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Funktionen der Sprache

In der Fachliteratur gibt es mehrere Funktionsmodelle der Sprache. Der Wiener Psychologe Karl Bühler, der
dem Prager Strukturalismus nahe steht, hat die am häufigsten erwähnte Einteilung der Funktionen von Sprache
vorgenommen. Man spricht von dem klassischen Modell Bühlers oder dem Organonmodell, in dem
Darstellungs-, Ausdrucks- und Appellfunktion von Sprache erwähnt werden. Nach Bühler ist die Sprache mit
dem Werkzeug verwandt: auch sie gehört zu den Geräten des Lebens, ist ein Organon [Werkzeug]. Beim
Sprechen sind immer drei Elemente beteiligt, die über das Sprachzeichen (Z) in Sinnbezug miteinander treten:
- (mindestens) ein Sender, (mindestens) ein Empfänger und Objekte der gegenständlichen Welt.
Diese Gegenstände oder Sachverhalte sind Anlass der Kommunikation zwischen Sender und Empfänger, aber
nicht ausschließlich. Die Sprachzeichen, die zwischen Sender und Empfänger gewechselt werden, können sich
auch auf diese selbst richten. Wenn sich das Sprachzeichen auf den Sender richtet, nennt Bühler diese
Funktion des Zeichens Ausdruck. Den Sinnbezug, der auf den Empfänger zielt, bezeichnet er als Appell. Der
auf Gegenstände und Sachverhalte zielende Sinnbezug des sprachlichen Zeichens ist Darstellung.
In jeder Mitteilung sind alle drei Funktionen der Sprache enthalten, wobei eine Funktion mehr oder weniger
stark dominieren kann. Die Sprecherabsicht (Intention) entscheidet darüber, welche dieser Funktionen in einer
sprachlichen Äußerung jeweils überwiegt. In dem Organon-Modell der Sprache hat also jedes Zeichen im
Kommunikationsvorgang drei (nicht immer gleich wichtige) Funktionen (die sich überschneiden/decken):
- In Bezug auf den Sender ist es Symptom bzw. Ausdruck seiner Einstellung zum Empfänger oder zum
Inhalt des Geäußerten (Ärger, Freude, Ironie usw.);
- In Bezug auf den Empfänger ist es Signal, bzw. ein Appell, zu reagieren;
- In Bezug auf die geäußerten Gegenstände o. Sachverhalte ist es Symbol bzw. Darstellung der
Gegenstände
Um es zu explizieren:
1. Die sprachlichen Zeichen sind Symptome, wenn sie als Bekanntgabe oder Ausdruck der Gefühle, der
inneren Erlebnisse des Sprechers dienen. Die Symptom- oder Ausdrucksfunktion beruht also auf der
Abhängigkeit sprachlicher Zeichen vom Sprecher, dessen Innerlichkeit ausgedrückt wird.
2. Die sprachlichen Zeichen sind Signale, sobald sie als Auslösung (Reaktion verursachend) oder Appell
dienen, d.h. den Hörer beeinflussen, bei ihm eine Wirkung auslösen (diese Wirkung kann eine
Handlung sein). Signal- oder Appellfunktion weist auf den Empfänger, an den die sprachlichen
Zeichen appellieren und dessen äußeres oder inneres Verhalten steuern.
3. Die sprachlichen Zeichen sind Symbole, wenn sie der Darstellung dienen oder, anders gesagt, einen
informierenden Bericht übermitteln. Die Symbolfunktion (oder Darstellungsfunktion) sprachlicher
Zeichen ergibt sich aus deren Zuordnung zu Gegenständen und Sachverhalten.
Roman Jakobson, in den 30er Jahren des 20. Jh. ein Hauptvertreter der Prager Schule, hat das Organon-Modell
Bühlers weiterentwickelt und ein komplexeres Kommunikationsmodell entworfen. Er unterscheidet also 6
Funktionen oder „Einstellungen“:
1. senderbezogene Einstellung – emotiv (o. expressiv) (Interjektionen);
2. empfängerbezogene Einstellung – konativ (Imperativsätze).
3. wirklichkeitsbezogene Einstellung – referentiell (Statement) – das ist die Einstellung auf den Kontext.
Darin sieht er die Hauptaufgabe vieler Nachrichten.
