen wie das Thema des Friedens.
In einer gegenläufigen Entwicklung sinkt die Macht der Franken und steigt die der
Sachsen,235 so daß die Sachsen schließlich zur gens mit der größeren Bedeutung werden.
Die Ebenbürtigkeit von Sachsen und Franken, die in der Ursprangssage betont wurde,
aber eher prinzipiell als faktisch gegeben schien, wird über die Bündnispartnerschaft
und Brüderlichkeit schließlich zur völligen Verschmelzung gesteigert, bei der die Fran-
ken dann aber eine untergeordnete Rolle unter dem Schutz der Sachsen einnehmen und
letztlich bedeutungslos werden. Dieser Erkenntnis trägt Konrad I. aus dem Sterbebett
Rechnung, als er seinen Bruder zum Bündnis mit Heinrich von Sachsen auffordert, der
im Gegensatz zu den Franken fortuna atque mores besitzt.236 Die mores sind ein deut-
licher Hinweis auf die Idoneität Heinrichs.237 Erst unter ihm kann das Reich sub ante-
cessoribus suis ex omni parte confusum befriedet werden.238 Endgültig verankert wird
der sächsische Aufstieg nach Widukind durch die Übertragung der Gebeine des heiligen
Vitas nach Corvey, den Widukind gerne als Schutzheiligen der liudolfingischen Dyna-
stie sehen würde.239
Dieser Vorgang wiederholt sich dann bei der Wahl Ottos I.,240 der von seinem Vater
imperium Francorum übertragen bekommt.241 In diesem Zusammenhang mag auch die
fränkische Kleidung Ottos I. bei seiner Krönung etwas anders zu interpretieren sein als
bisher.242 Wenn man auf die sächsischen Ursprünge zurückblickt, fällt auf, daß Widu-
Widukind, I, 34, S. 48: ex hoc res Francorum coeperunt minui, Saxonum vere crescere. Dazu auch
Karpf, Herrscherlegitimation, S. 146-148.
Widukind, I, 25, S. 38. Zur Betonung dieses Aspektes der Designation durch Konrad vgl. auch
Bagge, Kings, Politics and the Right Order, S. 33ff.
Laut Beumann, Historiographische Konzeption, S. 88 If, und Giese, Stamm der Sachsen, S. 69f, ist
dies ein Widerhall der Nomen-Theorie der Karolingerzeit. Die Betonung der Idoneität Heinrichs I.
spricht auf jeden Fall dafür, daß eine ohnehin nur zu vermutende vgl. Hlawitschka, Herkunft der
Liudolfinger Verwandtschaft mit den Karolingern bei seiner Erhebung keine Rolle spielte.
-
Widukind, I, 34, S. 48: Saxonia ex serva fada est libera et ex tributaria multarum gentium
domina. Dazu auch Beumann, Imperator Romanorum, S. 230. Die Hervorhebung, daß dies auf die
Reliquien des heiligen Vitus zurückzuführen sei, ist eine der wenigen Stellen bei Widukind, wo
die aktuelle Parteinahme vor allem gegen Magdeburg deutlich wird, vgl. dazu Beumann,
Historiographische Konzeption, S. 887, und ders., Entschädigungen von Halberstadt, S. 393. Zur
Bedeutung des Vitus in Widukinds Sachsengeschichte vgl. auch Krüger, Dionysius und Vitus;
Becher, Rex, dux und gens, S. 54-57, und ders., Vitus von Corvey und Mauritius von Magdeburg.
Widukind, II, 1, S. 63.
Widukind, I, 41, S. 60.
Widukind, II, 1, S. 65: tunica stricta more Francorum. Zur fränkischen Kleidung Ottos I. bei der
Krönung vgl. Keller/Althoff, Heinrich I. und Otto der Große, S. 118. Anders Brühl, Deutschland
Frankreich, S. 293, der die Kleidung Ottos als Versinnbildlichung des fränkischen Charakters
seiner Herrschaft erklärt. Zum Problem der Beurteilung von Widukinds Bericht der Krönung vgl.
-
Krönungstag Ottos I.; Keller, Einsetzung Ottos I.; Laudage, Otto der Große, S. 96-104.
280 Legitimation im fränkischen Kontext
kind die ähnliche äußere der Sachsen als identitätsstiftendes Unterschei-
Erscheinung
dungsmerkmal einsetzte.243 Wenn Otto I. bei seiner Krönung nun fränkische Kleidung
trägt, mag das zur Versinnbildlichung der ideellen Verschmelzung der beiden popuii
von Franken und Sachsen dienen. Widukind gibt allerdings auch Hinweise darauf, daß
das reale Verhältnis zwischen Sachsen und Franken auch fürderhin nicht völlig span-
nungsfrei war, so etwa bei der Auseinandersetzung Eberhards von Franken mit seinem
sächsischen Gefolgsmann Braning244 oder der Bestrafung einiger fränkischer Aufstän-
discher nach ihrem Recht.245
S. o. S. 274.
Widukind, II, 6, S. 71.
Widukind, II, 11, S. 77. Man kann nicht mit Giese, Stamm der Sachsen, S. 117, von in
„Grundsätzlichkeiten verankerter Rivalität" sprechen, da nach dem Tod Eberhards keine
Spannungen mehr auszumachen sind.
Widukind, I, 18, S. 29.
Widukind, I, 17, S. 27f. Zur Plazierung dieser Einführung der Ungarn genau an dieser Stelle vgl.
auch Becher, Rex, dux und gens, S. 60.
Widukind, I, 19, S. 29.
Widukind, I, 20, S. 29.
So Widukind, I, 32, S. 45..ähnlich I, 38, S. 56: gens acérrima.
Widukind, I, 38, S. 55.
Widukind, II, 14, S. 78.
Widukind von Corvey 281
garn viel Gold für ihn bieten, will Heinrich I. nur pax ad novem annos?53 Die zwangs-
läufig nach dieser neunjährigen Waffenruhe auszutragende Auseinandersetzung mit den
Ungarn bereitet Heinrich I. vor, indem er Kriegszüge gegen andere barbaras nationes,
nämlich Heveller, Dalemincier und Böhmen, führt und sie besiegt.254
Von allen anderen gentes, die in Widukinds Sachsengeschichte auftauchen, wird al-
lein die Herkunft der Ungarn von Widukind aufgehellt.255 Damit unterstreicht er die Be-
deutung der Ungarn als der gens, die durch die Sachsengeschichte hindurch die Rolle
des auswärtigen Feindes übernimmt, an dem sich die sächsische Tapferkeit beweisen
kann und gegen den sie ihren Frieden durchsetzen und erhalten muß. Widukind identifi-
ziert die Ungarn mit den Awaren und die Awaren mit den Hunnen, eine Gleichsetzung,
die sich schon in Fredegars Chronik findet und Widukind vielleicht bekannt war. Auf
diese Weise kann er für die Ungarn die Origo aus Jordanes übernehmen.256 Daß er den
wichtigsten Feinden der Sachsen überhaupt eine Origo gab, könnte ebenfalls durch
Kenntnis von Fredegar motiviert gewesen sein.
Eine weitere benachbarte gens sind die Lothringer, das Nachbarvolk im Westen, eine
gens varia et artibus assueta, bellts prompta mobllisque ad rerum novitates,251 wie sie
von Widukind knapp und prägnant geschildert wird. Heinrich I. gelingt es, sie in sein
Reich einzugliedern. An späterer Stelle bieten sich die Lothringer als Angriffspunkt für
Otto I. an, da sie genus hominum inbelle sind.258 Als sie sich mit Heinrich und Eberhard
gegen Otto I. zusammentun, bezeichnet Widukind sie bei der Beschreibung der
Schlacht von Birten eindeutig als hostes, Ottos Gefolgsleute aber sind die nostri bzw.
die Saxones.259 Auch in einer Botschaft des Lothringers Immo an zwei seiner Landsleute
werden Sachsen und Lothringer einander gegenübergestellt: nostrum communem domi-
num deserui et Saxoni mepericulo capitis mei sociavi; modo, ut scitis, pro mérito hono-
re contumelia ab eo affectus, armis circumdatus, pene ex libero servus factus sum?60 In
dieser Formulierung wird auch die Vormachtstellung und Überlegenheit der Sachsen
gegenüber den anderen gentes deutlich. Bran, der Bruder Ottos, kann schließlich die
Lothringer endgültig befrieden: Quem (d.i. Bran) rex prefecisset genti indomitae Lotha-
riorum, regionem a latronibus purgavit et in tantum disciplina legalt instruxlt, ut sum-
wird laut Widukind von Otto I. rhetorisch vorbereitet: Hactenus enim inpigris manibus
vestris ac armis semper invictis gloriose usus extra solum et imperium meum ubique
vid, et nunc in terra mea et regno meo terga vertam? Melius bello, si finis adiacet, mi-
lites mei, gloriose moriamur..?13 Schließlich verbreitet sich laut Widukind der Ruhm
Ottos des Großen noch weiter: Crebris victoriis imperator gloriosus factus atque famo-
sus multorum regum ac gentium timorem pariter et favorem promeruit... omniumque
circumquaque Christianorum in tilo res atque spes sttae?14 Die Könige als Identitätsfi-
guren der gens weisen in sämtlichen Auseinandersetzungen dieselbe Tapferkeit auf.275
Die kriegerische Tüchtigkeit als eine der wichtigen Eigenschaften der gens wird auch
von anderen als solche erkannt und verbindet sich mit dem Sachsennamen und dem
ihres Königs.
Die List der Feinde der Sachsen kann in allen Fällen erfolgreich abgewehrt werden.
Franken und Thüringer verbünden sich heimlich gegen die Sachsen, werden aber über-
rumpelt.276 Konrad I. versucht Heinrich dolo zu töten.277 Solchen Listen auch denen -
der Franken haftet immer ein unehrlicher Zug an. Hac igitur perfidia quid nequius?21i
fragt Widukind nach der Überlistang des Adalbert durch Erzbischof Hatto von Mainz.
-
Nicht von ungefähr gehen die Hinterhältigkeiten der Feinde der Sachsen fehl und gerei-
chen allein den Sachsen zum Vorteil. Heinrich kann die Länder des Hatto in omni Saxo-
nia vel Thuringorum terra in Besitz nehmen.279 Die „Geschichten um Erzbischof
Hatto"280 dienen der positiven Abhebung der Sachsen von den Franken und der Liudol-
finger von ihren Gegnern. Wenig erstaunlich ist hingegen die List auf Seiten der Sach-
sen als erlaubte Waffe dargestellt, die im Zweifelsfall sogar beim Brach des Gastrechtes
als Präventivmaßnahme gerechtfertigt wird.281 Sie zeigt die Dummheit und damit die
Bericht, S. 399.
3
Widukind, III, 46, S. 127.
4
Widukind, III, 56, S. 135.
5
Über diesen Aspekt bei der Beschreibung Heinrichs I. und Ottos I. auch Bagge, Kings, Politics and
the Right Order, S. 64-72.
6
Widukind, I, 10, S. 17/18.
7
Widukind, I, 21, S. 30.
8
Widukind, 1,22, S. 33.
9
Widukind, I, 22, S. 34. Karpf, Herrscherlegitimation, S. 148-155, interpretiert diese Episode als
das listige Herrschaftsangebot an Heinrich, das vereitelt wird, kompositorisch in der Erzählung
aber die Rolle eines Vorgriffs auf die tatsächliche Erhebung Heinrichs spielt.
0
Dazu Althoff, Verformungen. Zu der Hatto-Geschichte in den verschiedenen Rezensionen
Widukinds vgl. Fried, Gedächtnis der Zeugen, S. 43-56.
1
Vgl. das Gastmahl von Gero, bei dem slawische Fürsten getötet werden, Widukind, II, 20, S. 84f;
die List des Thiatmar, der vorgibt, Heinrich mit einem großen Heer beiseite zu stehen, obwohl er
keines hat, Widukind, I, 24, S. 37 (vgl. dazu auch Zotz, Odysseus im Mittelalter, S. 220); der
Lothringer Christian setzt Giselbert von Lothringen für Heinrich I. Gefangen, Widukind, I, 30,
S. 43f; die Sachsen, die in der Schlacht von Birten kämpfen, verwirren die Feinde mit falschen
Aufforderungen zur Flucht, Widukind II, 17, S. 83: der Thüringer Dadi berichtet den sächsischen
Gefolgsleuten des aufständischen Heinrich, ihr Herr sei gefallen, so daß sie sich wieder Otto
anschließen, Widukind, II, 18, S. 83; der Slawe Tugumir nimmt die Brandenburg mit List ein und
unterwirft sie ditioni regiae, Widukind, II, 21, S. 85; der Lothringer Immo stellt sich auf die Seite
284 Legitimation im fränkischen Kontext
Unterlegenheit der Gegner auf. Daß Widukind mit zweierlei Maß mißt, wenn es um die
Anwendung von List geht, macht einmal mehr seine Parteilichkeit zugunsten seiner ei-
genen gens deutlich und hat wenig mit „natarhaften Anschauungen" zu tun, die andere
ethische Maßstäbe beinhalten.282
Gefolgsleute, deren Handlungen in der Schlacht von Lenzen breit geschildert werden.287
-
Die Befriedung der inneren Auseinandersetzungen und der Sieg über die barbarae
gentes wird dann von Widukind in einen Zusammenhang mit dem Sieg über die Ungarn
in der Schlacht von Riade gesetzt. Die Rede, die Heinrich vor der Schlacht hält, ist für
diesen Aspekt aufschlußreich. Heinrich verweist zunächst auf die inneren Zwistigkeiten
vor und kurz nach seiner Thronbesteigung. At nunc propitia nobis summa divinitate,
nostro labore, vestra virtute pacatum collectumque cemitis, barbaros superatos et ser-
vituti subiectos. Quod superest, necesse habemus, ut contra communes hostes Avares
pariter consurgamus?u Durch göttlichen Ratschluß und sächsische Tapferkeit und
Mühe ist der Friede so weit vorangeschritten, daß nur noch die communes hostes besiegt
werden müssen, die zusätzlich inimici Dei2W sind. Hier zeigt sich deutlich die Verknüp-
fung des inneren mit dem äußeren Frieden, da nur der innere Friede die Grundlage für
den Sieg über die äußeren Feinde schafft. Voraussetzung für den Frieden ist die säch-
König Ottos und wendet bei einer Belagerung durch Herzog Giselbert Listen gegen diesen an,
Widukind, II, 23, S. 86. Derselbe Immo kann durch das Vortäuschen eines Bündnisses weitere
lothringische Feinde Ottos I. Gefangennehmen, Widukind, II, 28, S. 90f.
So Beumann, Widukind von Korvei, S. 111 f.
Zu diesem Aspekt schon Beumann, Widukind von Korvei, S. 87-93, S. 209-216.
Widukind, I, 36, S. 52: Quo facto (d.i. Aufstand der Redarier) omnes barbarae nationes erectae
iterum rebellare ausae sunt.
Widukind, I, 36, S. 52: Interea dies transit, et nox sólito tenebrosior eum ingenti pluvia adest nutu
divino, quatinus consilium pessimum inpediretur barbarorum, und I, 36, S. 54 divina favente
dementia.
Widukind, I, 36, S. 53.
Widukind, I, 36, S. 51-54.
Widukind, I, 38, S. 55.
Widukind, I, 38, S. 55.
Widukind von Corvey 285
sische Tapferkeit, die den militärischen Sieg über die Feinde ermöglicht. Den Rahmen
für die pax bildet die divina dementia, nach göttlicher Ordnung ist ein Sieg der Sachsen
über die Ungarn vorgesehen. Das Bemühen um die Kirchen und damit um die göttliche
Ordnung ist die Basis für den inneren Frieden, so daß an der Auseinandersetzung mit
den Ungarn deutlich wird, wie wichtig die Bekehrung zum Christentum für den wei-
teren Aufstieg der sächsischen gens war.
Der produktive Zusammenhang von innerem und äußerem Frieden zieht sich als roter
Faden durch Widukinds Erzählung.290 Insbesondere kommt er an Wendepunkten der
sächsischen Geschichte darauf zu sprechen, so etwa in den Erzählungen über die Auf-
stände gegen Otto den Großen. Der Bericht über den Aufstand Eberhards und Thank-
mars wird von Widukind mit den Worten cessantibus autem bellis extemis civilia oriri
coeperunt eingeleitet.291 Der innere Unfrieden hängt auch mit einer Störung der gött-
lichen Ordnung zusammen, die von Widukind beklagt wird: Fiebant preterea multa ne-
faria a seditiosis, homicidia, periuria, depopulationes, incendia; aequum pravumque,
sanctum periuriumque Ulis diebus parum procedebant?92
Als Otto I. und sein Bruder Heinrich schließlich versöhnt sind und zusammenarbei-
ten, kann die Vormachtstellung der Saxonia ausgebaut werden: Fratrum vero pax et
concordia, Deo acceptabilis hominibusque amabilis, toto orbe fit iam Celebris, dum
unanimes res publicas augent, hostes debellant, clvibus paterna potestate presunt.293 Zu
diesem Anlaß wird nicht nur der Zusammenhang zwischen innerem und äußerem Frie-
den, sondern auch die Relation des Friedens zu Gerechtigkeit und göttlicher Ordnung
von Widukind deutlich betont: Igitur cum bella intestina externaque cessarent, leges di-
vinae atque humanae auctorall vigore pollent?94
Bei einem weiteren Ungarneinfall scheint ebenfalls ein Zusammenhang zu dem Aufstand gegeben
zu sein, der von Widukind implizit angedeutet wird: Dum ea interea loci geruntur, antiqui hostes
nostri Ungarii subito irruunt in Saxoniam, Widukind, II, 14, S. 78; nach dem ersten Aufstand
Heinrichs, des Bruders Ottos I., berichtet Widukind vom erneuten Aufflammen der
Auseinandersetzungen mit den Slawen: Barbari autem labore nostro elati nusquam ab incendio,
caede et depopulatione vacabant, Widukind, II, 19, S. 83f; Eberhard von Franken wird zu einem
weiteren Aufstand verleitet tractum tamdiu bellum considérons, Widukind, II, 24, S. 86; Otto zieht
an den Lech zur Schlacht mit den Ungarn: His auditis rex, quasi nichil laboris pretérito bello (d.i.
der Aufstand von Liudolf und Konrad) toleravisset, coepit ire contra hostes, sumptis secum paucis
admodum ex Saxonibus, eo quod iam bellum Sclavanicum urgeret, Widukind, III, 44, S. 123;
Nach dem Sieg auf dem Lechfeld muß Otto dann erneut gegen aufständische Sachsen ziehen, die
sich mit slawischen Stämmen verbündet haben: Widukind, III, 53, S. 132f.
Widukind, II, 6, S. 71.
Widukind, II, 10, S. 74.
Widukind, II, 36, S. 95. Von Stetten, Niederschlag liudolfingischer Hausüberlieferung, S. 79,
sieht in dem Lob der drei Brüder einen deutlichen Hinweis auf eine Haustradition, auf die
Widukind zurückgegriffen habe. Behr, Unterwerfung, vor allem S. 19-21, betont, daß Widukind
mit der Harmonie unter den Brüdern die Bestimmung der Dynastie zur Herrschaft hervorheben
wollte.
Widukind, II, 37, S. 98.
286 Legitimation im fränkischen Kontext
Als Liudolf und Konrad sich gegen Otto erheben und die Ungarn zu Hilfe rufen, be-
klagt sich Otto in einer Rede über diesen Zusammenschluß der inneren und äußeren
Feinde: Tolerabile hoc utcumque foret, si non Dei hominumque inimici (d.s. die Un-
garn) his causis introducerentur?95
Nicht von ungefähr unterbricht Widukind auch seine Darstellung der Lechfeld-
schlacht, um von Kämpfen gegen die Slawen und pórtenla inusitata zu berichten, die
auf die Störung der göttlichen Ordnung verweisen, die im Krieg gegeben ist.296 Die Zei-
chen weisen auf den Sieg Ottos des Großen und den Wiedergewinn der göttlichen Ord-
nung im Frieden hin. Die Befriedung aller benachbarten Völker schließlich ermöglicht
den Romzug Ottos des Großen und damit erneut eine Erhöhung der Saxonia: Rebus igi-
tur rite composais per omnem Franciam Saxoniamque et vicinos circumquaque gentes,
Romam statuens proficisci, Langobardiam perrexit?91 In dieses Konzept Widukinds
paßt es auch, daß offensichtlich zunächst geplant war, das dritte Buch mit dem Tod
Wichmanns und damit dem Frieden im Inneren abzuschließen.298 In der Würdigung Ot-
tos des Großen, die der letzten Fassung entstammt, wird noch einmal der Zusammen-
hang zwischen göttlicher Ordnung im Innern und dem Sieg über die äußeren Feinde,
Frieden und Ruhm hervorgehoben: Populus autem pro eius laude et gratiarum actione
multa locutus memoravit eum paterna subiectos rexisse pietate, ab hostibus eos libéras-
se, superbos hostes Avares, Sarracenos, Danos, Sclavos armis vicisse, Italiam sub-iu-
gasse, delubra deorum in vicinis gentibus destruxisse, templa ministrorumque ordines
constituisse?"
Für den inneren Frieden verwendet Widukind noch ein weiteres Schlüsselwort, um
den Idealzustand zu beschreiben. Nicht mir pax, sondern auch concordia ist das Ziel der
Bemühungen um innere Stabilität. Ein Gefolgsmann Heinrichs, des Bruders von Otto,
soll auf ihn adpacem et concordiam einwirken, der Kämmerer des Königs soll pro con-
cordia et pace mit Giselbert von Lothringen verhandeln.300 Bei der endgültigen Versöh-
nung Ottos I. mit seinem Bruder Heinrich auf Vermittlung seiner Mutter hin ist eben-
falls von pax et concordia die Rede.301 Friedrich, Erzbischof von Mainz, strebt sowohl
beim Aufstand Eberhards als auch bei der Auseinandersetzung zwischen Otto I., Liu-
dolf und Konrad nach pax et concordia?02 Ekbert, ein Verwandter Ottos I., wird vom
König de pace atque concordia tractandi zu Liudolf gesandt.303 Nach der Versöhnung
mit Konrad dem Roten bittet Otto I. den Erzbischof Friedrich von Mainz, daß er pacis
et concordiae consilium, in quantum possitis, adiuvetis .304 Der Friedens- und Versöh-
nungswille Ottos im Umgang mit Aufständischen wird auch ohne diese spezielle For-
mulierung hervorgehoben.305 Die Formel pax et concordia taucht schon in der Ge-
schichte des Thüringerkrieges auf,306 und an einigen Stellen findet sich die prägnante
Gegenüberstellung von pax und discordia bzw. bellum?01 Mit dem Begriff concordia
wird der Begriff pax für den inneren Frieden gewissermaßen noch gesteigert und diffe-
renziert.308
Das Gebiet, für das pax und concordia primäres Ziel sind, ist die patria, sofern Wi-
dukind dieses Wort nicht in der Bedeutung von „Heimat" resp. „Zuhause" verwendet.309
Die Bestimmungen zur Abwehr der Ungarn, die Heinrich I. erläßt, erfolgen etwa muni-
enda patria?10 Bei der Rede vor dem Sieg von Riade spricht Heinrich davon, daß die
Sachsen nur ad vindictam patriae parentumque denken sollen.311 Bedeutsam ist auch
der Ehrentitel pater patriae, der Otto dem Erlauchten, Heinrich I. und Otto I. zugestan-
den wird.312
313
Widukind, II, 26, S. 89.
314
Widukind, II, 31, S. 92.
315
Widukind, III, 20, S. 115. Zu dieser Stelle vgl. auch Körntgen, Königsherrschaft und Gottes
Gnade, S. 99f. ,
316
Widukind, III, 30, S. 117.
317
Widukind, III, 33, S. 120: ...discesserunt ab eo (d.i. Liudolf), Deo regique sese iungentes.
318
Widukind, III, 46, S. 117. Zur Anlehnung dieser Schlachtenrede an die Makkabäerbücher vgl.
Keller, Machabaeorum pugnae. Zur Bibelimitatio bei der Beschreibung der Lechfeldschlacht vgl.
auch Weinrich, Tradition und Individualität, und Körntgen, Königsherrschaft und Gottes Gnade,
S. 89-93.
319
Widukind, III, 61, S. 136f.
320
Widukind, I, 33, S. 46. Zur Bedeutung, die Widukind seinem Heiligen, dem Vitus, beilegte, die
besonders in seiner ausführlichen Lebens- und Translationsbeschreibung deutlich wird (I, 34,
S. 46-48), vgl. auch Krüger, Dionysius und Vitus; Eggert, Wir-Gefühl, S. 281, und Becher, Vitus
und Mauritus. Zur Möglichkeit, daß Vitus für eine geplante Prager Bistumsgründung so
9. Zusammenfassung
Widukind bietet eine schärfere Idenitätsstiftung für die Sachsen, als sie sich etwa bei
Fredegar und im Liber historiae Francorum für die Franken findet. Ihre Origo findet in
zwei Stufen statt, wobei die Abgrenzung von den äußeren Feinden, den Thüringern, be-
sonders wichtig ist, die in der Abgrenzung von späteren feindlichen gentes wie Dale-
minci, Dänen, Lothringern und vor allem den Ungarn wieder aufgenommen wird. Die
sächsischen Eigenschaften der Tapferkeit und der List werden in ihrer Herkunft ange-
legt und werden ebenso im Verlauf der Geschichte immer wieder betont. Bestätigt wer-
den die Eigenschaften von außen, indem Widukind immer wieder davon berichtet, daß
andere gentes sie an den Sachsen wahrnehmen. Legitimität erhalten die Sachsen dabei
zum einen durch das Eroberangsrecht und zum anderen durch den fränkischen König.
Überhaupt gewinnen die Sachsen in ihrem Verhältnis zu den Franken stetig an Prestige
hinzu. Sind sie in der Origo noch von Widukind mit den Franken auf eine Stufe gestellt
worden, macht er doch dann schon deutlich, daß die Sachsen die Franken überrunden
werden und schildert schließlich die Verschmelzung von Franken und Sachsen sowie
die Übernahme der Macht durch die Sachsen. Die sächsischen Eigenschaften verwendet
Widukind nicht nur zur Abgrenzung von anderen gentes, sondern sie stehen letztlich im
Dienst der pax mit anderen gentes und der innersächsischen concordia, die als Ziel-
punkt sächsischer Herrschaft dargestellt werden. Die Herzöge und dann Könige aus liu-
dolfingischem Haus stehen für Widukind an der Spitze der gens und repräsentieren zum
einen beispielhaft die sächsischen Eigenschaften und sind zum anderen Garanten für
pax und concordia.
1
Zu diesem „komplizierten Absetzungsprozeß" zu den Franken, der sich bei Dudo auch findet, vgl.
2
allgemein auch Pohl, Bedeutung ethnischer Unterscheidungen.
Dies mag auch damit zusammenhängen, daß für Widukind die ostfränkischen Herrscher vor
Heinrich I. und erst recht die karolingischen Könige als Identifikationsfiguren schon sehr stark
verblaßt waren. Vgl. dazu auch Reuter, Ottoman Ruler Representation, bes. S. 371 f.
3
Vgl. dazu Schneidmüller, Nomen patriae, vor allem S. 275-283.
Widukind und Dudo im Vergleich 291
stigen Klugheit stehen im Dienst der pax. Ein weiteres Ziel, das sich aus der Tapferkeit
und Klugheit sowie aus dem erreichten Frieden ergibt, ist der Ruhm der gens in ihrer
Umgebung. Damit wird gewährleistet, daß die eigene Identität als eine von außen wahr-
genommene bestätigt wird und nicht in der bloßen Selbstbehauptung verhaftet bleibt.
Obwohl Widukind teilweise seinen Herrschern gegenüber sehr viel kritischer ist als
der panegyrische Dudo, dürfte doch deutlich geworden sein, daß beide ähnliche Vorge-
hensweisen haben, die über Motivgleichheit, wie sie sich schon mehrfach beobachten
ließ, hinausgehen. Am ehesten lassen sich diese Gemeinsamkeiten durch die ähnliche
Situation erklären. Beide schrieben für gentes, deren Herrschaftsbildung in der zweiten
Generation erfolgte und nicht mehr durch römische Legitimierung vermittelt wurde.
Dies erforderte offensichtlich ein Umdenken und eine Umformung bisheriger Origo-
Schemata. Auffällig ist vor allem, daß die Vermittlung der Legitimität durch die Römer
nicht benötigt wird, vielmehr das Setzen der eigenen Legitimation vor der Legitimie-
rung von außen steht. Die Identität wird mehr aus der Abgrenzung zu anderen gentes
und den inhärenten Eigenschaften gewonnen als aus der Herkunft, deren Potential we-
der von Widukind noch von Dudo voll ausgeschöpft wird. Das beiden gemeinsame Ziel
der pax scheint ein neu hinzugekommenes Motiv zu sein, die gloria findet sich, wenn
vielleicht nicht in so ausgeprägter Form, auch in den frühmittelalterlichen Origines.
Mit Widukind und Dudo haben wir Beispiele für die Weiterentwicklung von Origo-
Schemata vorliegen, die an die Gegebenheit der Herrschaftsentwicklung in der zweiten
Generation angepaßt sind, daneben weitere auffällige Ähnlichkeit in der Betonung der
pax aufweisen, aber auch Unterschiede zeigen, die wiederum durch die verschiedene Si-
tuation eines einzelnen regnum Northmanniae und eines imperium Francorum gegeben
sind.
VI. Legitimation im römisch-deutschen
Kontext
A. Gallus Anonymus
'
Zu Gallus Anonymus vgl. Maleczynski, Vorwort zur Edition, S. XXXIX-LXXXV; Wattenbach,
Geschichtsquellen, Zeit der Sachsen und Salier, S. 812; Pánek, Conception, S. 8-16; Buinoch,
Gallus und Cosmas; ders. (Hrsg.), Polens Anfange, Einleitung, S. 10-13; G. Labuda, Gallus
Anonymus, in: LexMa 4, Sp. 1099, sowie Kersken, Geschichtsschreibung, S. 491-499.
2
3
Vgl. dazu Kürbis, Herrscherlob, S. 52.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, Prooemium, S. 9. In der Vorrede betont Gallus zudem, daß er
die Chronik gratia cuiusdam gloriosissimi ducis ac victorissimi geschrieben habe, vgl. ebd. S. 6.
Zur panegyrischen Absicht des Gallus etwa auch Michalowski, Restauratio Poloniae.
Gallus Anonymus 293
ren Panegyrikern wie Dudo oder den anonymen Chroniken von Flandern und Boulogne
verglichen.4
Der Chronik ist ein panegyrisches Gedicht auf die wunderbare Geburt Boleslaws III.
vorangestellt, das die Absicht des Gallus zum Lob der polnischen Herzöge weiter ver-
deutlicht. Die Eltern Boleslaws III., Wladyslaw und Judith, kommen auf Vermittlung
des heiligen Aegidius aus der Provence zu einem Erben. Die Geburt des Boleslaw geht
auf das Wirken Gottes zurück. Bezeichnenderweise wird schon in diesem Gedicht die
Einheit der polnischen gens vorausgesetzt, indem Gallus Judith mit der alttestament-
lichen Judith vergleicht: Iudith salvavit populum/Per Olofernts iugulum/Ista pepertt fili-
um/Triumphatorem hostium/De cuius gestis scribere/Iam tempus est insistere? Gallus
parallelisiert hier sehr gewagt zum Volk Israel, indem er die Rolle als Retterin ihres
Volkes für beide Judiths heraufbeschwört.
Ähnlich wie Dudos Werk ist die Chronica ducum Polonorum nicht den Herzögen
selbst gewidmet, sondern geistlichen Großen, nämlich den wichtigsten polnischen Bi-
schöfen.6 Die Widmungsbriefe sind ein typisches Beispiel für den weitverbreiteten Be-
scheidenheitstopos: Gallus führt in wortreichen Metaphern aus, daß er sich der Aufgabe
eigentlich nicht für gewachsen hält und die Fürsprache der Bischöfe erbittet,7 offen-
sichtlich, um für seine Mühe belohnt zu werden: Spiritus sancti gratia, que vos domini-
ci gregis pastores ordinavit, taie suggérât consilium vestre menti, quatenus princeps di-
gna det muñera promerenti, unde vobis honor sibique gloria proferenti. Semper gau-
dete, nobis operique favete? schließt Gallus seinen Widmungsbrief. Im ausleitenden
Brief zum zweiten Buch scheint er darauf anzuspielen, daß er vom herzoglichen Hof
Unterstützung erfährt: sed ut otium evitarem et dictandi consuetudinem conservarem et
ne frustra panem Polonie manducarem, beschreibt er den Sinn seiner Schrift.9 Man muß
davon ausgehen, daß auch handfeste wirtschaftliche Interessen Gallus zur Abfassung
des Werkes bewogen haben. Die Hinweise im Widmungsbrief scheinen darauf zu deu-
ten, daß Gallus keinen direkten Zugang zu Boleslaw III. hatte. Er ist nicht den engen
Vertrauten des Hofes zuzurechnen. Leider läßt sich nicht erkennen, wie eng andererseits
sein Verhältnis zu den genannten Bischöfen war. Die Tatsache, daß er sein Werk so vie-
len widmete, spricht für eine intensive Suche nach Mäzenen und nicht für eine herausra-
gende Stellung am Herzogshof oder im Umkreis eines Bischofs.10
5
Vgl. dazu Bisson, On not Eating Polish Bread in Vain, vor allem S. 281.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, Epilogius, S. 5f.
6
Martin von Gnesen, Simon von Plock, Paulus, wohl Bischof von Posen, Maurus von Krakau,
Zyroslaw von Breslau.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, Epistola zu Buch I, S. 2f: Metaphern über ein unsicheres
Schiff und einen Fehlsichtigen, der Gefahr läuft, sich ohne Führung im Wald zu verirren; Epistola
zu Buch II., S. 61: Gallus vergleicht seine Bemühungen mit der Arbeit einer Ameise, die ihrem
Können gemäß Lasten trägt.
8
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, Epistola zu Buch I, S. 4.
9
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, Epistola zu Buch II, S. 120. Er spielt S. 123 noch einmal auf
eine mögliche Belohnung an: indignum est et inconveniens, si consilio quorundam artifici merces
operis auferatur.
10
Anders Labuda, Miejsce poustania Kroniki Anónima Galla, der eine Entstehung in Krakau und
294 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
In der Chronik läßt sich eine Fokussierang auf die Dynastie und ihre Rechtmäßigkeit
feststellen. So soll die Darstellung des Niedergangs nach dem Tod Mieszkos II. denen,
die ihren dominis naturalibus die Treue nicht gehalten haben, ad correccionem dienen."
Dennoch lassen sich darüber hinaus andere Elemente der Identitäts- und Legitimitäts-
stiftung erkennen, die uns Aufschluß darüber geben, wie Gallus mit der ihm vielleicht
aus Frankreich bekannten Tradition von Ursprungserzählungen umgegangen ist.12 Ne-
ben dem Herrscherlob dürfte eine weitere Motivation für Gallus gewesen sein, mit sei-
ner Chronik den Beweis dafür zu führen, daß die Polen ihren Platz in der westlichen
Christenheit zu Recht innehatten, und sie an die historiographische Tradition anzubin-
den. Ähnlich wie die Herzöge der Normandie dürften die Herzöge Polens das Bedürfnis
gehabt haben, wie andere gentes eine Geschichtsschreibung aufzuweisen.
15
Vgl. dazu Smigiel, Adalberts Grab, und Gawlas, Der Hl. Adalbert als Landespatron.
16
Üblicherweise wird Polen mit der Bedeutung „Feld" oder „Land" (im Gegensatz zu Wasser)
verbunden, vgl. auch Gieysztor, Gens Polonica, S. 353f; vgl. dazu jetzt auch Lübke, Qui sint vel
unde hue venerint. Zu „Slawen" als Fremdbegriff vgl. Graus, Nationenbildung, S. 33, und Curta,
17
Making of the Slavs, S. 335-350.
S. u. 300 Anm.
18
Zu dieser Entwicklung vgl. Gawlas, Territorialisierung sowie A. Gieysztor, Polen 1.2, in: LexMa
7, Sp. 54.
19
Zur entscheidenden Bedeutung der Christianisierung Polens aus eigener Kraft vgl. auch Trestík,
Von Svatopluk zu Boleslaw Chrobry.
Vgl. dazu Lübke, Eibslaven, S. 62f, und ders., Qui sint vel unde hue venerint, S. 280. So etwa
20
noch Labuda, Entstehung, S. 95: „sie (die Westslawen) mußten große Tribute und schwere Dienste
zugunsten der Eroberer (die Deutschen) leisten, die absichtlich jegliche Versuche zur Schaffung
296 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
den Piasten gegenüber war durchaus ambivalent. Zum einen haben wir intensive Kon-
takte und unter Otto III. einen Versuch der Einbindung in das Reich, zumindest auf der
Ebene eines Bündnisses. Auf der anderen Seite steht die feindselige Politik Hein-
richs II., die von den weiteren Herrschern des dann deutschen Reiches nicht mehr ver-
folgt wurde.21 Wie für Nachbarn nicht unüblich, folgten Phasen der friedlichen Koexis-
tenz auf Phasen der Auseinandersetzung, und gerade im Adel sind vielfältige komplexe
Verwandtschafts- und Freundschaftsbindungen zu beobachten, die über die Phasen
eines Antagonismus hinweg tragfähig blieben. Die Beurteilung der polnischen Frähzeit
hat in den letzten Jahrzehnten intensive Neubewertungen erfahren, da sich Historiker
polnischer und deutscher Provenienz von alten nationalistischen Vorurteilen befreien
und die Rückprojektion der problematischen neuzeitlichen Geschichte der beiden Völ-
ker auf das Mittelalter zunehmend vermieden wird.22
Auffällig ist allerdings, daß nicht etwa, wie naheliegend, zum Lob der eigenen gens
deren militärische Überlegenheit betont wird, sondern lediglich ihre Fähigkeit zur Ver-
teidigung. Die Verteidigung gegenüber anderen gentes spielt dann im weiteren eine
große Rolle für die Legitimierung der Herrscher. Diese Notwendigkeit zur Verteidigung
gegen andere gentes mag deshalb von Gallus so betont worden sein, weil er keinen Ein-
wanderangsmythos schildert. Die Ausgangssitaation der Polen unterscheidet sich damit
von den Eroberermythen anderer gentes.
