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Deutscher Bundestag Drucksache 12/8350

12. Wahlperiode

Sachgebiet 2129

Dritter Bericht
der Enquete-Kommission
„Schutz der Erdatmosphäre"

zum Thema
Schutz der Grünen Erde
— Klimaschutz durch umweltgerechte Landwirtschaft und Erhalt der Wälder —

Eingesetzt durch Beschluß des Deutschen Bundestages vom 25. April 1991
— Drucksache 12/419 —
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlpe ri ode

Zusammensetzung der Enquete-Kommission


„Schutz der Erdatmosphäre"

Mitglieder

Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), MdB (CDU/CSU)


Vorsitzender

Dr. Liesel Hartenstein, MdB (SPD)


Stellvertretende Vorsitzende

Klaus Harries, MdB (CDU/CSU)


Dr. Peter Paziorek, MdB (CDU/CSU)
Dr. Christian Ruck, MdB, (CDU/CSU)
Trudi Schmidt (Spiesen), MdB (CDU/CSU)
Bärbel Sothmann, MdB (CDU/CSU)
Brigitte Adler, MdB (SPD)
Prof. Monika Ganseforth, MdB (SPD)
Horst Kubatschka, MdB (SPD)
Dr. Klaus Kübler, MdB (SPD)
Martin Grüner, MdB, Parlamentarischer Staatssekretär a. D. (F.D.P.)
Marita Sehn, MdB (F.D.P.)
Prof. Dr. Wilfrid Bach
Prof. Dr. Dr. Rudolf Dolzer
Dr. Ing. Alfred-Herwig Fischer
Prof. Dr. Hartmut Graßl
Prof. Dr. Klaus Heinloth
Prof. Dr. Peter Hennicke
Prof. Dr. Hans-Jürgen Jäger
Prof. Dr. Ing. Eckhard Kutter
Prof. Dr. Klaus Michael Meyer-Abich, Senator a. D.
Prof. Dr. Hans Michaelis, Generaldirektor a. D.
Prof. Dr. Wolfgang Seiler
Prof. Dr. Alfred Voß
Prof. Dr.-Ing. Carl-Jochen Winter

Beratende Mitglieder

Dr. Dagmar Enkelmann, MdB (PDS/Linke Liste)


Dr. Klaus-Dieter Feige, MdB (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sekretariat

MR Roland Jacob (Leiter)


ORR Klaus Aschinger, Jurist
Michael Bisek, Dipl.-Geograph
Bernhard Burdick, Dipl.-Agraringenieur
Dr. Birgit Keller, Dipl.-Physikerin
Dr. Kora Kristof, Dipl.-Volkswirtin
Dr. Martin Rieland, Dipl.-Meteorologe
Ralf Schmidt, Dipl.-Geograph
Dr. Manfred Treber, Dipl.-Physiker
Thomas Fürst (Organisatorische Aufgaben)
Elke Greif (Sekretariatsaufgaben)
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Vorwort

Mit ihrem dritten Bericht legt die Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre"
eine umfassende und fundierte Darstellung des derzeitigen Wissensstandes zum
Thema Klimaänderung, Landwirtschaft und Wälder vor. Die Kommission analysiert
Ursachen und Wirkungen der Spurengasemissionen aus dem Bereich der Landwirt-
schaft und ihre Bedeutung für den Treibhauseffekt ebenso wie das Ausmaß der
Waldvernichtung und der Walddegradation der Erde und die daraus resultierenden
Folgen für das globale Klima. Über die Aktualisierung der Tropenwaldproblematik
hinaus wurden die borealen Wälder der nördlichen Hemisphäre in die Analyse
einbezogen und ein damit bislang zu Unrecht vernachlässigter Bereich aufgearbei-
tet.

Die Themenkomplexe Landwirtschaft und Wälder sind inhaltlich auf vielfältige Art
miteinander verbunden. Der Bericht stellt diese Zusammenhänge und Wechselwir-
kungen dar und schafft damit eine umfassende Grundlage für Handlungsempfeh-
lungen auf nationaler und internationaler Ebene. Die wissenschaftliche Fundiertheit
schafft die Voraussetzung für die notwendige politische und gesellschaftliche
Akzeptanz und belegt gleichzeitig die Dringlichkeit geeigneter Maßnahmen zur
Eindämmung der sich abzeichnenden Klimaänderung.

Die Enquete-Kommission hat dazu

— eine Vielzahl international renommierter Experten angehört

— den aktuellen Diskussionsstand von in- und ausländischen Fachkongressen zu


diesem Themenbereich einbezogen

— wissenschaftliche Gutachten vergeben, die in einer eigenen Reihe „Studienpro-


gramm Landwirtschaft und Wälder" veröffentlicht werden und deren Ergebnisse
in den vorliegenden Bericht eingearbeitet sind

— im Verlauf der Diskussion für den Berichtsentwurf sich von einer Reihe
anerkannter Wissenschaftler beraten lassen

— mit Vertretern internationaler Regierungsorganisationen und Vertretern von


Nichtregierungsorganisationen diskutiert

— die zuständigen Ressorts der Bundesregierung an den Beratungen beteiligt

— und intensive Gespräche mit den zuständigen Mitgliedern der Bundesregierung


geführt.

Ziel der Kommission ist es, mit diesem Bericht Handlungsempfehlungen für die
weltweite Gestaltung und Durchsetzung tragfähiger und somit umwelt- und
klimaverträglicher Formen der Land- und Waldbewirtschaftung, des Waldschutzes
und des Erhaltes noch verbliebener Urwälder vorzulegen.

Die Zeit drängt, es muß schnell gehandelt werden und je eher dies global geschieht,
desto weniger werden zukünftige Generationen belastet. Wir verkennen dabei nicht
die besondere Verantwortung der Industrieländer für die Lösung der anstehenden
Fragen, sehen aber auch die notwendige Einbindung der Entwicklungsländer.
Beides wird in den vorgelegten Handlungsempfehlungen berücksichtigt.

Eine Auseinandersetzung mit dieser umfassenden Problematik muß selbstverständ-


lich davon wesentlich berührte andere Politikbereiche einbeziehen: Internationale
Bevölkerungspolitik sowie über die Klimaschutzfragen hinausgehende Fragen des
Umweltschutzes und der Umweltschutzpolitik. Dabei ist auch die wirtschaftliche
und wirtschaftspolitische Fragestellung mit einzubeziehen. Wir gehen davon aus,
daß das vorliegende Konzept diesen umfassenden Anspruch erfüllt.

Ich bitte alle, die diesen Bericht lesen, um Anregungen, Hinweise und konstruktive
Kritik.
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Mein herzlicher Dank gilt der Präsidentin des Deutschen Bundestages für die
wohlwollende Unterstützung, die sie der Kommission gewährt hat. Mein Dank gilt
allen Kommissionsmitgliedern für die intensive Kooperation. Meinen besonderen,
persönlichen Dank und den der Kommission möchte ich dem Sekreteriat für seinen
beispiellosen und vorbildlichen Einsatz sowie die ausgezeichnete und vertrauens-
volle Zusammenarbeit aussprechen.

Bonn, den 27. Juli 1994

Dr. Klaus. W. Lippold, MdB


Vorsitzender der Enquete-Kommission
„Schutz der Erdatmosphäre"
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Inhaltsverzeichnis

Seite

Abschnitt A
Klimaänderung und Ozon 14

1. Anthropogene Klimabeeinflussung — Die Rolle der Landwirtschaft


und der Wälder 14
1.1 Charakteristika unseres Klimasystems 14

1.2 Eingriffe des Menschen in das Klimasystem durch Nutzung der


Landoberflächen 14

1.3 Klimarelevante Spurengase — Der anthropogene Treibhauseffekt 16

1.3.1 Volumenanteile und Treibhauspotentiale 17

1.3.2 Ursachen und Verursacher — klimarelevante Emissionen im Land-


wirtschafts- und Waldbereich 18

1.3.3 Der CO 2 -Kreislauf 19

1.4 Klimavorhersage 21

1.5 Erkennbare Klimaänderungstendenzen 22

1.6 Quintessenz 24

2. Veränderung des Ozongehaltes durch den Menschen 25

2.1 Grundlagen: Ozonbildung, -transporte und mittlere Trends 25

2.2 Auswirkungen der anthropogen bedingten Änderung des Ozonge


haltes 25

2.3 Stratosphärischer Ozonabbau 27

2.4 Troposphärische Ozonzunahme 30

2.5 Ozonrelevante Emissionen im Landwirtschafts- und Waldbereich . 31

3. Literaturverzeichnis zu Abschnitt A 32 -

Abschnitt B
Klimaänderung und Landwirtschaft 34

Zusammenfassung und zentrale Empfehlungen 34

1. Bedeutung der Landwirtschaft 37

1.1 Ökonomische Bedeutung der Landwirtschaft 38

1.1.1 Landwirtschaftliche Flächennutzung in der Bundesrepublik Deutsch


land 38

1.1.2 Formen und Intensitätsstufen der landwirtschaftlichen Produktion 39

1.1.3 Strukturwandel in der Landwirtschaft 42

1.1.4 Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik im Jahr 1992 52


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1.1.4.1 Maßnahmen der Agrarreform 52

1,1.4.2 Auswirkungen der Agrarreform 54

1.1.5 Blick auf die internationale Landwirtschaft 56

1.2 Ökologische Bedeutung der Landwirtschaft 57

1.2.1 Negative Wirkungen der Landwirtschaft auf die Umwelt 57

1.2.2 Positive Wirkungen der Landwirtschaft auf die Umwelt 58

2. Beitrag der Landwirtschaft zur Emission klimawirksamer Spuren


gase 58

2.1 Methan (CH 4 ) 59

2.1.1 Methankreislauf 60

2.1.2 Methanemissionen bei der Tierhaltung 61

2.1.3 Methanemissionen aus tierischen Exkrementen 64

2,1.4 Naßreisanbau 67

2.1.5 Biomasseverbrennung 70

2,1.6 Indirekte Einflüsse der Landwirtschaft auf die Methanemission aus


anderen Ökosystemen 71

2.2 Distickstoffoxid (N 2 0) 71

2.2.1 Stickstoffkreislauf 72

2.2.2 Mikrobiologische Prozesse 74

2.2.2.1 Nitrifikation 74

2.2.2.2 Denitrifikation 75

2.2.3 Distickstoffoxidemissionen 76

2.2.3.1 Düngung 76
-
2.2.3.2 Biomasseverbrennung 87

2.2.3.3 Indirekte Einflüsse der Landwirtschaft auf die Distickstoffoxidemis-


sionen aus anderen Ökosystemen 88

2.3 Kohlendioxid (CO 2 ) 88

2.3.1 Kohlendioxidkreislauf 88

2.3.2 Landnutzungsänderungen 88

2.3.2.1 Ausmaß der Landnutzungsänderungen 89

2.3.2.2 Kohlendioxidemissionen 92

2.3.3 Degradation der Böden 93

2.3.3.1 Humusabbau, Bodenerosion und Bodendegradation 93

2.3.3.2 Kohlendioxidemissionen 98
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2.3.4 Verbrauch fossiler Energieträger 98

2.3.4.1 Energieeinsatz 98

2.3.4.2 Kohlendioxidemissionen 103

2.4 Indirekt klimawirksame Spurengase 106

2.4.1 Ammoniak (NH 3 106

2.4.2 Kohlenmonoxid (CO) 110

2.4.3 Stickstoffoxide (NOx) 111

2.4.4 Nicht-Methan-Kohlenwasserstoffe (NMHC) 111

2.4.5 Gasförmige Schwefelverbindungen 112

3. Auswirkungen von Klimaänderungen auf die Landwirtschaft 112

3.1 Auswirkungen auf den Pflanzenanbau 113

3.1.1 Wirkungen von klimatischen Faktoren auf Pflanzen 113

3.1.1.1 Strahlung 113

3.1.1.2 Temperatur 113

3.1.1.3 Niederschlag 116

3.1.1.4 Wind 116

3.1.2 Wirkungen der Zunahme atmosphärischer Spurengase auf


Pflanzen 116

3.1.2.1 Kohlendioxid (CO 2) 116

3.1.2.2 Troposphärisches Ozon 120

3.1.3 Wirkungen der UV-B-Strahlung auf Pflanzen 123

3.1.4 Wirkungen von klimatischen Faktoren auf Böden 125

3.1.5 Wirkungen auf die Produktqualität 126

3.1.6 Auswirkungen auf die Produktionstechnik 126

3.2 Auswirkungen auf die Tierhaltung 129

3.3 Auswirkungen auf die Welternährung 130


-
3.3.1 Quantitative Abschätzung von Ertragsveränderungen 130

3.3.2 Derzeitiger Stand und weitere Entwicklung der Welternährung 131

4. Handlungsoptionen und Potentiale zur Verringerung des Beitrages


der Landwirtschaft zur Emission klimawirksamer Spurengase 136

4.1 Derzeitige Situation der Weltlandwirtschaft 136

4.1.1 Intensivlandwirtschaft in Europa 136

4.1.2 Landwirtschaft in den Entwicklungsländern 136

4.1.3 Globale Umweltprobleme durch nicht nachhaltige Landbewirtschaf


tung 137

4.1.4 Drohende Gefahren durch die Klimaänderung 137

4.1.5 Konsequenzen für die Ernährung der Weltbevölkerung 137

4.1.6 Zielsetzung für die künftige globale Landbewirtschaftung 138


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Seite

4.1.7 Politische Grundlagen zur globalen Umsetzung einer nachhaltigen


Landbewirtschaftung 138

4.1.8 Definition einer nachhaltigen Landbewirtschaftung 139

4.2 Handlungsoptionen auf nationaler und europäischer Ebene 140

4.2.1 Maßnahmen zur Reduzierung von Methanemissionen (CH 4 ) 141

4.2.1.1 Reduzierung der Tierbestände 142

4.2.1.2 Bindung der Tierhaltung an die Fläche 142

4.2.1.3 Reduzierung der Methanemission je Produkteinheit 143

4.2.1.4 Verringerung der Methanemissionen aus den Exkrementen 143

4.2.2 Maßnahmen zur Reduzierung von Distickstoffoxidemissionen


(N20) 144

4.2.2.1 Flächenbezogene Stickstoffbilanzierung 145

4.2.2.2 Verteuerung und Begrenzung des mineralischen Stickstoffdüngers 145

4.2.2.3 Bindung der Tierhaltung an die Fläche 147

4.2.2.4 Bewirtschaftungsmaßnahmen zur Beeinflussung der Distickstoff-


oxidemissionen 149

4.2.3 Maßnahmen zur Reduzierung von Ammoniakemissionen (NH 3 ) 150

4.2.3.1 Reduzierung der Tierbestände/Bindung der Tierhaltung an die


Fläche 150

4.2.3.2 Reduzierung der Ammoniakemissionen je Produkteinheit 151

4.2.3.3 Gewinnung, Lagerung, Aufbereitung und Ausbringung von Wirt-


schaftsdüngern 151

4.2.3.4 Herstellung und Ausbringung von stickstoffhaltigen Mineraldün


gern 153

4.2.4 Maßnahmen zur Reduzierung von Kohlendioxidemissionen (CO 2 ) 153

4.2.4.1 Bodenschutz und Humuswirtschaft 154

4.2.4.2 Senkung des Energieverbrauchs in der Landwirtschaft 155

4.2.4.3 Anbau nachwachsender Rohstoffe und Energieträger 156


-
4.2.5 Rahmenbedingungen zur Gestaltung einer nachhaltigen Landbe-
wirtschaftung 160

4.3 Handlungsoptionen auf internationaler Ebene 162

4.3.1 Veränderungen der politischen und ökonomischen Rahmenbedin-


gungen des Welthandels und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit 163

4.3.1.1 Welthandel 163

4.3.1.2 Wirtschaftliche Zusammenarbeit 164

4.3.2 Verringerung des Bevölkerungswachstums 165

4.3.3 Technische Entwicklungszusammenarbeit 166

4.3.3.1 Agroforstwirtschaft 166

4.3.3.2 Methan-Reduktion im Reisanbau 167

4.4 Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission 167

4.4.1 Handlungsempfehlungen auf nationaler und europäischer Ebene 168


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Seite

4.4.1.1 Veränderung der agrarpolitischen Rahmenbedingungen im Hinblick


auf die Umsetzung einer nachhaltigen umweltverträglichen Landbe-
wirtschaftung 168

4.4.1.2 Maßnahmen zur Reduzierung von Methanemissionen (CH 4 ) 168


4.4.1.3 Maßnahmen zur Reduzierung von Distickstoffoxidemissionen
(N 2 0) 169
4.4.1.4 Maßnahmen zur Reduzierung der Ammoniakemissionen (NH 3 ) 169

4.4.1.5 Maßnahmen zur Reduzierung von Kohlendioxidemissionen (CO 2 ) 170


4.4.2 Handlungsempfehlungen auf internationaler Ebene 171

4.4.2.1 Veränderungen der politischen und ökonomischen Rahmenbedin-


gungen des Welthandels und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit 171

4.4.2.2 Maßnahmen zur Verringerung des Bevölkerungswachstums 171

4.4.2.3 Technische Entwicklungszusammenarbeit im Agrarsektor 171

4.5 Möglichkeiten der Anpassung der Landwirtschaft an die Klimaände


rung 172

4.6 Forschungsbedarf 173

5. Literaturverzeichnis zu Abschnitt B 174

Abschnitt C
Klimaänderung und Wälder 181

Zusammenfassung und zentrale Empfehlungen 181

1. Die Wälder der Erde 185

1.1 Verbreitung und Gliederung 185

1.2 Das Ökosystem Wald 185

1.3 Bedeutung der Wälder für den Menschen 187

1.4 Historische Entwicklung und aktuelle Gefährdung der Wälder 188


-
1.5 Die Zukunft der Wälder in einem veränderten Klima 189

1.6 Zeit zu Handeln 190

1.6.1 Maßnahmen außerhalb der Wald- und Holzwirtschaft 190

1.6.2 Herausforderung für die Wald- und Holzwirtschaft 190

2. Die Wälder der borealen Zone 191

2.1 Geographische Verbreitung 191

2.2 Vegetationsgeographische Gliederung 192

2.3 Evolution, Struktur und Entwicklungsdynamik borealer Waldökosy


steme 194

2.4 Die Bedeutung der borealen Wälder 196

2.4.1 Der Einfluß der borealen Wälder auf das regionale und globale
Klima 196
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Seite

2.4.2 Biodiversität 198

2.4.3 Lebensraum für die heutige Bevölkerung, speziell für indigene


Völker 199

2.4.4 Wirtschaftliche Bedeutung 199

2.4.5 Schutz- und Erholungsfunktion 200

2.5 Die Beeinflussung der borealen Wälder durch den Menschen 201

2.5.1 Holzeinschlag 203

2.5.2 Feuer und Schädlingsbefall 205

2.5.3 Erschließung und industrielle Entwicklung 205

2.6 Waldnutzung und -gefährdung in der ehemaligen Sowjetunion 206

2.6.1 Forst- und Holzwirtschaft in der ehemaligen Sowjetunion 206

2.6.2 Gefährdung durch Feuer 209

2.6.3 Gefährdung durch die fortschreitende Erschließung Sibiriens und die


Emissionen aus der Industrie 210

2.7 Nutzung und Gefährdung der Wälder in Kanada 211

2.7.1 Die kanadische Forst- und Holzwirtschaft 211

2.7.2 Gefährdung durch Feuer und Insekten 215

2.7.3. Industrielle Erschließung 217

2.8 Waldnutzung und -gefährdung in Fennoskandien 219

2.8.1 Der Einfluß der Forst- und Holzwirtschaft 219

2.8.2 Schadstoffeintrag in die Wälder 220

3. Die Wälder der gemäßigten Zone 221

3.1 Abgrenzung und geographische Verbreitung 221

3.2 Die Waldtypen in der gemäßigten Zone 223

3.3 Die Entwicklung der Wälder der gemäßigten Zone 224

3.4 Die Bedeutung der Wälder der gemäßigten Zone 225


-
3.4.1 Bedeutung für das globale Klima 226

3.4.2 Wirtschaftliche Bedeutung 226

3.5 Die neuartigen Waldschäden 228

3.5.1 Inventurmethoden und beobachtetes Ausmaß 229

3.5.1.1 Bundesrepublik Deutschland 229

3.5.1.2 Europa 231

3.5.2 Ursachen der Waldschäden 233

3.5.3 Die Rolle des Eintrags von Luftverunreinigungen in die Wälder 233

3.5.3.1 Direkte Wirkung von Schadgasen auf die oberirdischen Pflanzen


teile 237

3.5.3.2 Wirkungen langfristiger Stoffzufuhr und -anreicherung im Boden . 238

3.5.4 Fazit 241

3.6 Sonstige Waldgefährdungen 242


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3.6.1 Waldbrände 242

3.6.2 Wildschäden 243

4. Bestand und Gefährdung der tropischen Wälder 245


4.1 Geographische Verbreitung, Gliederung und Ökologie der tropi
schen Waldökosysteme 245

4.1.1 Immergrüne tropische Feuchtwälder 246

4.1.2 Regengrüne tropische Feuchtwälder 248

4.1.3 Regengrüne Trockenwälder 248


4.1.4 Tropenwälder auf Sonderstandorten 249

4.2 Die Bedeutung der tropischen Wälder 249

4.2.1 Schutz und Versorgungsfunktion 249

4.2.2 Die Rolle für das regionale und globale Klima 249
4.2.3 Brennholzgewinnung und Nutzholzeinschlag 250

4.3 Ausmaß der Vernichtung und Degradation tropischer Wälder 256

4.4 Ursachen der Tropenwaldvernichtung und -degradation 258

4.5 Folgen der Tropenwaldvernichtung 261

4.5.1 Auswirkungen auf das regionale und globale Klima 261


4.5.2 Ökologische Folgen 262

4.5.2.1 Artenverluste 262

4.5.2.2 Bodenerosion und -degradation 263

5. Auswirkungen künftiger Klimaänderungen auf die Wälder 265


5.1 Ökosystemare Grundlagen 265

5.2 Nacheiszeitliche Entwicklung der Wälder 266

5.3 Die zukünftige Entwicklung der Wälder in einem sich verändernden


Klima 267

5.3.1 Ausmaß der zu erwartenden Klimaänderung 267

5.3.2 Auswirkungen auf Ökosystemprozesse 267


-
5.3.2.1 Auswirkung einer Veränderung der Temperatur- und Feuchtever-
hältnisse 268

5.3.2.2 Auswirkungen extremer Witterungsereignisse 269

5.3.2.3 Wirkungen eines erhöhten CO 2 -Gehaltes in der Atmosphäre 269


5.3.2.4 Auswirkungen erhöhter UV-B-Strahlung 271

5.3.3 Fazit 271

5.4 Modellvorhersagen über die zukünftige Verteilung der Wälder 271

6. Die Rolle der Biosphäre im globalen Kohlenstoffkreislauf und der


Einfluss des Menschen 273

6.1 Der globale Kohlenstoffkreislauf und die Rolle der Biosphäre 273

6.2 Der Kohlenstoffhaushalt der Biosphäre 276

6.2.1 Wälder 277


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Seite

6.2.2 Ökozonen ohne Waldbedeckung 282


6.2.3 Fazit 283

6.3 Möglichkeiten zur zusätzlichen Kohlenstoffeinbindung im Bereich


der Forst- und Holzwirtschaft 283
6.3.1 Potentiale zur Kohlenstoffeinbindung durch Aufforstung nichtbewal
deter Flächen 284
6.3.2 Erhöhung der Biomassendichte in bestehenden Wäldern 287
6.3.3. Erhöhung der Kohlenstoffspeicherung in Holzprodukten und Ersatz
energieintensiver Materialien durch Holz 288
6.3.4 Ersatz fossiler Energieträger durch Holz aus nachhaltiger Bewirt-
schaftung 290
6.3.5 Fazit 290

7. Bisherige Maßnahmen, Handlungsmöglichkeiten und Empfehlun


gen zum Schutz der Wälder 291
7.1 Situationsanalyse 292

7.2 Allgemeine Zielsetzungen und Handlungsfelder 293

7.3 Handlungsoptionen, Instrumente und Empfehlungen zum Schutz der


temperierten Wälder 294
7.3.1 Instrumente zur Veränderung waldschädigender Emissionen 294
7.3.2 Schutz und nachhaltige Bewirtschaftung 297
7.3.3 Empfehlungen der Enquete-Kommission zum Schutz der temperier-
ten Wälder 297
7.3.3.1 Empfehlungen für die internationale Ebene 297
7.3.3.2 Empfehlungen für die nationale und die EG-Ebene 299

7.4 Handlungsoptionen, Instrumente und Empfehlungen zum Schutz der


borealen Wälder 301
7.4.1 Handlungsoptionen und Instrumente 302
7.4.2 Empfehlungen der Enquete-Kommission zum Schutz der borealen
Wälder 302
7.4.2.1 Verstärkung der internationalen Kooperation mit den Nachfolgestaa
ten der ehemaligen Sowjetunion 302
-
7.4.2.2 Entwicklung und Umsetzung von Schutz- und nachhaltigen Nut-
zungskonzepten in den borealen Wäldern Nordamerikas 303

7.5 Handlungsoptionen, Instrumente und Empfehlungen zum Schutz der


Tropenwälder 303
7.5.1 Handlungsoptionen und Instrumente 303
7.5.1.1 Tropenforst-Aktionsprogramm (TFAP) 303
7.5.1.2 Pilotprogramm zum Schutz der brasilianischen Regenwälder 303
7.5.1.3 Schuldenerleichterungen und -erlaß 304
7.5.1.4 Globale Umweltfazilität (GEF) 305
7.5.1.5 Internationales Tropenholz-Übereinkommen (ITTA) und Internatio
nale Tropenholzorganisation (ITTO) 306
7.5.1.6 Einführung eines Labels für Tropenholz aus nachhaltiger Bewirt-
schaftung 306
7.5.2 Empfehlungen der Enquete-Kommission zum Schutz der Tropen-
wälder 306
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Seite

7.5.2.1 Bewertung der bisherigen Bemühungen auf der Basis der Empfeh-
lungen der Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdat-
mosphäre" 306
7.5.2.2 Globale Analyse und kritische Bewertung der bi- und multilateralen
Bemühungen zum Tropenwaldschutz 308
7.5.2.3 Entwicklung und Umsetzung einer sozial- und umweltverträglichen
Landnutzungsplanung in den Tropenwaldländern 308
7.5.2.4 Entwicklung und Umsetzung tragfähiger Schutzkonzepte 308
7.5.2.5 Entwicklung und Umsetzung nachhaltiger Bewirtschaftungsme-
thoden 309
7.5.2.6 Ausweitung von umweltverträglichen und von der Bevölkerung
akzeptierten Aufforstungen 309
7.5.2.7 Festschreibung nachprüfbarer Kriterien für nachhaltig erzeugte
Holzprodukte und Einführung eines Tropenholzlabels 310

7.6 Klima- und umweltverträgliche Holzverwendung 310


7.6.1 Handlungsoptionen und Rahmenbedingungen 310
7.6.1.1 Effiziente Nutzung des eingeschlagenen Holzes 311
7.6.1.2 Vermeidung und Wiederverwertung von Produkten aus Papier- und
Pappe 312
7.6.1.3 Energetische Nutzung von Holz und Holzabfällen 312
7.6.2 Nationale Rahmenbedingungen und Handlungsfelder 314
7.6.3 Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission im Bereich
klima- und umweltverträglicher Holzverwendung 315
7.6.3.1 Maßnahmen auf der internationalen Ebene 315
7.6.3.2 Maßnahmen auf der nationalen Ebene 316

7.7 Internationale Konvention zum Schutz der Wälder 317


7.7.1 Rechtliche Grundlagen und Möglichkeiten 317
7.7.2 Empfehlungen der Enquete-Kommission zur Ausarbeitung und Ver-
abschiedung einer Internationalen Konvention zum Schutz der Wäl-
der 319
7.7.2.1 Struktur der Konvention 319
7.7.2.2 Inhaltliche Eckpunkte 319
7.7.2.3 Zeitplan für die Verabschiedung einer Internationalen Waldkonven
tion 323 -

7.8 Forschungsempfehlungen 323


7.8.1 Aktueller Waldbestand und globale Waldflächenentwicklung in den
verschiedenen Klimazonen 323
7.8.2 Waldökologie und Stoffhaushalt der Wälder sowie Auswirkungen
künftiger Klimaänderungen 324
7.8.3 Waldwirtschaftliche Möglichkeiten zur Eindämmung des anthropo-
genen Treibhauseffektes 324
7.8.4 Ökonomische Bewertung der vielfältigen Leistungen der Wälder . 324
7.8.5 Effiziente und sparsame Holzverwendung 324

8. Literaturverzeichnis zu Abschnitt C 325


Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Abschnitt A — Klimaänderung und Ozon

1. Anthropogene Klimabeeinflussung — Die Rolle der Landwirtschaft


und der Wälder

1.1 Charakteristika unseres Klimasystems natürliche Klimavariabilität zu einem wesentlichen


Teil zurückzuführen ist. So werden natürliche Klima-
Das Klima ist durch den statistischen Ablauf aller schwankungen z. B. durch großräumige Änderungen
Wetterereignisse — gemittelt über einen Zeitraum der ozeanischen Zirkulation hervorgerufen (10 bis
von mehreren Jahrzehnten — für jedes Gebiet der 1000 Jahre).
Erde definiert. Eine Änderung des Klimas kann nicht
aus einzelnen Extremereignisse (z. B. Jahrhundert-
sommer) abgeleitet werden. Erst durch mehrere Jahr-
zehnte fortlaufende Messungen lassen sich Klimaver-
änderungen, z. B. durch Feststellen eines Trends
und/oder veränderte Häufigkeitsverteilungen von 1.2 Eingriffe des Menschen in das Klimasystem
Wetterereignissen, nachweisen. Dabei ist die häufig durch Nutzung der Landoberflächen
herangezogene Änderung der bodennahen Lufttem-
peratur nur einer von vielen Indikatoren für Klimaän- Durch menschliche Aktivitäten wird die chemische
derungen. Niederschlag, Bewölkung, Wind, Boden- Zusammensetzung der Atmosphäre verändert und die
feuchte aber auch Häufigkeit, Intensität und Vertei- Oberfläche der Erde umgestaltet. Beides beeinflußt
lung von Wetterereignissen über das Jahr sowie die unser Klima. Die zunehmende Bewirtschaftung und
zeitliche Veränderung der Fläche und der Volumina Ausdehnung der landwirtschaftlich genutzten Flä-
von Gletschern sind ebenfalls wichtige Klimagrö- chen sowie der Eingriff des Menschen in natürliche
ßen. Ökosysteme kann zu merklichen Änderungen der
Energieflüsse innerhalb des Klimasystems und damit
Die Ursachen der im Verlauf der Erdgeschichte beob- zu signifikanten Änderungen des regionalen, aber
achteten Klimaänderungen sind sehr vielfältig. Sie auch des globalen Klimas führen. Diese Klimaände-
lassen sich zeitlich wie auch nach Art der Einfluß- rungen können sich wiederum nachteilig auf das
nahme einordnen. Die für die nachfolgende Diskus- Nutzungspotential der Landflächen für den Menschen
sion relevante Zeitskala für Klimaänderungen umfaßt auswirken.
10 bis 1000 Jahre. Innerhalb dieser in erdgeschichtli-
cher Hinsicht sehr kurzen Zeitspanne wird das Klima Ein weiteres Beispiel einer anthropogenen Beeinflus-
z. B. durch Schwankungen der Sonnenaktivität, durch sung des Klimas der Erde ist der durch menschliche
Vulkanismus, vor allem aber seit Beginn der Industria- Aktivitäten bedingte Anstieg der Konzentrationen
lisierung durch die anthropogene Freisetzung klima- klimarelevanter Spurengase in der Atmosphäre, der
relevanter Spurengase beeinflußt. Dagegen spielen eine erhebliche Störung der Energiebilanz des Plane-
die längerfristig angelegten Klimaänderungen, her- ten (anthropogener Treibhauseffekt) verursacht und
vorgerufen durch periodische Änderungen der Erd- damit eine Änderung der globalen Klimaverhältnisse
bahnparameter (20 000 bis 100 000 Jahre), durch zur Folge haben wird (s. Kap. 1.3). Der beobachtete
Gebirgsbildung (10 000 000 Jahre) oder durch Verän- Anstieg der Konzentration der Treibhausgase ist
derung der Land/Meer-Verteilung aufgrund platten- neben der Verbrennung fossiler Brennstoffe in einem
tektonischer Prozesse (>10 000 000 Jahre) in diesem erheblichen Umfang auf die anthropogene Landnut-
Betrachtungszeitraum keine wesentliche Rolle. zung zurückzuführen, bei der Wälder in landwirt-
schaftlich genutzte Flächen umgewandelt und dabei
Alle bisher aufgeführten Ursachen für Klimaänderun- große Waldgebiete, u. a. durch Rodung mit anschlie-
gen, einschließlich des Einflußfaktors Mensch, wer- ßender Verbrennung der nichtgenutzten Biomasse,
den als äußere Einflüsse, (externe Klimafaktoren) vernichtet werden. Hier werden große Mengen an
bezeichnet, weil keine direkte wesentliche Wechsel- Kohlendioxid, Methan und anderen klimarelevanten
wirkung mit dem Klimasystem besteht oder bekannt Gasen und Partikeln freigesetzt.
ist. Klimaänderungen können jedoch auch durch
innerhalb des Klimasystems selbst angelegte Schwan- Zusätzlich werden klimarelevante Spurengase auch
kungen bedingt sein (interne Klimafaktoren). Das durch den zunehmenden Einsatz von Düngemitteln
Klimasystem ist höchst komplex. Es besteht aus vier (Freisetzung von Distickstoffoxid, oft auch Lachgas
größeren Untersystemen: Atmosphäre, Ozean, Land- genannt, N2O), durch den verstärkten Naßreisanbau
massen und kontinentale Eisschilde (Abb 1.1). Inner- (Freisetzung von Methan, CH 4 ) oder auch durch die
halb sowie zwischen diesen einzelnen Untersystemen zunehmende Viehhaltung (CH 4 ) zunehmend in die
findet ein ständiger, allerdings in sehr unterschiedli- Atmosphäre emittie rt . In den nachfolgenden Kapiteln
chen Zeitskalen ablaufender Austausch von Energie, dieses Berichtes wird auf diesen Beitrag der Landwirt-
Stoffen und Impuls statt, auf den die zu beobachtende schaft und der Wälder ausführlich eingegangen.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

Abbildung 1.1: Kennzahlen des klimatischen Wechselwirkungssystems (nach Flohn,


1985)
Die angegebenen Zeiten sind die für das Klima charakteristischen Zeitskalen
in den Untersystemen Atmosphäre, Ozeane und Landflächen. So beträgt die
mittlere Verweilzeit für Partikel in der Troposphäre etwa eine Woche, die der
z. B. durch hochreichende Vulkaneruptionen in die Stratosphäre eingetra-
genen Partikel im Mittel 100 bis 500 Tage. Dagegen sind die tieferen
Schichten der Böden mit ihren Grundwasservorräten, die tieferen Schichten
der Ozeane sowie die kontinentalen Eisvorkommen durch wesentlich
langsamere Austausch- bzw. Umwälzvorgänge gekennzeichnet.
Die Wechselwirkung zwischen den Untersystemen geschieht durch Aus-
tausch von Strahlung, fühlbarer Wärme, latenter Wärme (Verdunstung,
Kondensation), Impuls sowie durch Austausch von Partikeln und Gasen.
Dabei kommt dem Austausch zwischen der Atmosphäre und den Ozeanen
eine hervorragende Rolle im Klimasystem zu. So werden z. B. durch die
Verdunstung von Wasser über den Ozeanen etwa 434 Billionen Tonnen
Wasserdampf der Atmosphäre zugeführt, etwa 85 % der gesamten Menge
verdunsteten Wassers. Zum Vergleich: Über die Flüsse werden jährlich etwa
36 Billionen Tonnen Wasser in die Ozeane transportiert (Angaben nach
Dozier, 1992). Die durch die Verdunstung gebundene Wärme (latente
Wärme) wird durch Kondensation in der Atmosphäre freigesetzt. Dieser
Prozeß trägt wesentlich dazu bei, die strahlungsbedingten Energieverluste
der Atmosphäre wieder auszugleichen.
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Anthropogene Veränderung der Beschaffenheit der nommen worden ist, wird dort die Oberflächenalbedo
Erdoberfläche von etwa 12 % auf Werte zwischen 17 % und 21 %
zunehmen, die Verdunstung von etwa 1500 mm pro
Die durch die anthropogene Landnutzung bedingte Jahr um Werte zwischen 150 mm bis 500 mm pro Jahr
Umgestaltung der Landoberflächen hat weitere, abnehmen und die mittlere Bodentemperatur entspre-
zumindest für die regionalen Klimaverhältnisse chend um 1° bis 4 °C ansteigen.
bedeutende Konsequenzen. Dabei stehen zwei Pro-
Außerhalb der Tropen ist der Einfluß einer Änderung
zesse im Vordergrund. Dies sind einmal die Verände-
der lokalen Oberflächenbeschaffenheit auf den Was-
rung der Bodenalbedo und zum anderen die Verän-
serhaushalt geringer, da der regionale Wasserkreis-
derung des Wasserhaushaltes. Die Umwandlung
lauf nur in geringem Maße durch lokale Verhältnisse
natürlicher Vegetationsformen in landwirtschaftlich
bestimmt wird. Demgegenüber zeigen Modellrech-
genutzte Flächen bedingt dabei überwiegend eine
nungen von Bonan u. a.(1992), daß die Wälder der
Zunahme des Rückstrahlungsvermögens der Oberflä-
höheren Breiten (boreale Wälder) in den Monaten mit
che (Zunahme der Bodenalbedo). Darüber hinaus
Schneebedeckung bei merklicher Reduzierung der
wird dadurch der Wasserhaushalt des Bodens und der
mittleren Oberflächenalbedo durch erhöhte Absorp-
Vegetation verändert, indem die Wasserspeiche-
tion von Sonnenstrahlung zu höheren Wintertempera-
rungsfähigkeit des Systems herabgesetzt, die Verdun-
turen führen. Die Modellrechnungen deuten zudem
stungsrate vermindert sowie der oberirdische Abfluß
an, daß eine Vernichtung der borealen Wälder nicht
(und damit die Bodenerosionsrate) erhöht wird.
nur niedrigere Wintertemperaturen, sondern auch
Dadurch wird dem lokalen Wasserkreislauf Wasser
niedrigere Sommertemperaturen zur Folge haben
entzogen und der Atmosphäre weniger Wasserdampf
würde, da auch der arktische Ozean kälter würde.
zugeführt.

Während die Zunahme der Bodenalbedo den vom


Boden absorbierten solaren Strahlungsfluß vermin- 1.3 Klimarelevante Spurengase — Der
dert und damit tendenziell zu niedrigeren mittleren anthropogene Treibhauseffekt
Temperaturen führt, ist die Reduzierung der Verdun-
stung gleichbedeutend mit einer Zunahme der mittle- Der Treibhauseffekt der Atmosphäre ist für das Klima
ren Bodentemperatur, da weniger Energie für die der Erde von eminenter Bedeutung. Er wird zum
Verdunstung aufgewendet wird. Eine geringere Ver- größten Teil von nur fünf Spurengasen verursacht, die
dunstungsrate kann wiederum zu einer Reduzierung die kurzwellige Sonnenstrahlung fast ungehindert in
des Wasserdampfanteils in der Luft und zu einer Richtung Erdoberfläche passieren lassen, jedoch die
Verringerung des Bewölkungsanteils führen, die sich von der Erdoberfläche emittierte Wärmestrahlung
auf die zeitliche und räumliche Verteilung der Nieder- teilweise absorbieren, so daß die langwellige Aus-
schläge auswirkt. Die Tagesamplitude der Bodentem- strahlung in den Weltraum vermindert wird. Die zur
peratur wird sich deutlich verstärken (Vergrößerung ausgeglichenen Energiebilanz notwendige Erwär-
von Minimum- und Maximumtemperaturen). Zusam- mung der Oberfläche und der unteren Atmosphäre
men mit einer möglichen Umstellung der atmosphäri- wird in grober Analogie zur Wirkung der Glasschei-
schen Zirkulation kann diese Entwicklung zur Deser- ben eines Treibhauses Treibhauseffekt genannt. Die-
tifikation (Wüstenbildung) führen. Ein möglicher ser natürliche Treibhauseffekt der Atmosphäre sorgt
anthropogener Einfluß bei der beobachteten Auswei- dafür, daß an der Erdoberfläche nicht strenger Frost
tung der Sahelzone wird in diesem Zusammenhang herrscht, sondern im Mittel Temperaturen um etwa
diskutiert (Dickinson, 1992). 15 °C erreicht werden.
Obwohl die unterschiedlichen Wirkungsweisen der Die wesentlichen klimarelevanten Spurengase in
möglichen Effekte, jeweils für sich betrachtet, vielfach einer anthropogen unbeeinflußten Atmosphäre sind
relativ gut verstanden sind, lassen sich die Auswir- Wasserdampf (H 2 0), Kohlendioxid (CO 2 ), Ozon (0- 3 ),
kungen anthropogener Aktivitäten auf die gegebenen Distickstoffoxid (N 20) und Methan (CH 4 ). Durch
regionalen Klimaverhältnisse aufgrund der weitrei- anthropogene Emissionen steigen die Konzentratio-
chenden Interdependenzen nur mit Hilfe geeigneter nen dieser Spurengase in der Atmosphäre und damit
Klimamodelle abschätzen. Zwei Beispiele mit jeweils auch deren Einwirkungspotentiale auf den Strah-
sehr unterschiedlichen Konsequenzen für das Klima lungshaushalt der Erde stetig weiter an. Dieser
der Erde sind: die Vernichtung der tropischen Regen- anthropogene Treibhauseffekt wird zusätzlich durch
wälder sowie die Vernichtung der borealen Wälder. die industriell produzierten, in der natürlichen Atmo-
Dabei ist festzuhalten, daß die Vernichtung der tropi- sphäre nicht vorkommenden halogenierten Kohlen-
schen Wälder bei ungeänderten Einschlag- bzw. wasserstoffverbindungen FCKW, H-FCKW und FKW
Brandrodungsraten in absehbarer Zeit Wirklichkeit und regional durch das aufgrund anthropogener
werden könnte (s. Abschnitt C), dagegen ist das Emissionen bestimmter Vorläufersubstanzen (s. Kap.
Szenario „Vernichtung der borealen Wälder" bisher 2.1) gebildete Ozon (0 3 ) in der Troposphäre verstärkt
lediglich ein Gedankenexperiment. sowie durch den Abbau des Ozons in der Stratosphäre
regional vermindert.
Bei der Vernichtung der tropischen Regenwälder ist
der Eingriff in den Wasserhaushalt dieses Systems Als Folge der anthropogenen Emissionen von Schwe-
höher einzuschätzen als die Änderung der Albedo. feldioxid (50 2 ), die sich in den vergangenen 100
Nach neuesten Modellstudien (Dickinson, 1991), in Jahren verdreifacht haben, aber auch der ebenfalls
denen eine vollständige „Umwandlung" des tropi- stark angestiegenen Emissionen von Stickoxiden
schen Regenwaldes im Amazonas in Grasland ange (NOX) und Ammoniak (NH 3 ) nahm die Aerosolmasse
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insbesondere in der nördlichen Troposphäre erheb- und FCKW 12-Konzentrationen festgestellt worden
lich zu (Langner u. a., 1992). Damit verbunden ist eine (Schul u. a., 1993). Nach der 4. Vertragsstaatenkonfe-
Zunahme des in den Weltraum zurückgestreuten renz des Montrealer Protokolls soll der Ausstieg aus
Sonnenlichts, wodurch die Wirkung des anthropoge- den vollhalogenierten Kohlenwasserstoffen bis Ende
nen Treibhauseffekts regional vermindert, im Som- 1995 erfolgen, so daß dann mit einer Abnahme der
mer über dem Osten der USA sowie über einigen Konzentrationen gerechnet werden kann. Dafür kom-
belasteten Gebieten Europas sogar kompensiert wer- men die chemisch verwandten Ersatzstoffe (H-FCKW,
den kann (Kiehl u. Briegleb, 1993). z. B. H-FCKW 22 und FKW, z. B. R 134a) vermehrt zum
Einsatz, die zwar ein geringeres Ozonzerstörungspo-
tential aufweisen, aber in ähnlicher Weise klimawirk-
sam sind.
1.3.1 Volumenanteile und Treibhauspotentiale
In den letzten 20 Jahren hat der troposphärische
Ozongehalt in der freien Troposphäre in den mittleren
Das wichtigste anthropogene Treibhausgas ist das
Breiten der Nordhemisphäre um etwa 1 % pro Jahr
Kohlendioxid (CO 2 ), das seit der Industrialisierung
zugenommen (WMO,1992). Die gegenwärtig (1991) in
von einem mittleren Mischungsverhältnis von
Reinluftgebieten bodennah gemessenen Werte
275 ppmv auf heutige Werte um ca. 355 ppmv ange-
schwanken im Mittel zwischen 30 bis 50 ppbv un d .
stiegen ist, was einer Steigerung von ca. 27 % ent-
übersteigen damit den vorindustriellen Wert um mehr
spricht. Der heutige CO 2 -Gehalt in der Atmosphäre ist
als das Doppelte. Der Anstieg der Ozonkonzentration
höher als zu irgendeinem Zeitpunkt der vergangenen
wird auf die steigenden Emissionen der Ozon-Vorläu-
160 000 Jahre. Sollte sich die gegenwärtige Zunahme
fersubstanzen Stickoxide (NOX), Kohlenmonoxid
des atmosphärischen CO 2 -Gehalts von etwa 1,8 ppmv
(CO), Methan (CH 4 ) und höherer flüchtiger organi-
pro Jahr weiter fortsetzen, wird die CO 2 -Konzentra-
scher Verbindungen (VOC) zurückgeführt, die durch
tion in der Mitte des nächsten Jahrhunderts einen
photochemische Reaktionen zu einer verstärkten Bil-
Wert von 450 ppmv erreicht haben.
dung von Ozon führen.
Das mittlere troposphärische Mischungsverhältnis für
Methan (CH 4 ) lag 1991 bei 1,74 ppmv und damit um
mehr als das Doppelte über dem vorindustriellen Wert Treibhauspotentiale
von 0,7 ppmv. Derzeit wächst der CH 4 -Gehalt in der
Atmosphäre um ca. 0,8 % oder ca. 0,015 ppmv pro Jahr Das Treibhauspotential eines atmosphärischen Spu-
an. rengases ist ein Maß für den Beitrag dieses Gases zur
Der atmosphärische Gehalt an Distickstoffoxid (N 20) Abschirmung der von der Erdoberfläche ausgestrahl-
steigt gegenwärtig (1991) mit etwa 0,8 ppbv oder ten Wärmestrahlung. Es wird relativ zum CO 2 -Treib-
0,3 % pro Jahr an. Das mittlere troposphärische hauspotential angegeben, wobei die jeweilige Ab-
Mischungsverhältnis lag 1991 mit 311 ppbv um 8 % sorptionswirksamkeit einer einmalig freigesetzten
über dem vorindustriellen We rt . Spurengasmasse von der momentanen chemischen
Die seit den 30er Jahren dieses Jahrhunderts verwen- Zusammensetzung der Atmosphäre abhängig ist. Das
deten halogenierten Kohlenwasserstoffe sind nach Treibhauspotential eines Spurengases ist besonders
photochemischer Spaltung nicht nur für den strato- hoch, wenn es bei Wellenlängen absorbiert, in denen
sphärischen Ozonabbau verantwortlich (s. Kap. 2.1), die Atmosphäre aufgrund ihrer natürlichen Zusam-
sondern gehören unzerstört zu den klimawirksamsten mensetzung sehr transparent ist (Wellenlängenbe-
Spurengasen. Das mittlere Mischungsverhältnis der reich zwischen 8 und 13 µm). Das Treibhauspotential
beiden wichtigsten Verbindungen, FCKW 11 und ist weiterhin wegen der unterschiedlich langen mitt-
FCKW 12, lag im Jahr 1991 bei 280 bzw. bei 484 pptv leren Verweilzeiten der Spurengases in der Atmo-
bei einer Anstiegsrate von 4 % pro Jahr. Diese sphäre vom zeitlichen Betrachtungshorizont abhän-
Anstiegsrate hat sich in den beiden letzten Jahren gig.
deutlich verringert (Elkins u. a., 1993). In der Südhe- In Tab. 1.1 sind die Treibhauspotentiale für die
misphäre ist bereits eine Stabilisierung der FCKW 11- wichtigsten klimarelevanten Spurengase für drei ver-

Tabelle 1.1

Treibhauspotentiale verschiedener Spurengase nach IPCC (1992)

direkter Treibhauseffekt
Spurengas mittlere Verweilzeit indirekter Treibhauseffekt
20 Jahre 100 Jahre 500 Jahre

CO2 120 1 1 1 —
CH4 10,5 35 11 4 >0
N20 132 260 270 170 unbestimmt
CO Monate — — — >0
VOC Tage bis Monate — — — >0
NOx Tage — — — >0
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schiedene Betrachtungszeiträume (20, 100 und 500 langwelligen Ausstrahlung des Systems Erdoberflä-
Jahre) wiedergegeben. So ist z. B. die Treibhauswir- che/Troposphäre bewirkt und damit tendenziell zu
kung von CH 4 , über einen Betrachtungszeitraum von einer Abkühlung der bodennahen Luftschichten führt.
20 Jahren gesehen, etwa 35 mal stärker als die des Dieser Effekt weist den Hauptverursachern für den
CO 2 . Dieser Wert fällt um den Faktor 3 ab, wenn der stratosphärischen Ozonabbau, den vollhalogenierten
Betrachtungszeitraum auf 100 Jahre verlängert wird. Kohlenwasserstoffen (z. B. FCKW 11 und 12), ein
Dieses Beispiel dokumentiert, daß das Treibhauspo- indirektes, negatives Treibhauspotential zu. Diese
tential eines Spurengases ganz wesentlich von dem durch die Emissionen verschiedener anthropogener
Verhältnis seiner mittleren atmosphärischen Verweil Spurengase bedingte Änderung der Ozonverteilung
zeit relativ zu der Verweilzeit von CO 2 abhängig ist; in der gesamten Atmosphäre bedeutet eine neuartige,
d. h. je kürzer die Verweilzeit eines Gases im Ver- breiten- und höhenabhängige Störung des gesamten
gleich zu CO 2 ist, desto stärker fällt das Treibhauspo- Strahlungshaushaltes der Erde, deren Auswirkung
tential mit Zunahme des Betrachtungshorizonts auf das Klima derzeit noch nicht abschließend bewer-
gegenüber CO 2 ab. Da die Verweilzeit des anthropo- tet werden kann.
genen CO 2 nicht genau bekannt ist, sind die Angaben
Der Beitrag der einzelnen Treibhausgase am anthro-
in Tab. 1.1 nur als grobe Relationen zwischen den
pogenen Treibhauseffekt Bemittelt über die letzten 10
verschiedenen Gasen zu betrachten.
Jahren wird wie folgt abgeschätzt (EK, 1991a): CO 2
Verschiedenen Spurengasen wird (auch) ein indirek- 4 13 %, FCKW 24 %, N 2 0 5 % sowie indirekte 50%,CH
tes Treibhauspotential zugeschrieben, weil sie bei Effekte durch Zunahme des stratosphärischen Was-
ihrer chemischen Umwandlung in der Atmosphäre zur serdampfgehaltes und des troposphärischen Ozons
Bildung anderer klimarelevanter Spurengase beitra- zusammen mit 8 %.
gen. Die Wirkungsweise dieser indirekten Treibhaus-
potentiale — den anthropogenen Treibhauseffekt ver-
stärkend oder aber diesem entgegenwirkend — ist 1.3.2 Ursachen und Verursacher — klimarelevante
vielfach nur qualitativ bekannt. Jedoch sind quantita- Emissionen im Landwirtschafts- und
tive Angaben noch unsicher. Ein Beispiel für einen Waldbereich
indirekten Treibhauseffekt ist Methan, das nicht nur
direkt klimawirksam ist, sondern durch seine Beteili- Die Emissionen klimarelevanter Spurengase, die den
gung an der Bildung des troposphärischen Ozons Bereichen Landwirtschaft und Wälder zuzurechnen
sowie des stratosphärischen Wasserdampfes den sind, werden ausführlich in den Abschnitten B und C
Treibhauseffekt verstärkt. Schätzungen dieses, den behandelt. An dieser Stelle soll lediglich eine grobe
direkten Treibhauseffekt des Methans verstärkenden Einordnung dieser Emissionen in Relation zu der
Anteils liegen zwischen etwa 30 % (Lelieveld u. Crut Emission aus anderen Quellen erfolgen.
zen, 1992) und 100 % (IPCC, 1992) des direkten
In Tab. 1.2 sind die derzeitigen Anteile der verschie-
Treibhauspotentials.
denen Verursacherbereiche am globalen anthropoge-
Ein indirektes Treibhauspotential besitzen auch die nen Treibhauseffekt zusammengefaßt. Danach ist die
Spurengase CO, VOC und NOX, die zur Bildung von Rodung der Wälder mit etwa 15 % (überwiegend
Ozon in der Troposphäre beitragen. Zur Bestimmung durch die Emissionen der Spurengase CO 2 , N2 0, CH4
des Treibhauspotentials des troposphärischen Ozons undCO)sowieLartchfmebnls15%
ist eine räumlich wie zeitlich differenzierte Betrach- (überwiegend durch die Emissionen der Spurengase
tung erforderlich, da sowohl die Vorläufer als auch das CH4 , N20 und CO 2 ) am anthropogenen Treibhausef-
Ozon selbst relativ geringe mittlere Verweilzeiten fekt beteiligt.
aufweisen und damit die horizontale wie auch die
Der durch die Rodung der Wälder freigesetzte CO 2
vertikale Ozon-Verteilung in der Atmosphäre — im
Anteil entspricht etwa 25 % der gesamten anthropo-
Gegensatz zu allen übrigen in Tab. 1.1 aufgeführten -
Spurengasen — starken räumlichen Gradienten und genen CO 2 -Emissionen (s. Kap. 1.3.3). Darüber hinaus
ist der Bereich Landwirtschaft für knapp 60 % aller
ebenfalls starken zeitlichen Variationen unterworfen
anthropogenen CH 4 -Emissionen (jährliche Gesamt-
sind. Eine generell akzeptierte globale Abschätzung
summe etwa 360 Mio. t CH 4 ) und ebenfalls für etwa
des Einflusses erhöhten troposhärischen Ozons gibt es
60 % aller anthropogenen N 2O -Emissionen (jährliche
noch nicht. Das troposphärische Ozon bestimmt
Gesamtsumme etwa 3,5 Mio. t N) verantwortlich
zudem die OH-Konzentration der Troposphäre, die
(abgeschätzt nach Angaben des IPCC, 1992). Die in
ihrerseits wieder Einfluß nimmt auf die Konzentration
der Bundesrepublik Deutschland landwirtschaftlich
und Verteilung anderer direkt und indirekt wirksamer
bedingten CH 4 - und N 20-Emissionen werden für das
Treibhausgase.
Jahr 1990 auf 2,05 Mio. t CH4 bzw. 0,075 Mio. t N 2O
Weiterhin ist Ozon insofern noch klimarelevant, als geschätzt, was in beiden Fällen in etwa einem Drittel
der anthropogen ausgelöste Ozonverlust in der unte der gesamten anthropogenen Emissionen entspricht
ren Stratosphäre (s. Kap. 2.1) eine Zunahme der (BMU, 1993).
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Tabelle 1.2

Anteile der verschiedenen Verursacherbereiche weltweit


am zusätzlichen, anthropogenen Treibhauseffekt 1 )

Anteile Aufteilung
Verursachergruppen (grob auf die Spurengase Ursachen
gerundet) (grob gerundet)

Energie 50 % 40 % CO 2 , Emissionen der Spurengase aufgrund der


einschließlich Verkehr 10 % CH4 und 03 Nutzung der fossilen Energieträger Kohle,
(0 3 wird durch Erdöl und Erdgas sowohl im Umwandlungs-
die Vorläufer- Bereich, insbesondere bei der Strom- und
substanzen Fernwärmeerzeugung sowie Raffinerien, als
NON , CO und auch in den Endenergiesektoren, Haus-
NMVOC ge- halte, Kleinverbrauch (Handwerk, Dienst-
bildet) leistungen, öffentliche Einrichtungen etc.),
Industrie und Verkehr

Chemische Produkte 20 % 20 % FCKW Halone Emissionen der FCKW, Halone etc.


(FCKW, Halone u. a.) 2 ) etc.

Vernichtung der Tropen- 15 % 10 % CO 2 , Emission durch die Verbrennung und Ver-


wälder 5 % weitere Spu- rottung tropischer Wälder einschließlich
rengase, ins- verstärkter Emissionen aus dem Boden
besondere
N20, CH4 und
CO

Landwirtschaft 15 % 15 % in erster Linie Emissionen aufgrund von:


CH4 , N2 0 und — anaeroben Umsetzungsprozessen (CH 4
CO2 durch Rinderhaltung, Reisfelder etc.)
— Düngung (N 20)

(CO2 = Kohlendioxid; CH 4 = Methan; NOx = Stickoxide; CO = Kohlenmonoxid; NMVOC = flüchtige organische Verbindungen
[außer Methan]; FCKW = Fluorchlorkohlenwasserstoffe; N2O = Distickstoffoxid = Lachgas)
1) Im Hinblick auf die Spannbreite der Anteile der einzelnen Spurengase am zusätzlichen Treibhauseffekt und auf die großen
Unsicherheitsbereiche bei der Zuordnung der einzelnen Treibhausgase zu den verschiedenen Bereichen können gegenwärtig
nur grob gerundete Näherungswerte angegeben werden. Die hier angegebenen Anteile stimmen im Rahmen der vorhandenen
Spannbreiten und Unsicherheiten mit den Werten des IPCC überein.
2) FCKW, Halone und andere Verbindungen, die sowohl zu einem Abbau der Ozonschicht in der Stratosphäre als auch zum
zusätzlichen Treibhauseffekt beitragen.

1.3.3 Der CO2-Kreislauf CO 2 -Flüsse vor allem zwischen den relativ schnell
Im Gegensatz zu anderen klimarelevanten Spurenga- austauschenden Reservoiren Atmosphäre, Ozean-
sen unterliegt das CO 2 einem besonders komplexen deckschicht sowie Biosphäre geführt. Dabei verblie-
Kreislauf, an dem die Atmosphäre, die terrestrische ben lediglich etwa 40 % des gegenüber dem natürli-
und marine Biosphäre, die Böden der Landflächen, die chen Kreislauf zusätzlich emittierten Kohlendioxids in
ozeanische Deckschicht, die tieferen Schichten der der Atmosphäre, der Hauptteil wurde von den Ozea-
Ozeane inkl. der ozeanischen Sedimente sowie die nen und von der Biosphäre aufgenommen (Siegentha-
Erdkruste beteiligt sind (Abb. 1.2). Der rasche, anthro- ler u. Sarmiento, 1993). Die Abb. 1.2 gibt die anthro-
pogene Anstieg der CO 2 -Emissionen in den letzten pogenen jährlichen Kohlenstoffflüsse, Mittelwerte für
zweihundert Jahren hat dabei zu Veränderungen der den Zeitraum 1980 bis 1989, an (IPCC, 1992).
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Abbildung 1.2: Der Kohlenstoff-Kreislauf


Die verschiedenen Reservoire sind vertikal bzgl. der Zeitspanne angeordnet, über der sie den
CO2-Gehalt der Atmosphäre beeinflussen. Alle Angaben sind in Gt C bzw. Gt C / Jahr.
Der gegenseitige jährliche Austausch zwischen den Reservoiren ist durch Pfeile gekenn-
zeichnet. Die gestrichelten Pfeile zeigen die anthropogen ausgelösten Kohlenstoffflüsse,
Mittelwerte für den Zeitraum 1980 bis 1989, an (IPCC, 1992). Während der Austausch
zwischen Atmosphäre und Ozean relativ gut abgeschätzt werden kann, sind die Angaben für
den Austausch zwischen Atmosphäre und Biosphäre noch mit einiger Unsicherheit behaf-
tet.
Quellen: Sundquist (1993), IPCC (1992), Siegenthaler u. Sarmiento (1993)*

Die Tab. 1.3 faßt den heutigen Kenntnisstand über die 18. Jahrhundert etwa konstant. Es ist jedoch dabei zu
zeitliche Entwicklung des CO 2 -Haushaltes in den beachten, daß die Schätzungen der durch Landnut-
letzten mehr als 200 Jahren zusammen (Sundquist, zung freigesetzten CO 2 -Mengen nicht ausreichend
1993). Danach wurde der Anstieg der atmosphäri- genau sind, da die entscheidenden Faktoren wie z. B.
schen CO 2 -Konzentration vor 1850 nahezu aus- die Größe der umgewandelten Flächen oder die Art
schließlich durch die Umwandlung von Waldflächen der neuen Landnutzung nicht hinreichend genau
in landwirtschaftlich oder anderweitig genutzte Flä- bestimmbar sind.
chen hervorgerufen. Die Ausweitung der landwirt-
schaftlichen Nutzflächen zu Lasten der Waldflächen Als Quelle des anthropogenen CO 2 dominiert seit
erfolgte zunächst vor allem in Europa, den USA und etwa der Mitte dieses Jahrhunderts die Verbrennung
Teilen Ostasiens. Innerhalb der letzten 100 Jahre sind fossiler Brennstoffe. Die zwischen 1750 und 1990
dagegen vor allem die Tropen betroffen. Im Gegen- dadurch emittierte CO 2 -Menge beträgt 217 Mrd. t C,
satz dazu nahm die Waldfläche in den meisten Indu- was etwa 57 % der gesamten anthropogenen CO 2
strieländern in den letzten Jahren wieder deutlich zu. Emissionen seit 1750 entspricht. Der jährliche Anstieg
Nicht zuletzt deshalb blieb die durch den Landnut- der „fossilen" CO 2 -Emissionen verlief insbesondere
zungswandel freigesetzte Kohlenstoffmenge seit dem in den vergangenen 40 Jahren exponentiell. Die pro
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Tabelle 1.3

Entwicklung des CO 2 -Haushalts in den letzten 240 Jahren


(Sundquist, 1993)

Jahr
Reservoir
1750 bis 1850 1850 bis 1950 1950 bis 1990 1750 bis 1990

Quellen
fossile Brennstoffe 1 61 ± 6 155 ± 18 217 ± 22
Landnutzung 40 ± 12 69 ± 21 53 ± 16 162 ± 49

gesamt 41 ± 12 130 ± 22 208 ± 23 379 ± 4


Senken
Atmosphäre 21 50 89 160
Ozeane 20 16 63 49 72 63 155 118

gesamt 41 37 113 99 161 142 315 278


Differenz 0 4 17 31 47 66 64 101

Alle Angaben in GtC.


Differenz = Quellen (gesamt) minus Senken (gesamt). Weitere Erläuterungen im Text.
Für die Senkenstärke der Ozeane gibt Sundquist jeweils zwei Abschätzungen an, wobei die linke Zahl auf Untersuchungen von
Keeling (1989) und die rechte Zahl auf Untersuchungen von Sarmiento, u. a. (1992) beruht.

Jahr emittierte CO 2 -Menge, die durch die Verbren- -Flüsehinrcdgaubstmin—Falder


nung fossiler Brennstoffe freigesetzt wird, beträgt zur durch Landnutzung freigesetzten Menge gilt dies nur
Zeit ca. 6 Mrd. t C. Ihr prozentualer Anteil stieg damit sehr eingeschränkt — so muß ein wesentlicher Anteil
auf über 75 %. des anthropogen emittierten CO 2 durch die terrestri-
sche Biosphäre in Form von organischem Kohlenstoff
Das anthropogen emittierte CO 2 verteilt sich auf die fixiert werden. Dabei kann der sogenannte „CO 2
Atmosphäre sowie die terrestrische Biosphäre und die -Düngefkt"iRolspn(.Ka312
Ozeane. Während der CO 2 -Zuwachs in der Atmo- Abschnitt B). Gegenwärtig wird abgeschätzt, daß die
sphäre für den Zeitraum 1750 bis 1990 von 160 Mrd. t durch die Biosphäre aufgenommene CO 2 -Menge in
C sehr gut belegt ist, sind die Angaben über die durch etwa der durch die Landnutzung freigesetzten CO 2
die Ozeane aufgenommene CO 2 -Menge verhältnis- -Mengtsprich.DaIPC(192)sätzdieurch
mäßig unsicher. Die Tab. 1.3 enthält dazu zwei Landnutzung freigesetzte CO 2 -Rate für die letzten
Abschätzungen von Sundquist (1993), die auf Anga- 10 Jahre auf 1,6 ± 1,0 Mrd. t C pro Jahr.
ben von Keeling u. a. (1989) sowie Sarmiento u. a.
(1992) beruhen. Danach liegt die durch die Ozeane in
den letzten 240 Jahren aufgenommene CO 2 -Menge
zwischen 118 und 155 Mrd. t C. Die durchschnittliche 1.4 Klimavorhersage
CO2 -Aufnahmerate der Ozeane in den letzten zehn
Jahren wird auf 2 ± 0,8 Mrd. t C pro Jahr geschätzt Der anthropogene Treibhauseffekt verursacht Um-
(IPCC, 1992). Abschätzungen, nach denen das CO 2 stellungen im Klimasystem, deren Ausmaße und Aus-
wirkungen aufgrund der vielfältigen und komplexen -AufnahmevrögdOznutehalbvo
1 Mrd. t C pro Jahr liegen sollte (Tans u. a., 1990), Wechselbeziehungen innerhalb des Klimasystems
konnten durch neuere Untersuchungen (Sarmiento u. nur durch Klimamodelle bestimmt werden können.
Lundquist, 1992; Robertson u. Watson, 1992; Enting, Die besten Klimamodelle sind in der Lage, die wesent-
u.a, 1993; Keeling u. Shertz, 1992) nicht bestätigt lichen Merkmale des heutigen Klimas zuverlässig zu
werden. beschreiben (Gates, 1992; Roeckner u. a., 1992;
McFarlane et. al., 1992). Sie erlauben darüber hinaus
Stellt man für die angegebenen Zeitabschnitte in Tab.
Aussagen zur künftigen Entwicklung des globalen
1.3 die gesamte CO 2 -Bilanz auf, so übersteigen die
Klimas. Große Unsicherheiten liegen allerdings noch
anthropogenen CO 2 -Emissionen die von den beiden
im Bereich der regionalen Klimavorhersage.
Reservoiren Atmosphäre und Ozeane aufgenommene
CO2 -Menge. Dieses Ungleichgewicht wächst mit der Im einzelnen lassen die Klimamodelle die folgenden
Zeit. Setzt man voraus, daß die abgeschätzten CO 2 Aussagen zu:
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— Die mit einer Verdopplung des äquivalenten CO 2 1.5 Erkennbare Klimaänderungstendenzen


1 ) nach Erreichen des Gleichgewichtszu--Gehalts
stands verbundene globale Erwärmung beträgt Der beobachtete Anstieg der globalen bodennahen
etwa 2,5 °C, bei einem Unsicherheitsbereich von Durchschnittstemperatur liegt mit etwa 0,5 °C in 100
1,5 bis 4,5 °C (IPCC, 1992). Die relativ große Jahren gerade noch im Bereich der natürlichen
Spannweite resultiert wesentlich aus der unter- Schwankungsbreite des Klimas und ist deshalb nicht
schiedlichen Einschätzung des Bewölkungsein- eindeutig der Zunahme der Konzentrationen der kli-
flusses in den verschiedenen Klimamodellen (Cess marelevanten Spurengase in der Atmosphäre zuzu-
u. a., 1989) 2 ). ordnen. Diese natürliche Schwankungsbreite ist
durch eine Reihe von internen und externen Einfluß-
— Setzt man einen stetigen, mittleren Anstieg der
faktoren bedingt. Es ist nicht auszuschließen, daß der
äquivalenten CO 2 -Konzentration von 1 % pro Jahr
Einfluß des anthropogenen Treibhauseffektes zur Zeit
für die kommenden Jahre voraus — dies entspricht
noch durch die Wirkung anderer Einflußfaktoren
etwa dem jetzigen Trend — so prognostizieren
überlagert bzw. maskiert wird und deshalb noch nicht
gekoppelte Ozean-Atmosphäre-Modelle einen
in vollem Umfang zum Tragen kommt. Hinzu kommt,
mittleren Anstieg der global und jahreszeitlich
daß das Klimasystem, insbesondere durch die große
Bemittelten Lufttemperatur in Bodennähe von
Wärmekapazität der Ozeane, zeitlich verzögert auf
0,3 °C pro Jahrzehnt. Der Unsicherheitsbereich
die Zunahme der atmosphärischen Treibhausgaskon-
liegt zwischen 0,2 und 0,5 °C pro Jahrzehnt (IPCC
zentrationen reagiert und deshalb erst ein Teil der
1990).
bereits induzierten Klimaänderung wirksam gewor-
— Neuere Abschätzungen für den zu erwartenden den ist.
Temperaturanstieg, die u. a. mit leicht verminder- Tab. 1.4 zeigt einen größenordnungsmäßigen Ver-
ten Konzentrationszuwachsszenarien und mit gleich der Temperaturänderungspotentiale einiger
Hilfe nichtgekoppelter Modelle angestellt worden Einflußfaktoren für die vergangenen sowie die kom-
sind, liegen bei einer Erwärmung von 0,25 °C pro menden 100 Jahre. Demnach sind zwei anthropogene
Jahrzehnt (IPCC 1992). Der Meeresspiegel wird Einflußfaktoren unterschiedlichen Vorzeichens im
danach im Mittel um 4,8 cm pro Jahrzehnt stei- nächsten Jahrhundert die wesentlichsten. Die Wär-
gen. meabstrahlung behindernden Treibhausgase haben
das größte Erwärmungspotential und die Sonnen-
— Der Anstieg der oberflächennahen Lufttemperatur strahlung zurückstreuenden und die Luft trübenden -
wird über den Landflächen stärker ausfallen als Aerosolteilchen das größte Abkühlungspotential.
über den Ozeanen. Bleibt es beim gegenwärtigen Anstieg der Konzentra-
tionen klimarelevanter Spurengase, so wird der
— Die Temperatur wird in der bodennahen Tropo-
anthropogene Treibhauseffekt wegen der Akkumula-
sphäre steigen, in der oberen Stratosphäre dage-
tion der langlebigen Treibhausgase CO 2 , N2O, FCKW
gen sinken.
und CH4 in den kommenden Jahrzehnten unser
— Durch die mit der Erwärmung verbundene, höhere zukünftiges Klima dominieren.
Verdunstung von Oberflächenwasser entsteht eine
Globale Klimaänderungen können sich regional sehr
Tendenz zu allgemein zunehmenden Niederschlä-
unterschiedlich auswirken. Dies gilt insbesondere für
gen. Dies gilt vornehmlich für die höheren Breiten
die mittleren Breiten der Nordhemisphäre, die sich
beider Hemisphären, in der Nordhemisphäre im
durch große Wechselhaftigkeit des Wetters auszeich-
Winter auch für die mittleren Breiten. Im Sommer
nen. Ein Beispiel geben die Abbildungen 1.3 und 1.4,
der nördlichen mittleren Breiten wird allgemein
die Karten der mittleren Veränderung der bodenna-
eine Abnahme der Niederschläge erwartet, was
hen Lufttemperatur bzw. des Niederschlages für
eine Verringerung der Bodenfeuchtigkeit und
Europa in den letzten 100 Jahren zeigen (Schönwiese
nachteilige Auswirkungen für das Pflanzenwachs
u. a., 1993). Trotz starker regionaler Unterschiede sind
turn haben dürfte.
einige generelle Tendenzen erkennbar: So ist in den
letzten 100 Jahren in den Wintermonaten fast überall
I) Der sogenannte äquivalente CO 2 -Gehalt berücksichtigt eine leichte Erwärmung mit Werten zwischen 0,5 bis
neben dem CO 2 auch alle übrigen klimarelevanten Spuren- 1,0 °C festzustellen, dagegen haben sich die Tempe-
gase.
raturen in den Sommermonaten kaum verändert. In
2 ) Zur Validation des Wolkeneinflusses in Klimamodellen
den Übergangsjahreszeiten ist eine deutliche Ab-
geeignete Satellitenmessungen stehen erst seit sehr kurzer
Zeit zur Verfügung (Ramanathan u. a., 1989, Harrison u. a., nahme der Niederschläge im westlichen und mittleren
1990, Rieland u. Stuhlmann, 1993). Die ersten Vergleiche Mittelmeergebiet erkennbar. In den übrigen Regio-
zwischen Modellergebnissen und diesen Messungen zeigen nen Europas, insbesondere in West- und Nordeuropa
bereits eine gute Übereinstimmung in der Einschätzung des haben die Niederschläge, mit Ausnahme der Sommer-
Wolkeneinflusses unter heutigen Klimabedingungen (Kiehl monate, allgemein zugenommen. Betrachtet man
u. Ramanathan, 1990; Roeckner u. a., 1991, Graßl, 1993). Die
lediglich die letzten 3.0 Jahre, so haben sich in
neuesten Auswertungen von Satellitendaten deuten auf eine
zumindest positive, d. h. den anthropogenen Treibhauseffekt Deutschland die Trends hin zu höheren Wintertempe-
unterstützende, betraglich allerdings noch unbestimmte raturen (+1,5 °C) bzw. hin zu trockeneren Sommermo-
Rückkopplung der Bewölkung 'hin (Tselioudis u.a, 1992; naten (-30 mm Niederschlag) verstärkt (Schönwiese
Tselioudis u. Rossow, 1993). u. a., 1993).
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Abbildung 1.3: Veränderung der bodennahen Lufttemperatur für Europa in den letzten 100 Jahren (Schönwiese u. a., 1993) gestrichelte Linien
(negative Werte): Temperaturabnahme, durchgezogene Linien (positive Werte): Temperaturzunahme

Abbildung 1.4: Veränderung des Niederschlags für Europa in den letzten 100 Jahren (Schönwiese u. a., 1993) gestrichelte Linien (negative
Werte): Niederschlagsabnahme, durchgezogene Linien (positive Werte): Niederschlagszunahme
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Tabelle 1.4

Charakteristika der wichtigsten Einflußgrößen auf die globale Mitteltemperatur

Temperaturänderungs- Temperaturänderungs-
Klimaparameter Eigenschaften potential in den letzten potential in den nächsten
100 Jahren 100 Jahren

anthropogener global langanhaltend 0,5 bis 1° C → +2,5° C


Treibhauseffekt weiter wachsend

anthropogener regional kurzlebig -0,5 bis -0,2°C -0,5 bis -0,2° C


Aerosolzuwachs

Sonnenaktivität global (11 Jahre) -0,1 bis +0,1°C -0,1 bis +0,1°C
11-Jahreszyklus wechselnd

Sonnenaktivität global (100 bis 200 Jahre) <= 0,1°C -0,2 bis +0,2°C
Veränderung der Zyklenlänge wechselnd

hochreichende global (1 bis 10 Jahre) -0,3°C -0,3° C


Vulkaneruptionen

El Niño global (1 bis 2 Jahre) +0,3°C +0,3°C

Legende: → : strebt gegen einen bestimmten Wert; <, > : kleiner oder größer als
Quellen: IPCC (1990), Schlesinger u. Ramankutty (1992), Schönwiese (1992), Wigley u. Raper (1992)

Weitere Indizien für eine bereits beginnende globale auch in den neuesten Modellrechnungen zu erken--
Klimaänderung sind: nen. Erst zum Zeitpunkt der äquivalenten CO 2
Verdopplung wird die Erwärmung in den polaren
(1) Das Auftreten der sechs wärmsten Jahre der Zonen stärker sein als in den Tropen. In einigen
letzten 130 Jahre innerhalb der letzten 10 Jahre Modellen ist dann die Arktis im Sommer nahezu
(2) Die Verminderung des mittleren Tagesganges der eisfrei (z. B. Boer u.a, 1992).
Temperatur aufgrund des Anstiegs der Minimum-
temperaturen
1.6 Quintessenz
(3) Der Anstieg der Oberflächentemperaturen in gro-
ßen Bereichen der tropischen Ozeane um 0,5 °C in
Der wissenschaftliche Sachstand über den anthropo-
den letzten 50 Jahren
genen Treibhauseffekt mit seinen Folgen für das
(4) Die Erwärmung der mittleren Troposphäre, insbe- Klima der Erde hat sich seit dem 3. Bericht der
sondere in den Tropen Enquete-Kommission (EK, 1991) weiter gefestigt.
Setzt sich der Anstieg der atmosphärischen Treib-
(5) Die Zunahme der mittleren Windgeschwindigkeit
hausgaskonzentrationen aufgrund der vielfältigen
in mittleren Breiten aufgrund einer signifikanten
Aktivitäten des Menschen weiter fort, ist bereits vor
Vertiefung der quasi-stationären Tiefdruckge-
der Mitte des nächsten Jahrhunderts mit einer Ver-
biete in den mittleren Breiten der Nordhemisphäre dopplung des äquivalenten CO 2 -Gehalts gegenüber
während der vergangenen 40 Jahre
dem vorindustriellen Wert zu rechnen. Die globale
(6) Die Zunahme der Niederschläge in den mittleren Durchschnittstemperatur wird dann gegen Ende des
und hohen Breiten um 5 % seit 1950 nächsten Jahrhunderts um etwa 3 °C über dem
heutigem Wert liegen, wobei jedoch die Unsicherheit
(7) Die drastische Abnahme der Masse der Gebirgs- dieser Angabe wie bisher mit 2 bis 5 °C Erwärmung
gletscher um z. B. etwa 50 % seit 1850 in den groß bleibt. Ein solcher Temperatursprung ist von der
Ostalpen Größenordnung her gesehen vergleichbar mit der
(8) Der Anstieg des Meeresspiegels von 10 bis 20 cm Temperaturdifferenz zwischen der Eiszeit vor 18 000
in den letzten 100 Jahren (IPCC, 1990), nach Jahren und der jetzigen Warmzeit (4 bis 5 °C), mit dem
neueren Untersuchungen allein in den vergange- Unterschied daß die anthropogen ausgelöste Ände-
nen 50 Jahren um etwa 9 bis 12 cm (Barnett, 1988, rung des Klimas weitaus schneller eintreten wird. Die
Peltier u. Tushingham, 1989) in der Wissenschaft, aber noch mehr in der Öffentlich-
keit geführte Debatte der vergangenen zwei Jahre um
Die Punkte (3) bis (5) deuten auf eine Intensivierung die wissenschaftliche Absicherung der Zahlenanga-
der allgemeinen Zirkulation hin, die ursächlich mit ben zur anthropogenen globalen Erwärmung hat
der raschen Erwärmung der tropischen und subtropi- keine Argumente für eine Revisison der Werte gelie-
schen Atmosphäre zusammenhängt. Dieser Effekt ist fert.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Angaben zum genauen zeitlichen Ablauf der Klima- Veränderung der Extrema kommt eine größere
änderung und zu den möglichen regionalen Auswir- Bedeutung zu als der Änderung der mittleren Klima-
kungen sind noch unsicher, da weder Analogien aus bedingungen.
der Klimageschichte existieren, noch die Modellrech- Diese anthropogen ausgelöste Änderung des globalen
nungen eine ausreichende Güte erreicht haben. Klimas wird erhebliche, nicht alle Regionen gleicher-
Angesichts der großen Komplexität des Klimasystems maßen betreffende ökologische und sozioökonomi-
sind regionale wie globale Überraschungen sicher. sche Auswirkungen haben, deren genaue Ausmaße
Regionale Klimaänderungstendenzen können vom heute noch nicht hinreichend genau abgeschätzt
mittleren Klimatrend abweichen. Und: Der möglichen werden können.

