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Für uns als Übersetzer und Übersetzerinnen sind die so genannten Funktionsmodelle eine wichtige

Orientierung. Zwei dieser Modelle möchte ich euch im zweiten Teil meines Vortrags vorstellen.
Das erste Modell stammt von einem Psychologen. Er heißt Friedemann Schulz von Thun. Dieser
Friedemann Schulz von Thun sagt: Jede Äußerung hat vier Dimensionen. Eine Äußerung nennt er
Nachricht. Die vier Dimensionen nennt er die vier Seiten einer Nachricht. Eine Nachricht kann zum
Beispiel sein: „Die Ampel ist grün.“ Stellt euch folgende Situation vor: Ein Ehepaar sitzt im Auto.
Das Auto hält an einer Ampel. Die Frau ist am Steuer, der Mann sitzt daneben. Der Mann sagt:
„Du, die Ampel ist grün“. Die Frau hat nun 4 verschiedene Möglichkeiten, die Äußerung zu
interpretieren: Möglichkeit 1: Im Mittelpunkt steht die Sache, also die Ampel. Dann ist die
Nachricht eine Feststellung. Die Ampel hat gerade grün geschaltet. Man kann losfahren.
Möglichkeit 2: Im Mittelpunkt steht der Empfänger der Nachricht, also die Frau. Dann ist die
Nachricht eine Aufforderung: „Fahr los!“ Möglichkeit 3: Im Mittelpunkt steht der Sender, also der
Mann. Er sagt etwas über sich: „Ich bin ungeduldig.“ oder „Ich habe es eilig.“ Möglichkeit 4: Im
Mittelpunkt steht die Beziehung zwischen Sender und Empfänger, also zwischen Mann und Frau.
Dann kann die Nachricht auch eine Kritik an den Fahrkünsten der Frau sein. Ganz schön
kompliziert, oder? Das Vier-Seiten-Modell hilft aus psychologischer Sicht, die verschiedenen
Aspekte und Interpretationsmöglichkeiten von Äußerungen bewusst zu machen und so die
zwischenmenschliche Kommunikation zu verbessern. Friedemann Schulz von Thun fokussiert in
seinem Modell den Empfänger einer Nachricht. Deshalb heißt sein Modell auch Vier-Ohren-
Modell.

Die Übersetzungswissenschaftlerin Christiane Nord, und das ist jetzt ganz wichtig, fokussiert das
Kommunikationsziel. Sie nennt solche Ziele kommunikative Funktionen. Diese Funktionen erkennt
man an der Wahl der sprachlichen Mittel, an der Textsorte und am Kontext. Ähnlich wie die vier
Seiten einer Nachricht bei Friedemann Schulz von Thun lassen sich die kommunikativen
Funktionen in vier Hauptgruppen unterteilen: Darstellende Funktion, appellative Funktion,
expressive Funktion und phatische Funktion. Zielt die kommunikative Handlung auf die
Darstellung eines Objektes oder einer Sache, dann hat sie darstellende Funktion. Ein Lexikonartikel
über einen Schriftsteller hat zum Beispiel darstellende Funktion. Soll die sprachliche Äußerung eine
Handlung des Empfängers auslösen, dann hat sie appellative Funktion. Der Satz „Mach bitte das
Fenster zu.“ ist zum Beispiel ein Appell. Steht bei der sprachlichen Handlung ein Gefühl oder die
Meinung des Senders im Mittelpunkt, dann hat sie expressive Funktion. Der Ausruf „Igitt!“ oder
der Satz „Meiner Meinung nach ist Rauchen ungesund“ haben expressive Funktion. Reguliert die
Äußerung die Beziehung zwischen Sender und Empfänger, dann hat sie phatische Funktion. Dazu
gehören zum Beispiel auch Begrüßungs- und Abschiedsformeln. Beim Übersetzen und
Dolmetschen müssen wir diese kommunikativen Funktionen im Ausgangstext erkennen und im
Zieltext wieder herstellen. Deshalb ist es so wichtig für uns Übersetzer und Übersetzerinnen, über
Kommunikation Bescheid zu wissen.

Damit bin ich am Ende meines kleinen Vortrags. Wenn ihr Fragen habt, dann beantworte ich die
gern. Ansonsten: Danke für´s Zuhören!

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