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(Friedrich Schiller)
Impressum
DIE BRÜCKE. UKRAINISCH-ÖSTERREICHISCHES ZIRKUSBLATT NUMERO XL VON CLOWNS UND FÜR CLOWNS
Herausgegeben an der Universitas Nationalis Kioviensis Ševčenkiana, der Universitas Nationalis Leopoliensis nominis Ioannis Franko und
der Uni, wo der Fabio Sand arbeitet.
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Diese Zeitung entsteht als Gemeinschaftsprojekt von Studentinnen und Studenten der Nationalen Taras Shevchenko
Universität Kyiv (KNU), der Nationalen Ivan Franko Universität Lviv (LNU) und der Nationalen Technischen Universität
Kharkiv (NTU). Sie wird ehrenamtlich erstellt, erscheint zweimal im Jahr und ist kostenlos erhältlich.
Das Copyright aller in dieser Publikation veröffentlichten Texte und Bilder liegt bei den jeweilgen Urhebern.
Die Texte und Bilder dürfen nicht ohne vorherige Genehmigung durch die Rechteinhaber
weiterverwendet werden.
AUSTRIAKISCHES•RUTHENISCHES• KAKANISCHES
Artikel. Die österreichische Titelwirrnis • 35
Artikel. Lemberg spricht anders• 38
Portrait. Lise Meitner • 40
Test: Wie ukrainisch bist du? • 43
DIE BRÜCKE fragt: Wer ist dieser Glatzkopf? • 45
GEDICHTETES•GESCHRIEBENES•GESELCHTES
Poesie. Prof. Dowells Schildkröte präsentiert Gedichte • 65
Fortsetzungsgeschichte. Es war einmal in Wien (Teil 2) • 67
Es ist für gewöhnlich nicht unsere Art, Sinn und Unsinn unserer BRÜCKE-Ti-
telbilder zu erklären. Der hermeneutische Sinn will schließlich fortwäh-
rend geschärft und verfeinert werden. Dennoch will Zipo – das bin ich – in
dieser Jubiläumsausgabe Nr. 40 eine Ausnahme machen und Ihre Wahrnehmung,
liebe Leserinnen und Leser, ein wenig lenken, ihr ein wenig auf die Sprünge
helfen.
Beginnen wir mit einer Bildbeschreibung: Im Vordergrund des aktuellen
Titelblattes sehen wir zwei idente, wiewohl unterschiedlich große Abbil-
dungen eines geschminkten männlichen Antlitzes. Dieses gehört einem ge-
wissen Grock, alias Charles Adrien Wettach (1880-1959), einem in seiner
Zeit überaus berühmten Schweizer Clown. Nebenbei notiert: die Schweiz ist
im deutschsprachigen Raum die Brutstätte der Clownerie – der freiwilligen,
wohlgemerkt. Die beiden Grocks blicken hoffnungsvoll und leicht debil in eine
unbestimmte, sich über Augenhöhe befindliche Ferne. Im Hintergrund sehen wir
eine monochrome, surreal verfremdete Blumenwiese unter einer sepiafarbenen
Fläche, die man mit einigem Fug und etwas Phantasie als Himmel bezeichnen
könnte. Es mag sich freilich auch um die sepiafarbene Schürze meines Onkels
Herbert handeln, die dieser verspielt in den Bildkader baumeln lässt. Aber
das größere Ganze hat uns hier nicht zu interessieren! Wo kämen wir denn
da hin, wenn wir das Nicht-Abgebildete in die äußere Beschreibung des Ab-
gebildeten miteinbezögen? Zipo müsste die ganze Kunsthistoire auf den Kopf
stellen! Der sich schlängelnde Weg im linken Bildhintergrund der Mona Lisa
müsste in diesem Falle als das beschrieben werden, was er eigentlich ist,
nämlich die verlorengegangene Hundeleine eines gewissen Giovanni Battista
Piccinini… und seines vierbeinigen Freundes Sparky!
Wie ließe sich dieses Titelbild nun interpretieren? Gewiss auf mannigfal-
tige Weise, wenn in diesem Editorial nur mehr Zeilen zur Verfügung stünden!
So bleibt Zipo nichts anderes übrig, als eine Myriade hermeneutischer Zwi-
schenschritte auszulassen und das platzsparende Fazit zu ziehen: Mit 14%
Covid-19-Geimpften schreitet die Ukraine in eine hoffnungsvolle Zukunft!
Alles klar?
Ein paar Themen der aktuellen Ausgabe: Ein Runder Tisch zum Thema „Haus-
aufgaben“, ein Artikel über die Poetry-Slam-Szene in Kharkiv, ein Bericht
über den Alltag einer ukrainischen Hausärztin, Interviews mit Hilla Kainz-
bauer und Dominik Eisenmann, und – erstmals in der BRÜCKE – Jazz-Tipps von
Diadko Jazz.
Viel Konzentrationsfähigkeit bei der Lektüre unserer zauberhaft zotigen
Zirkuszeitung!
VERGISS ES!
Runder Tisch. In der letzten BRÜCKE-Ausgabe trat ein gewisser Lehrer Lämpel mit der Bitte an uns
heran, wir möchten doch die Möglichkeit in Betracht ziehen, uns einmal ausgiebig dem Thema „Hausauf-
gaben“ zu widmen: Was ist deren Sinn und Zweck? Was denkt sich eine Lehrkraft bei ihren Arbeitsauf-
trägen? Und was empfinden Studierende bei deren Erledigung? Um diese und andere Fragen zum Thema
zu klären, haben wir Lehrende und Studierende von KNU und LNU zu einem Gespräch gebeten.
FLORIAN RINESCH (DIE BRÜCKE): Herzlichen Lernprozesses sollen also wie bei Zahnrädern inein-
Dank, dass Sie unserer Einladung gefolgt sind. Te- andergreifen.
tiana und ich möchten kurz erklären, weshalb wir ALINA FEOKTISTOVA: Genau. Ich habe mir heute
das Thema „Hausaufgaben“ für diesen Runden Morgen noch ein paar Gedanken zu unserem Thema
Tisch gewählt haben. gemacht, genauer gesagt, zum Zeitaufwand, den eine
LEHRER LÄMPEL: Wegen mir! Hausaufgabe beanspruchen darf. In unseren Lehr-
FLORIAN RINESCH: Schluss mit dem Unfug! Setz plänen steht, dass auf eine Stunde Präsenzunterricht,
dich unter den Tisch und iss deine gebratenen Nie- zwei Stunden selbstständige häusliche Beschäftigung
ren! folgen müssen.1 Bei drei Doppelstunden am Tag,
TETIANA SUPRUN (DIE BRÜCKE): Seit Beginn käme man auf eine tägliche Arbeitsbelastung von
der Pandemie haben unsere Redaktion immer wie- 13.5 [sic] Stunden, die mit Unterricht und Hausauf-
der Beschwerden von Studierenden erreicht, die gaben zuzubringen sind. Ich halte das für unrealis-
Menge der Hausaufgaben sei zu groß. Besonders tisch! Man muss ja auch noch irgendwann essen und
im Frühjahr 2020 sei dem so gewesen. Gleichzeitig schlafen. Außerdem belästigen wir unsere Studenten
wissen wir aus den Lehrstuhlsitzungen, dass man- immer damit, dass sie auch etwas für ihre persönli-
che Lehrerinnen mit den häuslichen Leistungen ei- che Entwicklung tun sollten – da bleibt nicht viel Zeit
niger Studierender unzufrieden sind. übrig.
OLHA KUCHMA: Und was ist das Ziel unseres FLORIAN RINESCH: Liebe Studierende, 13.5 [sic]
Gespräches? Stunden tägliche Arbeitszeit, davon neun Stunden
FLORIAN RINESCH: Wir wollten den Studieren- für die Hausaufgaben – ist das realistisch?
den und Lehrenden eine Plattform bieten, um sich ALINA BOIEVA: Ich persönlich brauche nicht so
etwas tiefergehend mit dem Thema „Hausaufga- viel Zeit für meine Hausaufgaben, aber ich erledige
ben“ auseinanderzusetzen und dabei auch mal die sie fast alle.
Perspektive zu wechseln. Den Begriff fassen wir GABRIELA DANKO: Bei mir ist es ähnlich. Ich glau-
notgedrungen sehr weit, da Hausaufgaben in den be, die Lehrer wissen, dass diese Vorgabe unrealis-
betroffenen Abteilungen von KNU und LNU in tisch ist. Dennoch: In der Schule hat man uns immer
ganz unterschiedlichen Fächern (DaF, Übersetzen, gesagt, dass das Wochenende der Entspannung die-
Dolmetschen, etc.) vergeben werden. nen sollte. In der Realität war man aber immer mit
TETIANA SUPRUN: Vielleicht beginnen wir unser Hausaufgaben beschäftigt. An der Universität ist es
Gespräch mit einer Klärungsfrage: Was verstehen auch so. Berufstätige haben am Wochenende frei,
wir eigentlich unter einer gut gestellten Hausauf- aber Studierende arbeiten die ganze Woche.
gabe? DARYNA BORYNSKA: Das hängt auch von jedem
ALINA FEOKTISTOVA: Es geht darum, dass die Einzelnen ab. Der eine benötigt zwei Stunden für
einzelnen Elemente des Lernprozesses miteinander
1 Tatsächlich ist das Verhältnis von Präsenzunterricht und Heim-
verbunden werden. Man nennt das „Verzahnung“. arbeit für die meisten Lehrveranstaltungen mit 1:1 und nicht mit
Der Lernprozess geht ununterbrochen vonstatten 1:2 veranschlagt, und zwar sowohl im BA- als auch im MA-Studium.
und die Hausaufgabe ist ein Teil dieses Prozesses. Die bürokratisch festgesetzte Arbeitsbelastung der Studierenden
ist also etwas niedriger zu beziffern als im Gespräch angegeben.
Sie sollte qualitativ auf dem gleichen Niveau ste-
Ambitioniert ist sie jedoch allemal: Die Zeit, die für Hausaufgaben
hen, wie der Unterricht selbst. vorgesehen ist, liegt nie unter 4.5 Stunden pro Tag und nicht selten
FLORIAN RINESCH: Die einzelnen Elemente des deutlich darüber. Anm. d. Red.
7
eine Aufgabe, der andere vielleicht nur eine Stunde. enormen Druck, gerade die Perfektionisten. Ich habe
Hinzu kommt, dass in einer Studierendengruppe oft aus diesem Grund begonnen, weniger Hausauf-
Leute mit sehr unterschiedlichen Vorkenntnissen gaben zu geben. Ich finde es allerdings ungerecht,
sitzen. Manche haben Deutsch in der Schule gelernt, wenn Studierende in Fächern, die nicht zu ihrem
andere haben erst an der Universität damit begon- Kernstudium gehören, mehr Hausaufgaben erledi-
nen – wie meine Freundin zum Beispiel. Sie sitzt gen müssen als in ihrem eigentlichen Fachgebiet.3
oft den ganzen Tag an ihren Hausaufgaben. Das ist DARYNA BORYNSKA: Ich stimme Ihnen zu. Im
Wahnsinn! ersten Semester bekommt man immer gesagt, man
FLORIAN RINESCH: Ich würde gerne nochmal auf müsse lernen, wie man lernt. Tatsächlich muss man
unsere Ausgangsfrage zurückkommen: Was ist eine oft Prioritäten setzten. Die Menge der Hausaufgaben
gut gestellte Hausaufgabe, bzw. wie definieren wir ist so groß, dass man oft nicht alles erledigen kann.
eine gut gemachte Hausaufgabe. Alina Feoktistova Da muss man dann überlegen, was brauche ich un-
hat vorhin den Begriff der „Verzahnung“ ins Spiel bedingt, und was ist vielleicht weniger wichtig.
gebracht… FLORIAN RINESCH: Haben Sie das Gefühl, dass
OLHA KUCHMA: Ich glaube, eine Hausaufgabe ist den Lehrenden bewusst ist, wie viel Zeit die Studie-
dann gut gestellt, wenn die Studierenden verstehen, renden für ihre Hausaufgaben verwenden? Werden
warum sie die Aufgabe machen müssen und auch wie Sinn und Zweck der Hausaufgaben ausreichend er-
sie diese machen müssen. Die Hausaufgabe sollte klärt? Ich richte diese Fragen an Sie alle.
weder überfordern noch unterfordern. Gut gemacht GABRIELA DANKO: Ich glaube, viele Lehrer ge-
ist eine Hausaufgabe, wenn der Student versteht, hen davon aus, dass die Studierenden schon selbst
was er gemacht hat und man im nächsten Unterricht begreifen, warum eine Aufgabe wichtig ist. Es ist für
auf dem Gelernten aufbauen kann. mich eine offene Frage, ob das immer der Fall ist.