2. Veränderung des Ozongehaltes durch den Menschen

2.1 Grundlagen: Ozonbildung, -transporte und Die über Deutschland gemessenen Ozontrends zeigt
mittlere Trends die Abb. 2.1. Der Ozonrückgang in der Stratosphäre
im Höhenbereich um etwa 22 km betrug im vergan-
Ozon wird nicht durch natürliche oder anthropogene genen Jahrzehnt ca. 0,5 % pro Jahr, die Zunahme in
Quellen in die Atmosphäre emittiert, sondern aus- der freien Troposphäre im Durchschnitt der vergange-
schließlich durch chemische Prozesse in der Atmo- nen 25 Jahre etwa 2 % pro Jahr. In ländlichen Gebie-
sphäre gebildet. 90 % des Ozons befindet sich in der ten wird eine Zunahme der Ozonkonzentration von
Stratosphäre. Das stratosphärische Ozon wird über- etwa 1 % pro Jahr gemessen.
wiegend in den äquatorialen Breiten gebildet und
gelangt von dort durch horizontalen Transpo rt in die
mittleren und höheren Breiten. Der Abbau des stra-
tosphärischen Ozons erfolgt durch chemische Reak- 2.2 Auswirkungen der anthropogen bedingten
tionen und durch Photolyse sowie durch den vertika- Änderung des Ozongehaltes
len Transport stratosphärischer Luftmassen in die
Troposphäre. Der Ozongehalt in der Stratosphäre Die Änderung des Ozongehaltes in den beiden Atmo-
nimmt zur Zeit aufgrund anthropogener Aktivitäten
sphärenstockwerken Troposphäre und Stratosphäre
allgemein ab (s. Kap. 2.3).
wirkt sich in vielerlei Hinsicht nachteilig aus. Nach-
Der Ozongehalt der Troposphäre (etwa 10 % des folgend sind einige Beispiele aufgeführt und disku-
Gesamtozongehaltes) wird einmal durch den Eintrag tiert.
ozonreicher Luftmassen aus der Stratosphäre und zum
anderen durch photochemische Prozesse in der Tro-
posphäre bestimmt. Der Eintrag aus der Stratosphäre Ozon als UV-B-Filter
erfolgt in hohen und mittleren Breiten beider Hemi-
sphären und ist in den Winter- und Frühjahrsmonaten, Die Ozonschicht in der Stratosphäre absorbiert
insbesondere der Nordhemisphäre, am stärksten aus- nahezu die gesamte ultraviolette Strahlung der Sonne
geprägt. Die photochemische Produktionsrate ist u. a. im Wellenlängenbereich zwischen 230 und 320 nm.
abhängig von den anthropogenen Emissionen der Der extrem kurzwellige Teil bei Wellenlängen kleiner
Ozon-Vorläufer NO R , VOC, CH4 und CO sowie von als 290 nm wäre bei der Intensität der Sonnenstrah-
der Einstrahlung der Sonne. Die photochemische lung für niedrige Organismen und für die Oberflä-
Produktionsrate erreicht in den mittleren Breiten ihre chenzellen höherer Organismen bei längerer Exposi-
maximalen Werte im Frühsommer. In den Tropen tion tödlich. Die sogenannte UV-B-Strahlung (Wellen-
werden maximale O3-Produktionsraten während der längenbereich zwischen 280 und 320 nm) führt bei
Trockenzeit beobachtet, wenn die Emissionen der ausreichender Exposition zu Schädigungen bei Men-
O3 -Vorläufersubstanzen durch die Verbrennung von schen, Tieren und Pflanzen. Ein Abbau im Bereich der
Biomasse besonders ausgeprägt ist. Der Ozongehalt in maximalen Ozonkonzentration (etwa zwischen 20
der Troposphäre nimmt aufgrund anthropogener und 30 km Höhe) ist mit der Zunahme des UV-
Aktivitäten, vor allem in der Nordhemisphäre, zu (s. B-Strahlungsanteils in den darunterliegenden Schich-
auch Kap. 2.4). ten der Atmosphäre verbunden.
Die in den letzten Jahrzehnten gemessenen Trends Die Zunahme der UV-B-Strahlung an der Erdoberflä-
der O3 -Konzentrationen in der Troposphäre (O 3 che kann beim Menschen zu einer Zunahme der
3 -Abnahme) sind -Zunahme)dirStospä(O Erkrankungen an Hautkrebs und grauem Star sowie
somit grundverschieden. Der gesamte atmosphäri- zu verringerter Immunabwehr führen. Nach heutigem
sche Ozongehalt nimmt aber aufgrund des in absolu- Kenntnisstand kann eine höhere UV-B-Strahlung das
ten Werten größeren 0 3 -Abbaus in der Stratosphäre in den oberen Schichten der Ozeane lebende Phyto-
generell ab, wobei starke regionale Unterschiede plankton, das wichtigste Glied in der marinen Nah-
beobachtet werden. rungskette mit Wirkung auf Fischfang und damit
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Abbildung 2.1: Ozontrends in verschiedenen Höhen 1967-90 (Wege u. Vandersee, 1992)

Welternährung (Smith u. a., 1992), schädigen. Dar land (Station Neuherberg in 48 °N) etwa doppelt so
über hinaus werden Wachstumsstörungen, Zellschä hohe UV-B-Strahlung fest.
den und Mutationen an höheren Pflanzen auftreten.
Die Zunahme der UV-B-Strahlung in den mittleren
Eine Zunahme der UV-B-Strahlung ist insbesondere Breiten beider Hemisphären im Zeitabschnitt zwi-
in den durch das „antarktische Ozonloch" betroffenen schen 1979 und 1989 ist mit Hilfe von Modellrechnun-
Ländern beobachtet worden. Einerseits sind hier die gen auf 4 bis 12 % abgeschätzt worden (Liu u. a., 1991;
Verluste an stratosphärischem Ozon am größten, Madronich, 1992). Zuverlässige Messreihen über
andererseits sind mögliche kompensierende Effekte, einen Zeitraum von mehreren Jahren liegen noch
wie z. B. die Zunahme des troposphärischen Ozons nicht vor, weil bisherige Geräte sowohl nicht ausrei-
(zusätzliche Absorption) oder der troposphärischen chend spektral auflösten als auch nicht genau genug
Aerosole (mehr Streuprozesse) schwächer ausge- geeicht wurden, um Veränderungen im Bereich eini-
prägt als in der Nordhemisphäre. So stellten Seck- ger Prozente sicher feststellen zu können. Außerdem
meyer u. McKienzie (1992) in den Sommermonaten schwankt die UV-B-Strahlung auch mit Bewölkung,
1990/91 in Neuseeland (Station Lauder in 45 °S) eine Lufttrübung und Ozongehalt in der unteren Atmo-
im Vergleich zu den Sommermonaten 91 in Deutsch sphäre.
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Ozon als Luftschadstoff Die vertikale Verteilung des Ozons in der Atmosphäre
hat einen großen Einfluß auf die dynamischen Vor-
Höhere Ozonkonzentrationen in den untersten gänge in der Atmosphäre. So ist die Ozonschicht in der
Schichten der Troposphäre können zwar die durch Stratosphäre maßgeblich für die Temperaturstruktur
den Ozonverlust in der Stratosphäre verbundene und die Dynamik der Stratosphäre verantwortlich. Sie
Zunahme der UV-B-Strahlung zumindest regional beeinflußt damit den vertikalen Transport von Luft-
abmildern, schädigen dafür aber unmittelbar Pflan- massen in der Stratosphäre sowie zwischen der Tro-
zen, Tiere und Menschen. posphäre und der Stratosphäre und hat damit einen
entscheidenden Einfluß auf die chemische Zusam-
Beim Menschen wirkt Ozon wegen seiner stark oxi-
mensetzung der Atmosphäre.
dativen Eigenschaften primär schädlich auf die
Lunge. So führt Ozon bereits bei einer Konzentration
von 160 µg/m 3 (etwa 80 ppb) bei mehrstündiger
körperlicher Belastung zu Veränderungen der Lun-
2.3 Stratosphärischer Ozonabbau
genfunktionswerte (Wagner, 1991). Bei Kindern ver-
ringert sich das pro Sekunde aus der Lunge ausgeat-
mete Luftvolumen bereits bei einer Ozonbelastung Die Ozonkonzentration in der Stratosphäre hat in den
von 120 ppb um 16 % (Sonnemann, 1992). letzten 20 Jahren, insbesondere in den mittleren und
hohen Breiten beider Hemisphären im Mittel um 5
Ozon kann zu Augenreizungen und zu Veränderun- bis 10 % pro Jahrzehnt abgenommen (WMO/UNEP,
gen der Sehschärfe führen. Reizungen der Nasen- 1992). Dieser Trend wird sich nach gegenwärtigem
schleimhäute und Luftröhre treten bei Ozonkonzen- Verständnis noch mindestens ein Jahrzehnt weiter
trationen von etwa 590 µg/m 3 auf. Ungeklärt ist, ob die fortsetzen. Extreme Ozonverluste werden in den Win-
Einwirkung von Ozon auch mutagene und kanzero- ter- und Frühjahrsmonaten beobachtet:
gene Auswirkungen hat.
— Das antarktische Ozonloch war 1992 und 1993
Das bodennahe Ozon gilt derzeit als der bedeutendste hinsichtlich „Tiefe" und Ausdehnung mit den
Luftschadstoff für die Biosphäre, wobei die Auswir- Ozonlöchern der Jahre 1987, 1989, 1990 und 1991
kungen arten- und sortenspezifisch sind. Das Ozon vergleichbar. Dabei beträgt der Ozonverlust über
sowie die bei der photochemischen Ozonbildung der Antarktis im dortigen Frühjahr bis zu 60 %
freigesetzten anderen Photooxidantien führen zur gegenüber den Werten der 70er Jahre.
Braunfärbung von Blättern, manchmal sogar zum
Absterben von Pflanzenpartien, wobei die Einfluß- — Im Winter 91/92 wurden über weiten Gebieten der
nahme bei sehr jungem sowie bei älterem Gewebe Nordhemisphäre ungewöhnlich niedrige Ozon-
geringer ist. Ozon wird ursächlich mit den neuartigen mengen — bis zu 10 % unter dem langjährigen
Waldschäden in Verbindung gebracht. Die Schädi- Mittel — beobachtet (EK, 1992). Der Ozonverlust
gung der Chloroplasten sowie die Veränderung der im Winter 92/93 war noch höher. Über einigen
Durchlässigkeit der Zellmembranen durch Photooxi- Gebieten der mittleren Breiten der Nordhemi-
dantien verringern das Wachstum und führen zu sphäre wurden zwischen Dezember 1992 und
einem überdurchschnittlichen Verlust an Wasser. März 1993 zeitweise 10 bis 20 % geringere Ozon-
konzentrationen im Vergleich zum vorangegan-
gen Winter festgestellt (Waters u. a., 1993).

Ozon als Treibhausgas


Ursachen für den Ozonabbau
Höhere Ozonkonzentrationen in der Troposphäre und
der unteren Stratosphäre bis etwa 35 km Höhe ver-
Die für die Ozonzerstörung verantwortlichen Radikale
stärken den Treibhauseffekt (s. Kap. 1.3). Dieser
wie Chlormonoxid (ClO), Brommonoxid (BrO) oder
Effekt ist um so stärker, je niedriger die Temperatur
Stickoxide (NO x) entstehen beim Abbau langlebiger
ist, bei der Ozon gebildet wird. Da Ozon in der
Spurengase in der Stratosphäre, welche zum weit
Troposphäre zunimmt und in der Stratosphäre
überwiegenden Anteil (FCKW, Halone) oder zu einem
abnimmt, ist es regional treibhauseffektverstärkend
wesentlichen Anteil (N 2 O) durch menschliche Aktivi-
oder -abschwächend, auf jeden Fall aber wegen damit
täten in der Troposphäre freigesetzt werden. Diese
verbundener Temperaturänderungen klimaändernd.
Gase sind in der Troposphäre reaktionsträge, werden
aber in der Stratosphäre durch UV-Strahlung sowie
durch Reaktionen mit angeregtem atomaren Sauer-
Indirekte Wirkungen des Ozons stoff und OH-Radikalen in die für die Ozonzerstörung
verantwortlichen Radikale zerlegt.
Weitere Auswirkungen der anthropogen ausgelösten
Am wichtigsten ist dabei zur Zeit der steigende
Veränderung des atmosphärischen Ozonanteils sind
Chloranteil in der Stratosphäre. Die Chlorkonzentra-
schwieriger einzuschätzen.
tion in der Stratosphäre hat innerhalb der letzten 20
So beeinflußt Ozon die chemische Zusammensetzung Jahre von 2 ppbv auf etwa 3,5 ppbv zugenommen
der Atmosphäre, in dem es die Verteilung und Kon- (WMO/UNEP, 1992). Dieser Anstieg wird zu mehr als
zentration des Hydroxyl-Radikals (OH) stark prägt. 80 % durch die anthropogenen Emissionen chemisch
OH hat wiederum entscheidenden Einfluß auf die sehr stabiler Verbindungen (FCKW) verursacht. Das
Abbauraten verschiedener anderer Spurengase in der natürliche Hintergrund-Mischungsverhältnis, das
Atmosphäre. überwiegend durch das Methylchlorid (CH 3 Cl) aus
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Abbildung 2.2: Die Verteilung von Chlormonoxid (C10), Temperatur (T), Ozon (03) und
potentieller Vorticity (Q = Maß für die Wirbelstärke der atmosphärischen
Strömung) in einem Höhenniveau von etwa 20 km über der Nordhemisphäre
am 11. Januar 1992 (Waters u. a., 1993)
Darstellung: polar orthographische Projektionen, die die gesamte nördliche
-
Erdhälfte abbilden (Äquator am äußeren Rand). Landkonturen sind lediglich in
der CIO-Teilabbildung eingezeichnet.
Herkunft der Daten: CIO und 0 3 aus UARS/MLS-Messungen (Upper Atmo
spheric Research Satellite, Microwave Limb Sounder); T und Q aus Analysen
des NMC (US National Meteorological Center).
Die Teilabbildung für Q enthält zusätzlich Windpfeile, deren Länge zur
Windstärke proportional sind, wobei die größten Windgeschwindigkeiten mit
Werten bis zu 45 m/s am Rand des Polarwirbels (roter Bereich) auftreten. In
diesem Q-feld zeigt der blau markierte Bereich das Gebiet an, in dem aufgrund
sehr tiefer Temperaturen polare Stratosphärenwolken (PSC) gebildet werden
können. Der weiße Kreis in jeder der vier Teilabbildungen gibt die Grenze der
Polarnacht an. Die übrigen weiß markierten Bereich in der Nähe des Nordpols
repräsentieren Datenlücken.
Diese Abbildung zeigt auf den ersten Blick, daß die Ozonkonzentration im
Bereich des Polarwirbels (Vergleich zwischen O 3 - und Q-Verteilung) höher ist
als außerhalb. Dieses Ozonmaximum wird durch den während des Winters in
der Nordhemisphäre besonders stark ausgeprägten Transport ozonreicher
Luftmassen aus den niedrigeren Breiten hervorgerufen und entspricht dem
Zustand einer ungestörten (d. h. normalen) Ozonverteilung über der polaren
Nordhemisphäre im Winter. Innerhalb dieses Polarwirbels sind jedoch die
Ozonkonzentrationen in den Gebieten besonders tiefer Temperaturen und
hoher CIO-Konzentration (Mittel- und Nordeuropa) deutlich (etwa 15 bis 20 %)
geringer im Vergleich zu den normalen Ozonkonzentrationen in diesen
Breiten.
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Abbildung 2.3: Die Verteilung von CIO und 03 über der Südhemisphäre am 21. September 1991
sowie am 20. September 1992 (Waters u. a., 1993)
Herkunft
- der Daten: CIO und 0 3 aus UARS/MLS-Messungen (Upper Atmo
spheric Research Satellite, Microwave Limb Sounder). In Gegensatz zu Abb.
2.2 geben diese Karten die vertikal (oberhalb etwa 15 km Höhe) integrierten
CIO- bzw. O 3-Werte an.
Die Abbildung dokumentiert den Zusammenhang zwischen hoher CIO
Konzentration und starker Ozonabnahme über der polaren Südhemisphäre. Die
O3-Konzentrationen im Jahr 1992 liegen in einem breiten Band um die Antarktis
deutlich unter denen des Vorjahres.
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den Ozeanen bestimmt wird, liegt bei etwa 0,6 ppbv (bis 1. Januar 1996) — aufgrund der langen Verweil-
(WMO/UNEP, 1992). zeiten der Vorläufersubstanzen in den nächsten Jah-
ren noch weiter ansteigen wird. Dieser Effekt wird
Extreme Ozonverluste sind dort zu verzeichnen, wo
durch den wachsenden anthropogenen Treibhausef-
die reine Gaschemie durch heterogene chemische
fekt, der zu einer weiteren Abkühlung der Strato-
Prozesse (chemische Umwandlungsprozesse an Ober-
sphäre und damit zu einer Verlangsamung des Ozon-
flächen fester und flüssiger Bestandteile) verstärkt
abbaus durch homogene Gasreaktionen führt, gemin-
wird. Dies geschieht vor allem über der Antarktis,
dert. Auf der anderen Seite wird jedoch die Bildung
deren Stratosphäre sich im Verlauf des Winters sehr
von PSC begünstigt und der Abbau von Ozon, insbe-
stark abkühlt und somit die Bildung von polaren
sondere über den Polkappen, verstärkt (Austin u. a.,
stratosphärischen Wolken (,Polar Stratospheric
1992).
Clouds', PSC) ermöglicht (Crutzen u. Arnold, 1986).
Dabei werden Stickoxide gebunden und die norma-
lerweise in Chlornitrat gebundenen reaktiven Chlor-
verbindungen freigesetzt, die dann mit Wiederkehr 2.4 Troposphärische Ozonzunahme
des Sonnenlichts im Frühjahr Ozon katalytisch zerstö-
ren. Durch diesen Prozeß der Stickstoffeinbindung in Seit der Industrialisierung hat sich das mittlere Ozon
die flüssige und feste Aerosolphase wird nahezu das Mischungsverhältnis in den bodennahen Luftmassen
gesamte Chlorpotential für die Ozonzerstörung akti- der Nordhemisphäre mit Werten zwischen 40 und
viert (Waters u. a., 1993). Den Zusammenhang zwi- 50 ppbv gegenüber dem vorindustriellen Zustand
schen Ozonabbau und hohem Chlorpotential verdeut- mehr als verdoppelt. In den Tropen liegen die Ozon-
lichen die Abbildungen 2.2 für den Januar 1992 über werte — im Mittel zwischen 25 und 30 ppbv — deutlich
der Nordhemisphäre und 2.3 für den September 1992 niedriger.
für die Südhemisphäre (Waters u. a., 1993). Die durchschnittliche Ozonbelastung ist in den hoch
Eine weitere Möglichkeit den Ozonabbauprozeß in industrialisierten Ländern der Nordhemisphäre, und
einer ähnlichen Weise zu beschleunigen, sind he- hier insbesondere in den ländlichen Gebieten, am
teorogene chemische Reaktionen an den Oberflächen höchsten. Die Tab. 2.1 gibt für die westlichen Bundes-
von Schwefel-Aerosolteilchen (Brasseur u. a., 1990), länder an meist ländlichen Stationen gemessene
deren Konzentration in der Stratosphäre selbst in Ozonkonzentrationen im Jahr 1990 an. Beachtenswert
Abschnitten ohne Vulkanaktivität um etwa 5 % pro ist dabei, daß trotz z. T. sehr unterschiedlicher Jahres-
Jahr angestiegen ist (Hofmann, 1991). Kurzfristig mittelwerte die maximalen Halb- bzw. Zwei-Stunden-
kann der Anteil von Schwefel-Aerosolteilchen in der Mittelwerte sehr eng beieinander und weit über dem
Stratosphäre durch hochreichende Vulkaneruptionen VDI-Richtwert von 120 µg/m 3 liegen. Die Station
erheblich zunehmen. Der Ausbruch des Pinatubo im Schauinsland meldete im Jahr 1990 an 135 Tagen
Juni 1991, der mit einem großen Eintrag von SO 2 in die Zwei- Stundenmittel der Ozonkonzentration über
Stratosphäre verbunden war, wird für den verstärkten 120 µg/m 3 (BMU, 1992a). An allen Stationen wird
Ozonabbau in den beiden letzten Winterperioden der kurzzeitig sogar der MAK-Wert (maximale Arbeits-
mittleren Breiten der Nordhemisphäre mitverantwort- platzkonzentration) von 0,1 ppmv (180 µg/m 3 ) über-
lich gemacht (Zellner, 1992). schritten, an 8 Stationen sogar an mehr als 10 Tagen
im Jahr.
Die Wirksamkeit dieser heterogenen Prozesse hängt
von der Dauer bestimmter austauscharmer Wetterla- Kurzzeitige O 3 -Spitzenkonzentrationen können in
gen ab, insbesondere müssen sehr niedrige Tempera- Ballungsgebieten höher sein als in Reinluftgebieten.
turen (T<-78 °C) vorherrschen. Diese meteorologi- Allerdings laufen die ozonbildenden bzw. -abbauen-
schen Randbedingungen für die Ausbildung reaktiver den Prozesse in Ballungsgebieten wesentlich schnel-
Chlorverbindungen in extrem hoher Konzentration ler ab. Der Tagesgang der Ozonkonzentration ist
sind über der Antarktis gegeben und haben zum Ende stärker ausgeprägt (größere Extrema). Bei Wetterla-
des Winters und im zeitigen Frühjahr zu einem etwa gen mit hoher Ozonkonzentration, z. B. bei austausch-
15 Mio. km2 großem Gebiet mit extrem niedriger armen Smog-Wetterlagen, werden auch hohe Kon-
- zentrationen weiterer Photooxidantien angetroffen,
Ozonkonzentration über mehrere Wochen hinweg
geführt. Über der Arktis verhindert die größere die vielfach toxischer wirken als Ozon. Die beobach-
Variabilität der atmosphärischen Zirkulation die Aus- tete Zunahme der O 3 -Konzentration ist in der freien
bildung eines ähnlich stabilen, kalten und nahezu Troposphäre in den mittleren Breiten der Nordhe-
ortsfesten Polarwirbels und somit die Ausbildung misphäre mit etwa 1 % pro Jahr im Mittel besonders
eines mit dem antarktischen Ozonloch vergleichbaren deutlich ausgeprägt. Dagegen ist in der Südhemi-
Phänomens. sphäre kein langfristiger Trend des Ozons in der
Troposphäre nachweisbar.

Ausblick
Ursachen für die Ozonzunahme
Der Ozonabbau in der Stratosphäre wird sich in den
Die anthropogenen Emissionen der Ozon-Vorläufer
kommenden Jahren verstärkt fortsetzen, da die Kon-
NOR , VOC, CH4 und CO die
zentration der ozonabbauenden Radikale in der Stra-
tosphäre — trotz des auf der 4. Vertragsstaatenkonfe- — in den Industrieländern zu einem überwiegenden
renz des Montrealer Protokolls beschlossenen be- Anteil durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe
schleunigten Ausstiegs aus der FCKW-Verwendung und
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Tabelle 2.1

Ozonkonzentrationen 1990; gemessen an Stationen des Umweltbundesamtes

Ozon 1990 [ g/m3 ]

Meßstelle Jahres- maximale maximale Anzahl der Tage mit 2-Stundenmittel


mittel- Halb- 2-Std.-
werte stunden mittel > 120 µg/m
µ 3 >180 µg/m 3 >240 µg/m 3 >300 µg/m 3 >360 µg/m 3

Schauinsland 101 317 308 135 38 8 1 0


Brotjacklriegel . 89 265 262 114 22 2 0 0
Deuselbach 76 304 288 106 32 9 0 0
Herleshausen .. 70 305 273 85 14 2 0 0
Regnitzlosau 63 240 229 69 12 0 0 0
Waldhof 59 235 229 71 11 0 0 0
Westerland 59 214 196 22 1 0 0 0
Rottenburg 59 235 225 76 17 0 0 0
Rodenberg 53 280 272 54 8 1 0 0
Meinerzhagen . 51 351 337 44 15 4 0 0
Ansbach 50 216 208 47 4 0 0 0
Hohenwestedt . 49 239 235 30 4 0 0 0
Bassum 45 250 245 35 8 1 0 0
Gittrup 33 293 287 24 8 1 0 0

— in den Tropen durch die Verbrennung von Bio- Stratosphärisches Ozon


masse emittiert werden, sind für die Zunahme des
troposphärischen Ozons verantwortlich (s. auch Von den gasförmigen Emissionen aus landwirtschaft-
Kap. 2.5). lichen Aktivitäten beeinflussen lediglich N 2O und
Ozon wird in der Troposphäre bei der durch Stick- CH4 die Chemie der Stratosphäre in bedeutsamer
Weise.
oxide katalysierten photochemischen Oxidation von
CO, CH4 und höheren Kohlenwasserstoffen gebildet.
N2 O ist die wesentliche Quelle von stratosphärischem
Die reaktiven VOC sind dabei für die O 3 -Bildung in
NO x , dem wichtigsten natürlichen Katalysator des
den untersten Schichten der Troposphäre und die
Ozonabbaus in der homogenen Gasphase (Zellner,
langlebigeren Spurengase CO und CH 4 für die O3
1992b). Dieser Beitrag zum zusätzlichen Ozonabbau
-BildungerfTopshävnauclge-
ist jedoch momentan gegenüber dem durch die FCKW
bender Bedeutung. Die photochemische Ozonbildung
klein. Darüber hinaus wird durch die Reaktion zwi-
in der Troposphäre ist i.a. durch NO x limitiert. Unter-
schen NO 2 und ClO das stabile Chlornitrat gebildet
schreitet das NO x -Mischungsverhältnis den Wert von
und dadurch die schädigende Einwirkung der reakti-
10 pptv, wird Ozon nicht mehr gebildet, sondern
ven Chlorverbindungen auf die globale stratosphäri-
abgebaut (EK, 1992).
sche Ozon-Konzentration gemindert. Der Bereich
Landwirtschaft (inkl. Biomasseverbrennung) ist mit
ca. 2,1 Mio. t N pro Jahr für etwa 15 % aller N 2O
2.5 Ozonrelevante Emissionen im -Emissionen bzw. für ca. 60 % der anthropogenen
Landwirtschafts- und Waldbereich N20-Emissionen verantwortlich (IPCC, 1992).

Die ozonrelevanten Emissionen, die den Bereichen Methan (CH 4 ) führt nicht nur zur Bildung von Wasser-
Landwirtschaft und Wälder zuzurechnen sind, werden dampf (H 2 0) in der Stratosphäre, sondern beeinflußt
ausführlich in den Abschnitten B und C behandelt. xauch
- die Bildung von HO x -Radikalen. Der über HO
Hier soll lediglich eine grobe Einordnung dieser Radikale laufende katalytische Ozonabbauzyklus ist
Emissionen in Relation zu anderen Emittenten erfol- im oberen Bereich der Stratosphäre, d. h. oberhalb
gen. Die Emissionen sind am Abbau des stratosphäri- von 50 km, dominant (EK, 1990). Durch die Reaktion
schen Ozons wie auch an der Bildung des troposphä- des Methans mit Chlor-Atomen wird außerdem reak-
rischen Ozons beteiligt. tives Chlor in Form von HCl gebunden, das dann
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durch vertikalen Transport aus der Stratosphäre in die Quellenstärken noch nicht durch ausreichende Mes-
Troposphäre gebracht und dort durch Niederschlag sungen abgesichert sind und andererseits die ver-
aus der Atmosphäre ausgewaschen wird. gleichsweise kurzen Verweilzeiten dieser Spuren-
gase in der Atmosphäre für eine insgesamt sehr
Der Bereich Landwirtschaft ist mit mehr als 200 Mio. t
inhomogene Verteilung sorgen.
CH4 für knapp 60 % aller anthropogenen CH 4 -Emis-
sionen verantwortlich (IPCC, 1992). Schätzungen der durch Verbrennung von Biomasse
jährlich global freigesetzten CO-Menge liegen zwi-
schen 335 und 1400 Mio. t CO pro Jahr. Der indirekt
Troposphärisches Ozon durch Oxidation von Methan gebildete CO-Anteil pro
Jahr liegt in der Größenordnung 600 Mio. t CO (IPCC,
Anthropogene CH 4 -Emissionen in den Bereichen 1992).
Landwirtschaft und Wälder (Naßreisanbau, Tierhal- Stickstoffmonoxid (NO) und Stickstoffdioxid (NO 2 ),
tung, unkontrollierte Verbrennung von Biomasse) oftmals zusammengefaßt als NO x , entstehen u. a. bei
liegen in der Höhe von 200 Mio. t CH 4 pro Jahr, was Brandrodung, beim Abbrand von Kultursavannen
etwa 60 % aller anthropogenen bzw. 40 % der gesam- aber auch bei mikrobiologischen Abbauprozessen in
ten CH4 -Emissionen in einem Jahr entspricht (IPCC, Böden. Die durch unkontrollierte Biomasseverbren-
1992). nung jährlich emittierte NO x -Menge liegt etwa zwi-
Die folgenden Angaben zu den Emissionsraten der schen 2,5 und 13 Mio. t N pro Jahr (IPCC, 1992). Die
Ozonvorläufer CO und NO x sind noch sehr ungenau, gesamten NO x -Emissionen werden auf über 50 Mio. t
da einerseits die räumlich wie zeitlich sehr variablen N geschätzt.

3. Literaturverzeichnis Abschni tt A

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-
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Abschnitt B — Klimaänderung und Landwirtschaft

Zusammenfassung und zentrale Empfehlungen

Intensivlandwirtschaft in den Industrieländern Landwirtschaft in den Entwicklungsländern

Die Landwirtschaft trägt global wie national zu 15 % Die Armut der ländlichen Bevölkerung, die ungleiche
zum anthropogenen Treibhauseffekt bei. Die Analyse Landbesitzverteilung (Großgrundbesitz), der expo rt
der in Mitteleuropa vorherrschenden Intensivland- -orientAbauvCsh-crop,dieVulng
wirtschaft belegt den deutlichen Zusammenhang zwi- der Entwicklungsländer, der Verfall von Preisen auf
schen der Produktionsintensität, dem Grad der Spe- dem Weltmarkt und das ungebremste Bevölkerungs-
zialisierung und Konzentration sowie dem Ausmaß wachstum überfordern das ursprünglich nachhaltige
der verschiedenen Umweltbelastungen und der kli- System des Wanderfeldbaus und verstärken die
maschädlichen Spurengasemissionen aus der Land- Brandrodungsaktivitäten in den Wäldern. Da die
wirtschaft. Böden rasch degradieren, müssen ständig neue Flä-
chen gerodet werden. Zusätzlich nehmen die
Die intensive Landwirtschaft, speziell mit intensiven Rodungsaktivitäten aufgrund staatlicher Siedlungs-
Vorleistungen (Produktion von Düngemittlen, Biozi- programme und der Anreize zur großflächigen
den etc.), in den westlichen Industrieländern trägt Erschließung der Wälder zu.
durch den Verbrauch fossiler Energieträger vor allem
bei der Herstellung von Mineraldüngern, als Treib- Die Brandrodung der Tropenwälder trägt mit 15
stoff und durch den Import bzw. Transport von Futter- zum anthropogenen Treibhauseffekt bei. Die tropi-
mitteln zur CO 2 -Emission bei. Der teilweise überhöhte schen Wälder werden zum größten Teil gerodet, um
und teilweise unsachgemäße Einsatz mineralischer neue landwirtschaftliche Anbauflächen zu gewinnen.
und/oder organischer Stickstoffdünger führt zu Stick- Der reichtumsbedingten Ressourcenverschwendung
stoffeinträgen in die Agrarökosysteme, die die Auf- des Nordens steht die armutsbedingte Ressourcenzer-
nahme durch die Pflanzen häufig weit übersteigen. störung des Südens gegenüber. Die umweltbela-
Die Stickstoffüberschüsse verbleiben im Boden oder stende Intensivlandwirtschaft mit ihren Überschüssen
werden in die Gewässer ausgewaschen. Mit der Höhe im Norden und die weitgehend fremdbestimmte,
der Stickstoffüberschüsse in den Böden nehmen exportorientierte Landwirtschaft bei Unterversorgung
zudem die Distickstoffoxid-Emissionen überpropor- der einheimischen Bevölkerung im Süden verursa-
tional zu. Die Methan- und Ammoniakfreisetzung aus chen beide steigende Emissionen klimawirksamer
der Tierhaltung und der Wirtschaftsdüngung hängt Spurengase und sind daher Mitverursacher der globa-
wesentlich vom Energie- und Eiweißgehalt des Fut- len Klimaänderung.
ters sowie dem Stallhaltungs- und Entmistungssystem
ab. Besonders hoch sind die Emissionen aus der
intensiven Massentierhaltung mit Gülle-Entmistungs-
systemen. Die Ammoniakausgasung aus der Gülle
trägt gemeinsam mit der Auswaschung bzw. dem Globale Umweltprobleme durch nicht nachhaltige
Abtrag mineralischer Stickstoffdünger in Grund- und Landbewirtschaftung
Oberflächengewässer zur Eutrophierung natürlicher
und naturnaher Ökosysteme bei. Dies führt dort wie- In engem Zusammenhang mit dem Beitrag der Land-
derum zur verstärkten Freisetzung von Distickstoff- wirtschaft zur Emission klimawirksamer Spurengase
oxid. Gleichzeitig trägt die Eutrophierung zur Zerstö- stehen zahlreiche weitere, regional unterschiedlich
rung insbesondere von nährstofflimitierten Lebens- ausgeprägte Umweltbelastungen. Die Qualität unse-
räumen wildlebender Pflanzen und Tiere und damit rer Lebensumwelt und unserer Nahrungsmittel hat
zur Verringerung der Arten- und Biotopvielfalt in der sich verschlechtert. Die Landwirtschaft ist heute in
Landschaft bei. erheblichem Umfang an der Eutrophierung von Öko-
systemen, am Artensterben und der genetischen Ver-
Die zunehmende Spezialisierung und Mechanisie- armung, an der Zerstörung wertvoller Biotope und am
rung in der Landwirtschaft führte in vielen Regionen Waldsterben beteiligt. Teile der Kulturlandschaft
zur Entkopplung von Tierhaltung und Pflanzenbau, wurden im Zuge der „Flurbereinigung" ausgeräumt
zu einer Verarmung der Fruchtfolgen, zum Rückgang und haben an Wert verloren. Gleichzeitig drohen
einer geregelten Stallmist-Humuswirtschaft. Die infolge der ökonomisch und ökologisch teilweise
Schädigung der Bodenstruktur, zum Beispiel durch bedenklichen Flächenstillegung oder der Aufgabe
den unsachgemäßen Einsatz schwerer Maschinen mit der Bewirtschaftung weite Teile des Landes zu ver-
hoher Flächenpressung und die Zunahme der Erosion öden, wie in verschiedenen Regionen der EU bereits
erhöhen den Austrag von Kohlenstoff und Nährstoffen zu beobachten ist. Zudem kommt es vorübergehend
aus den Agrarökosystemen, was letztlich ebenfalls häufig zur verstärkten Auswaschung von Stickstoff in
klimarelevant ist. Grund- und Oberflächengewässer, wenn dieser nicht
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mehr durch Kulturpflanzen dem Boden entzogen delten Winterregenzonen um das Mittelmeer, in den
wird. USA und den südlichen GUS-Ländern würden zu
unfruchtbaren Trockengebieten. Um hier weiterhin
Die Konzentration der intensiven Landbewirtschaf- Pflanzenbau betreiben zu können, müßten die
tung und die konzentrierte Massentierhaltung in den genannten Gebiete künstlich bewässert werden,
landwirtschaftlichen „Gunsträumen" verstärkt do rt soweit denn ausreichend Kapital und Wasser vorhan-
diergonalUmwtschädeurgbli den wäre. Den Böden droht bei unsachgemäßer
zur Degradation der Böden bei. Die künstliche Bewäs- Bewässerung die Gefahr der Versalzung, die eine
serung führt in semi-ariden und ariden Gebieten oft weitere landwirtschaftliche Nutzung unmöglich
zur Versalzung. Überhöhte Düngung und Pestizidein- macht. Auch der Anstieg des Meeresspiegels könnte
satz tragen zur chemischen Belastung bei. Unsachge- in vielen dichtbesiedelten Küstenregionen und frucht-
mäße, nicht standortgerechte Bodenbearbeitung so- baren Flußdeltas zu Landverlusten durch Überflutung
wie die fehlende Stallmist-Humuswirtschaft ziehen oder Versalzung führen (Bangladesh, Nildelta, Golf
Strukturschäden, Erosion und Verdichtungen der von Mexiko, deutsche und niederländische Nordsee-
Böden nach sich. Die stetig wachsende, häufig irrever- küste etc.).
sible Schädigung der Böden führt zur weiteren Aus-
dehnung der Wüstenflächen. Übernutzung und Über-
weidung, nicht angepaßte Anbaumethoden und die
Rodung der Wälder sind weltweit die häufigsten
Konsequenzen für die Ernährung der
Ursachen dieser Entwicklung.
Weltbevölkerung
Durch die notwendige Steigerung der landwirtschaft-
lichen Produktion und die weitere Ausdehnung der Wenn auch die Weltbevölkerung derzeit noch ausrei-
Landbewirtschaftung insbesondere in den unterver- chend ernährt werden könnte, so scheitert dies an der
sorgten Regionen der Welt wird der Beitrag der mangelhaften Verteilung zwischen Arm und Reich.
Landwirtschaft an der anthropogenen Klimaänderung Große Teile der Weltbevölkerung leben bereits heute
künftig weiter steigen. Gleichzeitig beschleunigt die „von der Hand in den Mund" und viele verhungern.
Klimaänderung die weitere Erosion, Versalzung und Die weltweite Klimaänderung und die dabei sehr
Desertifikation der landwirtschaftlichen Nutzflächen wahrscheinliche Zunahme der Dürren, Stürme und
im Sinne einer positiven Rückkopplung. anderer extremer Wetterereignisse gefährden die
Welternährung in zunehmendem Maße. Zudem wird
die Bevölkerung bis zum Jahr 2025 von derzeit
-
5,5 Milliarden auf schätzungsweise 8,5 Milliarden
Drohende Gefahren durch die Klimaänderung Menschen anwachsen. Fünf Sechstel der Weltbevöl-
kerung werden dann in den heutigen Entwicklungs
und Schwellenländern leben. Dies wird zu einer
Nach Klimamodellrechnungen erwartet man im näch-
drastischen Verschärfung der sich bereits abzeich-
sten Jahrhundert — ohne deutliche und weltweite
nenden Verteilungskämpfe und entsprechenden
Gegenmaßnahmen — eine Erwärmung um etwa
Migrationsproblemen führen.
0,3 °C pro Jahrzehnt im globalen Durchschnitt. Hier-
durch verschieben sich die Vegetationszonen mittle- Der weiteren Ausdehnung der landwirtschaftlichen
rer Breiten polwärts und es kommt zu teilweise Nutzflächen sind bereits jetzt Grenzen gesetzt. Die
starken Veränderungen in der regionalen Intensität Agrar-Überschußproduktion
- der westlichen Indu-
und Verteilung der Niederschläge und anderer Wet- strieländer war schon in der Vergangenheit keine
terereignisse und zu einer Zunahme extremer Wetter- Lösung der Ungleichverteilung und der Unterversor-
ereignisse (Dürren, Stürme etc.). gung weiter Teile der Welt. Sie führte vielmehr zu
Verzerrungen auf dem Weltmarkt mit erheblichen
So ungleich verteilt wie die Ursachen der Klimaände- Nachteilen für viele Entwicklungsländer, die von
rung, so ungleich verteilt sind aber auch deren Aus- Agrarexporten abhängig sind.
wirkungen. Ein Viertel der Weltbevölkerung in den
westlichen Industrienationen verursacht drei Viertel
der Emissionen bzw. der globalen Klimaänderung.
Zwar werden voraussichtlich auch die reichen Indu- Zielsetzung für die künftige globale
strieländern keine Gewinner einer Klimaänderung Landbewirtschaftung
sein, doch werden die Auswirkungen in der dortigen
Überschußlandwirtschaft weniger dramatisch sein. Aus den beschriebenen Wechselwirkungen und
Für die unterversorgten Entwicklungsländer werden Abhängigkeiten zwischen der Landwirtschaft und der
hingegen drastische Auswirkungen prognostiziert. Klimaänderung, einschließlich ihrer ökonomischen
Unter dem Anpassungsdruck der Klimaänderung und soziokulturellen Bezüge, kann man folgende
wird sich daher die Kluft zwischen Entwicklungslän- Ziele für eine künftige Landbewirtschaftung ablei-
dern und Industrieländern weiter vertiefen. ten:
Die jetzt schon relativ trockenen Zonen im westlichen — Die Freisetzung klimawirksamer Spurengase aus
und südlichen Afrika, in Südostasien und großen der Landwirtschaft (und allen anderen Wirtschafts-
Teilen von Mittel- und Südamerika wären von einem zweigen) müssen vermindert und damit die Verän-
geringen Rückgang der Niederschläge besonders derung der chemischen Zusammensetzung der
betroffen. Die Landwirtschaft ist dort bereits häufig Atmosphäre und die Veränderung des Klimas
von Dürre bedroht. Die fruchtbaren und dichtbesie begrenzt werden;
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

— die Spurengasbelastung der Atmosphäre muß Die Verringerung der Emissionen aus der westlichen
durch eine stabilere und stärkere Kohlenstoffein- Intensivlandwirtschaft eröffnet gleichzeitig den Ent-
bindung in der Biosphäre und den Böden verrin- wicklungsländern den erforderlichen Spielraum für
gert werden; eine Produktionssteigerung in ihrer Landwirtschaft.
Ebenso wie in allen anderen Wirtschaftsbereichen ist
— die künftige umweltgerechte und nachhaltige
die notwendige Entwicklung in den Entwicklungslän-
Landbewirtschaftung ist an regionale Standortbe-
dern nur dann global klimaverträglich möglich, wenn
dingungen und zukünftige Klimaänderungen an-
die Industrieländer ihre Emissionen zuvor deutlich
zupassen.
senken.
Diese Ziele gelten gleichermaßen für die Landwirt-
Die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung in
schaft in den Industrieländern wie auch in den unter-
den unterversorgten Regionen der Welt erfordert eine
versorgten Regionen der Welt.
standortgerechte und umweltverträgliche Produk-
tionssteigerung in der dortigen Landwirtschaft. Durch
eine maßvolle und standortangepaßte Erhöhung der
Maßnahmen zur Verringerung der klimaschädlichen Produktionsintensität könnten die Erträge erheblich
Emissionen aus der Landwirtschaft gesteigert werden. Sofern gewährleistet wird, daß die
Ertragssteigerungen für die Ernährungssicherung der
Die Freisetzung klimawirksamer Spurengase hängt in einheimischen Bevölkerung genutzt werden und
der westlichen Intensivlandwirtschaft maßgeblich von nicht — wie bisher — vorwiegend den Produzenten
deren Produktionsintensität ab. Daher müssen die von „Cash crops”, dem Export und dem Gewinn
Emissionen durch eine Senkung der Produktionsin- weniger Großbetriebe international tätiger Unterneh-
tensität, durch eine Extensivierung der Landwirt- men zugute kämen, könnte auch eine wachsende
schaft reduziert werden. Dies ist möglich durch Bevölkerung ernährt werden.

— die Rückführung der Überschußproduktion durch Oberstes Ziel muß aber auch hier eine nachhaltige
eine flächendeckend umweltverträgliche und ex- und dauerhafte Landbewirtschaftung sein. Nur mit
tensivere Bewirtschaftung und die Schaffung ent- Hilfe eines stabilen und an den Standort angepaßten
sprechender finanzieller Anreize auf EU-Ebene, Anbaus (Agroforstwirtschaft/Ecofarming) läßt sich der
Teufelskreis aus Degradation der Böden und Brandro-
— die stärkere Förderung umweltgerechter Formen dung weiterer Waldflächen (mit den entsprechenden
der Landbewirtschaftung, klimarelevanten Emissionen) durchbrechen. Gleich-
— die Internalisierung externer Kosten der Landwirt- zeitig müßten aber erhebliche Anstrengungen zur
Reduzierung des Bevölkerungswachstums unternom- -
schaft durch eine Abgabe/Steuer z. B. auf Mineral-
stickstoff und Gülle, men und verschiedene regionale bzw. globale Rah-
menbedingungen der Landwirtschaft und des Welt-
— die Vergütung der ökologischen und landschafts- handels verändert werden. Hier sind insbesondere zu
pflegerischen Leistungen der Landwirtschaft nennen:
durch staatliche Transferzahlungen,
— die Verbesserung des Marktzugangs für die Ent-
— die Streichung der Landwirtschaftsklauseln im wicklungsländer durch den Abbau von Handels-
Bundes-Naturschutzgesetz und den Landes hemmnissen — insbesondere für weiterverarbei-
Naturschutzgesetzen, tete Produkte,
— die Verringerung der Tierbestände durch die Bin- — die Einführung ökologischer und sozialer Stan-
dung der Tierhaltung an die Fläche, dards in den Welthandel,
— die Verbesserung der Tierfütterung, — ein weitergehender Schuldenerlaß für Entwick-
lungsländer,
— die Verbesserung der Wirtschaftsdüngerlagerung
und -ausbringung, — der Transfer von Finanzmitteln, die gezielt und
unter der Möglichkeit der Erfolgskontrolle zur
— die Begrenzung der Stickstoffdüngung über die
Förderung einer nachhaltigen Entwicklung in Ent-
Festsetzung von Höchstmengen bei Wirtschafts-
wicklungsländern eingesetzt werden,
düngern und Abgaben/Steuern bei Mineraldün-
gern, — der Transfer umweltschonender Technologien und
Verfahren in die Entwicklungsländer,
— die Durchsetzung verbindlicher Auflagen für
Bodenschutzmaßnahmen, — die Erhöhung der staatlichen Entwicklungshilfe
der Industrieländer auf mindestens 0,7 % ihres
— die Senkung des Energieverbrauchs in der Land-
Bruttosozialproduktes bis zum Jahr 2000,
wirtschaft,
— eine wesentliche Aufstockung der Globalen Um-
— die Verringerung des Futtermittelzukaufs und
weltfazilität (GEF) und die Ausweitung der Aufga-
-imports,
ben der GEF auf eine stärkere Förderung nachhal-
— die Förderung der energetischen Nutzung organi- tiger Landbewirtschaftungssysteme in den Ent-
scher Rest- und Abfallstoffe aus der Land- und wicklungsländern.
Forstwirtschaft,
Das Leitziel ist eine weltweit nachhaltige und damit
— nach Prüfung von Öko- und Klimabilanzen die auch gleichermaßen klima- und umweltverträgliche
Förderung nachwachsender Rohstoffe. Landbewirtschaftung.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

1. Bedeutung der Landwirtschaft

Landwirtschaft ist die geplante und gelenkte Nutzung auch darin zum Ausdruck, daß die Landwirte seit dem
von Pflanzen- und Tierbeständen zur Versorgung des Beginn der landwirtschaftlichen Bodennutzung maß-
Menschen mit Nahrungsmitteln und Rohstoffen. Sie geblich die Entwicklung und Gestalt des Raumes und
gehört zur Ur-- oder Primärproduktion und bleibt trotz der Landschaft bestimmt haben. Dadurch war und ist
wachsender technischer und chemischer Beeinflus- Landbewirtschaftung zwangsläufig zugleich Umwelt-
sung an elementare biologische Abläufe und an den gestaltung. Dies kann zur Erhaltung der Natur, zur
Naturhaushalt, d. h. an das komplexe Beziehungs Schaffung und Entwicklung einer Kulturlandschaft,
und Wirkungsgefüge der Lebewesen untereinander zur Erhöhung der Artenvielfalt, aber auch, wie insbe-
und mit ihrer unbelebten Umwelt, gebunden. sondere neuere Entwicklungstendenzen zeigen, zur
Beeinträchtigung der Natur, zur Zerstörung von Bio-
In einer allein aus natürlichen Ökosystemen beste-
topen, dem Verlust von Arten und zur Umweltbela-
henden Umwelt konnte der Mensch nur als Jäger und
stung führen (SRU, 1985). Die wirtschaftlichen und
Sammler existieren. Erst der Übergang zu Pflanzen-
politischen Rahmenbedingungen, denen die Land-
bau und Tierhaltung ermöglichte den Menschen sich
wirtschaft unterliegt, müssen daher künftig den ver-
vom Zwang der eigenständigen Nahrungsbeschaf-
schiedenen Aufgaben der Landwirtschaft gleicherma-
fung zu befreien. Die zuverlässige Sicherung der
ßen gerecht werden. Diese Aufgaben sind:
Ernährung auch der nicht in der Landwirtschaft täti-
gen Bevölkerung durch die Landwirtschaft stellte die — die umweltgerechte, nachhaltige und ausrei-
Grundlage unserer heutigen arbeitsteiligen Gesell- chende Produktion von qualitativ hochwertigen
schaft dar. Die wachsende Produktivität in Pflanzen- und gesunden Nahrungsmitteln sowie Rohstoffen
bau und Tierhaltung ermöglichte die Ansammlung zur industriellen Verarbeitung oder energetischen
und Aufbewahrung größerer Nahrungsmittelvorräte Nutzung;
und schuf damit die Voraussetzung für die räumliche
— der Erhalt bzw. die Wiederherstellung und die
Differenzierung in Stadt und Land sowie die Versor-
Pflege der natürlichen Lebensgrundlagen (Boden,
gung der immer stärker wachsenden Bevölkerung
Wasser, Luft, Artenvielfalt) in einer vielgestaltigen
(SRU, 1985 u. 1992).
Kulturlandschaft;
Die Befriedigung des elementaren Grundbedürfnis-
ses der Nahrungsmittelversorgung besitzt daher — die Sicherung und Stärkung der Sozialstruktur
einen hohen ökonomischen Stellenwert. Gleichzeitig ländlicher Räume (Arbeitsplätze, Lebensqualität.
ist sie von größter ökologischer Bedeutung, da die etc.).
Nahrung nur durch mehr oder weniger starke Ein- Die Landwirtschaft in den gemäßigten Breiten arbei-
griffe in die natürliche Umwelt erzeugt werden kann. tete im 18. und 19. Jahrhundert, ja sogar bis in die
Die Landwirtschaft ist zudem — insbesondere im Mitte des 20. Jahrhunderts hinein in einem ausgewo-
Bereich des Pflanzenbaus — von den natürlichen genen Miteinander von Pflanzenbau und Tierhaltung.
Produktionsbedingungen, vor allem dem Klima und Eine geregelte Futterwirtschaft auf Acker und Grün-
Witterungsverlauf abhängig, was sie gegenüber land, durch die Stallmistwirtschaft weitgehend
anderen Wirtschaftsbereichen benachteiligt. Diese geschlossene Stoffkreisläufe, systematische, viel-
Tatsache begründet auch die wirtschaftspolitische gliedrige und abwechslungsreiche Fruchtfolgen und
Sonderrolle der Landwirtschaft nach § 1 des Deut- eine auf langer Erfahrung basierende Berücksichti-
schen Landwirtschaftsgesetzes. gung der speziellen ökologischen Voraussetzungen
Die Landwirtschaft nimmt aber sowohl unter ökono- jedes Betriebes und jedes einzelnen Feldes waren die
mischen wie unter ökologischen Gesichtspunkten Grundlagen der bäuerlichen Landwirtschaft. Wenn-
eine Sonderrolle in der Gesellschaft ein. Die Siche- gleich die Erträge deutlich unter dem heutigen
rung der Ernährung und insbesondere die weitge- Niveau lagen, war dieses System in seiner Flächen-
hende Selbstversorgung der Bevölkerung war zu produktivität dem des ausgehenden Mittelalters
jeder Zeit ein hohes volkswirtschaftliches Ziel. Die bereits mindestens um das zwei- bis vierfache überle-
EG-weite Selbstversorgung war einer der wesentli- gen und bot durch die Einführung der Kartoffel und
chen Gründe für den Abschluß der römischen Ver- Hülsenfrüchte in die Fruchtfolgen vor allem eine
träge (1957) und die Bildung der Europäischen Wirt- höhere Ertragssicherheit sowie Vielfalt und Qualität
schafts-Gemeinschaft. Agrarpolitische Entscheidun- der Nahrungsmittel (Hampicke, 1987). Diese nachhal-
gen und Kompetenzen wurden als erste weitgehend tige und umweltverträgliche Form der Landbewirt-
auf die EG-Ebene verlagert. Die Gemeinsame Agrar- schaftung entwickelte der ökologische Landbau in
politik hat daher zentrale Bedeutung im zusammen- einer Synthese aus traditioneller Erfahrung, techni-
wachsenden Europa. schem Fortschritt und aktuellen wissenschaftlichen
Erkenntnissen stetig weiter.
Die ökonomische Rolle der Landwirtschaft hat im
Vergleich zur Industrieproduktion in jüngster Zeit Die Begründung der Agrikulturchemie — vor allem
zunehmend an Bedeutung verloren, die ökologische durch J. v. Liebig — in der Mitte des 19. Jahrhunderts,
Sonderstellung ist jedoch geblieben. Diese kommt die großtechnische Gewinnung von Stickstoffdünge-
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

mitteln (Ammoniaksynthese nach dem Haber-Bosch- 34,0 Mrd. DM. Die Nettowertschöpfung zu Faktorko-
Verfahren seit 1913) sowie die Fortschritte in der sten verminderte sich ebenfalls um 8,6 % auf 24,7 Mrd.
Produktionstechnik und der Pflanzen- bzw. Tierzüch- DM. Der Anteil der Landwirtschaft an der gesamten
tung waren wesentliche Schritte bei der enormen Nettowertschöpfung der Volkswirtschaft belief sich
Steigerung der Produktion, der Sicherung der Erträge auf schätzungsweise 1,0 %. Das Fremdkapital verrin-
und der Ernährung einer rasch wachsenden Bevölke- gerte sich während des Wirtschaftsjahres 1992/93 um
rung. Der weitaus größte Teil der traditionell konven- 1,6 % auf 44,1 Mrd. DM.
tionellen Landwirtschaft veränderte sich in der zwei-
1993 waren in den landwirtschaftlichen Bet rieben
ten Hälfte dieses Jahrhunderts im Verlauf eines deut-
Deutschlands und deren Haushalten 1,83 Mio. Perso-
lichen Strukturwandels zu einer „Intensivlandwirt-
nen haupt- oder nebenberuflich beschäftigt. Die
schaft" . Diese Entwicklung der Landwirtschaft (Kap.
betriebliche Arbeitsleistung hat sich 1993 im früheren
1.1.3) und ihre Folgen (Kap. 1.2.1) müssen noch näher-
Bundesgebiet um 4,7 %, in den neuen Ländern um
erläutert werden.
15,7 % verringert und belief sich auf etwa 788 000
Die Intensivierung in der Landwirtschaft ist eine Arbeitskraft-Einheiten. Der Arbeitskräftebesatz be-
wesentliche Ursache für die Zunahme vieler von ihr trug 1993 in Deutschland 4,6 AK-Einheiten je 100 ha
verursachter Umweltbelastungen und steigender LF (ABL: 5,4 AKE/100 ha; NBL: 2,8 AKE/100 ha). Die
Emissionen klimawirksamer Spurengase. Im zweiten Gewinne der landwirtschaftlichen Vollerwerbsbe-
Kapitel wird die Rolle der Landwirtschaft als „Täter" triebe sanken gegenüber dem Vorjahr um durch-
ausführlich dargestellt. Zugleich ist sie aber auch schnittlich 6,3 % auf 44 707 DM je Unternehmen
„Opfer", denn sie ist der Wirtschaftsbereich, der den (Tab. 1.15) (BML, 1994 a).
Wirkungen des Klimas und der Klimaänderung am
deutlichsten unterworfen ist. „Die Gestaltung des
gesamten Landwirtschaftsbetriebes wird in entschei- 1.1.1 Landwirtschaftliche Flächennutzung
dender Weise vom Klima beeinflußt. Es ist wesentlich, in der Bundesrepublik Deutschland
sich stets dieser beherrschenden Rolle bewußt zu sein
und die Bodennutzung dem Klima als dem Stärkeren Die Bundesrepublik Deutschland hat eine Fläche von
anzupassen" (Klapp, 1967). Die möglichen, weit über- 356 950 km2 (35,7 Mio. Hektar). Davon entfallen auf
wiegend negativen Auswirkungen einer Klimaände- das frühere Bundesgebiet (ABL) 248 620 km 2 und
rung auf die Landwirtschaft sind daher Inhalt des auf die neuen Bundesländer (NBL) 108 330 km 2 . Die
dritten Kapitels. Abschließend werden im vierten Zahl der Einwohner liegt bei 80,1 Mio. (1991), was
Kapitel politische Handlungsempfehlungen und tech- zu der vergleichsweise hohen Einwohnerdichte von
nische Maßnahmen erläutert, mit denen die Emissio- 223 Einw./km2 (ABL: 256; NBL: 148) führt.
nen klimawirksamer Spurengase aus der Landwirt- Die Flächennutzung ist insbesondere in den alten
schaft gesenkt werden können. Bundesländern geprägt durch einen Landschaftsver-
brauch aufgrund der stetigen Zunahme von Sied
lungs- und Verkehrsflächen. Pro Tag wächst die
1.1 Ökonomische Bedeutung Siedlungs- und Verkehrsfläche um etwa 90 ha (ABL)
der Landwirtschaft (UBA, 1993 b). Dennoch ist die Bundesrepublik
mit über 50 % Landwirtschaftsfläche und fast 30 %
Der Produktionswert der Landwirtschaft (ABL+NBL) Waldfläche (10,38 Mio. ha) noch ein relativ grünes
ging im Wirtschaftsjahr 1992/93 gegenüber dem Vor- Land. In den Tab. 1.1 bis 1.3 wird die Flächennutzung
jahr um 6,6 % auf 64,4 Mrd. DM zurück, die Ausgaben in der Bundesrepublik Deutschland detaillie rt aufge-
für Vorleistungen reduzierten sich um 2,8 % auf schlüsselt.

Tabelle 1.1

Flächennutzung in der Bundesrepublik Deutschland 1989 (in km 2 und prozentualer Aufteilung)


(Statistisches Bundesamt, 1992 a)

Landwirtschafts Siedlungs-/
Waldfläche Wasserfläche sonstige Flächen Gesamtfläche
fläche 1 ) Verkehrsfläche

195 270 43 620 103 850 7 640 6 570 356 950

54,7% 12,2% 29,1 % 2,1% 1,8% 100%

1) Flächen des Ackerbaus, der Wiesen- und Weidewirtschaft, des Garten- und Weinbaus ohne Moor und Heide; nicht identisch mit
der „landwirtschaftlich genutzten Fläche" in Tabelle 1.2.
Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

Tabelle 1.2

Landwirtschaftlich genutzte Fläche (LF) 1991 (in km 2 und prozentualer Verteilung)


(Statistisches Bundesamt, 1992 a)

Bundesrepublik
Alte Bundesländer Neue Bundesländer
Deutschland gesamt

landwirtschaftlich genutzte Fläche . 118 450 52 920 171 370

davon: Dauergrünland 43 260 10 040 53 300


Anteil in Prozent 36,5 19 31, 1

Ackerland 73 130 42 460 115 590


Anteil in Prozent 61,7 80,2 67,5

Tabelle 1.3

Nutzung des Ackerlandes (ohne Hausgärten und Dauerkulturen) 1991 (in km 2 und prozentualer Aufteilung)
(Statistisches Bundesamt, 1992 a)

Bundesrepublik Deutschland
Frucht Alte Bundesländer Neue Bundesländer
gesamt

Getreide 44 040 60,2 % 21 560 50,8 % 65 600 56,8 %


Hülsenfrüchte 350 0,5 % 120 0,3 (Y0 470 0,4 %
Hackfrüchte 6 570 9,0 % 2 920 6,9 % 9 490 8,2 %
Raps/Rübsen 6 170 8,4 % 3 330 7,8 % 9 500 8,2 %
Futterpflanzen 11 380 /5,6 % 7 890 18,6 % 19 260 16,7 %
Sonstiges/Brache 4 620 6,3 % 6 640 15,6 % 11 270 9,7 %

In Deutschland bewirtschafteten 1993 592 681 land-


wirtschaftliche Betriebe (>= 1 ha LF) insgesamt
17,0 Mio. ha LF. Davon entfielen auf das frühere
Bundesgebiet 567 295 Betriebe mit 11,7 Mio. ha LF
und auf die neuen Länder 25 386 Betriebe mit 5,3 Mio.
ha LF (BML, 1994 a).