Nachdem er den geographischen Platz der polnischen gens geschildert hat, kommt
Gallus im ersten Kapitel direkt auf die Gründung des Piastenhauses zu sprechen, das
sich als wesentlich wichtiger als die gens erweist.
Ein Herzog Popiel, der in Gnesen herrschte, habe anläßlich der tonsura seiner Söhne
ein Gastmahl vorbereitet. Zwei hospites, die an der Feier teilnehmen wollen, aber nicht
eingeladen sind, werden am Zugang zur Stadt gehindert und in der Hütte eines arator
und pauper namens Piast aufgenommen, der lediglich mit einem Faß Bier und einem
Ferkel für seinen Sohn dasselbe Fest feiern will und die Fremden dazu einlädt. Deren
wundertätige Kraft zeigt sich bald in der Vermehrung der Getränke und Speisen, die
gleichzeitig bei Herzog Popiel ausgehen. Piast lädt nun den Herzog und seine Gäste ein,
und die Fremden vollziehen die tonsura am Sohn des Piast und benennen ihn.27
Diese Erzählung weist einige typische Origo-Elemente auf: Piast wird von den Frem-
den von außen legitimiert. Sie setzen ihn in die Rolle des Herzogs ein, indem sie ihm
die Nahrungsmittel für das convivium zur Verfügung stellen und dafür sorgen, daß Po-
piel bei Piast zu Gast ist und nicht umgekehrt. So erfahrt die Familie hier eine Legiti-
mierung von außen, die bis auf ein schwammiges ex occulto Dei consilio nicht expli-
ziert wird. Denn die Fremden werden nur als Wesen höherer Macht beschrieben, ohne
daß ihre Herkunft als göttlich benannt wird. Die Fremden geben allerdings Piast sofort
ihre Wirkmacht kund, indem sie ihm mitteilen: Bene, inquiunt, nos advenisse gaudea-
tis, et in nos tro adventu bonorum copiam et de sobóle honorem et gloriam habeatis.2*
Weiterhin haben die Fremden prophetische Kräfte, wie bei der Benennung des Sohnes
des Piast deutlich wird, die ex presagio futurorum29 erfolgt. Die beiden Fremden tragen
die Züge von Heiligen, und die Erzählung von dem Armen, der sein letztes Stück Vieh
für seine (überirdischen) Gäste gibt und dafür belohnt wird, ist ein weitverbreitetes Mo-
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 1 und 2, S. 9ff. In der Kapitelüberschrift trägt Popiel den
Beinamen Chosisco, was gleichzeitig der Name des Vaters von Piast ist. Dies wird von Gallus
nicht erklärt, aber es ist denkbar, daß Piast in der ursprünglichen mündlichen Überlieferung ein
vernachlässigter Sohn des Popiel war. Möglicherweise hängt der Name auch mit einer besonderen
Haartracht zusammen, vgl. Kersken, Geschichtsschreibung, S. 548. Zu der Rolle dieser beiden
Fremden vgl. Michalowski, Restauratio Poloniae, S. 11; zur tonsura resp. Bartschur Bartlett,
Symbolic Meanings of Hair. Zum Fortleben dieser Gründungssage der Piasten und ihrer dann
expliziten christlichen Auslegung in der späteren polnischen Geschichtsschreibung Kersken,
Geschichtsschreibung, S. 543-549 und 551.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 1, S. 10.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 2, S. 11. Auch die Prophezeiung künftiger Hoheit ist ein
verbreitetes Motiv der Herrschersage, vgl. I. Tomkowiak, Herrschaft, Herrscher, in: EM 6, Sp. 894-
916, hier Sp. 903.
298 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
tiv, das auch schon in der Bibel auftaucht.30 Die bescheidene Herkunft des Piast ist
ebenfalls im Kontext der Origo-Erzählung nicht ohne Parallele. Ähnliches findet sich in
der Erzählung vom Sturz des Königs Benlli durch den heiligen Germanus auch hier
erfolgt die Erhöhung des Nachfolgers von Benlli als Belohnung für gewährte Gast-
-
freundschaft die in der Historia Brittonum begegnet.31 Des weiteren hat die Erzäh-
,
lung natürlich exemplarischen Charakter, wie an einem Bibelwort deutlich wird: qui
-
30
31
Vgl. E. Moser-Rath, Gast, in: EM 5, Sp. 718-727, vor allem Sp. 722.; etwa 1 Könige 17,8-16.
S.o. S. 102f.
32
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 2, S. lOf.
33
Vgl. dazu Werner, Frühzeit des französischen Fürstentums III, 117f; Graus, Lebendige
Vergangenheit, S. 78; I. Tomkowiak, Herrschaft, Herrscher, in: Enzyklopädie des Märchens 6, vor
allem Sp. 903f, und Plassmann, Welfen-Origo, S. 64.
34
Diese ist auch in späterer polnischer Geschichtsschreibung nicht zu finden vgl. Kersken,
35
Geschichtsschreibung, S. 533.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 1, S. 9, heutiges polnisch „gniazdo".
36
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 3, S. 12.
37
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 3, S. 12. Zu diesem weit verbreiteten Motiv eines Sünders,
der von Ungeziefer gefressen wird vgl. etwa auch Thietmar, Chronik, ed. Holtzmann, VI, 82,
S. 372; Giraldus Cambrensis, Itinerarium Cambriae, ed. Dimmock, II, 2, S. 1 lOff, sowie die Sage
von Hatto von Mainz (Chronica minor minoritae Erphordensis, ed. Holder-Egger, ad a. 918, 969,
S. 619, 621). Später wurde Popiels Tod explizit mit seinen Sünden in Verbindung gebracht, vgl.
Magistri Vincentii Chronica Polonorum, ed. Bielowski, I, 19, S. 269 bzw. ed. Kürbis, S. 33-38.
Dazu Banaszkiewicz, Mäusethurmsage, v.a. S. 12.
38
Auf diesen Aspekt des Todes von Popiel hat auch schon Banaszkieicz, Mäusethurmsage, S. 30,
hingewiesen.
Gallus Anonymus 299
Die weiteren Herzöge bis zu Mieszko I. erwähnt Gallus absichtlich nur mit knappen
Worten, weil es sich noch um Heiden handelte.39 Dennoch werden sie positiv ge-
schildert.40 Die Bekehrung des Mieszko zum Christentum wird von Gallus als ein heils-
geschichtlich vorgesehenes Ereignis geschildert, da Mieszko seine von Geburt an vor-
handene Blindheit an seinem siebten Geburtstag verliert und diese Erleuchtung im Kör-
perlichen auf die geistige Wende hindeutet: Veré Polonia ceca prius erat, que nee cul-
turam vert Dei nee doctrinam fidei cognoscebat, sed per Merschonem illuminatam est
et ipsa illuminata, quia eo credente Polonica gens de morte infidelitatis est exempta?1
Aufschlußreich ist die Gleichsetzung des Herzogs mit Polonia und der Polonica gens,
die deutlich macht, daß Gallus die Herzöge als alleinige Identifikationsfiguren sieht.
Die Bekehrung der Piasten bedeutet zugleich die Bekehrung Polens. Ein anderer Ver-
lauf ist nicht denkbar. Schon Graus hat auf den starken dynastischen Charakter der pol-
nischen Origo verwiesen.42 Die Verbindung von dux und gens ist so stark, daß eine ge-
sonderte Erzählung über die Bekehrung der polnischen gens nicht nötig ist. Die Christi-
anisierung des Mieszko erfolgt endgültig durch seine Braut Dubrovka, die die Taufe zur
Bedingung für die Eheschließung macht.43 Die körperliche Blindheit als äußeres Zei-
chen des Heidentums oder unrechten Glaubens sowie die christliche Ehefrau oder Braut
sind als Motive in Bekehrungserzählungen weit verbreitet.44 Die Unterstellung unter den
Papst, die Mieszko I. 990/1 vornahm,45 wird von Gallus nicht erwähnt, vielleicht weil
sie ihm nicht bekannt war.
Erst nachdem die Bekehrung zum Christentum erfolgt ist, tritt die eigentliche Grän-
dergestalt auf: Boleslaw Chrobry. Auf die minderjährigen Halbbrüder des Boleslaw
Chrobry, die dieser ausschaltete, geht Gallus bezeichnenderweise nicht ein.46 Für ihn ist
39
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 3, S. 12: Sed istorum gesta, quorum memoriam oblivio
vetustatis abolevit et quos error et ydolatria memorare negligamus et ad ea recitanda,
defedavit,
quefidelis recordatio meminit, istos succinte nominando transeamus.
40
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 3, S. 12f: Sed usu laboris et militie probitatis famam et
honoris gloriam acquisivit, atque sui prineipatus fines ulterius quam aliquis antea dilatavit
41
(Siemomysl). Ebd.: qui paterne probitati et audacie gestis sese militaribus adequavit (Leszek).
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 4, S. 14.
42
Graus, Nationenbildung, S. 33; Michalowski, Restauratio Poloniae, und Skibinsky, Identity and
Difference.
43
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 5, S. 15. Zu der völlig gegensätzlichen Darstellung bei
Cosmas Pànek, Conception, S. 2Iff.
44
Vgl. etwa Beda und Gregor von Tours, oben S. 77 und 124. Spätere Erzählungen (Annales
Sandigovii, ed. Perlbach, ad a. 965, S. 425 mit Anm. *, Großpolnische Chronik, cap. 10, S. 482)
verwandten in diesem Zusammenhang der Taufe des Mieszko erstmals den Namen der Polen. Ob
sie den Namen Polen so Fried, Der Hl. Adalbert und Gnesen, S. 49 tatsächlich mit dem
polnischen Wort „polewac", besprengen, in Bezug setzten, ist eher zweifelhaft, vgl. dazu Lübke,
- -
Qui sint vel unde hue venerint, der den Anstoß für die Benennung der Polen als eigenständiger
45
Gruppe von innen gegeben sieht.
Vgl. dazu G. Labuda, Dagome-iudex-Dokument, in: LMA 3, Sp. 430f, und Warnke, Schenkung
Polens. Kritische Edition bei Kürbis, Dagome-iudex.
46
Man geht davon aus, daß Mieszko für sie die Nachfolge im Dagome-iudex-Dokument sichern
wollte, vgl. G. Labuda, Dagome-iudex-Dokument, in: LMA 3, Sp. 430f, anders Warnke,
300 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
Boleslaw der vorbestimmte Herrscher der Polen. Dieser erfüllt eine wichtige Grundbe-
dingung für eine Gründergestalt: Er kann die Feinde seiner gens besiegen.47 Außerdem
erweist er dem aus Böhmen vertriebenen heiligen Adalbert zu dessen Lebzeiten die
schuldige Ehrerbietung und kann seinen Leichnam bei den heidnischen Preußen gegen
Gold einlösen.48 Da der heilige Adalbert für die gens polonica eine wichtige Rolle
spielt, ist es von großer Bedeutung, daß sich Boleslaw die Reliquien sichern konnte.
Boleslaw kann dann den Aufstieg seines Hauses vervollkommnen, indem er von
Otto III. zum König gekrönt wird. Läßt man die Frage, ob eine solche Königserhebung
des Boleslaw durch den Kaiser stattgefunden hat und das scheint doch trotz der Argu-
Johannes Fried eher unwahrscheinlich zu sein -49 einmal beiseite, kann man
-
mente von
viele Elemente in der Erzählung entdecken, die darauf hindeuten, daß Gallus in dem
Akt von Gnesen die eigentliche Gründung Polens gesehen hat. Daher sollen im fol-
genden die Origo-Elemente dieser Erzählung in den Blick genommen werden.
Gallus berichtet, daß Otto III. nach Gnesen gekommen sei, um am Grab des Adalbert
zu beten und Boleslaw zu sehen. Boleslaw bereitet ihm einen großartigen Empfang, der
in allen Einzelheiten geschildert wird, und wird von Otto zum König gekrönt.50 Mehrere
Einzelheiten fallen an dem Bericht ins Auge. Otto III. werden nach der Zurschaustel-
lung von Boleslaws Reichtum folgende Worte in den Mund gelegt: Non est dignum tan-
tum ac virum talem sicut unum de principibus ducem aut comitem nominari, sed in re-
gale solium glorianter redimitum diademate sublimari?1 Gallus greift hier auf die No-
mentheorie zurück,52 um den Ansprach Boleslaws auf die Königskrone zu unterstrei-
chen. Boleslaw hat schon vor der Krönung die faktische Stellung eines Königs inne, wie
durch die verschiedentlichen Erwähnungen seiner fama, die Otto III. erreicht habe, her-
vorgehoben wird.53 Eine Königserhebung ist daher nur die Anerkennung von gegebenen
Tatsachen. Inhalt und Benennung stimmen bei dem rex Boleclaus in ähnlich idealer
Weise überein wie bei der in der geographischen Einleitung geschilderten Flora und
Fauna Polens.
Der vertraute Umgang mit Otto III., der durch den Austausch von Geschenken gefe-
stigt wird, dient dazu, die Gleichrangigkeit Boleslaws weiter zu betonen.54 Bestätigt
wird dies durch das festliche convivium im Anschluß an die Krönung, bei dem Boleslaw
den Kaiser noch einmal pro honore, non pro principalt muñere beschenkt.55 Der sagen-
hafte Reichtum, der Boleslaw zugeschrieben wird, hebt seine besondere Bedeutung für
die Gründung Polens hervor. Zudem suggeriert Gallus mit der Erwähnung der Ge-
schenke beim Leser eine weitere Rangerhöhung des Boleslaw. Denn eigentlich wäre es
an Otto III. als der ranghöheren Person gewesen, Boleslaw viele und wertvolle Ge-
schenke zu überreichen.56 Dadurch daß Gallus aber Boleslaw in der Rolle des Schen-
kenden darstellt, macht er dessen hohen Rang gegenüber dem Kaiser deutlich.
Die Erhebung des Boleslaw selber wird sehr ungewöhnlich geschildert: Et accipiens
impériale diadema capitis sui, capiti Bolezlaui in amicicie fedus inposuü?1 Es wurde
schon häufig daraufhingewiesen, daß dies nicht die übliche Formulierung für eine Krö-
nung ist, und Gerd Althoff hat vorgebracht, daß es sich um eine ungewöhnliche Form
des Abschlusses einer amicitia handeln könne.58 Diese Erklärung ist der Annahme einer
tatsächlichen Krönung, der zu viele Quellenbelege entgegen stehen, vorzuziehen. Denn
die zeitgenössischen Quellen berichten59 zum Teil mit großer Empörung -, daß
Boleslaw sich 1025 selbst zum König erhoben habe. Von einer Königserhebung im Jahr
-
1000 berichtet außer Gallus jedoch keine schriftliche Quelle. Im Kontrast zu den zeitge-
nössischen Quellen steht allerdings auf jeden Fall fest, daß Gallus in dem Akt eine Kö-
nigserhebung sah, denn er schreibt: Igitur Bolezlauus in regem ab imperatore tarn glo-
riose sublimatus.60 Möglicherweise hat Gallus eine vorhandene mündliche Überliefe-
rung über eine Krönung durch Otto III. zugunsten seines Protagonisten genutzt. Da eine
solche Überlieferung nur vermutet werden kann, kann man vielleicht sogar annehmen,
daß Gallus von selber auf die Idee kam, den Akt von Gnesen mit einer Krönung zu ver-
binden. Offensichtlich kam es ihm dabei besonders auf den Aspekt der Legitimierung
von außen an, denn sonst hätte er die parallele Überlieferung über die Krönung 1025
nutzen können.
Weiterhin fällt auf, daß die kaiserliche Stellung Ottos III. etwas häufiger hervorgeho-
ben wird, als dies vielleicht nötig wäre. Außerdem wird auf ihn immer als imperator
Romanus Bezug genommen, seine sächsische Herkunft zu diesem Zeitpunkt spricht
-
54
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 6, S. 19. Bezeichnenderweise überreicht Otto Boleslaw zwei
Reliquien, Boleslaw Otto jedoch nur eine. Dies entspricht ihrer Rangfolge, da der Ranghöhere
mehr Geschenke geben sollte, vgl. Althoff, Symbolische Kommunikation, S. 303.
55
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 6, S. 20f.
56
Vgl. dazu Althoff, Symbolische Kommunikation, S. 303-306. Wie Althoff bemerkt, mag die
übertriebene Darstellung dieser „Flut von Geschenken" durchaus dazu angetan gewesen sein, das
Publikum zum Lachen zu bringen.
57
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 6, S. 19.
58
Althoff, Otto III., S. 144f.
59
Überblick über die Quellen bei Lübke, Regesten 4, Nr. 575, S. 127, vor allem Annales
60
Quedlinburgenses, ed. Giese, ad a. 1025, S. 578. Vgl. auch oben S. 300 Anm.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 6, S. 20.
302 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
Gallus nur von Sachsen, nicht von Deutschen -61 fällt dabei unter den Tisch.62 Beson-
ders auffallig ist dies nach der Krönung: imperator eum fratrem et cooperatorem impe-
rii constitua, et popuii Romani amicum et socium appellavit?3 Boleslaw wird zu einem
Verbündeten des imperium und des römischen Volkes, nicht etwa der Sachsen. Dies ist
in eine Linie mit der Betonung der Legitimität von außen durch die Römer zu stellen.
Das schlechte Verhältnis zwischen Boleslaw III. und den salischen Kaisem spielt für di-
ese Verschleierung der Herkunft Ottos III. keine Rolle, da die Deutschen in salischer
Zeit bei Gallus nur noch Theutonici heißen und die Saxones nach Boleslaws Chrobrys
Tod von der Bildfläche verschwinden.64
Der Kaiser als Legitimationsstifter hat eher bestätigende als einsetzende Funktion,
ein Phänomen, das die Unabhängigkeit der gens hervorhebt. Läßt man die Frage nach
dem Wahrheitsgehalt in Gallus' Erzählung außer Acht, liegt auf jeden Fall eine Konsti-
tuierung und Legitimierung der Grändergestalt von außen vor, wie wir sie aus anderen
Origines kennen. In bezug auf die Einsetzung durch eine äußere Macht hat also eine
translatio imperil stattgefunden. Dieser Aspekt spielt in der polnischen Geschichts-
schreibung des späteren Mittelalters, die den Antagonismus zum deutschen Reich sehr
viel stärker betont, keine Rolle mehr.65
Merkwürdigerweise wird die für Polen fast noch wichtigere Erhebung Gnesens zum
Erzbistum von Gallus nur gestreift und so ausgedrückt, als ob Otto III. Boleslaw und
seinen Nachfolgern die Kirchenhoheit übertragen hätte.66
S.u. S. 317.
Etwa Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 6, S. 18: Quem (Otto) Bolezlaus sie honorifice et
magnifiée suseepit, ut regem, imperatorem Romanum ac tantum hospitem suseipere decens fuit.
Im gesamten Kapitel wird Otto nur imperator Romanus genannt, nicht imperator Romanorum, wie
es eigentlich üblich war. Immerhin gibt es eine Urkunde Ottos III., in der er sich Romanus,
Saxonicus etltalicus nennt, vgl. DOIII. 390 vom 23. Januar 1001.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 6, S. 20.
S. dazu unten S. 317.
Dazu vgl. Graus, Nationenbildung, S. 70-73. Die stärkere Betonung des Gegensatzes zu den
Deutschen in der späteren Literatur hängt sicherlich auch mit zunehmender Deutschenfeindlichkeit
zusammen, vgl. Zientara, Foreigners in Poland, vor allem S. 11-27. Auf der anderen Seite finden
sich später noch Hinweise auf das ausgesprochen gute Verhältnis zwischen Deutschen und Polen
so etwa: Großpolnische Chronik, ed. Bielowski, S. 471: Item alia interpretatio Germanorum.
Dicitur a german, quia unus alterum fraternitatis consanguinitate attingebat. Nam gerzmo est
quoddam instrumentum, in quo duo boves simul juneti trahendo aratrum seu plaustrum incedunt.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 6, S. 20: Insuper etiam in ecclesiasticis honoribus quiequid
ad imperium pertinebat in regno Polonorum, vel in aliis superatis ab eo vel superandis regionibus
barbarorum, sue suorumque successorum potestati concessit. Zur Kontroverse, ob die Gründung
eines Bistums von vornherein in Gnesen geplant war, vgl. Görich, Prag oder Gnesen?, und
Strzelczyk, Polen, Tschechen und Deutsche.
Gallus Anonymus 303
Die polnischen Herzöge werden von Gallus geradezu mit positiven Eigenschaften über-
häuft. So ist Boleslaw Chrobry etwa numquam otiosus, audax etprovidus.61 Gallus sieht
sich außerstande, Boleslaw Chrobry angemessen zu beschreiben: Si singula facta vel
dicta magnl Bolezlaut memoranda carptim voluerimus scriptitare, quasi stilo labore-
mus guttatim pelagus exsiccare.6* Weiterhin zeichnet sich Boleslaw durch ehrerbietiges
Verhalten den Bischöfen gegenüber, Großzügigkeit der Kirche gegenüber, Gerechtig-
keit, Demut und Freigebigkeit aus. Gerade die Herrschertagend der Gerechtigkeit wird
von Gallus für Boleslaw topisch überhöht, indem er berichtet, wie arme und unbedeu-
tende Personen stets von ihm gehört worden seien.69 Die Freigebigkeit ist ein Rückbe-
zug auf die Gastfreundschaft des ersten Piasten, die dessen Sohn die Herrschaft einge-
tragen hatte.70
Gallus betont den Reichtum des Boleslaw und wieviel Liebe ihm seine Untertanen
aus allen Schichten entgegengebracht hätten. Seine Gefolgsleute seien schon dadurch
gestraft gewesen, daß er ihnen seinen Anblick entzogen habe.71 Zudem verdankt
Boleslaw seiner Gerechtigkeit seinen Aufstieg: Iustitia nimirum et equitate ad hanc Bo-
lezlauus gloriam et dignitatem ascendit, quibus virtutibus initio potentia Romanorum et
imperium excrevit?2 Zur Legitimierung von Boleslaws Stellung greift Gallus wieder auf
die Römer und ihr imperium zurück. Daß die Gerechtigkeit und nicht die Milde und
Barmherzigkeit als positive Eigenschaft betont wird, mag damit zusammenhängen, daß
im 11. Jahrhundert ein Umschlag vom Ideal der Barmherzigkeit zu dem der Gerechtig-
keit zu beobachten ist.73
Neben der Gerechtigkeit ist seine Frömmigkeit entscheidend für den Aufstieg des
Boleslaw: Non enim in vacuum Deus Uli gratiam super gratiam cumulavit, nee sie eum
sine causa tot regibus ac ducibus antefecit, sed quia Deum in omnibus et super omnia
diligebat et quoniam erga suos, sicut pater erga filios caritatis visceribus affluebat?4
Boleslaw Chrobry hat eine besondere Verbindung zum polnischen Land, die anläß-
lich seines Todes in das Bild des verwitweten trauernden Landes gekleidet wird: Polo-
67
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 7, S. .23 f.
68
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 15, S. 35; auch I, 8, S. 25: Plura itaque sunt et maiora gesta
Bolezlaui quam a nobis possint describí, vel etiam nudis sermonibus enarrari.
69
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 9, S. 26f; I, 11, S. 30f., und I, 14, S. 34.
70
So Michalowski, Restauratio Poloniae, S. 21 f.
71
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 12, S. 31 f., und I, 13, S. 32ff. Die ist in den Kontext der
zentralen Bedeutung der herrscherlichen Huld zu stellen, vgl. dazu Althoff, Huld.
72
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 9, S. 27.
Vgl. dazu Althoff, Konfliktverhalten und Rechtsbewußtsein. Zur Gerechtigkeit als
Herrschertugend vgl. schon Berges, Fürstenspiegel, S. 13ff; allgemein zur Entwicklung des
Konzepts von Gerechtigkeit L. Hödl, Gerechtigkeit V. Mittelalter, in: TRE 12, S. 424-432. Die
Gerechtigkeit im Gegensatz zur Milde wird etwa auch von Cosmas hervorgehoben, vgl. dazu das
74
Kapitel über Cosmas, insbesondere den Abschnitt: Das Bild der Herzöge bei Cosmas, S. 329-338.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 16, S. 36.
304 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
nia prius regina auro radiante cum gemmis corónala, sedet in pulvere viduitatis vesti-
bus involuta?5 Mit dem Tod Boleslaws hört das goldene Zeitalter auf.76
Boleslaw Chrobry zeigt typische Eigenschaften einer heldenhaften Grändergestalt
und eines großen Vorbildes. Frömmigkeit und Gerechtigkeit haben seinen Aufstieg er-
möglicht. Dies ist eine moralische Lektion, von der Gallus wollte, daß seine Nachfolger
sie beherzigen.
Boleslaws Nachfolger Mieszko II. wird nur kurz abgehandelt. Seine einzige Aufgabe
besteht darin Kasimir, den restaurator Poloniae, zu zeugen.77
Kasimir, der als Kindherzog an die Macht kommt, hat mit inneren Schwierigkeiten
zu kämpfen, ehe er seiner Bestimmung als restaurator gerecht werden kann. Er wird
vertrieben und eine Zeitlang beim König von Ungarn gefangen gehalten und begibt sich
dann zu den Deutschen.78 Mit 500 Rittern macht sich Kasimir auf, um Polen wiederzu-
gewinnen, und es gelingt ihm, pax für tota patria zu erringen. Seine Gegner sind pro-
prii habitatores, die sogar vom katholischen Glauben abweichen.79
Gallus führt die inneren Unruhen auf ein Anathem des Radim-Gaudentius, Bruder
des heiligen Adalbert und erster Bischof von Gnesen, zurück, dessen Begründung er be-
zeichnenderweise vorgibt, nicht zu kennen.80 Dem Leser dürfte aber trotzdem deutlich
geworden sein, daß die Grundbedingung der Frömmigkeit in diesem Fall nicht gegeben
war und so eine der Säulen für die Herzogsherrschaft ins Wanken geriet, wodurch die
Bürgerkriege verursacht wurden.
Boleslaw II. der Verschwender ist eine nicht uneingeschränkt positive Figur. Er ist
largus et bellicosus und quedam eum ambicionis vel vanitatis superfluitas agitavit. Zu-
gleich beschreibt Gallus ihn als unbeherrscht.81 Die Fehler des Boleslaw II. hält Gallus
jedoch für „Jugendsünden", denn non est mirum aliquantulum per ignoranciam ober-
rare, si contigerit postea per sapientiam, que neglecta fuerint, emendare?2 Die Gründe
für das Exil Boleslaws II. in Ungarn deutet Gallus nur an, nämlich daß ein Gesalbter
(der Herzog) sich an einem Gesalbten (Bischof Stanislaw von Krakau) vergangen habe,
auch wenn es sich um einen Verräter gehandelt habe. Necque enim traditorem episco-
pum excusamus, neque regem vindicantem sic se turptter commendamus.*3 Hier lag Gal-
lus offensichtlich mit sich selbst im Zwiespalt, da er als Geistlicher die Ermordung
Stanislaws durch Boleslaw kaum gutheißen konnte, sich auf der anderen Seite aber
nicht das Wohlwollen des Nachfolgers verscherzen wollte, dem die Episode peinlich
war.84 Die Bedeutung dieser Episode liegt erneut darin, daß der Herzog es an der nöti-
gen Frömmigkeit und Ehrerbietung den Bischöfen gegenüber hat mangeln lassen und
daher zwangsläufig in Schwierigkeiten gerät und zum Exil gezwungen ist.
Bei der Aufnahme des Boleslaw II. in Ungarn macht Gallus deutlich, daß dieser als
zusätzliche negative Eigenschaft noch Eitelkeit aufweist, denn er kommt dem König der
Ungarn nicht wie ein Gleichgestellter entgegen, sondern will ihn wie einen Untergebe-
nen vom Pferd aus begrüßen.85 Daß Gallus die negativen Seiten des Boleslaw II. nicht
vollständig verschweigt oder beschönigt, mag damit zusammenhängen, daß Boleslaw II.
nicht der direkte Vorfahr Boleslaws III. war, für den Gallus schrieb. So konnte Gallus
Boleslaw II. als negatives Beispiel stilisieren, der seinen frühen Tod bis zu einem ge-
wissen Grad verdient hatte, ohne ihn in zu nahe Verbindung zum regierenden Herrscher
zu bringen. Zusätzlich läßt sich die Offenheit über die negativen Eigenschaften des
Boleslaw II. damit erklären, daß die Stilisierung eines „schwarzen Schafes", das der
Abschreckung dient und durch seine Rolle als Versager und Bösewicht andere Mit-
glieder der Familie in hellerem Licht erstrahlen läßt, ein Merkmal dynastischer Ge-
schichtsschreibung zu sein scheint, das sich gerade in Frankreich findet.86
Die kurze Herrschaft Mieszkos wird von Gallus gestreift, in gewohnter Panegyrik
läßt er sich hauptsächlich über die Möglichkeiten des vielversprechenden Jungen aus,
deren NichtVerwirklichung er beweint. Die Bindung an das Land Polen wird wieder mit
dem Bild eines Familienbandes umschrieben, nur ist Polonia in diesem Fall die Mutter,
die um ihren einzigen Sohn weint.87
Die Bedeutung des nächsten Herzogs Wladyslaw erschöpft sich darin, Boleslaw III.
zu zeugen, dem das Hauptaugenmerk von Gallus gilt. Diese Zeugung erfolgt durch ein
Wunder, das Gallus in allen Einzelheiten berichtet. Der Bericht mag von biblischen
Vorbildern wie der Geburt Johannes des Täufers oder Isaaks nicht unbeeinflußt sein.88
Wladyslaw und seine Frau Judith sind kinderlos, und aus diesem Grand rät ihnen Bi-
schof Franko von Posen, sich an den heiligen Aegidius von Noyon zu wenden und um
den ersehnten Erben zu bitten. Sie senden ein goldenes Abbild eines Jungen zum Klo-
ster des heiligen Aegidius, und tatsächlich empfangt die Königin einen Sohn.89 Positive
Eigenschaften Boleslaws III. gehen also eindeutig auf die Gebete der Eltern zurück, die
nicht nur um einen Erben bitten, sondern die Tugenden gleich mit erflehen: qui Deum
timeret, sanctam ecclestam exaltaret, iustitiam exerceret, ad honorem Dei et salutem
popuii regnum Polonie detineret.90 Die positiven Eigenschaften der iustitta sowie der
ehrerbietigen Haltung gegenüber Gott und der Kirche verweisen deutlich auf
Boleslaw I. zurück. So ist es Boleslaw III. schon in die Wiege gelegt, ein erfolgreicher
Zur Auseinandersetzung zwischen Boleslaw II. und Stanislaw von Krakau vgl. J. Strzelczyk,
Stanislaw von Krakau, in: LexMa 8, Sp. 56.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 28, S. 53f.
Vgl. dazu Plassmann, Welfen-Origo, S. 75ff.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 29, S. 55f.
Vgl. Genesis 21, 1-8, und Lukas 1, 5-25.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 30 und 31, S. 56-59.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 30, S. 57.
306 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
Herzog zu sein. Die Mutter von Boleslaw zeichnet sich durch Werke der Barmherzig-
keitaus,91 wie überhaupt die Tugend der Barmherzigkeit bei Gallus eher von Frauen
ausgeübt wird.92
Immerhin fühlt sich Gallus verpflichtet, wenigstens die Kriegstaten des Wladyslaw
zu erwähnen.93 Die Tapferkeit scheint gegenüber Frömmigkeit und Gerechtigkeit eine
nachgeordnete Tugend zu sein, da sie allein keine erfolgreiche Herrschaft bewirken
kann, wie an den Auseinandersetzungen des Wladyslaw mit dem comes palatinus Sie-
ciech deutlich wird.94
91
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 1, S. 63.
92
Vgl. etwa auch die Gemahlin des Boleslaw Chrobry: Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 13,
S. 32ff.
93
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 1, S. 64: Sed ne tanti pueri parentem nudo sermone
transeamus, aliquo eum ornamento milite vestiamus.
94
Vgl. dazu vor allem Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 16, S. 79-84. Zu Sieciech vgl. auch
Gawlas, Territorialisierung, S. 27, und J. Strzelczyk, Sieciech, in: Lex MA7, Sp. 1844. Beim
Nachruf auf Wladyslaw gesteht Gallus ihm immerhin zu, aus den Schwierigkeiten mit Sieciech
gelernt zu haben, vgl. II, 21, S. 88f.
95
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 3, S. 67: Nam in historia principad duo filii Abrahe
memorantur, sed ab in vicem a paire pro discordia separantur. Ambo quidem de patriarche
semine procreati, sed non ambo iure patrimonii coequati.
96
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 4, S. 68-71.
97
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 4, S. 68: Sieciech avaricia execatus, multa crudelia et
importabilia exercebat.
Gallus Anonymus 307
fugitivos récépissé, seseque velle domino duci legitimoque filio suo Bolezlauo in omnibus et per
omnia fideliter obedire, sed Setheo suisque malis operibus modis omnibus contraire.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 4, S. 71: ...pacem invitus cum filio pater fecit, eumque tune
primum suum filium appellavit.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 5, S. 7Iff.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 8, S. 75: Non est mee facultatis, sed divine potestatis. Hoc
autem unum cordis mei desiderium vobis possum aperire, quod discreciori ac probiori in terre
defensione et hostium inpugnacione volo vos omnes post mortem meam unanimiter obedire... Ad
extremum autem, si ambo probi non fuerinl, vel si forte discordiam habuerint, ille qui exteris
nationibus adheserit et eas in regni destruccionem induxerit, privatus regno patrimonii iure
careat; Me vero solium regni lege perhenni possideat, qui honori terre melius et utilitati
provideat.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 9 und 10, S. 76.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 11-15, S. 76-79, und II, 33, S. 102: filius Mariis.
308 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
ner Fürsten erwerben.106 In Kriegszügen gegen die Pomeranen bewährt sich Boleslaw
besonders im direkten Vergleich zu Zbigniew, dem man sogar spöttisch anträgt, daß er
als Kleriker besser aufgehoben wäre.107 Boleslaw stellt die von seinem Vater geforderte
Idoneität unter Beweis, der ihn dann als würdigen Nachfolger betrachtet.108 Gott bestä-
tigt, daß er Großes mit Boleslaw vorhat, indem er den Polen ein Sieg über die Polowzer
in die Hand fallen läßt.109 Daß nach göttlicher Vorsehung Boleslaw allein für die Nach-
folge vorgesehen ist, wird an einer Prophezeiung während seiner Schwertleite deutlich
gemacht: Usque modo Polonia fuit ab hostibus conculcata, sed per istum puerulum erit
ut antiquitus restaurata.110 Schon die Personifizierung der Polonia, die uns bei
Boleslaw Chrobry begegnete, ist ein deutlicher Hinweis auf Boleslaw III. als den geeig-
neten Herrscher.
Als dann Wladyslaw stirbt, kann Erzbischof Martin von Gnesen mit göttlicher Inspi-
ration nur mühsam durchsetzen, daß Boleslaw und Zbigniew die Teilung so akzeptie-
ren, wie sie ihr Vater vorgesehen hat. Dabei betont Gallus, daß Boleslaw, der legitimus,
die sedes regni principales und den bevölkerangsreicheren Teil des Landes erhalten
habe.111 Anläßlich seiner Hochzeit erweist sich Boleslaw als ebenso freigebig wie seine
Vorfahren Piast und Boleslaw Chrobry und kann diese Tugend noch bei anderen Gele-
genheiten offenbaren.112
Zbigniew hingegen verbündet sich mit den Böhmen und Pomeranen, den Feinden
Polens,113 und verstößt so gegen die Bestimmungen seines Vaters für die Erbschaft. Daß
der Verrat des Zbigniew, der nicht zu einer beschlossenen Einigung mit Boleslaw III.
erscheint, negative Folgen hat, wird von Gallus ausdrücklich hervorgehoben.114 Die Ma-
106
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 13, S. 78: omnes eum principes diligebant, quiafuturum in
eo magnum aliquid perpendebant. Die Belege für die Tapferkeit Boleslaw III. sind sehr vielfaltig,
so etwa II, 28, S. 96: officium simul probi militis ac strenuii ducis exercebat; II, 33, S. lOOff:
Boleslaw III. gerät in einen Hinterhalt der Pomeranen und kann durch seine Tapferkeit einer
Übermacht standhalten. Die Begründung für diese Bedrängnis des Boleslaw sucht Gallus darin,
daß Boleslaw anwesend war, als gleichzeitig eine Kirchweihe und eine Hochzeit gefeiert wurden:
Sed utrum Deo displicuerit eum divini nupciis carnales celebrari, facile potestper discrimina, que
sepius inde contingunt, comprobari; Gallus vergleicht ihn mit einer Löwin, deren Junge gestohlen
wurden: II, 32, S. 101: leena raptis catulis sitibunda sanguinis... II, 39, S. 109: sicut draco
flammivomus... Seinen Kriegszug nach Böhmen durch unwegsames Gelände vergleicht Gallus gar
mit Hannibals Alpenübergang: III, 21, S. 145f. Dazu auch Bujnoch, Gallus und Cosmas, S. 312.
107
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 17, S. 84f: ...ut clericus ecclesiam gubernare...
108
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 18, S. 86: et in illopuero successionis fidutiam expedabat.
109
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 19, S. 86f.
110
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 20, S. 87.
111
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 21, S. 88f; auch schon in der Erbfolgeregelung des Vaters
112
hervorgehoben: II, 8, S. 75.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 23, S. 90: seine Hochzeit; II, 25, S. 93: Zelislaw erhält eine
113
goldene Hand für seine im Dienst des Herzogs verlorene.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 24, S. 91.
114
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 32, S. 99f.: Unde pene regno Polonie tale debuit
dampnum...
Gallus Anonymus 309
chenschaften des Zbigniew führen zu einer sedicio civilis.115 Schließlich wenden sich
die Großen von Zbigniew ab, der sich der Herrschaft als unwürdig erwiesen hat.116 Die-
se Abwendung der Großen von Zbigniew ist für die weitere Entwicklung entscheidend.
