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The
University
of Iowa
Libraries

PTI 812
A8
1843
v . l - 12

ca
UNIVERSITY OF IOWA

3 1858 009 771 779

A FINE OF 3 CENTS PER DAY IS CHARGED


FOR OVERDUE BOOKS

Date Due

Library Bureau Cat, no . 1187


1

1
Sämmtliche Werke:
Bon

Joſeph Freiherr v. Muffenberg

in zwanzig Bänden .

Eilfter Band.

Siegen und Wiesbaden.


Verlag der Friedrich'ſchen Verlagsb u ch handlung,
1845.
1


MIhambra.
Epos in dramatiſcher Form

in

drei Tbeilen oder fed & Bänden.

Von

Joſeph Freiherr v. Auffenberg.

Dritter Theil
in vier Bänden ; 1. B and
oder

Alhambra III . Band.

Siegen und Wiesbaden.


Berlag der Friedrich ' ch en Berlagsb uch h and lun g.
1845 .
PT 1812
A8
1843
Vill - 12
27
28
ar

Inhalt des Alhambra .


Lib

Erſter Theil oder erſter Band :


Boabdil in Aordova . Vorſpiel in einem Aufzuge.
Abenhamet und Alfaïma. Trauerſpiel in vier Aufzügen.
Zweiter Theil oder zweiter Band :
Die Gründung von Santa Fé. Schauſpiel in fünf Auf
zügen.
Dritter Theil in vier Bänden :

Die Eroberung von Granada. Schauſpiel in fechs


Aufzügen .

270091
}
Die

Groberung von Granada .


Schauſpiel in ſechs Aufzügen.

Von

Joſeph Freiherr v. Auffenberg.

Gehet hin in den Schatten , der von drei


Zweigen geworfen wird, und' Euch doch nicht
wird beſchatten können, der Nicht8 Euch hels
fen wird gegen die lodernde Flamme.
Koran . Sura Elmursselath .

( Erſter bis dritter Aufzug.)


Inhalt der drei erſten Aufzüge.

Erſter Aufzug : Seite


Der Phönix . 7

Zweiter Aufzug :
Die Dizona ... 92

Dritter Aufzug :
Wehe mir , Ulmanſor ! .. 137
Die

Eroberung von Granada.

Schauſpiel in fünf Aufzügen.

Xufienberg's ſämmtl. Merte. XI. 1


G e i ft e r.

Der Erzengel Raphael.


Sanct Johannes , der Evangelift.
Sanct Jacobus Bnehargem *) , der Apoſtel.
Sanct Bernhard von Clairvaux.
@speranza .
Die Heiligen und Märtyrer des Ciſterzienſer - und Calatrava
Ordens.
Verſtorbene chriſtliche Könige und Biſchöfe von Spanien .
Engel des himmliſchen Jeruſalems.
Mohammed , der Prophet.
Die Dämonen des Islams.
Die Mumien der egyptiſchen Pharaonen.
Die alten Götter Arabiens.
AL U33a
Hobal
Naſarah ihre Sprecher.
Salemah
Yaguth
Die verſtorbenen Könige von Granada und viele abendländiſchc
Kalifen .
Mekir
Monkir } die Geiſter der Gräber.
*) Bnehargein , Donnerſohn.

1 *
Per ione n .

Fernando V. von Arragonien


3ſabella von Caftilien | Könige von Spanien.
Johanna
grabella Infantinnen .
Ponce de Leon.
Fernando Cortez.
Alfonſo de Aguilar .
Francisco de lara.
Ximenes de Cisneros , Franciscaner - Guardian , Beicht
vater der Königin .
Tellez, Großmeiſter von Calatrava.
Run Gomez de Cerda , Großmeiſter von St. Jago .
Marquis von Cendilla .
Graf von Cabra.
Fernando de Calavera , Erzbiſchof und Großinquiſitor von
Granada.
Die Karthäuſer von Porta Cöli.
Das ſpaniſche Seer. Die Orden von Calatrava , Alcantara
und St. Jago . Das Perſonale der nu iſition . Karthäuſer.
Viele Granden. Geiſtliche und weltliche Congregationen .
Anführer. Wachen 26.
Boabdil , König von Granada.
Muley Haſrem , ſein Vater.
Almanſor , ſein Bruder.
Boraïde , feine Sowefter.
Alfaïma Bena Cemim .
Adib Al Moaféri, erfter Imam von Granada .
Jahiah Ben Edris , Alfadi von Granada.
Ali Ben Azrah , erſter Chatib * ) der großen Moidee , ein
hundertjähriger Breis.
Muſeïrah Molathemoun , Smeit der Berbern , genannt :
der Dradie vom Atlas.
Seïdi Ben Bian , ein afrikaniſcher Sherif ** ).
Neun Berbern als Fedavie's *** ), von der Sefte der Beni
Aiſa +) .
Chor der Todtenwächter von Granada , aus der Klaſſe der
Santon3.
Abdal Abouna , ihr Führer und Sprecher.
Chor der Nlagefrauen .
Die Abenceragen von Karthama.
Seïr Den Amoſar , ihr Führer.
Der Stamm der Begri's.
Albajaldos Begri , ſein Führer.
Rodovan Begri , ein Greis.
Die Almoraden
Die Abenamaren Stämme, den Abenceragen befreundet.
Die Nabez Alarke }
Abenamar , ihr Sprecher.
Die Panegas
Die Gomelez Stämme, mit den Zegri's verbündet.
Die Azarken
Moraïma , Dienerin der Prinzeſſin Zoraïde.

* ) Chatib , Prediger und Vorleſer fer Traditionen an Feiltagert.


**} Sherif , ſo nennen ſich die , weldie fidy der Abſtammung von Mohamined
rühmen .
*** ) Fedavié , ter Gingeweihte.
1 ) Beni Aifa , Schlangen - und Todte beſuwörer , die in Afrika für Heilige
gelten .
Baïde.
Mauriſche Krieger. Abtheilungen der goldenen Schaar *). Volf
von Granada .
Jmams , Kadi’s und Mollahs.
Sängerinnen und Tänzerinnen als Genien von Hirem. Ein
Jude , ein Grieche in mauriſder Gefangenſchaft. Das Heer
der Berbern 26.

*) So hieß die Leibwathe der Könige von Granada.


Erfter Aufzug.
Der Phönix ,

Erſte Scene.
Der fi omarenfaal in A lha in bra .
Auf blumengeſchmüdten Goldſäulen ruhen purpurfarbige Gewölbe. Fin Proſpect
befinden ſich drei hohe Bogen , durch weldie man auf Granada herniederſteht.
Auf einem Nuhebette rechte liegt Seïdi Ben Bian . Boraïde
fikt neben ihm . Boabdil ſteht zur Seite. Tänzerinnen und Sängerinnen,
als Genien von Hirem , fehen bei dem Aufrollen des Vorhangs in einer
großen Gruppe , mit goldgeſtidten Purpurſchleiern einen Baldachin über
Seïdi's Haupt bildend. Ihre Gewänder ſind ſchwarz, mit hochrothen
Gürteln , und mit Sternen bereßt; fie tragen goldene Pfeile in dem Haar.
Harfen - und Flötentöne erſchallen von der Seite.
Ballet , mit Begleitung der folgenden 3 y ralit *) .
Komm, o mohnbefränzter Knabe !
Somiege dich an dieſe Bruſt,
Daß ein frantes Herz fich labe
An den Quellen deiner Luft.
Fremdling , ben zur guten Stunde
Unſer Gott hierhergeſandt;
Schnell geheilt ward deine Wunde
Bon des Dankes zarter Hand.
Sie bewachet deinen Schlummer ,
Shrem Winke folgen wir ,
*) Zyralit : weiblicher Chorgeſang mit Tanz .
8

Und den herben Erdenfummer


Scheuchen Genien von dir.
Von dem wilden Sturmgebrauſe
Wirft du hier nicht mehr erreicht,
Bift beſchirmt von einem Hauſe ,
Das ben Tempeln Hiremo gleidt.
Rommſt du von dem Abendſtrande,
Folgten dir die Schatten nicht;
Kommſt du aus dem Sonnenlande ,
Siehſt du hier das heim'ide licht.
Hörſt den Klang der Jubelchöre,
Der bie Balſamluft zertheilt ;
Wenn die Hand der Bajadere
Durch Syrindaſaiten eiſt.
Wenn die goldenen Pagoden
Magrabs *) heil ger Purpur ſchmüdt,
Und Zoulami’s **) Ton die Todten
Noch im langen Schlaf erquict !
Sahſt du jenes land voll Frieden
Und durchhaucht von Himmelsglut,
Wo die Nachtigal in Blüthen
Duftender Siliken ruht ?
Sieh auch unſ're fühlen Haine ,
Die der ew'ge Frühling krönt ,
Wo die mauriſche Donzaine ***)
Im Orangenſchatten tönt.
*) Hier für Abendſonne.
**) Zoulami: Flöte , von welcher die Indier ſagen , daß fie ſelbſt die Toster
noch erheitere.
***) Donzaine : Sdialmei.
9

Eh'mals ftand von Tarragona


Bis zum dunkeln Abendmeer
Der arabiſchen Espona
Sternenreiches Dichterbeer.
Paradieſes Kranz dem Liebe ,
Das in uns're Räume floh ,
Heil Rordova's Sonnenblüthe
Achmed Ben Abbiabob * ).
Auf der hohen Xen'ralife
Wandelt einſam noch fein Geift,
Der , entfloh'n der Grabestiefe ,
Unſere Granada preiſ’t.
Klare Bäche zieh'n im Dunkeln
Durch eben'ſche Gärten hin ,
D'rin die Goldbewohner funfeln ,
Die vom Kuß der Enger glüh’n **).
Edelſteine von Zamora
Sind dort der Kioske Zier ;
Im Gemache winkt Aurora
Mit den Roſenſchleiern dir.
Steht die borbe Natayde
In des Abends Zauberſdein ,
Schläft die Liebe , wonnemüde ,
Unter Ambrawolfen ein.
Wo nun auch im Schirm der Feen
Deine gold'ne Wiege ſtand ,
* ) Großer Diditer aus der Sdure von Fordova , deifen Lieder in Granada
vorzüglich beliebt waren .
**) Die Mauren glaubten , die Goldfiſche feien den Paradiefesteiden ento
følüpft und ihre Farbe rühre vom Haude der Engel her.
10

Lächeln dir auf unſern Höhen


Liebesglück und Vaterland.
(Sie entfernen ſich langſam ; man hört noch außen reiſe verhallend die Wieders
holung der Schlußworte :)
Liebesglück und Vaterland.
Boražde .
Dant Dir, Bruber, daß zum Feſte
Der Geneſung Du ſo reizend
Deine Practalfala dy müdcteft.
Heilig bleibet mir der Tag ,
Der dem neuen , fräſt'gen Leben
Meinen Retter wiedergiebt.
Keine wilde Fieberbife
Störet mehr den ſüßen Sdlummer,
Der mit ätherleichtem Zügel
Sanft die Sdaar ber Träume lenft
Und die weichen Schwanenflügel
Auf die lieben Augen fenft.
(sie geht vor zu Boabdil.)
Seit in Deine Fürſtenhallen
Diefer edle Fremdling trat,
Leben auch in meinem Traume
Bilder künftigen Glüdes auf.
Er erhielt den großen Vater !
Wo ich immerdar verweile ,
Siebt mein Aug' in dieſem Mann
(auf Seïdi blident)
Eine gottgeſchaff'ne Säule ,
Die Dein Haus einft ftüßen kann.
Du bift näher und getreten,
Seit der gute Geift erſchien ,
11

Und was wir von Gott erflehten ,


Das empfangen wir
( auf Seïdi reutent)
durd ihn !
Boabdil.
Allah's Arm hat ihn geſtellt
In ein wankendes Gebäude ;
Welchen Namen Du ihm giebſt,
Flebe , daß der Herr entſcheide,
Ob im Fremdling, den Du liebſt,
Uns ein Helfer iſt gefommen
Oder ob in ſeiner Hand
Noch ein zweiter Feuerbrand
Zum Verderben uns entglommen ?
Boraïde.
Blick auf dieſe reinen Züge
Und verbanne den Verdacht.
Boabdil .
Was das Buch der Bücher *) lehrt ,
Find' ich bier durd ibn bewährt.
Die Verſo wiegenheit ſchafft Liebe.
Laß mich noch das Befte hoffen
Von dem neuen ſtummen Freund ,
Bis , vom Wahrheitsſtrahl getroffen ,
Uns dies feit'ne Bild erſcheint.
laß uns ſeh'n , was er vermag ,
Wenn er fämpft für Minneſolb.
Boraïde.
Reden förbert Staub zu Tag ,
Schweigen deckt geheimes Gold.
*) Koran ,
12

Boabdil .
Santa Fé wächſt auf zum Himmel,
Und die Chriſtenkönigin ,
Eine zweite Ormiſinda ,
Sebet Kron' und Leben ein ,
Mich zu reißen von dem Fels ,
Den ich krampfbaft noch umſchlungen.
Iſt es nicht, als ob mit ihr
Die Natur im Bunde ftebe ?
Winterszeit iſt eingebrochen ,
Wo die Völkerwaffen ruh'n ,
Aber raſtlos geht die Stolze
Borwärts auf betret'ner Bahn.
Feſtgefettet in den Tiefen
liegen zornvoli alle Stürme ,
Während con die müde Sonne
In das Haus von Erfus * ) zieht.
Fables Grün bedeckt die Fluren ,
Und der ſtille Winter gleicht
Einem eingeſchlaf'nen Herbſt.
Unſere Gefdicksverkettung
Spricht den freien Thaten Hohn ,
Und das Flammenſdwert der Rettung
Kehrt fich gegen meinen Thron.
Seit Muſeïrah hier erſchienen ,
Darf ich faum mich König nennen ;
Er ift's, dem die Schaaren dienen ,
Dem die Herzen wild entbrennen.
Auf die Höhen will er ſteigen ,
Während ich verſint im Thal ;
*) In den Sdyüßen .
13

Scon bin ich in meinen Reichen , 米


Was im Buche der Bofal *).
Statt zu hemmen die Gefahren
In dem ungeſtümen Lauf ,
Reizteſt Du nur den Barbaren
Zu dem Werk des Zornes auf.
Schrankenlos wird ſeine Wuth ;
Ohne Schonung und Erbarmen
Sieht er ſein erſehntes Gut
(auf Seïdi irigend )
In des Fremdlings fühnen Armen.
Boraïde.
Warf mich nicht Muſeïrah ſelbſt
Un Seïdi’s treue Bruſt ?
War's denn nicht ſein wilder Drang ,
Der den guten Vater zwang ,
Aus Granada zu entfliehen ,
Um von ew'gen Feuerketten
Seine Tochter zu erretten ?
Wähnten wir nicht frei die Straße ,
Die ſich nach Karthama zieht,
Wo , dem Vater noch ergeben ,
Trauervou der halbzerſtörte
Stamm der Abenc'ragen wohnt ?
Vor Muſeïrah's frechem Triebe
Wouter bort ſein Kind verbergen .
Wäre Dir vergönnt geweſen ,
Zeuge jener That zu ſein ,
Die für uns – der Fremdling wagte ,
Nimmer würdeſt Du mit Zweifeln
*) Der Votal gilt im Arabiſchen für feinen geſchriebenen Buchfiaben .
14

In fein edles Antlitz ſchau'n.


Hätteft Du erblidt den Tapfern ,
A18 die Chriftenſchaar uns anfiel
Auf verwachſ'nem Felſenpfad.
Von der Nacht des Waldgebirges
Stieg er mit gezüdtem Shwerte ,
Sah wie webrlos uns - der Feind
An den hohen Baumftamm band
Als ein Ziel für ſein Geſchoß.
Unaufhaltſam ſtürzt er nieder
Mitten in die freche Shaar ;
Seine Donnerſtreiche fallen
Schlag auf Schlag und hagerdicht;
Sdienen brechen Panzer klirren
Feuer ſpringt aus Helm und Sdild ;
Arme fliegen von den Sdultern ,
Häupter von den blut'gen Körpern ,
Roß und Reiter rollt zum Abgrund ,
Und das Echo trägt mit Beben
Des Geſtürzten Fluch herauf.
Wirbelſturm erfaßt den Feind ,
Er zerſtäubt in Höh' und Tiefe ,
Rubig fteht ber ftolze Sieger
Auf gethürmter Leichentreppe
Wie ein Meerfels in der Ebbe.
30 , befreit von Schmad und Tob ,
Sint' an meines Retters Buſen ;
Und des Danfes beiße Zähre
Strömt auf ſein Hochſchlagend Herz.
3eßt erft übermannet ihn
Seiner Wunden grimm'ger Schmerz.
15

Halberſchöpft ſinkt er zurück,


Stets bat Aug' auf mich gerichtet ;
Eine tiefverhüllte Sonne ,
Die burd Heerrauchsſdreier bringt.
Al was damals ich gefühlt ,
Werb' id fühlen , bis die kalte
Grabesnacht die Bruft mir fühlt.
Boabdil.
Möge dieſer zweite Antar
Und zum Heil gekommen ſein .
(Jhn betrachtend :)
Wahr ! es wird , wenn wir ihn prüfen ,
Keinem Zweifel Raum vergönnt ,
Vor der Glut , die durch die Tiefen
Der gefoloſi’nen Augen brennt *).
Vor der Würde der Sherifen **),
Die er ſeine Ahnen nennt.
Boražde.
Sein Bewußtſein war entſchwunden ,
Als der Vater ſchnell beſchloß ,
Nach Granada heimzukehren ;
Denn wir faben auf den Bergen
Eine neue Feindesſchaar ,
Die mit dumpfem Hörnerklang
Die Zerſtreuten rief zur Fahne.
Langſam nah'ten wir der Stadt ,
Mühevol ihn hergeleitend ;
* ) Nach einein arabiſchen Sprüchwort dringt die Blut eines edlen Blutes
ſelbſt durch die geſchloſſenen Augen des Schlafenden .
**) Sherif gilt hier im Allgemeinen für : Nadkommen Mohammede. Die
pogenannte Dynaſtie erſtand erſt ſpäter in Afrika.
16

Bis die Thore fich erſchloffen ,


Bis wir auf geſchmückter Bahre
Unſ're theure Bürde trugen
Zu Alhambra's Sonnenglanz.
Unter hoher Pforte ſchlug er
Seine matten Augen auf ;
Schauer ſchien ihn zit ergreifen ,
Als von meinem Mund er hörte ,
Daß zur treu'ſten Pflege wir
Nach Granada ibu geführt ,
Und vom qualenvollen Buſen
Stiegen ſchwere Seufzer auf.
Doabdil .
Möglich iſt, daß dieſer Fremdling ,
Der von Afrika gekommen ,
Uns genaue Stunde ſchaffe
Von dem Leben des Mufeïray.
Jego , da er ganz geneſen,
Zög're nicht, ihn zu befragen
IIm fein eigenes Geſcvick.
Sude langſam auszuforſchen :
Ob ihn nicht gebeime Bande
An den Rätſelhaften ketten ,
Der , wie Antäis , rieſenmächtig
Auf des Wunderlandes füften
Ein blitzreider Hüter ſteht.
Doražde .
Sede Frage wäre Frevel
an dem heiligen Vertrauen ;
Lieb' und Gaſtrect fdirmen ihnt.
Denke , wie die Väter ſprachen ,
17

Die , beglänzt von ſchönern Sternen ,


Wie die Palmen hoch und würdig ,
In dem Land des Weihrauch wohnten :
„ Zünde , Knecht, ein Feuer an ,
Daß es jeder ſehen kann.
Ziebft du einen Gaft berbei,
Bift bu frei !"
Seïdi (fährt plößlich vom Schlaf auf).
Hinweg von mir ,
Leichenblafſe Grabgeſtalten !
Was umſchwebet ihr mein Lager ?
Sind die Wunden nicht bernarbt,
Die Seïdi's Schwert euch ſchlug ?
Nein ! ihr folget mir hierber
Mit zerriffenen Gewändern ;
Bei dem Schalt der Grabeslieder
Werft ihr eiſend were Helme
Von den Todtenſchädeln nieder.
( Verſtört umblidend :)
Wo verweil ich ?
Boabdil.
In dem Hauſe
Treuer Freunde ſeht Ihr Euch.
Seïdi
(mit Heftiger Bewegung auf Boraïde blidend).
Meine Wunden ſind geheilt,
Aber ihre Qualen leben
Noc in meinen Träumen fort.
In dem Herzen ſchmieden wir
Dolche, die es dann burchbohren ;
Hinter'm Rüden jeder Freude
Huffenberg'8 fämmtl. Werte XI.. 2
18

Lauſchet ſchon ein neuer Schmerz.


Unſichtbare Hände dringen
in die ſtolzen Hallen ein ,
Reizen mich vom Ort der Wonne ;
Dod die Blide Zoraïbens
Zieh'n mit tauſend Seelenbanden
Den gequälten Geift zurück.
Diefer inn're Streit verwirrt
Mir das Haupt – vom Fieber glühend
Daß ich ſelbſt beim Tagesſchein
Sene Gruftbewohner febe,
Welche am Altar der Liebe ,
In erträumter Glückes Nähe ,
In gewagtem Selbſtbetrug
Ein verfluctes Sdwert erſchlug.
Boraïde.
Gott ! was ift Each ?
Seïdi.
Hörteft Du
Sdon den Ruf der Trennungsſtunde ?
Fede Straße führt durch Wüften,
Fede Straße führt zum Grab.
Boraïde.
Scheiden wollt Ihr , faum geheilt ;
Ihr , in dem die Stadt der Ahnen
Einen Freund und Helfer fab ?
Seïdi
( ſich wieder erſthöpft dem Lager nähernd ).
Schwinge Deinen gold'nen Stab ,
Schöne Fee bes Abendlandes ,
Zaub're mich empor aus Tiefen
In das Wunderreich der Drhinnen ,
19

Wo die Thränen nicht mehr rinnen ,


Mo geſprochen faum — Gebete
Der Erhörung Preis gewinnen
Und die lidten Ambraſtädte
Prangen mit Juwelenzinnen .
Boraïde .
Wahre Liebe legt am beſten
Jeden Traum des Freundes aus.
Seïdi (fie an ſich ziehend).
Geifter zürnen unſerm Bunde.
( Zur Erde blickend :)
Sind wir benn , untreu den Schwüren ,
Von der Gottheit abgefallen ,
Daß ihr's wagtet , uns zu führen
Durch die unterird'ſchen Hallen,
Wo fein Glaubenszeichen ſteht
Und der kalte Ssarſar *) weht ?
Hand in Hand ergingen wir
Üns in einem fernen Lande ,
Das mein Auge nie geſeh'n ;
Doch die Palmen auf den Hügeln ,
Das tiefblaue Firmament,
Leicht geſtreift mit Purpurnebeln ,
Gaben klar uns zu erkennen ,
Daß der müde Fuß der Pilger
Oftlands hoben Raum betrat.
Die Rafilas **) zogen betend
Unter hellem Glodenklingen
Den Prophetentempeln 34 ,
*) Der Sturm des Todes.
** ) Kleinere Raravanen.
2*
20

Und wir ſchloſſen uns an eines


Dieſer frieblichen Geleite ;
Alsbald wurden ſtumm die Gloden ,
Bild ſtieg auf der Drommebar ,
Die Sandalen Mobammeds * ),
Glänzend als geweihte Zeichen
Auf der Karavanenfahne ,
Schwanden hin und Feu'r ergriff fie !
Fortgeſtoßen wurden wir
Und nach kurzer Dämmerung
Ueberraſcht auf öden Trümmern
Von der eingetret'nen Nacht:
Aus dem Leichenhaupt des Mondes
Strömte fables Licht bernieder ;
Wir erblidten graue Säulen ,
D’ranf , ſtatt Göttinnen de Sieges,
Eingeſchlaf'ne Eulen ſaßen ;
Thürme, thor- und Fenſterlos,
Für gebeime Zauberwerke
In der Urzeit aufgebaut ,
Standen rieſig in dem Mondlicht.
Auf grüngelben Obelisken
Waren Statuen zu ſehen ,
Nachgebildet einer Thierwelt ,
Die wir kaum aus Träumen kennen ;
Leoparben ſchienen fie
Mit den Fittigen der Greife.
Hundert breite Rieſentreppen
Führten aufwärts an dem Berg
*) Die Pilger tragen auf ihrer Fahnen und Schiffen die Pantoffeln Mos
hammeds gemalt. Dieſen Ausdrad zu umgehen , ſchrieb ich Sandalen .
21 270291
leber marmorne Terraſſen,
Zwiſchen Königsgräbern hin ;
Gleich den Pyramiden Mefers *),
Ragten Bauten in die Nacht.
Gelblich - mit geheimer Schrift,
Die bald Pfeil, bald Keil uns zeigte ,
Von dem Bölferſchweiß beflect.
Berge , künſtlich aufgethürmt
Ueber einer handvoll Staub !
Eine fiegende Gewalt
Zog uns aufwärts durch die Trümmer
Bis zur höchſten Pyramide ;
An dem bunkeln Marmorthor
Saß mit einem gold'nen Schlüſſel
Ein verſchleierter Alraun.
Leichenweiße Arme ftredt' er
Stöhnend gegen uns empor,
Und wir mußten nieberknieen ;
Seinen Segen gab er uns,
Zitternd fah’n wir, daß die Hände
Er – verkehrt auf uns gelegt ,
Mit dem Innern in der Luft ,
D'raus zwei Naphtaflammen ſtiegen.
Mit des Donners Krasheh ſprang
Auf das Pyramiden bor. , :
Unſer bebendes Erſtaunen
Wedte den bämon'ſchen Jubel
Des grufthütenden Alraunen,
Und wie Sturm und Hagelſblag
Brauft uns feine Stimme nat :
*) Egyptens.
22

,,Steigt hinab - troß Mohammed und Chriftus ! " -


Eine dunkle Marmortreppe
Zog fich zwiſchen Kampherflammen
Breit hinunter durch die Nacht.
Eine Hand fchien unſern Fuß
Auf jedweder Stuf zu greifen ;
Immer faneller, in planloſer ,
Wildverworr'ner Eile ſtiegen
Wir halb ftürzend bis an's Ende ,
Wo ein Div vor einem zweiten
Rothen Thor als Hüter ſtand.
Seine Flügel ſprangen auf
Und wir fahen eine Halle ,
Deren Säulen , beren Bogen
In's Unendliche fich behnten ,
In die Höhe fich verloren
Und kein Ziel dem Aug' gewährten .
Von der Erde, die mit Gold -
Und mit Saffranſtaub bebedt war ,
Wälzten , jeden Sinn betäubend ,
Blaue Nebel fich empor.
lange, weiße Tafeln ſtanden
Unter gold'nen Säulenreih'n ,
und beladen ",ſorenen fie
Bit den eltehſfex der Speifen ;
Mit erfeifchenden Getränken ,
Funfelyb.int Rryfiatgefäß :
Aus der Tiefe tönten Lieder
Klagend zu Sexftimmtex Harfen ,
Und der füße Haud Süffata's *)
*) Suffara : Flöte.
23

War entftelit in Todesſeufzer.


Knaben, wunderſchön , dod bleich
Gleich Fichmonies * ) Steingeſtalten ,
Saben wir gereiht als Diener ,
Hinter üppigen Purpurkiffen,
Doch die Siße waren leer.
Eilend zogen die Bewohner
Diefer unterird'den Räume
Durd die Säulenwälder bin .
Sie berührten nicht die Speiſen ,
Nicht die lodenden Getränke.
Männer , Beiber ſaben wir ,
Greiſe und geſchmüdte Jungfrau'n ;
Aber Alle waren bleich,
Abgezehrt – ihr Auge gleich
Zenem Dunſtbild , das zur Nachtzeit
Ueber friſche Gräber wankt.
Viele ſchritten mit geſenkten ,
Todesmatten Häuptern hin.
Tief auf ftöhnten ihre Seufzer ,
Zeugen ungeheuern Schmerzes.
Aehnlich waren ſie dem Stummen ,
Der den Scorpionsſtich fühlt
Nind nicht Hülfe ! rufen fann.
And're trugen dichten Wuthſchaum
6
Ueber'm blauen Lippenrand ;
Stürmten bin , wie rothgeſpornte
Roffe , die ein unſichtbarer
Reiter zur Verzweiflung jagt ;
Brüllten , wie der Rieſentiger,
* ) Eine, nach der orientaliſchen Sage, durch Gottes Zorn verſteinerte Stadt.
24

Den bie Boaſdlang' umwunden ,


Deflen trachendes Gebein
Wie der Nothſchuß irrer Pilger
Aus verbrannten Wäldern challt.
Reiner dieſer Nachtbewohner
Blidte freundlich auf den Andern ,
Feder fdien allein mit fid
Und den ſchadenfroben Geiſtern.
Jeder trug die rechte Hand
Feft geſchloffen über'm Herzen.
Zu entfliehen ſtrebten wir,
Dod die Kraft des Nachtorkans
Riß uns vorwärts , immer vorwärts ,
Bis in einer Seitenballe
Unſer Angftblick fich verlor.
Blaue Flammenpyramiden
Ragten auf zu dem Gewölbe ,
Eine lange Straße bildend ,
Die ein hober Thronfis fchloß.
Hier verſtummten alle lieber
Und fein Seufaer caute mehr ;
Nur ein bumpfes Murmeln tönte
Zwiſchen den bewegten Flammen ,
Rechts und links wie das Gebet
Alter Prieſter, die vertrieben
In den Felſenkammern flehen.
Vor uns ftand ein gräßlicher,
Nachtgeborener Afrit * ) .
! Seid willkommen ! “ ſprach er lachend ,
Und die Schakaldzähne knirſchten
*) Afriten , meduſenartige Diven.
- 25

Raffelnd , wie ein ſchmales Sowert


In der weiten Eiſenſcheide.
,, Liebeswonne fudet ihr ?
Liebe hat beſiegt den Glauben
Und ihr Feuer herrſcht bei uns.
Geht zum Throne der Erkenntniß ! "
Dieſe Räthfelworte ſprechend ,
Stieß er uns mit kalten Händen
Durch die weite Feuerſtraße.
Zwiſchen jeder Flamme war
Eine Nifdhe zu erbliden ,
Wie von Bergkryſtal gebildet.
In der ichimmernden Behauſung
Standen gordumhüllte Mumien ;
Nur ihr rechter Arm war frei ,
Und die braune Tobtenfauft
Auf die boble Bruſt gedrüdt.
In den Augen war Bewegung ,
Und die dunkeln Aepfel rollten
Auf und nieder , Rädern gleich ,
Von dem Todtenwurm getrieben.
Aus dem leeren , ſchwarzen Munde
Drang in längſt geftorb’nen Sprachen
3hrer Klagen ew'ges Lied.
,, Blidt fie an ! " ſprach unſer Führer ,
„Adam iſt ihr Vater nicht.“
Und wir ftanden vor dem Throne ,
Den ein ſchwarzer Sternenvorhang
Shnell bei unſ'rer Ankunft dedte.
Sterbelager ſaben wir
Vom niewelfen Cedernholz
26

Aufgeſtellt zu beiden Seiten,


lind es jauczte der Afrit.
„ Sebt die großen Solimane ,
Die durch Weisheit uns bezwangen ,
Bis auch fie der Tod beſiegt,
Der in dieſen Räumen lebt. “
Unter braunen Decken lagen
Hier die Rönige der Vorwelt :
Raad und Doba - Imlaf , Faret ,
Mit Schadiah und Wirahni,
Bis zu Soliman Ben Daûd *) ,
Der allein als Sohn von Adam
Dieſen Sdređensraum bewohnte.
Unter Purpurbeden lag er ;
Marmorne Gefäße ſtanden
Mit den Zeichen der Kabbala
Rings um die lebend'gen Leichen ,
Und ein Chor von Geiſtern rief :
,,Soliman , wo iſt bein Thron ?
Wo Simurg, der Schattengeber ?
Wo ſind die Prophetenknaben ?
Zeig' uns beine Patriarden !
Zeig ' uns deine vierzig Thürme ,
Sammt den Zinnen Ifthakars.
Schläfft nun unter deinem Reich.
Das iſt der Erkenntniß Lohn
Soliman ! wo iſt dein Thron ? "
Da rief ich verzweifelnd aus ,
Auf den Sternenvorbang deutend ,
Wer fißt hinter jener Hülle ? "
*) Salomon .
27

Halb von ſeinem Lager hob fid


Der Prophetenkönig auf;
Schwarzgelb war ſein Angeſicht,
Doch der Urzeit behre Bürbe
Lag auf den verſteinten Zügen ,
Und die furchtbare Geſtalt
Schien ein ehrnes Herrſcherbild ,
D'ran Fahrtauſende geſchmiedet.
Wie gedämpfter Donner tönte
Des Prophetenzornes Stimme,
Und wir hörten dieſe Worte :
„Fan Ben Gian , der verfluchte
Freund des Eblis thronet hier ! "
Raum war dieſer Spruch erklungen ,
Als mit einem Wetterſchlag
Ade Flammenreih'n erlöſchten ;
Reine Leuchten fah’n wir mehr ,
Als der Mumien ſtarre Augen
Und den Nimbus der Verweſung
Ueber'm Bett der Solimane .
Raſch entrollte ſich der Vorhang
Und auf einer großen Kugel ,
Von dem Ur - Smaragd gebildet,
Saß der ſtarke fan Ben Gian ,
Der geſtürzte Himmelsjüngling ;
Eine Leopardenhaut
Flog um ſeine weißen Schultern.
Ein tiefgrünes Diabem
Wand fic fchmal und ſchlangenartig
Um die Stirn yoll Donnernarben ,
Die gewölbt fchien und gehoben ,
28

Von dem unbeſiegten Tros


Rubloſer Fahrtauſende.
Stolz , Verzweiflung, Geifterwürde,.
Flammten aus den großen Augen ;
Engelslođen trug er zwar ,
Doch verworren und geſchwärzt
Von den unterird'ſchen Gluten.
Um ihn ftand das Greiſenheer
Der gerüſteten Afriten ;
Schau'rlich fiel das grüne Licht
Auf die langen , weißen Bärte ,
Wie der Zauberſchein des Nordlands ,
Der im Wechſelſpiel der Farben
Durch beſchneite Wälder dringt.
Einen blutig - rothen Scepter
Stredt er gegen unſ're Herzen ,
Und wir fühlten ſie aufſchreiend
Raum berührt in Feu'r verwandelt.
Die Afriten ſtimmten jubelnd
3hre Donnerchöre an ,
Und wir wandten uns zur Flucht.
Als ich in den äußern Hallen
Wieder bir in's Antlik ſah ,
War kein Zug mehr zu erkennen.
Gleicher Schauer faßte didi
Vor ben Blicken beines Freundes ;
Uud fo ftürzten wir getrennt ,
Mit der böl’ſchen Glut im Buſen ,
Unſern Jammerbrüdern zu.
Da ! – Wer faffet mein Entfeßen !
Fand ich wieder jene Schaar,
29

Die, vom Tod dich zu befreien ,


Dieſes ſcharfe Sdwert erſchlug ;
Und fie drie'n : ,, Wir ſind verföhnt !
Hier nur wollten wir dich ſey'n ,
Did ! tros Mobammed und Chriftus !! "
Auf das Herz ſchlug ich die Fauſt,
Und das Haupt an falte Säulen ;
Raſend , wie der Seeſturm brauſt,
Sah ich jene Schaar enteilen.
Da flogſt du an mir vorbei ,
Schmerzentſtet mit Webgeſchrei,
Stürzteft in's Dämonenbeer ,
Kannteft deinen Freund nicht mehr !
Deinen Namen ſtöhnte ich ,
Als ſchon Wahnſinn mich durchglühte,
Und das Echo weďte mich
Mit dem Rufe : - 3oraïbe !!
(Er ſtürzt an ihre Bruſt.)
(Während dieſer Erzählung wurde Boabdil's Antlik cinigenale von heftiger
Glut überflogen .)

Zweite Scene.
Die Vorigen. Mulen Haſem fommt.
Boraïde.
Halte , Vater , ihn zurück !
Mit der Freundſchaft Zauberfetten
Feßle dieſen guten Geiſt.
Mulen Haſſem .
Wil Seïdi von uns ſcheiden ,
Eh' den Zoll der Dankbarkeit
Dem Genef'nen wir entrichtet ?
30

Bleib', . Frembling ! in dem Lande,


Wo Du Herzen Dir gewonnen ,
Die fich der Verpflichtung freuen.
Bobigerud des Paradieſes
Möge Deine Spur durchduften ,
Und die himmliſche Fortuna
Sou Dein Mula Eskin * ) ſein.
Seïdi
( lids erfæ öpft auf'8 Ruhebett werfend).
Wohin fann ic Armer flieben ?
Mulen Haſem .
Rube ſanft , und zarte Geiſter
Mögen qualverſcheugend ftehen
Um die friedliche Emderba ** ).
Roſen , die der Traum Dir ſtreut,
Reichen Dir Esghénas Almen ***) ,
Früchte der Verborgenheit
Pflüdeft Du von des Schlafes Palmen.
Boabdil
(zu Muley Hafem , leije ).
Tief verborgen iſt die Schuld ,
Welche nagt an ſeinem Herzen ,
Glaube mir , er trägt ein neues ,
Sowerbelaſtendes Geheimniß
Unter'm Schild des alten Namens.
Kön’ge nennt man ſeine Väter ,
Und gleid einem deuen Flüchtling
Trat der Sohn auf unſ're Rüfte.
*) Mula Esfin : Säbelträger.
**) Ruhebett.
***) Die Mädchen des Paradieſes.
31

Muley Haſrem .
Wär' er Bettler , wie die Armen ,
Die Barmherzigkeit erweden
In dem Vorhof der Moſchee * ) ,
Rönnt ſein Stand ihn nicht erniedern ,
Wenn ſein Glaube ihn erhöht.
Glüdlich iſt , wer auf dem Bette
Edler Gaſtlichkeit entſchlief;
Feber Menſch trägt eine Kette ,
Keinem ward ein Freibeitsbrief.
Gönnt ibm Ruhe ! Boabdil !
Seit dem Tage , der mich wieder
In Dein Königshaus geführt,
Hat mein Geift es klar begriffen ,
Daß an Gott id frebeln würde ,
Wout' ich mit gefränktem Herzen
Feßt verlaſſen einen Sohn ,
Deffen reuevoller Blid
Den Verſtoßenen begrüßte ,
Der durd herbes Mißgeſchick
Für den Traum der Rubmſucht büßte.
Boabdil.
In dem Herzen Deines Sohnes
Ward geliefert -- eine Hauptídlacht.
Debes Dunkel bricht berein ,
Fordert auf zur Waffenrube,
Und die Heere fteben ſchweigend ,
Jedes nod dem andern nay ,
Mit geſenkten Schwertern da.
* ) Die Bettler ſind oft fthaarenweiſe in den Vorhöfen der Moſcheen gelagert ,
wo fie Unterſtüßung ſuchen .
32

Muley Haſrent.
Du erkenneft, daß Dein Vater
Sich den beſſern Theil erwählt ?
Die vier Himmelsbücher ſprechen :
Wer genügſam iſt, wird ſatt.
Wer da duldet , wird errettet.
Der Friedfertige findet Frieden.
Wer auf Gott baut , dem genügt er.
(Zur Erde deutend :)
Wer den Feind ruft , den betrügt er.
Von der Stürme wildem Tofen
Wähnt' id lange mich befreit;
Doch die Mutter alles großen
Iſt die heil'ge Einſamkeit.
Was in ihr ich konnt' ergründen ,
Sei dem Sohne dargereicht.
eßt , da wir uns wiederfinden ,
3ft ſein Aug von Thränen feucht;
Oft ſind's Blide , die verfünden ,
Was der ſtolze Mund verſchweigt.
Boabdil .
Eines Vaters Rummerzähre
3ft die fräftigſte Berwünſchung,
Die den Sohn je treffen fann.
(Mild :)
Laß mid trodnen Deine Augen ;
Lehr' mich abſteh'n von dem Frd'ſchen ,
(dumpf:)
Und mißtrauen allen Wünden.
Denn ſie gleichen Sghérad's *) Schwarm ,
* ) Die Heuſchreden, von welchen bekanntlich die i ungen gefährlicher find, als
die alten .
33

Der das Land umber verwüſtet,


Deſſen neue Brut die alten
Im Verderben übertrifft.
Silber glänzet hell und neu ,
Dennod ſchwärzt es Hand und Kleid .
Rothes Feu'r läßt dunkle Spuren.
Lehr' mich waden , großer Sofi *) ,
Um die Tage zu verdoppeln ,
Die der Fluch mir zugemeſſen ,
Ober - lehr mich – ihn vergeſſen !
Gleich dem König der Egypter ,
Will mit tauſend Fackelſchwertern
So die Nacht vom Thron vertreiben ,
Und es gleiche mein Alhambra
Einem flammenden Rubin ,
Der der Sonn' auf ihrer Reiſe
Aus dem Feuerbaar gefallen
Und der jeßt , ein Sohn des Tages ,
In Alara's Wüſten **) fteht.
Muley Haſrem .
Mit dem Glücke ſtarb Dein Wahn !
Mit dem Wahn vergeht der Fluch .
Weißt Du , wie der Dichter fang?
Schön auf des Schildes Fläche
Zeigt fich der Sonne belebender Glanz;
Schöner im großen , watlenden Teich ;
Aber am herrlichſten ſpiegelt ſie ſich -
In den Neuethränen des Sohnes ,
Den ein verföhnter Vater umſchlingt."
* ) Sofi, hier für Weiſer.
** ) 31 den Näumen der Nacht.
Xuffenberg's fämmtl. Werfe XI. 3
34

Solche Thränen ſuchen Peri's ,


Die , verbannt vom Paradieſe,
Auf des Abends Roſenwolfen
Mit gerung'nen Händen fteh'n.
Zarte Feuerfinder , welchen
Sehnſucht tief im Buſen ruht ;
Fällt ihr Blick auf dieſes Gut , 1

Sammeln fie's in Perlenfelchen ;


Steben dann wie neubelebt ,
Wie gebeugte Lilienſtengel,
Die des Mädchens Hand erhebt,
Während don der Pförtnerengel
Von Al - Jannath niederſdwebt
Und , von dieſem Pfand gerührt ,
Die Verſöhnten neu geziert
Durch die Sternenpforten führt.
(Boabdil's Hand ergreifend. )
Das Vergang’ne rei vergefſen ,
Nur Granada's Wohl bedadt !
O mein Sohn ! faum burft' ich hoffen ,
Femals in dem Thal der Leiden
Zu erfaſſen dieſe Hand ,
Die nun warm in meiner ruht
Und der Liebe Druck erwiedert ;
Wär Dir treu das Glüd geblieben ,
Hätteſt Du nie Den gerufen ,
Der fich Deiner Größe freut;
Wenn auch ſchon ſein Haupt zum Schemel
Deiner Herrlichfeit gedient.
Väter , die ein Sohn beleidigt,
Haben Nichts als ihre Thránen ;
35

Selbſt ihr Fluch iſt nur ein Rauch


Von dem Liebesfeu'r im Herzen ,
Und ihr Haß nur eine Wolfe ,
Die den tiefen blauen Himmel
Ewiger Gefühle dedt.
Sower bat Dich der Herr geprüft;
Vieles mußteft Du erbulden ,
Eh' des Herzens falter Stolz
Sanft in Reuethränen ſchmolz.
Shlachtgerüſtet fteht die Hölle
Gegen meinen armen Sohn ,
Darum bin der Friedens dwelle
Id zum leßtenmal entfloh'n.
Hat mich vor der eig’nen Thür
Auch ſein irrer Fuß zertreten ,
So viel Stärke blieb in mir ,
Daß ich konnte für ihn beten ,
Daß , eh' wir im Tode ſcheiden ,
Ich noch einmal fann verſuchen ,
Ihn zum Glücke zu geleiten ,
Zu entziehen dem Gericht,
Ihn , dem jego Ade fluchen ,
Alle ! nur der Vater nicht!
Boabdil (mit wahrer Mührung ).
Ungeſchrieben , aber heilig
Iſt die Sagung der Natur.
Größer biſt Du , als Alfonſo * ) ,
Den Alharb den Großen nennt.
Glaube , Vater , jener Schmuck,
*) Er wurde gleichfalls von ſeinem Sohne beleidigt, vergab ihm und diente
felbſt unter ſeinem Heere.
3*
36

Den id Deinem Haupt entriffen ,


3ft derſelbe jeßt nicht mehr.
Perl auf Perl entzog ich ihm ,
Úm beſchwörend ſie zu werfen
In den Sturm , der mich umbrauft.
Nidhte ift übrig vom Kleinod ,
Als ein todter , falter Reif ,
Gleich dem Turban , der die Säulen
Der verlaſfnen Gräber ziert. '
Dürft ich Dir ſie wieder bieten ,
Knieend , Bater ! würd' id's tbun ,
Mir erringen kurzen Frieden
Und zu Deinen Füßen ruh'n .
Muley Haſrem .
Faſle Muth , mein Boabdil !
Die Erfenntniß Deiner Sduld
Giebt mir Hoffnung, Dich zu retten
Von den demantharten Ketten ,
Die um Thron und Vaterland 1
Jego Dein - Befreier wand.
Boabdil.
Rennſt Du Jenen ?
Muley Haſſem .
Weil ich fürchte ,
3hn zu kennen , fiebſt Du mich
Wieder im bedrohten Hauſe,
Das der Zeuge meiner Thaten ,
Meiner Herrſcherſorgen war.
Swere Zeichen find geſchehen ,
Und es ſank der Trauerſchleier
37

Ueber's Haupt der Himmelsbraut *) .


Seit dem Tage forſcht ich tiefer
In den Sdriften jener Weiſen ,
Weldse lang' vor Mobammed
Nah der Sonnenwiege**) lebten.
Nichts ift herrlicher bevöifert ,
Als die Einſamkeit des Denfers.
Keine Reiſe ſo belebrend ,
Als der Ausflug an die Quellen
Jeder menſchlichen Erfentniß.
Aber Stärke wird erfordert ,
Den Gefahren obzufiegen ,
Die auf unbetret'nen Fluren
Dem einſamen Pilger drob’n .
Manchem furchtbaren Geheimniß
Riß ich fühn den Soleier ab ;
Und zu Dir wär' ich geeilt ,
Hätteſt Du auch liebeleer
Deine Pforten mir verſcloffen.
Bebe Dem , der in Gefahren ,
Die dem Vaterlande nah'n ,
Nidyt ſich felbft vergeſſen fann .
Mit Verleugnung meiner Ebre
Hätt' ich Deiner Diener Knie ,
Einem Bettler gleich , umſchlungen
Ilnd gerufen : Laßt mich treten
Vor den Sohn , der mid verkennt ,
Eh' das Zornfeu'r des Propheten
Ueber feinem Haupt entbrennt.
*) Die Sonne.
**) fm hohen Drient.
38

Fürchtet nicht, daß ich ihn quäle


Mit dem Vorwurf , den er fliebt;
Retten will ich ſeine Seele ,
Eh' der Feind ſie niederzieht.
Boabdil (in ſeinen Armen ).
O mein Vater !
Muley Harrem .
Sprich nun frei !
Riefft Du den Muſeïrab her ?
Boabdil.
Nach dem Witten meiner Mutter.
( Pauſe .)
D ! ich wollte zu Dir eilen
Und mit Beben Dir verkünden ,
Was zu ſpät ich jego ſpreche,
Daß das Blut ber Abenc'ragen
Mir ein Seelengift geworben ,
Defjen untilgbare Feuer
Nun mein Innerſtes benagen ,
Daß der grauſe Todesengel
Mir die grabesfeuchten Sdwingen
Raftlos um die Augen ſchlägt,
Deren Wink ben Morb geweckt;
Da erſchien vor meinem Blice
Als Prophetin Sarracinna ;
Dod nur atab fann es wiſſen ,
Ber den Tiefen ſie entzog !
Ob fie nicht den Sohn betrog !
Mulen Haſſem .
Schredliche Looſe find uns gefallen ,
Die aus der Urne der Strafengel nahm ;
39

Aber webe ! webe und Aden ,


Wenn er mit dem Gefürchteten fam .
Doabdil.
Theilet aud mein weiſer Vater
Jene räthſelvolle Sorge ,
Die ſich bebt in jeder Bruſt
In der Nähe des Muſeïrah ?
Babrbeit boff id nur von Dir ;
Wie das Licht vom Himmelsdom ,
Sdeucht ihr Bild geheimes Web',
Wankt verwirrt im raſchen Strom ,
Strablet ſanft -
(ieine Hand auf Muley Haſſems Herz legend)
im großen See.
(Seïdi erhebt ſich wieder. )
Boabdil
( bemerft ihn und ſpriďt nach einigen zweifelvollen Blider:)
Aud Seidi wird vermögen ,
Deine Worte zu bekräft'gen ,
Wenn vom Untlig des Muſeïrah
Du ben Saïofleier ziehft. 1
In demſelben Land geboren
Und entſproffen einem alten
Afrikan'ſchen Fürſtenhauſe
(Wie ſein Name mir erprobt)
Birb er ein Gebeimniß fennen ,
Dat ſo düſter auf dem Leben
Unſeres Befreiero rubt.
Seïdi ( finſter).
Fagmur , ſtammend von Fathima ,
Der die Lanzen Senabedſdiars
40

Mit dem Löwenzahu zermalmt',


3ft der Abnherr meines Hauſes.
Doch – befannt muß es Euch ſein
Wie Nordafrika von jeher
In dem Kreuzfeu'r der Empörung
Im Vereinungdpunkt der Stürme
atler Himmelsgegenden
Friebenlos und blutend ftand.
Seine Fürſten glichen immer
Den orkanerfaßten Wogen
Ihres nad barliden Meeres ,
Steigend fallend - tbränenbitter,
Hoch zwar und zu zählen faum ,
Doc gekrönt – mit eitlem S au m .
Unter allen Königsſtämmen
3ft das Haus der Beni Zians
Wabrlich nicht der glücklichſte:
Das bezeugt fein irrer Sohn,
Der , verfolgt von ftolzen Brüdern
Und hintangefekt vom Vater ,
In entfernte Wüſten flob.
Unterm ſchwarzen Zelt der Fellabo *)
Mußt' ich büßen für die Triebe
Eines thatenluft'gen Herzens ;
Am verfehlten Ziel des Strebens
Ohne labungstrant mich bärmen ;
Dieſe Zeit war fürchterlich !
Vaterland ! du Stern des Lebens ,
Men'ge nur fannſt du – erwärmen ,
*) Arme Bauern.
41

Aber - Alle lieben dich !


An dem gold'nen Morgenthor ,
An dem nachtumſtürmten Strande
Schwebten deine Roſenbande
Meiner treuen Sehnſucht vor ;
Doch ich ſeufzte ſtets vergebens ,
Vaterland ! du Stern des Lebens !!
(Er verhüllt fein Angeſicht. Pauſe.)
Tobt nun wähnen mich die Meinen ,
Während id , verzehrt von Qual ,
Wieder höher nach dem Norden
Ein verlaff'ner Pilger ſchritt.
Wout' ich doch kein Glück erſtreben ,
Reinen Kronenkampf beginnen ;
Nabe nur dem Lande leben ,
Das ich nimmermehr gewinnen ,
Aber ewig lieben kann .
Bon des Palmbaums buft'gen Höhen ,
Von der Berge freien Zinnen
Wollt' id blicken himmelan
Und den Zug der Wolfeu ſeben ,
Deren bunte Raravane ,
Nicht beſchwert mit eitlem fram ,
Ohne Glode ohne Fahne
Aus dem land der Väter fam .
Mit dem Luftſtrom wollt ich foſen , !!!
Der ſo eben es noch füşte ,
Und vom Duft der beim'ſchen Roſen
Labung ſchlürfen in der Wüſte.
Dies nicht mehr wollt ich erwerben , wie
Reine Wohnung mir erbauen ,
42

Nur das land noch einmal ſchauen


Und auf ſeiner Grenze ſterben !
-

Doraïde.
Armer Freund !
Seidi .
Der Hülferuf ,
Den nach Lybien 3hr fandtet ,
3ft aud bis zu mir gedrungen ;
Unglüdopfeile treffen ſich ;
In der wetterſchwangern Luft
Flog der eine auch dem Süden
Und dem Nord der and're zu ;
Doch vermaz Seïdi nicht
Euch von jenem - Berbernkönig
Sidh're Runde zu ertheilen .
Niemals hab' ich ihn erblickt
Dieſen Sohn entleg'ner Wüſten ,
Der den Stahl nun auf die Chriften ,
Bie -- auf Eure Rube zūdt.
Boabdil.
Dennoch rühmt er, daß ſein Stammſchloß
Den uralten Atlas ziere ;
Gleich dem Sælangenbändiger
Kûs , 3obat's furchtbarem Bruder ,
Läßt er Ebre fich erweiſen
Von der Schilba's *) bunkeln Horden ,
Deren Augen ſind gebildet
Aus dem dwarzen Höllenfeuer.
Was der große Soleier becket,
Ift gefürchtet, wie der Zornblick
*) Schilha , der arabiſche Name der Berbern.
43

Senes neunten Abbaffideu *),


Der dem Sheïtan **) Tempel baute ,
Deffen ftreitbare Vertraute
(mit einem Seitenblick auf Seïdi)
An den Nachtaltären knieten ,
Kämpfend mit der Geiſterſchaar
Unter'm Schutt von Ifthafar .
Muley Halfem .
Sobn ! es durch eilen verſchiedene Kunden
Von Muſeïrah die dauernde Welt.
Biele ſagen , daß Rampfegmunden
Gräßlich ſein Angeſicht ihm entſtellt.
Andere glauben , daß Gott ſeinen Blicken
Ueberirdiſche Kräfte verlieb ,
Und ſie dem Auge der Welt zu entrüden ,
Romme vom Antlig die Hülle nie.
Einige ſprechen , er ſtamme von jenen
Schleierumwogten Gewaltigen ab ,
Deren Ahnherr, die Welt zu verſöhnen ,
Sid mit propbetiſchen Strahlen umgab.
Unter Gezelten , fern von Paläſten
Wurde die Münze der Herrſchaft geprägt ,
Und in Afrika's heiligem Weſten
Fei’rlich der Grundſtein zum Weltreich gelegt ;
Dann , wie der Strom aus verborgenen Höhlen ,
Brachen ſie vor vom eroberten Land ,
Troßten Sahara's vernichtendem Sand ,
*) Der Kalif Vathef , von dein die Sage geht , ſein Auge rei im Zorne tödt
lid geweſen .
**) Sheïran ; Satan .
44

Und mit gepanzerten Rieſenfameelen *)


Preßten ſie nieder das ſpaniſche Reich.
Dem überladenen Sdiffe gleich ,
Scien es zum Grunde der Seen gedrückt,
**
Mit den Maſten der Felfen geſchmückt ).
Neue Gelege und neue Rechte
Riffen fie aus der Bertilgung Scoob ;
Möglich iſt, daß dieſem Geſchledyte
Der gekrönte Fremdling entſproß;
Aber die Büder der heiligen Lehren
Sprechen von einem furchtbaren Orift,
Der über umgeſtürzten Altären
Hohn ſpricht dem Himmel und Eblis preiſt;
Der , gleich den Wirbeln auf ſtürmiſchem Meere ,
Was fich ihm nähert, zum Untergang reißt.
Durch dieſe Opfer zur Hölle geſandt,
Wird ein erneuertes Daſein gefriſtet.
Scatten- und bildlos durchſtreift er das Land ,
Wenn die ftrafende Gettheit entrüftet
Von den Bewohnern ihr Antlig gewandt.
Seine Wieg' iſt die ewige Nacht
lind dem Aſraël gleicht er an Macht.
Viele der Forſcher verkünden es frei,
Daß - er ſelbſt der Entfeßliche fei,
Der , um zu wandeln auf dieſer Welt ,
Einen menſdlichen Körper beſeelt,
Der , wenn die Zeit ſeine Hülle zerſtört ,
*) Viele Morabethen ritten auf gepanzerten Kameelen , die un ro fürchter
licher waren , als man ſie gegen Menſdien abrichtete.
**) Anſpielung auf die große lieberfdywemmung , die zugleid) mit einer Pan
tung der Morarethen in Spanien wüthete.
45

In einer neuen ftets wiederkehrt ,


Und ſie ſprechen – der goldene Schleier ,
Der nicht zerſchmilzt vor des Auges Toben ,
Sei aus dem Haare der Todten gewoben
Und vergoldet im — hölliſchen Feuer.
Boabdil.
Mit dem Bilde zeigſt Du mir
Den verſchleierten Propheten ,
Der im hohen Sonnenland
Gottbekämpfend auferſtand.
Muley Hafrem .
3hn erwedet aus nächtlichen Grüften
Stürzender Völker laut donnernder Fall,
Und von Jebanoums peinvollen Triften
Steigt er empor mit Poſaunenſchaul ;
Dft verfünden ſeine Geweihten ,
Daß die Fahn', unter welcher fie ftreiten ,
Ihn als ben lesten der imam $ benenne ,
Deffen Geheimniß kein Sterblicher fenne ,
Den ſelbſt im Grab - der Lebens h auch anweht ,
Bis er dem Weltgerichte vorangeht .
Doch im hohen Kalifenland
Ward ſchon als lüge der Ausſpruch erfannt.
Peſt nur und Hunger und Völferruin ,
Aber kein Weltgericht folgte auf ihn.
Dpfer ſendet er ſeinem Gebieter ,
Reine Seelen , dem Himmel nab ,
Wefen , wie Typhon fie bluten fay,
Lodt er von glänzenden Höhen hernieder ,
Und ſo ſteht er , ein gräßlicher Hüter ,
Bei den Leichen der Völker da .
46

Mancer Trugſchluß, erſonnen von Teufeln ,


L'äßt an der Gottheit die Beſten verzweifeln ,
Kann er zum Abfall den Guten bewegen ,
Sauczt ihm die Höll im Triumphlied entgegen :
Tauſend Verbrecher ſind nicht ſo willkommen ,
Als die Seel eines einzigen Frommen !
Atmal nur in jeglichem Leben
Darf er den goldenen Soleier erheben ,
Und in dem Drauge großer Gefahr
Stellt er den Feinden ſein Angeſicht bar.
Wenn er ihn hebet zum neuntenmal ,
Muß die Kraft ſeines Daſeins verweben ,
Und er ſelbft in unendlicher Qual
Vor dem Fürſten der Tiefe ftehen.
Viele Jahrhunderte können vergeben ,
Bis er die Erde darf wiederſehen ;
Schredlicher als der Meduſenſchild,
Der den Atlas verwandelt in Stein ,
jft des Berfluchten entſchleiertes Bild ,
Es verzehret das Mark im Gebein.
Seelen werden dahingeriſſen ,
Herzen zerfleiſcht von Harpyenbiffen.
Tod ſteht urplößlich den Stürzenden nah ,
Keiner verkündet mehr , was er ſah.
Malet die Gräuel der fieben Tiefen *) ,
Wenn Ihr es fönnt, in ein Menſchengeſicht,
Dennoch erreicht Ihr nur Hieroglyphen ,
Aber die gräßliche Wahrheit nicht.
An der gottverlaffenen Stelle ,
Wo der Nachtſohn ſein Auge wies ,
*) Die ſieben Höllen.
47

Herrſchen fortan die Geiſter der Hölle ,


Die zur Verdammniß der Ewige ſtieß.
Ringsumber berſengt find die Fluren
Und alle Kronen der Bäume entlaubt ,
Und des wildſtürzenden Donnerkeils Spuren
Deden der Berge zerſplittertes Haupt .
Da , wo beſiegt fein Zauber zerfällt ,
Stebet fortan ein Höllenthor offen ,!

Und verkündet der ſpäteren Welt ,


Wen hier der Zorn des Allmächt'gen getroffen.
Boabdil .
Mutter ! Mutter ! welchen Feind
Haſt Du in mein land gerufen !
Jego , wo die ſpäte Reue
2Bie von hober Tempelſdwelle
Fei’rlich zur Verſöhnung winft ,
Stürzet ſich der Geiſt der Hölle ,
Den fein Sterblider bezwingt,
Auf der Eintracht off'nen Wegen
Uns beim erſten Gruß entgegen .
Seïdi .
Giebt es Nichts , was in dem Rampfe
Den Gefürchteten beſiegt,
Der den Frieden Euch zerſtört ?
Wenn hier Menſdenfraft genügt ,
Zählet auf Servi's Sqwert.
Wieder fühl ich mich geneſen ,
Und die Hand , noch unbeſiegt,
Sou des Zaubers Bande löſen.
Muley Harrem .
Eine Madyt weiß ich zu nennen ,
48

Die den Streit mit ihm befteht.


(Sümerzvoll .)
Giebt ſie einſt fich zu erkennen ,
Wird auch unſer Glück verweht ,
D'rum bekämpfet das Verlangen ,
Denn Ihr ſchaut in's — eig'ne Grab ;
Fegt hält noch mein Blid gefangen ,
Ihn , dem Eblis Leben gab.
Mufſa brach mit einem Stab
Ferauns hunderttauſend Schlangen ;
Ruhig ſchauet in die Ferne ,
Wer an Gottes Einheit glaubt ;
Selbſt der größte aller Sterne ,
Wächi't dem Herrn nicht über's Haupt.
Dritte Scene.
Die Vorigen. Almanſor fonunt. 1

Almanſor .
Sprich, o Bruder ! iſt es Wahrheit ,
Was der Almohadoun Einer
Mir vom König überbrachte ,
Daß , verſöhnet mit dem Vater ,
Du beſchloſſen , mir die Streiter
Der Befaßung zu Bertraiten ,
Mich zum Kaïd * ) zu ernennen
In der Stadt der Alhamaren ?
Boabdil.
Führer ſei'ft Du aller Schaaren ,
Die auf tauſend Thürmen ſteh'n.
**) Anführer .
49

Almanſor .
Enblid haft Du mid erkannt !
Hin zum Felde der Gefahren !
Aus den Retten ſchnöder Rube
Hebt mich Deine Bruberband .
Offen ſteht die große Bahn ,
Wo die Lorbeerkränze winken ,
Die verhaften Nebel finken
Und mein wahrer Tag bricht an.
Boabdil.
Deinem Sowert , erfahrner Bruder ,
Das ich allzulang gebunden ,
Will ich gönnen Raum und Ziel.
Alle Waffen müſſen wir
Rüften auf Granada's Zinnen ;
Denn die Feinde droben ihr
Nun von Außen und von Innen.
(Er ſtelt zwiſchen Muley Haſſem und Almanſor , feine Arme um
Beide ſchlingend.)
Boražde.
Hochgeſegnet ſei die Stunde ,
Die mir ſo bie edlen Häupter
Meines Vaterlandes zeigt.
Die Verbindung wird erretten
Von den doppelt ſchweren Retten.
Mit befeligter Geberbe
Blickt der Vater auf Euch nieder ,
Und die Ruh', die lang entbehrte ,
Kehrt den Bruderherzen wieder.
Boabdil
(mehr vortretend , für fich ).
Sprich die Ruh', die nie gekannte ;
duffenberg's ſämmtl. Werle XI. 4
50

Fürften ruben wie das Meer ,


Siebft Du es , entfernt vom Strande
Scheint es Dir bewegungslos ,
Nabe Dich dem Uferſande
Und Du wirft die Wellen feben ,
Bie fie hoch und fürmiſo geben.
Almanſor.
Wifle , Rönig , einem Feinde
Stelft Du Deinen Bruder nab ,
Den ich oft in Siegesträumen
Bor dem Schwert Almanſors fab.
Was ich ftolz zurüdgewieſen ,
Als im Kampfe mit dem Vater
Du aud meine Bruft verleştéſt,
Nebm ' ich nun mit wahrem Danke ,
Mit Begeift'rungsjubel an.
Mitt das Spidfal uns erheben ,
Dann erwedt es tapf're Feinde ,
Und ein folder fteht gewaffnet,
Dem fein And'rer fich vergleicht.
Unterm Heer der Chriſtenheit
Such id mir heraus den Einen ,
Und bei Iſmaels Gebeinen !
Un're Hauptftadt wird befreit.
Boabdit.
Wer ift's , den als Nebenbuhler
Helb Almanſor anerkennt ?
Almanſor.
Don Gonſalvo son Rorbova ,
Der mit unnennbarem 3ammer
Stets mein Vaterland gequält,
51

Fener zweite Maurenhammer ,


Der im Tinto * ) warb geſtählt.
Boabdil.
Wie ? Gonſalvo droht uns wieder ?
Almanſor.
Meines Sdwertes erſte Streiche
Sollen jenem Rieſen gelten ,
Der von Fez zurückgekehrt
Mit gebob'ner Flammenkeule.
Und ich hoff' ihn zu erreichen ,
Ihn , den Reiner noch beſiegt;
Jeder Berg ift zu erfteigen ,
Der im Weg - der Rache liegt.
Schon beim Namen des Gonſalvo
Fühl' id in der Bruſt bie Glut ,
Die entfunkelt meinem Schwerte ,
Und im rechten Arm das Blut
Einer ganzen Löwenheerde.
Boabdil.
Hat der Scheit ihn freigelaſſen ?
Ram die Botſchaft nicht hierher ,
Daß er dort in Retten machte ?
Mehr als eine zweite Landung
Eines afrikan'ſchen Heeres
Hat die Runde mich erfreuet.
Nun , ſo war auch dieſe Hoffnung
Nur dem falſchen Meergraſ gleich ,
D'ran fich der Schiffbrüchige klammert.
Almanſor .
Frei ward jener Chriftentämpfer ,
*) Der Fluß Tinto hat die Eigenſchaft, Ades zu verſteinern.
4 *
52

Unſer fürchterlichſter Feind.


Alſo ſprachen Afrikaner ,
Die von Algeſiras kommen ,
Wo – vom Herrſcher ausgeſandt
Sie verfolgten ſeine Spur.
Er entfloh auf einer Barfe ;
Wenn das Meer ihn nicht verſchlang ,
Hoff ich bald ihn zu erbliden ,
Und bei wildem Schlachtgefang
Dieſes Sdwert auf ihn zu zäden.
Neue Flammen will der Starke
In der Bruſt der Seinen ſchüren ,
Und mit vorgeſtredter Tarke *)
Wird er ſie zum Sturme führen .
Was ihm ey'mals halb gelungen ,
Treibt ihn nun zum Strafgericht ,
Weil noch keiner ihn bezwungen ,
Denft er an Almanſor nicht.
Boabdil.
Auch Seïdi’s Augen blißen
In gewalt'ger Kampfesluſt
Wie zwei rothe Feuergarben !
Vor dem neuen Grimm vernarben
Alte Wunden in der Bruſt,
Und ſchon feb' ich ihn vereint
Mit dem fräftigen Almanfor
Stürzen auf den fühnen Feind ;
Den Gewaltigen verderben
*) Schild .
53

Mit begeiſtertem Gemüth ,


So den Siegespreis erwerben ,
(auf Boraïde zeigend)
Welder berrlich ihm erblüht.
Boraïde.
für ihn bürgt meine Seele.
Der hier friedlich ſteht vor Euc ,
Oft ein Donnergott in Schlachten.
Nur Almanſor kann , ibm gleid ,
Sundertfaden Tod verachten ;
Fallen ſah ich Streich auf Streich ,
(auf Seidi's Shiwert zeigend , dať neben dem Muhebette liegt)
Zenes blutbeſpritte Sdwert ,
Das bem Stärfften angehört ,
Der , verfolgt von dem Geſchicke ,
Femals trat auf Xenil's Brücke *) .
Seïdi (mattvoll aufflainment).
Fa ! hinaus auf's Feld der Ebre !
Hinter dwarzen Kampfeswolken
Grünt der friſche Myrthenkranz ,
Auf der weiden Blumenbahn
Ward dies Herz noch nicht entartet.
Stürmet Chriſten ! Rüdt heran !
Don Gonſalvo wird erwartet !
Müd' bin ich des trägen Friedens.
Nefire ſchwarze Sdwingen wehen.
Todt fodt 3hr Gonſalvo feben
Zu den Füßen Zoraïdens ,
Er, dem ibre Lippen fluchen ,
*) Die zum Alhambra führt,
54

Wird (auf's Schwert geigend)


dem Schwerte nicht entflieh'n.
Laßt uns den Verdammten fugen.
Aſraël hilft! Wir finden ihn !

Vierte Scene.
Die Morigen. Abenamar fonmt mit einigen feines Stammes.
Abenamar.
Der verſchleierte Aſtandar
Steht , umgeben von dem Volke ,
In der Bivarambla Mitte
Unter'm Schatten ihrer Palme.
Tief erbonnert feine Stimme , 1
Wie der Sturz der Wetterſtröme
In der nächtlichen Morena.
Seine aufgehob'nen Arme
Gleiden bautberaubten Flügeln ,
Die ein todter Bergdrach gräßlich
Aus den Zauberhöhlen ftredt.
Wie vom Sturm ergriffen wanfte
Nu're eb'rne Rieſenpalme,
Als nur leicht der hobe Frembling
Sich an ihren Stamm gelehnt.
3eso ſpridt er zu dem Volke
Mit der Stimme der Propheten .
am des Korans flare Sterne
Webet er der eig'nen Deutung
Räthfelvottle Soleiernacht.
Was der ernſte Zaharahvi *)
*) Lehrer der Chemie.
55

Am Verſammlungsort der Denfer


In der heiligen Medreffa *)
Von Rorbova bat gelehrt :
Ueber die geheimen Kräfte,
Denen Gott vier Namen gab,
Um vier ſchöpfungsalte Kronen :
Ueber die verborg'nen Säfte,
Die als Geifter ewig jung
In fryſtal'nen Häuſern wohnen ;
Um bes Alters Dämmerung
Node des Mittago lichter weber
Und in's ftille Oreifenleben
Lang' dem Tod den Eintritt wehren :
Dieſes wagt im Sinne Mani's **)
Nun der Fremdling zu erklären ,
Doch entftellt durch Samalgani's ***)
Gottverworf'ne Zauberlehren.
Mulen Haffem .
Sieht das Bolt und fo vereint,
Wird die Täuſchung bald entſchwinden.
Boabdil.
Sprid , o Stamm der Almohadoun !
Bei El Nafirs grünem Turban
Forbert Dich der König auf ,
Ohne Zagen zu enthüllen ,
Ob aud Du dem Vater gleich
-

In dem fredlichen Muſeïrah


Den verſchleierten Propheten
Aus dem Orient erblicft ?
* ) Hohe Schule ,
**) Értent Diani, deffen im 2. Theil ſchon erwähnt wird.
** ) Schamalgani: der arabiſche Lehrer der Seelenwanderung.
56

Abenamar.
Wabr ſo fürcht' ido - iſt die Kunde ,
Die Dein weisheitsreicher Vater
In geheimen Büdern fand.
Der auf Netſcheb's Burg verſchwand ,
Zeigt fid nun im Abendland.
Chor.
Der auf Neffheb's Burg verſchwand ,
Zeigt ſich nun im Abendland.
Abentamar .
Alſo ſteigt die blauäug'ge Hyäne
Nieder von Bergen in Nächten der Peft,
Wenn ohne Segen und Abſchiedstbräne
Wimmernde Kinder der Vater verläßt ;
Wenn die Mutter den Säugling verſtößt,
Und dem liebenden Bräutigam graut
Vor ſeiner wankenden Jammerbraut.
Durch den vergifteten Nebelfleier
Wandelt einſam das Ungeheuer ,
Wie zwei IInglüc verkündende Sterne
Glüh'n feine Augen aus nächtlicher Ferne ,
Wo an dem End' der verödeten Straßen
Ausgeſtoß'ne im Todeskampf rafen ;
und in des Schweigens verdunkeltem Thal
Stredt es fich nieder zum Leichenmabl.
Chor .
Und in des Schweigens verdunfeltem Thal
Stredt es fich nieder zum Leichenmabl.
Boabdil (Vater und Bruder umſchlingend ).
Folgt mir in die Bivarambla !
Laßt und feh'n , ob der Prophet
57

Unter'm Schirm der Gottheit ſteht.


Wandelt er auf Eblis' Wegen ,
Treten wir ihm ſo entgegen .
( Boabdil, Auley Harem , Almanſor , Abenamarind
der Chor gehen ab.)

Fünfte Scene.
Boraïde. Seidi Den Bian.
Seïdi
(wollte folgen , da fallen ſeine Blide auf Boraïde , und er tritt vor zu ihr ).
( 3m heftigen Seelenkampf :)
Nein ! dies licht am hoben Pol
Darf mich ferner nicht mehr leiten ;
Schöne Fürſtin , lebe wohl !
Von Granada muß ich ſcheiden.
Boraïde ( entſebe).
Rede jetzt von Trennung nicht;
Solch ein Abſchied gleicht dem Tode .
(Jhin liebevoll in's Auge rehend :)
Folge, Theurer ! dieſem Licht,
Folg' dem ſanfteren Gebote.
Seïdi.
Willſt Du eine Welt betrüben ,
Schlage Deinen Schleier nieder ;
Wilft Du eine Welt entzünden ,
Heb ' ihn liebelächelnd auf.
Tauſend Blüthen zog Dein Anblick
Glühend aus dem Herzensbaum .
Engeltroft in Balſamſtrömen
Floß von den Aſala -lippen *),
*) Honiglippen.
58

Die des Feenreiches ſchönfte


Huldin mit dem Stab berührt
Und geweiht zum ew'gen Sieg ,
A18 Dein reiner Lebensmorgen
Aus dem Roſenbette ftieg.
immer werd' in treuer Bruft
Unter'm Sturme der Gefahren
In den ſpätern Rummerjahren
30 Dein holdes Bild bewahren ;
Werbe ſchwelgen in der Luft
Seliger Erinnerung -
An die göttergleichen Stunden ,
Wo , faum füblend meine Wunden ,
3d in Deinen Armen lag ,
Von des Danke$ Thrän' beneßt
Und mit einem Zauberſchlag
3n ein Paradies verfekt,
Wie mit freundlichem Begrüßen
Mir kein Engel kann erſchließen.
Doch die Trennungsſtunde nabt !
Aus Alhambra’ó Wonnehaus
Reißt auf dørnenvollem Pfab
Sie mich bin zu Gram und Klage ,
Freude füllt kaum flücht'ge Tage ,
Elend Menſo enalter aus.
Von den Zinnen dieſes Thurmes
Stürz' id in ein Qualenmeer
Auf dem Flügelroß des Sturmes ,
Tod und Grauſen um mich her,
Fort ! auf ſeinem eb'rnen Rüden !
Reine Blume darf id pflüden ,
59

Die von freundlichen Geftaben


Liebend mir entgegen winkt.
Mein barrt Fluch auf allen Pfaden ,
Bis die Lebensfadel finft.
laß mich eilen in die weite ,
Sternenloſe Nacht hinein ;
Denn an keinem Ort der Freude
Darf Seïbi heimiſch ſein.
Boraide.
Unglüdſeliger ! Du könnteft
Fest von Deiner Freundin ſcheiden
Und das liebliche Aſyl,
Das Granada Dir geöffnet,
Mit gereiztem Sinn verſchmäh'n ?
Du wilft fommen und verfdwinden ,
Wie der ſchöne Wundervogel,
Der von unbekannten Inſeln
Durch den Sturm hierher verſchlagen ,
An der fremden Rüfte ruht ,
Dann .
vermiffend feine Brüber
Mit des Körpers Schwade ringt
Und das tönende Gefieder
Zu dem ew'gen Abſchied ſchwingt.
Serdi.
Starf fühl ich mich und geneſen.
Offen fteht die dunkle Welt,
Die zum Spielball mich erleſen ,
Bis mein Haupt am Fels zerſchellt.
Boraïde.
Dieſem neuen Rummer galt
Jene Thrän', die beim Erwachen
60

Dir im Auge hat geperſt ?


Ah ! ich bielt fie für ein ſchönes
Traumbild , das auf ſeiner Flucht
Bon den Wimpern ward gefangen
Und vom Tageslicht zur Zähre
Umgeſchmolzen auf den Wangen.
Du erzählteſt
Seidi (id:nell).
Soweig' auf immer !
Laß begraben , was die zweite ,
Furienvolle Welt verſchließt,
Daß ich rubig von Dir ſcheide.
Sieb' ! die Thräne, die nun fließt,
Gilt – der Teßten Lebensfreude.
(Vor ſich hinſtarrend :)
Wer ſein Herz der Hoffnung räumt ,
Füllt mit leichen eine Arche ;
Wer von Idealen träumt ,
Schmiedet Nägel fich zum Sarge.
Boraïde.
Haft Du den Entſcluß vergeſſen,
Den als ſtarker Adalide *)
Du noch kurz zuvor gefaßt :
Auszuziehen mit dem Bruder
Und die Hauptſtadt zu befreien
Von dem mädtigſten der Feinde ?
Oder wähneſt Du , der Angriff
Auf den eiſernen Gonſalvo
Werbe fichern Tod Dir bringen ?
Traue beſſer einem Schwert,
*) Ritter.
61

Das ich , ſelbſt von Dir gerettet ,


Unter Feinden wüthen ſah ;
Gleich dem Stable des Marfila ,
Deſſen leiſeſte Berührung
Tödtlich allen Kämpfern war.
Kann wohl fein Befißer fürchten ,
Daß der Spanier ihn beſiege ?
Darfſt Du noch von Trennung ſprechen,
Wenn ich - in Granada's Namen
Did zu meinem Ritter wähle ?
Um den Turban , den Du trägſt,
Zoraïdens Farben winde
Und die kriegeriſche Lanze
Mit demſelben Schleier ziere ,
Der mein fürftlich Haupt bebedt ?
Wenn ich ſpreche: Sdaff und Frieden !
Durch den Untergang des Feindes ,
Den ich baffe wie den Abgrund,
Wo der falſche Eblis thront.
Nur Gonſalvo von Kordova
Trägt die Schuld fo vieler Kriege ,
Die mein Vaterland verbeeren.
Ob ſich auch die Könige
Friedlich zur Verſöhnung neigten ,
3mmer ftand der ſtolze Spanier
Mit entblößtem Rieſenſchwert
In dem Thronſaal von Kordova.
Fede Rathoverſammlung ſchloß er
Mit dem Ruf : Granada ſinke !
Aehnlid jenem alten Römer , >

Dem die Furien , Tag und Nacht ,


62

Die hochflammende Rarthago


Bor die finſtern Augen malten.
Nun von Fez zurüdgefehrt,
Wird er , wie mit Donnerfüßen ,
Unſ're legte Friedenghoffnung
Schonungslos barniedertreten ;
In die heil'ge Stadt der Abnen
Wüthend ſich die Straße bahnen ;
Die Verſöhnung ftolz verſchmäh'n
Und an dem Entſcheidungstage,
Ungerührt von unſrer Klage,
Auf Granada's Trümmern fteh'n.
Seïdi
(nimmt das Schwert, welches noch zur Seite liegt).
Du hafſeft den Gonſalvo , und Dein Wunſch ,
Dein höchſter Wunſch iſt dieſes Mannes Tob ;
Woblan ! vollbringe ſelbſt, wornach ſeit Jahren
Die Beſten Deines Volkes fruchtlos ftrebten ;
Was Reinem unter ihnen je gelingt ,
Und hätte Mars geſegnet ſeine Wiege.
(Er ſtürzt vor ſie hin .)
Zu Deinen Füßen ſiehſt Du Deinen Feind ,
Der Dich gerettet , wie Du ihn erhalten .
Rein Schild bedeckt ihm die gequälte Bruſt,
Nimm Dir den Preis im vollen Maß dabin !
Dies Sowert ergreif'! beſprißt vom Blut der Brüder.
Granada's Erbfeind ift's , den Du begräbſt!
Durchbohre dieſes Herz , in dem Du lebft ;
Mit meinem eig'nen Bliß wirf mich darnieder !
(In der heftigſten Bewegung ihr das Schwert entgegenſtredent. )
oh bin - Gonſalvo von Rorbova !
63

Boraïde.
Ha !
(Sie ſtürzt auf das Rubebett. Große Pauſe.)
Gonſalvo.
Fehlt Dir die Kraft, zu beben dieſes Sdwert ?
Fehlt Dir der Muth, der Vaterftadt zu fünden,
Wer in dem Umfreis ihrer Mauern weilt ?
Denfft Du , ſie werde ießt , wie ebemals ,
Det Gaſtrechts albekannte Pflichten üben ?
Und zu mir ſprechen , wie der edle Greis
In ihr zum Mörder ſeine einz'gen Sohnes :
„Zieh' hin ! damit ich dich verfolgen kann.“
Ein Wort von Dir , und tauſend Schwerter dringen
Wetteifernd in den Buſen Deines Feindes.
Erhebe Dich ! verlaß die Purpurhalle,
Tritt auf den ſonnenhellen Prachtbalkon ,
Der Deine hodgethürmte Stadt beherrſcht,
Ruf Deinem Volke zu : „ Im Königshauſ:
Der Mauren ſteht Gonſalvo von Kordova ;
Nun iſt es Zeit, den Raceftahl zu ſchärfen ,
Ihn zu erringen , den erſehnten Preis.“
Sie werden aufwärts ftürmen ſchaarenweiſ'
Und mich zu Deinen Füßen niederwerfen.
Boraïde (in fürchterlicher Angſt ).
Nein ! id fann nicht !
Gonſalvo.
Lautlos werd' ich ſterben ,
Mit feiner Klage Dir Dein Dhr verlegen ,
Das wie den Zauberliedern Almotréfo's * )
Den Worten meiner Liebe hat gelauſcht;
*) Almotréfo, ein berühmter Diditer des arabiſchen Spaniens.
64

Den Seufzern einer unglücksvollen Sehnſucht,


Die Glauben , Ehre , Vaterland bezwingt,
Die auf den leichen von erſchlag'nen Brüdern
Bis in das Grab nach den verbot'nen Gütern
Im gold'nen Hain der Heſperiden ringt.
Ich darf mir Nichts mehr wünſchen , als den Tob !
Erbarm' der Bruſt Did , die der Feind Dir bot !
Verloren hab' ich Ruhm und Vaterland ,
Und dieſes Kleid ſei nun mein Sterbgewand !
Boraïde,
Flieb' !
Gonſalvo.
Müde trug ich mich an meinem Leben !
Die Nacht bricht ein , ich kann nicht weiter mehr.
Nimm mir die Laft mit zarten Händen ab !
Wie oft hat mir Dein ſüßer Mund geflüſtert :
, 3 d liebe Dich ! " Nun wiederhol' die Worte
Und laß mich ſterben unter ihrem Klang ,
Dann iſt mein Tod ſchmerzloſer, als mein Leben.
Du fiebſt mich zweifelnd und verzagend an ?
Seïbi's Bird beſchüßet den Gonſalvo.
Ruf meine Feindel nur ihr Auge fann
Den Löwen von dem Schatten unterſcheiden ;
Bergiß , was als Seidi ich gethan ,
Daß ich mit Bruderleichen Did erkauft,
Mit ew'gen Banden Dich an mich geſchloſſen .
Du fouſt mid haffen , wie die Pflicht es will ;
Du fouft mich lieben , wie Dein Herz gebietet ,
Wenn Todesnacht erft Dein Geheimniß hütet.
Und fall' id , fouft Du mir das Haupt bebeden ,
Kein Mitleid darf den Liebesblick erweden ,
65

Der durch den ſchwarzen Trauerſbleier flammt.


Du biſt nur ſchwach, ſo lang' Du ihn gewahreſt,
Tritt auf als Räderin ! erfül' Dein Amt !
Es ift Granada's Heil , das Du bewahreft.
Der Todfeind ift's , den Eure Hand erlegt,
Der fterbend noch Dein Bild im Herzen trägt.
Boraïde (die Hände ringend ).
Du Gonfalvo von Rordova ! ?
( Pauſe. )
Webe mir !
Gonſalvo.
Was zögerft Du ?
Boražde.
Du Gonſalvo, ber Gebafte ?
Du , bei deffen Namensklang
Schauer meinen Buſen faßte !
Der Du lebſt im Trau’rgeſang
Tiefbetrübter Mohrenbräute ,
Die von des Geliebten Seite ,
Wo ihr Herz fid glücklich pries ,
Ralten Arms das Schidſal riß.
Wenn vom düſtern Römerwalde *)
Don Gonſalvo's Splachthorn challte,
Wenn er ſelbſt, ein Gott des Krieges,
Aus der bangen Dämm'rung trat
Und mit Opfern raſchen Sieges
Ueberbedte ſeinen Pfad.
Du , der allgemein Verdammte ,
Weileft jeßt in dieſer Stadt !
Bei dem volt , dem ich entſtammte,
)
*) Ein Wald bei Granada .
Auffenberg'8 fämmtl. Werle XI. 5
66

Deffen Haupt Dein Fuß zertrat.


Denn das Glück iſt uns entſchwunden
Seit den fürchterlichen Stunden ,
Wo Du mit verweg'nem Søritte
Drangeſt in Granada's Mitte,
Durch die Straße der Gomelen
Altcaftiliens Banner trugft
Und die Mauren in die Höhlen
Von Al Adal *) niederflugft.
Nabe ſtandeſt Du beim Sturme
Scon dem beil'gen Sonnenthurme ,
In die Gräber der Kalifen
Drang Gonſalvo's Donnerſtimme,
Und von ihren finſtern Tiefen
Stieg der Ahnberr auf im Grimme ,
Mit gehob'nen Geiſterbänden
Das Verderben abzuwenden.
Gonſalvo.
Der Geiſt der Liebe nur hat mich gebannt,
Dein Anblick mir gelähmt die ſtarke Rechte.
Es ſchwand des Zornes Regung aus der Bruſt,
Als bleid Du fanfeſt auf die Marmorſtufen.
Die Furcht der Mohren vor Gonſalvo's Namen
Befreite damals mich vom Untergang.
Gefefſelt ſtand ich , vom Gefühl burchbrungen ,
Dem ich im Tod nur Worte leihen darf.
Granada's Rinder hätten Den bezwungen ,
Der ihre Helden ſich zu Füßen warf.
*) In die Höhlen des Todes. al Adal heißt eigentlich case beſtimmte
Lebensziel.
67

Boražde
(den Gonſalvo halb mit Schauer , halb mit tieſem Sdymer; anblidend ).
Haß und lieb in einem Buſen ,
Únd noch ſchlägſt du armes Herz ?
Gonſalvo .
Als ich zurücritt in das Chriſtenlager,
Verglichen meine Caſtilianer mich
Der bohen Leiche des Campeadors ,
Die bei dem Abzug aus Valencia
Auf's Roß gefeßt , noch ihre Feinde ſchredte.
Seit jenem Tag , der mir den Sieg geraubt ,
Stand Zoraïde nur vor meinen Blicken .
Hell trat aus unbeſtimmtem Sehnſuchtsraum
Das flare Sternbild meiner erſten Liebe.
Ich fand es wieder an Granada's Himmel ,
Wo durch die Abenbrötbe meine Ruhms
Die holden wohlbekannten Strahlen glüh'n
Und mir voran zum Thal der Ruhe zieh'n .
Boraïde.
Ift Gonſalvo nicht der Mann ,
Der , die Baterſtadt verderbend , 8

Meinen Vater mir erhielt ?


Wohll die Bürgerpflicht iſt heilig ;
Doch - ich war ja – Muley's Kind ,
EH' mid ihr Gefes gefeffelt.
Und darf ich zum Tode führen
Den , der meinem Land die Quelle
Seines Heiles hat bewahrt ?
Daß er mid vom Tod' errettet,
1 Gilt wohl alles vor dem Herzen ,
Aber wenig vor der Pflicht.
5*
68

Dieſes Aug’, in lieb'erglühend ,


War die ſchredenrolle Flamme,
Die ben unbeſiegten Haß
Unſrer Feinde raftlos nährte.
Dieſer Arm , der mich umſchlang,
War der Bligftrahl, der in Rämpfen
Tödtend auf die Meinen drang.
Dieſe Bruft, an der ich rubte ,
Bar vom Harniſo ja bebedt,
Der von unſerm Bürgerblute
Noch die friſchen Spuren trägt;
Und ſo weil ich hier - verlaſſen
Und vernichtet von der Sam .
Muth roll eine Seele faffen ,
Die Nichts fühlt - als ihren Gram.
Welcher Gott lehrt Den midy baffen ,
Der zum Haß die Kraft mir nahm ?
(Pauſe. )
Und wenn Du Gonſalvo biſt,
Benn kein Zweifel mehr die Pein
Dieſes Tages ſchwächen darf ,
So enthülle mir das Wunder ,
Das vor Zoraïbens Blick
Dich in dieſem Kleid geführt.
Gonſalvo.
Vor Deinem Aug' will ich den Schleier beben ,
Der noch geheimniſvoll mein Schicfal bedt ,
Und ſeh'n wirſt Du ein thränenwerthes Leben ,
Das Feinde felbft zum Mitgefühl bewegt.
Die Königin , als ſie den Krieg beſchloffen ,
Warf ihren Blick zuerſt nach Afrifa,
69

Dem Tummelplaße wilder Bölferborden ,


Die beutebegierig auf Europa ſchauen.
Mit weiſem Sinn erwog fie die Gefahr,
Die Spaniens größtem Unternehmen drohte ,
Wenn nicht ein Mittel aufgefunden ward ,
Mit Afrifa den Frieden zu bewahren.
von allen Herrſchern feiner Küſtenreiche
Ift der Tyrann von Fez der mächtigſte.
Die Ahnen feines Hauſes ftanden oft
Berheerend auf den Fluren Andalouſiens,
Und ihre dunkeln Räuberſchiffe freuzten
Vom Sonnenberg der alten Malaga
Bis zu dem Helbengrab der Scipionen *) .
Nach der Berechnung unſ'rer Kräfte fonnte
Der gegenwärt'ge Kampf allein dem Reich
Der oft erſchütterten Granada gelten ;
Doch in dem Abendlande rah man ſtets
Die Söhne des Propheten feſt verbunden ,
Wenn ſich ein neuer Glaubenskrieg erhob.
Das Streben vieler feinbliden Parteien
Ward ſchnelle bem Geſammtzwed unterjocht.
Im Schatten ihrer Algazia) ** ) - Fahne
Umarmten Feldherrn fich und Könige ,
Die kurz vorher fich mit Verderben drohten.
Der alten Hydra nahe Kraft entging
Dem ſcharfen Bride meiner Herrfcher nicht.
Der Friede mit Marocco und mit Fez
War anzuſehen , wie ein Fundament ,
Auf dem wir bier den Kriegestempel bauten.
*) Welches in der Nähe von Tarragona liegt.
** ) Algaziah : Heiliger Krieg.
70

Es wurde lang erfolglos unterhandelt ,


Der Scheit von Fez nahm lächelnd die Geſcente ,
ließ dem Geſandten ſeine Gärten zeigen ,
Gab zehn bis zwölf gefang'ne Chriften frei,
Zum Frühſtück, wie er's nannte ; doch die Frage
Blieb ruhig liegen zwiſchen Ja und Nein.
Nun ward es nöthig, einen Mann zu ſenden ,
Der, gern ſich opfernd für das Vaterland,
Mit ſtolzer Kraft ihn zur Entſcheidung zwinge.
Mit einem Wort , die Königin beſchloß
Ihm einen ächten Spanier zu zeigen.
Ihr Aug fiel auf Gonſalvo von Rorbova.
Rühm ich den Mann , iſt es kein Selbſtlob mebr.
Ich muß von ihm als einem Fremdling ſprechen ,
Von deffen Thaten ich am Abend las ,
Bis ich im Traum gewähnt , ich fei -- er ſelbſt.
Der Name jenes Mannes war erklungen
Vom Dornenthale , wo Orlando ftarb ,
Bis zu den Rieſentrümmern von Karthago ,
Und tiefer noch in's öbe Mobrenland ,
Bis wo im ſommertrod'nen Bett des Malva
Der durft'ge Königslöwe brüllend fteht.
Nach Fez ward ich geſandt, der Sprache kundig
Und mit des Volkes Sitten wohl vertraut.
Des fremden Welttheils erſter Anblick ließ
Die trauerſchweren Worte mich vergeffen ,
Die Lara in der Trennungsſtunde fprach,
Mein Buſenfreund , als ſtarfer Bruderſtamm
Mit mir entblüht der vaterländ' den Erde.
Die fernen Berge Lybiens erſchienen
Wie rieſge Greiſe, die mit ftillem Ernſt
71

Auf eine freubenreiche Jugend fauen


Und in dem Silberlicht des hohen Alters
Vor dem berdloff'nen Wundertempel fteben .
Doch angekommen an dem Hof von Fez ,
Fühlt'ich die ſchöne Täuſchung ſchnet verſchwinden.
3d fab , was Deſpotismus da vermag ,
Wo er fein ſchwarzet Hauptzelt aufgerichtet.
Wer zweifelt an der Gottheit erſtem Fluch,
Den ſie den erſten Sündern nachgerufen ,
Der geb' in die verbrannte Paradies ,
Wo , auf den Trümmern einer beſſern Welt ,
Sich die Bertilgung ihrer Herrſchaft freut.
Es war , als babe fich der bolde Frühling
Zurückgezogen vor der Wuth der Menſchen ,
Auf Fluren , die ihr Fuß noch nicht betrat.
Ich ſah nur wenige zerſtreute Blumen ,
Die er vergaß auf ſeiner ſchnellen Flucht.
Es glich die Palme der verlaff'nen Säule ,
Die ein entartetes Geſchlecht erinnert ,
Daß hier ein Walb von 3hresgleiden ftand,
Und die Dafen waren anzuſchauen
Wie die Smaragde , die aus Kronen fielen
Und die ein Sclavi in ſchnödes Blei gefaßt.
Bewohnt ſah ich das Land von einem Volte,
Das unter'm Drucke der Deſpoten ſchmachtet,
Mit ſeinem Soweiß die dürre Furche neßet ,
Aus der ihm fümmerliche Nahrung ſprießt.
Der Samum ift der Schnitter ſeiner Ernte ,
Was ihm entgeht, raubt der Vezier hinweg ,
Von einem Schredenskönig eingeſeßt,
Der ſelbſt vor einem mächtgern Feinde zittert.
72

Kein laut ber Freude tönet ! wird einmal


Gelung’nen Raubzugs oder Mordes halber
Ein aūgemeiner Jubel anbefohlen ,
Dann ſchallt byänenart'geo Lobgebeul,
Und wieder fehrt die Stille bang und ſchwer,
Als ob der Tob , hier die Sieft a haltend ,
In ſchwarzen Träumen furchtbar aufgejauchzt.
Der Chron ift ein geſchmüdtes Hochgericht;
Das Mordbeil ruhet unter'm Purpurtude,
Und die Tiare zitternder Beberrſcher
Wird oft zum Strang in rober Henkershand.
D'rum ſuchen fie , den ſchnellen Wechſel ahnend ,
Die kurze luft im Taumel zu genießen.
Der Völker Schweiß verwandelt ſich in Perlen
Für's Scaßgewölbe , wo mit off'nen Augen
Der grimmige Alraun des Geized wacht.
Im lichtentfernten , ſchweigenden Harem
Braut Wolluft ihre Tähmenden Getränke.
Zum Thier erniedrigt wird der Schöpfung Krone ,
Das Weib ! Halbteufel find's , die ſie bewachen.
Und wenn ſie dort ihr Höchftes Ziel erreicht,
Dann wird ſie eine Königin in - Retten.
Der Herrſcher felbft fühlt ſich als König nur ,
Wenn er zum Mordbefehl den Mund eröffnet.
Der Ausſpruch ungebändigter Begierde
Wird Reichsgefeß , mit friſchem Blut gefchrieben ,
Und die Befried'gung zügelloſer Willkür
3ft Lebenszwed für die zur Schmad Berdammten .
Sein Eigenthum ift Atles - Gut und Weib.
Das Leben felbft, das göttliche Geſchenk,
Er nimmt es bin , als hätt' er es gegeben ;
73

Dod fann er niemalo ſprechen : das ift mein !