TETIANA SUPRUN: Sie beziehen sich jetzt wohl Was das Zeitpensum angeht – das hängt vom Leh-
vor allem auf den Deutschunterricht? rer ab. Einige wissen, wie viel wir arbeiten, andere
OLHA KUCHMA: Ja. Ich habe übrigens den Ein- wissen es nicht; ich denke hier konkret an unseren
druck, dass die Studenten seit der Umstellung auf Unterricht in Literaturwissenschaft. Vielleicht liegt
das Bologna-System mehr arbeiten müssen als zu- es aber auch am Lehrplan.
vor. Ich kann mich an eine Gruppe erinnern – da hat- ALINA BOIEVA: Mir ist es mitunter passiert, dass
ten alle Studenten bereits am Ende des ersten Semes- ich eine Hausaufgabe machen musste, die hinterher
ters dunkle Ringe unter den Augen. Einige hatten oft nicht überprüft wurde. Auch kamen die Inhalte spä-
nur zwei Stunden in der Nacht geschlafen… ter in der Lehrveranstaltung nicht mehr vor. Mir war
Das Punktesystem2 setzt die Studenten unter einen nicht recht klar, weshalb mir die Hausaufgabe über-
2 In der Ukraine wurde das traditionelle, aus der Sowjetzeit her- haupt erteilt worden war.
rührende Notensystem (Sehr gut (5), Gut (4), usw.) vor einigen ALINA FEOKTISTOVA: Das ist es eben, was ich
Jahren durch ein Punktesystem ersetzt. Für jede Lehrveranstal-
tung ist ein Punktemaximum von 100 Punkten veranschlagt, wo- che setzen für jede Aufgabe genaue Punktezahlen fest, andere
bei sich die Gesampunktezahl aus der Addition der vergebenen vergeben die Punkte eher überschlagsmäßig, wieder andere ver-
Punkte für diverse Einzelaufgaben ergibt. Die Semesterprüfung suchen eine Art Mittelweg zu gehen. Anm. d. Red.
wird abhängig vom Lehrveranstaltungstyp mit max. 30 bzw. max. 3 Studierende der Germanistik müssen an ukrainischen Universi-
40 Punkten bewertet. Die übrigen 70 bzw. 60 Punkte werden von täten auch Lehrveranstaltungen aus anderen Fachbereichen ab-
der Lehrkraft nach eigenem Ermessen vergeben. Das System wird solvieren, z.B.: Physik, Biologie, Soziologie, Betriebswirtschaft, etc.
in der Praxis von den Lehrkräften unterschiedlich ausgelegt: man- Anm. d. Red.
8 kehren werden – Stichwort: „Lernendenautonomie“,
wie das so schön heißt… Ich möchte aber erst noch
AKTUELLES UND HINFÄLLIGES
Dominik Eisenmann
DIE BRÜCKE: Herr Eisenmann, im September alles, was Teil meiner Funktion ist, unmittelbar
2020 haben Sie die Leitung des OeAD-Koopera- ausführen konnte. Als Beispiel sei hier die Ab-
tionsbüros in Odesa übernommen – mitten in der haltung von Präsenzveranstaltungen erwähnt,
COVID-19-Pandemie. Da ist es naheliegend zu aber auch das Networking bei Events. Dafür wa-
fragen: Wie war der Start? ren alle PartnerInnen, ExpertInnen und Projekt-
DOMINIK EISENMANN: Der Start war na- teilnehmerInnen sehr geduldig und flexibel was
türlich sehr fordernd und von permanenter Änderungen betraf – wir steckten ja alle in einer
Unsicherheit geprägt. Niemand wusste, wann ähnlichen Situation.
sich die Situation wieder beruhigen würde. Es DIE BRÜCKE: Was waren die bisherigen
dauerte zum Beispiel auch, bis ich den Großteil Schwerpunkte Ihrer Arbeit in der Ukraine?
unserer PartnerInnen und ProjektteilnehmerIn- DOMINIK EISENMANN: Neben der regel-
nen kennenlernen konnte und ein Gefühl für den mäßigen Beobachtung von Veränderungen und
Job bekam. Die Pandemie hat, meiner Meinung Entwicklungen im Bereich der Bildungsreformen
nach, die Einstiegs- bzw. Einarbeitungsphase in haben wir drei große thematische Schwerpunk-
die neuen Aufgaben verzögert, sodass ich nicht te gesetzt: Einerseits unterstützen wir den Auf-
bau und die Weiterentwicklung der inklusiven die Bildungssysteme osteuropäischer Länder – in 15
Schulbildung in der Oblast Odesa. Das heißt, wir meinem Fall der Ukraine – besser kennenzuler-
organisieren Fort- und Weiterbildungen im Rah- nen. Der Wissenstransfer findet beidseitig statt,
tur hier klüger sein will als der Autor der SMS. fend für einige historische Bauten im Zentrum,
Unser Kooperationsbüro heißt offiziell auch Ko- die eine wunderschöne Substanz haben, aber lei-
operationsbüro Odessa und es scheint sich inter- der Gottes am Verfallen sind. Alles in allem, eine
national auch Odessa eingebürgert zu haben. sehr schöne Stadt in der es sich gut leben lässt.
In Wien könnte es durchaus sein, dass jemand DIE BRÜCKE: Wie lange planen Sie in der Uk-
denkt, ich könne kein Deutsch mehr, wenn ich raine zu bleiben?
Odesa schreiben würde. DOMINIK EISENMANN: Laut aktuellem Ver-
DIE BRÜCKE: Bleiben wir noch bei Odesa: Was trag kann ich bis zu fünf Jahre hier bleiben. Ein
sind Ihre Eindrücke von der Perle am Schwarzen Jahr ist bereits vorbei und teilweise der Pandemie
Meer? zum Opfer gefallen. Ich gehe also davon aus, dass
DOMINIK EISENMANN: Ich habe durchwegs ich noch länger in Odesa bleiben werde. Mir ge-
postive Eindrücke gesammelt. Es dauerte an- fallen meine aktuellen Aufgaben und vor allem,
fangs zwar, bis ich mit der Stadt „warm wurde”, dass ich im Bildungsbereich und gleichzeitig im
und der Winter in Odesa gefiel mir nicht so gut, Ausland arbeiten kann. Ich mag die Ukraine sehr
da alles trüb, feucht und dunkel war. Die Stra- und könnte mir dadurch auch vorstellen, nach
ßen waren auch recht leer. Aber von April an dem aktuellen Posten in Odesa noch im Land zu
ging es bergauf und ich empfand das Flair hier bleiben, aber dann eher in Kyiv. Diese Stadt faszi-
als ziemlich cool. Die Stadt an sich ist sehr schön, niert mich seit ich das erste Mal dort war.
das Zentrum nicht zu groß und übersichtlich. DIE BRÜCKE: Vielen Dank für das Interview. ■
Die Interview-Fragen wurden von der Redaktion der BRÜCKE kollektiv erarbeitet und von Tetiana Suprun, unserer
Frau in Havanna, per Google Docs übermittelt. Die Antworten von Herrn Eisenmann wurden von seiner Arbeitgeberin
gegendert und genehmigt, worüber wir sehr dankbar sind. Wenn Sie mehr über die Arbeit des OeAD-Kooperationsbürs
Odesa erfahren möchten, scannen Sie den QR-Code.
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FLORIAN RINESCH: Hilla, im Sommer endet deine enorm entwickelt und das Leben hier hat sich ganz
zweite Amtszeit als Lemberger OeAD-Lektorin. Wenn schön verändert. Die Stadt wächst unaufhörlich, es
du deinen bevorstehenden zweiten Abschied 2021 mit wird gebaut und renoviert, es kommen immer mehr
jenem von 2010 vergleichst – fühlt es sich heute anders Touristen, der Wohlstand wächst und die Menschen
an als damals? pflegen einen europäischeren Lebensstil. Ich habe des-
HILLA KAINZBAUER: Auf jeden Fall. Einmal ist halb weniger das Gefühl aus dem „Osten“ nach Hause
meine persönliche Situation eine andere. Ich habe zu kommen als einfach nur den Wohnort zu wechseln.
mittlerweile Familie und deshalb muss ich viel mehr FLORIAN RINESCH: Du erlaubst, dass ich nach-
planen. Meine erste Rückkehr nach Österreich war da- frage: Was verstehst du unter einem „europäischeren
gegen mehr eine Rückkehr ins Blaue hinein. Außer- Lebensstil“?
dem ist die Stadt, die ich jetzt verlasse, eine andere HILLA KAINZBAUER: Als ich 2005 das erste Mal
als damals. Gerade Lemberg hat sich mit den Jahren nach Lemberg gekommen bin, waren die Straßen
20 noch relativ leer. Heute gibt es im Stadtzentrum auf FLORIAN RINESCH: Wie hat sich deine Universi-
Schritt und Tritt Cafés gefüllt mit Menschen, Restau- tät, die LNU, in den letzten fünfzehn Jahren verän-
AKTUELLES UND HINFÄLLIGES
Ivan Vasyliovych Soiko unterrichte bei mir und bei meiner Frau deutsche Philologie. Er brachte
uns bei, die Sprache zu sprechen und sie zu lieben. Durch ihn habe ich eine einfache Wahrheit be-
griffen: Man kann in einem Beruf nur dann eine gewisse Höhe erreichen, wenn man ihn mit Liebe
angeht. Ivan Soiko hatte diese Liebe – zur Sprache, die er unterrichtete, und zu den Studenten, die
ihm anvertraut waren. Das erste, was mir einfällt, wenn ich an ihn denke, ist sein Lächeln. Wenn
er etwas erklärte, ob beruflich oder privat, dann lächelte er. Diese positive Einstellung dem Leben
und den Menschen gegenüber war sein Markenzeichen. Ganz gewiss gab es Situationen, in denen
er verärgert oder schlicht traurig war – aber so habe ich ihn in all den Jahren an der Universität
nicht erlebt, wie wahrscheinlich die meisten seiner Studenten nicht. Für uns war er immer ein
Lehrer im umfassendsten Sinne, also jemand, der stets liebevoll, aufmerksam und geduldig war.
Nach meiner Studienzeit hatte ich leider nicht viel Kontakt mit ihm. Es gab aber eine Situation, die
mir fest in Erinnerung geblieben ist: Es war Ende der Neunziger, fünf, sechs Jahre nach meinem
Abschluss. Ich war ein junger Diplomat in Bonn, damals Bundeshauptstadt der BRD. Ivan Vasy-
liovych dolmetsche simultan bei einer politischen Konferenz. Ich wohnte seinem Tun aufmerksam
bei und konnte nur staunen, wie leicht er diese Heidenarbeit erscheinen ließ. Dann bat ich ihn,
für eine halbe Stunde einspringen zu dürfen, um meine Fähigkeiten im Simultandolmetschen zu
erproben. Nach dieser halben Stunde war ich fix und fertig. Ivan Vasiliovych war die ganze Zeit
in der Nähe. Am Ende hatte er ein paar ermunternde Worte für mich parat und, natürlich, sein
zärtliches Lächeln. Wie er als Simultandolmetscher stundenlang ausharren konnte, ohne müde
zu werden und Fehler zu machen, ist mir jetzt noch unbegreiflich. Es war ein Segen für mich und
Yaroslava, Ivan Vasyliovych Soiko zu kennen und von ihm zu lernen. Man nennt solche Menschen
„Salz der Erde“. Tausende seiner Studenten und auch wir werden ihn in wärmster Erinnerung be-
halten. Sein Lächeln wird fehlen.
Іван Васильович Сойко знав і відчував мови і людей. Був, що називається, тихою силою,
скромним генієм. Такі люди – велика рідкість. Дружив з музикою і природою, поезій не
писав, але жив поетично і по-справжньому. Любив несподівано утнути жарт на парі. Зі
студентами спілкувався як з рівними. Розумів життя як мистецтво – в тонкощах і простоті.
Майстерно навчав і щиро окриляв. Дякуємо, Іване Васильовичу. Тепер – ми.
Volodymyr Shelest (Ehem. stellvertr. Leiter des Sprachendienstes der Deutschen Botschaft in Kyiv)
Man versteht, etwas zu schätzen, erst, wenn man es verloren hat. Diese Behauptung bestätigt sich
umso mehr, wenn man einen geschätzten Menschen verliert. So ergeht es mir mit dem Verlust von
Vania Soiko. Ich hatte die Ehre, ihn als meinen Kollegen und Freund so zu nennen.