Boleslaw, der sich auf Gottes Hilfe verläßt, fordert Zbigniew auf, entweder mit ihm zu-
sammenzuarbeiten, oder ihm, dem legitimus, ganz Polen zu überlassen, was den offenen
Aufstand des Zbigniew im Bündnis mit Pomeranen und Böhmen zur Folge hat.117 Zbi-
gniew kann seinem Bruder nicht standhalten, flieht velud cervus und muß um Gnade
bitten.118 Nach einem weiteren Treubruch wird er verbannt.119 Spätere Versuche Zbi-
gniews, seinen Herrschaftsteil vor allem mit Hilfe der Feinde Polens wiederzuerlangen,
bleiben erfolglos.120 Schließlich sieht er ein, daß er sich weder mit Kaiser Heinrich V.
noch mit den Böhmen durchsetzen kann, und bittet Boleslaw III., den er als seinen
Oberherrn anerkennen will, um seinen rechtmäßigen Anteil an Polen.121 Unter der Be-
dingung, daß er seine Oberherrschaft anerkennt und keine Zwietracht mehr sät, will
Boleslaw III. seinen Halbruder wieder aufnehmen.122 Doch als Zbigniew aus dem Exil
zurückkehrt und sich ein Schwert vorantragen läßt, können mall consiliatores
Boleslaw III. davon überzeugen, daß Zbigniew einen Anschlag auf ihn plant.123
Boleslaw läßt Zbigniew umbringen, weil er einen Anschlag auf sich und weitere Ma-
chenschaften fürchtet.124 Gallus entschuldigt Boleslaw allgemein mit seiner Jugend und
in diesem speziellen Fall mit einem Zornesausbrach und legt Wert darauf, daß das Ver-
brechen nicht ex deltberatione, sondern ex occasione, also sozusagen im Affekt gesche-
hen sei.125 Die Ermordung des Zbigniew erfahrt eine Berechtigung durch die vielen ver-
räterischen Machenschaften, die ihm zugeschrieben werden, ebenso wie durch sein
hochmütiges Gebaren, daß den Zorn des Boleslaw anstachelt. Boleslaw wird weiter da-
durch entlastet, daß Gallus böse Ratgeber vorschiebt. Gallus bemüht sich aber durchaus
darum, daß nicht der Eindruck entsteht, er wolle Boleslaw von jeder Schuld freispre-
chen, auch wenn er seine Bereitschaft zur Buße betont.126 Die Bußfahrt des Boleslaw
115
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 35, S. 103.
116
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 35, S. 104: Unde cuncti Polonie sapientes indignati ad
odium Zbigneui ex amicicia sunt redacti, sie ad invicem inquientes, de tali consilium capientes:
Usque modo patrie nostre diseidium et detrimentum vel negligentes, vel dissimulantes per nimium
sustinuimus patienter.
117
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 36, S. 105ff.
118
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 37 und 38, S. 107ff.
119
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 39, S. 109, und 41, S. 111.
120
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 19, S. 144f, und III, 23, S. 153.
121
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 25, S. 154f.
122
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 25, S. 155.
123
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 25, S. 155f. Zu dieser Schilderung des Einzug Zbigniews
124
vgl. in aller Ausführlichkeit Dalewski, Ritual im Text.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 25, S. 156: ...quo mortis periculum evitare, et securus a
eunetis insidiis
imperaret.
125
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, Uli, 25, S. 156.
126
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 25, S. 157: Sed qui Bolezlauum in hoc, quod tale, quid
egerit, aecusamus, in hoc tarnen, quod digne penituerit, et satis humiliaverit, collaudamus.
310 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
nach Ungarn wird von Gallus in starken Farben gemalt, da er seine Reue durch Fasten,
Frömmigkeit und Freigebigkeit in Almosen zeigt.127 Die Ermordung des Zbigniew führt
letztlich dazu, daß sich die Frömmigkeit des Boleslaw III., die eine wichtige Vorausset-
zung für die erfolgreiche Herrschaft ist, vertieft.
Frömmigkeit und Gerechtigkeit werden als positive Eigenschaften für die Herzöge
charakterisiert, die eine erfolgreiche Herrschaft ermöglichen. Gottes Willen und die Zu-
stimmung der Großen legitimieren sie. Die Tapferkeit dient in erster Linie der defensio
und scheint gegenüber Frömmigkeit und Gerechtigkeit sowie der Zustimmung der
Großen keine wichtige Eigenschaft für die innere Konsolidierung zu sein. Weitere posi-
tive Eigenschaften sind Freigebigkeit und Reichtum, die auf die Gründung des Piasten-
hauses durch freigebige Gastfreundschaft verweisen.
Schon die geographische Einleitung128 zeigt, daß Gallus Polen von Beginn an als Einheit
versteht, in Anbetracht der tatsächlichen geographischen Gegebenheiten etwa im
was
Gegensatz Böhmen nicht unbedingt auf der Hand liegt. Verstärkt wird dies durch
-
zu
das Herausarbeiten von Episoden, die die Einheit Polens gefährden, wie etwa die Erobe-
-
rungen der Pomeranen und Böhmen während des Exils Kasimirs.129 Die Rede ist immer
von einem einheitlichen regnum.130 Ganz besonders auffällig ist die Betonung der Ein-
heit anläßlich der Teilung unter Boleslaw und Zbigniew.131 Als sich Zbigniew mit den
Feinden Polens verbündet, fürchtet Boleslaw III., unde magnum regno Polonie discidi-
um eventret.132 Der Verrat des Zbigniew, der Boleslaws Heer fortschickt, ist zum Scha-
den des regnum Polonie.133 Zbigniew schreckt nicht davor zurück, den römischen Kai-
ser Heinrich V., einen weiteren Feind, ins Land zu holen.134
Besonders deutlich wird die Einheit des regnum natürlich dann, wenn Polonia als
weibliche Figur personifiziert wird, die dem Herzog verbunden ist. Dies geschieht vor
allem an wichtigen Wendepunkten der polnischen Geschichte.135 In Gallus' Chronik
127
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 25, S. 157-160.
128
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, Proemium, S. 6f.
129
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 18-21, S. 41-47.
130
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 3, S. 12, schon bei der
Erhebung des ersten Piasten; I, 6, S. 16: regnum Poloniae; I, 6, S. 20: regnum Polonorum; I, 11,
S. 30; I, 18, S. 41; I, 22, S. 48: regnum Polonorum; II, 35, S. 105; III, 25, S. 159 sowie III, 25,
S. 158: regnum magnificum; III, 2, S. 130: regnum unicum und regnum Polonorum; Vgl. dazu
auch Gieysztor, Gens Polonica, S. 356f, sowie Heck, Historiography and Polish Medieval
Consciousness, S. 96.
131
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 8, S. 74f.
132
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 24, S. 91.
133
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 32, S. 100.
134
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 3, S. 131.
135
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 4, S. 14: Bekehrung des Mieszko I.; I, 16, S. 38: Polen
trauert um den Verlust Boleslaw Chrobrys; I, 29, S. 55f: Polen trauert um den Tod Mieszkos, des
Gallus Anonymus 311
scheint eine Bedeutung des Landes auf, die weit über das hinausgeht, was wir bisher in
Origo-Erzählungen beobachten konnten. Das mag zum einen an der dynastischen Aus-
richtung der Chronik liegen, zum anderen aber damit zusammenhängen, daß das Terri-
torium für Legitimation zunehmend an Bedeutung gewann, wie sich am Beispiel des
Dudo nachweisen läßt.
Demgegenüber tritt die gens Polonica nicht in den Vordergrund. Sie wird zwar posi-
tiv beschrieben, aber auf ihre Identitätsstiftang verwendet Gallus lange nicht so viel En-
ergie wie auf die Legitimation der Herzöge. Die Eigenschaften der gens korrespondie-
ren mit denen der Herzöge. Sie kämpfen etwa more sólito fortiter und zeichnen sich
durch probitas aus.136 Die Herzöge stiften so die Identität der gens. Der dynastischen
Ausrichtung der Chronik gemäß wird die spezifische Identität der gens nicht ausgebaut
und bis auf die Abgrenzung von anderen gentes nicht sonderlich betont.
Neben den Herzögen leisten die Großen einen Beitrag bei der guten Regierung Polens.
Sie sind es, an vorderster Front Herzog Magnus von Breslau, die sich den Ungerechtig-
keiten des Sieciech widersetzen.137 Sie bitten Wladyslaw um eine Nachfolgeregel und
bekommen von ihm das Recht zugestanden, über die Idoneität seiner Söhne zu entschei-
den.138 Später helfen die séniores und maiores von Breslau Boleslaw III. und seinem
Bruder Zbigniew gegen ihren Vater vorzugehen, um die Absetzung des Sieciech zu er-
reichen, der Boleslaw nach dem Leben trachtet.139 Die Großen scheinen darüber zu wa-
chen, ob die gleichberechtigte Herrschaft des Boleslaw III. und des Zbigniew tatsäch-
lich dem honor patrie dient und wenden sich von Zbigniew ab, als sie feststellen, daß er
eher zum dampnum und detrimentum Polens arbeitet.140
Selten treten Große unabhängig von den Herzögen hervor. Die Verdienste des Skar-
bimir im Kampf gegen die Pomeranen hält Gallus fest, ut veritatem hystorie teneamus141
-
angesichts von Gallus' exzessiver Panegyrik eine erstaunliche Feststellung.
Sohnes von Boleslaw II., und II, 20, S. 87: Boleslaw III. kann die Polonia wiederherstellen.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 7, S. 24.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 4, S. 68-71.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 8, S. 74f.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 16, S. 79-84.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 35, S. 104.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 31, S. 99: ut eum in aliquo suo domino conferamus, sed ut
veritatem hystorie teneamus. Die Verwundung des Skarbimir bedauert Gallus, II, 33, S. 101: Erat
enim Scarbimirus seorsum alibi gravi wlnere sauciatus et, quod nee siccis oculis est dicendum,
dextro lumine mutilatus. Auch im Ausgangsgedicht zu Buch II wird die hervorragende Rolle des
Skarbimir noch einmal betont: II, Epilog, S. 124f; so auch im Kampf mit den Böhmen, III, 23,
S. 152.
312 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
8. Abgrenzung von anderen gentes
Eine Identitätsstiftung für die polnische gens erfolgt, wenn überhaupt, in Abgrenzung
zu anderen gentes.
Gallus schildert vor allen Dingen die heidnischen Nachbarn der Polen negativ, bei
denen sich aufgrund ihrer Religion ein Abgrenzungsmerkmal wie von selbst ergibt: Die
Selencier, Pomeranen und Preußen im Osten Polens sind barbarorum gentilium ferocis-
simae naciones. Diese lassen sich weder gladio predicacionis noch gladio iugulationis
dauerhaft zum christlichen Glauben bekehren, sondern lassen sich a perfidia nicht ab-
bringen.142 Damit ist ein sehr wirkungsvoller Gegensatz zu den Polen geschaffen, der
keiner weiteren Abgrenzung mehr bedarf, aber nicht über gängige Stereotypen hinaus-
geht. In Kriegen mit den Pomeranen ist Gott immer eindeutig auf Seiten der Polen, so
z.B. als eine Erscheinung des heiligen Adalbert die Besatzung einer Burg beschützt.143
Als die Pomeranen einmal die Kirche von Gnesen angreifen, können der Erzbischof und
ein Priester durch ein Wunder gerettet werden, während die geraubten Reliquien wegen
zahlreicher Strafwunder von den Pomeranen bald zurückgegeben werden müssen.144
Schließlich werden die rebelles et contumaces Pomerant, als sie schon zum Teil getauft
sind und dann wieder vom Glauben abfallen, von Boleslaw III. besiegt.145 Gallus hat si-
cher geplant, dem Verrat des von Boleslaw III. eingesetzten pommerschen Fürsten Swa-
topluk, eines perfidus hostts et traditor, eine gerechte Strafe zukommen zu lassen, aber
das dritte Buch der Chronik bricht mitten in der Schilderung der Auseinandersetzung
zwischen Boleslaw III. und den Pomeranen ab.146
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, Proemium, S. 7. Etwa auch II, 48, S. 118: Naturalis perfidia.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 6, S. 73. In dieser Episode taucht erstmals Adalbert als
Landespatron Polens auf, vgl. Gawlas, Adalbert als Landespatron, S. 193f. Immer wieder berichtet
Gallus von Auseinandersetzungen mit den Pomeranen, die fast immer siegreich für die Polen
ausgehen: I, 6, S. 17: Boleslaw Chrobry habe diese Völker unterworfen, indem er sie entweder
vernichtet oder bekehrt habe; I, 21, S. 46f: Kasimir kann die Pomeranen besiegen, obwohl sie in
der Übermacht sind; II, 14 und 15, S. 78f; sowie II, 18, S. 86: Boleslaw III. kann sich schon im
Kindesalter und noch einmal kurz vor seiner Schwertleite im Kampf gegen die barbari bewähren;
II, 17, S. 84f; II, 22, S. 89; II, 28, S. 95ff: Boleslaw III. erobert die Vorstadt von Kolberg; II, 29,
S. 97f: Boleslaw III. zwingt die Pomeranen zur Herausgabe eines Verwandten; II, 30 und 31,
S. 98f: der Palatin Skarbimir besiegt die Pomeranen; II, 33, S. lOOff: Boleslaw III. kann eine
große Übermacht von Pomeranen so einschüchtern, daß sie fliehen; II, 34, S. 103: Boleslaw III.
holt dieses Heer der Pomeranen noch ein und erweist sich so als iniurie vindidor; II, 39 und 40,
S. 109ff: Boleslaw nimmt die Burg Alba ein zeitgleich wird ihm ein Sohn geboren, was ein
maius gaudium ist; II, 44, S. 114f. : Boleslaw III. nimmt eine pomeranische Burg ein und kann die
-
Besatzung taufen; III, 1, S. 126-129: Die Pomeranen werden zu Recht geschlagen, als sie die
Polen am Tag des Laurentius angreifen; III, 18, S. 144: Boleslaw III. nimmt drei Burgen ein.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 43, S. 112ff.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 47-49, S. 116-119, S. 118: rebelles et contumaces.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 26, S. 160-163. Zum Konzept des Gallus für die
Eingliederung der Pomeranen nach Polen vgl. auch Hertel, Pomerzew mysli politycznej elity
intelektualnej.
Gallus Anonymus 313
Die heidnischen Preußen bekommen von Gallus eine sinistre Vorgeschichte: Sie
stammen von den Sachsen ab, die sich von Karl dem Großen nicht bekehren lassen
wollten, übernahmen den Namen des Landes und adhuc ita sine rege, sine lege perst-
stunt, nee a prima perfidia vel feroettate desistunt und erweisen sich auch sonst als
kaum zivilisiert.147 Diese Erzählung ist aufschlußreich. Die Preußen werden als unzivili-
siert abgetan, gleichzeitig aber mit den Sachsen in Verbindung gebracht, wenn auch so-
zusagen eher als verstoßene, ungläubige Verwandte. Durch diese Verbindung wird nicht
unbedingt ein Schatten auf die Sachsen geworfen, denn es könnte sich hier ähnlich
wie bei der Stilisierung des Boleslaw II. als „schwarzes Schaf der Familie148 um das
-
Stilmittel der Kontrastierang handeln, das die Tugenden der christlichen Verwandten
-
nicht in Frage stellt, sondern durch den Gegensatz zu den heidnischen abtrünnigen Aus-
gestoßenen herausarbeitet und betont.
Die Landschaft, in der die Preußen wohnen, wird als unkultiviert dargestellt. Sie hat
keine Kastelle und ist im Winter nur über zugefrorene Seen und Flüsse zugänglich.149
Die Beschreibung der heidnischen Völker entspricht zu großen Teilen üblichen Stereo-
typen über Heiden, nach denen Unglaube und Wildheit zusammengehören. Der Starr-
sinn der Heiden, auf ihrem Glauben zu beharren, ist ein ebenso weit verbreiteter To-
pos.150 Allerdings müssen die Polen beim Kampf gegen die Heiden die christlichen Ge-
bote einhalten. Als Wladyslaw gegen die Pomeranen in der Fastenzeit vorgeht, fällt ihm
zur Strafe nicht eindeutig der Sieg zu.151
Die benachbarten gentes haben darüber hinaus noch die Funktion, die Kriegstüchtig-
keit des jeweiligen Herzogs und seine Fähigkeiten zur defensio zu betonen, ohne daß
Gallus besonders auf die Gründe für die Auseinandersetzungen eingeht.152 In diesem
Zusammenhang erwähnt Gallus ein einziges äußeres Unterscheidungsmerkmal der Po-
147
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 42, S. Ulf; II, 43, S. 112, bezeichnet Gallus sie als bruta
animalia. Zu der Bedeutung dieses Status der Unzivilisiertheit vgl. Banszkiewicz, Slavonic origines
148
regni, S. 106.
S.o. S. 305.
149
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 24, S. 153f. Dort ist auch von barbara natio die Rede.
150
151
Vgl. dazu L. Hödl, Heidentum, in: LexMa 4, Sp. 201 Iff.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 2, S. 67f.
152
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 3, S. 13: Siemomysl erweitert sein Reich, gegen wen ist
nicht gesagt; I, 4, S. 14: Mieszko wird Überlegenheit über die naciones contiguas vorhergesagt; I,
5, S. 15: Mieszko kämpft gegen nationes per cireuitum; I, 6, S. 16: Boleslaw kämpft gegen
populos circumquaque; I, 6, S. 21: Boleslaw erneuert den alten Zorn auf die hostes; I, 11, S. 30:
Boleslaw kämpft gegen die gentes barbarorum in circuitu, unterwirft und bekehrt sie; I, 19,
S. 42ff.: In der Zeit des Niedergangs nach dem Tod Mieszkos II. ergreifen die reges et duces in
circuitu die Gelegenheit, Polen von allen Seiten anzugreifen und Teile ihrer Herrschaft
einzuverleiben. Kasimir muß dann totam Poloniam a Pomeranis et Bohemias aliisque finitimis
gentibus oecupatam wiedererobern; I, 20, S. 45, ist von gentes exterorum die Rede; I, 25, S. 50:
Auch Boleslaw II. muß de manu gentilium patriam liberare; II, 13, S. 78: Boleslaw III. geht gegen
hostes vor; II, 19, S. 86f: Sieg über die Polowzer, der die Erwähltheit des Boleslaw III. bestätigt.
314 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
len. Sie kämpfen ohne Brastpanzer, weil sie mit ihm in einem Kampf gegen die Pome-
ranen in einem Fluß hohe Verluste erlitten hätten.153
Die Böhmen tauchen bei Gallus am ehesten als besiegtes Volk auf.154 Im Gegensatz
zu den heidnischen gentes der Umgebung erhalten die Böhmen spezifischere Eigen-
schaften. Im Zusammenhang mit ihrer Einstellung dem heiligen Adalbert gegenüber
werden sie als gens rebellis bezeichnet.155 Gallus berichtet, daß die Böhmen Mieszko II.
per traditionem gefangen und ihn aus Rache zeugungsunfähig gemacht hätten.156 Die
Böhmen werden als infestissimi inimici der Polen bezeichnet, die vom König der Un-
garn das Gefangenhalten des Kasimir verlangen.157 Weiterhin rauben die Böhmen zur
Zeit von Kasimirs Exil die Gebeine des heiligen Adalbert.158 Gallus scheint kaum eine
Gelegenheit auszulassen, die Böhmen als hinterlistiges, feiges Volk zu beschreiben,159
die darüber hinaus gewohnt sind, von Raub zu leben.160 Einmal vergleicht er sie gar mit
schädlichen Mäusen,161 bei anderen Gelegenheiten mit reißenden Wölfen162 oder Untie-
ren des Meeres oder des Waldes.163 Sie brechen gewohnheitsmäßig die Treue164 und lü-
gen.165 Dabei wird ihre Inferiorität belegt, indem immer wieder darauf verwiesen wird,
153
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 25, S. 50.
154
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 6, S. 16: Boleslaw Chrobry unterwirft die Böhmen; II, 46,
S. 116: Boleslaw III. besiegt die Böhmen. Zur Behandlung der Böhmen bei Gallus vgl. auch
ausführlich Pánek, Conception, S. 5-48.
155
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 6, S. 17.
156
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 17, S. 40.
157
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 18, S. 41f. Bezeichnenderweise wird der Herrscher der
Böhmen hier als dux bezeichnet, später (etwa I, 19, S. 44) ist er rex, als er als Ehemann für eine
Tochter Kasimirs in Betracht kommt.
158
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 19, S. 43.
159
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 22, S. 48: Die Böhmen versuchen, Boleslaw II. zu überlisten;
I, 24, S. 49: Boleslaw II. wirft den Böhmen vor, daß sie sicut lupi seien absente pastore, aber
presente venatore die Flucht ergreifen wollten. Dann verschwinden die Böhmen tatsächlich
heimlich in der Nacht; II, 4, S. 69: der böhmische Herzog libenter discordiam inter Polonos
seminabat; II, 34, S. 103, schon der Name Boleslaws III. läßt die Böhmen zurückschrecken: eos
auditafama Bolezlaui timor animi revocavil.; III, 21, S.145-148: Die Böhmen wagen sich nur an
einem Fluß den Polen gegenüberzustellen, den die Polen für unpassierbar halten. Auf Boleslaws
III. Aufforderung zum Kampf gehen sie nicht ein; III, 23, S. 151 : Die Böhmen meinen, sie könnten
die Polen auf dem Rückzug wie lepores einfangen, werden aber eines Besseren belehrt.
160
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 3, S. 131 : vivereprédis et rapinis assueti.
161
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 19, S. 145: mures de latibulis exeuntes...
162
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 21, S. 146: lupus rapiens; ganz ähnlich III, 10, S. 138:
naturaliter raptores.
163
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 23, S. 149: monstra marina vel silvática. Zu diesen
Tiervergleichen, die vor allem in den Schlachtreden herausgearbeitet werden vgl. Liman,
Porównanie w strukturze narracyjnej, und ders., Feldherrnreden.
164
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 23, S. 150: ...tradicionem et infidelitatem Bohemorum
revelaba.
165
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 21, S. 147: Bohemis... mentientibus...
Gallus Anonymus 315
daß es sich bei dem Führer der Böhmen nur um einen Herzog handelt.166 Ganz beson-
ders zwiespältig ist das Verhältnis zu dem glücklosen böhmischen Herzog Borivoj.
Denn Boleslaw III. verhilft laut Gallus Svatopluk von Mähren zur Herrschaft über Böh-
men, auch wenn Gallus nicht expliziert, daß es damit gegen Borivoj ging.167 Nach dem
Verrat des Svatopluk setzt Boleslaw III. seinen amicus Borivoj, der grates pro fide tan-
ta retulit et labore, wieder ein.168 Es wird geschickt überspielt, daß Boleslaw nicht
schon immer auf dieses Pferd gesetzt hatte, indem sein Engagement für Svatopluk und
Borivoj gelobt wird, andererseits aber die in der Hilfe für Svatopluk inbegriffenen An-
griffe gegen Borivoj verschwiegen werden und nur von der Übergabe des Kastells Ka-
menz von Borivoj an Boleslaw die Rede ist.169 Als Borivoj von den Böhmen, quia fides
Bohémica volubilis est sicut rota, wieder vertrieben wird, führt Boleslaw III. erneut zu
seinen Gunsten Krieg.170 Die Böhmen werden als hinterlistige, feige Räuber charakteri-
siert, die sozusagen die natürlichen Feinde der Polen sind.
Friedliche Heiratsverbindungen gibt es natürlich trotzdem. Diese werden aber von
Gallus kaum herausgearbeitet.171 Als Boleslaw III. einmal Frieden mit den Böhmen
schließt, ist dieser allein durch die Notwendigkeit der inneren Unruhen in Polen veran-
laßt.172
Ähnlich, aber immerhin als eigene abgegrenzte Einheit werden die Mährer beschrie-
ben.173 Gallus gibt vor allen Dingen seiner Empörung über den Verrat des Svatopluk
von Mähren Ausdruck, der mit Boleslaw III. ein scutum, ein Schutzbündnis, geschlos-
sen hat und ihm das Erringen des Herzogtums Böhmen verdankt. Svatopluk verbündet
sich mit Heinrich V. Aber er erfährt von Gott die gerechte Strafe, indem er ad exem-
plum aliorum stirbt.174 Bezeichnenderweise verschweigt Gallus, daß Svatopluk ein An-
So etwa Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 18, S. 41f: Der König der Ungarn weist das
Ansinnen des böhmischen Herzogs zurück, weil er nur ein Herzog ist!, und I, 24, 49f: Der
böhmische Herzog verweist selbst darauf, daß indignum esse tantum regem ad inferiorem
declinare. Auch wenn es sich um eine List handelt, wird doch die unterschiedliche Stellung
hervorgehoben.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 16, S. 142: ...(Svatopluk) virtute Bolezlaui et auxilio
regnum Bohemicum acquisierat.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 17, S. 143f.
So in Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 16, S. 142f.: Nee sie inde remearet, nisi Boriuoy
castrum Kamencz pro paccione sibi daret.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 20-23, S. 145-153.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 30, S. 56: Wladyslaw heiratet Judith von Böhmen.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 37, S. 107: Boleslaw III. schließt aus Notwendigkeit mit den
Böhmen Frieden, um seinen Halbbruder Zbigniew zu besiegen.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 6, S. 16: Boleslaw Chrobry unterwirft die Mährer; II, 26,
S. 93: Boleslaw III. fällt in Mähren ein; II, 45, S. 115f. Boleslaw III. besiegt die Mährer; Im
Kampf gegen dieses christliche Volk hat die Verletzung der Gebote Gottes zur Folge, daß die
Polen nicht wie gewohnt siegen: II, 25, S. 92f: ein Kriegszug gegen die Mährer in der Osterwoche
scheitert.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 16, S. 142.
316 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
gehöriger der Premysliden-Dynastie war und als solcher ein Anrecht auf den Herzogsti-
tel hatte.175
Eine große Rolle als Gegner spielen weiterhin die Rus. Auch sie erleiden häufig Nie-
derlagen gegen die Polen.176 Dabei werden sie mit negativen Eigenschaften belegt. Der
König der Rus beispielsweise flieht vor Boleslaw Chrobry, ohne eine Gegenwehr auch
nur versucht zu haben.177 Die Rus werden von einer viel geringeren Streitkraft der Polen
besiegt.178 Der Sieg Boleslaws Chrobry über die Rus ist dabei providentiell: Deus in
manum eius tradere civitatem istam (Kiew) regnumque Ruthenorum et dividas destina-
vit?19 Und Gallus rühmt sich, daß Rußland Polen lange Zeit vectigalis gewesen sei.180
Bei einer weiteren Gelegenheit werden die Russen gar von den coci, inquiltnl, appari-
tores und parasiti des polnischen Heeres zurückgeschlagen.181 Boleslaw II. kann Kiew
erobern und läßt sich den Friedenskuß teuer abkaufen.182 Heiratsverbindungen kommen
trotzdem vor.183 Einmal versucht Boleslaw III. ein Bündnis mit den Rus gegen seinen
Halbbruder Zbigniew.184 Beim Einfall Heinrichs V. in Polen bittet er sie um Hilfe.185
Die Ungarn spielen eine ambivalente Rolle: Der heilige Stephan von Ungarn wird
zunächst positiv als der gesehen, der Ungarn minis et blanditiis zum rechten Glauben
bekehrt, was Gallus zu befürworten scheint, aber dann erweist er sich als Feind der Po-
len, indem er den rechtmäßigen König Kasimir gefangenhält.186 Die positive Schilde-
rung Stephans mag damit zusammenhängen, daß Boleslaw III. am Tag des Stephan ge-
boren wurde.187 Sein Nachfolger Peter erweist sich wieder als Freund, indem er Kasimir
freiläßt und ihm hundert Ritter mitgibt.188 Boleslaw II. setzt König Salomon von Ungarn
ab und Ladislaus ein, der ab infancia nutritus in Polonia fuerat et quasi moribus et vita
Polonus factus fuerat und sich als guter König für Ungarn erweist.189 Das arrogante
Verhalten Boleslaws II. bei einem Empfang durch König Ladislaus macht allerdings aus
Freunden Feinde, die magnam invidiam gegen Boleslaw II. hegen.190 Nur Ladislaus sel-
ber verhält sich vorbildlich, indem er Boleslaw II. nichts nachträgt und seinen Sohn er-
6
Vgl. dazu die entsprechenden Abschnitte bei Cosmas S.u. S. 336f.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 7, S. 21-25.
7
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 7, S. 22.
8
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 7, S. 24f.
9
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 7, S. 22.
0
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 7, S. 25.
1
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 10, S. 28f.
2
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 23, S. 48f.
3
So etwa Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 19, S. 44.
4
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 36, S. 107, und II, 41, S. 111.
5
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 4, S. 133.
16
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 18, S. 41.
17
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 1, S. 63.
:8
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 18, S. 41f. Diese Episode dürfte von Gallus erfunden worden
sein, vgl. Panek, Conception, S. 26.
19
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 27, S. 52.
10
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 28, S. 54.
Gallus Anonymus 317
zieht.191 Mit Koloman von dem Gallus das Kompliment macht, daß er super
Ungarn,
reges universos suo tempore degentes litterall scientia eruditus sei, schließt
Boleslaw III. eine amicitia?92 Bei den Braderkämpfen zwischen Boleslaw III. und Zbi-
gniew erweisen sich die Ungarn als Verbündete des rechtmäßigen Herzogs.193 Als Hein-
rich V. von Deutschland aus gegen Koloman zieht, bewährt sich die amicitia zwischen
Boleslaw und Koloman erneut.194 Beim Einfall Heinrichs V. in Polen bittet
Boleslaw III. in Ungarn um Hilfe.195 Bei Auseinandersetzungen mit den Polen werden
die Ungarn allerdings grundsätzlich besiegt.196
Um einiges vielschichtiger wird das Verhältnis zwischen Polen und Sachsen respek-
tive Deutschen geschildert. Bis zum Tod Boleslaws Chrobry werden die westlichen
Nachbarn als Saxones bezeichnet, danach sind sie Theutonici oder Alemanni?91 Der
Wechsel in der Benennung wird von Gallus nicht weiter kommentiert und ist vielleicht
am ehesten auf seine Quellen zurückzuführen, es wird aber deutlich, daß es sich für
Gallus um dieselbe gens handelt, die selbstverständlich von ihrem König resp. Kaiser
beherrscht wird. Die Sachsen sind eigentlich indomiti, und Boleslaw Chrobry wird es
als großer Erfolg angerechnet, daß es ihm gelang, eine feste Grenze zu etablieren, die
im sächsischen Gebiet lag und von den Sachsen geachtet wurde.198 Die Rolle des Kai-
sers Otto III. bei der Krönung Boleslaws ist die eines Legitimitätsstifters von außen,
auch wenn in diesem Zusammenhang seine sächsische Herkunft verschwiegen wird.199
Mieszko II. heiratet eine Schwester Ottos III.200 Für Kasimir im Exil spielen die Theuto-
nici eher die Rolle von Freunden. Bei ihnen bekommt Kasimir magna fama, und der
Kaiser versucht, ihn zum Bleiben zu bewegen und ihm ein Herzogtum anzubieten.201
Kasimir nimmt bei seiner Rückkehr 500 Ritter mit. Daß sie aus Deutschland gekommen
1
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 28 und 29, S. 54f.
2
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 29, S. 98.
3
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 36, S. 107, und II, 41, S. 111.
14
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 46, S. 116.
5
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 4, S. 133.
*
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 6, S. 16: Boleslaw Chrobry totamque terram eorum usque
Danubium suo dominio mancipavit.
17
Saxones: Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, Vorrede zu Buch I, S. 7f.: Saxonia als Nachbarland
zu Polen; I, 6, S. 16: Saxones indomiti; II, 4, S. 68 wird ein Kloster als in Saxonia gelegen
geschildert, hier ist eher das Herzogtum gemeint; und dann noch einmal II, 42, S. Ulf., als die
Herkunft der Preußen geschildert wird; III, 9, S. 137: Sachsen ebenso wie Bayern als Teil des
deutschen Reiches; Theutonici: II, 18, S. 42; regio Theutonicorum: III, 8, S. 136; Teutonici: III,
23, S. 152: acies Theutonicorum; Alemanni: II, 47, S. 117; III, 1, S. 126; III, 3, S. 131; III, 8,
S. 136; alle während des Feldzuges von Heinrich V.
18
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 6, S. 16f: Indómitos vero tanta virtute Saxones edomuit,
19
quod influmine Sale in medio terre eorum meta férrea fines Polonie terminavit.
S.o. S. 301.
*
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 17, S. 40. Dies ist nicht richtig: Richeza war die Nichte Ottos
III., eine Tochter aus der Ehe von Ottos Schwester Mathilde mit dem rheinischen Pfalzgrafen
Ezzo.
11
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 19, S. 44.
318 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
sein müssen, wird von Gallus nicht erwähnt.202 Wladyslaw heiratet die Schwester Kaiser
Heinrichs III. und ist dann Romanorum imperatori maritali connubio counitus.203 Be-
zeichnenderweise ist wieder nicht explizit von den Deutschen, den Theutonici, die
Rede. Die Erziehung des Zbigniew findet in einem monasterium in Saxonia statt.204
Später werden die Deutschen dann systematischer mit negativen Attributen versehen,
wenn man auch keinesfalls von einer konsequent antideutschen Haltung des Gallus
sprechen kann: Heinrich V. betritt Ungarn, ubiparum utilitatis vel honoris acquisivit?05
Überhaupt wird an dem salischen Kaiser kaum ein gutes Haar gelassen. Ab diesem Zeit-
punkt werden die Deutschen dann zusätzlich mit der Bezeichnung Alemanni verse-
hen.206 Bei der Auseinandersetzung mit Heinrich V. wird die Schuld eindeutig Heinrich
zugeschoben. Als Heinrich imperator, Rome nondum coronatus, von Boleslaw III. die
Beteiligung Zbigniews an der Herrschaft, einen Tribut und 300 Ritter in expedicionem
fordert und ihm andernfalls mit Krieg droht, weist Boleslaw diese Forderung zurück
und verbittet sich die Drohung: Quodsi bonitate non ferocitate pecuniam vel milites in
auxilium Romane eccleste postulasses, non minus auxilii vel consilii forsan apud nos,
quam tui antecessores apud nostros impetrares.201 Zum einen wird deutlich gemacht,
daß Heinrich kein Anrecht auf Unterstützung hat. Hierbei mag die Reduzierung seiner
Legitimität, indem betont wird, daß er noch nicht Kaiser war, durchaus eine Rolle spie-
len. Zum anderen wird herausgestellt, daß das Verhältnis zwischen Kaiser und Polen-
herrscher gleichrangig ist, denn Heinrich kann nicht fordern, sondern nur bitten, und
Boleslaw III. nimmt für dieses Vorrecht sogar einen Krieg in Kauf. Als der deutsche
König in Polen einfallt, muß er viele Niederlagen einstecken, zunächst besiegt ihn die
ungewappnete Besatzung einer Burg.208 Bei den Feldzügen Heinrichs V. wird von ihm
oft nur als imperator gesprochen, seine Krieger werden aber nur äußerst selten als Ale-
manni oder Theutonici charakterisiert. Dies dient vielleicht dazu, die Alemanni nicht
wie die Böhmen oder Pomeranen zu einem verfeindeten Volk zu stempeln.
Heinrich V. wird dann moralisch verunglimpft. Er hält sich nicht an die Abmachung
mit den Bürgern von Glogau, ihnen ihre Geiseln zurückzugeben, was diese allerdings
nicht zur Übergabe der Stadt, sondern nur zu Widerstand anspornt.209 Erst bei diesen
Kämpfen um Glogau werden dann die Theutonici den Poloni gegenübergestellt.210 Der
von Heinrich V. geforderte Tribut wird von den Polen so ironisiert Gallus bezahlt,
indem sie dafür sorgen, daß Leichen nach Bauaria et Saxonia gebracht werden.211 Die
- -
202
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, I, 19, S. 44.
203
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 1, S. 64.
204
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 4, S. 68.
205
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 45, S. 116.
206
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, II, 47, S. 117; II, 1, S. 126, dort sind sie inpetuosi; III, 3,
S. 131, und III, 8, S. 136.
207
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 2, S. 129f.
208
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 2, S. 13 lf: Die Burgbewohner sind nudi.
209
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 6 und 7, S. 134f. Sogar das Anbinden der Geiseln auf den
2,0
Belagerungsmaschinen kann die Bürger nicht vom Widerstand abhalten, III, 8, S. 135f.
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 8, S.136.
211
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 9, S. 137. Ähnlich noch einmal III, 16, S. 143.
Gallus Anonymus 319
Deutschen werden von Boleslaw so in Bedrängnis gebracht, daß sie ihn Bolezlauus non
dormiens nennen und ein Lied zu seinem Ruhm verfassen, indem sie ihn der Kaiserkro-
ne für würdig erachten und auf die eigene Schuld an ihrer Niederlage verweisen, weil
sie gegen Christen vorgehen.212 Dieses Lied ist nach der Aussage des Gallus im Gehor-
sam gegenüber Gottes Willen gesungen worden: Unde constat Dei voluntad populum
cantantem obedire?13 Der Kaiser, nee divine voluntad resistere valebat, bittet Boleslaw
schließlich um Frieden, verlangt aber eine Geldzahlung.214 Als Boleslaw dies ablehnt,
muß der Kaiser mit leeren Händen und vielen Verlusten abziehen.215 Et quoniam super-
be llbertatem antiquam Polonie subigere cogitavit, iustus iudex illud consilium fatuavit,
kommentiert Gallus.216 In der Auseinandersetzung mit Heinrich V. hat sich
Boleslaw III. eindeutig als gleichrangig, wenn nicht gar überlegen erwiesen, indem er
die Tributzahlung verhindert und den Kaiser besiegt hat. Dem Heer des Kaisers gegen-
über hat er sich als einer Kaiserkrone würdig erwiesen, anders als Heinrich V., den Gal-
lus moralisch abwertet und verunglimpft, indem er betont, daß Heinrich die Kaiserkrone
noch nicht besitzt. Deutlich ist eine Emanzipation von den Kaisern zu erkennen, die es
den Polen ermöglicht, eigenständig zu sein und an Unabhängigkeit hinzuzugewinnen.
