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0. Das Vorkommen der indirekten Rede Wie aus diesem Zitat hervorgeht, nimmt
in der Umgangssprache die indirekte Rede also einen herausra-
Zahlreiche linguistische Abhandlungen genden Platz in der heutigen Gegen-
(wie z. B. die von Günthner 2000; Askedal wartssprache und in der alltäglichen
1999, 1997 und 1996; Lauridsen/Poulsen schriftlichen Produktion ein. Der Lerner
1999; Sommerfeldt 1997 und 1990; Fabri- muß nicht nur gezielt auf eine Gesprächs-
cius-Hansen 1997 und 1989; Meyer- kompetenz vorbereitet werden, sondern
Nigg/Schürch/Werthmüller 1996; Be- auch auf die rezeptiven Fertigkeiten Hö-
cher 1989) bemühten und bemühen sich ren/Verstehen sowie auf das Schreiben.
immer noch um die Klärung der indirek- Meines Erachtens nach ist es dieser letz-
ten Rede als einer Informationskategorie tere Bereich, in dem die indirekte Rede
und die Darstellung des Konjunktivs in eine ganz wesentliche Rolle spielt. Der
Indirektheitsbereichen als Referat- bzw. Lerner wird ständig mit ihr konfrontiert,
Quotativmodus. Der Grund, weshalb ich sei es beim Hören von Nachrichten im
diesem Thema noch einmal Aufmerk- Fernsehen – vom Typ Heute Journal oder
samkeit zukommen lassen möchte, ist Tagesschau, Tagesthemen, Aktuell usw. –
eben die unverminderte Bedeutung der und im Radio, sei es beim Lesen der
indirekten Rede im Alltag. Wie bereits Zeitung oder bei der Lektüre verschiede-
Bachtin (1979, zitiert in Günthner 2000: 1) ner schriftsprachlicher Textsorten (schön-
ausführte, »ist die Wiedergabe und Erör- geistiger oder wissenschaftlicher Litera-
terung fremder Reden, des fremden Wor- tur), nicht nur journalistischer Textsorten,
tes […] eines der am weitesten verbreite- wo sogar diese Redeform ganz bewußt
ten und wesentlichen Themen menschli- tradiert wird. Damit befindet sich der
cher Rede«. Dieses Zitat hat auch heutzu- Mensch inhaltlich mitten im Wechsel von
tage nichts an Aktualität eingebüßt. direkter und indirekter Rede als Kommu-
nikationsmuster. Hierin möchte ich also
»Das Thema vom sprechenden Menschen die Wichtigkeit der indirekten Rede be-
im Alltag ist von großem Gewicht. Auf gründen und sie für den Fremdsprachen-
Schritt und Tritt ist im Alltag von jeman-
dem, der spricht und seinem Wort die Rede.
unterricht unterstreichen.