Tabelle 1.4

Agrarstruktur in der Bundesrepublik Deutschland (BML, 1994 a)

Zahl Veränderung Durchschnitts- Veränderung


Erwerbscharakter der Betriebe 1993 gegen Vorjahr größe 1993 gegen Vorjahr
(in 1000) (in %) (in ha LF) (in %)

Vollerwerb 276,5 -2,6 33,35 +2,9


Zuerwerb 46,5 -4,5 20,61 +3,7
Nebenerwerb 244,3 -2,0 6,42 +2,6

1.1.2 Formen und Intensitätsstufen mehrerer Produktionsfaktoren zueinander, die in


der landwirtschaftlichen Produktion einem Produktionsprozeß eingesetzt werden. In der
Landwirtschaft wird mit „spezieller Intensität" der
Die Intensität und Form der landwirtschaftlichen Pro- Betriebsmitteleinsatz je Fläche oder je Tier bezeich-
duktion ist von entscheidender Bedeutung bei der net. Im folgenden ist mit den Begriffen „hohe Produk-
Analyse der landwirtschaftlichen Einflüsse auf die tionsintensität, intensive Produktionsweise oder In-
anthropogene Klimaänderung. Unter Intensität ver- tensivlandwirtschaft" allgemein eine hohe spezielle
steht man das mengenmäßige Verhältnis zweier bzw. Intensität gemeint.
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Die Verringerung der einen Intensität führt immer Spurengasemissionen aus der konventionellen Land-
zum Anstieg anderer Intensitäten. Strebt man das wirtschaft die Rede ist, so ist hierunter die in Deutsch-
gleiche Produktionsergebnis an, können nicht alle land bzw. Mitteleuropa vorherrschende Intensivland-
Intensitäten gleichzeitig gesenkt werden. Bei gerin- wirtschaft zu verstehen, die von hohen Erträgen bei
gerem Betriebsmitteleinsatz je Fläche steigt beispiels- hoher spezieller Produktionsintensität (Betriebsmit-
weise dessen Kehrwert, der Flächeneinsatz je Einheit teleinsatz je ha Fläche oder je Tier) sowie starker
Betriebsmittel (Bauer, 1993 b). Erzielt man aufgrund Konzentration und Spezialisierung geprägt wird.
des geringeren Betriebsmitteleinsatzes niedrigere
Die konventionelle. Landwirtschaft wird in Gesetzen
Erträge je Fläche, kann man die ursprüngliche Menge
und Verordnungen zumeist durch die Beg ri ffe „gute
nur produzieren, indem man eine größere Fläche
fachliche Praxis" und „ordnungsgemäße Landbewirt-
nutzt. Durch eine niedrigere spezielle Intensität, also
schaftung" näher gekennzeichnet, ohne jedoch in der
einen geringeren Betriebsmitteleinsatz je Fläche,
Definition und Regelung der Produktionsweise über
können jedoch die vor allem durch überhöhte spe-
Formulierungen wie „nach Stand des Wissens und der
zielle Intensitäten verursachten Umweltbelastungen
Technik" hinauszugehen. Da viele nach heutigem
verringert werden. Im Gegensatz zur intensiven Pro-
Stand des Wissens und der Technik vermeidbare
duktionsweise bezeichnet man eine auf großer Fläche
Umweltbelastungen unter der Bezeichnung „ord-
betriebene, vor allem den Boden ausnutzende Bewirt-
nungsgemäß" dennoch stetig zugenommen haben
schaftung als eine extensive Produktionsweise.
(Haber, 1989; In: Haas und Köpke, 1994), wurde es
Unter Extensivierung im klassischen Sinne wäre wiederholt als gesetzgeberische Fehlleistung kriti-
daher die Reduzierung der speziellen Intensität bei siert, die derzeitige konventionelle Landwirtschaft in
gleichzeitiger Ausweitung der Produktion auf größere Gesetzestexten als „ordnungsgemäß" festzuschrei-
Flächen zu verstehen. Aufgrund der teilweise erheb- ben (SRU, 1985; Haber, 1989; In: Haas und Köpke,
lichen Produktions- bzw. Marktüberschüsse in der 1994).
EU-Landwirtschaft wird jedoch eine deutliche Sen-
Nach einem Höhepunkt am Ende der achtziger Jahre
kung der Produktionsmengen zur Marktentlastung
ist in den vergangenen Jahren jedoch ein Rück-
angestrebt. Der Begriff Extensivierung bezeichnet
gang des Dünge- und Pflanzenschutzmitteleinsatzes
daher im folgenden die Verringerung der Überschuß-
(Tab. 1.9) sowie des Tierbestandes (Tab. 1.12) festzu-
produktion durch die deutliche Senkung der speziel-
stellen, der in erheblichem Umfang auch auf die
len Intensität, ohne die Anbaufläche weiter auszudeh-
Flächenstillegung und den Zusammenbruch der
nen.
Landwirtschaft in den neuen Ländern zurückzuführen
Durch die Agrarpreissenkungen im Zuge der Umset- ist. Die Entwicklung bzw. Zahl und Fläche der land-
zung der Agrarreform (Kap. 1.1.4) strebt man eine wirtschaftlichen Betriebe geht aus Tab. 1.8 hervor.
Senkung der speziellen Intensität an. Zusätzlich wer-
den zur Marktentlastung kurz-, mittel- oder langfristig Aufgrund der wachsenden Umweltbelastungen
Anteile der bewirtschafteten Fläche stillgelegt (bzw. wurde in Teilbereichen (v.a. Obstbau) der konventio-
z. T. nachwachsende Rohstoffe darauf angebaut). Je nellen Landwirtschaft zunächst das Konzept eines
nach Grad der Extensivierung könnte die ökonomisch integrierten Pflanzenschutzes entwickelt. Ziel dieses
und ökologisch fragwürdige Flächenstillegung ver- integrierten Pflanzenschutzes ist die Unterdrückung
mieden und eine wünschenswerte, flächendeckende von Schaderregern durch die Ausnutzung ökosyste-
Bewirtschaftung aufrecht erhalten werden. marer Regelkreise sowie durch den gezielten Ein-
satz von Pflanzenschutzmitteln erst nach dem Errei-
Wie einleitend bereits angesprochen, lassen sich fol- chen definierter wirtschaftlicher Schadensschwellen
gende Produktionssysteme unterscheiden: (Populationsdichte, Bedeckungsgrad etc.). Regelmä-
— die konventionelle Landwirtschaft und der inte- ßige Präventivanwendungen unselektiver Mittel sind
grierte Pflanzenbau durch den zeitlich und räumlich begrenzten Einsatz
selektiver, nützlingsschonender Mittel und Maßnah-
— der ökologische Landbau. men zu ersetzen. Da integrierter Pflanzenschutz nur
im engen Zusammenwirken mit anderen Bereichen
der Pflanzenproduktion bzw. des gesamten Agraröko-
systems möglich ist, wurde hieraus das Konzept des
Konventionelle Landwirtschaft und integrierter
integrierten Pflanzenbaus entwickelt. Angestrebt
Pflanzenbau
wird eine umweltverträglichere Landbewirtschaftung
unter Berücksichtigung von Standort, Ökonomie,
Die heutige konventionelle Landwirtschaft umfaßt
Ökologie und Bodenfruchtbarkeit (Heyland, 1991;
eine Vielfalt verschiedener Produktionsrichtungen
FIP, 1991; FIP, 1993).
und -intensitäten. Nur der ökologische Landbau ist
hiervon aufgrund seiner exakten Definition und In der Theorie des integrierten Pflanzenbaus sind
Bewirtschaftungsauflagen eindeutig abgrenzbar. Die letztlich Auflagen berücksichtigt worden, die prinzi-
konventionelle Landwirtschaft beinhaltet die gesamte piell jede Form der Landbewirtschaftung zum Schutz
Bandbreite von einer extensiven Bewirtschaftung in von Boden, Wasser und Umwelt vor vermeidbaren
Grenzertragslagen bis hin zur intensivsten flächen- Beeinträchtigungen mindestens erfüllen müßte, um
unabhängigen Massentierhaltung, von einem inte- als ordungsgemäß gelten zu können. Der integrierte
grierten Pflanzenbau bis hin zum intensiven Dünge- Pflanzenbau greift hier die Vorgehensweise ur-
und Pflanzenschutzmitteleinsatz in artenarmen sprünglicher Formen der Landbewirtschaftung wie-
Fruchtfolgen oder großflächigen Monokulturen. der auf, die eingebettet waren in die bewußte oder
Wenn im folgenden von Umweltbelastungen und unbewußte Nutzung der natürlichen Möglichkeiten
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
sowie die Akzeptanz der naturgegebenen Grenzen lage für die nationale und internationale Regelung des
des gesamten Agrarökosystems. Die moderne kon- ökologischen Landbaus, da sie in Teilbereichen deut-
ventionelle Landwirtschaft versuchte hingegen in den lich über die EG-Verordnung 2092/91 hinausgehen.
vergangenen Jahrzehnten begrenzende Standortge- Beispielsweise ist in der EG-Verordnung die Tierhal-
gebenheiten durch teilweise übermäßigen Faktorein- tung zur Zeit überhaupt nicht geregelt.
satz auszugleichen, was zu entsprechenden Umwelt-
belastungen geführt hat. Ziel des integrierten Pflan- Im Hinblick auf die Klimarelevanz sind folgende
zenbaus ist daher die Reduzierung dieser unsachge- Komponenten des ökologischen Landbaus hervorzu-
heben (Haas und Köpke, 1994):
mäßen, überhöhten Intensität in der Landbewirtschaf-
tung. Das Konzept des integrierten Pflanzenbaus
kommt darin dem des ökologischen Landbaus nahe,
— Kohlenstoff
ohne jedoch vergleichbar konkrete Definitionen,
Grenzwerte, Auflagen o.ä. auszusprechen. Die allge-
mein gehaltenen Formulierungen belassen es bei Durch den Einsatz organischer, hofeigen erzeugter
einem ähnlich breiten Interpretationsspielraum wie Wirtschaftsdünger, insbesondere durch die Anwen-
die bisherigen Beschreibungen der „ordnungsgemä- dung von Stallmist oder kompostiertem Rottemist
ßen Landwirtschaft" . Die standortspezifischen Unter- sowie Bodenruhe und Feldfutterbau wird eine dauer-
schiede bzw. die unternehmerische Freiheit in der hafte Produktivität des Bodens durch Erhalt und
Betriebsgestaltung verhindern nach FIP (1991 u. Steigerung des Humusgehaltes und damit der Koh-
1993), Schuh (1989; In: Haas und Köpke, 1994) und lenstoffeinbindung sowie der Bodenfruchtbarkeit
Scholz (1989; In: Haas und Köpke, 1994) eine exakte angestrebt (Kap. 2.3.3.1).
Definition des „Integrierten" ebenso wie des „ord-
nungsgemäßen" Pflanzenbaus und somit der gesam-
— Energie
ten konventionellen Landwirtschaft. Die Definition
des ökologischen Landbaus in Form von Zielsetzun-
gen, Richtlinien und Verordnungen zeigt jedoch, daß Nicht erneuerbare Ressourcen sollen möglichst spar-
eine exakte und umfassende begriffliche und inhaltli- sam eingesetzt werden. Die Möglichkeit des Zukaufs
che Abgrenzung sowie die eindeutige Formulierung von Betriebsmitteln ist reglementiert. Der Einsatzes
von Bewirtschaftungsauflagen möglich ist. Die zu synthetischer Pflanzenbehandlungs- und Düngemit-
allgemeine, unverbindliche und vage Ausgestaltung tel ist verboten. Der Zukauf bzw. die Anwendung von
des Konzeptes des integrierten Pflanzenbaus stellt mineralischen bzw. organischen Dünge- und Futter-
dagegen sehr in Frage, ob hierdurch die Umweltpro- mitteln ist erheblich eingeschränkt. Ziel ist das opti-
bleme in der Landwirtschaft gelöst werden können male und möglichst verlustfreie Management der
(Pommer, 1992). innerbetrieblichen Stoffkreisläufe bei Schonung
nicht erneuerbarer Energie- und Rohstoffquellen
Es gibt derzeit keine Angaben zur Zahl der Betriebe (Kap. 2.3.4.1).
oder den Flächen, die nach den Regeln des integrier-
ten Pflanzenbaus bewirtschaftet werden. Da keine
eindeutige Abgrenzung zwischen integriertem und — Stickstoff
„ordnungsgemäßem" konventionellem Pflanzenbau
möglich ist, werden beide im folgenden unter dem Durch den Verzicht auf mineralische Stickstoffdünger
Begriff der konventionellen Landwirtschaft zusam- und den stark begrenzten Einsatz von Zukauffutter-
mengefaßt betrachtet. Die derzeitige konventionelle mitteln stellt Stickstoff auf ökologischen Betrieben
Landwirtschaft und die Agrarstruktur in Deutschland einen begrenzenden Faktor dar. Ein verlustarmes
und Europa sind das Ergebnis eines umfangreichen Nährstoffmanagement wird daher nicht nur zur Ver-
Strukturwandels während der vergangenen Jahr- meidung von Emissionen (Nitrat in Grund- und Ober-
zehnte, der in Kapitel 1.1.3 detailliert dargestellt wird. flächengewässer, Ammoniak und Distickstoffoxid in
die Atmosphäre) angestrebt, sondern ist ein wesentli-
cher Faktor zur Erhaltung der betrieblichen Produkti-
vität (Kap. 2.2.3.1).
Ökologischer Landbau
— Methan
Für den ökologischen Landbau sind seit dem 1. Januar
1993 Anbau, Verarbeitung, Handel, Kennzeichnung
Die Tierproduktion des ökologischen Landbaus wird
und Kontrolle von Produkten durch die EWG-Verord-
von der Rinderhaltung dominiert. Aufgrund begrenz-
nung 2092/91 (24. Juni 1991) EG-weit geregelt. Dar-
ter Zukaufmöglichkeiten von Futtermitteln ist die
über hinaus sind die Mitglieder von Anbauorganisa-
maximale Anzahl von Wiederkäuern je Einheit
tionen vertraglich an die weitergehenden Richtlinien
betriebseigener Futterfläche auf vergleichsweise
ihrer Verbände gebunden. Die deutschen Anbauver-
niedrigem Niveau (1,4 Dungeinheiten ) je ha bzw. 2,1
bände haben in der Arbeitsgemeinschaft Ökologi-
Milchkühe/Rinder je ha) begrenzt. Die Freisetzung
scher Landbau (AGÖL) verbandsübergreifende Rah-
von Methan (und Ammoniak) ist im ökologischen
menrichtlinien zum ökologischen Landbau erarbeitet,
Landbau aufgrund der üblichen Festmist-Stallhaltung
die auf den weltweit geltenden Rahmenrichtlinien der
IFOAM (International Federation of Organic Agricul- 1) Eine Dungeinheit (DE) entspricht dem Tierbesatz, der eine
ture Movements) basieren (AGÖL, 1991; IFOAM, Menge an Wirtschaftsdünger produziert, die 80 kg N und
1991). Diese Richtlinien sind eine geeignetere Grund- 70 kg P205 enthält.
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

wesentlich geringer als bei den Flüssigmistsystemen 1.1.3 Strukturwandel in der Landwirtschaft
in der konventionellen Landwirtschaft (Kap. 2.1.3.1;
Kap. 2.4.1). Nach dem zweiten Weltkrieg durchlebte die gesamte
Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland
Der ökologische Landbau betrachtet den landwirt- einen massiven Strukturwandel und ein enormes
schaftlichen „Betriebsorganismus" als Ökosystem, wirtschaftliches Wachstum. Dies gilt ebenso — wenn
dessen Produktivität und Gesundheit sich aus dem auch in unterschiedlichem Maße — für die anderen
Zusammenwirken verschiedener Produktionsberei- westlichen Industrienationen (Kap. 1.1.5). In Gewerbe
che miteinander und mit ihrer Umwelt ergeben. Durch und Industrie führten Arbeitsteilung und Spezialisie-
die Abschätzung der Folgen landwirtschaftlichen rung, moderne Verfahrenstechniken und Massenpro-
Handelns auf die Umwelt im weitesten Sinne und duktion, hoher Kapitaleinsatz und Rationalisierungs-
durch die selbst auferlegten und gesetzlich vorge- maßnahmen zu
schriebenen Restriktionen ist der ökologische Land- — dem Ersatz menschlicher Arbeitskraft durch
bau per se system- und umweltorientiert, obwohl der Maschinen und Energie,
ökologische Landbau zu Anfang dieses Jahrhunderts
nicht primär unter dem Aspekt des Umweltschutzes — weitgehender Befreiung von schwerer körperli-
konzipiert wurde (Haas und Köpke, 1994). Anfang cher Arbeit,
1994 bewirtschafteten in Deutschland etwa 0,85 Pro- — kürzerer Arbeitszeit und mehr Freizeit bei den-
zent der Betriebe fast 1 % der landwirtschaftlich noch
genutzten Fläche nach AGÖL-Richtlinien (Tab. 1.5).
— wachsenden Einkommen und steigendem Lebens-
standard.
Tabelle 1.5 Für die Landwirtschaft ergab sich durch diese Ent-
wicklung eine wachsende arbeitswirtschaftliche, ein-
Fläche und Zahl der Betriebe kommenspolitische und damit soziale Konkurrenzsi-
im ökologischen Landbau in Deutschland tuation zur gewerblichen Wirtschaft. Die Rahmenbe-
(Stand jeweils zum Jahresbeginn, dingungen wurden hierbei weitgehend von dem
ab 1993 für ABL+NBL) (AID, 1990; BML, 1994a 1 ); nichtlandwirtschaftlichen Sektor vorgegeben. Da die
SÖL, 1994 2 )) ökologischen Funktionen der Landwirtschaft nicht
durch die Preise ihrer Erzeugnisse honoriert wurden,
unterlag die Landwirtschaft einem grundlegenden
Jahr Fläche in Hektar Zahl der Betriebe
volkswirtschaftlichen Wettbewerbsnachteil. Er zwang
die Landwirte dazu, ihre Erzeugungsmöglichkeiten
1960 3 182 141
und Produktivitätsspielräume unter rein ökonomi-
1970 3 920 210 schen Gesichtspunkten weitestmöglich auszuschöp-
1980 10 945 579 fen und dabei den ökologischen Zustand der bewirt-
1985 24 703 1 452 schafteten Flächen und damit den Naturhaushalt auch
zu ihrem eigenen Nachteil in wachsendem Maße zu
1989 53 831 2 608
beeinträchtigen (SRU, 1985 u. 1992).
1993 1 ) 127 240 4 385
Die landwirtschaftlichen Produktionsmethoden und
1994 2 ) 161 698 4 941
die gesamte Struktur der Landwirtschaft erfuhren in
1) Hiervon entfielen bereits 147 Betriebe mit 19 509 ha LF auf den vergangenen Jahrzehnten erhebliche Verände-
die neuen Länder. rungen. Der Anpassungsprozeß und die Entwicklung
der Erträge wurde durch die Gemeinsame Agrarpoli-
tik der EG zusätzlich unterstützt. Geprägt durch die
Entbehrungen der Kriegs- und Nachkriegszeit sollte
Darüber hinaus werden in erheblichem Umfang wei-
durch die massive Förderung des Agrarsektors mit
tere Flächen nach der EG-Verordnung 2092/91 oder
Hilfe von Abnahmegarantien, Festpreisen und Au-
dem EG-Extensivierungsprogramm ökologisch be-
ßenschutz möglichst rasch die nationale bzw. die
wirtschaftet, ohne daß die Betriebe den anerkannten
EG-weite Selbstversorgung mit Agrarprodukten er-
Verbänden der AGÖL angeschlossen sind. Insgesamt
reicht werden. Gleichzeitig sollten Einkommen und
lag die ökologisch bewirtschaftete Fläche in Deutsch-
Existenz der in der Landwirtschaft beschäftigten Men-
land bereits Anfang 1993 bei etwa 430 000 ha (2,5 %
schen gesichert werden. Diese Preispolitik war unter
der LF) in 13 000 Betrieben — mit weiter steigender
den damaligen Voraussetzung sicher richtig. Ein
Tendenz (SOL, 1994).
System, bei dem die Unterstützung der Landwirte an
Die Erträge des ökologischen Landbaus sind durch die Produktionsmengen gebunden ist, stellt einen
das Verbot bzw. die starke Einschränkung produkti- Anreiz dar, immer mehr zu erzeugen und führt daher
onssteigernder Mittel im allgemeinen um 10 bis 30 zu einer Intensivierung der Produktionsmethoden.
niedriger als in der konventionellen Landwirtschaft, Spätestens jedoch als die Selbstversorgung erreicht
was jedoch angesichts der derzeitigen Produktions- war, fehlte die notwendige Korrektur der politischen
überschüsse in vergleichbarer Größenordnung Rahmenbedingungen. Die Entwicklung blieb weitge-
(Tab. 1.13) eher Probleme löst als schafft. Gleichzeitig hend sich selbst überlassen und hatte sehr nachteilige
wird im ökologischen Landbau je Flächeneinheit weit Folgen: Dort, wo intensive Produktionsweisen vor-
weniger als die Hälfte der fossilen Energie eingesetzt herrschen, werden Gewässer verschmutzt und Böden
als bei der konventionellen landwirtschaftlichen Pro- degradieren; es kommt zu einem Mißbrauch der Natur
duktionsweise (Kap. 2.3.4) (Haas und Köpke, 1994). (EG-Kommission, 1991).
Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Tabelle 1.6

Ersatz von menschlicher und tierischer Arbeitskraft durch Maschinen (AID, 1989)

Vorkrieg 1950/51 1970/71 1987/88

in 1000

Voll-Arbeitskraft 3 852 3 885 1 363 781,6


Pferde 1 256 1 200 191 217 1 )
Zugkühe 1 972 1 820 27 -
-
Zugochsen 315 280 2 -
Schlepper 20 139 1 356 1 438
Schlepperleistung
- kW/100 ha LN 2,2 16,9 205,9 400,7
- kW/Schlepper 18,4 17,3 20,6 33,1

1) Vorwiegend Spo rt - und Freizeitpferde, aber auch Rückepferde für die Waldarbeit.

Arbeitskräfte in der Landwirtschaft 1,65 Mio. auf 582 000 zurück (Tab. 1.7 und 1.8),
während die durchschnittliche Betriebsgröße von 8 ha
Im Zuge der Rationalisierung und Mechanisierung LF auf 20 ha LF stieg - in den Vollerwerbsbetrieben
wurde die menschliche und tierische Arbeitskraft auf 32 ha LF. Knapp 9 % der Betriebe bewirtschaften
zunehmend durch Maschinen und den Einsatz von mehr als 50 ha LF, haben aber einen Anteil an der
Energie und Betriebsmitteln ersetzt (Tab. 1.6). Der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche von
Arbeitskräftebesatz ging von 29,4 AK/100 ha LF 37 %. Dazu kamen 1992 etwa 18 600 Betriebe in den
(1949) auf 6,1 AK/100 ha LF (ABL; 1991) zurück. Dies neuen Ländern mit einem wesentlich höheren Anteil
führte zu einer Abnahme der in der Landwirtschaft von Großbetrieben 35 % der Betriebe über 50 ha LF
Beschäftigten von 3,9 Mio. (ABL) (1949) auf 831 000 bewirtschaften über 96 % der gesamten LF in den
(1991) bei einer nur unwesentlich verringerten land- neuen Bundesländern.
wirtschaftlich genutzten Fläche. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft wird auch
durch die Veränderung der Betriebsgrößen bzw. die
Anzahl der Betriebe in den einzelnen Betriebsgrößen-
klassen verdeutlicht (Tab. 1.7).
Struktur der landwirtschaftlichen Betriebe
Dem Aufstockungsprozeß, der weiteren Vergröße
Im gleichen Zeitraum ging die Zahl der landwirt- rung meist bereits großer Betriebe (>30 ha), steht ein
schaftlichen Bet riebe im früheren Bundesgebiet von Abstockungsprozeß gegenüber. Bisherige kleine bis

Tabelle 1.7

Verringerung der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte und der Zahl der Betriebe


im Zeitraum 1949 bis 1990 (ABL) (Priebe, 1994)

1949 1960 1970 1980 1990/92

Arbeitskräfte (in 1000)


Landwirtschaftliche Erwerbspersonen (Anzahl) 3 900 2 400 2 146 1 273 831
- Anteil der Landwirtschaft (%) 23 9 8,1 4,7 2,8
Arbeitskräfte-Einheiten (Voll-Ak) - 2 390 1 526 987 675
Arbeitskräftebesatz (AK je 100 ha LF) 29,4 18,6 12,1 8,1 6,1

Betriebsstruktur
- Zahl der Betriebe über 1 ha (1000) 1 647 1 385 1 083 797 582
- Nebenerwerbsbetriebe (%) - - 35 39 43
- Betriebsgröße (haLF) 8,1 9,3 11,7 15,3 20,2
(% unter 10 ha LF) 76,6 69,3 59,0 51,4 46,0
(% über 50 ha LF) 1,0 1,2 1,8 3,7 9,3

Quelle: Statistisches Jahrbuch über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten; Agrarberichte der Bundesregierung (verschiedene
Jahrgänge)
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Tabelle 1.8

Landwirtschaftliche Betriebe (> 1 ha LF) und ihre Flächen nach Größenklassen (BML, 1993 b)

Zahl der Betriebe

Betriebsgröße Bundesrepublik
Alte Bundesländer Neue Bundesländer
in ha LF I) Deutschland gesamt

1949 1982 1992 1992 (%) 1992 1992 (%) 1992 1992 (%)

1 bis 2 305 723 97 472 71 630 12,3 2 580 13,9 74 210 12,4
2 bis 5 553 061 146 112 99 825 17,2 3 128 16,8 102 953 17,1
5 bis 10 403 699 140 514 96 431 16,6 2 029 10,9 98 460 16,4
10 bis 15 171 819 96 977 64 594 11,1 1 308 7,0 65 902 11,0
15 bis 20 84 436 75 095 50 309 8,6 878 4,7 51 187 8,5
20 bis 25 51 620 56 912 39 876 6,9 604 3,2 40 480 6,7
25 bis 30 20 550 41 742 32 271 5,5 448 2,4 32 719 5,4
30 bis 40 50 271 44 914 7,7 625 3,4 45 539 7,6
40 bis 50 40 251 3 ) 25 522 28 008 4,8 463 2,5 28 471 4,7
50 bis 75 22 871 33 210 5,7 828 4,4 34 038 5,7
75 bis 100 12 621 4 ) 5 918 12 052 2,1 842 2,9 12 594 2,1
100 und mehr 2 971 4 717 8 814 1,5 5 176 27,8 13 990 2,3

Zusammen 1646 751 764 123 581 934 100 18 609 100 600 543 100

Fläche der Betriebe in 1000 ha

Betriebsgröße Bundesrepublik
Alte Bundesländer Neue Bundesländer
in ha LF 1 ) Deutschland gesamt

1949 1982 1992 1992 (%) 1992 1992 (%) 1992 1992 (%)

1 bis 2 442,1 136,9 99,9 0,9 3,6 0,1 103,5 0,6


2 bis 5 1 828,7 485,8 330,7 2,8 9,9 0,2 340,6 2,0
5 bis 10 2 860,1 1 023,9 698,2 6,0 14,5 0,3 712,7 4,2
10 bis 15 2 092,1 1 197,6 796,8 6,8 16,0 0,3 812,8 4,8
15 bis 20 1 451,1 1 305,3 874,4 7,5 15,2 0,3 889,6 5,3
20 bis 25 1 180,3 1 272,2 892,2 7,6 13,4 0,3 905,6 5,4
25 bis 30 559,2 1 141,5 884,0 7,5 12,3 0,2 896,3 5,3
30 bis 40 1 728,8 1 550,6 13,2 21,5 0,4 1 572,1 9,3
40 bis 50 1 504,5 3 ) 1 133,6 1 248,5 10,6 20,6 0,4 1 269,2 7,5
50 bis 75 1 361,2 1 999,7 17,0 50,5 1,0 2 050,2 12,2
75 bis 100 817,3 4 ) 503,0 1 029,3 8,8 47,0 0,9 1 076,3 6,4
100 und mehr 544,1 755,6 1 326,5 11,3 4 886,5 95,6 6 213,0 36,9

Zusammen 13 279,6 12 045,6 11 730,8 100 5 111,0 100 16 841,8 100

1) 1949 landwirtschaftliche Nutzfläche


2) vorläufig; Daten der Stadtstaaten aus dem Vorjahr übernommen
3) Zahl bzw. Fläche der Betriebe in der Betriebsgrößenklasse 30 bis 50 ha
4) Zahl bzw. Fläche der Betriebe in der Betriebsgrößenklasse 50 bis 100 ha
Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
mittlere Haupt- oder Zuerwerbsbetriebe (10 bis 30 ha) Tabelle 1.9
werden häufig im Nebenerwerb weiterbewirtschaftet.
Je kleiner die Betriebe sind, desto eher werden sie Handelsdüngerverbrauch (ABL)
vollständig aufgegeben (Schmitt, 1989). Dieser (in kg Reinnährstoff/ha LN)
Aspekt des Strukturwandels wird häufig auch mit dem (BML, 1992 a u. 1993 d)
Schlagwort „Wachsen oder weichen" umschrieben.
1991/92 wurden 43 % der bundesdeutschen Betriebe Stickstoff Phosphat Kali Kalk
im Nebenerwerb und 8 % im Zuerwerb bewirtschaf- Jahr
N P205 K2 0 CaO
tet. Diese Tatsache spielt in der agrarpolitischen
Diskussion derzeit nur eine geringe Rolle, da diese 1938/39 23,4 28,3 43,4 56,4
Betriebe weniger gefördert werden als die größeren 46,7 47,5
1950/51 25,6 29,6
Haupterwerbsbetriebe (Tab. 1.15). Im Zuge der Spe-
zialisierung im Ackerbau und der Konzentration in der 1960/61 43,4 46,4 70,6 37,4
Tierhaltung ging auch die Zahl der Gemischtbetriebe 1970/71 83,3 67,2 87,2 49,5
(mit mehreren Produktionszweigen) deutlich zurück. 1980/81 126,6 68,4 93,4 92,9
1970 lag deren Anteil noch bei mehr als einem Fünftel
1987/88 133,9 56,8 72,3 105,3
aller Betriebe, 1991 bei nur noch 4 % (Priebe, 1994).
1988/89 129,2 54,0 74,5 127,2
1989/90 125,1 49,9 66,5 119,8
1990/91 115,3 42,9 62,3 120,8
Energieeinsatz
1991/92 114,1 37,1 53,2 103,5
Neben dem Einsatz von Maschinen und Treibstoffen 1992/93 108,2 34,0 48,4 105,0
nahm vor allem der Verbrauch von Mineraldüngern,
chemischen Pflanzenschutzmitteln und Zukauffutter-
mitteln zu. Hierdurch stieg der Verbrauch von Energie
bzw. energieintensiven Vorleistungen drastisch an. In
Energieeinsatz je Fläche leicht abgenommen hat. Die
den fünfziger und sechziger Jahren stieg der direkte
Ernteerträge je Fläche und die Produktionsmenge
Energieeinsatz in der Landwirtschaft im Mittel um
sind dennoch - beispielsweise durch züchterischen
9,1 % pro Jahr, während die Bruttobodenproduktion
und technischen Fortschritt - stetig weiter gestiegen.
im jährlichen Durchschnitt um 1,3 % zunahm. In den
Die weitere Steigerung der Produktion trotz der im
siebziger Jahren stieg der Energieeinsatz insgesamt
Nahrungs- und Futtermittelbereich seit Jahren wach-
nur noch um 1,6 % pro Jahr (Kap. 2.3.4) (KTBL, 1987).
senden Produktionsüberschüsse führt zu problemati-
Der Anstieg im Energieverbrauch hat sich jedoch in
schen Umweltbelastungen und entsprechenden Um-
der jüngsten Vergangenheit weiter verlangsamt und
welt- und Marktordnungskosten. Die Produktion
ist bereits teilweise rückläufig. Das Verhältnis zwi-
sollte sich statt dessen vor allem anderen an dem
schen dem Energieeinsatz für die Produktion (Ener-
Erhalt des wichtigsten Produktionsfaktors der Land-
gie-Input) und dem Energiegehalt des Produktes
wirtschaft, dem Erhalt des Bodens und seiner dauer-
(Energie-Output) hat sich aufgrund der steigenden
haften Tragfähigkeit und Fruchtbarkeit orientieren.
Produktionsintensität in den vergangenen Jahrzehn-
Selbst wenn das derzeitige Niveau des Betriebsmittel-
ten generell zunehmend verschlechtert (Lünzer, 1992
einsatzes und die Produktivitätssteigerung betriebs-
a u. b; Weber, 1979; Pimentel u. a., 1973, In: Lünzer,
wirtschaftlich noch sinnvoll erscheinen mag, liegt hier
1992 a u. b; Pimentel und Pimentel, 1978, In: Lünzer,
eine volkswirtschaftliche Fehlallokation und Ver-
1992 a u. b) (Kap. 2.3.4). Die ausschließlich energeti-
schwendung knapper Ressourcen vor. Dies gilt um so
sche Bewertung sehr unterschiedlicher Produkte auf
mehr, wenn man die weiteren negativen Effekte und
der Basis der physikalischen Einheit des Brennwertes
gesellschaftlichen Kosten der hohen Produktions-
ist zur Erstellung einer Energiebilanz der landwirt-
intensität insbesondere im Bereich der Düngung
schaftlichen Erzeugung jedoch sehr fragwürdig und
(Eutrophierung, Versauerung, Nitratauswaschung,
unzureichend. Die Qualität von Lebensmitteln sowie
Spurengasfreisetzung etc.; Kap. 1.2.1) mit in Betracht
die negativen Begleiterscheinungen der Produktions-
zieht. Das Ziel der Agrarreform des Jahres 1992 ist
weise bleiben bei dieser Betrachtungsweise gänzlich
daher eine Extensivierung der intensiven landwirt-
unberücksichtigt (KTBL, 1987; Haas und Köpke,
schaftlichen Produktionsweise, um die bisherige
1994) .
Überschußproduktion wieder auf ein sinnvolles Maß
zurückzuführen.

Düngemitteleinsatz Strukturwandel und Steigerung der Produktionsin-


tensität gingen in den vergangenen Jahrzehnten
Die mineralische Düngung ist allein für etwa ein Hand in Hand. Mit der Größe der Betriebe nimmt
Viertel des gesamten Energieverbrauchs in der tendentiell auch deren spezielle Intensität (Betriebs-
konventionellen Landwirtschaft verantwortlich mitteleinsatz/ha LN) zu. Die Agrarberichte der ver-
(Abb. 2.17; Kap. 2.3.4). Der Einsatz von mineralischen gangenen Jahre weisen aus, daß der Aufwand für
Stickstoffdüngern hat sich von 1950 bis 1980 verfünf- Dünger und Pflanzenschutz mit den Betriebsgrößen-
facht (Tab. 1.9). klassen ansteigt, womit jedoch keine Aussage über
die Wirtschaftlichkeit des Faktoreinsatzes verbunden
Seit Ende der achtziger Jahre ist die Düngemittelaus- ist. Der Zusammenhang zwischen Faktoreinsatz,
bringung je Fläche gesunken, wodurch auch der Betriebsgröße und möglicher Umweltbelastung wird
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Tabelle 1.10

Aufwand (1991/92) für Dünger und Pflanzenschutz nach Betriebsgrößenklassen


und Standortverhältnissen in DM/ha LN (BML, 1993 b)

Vollerwerbsbetriebe
Betriebsform Standort - Durchschnitt
klein 1 ) mittel 2 ) groß 3 )

Marktfrucht schlecht 344 451 505 445


mittel 433 476 528 497
gut 473 551 575 543

Futterbau schlecht 226 271 304 266


mittel 296 289 324 311
gut 182 358 367 333

Veredlung Durchschnitt 348 398 422 385

Obstbau Durchschnitt 953 1252 1457 1253

Weinbau Durchschnitt 958 699 590 719

Betriebe insgesamt schlecht 266 306 360 311


mittel 376 392 427 408
gut 429 502 516 492
Durchschnitt 295 338 400 351

1) Kleine Betriebe = unter 40 000 DM Standardbetriebseinkommen (StBE)


2) Mittlere Betriebe = 40 000 bis 60 000 DM StBE
3) Große Bet riebe = 60 000 DM und mehr StBE

auch durch die jeweiligen Gegebenheiten des Agrar- — eine weitgehend flächenunabhängige Schweine-
ökosystems (Bodenart, Anbausystem, Regionalklima und Geflügelhaltung in großen Tierbeständen
etc.) mitbestimmt. Je nach Produktionszweig können (Massentierhaltung) auf Grundlage von Zukauf-
auch kleine Betriebe stark umweltbelastend wirt- bzw. Importfuttermitteln und entsprechenden Um-
schaften (v. a. Sonderkulturen, Gemüsebau). weltbelastungen;
— eine derzeit noch überwiegend flächen- bzw.
grünlandabhängige Rinderhaltung/Milchkuhhal-
tung auf der Grundlage von Dauergrünland und
Struktur der Tierhaltung
Ackerfutterbau, mit einem steigenden Anteil von
Zukauf- bzw. Importfuttermitteln zur Rationser-
In der tierischen Erzeugung ist der Prozeß der betrieb-
gänzung (SRU, 1985 u. 1992).
lichen Spezialisierung und regionalen Konzentration
besonders weit fortgeschritten, was zu einer weitge- Der aktuelle Tierbestand in den neuen und alten
henden Entkopplung von Pflanzenbau und Tierhal- Bundesländern geht aus Tab. 1.11 hervor. Die struk-
tung führte. Die heutige Tierhaltung kann unterteilt turelle Veränderung und wachsende Konzentration
werden in: sowie die drastische Zunahme des Tierbestandes

Tabelle 1.11

Tierhaltung in der Bundesrepublik Deutschland (Stand: 3. Dezember 1992) (BML, 1993 c)

Tierart Alte Bundesländer Neue Bundesländer Gesamt

Milchkühe 4 328 800 1 036 400 5 365 200


Rinder <1 Jahr 4 648 900 823 100 5 472 000
Rinder > 1 Jahr 4 398 800 971 200 5 370 000
Schafe 1 706 300 679 600 2 386 000
Schweine 22 114 800 4 399 600 26 514 400
Pferde 460 500 70 500 531 000
Geflügel 80 751 400 23 262 600 104 014 000
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Tabelle 1.12

Strukturelle Veränderungen in der Tierhaltung der Bundesrepublik Deutschland (Alte Bundesländer)


(nach AID, 1989; BML, 1993 c 1 ))

Tierart 1950 1970 1988 1992 1 )

Rinder insgesamt
Tierzahl 11 149 000 14 026 000 14 569 000 13 376 600
Halter 1 536 000 843 000 391 000 311 100
durchschnittliche Herdengröße 7,3 16,6 37,3 43

davon Milchkühe
Tierzahl 5 734 000 5 561 000 5 024 000 4 328 800
Halter 1 333 000 722 000 308 000 226 400
durchschnittliche Herdengröße 4,3 7,7 16,3 19,1
durchschnittliche
Jahresmilchleistung/Kuh 2 560 3 812 4 717 k.A.

Schweine
Tierzahl 11 890 000 20 969 000 22 639 000 22 114 800
Halter 2 394 000 1 028 000 333 000 256 300
durchschnittliche Bestandsgröße 5 20 68 86
geschlachtete Schweine 10 700 000 30 051 000 38 936 000 k.A.

Legehennen
Tierzahl 44 761 000 77 080 000 72 035 000 46 152 300
Halter 1 751 000 1 305 000 284 000 219 300
durchschnittliche Bestandsgröße 26 59 254 210

während der vergangenen Jahrzehnte, vor allem im rengasemissionen aus Flüssigmistsystemen (Lage-
Bereich der Mastschweinehaltung, aber auch der rung) bzw. bei der Gülleausbringung besonders hoch
aktuelle Rückgang der Tierzahlen ist Tab. 1.12 zu (Kap. 2.1.3 und Kap. 2.4.1). Gleichzeitig wurde im
entnehmen. Bereich des Feldfutterbaus der traditionelle boden-
verbessernde Klee- und Kleegras-Anbau durch den
Im früheren Bundesgebiet wurden 1991/92 etwa 65
ertragreicheren, aber bodenschädigenden und
der Schweine in Beständen über 200 Tieren gehalten
gülletoleranten Maisanbau verdrängt (Tab. 1.3 und
und 71 % der Legehennen in Beständen über 5000
Kap. 2.3.3.1, Abb. 2.14) .
Tieren (Tab. 1.12).
Die flächenunabhängigen Massentierhaltungen ins-
besondere in NW- und Ost-Deutschland, Belgien, Ertragssteigerung
Dänemark und den Niederlanden basieren auf
beträchtlichen Futtermittelimporten, die zu einem Seit Beginn des 19. Jahrhunderts bis etwa zur Mitte
großen Teil aus Entwicklungsländern, aber auch aus dieses Jahrhunderts war es der deutschen Landwirt-
den USA stammen (EK, 1990 a). Insgesamt wurden schaft bereits gelungen, die Produktionsleistung je
von der EG 1992 etwa 18,5 Mio. t Getreidesubstitute Fläche allein durch eine biologische Intensivierung
(Maniok, Tapioka, Soja etc.) importiert. Die Futtermit- um das Vierfache zu steigern (Priebe, 1994). Wesent-
telimporte beliefen sich allein in der Bundesrepublik lichen Anteil hieran hatte die Einführung der Legumi-
1992 auf fast 9 Mio. t, davon 3,75 Mio. t Getreidesub- nosen 2 ) (Rotklee-Feldfutterbau) in die alte Dreifelder-
stitute (BML, 1993 b und 1994 a), trotz erheblichen wirtschaft (Kühbauch, 1993).
Überschüssen auf dem nationalen und EG-Getreide
2) Pflanzen aus der Familie der Leguminosen (Hülsenfrüchte
markt. Gleichzeitig exportierte die EG aufgrund
wie Klee, Luzerne, Wicken, Erbsen, Bohnen) können in
wachsender Überschüsse fast 30 Mio. t Getreide
Lebensgemeinschaft (Symbiose) mit Mikroorganismen
(Priebe, 1994). (Knöllchenbakterien) molekularen Luftstickstoff (N 2 ) binden
Der zunehmenden Konzentration in der Tierhaltung und in ihre organische Substanz einbauen. Nach dem Abbau
der Leguminosen-Biomasse im Boden kann der Stickstoff von
folgte aus arbeitstechnischen Gründen eine weitge-
den Nutzpflanzen aufgenommen werden. Der Anbau von
hende Umstellung der Stallhaltung von Festmist- auf Leguminosen innerhalb der Fruchtfolge stellt nach wie vor
Flüssigmistsysteme (Gülle), so daß regional hohe die wesentliche Stickstoffquelle im ökologischen Landbau
Gülleüberschüsse anfallen. Außerdem sind die Spu- dar.
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Abbildung 1.1: Entwicklung der Weizenerträge in der Bundesrepublik Deutschland bzw. im


Deutschen Reich während der vergangenen 100 Jahre (AID, 1990).

Als Folge des beschriebenen Strukturwandels und des um 0,5 % pro Jahr. Bereits im Verlauf der siebziger
biologisch-technischen Fortschritts stieg die Bruttobo- Jahre überschritt das deutsche bzw. EG-weite Ange-
denproduktion im früheren Bundesgebiet seit 1970 bot verschiedener Agrarprodukte die Nachfrage
von etwa 50 Mio. t auf heute über 86 Mio. t Getrei- erheblich. Von der derzeitigen EU-Getreideproduk-
deeinheiten (GE), was einer Steigerung von 42 auf tion in Höhe von etwa 180 Mio. t/Jahr werden inner-
74 dt GE/ha entspricht (Priebe, 1994). Die vorlei- halb der EU lediglich 140 Mio. t verbraucht (EG-
stungsintensiven Produktionsverfahren ermöglichten Kommission, 1993). Die EG- und weltweite Agrarpo-
bei einigen Fruchtarten sogar mehr als eine Verdopp- litik reagierten hierauf jedoch nur unzureichend und
lung der Flächenerträge seit 1950. Die langfristige in Teilbereichen, z. B. mit Produktkontingentierung
Ertragsentwicklung ist am Beispiel der Weizenerträge im Zucker- und Milchmarkt. Die bisherigen Ergeb-
in Abb. 1.1 dargestellt. nisse der EG-Agrarpolitik sind nicht zufriedenstel-
lend. Die Selbstversorgungsgrade liegen nach wie vor
Überschüsse und Agrarmarkt bei einer Reihe von Agrarprodukten in vielen Ländern
bzw. EG-weit bei 120 bis 130 %. Bei der Produktion
Zwischen 1973 und 1988 stieg die landwirtschaftliche von Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten oder pflanzlichen
Produktion in der EG um jährlich 2 %; der Verbrauch Olen ist man dagegen — zumindest national — noch
von Agrarprodukten wuchs im gleichen Zeitraum nur weit von einer Selbstversorgung entfernt.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Tabelle 1.13

Selbstversorgungsgrad der EU bei verschiedenen Nahrungsmittel (in Prozent) (BML, 1994 a)

Nahrungsmittel EG B/L DK D GR E F IRL I NL P GB

Getreide (91/92) 126 55 144 127 127 95 238 120 85 29 56 122


Weichweizen (91/92) 136 78 158 140 66 78 235 104 54 46 58 135
Gerste (91/92) 133 61 140 136 78 109 234 144 74 25 57 135
Zucker (91/92) 123 196 211 137 82 79 207 172 94 180 0 54
Gemüse (90/91) — 126 — 41 138 109 — 80 122 245 — —
Obst (90/91) — 54 — 20 136 112 — 15 115 78 80
Wein (91/92) 96 4 — 58 114 154 94 — 135 — 141 —
Rindfleisch1) (1991) 115 178 213 137 32 95 119 977 62 173 75 91
Schweinefleisch (1991) 104 180 381 87 73 97 88 126 67 272 91 72
Milch insgesamt (1991) .. 109 105 191 106 — — 115 335 76 217 — 84
Butter (1991) 111 99 165 101 27 170 98 1225 75 248 107 60
Magermilchpulver (1991) . 129 164 131 333 — 107 124 1830 — 29 86 96

1) Rind - und Kalbfleisch

Das Auseinanderklaffen von Verbrauchs- und Pro- Einkommenssituation in der Landwirtschaft


duktionsentwicklung führte nicht nur zu hohen Über-
schüssen, sondern auch zu entsprechend steigenden In § 1 des Deutschen Landwirtschaftsgesetzes ist die
Marktordnungskosten. Von 1973 bis 1988 stiegen die Forderung formuliert, daß die Landwirtschaft in den
Agrarausgaben der EG um jährlich 7 %. Während Stand gesetzt werden soll, ihre „naturbedingten und
1982 die Ausgaben zur Stützung der Agrarmärkte wirtschaftlichen Nachteile" auszugleichen, um die
noch ungefähr 30 Mrd. DM betrugen, beliefen sie sich soziale Lage der in der Landwirtschaft tätigen Men-
im Jahr 1990 auf weit über 60 Mrd. DM (EG- schen an die vergleichbarer Berufsgruppen anzuglei-
Kommission, 1993). 1992 lag der EG-Agrarhaushalt chen. Weitaus gravierender als die Einkommensun-
bei insgesamt 75 Mrd. DM. Von den Agrarausgaben terschiede zwischen den Beschäftigten in der Land-
entfielen 88 % oder 61,5 Mrd. DM allein auf die wirtschaft und der gewerblichen Wirtschaft sind
Marktordnung (Intervention, Lagerhaltung, Exporter- jedoch die Einkommensunterschiede innerhalb der
stattung). Die nationalen und EG-Agrarmarktausga- Landwirtschaft. Das durchschnittliche Betriebsein-
ben kommen damit weit weniger den Landwirten als kommen je Vollerwerbsbetrieb lag 1991/92 im ober-
vielmehr den mit der Marktordnung (Lagerhaltung sten Viertel der Betriebe bei 127 536 DM, im oberen
und Transport, Agrarhandel und -export, inferiore Viertel bei 67 051 DM, im unteren Viertel bei 45 946
Verwertung) befaßten Unternehmen zugute. DM und im untersten Viertel bei 24 683 DM (BML,
1993 b).
Die EG-Interventionsbestände (Lagerhaltung der
Überschüsse) beliefen sich Ende 1992 u. a. auf Die Betriebseinkommen können zwischen kleinen
25,3 Mio. t Getreide, 241 000 t Butter, 147 000 t Mager- Betrieben in schlechten Lagen und großen Betrieben
milchpulver und 871 000 t Rindfleisch (BML, 1993 b). in guten Lagen um deutlich mehr als den Faktor 10
Erhebliche Mengen der — zu Festpreisen aufgekauf- voneinander abweichen. Der Grund hierfür liegt
ten — Agrarüberschüsse werden mit Hilfe hoher jedoch weit weniger in der Qualifikation des Betriebs-
Exportsubventionen außerhalb der EU verkauft. Dies leiters (BML, 1993 b), als vielmehr in der bisherigen
verstärkt den Preisverfall auf dem Weltmarkt. Je tiefer Subventionspraxis und in der Betriebsgröße. Dies
dort die Preise sinken, umso mehr Exportsubventio- wird auch deutlich am Anteil der Beihilfen und
nen müssen aufgewandt werden, um die Überschüsse Transferzahlungen am Betriebseinkommen unter-
weiterhin absetzen zu können. Die sinkenden Agrar- schiedlich großer landwirtschaftlicher Betriebe
preise auf dem Weltmarkt führen zu Schwierigkeiten (Tab. 1.15).
im gesamten Welthandel, ernsten Problemen der
zahlreichen Agrarexporteure unter den Entwick- Die Summe von unternehmensbezogenen Beihilfen
lungsländern und ständigen Auseinandersetzungen und personenbezogenen Transferzahlungen er-
bei den laufenden GATT-Verhandlungen. Ob die reichte 1992/93 im Durchschnitt der Vollerwerbsbe-
Agrarreform 1992 beim Abbau vorhandener Über- triebe 19 814 DM (21 % mehr als im Vorjahr). Wegen
schüsse und zu hoher Produktionskapazitäten bzw. der gleichzeitig sinkenden Gewinne erhöhte sich der
-intensitäten erfolgreich sein wird, kann derzeit noch prozentuale Beitrag der unternehmens- und perso-
nicht beurteilt werden. nenbezogenen staatlichen Leistungen am Gewinn in
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Tabelle 1.14

Einkommensstreuung der landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebe1) im früheren Bundesgebiet


(Gewinn in DM je Unternehmen) (BML, 1993 b)

Betriebsform/Betriebsgröße Durchschnitt Oberstes Viertel Unterstes Viertel Abstand

Marktfrucht 57 849 103 416 19 670 83 746


Futterbau 47 010 74 555 21 886 52 669
Veredlung 61 942 100 992 23 577 77 415
Dauerkultur 50 048 - 84 121 18 031 66 090
Gemischt 53 594 84 880 24 375 60 505
Kleine2 ) 35 665 59 872 12 554 47 318
Mittlere 2) 49 727 77 442 23 364 54 078
Große 2) 77 211 127 283 35 914 91 369
Durchschnitt aller Betriebe . . 50 415 82 431 21 535 60 896

1) Identische Betriebe: Durchschnitt aus den Wi rtschaftsjahren 1989/90 bis 1991/92


2) Größenklassen nach Standardbetriebseinkommen (StBE) (siehe Tabelle 1.10)

Tabelle 1.15

Einkommensbeitrag von unternehmensbezogenen Beihilfen


und personenbezogenen Einkommensübertragungen in landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieben
(in DM/Unternehmen) (BML, 1994 a)

Vollerwerbsbetriebe insgesamt nach Betriebsgröße 1 ) 1992/93

1990/91 1991/92 1992/93 Kleine Mittlere Größere

Gewinn 45 749 47 721 44 707 31 090 44 603 66 180

darunter:
Beihilfen auf Erträge 1 793 1 662 2 088 1 632 1 936 2 922
für Aufwendungen
(z. B. Gasölverbrauch) 1 710 1 661 1 727 1 122 1 634 2 750
Ausgleichszulage 2 046 2 043 2 124 2 031 2 358 2 091
Sonstige Beihilfen 2 ) 9 486 8 150 10 971 8 388 10 453 15 426

Unternehmensbezogene
Beihilfen insgesamt 15 035 13 516 16 910 13 173 16 381 23 189

Personenbezogene
Beihilfen insgesamt 2 611 2 864 2 903 2 576 2 782 3 511

Gesamteinkommen 50 243 52 737 49 939 35 525 49 142 73 199

1) Größenklassen nach Standardbetriebseinkommen (StBE): Kleine = unter 40 000 DM StBE; Mittlere = 40 000 bis 60 000 DM StBE;
Größere = 60 000 DM und mehr StBE
2) Einschließlich soziostruktureller Einkommensausgleich und Stillegungsprämien

den Vollerwerbsbetrieben von 31 % 1991/92 auf 40 % kommen) dazu, daß der Beitrag zum Einkommen in
1992/93. Mit durchschnittlicher Betriebsgröße steigt den Zuerwerbs- (31 %) und Nebenerwerbsbetrieben
auch der Gesamtbetrag der Beihilfen und Transfer- (19 %) relativ kleiner als im Vollerwerb war (BML,
zahlungen, allerdings nicht so deutlich wie das 1994 a).
Gewinnniveau in den einzelnen Betriebsgrößenklas-
sen. Die geringere Betriebsgröße und die entspre- Die Struktur- und Marktordnungsausgaben der EG
chend geringere Summe aus Beihilfen und Übertra- für die Landwirtschaft in Deutschland betrugen 1992
gungen führte (neben den z. T. höheren Gesamtein etwa 12,1 Mrd. DM (1993: 13,5 Mrd. DM). Hierzu
Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
kamen weitere 16,7 Mrd. DM (1993: 17,0 Mrd. DM) als Betriebe gezahlt wurden, die aber mehr als die Hälfte
öffentliche Hilfen von Bund und Ländern (Tab. 1.16). der landwirtschaftlich genutzten Fläche bewirtschaf-
Die Einkommensstützung erfolgte bis zur Agrarre- teten. Die Gemeinsame Agrarpolitik trug daher der
form 1992 überwiegend in Form von Festpreisgaran- großen Zahl kleiner und mittlerer Familienbetrieb
tien. Die Subventionierung war weitgehend propor- unzureichend Rechnung (EG-Kommission, 1991). Im
tional zum Produktionsvolumen und kam daher kon- Rahmen der Markt- und Preispolitik floß außerdem
zentriert den größten Betriebe mit dem höchsten nur ein geringer Teil der Marktordnungsausgaben
Intensivierungsgrad zugute. In Europa entfielen bei- direkt den Landwirten zu. Der weitaus größte Teil
spielsweise auf nur 6 % der Getreideanbaubetriebe dieser Mittel wurde an die der Landwirtschaft nach-
die Hälfte der Getreideanbaufläche, auf der wie- gelagerten Wirtschaftszweige (Agrarhandel, Lage-
derum 60 % des gesamten Getreides erzeugt wird. Im rung, Transport etc.) ausgezahlt. Durch die Beschlüsse
Milchsektor entfielen auf 15 % der Bet riebe und im der Agrarreform soll mit Hilfe direkter Einkommens-
Rindfleischsektor auf 10 % der Betriebe die Hälfte der transfers der den Landwirten zufallende Anteil der
Erzeugung bzw. des Bestandes. Dies führte dazu, daß Subventionen ansteigen, während die Stützung der
80 % der EG-Mittel des Europäischen Ausgleichs- landwirtschaftlichen Einkommen über die Preispolitik
fonds für die Landwirtschaft (EAGFL) an nur 20 % der zurückgeht (BML, 1993 b).

Tabelle 1.16

Öffentliche Hilfen im Sektor Landwirtschaft 1 ) (ab 1992: Alte Bundesländer und Neue Bundesländer)
(in Mrd. DM) (Agrarberichte des BML, verschiedene Jahre)

1987 19902 ) 1991 2 ) 1992 2 ) 1993 2) 1994 2)

Finanzhilfen des Bundes


und der Länder zusammen 3 ) 4,61 6,4 10,9 10,3 9,6 8,4
darunter: Gemeinschaftsaufgabe 4 ) 1,91 2,4 3,3 4,0 3,5 3,4
Gasölverbilligung 0,66 0,7 0,9 1,0 0,9 0,9
Unfallversicherung 0,45 0,5 0,5 0,6 0,6 0,6
Soziostruktureller
Einkommensausgleichs) - 1,1 2,2 2,6 1,7 0,9
Weitere Bundesmittel im Rahmen
der Agrarsozialpolitik 6 ) 4,00 4,7 4,8 5,1 5,8 6,1
darunter: Altershilfe 7 ) 2,42 2,9 3,3 3,5 3,8 4,1
Krankenversicherung 1,19 1,3 1,5 1,6 1,9 2,0
Steuermindereinnahmen 3 ) 3,84 2,6 2,9 1,3 1,6 1,5
darunter: Einkommensausgleich
über die Umsatzsteuer 2,40 1,5 1,8 k.A. k.A. k.A.

Hilfen des Bundes


und der Länder zusammen 12,44 13,6 18,5 16,7 17,0 16,0
darunter: Bundesanteil 9,13 10,6 14,2 13,1 13,1 12,5
nachrichtlich: EG-Finanzmittel
im Agrarbereich für die
Bundesrepublik Deutschland 3 ) 8 ) 9,91 12,1 14,9 15,5 13,5 k.A.

1) Einschließlich Forstwirtschaft und Fischerei


2) Geschätzt
3) Subventionen im Sinne des Subventionsberichtes
4) Ohne Angaben für den Küstenschutz, Dorferneuerung; Ausgaben für Wasserwirtschaft werden zu 50 Prozent zugeordnet.
Einschließlich Sonderrahmenplan
5) Soziostruktureller Einkommensausgleich im früheren Bundesgebiet und ab 1991 Anpassungsbeihilfen in den neuen Ländern;
für 1994 nur Bundesmittel berücksichtigt
6) Unfallversicherung, Landabgaberente, Nachentrichtungszuschüsse und Produktionsaufgaberente sind bereits in den Finanz-
hilfen nachgewiesen. Bundesmittel für die soziale Sicherung der in den neuen Ländern im Sektor der Landwirtschaft Tätigen
sind nur insoweit enthalten, als sie nicht dem allgemeinen Sozialversicherungssystem zufließen
7) Altershilfe einschließlich Zusatzaltersversorgung
8) Marktordnungsausgaben der EG einschließlich EG-Strukturfondszahlungen und ab 1991 EG-Sonderprogramm für die neuen
Länder
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode

Tabelle 1.17

Vergleich der Landwirtschaft innerhalb der EG:


- Zahl der Betriebe (1987) (in 1000)1)
- Durchschnittliche Betriebsgröße (ha LF/Betrieb) (1987)1)
- Durchschnittliche Betriebsgröße (ha LF/Betrieb) der Vollerwerbsbetriebe (VE) (1990/91) 2 )
- Endproduktion der Landwirtschaft (in Mrd. ECU) (1989) 3 )
- Beitrag der Landwirtschaft zum Bruttoinlandsprodukt (in %) (1991) 4 )
- Anteil der Tier- und Pflanzenproduktion (in %) (1991) 4 )
- Anteil der Landwirtschaft an der Beschäftigung (in %) (1991) 4 )
-
EG D B DK F GR GB IRL I L NL P E

Betriebe (in 1000) 8 644 705 5 ) 93 87 982 953 260 217 2 784 4 132 636 260
Betriebsgröße (ha) 13,4 16,8 5 ) 14,8 32,2 28,6 4,0 64,4 22,7 5,6 30,2 15,3 5,2 13,8
Betriebsgröße
VE (ha) 22,2 28,9 25,5 34,2 44,8 6,4 109,7 34,6 9,3 49,8 22,0 11,8 22,0
Endproduktion . . 201,5 28,9 6,1 6,9 46,6 8,0 19,4 4,3 36,7 0,2 15,7 3,5 25,2
Anteil am BIP - 1,1 1,7 3,5 2,8 11,6 1,2 7,2 3,0 1,7 4,1 4,1 4,0
Anteil Pflanzen . . - 35,7 37,3 35,4 54,6 71,1 40,7 13,1 60,7 17,9 42,6 50,6 61,7
Anteil Tiere - 64,3 62,7 64,6 45,4 28,9 59,3 86,9 39,3 82,1 57,4 49,4 38,3
Anteil AK - 3,4 2,6 5,7 5,8 23,9 2,2 13,8 8,5 3,3 4,5 17,3 10,7

1) Ergebnisse der EG-Strukturerhebung 1987, In: BML, 1993 b


2) Agrarbe richt 1993 (BML, 1993b)
3) Statistisches Bundesamt, 1992 b
4) OECD, 1993
5) Früheres Bundesgebiet

Unterschiede in der Agrarstruktur innerhalb der EU Importzölle und Exportsubventionen wird im Grund-
satz beibehalten, unterliegt aber veränderten Rah-
Nach der EG-Strukturerhebung von 1987 wurden in menbedingungen. Die wesentlichen Inhalte der im
der EG-12 insgesamt 8,64 Mio. landwirtschaftliche Mai 1992 beschlossenen Reform der Gemeinsamen
Betriebe mit 115,4 Mio. ha LF bewirtschaftet. Darunter Agrarpolitik sind in zwei Maßnahmenkomplexe zu
haben 1,71 Mio. Betriebe (19,8%) eine Betriebsfläche unterteilen:
unter 1 ha LF (BML, 1992 a und 1993 b). Die regionalen
Unterschiede in den Betriebsstrukturen sind teilweise
erheblich. Maßgebend hierfür sind insbesondere die 1. Annäherung an das Weltmarktpreisniveau
Unterschiede in den natürlichen Standortbedingun- durch deutliche Preissenkungen bei den
gen, in der Entwicklung der jeweiligen Volkswirt- Marktordnungsprodukten Getreide, Ölsaaten,
schaften, aber auch historisch gewachsene Beson- Eiweißpflanzen und Rindfleisch
derheiten der Agrarverfassungen (BML, 1992 a).
Die derzeitigen Unterschiede gehen teilweise aus Die Stützpreissenkung erfolgt bei Getreide schritt-
Tab. 1.17 hervor. weise um insgesamt etwa 30 % in den drei Wirtschafts-
Die Entwicklung und der Strukturwandel sowie die jahren 1993/94 bis 1995/96.
Agrarüberschüsse (Tab. 1.13) und Umweltbelastun-
Tabelle 1.18
gen der deutschen Landwirtschaft sind mit denen der
europäischen, insbesondere der mitteleuropäischen
Marktordnungspreise und Einkommensausgleich
Landwirtschaft vergleichbar. Die wachsenden Agrar-
für Getreide (BML, 1994 b)
überschüsse, Einkommensdisparitäten und Agrar-
marktausgaben erforderten daher eine Reform der
EG-Agrarpolitik. Inter- Ein
Richt- Schwellen-
ventions kommens-
Wirtschafts- preis preis1)
preis ausgleich
jahr

1.1.4 Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik in DM/t


im Jahr 1992
1993/94 275 306 412 55
1.1.4.1 Maßnahmen der Agrarreform 1994/95 254 283 388 82
1995/96 235 259 365 106
Die EG-Agrarmarktordnung mit staatlichen Ankauf
garantien (Inte rv ention) sowie Außenschutz durch 1) Einfuhr-Mindestpreis
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Die Preise bei Ölsaaten und Eiweißpflanzen orientie- Getreide (ggf. einschl. Silomais), Ölsaaten und
ren sich künftig am Weltmarktpreisniveau. Der Inter- Eiweißpflanzen einen einheitlichen, vom Getreide
ventionspreis für Rindfleisch wird ebenfalls in drei abgeleiteten Preisausgleich. Kleinerzeuger wird man
Schritten bis 1995 um insgesamt 15 % gesenkt. Er durch Erklärung. Auch Erzeuger mit größerer Fläche
beläuft sich ab 1. Juli 1995 auf 686,38 DM je 100 kg. können daher Behandlung als Kleinerzeuger beantra-
Gleichzeitig werden die Interventionsankäufe von gen, erhalten dann jedoch einen Preisausgleich ledig-
750 000. t in 1993 schrittweise bis 1997 auf 350 000 t lich für die „Kleinerzeugerfläche". Veredlungsbe-
zurückgeführt. triebe, die aufgrund von Umweltbestimmungen
(Höchstbesatzdichten, s. u.) bei der Teilnahme an der
Flächenstillegung ihren Tierbestand reduzieren müß-
2. Ausgleich der Einkommensverluste durch direkte ten, können ihre Stillegungsverpflichtung auf andere
Transferzahlungen: - Erzeuger übertragen.

Die Ausgleichszahlungen im Bereich der Tierhaltung


Die Ausgleichszahlungen (Tab. 1.18 u. 1.19) werden erfolgen durch höhere Ausgleichsprämien für männ-
im pflanzenbaulichen Bereich nach dem Umfang der
liche Rinder und Mutterkühe. Die Prämie für männli-
Anbaufläche, der Auflage zur Stillegung von Teilflä-
che Rinder wird in drei Schritten von 94 DM (1992) auf
chen (s. u.) und dem Durchschnittsgetreideertrag in 141 DM (1993) bzw. 177 DM (1994) bis 1995 auf
der jeweiligen Region bemessen. Legt man den Bun- 212 DM je Tier im Alter von 10 Monaten bzw. 424 DM
desdurchschnittsertrag zugrunde, ergeben sich für die je Tier im Alter von 23 Monaten erhöht. Gleichzeitig
Ernte 1994 folgende Ausgleichszahlungen je Hektar steigt die Mutterkuhprämie von 165 DM (1993) auf
(Tab. 1.19). 224 DM (1994) bzw. 283 DM (1995) je Tier und Jahr. Im
Bereich der Schafhaltung bleibt die bisherige Rege-
Tabelle 1.19
lung der Prämien für Mutterschafe weitgehend erhal-
ten, es werden aber Bestandsobergrenzen einge-
Durchschnittliche Ausgleichszahlungen 1 )
führt.
in der Bundesrepublik Deutschland
im Jahr 1994 (BML, 1994b) Die Gewährung der Prämien ist an bestimmte Besatz
dichten (1994: 3,0 GVE 3 )/ha Futterfläche; 1995:
2,5 GVE/ha Futterfläche; ab 1996: 2,0 GVE/ha Futter-
Getreide 2 ) 461,42 DM
fläche) gekoppelt. Hieraus errechnen sich für jeden
Ölsaaten 1 120,90 DM Betrieb eine Höchstzahl förderungsfähiger männli-
Eiweißpflanzen 856,92 DM cher Rinder und/oder Mutterkühe. Bei einer Besatz
Flächenstillegung 751,45 DM dichte unter 1,4 GVE/ha Futterfläche kann zusätzlich
eine Ergänzungsprämie (Extensivierungsprämie) von
1) Nicht anzuwenden bei der „vereinfachten Regelung" (Klein- 71 DM je Tier und Altersklasse beantragt werden.
erzeuger-Regelung) Gleichzeitig auf dem Betrieb gehaltene Milchkühe
2) Einschließlich Silomais und Zuckermais sowie bei gemisch- (entsprechend dem Milchkontingent) sowie Mutter-
tem Anbau von Getreide, Ölsaaten und Eiweißpflanzen
schafe, für die eine Prämie beantragt wurde, sind von
(z. B. Hafer-Bohnen-Gemenge)
der Anzahl maximal förderfähiger GVE (Förder-
grenze) abzuziehen. Andere Tiere (Schweine, Geflü-
Voraussetzung für den Einkommensausgleich im gel etc.) werden hierbei jedoch nicht berücksichtigt.
pflanzenbaulichen Bereich ist die Stillegung von Teil- Im Kalenderjahr sind pro Betrieb und Altersklasse
flächen. Die Ausgleichszahlungen erhält nur, wer höchstens 90 Mastbullen/Mutterkühe (ABL) prämien-
15 % seiner ausgleichsberechtigten Anbauflächen berechtigt, in den neuen Bundesländern gelten Son-
innerhalb der Fruchtfolge für eine Vegetationsperiode derregelungen. Bei Kleinerzeugern, bei denen die
stillegt (Rotationsbrache) und frühestens im sechsten Gesamtzahl der männlichen Rinder, Mutterkühe und
Jahr darauf erneut stillegt. Der Stillegungszeitraum -schafe, für die Prämien beantragt werden, bei höch-
beträgt mindestens sieben Monate, beginnend mit stens 15 GVE liegt, spielt die Besatzdichte bei der
dem 15. Dezember bis zum 15. Juli des folgenden Prämiengewährung keine Rolle. Kleinerzeuger wird
Jahres. Bei Verkürzung der Rotationsdauer (drei statt man auch hier durch Erklärung. Die Tierhöchstzahl je
sechs Jahre) oder dauerhafter Stillegung (d. h. für Betrieb bzw. die Besatzdichte stellen jedoch ohnehin
mindestens fünf Jahre) müssen sogar 20 % der Fläche keine Ausschlußgrenze, sondern nur eine Förder-
stillgelegt werden. Auf den stillgelegten Flächen muß grenze dar. Die Tierzahl bzw. -dichte je Betrieb kann
eine Selbstbegrünung oder eine gezielte Begrünung höher liegen, es werden jedoch nur für die jeweilige
erfolgen. Die Ausgleichszahlungen werden auch Höchstzahl Prämien gewährt.
gewährt, wenn die pflanzlichen Erzeugnisse (v. a.
Zusätzlich zu diesen Marktmaßnahmen wurden im
Getreide einschl. Silomais) als Tierfutter im eigenen
Rahmen der Agrarreform auch reformbegleitende,
Betrieb verwertet werden. Auch der Anbau nach-
sog. flankierende Maßnahmen beschlossen. Es han-
wachsender Rohstoffe ist ohne Verlust der Stille-
delt sich um die Förderung
gungsprämie gestattet. Sogenannte Kleinerzeuger,
die Preisausgleich für eine Anbaufläche beantragen, 1. umweltgerechter und den natürlichen Lebensraum
die höchstens der für die Erzeugung von 92 t Getreide schützender landwirtschaftlicher Produktionsver-
benötigten Fläche (ca. 15 ha LF) entspricht, sind von fahren (EG-Verordnung 2078/92);
der Stillegungspflicht befreit. Das sind in Deutschland
etwa 82 % aller Betriebe mit einem Anteil von ca. 42 3) GVE/ha = Großvieheinheiten je Hektar (ein Bulle wird mit
der Anbaufläche. Diese Kleinerzeuger erhalten für 0,6 GVE bewertet)
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

2. des Vorruhestandes in der Landwirtschaft (EG Vorgesehen ist eine breite Staffelungsmöglichkeit der
Verordnung 2079/92); Fördersätze in Abhängigkeit von der Zahl der Boden-
punkte (Ertragsmeßzahl) sowie die Unterscheidung
3. von Aufforstungsmaßnahmen auf landwirtschaftli-
von Acker- und Grünlandaufforstung. So wird für
chen Flächen (EG-Verordnung 2080/92).
Grünlandflächen eine Aufforstungsprämie von bis
Im Zuge der Umsetzung der EG-Verordnung 2078/92 600 DM/ha gezahlt. Die Länder haben daher die
ist die Förderung folgender umweltgerechter Produk- Möglichkeit, die Prämien so zu bemessen, daß nicht
tionsverfahren und Maßnahmen vorgesehen: nur ertragsschwache Standorte aufgeforstet werden.
In Abstimmung mit regionalen Raumordnungs- und
— deutliche Verringerung des Einsatzes von Dünge- Gebietsentwicklungsplänen sind potentielle Auffor-
und/oder Pflanzenschutzmitteln/Herbiziden; stungsflächen und freizuhaltende Flächen zu bestim-
— Extensivierung der pflanzlichen Erzeugung durch- men, auf denen zum Erhalt des Landschaftsbildes
andere Maßnahmen; auch die Förderung der extensiven Grünlandwirt-
schaft möglich wäre (Deutscher Bundestag, 1993 d).
— Umwandlung von Ackerflächen in extensives
Grünland;

— Einführung und Beibehaltung von ökologischen 1.1.4.2 Auswirkungen der Agrarreform


Anbauverfahren;