Bedeutsam ist dabei, daß die Auseinandersetzung durch die seltene Erwähnung von
Theutonici und Alemanni und den Zuschnitt auf den caesar ganz anders dargestellt wird
als die Konflikte mit den Böhmen oder Pomeranen, bei denen die gegnerische gens im-
mer schlecht gemacht wird. Dies geschieht bei den Theutonici bezeichnenderweise
nicht. Nicht sie sind der Gegner, sondern der irregeleitete Kaiser, der die Eigenständig-
keit des Herzogs nicht anerkennen will.
Grundsätzlich fällt ins Auge, daß Gallus die Polen zwar von anderen gentes abgrenzt,
dies aber nicht zur weitergehenden Identitätsstiftung für die gens Polonica nutzt. Ande-
re gentes werden im Prinzip wenig differenziert mit negativen Eigenschaften versehen
und gegenüber den Polen verunglimpft. Die Siege der Polen ihnen gegenüber ergeben
sich quasi natürlich aus ihrer Inferiorität. Die Niederlagen werden entweder verschwie-
gen oder mit einem Verstoß der Polen gegen die Kirchengesetze erklärt. Eine Ausnah-
me bilden lediglich die Ungarn, die eher eine positive Rolle als Verbündete spielen, und
die Deutschen, denen zum einen als Träger des Kaisertitels durch die translatio imperil
eine legitimationsstiftende Rolle zukommt und die zum anderen im Falle der Auseinan-
dersetzung Heinrichs V. mit Boleslaw III. gerade nicht mit den üblichen Stereotypen
von Feinden versehen, sondern von Gallus schonend behandelt werden, der die Schuld
am Konflikt Heinrich V. zuweist.
212
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 9 und 10, S. 137ff.,: talem virum condeceret regnum et
imperium... Ipse quidem cum paganis bella gerit licita, sed nos contra christianos gerimus illicita.
213
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 13, S. 140.
214
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 12 und 13, S. 139f.
215
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 14 und 15. S. 141f.
216
Gallus, Chronica, ed. Maleczynski, III, 15, S. 141f.
320 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
9. Zusammenfassung
An Gallus' Chronik der Polen zeigt sich uns in bezug auf Origo-Schemata eine Ent-
wicklung. Die Origo bezieht sich nicht auf eine gens, sondern ist dynastisch ausgerich-
tet. Ganz besonders bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, daß Gallus den Namen
Polen in keiner Weise zu erläutern versucht und nicht auf die Geschichte der gens vor
dem ersten Herrscher von Gnesen eingeht. Dementsprechend sind die Topoi, die in der
Piasten-Origo verwendet werden, eher dem Umfeld dynastischer Geschichtsschreibung
entnommen, wie z.B. die bescheidene Herkunft des ersten Piasten. In bezug auf die
Grändergestalt Boleslaw Chrobry findet sich das verbreitete Element der Legitimation
von außen und in seiner Gerechtigkeit vielleicht eine Reminiszenz an Boleslaw als Ge-
setzgeber. Die Herzöge werden zu Identifikationsfiguren stilisiert, deren Tugenden der
Gerechtigkeit und Frömmigkeit Frieden im Inneren und deren Tapferkeit Frieden nach
außen garantiert. Die wichtige Rolle des Piastenherrschers wird insbesondere dadurch
hervorgehoben, daß eine Alleinherrschaft von Gallus positiv beurteilt wird. Eine Tei-
lung Polens, wie die zwischen Boleslaw III. und Zbigniew, hat Bürgerkrieg zur Folge.
Gallus bemüht sich jedoch nicht um eine Identitätsstiftung für die gens, deren Eigen-
schaften denen der Herzöge nachgeahmt sind. Lediglich die Großen Polens wirken sta-
bilisierend auf das regnum. Identitätsstiftender Gegenpart der Herzöge ist nicht die gens
und auch nicht ihre hochrangigen Vertreter, sondern das Land, das regnum Poloniae.
Dessen Einheit wird immer wieder beschworen und durch die Personifizierung mit ei-
ner weiblichen Figur, die den Piasten verbunden ist, überhöht. Bei Gallus hat das Terri-
torium die gens als Identitätsanker für die Herrscher verdrängt. Die Herrscher werden
dynastisch legitimiert, wobei andere Aspekte wie die Zustimmung der Großen und die
Idoneität nicht unberücksichtigt bleiben. Selbstverständlich ist auch das Wirken Gottes
für die Legitimierung von Bedeutung. Boleslaws Chrobrys Frömmigkeit ermöglicht sei-
nen Aufstieg, und die wundersame Geburt Boleslaws III. zeigt schon deutlich seine Be-
stimmung zur Herrschaft.
Die Abgrenzung der Polen gegen andere gentes erfolgt relativ undifferenziert, indem
letztere kaum mit eigenen Eigenschaften versehen werden, sondern nur allgemein als
heidnisch und barbarisch charakterisiert werden. Nur die Böhmen erhalten darüber hi-
nausgehende Eigenschaften von Hinterlist und Feigheit und werden als Erzfeinde stili-
siert. Die Theutonici hingegen fallen nicht in dieses Schema einer feindlichen gens.
Vielmehr scheint es Gallus auf eine Betonung der Ebenbürtigkeit und Eigenständigkeit
gegenüber den Deutschen, insbesondere dem Kaiser, anzukommen. Die langwierigen
Auseinandersetzungen zwischen Heinrich II. und Boleslaw Chrobry werden überhaupt
nicht erwähnt, wobei dies möglicherweise auch an Gallus' Quellen gelegen hat, die da-
rauf vielleicht nicht eingingen. Für den Krieg zwischen Heinrich V. und Boleslaw III.
wird allein dem Kaiser die Schuld zugeschoben.217 Dennoch wird bei der überaus posi-
tiven Schilderung der Begegnung Ottos III. mit Boleslaw Chrobry die Tatsache, daß es
217
Vgl. auch Strzelczyk, Wahrnehmung des Fremden, und Ders., Polen, Tschechen und Deutsche.
Dies paßt in eine allgemein zu beobachtende Fremdenfreundlichkeit in dieser Zeit, vgl. Zientara,
Foreigners in Poland, vor allem S. 5-11.
Gallus Anonymus 321
sich um einen Sachsen handelt, von Gallus sicherlich bewußt verschleiert, indem er ge-
rade in diesem legitimitätsstiftenden Zusammenhang die Bezeichnung imperator Roma-
nus übermäßig häufig verwendet und damit absichtlich auf die Tradition der römischen
Legitimation zurückgreift.
Über Cosmas von Prag ist mehr bekannt als über Gallus Anonymus. Alle Informationen
über ihn lassen sich lediglich direkt oder indirekt seinen eigenen Werken entnehmen. Er
wurde 1045 geboren und starb 1125. Er war Dekan der Domkirche von Prag und für
einen solchen zu der Zeit noch nicht ungewöhnlich verheiratet und hatte einen Sohn.
-
Die lang gehegte Vermutung, daß Cosmas polnischer Abstammung sei, gilt durch Ber-
-
218
Einleitung der Edition des Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, S. XV. Die Edition von Bretholz gilt
als überholt, vgl. Wojciechowska, Nowej edycji, und Novi, Dvoji Redakce. Eine kritische Edition,
die sie ersetzt hätte, existiert aber noch nicht.
219
Im folgenden wird die im Deutschen mögliche Unterscheidung zwischen tschechisch für die
Sprache und einen bestimmten slawischen Stamm im Gegensatz zu böhmisch für die politische
Einheit genutzt.
220
Vgl. dazu Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, Einleitung, S. XX-XXXVI; Wattenbach,
Geschichtsquellen, Zeit der Sachsen und Salier, S. 804-809; Bujnoch, Gallus und Cosmas;
Baumann, Literatur in Böhmen, S. 32-36; F. Graus, Cosmas von Prag, in: LexMa 3, Sp. 300f, und
Kersken, Geschichtsschreibung, S. 573-582.
221
Cosmas, Chronik, ed. Bretzholz, Prefacio, S. 4: ...tuo iussu aut me ad cetera evolvendaprecingam
aut ibi gradum sistam et meis ineptis modumfigam ceptis.
222
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, Proemium, S. 80f.
322 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
Dem Gesamtwerk hat er eine Vorrede an einen Propst Severas vorangestellt.223 Alle
Vorreden zeigen die üblichen Bescheidenheitstopoi. In dem Prolog an Propst Severas
bezeichnet Cosmas sein Werk als ridiculosus und vermutet, daß Severas beim Lesen
über viele grammatice artis synalimphas stolpern werde.224 In der Vorrede zum zweiten
Buch bezeichnet Cosmas sein Werk als puerllls und stilo rusticalls?25 In seiner Vorrede
an Magister Gervasius formuliert Cosmas folgendermaßen: Igitur huius narrationis
sumpsi exordium a primis incolis terre Boemorum et perpauca, que dtdici senum fabu-
losa relatione, non humane laudts ambitione, sed ne omnino tradantur relata oblivioni,
pro posse et nosse pando omnium bonorum dilectioni.226 Für den Ursprung der Böhmen
verweist Cosmas auf mündliche Überlieferung und will diese vor dem Untergang be-
wahren. Andere Quellen erwähnt Cosmas in seinem Vorwort nicht, er äußert nur, daß er
in den Chroniken vor der Taufe des Borivoj keine genauen Daten finden konnte.227 Ab
dem zweiten Buch berichtet Cosmas zudem nach eigenem Erleben.228 Im Vorwort zum
dritten Buch geht er auf die Gefahr der Wiedergabe von zeitgenössischen Ereignissen
ein: Unde videtur nobis multo tucius narrare somnium, cul nemo perhibet testimonium,
quam presentium gesta scribere hominum?29 Cosmas behauptet, er vermeide eine Aus-
sage über den neuen Herzog Vladislav, einen jüngeren Bruder des Borivoj II., zu ma-
chen, solange er noch lebt, damit man ihm weder Schmeichelei noch Geringschätzigkeit
vorwerfen könne.230
Cosmas führte die Chronik weiter als er ursprünglich vorhatte, denn er berichtet spä-
ter von Vladislavs Tod.231 Sein letzter Bericht über die böhmische Geschichte ist die Er-
hebung des Herzogs Sobëslav.232 Sie folgt einer längeren Abschweifung darüber, daß
Cosmas sich für zu alt zum Schreiben hält und die Aufzeichnung der Geschichte eigent-
lich Jüngeren überlassen möchte.233 Ob Cosmas tatsächlich aufgehört hätte, nachdem er
sich so wortreich und mit der üblichen Bescheidenheit dafür entschuldigt, daß er doch
über den Tod Vladislav' hinaus berichtet, ist zweifelhaft. Wir haben es also mit einem
unvollendeten Werk zu tan.
3
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, Prologus, S. lf.
4
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, Prologus, S. lf.
5
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, Proemium, S. 81.
6
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, Prefacio, S. 3.
7
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, Prefacio, S. 4: quia in inicio huius libri nee fingere volui nee
chronicam reperire potui.
8
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 42, S. 80: ...que ipsimet vidimus...
9
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, Apologia, S. 160.
0
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 28, S. 197f.
1
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 57, S. 233: ein Hinweis auf Vladislavs' Tod; III, 58, S. 233-
237: Bericht über den Tod, und III, 59, S. 237: Kommentar über das Weiterführen der Chronik.
2
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 60, S. 238.
3
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 59, S. 237f.
Cosmas von Prag 323
Zum folgenden vgl. Graus, Nationenbildung, S. 51-54; Prinz, Böhmen; F. Graus, Böhmen 1.2. Die
Anfange und die Herrschaft der ersten Pfemysliden, in: LexMa 2, Sp. 336f; Lübke, Slaven und
Deutsche; Strzelczyk, Bohemia and Poland; Lübke, Erweiterung des östlichen Horizonts;
Strzelczyk, Polen, Tschechen und Deutsche, sowie die einschlägigen Kapitel in Lübke, Das
östliche Europa. Das in der Fredegar-Chronik genannte Wogastisburg wird überwiegend in
Böhmen lokalisiert, vgl. W. Pohl, Wogastisburg, in: LexMa 9, Sp. 291; die Böhmen als solche
treten aber erst im 9. Jahrhundert in fränkischen Quellen auf, vgl. etwa Annales regni Francorum,
ed. Kurze, ad a. 805, S. 120.
Zur Bedeutung der Christianisierung für die Konsolidierung Böhmens vgl. auch Trestüc, Von
Svatopluk zu Boleslaw Chrobry.
Zu ihnen vgl. J. Zemlicka, Vrsovci, in: LexMa 8, Sp. 1875f.
Prinz, Böhmen, S. 105.
Im 19. und 20. Jahrhundert konzentrierte sich die deutsche Forschung vor allen Dingen darauf, die
Abhängigkeit Böhmens unter Beweis zu stellen, die tschechische auf die Selbständigkeit, vgl.
dazu Prinz, Böhmen, S. 102-112, vor allem S. 103: „...liegt einer solchen nationalen Zensur
mittelalterlicher Politik eine falsche Gleichsetzung von lehnsrechtlicher Abhängigkeit mit
Schwäche und Bedrohung zugrunde." Zum gegenseitigen Nutzen römisch-deutscher Kaiser und
böhmischer Herrscher, die diese aus ihrem Verhältnis gewinnen konnten, vgl. Prinz, Stellung
Böhmens.
Vgl. dazu Graus, Bildung eines Nationalbewußtseins.
324 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
fühl keine große Rolle. Bezeichnenderweise ist dieser Unterschied von deutscher Seite
ebenfalls wahrgenommen und ausgedrückt worden. Im Hochmittelalter gibt es in deut-
schen Quellen fast einen Topos der wilden und grausamen gens Bohémica?40
wird von Cosmas also sowohl zu den Römern als auch zum erwählten Volk Israel in
-
Bezug gesetzt. Die Penaten sind ein deutlicher und für jeden zu verstehender Anklang
an Aeneas, die Beschreibung der Fruchtbarkeit des Landes ein Anklang an das gelobte
Land.247 Die Benennung des Landes und zunächst einmal nicht der gens, die es be-
wohnt, erfolgt durch den senior, den Heros eponymos, der vor Cosmas in der Überliefe-
rung noch nicht genannt wird. Auf diese Art und Weise wird von Cosmas von Anfang
an eine enge Verbindung zum Land geknüpft,248 wie sie einer späteren Stufe der Ori-
gines wie etwa Dudo, Widukind und Gallus, gemeinsam zu sein scheint. Die Benen-
nung erfolgt nicht in Zusammenhang mit einer primordialen Tat, wie es sich sonst beo-
bachten läßt.
Die Bewohner Böhmens, die von Cosmas noch nicht Böhmen genannt werden, wer-
den in den höchsten Tönen für ihre einfache und moralische Lebensart gelobt. Cosmas
wirft ihnen noch nicht einmal ihre sexuelle Freizügigkeit vor, die er ohne weitere Ver-
unglimpfung mit Tieren vergleicht. Er entwirft das Bild eines goldenen Zeitalters, in
dem es weder iudex noch princeps, sondern nur Personen gab, die moribus potior und
opibus honoratior waren, die aufgrund ihres Prestiges Richterfunktionen ausübten.249
Diese natürliche Unschuld und das einfache Leben enden, als sich die Menschen einen
Anführer suchen. Das goldene unschuldige Zeitalter hat wie in anderen Origo-Erzäh-
lungen ein zwangsläufiges Ende, als die Zivilisierung voranschreitet.
Am Anfang der Linie der böhmischen Herzöge steht ein Mann namens Crocco, der
laut Cosmas einem castrum seinen Namen gab.250 Er ist nur ein anerkannter Mann, der
aus diesem Grund einen gewissen Vorrang hat, der eigentlich erste Anführer wird erst
später ausgewählt. Crocco hat drei Töchter, die durch besondere Klugheit hervorste-
chen. Die jüngste und klügste Libuse wird nach dem Tod ihres Vaters zur Richterin ge-
macht.251 Als sie einmal zwischen zwei mächtigen Männern Recht spricht und der im
Gericht Unterlegene sich übervorteilt fühlt, verlangt er einen Mann als Richter. Libuse
warnt vor der Etablierang eines permanenten Amtes und führt als negatives Beispiel
eine Tierfabel an. Die Tauben hätten sich statt des Sperbers den Habicht als König er-
wählt und ihm von da an blutigen Tribut leisten müssen.252 Eine solche abwertende Ein-
stellung zur weltlichen Herrschaft, die als Tyrannei verstanden wird, ist nicht ohne Par-
allelen, wie sich schon an dem biblischen Bericht aus dem Buch Samuel erkennen läßt,
in dem die Herrschaft des ersten Königs Saul gegründet wird.253 Sie ist aber doch sehr
allgemein durch die Sündhaftigkeit des Menschen notwendig wird, vgl. Stürner, Peccatum und
potestas.
Vgl. dazu besonders Karbusicky, Matriarchátu, der sich vehement gegen eine solche Interpretation
ausspricht, und Prinz, Böhmen, S. 42. Zur Problematik einer Vorstellung vom Matriarchat
überhaupt vgl. B. Wagner-Hasel, Matriarchat, in: EM 9, Sp. 407-415.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 4, S. 11.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 4, S. 13. Zur Bedeutung der Herkunft des ersten Herrschers von
außen vgl. Banaszkiewicz, Slavonic Origines regni, S. 115. Der Kern der Libuse-Sage findet sich
schon in der Wenzels- und Ludmillalegende des sogenannten Christian, ed. LudvIkovsky, cap. 2,
S. 16ff. Zur lange umstrittenen Echtheit der Wenzelslegende vgl. J. NechutovA, s.v. Christian (6),
in: LexMa 2, Sp. 1913f.
Vgl. dazu Werner, Frühzeit des französischen Fürstentums III, 117f; Graus, Lebendige
Vergangenheit, S. 78; I. Tomkowiak, Herrschaft, Herrscher, in: Enzyklopädie des Märchens 6, vor
allem Sp. 903f, und Plassmann, Welfen-Origo, S. 64, sowie oben S. 298.
Zu dem Motiv der Berufung zur Herrschaft vom Pflug vgl. auch Banaskiewicz, Königliche
Karrieren. Krappe, Ploughman King I und II, bietet eine mythologische Deutung des Themas, das
auch in Spanien und Portugal auftaucht.
Cosmas von Prag 327
den.259 Bedeutsam scheint vor allen Dingen folgender Satz: Inprimis facile est ducem
poneré, sed difficile est positum deponere; nam qui modo est sub vestra potestate, ut-
rum eum constituatis ducem an non, postquam vero constitutus fuerit, vos et omnia
vestra erunt in eius potestate.260 Als das Volk dennoch einen Herzog haben will, be-
schreibt Libuse, wo der zukünftige Herzog Premysl gefunden werden kann. Libuse gibt
dem Namen Premysl die Deutung premeditans vel superexcogttans und prophezeit, daß
dessen Familie die terra immerdar beherrschen wird.261 Die erneute Rede der Libuse un-
terstreicht die negative Einstellung zur Herrschaft und damit die Ähnlichkeit zum Volk
Israel, das nicht auf den Richter Samuel hören wollte. Auf der anderen Seite bekommt
der neue Herzog gleich ein positives Attribut, das in seinem Namen verborgen ist und
sich auf die Zukunft richtet. Zudem wird mit der Prophezeiung über die Dauer der
Pfemysliden-Herrschaft zumindest garantiert, daß das zukünftige System der Herzogs-
herrschaft stabil sein wird. Insofern wird das negative Bild der Tyrannei sofort wieder
um einiges zurückgenommen. Die ambivalente Schilderung von Herrschaft, die Cosmas
gibt, mag also der Betonung einer guten Pfemysliden-Herrschaft dienen.
Boten werden ausgesandt, um Premysl als Herzog zu holen, sie folgen dem Pferd der
Libuse.262 Cosmas weist bei dieser Gelegenheit die offensichtlich verbreitete Sage zu-
rück, das Pferd habe den Weg deshalb gekannt, weil Libuse schon häufiger nachts zu
Premysl geritten sei,263 setzt sich also deutlich mit der von ihm im Vorwort genannten
mündlichen Überlieferung auseinander. Die Boten treffen nach dem Hinweis eines Jun-
gen auf Premysl, dem sie die Herrschaft antragen, wobei sie seine Bestimmung zur
Herrschaft deutlich machen: tibi ac tuis nepotibus fatale regnum accipias, bitten sie
ihn.264 Premysl entläßt seine weiß gezeichneten Ochsen, die sich in Luft auflösen und
stößt seinen Stab in den Boden, der daraufhin in drei Zweigen ausschlägt. Als er die Bo-
ten bittet, sein bescheidenes Mahl mit ihm zu teilen, sterben zwei der drei Zweige ab.
Dies wird von Premysl so interpretiert, daß immer nur einer seiner progenies zum Herr-
schen bestimmt sei.265 In dieser Erzählung stecken einige weit verbreitete Motive, die in
einer Origo-Erzählung ungewöhnlich sind. Das sind zum einen die weißen Ochsen,266 in
denen man einen Hinweis auf vorchristliche religiöse Praktiken sehen wollte, und der
grünende in die Erde gestoßene Stab.267 Das Verschwinden der Ochsen ist ein Hinweis
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 5, S. 14f. Vgl. Trestík, Kosmova kronika, S. 166-183 und
S. 236 (dt.) zu der Aussage des Cosmas, daß die Herzogswahl nicht wieder rückgängig gemacht
werden kann.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 5, S. 14.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 5, S. 15.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 6, S. 15f.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 6, S. 15: Vana volatfama, nee non et opinio falsa.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 6, S. 16.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 6, S. 16f.
Vgl. E. Tucker, Farbe, Farbensymbolik. Weiß, in: EM 4, Sp. 847ff, und H.-J. Uther, Ochse, in:
EM 10, Sp. 183-188.
Vgl. A. Scheiber, Aaron, in: EM 1, Sp. 4-7, vor allem Sp. 5f. Der grünende Stab des Aaron. Zu
diesen „magischen" Elementen der Cosmas-Erzählung vgl. Graus, Kirchliche und heidnische
(magische) Komponenten, vor allem S. 155.
328 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
darauf, daß Premysl seinen Stand ablegt und jetzt auf einem Pferd reiten darf. Die Pro-
phezeiung mit Hilfe des Stabes, daß immer nur ein einziger aus dem Stamme der
Pfemysliden zum Herrscher bestimmt ist, macht erneut deutlich, daß die neue Ordnung
eine stabile Ordnung sein wird. Premysl deutet das Omen des grünenden Stabes folgen-
dermaßen: Hätte Libuse ihn nicht auserwählt, hätte die terra viele Herren bekommen.
Dieser Zustand hätte die Stabilität gefährdet. Die Erzählung von der Berufung des
Premysl dient dazu, die Bedenken bezüglich einer möglichen tyrannischen Herrschaft
der Herzogsfamilie, die Cosmas mit seinen Tierparabeln selber gesät hat, zu zerstreuen
und abzuwerten, weil die Dinge genauso geschehen sind, wie sie geschehen sollten.
Zur Erinnerung an seinen niedrigen Stand und um die Wechselhaftigkeit der Fortana
nicht zu vergessen und nicht dem Hochmut zu verfallen, nimmt Premysl als Andenken
an seinen Bauernstand seine Bastschuhe mit, die laut Cosmas noch existieren. Er ver-
knüpft damit ein Versprechen: Ad hec eos fed et faciam in evum servari, ut nostri
posteri sciant, unde sint orti, et ut semper vivant pavidi et suspecti neu homines a Deo
sibi commissos iniuste opprimant per superbiam, quia facti sumus omnes equales per
naturam?6* Premysl verspricht die negativen Folgen der Herrschaft, vor denen Libuse
so drastisch gewarnt hatte, zu umgehen. Dies dient dazu, den Topos von der Tyrannei
der Königsherrschaft abzuschwächen. Es stellt sich die Frage, weshalb Cosmas erst so
intensiv auf die Gefahren der Herrschaft für das einfache Volk zu sprechen kommt, um
dann alle Bedenken einzeln und aufwendig zu zerstreuen. Zwei Möglichkeiten bieten
sich dafür an. Die eine ist die, daß Cosmas der mündlichen Überlieferung, die den
Übergang von Libuse zum Herzogtum nicht unbedingt positiv sah, Rechnung tragen
mußte269. Hierbei ist aber zu bedenken, daß die biblischen Anklänge dafür sprechen, daß
es sich um eine gelehrte Hinzufügung durch Cosmas handelt. Selbst die gute Herrschaft
ist schlechter als das goldene Zeitalter zu Beginn und letztlich nur ein kleineres Übel.
Die andere Möglichkeit ist die, daß die gute Pfemysliden-Herrschaft als Ausnahmeer-
scheinung stilisiert wird, die den Böhmen einen Vorteil gegenüber anderen Völkern ver-
schafft. Es ist daher angebracht, die Darstellung anderer Herrscher in der Chronik der
Böhmen im Auge zu behalten.
Schließlich faßt Cosmas den Herrschaftsantritt des Premysl zusammen: Hie vir...
hanc efferam gentem legibusfrenavit et indomitum populum imperio domuit et servituti,
qua nunc premitur, subiugavit atque omnia iura, quibus hec terra utitur et regttur, so-
lus cum sola Lubossa dictavit?10 Hier wird die Herrschaft des Herzogs nicht mehr nega-
tiv gewertet, sondern ihr zivilisationsfördernder Charakter hervorgehoben. Als Gesetz-
geber erfüllt Premysl natürlich eine besonders vornehme Aufgabe eines Herrschers.
Einstellung zur Herrschaft noch nicht die Rede sein kann. Die Fortwirkung der negativen
Beurteilung von Herrschaft im Buch Samuel, die einiges über das Herrschaftsverständnis des
Mittelalters aussagen könnte, und die von Stürner, Peccatum und Potestas, nicht angegangen
wurde, hoffe ich demnächst eingehender untersuchen zu können.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 8, S. 18.
Cosmas von Prag 329
Libuse sagt noch die Errichtung Prags, der tocius Boemie domna und die Verehrung
der heiligen Wenzel und Adalbert durch die tribus Boemiae und reliquae nationes vo-
raus.271 Bei dieser Gelegenheit macht Cosmas darauf aufmerksam, daß Libuses Weissa-
gekünste nicht von Gott kommen, denn nach der Nennung der Heiligen flieht der pro-
phetische spiritus pestilens von Libuse.272 Die ambivalente Rolle der Libuse wird beson-
ders deutlich. Die gens, die Böhmen bewohnt, wird immer noch nicht mit einem ein-
heitlichen Namen bezeichnet, es sind hier noch mehrere Stämme gedacht, deren verein-
heitlichendes Moment darin besteht, daß sie in derselben terra Bohémica wohnen, eine
Schilderung, die der historischen Wirklichkeit durchaus gerecht wird.
In der Nähe Prags werden eine Jungfrauen- und eine Jünglingsburg gegründet, die
sich gegenseitig bekriegen. Erst auf einem Festmahl können die Jünglinge die Jung-
frauen überlisten und die Herrschaft der Männer etablieren: Ex illa tempestóte post obi-
tum principis Lubosse sunt mulieres nostrates virorum sub potestate. Das Festmahl ist
möglicherweise der römischen Legende des Raubes der Sabinerinnen nachempfunden,
spiegelt aber ein verbreitetes Motiv der Herrschaftsübernahme durch Frauenraub wi-
der.273 Damit ist die Bildung der terra Bohémica abgeschlossen. Die rechte Ordnung der
männlichen Vorherrschaft ist etabliert, es existiert ein Herzog, eine Hauptstadt und Ge-
setze. Zu diesem Zeitpunkt ist noch keine Identitätsstiftung einer böhmischen gens vor-
genommen worden.
Nach dem positiven Bild des Premysl hat Cosmas über seine Nachfolger bis zu
Borivoj I. (t 894), von denen er nur die Namen aufzählt, zunächst nicht viel Gutes zu
sagen: Horum igitur principum de vita eque et morte siletur, turn quia ventri et somno
dediti, inculti et indocti assimilati suntpeccori..?14 Herzog Neclan, einer dieser Herzöge
zwischen Premysl und Borivoj, wird von Cosmas als Feigling dargestellt, der sich beim
Kampf mit den Luczani in einer Burg versteckt und einen anderen an seiner Stelle in
den Kampf schickt.275
Die Annahme des Christentums durch Borivoj wird von Cosmas zwar erwähnt, er
will aber, da sie sich ebenfalls in anderen Quellen findet, nicht darauf eingehen.276 Daß
Cosmas diese wichtige Stufe der Zivilisierang der Böhmen übergeht, ist für sein Kon-
271
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 9, S. 19. Zur Verehrung der heiligen Wenzel und Adalbert, die
nicht so gleich behandelt wurden, wie Cosmas suggeriert, vgl. Graus, Adalbert und Wenzel, und
Machilek, Adalbertsverehrung.
272
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 9, S. 19: Plura locutura erat, si nonfugisset spiritus pestilens et
273
prophetans a plásmate Dei.
274
Vgl. etwa oben S. 95. Vgl. dazu auch Banaszkiewicz, Slavonic origines regni, S. 121.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 9, S. 21.
275
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 12, S. 26.
276
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 10, S. 22. Zu dieser Erzählung der Taufe des Borivoj durch den
heiligen Method vgl. auch Graus, Legenden, S. 176ff.
330 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
zept sehr aussagekräftig und hängt mit der bedeutenden Rolle des Prager Bischofs für
die rechte Ordnung zusammen, die von Cosmas später herausgearbeitet wird.277
Cosmas läßt wie man erwarten konnte an Boleslav I., dem Bruder und Mörder
des heiligen Wenzel, für den Cosmas auf andere Quellen verweist, kaum ein gutes Haar.
- -
Er verurteilt die Tat in deutlichen Worten, berichtet aber immerhin von der Reue des
Boleslav, die ihn dazu veranlaßt habe, seinen Sohn der Kirche zu weihen und eine Kir-
che, die Wenzel noch errichtet, aber nicht mehr geweiht hatte, durch Bischof Michael
dem heiligen Vitas weihen zu lassen.278 Als Cosmas von der Übertragung der Gebeine
des Wenzel in die Vitas-Kirche berichtet, hat er wieder Zweifel an den Motiven des Bo-
leslav, dem er an dieser Stelle unterstellt, daß er nulla compunctus suifacinoris peniten-
tia gewesen sei.279 Weiterhin sei Boleslav eigentlich nicht würdig gewesen, Herzog ge-
nannt zu werden: si dicendus est dux, qui fuit inpius atque tyrannus, sevior Herode,
truculentior Nerone, Decium superans scelerum inmanitate, Dioclecianum crudelitate,
unde sibi agnomen ascivit sevus Bolezlaus ut diceretur.2*0 Exemplifiziert wird die Ty-
rannei des Boleslav an einer Erzählung, wie Boleslav seine Untertanen zum Bau einer
Befestigung zwang, indem er ihnen mit dem Tode drohte.281 Erst unter Boleslav scheint
sich also die Prophezeiung der Libuse von der grausamen Herrschaft, die ein Joch für
das Volk bedeutet, zu erfüllen, aber Boleslav ist es nicht wert, Herzog genannt zu wer-
den. Er erfüllt ähnlich wie Boleslaw II. von Polen die Rolle des „schwarzen Schafes",
das in Kontrastwirkung die positive Darstellung der anderen Dynastiemitglieder hervor-
hebt. Zudem ist vor Herrschern wie ihm von Libuse eindringlich gewarnt worden, so
daß die Prophezeiung jetzt eintrifft. Auffällig ist, daß nach der Christianisierung Böh-
men zuerst einen sehr guten, heiligen Herzog und dann einen sehr bösen aufzuweisen
hat, ehe die Herzogsgestalten etwas durchschnittlicher werden.
Boleslav II. wird von Cosmas als das genaue Gegenteil seines Vaters dargestellt.
Ecce de rubo uva, de spinis rosa, de tribulis ficus gignitur generosa kommentiert Cos-
mas den Regierungsantritt Boleslavs II.282 Boleslav II. wird von ihm als ein Muster an
Herrschertagend und Christlichkeit geschildert: vir christianissimus, fide catholicus,
pater orphanorum, defensor viduarum, gementium consolator, clericorum etperegrino-
rum plus susceptor, ecclesiarum Dei precipuus fundator?*3 Boleslav II. bietet das Kon-
trastprogramm zu seinem tyrannischen Vater, wenn er auch den Gipfel der Tugenden,
die Heiligkeit, nicht erreichen kann. Er schickt seine Schwester nach Rom zum Papst,
um die Errichtung eines Bistums in Prag an der Kirche des Vitas und des Wenzel zu er-
wirken. Zusätzlich wird seine Schwester zur Äbtissin des neugegrändeten Klosters von
St. Georg in Prag ernannt.284 Böhmen bekommt also durch ihn ein Bistum in der Haupt-
stadt.
277
S. u. S. 338-342.
27S
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 17 und 18, S. 35-38.
279
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 19, S. 38.
2SU
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 19, S. 38.
2K1
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 19, S. 39f.
282
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 21, S. 42.
283
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 22, S. 42.
284
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 22, S. 42ff. Das Papstprivileg ist umstritten, vgl. Jaffé Nr. 3720.
Cosmas von Prag 331
Die finsteren Seiten der Regierung Boleslavs II. werden von Cosmas passend zur po-
sitiven Darstellung beschönigt. Zur Zeit des Massakers an den Slavnikiden war der Her-
zog laut Cosmas non sue potestatis, und einige comités werden Urheber des Verbre-
chens genannt.285
Bei dessen Tod faßt Cosmas die Tugenden Boleslavs II. zusammen: que iusticie, que
catholice fidei, que Christiane religionis sunt erat ardentissimus executor... in preliis
vietoriosissimus victor, sed victis clementissimus indultor atque precipuus pacis ama-
tor.2*6 Seinen Sohn belehrt er auf dem Sterbebett, dass er ein guter Herzog sein soll, ins-
besondere aber: noli extolli, sed esto quasi unus ex Ulis, id est, si te ceteris sublimiorem
sendas, mortalem tarnen te esse cognoscas nec dignitatis gloriam, qua in seculo subli-
maris, aspicias, sed opus, quod tecum ad inferos deportes, intendas?*1 Dies ist ein deut-
licher Rückbezug auf die Gründung der Premysliden. Gute Herzöge Böhmens sind die,
die sich ihrer Herkunft bewußt und bescheiden sind. Schlechte Herzöge sind Tyrannen,
wie sie von Libuse in Schreckensszenarien ausgemalt wurden. Es folgt eine ausführ-
liche Ermahnung darüber, bei der Münzprägung ehrlich vorzugehen, keine Münzver-
schlechterang in Kauf zu nehmen.288 Dies mag ein Hinweis auf Cosmas' eigene Zeit
sein, ansonsten erschließt sich die Bedeutung dieser Ermahnung im Kontrast zur öfter
von Cosmas berichteten und abschätzig beurteilten Geldgier der Kaiser.289
Cosmas bringt Boleslav III. durchaus Sympathie entgegen, muß aber mit Bedauern
feststellen, daß er glücklos war.290 Als Boleslav III. zu einer Verhandlung mit dem Po-
lenherzog aufbricht, legt er in Vorausahnung eines Unglücks seinen Getreuen die Nach-
folge Jaromirs ans Herz, seines jüngeren Bruders, den Cosmas fälschlich für seinen
Sohn hält.291 Tatsächlich wird Boleslav III. bei den Verhandlungen mit dem Polenher-
zog gefangengenommen und geblendet und Jaromir wird angegriffen.292
Mit Gottes Hilfe und der Unterstützung des heiligen Wenzel kann Udalrich, der Sohn
Boleslavs II., die Polen aus Prag vertreiben. Dies wird ihm von Cosmas hoch angerech-
net.293 Ähnlich wie bei Boleslav II. schiebt Cosmas das Verbrechen der Blendung des
Jaromir, Udalrichs Bruder, die ihn herrschaftsuntauglich machen soll, einigen familia-
res inimici, nämlich den Wrschowitzem, in die Schuhe und entschuldigt Udalrich da-
eos affatur dictis: ...hunc meum natum laromir vestre fidei commitlo et mei in loco ducem vobis
relinquo.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 34, S. 61f. Ah mala mens, malus animusl (S. 62).
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 36, S. 64f.
332 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
mit.294 Die Geburt des Bfetislav, des unehelichen Sohnes Udalrichs, wird von Cosmas
genau beschrieben, wobei er die Untreue des Udalrich seiner Frau gegenüber mit den
unmoralischen Zeiten entschuldigt.295 Diese sexuellen Untugenden der Böhmen, die
schon im „goldenen Zeitalter" von Cosmas vermerkt wurden, werden erst aufgegeben,
als die Reliquien des heiligen Adalbert nach Prag überführt werden.296
Die Familienstreitigkeiten zwischen Udalrich und Jaromir werden schließlich beige-
legt, als Udalrich stirbt und Jaromir die Herzogserhebung seines Neffen Bretislav unter-
stützt.297
Bretislav sticht sogar im Vergleich mit seinen Vorgängern hervor. Er vereint alle Tu-
genden auf sich: Nam Deus talem sibi gratiam contulit, ut, quas singulis hominibus
particulariter, has quoque huic indeficientes virtutes largitus est generaliter. Er ist tap-
fer, stark und weise und hat außerdem fünf vortreffliche Söhne.298 Die Entführung der
Judith, Tochter des Markgrafen Heinrich von Schweinfurt, durch Bfetislav schildert
Cosmas in bewundernden Worten und läßt sich insbesondere darüber aus, daß Bfetislav
auf der Flucht eine Eisenkette durchschlagen habe.299 In seinen Handlungen stellt Cos-
mas ihn als gerechten Herrscher dar.300 Allerdings finden sich bei ihm Reminiszenzen
an die Prophezeiung der Libuse. Als Bretislav ein Heer aufbietet, um gegen Polen zu
ziehen, schickt er zusammen mit der Aufforderung zur Sammlung einen Galgenstrick
herum, um zu zeigen, was Verweigerer zu erwarten haben.301
Als Herzog Bretislav im Sterben liegt, greift Cosmas das Thema von der Herrschaft
des einen Herzogs wieder auf. Denn Bfetislav hat fünf Söhne und erlegt den Fürsten
auf, nur jeweils den ältesten der Linie zum Herzog zu machen: Crédite mihi, nisi mo-
narchos hunc regat ducatum, vobis principibus ad iugulum, populo ad magnum deve-
niet damnum?02 Nach dem Bericht des Cosmas hat Bretislav offenbar nicht Mähren als
Apanage für die jüngeren Söhne vorgesehen, auch wenn dieser Brauch eigentlich auf
ihn zurückgeht.303 Nach der ersten Prophezeiung des Premysl ist die Herrschaft unter
einem Premyslidenherzog ohnehin der vorbestimmte Pfad der böhmischen Geschichte.