Ich habe ihn in Leipzig im Jahr 1975 kennengelernt, als ich Student an der Karl-Marx-Universität
war und er als Forschungsstudent kam, um an seiner Doktorarbeit zu schreiben. Uns hat sofort
vieles verbunden: unsere erste Kyiver Alma mater, gemeinsame Dozenten und Professoren dort
und in Leipzig, unser reges studentisches Leben im Wohnheim in der Straße des 18. Oktober. Es
waren viele nette und unterhaltsame Gespräche am Abend, viele Studentenfeten und Faschings-
feiern, Ausflüge und Subbotniks, die damals noch so üblich waren. Das hat uns einander sehr
nahegebracht, ja verbrüdert.
Als ich 1977 nach meinem Abschluss in Leipzig Ausschau nach einer Arbeit in Kyiv hielt, war
es Vania Soiko, der mich als Lektor beim großen Belletristikverlag Dnipro empfahl. Auch da ging
unsere Zusammenarbeit weiter: Vania gehörte zu den wenigen Übersetzern ukrainischer Literatur 25
ins Deutsche, von dem unser Verlag, ich als Lektor, und die deutschen Leser profitieren konnten.
Нечасто зустрічаються в нашім житті особистості, від спілкування з якими на душі стає тепло
й затишно, неначе від них струмує якесь незриме сердечне сяйво. Таких людей сприймаєш
як рідних, знаходячи у бесідах з ними і розраду й дружню пораду і втіху. Одним із них,
безперечно, був Іван Васильович Сойко, який нещодавно, на превеликий жаль, передчасно
відійшов у вічність…
Ніби як зараз, до найменших деталей пригадую першу з ним зустріч. Журавлиним клином
відлітав у зимовий вирій далекий вже від нас 1984 рік. У великій актовій залі Київського, на
той час ще Державного, університету ім. Т. Шевченка відбувався грандіозний концерт із
нагоди урочистого святкування 150-річного ювілею. На сцені величезний об’єднаний хор,
що складався зі студентів та колишніх випускників, аспірантів, професорів, очолюваний
багаторічним керівником студентської капели «Дніпро» Іваном Якимовичем Павленком.
Звучали незабутні твори М. Лисенка, М. Леонтовича, О. Кошиця, К. Стеценка, П.
Чайковського, С. Танєєва.
Саме тоді я, ще зовсім юний 15-річний хлопчина, вперше з головою поринув у казкову
стихію хорового співу і закохався у цей чарівний світ на все життя. Тоді ж я познайомився і з
багатьма учасниками університетського хору, в якому колись у студентські роки співала моя
26 мама, і до якого згодом долучився я, а трохи пізніше й мій тато - професійний композитор.
Серед тих, хто увійшов у той знаменний день до мого життя був і Іван Васильович Сойко
AKTUELLES UND HINFÄLLIGES
Was stellen Sie sich vor, wenn Sie von der „Akkre- Bevor ich auf unsere Arbeit eingehe, möchte ich
ditierung von Ausbildungsprogrammen an Hoch- jedoch erklären, welchen Zweck diese Akkreditie-
schulen“ hören? Oder von „Qualitätskontrolle in rungsprüfungen verfolgen. Es geht nicht nur da-
der Hochschulbildung“? Eine ernsthafte Inspektion rum, die Qualität des Bildungsprogramms zu be-
der Universität durch Beamte des Ministeriums werten. Es sollen auch Empfehlungen abgegeben
oder erfahrene Professoren vermutlich. Erwarten werden, wie sich ein Programm verbessern lässt.
Sie jedoch Studenten in ihren frühen Zwanzigern Dadurch soll die Qualität der Hochschulbildung
als Teil einer solchen Expertengruppe? Höchst- in der gesamten Ukraine angehoben werden. In
wahrscheinlich nicht. Meine Kommilitonen und ich Übereinstimmung mit europäischen Standards
durften uns deshalb einige Fragen anhören: „Was und Empfehlungen zu Qualitätssicherungssyste-
macht dieses Mädchen hier?“ „Warum ist dieser men der ENQA (European Association for Quality
Student nicht im Unterricht?” Im Folgenden werde Assurance in Higher Education) gehören zu den
ich erklären, weshalb wir Studierenden kein deko- Expertengruppen für die Qualitätsbewertung von
ratives Element in diesem Prozess, keine Sekretäre Hochschuleinrichtungen neben nationalen und in-
für sachkundige Professoren und keineswegs bloß ternationalen akademischen Experten und Arbeit-
pro forma dabei sind. gebern eben auch wir – die Studierenden.
Die Nationale Agentur für Qualitätssicherung in Wie läuft nun dieser Akkreditierungsprozess ab?
der Hochschulbildung (NAQA) will nach Eigende- Nachdem die Hochschule einen Antrag auf Akkre-
finition ein „Katalysator für positive Veränderun- ditierungsprüfung, einen Bericht über die Selbst-
gen in der Hochschulbildung“ sein und anregen, einschätzung der Qualität des Bildungsprogramms
dass das Thema Bildungsqualität wieder einen hö- und alle damit verbundenen Dokumente einge-
heren Stellenwert in der Gesellschaft einnimmt. Die reicht hat, erstellen die Agenturmitarbeiter Richt-
Organisation als solche ist jedoch keineswegs neu. linien für Experten, die an der Vor-Ort-Expertise
Bereits 2015 wurden die ersten Mitglieder gewählt; teilnehmen. Das sind Personen, die direkt mit dem
die Arbeit kam jedoch damals aus einer Reihe von Management und den Mitarbeitern der Universität,
Gründen nicht in die Gänge. Eine Neuausschrei- den Lehrenden, den Studenten und den Alumni
bung wurde erforderlich. 2018 genehmigte das Mi- kommunizieren. Anschließend wird eine Experten-
nisterkabinett der Ukraine die neue Zusammenset- gruppe gebildet, die aus zwei Lehrenden und einem
zung der NAQA und bald darauf wurde eine neue Studen oder einer Studentin besteht, wobei alle
Leitung bestellt. Anfang 2019 konnte die Agentur Mitglieder, wenn möglich, aus unterschiedlichen
offiziell mit ihrer Arbeit beginnen. Städten stammen. In jeder dieser Expertengruppen
Die strategischen Ziele der NAQA werden in wird ein Leiter gewählt. Meistens wird die Funktion
drei Hauptbereichen umgesetzt: Qualität der Bil- von einer Lehrperson übernommen. Mir ist jedoch
dungsdienstleistungen, Anerkennung der Qualität auch ein Fall bekannt, in welchem ein Student zum
wissenschaftlicher Ergebnisse, Sicherstellung der Gruppenleiter bestimmt worden ist. Diese Person
systemischen Wirkung der NAQA. Bei Letzterem hat die Aufgabe innerhalb der Expertengruppe
geht es um die Überwachung und die Analyse der zu moderieren; darüber hinaus kümmert sie sich
Ergebnisse von Hochschuleinrichtungen, deren Ziel um die Kommunikation mit der entsprechenden
es ist, die Qualität der Ausbildung durch Akkredi- Hochschule und der NAQA. Alle Mitglieder einer
tierungsverfahren und Zertifizierung von wissen- Expertengruppe sind gleichberechtigt. Die Exper-
schaftlichem Personal sicherzustellen. Hier kom- tengruppe liest den Selbstbewertungsbericht, prüft
men die Studierenden ins Spiel. zusätzliche Dokumente und die offizielle Website
der Hochschule. Danach wird ein Besuchsplan er- 29
stellt. Vor COVID-19 sind Reisen zu den jeweiligen
Blitzumfrage. Seit 2018 bemüht sich die Nationale Agentur für Qualitätssicherung in der Hochschulbildung
(NAQA) darum, das Bildungssystem der Ukraine im Hochschulbereich zu reformieren. Wie zufrieden sind die
Studierenden jedoch selbst in ihrem Unialltag? DIE BRÜCKE hat sich auf dem Campus der Kharkiver Poly-
technischen Universität (NTU KhPI) umgehört.
Arina, 20: „Ich würde gerne eine strengere Auswahl Maksym, 21: „Es ist ärgerlich, dass wir mit Lehr-
der Studenten an der Universität sehen und auch material aus den Jahren 1960-1980 lernen. Es gibt
Ausschlusskriterien festlegen, sodass nicht alle ir- eine Menge Themen im Programm, die überhaupt
gendwie durchgeschleust werden. Die Qualität der keinen Sinn ergeben. Die Leute haben keine Motiva-
Unterbringung in den Wohnheimen müsste man tion oder Lust, zwei Jahre lang Fächer zu studieren,
auch verbessern. Ganz zu schweigen von der Reno- die nichts mit ihrem Fachgebiet zu tun haben. Die
vierung der Gebäude, die zumindest im Winter be- Lehrenden haben auch keine Lust, die Studenten zu
heizt werden sollten, damit die Studenten nicht in unterrichten, weil sie wissen, dass sie die besagten
Daunenjacken, Mützen und Handschuhen dasitzen Informationen eigentlich nicht benötigen.“
und erfrieren müssen.“
Krystyna, 22: „Die Anzahl der Stipendienplätze ist für starke Gruppen zu gering. Es kommt vor, dass Schüler
gute Noten bekommen haben und prinzipiell für ein Stipendium in Frage kämen, es aber nicht genug Plätze
für alle gibt. In anderen Gruppen wiederum bekommen deutlich schlechtere Studierende ein Stipendium, ob-
wohl sie sich weniger angestrengt haben.“
Arina, 20: „Die Gebäude, in denen ich studiere, be- Liza, 21: „Mir gefallen das vielfältige Sportangebot
finden sich alle auf demselben Gelände. Auch ge- und die Möglichkeit, an sportlichen Aktivitäten teil-
fällt mir die enge Zusammenarbeit der Universität/ zunehmen. Auch mag ich unseren Kulturpalast, um
Institute/Fakultäten/Fachbereiche mit IT-Firmen. genau zu sein, die verschiedenen Vereine, in denen
Es bestehen gute Chancen für eine duale Ausbil- man an der Uni selbst mitmachen kann.“
dung.“
Vlad, 20: „Ich finde es super, ein Wohnheim im Vasia, 19: „Ich schätze die Möglichkeit, die Fächer
Zentrum von Kharkiv für 520 UAH (ca. 16 Euro) pro automatisch abzuschließen [Durch Unterrichtsleis-
Monat bewohnen zu können.“ tung vor der eigentlichen Abschlussprüfung („Av-
tomat“), Anm. d. Red.].“
Arina, 20: „Im Allgemeinen sind die Dozenten und Pavlo, 19: „Es kommt immer auf den Lehrer an.
Professoren verständnisvoll und freundlich gegenüber Manche Professoren sind total lieb, andere beneh-
den Studenten. Aber es kommt vor, dass die Grenzen men sich wie die ärgsten A*********er.“
in der Studenten-Dozenten-Kommunikation verwischt
werden, so dass einige Studenten ihnen zu sehr auf die
Pelle rücken.“
32 Worin seht ihr die größten Probleme innerhalb des ukrainischen
Bildungssystems?
AKTUELLES UND HINFÄLLIGES
Ruslan, 20: „Am Anfang, also direkt nach der Schu- Krystyna, 22: „Es gibt keine Sicherheit, dass man nach
le, haben fast alle Maturanten kaum eine Vorstellung, der Ausbildung einen sicheren Job bekommt oder eine
welchen Beruf sie wählen wollen. Die Hochschulausbil- Möglichkeit, sich beruflich weiterzuentwickeln und ei-
dung entspricht nicht den Anforderungen des Marktes. nen anständigen Lohn zu erhalten. Das Diplom verliert
Aus diesem Grund haben die meisten Studenten keine immer mehr an Wert.“
Motivation, an der Universität zu studieren.“
Katia, 20: „Alle konzentrieren sich auf ihre Noten, nicht auf die Qualität des Wissens. Zehn Punkte allein für schrift-
liche Notizen! Muss das sein? Alle Bewertungen sollten nach dem jeweiligen Wissensstand erfolgen.“
Happy-End? Sicher nicht. Es ist wohl noch ein weiter Weg bis zu einem Hochschulsystem, das international konkur-
renzfähig ist und den Anforderungen der Lehrenden und Studierenden gerecht wird. Der Anfang ist jedoch bereits
gemacht.