Man kann geradezu sagen: im Alltag wird Daß die indirekte Rede viel Aufmerk-
am meisten über das gesprochen, was an- samkeit auf sich gezogen hat, zeigen die
dere sagen, – man übermittelt, erinnert, zahlreichen Veröffentlichungen zu die-
erwägt, erörtert fremde Wörter, Meinungen, sem Thema. Sie mag vor allem auch
Behauptungen, Informationen, entrüstet
sich über sie, erklärt sich mit ihnen einver- Ausländern große Schwierigkeiten berei-
standen, bestreitet sie, beruft sich auf sie, ten, weil ihre Leistung und die des Kon-
usw.« (Günthner 2000: 1) junktivs doch nicht so leicht in Indirekt-
Die indirekte Rede bezieht sich immer chungen in der sprachlichen Formulie-
auf eine Originaläußerung, deren vollzo- rung besser aufdecken zu können. Im
gene Sprechhandlung sie beschreibt und Falle der Transformationsgrammatik
interpretiert. Dabei ist werden beide sogar deutlich dadurch ge-
»diese Sprechhandlungsbeschreibung als trennt und gekennzeichnet, weil sie auf
Referatanzeige in der indirekten Redewie- verschiedene Tiefenstrukturen zurück-
dergabe die gesamte geäußerte KM [Kom- führbar sind (vgl. Günthner 2000: 2). Dar-
munikative Minimaleinheit] in ihren propo- aus ist zu entnehmen, daß beide Erschei-
sitionalen, illokutiven und sonstigen funk- nungsformen durch folgende Unterschei-
tionalen Aspekten vergegenwärtigt« (Zifo-
nun/Hoffmann/Strecker 1997: 1756) dungskriterien charakterisiert werden:
Bei der indirekten Rede kommt es zu Direkte Rede Indirekte Rede
satzförmigen Propositionalausdrücken P
1) Verankerung in 1) Verankerung in
mit propositionalem Gehalt pG, wo der der Figurenwelt der Erzählwelt
Verbindlichkeitsanspruch der Original-
äußerung von X nicht von Y übernom- 2) Reproduktion ex- 2) Einfluß u. eigene
men wird1. pressiv-emotiver Perspektive des
Elemente der Ori- zitierenden Spre-
ginaläußerung, chers in der zitier-
X sagt: Er ist krank. gefühlssignalisie- ten Äußerung,
Y sagt: X sagt, er sei krank. rende Füllsel, Vokative kommen
Vokative hier nicht zur Gel-
pG e-Synkope tung
3) syntaktische 3) untergeordnete
P Überordnung, Satzstellung (daß,
Y sagt: X sagt, daß er krank sei. auch Imperativ- ob…) bzw. Ver-
oder Frageformen zicht auf syntakti-
sche Unterord-
pG nung + Markie-
rung durch den
P Konjunktiv
4) de dicto-Interpreta- 4) relata refero, Re-
Der Wahrheitsgehalt angesichts P steht tion konstruktion ex-
bei Y offen. Der Verfasser/Reporter ver- pressiver Mo-
bürgt sich für die Richtigkeit der Aussa- mente nur durch
gen nicht. Er spricht nur über sie, so daß explizite Themati-
sierung (verbum
Y eine Behauptung über die Originaläu- dicendi…)
ßerung von X macht. Auf diese Weise ist Ausdrücke episte-
die indirekte Rede ein heuristisches Mit- mischer Distanz
tel zur Differenzierung von propositiona-
lem Gehalt und nicht propositionaler Be- Andere Hervorhebungen, die durch eine
deutung bzw. Sprechereinstellung. bestimmte Topik-Fokus-Strukturierung
In der Forschungsliteratur wird die in der direkten Rede veranlaßt werden,
Grundbedeutung der indirekten Rede müssen in der indirekten Rede aufgege-
stets in Opposition zur direkten Rede ben werden, weil sie auf Grund der Wort-
beschrieben, um die wichtigsten Abwei- stellung nicht vorkommen können.
1 Dies bedeutet hauptsächlich, daß der Inhaltssatz keine Rede mehr ist, sondern nur ihr
pG.
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Nun fügt aber Günthner in ihrer auf wieder. Aus praktischen Gründen kann
Tonbandaufnahmen basierenden Ana- ich jedoch an dieser Stelle nur andeu-
lyse noch eine andere sich auf die ge- tungsweise auf diese für den Unterricht
sprochene Sprache stützende Charakte- z. T. problematischen, verschiedenen
ristik hinzu, nämlich prosodisch-stimm- Anwendungskriterien eingehen und
liche Elemente und Codeswitching-Ver- nur kurz darauf hinweisen, daß es sich
fahren1. Dies sei hier nur nebenbei be- bei einigen Fällen, in denen Indikativ,
merkt, um anzudeuten, daß sich die Re- Konjunktiv I und Konjunktiv II neben-
dewiedergabeformen in der realen All- einander konkurrieren, um soziostili-
tagsinteraktion nicht in diesen Merkma- stisch bedingte und textspezifische Sy-
len (in der o. a. Tabelle) erschöpfen. Laut stemvarietäten handelt2 (vgl. Bausch
Günthner trete das Phänomen der 1980; Fabricius-Hansen 1997; Zifonun et
›Mehrstimmigkeit‹ bzw. der Überlage- al. 1997: 1767; Morgenthaler 1998: 367
rung von Stimmen dominierend auf und Askedal 1996: 291). Es bleibt jedoch
(siehe Günthner 2000: 4), und ferner unbestreitbar, daß von einer zentralen
weicht der Gebrauch der indirekten und prototypischen Funktion des Kon-
Rede in der mündlichen Kommunika- junktivs im Bereich der Redewiedergabe
tion (Ellipsen, Hauptsatzphänomene, gesprochen wird (und zwar im Rahmen
arbiträrer Moduswechsel, stark konden- neuerer Theorienentwicklung).