Eine Aufsplitterang der Herrschaft hätte eine Tyrannisierung der Herrschaft zur Folge.
Tatsächlich wird Spytihnëv einstimmig gewählt, das erste Mal, daß bei einer Herzogser-
hebung die direkte Beteiligung der Böhmen erwähnt wird.304 Cosmas beschreibt ihn als
gutaussehenden Mann,305 der vor allen Dingen klug und wendig war, nicht aber unbe-
dingt weise und nicht ganz so viele Tugenden besaß wie sein Vater: Erat autem dux
Zpitigneu vir prudens rerum in discrimine, sciens arcum suum tendere et laxare in
oportuno tempore?06 An einer Auseinandersetzung mit einer Äbtissin scheint Cosmas
zu exemplifizieren, daß Spytihnëv rachsüchtig ist.307 Gegen Geistliche ist Spytihnëv an-
sonsten großzügig und versucht auch, den Dom von Prag zu erweitem, woran er nur
durch seinen Tod gehindert wird.308 Ähnlich wie bei Bfetislav erzählt Cosmas eine Epi-
sode von einer Heereseinberafüng, die gewisse tyrannische Züge an Spytihnëv zu offen-
baren scheint. Der Herzog beruft per salutem capitis also unter Androhung des Todes
ein Heer aus Mähren gegen die Ungarn ein und läßt die Aufgebotenen gefangensetzen
-
und ihre Pferde und Waffen verteilen, als sie nicht an den festgesetzten Ort kommen,
-
sondern den Herzog woanders treffen.309 Vielleicht mag Cosmas dies als ein Beispiel für
Gerechtigkeit, wenn auch strenge, angeführt haben, denn später lobt er Spytihnëv als
pater clericorum und defensor viduarum?10
Sein Bruder Vratislav wird ebenfalls omnibus Boemiis faventibus erhoben.3" Die An-
spräche seines jüngsten Bruders Jaromir will er abwehren, indem er ihn quamvis invi-
302
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 13, ad a. 1055, S. 102.
303
Vgl. J. Zemlicka, Mähren, in: LexMa 6, Sp. 1 lOf.
304
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 14, S. 103: (Spytihnëv) omnes Boemice gentis, magni etparvi,
communi consilio et volúntale pari eligunt sibi in ducem.
305
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 14, S. 103: vir valde speciosus, cesarie pice nigrior atra,
barba prolixa, facie leta, gene eius candidiores nive etparum rubentes per medium.
306
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 15, S. 107.
307
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 14, S. 104f.: Daß die Äbtissin von St. Georgen von Spytihnëv
vertrieben wird, scheint eher mit Rache an ihren spöttischen Worten zu tun zu haben als mit der
Tatsache, daß sie Deutsche ist.
308
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 16, S. 107f: über Spytihnëvs imitabile exemplum beim
Verbringen der Fastenzeit, und II, 17, ad a. 1060, S. 108f, über die Prager Kirche.
309
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 15, S. 105f.
310
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 17, S. 109. Zusätzlich gibt er ein Beispiel, wie Spytihnëv das
Unrecht an einer Witwe gerächt hat.
311
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 18, S. 110.
334 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
turn ac coactum zum Geistlichen weihen läßt.312 Auch Vratislavs Gerechtigkeit wird als
streng beschrieben, der ein gewisser Zug von Rachsucht eigen ist.313
Die Erhebung des Vratislav zum König durch Heinrich IV. wird von Cosmas zwar
berichtet, aber in keiner Weise besonders hervorgehoben, stilisiert oder gar vorbereitet
bzw. in eine Traditionslinie gestellt: In quo conventu idem cesar omnibus sui regni opti-
matibus, ducibus, marchionibus, satrapis, et episcopis assencientibus et collaudantibus
ducem Boemorum Wratizlaum tarn Boemie quam Polonie prefecit et inponens capiti
dus manu sua regalem circulum iussit archiepiscopum Treverensem... ut eum in sede
sua metrópoli Praga in regem ungat et diadema capiti eius inponat?14 Cosmas scheint
die Zustimmung der deutschen Großen und die Salbung durch den Trierer Erzbischof
wichtig zu sein. Möglicherweise ist dies ein Reflex auf die Darstellung der Erhebung
des Boleslaw Chrobry bei Gallus Anonymus, bei der die Großen des deutschen Reiches
ebenfalls eine beratende Rolle spielten. Die Salbung wäre deshalb explizit erwähnt, weil
der böhmische Herzog sie dem Polen voraus hatte. Allerdings wird von Cosmas hier die
Möglichkeit der Legitimitätsstiftung durch eine Autorität von außen und eine Anbin-
dung an die Römer und ihr Kaisertum im weitesten Sinne übergangen, so daß man da-
von ausgehen kann, daß für Cosmas die Krönung nicht legitimitätsstiftend war und er
sie nicht so darstellen wollte. Immerhin berichtet Cosmas noch von der Salbung des
Vratislav in Prag, aber auch dies, ohne mehr zu berichten als das bloße Ereignis.315 Den
Königstitel gibt er Vratislav von diesem Moment an konsequent.
Die Auseinandersetzungen zwischen Vratislav und seinem Bruder Jaromir-Gebhard,
Bischof von Prag, verurteilt Cosmas. Die Entfremdung der Brüder findet zwar durch
Einflüsterung des Teufels humani generis inimicus statt, aber Cosmas wirft Vratislav
vor zu ehrgeizig und Gebhard zu arrogant gewesen zu sein.316 Die Brüder verstoßen mit
ihrer Auseinandersetzung gegen die Prophezeiung des Premysl, daß immer nur einer an
der Spitze Böhmens stünde, und weiterhin gegen die Bestimmung des Bfetislav, ihres
Vaters, der vorsah, daß der Älteste immer die „Richtlinienkompetenz" innehaben sollte.
312
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 18, S. 110. Zu Jaromir vgl. auch Hilsch, Familiensinn und
Politik.
313
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 19, S. 111. Vratislav setzt statt des Grafen Mztis, der einst
seine erste Frau gefangen gehalten hatte, einen anderen ein. Der Graf kann sich der Bestrafung für
die Behandlung der Frau nur durch Flucht entziehen. Bezeichnenderweise äußert Vratislav nach
außen hin den Vorsatz, Gerechtigkeit auszuüben: quod res et iusticia postulat, faciam. II, 40,
S. 145: Vratislav läßt, quasi in mortuo possit ulcisci, einen toten Ritter von einem Pferd an den
Füßen herumschleifen.
314
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 37, S. 135.
315
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 38, S. 140f. Tatsächlich hat sich die Stellung der böhmischen
Herzöge durch die Krönung des Vratislav nicht verändert, aber Wolverton, From Duke to King,
vor allem S. 76f., hat anhand des ikonographischen Programms der Herzöge herausgearbeitet, daß
die erhöhte Stellung den Herzögen bei dem Versuch diente, größeren Einfluß auf die Erbfolge zu
316
erlangen und sie im Sinne einer Primogenitur zu entscheiden.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 41, ad a. 1090, S. 145: Hunc (d.i. Vratislav) vexal vana gloria
et ambitione, Mum (d.i. Gebhard) exagitat arrogantia et túmido fastu superbie.
Cosmas von Prag 335
Obwohl der herrschende Vratislav im Prinzip gegenüber seinen Verwandten als seni-
or im Recht ist, schildert Cosmas die Auseinandersetzungen zwischen König Vratislav
und seinem jüngeren Bruder Konrad sowie seinem Sohn Bretislav II. mit deutlicher
Mißbilligung gegenüber Vratislav. Dieser gefährdet mit seinen Winkelzügen den Fami-
lienfrieden und damit letztlich die innere Stabilität. Die Machenschaften des Vratislav,
seinen Bruder Konrad aus Mähren zu verdrängen, bezeichnet Cosmas als artes und be-
tont, daß Mähren Konrad sorte ac funículo hereditatis et per concessionem iure accide-
rat paternam?11 Ganz deutlich wird die Verurteilung von Vratislav in den Worten, die
Cosmas Konrads Frau Wirbirg in den Mund legt. Diese macht Vratislav nämlich den
Vorwurf, daß er sich ins eigene Fleisch schneide: ...in te tua vertís tela, cum fratrem
tuum, cut debeas esse tutela, spolias rapiña cruenta?1* Sogar bei dem Friedensschluß
mit Konrad wirft Cosmas dem König vor, er habe dies nur getan, weil er sich vor einer
coniuratio zwischen seinem Bruder Konrad und seinem Sohn Bfetislav gefürchtet
habe.319
Eine Versöhnung mit Bfetislav findet also nur pro necessitate statt, so daß Bfetislav
sich mit seinen Gefolgsleuten zurückzieht. Auch hierbei wird wieder die Rachsucht des
Vratislav von Cosmas verdeutlicht, denn nullus ausus est proprios revisere lares, quia
regem, quem offenderant, valde metuebant, ne captos aut in vincula mitteret aut capita-
li sentencia dampnaret?20 Da Vratislav sieht, quod non posset, uti volebat, iram suam
ulcisci in filio nee in eius sequacibus, macht er seinen Bruder Konrad zum Nachfol-
ger.321 In dieser Notsitaation des bellum civile, wie Cosmas ihn nennt, wirken die heili-
gen Wenzel und Adalbert ein Wunder an Gefangenen. Auf Vermittlung Konrads ver-
söhnen sich daraufhin Vratislav und sein Sohn.322 Der erste König Böhmens wird von
Cosmas nicht gerade mit Lob überschüttet. Er kommt der negativen Prophezeiung der
Libuse relativ nahe, weil er als rachsüchtig, hinterlistig und machtbesessen geschildert
wird.
Sein Sohn Bfetislav II. wird nach seiner Erhebung zum Herzog überaus positiv ge-
schildert: Er macht sich um den Glauben verdient, indem er die letzten Reste des Aber-
glaubens aus Böhmen beseitigt, er ist kurz princeps spectabilis, dux in castris accepta-
bilis, miles in armis expugnabilis.323 Auch seine Ermordung wird sofort gerächt, indem
der Mörder durch einen Sturz in sein eigenes Schwert zu Tode kommt. Wie beim Tode
eines Herzogs üblich, gibt Cosmas seiner Zuversicht Ausdruck, daß Bfetislav II. in den
Himmel kommen wird.324 Cosmas scheint die negativen Züge Boleslavs I. und Vratis-
lavs II. durch die kontrastierenden Tugenden der Söhne ausgleichen zu wollen.
317
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 43, S. 149.
318
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 45, S. 152.
319
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 45, S. 153: Timuerat enim rex valde, nefrater suus et filius
conspirarent contra eum.
320
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 46, S. 153.
321
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 46, S. 153.
322
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 47, S. 154.
323
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 1, S. 160f.
324
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 13, S. 173f.
336 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
Die Rachsucht manifestiert sich noch einmal an Svatopluk. Als dieser den Verdacht
hat, daß ein Graf ihn an seinen Rivalen Borivoj II. verraten hat, läßt er ihn umbringen
und richtet in seiner Familie (den Wrschowitzem) ein Blutbad an, das Cosmas scharf
verurteilt obwohl er nicht gerade ein Freund der Wrschowitzer ist -, denn Svatopluk
wird mit einem cruentus lupus verglichen.325 Die Ermordung des Svatopluk auf einem
-
Feldzug gegen die Polen wird von einem Verwandten der Wrschowitzer veranlaßt, Cos-
mas stilisiert sie gemäß seiner überaus negativen Darstellung der Wrschowitzer nicht
als gerechte Strafe für das Blutbad, sondern hebt statt dessen die Trauer und die Verwir-
rung der Gefolgsleute hervor.326
Bei den folgenden vielfältigen Auseinandersetzungen innerhalb der Herzogsfamilie
geht Cosmas überaus pragmatisch vor, indem er sich fast immer auf die Seite des amtie-
renden Herzogs stellt und Angreifer der bestehenden Ordnung mit negativen Attributen
brandmarkt.327
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 22ff., S. 189-193, hier S. 191. Zur Stilisierung des
Gegensatzes der Wrschowitzer und Pfemysliden nach biblischen Mustern vgl. Kopal, Kosmovi
Dáblové.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 27, S. 196f, vor allem S. 196: Sublevat et plorat, flens ad sua
castra reportatlln castris multus per noctemfitque tumultus.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 5, S. 165f: Daß Bretislav II. seinen Verwandten Udalrich, den
Sohn des Konrad, einsperren läßt, wird von Cosmas ohne Verurteilung des Herzogs berichtet; III,
9, S. 169f.: Bei den Auseinandersetzungen mit Udalrich und seinem Bruder scheint sich Cosmas
auf die Seite des Herzogs zu schlagen, denn er berichtet, daß andere Verwandte des Bretislav II.
multum obedientes duci erant et fidèles, worin eine gewisse Kritik an Udalrich und seinem Bruder
mitzuschwingen scheint, auf die Bretislav II. valde iratus war; ähnlich auch III, 12, S. 172f. bei
einer weiteren Auseinandersetzung mit Lutold, dem Bruder Udalrichs, der iniurias gegen Borivoj
verübt hat, per fraudem eine Burg in seine Hand bringt und der von einem Gefolgsmann des
Bfetislav II. als perfidus und rei publiée inimicus bezeichnet wird; III, 17, S. 180: Als Svatopluk
sich gegen Borivoj erhebt, bezeichnet Cosmas Svatopluks Anhänger als versatiles, animo
inconstantes und perfidi; III, 19, S. 185: Als Svatopluk den Herzogsthron mit List an sich bringt,
resümiert Cosmas: Ergo Borivoy mitis ut agnus regno privatur, et Zuatoplik sevior tigride,
ferocior leone intronizatur; III, 20, S. 186: Sobald Svatopluk den Herzogsthron bestiegen hat,
stellt sich Cosmas auf seine Seite. Als Svatopluk von Heinrich V. gefangengenommen wird,
bezeichnet Cosmas den Kaiser als rex auro corruptus et avarus ut infernus; III, 28, S. 198: Als
Borivoj II. wiederum versucht, Vladislav zu vertreiben, stellt sich Cosmas wieder auf die Seite des
amtierenden Herzogs, denn die Anhänger Bofivojs sind jetzt die perfidi; III, 30 und 31, S. 201f,
hier S. 201: Als der amtierende Vladislav mit Anhängern des Borivoj II. aneinandergerät,
bescheinigt ihm Cosmas, daß er per innatam sibi probitatem semper exosus civilia bella gewesen
sei, und schildert ihn gleichzeitig als tapferen Kämpfer; III, 33, S. 203: Herzog Vladislav, der sich
mit Hilfe Heinrichs V. gegen Bofivoj II. durchsetzen konnte (II, 2, S. 202f), überwirft sich aber
auf Anstiftung von infideles et discordie seminatores mit seinem Vetter Otto, wohl weil dieser
Ansprüche auf Mährens Unabhängigkeit geltend macht; III, 46, S. 219: Über die neuerliche
Entmachtung des Borivoj II. berichtet Cosmas nur breviter und will über den genauen Hergang
schweigen (caveas ne vera loquaris); III, 51, S. 224: Als Herzog Vladislav gegen seinen Bruder
Sobëslav vorgeht und dessen Anteil an Mähren an Konrad gibt, bezeichnet Cosmas dies als
hereditas sua und erweckt den Eindruck, daß Vladislav hier gerecht handelt.
Cosmas von Prag 337
Uneinigkeit unter den Pfemysliden wird zum Teil allerdings auch den Herzögen zur
Last gelegt. Borivoj II. wird von Cosmas kritisiert, als er sich durch Geld bestochen im
Konflikt zwischen Zbigniew und Boleslaw III. von Polen für letzteren entscheidet, ob-
wohl er Zbigniew Hilfe versprochen hatte. Dabei scheint das Argument des
Boleslaw III. keine Rolle zu spielen, daß er mit Borivoj verwandt ist. Zudem begeht
Borivoj den Fehler, seinem Vetter Svatopluk, Sohn des Otto, den er zur Hilfe für Zbi-
gniew gewonnen hatte, nichts von dem Geld abzugeben, so daß die Familie der
Pfemysliden uneins wird.328
In einigen Fällen läßt sich eine prinzipielle Befürwortung der Senioratsnachfolge329
erkennen. Die Designation seines jüngeren Bruders Borivoj zum Herzog, die
Bfetislav II. von Heinrich IV. vornehmen läßt, wird noch ohne Stellungnahme berich-
tet.330 Bfetislav II. trifft laut Cosmas bei seinem Tod keine Verfügung über das Herzog-
tum, denn er bestimmt: Date filiólo meo lituum meum et iaculum, cetera non est meum
sibi dare, que Deus posuit in sua potestate.331 Erst als Borivoj II. Udalrich um sein
Recht auf die Nachfolge im Herzogtum prellt und die eigentlich vorgesehene Seniorats-
folge aussetzt, wird dies von Cosmas verurteilt: Die Göttin der Gerechtigkeit habe Böh-
men in diesem Moment verlassen, weil die Senioratsnachfolge verletzt worden sei.332
Die Vielzahl der möglichen Prätendenten wird wortreich vom Graf von Wissegrad be-
klagt: Ve tibi Boemia, que non adeo nimis ampia/ Cum suis communis dominis subiec-
taque multisj Herili de stirpe sati sexuque virilil Iam sunt bis déni, nisifallor ego, do-
minent.333 Bedauernd äußert sich auch Bischof Hermann von Prag auf seinem Sterbebett
über die bürgerkriegsähnlichen Zustände: potentes inique agentes et deltnquentes non
solum honoravt, verum etiam amavi, quos increpare et, si non obedirent, excommunica-
re debui?34
Als ein positives Beispiel hebt Cosmas hervor, daß Herzog Vladislav seinen Vetter
zwar gefangennimmt, aber nicht des Augenlichtes beraubt, weil er keinen dauerhaften
Streit mit seinem Vetter haben will: voló castigare eum, ut castigatus resipiscat et cog-
noscat atque sui posteri discant, quod terra Moravia et eius dominatores semper Boe-
morum principis sint sub potestate, sicut avus noster pie memorie Bracizlaus ordina-
vit?35 Die Versöhnung des Vladislav mit seinem Vetter Otto und später mit seinem Bra-
328
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 16, S. 178f.
329
Zum Phänomen der Senioratsnachfolge vgl. K.-H. Spiess, Seniorat I. Allgemein, Rechts- und
Sozialgeschichte, in: LexMa 7, Sp. 1756, und St. Russocki, Seniorat II. Böhmen und Polen, in:
LexMa 7, Sp. 1756f.
330
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 8, S. 169.
331
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 13, S. 174.
332
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 13, S. 175f: Tune Cillenia delet omnino sua vestigia, que vix
inpressa reliquerat in Boemia, cum exosa terras peteret celestia. Iusticia enim erat Boemorum, ut
semper inter principes eorum maior natu solio potiretur in principatu.
333
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 29, S. 198.
334
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 49, S. 222. Ähnlich III, 58, S. 235: Mérito quidem mereor,
quia fera Herinis hac in terra régnât et vos fratres olim unanimes nunc in prelia armat. Die
Mutter Vladislavs und Sobëslavs bedauert die Auseinandersetzungen zwischen den Brüdern.
335
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 34, S. 205.
338 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
der Sobëslav auf Vermittlung des Herzogs Boleslaw III. von Polen und ihre Belehnung
mit Mähren kann dementsprechend stattfinden.336 Cosmas findet viele Lobesworte für
Vladislav, als dieser seinen Bruder Borivoj aus der Verbannung ruft und wieder zum
Herzog macht. Dies geschieht nutu divino und auf Anraten des Bischofs Hermann. Daß
dies die richtige Vorgehensweise ist, wird von Cosmas deutlich gemacht, da Bofivoj II.
seinem jüngeren Bruder das halbe Herzogtum überläßt und nihil sine suo consilio ges-
sit?31 Die Eintracht in der Pfemyslidenfamilie unter der Herrschaft eines Herzogs ist
also der Idealzustand Böhmens. Als schlechtes Beispiel führt Cosmas in diesem Zusam-
menhang die Blendung und Entmannung Almos' durch seinen Bruder König Koloman
von Ungarn an.338
Die Darstellung der Herzöge bei Cosmas steht deutlich in Bezug zur Schilderung der
Gründung des Pfemyslidenhauses. Gute Herzöge sind diejenigen, die die von Libuse
prophezeite Tyrannei nicht ausüben und gerecht nicht unbedingt milde herrschen.
Die Darstellung der Herzöge ist nicht uneingeschränkt positiv. Insbesondere Rachsucht
- -
und eine damit einhergehende Neigung zur Tyrannei wird von Cosmas bei vielen
Herzögen als negative Eigenschaft herausgearbeitet.
Wie schon in der Origo prophezeit, ist die rechte Ordnung Böhmens nur dann ge-
währleistet, wenn ein Pfemyslide an der Spitze steht und sich ihm die anderen Böhmen
sowie seine Familienmitglieder unterordnen. Auseinandersetzungen in der Herzogsfa-
milie werden von Cosmas deutlich verurteilt. Dabei wird aber am Beispiel des Vratislav
eine Verpflichtung des Familienoberhaupts deutlich gemacht, den Familienfrieden zu
wahren und seine Verwandten ausreichend zu versorgen. Die Senioratsfolge wird von
Cosmas im Prinzip gutgeheißen. Er tendiert aber dazu, den faktisch gerade amtierenden
Herzog zu unterstützen und den Versuch zum Umsturz auch dann zu verurteilen, wenn
er an sich durch die Senioratsnachfolge legitimiert ist. Legitimierend für den
Herzog
wirkt weiterhin eine tatkräftige Herrschaft, nicht unbedingt eine friedliche und milde.
Selbstverständlich ist Frömmigkeit eine Grundvoraussetzung für eine gute Herrschaft,
wird aber nicht besonders herausgearbeitet.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 39, S. 212: Versöhnung mit Otto; III, 41, S. 213ff:
Versöhnung mit Sobëslav. Dabei verliert er, anders als man vielleicht erwarten sollte, kein Wort
darüber, daß der von ihm beklagte Bürgerkrieg damit ein Ende hat. Erst III, 58, S. 233, als sich
Vladislav auf dem Sterbelager durch die Vermittlung seiner Mutter mit dem Bruder versöhnt, ist
von disponente Dei nutu... die Rede und III, 58, S. 234 von der
Zustimmung der Böhmen: Omne
quidem Boemii primi et secundi ordinis eum (d.i. Sobëslav) diligebant et eius parti favebant, sola
autem ductrix (d.i. die Frau Vladislavs) etpauci cum ea adiuvabant Ottonem.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 43, S. 217f.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 43, S. 218.
Zur Bedeutung des Prager Bischofs für die Chronik vgl. auch Hilsch, Herzog, Bischof und Kaiser.
Cosmas von Prag 339
parallelisiert wird. Erster Bischof von Prag wurde 973/6 ein Sachse Thietmar, der des
Slawischen mächtig war, und unter Vermittlung des Kaisers vom Erzbischof von Mainz
geweiht wurde.340 In diesem Zusammenhang ist von Theutonici bezeichnenderweise
nicht die Rede. Das neue Bistum wird durch die Vermittlung der beiden höchsten Auto-
ritäten gegründet und erhält dadurch anders als das Herzogtum der Böhmen eine Legiti-
mierung von außen.
Das Bistum wird in seiner Bedeutung dadurch unterstrichen, daß es als zweiten Bi-
schof direkt einen Märtyrer und Heiligen aufzuweisen hat, den heiligen Adalbert. Die-
ser, der seine Ausbildung in Magdeburg erhalten hat, wird von Boleslav II. gegen sei-
nen Willen zum neuen Bischof von Prag bestimmt.341 Wie sein Vorgänger wird er vom
Kaiser investiert und vom Erzbischof von Mainz geweiht.342 Cosmas betont Adalberts
vornehme Herkunft, indem er von der glücklichen Herrschaft seines Vaters berichtet,
ohne darauf einzugehen, daß die Slavnikiden Rivalen der Pfemysliden um die Vorherr-
schaft waren.343 Auch Adalberts Mutter wird gesondert erwähnt und gelobt.344 Adalbert
wird weiterhin dadurch hervorgehoben, daß er als ein besonderer Vertrauter Ottos III.
geschildert wird.345 Die Geschichte des Adalbert berichtet Cosmas relativ ausführlich
und hält sich damit nicht an seinen eigenen Grundsatz, daß er das nicht ausführlich be-
schreiben wolle, was sich anderswo schon findet. 346 Er berichtet, wie Adalbert seine
Herde verläßt, weil er keinen Sinn darin sieht, den gefallenen Schäfchen zu predigen,
und wie er Strachkvas, den Bruder Boleslavs II., davon überzeugen möchte, an seiner
Statt Bischof zu werden. Explizit möchte Adalbert ihn als Nachfolger haben, weil er als
Bruder des Herzogs größeren Einfluß habe.347Als Adalbert tatsächlich mit Erlaubnis des
Papstes resigniert und zur Mission auszieht, erweist sich Strachkvas als unfähiger Nach-
folger, denn er ist ein durch und durch schlechter Mensch und wird dann noch von
einem bösen Dämon ergriffen.348 Diese negative Stilisierung des Strachkvas, die sich
erst bei Cosmas findet,349 ist für den Fluß der Erzählung keinesfalls vonnöten und wird
auch vorher nicht angedeutet oder prophezeit. Im Gegenteil: Adalbert will eigentlich
Strachkvas als Nachfolger, so daß es verwunderlich ist, weshalb der dritte Bischof Prags
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 23, S. 44ff. Es ist schon lange bekannt, daß Cosmas bei den
Daten der Bischöfe überaus unsicher war, vgl. dazu Kralik, Kosmova chronologie, der
argumentiert, daß Cosmas keine Bischofslisten zur Verfügung hatte. Zum Prager Bistum vgl. auch
den Sammelband Tausend Jahre Bistum Prag.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 25, S. 46f.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 26, S. 47f.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 27, ad a. 981, S. 49.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 27, ad a. 987, S. 51.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 28, ad a. 984, S. 50f.
Vgl. etwa Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 15, S. 35: maluimus pretermiltere, quam faslidium
legentibus ingerere, quia iam ab aliis scripta legimus; und I, 30, S. 55: Nam mihi dicta bis dicere
non placet ista.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 29, S. 52f.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 30, S. 55: ...in omnibus operibus malis iniquorum
archigeronta... arripitur atroci demonio.
Vgl. Loserth, Studien, S. 25f.
340 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
von einem bösen Dämon ergriffen wird. Cosmas könnte eine mündliche Erzählung vor-
gelegen haben, die den plötzlichen Abgang des Strachkvas erklären sollte. Meines Er-
achtens kommt es ihm aber auf eine Parallelisierang zur Geschichte der Herzöge an.
Ähnlich wie bei der Abfolge der Herzöge, wo auf den heiligen Wenzel der tyrannische
Boleslav I. folgte, schlägt das Pendel in der Besetzung des Bischofsstahles nach zwei
Seiten aus. Auf den Heiligen zu Beginn der Bistamsgeschichte folgt ein Bösewicht, und
erst dann normalisiert sich der Pendelausschlag auf Bischöfe, die mal mehr und mal we-
niger tagendreich sind, insgesamt aber das Ausmaß der Heiligkeit Adalberts oder der
Bosheit Strachkvas nicht mehr erreichen. Diese Parallelisierang betont die Bedeutung
des Bistums Prag für die böhmische Geschichte, das zur zweiten Säule der rechten
Herrschaft wird.
Nach dem ruhmreichen Märtyrertod des Adalbert wird der kaiserliche Hofkaplan
Theadag auf Wunsch des Herzogs zum Bischof von Prag erhoben.350 Die Prager Bi-
schöfe werden in den meisten Fällen positiv geschildert.351 Selbst Lanczo, der Geistli-
che, den Herzog Vratislav gegen den Willen seiner Großen als Bischof von Prag einset-
zen möchte, wird von Cosmas als moribus et vita non contradicens honori pontificatus
beschrieben, obwohl er nicht zum Bischof bestimmt ist.352 Jaromir hingegen, der jüngste
Bruder des Vratislav, der nicht Geistlicher werden wollte, wird von seinen Brüdern
Konrad und Otto unterstützt, wohingegen Vratislav ihm nicht traut.353 Cosmas verweist
in diesem Fall auf die Anordnung ihres Vaters Bfetislav.354 Sogar Vratislav ist diese An-
ordnung bewußt, denn Cosmas legt ihm bei der Vorbereitung auf die geistlichen Wei-
hen des Jaromir folgende Worte in den Mund: Olim divina gratta per sui providentiam
elegit te in sacerdotii gradum, propterea et genitor noster tradidit te ad literarum exer-
cicium, ut successor idoneus Severi episcopi habearis, tantum modo Deo favente si su-
perstes fueris?55
Vratislav will die Erhebung des Jaromir mit List umgehen. In diesem Fall aber sieht
Gottes Vorsehung anders aus,356 und letztlich wird Jaromir vom Kaiser mit Ring und
0
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 31, ad a. 997 und 998, S. 56.
1
Thietmar: Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 23 und 24, S. 44ff; Adalbert: I, 25, S. 46f; Theadag:
I, 31, S. 56, und I, 39, S. 72; Ekkehard: I, 40, S. 75f; Hizo: I, 41, ad a. 1030, S. 76. Zu Bischof
Cosmas hat der Chronist nicht viel zu berichten, erzählt aber von seiner Wahl II, 42, S. 148, und
III, 2, S. 162f, und III, 6, S. 166f, anläßlich seines Todes auch von Tugenden; III, 7, S. 168: die
Tugenden des für den Bischofssitz vorgesehenen Hermann; III, 8, S. 168f.: seine Investitur durch
den Kaiser; III, 10, S. 170f: seine Weihe durch den apostolischen Legaten; III, 49, S. 220-223:
sein Tod.
2
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 22, S. 114.
3
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 22, S. 113ff.
4
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 22, S. 114: memorpatrene institucionis...
5
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 18, S. 110. Auf diese väterliche Bestimmung wird auch später
von den Großen noch einmal hingewiesen: II, 23, S. 116: Seimus enim et ad hoc nitimur, ut
possumus, quod genitor vester Bracizlaus nos et patres nostros sub fidei sacramento constrinxit,
quo post obitum Severi episcopi frater vester Iaromir presul sit, sowie auch noch einmal von
Vratislav selbst II, 24, S. 117: verum nunc magis paterne traditionis memor...
6
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 22, S. 114f., S. 115: Sedfrustratur sinistra intencio ducis, quia
Cosmas von Prag 341
Stab investiert und ändert seinen Namen in Gebhard.357 Obwohl Cosmas ganz offen-
sichtlich göttliche Bestimmung bei der Erhebung des Jaromir am Werk sieht, wird er als
Bischof von Cosmas ambivalent geschildert. Seine Flucht aus dem geistlichen Stand
wird von Cosmas, obwohl sein Eintritt erzwungen war, verurteilt.358 Daß Jaromir mit
seinem Namen seine weltlichen Neigungen nicht abgelegt hat, wird von Cosmas anhand
einer Anekdote über eine scherzhafte Taufe verdeutlicht.359 Auch verurteilt Cosmas die
Arroganz des Jaromir-Gebhard, die zum Streit mit seinem Bruder König Vratislav bei-
trug.360 Die Abtrennung eines Bistums Mähren von Prag sieht Cosmas offensichtlich als
Schmälerang des Ansehens seiner Kirche.361 Dennoch ist er mit den Methoden, die Bi-
schof Jaromir-Gebhard verwendet, um dem Bistum Prag wieder zu seinem Recht zu
verhelfen, nicht einverstanden.362 Dieser Streit und seine Schlichtung durch den Papst
wird von Cosmas sehr ausführlich behandelt.363 Anläßlich des Todes des Bischofs
schildert er auch dessen positive Seiten und klagt über den Tod der gemma sacerdotum,
cunctorum lux Boemorum?64 Die innere Bescheidenheit des Bischofs, die der vorhe-
rigen Charakterisierung des Bischofs als zumindest sehr selbstbewußt und der Weltlich-
keit nicht abgeneigt völlig widerspricht, belegt Cosmas an Beispielen, für die er laut sei-
nen Worten selbst Augenzeuge war: pauca tarnen fari übet hec, que vidimus ipsi.365
Die Bedeutung des Prager Bistums und insbesondere die des heiligen Adalbert wird
an einer Episode von Cosmas besonders herausgearbeitet. Der heilige Adalbert hat nicht
nur die Funktion einer positiven Gestalt zu Beginn, sondern bringt die Böhmen weiter
auf dem Weg der Zivilisation. Zu seinen Lebzeiten hatte er laut Cosmas vergeblich ver-
sucht, die Böhmen von Lastern zu befreien, und sich bitter über ihren Ungehorsam ins-
besondere in bezug auf kirchliche Ehegepflogenheiten beklagt.366 Als die Böhmen in
Gnesen einfallen und den Leib des heiligen Adalbert mitnehmen wollen, warnt sie der
Prager Bischof Severas, daß sie unwürdig sind und für ihre Unverfrorenheit bezahlen
werden. Tatsächlich wird ein Strafwunder an ihnen vollzogen, als sie versuchen, an den
Leib des Adalbert heranzukommen. In einer aufwendigen Inszenierung von ausführ-
lichen Aufforderungen und Fragen des Herzogs Bfetislav, die von Bischof Severas er-
omnis potestas a Deo est et esse presul non potest, cui a Deo predestinatum aut permissum non
est.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 25, S. 118.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 18, S. 110f: Cosmas bezeichnet ihn als apostata Julianus.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 25, S. 118. Später berichtet Cosmas, daß ein Freund des
Jaromir-Gebhard sich einen Sinneswandel bei ihm wünscht, II, 33, S. 130: sed plus laudarem, si
animum mutatum eum barba reportares.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 41, S. 145: arrogantia et túmido fastu superbie.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 21, S. 112f.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 27, ad a. 1073, S. 12ff., S. 121: non aliter videres, ac si mitis
agnus (d.i. Johannes von Olmütz) rabidum lupem (d.i. Gebhard von Prag) duceret in stabulum
sponte semetipsum offerens ad mactandum.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 28-31, S. 122-127.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 41, S. 146.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 41, S. 147, dann II, 42, S. 147f.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 29, S. 52f: Die Böhmen sind eine gens inobediens.
342 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
gänzt werden, und knappen bejahenden Antworten des Gefolges legen die Böhmen das
Versprechen ab, sich zukünftig an die Regeln zu halten, die sie zu Lebzeiten Adalberts
nicht beachteten. Die feierliche Selbstverpflichtang wirkt, und die Böhmen können
nicht nur Adalbert, sondern auch seinen Bruder Radim-Gaudentius und die fünf Märty-
rer-Brüder mitnehmen und in Prag bestatten.367 In Cosmas' Augen wird die Christiani-
sierung der Böhmen erst mit dieser Überführung der Gebeine des Adalbert nach Prag
und der Selbstverpflichtang der Böhmen auf christliche Gesetze vollendet. Sie ist we-
sentlich wichtiger als die erste Bekehrung, die von Cosmas so stiefmütterlich behandelt
wurde.
Als der Papst davon erfahrt und die Böhmen wegen des Reliquiendiebstahls hart ver-
urteilen will, können die Böhmen sich aus der Affäre ziehen, indem sie eine Gesandt-
schaft schicken, die ihre Unwissenheit über das entsprechende Kirchengesetz behauptet,
öffentlich ihre Reue kundtat und zu guter Letzt die Kardinäle besticht, so daß die Böh-
men nur mit der Errichtung eines Klosters für den Reliquienraub büßen müssen.368
Die routinemäßige Zusammenarbeit von Bischof und Herzog und die beratende
Stimme des Bischofs werden von Cosmas selten explizit betont, sondern eher am Rande
erwähnt.369 Die Auseinandersetzungen zwischen Vratislav und Jaromir werden deshalb
von Cosmas so ausführlich geschildert, weil sie als negatives Beispiel für die Gefähr-
dung der Zusammenarbeit zwischen Herzog und Bischof gelten können. Die Bedeutung
des Prager Bischofs für Böhmen wird an der Rolle des heiligen Adalbert verdeutlicht.
Die von ihm gewünschte Verchristlichung des Lebens wird nach seinem Tod durch die
Selbstverpflichtang der Böhmen auf seine Gebeine erreicht. Für die innere Ordnung hat
er daher ein besonderes Gewicht. Die Stilisierung der Bischofsabfolge in ähnlichem
Maße wie die Herzogsabfolge hat den Sinn, die Bedeutung des Bistums zu unterstrei-
chen. Der Prager Bischof als wichtigster geistlicher Herr Böhmens, dessen Stimme
beim Herzog Gewicht haben soll, wird von Cosmas eher en passant dargestellt. Hier ist
das Beispiel der Auseinandersetzung von Vratislav und Jaromir als Kontrast wirksamer.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 3-5, S. 84-91. Kapitel 4 ist ein sehr schönes Beispiel für das
bei Cosmas ausführlich genutzte Stilmittel der direkten Rede.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 6-7, S. 9Iff.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 23, S. 44f: Thietmar, der erste Bischof von Prag, wird auf den
Wunsch des Herzogs hin eingesetzt; I, 25, S. 46: Adalbert wird vom Herzog zum Bischof
bestimmt; I, 31, S. 55f: Herzog Boleslav II. kümmert sich um eine Nachfolge für Adalbert; I, 41,
S. 76f: Bischof Severus' Karriere nimmt ihren Anfang am Hof des Herzogs; II, 28, S. 11 Of.:
Bischof Johannes von Mähren wendet sich wegen seines Streites mit Jaromir-Gebhard an Herzog
Vratislav; II, 29, S. Ulf: Vratislav veranlaßt eine Reise nach Rom zur Klärung des Streites
zwischen Johannes und Jaromir-Gebhard; II, 47, S. 154: Bischof Cosmas von Prag wird der Partei
Herzog Vratislavs zugerechnet; III, 4, S. 164: ohne Unterstützung des Herzogs kann Bischof
Cosmas nichts zum Schutz der Juden unternehmen; III, 28, S. 197: auf Anraten Hermanns von
Prag wird Vladislav zum Herzog gewählt; III, 43, S. 217f.: Bischof Hermann kann seinen Einfluß
bei Vladislav geltend machen, so daß dieser seinen Bruder Bofivoj aus der Verbannung ruft und
wieder zum Herzog macht.