Auf den zerriff'nen Banden der Natur
Läßt fid fein dauerndes Befigthum gründen.
In ſeinen Brüdern ſieht er Nebenbuhler,
In ſeinen Kindern nur Gorgonenzähne,
Die feine Hand auf's Feld des Fluchs gefä't.
Wohin er blidt , wird er auf Feinde treffen ;
Sein Todfeind aber ift fein Erftgebor'ner.
Berleumdung reichet hin zur Plünderung.
Auf den Verdacht fliegt don das Haupt vom Rumpfe,
Und wen'ger foftbar als das Waſſer iſt
Das Blut, bas bort in Menſcenadern ſtrömt.
In folchem Lande mußt' ich nun verweilen ,
Und was ich ſah , vermehrte meine Qual.
Es war Dein ſchönes Bild mir nacgefolgt,
Und immer tiefer fühlt' ich in der Bruſt
Die leiden einer unbelohnten Liebe.
Auch Lara fehlte mir , mein Waffenbruder.
Ein Jüngling , tapfer wie Rinald und frei,
Von feiner zauberkräftigen Armida
Mit ſüßen liebesbanden noch umſchlungen.
( Wehmuthsvoll die Arme ausbreitend.)
Zu dieſem Somerz geſellte ſich die Sehnſucht
Nad dir - o beißgeliebtes Vaterland !
Erinnerung an dich ift ftark und ewig
Wie unſ're erſte Liebe! Wenn wir träumen
Von Himmelsgärten, fdwebeft du bor uns.
Der Baum , in deffen Schatten wir geſpielt,
Die Quelle, der wir Blumen zugeworfen ,
Der Bad , dem wir ermüdet nachgeblidt,
Der Hofraum , wo zur Luft des alten Baters
74

Wir uns zum erſtenmal auf's Roß geſchwungen ,


Das ftille, mondburdichimmerte Gemach ,
Die Abnenburg , wo unfer Jünglingsaug'
Die Geiſterreih'n der großen Vorwelt fab ,
Die landbeherrſchende, geſchmückte Warte,
Wo wir von Sehnſucht unter Wolken weilten
Und mit des Geiſtes ahnungsreichem Flug
Die Traumwelt, die unendliche, burcheilten ;
Dies Ades reiht ſich Bild an Bild. Die Seele
Hebt es verklärt zum Roſenlicht empor
Und ſtellt es auf die gold'ne Himmelswieſe.
So findet fie , wat bier das Herz verlor,
Ein zweites Vaterland im Paradieſe.
Boraïde.
Todesſchmerz liegt im Erwaden ,
Wenn wir ſo geträumt -
wie Du .
Gonſalvo.
Schon zweimal hatte ſich der Mond erneuert ,
Seit id an's afrikan'de Ufer trat.
Mit der Entſcheidung zögerte der König ,
Und fein Vezier , der Wahrheit längſt entfremdet ,
Bot mir , dem Arieger , ſeine Ehrfurcht da ,
Indeß er ben Geſandten frech belog.
Als ich auf Zwieſprach mit dem Herrſcher drang ,
Ward mein Verlangen feierlich gewährt.
Ich fab ben ftummen Gößen auf dem Thron ; "
Er ſchien umgeben mir vom Pomp des Todes.
Drei Worte ſprach er nur : Wie Gott will ! “ Dann
Ward ich entlaffen. Zornvoll wandt ' id mid
An den Vezier , der zeigte mir das Siegel
Ded Sheits , bas er an ſeinem Falſe trug ,
75

Doch auch die Schnur, an der bas Siegel hing.


Vergebens war die drohende Beſchwerde,
Der König blieb entzogen meinem Blick
Und lachte im Serail des fremden Kämpfers ,
Der thatenlos an ſeinem Hofe ftand.
So zieht die Schlange ſich zur Schlucht zurüd ,
Wenn ſie den Löwen daut vor ihrer Höhle.
3c trug nicht länger dieſe berbe Schmad ,
Und war entſchloſſen , mit Gefahr des Lebens
Zu brechen das beleidigende Schweigen.
In meine volle Rüſtung büdt' id mid ;
Erwartete den König auf dem Wege ,
Den er betritt , um zur Moſchee zu zieh'n.
Er kam von feiler Dienerſchaar umgeben.
Es webrten hundert Mohren ihm die Fliegen ,
Doch nicht die Sorgen ab. Sein Auge nahm
Die dunkle Glut det blut'gen Säbels an ,
Als es den ungebetenen erblicte.
Und alſo ſprach ich , in der einen Hand
Das Schwert, und in der andern den Vertrag :
„ König von Fez ! Nimm Frieden , oder Krieg ;
Gonſalvo bringt dir Beides. Jego wähle !
Doch denke , daß noch hunderttauſend Schwerter
Gleich dieſe'm aus Hiſpanien dir droh'n .“
Beſtürzt fab der Monarch auf mich berat
Vom dwarzen Roß , und ſeine Höflinge
Ertrugen eines Mannes Anblick nicht.
Dem Volfe ſchien ein Wunder meine That ,
Nod lähmte das Erſtaunen jeden Arm ,
Da rief ein Mollab : ,, Herrlich ift der Friede ! "
Der ganze Hof ſprach Salam ! und der Sheik
76

Gab unterzeichnet den Vertrag zurück.


Stiti ſeufzend blidt er gegen Himmel auf. -

Id eilte, um zur Heimkehr mich zu rüften.


Soon tauchten aus dem weiten Meer der Nacht
Die ſchimmernden Daſen der Geſtirne ,
Als ich in dem Pallafte , fern von Argwohn ,
Mich ſanften Hoffnungsträumen überließ ,
Io fab vor mir das theure Baterland ,
Wo fehnſuchtsvolle Freundſchaft meiner barrte ,
Auf beißer Wange fühlt id Cara's Ruß ,
An meiner Bruft die Schläge ſeines Herzens.
Doch nicht wie früher blieb mein ganzes Sinnen
Allein dem edlen Freunde zugewandt ;
30 ſah die Liebe , die von Stern zu Štern ,
Mit Seraphsflug zur Gottheit fich erhebt,
Wie jener farbenreiche Luftbewohner,
Der fich von einem Zweig zum andern dwingt ,
Bis er boch oben auf des Baumes Wipfel
In vollem Glanz der Morgenröthe dwebt.
Ich hoffte bald die Fluren zu betreten ,
In deren Schooß die paradieſiſche
Granada fanft an Silberſtrömen ruht ,
Wie eine Göttin , die dem Ueberwinder
Die Sallen ber Unſterblichkeit eröffnet.
Schon fand ich mich vertraut mit dem Gedanken ,
Dich zu beſchüßen an dem Tag des Sturmes ,
Sab dich geſchmiegt an meine treue Bruſt ,
Durd Todesgrauen unverſehrt getragen ,
Indeß mit Engelsídwingen unſre Liebe ,
Ein Phönir, aus dem Völkerbrande , ſtieg.
Dann fand ich in der Stadt, die wir erobert ,
77

uns eine neue Wohnung auferbaut ,


Die , von den Spuren der Vernichtung frei,
Das heil'ge Zeichen des Erlöſers trug.
Mein war das Amt,dieSaatberreinſten Liebe
In deine ſchnellerweichte Bruft zu ſtreuen ,
Ihr ſchönes Wachsthum freudig anzubliden ,
Den Myrthenfranz zu flechten durch dein Haar ,
Und für den ew'gen Bund die Hand zu drüden
Vor ber Madonna ftrahlendem Altar.
Boraïde (tief bewegt).
Gonſalvo !
Gonſalvo.
Aus den Eräumen wedte mic
Der wohlbekannte Ton der ſpan'ſden Laute.
Ein Lied , in meiner Jugend oft vernommen ,
Begrüßte mich in Altcaftilla's Sprache ,
Die wie ein tonbegabter Perlenſtrom
Vom Herzen kommend zu dem Herzen eilt.
Den Ruhm beſang das Lied , die Heldentugend,
Die leicht dem Pfeil der Bosheit unterliegt ;
Es pries die Klugheit in Gefahren an ,
Vor Feindestücke warnend und Berrath.
Die Worte des Gefanges überdenkend
Gewahrt' ich in dem Mondlicht einen Mann ,
Der an der Sowelle des Pallaſtes ſtand.
Er winkte mir zum naben Palmengarten ;
30 folgte rad, und als ich ihn erreicht,
Erkannt ich in dem Greifen einen Diener ,
Der lang in meinem Vaterhaus gewohnt ,
Und oft auf treuen Armen midy getragen ;
Dem Vater war er theuer wie ein Freund ,
78

In vielen Schlachten hatt' er ihn begleitet,


Doch als ich ſelbſt die erſte lange ſchwang,
Fiel er in die Gefangenſchaft der Mauren
Und ward nach Fez verkauft. Das Sclavenkleid
Bedeckte ramachvoll die getreue Bruſt;
Er ſtürzte weinend fich zu meinen Füßen ,
An welke Lippen brüdt er meine Hand ,
und nach des Wieberſebens erftem Gruß
Enthüllt er mir ein drobendes Geheimniß.
Von ſeiner Arbeit, in dem Garten rubend ,
Sab er den König , der mit dem Vezier
Sid hart vor dem Gebüſche niederließ ,
Das ihn verbarg. Er börte , wie ſein Mund
Mir augenblickliches Verderben ſchwur.
Es rühmte der Bezier , daß er durch Sclaven
Die Wege von Mamorra con beſeft,
Daß mich von allen Seiten Tod umlag're ,
Und er geſonnen ſei , noch vor dem Morgen
Mein blutend Haupt dem Herren darzubringen.
Raum hatte dies der gute Greis vernommen ,
Als er don Anſtalt traf zu meiner Flucht;
lind nun entdeckt' er mir ein Mohrenfleid ,
Den Turban und den afrifan'ſchen Säbel ,
Den er am abgeleg'nen Ort verbarg.
Als ich unwillig dieſe Tracht erblidte,
Bedwor er mich beim Schatten meines Vaters ,
Der Rettung einz'gen Beg nicht zu verſchmäben.
Vou Sehnſucht nach der heimatlichen Erde
Und des gelung'nen Auftrags eingebenf,
Hüllt ich erröthend mic in das Gewand ,
Und eilte unentbedt am Arm des Dieners
79

Auf nächt'gem Pfad der gold'nen Freiheit zu.


Im Fluſſe Subur fand ich eine Barke ,
Die mit dem guten Pedro ich beſtieg.
Das Wenige, daß er im Sclavenſtand
Zur Pflege feines Alters fich geſammelt,
War aufgeopfert ſeines Herrn Sohn
In's Land der Väter wieder beimzuführen.
Ein ſanfter Wind begünſtigte die Flucht.
Leicht wie der Schwan ſich wieget auf der Welle ,
Geräuſchloß wie das weiße Mondenſchiff 1

Flog unſ're Barfe durch die Nacht dahin ;


Und als geſchmückt mit Edens friſchen Roſen
Aurora trat aus himmliſchem Gemad ,
Lag hinter uns die freudenleere Rüfte,
Und jubelnd fchifften wir in's off'ne Meer.
Mit jedem neuen Tag werf ich vod Inbruſt
Mich vor dem Geber aller Freuden nieder.
Die himmliſche Dreieinigkeit verehr' ich,
Um Segen bittend für die irdiſde :
Für König - Vaterland - und Ebre. Doch
Wie damals hab' ich nie gebetet. In
Dem weiten Meer fah' ich das Bild der Freiheit.
Wie Hoheprieſter ftanden die Gebirge
In Morgenandacht vor dem Schöpfer da.
Nun ſtürzt' ich mich an meines Retters Bruſt,
Der auf den Knieen bem Admächtigen bankte .
Es rollten Thränen wahrer Herzensfreude
Von ſeinem abgezehrten Angeſicht.
In meinem Glüc vergaß der edle Greis
Die langen Leiden ſeiner Sclavenjahre.
Balb hatten wir Eularais Höh'n erreicht,
80

Schon glänzte fern das reizende Gefild


Durch das der altberühmte liros eilt,
Der mit den geifterbleichen Silberlippen
Die Wundergärten des Alciden füßt.
Nun fandte uns die prächtige Arſila
Den Goldblik ihrer ſtolzen Thürme zu.
Es war als jdwebe der phöniz'ſche Ruhm *)
Ein zweites Tagsgeſtirn ob ihren Mauern.
Wir regelten um Spartelo Vorgebirg'.
Zu unſrer Rechten lag die alte Tingis ,
Auwo bed Antäus Riefenkörper ruht.
In jedem Wolfenbilde wähnt' ich ſchon
Des Vaterlandes Rüften zu erblicken.
Als ſich die ftille Nacht berabgeſenkt,
Erreichten wir die weltbekannte Stelle,
Wo Lybien von Europa fich getrennt ,
Als durch die tiefen , weitgeriff'nen Wunden
Das ſchwere Meltmeer zornbeflügelt drang.
Tarifa ſaben wir , die oft beſtürmte,
Die ruhig nun im Glanz des Mondes lag ;
Und wie ein aufgeſtieg’ner Meergeift ragte
Der fable Fels von Gibraltar empor.
Wir grüßten jauchzend das geliebte land
Und ſeine ſternumglänzten Berge gaben
Den Freudenruf uns tauſendfach zurück.
Als buft'ger Nachtwind meine Wange traf,
Glaubt id Espona's Mutterkuß zu fühlen .
Der Bach , zur Meersfluth eilend, ſchien ein Arm ,
Hinausgeſtredt nach dem vermißten Sohne.
Im Geifte lag ich don an Lara's Bruft,
*) Die Phönizier grünteten fie.
81

Vergang'ner Trennungsſchmerz warb dneu geſchildert


Und von den fünft'gen Thaten froh geträumt.
Die Waffenbrüder wähnt' ich zu erbliden ,
Auf friegeriſchem Thron die Könige ,
Beſchattet von den Fabuen ihrer Heere ,
Und zu dem faumgehofften Wiederſeh'n
Begrüßten Freundſchaft mich und Lieb- und Ehre.
Wie furchtbar wurd' ich dieſem Traum' entriſſen !
Der treue Pedro nabte ſich voll Angft ,
Nad Weften ſtredt' er zitternd ſeine Hände :
Dort ſtieg ein drohendes Gewitter auf.
Durd Wolkenberge fuhr der Donnerwagen ,
Mit betlen Blißesficheln ringe umpflanzt.
Der Mond verbarg fich und die Sterne ſchwanden.
Ein falter Luftſtrom webte durch die Fluthen ,
Mit Nacht bedeckt kam der Orkan herbei.
Die Barke flog empor zum hohen Himmel ,
Wo feuchte Nebel unſ're Wangen neften ;
Bald fant fie zu dem oben Grund hinab
Und riß vom Schlaf die Ungeheuer wady ,
Die formlos in-der ſchwarzen Tiefe wohnen .
Durd einen fürchterlichen Stoß fiel Pedro ,
Mein Retter , in die ſchaumbededte Fluth.
Ich fah verſinken ihn beim Strahl des Blikes ,
Der weiße Turban glänzte matt empor ,
Dem Sternfiſch gleid , der als ein ſtilles Licht
Die weite Gruft des Oceans erhelt.
Aud er verfdwand - und einſam blieb ich nun
Im Reich der Schreden und der Finfterni.
Da ſprach ich laut ein gläubiges Gebet,
Solang um die halbzerſtörte Barfe feſt
Niñenberg's fämmtl. Werfe. XI. 6
82

Den Arm , und Gottes Gut anheimgegeben,


Soloß ich mein Aug', wie für die leste Nacht.
Aus dieſer ftarren Ruhe wedte mich
Ein Schall , dem Donner des Geſchüßes gleich.
Das Fahrzeug war zerſd mettert durch die Macht
Der Brandung, ich an das Geſtad' geſchleudert,
Unferne von Marbella. Zögernd brang
Das Licht des Mondes durch die Wolkenſdichten.
Vom Untergang befreit , lag ich am Boden
Auf meines Vaterlandet beil'ger Flur,
Der Barfe leßtes Brett in meinen Armen !
Boraïde,
Abgewehrt von meinem Auge
Ward durch Dich die Nacht des Todes ,
Iſt es Sünde , wenn es dankbar ,
Armer ! Dein Gedid beweint ? !
Bonſalvo.
Feßt ſprach ich dem geopferten Getreuen
Ein Wort des Segens in die Tiefe nach ,
adwo er ſchlummert im fryſtal'nen Hauſe ,
Bon keinen Sclavenketten mehr beſchwert.
Die weiche Fluthendeđe breitet ſich
Um feine fdmerzerlöſ'ten Ueberrefte!
Und zarte Meeresgeifter brüden freundlich
Korallenkronen auf die blaſſe Stirne.
Nun ſucht ich abgeleg'ne , wilde Pfade ,
Dem Chriſtenlager beimlich mich zu naben.
Mich quälte dies Gewand , dem Giftfleid gleich ,
Das ein heimtüđ'ſcher Feind aus Afrika
an Yuſſuff den Granaderfönig fandte.
Es ſollte der getreue Lara mir
83

Erft eine neue, ftarke Müftung ſchaffen ,


Bevor der Meinen Einer mid erblidte.
Durch die Gebirge ftreifend fand ide - Did ,
Und Deinen Vater an dem Rand des Todes -

Im Augenblick der foredlichſten Gefahr.


Bei dieſem Anblid fonnt' ich nicht erwägen ,
Auf welche Herzen ich das Schwert gezüdt.
Es galt die Rettung meiner Heißgeliebten!
Die Mörder fah' id nur an jenem Orte ,
Die Chriften nicht, die dieſer Stahl durobohrte.
Boraïde (feierlich ).
Geift der früh verſtorb'nen Mutter !
Deine Ießten Abſchiebsworte
Tönen wieder in mein Dhr ,
Und aus ftrahlenreicher Pforte
Tritt bein ſchönes Bild bervor.
Durch zerriff'ne Thränenſchleier
Blidt dein klares Aug’ berab ,
Und begrüßet den Befreier ,
Der mich 30g vom naben Grab .
Wie das reinſte Dpferfeuer
Lobert auf des Danke$ Flamme ,
Unſern Herzen bleibt er theuer ,
Ob dad Bolt ihn aud verdamme !
Gonſalvo.
Wohin ſoll ich mich , Unglüdſel'ger, wenden ?!
D , wär' id nie gefolgt bem Wint des Retters ,
Wär' ich geſtorben in dem fernen Land ,
Die Ebre hätt' ich mir dann rein erhalten ,
Die Reiner meines Namens noch befledt.
Aus Rerfertiefen hätt' ich mich geſchwungen ,
6*
84

Der Ahnen und der frühern Thaten würdig ,


In's ſchmerzenloſe, wahre Freiheitsland ;
Am Thore bätten Engel mich empfangen ,
Den Kranz der Märtyrer mir dargereicht.
Bor Spaniens abgeſchied'ne Königegeiſter
Wär' ich getreten , freuend mich des Lohnes ,
Ein würb'ger Feldherr ihres großen Sobnes !
Und nun - zurückgekehrt in's Waterland.
Im Kleid der Chriſtenfeinde fteh' ich hier ,
Mir felbft zur Schmad , gepreßt von jener Luft ,
Die , füß gewürzt von beimatlichen Blumen ,
Mich eh’malo wie ein Kraftmeer hat umwogt.
Blid id empor an Bergen , deren Höh'
Im Sturm ich oft erſtieg , dann wanken fie
lind drohen Einſturz über meiner Scande.
Neig' ich zum Bad mein fieberbeißes Þaupt ,
Dann ſtöhnen ſeine Wellen Klagelieder
Und ſpiegeln mein beſchimpftes Bild zurück.
Nicht widerrechtlich ſtößt mich die Natur
Verdammend aus den Sdranken der Lebend'gen ,
Denn mit der fremden Schwertes erftem Sdwung
Hab' ich die Bruſt der Meinigen geſpalten.
Das Kreuz zerſchmettert , unſers Heilands Zeichen ,
Das ihres Schilds geweihte Zierde war.
Ronnt ich in ihnen auch nur Räuber ſeh'n ,
Die eigenmächtig, von dem Heer getrennt ,
Sich auf die unbewehrten Pilger ſtürzten ;
Dod fchwuren ſie mit mir zu jener Fahne ,
Die' Gott geſegnet durch der Prieſter Hand ,
Der id als Tobfeind gegenüber ftand.
Bis in das Grab verfolget mich ihr Fluch ;
85

Zu Deiner Nettung warf ich fie barnieder;


Doch ſind es Chriften, die mein Ärm erſchlug,
Geïbi mordete Gonſalvo's Brüder !!
Boraïde.
Nein ! die edelmüth'ge That
Sol mein Retter nicht bereuen ;
Bald wird er ein Herz erkennen ,
Das , wenn auch von ihm geſchieden ,
3hm doch ewig angehört.
Böfferbaß thürmt Hochgebirge
Zwiſchen treuen Seelen auf ;
Aber hat ihr Flug begonnen ,
Sehen ſie ben droffen Gipfel
Bald zu ihren Füßen ruh'n ,
Und vereint von Gottes Händen ,
Finden ſich die langgetrennten.
Gonſalvo .
o dieſe Hoffnung gleicht dem falfühen Morgen ,
Der trügend durch das ind’ſche Bergthor *) dringt.
Aus Deinen liebevollen Engelsarmen
Eiť ich den Stürmen der Vernichtung zu .
Mein Ruhm iſt hin ! erſtorben iſt mein Name.
laß mich als Scatten zu den Scatten geh'n !
Boraïde.
Ades dank' ich Dir , Oonjalvo !
Rann ein Schwur ber reinften Liebe
Tröſten Dich am Trennungstag ;
*) Ein hohes Gebirg , in deſſen Mitte eine große , durch das Innere gehende
Höhle iſt , ſo daß die Sonnenſtrahlen durchſchimmern und vor ihrem wirt
lichen Erſcheinen eine plößliche Helle verbreiten , weldies im Orient der
falfdhe Morgen genannt wird.
86

So gelob' ich Dir vor Gott !


Ewig Deine treue Freundin
Hier im Dunkeln Thal der Schmerzen,
Die dort , in dem lidt zu ſein.
Reine Drobung , keine Qual,
Sollen dieſen Schwur vernichten.
Ihn zur Stüße wähl ich mir
Für das fünft'ge trübe leben ;
Und wohin auch das Geſchick
Meinen Freund und Retter führet ,
Mit dem Flug der freien Seele
Folg'ich ſeinen Schritten nach.
Wenn nad dweren Rummertagen
Abendwinde Dir im Rühlen
Um die bleichen Wangen ſpielen ,
Denke , daß ſie meine Klagen ,
Meine Rüſſe zu Dir tragen !
Aber auch den zweiten Schwur
Muß ich ſprechen vor dem Himmel ,
Der den erſten con vernabm.
Nimmer barf Granada's Feind
Zoraïbend Hand befißen !
(langſam :)
Selbſt wenn mein geprüftes berz,
Seinem innern Drange folgend,
Sid zum beffern Glauben febrt ,
Darf es niemals Dein fidy nennen ,
EH' Du Freund der Stadt geworden ,
Die mid trug im Matterſchooß.
Mögen Herzen aud verbluten ,
Heilig bleibt das Baterland !
87

Hülfe hofften wir von Dir,


Dodi Granada iſt vergleichbar
Der verſchmadtenden Daſe ,
Die den Regen lang' entbehrt.
Ueber ihr ſowebt noch die Wolfe,
Angefütt mit Segensſtrömen ;
Jeßt ergreifet ſie der Sturm ,
Nach Erquidung lechzt die Wüſte ,
Doch die Wolfe eilt dabin !
Pilger ſeben ihr verzweifelnd
Mit gerung’nen Händen nach ,
Während ſie ſelbſt, bochbegnadet,
Sic in's reide Meer entladet !
Nun gehorche Deiner Pflicht,
Zoraïbe folgt ber ihren ;
Bringe Hülfe Deinen Brüdern ,
Die , weil ſie Dich todt gewähnt ,
Einen Sdungeift in Dir lieben ;
Doch bebenf', daß in Granada
Dir ein Herz zurüdgeblieben ,
Das fid beiß nad Frieden ſehnt.
Seine Hand wird aus den trüben
Nächten Dein Geleiter fein ;
Seelen , die im Kampf ermöben ,
Herzen , die die Pflicht geſchieden,
Führet Er ! - nur Erl bienieden
Zum beſeligten Berein.
Folge mir ! Aus der Mesquita
Des Alhambra windet ſich
Durc Sebirgesnacht ein Pfab
Bio zur Eb'ne, wo die Reigen
Deiner ftarken Brüder ſteh'n.
Die geſchied'ne Königin
Ging auf ihm zum Flammentode ;
Aber Dich ſoll zum erneuten
Ehrentempel er geleiten.
Gonſalvo.
Kann ich in dieſem Kleid in's Lager treten ?
Den Brüdern offenbaren meine Somach ?
EH' das geſchieht, enthütt' ich Deinem volt
Die langgeſuchte , waffenloſe Bruft.
Und hält das Mitleid feinen Arm gefeſſelt ,
Stürz' ich berab mid von des Thurmes Hob'
Und finde mitten in der Stadt ein Ende ,
Aehnlich dem Tod , den fich mein Herz erſehnte.
Boraïde.
Dieſen furchtbaren Entſchluß
Kann die Liebe nur entkräften.
Eine Rüftung ſchaff' ich · Dir ,
( Gonſalvo erhebt fich schnell mit glutvollen Bliđen. Boraïde fäbit fort :)
Die vom Grafen von Simancas ,
Bei dem Berge der Infanten ,
Muley Haffem fich erobert.
In dem Tempel unſrer Burg
Schimmert ſie aus dunkeln Höhen
Von der Säule ber Trophäen.
Auf dem Schilde prangt ein Phönir
Mit der Inſchrift: ,, Sondergleichen "
Aus den brennenden Gefträuchen ,
Die zum Lager er bereitet ,
Hebet fich der Himmelsbote *),
*) Beiname vom Phönir.
89

Weit die Schwingen ausgebreitet,


Neugeſchaffen - von dem - Cobe !
Aehnlich ihm , ziehft Du hinaus
Mit dem Segen Deiner Freundin ,
Die Dir neues Leben giebt.
Bon Gonſalvo's ſcharfer Lanze
Sot mein Purpurſd leier weben ,
Wie des Phönir Flügelpaar,
Und mit eig'nen Händen will ich
Waffnen den geliebten Feind.
Meine Farbe foll er tragen ,
Dieſe Hand giebt ihm ein Schwert,
Das die Pflicht an blutigen Tagen
Gegen meinen Buſen kehrt.
Gonſalvo ( freudig),
Nein ! nimmermehr ſouft Du dem Tage fluchen ,
Der Deinem Freund die Ehre wieder giebt ,
Der , unter'm Schilde ſeines alten Namens ,
Ihn heimgeleitet in das Vaterland ,
Wo er im neuen kriegeriſchen Schmuck
Sich wieder naht dem Throne ſeiner Fürften.
Meboros Treue wohnt in meiner Bruſt ,
3hn hat Angelika geheilt - geliebt ,
Der Pflicht und ihr gehöret ftets ſein Leben .
( Begeiſtert :)
Wenn einft das Zeichen des Erlöſers glänzt
Auf den erſiegten Mauern dieſer Burg ,
Die Rubmesgöttin mit erhob’nem Lorbeer
Vom Felſenthrone der Nevada ſteigt,
Wenn in Granada's Paradies mein Glaube
Die Blutſpur von Jahrhunderten vertilgt ,
90

Wenn auch Dein Volk , wie ich , zum neuen Leben


Durch's Tempeltbor der Chriſtenliebe zieht :
Dann , Zoraïbe , will id Did crinnern
An dieſen Tag , wo Du mich ausgeſandt ,
Daß nicht die Fahne , der ich Treue ſuwur ,
Den wohlbefannten Träger mehr vermiffe.
Beim großen Gott ! ich würd’ge Deine That.
Hell, wie das licht in ſeinem Heiligthume,
Soll in der Bruſt des Danfes Flamme glühen ,
Und löſchet fie der Tod mit kalter Hand ,
Werb' id fie neu entzünden an der Fadel ,
Die einft der Auferſtehungsengel trägt.
Mein biſt Du ! ob die ſtrenge Pflicht uns trenne ,
Und wie id unter'm Himmel mein Dich nenne ,
So boff ich in ihm wieder Dich zu finden ,
Und dort den Brautfranz um Dein Haupt zu winden.
( ilmarmung .)
Boraïde.
Nimm für dieſe bunf'le Erde
Zoraïbens Lebewohl !
Aber Eines dwöre mir
Mit dem höchſten Eide zu ,
EH' die Waffen ich Dir reiche.
Gonſalvo.
Wat forberſt Du von mir , geliebte Freundin ?
Doraïde.
Sdwören foulft Du mir vor Gott :
Nicht zu kämpfen mit Almanſor ,
Ob er aud fid drohend ſtelle
Vor die maur' de Heeresmacht.
Durch den Bund , den wir geſølofſen,
91

Wird Almanſor auch Dein Bruder.


Ueber alles lieb' ich ihn.
Wahnſinn würde mid ergreifen
Bei dem ſchrecklichen Gedanken :
Daß ich Dir ein Schwert gereicht,
Meinen Bruder zu vernichten .
Darum weich' ihm aus im Kampfe,
Wenn Du 3 oraïde liebft!
Sdwör' mir dies bei unſerm Bunde !
Ju der beiligen Trennungsſtunde!
Gonſalvo.
3d dwör' Dir's zu bei lieb' und Ebre ! Nie
Sol Don Gonſalvo's Shwert Almanfor nah’n !
Und foleudert uns das Rampfgewühl zuſammen ,
Wit id vertbeid'gend nur den Schild erheben ,
Mit keinem Streich bedroh'n dag theure Leben.
Boraïde.
leber Sterne wird der Eid
In das Dhr der Gottheit allen !
( ich wendend :)
Romm' nun ! Dieſes fremde Kleid
Sou von Deinen Sdultern fallen .
Nimm von mir die blanfe Wehre
Und den ftarfen Cbriftenſchild ,
D'rauf die brennend beiße Zähre
Einer ew'gen Trennung quilt!
(Beide gehen ab . )

( Der Vorhang fällt. )


92

Bweiter Aufzug.
Die Tizona .

Erſte Scene.
Pia za de armas *) in Santa Fé .
Mehrere Bauten der neuen Stadt ſind vollendet, andere weit vorgerüđt und
ſämmtliche Häuſer glänzend weiß. Im Hintergrunde ſind die Bauenden in
großer Thätigkeit. Man erblickt in der Mitte die Fahren von Caſtilien und
Arragon auf einer aus Trophäen gebildeten Erhöhung. Kanonen ſtehen zul
beiden Seiten . Ritter halten die Wache. In weiter Ferne ſieht man die
Stadt Granada.
Nach einer kleinen Pauſe kommt
Lara .
Die neue Stadt entſteigt dem Erben dooße
Auf Iſabella's königlichen Ruf ;
Die Streiter ſind verföhnt mit ihrem Looſe,
Sie eben ſtaunend, was der Glaube ichuf;
Und ob die Wuth der Hölle fie umtoſe,
Die Fürftin folgt dem inneren Beruf ;
Es iſt ihr ſtarkes Wort , das uns vereinte
Zum größten Werk im Angeſicht der Feinde.
Und als ich fah , wie ſich die Mauern hoben
Um dieſe fönigliche Glaubensſtadt ,
Blidt ich mit neuer Zuverſicht nach Oben ,
Ein Sünder , der das Heiligthum betrat ,
* ) Waffenplaß.
93

Die Stärke ſeiner Reue zu erproben ;


Was in Verblendung er gefrevelt hat ,
Hofft er zu fühnen an der beil'gen Stelle,
Und ſeine Thräne neßt die Tempelſchwelle.
Doch dieſe Mauern , die mich ſtolz umgeben ,
Sie foloſſen mit mir mein Verbrechen ein ;
Will id mein trübes Alug' zu Gott erheben ,
Durchſchauert Froſt das wankende Gebein;
Es fämpft und ringet das verſtörte Leben
Und ftürzt fich tiefer in die Nacht hinein.
Selbſt durch den lauten Ruf der Angſtgebete
Hör ic bas klirren meiner fdweren fette .
Wer hat fie um mein armes Herz gedlungen ?
Wer jenes Trugbild vor mein Uug' geführt ,
Das, in mein tiefftes Leben eingedrungen ,
Ein Opfer forbert, das nur Gott gebührt ?
Es ruft dem Geifte zu , den es bezwungen :
,,Mein biſt du , bis bein Grab ſich öffnen wird .
Du widerſtebeft meiner Macht vergebens !
Ich bin die Göttin deines Erdenlebens !"
„ Auf keine Frage fouft du Antwort finden ,
Die du nach oben ſchicft in deiner Qual :
Ob ich , ein Geift der lichtet, rein von Sünden ,
Herab mich neigte in dies Jammerthal ?
Ob ich, entfeſſelt von der Hölle Gründen ,
Die Züge der Gebenebeiten -- ftabi ?
Es wird mein Bild vor deinen Augen ſtehen,
Bis ſie die Fittige des Tod's umweben 1 “
Der Engel , der allein mich konnte fchüßen ,
Hat mich verlaffen in der Zeit der Noth.
Er mußte Völker in dem Kampfe ftüßen
94

Und folgen einem höheren Gebot.


Wo um Jehovah die Erwählten figen ,
Die fich gereinigt durch den Opfertod,
Da wohnet nun in Sions ew'gem Reiche
Die ſchöne Schweſter mit demPalmenzweige.
Vol frommer Ehrfurcht denk' ich an die Reine ,
Die , Lara's altem Hauſe beigeſellt,
Bergleichbar war dem rojgen Abendſcheine,
Der vor der langen Nacht auf Trümmer fält.
Sie lebte mit den Engeln im Vereine ,
3hr Liebesarm umſølang die Chriſtenwelt.
Ihr Daſein war die ftille Opferflamme,
Die ſanft verglübte unter'm Kreuzedſtamme.
Entfaltet ſind ſie nun , bie zarten Reime ,
Die hier für kurze Zeit der Staub umfing ,
Und nur geſchaffen für die hellen Räume,
An denen oft ihr Blick vou Sehnſucht hing ,
Erhob ſie ſich, als aus dem Reich der Träume
Mein Schattenbild in's Leben überging.
Und unter’m Thränenſchleier berber Schmerzen
Rubt ihr Geheimniß in dem Bruderherzen.
Doci - weffen Hand wird nun die Bande löſen ,
In die für immer die Verlaff'ne fiel ?
Als jenes felt'ne, rätſelhafte Weſen
Hervortrat aus dem dunfein Kampfgewühl,
So ſtrahlenreich , wie es im Traum geweſen ,
Das Aug' belebt vom freudigſten Gefühl,
Des fremden Fürſtenhauſes ſchönſte Zierbe,
Den Schmuck der Hobeit tragend und der Würde.
Darf ich wou Hoffnung den Gedanken wagen ,
Es fönnten gleiche Flammen ſie durdglüh'n ?
95

Sie könne lara's Bild im Buſen tragen


Und den geliebten Armen nicht entflieh'n ?
Bis einſtens, in bes Friedens Sonnentagen ,
Das Licht des wahren Glaubens ihr erſchien !
Hal Furienſtimme des Verrathes , ſchweige !
Io nahm das Kreuz - bei Eeperanza's leiche!
Daß fie dem Todesſchlafe fich entwunden ,
Entfräftet nicht des Brudero ſdweren Eid.
Für immer bin ich durch mein Wort gebunden ,
Da dem Erlöſer ich mein Herz geweiht.
Mit ihr iſt auch die Hoffnung hingeſchwunden ,
Mein harren Beide in der Ewigkeit.
Laß , Gott , mich rein zu deinem Tiſde wallen ,
(nach Granada blidend)
Eh' Calatrava's Sturmpoſaunen fchallen.

Zweite Scene.
Der Vorige. Cortez fommt.
Cortez.
Auf, Lara ! Jubel herrſcht im ganzen Heere ,
Bon allen Seiten ſammeln ſich die Krieger,
Den beimgefehrten Feldherrn zu begrüßen.
fara.
Was ſagſt Du ?
Cortez.
Alle drängen ſich herbei ,
Die eble , fieggewohnte Hand zu füffen ,
Det Helben ichwere Waffen zu berühren.
Er ward gehoben auf das Dach der Schilde ,
96

Der Lorbeer , der an Vagro's *) Ifern blüht ,


Jhm kronenartig um den Helm geſchlungen ,
Und hundert Arme trugen den Geſchmüdten
Zum Rönigszelt im herrlichen Triumph.
Einſam verweilet Para ? Er , nach dem
Die erſte ſeiner Fragen iſt ergangen.
Lara .
Gonſalvo von Kordova fam zurück ?
( Jubeltöne erſdalen . )
Cortez.
Vernimm die Töne , die mein Wort beſtät'gen.
Raum hatten unſ're Streiter ihn erkannt ,
Als tauſend Stimmen ſeinen Namen riefen ;
11Er ift zurü cf ! " ſo tönt's aus einem Munde:
,,Der Himmel ſchenkt uns unſern Feldherrn wieder !
Den Erſten in dem Rath , wie in der Schlacht:“
Naum Einer iſt, der ſich nicht gern und willig
Dem großen Freudenſtrome hingegeben.
Der ſtolze und verſchloff'ne Caſtilianer
Bergaß den ſtrengen Ernſt. Der Mandya Krieger
Entwölkte feine fummerdüſt're Stirn .
Aſturiens hoher Bergſobn neigte ſich ,
Treuherzig Don Gonſalvo's Hand ergreifend.
Die thätigen Gallicier, die Biscayer ,
Die lebensfroben , die hochfabrenden ,
Dem Alten ſtets getreuen Arragonier ,
Valencia's leichte , immer beit're Shaaren ,
Die finſtern, dolcbewehrten Murcianer ,
Die ſchroffen, unerſdrođ'nen Catalonier ,
Der alten Freiheit felſenſtarke Prieſter,
* ) Vagro : einer der fünf Ströme, welche die Vega burdyfließen .
97

Die dichteriſchen Andalouſier,


Die , balb in Orients Flammenbad getaucht,
Den Adlerblick zum blauen Himmel fenden ;
Auch meine muthburdglühten Landógenoſſen ,
Die auf Eftremadura's brauner Erde
Mit Römerftolz bei röm'ſden Trümmern ſteh'n :
Die Aue reihten ſich um ihren Führer ,
Bergaßen die Provinzen , die ſie fandten ,
lind waren Spanier. Der Jubel ſtieg,
A16 Don Gonſalvo ſeinen Königen
Den unterzeichneten Vertrag von Fez ,
Ein faum gehofftes Gut , zu Füßen legte.
Lara .
In feine Arme !
Cortez.
Sieh', dort nabt er ſelbft.
Die freudevollen Blide fünden an ,
Daß fie den Freund der Jugend wiederſah'n.
Dritte Scene.
Die Vorigen. Cortez, dem ber antommende Gonſalvo die Hand
trücft, zieht fiets zurüd ; Gonſalvo eilt vor.
Gonſalvo (in Lara's Armen ).
3eßt erft preif id der Heimkehr frohen Tag!
Unb fende warmen Dank empor zum Himmel,
Denn Lara rubet wieder an der Bruſt,
Die fich ſo liebereich nach ihm geſehnt.
Seid mir gegrüßet , Augen ! treu und hold !
3d fühl' am Panzer das geliebte Herg ;
Beſeligt ſchlägt es in der Freundſchaft Armen !
Wie Nebel finfen in das Fluthenreich,
Auffenberg's fämmtl. Werke Xi. 7
98

Bom großen Tagsgeſtirn hinabgedrückt,


So dwinden unſ're langen Trennungoquaien
in onnemeer des froben Wiederſehens.
Fara .
mein Gonſalvo ! nimm den Bruderkuß,
Des Freundes Handſchlag auf dem Feld der Eyre !
Alm beut'gen Tage hat die Erde Reiz ,
Das öde Leben wieder Werth gewonnen .
Die Saite tönt zu neuen Harmonieen ,
Die halb erſtorben war im franken Buſen .
Bor Deinen Blicken , klarer Heldenftern !
Wird ſich der Keld der Blume wieder öffnen ,
Der - ach ! — für immerdar geldloffen dien.
Sieh' ! wie vom wonneleuchtenden Gefilte
Die Fahne Deiner Könige Dich grüßt !
däme Dich der Thräne nicht, die mitte
Bom fonnenbraunen Männerantlis fließt.
Gonſalvo .
Verändert find ich Dich , geliebter Freund !
Es iſt, als babe tiefer Seelengram
Die Roſen Deiner Wangen abgepflüdt,
Dem Aug' ten lebensvollen Glanz genonimen ,
Der mich in ſchönen Stunden oft beglüct.
Lara .
In Dir entbehrt' ich meines Daſeins Hälfte.
Du kamſt zurück und ich ward Eins mit mir.
Was Schreckliches im Leben mich verfolgt ,
Erreicht mich nicht an dieſer warmen Bruſt,
Die mir zum heiligen Aſyl geworden.
Wer einen folden Freund im Arme hält ,
Der zudt nicht mit dem Haupt beim Sturz des Himmels.
99

Nimm mich, wie Du mich findeſt. bin treu !


Dod Deiner Schonung werb' ich oft bedürfen .
Aus Deinem Aug’ , ſo bieder, klar und frei !
Wil ich in jeder Krankheit labung dlürfen.
Du wirſt den Schweigenden nicht falt verſtoßen
Und auch nicht for den nach --- perblühten Roſen.
Gonſalvo.
Entbehr' ich das beglückende Vertrauen
Am Tage , da den Freund ich wiederfand ?
Lara (ablenfend ).
Du findeſt mich in einem neuen Stand .
Auf eig’ner Bahn ſtrebt jeder nach dem Frieden .
Betreten hab' ich ſchon das Heiligtyum ,
Das ſtreng mich ſcheidet von Genuſſesblüthen ,
Doch nicht von Freundesbruſt und Heldenruhm .
Gonſalvo
( tas sireuz auf ſeinem Mantel bemerkend ).
Du nahmft das Kreuz ber hoben Calatrava ,
Und wahr iſt, was Fernando Cortez ſprach ?
Lara ( für ſic )).
Ich trag ' es einer theuern Todten nach .
Gonſalvo.
Mit Vorſicht hat mein fara ftets gehandelt ,
Ein ruhig - klarer Sinn war ihm befchieden ,
Und liebereilung feine Sdwäche nie.
Du trateft in den ſtrengen Ritterorden ,
Dein Ernſt bürgt mir für einen wicht'gen Grund.
Darf ich nicht bören aus des Freundes Mund ,
Was ihn geführt durch Calatrava's Pforten ?
fara .
Laß jede Wolke fern von dieſem Tag !
100

30 feb' den Arzt und fühle nicht die Wunde ;


Nur das fühl id , daß Du mein des bift.
Mir kommt ſo ſelten eine frobe Stunde ;
Wer weiß , ob dieſe nicht die lepte iſt !
3m boben Glüd , das ſie mir zugemeffen ,
Will ich die Wüfte um mich her vergeſſen.
(Er drüdt ihn heftig an die Bruſt.)

Vierte Scene.
Die Vorigen. König Fernando und Iſabella von Ca
Atilien kommen , unter Vortritt von Waden , mit mehreren Großen tes
Dienſtes und einem mauriſchen Herold.
grabella .
Der Tag , der und den Feldherrn wiedergab ,
Erfüllet mit Entfeßen unſ're Feinde.
Die Ebelften der Mauren ſtreben ron ,
Dies Gut dem Chriſtenbeere zu entziehen .
Seit wir die ftarfe Glaubensſtadt gegründet,
Berließen Biele jenen Lagerraum ,
Wo fich die Banner Afrika's erhoben.
Syr nädfted Trachten gehet nun dabin ,
Den heimgekehrten Feldherrn uns zu rauben ;
Doch fruchtlos wird auch died Beſtreben ſein ,
Denn alle Himmelemächte ſind mit uns.
Ein Engel fam zum Lager meines Gatten ,
Die Wunde heilend , die der Berber ſchlug ;
Süßträumenb bat Fernando ibn erblidt,
Wie er im Sdimmer des eben'iden Lidtes ,
Beim fernen Lobgefange ſeiner Brüder,
In's nebelvolle Chal der Schmerzen trat.
Er glidh dem Lichtgeift , der berniederſtieg
101

Zu Gottfried vor dem Thor Jeruſalems,


In ſeine Wunden jenen Balſam träufelnd,
Den er aus Paradieſespflanzen zog.
Wer ſolche Freunde fein nennt auf der Welt ,
Erreicht das Ziel , das ihm der Herr geſtellt.
Nun , Herold , wiederhole Dein Begehren ,
Mit Freude wird Gonſalvo Did erhören.
Herold .
Auf dem Thurme von Bermeja
Stand ein tapf'rer Maurenritter,
Blidte von den hohen Zinnen
Auf die neuerbaute Stadt.
Rüftung trägt der Adalide ;
Schweres Eiſen ift bedeckt
Von des Turbans Purpurtüchern ,
Gleich der Kuppel Vitobing ,
Wenn ſie ruht in Morgennebeln.
König David formte keinen
Panzer, der dem ſeinen gleicht.
In der balbdurdhnagten Scheibe
Rnirſcht die grimmige Alfanga *).
Von dem hohen Bruſtgewölbe
Stredet er den Mondſchild aus ,
D'rauf zu ſehen iſt das Meerſchiff
Mit den zorngeblähten Segeln ,
Fliegend durch die Nacht des Sturmed .
Aus der Rechten ragt die Lanze ,
Schildzerbrecherin genannt
Von den Rittern , von den Damen.
An dem Schlachttag gleichet fie
*) Säbel.
102

Einem ſchlanken Pinienſtamme ,


Der , getränkt vom Thau des Blutes ,
Auf den Leichenbergen ſteht.
So gewaffnet, ruft der Ritter
Von dem Thurme von Bermeja
Seinen edlen Herold *) an.
Feuerräder ſchlägt die Lanze,
Bon dem innern Grimm geldwungen ,
Während ſpricht der Adalide :
Zieb' hinaus , o Zornesbote !
Auf Al Barath Morabethoun **) ,
Durch die Pforte von Mofaika
Auf der Eline foulſt du for den
Nach dem filberweißen Thore ,
Welches führt zur neuen Stadt.
Roſen warfen ab die Blätter ,
Ströme änderten den Lauf ,
Nordſturm bedt mit grauem Schleier
Das zertretene Gefild ',
Ate Bäume fteben nadt ,
Wie entfleidete Athleten .
Während unſ're Blumen welften ,
Iſt die neue Stadt erblüht.
Santa Fé wird fie genannt
Von den Stämmen der Naſſara's.
Finſter blidet der Prophet
Unter'm ſchwarzen Wetterturban
Auf die ſpiegelhellen Mauern.
Von dem ſiebenten der Himmel
* ) Bei den Mauren ſtanden die Herolde im größten Anſehen.
**) Al Harath Morabethoun ; die Straße der Morabethoun.
103

Steiget Engel Gabriel ,


Den zerſchmetternden Zupbalgar *:)
Reicht er ſeinem ew'gen Freund.
Angefommen in der Stadt ,
Sollſt du fordern zu dem Kampfe ,
Zu dem Kampf auf Tod und Leben
Don Gonſalvo von Rordova ,
Der ſchon in den frühern Zeiten
Unſers Landes Geißel war.
Wenn die nächſte Morgenſonne
Ihre Goldfron' auf die Stirne
Der Albamaberge drüdt ,
Wird der Maurenſtreiter ziehen
Durch das Thor von Santa Fé .
Freien Kampf wird er begehren
Nad der ritterliden Sitte
Mit dem Todfeind ſeines Stamms .
Don Gonſalvo ! wird er rufen ,
Durch das Chriſtenlager reitend
Auf dem andalul'ſchen Schlachthengſt
Und mit eingelegter lanze.
Wie dann auch der Würfel falle ,
Darret fein das ſchönſte loot .
Siegt er , frönt die lorbeerreide
Baterſtadt fein edles Haupt.
Dem Geſunk’nen - weint ſie nad !
Wer da ſteigt auf*8 Pferd des Nachruhmi,
Wird nicht vor dem Tod erzittern ,
Der ihm ſcheu - den Bügel hält.

* ) Gabriels Stwert.
104

Auf den Fluren von El Ferdus *)


Stürzt er ſich in's Meer der Wonne ,
in das Lichtbad des Entzücens ,
Feſtgezaubert an die Glutbruft
Der unſterblidhen Houraioun . “
Gonſalvo.
und den Gonfalvo wird der Ritter finden ,
Wenn Euer Xenil prangt im Morgenlidt.
Die Könige, die Glaubensſtädte gründen ,
Verweigern mir den Kampf der Ehre nicht.
Fernando ( mürtevoll).
Ihr wandelt auf den Pfaden Rodrigo's,
Den Mohrenfürſten ihren Herren nannten ,
Der als ein wahres Bild der ſpan'ſchen Größe
Auf Altcaftilla's freien Bergen ſtand ;
Wer barf Euch bemmen auf der ſchönen Bahn ?
Wir werden Zeugen Euers Rampfes ſein ,
Den 3hr, faum beimgekehrt in unſ're Mitte ,
Zum Ruhme des Gefreuzigten beginnt.
Rein Feft fann ſchöner Eure Rücfunft feiern ,
M16 folch ein Streit im Angeſicht des Hecret .
Vor Arragoniens felfenftarfem Thron ,
Bor’m Auge der preiswürd’gen Iſabella !
Der Maure for mit Zittern es erfahren ,
Welch' neue Kraft der Himmel uns verlich ,
Seit wir den tapfern Feldhern wieder grüßten .
Die Rön'ge find Eud - Souldner , Don Gonſalvo !
Bas 3hr in Afrifa für uns gethan ,
Iſt einer herrlichen Belohnung werth.
* ) Beiname des Paradieſel.
105

Doch welcher Lohn erfreut ein Ritterberz ?


Durch Eure Thaten habt 3hr ſchon gewonnen ,
Was eines Helden leben ſchmüden fann :
Die Achtung des geſammten Vaterlandes
Und die Berehrung , die Euch alle weiben ,
Wenn ihr erſcheinet an des Heered Spige.
Mit Gold iſt dieſes Glüd nicht aufzuwiegen ,
Und im Befiß von Gütern feb'n wir Eud ,
Die nur die That, nicht die Geburt verleiht.
Was fann zu ihnen noch der Herrſcher fügen ,
Das nidot verdunfelt wird von ihrem Glanz ?
Ein einz'ges Gut iſt jego mir befannt ,
Das ſich durch immer gleichen innern Werth
An Euer ſeltenes Beſikthum reiht.
( Er gürtet fein Schwert los.)
Der König legt hier in Gonſalvo's Hand ,
Was mehr gilt, ald Hiſpania's Kronjuwelen
Ein Schwert, mit dem kein ſpätret fich vergleicht!
Berühmt , wie die 3oyeuſe Raifer Karols.
Es trägt die Spuren noch vom Mohrenblut ,
Wie von Ximenes ' berber Abſchiedsthräne.
Nichts Beffres fenn ich in dem ſpan'ſchen Lande ,
Vom Sig der meerumftürmten Alicante
Bis zu dem Grab der ſtrahlenden Pyräne .
(Er reicht das Sdwert dem Gonſalvo .)
Gonſalvo.
Was hör' id ? !
Fernando .
Don Gonſalvo's Eigenthum
Sei diefes große Erbtheil meiner Abnen !
Mit Ruhm getragen und mit Glüd gedwungen,
106

Sollt ihr es legen einft auf meine Gruft


3m düſtern Scattenthal von Popoleto * ),
(hier wirſt 3ſabella einen Sehnſudst8blick auf Granada )
Und ſprechen im Gewölb' der Marmorfronen :
Der König wußte würdig zu belohnen !“
Gonſalvo.
Und dieſes Schwert iſt - mein !?
Fernando.
3a ! blidt nur freudis
Auf Rodrigo's weitſtrahlende Tizona !
Ihr blicket hin auf Euer Eigenthum ,
Und tragen Todt 3hr's für des Heiland's Nuhm !
Gonſalvo (in höðiſter Freute).
beilges Schwert! Kleinod der ſpan'ſden Krone !
Mit Freudentbränen heb' ich dich empor !
Dich hat ein niebeſiegter Held geſchwungen ,
Der Feinde Schred ! des Vaterlandes Zierde !
Vorfämpfer der bedrängten Chriſtenheit,
Von Gott geliebt und ſeinen ew'gen Engeln.
Die Höll erbebte in den tiefen Veſten ,
Als er geboren warb zur guten Stunde ;
Mit dir umgürtet in der aller beſten ,
Ward er ein Schild dem großen Chriſtenbunde.
Es glänzte better des Erlöſers Zeichen !
Die Märtyrer erhoben Lobgefang ,
Wenn fich der Cid , der Kampfbeld ſonder Gleichen ,
Auf die ſturmſchnelle Babieka **) ſchwang.
*) Wo das Erbbegräbniß der arragoniſchen Könige fidh befindet , mit Mar
morkronen geziert .
**) Name von Cid's Shlachtroß .
107

O heil'ges Schwert! Kleinod der ſpan'ſchen Krone !


Du mein ! die Männerhand kann dich umfaſſen ,
Doch deinen Werth umfaßt das Weltall nicht!
Gebildet wurdeſt du von Engelshand
Aus einem Stahl , mit deines Trägers Herzen ! *)
Zuerſt geſchwungen , um von berber Schmach
Das heil ge Haupt des Vaters zu befreien ;
Du zeigteft dich - der ſtolze Gormaz fiel !
Fünf Mobrenkön'ge ſtürmten auf Raftilla ,
Verwüſtung , Feuer , Mord und Tod voran !
Bis Montes d'Oca , bis nach Bellorado ,
Bis San Domingo und Narara fteht
Verheert das Land! Hinweggetrieben find
Die Heerben ! Attes flüchtet ! - Doc wohin ?
Da Gottes Zorn fo vor , ſo rückwärts brennt ! ?
Aus ſeinem alten Schloſſe zu Bivar
Reißt dich der Cid von weißer Wand herab ,
Und wie der Herr auf ſeinem Donnerwagen ,
Durcheilt er zürnend das zerſtörte Reich.
O guter Himmel! Von viel tauſend Mauren
Kehrt auch nicht Einer in ſein Heimatland !
Mit ihren Köpfen wird der Weg gepflaſtert,
Der zu Raftilla's Freiheitstempel führt!
Und Chriſt und Chriſtenkind ſchließt am Triumphtag
Den Cid und die Tizona in's Gebet.
Der Erſte ſchaut die fünf gefang'nen Fürſten ;
Sie nennen Herren ihn und ſich Vafallen ;
Er aber , ein getreuer Unterthan ,
*) Es iſt mir wohl bekannt, daß die Dizona , oder Tizonada, eigentlich inau.
riſchen Urſprungs war und von Bular durd) Cid erobert wurde ; dodh í uchte
ich diejen Umſtand vermöge einer poetifden lizen; hier zu umgeben.
108

Sdict fie dem Großen Don Fernando zu ,


Der im erſtürmten Dome von Coimbra
36m feierlich den Ritterſchlag verleiht ;
Indeß die Königin den Zelter führt
ünd die Infantin ihm die Sporen anſchnallt,
zwei gold'ne Sporen ! für - fünf Könige !
( Fernando wirft bei Erwähnung Fernando'8 des Großen und bei der leß
ten Stelle einige ſtechende Blide empor , ſinkt aber gleid wieder in ſeine
ruhige Würde zurüd . Gonſalvo fährt fort :)
Und zu Don Gormaz Tochter trat der Cid ,
Zur edlen , ſonnenwahgigten Ximene ;
Längſt war vor ſeinem Blid ihr Haß verſchwunden ,
lind zögernd giebt fie Dem fich überwunden ,
Der bidh , o flammende Tizona! trägt.
Vor Pedro's Stuhl , b'rauf Victor rühmlich thronet,
Erfdeint der deutſche Kaiſer Heinrich klagend ;
Er will Tribut vom ſpaniſchen Fernando.
Kaum wurde laut dies ſchimpfliche Begehren ,
Als biefes Rampfſchwert, wie der Morgenſtern ,
Hod über'm ew'gen Eis ber Alpen blißt ,
Darniederſchlägt Raimundum von Savoyen ,
Die Herrſchaar des Franzoſenkönig würgt
Und dann fic wandelt in den Zornokometen ,
Der alſo hinfährt ob Italia ,
Daß Papft und Raiſer ben Tribut vergeſſen.
( Fernando lächelt vou inneren Vergnügene. Gonſalvo weiter :)
Der Rönig ſtirbt; ein Bruderkrieg entbrennt.
Der ftarfe Sanco fteiget auf den Thron.
Dein Herr ſpricht Wahrheit , troß des Fürſtenzorns ;
Bekämpfend die gepanzerte Zamora,
Urraccas Erbtheil ſtürzt auch Sando nieder,
109

Erreicht vom Mörderſtahl Belido Dolfo's.


Den dritten Herren grüßet nun der Cid –
In Don Alfonſo *), der von Ali Maimon
Aus der altherrlichen Toledo fommt.
3m Tempel der Gadea fou er fic
Von dem Verdacht des Brubermorbes rein'gen.
Wer wird es wagen , dies von ihm zu fordern ?
Der Freund der Wahrheit nur , der ſtarke Cid !
Auf Evangelium - Eiſenſchloß und Leimruth'
läßt er den König ſchwören in der Kirche
Und hält ihm rubig die Tizona por ;
Zum drittenmale ſpricht Alfonſo Amen !
Und ftößt den Schild des Rechts von ſeinem Hof !
Berbannt ift Cid ! Wer fann den Cid berbannen !?
Er dafft ſich ſelbſt ein neues Vaterland ,
Indeß der Haß an ihm zerbeißt die Zähne.
Als Sieger ſteht er auf Valencia's Mauern ,
Tym beuget Téruel das Felſenhaupt.
Auf Albarázin ſchimmert ſeine Fahne.
Das war dein Werf! Du frönteft den Verbannten.
Die Mütter weinten und die Bräute flagten ,
Wenn du erſchieneſt auf dem Feld der Schlacht.
Du ſpalteteſt des Turbans bunte Solange ;
Des Drachen Schuppe war nicht ſtark vor dir !
Du ſchmetterteft die Fahne der Kalifen
Aus ihrer Träger feftgeſchloff'ner Hand ,
Und fortan baliten deine ſchweren Streiche
Von Murviedro's trümmervoller Höh'
Bis in die Rönigegräber von Rordova.
*) Der ſechste dieſes Namens, der nad Toledo ju den Mauren in Brubert
frieg geflohen war,
110

Dein allverehrter Name drang zur Stelle ,


Adwo der ſtarke Paladin Rinaldo
Die luftdurchblißende Fusbertba fchwang.
Dem Herren bliebſt du treu ſelbft nach dem Tode ,
Als ſeine leiche aus Valencia zog.
Bei Trommelwirbel und Trompetenklang ,
Im Schatten ihrer alten , guten Fahnen ,
Da zierteſt du die marmorbleiche Hand ,
Gerad und feſt, wie an dem Tag des Sieges.
Als am Altar San Pedro's de Coronna
Auf gold'nem Stuhl bie Heldenreiche fak,
Da kamen Könige von fern gepilgert ,
lind ſprachen : Sehet hier den großen Cid !
Er thront auf prächt'gem Siß in voller Rüftung ,
So freundlich - ſchön, wie er im Leben war . “
Und alſo ſaß er durch zehn lange Jahre
Leibhaftig da vor ſeinem Vaterland ,
Und hielt , als man ihn trug zur ſchwarzen Bahre ,
Noch die Tizona in der treuen Hand.
(In voller Begeiſterung :).
Mir dargereicht von Juan's großem Sohne ,
Soll ſie mich führen durch Granada's Thor.
beilges Sowert ! Rleinod der ſpan'ſchen Krone !
Mit Freudenthränen beb' ich dich empor !
Iſabella .
Nun , Herold , giebe beim in Deine Stadt !
Ein ſchwerer Kampf erwartet Deinen Sender.
Doch eh' Du ſcheideft, fünd' uns ſeinen Namen ,
Der wohl in Solachten , wie bei Rampfesſpielen ,
Noch nie verdiente Vorwurføpein erlitt :
111

Denn etel muß er ſein und groß vor Vielen ,


Der mit Gonſalvo in die Schranken tritt.
Herold .
Der den Herold ausgeſendet
Zu den Fahnen Santa Fés
3ft der Mohrenprinz Almanſor.
( Er geht ab . )
Gonſalvo ( beim: Worte : Almanior).
Ha !!
( Er läßt das Sdywert zur Erde ſinten , welches Lara aufnimmt. Alle feher
erſtaunt aui Gonſalvo.)
3ſabella.
Weld ein Schauer faßt' Euch plöglich an
Bei dieſem Namen ?
Gonſalvo.
Webe mir !
Jlabella .
Es dect
Des Todes Bläffe dieſes Angeſicht,
Das kurz zuvor in Kampfbegier erglühte ? !
Fernando ( zu ſeiner Umgebung).
Es iſt fürwahr , als hab' der Mohrenberold
3hn mit dem Mal - del - ojo *) angegriffen.
So bebten kaum die Brüder Carrion ,
Als ſich der Löwe deo Campeadors **) ,
Ein ungebet'ner Gaſt bei Tafel zeigte :
* ) Dieſer Glaube an die Kraft des böjen Blides , ter nooit in Spanien
herridt , iſt in einigen Gegenden des Orients , vorzüglich aber in Weſt
Afrika , heimiſch .
** ) Anſpielung auf das befannte Abenteuer der Brüder Garrion mit dem Lönen
tes Cids und feinen Töchtern, weldie von den erſteren im Walte auf eine
ichiinpfliche Weiſe aus Nache gezüdytigt wurden .
112

(verächtlich auf Gonſalvo bliđend).


Der guten Donna Sol und Donn'Elviren
Durch ſein Gebrüll den Rückenſchmerz verfündend ,
Der im entleg'nen Wald die Schönen traf.
Bonſalvo.
3 ch -- ! fechten mit Almanſor! id ?!
Iſabella (ſtreng).
Was iſt Eud ?
Weld' böjer Zauber ruhet in dem Namen
Des ſtolzen Feindes , der Euch aufgefordert ?
Gonſalvo ( außer ſich),
Stellt einer Heeresmacht mich gegenüber ;
Aus hundert Todesrachen foli Granada
Verbérben auf mich ſchleudern! wenn ich weide
Um Haaresbreite nur , will ich verflucht ſein
Im Leben und in meiner Todesſtunde !
Tarik Ben Ziad mag vom Grab' erſteben,
Die Al Mabourab *) in entfleiſter Hand
Aufrollend eine wurmbenagte Fahne ;
Ihm mögen ſich die Mohren zugeſellen,
Die unter Abul Haſſan von Marokko
Ein ſchimpflich Grab an dem Salado **) fanden,
Sammt Jenen , welche Mahmud 3zquierdo ***),
Dem Himmel fludend, rings zerſtäuben ſab :
Und wenn ich bebe vor den Schređniſſen ,
Ilnd wenn das Zuđen einer Wimper nur
Verräther wird von innerem Entfeßen ,
* ) Name ſeines Sdnertes.
**) Dieſe für die Mohren unglüdlide Smlaht fällt in's Fahr 1340.
***) Mahmud Fiquierto (der Linke ), König von Granada , verlor gleidfalls
eine Hauptſchlacht gegen die Chriſten.
113

Dann ſoll der leßte Troßknecht auf der Flur


Den Fuß auf mein zerbroch'nes Wappen regen !
Beſdhimpft ſei ich bis an mein Lebensend'!
Und fügner - wer mich Don Gonſalvo nennt ! --
Doch ehret Ihr , was Euch erwarb mein Degen ,
Hofft Ihr noch Glück von meinen fünft'gen Thaten ;
So ſtellt nicht dem Almanſor mich entgegen !
Zum Sturm führ' ich das Heer auf freien Pfaden !
Mag aller Donner fich die Stadt entladen ! -
Nur jener Kampf - entbehrt des Himmels Segen.
Vernichtet bin ic ! - Bon mir ſelbſt verratben !!
Iſabella ( etwas milder).
Ihr ſcheint erkrankt , Gonſalvo !
Gonſalvo (zu ihren Füßen ſtürzend).
Königin !
Ein Wort vergönnt mir ! Mag das Herz auch brechen !
Der Kranz des Nuhmo vom Haupt entblättert finken !
Gott iſt mein Zeuge ! Jeko muß ich's ſprechen :
3d - !
( Lara hat unterteiſen fich dem Gonſalvo genähert und drüdt ihm in
dieſem Augenblice die Tizona in die Hand.)
Gonſalvo (daß Suwert erblidend).
Ha !
Iſabella .
Wir gönnen Euch die nöthige Rube.
Der nächſte Tag wird dieſes Räthſel löſen.
Begierig find wir auf des Mauren Anblid ,
Bei deſſen Namen das geweihte Sowert
Aus Don Gonſalvo's ſtarker Rechte fiel.
Wir werden betend zu dem Himmel flehen
Im neuen Tempel dieſer Glaubensſtadt,
Xuffenberg's fämmtl. Werte XI. 8
114

Daß , unter'm Auge beider Heere, fic


Der Kampf zum Ruhme des Erlöſers wende.
(Start.)
Almanſor warb Granada's leßte Stüße ,
Und wenn er ſinket von Gonſalvo's Shwert ,
Wirb näher räden der Entſcheidungstag ,
an dem Fernando's königliche Hand
Das Zeichen giebt zum allgemeinen Sturme.
(Alle gehen ab bis auf fara und Gonſalvo .)

Fünfte Scene.
UD on ſal v o. far a .
fara .
Erwach' aus der Betäubung , edler Freund !
Sabft Du die Blide nicht der Könige ,
Die zweifelſchwer auf ihren Feldherrn ſanfen ?
O ! Dolche waren ſie für Lara's Bruſt !
Erhebe würdig Dein geſenktes Haupt !
Was Did belaſtet, theile mit dem Freund.
So lang' er lebet, wird er's mit Dir tragen.
Am himmliſchen Vertrauen fünd'ge nicht!
Bei beffen Sonnenbild wir uns vereint.
Dein ſtarrer Blid ! – Dein bleiches Angeficht
Sind Zeugen tiefer Stürme , die Dich quälen.
Du fönnteft Deinem Freunde fie verhehlen ?
Noch keine Wunde hab' ich Dir geheilt,
Nur immer Glück und Ruhm mit Dir getheilt.
Gilt denn Nichts mehr der Bund der Bruberſeelen
Am Tag , wo das Berberben Dich ereilt ?
115

Hab' ich durch Schweigen Dein Vertrau'n verſcherzt ?


Nun fühl' id , wie ein foldes S d w eigen
fomerzt !
Gonſalvo (vor fidh hinſtarrend ).
30 ! fechten mit Almanfor ? - nimmermehr !
Fara .
Gerechter Gott ! weldh' fürchterliche Worte !
Spricht ſo der Mann , der auf der Ehre Gipfel
3m Angeſicht des Vaterlandes fteht ?
An dem begeiſtert unſ're Jugend aufblidt,
Wie an der Vorzeit unerreichten Bildern ?
Der Männer höchſtes Streben geht dabin ,
Sich würdig jenen Reihen anzuſchließen ,
Die von dem Tempelthore der Bellona
Gonſalvo zu Victoria's Thronfits führt.
Die Greiſe , deren Hand das Alter ſchwächte ,
Ergößen in der Heimat fich ain Lied ,
Das aus dem Munbe zarter Enkelinnen
Zum lob des großen Matamoros * ) tönt.
Du fommſt zurück ; bat Heer ſteht neu belebt ,
Und die vom Sturm verjagte Hoffnungsbarke
Kehrt wieder mit dem Delzweig , den ſie jüngſt
Am afrikaniſchen Geftabe brach .
Der Mann , in dem die ſieben Tugenden
Der Ritterſchaft ſein Feind ſelbſt anerkannte,
Der vor der erſten Schlacht, in die er zog ,
A6 Ebelfnabe — feinen Stahl geweßt
Auf jener heilgen Schwelle zu Bivar( ** ) ,
Der heiße Thränen hat geweint , als er
*) Matamoros , der Mohrenwürger, Beiname Gonſalvo'6.
**) Auf der Schwelle der ehemaligen Wohnung des Rampeadors.
8*
116

Die Bilder fab der Franken - Paladine


3m Schloß der thurmgekrönten Barcelona :
Der Mann , von dem die Sage geht , ihm fei
Beim Scipionen - Grab Cäfar erſchienen,
Und hab', im Namen einer Römerwelt,
Den Weihekuß auf ſeine Stirn gebrüdt!
Er ſteht nun im Begriff, mit einem Hauch
Den Glanz des großen Daſeins zu vertilgen ,
Das , wie ein freudenreicher Hoffnungsſtern ,
Am Abendhimmel von Espona ſtrahlte.
Wer ihn erblicet , denket unwidfürlich
An alle Helden der Vergangenheit.
Und dieſer Mann verweigert einen Kampf ,
Wie er ſchon hundert ſchwerere gefochten !
Unmöglich iſt's ! ba fann Gonſalvo nicht !
Erſcheinen wird er , wenn Almanſor ruft ;
Nicht dem Verdachte den Triumph vergönnen .
(Stark.)
Es muß der König bei deo Mobren Gruft
An Deinem Siege wieder Dich erkennen !
Gonſalvo
( in fürchterlider Bewegung).
Ich darf nicht fechten - mit Almanſor !
Lara (voll Erſtaunen ).
Wie ? !
Gonſalvo .
Vor mir - und dieſem Sdwerte möcht' ich flieh'n ,
Eh' mir am Schild der Schande Flecken kleben ,
Wenn ich zum Rampf erſcheine gegen ihn ,
Treff' id mit jedem Streide auf mein Leben ,
Und auf ein and'res , das noch höher ſteht,
117

Der Gottheit nah in meinem Angſtgebet !


Wohl ſprach ich prahlend : Was kann mich erſchüttern ?
30 ſeh' die Höll mit unverwandtem Blid ;
Wer nicht vor tauſend Feinden wird erzittern ,
Der bebet vor dem Bruder morb zurüd !
Io weiß , dies Schwert kann den Almanſor morden ;
Der Tod bricht vor aus allen ſeinen Pforten ,
Wenn die Tizona, wenn mein Zornaug' ſtrahlt ;
Wer aber tilgt den Ruf , der niederſchaut:
,, Verfluchter ! geb '! Du biſt zum Kain geworben ,
Und baft mit Tod dein Leben mir bezahlt ! "
Lara .
Was hör' ich !
Gonſalvo.
Wenbe Deine reinen Blicke !
Das Brandmal zeiget ſich auf meiner Stirn ;
Ich fam zurück mit ſchrecklichem Gefolge ;
Unhörbar wanbelt's meinen Schritten nach
Reißt mich aus Paradieſesträumen wad ,
Und vor mir fteht - Alecto mit dem Dolche!
fara .
Gonſalvo !
Gonſalvo.
Ebe Du an mir verzweifelft,
Enthüll' ich Dir das ſchredliche Geheimniß ,
Werf ich die Felſenlaft auf Deine Bruſt.
Ich liebe !
Sara .
Wen ?
Gonſalvo.
Die Schwefter Defien , der
Mich in die Schranken fordert — 3 oraïbe!!
118

Lara
(heide Hände vor's Geſicht ſchlagend).
D großer Gott !
Gonſalvo
Chimmelwärts zeigend).
Ein Eid , vor ihm geſprochen ,
Hält meinen ſtreitgeſtählten Arm zurüc.
Mit frühern Sdwüren kämpft die neue Pflicht,1
Die lieb' und Dankbarkeit mir auferlegten .
Weißt Du , wer rettend mich entzog dem Grab ?
Wer mid dem Cbriftenbeere wieder gab ?
Wer des bedroh'ten Landes ſchönſte Blüthe
Den -
mächtigen Erbfeind - arglos hat gepflegt,
Der jeßt zum Cohn für ihre Himmelsgüte
Dem Bruder dieſes Schwert entgegen trägt ?
Daß ihm bei dem Gedanken : Zoraïde !
Der Blig des Vorwurfs aus der Rechten følägt !
Lara .
Du liebeft fie ?
Gonſalvo .
Verſuche, zu erforſchen ,
Was in, bem Raume der drei Worte liegt !
Feft an die qualenvoule Bruſt geſchmiegt ,
Die lange Dein getreuer Sinn vermiſte ;
Nimm das Bekenntniß, das ſich ihr entwand :
Ja ! während Du zur afrifan cen füfte
Die Seufzer Deiner Sehnſucht ausgeſandt,
lag ich , entfremdet meinem Vaterland ,
Deß größ're Hälfte mich als todt beweinte ,
An ibrem Buſen in der Stadt der Feinde
3weifad verwundet - mit gebroc'nem Muth.
Beſprißt mit eig'nem wie mit Bruderblut !
119

Sie ſandte wieder mich auf's Feld der Ehre ;


Sie mich zum Banner meiner Fürſten aus !
Unb id in Zoraïdens Farb' und Webre -
Send' ihr den Bruder todt in's Ahnenhaus !
Siehſt Du den Pfeil , vor dem mein Herz gebrochen ?
Fühift Du den Šturm , der alle mein Glüd vermeht ?
Ich ſeh' die Chriſtenſchaar, die nun gerochen
Und mit vernarbten Wunden vor mir fteht!
Lara .
Jal tief getroffen hat der Rachepfeil !
Das Schidfal ſchärfte feine beiden Ende.
Glaub' mir in der Umarmung fühl ich ihn.
Doch werd' id Deinem Herzen nicht entflieh'n .
Gonſalvo .
Dir iſt der Liebe Zauber fremd geblieben ,
Er konnte nie Dein klares Daſein trüben ,
lind immer unbeſiegt von der Natur
Nennſt Du die Ebre Deine Göttin nur ;
D felig , wer das ungetheilte Herz
Vor ihrem flammenden Altare weibt!
Ihn führt ein ſchönes Sternbild himmelwärts ,
Ein Heros ragt er aus dem Meer der Zeit !
Der Enkel Streben geht dabin allein ,
So groß und vorwurfsfrei, wie er , zu ſein !
Cara
(lich erhebend und den Armen Gonſalvo's rich entziehend).
Du zeigft die Höhe mir , nach der wir flogen ,
Auf die der Tod nur Deinen Lara trägt.
Gonſalvo.
Es wohnt mein bebrer Freund im Haus der Frommen ,
Die fich des größten Amtes find bewußt ,
120

Und dieſes Kreuz , das er auf fich genommen ,


Dedt eine reine , friebenvolle Bruft .
Nicht nur für König , Ehr' und Spuß der Frauen
þat er das thatenfrohe Schwert erfaßt ;
Mit treuem Sinn , mit gläubigem Bertrauen
Trägt er zum Himmel eine heit'ge Laft.
Legt in dem Chor der Märtyrer fie nieder
Und reiht ſich an vorangegang’ne Brüder.
( fara verhüllt fchmerzvou ſein Antlig .)
Gonſalvo.
Beglüdter ! weihe Dem des Mitleids Zähre ,
Der ſein Gefühl getheilt , der zwiſchen Ehre
Und liebe ftehet mit geſpalt'nem Herzen ;
Ein Raub von früher nie empfund'nen Schmerzen .
zwei Sterne ſeh' ich , gleich an Höh' und Pract !
Und zwiſoen ihnen liegt – die Todesnacht!
Lara .
Beweinen kann ich Dich , nicht an Dir zweifeln ;
Der Dämmerſchein , der wankend Dich umgiebt,
Er wird , ſo hoff ich, nur Dein Bild vergrößern *) ,
Du bift Gonſalvo , Lara's Freund und – Chrift
Und als mein Vorbild wollt ich Did verehren ; .
Wer felbft jedweden Opfers fähig iſt,
Der darf auch viel von ſeinem Freund begehren.
Gonſalvo.
Sei Du die Stüße , die mein Arm umſchlingt,
Dein Herz ift meine leßte Troſtesquelle !
Laß unſ'rer Freundſchaft flare Tempelflamme
Den Lichtblid werfen in's verſtörte Leben .
*) Betanntlich erſcheinen im Zwielicht die Statuen größer, als am hellen Tage.
121

Frankólis Fluthen * ) waſchen mich nicht rein ,


Muß ich in dieſem Aug' Verbrecher ſein.
Bin id's , mein Lara ! Bebeft Du vor mir
Vor dieſer Bruſt ; fonft Deinem höchſten Gute ,
Weil in der Alhamarenſtadt an ihr
Die ſtrahlende Prophetentochter ruhte ?
Dein unbeflectes Herz ergreifet Schauer ,
Weil wir nicht Sceu vor unſ'rer Gottheit trugen ;
Weil über unſer$ Glaubens eh’rner Mauer
Die Seelenfeuer hoch zuſammen ſchlugen ;
Weil ich ſie nährte mit dem füßen Hoffen ,
Die Holde , die der Liebe Strahl getroffen ,
In Chrifti Tempel einſtens einzuführen
Und mit dem Kreuz bie theu're Bruft zu zieren.
Dem Himmel fonnt' ich eine Seele retten ,
Die ſeiner beſten Kronen würdig ift.
(Bebend Fara anblidend.)
Doch dieſer Blick bannt mich in eiſge Retten ,
Indeß mein Sonnenbild in Nacht zerfließt.
Den Druck fühl ich auf's Neu' des fremden Kleides .
Den Giftſtoff, der mir bis zum Herzen drang !
(Die Hände ringend.)
Der Einſturz eines ſcönen Traumgebäudes
Kränkt mehr, als unſers Hauſes Untergang!
Lara.
D , mein Gonſalvo !
(Er will ſich ihm nähern , bebt aber unwittürlich zurüd. )
Gonſalvo .
Du vermagft es nicht,
* ) Ein Fluß unfern von Tarragona, tem bie ſchnelfte Reinigungskraft zugea
ſchrieben wird.
122

Mir froh , wie eh’mals , in den Arm zu finken ?


Mit dem Bekenntniß , das ich ausgeſprochen ,
Trat zwiſchen langvereinte Bruderbergen
Zum erſtenmal ein unheilsvoller Geiſt !
Vor Lara's Aug' als ein Verbrecher ſtehen ,
Ift Selbſtverdammniß für Gonſalvo's Seele.
Jeßt erſt empfind ich ganz , was ich gewagt ,
Bo mir's in Deiner Nähe furchtbar tagt !
Der reine Prieſter fteht in feinem Umte ,
Und neben ihm wird ſo wärzer- der Berdammte !
( fara fährt heftig zuſamme: .)
Gonſalvo. 1
Streck aus die ſtrenge Hand zum legten Stoß s
Und ſchleud're mich in der Vernichtung Scooß !
Auf Trümmern eines langbeſeff'nen Gutes
Erhebt fich mein Verbrechen rieſengroß !
Bom Feuerftrom des andalour'ſchen Blutes !
Den Strahl des Tages will id fortan fliehen ,
In dwarzen Höhlen meine Schuld verbergen ,
Wil heilen dieſe Bruft von ihrem Glühen
An der Morena falten Marmorfärgen ;
Die Sonne , die verbot'ne Feuer nährte ,
Soll mid vergebens in den Gründen ſuchen.
Sie gleicht dem Auge , welches mich verzehrte , 1
Sie trägt die Schuld , daß mir die Reinen fluchen !
Lara .
Verlebe mich in meinem Innerften !
Doch wird der Mund fein Wort der Kränkung ſprechen!
Gonſalvo.
Woblan denn ! ebe Du das Urtheil fälft,
Blic" noch als Menſo auf Mengenelend hin !
123

Nidt mit dem Augé des ſündenfreien Engels


Durchbohre ſtolz mir die gequälte Bruſt.
Bedenf', daß ein Gefühl , Dir unbekannt,
Der Sinne Deines Freundes fich bemächtigt.
Dies Herz , das nun vor Dir um Mitleid bettelt ,
War foon ergriffen von des Todes Hand ;
Da trat die Zaub'rin an mein Schmerzenlager ,
Entriß dem Würger die erſehnte Beute
Und gab dem Neubelebten ſie zurück ,
Verändert und beſeligt und erfüllt
Mit ſeiner Retterin erbab'nem Bild ,
Das bis zur Grabesnacht in ihm verweiſt
Und einen Wohnfiß mit der Ebre theilt.
Lara (ſich ermannend) .
Und wer von Beiden auch den Sieg erhält ,
Dein Lara kann Dich nimmermehr verdammen ;
Du haſt mir nur mein Schidfal aufgebellt,
Und fdweigend fint' ich in die Opferflammen !
Qonſalvo ( glühend ).
D , könnteſt Zoraïde Du erblicken !
Vereinen ihren hohen Werth mit Dem ,
Was ſie für mid gethan ! ich ftänd' entſchuldigt,
Wenn auch nicht ganz gereiniget vor Dir.
(Gegen Himmel zeigend.)
Rönnt' ich auf den ajurnen Hintergrund
Mit Feuerfarben der Erinnerung
Die bocvollendete Geſtalt Dir malen ,
Du würdeſt, wie vor einem Heil'genbild ,
Vor dieſer ſchönen Engelswohnung knieen.
( Fara fuďt ſeine heftige Bewegung zu verbergen.)
124

Gonſalvo ( fährt fort).


Erblicken würdeſt Du die Züchtigkeit,
Die Anmuth und die Würde der Madonna ,
Mit Aphroditens Götterreiz gepaart.
Die Stirne weißer , als Sierra's Schnee ,
Umwogt vom Goldftrom unruhvoller Loden ;
Die auf den Alabafterbuſen finken ,
Wie Morgenlichter auf das Feierkleid
Der ſternennahen Guadaramaberge *).
Das Auge -- blauer , alt Granada's Himmel
Am erſten Maitag . Den Rubinenmund ,
Von Feen gefüßt , in ihrer ſchönſten Feftnacht ,
Wenn ſich an dem jenſeit'gen Sonnenborn
Luna's Ambrofiaſchaale wieder füllt.
Die Perlen Edens , unter Ebens Rofen
Vom Elfenbauch umduftet, und bewacht
Vom Chor der pfeilbewehrten Liebesgötter .
Die ſchwarze Laute dann – befaitet wie
Mit Sternenlicht , vom vollen Arm umſdlungen
Und in Begeift'rung an die Bruft gedrüdt ;
Dazu das Land , wo die Granaten glühen ,
Wie Mädchenwangen rothe Rofen blühen ;
Die Silberpappel wie ein Minaret
Am Ufer golddurchblißter Ströme fteht,
Die Ulmenfrone unſern Pfad umdüftert,
Die Purpurneſke unſer Haupt befränzt ;
Der Geiſt des Ruhms durch Lorbeerzweige flüftert,
Wenn al Atbarab ** ) bod am Himmel glänzt,
*) Fin ſüdlichen Spanien galt die blonde Haarfarbe für die größte Sdjönheit,
ſo wenig fie auch dort nationell war.
**) Der große Stern Beiname der Genus.
125

Mit Zoraïbens Kuß auf heißen Wangen


Ward ich — des fedh sten Sinnes * ) mir bewußt ,
Und drückte mit inbrünftigem Verlangen
Die ſchöne Maurin an die glüh'nde Bruft !!
Para
( nach einer Pauſe , mit ruhigem Ernſt ).
Was wirſt Du thun wenn Did Almanſor ruft ?
Gonſalvo.
Entſcheide Du ! ſoli ich zum Rampfe zieh'n ,
Wenn er , unwiffend, welchem Feind er droht ,
Hohnſprechend ſchwingt die kriegeriſce lanze,
Das Chriſtenheer die Blide froher Hoffnung
Zum Zelte des geliebten Führer$ wirft ?
Wenn unſ're Rönige den Thron beſteigen
Und Segensworte ſprechen für den Mann ,
Den , in dem Angeſichte von zwei Völkern ,
Der Mohrenheld zum Rampf der Ebre rief ;
Und wenn ich dann erſcheine, wenn der Arm ,
Dem 3 oraïbe neue Kraft verlieb ,
Die childzerſchmetternde Tizona ſchwingt,
Wenn der Campeador vom Grab erſteht ,
Den Träger feines Sdwertes zu erbliden ,
Und ich - vor ſeinem behren Geiſterbild
Den Bruderbufen des Almanſor ſpalte !!
Wenn dieſes Aug', an dem ſie liebend hing ,
Nun auf der Leiche des Gefati'nen weilt
Und dann , fid hebend , die Betrog'ne fiebt ,
Die von den Zinnen ihrer Vaterftabt
Den Fluch des Haffes mir entgegen ruft ,
Bis der Verzweiflung Angftſdrei herzzerreißend
* ) So nennen die Spanier die erſte liebe .
126

Durch meiner Brüber Siegesjubel bringt :


Kann ich den blutgen Lorbeer dann ergreifen ?
Darf ich ihn ſeßen auf's meineid'ge Haupt ,
Und durch den unerwünſchten Sieg geſchändet,
Mir felbſt ein Graus , von Furien verfolgt,
Zum freudelofen Ehrentempel zieh'n ?!
Nein ! dieſe Qual kann nur ein Herz erfaſſen ,
In dem mit gleicher Kraft die Liebe wohnt.
Entfernung , ftete Trennung könnt ich tragen ,
Und für die beil'ge Treue unbelohnt
Mit Kraft dem irbiſden Beſig entſagen ;
Doc Zoraïdens Fluch auf mich zu nehmen 1

3ſt ein Gedanke , der zum Wahnſinn führt!


Schon fühl ich , wie mich ſeine Screcen lähmen ,
Indeß nach friſchem Blut dies Rampfſchwert giert !
Das Meine gönn' ich ihm ! – es fou entſtrömen !
Eh' jener Lorbeer mir die Stirne ziert.
Lara.
Welch' ſchweren Frevel wagſt Du auszuſprechen !
Gonſalvo.
Verdammniß überall , wohin ich blice !
Entſcheide denn ! was fou Gonſalvo thun ?
Er eilt dahin – ein pfeilgetroff'ner Hirſo !
(An die Bruſt ſtylagend .)
Umſchwärmet von den beuteluft'gen Geiern !
Vor ſeinem Auge wanken die Gebirge !
Entwurzelt ſcheint der Hochwald hinzuſchreiten,
Ein nachtentſtiegenes Geſpenſterheer !
Die Sonne zittert I dehnt ſich wacfend aus
Bis fie – ein Feu'rgewölb den Himmel bedt ,
Heiß , wie der Schmerz , den er im Innern trägt.
127

(Shnell einen Gedanken erfaſſend.)


Woblan ! wenn an den Schild Almanſor ſchlägt * ),
Tret' ich entgegen ihm , doch – unbewehrt -
Und ſtürze blind mich in ſein Bruderſch wert !
Lara .

Kämpfe ! kämpfe ! Don Gonſalvo ,


Ganz Espona ſchaut auf Dich !
Es fann geſchehen, was Du ießt befürchteſt,
Wenn unſ're Rönige den Thron beſteigen
Und Segensworte ſprechen für den Mann ,
Den in dem Angeſichte von zwei Vörfern
Der Mohrenbeld zum Kampf der Ehre ruft.
Wohl wird der Arm , den Zoraïde ſtärkte,
Die childzerſchmetternde Tizona ſchwingen ,
Und denkbar iſt, daß Cid vom Grab erſtebe,
Den Träger ſeines Schwertes zu erblicken ,
Daß Du vor ſeinem behren Geiſterbild
Den Bruderbuſen des Almanſor ſpalteſt,
Und dennoch
Kämpfe! kämpfe ! Don Gonſalvo ,
Ganz Espona ſchaut auf Dich !
Es fann dies Aug ', an dem ſie liebend bing,
Wohl auf der Leiche des Gefau’nen weilen ,
Indeß ihr Angſtruf von den Zinnen tönt ,
Der Brüber Siegesjubel übertäubend ;
Aud ſouft den blut'gen Lorbeer Du ergreifen ,
Ihn feßen auf das duldbefreite Haupt !
Das iſt kein Sieg , der ſeinen Meiſter ſchändet.
Du warſt getreu ber heil'gen Ritterpflicht,
*) zeidien ter teßten Ausforderung. '
128

Die Furie bringt zum Ehrentempel nicht!


Und wenn auch !
Kämpfe ! kämpfe ! Don Gonſalvo ,
Ganz Espona daut auf Did !
3ft Zoraïbens Liebe wahr und rein ,
Verſchmähet fie das Opfer Deiner Ehre ;
Und wäre ſie jeßt Zeugin Deiner Dual, 1

Es müßte ſchnell ihr eig'nes Wort entſcheiden.


Im Bruder würde ſie den Kämpfer ſehen ,
Der ſeinem Vaterlande fich geopfert,
Der auszieht unter'm Auge feines Volkes
Zu einer dönen , ritterlidhen That ,
Der ben Geliebten ihres Herzens ruft ,
Weil er den Beſten ſich zum Gegner wählte ;
Und alſo würde Zoraïde ſprechen :
,,Du biſt an jenem Tag nicht Don Gonſalvo ,
Der ſehnſuchtsvoll an meinem Buſen ruhte ;
3m göttlichen Gebiet der Ebre dwinbet
Gefühl und Name — nur die Pflicht gebeut !
Du biſt Vertreter deines Vaterlandes ,
So wie mein Bruder für Granada fämpft;
Und wenn du vorſtredkft deinen Phönirſchild ,
Bedeckeſt du mit ihm Hiſpaniens Ehre ,
So wie mein Bruder mit der gold'nen Tarke
Die hohe Albamarenſtadt beſchirmt.
Euch Beide rufen eure Völker auf !
Und ſchön iſt's, wenn die Väter in dem Grab'
Bon ihrer Enkel Heldenthaten träumen.
Stirbft bu — will ich an deinem Grabe wachen ,,
Bis die Erkenntniß dort mich zu dir führt!
Ein Aug', dat den Geliebten fallen fab,
129

Erträgt nicht lange mehr den Glanz der Sonne ;


Rurz, wie mein Leben , wird die Trennung ſein .
Fädt mein Almanſor - ! trag' ich ihn zur Gruft!
Sein Ruhm tritt vor , und weinend folgt Granada .
Man kann nicht ſagen , daß der Streiter ftarb,
Der fich im Tod den Lorbeerfranz erwarb ;
Er trägt ihn über eine tiefe Schlucht
Fn's Sonnenland, das ſtets ſein Blick geſucht.
Es müffen Perlen ſich an Perlen reih'n ,
Und Die ſich in der Erdennacht entzwei'n ,
Die werden Eins im wahren Himmel ſein.
Es will fidh deiner werth die Braut bewähren ,
Aus ihrem Mund folſt du die Worte hören :
Kämpfe ! kämpfe ! Don Gonſalvo ,
Ganz Espona faut auf dich ! "
Was kann zu dieſem wohl der Freund noch fügen ,
Der einem ſchrecklichen Geſchick verfiel ?
Denn elend wird er , mag Gonſalvo ſiegen ,
Mag er dem Mohrenhelden unterliegen.
Doch ſchwör' ich Dir , bis an mein Lebensziel
Zu tragen die von Gott geſandte Pein :
Gekräftigt durch der Ehre Hochgefühl,
Will tröftend ich an Deiner Seite dreiten ,
Die Treue blüht z11 allen Jahreszeiten ,
Und dieſes Bruderherz iſt ewig Dein !
Jo will bei Jammernacht und Freudenſchein
Dein Alvar Fannez von Minaya *) ſein .
Dies ſchwörend, ruf' ich :
Kämpfe ! fämpfel Don Gonſalvo ,
Ganz Espona fchaut auf Dich !
*) So hieß Cid's Buſenfreund,
Auffenberg's fämmtl. Werke XI. 9
130

Gonſalvo.
Jo muß !
Lara .
An Deinem Ruhme fdwing' Dich auf !
Am Bilde deſſen , was Du immer warſt.
Auf Siegesſäulen , die Du ſelbſt gegründet ,
Darfſt Du Dich ftüßen in dem Seelenkampf.
Laß Deinen Lara nicht den Tag erleben ,
An dem die ſpan'ſchen Heere fich verſammeln
Zum Trauerliebe , das Uracca ſang ,
Als Rodrigo an dem Duero ftand,
Den die gebarniſchte Zamora *) frönt.
Rückwärts , rückwärts, ftolzer Cið !
Deine Ebre ift verloren !
Gonſalvo ( aufflammend).
von meines Königs Hand ward ich umgürtet
Mit der Tizona de Campeadors.
So nimm denn, Göttin , deinen Sieg babin ,
Die du , ein Nachtſtern , in den Höhen glänzeft.
Bei dieſem licht kann keine Blume blüh'n.
Indeß mit Lorbeer du mein Haupt bekränzeſt,
Fühl ich dein Sdwert ſchon in dem Buſen glüh'n.
Die Sonne meiner Liebe ſinkt darnieder ,
3 blicke ihr mit Adleraugen nach ** );
Dann werde Stabt mein Herz , wie dieſe Glieder ,
Die feſt find gegen Sturm und lingemad .
Ol noch berührt ihr Strahl den Blumenhügel ,
Wo meine feeengleiche Hulbin tyront.
Er ſinkt in den zerſblag'nen Wunderſpiegel,
*) Aehnliche Beinamen erhielt Zamora turd ihre Feſtigkeit und nächtigen
Felſenwände.
**) Dic Adler follen trauernd in die untergebende Sonne ſchauen .
131

In weldem Zoraïdens Bild gewohnt.