— Anwendung von Produktionsverfahren, die die In agrarpolitischen Kreisen geht man davon aus, daß
Umwelt und die natürlichen Ressourcen schonen durch die Agrarreform aufgrund der Senkung der
bzw. zur Erhaltung des natürlichen Lebensraums Erzeugerpreise:
und der Landschaft beitragen (z. B. Acker- und — die jährliche Überschußproduktion bei Getreide,
Gewässerrandstreifen- sowie Kulturlandschafts Ölsaaten und Eiweißpflanzen in der EU ab 1995
programme);
um bis zu 30 Mio. t gesenkt wird, was zu einer
— 20jährige Stillegung von Ackerflächen für Um- Stabilisierung der Weltmarktpreise führen
weltschutzzwecke (Biotope, Gewässerschutz, Na- dürfte,
turparks); — die spezielle Intensität der pflanzlichen Produktion
— Reduzierung der Rinder- und Schafbestände je zurückgeführt wird, d. h. der Verbrauch von
Hektar Weideland/Futterfläche; Dünge- und Pflanzenschutzmitteln gesenkt und
damit die Emission direkt und indirekt klimawirk-
— Zucht vom Aussterben bedrohter lokaler Rassen; samer Spurengase aus der Landwirtschaft redu-
— Pflege aufgegebener land- und forstwirtschaftli- ziert wird,
cher Flächen; — Flächen aus der landwirtschaftlichen Produktion
— Fortbildung von Landwirten im Bereich umwelt- ausscheiden und insbesondere für forstwirtschaft-
verträglicher Produktionsverfahren; liche sowie Umwelt- und Naturschutzzwecke zur
Verfügung stehen (BML und BMU, 1993; Scheele
Auf Grundlage der allgemeinen Richtlinien dieser und Schmitt, 1993).
EG-Verordnung wurden gemeinsam von Bund und
Im Bereich der Rinderhaltung wird die Kopplung der
Ländern Förderungsgrundsätze entwickelt und in die
Ausgleichszahlungen an Tierbestandsobergrenzen je
Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrar-
Betrieb sowie die Senkung der Interventionsprei-
struktur und des Küstenschutzes" aufgenommen. Die
se und -menge den Anreiz zur Verkleinerung
konkrete, auf regionale Umwelt- und Naturschutzer-
der Bestände erhöhen. Die Extensivierungsprämie
fordernisse abgestimmte Ausgestaltung der Maßnah-
(<= 1,4 GVE/ha) bringt eine zusätzliche ökologische
men bzw. Programme obliegt den Bundesländern. Die
Entlastung. Die innerbetriebliche Verwertung von
Verordnung sollte innerhalb von 12 Monaten umge-
Getreide ohne Verlust der Ausgleichszahlungen ver-
setzt werden. Dies steht derzeit aber noch aus.
bessert die Wettbewerbsfähigkeit der tierischen Ver-
Die Vorruhestandsregelung (EG-Verordnung 2079/ edlung auf der Basis selbsterzeugten Futtergetreides
92) sieht die Zahlung eines Vorruhestandsgeldes und verringert damit vermutlich den Zukauf bzw.
(Produktionsaufgaberente) an Landwirte vor, die ihre Import von Getreidesubstituten.
landwirtschaftliche Tätigkeit nach dem 55. Lebens-
Die flankierenden Maßnahmen haben zum Teil eine
jahr einstellen. In Deutschland (ABL) existiert bereits
umweltschützende Zielsetzung und werden auch im
ein Gesetz zur Vorruhestandsförderung (FELEG), des-
Bereich des Klimaschutzes positive Auswirkungen
sen Ausdehnung auf die neuen Länder Anfang 1994
haben. Insbesondere die Förderung der Extensivie-
erfolgen sollte.
rung sowie der Umstellung auf bzw. der Beibehaltung
Die EU fördert im Rahmen der EG-Verordnung 2080/ des ökologischen Landbaus werden zur Entlastung
92 zukünftig die Aufforstung bisher landwirtschaftlich des Naturhaushaltes beitragen. Neben den extensi-
genutzter Flächen mit einer jährlichen Aufforstungs- vierungsfördernden Wirkungen der Stützpreissen-
prämie von bis zu etwa 1400 DM/ha für die Dauer von kung hat die EG mit der Förderung des rationellen
20 Jahren. Hierzu kommt noch ein einmaliger Kosten- Energieeinsatzes, der Nutzung regenerativer Ener-
zuschuß zur Aufforstung von bis zu etwa 9400 DM/ha giequellen sowie des Anbaus und der Nutzung nach-
bei Laubwald/Mischwald mit 75 % Laubbäumen bzw. wachsender Rohstoffe weitere Maßnahmen ergriffen,
bis zu etwa 7000 DM bei Aufforstung mit Nadelbäu- die direkt und indirekt zur Reduktion klimarelevanter
men. Emissionen beitragen. Genaue Aussagen zu den Wir-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
kungen der Agrarreform können jedoch erst gemacht Abbau der Überschußproduktion und ist zumindest in
werden, wenn erste Erfahrungen aus der Umsetzung Form der Rotationsbrache eher umweltschädigend.
vorliegen (BML u. BMU, 1993). Aus stillgelegten Flächen kann es zur verstärkten
Nährstoffauswaschung und -ausgasung kommen. Aus
Die Agrarpreissenkungen sind wegen ihres zu erwar-
Sicht des Umwelt- und Naturschutzes besteht zudem
tenden intensitätsmindernden Effektes grundsätzlich
die Sorge, daß eine Aufspaltung der Kulturlandschaft
unter ökologischen und ökonomischen Gesichtspunk- in Produktionsflächen mit intensiver Landbewirt-
ten ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
schaftung und Bracheflächen ohne jegliche Nutzung
Es gibt jedoch zahlreiche Kritikpunkte, die die erhoff-
stattfindet, was beides zum Verlust der biologischen
ten positiven Effekte der Agrarreform auch im Bereich
Vielfalt und der Kulturlandschaft führt. Neben nega-
des Umwelt- und Klimaschutzes teilweise oder gänz- tiven ökologischen Wirkungen werden vor allem in
lich in Frage stellen. Erste Modellrechnungen von
peripheren ländlichen Räumen auch soziale und wirt-
Henrichsmeyer (1993; In: SRU, 1994) haben ergeben,
schaftliche Probleme aufgeworfen (SRU, 1994). Die
daß die Extensivierungsanreize aufgrund der bisheri-
positiven und negativen Auswirkungen des Anbaus
gen Preiskorrekturen nicht ausreichen, die Nitratbe-
nachwachsender Rohstoffe auf stillgelegten (und
lastung des Grund- und Trinkwassers sowie der Öko-
anderen) Flächen werden in Kap. 4 diskutiert.
systeme in hinreichendem Maße zu senken (SRU,
1994). Die mit hohen Intensitäten verbundenen Die Förderung umweltgerechter Produktionsverfah-
Umweltbelastungen werden nicht dadurch vermin- ren im Rahmen der flankierenden Maßnahmen ist
dert, daß man den Betriebsmittelaufwand auf die eindeutig positiv zu beurteilen, die Gewichtung inner-
Gesamtfläche, d. h. auch auf die stillgelegte, nicht an halb des agrarpolitischen Gesamtinstrumentariums
der Produktion beteiligte Fläche umlegt. Die Extensi- und die demzufolge unbedeutende finanzielle Aus-
vierung kann nur durch die generelle Senkung der stattung ist jedoch als sehr kritisch anzusehen. Viele
speziellen Intensität auf der gesamten bewirtschafte- Programme können nicht in dem vorgesehenen
ten Fläche erfolgen. Andernfalls führt die EG-Agrar- Umfang durchgeführt werden oder es müssen Mittel
reform nicht zu einer Extensivierung, sondern zu innerhalb des Etats umgeschichtet werden. Der
einem verstärkten Nebeneinander intensiver Landbe- Anreiz zur Teilnahme an den Extensivierungsmaß-
wirtschaftung und Nichtnutzung (Flächenstillegung) nahmen ist zudem aufgrund vergleichsweise niedri-
(Bauer, 1993 b). Damit droht eine Entwicklung hin zu ger Prämien gering. Die Teilnahme wird daher insbe-
einer „Reservate-Landwirtschaft" . sondere in Grenzstandorten erfolgen, auf denen
bereits eine extensive Nutzung vorherrscht (Mitnah-
Die Ausgleichszahlungen haben das wesentliche meeffekt). Die Umsetzung der flankierenden Maß-
Manko, daß sie an keinerlei umweltorientierte Bewirt- nahmen ist auch fast zwei Jahre nach Inkrafttreten der
schaftungsauflagen gebunden sind. Es ist daher frag- Agrarreform noch nicht erfolgt. Derzeit drohen zudem
lich, ob sie trotz aller Bekundungen in dieser Form insbesondere im Bereich der Gemeinschaftsaufgabe
gegenüber der Gesellschaft zu rechtfertigen sind und weitere Etatkürzungen und Einsparungen.
langfristig aufrecht erhalten werden können. Den-
noch hat der Einkommensausgleich den umweltpoli- Nicht nur die erhofften ökologisch positiven Wirkun-
tisch positiven Effekt, daß auch unrentable landwirt- gen, sondern auch die ökonomisch positiven, markt-
schaftliche Flächen (Grenzstandorte) vorerst in der entlastenden Effekte der Agrarreform sind zweifel-
Bewirtschaftung verbleiben, weil die Transferzahlun- haft. Es ist zu befürchten, daß aufgrund der Fülle an
gen an die weitere Bewirtschaftung gebunden sind. Detailregelungen mit zahlreichen Ausweichmöglich-
Da jedoch andererseits nur der Anbau bestimmter keiten sowie aufgrund des kontinuierlichen techni-
Kulturarten gefördert wird, werden die in mehrfacher schen Fortschritts die notwendige und erhoffte Redu-
Hinsicht problematischen monotonen Anbaustruktu- zierung der hohen Agrarüberschüsse und der gleich-
ren in einigen Regionen Deutschlands bzw. Europas falls hohen Finanzbelastungen des EU-Agrarhaushal-
beibehalten (SRU, 1994). tes nicht erreicht wird (von Urff, 1993; Hrubesch, 1993;
Beide in: SRU, 1994). Außerdem sind die Ausgleichs-
Auch der Bereich der Tierhaltung ist weiterhin pro- zahlungen so genau auf die Einkommensverluste
blematisch. So wird die Schweine- und Geflügelhal- durch Preissenkungen zugeschnitten, daß nicht nur
tung von der Agrarreform überhaupt nicht erfaßt die Reduzierung der Überschüsse zweifelhaft wird,
(EG-Kommission, 1993). Die Ausgleichszahlungen in sondern daß es auch zu einer lähmenden Bürokrati-
der Rinderhaltung werden zwar an Höchstbestandes- sierung kommen muß (Priebe, 1992). Die planwirt-
dichten gekoppelt, die jedoch keine Ausschluß- schaftlichen Elemente des bisherigen Systems sind
grenze, sondern nur eine Fördergrenze darstellen. Es weiter ausgefüllt worden. Die künftigen Aufgaben
gibt mithin keinerlei Sanktionsmechanismen für und Probleme durch regionale Durchschnittserträge
höhere und somit umweltbelastendere Tierbestandes- bzw. Beihilfenhöhen, Ermittlung der betrieblichen
dichten, außer das für die überzähligen Tiere keine Beihilfefläche, Ermittlung und Nachweis der Kleiner-
Prämien beantragt werden können. Auch die Übertra- zeugergrenze, Kontrolle der tatsächlichen Flächen-
gung der Stillegungsverpflichtung auf andere Be- stillegung, Ermittlung und Kontrolle der betrieblichen
triebe, um die Höchstbesatzdichten nicht zu über- Tierbesatzdichte und Bestandsobergrenzen etc. für
schreiten, ist im Hinblick auf eine — aus Umwelt- und den gesamten Bereich der EG sind derzeit kaum
Klimaschutzgründen — notwendige Kopplung der abschätzbar. Das künftige Kontrolldefizit ermöglicht
Tierhaltung an die Fläche auf niedrigem Niveau sehr daher eine mehr oder weniger legale betriebliche
kritisch zu betrachten. Anpassung an die Erfordernisse (Bauer, 1993 a).
Die quasi-obligatorische Flächenstillegung dient zu- Von der quasi-obligatorischen Flächenstillegung sind
dem ausschließlich der Marktentlastung bzw. dem ohnehin nur Betriebe mit mehr als ca. 15 ha LF
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

betroffen; das sind in Deutschland nur etwa 18 % aller halb Deutschlands oder auf europäischer Ebene ganz
Betriebe mit einem Anteil von ca. 58 % der Anbauflä- erheblich (Tab. 1.17). Noch größer werden die Unter-
che. Bezogen auf das gesamte Bundesgebiet werden schiede bei einer Betrachtung der globalen Landwirt-
im Wirtschaftsjahr 1993/94 voraussichtlich 10,6 % der schaft.
Anbauflächen stillgelegt (BML, 1994 b). Die künstli-
che Verknappung des Produktionsfaktors Boden Die Landwirtschaft in den östlichen Teilen Mittel- und
durch die Flächenstillegung führt in der Tendenz zu Osteuropas erfuhr durch die weitgehende Abschaf-
Intensivierungseffekten auf den in der Produktion fung des privaten Eigentums an Grund und Boden
verbleibenden Flächen (Scheele und Schmitt, 1993). einen noch tiefgreifenderen Strukturwandel als in der
Insbesondere auf guten Standorten könnte es zu einer EG. Durch die Zusammenlegung der Flächen wurden
weiteren Steigerung der Produktionsintensität kom- nach westlichen Maßstäben riesige Staatsgüter in
men, um den Ertragsausfall durch die erzwungene - ausgeräumten Landschaften geschaffen, die jedoch
Flächenstillegung zu kompensieren (UBA, 1993; aufgrund planwirtschaftlicher Ineffizienzen und man-
Priebe, 1994). Nach Schätzungen der FAO beläuft sich gels unternehmerischer Entscheidungsfreiheit eine
die Gesamtgetreideernte der EU 1993 (im ersten Jahr relativ niedrige Produktivität aufweisen. Dennoch
nach Inkrafttreten der Reform) mit etwa 167,5 Mio. t entsprechen die Umweltbelastungen teilweise denen
lediglich 2 % unter der Durchschnittsernte des Vorjah- der westeuropäischen Landwirtschaft.
res (BML, 1994 c).
Die sehr großflächige Bewirtschaftung, wie sie vor
Die beschlossenen Maßnahmen im Bereich der EG- allem in Osteuropa und den GUS-Ländern, in Teilen
Rindfleischmarktordnung erzielen auch nach Aussa- Nordamerikas und auch in der vergleichsweise exten-
gen des Bundeslandwirtschaftsministers keine ausrei- siven Landwirtschaft in Australien erfolgt, führt zu
chende Marktentlastung (BML und BMU, 1993). erheblicher Bodenerosion und entsprechender Zu-
nahme der Desertifikation (Wüstenbildung) (Kap.
Zusammenfassend urteilt der Rat von Sachverständi-
2.3.3). In Nordamerika, Kanada und Teilen Asiens ist
gen für Umweltfragen in seinem Umweltgutachten
die dortige Wirtschaftsweise ist in ihren Umwelt- und
1994, das er im Februar 1994 der Bundesregierung
Klimabelastungen weitgehend mit der mitteleuropäi-
vorlegte: „Die aktuellen agrarpolitischen Beschlüsse
schen Landwirtschaft vergleichbar. Dort erwirtschaf-
beinhalten keine klare und langfristige Perspektive
tet die Landwirtschaft ebenfalls z. T. erhebliche
für eine ökonomische und ökologische Konzeption
Agrarüberschüsse.
zukünftiger Landbewirtschaftung. Das Extensivie-
rungsprogramm wird weder seiner marktentlasten- Den wachsenden Agrarüberschüssen der westlichen
den noch seiner ökologischen Zielsetzung in einem Intensivlandwirtschaft steht eine erhebliche Unter-
Umfang gerecht, wie es der Biotische und abiotische versorgung in den meisten Entwicklungs- und
Ressourcenschutz erfordert. Mit dem Ziel einer dauer- Schwellenländern gegenüber. Die Ursachen der
haft-umweltgerechten Entwicklung muß sich die Unterversorgung liegen sowohl im Bevölkerungs-
künftige Landbewirtschaftung stärker an der Erhal- wachstum, in der Armut der Bevölkerung, in der
tung der Umweltfunktionen orientieren. Eine ver- Verschuldung der Länder, in Unruhen und kriegeri-
stärkte Extensivierung der landwirtschaftlichen Nut- schen Auseinandersetzungen, aber auch in häufigen
zung, die sich an weitgehend ausgeglichenen Ener- und anhaltenden Dürreperioden oder in unzureichen-
gie- und Nährstoffbilanzen orientiert, ist dringend der Ausbildung und Technik begründet. Eine wesent-
voranzutreiben. Für die Weiterentwicklung einer dau- liche Ursache sind aber auch die sozialen Disparitäten
erhaft-umweltgerechten Landbewirtschaftung sind innerhalb der Länder, die insbesondere in der Agrar-
im Rahmen der europäischen Agrarpolitik einkom- verfassung vieler lateinamerikanischer und asiati-
mensichernde Transferzahlungen an die Landwirte scher Entwicklungsländer deutlich werden. Landwirt-
umfangreicher und zügiger an ökologische Gegenlei- schaftliche Nutzflächen befinden sich größtenteils in
stungen zu binden. ... Die von der Landwirtschaft der Hand weniger Großgrundbesitzer, multinationa-
ausgehenden negativen externen Effekte sind gemäß ler oder staatlicher Unternehmen (EK, 1990 a). Auf-
dem Verursacherprinzip mit Abgaben zu belegen. grund dieser Landbesitzverteilung wurde die nach-
Dies betrifft vor allem den Einsatz von Dünge- und haltige und auf Selbstversorgung der einheimischen
Pflanzenschutzmitteln.... Während einer Übergangs- Bevölkerung ausgerichtete Subsistenzwirtschaft zu-
zeit sind die heute indirekt (durch Preisstützung) oder nehmend verdrängt und durch eine exportorientierte
direkt zur Einkommenssicherung in der Landwirt- Agrarproduktion ersetzt. Erhebliche Anteile der land-
schaft verwendeten Mittel des Ausrichtungs- und wirtschaftlichen Flächen werden sehr extensiv
Garantiefonds Schritt für Schritt in Mittel zur Förde- bewirtschaftet, zumeist weil die Böden und Standort-
rung einer dauerhaft-umweltgerechten Landnutzung bedingungen keine intensivere Nutzung zulassen. Wo
umzuwandeln" (SRU, 1994). Diese und weitere Maß- der Anbau lohnt, werden unter meist ausländischer
nahmen werden in Kap. 4 ausführlich diskutiert. Die oder multinationaler Kontrolle bei intensivsten Pro-
Handlungsempfehlungen zielen dabei in erster Linie duktionsbedingungen und bei hohem Einsatz von
auf die EG-Ebene, da die nationale Agrarpolitik Agrochemikalien Agrarexportgüter, sogenannte
wesentlich in die europäische Agrarpolitik eingebun- „cash crops" wie Kakao, Kaffee, Bananen etc. für die
den ist. westlichen Industrieländer angebaut. Die Produktion
dieser cash crops steht dabei in Konkurrenz zur
Versorgung der einheimischen Bevölkerung mit Nah-
1.1.5 Blick auf die internationale Landwirtschaft
rungsmitteln. Sogar Fleisch und Futtermittel werden
Die Unterschiede in der Agrarstruktur und der Art und aus Entwicklungsländern exportiert. Die Massentier-
Intensität der Landbewirtschaftung sind bereits inner haltung in der EU basiert in weiten Teilen auf billigen
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Importfuttermitteln aus Entwicklungsländern, trotz Umweltbelastung und Naturzerstörung durch die
Überproduktion und Preisverfall auf dem EG-Futter- Intensivlandwirtschaft und die fortschreitende Wald-
getreide- und Fleischmarkt (EK, 1990 a). Die subven- vernichtung sowie die davon ausgehenden Gefahren
tionierten Agrarüberschüsse aus der EU und den USA für das globale Klima hingewiesen. Die Brandrodung
führten zur deutlichen Senkung der Weltmarktpreise der tropischen Wälder leistet mit 15 % etwa den
für Agrarerzeugnisse. Subventionierte Exporte in die gleichen Beitrag zur Klimaänderung wie die anderen
Entwicklungsländer verdrängen die dortigen einhei- landwirtschaftlichen Aktivitäten weltweit (Tierhal-
mische Produzenten vom Markt, wodurch der Selbst- tung, Reisanbau, Düngung etc.) (Kap. 2) (EK, 1992).
versorgungsgrad in den betroffenen Ländern sinkt Eine Darstellung der negativen Umweltwirkungen
und die Entwicklung der Landwirtschaft behindert der Brandrodung und Waldvernichtung in den Tropen
wird (Deutscher Bundestag, 1994 a). Die meisten und Subtropen sowie der Probleme in den Waldgebie-
Entwicklungsländer sind jedoch vom Export weniger - ten der gemäßigten (u. a. Waldsterben) und der borea-
Agrarprodukte oder Rohstoffe abhängig. Die rapide len Breiten (großflächige Rodungen) ist Inhalt des
Verschlechterung der „Terms of Trade" beschleunigt Abschnittes C dieses Berichtes. Die Ursachen und
somit den Teufelskreis aus Verschuldung, Export- Auswirkungen der Waldvernichtung in den Tropen
zwang und Naturzerstörung. wurden außerdem 1990 ausführlich im zweiten
Bericht „Schutz der tropischen Wälder" der Enquete
Die von ihren Anbauflächen vertriebenen Bauern
Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmo-
drängen gemeinsam mit landlosen Siedlern in die
sphäre " dargestellt.
tropischen Wälder. Verstärkt wird dieser Druck auf
die Wälder durch das anhaltende Bevölkerungs- In Deutschland nutzt die Landwirtschaft etwa die
wachstum, staatliche Rahmenbedingungen und die Hälfte der Landesfläche. Der tiefgreifende Wandel
große Armut in der Bevölkerung. Staatliche Sied- der agrarischen Landnutzung hat daher einen erheb-
lungsprogramme förderten vor allem in den achtziger lichen Einfluß auf die Umwelt. Mit der zunehmenden
Jahren (in Teilen Asiens und im Amazonasgebiet) die Intensivierung treten die negativen Umweltwirkun-
Erschließung durch Landvergabe an Siedler sowie gen der Landwirtschaft in den Vordergrund. Eine
durch Investitionsbeihilfen und Steuererleichterun- umfassende und nach wie vor aktuelle Bestandsauf-
gen für nationale und internationale Unternehmen. nahme auf nationaler Ebene legte hierzu 1985 der Rat
Der Raubbau an den tropischen Wäldern ist weitge- von Sachverständigen für Umweltfragen mit dem
hend auf Landnutzungsänderungen zurückzuführen. Sondergutachten „Umweltprobleme der Landwirt-
Je zur Hälfte werden die Flächen zunächst für den schaft" (SRU, 1985 u. 1992) vor.
Wanderfeldbau brandgerodet oder mehr oder weni-
ger dauerhaft genutzt. Meist ist jedoch nur eine sehr Die mit der Landbewirtschaftung einhergehenden
extensive Nutzung als Weideland möglich (Kap. 2.3.2) Umweltbelastungen hängen ebenso wie die Höhe der
(EK, 1990 a; Amelung und Diehl, 1991). Da die Böden Emissionen klimawirksamer Spurengase vielfach
nur wenige Ernten und geringe Erträge zulassen und direkt von der hohen Produktionsintensität in der
zudem einer raschen Bodenerosion unterliegen, müs- Intensivlandwirtschaft ab. Die vorleistungsintensive
sen ständig neue Flächen brandgerodet werden. Das Landwirtschaft in den westlichen Industrieländern
System des ursprünglich nachhaltigen Wanderfeld- trägt durch den Verbrauch fossiler Energieträger vor
baus ist überfordert. Die notwendigen Brachezeiten allem bei der Düngerherstellung, dem Futtermittel
werden verkürzt und der Ackerbau wird auf ungeeig- transport und als Treibstoff zur CO 2 --Emission bei. Die
nete Standorte ausgedehnt. In den Savannengebieten Methan- und Ammoniakfreisetzung aus der Tierhal-
ist die Viehdichte zu hoch und Sträucher und Bäume tung bzw. Wirtschaftsdüngung hängt wesentlich von
werden als Brennholz schneller verbraucht als sie der Futterzusammensetzung und dem Stallhaltungs
nachwachsen können (Kap. 2.3.3.1). Rodung, Brand- und Entmistungssystem ab. Besonders hoch sind die
rodung und Überweidung der Flächen sind die Emissionen bei den Flüssigmistsystemen mit Gülle-
Hauptursachen für die rasche Ausbreitung der düngung, die insbesondere in der Massentierhaltung
Wüsten (Desertifikation) (Andersen, 1991; WBGU, verbreitet sind. Ammoniak ist gemeinsam mit den
1993). Dieser Entwicklung muß vor allem durch eine Überschüssen aus der mineralischen Stickstoffdün-
standortgerechte und nachhaltige Landbewirtschaf- gung (Auswaschung bzw. Abtrag in Grund- und
tung (z. B. Agroforestry) entgegengewirkt werden. In Oberflächengewässer) Ursache der Eutrophierung
Anbetracht der Nahrungsmittelknappheit und der natürlicher und naturnaher Ökosysteme. Dies führt
Bevölkerungsentwicklung in den Entwicklungs- und dort wiederum zur verstärkten Freisetzung von stick-
Schwellenländern ist zur Sicherung der Ernährung stoffhaltigen Spurengasen (NOx, N 2 0) und trägt zur
neben der Stabilisierung unbedingt auch eine Inten- Zerstörung von Lebensräumen wildlebender Pflanzen
sivierung der Landwirtschaft auf den bereits bewirt- und Tiere (z. B. Waldsterben) und damit zur Verringe-
schafteten Flächen notwendig. rung der Arten- und Biotopvielfalt in der Landschaft
bei. Die zunehmende Spezialisierung und Mechani-
sierung führt gemeinsam mit der Entkopplung von
1.2 Ökologische Bedeutung Tierhaltung und Pflanzenbau zu einer Fruchtfolgever-
der Landwirtschaft armung, dem Rückgang einer geregelten Humuswirt-
schaft und dem zunehmenden Einsatz schwerer
1.2.1 Negative Wirkungen der Landwirtschaft Maschinen. Die Schädigung der Bodenstruktur und
auf die Umwelt die weltweite Zunahme der Erosion erhöhen den
Bereits seit Jahrzehnten wird, wie unter anderem auch Kohlenstoff- und Nährstoffaustrag aus den Agraröko-
1980 in dem Bericht an den amerikanischen Präsiden- systemen. Alle landwirtschaftlichen Aktivitäten, die
ten (Global 2000) auf die weltweit zunehmende zu einer Verminderung der Kohlenstoffeinbindung in
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Agrarökosystemen oder natürlichen Ökosystemen — seit jeher erbracht hat und auch heute noch
führen, sind letztlich auch klimarelevant. Alle Vor- (teilweise) erbringt, werden im allgemeinen weniger
gänge, die in der Landwirtschaft zur Emission klima- beachtet oder gänzlich vergessen. Über Jahrhunderte
wirksamer Spurengase führen, werden ausführlich in hinweg haben Land- und Forstwirtschaft die heutige
Kap. 2 dargestellt. Kulturlandschaft mit ihrer Arten- und Biotopvielfalt
erst geschaffen. Landschaftspflege im ökologischen
Andererseits wird die Landwirtschaft in erheblichem Sinn wurde von der extensiven Landwirtschaft im 18.,
Umfang durch Immissionen aus anderen Wirtschafts- 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als
bereichen belastet. Große Mengen an Stickstoff- kostenloses Koppelprodukt der Nahrungs- und Roh-
oxiden, Schwefeldioxid, bodennahem Ozon und stofferzeugung erbracht (Weinschenck, 1987; Bauer,
Schwermetallen stammen aus den Emissionen im 1993 b). Zu den positiven Leistungen der Landwirt-
Verkehrs-, Industrie- und Haushaltsbereich bzw. wer- schaft zählen vor allem:
den durch diese verursacht. Diese Belastungen stellen
jedoch aus grundsätzlichen und quantitativen Erwä- — die Schutz-, Filter- und Reinigungswirkungen für
gungen kein Argument zum Verzicht auf Maßnahmen Wasser, Luft und Böden,
dar, die Umweltprobleme der Intensivlandwirtschaft
— die Pflege und der Erhalt der landwirtschaftlich
zu verringern (Conrad, 1987).
(und forstwirtschaftlich) geprägten Kulturland-
Die Landwirtschaft verliert ihre positiven Funktionen schaft,
(Kap. 1.2.2) nicht allein durch die zunehmende Inten-
— der Erhalt der sozialen Funktionen des ländlichen
sivierung, sondern auch durch die Flächenstillegung
Lebensraumes für die Menschen,
in ungünstigen Gebieten und durch den Rückzug der
Bewirtschaftung in die Gunsträume. Wo das Land — die Schaffung,und der Erhalt von Arbeitsplätzen im
nicht mehr bewirtschaftet wird, droht die Verödung ländlichen Raum,
weiter Gebiete (EG-Kommission, 1991). Für den
Erhalt aller Funktionen der Landwirtschaft und des — der Freizeit- und Erholungswert für die ländliche
ländlichen Raumes ist eine flächendeckende Bewirt- Bevölkerung, vor allem aber für die Menschen in
schaftung unabdingbar notwendig. Die Einführung den Städten und Ballungsräumen.
einer nachhaltigen und umweltverträglichen Landbe- Diese wirtschaftlichen, gesellschaftspolitischen und
wirtschaftung durch eine flächendeckende Extensi- ökologischen Funktionen waren in der traditionellen
vierung könnte zudem mehrere drängende Probleme Wirtschaftsweise durch das langfristige und intuitive
gleichzeitig lösen. Es würden nicht nur die uner- Denken der Bauern miteinander verbunden und wur-
wünschten und teuer subventionierten Agrarüber- den von der Gesellschaft wie selbstverständlich ange-
schüsse abgebaut, Ausgaben für die Marktordnung nommen (Priebe, 1994). Erst die Einschränkung oder
eingespart und der Preis- und Konkurrenzdruck auf der Verlust der positiven Funktionen der Landwirt-
dem Weltmarkt verringert, sondern zugleich die schaft hat in der Gesellschaft ein Bewußtsein für die
Umweltbelastungen und Umweltkosten aus dem Notwendigkeit einer umweltverträglichen Land-
Landwirtschaftssektor deutlich reduziert und die kli- schaftsbewirtschaftung entstehen lassen. Zum Erhalt
mawirksamen Spurengas-Emissionen gesenkt. der genannten positiven Funktionen der Landwirt-
schaft und der Kulturlandschaft ist eine weitgehend
flächendeckende Landbewirtschaftung unbedingt
1.2.2 Positive Wirkungen der Landwirtschaft -
notwendig. Eigenständige regionalspezifische, um-
auf die Umwelt welt- und naturschutzpolitische Leitbilder müssen
entwickelt werden. Die Rahmenbedingungen dieser
Im Vordergrund der aktuellen Diskussion stehen oft künftigen Landbewirtschaftung müssen die ökologi-
ausschließlich die Umweltbelastungen, die von der schen, sozioökonomischen und kulturellen Aspekte
derzeitigen Landwirtschaft ausgehen. Die positiven der ländlichen Räume gleichermaßen mitberücksich-
Leistungen, die die Landwirtschaft — über die Pro- tigen und in einer integrierten Agrarumweltpolitik
duktion von Nahrungsmitteln und Rohstoffen hinaus umsetzen (SRU, 1994).

2. Beitrag der Landwirtschaft zur Emission klimawirksamer Spurengase

Landwirtschaftliche Aktivitäten tragen in erheblichen — der Verbrennung landwirtschaftlicher Abfälle und


Umfang zur weltweiten Emission von klimawirksa- nachwachsender Rohstoffe,
men Spurengasen bei. Diese Gase entstehen bei
— der Bodenbearbeitung landwirtschaftlich genutz
— der Rodung und Brandrodung der Wälder zur
ter Flächen (Humusabbau und Bodenerosion),
Bereitstellung landwirtschaftlicher Nutzflächen,
— den regelmäßigen Bewirtschaftungsbränden in — der Tierhaltung sowie der Lagerung und Ausbrin
den Savannen, gung der Tierexkremente (Wirtschaftsdünger),
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
— im Naßreisanbau, klimawirksamer Spurengase (z. B. Ozon) führen oder
deren Lebensdauer beeinflussen.
— durch die Verwendung stickstoffhaltiger Mineral-
dünger und bei Die Emissionsraten der einzelnen Spurengase sind
meist nur unter Schwierigkeiten zu ermitteln und
— der Herstellung, dem Transport und Einsatz der
werden daher mit einer teilweise erheblichen
Vorleistungen der landwirtschaftlichen Produk-
Schwankungsbreite angegeben. Dies liegt unter
tion (Maschinen, Treibstoffe, Düngemittel etc.).
anderem an der geringen Zahl, Dichte und Kontinuität
Die Emissionen klimawirksamer Spurengase aus der vorhandener Meßreihen, der unzureichenden Meß-
Landwirtschaft sowie aus der Vernichtung der tropi- technik sowie dem Umstand, daß landwirtschaftliche,
schen Wälder sind jeweils zu etwa 15 % am globalen aber auch natürliche bzw. naturnahe Ökosysteme für
Treibhauseffekt beteiligt (Abschnitt A, Tab. 1.2). Bei die Mehrzahl der genannten Spurengase sowohl eine
den durch die Landwirtschaft emittierten Spurenga- Quelle als auch eine Senke darstellen.
sen muß zwischen direkt und indirekt klimawirksa-
men Gasen unterschieden werden. Zu den direkt
klimawirksamen Gasen gehören Kohlendioxid (CO 2 ), 2.1 Methan (CH4 )

Methan (CH 4 ) und Distickstoffoxid (N 20). Diese Gase


tragen als langlebige und strahlungswirksame Spu- Der drastische Anstieg der atmosphärischen Methan-
rengase direkt zum Treibhauseffekt bei. N 20 und CH4 konzentration in den vergangenen Jahrzehnten hat
sind zusätzlich am Ozonabbau in der Stratosphäre mehrere Ursachen:
beteiligt. Indirekt klimawirksame Spurengase wie
— die Zunahme der weltweiten Rinderhaltung,
Stickstoffoxide (NOx), Ammoniak (NH 3 und Kohlen-
)

monoxid (CO) beeinflussen chemische Vorgänge in — die Ausdehnung und Intensivierung des Naßreis-
der Atmosphäre und Biosphäre, die zur Bildung direkt anbaus,

Tabelle 2.1

Schätzungen der Methanquellen und -senken in Mio. t CH 4/Jahr (IPCC, 1992)

Emissionsraten Anteil an den


in Mio. t CH4 /Jahr Gesamtemissionen (%)

Natürliche Quellen
Feuchtgebiete 115 (100-200) 23
Ozeane und Seen 15 (5-45) 3
Termiten 20 (10-50) 4

Summe 150 (115-295) 30

Anthropogene Quellen
Tiere 80 (65-100) 16
Tierexkremente 25 (20-30) 5
Biomasseverbrennung 40 (20-80) 8
Reisfelder 60 (20-150) 12
Mülldeponien 30 (20-70) 6
Abwassersysteme 25 5
Erdöl-/Erdgas-Systeme 50 (30-70) 10
Kohlebergbau 40 (25-50) 8

Summe 350 (225-575) 70

Gesamt 500 (340-810) 100

Senken
Reaktion mit OH in der Troposphäre 420 (340-500) 91
Mikrobieller Abbau in Böden 30 (15-45) 6
Reaktion mit OH in der Stratossphäre 10 2

Summe 460 (365-555)


Zunahme in der Atmosphäre 37 (34-40)
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

— der Anstieg der Biomasseverbrennung und der In der Bundesrepublik Deutschland wurden 1990
Brandrodung in den Tropen, etwa 6 Mio. t CH4 durch menschliche Aktivitäten
freigesetzt. Hiervon ist ein Drittel, etwa 2 Mio. t CH 4 ,
— die Zunahme der Mülldeponien und
auf die Landwirtschaft zurückzuführen. Aus der Tier-
— die Emissionen durch die Kohle-, Erdöl- und Erd- haltung (Tierverdauung) entwichen etwa 1,45 Mio. t
gasgewinnung bzw. -verteilung. CH4 /Jahr (ABL: 1,05 Mio. t / NBL: 0,38 Mio. t). Bei der
Lagerung der tierischen Exkremente (Wirtschaftsdün-
Die gesamten natürlichen und anthropogenen Emis- ger) wurden weitere 0,62 Mio. t CH 4 (ABL: 0,45 Mio. t /
sionen werden auf etwa 500 Mio. t CH 4 pro Jahr NBL: 0,17 Mio. t) emittiert (BMU, 1993 a).
geschätzt (Tab. 2.1). 70 % der globalen Methanemis-
sionen beruhen auf menschlichen Aktivitäten. Davon
werden fast 60 % durch die Landwirtschaft emittiert,
die somit als Hauptverursacher der anthropogenen 2.1.1 Methankreislauf
Methanemissionen anzusehen ist. Der Abbau des
atmosphärischen Methans erfolgt überwiegend durch In der Biosphäre sind Bildung und Abbau von Methan
die Reaktion mit Hydroxylradikalen (OH) in der zum großen Teil an biologische Prozesse gebunden,
Troposphäre und in geringerem Maße in der Strato- die in einem Kreislauf, dem Methankreislauf, unter
sphäre. Auf diesem Weg werden 340 bis 500 Mio. tCH 4/ Einschluß von Sequenzen des Kohlenstoffkreislaufes
Jahr oxidiert, wobei weitere direkt oder indirekt miteinander verknüpft sind. Ausgangspunkt für die
klimawirksame Spurengase wie z. B. Ozon, CO 2 , CO mikrobiologischen Prozesse des Methankreislaufes in
und Formalaldehyd (CH 2 O) gebildet werden. In gerin- der Natur ist fast überall die organische Substanz, die
gerem Umfang wird das atmosphärische Methan auch durch die grünen Pflanzen im Prozeß der Photosyn-
durch Bodenmikroorganismen abgebaut. In den ver- these aus Kohlendioxid und Wasser unter Nutzung der
gangenen 200 Jahren stieg die atmospärische Me- Energie des Sonnenlichtes gebildet wird (Primärpro-
thankonzentration von etwa 0,8 ppmv auf derzeit duktion). Im weiteren Ablauf des Kohlenstoffkreislau-
1,72 ppmv. Der jährliche Anstieg betrug 1989 etwa fes wird die organische Substanz durch die Organis-
0,75 % (13 ppbv) (IPCC, 1992). men zur Energiegewinnung mit Sauerstoff als Elektro-

Abbildung 2.1: Anthropogene Methanemissionen in der Bundesrepublik Deutschland (1990)


(BMU, 1993 a).
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
nenakzeptor zu Kohlendioxid und Wasser oxydiert Konzentration von Methan und durch die Verfügbar-
und damit vollständig mineralisiert. Ein kleiner Anteil keit von Sauerstoff bestimmt. Die Effektivität der
der organischen Substanz wird auch durch einen Methanoxydation wird darin sichtbar, daß durch die-
nicht-biologischen Prozeß, die Verbrennung, zu Koh- sen Prozeß in den Reisfeldern und in den meisten
lendioxid umgewandelt. Dabei entsteht auch in gerin- Gewässern mehr als 80 % des gebildeten Methans
gen Mengen Methan, das in die Atmosphäre ent- durch Oxydation in den internen Kohlenstoffkreislauf
weicht. dieser Ökosysteme zurückgeführt werden und nicht in
die Atmosphäre übertreten können. Erste Abschät-
Ein weiterer Teil der organischen Substanz gelangt in zungen haben ergeben, daß global 500 bis 700 Mio. t
die Ökosysteme unter anoxischen Bedingungen (Aus- Methan/Jahr durch die methanotrophen Bakterien
schluß von Sauerstoff) und unterliegt dort einem abgebaut werden (Reeburgh u. a., 1993; Heyer, 1990;
anaeroben Abbau. Dabei werden die polymeren orga- Beide in: Heyer, 1994). In Reisfeldern wird die globale
nischen Stoffe (Zellulose, Stärke, Eiweiße, Fette etc.) Methanoxydation auf 240 bis 480 Mio. t/Jahr
über die Stufen Hydrolyse (Spaltung), Fermentation geschätzt. Methan, das nicht durch die mikrobielle
(Vergärung) und Acetogenese mit Wasserstoffbildung Methanoxydation abgebaut wurde, entweicht in die
(Acetatbildung) von einer komplexen anaeroben Atmosphäre. Hier findet ein photochemischer Abbau
Mikrobengemeinschaft in niedermolekulare Verbin- des Methans statt, der mit einer Reaktion von Methan
dungen und zu CO 2 und H2 umgewandelt, die dann mit Hydroxylradikalen als Schlüsselreaktion eingelei-
durch die terminalen Prozesse des anaeroben Abbau tet wird und über verschiedene Zwischenprodukte bei
endgültig mineralisiert werden. Dabei ist die Methan- Kohlendioxid und Wasser endet.
bildung (Methanogenese) einer der wichtigsten ter-
minalen Schritte der anaeroben Abbaukette. Die meisten methanotrophen Bakterien sind nicht in
der Lage, die geringen Methankonzentrationen in der
Zu dieser Leistung sind die streng anaeroben metha- atmosphärischen Luft für ihren Stoffwechsel zu nut-
nogenen Mikroorganismen befähigt, die bei Aus- zen. Dennoch gibt es in verschiedenen Böden Mikro-
schluß von Sauerstoff, Fehlen von Sulfat und Nitrat organismen mit einer hohen Substrataffinität, die
und niedrigem Redoxpotential (Bei negativem Redox- atmosphärisches Methan aufnehmen und oxydieren
potential weist der Boden gegenüber möglichen können. Derzeit schätzt man diesen Weg des Methan-
Reaktionspartnern ein entsprechendes Reduktions- abbaus global auf etwa 30 Mio. t/Jahr (IPCC, 1992)
vermögen auf, gibt also leicht Elektronen ab und
reduziert die Reaktionspartner) im Prozeß der Ener-
giegewinnung aus CO 2/H2 , Acetat, Formiat, Metha-
nol, Methylaminen und anderen Substraten Methan 2.1.2 Methanemissionen bei der Tierhaltung
bilden. Diese methanogenen Organismen sind in der
Natur weit verbreitet. Sie kommen vor allem dort vor, Den Verdauungstrakt von Wiederkäuern und ande-
wo große Mengen organischer Substanzen unter ren pflanzenfressenden Haustieren ist eine der wich-
anoxischen Bedingungen abgebaut werden (z. B. in tigsten Methanquellen. Die Haustiere sind mit 16 Pro-
Mooren, Sümpfen und anderen Feuchtgebieten, in zent an der gesamten globalen Methanemission bzw.
Sedimenten von Gewässern, im Termitendarm im mit 23 % an der anthropogenen Methanemission
Darm von Haus- und Wildtieren (insbesondere Wie- beteiligt. Unter den Emissionsquellen der Landwirt-
derkäuern), in Mülldeponien und in Biogasanlagen). schaft steht die Tierhaltung mit 39 % an der Spitze.
Die wichtigsten direkten Einflußfaktoren für die Den größten Anteil daran haben Rinder (Tab. 2.3).
Intensität der Methanogenese in diesem Ökosyste-
men sind die Menge und Art (Abbaubarkeit) der
organischen Substanz und die Temperatur. Mikrobiologische Prozesse
Das Methan gelangt aus den anoxischen Bildungsor-
Bei den Wiederkäuern vollzieht sich die Methanbil-
ten der Ökosysteme durch verschiedene Transport-
dung in einem Vormagen, dem Pansen, in dem die
prozesse entweder direkt in die Atmosphäre oder
aufgenommene Nahrung durch die Aktivität einer
zunächst in die oxischen (sauerstoffhaltigen) Bereiche
komplexen anaeroben Mikrobengesellschaft aufge-
der Ökosysteme. Überall dort, wo das sich bildende,
schlossen und damit für die Energiegewinnung und
aber auch das fossile oder abiogene Methan in die
Ernährung der Tiere nutzbar gemacht wird. Ohne die
oxischen Zonen der Biosphäre eindringt, findet eine
Mitwirkung der Mikroorganismen könnte der Wirts-
Oxydation des Methans mit Sauerstoff zu Kohlen-
organismus wesentliche Teile der aufgenommenen
dioxid und eine Assimilation des Methankohlenstoffs
Pflanzensubstanz nicht verwerten, da ihm die entspre-
in die organische Substanz durch die methanotrophen
chenden Enzyme fehlen. Dies gilt vor allem für das
(methanabbauenden) Bakterien statt. Diese weit ver-
quantitativ vorherrschende Substrat Zellulose. Im
breiteten Mikroorganismen nutzen Methan als Koh-
Verlaufe des anaeroben Abbaus entstehen aus den
lenstoff- und Energiequelle. Sie bilden vor allem in
komplexen Nahrungssubstraten niedermolekulare
den Grenzbereichen zwischen den anoxischen und
organische Verbindungen, die vom Tier resorbiert
oxischen Zonen der Ökosysteme eine wirksame Bar-
(aufgenommen) werden. Dabei werden Wasserstoff
riere für den Methanfluß von den Bildungsorten in die
und CO 2 freigesetzt, aus denen die methanogenen
Atmosphäre, z. B. im Oberflächenboden von Reisfel-
Bakterien im Pansen Methan produzieren.
dern, in den Oberflächensedimenten von Gewässern
und in der oxischen Oberflächenschicht von Mooren Die hohen Methanbildungsraten im Pansen (z. B. 140
und anderen Feuchtgebieten. Die Aktivität der me- bis 600 1 Methan/Tag bei Rindern) werden durch
thanotrophen Bakterien wird in erster Linie durch die optimale ökologische Bedingungen ermöglicht:
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

— hohe Konzentration organischer Stoffe bei semi Intensivfütterung mit hochwertigen Futtermitteln
kontinuierlicher Zufuhr, kann der Energieverlust durch Methanbildung auf
2,5 bis 4,5 % absinken. Insgesamt führen eiweiß- und
— wiederholte Zerkleinerung und Durchmischung
des Futters, fettreiche Futtermittel zu geringeren Methanbil-
dungsraten, während kohlenhydrat- bzw. zellulose-
— hohe Zelldichten der Mikroorganismen, reiche Nahrung hohe Methanbildungsraten zur Folge
haben. Rinder auf der Weide produzieren durch das
— optimale Temperatur (39°C) und konstanter pH
zellulosereiche Futter mehr Methan, bezogen auf den
Wert (6,5),
Energiegehalt des aufgenommenen Futters (7,5 %),
— anaerobe Bedingungen und niedriges Redoxpo- als Mastrinder im Stall (6,5 %); durch die insgesamt
tential. geringere aufgenommene Futterenergie der Weide-
tiere ist jedoch ihre jährliche Methanemission mit
Das Methan gelangt aus dem Pansen unbeeinflußt 54 kg/Tier gegenüber 65 kg/Tier bei den Mastrindern
von mikrobiellen Oxydationsvorgängen vollständig in niedriger (Crutzen u. a., 1986). Auch innerhalb einer
die Atmosphäre. Tiergruppe kann es große Schwankungen geben. So
bestimmten van der Honing u. a. (1993; In: Heyer,
Für den Wirtsorganismus führt die Methanogenese zu 1994) in den Niederlanden Methanemissionen bei den
einem Energieverlust, der bei den Rindern durch- Milchkühen von 264 bis 550 l/Tag (bzw. 69 bis 144 kg
schnittlich 5 bis 7 % der Energie des aufgenommenen CH4/Kuh x Jahr), wobei es eine positive Korrelation
Futters beträgt. Die Methanbildung sorgt jedoch als zur Menge der aufgenommenen Nahrung und zu
terminaler Prozeß durch den Verbrauch von Wasser- deren Kohlenhydratanteil gab. Eine Hochleistungs-
stoff für die Regulation der anaeroben Abbaukette. milchkuh in den Industrieländern produziert über
Auch bei monogastrischen Haustieren (z. B. Schwei- 150 kg CH4/Jahr (Potthast, 1991), ein extensiv gehal-
nen) findet im Darmsystem eine mikrobielle Methan- tenes Rind in den Entwicklungsländern dagegen etwa
bildung statt, die aber im Unterschied zu den Wieder- 25 bis 35 kg CH4/Jahr (Crutzen u. a., 1986; IPCC,
käuern keine notwendige Voraussetzung für die 1992).
Ernährung darstellt. Insgesamt ist die Methanbildung
bei diesen Tieren deutlich geringer als bei Wieder-
käuern. Tabelle 2.2

Jährliche Methanproduktionsraten
von verschiedenen Rinderarten
Methanemission in den USA (EPA, 1992; In: Heyer, 1994)

Messungen der Methanbildung sind bei verschiede- Methanproduktion


Rindertyp
nen Tierarten durchgeführt worden, insbesondere (kg/Tier x Jahr)
jedoch bei Rindern. Dabei hat sich ergeben, daß für
die Kalkulation der Methanemission die Beziehung Milchkühe 109,4 —126,5
zwischen Gesamtenergiegehalt des aufgenommenen Färsen (0 bis 12 Monate) 18,9— 20,7
Futters und dem Energieverlust durch die Methanbil-
Färsen (12 bis 24 Monate) 57,4— 61,7 -
dung genutzt werden kann. Dieser Methanumwand-
lungsfaktor ist abhängig von: Fleischrinder 59,5— 70,9
Jungrinder (0 bis 12 Monate) . 19,2— 23,6
— der Tierart (Rinder: 2,5 bis 10 %, Büffel: 9 %, Schafe Jungrinder (12 bis 24 Monate) 60,8— 67,7
und Ziegen: 6 %, Pferde: 2,5 %, Schweine:
Bullen 100
0,6 %),
— innerhalb einer Art von der Tiergruppe (bei den
Rindern gibt es z. B. große Unterschiede zwischen
Milchkühen und Mastrindern), Die Methanemissionen durch die Verdauungsaktivi-
täten landwirtschaftlicher Nutztiere in der Bundesre-
— der Altersgruppe, publik Deutschland wurden für 1990 auf 1,45 Mio. t
— der Art der Tierhaltung (Weidehaltung, Stallhal- CH4/Jahr (ABL: 1,05 Mio. t / NBL: 0,38 Mio. t)
tung), geschätzt (BMU, 1993 a). In den vergangenen Jahren
sind die Tierzahlen (v. a. Rinder) in Deutschland,
— der Futterqualität. insbesondere in den neuen Ländern leicht rückläufig
(Tab. 1.12). Daher sanken die Methanemission aus der
Regionale und klimatische Unterschiede lassen sich tierischen Verdauung auf schätzungsweise 1,2 Mio. t/
zum großen Teil durch die unterschiedliche Verfüg- CH4 im Jahr 1992 (Tab. 2.3).
barkeit der Futtermittel und durch die Art der Tierhal-
tung erklären. In landwirtschaftlichen Gebieten der Die landwirtschaftlichen Nutztiere in Deutschland
gemäßigten Zone von Nordamerika, Europa, Austra- tragen mit ihrer Verdauung demnach etwa zu einem
lien und Neuseeland wird bei Rindern durchschnitt- Viertel zu den anthropogenen Methanemissionen
lich 5,5 bis 6,5 % der Energie des Futters in Methan (6 Mio. t CH4/Jahr) bei. Die Methanemissionen der
umgewandelt (Gibbs und Leng, 1993; In: Heyer, landwirtschaftlichen Nutztiere der EU-Länder und
1994). In tropischen Gebieten mit faserreichen Futter- weiterer Regionen der Erde gehen aus Tab. 2.4
mitteln beträgt der Energieverlust 7,5 %. Bei einer hervor.
Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Tabelle 2.3

Methanproduktion von landwirtschaftlichen Nutztieren in Deutschland


(Alte Bundesländer und Neue Bundesländer 1992)

CH4 1 ) CH 1 ) 2 CH4 Anteil


Tierart Tierzahl)
(1/Tag) (kg/Jahr)
4 (t/Jahr) in %

Rinder <1 Jahr 80 21 5 472 000 114 912 9,72


Rinder >1 Jahr 250 65,5 5 370 000 351 735 29,76
Milchkühe 450 118 5 365 200 633 094 53,57
Schafe 30 8' 2 386 000 19 088 1,61
Schweine 6 1,5 26 514 400 39 772 3,36
Pferde 70 18 531 000 9 558 0,80
Geflügel 0,5 0,13 104 014 000 13 522 1,14

Gesamt 1 181 681 100

1) Emissionsfaktoren nach Graßl u. a., 1991; EPA, 1992; In: Heyer, 1994; Crutzen u. a., 1986
2) Statistischer Monatsbericht des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 7/93 (BML, 1993c)

Tabelle 2.4

Methanemissionen
von landwirtschaftlichen Nutztieren und Menschen
für 1990 (Bouwman u. a., 1991)

Methan
Prozent
Land/Region emission
Anteil
in 1000 t/Jahr

Belgien 168 2,8


Dänemark 138 2,3
Frankreich 1 326 22,4
Deutschland 1 218 20,6
Griechenland 159 2,7
Irland 353 6,0
Italien -
608 10,3
Luxemburg 6 0,1
Niederlande 389 6,6
Portugal 128 2,2
Spanien 516 8,7
Großbritannien 905 /5,3

EU-Staaten gesamt 5 914 100,0

EU-Staaten gesamt 5 914 8,0


Nicht-EU OECD Europa . 1 477 2,0
OECD Ost 3 787 5,1
Nicht-EU-,
Nicht-OECD-Europa 2 310 3,1
Ehemalige UdSSR 7 577 10,2
Nordamerika 6 738 9,1
Lateinamerika 12 613 17,0
Afrika 9 565 12,9
Mittlerer Osten 1 212 1,6
Zentralverwalt. Asien 6 171 8,3
Süd- und Südostasien 16 736 22,6

Gesamtmenge global 74 100 100,0


Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Auf der Grundlage vorhandener Statistiken der Zahl thanemission für die vergangenen 100 Jahre berech-
der landwirtschaftlichen Nutztiere wurden die Me net (Crutzen u. a., 1986):

Tabelle 2.5

Globale Entwicklung der Rinder- und Schafhaltung sowie der jährlichen Methanemissionen
durch landwirtschaftliche Nutztiere in den vergangenen 100 Jahren (Crutzen u. a., 1986)

1921 1941 1961


1890 1983
bis 1925 bis 1945 bis 1965

Rinder (in Mio.) 310 640 740 1016 1225


CH4 durch Rinder (in Mio. t) 11 25 30 43 54

Schafe (in Mio.) 590 645 755 1007 1 137


CH4 durch Schafe (in Mio. t) 3 3 4 6 7

CH4 durch weitere Nutztiere (in Mio. t) 3 6 8 11 13

Gesamt-CH 4 (in Mio. t) 17 34 42 60 74

Danach sind die Methanemissionen durch landwirt- anthropogenen Methanemissionen und 12 % der
schaftliche Nutztiere in den vergangenen 100 Jahren Methanemissionen durch landwirtschaftliche Aktivi-
um das 4,4fache angestiegen. Die globale Zunahme täten:
der Zahl der landwirtschaftlichen Nutztiere, insbeson-
dere die der Rinder, ist damit eine der wesentlichen
Ursachen für den Anstieg der Methankonzentration in Mikrobiologische Prozesse
der Atmosphäre.
Die tierischen Exkremente sind vor allem wegen ihrer
Durch das ständige Wachstum der Weltbevölkerung großen Menge, dem hohen Gehalt an organischer
wird auch in Zukunft der Bedarf an Fleisch und Milch, Substanz (10 bis 23 %) und dem hohen Gehalt an
vor allem in den Entwicklungsländern, weiter wach- anaeroben Mikroorganismen eine bedeutende poten-
sen. Die dazu notwendige Vergrößerung der Tierbe- tielle Methanquelle. Durch die Konzentration der
stände wird zu einem weiteren Anstieg der Methane Tierbestände und die damit verbundenen Rationali-
mission führen. Auf der Grundlage von Szenarien zur sierungsmaßnahmen werden die Ausscheidungen der
Bevölkerungsentwicklung wurden die zukünftigen Tiere in größeren Stallanlagen mit Wasser abge-
Methanemissionen durch die landwirtschaftlichen schwemmt. Das Produkt wird als Gülle bezeichnet.
Nutztiere kalkuliert (Bouwman u. a., 1991): Die Zwischenlagerung der Gülle in Gruben und-
1990: 74 Mio. t CH4/Jahr Becken führt sehr rasch zu anaeroben Bedingungen.
2000: 79 Mio. t CH 4 /Jahr Damit können die mikrobiologischen Prozesse des
2025: 103 Mio. t CH 4/Jahr anaeroben Abbaus der organischen Substanz ablau-
2100: 131 Mio. t CH 4/Jahr fen, an deren Ende die Methanogenese steht. Der
wichtigste Ausgangsstoff (bzw. Zwischenprodukt) für
Vor allem in Afrika, Süd- und Südostasien sowie in die Methanbildung ist Acetat, das in Methan und
Lateinamerika wird mit einer Zunahme der Rinderbe- Kohlendioxid umgewandelt wird. Welcher Anteil der
stände gerechnet. In den entwickelten Ländern wird organischen Substanz der tierischen Exkremente in
hingegen nicht von einem weiteren Anstieg des Methan umgewandelt wird, hängt von der Ausgangs-
derzeit hohen Bedarfs an Fleisch und Milch ausgegan- substanz, der Verweilzeit und von weiteren Bedin-
gen, so daß dort eine weitere Erhöhung der Methan gungen ab. Die Exkremente von Tieren, die mit einem
emission durch die landwirtschaftlichen Nutztiere energiereichen Futter versorgt wurden, enthalten
kaum zu erwarten ist. einen größeren Anteil an leicht abbaubarer organi-
scher Substanz, die zu einer höheren Methanbildung
führt. Dagegen enthalten die Exkremente von Weide-
2.1.3 Methanemissionen aus tierischen tieren, die faserreiche, energiearme Nahrung aufneh-
Exkrementen men, einen hohen Anteil an Lignozellulosen in der
organischen Substanz, die nur sehr langsam anaerob
Die Methanemissionen aus den tierischen Exkremen- mineralisiert werden und daher weniger Methan
ten haben in den vergangenen 100 Jahren entspre- ergeben. Aufgrund der tierartabhängigen unter-
chend dem Wachstum der Tierbestände ebenfalls schiedlichen Zusammensetzung der Exkremente
erheblich zugenommen. Nach den Angaben von ergeben sich ebenfalls Unterschiede in den potentiel-
IPCC (1992) beträgt die derzeitige globale Methan len Methanbildungsraten. So ist nach bisherigen Mes-
emission aus diesen Quellen zwischen 20 und sungen z. B. die maximale Methanproduktion von
30 Mio. t/Jahr. Das entspricht etwa 7 % der gesamten Schweinegülle größer als die von Rindergülle.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Eine lange Verweilzeit in den Güllebecken, hohe Lagerung der Gülle, also bei Belüftung und Bewe-
Temperaturen (Optimum für die Methanogenese 35 gung der Gülle durch ein Rührwerk o.ä. nimmt die
bis 40 °C), ein pH-Wert um den Neutralpunkt, Aus- Methanbildung zwar ab, dafür steigt jedoch die
schluß von Sauerstoff und das Fehlen von Sulfat und Ammoniakfreisetzung (Kap. 2.4.1).
Nitrat begünstigen die Methanbildung. Da in Gülle-
becken sehr häufig günstige Bedingungen für die
Methanogenese gegeben sind, ist hier die Methan-
freisetzung besonders hoch. Gleiches gilt für die Methanemission
anaeroben Güllelagunen, die vor allem in Nordame-
rika weit verbreitet sind. In Güllebehältern und -lagu- Zur Bestimmung der aktuellen Methanemissionsraten
nen kann bei ausreichender Lagerungsdauer nahezu müssen folgende Faktoren berücksichtigt werden
die gesamte organische Substanz (außer Lignin) in (EPA, 1992; In: Heyer, 1994):
CH4 umgesetzt werden (Johnson u. a., 1991).
— die Menge der ausgeschiedenen Exkremente der
Die rasche Austrocknung der Exkremente und ihre verschiedenen Tiergruppen
Lagerung in fester Form (Festmist) begrenzt dagegen
— der Gehalt an organischer Substanz
die gesamten mikrobiellen Prozesse und damit auch
die Methanbildung. Bei Festmistlagerung kommt es — die maximale Methanbildung (m 3 CH4 /kg organi-
im Mittel nur zu 1 bis 5 % der potentiellen Methan- scher Substanz)
bildung (EPA, 1992; In: Heyer, 1994) (Tab. 2.7).
— der Methanumwandlungsfaktor für das entspre-
Ähnliche Verhältnisse sind bei der CH 4 -Freisetzung
chende Entmistungssystem
aus Exkrementen auf der Weide zu erwarten. Die
Methanemission bzw. der Methanumwandlungsfak- — der Anteil des Entmistungssystems in einer
tor wird hier durch die Temperatur und durch die bestimmten Region.
Geschwindigkeit der Austrocknung bestimmt.
Die durchschnittlichen Mengen an organischer Sub-
Die Festmistsysteme, die erheblich weniger Methan stanz, die von verschiedenen Haustierarten ausge-
emittieren, wurden und werden jedoch aus arbeits- schieden werden, und die maximalen Methanmen-
wirtschaftlichen Gründen zunehmend durch emis- gen, die daraus gebildet werden können, sind in der
sionsintensive Flüssigmistsysteme ersetzt. Bei aerober Tabelle 2.6 zusammengestellt.

Tabelle 2.6

Maximale Methanproduktionskapazität aus den Exkrementen der landwirtschaftlichen Nutztiere


(nach EPA, 1993; In: Heyer, 1994)

Organische Substanz Methanproduktions Methanproduktion


Tierart der Exkremente kapazität m3 CH4 /kg aus Exkrementen
kg/Tier • Jahr organische Stoffe kg CH4 /Tier • Jahr

Rinder 986 0,17 120 -


Milchkühe 2 008 0,24 345
Schweine 186 0,45 59,9
Schafe 226 0,19 30,7
Pferde 1 643 0,33 388
Hühner 7,3 0,32 1,67

Tabelle 2.7 Entsprechend der Art der Exkrementlagerung erge-


ben sich unterschiedliche Methanumwandlungsfak-
Methanumwandlungsfaktoren toren (Tab. 2.7).
für verschiedene Arten der Exkrementlagerung
(EPA, 1992; In: Heyer, 1994) In Tab. 2.8 sind die Anteile verschiedener Exkrement-
lagerungssysteme in Nordamerika und Westeuropa
dargestellt.
Methanumwandlungs
Lagerungsart der Exkremente
faktor (%) In Deutschland fallen in der Tierhaltung jährlich etwa
200 bis 280 Mio. t Exkremente an, aus denen 6 bis
Anaerobe Lagunen 90 9 Mio. t CH4 gebildet werden könnten. Für das Jahr
Flüssigmistsysteme 5 —65 1990 wurden die Methanemissionen aus den Tierex-
krementen in Deutschland noch auf 600 000 bis
Festmistsysteme 0, 1 5
800 000 t geschätzt (BMU, 1993 a; Söntgerath u. a.,

Weidehaltung 1—2 1992; OECD, 1991; Beide in: BMU, 1993 a; Heyer,
Sonstige Systeme 5 — I0 1994). Setzt man voraus, daß in Deutschland die
Anteile der verschiedenen Entmistungssysteme der
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode

Tabelle 2.8

Regionale Anteile der verschiedenen Systeme zur Exkrementlagerung


in Nordamerika und Westeuropa (Gibbs und Woodbury, 1993; In: Heyer, 1994)

Anaerobe Flüssigmist- Festmist- Weide- Sonstige


Lagunen Systeme Systeme haltung Systeme
Tiere
in %

Nordamerika
Rinder - 1 14 84 1
Milchkühe 10 23 60 - 7
Geflügel 5 4 - 1 90
Schafe - - 2 88 10
Schweine 25 50 18 - 6
Andere Tiere - - - 92 8

Westeuropa
Rinder - 55 2 33 9
Milchkühe - 46 45 8 1
Geflügel - 13 1 2 84
Schafe - - 2 87 11
Schweine - 77 23 - -
Andere Tiere - - - 96 4

Verteilung in Westeuropa entsprechen, ergibt sich der Methanemissionen ist auf die sinkenden Tierzah-
unter der Annahme relativ niedriger durchschnittli- len (Tab. 1.11) zurückzuführen.
cher Methanumwandlungsfaktoren eine aktuelle
jährliche Methanemission in Deutschland (1992) in Unter den Systemen zur Behandlung und Aufbewah-
Höhe von etwa 485 000 t CH 4 (Tab. 2.9) (Heyer, 1994). rung der tierischen Exkremente führen die Flüssig-
Das entspricht einem mittleren Methanumwand- mistsysteme mit 89 % zur weitaus stärksten Methan-
lungsfaktor von nur etwa 9 %. Der aktuelle Rückgang freisetzung. Unter den verschiedenen Tiergruppen

Tabelle 2.9

Methanemissionen aus den Exkrementen der landwirtschaftlichen Nutztiere in Deutschland (1992)


(in 1000 t/Jahr)

Maximale
Anteil der
Methan Flüssigmist Festmist Weide Andere Summen
Tiergruppe 1) Tiergruppen
Produktions- Systeme Systeme haltung Systeme Tiergruppen
in
kapazität

Rinder 1 248 103 0,4 6,2 5,6 115,2 23,8


Milchkühe 2 022 140 13,7 2,4 1,0 157,1 32,4
Schweine 1 585 183 5,5 - - 188,5 38,9
Schafe 71 - 0,02 0,93 0,39 1,3 0,3
Pferde 192 - - 2,7 0,38 3,1 0,6
Hühner 190 3,7 0,03 0,06 16,0 19,8 4,1

Summen Systeme 5 308 429,7 19,6 12,3 23,4 485,0 100


Anteil Systeme
in % - 88,6 4,0 2,5 4,8 100

1) Tierzahlen nach BML, 1993 a (Statistischer Monatsbericht 1/93)


2) maximale Methanbildungsraten nach EPA, 1993; In: Heyer, 1994; Angenommene Methanumwandlungsfaktoren: Flüssigmist-
systeme: 15 %; Feststofflagerung: 1,5 %; Weidebetrieb: 1,5 %; Andere Systeme/allgemein: 5 %; Andere Systeme/Geflügel: 10 %
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
haben die Schweine aufgrund des besonders hohen den. In den vergangenen 40 Jahren nahm die welt-
Flüssigmistanteils mit 39 % den Hauptanteil, gefolgt weite Reisanbaufläche um 17 % zu. Die Intensivie-
von den Milchkühen (32 %) und den Rindern rung des Reisanbaus durch verbesserte Sorten, Ver-
(24 %). besserung der Düngung und Bewässerung und
dadurch ermöglichte Mehrfachernten führte seit 1950
Für die Methanemissionen aus tierischen Exkremen- zu einer Verdreifachung der Erträge. Durch die Mehr-
ten in den verschiedenen Regionen der Welt liegen fachernten (mehrere Ernten auf der gleichen Fläche
bisher nur ungenaue statistische Abschätzungen vor. innerhalb eines Jahres) wuchs die Reiserntefläche im
Nach dieser Kalkulation ist die globale Methanemis- gleichen Zeitraum um 41 %. Diese Entwicklung hat
sion aus tierischen Exkrementen (17 Mio. t CH 4/Jahr) wesentlich zur Zunahme der Methankonzentration in
deutlich geringer als von IPCC (1992) angegeben der Atmosphäre beigetragen (Heyer, 1994). Nach den
(25 Mio. t CH4/Jahr). Dies ist insbesondere darauf Angaben von IPCC (1992) sind die Reisfelder mit 17 %
zurückzuführen, daß die Anteile und die regionale an der globalen anthropogenen Methanemission
Verteilung der Exkrementlagerungssysteme nicht beteiligt.
berücksichtigt wurden. Gerade die weltweit wach-
sende Konzentration und Intensität in der Massentier-
haltung führt aber zu einer Zunahme der Flüssigmist-
systeme und somit zu erheblich höheren Methanemis- Mikrobiologische Prozesse
sionen (Tab. 2.10).
Methanbildung

Die Methanbildung in den Reisfeldern erfolgt durch


Tabelle 2.10 anaerobe mikrobiologische Prozesse beim Abbau
organischer Substanzen im Boden. Die wichtigste
Methanemission aus tierischen Exkrementen Voraussetzung dafür sind anoxische Bedingungen
in verschiedenen Regionen (1990) (Ausschluß von Sauerstoff), die im Boden als Folge der
(nach Bouwman u. a., 1991) Überflutung entstehen. Dabei wird durch die aeroben
mikrobiellen Mineralisationsprozesse mehr Sauer-
Region
Methanemission stoff verbraucht als durch Diffusion über die Flutwas-
in Mio. t/Jahr serschicht aus der Atmosphäre nachgeliefert werden
kann. Die Ausdehnung der anoxischen Bodenschicht
EU-Länder 1,588 wird durch eine Vielzahl von ökologischen Faktoren
Nicht-EU OECD Europa 0,352 reguliert: Flutwasserhöhe, Wassertemperatur, Was-
OECD Ost 0,748 serdurchdringung und Wasserströmung, Algenent-
wicklung, Menge der organischen Substanz, Menge
Nicht-EU Nicht-OECD Europa 0,407
der reduzierten Endprodukte der anaeroben Minera-
Ehemalige UdSSR 1,313 lisation, Bioturbation (Bodenbewegungen durch
Nordamerika 1,812 Tiere, Wurzelwachstum etc.), Sauerstofftransport
Lateinamerika 4,817 durch Reispflanzen.
Afrika 1,851 Wichtigster Faktor für die Methanbildung ist die
-
Mittlerer Osten 0,208 kohlenstoffhaltige organische Substanz im Boden, für
Zentralverwaltung Asien 1,380 die es verschiedene Quellen gibt:

Süd- und Südostasien 2,643 — vorhandene organische Substanz im Boden;


— absterbende Algen und Wasserpflanzen aus dem
Summe 17,119
Flutwasser;
— absterbende Wurzeln der Reispflanzen;
— Wurzelexsudate (Absonderungen) der Reispflan-
Entsprechend der zu erwartenden Zunahme der Tier- zen;
bestände zur Versorgung der wachsenden Weltbevöl-
kerung wird auch eine Zunahme der Methanemissio- — organische Düngung (Reisstroh, Reisstoppeln,
nen aus den tierischen Exkrementen prognostiziert Gründüngung, kompostierte Pflanzenreste, Ab-
(Bouwman u. a., 1991): fälle aus Biogasanlagen etc.);

1990: 17,119 Mio. t CH 4/Jahr — Begleitvegetation.


2000: 18,443 Mio. t CH4/Jahr
Die Intensität der Methanbildung hängt dabei von der
2025: 26,108 Mio. t CH4/Jahr
Menge und der Art der organischen Substanzen ab.
2100: 34,903 Mio. t CH 4/Jahr
Da die methanogenen Substrate über die anaerobe
Abbaukette gebildet werden, führen vor allem die
organischen Stoffe zu hohen Methanbildungsraten,
2.1.4 Naßreisanbau die unter anaeroben Bedingungen leicht abgebaut
werden können, wie z. B. die Wurzelexsudate der
Reis bildet die wichtigste Nahrungsgrundlage für Reispflanzen und Gründünger. Reste aus Biogasanla-
mehr als die Hälfte der Menschheit, insbesondere in gen und kompostiertes Pflanzenmaterial werden
Asien, wo etwa 90 % der Welternte produziert wer durch ihren hohen Anteil an schwer abbaubaren
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Verbindungen (Lignin, Huminstoffe) nur sehr lang- zesses hat einen wesentlichen Einfluß auf das weitere
sam und unvollständig mineralisiert und ergeben Schicksal des Methans. Folgende Prozesse werden
daher geringere Methanbildungsraten. unterschieden:

Ein weiterer Einflußfaktor auf die Methanbildung ist — Diffusion in der wäßrigen Phase und in der Gas-
die Temperatur. Die Optimaltemperatur für die Me- phase,
thanbildung in Reisfeldböden liegt zwischen 30 und — Blasentransport,
40°C (Koyama, 1963; Sass u. a., 1991; Beide in: Heyer,
1994). In den Reisanbaugebieten der tropischen — Transport durch die Reispflanzen,
Regionen mit gleichmäßig hohen Temperaturen sind — Verfrachtung mit dem Flutwasser,
Änderungen der Methanbildungsraten durch Tempe-
raturänderungen von geringerer Bedeutung. Dage- — Verfrachtung in das Grundwasser.
gen führen die Temperaturänderungen in den nördli- Für die Methanemission in die Atmosphäre gelten die
cheren Reisanbaugebieten zu tageszeitlichen und Reispflanzen als die wichtigsten Transportwege.
saisonalen Änderungen der Methanbildungsraten Mehr als 90 % des beim Naßreisanbau in die Atmo-
(Schütz u. a., 1989; Sass u. a., 1990 u. 1992; Beide in: sphäre abgegebenen Methans werden durch das
Heyer, 1994). Aerenchym (Durchlüftungsgewebe) der Reispflanzen
Zu den weiteren notwendigen Voraussetzungen für transportiert (Seiler u. a., 1984; Holzapfel-Pschorn
die Methanbildung gehört ein negatives Redoxpoten- u. a., 1986; Beide in: Heyer, 1994). In geringerem
tial im Boden, das nach dem Verbrauch des Sauer- Maße trägt der Transport des Methans in den aufstei-
stoffs durch die Freisetzung reduzierter Substanzen genden Gasblasen zur Emission bei, während das
entsteht. Ein weiterer Einflußfaktor für die Methanbil- durch Diffusion im Bodenwasser wandernde Methan
dung ist der pH-Wert, wobei das Optimum für die zum großen Teil in den oxischen Bereichen durch die
Methanbildung im schwach sauren bis schwach alka- mikrobielle Oxydation am Übertritt in die Atmosphäre
lischen Bereich bei pH-Werten zwischen 6,4 und 7,8 gehindert wird. Das nach der Drainage der Reisfelder
liegt (Minami, 1993; In: Heyer, 1994). durch Diffusion in der Gasphase der Bodenhohlräume
verfrachtete Methan kann sowohl oxydiert werden als
auch in die Atmosphäre entweichen.