Cosmas von Prag 343
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 29, S. 53. Dort sind sie patrum iniquorum pessimi filii.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 34, S. 61: die Mißhandlung des Jaromir, dort familiares inimici;
S. 62: Ah mala mens, malus animusl; I, 36, S. 65: die Blendung des Jaromir, dort wieder
familiares inimici, und I, 42, S. 79, ebenfalls.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 42, S. 79.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 4, S. 165.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 13, S. 175.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 14, S. 176.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 22-24, S. 186-193.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 42, S. 79. Auffällig ist hier die Verwendung des Wortes
regnum.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 33, S. 58: Beim Tod Boleslavs II. ist eine multa procerum
turma anwesend; I, 34, S. 61: vor Boleslavs III. Reise nach Polen überläßt er das Reich den
nobiliores; I, 42, S. 78: Jaromir läßt Bfetislav von den armis potentiores, fide meliores, milicia
fortiores und divitiis eminentiores bestätigen; II, 13, S. 101: Bfetislav läßt die terre primates an
seiner Bestimmung zur Senioratsfolge teilhaben; II, 14, S. 103: omnes Boemice gentis magni et
parvi erheben Spytihnëv; II, 18, S. 110: Vratislav wird omnibus Boemiis faventibus erhoben; III,
13, S. 175: omnibus faventibus wird Bofivoj II. zum Herzog erhoben; III, 60, S. 238: Auch
344 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
Negative Beispiele für den Umgang mit den Großen führt Cosmas aus der Herr-
schaftszeit Vratislavs an. Hierbei wird deutlich gemacht, daß das Verhältnis zu den
Großen sowohl mit dem Frieden in der herzoglichen Familie als auch mit der inneren
Ordnung zusammenhängt. Der Streit zwischen Vratislav und seinem Sohn Bfetislav
etwa geht darauf zurück, daß der Schatzmeister des Königs den Sohn in Anwesenheit
des Königs beleidigt und dieser nicht nur nicht eingreift, sondern offenbar an dem
Scherz Anteil hat, da der Schatzmeister ihm zuzwinkert.379 Der Schatzmeister verdankt
seine exponierte Stellung aber allein dem König. Denn die Großen des Landes reagieren
erfreut, als er von Bfetislav getötet wird: Solus rex meret et plorat et omnes iuvenem
laudant, quamvls aperte laudare non audeant?*0 Der Familienzwist zieht weite Kreise,
und die Günstlingswirtschaft des Vratislav führt zur Störung der guten Herrschaft.
Bei einer anderen Gelegenheit gesteht Herzog Vratislav dem Anschein nach den
maiores natu eine Mitbestimmung bei der Wahl des Bischofs von Prag zu.381 Als er vor
- -
populus und proceres versucht, Lanczo anstatt des erwünschten Jaromir mit Ring und
Stab zu investieren, scheitert er am Widerstand des Adels und seiner Brüder und muß
nachgeben.382 Die Bedeutung der Großen für die rechte Herzogsherrschaft wird damit
unterstrichen. Deren Wortführer bei dieser Gelegenheit müssen später vor dem Zorn des
Vratislav fliehen.383 Weitere Beispiele für Vratislavs II. Fehlverhalten passen in den
Kontext einer insgesamt negativ gehaltenen Darstellung des Vratislav II., der hin und
wieder tyrannische Züge trägt und dies im Umgang mit seinen maiores zeigt.384 Als be-
ster Beleg mag dafür die Aussage der Gefolgsleute seines Sohnes Bfetislav gelten:
...callidam eius (d.i. Vratislavs) sat novimus astuclam. Plus enim eius amicicias time-
mus quam inimicicias. Nam veluti ursus nee minimum ictum patitur inultum, Ita Ule
numquam cessabit a vindicta, donee omnia, quibus eum offendimus, usque ad unum
iota non dimtttit inulta?*5
Daß die Unterstützung der Großen eine wichtige Voraussetzung für die Herrschaft
ist, wird von Cosmas am Beispiel des Udalrich belegt. Udalrich wäre der Senioratsfolge
nach, die Cosmas als überaus wichtig einstuft, eigentlich legitimer Herzog von Böhmen.
Dennoch sieht Cosmas Udalrich nicht als den rechtmäßigen Herrscher, da er keine Un-
terstützung der Böhmen hat: Qui (d.i. Udalrich) quamvis iustam causam habeat, tarnen
frustra caudam captas cum cornua amidas?*6 Udalrich gewinnt Kaiser Heinrich IV. für
seine Sache, indem er behauptet, suos esse fautores omnes Boemie natu maiores?*1 Als
die deutschen Hilfstruppen wahrnehmen, daß das keineswegs der Fall ist, lassen sie
Udalrich im Stich.388 An dieser Stelle wird deutlich, daß das Recht alleine noch keinen
Herrscher macht, sondern daß die Beteiligung der Großen unabdingbar ist.
Dies wird von Cosmas weiter ausgeführt. Nach der Ermordung Herzog Svatopluks
wird noch auf dem Feldzug sein jüngerer Bruder Otto von Heinrich V. als Nachfolger
anerkannt, was Cosmas kritisiert: Quod quia sine consensu Boemorum et episcopi effi-
cere conabantur, frustratur eorum temeritas?*9 Denn an sich war Vladislav, der jüngere
Bruder des Bofivoj II., als Nachfolger vorgesehen.390 Die Mitwirkung der Großen Böh-
mens bei der Herzogserhebung wird in Cosmas Augen um so wichtiger, je mehr Kandi-
daten zur Verfügung stehen. Schließlich halten sich die Böhmen auf Anraten Bischof
Hermanns von Prag und des Grafen von Wissegrad an ihre Eide und erheben Vladis-
lav.391
Die Versöhnung Vladislavs mit seinem Bruder Sobëslav entspricht sowohl Gottes
Willen als auch dem der Böhmen.392 Die Erhebung des Sobëslav erfolgt omnibus Boe-
mus faventibus,393 so daß die gestiegene Bedeutung der böhmischen Großen erneut klar
zutage tritt. Deren Rolle wird von Cosmas vielleicht schon durch die Libuse-Erzählung
vorweggenommen, da der erste Herzog durch eine Art „Volksentscheid" erhoben wird,
der sich in der Zustimmung der Böhmen zu den diversen Herzogserhebungen wieder-
holt und so am Anfang einer Traditionslinie steht.
Neben dem Bischof von Prag als bedeutendstem Adligen in Böhmen wird die Rolle
der anderen Großen von Cosmas herausgearbeitet.394 In bewährter Manier bedient sich
Cosmas gerade im Fall der Wrschowitzer, die als einzige Adelsfamilie neben den Slav-
nikiden in seiner Chronik eine klare Kontur gewinnen, und der Arroganz des Vratislav
des Mittels der Kontrastierang. Die negativen Beispiele zeigen, wie die Beratung und
Hilfe durch die maiores aussehen könnte, wenn die Herzöge es richtig angehen würden.
Es erweist sich, daß die Legitimierung durch die Böhmen bedeutsamer ist als die Senio-
ratsnachfolge, die Cosmas ansonsten voll und ganz unterstützt. Ein durch die Seniorats-
folge legitimierter Umstürzler wie Udalrich ist wegen der mangelnden Unterstützung
der Großen gerade nicht gerechtfertigt.
386
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 15, S.177.
387
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 15, S.177.
388
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 15, S.177f.
389
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 27, S.197.
390
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 27, S.197: cune
ti Boemi sacramenti confirmaverant, utpost eius obitum Wladizlaus... proveheretur adsolium.
391
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 28, S. 197: ut et sacramenta fièrent inviolata et Wladizlaus
iura prineipatus iure adoptata omnibus assentienlibus obtinerel.
392
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 58, S. 233: disponente Dei nutu..., und S. 234: Omne quidem
Boemii primi et seeundi ordinis eum (d.i. Sobëslav) diligebant et eius parti favebant, sola autem
duetrix (d.i. die Frau Vladislavs) etpauci eum ea adiuvabant Ottonem.
393
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 60, S. 238.
394
Zur Rolle der Großen auch schon Trestík, Kosmova kronika, S. 155-166 und 236 (dt.).
346 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
7. Abgrenzung von anderen gentes
Eine gute Weile spielt sich die böhmische Geschichte ab, ohne daß andere gentes in Er-
scheinung treten. Dazu korrespondiert die von Cosmas betonte eigenständige Lage der
terra, aus der nur Wasser hinaus- aber nicht hereinfließt.395
Die Böhmen werden erst bei ihrer ersten Auseinandersetzung mit einer anderen gens,
den Luczani, als Boemi bezeichnet. Diese Auseinandersetzung mit den Luczani findet
zu einer Zeit statt, als die Böhmen noch nicht zum Christentum übergetreten sind.396
Trotzdem siegen sie aufgrund der Überlegenheit ihrer eigenen Götter. Eine Frau aus
dem Volk der Luczani sagt die Niederlage voraus, als sie ihrem Stiefsohn rät, sich zu
retten.397 Die Böhmen schlachten einen Esel, und ihr Mut und ihr Kampfgeist wird da-
durch erhöht.398 Die Rede ihres Anführers führt ihnen vor Augen, daß sie für die Frei-
heit kämpfen, nos pro patria dimicamus et popuii atque nostra libértate et salute ulti-
ma?99 und malt ihnen in den schrecklichsten Farben aus, was sie vom Feind zu erwarten
haben, quia victis una est virtus victoribus nil denegare?00 Die Luczani werden in dieser
Auseinandersetzung sehr negativ geschildert. Sie drohen, die Kinder der Böhmen zu tö-
ten und den böhmischen Frauen Hunde zum Säugen zu geben.401 Sie sind eine gens su-
perbissima, quibus et hodie a malo innatum est superbire?02 Die Gegnerschaft gegen
die Böhmen bleibt erhalten.
Die Tatsache, daß die Böhmen erst in Konfrontation mit einer anderen gens als ei-
genständige gens bezeichnet werden, ist von großer Bedeutung für die Identitätsstiftung
bei Cosmas, bei der die gens nicht im Mittelpunkt steht.
Ein ebenfalls sehr negatives Bild vermittelt Cosmas von den Liutizen. Dragomira, die
Gemahlin des Vratislav aus der durissima gens der Liutizen, ist in Bezug auf die An-
nahme des christlichen Glaubens saxis durlor und diskreditiert sich weiterhin dadurch,
daß sie zwar den heiligen Wenzel gebiert, aber auch Boleslav, den Bruder, der sein
Mörder wird.403
Ambivalent ist Cosmas' Verhältnis zu Mähren und den Mährern, deren graduelle An-
bindung an Böhmen er beschreibt.404 Zunächst taucht Mähren im Kontext einer Erzäh-
lung über Svatopluk von Mähren auf, der bei Cosmas negativ beschrieben wird, weil er
sich gegen seinen dominus und computer Kaiser Amolf aufgelehnt habe. Anschließend
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 2, S. 5f. Über die Geschlossenheit der böhmischen terra, die
nicht nur eine politische Einheit ist, vgl. auch Orzecholowski, Terra.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 10-13, S. 22-32. Zur Luczanen-Sage vgl. auch Graus,
Nationenbildung, S. 201ff.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 11, S. 25.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 11, S. 25f.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 12, S. 27. Angelehnt an Sallust, Catilinae coniuratio, ed.
Kvrfess, 58,11, S. 49.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I,
12, S. 27.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I,
10, S. 24, und I, 12, S. 27.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I,
12, S. 27.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I,
15, S. 34f.
Zu Cosmas' Einstellung zu Mähren vgl. auch Skutil, Kosmova Kronika a Morava.
Cosmas von Prag 347
habe ihn die Reue gepackt, und er sei verschwunden und habe bei Einsiedlern Buße ge-
tan.405 Bei dieser Gelegenheit spricht Cosmas davon, daß Arnolf Svatopluk unter ande-
rem mit Böhmen belehnt habe, ohne daß er auf den darin liegenden Widerspruch zur
von ihm behaupteten kontinuierlichen Herrschaft der Pfemysliden zu sprechen
kommt.406 Bei Cosmas ist die spätere Legende einer translatio regni von Mähren nach
Böhmen noch nicht zu finden.407
Später erwähnt Cosmas, daß Mähren von den Polen erobert, von Udalrich I. zurück-
erobert und seinem Sohn Bfetislav I. übergeben worden sei.408 Nach dessen Tod spielte
Mähren dann eine Rolle als Apanage für jüngere Herzogssöhne und -vettern.409
Die Rolle des Erzfeindes übernehmen bei Cosmas die Polen spiegelbildlich zur Rolle
der Böhmen in der Chronik des Gallus Anonymus und dies wohl mit Absicht.410 Als er-
stes tauchen die Polen unvermittelt auf, als sie einen Teil des mährischen Reiches des
Svatopluk verwüsten.411 An manchen Stellen wird deutlich, daß Cosmas positive Dinge
über die Polen verschweigt. So berichtet er zwar, daß die Schwester Boleslavs II. mit
einem Polenherzog verheiratet war, berichtet aber nicht von der aus Thietmar bekannten
Bekehrung des Polenherzogs und spricht sogar davon, daß diese Frau nimis inproba ge-
wesen sei.412 Ein großer Gegner der Böhmen ist laut Cosmas der Polenherzog Boleslaw
Chrobry, den er allerdings fast durchweg Mieszko nennt.413 Ihm werden negative Eigen-
schaften zugeschrieben, so etwa Hinterlist, 414 Grausamkeit415 und Treulosigkeit,416 er
schreckt auch vor dem Mittel der Bestechung nicht zurück, eine Untugend, die von Cos-
mas in anderen Zusammenhängen ebenfalls gering geschätzt wird.417 Schließlich ist der
Polenherzog indirekt schuld am Tod der fünf Märtyrerbräder, weil er ihnen Geld
405
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 14, S. 32ff
406
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 14, S. 32f: qui sibi non solum Boemiam, verum etiam alias
regiones... subiugerat.
407
Vgl. dazu Graus, Legenden, S. 194ff, und Ders., Nationenbildung, S. 48; Dalimil, ed. Jirecek,
cap. 23, S. 48f. Zu dieser translatio-Theorie vgl. auch BlahovA, Translatio regni. Vorläufer
allerdings schon in Christian, ed. Truhlar, cap. 2, S. 202f, um den Anspruch Böhmens auf
Mähren zu festigen, s. dazu Kolln, Wenzelslegende, S. 28f.
408
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 40, S. 75.
409
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 15 und 16, S. 105-108; II, 18, S. 110; II, 43, S. 148ff
410
Vgl. dazu Graus, Bildung eines Nationalbewußtseins, S. 20f, und Wegener, Tschechisches
411
Nationalgefühl, S. 218.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 14, S. 34: ...partim Poloniensibus solo tenus hostiliter
412
depopulantibus...
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 27, S. 49. Vgl. Thietmar, Chronik, ed. Holtzmann, IV, 55 (35),
S. 194.
413
Über die Gründe dafür vgl. Králik, Dva Boleslavové. Nur in seinem Todesjahr (Cosmas, Chronik,
ed. Bretholz, I, 41, ad a. 1025, S. 76) gibt er ihm den Namen Boleslaw.
414
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 34, S. 60: quo non fuit alter dolosior homo...
415
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 34, S. 60: omnibus quos ibi invenit Boemis extinctis gladio...
416
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 34, S. 61: et intrat urbem Kracov sinistro omine perfidi ducis
Mesconis ad convivium.
417
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 35, S. 63.
348 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
schenkt, um dessentwillen sie von Räubern umgebracht werden.418 Zudem berichtet
Cosmas von einer Christenverfolgung in Polen.419
Interessanterweise wird den Polen keine Feigheit vorgeworfen. Als sie von der Be-
setzung Prags vertrieben werden, geschieht dies auf göttlichen Ratschluß hin.420
Als Herzog Bfetislav I. gegen die Polen vorgeht, werden sie von Cosmas schlichtweg
die inimici genannt, an denen man das Unrecht rächen müsse, das Herzog Boleslaw
Chrobry den Böhmen angetan habe.421 Die von Bfetislav eroberten Gebiete werden den
Polen gegen einen jährlichen Tribut zurückerstattet.422 Die Siege des Bfetislav gegen die
Polen erfolgen adiuvante Deo?23 Auch Bfetislavs II. Siege über Polen werden von Cos-
mas gefeiert.424 Die Polen freuen sich, als es in Böhmen zwischen Borivoj II. und Svato-
pluk zum Bürgerkrieg kommt, und bei dieser Gelegenheit beschimpft Cosmas sie als
trapi incircumcisis labiis?25
Deutlich wird die Geringschätzung für die Polen bei einer Schlachtrede des Herzog
Vladislav: Er bezeichnet sie als tributarti und minus dignt?26 Als die Böhmen gegen die
Polen verlieren, bezeichnet Cosmas ihre Flucht als insueta?21
Friedliche Kontakte zwischen Böhmen und Polen sind selten.428 Daß Cosmas die
wunderbare Geburt des Boleslaw III. von Polen in seine Erzählung aufnimmt, ist da-
durch motiviert, daß seine Mutter eine Pfemyslidin war.429
Als Wladyslaw von Polen das Herzogtum zwischen Zbigniew und Boleslaw III. teilt,
kritisiert Cosmas diese Entscheidung, da omne regnum in se Ipsum divisum desolabi-
tur,430 eine Aussage, die sich auf Böhmen übertragen läßt. Insgesamt werden die Polen
zu Hauptfeinden der Böhmen stilisiert, an denen sich kaum eine gute Eigenschaft finden
läßt.
418
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 38, S. 68-72.
419
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 40, ad a. 1022, S. 75.
420
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 36, S. 64: Ad quam vocem irruit super eos formido et pavor,
421
quod erat mira Dei permissio et sancti Wencezlavi intercessio.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 2, S. 83: ...ne differret oblatam occasionem calumpniandi suis
inimicis, immo ulciscendi de Maus iniuriis, quas olim dux Mesco (wie üblich falsch für Boleslaw
422
Chrobry) intulerat Boemiis...
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 13, ad a. 1054, S. 101.
423
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, Ti, 13, ad a. 1055, S. 101.
424
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 1, S. 161f. Es gelingt Bfetislav II., die Polen wieder
tributpflichtig zu machen, etwa S. 161 : His quocienscumque Polonium invasit, semper cum magno
425
triumpho remeavit.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 20, S. 185. Dazu paßt auch, daß der Herzog von Polen zwei
von Bfetislav II. vertriebenen Adlige bénigne aufnimmt (III, 4, S. 165).
426
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 46, S. 207 und 208.
427
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 36, S. 209.
428
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 20, S. 112: Herzog Vratislav II. heiratet Svatava, die Tochter
Herzog Kasimirs von Polen; III, 9, S. 170: Bretislav II. macht seinen Verwandten Boleslaw III. zu
seinem Schwertträger.
429
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 36, S. 133f.
430
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 16, S. 179.
Cosmas von Prag 349
Das Verhältnis zu den Ungarn ist teils friedlich, teils kriegerisch. Die Ungarn begeg-
nen das erste Mal, als sie sich aus Svatopluks ehemaligem Reich eines Teiles bemächti-
gen.431 Bfetislav I. kann die Ungarn vernichtend schlagen.432 Die ehemalige Herzogin
Judith heiratet ad contumeliam... omnium Boemorum König Peter von Ungarn.433 Dage-
gen wird die Heirat des Vratislav, vertriebener Bruder des Spytihnëv und späterer Her-
zog, mit Adelheid, der Tochter des Königs Andreas von Ungarn, von Cosmas positiv
vermerkt.434 Auch Bischof Jaromir-Gebhard von Prag sucht in Ungarn Unterstützung.435
Bfetislav II. erneuert mit Koloman antiqua amicicie et pacis federa?36 Svatopluk zieht
auf Bitten Heinrichs V. gegen die sevicia Ungarorum in den Krieg,437 wird seinerseits
von König Koloman überfallen438 und zieht siegreich gegen die Ungarn.439 Unter Herzog
Vladislav erringen die Böhmen einen Sieg gegen die Ungarn, obwohl diese eine gens
viribus ingens, opibus pollens, armis bellicis prepotens sind. Der Bericht über diesen
Sieg erinnert an den Sieg der Böhmen über die Luczani und über Kaiser Heinrich II.,
weil die Ungarn vor Beginn der Schlacht durch ihre innata superbia verblendet sind
und nicht danach streben, die alte amicitia zu erneuern.440
431
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 14, S. 34: ...partim Ungaris Mud diripientibus...
432
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 41, ad a. 1030, S. 76.
433
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 17, ad a. 1058, S. 108.
434
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 16, S. 106f.
435
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 41, S. 146.
436
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 9, S. 169.
437
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 22, S. 188.
438
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 25, S. 193f.
439
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 26, S. 194f.
440
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 42, S. 215ff.
441
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 14, S. 34; I, 27, S. 49f; I,
34, S. 61: Teutónica lingua; I, 40, S. 73ff, durchweg Teutonici; II, 9, S. 95; II, 10, S. 97; II, 14,
S. 103: gens Teutónica; II, 18, S. 110: Teutónica lingua; II, 23, S. 116: Teutonici; II, 26, S. 119:
de gente Teutónica; II, 28, S. 123: vir Teutonicus; II, 35, S. 131, 132 und 133: Teutonici; III, 3,
S. 153: Teutonicis partibus; III, 4, S. 164: Teutonicis partibus; III, 15, S. 177 und 178; III, 18,
S. 182: Teutonici; III, 22, S. 188: Teutonici; III, 25, S. 194: Teutonici; III, 48, S. 220: Teutonici.
Zum Sprachgebrauch des Cosmas auch Graus, Bildung eines Nationalbewußtseins, S. 17f.
442
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 14, S. 34: ...partim Teutonicis orientalibus...
443
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 18, S. 36f.
350 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
von Regensburg, Freund des heiligen Wenzel,444 des weiteren der namenlose Erzbischof
von Mainz, der sich um das Seelenheil der Böhmen sorgt,445 Bischof Notker von Lüt-
tich,446 Abt Ekkehard von Nienburg, der Bischof von Prag wird,447 Propst Marcus von
Prag,448 Kapellan Hagno,449 wahrscheinlich auch Hemma, die Frau Boleslavs II.450 Die
Kaiser werden im allgemeinen positiv beschrieben.451 Sie alle werden ohnehin kaum mit
einem Herkunftshinweis versehen.452 Im übrigen unterscheidet Cosmas auch nicht im-
mer sorgfältig zwischen König- und Kaisertitel.453 Die Kaiser spielen zumal bei Bi-
schofserhebungen eher die Rolle einer übergeordneten Instanz als die eines Vertreters
ihrer gens, aber gerade in Zusammenhang mit Kriegszügen taucht der Kaiser als Anfüh-
rer der Deutschen auf.
Eine Herkunftsbezeichnung gibt Cosmas vor allen Dingen bei den Prager Bischöfen:
Zu nennen wäre Thietmar, der erste Bischof von Prag, dessen Herkunft mit de Saxonia
angegeben wird.454 Theadag, der in Prag Bischof wird, erhält den Herkunftshinweis ge-
nere de Saxonia?55 Beide zeichnen sich dadurch aus, daß sie die slawische Sprache be-
herrschen.456 Lanczo, ein Anwärter auf den Bischofsthron, ist de Saxonia?51 Im übrigen
scheint Cosmas die Sachsen gegenüber den Deutschen gesondert wahrzunehmen.458 Im
444
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 18, S. 37.
445
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 30, S. 54.
446
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 30, S. 54, der dort genannte Notharius wird üblicherweise mit
Notker identifiziert.
447
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 39, S. 72, auch noch einmal I, 40, ad a. 1023, S. 75.
448
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 26, S. 118ff, mit Hinweis auf seine Herkunft.
449
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 28, S. 123, ein vir Teutonicus.
450
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 32, S. 57, und I, 39, S. 72. Zu den Spekulationen über ihre
Herkunft, die Cosmas verschweigt, vgl. Hlawitschka, Herzogin Hemma, der eine Herkunft aus
einem süddeutschen Adelsgeschlecht für wahrscheinlich hält, zu den verschiedenen Theorien vgl.
aber auch PolanskV, Spory o püvod.
451
So etwa Otto II. in Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 26, S. 47, und I, 27, S. 50f; I, 31, ad a. 997,
S. 56, über Otto III., der den Hofkaplan Theadag nach Prag sendet; I, 37, S. 65-68: Kaiser
Heinrich II.
452
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 19, S. 97: Romanus imperator; II, 37, S. 134: Romanorum
imperator; sonst immer nur imperator oder caesar.
453
Eines der wenigen konsequenten Beispiele: Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 20, S. 185f, wo
Heinrich IV. konsequent als rex bezeichnet wird, aber etwa auch II, 8-12, S. 93-100, wo Heinrich
III. imperator genannt wird, obwohl die geschilderten Ereignisse vor seiner Kaiserkrönung lagen.
454
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 23, S. 44.
455
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 31, ad a. 997, S. 56. Anläßlich seines Todes I, 39, S. 72, wird er
von Cosmas gelobt.
456
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 23, S. 44: Et quoniam Sclavonicam perfecte linguam sciebat...;
I, 31, S. 56: lingua perfecte imbutus Sclavonica.
457
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 22, S. 114.
458
So etwa Markgraf Ekkehard von Meißen, Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 9, S. 95, und II, 11,
S. 97ff. Auch die Auseinandersetzung von Bfetislav II. mit Sachsen, Cosmas II, 39, S. 141ff; II,
18, S. 183: Heinrich IV. zieht nach Saxonia; III, 20, S. 185: Heinrich V. ist in Saxonia; III, 52 und
53, S. 225ff: Heinrich V. kämpft gegen die Sachsen; III, 53, S. 225ff: Durch eine List der
Cosmas von Prag 351
Gegensatz dazu spricht Cosmas nur einmal von Schwaben und einmal von Franken.459
Anläßlich des Feldzuges von Heinrich V. gegen Boleslaw III. von Polen spricht Cosmas
von Bawarii, Alamanni, Franci orientales, den Rheinländern, qui sunt circa Renum in-
fra Agrippinam Coloniam, usque ad occidentales sui impertí términos und den Sach-
sen.460 Im allgemeinen nimmt Cosmas die Deutschen aber als eine geschlossene gens
wahr.
Verurteilt werden die Kaiser nur, wenn sie gegen die böhmischen Herzöge handeln.
So wirft Cosmas etwa Otto III. vor, daß er sich vom polnischen Herzog Boleslaw
Chrobry habe bestechen lassen, den Herzogssohn Udalrich einzusperren, und äußert
sich an dieser Stelle über das Recht des Römischen Reiches: ubi est potentissimum ius
Romani impertí!461 Dies Ereignis wird von Cosmas in eine Traditionslinie zu der Gefan-
gennahme Borivoj s II. durch Heinrich V. gestellt.462 Bei dieser Gelegenheit habe Hein-
rich V. Bofivoj II. sine omni audientia verhaftet.463
Kaiser Heinrich III. wird von Cosmas unterstellt, daß er aus Geldgier versucht habe,
einen Teil der Beute aus Polen in die Finger zu bekommen.464 Er fordert höheren Tribut,
und bei dem folgenden Gesandtenaustausch erwähnt Cosmas die Bindung Böhmens an
das Reich, die vorher und vor allen Dingen in der böhmischen Origo nie explizit ge-
macht wurde. Die Böhmen hier Sclavi genannt berufen sich nämlich auf den einst
von Pippin festgesetzten Tribut, worauf Heinrich II. sich auf sein königliches Recht der
- -
Gesetzgebung versteift: lex, ut alunt vulgo, cereum habet nasum et rexferream manum
et longam, ut eamflectere queat, quo sibiplaceat?65 Dies ist erneut eine Anspielung auf
die tyrannische Seite der Herrschaft, die zur negativen Charakterisierung des fremden
Herrschers dient. Beim darauffolgenden Krieg Heinrichs III. gegen die Böhmen erleidet
er zunächst eine große Niederlage. Diese ist an die Auseinandersetzung zwischen Böh-
men und Luczani angelehnt, die Cosmas noch in heidnischer Vorzeit angesiedelt hatte.
Denn Heinrich III. zieht ähnlich wie der Fürst der Luczani mit großem Überlegenheits-
gefühl und Hochmut in den Krieg, nam dum suos vinci non estimât ab hoste?66 Der
Fürst hatte den Luczani befohlen, zunächst ihre Jagdvögel gegen die Böhmen fliegen zu
lassen: Parcite, ne ignavorum sanguine polluatis fortia tela, sed pocius submittite que
portatis volatilia, ut perterrefaciatis falconibus pavidas acies ut columbas?61 Beim An-
Sachsen werden die Böhmen daran gehindert, ihre Truppen mit denen von Heinrich V. zu
vereinen, um gegen Herzog Lothar von Sachsen vorzugehen; III, 56, S. 229f.: Sobëslav bekommt
Unterstützung von Herzog Lothar von Sachsen, aber nicht von Heinrich V.; III, 58, S. 233:
Sobëslav kommt aus Sachsen.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 32, S. 128: Suevia; III, 4, S. 164: orientalis Francia.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 27, S. 195.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 35, S. 63.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 35, S. 63f.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 32, S. 202.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 8, S. 93: ...quoque modo ab eis, quod sibi dictum fuerat,
eriperet aurum.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 8, S. 93f.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 10, S. 97.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 12, S. 28.
352 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
griff der Deutschen auf die Verteidigungslinien der Böhmen wird von Heinrich III. auch
das Bild von Falke und Taube bemüht: Ite, mei, ite falcones, pavidas capite pa-
lumbes..?6* Zudem vergleicht Heinrich III. die Verteidigungsbemühungen der Böhmen
mit einem Netz, das Vögel fangen soll.469 Die Deutschen werden zusätzlich vor dem
Angriff durch die Hitze und den Anstieg sehr geschwächt.470 Cosmas gibt nur rationale
Erklärungen für die deutsche Niederlage, wie er überhaupt selten Gott in Schlachten
eingreifen läßt.471
Markgraf Ekkehard von Meißen warnt Herzog Bfetislav, sich den Sieg über Heinrich
zu Kopf steigen zu lassen, was dieser allerdings abwehrt. Als Heinrich III., wie von
Ekkehard vorhergesagt, erneut in Böhmen einfallt und Prag belagert, muß der Herzog
klein beigeben und den geforderten Tribut doch noch zahlen, um den Kaiser zu besänf-
tigen und zu Abzug und Frieden zu bewegen.472 Bei dieser Gelegenheit wird noch ein-
mal die Zugehörigkeit Böhmens zum Reich betont, indem Cosmas erwähnt, daß Bi-
schof Severas von Prag aus Angst um sein Amt zum Kaiser überlief und indem er dem
Herzog von Böhmen gegenüber dem Kaiser die Worte in den Mund legt: Nostra terra
tua est camera, nosque tui sumus et esse tul cupimus?13 Ein Präzedenzfall dafür, daß die
Oberherrschaft des Kaisers nicht in Frage gestellt werden sollte, dürfte die Erzählung
über Svatopluk von Mähren sein, der sich gegen Kaiser Arnolf auflehnte und dessen
mährisches Reich trotz seiner Reue daraufhin dem Untergang geweiht war.474
Kaiser Heinrich V. wird bei seinen Eingriffen in Böhmen Geldgier unterstellt,475 die
teilweise auf sein Gefolge abzufärben scheint: Als der Prätendent Udalrich deutsche
Trappen mitnimmt, um Borivoj II. abzusetzen, äußert sich Cosmas abfällig: qui pro sui
stulttcia estimabant in Boemia auri et argentt pondera fore in platets sparsa et expósi-
ta?16
Als Herzog Svatopluk ermordet wird, erhebt Heinrich V. dessen jüngeren Bruder
Otto, ein Vorgehen, das von Cosmas nicht mit Wohlwollen betrachtet wird.477
Diese Episoden, in denen die Eingriffe der Deutschen in die böhmische Herzogs-
nachfolge scheitern, dienen der Betonung der böhmischen Selbständigkeit. Ein böh-
mischer Herzog wird eben nicht vom römischen Kaiser gemacht.
Als Bfetislav I. Judith, die Tochter Markgraf Heinrichs von Schweinfurt, entführt,
läßt Cosmas einige Vorbehalte gegenüber den Deutschen durchschimmern: Denn
Bfetislav entscheidet sich zur Entführung der Judith, perpendit enim innatam Teutonicis
superbiam et, quod semper túmido fastu habeant despectui Sclavos et eorum lin-
guam?7*
Eine erste wirklich feindliche Aktion gegen die Deutschen vollbringt Herzog
Spytihnëv, der kurz nach seinem Regierungsantritt alle de gente Teutónica, sive dives
sive pauper sive peregrinus inklusive seiner eigenen Mutter Judith innerhalb von drei
Tagen aus Böhmen vertreibt. Cosmas gibt keine Begründung für diese Tat des Herzogs
und bezeichnet sie als magnum et mirabile ac omnibus seclts memor ahile?19 Dies Ver-
halten des Spytihnëv wird von Cosmas nicht nur nicht erklärt, sondern auch nicht in den
Erzählungen davor vorbereitet. Eine Rückkehr der Deutschen, die in der Logik der Er-
zählung stattgefunden haben muß, da unter der Regierung seines Nachfolgers Vratislav
wieder Deutsche auftauchen, wird von Cosmas nicht erwähnt. Die Erzählung von der
Vertreibung der Deutschen hat in der Forschung keinen Glauben gefunden.480
Als Lanczo de gente Saxonia nobili prosapia natus4*1 zum Bischof von Prag werden
soll, legt Cosmas einem empörten Großen folgende Beschimpfung in den Mund: prose-
lltus atque advena, qui in hanc terram sine femoraltbus venit. Außerdem stellt er die
rhetorische Frage: An putas, quod alienígena plus non diligat et meltus huic terre cu-
pial quam indígena?4*2 Als Einwand gegen die Investitur des Lanczo wird zusätzlich an-
geführt, daß eigentlich der Kaiser das Recht zur Investitur des Bischofs von Prag hat.483
Die Ablehnung des Lanczo ist nicht ethnisch motiviert, sondern ist auf das schlechte
Verhältnis von Vratislav zu seinen Großen zurückzuführen, zumal Cosmas Lanczo
durchaus für würdig hält. Dennoch ist diese Stelle ein interessanter Hinweis darauf, daß
die Herkunft zumindest zu Cosmas' Zeiten als Argument herhalten konnte.
Cosmas' Bericht über die Maßnahmen des Spytihnëv und die Ablehnung des Lanczo
sind häufig herangezogen worden, um die angebliche Deutschenfeindlichkeit des Cos-
mas zu belegen, aber es lassen sich gegenteilige Hinweise finden.
In einem anderen Fall wird die deutsche Herkunft nämlich positiv hervorgehoben.
Als der Kaplan Hermann zum Bischof von Prag erhoben werden soll, sagt Herzog
Bfetislav II. über ihn: Et quia hospes est, plus ecclesie prodest; non eum parentela ex-
hauriet, non liberorum cura aggravabit, non cognatorum turma despoliet, quicquid sibi
undecumque veniet, totum sponsa dus et mater ecclesia habebit?*4 Daran wird deutlich,
8
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, I, 40, S. 73.
9
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 14, S. 103. Auch später wird einem Böhmen (II, 23, S. 116) in
den Mund gelegt, daß er diese Handlung des Spytihnëv für klug hält: Frater tuus... Zpitignieu
aliquid sapuit... Judith so Cosmas rächt sich für ihre Vertreibung, indem sie Peter von Ungarn
heiratet: II, 17, ad a. 1058, S. 108: cum non posset aliter ulcisci iniuriam suam in filio ad
- -
1
Vgl. dazu schon Loserth, Herzog Spitihniew.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 22, S. 114.
2
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 23, S. 116.
3
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 23, S. 116.
4
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, III, 7, S. 168.
354 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
daß die ethnische Zugehörigkeit als Argument sowohl in die eine als auch in die andere
Richtung verwendet wurde und man nicht wirklich von einer besonderen Abneigung
gegen die Deutschen sprechen kann.
Eine weiterer Kriegszug des Herzogs Vratislav und seiner Brüder gegen Markgraf
Leopold von Österreich wird von Cosmas nach einem ähnlichen Muster stilisiert wie
die Schlachten zuvor, bei denen die Böhmen siegten. Markgraf Leopold ist hochmütig
und erwartet einen leichten Sieg, aber die Böhmen können ihn trotzdem besiegen.485 Es
ist immerhin bezeichnend, daß diese Auseinandersetzung als ein Streit zwischen Boemi
und Teutonici stilisiert wird: Markgraf Leopold macht in seiner Rede die Böhmen als
solche schlecht: Scio enim, quod Deo et sanctis eius sunt odibiles sine misericordia ho-
mines?*6 Daran ändert die Teilnahme von Rittern des Bischofs von Regensburg nichts,
die auf Seiten des böhmischen Herzogs kämpfen.487 Auf den Hintergrund der Schlacht,
nämlich die Parteinahme Herzog Vratislavs von Böhmen für Kaiser Heinrich IV. und
gegen seine gregorianischen Gegner, geht Cosmas überhaupt nicht ein.488
Cosmas stellt die Deutschen keinesfalls nur negativ dar, und von einer wirklichen
Deutschenfeindlichkeit kann bei ihm nicht gesprochen werden.489 Die Kritik richtet sich
im Zweifelsfall doch eher gegen einzelne Personen als gegen die Deutschen in ihrer Ge-
samtheit. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, daß Cosmas das in der Wen-
zelslegende erwähnte Gastmahl, bei dem die Deutschen von den Böhmen als Präventiv-
schlag gegen eine deutsche Hinterlist getötet werden, nicht aufnimmt und diese Erzäh-
lung nicht zur Abgrenzung von den Deutschen nutzt.490 Die Geldgier der Kaiser, die
sich als Motiv durch die Chronik zieht, scheint viel eher ein wirksamer Kontrast gegen-
über den böhmischen Herzögen zu sein, sozusagen ein tyrannischer Zug, als eine eth-
nische Diffamierung. Bezeichnend dürfte sein, daß die böhmischen Siege nur dann als
gottgewollt dargestellt werden, wenn sie ungerechtfertigt angegriffen werden, nicht aber
wenn es an die Substanz des Verhältnisses zum Reich geht.