I
die Wichtigkeit der Titel im österreichischen Alltag. nteressanterweise kann ein Titel gleichzeitig zu
Als Nord eine Studentin bat, auf die Anrede „Frau mehreren Gruppen von Titeln gehören. So ist ein
Professor“ zu verzichten, hörte diese auf, sie über- Professor in Österreich nicht immer jemand, der eine
haupt anzusprechen. Später erklärte die Studen- Professur an einer Universität innehält (Amtstitel),
tin, sie wusste nicht, wie sie ihre Professorin sonst sondern auch ein Wissenschaftler, der einen großen
adressieren sollte. Einfach „Frau Nord“ zu sagen, Beitrag für die Wissenschaft geleistet hat (Ehren-
fühlte sich falsch an. Dieses Beispiel zeigt beson- professor – Ehrenbezeichnung). Oder auch jemand,
ders deutlich, dass Titel in Österreich eine wesent- der sich durch besondere Verdienste im Bereich von
lich wichtigere Rolle spielen als in Deutschland und Kunst und Kultur ausgezeichnet hat (Berufstitel). So
möglicherweise vielen anderen Ländern. Doch wa- trugen etwa der Musiker Udo Jürgens, der Cartoo-
rum ist es so, und wie findet man sich in der öster- nist Manfred Deix oder auch der Schauspieler Leon
reichischen Titelwirrnis zurecht? Askin den Professorentitel. Auch Lehrer an Mittel-
schulen werden in Österreich übrigens mit „Profes-
ZUR GESCHICHTE DER TITEL IN ÖSTERREICH sor“ angesprochen, obwohl das in der Regel nicht
ihr tatsächlicher Titel ist.
H
lichen Teil der österreichischen Identität geworden at man einen Titel, darf man ihn auch führen.
zu sein, dass man sie nicht einmal nach der Ausru- Das heißt, man kann ihn im Privatbereich be-
fung der Ersten Republik 1918 abgeschafft hat. Viele nutzen (z. B. in der E-Mail-Signatur), im Verkehr
Titel der Habsburger Zeit werden auch heute ver- mit Behörden angeben (z. B. in Formularen) oder
liehen. So gibt es in Österreich beispielsweise immer auch in Urkunden drucken lassen. Akademische Ti-
noch den Titel Hofrat, obwohl Österreich seit über tel dürfen auch in Personalausweise und Reisepässe
hundert Jahren keinen kaiserlichen Hof mehr hat. eingetragen werden. Da die österreichischen Titel
aber nicht überall bekannt sind, verwirren Öster-
TITEL IST NICHT GLEICH TITEL… reicher seit Jahren Grenzbeamte anderer Länder mit
geheimnisvollen Abkürzungen wie „Mag. rer. soc.
Krystyna Fedina
In
Österreich sind momen-
tan ungefähr 1500 Titel
Ist jeman- offiziell geregelt.
dem ein bestimm- •
ter Titel zweimal oder
mehrfach verliehen (z. B.
Ingenieurtitel in mehreren Be-
reichen), darf dieser auch zwei-
mal geführt werden. So darf
man beispielsweise E-Mails
mit „Dipl.-Ing. Dipl.-Ing.
Vorname Familienname“
unterschreiben.
•
Früher
waren manche der
Titel der Männer inof-
fiziell auch auf ihre Frauen
übertragbar. So wurde die
Frau eines promovierten
Arztes als „Frau Doktor“ an-
gesprochen. Heute ist dies
jedoch immer weniger
üblich.
•
37
Sprache. Nataliia Sheremeta erklärt in ihrem Artikel, weshalb Deutsche und vor allem Österreicher allen
Grund haben, sich in Lemberg zu Hause zu fühlen.
Es ist kein Geheimnis, dass jede Sprache einem Le- tien oder der Bukovyna für sie ziemlich schwer zu
bewesen gleicht. Sie ändert sich unter dem Einfluss verstehen sind. Kein Wunder! Viele Jahre waren
von ganz verschiedenen Faktoren und passt sich an- diese Gebiete aufgrund historischer Umstände vom
satzlos den Umständen der Welt an. Nachbarschaft, Rest der Ukraine getrennt. Zuerst gehörten sie zum
Handel, Kriege und der technische Fortschritt sind Polnischen Reich und dann wurden sie zu einem
Ursachen einer linguistischen Erscheinung, die Teil des Habsburger Imperiums. Die Sprache ent-
Sprachinterferenz genannt wird. Deshalb existieren wickelte sich hier ein bisschen anders und wurde
in jedem Land zusätzlich zur offiziellen Standard- stark von der polnischen, ungarischen und auch
sprache auch zahlreiche Dialekte und Regiolekte. deutschen Sprache beeinflusst. Bedeutet dies, dass
In der Ukraine gibt es drei Hauptgruppen von sich Deutsche und Österreicher in Galizien wie zu
Dialekten: die südwestliche, die südöstliche und Hause fühlen können?
die nördliche. Sie teilen sich gleichzeitig in mehrere In der Mundart, welche die Menschen in Galizien
kleinere Gruppen von Mundarten. sprechen, gibt es viele Wörter, die deutscher Her-
Dialekte spielen besonders im Westen des Staates kunft sind. Einige von ihnen sind über die polnische
eine große Rolle. Wenn Ukrainer aus Kyiv, Kharkiv Sprache in den Dialekt eingegangen, andere wurden
oder Odesa die westlichen Städte besuchen, sagen direkt aus dem Deutschen, vor allem dem österrei-
sie, dass die Mundarten von Galizien, Transkarpa- chischen Deutsch, entlehnt. Ein Beispiel wäre etwa
der dortige Ausdruck für „sprechen“: Lemberger be- 39
nutzen oft zum Spaß, aber durchaus auch in ernsten
Juli 1901, Akademisches Gymnasium am Beetho- Nur vier der oben genanannten vierzehn Frauen
venplatz – hier, mitten in Wien, finden gerade Ma- bestehen die Prüfung. Lise Meitner ist eine von ih-
turaprüfungen statt, und zwar für vierzehn Frau- nen. Der Weg an die Universität ist nun vorgezeich-
en. Eine der Teilnehmerinnen ist eine gewisse Lise net.
Meitner. Zuerst will Lise Medizin studieren, weil diese, ih-
Schon in frühester Kindheit hat Lise eine Ver- rer Meinung nach, größeren sozialen Nutzen bringt.
anlagung für Mathematik und Physik an den Tag Physik und Mathematik will sie im Selbststudium
gelegt. Ihr Talent droht jedoch unentfaltet zu blei- erlernen. Ihr Vater überredet sie aber schließlich
ben. Frauen ist es in Österreich damals noch nicht doch die Physik zu wählen. Mit 23 Jahren beginnt
gestattet, ein Gymnasium oder gar eine Universität Lise ein Studium der Physik, Mathematik und Phi-
zu besuchen. Erst im Jahre 1897 – Lise ist zu diesem losophie an der Universität Wien. Sie will zuerst die
Zeitpunkt bereits 19 Jahre alt – werden Frauen zum verlorene Zeit nachholen: jede Woche verbringt sie
Studium zugelassen, freilich nur mit bestandener bis zu 25 Stunden in Lehrveranstaltungen. Unter ih-
Matura. Um die Prüfung erfolgreich zu absolvieren, ren Kommilitonen fühlt sie sich jedoch fremd. Man
muss Lise in nur zwei Jahren das gesamte achtjäh- mag sich einen Hörsaal mit vielen Männern vorstel-
rige Schulprogramm nachholen. Unterstützung er- len und unter ihnen eine scheue dunkeläugige Frau
fährt sie von ihren bildungsbeflissenen Eltern, die von kleiner Gestalt, weit jünger wirkend als ihre 23
Lise in ihrem Wissensdrang bestärken. Jahre vermuten lassen.
Am Institut für Physik wird Lise Meitners Leben In Berlin widerfährt ihr noch ein glücklicher Zufall: 41
eine entscheidende Wendung erfahren. Der erste Lise Meitner lernt Otto Hahn kennen, Chemiker
1908 in einer evangelischen Kirche hat taufen las- Meitner viele andere Auszeichnungen, etwa die
sen und obwohl ihr das Judentum fremd ist, sehen Max-Planck- und die Wilhelm-Exner-Medaille. Sie
die Nazis in ihr eine Jüdin. Trotz der politischen ist auch die erste Frau, die den Enrico-Fermi-Preis
Umstände, bleibt Lise Meitner noch lange in Ber- zuerkannt bekommt.
lin. Einstein beispielsweise ist längst emigriert. Lise Lise Meitner geht 1947 offiziell in Rente, betreibt
aber will nicht gehen: sie hat ihre Abteilung von An- jedoch weiter ihre Forschungs- und Vorlesungstä-
fang an mitaufgebaut, in Berlin ist ihre Arbeit, ihr tigkeit. Kurz nach ihrem Tod, 1968 in Cambridge,
ganzes Leben, alles, was ihr wichtig ist. Nach dem wird das chemische Element Nummer 109 nach ihr
Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich, wird benannt („Meitnerium“). Im letzten Jahr ihres Le-
ihr klar, dass sie fliehen muss. Lise Meitner ist in bens bricht sie sich das Bein und erleidet mehrere
Deutschland keine Österreicherin, keine Auslän- kleine Schlaganfälle. Sie stirbt im Schlaf, ohne je zu
derin mehr. Die österreichische Staatsbürgerschaft erfahren, dass ihr lebenslanger Freund, Otto Hahn,
war das letzte legislative Schutzschild, das Meitner und dessen Frau vor ihr gestorben sind. Lises Nef-
gehabt hat. Ihre Freunde, Kollegen und Meitner fe, Otto Robert, hat ihr die traurige Nachricht vor-
selbst suchen nach Fluchtmöglichkeiten. Schließlich enthalten, um die angeschlagene Gesundheit sei-
emigriert Lise Meitner im Juli 1938 in die Niederlan- ner Tante nicht noch weiter zu belasten. Auf ihrem
de – mit zehn Mark in der Tasche und zwei kleinen Grabstein lässt Otto Robert schreiben: „Lise Meitner:
Koffern. Wäre sie länger in Deutschland geblieben, a physicist who never lost her humanity“.
hätte sie wohl nicht überlebt. Lise Meitner ist einer der einflussreichsten Kern-
Bald findet Lise Meitner eine Stelle im Nobel-In- physiker der Geschichte – und das nicht bloß we-
stitut in Stockholm. Dort hat sie zwar ihr eigenes gen einer Reihe glücklicher Zufälle. Ihre Stellung in
Labor, es mangelt jedoch an Instrumenten und tech- der Welt der Naturwissenschaft ist das Resultat
nischer Ausstattung. Lise fühlt sich in ihrer neuen von mehreren Jahren außerordentlicher Liebe und
Stelle nicht glücklich. Die Zusammenarbeit mit Otto Hingabe zur Physik und zu ihren Mitmenschen. So
Hahn geht aber dennoch weiter. Sie schreiben ein- konnte Lise Meitner viele Rückschläge überwinden
ander. Otto Hahn skizziert ihr in einem seiner Briefe und ein selbstbestimmtes Leben führen – mit Selbst-
die sogenannte „Zerplatzung des Urans”, ein Expe- bewusstsein und ohne jedes „böse Gewissen“. ■
riment, das er gemeinsam mit seinem Assistenten
Fritz Straßmann durchgeführt hat. Er fragt Lise, ob Text und graphische Gestaltung: Gabriela Danko
sie das Experiment physikalisch deuten könne. Im
Exil entwickelt Lise Meitner, gemeinsam mit ihrem
Neffen, Otto Robert Frisch, die theoretische Grund-
lage für die nunmehr so bezeichnete Kernspaltung. Wissenschafterinnen und Wissenschafter mit PhD,
Meitner und Frisch publizieren die Arbeit am 1. internationaler Publikationsliste und einer Einla-
September 1939. Kurz darauf beginnt der Zweite dung seitens einer österreichischen Forschungs-
Weltkrieg. Lise wird angeboten, sich in Los Alamos institution können sich um eine Forschungsför-
(New Mexico/USA) der Entwicklung von Nuklear- derung im Rahmen des Lise-Meitner-Programms
waffen zu widmen. Sie lehnt dieses Angebot ab. bemühen.
1943 erklärt sie öffentlich, sie habe mit der Entwick-
lung der Atombombe nichts zu tun gehabt. https://www.fwf.ac.at/de/forschungsfoerderung/
6. August 1945 – Hiroshima und Nagasaki. Der fwf-programme/meitner-programm
Atomschlag, der über 100 000 Menschenleben for-
dert und weitere 94 000 Menschen verletzt, erschüt-
tert die Welt. Sechs Jahre vor dieser Katastrophe
konnte sich Lise Meitner nicht vorstellen, dass ihre
physikalische Erklärung der Kernspaltung zu so
unmenschlichen Taten benutzt würde. Zum ersten
Mal in ihrem Leben stellt sie ihre bedingungslose
Liebe zur Physik in Frage.