sierte Formen, Gebrauch von Dialogpar- Ferner weist Askedal (1996: 289 ff.) dar-
tikeln usw.) ganz den etablierten Kon- auf hin, daß Konjunktiv I und Konjunk-
ventionen der Schriftsprache aus. Des- tiv II »Erscheinungsformen der morpho-
halb sei hier ganz sauber nicht nur zwi- logischen Referatkennzeichnung« sind
schen direkter und indirekter Rede zu und daß ihr Gebrauch in der indirekten
unterscheiden, sondern auch zwischen Rede durch einen »Regrammatikalisie-
schriftlich oder mündlich formulierten rungsprozeß neu gesteuert wird, d. h.
Berichtsituationen bzw. Äußerungen. daß von durchgehender lexikalischer
Ganz eindeutig erscheint mir die Tatsa- Abhängigkeit oder Bedingtheit des Re-
che, daß der Konjunktiv I im Bereich der feratkonjunktivs im heutigen Deutsch
Rede- und Textwiedergabe nicht vom nicht mehr die Rede sein kann« (Aske-
Aussterben bedroht ist (vgl. hierzu Me- dal 1996: 301) und entsprechend »als die
liß 1995: 230 ff. und Gierden Vega 1999: morphosyntaktische Einbeziehung und
127), wie manche Linguisten in den letz- Integration eines sprachlichen Zeichens
ten Jahrzehnten zu bedauern pflegten. in ein Sprachsystem der im engen Sinne
Diese Beobachtung, daß der Konjunktiv grammatischen Mittel einer Sprache –
noch längst nicht im Schwinden ist, fin- als ein stufenweiser Prozeß«, angesehen
det sich auch bei Eisenberg (1997: 54) wird.
1 Diese Technik besteht darin, Gebrauch von anderen sprachlichen Varietäten zu machen,
mit der Absicht, Personenrede zu stilisieren und zu evaluieren (entweder als einfältig,
provinziell, bäuerlich, aber auch als pedantisch, spießig, arrogant usw.). So kann der/die
Sprecher/in eine fremde Stimme kontextualisieren, indem er/sie von einer manierierten
Form der Standardsprache in eine dialektal gefärbte Sprechweise switcht, sprich
wechselt, oder auch umgekehrt.
2 Damit ist der unterschiedliche Gebrauch der Modi in der geschriebenen und gesproche-
nen Sprache gemeint, in verschiedenen Textsorten und im Individualstil jedes Verfas-
sers/Reporters.
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Präsens Präteritum
Ind Konj Ind Konj
e e te/∅ e
st est test/ est
s(e)t
t e te/∅ e
en en ten/en en
t et tet/et et
en en ten/en en
Formenzusammenfall, veraltete bzw. konservative Formen und deren differenzierter
Ausgleichsvorgang bei Formen wie befähle/beföhle, stände/stünde, hälfe/hülfe, schwämme/
schwömme… (siehe dazu Eisenberg 1997) usw.
2 Die herkömmliche Dichotomie Konjunktiv I und Konjunktiv II behalten wir bei. Vgl.
hierzu Drosdowski (1984), Jung (101990) und neuerdings auch Eisenberg (21989) oder
Lauridsen/Poulsen (1999).