Es iſt die Hand der Pflicht, die ihn zerbrach,
Das Bild ſchaut aus den Trümmern bundertfad !
Entſtellt das Antlit , und das Aug' ermattet ,
Wie von des Wahnſinns Dunkel überſchattet.
3d ruf ihm zu : ,, Was Gott mir aufgebürdet,
Trag' ich zur Sdwelle nun des nächt'gen Thor's."
von meines Königs Hand ward ich umgürtet
Mit der Tizona des Campeadore !
Aus der Entfernung (dallen lautentlänge zu folgendem liete :
E non he pau , et non tinch quim guarreig
Vol sobrel cel, et non movi de terra .
Et non estrench res, et tot lo mon ahras ,
Hoy he de mi, e vull altri gran be
Sino amor dons azo que sera ? * )
Gonſalvo ( ſtaunend ).
Woher dies lied ? - Der Nachball meines Glüdes ?
Moraïma
( als Troubadour gekleidet , zeigt ſich im Hintergrunde , wo die erſten Waden
sichtbar ſind ; ſie nähert fit ihnen unter folgendem Gefang ) :
Krieger ! mit dem hohen Speere,
Mit dem Kampffdbild in der Hand ;
Schönheit fing' ich -- lieb und Ebre ,
Singe ſie von Land zu Land.
Strophe aus einer berühmten Ballade des valencianiſdien Diditers Moiſen
Jordi , der unter Jayme I. , König von Arragon , lebte. Sie iſt in der alten
Troubadour-Spradie geſdhrieben, die aud) bei den Mauren ſehr bekannt und
beliebt war. Petrarca entlehnte dieſe Stelle und gab ſie , wie folgt :
Pace non trovo , et non ho da far guerra ,
E volo sopra'l cielo , e ghiaccio in terra .
E nulla stringo , e tutto ' l mondo abbraccio ,
E ho in odio me stesso , e amo altrui.
Si amor none , che dunque e quel che io sento ?

9*
132

Dieſe find mein einziges Gut ,


Bis mein Herz im Grabe rubt !
Gonſalvo (wehmuthsvoll).
Bis mein Herz im Grabe ruht !
Sara .
Sieh' dort den jugendlichen Troubadour !
Der Vielen Einer , die durch Spanien zieh'n ,
Verberrlichend der Männer edle Thaten ,
Beweinend hoffnungsloſer Liebe Somerz.
Sie geben uns , was ſie die Engel lehrten.
Es iſt den Sängern , den beneidenswerthen ,
Das gold'ne Loos der Freiheit zugefallen ,
Sie donet Freund und Feind wie Nachtigallen.
Gonſalvo.
Befannt iſt mir das Antlik dieſes Jünglings.
Die Wade ließ ihn ein ; er nahet ſich .
Mir iſt , als bab' id noch vor kurzer Zeit
Dies holde , treue Angeſicht erblidt!
Moraïma (ganz in ſeiner Nähe) .
Unter'm Shuße unſ'rer Lieder
Wandeln wir von Stadt zu Stadt ;
Ziehen hin und kommen wieder ,
Finden , was der Mund erbat.
Sdönheit, lieb' und Ebre nur
Singt der treue Troubadour !
(Ganz nahe an Gonſalvo , langſam und verhaltend :)
Sino amor , dons azo que sera ?
Gonſalvo (fie erkennend).
Was feb' ich ? Zoraždens Dienerin !
133

Sechste Scene.
Die Morigen.
Moraïma (su Gonſalvo's Füßen ).
Allah Dank ! Ich bin am Ziele !
Gonſalvo ( richtet ſich fühnell auf).
Did fendet Zoraïbe mir entgegen ?
Erbebe nicht
(auf Lara zeigend)
vor meinem treuen Freund ,
Der das Geheimniß unſ'rer Herzen theilt ;
ſprich ! was bringſt Du mir von der Geliebten ?
Moraïma (ſchnell und dringend).
Bei der Afde ihrer Mutter !
Bei dem Eidſchwur Eurer Liebe !
Ruft fie Euch um Mitternacht
An bas zeichenloſe Grab ,
Wo die Hochverehrte lummert.
Nach dem Willen Zoraïbens
Hat die treue Dienerin
Sich bedeckt mit dem Gewande.
Don Gonſalvo von Kordoval
Herr der Herrin ! Seid gegrüßt !
Führen wirb Eud Moraïma
an den Buſen der Geliebten ,
Die in Thränen Eurer barrt.
Gonſalvo ( entfeßt).
So weiß ſie , daß ihr Bruder mich auf morgen
Zum Kampf gefordert ?
Moraïma (weinend).
Was fie ſpracy,
134

lind nicht mehr ſpricht ihre Sclavin.


In dem heilgen Thränenwalde
Will Euch Zoraïde reben.
Sicher iſt der Ort der Stunden
Der Verhüllung * ) von den Mauren ,
Von den Chriſten gleid gefloh'n .
An den Häuptern ihrer Gräber ,
Unter Aday's Vaterſchuß
Weilen dort die Abgeſchied'nen ,
Eh' die Paradiefesſonne
Neber Araf's Mauer ſteigt.
Rein iſt meine hohe Herrin ,
Rein feid 3hr , weil ſie Euch liebet ,
Und dem fchuldbefreiten Paar
Droben die Verſtorb'nen nicht.
Nun gelobt mir , zu erſcheinen !
Bergt mich dann in Euerm Zelt ,
Bisder dwarze Trauerſchleier
Ueber Sima's **) Wangen fällt.
Ift die Mitternacht gekommen ,
Leit ich Euch zu der Gebiet'rin ,
Die ſich ſehnet nach dem Freund ,
Wie verſchmachtend die Gazelle
Nach der langgeſuchten Quelle.
Gonſalvo .
Es zieht mid bin ! Zum lebtenmale wird
Die Pforte mir der Seligkeit erſchloſſen !
Noch eine Stunde will ich glücklich ſein !
Dann , ſchwarze Nacht des Jammers , brich berein !
*) In den Stunden der Nacht.
**) Sima , die Sonne.
135

Ihr will ich öffnen das gequälte Herz !


Und fie, die Himmliſchklare, ſou entſcheiden.
Was nun die Ehre forbert, fünb' ich ihr
Beim Sarge der zertret'nen Lebensfreuden.
Den legten Dank für's Glück, das ich genoſſen,
Bring' ich beim Muttergrab ! und flucht ſie mir ,
Berdammet ſie den Kampf, den wir beſchloſſen ,
Leg' ich mein Schwert in ihre Richterhand,
Blick in ihr Engeldauge unverwandt,
Und ford're, treu dem heiligſten der Triebe ,
Erſehnten Tod! und Freibeit von der Liebe !!
fara (düſter ).
Du folgft dem Ruf ?
Gonſalvo (entid laſſen zu Moraïma).
3d fomme !
fara .
Vorgefühl
Des Todes liegt in dieſer bangen Trennung !
In meiner Einſamkeit dent' ich an Dich !
(Halb für ſich :)
Ja , Thaten giebt's , die keine Zeugen dulden ,
Und Somerzen , die ſelbſt das Bertrau'n nicht beilt.
(laut :)
Nicht wehren kann ich Dir den ernſten Gang ,
Doch auch des Geiftes Ahnung nicht verſchweigen.
Die Ehre möge jeßt Dein Leitſtern fein
3m Dunfel , wenn die Himmelslidter fowinden ;
führt ſie Dich nicht in meinen Arm zurück,
Dann iſt der Freund auf ewig mir berloren !
Gonſalvo .
Romm jeko in mein Borzelt ! Wache dort !
136

Wenn Einer fidy von unſern Brüdern naht ,


Dann ſprich , daß ich im tiefen Schlummer liege ,
Mich ftärkend für das ſchwere Tagewerk.
Dies ſei Dein Amt in der Entſcheidungsnacht,
Die bald hervortritt aus des Abends Hüten.
Lara.
Mein Amt erkenn ' id. Lara wird's erfüllen .
Gonſalvo
( laut , daß es die Wadyen hören).
3hr folgt mir , edler Sänger!
Lara ( für ſið ).
Sdw eigen Sterben.
Gonſalvo
(wie von plöblidyer Ahnung ergriffen , den Lara heftig an’s Herz drüdend).
In welden neuen Kampf ich jeßt auch trete ,
Mic ftüßt in ihm der feſte Glaubensſtab.
Zu dem Erlöſer ſende die Gebete ,
Er blidt mit Huld auf's reine Herz berab.
3 fomme wieder mit der Morgenrötbe
Wo nicht! – ſo kennſt Du Deines Freundes Grab.

( Wie ſie ſich wenden , fällt der Vorhang. )


137

Dritter Aufzug.
Webe mir , Almanfor !

Erſte Scene.
Scauerliche Muſit leitet den Aufzug ein . Beim Aufrollen des Vorhanges erblidt
man den Thränenwald von Granada . Viele Gräber, deren Säulen Turbans
tragen , ſtehen umher. In der Mitte eine große Marmorſäule, vieredig ,
ohne weiteres Zeiden , als einen Aſchenfrug auf der Höhe . An ihr ſteht
Muſeïrah Molathemoun . Nadt.
Muſeïrah.
Flor auf Flor umhüllet Igna's * ) Antlig.
Seine Wächteraugen find geſchloſſen.
In die dunkle Marmorgruft der Nacht
Trat die – Mildftra f', wie der Leidenzug
Einer tooten Welt.
Almutter , för mich !
Denn Muſeïrahs Herz ſehnt ſich nach dir.
Deinen ſtillen Tempel möcht' er feben ,
Deffen Schwelle nie das licht geſtreift.
Meiſterin auf deinem Probeftein
Zeigt ſich dieſes Sternes falſches Silber.
Und bein ew'ger Sohn mußt' ihn betreten ,
Der Schamübra’s **) Gold im Haupte trägt.
*) Igna , der Himmel in der alten Sprache der Berbern .
**) Schaműhrah , das Sonnengold , von welchem die Berbern glauben , es ſei
in der Sdilangenfrone befindlich und fehre, wenn es entblößt wird, augen
hidlig in die Sonne zurück.
138

Flud dem Tage , der mich ſo gebunden !


Fluch der Rette , die von dir mich trennt !
Feinde broy'n von oben und von Unten ;
Doppelba ift's , der mein Herz durchbrennt
Gegen Höllenthor und Firmament !
(Pauſe. )
Sieh' ! der Erdenſtaub liegt aufgeſchichtet
In der nächt'gen Katakomb' der Ruh'.
Barme leiden in erwärmten Gräbern ,
Raybar *) blühet unter meinem Fuß ,
Wähnend , daß der Frühling fei gefommen.
Wie Dämonenlichter funfeln Roſen
Am bereiften Dornſtod zitternd auf ;
Doch die Nachtigal empfängt ſie nicht,
Nur die heiſ're Todteneule foreit:
Was wollt ihr hier in der Winterszeit ?
Mit dem Trieb unendlider Verachtung
Lebn' ich mich an dieſe falte Säule ,
An das Höchſte, was der Menſch erreicht.
Wenn die giftbeneßte Zunge ſchweigt
Und das Zwerghaupt fich zur Ruhe neigt ,
Inverſehrt noch von den Tagespfeilen **)
Steh'n die Pyramiden auf der Flur,
Wo zum Meer die heil'gen Bogen eilen *** ) ,
Dod die ftolzeſte der Sonnenſäulen
Dedet eine Handvol Alche nur.

*) Rayhar, die Todtenfreundin, im Orient ſo genannt, weil ſie auf Gräber :


wächſ't.
** ) von der Macht der Zeit.
***) Die Berbern nennen in ihrer uralten Sprache ten Nil den heiligen
Strom .
139

Schlaf', du Kind der Schwäche! auf dem Grenzſtein


Zwiſchen Leben und Verweſung figend,
Prable nicht vor mir mit Engelørang ;
Darum fliehſt du mich , weil ich dich kenne.
Nimmer darf dein Vorhang moderfeucht,
Ueber Molathemouns Stirn fich fenfen.
Flieb' zum Staube, toller Aff des Todes !
Žier mit Traumesblumen Wüſten aus ;
Jünglinge führ' in erlog'ne Himmel ;
Laß die Greiſe fich der Lichter freuen,
Welche glühen , wie die matten Funken
In dem Reſt verbrannter Pergamente.
Schlafet fort ! dies Auge bleibet offen ,
Das in eure legte Wohnung ſchaut;
Die Geſpenſter eurer trüben Jahre
Rütteln auch an meinem Lebensſtamm .
Doch im ew'gen Grund hat er gewurzelt ,
Und die tiefen Feuerſtröme leiten
Frühlingswärme ſeiner Krone zu.
Was feid ihr - geſtellet gegen mid ?
Mögt ihr euch auch Sonnenvettern * ) ſchreiben ?
Aermlicher verkehrt geſeßte Pflanzen ,
Mit den kahlen Wurzeln in der Luft.
Bon dem Maftbaum eurer Weisheit ſeht ihr
Wolfen , Fluthen, bod fein Uferland.
Viel verlaſſiner ſeid ihr , als die Thiere.
Eine Gottheit ſeben fie in eud ;
Aber wo fönnt ihr die eure finden ?
Stolz blidt ihr ob euerm Stern dahin ,
Preiſ't iýn königlich auf Tempelſtufen.
*) Die orientaliſdyen Kaliſen nennen ſich Vettern der Sonne.
140

Ja , die Welt iſt eine Königin ! -


Doch der Teufel hat ihr — Sdad ! gerufen.
Menſch ! eh' du zu der Erfenntniß kommſt,
Wird ein Obelisk die Sonne ſpießen !
Von dem Kleid , daß du in Eden trugſt,
Sind allein die Nägel *) dir geblieben.
Für verlor'ne Götterherrlichkeit
Haſt du Paradieſe dir erdichtet;
Bolfendunft, mit Purpurglanz gelichtet.
Deine Träume nennſt du groß und ebel ,
Lobſt ein Dunkel , dem es niemals tagt ,
Bis der Wurm an deinem kablen Schädel,
An der Iirne beines Spidfald nagt.
Al Atlanta's **) Früchte willſt du pflüden ,
Prablend ſtets mit höherem Beruf ;
Ungeziefer auf des Weltftiers Rücken ,
Das fich Gott zum eig'nen Aerger ſchuf.
Du gehöreſt zum Geſchlecht der Würmer ,
Hätten Thoren bid , wie ihn , berehrt,
Wärft bu der berauſchte Erbenſtürmer ,
Deffen Weinglut 3fthafar verzehrt.
Neidiſch wirſt du , wenn die Eider' betet ***) ,
Dod dein Größter hat nicht größern Werth ;
Nimrod , der die Welt mit Blut geröthet ,
Ward durch einen — Mücenſtich getödtet !
(Er tritt einen Schritt weiter vor , die Gräber betrachtend. )
Dieſe ftillen Grabeshügel,
*) Die Orientalen glauben , die Nägel ſeien no. Reſte des edeniſchen Kleides.
** ) Atlantis
***) Dieſe Eiderenart, von der behauptet wird , fie äffe die Mufelmänner im
Gebete nadı, heißt Hardun und iſt in Arabien verflucht.
141

Die Þeftbeuren dieſer Erde ,


Wie entzücken ſie mein Lug' !
Nie berührt vom fdweren Sclafe ,
Und von Thränen nicht umſchwommen ;
(ladiend)
Alle Mörder finden Strafe ,
Die Natur iſt ausgenommen .
(Pauſe. Die redite Hand auf das Grab in der Mitte legend .)
Doch im Tod der größten Zahl
Rubt ein - Beifomack von dem Selbſtmord.
Wer ſich augenblicklich opfert ,
Sdläft in ungeweihter Erde ,
Aber b'rum nidt minder tief.
Und wie viele liegen hier ,
Die fid 3 abre lang gemordet.
Manche ſcharrten ſich ihr Grab
Mit dem ſcharfen Dolch der Rubmſucht.
Viele ſtießen ſich in's Feuer
Der verwegenften Begierde.
Viele jah man aufgeknüpft
An dem Strang der eig’nen Wünſche.
Nicht zu zählen ſind die Tollen ,
Die der liebe Gift verzehrte.
Ade Diefe dedt die Erde ,
Keiner hat im Tod erwogen , 1

Daß er ihn herbeigezogen .


Daß in 3 abren er volbracht ,
Was ein Rühn'rer raſd gewagt.
Und warum nicht ? - Tauſend Straßen
Führen euch zum Arm des Nichts.
142

Jugend lebt in falſchen Himmeln ,


In der Vorholl wohnt das Alter.
Freude babt ihr mit den Thieren ,
Schmerzen mit den Teufeln ,
Mit den Engeln Nichts gemein ;
Darum fönnt ihr wohl verzweifeln ,
Aber nimmer glüdlich ſein .
Zeigt mir dann die Stufenjabre
Euers vielgeprieſ'nen Lebens.
Fünf ; - es gleicht der zarte Knabe
Einer unerſchloſſ'nen Roſe ;
Bebend , hülflos, ſchwach wie fie.
Sieben , Acht und Zehen machen
fhn dem weißen Honig gleidh ;
Zwölfe bringen Wolluftträume,
Fünfzehn die Erfüllung ihm ;
Zwanzig wandeln ihn zum Strome ,
Den die Leidenſchaft getrübt.
Dreißig , und die Reuethränen
Fließen vom blutdunfeln Aug' .
Bierzig machen ihn zum Sclaven ;
Betteln muß er oder dulden ,
Wie ein rothgeſporntes Leibroß ,
D'rauf der blinde Zufall fißt.
Fünfzig främmen ſeinen Wuchs ;
Sechzig reißen ihm die Haare ,
Siebzig ihm die Zähne aus ;
Achtzig brechen ſeine Kniee ;
Neunzig löſchen ſeine Augen ;
Kann er hundert Jahr erreichen ,
Ek' die regte Kraft vergeht ,
143

Wird er einer Straße gleichen,


D'rauf der — Wirbelwind gewebt !
Dieſem Unding ſollte Lucifer
Seinen feu'rgeſtählten Naden beugen ?
Eblis , es war deine beſte That ,
Als du vorzogft ewige Verdammniß ,
Eh' du knieteſt vor dem Thongebild',
Mit dem Hauch des Dünkels ausgefüllt,
Deſſen Qualen nur Vernichtung ſtillt.
Eine Blaſe , die in Nacht zerfließt,
El' gehoffter Morgen fie begrüßt ,
Von des Jammer8 Seufzern fortgetrieben ,
Deren Todesurtheil ward geſchrieben ,
EH' fie aufſtieg in die trübe Luft ,
In den Peſtraum -
zwiſchen Stern und Gruft.
Und auf mich fam auch der Menſden Name !
Dieſer Geift, vom mächt'gern Fluch erfaßt ,
Muß fich beugen unter ſchnöder Laft,
Gleichgeſtellt dem eckeln Tröbelframe,
Der den weiten Sclavenmarkt bededt ,
Delfen Anblick Hoon der Geifter wedt ,
Die mit folder Waare grimmig (derzen
und zerreißen – die gekauften Herzen.
Wie ? als Wohlthat fou ich hier empfangen ,
Was der Urkraft ew'ger Mund verflucht ?
Trieb hierber mich eigenes Verlangen
Hab' ich dieſes morſche Kleid geſucht ?
Todfeind bleib' ich euern nächt'gen Zonen ,
Denn beraubet ſeiner Götterfronen ,
Muß Simurg im — Rabennefte wohnen !
144

Zweite Scene.
Der Vorige. Neun Fedaviés vom Stamme der Beni Aija treten auf,
bogen - und pfeilbewehrt. Einige tragen dunkle Marnorgefäße.
Erfter Derber.
Herr , und Steu'rmann auf dem Schiffe,
Das durch beide Welten ſegelt ,
Der Du trägſt die Chalaa *) ,
Die gefertigt ward am Tage,
Als die rothe Himmelslöwin **
Smaims *** ) feur'ge Pforten brad
Und voll Kampfluft, weltverſengend
Auf Al Sertand Thürmen ſtand.
Drachenwürgender Allide +t) ,
Dem der wilde Schlangenfönig
Mit den Beni Aifa's buldigt.
Nimm den Gruß der Eingeweihten ,
Die auf Deinen Pfaden dreiten.
Muſeïrah.
Salam ! Fedaviés ! Amazirgas ! 71 )
Erfter Berber .
Wenige nur rühmen fich
Deines ehrenden Vertrauens ,
Großer Bergfürft! Sohn der Kraft!
Ift es nicht Suleimans Ring ,
Was erglänzt in milden Strahlen
*) Ehrenkleid.
**) Die Sonne.
*** ) Smaim : die größte Hiße .
+) 3m Zeiten des Krebſes.
++ ) Aflide : Hoher Herr.
*11) Heil den eingeweihten Berbern vom alten Blute.
145

Bon der bunkein Riefenhand ?


Dem einnächt'gen Neumond gleichy,
Wenn die Genien fich geſättigt
An der ew'gen Neftarſchaale *).
Doch ! was ift Aiûra's **) Sihimmer
Gegen Deinen Seelenglanz.
Muſeïrah .
Mat gérgelt ! ***)
Criter Derber.
Wie geboten der Aſtandar ,
Wurde ſtreng der Ort bewacht,
Wo die Freigeſproch’nen ſchlummern ,
Und es nah'n fid Teiſen Crittes
Die Vertrauten ſeiner Macht.
Heil dem ſtarken Berbernvolke !
Feber feiner Söhne gleicht
Einem Feu'r in ſchwarzer Urne ,
Einem Maulthier in dem Engpaß ,
Einem Pferd im freien Feld ,
Einem Boot auf ſtürm'ſchem Waffer;
Eilen kann er wie das Reb ,
Wie der Habicht niederſtürzen ,
Beute greifen , wie der Wolf ,
Sie vertheid'gen , wie der löne ;
Solange an Beweglichkeit ,
Wüſtenfels an Feſtigkeit!
Chor der Fedaviés .
Heil dem ftarfen Berbernpolfe !
*) Sie glauben , das Mondlicht werte von Geiſtern getrunten.
**) Aiûra : luna , alt- berberifd).
***) Wilfommen , alt - berberiſchi,
Auffenberg'8 ſämmtl. Werte XI. 10
146

Erfter Derber.
Und erwartend fteben wir,
Wie der burſt'ge Kaheraner * )
In der heilgen Nokta - Nacht** ),
Wenn die Himmelstropfen fallen
Auf die felſenreiche Habeſch ,
Und das Roß des Götterftromes *** )
Hod die Silbermähne fträubt.
Einſam fteht der edle Herrſcher ,
Von den Sterblichen geſchieden ,
Wie wir oft und gern ihn ſehen .
Schaarenweiſe zieh'n die Krähen
Zu dem Aas im tobten Sumpf.
Einſam fliegt der Königsadler,
Mit Verachtung aller Tabler ,
Sonnenwärts den Blick gewandt ,
In Al Igna's Geifterland.
Muſeïrah.
Denket heut' nicht an den Himmel ,
Offen fteh'n bie untern Thore ;
Al Talaffa + ) bricht herein
Und die höf'ſchen Meteore
Flammen auf mit Zauberſchein.
Chor der Fedaviés .
Denfet beut nicht an den Himmel ,
Al Talaſſa bricht herein !
* ) Die Bewohner Kabira'8 , eigentlich Rahera von Raher , Mars.
**) Die Nacht vom 17. auf den 18. Junius, wo der Nil in Sabeſch zu ſteigen
beginnt und der Tropfen Nokta erwartet wird.
***) Der Nil.
+) Die dreifache Finſterniß.
147

Muſeïrah .
Tief verhüllet find die Mondeshäuſer ;
Afrits Abgeſandte ſtehen lauſchend
An den thaubeneßten Marmorpforten ;
Engel ihleifen ihre bellen Rlingen
An der ſtäblernen Saturnusmauer,
Und die ſchöpfungsalte Höhlentochter * )
Droht vom Walle, den mein Geift erftieg.
Sebt, ſchon webt die feindliche Duſhabrah ** )
Thränentücher von dem Haar der Todten .
Semermére *** ) ftredt die braune Hand
Aus den Spalten blißgetroff'ner Bäume.
In den Wipfeln fitt der düſt're Ghul 4) ,
Bild die weißen Schafalgjähne fletſchend.
3mmer ſchwärzer wird die nächtige Ferne
Auf Muſeïrabo flegendes Gebot.
Unter'm Trauerſiegel rub’n die Sterne ;
Meniden fönnten glauben - Gott ſei - todt !
@riter Berber.
Herr ! gebieť auch uns ; die Feuer
Mareds ++ ) tragen wir im Haupt.
Samum nennt und ſeine Brüder ,
Und kein Grab verſchlingt die Glieder,
Die fich Deinem Dienft geweiht;
An dem Ziel der Lebenszeit
Pilgern wir durch die Saharah
*) Beiname der Hyäne.
**) Die mächtigſte der orientaliſchen unterirdiſchen Parjert.
***) Ein Waldgeiſt.
+) Ein Wüſtenkobold
++) Mared ; ein Feuergeiſt.
10 *
148

Weltverachtend - wohnungelos.
Und die flammende Wangarah *) volt tadyaa
bara 13
Nimmt uns auf im Mutterſchooß. and
Laßt den Staub dem Staub fich gatten , Mode
Wir ſind Jenem zugetheilt ,
Welcher bildlos – ohne Schatten 115 11332( ม.
Bei den Völferfärgen weilt.
Muſeïrah
(in ihrer Mitte den nächſtſtehenden die Hände reichend).
Kalt ſind die Hände , die Herzen warm , Dalmabores
Leben entſtrömet dem Born der Aeonen ;
Körper find Staub , ihre Nahrung ift - Harm !
Aber die Geifter ringen nach Kronen , nad
Und erheben kann Euch mein Arm
Auf den Ehrenſtuhl der Dämonen ! Hores de
Chor der Fedaviés . Thes
Wir gehorchen. Bereite bie Kronen.
Muſeïrah .
Lebt Ihr dod ſchon in dem achten Grabe ,
Welcher zeigt die Eitelkeit des Glaubens
Und die Gleichheit zwiſchen gut und böſ'; ousehat
Aud ben neunten werdet ihr erreichen ,
Dem als Diener fich die Didinnen beugen ; t ist the
com. der
Wenn ich preiſe, was Ihr ſchon gethan ,so
Deffnet Euch mein lob die neue Bahn . 2015
(Mit ſchmetternder Stimme.) do 19
Euer Werk gilt zu noch wenig
In dem Aug des Weltverwüſters.
Knüpfet auf den legten König was borga
Am Gebärm des legten Prieſters !
*) Der große See auf Afrika's Plateau , die Wiege des Samums.
149

Knieend dann vor meiner Macht


Rufet: Herr ! es iſt vollbracht !!
Chor der Fedaviés (mit Donnerſtimme).
Knüpfet auf den legten König
Am Gebärm des leßten Prieſters.
Muſeïrah (mit durchblißendem Hohn).
Wenn das Weltroß, abgemagert ,
Aus Jebanoums Quellen ſchlürft *).
Wenn ål Sheithan **) Gott belagert
Und die Stern' ale Bomben wirft.
Chor der fedaviés.
Knieend dann vor ſeiner Macht
Rufet: Herr ! es ift vollbracht !!
Muſeïrah (mit wiltem Tone).
Faffet die hieroglyphengeldmüdten
Marmornen Urnen ,
Aehnlid ben Bechern ,
Die zum ſchweigenden Munde der ſchöne
Götterliebling Harpokrated führt ,
Wenn er den Krokodiloftrom ***) beſdifft
Auf dem purpurnen Rabn ,
Ueber dem Haupte die Sonnenfugel
Und zur Redten ben Morgenſtern.
Streuet Reis aus den Opfergefäßen
Aden Geiſtern , die wandeln am Tag ,
Aden Geiftern, die wandeln zur Nacht + ).
*) Wenn die Welt zur Hölle Zuflucht nimmt.
** ) Der Teufel.
***) Weiterer Beiname des Nile.
+) Zauberformel.
150

Chor der Fedaviés


(den Neid in die Luft ſtreuend).
Allen Geiftern , die wandeln am Tag ,
Aden Geiftern , die wandeln zur Nacht.
Muſeïrah .
Und beſchüßt von Rochanas *) fräftiger Salbe
Betet mit mir zum Bänd'ger der Diven ,
(mit innerem Hohn)
Zu dem großen Thamuras hinab.
Auf dem Stammberg der Erde ** )
Neben Sachruts leuchtendem Urfels *** )
Hob er , als Fanums +) würdiger Sohn ,
Seine reibertragende Stirne
Dem beraubten Simurg entgegen ++) ,
Der mit erdüberſchattendem Zornflug
Auf den Seitel des Urgebirgs eilte.
Vor dem gekrönten Geifterbeherrſcher
Bebte felbft Martidora +++ ) ,
Des Diamantenthals furchtbarer Wächter ,
Dem um menſchliche Züge die Mähne
Des zerreißenden Löwen wogt.
Mag dann Thamuras ,
Feind ader ſpäter verehrten Gewalten ,
Unſere Bitte vor Termagount tragen ,

*) Salbe, mit der ſich die Zauberer verſahen, ehe ſie den Thamuras anriefen .
** ) Beiname des Gebirges Kaf.
***) Sacrut, der Sinarags , deſſen Wiederſchein bem Himmel die blaue Farbe
giebt.
+) Fanum : Reſidenz der voradamitiſchen Solimane.
#t) Der Reiher Thamuras war , wie ſchon im erſten Theile erwähnt wurde,
aus den Federn Simurgs gebiltet.
+++ ) Der Menſchenlöwe.
151

Der , mit hölliſchen Strömen gegürtet ,


Unfern vom Throne des Eblis fist.
3hn hat die Erde gezeugt mit der Nacht,
Hold ift er den Stunden des Zaubers.
(Mit wachſendem Sohn . )
Ade Giganten
Uebertrifft er an Stärke ,
Und die Vierfürſten des Weltalis *)
Knieen vor ihm .
Wenn er die Erbe betritt,
Seh'n wir erblaffende Sterne
Bon feinem Hauptbaar geſtreift.
Er fann den wanfenden Tafogt ** )
Aus dem Drachenmund Rahous ***) befrei'n ,
Und am belaſteten Mondhorn
Sab id fein himmelſpaltenbes Rampfſchwert.
Auf ſeiner Schleuder
Rubt der Rometen flammende Pracht ,
Meſers t) entthronte Göttergeſtalten
Sind ſeine Diener ;
Und die Mumien der Ferauns
Treten gebüdt aus den Thoren der Gräber ,
Wenn die Stolzeſte der Pyramiden
Ihm , zwiſchen Ball und Ferſe ,
Unter'm verhüllenden Fuße ruht.
Selbft Altindiens Göttergewalten
Haben in ihm ihren Herrn erfanut.
*) Die Elemente.
Het ) Die Sonne : alt - berberiſch .
*** ) Rahou ; der ſonnenverſchlingende Dradje.
+) Egypten .
152

Siva *) nur , der Sternzerſómetternde,


Und die ſeelenverwirrende Durga ** )
Blieben befreit und trugen die Kronen
(mit Donnerſtimme)
Später auf ein gewaltiges Haupt.
Doch Nylokantas farbiger Naden
Glänzt unter'm Fuße von Termagount ,
Und die ſchilfbetränzte ,
Schwanenbüft'ge Waruna *** )
Stieg aus der Sonnenſtroins beil'gem Babe,
Um ihren neuen Fürſten zu ſchauen.
Hör uns , weitherrſchender Freund !
Deine Getreuen ſtehen vereint.
Chor der Fedaviés.
Deine Getreuen fteben vereint.
Muſeïrah .
an das Leben dieſes Voltes
3ft gefettet euer Meiſter ,
Der am Ziele ſeiner Sendung
Einft für euch - vor Eblis ſpricht.
Auf der Stirn , ber kraftbefeelten ,
Sout ihr gold'ne Kronen tragen ,
Wie fie feinen Auserwählten
Rein Prophetenhimmel reicht ;
Haltet feſt an mir und ich weigt!!
In euch ſchlinget eure Klagen ,
Bleibt von Sdauer nicht befangen ,
Wenn ich euch vorangegangen ;
*) Siva : Gott des Todes.
***) Durga : Göttin der Liebe. Durga heißt aud Wotluſt.
***) Die Göttin des intus.
153

Euer Haß fall' umgeſchwächt


Auf's verflugte Zwerggefolet ,
Das durch midi in Staub gedrüdt,
In den falten Sclavenbanden
Von dem Himmelselephanten ,
Kaum den linken Zahn *) erblickt!
Oft ſchon hob ich den goldenen Soleier
Von dem beerezermalmenden Aug’ ;
Nab' iſt mein Ziel , und die uralten Feuer
Web'n um den Scheitel mit glühendem Hauch.
Eines Mädtigen mahnende Stimme
Schallt von den Pforten der Ewigkeit.
,, Bift bu , erzitternd vor unſerem Grimme,
Zu dem verſöhnenden Opfer bereit ?
Sende die Hurbin , dem Eblis geweiht ,
Daß fie die hölliſchen Fluthen duroſwimme ,
Oder erbeb' vor der Zwiſchenzeit !
In der Jahrhunderte nächtlichem Schooß
Harret dein ein fredlides Loos !
Und in geiftermarternden Dualen
Wirft das Berſäumte du dreifach bezahlen ;
Was du an Opfern berniedergeſandt,
Haben wir nicht als genügend erfannt.
Nun , Verhüllter , gedenke der Pflicht !
Send uns ein Weſen , ganz Feuer und licht.
Bring' einen Engel als Opfer bar ,
Reiß eine Peri am Ambrabaar
Bor unfern blißgefurchten Altar. “
Alſo tönt vom Chron der Nacht,
Wie die unterird'ſchen Donner
*) Die ſchmale Mondesfichel.
154

Des Ermahners zorn'ge Stimme,


Und gefunden iſt die Peri ,
Deren Götterreiz die frühern
Haremslichter überftrabit.
Sdređenvou , von mir gefehrt,
Seh' idy zürnend die Strénas *)
Ihres holben Angefichtes.
Darum übet nun den Zauber ,
Der die Braut von Khoroflan ,
Die Suleicha **) warb genannt ,
Feftverbunden dem Propheten ,
Als Mokannah auferſtand
In dem hoben Sonnenland.
(Donner. )
Criter Berber .
Großer Charſdab*** ), hör' den Donner ,
Der durch Winterftürme bringt.
Turfi feledt +) zieht zum Rampfe
Gegen Rabiai Benati !
In den Lüften ſchaut Geräuſo ,
Wie der Sdwertftreid Gabriels,
Wie der Flügelſchlag Uranbads ft)
Zweifelhafter Schimmer ſpielet
Um die grauen Leichenfteine,
Die den Kampherturban tragen .
*) Die Sterne , alt - berberiſch.
** ) Die Braut des verſchleierten Propheten von Rhoroſſan.
*** ). Beiname der Bergfürſten.
+) Mars , der Himmelstürke , deſſen ſtreitbare Geiſter das Licht bekämpfen
und Rabiai Benati die vierte Himmelstochter.
+ ) Ein hidraähnlicher Wundervogel .
155

Die wie badberaubte Säulen


3m Pallaft des Todes fteh'n .
(Donner.)
Sprich ! ift günftig dieſe Nacht,
Wo dich ſolche Stimmen grüßen ?
M. bir drobet der Afrit ?
Und Natur mit Donnerfüßen
3hr Gefeß darniebertritt ?
Mächtig bift bul deine Hand
Reicht in ew'ger Lebensfriſche
Weit bin über'n Grabesrand ,
Von dem Monde bis zum Fiſche
Stredft du aus der Herrſchaft Stab ,
Steigt der Himmelsſtier * ) herab
Bom agathenen Gebäude,
Um zu treten dein Getreide ** ).
Dir ift klar , was uns verſchloffen
Noch im neunten Hauſe ruht ;
Zürne d'rob nicht den Genoſſen ,
Die , mit halbgebroch'nem Muth ,
Beben vor dem grauſen Werke
Und mißtrauen ihrer Stärke.
Muſeïrah .
Sdreitet vorwärts auf der Bahn ,
Und das Werk ſei abgethan ,
Das die Braut von Rhoroſſan
Zauberkräftig bat beſtegt,
Eh der gold'ne Morgenbahn
Aus dem weißen Mondei triecht.
*) Der Stern Sewr.
**) Befanntlich wird im Orient das Getrreide durch Stiere getreten .
156

(Sdwerer , dumpfer Donner.)


Vor dem Donner zittert nicht !
Gott iſt's , der im Sclafe ſpricht.
Schwerter ftredt der Himmelsſchnitter * )
Aus der nächt'gen Schauerſchlucht.
Bebt vor einem !
Dieſer Wolfen dunkle Wudt
Gleichet einem
Rüdgekehrten Herbſtgewitter ,
Das verlor'ne Blige ſucht. i
(Mit ſanfter, melodiſder Stimine :)
In den Strahlen der Erinn'rung
Steht vor mir mein Practharem ,
Deffen gold'ne Alfaſſaras
Sid in Merus Fluth geſpiegelt. V

Wählen fonnt' ich ans dem ſchönen ,


Farbenvollen Tulpenbeete
Der befränzten Mädchenreih'n ;
Geiſtverwirrend tönten Lieder
Ju der faitenreichen Vina ** );
Wedſelnd mit dem ernſten Klange
Der arabiſchen Tambura ***) ;
Sehnſuchtstbränen auf die Wange
Lodt fie aus der Wimpern Nacht,
Wenn die Fadel der Aiura ,
Von den Diven angefacht,
Zu dem Sternentanze leuchtet
Und die Blumen thaubefeuchtet,
“ ) Der Geiſt des Blißes.
*) Die ſiebenſaitige indiſche Laute. 1
*** ) Die große ziveiſaitige Laute.
157

Wie gebrüdt von Liebesweh'n ,


Mit geſenkten Kronen ſteh'n.
Teppiche von Rahira lagen
In dem ſunbul - farb'gen * ) Saal
Und der fühle Waſſerſtrahl
Sanf auf tiefe Fadpitbeden .
Aloe und Sanbeldüfte
Drangen aus den Silberurnen
Und die würzige Tibetnelfe .
Warf die Strahlen hundertfadh
Durch's verſchwiegene Gemach ;
Wie die Zauberruthe blinkt ,
Die in zarten Peri - Händen
Selige zum Himmel winkt.
Iris Farbenbogen prangte
Um des Springborno hobe Pracht,
Der die Arabesfenkuppel
Mit lichthellen Perlen zierte.
Bunte Luftbewohner ſaßen
Auf den Bäumen der Korallen
Hinter'm Romorinengitter ;
Auf der blumenreichen Laube
War zu ſeh'n die Meffa - Taube ,
Ebens Matten glich der Boden ,
Und die Säng'rin der Pagoden **)
Stimmte , wie in Hindoftan ,
Ihre Wonnelieber an.
Schedad , den der Bliß zerſchmettert,
Weil die Menſchen ihn vergöttert,
*) Xus den dunteľn , ſogenannten Hyazinthen - Marmor erbaut.
**) Die ſogenannte Pagodendroſſel.
158

Ronnt auf Hirems Sonnenauen


Sich kein folches Haus erbauen.
3a , felbft Al Göhérabab ,
Dſchinniſtans Juwelenſtadt,
Welche, ſchmeichelnd allen Sinnen,
Hoc vom Raf aus Nebeln ragt
Mit den tauſendfarb'gen Zinnen ;
Von dem eig’nen licht umtagt,
Trat berdunkelt in die Nacht
Vor Mofannah's Zauberpracht.
Reizender noch als dies Luftſchloß
Waren die Bewohnerinnen.
Padiſchabas * ) jeder Schönheit
Saßen bort auf weichen Thronen
Oder einten ſich zum Tanze ,
Wenn die fehnſuchtwedende,
Klagende Kaſſira **) klang.
-

Leichte Schleierworfen walten ,


Wie vom Oſtwind ſanft bewegt,
Um die göttlichen Geſtalten.
Raffab’s***) luftiges Gewebe ,
Feftgeſchmiegt an üppige Formen ,
Ward beſchämt vom Lilienſonge,
Der vulfan'ſche Gluten bedte ;
Und das Spiel der vollen Glieder
Hätt' an einem Himmelsfeſttag
Die Hamilunouls + ) verwirrt
Unter'm Throne ibres Herren.
*) Königinnen .
**) Harié, alt berb .
***) Kaſſab , die feinſte ägyptiſche Leinwand.
+) Die throntragenden Engel.
159

Jeder Reiz war hier zu finden ,


Jede Zone gab Tribut;
Aus des Ganges heil gem Lichtbad ,
Weiß und rein wie ſeine Wogen ,
Podt' id Indiens holbe Töchter,
Die an Brama's Glutborn knieen.
Die goldfarb'ne Rampafblüthe
War der Somnc des ſchwarzen Haar's.
Das als Zauberſchrift der Liebe
Auf den freien Bufen fant *).
不 米

Kathais **) luſtdurchbligte Augen


Waren meine kleinern Sterne
An dem reichen Wonnehimmel.
Chiwa's ſchwärmeriſches Lächeln ,
Von den Souris felbft beneidet,
Nachgeahmt von Liebesgöttern ,
Zog mit tauſend Seelenneßen
Meine trunk'nen Jünger an ;
Wer noch wanfte auf der Bahn,
Den beſiegte die Circaſſierin
Und Georgiens Wunderblume;
Auf Roratienfingern prangte
Roſenglut bed Henna - Blattes ;
Aus Alfobols Farbennacht
Drangen , wie im Luftmeer dwimmend ,
Die ſehnſücht'gen Sternenaugen
Und ihr voller Buſen walte
*) Die ſchmalen Lodenringe haben Xehnlichkeit mit mehreren perſiſchen Schrift
zügen.
**) Kathai - China ; die Chineſerinnen haben bekanntlich kleine , aber feuer
volle Augen.
160

Wie der paradieriche Milchſee,


Wenn der Oft vom Throne webt.
Aud die Blüthen von Lasiaſſa ,
Chotens * ) zarte Moſchusrehe,
zog von Heimatlider Höbe
Ich zum Freudentempel bin.
Selbft des Weſtend ſpröde Schönen
Standen bleich , dod liebentbrannt ,
Bon dem gold'nen Haar umfächelt,
In Mokannah's Zauberland ,
Und berdunkelt wurden fie
Von Arabia's Feuerfindern ,
Schimmernd, glühend, unruhyou
Wie das Südmeer ihrer Rüften.
Yamans (chlante Berggazelle
Trägt kein ſchön'res Augenpaar
Und das Feu'r bes vierten Himmels
Reicht an ſeine Strahlen nicht.
Bor dem Blicke dieſer Mädchen
Müßte fdmelzen alles Ery
D'rin der macedon'ſche Phalanr ,
Eine Mau'r von Welterob'rern
In erſiegten Reichen ſtand.
Ihrer Heimat freie Bergluft
Schien noch unvermiſcht zn schweben
Um die üpp'gen Vollmondswangen ;
Sanft gebeugt fab ich ſie ſtehen
Rings um den Prophetenthron !
*) Choten , eine Landſchaft in Turkiſtan, durch ihre ſchönen Märchen berühmt,
und Laslaſſa ein Diſtrift in ihr. Mordhusrehe iſt der Beiname ihrer Bes
wohnerinnen .
161

Wie fich neiget die Elkaya * )


Vor der Meffa- Raravane ** ).
Selbſt die Sehnſudt nad der Heimat ,
Nach den Palmen von Sanaa ,
Nady dem Born , der ihnen ſpiegelnd
3hre Schönheit dargeſtellt ,
Nad des Vaters Pferd ***) und Zelt :
Ronnte nicht die Reize mindern ,
Deren Pradt und Harmonie
Dieſen bolden Feenkindern
Engelsrang auf Erden lieb.
Alles fand ich hier bereint ,
Was an Drients Sdönheitshimmeln
Einzeln ſonft erſchienen war.
Roſige Leila - Wangen ,
Menjoung Hyazinthenloden ,
Bamif's Stirn , Aſara's Buſen ,
Shirins Mund , Zoraya's Augen +),
Wuche und Hobeit der Cypreffe,
Die vor Racinirs Feuertempeln
Als ein Baum der Freiheit ftand .
Liebesfehnſucht der Platane ,
Die vor inn'rer Wolluft zittert,
Wenn der Mittagswind , ihr Buble ,
Mit den feuerſchweren Händen
*) Nach Niebuhr neigt ſich dieſe Pflanze vor ten Pilgern , ſie unter ihren
Sdatten latend .
** ) Die große Karavane, die unter einem Emir von Kahira nad Melfa zieht.
***) Die Beduinentöditer pflegen ſorgfältig die Pferde und Kameele ihrer
Väter .
+) Sämmtlich berühmte weillide und inännlidie Schönheiten des Orients.
Außenberg's fämmtl. Weife. XI. 11
162

36r in bunkeln Loden wühlt ;


Trunk'ner iſt das Bergreb * ) nicht,
Wenn die himmliſchen Fatire**),
Bleich durch ſtürmende Bewegung ,
Bei dem Licht des Mondes tanzen :
Und ein Gang , wie der des Bogele ,
Welder ftolz und vollgefiedert
In Alt - Perſiens Jubelburgen
Auf porphyrnen Wällen ſcritt ***).
Doch den Preis, für Hier und Jenſeits ,
Hat nur Eine ſich errungen :
Iran's hohe Sonnentochter,
Die huldſchimmernde Suleicha ,
Meine reinſte Todtenbraut.
3hrer Wangen Schönbeitómale
Waren dunkle Nachtviolen ,
Die vom Haar verbannter Peri's
Sanken auf die Roſenflur ;
Ihre Brauen , feingezogen ,
Für die Lieb' Triumphedwogen ;
Mim + ) war ihre Lippe nur ,
Und ihr Buſen glich zwei Wogen
In dem Lichtſtrom Kiafur.
Auf der Anmuth Götterfitz
Schien ſie frei vom nächt'gen Tode ,
**) Tem Neh ſd reibt der Araber beiin Mondlidt ten größten Freutsutaumel
3ll , und hat das Sprichwort : Trunten , wie das Neh beiin Mondlicht.
* ) Die Sterne : Fakir , arabiſch für Derwirts.
*** ) Dci Prau .
1 ) Der Buchſtabe Piimn dient 113 Pild für feine lippen und einen fleiner
Vund .
163

Und ihr Lächeln war ein Blits medidas deprotein


In dem ſchönſten Morgenrothe ; och
Wenn ich oft in fübler Nacht
In verborg'ner Rebenlaube
Hart am rubevollen See
Auf dem Schooße trug die Holde , des
Stieg der Lotos aus der Welle ,
Wähnend , mit des Morgens Golde
Steb' die Sonn' auf Edens Sdwelle.
Wer um Rath die Sterne frägt
Und dann in geheimen Gründen
Die entdeckten Perlen wägt ,
Wird nie eine Seele finden ,
Die ſo klar und vorwurfsfrei ,
Wie Suleica's Geift erſchienen ;
Doch zog ſie die Kraft herbei ,
Welcher ſelbſt die Reinſten dienen. Men den
Wie die Sclaven eines Amirs ,
Wenn er beimführt ſeine Gattin.
Bei dem Donner der Tabballa * ) 2100
Neigten ſich die Höllenberge, En defe135
Als ſie trat in Eblis' Reich ;
Und die Folterenget ſtanden , dan bahanes
Wie gehemmt von Zauberbanden, boome ture
Auf den Felſen fern und nah ,
Mit geſenkten Keulen da.
Geißeln, Ketten, Donner ſdwiegen, woordebosta par ville
lind vom Throne der Verzweiflungo
sausrate
Kam der Fürſt herabgeſtiegen ;
Rief ein Salam ! unſerm Bunde ,
*) Die große Heerpaufe. Bet
164

Deflen Kraft id ibm betheurte ,


Und die ganze Hölle fei'rte
3yre erfte Rubeftunde.
( Donner.)
Was id damals ihm geopfert babe ,
Fordert er in kurzer Zeit von mir.
Reißt herab die maur'ſche Hochzeitspalme * ),
Die Suleida gleicht an Reiz und Berth.
Auf den Glorienbügeln fteht die Heine ,
Doch ihr winkt Mokannah zum Vereine ;
Mag fie aus dem ſiebten Himmel ſtammen,
Todtenwein zeugt höl'de Liebesflammen .
Chor der Fedaviés .
Todtenwein zeugt höll'ſde Liebesflammen.
Muſeïrah .
Brau't ibn ! günftig iſt die Nacht;
Abgewandt find Gottes Augen ;
Ruft den Zauberſpruch hinauf
Zum gefleckten Himmelstiger ,
Der in ſeine Höble froch.
Sebt ! wir ſtehen hier als Sieger ,
Frei vom dnöden Glaubens joc.
Wählet aus die friden räber ,
D’rin der Moder noch nicht gährt.
Stürzet um die leidenfteine
Auf des Todes Aldenbeerd ;
Mit der funkelnden Jambéa **)
Sprenget auf die falte Stirn
Dieſer nadhtumarmten Soläfer ,
* ) Sdöne Frauen werden im Orient o't mit geidmüdten Hodizeitspalmen
vergliden.
**) Das große Jagtmeſter ter Berbern, ſowie der arabiſchen Beduinen .
165

Und , den Hölliſden zu Danf ,


Brauet aus dem Leichenhirn
Den erſehnten Zaubertrank.
Reicht der Braut , die ich erwähle,
liebe wein aus Orabesöble!
-

(Große Gruppe um Muſeïrah .)


Chor der fedaviés.
Bei dem Bart des Aboughébel !
Bei der Jagd des Omajaden !
Deffen Roffe Meffa's Saaten
Rothgefpornt barniebertraten ;
Bei den Feinden Mohammeds!
Die ihn zur Dejira *) zwangen
Und mit hochgezüchten Sowertern
Bis vor's Thor Medina's brangen ,
Während alle Diven ſangen:
Ehre den Propbeten -Mördern !
Bei dem Tage bed Gerid to !
Dem Erloginen , ber nie fommt.
Bei der Chaoofluth des Nichts!
Die die Stern einft überſchwemmt
Handelt mit verhülltem Dhre **),
Wie der Meiſter Eud geboten ,
Und burde ſieben off'ne Thore
Dringet in das Reid der Todten.
Muſeïrah.
Sebt den Ahorn , der fünf welke Finger
Nach bethauten Zauberroſen ftredt;
.*) Zur Flu ,tit nad Medina .
**) Die Todtenbeſchwörer verhüüten ihre Dhren, um den ſogenannten Leichen
ruf nicht zu vernehmen,
166

Auch im Tod liebt er des Blutes Farbe ,


Wie die gruftentwadi'ne Hand
Eines Vatermörders .
Dort beginnt !
Chor der Fedaviés (auf den Gräbern vertheilt ).
Bei der Verweſung wanfendem Schein
Laſſet uns brauen den Todtenwein ,
Daß er durchglübe ihr Gebein ,
Sie foi die Braut des Verſchleierten ſein!
Dritte Scene.
Die Vorigen. Ein Berber der Wadje eilt herbei.
Berber .
Herr ! Es naht mit ſcheuen Tritten ,
Eingehüllt in weiße Schleier ,
Eine weibliche Geſtalt,
( Muſeïrah wintt raich beim Erſcheinen des Wadiehaltenten ben Fedavies,
die nun in ſeine Nähe eilen . )
Bebend wie der Waſſertropfen ,
Der am Lotosblatte hängt
Wie der Kranich, wenn der Donner
Seine dunkle Pauke følägt ;
Nachtfturm wühlt in ihren Loden ,
Wie der Räuber nter Gold.
Aengftlich drüdt fie beide Hände
Auf den zarten Buſenſoleier,
Der , wie die gefang'ne Taube ,
Mit den bellen Schwingen flattert;
Rober Sturm umtobet fred
Die gewölbte Marmorhüfte ,
167

Droht den Lilien der Gewänder,


Die verrätheriſche fich ſchmiegen
An die wunderſchönen Formen.
Würdig ift fie, daß der Nachtgeift,
Welder bienet dem Aftandar,
Sie zum Thränenhaine ziehe ,
Denn , fürwahr! dahingeriſſen
Scheinet fie von ſeiner Hand.
Juh - gedenkend Deines Willens
Der mit Tod jedweden Fremdling
In geweihten Stunden ftraft,
Zielte ſchon von Baumeshöhe
Mit dem giftbenesten Pfeil
Rac des Buſens Doppelſcheibe;
Herr ! da war's als ſchlügen grüne
Flammen aus geborſtner Kinde,
ünd beim Licht der Roboldsfadel
Wähnt' ich wieder zu erkennen
Fene fürſtlide Camérgart *),
Die beim Einzug in Granada
Dir den Lorbeer bargereicht.
Muſeïrah.
Zoraïde ? !
Berber.
Aud erblidt' id
Einen Fremdling, der ihr folgt ;
Feft umbüllt vom dunfein Mantel
Seine rieſige Geftalt,
Die dem Felfen Dinamala's
In den Regentagen gleidt.
*) Ein ſchönes Weib , alt berberiſd .
168

Doch - den Chriften kannt ich leicht


An dem farb'gen Federnſchmude, at hindi mo
Der vom Haupt ihm niederwallt, oradas 18
Aehnlich einem Baumeswipfel, ne more pics
D'rauf zwei Königsgeier kämpfen. sy does store
Dieſem Orte, großer Bergfürft! Hasse3
Nabet fid bas felt'ne Paar.
Sprich das Urtheill wir vollziehen's.
Schon im Blute lägen Beide , signage
Hätte nicht mein Geift erwogen , SO
Daß vielleicht Dein hoher Wille ਤੇ 13 1314੧੪ ਤੇ
Sie als Opfer hergezogen . 18
Was Du nun beſchließen magft,
( rich vor ihm niederwerfend) 290 to
Denke , daß auf dieſer Erdetelo BTOCT 2009
Berbern Deine Diener find. Toeon THE DEALS
Jenſeits wird die Sonn' Dein Trinkglas , siad cru
Fußring Dir der Neumond ſein . 4900 Shital
(Er füßt tenStaub zu Muſeïrah's Füßen .) isir 400
Chor der fedaviés . d
Selig, wer den Wegſtaub füßt
Zu den Füßen Molatbemouns !
Muſeïrah .
Würbig unſ'rer vierten Halle
Hat der Wächter fid erzeigt.
( fun ſegnend :) DEHORS
pumais Schatten fou Did treffen ! Moc sildistis tis
Und ein Königsfalt des Glückes 31 al 2010
Ruhe ftets auf Deiner Hand ! ninmis 1937 1998 91
(Der Berber ſteht auf und begiebt ſich weiter zurüd .) ud
Wohl ! Der Bogen iſt geſpannt ਤੋਂ13 B ;੩ ੪ % 11ਦੌਮ *
169

Und die aufgefeuchte Hirſchin


Eilt som lager füßer Ruh
Dem Berberben blinblingo zu .
Reiner ſoll den Schritt der Opfer hemmen ,
Die hierber des Zaubere Stärke reißt.
(Der Berber geht ab. )
Die Verborg’nen hörten unſern Ruf ,
Zoraïbe naht in dieſer Stunde ,
Sucht mich , wie der Schwan den Himalaja ,
Eingetreten in Muſeïrah's Kreiſe,
Rebret ſie zurüc als meine Braut ,
En die Geifter nod das Sonnenſdwert
Aus der tiefumflorten Scheide zieh'n ;
Dder – einet fich den ftillen Soläfern ,
Welche ruben in dem Chränenwald.
Bergt nun eure nächtlichen Geftalten ,
Bis mein Zornruf euer Ohr erreicht;
Mit gehob'nem Scepter ritt Saturnus
in den neunten Hofraum drobenb ein.
Wacht Febariés !
leichenfteine feien eure Spilde ,
Und bewegungslos barrt meines Winkes 1

Oleich ben Säulen , die auf Abing * ) Boden


Bor dem hoben Magierhauſe fteh'n ,
Bis der Haud des Meiſters fie belebt
Ilnd der Tempel unter'm Steinfuß bebt.
(Die Berbern verbergen fidy hinter den Grabmälern. Muſeïrah tritt Hinter
die hobe Säule in die Mitte.)

*) Abin : alte Zauberſtadt.


170

Wierte Scene.
Die Morigen verborgen. Gonſalvo von Kordova fommt mit
Boraïde .
Bor a ï de.
Hier iſt unſer Ziel , Gonſalvo;
Dort , in jenem hohen Grabe
Schlummert meine arme Mutter
Unter zeichenloſem Steine
Ralt und dwer , wie ihr Geſchick.
Ad ! dem Vaterland entriffen , 1
Sant fie bin im fremden Reiche,
Und der Tochter Augen werden
Immerdar dat' Kreuz vermiffen
Auf dem Hügel , der die Leiche
Diefer frommen Chriftin bedt.
Sieb', was von dem leßten Zweige
Eines großen Fürſtenhauſes
In Granada übrig blieb.
Nidt der Meißel durft' e$ wagen ,
Ihren Namen einzutragen.
Was i d auf die Säule drieb ,
Haben Chränen eingebrannt.
Hier weint' ich am Todesthore ,
Bis der Name Eleonore
Deutlich auf dem Grabmal ſtand ;
Liebe pflüđt die ſchönſten Blüthen
An des tiefften Abgrunds Rand.
Heilge! die ſo früh geſchieden ,
Wolleft gnädig mich behüten !
Breite beine Mutterband
171

Bom verbülten Sternenhaus


lieber'm þaupt des Kindes aus !
(3u Gonſalvo .)
Sab'ft Du nicht am Waldes Ende
Zene bunkeln Nebelbilder ,
Die ſich bargen in dem Hain ?
Gleich den gräßlichen Alraunen ,
Die auf Gräbern fich verſammeln ,
Wenn das Wolkenboot die eifter
Durch das öde Luftmeer trägt,
Und der Nachtwind feucht und ſchaurig
In die Nebelſegel haucht.
Gonſalvo .
Geſchmiegt an meine Bruft, was fannft Du fürchten ?
Wir fteben hier auf einer Wunderinſel ,
Die blühend aus dem See des Todes flieg.
Sie trägt der Liebe dimmernden Altar,
Auf ihm zwei reine Flammen , die ſich füffen ,
Bis vor dem falten Tag ihr Glanz erbleicht ,
Die ſchönen Bilder in der Luft zerfließen.
Boraïde.
D Gonſalvo ! 3ft fie wahr ,
Žene fürchterliche Botſchaft ,
Die mich zwang , in tiefer Nacht
Mich dem Feinde dieſes Reiches
In dem Todtenhain zu nahen ?
Mit Vergeſſenheit der Pflichten
Gegen Bater - Baterland !
Mit Verlegung ſtrenger Sitte ,
Nichts bebenkend als das Unglüd ,
Das der nädfte Morgen droht,
172

Ram ich her , um Dich zu fragen ,


Aug' ich Auge Hand in Hand
06 Du frei Dich fühlft vom Eide,
Den Du der Geliebten dwurft ?
Soll dies Sdwert , das id Dir reichte ,
Meines Bruders Bruſt burdbohren ?
Soll ich fluchen jenem Tage ,
Da Du mich vom Tob befreiteft ?
Und dem breimal Glüdlidern
Als nach dauervollen Stunden
Du , von meinem Arm umwunden ,
Sanft die Augen wieder hobft ,
Die wie Sterne ich begrüßte
In der weiten Lebenswüftel ?
Gonſalvo .
Vermehre nicht die Qualen Deines Freundes !
Ein edler Maure rief mid zu dem Kampf.
Es waren meine Könige die Zeugen
Von Allem , was der Unglüđebote ſpracy.
30 faßte jubelnd das geweihte Schwert,
Das Don Fernando ſeinem Feldherrn reichte.
Es war , als zieh' die ganze Heldenwelt
Hiſpaniens an meinem Aug' vorüber ;
Jeßt erft erſchallte Deines Bruders Name !
Ich bebte wie der Sünder , dem der Stab
Zerbrochen vor die Füße wird gefoleudert!
Docum mich fand die eble Kämpferſdaar ,
Von mir zu ſchönen Siegen oft geführt.
Der große Freund bielt mir das heil'ge Sdwert
Mit ernften Vorwurfsbliden unter's Aug' ;
Konnt' ich nun , übermannt von meinem Schmerz
173

Den angebot'nen Kampf verweigern ? Mid


Mit einem unglüdſel'gen Wort beſchimpfen ?
Dem ftrengen Richteraug' ber Rönige
Enthüllen das Geheimniß unſrer Liebe ?
Daß einer falſchen Deutung unterliege,
Was uns fo rein imtreuen Herzen lebt!?
Wie auf die Zunge Sterbender die Seele ,
So trat das Wort auf meine Lippen ſchon ;
Dem Freund nur dant' ich , daß es wiederkehrte
In die zerriff'ne, brandmalvolle Bruſt.
Es ftirbt der Spanier mit ſeiner Ehre !
Unſäglich iſt der Somerz , der mich gefoltert ,
Doch jenes Heiligthum hab' id bewahrt ;
Nach Männerpflicht den ſchweren Streit entſchieden ;
D’rum fteh' ich würdig jeßt - bor Zoraïben !
Doraïde.
Alſo fämpfft Du mit dem Bruder ?
Hebft das Sowert , das wir geſchliffen ,
Auf der Liebestempels Stufe ?
Folgſt der Ehre ftrengem Rufe,
Und auf dem zertret'nen Eide
Stebft Du dann von Siegesfreude ?
Fürchteſt nicht,
Daß aufblutbeſprißter Erde
Er zur Furienſchlange werde ,
Die des Siegers Ferſe ſticht ?!
Gonſalvo .
Verdammſt Du , was die Ehre mir gebeut ?
An Deinen Hochſinn richt' ich dieſe Frage :
Soll ich den Schwur dem Vaterlande brechen ,
Um zu genügen einem ſpätern Eid ?
174

Kannſt Du dann frei mich von dem Fluche ſprechen ,


Der mich verfolgt bid in die Ewigkeit?
Wilft den Beſchimpften in den Arm Du ídließen ,
Als Freund den Adverachteten begrüßen ?
An meinem Glauben fod i Freyler werden ,
Mit deffen Strahl ich Did erbellen wollte ?
Es findet keine Heimat mehr auf Erden ,
Wer ſich entfleidete vom Ebrengolde.
Du ſoweigſt, mit dem erfehnten Urtheil zögernd ;
Es ftrömen Thränen vom umflorten Auge!
( Sie in die Arme fliebend.)
Und dieſer tiefen Kränkung Zeiden droht
Den rühmlichften Entſchlüffen obzuſingen.
Du — fhön im Sdmerze , wie im Strahl der luſt ,
Erbarm ' der Leiden Dich , die mich verzehren .
' Ein Stäubchen auf der Wange der Geliebten
Wird Felſenlaft für den erwählten Freund.
Die Perle , die an ihren Wimpern glänzt ,
Wird brennender Rubin in ſeiner Bruſt.
Wagt es ein Dorn , den ſchönen Arm zu rigen ,
Fühit er das Herz von einem Sowert durchbohrt.
Die Luft , die ihren Buſen falt berührt,
Wird ihm zum Sturme , der ſein Schiff zerſchmettert.
Boraïde.
Tie Entſcheidung, die Du forberft,
Kann das fdwache Weib nicht geben.
Zwar wer könnte ſie verdammen ,
Wenn ihr Ausſpruch alſo klänge :
Fremd auf ewig bleiben mir
Die barbariſden Gefeße , 1
175

Deren Blutſchrift am Altar


Eures Heldenruhmes ſteht.
Wohl berechtigt mich mein Unglüc ,
Den erwählten Freund zu fragen :
Ob die Ehre reiner Seelen
Nichts im Aug' des Mannes gelte ?
Ob ſie ſtrenge nicht verbiete,
Zu beginnen einen Kampf ,
Deſen eine Søredensſtraße
In zwei off'ne Gräber fübrt.
Fält der Bruder – darf ich leben ?
Fält Gonſalvo - fann id leben ?
Dieſes Wort ziemt wohl dem Weibe ,
Doch der Fürſtentochter nicht,
Die das Sdical an die Säule
Eined Thrones hat gefettet ,
Während Brand durchtobt die Halle.
Die Gefeße , gut für alle,
Sind nun Gift dem Einzelnen ;
Dod, die Bürgerpflidt begehrt ,
Daß der Becher ſei geleert.
Anbetung iſt meine Liebe ,
Und was Deinen Ruhm vermehrt ,
Wag' ich nimmer zu verdammen
Nach des Herzens heißem Triebe ,
Eh vergeh's in eig’nen Flammen !
Gonſalvo.
Was , llnglüdſelige! haſt Du beidhloſſen ?
Boraïde .
Gürte Dich zur Ehrenthat,
Und befürchte feinen Rath
176

Aus dem Munde Zoraïdens ,


Der Dein Heiligſtes verleßt.
Blide nicht auf dieſe Thräne ,
Die dem Worte widerſpricht ;
Starf bin ich und Deiner werth ,
Wie der Größe meiner Ahnen ;
Wer den Eid Dir auferlegt ,
Rann des Eides Dich entbeben ,
Und der Pfeil, der Wunden ſchlägt,
Durch die Splitter Heilung geben.
Trodne ſchnell des Borwurfs Zähre ,
Die noch auf der Hand Dir brennt.
Seidend will ich bod betheuern ,
Daß ich Dir nur angehöre.
Wenn aud in dem Thal des Jammers
Du mein Bild nicht ferner fiebt,
Blid ' empor in jene Räume ,
Wo , befreit vom Trug der Erde ,
30 des Freundes barren werde ,
Und des feligen Vereins !
lieb' und Ehre werden Eins ,
Wenn mit leuchtender Geberde
Auf dem wolfenfreien Pfad
Der Erlöſungdengel nabt !
Gonſalvo (voll Entiegen ).
Was ſprichft Du ?
Boraïde.
Meinen Bruder
Darf ich nimmer überleben.
Dich von ihm getödtet wiſſen ,
Hat als ferned Furchtgebild
177

Mir den Buſen ſchon zerriffen


Und mit Qualen mich erfüllt,
Die fein Troſt bienieden ftillt!
Ach ! der Stern am boben Pol
Darf mid ferner nidt mehr leiten !
Von Granada muß ich ſcheiden ,
Don Gonſalvo lebe wohl!
Gonſalvo.
EH' Du ben gräßlichen Entſchluß ergreifft,
Soll hier ein unbekanntes Grab mich beden !
Kein Chriftlich äuge je die Stelle finden ,
Wo die Verzweiflung mich zur Tiefe riß.
Starf iſt - gebieteriſch der Gott der Ehre ,
Doch wenn ſein faltes Sdwert die Bruſt bedroht ,
Fühl ich die Freiheit einer edlen Seele ,
Den Rieſenarm , der folche Bande ſprengt !
Hier will ich ſterben - alle Zweifel enden ;
Kein Zeichen fünde wen die Erde bedt
Und wen die Freiheit mit den Götterbänden
Zum beſſern Sein entſcheidend aufgeweđt.
(Er zieht das Sd)wert.)
(Boraïde fällt ihm in Verzweiflung in den Arm.)
Gonſalvo.
Hält Liebe mich vom Liebesziel zurüde ?
Berflucht der Tag , den ich nach dieſer Nacht
Im Raum der qualenvollen Welt erblice !
Hinſcheiden will ich , nur von Dir beweint ,
Bon feinem andern Auge mehr geſehen ,
Den Strömen gleich der brennenden Arabia,
Die unter'm Sand der Wüſte ſpurlos fdwinden ,
Auffenberg'8 fämmtl. Werte XI. 12
178

Zu ftolz, ſich mit dem Meere zu verbinden ! *)


Dies Heilige Schwert ſoll mein Geſchide bezwingen ,
Wie Balſamfluth den Bufen mir durchdringen ;
Mit ihm grab' mir die Gruft in Feindedland
Und leg' — als Stern der Nadt, die mich umwand ,
Mir die Tizona in die kalte Hand !
( Muſeïrah wird ſichtbar, neben dem Grabe ſtehend.)
Boraïde (ten Gonſalvo feſt umſchlingend).
Sprich mich frei vom Eid' des Schweigens,
Mutter ! die du über Sternen
Im Berklärungoſdimmer thronft.
Die Verzweiflung ſprengt die Stetten ,
Die du ſchwer um mich gezogen.
Hin ift beider Welten Glück ,
Hält ihn nicht ein Wort zurück !
laß mich's ſprechen , hebrer Geiſt!
El ben Freund mit Sturmeowogen
Selbſtmord in die Liefe reißt!
( Gonſalvo in Verzweiflung zurüdziehend.)
Komm zum Grab'l die Säul umſchlingend,
Mit dem Angſtſchrei, gruftdurchdringend,
Sprech' ich aus, was ich verſchwiegen ,
Ell' die Furien Did beſiegen !
(Wie ſie ſich wenden, erbliden ſie den Muſeïrah .)
Boraïde.
Ha !
Gonſalvo.
Verrathen ſind wir !
*) Befanntlid erreichen viele große Flüſſe Arabiens das Meer midt.
179

Muſeïrah .
Eilt herbei!
Rüftige Bouftreder meines Willens !
(Die Berbern erſdeinen wieder von allen Seiten .)
Gonſalvo
(zu Muſeïrah , während er Boraïde umídilingt ).
Zurück , Verfluchter ! eh' dies Schwert Dich trifft.
(Er wird in dieſem Augenblice von den Berbern umringt und nach heitigem
Widerſtande entwaffnet. )
Muſeïrah ( zu Gonſalvo ).
Du entwindeſt Dich den Armen nicht !
Solangenöl giebt Gladiatorenftärke.
( Auf die Grabesſäule deutend . )
An die Säule bindet ihren Buhlen .
Boraïde.
Große Gottheit, rette !
Gonſalvo.
ihr. gebunden
Ich vertrau' Säule
(Er wird von den Berbern an die .)
Muſeïrah.
Rüftet die Geldoffe.
(Die Berbern ſpannen die Bogen . )
Gonſalvo.
Herr und Gott !
3ft meine Liebe Frebel an dem Glauben ,
Für den dein ew'ger Sohn am Kreuze ſtarb;
Erreichte dich der Racheruf der Brüder ,
Durd deren Tod id leben mir erwarb ;
Dann ftrafe mich , und beines Zornes Bliss
Laß finken auf mein ſchuldgebeugtes Haupt !
Nur foldem Ende, Herr ! gieb mich nicht preis !
3m Rampf für deinen Namen laß mich ſterben ,
12 *
180

Durch eine Großthat mich die Huld erwerben ,


Um deren Licht das Schidfal mich betrog.
Laß nicht durch Höllengeifter Den verderben ,
Der gläubig ftets auf deinen Pfaden_30g.
Nimm bin mid auf dem Felde der Gefahren.
Zu deinem Ruhm zerſprenge dieſe Ketten ,
Daß nicht die Füße höhnender Barbaren
Den Streiter Jeſu Chriſti niedertreten !
Muſeïrah (su den Seinigen ).
Zögert nicht; 3hr ſeht das Ziel.
(Die Berbern ſtellen ſich ſchußfertig auf.)
Boraïde (an Gonſalvo's Bruſt ſtürzend).
Hierher
Richtet Eure gift'gen Pfeile!
Hierber, Jadeufrobe Hötle!
Sende beine Donnerfeule !
Des Verderbens blutige Sdwetle
Bebet unter deinem Tritt.
Am entweihten Muttergrab
Stebt, die ihren Freund behütet ,
fest, wo jeder Stern fich barg,
Feft an ſeine Bruft geſchmiedet,
Wie der Ring an ſeinen Sarg.
Mächtiger als dieſe Ketten ,
Die Gonſalvo's ſtarte Hand
An den kalten Marmor feffeln ,
3ft der ew'gen Liebe Band ,
Das für Welt und Himmelsflur
Unſer nieverleßter Sowur
Um die treuen Herzen wand.
Dualen wild mit Dem id theilen ,
181

Der mir Seraphowonne gab ;


Hier ſoll uns der Tod ereilen ,
Deden ein gemeinſam Grab .
Sdauernd feh' der Tag berab ,
Wenn vor ihm die Sterne bleichen ,
Auf zwei feftverſchlung’ne leichen .
Muſeïrah.
Reißet fie aus ſeinen Armen !
(Boraïde wird hinweggeriſſen und ſtürzt ſich zu Muſeïrah's Füßen . )
Boražde.
Muß ich knieen vor dem Dämon ,
Der mein Heiligthum zertrümmert !
Muß ich bliden in den Abgrund ,
Der mit Seelen fich bereichert!
Den die Himmliſchen verfluchen ?
Muß ich hier die Gnabe fuchen ,
Die mein großer Gott verweigert ?
Muſeïrah .
Blidet her , geweihte Diener !
Seht die menſchliche Verzweiflung,
Die zur tauben Gottheit ruft.
Wer das Alphabet nicht fennt,
Wie ſoll der ben Roran leſen ?!
Bon des Himmels Sternenteppich
Seh'n ſie die Rüdſeite nur.
Ihre kurzen Nebeltage
Fangen ſchon mit Lügen * ) an ,
Und es ſollten Wahrheitsfrüchte
Auf den Erbenpalmen wasſen ?
*) Die erſte Dämmerung heißt im Orient gleichfalls der erlogene oder falſche
Morgen.
182

(Mit Donnerſtimme zu den Seinen .)


Nefdebo Mond *) ſoat Ihr erbliden ,
Der fich neigte höllenwärts.
Eine Sündfluth von Entzücken
Strömet um mein ew'ges Herz.
(Er reßt den Fuß auf Boraïde's Haupt.)
Lieb' und ſchmachte, Wurmgezücht !
Trinkend denke nicht des Rauſches ,
Glübend - der Berweſung nicht!
Liebe frümmt der Mannheit Rüden ,
Streift das Diadem des Freifinns
Von der götterflolzen Stirn.
Bolluft führt den Weltenſcepter ,
Ihre Schleppe trägt der Tod !
Sterne geh'n im Liebestaumel
Auf und ab am Himmelsrad ;
Erdbeherrſcher werden Sclaven ,
Bringen ihre Kronen bar ,
Opfern Freiheit, Macht und länder
Auf dem ew'gen Glutaltar.
Fadeln faßt der zweigehörnte ,
Weltdurdtobende Iskender ,
Und in Brand fteht Ifthafar.
Wenn der Hahn der Wotluft trinkt ,
Sdließt er ſeine beiden Augen ,
Schlürft den Wein in vollen Zügen ,
Er berauſdt , tilgt bat Bewußtſein
Und verjüngt für fünft'ge Leiden ;
* ) Netfhebs :Dond : fo hieß der Mond , den der verſchleierte Prophet von
Khoroſſan viele Nädte hindurch aus einer Ciſterne ſteigen ließ. Er dient
noch zum Bilte für weibliche Schönheit,
183

Selbſt die Nachwelt blidt auf Den ,


Der des allgeehrten Wahnſinn
Treubeftänd'ger Diener war.
Große Thaten ſind verflungen ,
Manger Name wird vermißt ,
Doch der tolle Menjoun ift
Zur Unſterblichkeit gebrungen.
Lieb' und fchmachte, Wurmgezücht!
Trinfend denfe nicht des Raudes -

Glühend -- der Verweſung nicht!


Chor der Fedaviés.
Lieb' und Idmachte, Wurmgezücht!
Muſeïrah (jur hatbohnmäftigen Boraïde ).
Wilft Du retten Deinen Buhlen ?
Boraïde.
Nimm mein Leben , ſchone ihn !
Muſeïrah.
Amdaknina ! *) (dlag' die Augen auf !
Perlen glänzen an den Wimperndolchen ,
Deren Schärfe meine Bruſt verlegt.
Nidt Dein Erdenleben will ich mehr.
Freudig feh' ich die Prophetentochter
In des Cbriften liebevollem Arm.
Segne biefen einen Wonnefuß ,
Der zwei Götter läftert und betrügt.
Seine Freiheit haſt Du Dir erbeten ?
Und dem Bublen will id fie verleih'n ,
Sowörft Du mir beim Grabe des Propheten ,
jenſeits meine ew'ge Braut zu ſein!
(Boraïde richtet ſich vou Entrepen auf.)
*) Süße Freundin , alt - berberiſch.
184

Gonſalvo.
Verſchließ' Dein Dhr dem Wort des Schredlichen !
Boraide.
Tüdiſcher! was forderft Du ?
Ich fou Dein ſein nach dem Todel ?
Muſeïrah (zu den Seinen).
Mid beſchuld'gen fie' der Tüde !
Glauben , was die Prieſter rafen.
Wohl ! für eine Himmelsbrüde
Zeig' ich tauſend Höllenſtraßen .
Gonſalvo.
Ermordet mich ! eh' die Verzweiflung fie
Zum Sdwur des Wahnſinns treibt.
Muſeïrah .
Entideide nun ,
Auf ihr Opfer barren die Geſchoſſe.
Boraïde (einen Gedanken erfaffend).
Biuben kann mid nur ein Sowur ;
Nenne mir des Eides Worte.
Muſeïrah (mit unterdrüdtem Hohn).
Bei ber heiligen Medina dwöre
Und beim Glauben Deines Vaterlandes !
Bei dem großen unerſchaffnen Buche ! * )
Und ſo wahr Du im Gebete Dich
Nach dem Wunderhaus der Kaaba wendeſt :
Meine Braut zu ſein jenſeits des Grabes !
( Boraïde ſtürzt fidy, wie zum Gebete, nieder auf die Erde .)
Muſeïrah.
D’rauf follſt Du die Hand zum Bund mir reichen ,
Und in Freiheit zieht Dein Buble hin.
* ) Beiname des forang.
185

Gonſalvo (außer fich).


3ft's möglich ! Zoraïdel kann Dein Herz ,
Dein reines Herz noch vor der Wahl erbeben ?
Febweber Augenblid der Ueberlegung
Trägt Deiner Gottheit hundertfachen Fluch ;
Aud darfft Du hoffen nicht, daß ihre Macht
Bon dem beſchwor'nen Bündniß Dich errette.
Dies Schreckendopfer, einmal dargebracht,
Entfräftet Deine innigſten Gebete.
$ hn wirſt Du , vor der nahen Todesnacht ,
Entſbleiert ſeh'n vor Deinem Sterbebette ;
Und haft Du ihm in's Antlig dann geſchaut,
Umgeben von dem Eumenidenſch warme,
Dann trägt der Sturm die falte Leidenbraut
Zur ew'gen Qual in der Verdammniß Arme !
Boražde.
Laß Dich, Gräßlicher ! erweichen
Durch die namenloſe Pein ,
Durch der Unſchuld Weberuf !
Bei dem Räder ! höre mich ,
Der noch lebt , wenn die Ergeb'nen
Deines Willens - alle ſtarben ;
Der des Lafter Kron' zerſchlägt,
Der die Sterne richtend wägt
Und die rollen Sündergarben
In das Feu'r Gehenna's trägt.
Muſeïrah (ladhend).
Rennt 3hr Euch und Euern Stern ſo wenig ?
Bei des Erbenlebeno raſchem Bliße
Forſcht nach ſeinem Rang der Theoſoph ?
186

(Mit fdimetternder Stimme.)


Narr ift er am großen Himmmelshof,
Und 3hr - ſeid der Staub
( Milder.)
in ſeiner Müße .
Sieb' ben Bublen in der Tobes Ketten ,
Nur ein leichtes Wort --- Ihr ſeid beglüdt ;
Wer den Roſengarten hat betreten ,
Rubet nicht, bis er die Roſen pflüdt.
Eilel dieſe zarte Hand zu heben ,
Der Verſchleierte winkt zum Verein ,
Und e$ fou Dein fünft'ges Erbenleben
Ein Yaman'ſøer Sommerabend *) ſein !
Um das Brautzelt follen Feen ſchweben ,
An dem anbern Ufer barr' ich Dein ,
Und die Sdult bermag ich einzufargen ,
Wenn ons Urtheil dieſer Welt Dich ſchredt,
Mit dreifacher Nadt fei fie bedeckt,
Wie das Grab des leßten Weltmonarchen .
Bas Burtaioung **) Soleierhüllen bargen ,
Wird am großen Tag erſt aufgebedt,
Wenn der Diven fchöpfungsalte Macht
An dem Labyrinth der Erde rüttelt
Und das ſcheugeword'ne Roß der Nacht
Ab von fich die Sternengemmen ***) ſdüttelt!
(Boraïde wankt in ſeine Nähe im heitigiten Seelentampſe.)
Gonſalvo (mit voller Kraft).
Verftumme, Seelenmörber ! Boraïbe !
Nicht vor des Todes Graus erbebe ich,
*) Ein Sommerabend des glüdlichen Arabiens gilt im Orient als Bild der
hödiſten irdiſchen
Seligkeit.
**) Weiterer Beiname Müfeirahs, heißt gleichfalls Verſchleierter.
***) Bei großen Aufzügen ſind im Drient die Prachtpferde, beſonders die von
fowarzer Farbe, wie mit Gemmen überfäet.
187

Nicht vor dem Giftpfeil und dem Henkerbeile.


Glaubſt Du , ein Leben habe Werth für mich ,
Das Du erkauft mit Deinem Seelenbeile ?
Wie kann das Sonnenlicht id wieder ſchauen ,
Wenn er Dich um die Seligkeit betrog ;
Und wie berbannen eine Nacht voll Grauen ,
Die mein Geliebteftes zum Abgrund zog !
Bis zu dem Tempel , bis zu dem Altare
Wird mich verfolgen unſ're ſchwere Schuld ,
Wenn Du für meine kurzen Erbenjahre
Verzichteft auf des Himmels Vaterhult ;
Wenn Du Dich neigeft zu den tiefen Nächten ,
Aus denen dieſer böſe Geiſt genaht ;
Bei meinem Gott ! dem wahren und gerechten ,
Beſchwör' id Dich ! laß ab von dieſer That!
Den Worten des Verſuchers ſchließ' die Ohren ,
Die frevelnd alle Himmelsmächte foomäh'n ,
Wird mich alhier der Todespfeil burchbohren ,
Die Hoffnung tilgt er nicht auf Wiederſeh'n !
Gebt nur Dein ew'ger Theil mir nicht verloren ,
Wil jubelnd id am Grabesrande fteh'n ,
Als Chrift bas rühmlidfte der Opfer bringen ,
Und während in mich die Geſchoffe dringen ,
Dem Heiland fterbend ein Triumphlieb fingen !
Boraïde.
D Gonſalvo !
Muſeïrah .
Bon der tönenden Sebne fliege der Giftpfeil !
( Die Berbern legen an . )
Boraïde (außer fich ).
Habt Erbarmen !
188

Muſeïrah
(nachbein er den Seinen einen leichten Wint gab).
Wilft Du ihn erretten ?
Boraïde (nach beftigem Sampfe).
Ja !
Muſeïrah.
Du kennſt den Preis !
Boraïde (entſdiloſſen ).
3 fenn ihn.
Gonſalvo.
Gott !
Bewahre nicht auf Tafeln des Gerichtes ,
Was Wahnſinn fchwöret in Verzweiflungsnacht.
Du gabeft zu , daß Schmerzen mich erfüllen ,
Die ſtärker glühen , als bad Höllenfeuer :
(Mit vollem Ausbruch der Verzweiflung .)
Warum verbrennen ſie die Bande nicht ?!
Muſeïrah (zu den Seinen ).
Sifid Didhamekian ! * )
Chor der Fedaviés .
Oroßer Aftandar !
Muſeïrah.
Reißet die nächtliden Binden vom Dhr ,
Während id Worte der Weibe verſende.
Än der Erkenntniß goldenem Thor
Laſſet erglänzen die heiligen Brände ;
Stredt dann die leuchtenden Glorien bände**)
Zu dem verſchleierten Himmel empor !
*) Beiname der Anhänger des Verſchleierten , bedeutet : Weißgefleitete.
Glorienhände, im Weſten von Afrika beimiſch , waren Kerzen, aus dem
Fette tobter Miſſethäter gegoſſen, deren ſich die Beni Aiſa's zu ihren Bes
ſchwörungen bedienten.
189

(Die Berbern ziehen gelbe Kerzen aus ihren Gürteln und halten felbige, um
Muſeïrah gruppirt, knieend an feinen Schleier .)
Chor der Fedaviés (mit dumpfer Stimme).
Elleila hubla fema tedra
bima telid ! * )
(Grüne Flammen fdlagen aus den Kerzen , die während des Schwures empor
gehalten werden .)
Muſeirah .
Nun ! ſo werden wir das Ziel erreichen ,
Eh' die Nacht die Aufbruchstrommel rührt
Und der Tag, geſchwäßigem Pöbel gleich,
In den Rathſaal der Geftirne bringt ;
Bis fie zornvoll auseinandergeben ,
Bis die ſtolze Königin des Feuers **)
Wie der Bannerfürft des Geifterbeeres
Auf erſtürmter Himmeldzinne ſteht.
(3u Boraïde.)
Sprich , o Braut ! den Sdwur der großen Weibe ,
Der die Retten Deines Buhlen löft.
Gonſalvo.
Admächtiger Gott !
Muſeïrah ( einfallend ),
Beim heil'gen Alkoran !
Boraïde ( wantent).
Beim Koran
Muſeïrah.
Bei der heiligen Medina !
Boraide .
Bei Medina

*) Beſtiwörungsformel: Die Nacht iſt ftiwanger, und du weißt nicht , was


ſie gebieret.
**) Die Sonne.
190

Muſeïrah.
Unb fo wabr Du betenb
Nach der Raaba Deinen Körper wendeft!
Boražde.
Und ſo wahr id betend nach der Raaba
Meinen Körper wende.
Muſeirah .
Swörft Du
Boraide.
Schwör' ich
Muſeïrah.
Meine Braut zu ſein jenſeits des Grabes !
Boraide.
Deine Braut zu ſein jenſeits des Grabes !
(Die lichter erlöſchen .)
Muſerrah .
Wohll in Freiheit mag er wallen ,
Und der Prachtdom Euer$ Glückes
Steige über Revans *) Burg.
Gonſalvo.
Entfeßlich !
Muſeïrah.
Nabet mir , Fedavies !
(Er tritt ganz vor ; von den Berbern umgeben , init leiſer Stimme:)
Zu dem Rampfe wird Almanſor zieh'n ,
Fener foll nicht fedten gegen ihn.
Wenn ſie mir zum Eide reicht die Band ,
Löſet 3hr des Chriſten ſtarkes Band ;
Doch bewacht ihn ftrenge, bis der Tag
Glanzvod trat aus Dſtens Flammentboren ,
Bis die Sonne bod die Fahne ſchwingt
*) Revan , der große Hüter, Beiname des Saturnus.
191

Und in's tieffte Chal ihr Glutpfeil bringt.


Leben nur hab' ich ihm zugeſchworen ,
Molathemoun bălt , was er verſpracy ;
Doch vor dem berhaften Chriftenheere
Willi is morben ſeines Feldherrn Ebre ;
Herber als der Tod iſt ihm die Schmad ,
und mein Zorn folgt unſichtbar ihm nac.
Mag dann die Betrogene erfennen ,
Was wir Glü d auf dieſer Erbe nennen !
(Ade treten zurück.)
Muſeirah
(unfern vom Grabe ſtehent , zu Boraïde, während die Berbern den Gon
ſalvo umgeben ).
Reiche mir die Hand zum fünft'gen Bunde !
Boraïde ( betend, teiſe).
Du ! dem ſchweigend ich vertraue,
Steh' mir bei in Todesnoth !
Muſcïrah (mit tieftonnernder Stimme).
Reiche mir die Hand zum fünft'gen Bunde !
Gonſalvo.
Salt' ein , Geliebte !
Boraïde.
Nimm fie hin !!
(Die Berbern löſen Gonſalvo's Bande und ſchleppen ihn fort zur Seite.
Boraïde , die dem Muſeïrah die Hand gereicht hat , ſtürzt mit
einem Schrei des Entrepens ohnmächtig nieder.)
Muſeïrah (dem Gonſalvo nadsrufend).
Du biſt frei !
Gonſalvo (während die Berbern mit ihm abgehen).
Web ' uns !
192

Muſeïrah (feſt die Hand Boraïdens haltend).


Du mein auf ewig !
(Ein dunkelgrüner Shein erhelt unter einem heftigen Donnerſdlag den Thränen
wald , und die Leidenſteine und Säulen (deinen zu tvanken . )
(Die Verwandlung fädt raich vor. )

Fünfte Scene.
Santa Fé .
Vorzelt bes Gonſalvo von Kordova. Morgen. Nach ter Verwanda
lung erfallen einige weitentfernte Tromperenſtöße. Nach einer Pauſe tritt
fara ein , von der Seite redyt8 tommend.
Sara .
Lang find die Nächte, die der Schlummer flieht.
Ich wollte mein ermattet Auge ſchließen ,
Um in der Träume feligem Gebiet
Das Bild der naben Freiheit zu begrüßen ;
Wann wird mein Aug die langerſehnte ſchauen
D Himmel , ſende fie! nur ihre Band
Kann Duldern jene Wunderbrücke bauen ,
Die über Wolfen führt in's Heimatland .
Mit voller Bruſt und liebendem Vertrauen
Hatt' ich zum edlen Freunde mich gewandt ,
Und fühlte mich nicht einſam auf der Erde,
Seit er, der Heißgeliebte , wiederkehrte.
Im Freudentaumel batt' ich nicht erwogen ,
Was die geheime Macht mich fürchten ließ ,
Die unſerm þauſe ſeinen Glanz entzogen ,
Die Lara's Kinder in's Verderben ftieß.
Am foredlichſten hat ſie an mir gehandelt ,
Da Freundes Arm den Dold auf mich gezüdt;
In Leichenalde ward mein Herz verwandelt ,
193

Die Bruſt ſein Grabſtein , mit dem Kreuz geſchmüct!


3u ſolchen Jammers Höhe mußt' ich ſteigen ,
Mein ödes Leben klar zu überſchau'n ;
Hier kann nicht fremde Hülfe mid erreichen ,
Doch der Gebanfe ſtärket mein Vertrau'n ,
Nicht vor dem Freund darf ich mittheilend ſtehen ,
Es laftet Flud auf der Entdedung Bort ;
Und wie die Grabeslampe , ungeſehen ,
Brennt mein Geheimniß in dem Innern fort.
Bald wird die falten Trümmer es verzehren ,
Der Himmel mir den ſchönen Tob gewähren .

Sechste Scene.
Der Vorige. Cortez eilt herein.
Cortez
Lara , eile zu dem Feldherrn !
fara
(emporblidend und das Tageslicht wie mit geblendetein Auge anſtarrend ).
Gott !
Cortez.
Der Feind ritt ein burd's Thor von Santa Fé.
Es harren unſ're Könige des Streites ;
Das ganze Chriſtenbeer fteht unter Waffen.
Des Maurenlagers Wälle find bedeckt
Mit Kriegern , die herab zur Vega ( chauen.
Granada's Zinnen prangen tauſendfarbig ,
Es ift, als fteh' die Stadt auf ihren Thürmen.
Almanſor ſchwingt die reichverzierte Lanze
Und ruft vou Rampfruft den berühmten Feind ,
Der zögert an dem Tage reines Ruhms.
( Dringend .)
Wo ift Gonſalvo ? ruf ihn Tonell herbei,
Auffenberg's rämmti. Werle XI. 13
194

Reich ihm die Rüſtung und den Phönirſchilt ,


Den Wahlſpruch d’rauf * ) : bewähre die Tizona.
fara .
Der Tag brach an , der unglüdſeligfte ,
Der jemals über dieſe Berge ſtieg.
Cortez (ftaunent).
Was iſt Dir ? Schnell erwede Deinen Freund ,
Schon dreimal rief Almanſor feinen Namen .
Als ich hierhergeeilt , vernahm ich Stimmen ,
Die ſchmähend fich erhoben gegen ihn.
Der ebelfte der Spanier beſchimpft ,
Der Feldberr , welchem Cortez folgt , bes
ſchimpft!
Bei jedem Wort war mir's , als flamm' die ganze
Eftremadura ** ) mir im Herzen auf.
Lara .
Gonſalvo ! armer Freund !
Cortez.
So will ich ſelbſt -

Lara (ihn zurückhaltend) .