Die anderen gentes spielen für die Böhmen sicherlich eine große Rolle bei der Ab-
grenzung.491 Entgegen älteren Meinungen ist zu betonen, daß Cosmas vor allen Dingen
auf einen Gegensatz zu den Polen abhebt und die Deutschen zwar durchaus als eine an-
dere gens darstellt und einige Kaiser negativ beschreibt, aber ebenso positive Seiten
hervorhebt, so daß man bei den Deutschen ebenso wie bei den Ungarn zwar von einer
deutlichen Abgrenzung sprechen kann, aber keinesfalls von einem durchgängig nega-
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 35, S. 131 ff. Ebd. S. 131 ist von der superbia Teutonicorum
die Rede. Bezeichnend ist, daß die Schlachtrede des Leopold vom Angriff der Böhmen
unterbrochen wird: Plura locuturus erat, sed eius verba impetus Boemorum adbreviat. Zu dieser
Schlacht vgl. ausführlich Auer, Schlacht bei Mailberg.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 35, S. 132.
Cosmas, Chronik, ed. Bretholz, II, 35, S. 132.
So auch schon Auer, Cosmas von Prag und die Schlacht von Mailberg, und ders., Schlacht bei
Mailberg, S. 4.
Mir scheint Graus, Bildung eines Nationalbewußtseins, S. 22f, das etwas zu einseitig zu sehen.
Dazu vgl. Graus, Böhmen und Altsachsen; Wenzelslegende des Christian, ed. Ludvíkovsky, cap. 2,
S. 22ff.
Wegener, Tschechisches Nationalgefühl.
Cosmas von Prag 355
tiven Bild. Die negative Rolle, die manche Kaiser spielen, mag nicht unbedingt damit
zusammenhängen, daß sie Deutsche sind, sondern mag viel eher dadurch bedingt sein,
daß sie als Beispiel für Tyrannei herhalten, wie sie von Libuse zu Beginn der böh-
mischen Geschichte in kräftigen Farben geschildert wurde. Insofern sind die Kaiser ne-
gative Gegenbeispiele für Herrschaft. Dies kann man deutlich daran belegen, daß die
Polen sehr viel universeller verurteilt werden als die Deutschen und zahlreiche negative
Eigenschaften zugeschrieben bekommen, wohingegen Cosmas' positive deutsche Ge-
stalten die negativen ausgleichen. Natürlich lag Cosmas daran, die Eigenständigkeit der
Böhmen zu betonen. Aber diese findet, wie an mehreren Stellen deutlich wird, im Rah-
men des Reiches ihren Ausdruck, was Cosmas in keiner Weise stört. Nur sollen die Kai-
ser sich nicht übermäßig einmischen.
9. Zusammenfassung
Für die Identitätsstiftang bei Cosmas gelten ähnliche Parameter wie bei der des Gallus.
Im Mittelpunkt der böhmischen Identität steht die pfemyslidische Dynastie. Neben der
Dynastie spielt vor allen Dingen die terra Bohémica eine Rolle.492 Dynastie und be-
herrschtes Land machen die Identität der Böhmen aus. Die Absetzung der böhmischen
gens von anderen gentes ist demgegenüber nur von sekundärer Bedeutung. Die Abgren-
zung gegenüber Polen, Ungarn und Deutschen ist nur im Fall der Polen wirklich von
Kontrast geprägt, und jedenfalls spielen die anderen gentes zwar eine Rolle bei der
Durchsetzung der böhmischen Eigenständigkeit, nicht aber bei ihrer Identitätsstiftung.
Bei Cosmas haben wir keine Erzählung, die die böhmische gens im Gegensatz zu einer
anderen gens konstituiert. Es läßt sich nicht feststellen, daß den Böhmen inhärente Ei-
genschaften zugeschrieben werden, die sie von anderen gentes unterscheiden. Die Origo
der Böhmen stellt eine Mischung aus römischer und biblischer Anknüpfung dar, die
eher gelehrten Charakter hat. Von großer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, daß
nach dem Urvater Boemus nicht die gens, sondern das Land benannt wird. Bedeutsamer
ist die Origo des Herrschergeschlechtes.
Für die Dynastie der Pfemysliden ist die Origo legitimierend. Die Herzogsherrschaft
erweist sich als gut, indem sie die Prophezeiung der Libuse zur Tyrannei nicht erfüllt
und indem sie als Einzelherrschaft für inneren Frieden sorgt. Der Herzog ist eindeutig
Oberhaupt der Familie und wird vom Bischof von Prag beraten und von den Großen un-
terstützt. Demgegenüber steht eine deutliche Verpflichtung des Herzogs gegenüber sei-
nen Untertanen. Sogar die hochgehaltene Senioratsfolge kann außer Kraft gesetzt wer-
den, wenn die Unterstützung der Böhmen fehlt. Auf der anderen Seite steht die Ver-
pflichtung des Herzogs, seine Großen zu beteiligen. Herzöge, die von diesen Grand-
idealen abweichen, werden von Cosmas negativ dargestellt. Deutlich ist der Focus auf
die Legitimierung der Dynastie gerichtet. Die Durchsetzung der Pfemysliden auf Ko-
sten anderer Familien wie der Slavnikiden oder der Wrschowitzer wird von Cosmas be-
schönigt oder gerechtfertigt. Bei der Darstellung der Rolle der Bischöfe fällt auf, daß
gens, an der sich solche Eigenschaften schon manifestieren könnten. Natürlich werden
die gens Bohémica und die gens Polonica von ihren Nachbarn und insbesondere gegen-
einander abgegrenzt, aber dies geschieht bei weitem nicht in derselben Konsequenz wie
noch bei Dudo und Widukind.
Cosmas und Gallus versehen beide das jeweilige Herrschergeschlecht mit einer Ori-
go, woran deutlich wird, daß die Familie der Piasten bzw. der Pfemysliden als Identi-
tätsfokus dienen und deren Herrschaft legitimiert werden soll. Beide bedienen sich des
Topos der bescheidenen Herkunft, der im 12. Jahrhundert regelrecht in Mode geriet.
Der bescheidenen Herkunft wohnt ein autochthones Element inne. Die Herrscherfamilie
rekrutiert sich nicht aus fremden Eroberem. Ähnlich wie bei den Origines für die fräh-
mittelalterlichen gentes erscheinen in der Origo des Geschlechts Eigenschaften, die im
weiteren Verlauf der Familiengeschichte immer wieder zutage treten. Bei den Piasten
ist dies die Frömmigkeit und Gastfreundlichkeit, bei den Pfemysliden die Gerechtigkeit
und die Rachsucht. Die Piasten legitimieren sich weiterhin durch die Abwehr von äuße-
ren Feinden, insbesondere der Böhmen, eine Fähigkeit, die ihnen von Anfang an positiv
angerechnet wird. Bei den Pfemysliden kommt in der Origo der uneingeschränkte Herr-
schaftsanspruch zur Sprache und die Senioratsnachfolge. Beide waren eigentlich nicht
unproblematisch, da die Pfemysliden sich gegen konkurrierende Geschlechter wie die
Slavnikiden und Wrschowitzer durchsetzen mußten und die Nachfolgeregelung im
Pfemyslidenhaus immer wieder durchbrochen wurde. Die gottgewollte Herrschaft des
ältesten Pfemysliden wird von Cosmas zum Teil hervorgehoben und zum Teil vor dem
Kontrast des negativen Beispiels suggeriert. Sowohl für Cosmas als auch für Gallus ist
die Einheit der terra ungemein wichtig. Eine Aufteilung der terra wird von beiden als
sehr negativ empfunden. Beiden ist an Alleinherrschaft gelegen. Diese Alleinherrschaft
wird allerdings durch die Zustimmung der Großen gestützt und gerechtfertigt.
Bei Cosmas und Gallus liegt uns eine dritte Stufe in der Entwicklung der Origines
vor. Weder die Römer noch die Franken spielen als Legitimationsvermittler eine Rolle.
Die Betonung liegt sehr viel deutlicher auf einer autochthonen Legitimation. Identitäts-
fokus ist nicht mehr die gens, sondern das Herrschergeschlecht und die terra, eine Ent-
wicklung, die bei Dudo und Widukind schon in Ansätzen zu beobachten war. Sehr be-
deutsam ist die Einheit der terra, deren Erhaltung sich durch beide Chroniken zieht und
die für das Herrschergeschlecht zusätzlich legitimierend wirkt.
Mit Gallus und Cosmas liegen Origines vor, die ihren Schwerpunkt sehr deutlich auf
ihre Dynastie gelegt haben. Die gens als Identitätsstifterin hat sozusagen ausgedient, das
zur Herrschaft bestimmte Geschlecht ist an ihre Stelle getreten.493 Autochthone Legiti-
mitätsstiftung hat an Bedeutung gewonnen. Legitimationsstifter von außen werden nicht
mehr unbedingt benötigt. Das hat zur Folge, daß die Identität nicht mehr so stark in der
Abgrenzung nach außen gewonnen wird, die zwar noch stattfindet, aber sich eher in
einem Wir-Gefühl äußert als in der konsequenten Zuschreibung von inhärenten Eigen-
schaften, die sich im Verhalten immer wieder manifestieren. Die inhärenten Eigen-
schaften und Fähigkeiten finden sich jetzt viel mehr bei der Dynastie, die mit diesen po-
Zur Bedeutung der Dynastie für die polnische und böhmische Geschichtsschreibung auch Kersken,
Geschichtsschreibung, S. 806-810.
358 Legitimation im römisch-deutschen Kontext
sitiven Eigenschaften neu legitimiert wird.An den Identifikations- und Legitimations-
schemata, die Cosmas unsGallus verwenden, wird deutlich, wie sich das Verständnis
von Herrschaft gewandelt hat, die sich jetzt hauptsächlich an der terra und der Dynastie
manifestiert. Dennoch ist bei beiden Herrschaft nicht absolut gedacht, sie bedarf der Le-
gitimation durch Bewährung in Krisensitaationen und im Alltag und der Unterstützung
durch die Großen. Die Herzöge von Polen und Böhmen sind keine absoluten Herrscher,
aber entstammen Familien, die sich in guter Herrschaft, Unterstützung durch die Groß-
en und Abwehr äußerer Feinde und Behauptung der Eigenständigkeit vor allen Dingen
den Deutschen gegenüber im großen und Ganzen bewährt haben.
VIL Elemente der Origo-Erzählungen und
Entwicklungslinien des Genres
Ein Geschichtswerk mit Herkunftserzählung steht oft am Beginn der schriftlichen Über-
lieferung einer gens und folgt auf die Christianisierung. Es ist der erste faßbare Aus-
druck eines „Selbstbewußtseins", das sich aus der Überlieferung der gens und aus
christlichen und antiken Vorstellungen speist. Die Verschriftang der eigenen Geschichte
bedeutet zugleich die Vereinnahmung der Tradition durch christliches Gedankengut.
Die Geschichtsschreiber bieten eine Identitätsstiftung für ihre eigene gens und legiti-
mieren die bestehende Ordnung. Wie wir gesehen haben, tan sie dies nicht nur mit Hilfe
der Origo-Erzählung ihrer und gelegentlich auch anderer gentes, sondern auch, indem
sie im weiteren Verlauf der Ereignisse Traditionslinien betonen und zum Teil entwi-
ckeln, die die in der Origo gestiftete Identität und Legitimität verstärken. Die Identitäts-
und Legitimitätsstiftang wird innerhalb der Tradition einer gens weiterentwickelt. Dabei
wird an andere gesellschaftlich-politische Bedingungen geknüpft und diese entspre-
chend verarbeitet. Bei den hochmittelalterlichen Autoren führte das jeweilige Umfeld
der Autoren zu unterschiedlichen Schwerpunkten bei der Identitäts- und Legitimitäts-
stiftung. Als Beispiel wurden Autoren untersucht, die üblicherweise der „Gattung" Ori-
go gentis zugeordnet werden. Die Auswahl ist keinesfalls umfassend und vollständig,
aber repräsentativ für die Entwicklung der Origo-Erzählungen.
Stiftung besteht nicht. Die panegyrische Lobhudelei kann von einem Autor „von außen"
ebenso geschrieben werden, wie die Verunglimpfung der eigenen Leute von einem An-
gehörigen der gens. Da die Herkunft der Autoren nur geringen Einfluß auf die Metho-
den und Ausprägung ihrer Identitätsstiftung und Legitimierung hat, läßt sich konstatie-
ren, daß die Autoren bei der Konstruktion ihrer Gesellschaft sich wohl eher nach den
Erwartungshaltungen ihrer Leser, ihres Publikums oder ihrer Auftraggeber richteten,
resp. auch nach der eigenen Zweckbindung des Werkes als daß sie sich sichtbar von der
eigenen Zugehörigkeit beeinflussen ließen.
Zur Wanderung und dem Erobererrecht im Gegensatz zur autochthonen Herkunft schon Wenskus,
Stammesbildung, S. 57f, auch Kersken, Geschichtsschreibung, S. 800-804.
Zur Entwicklung des Troja-Mythos auch Birns, Trojan Myth.
Vgl. Bollnow, Herkunftssagen, und Reynolds, Medieval Origines Gentium; anders Fröhlich,
Herkunft der Langobarden; Jarnut, Geschichte der Langobarden, S. 9-18; ders., Frühgeschichte.
W. Pohl, Origo gentis § Langobarden, in: RGA 22, S. 183-189, hier S. 185, legt sich bezüglich der
Herkunft nicht fest. Schon Burns, Early Gothic Migration, und kürzlich Christensen, Cassiodorus,
vor allem S. 250-300, halten den Ursprung der Goten in Skandza, der auf andere Origo-
Erzählungen, unter anderem die des Paulus gewirkt hat, für eine reine Erfindung Cassiodors.
Topoi der Herkunftserzählung 361
rische Wanderungen können, aber müssen nicht den Erzählungen zugrunde liegen. Die
Tatsache einer belegbaren Wanderung hat kaum Einfluß darauf, welches Wanderungs-
motiv gewählt wurde, auch bei historischen Wanderungen wird von den Autoren unter
Umständen die antike Anbindung an Troja bevorzugt. In den allermeisten Fällen treffen
die Wanderer nicht auf jungfräuliches Land, sondern müssen sich gegen eine feindlich
eingestellte gens im neuen ihnen bestimmten Land durchsetzen.
Daß für die Wanderung häufig auf das römische Vorbild der Troja-Herkunft zurück-
gegriffen wurde, hat mehrere Gründe. Die trojanische Herkunft der Römer war durch
Vergil hinreichend bekannt, so daß sich mit einer Anbindung an Troja leicht explizit
oder implizit an die Römer anknüpfen ließ. Außerdem waren die Römer als Legitimati-
onsträger, aber auch als eine sehr erfolgreiche und berühmte gens, als Ahnen oder nahe
Verwandte ausgesprochen erwünscht. Daneben spielte zumindest unbewußt das Vorbild
des Alten Testamentes eine große Rolle. Das auserwählte Volk an sich, das jüdische,
wurde von Gott nach Israel, in das ihnen versprochene Land, geführt. Damit hatten die
mittelalterlichen Autoren zweimal das Muster der Wanderung zum vorbestimmten Land
vor Augen, und es ist kaum verwunderlich, daß sie dieses Muster öfter aufgriffen. Die
explizite Anbindung an die Bibel kommt bei unseren Autoren allerdings weniger häufig
vor als die an Rom.4 Offensichtlich waren die Römer als Vermittler von „staatlicher"
Legitimität beliebter als das Volk Israel, was mit der Entstehung der frühmittelalter-
lichen Reiche auf dem Boden des ehemaligen Imperium zusammenhängen dürfte.
Eine rein autochthone Herkunft der gens war hingegen als Motiv wesentlich weniger
beliebt. Keiner unserer Autoren stellte sich folglich auf den Standpunkt, die Ordnung
sei immer schon so dagewesen. Die Verwendung des Wanderungstopos ist also unter-
schiedlich motiviert, und im Zweifel spielt die intendierte Legitimierung der neuen Ord-
nung eine sehr viel größere Rolle als ein realer Hintergrund der Wanderungslegende.
Ein weiteres Element, das häufig in Origo-Erzählungen auftaucht, ist die primordiale
Tat. Diese setzt den Beginn der neuen Ordnung, in der die gens ihren vorbestimmten
Platz in der Heilsgeschichte einnimmt. Unter Umständen kann diese Tat ein Verbrechen
sein, mit dem die bisherige Herrschaft abgelöst wird. Zum einen kann eine solche prim-
ordiale Tat, die die neue Ordnung setzt, eigenständig von der gens oder ihren Stellver-
tretern, den Herrschern, vollbracht werden, sie kann zum anderen auch von außen erfol-
gen, wenn die Setzung der neuen Ordnung durch eine äußere legitimierende Gewalt er-
folgt. Eigenständig ist etwa ein primordiales Verbrechen, bei dem die einwandernde
gens die Ureinwohner schlichtweg beseitigt. Die Schilderung einer Eroberung fällt
ebenso in diese Kategorie der eigenständigen primordialen Tat, ist aber nicht unbedingt
ein Vergehen. Eine neue Ordnung kann aber auch von innen aus der gens selbst heraus
geschaffen werden, die sich einen neuen Herrscher oder gar eine völlig neue Herr-
schaftsform setzt. Der Aspekt der Umkehr der gültigen Ordnung von außen findet sich
4
Zu diesem Phänomen vgl. auch Angenendt, Adam.
362 Elemente der Origo-Erzählungen und Entwicklungslinien des Genres
besonders ausgeprägt, wenn die Römer oder göttliche Gestalten seien es nun heid-
nische oder christliche involviert sind. Die Einsetzung von außen durch die Franken
-
findet sich nicht alleingültig, sondern in einer untergeordneten Beziehung zur eigenstän-
-
ben sichern soll. Der moralische Anspruch ist also im Gegensatz zu den plumpen Häu-
fungen von positiven Adjektiven auf die Zukunft gerichtet und bedeutet eine Identität
im Vollzug. Es läßt sich vermuten, daß Autoren, die ihre eigene gens nicht so positiv
darstellen und einen deutlichen didaktischen Zweck verfolgen, in die Konstruktion der
eigenen Gesellschaft gestaltend eingreifen wollten. Autoren, die ihrer gens lediglich ein
paar allgemeingültige positive Eigenschaften zuweisen, spiegelten vielleicht eher die
5
Zum „Eroberungsrecht" vgl. etwa Bartlett, Making of Europe, S. 94f.
6
Vgl. zu diesem Komplex Popper, Offene Gesellschaft, S. 66 mit Anm. 43 auf S. 282ff.
Elemente der Identitätsstiftang 363
Für die Identitätsstiftung spielt der Umgang mit der Zeit eine große Rolle. Existierte die
dargestellte Identität schon in der Vergangenheit, entwickelte sie sich erst und ist in der
Gegenwart manifest, oder ist sie erst in der Zukunft zu erwarten? Die Verwurzelung der
eigenen Zeit in der Vergangenheit bedeutet eine große Sicherheit für das Wir-Gefühl,
da man auf eine lange Geschichte zurückblicken kann, die die Identität bestätigt und
stärkt. Die Rückführung des gegenwärtigen Zustandes auf Ereignisse in der Vergangen-
heit befriedigt das Legitimierungsbedürfhis der gens. Die Sicherheit bei einer solchen
Entwicklung der Identität ist allerdings nicht so groß wie bei der deutlichen Verwurze-
lung in der Vergangenheit, da eine Veränderung der Identität möglich ist. Eine Konzen-
tration auf den gegenwärtigen Zustand muß aber nicht unbedingt bedeuten, daß ein Be-
zug auf die Vergangenheit überhaupt nicht stattfindet. Schließlich findet sich noch die
für das Wir-Gefühl der gens am schwersten zu verkraftende Ausrichtung auf die Zu-
kunft, die Identität im Vollzug. Diese stellt moralische Ansprüche an die gens, die das
Bewußtsein ihrer eigenen Identität von der Verwirklichung eines moralischen und damit
zumeist christlichen Lebens abhängig macht.
Selbstverständlich spielen bei allen Autoren zumindest Vergangenheit und Gegen-
wart eine Rolle, aber es ist doch auffällig, daß die Schwerpunkte unterschiedlich sind.
Die Fokussierung auf einen bestimmten Zeitaspekt hängt nicht damit zusammen, ob das
Werk bis in die eigene Gegenwart fortgeführt wurde. Der gestalterische Impetus ist bei
den Autoren, die sich auf Gegenwart und Zukunft ausrichten, größer als bei denen, die
nur Vergangenheit schildern.
Zur Bedeutung des Königtums für das Identitätsgefuhl der gens schon Wenskus, Stammesbildung,
S. 66-70; allgemein für eine Kornmunität Müller, Universum der Identität, S. 74-85, und
Luhmann, Gesellschaft der Gesellschaft, Bd. 2, S. 693f.
364 Elemente der Origo-Erzählungen und Entwicklungslinien des Genres
beispielhaft erweist und als solche die Vorbildfunktion für die gens übernimmt. Schließ-
lich kann noch das beherrschte Land, die terra, als fester Bezugspunkt der Identifikation
dienen.
bezug auf die Träger der Identität kann man bei unseren Autoren eine Entwick-
In
lungslinie feststellen. Bei den frühmittelalterlichen Autoren, die sich mit dem Ursprung
ihrer Gemeinschaft und deren Entwicklung durch die Geschichte befassen, wird auf die
gens als Einheit fokussiert. Bei ihnen findet sich eher der einzelne Herrscher sei der
nun König oder Hausmeier als Identifikationsfigur. Spätere Autoren legen Wert auf
-
eine bestimmte Herrscherfamilie, an der sich die Eigenschaften der gens manifestieren
-
und die die rechte Ordnung gewährleistet, solange sie herrscht. Dies kulminiert schließ-
lich bis zu dem Punkt, an dem die Origo nicht mehr für die gens, sondern für die Herr-
scherfamilie geschrieben wird.
Die terra als Fokus für die Identität hingegen tritt erst bei den hochmittelalterlichen
Autoren auf. In bezug auf die Träger der Identität und der Legitimation der Herrschaft
können wir eine Verschiebung von gens und rex zu terra und familia beobachten. Dies
entspricht dem Phänomen, daß man sich im Hochmittelalter des Territoriums bewußt
wurde und sich eine Reihe von Aspekten des Lebens, wie etwa die Rechtsprechung und
die Gültigkeit von Gesetzen, an territorialen Grenzen orientierten und nicht mehr nur
noch auf der Zugehörigkeit zu einer gens fußten8. Die Dynastie schließlich entwickelte
sich soweit zum Kristallisations- und Angelpunkt der Identität, daß die Herrscherfamilie
schließlich diejenige war, deren Existenz gerechtfertigt und erklärt werden mußte, und
nicht mehr die gens.9 Die Zusammengehörigkeit bzw. Bestimmung von Herrscherfami-
lie zur terra wurde hervorgehoben.10 Einzelne Herrscher konnten in einem solchen dy-
nastischen Verständnis schon einmal aus dem Rahmen fallen und negative Eigen-
schaften an den Tag legen; solange prinzipiell die Herrschaft der Dynastie gesichert
war, blieb die rechte Ordnung bestehen. Andere hochmittelalterliche und spätmittelal-
terliche Geschichtsschreibung weist diese Fokussierung auf die Familie noch sehr viel
intensiver auf, so etwa die Reinhardsbrunner Chronik für die Landgrafschaft Thüringen
und Matthias von Neuenburg und Thomas Ebendorfer für Österreich und die Habsbur-
ger, um nur drei Beispiele zu nennen." Die Verschiebung der Kristallisationspunkte rex
und gens hin zu terra und familia führt schließlich dazu, daß die Origo-Erzählungen im
8
Zum Forschungskonzept frühmittelalterlicher „Staatlichkeit" und ihrer Umschreibung als
Personenverband, vgl. prägnant, wenn auch ablehnend Goetz, Moderne Mediävistik, S. 180-185.
9
Dazu auch Kersken, Geschichtsschreibung, S. 823ff, über die zunehmende Bedeutung der
10
Dynastie.
Die Meinung von Kersken, Geschichtsschreibung, S. 838f, daß sich bereits Beda, Gregor und
Isidor intensiv auf die Gebiete Britannien, Gallien und Spanien bezogen hätten, scheint mir nicht
ganz gerechtfertigt, da die besondere Unterstreichung der Rolle der terra und der patria bei diesen
Autoren im Gegensatz zu Dudo und Widukind noch nicht stattfindet.
11
Matthias von Neuenburg, Chronica, ed. Hofmeister, S. 8f, erzählt von der römischen Abkunft der
Habsburger, Thomas Ebendorfer, Chronica Austriae, ed. Lhotsky, S. 352, ebenso. Allerdings kann
die Ausrichtung auf die Dynastie in späteren Werken auch wieder etwas nachlassen, vgl. Kersken,
Geschichtsschreibung, S. 849f. Zur Reinhardsbrunner Chronik vgl. auch Walther, Traditionen,
Kontinuitäten, Konstruktionen, S. 65f.
Elemente der Identitätsstiftang 365
4. Namensfindung
Ein wichtiger Aspekt bei der Entwicklung eines Wir-Gefühls ist die Benennung der
gens. Deshalb ist den Erzählungen der Autoren, wie die gentes zu ihrem Namen kamen,
besondere Bedeutung beizumessen. Aufschlußreich ist die Geschichte der Namensfin-
dung der Sachsen, die in der Historia Brittonum und bei Widukind erzählt wird, weil
hier die Namensfindung mit einem primordialen Verbrechen und gleichzeitig dem Sieg
über eine feindliche gens verknüpft wird. Sehr viel konventioneller ist die Benennung
nach einem Heros eponymos, dessen Namen erst im Nachhinein aus dem Namen der
gens gebildet wurde, aber die Illusion einer gemeinsamen Abstammung unterstützt. Der
Heros eponymos kann der erste König sein, der Gründer der neuen Ordnung oder derje-
nige der die Wanderung anführte oder sich auch aus einer beliebigen Kombination die-
ser Elemente zusammensetzen. Es ist noch die Variante zu finden, daß sich im Namen
eine typische Eigenschaft der gens offenbart, so etwa in der Namengebung der Franken
bei Fredegar, von dem die Franken als die Tapferen gedeutet werden. Bei diesen Erzäh-
lungen liegt eine Benennung im Moment der Auseinandersetzung mit einer anderen
gens vor. Die eigene Identität wird durch das allen gemeinsame Merkmal und die Ab-
grenzung zu den anderen gestärkt. Gemäß der stärkeren Betonung der Bedeutung der
terra ist es nicht verwunderlich, daß wir bei hochmittelalterlichen Autoren Benen-
nungen antreffen, die mit dem Land zusammenhängen. Bedas prophetische Benennung
der Angli fällt allerdings völlig aus der Reihe der üblichen Schemata der Namensfin-
dung.
Die Abgrenzung von den anderen ist in ihrer Bedeutung für die eigene Identität schon lange
erkannt worden, vgl. dazu allgemein Assmann, Kulturelles Gedächtnis, S. 151-160; Dennen,
Ethnocentrism; Muller, Universum der Identität, S. 85-94; Hofstätter, Gruppendynamik; Kugler,
Das Eigene aus der Fremde; Luhmann, Gesellschaft der Gesellschaft, Bd. 2, S. 954-958; am
Beispiel der mittelalterlichen Nationen Graus, Kontinuität und Diskontinuität, S. 79f; am Beispiel
des neuzeitlichen Nationalismus Vowinckel, Verwandtschaft, vor allem S. 190ff; über die
osteuropäische Entwicklung Lübke, Fremde im östlichen Europa. Ein Spezialfall wäre die
Bedeutung von Krieg für die Identität einer Gruppe vgl. dazu Smith, War and Ethnicity.
366 Elemente der Origo-Erzählungen und Entwicklungslinien des Genres
dung zur kriegerischen Auseinandersetzung mit anderen gentes, bei denen sie sich we-
nigstens bewähren muß. Zum Teil wird über dieses Klischee aber hinausgegangen, und
es werden der gens spezifischere Eigenschaften zugewiesen, besonders häufig die List,
die als Eigenschaft der eigenen gens immer positiv, als die einer anderen immer negativ
als Hinterlist bewertet wird.
Auf der anderen Seite gibt es Autoren, die ihre gens dadurch abgrenzen, daß sie die
feindlichen gentes negativ charakterisieren. An der Spitze steht dabei die Treulosigkeit,
aber auch die Hinterlist ist ein häufiger Vorwurf. Damit wird die eigene gens zwar er-
folgreich abgegrenzt, aber eher im Sinne einer Negativdefinition der anderen als im
Sinne einer kohärenten Eigenbeschreibung.
13
Bei dieser Wandlung der Legitimationsträger von Römern zu Franken zum Römisch-Deutschen
Reich mag die weit verbreitete Vorstellung der translatio imperil eine Rolle gespielt haben. Zu
dieser vgl. Goez, Translatio imperii, bes. S. 62-76 und 77-104.
Elemente der Legitimitätsstiftang 367
toren und ihrer Auseinandersetzung mit der Verchristlichung ihrer gens biblische Mu-
ster erwarten sollte, wird auch für die Legitimierung der Ordnung und Herrschaft lieber
auf die Römer zurückgegriffen. Dies ist ein deutliches Anzeichen dafür, daß man die
Römer als „Staatsgründer" an sich verstand und ist möglicherweise auch ein Reflex auf
die tatsächliche Rolle des Römischen Reiches bei der Entstehung der frühmittelalter-
lichen Reiche.
dem Meeresungeheuer ab, und die Piasten und Pfemysliden haben Vorfahren von ein-
facher Herkunft. Der soziale Aufstieg eines Dynastiegründers ist schon in der Bibel in
den Fällen Saul und David als Topos angelegt14 und dazu angetan, Bewunderung her-
vorzurufen. Diese Erzählungen dienen dazu, die Herrscherfamilie hervorzuheben und zu
unterstreichen, daß die Ordnung gewährleistet ist, wenn diese Familie herrscht.
Bezeichnenderweise spielt das sogenannte „Königsheil"15 bei der Legitimierung der
Herrscherfamilie keine Rolle. Bei keinem der untersuchten Autoren ist wirklich die
Rede von einer zur Herrschaft vorbestimmten Familie, die sich durch besondere Sakra-
lität auszeichnen würde. Das bedeutet nun nicht, daß das Konzept der göttlichen Gnade
für die Herrschaft eines bestimmten Königs oder einer Familie nicht verwendet würde,
nur äußert sich diese göttliche Gnade in einem Bestimmtsein, nicht in einem Auser-
wähltsein für die Herrschaft. Im Sinne der Einteilung von Max Weber in „charisma-
tische" und „traditionale" Herrschaft,16 wäre die Legitimierung der Könige in unseren
Erzählungen eindeutig der traditionalen Herrschaft zuzuordnen, der höchstens für die
Gründerkönige charismatische Elemente an die Seite gestellt werden können.
Die Legitimität der einzelnen Herrscher wird durch ihre Idoneität bestätigt. Dieses
Phänomen ist bei allen Autoren zu bemerken. Die Tauglichkeit zum Herrscher macht
sich an drei Eigenschaften bemerkbar: an Gerechtigkeit und der Fähigkeit, aus Friedens-
liebe innerhalb der Kommunität Frieden zu wahren, und durch Tapferkeit, militärische
Erfolge nach außen zu erringen. Diese mögen Folge der göttlichen Gnade sein, die gött-
14
1 Samuel 16, 1-33. Auch heute noch gilt das für den berühmten Mythos der Möglichkeiten in den
USA, die man gemeinhin unter der Formel „Vom Tellerwäscher zum Millionär" zusammenfaßt.
15
Zur Vorstellung des „Königsheils" und zur Kritik daran vgl. A. Erler, Königsheil, in: HRG 2, Sp.
1040f, und F.-R. Erkens, Sakralkönigtum §11. Königsheil, in: RGA 26, S. 225-232, und M.
Diesenberger, Sakralkönigtum § 7. Kritik am Sakralkönigtum, in: RGA 26, S. 216-219, sowie
Wolfram, Rom und das frühe Königtum, S. 32-42. Jetzt außerdem ausführlich den Sammelband
16
Erkens (Hg.), Das frühmittelalterliche Königtum und ders., Herrschersakralität.
Vgl. zurWeberschen Unterteilung von Herrschaft Weede, Mensch und Gesellschaft, S. 170-177.
368 Elemente der Origo-Erzählungen und Entwicklungslinien des Genres
liehe Gnade allein macht jedoch keinen König. Diese drei Aspekte spielen bei allen un-
seren Autoren auf die eine oder andere Art eine Rolle. Die Idoneität der Herrscher wird
zum Teil an Musterbeispielen exemplifiziert und zum Teil in einer Art Kontrastmethode
an Herrschern herausgearbeitet, die zeigen, wie man es nicht machen soll den schwar-
zen Schafen. Ein guter Herrscher ist von Gott gewollt, wenn dies auch nicht von allen
-
Autoren ausdrücklich gesagt wird. Die Gerechtigkeit spielt im Laufe der Zeit eine im-
mer größere Rolle. Während bei den frühmittelalterlichen Autoren noch allgemein der
christliche Lebenswandel des Herrschers hervorgehoben wird, verengt sich dies bei den
hochmittelalterlichen Autoren auf die Gerechtigkeit als Tugend, die allein für den Herr-
scher von großer Bedeutung ist.17 Die beschworene Friedensliebe als besondere Eigen-
schaft des Herrschers tritt in ihrer größten Ausprägung bei Dudo und Widukind auf.
Friedensherrscher gibt es ebenfalls in anderen Texten, aber nur diese beiden bauen die
pax als zentrales Thema der Legitimitätsstiftung auf. Dies mag damit zusammenhängen,
daß zwischen ihnen und ihren Vorgängern die Entstehung des karolingischen Herrsche-
rethos liegt, die eine solche Ausrichtung auf die pax hin erklärt.18
Die Tapferkeit als Herrschertugend ist zum Teil nur ein Spezialfall der Tugend der
gesamten gens, zum Teil kristallisiert sie sich besonders deutlich am Herrscher. Daß die
militärische Tüchtigkeit eines Herrschers seiner Legitimierung entscheidenden Vor-
schub leisten kann und für die Entstehung des Königtums in den regna des Frühmittel-
alters auch von tatsächlicher Bedeutung war, hat schon Walter Schlesinger erkannt und
diesen Typus des Königtums als „Heerkönigtum" charakterisiert.19 Bei aller Kritik an
Schlesingers noch stark von einer Vorstellung vom Gesamtgermanentum geprägten
Theorie20 springt doch die Tatsache deutlich ins Auge, daß ein Herrscher sich im
Kriegsfall bewähren mußte, wenn er seine Herrschaft auf Dauer halten wollte. Parallel-
falle dazu findet man etwa in der archaischen griechischen Gesellschaft.21
Die Durchsetzung gegenüber anderen gentes unter Führung des Königs wirkt nicht
nur legitimierend, sondern beeinflußt zusätzlich das Identitätsgefühl. Das Wir-Gefühl
der gens wird durch die Erfolge nach außen gestärkt. Dies wiederum wirkt positiv auf
den Kristallisationspunkt der Identität, den Herrscher, zurück, so daß sich das Phäno-
17
Zur Betonung der Gerechtigkeit gegenüber der Barmherzigkeit als eher frühmittelalterlicher
Tugend vgl. Althoff, Konfliktverhalten und Rechtsbewußtsein; zur Entwicklung des Konzepts
von Gerechtigkeit, L. Hödl, Gerechtigkeit V. Mittelalter, in: TRE 12, S. 424-432.
18
Zum karolingischen Herrscherethos vgl. Anton, Fürstenspiegel, und Staubach, Rex Christianus I
und II.
19
Vgl. dazu E. Kaufmann, König, in: HRG 2, Sp. 999-1023, hier Sp.1007-109; H. Wolfram,
Heerkönigtum, in: RGA 14, S. 115-118, und R. Schneider, König und Königtum § 2. Historisches,
in: RGA 17, S. 103-109, bes. S. 104.
20
Vgl. zur Kritik am „Heerkönig" als einer germanischen Einrichtung, H. Wolfram, Heerkönigtum,
in: RGA 14, S. 115-118, hier S. 116f, und zu germanischen Vorstellungen vom Königtum
überhaupt M. Diesenberger, Sakralkönigtum § 7. Kritik am Sakralkönigtum, in: RGA 26, S. 216-
219.
21
Vgl. etwa Ulf, Homerische Gesellschaft, S. 85-105, und Raaflaub, Homeric Society, S. 633-641,
über die Bedeutung von Tapferkeit und militärischer Führungsqualität für die Stellung des
Basileus in der frühen griechischen Gesellschaft.
Elemente der Legitimitätsstiftung 369
men, daß äußere Erfolge zu im Inneren gefestigter Herrschaft führen, leicht verstehen
läßt. Unsere Autoren tragen dem mit ihren Berichten über Siege im Kampf gegen ande-
re gentes Rechnung. Ausnahmen sind sorgfältig zu prüfen. Im Fall von Paulus Diaconus
hat eine Analyse der Beschreibung der Langobarden ergeben, daß Paulus sie negativer
sieht als die Franken. Insofern konnte der Schluß gezogen werden, daß Paulus die Fran-
ken legitimiert.
auch durch die Entwicklung bis zur Gegenwart hin erklärt. Soweit ist die Funktion der
Herkunftserzählung in allen unseren Erzählungen mehr oder weniger identisch. Wie wir
gesehen haben, fällt die Art und Weise, wie die Autoren bei Identitäts- und Legitimi-
tätsstiftung verfahren sind, hingegen sehr unterschiedlich aus. Zum Teil sind Elemente
zu erkennen, die bei allen Autoren anzutreffen sind. Es sind etwa solche Aspekte wie
die Einordnung in die Heilsgeschichte, die Betonung der christlichen Tugenden der
Herrscher, die Bedeutung der militärischen Überlegenheit über andere. Andere Aspekte
wie die Frage, ob eher die gens und der einzelne Herrscher oder eher das Territorium
und die Dynastie identitäts- und legitimitätsstiftend sind, sind von der jeweiligen Zeit
bedingt.