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sprache gebracht. Man braucht nur ein x- Stelle sowohl auf traditionelle als auch
beliebiges Lehrbuch zur Hand zu neh- auf einige aktuelle Grammatiken, die zu
men, um festzustellen, daß dieses von verstehen geben, daß allen Indikativfor-
dieser Diskussion weitgehend unberührt men eine entsprechende Konjunktivform
geblieben ist. Gänzlich ausgeklammert korrespondiert. Diese Auffassung ist je-
bleiben die Bedingungen, unter denen doch nicht ganz korrekt, zumal ein De-
der Indikativ vorkommen kann/darf/ fault-System, d. h. defekte Stellen zu ver-
soll1. zeichnen sind und sich Konjunktiv I und
Bei der Präsentation des Tempussystems Konjunktiv II nicht in temporaler Hin-
im Konjunktiv verweise ich an erster sicht unterscheiden lassen:
1 Siehe dazu plus Deutsch 3 (2000: 144–147), Moment mal! 2 (1997: 112–113), Mittelstufe
Deutsch (1992: 56), Themen neu 3 (1990: 70–72), Lernziel Deutsch (1985: 52–53) usw. Nur im
Spachkurs Deutsch (1991: 256) kann man lesen: »In der privaten Sphäre benutzen wir
meist den Indikativ. In der Umgangssprache hört man alle drei Formen, weil viele
Deutsche die Konjunktiv-Regeln nicht kennen und alles bunt durcheinander mischen.«
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mit der prinzipiell freien Wahl.« (Laurid- kennzeichnendes Element), das die mit-
sen/Poulsen 1999: 299) telbare Aussage auslöst, der Gebrauch
In einer älteren Schulgrammatik für den des Konjunktivs als Zitierzeichen für eine
DaF-Unterricht finden wir die Regel: objektive Wiedergabe und die Wahl einer
»Möchte man die Mitteilung ohne Gewähr bestimmten Satzart. Sie gehen prinzipiell
für ihre Richtigkeit weitergeben, gebraucht aus folgenden Aussagen hervor: »Die Re-
man in der indirekten Rede den Konjunktiv deanweisung sei konstituierendes Ele-
I. Der Konjunktiv macht hier deutlich, daß ment der indirekten Rede […]. Fehlt Re-
es sich um eine fremde Äußerung handelt,
für deren Inhalt man nicht einstehen will.« deanweisung in der Oberflächenstruktur,
(Griesbach 1960: 55) muß sie in der Tiefenstruktur ansetzbar
Aber auch in einer neueren Grammatik sein« (Jäger 1971: 73). Domäne des Kon-
kann man feststellen, daß »der Konjunk- junktivs I ist weiterhin der nichteingelei-
tiv der Normalmodus indirekter Rede- tete Nebensatz. Hier treten kaum Unter-
wiedergabe« ist (Zifonun/Hoffmann/ schiede zwischen Funktionalstilen und
Strecker 1997: 1768). In der Ratgeber- Textsorten auf. Der Konjunktiv findet
Literatur findet man wiederum dieselbe sich häufiger in jenen Sätzen, die über
Tatsache bestätigt. keinen Index verfügen. Hier hat der Mo-
dus die Aufgabe, den Inhalt als Redein-
3. Gebrauchskonventionen halt zu kennzeichnen (Sommerfeldt 1997:
Ausgangspunkt für die folgende Unter- 94).
suchung ist, daß die indirekte Redewie- Als Grundstruktur einer Redewieder-
dergabe – egal welchen Typs – notwendi- gabe sind ein einleitender Satz und ein
gerweise drei Bestandteile aufweist, die a Komplementsatz, in dem sich die Origi-
priori festgelegt werden können: ein ope- naläußerung wiederfindet, obligatorisch
ratives Mittel (interpolierendes rede- (vgl. Morgenthaler 1998: 355).