Halt ein !
Cortez.
Du nennſt Gonſalvo Deinen Freund ,
Und bebeſt nidt für den bedrohten Ruhm
Des Mannes , der das beilge Sdwert ergriffen ?
(Sdneidend. )
So falt , bei folchem Anlaß, kann fürwahr
Sich nur der ruhige Caſtilier zeigen.
Lara.
Fernando !
) Sondergleichen .
***) Dieſe Proving heißt : Die Brennente.
195

Cortez .
Wähnft Du , es ſei unbemerkt
Geblieben , welch' ein Sqauer ihn ergriff.,
Als vor dem Hofe jener Maurenherold
Almanſors *) kriegeriſchen Namen rief ?
von Cueva
Bei unſ'rer lieben Frau (Machtvoll. Santa !
)
34 will erweden diefen füb nen Mann.
Der feinen ſchönſten Tag - verídlafen fann !
Lara
( ſtellt ſich , mit der Hand am Schwertgriff, an den Eingang zum Innern des
Zeltes recht8 , mit dem Rufe :)
Hinweg !
Siebente Scene.
Tronpetenſtöße.
Die Vorigen . Cellez ſürgt herein.
Cellez.
Wo iſt Gonſalvo ? Äuf der Bega
Liegt Spaniens Rubm . Geordnet fteht das Heer .
Das Aug' der Königin blickt unmuthsvoll ,
Und Don Fernando's gold'ne Sporen klirren **).
Gonſalvo ftellte ſich dem Mohren nicht ,
Ein Meer von Blut wäſcht folchen Schimpf nicht ab.
Granada's Stämme fchwingen hoch die Fahnen
Auf Thor und Thurm , und ihr Triumphlied ſalt ,
Die Chriften föhnend , über'm Lambrawald .
Cortez (zu Lara ).
Durchſchauen will ich , was Dein Wund verhehlt,
*) Almanſor heißt : Der Siegreidie.
**) Der König verrieth oft unwillkürlich ſeinen Grimm durd ein heftiges
Anetnander ?dlagen der Füße.
13 *
196

Und ftänden alle Felſen Altcaftilla's


Vor dieſem Zelt - Der Cortez dringt hinein !
Fara ( ſtart).
Wer waget es zu zweifeln an Gonſalvo ?
Ich ruf ihn und er ftellet fich zum Kampf.
Verfündet das bem ftolzen Mohrenfürften.
Cortez.
So eile , furchtbar drängt die Zeit.
Cellez ( ſtreng ).
Mein Sohn !
Was iſt es , das dem Meiſter Du verſchweigft
Sara .
3d ruf ihn , Meiſter ! das ſei Euc genug.
Beſchwichtigt Ihr den Zweifel, der entglommen ,
Der Phönir ſpannt die Scwingen aus zum Flug' ;
Erwartet ihn , denn ſicher wird er kommen ,
30 ſchwör's , beim Kreuz ! das ich auf midge
nommen !
( Er geht ab in's Innere des Zeltes . )
(Cortez und Tellez eilen durchdie Mitte ab.)

Achte Scene.
Der große Rampfplaß zu Santa Fé , mit den koloſſalen Bildern des Cid Cam.
peadors und des Martin Pelaez geziert. Ausſicht auf Granata und das
afritaniſde Lager. Fernando und 3ſabella auf Thronen, rechte
und lints von Granden umgeben. Alle in prachtvollen Rüſtungen. Ein
Theil des chriſtlichenHeeres als Zuſchauer. Nach der Verwandlung ertönen
Trompetenſtöße. Almanſor mitten auf dem Rampfplaße zu Pferde,
den Dívirid dwingend.
Almanſor .
Don Gonſalvo von Rorbova !
Kämpfer aus dem Chriftenbeere ,
Dem bas günftige Geſchid
197

Einen Amirøftab * ) verlieh'n ,


Romm ! Almanſor barret Dein.
Ihm geborden tapf're Schaaren
Bei Daïrat ** ) wildem Pon ,
Und das Haus der Alhamaren
Nennt ihn ſeinen würd'gen Sohn.
Nach dem Erſten der Gebete
Ritt er aus der Baterftabt,
Auf Al Harath Morabethoun ,
Durd bie Pforte von Moſaita.
Längſt ſchon ward Aurora's Blut
Von dein Sonnenſchwert vergoffen.
Atle Sternengeifter haben
Die agathenen Rorallen
Im Gebete abgerollit.
Bor Al Mübrab +) flob ber Mond
Mit gekrümmtem Rüden bin.
Ein geſtürzter Großvezier
Nach dem Zwiſchenreich der Nacht,
Bebend vor dem neuen König.
Fürchteft Du den Maurenfämpfer
Beil Du zögerft, Don Gonſalvo ?
Höre , wie Almanſors Streithengt
Mit der Drgel Donnertönen
Freudig grüßt den Ehrentag.
Aufgeriffen ſind die Lefzen ,
Denn ſein Zahn erfaßt die Feinde ,
Und im Soladytroß Mujaraques ++ )
Wallte nicht ein ält'res Blut.
*) Feldherrnſtab. +) Die Sonne.
m) Trommel tt) Ein berühmter Mohrenritter.
198

Muthig iſt er , feuervou !


Wie Orlandos Brillador.
Don Gonſalvo ! Don Gonſalvo !
Wiaft Du nicht ben Rittern gleichen ,
Deren Namen ich genannt ?
Aus den Reiben der Naffaras
Bout' id mir den Beften wählen ,
Deffen früh're Heldenthaten
Wie die Krone der Plejaden
An dem Ehrenhimmel fteh'n .
Darum hab' ich Dich erſeh'n ,
Tritt hervor, o Chriſtenbeld !
Wie die Sonn' aus ihrem Zelt.
Sekt , wo Dich der Gegner ſucht,
Wird zum Gift des Schlafes Frucht.
Bei des Fürftenreihers Schein ,
Harrt der Mobrenritter Dein
In den Farben feiner Dame ,
Und Granada ! - ift ihr Name.
Jſabella.
Bereitet iſt das Feld. Die Rampfeszeichen
Ertönten nad las Pajas *) alter Sagung ,
Und nod erblicken wir Gonſalvo nicht,
Der fonft, der Erfte fteto an ſolchen Tagen ,
Vor'm Angeſichte ſeiner Herrſcher ftand.
Es böhnet ihn der Feind , den er betrog ,
Wer aber fann dem Stolzen widerſprechen ?
Fernando .
Wenn er beim legten Zeichen nicht erſcheint ,
Werb' ich dem Tage fluchen , da ich ihm
*) Die ſpaniſchen Turniergerepes
199

Das ſchönſte Krongut Arragoniens reichte.


Verſteinert war er, wie von Tintos Fluth ,
Als man den Namen dieſes Fürften nannte ,
Der nun vou Ingrimm beide Augen ſchließt,
Dem Kampfſtier gleich vor ſeinem leßten Stof.
Wo iſt der Held , von dem man ſpricht in Spanien :
Er wäre Mann's genug , den Teufel felbſt
An ſeinen Roſenkranz zu binden ! Bo ?
Den Mohren ſehen wir von Blut und Feuer ;
Der andaluſiſche Sangerro *) - fehlt !
Und Rieſen , welche Rön'ge überragen ,
Verdammt das neidiſche Geſchick zum knieen !
Hält Krankheit ihn in ſeinem Zelt gefeſſelt ?
3hr faht ihn , Cortez, ſprecht! faft wünſch' id es ;
Denn unſer ! Feldherrn Ehre iſt verloren ,
Wenn er aus andern Gründen zögern kann.
Cortez.
Ich fab Gonſalvo nicht, und in das fun're
Des Zeltes wehrte Lara mir den Eintritt.
Doch für deo Freundes Ankunft bürgt er uns ,
Mit Ritterſdwur bei Calatrava's Namen.
( Trompetenſtöße.)
Almanſor
( reitet zu den Monarchen vor und ſentt reine lange; zu Fernando ).
Ernſter Melet der Nusrani's ! ** )
( 3u 3ſabella .)
Sonnengleiche Königin !
Gemme auf der Hobeit Goldthron !
leuchtend, wie die Duri Schayyab ***) ,
*) Sangerro , ein Beiname Gonſalvo's , von dem man ſprach : er laſte ben
Mohren zur Ader.
**) Nusrani : Chriſt.
***) Die größte Königsperle.
200

In dem Band der Geifterfürften ,


Edelftein im Schacht der Größe,
Selbft vom Feind verehrte Lent'rin
Auf der Herrſchaft Glorienwagen.
Nehmet hin Almanſors Dank !
Daß , nad ritterlicher Sitte ,
3hr den Kampfplaß ihm bereitet,
In dem Kaum von Santa Fé ,
Unter'm Auge beider Völker
Bout' ich ziehen die Alfanga,
Und ben Fürſten - Didirib dwingen ,
Den Granada's Farbe ziert.
Seht den königlichen Schleier,
Reich beperit bom Thau der Morgens;
Weffen Arm reißt ihn berab ?
Weffen Schwert durchbohrt die Carfa ,
D'rauf das Schiff den Sturm befämpft ?
(Er reitet in die Mitte. )
In dem Zelte ſchläft mein Feind ;
Doch der königliche Bruder
Steht auf dem Romarentburme
Von der Ritterſchaar umgeben ;
Abgetheilt nach ihren Stämmen ,
Mit den Zeichen ihrer Damen ,
Die , vom ſchimmernden Balkon ,
Nieder auf die Vega (dauen.
Nicht beſprißt mit Feindesblut
Rann Almanſor wiederkehren ;
Bor dem Klange ſeines Namens
Bebt Gonſalvo von Kordova.
In dem Angeſicht des Heeres ,
201

Inter'm Aug' der Glorienſtadt* )


Werf id Somad auf ſeinen Namen ,
Schwarze Somach von dieſer Stunde an
Bis zum Tage der Verſammlung **).
(Große Bewegung.)
Und fein Einſpruch ziemt den Rittern ,
Weil er mir den Kampf verweigert ,
Den nad Rriegdrecht id begehre.
Don Gonſalvo von Sorbova !
Wenn Du ferner greifft die Lanze ,
Soll ihr Schaft in Staub fich wandeln ,
Denn beſchimpft ſei Deine Fauft !
In der Scheide möge Dir
Selbft Toledo's Klinge ***) ſchmelzen
Und das Zeiden Deines Sdildes
Sei vom Nadtthau Dir verwiſcht,
Weil Du mir den Kampf verweigerſt,
Den nach Kriegsrecht ich begehrt.
Wenn Du ſteigen willft auf's Shlachtroß,
Sei Dein Bügel Spinngewebe ;
Und es weig're rich der Renner
Did zu tragen und die Somach .
Nie ſouft Du mit Deiner Wange
Eines Manne$ Bart berühren .
Gaftredt - heilig allen Völfera -

Und dem Mauren dreimal beilig ,


Werde Sünde , wenn Du's forbert
Und ein Ritter Dir's gewährt.
Reißet Sturm Dir aus die Haare ;
*) Beiname Granada's.
Beiname des Gerichtstages .
Die Schwerttlingen Toledo's waren die beſten in Spanien .
202

Geißelt Hagelſchlag Dein Antliß ;


Bühlt der Hunger Dir im Funern ,
Glüht der Durft auf Deiner Zunge ,
Solift Du keine Pforte finden ,
Die fich öffnet Deiner Somad ,
Weil Du mir den Kampf verweigerſt ,
Den nach Kriegsrecht ich begehrt.
Sei verflucht von Freund und Feind !
Wilft Du ruh'n im Arm der Schönen ,
Flieben ſie vor Deinem Schimpf.
Wer Dich liebet , wird entehrt ;
Wer Dich baßt , erfüllt die Pflidt.
Reinen Sohn follft Du erzeugen ,
Denn er müßte ehrlos leben ,
Und kein Erbtheil wird er finden ,
Als des Vaters blutige Schmach.
Dieſes ſprech' ich auf der Vega ,
In dem Raum von Santa Fé .
Unter'm Auge meiner Dame ,
Hod zu Roß in ihrer Farbe
Und mit eingelegter Lange ;
Weil Du mir den Rampf verweigerſt,
Den nach Kriegsrecht ich begehrt.
(Wilde Bewegung.)
Celle3 (sornvon vorſtürzend).
Verflumme, ftolzer Feind ! Was auch den Feldherrn
Bewog , den Rampf Dir jeßo zu verweigern ,
Der Meiſter Calatrava’s nimmt ihn auf,
So wahr noch der Polarſtern von Espona * )
Hoch über ihren beil'gen Bergen føwebt,
*) Beiname der Himmelskönigin ,
203

Du ſouft nicht fruchtlos höhnen einen Mann ,


Dem Reiner gleicht an Glanz und Thatenruhm.
Was ihn zurüchält , wird ſich offenbaren ,
Und rein der Reine vor den Brüdern fteh'n .
Doch bis er abgewälzet den Verdacht,
Wird Calatrava's Führer Did bekämpfen .
(An den Schild ( dlagend.)
Derſelbe , der die Mauren hat getrieben
Vom Fichtenborn bis zu dem Feld der Sonne ,
Der Eure leuchtende Nevada frönt.
Das Schlachtroß vor ! Eröffnet mir die Schranken !
(Er wil zurüdtreten , da ruft)
Cortez (freudig , während Ade zur Seite blicken :)
Gelobt ſei Gott! Gonſalvo ſprengt heran !
Das iſt der braune Rampfhengft Rapidár ,
Bom Stamm der landberühmten Aquilina ,
Die von der Himmelsluft befruchtet ward .
Auf ihm ſeh' ich den ſchweren Mohrenhammer *),
Und jener Feuerſtrahl, der ihn umfunkelt,
3ft die Eizona del Campeadors.
30 feb' den morgenbetlen Phönirſchild ,
Wie eines Adlers fturmburdbrauſ'ter Fittig
Schwingt fich der Helmbuſch in die Luft empor.
Durchglüht vom Flammenblic ſcheint das Viſir;
Der Maure findet, was er ſich erſehnt';
3u frühe warb der Mächtige verhöhnt!
Almanſor .
Nicht zu ſpät für meinen Grimm
Rüdt ber ftolze Feind heran.
Laßt die Soladttrommeten tönen
Und eröffnet ihm die Bahn !
*) So wurden in jener Zeit mehrere der tapferſten Spanier genannt.
204

( Lara ſprengt heftig herbei in Gonſaldo's Nüfung mit herabgelaſſenem Viſir.)


Iſabella .
Nun , Feldherr ! reinigt Euch vom berben Sdimpf ,
Den auf den Zögernden Almanſor warf.
(Unter Trompetenton beginnt ein wüthender Kampf zwiſchen Lara und Al
manſor ; zuerſt mit den langen, dann mit den Søwertern. Lara
wird verwundet und durch einen furchtbaren Anſturm Almanſors vom
Pferde gefchleudert. Er erhebt ſich wieder , und wie Almanſor dieſes
erblidt, ſpringt er herab und ſtellt ſich dem Lara zum Fußlampf, der mit
neuer Wuth beginnt.)
Fernando ( feierlid ).
Sanct Jago wache ob Hiſpania's Ehre !
( Almanſor fällt.)
(Kriegeriſdie Inſtrumente fallen jubelnd ein.)
grabella .
Der Gottheit Dank ! Gonſalvo hat geſiegt !!
(Die Monarchen treten vor. Biere Ritter ſind um den ſterbenden Alman
ſor gruppirt.)
Jſabella (su fara ).
Hebt das Viſir ! Der Feind — in Todesgrauen
Soll den Verſöhnungsblid des Siegers ſchauen.
( Lara zudt heftig und eilt vor , auf das blutige Sawertgeſtüßt.)
Almanſor
(wurde weiter vorgetragen , ſo daß er ſpäter in der Mitte der Bühne liegt).
Ritter ! eh' mein Auge bricht,
Laßt mich noch - Granada feben !
grabella .
Erfüüt bie legte Bitte dieſes Helden.
Er ſcheide unter'm Fahnenſdatten bin.
Almanſor (die Bride nach Granada gewandt).
In der vollen Männerwehre ,
Wie der Maure ſterben ron ,
Sieb mid bier, für deine Ebre!
Stabt der Ähnen ! - lebe wohl !!
(Er ſtirbt und wird ſanft niedergelegt).
205

Iſabella .
Gonſalvol reicht ihm noch bie tapf're Rechte.
Der Tod verſöhnt, und ebel ift der Feind,
Der hier im ritterlichen Rampf gefallen.
Fara (mit wantender Stimme , leiſe :)
Ein Wort nur , meine Königin !
Jſabella .
Was hör' ich ?
Das ift Gonſalvo's Stimme nicht!
Lara (ganz vortretend ) .
Bei allem ,
Was wir als heilig ſchäßen , böret mich !
3ſabella (zu ihm eilend).
Wer ſeid Ihr ?
( fara hebt , nur von der Königin geſehen, das Wifir auf.)
grabella .
Lara ! Und - Wo ift Gonſalvo ?
Lara .
Wollt ihr mir dankbar ſein für einen Sieg ,
Den hier mit Blutesſtrömen ich erfauft ,
ſo verſchweiget, was 3hr jeßt erblidt,
Und raubt nicht Eure Huld dem Waffenbruber ,
Für ben id fechtend in die Schranken trat.
grabella (ftrenge ).
Wo iſt Gonſalvo ?
Lara.
Itebet Gnad' an ihm !
Gebenfet feiner frühern großen Thaten.
Bom Ehrenplaß , dem heut' er war beſtimmt,
Zog ihn hinweg der Ruf der reinften Liebe ;
Und jener Todte bort im Fahnenſchatten ,
Er ift -- der - Bruder ſeiner Auserwählten.
206

Iſabella.
Daher ſein Grau'n vor dem beſtimmten Kampf!
So konnt' er ſich an unſerm Gott verfünd'gen?
Lara.
Zum Chriſtenthum will er die Holde führen ,
Und lara opfert ihm ſein des auf.
(Die Hände ringend:)
Das Blut, bas jeßo meiner Bruſt entſtrömt,
Beneßt zur Taufe Zoraïdens Stirne.
Der wahren Gottheit hab' ich ſie gewonnen ,
Geführt in Freundes Arm ! — 3 ſterbe gern.
Uebt Gnade, hochverehrte Königin !
Genug des Jammers finket auf den Freund ,
Wenn er zurückkehrt zu — Almanſors Leice !
Entzieht ihm nicht die Stüße ſeines Ruhmo !
Die, wenn ihr ſchweiget - fara bat bewahrt.
3ſabella.
Nicht minder glüdlich war Gonſalvo heut,
Wenn auch ſo ſchuldlos nicht, wie Don Fernando
Bon Antolini , deſſen ſchwere Rüſtung
Ein Engel in der Schlacht von Gormaz trug ,
An ſeiner Statt die Feinde niederſchmetternd * ).
Schließt das Viſir und folgt mir in mein Zelt!
( Sie wenden ſich ; laut :)
Nun dankt dem Himmel für Gonſalvo's Sieg
Im Gotteshaus der naben Glaubensſtadt.
Dann laßt benutzen uns den Scred der Feinde.
Sie eben ihres Führers ſich beraubt ;
Gelingen wird der Sturm auf jenes lager ,
Das drobend noch vor unfern Bliden fteht,
Ob auch die Feuerſchlünde längſt verſtummten ;
*) Rogatis erzählt im 3. Theile ſeines wiedereroberten Spanien ausführlich
dieſe Begebenheit, die noch ießt in Spanien für ein großes Wunder gilt.
207

Wir werfen ſie zurück in ihre Stadt ,


Die Folgen jener unglüdſel'gen Nacht
Durch neue , ſchön're Siege zu entkräften.
( Schall von Poſaunen und gedämpften Trommeln aus der Entfernung .)
Fernando .
Die Toten wädter von Granada naben .
Indeß fie beten bei der Führers Leidhe,
Laßt uns erwägen , wie mit voller Kraft
Wir 3ſabella's großes Wort erfüllen.
( Kriegeriſthe Muſik. )
(alle gehen zur Seite rechts ab. Wie der Marſch der Chriſten verhalt, nähert
ſich jener der Todtenwächter. Sie eridyeinen , von Abdal Abouna
geführt , eine Babre tragend , auf welcher ein großes blutrothes Tuch liegt.
Die Bahre iſt init rothen Fahnen geziert, auf welchen die Zeichen Granada's
in Gold geſtidt ſind. lanzen , Schwerter, Schilter u . bilden ihre übrigen
Trophäen . Sie wird neben der Leidie niedergeſeßt. Unter klagenden Flö
tentönen und dem Schaule der Trommel ſpridit )
Abdal Abonna .
Fürchtet Den ; dem wir uns weihten ,
Afraël iſt er genannt.
Seinen Namen zu verbreiten ,
Hat der Herr uns ausgeſandt;
Und die Todtenwächter ſchreiten
Friedlich durch das off'ne Land.
Leben ! wer heilt deine Wunden ?
Welt ! wer tilget deine Mängel ?
Er , dem wir uns feſt verbunden ,
Aſraël, der Todesengel.
Chor.
Aſraël, der Todedengel.
Abonna.
Von den irdiſchen Geſchenken *)
*) Die Güter ter rde.
208

Reißt er die Befißer los ;


Menſ ! was fannſt du ſterbend benken :
Id bin elend ! Gott ift groß !!
Chor.
Alhamdlellah Rabb' Allémin ! * )
Abouna.
Er durchſchaut bas Weltgetümmel
Und ſein Hauch weht überall,
löfot den Stern am hohen Himmel ,
Wedt das Veilchen in dem Thal.
Zweifelft du am ew'gen Lenze ,
Am gehofften Freudenlicht,
Beil im Laub der Todtenkränze
Hier fich noch ſein Schimmer bricht ! ?
Deinen Lohn wirſt du gewinnen ,
Haft bu Glaubensfaat gepflegt;
Wenn dereinft auf Samas Zinnen **)
Afraël die Heerpaut dlägt.
Sterne wird ihr Ton zerſplittern ,
Während feſt der Gute fteht;
Nichts vermag ihn zu erſchüttern ,
Denn ihn liebet der Prophet.
Chor.
La Allah illah Allah ! Mohammed
Rasoul Allah ***).
Abouna .
Aus dem Thore von Moraifa
Zog der tapf're Maurenritter
Mit der Imams heiligem Segen
* ) Geprieſen ſei der Herr !
**) Auf den Himmel8zinnen .
***) Gott iſt Gott , und Mohammed iſt ſein Prophet.
209

Zu dem Rampf auf Gottes Wegen.


Von den Höben ſeiner Burg
Schaut der König ernſten Blics
Auf das ſchimmernde Gefilde;
Einem fanzenwalbe gleicht es ,
D'rin S dlachtlöw en ſich ergeh'n.
Auch Granada's alte Stämme
Rollen auf die boben Banner
Mit den angeerbten Zeichen ;
Alſo ſteh'n fie regungslos ,
Quaderſtein an Quaderftein *).
Eine Mauer auf den Thürmen ,
Auf Granada's tauſend Thürmen.
Wir ſteh'n unter'm bunfein Thore,
Bliden ſchweigend nach der Vega ,
Welche gräberreich geworden ,
**
Wie der Fels von Olerdola **).
Augen ! in dem Dienft der Herzen ,
Schämet euch der Thränen nie !
Denn die Menſchen gleichen Kerzen ,
einend leben - fterben fie.
An dem Silberſchwert der Wimpern
Perlet unſ'rer Ahnung Zähre ;
Plöblic ſchallt Poſaunenton
Aus dem Mund des Todedengele
In die Ohren der Geweihten ,
Und wir wandeln nach der Vega,
*) Die Mauren brauchen oft dieſes Bild , die Tapferkeit einer Berapung 31
ſchildern .
**) Olertóla , cine alte römiſche Stadt , bei deren Ruinen man ten Toges
nannten Leidhenfels ſieht.
Auffenberg's fän:mtl. Werke XI. 14
210

Die trok Winterſturm und Froſthauch


Sich mit blut'gen Nelfen ſchmückte;
Eid Almanſor Garnathani )
Schritt hinab durch's ſchwarze Thor ;
Uin die heilge Salamani ** )
Mindet ſich der Trauerflor,
Und wir kommen , ihn zu tragen
In das Haus , das ihn gebar ;
Dem er in beglüdten Tagen
Eine ſelt'ne Zierbe war.
Chor.
Webe mir , Almanfor !
Abouna .
Um ben beften beiner Brüber
Traure, Iſmaels Geldlecht!
Um der Freiheit ftarken Hüter ,
Um den Leitſtern im Gefect.
Angewebt vom eilgen Hauche,
Starb er treue bem Gebot ;
Seine Baterftadt im Auge
Und im Herzen ſeinen Gott.
Selig Der, ſo gleichen Muthes
Vor Al Adels Klinge *** ) tritt;
In dem Buch der Engel rubt es ,
Was ſein Herz auf Erden litt.
Hin , zu unſerm Gott , dem Großen ,
Dem Gerechten eilet er ;
*) Cið heißt eigentlich : hoher Herr. Garnathani für Granadenſer , denx
Garnatha iſt Granada's arabiſcher Name.
**) Salamani , die Doppelflöte der Derwilde und Falire.
*** ) Vor das Schwert des Sohidrals.
211

Ewig jung, wie Yuſſuff's Rofen *), porta


Wie die Mondnacht ſtill und bebr. 493 sunt
(Almanſors Leiche wird auf die Bahre gehoben .)
Abouna.
Wenn ich über ihn mich neige ,
Dünft mich alles Große klein .
3a , bei einer ſolchen Leiches
Sdrumpfen - Königsbilder ein.
Chor.id
Webe mir, Almanſor !
Abouna.
Stets bat fich auf unſern Fluren
Noch erprobt ſein Heldenmuth ;
Darum trägt dies Schwert die Spuren
Von des ftolzen Gegners Blut.
Nicht mit ſeinen Thaten prahlend,
Schritt er auf der Ehrenbahn,
Und ſein Angeſicht war ſtrahlend, ndochine
Wie ber Mond von Kanaan **).
Seine Bruſt, der Wahrheit Tempel ,
Von der Tugend eingeweiht, K
Seine Hand des Rechtes Stempel , 2002
Gotteshuld fein Ehrenkleid. The
Nur vor ihm kannt er die Beugung , yad er
lind ſein Herz war Segensborn ;
Eine Wolte ***) in der Neigung , od tegus os !
Eine lö win in dem Zorn.tel gostalo 99
Dort, wo er ſich hingewendet, atybildeshti
fasi
* ) Beiname des Amaranths.
**) Beiname des ägyptiſchen Joſephs.
*** ) Das orientaliſche Bild der Freigebigkeit.
14 *
212

Stirbt der Ruf zur Wiederkehr ;


Und der Strom der Zeiten ſpendet
Reine ſolche Perle mebr.
Chor.
Wehe mir , Almanfor !
Abouna.
Müb' deg irdiſchen Getümmels,
3ft zum Frieden er entfloh'n ,
Und der Padiſchah des Himmels * )
Grüßet feinen ſtarten Sohn.
Wenn dann in Edherias **) Tagen
Sich verjünget die Natur ,
Werden Nadtigallen fragen
Nach der Zierde unſ'rer Flur.
Antwort giebt die Grabesroſe ,
Die entwachſen feinem Blut :
„Singe leiſ', weil hier der große
Heldenſohn Alhambra's ruht. "
Chor.
Wehe mir , Almanſor !
Abouna .
3ft's ein Schmerzhauch der Sumára ***) ,
Was die Grabesſäul umſdwebt,
Wenn die himmliſde 3ohabrah
Ihr bethränte$ Aug erhebt ?
Ac ! es weint bei einer Leide
Eine ſtrahlenvolle Braut,
Wie fein Sterblicher im Reiche
Dieſer Erde je geſchaut !
* ) Gott.
**) Im Mai. Dieſer Ausdrud iſt vom Himmeløjeidyen genommen .
***) Eine andere Art Flöte.
213

Sie war feines Daſeins Blüthe ,


3br galt ſeiner Treue Schwur ;
Denn dies tapf're Herz erglühte 2010
Für Granada's Ehre nur.
Chor. Der
Webe mir , Almanſor !
Abouna .
Sie , die ſchönſte aller Bräute ,
Stehet an Almanſors Grab' ;
Blicket ftumm , im Trauerkleide ,
Auf den Ruhenden herab.
Hör' des Troſtes milde Worte !
Hemme deiner Thränen Lauf !
Zu Al Jannath Sonnenpforte
Steigt dein großer Liebling auf.
Feft bleibt ihm die ſchmale Brüde ,
Wo nur der Verbrecher ſinkt;
Und ein beſſeres Geſchide
Hat ſchon freundlich ihm gewinkt. Dus
Chor.
Webe mir , Almanſor !
Abouna. 7 Os 130
In die Wohnung der Gerechten in dit 3
Zieht er ein im Engelsglanz,
Und die ew'gen Jungfrau'n flechten
Um ſein Haupt ben Lorbeerkranz ;
Dort darf er zu Wonnemahlen OSS Tits
Mit den Vätern fich ergeh’n, toid aðrigadifogonit
Wo in reinen Perlenſtrahlen
Darolmeva's Säulen fteh'n.
៥ ៦ae
,
Frei von allen Erdennöthen , ই ad ড়য় ! ge
214

Wird ihm , was der Gläubige fucht,


Und vom Baume des Propheten
Pflüdet er die gold'ne Frucht.
Was er hier in Träumen faute ,
Mit befangenem Gefühl,
Wird ihm flar beim Klang der Laute
Unter'm Thron von 3srafil.
Dann , geſtärkt durd Himmelsnahrung
Und umwogt vom Meer der Ruh' ,
Trägt der Geiſt der Offenbarung *)
Ihn dem Lichtaug' Allahs zu !
(Bei dieſer Strophe wirft ſid) der Chor zur Erde. )
Chor.
La Allah ! illa Allah ! Mohammed
Rasoul Allah !
Abouna (mit dumpfer Stimme und erhobener Hand).
Nun bedeđt ihn mit dem Tuche ,
Roth wie Blut , wer wie der Tod ;
und erhebt Euch zu dem Fluce ,
Defſen Kraft dem Mörder droht.
Weil er fiel im off'nen Kampfe ,
Bebt der Feind vor Strafe nicht ;
Doch bei ſeines Blutes Dampfe
Künd' ich , was - die Blutra d' ſpricht:
Chor
( in beſchwörender Stellung bei der nun verhüüten leide) .
Webe mir , Almanſor !
Abouna .
Racefauft! beginn dein Podhen ! **)
Gabriel.
Sie glauben, eine unſichtbare Hand ídlage an die Thüre Dellen, der ihre
Freunde mordete,
215

Von der Gruft zum Himmelsblau ;


EH' ſein Herzblut ward gerochen ,
Sinkt auf dieſen Drt fein Thau.
Mein Beſchüßer ging verloren ,
Der bie Glaubenspflicht geübt ;
Der , als Edelſter der Mohren ,
Die Tafiah *) ſtets geliebt.
Hör mic , Gott ! für deine Sache
Hat dies treue Sdwert geblikt ;
ü ebernimm die Blutesrache ,
Weil die Prieſter er geſchüßt.
Chor
(gewaltig mit erhobenen Händen und himmelmärts gerichtetem Antlit ).
Webe mir , Almanſor!
Abouna.
Was mein Mund von dir begehrte ,
Großer Allah! iſt gerecht;
Darum - Staub auf unſ're Bärte ! **)
Wenn ihn nidt bein Zornarm rächt.
Des Gefeße $ todte lettern
Sprechen zwar den Würger frei ;
Dod Dein Grimm fann ihn zerſchmettern ,
Ständ' aud eine Welt ihm bei.
( Die Bahre wird halb erhoben . )
(In dieſem Augenblicke erfdieint Gonſalvo von Kordova , atfemios
herbeieilend, er ſieht die Todtenwächter und ſteht, wie vom Donner gerührt,
dann wankt er während der nätiſten Rede langſam vor.)
Abouna ( madıtvoll).
Darum breimal Web '! dem Mörber ,
Deffen Stahl den Edlen traf !
*) Das Kloſter der Santons in Granada .
**) Wir wollen beſchimpft ſein .
216

Allah's feur’ge Racheſchwerter


Stören ihn im Todesſchlaf!
Einem unverſöhnten Grimme
Bleibe ftets ſein Haupt geweiht ;
Und Granada's Jammerſtimme
Folg' ihm in die Ewigkeit !!
Der ganze Chor
(unter Trommeln und Poſaunenídall ).
Rachefauſt! beginn' dein Pochen !
Von der Gruft zum Himmelsblau.
EH' ſein Herzblut ward gerochen ,
Sinft auf dieſen Ort fein Thau !
Gonſalvo (bebend ).
Bei wefſen leiche -- tönt - dies Schauerlied ?
(Abouna enthüat das Antliß des Todten langſam , während deſſen der
Chor mit donnernder Stimme ruft :)
Webe mir , Almanfor !
( Gonſalvo ſtürzt mit einem Sdirei des Entrepený zuſammen.)

( Ter Vorhang fällt raid).)


Sämmtliche Werke
Don

Jofeph Freiberr v . Muffenberg

in zwanzig Bänden.

Zwölfter Band .

Siegen und Wiesbaden.


Verlag der Friedrich'ich eu Berlag & buch h a nd I uug.
1845.
M I h am brd.
Epos in dramatiſcher Form

int

drei Theilen oder ſech 8 Bänden.


von

Joſeph Freiherr v. Auffenberg.

Dritter Theil
in vier Bänden ; 2. aud
oder
Alhambra IV. Band.

Siegen und Wiesbaden .


Berlag der Friedrich'i ch en verlag & b u ch handlu n g.
1845 .
Inhalt des Alhambra.

Erſter Theil oder erſter Band :


Boabdil in Kordova . Borſpiel in einem Aufzuge.
Abenhamet und Alfaïma. Trauerſpiel in vier Aufzügen.
Zweiter Theil oder zweiter Band :

Die Gründung von Santa Fé. Schauſpiel in fünf Auf


zügen.
Dritter Theil in vier Bänden :

Die Eroberung von Granada. Schauſpiel in ſechs


Aufzügen .
sinds just for you
Die

Groberung von Granada.


Schauſpiel in ſechs Aufzügen.

V on

Joſeph Freiherr v. Auffenberg.

Gehet hin in den Schatten , der von drei


Zweigen geworfen wird, und Eudy doch nicht
wird beſchatten tönnen, der Nichts Euch hel
fen wird gegen die lodernde Flamme.
Roran. Sura Elmursselath .

( Wierter Aufa u g.)


อาหาร การ กระ

น . 13
-( 1-5452 เวลา17.00
Die

Eroberung von Granada.


Schauſpiel in ſechs Aufzügen.

Xuffenberg's ſämmtl. Werte XII. 1


Pierter Aufzug.
Se i r 8 6 h r i ſt n a ch t.

Erſte Scene.
Santa Fé.
Vorhalle in der Kapelle der Königin, mit Coquilla *) geſchmüdt. In der Mitte
ein hoher und breiter gothiſcher Bogen , durch einen reichen himmelblauen
Vorhang gerdloſſen. Nach einer kleinenPauſe tritt König Fernando
mit Königin 3ſabella, Gonſalvo de Kordova, Tellez
und mehreren Anführern und Granden aus dem Innern der Kapelle, alle
feſtlich gefleitet .
Iſabella.
Und jeßt , da wir dem Himmel froh gedankt
Für einen Sieg , mit dem wir das Geburtsfeſt
Des großen Welterlöfers würdig feiern ,
Für den gelung’nen Sturm , der unſern Feind
Zurück in die bedrohte Stadt geworfen,
Laßt uns erwägen , was uns ferner frommt,
Und was die Zeit , die günſtige, gebietet.
Gonſalvo's Rath leſ' ich in ſeinen Bliden .
Todſuchend eilte er dem Heer voran
Und war der Erfte , ber Caftiliens Banner
In dem erftürmten Lager aufgepflanzt.
Gonſalvo.
Euch große Königin ! -- ift wohl bekannt,
*) Coquilla , das Gras , deſſen man ſich in Spanien bedient , um zu Weiſs
nachten die Kirchen angzuſchmüden .
1 *
4

Was Euer Feldherr in der Stunde fübite ,


Als Ihr , anrufend unſ're liebe Frau ,
Zum Sturme das erſehnte Zeichen gabt.
Ich ſteh' gereinigt nun vor meinen Herrſchern.
Dem Heere bab' ich offen dargethan ,
Daß dieſe Hand nie einen Kampf verweigert ,
Wenn -

grabella (einfallend).
Eure Feinde find beſchämt, Gonſalvo !
Und hättet 3hr den Mohren nicht getödtet ,
Doc fpräche für Euch dieſer neue Sieg ,
Den 3 hr zum Wohle Spaniens erfochten ,
Der uns vielleicht vergönnet, in Granada
Das Feſt der heiligen drei Könige
Zu feiern. Blutig ſinkt das alte Jahr,
Beladen mit hiſpaniſchen Trophäen ,
In's ſturmburchwühlte Meer der Zeit hinab.
Das neue wird ein großes Freudenfeft ;
Denn ſchon im Geiſte reb' ich's vor mir ſteh'n ,
Umſchimmert von der Krone Nataydens .
Die nächſte Schrift, die unſer Rath erläßt,
Sie ſoll von vierzehnbundert zweiundneunzig
Aus der eroberten Granada lauten ;
Dafür bürgt Arragona's Heldenkönig
(auf Gonſalvo bliđend)
Und dieſer Führer , den ich fechten fab ,
Dem ſtarken Herzog Albuquerque gleich,
Der an dem Ehrentage von Dimeba
Sich einzeln gegen vierzig Feinde ftellte
Und mit dem Donnerrufe : Sanct Georg !
Auf ihren wundenvollen Leichen ftand.
5

Die Mauren eilten in die Stadt zurück.


3hr befter Raïd ſtarb in Santa Fé,
Und wie ſein Aug’ verglühte , neigte ſich
Die Sonne der arabiſden Ralifen.
Der König Boabdil ift fower verwundet ;
Wer fremdes Blut vergießt , ertrinkt im eig'nen.
Von der Beſtürzung des verbaſten Volks
Zeugt laut der Waffenſtillſtand, den es fich
Erbat, um ungeſtört Almanſors Leiche
In ſeiner Väter alte Gruft zu tragen.
Die leßte Hoffnung der Getäuſchten ruht
Noch auf der Begri's narbenreichem Stamm ,
Der , halbverſunken ſdon in Grabesnacht,
Das frumme Rampfſchwert des Propbeten zückt,
Und auf dem tiefverhüllten Afrikaner,
Der als ein neuer wilder Geryon
3beria's herrliches Gefild' betrat,
Und welchem in Gonſalvo von Kordova
Der neue ſpaniſche Herakles naht.
Vom Mißgeſchid bat Caftro fich erholt ;
Es decken ſtarke Flotten die Geſtade
Und Afrika wagt keine Landung mehr.
Glaubt ! jebes Mobrenſchiff zeigt die Sandalen ,
Wenn ihm der beilge Nikolaus erſcheint * ) .
Auf's Ende dieſes Waffenſtilſtands harr' ich ,
Wie eine Braut auf ihren Ehrentag.
Verſucht find' ich mich , mit mir ſelbſt zu habern ,
Daß ich des Feindes Wunſch befriedigte.
*) Die Spanier führten das Bild des heiligen Nikolaus auf dein Vordertheil,
und die Mohren die Schuhe des Propheten auf dem Hintertheil der Schiffe.
6

Am beut'gen Fefte fühl ich mehr als je


Das Blut des Erften Heinrich in den Adern.
Fernando.
Wohl ſehnet ſich mein königliches Herz
Nach der Entſcheidung dieſes fdweren Kampfes ,
Auf den Europa vou Erwartung blidt ,
Und der , gefällt es Gott! - für ew'ge Zeiten
Den Halbmond in dem Süden niederwirft
Und den achthundertjährigen Krieg beendet *) .
Bout id als Ritter nur den Ausſpruch geben ,
Dann tönte ſchnell das Zeichen zu dem Sturm
Nach dieſer Waffenrube leßter Stunde.
Ich bin es müd', auf dieſer reichen Vega
Mit den Dlivenbäumen Krieg zu führen ,
Wie foldes Mancher ſchon vor mir gethan **).
Auch wünſcht ich zu erblicken , ob der König
in ſeiner Krankheit jenem Spanier gleicht,
Der , die altchriftliche Leon vertheid'gend,
Schon ſchwer verwundet , von der hohen Mauer
Aus ſeiner Sänfte auf die Feinde ſprang ***).
Stimm ' ich als Kämpfer meiner Gattin bei ,
Darf ich als König doch dem Rath nicht bergen ,
Was uns bedrohet, wenn der Sturm mißlingt ,
Wenn uns der Mohr zurückwirft von der Stadt ,
Die wie das leßte Bollwert des Propheten
* ) Seit dem erſten Einfall der Mauren bis zur Eroberung Granada's fannte
man in Spanien den Frieden nur dem Namen nadi, weßwegen man wohl
diere ganze Zeit einen faſt 800jährigen Krieg nennen laun .
** ) Viele frühere Einfälle der Spanier in's Königreich Granada beſchränkten
ſich auf den Fall einiger Burgen und auf Verwüſtung in der Ilmgegend
Granara's .
***) Dieſe That ward von Wilhelm Gonſalvo verrichtet.
7

3m Squg der tauſend Riefenthürme ruht.


Der Sieg iſt und gewiß , wenn wir der Zeit
Vergönnen , unſ're Feinde zu entkräften.
Die Felfenveften Cambil und Moklin ,
Zabara und Albabar ſind gefallen.
Man ftaunte, als ich die Befaßungen
Sich ruhig nad Granada wenden ließ ,
Und dachte nicht, daß fie in ihren Taſchen
Zwei neue Geißeln : Peſt und Hunger trugen .
Sebt ! wie die große Glaubensſtadt gedeiht ,
Als wäre Amphions Leyer ihr Geburtsſtern.
Feft blieb bei jeder Drohung 3fabella ,
Dem heiligen Ludwig der Franzoſen gleich.
Wie jego ber egyptiſche Rali,
So ſchwur auch damals Dmar, alle Chriften
In ſeinem Lande ſchmählich zu ermorden.
Doch ſchritt im Schuße von Sanct Cyprian
Der edle Fürft ber lyb'ſchen Löwin * ) zu ,
Befämpfte dann die filberbelle Tunis
( Der Zornhauch Gottes ſchwärze ihre Mauern ),
Bis er als Friedenslampe ſanft erloſch
Auf Artfarthago's trümmervoller Erde.
( 3u 3ſabella .)
An Ruhm ihm gleich bedenket ſeinen Tod ,
Und faßt in's Aug' beſchloff'ne fünft'ge Werke,
Die für Religion und Vaterland
Einft unter Spaniens Doppelronne reifen.
Granada’s bald’ger Fall iſt unabwendbar.
Woblan ! fie ſtürze in fich ſelbſt zuſammen.
Durd Santa Fé's Erbauung herrſchen wir
*) Karthago .
8

Auf allen Pfaden , die fonft fich're Zufuhr


Der polferfüllten Königsſtadt gewährt.
Der zweite Wamba * ) freuzet an den Küften ;
Von Afrika verlaffen ift der Feind ,
Wie vom Tyrannen , der in Stambul hauſt,
Und deffen Reich – bleibt Chrifti Rreuz in Kraft
Sich nie zum Rang der Völkerfiße hebt ,
Die auf dem Fundament des Rechte ruh'n.
Es iſt ein weites , kriegeriſches lager,
Vom zweiten Mohammed zur Schmach Europa's
In ihrem gönften Garten aufgerichtet.
Das Kreuz, das von Sofia's Kirde fiel ,
Liegt fortan ſchwer auf allen Königen
Der Chriften beit , bis ſie es wieder beben
Zum Orte , wo ihr Gott es eben will.
Dies fühlet der verfluchte Bajazeth ,
Dem ich det Ahnherrn Eiſenkäfig gönne ,
Damit Europa einen Großultan
In der geziemenden Bebauung finde.
Wie ſollte dieſer Freund des Belials
Den Brüdern in Granada Hülfe ſenden ?
Sie bleiben aufgeopfert ihrer Noth ,
Der inneren Zerrüttung preisgegeben.
Gorgonenzähne , in das Feld des Fluchs
Gefä’t, erwachſen und ſich ſelbſt zerſtörend.
In wenig Monden wirb bie Bivarambla
Dem blutbeſprißten Römercircus gleichen ;
Dies geben wir dem Kriegørath zu bedenken
Und unſ'rer hochgeſinnten Rönigin ,
Und dahin gebet Arragoniens Stimme,
*) Admiral Caſtro. Wamba war ein berühinter gothiſcher Seehelt .
9

Daß wir die Frucht der friegeriſchen Jahre


Und die Gewißheit eines bald'gen Sieges
Nicht einer allzuraſchen Kampfluft opfern ;
Daß wir erhalten dieſe Glaubensſtadt ,
Die ein mißlung'ner Sturm vernichten würde,
So wie fie nun im berrlichen Gebeih'n
Und für den Fall der großen Feindin bürgt.
Das Schidſal dieſer leßtern iſt mir klar ,
Als hätt' ich es in der geweihten Nacht
Am Sternenthurm von Montiel *) geleſen.
Traut meinem Wort und denket an den Spruch ,
Der an dem Tag , als ich geboren warb ,
Vor meinem Dheim in Neapolis
Der alte Karmelitermond verfündet **) :
(er nimmt te ! Hut ab ; feierlich) :)
In dieſer Stunde wird ein Sohn geboren ,
Dem Gott der Herr der Gnaden viel verleiht.
Er wird mit Kronen ſeine Stirne zieren ,
Mit Edelſteinen , die dreifarbig glänzen ;
Die Reger werden vor ihm niederſinfen ,
Und Foſua's Poſaune wird er tragen ,
Wenn er ſein Heer vor Heidenſtädte führt.
Auf Berge, die fein Chriftenaug' noch fab ,
Wird er die Faýne des Admächt'gen pflanzen,
Und ſeine Schiffe werden Meere decken ,
Zu deren Grund bis jeßt fein anfer fuhr.
Der Herr wird ab von ihm die Pfeile wenden
Und' eine Heil’ge ib m als Schußgeift penden
*) Befannt durdy Pedro den Graufanien.
**) Fernando V. wurde in Sô 3 geboren. In ſelbiger Stunde rol in Neapel
ein Karmeliter obige Prophezeiung ausgeſprodjen haben,
10

In ſeiner ſchwerſten irdiſchen Gefahr.


In einer Stadt, die mit dem Kreuz er ſchmückte ,
Wird er einſt ruhen unter'm Hochaltar;
Die Gattin neben ihm , die ihn beglückte ,
(mit Mührung auf Iſabella Flidend)
Die feines Daſeins Zier und Wonne war."
( Pauſe. Er blidt , wie im ſtille: Gebet , vor fidh hin . )
Cellez.
Mit Freuden hofft' ich auf den Tag des Sturmes ;
Doch wohl erwägend , war mein edler König
Nicht nur als Herrſcher Arragoniens ſpracy ,
Nein – auch als Großkomthur Alcantara's ,
( Fernando wirft fühnell den Tellez einen_gnarenvollen Blick zu )
Richt' ich mein Aug' auf Muley Haffem hin ,
Den alten Fürſten, dem in ihrer Noth
Granada nun auf's Neue wird vertrauen .
Es ebren nur bie Zegri's den Mufeïrab ,
Wie viele der Gefang'nen ausgeſagt,
Und wer verwundet liegt ſein wilder Sohn .
Gelangt der greiſe König zu dem Sieg ,
In der Parteien wechſelvollem Stand
Wird er mit Freuden einen Frieden ſchließen ,
Der uns die Thore feiner Stadt eröffnet;
Doch reißt der Berbern Scheif den Thron an fich,
Rann nur der fürchterlichſte Kampf entſcheiden ,
Der größte , den Espona toch geſehen ,
Seit Tarik an ihr heil'ges Ufer trat.
D’rum gehet Calatrava's Rath dahin :
Den Waffenſtillftand zu benüßen , nach
Granada einen Ritter abzuſenden
Mit feftem Blick und ſchnell entſchloff'nem Geiſt;
11

Durddau'n fou er das nächtliche Getriebe , 1

Erforſchen Muley Haffem's Sinn und lage ,


Und ſtellen beide fich ihm günſtig bar ,
Sot er ermächtigt ſein , zu unterhandeln ,
Noch en der Berber volle Macht erreicht.
Gonſalvo (froh).
Dem Rathe ftimmt Gonſaivo bei , und - ſich
Erbietend zur gefahrenvollen Sendung ,
Hofft er dem ſchweren Amte zu genügen .

Zweite Scene.
Die Vorigen. Ximenes kommt.
Ximenes .
Ich bringe frohe Kunde , meine Herrſcher !
Geführt von einem Weibe , nabet fich
Ein großer Zug mit better Friedensfahne,
Karthama's Abenc'ragen bilden ihn ,
Die legten Zweige des berühmten Stammes ,
Der in der glüdlichen Arabia
Bis in der Vorwelt fernſtes Dunkel ragt.
Fernando .
Mit einer Friedensfahne fommen ſie ?
Ximenes.
lind einer Bitte, die mich hoch beglüdt.
Sie mögen fie Euch felbft im Gotteshaus
Der neuerbauten Glaubensſtadt verfünden.
grabella.
Man führe fie hierher.
( Einige Ritter gehen ab .)
Ximenes .
Der heutige Tag
12

Sol als ein Vorbild für die ſpät're Zeit ,


Mit gold'nen Ehrenzügen eingetragen ,
In den Annalen Euers Reiches ruh'n.
Gewährte meine erſte Botſchaft Freude,
Erfüllt mit Seligkeit Euch meine zweite.
Fernando .
Beim Sarge des ſeraphiſchen Franciscus !
Was habt Ihr Schön'res noch uns zu verkünden ?
Ximenes .
Gegürtet wie ein heiliger Apoſtel,
Mit wonnevollem Angeſichte trat
Ein päpſtlider legat in meine Wohnung.
Er blickte mit prophetſcher Zuverſicht
An jener neuen Babylon *) empor.
Dem großen Biſchof Compoſtella's gleich ,
Im Augenblick, da ihm das Ungeheuer
Die Hörner in die heilige Hand gelegt ** ).
Die Ruhe wandelte ſich in Triumph ,
Ale Santa Fé fich ſeinem Auge zeigte.
Nach dem empfang'nen Segenskuß vernahm ich ,
Daß Alexander ihn herbeigeſandt,
Der als der Sechste dieſes großen Namens
Den Gnadenſtuhl der ew'gen Roma ziert.
Er bringet Euch den Dank der Chriſtenheit,
Des Papſtes Segen für den feſten Sinn ,
Mit welchem Ihr Werbarrt beim ſchweren Werk.
Es nimmt der beilge Bater doppelt Antheil
An Euch und Euerm herrlichen Beginnen ;
*) Granada .
**) Er war von Ordogno zum Tode verbainmt, und der Kampfſtier, der ihn
vernichten ſollte, legte ihm friedlich das Horn in die Hand.
13

Als erſter Seelenbirt ber wahren Kirche


Und als ein Spanier , der die blißbefreite
Valencia feine ftolze Mutter nennt *).
Daß Eure Schiffe nun dem Abendmeer
Zum erſtenmal die Kreuzesfahne zeigen ,
Hat mit rein - apoftoliſdem Entzüden
Die edle Patriarchenbruft erfüllt.
Auch von Erbauung dieſer Glaubensſtadt
Bernahm der hohe Vatican die Kunde.
Und ihr zum Preis warb im Sanct - Peters -Dom
Ein fei'rliches Te Deum abgeſungen .
Als Lohn für das Vergang’ne und als Stärkung
Zum leßten Rampfe , der uns hier erwartet ,
Verleiht der Papſt - Euch - meinen Königen
Den Titel: der fathol'fden Majeftäten ,
( freudige Bewegung )
Den , ſeit dem frommen Reccared und ſeit
Alfons dem Erſten , dieſem Stamm entſproffen ,
Rein and'rer Kronenträger Spaniend führte.
Es iſt des Papſtes fehnliches Verlangen ,
Daß jhr mit dieſer neuen großen Würbe ,
Dem Ehrenpreis aut himmliſdem Gebiet,
Durch die eroberte Granada zieht.
3ſabella (in hohem Entzüden).
Hal bei den Freudenthränen auf den Wangen ,
Die jeßt aus Iuftverflärten Augen fließen
(Ein Dank des Herzens , welcher Gott gebührt),
Beſchwör' ich, zu erfüllen das Verlangen.
*) Alexander VI. war zu Valencia geboren , und die Spanier glauben , der
Bliß ſchlage nie in dieſer Stadt ein , feit er durch einen Prieſter feierlich
hinweggewieſen wurde.
14

Zum Thronſaal werde der Legat geführt.


Das Heer fod unter Waffen ihn empfangen .
(Mehrere Edle gehen ab.)
Fernando
(welcher Zeichen großer Rührung von ſich gab, ſpricht leiſe für ſich , ſehr vers
gnügt lädieind).
Beim heiligen Domingo von Calzada ,
Das fehlte noch ! -Sebr brav, mein wad'rer Straba!*)

Dritte Scene.
Die Morigen . Alfaïma Bena Cemim wird eingeführt mit Seïr
Ben Amoſar und den Abenceragen. Einer von ihnen trägt auf einem
blauen Kiſſen die Schlüſſel Sarthama's .
Alfaïma.
Rönige Hifpaniens !
Deren Waffen Gott geſegnet ,
Blidet huldvod auf die Refte
Diefes alten Heldenſtammes,
Dem das Unglüc alle Zierbe
Vom gebeugten Haupte nahm.
Nicht der Trieb gerechten Zornes
Führt zu Euch die Abenc'ragen ,
Stets miffannt und nun verſtoßen
Vom bethörten Vaterlande.
Gerne hätten ſie ihr Blut
Für Granada hingegeben ,
Die mit ſchwerem Faß die treuſten
Ihrer Söhne nun verfolgt;
Eine unglüdſel'ge Mutter ,
Die den ſcharfen Dolch im Wahnſinn
*) Juan de Strada hieß des Königs Geſandter in Rom .
15

Auf das liebſte Kind gezüct.


Freundlich ſchaut es auf an ihr ,
Sucet im verſtörten Auge
Noch der alten Liebe Strahl.
Klammert ſich noch an den Buſen ,
Den kein Mitleid mehr erfült ,
Den die Furien zerreißen ,
Während don des Todes Eiſen
Seine treue Bruft durchwühlt.
Die Abenceragen (mit verhüdtem Antliv).
D Granada ! Stadt des Ruhmes !
Alfaïma.
Solcher Qual fidh mild erbarmend ,
Shloß der w abre Gotteshimmel
(auf die Abenceragen zeigend)
Ihrem Blick die Pforten auf.
Und die jammerreiche Mutter
Wird beweinen ihre Chat ,
Wenn auch ſie , befreit vom Wahne ,
Vom Erkenntnißſtrahl erweckt ,
In der Hand des Heilands Fahne
Und ſein Kreuz am Buſen trägt.
Iſabella .
Dem Himmel Danf ! der Euer Aug' erleuchtet.
Fernando.
Seid und willkommen auf dem Glaubenspfad.
Der Protomartyr woll'Euch gnädig Ichirmen ,
Der icon in nachtbedeckter Heibenzeit
Achier das Evangelium gepredigt,
Und deſſen ſchwerer Steinfarg auf den Fluthen
Gleich einem leichten Blumenblatte dowamm .
16

Auch der ftreitbare Lehrer unfero Glaubens ,


Der felſenfeſte Märtyrer Sanct Stephan ,
Vor deſſen Bildniß morgen wir uns beugen ,
Sol mit dem Aug', bas offen ſah den Himmel ,
In Eure heilbedürft'gen Herzen dringen.
Alfaïma.
Immer ſtand der Abenc'rage,
Seit Hiſpanien er betreten ,
Mit der Palme der Verſöhnung
Zwiſchen Chriſt und Muſelmann.
Gerne dacht er ſeiner Väter.
Viele biefer Patriarchen
Wurden von den Abgeſandten
Jefu Chrifti aufgenommen
In den Bund der Bruderliebe.
Groß und mächtig waren fie
Lange vor den Schauertagen ,
Als der Halbmond weltburchbligend
Auf Arabia's Berge ſtieg.
Chor der Abenceragen.
Selige Saman ! o Land meiner Abnen !
Alfaïma.
Aber Zene , die den Tempel
Ihrer Gößenwelt beſuchten,
Wandten ſich zum neuen Glauben ,
Der die Einheit Gottes lehrte.
Ihre Söhne ſeht ihr hier.
Durd Europa's milde Sitte
Und ben Glanz des Chriſtenthums
Längſt foon aufgeregt zur Frage :
Db ber ein'ge Gott des Sieges ,
17

Welchem Mohammed gehuldigt,


Aud der Gott der Wahrheit ſei ?
Blut nur fordert der Prophet ,
Blut vom Herzen ſeiner Feinde ,
Ueber bundert Völferleichen
Heb' fich Atlab's Herrſcherthron.
Chriftus hat die Welt beglüdt ;
Eine Welt , die Spott für liebe ,
Wunden ihm für Segen gab.
Als er aufſtieg gegen Himmel ,
War der Pfab des Lichts gebahnt ,
Der die Menſchen zur Erkenntniß
Shres wahren Seiles führt,
Dieſes haben wir erforſcht,
Und mit voller Ueberzeugung ,
Mit der reinften Widensflarbeit
Treten wir vor Spaniens Thron.
Chriftus iſt der beilge Lebrer ,
Der in Engel - Menden wandelt.
Mohammed , der Lügengeiſt,
Der ( wenn ihm gelingt das Södyfte ) ,
Teufel nur zu Menſchen ſchafft.
-

Was wir ießt Euch angeloben ,


Kommt aus Herzen wahr und rein ,
Nur das Kreuz, dat 3hr erhoben ,
Rann Granada's Retter ſein .
Jſabella .
Wer bift Du , Eble ! bie von Gott berufen ,
Verirrte Brüder in die Heimat führt ?
Alfaima.
Dieſem qualentrüben Auge ,
Auffenberg 8 jäinmti, Werte XII. 2
18

Dieſem Mund, von Seufzern müde,


Dieſer Wange , deren Roſe ,
En der Sommer fam , verblüt'te,
Werdet Ihr nur ſchwer es glauben ,
Daß auf dieſer wunden Stirne
Heli ein Diadem geglänzt ;
Daß im Feftkleid mich die Alma's
Ihre Königin genannt ,
Die Alfombras*) des Alhambra
Mich gewiegt im Purpurſdooße.
Hin iſt nun der Traum der Sobeit
Hin bas aufgedrung'ne Gut;
Die Erinn'rung Alfaïma's
Frret , wie ein Nachtgeſpenſt ,
Unter Trümmern eines Hauſes ,
Das beglüdt und frieblich war ,
Eh' das Glutaug' bes Ralifen
Seine ftillen Räume traf.
Er vergeht mit ſeinem Thron ,
Hat ihn aud der Abenc'rage
Vor den falſchen Gott geladen
fener blidt auf feine Thaten ,
Dem allein der Ruhm gebührt ,
Der an einem großen Tage
Atle Bölfer richten wird .
Meiner harrt die Myrthenfrone ,
Die aus engelvollen Wolfen
Mir mein Åbenhamet reicht ,
Und der qualenfreie Bater
*) Alfombras , die reichen Teppiche der arabiſchen Fürſtenſchlöffer.
19

Schlingt die weichen Geifterarme


Dort, wo feine Zähre rinnt ,
Bieber um's geliebte Kind.
Aus des Todes nädyt'gem Grauen
Hat Eud Euer Gott befreit;
3d erfülle mit Vertrauen ,
Bad der hobe Schwur gebeut.
laßt der Taufe beil'ges Bad
Hier die Tiefgefränkte ftärken ;
Führet mich auf fteilem Pfab
Zu den gottbefohl'nen Werken.
Mögen ſtrenge Prüfungsjahre
Meine franke Seele läutern ,
Möge fich am Hochaltare
Sene Ausſicht mir erweitern ,
Welche über Grabesbügel
Führet in die Strahlenwelt,
Wo der Seraph ſelbſt die Flügel
Vor das Aug’, geblendet, hält.
Wo der Gott, den ich nun abne ,
Seinen ew'gen Sohn umſchließt,
Der mit weißer Siegesfahne
Ade Engelſchaaren grüßt.
Jabella .
Die Arme des Erlöſero fteh'n Dir offen.
Erkennen wirft Du diefes im Bezirk
Der heil'gen Mauern , wo die Stürme rub'n :
Madonna's Bild beim Strahl der ew'gen Lampe
Den Huldblick auf die Lebensmüden wirft.
Statt Rönigsſälen , wo das fafter thronte ,
Wird eine ſtille Zelle Dich umſchließen .
2*
20

Wenn Du gereinigt biſt durch's heilge Bad.


Dort werden alle Deine Wunden heilen ,
Vom Haud der Welt nicht ſchmerzlich mehr berührt.
Du wirft auf Erden unter Frommen weilen ,
Bis Dich der Tod zu Deinen Lieben führt.
Nimm , Himmelsköniginl die zarte Blume,
Die früh berwelkte in dem ird'iden Glanz ;
Sie hat entſagt der Hoheit und dem Ruhme ,
D’rum iſt ſie werth, zu zieren Deinen Kranz .
Zwar keimte fie auf einem fremden Boden ,
Wo Deines Sohnes Zeichen nicht erſchienen ,
Doch werden einft , wie Gott , der Herr , geboten ,
Auch jene Völker ſeinem Kreuze dienen .
Nur dieſe Sonne fenn' ich , die erbellt ,
Die felbft des fammers tiefſtes Dunkel lichtet.
(An's Herz ſchlagend.)
Du haft Dir treue Kämpfer aufgeſtellt;
Sie handeln , wie Dein Segen fie verpflichtet.
Am Feſt des Tages , da , mit Deinem Sohne
Bereint, Du trateft auf die Schmerzenbahn ,
3m Geifte don erblickteft jene Krone ,
Die ihm in's Haupt gebohrt den Dornenzabn ,
Nimm bin die Blume von der fernen Zone ,
Die erfte Roſe Lybiens – nimm fie an !
Alfaïma ( feierlich ).
Was ich liebe , wohnt im Grab ,
Bas ich boffe , wohnt im Himmel ,
Und den Glauben — find' ich hier !
Edler Stamm der Abenc'ragen ,
Der Du folgteft meinen Schritten ,
Dürſtend nach dem Seil , gleich mir ;
21

Neige nun Rartbama's Fayne


Vor dem Thron der ſpan'ſchen Herrſøer.
(Freudige Bewegung.)
Uebergieb das Bundeszeichen ;
Dieſe langbewahrten Schlüffel
Einer unbeſiegten Stadt.
Fro'che Thore ſouft Du öffnen ,
Und dafür , bom Wahn gereinigt ,
Durch die Himmelspforten zieh'n.
Laß jeßt nicht Erinnerung
Dir das Aug mit Thränen trüben ,
In des Geiſtes höchſtem Schwung
Wirft Du finden , die Did lieben ,
Küffen Deiner Brüder Wangen ,
Die , zum Glück vorangegangen ,
Dich am gold'nen Thor empfangen.
Groß warſt Du in frühern Tagen ,
Und Dein erſtes Vaterland *)
Hörte nie den Ton der Klagen ,
Der ſich hier der Bruſt entwand.
Wohl warft Du Granada's Bürger ,
Des Alhambra ſchönſte Zier ;
Gottes Flug auf Deine Würger !
(Mit ausgebreiteten Armen . )
Mutter bleibt Die Urwelt Dir !
Seïr .
Selige Yaman ! o land meiner Ahnen !
Wo ſtets die Freiheit auf Bergen gethront ;
Sehnſuchtsziel für die Karavanen ,
*) Das glüdſelige Arabier.
22

Eden für Den , der dich liebend bewohnt!


Ruhiger ſolummert, wer , in bir beſtattet,
Sich deiner heiligen Erbe vertraut ;
Du , von Ararfias Palmen beſdattet
Und von den Thränen der Engel *) bethaut.
Prachtvoll gefrönt mit ſonnigen Hügeln ,
Mit der Bedéviah's ** ) wallendem Zelt ,
Und von döneren , himmliſden Spiegeln
In den Ambroſianächten erbelit !
Wenn vor der tempeldurdwandelnben Luna
Mild jede Hülle des Nebelo zerfließt ,
Und die verſchleierte Scharakijuna ***)
Ihre unſterbliche Freundin begrüßt.
Chor ( wehmuthsvol).
Selige Jaman !
Seïr.
Wo gegürtet zum Siege
Kraftvon der Bergſohn entſteiget der Kluft ;
Du , der Propheten (dimmernde Wiege ,
Der Patriarchen friebliche Gruft!
Einmal nur fab id im Kleide der Pilger
Land meiner Väter, dein ſchönes Gefild ,
Und - nicht der Zeitenſtrom wird zum Vertilger ,
An deinem ewig lebendigen Bild.
Mein Begleiter war es durch Büften ,
Auf mancher dornendurchflochtenen Babu ,
Als wir die Omm Alforab + ) begrüßten
*) Der Thau im glüdlichen Arabien iſt ſo rein , daß er oft mit den Freuden
thrănen der Engel verglichen wirt.
** ) Bedéviah : Beduine.
***) Saracene's alter Name.
+) Die Städtemutter : Beiname Meffa's.
23

Und in Medina die Friedensgruft ſay’n * ).


Weißt du , warum ich am Morgen mich gräme ,
Wenn dieſes Auge vom Sølummer erwacht ?
Deine geliebten , erfriſchenden Ströme
Wogten durd's Traumreich der glüdlichen Nacht.
Bläuliche Nebel von Rondur- Sabrdarah ** )
Wankten wie Geiſter der Borwelt umber ,
Und es ſandte die hohe Ratahrah *** )
Aloëduft über's rubloſe Meer ;
Unerwünſt nabet der Tag fic , denn jeder
Stürzet mich von den erflobenen Höh'n ,
Scheuchet die Bilder verſtorbener Väter ,
Die beine glänzenden Hügel umſteh'n.
Bin ich dein unwerth ? beraubt meiner Ehre ?
Weil ich zum Tempel der Chriſten geeilt ?
Wo eine milde, beglückende Lebre
Sanft den verwundeten Buſen mir beilt ?!
Wirft du mir zürnen die Bitte verfluchen ?
Weil nicht nach Mekka der Rörper gewandt ? !
Laß beim Erlöſer der Erde mid fuden ,
Was ich auf Mohammeds Begen nie fand.
Nicht weil ſein Glaube mir Wunden geſchlagen ,
Rehr ich mich ab som umnachteten Pfad ;
Eigene Leiben wußt' ich zu tragen ,
Doch nicht den Jammer der Vaterſtadt.
Nimmer hat meine Seele geraftet,
Seit mid die Hoffnung des Lebens betrog ,
Seit , mit den Flüchen Granada's belaftet,
*) Beiname des Prophetengrabes in Medina.
***) Hondur - Sadidharab : Weihraud) von Sabſchar.
***) Socothoras ; altſyriſcher Name.
24

30 in Berbannung und Elend zog.


Nun erblick ich das rettende Zeichen ,
Das jene Stadt mit dem Himmel verföhnt,,
Und ich ſollte berzagend entweichen ,
Während es foon ihre Stirne befrönt.
Da ich ihr fünftiges Schidfal erkannte,
Schreit' ich voran , mit Vertrauen und Kraft ,
Sebe den Phönir entfliegen dem Brande ,
Der ein erneuertes Daſein ihm ſchafft.
Bald wird nun auf dem Berg von Elvira
Das welttröftende Sinnbird verehrt;
Darum zärne nicht, heilige Gezirab * ) ,
Wenn fic dein Sohn von dem 3slam gefehrt.
Wiffe, daß nad dem Sprud der Propheten
Einft auch du zur Erkenntniß dich hebſt,
Und dann ein doppelt glüdlide Eben
Unter dem Schirme des Heilands lebft.
Steigen wird einft bas Banner bes Friedens
Bis auf den Fels , welcher glutumwebt
Und beherrſchend die Wogen des Südens ,
Wie eine Borwadt Arabia's fteht.
Neigen wird es fich über Al Aben ,
Die ſeit Jahrtauſenden herrlich geblüht,
Ueber die Stadt, die von Sonnengeſtaden ,
Gleich einer Fürſtin , das Meer überſieht.
(Er übernimmt die Schlüffel .)
Was mich beglüdket im himmliſchen Traume ,
Werbe nun hier am Scheideweg w a br.
Früchte begebr' ich vom lebensbaume,
Gern bring' ich euch mein 3rbiſches bar.
Arabia,
25

Wer ſeine Hoffnung auf Ewiges feßte,


Wer ſchon in ihr alle Schmerzen vergaß ,
Dpfert mit Freuben und Rube bas leste ,
Das er an Gütern auf Erden befaß.
Beffered giebt es , nachdem ich nun geize ;
Ades Vergängliche werf ich von mir,
Somit beugt ſich Karthama dem Kreuze ,
Und ihre Treue beſchwören wir !
(Er legt die Schlüſſel vor die Füße der Monarchen. Sie werden von Erlen
aufgenominen .)
Fernando.
Laßt uns nicht fäumen , dieſe frobe Radridt
Sonell zu verbreiten in der Feindestadt;
Sie wird ben legten Widerſtand entfräften ,
Und Muley Hafſem bald vor und erſcheinen ,
So wie wir jest bie Abenc'ragen feben.
Er wird's - bei Anaſtaſia's Sebeinen !
Die an dem heut'gen Tag in Todeswehen
Befreit fich fah von ihres Körpers Banden ,
Die lange Nächte im Gebet geftanden ,
Und deren Kraft, beherrſend die Natur ,
Auf dem durdbohrten Schiff das Meer befuhr.
Gonſalvo.
Woblan ! beim Glorientod der Märtyrer
Fleh' ich Euch an , erhab'ne Königin !
Daß 3hr mid ſenden wollet nach Granada.
30 fann für ehrenvollen Frieden bürgen ,
Für bald’ge Räumung der bedrohten Stadt ;
Wenn nach dem Hintritt ihrer beſten Felden ,
Die Worte Muley Haffems wieder gelten .
Iſabella .
Mir iſt bekannt, Gonſalvo, was ſo mächtig
26

Zu dem gefahrenvollen Amt Eud brängt;


Bedenkt auc , was Ihr wagt ! Almanſors Geift
Sdwebt nach bem finſtern Glauben dieſes Voltes
Noc unverföhnt ob jener Königsburg ,
Und als ſein Sieger wollt Ihr ſie betreten ?
Bonſalvo .
In das Gewand des Herolds hätt' ich mich 1

Mit feſter Hand den beilgen Stab erfaſſend ,


Und vor die freie , panzerloſe Bruft
Halt ich den Schild, vom Völkerrecht geſegnet ,
Äuf welchem , in dem reinſten aller Felder ,
Die Siegeslöwin von Espona ruht.
Gonſalvo nur fann Euern Wunſo erfüllen ,
Es öffnet feinem Anbern fich der Pfad ,
Der zu dem Herzen Muley Safſems führt.
Ein guter Engel fteht mir Hülfreich bei ;
Zum Dank geleit' ich ihn in Eure Arme ,
Um Segen flebend an dem Friedensfeft.
Bie Alfaïma fich vor Euch geneigt ,
So werdet ihr auch meine Freundin ſchauen ,
Wenn fie den friſchen Delzweig mit Vertrauen
Den Händen ihres Baters dargereicht.
grabella .
Vergeffet Ihr den wilden Afrikaner ,
Der nach dem Scepter von Granada ringt ?
Erwägt Ihr , was Euch die Entdeđung bringt ?
Gonſalvo.
Rann nicht das Völkerrecht mein Haupt beſdirmen ,
Fall ich als reiner Chrift und ſpan'ſcher Grande !
Ruht nicht die Leide auf erſiegten Thürmen ,
Doch bring' ich ſterbend Heil dem Vaterlande.
27

Mein leßter Seufzer wird ein Zeichen werden


Zum Sturme, den die Krieger längſt begehrten .
Die Rache tröſtet mich , die furotbar waltet ,
Noch ehe ganz mein Rörper ift erfaltet.
Seid unbeſorgt! ber Feind , der mich vernichtet,
Ruft Euch zum Sieg , und — bat fido felbft gerichtet.
Fernando ( su Sſabella ).
Entlaſſet ihn mit unſerm Königsſegen ,
Und fährt aus jedem Stein der Stadt ein Teufel ,
Der zittert nicht, der die Tizona trägt.
Iſabella.
Bohlan ! ſo ftellet ihm die Bollmacht aus ,
Der hochgebenebeiten von Avila ,
(su Gonſalvo )
Empfiehlt Euch mein herzinnigſtes Gebet.
Für jeden Fall verkündet in Granada :
Wo wir entſchloſſen ſind mit unſerm Heere ,
Mit den Reliquien der Märtyrer
Vor einem neuerbauten Hochaltar
Das heilige Dreikönigsfeſt zu feiern.
Rönnt Ihr uns nicht die Friedenspalme bringen ,
Will ich das Leste für Caſtilla wagen ,
Und Arragon — To dent' ich, ftimmt dann bei ,
Läßt fich von ferner Hoffnung nicht berüden ,
Wo Ebre drängt zu einer raſchen Wahl.
Wir fechten unter Roma's beil'gen Bliden ,
Und ihr legat reicht uns das Abendmahl !
( Fernando geht ab mit einigen Granden und Gonſalvo vou Kor
dova. Ximenes will folgen ; auf einen Wint Jſabella's tritt
er zu ihr , und ſie ſpricht leiſe mit ihm , worauf er abgeht:)
- 28

grabella
(die Abenceragen überbliđend).
Ihr habt Karthama's Pforten uns eröffnet;
Dod – werbet 3hr mit gleicher Ueberzeugung ,
(auf Alfaïma zeigend)
Wie dieſe langverfolgte Königin ,
Dem Gnadenquell der heilgen Taufe naben ?
Alfaïma.
In dem gottgeſandten Traume
Hat ber wahre Glaubenshimmel
Sid erſchloſſen vor dem Auge ,
(auf Seïr deutend)
Des Begünftigten und Reinen.
Nabe blieb und jener Engel ,
Der bes Troftes füßen Balſam
In's gequälte Herz mir goß.
Mich erwählt' er und die Meinen ,
Seinem Wink gehorchten wir .
Sprid , o Seïrl und verfünde ,
Was der Abenc'ragenführer
In Karthama hat erblidt ;
Mag die Königin entſcheiden ,
Ob Du würdig ſeift, die Brüder
Durch das beitge Thor zu leiten ,
Defſen Anblick Du genoſſen ,
Das ein Engel Dir erſchloffen.
Seïr ( feierlich).
An dem Abend vor dem Feſte ,
Das die Chriſten beut begeben ,
War , beim Untergang der Sonne ,
Auf Karthama's wald’gen Höhen
29

Zu vernehmen eine Stimme ,


Die nicht tönte von dem Berge ,
Nicht vom ſcattenreichen Thal,
Nein ! dem blauen Abendhimmel
Schien der Klang fich zu entwinden;
Und wir alle ſaben auf ,
Mit geſpannten Bliden forſchend ,
In der beilgen Dämmerung.
Immer klarer brang der bebre
Bunderton aus ihr bervor ;
In der ernften Feierſprache,
Die in Chrifti Tempeln berricht:
,,Ruhm und Ehre dem Dreiein'gen !
Heil dem Bater und dem Sobne !
Und dem Geiſt der Friedenstaube ,
Die mit lichtgewob'nem Fittig
Durd der Schöpfung Räume fliegt,
Rubend oft auf hohem Kreuze ,
Das fdon ferne Welten ziert."
Wie die Blumen auf dem Strome
Wiegten fic des liedes Worte
Auf den Tönen einer Laute.
Die Prophetenbarfe Affafe
Schien von Engeldhand berührt ,
Ihren Goldklang zu verbreiten.
Von dem ſeligften Genuß
fühlt' ich Geift und Herz umfangen ,
Als bei dieſes Liedes Schluß
Seine Worte fo berklangen :
,, Das Heil der Welt ward beut' geboren !
Det ew'gen Vaters ew'ger Sohn !
30

Die Nadt , zu dieſem licht erkoren ,


Strahlt betler , als der Sonne Chron.
Bernehmt den Klang vom Engelsliede:
Den Guten – Gottes Heil und Friede !"
Bei den leßten dieſer Worte
Füllte Sehnſucht meine Bruft,
Wie kaum der Geliebte fie
Nach der fernen Braut empfindet.
Von den Brüdern trenn ich mich
Eilenb auf den höchften Thurm ,
Der, ein Wert von Mohrenbänden ,
Wie ein Rieſe in Verſtein'rung ,
Berg und Chal und Stadt beherrſcht.
Dort, gelehnt an meine Lanze ,
Hob das Aug' ich von der Erde
Zu den Abendwolfen auf ,
Die der Tag , wie eine Keerbe
Todtgeweihter Opferlämmer ,
Mit den leßten Roſen ziert,
Und bei wankendem Gedämmer
Vor den Thron der Schatten führt.
Langſam flegte ſeine Macht.
Auf den himmliſchen Altanen
Gdwang die beilge Mitternacht
Ihre weitentrouten Fahnen.
Liefe Stille herrſchte ringdum ,
Wie vor'm erſten Schöpfungstag
Und es glich der Sternenhimmel
Einem tauſendfad burdbrod'nen
Pradtgewölbe - unter'm ürlicht.
Da mit einemmal erglänzten ,
31

Sdöner all die gold'nen Spiegel,


Gleich, als ſchweb' der Hauch der Gottheit
Ueber ihre Flammenhügel.
Ehrfurchtsvou ftürzt ic mid nieber ,
Mit Gebeten zu empfangen
Meinen unſichtbaren Freund ,
Denn fein Lied ertönte wieder.
Mein getrübtes Aug' permißte
Nod die göttliche Geſtalt;
Doch die Stirn' fühlt' ich umwalt
Von dem Haud , dem Weſtwind gleich ,
Wenn er Ázab’s *) Myrrhenreich
Mit Aſalalippen füßte.
Tief're Nadt umgab mich plößlich,
Und der Boben ſchien zu weichen
Unter meinem Fuß ; - id fant
Dod night finfen fann ich nennen ,
Was zur Seligkeit mic hob.
Rann mid nimmer überzeugen ,
Daß die Wunder dieſer Nacht
Nur des Traum's Geburten waren.
Eine rolige Morgenwolfe
Sowebte duftend auf mid zu ;
Bon Ararkia's Höhen ** ) fam fie,
Wie vorangeeilt der großen
Raravane der Aurora.
Als fie langſam fic getheilt,
Trat aus ihrem Schooß ein Engel ,
Glorienreich wie Jørafil ,
*) Azab : das Myrrhenland.
** ) Von Dften .
32

Zart wie der Gondhorbentönig ,


Der auf Indiens Morgenwolken
Sid ben luft'gen Thronfit baut.
Doch ein diamant'nes Kreuz ,
Das auf ſeinem Buſen glänzte
Wie fryftall auf reinem Sonee ,
War Verfünder , daß der Geiſt,
Ferne vom Prophetenhimmel,
Einen fel'gen Raum bewohne.
Wie Smaragd mit Gold umwunden ,
War ein Kranz von Immergrün
Auf der Marmorſtirn zu ſehen .
Näher trat mir nun der Engel ,
Den als Jungfrau ich erkannte,
Holder , als die ſchönſte Kouri ,
Strahlender , als jene Mädchen ,
Die , vom erſten Feu'r geſchaffen ,
In dem Himmel Indras ſteh'n .
Ihr Gewand ſdien klares Waſſer,
Fließend über's Roſenbeet,
Und ein grüner Gürtel wand fich ,
Mit der Sterne Bild geziert ,
Einem Arme Chiſero gleich,
Um die liebliche Geſtalt.
Ihre Wangen waren bleid ,
Dennod bätten ſie an Reinheit
Didemídids Sonnenfeld beſchämt.
Gold'ne Loden rollten wogend
Auf den feuſchen Buſen nieder ,
Aehnlich einem Zauberſchmuce,
Ter , aus dem Gewand der Feen ,
33

Auf beſchneite Hügel fiel.


In dem Alabaſterarme
Lag die tonbegabte laute.
Schwebend nun an meine Seite
Neigte ſie ſich fanft zu mir
lind erſchloß die Wundertiefen
Ihres ſchönen Augenpaars.
Rann mit einem ird’ſchen Bla u
Ihre Farbe ich vergleichen ?
Glanzlos würde neben ihnen
Selbſt die Blume treuer Sehnſucht *),
Darum ſprech' ich : fie erſdienen
Wie zwei blaue Himmels punfte ,
Die die Nacht vergaß zu beden :
Dennoc webte leiſer Schatten
Det bergang'nen Erbenſchmerzeg
lieber's Angeſicht babin ;
Und der Geiſt ſchien mir ein Bild
Leidender Erinnerung , /

Die , ganz Herz , nie fann vergeben ,


Ob das Haupt auch ſtrablend rage
In des Himmels Kronenlicht.
,, Folge mir !" - fo fprad der Engel ;
Sprach es ohne Lautenklang ;
Aber ſeine Worte glichen
Einem redenden Gefang .
3ft ein Wohllaut zu bedreiben ,
Den bag Dhr zwar kann bernehmen,
Aber den das Herz nur hört ?
*) Das Vergißmeinnicht.
Auffenberg'8 ſämmtl. Werke XII. 3
34

In mein ynn'red ſprach er ferner :


Folge! Du biſt außerkoren
Für die Ruh' der Unverſöhnten ,
Große Worte zu erfüllen ,
Die vom Mund des Vaterở tönten .“11
Bei dem Rufe : „Vater !" -
flog ein
Silberblick burch's Firmament.
Heller glänzten alle Sterne,
Wie die Wangen der Propheten
Bei dem Sluſſe ihrer Reben .
In die Luft hob ſich der Engel ,
Ilnd umgeben von der Wolfe,
Eilte meine frobe Seele
Dem buldreichen Führer nach.
In dem ſönften Rofenſcheine
Sab ich nun bald unter mir
Und bald ſeitwärts feben Raum ,
Den als Ziel für ihren Glutſtrom
Unf're Wolfe fich erwählte.
Beit entfernte Gegenden
Schienen nabe mir gerückt
Durch die feltne Strahlenbrechung,
Und es war , als woll der Himmel
Mir die göttliche Espona
Im Verklärungsglanze zeigen.
Berge, Flüffe, Städte tauchten
Aus bem tiefen Meer des Dunkels ,
Von den Himmelsregionen
Farbe borgend , pradtvoll auf.
Dann , verlaſſen von der Wolke,
Schwanden fie, geſtalt- und lichtlos ,
35

Wieder in die Nacht zurück,


Wie das flücht'ge Bölferglüd.
Nach dem erſten boben Aufflug
Warf die Feuerwolke füdwärts
Ihre Strahlen bis zum Meere ;
Und die alte Malaga ,
Die Phönizierſtadt, erſchien
Immer flarer , immer näher
Vor dem Auge , das den eig'nen
Bliden kaum zu trauen wagte ;
Dod erkannt ich ihre Berge ,
Den Gibralfaro, den Leuchtthurm ,
Welcher ſtolz, wie ein Gigant ,
An dem Ruhbett von zwei Welten
Mit gehob'ner Fadel ftand.
Auch die Alfazaba fab ich ,
Die gewalt'ge Maurenburg
Mit den hohen , ſchlanken Thürmen ;
Sab die ganze Stadt im Lichte ,
Das bie Wangen ihrer holden ,
Weitberühmten Frauen ziert.
Auch Marbella , Eſtepona
Und der Felo von Gibraltar
Zeigten ſichund ſchwanden wieder,
Bis der Strahl landeinwärts floh,
Wie vom Engel beimgerufen.
feßt erblict' ic Mundas Hügel ,
Wo der große Cäfar kämpfte ,
Und es war , als ob der Sdimmer
Einer nahen Auferſtehung
Die begrab'ne Heldenwelt
3*
36

Zur Verſammlung würde weden ;


Dod die Grüfte blieben ſtumm
Und die Hügel, welche bebten
Unter'm Hufſchlag röm'ſcher Roffe ,
Rubten ſtill im Zauberſchein
Auf dem leichenvollen Boben ,
Schienen ſich des Sdlafs der Todten
Und der ew'gen Ruh' zu freu'n.
Hellauf blißte nun ein Strahl.
Die ehrwürdige Arunda *)
Stand von ſeinem licht getroffen ,
Aehnlich einer Geiſtergreiſin ,
Die am Thor des Aufgangs wacht.
Wie ein ſchwarzer Zaubergürtel
Wand die Brüde fich hinüber,
Die ben Bergbruch überwölbt ,
Wo die feuchten Nebel fliegen
Ind der Strom zum Abgrund Donnert :
Aehnlich jener hellen Klinge ,
Die der Racheengel zückt ,
Um das erſte Nachtgewölb
Der Gehenna zu durchbohren.
Wie ein Divan von Dämonen
Standen ringsumber die Berge
Untergraben von den Fluthen,
Blißzerſplittert und dod brobend,
Wie die Engel nach dem Falle.
Bis zur Solucht von Setenil
Drang hinab ein flücht'ger Lichtſtreif,
* ) Ronda's alter Name.
37

Unb id ſah das Haus der Tiefe *)


Das lebendig iſt begraben.
Aus der Nacht trat Antequera ,
Die getheilte Felſenſtadt,
Wo der ſchöne Quadalorze
Seine Silberwogen rollt.
Tief im Schutte ruht Singilia **),
Eine eingeſchlaf'ne Heldin ;
Aufgebaut aus jenen Steinen ,
Die ber alte Römer brad ,
Steht der maurifde Alfazar ,
Der nun Chrifti Fahnen trägt.
Seine ftolzen Thürme ſah ich
lind die feften Eifenthore.
Das Geldid bricht Wall und Mauer.
Jest erſchienen und die Berge ,
Welchen Mohr Alpurar ſeinen
Siegberühmten Namen gab ***),
Wo der wilde Rio frio
Wie ein flüchtiger Verbrecher
Ueber hundert Felfen eilt ,
Und das Trauerthal Alhama's
Die geliebte Stadt umſchließt.
Chor der Abenceragen (mit leiſer Stimine).
Webe mir , Albama !
Seïr .
uns zur Linken fank ein Strahl
Auf den Berg von ' Archidona + ),
* ) So nannten die Mauren dieſes Dorf.
**) Auf den Trümmern Antequera's erbaut.
*** ) Die Alpujarras.
+ ) Penna de los Enamorados von den Spaniern genannt ; P8 wurde ſeiner
im: 1. Cheile erwähnt.
38

Posgeriffen von den Brüdern ,


Steht er als ein ew'ges Denkmal
Treuer, unglüdſelger Liebe.
Auf dem Teich an ſeinem Fuße
Wähnt' ich einen Kahn zu ſeh'n ,
D'rauf zwei bleiche Geiſter ſchifften ;
Weinend grüßten ſie den Engel ,
Breiteten nach unſ'rer Wolke
Sehnſuchtsvou die falten Arme ,
Und der Nachtwind ſchien zu ſprechen
Mit der füßen Flötenſtimme:
„Sieh Fernando und Elzira ! "
Die Getreuen ſchwanben wieder
In das freubenloſe Dunfel ,
Und der ſchöne Mohrenliebling
Xenil bliste durch die Nacht,
Loja's wanfende Cypreffen
Ragten aus den Trauergärten
Dieſer oft bekämpften Bergſtadt.
Nun lag fie im tiefen Frieden
Mit den Spuren der Zerſtörung :
Eine Heldin, die ſich ſterbend
Zu dem Chriſtenthum bekannt,
Als auf eingeſchoffenem Tempel
Mit dem Kreuz ber Sieger ſtand.
Doch wer ſchildert meine Wehmuth ,
Da beim Thor von Zafaraja
In dem ſchönſten Roſenlichte
Ganz Granada mir erſchien !
Die fünf Vegaſtröme glänzten
Wie unſterbliche Tiaren ;
39

Das Elvirenthor erblickt' ich,


Deffen mächtige Gewölbe
Unfer Abſchieddlieb vernahmen ,
Als mit tiefgeſenktem Banner
Dieſer Stamm in's Elend zog.
Goldlicht fiel auf die Moſdee ;
Auf die weite Bivarambla ,
Die mit eingelegter Lanze
Ich ſo freudig oft durchſtürmt,
Wenn die Silbertaub' am Feſttag
Von den ſchlanken Zweigen glänzte;
Wenn die große Boltsverſammlung
Dicht wie Löwenmähnen ſtand
Und der himmliſche Alhambra
Von den ew'gen Frühlingshöhen
Auf die Stadt des Ruhmes fab.
Chor der Abenceragen (wie vben ).
Webe mir , Alhambra !
Seïr .
Die Erinn'rung war zu ſchmerzlich.
Meine thränenſchweren Augen
Kehrt' ich ſchnell dem Weften zu ,
Wo die lieblide Ecija
Shren ſonnverbrannten Fuß *)
Im heilſamen Xenil fühlt.
Aus Drivenwäldern ragte
Die fruchtreidhe Bujalanka
Und die flammende Carmona
Stand geſchmüdt vom Mohrenſchloffe
*) In Ecija iſt die Hiße oft ro groß , daß fie el sarten de Espona, der Brat
ofen Spaniens , genannt wird .
40

Eine Sonnenſtadt im Dunkel.


Plößlich fank ein großer Lichtſtrom ,
Folgend dem Guadalquivir
Auf die pracytvolle Sevilla.
Schäumend grüßten ihn die Wogen ,
Gleich als ſei vom tiefen Salaf
Aufgeſchredt der alte Stromgott,
Den Herakles Bruder nannte ,
Und bedecke mit der Urne
Sein geblendet Angeſicht.
Ankerfefte Schiffe fab ich
Unfern von der Alameda *),
Deren bobe Ulmenfronen
Nun wie Feuerkuppeln ftanden.
Wie die Schwanen in dem Frühroth
Sdimmerten die ftolzen Segel
Und die Nachtluft brachte ihnen
Orüße von dem naben Meer.
Herrlich ſtand das edle Goldthor ;
Herrlich das Pilatusſchloß **).
Wie aus Zaubergärten hob ſich
Der Alkazar, wo die großen
Mohrenkönige gewohnt ;
Und des Domes rieſige Pracht
Drohte mir das Aug' zu blenden.
3 erblidte die gewalt'ge,
Nachtdurchfunkelnde Giralda,
Aehnlich einem feſten Grenzſtein
Aus der todten Rieſenwelt.
* ) Ein herrlicher Spaziergang langs des Guadalquivire.
**) Sie behaupten, Pilatus rei in Sevilla geboren. Noch ießt zeigt man das
Haus , welches nunmehr den Herzögen von Medina Sidonia argehört.
41

aud Triana lag vor mir


An dem End' der großen Brüde ,
Und der runde Cäfarsthurm , 1

Ueberragend feine Brüder ,


Soloß das paradieſ'de Bild.
Wie mit einem Haud verſchwand ed.
Nordwärts traf ein neuer Glutpfeil
Und Rordova trat bervor ;
Ihre feſten Mauren ſah ich
Von den Königen erbaut ,
Welche Seneca's Geburtsſtadt,
Latros alte Rebrerfdule
Mit Arabia's Palmen zierten.
Unter beren Herrſderfonne
Abenzoar aufgeblüht;
Sammt dem großen Averroes
Und dem ew'gen 3bn Sina *) .
Als ich ſah die bobe Brücke,
Die weitherrſchende Aljama
Mit dem Hofe der Drangen ,
Mit den vierundzwanzig Thoren
Und dem Säulenlabyrinth ,
Brac ich aus in Muza's Worte ,
Die geftürzt vom Thron der Größe
Durch Fernando von Caftilien -
Er am Tag des Abſchiedo ſprach :
„D wie ſchön biſt du, Rordova !
Wie erfreuend alle Herzen ,
Wie geſegnet von dem Himmel ,
Von den Vätern auserforen ,
* ) Avicenna .
42

Von den Söhnen früh verloren ;

C
Alle rufen webmuthdvou :
D Kordova lebe wohl ! "
-

Nicht gebenfend meines Führers,


Sprach ich dieſe Trauerworte ,
Da verſwand das ſchöne Bilb,
Und ber Engel blidte ftreng
Auf den Klagenden hernieder.
Dftwärts bedte nun die Wolke
Ueber faën und Hueſcar
Die entfernten Fluren auf.
Lorca fab ich , wo die Alten
Unter Scipionenfahnen
Ihre Todtenſpiele fei'rten ;
Sah die reizende Segura ,
D'rin fich Murcia's Thürme ſpiegeln ;
Leife ftrömte fie bahin ,
Um Raftilla's zehnten Alfons
In dem Schlummer nicht zu flören *),
Weil er Freund des Boltes war ,
Das mit wonnevollen Gärten
Ihre Ufer ausgeſdmüdt.
Von dem fernen Meeresſtrande
Ragte die Hamilcarsſtadt**),
Die vom großen Scipio
Später fich verherrlicht fab ;
Sie verfdwand, gleich ihrem Ruhme ,
Und die ſchöne Küftenblume
*) Alfons X. , ein großer Freund der mauriſden Gelehrten , iſt in der sirdie ju
Murcia begraben .
** ) Karthagena .
43

Almazárron war zu ſehen


An Guadalantins Mündung.
,,Sieh die Freundin aller Engel !“
Alſo ſprach nun mein Geleiter
Ilnd erhob die zarte Hand
Gegen Calasparra's Thurm ,
Der aus weiter Roſenferne
Mit dem Kreuzeszeichen ragte.
3mmer nordwärts webten wir ,
Und der Trau’rthron der Morena
lag in düſt'rer Schattenpracht
Unter und ; die Wolke fandte
Strahlen auf Tolofa's Gräber ,
Wo der Chrift der Mohrengröße
Unheilbare Wunden ſchlug .
wie ſchweigend lag der Berg ,
Der das Zelt des Almohaden
Und die Eiſenketten trug ,
Die es ringsumher beſchüßten.
Feuchte, luftbewegte Nebel
Stiegen aus den ſchwarzen Höhlen ;
Anzuſeh'n wie alte Prieſter,
Die ob ihres Bolfes Fau
Klagend zur Berſammlung eilen
In zerriffenen Gewändern.
Jeft erblidt' id unter mir
Almodovars Silbertbal
lind die wein- und honigreiche
Ciudad Real, bedroht
Von der zorn'gen Guadiana ,
Welche unfern dieſer Stadt,
44

Halbverborgen von Geſträuchen ,


Reinem műben Pilger hold ,
Einer Tig'rin zu vergleichen ,
Frre Wogen durch die ernfte,
Sonnenbraune Manda rollt.
Jego fiel ein Lichterguß ,
Dieſem Strom im Laufe folgend ,
Auf Eſtremadura's Fluren ;
Hoch empor ſchwang fidh die Wolfe,
Und ein pyramidenförmiger
Strahl verweilte lang und glühend
Auf dem auserwählten Ziel.
Wie der Sternenfreund in's Fernrohr,
Blidt' ich unverwandt in ihn ;
Näher trat mir , immer näher
Ein gewalt'ges Heer von Thürmen ,
Rieſenfuppeln , Obelisken ,
Mauren , die die Zeit betrogen ,
Bogen , hoch und fühn geſchwungen ,
Tempel von uralter Bauart,
Marmorthore des Triumphes ,
Würdig , daß ein Weltbezwinger
Unter ihren breiten Sd atten
Den Trophäenwagen lenke.
„ Schöne Führerin ! " ſo rief ich ,
,,Soul mid nad Tolofa's Schmerzen
Dieſes Zauberbild erfreu'n ?
Welche Wunderſtadt begrüß ich ?
Haft die alte Roma Du
Xus dem Grab hervorgerufen ? "
Mir entgegnete die Jungfrau :
45

,,Mobr! fennft Du nicht Merida ? "


Bei dem Worte ſchlug id ſchmerzvoll
Meine Hand vor's Angeſicht.
Wie ein Engel , der ein Lied
An des Schüßling Grabmal fingt,
Sprach mit ſüßem Ton die Holde :
,, Blick' empor , Abencerage!
Die Entfernung und der Strahl
Wandeln in ein reichbewoontes
Eden , die verfau'nen Mauern ,
Die auch jest noch herrlich ſind,
Wenn icon ante ſie betrauern.
Dieſes mildverklärte licht
Zeiget Dir das - Epbeu nicht,
Das fich um die Säulen ſpinnt."
Da rief ich bethränten Blides :
D Emerita Auguſta ! *)
Glorienpolle Trümmerwelt !
Ehemals die ſchönſte Practburg
In dem Land der tauſend Städte **),
Hochgeſchürzt - vom Perlenwagen , 1

Die vier gold'nen Hirſche lenfend ,


Sah die göttliche Diana ,
Stadt der Kraft! auf dich hernieder,
Schirmte deine feuſchen Jungfrau'n
Und erhob die Lebensmüben
Sanft zum bellen Sternendom.
Sechszig zarte Oceaniden
Wiegten ſich auf deinem Strom ,
Und in dem Citronenhain
*) Merida's römiſcher Name. tt) So nannten die Römer Spanien.
46

Sammelten bei Fadelglanze


Sid die borben Nymphenreih'n
Zu dem artemiſiſchen Tanze *).
Herrlid webeft du vor mir ,
Sodgeprieſ'ne Römerſtadt!
Als der Druck der wilden Gothen
Dir die edle Stirne beugte ;
Als du einzogſt deine Schwingen ** ),
Wie ein müder Königsadler
Nach vollbrachtem Sonnenflug,
Warft bu dennoch ſo gewaltig ,
Daß den Amir meines Volkes
Nie empfund'ner Schauer faßte
Bei dem Anblic deiner Thürme *** ).
Ha ! dort reb' ich die Milagros +),
Die wie ſiebzehn Rieſenſäulen
Auf den Römergräbern ſteh'n.
Sebe die Auguſtusbrücke,
Die des Stromes trob'gen Kampfftier
Unter's Marmorjod gepreßit ;
Viele Bogen liegen trocken ,
Denn der Fluß , der Rom gehorchte,
Höhnet ſeine ſpätern Herr'n ,
Bricht ſich Bahn nach eig'nem Willen
Und verläßt die moor'gen Säulen ,
Deren Glanz er zornvou fah + 1 ).
Dort erſcheint der große Circus ;
Dort die weite Naumadia ,
* ) Der Tanz, der bei den Dianafeſten gehalten wurde.
**) Merida nahm bekanntlich unter den Gothen ſehr ab .
***) Der Feldherr Muza erforaf vor Merida's Größe.
+) Säulen der römiſden Waſſerleitung.
++ ) Die Guadiana hat hier ihren Lauf 'verändert.
47

Deren Runftmeer Schiffe trug.