Im November 1945 bekommt Otto Hahn den No-
belpreis für Chemie für die Entdeckung der Kern-
spaltung. Lise Meitner wird nicht ausgezeichnet.
Ihre Mitarbeit wurde aus politischen Gründen nicht
DER GROSS- UND EINZIGARTIGE 43
„WIE-VIEL-UKRAINER-STECKT-IN-DIR-TEST“
1. Zitat von Volodymyr Zelenskyi: „Der Präsi- 8. Haben Sie zu Hause ein Plastiksackerl,
dent ist …“? gefüllt mit anderen Plastiksackerln?
a) nicht ewig a) Ja
b) kein Porträt b) Nein
c) kein Spaß
d) kein Komiker 9. Was ist besser: Kartoffelpüree mit fa-
schierten Laibchen zu Hause zu essen oder
2. Was zählt NICHT zur ukrainischen Küche? ins Restaurant zu gehen?
a) Speck mit Schokolade a) Ersteres
b) Gelee mit Fleisch b) Zweiteres
c) gefüllte Fischköpfe
d) Kuchen mit Zwiebel 10. Was bedeutet БАТЬКІВЩИНА (bat-
kivshchyna) auf Deutsch?
3. Wer stammt aus der Ukraine? a) Vater
a) Emilie Ratajkowski b) Guten Tag
b) Mila Kunis c) Heimatland
c) James Franko d) Prost
d) George Clooney
11. Wer war oder ist als Präsident der Uk-
4. In Kiew befindet sich die tiefste U-Bahnstation raine tätig?
der Welt und sie trägt den Namen „Arsenalna“. a) Ein Imker
Wie tief ist sie? b) Ein Fernsehkomiker
a) 105 Meter c) Der Besitzer eines goldenen Weißbrotlaibs
b) 87 Meter d) Alle drei
c) 70 Meter
d) 125 Meter 12. Alle in der Welt wissen von der Schön-
heit ukrainischer Frauen. Wie viele Male
5. Was bedeutet ВІТАЄМО (vitaiemo) auf ist eine Miss Ukraine Miss World gewor-
Deutsch?? den?
a) Wetter a) 0
b) Wie geht´s b) 1
c) Herzlich willkommen c) 2
d) Fest d) 3
6. Die Durchschnittsbürgerin Olena bekommt 13. In welchem Jahr hat die UEFA-Fuß-
einen Mindestlohn von 6000 Hryvnia. Wie viele ball-Europameisterschaft in der Ukraine
Tassen Kaffee kann Olena in Deutschland un- stattgefunden?
gefähr für dieses Geld kaufen? a) 2008
a) 4 b) 2012
b) 69 c) 2016
c) 20 d) noch nie
d) 123
14. Welcher Ukrainer hat in den vergange-
7. Dem Dichter und Maler Taras Shevchenko nen Jahren beim ESC gewonnen?
wurden die meisten Denkmäler auf der Welt er- a) Eine Frau mit Glitzerstern auf dem Kopf
richtet. Wie viele davon gibt es? b) Ein Mann mit einer Uhr auf der Brust
a) 1384 c) Eine Frau aus der Wildnis
b) 588 d) Niemand
c) 641
d) 316 Zur Auflösung die Seite umblättern!
44 Auflösung:
1B, 2D, 3B, 4A, 5C, 8A, 6B, 7A, 9A, 10C, 11D, 12A, 13B, 14C
AUSTRIAKISCHES •RUTHENISCHES • KAKANISCHES
3-0 Punkte: „Ne tvoja istoriia“ (не твоя історія) – „Nicht dein Schwerpunkt,
du hast andere Talente“.
Erstellt von: Vira Zimnenko (Kharkiv)
Impressum
DIE BRÜCKE. UKRAINISCH-ÖSTERREICHISCHES ZIRKUSBLATT NUMERO XL VON CLOWNS UND FÜR CLOWNS
Herausgegeben an der Universitas Nationalis Kioviensis Ševčenkiana, der Universitas Nationalis Leopoliensis nominis Ioannis
Franko und der Uni, wo der Fabio Sand arbeitet.
https://www.facebook.com/brueckezeitung
Diese Zeitung entsteht als Gemeinschaftsprojekt von Studentinnen und Studenten der Nationalen Taras Shevchenko
Universität Kyiv (KNU), der Nationalen Ivan Franko Universität Lviv (LNU) und der Nationalen Technischen Universität
Kharkiv (NTU). Sie wird ehrenamtlich erstellt, erscheint zweimal im Jahr und ist kostenlos erhältlich.
Das Copyright aller in dieser Publikation veröffentlichten Texte und Bilder liegt bei den jeweilgen Urhebern.
Die Texte und Bilder dürfen nicht ohne vorherige Genehmigung durch die Rechteinhaber
weiterverwendet werden.
Auflösung aus Heft 39: In der letzten Ausgabe fragten wir nach Elisabeth Bergner,
einer bekannten Theater- und Filmschauspielerin, die in den zwanziger Jahren des 20.
Jahrhunderts auf den Bühnen des deutschsprachigen Raumes große Erfolge feierte.
Elisabeth Bergner wurde 1897 im galizischen Drohobych (damals Österreich-Ungarn)
geboren. Nach ihrer Schauspielausbildung in Wien folgten Engagements an verschieden
Theatern in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ihren Durchbruch feierte Elisabeth
Bergner 1923 in einer Inszenierung von Shakespeares’ „Wie es euch gefällt“ am Berliner
Lessing-Theater. Auch im Film war die Bergner zugange; so verkörperte sie die Titelrolle
in der Schnitzler-Verfilmung „Fräulein Else“. Ihr Engagement im britischen Streifen „Escape
me never“ (1935) trug Bergner eine Oscar-Nominierung ein. Aufgrund ihrer jüdischen
Herkunft sah sich Elisabeth Bergner 1940 gezwungen vor den Nationalsozialisten in die USA
zu fliehen. Der große Erfolg in Hollywood blieb ihr zwar versagt, doch vermochte sie mit
dem deutschsprachigen Emigranten-Ensemble PLAYERS FROM ABROAD in New York zu
reüssieren – trotz der fremden Sprache. Übrigens, in gewisser Weise hat die Bergner doch
auch der Traumfabrik ihren Stempel aufgedrückt, entsprang doch der Plot des berühmten
Hollywood-Klassikers „All about Eve“ einer Episode aus Bergners Leben. Nach dem Krieg
kehrte Elisabeth Bergner nach Europa zurück. Sie spielte weiter Theater und wirkte v.a. in
England in einer Reihe von Kinofilmen mit. Exemplarisch genannt sei der Horrorstreifen „Cry
of the Banshee“ (1970) mit Vincent Price. Elisabeth Bergner starb 1986 in London.
46
UNSER LEBEN IM KREISVERKEHR
© https://www.facebook.com/litslam/
Die Organisatoren des Kharkiver LitSlams: Oleksandr Kud und Artem Elf (v.l.n.r.)
LitSlam
Poesie. Nicht selten ist zu hören, dass die Dichtkunst überholt und vom Aussterben bedroht sei. Allen Un-
kenrufen zum Trotz, überzeugt die Ukraine jedoch seit einigen Jahren mit einer aktiven Szene junger Dich-
terinnen und Dichter, die ihre Gedichte nicht nur für sich im stillen Kämmerlein verfassen, sondern diese
auch auf Bühnen einem breiten Publikum präsentieren. „LitSlams“ nennt man diese Veranstaltungen, die im
deutschsprachigen Raum vor allem unter dem Begriff „Poetry-Slam“ firmieren. Oleksander Kud zählt in der
Stadt Kharkiv zu den Hauptorganisatoren solcher Veranstaltungen. Der BRÜCKE hat er exklusiv ein Inter-
view gegeben.
DIE BRÜCKE: Woher kommt der LitSlam und wel- Gedichte vorgetragen. Später entwickelte sich da-
che Entwicklungen hat er durchlaufen? raus ein richtiger Poesiewettbewerb. Mark Smith
OLEKSANDR KUD: Generell hat der Litera- war der erste, der ein Slam-Turnier organisiert hat.
tur-Slam eine lange Geschichte, die auf die Auf- Das war im November 1984. In den neunziger Jah-
tritte von Programmansagern bei Jazzkonzerten ren des letzten Jahrhunderts schwappte der Trend
in den USA zurückzuführen sind: Wenn ein sol- nach Europa über und gewann in Deutschland und
cher Conférencier eine neue Nummer ankündigen Großbritannien schnell an Popularität. In der Ukrai-
musste, konnte er diese Gelegenheit nutzen, um ne traten LitSlams in den späten neunziger Jahren
Witze oder Anekdoten zu erzählen; ähnlich wie zunächst nur vereinzelt auf, meist im Rahmen von
ein Stand-up-Comedian. Manche haben aber auch Festivals, wobei die ersten Teilnehmer bereits etab-
lierte ukrainische Schriftsteller waren, wie beispiels- nen visuellen Stil zugelegt, wobei uns die Designe- 47
weise Serhii Zhadan. Erst Mitte der 2000er Jahre be- rin Anna Pomazan geholfen hat und dies auch heu-
Autors bzw. der jeweiligen Autorin stammt. Ziel fen sehr, dass wir eines Tages eine Kooperation zwi-
ist es, das Publikum durch die Darbietung so stark schen unseren Ländern etablieren können, um die-
wie möglich zu beeindrucken. Neben der Premier sen Trend der breiten Masse vorzustellen und somit
League und der Major League gibt es auch den All- ein internationales Slam-Format zu schaffen.
Stars-Slam, bei dem die „Besten der Besten“ – also DIE BRÜCKE: Lieber Oleksandr, vielen Dank für
diejenigen, welche die meisten Erfolge der jeweili- das Gespräch. ■
gen Saison hatten – gegeneinander antreten.
DIE BRÜCKE: Welche Bedeutung hat der Slam für Das Interview führten Maryna Bykova und Fabio Sand
die Dichter, welche für die Zuhörer? (Kharkiv)
OLEKSANDR KUD: Einmal wurde mir gesagt,
dass ein Slam keinen Sinn hätte, solange keine be-
rühmten Dichter zu unseren Veranstaltungen kä-
men und dass unsere Veranstaltungen nicht seriös
seien. Tatsächlich ist dies nicht der Fall, denn gera-
de für Neulinge und Literaturliebhaber haben sie
durchaus Sinn. Unser oberstes Ziel ist es, gerade
junge und noch wenig bekannte Dichter zu finden,
ihnen zu helfen, sich zu öffnen und ein breites Pub-
likum anzusprechen, sie zum Schreiben zu motivie-
ren. Slam ist eine Art Plattform, auf der sich jeder
ausdrücken kann. Für die Zuschauer ist dies eine
wunderbare Gelegenheit, einen interessanten und
unterhaltsamen Abend zu erleben.
DIE BRÜCKE: Wie könnten, deiner Meinung
nach, junge Leute dazu ermutigt werden, sich der
Slam-Bewegung anzuschließen?
OLEKSANDR KUD: Vor einiger Zeit hielt ich als
Absolvent eine Vorlesung an meiner Fakultät und
habe irgendwann darum gebeten, dass diejenigen
im Saal, die Gedichte schreiben, die Hand heben
sollen, woraufhin circa 30-40% des Publikums dies
taten. In meiner Studienzeit war das nicht anders.
Viele junge Talente schreiben mittlerweile Gedichte
oder Prosa, haben aber Angst, sie öffentlich zu prä-
sentieren. Viele wissen auch nicht, dass es eine krea-
tive Community von Schriftstellern gibt, in der sie
gehört werden können. Ich habe diesen Leuten vom
LitSlam erzählt und von meinem eigenen Werde-
gang innerhalb dieser Bewegung. Ich habe ihnen er-
klärt, dass LitSlams eine großartige Gelegenheit sei-
en, ihre Arbeiten der Öffentlichkeit zu präsentieren
und die Werke anderer Dichter kennenzulernen.
DIE BRÜCKE: Was sind deine Pläne für die
Slam-Bewegung in naher Zukunft?