Diese Bestandteile sind entweder direkt indirekte Rede typologisch klar vonein-
im topologischen Satztyp expliziert oder ander trennbar sind.
aus dem Kontext erschließbar. Ferner Der Konjunktiv wird notwendigerweise,
zeigt sich, daß diese kanonischen Markie- im Sinne von obligatorisch, gebraucht,
rungen (Subordination, verbum dicendi wenn keine Elemente zur Verfügung ste-
usw.) oftmals fehlen können. Meines Er- hen, die die indirekte Rede deutlich mar-
achtens nach sind die ersten zwei Be- kieren können. Beispiele berichteter Rede
standteile von großer Bedeutung, inso- bezeugen dies:
fern eines von diesen beiden unabding-
bar ist, um indirekte Rede eindeutig zu »Die Verknüpfung sei äußerst sinnvoll:
kennzeichnen. Mindestens Einmarkie- Thomas Mann stehe gemeinsam mit seiner
rung solle bei Indirektheitskontexten vor- Familie repräsentativ für die Literatur der
ersten Hälfte des Jahrhunderts mit Verbin-
liegen, während Nullmarkierung zu ver- dungen in das 19. Jahrhundert.« (»Litera-
meiden sei (so Zifonun/Hoffmann/ turstadt Lübeck«, in: Presse und Sprache Nr.
Strecker (1997: 1767), so daß direkte und 535, August 2001: 1)
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1 Die unterbrochene Linie kennzeichnet die ›direkte Redeform‹ und die durchgehende
Linie markiert die ›indirekte Redeform‹.
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buchverlag aus. Für die Suhrkamp-Gruppe cher in anderen Fächern, wie Physik oder
gilt: »Der Autor hat das letzte Wort.« Viele Erdkunde, sind bereits konsequent auf die
Autoren, [7]darunter Martin Walser, behar- neuen Regeln ausgerichtet.
ren auf der alten Schreibweise. Anders sieht Soner, ein Schüler aus Grabbets Klasse, be-
es bei den Fachverlagen wie LangensBei- mängelt vor allem die schlechte Informa-
spielcheidt aus. »Wir sind längst zur Tages- tion bei der Einführung der Rechtschreibre-
ordnung übergegangen«, sagt eine Spreche- form. [14]»Ich hätte auch erst Vorurteile«,
rin. […] bekennt er. »Aber nachdem unsere Lehre-
rin uns erklärt hat, was es mit der Reform
Ein Sonderweg im Norden auf sich hat, finde ich die neuen Regeln
besser.« [15]Und früher oder später, fügt
Der Sonderweg findet aber längst nicht
sein Klassenkamerad Jonas hinzu, [16]müß-
unter allen Schülern Gefallen. [8]»Ich finde
ten sie die neuen Regeln ohnehin lernen. Bei
es blöd, daß das gekippt ist«, sagt Denise,
Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz
Neuntkläßlerin der Emanuel-Geibel-Real-
in einem anderen Bundesland, so fürchtet
schule in Lübeck. [9]»Die neuen Regeln sind
er, könne es sonst Probleme geben. (Hanno-
einfacher, die finde ich besser.« Vor allem
versche Allgemeine Zeitung 2.7.1999, in:
die vereinfachten Kommaregeln haben es
Presse und Sprache Nr. 513, Oktober 1999: 2)
der Schülerin angetan.
Im Gegensatz zu Verena aus Hannover 4.1.1 Kommentar
schreibt die Lübeckerin Denise konsequent Stilistisch bemerkenswert ist, daß neben
nach den neuen Regeln. Allerdings mit ähn- dem Redehinweis der Konjunktiv I in
lichem Ergebnis: Zwar muß ihre Deutsch- den meisten Fällen beibehalten wird. Bei
lehrerin Brunhilde Grabbet alle modernen dieser Realisierung wird aber auf den
Schreibweisen anstreichen. Als Fehler an- Subjunktor daß verzichtet:
rechnen darf sie diese aber nicht. [10]Da- (4) Dann werde man weitersehen, heißt es.
durch werde es für die Lehrer nicht eben (10) Dadurch werde es für die Lehrer nicht eben
leichter, sagt Grabbet. [11]»Das ist doch Kä- leichter, sagt Grabbet.