Auf den hohen Siegesbogen
Von Trajan fält Sonnenglanz ;
Aber ſtatt der Kaiſerbeere
Und befränzter Feldherr'n , zieh'n
Trauernd mitternächt'ge, ſchwere
Rebel unter ihm dahin.
Wie ein Wächter beim Ruin
Steht der mauriſche Alfazar ,
Der gleich Roma's Pracht zerfält,
Und die Geiſter auf den Stufen
Scheinen mit mir auszurufen :
„D Emerita Auguſta !
Glorienvolle Trümmerwelt !"
Ernſte Blide warf der Engel
Bei den Klagen auf mich nieder ;
ließ noch einen vollen Strahl
Auf die Kreuzesfahne ſinken ,
Die der große Hauptthurm trug ,
Und erhelte dann die Räume ,
Wo die dimmernde Gevora
In die Guadiana ftrömt
Und die burgbeſchüßte, fernhin -
Strahlende Badajoz ruht.
Wohl trug fie des Friedens Namen ,
Doch ſein Glü d blieb ftets ihr fern.
Unter Kampfeswettern ftand fie,
Bis Caftilla's neunter Alfons
Sie gewaltſam aus der Krone.
Der arab'ſchen Herrſchaft riß.
Auch die bergumthürmte Stadt
48

Scalabis erblidt' ich nun ,


Die von Cäfar ward gegründet.
Die der Maure als Trurillo
In das Bud des Sieged (drieb ,
Bis der Biſchof von Placenzia
Auf die Trümmer Rom $ und Arabs *)
Chrifti Banner hat gepflanzt.
Nun begrüßt' ich Guadaloupe ,
Wo vier Silberſtröme fich
3m Drangenthal vereinen.
Höher fab ich die beſchneiten
Berge von Placenzia ,
Welche ſeltſam anzubliden
Wie ein Thron des Winters ragen
Aus Eſtremadura's Flammen.
Coria erſchien mir jeko,
Die am alten Brüdenfeind
Alagon **) das land bewacht.
Auch die wild- und quellenreiche
Bejar ftand vor meinem Aug’,
Und ich fab den Wunderſee ,
Der am Tag vor dem Gewitter
Die prophet'ſchen Klagen anftimmt.
Sah die Pracht Alcantara's
Mit der röm'ſden Rieſenbrücke
Und dem unbewohnten Tempel,
Wo der ſelt'ne Meiſter ſchläft ***).
Plöblich ward die ganze Gegend
* ) Arabiens .
**) Vom Alagon fagen die panier, er seiein Feind der Briden ; reiße Rie
entweder nieder , oder andere feinen lauf, wenn ihm diefes nicht gelingt.
***) Der Baumeiſter dieſer berühmten Brücke liegt auf ihr begraben .
49

Von der tiefſten Nacht verhüllt ;


Denn in ſneller Wendung eilte
Nun ein großer Strahl nach Often ,
Und Espona's reicher Garten * )
Lag im Roſenlidt vor mir.
Südlich dieſem Wonneland
Prangte die geprieſ'ne Elde.
Niemals ruhet dort die Erde ,
Und der Wand'rer glaubt, er werde
Bald den fiebenarm'gen Strom ** )
Und die Pyramiden fehen ,
Unter dem azurnen Dom ,
Wo Chaldaea's Lüfte weben
Und Arabia's Palmen ſtehen .
Mit geheimer Wehmuth grüßt' ich
Dieſe gottgeliebte Stadt ,
Wo der edle Maurendichter
3f1a Ben Abdébrita
In der ſtillen Bürgerwohnung ,
Die vom Vater er ererbte ,
Mit Verſchmähung alles frd'fchen
Seine Himmelslieder fang.
Jym ſtand offen ganz Kordova ,
Unb Sevilla rief ihm zu :
,,Romm in meine Pradtpaläfte !"
Selbft der Chriſt vergaß zu haffen
Jenen , beffen Lied er liebte ;
Dod Abbébrita blieb einfam ,
Singend unter Elche's Palmen.
Dieſe Säulen der Natur
*) Beiname der Provinz Valencia. **) Beiname des Nils.
Auffenberg's ſämmtl. Werfe. XII. 4
50

In der Gottheit ew'gem Tempel


Uebertreffen , was an Marmor
Menſdenband emporgethürmt.
Der Rubin im Königsturban
Ueberglänzt in Sängers Augen
Eine Frühlingsroſe nicht.
Glüdlich I wer vom Weltgebrauſe
Und vom Feindesbrang entfernt,
In dem rubevollen Hauſe
Seiner Väter Leben lernt.
Was bedarf wohl Der auf Erden ,
Der fidh felbft ſein Eden baut ?
Dem die Genien Licht beſdheerten ,
Dem fie Heiliges vertraut,
Den im Range der Verklärten
Eine Peri grüßt als Braut.
Bei Abohars mildem Schalle * )
Siebt er aus der offnen Hatle,
Wie die jungen Roſen lächeln ,
Trunken die Narziffe ruht,
Und des Oſtwinds Bräute ** ) fächeln
Kühlung ſeiner Wangenglut ;
Statt der Neider Dolchesbliden ,
Die ſein Innerſtes durchzücken ,
Gift ihm in die Seele hauchen ,
Nieder die Gefränkte zieh'n ,
Sieht er Gottes Sternen a ugen ,
Die am ew'gen Himmel glüh'n ;
In den Höhen , in den Tiefen *** )
*) Am Mittag , wenn zum Gebet gerufen wird. **) Die Parmen .
***) In allen lagen des Lebens.
51

Bleibet ihm ihr Sdimmer hold.


Auf dem Kaftan der Kalifen
Prangt fürwahr fein ſchön'res Gold .
Alfo lebet er - ein freier !
Von den Himmliſchen begrüßt ,
Wenn des Körpers Trauerſchleier
In der Ewigkeit zerfließt!
Nun erſchien Sertorius' Zuflucht *)
an dem Fuße des Mongona .
Xatifa war zu erbliden ,
Die der ſchöne Xucar küßt ;
Und die unbezwingliche,
Landdurchſchauende Monteſa
Und Ayora , wo die Sprache
Von Caftilien das beſte,
Unvermiſchte Gold bewahrt **).
Aber an dem reinen Strome*** )
Zeigte jeßo fich Valencia ,
Aehnlich einem Freudentempel ,
Der im Paradieſe fteht.
Mit geleertem Füdhorn ſah,
Faſt bereuend die Verſchwendung ,
Die Natur auf dieſe Stadt,
A16 am ſchönſten Frühlingstag
Sie für alle fünft'gen Zeiten
Ihr den Mutterſegen gab.
3hre gold'nen Thürme ſah ich
Die aus Maulbeer- und Orangen
*) Beiname des heutigen Denia .
**) In dieſer Gegend wird das reinſte Caſtilianijd geſprocher .
*** ) Guadalaviar heißt : der reine Strom.
4*
52

Und Granaten - Hainen ragen.


Wie umgangen von dem Winter ,
Lag die ſchöne Stadt vor mir ,
Welche pflegt die zarte Kunſt,
Wie die friedlichen Gewerbe.
Nichts vergleicht ſich ihrer Seide ,
Als die Wimpern ihrer Frauen ,
Die wie Paradieſesroſen
Unter'm fel'gen Himmel blüh'n.
Jene Weltſtadt an der Tiber
Nannte fühn fich Gloriofa !
Dod Valencia hermosa *)
Ging in unſ're Sprade über.
Albufera's weite Bucht
Glänzte wie ein Feenſpiegel,
Von Auroren angehaucht;
Aber düſt're Glut fank jeßo
Auf die alte Murviedro -
Auf das — unbeerdigte
Sdredgerippe - von Sagunt.
Arme Tochter von Zakynthos ,
Welch ein Schickſal nabte dir !
Heldenföhne, die bu geugteſt,
Schlafen unter deinen Trümmern ,
Von dem Fall, den du erlebteft,
Rann nichts 3rb'iches fich erheben ,
Deine Treue ſtürzte dich ;
Aber wer erbaut dich wieder ?
Brandídwarz ftehen die Ruinen ,
*) Dieſen Ausdrud gebrauchten ſelbſt die Mauren , wenn ſie von Valencia
fprachen .
53

Meile nzeiger für den Tod ,


Wenn er auszieht von Karthago ,
Um zu land nach Rom zu geh'n.
Äuch Segorbia's Marmorberge
Traten glänzend aus der Nacht,
Sammt dem wunbendließenden
Born der alten Viſtabella * ) ;
Nordwärts über Conſuegra
Und Tembleque fchwebten wir,
Bis die Wolt im ſchönſten Feuer
Ob Toledo's T hürmen ft a n d .
Wie ein Krieger , den im Rampfe
Ein zu enger Panzer drüdt ,
Alſo ſchnaubte hier der wilde
Tajo zwiſchen ſchroffen Ufern ,
Zum Gebrüd von hundert Löwen
Wuchs der Ton , als fich die Wolfe
Tiefer ftets bernieberſenkte ,
Bis fie , eine Flammenſäule ,
Neben dem Altazar ſtand.
Mit Begeiſterung erblict' id
Unter mir die tempeſvolle
Stadt der alten Mobrenfürſten ,
Welde reid und unabhängig
Von Damaskus hier gethront ,
Bis ber ftreitbare Alfonſo
Die geſammte Chriſtenheit
Unter Waffen vor bied ſtolze
Bouwert der Ralifen führte.
Reiner höhnte fie im Falle ;
*) Die dortige Quelle hat Blutſtillende Kraft.
54

Denn der Sieger felbft erbebt


Bor dein Suidfal, dat ihn hebt.
Die unfterbliden des Xerres
Hat der Tod hinabgefühlungen ,
und die unbezwinglide* )
Stadt Toledo ward - bezwungen.
Während ihr Geſchick an meinem
Geifte ftill vorüberging ,
Hatte fid geſenft der Engel,
Und ich ſah ihn ſtaunend ſchweben
Vor dem großen Bogenfenſter ,
Das zum Königsfaale führt.
Seine Räume , nun verlaſſen
Von den Siegern und Beſiegten ,
Burben prachtvoll aufgebellt.
An's Geländer des Balkons
Schien gelehnt die Führerin.
Sinnend ſtößte fie das Haupt
Auf die ſanft gebog'ne Rechte ,
Und die bellen Thränen perlten
In den blauen Engelsaugen.
War es bod , ale weine file
Um ein ungenoplines Glüd
Des entſchwund'nen Erbenlebens .
Die getrübten Fenſter flogen
Sdnete , bod geräuſclos auf ,
Und Toledo's Fürftenſaal
Scien mit tauſend Zauberarmen
Mich in ſeinen Raum zu zieh'n.
Durch die hochgewölbten Bogen
* ) Toledo hieß die Unbezwinglide.
55

Scritt id langſam zwiſden Bildern


Längſtverſtorb'ner Rönige.
Ade chriſtlichen Beherrſcher
Standen hier in bunfeln Reiben
Würdevoll auf breiten Stufen.
Glanzlos waren ihre Helme ,
Wie befledt vom Roft der Zeit.
Feber trug ben Stab der Macht,
Feftgeſtüßt auf ſeine Hüfte,
Und ließ ruh'n bie eb'rne linke
Auf dem Griff des langen Sowertes.
Ihre Reiben zogen fich
Bis zum boben bunkein Throne ,
Der am End' der Halle ftand.
Burgos Purpur war geſpannt
Ueber's mauriſde Gerü ft ,
Und , in ſeiner Nähe weilend,
Blidt' ich ſchmerzvoll durch den Raum ,
Der , vom Engel gegenüber,
Wunderſchön erleuchtet war.
An den Wänden , an der Dede
Sab ich noch die Arabesten ,
Deren fühnverfølung’ne Bilder ,
Halb verwittert, an den Kunſtfleiß
Früherer Bewohner mahnten.
Solante Säulen trugen noch
Koransſprüche in der alten ,
Weitberühmten Rufaſdrift.
Stöhnend 30g der feuchte Nachtwind
Wie ein grabentftieg’ner Geift
Durd die freubenloſe balle,
56

Daß die Federn unruhvoll


Auf den Fürſtenbelmen wankten ,
Und ein grauer Wächter eilte
Mit erlojd'ner Kerze - angſtvodi
In den tagesbellen Thronſaal,
Fürchtend, der erhab'ne Raum
Sei ergriffen von den Flammen .
Als den Engel er gewahrte ,
Der noch weinend außen webte
Und fich bob zum neuen Flug ,
Stürzt' er betend auf die Erde,
Während ich den Thron verließ ;
Denn mit allen Glodenzungen
War der Ruf der Mitternacht
Bis zum Mohrenſchloß gedrungen ,
Das die alte Stadt bewacht.
Wie auf ſeine Schläge lauernb ,
Ruhte ftil der Fürſtenſaal ,
Und das Eco tönte trauernd
Durch das bunkle Tajothal.
Wir entwebten ! Nach dem Thore
Blict' ich um vom luft'gen Pfad.
Sanft erfellt vom Meteore
War die tiefentſølaf'ne Stadt ,
Ind ich – wohl der legte Mobre,
Der Colebo's Burg betrat.
Chor der Abenceragen .
Wehe mir ! Toledo !
Seïr .
Hoc empor dwang ſich die Wolfe ,
Valdemora überſtrahlend ,
57

Und die fonee'gen Greifenbäupter


Der Guadaramaberge.
Nun erblidten wir Madrid
Und das Thal des Manzanares.
Guadalajar ſaben wir ,
Deren früheſte Bewohner
Sich in Felſennacht begruben ,
Sammt der ſchönen Brihuega ,
Wo die Mobrenkönige
In dem Sommer Kühlung ſuchten
Und die friegeriſchen Herzen
Mit des Waidwerks Luft erfreuten .
Ach ! wie öde ſtand das Schloß
Unter Pinien und Cypreſſen !
So wird Xen'ralife fteh'n ! -
So – der fürſtliche Alhambra !
Wenn der Sieger nicht in Beiden
Ihren frühern Ruhm verehrt.
An der Quelle Henarez'
Fiel ein Strahl auf Siguenza ,
Wandte Plößlich rich nach Weſten
Ganz Segovia erhellend,
Die prachtreiche - altberühmte
Hochgethürmte Krönungsſtadt,
Welche ben egyptiſchen
Herkules als Grünber ebrte.
Den bergſchmüdenden Alfazar
Sab ich ftrahlen, wo Clamore *)
Mit Eresma fich vereint.
Sah die hundertjährigen Ulmen
*) Rio Clamore , ein Fluß .
58

In dem Atajada - Thale ,


Welches zwiſchen tempelreichen ,
Schattenfühlen Hügeln ruht.
Aehnlich einer halbzerſtörten
Geifterburg im Abendroth ,
War der rieſige Aquäduct
Auferbaut zum Heil des Landes
Von Altroma's Legionen
Nach dem Plan des Architekten ,
Der am Geifterſtrom *) Egyptens
Dem Serapis Tempel baute.
Aud die Götternifde fab idy,
Wo verdammt zum Hungertode
Der beſiegte König ſtarb ** ) .
Immer höher ſtieg die Wolfe,
Einen neuen Lichtpfad öffnend
Nach der alten Salamanca ,
Bo fich fühn die Römerbrüde
Ueber Torme's Ufer ſchwingt
Und die Thürme unzählbar
Wie Gigantenheere ragen.
Aehnlich einem Roſenbande,
Sab ich den Duero , welcher
Zum entfernten Weften eilt,
Und an ſeinem Ufer Toro,
Die ehrwürdge Abocella *** ),
Die feit unſerer Vertreibung
*) Nir .
***) Man zeigt ſie noch an dieſer Ruine in einer Höhe von 80 Fuß . Der
beſiegte Maurentönig (ou dort den Hungertod erlitten haben .
***) Toro ':3 alter Name.
59

In dem finſtern Schooß den erften


Rathſaal Eurer Kortes trägt.
Beiter weſtwärts lag vor mir
Die gepanzerte 3 amora
Unter ihren Türkisfelſen ,
Die fich einmal nur gebeugt ,
Als der mohriſche Almanſor
Wie die Sichel des Propbeten
Durch die Bölferähren fuhr.
Als ich fab das Gothenthor,
Wähnt id aud den Geiſt zu dauen
Don Diego's Herrn von Lara ,
Des berühmten Chriſtenfämpfers ,
Welcher, Sancho's Tod zu rächen ,
O'rab an auf Zamora ritt.
Männer , Meiber , Kinder , Greiſe,
Todte und Lebendige ,
Ungebor'ne und Gebor'ne ,
Groß und Klein , des Feldes Thiere
Und die Fifde in dem Waſſer
Zeiht er der Verrätherei :
Sich erbietend zu dem Kampfe
Für die Aſche ſeines Königs
Gegen jeden auf dem Wall ,
Sei's zu Pferde , ſei's zu Fuße.
Ungeftümer ! dein Gebein
Sat bes Todes Sturm verweht ,
Únd dein Fluch verklang an Bergen ,
Drauf nod Alt - Zamora fteht,
Aud Balladolid erſchien uns ,
Wo die mächtige Esquena
60

Der Pisuerga fich vereint ;


Reid geſchmüdet mit Paulaften
Und von Gärten rings umgeben ,
Saben wir die große Stadt;
Leßt're lagen trauerdoti
3n dem tiefen Winterſchlafe ;
Wie die Wolke ſie erbellte,
War's , als träumten ſie von Rofen ,
Die der fünftige Frühling bringt.
Nordwärts ſank ein heller Strahl
Auf die Ufer des Arlancons ,
Wo Caſtilla's alte Hauptſtadt,
Die thurmreide Burgos ruht.
An dem boben büſtern Sdloffe
Hat der Zahn der Zeit genagt ;
Ruhig fteht es und verlaſſen ,
Reine Stürmer drob’n ihm mehr ,
Und die Spalten ſeiner Mauern
Gleichen ſchmerzenloſen Wunden ,
Die ein – Tobtenſchädel trägt.
Nieder warf ich meine Blicke,
Und bemerkte , daß wir icon
Ueber Soria's Thürmen ſchwebten .
Herbe Wehmuth faßte mich
Bei dem Anblick diefer Stadt,
Die erbaut ward aus den Trümmern
Der erhabenen Numantia ;
Ohne Mauern , ohne Wälle
Und verlaſſen von den Freunden
Stand fie vierzehn lange Jahre
Gegen vierzigtauſend Römer;
61

Bürgertugend war ihr Bollwerf.


Auf Aſtraea's Tempelſtufen
Hatte ſie das Schwert geweßt ,
Und ihr Fall war herrlicer ,
Als der Aufflug ihrer Feindin.
Stellen fab ich , wo der Regen
Abgeſpült die friſche Farbe ,
Und Numantia's graue Steine
Ragten vor wie Grabgeſpenſter ,
Mabnend an berfdwund'nen Ruhm.
Todte Menſchen ſind uns heilig ;
Warum legen wir die Hand
an die leiden folder Städte ?
Wahr ift's! Somerzen kann erweden
Ein geſunknes großes Haus,
Rubend in dem Abendſchimmer ;
Doch die — übertündten Trümmer
Preffen - II nmuth 8tbränen aus.
Wie errathend mein Gefühl ,
ließ die Wolke plößlich oftwärts
Eine Strahlengarbe finken ,
Und ich fab den ſchönen Ebro ,
Der durch Arragona's Fluren
Zwiſchen Blumenufern rout.
Calatajub , wo der Halon
Wie ein frober Bräutigam
Unter'm Myrthenſdatten fich
An Xilóca's Buſen ſtürzt -

Lag vor mir. Almagro's Eb'ne


Sab ich , und die Kaiſerſtadt,
Die uralte Saragoffa .
62

Ehrfurchtsſchen burchbebte mid ,


Ais der Vorzeit hohe Tochter,
Die phöniz'ſche Saldiviva * ),
Wie gefrönt durch die Erinn'rung ,
In Alhambra's Purpurfarbe
Am geprieſ'nen Ebro ftand.
Königogeifter aus dem Stamme
Mundirs glaubt ich zu erbliden
Auf der Uljaphériah ** ).
Immer höher ftieg die Wolke,
Und die Stelle wurde ſichtbar ,
Wo die Segra reißend , wie
Cäfars Glüc , zum Ebro eilt.
Mequinenza trat hervor.
Fernbin , über Cataloniens
Berge fah’n wir Tarragona ,
El'mals eine Stadt vom erſten
Rang im großen Römerreid ,
Nun berühmt durch ihre Trümmer.
Der Kriſtallberg von Cardona,
Aehnlich einem Feenid loffe,
Lag in Regenbogenfarben ;
Aber welch' Entzücken füllte
Meine Bruſt, als von dem höchſten
Raum ich Barcelona ſab
Unfern von dem Jovisberge*** ) ,
Die gewalt'ge Meeresfürftin ,
Die ben wilden Triton zähmt
*) Saragoſſa's phöniziſcher Name.
**) Das Schloß der mohriſchen Könige von Saragoſſa .
*** ) Der Montjoui.
63

Und vor ihren Muſchelwagen


Schimmernde Delphine ſpannt.
Montſerrat ftand hell erleuchtet,
Einer Säge zu vergleichen
Aus der Werkſtatt der Titanen.
In der Höhe chien ein Lichtſtrom , Tube Pornocu
Von dem wärmern Süden kommend ,
Unſ're Wolke zu erfaffen ;
Wie beflügelt eilte ſie ,
Unter fich Navarra's Berge,
Dem nachytkühlen Norben zu.
Son fab'n wir Vittoria ;
Weſtwärts fiel ein flüchtger Strahlo
se
Auf Léon , die altberühmte ;
Auf Aſtura's weiße Berge ;
Dviedo war zu ſehen
Und Biscaja's große Bucht.
Schneller , immer ſchneller flogen
Wir ob Pampeluna hin.
Wälder , Schluchten , wilde Ströme , og JERARE
Rieſenfelfen zeigten an ,
Daß den Raum der Pyrenäen we
Unſ're Wolke ſchon erreicht..
Mit der Schnelligkeit des Blitzessin
Flog fie von der Höhe nieder
In das nächtliche Gebirg',
Und mein Fuß berührte wieder
Den permißten Erdenſchooß.
Aber einſam fand ich mich
Denn der Engel war verſchwunden to get
Mit der ſtrahlenvollen Wolke. 29. 110
64

Aus dem Himmel, der verhüllt war mirusind out


Von dem Nachthauch der Gebirge, de
Trat der bleiche Mond hervor ,
Wie aus Grüften das Geſpenſt
Eines königlichen Helden , TS
Und bei ſeinem Trauerlichtant
Sab ich eine hohe Säule ,
Unter ihr ein mooſges Grab. 102
Seine Inſchrift zu erforſchen ,
Neigť ich mich und las die Worte :
„ Gingeft in das Vaterland , 5790
Ließeft uns zurück auf Erden , en diensten
Sigeſt in dem Himmelsfaalang ako
Bei der Väter Freudenmahl ,
Wir ſind in dem Thränenthal !"
Kaum hatt' ich die Shrift geleſen ,
Als im Inneren des Grabes
Ein gewalt'ger Fauftſchlag tönte , anche per
Wie bon ftahlbewehrter Hand.
Dreimal pocht es in der Tiefe , ‫اتنا‬
Daß die hohe Säule wanfte ,
Und der Gruftſtein ward gehoben.
Aus dem ſchwarzen Erdenrachen 2009
Stieg ein rieſenmächt'ges Bild , sigilat
Furchtbar , wie das kalte Nordland
Seine Kampfeggötter malt, วาระ ที่ 2 ใช้ 24222
War die drohende Geſtalt. ostende
Einen ſchweren Harniſch trug fie
Mit den Spuren vieler Kämpfe , te da
Feudyt noch durch die Grabeddämpfe ; and
Einen Helm , bedeckt mit Narben ; color
65

Um die Schulter eine Binde,


Glanzlos – mit verblidh'nen Farben ;
Bräunlich lag des Roſtes Rinde
Auf dem ungeheuren Schild,
Ganz verwittert war die Zier ,
Die ihn eb’mals ſchmüden mochte ;
Durch's geſchloſſene Viſir
Glänzten fürchterlich die grimmen
Augen wie zwei Lampendodhte,
Welche ausgeblaſen glimmen.
Die Geſtalt zog nun das Schwert.
Geiſterhände ſchienen plößlich
Aufzureißen das Viſir,
Und ich ſah ein bleiches Antlig ;
Furchtgebietend lag die Würde
Eines föniglichen Sinnes
Auf der marmorweißen Stirne ,
Und es führte ſeine Linke
Zu dem Mund ein Silberhorn ;
Schlachtruf ſchallte mir in's Dhr ,
Wie der Katarafte Donner.
Bebend ſchlang ich nun den Arm
Um die hohe Marmorſäule ,
Denn lebendig ward's im Thal.
Aus den fernen Walbestiefen
Brach ein wunderbarer Schein ;
Ehr'ne Tritte nabten fich
Noch gewaltiger , als früher ,
Stieß der Geiſt in's krumme Horn ,
Denn ein dumpfes Roßgewieber
Sdien zu mehren feinen Zorn.
Auffenberg'8 fämmtl. Werfe XII. 5
66

Tauſend Gräber ftanden offen ,


Wie von einem Blig getroffen.
Wolken fab ich aufwärts ſchlagen ,
Wie geformt vom Tobtenftaub.
Eiſenſchwere Hände braden
Raſſelnd durch das welke Laub.
Der Geſtirne Glanz verblich ,
Nur ber Mond ſah fürchterlich ,
Sawer beberridend dieſe Stunden ,
Aus den tiefen Wolkenwunden
Durch die grauenvolle Nacht.
Kriegerſchaaren reihten fich
In dem Thale wie zur Schlacht.
Aus dem ſchwarzen Lanzenwalde
Ragten die zerriff'nen Fahnen ,
Die Verweſung ſchon umkrađite ,
Moderfeuchte Partiſanen ,
Mit dwarzrothem Blut beflect,
Wurden ringsum vorgeſtredt.
Die farbloſen Helmesfedern
Wankten ſeufzend hin und her ,
Wie wenn auf den eigen Rädern
Hagel ſtürmt durch's Aebrenmeer ,
Hunger zeugend durch Enthalmung ,
Bis die Peſt, von Beulen ſchwer ,
Bon den Furien geleitet ,
Auf des Bruders Spuren dreitet.
Wie am Tage der Zermalmung *)
Das Gebein erſchauen wird ,
Wenn der Körper – ſeelenſuchend ,
*) Beiname des Gerichtstages .
67

Und den Lebensſünden fludend ,


216 Geripp burch Gräber irrt :
Wenn der Auferſtehungsengel
Unter allgemeinem Jammern
In des Todes finſtern Rammern
Mit den ebrnen Händen wählt ;
Alſo ward das Thal zerſchmettert
Von dem Gliederídlag der Roffe ,
Die auf Pfaden , dicht umdornt ,
Von den Reitern angeſpornt,
leber morſde Stämme ſtürzten ,
Ueber umgeſunf'ne Säulen ,
Deren Farben längſt verblichen ;
Schnaubend hoben ſie ſich wieder ,
Die verbrehten Augen glichen
Fenem feuchten Todtenholze ,
Das bie nagende Verweſung
Sich zur Fackel auserwählte ,
Und der weitgeſperrte Mund ,
Nicht geborchend dem Gebiff',
Das die Seiten ihm zerriß ,
Wehte falten Schaum umber , 1

Wie die Woj' ihn von dem Meer


Schleudert nach des Schiffero Wangen.
Fürchterliche Töne flangen ,
,

Als der Sdwertſchlag ihrer Reiter


Auf den mähnenloſen Hals ,
Auf die fleiſd beraubten Penden
Niederſank von Dobtenbänden.
Wie gejagt durch die Verzweiflung,
Eilten knirſcend fie boran
5 *
68 1

In entſeglichem Gedränge ,
Durch die bunfle Felſenenge,
Ueber Herbftlaub, todte Wurzeln
Leuchtend in dem Zauberſchein ,
Ueber rollendes Geftein
und geſtürzte Grabesfäulen ,
Noch umflogen von den Eulen ,
Die das Grauſen dieſer Nacht
Von dem Kubefit verjagt.
Jeßt - vom boben Bergedrüden
Tönt ein neuer Ruf zur Schlacht.
Bei verworr'nem Klang der Cymbeln ,
Der Poſaunen und Trompeten ,
Kam ein zweites Geiſterbeer,
Unter'm Banner des Propbeten.
,,Adab ! " rief die ganze Schaar,
Nach dem Thal die Schritte Tenfend
Und die Mohrenfahne ſchwenkend ;
Aud die wilden Basken nayten ,
Die dem Heere fich verbunden
Auf den dampfumwölkten Pfaden.
Bei dem Anblid dieſer Sdaar
Wurde meinen Sinnen klar ,
Daß ich in furchtbarer Nähe
Nun verwirklicht vor mir ſebe ,
Was aux längſt vergang'nen Sagen
Sid erhielt in unſern Tagen ,
Daß ich auf des Tod's Gefilden
In dem dornenvollen Thal
Nun ein Zeuge bin der wilden
Geiſterſchlacht von Ronceval.
69

Uebermächtig ſtürzten fich


Auf den Feind die braunen Mohren ,
Und der allgemeine Kampf
Breitete die Riefenarme
lInter dichtem Leichendampf
lim ber þeere bunkein Knäuel.
Dort finkt Fußvolt auf die Kniee ,
Mit weit vorgeſtredten Langen ,
Mit bleifarb'nen Hellebarden
Zu beſchirmen die Standarten ,
Und die mobr'ſche Reiterei
Bricht, mit tollem Wuthgeſchrei,
Mit des Donnerwageno Toſen ,
Mit wildraſſelndem Gebein
In neunfach gethürmten Reih'n *),
auf drei Seiten in dem großen
Rauchumhüllten Viereck ein.
Alles ſtürzt vor ihr zuſammen ;
Wie unftäte Kampherflammen
Blißen die gekrümmten Säbel
Durch die fchweren Todtennebel;
Aus verborg’ner Felſenſchlucht
Fliegen federloſe Pfeile ,
Streid auf Streich erbröhnt die Wucht
Der gewaltigen Stachelfeule;
Breitſchlägt ſie die Harniſche',
Wie der Hammer Lebermünzen ,
Und die Todtenſchädel grinzen
Blutbegierig wie Vampyre ,
Durch zerſchmetterte Viſire.
* ) Die Mohren bilteten oft neun Glieder bei großen Cavallerieangriffen .
70

Aufbridt jede Panzerfette ,


Und die alten
Leichenweißen Bruftſfelette -
Ragen aus den breiten Spalten.
Hülfe bringend ihren Brüdern ,
Sprengen nun in engen Gliedern
Aue Chriftenkämpfer vor
Ueber Hügel , Stein und Moor.
Flüce daten in drei Sprachen ,
Mächtig Sterne zu verdunkeln.
Nichts mehr feh' ich , als das Funkeln
Der zum Kampf gebot'nen Schwerter ;
Nichts vernehm ' idy fürder ,
Als der Ssild' und Helme Krachen ;
Turbans finken - Lanzenſplitter
Fliegen mit Gefaus
Durd ben böl'den Graus,
Wie die Bliße durd's Gewitter.
Von den monderbetten Gipfeln
Stürzen mit entlaubten Wipfeln
Hundertjährige Baumesſtämme
Auf die Fechtenden beraieber ,
Und die abgeriff'nen Glieder
Der Getroff'nen ſchweben gräßlich
Im Gewirr der ſchwarzen Wurzeln ,
Welche nun , vom Chal der Plagen ,
Erdfrei gegen Himmel ragen.
Go - in dieſen Raum gezwängt ,
Tobte ftundenlang die Sdlagt ,
Bis die Chriſtenſchaar zerſprengt,
Und in wildverworr'ner Eile
71

Unter dumpfem Wuthgebeule


Rüdfloh in die Gräbernacht.
Der , den ich zuerſt erblickte,
War der Leste auf der Flucht,
Nab der tiefften Felſenſchlucht
Hatt' er blind vor Wuth erfaßt
Eines Feindes rieſige Laft.
Wenn in unwirthbaren Zonen ,
Wo des Nordmeers Fluthen wallen
Und der ew'ge Winter ſtürmt,
Ein Gebirg, aus Eis gethürmt ,
Mit der Donnerſchläge Schallen
Plößlid auf ein Andres ftößt ,
Und dann Beide , feft gepreßt ,
Auf verſteinten Meereszinnen
Den Gigantenkampf beginnen ,
Wird ihr Anblid faum fo furchtbar ,
Wie der Streit der Ritter ſein ,
Die mit fragendem Gebein
in dem Dornentbale ringen
Feft und fefter fich umſdlingen ,
Bis wie Glas die Panzer brechen .
„Hei ! Bernhard von Carpio ! "
Hör ' id nun den Einen ſprechen ,
Du mußt ſiegen -- bu mußt fiegen !
Carols Freund. muß untergeh'n.
Dft noch werb' ich dir erliegen ;
Bald did wiederſeh'n !
Stürz' mich ! ftürz' mich ! -- So ! --
Hei ! Bernhard von Carpio !
Wenn der Mond wählt, kommt die Qual ,
72

Würgſt du mich in Ronceval ! "


Hingeſunken war der Ritter ,
Während er die Worte ſtöhnte ,
Und das wilde Kampfgewitter
Langſam in der Höh' vertönte.
Fern fab id die dunkeln Mobren ,
Die in Nebeln fid verloren ,
Ueber Waldſtrom , Schlucht und Hügel ,
Sprengend mit verhängtem Zügel ,
und aus Roncevals Bezirke
Sdwindend hinter’m Hochgebirge.
3eßt , mit regenſchwerem Nebel ,
Sah den Mond ich eingehüllt,
Wie mit Schweiß , den ſeine Stirne
In der Zaubernacht vergoß ,
Und bei fahlem Dämmerſchein
Bankte der geſtürzte Rieſe
Wieber ſeinem Grabe zu
Da erblickt er mich ! „ Wer biſt du ,
Deffen Fuß in folder Stunde
Inſer Todesthal betritt ?
Ift die Welt nicht reich an Gräbern ,
Die ein tiefer Sdlummer bedt ,
Daß du jene aufgeſucht,
Deren ſturmverbeerte Hügel
Noch der Geift der Rube flieht ?
Dein verwegenes Gemüth
Sou hier raſche Strafe finden ,
Und dein freches Aug' erblinden ,
Das ein unberuf'ner Zeuge
Von geheimen leiden war.
73

In dem großen Erdenreiche


Ward noch keinem offenbar ,
Wie die Geiſter bier in Qualen
Ihre Lebensſchuld bezahlen ,
Und kein Sterblicher ſolt prablen ,
Daß die Nachtſchladt er geſchaut,
Die bem Drt iſt anvertraut ,
Sie - vor der ſelbſt Engeln graut.
Wenn ſie tobt zum nächſtenmal,
Kämpfft du mit - im Todesthal
Eine Leich' - von Ronceval !
Spricht'®, und ſchwingt das ſchart'ge Schwert
Vor dem Luftzug wanken Bäume ;
Aber ich zu ſeinen Füßen - !
Ründ' ihm Namen und Geſchlecht,
Schwörend, daß nicht freier Wille,
Daß ein Geiſt mich hergeführt,
Welcher wohnt in beffern Fernen ,
Wo des Haſſes Stimme ſchweigt,
Deſſen Palme von den Sternen
Bis zur Schlucht der Gräber reicht.
Als er hörte meinen Namen ,
Blidt er freubenvoll berab ,
Wie der Kriegøplanet durch Wolfen ;
Und ſo tönten feine Worte :
,,langerſehnter -- ſei willkommen !
Eine blutige Dornenfrone
Wird nun meinem Haupt entnommen ;
Heil Arabia's edlem Sobne."
Segnend ſprach er dieſe Worte ,
Blicte dankend gegen Himmel
74

Und rief freubetrunken aus :


,,Söre nun aud meinen Namen
Und mit ihm das große Werf ,
Dem der Himmel dich beſtimmte.
Roland bin ide !
Kaiſer Carols Paladin.
Jener , der dort wundenvou
In das nächſte Grab geſtiegen ,
‫܀‬

3ft Dlivier , mein Freund !


Der Gewalt'ge , der mit Eiſen
Armen mich zu Boden rang ,
3ft der Löw ' Bernhard von Carpio
Und die andern Krieger , die
Streitbar meiner Fahne folgten ,
Waren , in der Vorzeit Tagen ,
Unſ're$ Frankenlandes Zierde ,
Und die weltberühmten Säulen
Eines großen Raiſerthrons.
Als der Staatengründer *) madtvoft
Sich auf's eb'rne Kriegsroß ſchwang ,
War im Jnnern er entſĐloſſen ,
Vorzudringen mit dem Kreuze
Bis zur Pforte des Alciden ;
Dod das bringende Geſe
Hober Staatskunſt ließ vorerſt
Ihn den wahren Plan verſchweigen .
Siegend ſtand er icon am Ebro ,
Pampeluna war gefallen.
Herrſcher, die in Spaniens Norden
Neue Chriſtenreiche ſchufen ,
* ) Carl der Große.
75

Blidten feindlich auf den Kaiſer ,


Der mit Cäfars Muth und Klugheit
Auch ſein felt'nes Glück berband.
3ft der Krieg im vollen Lauf ,
Strauchelt er oft über Neße ,
Die geheimer Neid ihm ftellt.
Abgeſchloſſen warb ein Friede
Mit dem Mohren Marſilias ,
Denn die Erften unſers Heeres
Stimmten auf dem offnen Maifeld
Gegen fern're Kriegesbauer.
,,Ohne feines Plano Vollendung
Sab der Herrſcher fich genöthigt ,
Heimzukehren in ſein land.
Dies erwedte Gottes Zorn ,
Und die Strafegeiſter ſandt' er
Von dem Thron' der Allmacht aus.
Hier erreichten ſie die Sdaaren ,
Die mein Fürſt mir anvertraut,
Daß ich wieder ſie geleite
In's geliebte Franfenland .
34 - der Einzige des Heer's ,
Der für Kriegesfortdau'r ſtimmte,
Wäre bier verſchont geblieben
Von dem ftrengen Racheſchwert,
Hätte nicht geheime Schuld
Auf dem Herzen mir gelaftet;
Denn in Lieb' war ich entbrannt
Für die ſchöne Mohrenfürſtin ,
Die des Morgenſternes Namen
Als Marfilias Tochter trug.
76

Darum blieb ich beigeſellit


Dieſer unglüdſel'gen Schaar ,
Die , nadh feſtem Himmelsſpruch ,
Ihre Gräber muß verlaſſen ,
Wenn fid füllt des Mondes Scheibe.
Auch die Mauren und die Basken
Und die andern Chriſten Adle ,
Die ſich ihrem Heer vereinten ,
Bannt der gleiche Fluch hierber ,
Weil die ſchimpfbededte That
Des Verräthers von Maganza *)
Sie zum Siege bat geführt.
Alſo ruht auf dieſem Drte
Doppelt des Admächtgen Grimm ;
Denn ber Franfe büßet ſchwer
Für und riftliches Beginnen ,
Welche bemmte feinen König
Auf dem Kreuzzug gegen Süden ,
Und der Mohr und ſein Verbund'ner
Für das Werk geheimer Cüde ,
Das unwürb'ge Siegeskronen
Ihrem falſchen Haupt gereicht.
Unſichtbare Strafgewalten
Treiben und zur nächst'gen Schlacht;
Doch es ward ein Ziel geſegt
Dieſer unerhörten Qual.
Bor Jahrhunderten erſchien
In der Chriſtnacht der Geſandte
Gottes über Ronceval.
Taghet leuchteten die Höhen ,
*) Ganelons von Mainj.
77

Ade Felſen ſchienen Purpur ,


atie Bäche Sonnengold ;
Weihrauch dampfte aus den Wäldern , 1

Ambra aus den Todtenfeldern .


Unſ're mooſgen Grabesſteine
Wurden leiſ hinweggeſchoben ,
Und die tauſend Leiden boben
3hre Häupter nach dem Scheine,
Der vom Engel niederfiel
an der Reiſe Schauerziel;
Und ed ſprach der Abgeſandte:
„Heil und Friede allen Frommen !
Heil den Sündern , die bereu'n !
Den Erwählten ſteh'n ſie gleich.
Die Erlöſung wird euch kommen ,
Wenn das leßte Mohrenreich
Untergeht im ſpan'ſchen Lande.
Wenn der Aeltefte von allen
Stämmen des arab'ſchen Volkes
Zieht in Jeſu Chrifti Hallen .
Seine Taufſprengt eure Bande !
Die Erlöſung wird euch fommen ;
Heil und Friede allen Frommen ! “
So ſprach Engel Gabriel.
Flog zurück und fchwebte lange
Wie ein Stern ob Ronceval ,
Bis er dämmernd in den Tiefen
Der Unendlichkeit verfdwand.
,,Als ſein letter Strahl zerfloffen ,
Wurden , wie mit einem Schlag ,
IInf're Gräber zugeſchloffen ;
78

Aber der Erlöſungstag ,


Den die Gottheit und verſpracy,
Blieb als Traum von fünftigem Glück
in der Tobtengruft zurück! -
,, Jego fteht vor mir ein Sohn
Zenes herrlichen Geſchlechtes ,
Und von ſüßer Hoffnung winket
Carols Paladin ihm zu.
„Daß Granada , fdwer bedroht ,
Bald fich neigen muß dem Kreuze ,
Ward mir fund durch jene Mädte ,
Die vergeben ſich verbergen
Den Bewohnern dieſer Orüfte.
Nur für Menſchen unfidytbar
Eilten ſie von fernen Zonen
Angſtbeflügelt nach Granada.
Sdauervolle Geifter find fie ,
ſlamitiſche Dämonen ,
Die aus Satans Hauch entſtanden ,
An dem Tag , als Mohammed ,
Prahlend mit Prophetenwürbe ,
Dem betrog'nen Boll erſchien.
Menfchenlarven tragen fie,
Körper , beiderlei Geſchlechtes ,
Schaffen konnte ſie der Teufel.
Die Vermehrung iſt i br Werk.
Doch es hat die ganze Hölle
Sie mit Fruchtbarkeit geſegnet ,
Und der Fürſt des Abgrunds nennt ſie
Höhnend : - 3eugen ſeiner Macht,
Engel aus dem ſchwarzen Himmel .
79

Dennod find fie nirgends beimiſo ,


3rren unterm Sternenbeer
Wie blutrothe Feuerflingen ,
Die im Schwung vom Griff gefallen.
Immer ftreben ihre Häupter
Nach den Kronen ew'ger Macht.
Oft verweilen ſie auf Welten ,
Die nod unter'm Rabenflügel
Des uralten Chaos ruh'n.
Wo fein Opfer wird gebracht,
Wo , die Gottheit zu verehren ,
Kein Gebet wird angeſtimmt,
Und der Chron ber erſten Nacht
Auf den uferfreien Meeren
Noch in voller Größe ſchwimmt.
Defters aud betreten ſie
Trümmer - abgelebter Sterne ,
Deren Pernfeu'r iſt erlofden ;
Deren todte Oberfläche
Des Gerichtes Spuren trägt,
Welches vor dem legten Tage
Ueber fie bahin geſchritten .
„ Auf der ſchwarzumwölkten Erde ,
Die uns Gott zur Heimat gab ,
Bauten ſie ſich einen Thron ,
Wie kein bell’rer Stern ihn duldet ,
Deflen felige Geſchöpfe
Unter'm liebeszeiden ruh'n.
Hier , wo zwiſchen Tag und Nacht
Feindlich alle Stoffe gähren ,
Wo bat Eble wird zertreten
80

Und das Heilige verſpottet;


Wo der Wahn bewaffnet ſteht,
Und mit frecher Hand die thier'den
Triebe auf Altäre rekt
Als vergötterte Gebilde :
Hier fand fich ein freier Raum
Shrem ſchadenfrohen Wirken.
Zu vertilgen unſer Wohl ,
Müſſen rubelos fie wandern ;
Stürzt ihr þeer an einem Por ,
Steht es neu empor am andern.
Jego geht der Zug nach Süden ,
Zu dem lekten ihrer Häuſer ,
Das im Abendreiche *) ſteht.
Wie der Erde Staub und Trümmer ,
Wie des Herbſtes welfe Blätter
In des Wirbelwinde Säule ,
Alſo zog ihr Heer dahin.
Immer neue - neue Schaaren ,
lind feit hundert Nächten hört ich ,
Wie die Sturmfluth wild anſchwellend ,
Wie die Ebbe dumpf verbrauſend ,
Shren angſterfüllten Ruf :
Nach Granada ! Nad Granada ! "
Solches ſprach der Paladin .
Id enthüllte nun dem Geiſte
Meines Vaterlandes Lage
Und das Mißgeſchick des Stammes ,
Der , vor allen treu und edel ,
In Granada's Bivarambla
* ) Beiname Spaniens .
81

Die ererbten Fahnen bob.


Auch verfdwieg ich nicht dem Helden ,
Wie die Worte
(auf Alfaïma beutenb).
dieſer Fürſtin ,
Die der Chriſtengott gerettet ,
Unſ're Herzen tief bewegten ,
Daß des Heilands milde Lehren
Wurzeln ſchon in uns gefaßt;
Daß wir nur mit inner'm Sdauer
Noch zum alten Gotte beten ,
Deffen herrlichſte Berbeißung
Nach dem Tod zum – Wollufttempel,
Aber nicht zum Himmel führt.
Als ich dieſes ausgeſprochen ,
Flog ein neuer Wonneſchimmer
úeber Rolands Antliß hin.
,,Romm mit mir, o Friedensbote !"
Alſo rief der Paladin ,
Würdig biſt du , zu erbliden
Jene ſel'ge Himmeløſtadt,
Deren glückliche Bewohner
In den bellen Feierkleidern
üm den Sitz der Wahrheit ſchweben.
Die befreundeten Gewalten
Harren längſt auf dein Erſcheinen.
3hre Perlenthore werben
An dem Ziel uns offen ſteh'n ;
Wenn am Arme des Befehrten
3hre Wächter - mich erſeh'n !"
Spricht's, und Jubeltöne challen
Auffenberg's ſämmtl. Werle XII. 6
82

Aus dem klaren Silberhorn ,


Das er ſchnell zum Munde führte.
Zwei milchweiße Roſſe ſtürmen
An mit einem Feuerwagen.
Bor dem Sdnauben dieſer Renner
Sinfen hundertjährige Bäume
Ausgeborrt zur Erde hin.
Brand ergreift den dichten Wald
Und der Feuergeiſt durchtobt ihn ,
Wie mit tauſend Flammenärten ;
Durch blutdunkle Rauceswolfen
Brechen nun die Renner vor
Mit der Eile der Flamingo's ,
Die nach Indiens Götterſagen
Durch gethürmte Hochgewitter
Den gewalt'gen Brama tragen.
Haltend vor dem Paladin ,
Bliden ſie mit flugen Augen
An dem Herrlichen empor.
Dieſer winket mir, zu folgen ;
Schwingt ſich auf den hohen Siß ,
Faſſet raſd die gold'nen Zügel ,
Unb faum batt' er wahrgenommen ,
Daß ich ſein Gebot erfüllt,
Treibt er an die luft'gen Renner ;
Sturmſchnell fliegen ſie hinauf ,.
Tragen uns vom Dornenthal
Ueber Waldbrand , Qualm und Wolfen ,
Den geſtirnten Räumen zu.
Immer klarer traten nun
Die gewalt'gen Himmelslichter
83

Aus den blauen Tiefen vor ,


Größer ſtets und wundervoller ;
Während wie beſchämt die Erde
Sich zurüdzog in die Nacht.
Hebre Geifterblice warf
Bom Geſpann mein Führer nieder ;
Sprechend : ,,Sieb ! wie frein die Erde
Bei ſo großem Stolz erdeint!
Dennod bat fie Raum genug ,
Qualen in fich aufzunehmen ,
Die fein beffrer Stern umfaßt."
Da gewahrt' ich zwei Geſtalten ,
Die , der Erde gleich an Umfang ,
3hr zu beiden Seiten ſchwebten .
Die zu ihrer Rechten thronte
Hoch auf einem Nebelberge ;
Anzubliđen wie ein Engel,
Der erſcheint in wahrer Größe ,
Deffen Herz in Trau'r verſank.
Mit der einen Hand umſchlang fie
Eine Urne , d’raus in Strömen
Licht zur Erbe fich ergoß ;
Mit der andern hob ſie bebend
Einen bellen Schild empor ;
Ibn beſtürmten ſchwarze Pfeile,
Deren ein'ge ihn durchbohrten ,
Während viele machtlos brachen
An der diamant'nen Wölbung,
Schmerz umdüfterte ihr Antlig,
Und ein Amaranthenzweig
Wand fich durch die gold'nen Haare ;
6*
84

Doc des Kranzes eine Hälfte


Schien berührt von eiſ gem Froſt,
Denn die Blätter waren welk
Und bewegt vom Hauch des Sturmed .
Sehnſuctsblide warf der Engel
Der geliebten Erde zu ,
Sab dann mit bethränten Augen
Nach dem zweiten Rieſenbild ,
Das den andern Pol beherrſchte.
Stahl und Eifen idien der Berg ,
In der Ewigkeit gewurzelt ;
D’rauf der Nachtgeift fich erhob.
Aehnlich war er den Geſtalten ,
Die der Menſch im Traum erblidt,
Wenn ihn Höllenmächte foltern .
Aufgethürmte Särge waren
Seines Nadtpallaftes Säulen ,
Und verſchlungene Gerippe
Bildeten die hohe Ruppel
Ueber'm rabenſchwarzen Haupt.
Mendlich waren feine Züge ,
Dod von ew'ger Dual verzerrt,
Eine gelbe Krone trug er ;
Statt der Stacheln ragten fieben
Ceufeløbilder auf an ihr ,
Gräßlicher als jene Gößen ,
Die der Wahnſinnstraum der beiden
In verfluchten Nächten fduf.
Jedes Bild trug eine Binde
Im den fablgebrannten Säbel,
D'rauf ſein böfer Name ftand.
85

In den ſieben Krongeſtalten


Hatt' ich zitternd nun erkannt
Die Todſünden dieſer Erde.
ghres Trägers Eiſenfüße,
Alehnlich zwei geſunt'nen Gletſdern ,
Die das Alpenthal bedroh'n,
Rubten fd wer auf einem Hügel ,
Welder aufgeſchichtet war
Aus zertrümmerten Palläſten ,
Aus zerbroch'nen Heeredwaffen ,
Aus ben kielen ftolzer Sdiffe,
Die den Ocean beherrſchten,
Bis der Nordſturm fie per mettert.
Kronen blidten aus der Rinde
Dieſes Berg's , vom Wurm umſchlungen ,
Statt som frijden Lorbeerzweige ;
Neben bunfeln Bettlerfleidern
Ragten Rönigemäntel vor
Und verwitterte Tiaren ,
Zeichenloſe Fahnen , Bogen
Des Triumphes , Tempelpforten
Mit uralter Sdrift ; -
gerriff'ne
Bücher , ſtaub’ge Pergamente
Und wat ſonſt noc an Geräth
Todte Bölfer hinterlaſſen ,
War zum Fußgeſtell geformt
Jenes fürchterlichen Geiſtes.
Ohne Raft verſandter Pfeile
Durch den ſchwarzen Nebelqualm ,
Und nach jedem Schuß ertönte
Ein Gelächter gleid als Beule
86

Eine Heerde von Hyänen.


Mein berühmter Führer fprac :
„ Žener Engel iſt das Leben ,
Dieſer Höllengeift der Tod.
Zwilden ſolchen Polbeherrfern
Dreht fich mit erborgtem lichte
Unſ're Kugel, die nun bald
Deinem Auge wird entſchwinden ;
Denn fchon nabet fide der Pfad
Jenem Ort , wo die Erwählten
Hebrer Weibe Stärkung finden . "
Aufwärts blidend, fab ich zitternd
Einen großen Flammenftrom .
,,Shließ' dein Auge!“ rief der Führer ,
Und ich fühlte mid umwogt
Von dem Feuer, beffen Glutſdoos
Durd die Roffe warb zertheilt.
Machtvou deďte mic Drlando
Mit dem ritterlichen Schild ,
Und von einem neuen Leben
Fühlt' ich meine Bruft durchdrungen.
Jenſeits dieſer Weibefluth
Ronnt' ich mit geſchärftem Blide
Durch die große Schöpfung ſeh'n.
Wie son ſchwarzen Souppen war
Mein gereinigt Aug' befreit.
Unter meinem Geiſte lag
Der zerbroch'ne Erdenmaßftab,
Und im Reich der höhern Präfte
War ich fähig zur Betrachtung
Himmliſcher Verhältniffe.
87

Sdnelle flog bas Feu'rgeſpann


An dem bleichen Mond vorüber.
Wie ein trodnes Sterngeripp
Lag er odemlos und kalt
Mit den ragenden Gebirgen.
Höher – höher eilten wir ;
Sah'n bes Aufgango Roſenpforte,
Wo der Tag , der Himmelophönir ,
Seine Purpurflügel dwingt ;
Aus entfernten Räumen fandte
Mars den friegeriſchen Blid ;
Würdevod 309 Jupiter
Auf der ew'gen Bahn babin ,
Und ſein Goldfit war umgeben
Von den leuchtenden Trabanten .
Düfter aus dem breiten Ring
Sab der feindliche Saturnus.
Mübe der Unſterblichkeit
Scien der alte Zeitenkönig ,
Dem die Zauberer gehorchen
Und die Deere ber Dämonen.
Wie ein Lichtſchiff 30g der weiße
Sdwan burd's blaue Meer des Aethers
Orpheus' Leiér klang zum Poblieb ,
Ind Orion, der Prachtvolle,
Ließ den Strahlengürtel tönen ;
Aud Cepheus , Andromeda ,
Caſſiopeja grüßten uns ;
Alle hier in ſtolzer Größe ,
Die Gefürfteten des Himmels
Mit den ew'gen Feuerfronen.
88

Und am Weltpol ſchwebten wir ,


Unter uns die Burg der Schöpfung,
Bon dem Sternentanz burdichimmert.
Milden Blides ſprach Orlando :
„ Siebſt du bort das Strahlenmeer,
Das noch höher als die Sterne
Ueber'm Weltenpole wogt ?
Eilten wir durch Ewigkeiten
Mit gleich raſchem Flug babin ,
Immer würdeſt du dies Licht
u eber deinem Haupte ſehen ;
Aus dem unerſchöpften Meere,
Nie beſchränft von einem Ufer,
Strömt der Lebenstrant des Lichte
Allen den Gebilden zu ,
Die , an Raum und Zeit gebunden ,
Durch die niedern Sphären zieh'n.
In dem Scooße biefer Strahlen
Wirſt du ſeh'n die Himmelstadt ,
Inf'rer Reife hobes Ziel.
Noch trägt fie den iro'lchen Namen ,
Weil in ihr der Mittler ſtarb ;
Dod verklärt warb ſie zur Wohnung
At der eifrigen Bekenner ,
Die für Jeſu Chrifti Lehre
Zeitliches bintangefeßt.
Staunen wirſt du , wenn dein Auge
Bilder - unſ'rer Welt entnommen ,
Jenſeits der Geftirne fiebt.
Gott erklärte dies Gebeimniß
Seinen hohen Dynaſtien ,
89

Den throntragenden Gewalten ,


Die den Gläub'gen es enthüllt ;
Ebe mit dem Gruß der Engel
Vor Maria bingetreten ,
War an einem Himmelsfeſte
Die Dreifaltigkeit zu ſchauen.
Alle Sterne wurden plöglich
In dem Feuerflug gehemmt.
Stitle ſtand der Scöpfung Odem
Und erwartend lag bas A0
Bor dem Throne der Dreieinen .
Sohn und Vater hielten Rath
Mit dem Geifte ; die Mendwerbung
Des Erlöſers ward beſloffen.
Nad dem Ebenbild der Gottheit
Wurben Alle wir erſchaffen ,
Sünd' und Tod entſtellten uns ;
Dennod blieb der Menſo das Weſen ,
Welches zwiſchen Thier und Engel
Auf der Schöpfungdleiter fteht.
Unter allen Tugenden
Hat die Demuth fich den höchſten
Preis vor Gottes Thron erworben.
Aus den unzählbaren Sternen
Ward erſeh'n die kleine Erde ,
Und auf ihr der dürft'ge Stall
Zur Geburt des Weltenkönigs.
Die Geftalt, die er erwählte *),
Ward auch hier im Paradieſe
Bon den Geiftern angenommen ,
*) Die menſchliche
90

Als die edelſte und reinfte,


Die zur Sichtbarwerbung großer
Himmelspotentaten dient.
In verklärten Menſchenförpern
Wirft du die Erhab'nen ſchauen ;
Denn ber Ew'ge bat beſchloſſen ,
Daß die Geiſter der Erlöften
Hier in glücklicher Gemeinſchaft
Mit den erften Engeln leben .
Darum gelten ird'de Formen
Selbſt im ew'gen Freudenreich.
Jedes Bild , das du erblideft,
Wird dich mahnen an die Erde ;
Denn im Himmel ſiegt die Demuth !
Sonft wär' Chriftus in der Sonne
Statt auf unſerm Stern erfdienen."
Staunend ſprach ich zu dem Führer :
„Hober , kriegeriſcher Scatten !
Dem die Gottheit ihr Gebeimniß
Gnadenſpendend aufgeſchloſſen ,
Einen Zweifel tilge noch
Eh' wir zieh'n durch's Thor der Wonne.
Au' die berrlichen Gebilde ,
Deren Reihen wir durchflogen ,
Die ſo ſehr an Glanz und Größe
Unſern Wohnort übertreffen,
Sind von Menſchen ſie betreten ? -

Nicht von Weſen höbern Rango ?


Wäre ſichtbar der Erlöſer
In dem Sonnenreich geworben ,
Welche ftrablende Geftalt
91

Hätt' er dann wohl angenommen ?"


- Fei'rlid (prad ber Paladin :
„ Wiffe , daß die Ordnung Gottes
Gleid fich bleibt auf jedem Stern.
Ueberau entfteben Wefen ,
Welche zwiſchen Thier und Engel
Die gewalt'ge Lüde füllen .
Die Geftalt ift zwar verſchieden ,
Nach Beſchaffenheit der Sterne.
Rannft du nicht an einen Faden
Riefel - Golbringe und Perlen
In derſelben Stunde reih'n ?
Menſchen giebt es überau,
Und ihr Streben nach Erkenntniß ,
Nad verbot'nen Lebensfrüchten ,
3hr raſtlofer, inn'rer Kampf ,
Der hervorgeht aus der Reibung
3wei fremdartiger Naturen *),
Zwiſchen die fie Gott geſtellt,
War auf jedem Stern derſelbe;
Wie die Menſden überall ,
Zeigte ſich der Sünbenfall.
In der großen Schöpfungskette
Drobte ſchon ein Ring zu brechen ;
Als der mächtige Erhalter
Seinen reinen Sohn gefandt.
Unſer Stern war wohl das Kleinſte ,
Das ſein Dpfertod gerettet.
Chrifti Blut, am Kreuz vergoffer ,
Hat die Sdöpfung neu befeſtigt,
*) Der engliſchen und thieriſchen,
92

Die dem Chaos nabe war ,


Wo der Todesdrache lauert.
Jeder Stern der höhern Ordnung
Trägt bed lichte - der Liebe Fahne
Und der Welterlöſung Zeichen.
Die Geringern , wo die Nacht
Und ihr Kind der Wahn noch herrſchet,
Schwanken zwiſchen Kreuz und Tod ,
Bio Das Erft're fiegt auf ihnen ,
Wenn das Weltgericht erfdienen.
Wenn im großen Schauerthal * )
Das Gebein fich zitternd fügt
Und ber Drach' zum leßtenmal
Unter Michaels Füßen liegt.
Ausgebrannt ſtürzt dann die Hölte
Ueber'm Haupt bes Tobes ein ,
Und die ew'ge Lebensquelle
Winkt ben Guten zum Verein ;
Die an Gott gefrepelt haben ,
Müſſen dann dem Satan dienen ;
liegen rettungslos begraben
Unter hölliſchen Ruinen.
Gott erhebt ſein Diadem ,
Wandelt burch die Sternenſtraßen ,
Und des Sohn - Jeruſalem
Wird das ew'ge All umfaffen !!
Dies bedenkend blick empor ! "
Und ich fah ol wefſen Mund ,
Wären aud die fühnften Worte
3hm von Genien eingebaucht,
*) Das Chal Joſaphat.
93

Rann beſchreiben einen Anblick,


Deffen Pracht die größten Wunder
Dieſer Erbe tief beſchämt !!
Drients fönigliche Burgen
Sind nur ſcattenvolle Grüfte
Gegen jene Himmelowohnung.
Scédad's Stadt, die Gärten Frans
-

Ifthakar, der Bau der Geiſter,


Wo nad unſern falſchen Sagen
Der Prophetenfönig ídläft ,
Rirmith's ſonnenrothe Hügel ,
Die Gülſémins * ) von Baffora ,
Ade Lauben von Morellay ,
Die am filbernen Rofnabad
3n den Balſamgarten ruh'n ,
Tſdilminar - das Haus Humaiouns
Mit den vierzig Strahlenthürmen ;
Reifavus erhab'ne Burg
Mit den Gold- und Dnyrthoren ;
Der Pataft der ſieben Farben
Des altperfiſden Behramgure ,
Welchen unſ're Königsmutter **)
In dem falſchen Paradieſe
Mohammeds poll Staunen ab ;
Tachi Chosru *** ) und dad ſtolze
Heptakondom von Byzanz ;
Selbft Amarah, von den erſten
*) Gülſemine: Rojenerde, ſo beißen die Promenaden por den orientaliſchen
Städten.
**) Sarracinna .
***) Der Pallaſt von Chogru Parvis , ſehr berühmt im Drient.
94

Erbenföhnen angepflanzt,
Das , ein Zauberreich im Süden ,
Zwiſchen Marmorbergen ruht;
Alle reiden an den Glanz
Zenes fel'gen Drtes nicht! -
Was an füßen Wohlgerüchen
Saba , Tidor und Ternate
An dem Blüthenbuſen tragen ,
Wehte mir erfriſchend zu.
Nidt bas tiefe Blau bes Aethers
fand ich wieder in den Höhen ;
Nein ! der Himmel trug die Farbe ,
Die am Tage des Erwachens
Hold verſämt die Raſchmirsroſe
Den geſchmüdten Fluren zeigt.
Jeßt, aus duft'gen Weihrandwolfen ,
Stiegen die Juwelenthürme
Dieſer gottgeliebten Stadt
In das Roſenlicht empor.
Auf der Zinne jedes Thurmes
War ein Cherub zu erblichen ,
Deffen weitgeſpannten Sdwingen
Narb' und Myrrhenhauch entſtrömte ,
Deffen Mund der nahen Gottheit
Ew'ges Halleluja ſang.
Näber glänzten ſchon die Mauern
Von lichtgrünem Jaspis ; Cedern
Blühten auf den breiten Höh'n ;
An den nieverwelkten Stämmen
Prangten gold'ne Seraphsharfen ,
Die , vom Luftſtrom ſanft berührt,
95

Zu der Engel Loblied tönten .


Betend ſprach der Paladin :
„Heilige Stadt ! zu der die Gottheit
Selbſt den Grundſtein hat gelegt ,
Die der treu'ſte aller Yünger * )
Grüßte im prophet'ſden Traume ,
Nimm uns auf im fel'gen Raume!
Schön geſchmüdt, wie eine Braut,
Stehſt du vor dem Bräutigam ,
Vom admächtigen erbaut
Und erleuchtet von dem Lamm !
Hoſiannah !! "
Und wir ſchwebten vor dem Thore ,
Das , geformt aus einer Perle ,
Aehnlich war dem vollen Mond ,
Wenn die leßten Sonnenlichter
Auf fein bleiches Antlit fallen.
An der Seite dieſer Pforte,
Unter'm Schatten einer Palme
Saß ein wunderſchöner Jüngling.
In den Träumen des Propheten
Ward fein Paradieſesfnabe
Mit ſo hohem Reiz geſchmüdt;
3a , felbft der egypt'ſche Yuſſuff
Wär' ein Schatten gegen ihn.
vor ihm lag ein aufgerolltes ,
Dichtbeſchrieb'nes Pergament .
Aus der reichen Palmenfrone
Sah berab ein Sonnenabler ,
Tragend eine gold'ne Feder,
*) Johannes , der Evangelift.
96

Die ſo eben erſt den Flügeln


Eines berube dien entfallen .
Zu des Jünglingo rechter Seite
Stand ein Reld , dem eine Schlange ,
Wie in Blut getaucht, entftieg.
Aufwärts blidte der Erbab'ne,
Voll von himmliſcher Begeiſt'rung ;
Halbgeöffnet war der Mund ,
Gleid , als ſpräch' er mit den Engeln ;
Die beſeelten Augen glänzten
In unendlidem Entzüden
Und von hochgewölbter Stirne
Walten die lichtblonden Haare
Ueber's einfache Gewand.
Mit dem Paladin berließ ich
Nun den Sis des Flammenwagens ,
Während mild der Hobe ſprach :
,,Du erblidſt am Ziel der Reiſe
Eines der zwölf Perlenthore ,
Die zur ew'gen Sion führen :
Mit dem Namen der Apoſtel
Hat die Gottheit fie beſchenkt.
Dieſer jugendliche Geift ,
leber dem der Adler ſchwebt,
Oft Johannes , der vertraute,
Hodgeliebte Jünger Chrifti;
Bergesfeft war ſeine Treue ;
Done Wandel die Ergebung ,
Die mit dem erhab'nen Lehrer
In dem Nachtthal *) ihn vereint.
* ) Beiname der Erde.
97

Als die andern Jünger floben ,


3og er mit ihm unter's Kreuz
Auf der lebten Schmerzensſtraße:
Ward ernannt vom Sterbenden
Zu dem Sohne der Maria
Und zum Pfleger der Verlaſſ'nen .
Wie er Chriſtum hat geliebt,
Wie ben Ewigen begriffen ,
Gab er fund durch Schrift und That.
Gott durchbrach die Himmelodede
Mit dem Lichtſchwert der Gewalt ,
Und der Jünger ſah die Stadt ,
Deren Pforte hier fich öffnet.
Dieſer Gruß gilt dem Erlöſ'ten ,
Dieſes Friedenswort dem Fremdling ,
Welcher der Befehrung barrt.
Romm nun ! mit des Engelo Segen
laß und zieh'n in's Freudenreich."
Dieſes ſprach der Paladin.
Und wir ſchwebten durd das Thor
In die Sanct - Johannis - Straße ;
Unermeflich lag fie vor uns ,
immer höher - Göber ſteigend.
Shimmernde Pauläſte ragten
3hr zu beiden Seiten auf
Bald aus reinem Gold gebildet ,
Bald aus leuchtendem Saphir.
And're prangten in der Farbe
Des durchſichtigen Smaragde.
Chalcedonier und Topaſe
Blidten , wie belebte Augen ,
Auffeuberg'8 fämmtl. Werle XII, 7
98

Von der boben Mauernpracht.


Hyacinthe , Chriſolithe
Einten ſich dem Amethiſt ,
Gold'ne Säulen zu verzieren ;
Sichtbar durch den Weihrauchnebel,
Der gleich Indiens luft'gen Schleiern
Die beglüdte Stadt umfing.
Diamantengallerieen
Funkelten vom Roſenhimmel,
Herrlicher als alle Gärten ,
Deren Babylon fich rühmte ;
Unabſehbar zogen ſich
Goldene Arkaden bin ,
Reiddurchblißt von Sonnenpforten ;
Und Palmyra's afte Pracht
Schien an's Firmament gehoben.
Dieſe Bauten ſtanden nicht
Todt wie unſ're Erdenwerke ;
und gab ſich ihr inn'res leben
Durch endloſen Strahlenwechſel,
Der in feiner Menſchenſprache
Würdig je bedrieben wird.
,, Siehſt du ! " - rief der Paladin
„Ženen Strom , von dem die Straße
Sanct Johannis wird durofreuzt ?
lieb und Weisbeit bilden ihn
Mit den Wogen , die dem Throne
Des Admächtigen entquollen.
Seine myft'ſchen Fluthen theilen
Sic in viele Nebenarme ;
Die Brautlilien des Himmels
99

Sind die Zierben ihrer Ifer,


Und kein Ort der ew'gen Sion
Bleibet unberührt von ihnen .
Siebſt du , wie ſich dort zur Rechten
Die Jakobus -Straße öffnet,
Wo der lichtbaum der Erfenntniß
Auf dem Weihrauchbügel ſteht ?
Unzählbar find ſeine Zweige ,
Tiefer als die Ewigkeit
Seine Wurzeln. Unter gold'nen
Blättern birgt er das Geheimniß ,
Deſſen Kraft die Schöpfung feſthält;
Den Gedanken des Allmächt'gen ,
Dem er Sichtbarkeit berſtattet.
Die verborgenen Gefeße
Der Natur ſind ſeine Früchte ,
Hier vom Gift des Todes frei;
Defters fteben unter ihnen
Die Erzeuger aller Menſchen:
Doch die Solange bleibet hier
Ferne von dem Stamm des Lebens.
Höreſt du die Heil'genchöre,
Die Pſalterions der Engel ?
Sie bereiten ſich zum größten
Fefte dieſer Gotteeſtadt.
Fener ferne Strahlentempel ,
Deſſen Glanz felbſt dein geweihtes
Auge wie mit Blindheit følägt,
3ft das Heiligthum der Jungfrau ,
Wo der Engel Raphael
Mit den erſten Barfenträgern
7*
100

Am Juwelenthore wacht.
Tauſend Sonnenbogen führen
Durch die Wohnung der Maria
Bis zum gotterfüllten Tempel ,
Wo die Leuchte dieſer Stadt
Auf der Zaopistafel thront.
Dieſe leuchte iſt das lamm ,
Feder Strahl geht aus von ihm ,
Und der ew'ge Rorenhimmel
Ift des Tempels Wiederſøein.
Die Menſchwerdung des Erlöſers
Wird am heut'gen Tag gefeiert;
Denn allhier iſt — Weihetag ,
Was wir Weibenadt benennen.
Chriftus, der bei den Erwählten
In Geſtalt des Lammes wohnt,
Hüllet fich an dieſem Feſte
Wieder in den Menſchenförper ,
Und die ganze gläubige Welt
Und die Kraft des alten Bundes ,
Sammt den ' Engelsdynaſtien
Shweben ihm zum Heiligthume
Der Dreifaltigkeit voran. " -
,,Herr und Gott! --- bas darf ich feben ? "
Rief ich. „ Ja , Erwählter ! "
Sprad der große Paladin ;
,,Doch ben Pfad der Vorbereitung
Wirſt du erſt mit mir betreten ;
Wiſſe, daß der Ewige ,
Um der Geifter Glück zu mehren ,
Die Erinn’rung nicht vertilgte
101

An's entſtrömte Erdenleben.


Darum gilt noch unſer Zeitmaß
In den Himmelsräumen fort,
Und der Werth des ew'gen Glü des
Wird erſt flar burde die Vergleidung
Mit dem kurzen Schattenleben ,
Das der Erde Gabe war.
Nach der Saßung werden jährlich
Ade Feſte unſ'rer Kirche
In verflärter Fei'r gehalten
Hier im Raume der beglüdten ,
Himmliſchen Jeruſalem .
Dod am heut'gen nur erſcheint
Gottes Sobn in jener Hülle ,
Die als Mittler er getragen."
Während ſo der Paladin
Weiter fchwebend mich belehrte ,
Sah'n wir viele der Bewohner ,
Die in bellen Feierkleidern
Unter Säulenbauen ftanden.
Zu dem fernen Tempel 30g
Eine Schaar von Patriarchen ;
Ihnen folgten Märtyrer,
Die in glänzenden Gewändern
Um den Weihrauchbügel ſchritten ;
Aud ihr Zug bewegte ſich
langſam zur Marienhalle,
Und ich ſprach : „Wer iſt der Heilge
3n dem ungefd müdten Kleide,
Mit dem Stab , dem Pilgerhute ,
Mit der freudig ernften Miene ,
102

Der voran dem Zuge wandelt ? "


Mir entgegnete Drlando :
,,Sanct Jacobus , der Apoſtel,
Der den hochgeweihten Namen
Dieſer Sions - Straße gab.
Reine Sprace reichet hin ,
Dir die reine Luft zu ſchildern ,
Welche die verklärten Herzen
Dieſer Märtyrer erfüllt.
Wer allhier die Wohnung findet,
Lebet ftets in der Begeift'rung
Einer makelfreien Seele ,
Der ein großes Wert gelang ;
fühlet immer dat Entzüden ,
Das im höchſten Schwung die edle ,
Gottbefohl'ne Liebe denkt.
Brüder , Gatten , Freunde finden
Hier fich wieder , und vereint
Ruben fie am Weisheitoſtrome
Oder ſchreiten Hand in Hand
Durch die Straßen dieſer Stadt ,
Um von ihren äußern Zinnen
Die Geſtirne zu betrachten
Und der Schöpfung Wunderburg.
Dort vernehmen fie bou Staunen ,
Wie der Himmeloſchwan , die Leyer ,
Ihre Töne mit den Chören
Der Unſterblichen vereinen .
,,laß uns jeßt zur Linten ſchweben ,
Wo das bor der Vorbereitung
Dir, o Pilger , offen fteht.
103

Sieh' hier die Sanct - Peter -Straße,


Wo das Rüft b aus 3 ebaotho
Hoch auf Feuerſäulen ruht.“
Lange war mein Aug’ geblendet
Bon dem Anblidt dieſer Burg
Und der Straße des Apoſtels,
Der , nad meiner Führers Worten ,
Glutvol war , wie ihre Thürme ;
Gleid Gebirgen von Rubin ,
Ragten hier in röm'der Bauart
Die Paläſte gegen Himmel.
Jedes dieſer Käufer würde
Sid zum Petersd om verhalten ,
Wie das Werf zu dem Modell.
Zwölf thurmbobe Sonnenbogen
Mit den Bildern der Apoſtel
Auf umflammter Strahlenzinne
Formten hier den großen Eingang
Zu dem Rüfthaus des Allmächt'gen.
Unter jedem Bogen ftand
Ein gewalt'ger Krieges engel
Von der dritten Dynaſtie
Aus den Reiben Michaels.
Und er ſprach der Paladin :
,, Dieſe Geiſter, deren Kraft
Hier in Menſchenhülle rubt ,
Dehnen ſich zur Sternengröße
Furchtbar aus --- wenn fie der Herr
Durch den Raum der untern Schöpfung
Mit des Zorn Befehlen ſendet.
Welten fann ihr Soild verbunfeln ;
104

Meere trodnen vor der Schwertglut,


Und ihr Fuß tritt Berge flach.“
„Wer iſt der gefrönte Geift ,
Der da fniet vor dieſen Engeln ? "
Auf die Frage ſprach mein Führer :
,, Das iſt Conftantin der Oroße ,
Des oftrömſchen Reices Bater ;
Dem das Kreuz als Siegeszeichen
An Italia's Himmel glänzte ;
Der , beſchattet vom Cabarum * ) ,
Den Marentius niederſchlug
Und die herrliche Byzanz
Neu auf fieben Hügeln baute.
Geifter brachten ihm die Runde ,
Daß die Stadt , die er geliebt
und beſchenft mit ſeinem Namen ,
Jeßt die Laft des Halbmonds trägt.
An der Stelle Iniet der Kaiſer,
Wenn der Engel Uriel
Mit der goldenen Poſaune
Einen neuen Tag begrüßt ;
Denn weil immer gleiches lidt
Ohne Sonne , obne Sterne ,
Ueber Siong Thürmen dwebt,
Rennt man hier nur dieſes Zeichen ,
Das die Seligen erinnert
An den ſchweren Tritt der Zeit.
3eko berrſcht die Morgenſtunde,
Und der leidte Weihraucnebel ,
Den bu fiebſt, begleitet fteto
*) So hieß die Rreugesfahne Conftantind
105

Unf're himmliſche Aurora.


Vor dem Angeſicht der Engel ,
Die das Haus der Kraft bewachen,
Fleht der Kaiſer nun zu Gott ,
Daß fein Feuer zündend falle
3n die Herzen aller Chriften ,
Um die Königsſtadt des Dſtlando *)
Von dem Feinde zu befrei'n.
Höreſt du die Donnerſdläge ,
Die vom Inneren erſchallen ,
Wie begleitend das Gebet ?
Kriegesengel ſteh'n beim Ambos ,
Und der Hammer Michaels
Sinfet ſchwerer als ein Bergſturz
Auf bad Eiſen , welches glübend
Sich zum Schwerte wird geſtalten ,
Das die Fahne der Kalifen
Vom entweihten Tempel wirft.
Mit dem heiligen Labarum ,
Das bort oben zwiſden Bildern
Der Apoſtel bir erſcheint,
Wird einſt Kaifer Conſtantin
Wiederkehren auf die Erde ,
Wenn der Tag befoloſi'ner R a che
Die Gewaltigen vereint ,
Und ein Aufruf wird erſchallen ,
Dem kein Chrift mag widerſteh'n .
Atle Herzen werden füblen
Der langjährigen Duldung Schmad .
Selbſt die Klugbeit wird gezwungen ,
* ) Beiname Conſtantinopel8.
106

Mit dem Kreuz fich zu verſöhnen ,


Wenn die himmliſche Begeift'r ung
an dem Tag des Rubmes fiegt .“
Alſo ſprach zu mir mein Führer ,
Ferner Zufunft Sdleier bebend.
Stärfer fübit' ich nun den Trieb ,
Mich auf immerdar zu einen
Dem ſo klar erkannten lichte.
An's vergang'ne Leben dacht' ich
Wie an einen böfen Traum ,
Der das Dunfel ausgefüllt
Mit den fredlichſten Geburten ;
Als mein Aug' ich wieder hob ,
Fand ich mich an Rolands Seite
In dem großen Biered , dat
Unter Gottes Waffenſälen
Tief in Weihraud wolken ruht.
Seltſame Gebilde waren
An entfernten Bogengängen
Durch die Dämm'rung zu erbliden.
,,Ringsumber — ſo ſprach mein Führer
Sind die Waffen aufgethürmt ,
Die das Engelbeer ergreift,
Wenn ein 3ornwort allt von Oben.
An den ungebeuern Säulen ,
Die dort halb aus .Nebeln tauchen ,
Ruben die ſerapy'iden Sowerter
Und die gold’nen Cherubsſchilde;
Lanzen , welche Sterne ſpießen ,
Wenn die ſtreitbaren Befißer
Sich zur vollen Größe debnen ,
107

Steben dort an Marmormauern .


Die Trophäen früh’rer Siege
Ragen rom Juwelenbad
Todte Höllenſolangen winden
Um die 3ornesgarben fich,
Die bort funkeln , deren kleinfte
Tauſend Donnerkeile zählt.
Fenes furchtbare Geräuſch ,
Das zu uns berüberſchallt,
Wie der erſte Sturz des Nilftroms,
Zeugen die lebend’gen Räder
Am Streitwagen Michaels.
3eßo ruht er ; doch beim A u € zug
Füllt ſein Donnerton die Schöpfung .
Aus den Ufern brechen Meere ,
Taubheit ſchlägt die Satansheere."
Durd den Nebel ragten jest
Hod zu Roß vier Grau'ngeſtalten.
Einen Bogen trug die Erfte,
Auf dem Haupte eine Krone ;
Das gewalt'ge Pferd war weiß ,
Doch beſprißt von Blutestropfen ;
Aehnlich bem beſoneiten Hügel ,
D’rauf ein Mord begangen ward.
„Dieſer Reiter iſt der Krieg,“
Sprad der bobe Paladin :
,,Dort erblidt du feinen Sohn
In der zweiten Schredgeftalt,
Gott nennt ihn Apolyon* ).“
Auf dem dunkelrothen Roffe
* ) Ter Berterber,
108

Saß der grimmige Verderber ,


Einen Flammenſcepter tragend
Und ein rubelojes Schwert.
Retten flirrten hinter ihm ,
Unb id ſab , daß mit dem Roſſe
Die Geſtalt an einen nadten
Fellen feſtgeſdymiedet war.
„Laß uns eilen! " ſprach mein Führer --
Bor dem dritten Reiter fdwebend.
Nachtſchwarz war ſein hag'res Pferd,
Ueberfä't mit off'nen Wunden .
Gräßlich drobte durch die Nebel
Das verbrebte Augenpaar.
Aus zerriffenem Talar
Ragten die entfleiſchten Hände
Seines Reiters , die mit Beben
Nach den grauen Zügeln griffen. 1
Einen pfeilerfügten Köcher
Trug die fdredliche Geſtalt;
Mit blutnaſſen Rabenfebern
War jedweder Pfeil beſchwingt.
Auch ein Sowert hing an der Seite ,
Lang und ſomal, an bundert Stellen
Blißend aus durchnagter Scheide.
Um das Antliß flogen Nebel ,
Wie ben Grüften fie entſteigen ,
Und kein Zug war zu erfennen .
-

Nur das Aug’ der Höhlentochter *)


Sah'n wir durch die Schleier brennen .
Mit den Füßen war das Rob
*) Beiname der Hyäne.
109

An ein off'nes Grab gefettet ,


Und der Reiter dien zu idwach ,
Seinen Ruh'fiß zu verlaſſen.
„ Sieh allhier die Peft , die wankend
Durch die Völferreihen zieht.
Von dem Herrn zurüdgehalten ,
Von dem Herren ausgeſandt,
Wie fein Madytwort es gebietet.
,,Aber fieb' den Schredlichen ,
Der einſt auf der Erde wüthet ,
Wenn ſich naht das Weltgericht,
Wenn das vierte Siegel bricht."
Erdfahl war das hohe Roß ,
Und ſein Reiter war der Tod.
Aehnlich jenem Nachtgebild ,
Das am dunkeln Pol ich ſchaute ,
Wie der Vater feinem Sohn.
Sdwere Nebel zogen fich
Um das Haupt der legten Straffraft,
Die in Gottes Rüſthaus ruht.
Wie ein feſtgebund'ner Drache
Wand und bäumte ſich das Roß ,
Grimmig in die Ketten beißend ,
Die vom Grab' der Peſt berüber
Sich um ſeine Lenden fchlangen ;
Rublos ſchlug der alte Reiter
Ihm die flammenrothen Sporen
In den abgegebrten Leib :
Borwärts ftürzt es und zurück
Mit des Bergſtrom Sanelligkeit,
Und in unbefannter Sprache
110

Schallten aus den Nebelhüllen


Seines Herren Donnerflüche.
,,Alſo - ſprach der Paladin
Tobt der Tod an dieſer Stätte
Mit verhülltem Angeſicht,
Bis die ungebeure Kette
Mit dem vierten Siegel bricht."
Zu dem Ausgang rehweben wir ,
Wo fich neue Kriegesengel
A18 erhab'ne Wächter zeigen
Und ein Anblick fondergleichen
Auf den Höh'n der Seligkeit
Mein geläutert Aug' erfreut.
Tauſend Thürme von Opal ,
Unter ſich durch goth'ſche Kirchen
Von demſelben Stein verbunden ,
Schimmerten zu beiden Seiten
Der Bartholomäusſtraße.
Auf dem Gipfel jedes Thurmes ,
Den mit Müh' das Aug' erreichte,
War zu ſeh'n der ſelige Geift
Eines großen Rirdenfürſten.
In biſchöflichem Gewand
Und vollſtändigem Ornate,
Hoben dieſe Tempelwächter
3hr demant’nes Kreuz empor.
Feftklang gold'ner Glocken tönte
Von der balben Höb' der Thürme.
Prediger und Mönche knieten ,
Åbgetheilt nad ihren Drden ,
Die mein Führer mir benannte ,
111

Auf den boben Gallerieen .


allgemeiner Chor der Freude
Schalte hunderttauſendſtimmig
Durd das fei'rlice Geläute
Bis zum gnadenvollen Orte ,
Wo die Pracyt ded legten Doms
Die Apoſtelftraße floß
Und der edle Retter Roms *)
Ew'ge Seligkeit genoß.
in dem Dom fah’n wir den Papſt,
Der , umringt von unzählbaren ,
Würdevollen Prieſter daaren ,
An dem Hochaltare ftand ,
Hörten , wie der große Leo ,
Roma's Strahlenſchild genannt ,
Bei ſeraph'ſdem Harfenflang
Gloria in Excelsis Deo ! “
99

Auf den Höben Gottes lang.


Wehmuthsvoller Ernſt umflorte
Nun das Aug' des Paladins ,
Ale in einer Seitenballe
Sich der reiche Farbenſchimmer
Sanft in Dämmerung berlor.
Alabaſterbilder ftanden
Hier in tiefen Marmorniſchen ,
Und lichtblaue Flammen glänzten
Vor den heiligen Geſtalten.
Immer enger ward die Halle,
Bis vor einem rothen Thor
Jo die ſchöne Jungfrau ſab ,
* ) leo I. , der Große genannt.
112

Die mid führte von Karthama


In die Soluchten Roncevale.
Statt der Laute trug fie jeßo
Einen friſchen Palmenzweig .
Bleicher zwar erſchien fie mir ,
Aber - döner als auf Erden.
Grün war nun des Kreuzes Farbe ,
Das den Engelsbuſen zierte ;
Grün war die Prophetenbinde ,
Die das gold'ne Haar durchſchlang.
So erſchien ſie mir ein Bild
Süßer Hoffnung, die zwar trauernd
Ueber die vergang’nen Leiden ,
Doch im Vorgefühl der Freuden
Und vom Traum zum Glü cf erhöht ,
an dem Tbor der 3 ukunft ſteht.
Erſt begrüßte ſie den Führer ,
Nniete dann mit ihm zur Pforte.
Beide lagen im Gebet,
Während durch die tiefe Stille
Ferne Glorienchöre tönten ,
Wie der Menſch fie öfters hört ,
Der fich lang’ von Adem ſcheidet,
Was den Schwung des Geiſtes ſtört,
Der in Wüſten , unbeneidet ,
Mit den Himmliſchen verfehrt
Und zum Siße der Geredoten
Aufblidt in den Sternennächten.
Wie durch des Gebetes Kraft
Wurde nun das Thor erſchloſſen ,
Und ich fah 0!
113

Himmliſche Jungfrau ! des Welterlöſers unſterbliche Mutter !


Du ! deren göttlicher Sohn mich gewürdigt der hohen Erleuch
tư ng!
Führend den Dulder nad ſchweren drangfalverfinſterten Jahren,
An die Quelle des Heils ! zum blühenden Baume des Lebens .
Höre mich ! du biſt der Schmud , der Pradtftern am Him
mel der Chriſten ,
Bo mein irrender Fuß ein lager der Ruhe gefunden :
Wo mein forſchendes Haupt von dem Glanze der Wahrheit
erfüllt ward .
Meer der Gnade ! Pforte des Glücks ! Erbab'ner als alle
Cherubsgeſchlechter ! Gefrönt mit den ftaublojen Lilien des
Himmels.
Blide vom lichtthron herab, auf den, der nach ſeligen Träumen
Nabe ſteht deinem Reich - an der Schwelle der ernſten Bekehrung.
Hebe mich, da, wo der Geiſt erliegt dem Strahl des Geſchauten ;
Wo an der Grenze der Macht ſich zagend findet die Sprache ;
der lebenbegabten Er
Kräft'ge mein Wort ! Mit dem Flug inn
'rung
Strebt es zu dir, wie das Fley'n der bülfebedürftigen Menſchheit.
Jenſeits des Thores erblict' ich verändert die ganze
Umgebung ,
Von der Ebeniſchen Pracht war jede der Spuren verſchwunden.
Schweigen herrſchte wie vor und nach der Verſammlung
in Tempeln ,
Und ein tiefgrünes Licht bebedte den trauernden Himmel.
Bei ſeinem ruhigen Schein erblict' id hohe Gebirge ,
Kahl und verbrannt , auf ihnen einſam ftehende Palmen ,
Gleich verlaſſenen Bräuten, die Schmerz in die Wüſte getrieben.
Lorbeerroſen waren zerſtreut unter altem Gemäuer ;
Trümmer der Vorzeit erhoben ſich ; neben verfallenen Tempeln
Aufferberg's ſämmtl . Werfe XII. 8
114

Stand, jeder Kühlung beraubt, der friebenliebende Delbaum.


