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Eberhard-Karls Universität Tübingen

Romanisches Seminar
Prof. Dr. Inga Hennecke
PSI Einführung in die spanische und
portugiesische Sprachwissenschaft

Pragmatik

(...) linguistische Teildisziplin, die sich mit dem Gebrauch sprachlicher Ausdrücke
in Äußerungssituationen befasst. (Bußmann 2002)

Pragmatik beschäftigt sich mit den Aspekten der Bedeutung, die über das Zeichen und seine
Referenten hinausgehen: Sie schließt sowohl die Sprachbenutzer als auch kontextuelle Faktoren
ein, wie die Situation, die Absicht des Sprechers oder die Strukturen einer Konversation.
(Stein 2014: 85)

• Pragmatik beschäftigt sich also mit den Regeln des Sprachgebrauchs, nicht mit den Regeln
der Sprache
• Pragmatik ist die Sprach-Handlungs-Theorie

 Es gibt häufig eine Diskrepanz zwischen dem sprachlich Formulierten und der
mitgeteilten Information (Proposition) ist eine der grundlegenden Eigenschaften der
sprachlichen Kommunikation

Bühlers Organonmodell (1934)


Tengo frío! Tenho frio! / Estou com frio!

Sprecherintention richtet sich auf die:


• Darstellungsfunktion: reine Feststellung
• Ausdrucksfunktion: zeigt Verärgerung
• Appellfunktion: Bitte, das Fenster zu schließen

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1. Sprechhandlungen nach J.L. Austin

John Austin veröffentlicht 1962 sein Buch „How to do things with words“
 Grundannahme: Sprechen ist Handeln

Konstative Äußerungen:
Behauptungen über die Welt, die wahr oder falsch sein können.
La tierra es un planeta A Terra é um planeta.

Performative Äußerungen:
Handlungen werden vollzogen, indem sie geäußert werden.

Por la presente, os declaro marido y mujer. Por la presente, te bautizo María

Agora eu os declaro marido e mulher. Eu te batizo Maria.

Eigenschaften von performativen Äußerungen:


- Sie können nicht wahr oder falsch sein, aber gelingen oder scheitern
- Explizit performative Äußerungen müssen in der 1. Pers. Sing. Präs. verwendet werden
- Sie sind oftmals an außersprachliche Umstände gebunden

2. Sprechakttheorie nach J.R. Searle

Teilaspekte eines Sprechaktes


Lokution (Äußerungsakt): Hervorbringung der lautlichen und grammatischen Struktur
Proposition: Festlegung von Referenzbezug und Prädikation
Illokution: Befehl oder Aufforderung zu X (Fragen, Behaupten, Versprechen,...)
(Perlokution: Effekt der erreicht werden soll oder erreicht wird)

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Linke 2001: 189

Die fünf Klassen illokutionärer Akte (nach Searle 1980)

1) Assertive Sprechakte: der Illokutionszweck zielt bei Sprechakten dieser Klasse


darauf, dass der Sprecher etwas (p) behauptet, festlegt, von dessen Wahrheit er
wissentlich und psychisch überzeugt ist und wovon er den Angesprochenen überzeugen
will (behaupten, feststellen, beschreiben, erzählen)

2) Direktiva: diese Klasse von Sprechakten umfasst solche, die den Hörer zu zukünftigen
Handlungen reaktiv bewegen, verpflichten oder veranlassen sollen (auffordern, bitten,
Ratschläge geben, befehlen)

3) Kommissiva: durch Sprechakte dieser Art verpflichtet sich der Sprecher selbst zu
nachfolgenden, zukünftigen Handlungen, also durch Versprechen, Angebot, Drohung
(versprechen, geloben, sich verpflichten)

4) Expressiva: durch diese Sprechakte drückt der Sprecher eine psychische


Einstellung der Aufrichtigkeit (vgl. die o.g. Aufrichtigkeitsbedingungen) aus, sie sind
stark gesellschaftlich, gewohnheitsmäßig bzw. rituell determiniert (entschuldigen, gratulieren,
danksagen, grüßen)

5) Deklarativa: diese Klasse von deklarativen Sprechakten findet sich vorrangig in


sozialen Institutionen/ Situationen – meist performativ verwendet, ihr Vollzug zielt bei
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Gelingen auf eine Übereinstimmung des geäußerten propositionalen Gehalts und der
(veränderten) Wirklichkeit (ernennen, gerichtlich urteilen, taufen, vermählen)
(in Endruschat/Schmidt-Radefeldt 2014: 188-189)

Illokutionsindikatoren
• Performative Verben (ich taufe dich…)
• Modus (Wenn Anna doch schon da wäre.)
• Partikeln wie bitte, hoffentlich, gefälligst, wenn… doch usw.
• Satzarten

Indirekte Sprechakte

 Sprechakte, bei denen die wörtlich geäußerte Illokution von der eigentlich gemeinten
abweicht:

In diesem Fall ist der Rezipient stärker gefragt, da er inferieren muss, was gemeint
sein könnte:

Hace frío aquí

Está frio aqui.

Theorie der Implikaturen nach Grice

Paul Grice (1975, 1968) Theorie der konversationellen Implikatur

Grundidee: Kommunikation ist kooperatives Handeln, Interaktion. Ziel ist es, Verständigung
zu erreichen
 Kommunikation kann nicht zustande kommen, wenn die Beteiligten nicht wenigstens
ein minimales gemeinsames Interesse haben, dass die Kommunikation funktionieren
soll.

Implikaturen: Das, was bei einer sprachlichen Äußerung mitvermittelt wird, ohne explizit
gesagt zu werden.
 Muss vom Hörer mithilfe von sog. Inferenzen erschlossen werden.

Inferenzen: deutende Hinzunahmen (auf Seiten des Hörers), die sich mit den Implikaturen
decken können, aber nicht müssen.

Kooperationsprinzip:

Sei kooperativ!

„Mache deinen Gesprächsbeitrag jeweils so, wie es von dem akzeptierten Zweck oder der
akzeptierten Richtung des Gesprächs, an dem du teilnimmst, gerade verlangt wird.“

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Konversationsmaximen nach Grice

(Sokol 2007:55)
Relevanz: Was ist wichtig?
Qualität: Ist das Gesagte wahr?
Quantität: Was ist informativ?
Modalität: Ist das Gesagte klar ausgedrückt?

Konventionelle Implikaturen
• hängen an der sprachlichen Form selbst und schwingen automatisch mit
• können in der sprachlichen Interaktion nicht zurückgenommen werden

He encontrado un piso para nosotros. Encontrei um apartamento para nós.

Konversationelle Implikaturen

der an eine bestimmte Äußerung geknüpfte, aber nicht ausgedrückte Sinn, den es zu
erschließen gilt; beruht auf der Verletzung von Konversationsmaximen.

A: ¿Qué hora es?


B: El partido de fútbol acaba de empezar.

A: Que horas são?


B: O jogo de futebol está começando.

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