(12) Lehrbücher nach der alten Rechtschrei-
se, etwas zu lehren und dann zu sagen: bung seien auf dem Markt praktisch nicht
Aber wenn ihr das anders schreibt, ist es mehr zu finden, sagt sie.
auch nicht falsch.« Interessant ist in diesem Text auch der
In den nächsten Jahren sieht Grabbet Gebrauch des Konjunktiv II als Ersatz-
Schleswig-Holsteins Schulen aber noch vor form für das neutralisierte Oppositions-
einem weiteren Problem stehen. [12]Lehr- paar Indikativ/Konjunktiv I:
bücher nach der alten Rechtschreibung seien (1) Sie wollten der Reform »unbedingt fol-
auf dem Markt praktisch nicht mehr zu gen«, sagt Andreas Baer …
(16) Und früher oder später, fügt sein Klassen-
finden, sagt sie. [13]Erst vor etwa zwei Jah- kamerad Jonas hinzu, müßten sie die neuen
ren habe ihre Schule neue Sprachbücher für Regeln ohnehin lernen.
den Grammatik-Unterricht gekauft – nach
Direkte Äußerungen bzw. wörtliche Wie-
neuen Rechtschreibregeln. Jetzt stauben die dergabe von Äußerungen werden in die-
Bände in der Schulbibliothek ein. Gearbei- sem Textstück deutlich durch Anfüh-
tet wird mit den alten Büchern, die schon rungszeichen und Komma, selten aber
fast auseinanderfallen. Und auch Lehrbü- durch Doppelpunkt gekennzeichnet:
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(6) Für die Suhrkamp-Gruppe gilt: »Der Au- Rezipienten, Gegenstände und Sachver-
tor hat das letzte Wort«. halte, auf räumliche und zeitliche Koor-
(7) »Wir sind längst zur Tagesordnung über- dinaten eingegangen werden, um zu er-
gegangen«, sagt eine Sprecherin.
(14) »Ich hätte auch erst Vorurteile«, bekennt möglichen, daß auf diese Inhalte erfolg-
er. reich referiert werden kann. Dabei be-
(14) »Aber nachdem unsere Lehrerin uns er- ziehe ich mich auf das, was für den
klärt hat, was es mit der Reform auf sich universitären Spracherwerber nutzbrin-
hat, finde ich die neuen Regeln besser«. gend sein kann, nämlich normative Re-
Nach dieser ersten Analyse läßt sich ins- geln.
gesamt feststellen:
– daß direkte und indirekte Rede in einer
relativ ausgewogenen Proportion ver- 4.2 Modus und Tempus in der indirek-
wendet werden. Die Beispiele (6), (7), ten Rede
(8), (9), (11), (14) und (15) befinden sich Wie aus den Pressetexten zu entnehmen
in direkter Rede und Beispiele (1), (2), ist, wird der Konjunktiv I bevorzugt.
(4), (5), (10), (12), (13), (16) und (17) Deshalb ist die geläufige Formulierung,
signalisieren eindeutig eine indirekte daß in der Regel die indirekte Rede im
Mitteilungsform – darunter auch die Konjunktiv I stehe und dieser dem Kon-
berichtete Rede: junktiv II vorgezogen werde (siehe Göt-
ze/Hess-Lüttich 1989: 106), durchaus an-
(5) Lediglich bei den Ratgeber-Büchern folge
man schon der Rechtschreibreform. wendbar. Jedoch unterscheiden sich die
(13) Erst vor etwa zwei Jahren habe ihre Schule Konjunktivformen nicht immer von den
neue Sprachbücher für den Grammatik- Indikativformen, hauptsächlich wegen
Unterricht gekauft – nach neuen Recht- lexemspezifischer Defektivität. Deshalb
schreibregeln. empfehle ich aus rein didaktischen Grün-
– daß die 8 Konjunktivformen dem Rezi- den, von zwei Zusatzregeln zu sprechen,
pienten Klarheit genug über die Mittei- die ich im folgenden generelle distinktive
lungsform – relata refero – schaffen; Regeln nennen möchte, wobei ich mich
– daß der Konjunktiv I überall dort do- zuerst auf die im eingeführten Text vor-
miniert, wo eine Fremdaussage ganz kommenden sprachlichen Mittel beziehe.