Ueberat mahnte Zerſtörung an die nächtliche Erde,
An der Todes Gewalt ; an die Schatten vergangener Zahre.
Doch - es dien mir bekannt , von meiner öftlichen Reiſe,
Dieſer öde Bezirt! In vielen ſpäteren Träumen
Batt' ich die Berge geſeh'n mit den einſam ſtehenden Palmen ;
Hatt' ich an Trümmern geweint, die heilig ſind allen Völkern.
feßo rief ich empor am ſchwertumgürteten Führer :
,,Ward unſ're Welt in den Himmel verpflanzt ? Iſt das
nicht Paläſtina ?"
Aber ftaunend, wie ich, ſtand der rieſenfräftige Roland ,
Sprechend: „ Auch ich betrat noch nie dieſe ſchweigenden Räume;
Erft ſeit ich dich , den Sohn der alten Arabia, gefunden .,
Hat ſich die Pforte des Bluts des rettenden
Bluts mir geöffnet.“
Aber zu Beiden ſprac nun der palmentragende Engel :
36r erblicket allhier judäa's beil'ge Gebirge ,
Wie auf Erden ſie ſteh'n ; nur vom Glanze der Hoff
nung erleudtet .
Das ſind die öden Hügel , durchweint von verſiegenden
Strömen") ,
Wo die Propheten vor Gott das loos ihres Volfes beklagten .
Auf den Höhen ſtand Jephta's frühgeopferte Tochter ,
EG' fie durch grau'nvollen Tod dem Schwure des Baters
genügte.
Fungfrau'n folgten ihr nach ; ihre Schleier hingen an Dornen ,
Und die Harfe der Trau'r lag in wundgerungeuen Händen.
Staunet ihr , weil in dem Himmel ihr Paläſtina erblicket ?
Hoch über'm Reiche der Sterne - der geiſterbewohnten Sonnen ?
* ) Halbvertrodnete Bädje werden im Orie:: t mit ten über die Wangen rollenten
Thränen vergliden .
115

Wiffet, daß unabläſſig verklärte Helden des Kreuzes


Zu dem Almächt'gen Gebete frommer Sehnſucht verſandten,
Daß in der himmliſden Sion fie ftets die ird'dhe vermißten,
Ihres Streites und ihrer Trübſal erhabene Zeugin :
Sie , vor deren Mauern fide Chriſti Banner entfaltet,
Ueber Länder und Meere getragen auf beiligen Zügen ,
Defters gehoben zur Burg , wo David in Herrlichkeit thronte,
Defters zurücgeworfen von der ſiegenden Hölle.
Glüdlich,wer ſolchem Kampf das vergängliche Daſein gewidmet!
Dreimal ſelig, wer ſtarb vor Jeruſalems göttlichen Thoren !
Dieſer Märtyrer Fleh'n , die Gebete von vielen Erwählten,
Die für die heilige Stadt gelebt , gewirkt und gelitten ,
Trug alltäglich der ſonnenarmigte Seraph Eloa
Auf den Schöpfungsaltar vor dem Allerheiligſten Gottes,
Wo vor undenklicher Zeit die neugeſchaffenen Sterne
Opfer des Brandes gebracht, eh' fie betraten die Bahnen ,
Abgemeſſen von Dem , der iſt, und der war, und der ſein wird.
IInter den vielen Bitten der ewig wünſchenden Menſchheit
War noch keine ſo rein und wohlgefällig dem Herren ,
Als das fromme Gebet der freuzerböbenden Helden.
In der Nacht vor dem Feſt der Himmelfahrt unſers Erlöſers
Stieg auf Gottes Befehl der Engelfürft Raphael nieder ;
Ihn begrüßten die Geiſter der Sonnen, bei keinem verweilt er ;
Neugeſchaffene Seelen winkten von bleichen Geſtirnen ;
Ausgeſandte Mächte des Kriegs verhüllten ihr Antlig
Vor dem Boten der Ruh', die Rometenſchwerter verbergend.
Reimende Welten, noch balb von der Fluth des Chaos umſtürmet,
Sogen gierig das Licht des niederſchwebenden Engels ;
Meere trennten ſich, Inſeln entſtiegen dem brauſenden Abgrund ;
Wild hinirrende Ströme fanden ein friedliches Ufer ;
Berge ſtanden wie Pfeiler, gereiht nach ſtrengen Gelegen ,
8*
116

Nicht mehr wankte ihr Haupt, und aus neugebildeter Thalſchlucht


Stieg ein flüchtiges Grün , geweđt vom leuchtenden Engel ,
Ein Vorſchimmer des erſten , lang erwarteten Frühlinge,
Aber nicht weilen durfte der ades belebende Lichtgeiſt,
Und es klagten ihm nach die halbgebildeten Welten ,
Aehnlich den blinden Bettlern im Borbof ſtrahlender Tempel,
Die ein Prieſter beſchenkt, eb' er eintritt zum fühnenden Opfer.
Tiefer ſenkte fich Raphael bis zur wolfigen Erde ,
Und mit dem Frübroth ftand er als Pilger am Kloſter des
Rarmelo .
Nie wird in wahrer Geſtalt ein Engel die Erde betreten.
Wo in fchmudlofem Kleid gewandelt der König der Himmel,
Tief im unſterblichen Geiſt gab Raphael nun ſeinen Segen
All’ den friedlichen Mönchen, die zu ihm eilten mit labung.
Wie ſie nach ſeinem Scheiden zum Fefte die Kirche betraten,
Schienen lebendig die Bilder der Heil'gen am dunkeln Gewölbe
Und mit Jericho's Roſen waren geſchmückt die Altäre ;
Durd ganz . Paläſtina zog nun der Engel als Pilger ;
Menſchen erkannten ihn nicht, und den Ingeheuern der Wüſte
Hielt er den grünenden Stab bezähmend vor's funkelnde Auge.
In Jeruſalem ſah er bou Webmuth die beiligen Stellen;
Segnete dort die verfolgten , weltverlaffenen Prieſter,
Welche dwach , doch unüberwindlich in ihrem Glauben ,
Mitten im Meer der Gefahr das Grab des Heilands bewachen .
Traurige Reſte! früherer , gottbegeiſterter Tage !
Säulen des Tempels , verwittert, doch mit dem Kreuze be
zeichnet.
Heimgekehrt in die Höh', verweilte finnend der Engel
In dem Raume der Stadt, den Gott der Herr ihm beſtimmte.
Dreimal brei Tage dacht' er nach dem auf Erden Erblicten,
Und wie jegliches Bild an ſeinem Geiſte vorbeizog ,
117

Trat es in's Leben albier, ſo lange , bis ganz Paläſtina


Ueber dem Sternenbezirf im Hoffnungsdimmer
fic zeigte .
Als der al ſebende Gott getreu das Nachbild gefunden ,
Gab er dem Engel Befehl, die Pforte des Bluts zu errichten ;
Streng von der himmliſchen Pracht die Gegend der Trauer
zu fcheiden ;
Alſo geſchah ed, und bald war ſie von Sel'gen bevölkert ,
Welche rublos fich drängten zur neugeſchaffenen Pforte.
Geiſter des alten und neuen Bundes er dienen voll Sehnſucht,
Um nach dem mahnenden Worte längſt begrab'ner Propheten
Chriſtum da zu verebren, wo ſeine Füße gewandelt.
Wenn ſie von Zeit zu Zeit bie ftrahlende Sion betreten ,
Rebren ſie bald wie geblendet heim zum Gefilde der Trauer ;
Aber am herrlichen Tag, wenn Jeruſalem wieder erkämpft wird ,
Dem , der auf ihrem Kalvariaberge die Menſchheit gerettet,
Wird dieſes düſtere land in der ewigen Sion zerfließen,
Gleich einem Traume der Wehmuth, vom glänzenenden Mor
gen bertrieb .
Bis dahin hat der Herr geſtattet ſeinen Bewohnern
An fahrestagen der Siege , in Paläſtina erfochten ,
Auf ätheriſchem Strompfad nieder zu ſchweben zur Erbe ,
Sich mit dem Kreuze geſchmüdt den ſpäten Enkeln zu zeigen ,
Fahnenſchwingend zu ſteh'n im Traum der Gekrönten
Europa's ;
Oft benugten fie foon das von Gott verliehene Vorredht ;
Sprachen in luft'gem Gewand zu Völkern das Wort ber
Erwedung ,
Und ihre Könige fab'n bie bleichen Heldengebilde,
Die zwiſchen Scepter und Kron' ihr nächtliches lager
umſchwebten ,
!

118

Deutend auf's Sinnbild der Macht, und fündend Jeruſa


lems Qualen ;
Stets mit finſterem Blid , bod ruhig fehrten ſie wieder
Und erhoben ihr Aug' zum friedlichen Himmel der Hoff 11
nung ."
Während uns alſo belehrte ber palmentragende Engel ,
Eilten wir aufwärts am Bett eines ausgetrodneten Waldſtroms
Und überſab’n von der Höh' die Eb'ne von Saron bis Jaffa,
Wo ein grünfluthendes Meer den weiten Geſichtsfreis be
chränkte.
Gegen Morgen erſchien ein altes , zerfallenes Bergſchloß ;
Ind der freundliche Geiſt erhob die ſüßtönende Stimme :
, 3hr erblicket allhier die Hochburg der Maccabäer .
Alſo verwandelt die Zeit die himmelanragenden Bauten.
M008 iſt das leßte Gewand , das treu bleibt den Säu
len des Rubmes. "
Unter dem Schau dieſer Worte zeigten fic fieben Geftalten,
Blaß , dod jugendlid ſchön , auf dem öden grauen Gemäuer.
Aus den Tiefen der Burg ertönte die Chazozéra * )
Und die Geſtalten begrüßten mit gehobenem Palmzweig
Unſere Führerin, die an der Gruppe ſchweigend hinauf fah.
Eine Greiſin erſchien , unſterbliche Hoheit im Blicke;
Durch ihr ſchneebelles Haar wand fich die prophet'ſche Tiara .
Lichtgrün war die Stola, die den Körper umbüllte.
Mit der liebe der Mutter , mit der Seherin Würde
Trat fie hervor ; auf das Knie der Verehrung Tanken die
Söhne ,
Eng' und liebend vereint unter'm Purpurpallium der Greifin.
Freude des Wiederſebens lag auf den blaſſen Geſichtern ,
*) Ein heiliges , fchon zu Moſes Zeit gebräuchlides , metallenes Inſtrument,
unſerer Trompete ähnlic ).
119

Mildernd der Märtyrer Stolz , die , fallend für Freiheit und


Tempel ,
Einen unſterblichen Kranz im Lande der Liebe gefunden ,
Während wir ehrfurchtsvoll die Wächter der Fodburg be
grüßten ,
Sprad ihr betender Chor : Mi camocha Belohim Adonai !* ) --
Gegen Mitternacht öffnete ſich ein düſterer Thalgrund ,
Nur zur Hälfte vom grünlichen Schein des Himmels erleuchtet.
ades athmete Ruh in dieſer trau'rvollen Gegend ,
Die wie geſchaffen erſdien für die einſamen Geiſter der
Borwelt,
Wenn ſie das Aug’ der Betrachtung in ſchweigenden Näch
ten eröffnen.
Eine hohe Greifengeſtalt im bräunlichen Trau'rkleid
Ging gegürtet hervor aus der Schattenſeite des Thales.
Ruh' der Seligkeit war mit tiefer Webmuth verbunden
Auf dem Antlik des hochbejahrten , himmliſchen Pilgers.
Schwärmeriſch kehrt' er fein Aug' den oberen Räumen entgegen,
Und beſtieg einen ſchroffen , weit vorragenden Felſen,
Sid zum Gebet erhebend mit ausgebreiteten Armen .
Mild wie Flötenton ſchalten die Worte der ſeligen Jungfrau:
„Das iſt der große Prophet Jeremias , der jenem
Chalgrund
Seinen Namen geſchenkt ; aus edlem Prieſtergeſdlechte
Ging er hervor in den Jammertagen der Finkenden Juda,
Mahnte mit Engelsgeduld , mit unerſchütterter Treue
Sein entartetes Volk zur Furcht vor der rächenden Gottheit,
Drobte den Prieſtern , den Königen, und den falſchen Propheten,
Warnte, belehrte und bat ; doch fie hörten nicht ſeine Stimme.
*) „Herr ! wer iſt dir gleich unter den Göttern ? " Der alte Fahnenſpruch der
Maccabier.
120

Rerferonacht wurde ſein Zelt, Mißhandlung ſeine Belohnung.


Als unter Babylons Sdwert Jeruſalem ſchmachvoll geendet,
Bot ihm der Sieger die Freiſtatt, die ſein Volk ihm
verweigert.
Aſia's gold'ne Palläſt e öffnete n ihm ihre Thore ;
Doch der bejahrte Propbet blieb auf Jeruſalemi Trümmern
Bei den Wenigen zurück, die der Zorn der Feinde verſchonte.
Rath und Lehre gab er , und Hoffnung auf beſſere Tage ;
Ach ! fie famen nicht mehr ! – Die geheimniſvolle Egyptos
Nahm ſein geſunkenes Haupt in den Schooß ihrer fühlenden
Erbe ;
Engel trugen den Geiſt durch die Pforte der ewigen Sion,
Die kein Verfolger erreicht, - wo die blutigen Schwerter
nicht flirren .
Einer der Erſten, ſtand der Prophet an dem Thore des Blutes,
Als Paläſtina vom Haupt des Engelfürften hervorging.
Mit unendlicher Sehnſucht grüßt' er Zudäa's Gebirge
Und das einſame Thal , wo ſeine Klagen ertönten ;
Täglich ſchwebet er nun von dem verlaffenen Hügel
Ileber Jeruſalem bin , ihr tiefes Elend beweinend.
Nie mehr betritt er den Raum , den die glüdlichen Geiſter
bewohnen ;
Bis die heilige Stadt dem Kreuze wieder erſiegt wird,
Und dem Meffias, den er in prophetiſchen Träumen erblicte ;
Wenn in der himmliſchen Sion Paläſtina zerfließet,
Sinfet das härene Kleid von der Schulter det klagenden Sebers,
Und als leuchtender Engel trägt er die Harfe ber Wonne.
So ſprach der liebliche Geiſt. Indeſſen erhob der Prophet fich,
Bon zwölf Jungfrau'n umgeben , in's gründurdſhimmerte
Luftmeer.
Aus dem Hügel der Gräber waren die Seelen getreten ,
121

In ſchneehellen Sindonat *), von roſigen Gürteln umwunden ;


Aufgelöſ't waren die dunkeln , weithin wallenden Haare ;
Lichtbleich die Angeſichter , und in ätheriſchen Armen
Rubten, ſanft an die Herzen gedrüdt, die heiligen Hazuraht ** ).
Ueber und fowebten fie bin , den alten Propheten geleitend.
Aehnlich den tönenden Sdwänen , die in ruhiger Herbſtnacht
Sanft hinſchiffen durch's Meer des wolfenentlaſteten Aethers,
Und mit ſehnſüchtigem Lied dad ferne Südland begrüßen.
Bir – in gleicher Bewegung folgten unten dem
3 uge ;
Durch die Thalſchlucht von Terebynth, an vertrockneten Strömen
Und zerſtreuten Gräbern der Anadoreten vorüber.
Zu den Barfen der Jungfrau'n ertönte die Stimme des Sebere :
„Ueberſchüttet mit Zorn, liegt Sions Tochter am Boden.
3ſraels Pracht iſt gefunken vom Himmel ; die Wohnungen
Jakobe ,
Dhne Barmherzigkeit ſind ſie vertilgt, und die Beſten von Juda
Trauern gebrochen im Staub , gefðleift vom Grimme des
Herren .
Hinter fich zog er die Hand , als ſich nabten unſere Feinde,
Gegen nns febrt' er den Bogen ; das Liebliche wurde getőbtet ;
Juda's Garten zerwühlt, und ihre Wohnung zertrümmert ;
Feſttag und Sabbath vergeffen ; König und Prieſter geſchändet,
Und der Altar verworfen , ſammt allen Dpfern der Sühne.
Ueber Jeruſalem zog er die Richtſchnur, und wandte den
Arm nidt ,
Bis ſie vertilgt war. Jämmerlich liegt ihre Mauer barnieder.
Kläglich liegen die Zwinger ; tief in der Erde die Thore ,
Mit zerbrochenen Riegeln ; die Propheten verſtummten.
* ) Sindona , ein hebräiſches , weibliches , sinfaches Gewand.
** ) Hazurah: hebräif.he Harfe.
122

Ihrem umnachteten Augʻ enthüllen ſich keine Geſichte,


Denn der zürnende Gott hat den eiſernen Himmel geſchloffen.
Ach ! die Selteſten friechen am Boden , mit Staub auf den
Häuptern ;
Haben in Säde gebüllt die verwelkten , zitternden Glieder,
Und Jeruſalems Jungfrau'n neigen die Stirne zur Erbe !"
Während des Klaglieds hatte der Engel den Bad und gewieſen ,
Wo als Knabe David die Steine des Sieges gefunden ,
Welche die Stirne des ſtolz auftretenden Kämpfers zerſchmettert.
Trümmer lagen umber aus frühern und ſpäteren Zeiten.
Deder wurden die Räume ; höher und wilder die Berge.
Gdau’rlich bracſich das grüne Licht an röthlicher Felswand ,
an den grauen Ruinen auf ihrer einſamen þöbe.
Kräuter und Moos verſchwanden,der wilde Feigenbaum ſtredte,
Wie durd Bliße verbrannt, die ſchwarzen Blätter zum Himmel ;
Klagend ertönten die Harfen , und mit gerungenen Händen
Flog der alte Prophet burd die mild erleuchteten Lüfte ;
Weithin webte Tein ſilbernes Haar. Er fang unter Thränen :
„ Ausgeweint iſt mein Auge beinahe ! Mich ſchmerzen die
Nieren !
Ueber den Fammer des Volfs hab' ich die Leber entſchüttet,
Da die Säuglinge ſdmachteten und die unmünd’gen Ver
Taffinen ;
Da die Kinder den Geift aufgaben im Arme der Mutter .
Ad ! du Tochter Jeruſalems! Wem fann ich dich vergleichen ?
Wie dich tröſten ? Dein Schade ift groß, wie ein Meer,
und wer beilt ihn ?
Atle, die vorübergeh'n , klappen fred mit den Händen,
Grinzen dich an, und ſchütteln die Häupter vor deinem Unglüd.
, 3ft das die Stadt, die gerühmt ward als die dönfte des
landes ? "
123

Und ſie ſperren den Mund auf, fletſchen die Zähne und rufen :
„Ha ! wir vertilgten ſie, wir erſchauten den Tag , den be
gebrten !
Ha ! wir haben’s erlangt wir haben's erlebt!"
laß fließen
Tag und Nacht deine Thränen, zertrümmerte Tochter von Sion !
Schütte dein Herz aus, wie Waſſer, vor Gott ! Erhebe die
Hände ,
Um deiner Kinder willen , die auf den Straßen berſchmachten !
Ruf ': „ D fieb' doch, mein Herr ! Wie ſehr du mich ärme
gebeugt baft ! ""
Alſo fang der Prophet zum Hazurah- Tone der Jungfrau'n ,
Und wie Abendthau floffen ihre Thränen hernieder.
,,Seht dort die heilige Stadt! " – fo rief der leitende Engel,
Und wie die Königin diefer todumlagerten Wüſte,
Hob Jeruſalem ſich vor unfern ſtaunenden Bliden.
Da ftieg fein Rauch empor ; und grüßten feine Geſänge;
Schweigend ruhten die hoogethürmten gothiſchen Mauern.
Von dein Tempel Moria's war keine Spur zu erbliđen.
Während ich mit dem Paladin am Propheten emporſay ,
Glänzten uns roſige Sterne von himmliſchen Höhen entgegen
Durch das ſmaragdene Licht mit niegeſebenen Strahlen.
Auf unſ're Frag' erwiederte mild die liebliche Jungfrau :
„Was ihr baltet für Sterne, find balboffene Pforten,
D’raus die ewige Sion auf die ird'ſche herabblidt.
Troft und Frieden gießet dies lidt in ihre Bewohner ,
Und ſie werden es ſeh'n , bis einſt das büft're Gewölbe
Sanft hinüberfließt in der Seligkeit ſchimmernde Räume. “
Auf das Haupt des Propbeten, auf das Untlig der Jungfrau'n
Fiel nun ein roſiger Strahl , und alſo fang Jeremias,
Gegen die heilige Stadt ausbreitend die zitternden Arme :
124

,, Wie ward das Gold doch verdunkelt ! Die Steine des


Heiligthums liegen
Auf den Straßen zerſtreut! Die Draden reiden die Brüfte
Ihren Jungen und ſäugen fie; aber die Tochter von Sion
Muß unbarmherzig ſein , gleichwie der Strauß in der Wüſte.
Ach ! es klebet vor Durft dem Säugling die Zung' an dem
Ga umen ;
Kinder ſchreien nach Brod , und Niemand iſt, der es breche!
Die das Lederfte aßen , berſchmachten nun an den Wegen ,1
Und es liegen im Staub, die erzogen wurden in Seide.
Tochter meines Volkes ! dich hat die Strafe getroffen !
Reiner als Schnee und klarer als Mild waren die Nazaräi;
Wie Saphir war dein Antliß, glänzend dein Bild wie Korallen ;
Nun ift es dunkel vor Schwärze, man fennt es nicht mehr
auf den Straßen ,
lind es hänget die Haut am abgelebten Gebeine ,
Deine Grundveft' ging auf in Feu'r ; das End' iſt gekommen.
Unf're Tage ſind aus, und machtig unſ're Verfolger :
Schneller als Adler des Himmels ; fie greifen uns auf den
Bergen ;
Lauern in Wüften auf uns ; wir gleichen dem Wild , dao
gejagt wird . "
Bei dieſem klagenden lied betraten wir die Zerſtörte.
Nur zu getreu war das Bild, das der Engel von ihr geſchaffen,
Für mein Auge ſchon ganz vom licht der Erkenntniß durch
drungen.
Was ich ſonſt freudig geſeh'n , die islamitiſchen Tempel
Flößten mir Schauer jeßt ein ; ich ehrte nicht mehr ihr Zeichen.
Hart am nächtlichen Thorweg faß ein Anadorete.
Ein zerriffenes Mönchskleid umflatterte wild ſeine Scultern .
Und ein weißlicher Gürtel umgab die bagere Hüfte.
125

Abgezehrt ſchien ſein Geſicht durch ewig nagenden Rummer,


Und aus vorſtehendem Aug' brach fühn aufloderndes Feuer ;
Pfeilſchnell ſprang er empor beim Erbliden der leitenden
Jungfrau.
Stand mit erhobenem Arm, wie ein gottbegeiſterter Redner.
,, Wird ſie erlöſ't die Trauernde ? Bift du ein Bote des
Friedens ?
Fiel dieſer Ritter beim Sturm ? Werd' ich den Starken
erbliden
In dem Märtyrerchor auf dem Stuhl ber himmliſchen Ehre ? "
Alſo rief er. - ,,Sie trauert nod !" entgegnet die Jungfrau .
Mächt'ger hebt ſich der Mönch, und ſeine Geſtalt ſcheint zu
wachſen ,
Während er ausruft mit vollem Donnerton der Propheten :
„Höret mir zu , die ihr jagt nach Gerechtigkeit. Schauet den
Feld an ,
D'raus ich euch hau'te ; den Brunnen , aus dem ihr wurdet
gegraben.
So ſpricht der Herr, mein Gott, der große Tröſter von Sion :
Luſtgärten feien die Wüſten ; gereinigt ihre Gefilde.
Dank und Lobgeſang ſoll aus neuen Tempeln ertönen.
Von mir geht aus das Gefeß und das Recht , und zum
lichte der Völker
Stell' ich beide. Mein Heil zieht aus ; die Gerechtigkeit
naht ſich.
Harret auf mich , ihr Inſeln ! Harret auf meine Arme!
Hebt eure Augen gen Himmel , und ſchaut dann nieder zur Erbe.
Er wird vergehen wie Rauch; ſie wie ein Kleid einſt veralten .
Ewiglich währt nur mein Heil. Mein Recht wird niemals
erſterben.
Fürchtet euch nicht, ihr Gerechten, vor dem Schmähen der Feinde.
126

Motten werden ſie freſſen ; Würmer wie Tuch fie zernagen .


Arm des Herren, woblauf ! woblauf I nun zieh' deine Macht an !
Könige folafen. Laß rollen um's Kreuz deine Donner,
Jehovah !
Brenne mit Blißen ſie wach. Die Meere gieß' über die Schläfer.
Auf, o Gott ! wie vor Alters her ! Woblauf ! wie vor Zeiten,
Da bu gewandelt im Sturm , da dein Schnauben die Feinde
verſengte.
Ausgebau'n haſt du die Wälder der Stolzen , die Drachen
zerſchmettert.
Meere trođen gelegt, und gebahnt ihren Grund den Erlöſ’ten .
Wache auf, o Jeruſalem ! die bu getrunken vom Zornfelch !
Bis auf die Hefen ward er geleert , dich bat Niemand getröftet,
Hörſt da ! es ſpricht dein Gott : ich nehme den Taumeifelch
wieder
Sammt den Hefen, und deinen Peinigern werd' ich ihn reichen,
Welche ſprachen zu dir : Leg' deinen Rücken zur Erde ,
Daß wir über ihn ſchreiten, wie auf einer ſtaubigen Straße.
Ich erfüûte die Pflicht. Mein Ruf erweďte die Fürſten.
Herr ! nicht mir rechne zu , daß die Enkel zum Schlafe fich
neigten.
Sende mich nochmals hinaus. Binde Donner mir auf die Zunge.
Biig ſei mein Gürtel. I will ſie wecken . Dein Wille
geſchehe ! "
Alſo ſprach er, und fanf, wie in fich, am Thore zuſammen.
Leer war der Plaß , wo er fiel, und ſpurlos der Prieſter
verdwunden .
Auf unſ're ſtaunende Frage ſprach die belehrende Jungfrau :
Peter, der Einſiedler , war's, den ihr ſaht am Thor
der Zerſtörten ,
Der erhabene Mönch, der den erſten Kreuzzug gepredigt.
127

Jeßt enteilt er zur Weit. Die Fürſten werben ihn feben


An ihrem Bett mit dem Freuz in mitternächtlicher Stunde.
Aber bodh über Sion ſchwebte nun 3eremias ,
Und wie zum Abſchiedslied tönte ſeine klagende Stimme :
,, Herrl gebenfe, wie ed und gebet. Sdau doch den 3ammer.
In unſerm Saus wohnt der Fremdling ; er zehret von uns
ferem Erbe.
Wir ſind Waifen ; baterlos ! ade Mütter find Wittwen !
Von dem höhnenden Feinde müſſen wir faufen das Waſſer ,
Müſſen bezahlen das Holz , das die falten Glieder erwärmet.
ud ! man treibet uns ſehr ! Den Müden gönnt man nicht Rube.
1Inf're Bäter frevelten. Sie find nicht mehr vorbanden.
Sollen wir immerdar ihre Miſſethaten entgelten ?
Knechte beberrſchen uns. Niemand iſt, der als Retter erſchiene.
Mit Gefahr des Lebens ſuchen wir Brod in der Wüſte.
Unſ're Haut iſt verbrannt, wie im Ofen , durch gräulichen
Hunger.
Wurden denn nicht die Weiber geſchwächt und die blühen
den Jungfrau'n ?
Wurden nicht aufgeknüpft die Fürſten ? erſäuft unſ're Väter ?
Mühlſteine tragen die Jünglinge; Holzlaſt die zitternden Knaben.
Unter dem Thorgewölbe fißen nicht friedlich die Alten.
Mädchen treiben kein Saitenſpiel mehr ; die Luft hat ein Ende.
In ein jammervol lied ward unſer Reigen verkehret.
Tiefbetrübt iſt das Herz ; die Augen ſind finſter geworden ,
Ilm des Berges Moria willen ; es ſchleichen die Füchſe
Auf der verödeten Höh'. Gott! wirſt du uns immer verlaffen ?
Bring' uns wieder zu dir ! D erneue unſere Tage ! "
Alſo ſang der Prophet , wie ein erbleidendes Sternbild
Mit den trauernden Jungfrau'n in dämmernder Ferne ver
fdwindend .
128

Einzelne Töne hörten wir noch - leiſ verflangen die Harfen.


Voll von Wehmuth trennten wir uns vom Thore der Pilger.
Schwebten durch öde Straßen zwiſchen verfall’nen Gebäuden,
Wo uns in langen Reih'n bie Ritter ven Rhodus be
grüßten.
Das adytedige Kreuz lag bell auf nachtſchwarzen Mänteln ,
Und das gold'ne der Bruſt verſandte belebende Strahlen.
Namen , durch Thaten berühmt, bört' ich vom Munde der
Jungfrau.
Sah Raimundum du Puy , den Stifter des berrlichen Ordens,
Der fich zuerſt genannt nach dem wüftendurchirrenden Täufer ;
Bis burd Fulco von Billaret Rhodus den Ritter erkämpft ward,
Auch dieſen Helden erblickt' ich ; er trug die Fahne des Hauſes;
Grüßte den Paladin mit dem altherkömmlichen Wahlſpruch,
Und der Ausruf : Orlando ! - flog blikſonell burd die
Reiben.
Offen fab'n wir das Thor einer halbzerfallenen Kirche.
Da , wo früher der Hochaltar ftand, war liebliche Helle
Auf der Erbe verbreitet, als feh' die erquicende Sonne
Durch das gewölbte Fenſter auf's ſchweigende Heiligthum
nieder.
Staunend faben wir, wie der Schein fich langſam bewegte,
Und ein reizendes Weib in fchmudberaubtem Gewande
Sich erhob , — den Körper von goldenen Haaren umfloſſen..
Leiſe ; doch feierlich ſprach die palmentragende Jungfrau :
,, 3hr erblidet allhier die büßende Magdalena ,
Die, felbft im Lande der Ruh', noch trüb der Vergangen
heit nachſinnt.
Gott hat auf Fürbitt' des Sohne ihr jede Verirrung verziehen ;
Sie zu Freuben erhöht ; doch die Stellen , wo Chriſtus ge
wandelt,
129

Sind ihrem reuigen Geiſt auch bier die Theu'rften geblieben."


Uralte Trümmer ſaben wir nun, wo der Prieſter des Herren,
Aaron, gewohnt, fammt dem Thor des fceptertragenden Sän
gers * ).
Wie bedecket mit Sdnee eridien der Hügel von Sion ,
Weithin ein blendendes Licht durch die Gebre Dämm'rung
verbreitenb.
Näher ſchwebend , erkannten wir bald , was die Strahlen
erzeugte ;
Denn von dem Davidsthor, bis zum oberſten Gipfel bed Berges
Standen zahlreiche Reihen lilientragender Rinder.
Weiße Roſen umkränzten ihr myrrhendurchduftetes Haupthaar,
Und ihr duldloſes dug' war belebt von unendlicher Freude.
Sdaarenweiſ' ftrömten ſie hin zum parmenerhebenden Engel.
Euer iſt das Himmelreich !“ ſprach, ſich neigend, die Jungfrau.
1

,,Unſer iſt das Himmelreich ?" wiederholten die Kinder ,


Gleich als ob Sphärengeſang den Hügel von Sion umtöne.
,,Sehet hier," ſprad unſ're Führerin, ,,die verlaffenen Weſen ,
Welche die Pfade des Heils beim ſechsten Kreuzzug betraten,
Als der päpftliche Ruf nicht die Herzen der Fürſten erwedte.
In der Seite der Somad blieb damals das Schwert der
Gewalt'gen ;
Aber die Unfdulb fab ben Welterlöſer im Traume ,
Hörte das mabnende Wort : ,, D kommet zu mir, ihr Kinder !" -
Bohl fünfzigtauſend an Zabi, verließen fie Eltern und Heimat
Die Gemächer der Rub', der Pflege, vertauſchend mit Qualen
Keines der Armen erreichte ſein Ziel; iu angaftlichen Ländern
Mußten die zärten Körper der ſchweren Drangſal erliegen.
Roſen, ergriffen vom Sturm und in ferne Wüſten geſchleudert!
Ad ! es fragen umſonſt nad ihrem Grabdie Berwandten.
*) Das Davidsthor.
Auffenberg'8 fämmtl. Werte XII. 9
130

Ueber zeidenlos öde Hügel eilet bie Windsbraut ,


Dod ben Märtyrern gleich, ſteh'n ihre Geiſter in Eden.
Chriſti unfterbliche Mutter führte ſie ſelbſt durch die Pforte,
Welche die Farbe trägt des alverföhnenden Blutes.
Sebt,“ ſprach fie, ,was euch auf Erden zu ſeh'n nicht ver
11
gönnt war.
Nach Jeruſalem zogt ihr ! Rommt benn and Ziel , ihr Ges
liebte ! "
Alſo ( prechend, umſolang unſ're Führerin zärtlich dieKleinen,
Die ſich zu ihr gedrängt ; ein neuer Strahl ging vom Berg aus,
Denn auf der Höh' ftand der Papſt, der jenen Kreuzzug ges
predigt.
Innocenz , der Dritte des unſchuldbezeichnenden Namens ,
Der einen Hochaltar im bügel von Sion gefunden ;
Ein blutfarbiges Kreuz erhob der Geiſt mit der Rechten ,
Worte des Segens fprach er über die Schaaren der Kinder,
Väterlich mild war ſein Blick. 3yn verebrend , rief die Ges
leit'rin :
„Frei von Wolfen feb'n wir hier die Stirne des Papſtes,
Der mit dem Strable des Banns drei machtvolle Fürſten
getroffen .
Wendet jest euer Aug' zu jenem dunkleren Orte ,
Wo fich der Mutter Jacobi , der Maria Salome
Und der Büßerin Chriſtus gezeigt. — Betrachtet den Tempel ,
in deſſen Dämmerlicht ſich die boben Geftalten bewegen ;
Eh’malo Sanct Annen geweiht, trägt er nun auf Erden den
Halbmond .
Darum ftehen fo ernſt um ihn die rieſigen Männer ,
Welche die tapfere Bruft zuerſt mit dem Kreuze bezeichnet,
Als der verſchwundene Mönch *), ein zweiter Jefaias, erſchienen .
*) Peter , der Einſtedter,
131

Hugo den Großen erblidt ihr, vom edlen Hauſe Vermandois,


Robert von Flandern. Zerter im pelzverbrämten Talare,
Der um's geſenkte Haupt die ſchwarze Hülle gewunden ,
3ft Robertus der Normann. Dort grüßt Stephan
von Chartres,
Aehnlich an Märtyrerkraft ſeinem großen Namensverwandten * ).
Fener bodragende Held , mit Stahl und Eiſen bebedet ,
Deffen glänzender Helm unter bunten wallenden Federn
Die Schlachtnarben verbirgt , von Reul und Streitart ge
fdlagen ,
3ft Bobem und von Tarent ; - der hier fido ftüßt auf
die Lanze,
Webmuthôvod ben dweigenden Tempel betrachtend , ift
Raymund
Von Toulouſe. Der Jüngling dort mit begeiſterten Mienen
Und dem funkelnden Aug' ift - Apulia's herrlicher
Tancred ;
Fromm im Gebet, wie ein Jünger , ein zweiter Achilles im
Rampfe.
Unter Gottfried von Bouillon fochten ſiegreich die Helden ,
Jeder ein König an Kraft, ein Pilger an chriſtlicher Demuth.
Sebt dort das Haus 3 ebed äí und Sanct Petri Oe
fängniß !
Aus den Tempel, erbaut an der Stelle, wohin er geflüchtet,
A18 ihn der Engel befreite, von Gott geſandt zum Äpoſtel.
Dieſer Lobgefang tönt von dem Ort, wo die Märtyrerfrone
Sanct Jacobus erfiegt." - So führt' und belebrend
der Engel
Bis zum Ralvarienberg und zur Rire des beiligen
Grabes !
*) Dem heiligen Stephan.
9*
132

Wo die Eroberer ruh'n , ſteh'n wolkenerreichende Säulen ;


Ueber der Könige Staub im Todedpomp Pyramiden ;
Zu des Erlöſers Grab führt eine einfache Pforte.
Feierlich, dod mit bewegter Stimme ſprao nun die Jungfrau:
,, Jener ehrwürdige Greis, der betet am Thore der Gnade,
Tragend den Hirtenftab und die ſeelenerleuchtende Mithra ,
3ft Mafarius der Erfte. Durch neun ſtürmiſche Jahre
Pflegt er , als Biſchof Feruſalems, treu die Saaten des
Glaubens ,
Stand in Nicaea ein Feld gegen frech androbende Reßer ,
Führte die Sade des Herrn auf dem folgenreichen Concilio.
Wie ein Strom brach ſein Wort durch das Bollwert ſchänd
lidhen Frrthums.
Engel jubelten. Neidiſche Thränen vergoffen die Teufel.
Jhm zur Seite verweilt Eufebius von Caefarea.
Manchen fträflichen Wahn hat Gott ihm huldreich verziehen ,
Weil er vertheidigte Den, deffen Hand erhob das Labarum * ).
Dort erblidt ihr den Stein, auf welchem der Leichnam res
Herren
Vor der Beftattung mit Aloe und Myrrhen geſalbt ward.
Fener im blauen Mantel und braunem faltigen Kleide,
Der auf ihn nieberblidt, iſt ber heilige Nicodemus ;
Sißend im Sanhedrin **), war er doch dem Heiland ergeben.
Sebet! dem Zwielicht entſteigt Joſep bus von Arimathia ,
Der als beimlicher Jünger bülfreich war beim Begräbniß.
Beide feßen den Ort weit über die ſeligen Höhen ;
Zieh'n die acht düfteren Lampen, die hier ihre Häupter bes
glänzen ,
Der Juwelenpracht vor und dem Roſenhimmel von Sion."
*) Conſtantin den Großen .
** ) Der jüdiſche hohe Rath.
133

Alſo belehrt und die Jungfrau über die Namen der Geiſter ;
ließ dann an unſeren Seelen ftit ihre Werke vorbeizieh'n.
Unb wir ſchwebten in eine oben off'ne Rotunda ,
Wo das grünliche lidt, mit dem Lampenſchein fich verbindend,
Eine Dämmerung ſchuf, wie nie die Welt ſie geſehen.
Cedernſäulen vom Libanon ſtüßten dieſes Gewölbe ;
Prieſterchöre durchtönten den Raum. Wir erblicten von Ehr
furcht
An der Morgenſeite den Eingang zum heiligen Grabe.
Ein gegürteter Mönch trat freudig der Jungfrau entgegen.
Hobe geiſtige Kraft entſtrahlte dem ſprechenden Auge.
Seine gewölbte Stirn umflog ein weißlicher Schimmer.
Bieber erhob ſich ſanft die Flötenſtimme des Engels :
,,Der hier am Eingange wacht, iſt der ſerap o'ide fran
ciscus
Gott ſprach zu ihm : Zieh' aus ! Erneuere mir meine Woh
nung ! * ) -
Barfuß ging er nach Rom , vermiſchte die Speiſen mit Aſche
Und mit Staub ſein Getränke ; ein Feldſtein wurde ſein Kiffen.
(Fand doch der Himmelsfürſt felbft auf Erben kein weicheres
Lager.)
Er, der reinſte von Allen , nannte ſich einen Sünder.
Wie ein verſengender Bliß drang ſein Aug in die Seelen
der Keßer.
Sab er freundlich umber, wurden Syriens Löwen befänftigt.
Chriftus erſchien ihm kurz vor dem Tod ; er ſtarb mit den
Worten :
Die Gerechten harren auf mich ! Hier fand er die Brüder
Und die Söhne des Drdens , der ihn als Bater verehret.
*) Naci der legende hat Gott zu ihm geſprochen : Francisce vade , el repala
domum meam , quae ut cernis tota distruitur.
134

Sebt ! fie knieen am Tiſch, auf welchen Chriſtus gelegt ward;


Gegen Abend das Haupt, gegen Morgen die Füße gerichtet.
Der mit dem Glanz um die Stirn ift Johannes Štotus
der Lehrer ,
Deffen gewichtiges Wort die unbefledte Empfängniß
Zu einem Feſttag erhob - beldämend niedrige Zweifler.
Hier iſt ſein lohnender Troſt, daß dem Orden des heilgen
Franciscus
Die Bewachung des Grab's ausſdließlich im Himmel ver
traut ward.
Bei dem Schein ber vier und vierzig goldenen Lampen
Neigte die Jungfrau fich mit dem Paladin zum Gebete.
Regungslos ſtand ich am Ziel , am heiligſten aller Pilger ,
Und mein prüfender Geift wog den Werth des erneuertenLebens.
Aus entfernten Gewölben caliten deutlich die Worte
In dem Chore der Prieſter, von Orgeltönen getragen :
Ubi est mors victoria tua ?
Ubi est mors stimulus tuus ?
Als an dem Grabe meine Begleiter die Anbadt verrichtet,
Spracy, fich langſam erhebend, die ätheriſche Jungfrau :
„ Seht dort die Capelle der Engel : erbaut an der Stätte ,
Wo ein feliger Geiſt mit den beiden Marien geſprochen.
Der hier figt aufdem Stein im Gewand der griechiſchen Kaiſer,
Ift Heraclius, bem fich Perſiens Choſroes beugte ,
Der bas wahrhafte Rreuz entriß den feindlichen Händen ,
Seine heilige Laft auf entblößten Schultern zur Stadt trug,
Und ſie wieder erhöhte zum Troſt aller gläubigen Chriſten .'
Uns war Franciscus gefolgt, von vielen Brüdern umgeben ;
Lobgeſang ſtimmten fie an. Der Patriard ſprach zur Jungfrau:
,, Engel des Heils ! der du mir in der oberen Paläſtina
Nun zum zweitenmal nahft, vernimm die Gefänge der Brüder.
135

Sieben Dörfer vermiff id auhier ; wir beten für alle.


Abbyffiniens Mönche, in gelbe Felle gekleidet ,
Blieben fern dieſem Ort. Du ſuchſt vergebens die Rophten,
Welche nur eine Natur in 3efu Chrifti verebren ;
Sie , die Befißer des Hauſes, d'rin der Heiland verweilte,
Als er von Bethlehem flob in die trümmerreiche Egyptos.
Wo find Armeniens Chriſten ? wo die Prieſter Georgiens ?
Wo find Neftorius turbanumwundene Söhne *) ?
Die der Euphrat nicht ſchredte , nicht der reißende Tiger ;
Die mit der boblen Sand aus den Strömen Indiens tranfen ;
Und die Söhne des Berg's, son libanons Cedern beſdattet.
Die Maroniten, wo find fie ? wo die herrlichen Griechen ?
Deren Prieſter dod längſt idon die ewige Sion betraten .
Warum wachen ſie nicht mit uns, wie auf Erden, am Grabe ?
Weil dies ſerap biſo e Amtnur meinen Söhnen vertraut
ward ,
Weil die Demuth alhier den beſten der Preiſe gefunden.
Wir ſind verfolgt auf der Welt , d'rum ſtehen wir bod in
dem Himmel.“
So ſprach der Patriarch unterm Lobgeſange des Ordens ,
Trennte ſich dann von der Jungfrau, die uns führte zur Stelle,
Wo als Gefangener Chriſtus verweilte, bis mörd'riſde Hände
Feftgepflanzet das Kreuz auf dem Hügel unſäglicher Qualen.
Unfern auch fah'n wir den Drt , wo über ſeine Gewänder
Fm fündhafteſten Spiel das Loos die Krieger geworfen.
Tiefer ſchwebten wir jeßt in ein lampenerheültes Gewölbe,
Das von den ſeligen Geiſtern Gober Ritter erfüllt war.
Ueber den dwarzen Kleidern trugen ſie ſchimmernde Mäntel,
Und an Silberfetten das Kreuz von nachtdunkler Farbe.
Liefer Ernſt umflorte die andadtovollen Geſichter.
* ) Die Neſtorianiſchen Mönche trugen ſtatt der Capuze einen Turban .
136

Marmorbleich waren die Hände zum ftillen Gebete gefaltet.


Unſere Führerin ſprach : „ Ihr lebt hier verſtorbene
Deutſch berr'n ;
Zur Bernichtung der Heiden, zur Pflege der chriftlichen Kranken,
Ward ihr Drden geſtiftet und reich geſegnet som Himmel.
Dort verweilt auch ſein ird'íder Beſchüßer. Johannes ,
der König
Von Jeruſalem . Dieſer hochaufragende Ritter ,
Der ſich zu ihnen geſellte mit Adlerblicken des Feldherrn ,
Mit der rieſigen Fauft des ſchildzerſchmetternden Kämpfers,
Mit der ruhigen Hoheit des thronbeſteigenden Fürften ,
Ift der erhabene Raiſer der Deutſchen , Friedrich der
Rothbart .
Sehet die funkelnde Kron' unter'm dunkel wogenden Helmbuſch.
Neidvoll hat ihn der Tod im reißenden Cydnus ergriffen ;
Doch der gläubige Fürft fand hier das Ziel ſeiner Kreuzfahrt.“
Frob ftand der Paladin jeßt unter Rittergeſtalten ,
Die mir die Jungfrau als würdige Meiſter der Deutſchberrn
benannte.
Heinrich von Wallpot gab dem Roland die tapfere Rechte,
Herrmann von Salza und lubgerus von Braun
ſchweig
Segneten ihn. Kaum konnte der beld von den Helden
fich trennen ,
Als, noch tiefer ſteigend, uns winkte die liebliche Jungfrau,
Sprechend : ,, Dies büft're Gewölbe hebet fich an der Stelle,
Wo nad dreihundert Jahren, auf Helena's kraftvolle Fürbitt,
Gott ließ entbeden das Kreuz , den Speer und die Krone
von Dornen.
Shmackvolle Werkzeug' ! burch's Blut des Erlöſers heilig
geworden .“

1
137

Wer ," rief der Paladin , „ ift bas Weib vou Andacht und
Würde ,
Das bei der Lampe bort fnieet im weißen, fameelbaar'nen Kleide
Und purpurnem Mantel, durch's Kreuz über'm Buſen geſchloſſen ?
Blick ich auf's Erfte , wähn' ich eine Pilg'rin zu leben ,
Während der Lestere mir eine hohe Fürſtin verkündet."
,,Du fiebft die Heilige felbft , “ ſprach der palmentragende
Engel ,
Die gefunden das Kreuz und die Werkzeuge ſchmählicher
Dualen ,
Die mit Gewölben und Tempeln dieſe heiligen Stellen
Fromm geſchüßt und geziert; boch — ſtöret nicht Conſtan
tin8 Mutter
Im Begeift'rungsgebet am ſchönſten der göttlichen Feſte!
Sdwebet leiſe vorüber ! -- Rein Luftzug bewege die Lampe ! "
Als wir den Ort noch erblidt, wo Chriftus mit Dornen
gekrönt ward ,
Stiegen wir auf den Kalvariaberg, den der Tempel umſchließet.
Und die Jungfrau begann : ,,Sebt hier auf den unteren Stufen
Sanct Bernhardum von Clairvaur , betend am Hügel
ber Sdmerzen.
In ſeiner Jugend ſchon erſchien ihm der Herr in der Chriſtnacht.
Wenigen ift es vergönnt, mit gleicher Inbrunft zu beten ,
Fahrelang ging er zur Kirche und wußte Nichts von den Fenſtern ;
Strenge nur gegen ſich , vergab er den irrenden Brüdern.
Aus ſeiner zeitlichen Sion * ) erhob ihn Gott in die ewige,
Und alljährlich am Chriftfeft befugt er die ſchweigenden Räume,
Betet im untern Tempel und auf Golgatha's Höhen ,
Dankbar fio ftets erinnernd an die frühe Erwählung."
„ Wer,“ rief der Paladin , „ ift der glanzumfloſſene Pilger
*) St. Bernhard nannte Clairvaur fein irdiſches Sion.
138

Der fica bem Betenden naht ? " ,, Der heilige Bene


dictus , "
Sprach die erhabene Jungfrau im Ton der reinſten Verehrung .
,,Sower hat der ſeltene Mann nur unter Men den
geathmet;
leidt dlug ſein fraftvolles Herz unterm Dache des Him
meld in Wüſten .
Reinem verpflichtet , als Gott für unverpeſtete Lüfte,
Erde, Waffer und Feuer , lebt er in ſtärkender Freibeit,
Hart war das Lager des Körpers , doch die denkende Seele
Šawang fich im Traume zum Zeit der klaren, befreundeten
Sterne.
Nur dem Einſamen ſteh'n die Himmel der Herrlichkeit offen ;
Er nur liebet die Welt und ſchreitet auf ihr als König
Ohne Gefolge dahin und ohne betrügende Diener ,
Gottes Ad' iſt ſein land. Die eigene Bruft iſt ſein Staatsſchaß.
Als von dem Satan der große Benedictus verfolgt ward,
Wälzt er auf Dornen fich, die Wunden der Seele zu heilen.
Gift fredenzt ihm ein Feind; da zerklirrt ihm das Glas in
den Händen.
Wißt, der allſehende Gott iſt ſtets feinen Lieblingen nabe.
Nun zerſchmettert zum Dank Benedictus Apollo's Altäre ,
Seßt auf ſein Bildniß den Fuß und weiht dem Johannes
den Tempel,
Schleudert die Fadel bes Grimms in die Haine perftum
mender Gößen ,
Tritt als Todespropbet vor Totila's furchtbares
Antiik ,
Und erwedt den Sohn eines Bettlers vom eiſernen
Sølafe * ).
* ) Vom Todesſchlaf.
139

Heil dem Patriarden ber abenbländiſchen Mönche !


Wie ſie ſich drängen um ihn, die ſeinem Urſtamm entwuchſen !
Fener im Schneefleid und tannenfarbigen Scapuliere
3ft Sanct Robertus ; er führt den Orden der Cifter
zienſer.
Dort nabt Godricus , ſein Freund, der Zeuge war , wie
ihn ein Engel ,
Den er auf Erden geſpeiſt , zum Sternenzelte getragen.
Nicht an goldenen Thoren pochen die Himmelogeſandten,
In die Hütte der Armuth treten fie gleid dem Erlöſer.
Dort ſteht Albericus , dort - der hochwürdige Rays
mundus. “
Bei dem Schluß dieſer Rebe füllten Thränen die Augen
Des erhab'nen Engels, wie er ſie geweint am Alkazar ,
Ebe Toledo's Gloden die Mitternacht uns verfündet.
Garzia Rebon erſchien, die Urſäul im Haus - Cala
trava's .
Viele verſtorbene Ritter ftanden am heiligen Bergpfad ,
Unbeweglich und ernft empor - nach Golgatba blickend.
Rothe Gewänder umhüllten die ätheriſchen Körper ,
Und das Lilienfreuz lag wie Blut auf den ſchneebellen Mänteln,
Von der Hüfte zum Boden reichten die mächtigen Schwerter,
Spiegelbell waren die Helme , die Viſire gehoben.
„ Pax vobiscum !" erfdalite dumpf durch die Neiben der Beter,
Die mit ftets helleren Thränen der liebliche Engel begrüßte.
Unftät wurde der Blic ; es ſchien , als ſuche die Jungfrau
Unter der Schaar einen Freund, und fürchte doch -- ihn zu finden.
Dieſe Bewegung verfdwand , als die Höhe des Bergo wir
erreichten ,
Wo jedes ird'ſche Gefühl in Gedanken der Ewigkeit hinſtirbt.
Fünfzig Lampen erhelten den Ort der großen Verſöhnung ,
140

Wo der Gottmenſch an's Kreuz von Frevlern wurde ge


ſchlagen.
Hier herrſcht tonloſe Rub. Es hat die fei'rlidifte Stille
Ihren Geiſterſchleier um's blutige Denkmal gebreitet.
Wer dieſen Hügel betritt, ſinkt in's Meer unendlicher Sehnſucht,
Dem auch in ſpätern Tagen nie ganz der Geiftſichentwindet.
Ahnung des Göttlichen rüdt uns näher dem tiefen Geheimniß,
Das die Weiſen geehrt , die Uebermüth'gen verſpottet.
Heller wird unſer Geiſt, und nieempfundene Wonne
Štrömt um's bodſchlagende Herz. Bon der Fadel der Auf
erſtehung
Sprühen in's nächtliche Leben die erſten Funken herüber.
Daß wir unſterblich ſind, wird gewiß , und der Anker der
Hoffnung
Findet zum erſtenmal Grund in des Buſens friedlicher Tiefe.
Ad , wie düfter, wie kurz erſcheint das vergangene Leben !
In welch' endloſer Nacht zerfließen die quälenden Träume,
Wenn ſich mit einemmal das Thor der Unfterbligkeit öffnet,
Heere von Engeln das Kreuz unter Lobgeſängen umſchweben
Und der wahrhaftige Himmel mit tauſend Sonnen
berabſchaut;
Da ftirbt der Haß in den Herzen, eiſige Rinden zerſchmelzen :
Stein wird zu Thau , die Zwietracht flieht mit erloſdener
Fadel ,
Rache verliert ihr Gebächtniß, wankt entgeiſtert in's Dunkel,
Vor ſich ſelbſt erröthet die Ruhmſucht, erblafret der
Zweifel.
Wie der Pilger den Staub vom langgetrag'nen Gewande ,
Schüttet die Seele den Schmerz von ſich , und die Qual
der Erinn'rung
Da , wo Chriſtus geblutet, gilt fein irbiſdes Leiden.
141

Er trug das Kreuz , und wer darf nach ihm von Laften
noch ſprechen ?
Stärkung für's ganze Leben giebt dieſer eine Gedanke.
Wer auf Golgatha ftand , bat des Himmels Borball '
betreten .
Höre den Ruf meines Danfo , o friedenbringender Engel ,
Welden Namen du auch im Schattenthale getragen ,
Dein unſterblicher Geiſt führt mich zum Tempel der Wahrheit.
Immer ſchwebſt du vor mir , beim Licht der Sonn' und der
Sterne ,
Selbſt in der Todesnacht hoff' ich zu ſeh'n deine grünende
Palme.
Zwei gebarniſchte Ritter mit gefalteten Händen
Knieeten hier im Gebet. Zur Seite ſtanden die Helme ,
Narbenreichy, kronengeſchmückt; zwei Scepter lagen daneben.
Flüfternb begann der Engel : ,,Der mit der offenen Stirne ,
Würdevoll und treuherzig zugleich - ift Gottfried von
Bouillon ;
Durch dieſen chriſtlichen Hercules *) warb Paläſtina erobert.
Niemals ließ er ſich frönen am Ort, wo Chriſtus gelitten,
Aber es nennen die Engel ihn der Könige beften ;
Ihre unſterblichen Händedrüften dem Helme den Schmuck auf.
Der ihm zur Seite knieet , ift Balduin ,, ſein ruhmvoller
Bruder.
Wer von den Menſchen hat ein ſolches Grab je gefunden ,
Wie der irdiſche Staub dieſer gottergebenen Helden ?
Unter der Stelle des Kreuzes ruht er auf Golgatha's Höhen
Und an demſelben Orte beten die Seelen im Himmel. " )
Weiter zurück bemerkt' ich im Zwielicht noch knieende
Kämpfer ,
*) So wurde Gottfried genannt.
142

Die ale Jeruſalems Fürften mit die Jungfrau benannte.


Tief, faſt unhörbar ertönten im Chore der Geifter die Worte :
„ Wilft du nicht König mehr fein in Sion, großer Jehovah ? "
Mit geſpannter Erwartung fah'n auf den Engel die Sprecher,
Wähnend, er bringe die Runde vom wiedereroberten Tempel.
Als er ſchwieg und entflog , da wurden finſter die Blide ;
Ade Häupter geſenkt , die Hände ſchmerzvoll gerungen .
Folgend ber leitenden Jungfrau verließen wir jeßo die Kirche,
Sdwebten über die Stadt und über den Teich von Bethesda ;
Saben das Haus des Raiphas und die Reſte der Wohnung,
Wo das Abendmahl eingefeßt ward vom Erlöſer; ber Sion
Trägt ſie. Jest war er von den Kinderſchaaren verlaſſen.
Wenn ein jammerndes Volk beim raſden Einbruch des Feindes
Eilt aus bedrohtem Tempel , die heiligen Zierben zu retten,
Gleichet bas nadte Gerüſt des Altars dem Berge von Sion.
Grau'n erregen die Trümmer, in welchen der forſchende Pilger
Davido Palla ft erkennen muß , ob er auch ſtaune und
zweifle.
„ Uch !" begann der Engel - ,,wie tief ! wie für immer
geſunken
Biſt du , berrliches Haus ! bewohnt som Liebling der Gottheit
In den Tagen des Glücks , wo ſie weilte unter den Menſchen.
Ferne bleibt die Schebinah *) dem ſpätern ehr'nen Geſchlechte.
Wie der Hobeprieſter zürnend zum Tempel zurüdfeyrt ,
Wenn er vergebens das Vorf mit Baterworten ermahnte ;
Alfo trat aud Jehovah zurück in der Ewigkeit Tiefen .
Und das verſchmachtete land blickt auf - an geſchloffenen
Thoren .
Tiefgeſunkenes Haus ! wo ſind die Reihen der Jungfrau'n ,
Deren roſiger Mund fich zu Davido Pſalmen geöffnet ?
* ) Hier für Herrlichkeit Gottes .
143

Un antaibar find deine Prümmer I * ) Die Bliße des


Zornes
Schlagen vernichtend empor aus geheimnißvollen Gewölben :
Wilt ein ſpäterer Bauberr fie mit dem Hammer berühren ,
Dann wird zum rothen Donnerkeil 3ſraels uralter Scepter,
Der , wie verlorenes Gold , unter dwarzem Geſteine ver
(carrt liegt :
Dann fteigt aus Salomons Grab die Flammenfrone der
Urwelt ;
Dorret die Saaten des Fahrs , vertrođnet die ſpärlichen
Quellen ,
Wedet Hagel und Sturm , und fehrt unter'm Webruf der Erde,
Wie ein fürzender Stern zurück in die Grüfte von Juda.
Reine Prophetenknaben erheben mehr das Pſalterion ,
und der Tritt iſt verhalt der ernft binwandelnden Priefter ,
Sammt dem göttlichen Ton von Davids entzückender Harfe ."
Kaum war dies trauernde Wort dem ſchönen Engel ent
floben ,
Als der Klang einer Laute vom Thale Ben Hinnon emporſtieg.
Eine wohltönende Stimme erhob ſich zum klagenden Liede ,
Das Jeruſalems Unglück befang ; die Thaten der Chriſten ;
Hober Ritterſchaft Glanz, der ferne Länder durchleuchtet
Und am reinſten ſich zeigt in der Nähe des fiegenden Kreuzes.
Prößlich mit eifernem Tritt kam ein ſchwergerüſteter Rämpfer
Aus den Ruinen hervor, auf dem ſchwarzbefiederten Helme
Klirrte wild das Geſtein, das den alten Mauern entrođt war,
Und icon fab ich im Geiſt die grimmig nachlagenden
Flammen ,
3ſraels Scepter und Kron' ; doch ruhig blieben die Tiefen.
*) Nath Benjamin von Turela fährt Feuer aus den Trümmern, ſo oft man Steine
davon zu neuen Bauten verwenden will.
144

Auf die Streitart geſtüßt, fah der Ritter zum Grunde Ben
Hinnons .
Mild erklang nun das Lied : „ Komm zu mir , mein herr
lider Rönig ! "
Und das rieſige Bild verſchwand im dämmernden Thale.
,,Das war Ricard löwenberz" – ſprach erglübend
die Jungfrau .
„Blondel , der Troubadour , rief ihn zur Tiefe Ben
Hinnons.
Mahne , mahne die Enkel , löwenmüthiger König !
Bitte ben Herrn , daß er beinesgleichen fende ben Bölfern,
Und befreit wird das Grab. Aus Ruinen ſteigen die Tempel.
Solch einem Bauherren ziemt der Hammer in Sions Gewölben,
Und das cederngetragene Dach ragt wieder zum Himmel ,
Und ſeine Zierbe, das Kreuz , Verſöhnt die Mächte der
Vorwelt. “
Alſo rief mit prophetiſcher Würde die glanzvolle Jungfrau.
Hellauf glühte das Aug’ in ſeelendurchdringenden Strahlen .
Wie einePrieſterin ſtand ſie unter den ſchweigenden Trümmern,
Von den Purpurfternen der himmliſchen Sion beleuchtet.
Langſam febrte zurück die frühere fei'rliche Rube ,
Langſam die ſinnende Wehmuth , wie ein Satten des
Glüdes .
Niederſdwebent, erblickten wir den Teid, wo der Heiland
Mit der Gabe des Lichts den armen Blinden erfreute.
Saben zwei Mächtige dort: den dritten Ronrad von Deutſch .
land ,
Und den frommen König von Frankreid : Ludwig den ſieb
ten )
Ritterlich grüßte der Paladin die hohen Geſtalten ,
* ) Ludwig VII. hieß der Fromme.
145

Die mit vereinter Kraft den zweiten Kreuzzug begonnen .


Wenn auch" ſprach unſ're Führerin - fic Damas
cus nicht beugte.
Wenn kein glorreicher Erfolg das Streben der Fürften be
lohnte :
Hat doch die Gottheit erkannt , was im treuen Herzen fie
fühlten ,
Und für das Opfer allhier entſchädigt ihre Verehrer.“
Nun erreichten wir die berühmte Quelle Siloah ,
an deren Ufern nod Kämpfer der zweiten Kreuzfahrt ver
weilten ,
Die den Königen gleich das Feuerwort Bernhards erwedte.
,,Sebt hier die Quelle des Heils !" - ſprach der palmen
tragende Engel -
„ Die hervorbrach , den Durft des Propheten Jeſaias zu löſchen ,
Als er den grau'nvollen Tob nach dem Billen Manaffes
erduldet *).
Stile rinnt fie babin , nicht mehr geſucht vom Leviten ,
Welcher am Feſt den Altar mit ihrem Waſſer beſprengte.
Hier hat mit Auserwählten oft die Gottheit geſprochen .
D'rum ift fie Weiseflutt auf dem vorbereitenden Pfade,
Selbſt von den Engeln beſucht am Vorabend himmliſcher Feſte.
leichter ertragen ſie dann die gewaltigen Ströme des Urlichts,
Die um das Allerheiligſte der Dreieinigkeit wogen.
Fener nur , dem Siloah fühlend die Augen beneşte ,
Kann die feftliche Pradt der ewigen Sion erblicken.
Darum neiget euch tief zu den wunderthätigen Fluthen ."
Wir gehorchten der Jungfrau , noch klarer wurde mein Auge,
Als nady der mächt'gen Berührung des unteren flammenden
Stromes ,
*) Er wurde mit einer hötzernen Säge durchjägt .
Aufenberg's fämill . Werfe XII. 10
146

Den mit raſchem Geſpann der große Orlando durchflogen.


Aber nun war mir , als eile plößlich ein belles Gebilde
Ueber den Spiegel, zu ſchnell, um ganz die Geftalt zu er
kennen ,
Und verſchwinde bann tief im Innern der fraftreichen Quelle.
„ Sahſt du — ? " rief ich mit Schauer zum befreundeten Engel,
Der mit dem Bilde befannt dien ; doch er entgegnete rubig:
,,Ein erhabener Geiſt bewohnt die Quelle Siloah ;
Nach Jahrhunderten wird er als - Menſch die Erde betreteu,
Und durd ein göttlides lied verherrlichen den - Meffias.
Ihn erfüllet mit Licht die fionitiſche Muſe ,
Und des alten Prophetentons hochhinwandelnde Donner
Legt ihm der Herr in den Mund ; doch werden auch
lieblide Roſen ,
Wie auf Saron gepflüdt, ſeine goldene Leyer bekrönen ,
Und ſelbſt gefühlloſe Herzen vor ſeiner Klage zerſchmelzen.
Imnter wird offen ihm ſteh'n das Thor des allmächtigen Vaters;
Schnell wie der Oſtwind erreicht und umfliegt er die tonen
den Sterne ;
Sieht die Bewohner , geſchied'ne und fünftig erſcheinende
Seelen ,
Legt feine Meßruth' an's all. Vernimmt die Geſpräche
der Engel ,
Bricht mitdem geiſtigen Sdwert die Pforten der unterſten Hölle;
Läßt die bebende Welt in's Reid des Entfeßens hinabſeh'n,
Wo ſich auf ebernem Thron der himmelbetrogende Satan
Unter gefallenen Geiſtern blähts Ibn durchblicket der Sänger ;
Seine Jahre hat er gezählt ; feine ſchrecklichen Thaten
Sammt den Donnernarben der troßgeſchwollenen Stirne.
Hat er vollendet ſein Lied , dann ſtirbt er den Tod des Ge
rechten.
147

Mit der Freude der Braut begrüßet ihn wieder Siloah.


Selbft der Meſſias wird dann am Chriſtfeft die Quelle be
ſuchen ,
Und ihre heilige Fluth mit dem Lorbeer des Dankes be
rühren .
Seraphsſchaaren werden dann fortan ihr Ufer umwandeln ;
Bis am Befreiungstage Paläſtina's die Wogen
Inter’m Aufflug des Dichters im Roſenhimmel zerfließen .“
Pyraton ftieg aus der Quelle, und flar vernahm ich die
Worte :
,,Sing', unfterbliche Seele , der fündigen Men
fchen Erlöſung !" *)
Tiefgerührt erhoben wir uns zum Berge Moria ,
Woder naben Gottheit die Patriarchen geopfert ,
Und in ſpäteren Tagen emporſtieg Salomons Tempel.
Ded' wie Davids Pallaſt lag auch er das Wunder der
Zeiten.
Menſchen ! mögt ihr noch bau'n wenn ſolche Werke
verſinken !
Trauernd ſtanden wir da , beſchattet von rieſigen Trümmern,
Drauf die Vergänglichkeit ihre dunkle Fahne gepflanzet.
Plößlich drang Helle vom Hohlweg, welcher führt auf Moria,
Und eine Geiſterſchaar fam beim Glanz von röthlichen
Fackeln
langſam bergan geſchritten. Weißgekleidete Mönche
Waren die Erſten im Zug, dann folgten dienende Brüter ;
D'rauf gepanzerte Rämpfer in ſchneebellen, wallenden Mänteln,
Uehnlich den Winternebeln , die fdwarze Felſen umfliegen.
Jeder trug ein achtfaches, blutrothes Kreuz auf der Schulter,
*) Bekanntlich der erſte Vers von Klopſtod8 Merſiare:
10 *
148

Und unſere Führerin ſprach : „ Die Templer beſteigen


Moria.
Der die Fahne des Drdens trägt, iſt Hugo von Payens.
In den Händen von Aldemar ruht die goldene Urne ,
Die geheimniſvolle Zeugin erhabener Opfer ,
Welche, nad eiginem Geſeß , die fowerverleumdeten Ritter
Unſerm Gotte gebracht ; durch mißverſtand'ne Symbole
Ward Salomonis geiſtiger Tempel ſo furchtbar
vernichtet.
Sebt ſeine Doppelruinen nun auf dem Berge Moria.
Dort erblidt ihr die ſieben Erwählten * ). Den Gürtel
der Keuſchheit **)
Wanden ſie feſt um die Hüfte. Der das verſchleierte
Haupt trägt ,
3ft der normänniſde Großprior Guido ; ihm folget
des Ordens
Leßter Meiſter, der märtyrergleiche 3acobus von Molay ;
Beide fchuldlos gerichtet, luben vom flammenden Holzſtoß
Ihre Feinde vor Gott binnen Jahresfrift, und ſie er
dienen ***)."
Während der Rede des Engelt erreichten die Templer den
Hügel ,
Und erwartungsvoll weilten wir , von Ruinen gebecket.
Gern hätte Roland begrüßt die hebren Geiſtergeſtalten ;
Doch ein ernſter, faſt forgvoller Blick der leitenden Jungfrau
Flog abmahnend ihm zu. Zwei verwitterte Säulen von
Marmor
Wurden erleſen als Träger für's Haupt für die goldene
Urne .
* ) Die ſieben Ritter , welche den Gründern des Ortens beiſtanden .
* ) So hieß der leinene Gürtel der Tempelherren .
Papſt Clemens V. und Philipp der Schöne von Frankreid).
149

Seltſamer Schein umwanfte die räthſelhaften Gebilde ,


Von dem Smaragdglanz des Himmels erzeugt und den röth
lichen Fadeln .
In einem großen Halbkreis knieeten nieder die Templer .
Männlider Ernſt lag ſchwer auf dem Antlitz der betenden
Geifter,
Sammt der Würde, durch die verfannte Tugend fic ausſpricht,
Und mit gefalteten Händen begann Jacobus von Molay :
,,Beugt euch, ihr Brüder und Söhne, wie immer, vor Gott
dem Allmächt'gen!
Vor dem Strahl ſeines Haupts, der welterleuchtenden Weisheit.
D wie todt iſt das Bild der hohe Sinn wie lebendig!
Unſer Ordensgeſeß hat Gnade vor Chrifto gefunden ;
Doch die Fadel erloſch auf der beilentfremdeten Erbe.
Keiner hat uns begriffen ; wir wurden beneidet von Aden.
Daher der furchtbare Fal des achtfach heiligen Tempels.“
Kurze Stille trat ein. Es wankte die goldene Urne,
Und das verſchleierte Haupt ließ wildes Gelächter ertönen.
Mit dem Sdwert ſchlug der Meiſter an ſeinen Sdild
es verſtummte.
Nun ward fein Odemzug laut. Jacobus erhob ſeine Stimme :
,,Was unſer Fleiß fic errang , wird nun verzehrt von den
Feinden .
Aber Feu'r in dem Eingeweid' werden geſtohlene Speiſen .
Sdöner Philipp ! wie häßlid bift vor Gott du erſchienen .
Haft deine Fürſtenwange geſaminkt mit Märtyreraſche.
Clemens ! Wer warf dich herab von Sanct Petri gola
denem Stuhle ?
Als der Tobesgeier ſeine Sdwingen entfaltet,
Fuhr mein verbranntes Gebein , wie Wegſtaub , dir in die
Augen ;
150

Mußteft fie ſoließen am Tag', 'und erſcheinen , wohin wir


dich riefen.
Schwer und lang - nachtönend ſind der Sterbenden Worte.
Söhne des Tempeld ! Märtyrer ! nehmet den Troſt auf Moria,
Daß der Herr nicht verwarf die Dpfer, die wir ihm brachten.
Laßt uns nicht abſteh'n vom Werk. Die Tafeln wurden
zerbrochen ,
D'rauf in goldenen Zügen ſich Weisheitund Glaube verfündet.
Unſere Liebesſaat welkte im Frühling ; es fauſten die Stürme
Durch die zertrümmerten Hallen des erdbeglückenden Tempels ;
Aber beſchirmt von der Macht der ſieben erſten Aeonen
liegt noch ſein Grundſtein im Thale der Ruh', nicht getroffen
vom Feuer.
Die Urpfeiler des Bau's fie ragen dachlos gen Himmel;
Zwar geſchwärzt von dem Brand, doc feſt und ruhig, wie
eh'mals ,
Und allnächtlich beſucht von den Seelen verſtorbener Meiſter.
Gold und Sdnißwerf find hin , die Fundamente geblieben.
Ihr war't edel und groß, doch Ades kommt wieder auf Erden,
Wenn auch in and'rer Geftalt, mit andern Namen bezeichnet.
An dem Gerichtstag fann Gott die ganze Söpfung vertilgen ;
Doch das Winkelmaß bleibt in ſeinen ewigen Händen.
Drücket das achtfache Kreuz auf eure verwundeten Herzen ,
Und ſo erſcheinet im Traum den tiefentſchlafenen Enkeln.
Rufet in Hütt' und Pallaft, auf der Heerſtraß' nnd in den
Rirchen :
Wir ſind ſchuldlos gefallen ; die ſceptertragenden Feinde
Standen in Jahresfriſt vor Gott , wohin wir ſie luben. “
So ſprach der Meiſter , nach ihm der volle Chor feiner Söhne:
,,Schwer und langnachtönend Find der Sterbenden Worte."
Von dem Großprior ward die goldene Urne geöffnet.
151

Wie ein Blizſtrahl erſchien eine bunte, lechzende Schlange,


Wand fich im Todeskampf , bis das Bild eines herrlichen
Weibes
Aus ihrer abgeſtreiften Hülle leuchtend bervorging.
Hammer und Winkelmaß trug die Geſtalt, über'm Haupt
einen Spiegel.
In ſeinen Tiefen erſdien aufflammend der Name : Sophia .
Gegen das Schleierbild hob ſie die ſpangenumgürteten Arme ;
Schleuderte Hammer und Winkelmaß unter die Trümmer des
Tempele .
Einem Sonnenſtrahl gleich enteilte das Zweite zur Gruftnacht.
An alle Säulen pochte der Erſte, verſchwand dann im Abgrund,
Mit verballenden Schlägen , wie ein ſtürzender Feldſtein.
Jeßt ſank die Hülle vom Haupt. 30 erkannte - MO
bam medo 3 uge ,
Wie ſie die Sage befðreibt. Bafometu 8 , brüllten die
Templer ,
Hielten den Kreuzgriff der Schwerter dem zornvollen Haupt
vor die Augen.
Berg und Thal erbebten beim Ausruf. Es ſchwankten die
Säulen ;
Niederrotite das Bild . Sophia trat dem Propheten
Auf die gerunzelte Stirn ; der Boden wurde geſpalten ,
Und es ſtürzte das Haupt unter Donnerſchlägen zum Abgrund.
Schnell ſprang die Saar empor , verſchwand vom Drt der
Erſcheinung ,
Wie vom Sturmwind entrafft; Sophia ftieg gegen Himmel,
Von einem Purpurgeftirn der ewigen Sion umfangen .
Jeßt fam dem Edo Ben Hinnons, deſſen Zunge gelähmt war,
Wieder die Sprache zurück. Der verſpätete Naruf
erſchalte :
152

,,Sower und lang -nachtönend find der Sterben :


den Worte !"
Südlich ſchwebten wir nun in eine nächtliche Tiefe ,
Die ein röthlicher Bach mit klagenden Wellen durchwogte.
Langſam und blutig floß er - wie der Schweiß des Er
löſero *) .
Voll erhabenen Ernſtes begann die leitende Jungfrau :
,,Seht hier das Thal der Gräber. --- Joſaphat gab ihm
den Namen.
Rönigsthal ward es genannt ſchon vor undenklichen Zeiten.
Molod und Belphegor freuten fich hier der furchtbaren Opfer.
Unter Salomons Cedern floß der trauernde Kidron ,
Der nun ſeufzend und ſchattenlos durch die Tiefe fich windet.
Hier ſang David die herzzerſchneidenden Lieder der Klage ;
Dieſe Felſen bernahmen die Stimme des Jeremias.
Hier begann auch das Leiden Chriſti, unſers Erretters.
Hier wird als Richter er ſtehen vor den verſammelten Völkern.
Die Geheimniſſe dieſes Thales find nicht zu ergründen ,
Werden den Engeln erſt klar, wenn die Siegel alle gebrochen ,
Und die Gräber der Welt ſammt den ſieben Schaalen ge
leert ſind. “
Dede fand id die Schlucht, als ſei das Gericht don gehalten,
Und verbrauſet der Sturm , der verſammelt alle Gebeine.
Umgeſtürzt lagen die Säulen der halbgeöffneten Gräber ,
Und das grünliche Licht fiel büfter in nächtliche Solünde.
Zwei Pyramiden von Feuer ſab’n wir in der Entfernung ;
Doch ihre Flamme war trüb und durchwalt vom ſteigenden
Raude .
Ueber die Wangen der Jungfrau fuhr ein flügt'ges Erblaffen,
*) Der Bady Kidron entſpringt unfern von dein Drte, wo Chriſti Schweiß in blu.
tigen Tropfen fiel,
153

Und ſie füßte das Kreuz , zu einem uralten Delbaum


In der Nähe der Flammen , uns mit Vorſicht geleitend.
Von dem gewaltigen Stamm und finfenden Zweigen verborgen
Standen wir jeßt; - auf den Mund hielt der Engel die
Lilienfinger ,
Und den Kreuzgriff des Schwerts erhob der fromme Orlando.
In der Mitte des Thales , zwiſchen den düſteren Feuern
Saß auf geſtürzter Säule gebückt ein uraltes Steinbild ,
Wie von tiefdenfendem Künſtler aus gelblichem Marmor
gebildet.
Eine gleichfarbige Kron' lag auf dem verwitterten Haupte ,
Wie ein Dobtenarm ftieg von dem Schooß ein ſteinerner
Scepter ,
Endend in eine Hand , die einen Schädel umfaßte,
Und der ſchneeweiße Bart ſant tief bis zur mooſigen Erde .
Aber ſeltſamer Sdauer ergriff uns , als wir bemerkten
Die Geſtalt ſei - belebt ! 3hr Oberkörper erhob ſich
Langſam , wie der Leib eines Kranken vor dem Verſcheiden ,
Wenn vom jenſeitigen Ufer befreundete Stimmen ihm tönen .
Patriarchaliſcher Ernſt, lag auf dem gelben Geſichte,
Von der Verweſung berührt, doch vom Golde Schahmühra's
erhalten
Schien das haarloſe Haupt. Verſteinert waren die Züge ;
Gruftſtaub trugen die Falten der eingeſunkenen Wangen ;
Höglungen glichen ſie, um die Burg des Leben gezogen
Und mit zerbrochenen Pfeilen der Zeit und des Todes bededet.
Zwei verkohlte Vulkane waren die nächtlichen Augen ;
Regungslos ſtarrten fie bin in tiefer, furchtbarer Schwärze:
Sowird im Nordland ſichtbar des Mondes volle Berfinft's
rừng ,
Wenn das wankende Soneelidt die unteren Räume beleuchtet.
154

Auf meine ſchüchterne Frage ſprach leiſ die ätheriſche Jungfrau:


,,Du erblideft alhier den ürpropheten der Erde ,
Welcher Salem erbaut , die Strahlenwiege von Sion :
König Melchiſedech iſt ſein furchtgebietender Name ! “
„Wie“ ſprach der Paladin — ,kommt er in das Thal
der Vernichtung ?
Welches unbewohnt blieb im Himmel wie auf der Erde ? "
Auf dieſe Frage begann, ſich befreuzend, die liebliche Jungfrau :
,, Ein furdtbares Gebeimniß ſteht zwiſchen ihm und der Gottheit.
Er iſt der Einzige , der nicht Bonne fühlt in dem Himmel,
So hat ſein kraftvolles Bild die finſtere Ruhmſuchtverwandelt ;
Wenig nur iſt bekannt von ſeinen irdiſchen Tagen.
Als der Erzvater Abraham über Redor Loamor
Und die fünf Fürften geſiegt , trat Melchifedech bier ihm
entgegen
Mit dem Brobe der Gaſtlichkeit und mit dem Weine der
Freundſchaft.
Spurlos verſchwand er dann ſpäter; ſein Grab ward nir
gends gefunden.
Und es glaubte dat Volk, ihn habe der Vater der Menſchen *)
In einer fternvollen Nacht zum offenen Himmel getragen .
Was die Engel vor ihm den feligen Geiſtern verfünden,
Sit zwar entfeßlich und doch erſchöpft es nicht das Geheimniß,
Welches ihn trennt von der Gottheit , ohne zur Höll
ihn zu ſtürzen .
Ein Jahrhundert nach der glanzreichen Himmelfahrt Chrifti,
An dem Feft ber Dreifaltigkeit, als Jehovah herabftieg,
Trat Meldifedech vor aus den Reiben der uralten Prieſter
Mit verfinſtertem Aug', wie ein Engel der erſten Verſchwörung,
Der fich fiagend erhebt, don abgefallen im Innern.
*) Adam .
155

Furchtlos blickt' er empor, denn Gott ſaß im Kleide ber Milde


Auf ſeinem ewigen Thron, und ſchlafend ruhten die Donner.
Alſo ſprach der geheime Prieſterfönig der Vorwelt :
,,,Stell, o Schöpfer! mich gleich — deinem ſpäter er
dienenen Sobne."
Bei dieſen Worten erbebten die Potentaten des Reiches ;
Ade Kräfte und Tugenden. An die feurigen Schwerter
Schlugen die Engel der Strafe. Gott dwieg. Fortfuhr der
Rönig :
„ Bin ich kein Hauch von dir ? Nicht ſo rein wie die Taube
des Geiſtes ,
Welche das Strahlengefieder erhebt über'm himmliſchen
Dreied !
Wer war ſo ſehr, wie ich, nach deinem Herzen geſchaffen ?
Wahrlich , das hab' ich gefühlt, als auf die fahlen Gebirge
Ich dir die Glorienburg regte der fternanragenden Salem .
War fie ein Vorbild nicht für deine unendliche Sion ?
D'rin fid die Geifter erfreu'n der feligkeitsreichen Verſammlung.
Cherubs und Seraphs umftel'n dich ; dort ragen die Fürſten
der Engel ;
Wie die Gipfel des Tabors , an deinem beglüdenden Thron auf.
Bon dir hinausgeſandt , eilen ſie, groß wie die erſten der Sonnen ,
Durch deine Schöpfung dahin ; nur ich muß ruhmberaubt leben,
Und es erkennt nicht die Taub' in mir den gleichalten Bruder .
3d war dein Prieſterfönig in Salem . Gieb mir, was mein iſt!
Die Geſtalt deiner Fürſten ; einen Stuhl in dem Urlicht,
Neben dem göttlichen Sohn, der in meiner Salem geſtorben .
Laß nicht im menſchlichen Kleid deinen Kraftgedanken erlöſchen !
Seb' mir zwölf Stern auf die Bruſt, als würdiges Urim und
Tummim *).
*) Das Bruſtſchild der jüdiſchen Hohenprieſter, mit zwölf Edelſteinen befeßt,
156

Raphael bilde die Krone; Michael ſchmiede das Schwert mir.


Was ich ſeit Jahren verſchwieg, das zehrt nun am Herzen wie
Feuer ,
Id will fein Gottmend ſein ; bu haft mich zu mächtig
erdaffen.
Abgeſtreift hat mir der Tod die Pilgerkleidung der Erde.
Zwiſchen Himmel und Hölle wählten von jeber die Starken,
Deren flammende Bruft den Zuſtand der Zwitter Verſchmähte.
Fedem werde das Seine ! ſonſt fluch' ich Jehovah dem Tage,
Fluch' ihm vor dir dem Tag', da ich Salem , die Herrliche, baute !
Er ſei vergeſſen vor dir ! ſeine ärmlichen Refte vertilg'ich ,
Iind der entfettete Tod umwandle Jeruſalems Trümmer !
Sieh', wie die Ew'gen erzittern ; heb' mich zum Stuhle der
Ønade !
Laß das himmliſche Heer vor der Vierfaltigkeit knieen !
Oder ſomett're zum Abgrund Salems alten Erbauer,
Daß er in Freibeit und Kraft ſein ewiges Daſein empfinde,
Wenn auch in hölliſcher Dual , doch als Geiſt, der des
Urſprungs gebenfet
Und der Adramelechs Krone vorzieht dem menſdlichen
.

Kleide Inil
Selbſt die Erzengel erbebten nach dieſen frevelnden Worten.
11, Ruhig ! a ſprad Gott, wer nennt dich den Bruder der
himmliſchen Taube ?
Dein verwegener Stolz und die betrogene Menſchheit.
Hab' ich die Macht dir verlieh'n , den Stachel des Tod's zu
zertreten ?
Wiederkehre mein Hauch ; bod weil er in bir
gewohnt hat ,
Seift du befreit von der Pein der abgefallenen Geiſter.
Bleib' unglüdlich im Himmel ! – das iſt größere Strafe.
157

Trage die Spur meines Zorns ! die Narben meiner Verachtung!


Schreit' als mein fidtbar Gericht durch die Straßen der himm
liſden Sion !
Kehre zurück, mein Hauch ! — Was übrig bleibt , ſei
Dom Entfeßen !"
In ein Gewitter ging über die Stimme der zürnenden Gottheit.
Auf allen Sternen war fühlbar dieſe ſchreckliche Stunde.
Auf dem unſern erbebte der Oft, der Süd par berfinftert;
Berge ſanfen zum Meer, das Meer ftieg auf an den Bergen ;
Höhen , die lange gegrünt , eröffneten feurige Rachen ;
Hagel fuhr über Aebren ; Mord trat in die Palläfte;
Grüfte gerborſten ; händeringend ſtiegen die Todten
Wie zum Weltgericht auf ! Das war die Stunde des
Zornes .
Die, fo Melchifedech nahe verweiſt, vernahmen ſein Murmeln :
w „ Was ich zertreten nicht kann, vermag ich vielleicht zu
befreien ."
Wankend ſchritt er zum Rüft haus mit einem flammenden
Sdwerte ,
In gewichtigen Schlägen die machtvolle Kette beſtürmend ,
Welche im neblichten Hof den vierten Reiter zurüchält.
Michael jah's und vertrieb ihn. Im Flieben traf ihn ein
Hufſchlag
Vom rüdſtürzenden Roß. Die drei andern Reiter erhoben
Jubelgefchrei, und Feuerblide des Waynfinns verſendend,
Sdrumpfte , wie in fich felbft, der Prieſterkönig zuſammen,
Wandelte dann gebüdt , wie ein tauſendjähriges Steinbild,
Zum Entſegen der Geiſter, um das Rüſtbaus der Gottheit
Mandh Fahrhundert hindurch , bis die Pforte des Blutes
erbaut war .
Da erbarmten ſich ſeiner zwei beilig geſprochene Päpſte,
158

Führten ihn in dieſes Thal, wie zum Richtplaß der reuigen


Sünder ;
Doch ſein wahnſinniger Stolz hat ihn auch hiernicht verlaſſen.
Halb erkannt er wieder die trauernde Gegend von Salem ,
Und nun wähnet er ſich zum Berſammler der Völker berufen ,
Zu dem Sprenger der Grüfte, zum Träger der legten Poſaune.
Ob ihm jemals die gnadenvolle Gottheit verzeih'n wird,
Mit einem ſchwächern Hauch den Hartbeſtraften erfüllend ,
Dder ob dieſer Zuſtand ſeine Ewigfeit bleibet-- ?
Das kann kein Seliger ahnen und kein Seraph ergründen .“
Langſam erhob fich vom Siß Melchifedech nach dieſen Worten ;
Stürmiſch wanften die Feuer, während ſprach der Verfteinte;
Nicht aus dem Mund , aus der Steinkron ' ſchien die
Rede zu tönen ,
Mit dem Gemurmel eines unterirdiſchen Stromes :
,,Congregabo omnes gentes, et deducam eos in vallem
Josaphat , et disceptabo cum eis ibi.“ *)
Sprach's — erhob den Scepter und ſtürzte dann wieder zu
ſammen ,
Stradhend, mit bärtigem Rinn die erſchütterte Erde berührend.
Schauer ergriff felbft den Engel vor dem geheimnißerfüllten
König im Thale des Todes. Bir enteilten der Tiefe,
Und niot fern von der Duelie des traurig ftrömenden Kidrons
Sah'n wir das palmenbeſchattete Thor am Garten des Dela
berge.
Hier trat uns Friedrich der 3 weite , der deutſche
Kaifer , entgegen
Mit der edlen Jolantha **). Die unvergängliche Schönheit
*) F werde alle Dörfer um mich verſammeln, ſie nad dem Thal Joſaphat fühs
ren , und allda über ſie Gericht halten .
**) Seine Gemahlin .
159

Wählte zum Thronfiß der Kaiſerin lichtverſendende Wangen.


Ueber Joſaphat ſtand fie, ein Engel der Auferſtehung ,
Während unſ're Führerin mild ihren Gatten begrüßte ,
3hn , den Gewaltigen , der die langverlorene Sion
Wieder dem Heiland erfocht, wenn auch nur für flüchtige Jahre.
„ So " - ſprach die Jungfrau ,,verzeiht der Herr ſeinem
rubmvollen Kämpfer
Manche Handlung des Wahns ; denn er iſt die ewige Güte !
Wiffe ! - daß Friedrich lang' das Haupt unſ'rer Kirche befeindet;
Doch hat des Himmels Haupt ihn um Sions willen begnadigt.
Dort, im verfallenen Dorf Gethſemane, ſeht ihr noc Viele,
Welche dem Fürſten gefolgt auf den Dornenpfaden des Kreuzes.
Unter jenem alten , unſterblich ſcheinenden Delbaum
Stebet Eutychius ; dort iſt das Grab der Jungfrau Maria ,
Wie auf Erden es ruht. Die Geiſter in ſeiner Nähe
Sind die Säulen des heiligen Hauſes, der Nährvater Joſeph ,
Anna , die Mutter Maria's, und Joacim ihr Erzeuger.
Seht hier die Grotte, wo der Seele des göttlichen Heilands
Bei dem Beginnen der Leiden unendliche Angſt fich bemächtigt;
Wo von der Stirn ſein Soweiß in blutigen Tropfen herabfiel;
Wo er ſie ſprach , die großen , niezuvergeſſenden Worte:
„ „ Vater ! es gebe der Kelch , wenn es möglich iſt, an mir
vorüber !!! -
So von der Jungfrau belehrt, fah’n wir den Ort des Verrathes,
Wo Sidariots lippe die Wange des Heilands berührte ;
Während ein Engel, von Gott geſandt, den Körper ihm ſtärfte,
Ward am Erlöſer ein Menſch zum undankbarſten der Frevler.
,, Dafür“ – ſprach mit heiligem Zürnen die leitende Jung
frau :
,,Ward er, nad Chriſti Tod, zur unterſten Hölle geſchleudert,
Wo bad häßlichfte Laſter, der undant , in Folterqual aufbrüllt.
160

Dort liegt chariot unter dem Throne des Molods begraben ;


Stredet ewig die rechte Hand aus dem brennenden Purpur,
Satan zählet ihm zu die dreißig glühenden Münzen
Fährlich am Tag des Verraths. Aus der Fauft ſtrömt
flüffiges Feuer
Ihm auf das dantloſe Herz, und höhnend rufen die Geifter :
,, Fühlft du's ? -
Wir haben in Gold die Silberlinge
verwandelt ! "
Jego verließen wir die Grotte des bitteren Kelches,
Kamen zum Fels , wo der Heiland über Jeruſalem weinte ,
Sebend im Geiſt ihr Geſchic , und die naben Tagen des
Jammers.
Ward doc am ſelben Ort das Zelt des Titus errichtet.
Aus den Schlucten des Bergs trat plöglich gehüllt in ein
Thierfell
Eine bag're Geſtalt ; mit der ſanften Stimme des Mitleido
Sprache unſ're Führerin : „Das iſt Jefus , der Sohn des
Amanu ,
Welcher vier Jahre vorber der Stadt ihren Faut prophezeihte.
Donner geht vor dem Hagelſchlag; der Prophet vor dem Unglück.
Daß geſchab, was er ſprach -- iſt hier zum Troft ihm geworden,
Und er ſelbſt wohl der Einzige, den dieſe Trümmer beglücken.
Ibn wird mit Sion dereinſt die Befreiungsſtunde verſöhnen,
Und das Rachegefühl im Meere der Seligkeit ſchwinden ."
Hier unterbrach den Engel Amanus mit beiſerer Stimme,
Die wie Geſchrei des ſterbenden Unglücksraben ertönte ,
Wenn ihn auf hohem Giebel der Pfeil des Jägers getroffen :
Sprach ich nicht Wahrheit ? Nicht Wahrheit ? - als ich drie
von den Bergen :
Rache vom Aufgang ! Vom Untergang ! Rache von allen vier
Enden !!
161

Für das göttliche Blut ! ſo ſchmählich vergoſſen am Kreuze !!


Gott hat die Tropfen gezählt ; fie fallen auf euere Häupter !
Rach' über Bräut'gam und Braut! über Sion und über Moria !
Stürzen werden ſie Beide. Die Drachen niſten im Tempel .
Greiſe ſchüßt nicht das Alter, nicht die Unſchuld die Kinder.
Säuglingshirn trieft vom Steine , Prieſter liegen erſchlagen
Wie entwurzelte Cedern, wenn hintobt die gräßliche Windsbraut,
Das ift die Braut des Tempels. Fürwabr , ſie wird ihn
umarmen !
Reiner entgeht dem Tod. Die Schärfe des Schwerts ſei
für Ade.
Heulen wird das Gebirg auf den zwei Seiten des Jorbans .
Meere färbt euer Blut, doch kann eß nicht löſchen das Zornfeu'r,
Das verſchlinget die Burg und den wolkenanragenden Tempel.
Den Erlöſer habt ihr gemordet ! Sprach ich nicht Wahrheit ?
Rache vom Aufgang ! vom Untergang ! Rache von allen vier
Enden !
So rief der zürnende Geift und verſchwand in den Grä
bern der Seber ,
Wie ein düſterer Nebel , den das Mondlicht herabdrüdt.
Aber uns aufwärts geleitend, begann die liebliche Jungfrau :
Sehet hier die zwölf Trümmerbogen ; das iſt die Stelle,
Wo die Apoſtel das wahre Glaubensbekenntniß entwarfen ;
Während die frevelnde Welt unwürdige Götter verehrte.
Dort iſt die Gegend , wo Chriftus beten lehrte die Jünger.
Nordwärts auch ſeht ihr ben Delbaum, in deffen füblendem
Schatten
Er vom Weltgericht (pracy, dem Reiner vermag zu entrinnen.
Aber nun ſteh'n wir am Ort, wo er aufflog zum offenen Himmel,
Das verklärte Antlitz nach Norden gerichtet, als woll' er
Neue , beſſere Völfer berufen zur mächtigen Vereinung.
Auffenberg's lämmtl . Werfe XII. 11
162

Zene leuchtenden Männer , die auf der Höhe verweilen ,


Haben den ſpäteren Zeiten das große Wunder geſchildert.
Sebet ! dort knieet in Betrachtung der Geift des Biſchofs
Paulinus ,
Der in Gefangenſchaft zog, einer Bettlerin Sohn zu befreien,
Sich aufopfernd für ihn, gerührt von den Thränen der Mutter,
Der als ein dlichter Gärtner ftreute den Samen des Glaubens,
Und als furchtbarer Prophet mit dem Todeswort trat por
Tyrannen ;
Der die Retten zerbrad gefangener , leidender Chriſten ;
Von den Armen geſegnet, verflucht von fündigen Schwelgern ;
Immer gegürtet im Dienft der allesſehenden Gottheit ,
Belche vom wankenden Firmament den Gnadenarm ftredte,
Und bei Erdbeben und Donner den treuen Prieſter emporhob.
Dort iſt Severus zu ſeh'n. Dort Beda , die Säule der Kirche,
Der venerabilis felbft von ergrimmten Feinden ge
nannt ward .
Fener Begeiſterte, der kaum die Erde ſcheint zu berühren ,
Auf der Himmelfahrthöh' mit gebreiteten Armen verweilend,
3ft Gregorius von Nazianz ; er pflüdte die ſchönſten
Blüthen vom Wunderbaume des beſchaulichen Lebens.
Sebt, wie ſein Angeſicht ftrahlt! o ! föret bie tonreiche Stimme ! "
So ſprach die Jungfrau . Viele ſtanden vereint um Gregorius;
Denn ſchon hatte der Greis begonnen vom Heiland zu reden ;
Von ſeinem Auſflug zu Gott, und wir vernahmen die Worte :
,, 3hn *) umgaben die Seelen der auferſtand'nen Propbeten ,
Die Patriarchen erſchienen. Zerbrochene Retten des Todes
Klirrten den Seligen nach : auf dem Berg ſtand die himm
life Mutter,
Und als Zeugen der Erwählten hundert und zwanzig.
*) Chriſtum .
163

Mit weitausgebreiteten Armen ſtand der Erlöſer,


Drückte im Geiſt an ſein Herz – die ganze gerettete Schöpfung.
Zeigte dem ewigen Bater die Schaaren ſeiner Getreuen .
Kreuzweis dann über die Bruſt legt er die mächtigen Hände,
Senft fie nod einmal berab , um die Geliebten zu regnen ,
Und entſchwebet der Welt - majeſtätiſch - mit langſamem
-

Fluge !
Wie er ſich nähert der feligen Wohnung des Vaters -- bebedt ibn
Himmliſchet licht. Die Zurüdgebliebenen ftehen geblendet."
So rief der heilige Greid voll namenloſen Entzückens.
Wir aber ichwebten dahin über's dunkle Thor von Damascus,
Nordwärts blieb nun Jeruſalem; gegen Abend die Höhe
Bon Judäa mit ihren labyrinthiſchen Schluchten ,
Und gleich Hütern des Landes , erhellt von ſmaragdenen
Strahlen ,
Wähnt' ich im fernſten Often Arabia's Berge zu dauen.
Wir erblicten den Rubeiß des Propheten Elias ,
Nur der Stein war zu ſehen ; längſt todt der ſchattige Delbaum.
Nabe bei Rama ſtand das alte Grabmal der Rabel
Und das öde Gebirg', wo ſie beweint ihre Rinder.
Ein unfenntlicher Schatten umſchwebte die mooſigen Mauern ;
Doch meine Frage ftarb hin auf der Zunge vor einem Bilde,
Das in düſterer Pradt bervortrat aus wankenden Nebeln.
Bon dem Grabe der Rabel bis nad Bethlehem ftanden
Geifter zu beiten Seiten des fadelnerleuchteten Pfadec.
Graue Gewänder trugen ſie und filberne Kronen ,
Märtyrerpalmen im Arm ; in der Rechten das Buch der
Erkenntniß *).
Jeder betete laut vor einem Marmoraltare ,
D'rauf ein einfaches Kreuz von rother Farbe zu ſeh'n war ,
*) Die heilige Schrift.
*
11 *
164

lind eine Fadel , der milde , blaue Strahlen entfloſſen.