Methanabbau
Methanemission
Gelangt das in den anaeroben Bodenschichten gebil-
dete Methan in aerobe Bodenschichten, findet eine Die Methanemission ist die Differenz von Methanbil-
mikrobielle Oxidation des Methans mit Sauerstoff zu dung und Methanoxydation. Die beiden Schlüsselpro-
Kohlendioxid und Wasser statt. Die Methanoxidation zesse des Methankreislaufes entscheiden darüber,
stellt damit eine wesentliche Barriere für den Methan- wieviel Methan aus den Reisfeldern in die Atmo-
fluß aus den Reisfeldern in die Atmosphäre dar. Der sphäre gelangt. Die ökologischen Bedingungen, die
Vergleich zwischen der Methanbildung und der Me- Reispflanzen und die landwirtschaftlichen Maßnah-
thanemission belegt, daß nur etwa 20 % des gebilde- men wirken sich in der Regel nicht direkt auf die
ten Methans in die Atmosphäre entweichen (Holzap- Methanemission aus, sondern indirekt über ihren
fel-Pschorn u. a., 1985 u. 1986; In: Heyer, 1994). Einfluß auf die mikrobiologischen Prozesse im Reis--
feldboden. Messungen der Methanemission aus Reis-
Voraussetzung für die aerobe Methanoxydation ist die feldern in den USA, Spanien, Italien, den Philippinen,
Verfügbarkeit von Sauerstoff. Daher ist dieser Prozeß Japan, China, Thailand und Indien ergaben erhebli-
auf die oxischen Bereiche im Reisfeld beschränkt, d. h. che Unterschiede (0,2 bis 80 mg CH 4/m2 x h bzw.
auf die oberste Bodenschicht, auf die durch die
0,6 bis 167 g CH4/m2 x Saison), die zurückgeführt
Wurzeln mit Sauerstoff versorgten Bereiche der Rhi- werden auf Unterschiede
zosphäre (Wurzelraum) und auf das Flutwasser. Alle
ökologischen Bedingungen, die das Eindringen von — in der Düngeranwendung (Art, Menge, Ausbrin-
Sauerstoff begünstigen, wie Drainage, hohe Flutwas- gung),
serströmung, geringer Flutwasserstand, hohe Wasser-
— in der Zugabe von Hemmstoffen,
durchdringung und Sauerstoffbildung bei der Photo-
synthese der Algen haben eine Ausdehnung der — im Flutungsmanagement (Wassermenge, Draina-
oxischen Bereiche und damit eine Erhöhung der gen während der Saison, Fließgeschwindigkeit,
Methanoxydation zu Folge. Die Intensität des Me- Zeitdauer der Flutung, Flutungsbeginn, Wasser-
thanabbaus hängt in erster Linie von der Methankon- durchdringung),
zentration und außerdem von Temperatur und pH
— im Klima (Temperatur, Niederschlag),
Wert ab.
— in der Reissorte,
— im ökologischen Typ des Reises (bewässerter Reis,
Methantransport regengespeister Reis, Reis von nicht gefluteten
Böden),
Das in den anoxischen Bodenschichten gebildete
— in der Bodenart (Gehalt an organischer Substanz,
Methan gelangt durch verschiedene Transportpro-
Wasserdurchlässigkeit u. a.),
zesse in die oxischen Bodenschichten, in das Flutwas-
ser und in die Atmosphäre. Die Art des Transportpro — in der Bodenbearbeitung.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Düngung Temperatur

Da die organische Substanz die Grundlage für die Die Korrelation von Methanemission und Temperatur
Methanbildung ist, führt ein Eintrag von organischen konnte in verschiedenen Untersuchungen anhand der
Düngemitteln in die Böden zu einer erhöhten Methan tageszeitlichen Schwankungen aufgezeigt werden.
emission. Die Abbaubarkeit der organischen Sub- Eine Temperaturerhöhung von 20 auf 25°C führt zu
stanz unter anaeroben Bedingungen spielt dabei eine einer Verdopplung der Methanemission aus Reisfel-
entscheidende Rolle. Die Methanemission wird am dern (Schütz u. a., 1989; In: Heyer, 1994).
stärksten durch Gründüngung mit einem hohen
Anteil leicht mineralisierbarer organischer Substanz
gefördert. Auch die Einarbeitung von Reisstroh führt Ökologischer Typ der Reispflanzen
stets zu erhöhten Emissionsraten gegenüber unge-
düngten Kontrollen. Dagegen ist der Effekt von kom- Das unterschiedliche Bewässerungsmanagement der
postierter organischer Substanz oder von Abfällen aus verschiedenen Reistypen (bewässert, regenversorgt,
Biogasanlagen auf die Methanemission deutlich ohne längere Überflutung) bestimmt die Höhe der
geringer, da hier der Anteil an leicht mineralisierbarer Methanbildung und -emission. An der Methanemis-
organischer Substanz durch den Kompostierungs- sion in die Atmosphäre sind vor allem bewässerte
bzw. Vergärungsprozeß stark reduziert ist (Schütz Reisfelder beteiligt, die die Hälfte der gesamten
u. a., 1989; Yagi u. Minami, 1990; Cicerone u. a., 1992; Anbaufläche einnehmen, und in geringerem Maße
Wassmann u. a., 1993; Alle in: Heyer, 1994). die regenversorgten Reisfelder mit 38 % Flächenaus-
Die mineralischen Düngemittel und Harnstoff üben dehnung, nicht jedoch die Reisfelder ohne längere
keinen direkten Einfluß auf die Methanbildung aus. Überflutung.
Hier ist in der Regel auch keine Zunahme der Methan-
emissionsraten nach Düngung gegenüber ungedüng-
ten Kontrollen nachgewiesen worden. Reispflanzen

Die Reispflanzen beeinflussen in vielfältiger Weise die


mikrobiologischen Prozesse im Boden, die ökologi-
Zugabe von Hemmstoffen
schen Bedingungen und die Transportprozesse
durch:
Die Zugabe von Calciumcarbid (CaC2) zielt auf eine
Hemmung der Methanogenese. Bei der Reaktion von — den Eintrag von organischer Substanz (Wurzel-
Calciumcarbid (CaC2) mit Wasser entsteht Acetylen masse, Wurzelausscheidungen, Stoppel und
(C2H2 ), das bereits in geringen Konzentrationen die Stroh),
Methanbildung blockiert (Oremland u. Capone, 1988;
— den Transport von Methan in die Atmosphäre bzw.
In: Heyer, 1994).
von Sauerstoff in die Rhizosphäre,
— die Beschattung der Bodenoberfläche und des
Flutungsmanagement Flutwassers (Algenbildung, Boden- bzw. Wasser-
temperatur).
-
Die Flutung des Reisfeldbodens ist die Voraussetzung Die Methanemissionen verschiedener Reissorten lie-
für die Entstehung anoxischer Bedingungen und gen in einem Bereich von 1,3 bis 49,0 mg CH 4 /m x h
damit für die Methanbildung. Nur während der Zeit (Parashar, 1993; In: Heyer, 1994).
der Wassersättigung des Bodens kann eine Methan-
bildung erfolgen. Eine Unterbrechung der Flutung
führt vor allem dann zu einem sofortigen Stillstand der Bodenart
Methanogenese und damit der Methanemission,
wenn Sauerstoff durch Diffusion in der Gasphase in Neben dem Bodentyp spielen der Gehalt an organi-
den Boden eindringen kann. Nach erneuter Flutung scher Substanz, der Nährstoffgehalt (C/N-Verhältnis),
vergeht dann mindestens eine Woche, bevor die pH-Wert, Textur, Wasserkapazität und andere Boden-
Methanbildung wieder einsetzt (Sass u. a., 1992; In: faktoren eine Rolle. Es liegen jedoch noch keine
Heyer, 1994). ausreichenden Erkenntnisse über die Wechselwir-
Die Fließbewegungen des Flutwassers versorgen die kungen der verschiedenen Faktoren auf Methanbil-
methanoxidierenden Bakterien an der Bodenoberflä- dung und Methanoxidation und damit auf die Me-
che mit Sauerstoff. Bei Stagnation des Flutwassers thanemission vor.
kann es innerhalb eines Tages zu anoxischen Bedin-
gungen auf der Bodenoberfläche kommen, wodurch
die Methanoxidation eingeschränkt wird. In Reisfeld- Bodenbearbeitung
böden mit einer hohen Wasserdurchdringung kann
dagegen durch das Eindringen von sauerstoffhalti- Über den Einfluß der Bodenbearbeitung auf die Me-
gem Flutwasser in die anoxischen Bodenschichten die thanemission sind bisher keine systematischen Unter-
Methanogenese ausgeschaltet bzw. auf tiefere Bo- suchungen durchgeführt worden. Die Bodenbewe-
denschichten zurückgedrängt werden. Dies hat eine gungen während des Reiswachstums durch Tiere
Verminderung der Methanemission zur Folge (Mi- (Bioturbation) oder landwirtschaftliche Maschinen bei
nami, 1993; In: Heyer, 1994). der Ausbringung von Dünger, Herbiziden und ande-
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode

ren Substanzen sowie bei der Ernte führen zu einer Nach Schätzungen wird die Reisproduktion bis zum
massiven Methanfreisetzung aus den im Boden Jahr 2020 auf 758 Mio. t/Jahr ansteigen (Neue, 1991).
befindlichen Gastaschen (Gasblasen). Diese Methan Das entspricht einer Steigerung um 46 % (1,5 %/Jahr).
emission ist bei den bisherigen Messungen nicht Da eine Ausdehnung der Reisanbaufläche nicht im
erfaßt worden und macht daher eine Korrektur der bisherigen Umfang möglich sein wird, muß dieses Ziel
globalen Kalkulationen der Methanemission von vor allem durch höhere Erträge und Mehrfachernten
Reisfeldern notwendig (Neue, 1992; In: Heyer, erreicht werden. Auf der Basis der bisherigen Ent-
1994) . wicklung wurde eine Kalkulation für die Zunahme der
Methanemission aus Reisfeldern in den nächsten 100
Jahren durchgeführt. Danach ist mit einer Verdopp-
lung der globalen Methanemission aus Reisfeldern
Kalkulation der globalen Methanemission aus gegenüber dem heutigen Stand zu rechnen.
Reisfeldern

Die gegenwärtige Erntefläche beträgt 145,9 Mio. Tabelle 2.12


Hektar (ha) (1990), auf der 518,9 Mio. t Reis im Jahr
produziert werden (Neue, 1991). 1951 wurden auf Entwicklung von Reisanbaufläche
einer Fläche von 103,7 Mio. ha 170,5 Mio. t Reis und Methanemission aus Reisfeldern
erzeugt. Sowohl die erhebliche Zunahme der Reisan- (bewässerter und regenversorgter Reis)
baufläche als auch der Anbauintensität führten zu in den nächsten 100 Jahren (Bouwman u. a., 1991)
einer entsprechenden Zunahme der Methanemission
in die Atmosphäre. Die derzeitigen Methanemissio- Jahr
Reisanbaufläche Methanemission
nen aus Reisfeldern wurden für verschiedene Regio- in Mio. ha in Mio. t/Jahr

nen berechnet. Danach werden entsprechend der


Verteilung der Reisanbaugebiete auf der Erde mehr 1990 131 92
als 90 % des Methans in Asien emittiert (Bouwman 2025 183 131
u. a., 1991). 2050 211 152
2075 236 170
2100 255 184

Tabelle 2.11
2.1.5 Biomasseverbrennung
Methanemissionen aus Reisfeldern
in verschiedenen Ländern und Regionen der Erde Die Biomasseverbrennung ist zu einem erheblichen
(Bouwman u. a., 1991) Teil der Vernichtung der tropischen Wälder anzula-
sten. Die Bereitstellung landwirtschaftlicher Anbau-
Methan-
Anteil flächen ist mit etwa 90 % die Hauptursache für die
Länder/Regionen emission Brandrodung und Rodung geschlossener tropischer
in Prozent
Mio. t/Jahr
Regenwälder. Die Flächen werden je zur Hälfte im -
Wanderfeldbau genutzt bzw. in mehr oder weniger
Frankreich 0,01
dauerhafte landwirtschaftliche Nutzung (Weide- und
Griechenland 0,01 Plantagenflächen) überführt (Amelung u. Diehl,
Italien 0,08 1991). Die Brände in den tropischen und subtropi-
Portugal 0,01 schen Savannengebieten sind ebenfalls überwiegend
anthropogen bedingt und dienen der Erneuerung des
Spanien 0,02
Aufwuchses für die Weidewirtschaft. Weitere Emis-
sionsquellen sind das Abbrennen von landwirtschaft-
EU gesamt 0,13 0,14
lichen Ernteabfällen und die Verbrennung von Bio-
masse zur Energiegewinnung (Holz, Holzkohle, Ern-
Nicht-EU OECD Europa 0,03 0,03
tereste, Tierdung). Bei der Verbrennung von Bio-
OECD Ost 0,86 0,9 masse werden 0,6 bis 1,6 % des Kohlenstoffs in
Nicht-EU Methan umgewandelt (EPA, 1992; In: Heyer, 1994).
nicht-OECD Europa 0,03 0,03 Die Menge des freigesetzten Methans ist vom Aus-
Ehemalige UdSSR 0,26 0,3 gangsmaterial und von der Art der Verbrennung
abhängig. Bei Schwelbränden wird wesentlich mehr
Nordamerika 0,44 0,5 Methan gebildet als bei Bränden mit hoher Luftzufuhr
Süd- und Zentralamerika 3,84 4,2 und hoher Temperatur.
Afrika 2,11 2,3 In Deutschland betrug die Methanemission aus der
Mittelost 0,36 0,4 Verbrennung von Holz in den alten Bundesländern
Zentralverwaltung Asien 20,11 21,8 11 000 t CH 4 /Jahr (1987). Das sind nur 0,2 % der
anthropogenen Methanemissionen in Deutschland.
Süd- und Südostasien 64,03 69,4
Die globale Methanemission aus der Biomassever-
Welt 92,2 100 brennung wird mit 62,2 Mio. t CH 4/Jahr angegeben.
Daran sind beteiligt (Selzer, 1992; In: Heyer, 1994):
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Tabelle 2.13 aus der Luft führt zu einem Nährstoffeintrag in andere
Ökosysteme. Diese Erhöhung der Mineralstoffkon-
Globale Methanemissionen zentration (Eutrophierung) verursacht insbesondere
aus der Biomasseverbrennung in nährstofflimitierten Gewässern und Feuchtgebie-
(Selzer, 1992; In: Heyer, 1994) ten eine Zunahme der Primärproduktion (Algen, Was-
serpflanzen). Nach dem Absterben der vermehrt
Mio. t gebildeten Biomasse steigt die Methanbildung im
%
CH4 /Jahr Sediment und somit die Methanfreisetzung in die
Atmosphäre.
Brandrodung 22,2 36
Busch- und Waldbrände 12,4 20
Verbrennung Methanoxidation
landwirtschaftlicher Abfälle 16,6 27
Bestimmte terrestrische Ökosysteme, wie Wälder der
Holzverbrennung
borealen, gemäßigten und tropischen Zonen, Savan-
zur energetischen Nutzung 11,0 17
nen und Grasländer, wirken als Senke für das atmo-
sphärische Methan. Schätzungsweise 30 bis 40 Mio. t
Summe 62,2 100
CH4/Jahr werden von diesen Ökosystemen weltweit
aufgenommen (Seiler und Conrad, 1987; Reeburgh
u. a., 1993; Beide in: Heyer, 1994; IPCC, 1992). Die
Dem von IPCC (1992) angegebenen Durchschnitts-
Umwandlung dieser Ökosysteme in Ackerland führt
wert von 40 Mio. t Methan/Jahr (20-80) kommen die
zu einer Verminderung der Methanaufnahme auf ein
Kalkulationen von Bouwman u. a. (1991) mit 44 Mio. t
Viertel (Ojima u. a., 1993; In: Heyer, 1994). Durch das
(Tab. 2.14) und Andreae (1991) mit 38,7 Mio. t
Ausmaß der Umwandlung von tropischen Wäldern in
näher.
Ackerfläche wird daher die globale Methanaufnahme
Die Biomasseverbrennung beschränkt sich im we- aus der Atmosphäre um etwa 4 Mio. t CH 4/Jahr
sentlichen auf Lateinamerika, Afrika und in geringe- reduziert (Keller u. a., 1990; In: Heyer, 1994).
rem Umfang auf Asien. Aufgrund des Wachstums der
Auch der Nährstoff- und insbesondere der Stickstoff-
Bevölkerung in den Entwicklungsländern und der
eintrag in die Böden natürlicher und naturnaher
daraus resultierenden Ausweitung der landwirt-
Ökosysteme (z. B. auch Wiesen und Weiden) reduziert
schaftlichen Nutzflächen wird folgende Zunahme der
die Methanaufnahme der Böden (Steudler, u. a. 1989;
Emissionen durch die Biomasseverbrennung progno-
In: Heyer, 1994). Die Fähigkeit der Waldböden zur
stiziert.
Methanoxidation wird ganz erheblich durch die Stick-
stoffeinträge, vor allem durch das Ammoniak (NH 3 )
Tabelle 2.14 aus der Landwirtschaft, verringert (Hartung, 1992;
Castro et al., 1992). Allein in den gemäßigten Breiten
Entwicklung der Methanemissionen (in Mio. t CH 4 ) wird die Methanaufnahme landwirtschaftlich genutz-
durch die Biomasseverbrennung ter Böden durch die Stickstoffdüngung und Landnut-
(Brandrodung, Savannenbrände, landw. Abfälle) zungsänderungen um 1,5 bis 6 Mio. t/Jahr reduziert
in verschiedenen Regionen der Welt (Ojima u. a., 1993; In: Heyer, 1994).
-
(Bouwman u. a., 1991)

CH4
Region
1990 2025 2050 2100

2.2 Distickstoffoxid (N20)


Lateinamerika 15 19 20 21
Afrika 25 37 42 47 Die atmosphärische Konzentration von N 20 ist von
Mittlerer Osten 0 0 0 0 288 ppbv in vorindustrieller Zeit auf gegenwärtig
Zentralverwaltung 311 ppbv (1991) angestiegen. In den vergangenen
Asien 1 1 1 1 20 Jahren lag der mittlere Anstieg bei 0,8 ppbv bzw.
0,25 % pro Jahr (EK, 1992). Dies entspricht einer
Süd-, Südost-Asien 2 3 3 3
jährlichen Zunahme in der Atmosphäre um 3 bis
4,5 Mio. t N2O-N/Jahr (IPCC, 1992). Analysen aus
Welt 44 60 67 72
Eisbohrkernen zeigen, daß der Anstieg seit Beginn
der Industrialisierung mit der zunehmenden Auswei-
tung der landwirtschaftlichen Nutzflächen korreliert
und seit Mitte des 20. Jahrhunderts eine drastische
2.1.6 Indirekte Einflüsse der Landwirtschaft auf die Beschleunigung erfuhr. Diese Zunahme wird insbe-
Methanemission aus anderen Ökosystemen sondere auf den stark gestiegenen und teilweise
übermäßigen Einsatz von stickstoffhaltigen Dünge-
mitteln in der Landwirtschaft zurückgeführt. Durch
Die Auswaschung und Abschwemmung von Mineral die damit verbundene Eutrophierung natürlicher
dünger und Gülle von landwirtschaftlich genutzten Ökosysteme werden auch dort die N20-Emissionen
Flächen und der Eintrag von Stickstoffverbindungen deutlich erhöht.
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Abbildung 2.2: Anthropogene N 2O-Emissionen in der Bundesrepublik Deutschland (1990)


(BMU, 1993 a):

Tabelle 2.15 In Deutschland wird N 2 0 insbesondere bei industriel-


len Produktionsprozessen und durch die Stickstoff-
Globale Quellen und Senken düngung in der Landwirtschaft freigesetzt. Die
des Distickstoffoxids (IPCC, 1992) gesamten anthropogenen Emissionen wurden für das
Jahr 1990 auf etwa 225 000 t N 20 geschätzt. Die
Mio. t Landwirtschaft ist hieran zu einem Drittel (75 000 t
N20-N/Jahr N2O/Jahr) beteiligt (Abb. 2.2) (BMU, 1993 a).

Natürliche Quellen N20 entsteht neben den Stickstoffoxiden (NO u. NO 2 =


Meere 1,4 — 2,6 NOR ) und molekularem Luftstickstoff (N 2 ) bei der
Tropische Böden mikrobiellen Umsetzung (Nitrifikation, Denitrifika-
— Feuchtwälder 2,2 — 3,7 tion) von anorganischen Stickstoffverbindungen
(NH4 +; NO 3- ) in Böden und Gewässern. Daneben führt
— Trockensavannen 0,5 — 2,0
Böden gemäßigter Breiten auch die Verbrennung von Biomasse und fossilen
Energieträgern zur Freisetzung von N 2O , NOx und N2.
— Wälder 0,05— 2,0
Der N 2 O-Eintrag aus der Verbrennung fossiler Ener-
— Grasländer ?
gieträger wurde bisher jedoch überschätzt und der
Anthropogene Quellen Beitrag der Landwirtschaft eher unterschätzt. Da N 20
Kultivierte Böden 0,03— 3,0 fast immer gemeinsam mit den Stickstoffoxiden gebil-
Biomasseverbrennung 0,2 — 1,0 det und emittiert wird, werden diese gasförmigen
Stationäre Energieerzeugung 0,1 — 0,3 N-Verbindungen im folgenden auch gemeinsam
Verkehr 0,2 — 0,6 behandelt, obwohl NO und NO 2 nur indirekt klima-
Chemische Indust ri e wirksam sind (Kap. 2.4.2).
— Nylonherstellung 0,4 — 0,6
— Düngemittelherstellung 0,1 — 0,2
2.2.1 Stickstoffkreislauf
Senken
Photochemische Spaltung Abb. 2.3 gibt einen Überblick über die natürlichen
in der Stratosphäre 7 —13 und anthropogenen Stickstoffeinträge in die landwirt-
Aufnahme durch Böden ? schaftlich genutzten Böden, die do rt ablaufenden
Umsetzungsprozesse und die Stickstoffausträge aus
Zunahme in der Atmosphäre 3 — 4,5
den Agrarökosystemen.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

Abbildung 2.3: Stickstoffbilanz im Bodenbereich (AID, 1992):

Die Stickstoffeinträge in die landwirtschaftlichen entspricht im weltweiten Durchschnitt etwa 54 kg


Ökosysteme erfolgen in Form von N/ha landwirtschaftlicher Nutzfläche (Bouwman u. a.,
1991).
— mineralischer N-Düngung,
-
Der Eintrag durch die nasse Deposition N-haltiger
— organischer Düngung durch Tierexkremente, Ern-
Spurengase (Stickstoffoxide, Ammoniak) mit den Nie-
tereste, Siedlungsabfälle etc.,
derschlägen und durch trockene Deposition der Gase,
— biologischer N2 -Bindung durch freilebende und in Aerosole und Stäube ist erheblich schwieriger abzu-
Symbiose mit Pflanzenwurzeln lebende Mikroor- schätzen, da die Angaben mit großen Unsicherheiten
ganismen, behaftet sind. Beteiligt an der Emission N-haltiger
Spurengase sind insbesondere die Verbrennung fos-
— trockener und nasser Deposition von N-Verbin-
siler Energieträger, die Verbrennung von Biomasse in
dungen aus der Atmosphäre.
Landwirtschaft, Brandrodung etc., die bei elektri-
In Böden (und Gewässern) freilebende Mikroorganis- schen Entladungen (Blitze) aus Luftstickstoff gebilde-
men und solche, die in Symbiose mit höheren Pflanzen ten Stickstoffoxide sowie die mikrobiellen Prozesse in
(vorwiegend Leguminosen) leben, sind in der Lage, Böden und Gewässern. Die gasförmigen N-Emissio-
molekularen Luftstickstoff zu binden (biologische N2 nen aus landwirtschaftlichen Nutzflächen gelangen
teilweise durch Deposition wieder in diese zurück. Die-Fixerung)dhoaisceSubtnz-
bauen oder an die Pflanzenwurzeln weiterzugeben, Stickstoffeinträge durch trockene und nasse Deposi-
mit denen sie in Symbiose leben. Nach Mineralisie- tion liegen zwischen 10 und 80 kg N/ha x Jahr (Beese,
rung der organischen Substanz liegt der darin enthal- 1994), können regional aber bis zu 200 kg N/ha x Jahr
tene Stickstoff im Boden in pflanzenverfügbarer Form und mehr betragen (Kreutzer, 1993). Dieser Eintrag
vor. Der weltweite Stickstoffeintrag in die Landwirt- erfolgt gleichermaßen in landwirtschaftlichen wie in
schaft durch den Anbau von Futter- und Nahrungsle- naturnahen und natürlichen Ökosystemen.
guminosen wird auf 80 bis 90 Mio. t N/Jahr geschätzt
Der Stickstoff der organischen bzw. Wirtschaftsdün-
(Hauck, 1988, In: Beese, 1994; IPCC, 1992).
gung lief bzw. läuft überregional betrachtet in einem
Der weltweite Eintrag von Stickstoff durch Mineral internen Kreislauf. Der Stickstoff, den die Pflanzen
düngung hat mittlerweile die gleiche Größenordnung den Böden entziehen, gelangt über die Nahrungs-
erreicht und betrug 1990 79,6 Mio. t N/Jahr. Dies kette zu den Menschen und Tieren. Die stickstoffhal-
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

tigen menschlichen und tierischen Exkremente, 2.2.2 Mikrobiologische Prozesse


Abfälle aus der Lebensmittelverarbeitung, Siedlungs-
abfälle etc. gelangen wiederum als organische Dün- Böden stellen eine wichtige Quelle für N 20 und NOx
ger (teilweise) zurück auf die landwirtschaftlichen dar. An der Spurengasbildung sind sowohl biotische
Nutzflächen. Dieser Kreislauf ist jedoch in weiten als auch abiotische Prozesse beteiligt. Zu den bioti-
Teilen unterbrochen worden. Insbesondere in der schen Prozessen gehören die Nitrifikation, die Denitri-
westlichen Intensivlandwirtschaft führte die räumli- fikation, die dissimilatorische Reduktion von Nitrat zu
che Konzentration der Massentierhaltung mit Futter- Ammonium und die assimilatorische Reduktion von
mittelimporten zu hohen Gülleüberschüssen, die auf Nitrat unter Bildung von Zellbiomasse. Zu den abioti-
den knappen Flächen als Wirtschaftsdünger nicht schen Prozessen gehören chemische Prozesse
mehr ökologisch verträglich verwertet werden kön- (Chemo-Denitrifikation) und die Verbrennung von
nen. Der Konzentration in der Tierhaltung steht meist Biomasse (Pyro-Denitrifikation) (Lobert u. a., 1990, In:
räumlich getrennt eine intensive Pflanzenproduktion Beese, 1994).
mit oftmals überhöhtem Mineraldüngereinsatz ge-
genüber. An den biotischen Vorgängen sind eine Vielzahl von
verschiedenen Bodenmikroorganismen beteiligt, die
Durch diese Zerstörung der ursprünglichen Kreisläufe über unterschiedliche biochemische Reaktionen NO
treten erhebliche Stickstoffverluste auf. Die Eiweiß- bzw. N2 0 freisetzen. Eine biologische Produktion von
überversorgung in der Tierhaltung führt bei der Lage- NO2 konnte bisher nicht zweifelsfrei nachgewiesen
rung und Ausbringung von Wirtschaftsdüngern zu werden. Die Nitrifikation und die Denitrifikation wer-
gasförmigen N-Emissionen. Die entsprechenden Ei- den allgemein als die dominierenden Prozesse ange-
weißüberschüsse in der menschlichen Ernährung sehen.
werden in Gewässern bzw. mit hohem technischen
Aufwand in Kläranlagen zu stickstoffhaltigen Gasen
abgebaut. In den Gewässern und Böden sind verschie- 2.2.2.1 Nitrifikation
dene mikrobielle Prozesse, insbesondere die Nitrifi-
zierung und Denitrifizierung für die gasförmigen Unter Nitrifikation versteht man die biologische Oxi-
N-Verlusten und mithin für die Bildung von Distick- dation von Ammonium (NH4 +) zu Nitrat (NO 3- ). Die-
stoffoxid (N 2O ) und Stickstoffoxiden (NOx) verant- ser Prozeß erfolgt in zwei Schritten:
NH4 + + 3/2 02 → NO2- + 2H+2O
wortlich. Neben den gasförmigen N-Verlusten wird
+ H
NO 2- + 1/2 0 2 → NO3 -
den landwirtschaftlichen Ökosystemen Stickstoff
durch die Ernte der wachsenden Pflanzen und die
(Nitrat-) Auswaschung und Abschwemmung in Der erste Schritt wird in den landwirtschaftlich
Grund- und Oberflächengewässer entzogen. genutzten Böden überwiegend von Bakterien der

Abbildung 2.4: Beziehung zwischen der Wassersättigung des Bodens und der relativen Nitrifikation und Denitrifikation (nach Linn u. Doran,
1984, In: Beese, 1994):
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Gattungen Nitrosomonas und Nitrosospira durchge- Die größte Bedeutung kommt im terrestrischen
führt, während für den zweiten Schritt im wesentli- Bereich der Verfügbarkeit oder Abwesenheit von
chen die Gattung Nitrobacter verantwortlich ist. Diese Sauerstoff, von geeigneten Reduktionsmitteln (in der
Organismen benötigen CO 2 , 02 und NH4 + zum Regel organisch gebundener Kohlenstoff) sowie von
Wachstum und beziehen die notwendige Energie aus Elektronenakzeptoren (NO 3 - ; NO 2 - ) zu.
der Oxidation des Ammoniums (NH 4 +) bzw. des Nitrits
(NO2 - ). Der Prozeß, der zur Produktion von N 2 0 Die Denitrifikation steigt generell mit sinkendem
Sauerstoffgehalt im Boden und ist daher ebenfalls vom
während der Nitrifikation führt, ist noch nicht vollstän-
Luft- bzw. Wasserhaushalt, den physikalischen
dig aufgeklärt.
Bodeneigenschaften und den Klimafaktoren abhän-
In landwirtschaftlich genutzten Böden ist die Verfüg- gig. Die N2O -Freisetzung wird durch hohe Bodenwas-
barkeit von NH 4 + die dominierende Größe, die die sergehalte stimuliert. Die höchste Denitrifikationsrate
Nitrifikation regelt. Die Zufuhr von nitrifizierbarem wird bei vollständiger Wassersättigung des Bodens
Stickstoff (Harnstoff (CO(NH 2 ) 2 ), Ammoniak (NH3 ) erreicht (Abb. 2.4). Die Bildung von NO durch Denitri-
oder Ammoniumsulfat (NH 4 ) 2 SO4 )) erhöht in der fikation erfolgt ebenfalls erst, wenn anaerobe Boden-
Regel die N2 O-Bildung deutlich (Bremner u. Black- verhältnisse vorliegen (Schuster u. Conrad, 1992, In:
mer, 1981, In: Beese, 1994). Die Zugabe von Nitrifika- Beese, 1994).
tionshemmstoffen reduziert hingegen die Freisetzung Das Vorhandensein leicht abbaubarer organischer
der N-haltigen Spurengase. Substanz beeinflußt die Freisetzung N-haltiger Spu-
Die Nitrifikation erreicht ihr Maximum bei ca. 60- rengase in mehrfacher Hinsicht. Die organische Sub-
prozentiger Wassersättigung des Bodens (Abb. 2.4). stanz, die als ober- und unterirdischer Bestandesabfall
Bei höheren Wassergehalten sinkt die Aktivität durch in Böden gelangt, dient den dort lebenden Mikroor-
den zunehmenden Sauerstoffmangel. Unter 60 % ganismen als Energiequelle, als Elektronenspender
Wassersättigung nimmt die mikrobielle Aktivität und und liefert darüberhinaus Material zum Aufbau von
damit die Nitrifikation durch zunehmenden Wasser- Biomasse. Die Mineralisierung der organischen Sub-
mangel kontinuierlich ab (Beese, 1994). Die Nitrifika- stanz ist mit einem hohen Sauerstoffverbrauch ver-
tion und die damit verbundene N 2 0-Freisetzung wird bunden und kann daher rasch zu anaeroben Boden-
somit erheblich vom Wasser- und Sauerstoffhaushalt bedingungen führen.
des Bodens (Porensystem, Humusgehalt etc.) und den Die Denitrifikationsrate wird des weiteren entschei-
klimatischen Faktoren (Niederschlag, Verdunstung dend von der Konzentration der Ausgangssubstrate
etc.) beeinflußt. Wassermangel und weitgehende (Stickstoffoxide: NO 3 - , NO 2- , NO, N2 0), insbesondere
Wassersättigung reduzieren die Nitrifikation. Nitrat im Boden beeinflußt. Bei einem Überangebot
von Stickstoffoxiden im Verhältnis zum `Reduktions-
Darüber hinaus können niedrige pH-Werte, Phos-
mittel wird ein höherer Anteil an N 2 O gebildet. Im
phatmangel oder extreme Temperaturen die Nitrifi-
umgekehrten Fall verläuft ein höherer Anteil der
kation hemmen, wie dies in vielen Böden natürlicher
Denitrifikation zum molekularen N2 (Beese, 1994).
Ökosysteme beobachtet wurde (Haynes, 1986, In:
Beese, 1994). Die optimalen Temperaturen für die Bodentemperaturen unter 5°C oder über 40°C werden
Nitrifikation liegen zwischen 30 und 35°C. Tempera- allgemein als limitierend für die Mikroorganismenak-
turen unter 5°C und über 40°C wirken stark hemmend tivität angesehen. Die Denitrifikation sinkt mit abneh-
(Beese, 1994). Bei der Nitrifikation werden schät- mender Temperatur, das N 20/N2 -Verhältnis steigt
zungsweise 1 bis 4 % des umgesetzten Stickstoffs als jedoch (Keeney u. a., 1979, In: Beese, 1994). Ähnlich
N20 freigesetzt (Hutchinson u. Brams, 1992; Hutchin- verhält sich der Einfluß des Boden-pH-Wertes auf die
son u. a., 1992, Beide in: Beese, 1994). Denitrifikation. Mit steigendem pH-Wert nimmt die
komplette Reduktion von NO 3 - zu N2 zu und die
anteilige Freisetzung von N 2O und NO ab. Die Ver-
2.2.2.2 Denitrifikation
sauerung der Böden führt daher zu höheren NO- und
N2O-Emissionen (Nägele u. Conrad, 1990, Eaton u.
Die mikrobielle Denitrifikation ist die Reduktion von
Patriquin, 1984, Bollag u. a., 1973, Alle in: Beese,
Nitrat (NO 3 -) oder Nitrit (NO 2 -) unter anaeroben bzw.
1994). Verschiedene Befunde belegen auch in sauren
mikroaeroben zu NO, N 2 0 oder N2. Die Reaktions-
Böden erhebliche Denitrifikationsraten (Van Cleem-
kette läßt sich folgendermaßen beschreiben:
put u. a., 1976, Melillo, 1986, Beide in: Beese, 1994;
NO3 - → NO 2 - → [NO] → N2 0 → N2 Brumme u. Beese 1992), was auf eine Anpassung der
Mikroorganismenpopulation an verschiedene Um-
N2O - und in einigen Fällen auch das NO — können
weltbedingungen schließen läßt. Das Verhältnis von
obligatorische Zwischenprodukte dieser Reaktions-
N2O bzw. NOx zu N2 ist wesentlich von der Mikroor-
ketten sein. In Abhängigkeit von den Bodenbedin-
ganismengesellschaft des Standortes abhängig
gungen werden diese Zwischenprodukte in unter-
(Munch, 1989 u. 1990, In: Beese, 1994).
schiedlichem Maß freigesetzt. Die meisten Denitrifi-
kanten sind fakultativ anaerobe heterotrophe Bakte- Gerade die Komplexität der Umweltfaktoren und
rien der Gattungen Pseudomonas, Azospirillum, Alca- deren Veränderungen über Raum und Zeit (Tages-
ligene u. a.. Da Denitrifikanten eine sehr weite Ver- und Jahresgänge, inhomogene Bodenverhältnisse
breitung haben, wird die Denitrifikation weniger und Witterungsbedingungen etc.) bereiten erhebliche
durch die Anwesenheit bzw. Aktivität der Mikroorga- Probleme bei der Abschätzung der Freisetzung von
nismen als vielmehr durch die Verfügbarkeit notwen- NOx und N2O aus Böden. In Tab. 2.16 sind einige
diger Substrate oder die Umweltbedingungen beein- Größen angegeben, die das Verhältnis von N 2O zu N2
flußt (Firestone u. Davidson, 1989, In: Beese, 1994). bestimmen.
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Tabelle 2.16 2.2.3 Distickstoffoxidemissionen


Bestimmungsfaktoren des N2O/N2 -Verhältnisses
Eine große Zahl von Umweltfaktoren, Bodeneigen-
bei der Denitrifikation
schaften und Bewirtschaftungsfaktoren steuern die
(Firestone and Davidson, 1989, In: Beese, 1994)
jeweilige Zusammensetzung der Bodenmikroorganis--
mengeselischaft und die Höhe der NO R - und N2O
Faktoren erhöht das N2 0/N 2 - Verhältnis
Freisetzung. Im Bereich der Landwirtschaft gilt die
Stickstoffdüngung als der wesentliche Einflußfaktor
(NO3-) oder (NO 2-) steigende Konzentration
auf die N 2 0- und NOx-Emissionen.
des Elektronenakzeptors
Sauerstoff Anstieg des
Sauerstoffpartialdruckes
2.2.3.1 Düngung
Kohlenstoff Abnahme
der C-Verfügbarkeit
Der weltweite Verbrauch von Stickstoffdüngern ist in
pH sinkender pH-Wert der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts deutlich ange-
Temperatur sinkende Temperatur stiegen. 1960 lag der Weltverbrauch bei 11 Mio. t
Enzym-Status erniedrigte N/Jahr. Dies entsprach einer durchschnittlichen jähr-
N2O -Reduktase-Aktivität lichen Aufwandmenge von 8 kg N/ha Acker- und
Dauerkulturfläche (ohne Dauergrünland (DG)). Zwi-

Tabelle 2.17

Entwicklung des N-Mineraldüngerverbrauchs in verschiedenen Ländern und Regionen der Welt


(1960 und 1990) (Bouwman u. a., 1991)

in kg N/ha. in kg N/ha.
insgesamt Acker- und Änderung insgesamt Acker- und
1960 Dauer- in %/Jahr 1990 Dauer-
in 1 000 t kulturfläche 1960 bis 1990 in 1 000 t kulturfläche
(ohne DG) (ohne DG)

1 Belgien/Luxemburg 100 107 2.3 197 240


2 Dänemark 124 44 3.0 377 147
3 Frankreich 565 26 5.2 2 604 133
4 Bundesrepublik Deutschland 618 73 3.1 1 540 206
5 ehemalige DDR 246 40 4.3 873 177
6 Griechenland 73 20 5.9 409 104
7 Irland 25 10 9.2 349 362
8 Italien 333 21 3.5 925 76
9 Niederlande 234 227 2.1 435 467
10 Portugal 64 15 3.0 157 57
11 Spanien 275 13 4.8 1 121 55
12 Großbritannien 463 64 3.9 1 462 200

1-12 Europäische Länder 3 119 34 4.1 10 448 125


13 weitere europäische
OECD-Länder 292 8 6.3 1 837 51
14 Australien und Japan 752 21 1.2 1 067 20
15 Nicht-EU
Nicht-OECD Europa 576 11 7.2 4 654 96
16 ehemalige UdSSR 820 4 9.2 11 507 50
17 USA und Kanada 3 025 13 4.3 10 834 46
18 Süd- und Mittelamerika 432 4 7.5 3 809 21
19 Afrika 340 ? 6.3 2 113 11
20 Nah-Ost 40 1 11.5 1 260 34
21 Zentralverwalt. Asien 960 8 10.5 19 549 178
22 Süd- und Ostasien 680 3 10.2 12 390 46

Welt insgesamt 11 051 0 6.0 79 563 54


offizielle Angaben 10 200 79 563
Differenz 851 0
Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
schen 1960 und 1990 stieg der weltweite Verbrauch jeweilige Acker- und Dauerkulturfläche ohne Dauer-
um durchschnittlich 6,8 %/Jahr. 1990 betrug der grünland).
Weltverbrauch bereits 79,6 Mio. t N, was einer durch-
In den mitteleuropäischen EU-Staaten ist künftig auch
schnittlichen Aufwandmenge von 54 kg N/ha Acker-
aufgrund wachsender Produktionsüberschüsse und
und Dauerkulturfläche (ohne DG) entsprach (Bouw-
Umweltprobleme nicht mit einer weiteren Steigerung
man u. a., 1991).
der Stickstoffdüngung zu rechnen. Bis 2025 wird sogar
Die Intensität des Mineraldüngereinsatzes ist jedoch ein jährlicher Rückgang des gesamten Stickstoff-
regional sehr unterschiedlich verteilt. Von den im Jahr Mineraldüngereinsatzes um 0,4 % prognostiziert.
1990 weltweit ausgebrachten 80 Mio. t N-Mineral- Dennoch wird in einigen EU-Ländern mit einer zur
dünger entfielen auf die EU 10,5 Mio. t N (13,1 Pro- Zeit noch relativ geringen Bewirtschaftungsintensität
zent). In Deutschland wurden rund 2,4 Mio. t N der Düngemittelverbrauch weiter zunehmen. Durch
Mineraldünger ausgebracht, das sind etwa 3 % des die Flächenstillegung infolge der EU-Agrarreform
weltweiten N-Düngereinsatzes. Nach Tab. 2.17 ent- nimmt die Anbaufläche ab. Diese Verknappung des
sprach dies einer durchschnittlichen Aufwandmenge Produktionsfaktors Boden kann tendentiell zur Inten-
von 125 kg N/ha Acker- und Dauerkulturfläche (ohne sivierung auf den weiterhin bewirtschafteten Restflä-
DG) in der EU bzw. 206 kg N/ha in der Bundesrepu- chen führen (UBA, 1993; Scheele u. Schmitt, 1993).
blik Deutschland und sogar 467 kg N/ha in den Weltweit wird der N-Düngerverbrauch weiter anstei-
Niederlanden. In Afrika lag der durchschnittliche gen. Bis zum Jahr 2025 wird ein jährlicher Anstieg von
Stickstoff-Düngereinsatz dagegen bei nur 11 kg N/ha 1,3 % vorhergesagt (Bouwman u. a., 1991). Vor allem
und in Lateinamerika bei 21 kg N/ha (bezogen auf die in den sich entwickelnden Ländern Lateinamerikas,

Tabelle 2.18

Entwicklung der N2 O-N-Emissionen entsprechend dem N-Mineraldüngerverbrauch


in verschiedenen Ländern und Regionen der Welt (1960, 1990 und 2025) (Bouwman u. a., 1991)

Jahr 1960 1990 2025

Anteil der N 2O -N-Verluste an der N-Düngung


0,4% 3,2% 0,4% 3,2% 0,4% 3,2%
(in %)

1 Belgien/Luxemburg 0.4 3.2 0.8 6.3 0.7 5.4


2 Dänemark 0.5 4.0 1.5 12.1 1.3 10.2
3 Frankreich 2.3 18.1 10.4 83.3 8.8 70.8
4 Bundesrepublik Deutschland 2.5 19.8 6.2 49.3 5.2 41.9
5 ehemalige DDR 1.0 7.9 3.5 27.0 3.0 23.7
6 Griechenland 0.3 2.3 1.6 13.1 1.4 11.1
7 Irland 0.1 0.8 1.4 11.2 1.2 9.5
8 Italien 1.3 10.6 3.7 29.6 3.1 25.1
9 Niederlande 0.9 7.5 1.7 13.9 1.5 11.0
10 Portugal 0.3 2.0 0.6 5.0 0.5 4.3
11 Spanien 1.1 8.8 4.5 35.9 3.0 30.5
12 Großbritannien 1.9 14.0 5.0 46.8 5.0 39.7

1-12 Europäische Länder 12.5 99.8 41.0 331.1 35.5 284.0


13 weitere europäische
OECD-Länder 1.2 9.3 7.3 50.0 6.2 49.9
14 Australien und Japan 3.0 24.0 4.3 34.1 4.4 35.4
15 Nicht-EU
Nicht-OECD Europa 2.3 10.4 18.6 148.9 25.0 206.3
16 ehemalige UdSSR 3.3 26.2 46.3 370.0 64.2 513.5
17 USA und Kanada 12.1 96.0 43.3 346.7 45.0 360.0
18 Süd- und Mittelamerika 1.7 13.8 15.2 121.9 31.8 254.2
19 Afrika 1.4 10.9 8.5 67.6 23.2 185.9
20 Nah-Ost 0.2 1.5 5.1 40.6 11.3 90.3
21 Zentralverwalt. Asien 3.9 31.0 78.2 626.6 115.7 925.5
22 Süd- und Ostasien 2.7 21.7 49.6 396.7 110.3 882.7

Welt insgesamt 44 354 318 2 546 473 3 788


Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Afrikas und Asiens ist mit steigenden Zuwachsraten sionen. Hier werden 13,5 % des weltweiten N
zu rechnen. Der Stickstoffdüngerverbrauch wird Düngers ausgebracht, aber 43,5 % des N 2O -N emit-
daher voraussichtlich von derzeit 80 Mio. t auf 120 tiert. Die Ursache dafür liegt in der verbreiteten
Mio. t im Jahr 2025 steigen (IPCC, 1992). Dieser Anwendung von Ammoniakdüngern, die besonders
Zuwachs wird zu einer entsprechend verstärkten hohe N 2O -Emissionen verursachen (Bouwman et al.,-
Freisetzung von N2O führen (Tab. 2.18). 1991). Die Düngerart hat jedoch nur einen kurzfristi-
gen Einfluß auf die Höhe der N 2 0-Emissionen, bei
Die bisherigen Ansätze zur Abschätzung regionaler langfristiger Betrachtung ist der Überschuß an Dün-
oder globaler N-haltiger Emissionen aus Böden
gemitteln der entscheidende Faktor.
beschränken sich auf die Annahme eines prozentua-
len Anteils der N-Emissionen an der ausgebrachten Ein entscheidender Mangel im Hinblick auf eine
Stickstoffdüngung. Die Auswertung zahlreicher vor- globale Abschätzung der N 2O -Emissionen auf der
liegender Versuchsergebnisse führte zu einer Ab- Grundlage der bislang vorliegenden Ergebnisse ist
schätzung des durchschnittlichen Anteils der N 2O darin zu sehen, daß beispielsweise Bodenunter-
Emissionen an den gasförmigen Stickstoffverlusten schiede, Klimafaktoren und die Art der Bewirtschaf-
verschiedener Düngerarten. Im Mittel betragen die tung bisher nicht in die Betrachtung einbezogen
Verluste 0,5 bis 2 % (Bolle u. a., 1986, In: Beese, 1994) wurden. Die Gesamtsituation kann nur verbessert
bzw. 0,2 bis 1,6 % (Eichner, 1990, In: Beese, 1994). werden, wenn stärker als bisher die steuernden Fak-
Daraus ergibt sich derzeit eine direkt düngerbedingte toren unter Feldbedingungen bei den Untersuchun-
Emission von 0,4 bis 1,6 Mio. t N 2O -N/Jahr bzw. 0,1 bis gen berücksichtigt werden. Dabei müssen insbeson-
1,3 Mio. t N2O -N/Jahr. Der auf die landwirtschaftlich dere die Einflüsse des jeweiligen standörtlichen Tem-
genutzten Flächen ausgebrachte Stickstoff verbleibt peratur- und Wasserhaushalts, der Bestandesentwick-
jedoch nicht im Agrarökosystem, sondern wird über lung und der Fruchtfolgen auf die NOx- und N 2O
das Sickerwasser in das Grundwasser, über Ab- Freisetzung bei verschiedenen Düngerformen, Dün-
schwemmung in Oberflächengewässer und gasförmig germengen und Düngerverteilungen ermittelt wer-
über die Atmosphäre in benachbarte Ökosysteme den. Gegen die Verwendung konstanter N 2O/N2
verfrachtet. Dort liegen u.U. günstigere Bedingungen -Verhältnisowf%zemüsngrl
für die N2O -Bildung vor. Erhebliche Anteile der Vorbehalte erhoben werden. Dennoch ist die Verwen-
N2O -Freisetzung aus natürlichen und naturnahen dung solcher Kenngrößen derzeit die einzige Mög-
Ökosystemen sind daher der Überdüngung durch die lichkeit, um auf nationaler, kontinentaler oder globa-
Landwirtschaft anzulasten. Unter der realistischen ler Ebene die N 2O -Emissionen abzuschätzen (Beese,
Annahme, daß von den ausgebrachten Stickstoff 1994).
Mineraldüngern mindestens die gleiche Stickstoff-
menge in anderen Bereichen der Biosphäre umgesetzt Alle bisher genannten Angaben zu N 2O -Emissionen
wird wie direkt auf den Äckern, ergibt sich insgesamt beruhen zudem ausschließlich auf dem Stickstoffein-
eine düngerbedingte Freisetzung von 0,8 bis 3,2 Mio. t trag in die Landwirtschaft durch die Anwendung von
N2O -N/Jahr bzw. 0,2 bis 2,6 Mio. t N 2O -N/Jahr Mineraldüngern. Noch nicht berücksichtigt ist der
(Beese, 1994). Nach IPCC (1992) werden etwa 3 % des Eintrag durch Wirtschaftsdünger, die Stickstoffixie-
ausgebrachten N-Mineraldüngers in N 2 0 umgesetzt. rung durch den Anbau von Leguminosen und der
Die düngerbedingte Freisetzung beträgt somit welt- Stickstoffeintrag aus der Atmosphäre. Der Stickstoff-
weit schätzungsweise 2,5 Mio. t N 2O -N/Jahr. eintrag durch den Anbau von Futter- und Nahrungs-
leguminosen hat weltweit den Umfang der Mineral-
Nach Tab. 2.18 liegen die globalen N 2O -Emissionen düngung (80 bis 90 Mio. t N/Jahr; Hauck, 1988, In:
1990 zwischen 0,318 und 2,546 Mio. t N 2O -N/Jahr. Die Beese, 1994; IPCC, 1992). Die Stickstoffeinträge aus
Emissionen in der Bundesrepublik Deutschland (ABL der Atmosphäre sind global nicht abschätzbar, liegen
u. NBL) liegen zwischen 9 700 t/Jahr und 77 000 t/Jahr aber verschiedenen Angaben zufolge in Mitteleuropa
(0,4 bzw. 3,2 %). Berücksichtigt man in der Berech- zwischen 20 und 80 kg N/ha x Jahr (Kreutzer, 1993).
nung der regionalen Emissionen zusätzlich die unter- Der Stickstoffeintrag aus der organischen Düngung
schiedlichen Düngerarten entsprechend ihrer spezifi- (Tierexkremente, Siedlungsabfälle etc.) ist global
schen Emissionsfaktoren (nach Eichner, 1990, In: ebenfalls nicht abschätzbar, zumal unbestimmt ist,
Beese, 1994), verschieben sich die Anteile an den welcher Anteil dieses Stickstoffs sich in einem land-
N2O -Emissionen zum Teil erheblich. Eine Auswer- wirtschaftsinternen Kreislauf befindet oder — insbe-
tung zahlreicher vorliegender Versuchsreihen ergab sondere in der intensiv betriebenen Landwirtschaft
eine mittlere N 2O -N-Emission (Anteil an der ausge- der Industrieländer — den Kreislauf verläßt. Der
brachten N-Menge) bei verschiedenen Düngerfor- Stickstoffüberschuß, der dem System ursprünglich im
men von 2,7 % bei reinen Ammoniakdüngern, 0,44 % Bereich der Landwirtschaft zugeführt wurde, trägt
bei Ammonium-Nitrat-Düngern, 0,07 % bei Kalium-, über verschiedene Wege zu N 2O -Emissionen bei.
Calzium- oder Natrium-Nitrat-Düngern, 0,11 % bei Beginnend mit dem innerbetrieblichen N-Kreislauf,
Harnstoff und von 0,25 % bei Gründüngung (Eichner, über Verarbeitungsbetriebe, Siedlungen und Abf all-
1990, In: Beese, 1994). Die Bundesrepublik Deutsch- beseitigung treten gasförmige N-Freisetzungen auf.
land ist aufgrund des hohen Anteils an Ammonium- Bei der Abwasseraufbereitung werden in der Denitri-
Nitrat-Düngern mit tendenziell niedriger N 2O -Emis- fikationsstufe aufgrund der Eiweißüberschüsse in der
sion trotz eines Anteils am weltweiten N-Düngerein- menschlichen Ernährung in erheblichem Umfang N-
satz von 3 % nur mit 2,4 % an der weltweiten haltige Gase und anteilig N 2O freigesetzt. Die Ammo-
N2O -Emission beteiligt. Nordamerika hat dagegen niakemissionen (NH 3 ), die im wesentlichen durch die
einen im Vergleich zur ausgebrachten N-Dünger- landwirtschaftliche Güllelagerung und -düngung ver
menge überproportionalen Beitrag an den N 2O -Emis ursacht werden, tragen maßgeblich zur Eutrophie-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

Abbildung 2.5: Stickstoffflüsse zwischen landwirtschaftlich genutzten Flächen und Konsumenten (nach Beese, 1994).

rung (Überdüngung) und Versauerung naturnaher schaftlich genutzten Flächen exportierten Stickstoffs
Ökosysteme (Waldsterben) bei. Der überschüssig aus- wieder in die Landwirtschaft zurückzuführen (Beese,
gebrachte Stickstoff gelangt als Nitrat ins Grundwas- 1994).
ser oder wird gasförmig freigesetzt. Die jährlichen
Stickstoffverluste aus landwirtschaftlich genutzten Die Abweichung zwischen den bisherigen Annahmen
Flächen werden für die alten Bundesländer Deutsch- und den tatsächlich von der Landwirtschaft verursach-
lands auf ca. 25 kg N/ha x Jahr durch Denitrifikation, ten N2O -Emissionen wird im folgenden am Beispiel
44 kg N/ha x Jahr durch Ammoniakausgasung und einer nationalen Stickstoffbilanz für die Bundesrepu-
50 kg N/ha x Jahr durch Nitratauswaschung geschätzt blik Deutschland veranschaulicht. Zunächst werden
(Kuntze, 1991). Die wirtschaftlichen Verluste allein die verschiedenen Stickstoffeinträge dargestellt.
durch die Ammoniakausgasung belaufen sich in der
Bundesrepublik Deutschland nach vorsichtigen
Schätzungen auf 250 bis 300 Mio. DM/Jahr, gemessen a) Depositionen
an dem Düngerwert des Stickstoffs (Brockerhoff,
1991). Durch die Eutrophierung wirken nichtlandwirt- Zum N-Eintrag in landwirtschaftliche Nutzflächen
schaftliche Ökosysteme (Wälder, Oberflächen- und bzw. zur N-Belastung aller Ökosysteme tragen neben
Grundwässer) als „Transformatoren" des eingebrach- den von der Landwirtschaft verursachten Ammoniak-
ten Stickstoffs in langlebige klimawirksame Spuren- Emissionen (Tierhaltung, Wirtschaftsdüngung) auch
gase (N 2O ) (Kreutzer, 1993). Die N 2O -Emissionen, die die Stickstoffoxid-Emissionen aus der Verbrennung
von der Landwirtschaft verursacht werden, liegen fossiler Energieträger in Verkehr, Industrie, Haushal-
daher deutlich über den obengenannten Emissions- ten und auch in der Landwirtschaft bei. Die nationalen
werten. Wenn es gilt, die Quellen für unerwünschte Emissionen sind in Abschnitt C, Kap. 3.5.3, Tab. 3.8
Spurengase (N 2O , NOx und NH3 ) zu stopfen, müssen dargestellt.
außerhalb der Landnutzung liegende Kreisläufe in die
Betrachtung mit einbezogen werden. In Abb. 2.5 ist Die Abschätzung der trockenen Deposition von NO X
daher schematisch dargestellt, wo Stickstoffverluste 3 bzw. NH4 + ist wegen der vielen Einflußgrö- undNH
auftreten können. Ziel muß es sein, auch diese — ßen (Immissionsdichte, Depositionsgeschwindigkeit,
durch zunehmende Spezialisierung und Intensivie- Bestand, Mikroklima etc.) sehr schwierig (Hadwiger-
rung zerstörten — Kreisläufe wieder weitgehend zu Fangmeier u. a., 1992). Die gemessenen Jahresmittel
schließen und den größten Teil des von den landwirt der nassen NH4 +-Deposition auf Freilandflächen
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Abbildung 2.6: Mittlere Bulk1)-Depositionraten von Ammoniak (in kg NH 4+/ha x Jahr) im


Freiland (ABL: 1983-1987) (nach FBW, 1989, In: Hadwiger-Fangmeier u. a.,
1992)
1 ) Bulk-Deposition = nasse und trockene Deposition sedimentierender
Stoffe

schwanken regional zwischen zwischen 2 und 22 kg Eintrag von Stickstoff bei. In Tab. 2.19 sind aktuelle
NH4 +-N/ha x Jahr (Abb. 2.6) (FBW, 1989; Wintermeyer Meßergebnisse der Freiland-N-Deposition in ver-
u. Klockow, 1989, Beide in: Hadwiger-Fangmeier schiedenen Regionen Westeuropas aufgeführt.
u. a., 1992). Für die neuen Bundesländer wird die
Die N-Einträge allein aus der nassen Deposition
NH3/NH4 +-Gesamtdeposition auf 15 bis 25 kg N/ha x
liegen demnach in Deutschland (ABL und NBL) zwi-
Jahr geschätzt (Möller u. Schieferdecker, 1989, In:
schen 11 und 40 kg N/ha x Jahr. Hierzu sind die
Hadwiger-Fangmeier u. a., 1992). Die durchschnittli-
Einträge aus der trockenen Deposition noch zu addie-
che Gesamtdeposition für die alten und neuen Länder
ren. Je nach Art der Vegetationsbedeckung können
wird mit 16,4 kg N/ha x Jahr (bei erheblicher klein-
die Depositionsraten insbesondere in belasteten
räumiger Variabilität) angegeben (Hadwiger-Fang-
Regionen wesentlich höher liegen. Erklärt wird dies
meier u. a., 1992). Besonders im westdeutschen Raum
durch den „Auskämmeffekt" der rauhen Vegetations-
und in weiten Bereichen der norddeutschen Tief-
oberflächen, an denen sich trockene Depositionen
ebene sind erhöhte NH 3/NH4 +-Einträge zu beobach-
verstärkt ablagern und durch Stammabfluß und Kro-
ten.
nentraufe in den Boden gelangen. Besonders ausge-
Neben dem Ammoniak/Ammonium (NH 3/NH4+) tra prägt ist dieser Effekt in Wäldern, bzw. an Waldrän
gen auch die Stickstoffoxide (NO X) bzw. daraus gebil dern (Abschnitt C, Kap. 3.5.3) (Isermann, 1994).
dete Säuren/-Ionen (HNO 3/NO 3 - ) zu dem gesamten Ebenso können die N-Einträge auch in Abhängigkeit
Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Tabelle 2.19

Nasse (Ionogene) und trockene (gasförmige) Freiland-N-Depositionen in einigen Regionen Westeuropas


(Isermann, 1994)

Atmosphärische N-Deposition (kg N/ha.a)

Land Oberfläche Reduzierter N Oxydierter N


Gesamt
NH4 + NH3 NO3 - NOx HNO3 N

1. Niederlande (1980)
(CCRMX 1988)
a) nur ionogen Gesamte 14,2 - 7,4 - - 21,6
b) zusätzlich gasförmig Vegetation 14,2 9,4 7,4 13,3 1,6 45,9

2. Süd/Ost-England
(Goulding 1990)
a) nur ionogen Ackerpflanzen 5,8 - 5,9 - - 11,7
b) zusätzlich gasförmig (n=4 Standorte) 5,8 13,7 5,9 5,5 6,5 37,4

3. DDR
(Graf und Nagel 1990) Glasgefäß 22,0 - 18,0 - - 40,0

4. BRD
a) Hessen (1983/1988)
(Balâzs 1991) Glasgefäß 5,3 - 7,5 - - 12,8
b) Bayern (1987/1989)
(Müller et al. 1990) Glasgefäß 12,0 - 6,0 - - 21,0
c) Baden-Württemberg (1988/1990)
(Hochstein und Hildebrand 1988) Glasgefäß 5,9 - 5,2 - - 11,1

5. Nordsee
(Asman 1987, Toupance 1987) Glasgefäß 7,0 - 3,0 - - 10,0

6. Ostsee
(Asman 1987, Toupance 1987) Glasgefäß 4,0 - 3,0 - - 7,0

von der Emissionsdichte bzw. der Nähe zum Emitten- b) Mineraldüngung


ten (Industriegebiet, Massentierhaltung) regional
noch erheblich höher sein. In den Niederlanden In der Bundesrepublik Deutschland (ABL+NBL) wur-
wurden Einträge bis zu 200 kg N/ha x Jahr, in der den 1990 2,413 Mio. t N als Mineraldünger ausge-
Wingst bis 72 kg N/ha x Jahr gemessen, die immer bracht (Bouwman u. a., 1991). Bezogen auf die land-
durch entsprechend hohe NH 3/NH4 +-Einträge aus der wirtschaftlich genutzte Fläche (1992: 16,858 Mio. ha;
Landwirtschaft verursacht sind (Zöttl, 1990; Lamers- BML, 1993 b) ergibt sich ein durchschnittlicher Dün-
dorf u. Büttner, 1989; Beide in: Isermann, 1994). Die gereinsatz von 143 kg N/ha x Jahr. In den alten
jetzige N-Belastung in der Bundesrepublik Deutsch- Bundesländern ist der Stickstoffeinsatz seit seinem
land wird von Isermann (1994) mit etwa 30 kg N/ha x Höchststand 1988 leicht rückläufig. Dieser Trend ist
Jahr für Freilandflächen (Grünland-, Ackerflächen auch in den neuen Ländern erkennbar.
etc.) und mit etwa 20 bis 80 kg N/ha x Jahr für Wälder
angegeben.
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Tabelle 2.20

Stickstoffdüngerverbrauch der Landwirtschaft in Deutschland (Alte Länder)


(in 1 000 Tonnen N) (BML, 1993b und d)

1950/1951 1960/1961 1970/1971 1980/1981 1987/1988 1988/1989 1989/1990 1990/1991 1991/1992 1992/1993

362 619 1 131 1551 1601 1540 1487 1368 1351 1280

kg N je Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche

25,6 43,4 83,3 126,6 133,9 129,2 125,1 115,3 114,1 108,2

Abbildung 2.7: Entwicklung des Düngereinsatzes in der Bundesrepublik Deutschland


(Statistische Jahrbücher des BML).
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Abbildung 2.8: Stickstoffzufuhr aus der mineralischen Düngung (1987/1991) (Becker u. a.,
1993, In: Isermann, 1994):

In der Abb. 2.8 ist die regionale Intensitätsverteilung Mittel der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche
der mineralischen Stickstoffdüngung dargestellt. geht man daher von einer jährlichen symbiotischen
N2 -Fixierung in Höhe von 15 kg N/ha LN aus. Die
asymbiotische N2-Fixierung durch freilebende Mikro-
c) Biologische N-Fixierung organismen wird auf Ackerland gemäßigter Breiten
auf 7 bis 28 kg N/ha x Jahr geschätzt (Hauck, 1971, In:
Durch den Anbau von Leguminosen wird weltweit Mengel, 1984).
etwa die gleiche Menge an Stickstoff eingebracht, wie
durch die Mineraldüngung (80 bis 90 Mio. t N) (Hauck,
1988, In: Beese, 1994; IPCC, 1992). Im Mittel kann mit d) Wirtschaftsdüngung/Import von Futtermitteln
einer N2-Fixierung durch Leguminosen in Höhe von
125 kg N/ha x Jahr (50 bis 250 kg N/ha x Jahr) Der Stickstoff, der mit Wirtschaftsdüngern aus tieri
gerechnet werden. Der Anbau von Leguminosen ist in schen Exkrementen ausgebracht wird, läuft normaler
Deutschland jedoch stark rückläufig (Abb. 2.14). Im weise in einem innerbetrieblichen Kreislauf. Durch
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

die zunehmende Spezialisierung und die daraus fol- N-Zufuhr durch Wirtschaftsdünger wird im Mittel
gende teilweise Trennung von Tierhaltung und Pflan- aller landwirtschaftlichen Nutzflächen auf etwa 60 bis
zenbau wurden die innerbetrieblichen bzw. regiona- 80 kg N/ha x Jahr geschätzt. Hierbei wurden die mit
len Stickstoffkreisläufe zerstört. Die räumlich konzen- den Exkrementen ausgebrachten Stickstoffmengen
trierte intensive Massentierhaltung ist auf Zukauffut- bereits um 20 % reduziert, da im Stall sowie bei der
termittel, meist Importfuttermittel angewiesen. Allein Lagerung und Ausbringung erhebliche Stickstoffver-
durch Futtermittelimporte gelangen jährlich etwa luste durch die Ammoniakausgasung auftreten
500 000 t Stickstoff in den Nährstoffkreislauf der (Wendland u. a., 1993, In: Isermann, 1994). Die regio-
alten Bundesländer (Leser, 1993). Umgerechnet auf nale Verteilung des N-Eintrags aus Wirtschaftdün-
die landwirtschaftliche Nutzfläche (ABL 1992: gern ist aus Abb. 2.9 ersichtlich. Es wird deutlich, daß
11,73 Mio. ha; BML, 1993 b) errechnet sich allein aus die Wirtschaftsdüngung aufgrund der Konzentration
den Futtermittelimporten ein Stickstoffeintrag von der Tierhaltung bzw. der Desintegration von Tier- und
etwa 42 kg N/ha. Andere Berechnungen kommen auf Pflanzenproduktion vor allem in Nordwestdeutsch-
47 kg N/ha (Isermann, 1994). Die durchschnittliche land (Vechta-Cloppenburg, Ostwestfalen, Münster-

Abbildung 2.9: Stickstoffzufuhr aus der Düngung mit tierischen Wirtschaftsdüngern (1987/
1991) (Becker u. a., 1993, In: Isermann, 1994):
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land) und einigen Regionen von Baden-Württemberg Tabelle 2.21
und Bayern zu erheblich überhöhten Stickstoffeinträ- Mittelwerte der einzelnen Stickstoffbilanzgrößen
gen führt. in den alten (1991) und neuen Bundesländern
(1987/1989) (nach Wendland u. a., 1993,
In: Isermann, 1994; ergänzt)
e) Flächenbezogene Bilanzierung
Alte Neue
Bundesländer Bundesländer
Vergleicht man die Summe der verschiedenen Stick- (kg N/ha LF) (kg N/ha LF)
stoffeinträge auf landwirtschaftlichen Nutzflächen mit
Mineraldüngung 137 132
dem Entzug durch die Pflanzen, ergeben sich erheb- biotische N-Fixierung 30 30
liche Stickstoffüberschüsse. Wirtschaftsdüngung 83 61
Deposition 30 30
Diese Bilanz enthält noch nicht den möglichen Stick-
stoffeintrag durch den N-Rücklauf aus Nachbarsyste- Zufuhr 280 253
men (Klärschlämme, Abwässer, Siedlungsabfälle Entzug durch Pflanzen . 145 133
etc.). Abb. 2.10 stellt die N-Bilanzüberschüsse in ihrer
Saldo 135 120
regionalen Verteilung dar.

Abbildung 2.10: Regionale Verteilung der Stickstoffbilanzüberschüsse (1987/1991) (Becker


u. a., 1993, In: Isermann, 1994):
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In Abb. 2.11 ist die Entwicklung der N-Bilanzen für die Selbst unter der vorsichtigen Annahme eines durch-
alten Bundesländer seit 1950 dargestellt. Die Stick- schnittlichen Eintrages von 200 kg N/ha x Jahr errech-
stoffüberschüsse sind seit Beginn der sechziger Jahre net sich aus der gesamten landwirtschaftlich genutz-
kontinuierlich angestiegen. Außerdem wird deutlich, ten Fläche (1992: 16,858 Mio. ha; BML, 1993 b) ein
daß die Überschüsse eng an den übermäßigen Einsatz Gesamt-N-Eintrag im Bereich der Landwirtschaft von
von mineralischen N-Düngern gekoppelt sind. Daß 3,37 Mio. t N. Unter der Annahme obengenannter
dennoch die Intensivtierhaltungsgebiete besonders Emissionsfaktoren für N 20 von 0,4 bis 3,2 % ergeben
hohe Bilanzüberschüsse aufweisen (vgl. Abb. 2.10), ist sich jährliche Emissionsraten von 0,8 bis 6,4 kg
auf die noch weit verbreitete Unterbewertung der N2O -N/ha bzw. eine Gesamtemission in Höhe von
Gülle als Wirtschaftsdünger zurückzuführen. Die Gül- 13 480 bis 107 840 t N 2O -N durch die Landwirtschaft
leüberschüsse werden allzu oft auf den Flächen „ent- in Deutschland. Diese Gesamtemission liegt etwa
sorgt" , statt sie gezielt als Dünger einzusetzen. Trotz 40 % über der Freisetzung, die allein aufgrund der
Gülledüngung werden die Flächen teilweise zusätz- Mineraldüngung ermittelt wurde (9 700 bis 77 000 t
lich mineralisch gedüngt. Von besonderer Bedeutung N2O -N/Jahr). Dies führte zu einer erheblichen Unter-
ist hierbei die Tatsache, daß die N 2O -Emissionen mit schätzung des landwirtschaftlichen Anteils an der
steigendem Stickstoffumsatz, also steigendem N- globalen N2O -Freisetzung und belegt die Notwendig-
Bilanzüberschuß im Boden überproportional zuneh- keit einer Erweiterung des bisher verfolgten Ansat-
men (Munack, 1993; Beese, 1994). zes.

Abbildung 2.11: Entwicklung des Stickstoffeinsatzes und der Stickstoffüberschüsse auf den
landwirtschaftlich genutzten Flächen in der Bundesrepublik Deutschland
(1950 bis 1986) (Köster u. a., 1988, In: Nicklis, 1991).
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

Nationale Bilanz
K1 Bach, (BRD)
K2 Krüll, (BRD)
K3 Köster et al. (BRD)
K4 Nolte und Werner, (DDR)
K5 Bufe, (DDR)
K6 Isermann und Sturm, (BRD)
VK Vergleichsgruppe konventioneller
Landbau (Haupterwerbsbetriebe)
VO Vergleichsgruppe Ökologischer
Landbau, eigene Berechnung
(nach Flächenanteilen
Agrarbericht 1993)
Öl Bilanzierungen von 7 Praxis-
betrieben, keine Differenzierung
zwischen N-fix und N-Futter
(Hege und Weigelt 1991)
Ö2 nach Nolte (1989)
„Boschheide Hof"
Abbildung 2.12: Vergleich der Stickstoffbilanzen bei konventioneller und ökologischer
Landbewirtschaftung (verschiedene Quellen; In: Haas und Köpke, 1994).

Verschiedene Untersuchungen weisen für die kon- gerecht zu werden, müßte eine weitere Reduzierung
ventionell bewirtschafteten Betriebe in Deutschland der Düngung auf mindestens die Hälfte des derzeiti-
einen Eintrag von durchschnittlich 125 kg N/ha in gen Einsatzes erfolgen.
mineralischer Form und 88 kg N/ha aus organischen
Düngern aus. Die Bilanzierung der Stickstoffaufwen-
dungen und -entzüge ergibt N-Überschüsse in Höhe 2.2.3.2 Biomasseverbrennung
von 88 bis 167 kg N/ha x Jahr. Die Berechnungen für
ökologische Vergleichsbetriebe ergeber bei Einträ- Bei der Verbrennung von Biomasse (Pyro-Denitrifika-
gen um 100 kg N/ha x Jahr Bilanzüberschüsse von tion) entstehen ebenfalls N 2 -, NOR - und N2O -Emissio-
37 bis 76 kg N/ha (Abb. 2.12). Die Ursachen für die nen. Diese Quelle spielt besonders in Afrika und in
wesentlich niedrigeren N-Bilanzüberschüsse und die Südamerika eine wichtige Rolle, wo Brandrodung und
entsprechend geringeren N 2 O-Emissionen im ökolo- Savannenbrände eine übliche Form der Landbewirt-
gischen Landbau liegen im Verbot mineralischer schaftung darstellen und Holz ein wichtiger Energie-
N-Dünger, in der flächengebundenen Tierhaltung mit träger ist. Die Freisetzung stickstoffhaltiger Spuren-
erheblich niedrigeren Tierbesatzdichten und dem gase aus der Biomasseverbrennung wird global auf 15
limitierten Futtermittelzukauf (Haas u. Köpke, bis 46 Mio. t N/Jahr geschätzt. Der Anteil des N 2O
1994). 2 O-N/Jahr (IPCC, 1992). beträg0,2is1Mo.N
Der derzeitige rückläufige Einsatz von Stickstoffdün- Die Biomasseverbrennung kann aber auch in anderen
gemitteln ist zwar sehr erfreulich, kann aber die Regionen der Welt an Bedeutung gewinnen, wenn im
erheblichen Bilanzüberschüsse bei weitem nicht aus- Zuge der Erzeugung nachwachsender Energieträger
reichend senken. Um dem Entzug durch die Pflanzen die Verbrennung von Biomasse zunimmt.
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

2.2.3.3 Indirekte Einflüsse der Landwirtschaft auf die eingebunden (Abschnitt A, Abb. 1.2). Pflanzen neh-
Distickstoffoxidemissionen aus anderen men bei der Photosynthese Kohlendioxid aus der
Ökosystemen Umgebungsluft auf. Mit Hilfe von Sonnenenergie
werden aus Kohlendioxid und Wasser organische
Bodenversauerung Verbindungen und kohlenstoffhaltige Biomasse auf-
-
gebaut. Durch den nachfolgenden Abbau dieser Bio-
Die Deposition stickstoffhaltiger Spurengase aus der
masse bei der Veratmung durch Pflanzen, Tiere und
Landwirtschaft (vor allem NH 3 , aber auch NO R) trägt Mikroorganismen wird der Kohlenstoff wieder als
in Deutschland (neben dem Verkehrs- und Energie-
CO 2 in die Atmosphäre abgegeben. Anteile des in der
sektor) etwa zu einem Drittel zu der Versauerung der
Biomasse gebundenen Kohlenstoffs werden unter
Böden bei (Abschnitt C, Kap. 3.5.3) (BMU, 1994;
anaeroben Bedingungen auch mikrobiell zu Methan
Isermann, 1994). Infolgedessen können durch chemi-
(CH4 ) abgebaut (Kap. 2.1.1).
sche Reaktionen des Nitrits (NO 2 -) oder der salpetri-
gen Säure (HNO 2 im Boden ebenfalls NO und N 2 O
) Das Ergebnis der Nettoaufnahme von atmosphäri-
gebildet werden. Diese Vorgänge bezeichnet man als schem CO 2 durch die Pflanzen wird als Nettoprimär-
Chemo-Denitrifikation. produktion (NPP) bezeichnet. Sie ergibt sich aus der
Bruttoprimärproduktion abzüglich der Respiration der
Pflanzen (Licht- und Dunkelatmung). Der bei der NPP
Eutrophierung fixierte Kohlenstoff wird mit unterschiedlicher Ver-
Der Stickstoff- und Phosphateintrag aus der Landwirt- weildauer in Form
schaft in außerlandwirtschaftliche Ökosysteme erhöht — lebender Biomasse (Pflanzen),
auch dort die Freisetzung stickstoffhaltiger Spuren-
gase. Daneben führt die Eutrophierung und die Ver- — toter Biomasse (Bestandsabfall),
sauerung der Böden durch die Verschiebung des — organisch gebundenen Kohlenstoffs in Böden bzw.
Nährstoffgleichgewichtes, die verstärkte Auswa- Sedimenten (Humus, Torf etc.),
schung basisch wirkender Nährstoffionen, die Freiset-
zung von toxischen Schwermetallionen aufgrund der — in der Biomasse der Konsumenten (Menschen,
pH-Wert-Absenkung und die Schädigung der Fein- Tiere) gespeichert.
wurzelsysteme und der Mykorrhiza zur Minderung Die Kohlenstoffspeicher sind saisonalen und langfri-
der Vitalität und einer direkten Schädigung insbeson- stigen Veränderungen unterworfen. Bei Betrachtung
dere natürlicher/naturnaher Ökosysteme. Der einsei- über einen längeren Zeitraum stellt sich ein Fließ-
tige Nährstoffüberschuß führt zur Förderung und gleichgewicht zwischen der CO 2 -Senke (CO 2 -Fixie-
Zunahme einzelner stickstoffliebender Arten und rung durch die NPP) und der CO 2 -Quelle (CO 2
damit zu einer Änderung der Vegetationszusammen- Freisetzung durch die Respiration) ein. Die Größe der
setzung, einer allgemeinen Reduktion der Artenviel- Speicher bleibt unverändert, solange sich Zu- und
falt und zur Destabilisierung nährstofflimitierter Öko- Abfluß des Kohlenstoffs ausgleichen. Verändert sich
systeme. Der überhöhte Stickstoffeintrag aus der aber der Umfang der CO 2 -Fixierung oder der CO 2
Atmosphäre untergräbt damit alle bisherigen Maß- Freisetzung, so verändert sich der Kohlenstoffgehalt
nahmen zum Schutz gerade nährstoffarmer und der Speicher.
zugleich artenreicher Standorte.
Langfristige Änderungen der NPP bzw. der Kohlen-
stoffspeicherung in der terrestrischen Biosphäre wer-
2.3 Kohlendioxid (CO2 ) den verursacht durch (Esser, 1994):
— Landnutzungsänderungen, Inkulturnahme natür-
Die Landwirtschaft trägt vor allem durch die Landnut- licher oder naturnaher Flächen, Flächenstillegung,
zungsänderungen zur CO 2 -Freisetzung bei. Erhebli- Wiederaufforstung;
che Kohlenstoffmengen sind weltweit in den Böden
und der darauf wachsenden Biomasse gespeichert — Änderungen der Anbausysteme, Extensivierung,
(Abschnitt A, Abb. 1.2). Durch die Vernichtung vor Intensivierung;
allem tropischer Wälder, durch die Brandrodung und
— Änderungen des chemischen und physikalischen
Rodung sowie die nachfolgende landwirtschaftliche
Klimas;
Nutzung der ehemals bewaldeten Flächen mit einset-
zendem Humusabbau und Bodenerosion werden — Änderungen der CO 2 -Konzentration der Atmo-
erhebliche Mengen an CO 2 und anderen klimarele- sphäre;
vanten Spurengasen emittiert. Darüber hinaus ist die
Landwirtschaft durch die zunehmende Technisierung
und den wachsenden Einsatz von energieintensiven 2.3.2 Landnutzungsänderungen
Vorleistungen (Treibstoff, Maschinen, Mineraldün-
ger, Futtermittelimporte) vor allem in den Industrie- Unter Landnutzungsänderung ist hier die zeitweise
ländern an dem Verbrauch fossiler Energieträger oder dauerhafte Inkulturnahme natürlicher oder
(Kohle, Erdöl, Erdgas) beteiligt. naturnaher Flächen zu verstehen. Die ursprüngliche
Vegetation wird dabei weitgehend oder vollständig
2.3.1 Kohlendioxidkreislauf verdrängt, die ehemals vorhandenen Wälder werden
vernichtet. Der Prozeß der Landnahme begann mit der
Das atmosphärische Kohlendioxid ist in einen globa landwirtschaftlichen Aktivität des Menschen im Früh-
len geo- bzw. biochemischen Kohlenstoffkreislauf neolithikum. In zunehmendem Umfang rodete der
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Mensch Wälder, um freie Flächen für Äcker und bau, Holzkohlegewinnung, Verhüttung etc.) zum
Weiden zu schaffen. Das Holz nutzte er als Brennma Opfer. Im ausgehenden Mittelalter waren selbst große
terial und zum Bau seiner Häuser und Stallungen. In Teile der heutigen Waldgebiete vollkommen kahl-
den vergangenen Jahrzehnten bis zur Gegenwart geschlagen. In den gemäßigten Breiten gibt es daher
erfolgte die Landnutzungsänderung überwiegend nur noch Reste einer ursprünglichen, vom Menschen
durch die Brandrodung tropischer Wälder. unbeeinflußten Vegetation. Erst im Laufe des 19. Jahr- -
hunderts kam es in Mitteleuropa zu einer auf „Nach-
haltigkeit" ausgerichteten Forstwirtschaft mit einer
2.3.2.1 Ausmaß der Landnutzungsänderungen planvollen (Wieder-)Aufforstung der heutigen Wirt-
schaftswälder, die jedoch auch für die großflächigen
Vor 10 000 Jahren war die Landoberfläche der Erde Fichtenmonokulturen verantwortlich ist. In Kanada
etwa zur Hälfte (6,2 Mrd. ha) mit Wäldern bedeckt, und den USA erfolgte die Inkulturnahme neuer Land-
drei Viertel hiervon waren geschlossene Wälder wirtschaftsflächen im wesentlichen zwischen 1860
(4,7 Mrd. ha). Heute existieren noch schätzungsweise und 1930 (Haider, 1993) (Abb. 2.13). (Zur Entwicklung
2,8 Mrd. ha geschlossene und 1,2 Mrd. ha offene der Wälder in den gemäßigten und borealen Breiten
Wälder (FAO, 1992). siehe Abschnitt C).
Durch die Zunahme der landwirtschaftlichen Produk-
Tabelle 2.22 tivität in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
stabilisierte sich in Mitteleuropa der Anteil der Wald-
Verteilung der Landflächen der Erde (in Mrd. ha) fläche. Durch die Intensivierung und den Produktivi-
während der vergangenen 10 000 Jahre tätszuwachs in der Landwirtschaft werden bei gleich-
(FAO, 1992; Heinloth, 1993 1 )) bleibender Bevölkerung mittlerweile sogar erhebli-
che Überschüsse erwirtschaftet, die eine Stillegung
und Aufforstung ehemals bewirtschafteter Flächen
Eisfreie Landfläche der Erde 13,08
ermöglichen (Tab. 2.23 u. 2.24) .
Waldfläche zu Beginn der Warmzeit 6,20 In Lateinamerika, Afrika und Teilen Asiens wurde
— geschlossener Wald 4,68 bzw. wird dagegen bei anhaltendem Bevölkerungs-
wachstum die landwirtschaftliche Nutzfläche durch
— offener Wald 1,52 die Rodung der tropischen Wälder ständig weiter
ausgedehnt. Die Ausweitung der landwirtschaftlichen
Waldfläche heute 4,08 Nutzflächen ist zu etwa 90 % für die derzeitige
— geschlossener Wald 2,83 Vernichtung der tropischen Regenwälder verantwort-
— offener Wald 1,24 lich (Amelung u. Diehl, 1991).