deutlich markiert werden soll; Zum Schluß werden aber auch andere
– daß der Gebrauch einer Redeanwei- Belege aus der Presse herangezogen.
sung (sagen, heißen, bekennen, hinzufü-
gen und fürchten) nicht unbedingt am 1. Generelle distinktive Regel:
Anfang (als Einleitung) vorkommen Wenn sich der Konjunktiv I vom Indika-
muß, sondern auch am Ende als Nach- tiv nicht differenzieren läßt, ersetzt man
trag oder in der Mitte der Satzstruktur ihn an erster Stelle morphologisch durch
(als Parenthese) stehen kann. den Konjunktiv II. Beispiele:
Anschließend versuche ich das sprachli-
direkte Rede: indirekte Rede:
che Material zu typisieren, indem ich die
vier Merkmale (Modus/Tempus, Satzar- »Und früher oder Und früher oder
ten, Verschiebungen und Redeanwei- später müssen wir später, fügt sein
die neuen Regeln Klassenkamerad Jo-
sung), durch die sich die indirekte Rede ohnehin lernen«. nas hinzu, müßten
von der direkten Rede unterscheidet, sie die neuen Regeln
ausführlich systematisiere. Da durch die ohnehin lernen.
Reporteräußerung eine neue Kommuni-
kationssituation entsteht, muß auf neue
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direkte Rede: indirekte Rede: den, in denen sich die synthetischen For-
men des Konjunktivs formal nicht von
»Die Schwierigkei- Die Schwierigkeiten denen des Indikativs (modusambiva-
ten bestehen vor al- bestünden vor allem
lem im Handwerk, im Handwerk, im
lente Formen) unterscheiden lassen oder
im Hotel- und Gast- Hotel- und Gaststät- diese in irgendeiner Weise ungebräuch-
stättengewerbe und tengewerbe und im lich oder veraltet sind.
im Einzelhandel.« Einzelhandel. Für das Tempus in der indirekten Rede
(»13400 Firmen su-
chen Nachfolger«, läßt sich folgendes anmerken:
Hannoversche All-
gemeine Zeitung
11.7.2001, Presse und 1. Präsens und Futur bleiben unverän-
Sprache 536, Septem-
ber 2001: 3) dert.
Indikativ Konjunktiv I
2. Generelle distinktive Regel: Präsens Präsens
Wenn aber wiederum keine distinktiven
Konjunktiv II-Formen verfügbar sind, Futur I Futur I
wird an zweiter Stelle die Umschreibung Futur II Futur II
mit würde verwendet.
Beispiele: Beispiele:
direkte Rede: indirekte Rede: direkte Rede: indirekte Rede:
Emnid: »Bei einer Bei einer weiteren »Dann wird man Dann werde man
weiteren Aktion ma- Aktion würden ei- weiter sehen«. weiter sehen, heißt
chen jedoch 54 Pro- ner aktuellen Um- es.
zent mit«. frage des Meinungs-
forschungsinstituts »Es gilt Respekt Es gelte Respekt
»Emnid« zufolge je- vor Autoren- vor Autoren-
doch 54 Prozent mit- wünschen«. wünschen.
machen. (»Bürger »Der Autor hat das Der Autor habe das
verschlafen die letzte Wort«. letzte Wort.
Münz-Kampagne«,
Deutsche Presse-
Agentur 26.6.2001,
Presse und Sprache
2. Die Tempusformen (Präteritum, Per-
536, September 2001:
3). fekt und Plusquamperfekt), die die zeitli-
che Stufe der Vergangenheit bezeichnen,
Im allgemeinen sollte ihr Gebrauch nur werden durch die zusammengesetzten
auf solche Situationen beschränkt wer- Formen zusammengefaßt.