Dies entspricht dem Bühlerschen Organonmodell, das Jakobson auch zitiert. Außerdem erwähnt er:
4. die den Kommunikationskontakt herstellende Einstellung – phatisch („Hallo, hören Sie mich?“). Diese
Funktion steht im Vordergrund, wenn das Sprechen vor allem dem Kontakthalten mit dem Empfänger
oder einfach dem Anknüpfen eines Gesprächs dient. Dabei werden nur solche Information übermittelt, die
zur Verlängerung des Kontaktes notwendig ist, z. B. Schönes Wetter heute o. (am Telefon) ein von Zeit
zur Zeit geäußertes Hm, um dem Sender anzuzeigen, dass der Empfänger noch da ist).
5. Einstellung, die die Sprache selbst als Objekt thematisiert – metalingual. Metasprache ist Sprache über
Sprache. Sie bezieht sich nicht auf Gegenstände der außersprachlichen Wirklichkeit, sondern auf
Elemente oder Kategorien der Sprache (Haus ist ein Substantiv). Im Zusammenhang mit dieser Funktion
wird überprüft, ob derselbe Code verwendet wird; ein Beispiel dafür wäre die Frage an den
Gesprächspartner, was er mit einem bestimmten Wort meine oder die Frage: „Weißt du, was ich meine?“
6. Am Schluss gelangt er zur Definition des Poetischen: Die poetische Funktion ist nach ihm die Einstellung
auf die Nachricht als solche und um ihrer selbst willen. Wenn also die Nachricht zweckfrei im Zentrum
steht, d.h. ohne aktuelle appellative Funktion an den Empfänger, handelt es sich um poetische Funktion).
Allen auf Bühler basierenden Klassifikationen wird vorgeworfen, dass sie nicht ganz homogen sind, weil die
Einteilung auf unterschiedlichen Kriterien beruht. Die Appell- und Kontaktfunktion werden z. B. auf der
kommunikativ-funktionalen Ebene definiert (Art der kommunikativen Beziehung des Emittenten zum
Rezipienten), Darstellungsfunktion wird auf der thematischen Ebene auf der Basis verschiedener
Referenzarten bestimmt, weil es bei ihr um die Thematisierung von Sachverhalten geht. Bei der Funktion
Selbstdarstellung geht es um eine Thematisierung der Person des Emittenten selbst.
Unter dem kommunikativ-funktionalen Aspekt der interpersonalen Beziehung würde die Aufstellung textueller
Grundfunktionen folgendermaßen aussehen:
- Informationsfunktion: Ich informiere dich über den Sachverhalt X (für die Textsorten Nachricht,
Bericht und Beschreibung charakteristisch. Sie kann sich auch mit der ‚evaluativen’ Einstellung (etwas
gut/schlecht finden) verbinden. Diese thematische Einstellung ist kennzeichnend für die Textsorten
Gutachten, Rezension, Leserbrief usw.
- Appellfunktion: Ich fordere dich auf, die Einstellung X zu übernehmen/ die Handlung X zu vollziehen.
Textsorten mit appellativer Grundfunktion sind: Werbeanzeige, Propagandatext, Kommentar,
Arbeitsanleitung, Gebrauchsanweisung, Rezept, Gesetzestext, Antrag, Bittschrift, Predigt usw.
- Obligationsfunktion: Ich verpflichte mich, die Handlung X zu tun; Textsorten dieser Funktion sind
Vertrag, Vereinbarung, Garantieschein, Gelöbnis, Angebot usw. Selbstverpflichtende Texte sind in
der Regel stark institutionalisiert;
- Kontaktfunktion: Über die Glückwünsche zu ... haben wir uns sehr gefreut. Der Emittent gibt dem
Rezipienten zu verstehen, dass es ihm um die personale Beziehung zum Rezipienten geht. Diese
Funktion wird durch die Formeln mit den Verben danken, um Entschuldigung bitten, gratulieren,, s.
beschweren, willkommen heißen, Beileid aussprechen, verfluchen usw. signalisiert.
- Deklarationsfunktion: Ich bewirke hiermit, dass X als Y gilt; Der Emittent gibt dem Rezipienten zu
verstehen, dass der Text eine neue Realität schafft. Textsorten (an bestimmte gesellschaftliche
Institution gebunden) sind hier Ernennungsurkunde, Testament, Bevollmächtigung, Bescheinigung.

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