Landwirtschaftliche Fläche heute 4,69


— Ackerland 1,47 Tabelle 2.23
— Dauergrünland 3,22
Entwicklung der landwirtschaftlichen Nutzfläche
Eisflächen und Wüsten 3,5 1 ) und Waldfläche (in 1 000 ha) in Deutschland
(Alte Bundesländer) (Verschiedene Jahrbücher
Siedlungs- und Verkehrsflächen 0,6 1 ) des Statistischen Bundesamtes)

Landwirtschaftliche
Jahr Waldfläche
Nutzfläche
Als erste Folge von Rodungen und Überweidungen,
begleitet von klimatischen Veränderungen, setzte
1935/1938 14 612 6 952
bereits vor etwa 6000 Jahren im Mittleren Osten und
im Gebiet der heutigen Sahara die Desertifikation 1957/1961 14 255 7 062
(Wüstenbildung) ehemals fruchtbarer Landstriche ein 1968 13 871 7 184
(Flohn, 1980; Krause u. a., 1992). Weite Teile der 1972 13 480 7 196
ursprünglichen Laub- und Misch-Urwälder, die bis in
1976 13 270 7 165
das frühe Mittelalter hinein Mitteleuropa zu drei
Vierteln bedeckt hatten, fielen überwiegend im 11. bis 1981 12 197 7 328
14. Jahrhundert der Ausdehnung der Besiedlung und 1985 12 019 7 360
der Landwirtschaft, in den folgenden Jahrhunderten 1990 11 867 7 401
auch dem Schiffsbau und der Industrialisierung (Berg
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Tabelle 2.24

Veränderung der Ackerfläche in einzelnen Ländern und verschiedenen Regionen der Erde
(Bouwman u. a., 1991)

Ackerfläche und Dauerkulturen (ohne Grünland/Weiden)


(in 1000 Hektar)

Staat/Region Jährliche
Änderung
1960 1980 1990
in Prozent
(1960 bis 1990)

Deutschland (Alte Bundesländer) 8 503 7 496 7 466 -0,4


Deutschland (DDR/Neue Bundesländer) 5 090 5 034 4 924 -0,1
Deutschland (Gesamt) 13 593 12 530 12 390 -0,3
Belgien 935 838 820 -0,4
Dänemark 2 817 2 653 2 568 -0,3
Frankreich 21 405 18 643 19 547 -0,3
Griechenland 3 701 3 925 3 929 +0,2
Großbritannien 7 266 7 012 6 988 -0,1
Irland 1 362 972 963 -1,0
Italien 15 608 12 436 12 149 -0,7
Niederlande 1 027 860 931 -0,3
Portugal 4 130 3 550 2 750 -1,1
Spanien 20 730 20 499 20 380 -0,1

EU (Gesamt) 92 600 83 900 83 400 -0,3


OECD (ohne EU) 34 500 36 700 35 900 +0,1
GUS 228 600 232 000 232 400 +0,1
restliches Europa 51 100 48 700 48 500 --0,2

Nordamerika 226 800 235 800 235 900 +0,1


Lateinamerika 107 200 171 900 179 800 +2,3
Afrika k. A. 181 100 186 600 k. A.
Mittlerer Osten 43 100 36 700 37 800 -0,4
Japan/Ozeanien 36 600 49 200 53 000 +1,5
Süd-/Ostasien 252 700 269 300 272 000 +0,3
Zentralverwaltung Asien 115 800 113 500 110 000 -0,2
Welt 1434 000 1460 000 1475 000 +0,1

Während die LN zwischen 1900 und 1980 in Europa Tabelle 2.25


um 6 % abnahm, hat sie sich im gleichen Zeitraum
weltweit verdoppelt, im tropischen Afrika verdrei- Weltweite Veränderung der Flächenanteile
facht und in Südostasien sogar vervierfacht (EK, von landwirtschaftlichen Nutzflächen und Wäldern
1990 a). Seit etwa 1930 werden aus den tropischen in den vergangenen 100 Jahren
Waldgebieten Südamerikas, Afrikas und Asiens (in Mio. ha) (FAO, 1991)
erhebliche Mengen an Kohlendioxid durch Brandro-
dungen und Landnutzungsänderungen freigesetzt. Veränderung
Stand Stand
Durch die weltweit zunehmenden Rodungsaktivitä- 1882 1991 in in
ten nahmen die Waldbestände der Erde seit 1860 um Mio. ha Prozent
etwa ein Viertel ab.
Von den ursprünglich vorhandenen immergrünen Ackerland 860 1 470 610 + 71
und wechselgrünen Feuchtwäldern der Tropen sind Dauergrünland 1 500 3 220 1 720 +115
bis heute schätzungsweise 800 Mio. ha in landwirt- Wald 5 200 4 080 1 120 - 22
schaftliche Nutzflächen umgewandelt worden. Davon
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
wurden 350 Mio. ha zu Weideflächen und weitere atmosphäre" aus dem Jahr 1990 dargestellt (EK,
300 Mio. ha fielen erstmals dem Wanderfeldbau zum 1990 a).
Opfer. Auf weiten Teilen der gerodeten Flächen sind
die Böden rasch so erheblich geschädigt, daß sie Bei der Umwandlung von natürlicher Vegetation in
landwirtschaftlich nicht mehr genutzt werden können landwirtschaftliche Nutzflächen (LN) sind seit 1850
und daher ständig neue Flächen gerodet werden schätzungsweise 80 bis 150 Mrd. t CO 2 -Kohlenstoff -
müssen (EK, 1990 a). Zwischen 1980 und 1990 wurden aus Biomasse und Böden freigesetzt worden (IPCC,
jährlich durchschnittlich 15,4 Mio. ha gerodet. 1980 1990 a). Die bestehenden Unsicherheiten gehen aus
betrug die tropische Waldfläche etwa 1 910 Mio. ha, der Bandbreite der publizierten Schätzungen hervor,
1990 schätzte man die Restfläche der tropischen die von 56 Mrd.t CO 2 -C (Richards u. a., 1983, In: Esser,
Wälder weltweit auf etwa 1 756 Mio. ha (Lateiname- 1994) bis zu 225 Mrd.t CO 2 -C (Woodwell u. a., 1983,
rika: 920 Mio. ha; Afrika: 530 Mio. ha; Asien: In: Esser, 1994) reichen. Im Vergleich hierzu wurden
310 Mio. ha) (FAO, 1993). Der Einfluß der Landnut- im selben Zeitraum durch die Verbrennung fossiler
zungsänderungen und der Landwirtschaft auf die Energieträger etwa 150 bis 190 Mrd.t CO 2 -Kohlenstoff
Brandrodung der Tropenwälder ist ausführlich im in die Atmosphäre abgegeben (Rotty, 1987). Die
zweiten Bericht „Schutz der tropischen Wälder" der Waldrodungen und Landnutzungsänderungen sind
Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erd daher für ein Drittel bis die Hälfte des Anstiegs der

Abbildung 2.13: CO 2-Kohlenstofffreisetzung in die Atmosphäre durch Landnutzungsände-


rungen in Lateinamerika, Afrika, Nordamerika und Europa zwischen 1860
und 1980 (in Mio. t CO 2-C) (Houghton u. a., 1983).
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

atmosphärischen CO 2 -Konzentration verantwortlich, — Entnahme von Erntegut, Schädlingsbefall und


der seit Beginn der Industrialisierung vom Menschen andere Phytomasseverluste an Konsumenten;
verursacht wurde (Abschnitt A, Tab. 1.3).
— Einfache Bestandesstruktur, geringere Licht-,
Neben den umfangreichen Brandrodungen in den Wasser- und Nährstoffabsorption, späterer Bestan-
tropischen Wäldern kommt es in weiten Bereichen der desschluß; -
tropischen und subtropischen Savannengebiete zu
— Geringere Anpassungsfähigkeit und höhere An-
regelmäßigen Bewirtschaftungsbränden. Alle ein bis
fälligkeit landwirtschaftlicher (Mono-)Kulturen
drei Jahre wird der Aufwuchs abgebrannt, um die
gegenüber Wetterextremen, Krankheiten und
natürliche Regeneration der Weideflächen zu fördern.
Schädlingen.
Hiervon ist eine Fläche von etwa 2,6 Mrd. ha betroffen
(etwa 1 Mrd. ha/Jahr). Teilweise hatten und haben Die höhere NPP der potentiellen natürlichen Vegeta-
diese Savannenbrände auch natürliche Ursachen. Das tion kann in landwirtschaftlichen Kulturen nur bei
Abbrennen der Vegetation hat nur dann Auswirkun- Anwendung hoher Düngermengen und intensivem
gen auf den globalen Kohlenstoffhaushalt, wenn sich Pestizideinsatz erreicht werden. Die großflächige
die Häufigkeit und Intensität durch menschliche Ein- Umwandlung natürlicher Vegetation in landwirt-
griffe verändert hat oder zukünftig verändern wird schaftlich genutzte Flächen hat somit schwerwie-
(Esser, 1994). Darüber hinaus werden insbesondere in gende Konsequenzen für den Kohlenstoffhaushalt:
den Tropen erhebliche Mengen an Holz, Tierdung
— Der Umwandlungsprozeß setzt direkt erhebliche
und landwirtschaftlichen Ernteresten (Reisstroh etc.)
zur Energiegewinnung verbrannt. Mengen an CO 2 frei, insbesondere bei der heute
überwiegend angewandten Brandrodung.
— Die reduzierte NPP vermindert die CO 2 -Kohlen-
2.3.2.2 Kohlendioxidemissionen
stoffbindung in der pflanzlichen Biomasse.
Durch die Umwandlung natürlicher Waldbestände in
— Die verringerte Biomasseproduktion reduziert die
landwirtschaftlich genutzte Flächen wird der pro
Zufuhr in die Kohlenstoffspeicher Bestandesabf all
Flächeneinheit ober- und unterirdisch gespeicherte
undHms.ZätzlichwerdnHumsab
Kohlenstoff um den Faktor 20 bis 100 reduziert
und die Bodenerosion/-degradation durch die
(Houghton u. a., 1983). Wird ein Quadratmeter tropi-
Landnutzung verstärkt.
schen Regenwaldes gerodet und durch landwirt-
schaftliche Kulturen ersetzt, verringert sich der in der — Mit den Erntegütern wird die gebildete Biomasse
lebenden und toten Biomasse gespeicherte Kohlen- teilweise dem System entnommen und den Koh-
stoff von 15 bis 20 kg C/m 2 auf unter 1 kg C/m 2 (Esser, lenstoffspeichern entzogen.
1990). Der Differenzbetrag wird durch Verbrennung
Die Brandrodungen und Savannenbrände in den
oder mikrobielle Zersetzung der gerodeten Biomasse
und des Bestandesabfalls sowie durch die erhöhte tropischen Ländern setzen den in der Biomasse ent-
Mineralisation des im Boden vorhandenen Humus haltenen Kohlenstoff nicht nur als CO 2 , sondern auch
vorwiegend als CO 2 freigesetzt. als Kohlenmonoxid (CO) oder Methan (CH 4 ) frei.
Stickstoff wird vorwiegend in Form von Stickstoffoxi-
Die Netto-Kohlenstofffreisetzung durch Brandrodung den (NOx) und Distickstoffoxid (N 2O ) an die Atmo--
und Savannenbrände ist abhängig von der Menge des sphäre abgegeben.
ober- und unterirdisch gespeicherten Kohlenstoffs,
der Schwere des menschlichen Eingriffs und dem
Ausmaß der CO 2 -Kohlenstoffixierung durch eine ver-
Tabelle 2.26
bleibende oder erneut aufwachsende Folgevegeta-
tion. Je nach Art der Sekundärvegetation wird ein
Anteile verschiedener
unterschiedlich großer Anteil des freigesetzten CO 2
Biomasseverbrennungsprozesse
wiedrnBomasgbue.ISvnwächstim
an der Netto-Freisetzung von kohlenstoff-
Gegensatz zu den Tropenwäldern meist eine mengen-
und stickstoffhaltigen Gasen in den Tropen
mäßig vergleichbare Pflanzenmasse rasch wieder
(in Mio. t/Jahr) (IPCC, 1992)
nach und bindet große Anteile des zuvor freigeworde-
nen CO 2 . Daher sind die Netto-CO 2 -Emissionen je
Flächeneinheit dort weit geringer als bei der Brandro- Kohlenstoff Stickstoff
Verbrennungsprozeß emission in emission in
dung der Regenwälder (Hao u. a., 1989).
Mio. t C/Jahr Mio. t N/Jahr
Die NPP landwirtschaftlicher Kulturen liegt generell
unter derjenigen der potentiellen natürlichen Vegeta- Wanderfeldbau 500 —1 000 5 —10
tion des jeweiligen Standortes. In den Entwicklungs- Dauerhafte
ländern werden im allgemeinen nur 10 bis 20 % der Entwaldung 200— 700 2 —7
natürlichen Produktivität erreicht. Die Gründe für Savannenbrände 300-1600 2 —10
diese Reduktion sind in der Reihenfolge ihrer Bedeu-
tung (Esser, 1994): Brennholz 300— 600 1,5— 3
Landwirtschaftliche
— Unterbrechung des Mineralstoffkreislaufs Pflanze Abfällel) 500— 800 5 —16
Boden durch den Verlust der Bestandesabfallauf-
lage, das Abbrennen der Vegetation und des Summe 1800-4 700 15 —46
Bestandsabfalls und die verstärkte Mineralstoff
auswaschung; 1) = Ernteabfälle (Stroh etc.), getrockneter Tierdung etc.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Tabelle 2.27

Netto-Freisetzung von kohlenstoff- und stickstoffhaltigen Gasen


bei verschiedenen Biomasseverbrennungsprozessen 1 ) in den Tropen (in Mio. t/Jahr)
(Bouwman u. a., 1991)

Emissionen in Mio. t
Region - -
CO 2 2 ) CO 2 3 ) CH4 CO NOX N 2O

Lateinamerika 461 585 15 125 1,1 0,1


Afrika 354 1 403 25 211 1,6 0,1
Mittlerer Osten 1 9 0 1 0 0
Zentralverwaltung Asien . . 47 21 1 8 0,1 0
Süd-/Südostasien 125 30 2 19 0,2 0

Summe 987 2 047 44 364 3,0 0,2

1) einschließlich 20 Prozent aus der Verbrennung landwirtschaftlicher Abfälle


2) aus der Brandrodung
3) aus Savannenbränden

Die Angaben beinhalten auch die Freisetzung von neten, leichter abbaubaren Anteils der organischen
Spurengasen aus der Mineralisation und Vergärung Substanz liefert kontinuierlich pflanzenverfügbare
(Verrottung) organischer Substanz auf und in den Nährstoffe. Die organische Substanz hat ein hohes
Böden. Nach IPCC (1992) wird die derzeitige globale Absorptionsvermögen (Bindungsvermögen) für Nähr-
CO2 -Freisetzung durch Landnutzungsänderungen stoffe und verringert daher die Nährstoffverluste
auf 1,6 ± 1,0 Mrd. t C/Jahr geschätzt. Die Unsicher- durch Auswaschung. Die organische Substanz ver-
heiten, die diese Schätzung beinhaltet, werden auch bessert die Bodenstabilität (Aggregatstabilität) und
durch die Bandbreite anderer Schätzungen verdeut- somit die Durchlüftung und Sauerstoffversorgung des
licht (Tab. 2.26 und 2.27). Bodens. Dies regt die Tätigkeit von Mikroorganismen
an und verbessert das Bodenleben und das chemische
Milieu des Bodens. Die höhere Bodenstabilität ver-
2.3.3 Degradation der Böden mindert die Erosionsanfälligkeit des Bodens. Darüber
hinaus besitzt die organische Substanz eine hohe
Neben der Verbrennung hat auch die anschließende Wasserkapazität und vermag das Drei- bis Fünffache
-
Mineralisierung unverbrannter kohlenstoffhaltiger ihres Eigengewichtes an Wasser zu speichern.
Biomasse und organischer Substanz der Böden erheb-
lichen Anteil an der Freisetzung von Spurengasen.
Humusabbau
Die landwirtschaftliche Nutzung der Flächen führt im
allgemeinen zu einer niedrigeren NPP und einer Der Humusgehalt der Böden nimmt durch nahezu
geringeren C-Nachlieferung bzw. C-Speicherung in jede Form der landwirtschaftlichen Bearbeitung und
den Böden. Die Bearbeitung und Durchlüftung der Nutzung ab. Gleichzeitig wird in Agrarökosystemen
Böden verstärkt den Humusabbau. Die Erosion des die Nachlieferung von organischer Substanz durch die
freiliegenden Bodens führt zu weiteren Kohlenstoff- niedrigere NPP und den teilweisen Biomasse-Entzug
verlusten durch den Verlust C-haltigen Bodenmate- durch die Ernte und andere Konsumenten verringert.
rials. Die Degradation der. Böden durch Erosion, Deshalb liegt der Humusgehalt bewirtschafteter
Versalzung, Versauerung etc. verringert zusätzlich Böden nahezu ausnahmslos unter dem der ursprüng-
die NPP und damit die C-Senke im pflanzlichen lichen Vegetation. Organische Substanz wird dem
Aufwuchs und in den Böden selbst. Boden in Form von Wurzeln, Ernterückständen, abge-
storbenen Pflanzenteilen (Bestandsabfall) und Boden-
lebewesen sowie durch organische Düngung zuge-
2.3.3.1 Humusabbau, Bodenerosion und führt. Der Humusgehalt des Bodens spiegelt den
Bodendegradation Einfluß des Nutzungssystems und aller anderen öko-
logischen Standortbedingungen wider (Scheffer und
Global sind in der organischen Substanz der Böden Schachtschabel, 1989). Unter gleichbleibenden Um-
etwa 1 500 bis 1 800 Mrd. t C gespeichert. Die orga- weltbedingungen stellt sich nach einer Landnut-
nische Substanz hat zahlreiche positive Wirkungen zungsänderung langfristig ein neues Gleichgewicht
und bestimmt in hohem Maße die physikalischen, zwischen Abbau und Nachlieferung und somit ein
chemischen und biologischen Eigenschaften eines charakteristischer niedrigerer Gehalt an organischer
Bodens und damit das gesamte Bodenleben. Die Substanz ein. Dies gilt für die meisten landwirtschaft-
organische Substanz hat einen hohen Nährstoffge- lich genutzten Böden der gemäßigten Breiten, die
halt. Die Mineralisierung des als Nährhumus bezeich bereits seit Jahrhunderten in Nutzung sind.
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Die Umwandlung von Waldböden in dauerhaft acker- (Tab. 2.28). Der mehrjährige Feldfutterbau und häu-
baulich genutzte Flächen vermindert deren Boden- fige Zwischenfruchtbau mit hohen Ernte- und Wurzel-
kohlenstoffgehalt um etwa 40 %, die Umwandlung in rückständen und längerer Bodenruhe führt dem
Weideflächen um etwa 20 %. Wanderfeldbau verur- Boden erhebliche Mengen organischer Substanz zu.
sacht einen Rückgang des Bodenkohlenstoffgehaltes Die ganzjährige Bodenbedeckung (Zwischenfrucht
um 18 bis 27 % (Detwiler u. Hall, 1988). Bei einer bau) verringert den Humusabbau.
derzeitigen landwirtschaftlichen Nutzfläche von
Die Anbausysteme unterscheiden sich hinsichtlich
1,5 Mrd. ha entspricht der Verlust an humusgebunde-
ihres Kohlenstoffbindungsvermögens kaum (Doran,
nem Kohlenstoff seit Mitte des 19. Jahrhunderts welt-
1992, In: Haas und Köpke, 1994). Die geringere
weit 40 bis 80 Mrd. t C bzw. 5 bis 10 % des
Biomassebildung (NPP) bzw. die geringeren Erträge
gegenwärtigen atmosphärischen CO 2 -Kohlenstoffs
des ökologischen Landbaus werden durch die ver-
(Bouwman, 1990; Haider, 1992). Die Kohlenstofffrei-
mehrte Bildung stabiler organischer Bodensubstanz
setzung in Form von CO 2 durch den Humusabbau ausgeglichen. Dies hat gleichzeitig positive Wirkun-
kann nur grob geschätzt werden, da die regionale
gen auf das Bodenleben und die Bodenstabilität und
Verteilung der ursprünglichen Humusgehalte und die
verringert die Erosionsanfälligkeit auf ökologisch
Anteile leichter bzw. schwerer abbaubarer Humus-
bewirtschafteten Flächen.
fraktionen ungenügend bekannt sind.

Erosion, Degradation und Desertifikation


Humusregeneration der Böden

Die Rodung der natürlichen Vegetation und der


Großflächige Landnutzungsänderungen finden der-
Humusverlust aufgrund der nachfolgenden Bodenbe-
zeit im wesentlichen in den Tropen und Subtropen
arbeitung stellen häufig den Beginn der Bodendegra-
statt. In den gemäßigten Breiten liegt der Umfang der
dation dar. Die Degradation führt zu einem teilweisen
Inkulturnahme neuer Flächen durch Grünlandum-
oder vollständigen Verlust der positiven Bodeneigen-
bruch, Rodung, Entwässerung und Bearbeitung von
schaften, des Bodenlebens oder sogar des Bodenma-
Moorböden etc. unter der gleichzeitigen Flächenstill-
terials und damit der Produktionsfunktion der Böden.
legung. Die Flächenstillegung und Wiederaufforstung
Da jede Form der Bodendegradation die potentielle
führt jedoch nur sehr langsam zu einer Humusanrei-
bzw. tatsächliche NPP verringert, trägt sie auch zu
cherung in den Böden. Bei einer Wiederaufforstung
einer Reduzierung der CO 2 -Senken in Böden und
vorher intensiv genutzter Böden kann es während der
Biosphäre und somit zu einem CO 2 -Anstieg in der
ersten Jahrzehnte sogar zu einem weiteren Abfall des
Atmosphäre bei. Die Degradation der Böden ist allge-
Bodenkohlenstoffgehaltes kommen (Esser, 1994). Die
mein ein natürlicher Prozeß, der aber in erheblichem
jährliche C-Anreicherung beträgt in Tundren, Wäl-
Umfang anthropogen verstärkt und beschleunigt
dern der gemäßigten Breiten und der Tropen, Gras-
wird. Die Ursachen der Bodendegradation liegen
landböden u. a. etwa 2 bis 2,5 g C/m 2 x Jahr. Global
weltweit überwiegend in der Landwirtschaft —
werden jährlich etwa 0,4 Mrd. t C als Bodenhumus
sowohl in der unaufhaltsamen Rodung und Auswei-
festgelegt. Dies entspricht 0,7 bis 0,8 % der jährlichen
tung der Nutzflächen in sensible erosions- und degra--
NPP bzw. 0,02 bis 0,03 % des gesamten im Humus
dationsgefährdete Gebiete als auch in der Intensität
gebundenen Kohlenstoffs. Die Humusbildung ist
der Landnutzung.
somit ein sehr langsamer Prozeß. Es dauert im allge-
meinen Jahrzehnte oder Jahrhunderte, bis die Böden Die weitaus häufigste Ursache der Bodendegradation
nach Stillegung und Aufforstung wieder die ursprüng- ist die Bodenerosion durch Wasser, die direkt von der
lichen Humusgehalte erreichen, die sie durch Rodung Bodenbedeckung (Rodung, Kulturart, Fruchtfolge)
oder Umbruch innerhalb von Jahren und Jahrzehnten und Bodenstabilität (Humusgehalt, Bodenbearbei-
verloren haben. Eine rasche und dauerhafte Steige- tung) abhängt. Daneben fördern falsches Bewässe-
rung des Bodenkohlenstoffgehaltes durch gesteiger- rungs- und Düngemanagement, Bearbeitungsfehler,
tes Pflanzenwachstum oder vermehrten Eintrag orga- Fruchtfolgeverarmung, Versauerung und Pestizidein-
nischer Rückstände ist daher eher unwahrscheinlich trag die Degradation der Böden. Des weiteren sind in
(Schlesinger, 1990). geringerem Umfang Emissionen und Altlasten aus
Industrie, Verkehr und Gewerbe an der Bodendegra-
Gleichwohl unterscheiden bzw. verändern sich die
dation beteiligt.
Humusgehalte des Bodens bei unterschiedlicher land-
wirtschaftlicher Produktionsweise. Obwohl die NPP Die steigende Intensität, Spezialisierung und Frucht-
des ökologischen Landbaus aufgrund der geringeren folgeverarmung in der konventionellen Landwirt-
Intensität (Düngemittel- und Pestizideinsatz) unter schaft reduzieren die Nachlieferung an organischer
der NPP der konventionellen Landwirtschaft liegt, Substanz, was häufig zur Abnahme des Humusgehal-
weisen die Böden allgemein einen höheren Gehalt tes der Böden und zur Beschleunigung der Boden-
insbesondere an stabilen Humusverbindungen auf. erosion führt. Die Abnahme des mehr- oder überjäh-
Dies ist auf verschiedene gezielte Maßnahmen des rigen Zwischenfrucht- und Feldfutterbaus mit Grä-
ökologischen Landbaues zum Erhalt bzw. zur Meh- sern und Leguminosen führte zum Rückgang der
rung der organischen Substanz des Bodens zurückzu- ganzjährigen Bodenbedeckung. Gleichzeitig nahmen
führen. Die Zufuhr von Stallmist bzw. Kompost hat ein stark erosionsfördernde Kulturarten mit später Boden-
hohes Humusbildungspotential, da in dem Rottepro- bedeckung (Mais, Zuckerrüben), insbesondere durch
zeß während der Stallmistlagerung/Kompostierung die Ausweitung des Maisanbaus in erosionsgefährde-
bereits stabile Humusbestandteile gebildet werden ten Mittelgebirgslagen, stark zu.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

Abbildung 2.14: Veränderung des Anteils von Klee, Kleegras, Luzerne, Gras und Mais an der
Ackerfutterfläche Deutschlands von 1950 bis 1989 (Kuhbauch, 1993).

Strukturschäden (Fahrspuren, Verdichtungen) durch Nachlieferung an organischer Substanz, das Bodenle-


schwere Maschinen und falsche Bearbeitungszeit- ben und den Humusgehalt der Böden. Eine alleinige
punkte sind häufig die Ausgangspunkte, an denen die mineralische Stickstoffdüngung oder Gülledüngung
Bodenerosion ansetzt. Gemeinsam mit einer zuneh- vermag zwar den Humusgehalt eines Bodens zu
mend schlechteren Bodenstruktur durch die intensi- stabilisieren, eine Stallmistdüngung führt dagegen zu
vere, den Humusabbau beschleunigende Bodenbear- einem Anstieg des Humusgehaltes und einer Verbes-
beitung verstärkte auch die Vergrößerung der Felder serung der Bodenstabilität. Mit steigender Intensität
im Zuge der Flurbereinigung, die Beseitigung von kann die Mineraldüngung sogar zu einer Abnahme
Hecken, Hangstufen, Gräben, Bäumen, etc. und die der Bodenkohlenstoffgehalte führen (Haider, 1992; In:
Umwandlung von Grünland in Ackerland die Haas u. Köpke, 1994).
Erosionsanfälligkeit landwirtschaftlich genutzter Flä-
Der jährliche Abtrag durch Bodenerosion erreicht in
chen.
Deutschland Höchstwerte von bis zu 200 t/ha (BINE,
Die zunehmende Spezialisierung und Konzentration 1992). Weltweit werden Höchstwerte der Boden-
in der Tierhaltung bei gleichzeitiger Verdrängung der erosion von bis zu 500 t/ha ermittelt. Die durchschnitt-
Kompost- und Stallmistwirtschaft durch die Flüssig- lichen Abtragsraten durch Erosion liegen in Deutsch-
mistwirtschaft (Gülle) wirkt ebenfalls negativ auf die land bei etwa 10 Tonnen Bodenmaterial je Hektar und
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Tabelle 2.28 hung der Sedimentfracht der großen Flußsysteme.


Jährlich gelangt hierdurch etwa 1 Mrd. t Kohlenstoff
Entwicklung des Kohlenstoff- und Stickstoffgehaltes (sowie ebenfalls eutrophierend wirkende Mineral-
in Böden bei dem Dauerdüngungsversuch stoffe und Düngemittel) in die Weltmeere (WBGU,
des „Ewigen Roggenbaus" in Halle 1994).
bei unterschiedlicher Düngung
Durch die große Armut und das starke Bevölkerungs-
(nach Schmalfuss u. a., 1963; In: Boguslawski, 1981)
wachstum hat die Waldvernichtung und Überwei-
dung und die dadurch bedingte Bodenerosion und
1878 1929 1949 1953 1958 -degradation vor allem in den tropischen und subtro-
Düngung
pischen Ländern dramatisch zugenommen. Die De-
in %
gradation durch menschliche Eingriffe in ariden, se-
miariden und trocken-subhumiden Gebieten bezeich-
C-Gehalt
net man als Desertifikation (UNEP, 1991). Die Ursa-
ungedüngt ... 1,24 1,15 1,12 1,12 1,14 chen für die Degradation und Desertifikation der
mineral. NPK 1 ) 1,24 1,24 1,22 1,26 1,26 Böden liegen zu 70 % in der Bewirtschaftung unge-
Stallmiste) .... 1,24 1,64 1,66 1,68 1,69 eigneter Flächen, in Bewirtschaftungsfehlern und in
der Überweidung der Savannen und zu etwa 30 % in
N-Gehalt der Rodung und Brandrodung der Wälder (Fleisch-
hauer, 1993). Im einzelnen sind vier Faktoren hervor-
ungedüngt .... 0,095 0,071 0,086 0,085 0,081
zuheben, die der Schädigung der Böden Vorschub
mineral. NPK 1 ) 0,095 0,080 0,095 0,094 0,093 leisten:
Stallmist 2) .... 0,095 0,109 0,125 0,132 0,135
— Im Ackerbau (Wanderfeldbau) werden die not-
1) = 40 kg N/90 kg K2O/56 kg P 2O5/ha x Jahr wendigen Brachezeiten verkürzt, so daß dem
2) = 120 dt/ha x Jahr Boden nicht mehr genügend Zeit zur Regeneration
bleibt, ohne daß dies durch geeigneten Frucht-
wechsel oder gezielte Düngung kompensiert
würde. Zusätzlich wird der Ackerbau auf ungeeig-
Jahr. Die mittlere Bodenneubildungsrate beträgt in
nete Standorte ausgedehnt.
Abhängigkeit vom geologischen Ausgangsgestein
und den klimatischen Bedingungen jährlich nur 1 bis — Die Viehdichte ist so hoch, daß Gräser und
2 Tonnen Bodenmaterial je Hektar (Fleischhauer, Strauchwerk durch Überweidung Schaden neh-
1993). Die Zunahme der Bodenerosion führt zur Erhö men.

Tabelle 2.29

Prozesse der Bodendegradierung (WB GU, 1993)

Verlagerung von Bodenmaterial Bodeninterne Umwandlungen -

Wassererosion Winderosion Physikalische Prozesse Chemische Prozesse Biotische Prozesse

Verlust von Ober- Verlust von Ober- Versiegelung Nährstoffverluste Wandel der Bio-
bodenmaterial Bodenmaterial und Verkrustung (Biomasseexport, zönosenstruktur
von Oberflächen Auswaschung)

Deformation Schädigung Verdichtung Versalzung Wandel der Bio-


der Oberflächen der Vegetation (Bearbeitung) (Bewässerung) zönosenfunktion
(Rinnen, Gullies,
Täler)

Deformation Strukturwandel Versauerung Entkoppungen


der Oberflächen (Dispersion, (Deposition, zwischen Zerset-
(Senken, Wehen, Humusabbau) Biomasseexport) zungs- und Pro-
Dünen) duktionsprozessen

Wasserstau Toxifikation
(Verdichtung, (Schwermetalle,
Bewässerung) Organika)

Austrocknung Red/Ox-
(Drainage) Veränderungen

Sedimentation Abbau der orga-


nischen Substanz
Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
- Sträucher und Bäume werden als Brennholz ser Prozeß offene Savannenlandschaften in Sandwü-
schneller verbraucht, als sie nachwachsen kön- sten (BMWZ, 1987).
nen.
Mehr als ein Drittel (etwa 5,2 Mrd. ha) der eisfreien
- Die einzelnen Brandrodungsflächen werden zu Landoberflächen gelten als Trockenzonen. Zwei Drit-
groß, so daß die Wiederbewaldung eingeschränkt tel (etwa 3,6 Mrd. ha) dieser Trockengebiete sind
wird. bereits durch Desertifikation/Degradation in Mitlei-
denschaft gezogen oder verwüstet (Tab. 2.30). Auf
Kann die überstrapazierte Vegetation dem Boden 2,6 Mrd. ha ist die Vegetation degradiert (ohne bisher
nicht mehr genug Schutz geben, vermindern die nachweisbare Bodendegradation) und auf etwa
einsetzende Abtragung durch Wind und Wasser, die 1 Mrd. ha sind auch die Böden degradiert. Jahr für
schnellere Austrocknung des Bodens und die Verän- Jahr werden weitere 6 Mio. ha landwirtschaftliche
derung des Regionalklimas die Regenerationsfähig- Nutzfläche vollständig und irreversibel verwüstet. 21
keit der Vegetation. Teilweise kommt es zu einem Mio. ha LN/Jahr werden zumindest so stark geschä-
völligen Abtrag des Oberbodens und zur Verwüstung digt, daß eine weitere ökonomische Landbewirtschaf-
ganzer Landstriche. Im Extremfall verwandelt die tung nicht mehr möglich ist (UNEP, 1991).

Tabelle 2.30

Stand der Desertifikation/Degradation in landwirtschaftlich genutzten Trockengebieten der Welt


(UNEP, 1991)

mit ausreichend gesamte


bewässe rte
Regen versorgte Weideland landwirtschaftlich genutzte
Landflächen
Feldfruchtflächen Trockenlandflächen
Kontinent
insge insge insge insge
degradie rt degradie rt degradie rt degradiert
samt samt samt samt

Mio. ha Mio. ha % Mio. ha Mio. ha % Mio. ha Mio. ha % Mio. ha Mio. ha %

Afrika 10,42 1,90 18 79,82 48,88 61 1342,35 995,08 74 1432,59 1046,84 73,0
Asien 92,02 31,81 35 218,17 122,28 56 1571,24 1187,61 76 1881,43 1311,70 69,7
Australien 1,87 0,25 13 42,12 14,32 34 657,22 361,35 55 701,21 375,92 53,6
Europa 11,90 1,91 16 22,11 11,85 54 111,57 80,52 72 145,58 94,28 84,8
Nordamerika . 20,87 5,86 29 74,17 11,61 16 483,14 411,15 85 578,18 428,62 74,1
Südamerika . 8,42 1,42 17 21,35 6,64 31 390,90 297,75 76 420,67 305,81 72,7

Gesamt 145,50 43,15 30 457,74 215,56 47 4 556,42 3 333,46 73 5 159,66 3 562,17 69,0 -

Eine globale Abschätzungen der Bodendegradation tar, was 17 % der weltweiten eisfreien Landfläche
(auch außerhalb der Trockengebiete) ermittelt eine (13 Mrd. ha) entspricht (Oldeman u. a., 1991, In:
bereits degradie rte Landfläche von fast 2 Mrd. Hek WBGU, 1994).

Tabelle 2.31

Ursachen und Ausmaß der anthropogenen Bodendegradation (Oldemann u. a., 1991, In: WBGU, 1994)

Degradie rte Ursachen der Degradierung in %


Flächen -

(Mio. km2 ) Rodungen Übernutzung Überweidung Ackerbau Industrie

Welt (gesamt) 19,64 30 7 35 28 1

Afrika 4,94 14 13 49 24 <1


Nord-/Mittelamerika 1,58 11 7 24 57 <1
Südamerika 2,43 41 5 28 26 <1
Asien 7,48 40 6 26 27 <1
Europa 2,19 38 <1 23 29 9
Ozeanien 1,03 12 <1 80 8 <1
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2.3.3.2 Kohlendioxidemissionen stungen (Mineraldünger, Import-/Futtermittel, Ma-


schinen, Gebäude, Pestizide etc.).
Der Anteil der Bodendegradation und -desertifikation
Die Landwirtschaft hat andererseits die besondere
an der Freisetzung klimarelevanter Spurengase ist
Möglichkeit, fossile Energieträger durch den Anbau
derzeit nicht abschätzbar. Der degradationsbedingte
nachwachsender Rohstoffe und Energieträger sowie
Verlust von Nutzflächen verstärkt jedoch bei gleich-
mittels der energetischen Verwertung von Rest- und
zeitigem Bevölkerungswachstum die Nutzungsinten-
Abfallstoffen (Biomasse, -gas) zu ersetzen. In welchem
sität auf den verbleibenden Flächen und die Notwen-
Maß dies möglich oder sinnvoll ist, wird in Kap. 4.2.4.3
digkeit der weiteren Ausdehnung der Nutzflächen.
diskutiert.
Die in Kap. 2.3.2.2 genannten Emissionen sind daher
anteilig auch der Bodendegradation zuzurechnen.
Ebenso wie alle anderen Ressourcen ist auch die
potentiell landwirtschaftlich nutzbare Bodenfläche 2.3.4.1 Energieeinsatz
begrenzt. Während in Lateinamerika und Afrika wei-
tere Landnutzungsänderungen möglich erscheinen, Durch die Intensivierung, Spezialisierung und Ratio-
stößt dies in Asien, wo die Landreserven bereits nalisierung in der konventionellen Landwirtschaft
weitgehend erschöpft sind, an natürliche Grenzen. wurden in den vergangenen Jahrzehnten in erhebli-
Zum Schutz der verbliebenen Wälder und in Anbe- chem Umfang die menschliche Arbeitskraft und die
tracht der gravierenden Probleme durch die Landnut- tierische Zugkraft durch Maschinen und Treibstoffe,
zungsänderungen ist eine weitere Steigerung der im eigenen Betrieb erzeugtes Futter durch teilweise
Nahrungsmittelproduktion in Asien, aber auch in importierte Zukauffuttermittel sowie Wirtschaftsdün-
Afrika und Lateinamerika nur durch eine intensivere ger und die biologische Stickstoffixierung der Legu-
Nutzung bereits bewirtschafteter Flächen zu errei- minosen durch mineralische Stickstoffdünger ersetzt.
chen. Um jedoch den Teufelskreis aus Degradation Die Auswirkungen des Strukturwandels in der Land-
und Landnutzungsänderungen zu durchbrechen, ist wirtschaft (Kap. 1.1.3) auf den Einsatz von Produk-
zugleich eine nachhaltige, schonende und degrada- tionsfaktoren und Energie sind zusammenfassend in
tionsvermeidende Bewirtschaftung der Flächen not- Abb. 2.15 dargestellt.
wendig. Durch standortangepaßte Landbewirtschaf-
tung (z. B. Agroforestry) können teilweise bereits In den fünfziger und sechziger Jahren stieg der
degradierte Flächen wieder rekultiviert werden. Der direkte Energieeinsatz in der Landwirtschaft im Mittel
großflächigen Wiederaufforstung gerodeter Waldflä- um 9,1 % pro Jahr, während die Bruttobodenproduk-
chen zur Schaffung von Kohlenstoffsenken steht tion im jährlichen Durchschnitt nur um 1,3 % zunahm.
zumindest in den Entwicklungsländern die Notwen- Der Anstieg im Energieverbrauch hat sich jedoch in
digkeit der Ernährung einer wachsenden Bevölke- der jüngsten Vergangenheit etwas verlangsamt und
rung entgegen. Es ist vielmehr zu befürchten, daß die ist bereits teilweise rückläufig (Tab. 2.32). In den
Brandrodung der Wälder unverminde rt voranschrei- siebziger Jahren stieg der Energieeinsatz insgesamt
tet. Zur CO 2 -Freisetzung infolge von Landnutzungs- nur noch um 1,6 % pro Jahr (KTBL, 1987). Nach
änderungen in den gemäßigten Breiten gibt es keine Berechnungen von Weber (1979) stieg der Gesamt-
Angaben. energieeinsatz in der deutschen Landwirtschaft (ABL)-
von etwa 250 PJ (Petajoule = 1015 Joule) im Jahr 1950
auf etwa 500 PJ im Jahr 1975 (Abb. 2.16).
Die Berechnung des Gesamtenergieeinsatzes wur-
den bis Anfang der neunziger Jahre fortgeführt
2.3.4 Verbrauch fossiler Energieträger (Tab. 2.32). Diese neueren Daten sind jedoch keine
Fortschreibung der Ergebnisse von Weber (1979), da
Werden durch die Brandrodungen und Landnut- sie nur den kommerziellen Energieinput berücksich-
zungsänderungen weltweit 1,6 ± 1,0 Mrd. t CO 2 tigen und nicht, wie Weber, auch die menschliche
-C/Jahrfeigstz,oüdVrbenugfosil Arbeitskraft energetisch bewe rt et und in die Berech-
Energieträger insgesamt zu Emissionen in Höhe von nung einbezogen haben. Darüber hinaus sind die
5,4 ± 0,5 Mrd. t CO 2 -C/Jahr mit weiter steigender verschiedenen Energieträger und Betriebsmittel von
Tendenz. Auch die zunehmende Intensivierung der Weber energetisch z. T. wesentlich höher bewe rt et
Landwirtschaft ist mit einem steigenden Verbrauch worden, als dies nach heutigen Erkenntnissen üblich
von fossilen Energieträgern verbunden. Dieser Ver- ist. Auch die Berechnungsgrundlagen für den indirek-
brauch erfolgt direkt als Treibstoff, Heizöl etc. oder ten Energieeinsatzes in Form von Betriebsmitteln ist in
indirekt durch den Einsatz energieintensiver Vorlei den beiden Untersuchungen nicht deckungsgleich.
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Abbildung 2.15: Anteil des Energieeinsatzes von Produktionsfaktoren am Gesamtenergieeinsatz in der deutschen Landwirtschaft von 1880 bis
1975 (Weber, 1979):

Tabelle 2.32

Entwicklung des Gesamtenergieeinsatzes in der Landwirtschaft (einschließlich Garten- und Weinbau)


der Bundesrepublik Deutschland (Alte Bundesländer) (KTBL, 1987; Zahlen für 1990/91
ergänzt nach Angaben des Bundesamtes für Ernährung und Forstwirtschaft)

Gesamtenergieeinsatz je Wi rtschaftsjahr in GJ
Betriebsmittelart
1970/1971 1975/1976 1980/1981 1985/1986 1990/1991

1. Direkter Energieeinsatz 165 297,12 175 359,14 188 450,44 186 398,88 184 669,71
- Kraftstoffe 77 959,28 77 080,04 83 527,80 82 062,40 77 402,43
- Heizöl 73 270,00 82 062,40 86 751,68 84 407,04 87,894,69
- Elektrizität 10 843,96 14 067,84 16 705,56 18 757,12 17 877,87
- Gas und feste Brennstoffe . 3 223,88 2 148,80 1 406,78 1 172,32 1 494,71

2. Indirekter Energieeinsatz 182 582,39 188 803,32 218 096,93 211 507,34 192 825,83
- Mineraldünger 71 546,40 74 706,68 90 598,36 86 970,32 76 637,49
(darunter N-Dünger) (51 995,03) (56 454,54) (71 303,73) (69 694,42) (62 890,28)
- Pflanzenschutzmittel 1 029,00 2 520,78 3 426,11 3 126,58 3 448,38
- Futtermittel 79 413,84 81 977,41 95 078,08 96 383,75 87 615,68
- Saat- und Pflanzgut 3 142,70 2 793,64 3 142,99 3 142,70 3 143,28
- Maschinen 23 348,51 22 703,74 21 614,65 17 764,46 21 981,00
- Schmierstoffe 253,51 252,64 271,10 271,10 21 981,00
- Wirtschaftsgebäude 3 848,43 3 848,43 3 848,44 3 848,43 21 981,00

Gesamtenergieeinsatz 347 879,51 364 162,45 406 547,97 397 906,22 377 495,54
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Abbildung 2.16: Gesamtenergieeinsatz (in PJ1)) und Energieeinsatz je Hektar (in GJ2)/ha LN) in der deutschen Landwirtschaft von 1880 bis
1975 (Weber, 1979)
1) PJ = Petajoule (1015 Joule)
2) GJ = Gigajoule (109 Joule)

Abweichend von den Angaben in Tab. 2.32 ermittel- Ländern (Abb. 2.16). Die größten Anteile am direkten
ten Haas und Köpke (1994) in ihrer Studie für die Energieverbrauch haben Heizöl, Kraftstoffe und
Enquete-Kommission für das Jahr 1990/91 einen deut- Strom, am indirekten Energieverbrauch Stickstoff-/
lich höheren Gesamtenergieeinsatz im Agrarsektor in Dünger, Import-/Futtermittel und Maschinen. Nach
Höhe von 412,3 PJ (ABL) (Abb. 2.17). Der Unterschied Literaturangaben liegt der Anteil des Agrarsektors am
ist im wesentlichen auf eigene Berechnungen für die jeweiligen nationalen Energieverbrauch in Industrie-
Bereiche Treibstoffe, Elektrizität und Futtermittel ländern allgemein zwischen 2 und 6 %. Für den
zurückzuführen. So ermittelten Haas und Köpke den gesamten Ernährungssektor werden jeweils zwischen
Energieeinsatz für den Stromverbrauch in der Land- 12 und 21 % am Gesamtenergieverbrauch angegeben
wirtschaft unter Berücksichtigung eines primärener- (verschied. Quellen; In: Haas u. Köpke, 1994).
getischen Wirkungsgrades von 33,5 %. Der Primär-
Die Produktivität des Energieeinsatzes in der Land-
energiebedarf für Strom ist daher dreimal höher als
wirtschaft hat sich in der Vergangenheit trotz gestie-
vom Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft
gener Erträge wesentlich verschlechtert (Kap. 1.1.3).
(BEF) in Tab. 2.32 angegeben (Haas u. Köpke,
Zwischen 1905 und 1975 verringerte sich das Verhält-
1994).
nis zwischen eingesetzter und „geernteter" Energie-
Der gesamte Energieverbrauch im Agrarsektor der menge um 55 %. Wurden 1905 pro eingesetzter
Bundesrepublik Deutschland (ABL) lag im Wirt- Energieeinheit noch 4 Einheiten an Nahrungsenergie
schaftsjahr 1990/91 bei 412,3 PJ und betrug damit erzeugt, so waren es 1950 noch etwa 2,7 Einheiten und
3,6 % des gesamten Energieverbrauches in den alten 1975 nur noch 1,8 Einheiten an Nahrungsenergie
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

Abbildung 2.17: Gesamtenergieeinsatz im Agrarsektor der Bundesrepublik Deutschland


(ABL) 1990/91 (Haas u. Köpke, 1994).
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Abbildung 2.18: Produktivität des Energieeinsatzes (Joule Bruttobodenproduktion je Joule Energieeinsatz) in der deutschen Landwirtschaft
von 1880 bis 1975 (Weber, 1979):

(Weber, 1979) (Abb. 2.18). Die energetische Input- geschlossenen Betriebskreislauf an und ist weit weni-
Output-Relation sank beispielsweise im Maisanbau ger von importierten Betriebsmitteln abhängig. Der
von 1 : 3,7 (1945) auf 1 : 2,5 (1930) (Pimentelu. a., 1973, Zukauf von Futtermitteln ist stark eingeschränkt und
In: Lünzer, 1992 a und b). Sowohl die Erträge (in der Einsatz von mineralischen Stickstoffdüngern ist
absoluten Zahlen) als auch die Arbeits- und Flächen- verboten. Die Tierhaltung erfolgt auf betriebseigener
produktivität sind im gleichen Zeitraum dagegen Futtergrundlage mit dem Schwerpunkt im Legumino-
deutlich gestiegen (Weber, 1979). senanbau, der über die Pflanzenrückstände und den
Wirtschaftsdünger (Stallmist) dem Betriebskreislauf
Es liegen keine umfassenden aktuelleren Untersu- Stickstoff zuführt. Der direkt zuordbare flächenbezo-
chungen zur Energiebilanz des gesamten Landwirt- gene Energieeinsatz im ökologischen Landbau
schaftssektors oder einzelner Betriebszweige bzw. beträgt 6,6 GJ/ha (Gigajoule = 10 9 Joule). Der Ener-
Produktionsverfahren vor. Daher hat die Enquete- gieeinsatz in der konventionellen Landwirtschaft
Kommission eine Studie in Auftrag gegeben, die den (Durchschnitt der Haupterwerbsbetriebe) ist mit
Energieeinsatz in der konventionellen Landwirtschaft 19,4 GJ/ha dreimal so hoch. Die Erträge liegen im
und im ökologischen Landbau miteinander ver- ökologischen Landbau im allgemeinen nur um 10 bis
gleicht. Der ökologische Landbau strebt im Gegensatz 30 % niedriger als in der konventionellen Landwirt-
zur konventionellen Landwirtschaft einen möglichst schaft (Haas u. Köpke, 1994).
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

Abbildung 2.19: Durchschnittlicher Energieeinsatz (direkt zuordbare Energieträger) im öko-


logischen und konventionellen Pflanzenbau bei systemüblichen Flächenan-
teilen einzelner Nutzpflanzenarten (Flächennutzungsanteile nach Agrarbe-
richt 1993) (Haas u. Köpke, 1994).

Dieser deutliche Unterschied ist im wesentlichen auf 2.3.4.2 Kohlendioxidemissionen


die mineralische Stickstoffdüngung und die Futter-
mittelzukäufe zurückzuführen. Der anteilige Energie- Der Einsatz fossiler Energieträger im Agrarsektor
aufwand für die mineralische Stickstoffdüngung im (Abb. 2.16) führte im Jahr 1990/91 zu CO 2 -Emissionen
intensiven Getreide- und Hackfruchtbau beträgt bis in Höhe von 27,5 Mio. t CO 2 . Dies entspricht einem
zu 50 % des Gesamtenergieeinsatzes je Fläche (Haas Anteil von 3,9 % an den Gesamtemissionen der
u. Köpke, 1994). Die Energieeinsparungen durch Bundesrepublik Deutschland (ABL) in Höhe von
ökologische Wirtschaftsweise liegen bei Winterwei- 708 Mio. t CO 2 (Haas u. Köpke, 1994).
zen zwischen 15 und 48 %, bei Gerste bei 25 % und bei
Sommerweizen bei 47 % (USDA, 1980, In: Lünzer, Hochgerechnet auf die gesamte Fläche der Bundesre-
1992 a und b). Der Vergleich des Energieverbrauchs je publik Deutschland (ABL u. NBL) ergeben sich jährli-
Ertragseinheit verdeutlicht ebenfalls die erheblichen che CO 2 -Emissionen von schätzungsweise 38,4 Mio. t
Einsparpotentiale an fossiler Energie (Abb. 2.20). CO 2 (Smukalski u. a., 1992). Auf die gesamte land-
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Abbildung 2.20: Energieeinsatz bezogen auf den Ertrag im konventionellen und ökologischen
Landbau (Haas u. Köpke, 1994).
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

Abbildung 2.21: Kohlendioxidemissionen im Agrarsektor der Bundesrepublik Deutschland


(ABL) 1990/91 (Haas u. Köpke, 1994).

wirtschaftliche Nutzfläche bezogen, entspricht dies x Jahr) liegen bei nur 39 % der konventionellen
der Emission von etwa 2,24 t CO 2/ha x Jahr (Burdick, Vergleichsbetriebe (1,4 t CO 2/ha x Jahr). Während im
1994). Die dargestellten Unterschiede im Energiever- ökologischen Landbau etwa die Hälfte des emittierten
brauch zwischen der konventionellen und ökologi- CO2 auf den direkten Energieeinsatz (Treibstoffe,
schen Landwirtschaft führen zu entsprechend unter- Heizöl, Strom) zurückzuführen ist, beträgt dieser
schiedlichen CO 2 -Emissionen (Abb. 2.22). Anteil im konventionellen Landbau durch den hohen
Die direkt zuordbaren flächenbezogenen CO 2 -Emis Einsatz von Vorleistungen nur etwa ein Viertel (Haas
sionen im ökologischen Landbau (0,54 t CO 2/ha u. Köpke, 1994).
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Abbildung 2.22: Durchschnittliche CO 2-Emission (aus direkt zuordbaren Energieträgern) bei


konventioneller und ökologischer Bewirtscha ftung bei systemüblichen
Flächenanteilen einzelner Nutzpflanzenarten (Flächennutzungsanteile nach
Agrarbericht 1993) (Haas u. Köpke, 1994).

2.4 Indirekt klimawirksame Spurengase Eutrophierung natürlicher und naturnaher Ökosy-


steme bei und verstärkt deren Freisetzung von NOX
In der Landwirtschaft werden neben den bereits und N2 0 bzw. führt durch Versauerung der Böden zur
genannten direkt klimawirksamen Spurengasen Me- Schädigung der Ökosysteme (z. B. Waldsterben) und
than (CH4 ), Distickstoffoxid (N 2 0) und Kohlendioxid reduziert deren Kohlenstoffaufnahme (CO 2 und
(CO 2 ) eine Reihe weiterer atmosphärischer Spuren- CH4 ).
gase freigesetzt. Diese Gase wirken indirekt auf das
Klima, weil sie unter anderem den Auf- und Abbau
direkt klimarelevanter Spurengase beeinflussen 2.4.1 Ammoniak (NH 3)
(Ozonbildung in der Troposphäre; Abschnitt A,
Kap. 2). Zu nennen sind hier Stickstoffoxide (NO X), Ammoniakemissionen entstehen fast ausschließlich in
Kohlenmonoxid (CO), Nicht-Methan-Kohlenwasser- der Landwirtschaft und hier weit überwiegend in der
stoffe (NMHC) und gasförmige Schwefelverbindun- Tierhaltung. Aus dem Harnstoff der Tierfäkalien wird
gen wie Carbonylsulfid (COS). Ammoniak (NH 3 ) ist mikrobiell Ammonium (NH 4 +) und CO2 gebildet, das
ebenfalls nicht direkt klimawirksam. Es trägt zur teilweise als Ammoniak gasförmig entweicht (Kap.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Tabelle 2.33

Mittlere Nährstoffgehalte und Nährstofformen organischer Dünger


(in kg Nährstoff/Tonne Wirtschaftsdünger) (AID, 1992)

Trocken Gesamt NH4 NH 4 N


Dünger P2O5 K 2O
ubstanz (%) Stickstoff Stickstoff in %

Festmist Rind 25 5 0,5 10 3,0 6


Festmist Schwein 23 6 0,6 10 5,0 3
Gülle Rind 10 4 2,0 50 2,0 6
Gülle Schwein 7,5 4,5 3,1 70 4,5 3
Jauche 3 3,0 3,0 100 1,0 7

2.2.1 u. 2.2.3.1). Ammoniak wird im Stallbereich, bei Oberflächengewässer ausgewaschen oder denitrifi-
der Lagerung und Ausbringung von Wirtschaftsdün- ziert (N 2O -Emissionen), Ammonium entweicht gasför-
gern sowie bei der Weidewirtschaft freigesetzt. mig als Ammoniak. Im Stallmist und Kompost liegt
Stickstoff dagegen nahezu ausschließlich in organi-
Die globalen NH 3 -Emissionen werden auf etwa 28 bis
scher Bindung vor. Organisch gebundener Stickstoff
45 Mio. t geschätzt, die nahezu ausschließlich anthro-
wird nur sehr mäßig bis langsam durch Mineralisation
pogenen Ursprungs sind. In Europa werden sechs bis
verfügbar, wirkt daher langsam und nachhaltig und
acht Mio. t NH 3/Jahr freigesetzt (Döhler, 1991 a u. b;
stellt somit eine über Jahre wirksame verlustarme
Hartung, 1992). In der Bundesrepublik Deutschland
Stickstoffquelle dar (Tab. 2.34).
(ABL u. NBL) wurden 1990 etwa 650 000 t NH 3/Jahr
(ABL: 480 000 t ; NBL: 175 000 t) emittiert (BMU,
1993 a) (Abschnitt C, Kap. 3.5.3, Tab. 3.8). Etwa 90 % Tabelle 2.34
der Gesamtemissionen sind — global wie national —
der Tierhaltung zuzurechnen. Die restlichen 10 % N-Fraktionen verschiedener Verfügbarkeit
entstehen überwiegend bei der Produktion und Aus- in organischen Düngern
bringung von mineralischen Stickstoffdüngern (Döh- (Angaben in Prozent des Gesamt-N-Gehaltes)
ler, 1991 n u. b). (Sluijsmans u. Kolenbrander, 1977)
Ammoniak (NH3 ) ist für viele Organismen toxisch. Es
führt bei hohen Immissionsraten zu Welkeerscheinun- min. org. org.
gen, Nekrosen (Gewebeschäden) und Blütenendfäu- Stickstoff Stickstoff Stickstoff
Dünger
sofort mäßig langsam
len an Pflanzen (Döhler, 1991 b). Der aus der Land- verfügbar verfügbar verfügbar --s
wirtschaft stammende Ammoniak-Stickstoff ist an der
Überdüngung und Bodenversauerung der Waldöko- Stallmist 10 46 44
systeme etwa zur Hälfte beteiligt. Die andere Hälfte
Rindergülle 50 25 25
des Versauerungspotentials tragen die Stickstoffoxid
Emissionen aus dem Verkehrs- und Energiebereich Schweinegülle . 51 34 15
bei (Isermann, 1994). Hühnergülle 54 32 14
Die Rationalisierung in der Intensivtierhaltung ver- Jauche 94 3 3
drängte seit Mitte der sechziger Jahre die Festmist
Wirtschaft zunehmend durch die Einführung der
weniger arbeitsintensiven Aufstallung auf Spaltenbö- Der durchschnittliche Viehbesatz ökologischer Be-
den ohne Einstreu (Flüssigmistsysteme). Diese Aus-
triebe ist aufgrund der limitierten Futtermittelzukäufe
weitung der Güllewirtschaft (Tab. 2.8) sowie die flächengebunden mit einer Vieheinheit/ha (1 VE/ha)
erhebliche Zunahme der Tierzahlen sind die wesent- deutlich niedriger als in den konventionellen Haupt-
lichen Ursachen für den Anstieg der NH 3 - und
erwerbsbetrieben (1,6 VE/ha). Die durchschnittliche
CH4 -Emissionen in Deutschland bzw. Europa
Tierbesatzdichte in der intensiven konventionellen
(Kap. 2.1.3.2). Erst in jüngster Zeit sind die Tierzahlen Massentierhaltung, vor allem in der Schweinehal-
leicht rückläufig. tung, liegt bei 4,6 VE/ha (BML, 1993 b). Entsprechend
Der unterschiedliche Beitrag der Wirtschaftsdünger dem Tierbesatz je Hektar verursacht die Tierhaltung
zur NH3 -Emission ist auf deren unterschiedlichen im ökologischen Landbau NH3 -Emissionen in Höhe
Ammoniumgehalt zurückzuführen. Der Stickstoff in von 25 kg NH3 -N/ha x Jahr. Die Emissionen konven-
der Gülle liegt überwiegend als leicht lösliches tioneller Haupterwerbsbetriebe betragen 45 kg NH 3
Ammonium vor (Tab. 2.33). -N/haxJr,dieEmsonuchtlierV-
edlungsbetriebe liegen bei 132 kg NH 3 -N/ha x Jahr
Je löslicher die Stickstoffverbindungen sind, desto und in intensiven Veredlungsbetrieben werden sogar
rascher sind sie pflanzenverfügbar, aber desto höher 162 kg NH3 -N/ha x Jahr freigesetzt (Abb. 2.23) (Haas
sind auch die Verluste. Nitrat wird in Grund- und u. Köpke, 1994).
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Abbildung 2.23: Viehbesatz und Ammoniakemissionen ökologischer und konventioneller


Betriebe 1991/92 (in VE/ha und kg NH 3-N/ha x Jahr) (Haas u. Köpke,
1994).
1) Viehbesatz nach Agrarbericht 1993 für ABL
2) Intensive Veredlungsbetriebe mit Standarddeckungsbeitrag 60 000 DM
(Agrarbericht 1993)

Bei Viehbesatzdichten über 2 bis 2,5 VE/ha ist eine mehr Ammoniak entweicht. Beim Rottemist sind die
umwelt- und klimaverträgliche Anwendung von Wirt- Emissionen geringer und hängen hier vor allem vom
schaftsdüngern nicht mehr möglich (Haas u. Köpke, Strohzusatz ab. Je mehr trockenes Stroh zugesetzt
1994). Hinzu kommt, daß hohe Viehbesatzdichten in wird, desto höher sind die Emissionen. Die geringsten
aller Regel mit Flüssigmistsystem verbunden sind. Die Emissionen entstehen bei der Tiefstallhaltung, da hier
Aufstallung im ökologischen Landbau erfolgt dage- der Mist feucht und fest gelagert wird (Kempkens,
gen in Festmistsystemen mit Stroheinstreu. In Flüssig- 1991). Festmist ist generell kühl und feucht zu lagern.
mistsystemen treten die höchsten NH 3 -Emissionen Flüssigmist sollte ebenfalls kühl, aber darüber hinaus
auf, abhängig von der Lufttemperatur im Stall, dem unbedingt abgedeckt gelagert werden. Des weiteren
Querschnitt der Güllekanäle und der allgemeinen sollte Gülle nicht gerührt oder belüftet werden, da der
Stallhygiene (Nachspülen mit Wasser). NH 3 hat einen Luftkontakt die Ammoniakemissionen deutlich er-
hohen Dampfdruck. Je länger die Harnstoff- bzw. höht. Statt dessen ist die Gülle — soweit von der
ammoniumhaltigen Fäkalien der Luft ausgesetzt sind Lagerkapazität her möglich — mit Wasser zu verdün-
und je höher die Umgebungstemperatur ist, desto nen.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Die pH-Werte von anaerob gelagerter Schweine- und Stickstoffs als Ammoniak verdampfen. NH 3 löst sich
Rindergülle schwanken in der Regel zwischen pH 7,2 leicht in Wasser. Daher sollte Gülle bei kühler, feuch-
und 8,5. Sofort nach der Ausbringung entweichen, vor ter Witterung, möglichst bei leichtem Regen und
allem bei höheren Temperaturen organische Säuren Windstille oder auf feuchten Boden ausgebracht und
(Propion- u. Essigsäure) und Kohlendioxid aus der eingearbeitet werden. Die Einarbeitung muß sofort
Gülle. Dies führt zu einem raschen pH-Anstieg in der erfolgen, da die Verluste gleich nach der Ausbringung
Gülle. Je höher der pH-Wert, desto mehr Ammoniak am höchsten sind. In einem Planzenbestand sollte die
entweicht (Aldag, 1991). Ausbringung durch Schleppschläuche, auf Grünland
Je nach Ausbringungstechnik und Wetterlage können durch Bodeninjektion erfolgen. Das großflächige Ver-
bis zu 90 % des in der Gülle enthaltenen Ammonium- sprühen ist generell zu untersagen.

Abbildung 2.24: Der Einfluß des pH-Wertes auf die Verteilung von Ammoniak und Ammonium
in der Lösung (nach Court u. a., 1964; In: Aldag, 1991).
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Abbildung 2.25: Einfluß der Witterung auf die Ammoniakverluste nach Gülleausbringung
(nach Bless, 1990; In: Brockerhoff, 1991).

2.4.2 Kohlenmonoxid (CO) Kohlenwasserstoffemissionen zur CO-Freisetzung


bzw. CO-Bildung bei. Durch die photochemische
Oxidation von CH4 und Nichtmethan-Kohlenwasser-
Das Kohlenmonoxid entsteht im Bereich der Land-
stoffen wird in der Troposphäre CO gebildet.
wirtschaft vor allem durch die Biomasseverbrennung
(Kap. 2.3.2.2, Tab. 2.26) bei der Brandrodung tropi- Die globalen Emissionen durch die Biomasseverbren-
scher Wälder (Landnutzungsänderungen), Savannen- nung betragen schätzungsweise 360 Mio. t CO (Bouw-
bränden und der Verbrennung von Holz und landwirt- man u. a., 1991), können aber nur mit einer erhebli-
schaftlichen Abfällen. Indirekt trägt die Landwirt- chen Schwankungsbreite angegeben werden. Nach
schaft durch ihren Anteil an der Verbrennung fossiler einer älteren Schätzung liegen die CO-Emissionen
Energieträger und an den CH 4 - und Nichtmethan deutlich höher.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Tabelle 2.35 Tabelle 2.36

Anthropogene CO-Emissionen Anthropogene Quellen der Stickstoff oxide


(in Mio. t CO/Jahr) (EL 1990b) in der Troposphäre (in Mio. t NOX-N/Jahr
(IPCC, 1992; EK, 1990b 1 ))
Verbrennung
fossiler Brennstoffe 500 (400-1 000) Verbrennung fossiler Brennstoffe . 21
Brandrodung Verbrennung von Biomasse 5,5±3
tropischer Wälder 400 (200— 800) Flugverkehr (in der Troposphäre) 0,6
Savannenbrände und land- Mineraldüngung 2 ±11)
wirtschaftliche Abfälle 200 (100— 400) 2 ±11)
Wirtschaftsdüngung (Gülle)
Verbrennung von Holz
zur Energiegewinnung 50 (25 — 150) Summe 31 ±5
Photochemische Oxidation
von anthropogenem CH 4
in der Troposphäre 250 (200— 300) Untersuchungen lassen bisher kaum verläßliche groß-
Photochemische Oxidation räumige Aussagen zu einer quantitativen Abschät-
von anthropogenem NMHC zung der NO X -Freisetzung aus Böden bzw. des Ein-
in der Troposphäre 90 (60— 120) flusses der Landbewirtschaftung oder der Stickstoff-
düngung zu.
Summe 1490 (985 —2770)
Nach ersten Abschätzungen trägt die mineralische
Stickstoffdüngung weltweit mit etwa ein bis drei Mio. t
NOX-gebundenem Stickstoff/Jahr zu den globalen
NOX -Emissionen bei. Etwa die gleiche Menge wird
weltweit durch die mikrobielle Zersetzung von Gülle
2.4.3 Stickstoffoxide und Harnstoff aus Wirtschaftsdüngern freigesetzt.
4 bis 10 Mio. t NOX -gebundener Stickstoff werden bei
der Biomasseverbrennung (Brandrodung, Brennholz-
NO und NO 2 (zusammen als NO,, bezeichnet) ent-
nutzung, etc.) emittiert (EK, 1990 b).
stehen vor allem durch die Biomasseverbrennung
bei der Brandrodung und den Savannenbränden
(Kap. 2.3.2.2, Tab. 2.26). Über den Brandrodungsge-
bieten der Tropen und den Großbränden in den 2.4.4 Nicht-Methan-Kohlenwasserstoffe (NMHC)
Savannen führen die freigesetzten Stickstoffoxide zu
Ozonkonzentrationen, die mit den hohen Ozonkon- Die NMHC sind Verbindungen aus Kohlenstoff, Was-
zentrationen in industriell belasteten Photosmogge- serstoff und teilweise auch Sauerstoff und Halogen
bieten der Nordhemisphäre vergleichbar sind (An- (gesättigte und ungesättigte Kohlenwasserstoffe, Al-
dreae, 1991). kohole, Ester, Ether, Carbonylverbindungen, Furane
In Böden entstehen NO X bei den gleichen mikrobiolo- und teilhalogenierte Verbindungen). Sie werden auch
gischen Prozessen, in denen auch N 2 O gebildet wird als flüchtige organische Kohlenstoffverbindungen
(Denitrifikation, Nitrifikation) (Kap. 2.2.2). Die Bil- (VOC) bezeichnet. In der Atmosphäre sind bisher
dungsraten der verschiedenen Stickstoffoxide vari- mehr als tausend verschiedene Kohlenwasserstoffe
ieren in Abhängigkeit von den Bodenverhältnissen. nachgewiesen.
Die NOX -Freisetzung wird allgemein durch Stickstoff- Die NMHC entstehen vor allem bei der unvollständi-
düngung stark stimuliert. Die wenigen vorliegenden gen Verbrennung fossiler Energieträger. Eine Viel-

Tabelle 2.37

Schätzwerte für die biogenen und anthropogenen NMHC-Emissionen


in Deutschland (Alte Bundesländer und Neue Bundesländer)
und Europa für das Jahr 1985 (in 1000 t/Jahr) (Hahn u. a., 1994)

Landwirtschaft
anthropogene
Region Wald Emissionen
Maschinen/ Biomasse- Nutz-
(alle Sektoren)
Traktoren verbrennung pflanzen

Deutschland 14 — 12 635 3 200


Europa 150 1 ) 868 3 ) 90 2 ) 4 420 2 ) 11 100 2 )

1) OECD-Europa
2) EU-Europa
3) Kontinental-Europa
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zahl von NMHC wird aber auch, bzw. nur aus bioge- den stratosphärischen Ozonabbau beeinflussen (Ren-
nen Quellen emittiert. Aus dem Meerwasser werden nenberg, 1994).
beispielsweise Ethen, Propen, Ethan und Propan frei-
gesetzt. Zahlreiche NMHC werden von Pflanzen frei- Einige landwirtschaftlich wichtige Pflanzen und ver-
gesetzt. Isopren wird vor allem durch Sträucher und schiedene Bodenmikroorganismen sind ebenfalls in
Laubbäume, verschiedene Terpene vorwiegend der Lage, flüchtige reduzierte Schwefelverbindun-
durch Koniferen gebildet und emittiert. gen, vor allem Schwefelwasserstoff (H 2 S), Dimethyl-
sulfid (DMS) und Carbonylsulfid (COS) zu produzie-
Schätzwerte für die NMHC-Emissionen aus der Land- ren und in die Atmosphäre abzugeben (Rennenberg,
wirtschaft und Wäldern sind für Deutschland (ABL u. 1994). Böden und Pflanzen setzen weltweit etwa
NBL) und Europa im Vergleich zu den gesamten 1 Mio. t Schwefel (v.a. DMS und H 2 S) frei (IPCC,
anthropogenen Emissionen in Tab. 2.37 zusammen- 1992).
gefaßt. Die Angaben für den Sektor Landwirtschaft
stellen aufgrund der unzureichenden Datenbasis nur Quantitative Aussagen zur Emission flüchtiger
grobe Näherungswerte dar. Schwefelverbindungen aus Pflanzen und Böden terre-
strischer Ökosysteme bzw. aus der Landwirtschaft
Die Emissionsrate von Isopren und den verschiedenen sind jedoch extrem unsicher. Die Emissionen werden
Terpenen wird weltweit auf etwa 1 000 Mio. t/Jahr von zahlreichen Faktoren beeinflußt und die Quellen
geschätzt. Die anthropogene Emission von NMHC in sind äußerst inhomogen verteilt. Die derzeit verfügba-
die Atmosphäre dürfte gegenwärtig bei etwa ren Daten weisen Schwankungen in den Emissionsra-
100 Mio. t/Jahr liegen (EK, 1990 b). ten von 0,002 bis 1,5 g 5/m 2 x Jahr auf (Kesselmeier,
1991, In: Rennenberg, 1994). Messungen der Schwe-
fel-Emissionsraten aus Agrarökosystemen weisen
2.4.5 Gasförmige Schwefelverbindungen eine Schwankungsbreite von 0,002 bis 0,273 g 5/m 2
xJahruf(Anej.Cop,198I:Renbrg
Gasförmige Schwefelverbindungen gelangen vor 1994). Eine zuverlässige Abschätzung der Quellstärke
allem durch die Verbrennung fossiler Energieträger in der Biosphäre bzw. der landwirtschaftlicher Ökosy-
die Atmosphäre. Hierbei entstehen weltweit etwa steme auf der Basis der publizierten Daten ist nicht
70 Mio. t Schwefel, vor allem als Schwefeldioxid (50 2 ). möglich (Rennenberg, 1994).
Bei der Verbrennung von Biomasse werden weltweit
etwa 2,5 Mio. t Schwefel (v.a SO 2 ) freigesetzt. Durch Neben den direkten Emissionen aus den Agrarökosy-
vulkanische Aktivitäten gelangen weitere 11 Mio. t stemen ist die Landwirtschaft indirekt an weiteren
Schwefel (v.a. SO 2) in die Atmosphäre (IPCC, 1992). Schwefelemissionen beteiligt

Die wichtigste klimawirksame Schwefelverbindung — durch ihren Anteil an den Schwefeldioxidemissio-


ist Dimethylsulfid (DMS). DMS wird insbesondere nen (50 2 ) aus der Verbrennung fossiler Energie-
durch das Phytoplankton in den Weltmeeren gebildet träger,
und stellt in der marinen Troposphäre Kondensations-
— durch die Anwendung schwefelhaltiger Dünge-
kerne für Wolkentröpfchen dar. Weltweit gelangen
mittel,
etwa 16 Mio. t Schwefel (v.a. DMS) aus dem Meer in
-
die Atmosphäre (IPCC, 1992). Carbonylsulfid (COS) — durch die Eutrophierung küstennaher Gewässer,
ist in der Stratosphäre an der Bildung der Sulfat die zu einer gesteigerten COS- und DMS-Bildung
Aerosole beteiligt, die den Strahlungshaushalt und durch Algen und Phytoplankton führt.