Durch die Reih'n uns geleitend, ſprad die ätheriſde Jungfrau:
„Von dem Berg Ararath erblidt ihr die Märtyrerſeelen,
Die, zehntauſend an 3 ahl , im Dienſte der römiſchen
Raiſer
Hadrian und Antonius fich zum Heiland befehrten.
Früher floh ſie das Glüd, als Chriſten wurden ſie ſiegreid ,
Und von den Engeln geſpeiſt auf Großarmenia's Höhen ;
Dann , unterliegend dem Zorn der Heerausſendenden Kaiſer,
Starben als Märtyrer fie, in Reihen an Kreuze geſchlagen .“
In dem heiligen Thale ſah'n wir die leßten der Seelen;
Dieſe verweilten am Thor , das führet zu Bethlehems
Kirde.
In der äußeren Halle knieeten die friedlichen Hirten ,
Welche Huld'gung gebracht dem neugebor'nen Erlöſer.
Ubwärts zum Heiligthum führt eine dunkle , gewundene Treppe .
Hier erſchien und ein Geiſt im Ornate der fränkiſden Fürſten ,
Mit der Juwelenfron' auf der hohen , ſinnigen Stirne ,
Mit einem goldenen Scepter. Ein Doppelkreuz zierte
die Bruſt ihm.
,, Grüßet den beiligen ludwig , " ſprach die erhabene
Jungfrau ,
„ Zweimal nahm er auf ſich das Kreuz bei ruhmvollen Zügen ;
Fand auf dem erſten --- Gefangenſchaft, auf dem leßtern -
die Freiheit ;
Jene Freiheit , die ftets vom Gerechten innigft erſehnt wird.
Er war der legte Gewaltige, der auf den Pfaden des Herren
Mit gehobenem Schwert die Macht der Ralifen bedrohte.
Unter Karthago's Trümmern fteht ſeine nächtliche Urne ;
Aber die Seele verweilt da, wo Chriſtus zur Erde gekommen ."
In der düſteren Gruft erſchien uns die beilige Paula
165

Mit ihrer Tochter Euftachia. Wie mich der Engel belehrte,


Haben die würdigen Frauen der Scipionen und Gracchen
Hobe Paläſte verlaſſen ; verlaſſen die glanzvolle Roma ,
Um in der einſamen Höhle fic ftifler Tugend zu weiben .
Andachtverklärt war das Augʻ diefer fürſtlich - edlen Geſtalten,
Die altrömiſche Hobeit mit driftlicher Demuth ver
einten.
Auch den ſchmucklofen Stein an der Morgenſeite der Grotte,
Wo die Jungfrau den Herren gebar , erblidten wir jeßo ,
Und einen zweiten in Wiegengeſtalt, am nächtlichen Orte,
Wo der Rönig von Erd' und Himme St
l auf dürftigem
roh lag .
Welcher Kronenglanz gleicht an Heilig feit wohl dieſem
Dunfel ?
„ Wer , " ſprach der Paladin, „ ift der ehrfurchterweckende Beter,
In dem grünen Gewand -dem rothen, wallenden Mantel,
Der an dem Wiegenſtein knieet ? " – „Der beil'ge Hie
ronyi u $ ift es ;"
Sprach unſ're Führerin. — „ Hier in der tiefbeſchatteten Höhle
Hat aus der Ferne ſein Ohr den Donnerſturz Roma's ver
nommen .
Zener gräßliche Sturm, der weltumwälzend eingerbrachy 1

Konnte fein Haar bewegen auf feinem friedlichen Haupte ;


Flüchtlinge nahm er auf, fie pflegend mit gaftlicher Sorgfalt;
Reichte den Troft des Gebet8 für eitle verlorene Güter.
Ruhig hat er gelebt , und alſo ift er geſtorben.
Reinen ſchöneren Ort kennt der fromme Geiſt in dem Himmel,
Als das Nachbild der Stelle,wo Chriftus wurde geboren ."
So ſprach die Führerin -- winkte dann und fei'rlich zur Höhe,
Und wir ſchwebten empor am Marmoraltar der Maria.
Abgebrannt ftarben die lampen, die matt das Gewölbe beleuchtet,
166

Und die Stimmen bernahm ich feiner frommen Bewohner,


Die , lo ſchien mir's, vereint mit Engelschören nun fangen :
„Hic , de virgine Maria ,
Jesus Christus natus est. “
Plößlic traf blendendes Licht, wie mit tauſend flammenden
Sqwertern ,
Mein erſchrockenes Aug’ ! Den Altarſtein fab ich gewichen
Und ein - Juwelenbalcon empfing meine wankenden Füße.
Ueberwältigt vom Anblick der Pract , troß der Doppel
ten Weibe ,
Warf ich an's Herz mich des Paladins. Der Engel berührte
Dreimal mit ſtärkender Hand mir die geſchloſſenen Wimpern,
Und ich verſucht es zu ſchau'n – was ſchwer nur die Sprache
verkündet.
Mit heuleuchtendem Antlitz begann die ätheriſche Jungfrau :
„Uuf ! Erwählter, ermanne dich ! Der Balcon, wo wir weiſen,
Schmückt den Juwelenpallaft vom Papſt Gregorius dem
Zehnten.
Geben fouft du , wie hier das Geburtofeſt Chrifti ge
fei'rt wird ;
Was dein Aug' noch nicht faßt — wovor dein Geiſt noch erbebet,
Iſt die große Sanct Paulusſtraße der himmliſchen
Sion .
Nach dem berühmteſten aller Apoſtel darf ſie ſich nennen ;
Nach dem muth- und glorienvollen Berfünder der Lehre
Jeſu Chriſtil Durd ein Wunder ward er bekebret ,
Als ſein kraftvoller Fuß hineilte zur alten Damascus.
Griechenland und die Felſenthrone des Mittelmeers ſaben
Den Erhabenen in der apoftoliſchen Würde.
Syrien und Kleinaſien , die ſonndurchbrannte Arabia ,
Hörten ſein Wort. Mit Bligen und Donnernſchien er bewaffnet,
167

Wenn auf den Hügeln er ftand , die begeift'rungsflammen


den Augen
Ueber des Volfes Gewühl aufridytend zum Thron des Meffias!
Könige bebten vor ihnen ; ſein Wortſchwert durchbohrte die
Stolzen ,
Sturm war fein Bote. Gepanzert ftieg Satan empor aus
der Hölle ,
Abzuringen die Krone des Sieg's dem großen Apoſtel;
Aber er warf ihm um's Horn den Gürtel ber gläubigen Stärfe;
Seßt ihm den Fuß auf die Stirn und ſtieß ihn zurück in
den Abgrund.
Die Gemeinden von Epheſus, Salem und Antiochia
Nannten ihn Lebrer ; – Theffalonic ), Corinth und Galatha
Vater ihn. Ruhig im Glück war er, felſenfeſt in dem Elend.
Alo fie den Körper gefettet, wurde nur freier die Seele .
In der Hauptſtadt der Welt* ) ſprach er wie auf Afia's Bergen,
Und der Märtyrertod war des Lebens würdige Krone.
Tugend und Seelenadel athmen die heiligen Schriften ,
Die er der driftlichen Welt als ewiges Denkmal verliehen .
Jedes Wort iſt ein Stern am firmamente des Glaubens ,
Der die Unglücklichen tröſtet mit belebendem Lichte
Und auf die reu'loſen Frevler wie Gottes Zornaug ' berabfieht.
Heil dir ! großer Apoſtel , und dreimal Heil dieſer Stunde ,
Wo du dem Meiſter voran zum Throne der Ewigkeit ſchwebeft,
Sichtbar dem Pilger , den ich ſammt den Brüdern nach
Sion berufen ."
Alſo, vou heiliger Glut ſprach die fonnenreine Prophetin .
Jeßt erft fand ich die Kraft , mein Aug' durch die Pract
ftraß' zu ſenden .
Kaum ein tauſendfter Theil wär' ohne die doppelte Weihe
**) Rom .
168

Sidtbar mir geworden , und båtte boch meine Blide


Ueberwältigt, wo nicht ihren Strahl für immer getödtet.
Darf ich den Maßſtab der Welt an Himmelserſcheinungen legen,
Zeigt fich auf vierundzwanzig Meilen die Breite
der Straße.
Ihre länge hat noch kein Geifteraug' überſehen .
Roſen des Morgens und Mittagsflammen und Purpur des
Abends ,
Waren vermiſcht in ein licht von unbeſchreiblicher Farbe ,
Bildend die himmliſche Dede über dem Haupte der Geifter.
Hobe Juwelenpaläſte an beiden Seiten der Straße
Stiegen empor , -durchglüht und überflogen von Lichtern,
Deren lebendigen Anblick der Menſch nicht fennt und nicht faffet.
Jede der Wohnungen trug beugrünende Gärten des Lebens
Auf ihrem ebenen Dach. Die unſterblichen Palmen erblickt' ich,
Goldenen Stamm's --- mit breiten , lichtverſendenden Blättern .
Schlanke Cypreffen , berührt vom ewig foſenden Dſtwind
Tönten wie Harfen der Engel vom Siße der Freuden bernieder,
Und wie prophetiſche Jungfrau'n auf Arimathia's Gebirgen ,
Die das heil'ge Frühlicht zum Hallelujah erweckte ,
Ragten die Cedern empor mit fanftgerötheten Wipfeln .
Quellen an lieblichem Glanz der bewohnten Siloah
vergleichbar,
Sandten die ſtrahlende Fluth herab von agathenen Felfen.
Frembe Bewohner der Luft, wie ſie nie unſ're Wol
fen durcheilen ,
Wiegten auf 3 w eigen ſich dort , die ähnlich fmarag .
denen Flöten
Töne der Wonne verhauchten bei jeder leiſen Berührung.
Blendend war das Gefieder der phönirgleichen Gebilde ,
Und jede einzelne Schwinge trug hundert verſchiedene Farben,
169

Während ihr Grundlicht erſchien, wie dem Bogen Noahs ent


zaubert.
Aus den fühlen , myrrhen- und ambradurchdufteten Schatten
Funfelten, balb von den Zweigen bedeckt, die gegitterten Thore,
Führend in kleinere Tempel , von Demantfuppeln gefrönet,
Oder in neue Gefilde der Luft und balſamiſche Haine ,
Würdig, durchwandelt zu werden vom Fuße der alten Propheten,
Welche zur Einſamkeit flieh'n, wenn in Stunden klarer Be
geift'rung
Sie der Völker Gefdid erſeh'n , den offenen Himmel
Und in ihm die langſam niederſchwebende Gottheit.
Bald geſchloſſen erblickt id , balb geöffnet die Pforten.
Feber Stab war ein Strahl des wolkenlos gleitenden Vollmonds,
Mit den Rubinen bepflanzt, die der Morgen des indiſden
Himmels
Auf die Fluren verſtreut in den Tagen der lächelnden Maja.
Säulen von Jaspis , Porphyr , und and're pon blendendem
Marmor ,
Bald in dorilder Pradt, bald in forinthiſcher Ordnung ,
Bald in der uregyptiſchen , ſtolzen und einfachen Größe ,
Oder geformt nach den Tempelträgern des weiſeſten Könige ,
Strebten empor aus den Gärten und überragten die Bäume ;
Aber es ruhte auf ihnen ein neuer Pallaſt des Entzüdens,
Greidh dem untern an Pradt und öfters noch ihn übertreffend.
Aehnliche Gärten des Heils entblühten ten ebenen Dächern ,
Welchen ein neuer Pallaſt entſtieg, und ſo fort bis zum Ziele,
Das ſelbſt das Aug' nicht ermißt der oberſten Hierarcieen .
G’radauf blidt ich , der Engel wehrte vom Haupte den
Schwindel,
Und ſo verfolgt ich die Strahlen der diamantenen Bauten ,
Bis in dein roſigen Meer unendlicher Höh' ſie zerfloffen.
170

Als ich bernieder ſab, erfaßte mich neues Erſtaunen ;


Denn vom reinſten Kryftall, einem gläſernen Meere rergleichbar,
Fand ich den Boden der Straße Durchblißt von den goldenen
Sternen ,
Welche tief unter uns die gemeſſenen Bahnen verfolgten.
Dunkelblau war der Aether , ein Bild der göttlichen Rube ,
Die das Erſaff'ne umfaßt mit dem liebenden Arm der Er
haltung.
Nimmer vermag ich euch ganz die Pract des Anblids zu ſchildern,
Die unter'm durchſichtigen Boden der apoſtoliſchen Straße
Jeder wandelnde Stern bei ſeinem Eintritt gewährte ;
Einer folgte dem andern, verſchieden an Glanz und an Größe;
Selbft der kleinſte glid bier einem runden Feuergebirge,
Während die Bilder der größten ganze Meilen bededten
Und wie flammende See'n die Paulusftraße durchglänzten.
,, Blidt empor !" - rief nun ſchnell der palmentragende Engel,,
,,Denn don beginnt der Zug ;die himmliſchen Barfen ertönen !"
Und ſo war es. Aus Gärten und Tempeln der Glorienpaläſte,
Von den Balkonen und Dächern erſchalten die Chöre der Wonne,
Mild, mit gedämpften Stimmen und leif erklingenden Harfen.
Unſichtbar blieben die Sänger , die mit dem anwogenden
Prachtzug
Ihre Töne vereinten . --- Erinnerung , heb' bid vom Erdbau
Adlergleich auf ! Sein Staub entſint im Flug deinen Sdwingen.
Offen ſtehen dir ja die Perlenſchäße des Himmels ,
Such unter ihnen nach würdigen Worten und reih' ſie zu
Bilderit ,
Die das Geſchaute bezeichnen , wenn auch nicht gänzlich
umfaſſen.
Folge dem Seelenaug' fühn, das Drlando durch's Feu'rmeer
getragen ,
171

Das ſeine Wimpern getaucht in Siloahs weihende Fluthen.


Auf ! und wage den Flug. Die Himmliſchen mögen dich
ſchüßen !!
Hod in den Lüften erſchien eine fronentragende Jungfrau ;
Strahlenbell war ihre Stirn, das Hauptbaar gebiegenem Gold
gleich * ).
Von einer himmelblauen , fternendurdſdimmerten Toga
War zur Hälfte bedeckt das enganliegende Schueekleid.
Ein diamantenes Kreuz erhob ſie mit ihrer Rechten ,
Und es ruhte die Linfe auf einem Sdild von Juwelen .
,,Das iſt Europa's Geſtalt , die dem großen Zuge voran
ſowebt.
Sebt ! bort naben ſich ſchon die ſkandinaviſchen Völfer ! "
Dies ſprach der Engel. Beim frieg'riſchen Cone von tauſend
Trompeten
Flog eine goldene Wolfe die Paulusftraße hernieder.
Rothe Herzen brannten in ihr. Zwei thurmhobe Männer ,
Bärtig und feulentragend, ſchwebten an ihren Seiten.
Eichenlaub frönte die mächtigen , lodenumflogenen Stirnen.
,, Sehet ! “ ſprach nun zu uns die jugendlicíchöne Prophetin :
,, Jene goldene Rron' auf der Höh'- in der Mitte der Wolfe,
Der fie beſtieg mit der Kreuzesfahn ', iſt der heilge Ansgarius,
Ehemals Åbt von Corbey und Dania's **) großer Apoſtel.
Seht ihre Völfer dort, dem linken Träger der Reule
Angeſchloſſen. Die Heere lebt mit gehobenen Fahnen.“
Ganz erhellt war die Wolfe , und die Geiſter der Fürſten
Tauchten hervor. 34 rief : „Wer ift der herrliche König ,
Der ſo freundlich und mild die Märtyrerpalme betrachtet
* ) Europa wird hergeleitet von dem phöniziſchen Ur - appa , welches helleudstend
vom Untlig bedeutet.
**) Dänemarks alter Name.
172

Mir entgegnete d'rauf die tiara - umſchimmerte Jungfrau :


,,Das iſt der heilige Ranut, der Vierte des rubmvollen Namene.
Der neben ihm mit dem Glanz um das Haupt ift der Sedste
Der Eriks.
Werfet fchnell einen Blic , noch eh' die Wolfe babinzieht,
Auf jenes fürftliche Weib, von der Flamme der Herzen geröthet.
Aebnliche Feuer brannten für ſie in dem Buſen der Böffer,
Die ſie beherrſcht'. Sebt die dreifache Kron', den funkelnden
Scepter !
Das iſt die nord'ſche Semiramis, Königin Margaretha. "
Nah' war die Wolfe gekommen ; es ſtimmte der heilige Kanut
Das erhabene Lied an : „ Dominus mihi adjutor.“
Könige, Prieſter, Volt und Heerſchaar ſangen die Worte,
Langſam und feierlich unter dem großen Feſtflang entſchwebend.
Neue Trommeten erſchaften die Paulusſtraße bernieber,
Von Schlachthörnern durchtönt und dumpferdonnernden Pauken.
Ein rothfarbiger Nebel in Form eines wandelnden Berges
Wälzte Fich näher und näher. Zwei fronentragende Löwen
Von ungebeurer Größe bildeten liegend die Seiten.
Gegen ſie wär' die Sphynr am Gruftthor der Feraung ver
dwunden.
,,Das iſt die Kraft Norwegia's , " ſprach die erhabene
Jungfrau .
Der auf der Höhe des Nebelbergs iſt der heilige Olaus.
Zu ſeinen Füßen erblickt ihr noch viele gleichnamige Fürſten.
Seht die Gefalecter der Magnus , Sivarde und der
Haquinen
Mit dem Gürtel der Kraft, im Talar der fürftlichen Würbe.
Ingoro rieſiger Stamm bricht vor aus wankendem Nebel.
Sebet den Bliß der Speere ; wie Sonnen erglänzen die
Schilde. "
173

So zog vorüber der Berg. Ihm folgte ein goldener Löwe ---
Dombode ; tragend die Hellebard' von Norwegia's Streitern.
Wie eine Sturmfluth rauſchten ſie nach dem Volk und den
Prieſtern :
Flügel ſchienen die Fahnen , zum Halleluja geſchwungen .
In einer hellblauen Wolfe verlor fich der glühende Nebel ;
Ihre Geſtalt glich einem unermeßlichen Schilde;
Gelbe Standarten , von eiſenbedecten Händen gehoben ,
Ragten trophäenartig empor, ſammt Lanzen und Schwertern .
Inder Mitte des Schildes erblicť ich drei goldene Kronen ;
Auf ſeiner Höhe ſtand der heilige Ericus von Sweden ,
Den als den Neunten des Namens mir der Engel be
zeichnet.
,, Jener im Prieſterfleid ", ſprach er, iſt der Prediger Sieg
fried .
Um ihn fiehſt du verſammelt die Königsgeiſter des Reiches,
Manch' preiswürd'ges Geſchlecht, das thatenſchwer einging
zum Himmel.
Hört ! die Sel'gen des Landes fingen die Pſalmen der Wonne."
Alſo 30g Suedia's Kraft an unſern Bliden vorüber.
Nun erſchien ein Reiter in ſchwerem , ſtahlblauem Harniſch,
Auf einem filbernen Pferd , das mit goldenen Hufen ge
ſchmüdt war
Deſſen gewaltiges Haupt erreichte die fünfte Pallaſtreih '.
Einem Bergſtrom des Nordlands glich ſeine glänzende Mähne ;
Jeder Fuß einer Marmorſäul in Walhalla's Paläſten ;
Und die Augen waren zwei ſchneeſturmdurchblißende Sonnen.
Aber der Reiter auf ihm trug einen funkelnden Flammberg,
Der einem Opferfeu'r glich auf Odins verlaſſenen Hügeln .
Ein Patriarchenfreuz war der Schmud feines rieſigen Schildes;
Das Viſir geſchloſſen. Ihm folgten zwei filberne Adler
174

In einer blutrothen Wolf', fie trugen gordſtrahlende Kronen.


-

„ Hier nabt - Polonia's Kraft! “ ſprach die jugendlich


ſchöne Prophetin.
,,Sebt dort im wankenden Licht die Herzoge prachtvoll ge
Tomüdet,
Von dem ſtreitfroben Micislau $ an. -- Seht die ſpäteren
Fürften.
Caſimirs edle Geſtalt, der mit Recht der Große genannt
wird.
Sebt ! " - hier fand die belehrende Jungfrau fich unterbrochen
Durch einen plöblichen Sturm , der entſtand im Innern
der Wolfe.
Unrubvod boben die Adler ihre filbernen Schwingen ,
Aehnlich dem alten Simurg , wenn er nach unſeren Sagen
Auf dem einſamen Ráf -- verirrte Helden bekämpfet.
Feder nach Feder entfanf den angſtvoll geſchwungenen Flügeln.
Faft unfenntlich wurden die bleichen Königegeſichter,
Iind wie Sternſchnuppen flogen geſunkene Kronen zur Tiefe,
In dem Kryſtallraum verſchwindend. Wie ein ſtürmiſches
Glutmeer
Zeigte fid Mars zum Bereich der Friedensſtraße getreten .
Herzog Miciðlaus ſah ihn und fang mit bebender Stimme :
Nunquid super his continebis te Domine, tacebis, et affliges
nos vehementer !* )
Atle Könige fielen ein , den Planeten betrachtend,
Und wie zerriffen entflog Polonia's Wolfe zur Ferne.
Heer , und Volf , und Prieſter ſchwebten im ftummen Gebete
Mit gefalteten Händen dabin. Web' unſeren Enfein !
Riefen ein'ge der Aelteften . Auf meine bebende Frage
*) Feſaias 6. R. 1. 2. V .: Herr ! willſt du ro hart rein zu folidiem , und fdywei
gen , und ung po ſehr niederſchlagen ?
175

Sprach die holdfelige Jungfrau: ,,Wißt, daß an himmliſchen


Feſten
Zeichen öfters geldeh'n , die mit der Zufunft der Völfer
In gebeime Berbindung durch den Ew'gen gereßt ſind.
Wie die geſammelte Seele des Menſchen in Stunden der
Weibe
Ahnungen oft unterliegt : ſo füblen verſammelte Völfer
Hier ein fünft'ges Glück oder kommenden Jammer der Enkel.
Jyr vereintes Gebet fann vermehren dann , oder vermin
dern ,
Wenn es den Geiſtern gelingt, dat hohe Zeichen zu faffen.
Unaufhaltſam ſchreitet die Gottheit vor in den Werken ;
Wer ihre Winte begreift , ift dreimal ſelig zu nennen !
Auch der Erbe ſoon wurden geheime Zeichen gegeben ;
Doch ſie ging ihren Gang. Gott rächet die fruchtloſe
Mahnung. "
In einer Silberwolf', die von rotben Blißen durch zügt war,
Nahten fich ießt Hungaria's und Bohemia's Kräfte,
Angeführt vom beiligen Wenceslaus die leßtern ,
Bon Stephanus die Erftern, und dem Kreuzträger Andreas.
Alte , herrliche Völfer , voli Muth und riſtlicher Weibe ;
Belgiens Macht ſchloß ſich an in weit hinwatenden Schaaren,
Und es ſchien uns , als hörten wir eiſerne Ketten zerbrechen ;
Durch die Luft flog ein Schiff; es war eine Ceder ſein Maftbaum ,
Und auf dem Wimpel ein zerſchmettertes Joch zu erbliden.
Aber nun ſchwebten beran brei würdige Prieſtergeſtalten.
Der zur Rechten erhob das Buch der göttliden Namen ,
Der zur Linken die Schrift von den himmliſchen Hierar
đ6 ten ,
Und die Jungfrau begann : „ Hier nahet fic Sanct
Dionyfius
176

Areopagita , Frankreich großer Apoſtel.


Rufticus und Eleutherius find die Träger der Bücher,
Die der Heilige Grieb , von der Gnade Gottes erleuchtet."
Auf ihn folgte ein Zelt, acht Meilen der Straße bedeckend,
Blau , mit goldenen Lilien beſät; die gewaltige Ruppel
Wie von den Strahlen der Sonne geſtreift und ſchneehell im
Innern ,
Auf der Krone des Zelt's ftand Chlodowigus der Große
Von dem Juwelenglanz und der obern Aurora beleuchtet.
Schwingend das Auriflammeum - Mont JoyeSt. Denis rufend ;
Mit ſeiner Stimme vereinte ſich der Chor aller Fürſten ,
Welche ſchwebten im Zelt ; die erſt geborenen Söhne ,
Von der Kirde benannt: die aller chriſtlichften Herrſøer.
Meroveus Geldlecht ward mir von der Jungfrau bezeichnet,
Und der gepanzerté Pipin , Vater des mächtigen Stammes,
Der fich genannt nad Carolus dem Großen. So
fab den Erhab'nen .
Schnellauffliegende Wonneglut färbte die Wangen Drlando's,
Als er im rieſigen Zelt den verehrten Raiſer erblidte.
Dieſer ſah ernſt vor fich bin , in ſchwere Gedanken verfunken,
Wie am Vorabend der Hauptſchlacht ein Alles wagender Feldherr.
Hugo Capets Geſchlecht war das Leßte der ſchimmern
ben Reihen .
Aber mein ftaunendes Aug fiel auf die Träger des Zeltes,
Die mit erhobenem Arm zu beiden Seiten ihm ſchwebten.
„Wer iſt der furchtbare Riefe dort auf der äußerſten Linken,
Den mein geweihter Blick nur mit Mühe vermag zu erreichen ?
Wer das gigantiſche Weib, die zunächſt uns ſchwebt in demZelte,
In dem goldenen Harniſh - Sie , deren ftäblerne Rechte
Nun die entrollte Fahne zur dritten Pallaftreib' hinaufſchwingt ?
Iſt nicht das Bild auf dem Bannerdie Himmelsfürſtin Maria,
177

Ueber der Erbenfugel im Glorienſchimmer verweilend ?"


Ebe das Zelt noch dahinflog , ſprach der belehrende Engel :
„Carl Martell der Befreier, iſt der Rieſe zur linken ,
Und das Weib hart vor und iſt Orleans krieg'ri :
ſche Jungfrau.
Beide find Saildhalter hier des Staateo ,den ſie gerettet.“
-- ,,Sieb' doch, Erhab'ne!“ begann ich, den hundertfarbi
gen Practicein
Ueber dem Helme der Jungfraul Wahrlich , kein Bogen
der fris
Rommt ihm an Herrlichkeit gleich noch nie geſebene Lichter
Wogen lebendig in ihm , ſtets neue Farben erzeugend.
Ward fie erhöht zu den Heiligen 3ft dieſe Krone bas Zeichen
Der unſchäßbaren Würde, durch große Thaten errungen ? "
Frohen Blides entgegnete mir die ätheriſche Jungfrau :
,,Wiffe! das Licht über'm Helm der ſiegberühmten Johanna
3ft zwar kein Heiligenſchein , und doch eine werthvolle Zierde,
Die ſelbſt ein Seraph des Chrons, die ein Engelfürſt nim
mer verfchmähte ,
Aus dieſem prachtvollen Glanz wird ein Geiſt nach Sahr
bunderten aufſteh'n ,
Der die Harfe von David zurüdträgt zur nächtliden Erde,
Der ein gläubiges Herz mit der Weihe der Dichtfunft verbindet,
Soviel Farben du bier im ſchillernden Bogen erblideft,
Soviel Wunderfaiten führt einſt bie fyra des Didters .
Heil dem Grabe, bei dem er mit ſinnender Wehmuth verweilet,
Deffen Schläfer er fich zum unfterblichen Loblied erforen .
Heil dem Wolfe , das dieſer Geift einſt würdig erfindet
Zu durchfliehen die Reihen ſeiner vergangenen Jahre.
Wie ein Engel der Auferſtehung betritt er die Tiefen ,
Das verworrene Labyrinth ſeiner tobten Geſchichte.
Auffeuberg'8 jämmtl. Werte XII. 12
178

Bilder von Rönigen, Prieftern, Sebern grüßen ihn freudig,


Treten mit ihm in der Oberwelt fonnenerleuchtete Räume,
Sind ſein Gefolg' im Blüthenthal, an den IIfern der Ströme,
Auf den Höhen der Berge, wo die autagowelt einſchrumpft;
Wo die geräuſchvollen Städte wie Maulwurfshügel erſcheinen,
Von den Winternebeln gemeiner Sorgen umflogen ,
Wo das entlaſtete Herz fich ſeines Urſprunge bewußt wird
und die himmliſche Freibeit ihre Rinder umarmet.
Aber auch in verſchwiegener Rammer , in heiligen Nächten,
Wenn die Müdgetummelten ruh'n , die Propheten erwachen,
Steben verſammelt um ihn die gruftentftieg'nen Gebilde;
Jedem der Auserwählten reicht er die Krone des liedes ,
Die als unfterblichen Kranz ihn wieder zur Tiefe begleitet.
Aud die verfannte Johanna wird er begeiftert erheben
Ueber fluchwürdigen Spott zum Strahlenthron der Pro
pbetin.
In der Geſchichte des Volkes, das jego an uns vorbeiwalt,
Zieht er aus nächtlichem Sdadt hervor lebend'ge Zuwelen ,
Die fich den Edelfteinen der himmliſchen Sion vergleichen .
Aus dem Stabe der Hirtin erwedt ſein Odem die Blumen ,
Die um die fränkiſche frone bundertfarbig fich winden ;
Auf den Schild Jobanna'd brüdt er den Stempel der Gottheit ,
Gläubige Herzen entzüdend ; - den Zweiflern ein Uug' der
Mebuſa.
Ihre fiegende Fahne reibt er zu Cherubspanieren ,
Iind überſchattet im Tod ihren Körper mit Märtyrerpalmen .
Nach ſeiner Heimkehr zu Gott, der von den Gebrechen des Alters,
Von der Dual erlöſchender Geiftesfraft frei ihn geſprochen,
Wirb ibn ein Seraph mit der lorbeergekrönten Johanna
zu dem Blumenthrone ber Himmelskönigin führen ,
Während die Kriegerin niederlegt die- belungene Fabue
179

und ihren Lorbeer den Göttlichen zeigt, wird St. Dionyfius


Auf Maria's Befehl ihm reichen die Lilienkrone,
Die atlen Ruhm überſtrahlt, die fein Seraphshaupt noch
getragen ! " -
Während den Worten war die Pracht des Zeltes entſchwunden.
Unter Jubelgeſang in dichtgeſchloſſenen Reihen
Folgten die Großen des Reichs, die Priefter, Märtyrer, Heilgen,
Und das fränkiſche Heer mit hochgeſchwungenen Fahnen.
Froben Tones begann der tiaraumſchimmerte Engel :
,,Sebet! dort fommt Bonifacius , der Apoftel der
Deutſden.
Fene Prieſter find Adalberus , Wintrugius und Bofo ,
Die ihn umgeben. Dort nabt fich die altfächfiſde Heersmacht
Unter dem großen Wittefind. Albin ſchwebt ihm zur Seite.
Reichgeſegneter Tag , der dieſe Fürſten befehrte ,
Die an Heeresſpiße die heilige Taufe empfingen.
Alſo hoff ich zu ſeben die Führer bes edelften Stammes ,
Welcher dem glutvollen Scooß der alten Arabia entſtiegen."
So rief die fchöne Prophetin. Ein neuer , berrlicher Anblid
Ward unſerm ſtaunenden Aug'. Eine hochaufgeſchichtete Gold
wolf'
Wälzte ſich langſam heran ; in ihr flog ein nächtlicher Adler
Mit zwei gekrönten Häuptern von goldenen Bogen umgeben.
„Wer , o erhabene Jungfrau! ſind die würd'gen Geſtalten,
Die ſo prachtvoll geſchmüct enttauchen dem Innern der Wolke?"
D'rauf entgegnete mir die huldbegabte Prophetin :
Deutſchlands Rör'ge und Raiſer ; die fronentragen
den Frauen ,
Die getheilt ihre Mat, fie mit frommer Liebe beglüđend.
Ade febt ihr im Krönungsfomuď am Geburtsfeſt des
Heilands.
12 *
180

Dort erheben fich ftolz die Carolingifchen Scepter *).


Ludwig Idwebt über ihnen. Dort naben die fädriſden
Kaiſer.
Stern auf Stern. Sieb', Orlando ! dich grüßet Heinrich
der Erfte.
Fenes entfernte, doch machtvolle Bild ift Otto der Große.
Seht, wie den Scepter er hebt und Italia’s eiſerne Krone.
Dort glänzt der Dritte der Otto's : Ein Blig in der
fürſtlichen Wolfe!
Sebet die fädrifo en Kaiſer von Conrad dem Er
ften , bio abwärts
Auf den zweiten fotbar. 3d grüß’ euch, unſterbliche
Helden !
Sebet der Hohenſtaufen Geſchlecht voll unglüd und
Größe.
Dort , jener ſchöne, bleiche Jüngling mit goldenen Loden
Und befeuchtetem Aug' ift Conradinus von Schwaben ,
Der unglücklichſte Zweig des fturmzerrütteten Stammes.
Fener blühende Held , der jeßt feine Rechte umídlinget
Und fie drüdet an's Herz, iſt ſein Freund und Leidensgenofſe,
Friedrich von Baden ! Ein erhabenes Dpfer der Treue,
Die ſich gleich bleibt im Glück und ſtärker wird in dem Elend.
Der auf den boben Schild in ſchwarzer Rüftung fich füßet,
Von nachtdunkeln Federn umwaut , ift Rudolph von
absburg ,
& uftria's Stolz ; eine Prachtfäul im Rieſenpallafte der
Raiſer.
Sebt die Churfürften des Reids, hochthronend auf
wolfigen Stühlen.
Sebet bie Biſchöfe dort , alle ſtimmbegabten, die Großen ,
* ) Hier für Könige.
181

Ade Führer und Feldherrn ; die eichenlaubtragende Heersmacht,


von ihrem Thatenrubm , wie hier, von der Goldwoll'um =
(dimmert.“
So ſprach der Engel. Stets dichter und dichter wurden die
Sdaaren ,
Und bei Horn und Trommetenton ſang Germania's Stärke :
„ Magnus Dominus et laudabilis nimis in civitate Dei nostri,
in monte sancto ejus * ).“
Unter'm Hinwallen der Reihen wurde ſchwächer der Bolksruf.
Ein viele Meilen bebedender Schild fam jego geflogen ;
Roth in ber þöbe , filberbell in den unteren Räumen .
In der Erftern erſchienen brei glorreiche Königsgeftalten ,
Morgenländiſch gekleidet, mit alterthümlichen Kronen ;
Goldund Weihrauch und Myrrhen trugen die Hände der Herr
der ,
Die als die heiligen drei Könige mir die Jungfrau benannte .
Aus dem Silberraum tauchten jest eilf roſige Flammen ;
Schön und klar , wie die Opferfeuer der Noaciden.
Und in unſerer Nähe ( chien der Schild zu verweilen ,
Stets von Gluten durchwogt, bis fich ganz die Geſtalten gebildet.
„ Herr und Gott ! — was werden wir reben ? " - rief ich
zur Jungfrau ,
Ad ein Heiligenchor und fei'rliches Glodengeläute
Näher und näher ertönte hinter dem dedenden Schilde.
Plößlid warb er zertbeilt . Das Silberlidt ſchwand im
Kryſtalraum ,
Und die drei Könige ſtiegen im Glutmeer zum roſigen Himmel.
Sein Gewölbe war nun vom lieblid ften Blau übergoſſen.
Eine reizvolle Gegend der Erde, von Maja geſchmüdet
*) Pſalm 48 — 2. Groß iſt der Herr und hochberühmt in der Stadt unſer
Bottes auf ſeinem heiligen Berg.
182

Und von Morgenlichtern durchblißt, lag vor unfern Augen.


Eine uralte Stadt , ehrwürdig, mit prachtreiden Thürmen
Und vierundzwanzig Thoren , fam langſam näber
und nåber.
Sie dien im Halbmond erbaut an einem gewaltigen
Strome ,
Deffen herrlider Spiegel mit bundert Saiffen befä't war.
Himmliſce fungfrau'n bildeten weit in azurener Höhe
Ongevereint und unzählbar einen herrlichen Bogen ,
Wie ihn am Tag des Triumpho noch kein fiegender Feldherr
erblidte.
Heilige Priefter ftanden auf Kirden , Palläften
und Thürmer ,
In dem Opfergewand , von Juwelenmithra's umfunfelt.
Boller und voller ertönte der Glodenruf , tönten die Chöre.
Nabe fam uns das Machtbild ; Tauſend und Tauſende fangen :
Omnes gentes plaudite manibus ! Jubilate deo in voce
exultationis !* )
Mir die Augen berührend, ſprach die prophetiſche Jungfrau :
,,Sieb ! wie der mächtige Gott durch geliebte Bilder der Erde,
Die fein Wint empor bebt , Sions Bewohner erfreuet.
Du erbliceft allhier den paradieſiden Rheinſtrom
Und die felige Stadt**) von eilftauſend Geiſtern
umgeben.
Auf jeder Kirche fteht der Sdüßer , dem ſie geweiht ift,
Und Sanct ' lirſula thronet über dem Bogen der Jungfrau'n.
Blid hinauf, wenn bein Aug’ fie erreichet , das zweimal
geweihte.
*) Pialm 47 , 2. Frohlodet mit den Händen alle Völfer und jaudyzet Gott ju
Ehren mit fröhlichem Schall.
** ) Beiname der Stadt Köln.
183

Hoch, wie die zwölfte Pallaftreib ', ſchwebt ſie mit grü
nender Palme.
Siehft du die tauſend Heiligen bort ? Sanct. Gereon
fübrt fie.
Auf ſeiner alten Kirche ftehen fie, Gloria fingend.
Schnell, eh' das Rieſenbild fliebt, betrachte nod die Rathes
brale ,
Welche näher beranſduwebt, von allen Gloden durchtönet.
Wie die Cedern des Tabord, wenn Gott im Sturme vorbeizieht,
Wantet das Bruderpaar der kaum zu ermeffenden Thürme.
Auf vollendetem Dom erblidſt duterden beil'gen Ma
nis ,
Der als Schüler gelebt bed ſchlüſſeltragenden Jüngers.
Auf dem vollendeten Soiffe der Rirde ſteht Sanct
Agilulp bus ;
Unter den Erzbiſchöfen Colonia's war er der Erſte.
þa ! wie der Heilige glänzt, von den Märtyrerſchaaren umgeben ,
Wie der große, trabantenumwandelte Rönig der Sphären !"
,,Konnte wobl menſdliche band", fo rief id , „ vollenden dies
Prachtwerf ?
Dieſen gigantiſchen Dom ! die augenerdrückende Kirche!
Die noch groß mir erſcheint, ob mein Blic aud zwei
mal geweibt ift."
„Nicht vollendet auf Erden ," begann die ſchöne Prophetin,
,, Ift dieſes mächtige Wert, fo trugen't die Meiſter im
Sinne ,
Jene , die dort in Berklärung unter den Engeln fich zeigen,
So war ihr Plan ; doch nichts Halbvollbragtes darf je
erſcheinen
In der Vollkommenbeit Reich ; als das Bild ward na Sion
erhoben ,
184

Wurde der Bauplan gelegt vor Raphaels ſchöpf’riſce


Augen.
Neunmal neun Stunden verweilt' er unter dem Torſo des Werkes.
Neben ihm knieeten betend die Meiſter. Ber faßt ihr Entzüden ,
Als in der feßten Stunde vollendet der Tempel emporftieg ?!
Siehe ! nun ſchweb't er dahin. D Colonia Agrippina !
Stadt der Größe ! deutſche Romal vom Himmel geſegnet,
Von ſeinen Heiligen bewohnt und beſchirmt, wo die Märtyrer
palmen
Neben der Eiche der Treu' fich im Pradtſtrom Germania's
ſpiegeln ;
Ich begrüße dein Bild unter'm Himmel der ewigen Sion !“
Alſo rief vold Erhebung die palmentragende Jungfrau,
Und die geprieſene Stadt 30g langſam an uns vorüber.
Als id hinaufwärts blidte , ſtieg ein gewaltiges Streitroß ,
Weiß wie die Fluthen empor ; auf ihm ein gebarniſchter Reiter,
Deſſen Helmbuſdh beinabe verſchwand in dem oberen Himmel.
Unter dem Gluthauch des Pferdes (dienen verſiegtdie Gewäſſer,
Und ein entſeelter lindwurm ragte durch dampfende Nebel.
Narben von Hufſchlag und Schwert trug noch fein fuppi
ger Panzer,
Ausgebrannt war der Höllenſlund des weitoffenen Rachens,
Und die giftigen Säbelzähn' glichen den Blißen in Wolken.
Machtvol erhob der Reiter die ſonnenrothe Standarte ,
Und ihn erfennend , rief Roland mit bellen, krieg'riſchen Tönen :
„ Das iſt der heil'ge Georg ! Britannia's fiegreicher
Fübrer." -
„Ja , er iſt es ! " begann die tiaraumſchimmerte Jungfrau,
,,Sebt! mit den vierzig Genoſſen forget ihm Sanct Au .
gufti nu 8. "
Ale an unſeren Bliden fie vorübergezogen ,
185

Flog eine Wolfe heran, wie von Gold und Purpur gebildet.
3hr zur Rechten ein Rieſenlöw' mit der Kron' auf dem Haupte,
Links, wie verfteinert im Sprung, ein hochaufragendes Einhorn.
Ueber der Mittelkron' ſchwebte mit der Davidiſchen Harfe
Sanct Patricius , Irlande wunderthätiger Apoſtel,
Und in dein Innern der Wolke die Thronfraft der edlen
Britannia .
Schauet bort Egbert den Großen ," begann die bold
ſelige Jungfrau,
„Und ſeinen Namensverwandten im Ruhm , den ſtreit
baren Alfred.
Eduard den Bekenner erblickt ihr , und den Erob’rer
Wilhelm , und Plantageneto Stolz , den 3 weiten der
Heinrichs.
Höret bie Hymnen des Danks , 'bom nachftrömenden Volfe
geſungen ,
Von dem fiegreichen Heer ber tempelzierenden Prieſter ." —
„Welch' ein Zeichen erſcheint dort ? " ſo unterbrach ich die
Jungfrau ,
Denn eine einzelne Wolfe , abnlich Ifrael . Säule ,
Hochgethürmet , balb licht, balb ehrfurdtgebie
tended Dunfel ,
Folgte der britiſchen Kraft wie eine herrliche Nachbut,
Majeſtätiſch und langſam . „ Wiffe ," begann nun die Jungfrau,
,,Daß ein Augenftrabi Gotted dieſe Säule bewohnet ;
Davon zeugt euch die Glut : dat Dunfel von ſeiner Be
ſtimmung.
Aehnlid dem Geifte Siloabe , wird er in Mendengewande
Nach 3abrhunderten auferſteh'n unter Albions Bölfern .
Er iſt ein Himmelegedent, das die Gottheit in Stun
den der Gnade
186

Diefem kande verlieh. Biele Jahre ſind ſchon verfloffen,


Als der heilige Eduard mit vielen britiſchen Fürften
Sinnend ſtand vor dem Bild deg irdiſchen Paradieſes,
Beldes, durd ChriftiBlut den Ureltern wieder gewonnen
Und erhoben nach Sion nun von ihnen bewohnt wird.
„D !" - rief der Heilige König — „ ſo viele zerſtörende Thaten,,
Friedenmordende Werte , von der Gottheit mißbilligt,
Freu'n der Berherrlichung fich durch ewig dauernde Lieber,
Auf Gefilden der Schlacht ſteht entehrt die göttliche Dichtfunft!
Furcht oder ſchimpflicher Lohn erzeugen die falſde Begeiſt'rung,
Die zur Unſterblichkeit hebt, was ſie ſelbſt im Innern verdammet.
Dich, o Wiege der Menſdheit! quellendurchſchimmertes Eiland,
Wohnung des erſten Friedens, der wie ein blühender Knabe
Unter den ewigen Cedern, bewacht von dem Seraphim , ruhte :
Did , glückſel'ges Gefild", burd Satans Arglift verloren
Und hier verklärt den erſten Eltern wiedergegeben ,
Did verberrlidt fein Lied ! " So flagte der heilige König.
,, Dich verherrlicht kein Lied ! “ wiederholte die Geifterverfamm
lung.
Aber der große Jehovah , der die Worte vernommen ,
Sah mit dem Blid unausſpredlider Huld auf die Be
tenden nieder.
Seit jenem Tag warb die Lichtfäul' Albions treue Begleit'rin.
Ihrem Zuge folget fie wie ein liebender- Schußgeift.
Engel verkünden , fie fei dem Auge Jebovabs entfloffen.
In den ſpäteren Tagen bilden ſich irdiſche Stoffe
Aus ihrem Innern hervor. Sdon ſeht ihr das wasſende Dunfel.
Auf dem ätheriſchen Strom wird ſie niedereilen zur Erde ;
Wie das indiſde Blumenfdiff, bas von Sonnengeftaben
Stranzgefdmüdt abfährt, um die lieblichen Kinder der Flora
Einer fernen Inſel zu bringen , die blütyenleer trauert.
187

Menſch geworden, wird dann der Lichtgeift zur himmliſchen Lyra


Adams grau’nvollen Fall befingen und ſeine Erhöhung ,
Das verlorene Paradies und das wiedergefund'ne.
Aufgezehrt von dem Urglanz feines früheren Daſeino,
Wird zwar ſein fterbliches Aug’ verglüh’n ; doch als nächt
lice Sonne
Bleibet 3ebovabo Augenftra b 1 im prophetiſchen Didter.
Um dies leuchtende Centrum bewegen ſich alle Geſtalten ,
Die von Erde, von Sternen, von Himmel und Höll' er ber
ſammelt
Und fte zu Säulen erhebt ſeines weltumfaſſenden Werfes.
3ft es vollbracht, dann verzehret die innere Glut ſeinen Körper
Leicht wie Morgenwolfen , und von Engeln begleitet ,
Kehrt der blinde Seber zurück in's Auge 3 ebovah 8."
So ſprach die Jungfrau. Poſaunenton drang aus ſcheidender
Wolfe ,
Die ſchon ferne von uns hinter Albions Reiben fich zeigte.
Aus ihrem nächtlichen Theil erklangen machtvoll die Worte :
„Hail holy Light offspring of Heavn firstborn
Ör of th ' Eternal coeternal beam . “ * )
Unterdeſſen war angeſchwebt die heilige Brigitta
Mit der dottijden Kraft, der er ft en Todter der
Rirde ** ) ;
lind ihr folgten die Schaaren der Clans , der Ibanes ,
der K ö n'ge,
Von dem erſten Donafbud bis auf die ſpäteren Mächte .
3hr vielſtimmiger Chor erhob ſich zum jubelnden liede :
* ) Milton Paradise lost Book III. nadı Zadaria's Ueberſeßung :
Sei mir gegrüßet , heiliges Licht! des ſchaffenden Hinimel8
Erſte Geburt. Mit ewigein Strahl vom ewigen Strahle !
**) Die Schotten heißen Erſtlinge des Chriſtenthums.
188

Confiteor tibi in populis Domine ! et psalmum dicam


tibi in gentibus*).
Aehnlich farbigen Bergen, nabten fid jego vier Wolfen ;
Roth die erſte, in ihr ein gefrönter goldener Adler
Mit zwei gewaltigen Häuptern , tragend den Scepter der
Herrſchaft.
Neben ihm floß in ein blaues Licht die Wolfe hinüber ,
Und auf grünendem Hügel ſtand das Bild eines Engels
Silberbell, tragend ein goldenes Schwert ; ſchon in weiter
Entfernung
Schloß ſich an ihn die dritte der Wolfen von röthlicher Farbe,
Bon einem Löwen beberrfot, der ein hobes filbernes Kreuz trug.
Viele Meilen entfernt war das vierte der Farbengebirge
Auf der äußerſten Linken. Zwei ſchwarze rieſige Löwen
Hoben in's Goldlicht empor einen reichbekleideten Thronfig.
Heermuſik ſchallte nun von Trommeten, Trommeln und Paufen.
Immer mächtiger wälzten und thürmten ſich auf die vier Wolken ,
Cheilten ſich dann in der Mitte, und Wlodimirus der Heilige
Zog durch die luftigen Thore mit den Großfürſten Nuße
lands.
Zeßt in ein Machtgebirg' aufgeſchichtet, wälzten die Maffen
Bild über Bild , den Herrſøern ſich nach , und unendliches
Staunen
Faßte mic, als hinter ihnen ſich zeigten foneeige Nebel ,
Erft den Roſenbimmel und dann die Straße umdunkelnd.
Schnell und im Dämmerlicht flog Sant Antonius an uns
vorüber.
Mit der Kreuzesfahn' folgten Aeolus und Damascenus ,
Die mit geflügelten Worten mir die Jungfrau benannte.
* ) Pſalm 57 – 10. Herr ! it will dir danken unter ten Bštfern ; ich will dir
loffingen unter den Leuten,
189

Biele Märtyrer zeigten ſich noch. Bor Schauer verſtummt' ich,


Als fteto ſchwarzere Nebel die höchften Pallaftreih'n umwalten
Und ſelbft die Bilder der Sterne zu meinen Füßen bebedten .
Hatte doch ſchon Polonia's Zeid en mich furchtbar erſchüttert,
Und in der Nähe der großen , zukunftbeberrſchenden
Gottheit
Mußten ja Bölfer felbft vor dem nächſten Augenblid
bebent ,
Wenn ſie verſammelt dem Throne des Drei - Einen
fid nabten.
Wildere Heermuſik tönte, vom Jubel der Pſalmen begleitet.
Aus der wankenden Dämmerung tauchten verworrene Bilder,
Wie ein verwundeter Held fie erblidt, wenn von Sclachten
er träumet.
Liefer und tiefer wurde die Dämmerung.Jeft brach die
t Nach ein .
Selbft den Schild erblickt' ich nicht mehr des ftarfen Orlando,
Nidt mehr das ſdneeweiße Kleid des milden befreundeten
Engels.
Olodenton ſchatte nun durch die Nacht. Urplößlich erhob ſich
Prachtvoll ein Nordlicht ! -- die bunderttauſend Kämpfer be
ſtrahlend ,
Die mit wehenden Fabuen durch's wallende Nebelmeer eilten.
Unter dem Kreuzen der lichter, dem Steigen der feurigen Garben
Zeigten die Prieſter fich , der Klöſter fromme Bewohner.
Märtyrer, Heilige, und der unermeßliche Volfsſtrom
Wogte meilenweit, von den Nordlichtoflammen umſdimmert.
Sie verſchwanden : der ſchönſte der Wintermorgen erglänzte
Unter dem Roſenhimmel und über foneehellen Gefilden.
Eine mächtige Stadt, erbaut an zwei eilenden Strömen ,
Wälzte vol Majeſtät fich heran unter'm Tone der Gloden,
190

Die von dreibunbert Thürmen in langfamen Schlägen


erfallten.
Nikolaus der Heilige ftand auf der größten der Kirchen ;
Auf dem Goldbach der übrigen zeigten fich ihre Beſchüßer.
Unſere Führerin fprac : ,, Ihr ſeht die berühmte Stadt
Moska u .
Dort auf dem hohen Kremlin ſteh'n die Großfürſten Jurge
und Daniel ,
Gründer und Erneuerer der moskowitifden Hauptſtadt."
Näber fam Das Rieſenbild. Orgeln und Gloden ertönten
Fei’rlicher fteto, und Hymnen des Danks aus den ſämmtlichen
Rirden .
Da-- mit einemmal ſchlägt von Unten auf durch den Kryftauraum
Eine furchtbare Glut! wir Alle bliden bernieder —
Und - 0 Crauen ! - id feb' einen blutigrotben Rometen,
Der in gewaltiger Größe gegen die Himmelsftabt auf
fteigt.
Von ſeinem wachſenden Bild und den raſch anſtürmen
den Strahlen
Ward, wie mit Blut, die St.Paulusftraß'übergoffen und Moskau
Schien in Flammen zu fteh'n. -
Schon blidte die
Führerin ängſtlich
Bald auf die Stadt, bald bernieder auf den ftets nähern
Rometen ,
Als ein Engel des Kriege bervortrat aus einem Pallafte.
„Das iſt der machtvolle Radiell" – ſprach getröſtet die Jungfrau,
,, Er, beffen frieg'rifoe lanze verirrte Sterne zurüd
weiſt.“
Wie gehemmt ftand der Zug ; bie Gloden Moskau's ver
ftummten ,
Dena ber Romet war ſchon zur furchtbarſten Größe gewachſen.
191

Radiel aber durchbrad wie ein Bliß das kryſtal'ne Gewölbe ;


Weit auf gähnet die Kluft und ſchließt ſich dann hinter dem Engel.
Raum hat der Geift des Krieges die göttliche Sion verlaſſen ,
Als ſchon die ganze Straße wie ein Feuermeer glühet! --
,, Dat " — ſprach die Führerin - , ift der Engel , der fid nun
ausdehnt
Sammt ſeinem Waffenſchmuck, geftabit im Rathaus der Gott
beit. “
Nun trat das Glutmeer zurüd von den beiden Seiten der Straße
Und verkleinerte fich , je tiefer der Engel herabftieg ;
Bis er im nachtblauen Raum ber fterndurchwandelten Schöpfung
Mit geſenkter Lanze , in faum zu beſchreibender Größe ,
Dem Kometen entgegentrat. Wie ein feuriger löwe ,
Der den himmliſchen Circus durchbrach, war dieſerzu ſchauen.
Schüttelnd die Flammenmähn' und in regellos ſteigender
Schwingung
Grad' an auf Radiel rückend. Jn.feiner glühenden Mitte
Stand ein Gebild', das felbft der verwegenfte Traum euch
nicht malet.
Mendlid war es -- doch groß wie der Engel , der
ihm nun drohte.
In vollkommenem Kaiſerſchmud weilt es, mit Lorbeer befrönet,
Mit verſchränkten Armen , wie feſtgewurzelt im Zornſtern !
Gelb war ſein Angeſicht, nächtlich das Haupthaar , funkelnd
bat Blauaug',
Hoch die gebiet'riſche Stirn. Es ſprach die Kraft der Titanen,
Die Verachtung der Welt und der Höd' aus den ebernen Zügen.
Alſo blidt' es empor. 3hm entgegen ſtürmet der Engel.
Dreimal chalet der Donner durch die endloſen Tiefen ;
Aber beim dritten tanzenſtoß ſtürzet ber irrftern
zum Abgrund.
192

Das entwurzelte Bild , einem zweiten Kometen


vergleicbar ,
Flieget ſeitwärts mit langnachwallendem ; glutrothem Mantel
Und eilt dann brauſend hinab, in der Richtung der Erde
verſchwindend.
Nun erſdalten Moskau's rubeverkündende Gloden ,
Und das ridfebrende Friedenslidt gab der Stadt
Das Geleite.
„Wel' ! ein furchtbares Zeichen!" ſo rief die prophetiſche
Jungfrau.
Lange nod folgte mein Blid der Stadt von Schauer, und als ich
Wieder ihn aufwärts gewandt, trat das ungebeu’rſte der Bilder
Wie aus Morgennebeln hervor. 3 erkannte die ftolzen
Pyrenäen , umwalit von Espona's geſchwungenen
Fabnet ,
Mit ihren Heeren bedeckt. Auf den Gipfeln ftanden die Prieſter;
Aus jeder Thalſchlucht ragten unzählige Schaaren des Volfes.
Und in der Mitte waren die Herrſcher auf Thronen zu ſehen.
Freudenvoll wies die Jungfrau mir die weft gothiſ en
Fürften
Und den Kreuzerböber Pelayo , fammt allen ſpätern,
Die in Caſtilla gethront — in Arragona , Navarra ,
Und in der altebrwürd'gen Leon , der Heldenerzeugʻrin .
Herrlich durchblißte das obere Schneelicht die ſpaniſchen Farben,
In dem himmliſchen Roſendein ſtanden die würdigen Prieſter;
Theils im großen Drnat, theils gebarniſcht zur Ehre der Gottheit,
Und das ganze Gebirg' ſchien zu ſingen : Te Deum
laudamus !
Alſo zog es vorüber , und ſieben goldene Burgen
Wauten ihm nach. Sie ſchienen erbaut auf grünenden Hügeln.
Das iſt Portugals Kraft," begann die ſchöne Prophetin :
193

,,Seht auf den Zinnen die Herrſcher, im Burgraum Priefter und


Große ,
Auf dem gold'nen Balkon bie juwelenumſchimmerten Frauen.
Dort fteht der Vater des Reid , Henricus, der ftarte
Burgundier.
Dort der Alfonfo's Geſchlecht; bort 3ohannes , ber
Erfte des Namens."
5
Hingeeilt waren ſie ſchon. Die Maſſen des Volfs und des Heeres
Shloffen fich pfalmenfingend an die Burgen der Fürften ,
Und aus getheilten Wolfen tratein nod ftolzeres Pragtbild.
Berge wälzten ſich an , deren kühnaufftarrendes Eishaupt
Sich wohl an hundert Stellen verlor, in grenzloſen Räumen ;
Gleich ale babe die Gottheit alle Pfeiler der Erbe
An demſelben Tag in die himmliſche Sion gehoben.
Paradiefiſd geſchmüdt war die unterfte der Regionen ,
Volfbefä't, ftromburchblißt, oft gekrönt mit glänzenden Burgen ,
Ueberſdattet von Blüthenbäumen, ein Eden in Eben !
Grünende Rebenhügel gaben die Pſalmen des Jubels,
Die Geſänge der Freibeit tauſendfach wieder im Echo.
Flammen in Obeliskenform ftiegen empor auf den Gipfeln
Mit gereinigten Strahlen ; entlaſtet som nächtlichen
Rauce .
Ihre gigantiſden Geifterarme ftredten die Gletier
Weit, doch gefahrlos herab in die blüthendurchdufteten Thale,
Wo fich der Frühling verklärt an Silberbächen gelagert,
Wie ein griechiſcher Götterſohn, der vom hoben Olympos
Niederſtieg, der Huldinnen ſchönfte mit Blumen zu frönen ;
Aber You Wonne begann die aurora - umſtrahlte Prophetin :
„ Das ſind Helvetia's Alpen , mit Freiheitsfeu'rn
auf den Höhen.
Sehet bas biedere Bolt, das die beſte der Kronen erkämpfte,
Auffenberg'8 fämmti. Werte XII. 13
194

Unverzagt in Gefahr, in der Creue feft wie die Berge,


Die es bewohnt. Die edlen Männer bort in dem Hochthal,
Die jeßt mit Freudentbränen die kraftvollen Hände fic reichen,
Bilden das Kleeblatt im unvergänglichen Kranze der
Freibeit.
Väter ſind fie bed großen , fettenzerſprengenden Bunbes.
Werner Stauffader , Walther Fürft und Arnold von
Melcthar.
Schnell, eh' die Berge vorüberzieh'u, ſebet auf ragendem Gipfel,
Der jenen poblweg beherrſcht, das Kraftbild des füh
nen Befreiers ,
Das ift Wilhelm Tell. Für'& Vaterland ſpannt' er den Bogen,
Und ſein rächender Pfeil drang tief in's Herz des Tyrannen .
Hal wie er freudig emporblidt, die Waffen des Sieges erhebend
Und den geretteten Sohn an's podenbe Vaterherz brüdenb.
Zierbe der großen Helvetia ! wie werklärt ift bein Auge!
fa ! bu vernimmft don im Geifte bas lied des gött
liden Dichters,
Der einſt mit Frankreichs Johanna auch did zur Un=
fterblichkeit bebet !"
Während den Worten der Jungfrau flogen die Alpen vorüber,
lind von Thalſchlucht und Höh' vernahmen wir Chöre des
Jubeld :
„ Deus noster refugium et virtus! adjutor in tribulatio
nibus, quae invenerunt nos nimis *).
Wieder aufwärts blidend, fab ich ein ſchwebendes Goldkreuz
In purpurner Wolfe , die zwölf Meilen an Breite,
Unermeßlich an Höhe die Paulusſtraße berabflog.
Nab dem Zuwelenbalkon, auf den und der Engel geleitet ,
*) Pialı 46 - 2. Gott iſt unſere Zuverſicht und Stärfe , eine Hülfe in ten
Nöthen , die uns getroffen haben.
195

Scien ſie für Augenblice zu weilen, indeß eine Inſørift


Flammend hervorbrad über dem Kreuze. Wir ſahen die Worte :
,, In hoc signo vincens ! “
Langſam fid näbernde Männerdöre fallten vom Innern ,
Und die römiſde Heerpaut' verſandte die tonvollen Donner ,
Von dem fometternden Klang der alten Tuba begleitet.
Höher und höher ſtieg nun das Kreuz, im Unendlichen dwindend,
Und die Wolke zerfloß vor unſern ſtaunenden Augen.
Meerbeherridend wälzte ſich an eine madh tvolle
auptſtadt.
Königsſchiffe durcheilten die klaren , tonreichen Wogen ,
Ade mit Blumen geſchmüdt, ein Goldfreuz auf ſchimmernder
Flagge.
Jünglinge, føön wie Prophetenſcüler, undliebliche Mädchen,
Die mitzüchtigem Reizdie Suleicha deo Oftlands beſchämten,
Standen am Bord. Wie Bufenſchleier glänzten die Segel ;
Lieder des ewigen Frühlings tönten zu Flöten und lauten.
Zahllos fliegen an Blüthenfüften empor die Paläſte ;
Unſer Feenland glaubt ich zu ſeh'n, von den Dichtern bevölkert,
Wo die Kinder des Traumes die goldenen Hallen durcheilen,
Bald unter'm Roſenbaum ruh'n , bald auf filbernen Wellen
fid wiegen.
Goldreiche Tempel , Obelisten und Pyramiden ,
Marmorſäulen und Triumphatorenbogen erſchienen
Herrlicher ſtets , von Orients lebendigſter Glut übergoſſen .
Ueber der Stadt , die voll Majeſtät uns nahe gekommen ,
War zu ſehen ein Kreuz , aus Herr dergeiſtern gebildet.
Der in der Mitte des Stammo fdwang Chrifti fiegende Fahne ;
Und die andern erhoben zum Roſenlicht betend die Hände.
Spraglos ftand id- vou Ehrfurcht: audh Drlando verſtummte.
Doc unſerm fragenben Blid entgegnete frob die Prophetin :
13 *
196

,,Das iſt die ew'ge Byganz unter Conftantinus bem


Großen .
Seht ihn zum zweitenmal dort, den Mann nach dem Herzen
der Gottheit.
Der ift's, welcher die Fahne ſchwingt, das beilge labarum.
Die freuzbildenden Mächte ſind die oftrömilden Raifer
Von der ſpäteren Zeit bis auf Conftantinus, den legten
Dieſes Heldengeflechte . Ein thränenwürdiges Schickſal
Hat ihn auf Erden verfolgt. Hier trägt er die Märtyrerpalme ,
Beil er gefallen im Kampf, vertheid'gend die Stadt ſeiner Ähnen.
Treu — wie ſie aufftand unter Conftantinus dem Großen,
Schaut ihr Byzanz hier im Bild, zur göttlichen Sion erhoben.
Aber was feb' id ?! dort eilt der moskowitifde Adler
Sturmſchnell zurüd ! Ha ! ſchon ſchwebt er über dem Kreuze
der Kaiſer;
Flieget nun langſam bahin -- Den Blick auf's Labarum geheftet,
ünd geleitet die Stadt an unſern Augen vorüber."
Alſo geſchah das Zeichen. Der palmentragende Kaiſer
Stimmte beim Hinflugder großen Byzanz das ernſtvolle Lied an :
,,Sacrificium Deo spiritus contribulatus, cor contritum et
humiliatum Deus non descipiens.“ *)
Thürme , Säule und Tempel entſchwebten , die Töne ver
klangen. -
Nun erſchienen in langen Reiben die Orden der Mönche
Inter Vorflug der Heiligen, welchen ihr Tempel geweiht iſt,
Bon ihren Gründern geführt. - Die Jungfrau benannte mir
viele ,
Die bem Verderben der Welt mit reinem Geift fich entzogen ,
Die hinter'm Glaubenswall geſchüßt vor dem Andrang des Böſen,
*) Pſalm 51–19. Die Opfer, die Gott gefallen, ſind ein geängſtigter Geiſt ; eir:
geängſtigtes und zerſchlagenes Herz wirſt du , Gott ! nicht verachten.
197

In den Wüften um ſich die denkenden Söhne verſammelt.


Dann wieder And're, die ſelbſt im Raume tumultreicher Städte
Jenen Frieden bewahrt , der ſonſt nur ferne von Menſchen
Seinen Geweihten erblüht im Schatten des einfamen Thales
Oder auf waldiger Höh' an den Wiegen der eilenden Ströme.
Wenn auch umkreiſt von dem tobenden Meer des geräuſch
vollen Lebens ,
Hörten ſie doch nicht den Wellenſchlag in den friedlichen
Mauern ;
Standen im Garten der Luft wie uralte beilige Bilder ,
Die entartete Söhne geerbt aus befieren Zeiten ,
Um dann mit finfterm Gewölbe die drobenden Mahner zu beden.
Märtyrer ſchwebten nad und Heilige von allen Bölfern ,
Reine Weſen , die dem betrachtenden Leben gehuldigt,
Bettler mit Röniggrang, im Himmel erhöht zu den
Engeln.
Jeßt erſchien eine hohe dunkelfarbige Wolfe ,
Deren äußerſter Rand mit weißen Roſen geſchmückt war ;
In ihr ſangen die frommen Bewohnerinnen der Klöſter,
Brennende Kerzen tragend, die Jubelhymnen des Dankes.
Mit bewegter Stimme begann die ſchöne Prophetin :
Seid mir gegrüßt in Sion! verklärte Bräute des Heilands !
Sýr habt das Befte gewählt; entfagend der irdiſchen Freude,
Lebtet ihr Fenem nur, der am Kreuz für alle geblutet.
Oft verſpottet wie Er, geweiht einer bankloſen Mühe ,
Habt ihr in dunkler Zelle für eure Verfolger gebetet ,
Wenn oft frebelnde Hand die geſchmückten Altäre beraubte,
D'rauf ihr der Gottheit die Früchte bes ftillen Fleißes geopfert;
Wenn der wüthende Krieg eure ſdugloſen Tempel zerſtörte,
Knietet ihr hin auf die Prümmer und fang't unter Thrä
nen das Loblied ,
198

Dat som erhabenen Chor in den Tagen des Friedens


erklungen ;
Wenn euch der Vater folug und der Sohn für die Miffe
that büßte,
Nahmt ihr den 3rrenben auf und heiltet die Wunden bet
Fluches ,
Flebend zu Gott für das Haus, das euer Verderben geſchaffen.
Sündige Sclaven der Luſt, im Sdweiß der Armuth gebadet,
Mit geftohlenem Gold und verfteinten bränen * ) geſchmücket,
Adtagomenſchen , die um das Leben den Näoften beneiden
Und ihr ärmliches ich mit fliegenartigem Geräuſche
Und dem farbloſen Fittig durch den Weltpallaft tragen :
Spötter, die nichts Heiliges lieben , weil ſie es fürdten ;
Die mit hünd'ſchem Gebel das flare Mondlicht verfolgen
Und die Sonne verfluchen , die das Eulenaug' blendet ;
Dieſe nannten euch - nußlos ! Gott hat anders gerichtet.
Hier im Heimatland - an ber apoftoliſden Pforte
Haben Engel die geiſtigen Bräute des Sohnes em
pfangen ,
Sie geführet in Wohnungen, ähnlich an Form jenen Häuſern,
Wo fie auf Erden gelebt, doch erbaut aus lidthellen Perlen
An dem Strome der Liebe. Juwelenzellen umſchließen
Dort die Beglüdten, wenn ſie knieen voll himmliſcher Andacht
Im einſamen Gebet, von entfernten Farfen begleitet."
So ertönten die Worte der holdfeligen Jungfrau.
Plößlid wurden in Gold die weißen Roſen verwandelt ,
Únd neun Sonnenorgeln erſchienen, von Mädchen umgeben
Und zum fei'rlichſten Klang berührt von den Händen der Serapho.
Hoch auf der mittelſten , welche die ganze Wolfe beherrſchte,
Stand eine wunderliebliche Jungfrau , wie faum der Grieche
* ) Perlen .
199

Sid die Benus Urania bachtel die Perle des Himmels !!


Morgengold war ihr Gewand, Azur des Sommers - Die Toga ;
Wenn Aurora bie Rofen beſtrahlt, dann gleicht fie ben
Wangen ,
Doppelt geröthet von Sions Licht und der Glut der Begeiſt'rung;
Hellbraum unb fanftabwallend war das entfettete Hauptbaar,
In kunſtloſem Gelod den blendenden Buſen umſpielend,
Der fich befeligt erhob , eine Silberwiege der Töne ;
Wie bie Laute von Affaf, war ihre Harfe befaitet
Mit bezauberten Strahlen der tempelerleuchtenden Sonne,
Sanft gelehnt an die Bruſt, von duro fidtiger *) Hand
überflogen ,
Tönte ſie mild zu den Orgeln der langſam ſchwebenden Seraphs.
So vereint fich der Nachtigau Stimme ben liebern der Strome,
Welche tonbegabt die bobe Damaskus umglänzen ** ).
Vor dem Antlik der Jungfrau ſchwebte der lieblichfte Engel,
Defſen Bild je den Traum eines reinen Mädchens beglüdte,
Wenn ſie, vom Zephyr geküßt, das Haupt gelegt in die Rechte,
Mit dem erwaten Gefühl der erſten unſduldigen Liebe
In einer Laube ſchläft, von Amara's Roſen beſchattet.
Lächelnd, von findlicher Schönheit umftrahlt, erhob dieſer Engel
Bor der Sängerin Augen ein Buch, das mit goldenen Linien
Und Paradieſesblumen geziert ſchien. -
Ein zweiter , ihm
gleichend
An unſterblichem Reig, flog über dem Haupte der Jungfrau,
Ungeſehen von ihr , eine Roſenkron' in den Händen ,
Deren ſtets näherer Giang Idon die ſinnige Stirne berührte.
3eßt pernahm id ihr Lied, über Harfen- und Orgelton [dwebend :
Das Beiwort
*) weiblichen „ durchſichtig “ bezeiQnet im Orient die größte Schönheit einer
Hand.
**) Die Drientalen nennen die Bäche und Quellen in der Gegend von Damaškus
ſingend.
200

„ Dilectus meus candidus , et rubicundus electus ex


millibus. “ *)
Unſ're Führerin fprad : ,, Ihr febet die beil'ge Cäcilia ,
Die don im zeitlichen Daſein von Engeløſchaaren beſucht warb,
Bis ſie die Märtyrerpalme getreu dem Erlöſer erkämpfte.
Beil bir in Sion, erbabene Mufe der driftliden Ton
funft ! "
So rief die Jungfrau , und die ſchöne Heilige fehwebte
Singend dabin ! - Noch oft werd' id in beglüdenden Träumen
Ihre Stimme vernehmen , betrachten die lieblichen Engel,
Ihre bolden Gefährten mit dem Bud und der Krone.
Ehrfurchterwedende Geifter flogen im Prieftergewande
Dieſer Erſcheinung nach. Ein Beib boli göttlicher Hoheit,
Ganz in Purpur gebüüt , wurde ſichtbar in ihrer Mitte.
Eine getödtete Schlange trug fie hodh in der Linken,
Während auf ein goldenes Kreuz ihre Rechte fich früßte.
Auf ihrem reinen Buſen glühte das Bildniß der Sonne,
Und der Engel begann : „ Ihr ſeht hier die Bäter der Kirce,
Groß burdy Sdriften und Thaten. Mehrere ftanden don
por uns
In dem Reiche ber himmliſchen Trauer; hier find ihre Brüder.
Heil dem Geift, der ſie führet! - Religion ift ſein Name ! "
Aus der Entfernung ſchallten noch Cäcilia's Orgeln
Und die Chorgeſänge der Nonnen ; die Strahlengezierte
Schien im Fanften Dabinflug fide diefer Töne zu freuen .
Eine zahlreiche Sdaar von weibliden Heiligen folgte,
Und mit füßflötenber Stimme begann die ſchöne Prophetin :
,,Die mit dem lichtblauen Aug ', mit dem himmelwärts ftre
benden Antlig ,
Deren zarter Fuß die Marmorurne berühret,
*) Hobelied 5-10. Mein Freund iſt weiß und roth außertoren unter vielen Tauſenden.
201

3ft die heilige Agnes. Schauet bas lamm in den Lüften,


Deffen ſdneeigen Körper Cyprefſenkronen umwinden,
Das mit kindlichem Blid auf die bolde Heilge berabſieht !" -
Hier unterbrad ich vod Staunen die mild belebrende Jungfrau :
„ Wer iſt die Heilige, die unfern von Sanct' Agnes beranſdwebt ?
Die mit dem goldenen Haar, mit dem ſchönen Zug', das die Farbe
Unſeres tiefern Himmels trägt, mit dem lieblichen Antlit ,
Sanft und doch würdevoll; ſieh' die zarte Geftalt, dir ſoähnlich,
Wie auf der Welt faum eine Schweſter der andern ſich zeiget.
Wie fie freudig dich grüßt, dir winft mit der ſtrahlenden Rechten ,
Gleich als ford're fie dich zum Ehrenplaß, der dir gebühret.
Sieh' die goldene lrn' mit dem flammenden Namen : -Sevilla
In ihrer linken. Ad ! im Roſenſchmude der Stirne
Kenn' ich die Roſen wieder, die am Guadalquivir blühen,
Wo die Alcidenſtadt prangt und die ewig geliebte Kordova.
Fühlft du mit mir den Hauch von Espona's balſamiſchen Lüften ,
Die dem goldenen Haar der ſchönen Heil'gen entſtrömen ?
Künb', o fünde den Namen mir deiner himmliſchen Sdweſter !
Seid ihr die ſchüßenden Geiſter, die ob Heſperia's Gärten ,
leicht wie die Elfen, die perlengeſchmückte Mondnacht durch
fliegen,
Die einſt das Kreuz erhöh'n auf Elvira's ſchneeiger Stirne ,
Wo Nataybens Wangen im filbernen Xenil fid fühlen ,
Glutüberbaucht vom Wiederſcheine des ftolzen Alhambra ? "
Jeßo flog der Erinnerung Schatten über das Antlig
Der prophetiſchen Jungfrau; fie ſprach mit thränenden Augen :
„ Du ſtehft die heilige Fufta , Sevilla's große Beſchüß'rin .
Am Vorabend des Sieg's erſchien ſie dem chriſtlichen Rönig,
Der die uralte Stabt dem Heilanbe wieder gewonnen.
Sie hat vollendet ihr Amt. D Granada ! Wann werde
id did ſehen
202

Un dem Ziel deines Heils — freuztragend- nach


Sion erhoben ?
Wenn ein geliebtes Herz auf dem Opferaltare verblutet
Und Calatrava's Reih'n den neuen Märtyrer grüßen."
So rief die döne Prophetin. 30 fprach : D himm
lifdhe Tugend ! *)
Wer iſt die Heilige bort , von gelber Stola bekleidet,
Welche mit halbem Leib aus dem großen Goldfeld emporragt,
Deffen Ranb mit feuerfarbigen Blumen geſdmüdt ift ?
,,Sancta Felicitas, die vom fiebenden Reffel der Marter
In bas Himmelreich flog , " fo fprad der belehrende Engel.
Näher war uns die Sdaar ber heiligen Frauen gekommen ,
Und ſtets ſchön're Gebilde beſeligten unſere Blide.
,,Sebet ! " begann die himmliſche Tugend, ,,drei fowebende
Engel ,
Hold, wie Kinder, wenn ſie am Morgen des Chrifttagd erwachen
Ünd ihren Eltern, die betend am Lager der Unſchuld verweilen,
Von der Heiligen Nacht die füßen Träume verfünden : -
Wie fie geſehen das Lamm, mit Blüthen geſchmüdet, und weißer,
Als das ſhimmernde Feſtkleid beſchneiterRirchen. Wie freundlich
Aus der goldenen Wolfe vorangegangene Schweſtern
Sie begrüßten , deren Denkmal im winterlid - ftitlen
Und verlaſſenen Garten rubt , wo entblätterte Kränze
Dem entfliehenden Jahr ihr klagendes Abſchiedslied flüftern.
Geht , die freinen Engel frönen die heilige Roſa ,
Welche langſam und betend unter ihnen bahinſdwebt.
3eßt blidt fie auf an den zarten Freunden ; fie wurden zu
Engeln ,
Weil fie auf Erden ben Eltern nie eine Chräne gefoftet.
Seht dort die würdige Frau, die von fünf Nonnen umgeben,
*) Beiname der Engel.
203

Wie von den Strahlen des Monded beleuchtet, rub'voll dabin


fliegt,
Sancta Scolaſtica ift ihr Name. Hier auf dem Throne,
Der wie Purpur erglänzt, fißt die heilige Dorothea ,
So verwandelt der Herr basŠaffott , d'rauf die Mär
tyrer ſtarben .
Sehet die jungfräulich - ſchöne Geftalt mit dem Schwert und
der Palme ,
Die auf ein Rab fic ftüßt, mit Blüthen das Hauptbaar
durchwunden ;
Sanfte Ergebung im Blid , auf der Stirn die Glorie der
Himmels ,
Das iſt die Märtyrin Ratharina , die Freundin der Engel.
Jene bort , die das Buch in die Roſenligter emporhebt,
Aus den Reiben veilchengezierter Jungfrauen ragend ,
Ift Sancta Barbara. Sebet den Hügel von glü -
benden Roſen
Und Feu'rnelten gebildet, mit dem Stuhle der Ehre ,
Den S anct' Martina beſtieg. So verwandelt die Cott
beit ben Holz ſtoß ,
Welcher mit Marterflammen die Opfer des Glaubens verzehrte.
Das ſind die wahren , die ſchönſten Roſen des Paradieſes ,
Die dem Brandaltar der Pein, der Verfolgung entfeimen.
Zenes begeiſterte Weib, das auf ein zertrümmertes Feløftück
Den ſandalengezierten Fuß als Siegerin reket,
3ft die abgottzerſcmetternde, beldenſtarke Chriſtina.
Sebet das blühende Thal, durchwandelt von milchweißen
Lämmern ,
Bo in bellem Gewande die lieblide Genovefa
Hingegoſſen auf Raſen ruht; - die Blide vou Unſchuld,
Durd Verklärung veredelt. Stets fiebt ſie den offenen Himmel,
204

Und die Nacht des Allerheiligften ſchredt nicht ihr Auge.


Demuth vermag zu ſeh'n, was die Seraphs mit Schauer erfület.
Raſtlos entfeimen Blumen dem Stabe der heiligen Hirtin.
Ab und zu ſeht ihr eilen die Engel, welche fie pflüden .
Fene Kronenträgerin dort auf dwellenden Polſtern ,
Unter dem Baldachin , bon acht glanzreiden Geiſtern getragen,
3ft die Tochter des edlen Ungarnkönige Andreas,
Sancta Eliſabeth a. Sebet bie himmliſche Myrthe
In der rechten Hand dieſer freiwillig-duldenden Fürſtin.
So verwandelt der Herr die Geißel frommer Kafteiung ,
Dem gepeinigten Leib entſteigt geläutert die Seele,
Und zur edeniſden Wärme werden die Gluten des Schmerzes.
Hier trägt ein Ehrengewand, wer die nackte Armuth gekleidet,
Wie Eliſabeth that ; mit den Hüllen des eigenen Körpers
Hülfloſe Mütter befcenfend und waterlos irrende Kinder.
Wer dieſer Eblen gleich auf Erbendornen gelegen ,
Der wirb in Sion ruh'n auf paradiefilem Purpur!
Seht den herrlichen Glanz über'm goldenen Schmuce des
Hauptes.
Schön iſt die fürſtliche Kron' ! unter'm Heiligenſ eine
am ſchönſten !
Eh' dieſe reizenden Bilder entflieh'n , ſebt noch jene Laube ,
Die, eine holde Geſtalt mit Schatten umhüllend, fid nabet;
Eine liebliche Jungfrau, zart wie der Traum eines Engels,
Deren lichtbraunes Haar die ewigen Roſen umwinden :
Emerentiana , die beilige Dulderin, ſeht ihr ,
Welche geſteinigt und im eigenen Blute getauft ward;
So bedloß fie ein trübumwölftes , freublofes Leben
Shrem Schwure getreu . Die Engel bauten die Laube,
Deren Blüthenſdonee berabfintt auf die Berklärte.
Oft noch denkt ſie mit ftillem Schmerz an's entflogene Daſein ,
205

Leiden giebt's, die erft ſpät in Sion werden vergeffen.


Dodber bunfellodige Seraph über der Laube
Hält ihr das göttliche Troſtbuch sor die thränenden Augen ,
Bis im unendlichen Licht einſt die leßten Schatten verſchwinden ."
Alſo ſprad die erhabene Würbe der ſchönen Prophetin,
Die meinem Blicke fteto reiner und überird'íder ſich zeigte.
In dem Glanzſtrom der Andact war Orlando verſunken.
Feierlich flogen ſie hin , die Saaren der heiligen Frauen,
Und es folgten auf fie drei zarte Siondgebilde.
Erft eine Jungfrau , klar wie der Strahl des erwachenden
Morgens,
Wenn die ichneeigen Hüger in ſeinem Silberblid ſchimmern,
Eine Hoftie trug fie hoc in der Rechten ; die linke
War gelegt auf das Herz. Aus dem Aug' ſprach ewige Treue,
Neben ihr ſchwebte mit kindlichem Reiz ein geflügeltes Mädchen,
Beide Hände gefaltet auf dem keimenden Buſen ,
Das geſcheitelte Haar floß über die grüne Sindona ,
Eine gleichfarbige Binde war Schmud des ſtrahlenden Hauptes,
Und ihr gehob'nes Alug' von prophetiſchen Flammen erglühend
Einte ſich wunderbar den Zügen demüthiger Unſchuld.
Staunend blidt' ich auf ſie, dann auf meine holde Gefährtin;
War's body, als fab' ich bie Dritte im Bunde der himm
liſchen Schweſtern.
Ein huldglänzendes Weib, mit den Reizen der liebenden Mutter,
Sdwebte dem Mädchen zur Seite, fißend auf blühendem Hügel
Und auf dem Schooße tragend fünf ſchöne Kindergeſtalten,
Deren lodige Häupter ſmaragdene Gluten bekrönten .
Unſere Führerin ſpracy : ,, Sebt bier Glaube Hoff
nung - und liebe !
Nun blidt empor , denn es nabt ſich das legte Prachtbild
Europa's. “
206

Wohl fünfzehn Meilen der Paulusftraße bebeđend, flog jego


Eine dreifarbige Wolke bei Glodentönen hernieder.
Dunkelblau war der unterſte Theil der großen Erſcheinung.
In ihm ruhte das Bild eines gold'nen, geflügelten Löwens,
Der ein offenes Bud mit dieſer Inſchrift emporhielt :
„Pax tibi marce ! Evangelista meus.“
Lichtblau war über ihm die Mitte der wandelnden Wolfe ,
Reid mit Lilien geſchmüdt und dem Kreuze der Patriarchen.
In unendlider Höh' verlor fid in Nacht der Azurſdein ,
Und aus tiefſchwarzem Grund trat hervor ein mächtiges Sternbild,
Zwiſchen zwei goldenen Sölüffeln reine Strahlen verſendend.
Alſo -- bei Gloden-, Orgeln- und Lautenton nahte die Wolfe,
Schien zu verweilen, während ihr unterſter Theil ſich emporhob,
Und das filberne Meer son tauſend Schiffen durchkreuzet,
Wie ein ätheriſch Gebild der blauen Umbüllung entwogte.
Aber es lag eine Stadt, der an Herrlichkeit wenige gleichen ,
Mitten im glänzenden Shooß der fanftanſtrömenden Fluthen.
Ein entwurzeltes Feeneiland wähnt' ich zu ſchauen ,
Das von der Macht der Diven aus dem Grunde geboben,
Durch den Sonnenbezirk der öftlichen Meere fich wälzet.
Thürme, Säulen und Tempel von uralter Bauart erblict' ich ;
Aus ambrofiſden Nebeln tauchten die ſhimmernden Kuppeln ;
Goldene Hügel , von Woltenbänden der Geiſter getragen ,
Wie eines Didinnentraums fübne, zaubervote Gebilde,
Und entzüđt begann die auroraumſtrahlte Prophetin :
,,Sebet die Königin bier der erdumgärteten Meersfluth !
Sebet — Venezia ! Dort ſchwingt fic der Ponte Rialto,
Wie eine Brücke der Feen über gondelnverdunkelte Wogen * );
Seht die Sanct Marcuskirche! Die Reſte bes Evangeliſten
Ruben in ihr. Er ſteht auf den Zinnen, von Rräften umgeben,
* ) Die Venezianiſchen Gondern ſind bekanntlid) ſamarz.
207

Welche gleich ihm auf den Pfaden der großen Apoſtel gewandelt.
Mit luftſtrahlendem Aug betrachtet er ſeine Brüder.
Dort erſbeinet das Riefenpaar des Pradtobelisken ;
Dort das Haus der Berathung. Hört ! wie die Gloden erſchallen
Von den rechsundſechszig Kirchen der glanzvollen Meer’sſtadt.
Sebet die Märtyrer bort auf den Gallerieen ber Thürme,
Auf den vierhundert Brüden das Volf im feftlichen Schmuđe.
Sebt ! " — ,, D Himmel ! " begann ich im Aufruf des höch
ften Erſtaunens,
Unterbrechend die Jungfrau „dort theilt ſich die lidt
blaue Wolke ,
Und eine neue , nod idönere Stadt thront über
Venedig.
Wie von den zahlloſen Maften ihrer Schiffe getragen,
Steiget fie amphitheatraliſd zur oberſten Wolfe ,
Wo ſich in heiligem Dunkel die Geſtalten verlieren.
Künde den Namen mir dieſer wunderbaren Erſcheinung ,
Eh' vor Entzücken noch meine ſterblichen Sinne vergeben .“.
,, Das iſt Neapolis !" rief die palmentragende Jungfrau,
,,Sebet den herrlichen Golfo, die weiche Wiege der Freuden ;
Die geſchmüdten Paläſte der Stadt, die glođenduroſchalten,
von ihren Heil'gen beſtiegenen Kirchen ; die fürſtlichen Reihen
Dort auf Mauer und Wall, und den wogenumdonnerten
Thürmen.
Sebet den Dom Sanct Januarii , wo ſeine Leiche
Als Beſdüßerin ruht für Neapels glüdſelige Bewohner.
Seht die Vicaria dort, wo auf dunkelm Marmorbalcone
Längſt geſchiedene Herrſcher betend verweilen. Zeßt hebt fich
Pofilippo aus Elfenſchleiern der duftenden Nebel ;
Vor ſeiner Sdönheit flieht jeder Gram, die Sterbenden beſten
Noch auf ihn ihren Blick, und ſớmerzlod ſcheidet die Seele,
208

Eilend zum Abendroth, das die heiligen Hügel umſchimmert.


In der Natur erhabenftem Tempel fteht dort Veſuvius ,
Zebaoth's würdiger Brandaltar: Hier Weihrauch
und Ambra -

Zornlos -- in ruhigen Säulen zum ewigen Himmel verfendend ."


So ſprach der Engel , da ſchwand in faum denkbarer Höhe
die dritte
Nächtliche Wolfe hinweg, und es thronte hoch über Neapel
Eine pradtolle Stadt - in der Majeſtät je :
ner Urwelt ,
Deren erhabener Sinn gigantiſche Werfe gefördert.
Groß noch erſchien fie, troß der ungeheuern Entfernung.
Einen Strom und viele Hügel wähnt' ich zu ſchauen ,
Eine Akropolis *), würdig der alten Imperatoren .
Raum vernahm ich den Glodenton von der unendlichen Söbe ;
Sah kaum die Geifter mehr umſchwebend die heiligen Mauern ;
Bald verſchwanden , bald zeigten fich wieder die Hügel und
Tempel,
Und zugleich mit dem Paladin rief ich aus vou Begeiſt'rung :
„Sft jenes Bild eine Stadt, ſo iſt es die ewige Roma!"
„ Wohl! 3hr habt fie genannt,“ entgegnete milde der Engel,
,, Ja , fie iſt es , die bebre - die unſterbliche Roma !
Wie ſie geftanden zur Zeit von Papſt Gregorius dem
Siebten ,
Seht ihr ſie hier. Unter Jubeldhören zieh'n die drei Städte,
Wie drei Stufen zum Allerheiligften an uns vorüber.
Schnelle, noch ebe fie ſchwinden , ſendet euere Blide
Zu der Höchften empor. Vielleicht gelingt es den Augen,
Noch die Reiben der Päpſte über den Zinnen zu ſchauen .“
Alſo ſprachy, den Blick auf Rom geheftet, die Jungfrau .
*) Þodburg.
209

Kurze Zeit dien es mir, als fab' ich die beit'gen Geſtalten ,
Mit den Stäben der Patriarchen , den ſtrahlenden Mithras,
Und die gold'ne Monſtranz, von Gregorius dem
Siebten getragen ,
Die wie der Abendſtern vom Roſenhimmel herabſah.
Doch nun verſchwanden ſie ſteigend , oder mein Lug’
-

wurde ſchwä сher.


Raum unterſchied ich noch die Tempel der ewigen Roma ,
Während unten die Meeresfürſtin glanzvoll vorbeizog,
Und mid der nahe Glodenton von Neapel begrüßte.
Selbft das Haupt eines Argus könnte das Bild nicht
umfch a u en ,
Das iegt in dreifader Riefenpracht ganz ent
faltet bor mir lag .
Stimmen drangen herab von ſchwindelerregender Höhe ;
„ Das iſt der Segen der Päpſte " ſprach der
-

Engel Tie ſangen :


Gratia domini nostri Jesu Christi cum omnibus vobis . “
Von dieſen Tönen begleitet , walten die Städte vorüber.
„ Folget mir nun" rief der Engel- „ in die Mitte
der Straße ,
Denn um die göttliche Hoheit des alten Bundes zu ſchauen ,
Will nicht genügen der Standpunct, auf den ich zuerſt euch
geleitet. "
Rief's ſchwang fich winkend empor , und wir fah'n uns
in wenig Minuten ,
Schnell wie der Pfeil des alten Saturns durch zwölf
Meilen hinüber ,
Von dem himmliſchen Oſtwind zur Mitte der Straße getragen.
Prachtvoller ſtanden vor mir die unendlichen Seitenpatläſte,
Jeßo pon Geiftern erfüdt, die aus dem Inneren traten .
Auffenberg's fämmtl. Werte XII. 14
210

Engel verſchiedenen Range aus allen Gegenden Sions ,


Die nicht erſchienen beim Zug, zu geheimen Aemtern erfobren ,
Märtyrer auch und Heilige , deren hohe Beftimmung
In die Burgen des lichte und die Gärten fie beute beſchieden ,
Waren zu ſeh'n in den Deffnungen dieſer Strahlengebäude ;
Andere ſchwebten, dem Frühroth gleich , aufhimmliſchen Cedern,
Auf Goldzinnen , Juwelenterraſſen , Balconen und Tempeln.
Für dieſe Geiſtermenge fennet die Erde die Zahl nicht.
3hr Halleluja ertiang. Mich ſtüßten meine Begleiter.
Selbſt die Erinn'rung bedarf ießt noch einer höheren Hülfe,
Sou fie nicht untergeh'n, von den eigenen Strahlen getödtet.
Sterne des alten Bundes, Lehrer der Völker und Fürſten,
Zu deren Heil ihr die weifſagungsſchweren Lippen geöffnet,
Ihr Zertrümm'rer der Gößen , Zukunft enthüllende Geiſter !
Schon in der Wiege geküßt von den ſchönen Engeln der
Sendung ,
Die unter Gabriels Strahlenpanier die Schöpfung durchfliegen,
Ihr Vertheid'ger der erſten , angeborenen Freiheit ;
Des bedrohten Rechtes unerſdütterte Säulen ;
Fefter als Salomons Tempelbau und die Felfen Moria's !
Ihr, des großen Bermittlers unerſdrod'ne Verkünder ,
Deren Worte bald mild , wie Ebeno Quellen ertönten ,
Bald aufrauſchten im Grimm , wie die Brandung der tödten
den Pforte *).
Deren Mund oft überfloß vom Honig des Troftes ,
Bald die frevlerzermalmenden Donner Jehovah verſandte
Euc ruf ich an : 3hr hohe , gotterkorne Propbeten !
Wie mein Augeud geſeh'n, fo webet noch einmal bernieder,
Daß mit unendlicher Luft ich die lichtvollen Reiben begrüße ;
Aber dann kebret mir zu die ſeelenftärkenden Blide ,
*) Babel Mandel.
211

Wunderquellen der Kraft für den , der Göttliches fündet.