OLEKSANDR KUD: Eine unserer Hauptaufga-
ben ist es, neue Talente aufzustöbern, dieses Pro-
jekt nicht nur in Kharkiv, sondern auch über die
Stadtgrenzen hinaus bekannt zu machen und den
ukrainischen LitSlam nicht nur in unserem Land,
sondern auch im Ausland als eigenständiges kultu-
relles Phänomen zu verankern. Momentan planen
wir, eine Dokumentation über den Slam zu drehen
und ein großes Open-Air-Festival zu veranstalten,
49
Афтепаті Briefliches Intermezzo
„Ich dachte, das wären Kartoffeln…” „Helft ihm, er wird sonst verbluten!“
In unserem Dorf gibt es eine Menge Drogensüchti- Es werden auch andere Drogen im Dorf verkauft
ge. Viele von ihnen bauen verbotene Pflanzen in ih- und konsumiert. Ich kann mich an eine unheimli-
rem Garten an – als Naturprodukt, sozusagen. Die che Episode mit einem Drogensüchtigen erinnern.
Polizei ist einmal zu einem dieser Gärten gefahren Er war aus dem Kriegsgebiet in der Ostukraine
und hat die verantwortlichen Jugendlichen verhaf- heimgekehrt. Das war ein Mann – zwei Meter groß!
tet. Ich war damals auch vor Ort. Die Mutter sagte Wir wussten alle, dass er drogensüchtig war. Ein-
den Polizisten: „Ich habe davon nichts gewusst. Ich mal rief mich seine Frau in der Praxis an: „Kommen
dachte, das wären Kartoffelpflanzen... Ich habe nur Sie schnell, mein Mann hat sich ein Messer in den
Kartoffeln angebaut!” Tatsächlich verhielt es sich Hals gestochen!“. Die Frau schrie ins Handy und
so: Im Beet waren abwechselnd eine Reihe Kartof- sagte, dass Blut aus der Wunde hervorsprudele. Ich
feln und eine Reihe Hanf gepflanzt; und die Frau bin also hin, gemeinsam mit einer Krankenschwes-
hat das Beet gegossen, gejätet… Ob sie die „Kartof- ter. Ein Rettungswagen war natürlich nicht vor Ort,
feln“ wirklich unwissentlich gepflanzt hat, weiß ich obwohl ein Notruf gesendet worden war. Der Hüne
nicht genau. saß auf der Schwelle zum Schlafzimmer. In der rech-
ten Hand hielt er ein Messer. Er hatte es sich nicht Auch im nahegelegenen Roma-Lager sterben jedes 51
in den Hals gestochen, sich aber immerhin einige Jahr zwei bis drei Kinder wegen der unhygienischen
Ivanna Soiko
59
DAVID BOWIE:
DER MANN, DER AUF DIE ERDE FIEL
Portrait. Anna Lysenko widmet sich in Ihrem Artikel der wohl bedeutendsten Rock-Ikone der siebziger und
achtziger Jahre des 20. Jahrhundert und räumt dabei auch mit einigen Mythen auf.
Ziggy Stardust, der dünne weiße Herzog oder David Jones – jeder kannte seinen Bowie anders.
Der Mann, der auf die Erde fiel, wurde der Mann, der die Welt verkaufte. Und nach all dem nennen wir
diesen unter einem schwarzen Stern geborenen Mann einen Helden. Bowies Leben war alles andere
als langweilig und manchmal scheint es, dass alle Legenden seiner Alter Egos tatsächlich wahr sein
könnten. Hier sind die Fakten, die noch weniger wahrscheinlich aussehen als die meisten Gerüchte.
60 HINTER DEM SCHWARZEN AUGE QUINTESSENZ
Wenn wir Bowies Namen hören, fallen uns als erstes Ab Mitte der sechziger Jahre versuchte Dave Jones,
UNSER LEBEN IM KREISVERKEHR
der berühmte Blitz auf seiner rechten Gesichtshälfte der eben für sich das Pseudonym „Bowie“ erfun-
und seine mystischen, verschiedenfarbigen Augen den hatte, in den britischen Charts Fuß zu fassen.
ein. Es ist allgemein bekannt, dass Bowie keine Kon- Es brach ihm das Herz, als seine ersten Singles und
taktlinsen trug, weshalb viele Leute dachten, dass sein Debütalbum scheiterten. Die Exzentrizität des
es sich bei dem Phänomen um Heterochromie han- jungen Künstlers verlängerte den Weg zum Erfolg
delte – gleichsam ein natürliches Zeichen von Bo- erheblich, aber auf seiner langen Reise erlebte er
wies bizarrer Einzigartigkeit. Die wahre Geschichte so einiges: er lernte Pantomime, arbeitete mit ver-
hinter dem schwarzen Auge ist jedoch nicht so po- schiedenen Popbands zusammen, interessierte sich
etisch. In seiner rebellischen Jugend hat David öf- für deutsches Kabarett, französische Chansons und
ters Faustkämpfe geführt. Im Frühjahr 1962 geriet japanisches Kabuki-Theater. All diese Eindrücke
er mit seinem Schulkameraden George Underwood flossen in das Bild des Mars-Rockstars Ziggy Star-
in einen Streit. Der Zankapfel war natürlich das dust ein. Nicht alle ließen sich davon beeindrucken:
hübscheste Mädchen der Klasse. In der Hitze des Als John Lennon einmal gefragt wurde, was er von
Gefechts schlug George David auf das linke Auge. Bowies Musik halte, antwortete er, dass er sehr
Underwoods Fingernagel zerkratzte die Oberfläche stolz auf David sei, aber dessen Musik sei lediglich
von Bowies Augapfel und lähmte damit die Mus- Rock‘n‘Roll mit etwas Lippenstift.
keln, welche die Iris zusammenziehen. Wenn eine
Person mit unverletzten Augen ins Licht tritt, ziehen SO WIRD EIN SCHUH DARAUS
sich deren Pupillen zusammen und werden kleiner,
London 1969: Der junge Bowie schlendert den Ken-
was einen größeren Teil der Iris freilegt. In der Dun-
sington-Markt entlang auf der Suche nach einem
kelheit dehnen sich die Pupillen aus und tun das
schönen und ungewöhnlichen Paar Schuhe. Schließ-
Gegenteil, um so viel Licht wie möglich hereinzu-
lich wird er fündig. Obwohl David seine Hit-Single
lassen, damit Sie zu Bett gehen können, ohne über
Space Oddity schon veröffentlicht hat, ist er immer
irgendwelche Gegenstände zu stolpern. In Bowies
noch knapp bei Kasse. Daher bittet er den Verkäu-
Fall blieb die linke Pupille permanent erweitert, was
fer um die Möglichkeit einer Ratenzahlung. Nach
zu seinem berühmten verschiedenfarbigen Augen-
einem kurzen Gespräch stellt sich heraus, dass der
paar führte. Man könnte annehmen, dass dieser Un-
Verkäufer auch die ersten Schritte im Musikge-
fall zu einer lebenslangen Fehde zwischen Bowie
schäft versucht. Schließlich handelt David die Ra-
und Underwood hätte führen müssen, tatsächlich
tenzahlung aus, nimmt die begehrten Schuhe und
aber wurden die beiden Freunde fürs Leben und
wünscht dem Verkäufer viel Erfolg. Der Name des
sogar künstlerische Partner. Underwood war derje-
Verkäufers war Freddie Mercury. Zehn Jahre später
nige, der die berühmtesten Covers für Davids Mu-
sollten die beiden Musiker wieder aufeinandertref-
sikalben entwarf, etwa für The Rise and Fall of Ziggy
fen. Freddie Mercury und die anderen Mitglieder
Stardust and the Spiders from Mars.
von Queen weilten gerade in Montreux, um eine
neue Platte aufzunehmen. Bowie, der gerade Berlin
LONG HAIR, DON’T CARE
verlassen hatte, hielt sich in einer Nachbarstadt auf.
Bowies Haare waren schon immer ein wesentlicher Als er herausfand, dass Freddie und dessen Team
Bestandteil seines Images gewesen. Frisurenverän- in der Nähe waren, entschied er sich, sie im Studio
derungen markierten immer Veränderungen in sei- zu besuchen und mit ihnen zu jammen. So entstand
ner Kunst, da jedes von Davids Alter Egos einzig- der legendäre Song Under Pressure, der nie von allen
artig aussehen sollte. Kein Wunder, dass Bowie in Teilnehmern der Kollaboration live aufgeführt wur-
seinen Teenagerjahren eine Gesellschaft zur Verhin- de. 1991 verstarb Mercury, und Bowie sang den Hit
derung von Grausamkeit gegenüber langhaarigen zum ersten Mal in einem Konzert zum Gedenken
Männern gründete. „Wer den Mut hat, die Haare bis an Freddie.
zu den Schultern zu tragen, muss durch die Hölle.
Es ist Zeit, dass wir vereint stehen und uns für unse- PEPPER AND MILK
re Locken einsetzen“, meinte er. Die amüsante Kam-
Wie viele Rockstars experimentierte Bowie mit Dro-
pagne fand 1964 in England großen Anklang. David
gen. Während dieser Zeit lebte der Sänger in New
beschwerte sich: „Wir mussten uns Kommentare an-
York und Los Angeles, wo er zunehmend von Wut
hören wie […] „Kann ich deine Handtasche tragen?“
und Paranoia heimgesucht wurde. 1976 entwickelte
[…] Ich denke, das muss jetzt einfach aufhören. Ich
er eine Kokainpsychose und war besessen von sei-
würde mir nicht die Haare schneiden lassen für den
nen eigenen Wahnvorstellungen. So beschloss er,
Premierminister, geschweige denn für die BBC!“
seinen Urin im Kühlschrank aufzubewahren, um zu 61
verhindern, dass Hexen ihn stehlen. Er erfand sogar
DAS EPITAPH
Bowies Tod war in sich selbst eine Art Kunst-
werk, und genau das, was er wollte. „Ain’t that
just like me?“, singt er am Ende von Lazarus. Zwei
Tage nach der Präsentation seines letzten Albums
Blackstar starb David Bowie mit 69 Jahren. Die Ge-
schichte hinter Blackstar ist mehr als mysteriös. Es
war eine Abschiedsbotschaft an seine Fans, voller
Überlegungen zu Tod, Schmerz und Wiedergeburt
sowie mythologischen und biblischen Referenzen.
Der Name des Albums ist symbolisch. Elvis Presley
hatte ein Lied mit dem Titel Black Star. Dort heißt
62
DER HASSSOMMER KOMMT ZU SEINEM ENDE
UNSER LEBEN IM KREISVERKEHR
oder
WAS WIR AN DER BRÜCKE… HASSEN?
Nun, verehrte Damen und Herren, so wie der Sommer zu seinem Ende kommt, gelangen auch unser Studium
und unsere Affaire mit der BRÜCKE zu ihrem Ende. Diese Affaire war recht heiß und heftig: schlaflose Nächte,
Selbstaufopferung, Brennen in den Augen – unser Verhältnis mit der BRÜCKE glich einer wahren Hassliebe!
Leider (oder zum Glück) ist es jetzt aber an der Zeit, alle Brücken hinter sich abzureißen und aufs offene Meer
hinauszusegeln…
Man sagt, der Hass sei nicht weit von der Liebe entfernt. So haben wir in dieser letzten Kolumne einige heiße
„Hasssagungen“ an die BRÜCKE vorbereitet, die ohne Weiteres auch als Liebessagungen gelten können. Wie
dem auch sein – zur Sache!
● Auf der Suche nach der verlorenen Doris. Vieles kann man aushalten und Vieles kann man der BRÜCKE
verzeihen, aber wenn man über Stunden im endlosen BRÜCKE-Dschungel nach dem Engerling Doris sucht
und schon alle Hoffnung aufgegeben hat, dann könnten wir… Sehen wir etwa wie mental völlig gesunde Men-
schen aus? Mit Nerven aus Stahl?! Ha ha!! Bei der Suche nach diesem Vieh kann man alle von den Seelenärzten
beschriebenen psychischen Phasen durchleben – vom Leugnen bis zur Akzeptanz…
● Florian trägt Prada. Hattet Ihr mal das Gefühl, dass alle rundherum happier, erfolgreicher und schöner sind
als Ihr? Sicherlich schon. In der Regel ist dieses Syndrom durch soziale Netzwerke bedingt, wo man sich mit
diversen Personen wie Bloggern, Models oder Geschäftsleuten, aber auch bloß mit den eigenen Freunden ver-
gleicht und darunter leidet. In unserem Fall ist diese Person… Herr Rinesch, unser BRÜCKE-Chefredakteur!
Wir sind der Meinung, dass es völlig gewissenlos ist, so fesche Accessoires zu tragen... Sie, Herr Rinesch, er-
wecken in den Studierenden das Gefühl, keine Chance zu haben, sich auch einmal Schicki-Micki zu fühlen, da
deren Outfits keinem Vergleich mit den Schals und Socken ihres Lektors standhalten. Arme Kinder…
[Anmerkung des Chefredakteurs: So ist es! Wäre ja noch schöner, wenn Sie mit mir konkurrieren könnten!