3. Auswirkungen von Klimaänderungen auf die Landwirtschaft

Die Landwirtschaft trägt in erheblichem Umfang zur innerhalb der Agrarökosysteme und in deren Umge-
Emission klimawirksamer Spurengase bei. Zugleich bung auf vielfältige Weise und durch zahlreiche
stellt sie neben der Forstwirtschaft den Wirtschaftsbe- Wechselwirkungen. Hierzu gibt es eine Vielzahl von
reich dar, der am deutlichsten von Klimaänderungen wissenschaftlichen Untersuchungen, die sich meist
betroffen sein wird. Eine Veränderung des physikali- mit sehr speziellen Aspekten innerhalb dieses
schen Klimas (Temperatur, Niederschlag etc.) und Wirkungsgeflechtes auseinandersetzen. Zahlreiche
eine veränderte chemische Zusammensetzung der Wechsel- und Nebenwirkungen müssen jeweils unbe-
Atmosphäre beeinträchtigen physiologische Vor- achtet bleiben, da in einer Untersuchung meist nur
gänge bei Pflanzen und Tieren und können nach den einzelne Faktoren verändert werden können. Auf-
bisherigen Erkenntnissen zu sinkenden Erträgen und grund dessen sind die jeweiligen Ergebnisse prinzi-
damit zu einer Gefährdung der Ernährung einer piell nur unter den jeweiligen Versuchsbedingungen
wachsenden Weltbevölkerung führen. gültig und nicht ohne weiteres (auf Freiland-/Anbau-
bedingungen) übertragbar. Gleichwohl sind Intensi-
Die klimatischen Faktoren beeinflussen die biologi vierungen dieser Arbeiten notwendig, um ein tieferes
schen, chemischen und physikalischen Vorgänge Verständnis von den Wirkungen der klimatischen
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Faktoren auf die Agrarökosysteme und deren Sub- Bei der Betrachtung der Wirkungen des Lichtes auf
systeme zu erlangen. das Pflanzenwachstum spielt auch die jeweilige Tem-
peratur eine wesentliche Rolle. Durch den allgemei-
Das zweite und eher noch größere Problem bei der nen Temperaturanstieg bzw. die polwärtige Verlage-
Prognose der Auswirkungen ist derzeit das Fehlen rung der Anbauzonen wird den Pflanzen tendentiell
verläßlicher regionaler Vorhersagen zur Klimaände- bei steigenden Temperaturen gleichviel bzw. weniger
rung (Abschnitt A, Kap. 1.4 bis 1.6). Daher werden im Licht zur Verfügung stehen. Bei gleichbleibender
folgenden die generellen Wirkungen einzelner klima- Beleuchtungsstärke führt ein Temperaturanstieg über
tischer Faktoren und die Folgen ihrer Veränderung die pflanzenspezifische Optimaltemperatur hinaus
beschrieben. Da sich die Wirkungen der verschiede- zu verringerter Biomassebildung. Generell können
nen klimatischen Faktoren häufig gegenseitig ver- Pflanzen eine höhere Umgebungstemperatur nur in
stärken oder auch aufheben können (synergistische eine verstärkte Biomassebildung umsetzen, wenn
und antagonistische Wirkungen) und sich die ver- gleichzeitig auch die Beleuchtungsstärke ansteigt und
schiedenen Kulturarten und -sorten in ihrer Reaktion alle anderen Wachstumsfaktoren (Wasser, Nährstoffe
unterscheiden, sind meist nur tendenzielle, qualita- etc.) nicht limitiert sind.
tive Aussagen möglich. Bisherige Angaben basieren
Hier gilt — ebenso wie bei allen anderen Wachstums-
auf einzelnen Versuchen, Modellrechnungen und
und Ertragsfaktoren — das Gesetz des Minimums
Abschätzungen und können daher nicht auf andere
bzw. des Optimums. Justus von Liebig formulierte
Regionen übertragen oder sogar global hochgerech-
1855 das Gesetz des Minimums: „Die Höhe des
net werden. Bereits heute belegen jedoch die über-
Ertrages ... steht im Verhältnis zu demjenigen zur
wiegend negativen Ergebnisse, daß es weltweit kaum
völligen Entwicklung der Pflanze unentbehrlichen
„Gewinner" künftiger Klimaänderungen geben
Nährstoff, welcher im Boden in kleinster Menge (in
wird.
minimo) vorhanden ist." Diese Vorstellung wurde von
E. Liebscher (1895) dahin gehend ergänzt, daß die
Wirkung des Minimumfaktors von dem optimalen und
ausgewogenen Vorhandensein aller anderen Produk-
tions- bzw. Wachstumsfaktoren abhängt. E. Wollny
(1897/98), der sich mehr mit den Wirkungen klimati-
3.1 Auswirkungen auf den Pflanzenanbau scher Faktoren befaßte, formulierte darauf aufbauend
das Gesetz des Optimums, das besagt, daß die ertrags-
steigernde Wirkung eines Faktors von seinem Mini-
3.1.1 Wirkungen von klimatischen Faktoren mum bis zu seinem Optimum zunimmt, um anschlie-
auf Pflanzen ßend wieder abzufallen (Klapp, 1967).

3.1.1.1 Strahlung 3.1.1.2 Temperatur

Die einfallende Sonnenstrahlung liefert die Lichtener- Die Temperatur und der Bodenwassergehalt beein-
gie für die Photosynthese. Diese Strahlungsenergie ist flussen alle Wachstums- und Entwicklungsvorgänge
für einen bestimmten Ort an der Erdoberfläche lang- und bestimmen maßgeblich die Anbauwürdigkeit
fristig als relativ konstant anzusehen. Neben den und Ertragsleistung aller Kulturarten. Durch die pro-
regelmäßigen tages- und jahreszeitlichen Schwan- gnostizierte Temperaturerhöhung können art- oder
kungen wird die einfallende Strahlungsmenge von sortenspezifische physiologische Wachstumsgrenzen
den aktuellen Bewölkungsverhältnissen bestimmt. überschritten werden. Dies gilt sowohl für die räumli-
Die Intensivierung des hydrologischen Zyklus führt chen und zeitlichen Mittelwerte der klimatischen
durch die zunehmende Verdunstung zu einer Faktoren, insbesondere aber für die neuen Extrem-
Zunahme der Wolkenbildung. Dieses hat tendentiell werte. In Abb. 3.1 ist der prinzipielle Einfluß der
die Verminderung der den Pflanzen zur Verfügung Temperatur auf die Primärproduktion der Pflanzen
stehenden Lichtenergie zur Folge. dargestellt. Im Bereich des arten- und sortenspezifi-
schen Temperaturoptimums ist der Temperaturein-
Durch den globalen Temperaturanstieg verschieben fluß auf die Photosyntheseleistung (Bruttoprimärpro-
sich die Anbau- und Vegetationszonen polwärts. In duktion) der Pflanzen relativ gering (Geisler, 1980).
höheren Breiten erhalten die Pflanzen grundsätzlich Die Photosynthese hängt dann weitaus stärker von der
weniger Sonnenstrahlung (geringere Intensität, kür- Absorption der photosynthetisch aktiven Strahlung
zere Vegetationsperiode) (EK, 1992). Bestimmte Vor- und der aktuellen Wasserbilanz der Pflanzen ab
gänge während der Entwicklung einiger Pflanzen (Esser, 1990). Mit steigender Temperatur erhöht sich
werden durch die Tageslänge gesteuert, beispiels- dagegen die Atmung (Respiration) überproportional
weise der Übergang von der vegetativen Wachstums- gegenüber dem Anstieg der Photosynthese, bis ein
phase in die generative Phase mit der Blüten- und artspezifischer Maximalwert erreicht ist, ab dem sie
Samenbildung. Von den niederen Breiten zu den steil abfällt (Larcher, 1973, Esser, 1989). Die Differenz
höheren Breiten hin unterliegt die Tageslänge einem aus Bruttophotosynthese und Atmung, die Netto-
zunehmend ausgeprägten Jahresgang. Der Sommer- photosynthese (Nettoprimärproduktion bzw. NPP)
tag ist länger, der Wintertag kürzer als in niederen (schraffiertes Feld in Abb. 3.1), nimmt daher bei
Breiten. Hiervon können photoperiodische Steue- Überschreiten des Temperaturoptimums unter sonst
rungsvorgänge (Kurztag-/Langtag-Reaktionen) in- gleichen Bedingungen mit steigenden Temperaturen
nerhalb der Pflanzen beeinflußt werden. ab.
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Abbildung 3.1: Schema der Temperaturabhängigkeit von Photosynthese und Atmung


(Larcher, 1973).

Der Treibhauseffekt führt nicht zu einem gleichmäßig — die durchschnittliche Wachstumsrate, also die
über den Tagesgang verteilten Temperaturanstieg. Trockenmassezunahme in einer Zeiteinheit;
Die Maximaltemperaturen, die im allgemeinen am
— die Phasendauer, also die notwendige Zeit zwi
Tage erreicht werden, haben sich bisher relativ wenig schen zwei Entwicklungsstadien der Pflanze.
verändert. Die Minimaltemperaturen in der Nacht
sind dagegen über den Landflächen der mittleren Der Einfluß der Temperatur auf die Wachstumsdauer
Breiten der Nordhemisphäre signifikant angestiegen und die Wachstumsrate ist in Tab. 3.1 dargestellt.
(Karl u. a., 1991). Mit dem Anstieg der Nachttempera- Steigende Temperaturen beschleunigen die Entwick-
turen erhöhen sich insbesondere die nächtlichen lung und verkürzen die Phasendauer. Die Phasen-
Atmungsverluste der Pflanzen (FAO, 1990). dauer wurde hier gemessen als die Anzahl der Tage
Die Ertragsleistung einer Pflanze wird neben der vom Auflaufen bis zum Schossen bzw. Blühbeginn.
Nettoprimärproduktion von zwei weiteren Faktoren Die Wirkung steigender Temperaturen nimmt bis zum
bestimmt: Erreichen einer Mindestphasendauer stetig ab.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Tabelle 3.1

Einfluß der Temperatur auf die Wachstumsdauer, Wachstumsrate und das Endgewicht
(in Gramm Trockenmasse/Pflanze) verschiedener Kulturpflanzen
(nach van Dobben, 1962; In: Geisler, 1980)

Wachstumsdauer Wachstumsrate Endgewicht

Temperatur in °C

10 16 25 10 16 25 10 16 25

Sommerroggen 82 51 37 22 14 13 8,8 4,6 4,1


Sommerweizen 129 70 57 32 22 20 16,2 11,1 7,3
Sommergerste 99 63 52 20 12 11 12,0 6,8 5,4
Hafer 115 68 50 23 20 18 16,2 9,8 7,4
Erbsen 86 52 37 42 27 23 4,9 3,2 2,0
Flachs 100 65 50 27 23 20 3,2 2,2 1,7
Mais — 87 50 — 19 9 — 13,7 35,2
Phaseolus-Bohne — 46 24 — 33 15 — 3,7 4,9

Die Wachstumsdauer wurde gemessen als die Anzahl der Tage vom Auflaufen bis zum Schossen bzw. Blühbeginn. Die
Wachstumsrate wurde gemessen als die Anzahl der Tage, die vor dem Schossen bzw. Blühbeginn zur Verzehnfachung der
Pflanzentrockenmasse notwendig waren.

Danach bleibt ein weiterer Temperaturanstieg wir- die generative Phase (Blütenbildung) oder für die
kungslos. Im Bereich des pflanzenspezifischen Tem- Keimung des Saatgutes (Stratifikation) notwendig
peraturoptimums erhöht sich mit steigender Tempera- sein. Bei zunehmender Erwärmung ist dieser Kältereiz
tur die Wachstumsrate, die hier gemessen wurde als nicht mehr ausreichend gewährleistet.
die Anzahl der Tage, die vor dem Schossen bzw.
Des weiteren kann es bei überhöhten Temperaturen
Blühbeginn zur Verzehnfachung der Pflanzentrok-
kenmasse notwendig waren. zur bleibenden Schädigungen der Pflanzen durch
Schädigung von Zellmembranen und Denaturierung
Die Wachstumsdauer bestimmt die Produktionslei- (irreversible Veränderungen) pflanzlicher Eiweißver-
stung der Pflanzen stärker als die Wachstumsrate. bindungen kommen. Höhere Temperaturen und eine
Eine längere Wachstumsdauer ermöglicht insgesamt entsprechend steigende Transpiration führen zu vor-
eine höhere Gesamtassimilatproduktion (Summe der übergehenden Welkeerscheinungen und vorzeitigem
bei der Photosynthese gebildeten Kohlenhydrate) und Laubfall. Verbrennungen an Blättern, Farbverände-
dadurch höhere Erträge (Geisler, 1980). Bei den rungen und absterbende Gewebeteile an Früchten
sind weitere Symptome von zu hohen Temperatu-
meisten Kulturarten wirken sich daher niedrigere
ren.
Temperaturen generell günstiger auf die Ertragslei-
stung aus als höhere (Santer, 1984). Eine Ausnahme Die Wirkung hoher Temperaturen (oberhalb des spe-
bilden hier ausgesprochen wärmeliebende, ange- zifischen Temperaturoptimums) auf Pflanzen unter-
paßte Kulturarten wie die Phaseolus-Bohne und der liegt dem Dosis-Wirkungsgesetz, d. h. daß der schädi-
Mais. Dies gilt jedoch nur, solange diese Arten nicht in gende Effekt einer geringeren Dosis über einen län-
niederen Breiten angebaut werden, aus denen sie geren Zeitraum dem Effekt einer einmaligen hohen
ursprünglich stammen, sondern in den gemäßigten Dosis gleichkommt. Die prognostizierte mäßige Erhö-
Breiten. Bei einem Anbau in niederen Breiten mit hung der Temperatur wirkt daher möglicherweise
entsprechend höheren Temperaturen wird der ebenso schädlich wie kurz einwirkende, große Hitze
beschriebene Effekt sinkender Erträge bei höherer (Wetterextreme) (Hoffmann u. a., 1985).
Wachstumsrate und kürzerer Wachstumsdauer auch
bei diesen wärmeliebenden Pflanzen eintreten. Die Assimilatproduktion ist wesentlich von der ver-
fügbaren Lichtenergie sowie der Größe und Lebens-
Eine andere mögliche negative Wirkung steigender dauer der Blattfläche (Absorptions- bzw. Assimila-
Temperaturen tritt bei vernalisationsbedürftigen tionsfläche) abhängig. Diese wiederum ist negativ mit
Pflanzen ein. Vernalisation ist ein pflanzenart- oder der Temperatur korreliert, da höhere Temperaturen,
sortenspezifisch notweniger Entwicklungsreiz durch vor allem in Kombination mit Wassermangel zu früh-
eine niedrige Temperatur während eines bestimmten zeitiger Alterung (Seneszenz) der Blattfläche bzw. der
Zeitraums. Solche Kältereize können beispielsweise ganzen Pflanzen führen (Mohr und Schopfer, 1978).
für den Übergang der Pflanze von der vegetativen in Nicht nur die Assimilatproduktion, sondern auch der
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Nährstoff- und Assimilattransport in der Pflanze ist Eine geschlossene Schneedecke isoliert und verbes-
unter anderem vom Wasserhaushalt und der Umge- sert den Kälteschutz der Pflanzen, andererseits kann
bungstemperatur abhängig. Alle Stofftransporte in eine durch regionale Klimaänderung bedingte höhere
der Pflanze erfolgen in Wasser gelöst mit dem Tran- Schnee- bzw. Eisbedeckung zu Sauerstoffmangel und
spirations- oder Assimilatstrom. Die Transpiration und Fäulnis durch fehlenden Luftaustausch oder Schnee-
damit der Stofftransport nehmen bei Temperaturan- bruch führen.
stieg solange zu, bis Wassermangel aufgrund über-
höhter Temperaturen die Transportvorgänge inner-
halb der Pflanze einschränkt. Der Turgor (Innendruck 3.1.1.4 Wind
der Zellen und des pflanzlichen Gewebes) sinkt und
die Blattöffnungen (Stomata) schließen sich teilweise Die Zunahme der Windgeschwindigkeit und der
oder ganz. Die CO 2 -Aufnahme der Pflanzen und der Sturmhäufigkeit erhöht die Wahrscheinlichkeit von
Transpirationsstrom in der Pflanze werden reduziert Windbruch, Lagergetreide (Abknicken der Halme),
oder sogar unterbrochen. Fruchtfall oder Entwurzelung der ganzen Pflanzen
sowie Windschliff durch Sand oder Eiskristalle. Sie
Steigende Temperaturen verlängern die Vegetations- erhöht auch das Dampfdruckgefälle zwischen Blatt-
periode, so z. B. in Europa um schätzungsweise zehn hohlräumen und Umgebungsluft, was die Transpira-
Tage bei einem Temperaturanstieg um 1° C (Parry, tion verstärken und im Extremfall auch zur Austrock-
1990). Soweit Licht, Wasser und Nährstoffe in entspre- nung der Pflanzen führen kann.
chender Menge vorhanden sind, kann sich dadurch
die Produktivität eines Standortes erhöhen. Zugleich Die bisherige allgemeine Darstellung der Einflüsse
erweitern sich die Anbaumöglichkeiten besonders der verschiedenen klimatischen Faktoren auf das
wärmeliebender Arten und Sorten. Pflanzenspezifi- Pflanzenwachstum kann nur einen ersten Überblick
sche Minimaltemperaturen für die Keimung, die Blü- über mögliche Auswirkungen geben. Bei der Betrach-
tenbildung oder andere Stadien innerhalb der Pflan- tung einzelner Pflanzenarten ergibt sich ein weitaus
zenentwicklung werden auch in höheren Breiten eher differenzierteres Bild. Verschiedene Arten und auch
erreicht bzw. überschritten, zumindest soweit die verschiedene Sorten einer Art haben teilweise sehr
notwendigen Anbaubedingungen (Bodenqualität, spezifische Ansprüche an bestimmte klimatische Fak-
Licht, Wasser, Nährstoffe etc.) gegeben sind. Die toren oder zeigen unterschiedliche Reaktionen auf
prognostizierte Zunahme extremer Wetterereignisse bestimmte klimatische Veränderungen. So lösen
schränkt den erweiterten Spielraum jedoch mögli- höhere Temperaturen bei Reis Pollensterilität aus
cherweise wieder ein, da häufiger Früh- oder Spät- oder beeinflussen die Blütenbildung und Knollenform
fröste und andere Wetterextreme auftreten werden. bei Kartoffeln (FAO, 1990). Die Fülle aller möglichen
Durch einen Temperaturanstieg werden zudem die Wechselbeziehungen kann hier nicht dargestellt wer-
Anbaumöglichkeiten in niederen Breiten zunehmend den und ist bisher auch nur für wenige Kulturarten
eingeschränkt oder zumindest die Erträge deutlich näher untersucht. Die komplexen Wechselwirkungen
reduziert, da hier vielfach das pflanzenspezifische zwischen Temperatur und Bodenfeuchte auf die ein-
Temperaturoptimum bereits erreicht oder sogar über- zelnen Phasen der Pflanzenentwicklung und Ertrags-
schritten ist. Dies gilt insbesondere für den Reisanbau, bildung sind am Beispiel einer der bestuntersuchten
der in weiten Teilen der Erde das Hauptnahrungsmit- Kulturarten, dem Winterweizen, an anderer Stelle
tel darstellt (FAO, 1990; Baker u. a., 1992). Die Mög- (Geisler, 1983; Burdick, 1990 und 1994) detailliert
lichkeit der Ausweitung der Anbauflächen in höhere dargestellt.
Breiten ist fraglich und droht zusätzlich durch den
gleichzeitigen Verlust von Anbauflächen (Desertifi-
kation) in niederen Breiten überkompensiert zu wer- 3.1.2 Wirkungen der Zunahme atmosphärischer
den. Spurengase auf Pflanzen

3.1.2.1 Kohlendioxid (CO 2)


3.1.1.3 Niederschlag
Pflanzen nehmen bei der Photosynthese Kohlendioxid
Niederschläge dienen u. a. der Auffüllung der Boden- auf und bilden hieraus pflanzliche Biomasse. Bei
wasservorräte, aus denen die Pflanzen ihren Wasser- ausreichender Versorgung der Pflanzen mit allen
bedarf decken. Die enge Wechselbeziehung zwischen anderen Wachstumsfaktoren (Nährstoffe, Wasser,
Niederschlag, Temperatur, Bodenwassergehalt und Licht etc.) ist das Wachstum und der Ertrag durch die
Pflanzenwachstum wird in Kap. 3.1.4 dargestellt. CO 2 -Konzentration in der Umgebungsluft begrenzt
(Gesetz des Minimums/Optimums). Ein Anstieg der
Bei einer Klimaänderung werden neue Wetterex- CO2 -Konzentration in der Atmosphäre kann unter
treme auftreten und die Häufigkeit von Wetterextre- diesen Umständen insbesondere bei C3-Pflan-
men kann zunehmen. Dies bedeutet z. B. heftigere zen — die Photosyntheserate und dadurch die Biomas-
Sommerniederschläge (Starkregen, Hagel, etc.), bei seproduktion erhöhen.
höheren Temperaturen. Durch erhöhten Abfluß hefti-
gerer Niederschläge und Bodenerosion können vor Die Landpflanzen werden im wesentlichen in zwei
allem Keimpflanzen verschlämmen oder entwurzelt große Gruppen (C3- und C4-Pflanzen) unterteilt, die
werden. Hagel verletzt die Pflanzenoberfläche direkt sich durch die Art der CO 2 -Fixierung unterscheiden.
und erhöht die Infektionsanfälligkeit durch offene C3-Pflanzen binden das CO 2 an einen Zucker, der fünf
Wunden. Die Fläche mit Lagergetreide (Abknicken Kohlenstoffatome enthält (Ribulose-bi-Phosphat,
der Halme) steigt. RuBP). Die entstandene Verbindung mit sechs Koh-
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lenstoffatomen zerfällt in zwei Zucker, die aus je drei Diese Lichtatmung addiert sich zu der normalen
Kohlenstoffatomen (= C3) aufgebaut sind. C4-Pflan- Atmung (Dunkelatmung in den Mitochondrien) und
zen binden dagegen das CO 2 zunächst an eine C3- verschlechtert daher die Bilanz aus Bruttophotosyn-
Verbindung (Phosphoenolpyruvat, PEP). In dem so these und Atmung: Die Nettophotosynthese nimmt ab.
entstandenen C4-Körper (organische Säuren) wird Da ein Anstieg der CO 2 -Konzentration in der Atmo-
das CO 2 zwischengespeichert und der Photosynthese sphäre das CO 2 : O 2 -Verhältnis in der Pflanze erhöht,
in einer effizienten Form zugeführt. Diese CO 2 -Vorfi- werden die Verluste durch Lichtatmung verringert
xierung erfolgt (im Mesophyll) räumlich getrennt von und dadurch die Nettophotosynthese gesteigert. Im
der eigentlichen Kohlenhydratsynthese (Assimilatbil- Gegensatz dazu erfolgt die CO 2 -Vorfixierung bei den
dung) in den Bündelscheidenzellen. Neben C3- und C4-Pflanzen über ein anderes Schlüsselenzym, die
C4-Pflanzen gibt es noch die kleine Gruppe der PEP-Carboxylase, die im Vergleich zur Rubisco eine
CAM-Pflanzen (Crassulaceen u. a.), bei denen unter höhere Affinität für CO 2 aufweist. Das durch die
Trockenstressbedingungen die CO 2 -Fixierung nachts Lichtatmung innerhalb der C4-Pflanzen gebildete
durch Anreicherung organischer Säuren und die Koh- CO2 verläßt die Pflanze nicht, sondern wird direkt von
lenhydratsynthese tagsüber bei geschlossenen Sto- der PEP-Carboxylase wieder fixiert und der Kohlen-
mata erfolgt. Dies stellt eine Anpassung an besonders hydratsynthese zugeführt. Durch die räumliche Tren-
trockene Standorte dar. Wichtige C3-Kulturarten sind nung von CO 2 -Fixierung und Kohlenhydratsynthese
Reis, Weizen, Gerste, Kartoffeln und Bohnen, wichtige sowie aufgrund ihrer Enzymausstattung (PEP-Carbo-
C4-Pflanzen sind Mais, Hirse und Zuckerrohr. Die xylase) verfügen die C4-Pflanzen bei heutigen CO 2
Mehrzahl aller Kulturarten gehören zu den C3-Pflan- -GehaltnidrLufmVgechzC3-Planübr
zen. In Europa beträgt ihr Anteil an der Pflanzenpro- einen effektiven Mechanismus der internen CO 2
duktion über 90 %. -Anreichug.Dsbdtleichzg,aßb
künftig steigender CO 2 -Konzentration in der Luft bei
Das Schlüsselenzym bei der CO 2 -Fixierung der C3
C4-Pflanzen eine wesentlich geringere Zunahme der
Pflanzen ist die Ribulose-bi-Phosphat-Carboxylase/
Nettophotosynthese und der Biomasseproduktion zu
Oxygenase (Rubisco), um deren Bindungsstelle CO 2
erwarten ist, als bei den meisten C3-Pflanzen
2 konkurrieren. Für die Wirkungsweise der und0
(Abb. 3.2).
Rubisco ist das CO 2 :O 2 -Verhältnis in den Chloropla-
sten (Zeltorgane der Photosynthese) entscheidend. Die fördernde Wirkung des CO 2 -Anstiegs ist — arten-
Bei einem abnehmenden CO 2 :O2 -Verhältnis wird von und sortenabhängig — für eine Reihe meist annueller
der Rubisco zunehmend das Substrat (RuBP) durch (einjähriger) landwirtschaftlicher Nutzpflanzenarten
Anlagerung von O2 oxidiert, wobei CO 2 entsteht und experimentell belegt. Aus den vorliegenden Experi-
abgegeben wird (Photorespiration/Lichtatmung). menten leitet man im Falle einer CO 2 -Verdopplung

Abbildung 3.2: Nettophotosyntheserate bei C3- und C4-Pflanzen in Abhängigkeit


von der CO 2-Konzentration in der Umgebungsluft (Taiz und Zeiger,
1991; In: Rogers u. a., 1994)
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eine mittlere Ertragszunahme von 33 % bei C3-Pflan- — Dikotyledonen (zweikeimblättrige Pflanzen, i. d. R.


zen und 10 % bei C4-Pflanzen ab (Rogers u. a., 1992). Kräuter) reagieren stärker als Monokotyledonen
Mittelfristig — etwa im Laufe der nächsten 50 bis 60 (einkeimblättrige Pflanzen, i. d. R. Gräser) (Poor-
Jahre — wird eine Zunahme der atmosphärischen ter, 1993).
CO 2 -Konzentration auf etwa 480 ppmv CO 2 erwartet,
Neben den Wirkungen auf Photosynthese und Stoff-
so daß mit einem geringeren Ertragszuwachs als bei
produktion wurde im einzelnen die Zunahme der
CO 2 -Verdopplung zu rechnen ist.
Blattdicke und -größe sowie der Zahl und Größe der
Blüten und Früchte festgestellt. Verschiedene Unter-
Verschiedene Gruppen von Pflanzen reagieren mit
suchungen belegen eine Veränderung der Zahl bzw.
einer unterschiedlich starken Biomassezunahme auf
Dichte der Stomata je Blattfläche (Woodward, 1987).
einen CO 2 -Anstieg:
Bei Getreide steigt die Zahl der Triebe und Körner je
— Krautige C3-Kulturpflanzen reagieren stärker als Pflanze. Auch eine deutliche, häufig sogar überpro-
C3-Wildkräuter; portionale Zunahme des Wurzelwachstums ist belegt.
Das stärkere Sproß- und vor allem Wurzelwachstum
— schnellwachsende Pflanzen reagieren stärker als
bindet mehr Kohlenstoff und hinterläßt mehr organi-
langsamwachsende Arten;
sche Rückstände im Boden (stärkere Humusbildung).
— C3-Leguminosen reagieren stärker als andere C3- Das größere Wurzelsystem kann zudem mehr Nähr-
Pflanzen; stoffe und Wasser erschließen und der Pflanze zufüh-

Abbildung 3.3: Wassernutzungseffizienz von C3- und C4-Pflanzen bei steigendem CO 2


Gehalt in der Umgebungsluft (Rogers u. a., 1994).
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ren (Bazzaz u. Fajer, 1992). Weitere Wirkungen eines daß Leguminosen (Hülsenfrüchte) von einem CO 2
CO2 -Anstieges sind zusammenfassend in Tab. 3.2 -Anstiegbodrspfiten.
dargestellt.
Trotz der großen Zahl von experimentellen Untersu-
Aufgrund der oben beschrieben internen CO 2 -Anrei- chungen, die eine positive Wirkung einer höheren
cherung weisen C4-Pflanzen bei einer geringeren CO2 -Konzentration in der Umgebungsluft auf die
Öffnungsweite der Stomata und damit verringerter Photosyntheserate und die Biomassebildung belegen,
Transpiration eine höhere Photosyntheserate als C3 gibt es zugleich erhebliche Kritik an der Aussagekraft
Pflanzen auf. Daher nutzen sie das zur Verfügung bzw. Übertragbarkeit dieser Ergebnisse im Hinblick
stehende Wasser effizienter und sind besser an aride auf eine Abschätzung des künftigen Ertragspotentials
und semiaride (trockene) Standorte angepaßt. Ein in der Landwirtschaft. In mehr als 80 % der Versuche
Anstieg der CO 2 -Konzentration führt zu einer zusätz- wurden lediglich Kurzzeitmessungen der Photosyn-
lichen Steigerung der Wassernutzungseffizienz theserate über Stunden, Tage oder wenige Wochen
(Abb. 3.3). durchgeführt, während kaum Untersuchungen über
den gesamten Entwicklungsverlauf von Pflanzen vor-
Bei steigendem CO 2 -Gehalt der Luft können auch die
C3-Pflanzen ihre Stomata teilweise geschlossen hal-
ten. Die Pflanzen nehmen dennoch die gleiche Menge
CO2 auf, verdunsten dabei aber weniger Wasser Tabelle 3.2
(Abb. 3.3). Der erhöhte Wasserausnutzungsgrad
ermöglicht den Pflanzen daher bei abnehmendem Direkte Wirkungen einer CO2 -Verdopplung
Bodenwassergehalt eventuell eine gleichbleibende (nach Krupa und Kickert, 1993)
Biomasseproduktion. Bei einer Verdopplung der CO 2
Wirkungsort Direkte Wirkung -KonzetraidUmgbunslftkadieTr-
spiration einzelner Blätter um 30 bis 40 % verringert bzw. -größe einer CO 2 -Verdopplung
sein (Kimball und Idso, 1983). Aus einer geringeren
Photosyntheserate Bei C3-Pflanzen deutlich,
Transpiration einzelner Blätter kann aber nicht
C4-Pflanzen kaum
zwanglos auf eine geringere Transpiration eines
gefördert
Pflanzenbestandes geschlossen werden. Wenn durch
eine CO 2 -Verdopplung die Biomasseproduktion und
Stomataöffnung Verringert
somit die Gesamtblattfläche zunehmen, kann der
bei C3- und C4-Pflanzen
Gesamtwasserverbrauch bezogen auf die Bodenflä-
che sogar ansteigen, insbesondere wenn gleichzeitig
Wasserausnutzung Erhöht
eine Erhöhung der Lufttemperatur stattfindet (Mori-
bei C3- und C4-Pflanzen
son, 1992). Zusammen mit einer steigenden Verdun-
stungsrate am Boden (Evaporation) führt dieser Pro- Bei C3-Pflanzen stärker
Blattfläche
zeß zu einer Abnahme der Bodenfeuchtigkeit, die sich vergrößert als bei
wiederum negativ auf das Wachstum der Pflanzen C4-Pflanzen
auswirken kann.
Blattgewicht Erhöht -
Durch eine CO 2 -bedingte Verringerung der Stomata-
bei C3- und C4-Pflanzen
öffnung wird gleichzeitig die Aufnahme potentiell
phytotoxischer Gase (Luftschadstoffe wie SO 2 , O 3)
Pflanzenreife Beschleunigt
reduziert. Denkbar ist auch ein erschwertes Eindrin-
bei C3- und C4-Pflanzen
gen von Schaderregern (z. B. Pilzinfektionen) über die
Stomata. Früheres Blühen
Blüte
Durch eine vermehrte CO 2 -Aufnahme der Pflanzen bei C3- und C4-Pflanzen
bei gleichbleibendem Stickstoffangebot ändert sich
das Kohlenstoff-Stickstoff-Verhältnis in der Pflanzen- Trockenmasse- Bei C3-Pflanzen deutlich,
substanz. Der relative Kohlenstoffgehalt der Pflanzen- produktion und C4-Pflanzen kaum
substanz steigt und der Stickstoffgehalt sinkt. Damit Ertrag gefördert
verschiebt sich auch das Verhältnis von Kohlenhy-
Artunterschiede Deutliche Unterschiede
drat- und Proteingehalt. Ein geringerer Proteingehalt
Inder Pflanzen- zwischen C3- und
verringert den Nährwert der Pflanzensubstanz für die
reaktion C4-Pflanzen
menschliche und tierische Ernährung. Es gibt aber
auch pflanzliche Produkte (Braugerste, Zuckerrüben),
Unterschiede in der Sortenabhängige
bei denen ein geringer Stickstoffgehalt durchaus
Pflanzenreaktion Unterschiede möglich
erwünscht ist. So wird eine Begasung mit CO 2 im
(Sorten einer Art)
Unterglasgemüsebau bereits seit langem zur Ertrags-
steigerung eingesetzt und führt dort gleichzeitig zu
Trockenstreß Geringere Trockenstreß-
niedrigeren Nitratgehalten im Gemüse (Lenz, 1991).
empfindlichkeit
Durch eine höhere Nettophotosynthese erhöht sich
der Pflanzen
das Angebot und die Verfügbarkeit von Kohlenhydra-
ten für Organismen, die mit den Pflanzen in Symbiose Nährstoffmangel Geringere oder keine
leben (stickstoffixierende Knöllchenbakterien, My- Reaktion auf CO2-Anstieg
corrhizapilze). Dies ist gleichzeitig der Grund dafür,
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liegen. Viele Pflanzenarten zeigten bereits nach kur- — Synergistische Effekte, wie z. B. die Zunahme der
zer Zeit nur eine geringe, eine rasch nachlassende UV-B-Strahlung (Kap. 3.1.3) sowie der Anstieg
oder überhaupt keine Reaktion auf einen CO 2 der Konzentrationen des bodennahen Ozons
Anstieg. Dies kann mehrere Gründe haben: (Kap. 3.1.2.2) und weiterer Luftschadstoffe beein-
trächtigen das Pflanzenwachstum.
— Durch die nachlassende Aktivität des Schlüsselen-
zyms der CO 2 -Fixierung (Ribulose-bi-Phosphat- — Eine höhere Biomasseproduktion ist nur bei gleich-
Carboxylase) kommt es zu einem Engpaß bei der zeitig höherer Nährstoffversorgung bzw. entspre-
CO 2 -Bindung. chender Düngung möglich.

— Durch das genetisch festgelegte oder durch — Die veränderten Wirt-Parasit- bzw. Nutzpflanzen-
begrenzende äußere Faktoren hervorgerufene Unkraut-Beziehungen (C3-/C4-Konkurrenz) kön-
Mißverhältnis zwischen der Kohlenhydratsyn- nen im Einzelfall sowohl ertragsmindernd, als auch
these in den Blättern und der Verlagerung der ertragssteigernd wirken (Kap. 3.1.8).
Kohlenhydrate in die Wurzeln, Früchte oder Abschließend bleibt festzustellen, daß die bisher vor-
andere Organe (Source-Sink-Mißverhältnis) in der liegenden Versuchsergebnisse zu den Wirkungen
Pflanze kommt es zu einem Kohlenhydratstau. eines CO 2 -Düngeeffektes in Abhängigkeit von den
Dieser hemmt wiederum die Enzymaktivität im Versuchsbedingungen und Pflanzenarten teilweise
Zusammenhang mit der Photosynthese in der erheblich differieren bis hin zu gegensätzlichen Aus-
Pflanze. Die Funktionsfähigkeit der Chloroplasten sagen. Die Ergebnisse können fast ausnahmslos nicht
(Zellorgane der Photosynthese) wird durch eine auf Feldbedingungen und vor allem nicht auf natürli-
übermäßige Stärkespeicherung infolge des Koh- che oder naturnahe Ökosysteme übertragen werden.
lenhydratstaus beeinträchtigt. Ein relativer Phos- Das Wachstum und die Produktivität natürlicher und
phormangel im Energiestoffwechsel der Pflanzen naturnaher Ökosysteme ist im allgemeinen nicht
kann den Kohlenhydrattransport (Assimilattrans- durch die CO 2 -Konzentration der Umgebungsluft,
port) ebenfalls hemmen. sondern durch andere limitierende Faktoren, z. B.
Nährstoffe und Wasser begrenzt. Ein nennenswerter
Pflanzen können sich in ihrer Morphologie auch
CO2 -Düngeeffekt wird wahrscheinlich eher in Agrar-
langfristig an die steigende CO 2 -Konzentration
ökosystemen als in natürlichen oder naturnahen Öko-
anpassen und somit einen möglichen CO 2 -Düngeef-
systemen von Bedeutung sein. Durch Düngung und
fekt reduzieren. Untersuchungen an Bäumen haben
weitere Kulturmaßnahmen versucht man möglichst
ergeben, daß sich in den letzten 200 Jahren — ver-
optimale Wachstumsbedingungen zu schaffen. Je
mutlich bedingt durch die CO 2 -Zunahme in der Atmo-
besser dies gelingt, desto eher kann sich ein CO 2
sphäre — die Zahl der Stomata auf je Blattfläche
-Anstiegra duwiken.DsAr-
verringert hat. Dies konnte auch in Gewächshausver-
kungen auf den Ertrag sind jedoch keineswegs mit
suchen bei unterschiedlichen CO 2 -Konzentrationen
simuliert werden (Woodward, 1987). Durch eine dem Effekt zu vergleichen, der bei Nährstoffmangel
geringere Zahl von Spaltöffnungen verringert sich schon durch geringe Düngergaben erzielt wird (Esser,
trotz steigender CO 2 -Konzentration in der Umge- 1993). Dies gilt insbesondere angesichts des Nähr-
bungsluft der CO 2 -Eintrag in die Blätter. stoffmangels (und zugleich Nahrungsmittelmangels)
-
in der extensiven Landwirtschaft in weiten Teilen der
In zahlreichen bisherigen Versuchen wurde die CO 2 Welt. Langfristige Effekte einer CO 2 -Erhöhung lassen
Konzentration deutlich und abrupt angehoben (z. B. sich derzeit kaum abschätzen. Vermutlich gibt es bei
Verdopplung/Verdreifachung). Außerdem wird der deutlich höheren CO 2 -Konzentrationen keine dauer-
Strahlungs- und Wasserhaushalt in den meist verwen- haften Wachstumseffekte (Bazzaz, 1993).
deten Expositionssystemen (Klimakammern, Gas-
wechselküvetten, Gewächshäuser) gegenüber den
Freilandbedingungen erheblich verändert. Solche
Versuchsbedingungen stellen daher die Aussagekraft 3.1.2.2 Troposphärisches Ozon
der Ergebnisse hinsichtlich der zu erwartenden Wir-
kung eines CO 2 -Anstiegs in Frage. Die meist mono- Aufgrund der steigenden Emission der Vorläufersub-
kausale Betrachtung der CO 2 -Wirkung weist zusätzli- stanzen (CO, CH 4 , NOX, VOC) wird in der Tropo-
che Schwächen auf, da mögliche synergistische und/ sphäre bei intensiver Sonneneinstrahlung vermehrt
oder antagonistische Wechselwirkungen mit anderen Ozon (0 3 ) gebildet (Abschnitt A, Kap. 2). Dieses
Faktoren unberücksichtigt bleiben. Aufgrund dieser bodennahe Ozon ist in weiten Teilen der Nordhemi-
Wechselwirkungen werden potentielle Wachstums- sphäre gegenwärtig der wichtigste phytotoxische
und Ertragssteigerungen durch einen CO 2 -Anstieg Luftschadstoff.
(CO 2 -Düngeeffekt) reduziert, möglicherweise sogar
Ozon wirkt als Zellgift. Es dringt durch die Blattöff-
überkompensiert:
nungen in die Blätter ein, schädigt die Zellmembra-
nen und beeinträchtigt die Wasseraufnahme und den
— Bei steigenden Temperaturen nehmen die At-
Stofftransport innerhalb der Pflanzen. Es führt zum
mungsverluste zu. Höhere Verdunstungsraten und
Chlorophyllabbau und mindert die Photosyntheselei-
— im Sommer — weitgehend rücklaufige Nieder-
stung und das Wachstum der Pflanzen.
schläge führen zu stärkerer Verdunstung durch
größere Blattflächen, zu häufigerem Wasserstreß Die in Abb. 3.4 dargestellten Wirkungen der Immis-
und zu frühzeitiger Alterung der Pflanzen etc. Die sionen von Säurebildnern sind ausführlich in
Produktivität sinkt (Kap. 3.1.1). Abschnitt C, Kap. 3.5.3 beschrieben.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

Abbildung 3.4: Schematische Darstellung der Schädigung von Pflanzen durch Immissionen, insbesondere durch troposphärisches Ozon (O3)
(nach Heath, 1980; In: Ho ffmann u. a., 1985).

Tabelle 3.3

Maximale Immissionskonzentration für Ozon zum Schutz der Vegetation


(nach Jäger u. a., 1989 und Norm VDI 2310 Bl. 6, 1989; In: Grünhage u. a., 1992)

Wert Statistische Definition/ Wert Statistische Definition/


Organisation Organisation
(µg/m) Zeitbezug (µg/m) Zeitbezug

VDI (1989) sehr empfindliche Pflanzen WHO (1987) terrestrische Vegetation


70 8h-Mittelwert 60 Mittelwert
90 4h-Mittelwert Vegetationsperiode
110 2h-Mittelwert 65 24h-Mittelwert
160 1h-Mittelwert
200 0,5h-Mittelwert
320 0,5h-Mittelwert

empfindliche Pflanzen UN-ECE (1988) 50 Mittelwert


160 8h-Mittelwert Vegetationsperiode
(7h-Mittel;
190 4h-Mittelwert
9.00 bis 15.59h)
240 2h-Mittelwert
empfindliche Pflanzen,
320 1h-Mittelwert
Pflanzengemeinschaf ten,
480 0,5h-Mittelwert Ökosysteme
weniger empfindliche Pflanzen 60 8h-Mittelwert
320 8h-Mittelwert 80 4h-Mittelwert
370 4h-Mittelwert
110 2h-Mittelwert
400 2h-Mittelwert
480 1h-Mittelwert 150 1h-Mittelwert

800 0,5h-Mittelwert 300 0,5h-Mittelwert


Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Die Wirkungen eines Anstiegs der bodennahen Ozon- Bei akuter Einwirkung hoher Ozonkonzentrationen
konzentration auf Pflanzen hängen ab von der Ozon- können an empfindlichen Pflanzen sichtbare Schäden
aufnahme in die Pflanze (absorbierte Dosis). Die auftreten. Zu den Schadbildern gehören Blattaufhel-
Ozonaufnahme ist eine Funktion der Ozonkonzentra- lungen (Chlorosen), weißliche bis braune Blattflecken
tion, der Austauscheigenschaften der Atmosphäre (Nekrosen) und abgestorbene Blattbereiche. Bei chro-
(vorwiegend Turbulenz) sowie der art- und sortenspe- nischer Einwirkung niedriger Ozonkonzentration tre-
zifischen Senkeneigenschaften der Pflanzen (Grün- ten verschiedene latente (unsichtbare) Schäden bzw.
hage u. a., 1992). Bei den derzeitigen Richt- und Wirkungen auf, die letztlich in Ertragsverlusten
Grenzwerten werden weder Austauscheigenschaften zutage treten können (Tab. 3.5).
der Atmosphäre noch Senkeneigenschaften der Pflan-
zen berücksichtigt, sondern nur Konzentration, Wir- Neben direkten Pflanzenschäden kann Ozon eine
kungsdauer und relative Empfindlichkeit der Pflan- erhöhte Anfälligkeit der Pflanzen für weitere biotische
zen (Tab. 3.3 und Tab. 3.4). (Krankheiten und Schädlinge) und abiotische (Wet-

Tabelle 3.4

Relative Empfindlichkeit von landwirtschaftlichen Kulturpflanzen gegenüber Ozon


(nach Norm VDI 2310 Bl. 6, 1989; In: Grünhage u. a., 1992)

sehr empfindliche Pflanzenarten empfindliche Pflanzenarten weniger empfindliche Pflanzenarten

Allium cepa Brassica oleracea Apium graveolens


(Zwiebel) (Kohl) (Sellerie)
Avena sativa Brassica rapa Beta vulgaris
(Hafer) (Rübsen, Stoppelrübe) (Rübe)
Fagopyrum esculentum Cichorium endivia Fragaria x magna
(Buchweizen) (Endivie) (Erdbeere)
Hordeum vulgare Cucumis sativus Lactuca sativa
(Gerste) (Gurke) (Garten-Lattich)
Lycopersicon lycopersicum Daucus carota Sinapsis arvensis
(Tomate) (Mohrrübe) (Senf)
Medicago sativa Pastinaca sativa
(Luzerne) (Pastinak)
Nicotiana tabacum Petroselinum crispum
(Tabak) (Petersilie)
Phaseolus vulgaris Pisum sativum
(Bohne) (Erbse)
Raphanus sativus Vicia faba
(Radieschen) (Ackerbohne)
Secale cereale Zea mays
(Roggen) (Mais)
Solanum tuberosum
(Kartoffel)
Spinacia oleracea
(Gemüse-Spinat)
Trifolium pratense
(Rotklee)
Trifolium repens
(Weißklee)
Triticum aestivum
(Weizen)
Vicia sativa
(Futterwicke)
Vitis vinifera
(Weinrebe)
Zea mays var. saccharata
(Zuckermais)
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terextrema) Streßfaktoren verursachen. Umgekehrt Bodennahes Ozon beeinträchtigt bereits heute in
können Witterungsextreme wie Trockenheit, die zu vielen Regionen der Erde die Leistungsfähigkeit von
einer verringerten Stomataöffnung führen, gleichzei- Kulturpflanzen und ist daher als bedeutendster Luft-
tig die Ozonaufnahme der Pflanzen (absorbierte schadstoff anzusehen. Troposphärisches Ozon und
Dosis) vermindern. Auch ein Anstieg der CO 2 -Kon- gleichzeitig auftretende Oxidantien sind wahrschein-
zentration verengt die Stomata (Kap. 3.1.2.1) und lich für über 90 % der Pflanzenschäden durch Luftver-
kann somit die Ozonaufnahme der Pflanzen verrin- schmutzung verantwortlich (Adams u. a., 1986). Für
gern. die wichtigsten Kulturarten der gemäßigten Breiten
wurden in den vergangenen Jahren mit Hilfe zahlrei-
Symbiotische Beziehungen können ebenfalls durch
cher systematischer Versuche empirische Exposi-
Ozon beeinträchtigt werden, da insbesondere Legu-
tions-Wirkungs-Beziehungen ermittelt. Hieraus er-
minosen (Hülsenfrüchte) als sehr ozonempfindlich
rechnen sich bereits unter den gegenwärtigen Ozon-
gelten (Tab. 3.4). Allgemein kann Ozon aufgrund der
belastungen potentielle Ertragsverluste für bestimmte
artspezifischen Empfindlichkeitsunterschiede die
Regionen. Je nach Region, Kulturart (Sorte) und Jahr
Konkurrenzverhältnisse innerhalb von Pflanzenbe-
wurden beispielsweise in Hessen im Zeitraum 1984
ständen beeinflussen. Beispielsweise können Legu-
bis 1992 potentielle Ertragsverluste zwischen 0,1
minosen in einem Grünlandbestand zugunsten der
(Gerste, 1984) und 32,6 % (Sommerweizen, Sorte
Gräser verdrängt werden.
Turbo, 1992) errechnet (Grünhage u. a., 1992).
Vergleichbare Abschätzungen wurden auch in den
Tabelle 3.5 USA vorgenommen und ökonomisch bewertet. In den
USA werden die jährlichen Ernteverluste durch Ozon
Direkte Wirkungen einer Ozon-Zunahme auf zwei Mrd. Dollar geschätzt (Heck u. a., 1988).
(nach Krupa und Kickert, 1993)

Wirkungsort Direkte Wirkung 3.1.3 Wirkungen der UV-B-Strahlung auf Pflanzen


bzw. -größe einer Ozon-Zunahme
Durch die Abnahme des stratosphärischen Ozons wird
Photosyntheserate Abnahme bei vielen ein Anstieg der UV-B-Strahlung in der Troposphäre
Pflanzen und am Erdboden erwartet. Dieser Anstieg kann
jedoch regional teilweise oder vollständig durch die
Stomataöffnung Abnahme bei empfind-
Zunahme des troposphärischen Ozons sowie der
lichen Arten und Sorten
Aerosolkonzentration kompensiert werden (Ab-
schnitt A, Kap. 2). Eine UV-B-Zunahme aufgrund des
Wasserausnutzung Abnahme bei empfind-
stratosphärischen Ozonabbaus ist für die Südhemi-
lichen Arten und Sorten
sphäre durch Messungen belegt (Seckmeyer und
MacKenzie, 1992, Seckmeyer, 1994). Ob auch in der
Blattfläche Abnahme bei empfind-
Nordhemisphäre eine Zunahme der UV-B-Strahlung
lichen Arten und Sorten
erfolgt ist, kann aufgrund fehlender Messungen nicht
Blattgewicht Zunahme bei empfind- einwandfrei belegt werden. Aufgrund meßtechni-
lichen Arten und Sorten scher Probleme gibt es erst seit wenigen Jahren
kontinuierliche und zuverlässige Meßreihen, die aber
Pflanzenreife Allgemein reduziert noch keine gesicherten Aussagen über einen Trend
(Notreife) zulassen. Das Ausmaß der aufgrund der beobachteten
Ozonabnahmen in der Stratosphäre zu erwartenden
Blüte Verspätete Blütenbildung Änderungen der UV-B-Intensität läßt sich daher zur
und Abnahme der Zeit nur mit Hilfe von Modellrechnungen abschätzen
Blütenzahl und des (Zellner, 1993). Diesen Modellberechnungen zufolge
Fruchtertrages hat die Intensität der UV-B-Strahlung in den mittleren
Breiten beider Hemisphären zwischen 1979 und 1989
Trockenmasse- Abnahme bei vielen um 4 bis 12 % zugenommen (EK, 1992). Im Januar und
produktion und Pflanzen Februar beträgt der Anstieg der UV-Dosis bis zu 20 %
Ertrag pro Jahrzehnt (Zellner, 1993). Für die Antarktis
errechnet sich eine mittlere Zunahme der UV-B-
Unterschiede in der Sehr große artabhängige Intensität von 50 %. In den Monaten September und
Pflanzenreaktion Unterschiede Oktober, d. h. im Höhepunkt des saisonalen strato-
(Arten) sphärischen Ozonabbaus, wäre sogar eine Zunahme
um bis zu 140 % möglich (EK, 1992).
Unterschiede in der Sortenabhängige
Unter Einwirkung von erhöhter UV-B-Strahlung wur-
Pflanzenreaktion Unterschiede möglich
den an Pflanzen sowohl sichtbare morphologische
(Sorten einer Art)
Veränderungen (Nekrosen, Chlorosen) wie auch
Trockenstreß Geringere Anfälligkeit Schädigungen auf der Ebene physiologischer und
gegen Ozon, aber erhöhte biochemischer Prozesse beobachtet. UV-B-Strahlung
Trockenstreßempfindlich- wird von Proteinen und Nukleinsäuren absorbiert, die
keit der Pflanzen dadurch geschädigt werden. Da die Nukleinsäuren
Träger der Erbsubstanz sind, besteht bei erhöhter
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UV-B-Strahlung die Gefahr von Schäden an der mehrfach beschrieben (u. a. Tevini, 1992; Simm,
Erbsubstanz durch Mutationen (spontane Verände- 1993). Auch eine Unterdrückung oder Verzögerung
rungen) (Krupa und Kickert, 1994). Da alle Enzyme in der Blütenbildung durch UV-B-Bestrahlung konnte
den Pflanzen einen Proteinanteil haben, können sie nachgewiesen werden (Rau und Hofmann, 1988;
ebenfalls durch die UV-B-Strahlung geschädigt oder Tevini, 1992). Die wichtigsten direkten Wirkungen
inaktiviert werden. Enzyme regeln den gesamten einer erhöhten UV-B-Strahlung sind zusammenfas-
pflanzlichen Stoffwechsel. Somit können vielfältige send in Tab. 3.6 aufgeführt.
negative Reaktionen ausgelöst werden. Beispiels-
weise wird im Bereich der Photosynthese die Aktivität Oft konnten Beobachtungen in Klimakammern bei
des CO 2 -fixierenden Enzyms (Ribulose-bi-Phosphat- geringeren Lichtintensitäten (Photonenflußdichten)
Carboxylase) beeinträchtigt. Auch wachstumssteu- an den gleichen Pflanzenarten unter Freilandbedin-
ernde Phytohormone (z. B. Indolessigsäure) gelten als gungen mit höheren Lichtintensitäten nicht bestätigt
besonders UV-B-empfindlich (Tevini, 1989; Krupa werden (Krupa und Kickert, 1994). So fanden z. B.
und Kickert, 1994). Weiterhin wurden Reduktionen Biggs und Kossuth (1978, In: Krupa und Kickert, 1994),
der Keimungsrate, der Blattfläche, des Pflanzen- daß bei mehr als 60 % von insgesamt 70 in Klimakam-
wachstums, des Ertrags und des Proteingehaltes mern untersuchten Pflanzenarten und -sorten die
Blattfläche durch UV-B erheblich (z. T. um mehr als
50 %) reduziert wurde. In Freilandversuchen bei mitt-
leren UV-B-Strahlungsintensitäten traten derart aus-
Tabelle 3.6 geprägte negative Effekte bei vielen Pflanzen nicht
mehr auf. In einigen Fällen wurde sogar eine Stimu-
Direkte Wirkungen einer UV-B-Zunahme lierung des Blattflächenwachstums beobachtet. Auch
(nach Krupa und Kickert, 1993) Teramura und Caldwell (1981) fanden bei mittleren
UV-B-Intensitäten und hoher Lichtintensität keine
Wirkungsort Direkte Wirkung negativen Effekte, sondern eher eine Stimulierung.
bzw. -größe einer UV-B-Zunahme
Sichtbare UV-Schäden (Chlorosen, Nekrosen) wur-
den in der Regel ebenfalls nur bei höheren VV-
Photosyntheserate Abnahme bei vielen
B-Intensitäten und gleichzeitig geringem Lichtange-
C3- und C4-Arten
bot beobachtet (Tevini u. a., 1981; Vu u. a., 1981,
Beide in: Krupa u. Kickert, 1994).
Stomataöffnung Bei den meisten Arten un-
beeinflußt; bei geringerer Es wird angenommen, daß die unterschiedliche Reak-
Lichtintensität reduziert tion von Pflanzen auf UV-B auf unterschiedliche
Gehalte UV-absorbierender Pigmente in Blättern von
Wasserausnutzung Abnahme bei den meisten Freiland- und Klimakammerpflanzen bzw. auf eine
Arten Stimulierung der Synthese solcher Pigmente unter
Freilandbedingungen zurückzuführen ist (Krupa und
Blattfläche Abnahme bei vielen Arten Kickert, 1993 und 1994). Zu diesen Pigmenten zählen
z. B. Flavonoide, die als UV-B-absorbierende Schutz-
Blattgewicht Zunahme bei vielen Arten
pigmente (Pflanzenfarbstoffe) in der Epidermis (äu-
ßere Zellschicht) der Blätter eingelagert werden kön-
Pflanzenreife Nicht beeinflußt
nen und dadurch tiefer liegende Zellschichten schüt-
Blüte Unterdrückt oder fördert zen. Über diesen Schutzmechanismus verfügen aller-
dings nur bestimmte Pflanzenarten (Tevini, 1989).
Blütenbildung bei einigen
Arten Außerdem wird diese Schutzpigmentbildung bereits
bei derzeitig verstärkt einfallenden Wellenlängen im
Trockenmasse- Abnahme bei vielen Übergangsbereich von UV-A- zu UV-B-Strahlung
Produktion und Arten aktiviert. Es ist deshalb fraglich, ob dieser Schutzme-
Ertrag chanismus bei einer weiteren UV-B-Zunahme ausrei-
chen wird (Wellmann, 1989). Einige Pflanzen besitzen
Unterschiede in der Sehr große artabhängige außerdem die Fähigkeit, UV-Schäden an der Erbsub-
Pflanzenreaktion Unterschiede stanz durch Bildung des Enzyms Photolyase zu repa-
(Arten) rieren (Tevini, 1989).