24
Vgl. dazu Wilhelm von Jumièges, Gesta Normannorum Ducum, ed. van Houts, Einleitung,
s. xci-xcrv.
25
26
Vgl. dazu Kersken, Geschichtsschreibung, S. 495f.
Vgl. dazu B. Benes, Libussa, in: EM 8, Sp. 1025-1029 und zum Fortwirken des Cosmas, Kersken,
Geschichtsschreibung, S. 566-651, zu Böhmen.
372 Elemente der Origo-Erzählungen und Entwicklungslinien des Genres
vom Publikum aufgenommen wurde, d.h. wie es mit den vorhandenen Erwartungen zu-
sammenpaßte, und zum anderen mag das Geschick des Autors eine Rolle spielen. Ein
gutes Beispiel für ein durchdachtes Konzept ist die Historia Ecclesiastica des Beda, de-
ren Erfolg sich daran messen läßt, daß sich die Bezeichnung Angli für die gens einbür-
gerte, obwohl an sich eine anderslautende Tradition vorhanden war, die immerhin auf-
gezeichnet wurde, so daß der Autor der Historia Brittonum sie benutzen konnte. Paulus
Diaconus war mit seinem Geschichtsbild ebenfalls erfolgreich, dies aber nicht nur weil
er seine Erzählung geschickt arrangierte, sondern auch weil in der Situation nach dem
Untergang des Langobardenreiches sein Erklärungsschema zupass kam. Eine gute Ab-
stimmung mit dem Bedürfnis des Publikums läßt sich beim Liber historiae Francorum
und der Historia Brittonum feststellen, die beide nicht durch großen Stilwillen auffallen,
aber den Nerv ihres Publikums wenigstens so weit trafen, daß sie in hohem Maße Ver-
breitung fanden. Eine Rolle spielte ihre Vorliebe für Anekdoten und zugespitzte Gegen-
überstellungen, die die Identifikation des Lesers erleichtem. Beispiele für eine nicht so
gelungene Vermittlung des Geschichtsbildes wären Dudo und Gallus, die zwar wie
sich an den Parallelbeispielen Widukind und Cosmas festmachen läßt durchaus eine -
Zeitströmung widerspiegelten, aber in Dudos Fall nur in verkürzter Version und in Gal-
-
lus' Fall überhaupt nicht traditionsbildend waren. Unter Umständen war ihre Panegyrik
zu dick aufgetragen, um wirklichen Erfolg zu garantieren. Daneben mag der Überliefe-
rungszufall beim Erfolg mancher Geschichtswerke seine Hand im Spiel gehabt haben.
Der Gedanke an den Einfluß der Autoren auf ihre Gegenwart und auf die weitere
Tradition der Geschichtsschreibung stellt uns vor die Frage, inwieweit die Vermittlung
einer umrissenen Identität und einer Legitimation des gegenwärtigen Zustandes über-
haupt Zweck der Autoren war und ob sich in ihrem Werk vielleicht nur die Vorstel-
lungen ihrer eigenen Zeit reflektieren. Die Antwort ist in den Einzelheiten kaum zu klä-
ren, da die Autoren als Monolithen in der Landschaft der Geschichtsschreibung stehen
und ihr Umfeld sich nur schwierig bestimmen läßt.
Es gibt Autoren, die ihren Willen zur Beeinflussung des Publikums deutlich machen,
dies aber vor allem im Bereich der moralischen Erbauung. Daher läßt sich der direkte
Nachweis, daß der Autor das Identitätsbild seiner gens beeinflussen wollte, nur in
Gildas' und Bedas Fall führen. Denn für beide ist die Identität der Briten resp. der An-
gelsachsen der Schlüssel zu ihrer moralischen Besserung, und insofern kann man zu-
mindest bei ihnen davon ausgehen, daß die sichtbare Identitätsstiftung mit voller Ab-
sicht geschah. In anderen Fällen läßt sich dies vermuten. So erklärt sich das positive
Britenbild der Historia Brittonum leicht als eine Reaktion auf die Verunglimpfung
durch Gildas und Beda. Aber die britischen Autoren sind ein Glücksfall, da die Abhän-
gigkeiten hier so deutlich sind. Im Fall der fränkischen Autoren sieht es etwas anders
aus. Gregor von Tours kann man bei seiner Legitimitätsstiftung Absicht unterstellen. Er
benutzt die Geschichte für eine Explizierung der idealen Herrschaft im einheitlichen
fränkischen Reich. Die Legitimierung der Hausmeier ist als Ziel Fredegars ebenfalls
deutlich zu greifen. Was die Identität der Franken angeht, läßt sich bei Gregor deutlich
bemerken, daß dieses Thema von ihm nicht wahrgenommen wurde, so daß wir über die
fränkische Identität von ihm nichts erfahren. Bei Fredegar ist die Identität eng an die
Legitimität angeknüpft, und daher ist Absicht bei der Zeichnung der Franken zu vermu-
Entwicklung der Origo gentis im Erzählzusammenhang 373
ten. Im Liber historiae Francorum scheinen eher unbewußte Reflexe eines verbreiteten
Wir-Gefühls vorzuliegen als durchdachte Identitätsstiftung, was sich unter anderem an
den recht verschwommenen positiven Eigenschaften der Franken deutlich machen läßt.
Bei Paulus Diaconus kann man die Absicht der Beeinflussung des Wir-Gefühls seines
Publikums leider an keiner Stelle belegen, auch wenn dieser Schluß aufgrund der he-
rausgearbeiteten Darstellungsabsicht einer Legitimierung der Franken naheliegt. In Du-
dos und Widukinds Werken können wir wieder einen deutlichen Willen zur Identitäts-
bestimmung und Legitimierung vermuten, der im Sinne der Auftraggeber resp. der ver-
mutlichen Empfänger der Werke war. Bei Gallus und Cosmas schließlich ist die Erzäh-
lung so auf die Dynastie hin ausgerichtet, daß beide damit gerechnet haben dürften, die
Herzöge zu ihrem Publikum zählen zu können, und damit eine Wirkung im Auge hat-
ten. Obwohl in den meisten hier behandelten Einzelbeispielen davon ausgegangen wer-
den kann, daß die Identitäts- und Legitimitätsstiftung absichtlich geformt wurde, ist in
Einzelfällen ein unbewußter Reflex der Vorstellungen in der Umwelt des Autors nicht
ausgeschlossen. Für das Wir-Gefühl der Zeitgenossen unserer Autoren sagen die Origo-
Erzählungen daher vielleicht nicht viel aus. Hier kann die Frage der Dichte der Überlie-
ferung allerdings ein deutliches Indiz dafür sein, inwieweit die von den Autoren propa-
gierte Identität und Legitimierung den Vorstellungen der Zeitgenossen entsprach.
Daß die untersuchten Werke intentional zu verstehen sind, bedeutet zudem nicht un-
bedingt, daß diese Intentionen dem Autor oder gar dem Publikum auch bewußt waren.
Die Konstruktion der Gesellschaft mußte von den Autoren nicht unbedingt absichtlich
gewollt sein, sondern ist möglicherweise reiner Spiegel ihrer Zeitströmungen. In dem
Fall würde uns im Werk des Autors ein klares Bild dessen entgegentreten, wie die je-
weilige gens ihre Identität und Legitimierung sah. Auf der anderen Seite ist bei einigen
Autoren eine deutliche Absicht zur Identitätsstiftung zu spüren, die möglicherweise
weit über das hinausging, was ihre Zeitgenossen dachten. In dem Fall träte uns in ihren
Werken womöglich der einzige Vertreter genau dieser Konstruktion von Gesellschaft
entgegen. Da die Trennlinie zwischen Erwartung der Zeitgenossen und Gestaltangswil-
len des Autors wegen der mangelnden Informationen über das Publikum von uns nur
verschwommen wahrgenommen werden kann, ließen sich in diesem Bereich zwangs-
läufig nur einige Vermutungen anstellen.
Schließlich muß noch die Frage angesprochen werden, inwieweit sich die Autoren der
untersuchten Quellen überhaupt bewußt waren, in der Tradition einer Gattung zu ste-
hen. Sicherlich kannten die Autoren zum Teil ihre Vorgänger, wie man es etwa an den
britischen und fränkischen Autoren beispielhaft sehen kann. In anderen Fällen lassen
sich nur Spekulationen anstellen. Von diesem Standpunkt aus sind etwa die deutlichen
Parallelen zwischen Dudo und Widukind erklärungsbedürftig, die lediglich auf ähnliche
gesellschaftliche Bedingungen rückführbar scheinen. Daß Dudo und Widukind ihre
Vorläufer kannten, läßt sich allenfalls vermuten. Problematisch sind Gallus und Cos-
mas, für die man eine Kenntnis der anderen Origo-Autoren direkt ebenfalls nicht nach-
374 Elemente der Origo-Erzählungen und Entwicklungslinien des Genres
weisen kann. Dennoch haben wir sie in eine Entwicklungslinie der identitäts- und legiti-
mitätsstiftenden Geschichtsschreibung über den Ursprung gestellt. Diese Erzählungen
haben sich verändert und gesellschaftlichen Gegebenheiten angepaßt. Entwicklungsli-
nien sind zu konstatieren, ohne daß dafür die Annahme einer Reflexion der Autoren auf
eine solche Tradition vonnöten wäre. Sie müssen sich noch nicht einmal bewusst gewe-
sen sein, daß andere Autoren vor ihnen solche Versuche schon praktiziert hatten. Die
herausgearbeiteten Entwicklungslinien ergeben sich zum großen Teil daraus, daß die
Autoren alle vor dem gleichen Problem standen, nämlich wie man eine Erzählung über
den Ursprung zur Identitäts- und Legitimitätsstiftung nutzt. Dafür boten sich bestimmte
Schemata an, die immer wieder genutzt wurden. Ob der einzelne Autor diese Muster
schon aus einer anderen Quelle kannte und erneut nutzte, oder ob er sie neu „erfand"
oder ob sie gar nur Reflex seiner eigenen Gesellschaft und deren mündlicher und
schriftlicher Tradition waren, ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung, denn
er entschied sich jedenfalls, ein bestimmtes Schema zu nutzen, etwa das des primor-
dialen Verbrechens, und nicht etwa ein anderes.
Die Autoren mögen ihre Werke selbst nicht als Glied der Gattung „Origo gentis" de-
finiert haben, aber die Zuschreibung von außen als Origo-Erzählung ist damit nicht von
vorneherein unberechtigt. Im Hinblick auf unsere zu Beginn vorgegebene Zweckaus-
richtung von Herkunftserzählungen auf Identitätsstiftung und Legitimierung, also von
Geschichtswerken, die mit Hilfe der Beschreibung der Herkunft und der Beschreibung
der weiteren darauf folgenden Ereignisse, die in derselben Tradition stehen, für die Ge-
genwart eine Identität der eigenen gens stiften und die bestehende Ordnung legitimie-
ren, unterscheiden sich die untersuchten Autoren fundamental von anderen Geschichts-
werken, etwa von Weltchroniken, die die Betonung nicht auf die eigene Identität legen,
oder von Chroniken, in denen Identität und Wir-Gefühl nur oberflächlich sozusagen als
Nebeneffekt aufscheinen. Dennoch stehen einer Zuordnung der Erzählungen zu einer
Gattung zwei Tatsachen entgegen. Die allen gemeinsamen Topoi wie z.B. die Tapfer-
keit der eigenen gens sind auch über Herkunftserzählungen hinaus weit verbreitet und
-
ihre Verwendung kann daher eine Zuordnung zu einer Gattung nicht allein plausibel
-
machen. Zum anderen sind die nicht topoihaltigen Methoden der Identitäts- und Legiti-
mitätsstiftung bei den einzelnen Autoren derart unterschiedlich, daß sich aus ihnen
ebenfalls keine Gemeinsamkeit konstruieren läßt. Die eingangs erwähnte Intention der
Autoren, ihre Gesellschaft zu „konstruieren", läßt sich ebenfalls kaum auf das Genre be-
schränken. Allenfalls ließe sich die Konstruktion der gens in einer gegebenen Ordnung
durch die Verwendung von Herkunftserzählungen als Gemeinsamkeit der Autoren kon-
statieren. Die Art und Weise wie die Herkunftserzählung eingesetzt wird, ist bei den
einzelnen Autoren aber dermaßen unterschiedlich, daß eine Reduktion auf den Her-
kunftsteil allein, auf die Origo gentis, und ihre Kategorisierung als Gattung den Blick
auf wichtige Beobachtungen verstellt. So erschließt sich Bedas Zukunftsausrichtang aus
seiner Erzählung über Gregor und die Angeln auf dem römischen Sklavenmarkt und
nicht aus dem Bericht über die Herkunft der Angeln, Sachsen und Juten. Dennoch ist
ein Vergleich, wie Autoren die Herkunftserzählung zur Identitätsstiftung und Legitimie-
rung nutzen, möglich und hat einige Erkenntnisse über die Wechselwirkung von gesell-
schaftlichen Gegebenheiten und Stabilisierung der Gesellschaft durch Identitätsstiftung
Entwicklung der Origo gentis im Erzählzusammenhang 375
Erklärungsbedürftig ist im Zusammenhang mit der Entwicklung der Origines das Phä-
nomen, daß für die Zeit von etwa 727, als der Liber historiae Francorum verfaßt wurde,
bis zu den Werken von Dudo und Widukind im Frankenreich keine Geschichtswerke
entstanden, die sich unserer anfangs angesprochenen Funktion einer Konstruktion der
gens zuordnen ließen. Dies ist erstaunlich, weil man in einer Legitimationskrise wie
dem Dynastiewechsel von 751 eine verstärkte Aktivität in dieser Hinsicht erwarten
sollte. Warum hat es unter den Karolingern keine Franken-Origo gegeben? Daß wir
nach der Lücke mit Dudo und Widukind zwei Autoren haben, die sich auf Teilregionen
des Frankenreiches konzentrieren, ist nicht verwunderlich, denn diese mußten nach dem
Zerfall des Frankenreiches ein erhöhtes Bedürfnis nach Legitimierung und Identität ha-
ben. Bezeichnenderweise sind es mit den Normannen und den Sachsen gerade die
gentes, die relativ neu im fränkischen Herrschaftsverband waren. Erstaunlich ist die
Tatsache, daß in der Karolingerzeit zumindest soweit es uns die Überlieferung sagen
läßt kein Versuch gemacht wurde, Identität und Legitimität mit Hilfe einer Origo zu
-
stiften. Daß es in der Karolingerzeit Versuche gegeben hat, die Könige zu legitimie-
-
ren,27 wird niemand ernsthaft bestreiten wollen, nur fanden diese Legitimierungsver-
suche keinen Ausfluß in einer Origo-Erzählung. Karolingische Legitimationsversuche
konzentrierten sich auf die Idoneität der karolingischen Könige resp. auf die Eignung
der karolingischen Familie an sich. Dies sind zwei Pfeiler der Legitimitätsstiftung, die
man in den untersuchten Werken findet. Die karolingische Elite ging die Legitimierung
anders an: Die Idoneität des Herrschers resp. des Herrschergeschlechtes wurde in der
Geschichtsschreibung der Zeit verankert, aber nicht in einer Origo. Aus diesem Grund
haben wir vielleicht zu dieser Zeit ein deutliches Anwachsen des Interesses an Welt-
chroniken, die den Horizont der Kommunität hinter sich lassen.28 Die Stellung der frän-
kischen Könige nach Karl dem Großen als imperatores Romanorum mag ohnehin die
Tendenzen zur gentilen Ausrichtung gebremst haben. Die Legitimität der karolin-
gischen Familie wurde allenfalls in Genealogien, die sie mit den Merowingem verband,
forciert. Ein gesteigertes Bewußtsein der fränkischen Identität läßt sich in der Karolin-
gerzeit nicht festmachen, auch dann nicht, als Karl der Große das Frankenreich be-
27
Vgl. dazu etwa Ullmann, Carolingian Renaissance, vor allem Lecture III. Ecclesiology and
28
Carolingian Rulership, S. 43-70.
Vgl. dazu etwa Goetz, Gegenwart der Vergangenheit, und ders., Vergangenheitswahrnehmung.
Zur reichen historischen Überlieferung der Karolingerzeit vgl. auch allgemein McKitterjck,
History and Memory, die allerdings, S. 9-22, den Liber historiae Francorum der karolingischen
Geschichtsschreibung zurechnet.
376 Elemente der Origo-Erzählungen und Entwicklungslinien des Genres
trächtlich erweitert hatte. In diesem Moment haben nur die Langobarden mit Paulus
Diaconus den Versuch aufzuweisen, mit dieser neuen Situation fertig zu werden. Für
die Franken selbst scheint nicht das Bedürfnis nach Identitätsstiftung in einer Origo be-
standen zu haben. Merkwürdigerweise ist auch im Moment der Aufteilung des Franken-
reiches in Ost- und Westfrankenreich ein solches Bedürfnis nicht entstanden, was damit
zusammenhängen mag, daß man im 9. Jahrhundert noch nicht das Gefühl einer wirk-
lichen Trennung der Reiche hatte.29 Allerhöchstens im Mittelreich lassen sich Ansätze
einer Bemühung um eigenständige Identität erkennen.30 Bezeichnenderweise wird die-
sem Manko zuerst im ostfränkischen Reich mit Widukind abgeholfen, der aber auch
nicht für alle dortigen gentes schreibt. Das Westfrankenreich zieht mit einer eigenen
Identitätsstiftung sehr viel später nach.31
Dies mag man auf verschiedene Art und Weise erklären: Die Identitätsstiftung für die
Franken war schon geleistet worden, und Gregor von Tours, Fredegar und der Liber hi-
storiae Francorum wurden munter kopiert und in der handschriftlichen Überlieferung
zumindest den eigenen Geschichtswerken wie Einhard oder den Leben Ludwigs des
Frommen vorgeschaltet.32 Aus dem Grund ist es durchaus möglich, daß es kein Bedürf-
nis gab, mit der vorhandenen Tradition zu brechen, sondern höchstens sie zu modifizie-
ren. Die positive Einschätzung der Hausmeier in Fredegar und im Liber historiae Fran-
corum konnte den Karolingern schließlich nur zupass kommen. Da die Identität schon
bestand, war kein Bedürfnis nach einer völlig neuen Definition der gens vorhanden.
Vielleicht sollte eher die Tatsache hervorgehoben werden, daß die Herrschafts-übernah-
me der Karolinger kein Bruch mit der gentilen fränkischen Tradition war, sondern nur
ein Herrscherwechsel, der neue Legitimationsstiftung wie etwa die Salbung nötig
machte, aber keine neue Identität. Anläßlich des zentralen Ereignisses der Herrschaftsü-
bernahme durch die Karolinger wird eben bezeichnenderweise deutlich auf die mos
Francorum und damit auf die Tradition verwiesen.33
Man kann aber auch nicht von der Hand weisen, daß sich die Karolinger nicht wie
ihre Vorgänger auf eine mystische Herkunft berufen wollten, sondern sich allein aus der
Kraft ihrer Idoneität legitimierten und dies in der weisen Einsicht, daß eine konkurrie-
rende Erzählung zur Origo der Merowinger vielleicht eher lächerlich gewirkt hätte, als
ihren Zweck zu erfüllen, absichtlich taten.
Auffällig ist jedenfalls, daß erst mit der Etablierung der Teilreiche und dem Auftau-
chen neuer Dynastien die Herkunftserzählungen wieder modem wurden, im Ostfranken-
reich früher als im Westfrankenreich. Dort liegt uns mit Dudo die Geschichte einer
kleineren Einheit vor, aber um 1000 mit Aimoin von Fleury ein Geschichtsschreiber,
29
Aus der vielfaltigen Literatur sei hier nur auf Brühl, Deutschland-Frankreich, verwiesen.
30
31
Vgl. dazu allgemein Bauer, Lotharingien.
Vgl. zur Entwicklung des französischen Nationalbewußtseins Beumann (Hrsg.), Bildung der
französischen Nation; Schneidmüller, Nomen patriae, und ders., Nomen gentis.
32
Vgl. Reimitz, Karolingisches Geschichtsbuch; ders., Weg zum Königtum, und demnächst
ausführlich ders., Historiographie und Identität in den fränkischen Regna (6.-9. Jhdt.).
33
Annales regni Francorum, ed. Kurze, ad. a. 750, S. 8, und Annales qui dicuntur Einhardi, ed.
Kurze, ad. a. 750, S. 11. Zur Aussage der mos Francorum vgl. auch Hack, Königssalbung, S. 177-
182, der auf die legitimitätsstiftende Funktion der Aussage aber nicht eingeht.
Entwicklung der Origo gentis im Erzählzusammenhang 377
der das Westfrankenreich wieder an die fränkische Geschichte anknüpft. In der späteren
Tradition, an deren Anfang Aimoin steht, erhob dieser Reichsteil allein Anspruch auf
die fränkische Frühgeschichte und Troja und vereinnahmte die fränkische Geschichte
als „Nationalgeschichte" Frankreichs.34 Im Ostfrankenreich war Widukinds Identitäts-
stiftung nur deshalb nicht von Dauer, weil die Herrschaft nicht in Sachsen blieb. Bis
sich dann tatsächlich ein „deutsches" Identitätsgefühl entwickelte, sollte es noch eine
Weile dauern.35
G. Ausblick
Im Hochmittelalter ändert sich die Methode bei der Konstruktion von gentes oder dann
auch nationes. Die Identitätsstiftung und Legitimierung erfolgt nicht mehr unter Fokus-
sierung auf Herkunftserzählungen, die den Takt für die Beschreibung weiterer Ereig-
nisse vorgeben. Insofern ist es berechtigt, am Übergang zur Nationalgeschichtsschrei-
bung den Schlußpunkt unserer Überlegungen zu setzen. Allerdings hat allgemeine Ge-
schichtsschreibung nach wie vor den Zweck, Gesellschaft zu konstruieren. Bernd
Schneidmüller hat etwa die Entwicklung des französischen Nationalgefühls an Ge-
schichtsschreibung festgemacht, aber die „Franzosen" übernahmen die fränkischen Ori-
gines und entwarfen kein neues Konstrukt.36
In anderen Gattungen der Geschichtsschreibung werden Methoden der Identitätsstif-
tung und Legitimierung, wie wir sie an unseren Autoren beobachten konnten, übernom-
men. Die Funktionen unterscheiden sich aber. Auffällig häufig greifen etwa die Famili-
engeschichten des Hoch- und Spätmittelalters zur Identitätsstiftung auf frühmittelalter-
liche Origo-Muster zurück, so etwa die Habsburger auf Faramund, die Weifen auf die
trojanische Herkunft der Franken, die Herren von Ardres auf die Herkunft aus Skandi-
navien.37 Die Origo wurde von der dynastischen Geschichtsschreibung als Muster ver-
einnahmt. Deren Funktion verengt sich allerdings allein auf die Legitimierung und Iden-
titätsstiftung ácr familia, auf die Konstruktion eines Adelsgeschlechts.38 Die gens spielt
in ihr keine Rolle mehr, wie in Ansätzen noch bei Gallus und Cosmas, die man als
Übergang zur dynastischen Geschichtsschreibung begreifen kann. Die von den unter-
Zu der Bedeutung Aimoins von Fleury am Anfangspunkt der Entstehung der französischen Nation
vgl. Werner, Entstehung, S. 17, und Schneidmüller, Konstanz und Wandel, S. 67; allgemein zu
Aimoin: Werner, Aimon von Fleury.
Vgl. dazu Ehlers (Hrsg.), Ansätze und Diskontinuität.
Schneidmüller, Nomen Patriae; ders., Constructing the Past, und ders., Ordnung der Anfange.
Vgl. Crónica Habsburgensis nuper rigmatice edita, ed. Albert, Habsburgische Chronik, Vers 45,
S. 214; Historia Welforum, ed. König, cap. 1, S. 2f.; Lambert von Ardres, ed. Heller, cap. 7 und 8,
S. 566f; Zur Abstammung der Habsburger von den Merowingern vgl. Althoff, Studien zur
habsburgischen Merowingersage, vor allem S. 75-90.
Zu den Familiengeschichten und der Entstehung von Adelsgeschlechtern einschlägig Schmid,
Geblüt, Herrschaft, Geschlechterbewußtsein; Dunbabin, Discovering a Past, und Bouchard, Those
of my Blood.
378 Elemente der Origo-Erzählungen und Entwicklungslinien des Genres
suchten Autoren herausgearbeitete Legitimierung der Herrschaft durch die Römer sollte
ebenfalls zahlreiche Nachfolger finden, allerdings auf kommunaler Ebene: Stadtge-
schichten beriefen sich im Spätmittelalter gerne auf eine zum Teil erfundene römische
Gründung.39 Die Verortung von Kommunitäten in der Geschichte hört also nicht an dem
Punkt auf, den wir als Schlußpunkt unserer Arbeit gesetzt haben, sondern zieht sich mit
spezifisch heilsgeschichtlicher Perspektive durch das ganze Mittelalter hindurch. Die
Identitätsstiftung und Legitimierung der gentes hingegen kommt im Hochmittelalter zu
einem Ende und wird zuerst im Westen Europas dann aber auch an den Rändern der
christlichen Welt von der beginnenden Nationalgeschichtsschreibung abgelöst, die ähn-
liche Funktionen, aber andere Methoden aufzuweisen hat als die von uns untersuchten
Autoren. An der Peripherie Europas wie im Dänemark oder Ungarn des 12. Jahrhun-
derts hat es weitere Geschichtswerke gegeben, die im Prinzip noch dieselbe Methodik
verwendeten es sei auf Saxo Grammaticus und die Gesta Ungarorum verwiesen. Daß
der Focus sich von der Konstruktion der gens in einem regnum zur Konstruktion ande-
-
rer Kommunitäten wie Adelsgeschlechtern, Städten oder anderen verschob, ist ein lang-
wieriger Prozeß, dessen Ausleuchtang wir uns nicht mehr zur Aufgabe gestellt haben.
Die Origines beantworten die Frage nach dem „Woher kommen wir?". Damit erfül-
len sie ein Grundbedürfhis des Menschen. Der Zweck der Origines erschöpft sich aber
nicht darin, nur eine Antwort auf die Frage nach der Herkunft zu erhalten. Vielmehr
steckt noch die Intention dahinter, für die Gegenwart und die Zukunft identitätsstiftend
zu wirken und die bestehende Ordnung zu legitimieren und zu festigen. Dies entspricht
einem Grundbedürfnis des Menschen, der sich so mit der Herkunft selber verorten kann
und sich als Mitglied einer Gemeinschaft fühlen kann, die in den allermeisten Fällen
eine positive Identifizierungsmöglichkeit bietet. So gesehen haben die Autoren der hier
untersuchten Origines eine gesellschaftliche Aufgabe erfüllt oder versucht, ihre eigene
Kommunität mit Hilfe der Geschichtsschreibung auf die Erfüllung bestimmter mora-
lischer Aufgaben vorzubereiten. Alle hier untersuchten Origines wurden zumindest in
dem Versuch geschrieben, auf die Gesellschaft einzuwirken und das Wir-Gefühl nicht
nur widerzuspiegeln, sondern auch zu beeinflussen. Die Weisheit „Sag' mir, woher Du
kommst, und ich sage Dir, wer Du bist," galt auch im Mittelalter.
Vgl. dazu A. Wendehorst, Stadtchronik II. Süddeutscher Raum, in: LexMa 8, Sp. 15f.
VIII. Abkürzungsverzeichnis
Capit Capitularía
=
DD Diplomata
=
ries
SS rer Lang Scriptores rerum Langobardicarum
=
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Ortsregister
Anonyme Quellen sind im folgenden unter 57, 58, 71ff., 81,99, 113
dem Titel aufgenommen. Aethelburh, Königin von Northumbria,
Tochter Aethelberts von Kent 74, 77
Aaron, Bruder des Moses 95, 208 Aethelfrith, König von Northumbria f 616
Acca, Bischof von Hexham, Freund 68, 74, 77
Bedas f 742 69, 75 Aetherius, Bischof von Lisieux 142
Adalbert, Heiliger f 997 294, 300, 304, Aetius, Flavius, magister utriusque
312, 314, 329, 332, 335, 339-342, 356 militiae f454 44f., 63, 124, 153
Adalbert, Babenberger 283 Agelmund, König der Langobarden, Sohn
Adaloald, König der Langobarden Agios 215
fnach 626 170, 218, 238 Agerich, Bischof von Verdun f 591 143
Adam 111,114,213 Agilulf, König Langobarden f
der 616
Adelchis, Sohn des Desiderius 239 170, 195, 198, 203, 205f, 217ff., 222,
Adelheid, Tochter des Andreas von 229,232f,236, 238
Ungarn, Gemahlin Vratislavs von Agio, König der Langobarden
Böhmen 11062 349 204,208,210,215,218,228
Adelperga, Herzogin von Benevent 194 Ago, Herzog vom Friaul 232
Adrian, Abt, Missionar in England 234 Aidan, Bischof von Lindisfarne f 652
Aeddi Stephanus, angeblicher Autor der 71,76
Vita Wilfridi fnach 710 59 Aimoin von Fleury, Geschichtsschreiber
Aega, Hausmeier von Neustrien 165 fl008 376f.
Aegidius, Heiliger 293, 305 Aio, Sohn Arichis' von Benevent
Aegidius, Bischof von Reims f 590 144 195, 200, 23Iff.
Aegidius, röm. Kommandeur in Gallien Aistalf, König der Langobarden f 756
f464 45, 128, 130, 158f.,180ff. 198f.
Aegilbert, Bischof von Wessex Alahis, Herzog von Trient, dann König
fvor 690 79 der Langobarden f 680
Aelle, König von Deira f 588 70 198f, 202, 222ff., 229, 240f.
Aelle, König von Sussex f 5. Jhd. 72 Alanus, Herzog der Bretagne 262
Aeneas, sagenhafter Gründer Roms Alarich IL, König der Westgoten f 507
86, 88, 90, 92f., 151, 176, 181, 248, 251, 135, 159f.
324 Alban, Märtyrer fum 250 43f., 48, 63
Aethelbert, König von Kent f616/618 Albanactos, sagenhafter Ahnherr der
Personenregister 445
Hermann, Bischof von Prag "fl 122 Isacius, Exarch von Ravenna f643 200
337f., 340, 342, 345, 353 Isidor, Bischor von Sevilla f636
Herminafried s. Irminfried 30, 54, 94, 150, 176, 207ff., 272, 275,
Herminaz, sagenhafter Ahnherr der 364
Germanen 89 Ismael, Sohn Abrahams 306
Hermio, sagenhafter Ahnherr in der Istwi, sagenhafter Ahnherr der Germanen
Völkertafel 89 89
Hessitio, sagenhafter Ahnherr in der Jakob Mennel, Geschichtsschreiber 178
Völkertafel 89,92f Japhet, Sohn Noahs 89-92, 153, 186
Hieronymus, Kirchenlehrer f419/20 Jaromir, Bischor von Prag, Gebhard
=
Ludwig I. der Fromme, Kaiser f840 376 Merowech, König der Franken f457/58
Ludwig TV. der Überseeische, König des 157f., 17ir, 180
Westfrankenreiches t954 Method, Heiliger 329
255, 258-263, 268 Mezentius, byz. Kaiser, Usurpator
Lupus, Herzog vom Friaul 229, 23lf., 236 195, 200
Lutold, Fürst von Znaim, Sohn Konrads Michael, Erzengel 224
von Mähren 11112 336 Michael, Bischor von Regensburg |972
Maelgwn, König von Gwynedd |547 330, 349
37, 39, 49, 104ff. Mieszko I., Fürst von Polen f992
Magnus, Herzog von Breslau 306, 311 294,299,310,313,317,347
Marcellinus Comes, Geschichtsschreiber Mieszko II., Herzog von Polen fl034
63 294, 304,313L
Marcomer, fränkischer Anführer Mieszko, Halbbruder Boleslaws I. 299
125,130, 155, 178 Mieszko, Sohn Boleslaws II. fl089
Marcus, Propst in Prag 350 310,316
Maria Miada, Äbtissin von St. Georg in Mil, sagenhafter Besiedler Irlands 93ff.
Prag 330 Mimulf, langobardischer Herzog 229
Marianus, Erzbischof von Ravenna Minotaurus, sagenhafter Stiermensch 157
195,234 Miriam, Schwester des Moses 208
Martin, Erzbischof von Gnesen f 1118 Moses, bibl. Gestalt 208, 212
293,308 Mummulus, Patricius, Franke 238
Martin, Bischof von Tours f397 Munderich, Prätendent im Frankenreich
120, 122f., 134£, 139f, 142, 144, 146, 137
161, 185, 189 Munichis, Vater des Petrus vom Friaul
Martin, Abt von Jumièges 259 und des Ursus von Ceneta 232
Martin, austrasischer Adliger 184 Mztis, böhmischer Grar 334
Mathilde, Königin des Ostfrankenreiches, Narses, Feldherr Kaiser Justinians I. f574
Gemahlin Heinrichs I. f968 282, 286 168f,205,207,211f,214,230
Mathilde, Äbtissin von Quedlinburg, Neclan, Herzog von Böhmen, sagenhafter
Tochter Ottos I. f999 265ff. Vorfahr der Premysliden 3329
Mathilde, Schwester Ottos III., Gemahlin Negue, sagenhafter Ahnherr in der
des Pfttlzgrafen Ezzo f 1025 317 Völkertafel 89
Matthias von Neuenburg, Nel, Edler aus Scythia, sagenhafter
Geschichtsschreiber f 13 64 3 64 Ahnherr der Schotten 95
Maurikios, byz. Kaiser f602 194,200 Nennius, angebl. Schreiber der Historia
Maurisius, langobardischer Herzog Brittonum |um 830 85, 89
195,233 Neptun, röm. Gottheit 156f
Maurus, Bischor von Krakau f 1118 293 Nestorchronik, 12. Jhd. 32
Maximilian I., röm.-dt. Kaiser f 1519 178 Ninian, Heiliger 62
Maximus Magnus, Usurpator |388 Noah, bibl. Stammvater
44, 47, 63, 95f 50,66,89, 111, 114
Merfyn Frych, König von Powys 103 Normannischer Anonymus "fum 1100 296
Merkur, röm. Gottheit 209 Notker, Bischor von Lüttich f 1008 350
Merlin, sagenhafter Zauberer 100,106 Odilo, Grar von Rouen 246
454 Personenregister
Odoaker, skyth. Heerführer f493 Peada, König von Mercia f 656 76
130,207, 272 Pelagius II., Papst f 590 195,234
Olimpius, Exarch von Ravenna f 652 201 Pemmo, Herzog vom Friaul 230ff., 237
Origo gentis Langobardorum Penda, König von Mercia f 655 76
16,21,27,29, 193,204-209,211,214 der
Perctarit, König Langobarden f 688
Orosius, Geschichtsschreiber fnach 415 197, 203, 206, 220, 222f, 225, 232, 236f.
41,46,59,63 Peter Orseolo, König von Ungarn
Osmund, Gefolgsmann Richards I. von f 1046/47 316,349,353
der Normandie 263 Petronax, Abt von Montecassino f 749/50
Osric, König von Deira f 634 71 196,234
Oswald, König von Northumbria f 642 Petrus, Apostel 78ff., 232
57, 69-72, 74ff., 113 Petrus, Patriarch von Aquileia 195
Oswiu, König von Northumbria f 670 Petrus, Herzog vom Friaul 232
71,73,76-81 Philipp, König der Makedonen f 336
Otto I. der Große, röm.-dt. Kaiser f 973 v.Chr. 151
255, 258ff., 265, 268, 272f., 278-288, Philippikos Bardanes, byz. Kaiser f713
290 195, 200, 234
Otto II., röm.-dt. Kaiser f 983 339, 350 Phokas, byz. Kaiser f 610 194, 200, 218
Otto III., röm.-dt. Kaiser f 1002 Piast, sagenhafter Herzog von Polen
295f, 300ff., 317, 320, 339, 350f. 297f., 308
Otto, Bischof von Regensburg f 1089 354 Pippin Ältere,
der Hausmeier f 639/40
Otto, Herzog von Sachsen, der Erlauchte 163ff.
f912 278,280, 282, 287 Pippin II. der Mittlere, Hausmeier f 714
Otto L, Fürst von Mähren, Bruder 167, 182ff.,201,212,225
Vratislavs f 1087 337, 340 Pippin III. der Jüngere, König der
Otto IL, Fürst von Mähren, Sohn Ottos Franken f768 179, 197, 226ff., 239, 351
von Mähren f 1126 336ff., 345, 352 Pippin, König von Italien, Sohn Karls des
Otto, Erzieher Sigiberts III. f642/43 165 Großen f 810 192
Owain Glyn Dwr, walisischer Plato, Philosoph f 347 v. Chr. 362
Aufständischer f 1416 100 Plato, Exarch von Ravenna, um 645 201
Partholon, sagenhafter Besiedler Irlands Plektrud, Gemahlin Pippins IL f 717 183
93 Polioctus, Märtyrer 142
Pascent, König von Builth, Sohn des Pompeius, Gnaeus P. Magnus f48 v. Chr.
Vortigern 104 151f., 155, 177
Patrick, Heiliger f 463/493 40, 86, 101 Popiel, sagenhafter Herzog von Polen
Paulinus, Bischof von York f 644 70, 74 297f.
Paulus, Apostel 40, 78 Poppa, Gemahlin des Rollo 255
Paulus, Patriarch von Aquileia 195, 206 Praetextatas, Bischof von Rouen f 586
Paulus, Bischof von Posen 294 141
Paulus Diaconus, Geschichtsschreiber Pfemysl, Herzog von Böhmen, sagen-
f799 hafter Ahnherr der Pfemysliden
16, 21, 27, 29-32, 162, 168, 191-242, 327ff., 333f.
360, 369, 37Iff., 376 Priamus, sagenhafter König von Troja
Paulus, Patricius von Ravenna f 726 235 126, 151, 153f., 156, 172, 176-179
Personenregister 455