Meine Socken stammen im Übrigen nicht von Prada, sondern aus einem weißrussischen Staatsbetrieb. Mehr
Haute couture geht nicht…]
● Dirty Deadlines. Es geht genauso dramatisch zu, wie im legendären, beinahe gleichnamigen Film; doch
anstatt obszöner Bewegungen, fabrizieren unsere Protagonistinnen primär krumme Sätze, die vom Druck der
Deadline sowie einer permanenten, wohl schon chronischen Schreibblockade herrühren. Ein wohl letztes Mal
müssen wir den Termin einhalten, in diesem immer heißer gewordenen Tanz mit der BRÜCKE, der uns von
Kyiv nach Marrakesch und weiter nach Wien und Moskau geführt hat.
Die Arbeit an der HASSSEITE hat ihre Spuren in uns hinterlassen und uns zu echten Expertinnen im Bereich
des Hasses gemacht. Rückblickend ließe sich Einiges resümieren. Auf jeden Fall war es sehr vergnüglich, die
Flamme des Hasses gemeinsam mit euch zu betrachten. Falls Ihr noch keine Hassoase für Notsituationen in
eurem Leben gefunden habt, scheut euch nicht, uns per E-Mail anzuschreiben und dabei euer Herz auszu-
schütten! Wir hoffen, dass unsere Kolumne zeigen konnte, dass Hass ein Gefühl wie alle anderen Gefühle ist.
Man kann es schön finden und aus ihm lernen. Auch wenn es einem nicht immer gelingt! :-)
In diesem Sinne wünschen wir euch viel Geduld sowie alles „Hässliche“ für eure künftigen Unternehmungen,
Man trifft ja im Laufe des Lebens auf allerlei sich Yengibarov während einer Auftrittsrei-
Personen, die man landläufig als Clowns be- se in der Tschechoslowakei einen besonderen
zeichnen würde. Aus naheliegenden Gründen Scherz und besuchte ein Café an der öster-
ist es jedoch für professionelle Ausübende die- reichisch-tschechoslowakischen Grenze. Das
ses Berufsstandes wenig schmeichelhaft, mit Besondere daran war, dass man sich je nach
gewöhnlichen Deppen in einen Topf geschmis- Sitzplatz entweder in Österreich oder der so-
sen zu werden. Leider trifft man Erstere immer zialistischen Tschechoslowakei befand. Yengi-
seltener, Letztere jedoch ungleich öfter an. Im barov rief daraufhin „aus Österreich“ die „Zen-
nunmehrigen Österreichischen Familienfunk trale sowjetische Zirkusorganisation“ an, deren
wäre vermutlich selbst unser alpenländischer Bürokraten dessen Amüsement jedoch keines-
Clown par excellence, der Habakuk, – Gott hab’ wegs goutierten.
ihn selig – zu kritisch und vor allem anständig.
Der zu Beginn seiner Karriere von der sowjeti-
Ein weiterer Standesvertreter und nachweis- schen Presse und konservativen Apparatschiks
lich einer der weltbesten seines Faches war der noch für seinen innovativen Stil gescholtene
1935 in Moskau geborene Leonid Yengibarov. Clown, sorgte allerdings beim Publikum un-
Der Sohn einer russischen Mutter und eines gebrochen für Begeisterungsstürme. Insbeson-
armenischen Vaters hatte eigentlich den Beruf dere in Moskau, Odesa, Kyiv, Leningrad und
des Kochs gelernt. Seine Leidenschaft galt je- selbstverständlich Yerevan erfreute sich Yengi-
doch seit Kindheitstagen den Gedichten Push- barov enormer Beliebtheit. Weil er aber das So-
kins und dem Puppentheater. Zu jenen Zeiten, wjetregime nicht hofierte, blieben ihm offizielle
in denen ich noch selbst in der armenischen Ehrungen vorenthalten. Einzig das sozialisti-
Hauptstadt Yerevan lebte, gab ich bei Taxifahr- sche Armenien ehrte Yengibarov 1972 – gleich-
ten regelmäßig das dortige Puppentheater als zeitig sein frühes Todesjahr – mit dem Titel
Zielort an. Die Bühne sollte auch Yengibarovs eines Nationalkünstlers der Republik. Im ar-
Bestimmung werden. menischen Urlaubsort Tsaghkadzor, in dessen
Skihütten ich mich unzählige Male mit Chart-
Obwohl Yengibarov während seines Studiums scho oder Borschtsch aufwärmte, befindet sich
der Leibeserziehung als Boxer überaus erfolg- seit 2012 eine Statue des legendären und viel-
reich war, trat er mit zwanzig Jahren in die seitig begabten Clowns.
Staatliche Schule für Zirkuskunst in die Abtei-
lung für Clownerie ein. Nach seinem Abschluss Anders als andere Künstler hatte sich Yengi-
1959 arbeitete er im Armenischen Zirkuskol- barov der politischen Führung aber nicht zu
lektiv und performte am berühmtesten Zirkus seinem eigenen Vorteil angebiedert. Womit
Moskaus, dem „Zirkus am Tsvetnoy Bulvar“, wir wieder beim Unterschied zu den vielen
und tourte mit seinen ungewöhnlichen Panto- „Clowns“ der heutigen Zeit wären. ■
mimendarstellungen unter großem Jubel durch
die Sowjetrepubliken.
Früher einmal war es in der Ukraine gang und gäbe, Gedichte auswendig zu lernen. Auch in den deutschspra-
chigen Ländern war diese Art der literarischen Aneignung verbreitet. Damit ist es vorbei. Unser praktisches
Jahrhundert vergeudet die Geistessäfte für andere Dinge. Für welche, vermag ich als vereinzelter Schildkröten-
kopf1 freilich nicht zu sagen. Schließlich weiß ich, ob meines eingeschränkten Bewegungsradius, nur von jenen
Dingen, die man mir zuträgt.
Ich bedauere besagten Umstand jedenfalls. Neben dem Genuss der gebundenen Sprache, hält gute Lyrik aller-
lei Einsichten für uns bereit. Sie ermöglicht uns, Anteil zu nehmen an den Empfindungen, an den Gedanken,
am Erfahrungsschatz anderer. Grund genug, liebe Leserinnen und Leser, Ihnen an dieser Stelle Gedichte zu
präsentieren – heute und auch in Zukunft. Diesmal stehen Werke von Adelbert von Chamisso und Else Las-
ker-Schüler auf dem Programm.
Außerdem freue ich mich, Ihnen den zweiten Teil unserer BRÜCKE-Fortsetzungsgeschichte präsentieren zu
dürfen. Насолоджуйтеся!
1 Prof. Dowells Schildkrötenkopf wurde 1942 von Prof. Dowell abgeschnitten und in ein Goldfischglas gepfercht. Seither schwimmt der
dort – unbeweint und unbesungen.
66
GEDICHTETES • GESCHRIEBENES • GESELCHTES
Freiheit! rief ich, vorwärts, vorwärts! Komm, wir wollen uns näher verbergen…
Was ein Tor nicht alles glaubt! Das Leben liegt in aller Herzen
Und von schwerem Säbelstreiche wie in Särgen.
Ward gespalten mir das Haupt. Du, wir wollen uns tief küssen…
Und ich lag, und abwärts wälzte Es pocht eine Sehnsucht an die Welt,
Unheilschwanger sich die Schlacht, an der wir sterben müssen.
Über mich und über Leichen (1905)
Sank die kalte, finstre Nacht.
Ein alter Tibetteppich
Aufgewacht zu grausen Schmerzen,
Brennt die Wunde mehr und mehr;
Deine Seele, die die meine liebet
Und ich liege hier gebunden,
Ist verwirkt mit ihr im Teppichtibet
Grimmige Wächter um mich her.
Strahl in Strahl, verliebte Farben,
Schrei ich wütend noch nach Freiheit,
Sterne, die sich himmellang umwarben.
Nach dem bluterkauften Glück,
Peitscht der Wächter mit der Peitsche
Unsere Füße ruhen auf der Kostbarkeit
Mich in schnöde Ruh zurück.
Maschentausendabertausendweit.
(1827)
Süsser Lamasohn auf Moschuspflanzenthron
Wie lange küsst dein Mund den meinen wohl
Und Wang die Wange buntgeknüpfte Zeiten schon.
(1910)
Was bisher geschah: Die bisher namenlose Protagonistin begibt sich auf ihre erste Auslandsreise. Mit dem
Flugzeug reist sie von Kyiv in die österreichische Bundeshauptstadt Wien. Im Zentrum der Donaumetropole
angekommen, findet sie an einer Straßenbahnhaltestelle eine herrenlose Brieftasche…
… Ich warf einen Blick in die Brieftasche. Geld war keines drin. Auch Bankomat- oder Kundenkarten fehlten.
Dafür aber fand ich in einer der Seitentaschen einen zerknitterten Zettel. Eher gleichgültig faltete ich das Blatt
auseinander. „Das wird wohl eine Einkaufsliste sein“, dachte ich bei mir. Ich hatte kaum angefangen zu lesen,
da entdeckte ich etwas, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ: Auf dem Zettel stand mein Name ge-
schrieben! Aber es sollte noch schlimmer kommen. Bei näherer Betrachtung stellte ich fest, dass es sich bei dem
Zettel um eine Todesanzeige handelte. Ich spürte wie die Hitze in meinem Körper aufstieg. Meine Wangen
brannten und Schweiß stand auf meiner Stirn. Verwirrt fiel mein Blick auf die Lebensdaten der Verstorbenen.
Mit zitternder Stimme las ich: „Geboren am 23. November 2001“. Kein Zweifel – das war mein Geburtstag…
Ich schloss die Augen. So viele Zufälle auf einmal konnten doch nicht sein! Mich befiel panische Angst. Die
Gedanken schwirrten nur so in meinem Kopf herum: Ich wollte nicht weiterlesen! Ich wollte das Sterbedatum
nicht erfahren! Das Sterbedatum… Wessen Sterbedatum?! Ich zwang mich zu rationaler Überlegung: Mein
Name ist nun nicht der ausgefallenste der Welt; in der Ukraine wenigstens nicht. Und in Wien leben doch viele
Ukrainer. Auch Ukrainerinnen. Und warum sollte ein Mensch nicht am selben Tag wie ich geboren sein? Ich
beruhigte mich. Für einen kurzen Moment lachte ich sogar auf: „Du bist doch ein Kindskopf, Svita. Nun bist du
schon fast zwanzig und lässt dich immer noch so leicht erschrecken.“ Ich hielt den Zettel immer noch in meiner
Hand. Unwillkürlich hatte ich ihn mit Daumen und Zeigefinger in zwei Hälften gefaltet. „Na, dann wollen
wir uns das ominöse Sterbedatum einmal ansehen“, machte ich mir mit etwas zu entschlossener Stimme Mut.
Mit gespielter Gelassenheit führte ich den Zettel an meine Augen. Ich las: „Sterbedatum: 23. September 2021.“
Der 23. September? Verwirrt begann ich in der Handtasche nach meinem Mobiltelephon zu kramen. Was war
heute bloß für ein Tag? Endlich hatte ich das Ding gefunden. Nervös tippte ich auf den Touchscreen, jedoch
– keine Reaktion. Der Akku hatte seinen Geist aufgegeben… „Das ist wieder einmal typisch!“ entfuhr es mir.
Mir blieb also nichts anderes übrig, als Passanten um Auskunft zu fragen, was ich denn auch versuchte. Die
meisten Leute beschleunigten den Schritt, wenn ich auf sie zutrat. Das ist wohl das
„goldene Wienerherz“ von dem ich im Deutschunterricht einmal gehört hatte. Ich
hatte die Hoffnung schon beinahe aufgegeben, da fiel mein Blick zufällig auf eine
digitale Anzeigentafel der Wiener Verkehrsbetriebe. Neben der aktuellen Uhrzeit
war dort auch das heutige Datum vermerkt: 21. September 2021. „Das darf doch
nicht wahr sein!“ rief ich ungläubig. „Da erlaubt sich doch jemand einen schlechten
Scherz mit mir!“ Ich spürte, wie sich mein Magen zusammenkrampfte. In zwei
Tagen also wird alles vorüber sein. In zwei Tagen wird Svitlana Honchar, geboren
am 23. November 2001, ihr Leben aushauchen. Aber – wer ist Svitlana Honchar…?