Wieder werd' ich euch ſeh'n ! Schon tönet die heilige Poſaune !
Sopbar's * ) Stimme vernehm' id und die alte Sombonja ** ).
Bei dieſem Schal flog ein Berg die Paulusftraße hernieder,
Sonee bedecte den Gipfel, ein Cedernwald ſeine Mitte.
Auf dem Erſtern ſtand in weißem Kleid eine Huldin ,
Wie ſich der Grieche gedacht die ſonnenaugige Juno ,
Wenn ſein Wahn fie geſtellt an das Goldthor des hohen
Olympos ,
Zu empfangen den heimgekehrten Vater der Götter.
Eine glanzvolle Binde mückte das nächtliche Hauptbaar ;
Bom purpurnen Pallium waren die Sdultern umfloffen ;
Ueber dem Scheitel erhob ſich eine roſige Flamme ,
Wie von Prophetenſtirnen am Tag der Begeift'rung ſie aufſteigt.
In ihrem linken Arme ruhte der Zweig einer Palme ,
Und ihre rechte Hand ſchwang boch ein goldenes Rauchfaß.
,, Ihr ſeht den Libanon " — ſprach die auroraumſwimmerte
Jungfrau -
Auf ihm Aſia's Bild ! " don traf uns der Sfatten
des Berges.
Hod über unſern Häuptern rauſchten die wankenden Cedern,
Und er entflog. Zwiſchen ſeinem Fuß und dem Boden der
Straße
Blieb ein thurmhober Raum , ießt von magiſder Dämm'
rung erfüllet
Dieſe verſchwand, und es folgten in feſtlich geordneten Reihen
Mit dem Filbernen Bande , mit dem Ephodion geſchmücet,
Unter Poſaunenſchall , juda's und 3 fra els uralte
Herrer.
* ) Sophar : das alte Horn .
**) Die alte Flöte der Hebräer.
14 *
212

Eine vieredige Wolfe, wohl fünfzehn Meilen bedeckend,


Und in zwölf farbige Felder getheilt, erfüllet mit Geiſtern,
Wälzte ſich langſam heran unter dumpfem Donner der Heerpaut'
Und gedehnten Poſaunenſtößen : , 3hr ſeht die zwölf
Stämme "
Sprad unſ're Führerin. „Der im jaspisfarbigen Nebel
3ft der Stamm Ruben. Simeon ſchwingt die ſaphirene Fahne
Aus gleichfarbiger Wolke bervor. Chalcedonier glänzen
Durch den Duft, welder Juda berſchönert. Dan dwebt
im Smaragdlicht,
Im Sarbonichglanz Napýtali , Gad im Sardis und aſſer
Im Chryſolith. O rebt , in der Ferne gleichen die Wolfen
Ungeheuern Edelſteinen im Bruftſchild Jehovah's ,
Der als ſein eigener Hoberprieſter in Sion verweilet.
Hyacinth warb die Zierbe Manaſſe's . - 3fafchar pranget
Im Beryll ; der Topas umſdimmert Sebulons Geiſter;
Im Amethyſtglanz zeigt fich Benjamins rubmvolle Stärke.
Und Chryſopras leiht ſein Zauberlicht — Ephraims altem
Geſchlechte.
So ward gebildet das große Urim und Tummim * )
von Sion .
Jeft erſchienen in einer Reihe die alten Propheten.
Ihren Namen verfündete mir die erhabene Jungfrau.
Joel ſtand in der Rechten eine gold'ne Poſaune
Auf einem eiſernen Thurm. Sein ſinnender Geiftſdien zu eilen
Durd die entferntefte Zukunft. Im Schattenthale von Acor
Kubte Hopeas , einen zerbrochenen Bogen zur Seite ;
Ador aber glid dem Traumgeſicht des Propheten ,
*) So hieß das Bruſtſchild der Hohenprieſter. Nach Luther bedeuten die Worte:
licht und Redit. Die Farben der Edelſteine richteten ſich nad jenen der
Stainme,
213

Goldene Dornen tragend , von klagenden Bächen befeuchtet.


Amos ſtand mit dem Hirtenftab auf felfigen Höhen
Einfach und groß , mit ftrengen, ftrafenden Bliden ,
Wenig nur gemildert durch die Freuden von Sion.
Auf einen Anker geſtüßt ſtand der hoffnungsreiche Obadja.
Nahum , der Tröfter, erhob ſich über zertrümmerten Gößen.
Midha , der Chrifti Geburt fo zuverſichtlich verfündet,
Stand gelehnt an ein Kreuz, b'rauf BethlehemsName fich zeigte.
Jonas, mit Schilf befränzt, erhob noch dankbar die Hände
Für des geopferten Lebens wunderbare Errettung.
In einem Blumenthale , vom Abendrothe beleuchtet
Und von Harfen umtönt, war der troſtreiche Habakuf ſichtbar.
Neben ihm lag auf zerſchmetterten Retten der ſtarke 3 ep banja ,
Und im düſteren Nebel erſchien , einen Aſchenfrug tragend,
Maleà chi der Großgeſinnte. Haggai erhob ſich,
An einem gold'nen Altar ein Brandopfer bringend dem Herren ;
Und auf Flammendem Wagen, von feurigen Roffen gezogen,
Fuhr Elias beran , das Auge vol Rlarbeit und Würde.
In Verzüdung erſchien , auf Purpurkiffen gelagert ,
Daniel , von Hananja , aſarja und Miſael umgeben.
Ueber ihm flog mit Adlers dwingen ein rieſiger Löwe.
Ein vierhäuptiger leopard und ein Thier mit zehn Hörnern
Waren die Stüßen der Wand, auf welcher die feurigen Züge :
„Mene, mene , techel upharsin " fich zeigten. Zadarja
Stand, einen Tempelftein tragend auf einer ebernen Mauer,
Neben ihm brannte der gold'ne , fiebenarmige Leuchter ,
Und von zwei Delbäumen fant ihm ſpielender Schatten auf's
Antlis .
Jeremias war in der trauernden Sion geblieben ,
Darum vermißten wir den Anblick des alten Propheten.
Eine weifſagende Schrift mit entblößten Armen erhebend
214

Saß auf filbernem Stuhl der donnerreiche Jefaias ,


Die Zorngeißel des Abfalls ! der Prophet der Zerftörung !
Würdevol war die Geſtalt; ihr Ernſt durch Berklärung be
fänftigt.
Um ſein ſchönes Antlig ſpielten die himmliſchen Lichter ,
Und der geöffnete Mund ſprach von übermenſchlichen Werken.
In der Propbetenreih'n Mitte ftieg die Röthe deo Morgens
Ueber ein grünendes Feld, das mit vielen Hügeln bededt war;
Auf ihm erſchien der begeiſterungsvolle Seher Ezechiel,
Mit gebreiteten Armen und weit vorragendem Körper ,
Glutübergoſſenem Antliß und rückwärtswebendem Hauptbaar
Blidt er empor , als habe getönt die dritte Pofaune ,
Als fei der Oſtwind der Auferſtehung fühlbar geworden
Und das Gebein ſchon verſammelt, das in den Gräbern zer
ftreut lag.
Sein weit offenes Aug' ſdien die Ewigkeit zu duro -
bliden.
Wild umflatterten ihn die gürtelfreien Gewänder .
Aus den blumigen Hügeln , die wir für Gräber erkannten ,
Stiegen , wie Bilder der Auferſtehung, liebliche Anaben ,
Mit Amaranthen befränzt , umbüllt von lichtgrünen Stola's.
Alſo mit halbem Leibe ragten ſie aus den Höhlen ,
Während ihr Saar, wie ein Goldbach , die friſchen Blüthen
durchwalite.
Mit holdſeligem Lädein faben ſie auf den Propheten ,
Den über Zeit und Tod die Geiſtesſchwingen getragen.
Nad den Gottgefandten des erften Bundes erbob fich
In majeftätiſer Pradt eine uralte Stadt , die der Engel
Mir als Jerufalem unter König David benannte.
,,Sebet," ſprad er, fo blühte die Stadt, deren Trümmer
1

wir fauten.
215

Jener harfentragende König bort auf den Zinnen


Des thurmreichen Paulaftes iſt David, der Sänger des Herren.
Sehet die Reihen der holden, dunfellodigen Jungfrau’n,
Deren marmorne Sand die beilge Scaliſdim * ) berühret ;
Wie auf Abendwolfen zu beiden Seiten der Prachtſtadt
Schweben fie. Athalia raget aus ihnen , und Judith
Und die märtyrergleiche Tochter des ftreitbaren Jephtas.
Hört ihr den Siegesgefang der begeiſterungsreichen Deborah !
Höher noch erblicet ihr die Lade des Bundes,
D'rauf zwei Cherubim ruh'n. D betrachtet den herrlichen
Aaron ,
Welchen, im Opfergewand, mit den Prieſtern ihr fehet zur
Rechten .
von ihrer hoben Würde giebt Runde das flammende Bruftſdild:
Zeugt das Ephodion, fammt der ſonnenbellen Tiara.
Um wie viel höher in den Reiben aller Geſchaffnen
Stand der Menſd , als noch Gott in ſeiner Mitte verweilte .
Jedes Wort ward geprüft auf der goldenen Waage des Rechtes,
Ehe dem Mund es entflog. Vor ihren eig’nen Gedanken
Mußten die Frevier erzittern ; denn Gott war nah und ſein
Zornbliß
Immer bereit, die Verachter des großen Bundes zu treffen.
Aber welch' fel'ges Gefühl ward dem Tugendhaften zuTheile,
Wenn vor dem betenden Bolf, den Sobenprieſtern und Rön'gen
Gott den Tempel mit dem Licht der Herrlichkeit füllte!
Weh' ! daß ihr an ihm gefrevelt, daß er geſchieden im Grimme.
Ber , o Jeruſalem ! giebt dir wieder , was bu verloren ?
Fener Gewaltige dort, mit den furchterregenden Blicken ,
Der fich zur Linken der Cherubim zeigt, ift Samuel der Ridter.
ihn umgeben die Seinen, die Recht geſprochen im Lande.
* ) Eine Art Siſtrum.
216

Hochebrwürd'ge Reiben ! vom Huldblic Sebovahd beſtrablet.


Bis zu Joſua geh'n fie binauf, dem Mauernerſchütt'rer,
Der mit der Donnerpoſaune der Palmenftadt *) Stärke zer
fchmettert .“
So rief der Engel ; ihn unterbrad mein ſtaunender Ausruf :
„Welche Gebilde ſchweben dort meilenhoch über'm Pallaſte
Davids ? Wo die Juwelen verglüh'n vor den ſchwindelnden
Augen ?
Wo über Tauſend und Tauſende Weihrauchſchleier ſich breiten ?
Sieh' ! nun theilen fie fich; ein purpurner Thronfiß erſcheinet ;
Aber mein Aug’ erkennt die Geſtalt nicht, die ihn beſtiegen . “
Während Jeruſalem binflog, ſprach die erhabene Jungfrau :
,, Salomon iſt's auf dem Thron , den du bort oben
erblideſt.
Wirſt du die Falſchheit nun der lügenden Sagen erkennen,
Welche zur glanzleeren Schlucht den Prophetenkönig ver
bannten ?!
Sieh ihn hier auf dem Thron in Fülle des bimmliſchen Lebens,
Von den Weiſen umgeben, von vielen der Patriarchen,
Bon Prophetenfnaben, deren fei'rlice Chöre
Niedertönen wie zarte Geifterſtimmen des Abends,
Wenn die füßenden Engel , beladen mit Bitten und
Thränen ,
Von gerötheten Bergen zur Wohnung Maria's entfliegen .“
So ſprach die Jungfrau. Lange noc folgt' ich der Stadt
mit den Bliden ; -
Wieder ſie aufwärts wendend, befiel mich neues Erſtaunen ;
Denn ein Hochgebirg' war die Straße berniedergeflogen,
Mit ſeinen kahlen Felfenbäuptern faſt dwindend im Himmel.
,,Das iſt der Sinai ! " rief die aurora-umftrahlte Prophetin.
* ) Beiname Jericho's.
)

217

,, Seht das Gewitter, von dem der höchſte Gipfel bebedt iſt!
Jeßo zertheilt es ſich ! Aus den Wolken, mit Blißen umfäumet,
Tritt gewaltig hervor der völferführende Mofes.
Alle find um den Berg verſammelt, die treu ihm geblieben,
Während er auszog zum Land, überfließend von Mild und
von Honig .“
Nach der Rede der Jungfrau ftarrt' id hinauf am Propheten,
Welcher vor Gott dem Herrn die geheiligten Lippen eröffnet.
Ihn nur erblidť ich ! vergaß den Berg und die Sdaaren
der Völfer.
Wunderreich ragt er empor, von Jehovahd Wettern umgeben,
Weltbeſiegende Kraft in feelenvoller Geberde ;
Ein lebendiges Bild des Berufs, der ebernen Ausdau'r;
Wäre der Donner ein Gott , fein Hochaltar wäre die Stirne !
In eine liebliche Flur ward plößlich die Gegend verwandelt,
Quellen- und blumenreich walte fie an. Unter grünen Gezelten
Sah'n wir die Schaaren der heiligen Patriarchen gelagert.
fafob wurde vor Allen und durch die Jungfrau bezeichnet.
In der Mitte verweilt er ſeiner reuigen Söhne.
Joſeph, der öſtliche Stern, lag ſanft an dem Herzen des Vatero.
,,Nur auf ſeine Bitte bat Gott den Sündern vergeben .
Er, der Beleidigte, führte zum Patriarchengefilde
Seine beſchämten Brüder , verflucht vom zürnenden Jafob.
Er nur gewann auf's Neue für ſie die verlorene Liebe.
Alle find jeßt verſöhnt , die brennenden Thränen getrocnet,
Und der ehrwürdige Greis vergaß die Tage der Drangſal.
Sebt, der ſchöne Benjamin ſucht die Augen des Vaters,
Welche mit neuem lidt die bimmliſde Sion erfüllte.
Lieblicher Knabe ! du treue, fromme Stüße des Alters !
Wieder gingen dir auf die ſeelenerleuchtenden Sterne.
Vater Jakob erblict ſeinen unverdroff'nen Gefährten,
218

Der die wankenden Füße burd ſchredlide Wüften geleitet.


Darum biſt du nad Joſeph der Näofte hier ſeinem Herzen .“
So ſprach der Engel. Abraham fchloß die Reihen der
.

Vorwelt.
Und es verſchlangen Meereswogen die grünen Gefilde.
Rauſchend famen fie an, neun Meilen der Straße bedeckend.
Glänzend wie Saphir, und raſo wie die wildeſte Sturmfluth,
Das Entfeßen der Pilger in den nördlichen Meeren.
Aber in ihrer Mitte war Noah & Arche zu ſchauen ,
Auf ihrer Höh' der zweite Bater des Menſchen
geſchlechtes.
Einen grünenden Delzweig trug er im wallenden Haare.
Fröhlich blickt' er empor am farbigen Bogen des Bundes ,
Der, ſo breit wie die Fluth, gewölbt war über der Arche.
Jeßt enttauchten den Bogen langſam ebeniſche Hügel,
Reid bepflanzet mit Bäumen von jeglicher Gattung . Die
grünen
Wälle des Paradieſes ragten von waldigen Gipfeln ;
Nektarſtröme wogten herab von den ſeligen Höhen,
Sammt dem begeiſternden Hauch der ſüßen Sabäiſden Düfte.
„Sebet ! “ – begann die Jungfrau dort oben das wieder
-

errung'ne
Paradies , burde den Tod des Erlöſero nad Sion
perpflanzet.
In dem unteren Hain erblickt ihr die heiligen Väter,
Die vor der Sündfluth gelebt. God oben in Ebens
Gefilden ,
Wo jener Engel ſteht mit gefenftem feurigem Sowerte
Und bulbftrahlendem Blid, find Abam und Eva zu ſchauen ,
Beide verklärt und gereinigt von den Fleden des
Falles .
219

Ihre Nahrung iſt hier die Frucht vom Baum der Er :


fenntniß
Der vervielfältigt ward im wiedererrungenen Eden. "
ald die blühenden Hügel die Straße herniedergeflogen ,
Ward ihre ganze Breite von lichtblauen Strahlen durch
floffen .
Dieſe Bewegung ging über in ein ruhiges Glanzmeer.
Wohlgerüche, die ſelbſt die Sinne der Engel entzücken,
Strömten berab, mit ſanfter, unbeſchreiblider Wärme
Unſere Wangen berührend . Töne fallten von Unten,
Wie fie fein menſchliches Ohr noch vernahm: wenn Harfen
und Flöten ,
Wenn Poſaunen , Orgeln und goldene Gloden fich jemals,
In ein Werkzeug vereint, zu den Stimmen der Jung
frau'n erheben,
Wird doch ihr Ton nie den Reiz des Gefanges von
Sion erreiden ,
Welchen der Engel mir als das Lied der Sphären benannte .
Oft war leiſe der Klang — oft fanft anſchwellend - am hellften,
Benn unter'm Strom von Kryſtall erſchien ein goldenes Stern
bild.
Auch der Wechſel entzüdte mich dieſes himmliſchen Liedes ;
Denn bald dwammen die Flötentöne hoch auf dem Klangmeer,
Bald ſtieg empor die Poſaun', wie von neuen Wellen getragen,
Bald glich das Lied den fanften Chören blühender Mädchen,
Bis fide die Stimmen all unter Glodenſchlägen vereinten ,
Und jede Wahrnehmung dwand im Gefühl bes höchften Ents
züdens !
Jebo — bedeđend die vierundzwanzig Meilen der Straße ,
Und in zwölf Reihen gethürmt, flog eine Heerſchaar
von Engeln
220

Unter'm vollen Sphärenlied im Azurlicht hernieder ! –


Wer erfaßt dieſen Anblick !? Die endloſen Seitenpalläfte
Schöner im magiſden Strahl — die Zuwelenlichter gemildert,
Blauen Augen vergleichbar, welche, ſchwimmend in
Thränen ,
Nach dem Frühlingshimmel die Blide der Sehnſucht verſenden ;
Dann die Chöre der Heiligen , welche die Engel begrüßten ,
Und die Märtyrerreih'n mit hochgehobenen Palmen
Wahrlich ! ein fionitiſches Bild, des großen Triumphlieds
Würdig, das von Unten die tönenden Sphären ihm fangen !! -
Aber wer leihet mir Worte, die Schönheit der Engel zu ſchildern ,
Deren faſt endloſed Heer ſtets näher und näher heranflog!
Ewige Jünglinge waren alle in Silbergewändern ,
Und aus Morgenroth ſdienen die Flügel und Gürtel gebildet;
Der lebendigſte Glanz durchfloß die ätheriſchen Körper,
Und ihr Chor rang dreimal heilig zu goldenen Harfen.
iteber dem großen himmliſchen Bilde ſchwebte der Lichtgeiſt,
Den als Erzengel Raphael mir die Prophetin benannte.
„Heil dem Erhabenen ! " — rief fie -- ,,welchen mit ſchaffender
Stärke
Ausgerüſtet die Gottheit ! der , zum jungen Tobias
Als ein freundlicher Hüter gefandt , die Erde beglückte,
Und auch noc jeßt , in vielen andern würdigen Geſtalten ,
Ihre bewölften Berge beſucht und die friedliden Thale.
Heil dem geiſtigen Schöpfer Paläſtina's in Sion !
Heil der Hierardie , die , nach dem Sinne Jehovahs ,
Die Legionen gereiht um Raphaelo himmliſche Fahne !"
So rief die palmentragende , bodverklärte Prophetin ,
Und in ein hellrothes Feu'r ging über das ſchöne Azurlicht.
Erſtere $ warb allmålig in bunfeln Purpur verwandelt,
Welcher die volle Breite der Paulusftraße burdwogte.
221

Ade Palläfte nahmen an die glühende Farbe ,


Und der Kryſtallraum glich den Feuerſtrömen des Aetna.
Heil'ge und Märtyrer ſtanden in Purpur auf Tem
peln und Zinnen ,
Und durch das Sphärenlied brach vor die Sternenpoſaune ,
Wie von dumpfen Donnerſolägen der Gloden begleitet.
Füllend die vierundzwanzig Meilen der glühenden Straße,
Wälzten fich langſam heran die Kriegsdynaſtieen des
Himmels .
Streitbare Geifter erblidt' ich in berrlichen Männergeſtalten
Voll unſterblicher Kraft. Sie trugen kurze Gewänder,
Schwarz und blißburchkreuzt um athletiſche Körper geſchlungen.
Glieder und Arme zeigten ſich frei von belaſtenden Hüllen.
Weiß wie Schnee, nicht das matte Blau der menſchlichen Adern
Wurde ſichtbar auf ihnen , nein ! ein Feuergewebe
Shien die Haut zu durchglüh'n , bereit , fie o nell zu
burchbrecen
Und die vernichtenden Solingen um wankende
Sterne zu ſchleudern ;
Adlersflügel, dunkelfarbig , entragten den Spuitern ;
Lanzen und Schilde ſtammten aus dem Rüſthaus der Gottheit ;
Auf ihren Purpurfahnen glänzte der Name: Jehovah !
In den Zwiſchenräumen der furchtbaren Himmelsgeſchwader
Waren, von Wolken umflogen, die Donnerwagen zu ſchauen;
Cherubim zogen ſie. Uugen entbliften den goldenen Nädern ;
Um ihre Deichſel fab'n wir feurige Retten gewunden ,
Deren Beſtimmung es war, beſiegte Geiſter der Hölle
An die unterſten Berge der Nachtauf Aeonen zu feffeln .
Wie an den Sichelwagen der Alten ragten die Blige
Drobend an beiden Seiten hervor, ftete gerüſtet zum Ausflug
Unter dem dumpfen Gemurmel der ſchweren inneren Donner.
222

Seelenerſchütternd wirkten die drohenden Blide der Augen,


Die weit offen, bald ſichtbar, bald halb von Wolfen bededet,
Starrten durch's himmliſche Reich. Oft ſtrebten die Cherubim
mühvoll
Rüdzubalten die Räder , die eigenmächtig fich drehten
Mit verworr'nem Getöſ', gleich Hagelſdlag, Sturmfluth und
Webruf.
Viele der Engel [ aßen gepanzert auf feurigen Roffen ;
Glühendem Erz war vergleichbar ihre ſchredliche Rüftung.
Statt der Federn zierten Riefenbände die Helme ,
Blutroth von Farbe, bald offen, bald mit geſchloffenen Fäuften.
Auf dem Sdild eines jeden war ein Auge zu leben ,
Mit geſenkten Wimpern , wie vom Solafe befangen;
Aber die Jungfrau belehrte mich, daß es, geöffnet, Meduſa's
Haupt an Grau'n übertreffe. Die Roſſe waren geflügelt,
Einem gebannten Blißſtrahl war ihr Hut zu vergleichen.
Schwarze Schuppen ragten durch die Flammen der Körper,
dehnlich den Flecken der Sonne, und ein drobendes Feu'rhorn,
Lang und ſcharf, brach hervor von dem Haupte , zwiſchen
den Augen.
Bie der Meeresſturm chatte ihr Flug , ihr Sdnauben wie
Stromſturz.
Aber wer faßt meine Angſt, als plößlich ſeltſame Gebilde,
Bon feiner menſchlichen Zunge je zu ſchildern , dem Raume
Des Kryſtallmeers unter Bebeklagen entftiegen !
,, Das ſind Geiſter der Sterne,“ rief erbebend die Jung
fraut,
,, An den blauen Kronen erkenn' id fie ; bört ihre Klagen !“
In mein geweihteo Ohr, das die himmliſchen Sprachen erfaßte,
SHauten fremdartige Töne, und ihr furchtbarer Sinn war :
,,Webe den Sternen , die wir bewohntenl von hölliſden Sdaaren
223

Sind fie befest, auf den Bahnen gerüdt! Wir wurden


vertrieben .
Gürtet euch , Engel des Kriegs ! Der Drache ſtürmet
auf Sion ! “
Dreimal riefen fie's aus nach den zwei Seiten der Straße ;
Aber von jener , wohin die Gebilde des Zuges geflogen,
Kam eine Stimme ſo machtvoll unb bonnernd, daß tauſend
Gewitter
Sie nicht zu beden vermöchten , wenn alle mit einemmal tobten.
Wie gehemmt in dem Flug erſchienen die frieg'riſden Engel,
Und in Berachoths *) Feierklang waren die Worte zu hören:
„ Michael! drüde das Siegel des Zorns auf die
Pforten der Hölle!!"
– ,,Das war Jehovah's Ruf !“ begann erblaffend die Jung
frau
Und zum erſtenmal fühlte Furcht der große Drlando.
Satan " -
ſo ſprach unſ're Führerin mit geflügelten
Worten ,
„ Steht wohl im frevelnden Wahn , es feien am ſchwäch
ften die Engel
An den großen Verſammlungstagen der ewigen Sion,
Wo ſie das menſchliche Kleid um ftreitbare Kräfte geworfen ;
Doch der Erzfeind betrügt ſich ! Seit einem vollen Jahrtauſend
Hat er es nicht mehr gewagt , im Sturm ' dieſen Räumen
zu naben ,
Heute wagt er's zum leßtenmal , das verfünden die Worte ,
Die Jehovah geſprochen . Sdon ziehen die Engel zum Kampfe ."
Alſo war's ! In gethürmten Maffen flogen fie nieder.
Legion auf Legion ! die flammenden Roffe,
Vierundzwanzig tauſend an Zabt in jeglicher Reibe ,
*) Die Sprache, in der Jehovah fich vernehmen läßt.
224

Schienen ſo viele Feuerberge mit doppelten Kratern.


Hin über unſern erzitternden Häuptern eilten die Schaaren.
Anf einem wolkigen Purpurtbron erſchien der erhab'ne
Erzengel Michael; Unmuth im flammenden Blic , auf
der Stirne
Rubige Zuverſicht. Er erhob die redliche Lanze ,
Schwang fie dreimal , daß die Trophäen des Thrones erbebten
Und ein entſeglicher Sturm die Himmelsftandarten durchbrauſ'te.
Fest flog fie berab aus des Erzengelo ſtrahlender Rechten
Und bewährte die Kraft, ihr im Rüſthaus Jehovahs verliehen,
Denn eine gräßliche Kluft ward durch fie im Kryftalle geſpalten,
Weitaufgähnend als offene Soleiße für's himmliſche Zornmeer.
Dieſes ſtürmte beran und hinab, daß die höchſten Pallaſtreih'n
Unter dem Fuße der Märtyrer wankten. Die Schlachtlegionen
Waren zu Hunderten ſchon durch die Kluft des Grimmes ge
brungen,
Als der Engelfürſt felbft mit feuerſprübendemSchwerte
Und von achttauſend Donnerwagen umgeben hinabflog.
fhm eilten nach drei ſchwergepanzerte Dynaſtieen,
Zabloſe Bannerwächter mit der Erzengelsfahne.
Nun ſprach unſere Führerin : „ Weniger fürcht' ich den Angriff
Satans, als ein urplößlich Erſcheinen der Gottheit im
3orne :
Da fie verweilt, in der Himmelsftadt ihren Sohn zu empfangen.
Rommt und ſchließt euch mit mir an die legten Reihen der Engel.
Sieget Michael nicht, erhebt fich Jehovah im Grimme,
Und wir müßten vergeb'n vor ſeinen verſengenden Strahlen .
Laſſet uns außen den Kampf zwiſchen Himmel und Hölle be
tracten ,
Während im erſteren ſchon die friedliden Dynaftieen
Gabrield naben .“ Sowar es ! Sie kamen im hellgrünen lichte,
225

Furchtlos und ungeſtört die Paulusſtraße hernieder ,


Im Vertrauen auf Michaels Kraft, kaum gedenkend der Hölle,
Deren vollſtändige Macht gepanzert auf Sion heranſtieg.
Zuverſicht und ſerapbilde Nuh im Bewußtſein der Nähe
Deſſen, der mit dem Wink in's Nichts zurückwirft die Welten,
Gaben noch höheren Reiz dem Angeſicht dieſer Engel.
Wir aber ſchwebten binab durch die weitgeöffnete Zornſgluct.
Außerhalb des Kryſtallmeers ward uns jeßo ein Anblic ,
Vor deffen furchtbarer Größe beinah' die Erinn’rung er
ftarret,
Wagt ſie zu ſchildern , was weit überfliegt die Begriffe ber
Mendbeit !
Wohl war mein Auge getaucht in doppelte Fluthen der Weibe,
Mein geſchärftes Ohr den Spraden der Geifter erſchloffen,
Sonnenfernen konnt' ich mit dieſen Sinnen durchdringen,
Dennoch fühlt' ich mich ſchwach vor dieſem entfeßlichen Bilde.
Die Titanenkämpfe der alten griechiſchen Sagen ,
Ahrimang neunzigtägige Schlacht mit dem ſtrahlenden Ormuzb,
Wo die eiſernen Diven zu Millionen erſchienen ,
Zwingend bebende Sterne, einen Umweg zu nehmen ,
Weil ſich das fredliche Heer auf ihrem Pfade gelagert :
Nur Pygmäenkämpfe ſind ſie gegen den Wuthfturm,
Den die wahrhafte Hill ' unternahm auf die himmliſche
Sion.
Scharladh glut durchdrang den ganzen erſchütterten Welt
bau ,
Denn die Engel des Kriegs hatten ausgedehnt die Geſtalten ,
Und die Banner entrollt; ihr Wiederſchein war jenes Feuer.
Tief unter mir erblict' ich fünfhundert nachto warze
Sterne ;
ade , ſo ſchien es mir, in raſchem Steigen begriffen ,
Auffenberg'8 fämmtl. Werte XII. 15
226

Größer mit jedem Augenblid , und von Teufeln bededet,


Deren verworrener Knäul in fich ſog die Ströme des Lichtes.
So wird der Erdball einft liegen , wenn ſein Rernfeu'r
verglüht iſt,
Wenn die Flüffe getrodnet und verdampft find die Meere.
Nur an wenigen Stellen blißten hervor ihre Strahlen ,
Funten gleid , welche zitternd die tobte ardhe duro fliegen .
Bon einem Stern zum andern waren die größeren Geiſter
Unter Molod Borflug gereiht. Nicht zu ſchildernde Weſen,
Blißſchnell wie Proteus ihre Gräuelgeſtalten verändernd
Nach demBefehl ihres Führers. Auf Donnerkeulen der Hölle
Ritt der Verflugte die Reiben entlang, balb in menſolider Bil
bung ,
Halb dem ehernen Löwengreif Aboulomri vergleichbar,
Einen entwurzelten Feuerberg ſchleudert' er gegen den Himmel;
Alo bad Zeiden zum Angriff für die erfte derSchlachtreih'n.
Größer und größer wurden die teufelumnachteten Sterne.
Bon dem Rampfe burdytobt der zerrütteten Elemente;
Schwarz wie Molocho Panier; bahalos in chaot'ſcher Ver
wirrung,
Rüdten ſie auf, gezwängt in die erſte Solachtreih' der Hölle,
3hr entgegen flogen neun Legionen von Engeln ,
Wie eine Mauer aus Feuer gegoſſen , unter der Leitung
Des gewaltigen Kabiels , des Rometenzerſchmett'rers.
„ Groß ift Jehovah! " riefen , gleich fernen Wettern,
die Geifter;
Theilten ſich ſchnell; die Mächtigſten ftürzten g'rad an auf
die Teufel
In den weiten Zwiſchenräumen , die anderen flogen ,
Aehnlic finkenden Sonnen , auf die befesten Geſtirne.
Denft euch auf jedem nun eine Hauptrolat ew'ger Gewalten,
227

Deren Größe , Kraft und Bildung fein Sterblicher faffet.


Schuppen gleich fielen die Teufel herab von den wanfenden
Sternen ,
Und noch fredlider trat in's Aug' ifre grauſe Verheerung ;
Viele ftemmten ſich feſt unter Schöpfung durchallenden Flüchen,
Syren ebernen Fuß einwüblend zum Rern der Geftirne ,
Schleuderten bann unter's Engelbeer ausgeriffene Berge,
Strombenagte Felſen der Tiefe , Wucht der Vulcane,
Hoben die Meer' ſammt den Ufern vom Grund auf wie fies
dende Reffel,
Welche die Hartbelagerten niederleeren vom Walle.
Aber geldlagen auf allen Höhen , mußten fle weichen ,
Und zum troßenden Rüdzug tönte Moloche Poſaune.
In die verlaffenen Bahnen wurden die Welten getrieben
Von den Engeln des Kriego, und Zahrhunderte werden vergeben ,
Ebe die Spur diefes Tages auf ihren Flächen verſchwindet.
Fernhin zog der höd'ide Beerstheil , die drohenden Stirnen
ünter entfeßlichen Flüchen gegen die Geifter gerichtet.
Radiel folgte in boogethürmten , geldloffenen Maffen ,
Jeden Widerſtand mit den Feuerroffen zermalmend ,
Die feinen Schaaren voran die himmliſchen Reiter getragen .
Alſo warb höllenwärts ber verdammte Molod getrieben .
Rubig ftand noch der Erzengel Michael auf einem Firftern,
Von den drei ſchwergepanzerten Dynaſtieen umgeben.
Mit ſeinem Flammenſchwert trieb er den Stern aus
der ewigen Rube ,
Bis er planetenartig nach ſeinem Willen umberflog.
Bon dem flegenden Radiel warb aus der tiefſten Entfernung
Steto der Sdwertwint der mächtigen Engelfürften beachtet,
Welcher mit klarem Blid überfab den größten der Rämpfe
Und die befehlenden Zeiden weigend gab von dem Fiſtern.
15 *
228

Ais vollkommenen Sieg ſein linker Heer'stheil errungen ,


Shlug von der anderen Seite empor betäubender Peſtdampf,
Und eine neue , größere Höllenmadt rückte auf Sion.
Gleich der erſtern hatte ſie Sterne befeßt und getrieben
Aus der gemeſſenen Bahn, dod ihre Anzahl war Tauſend ;
Alle ſchwarz wie die unterſten Stufen am hölliſchen Throne,
Leben- , licht- und weſenleer , wie verdammt und gerichtet,
Und als Leichen geſchleudert in die Arme des Chaos.
Plößliche Zornglut flog über Michaels ftrahlende Wangen ;
Brand ergriff das Geſtirn, auf dem der Rächer noch weilte.
„ Dort nabt Satanas ! “ riefen die Dynaſtieen ber Engel,
Und ſo war es ! An der Spiße der tauſend zerſtörten,
Nachtvollen Welten flog er hinauf , der grimmige Erbfeind,
Von uns war er entfernt, wie die Erd' es iſt von der Sonne,
Und dod dreimal größer , als die Leßt're , zu fauen..
Denkt euch den Soredlichen nun an Ort und Stelle des Rampfes !
Seine Geſtalt war die eines dwarzen , fliegenden Drachen,
Mit einem Menſchenhaupt, dem die Qual der ew'gen Ver
dammniß
Ade Züge verzerrt. Sein Stolz war der alte geblieben.
Auf der blißbenarbten , furchendurchgrabenen Stirne
Saß, wie auf brandrothem Thron , die frevelnde Sobeit der
Hölle.
Zornvoll berniedergezogen waren die rauchenden Brauen,
Und vergleichbar zwei dichten, flammenergriffenen Wäldern ,
Die an blutbunkle Feuerſeen grenzen , an jene Augen ,
Deren gräßlicher Blick dem verſammelten Himmel getroßet.
Strombreit waren die Adern geſchwelt; er trug in der linken
Ein zerdrücktes Geftirn , und in der Rechten als Schleuder
Einen Kometen. Als er den Engelfürſten erblickte ,
Gab er den Welten und den zwiſdenraumfüllenden Geiftern
229

Plößlich das Zeichen des Stillftands, und die hölliſche Solacht


reih'
Dehnte fich aus unermeßlich im fdarlachburchfunfelten Raume
Der erbebenden Schöpfung. Noch ein Zeichen — ießtſtand fie !
Aber Satan flog vor und erhob feine zürnende Stimme.
Hunderttauſend Aremsdämme *) fönnten verſinfen,
Und ihr wildtofender Fall, mit dem Einbruch der Waffer ver
bunden ,
Wäre nur fchwacher Klang gegen jenen grau’nvollen Wuthruf,
Welchen, berauf fich fdwingend zwiſchen zwei ſtürzenden Welten,
Jeßo der Hüllenkönig verſandte. Hört , was er ausrief :
,,Heut', oder niemals , werb' ich als Sieger bie Himmel
ftadt beugen.
Mit dieſem Stern zerſchmettr' id fiel Rönnt ich, wie ihn,
aud die Erbe ,
Die verbaſte, zermalmen. Dem ganzen Menſchengeſchlechte,
Deffen Gewand ihr tragt , verdienten Untergang bringen.
Mit der unſterblichen Kraft hab' ich beſſere Welten zermalmet,
Als jener Stern es iſt , den Jehovah ſo mächtig beſchüßet,
Daß ich gezwungen war, auf ihm als Schlange zu kriechen ;
Aber es kommt noch ein Tag ! - ein Tag, der mir Rache
verleibet.
Heut', o Diener der Gottheit ! Heut' begehr ich mein Redt
nur !
Will ben König befrein, der nach meiner Krone geſtrebt hat,
Troßend in Sion dem Gott, der ſich läßt den Dreieinigen
nennen .
Ich bin Eins mit mir. Was außer mir iſt, ſei vertilget !
Nicht mit Dem, den bu ſandteft, dem Zwiſchenträger der Allmacht,
*) Arem , der in Arabien berühmte Damm , nach deſfen Durchwühlung eine
furchtbare Ueberſchwemmung entſtand.
230

Nein! mit bir felbft will ich ſprechen und habern , feindſel'
ger Fehovab !
Tritt heraus auf die Zinnen derBurg ! Blid ' an dieſe Saaren,
Die bu geſunken nennſt. Die entfalteten Höllenftandarten
Drüdten wir tief in den Schooß der irregeleiteten Sterne.
Für unſäglide Dual befteh'n wir auf unſeren Rechten .
Ebre fie, und die Höll’ rod Halleluja dir fingen !
Sende mir, ftark wie er war, den Rönig aus Foſaphat nieder,
Deffen erbärmliches Daſein du ftreng an die Grüfte gefettet.
Er ift ein Hauch von dir , ich will ihn tragen zur Hölle ,
Daß fie länger nicht den gefallenen Engel vermiffe.
Neben Abrameled ſteht der Thron, nach dem er gerungen .
Hal ein unterirdiſches Eden fou ihn umblühen ,
Und die Tiefe fidh freu'n des geſchwärzten Strabled der Gottheit,
Gieb mir mein Recht! oder Satan waget es , Sion
zu ftürmen ,
Bürb' er aud rüdgeomettert, wie vor einem Jahrtauſend,
Doch erringt er den Sieg ; dann erbebe für das , was du
ſoufeft.
Auch mein ewiges Sdwert fann den vierten der Reiter befreien, a
Und über'm fiegenden Abgrund ſtürzet das Weltall zuſammen .
Während der Täfternden Rede wurden die tauſend Geftirne
Von verzehrenden Flammen erfaßt, und der Erzengel hatte
Tief fich herabgeſenkt bis in Satans verderbliche Nähe ,
Bleibend in Menſchengeftalt, bod von unbeſchreiblider Größe.
Aehnlich ſchwarzen Felſen ftanden bie Teufel im Feuer ;
Schleuderten brennende Sternentrümmer den Engeln entgegen :
Während Abrameles Sdlachthorn bie ganze Sdöpfung
burdbrüdte.
Er ſtand dem Satan zur Rechten. Jeßt warf ihn der En
gel Simihal
231

Sammt ſeinem Stern und dem Geiftergewühl zum erdon


nernden Abgrund.
Aber aus Raud unb Flammen vernahm ich Michaels Stimme,
Sowerer und tonender , als das Hochgewitter des Tabors.
Alſo ſpracy er , dem höðiſden Drachen ruhig fich nahend :
„ Sieb', Verfluchterl zu doppelter Strafe zertret id dich jego
In der Geftalt, die du überſchütteft mit ſchnöder Verachtung,
Wenn ſchon bein donnergetroffenes Haupt noch trägt ihre Züge.
Tödten fann ich dich nicht, doch keinem befferen Weſen
Soll dein Angeſicht gleichen . Stürz'form- und kraftloszur Hölle,
Die der Zoru des Allmächt'gen bis zum Gerichtstag verſiegelt.“
So ſpricht der Engel und giebt das Zeichenzum furgtbaren
Angriff.
Er war entſcheidend! - Die panzertragenden Dynaſtieen
Stürzten zugleich mit allen Donnerwagen bernieder
Auf die balbverbrannten Geftirne. Sest fab ich die Wirkung
Fener blutrothen Hände auf den Helmen der Engel.
Barb auch einer beſiegt, vom Nachtgeift niedergeſchleudert,
Griff die ſchredliche Hand in die Schlangenbaare des
Teufels ,
Und riß ihn abwärts , bis neu zum Kampf rich geſtellt ihr
Beſiger.
Abermals flogen Vulcane und Sodgebirge gen Himmel.
Aber vergebens. Die Donnerwagen durchbrachen die Reihen.
Rechts und links hin fürzten die Höllengeifter. Der Schlachtzug
Michaels erfaßte, der Windsbraut gleich, alle Teufel ! -
Reiner vermochte zu ſteh'n vor den Harniſträgern des Himmels.
Die zerftreuten Horben fanten rückwärts zur Tiefe.
Schäumend wie Meere vor Wuth , aufbrüllend wie hölliſde
Ströme,
Mit geballten Fäuften , zerriffenen , rauchenden Fahnen ,
232

Bruft und Stirne gefurcht vor weitauftlaffenden Wunden ,


Fluchend dem eigenen Blut, geblendet, zerſplittert von Blißen,
Von den Donnern verfolgt, den Sternentrümmern getroffen.
Brandgelb wie höuiſde Berge, Kopfübergeſtürzt und zer
fdmettert!
Jego ftanden in lichten Flammen die tauſend Geftirne,
Des gefürchteten Weltgerichts foredliches Vorbild erſchien mir.
Von dem Brande waren verzehrt die äußerſten Rinden ,
Früher vielleicht bewohnt durch menſchenähnliche Weſen ,
Von dem Frühling geſchmüdt und dem Sommer , wie unſere
Erde.
Dieſen Glauben hegte ſelbft die ſchöne Prophetin ,
Weil der Erbfeind nur über Geſtirne niederen Ranges
Seine furchtbare Macht entfaltet, wo irdiſche Stoffe
Ueber das uranfängliche Licht die Herrſchaft erſiegten
Und nicht widerſtehen dem magnetiſchen Panzer ,
D'rein der ewig Verfluchte feine Drachenbruſt hüllte.
Jeßt war der gräßliche Brand zum Innern der Sterne gedrungen,
Und ſie erhielten die Farbe des weißglühenden Eiſens.
Fürchterlich ſtrahlten ſie auf in den ſcharlachdurchgoffenen
Räument.
Abgeftreift waren die Trümmer , Verflogen die Hüllen des
Rauches ,
Und wir ſahen den Zweikampf Michaels mit dem Verbammten,
Der bie Höhe noch hielt mit unerſchüttertem Troße;
Während die Legionen zur Hölle die Teufel verfolgten ,
Brad er allein hervor zwiſchen Donnerwagen und Weltbrand,
Und das zornvolle Pochen ſeines unſterblichen Herzens
Schallte dumpf herauf, wie meilenferne Geſchüße ,
Die gegen dreifache Mauern die ſchwarzen Rachen gerichtet.
Alſo fliegt - wenn mir hier ein irbiſches Bild noch vergönnt ift -
233

Kurz vor der finkenben Nacht aus geſchlagenen räub'rifden


Flotten
Das entmaftete, ſegelentkleidete, brennende Hauptſchiff
Nochmals bervor und ftellt ſich allein den Siegern entgegen,
In der Hoffnung, durch ſeinen Fall auch ſie zu vernichten.
Längſt ſind in Grund gebohrt ſeine fluchbeladenen Brüder,
Und diebrandſchwarzen Trümmer deden die ſchäumende Meers
fluth.
Aber der 1eßte Korfar bleibt treu ſeinem hölliſchen Eide,
Pflanzt, ftatt des M aftes, die Blutfahn auf das flam
mende Raubſchiff,
Sucht den fiegenden Führer , ftredt bie eb'rnen Gelenke
Hundertfach aus nad ihm, und eh' er noch feft fich geflammert,
Fliegt ſeine rieſige Laft in die Luft ! dann nieder zum Abgrund.
So mit der Wuth eines ganzen Teufelbeers fämpfet der Böſe
Gegen Michaels Kraft. Schon hat der Verfluchte die Sternwucht
Aufihn gerichtet, doch fehlgeworfen, vom Grimme verblendet.
Jego ſchwingt er die Schleuder, und der Rometenfern donnert
Dumpf an dem Schilde des Erzengels nieder, gebet in Trümmer
Und ſtrömt wie flüſſiges Gold über die diamantene Wölbung ;
Doch die Mitte des Schilds gleicht jeßt einem feurigen Wetter ;
Bliß auf Bliſk fährt aus ihin . Nachtönen die furchtbarſten
Sdläge ,
Wie wenn der wurzelentblößenbe Nachtorfan tobt durch den
Hochwald.
Auf den entwaffneten Satanas finket bas himmliſche Zornſdwert,
Und es erſchallet ein Streich, als babe Jehovah mit einem
Weltvernichtenden Blik die ganze Schöpfung getroffen!
Von dem Drachenrumpf fliegt das Haupt des nächtlichen Fürſten,
Breit wie die Milchſtraß' rinnt Blut aus der gräßlich gähnenden
Wunde ;
234

Doch das ewige Leben ſchwingt auch enthauptet die Flügel,


Weitgeſpannt und die legten der brennenden Sterne zer
fdometternd,
Fahren ſie mit dem formloſen Rörper zum donnernden Abgrund,
Während das tobte Haupt auf eine flammende Welt ſtürzt,
Augenblice noc ſichtbar, dann von den Feuern verſchlungen.
Jeißt enteilte der Engelfürft, um ſein Werf zu vollenden,
An der verſiegelten Hötl' die zertrümmerten Sterne zu rächen.
Mit ihm verfdwand die Scarladglut in unendlichen Tiefen .
Wiederkehrtedas ſchöne Blau fammt dem Liebe der Sphären,
Deren Geſangvor dem großen Angriff auf Sion verſtummt war.
Faudzend grüßten wir die erſten gold'nen Geftirne,
Flogen dann aufwärts und ſaben, wie ungeſtört noch die Reiben
Erzengel Gabriels die St. Paulusſtraße durchwaliten.
In einem friedlichen Grün erglänzten die behren Gebilde,
Rothe Gewänder tragend und azurene Sdwingen.
Hod wie die leßte Palaftreih ', die unſ're Augen erreichten ,
Schwebte der Geiſt der Verfündigung, Engel Gabriel ; Bote
Des Admächtigen ; Freund und Beſchüßer aller Propheten ,
Bon ſeiner Fierarchie genannt: die Stärke der Gottheit !
Eine Legion poſaunentragender Engel
Folgte dem Fürſten ; Feierklänge tönten von Oben :
Heil dem Bater, dem Sohn und dem Geiſt !" ſang jeßo die ganze
Dynaſtie unter'm Sphärenton und dem Ruf der Poſaunen .
Heller wurde das Grün in der apoftoliſchen Straße.
Vou Begeiſterung ſprad bie tiara - umftrabite Propbetin :
,,Seht ihr die Engel in grünen Toga's und weißen Gewändern ?
Die nun herniederwallen ? Jeder trägt den Smaragdſdild,
D'rauf ein Stern erglänzt und das Bild eines goldenen Anfers.
Dieſe freundlichen Geifter ſind die Schußengel der Menſos
beit.
235

Und der ſchöne umanaël ift ihr glorreider Führer.


In dem Aug' der Berfolgten trodnen fie milde die Thränen.
Muß ein Gerechter beſtegt in lichtloſe Rerfernacht ſtürzen,
Dringen durch Mauern und Chore die beglüdenden Weſen,
Führen im Traum ihm zu die vermißte blühende Gattin
Ünb bie lächelnden Kinder : zeigen von fern ihm bie Freiheit
Und eine beſſere Zukunft nach ſchweren Tagen der Prüfung.
Sie bewachen den Sölummer der Unſduld, leiten die Hoffnung
An das ſolangenumziſchte lager verzweifelnder Armuth ;
Die unglückliche Liebe beben fie fanft in die Traumwelt,
Wenn nach durchweintem Tag die ermüdeten Wimpern fich
foloſſen ,
Um's bethränte Lager wallen die duftenden Wolfen ,
Und die Engel erbau'n den Tempel gehoffter Vereinung,
Führen die Liebenden ein , bekränzt mit edeniſden Palmen,
Bis in dem Morgenroth die tröftenden Bilder zerfließen .
Sie burchbliden die rubeloſe Quelle menſdlicher Bünde,
Tragen die guten vor Gott und lehren die böſen vergeffen.
Weinend fteh'n fie am Grab ihres treu behüteten Schüßlings,
Seben ftumm in die Höble, wo ſeine Refte verſwinden ,
Wenn das falte Geſtein an den Sarg wie die Todesfauft pochet;
Geben den Seinigen dann das Geleit in die Wohnung der
Trauer
Und betrachten unſichtbar ibre Thränen , die falfen
Von den wahrhaften ſondernd, welche nur Liebe vergießet;
Dann entflieh'n fie zum Himmelreio ; werden am Tag bes
Gerichtes
Wieder fteh'n auf dem Grab, deſſen Schläfer ihr Schüßling
geweſen ,
Um die erwachte Seele mit troftvollen Worten zu ftärken,
Ehe fie ſchwebt vor den Thron des nierenprüfenben Richters.
236

Sebt ! wie viele der Engel noch Wehmuthsblice verſendeu,


Weil die hölliſche Macht ihre Anvertrauten beſiegte.
Stets vergebens warnten fie vor den Schlingen des Satano,
Suchten jeglichen Traum mit beſſeren Bildern zu füllen,
Standen ſelbſt oft verkörpert vor der Frrenden Antlit ,
Zeigend die Pfade des Heils mit ernft gehobenen Händen.
Aber der Strom rollt zum Thal und das eilende Lafter zur Hölle.
Taumelnd verfolgten die Frevler die Straße, welche ſie wählten,
Eben, dornenloo, breit, von vergifteten Blumen umglänzet.
Jeßo find fie am Ziel und ſeh'n ihre Engel nicht wieder.
Stärket nun euer Aug' und betrachtet die ſchönſten der Geiſter
Und die Himmliſce, welche fie ſanft berniebergeleiten,
Sie , die Mutter des Welterlöſers, die beilge Maria ! "
So , zum Gebete fich neigend, ſprach die ſchöne Prophetin.
Lieblicher ſchalten die Strahlenorgeln aller Geftirne;
Silberton der Flöten, vereint mit dem Goldklang der Gloden,
Drang aus jedem Pallaft, lebend'ger im ſeltenften Hellgrün
Funfelten auf die Juwelen an Thürmen, Kuppeln und Säulen ,
Ünd in der Mitte der Geiſterreih'n, von den Soußengeln
der Menſch beit
Hoogetragen , cwebte der Prachtthron Sions bernieder.
Blumen bildeten ihn , wie ſie vor dem Sündenfall
keimten .
Auf dem Ehrenſtuhl faß die Engelfürftin Maria ,
Schnee vom Hermon ihr Kleid, ihr Gürtel göttliches Urlicht.
Staubfreie Lilien formten über der Stirne die Rrone,
Von einem ruhigen Silberſdimmer umgeben. Wer fündet
Je mit menſchlichem Wort ben faum zu denkenden Liebreiz
Dieſer Erſcheinung! Arm fühlt ſich die reichfte der Sprachen
Bei ihrer Schilderung. Würde der Himmelskönigin ; Demuth
Einer holdſeligen Jungfrau, die, unbewußt ihrer Schönheit,
237

Jedes Auge beglüdt; ſeraphiſche Strahlen , gemildert


Durch kaum merkbaren Shatten leidenvoller Erinn'rung ;
Mutterliebe , mit Reinbeit des erſten Lichtſtrahls ver
bunden ,
Durch ſie den Menſchen genähert und doch nicht ent
fernter der Gottheit ;
Innige , himmliſche Rube ; tiefempfundene Wonne
Ueber das herrlich vollendete Werk des großen Meffias;
Majeſtät der Unduld in dem Glanz der Berklärung :
Das ſind die Züge des Bildes ; kein Menſchenfinn fann fie
umfaſſen ,
Tobt bleibt das feurigfte Wort und farblos das fühafte Gemälde .
Langſam dwebte fie bin, die Königin aller Himmel !
Jugendlid, zarte Geifter, ragend aus heiligen Bolfen ,
Schwangen boch in die Luft das barfengleich tönende Rauchfaß
Ringo um Maria's Thron , und leiſe ſprach die Prophetin :
3hr erblidt hier als Engel Bethlebem uniduld'ge
Rinder . “
Jeßo drang Silberglanz durch den tonumwogten Kryſtallraum .
Hellaufleuchtend wurde der ſchöne Morgenſtern ſichtbar,
Wie ein ruhiger See, d'rin die Frühlingsſonne fich ſpiegelt,
Und ſeine glüdlichen Strahlen berührten das Untlig Maria's.
Mit ihr verſchwand das belle Grün, und Dämmerung ſenkte
Ueber Sion fid nieder. Eine reizende Mondnacht
Mehrtedie Schönheit des palmenbeſchatteten, blühenden Thales,
Das mit ſeltener Pradt bie Sanct- Paulus- Straße herabflog.
Nicht die Fluren der alten Kalifenmutter Damaskus,
Nicht die Haine Obollahs vergleichen ſich je dieſem Thale,
Selbſt die Feenufer A1 Nilabs würd' es beſchämen,
Der, von Geiftern bewohnt, Sheb Buvans Gefilde dur heilet.
Hatte der Anblic mich der Juwelenpalläfte beſeligt,
238

Als ſie ftiegen zum Roſenhimmel, fühlt' ich nun Ebrfurdt,


Heiligen Sqauer vor dieſen nachtdurchblißenden Burgen ,
Deren magiſcher Reiz vom Zauber der Mondnaďt erhöht warb.
,,Seht die Engel der Luft, " ſprac leiſ die bolde Prophetin,
Und wir erblidten hodfliegende, done weiblide Weſen
Ueber den Palmen des Chale , unter Luna's erbleichendem
Bilde.
Nachtblaue Sternengewänder und mondfarbige Flügel
Trugen fie, und in den weißen Armen tönende lauten,
Welce fanft der fionitiſche Weſtwind berührte.
Perlenfronen waren die Zierben der nachtſdwarzen Haare,
Shnen entwallte Ambrofiaduft in fühlenden Strömen ,
So entfdwebten fie - zart, wie der erſte Traum eines Kindes.
Ueber das liebliche Thal ftieg auf ein glanzvoller Morgen ;
Von jeder Hülle befreit, ward ſichtbar der obere Himmel
Und es erſdienen mit Blumen geziert die Engel der Erde ,
Füdhörner tragend, laubgrüne Gewänder und bräunliche Gürtel;
Maja's bordſeliges Lächeln verſdönerte ihre Geberden,
Und ihre Morgengabe foien Gottes unendlicher Gegen.
Denkt euch die Katarakte von zwölf rieſigen Strömen !
Einer gereiht an den andern ; die Höhe gleich dann der Breite,
In neun Fälle getheilt; über'm erſten fryftallene Felfen
Mit diamantenen Burgen, gekrönt von lichtweißen Geiſtern,
Die ich aumfreien Wogen durcheilt, bald ſteigend, bald finfend,
Bald mit dem ſchilfgeſchmüdten Haupt aufragend aus Tiefen ,
Wie die ſpiegelburdidwimmenden Zauberbräute des Dift
lands* ).
Stellt dann das ganze Bild in den Wieder ein ew'ger Aurora,
*) Die Sage von der Vorſchau iſt in ſo weit orientaliſchen Urſprungs , alo
tort die Jünglinge in den Nächten des Monato Moharrain die Seelen ihrer
tünftigen Bräute vorlaten .
239

Laßt aus Höhen und Tiefen die tonreichen Barfen erfdhallen !


Mit den Chören vermengt der zahllos erfbeinenden Geifter,
Dann mögt ihr fühlen die Bonne , von unſeren Herzen
empfunden,
Als die Engel des Waſſers die Paulusftraße burchflogen ;
Doch in zitterndes Staunen wurde ſie ſchnelle verwandelt
Von den flammenden Pyramiden, die feßo fich nahten.
Øundert an Zahl, wohl fünfzehn Meilen die Straß' über
funkelnd.
Höher war ihre kleinſte, als die mächtigſte jener
Monumente, die der Férauns * ) Alde bededen,
Wo der Götterftrom eilt durch die trümmerberühmte Egyptos.
Auf dieſen Pyramiden ftanden die Engel des Feuers.
Kraftvoń wie Michaels Kämpfer, ſchön wie Raphaels Geifter,
Und den Sedaïl der Ditlandsſage beſchämend :
Doch unzugänglich dem Aug’, dat beim erſten Blide fie blenden .
Nun erſchienen in weiten Zwiſchenräumen zwölf Geifter,
Unter fich durch goldbelle Feuerbogen verbunden ,
Die bodragend von einem Haupte zum andern fide wangen,
Und mir war's, als tauchten öfters Engelsgeſtalten
Aus ihrem Innern bervor voll unbejdreiblicher Anmuth,
Goldene Federn tragend und aufgeſchlagene Bücher.
Das ſind die heiligen Apoſtel,“ ſprach die ſchöne Prophetin.
„ Fene fräft'ge Geſtalt mit dem frauſen Barthaar, in Stellung
Und Geberde den feurigen Sinn verratbend, ift Petrus
Rep bao genannt mit Recht, der vertraute Jünger des Heilande.
Sebet, zumReich der Friedensträgter die goldenen Sölüffel;
Oft verweilend am Thor, dar feine Straße begränget,
Nimmt er die Gläubigen auf, wie uns empfing St. Johannes .
Dermit dem langen Bart und dem tiefabwallenden Hauptbaar,
*) Férauns : Pharaonen .
240

Im reichgefalteten Kleid, beffen Mund fich bewegt zum Gebete,


Während die Hand das mächtige Sqwert erhebt, iſt Sanct
Paulus ,
Der dieſer Glorienſtraße ſeinen Namen geldenfet.
Aus feinem feelenvollen Blide leuchtet die Freude,
Sie erforen zu ſeb'n zum Chriſtfeſt der ewigen Sion.
Der mit dem ſchiefen Kreuz und dem ernſten Blic ift Andreas.
Seht zum zweitenmal dortden begeiſt'rungsvollen Johannes,
Deffen unfterblide Kraft auf dem Sonnenadler dahinfliegt,
Dem die ew'ge Aurora die wallenden Loden umleuchtet.
Nimm unſern dankbaren Gruß, o ſeraph- ähnlicher Jüngling !
Der du mit Bus und Kelch die Perleupforte bewacheſt,
Gerne den Eintritt vergönnend dem heilbedürftigen Pilger
Und dem krieg'riſden Geiſt aus Roncevals bornvollen Gründen.
Fener einfach Gefleidete iſt der ſolidte Thaddäus.
Dieſe kraftvolle Männergeſtalt mit der Lanze Mathias.
gener , welcher fich dort auf die Säge ſtüßet, iſt Simon ,
Und der ernſtfrobe Geiſt mit der Hand auf dem Buſen
Matthäus.
Der mit dem Winkelmaß, vom weiten Mantel umflogen,
3ft Sanct Thomas , und hier zieht Jakobus der Don
nerfobn nieder ,
Der paradieſiſchen Espona fireitbarer Scußgeiſt,
Den wir zumzweitenmal feh'n. Compoſtela'sheilige Fahne ----
Shwing dich empor ! bis du ftrahlft auf dem Purpurtbron des
Alhambra !
Du fouft Granada's Bild zur ewigen Sion erheben ,
Und am nächſten Chriſtfeft trete ſie ein in die Reihen
Der verklärten Städte. Fener Geiſt mit dem
Kreuzbild
Iſt St. Philippus , und dieſer Nabe, weluber das Meffer
241

Bor der getreuen Bruft erhebt , iſt St. Bartholomäus.


Heil euch , ihr edle Leidensgenoſſen des großen Meffias !
Furchtfrei habt ihr fein Wort der feindlichen Erde verfündet.
Sie hat gebebt bis zum Grund , als der Geiſt eure Woh
nung erfüllte ,
Als die feurigen Zungen euern Häuptern entſtrahlten .
An den Werth eures Pilgerftabs reicht kein goldener Scepter ,
Und euer Fußftaub überglänzt die Juwelen der Kronen .
Sißen werdet ihr einft dem großen Meſſias zur Seite ,
Wenn er als Richter der Welt im Gewand der Schechinah
berabſteigt. “
So rief die Jungfrau , und heller erglänzten die lieblichen
Wangen ,
Von dem Wieberſchein der Feuerbogen getroffen.
Aber jego nabten hohe , furchtbare Wolken.
Denkt euch, - ſieben Gewitter ! vom Nadtgeiſt gebaut
und gethürmet ,
Von der ſcheidenden Sonne mit bunfelm Purpur geröthet ,
Bliß -burchzückt – von verborgenen Donnerwagen durchraſſelt -
Und ihr erreicht faum das Bild, bei deffen Anblic wir bebten.
Näher famen die Wetter und ftärker ſchalten die Donner,
Belden ſich jest ein Geräuſch verband , wie fein Dhr node
bernommen .
Sieben Meere ſchienen zu fieben über den Flammen
Der — auf Gotted Befehl emporgeſtiegenen Hölle.
Defters war's, als würden ſie alle zum Abgrund geſchüttet
Und umrauſchten von Wuthibaum reine unſterblichen Feuer.
Glühende Flügel erblicť ich über dem Rande der Wolken,
Blißverſendenden Flammbergen glich ihr dichtes Gefieder,
Und die ſo warzen Höhlungen rieſenhafter Poſaunen
Starrten bervor an den Seiten , gleich als wälze der Himmel
Auffenberg'8 ſämmtl, Werte XII. 16 .
242

Gegen ſataniſchen Sturm ſein ſchweres Gefäß auf das


Schlachtfeld.
Die Patläfte ſchienen zu zittern vor den gedehnten ,
lang und dumpf nachhallenden Stößen der ſchweren Poſaunen.
,,Das ſind die Engel der ſieben Sdalen " - ſprach
die Propbetin
,, Vor dem Weltgericht fliegen fie bin mit den ſchrecklichen Urnen,
Deren äußere Wölbung das große Sündenverzeichniß
Ader Völker enthält. Vom todten Körper der Sonne
Werden die Schalen geleert über Meer und Thal und Gebirge.
Gott hat mit Hochgewittern ihre Geſtalten verhüllet,
Vor deren Grau'n ſelbſt die furchtloſen Engel des Krieges
erbleiden .
Doch millionenmal größer ſteh'n ſie am legten der Tage
Um den Gerichtstbron Deffen , der war , der iſt und
der ſein wird !!"
Während dieſer Rebe rollten die Wetter bernieder ,
Und ein glühender Hauch umflog unſ're bebenden Bangen.
Dem zerſchmelzeuden Eiſen glid die Rüſtung Orlando's.
Schirmend dedte die Jungfrau fie mit gehobener Palme.
Plöglich verſtummten die Harfen und die Chöre der Heil'gen.
Doch in mächtigen Schlägen tönten die Gloden der Sterne,
Gleich als poche das Herz des Weltalls vol banger
Erwartung.
Mit gewaltigem Shwunge , ſchneller als jemals ein Adler
Durch die Lüfte geeilt , kam ein glanzverſendender Jüngling
Iteber der adten Pallaftreib' die Paulusftraße bernieder.
Kann euer fterblicher Sinn die Begeift'rung verförpert
ſidi denken ,
lind im fonellften Flüge begriffen , dann ſeht ihr den
Jüngling !
243

Mit einem Tigerfell war er bekleidet. Die bräunlichen Saare


Flatterten weit zurüd. Er trug das Bild eines lammes ,
Feſtgedrüdt an das Herz mit der linken. Ein einfaches
Kreuz war
In ſeiner Rechten zu ſeh'n , die bei halbgewendetem Körper
Rüdwärts zeigte, von wannen im ſtürmiſchen Flug er ge
fommen .
Soon war er hingeeilt, und leiſe ſprach die Prophetin
Mit der Stimme der reinen Jungfrau , deren Gebete
In dem Tempel -- ihr unbewußt - fich zu Tönen erheben :
Sanct 30 bannes der Täufer und Vorgänger
Chrifti ! " - Jest datten
Plößlich die Chöre, bie Harfe,Sternenorgeln und Glocken ;
Sion rief: Hoſiannahl - Hojiann ahl die Schöpfung !
, Das war der erfte Jubelruf “ – ſprach erſchüttert die
Jungfrau.
Bleich war der Paladin , der auf Erden dem Tode getroßet.
3ch – der Vernichtung nabe! – Rein Wort bezeichnet bas
Fühlen ,
Das der fterbliche Sinn von der nahen Gottheit empfindet!
Eine Vermiſchung der Luft mit dem tiefften Schauer der Seele.
Eine Vorahnung bed leßten Gerichtes möcht' ich es nennen.
Stille folgte dem allgemeinen Glorienrufe.
Engel zeigten fic ieft in dunkelrothen Gewändern.
Jeder trug ein Leidenswerfzeug des großen Meffias.
Ihnen folgten drei Geifter, bleich, in furchtbarer Schön
beit.
Schwer wird ein anderes Wort die ernften Geſtalten be
zeichnen .
Sowarz waren ihre Flügel , wie mit blutigen Sternen
An den nächtlichſten Stellen geziert; die braunlodigen Häupter
16 *
244

Trugen Cypreffenkränze; Silberſichern die Hände.


Einem fernen Nachtfturm glich das Geräuſch ihres Fluges.
Aus ihrer bodgewölbten Bruft dien Froſthaus zu weben ;
Sie war entblößt — dem befo neiten Grabes hügel
vergleichbar.
3hre Vorgänger ſchienen vor dieſen Engeln zu fliehen ,
Und die nad ihnen flogen , kehrten feitwärts die Augen.
Während wir bebend ein Gleiches thaten, ſprach die Prophetin :
,,Das ſind die Todesengel , welche Jehovah geſandt hat,
An dem Tage der Kreuzigung dreimal den Sohn zu um
ſchweben ,
Eh' fein unſterbliches Aug' in furze Nächte ſich ſenkte.
Dreimal zogen die Geiſter um Golgatha's wankende Höhen
Mit bumpf- rauſchendem Flug. Es iſt vollbracht!" "
fprach der Heiland,
Neigte das ewige Haupt. Den Sabbath erneuerten Daſeins
Fei'rte die Schöpfung. Sebt, dort naht ſich der furchtbare
Strafgeift ,
Der ſeinen donnernden Stern vor's Antlig der Sonne ge
trieben ,
Als der Meſſias ftarb. Hier trägt er das Kreuz der Ver
ſöhnung
Tiefgebüdt auf den ewigen Schultern. Betet, ihr Pilger !
Seht nicht dem Engel in's Aug’ ! Sein Zornblick martert
die Seele.
Mit tiefdonnernder Stimme begann der Träger des Kreuzes :
„Nonne haec opportuit pate Christum et ita intrare in
gloriam suam ! *)“
Alle leidendengel wiederholten die Worte.
*) Evang . Luf. 24-26. Mußte nicht Chriſtus Sordhes leiden und ſo zu ſeiner
Herrlich ſeit eingeh'n ?
245

Zürnender Vorwurf ſprach aus ihren unſterblichen Bliden .


Sie ſind die Einzigen, die ſich niemals der Erde befreunden;
Gott bält fie ab von ihr bis zum Tage feines Gerichtes.
Doch dann wird Golgatha's Hügel jene Worte vernehmen. “
So belehrte mich mit leiſer Stimme die Jungfrau.
Neun geheimniſvolle Dynaſtieen der Engel ,
An Geſtalt und Verklärung über die ſchildernden Worte
Weit erhaben — zogen vorbei in ſchweigenden Reihen ,
Angeführt wurden ſie von den Engeln der ſieben Po
ſaunen,
Deren Stimme bas Zeichen einft giebt zum Bruche ber
Siegel.
Dieſer hohen Weſen Bildung wollt ich ergründen ,
Ilnd mich wendend ſah ich mit Staunen und mit Entfeßen
Ein ungeheu'res Flammenbreied auf jener Seite ,
Welder die Reiben des großen Zuges entgegen geflogen.
Nadt auf Nacht lag im Innern; folch ' Dunkel kennet
die Welt nicht.
Von ſeiner S wärze würde plößlich durchbrungen der
Sebquell
Eines Ungeweihten und er , erblindet, nicht wiſſen :
Ob das ewige lidt - ob die Urnacht ſein Auge getödtet?!
Aber nad Außen brannten weithin die Strahlen des Dreieds,
Und wie an Jakobs Himmelsleiter ſtiegen die Engel
Langſam mit verhülltem Antlig empor in den Flammen.
Ade, Ade ! — Cherubim - Seraphim — Würden und Kräfte ;
Tugenden - deren Namen nur bie Dreifaltigkeit fennet.
,,Blidt wieder aufwärte ! " ſprad mit der Stimme der
Ehrfurcht die Jungfrau.
Da ertönte bas zweite Hoſiannah der Schöpfung!
Wie ein Şubelruf der unermeßlichkeit. Stille
246

Tiefe Stille erfolgte. Nun flog Seraph Eloa


-

Mit dem geleerten Smerzenfeld dem Dreied


entgegen.
Wie einen Soild erhob er vor fid das heilige Zeichen !
Seine Geftalt war die eines Engels, der tritt vor Jehovah.
Gott war nabe — nabe! – diefes fühlte ganz Sion.
Nicht der entferntefte Ton war nach ſeinem Dahinflug zu hören.
ades barrte auf Gott : - zwiſden Daſein — zwiſden
Vernichtung
Søwebte die Schöpfung odemlos . Jeßt ftanden
die Pulſe!
Aufflammt ein lichtmeer !!
Hundert und vier und vierzigtauſend in Pur
purgewändern ,
Mit dem zeiden de lammet auf ftrahlenwerfenden
Stirnen ,
Flogen in ihm : In der Mitte die throntragenden
Engel .
Auf ihren Sdultern ruhte die Jaspistafel. Die alten
Sions ſaßen auf ihr. Goldfronen und weiße Gewänder
Trug die geheimnißvolle Verſammlung. In ihrer Mitte
War -

Jeſus Chriftus zu ſeh'n , -


die Fahne des
Sieges erhebend.
Strahlen Gottes , mit vollendeter Menſchheit verſchmolzen,
Strömten vom Antlik. Die Stirn' war wolfenlos ; Sobeit
und Ruhe ,
Heiterkeit ewigen Frieden umſchwebten fie. Spiegel des
Himmels
War das Auge ; der ſchöne Mund zum Gebete geöffnet.
Albeglückende Milde, vereint mit der Würde des Richters,
Sprach aus jeglichem Zug. Das Gefühl unendlicher Stärke
247

Ronnte felbft auf dem Chron nicht die himmliſche Demuth


beſiegen ,
Deren freiwillige Knechtſchaft das Erzeugte gerettet.
lidt war ſein Kleid — berflärtes Blut die Farbe des
Mantel.
Der , auf welchen fein Schatten fiel, war der — Hellfte
im Kreiſe.
Während des Heilands Thron die Paulusſtraße herabflog,
Sangen die hundert und vier und vierzigtauſend voll 31
brunft :
„ Christus ! salvator mundi ! rex ! venit in pace, et Deus
homo factus est ! “ —
Kurze Stille folgte dieſen erhabenen Tönen.
Unter'm Rryſtallraum erſchien die wolkenumflogene Erde.
Eine Hälfte war licht, die andere furchtbares Dunkel.
Chriftus blidte berabl der ganze Stern war erleuchtet,
Und der Engel Amanaël , der mit Maria erſchienen ,
Stand am nächtlichen Pol. Das Todesbild war ver
fdwunden
Und das Leben trug der Unſterblichkeit leuchtende Krone.
Chriftus blidte empor ! Das Halbtheil der Nacht
fehrte wieder ;
Doch Amanaëls Bild war zum zweiten Mond ihr geworden.
Heilig ! heilig ! beilig ! fangen die Alten des Himmels ;
Standen auf von den Sißen und legten nieder die Kronen.
Tief lag das Dunkel des Allerheiligſten noch in dem Dreiec.
Aber ftets burchdringender wurden die äußeren Strahlen ,
Und anbetend knieeten im Feuer die Hierardieen.
„Seht die Taube des Geiftes " ſprach kaum flüfternd
die Jungfrau ,
Und ich ſah die Erſcheinung über dem Gipfel des Dreiecks.
248

Deffen Höh zwiſchen Erd' und Orion den Raum würde


fütten .
Denkt euch geflügelt den Abendſtern und ihr erblidet
die Taube.
Jeſus Chriftus ſchwebte dem nahen Vater entgegen .
Von dem Aufſchluß des Allerheiligſten zeugten die Cherubs,
Die mit ſechsfachen Schwingen ihre Augen bedecten.
Jeßt ertönte das dritte Hoſiannab der Schöpfung!
Dreimal Heilig ! ſangen die Legionen der Engel.
Aus den Tiefen des Dreiecks waren die Schatten ver
dwunden ;
Doch, wie vernichtet vom Strahle, welcher der Gottheit
poranging ,
Sank ich barnieber !
Und der Weltruf : Jehovah !! ſchallte mir nady in das
Dunkel !
( Pauſe. Feierliche Orgeltöne hinter der Scene.)
Als fid meine Seele wieder
Ihrer Sinne mächtig fühlte,
War von einer räthſelhaften ,
Nie gekannten Angſtempfindung
Mir das Innerfte durchbrungen .
War es Wirklichkeit , wat heller,
Wie fein and'res Bild auf Erden ,
Vor dem aufgeſchloff'nen Auge
Des erwählten Geiftes ſtand ?
Träumt ich – oder träum' ich jeßo ?
Alſo wagť ich's , mich zu fragen.
Wie von einem weiten Fluge
War ermattet meine Seele ,
Noch nicht heimild in dem Körper,
249

Den fie lange Zeit verlaſſen ;


Dod erfügt von den Gebilden ,
Die ſie feſſelfrei geſehen.
Fortgeſponnen warb in meinem
Innern nun das Traumgewebe ;
Dod jeßt fühlt' ich , daß ich träume ,
Während früberhin mein Geift,
Unabhängig von dem Körper ,
Auf den höhern Bahnen flog.
Die Empfindung gab für immer
Mir die feſte Ueberzeugung ,
Daß im Schlaf den Staubesbanden
Meine Sinne fich entwanden
Und am Arm der Geiſterbraut *)
3ch das Himmelreid geſchaut.
Aber ſelbſt im tiefern Traume
Fand ich mich in Sions Raume ,
War den Engeln Gotted nah ,
Und die große Paulusſtraße
Lag noch unermeßlich da.
Doch unfähig war ich jeßo ,
Alles wie mit einem ſcharfen
Geifterblick zu überſchauen.
Selbft der Ton der Engeltharfen
Füllte meine Bruſt mit Grauen.
Somerzlich drang der Roſendein
In die wunden Augen ein.
Auch die Sternenſtrahlen wirkten
Blendend auf mein Angeficht,

* ) Orientaliſcher Beiname der weiblichen Engel.


250

Wenn im Raum , bem unbezirkten ,


Schnell verfolgend ſeinen Pfad ,
Einer zum Kryftauftrom trat.
Die Paläfte an den Seiten
Blieben unſichtbar für mid ;
Aue Räume roth und leer ;
Durch die ungeheuern Weiten
Drang der matte Blick nicht mehr.
Im Gefühle banger Leiden
Rief ich bebend himmelan :
Bin ich unwerth , auf der Bahn
Meines Heiles vorzuſchreiten ?
39 , erforen unter Vielen ,
Werde zu den Hoffnungsloſen
Hart am Ziel zurückgeftoßen
Mit verwundeten Gefühlen .
In mir lebt die fefte Treue ,
Die ich ftill dem Seiland ſchwur,
Auf verlaſſ'ner Himmelsflur
Fliehet mich der Geift der Weibe ,
Gleid als wolle Hohner ſprechen
Meiner Menſchheit herben Schwächen.“
Dieſes rief ich mit dem Tone
lingeheuchelten Gebetes ,
Mit ſchmerzvoll erhob'nen Armen ,
Und der Himmel ſien ſich wieder
Seined Pilgers zu erbarmen.
Wenn auch nicht die früb're fraft,
Die Erbebung jeden Sinn's
Meinem Geiſte wiederkehrte ,
Sab ich jeßt doch dad verehrte
251

Bild des großen Paladins.


Freundlich lächelte der Ritter ,
Wie nach dwerem Hochgewitter
Die enthüllte Sommerſonne ;
Seine Augen ftrahlten Wonne ,
Und mich freuend der Vereinung,
Sab id eine Glanzerſcheinung ,
D'rauf die Hand Orlando's zeigte ,
Und vor der er tief fich neigte.
In dem Prachtornat der Raiſer,
Ganz von Purpur überſtrömt,
Mit dem Ahnenſchwert umgürtet,
Tragend die vielfarb'ge Krone
Und den dweren , gold'nen Scepter ,
Stand der große Carol da !
, 3ft der alte Sprud erfüllt ? "
Alſo rief er ernſt und mild
Zum geliebten Paladin.
,,Darfft du jest für immer weilen
An dem Ort der Seligkeit ,
Die nicht Unterbrechung fennt ,
o bir fonft für kurze Tage
Nur der Eintritt war vergönnt.
Nach dem lichtblid fühlteſt du
Schmerzlicher nur deine Plage,
Eilteft — fliehend jede Frage
Unſer'm Dornenthale zu ,
Das wir zu beſel'gen trachten ,
Wo die Unverſöhnten ſchmachten.
þört 3ebovah meine Klage
Mit dem Dor der Gnade an ?
252

Steigen bald ſie himmelan ,


Die für mich gefochten haben ,
Die der Strafe Hand begraben ?
Hör' ich bald die Sieg'dgeſänge ?
3d verzieh' - Gott richtet ſtrenge !
Doch die milden Engel führen
Reuige vor ſeinen Thron ;
Werb? ich nimmer dich verlieren ,
Den ich lieb' wie meinen Sohn ? "
Alſo ſprach der große Herrſcher,
Und die Geiſterzähren perlten
Auf ehrwürd'gem Angeſicht.
Sym entgegnete Orlando:
,, Bei der Thräne , die hier blinkt,
Komm' ich an zum ew'gen Frieden.
Vater ! *) meine Rechte winkt
Allen , die das Grab noch hüten ;
Gottes Kreuz erglänzt im Süden ,
Wo bas Mohrenreid verſinkt,
Brüder ! fteiget auf vom Thal;
Ach ! ihr mußtet lange büßen !
Laßt die Freudenthränen fließen !
Engelshände führten dieſen
Retter ung nach Ronceval.
Auf , ihr Schläfer! Auf vom Thal !! "
Solched ſprach der Paladin .
,, Turpin ! thu ', was beines Amtes "
Rief vou Luft der große Kaiſer,
Und et trat aus Purpurwolfen
*) Su nannte Orlando oft Carl ben Großen .
253

Ernſt ein heil'ger Mann hervor ;


Tragend eine gold'ne Urne
Und geſchmüct, wie an dem Feſttag,
Wenn ſich alle Häupter neigen ,
Sid die erſten eurer Prieſter
In den Tempelhallen zeigen.
Mit den Fluthen neuer Weihe
Neßt er , unter Segendworten ,
Meine tiefgebeugte Stirne.
Raum zu tragen war die Luft,
Die nun meine Seele füllte;
Die verlor'ne Kraft fam wieder ,
Schnell von Gott mir beimgegeben ,
Und ein neues , ſchön'res Leben
Ging am Borne der Erkenntniß
In ber vouften Klarheit auf.
Heimiſch war ich unter Engeln ,
Ein geweihter Himmelsbürger ,
Und Jeruſalem , die Ewige ,
Stand in alter Pracht vor mir.
Jego ſprach der würdige Biſdof:
„Heil dir ! in der Stadt des lammes ;
Heil dirl aus des Prieſter $ Mund.
În dem Namen deines Stammes
Komm' zum großen Gnadenbund ! "
Ruft's und legt die heiligen Hände
Dreimal regnend auf mein Haupt.
Unterbeß war Raiſer Carol
Mit purpurnem Wolfenthrone
Aufgeſtiegen in die boben
Lüfte , die wie Roſen glüh'n ;
254

Stets begleitet von dem froben ,


Dem verklärten Paladin.
Hörner und Trompeten datiten
Zu den himmliſchen Poſaunen .
Unter'm Vorflug von zwei Engeln
Aus den Reihen Michaels ,
Ritten mit geldwung'nen Fahnen
Ade Brüder meines Stammes ,
Wohl zwölftauſend an der 3abl ,
Angeführt von Abenhamet ;
Ganz mit Purpurlicht umgoffen
Ilnd berührt vom Sternenſchein ,
Auf goldrothen Sonneuroffen
In die ew'ge Sion ein !
Dreimal beilig ! fang der Biſchof,
Und Espona's Königogeiſter
Zeigten ſich auf den Palläften ;
In der Höh' der dritten Reihe
War nun Kaiſer Carol ſichtbar,
Und fein Wolkenſiß verweilte
Ruhig mit gethürmten Maffen.
Auf den Stufen ſtand Orlando ,
Und die Abenc'ragen ritten ,
Rechts und links am Raiſerthrone,
In gewaltiger Schwenkung auf.
Welch ein Staunen faßte mic !
Welche nie gefühlte Regung !
A16 in ſtürmiſcher Bewegung
Sich verwandelten die Brüder !
Aus den urbans wurden Helme ,
Statt des Kaftans wand derHarniſo
255

Sid um fampfgeftähite Glieder.


Die gekrümmten Sqwerter flammten
3n geraden Strahlen auf.
Männerſchönheit ſondergleichen
Schien fid hier noch zu erhöh'n ,
Und Verklärung zu erreichen ,
Denn das heilige Kreuzeszeichen
War auf jeder Bruſt zu ſeh'n !
Alſo ftanden meine Brüder ,
Meiner Erdenqual Vertraute ,
Glänzend , wie ich nie fie ſchaute,
Wie audy nie die Welt fie fab ,
Um dem wahren Gott zu dienen ,
Als ein Heer von Palabinen
Vor dem großen Kaiſer da.
Biſchof Turpin mit der Urne ,
Die fid unerſchöpflich zeigte,
Flog dahin ob ihren Häuptern ,
Und die Königsgeiſter ſangen
Von Juwelenzinnen nieder :
Heil und Friede allen Guten !
Und die klaren Weibefluthen
Perlten auf der Stirn der Brüder.
Aber über'm Throne Carolo
War zu ſehen die Prophetin ,
Der ein hoher Preis gebührt ,
Die mich von Karthama's Bergen
Zu des Dornenthales Särgen ,
Dann zum Himmelreid geführt.
Heller noch war das Gewand ,
Das die zarten Glieder foomädte ,
256

Als ich früher es erblickte,


und ein Silberkreuz erhob ſich
Aus der ſchönen Marmorhand ;
Die prophetiſche Tiara
War zum heil'gen Strahl geworden ,
Der die edle Stirn umwand.
Von des Morgens Roſenpforten
Schienen Wiederſchein die Wangen ,
Und des Mundes Töne klangen
Lieblidher, als die Suffara,
Während ihrer Loden Prangen
Glich dem Goldſchiff der Zoharah.
,,Jeſus Chriftus hat ſich heute
Der geliebten Stadt gezeigt ;
Seid willkommen , ihr Befreite!
Die ihr auf nach Sion ſteigt."
Alſo rief die ſchöne Heilige ,
Und ich ſah mit neuem Staunen ,
Wie ein großes Geiſterbeer
In der alten Frankenrüſtung,
Von Olivier angeführt ,
Durch die Paulusftraße zog.
Roland rief: ,, Erblid ft du mich ? "
Und die Freunde grüßten fich.
Aber Abenhamet flog
Plößlich von dem hohen Roſſe
In das Purpurlicht empor !
Denn der Heiligen zur Seite
Zeigte ſich im Strablenkleide
Alfaïma ! – die in Trauer
3eßt vor euerm Auge fteht!
257

Dort kennt man nur jene Thräne ,


Die berflärte Freude weint ;
Von des Engels Hand vereint
Ward in Sion Alfaïma
Mit dem langentbehrten Freund.
Als ſie Beide mild geſegnet ,
Flog die Heilige zum ſchönen ,
Ew'gen Roſenhimmel auf.
Höher , immer höber, bis fie
Endlich wie ein klares Sternbild
Ihre Strahlen niederſendet ,
Wo die Engel fie empfangen ,
Die ſchon früher jubelnd ſangen :
„ Schön haſt du dein Werk vollendet !"
Carol von dem Thron der Ebre
Sah herab auf ſeine Heere ;
Unter'm Schall der Königschöre
Auf den Diamantpaläſten
Winkt er Roland dem Erlöſ'ten ;
Wandt ' ihm dann das liebewarme
Angeſicht zum Ruffe bin ,
Und in ſeines Kaiſero Arme
Sanf verföhnt - der Paladin !
Id erwacte !
Iſabella.
Der große Gott , der einen Engel fandte,
Didh einzuführen in das Himmelreich,
Hat uns den Willen und die Macht verlieh'n ,
Hier Wirkligkeit dem Traume beizufügen,
Dem Wunſde Deines Herzens zu genügen.
Quffenberg's ſämmtl. Werte XII. 17
:: 258

Wir nehmen jeßt Karthama's Huid'gung an.


Euch führen wir auf Jeſu Chrifti Bahn ,
Und zu beweiſen , wie wir Die verehren ,
Die mit Vertrau'n fich Santa Fé genaht ,
Verleih'n wir jedes Vorrecht Eurer Stadt ,
Das unſ're Herrſcherhuld ihr kann gewähren.
Und in Kartbama's Raum , an jener Stelle ,
Wo der prophet'ſche Engel Dir erſchien ,
Erbau'n wir eine heilige Rapelle
Zum Ruhme unſ'rer Himmeløfönigin ,
Dem Ziel für jedes chriftliche Berlangen ,
Die unbefledt den ew'gen Sohn empfangen !
( Ximenes erſcheint von der andern Seite rechts, den Abenceragen gegenüber,
im Ornate. Chorknaben mit brennenden Lichtern und Weihrauchfäſſern gehen
ihm vor , und andere , große Silbergefäße und Taufgeräthſchaften tragend ,
ſammt zwei dienenden Prieſtern ron der Kapelle der Königin . Sie ſtellen
ſich den Abenceragen gegenüber auf. )

Jrabella.
Erheb' Dein Auge , Führer dieſes Stammes !
Ein zweiter Turpin ſchreitet Dir entgegen ;
Du ſtehſt auch hier im Himmelshaus des Lammed ,
Und die Erfenntniß giebt Dir ihren Segen.
Die Gnadenfluth beneße jene Stirnen ,
Von deren Höh' der alte Turban finkt.
Ein neues Leben hat Euch zugewinft.
Die Engel jubeln , die Verdammten zürnen ;
Der Weih'tag ſtrahlt wie Sions Wiederſchein ;
Er grüßet Abenzurrahs edle Söhne ,
Vor ſeinem Glanze trocknet jede Thräne.
Ihr werdet Rämpfer Jeſu Chriſti ſein ,
Und Euerm Führer , den der Herr erwählt ,,
259

Die Bruft ihm füllend mit bes Glaubens Samen ,


Räum' id die Grafſchaft Campótéjar ein.
Espona's Edlen werd' er beigezählt
Mit neuer Macht und einem neuen Namen.
( Zum Chor. )
Auch Euch werd' ich zum Siß der Ehre heben ,
Die Stufen baut 3hr felbft im fünft'gen Leben
Durd Wort und hat und driftliches Beſtreben ;
Den Beſten , die ſich je berufen nannten ,
Wird Eure Enkelwelt zur Seite geh'n ,
Und einftens — als des Reiches würd'ge Granden
In Altcaftilla's hohem Thronſaal ſteh'n .
Chor der Abenceragen.
Auf dem neuen , klaren Pfade
Harren wir der Fluth der Gnade.
( Alfaïma überblidt freudig den Chor und erhebt dann , wie dankend , die
Hände gegen Himmel.)
grabella (su ibr).
Und Du , der es gelang , den erſten Bau
Des Glaubens in Rarthama zu begründen ,
Von deren Höbe nun der Halbmond wid ,
Aid fönigliche Schwefter grüß' ich Dich !
Du wirft der wahren Kirche Dich verbinden
Und einft in heilgen Mauern Ruhe finden.
Des gold'nen Reifes fiebft Du Did beraubt ,
Um welchen und ſo Biele ftets beneiden ,
Statt ſeiner drüdet Gott Dir auf das Haupt
Die heil'ge Krone unverdienter leiden.
( Alfaïma iniet betend nieder.)
17 *
260

Iſabella (zu den Spaniern ).


Sie folgt dem ſchönen Beiſpiel der Caſilda,
Des toledaniſchen Almamons hebrer Tochter.
In Roſen hat der Herr das Brod verwandelt ,
Das ſie zu den gefang’nen Chriſten trug ;
Dem Vater warb nie klar , wie fie gebandelt ,
Die Edle blieb verſdont von ſeinem Fluch ,
Bis er ſie frank zum See Viruéscas fandte ,
Der damals don Vincentium Sdüßer nannte ,
Wo fich zum Chriſtenthum ihr Herz befannte,
Bis ſpäter fie als reine Himmelsbraut
Dem Heiland aller Welten ward getraut.
In einer bunkeln , abgeſchied'nen Zelle,
Nicht auf dem Throne ward ihr Daſein belle ;
Und als nach ihrem Tod in der Kapelle
Bei Kerzenſchein das ſchwarze Caftrum ftand,
Hat Gott den Heiligen herabgeſandt,
Der unſer Reich bewacht und ſeinen Thron.
Indeß die Nonnen mit betbränten Wangen
Den Trauerpfalm und die Vigilien Tangen ,
Stand am Altar der große Scuppatron ;
Und als die Opfer nun beendet waren ,
Da fonnte man Caſilda's Geift gewahren ,
Der , mit dem Lilienkranze in den Haaren ,
Dreimal den Kreis um's Kreuz des Caftrums zog
Und mit Sanct 3ago bann zum Himmel flog.
Seit dieſer felt'nen , wundervollen Blüthe
Und feit Benabads ſtrahlender Zaïde * ),
Der Göttliches Sanct 3fidor vertraut,
*) Von beiden Mohrenfürſtinnen ſpricht der fromme Rogatis am ausführlichs
ſten im dritten Theile reines wiedereroberten Spanien8.
261

Hat Spanien fein gleidhes Bild erſchaut,


Bis auf die neue, ſchöne Himmelsbraut ,
Die ſchon vom Glanz der Heiligkeit erglühte.
Die Thrän' verſiegt ! Dein Aug wird wolfenfrei ;
Wir zählen fortan Dich den Unſern bei !
Erft ſchaffe Dich das Bad der Taufe neu ,
Dann fod das Heer gebeugt zu Deinen Füßen
Did als Maria von Granada grüßen !
( Ximenes tritt mit ſeinen Begleitern einen Schritt vor ; da verſchwindet der
Mittelvorhang und ein großes , milderleuchtetes Tableau wird ſichtbar , die
Anbetung Chriſti durch die Weiſen aus Morgenland vorſtellend.)
(Die Abenceragen knieen nieder.)
Jſabella
( in hoher Freude mit ausgebreiteten Armen ) .
Sebt Euer Vorbild , edle Abenc'ragen !
Die Weiſen , die vor dem Erlöſer frieen :
Sie mußten mandes Dornenthal burchziehen ,
Um die Geſchenfe vor den Herrn zu tragen ;
Ein liebliches Geſtirn hat ſie geleitet
Bis an ihr Ziel , vom fernften Sonnenſtrande.
Nicht uns ſei beute der Triumph bereitet.
(Die Sdílüſſel nehmend und gegen die heilige Gruppe erhebend.)
Karthama für den Heiland , der Euch fandte !
Bobl Eud , die 3hr auf ſeinen Pfaden dreitet!
Widkommen , Pilger aus dem Morgenlande !
( Ximenes, zwiſchen der zwei Prieſtern , ſteht den Abenceragen und Al
faïma nahe und regnet fie.)
( Sanfter Chorgeſang weiblicher Stimmen erſthalt von der Höhe über der
Gruppe :)
Das Heil der Welt warb beut' geboren ,
Deo ew'gen Vaters ew'ger Sohn ;
262

Die Nacht , zu dieſem Licht erforen ,


Strahlt heller , als der Sonne Thron.
Vernehmt den Klang vom Engelsliede :
Den Guten Gottes Heil und Friede !!
( Jrabella fniet.)
(Die Uffiſtenten nähern ſich auf Ximenes' Wint, der den Segen ſtil ger
ſprochen . In dieſem Momente fällt der Vorhang.)
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Buchhandlungen Deutſchlands, Deſterreichs und der Schweiz vor
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Jeitteles, Dr. Ignaz. Eine Reiſe nad Rom. Mit
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dem Bildniß des Verfaſſers von Kriebuber. gr. 8.
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Die Sdladt bei Grodow. — Gomez. Der Eb
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Kilzer , Wilhelm. Feierklänge. 184 Seiten 8. in
elegantem Umſchlag gebunden. Rthlr. 1. 5 Sgr. — fl. 2 .
Kittlitz , F. H. von . Vierundzwanzig Ve
getationsansichten von Küstenländern
und Inseln des Stillen Oceans. Aufge
nommen in den Jahren 1827, 28 und 29 auf der
Entdeckungsreise der Kaiserlich Russischen Cor
vette Senjawin unter Capitän Lütke.
Der Cyclus dieser vergleichenden Vegetations
ansichten berührt folgende Länder :
1 ) Die Küste von Chili mit . . 1 Kupfertafel.
2) Die Insel Sitcha an der
Westküste von Nordame
rika 2 >

3) Die Insel Unalaschka der


Aleüten 1
4) Die Insel Ualan im Archipel
der Karolinen . 4
5) Die Korallengruppe der Mort
loks- Inseln mit 2 2

6) Die Insel Guaham d . Marianen 3


7) Die Insel Peel der Gruppe
von Bonin - Sima 3 >

8) Die Halbinsel Kamtschatka 6


9) Die Insel Luzon der Phi
lippinen 2
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à Lieferung Rthlr. 8. — fl. 14. Preis des Ganzen
Rthlr. 24 . fl. 42 rhein .

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