Kateryna Naumenko
Wer den dritten Teil unserer BRÜCKE-Fortsetzungsgeschichte verfassen möchte, kann unsere Redaktion via FB-Seite
kontaktieren. Es gilt das Prinzip: Wer sich als erste bzw. erster meldet, bekommt den Job! Teilnahmeberechtigt sind Men-
schen, die aktuell an einer Universität im In- oder Ausland studieren.
68
STECKENPFERD UND STECKERLFISCH
Im August 1939 waren die Augen der Schachwelt auf Buenos Aires gerichtet: Die 8. Schacholympiade der
Geschichte sollte in der argentinischen Hauptstadt über die Bühne gehen. Zeit- und ortsgleich war auch die
Schachweltmeisterschaft der Frauen anberaumt worden. Schachspielerinnen und Schachspieler aus rund drei-
ßig Nationen hatten sich in der Metropole am Rio de la Plata eingefunden; unter ihnen so illustre Figuren wie
Weltmeister Aleksandr Alekhin und Ex-Weltmeister José Raúl Capablanca. Das Gros der europäischen Parti-
zipienten war von dem belgischen Frachtschiff „Piriapolis“ über den Atlantik gebracht worden. Drei Wochen
hatte die Überfahrt gedauert – kaum vorstellbar in unserer heutigen, allzu schnellfließenden Zeit.
Die sportlichen Ereignisse sollen hier nicht im Mittelpunkt stehen. Wir wollen sie gleichwohl nicht gänz-
lich unerwähnt lassen: Einigermaßen überraschend errang das Deutsche Reich unter der Führung des Öster-
reichers Erich Eliskases die olympische Goldmedaille. Auf dem zweiten Platz folgte Polen, das Altmeister
Savielly Tartakower und einen gewissen Mieczysław Najdorf in seinen Reihen wusste. Estland erreichte mit
dem aufstrebenden Jungspund Paul Keres am ersten Brett einen respektablen dritten Platz. Die Schachkrone
der Frauen setzte sich zum wiederholten Male die tschechisch-britische Meisterin Vera Menchik aufs Haupt.
Soweit so gewöhnlich: Schachspieler spielen Schach, gewinnen, verlieren, werden mit Ehrungen bedacht –
und doch ist jenen beiden Turnieren eine Bedeutung eigen, die über das rein Schachliche hinausgeht und die
Trivialität von Sieg und Niederlage transzendiert.
Die Wettkämpfe waren noch im vollen Gange, als sich auf dem alten Kontinent die politischen Ereignis-
se überschlugen: Am 1. September 1939 hatte Nazideutschland in verbrecherischer Absicht Polen überfallen;
zwei Tage später erklärten Frankreich und Großbritannien Deutschland den Krieg. Lange hatten sie sich an-
gekündigt, die Schatten der Gewalt, die sich nun über Europa senkten.
Am anderen Ende der Welt sahen sich die europäischen Schachspielerinnen und Schachspieler vor eine
schwerwiegende Entscheidung gestellt: Sollten sie in Argentinien bleiben oder nach Europa zurückkehren?
Welcher Zug war in dieser Situation der richtige? Niemand wusste, wie sich der Krieg entwickeln würde, ob
man sich auf ein paar Wochen des Kampfes, einige Monate der Entbehrung oder gar Jahre größter Not einzu-
stellen hatte. Wer hätte die Ausmaße jenes Infernos vorhersehen können, das in den kommenden Jahren über
die Menschheit hereinbrechen sollte, die Millionen und Abermillionen Toten? Die argentinische Regierung
hatte den Schachspielern ein Bleiberecht zugesagt, wenn diese sich im Gegenzug bereiterklärten, die Entwick-
lung des königlichen Spiels in Argentinien zu fördern. Sollten die Schachspieler das Angebot annehmen? Oder
einfach mal abwarten? Sehen wie sich die Stellung entwickelt? Aber was war mit der Familie in der alten Hei-
mat? Den Freunden? Dem alten Leben? Was war das Geld noch wert, das man in der Tasche hatte? Und was
sollte man andererseits in Argentinien? Was sollte man anfangen in einem Land, dessen Sprache man nicht
beherrschte und zu dessen Kultur man keinen Bezug hatte? Wie sollte man als Schachspieler einen Lebens-
unterhalt verdienen in einer Weltgegend, die mit den schwarzen und weißen Steinen vergleichsweise wenig
am Hut hatte?
Der nachgeborene Mensch neigt dazu, die Vergangenheit mit dem wissenden Auge der Gegenwart zu be-
trachten. Die Fehlungen und Irrungen der Altvorderen werden von ihm belächelt – nicht selten mit allzu gro-
ßer Leichtigkeit, nicht selten mit allzu großem Hochmut. Das Glück der späten Geburt lässt sich auch schach- 69
metaphorisch ausdrücken: Nach einer Partie weiß man in der Regel, wo der Fehler gelegen hat; wenn man aber
noch am Brett sitzt, verhält sich die Sache anders.
Florian Rinesch
H allo, meine Lieben. Ich mache es diesmal kurz: Ich habe wieder keine Buchkritik geschrieben. Ich hatte
keine Zeit, keine Lust, und wenn ich ehrlich bin – ich kann auch gar nicht schreiben. Dafür habe ich
wieder ein paar Tipps für euch akkumuliert. „Akkumulieren“ und „schreiben“ sind schließlich unterschied-
liche Dinge…
● Das Album По волне моей памяти (1976) von David Tukhmanov (geb. 1940), weil Poesie und Rock zu-
sammengehören. Manchmal.
● Die Photographien von Brassaï (1899-1984), weil Paris bei Nacht einen besonderen Reiz hat. Meistens.
● Die Musik von Baden Powell (1937-2000). Gemeint ist der Gitarrist – nicht der Pfadfinder!
● Die Aquarelle von Franziska Schultze (1805-1864), weil auch Blumen ein würdiges Motiv darstellen.
● Die Werke von Federico Fellini (1920-1993), weil es dem heutigen Kino an grotesken Leibern mangelt.
● Das Buch Высокое искусство von Kornei Chukovskyi (1882-1969), weil auch das Anekdotische in der
Übersetzungswissenschaft einen Platz hat.
● Die Filmliste des Vatikan, weil die katholische Kirche eine Meisterin im Kanonisieren ist.
● Die Novelle Fräulein Else von Arthur Schnitzler (1862-1931), weil man nicht alle Tage einen inneren Mono-
log findet, der von einem Mann aus der Sicht einer Frau geschrieben ist.
● Die Filmmusik von Vladimir Cosma (geb. 1940), weil die siebziger Jahre nicht tot sind, sondern lediglich
ein bisschen riechen.
„Wie viel Sprachen du spricht, sooft mal bist du Mensch“, sagte Goethe. Klar ist es viel Arbeit, eine Fremdspra-
che zu erlernen, aber einen kleinen Schritt kann man jeden Tag tun. Und selbst wenn man nicht die Absicht hat,
eine bestimmte Sprache zu erlernen, so kann es dennoch spannend sein, sich mit fremd anmutenden Begriffen
dieser Sprache vertraut zu machen. Nehmen wir zum Beispiel: das Japanische. Im Japanischen existieren Wör-
ter, die man als Beschreibung oder Erklärung von Sachen bzw. Handlungen benutzt. Hier ein paar Beispiele:
STEINBOCK: Ich wage kaum zu fragen, aber hat die Zentrale irgendwelche…
H SKORPION: …Prophezeiungen geschickt? Nein. Nix.
O LÖWE: „Hüten Sie sich vor einem Mann, der Ihnen Pralinen schenkt.“
STIER: Ist das alles?
S LÖWE: Ja. Gut, was? Habe ich selbst geschrieben.
K STIER: Ein bisschen dürftig, wenn du mich fragst.
VEGANER
KAROTTEN-
KUCHEN
So leicht zu machen und lecker zu essen – diesen Karottenkuchen muss jeder probieren! Sicher hast du alle
Zutaten in deinem Kühlschrank. Also los in die Küche!
1. Schritt:
ZUTATEN: Die Walnüsse klein schneiden und sie in einer Pfanne 3-5 Minuten
lang braten. Keine Butter oder Öl zugeben.
o 300 g Karotten
o 130 g Mehl 2. Schritt:
Mehl, Backpulver, Zucker, Zimt und Muskatnuss in einer Schüssel mi-
o 100 g Walnüsse
schen.
o 1,5 TL Backpulver
o 1/4 TL Zimt 3. Schritt:
Die Karotten reiben und mit der Teigmasse und den Nüssen mischen.
o 1/4 TL Muskatnuss Den Saft und das Öl hinzugeben.
o 1 El. Zucker
4. Schritt:
o 60 ml Orangensaft Den Teig in eine Backform geben und im vorgeheizten Ofen bei 190°C
o 80 ml Pflanzenöl 40-50 Minuten backen.
Je nach Wunsch kannst du den Kuchen auch mit Zuckerguss verfeinern. Dafür in einer Schüssel 100
Gramm Puderzucker und 2 EL Zitronensaft vermischen. Den Kuchen mit der Zucker-Zitronenmischung
bestreichen.
Anastasiia Stulen
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DKO
J
A
D Z
Z
Mein Name ist Diadko Jazz und mein Thema ist sowjetischer
Jazz… guter sowjetischer Jazz. In der BRÜCKE präsentiert Di-
adko Jazz sowjetische Jazz-Platten aus über einhundert Jahren
Jazz-Geschichte, von Aleksandr Cfasman bis Doktor-Dzhaz. Wa-
rum sowjetischer Jazz? Weil Diadko Jazz die Formulierung „Ost-
europäisch-baltisch-kaukasisch-zentralasiatisch-sibirischer Jazz
von den Anfängen bis 1991“ zu sperrig erschien. Diadko Jazz ist
pragmatisch…
DIE ZITATENORGEL
In der Zitatenorgel präsentiert Ihnen Frau Schremmelmayer auch diesmal vollkommen willkürlich ausge-
wählte Weisheiten von Vertretern bestimmter Berufsgruppen. Frau Schremmelmayer sieht in diesem Konzept
immer noch eine „Spitzenidee“, während es der Herausgeber nach wie vor für plemplem erachtet. Wurscht – à
chacun sont goût! Diesmal sind, glaube ich, die Apotheker dran. Oder doch die Heinzungstechniker?
Jeder Mensch ist ein Clown, aber nur wenige Leben ist die Entwicklung vom jugendlichen
haben den Mut, es zu zeigen. Helden zum komischen Alten.
(Charlie Rivel) (Charlie Rivel)
Будьте самоучками, не ждите, пока вас Nichts ist schlimmer, als ein Editorial schreiben
научит жизнь. zu müssen.
(Jurii Nikulin) (Zipo)
Hui, das ist feun, so soll es seun, das tut den Ich möchte vor möglichst vielen Leuten ster-
Kasperl immer freuen. ben.1
(Clown Habakuk) (Pio Nock)
-----.
(Bip)
I am grim all day, but I make you laugh at night.
(Joseph Grimaldi)
1 Ist ihm gelungen. Pio Nock starb in der Manege, noch dazu in Dortmund!
Anm. d. Red.
STECKENPFERD UND STECKERLFISCH
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STECKENPFERD UND STECKERLFISCH
FINALES BANALES 77
Im Jahre 1832 verstarb Johann Wolfgang von Goethe, hochbetagt und auf einem Stuhl sitzend, in seinem Haus
am Weimarer Frauenplan. Während der deutsche Dichterfürst sein Leben aushauchte, entschlüpfte just am
anderen Ende der Erde eine Schildkröte ihrem Ei. Wohlmeinende Menschen bedachten sie mit dem Namen
Jonathan – und auf diesen hört sie heute noch. Jonathan ist mit seinen 189 Lenzen das älteste noch am Leben
befindliche Reptil unseres Planeten. Er lebt mit vier seiner Artgenossen auf der Insel St. Helena, genauer ge-
sagt im Garten des Plantation House, der Residenz des Gouverneurs von St. Helena, Ascension und Tristan da
Cunha. Jonathan hat die Revolution von 1848, den Untergang des Britischen Empire, die Oktoberrevolution,
zwei Weltkriege und die Eröffnung des St. Helena Airport von 2016 überlebt – und dabei, soweit wir wissen,
nichts von alledem mitbekommen! Möge Jonathan noch lange bei guter Gesundheit bleiben, und mögen wir
uns an der Tatsache erfreuen, noch einen Zeitgenossen Goethes unter uns zu wissen.
Peregrin
UNSERE SCHREIBERLINGE, ZEICHENFRITZE
UND DER ENGERLING DORIS
A1 A1 A2 A2 B1 B1 B2 C1 C2
ZA1 KID A1 ZA2 KID A2 ZDÖ B1 ZB1 ZB2 ZC1 ZC2
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