Auch die Synthese weiterer Pflanzeninhaltsstoffe wird


Unterschiede in der Sortenabhängige
durch die Intensität der UV-B-Strahlung beeinflußt.
Pflanzenreaktion Unterschiede möglich
Dazu gehören z. B. Glycosid-Verbindungen, die als
(Sorten einer Art)
Geruchs- und Geschmacksstoffe in Gewürzpflanzen
vorkommen. So wird durch UV-B-Bestrahlung der
Trockenstreß Geringere Anfälligkeit
Geschmack von Basilikumpflanzen verstärkt (Tevini,
gegen UV-B, aber erhöhte
1992). In Cannabispflanzen werden vermehrt halluzi-
Trockenstreßempfindlich-
nogene Inhaltsstoffe gebildet. Phaseolus-Bohnen bil-
keit der Pflanzen
den unter UV-B-Bestrahlung vermehrt Cumestrol,
Nährstoffmangel Bei einigen Arten eine Substanz, die in ihrer Wirkung dem Schwanger-
geringere, bei anderen schaftshormon Östrogen vergleichbar ist (Simm,
stärkere UV-B-Anfälligkeit 1993). Durch die Zunahme der UV-B-bedingten
Mutationen und Wechselwirkungen mit anderen
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Streßfaktoren bilden sich möglicherweise in den Der Bodenwassergehalt ist in erster Linie von der
Pflanzen weit höhere Konzentrationen bekannter Niederschlagshöhe sowie der räumlichen und zeitli-
oder völlig neuer gesundheitsgefährdender Inhalts- chen Verteilung der Niederschläge und der Tempera-
stoffe. tur abhängig. Daneben spielen unter anderem auch
Für eine Abschätzung potentieller Ertragsverluste physikalische Faktoren wie die Korngrößenvertei-
infolge der Zunahme der UV-B-Strahlung bzw. der lung, das Porenvolumen oder die Hangneigung eines
Veränderung der atmosphärischen Ozonkonzentra- Bodens eine wichtige Rolle.
tion gibt es zur Zeit keine ausreichende Datenbasis Die Evaporation eines Standortes nimmt bei einem
(nur wenige Freilanduntersuchungen). Es gibt zudem Temperaturanstieg um 1°C um 5 % zu (Parry, 1990).
eine große arten. bzw. sortenspezifische Streubreite Der Bodenwassergehalt eines Standortes bleibt stabil,
in den Reaktionen. Die UV-B-Toleranz einiger Pflan- wenn bei einer Temperaturerhöhung um 1° C die
zenarten ist evolutionär bedingt, da diese Arten über- Niederschläge — bei unveränderter räumlicher und
wiegend aus niederen Breiten mit natürlicherweise zeitlicher Verteilung — gleichzeitig um 20 mm/Jahr
bis zu fünfmal höherer UV-B-Strahlung stammen. Von steigen. Diese stark vereinfachten Beziehungen
den bisher untersuchten 300 Pflanzenarten sind mehr haben jedoch nur begrenzte Aussagekraft, da die
als die Hälfte UV-B-empfindlich. Bei Versuchen an 23 Meßgenauigkeit der Wasserhaushaltsgrößen noch
Sojabohnen-Sorten erwiesen sich sieben Sorten als einige Unsicherheiten aufweist (Roth, 1989) und der
unempfindlich, 14 Sorten reagierten mit deutlichen Wasserhaushalt von zahlreichen anderen Faktoren
Wachstumsdepressionen. Zwei Sorten brachten bei beeinflußt wird. Zusätzlich hat die jahreszeitliche
erhöhter UV-B-Strahlung sogar höhere Erträge (Tera- Verteilung der Niederschläge bzw. der Bodenfeuchte
mura u. a., 1988; In: Simm, 1993). Im Rahmen einer ganz erhebliche Bedeutung für das Pflanzenwachs-
Freilanduntersuchung an Sojabohnen führte die tum.
Simulation einer 16-prozentigen Ozonabnahme in der
Stratosphäre zu einem Ertragsverlust von bis zu 25 %. Man geht allgemein davon aus, daß die prognosti-
Dagegen scheint z. B. Weizen gegenüber höherer zierte Zunahme der Niederschläge in den gemäßigten
UV-B-Strahlung relativ unempfindlich zu sein (Tera- Breiten der Nordhemisphäre vor allem in das Winter-
mura u. a., 1990). halbjahr fällt. Die Sommerniederschläge über den
Landflächen nehmen dagegen ab. Böden sind aber
Die Unsicherheiten in der Abschätzung möglicher
nur sehr eingeschränkt in der Lage, fehlende Som-
Ertragsänderungen werden zusätzlich durch die viel-
merniederschläge durch höhere Winterniederschläge
fältigen Wechselwirkungen (z. B. gleichzeitige Zu-
auszugleichen. Selbst dort, wo die Niederschläge
nahme von CO 2 , 03 und UV-B) und die ausgeprägte
auch im Sommer ansteigen, wird durch die gleichzei-
räumliche und zeitliche Varianz (v. a. bei 0 3 und
tige Temperaturerhöhung die Verdunstung soweit
UV-B) erheblich erschwert (Krupa und Kickert, 1994).
zunehmen, daß die Niederschlagszunahme meist
Die UV-B-Zunahme beeinflußt auch die Konkurrenz-
überkompensiert wird und die Bodenfeuchte ab-
verhältnisse zwischen Nutzpflanzen und Unkräutern
nimmt (FAO, 1990). Durch den Temperaturanstieg
oder die Wirt-Parasit-Beziehungen (z. B. durch die
— verstärkt durch den sommerlichen Rückgang der
Aktivierung/Inaktivierung von Krankheitserregern).
Niederschläge — wird die Häufigkeit von Trockenpe-
rioden insbesondere in den kontinentalen gemäßigten
Breiten der Nordhemisphäre zunehmen.
3.1.4 Wirkungen von klimatischen Faktoren
auf Böden Die Pflanzenverfügbarkeit des Bodenwassers wird mit
dem Begriff der Feldkapazität umschrieben. Sie wird
Die Wirkungen der einzelnen klimatischen Faktoren vor allem durch den Wassergehalt, das Porenvolumen
auf Böden stehen in einer engen Wechselbeziehung und dessen Größenverteilung sowie den Gehalt an
und beeinflussen gemeinsam das Pflanzenwachstum. organischer Substanz des Bodens bestimmt. Die nutz-
Sie werden daher nicht einzeln angesprochen, son- bare Feldkapazität gibt die Höchstmenge des pflan-
dern gemeinsam betrachtet. zenverfügbaren Bodenwassers an. Sinkt der Boden-
Der Bodenwassergehalt bzw. die Bodenfeuchte ergibt wassergehalt bis zum permanenten Welkepunkt, liegt
sich aus dem Zusammenwirken verschiedener klima- kein pflanzenverfügbares Bodenwasser mehr vor. Die
tischer Faktoren und Standortfaktoren. Der Boden- Pflanzen welken dauerhaft, was zu Pflanzenschäden
wassergehalt hängt ab von der Differenz zwischen der und zum Absterben der Pflanzen führt. Zwischen
Wasserzufuhr aus nutzbarer Feldkapazität und permanentem Welke-
punkt korrelieren der Bodenwassergehalt und das
— der Versickerung von Niederschlägen, Pflanzenwachstum (Trockenmassezunahme) positiv
— dem Oberflächenzufluß und (Geisler, 1980). Akuter Wassermangel durch Ausblei-
ben der Niederschläge und/oder hohe Temperaturen
— dem Kapillaraufstieg aus dem Grundwasser und Lufttrockenheit führen zum zeitweisen Welken,
sowie dem Wasserverlust durch zu Wachstumsstörungen (Stauchungen, Steckenblei-
ben der Ähre etc.) und zur Notreife, bei anhaltender
— die Evaporation (Verdunstung des Bodens), Trockenheit letztlich zum Verdorren und Absterben
der Pflanze (Hoffmann u. a., 1985).
— den Entzug durch Pflanzenwurzeln und die Tran-
spiration der Pflanzen, Das Bodenwasser ist Trägersubstanz der minerali-
schen Nährstoffe, die die Pflanzenwurzeln nur in
— den Oberflächenabfluß und
gelöster Form aufnehmen können. Die Pflanze ent-
— die Versickerung ins Grundwasser. nimmt dem für sie verfügbaren Bodenwasser die
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Wasser- und Nährstoffmengen, die sie für den Aufbau flüsse der Klimaänderung auf die Bodenbearbeitung,
ihrer organischen Substanz und den Erhalt der die Nährstoffdynamik und Düngung, die Konkurrenz
Lebensvorgänge benötigt. Eine Abnahme des pflan- und Regulation der Begleitvegetation und den Druck
zenverfügbaren Bodenwassers verringert daher die durch Krankheiten und Schädlinge, die Ernte und
Nährstoffaufnahme der Pflanzen. Zahlreiche mikro- Lagerung sowie die Fruchtfolgegestaltung darge-
bielle Umsetzungsprozesse in den Böden sind eben- stellt. Die Auswirkungen einer Klimaänderung kön-
falls an ausreichenden Bodenwassergehalt gebunden nen je nach Region, Standort und Nutzungsweise von
und nehmen daher bei sinkendem Bodenwasserge- Fall zu Fall sehr verschieden sein. Aussagen zu
halt ab. Ein Anstieg der bodennahen Lufttemperatur regionalen Wirkungen sind aber derzeit noch nicht
führt — in Abhängigkeit von Wärmekapazität und möglich.
-leitfähigkeit des Bodens — zu einem Anstieg der
Bodentemperatur. Die biologischen und chemischen
Prozesse bei der Nährstoffbereitstellung (z. B. Mine-
Bodenbearbeitung und Bodenerosion
ralisierung) im Boden sowie bei der Aufnahme durch
die Pflanzen korrelieren positiv mit der Temperatur.
Durch ein rascheres Abtrocknen des Bodens bei
Ausgewogene Nährstoff- und Wasserversorgung vor-
höherer Lufttemperatur verlängern sich die Zeit-
ausgesetzt, nehmen Pflanzen daher beim Anstieg der
räume, in denen die Ackerflächen befahrbar sind. Auf
Bodentemperatur Nährstoffe schneller und leichter
trockeneren Böden kommt es seltener zu Verdichtun-
auf.
gen, die das Porenvolumen und damit die Durchlüf-
Heftige und/oder lange anhaltende Regenfälle führen tung und Durchwurzelbarkeit des Bodens einschrän-
je nach bodenphysikalischen Gegebenheiten zu ken. Im Mittel könnten die Flächen bei einem Tem-
einem kurzzeitigen oder anhaltenden Sauerstoffman- peraturanstieg im Frühjahr eher und im Herbst länger
gel im Boden. Die oxidativen Vorgänge im Boden befahrbar sein, als unter heutigen Klimabedingun-
werden von reduzierenden abgelöst und die Mikroor- gen. Mitentscheidend ist aber die zeitliche Verteilung
ganismentätigkeit im Boden wird vermindert. Die der Niederschläge. Eine Zunahme der Niederschlags-
mikrobielle und pflanzliche Bodenatmung wird unter- häufigkeit und -intensität führt möglicherweise auch
bunden. Anhaltende Staunässe führt zu Chlorosen zu einer eingeschränkten Befahrbarkeit der Flächen.
und Wurzelfäulen. Bestimmte anaerobe Prozesse wer- Höhere Anteile des Jahresniederschlages könnten
den hingegen verstärkt, so daß durch Gärung und künftig als Starkregen niedergehen, wodurch sich der
Denitrifikation weitere klimawirksame Spurengase Oberflächenabfluß erhöhen und die Versickerung
(CH4 , N2O ) freigesetzt werden. reduzieren würde. Eine Zunahme der Winternieder-
schläge könnte die Abtrocknung und damit die Früh-
jahrsbestellung verzögern.
3.1.5 Wirkungen auf die Produktqualität Des weiteren beschleunigt die höhere Temperatur
den Abbau der organischen Substanz in den Böden.
Jeder einzelne Wachstumsfaktor — somit auch die Dies verbessert zwar vorübergehend die Nährstoff-
klimatischen Faktoren — wirken nach dem Gesetz des freisetzung. Längerfristig verschlechtert der Verlust
Minimums/Optimums quantitativ begrenzend. Dane- an organischer Substanz aber die Wasser- und Nähr--
ben können die einzelnen klimatischen Faktoren, stoffbindung sowie die Bodenstruktur und -stabilität.
insbesondere ihr unausgewogenes Verhältnis bzw. Ohne entsprechenden Ausgleich durch häufigere
ihre zeitliche Verteilung, auch die Produktqualität Grün-, Stallmist- oder Kompostdüngung und ganzjäh-
oder die Inhaltsstoffe der geernteten Agrarprodukte rige Bodenbedeckung führt dies zu einer Beeinträch-
beeinträchtigen. Vor allem extreme Wetterereignisse tigung des Bodenlebens und zu einem Anstieg der
(besonders hohe oder niedrige Temperaturen, Nie- Bodenerosion. Verschärft wird die Erosionsgefahr
derschläge, Dürren etc.) führen zu Veränderungen an noch durch die Zunahme der Wetterextreme (Starkre-
Pflanzen, Pflanzenteilen und Inhaltsstoffen (Defor- gen/Stürme). Die physikalische Bodenverwitterung
mationen, Schrumpfung, Aufplatzen, Verletzungen, wird durch höhere Temperaturen und eine höhere
Chlorosen, Nekrosen, Schädigung von Eiweißverbin- Variabilität der klimatischen Faktoren gefördert.
dungen, Auswuchs bei Getreide etc.).
Der CO 2 -Anstieg führt möglicherweise zu einer ver-
Die Einflüsse der Luftzusammensetzung, insbeson- mehrten Bildung von Pflanzensubstanz und zu mehr
dere des CO 2 -Anstiegs auf die Produktqualität bzw. organischen Rückständen auf bzw. im Boden.
die Inhaltsstoffe wurden bereits in Kap. 3.1.2.1 darge- Zugleich verändert sich jedoch auch das Kohlenstoff/
stellt. Die verschiedenen Wirkungen der UV-B-Strah- Stickstoff-Verhältnis der Pflanzenrückstände. Auf-
lung wurden in Kap. 3.1.3 erläutert. grund des relativen Stickstoffmangels verlangsamt
sich die Mineralisierung. Die Humusqualität sowie die
Verfügbarkeit von Nährstoffen nimmt vermutlich
ab.
3.1.6 Auswirkungen auf die Produktionstechnik
Die prognostizierte Klimaänderung wird eine polwär-
Die prognostizierte Klimaänderung hat neben den tige Verschiebung der Vegetationszonen zur Folge
direkten Wirkungen auf das Pflanzenwachstum und haben. Pro Grad Celsius Temperaturerhöhung verla-
die Pflanzenentwicklung auch verschiedene Wirkun- gern sich die Anbaugebiete um 200 bis 300 km
gen auf andere Standortfaktoren und die produktions- polwärts bzw. im Bergland um 200 Meter höher.
technischen Abläufe im Pflanzenbau. Im folgenden Weiter im Norden liegen jedoch häufig schlechter
werden einige mögliche positive und negative Ein entwickelte und weniger fruchtbare Böden. Die mög-
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lichen Verbesserungen der klimatischen Wachstums- Kompost ist nicht vor Auswaschungsverlusten ge-
bedingungen könnten dort nicht wirksam werden. schützt. Die Nährstoffe, insbesondere der Stickstoff,
Zudem wird die Inkulturnahme bisher ruhender liegen jedoch kaum in leicht löslicher, auswaschungs-
Böden den Humusabbau anregen und zusätzlich Koh- gefährdeter Form, sondern zumeist organisch gebun-
lenstoff freisetzen. den vor (Ausnahme Gülle). Der höhere Eintrag orga-
nischer Substanz und die entsprechende Humusbil-
In den niederen Breiten dehnen sich die tropischen
dung verbessern gleichzeitig das Nährstoffbindungs-
und subtropischen Trockengebiete und Wüsten wei-
vermögen der Böden.
ter polwärts aus. Soweit verfügbare Wasserreserven
dies gestatten, wird der Bewässerungsfeldbau bis in
die gemäßigten Breiten hinein massiv zunehmen.
Große Landflächen drohen durch Versalzung zu de- Begleitvegetation und deren Regulation
gradieren oder infolge Wassermangels unfruchtbar zu
werden. Um hier weiterhin Landbau betreiben zu Durch ihre Artenvielfalt und entsprechende Anpas-
können, ist eine Förderung und Wiedereinführung sungsfähigkeit ist die Begleitvegetation (Unkrautpo-
ursprünglicher angepaßter Landnutzungsverfahren pulation) den — meist in Monokultur angebauten —
(extensiver Regenfeldbau) notwendig. Kulturpflanzen bei nahezu allen Wachstumsbedin-
gungen deutlich überlegen. Dies gilt insbesondere bei
Der Anstieg des Meeresspiegels und die gebietsweise
neuen Wetterextremen. Die Begleitvegetation wird
Zunahme der Sturmhäufigkeit führt zum Verlust
durch künftige Klimaänderungen weniger beein-
fruchtbarer Küstengebiete, insbesondere in den
trächtigt, die Wachstumsbedingungen wärmelieben-
äußerst fruchtbaren Flußdeltas. Mit dem Anstieg des
der und trockenresistenter Unkräuter werden deutlich
Grundwasserspiegels sind weitere küstennahe Land-
verbessert, wodurch deren Konkurrenzkraft gegen-
gebiete durch Versalzung und Vernässung gefähr-
über den Kulturpflanzen erhöht wird. Zusätzlich brei-
det.
ten sich wärmeliebende Unkräuter mit den Vegeta-
Böden wurden in der Vergangenheit und werden tionszonen polwärts aus, verdrängen dabei aber auch
auch künftig eher durch menschliche Einwirkungen die derzeitige, an niedrigere Temperaturen ange-
(Rodung, Bearbeitungsfehler) als durch klimatische paßte Begleitvegetation. Die Verlängerung der Vege-
Veränderungen in Mitleidenschaft gezogen. Um so tationsperiode ermöglicht den Unkräutern eine stär-
wichtiger sind verstärkte Anstrengungen zum Schutz kere Vorwinterentwicklung, geringere Auswinterung
der Böden. Hierzu kann eine nachhaltige Landbewirt- und eine zeitigere Keimung im Frühjahr. Die
schaftung ganz wesentlich beitragen. beschleunigte Entwicklung führt eventuell zu ver-
mehrter Samenproduktion. Die Bodenwasserab-
nahme kann ebenfalls Auswirkungen auf die Konkur-
Nährstoffdynamik und Düngung renzkraft der Unkräuter haben. Durch die Sommer-
trockenheit werden zunehmend tiefwurzelnde und
Die höhere Bodentemperatur beschleunigt die Mine- schwer bekämpfbare Unkräuter selektiert werden,
ralisierung und erhöht damit die Nährstoffverfügbar- die den Wassermangel der Kulturpflanzen zusätzlich
keit. Dies verbessert die Nährstoffaufnahme der Pflan- verstärken. Der CO 2 -Düngeeffekt — soweit er denn
zen, aber — je nach Niederschlagsverteilung — auch wirkt — erhöht die Konkurrenzkraft von C3-Unkräu-
die Verlagerung von Nährstoffen, v. a. Nitrat ins tern gegenüber C4-Kulturpflanzen, aber auch
Grundwasser. Mineralische Nährstoffe können von von C3-Kulturpflanzen gegenüber C4-Unkräutern.
den Pflanzenwurzeln nur in gelöster Form auf genom- Ebenso verschieben sich aufgrund der a rt - und sorten-
men werden. Infolge der Klimaänderung wird für spezifischen Empfindlichkeiten gegenüber einer Zu-
weite Teile der Nordhemisphäre — zumindest in der nahme des troposphärischen Ozons und/oder der
Hauptvegetationszeit im Sommer — eine Bodenwas- UV-B-Strahlung die Konkurrenzverhältnisse in Pflan-
serabnahme prognostiziert. Die Nährstoffaufnahme zenbeständen (und natürlichen/naturnahen Ökosy-
würde hierdurch eingeschränkt werden. stemen).
Die mit einer Klimaänderung einhergehenden neuen Die Witterungsbedingungen sind von erheblicher
Wetterextreme erschweren eine genaue Abschätzung Bedeutung für die Unkrautbekämpfung. Die mecha-
der Nährstofffreisetzung und -verfügbarkeit. Eine nische Unkrautbekämpfung wird bei höheren Tempe-
exakte Bemessung der Düngung, vor allem mit leicht raturen und bei Bodenwasserabnahme erfolgreicher
löslichen mineralischen Düngemitteln, wird dadurch sein, da Trockenheit das erneute Anwachsen oder
zunehmend problematisch. Bei steigender Nieder- Austreiben der Unkräuter erschwert. Die chemische
schlagsintensität wächst z. B. die Gefahr von Nähr- Unkrautbekämpfung durch Blattherbizide wird durch
stoffverlusten durch Auswaschung. Dies fördert das Ausbleiben von Niederschlägen nach der Aus-
zusätzlich den Prozeß der natürlichen Bodenversaue- bringung verbessert, da die Wirkstoffe nicht vom Blatt
rung (Basenauswaschung). Wärmere Winter be- abgewaschen werden. Länger andauernde Trocken-
schleunigen die Stickstoffmineralisation der Böden heit führt jedoch zum Eintrocknen des Mittels, das
und erhöhen gleichfalls die Gefahr der Nitrat- und dadurch wirkungslos wird. Unkräuter, die bei anhal-
Nährstoffauswaschung ins Grundwasser und — vor tender Trockenheit mit der Ausbildung bzw. Verstär-
allem bei gleichzeitig steigenden Winterniederschlä- kung ihrer Wachsschicht (Kutikula) als Transpira-
gen — die Denitrifikation (Freisetzung von Distick- tionsschutz reagieren, sind hierdurch weniger emp-
stoffoxid). Auch eine Düngung mit organisch gebun- findlich gegenüber Blattherbiziden. Wuchsstoffherbi-
denen Nährstoffen, also eine Gründüngung mit Legu- zide werden nur über die Bodenlösung aufgenom-
minosen oder eine Wirtschaftsdüngung mit Stallmist/ men, benötigen daher einen ausreichenden Boden-
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wassergehalt, um systemisch wirksam werden zu mungsrate vieler pilzlicher Sporen fällt unterhalb
können. Durch höhere Temperaturen werden sie einer relativen Luftfeuchte von 90 bis 95 % steil ab. Die
allgemein in ihrer Wirksamkeit unterstützt. Plötzliche Intensivierung des hydrologischen Zyklus erhöht die
heftige Regenfälle oder Dürreperioden beeinträchti- relative Luftfeuchtigkeit und somit die Infektiosität
gen dagegen die Wirksamkeit von Blatt- und Wuchs- zahlreicher Pilzsporen. Bestimmte Vermehrungssta-
stoffherbiziden. Eine höhere Klimavariabilität sowie dien (Zoosporen) sind sogar auf Blattbenetzung ange-
neue und möglicherweise häufigere Wetterextreme wiesen. Die Dauer der Blattbenetzung, die für eine
erschweren generell die exakte Wahl und Dosierung Infektion erforderlich ist, kann umso kürzer sein, je
von Herbiziden und verringert deren Effizienz. schneller die Sporen bei höherer Temperatur keimen
(Hoffmann u. a., 1985).
Der Herbizidabbau ist vom Bodenwassergehalt und
von der Bodentemperatur abhängig. Die höhere Die Aktivität und Entwicklung der wechselwarmen
Bodentemperatur beschleunigt, der sinkende Boden- Insekten ist temperaturabhängig. Höhere Temperatu-
wassergehalt verringert u. U. den Abbau. Bei ren fördern die Entwicklungsgeschwindigkeit und
Zunahme von Starkniederschläge steigt generell das den Entwicklungszyklus, beeinflussen die Fraßaktivi-
Risiko der Verlagerung und Auswaschung. Sollte sich tät und Nahrungssuche, die Wanderung und Vermeh-
der Abbau verlangsamen, erhöht sich die Gefahr der rung und damit den Verlauf von Epidemien. Bei einer
Anreicherung von Wuchsstoffherbiziden im Boden Temperaturerhöhung in höheren Breiten entfällt die
mit möglichen Schäden an Folgekulturen und der Überwinterung (Eier, Puppen etc.), die auch häufig
Kontamination der Ernteprodukte. mit einem Wirtswechsel verbunden ist, und es treten
ganzjährig aktive Populationen auf (Hoffmann u. a.,
1985). Entsprechend werden die von Insekten über-
Krankheitserreger und Schadursachen tragenen Viruskrankheiten stärker verbreitet. Die
jeweiligen Bodentemperaturen entscheiden über den
Die Temperaturerhöhung und Bodenwasserab- Flugbeginn und die zeitliche Abfolge des Auftretens
nahme, gepaart mit extremen Wetterereignissen und verschiedener überwinternder Schadinsekten (Ber-
dem Anstieg verschiedener Spurengase beeinträchti- ger, 1989). Die an die jeweiligen Lebensbedingungen
gen das Pflanzenwachstum, können zu direkten Schä- der verschiedenen Schädlinge angepaßten natürli-
den an den Pflanzen führen (Kap. 3.1.1, 3.1.2, 3.1.3) chen Feinde werden durch die geänderten Lebensbe-
und erhöhen deren Anfälligkeit für Krankheiten und dingungenebenso gefördert oder gehemmt wie die
Schaderreger. Zusätzlich werden die veränderten Schädlingen selbst.
klimatischen Verhältnisse zur weiteren Verbreitung Möglicherweise spielen sich daher auf höherem Tem-
wärmeliebender Schädlinge und Pflanzenkrankhei- peraturniveau neue Regelkreise ein. Die Zunahme
ten beitragen. In höheren Breiten werden Krankhei- der extremen Wetterereignisse wird aber in jedem
ten und Schaderreger zunehmen, die dort bisher eine Fall zu eine Destabilisierung der Wirt-Parasit- oder
untergeordnete oder gar keine Bedeutung haben, da Schädlings-Nützlings-Beziehungen führen. Zudem
sie nur in wärmeren Regionen niederer Breiten auf- wird die Wahl und exakte Dosierung von Fungiziden,
treten. Derzeit werden zahlreiche Schädlinge und Insektiziden und anderen Pestiziden erschwert. Stabi-
Krankheiten, aber auch deren natürliche Feinde lere und anpassungsfähigere Agrarökosysteme, die-
durch tiefe Wintertemperaturen in ihrer Entwicklung wie der ökologische Landbau und teilweise auch der
gehemmt oder dezimiert. Mildere Winter lassen künf- integrierte Pflanzenbau auf der Stärkung der natürli-
tig ein höheres Krankheitspotential überdauern. Es chen Widerstandskraft der Pflanzen und der Nütz-
überleben mehr frostempfindliche Schadinsekten und lingsförderung aufbauen, haben bei häufigeren Wet-
Wurzelparasiten, deren natürliche Feinde (Nützlinge) terextremen erhebliche Vorteile gegenüber dem Che-
werden entsprechend gefördert. An die derzeitigen mieeinsatz in der konventionellen Landwirtschaft.
klimatischen Bedingungen angepaßte Krankheiten
und Schaderreger werden möglicherweise mit den Es sei noch erwähnt, daß die Zunahme der UV-
Klima? men polwärts verdrängt oder verschwinden B-Strahlung möglicherweise auch Pflanzenkrankhei-
ganz. ten und Schädlinge beeinflußt. Neben den negativen
Wirkungen der UV-B-Strahlung auf Mikroorganis-
Das Temperaturoptimum für die Keimung der meisten
men wird auch eine keimstimulierende Wirkung auf
pilzlichen Überdauerungsorgane (Sporen) liegt im
pilzliche Überdauerungsorgane beschrieben. Viele
Bereich zwischen 22 und 26° C. Neben der Lufttempe-
Pilze benötigen zur Ausbildung der Fortpflanzungsor-
ratur stellen hohe Luftfeuchtigkeit und Blattbenet-
gane unter Laborbedingungen eine Induktion durch
zung (Tröpfchen oder Flüssigkeitsfilm auf der Blatt-
UV-Bestrahlung. Durch verstärkt auftretende Muta-
oberfläche) notwendige Voraussetzungen für die
tionen können zudem neue Krankheiten bzw. Patho-
Infektion durch die meisten pilzlichen Krankheitser-
typen auftreten.
reger dar. Günstige Keimungstemperaturen werden
inMteluropabmTeturnsigh
und häufiger erreicht. Da es bei höheren Temperatu-
ren zu einer stärkeren Vorwinterentwicklung im Win- Ernte und Lagerung
tergetreide kommt, wird der Herbstbefall mit Blatt-
und Fußkrankheiten begünstigt. Die höhere Tempe- Die Getreideernte wird heute überwiegend im Mäh-
ratur fördert vor allem die Keimungsgeschwindigkeit, druschverfahren durchgeführt. Optimale Vorausset-
die für den Befall oft entscheidender ist als die zung hierfür ist das Stadium der Totreife, bei der die
Keimungsrate. Steigende Temperaturen führen Körner einen Wassergehalt von weniger als 16 %
gleichzeitig zu intensiverer Verdunstung. Die Kei aufweisen. Durch höhere Temperaturen und niedri-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
gere Bodenwassergehalte nimmt der Wassergehalt tationsperiode verlängert auch die Weidesaison. Mög-
des Getreides im Sommer schneller ab. Damit erhöht licherweise könnten dadurch größere Tierbestände
sich die Wahrscheinlichkeit niedriger Kornfeuchtege- von der gleichen Fläche ernährt werden. Da die
halte zum Erntezeitpunkt, was die Kosten und den Grünlandnutzung (und der Feldfutterbau) auf ausrei-
Zeitaufwand für die Getreideernte und -lagerung chend hohe und insbesondere gleichmäßige Wasser-
verringert. U. U. kann die energieintensive Getreide- versorgung angewiesen ist, wird eine zunehmende
trocknung entfallen. Sommertrockenheit die Produktivität des Grünlandes
jedoch vermutlich beschränken und kann in weiten
Andererseits können heftige Niederschläge während
Teilen sogar zur Aufgabe der Grünlandnutzung zwin-
der Erntezeit zu Lagergetreide, höherer Kornfeuchte
gen. Ein Umbruch von Grünland mit anschließender
oder sogar Auswuchs (Keimen der Getreidekörner
ackerbaulicher Nutzung führt zum Humusabbau und
bereits in der Ähre) führen. Dies stellt eine erhebliche
setzt CO 2 frei. Höhere Winterniederschläge verzögern
Beeinträchtigung der Inhaltsstoffe und der späteren
möglicherweise den Weideaustrieb im Frühjahr und
Keimfähigkeit der Körner dar. Bei Auswuchs setzt der
erhöhen die Gefahr von Tritt- und Narbenschäden.
enzymatische Stärkeabbau ein und verringert die
Verkleisterungsfähigkeit und Backqualität des Wei- Ein beschleunigtes Wachstum und eine rasche Reife
zenmehls. der Gräser mindert unter Umständen deren Futter-
wert. Höhere Temperaturen führen zu einer stärkeren
Bei nahezu allen anderen Ernteverfahren sind eben-
Lignifizierung (Verholzung) des Pflanzengewebes,
falls sowohl positive als auch negative Folgen denk-
was die Verdaulichkeit des Pflanzenmaterials ein-
bar, die beispielsweise von der Restfeuchte des Ern-
schränkt. Zusätzlich könnte die Futterqualität des
tegutes (Heuernte, Strohbergung) oder der Befahrbar-
Pflanzenmaterials durch ein erweitertes Kohlenstoff/
keit der Flächen (Mais- und Zuckerrübenernte)
Stickstoff-Verhältnis aufgrund eines CO 2 -Düngeef-
abhängen. Die prognostizierte Zunahme extremer
fektes beeinträchtigt werden. Ein Düngeeffekt kann
Wetterereignisse wirkt sich tendentiell negativ aus.
zu veränderten Konkurrenzverhältnissen innerhalb
von Grünlandbeständen führen. Auch durch eine
selektive Förderung hitzetoleranter hartblättriger
Fruchtfolge Kräuter und Gräser kann sich die Futterqualität unter
Umständen verschlechtern.
Höhere Temperaturen führen zu einer Verlängerung
der Vegetationsperiode und zu einer Beschleunigung
der Entwicklung und Reifung der Kulturpflanzen
innerhalb einer Vegetationsperiode. Somit ließen sich 3.2 Auswirkungen auf die Tierhaltung
wärmebedürftigere Arten und Sorten anbauen, die
unter heutigen klimatischen Verhältnissen nicht zur Hohe Temperaturen und insbesondere eine Boden-
Reife gelangen. Hierzu gehören vor allem später wasserabnahme stellen eine zukünftige ausreichende
reifende, ertragreichere Sorten. Andererseits könnten Produktivität der Grünlandwirtschaft in Frage. Durch
die Erträge der traditionell angebauten Arten und ein verändertes Kohlenstoff/Stickstoff-Verhältnis
Sorten durch das beschleunigte Wachstum und die würde zudem die Futterqualität gemindert. Im
schnellere Reife sinken. Die längere Vegetations- Bereich der intensiven Landwirtschaft kann der Land- -
periode ließe sich auch durch eine Ausweitung des wirt durch die Futterzusammensetzung mögliche
Zwischenfruchtanbaus oder unter Umständen durch Mängel ausgleichen. In der extensiven Weidewirt-
den Anbau einer zweiten Hauptfrucht nutzen. Der schaft, vor allem in den Tropen und Subtropen,
Bodenwassergehalt wird jedoch in beiden Fällen als müssen sich die Tiere ihr Futter selbst suchen und
begrenzender Faktor wirken. können einem möglichen Mangel kaum auswei-
chen.
Die veränderten klimatischen Verhältnisse und ein
Anstieg der atmosphärischen CO 2 -Konzentration, Den Anteil der aufgenommenen Futterenergie, der für
eine Zunahme des troposphärischen Ozons und der den reinen Erhaltungsbedarf der Tiere aufgewandt
UV-B-Strahlung beeinflussen die Konkurrenzverhält- werden muß, also nicht in Produkte oder Gewichtszu-
nisse zwischen den Pflanzen (z. B. C3-/C4-Pflanzen nahme umgewandelt wird, bezeichnet man als Erhal-
bzw. Ozon- und UV-B-sensitive oder tolerante Pflan- tungsaufwand. Unterhalb der tierspezifischen Opti-
zen). In Monokulturen des Ackerbaus wird hierdurch maltemperaturen führt ein Temperaturanstieg zur
nur die Konkurrenz zu Unkräutern verändert. In Verringerung des Erhaltungsaufwandes; die Tiere
landwirtschaftlichen Mischkulturen (z. B. Feldfutter- müssen weniger Energie für die Stabilisierung der
bau) oder Pflanzengesellschaften (Dauergrünland) Körpertemperatur aufwenden. Oberhalb des optima-
können jedoch unerwünschte Veränderungen der len Temperaturbereiches steigt bei weiter zunehmen-
Artenzusammensetzung der Vegetation eintreten, der Temperatur der Erhaltungsaufwand jedoch wie-
indem Arten mit höherem Futterwert zugunsten min- der an, da auch Energie für die Kühlung des Körpers
derwertiger aus dem Bestand verdrängt werden. verbraucht wird. Zudem sinkt bei höheren Tempera-
turen die Futteraufnahme und die Futterverwertung
der Nutztiere.
Grünlandwirtschaft In höheren Breiten sinkt bei einem Temperaturanstieg
der Aufwand für Heizung und Isolation der Tierställe.
Der CO 2 -Anstieg und die Erwärmung können bei Andererseits steigt aber auch der Aufwand für die
ausreichender Bodenfeuchte die Futterproduktion Kühlung der Ställe in den wärmeren Sommermona-
von Wiesen und Weiden erhöhen. Die längere Vege ten.
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Durch einen Temperaturanstieg können verschie- Studies (GISS), des Geophysical Fluid Dynamics
dene parasitäre und infektiöse Tierkrankheiten Laboratory (GFDL) und des United Kingdom Meteoro-
zunehmen. Diese Krankheiten werden meist von logical Office (UKMO) für den vereinfachten Fall einer
Insekten (Tse-Tse-Fliegen, Zecken, Stechmücken) völligen Anpassung an eine spontane CO2-Verdopp-
übertragen, deren Entwicklung durch einen Tempe- lung bildeten die Grundlage. Die mit neueren ge-
raturanstieg und eine Intensivierung des Wasserkreis- koppelten Ozean-Atmosphäre Modellen möglichen
laufes gefördert würde (FAO, 1990). Zudem können zeitabhängigen und realistischen Simulationen des
sich Tierkrankheiten und -seuchen, die bisher auf globalen Klimas sind noch nicht für eine solche Studie
wärmere Gegenden beschränkt waren, mit den stei- herangezogen worden. Die im folgenden beschrie-
genden Temperaturen polwärts ausbreiten. bene Ergebnisse besitzen daher nur eine einge-
schränkte Aussagekraft.
Im Bereich der Fischwirtschaft ist überwiegend mit
negativen Auswirkungen zu rechnen. Mit einem Für verschiedene Länder bzw. größere Regionen
Anstieg der Wassertemperatur intensiviert sich zwar wurden die Ergebnisse der Klimasimulationen in
der Stoffwechsel der Fische/Wassertiere und ihre verschiedene Ertragsmodelle eingegeben und die
Futteraufnahme steigt, gleichzeitig führen aber stei- jeweiligen nationalen Erträge der regional spezifi-
gende Wassertemperaturen zu einem sinkenden schen Nutzpflanzen ermittelt. Die untersuchten Nutz
Sauerstoffgehalt des Wassers. pflanzenarten waren Weizen, Reis, Mais und Sojaboh-
Die Hauptfanggebiete der Meeresfischerei werden nen. Gemeinsam stellen diese vier Arten mehr als
sich polwärts verlagern. Die Binnenfischerei könnte 85 % des Weltgetreide- bzw. -hülsenfruchtmarktes
durch Wassermangel und Wetterextreme beeinträch- dar. Die Erträge wurden sowohl ohne als auch mit
tigt werden. Bereiche der Küstenfischerei, Brutplätze Einbeziehung eines möglichen CO 2 -Düngeeffektes
für Fische, küstennahe Teichanlagen, Zuchtanlagen berechnet. Mit Hilfe eines Welthandelsmodells für
für Muscheln, Krabben, Garnelen etc. werden durch Nahrungsmittel wurden aus den nationalen Ertrags-
den Anstieg des Meeresspiegels und Überschwem- änderungen Auswirkungen auf die Produktion, den
mungen in Mitleidenschaft gezogen (FAO, 1990). Verbrauch und die Preise der Nahrungsmittel sowie
die Zunahme des regionalen Nahrungsmittelmangels
berechnet. Hierbei wurden auch verschiedene Anpas-
sungsmöglichkeiten durch Bewässerung, Bewirt-
3.3 Auswirkungen auf die Welternährung schaftung, Sortenwahl etc. berücksichtigt. Unterstellt
wurde ein freier Welthandel sowie ein gemäßig-
3.3.1 Quantitative Abschätzung tes Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum (ECU,
von Ertragsveränderungen 1992).

In den niederen Breiten sinken die Erträge, in mittle-


Um die Auswirkungen einzelner Faktoren (Bodenei- ren und höheren Breiten sind den Modellergebnissen
genschaften, Nährstoffversorgung, Kulturtechnik) auf zufolge regionale Ertragszuwächse möglich. In niede-
das Pflanzenwachstum und damit die Erträge abschät- ren Breiten wachsen die Pflanzen bereits nahe ihrer
zen zu können, wurden die Abhängigkeiten modell- Temperaturtoleranz, in gemäßigten und vor allem
haft erfaßt. Beabsichtigt war ursprünglich die ertrags- höheren Breiten könnte der Temperaturanstieg dage--
relevante Optimierung der kulturtechnischen Maß- gen die Vegetationsperiode verlängern und die Pro-
nahmen (Düngung, Bearbeitung etc.). Die klimati- duktivität eines Standortes erhöhen.
schen Standortfaktoren wurden allgemein als kon-
stant vorausgesetzt. Im Zuge der Diskussionen um die In den moderaten Klimaänderungsszenarien verän-
Klimaänderung versucht man, auch die Auswirkun- dern sich unter Einbeziehung des CO 2 -Düngeeffektes
gen veränderter klimatischer Bedingungen auf das die Erträge um ± 30 %. Das UKMO-Klimaände-
Pflanzenwachstum und die Erträge zu simulieren. rungsszenario zeigt die deutlichsten Auswirkungen.
Es berechnet einen globalen mittleren Temperaturan-
Die Zusammenhänge zwischen klimatischen Fakto-
stieg von 5,2 Grad Celsius (bei CO 2 -Verdopplung) und
ren und Ertragshöhe können auf unterschiedliche
liegt damit an der oberen Grenze der IPCC-Szenarien.
Weise dargestellt werden. Ausgehend von der Formu-
Unter der Annahme dieses Szenarios sinken die
lierung einer einfachen statistischen Regressionsglei-
Erträge weltweit, regional sogar um mehr als 50 %.
chung können mit zunehmendem Verständnis der
Die größten Ertragsverluste treten bei Mais und Reis
physiologischen Abläufe deren Abhängigkeiten von
auf. Mais als C4-Pflanze profitiert nicht vom CO 2
Klimavariablen in mathematischen Modellen erfaßt
Düngeeffekt und Reis reagiert auf einen weiteren
werden. Grundsätzlich unterscheidet man Regres-
Temperaturanstieg unter anderem mit Pollensterilität,
sionsmodelle (Empirisch-statistische Modelle) und
was deutliche Ertragsverluste nach sich zieht (FAO,
dynamische Modelle (Physiologisch-prozeßorien-
1990; Schumacher, 1993). Die Sojabohne hingegen
tierte Modelle). In jüngster Zeit ist es gelungen,
profitiert als Leguminose relativ stark vom CO 2
regionale Simulationen global zu aggregieren.
Düngeeffekt. Berechnet man die Ertragsveränderun-
Unter Federführung des Goddard Institute for Space gen ohne die — derzeit umstrittenen — physiologi-
Studies (USA) und der Environmental Change Unit schen Wirkungen des CO 2 -Anstieges, treten weltweit
(ECU) in Oxford (GB) wurden die möglichen globalen unter allen drei Klimaszenarien ausnahmslos Ertrags-
Auswirkungen einer vorgegebenen Klimaänderung verluste zwischen 11 und 20 % ein. Die Ertragsverlu-
auf Pflanzenerträge, den Agrarwelthandel und die ste weichen regional sehr stark voneinander ab, fallen
Welternährung weltweit analysiert. Die Prognosen dabei insbesondere in einigen Bereichen der Tropen
von Klimamodellen des Goddard Institute for Space und Subtropen sehr drastisch aus. Die höchsten
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Ertragseinbußen werden daher in den Entwicklungs- rung eines CO 2 -Düngeeffektes in die Modelle ist sehr
ländern, vor allem in Afrika, auftreten. Die Getreide- kritisch zu betrachten, wie die Darstellung und Dis-
preise auf dem Weltmarkt würden infolge dessen kussion des CO 2 -Düngeeffektes (Kap. 3.1.2.1) bele-
erheblich ansteigen. Millionen Menschen droht dann gen.
Jahr für Jahr der Hungertod, weil sie sich selbst
Alle Modellaussagen basieren auf den prognostizier-
billigste Nahrungsmittel nicht mehr leisten könnten
ten, über viele Jahrzehnte relativ stetig verlaufenden
(ECU, 1992; Rosenzweig u. Parry, 1994). Bereits der-
Klimaänderungen. Nicht berücksichtigt werden bis-
zeit sterben jährlich weltweit etwa 18 Mio. Menschen
lang aber die Auswirkungen plötzlicher Klimabrüche,
an Hunger (Egger u. Rudolph, 1992).
wie sie vermutlich in der vergangenen Warmzeit vor
In den Industrieländern wird ein leichter Anstieg der etwa 120 000 bis 140 000 Jahren bei einer mittleren
Produktion prognostiziert. Unter den Bedingungen Temperatur von nur etwa 1 bis 2 Grad über der
des UKMO-Szenarios können dagegen auch in den heutigen Mitteltemperatur, also bei einer Temperatur,
Industrieländern leichte Verluste eintreten. Das vor- die voraussichtlich schon innerhalb der ersten Hälfte
handene Ungleichgewicht in der Nahrungsmittelver- des kommenden Jahrhunderts erreicht werden wird,
sorgung zwischen Industrie- und Entwicklungslän- mehrmals aufgetreten sind.
dern wird sich durch eine Klimaänderung deutlich
Die möglichen Auswirkungen einer Klimaänderung
verstärken (ECU, 1992; Rosenzweig u. Parry, 1994).
auf die Pflanzenphysiologie und die Produktionstech-
nik (Kap. 3.1 und 3.2) dürften bei allen noch bestehen-
den Unsicherheiten dennoch verdeutlichen, daß welt-
weit mit überwiegend negativen Auswirkungen auf
Zusammenfassende Bewertung
landwirtschaftliche, aber auch auf alle natürlichen
der Modellaussagen
und naturnahen terrestrischen und marinen Ökosy-
steme zu rechnen ist. Die Ertragsmodelle prognosti-
Die bisherigen numerischen Simulationen verweisen
zieren nahezu ausnahmslos und weltweit klimabe-
übereinstimmend auf eine Minderung der landwirt-
dingte Ertragsverluste in der Landwirtschaft. Selbst
schaftlichen Erträge im Fall eine globalen Erwär-
wenn regional positive Wirkungen durch eine Verän-
mung. Dies gilt vor allem für die Tropen und Subtro-
derung einzelner klimatischer Faktoren eintreten soll-
pen, die ohnehin mit großen Problemen des Bevölke-
ten, können diese durchaus von möglichen negativen
rungszuwachses zu kämpfen haben.
Auswirkungen durch eine Zunahme extremer Wetter-
Die Auswirkungen der erwarteten Klimaänderung ereignisse, den Anstieg des bodennahen Ozons, der
und des CO 2 -Anstieges auf das Pflanzenwachstum UV-B-Strahlung und weiteren anthropogenen Um-
und die Erträge (Kap. 3.1) sind von einer Vielzahl von weltbelastungen (z. B. Bodendegradation) zumindest
Einflußfaktoren abhängig, die je nach regionalen teilkompensiert werden.
Standortfaktoren und regionaler Ausprägung der Kli-
Trotz aller derzeit noch vorhandenen Unsicherheiten
maänderung zu unterschiedlichen Ertragsänderun-
in den Vorhersagen zu dem Ausmaß und der regiona-
gen führen können. Die zuvor aufgeführten Ertrags-
len Ausprägung der Klimaänderungen ist dennoch
verluste sind daher nur grobe Näherungswerte.
absolut gesichert, daß eine Klimaänderung kommen
Zudem weisen sowohl die Klimamodelle als auch die -
wird bzw. bereits stattfindet, da sie auf der Basis
Ertragsmodelle noch eine Reihe von Unsicherheiten
physikalischer Grundgesetze berechnet wurde. Be-
und Unzulänglichkeiten auf. Die Klimamodelle, die
reits die bisherigen Emissionen klimawirksamer Spu-
als Grundlage für die Berechnungen dienten, stam-
rengase, v. a. durch die Verbrennung fossiler Energie-
men aus den Jahren 1982 (GISS) bis 1988 (GFDL) und
träger, werden schwerwiegende Folgen für das Leben
entsprechen nicht mehr dem aktuellen Wissensstand
der nächsten Generationen auf dem Planeten Erde
in der Klimamodellierung. Die Wechselwirkungen
haben. Die Klimaänderung gefährdet zunehmend die
zwischen klimatischen Faktoren, Standort und Pflan-
Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung. Die
zenwachstum bzw. -ertrag sind von derart komplexer
Verursacher dieser Klimaänderung sind fast aus-
Natur, daß auch funktionale Modelle mit Vereinfa-
schließlich die reichen Industrieländer des Nordens,
chungen und Auslassungen bislang unzureichend
die hierfür die Verantwortung übernehmen müssen,
verstandener Prozesse arbeiten müssen. Viele Effekte
sofort die Initiative zu ergreifen haben und nicht
werden durch die Addition oder die Bildung von
länger auf Kosten der Umwelt, Mitwelt (v. a. „Dritte
Mittelwerten überdeckt. Die negativen Wirkungen
Welt") und Nachwelt leben und wirtschaften dür-
der Zunahme von Luftschadstoffen (Ozon etc.) und der
fen.
UV-B-Strahlung auf das Pflanzenwachstum sind in
bisherigen Ertragsmodellen nicht berücksichtigt. Des
weiteren sind die Wirkungen und Wechselwirkungen
der Klimaänderungen auf ertragsrelevante Faktoren 3.3.2 Derzeitiger Stand und weitere Entwicklung
wie Krankheits- und Schädlingsdruck, Unkrautkon- der Welternährung
kurrenz, Nährstoffdynamik, Veränderung des Grund-
wasserpegels und Produktionstechnik in den be- Bisherige Entwicklung der Erträge
schriebenen Ertragsmodellen bisher kaum erfaßt wor-
den. Auch nichtklimatische Faktoren wie z. B. der Die Welt-Nahrungsmittelproduktion wies in den ver-
technische oder züchterische Fortschritt, die in den gangenen Jahrzehnten bis zum Beginn der achtziger
verwendeten Modellen bisher nicht berücksichtigt Jahre höhere Wachstumsraten als das Bevölkerungs-
worden sind, können sich positiv oder negativ auf wachstum auf. Die Zuwachsraten der Weltagrarpro-
zukünftige Erträge auswirken. Die pauschale Einfüh duktion lagen seit 1960 im Mittel bei 2 bis 3 %/Jahr.
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Tabelle 3.9 feldbaus bzw. allgemein der Anbauflächen führte


häufig zu einem Rückgang der Grundwasservorräte
Veränderung der Nahrungsmittelproduktion und zur Versalzung und Degradation der Böden. 30 %
pro Kopf/Jahr in den Entwicklungsländern der Bewässerungsflächen in den Trockengebieten
zwischen 1951/55 und 1978/82 (Crosson, 1986): (43 Mio. ha) sind bereits stark oder sehr stark — ins-
besondere durch Versalzung oder Versumpfung —
Veränderung der degradiert. Pro Jahr gehen hierdurch 1,0 bis 1,3 Mio.
Region Nahrungsmittel ha Anbaufläche verloren (Kap. 2.3.3.1, Tab. 2.31).
produktion (in Prozent)
Der Anbau dehnte sich häufig auch auf erosionsge-
Ostasien + 1,4 fährdete Flächen aus. Von den regenbewässerten
Südasien + 0,4 Anbauflächen der Erde (1,26 Mrd. ha) gehen pro Jahr
Lateinamerika + 0,9 etwa 7 bis 8 Mio. ha, vor allem durch Erosion und
Afrika - 0,5 Versiegelung verloren (UNEP, 1991). Die Neuer-
schließung von landwirtschaftlichen Nutzflächen wird
Entwicklungsländer + 0,5 durch die Stillegung in Überproduktionsgebieten und
vor allem die voranschreitende Bodendegradation
und Desertifikation überkompensiert. In der Intensiv-
Die Bevölkerung wuchs im gleichen Zeitraum um landwirtschaft der Industrieländer ist das Maximum
etwa 1,8 %/Jahr. Die Pro-Kopf-Versorgung mit Nah- des Chemieeinsatzes überschritten. Die vermehrte
rungsmitteln stieg trotz des Bevölkerungswachstums Anwendung von Mineraldüngern trägt kaum mehr
real bis in die achtziger Jahre hinein an. Eine Aus- zur weiteren Steigerung der Nahrungsmittelproduk-
nahme stellt Afrika dar, wo aufgrund landwirtschaft- tion, dafür um so mehr zur Umweltbelastung bei. Die
licher Probleme, häufiger Dürrekatastrophen, voran- Zuwachsraten des Düngemitteleinsatzes haben daher
schreitender Bodendegradierung und des Rekord in den meisten Ländern in den vergangenen Jahren
Bevölkerungswachstums von fast 3 %/Jahr die Pro- abgenommen, in einigen Ländern, auch in Deutsch-
Kopf-Versorgung bereits seit Jahrzehnten abnimmt land, ist der Düngemitteleinsatz bereits rückläufig
(WWI, 1991). (WWI, 1991).
Der Anstieg der Weltnahrungsmittelproduktion hat
Die starke Zunahme der Nahrungsmittelproduktion
sich in den letzten Jahren deutlich verlangsamt. So
wurde zu 80 % durch die Steigerung der Erträge je
betrug das Wachstum der Weltgetreideproduktion
Fläche — vor allem in den gemäßigten Breiten — und
zwischen 1984 und 1990 etwa 1 %, das Wachstum der
nur zu 20 % durch die Ausdehnung der Anbauflächen
Bevölkerung dagegen 1,8 %. Die jeweiligen regiona-
— vor allem in den Entwicklungsländern — erreicht
len Höchststände der Pro-Kopf-Versorgung liegen
(Crosson, 1986). Möglich wurde die Ertragssteigerung
bereits Jahre oder — wie im Falle Afrikas — sogar
durch die Züchtung neuer hochertragsfähiger Sorten
Jahrzehnte zurück.
(Weizen/Reis/Mais), die Zunahme des Naßreisan-
baus, die Verbesserung und Ausdehnung des Bewäs- Die sinkenden Zuwachsraten seit 1984 hätten schlim-
serungsfeldbaus und eine drastische Zunahme des mere Konsequenzen gehabt, wären nicht die weltwei--
Düngemittel- und Pestizideinsatzes. Das enorme ten Getreidevorräte bis Mitte der achtziger Jahre auf
Wachstum der Nahrungsmittelproduktion zwischen eine Rekordmenge (461 Mio. t in 1987) angewachsen.
1950 und 1984 ist überwiegend auf eine weltweite In den drei darauffolgenden Jahren sanken die Welt-
Verneunfachung des Düngemittelverbrauchs und die getreidevorräte auf 290 Mio. t (WWI, 1991). Die Welt-
Verdreifachung der Bewässerungsflächen zurückzu- bevölkerung lebt also zunehmend „von der Hand in
führen (WWI, 1991). Die derzeitige bewässerte den Mund". In dieser Situation können Mißernten in
Anbaufläche wird weltweit auf 240 Mio. ha geschätzt. einer der Hauptanbau- und -exportregionen der Welt
Etwa zwei Drittel hiervon liegen in Trockengebieten bereits zu weltweiten Versorgungsengpässen und
(145,5 Mio. ha). Die Ausweitung des Bewässerungs Preissprüngen auf dem Weltmarkt führen.

Tabelle 3.10

Regionale Produktion und Weltgetreideproduktion pro Kopf im jeweiligen Rekordjahr und 1990
(nach USDA, 1990; In: WWI, 1991)

Höchstproduktion 1990 Abnahme


Region
Jahr kg/Kopf kg/Kopf in Prozent

Afrika 1967 169 121 -28


Osteuropa 1978 826 763 - 8
Lateinamerika 1981 250 210 -16
Nordamerika 1981 1 509 1 324 -12
Westeuropa 1984 538 496 - 8
Asien 1984 227 217 -4

Welt 1984 343 329 -4


Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Derzeitiger Stand der Versorgung Vor allem in Afrika bestehen ernste Nahrungsmittel-
verknappungen. In der Region Nordafrika ist die
Wie bereits in den Vorjahren wird die Zuwachsrate Weizenproduktion 1993 um etwa 5 %, die Grobgetrei-
der Weltagrarproduktion mit hoher Wahrscheinlich- deproduktion sogar um 10 % zurückgegangen. In
keit weiter sinken. Die Nahrungsmittelproduktion West- und Zentralafrika wird 1993 mit einer über-
kann mit dem anhaltenden Bevölkerungswachstum durchschnittlichen Grobgetreideproduktion gerech-
nicht Schritt halten. Die Pro-Kopf-Versorgung wird net. Dennoch wird die Getreideproduktion in den
deshalb, insbesondere in Afrika, weiter abnehmen. westafrikanischen Sahel-Ländern etwa 2 % unter der
Die bisherige Entwicklung hält somit weiterhin an. Ernte von 1992 bzw. 5 % unter der Rekordernte von
Diese Entwicklung wird deutlich am Beispiel der 1991 liegen. Die Weizenproduktion 1993 in Ostafrika
weltweiten Weizenproduktion, die für 1993 auf etwa wird 20 % unter der Vorjahreserzeugung liegen, die
562 Mio. t geschätzt wird, was einem Rückgang der Grobgetreideproduktion etwa 7 % unter dem Vorjah-
weltweiten Produktion um 9 Mio. t bzw. 1,7 % gegen- resergebnis. Damit wird der Importbedarf an Getreide
über 1992 entspricht. Die weltweite Produktion von sowie der Bedarf an Nahrungsmittelhilfe 1994
Grobgetreide 1 ) wird für 1993 auf etwa 845 Mio. t beträchtlich zunehmen. Die meisten asiatischen Län-
geschätzt, was einem Rückgang von 26 Mio. t bzw. der, mit der Ausnahme Chinas, haben durchschnittli-
2 % gegenüber 1992 entspricht. Im Wirtschaftsjahr che bis überdurchschnittliche Ernten bei Grobge-
1993/94 ist die Weltgetreideversorgung noch ange- treide und Reis eingebracht. In Zentral- und Süd-
spannter als im Vorjahr. Die Weltgetreideerzeugung amerika wird 1993 mit einer geringeren Getreide-
wird vermutlich 4 % niedriger liegen, was einen bzw. Weizenproduktion als im Vorjahr gerechnet.
beträchtlichen Rückgriff auf Lagerbestände notwen- Die Gesamtgetreideproduktion 1993 in Europa
dig macht, um den erwarteten Verbrauch zu sichern (262,3 Mio. t) lag 1 % höher als 1992. Die Gesamtge-
(Deutscher Bundestag, 1993b; BML, 1994c). treideernte in der Europäischen Union sank hingegen
um 2 % (BML, 1994c). Dieser Rückgang der Getrei-
Während in Nordamerika, Europa und Teilen Asiens deproduktion ist nur zu einem geringen Teil auf
Überschüsse produziert werden, herrscht in vielen Extensivierungsmaßnahmen in den überversorgten
Entwicklungsländern Mangel an Nahrungsmitteln Industrieländern zurückzuführen. Das Nahrungsmit-
und akuter Hunger. Der Hunger in der Welt war und telangebot in den Entwicklungsländern und die welt-
ist jedoch weniger ein Produktionsproblem, als viel- weite Lagerhaltung werden weiterhin abnehmen.
mehr ein globales, aber auch regionales Verteilungs-
problem. Hier wäre eine regional differenzierte Akute Nahrungsmittelknappheit besteht derzeit im
Betrachtung notwendig, die aber im Rahmen dieses südlichen und östlichen Afrika (Äthiopien, Somalia,
Berichtes nicht möglich ist. Einige Entwicklungslän- Sudan, Kenia, Liberia, Sierra Leone, Angola, Ruanda,
der, in denen in weiten Teilen Hunger herrscht, Zaire), wo Dürren und politische Unruhen die Nah-
exportieren gleichzeitig Nahrungs- und Futtermittel rungsmittelversorgung bedrohen. Bosnien-Herzego-
in die EU. Der Sudan erhielt 1992 die Zusage der EG, wina und mehrere zentralasiatische Republiken der
100 000 Tonnen Hirse als Viehfutter zu Vorzugsprei- Gemeinschaft Unabhängiger Staaten benötigen
sen in die Gemeinschaft zu exportieren, obwohl Hirse ebenfalls Nahrungsmittelhilfe, um Hungersnöte ab-
im Sudan ein Grundnahrungsmittel ist und dort seit zuwenden. In den Ländern entlang des Roten Meeres,
Jahren Hungersnöte grassieren. Die internationale in Eritrea, Teilen Somalias und Ägyptens sowie in der
Staatengemeinschaft versucht gleichzeitig, die Bevöl- Zentralsahararegion bedrohen Heuschreckenplagen
kerung des Sudan mit Nahrungsmittelhilfe am Leben die Nahrungsmittelversorgung (Gallus, 1992; Deut-
zu halten. Namibia bemüht sich darum 10 000 Tonnen scher Bundestag, 1993b).
Rindfleisch in die Gemeinschaft zu exportieren, 800 Mio. Menschen auf der Welt sind unter- oder
obwohl auch dort großer Hunger herrscht und ande- mangelernährt, etwa 18 Mio. Menschen sterben der-
rerseits in der EG ein hoher Rindfleischüberschuß zeit jährlich an Hunger, nicht nur in den akuten
vorhanden ist (Deutscher Bundestag, 1992 d). Auch Krisengebieten, sondern in nahezu allen Entwick-
Äthiopien hat während der letzten Hungersnot lungsländern. Nur etwa 10 % der Hungernden sind
Getreide exportiert, was keineswegs ungewöhnlich Opfer akuter Hungersnöte, 90 % der Betroffenen ster-
ist. Diese Tatsachen stehen nur in eklatantem Wider- ben an den Folgen chronischer Unterernährung
spruch zu den westlichen Vorstellungen von der (Egger und Rudolph, 1992).
Nahrungsmittelknappheit in den Entwicklungslän-
dern (Dudley und Stolton, 1992). Ursache ist häufig die
Agrarstruktur in den Entwicklungsländern, die von
einer massiven Ungleichverteilung des Landbesitzes Prognose des Bevölkerungswachstums
geprägt wird. Gleichzeitig behindern die mit Hilfe
hoher Subventionen zu niedrigen Preisen exportier-
Die globale Wachstumsrate der Bevölkerung er-
ten Agrarüberschüsse (Rindfleisch, Getreide) die Ent-
reichte zu Beginn der siebziger Jahre mit etwa 1,9 %
wicklung der Landwirtschaft in einigen Entwick-
ihren höchsten Stand. Sie verlangsamte sich danach
lungsländern. Die Exporte führen zu einem niedrige-
kurzzeitig und fiel bis auf 1,7 % in den frühen achtzi-
ren Preisniveau auf den lokalen Märkten. Einheimi-
ger Jahren. Im Laufe des vergangenen Jahrzehnts
sche Produzenten werden aus dem Markt gedrängt
beschleunigte sich das Wachstum wieder und
und der Selbstversorgungsgrad in diesen Ländern
erreichte Ende der achtziger Jahre 1,8 %. 1950 lebten
sinkt (Deutscher Bundestag, 1994 a).
2,5 Mrd. Menschen auf der Welt. Bereits 1987 hatte
1) Grobgetreide = alle Getreidearten außer Weizen und Reis sich die Weltbevölkerung verdoppelt. Derzeit leben
(hauptsächlich Mais und Gerste) 5,420 Mrd. Menschen (1992) auf der Erde, 1,2 Mrd. in
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

den Industrieländern und 4,2 Mrd. in den Entwick- Standort. Die landwirtschaftliche Produktivität ist in
lungsländern. den meisten Regionen der Erde durch die Verfügbar-
keit der Pflanzennährstoffe bzw. deren Zufuhr durch
Bis zum Jahr 2025 wird die Weltbevölkerung nach
Düngungsmaßnahmen begrenzt. Nur bei intensivster
Schätzungen der Vereinten Nationen auf 8,5 ± 0,9
Bewirtschaftung (Düngung, Bewässerung, Anbau-
Mrd. Menschen anwachsen. Zur Zeit wächst die
technik, Sortenwahl etc.), wie in der Intensivlandwirt-
Weltbevölkerung um etwa 95 Mio. Menschen Jahr für
schaft der westlichen Industrienationen, wird annä-
Jahr. Über 80 % dieses Wachstums findet in Afrika,
hernd die ursprüngliche natürliche Produktivität
Asien und Lateinamerika statt. In den entwickelten
erreicht (Esser, 1994).
Industrieländern stagniert oder schrumpft die Bevöl-
kerung bzw. wird durch Zuwanderung stabilisiert. Die durchschnittlichen Getreideerträge betragen in
Den höchsten absoluten Zuwachs haben China, Afrika 1 t/ha, in Westeuropa dagegen 4 t/ha. Viele
Indien, Bangladesch, Indonesien, Pakistan, Nigeria, Entwicklungsländer verfügen über ein hohes und
Mexiko, Brasilien, Ägypten und Äthiopien zu ver- noch steigerungsfähiges Ertragspotential (Schug,
zeichnen. Das Maximum der Weltbevölkerung wird 1993). Gerade in den kritischen Gebieten droht jedoch
— unter der Annahme einer entsprechend steigenden eine künftige Klimaänderung die Produktivität zu
Nahrungsmittelproduktion — auf 11 bis 13 Mrd. verringern.
Menschen geschätzt. Diese Zahl wird beim Übergang
in das 22. Jahrhundert erreicht werden, wenn voraus-
sichtlich alle Staaten der Erde den demographischen Potentielle Ausdehnung
Übergang vollzogen haben werden (Schmid, 1993). der bewirtschafteten Flächen
Aufgrund der Altersstruktur in den Entwicklungslän-
dern wird das Wachstum nur sehr langsam reduziert Die Ausdehnung der landwirtschaftlichen Nutzflä-
werden können. Durch die große Zahl junger Men- chen kann nur auf Kosten der noch vorhandenen,
schen und Kinder ist bereits ein weiteres Wachstum natürlichen Ökosysteme, insbesondere durch die wei-
für die nächsten Jahrzehnte vorprogrammiert, selbst tere Vernichtung tropischer Wälder erfolgen. Eine
wenn es gelänge, die Geburtenrate zu senken. weitere Inkulturnahme von Land erscheint derzeit
ohnehin nur noch in Lateinamerika und Afrika mög-
lich, in Asien und in den gemäßigten Breiten stößt dies
Potentielle Erträge der bewirtscha fteten Flächen bereits an natürliche Grenzen, da hier die Landreser-
ven weitgehend erschöpft sind. Neue landwirtschaft-
Die Nettoprimärproduktion (NPP) landwirtschaftli liche Nutzflächen können aber zumeist nicht dauer-
cher Flächen liegt im allgemeinen weit unter der haft erschlossen werden. Bereits jetzt dringt die Land-
Produktivität der natürlichen Vegetation am gleichen wirtschaft in weiten Teilen der Welt in sensible

Abbildung 3.5: Weltweite relative landwirtschaftliche Produktivität für das Jahr 1990 (Esser, 1994):
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Tabelle 3.11

Vergleich der Nettoprimärproduktivität (Trockenmassebildung in g/m 2 x Jahr) natürlicher und


landwirtschaftlich genutzter Flächen in verschiedenen Ländern (Esser, 1994)

Landwirtschaftliche Natürliche
Verhältnis der
Land Produktivität Produktivität
Produktivität
g/m2 x Jahr g/m2 x Jahr

Zaire 180 1 960 0,10


Kenia 350 1 300 0,13
Nigeria 150 890 0,17
Kambodscha 310 1 800 0,17
Bolivien 280 1 500 0,19
Brasilien 310 1 620 0,19

Spanien 510 750 0,68


Deutschland 1 130 1 190 0,95
Be-Ne-Lux-Länder 1 290 1 210 1,07

Randgebiete vor, was zu einer massiven Zunahme der Tropische und subtropische Trockengebiete werden
Bodendegradierung geführt hat. Die Schädigung der nach Aussage der Klimamodelle eher noch trockener.
Böden droht in Zukunft — beschleunigt durch die Die dadurch notwendige verstärkte Bewässerung
Klimaänderung — weit schneller voranzuschreiten als führt zu einer starken Versalzung und schließlich zum
die Erschließung neuer Flächen überhaupt möglich Verlust landwirtschaftlicher Flächen. Trockenge-
wäre. Eine künftige Steigerung der Nahrungsmittel- biete, in denen mangels Wasser und/oder Technik
produktion ist daher nur möglich, wenn keine Bewässerung möglich ist, werden bei einem
Temperaturanstieg nicht mehr landwirtschaftlich ge-
— die Produktionsintensität auf den derzeit bewirt-
nutzt werden können. Handelt es sich bei diesen
schafteten Flächen in den unterversorgten Regio-
Regionen um bevölkerungsreiche Länder, so sind dies
nen der Welt weiter angehoben wird,
die extrem gefährdeten Regionen. Außerdem basiert
— die weitere Schädigung (Degradation und Deserti- die Nahrungsproduktion in den Tropen und Subtro-
fikation) derzeit bewirtschafteter Flächen durch pen im wesentlichen auf C4-Pflanzen (Mais, Hirse,
eine nachhaltige und standortgerechte Bewirt- Zuckerrohr), die nicht von einem CO 2 -Anstieg profi-
schaftung vermieden wird. tieren, sondern der verstärkten Konkurrenz von C3-
Pflanzen ausgesetzt sind.
Die Ausdehnung der potentiell bewirtschafteten Flä-
chen wird in Zukunft zusätzlich durch die Verschie- Die globale Erwärmung führt wegen veränderter
bung der Klimazonen infolge der Klimaänderung Intensität und Verteilung der Niederschläge zu einer
beeinträchtigt. In Abhängigkeit von der geographi- Verschiebung der Vegetationszonen. Nach Modell-
schen Breite ergeben sich aus den atmosphärischen rechnungen werden die kontinentalen Bereiche der
Zirkulationmustern stabilere und anfälligere Klima- mittleren Breiten im Sommer deutlich trockener. Auch
und Vegetationszonen. Besonders anfällig für Klima- in Teilen Mitteleuropas wird dann das pflanzenver-
änderungen sind die Zwischenzonen: fügbare Wasser vermutlich zum begrenzenden Faktor
für die Landwirtschaft werden. Dürre- und Hitzeperio-
— die Savannen- und Steppenzone zwischen den den, wie sie in den vergangenen Jahren bereits
Tropen und Subtropen, da hier der Niederschlag mehrfach (USA, UdSSR, China) aufgetreten sind,
auf den Sommer beschränkt ist und in Richtung der könnten zu einem öfter wiederkehrenden Ereignis
Subtropen immer spärlicher wird; werden. Die heutigen Trockenzonen im nördlichen
— die Zone zwischen den Subtropen und den gemä- Afrika, in Arabien, Zentralasien und in südlichen
ßigten Breiten, in der der Niederschlag im wesent- Teilen der USA werden sich nordwärts verschieben.
lichen auf die Wintermonate beschränkt ist; Die fruchtbaren und dichtbesiedelten Winterregenzo-
nen um das Mittelmeer, in den USA und den südlichen
— die subpolare Tundrenzone zwischen den gemä- GUS-Ländern könnten sich in subtropische Trocken-
ßigten und polaren Breiten, in der weniger der gebiete verwandeln (IPCC, 1990b; EK, 1990b; EK,
Niederschlag als die Temperatur den begrenzen- 1992).
den Faktor für die Vegetation darstellt.
Die Ausweitung der landwirtschaftlichen Nutzflächen
Vieles deutet darauf hin, daß in den Gebieten, in steht im Widerspruch zu vielen anderen Interessen
denen die Klimavariabilität schon heute die Landwirt- wie beispielsweise dem Erhalt der Wälder und dem
schaft stark beeinträchtigt, zum Teil mit dramatischen Schutz der biologischen Vielfalt. Auch sind die
Veränderungen gerechnet werden muß. Rodung der Wälder und die nachfolgende landwirt-
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

schaftlichen Nutzung mit der zusätzlichen Freiset- nachhaltig zu ernähren (Weber, 1988; Schug, 1993).
zung von klimawirksamen Spurengasen verbunden Wie viele Menschen die Erde auf Dauer ertragen
(Kap. 2.3.2). Eine weitere Steigerung der Nahrungs- kann, hängt allerdings nicht nur von der maximal
mittelproduktion wird daher in Asien, aber auch in möglichen Erzeugung von Nahrung ab, sondern in
Afrika und Lateinamerika in erster Linie durch die noch weit größerem Maß von Art und Umfang der
Erhöhung der Flächenerträge auf den bereits bewirt- Nutzung aller natürlichen Ressourcen und den daraus
schafteten Flächen erreicht werden müssen. Notwen- resultierenden Eingriffen in die Umwelt.
dig ist daher eine Begrenzung der Klimaänderung und Die Zunahme des Hungers in der Welt ist heute und
eine weltweit nachhaltige Landbewirtschaftung, um wahrscheinlich auch in Zukunft weit weniger auf eine
den weiteren Verlust von Nutzflächen und die Aus- unzureichende Nahrungsmittelproduktion, als viel-
breitung der Wüsten zu verhindern. Wenn auch der mehr auf die ungerechte Verteilung der Nahrungs-
derzeitige Wissensstand nicht ausreicht, um die und Produktionsmittel zurückzuführen. Dies basiert
Ernährungskapazität der Erde genau genug zu ermit- sowohl auf globalen Disparitäten und Abhängigkei-
teln, dürfte es rein rechnerisch möglich sein, mit den ten (Auslandsverschuldung, einseitige Handels-
bekannten landwirtschaftlichen Techniken, mit den hemmnisse, Verschlechterung der „Terms of Trade"),
verfügbaren Ressourcen und ohne Landnutzungsän- als auch auf Problemen innerhalb der unterversorgten
derungen in größerem Umfang eine doppelt so große Länder und Regionen (Großgrundbesitz, kriegerische
Anzahl von Menschen (11 Mrd.) ausreichend und Auseinandersetzungen, Bevölkerungswachstum etc.).

4. Handlungsoptionen und Potentiale zur Verringerung des Beitrages


der Landwirtschaft zur Emission klimawirksamer Spurengase

4.1 Derzeitige Situation der Weltlandwirtschaft schaft bei. Die zunehmende Spezialisierung und
Mechanisierung in der Landwirtschaft führt zur Ent-
4.1.1 Intensivlandwirtschaft in Europa kopplung von Tierhaltung und Pflanzenbau, zu einer
Fruchtfolgeverarmung, zum Rückgang einer geregel-
Die zusammenfassende Analyse des ersten und zwei- ten Stallmist-Humuswirtschaft und dem steigenden
ten Kapitels im Abschnitt B belegt den deutlichen Einsatz schwerer Maschinen. Die Schädigung der
Zusammenhang zwischen der Produktionsintensität, Bodenstruktur und die Zunahme der Erosion erhöhen
dem Grad der Spezialisierung und der Höhe der den Kohlenstoff- und Nährstoffaustrag aus den Agrar-
Emissionen klimawirksamer Spurengase aus der ökosystemen. Alle landwirtschaftlichen Aktivitäten,
Landwirtschaft. Die vorleistungsintensive Landwirt- die zu einer Verminderung der Kohlenstoffeinbin-
-
schaft in den westlichen Industrieländern trägt durch dung in oder sogar zu einer Kohlenstofffreisetzung aus
den Verbrauch fossiler Energieträger vor allem bei der Agrarökosystemen oder natürlichen Ökosystemen
Herstellung von Mineraldüngern, als Treibstoff und (z. B. Landnutzungsänderungen, Waldsterben) füh-
durch den Import von Futtermitteln zur CO 2 -Emission ren, sind letztlich auch klimarelevant.
bei. Der teilweise überhöhte und unsachgemäße Ein-
satz mineralischer und/oder organischer Stickstoff-
dünger führt zu Stickstoffeinträgen in die Agraröko- 4.1.2 Landwirtschaft in den Entwicklungsländern
systeme, die den Entzug durch die Pflanzen häufig
weit übersteigen. Mit der Höhe der Stickstoffüber- Die Armut der ländlichen Bevölkerung, die unge-
schüsse in den Böden nehmen die Distickstoffoxid- rechte Landbesitzverteilung (Großgrundbesitz), der
Emissionen überproportional zu. Die Methan- und exportorientierte Anbau von Cash-crops, der Verfall
Ammoniakfreisetzung aus der Tierhaltung und der der Weltmarktpreise und das ungehremste Bevölke-
Wirtschaftsdüngung hängt wesentlich vom Energie- rungswachstum verstärken die Brandrodungsaktivi-
und Eiweißgehalt des Futters sowie dem Stallhal- täten in den Wäldern und überfordern das ursprüng-
tungs- und Entmistungssystem ab. Besonders hoch lich nachhaltige System des Wanderfeldbaus. Da die
sind die Emissionen bei der intensiven Massentierhal- Böden rasch degradieren, müssen ständig neue Flä-
tung mit Gülle-Entmistungssystemen. Die Ammoni- chen gerodet werden. Zusätzlich nehmen die
akausgasung aus der Gülle trägt gemeinsam mit der Rodungsaktivitäten zu aufgrund staatlicher Sied-
Auswaschung bzw. dem Abtrag mineralischer Stick- lungsprogramme und der Anreize zur großflächigen
stoffdünger in Grund- und Oberflächengewässer zur Erschließung der Wälder. Die tropischen Wälder wer-
Eutrophierung natürlicher und naturnaher Ökosy- den zum größten Teil brandgerodet, um neue land-
steme bei. Dies führt dort wiederum zur verstärkten wirtschaftliche Anbauflächen zu gewinnen. Lastet
Freisetzung von stickstoffhaltigen Spurengasen. man diese Waldvernichtung insoweit der Landwirt-
Gleichzeitig trägt die Eutrophierung zur Zerstörung schaft an, so ist diese weltweit zu etwa einem Drittel
insbesondere von nährstofflimitierten Lebensräumen Verursacher des globalen Treibhauseffektes. Der
wildlebender Pflanzen und Tiere und damit zur Ver- reichtumsbedingten Ressourcenverschwendung des
ringerung der Arten- und Biotopvielfalt in der Land Nordens steht die armutsbedingte Ressourcenzerstö-
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rung des Südens gegenüber. Die umweltbelastende Dieser Vorgang wird durch die Klimaänderung im
Intensivlandwirtschaft mit ihren Überschüssen im Sinne einer positiven Rückkopplung zusätzlich
Norden und die weitgehend fremdbestimmte, export- beschleunigt.
orientierte Landwirtschaft bei Unterversorgung der
einheimischen Bevölkerung im Süden verursachen
beide steigende Emissionen klimawirksamer Spuren-
gase und sind daher Mitverursacher der globalen
4.1.4 Drohende Gefahren durch die Klimaänderung
Klimaänderung.
Das dritte Kapitel im Abschnitt B hat die zahlreichen
Gefahren der Klimaänderung für die Landwirtschaft
aufgezeigt. Nach Klimamodellrechnungen erwartet
man im nächsten Jahrhundert ohne globale Gegen-
4.1.3 Globale Umweltprobleme durch nicht maßnahmen eine Erwärmung um etwa 0,3°C pro
nachhaltige Landbewirtschaftung Jahrzehnt im globalen Durchschnitt. Hierdurch ver-
schieben sich die Vegetationszonen mittlerer Breiten
In engem Zusammenhang mit dem Beitrag der Land- polwärts und es kommt weltweit zu teilweise starken
wirtschaft zur Emission klimawirksamer Spurengase Veränderungen in der regionalen Intensität und Ver-
stehen zahlreiche weitere, regional unterschiedlich teilung der Niederschläge und anderer Wetterereig-
ausgeprägte Umweltbelastungen. Die Qualität unse- nisse.
rer Lebensumwelt und unserer Nahrungsmittel hat
sich verschlechtert. Die Landwirtschaft ist heute in So ungleich verteilt wie die Ursachen der Klimaände-
erheblichem Umfang an der Eutrophierung von Öko- rung, so ungleich verteilt sind aber auch deren Aus-
systemen, an der Generosion und dem Artensterben, wirkungen. Die westlichen Industrienationen verur-
an der Zerstörung wertvoller Biotope und am Wald- sachen durch ihre Emissionen mindestens drei Viertel
sterben beteiligt. Die Kulturlandschaft wurde im Zuge der globalen Klimaänderung. Zwar werden voraus-
der „Flurbereinigung" ausgeräumt und hat an Wert sichtlich auch die reichen Industrieländern keine
verloren. Gleichzeitig drohen infolge der ökonomisch Gewinner einer Klimaänderung sein, doch werden die
und ökologisch teilweise bedenklichen Flächenstille- Auswirkungen in der dortigen Überschußlandwirt-
gung oder Aufgabe der Bewirtschaftung weite Teile schaft weniger dramatisch sein. Für die unterversorg-
des Landes zu veröden. Dies ist in verschiedenen ten Entwicklungsländer werden hingegen drastische
Regionen der EU bereits der Fall. Zudem kann es zu Auswirkungen prognostiziert. Unter dem Anpas-
einem verstärkten Eintrag von Stickstoff in das Grund- sungsdruck der Klimaänderung wird sich daher die
wasser kommen, wenn dieser nicht mehr durch Kul- Kluft zwischen Entwicklungsländern und Industrie-
turpflanzen dem Boden entzogen wird. Die Konzen- ländern weiter vertiefen.
tration der intensiven Landbewirtschaftung und die Die jetzt schon relativ trockenen Zonen im westlichen
konzentrierte Massentierhaltung in den landwirt- und südlichen Afrika, in Südostasien und großen
schaftlichen Gunsträumen verstärkt dort die regiona- Teilen von Mittel- und Südamerika wären schon von
len Umweltschäden und trägt erheblich zur Degrada- einem geringen Rückgang der Niederschläge beson-
tion der Böden bei. Die künstliche Bewässerung führt ders betroffen. Die Landwirtschaft ist dort bereits jetzt
in semi-ariden und ariden Gebieten oft zur Versal- häufig von Dürre bedroht. Die fruchtbaren und dicht-
zung. Überhöhte Düngung und Pestizideinsatz tragen besiedelten Winterregenzonen um das Mittelmeer, in
zur chemischen Belastung bei. Unsachgemäße, nicht den USA und den südlichen GUS-Ländern würden zu
angepaßte Bearbeitung sowie die fehlende Stallmist- unfruchtbaren Trockengebieten. Um hier weiterhin
Humuswirtschaft ziehen Strukturschäden, Erosion Pflanzenbau betreiben zu können, müßten die
und Verdichtungen der Böden nach sich. genannten Gebiete künstlich bewässert werden,
soweit denn ausreichend Kapital und Wasser vorhan-
Die Zerstörung der Lebensgrundlagen führt somit zu
den wäre. Den Böden droht bei unsachgemäßer
einer stetig wachsenden, häufig irreversiblen Schädi-
Bewässerung die Gefahr der Versalzung, die eine
gung der Böden und der weiteren Ausdehnung der
weitere landwirtschaftliche Nutzung unmöglich
Gebiete mit Desertifikation. Jährlich wächst die
macht. Auch der Anstieg des Meeresspiegels könnte
Wüstenfläche weltweit um mindestens 6 Mio. ha.
in vielen dichtbesiedelten Küstenregionen und frucht-
Übernutzung und Überweidung, nicht angepaßte
baren Flußdeltas zu Landverlusten durch Überflutung
Anbaumethoden und die Rodung der Wälder sind die
oder Versalzung führen (Bangladesh, Nildelta, Golf
wichtigsten Ursachen dieser Entwicklung. Der wirt-
von Mexiko, deutsche und niederländische Nordsee-
schaftliche Verlust durch Desertifikation belief sich
küste etc.).
1990 auf 42 Mrd. US-Dollar. Für die Eindämmung der
weiteren Ausdehnung der Wüsten und die Rekultivie-
rung verwüsteter Gebiete wurden 1990/91 weltweit
270 Mrd. US-Dollar veranschlagt (Weltbank; In: Öko- 4.1.5 Konsequenzen für die Ernährung
logische Briefe, 1994). Durch die steigende Intensivie- der Weltbevölkerung
rung und weitere Ausdehnung der Landbewirtschaf-
tung insbesondere in den unterversorgten Regionen Wenn auch die Weltbevölkerung derzeit noch ausrei-
der Welt wird der Beitrag der Landwirtschaft an der chend ernährt werden könnte, so scheitert dies an der
anthropogenen Klimaänderung künftig weiter stei- mangelhaften Verteilung zwischen Arm und Reich.
gen. Gleichzeitig droht diese Entwicklung die land- Große Teile der Weltbevölkerung leben bereits heute
wirtschaftliche Nutzfläche durch Erosion, Versalzung „von der Hand in den Mund" und viele verhungern.
und Desertifikation immer rascher zu reduzieren. Die weltweite Klimaänderung und die dabei sehr
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

wahrscheinliche Zunahme der Dürren, Stürme und leistet wird, daß die Ertragssteigerungen für die
anderer extremer Wetterereignisse können die Welt- Ernährungssicherung der einheimischen Bevölke-
ernährung in zunehmendem Maße gefährden. Zudem rung genutzt werden und nicht — wie bisher — nur
wird die Bevölkerung bis zum Jahr 2025 von derzeit den Produzenten von „Cash crops", zum Export und
5,5 Mrd. auf schätzungsweise 8,5 Mrd. Menschen dem Gewinn weniger Großbetriebe oder multinatio-
anwachsen. Fünf Sechstel der Weltbevölkerung wer- naler Konzerne zugute kämen, könnte auch eine
den dann in den heutigen Entwicklungs- und Schwel- wachsende Bevölkerung ernährt werden. Oberstes
lenländern leben. Dies wird zu einer drastischen Ziel muß aber auch hier eine nachhaltige und dauer-
Verschärfung der sich bereits abzeichnenden Vertei- hafte Landbewirtschaftung sein. Nur mit Hilfe eines
lungskämpfe und entsprechenden Migrationsproble- stabilen und an den Standort angepaßten Anbaus
men führen. Der weiteren Ausdehnung der landwirt- (Agroforstwirtschaft/Ecofarming) läßt sich der Teu-
schaftlichen Nutzflächen sind bereits jetzt Grenzen felskreis aus Degradation der Böden und Brandro-
gesetzt. Die Agrar-Überschußproduktion der westli- dung immer neuer Wälder (mit den entsprechenden
chen Industrieländer war schon in der Vergangenheit klimarelevanten Emissionen) durchbrechen. Gleich-
keine Lösung der Ungleichverteilung und der Unter- zeitig müßten aber erhebliche Anstrengungen zur
versorgung weiter Teile der Welt. Sie führt zu Verzer- stetigen Reduzierung des Bevölkerungswachstums
rungen auf dem Weltmarkt mit erheblichen Nachtei- unternommen und verschiedene regionale bzw. glo-
len für viele Entwicklungsländer, die von Agrarexpor- bale Rahmenbedingungen der Landwirtschaft und
ten abhängig sind. des Welthandels verändert werden. Das Leitziel sollte
daher weltweit eine nachhaltige und damit auch
gleichermaßen klima- und umweltverträgliche Land-
bewirtschaftung sein.
4.1.6 Zielsetzung für die künftige globale
Landbewirtschaftung

Aus den zahlreichen beschriebenen Wechselwirkun- 4.1.7 Politische Grundlagen zur globalen
gen und Abhängigkeiten zwischen der Landwirt- Umsetzung einer nachhaltigen
schaft und der Klimaänderung, einschließlich ihrer Landbewirtschaftung
ökonomischen und soziokulturellen Bezüge, kann
man folgende Ziele für eine künftige Landbewirt- Während der Konferenz der Vereinten Nationen für
schaftung ableiten: Umwelt und Entwicklung (UNCED), die im Juni 1992
in Rio de Janeiro stattfand, wurden mit der Klimarah-
— Die Freisetzung klimawirksamer Spurengase aus
menkonvention und der Konvention über die biologi-
der Landwirtschaft (und aller anderen Wirtschafts-
sche Vielfalt, mit der Walderklärung und der Rio-
zweige) vermindern und damit die Veränderung
Deklaration, mit dem Aktionsprogramm „Agenda 21"
der chemischen Zusammensetzung der Atmo-
und dem Beschluß zur Einrichtung der UN-Kommis-
sphäre und die Veränderung des Klimas begren-
sion für nachhaltige Entwicklung (CSD) die Grundla-
zen;
gen für eine qualitativ neue weltweite Zusammenar-
— die Spurengasbelastung der Atmosphäre durch beit in der Umwelt- und Entwicklungspolitik geschaf-
eine stabilere und stärkere Kohlenstoffeinbindung fen. Die Klimarahmenkonvention enthält in Artikel 2 -
in der Biosphäre und den Böden verringern; die Verpflichtung, die Emissionen der klimawirksa-
men Spurengase weltweit so weit abzusenken und
— die landwirtschaftliche Produktion an regionale „die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen
Standortbedingungen und zukünftige Klimaände- in der Atmosphäre auf einem Niveau zu erreichen, auf
rungen anpassen. dem eine gefährliche anthropogene Störung des Kli-
Diese Ziele gelten gleichermaßen für die Landwirt- masystems verhindert wird. Ein solches Niveau sollte
schaft in den Industrieländern wie auch in den unter- innerhalb eines Zeitraumes erreicht werden, der aus-
versorgten Regionen der Welt. Die Höhe der Freiset- reicht,
zung klimawirksamer Spurengase in der westlichen — damit sich die Ökosysteme auf natürliche Weise
Intensivlandwirtschaft hängt maßgeblich von der Pro- den Klimaänderungen anpassen können,
duktionsintensität ab. Deren Senkung durch eine
Extensivierung der Landwirtschaft reduziert die Emis- — die Nahrungsmittelerzeugung nicht bedroht wird
sionen und eröffnet gleichzeitig den Entwicklungslän- und
dern den erforderlichen Spielraum für die Produk-
— die wirtschaftliche Entwicklung auf nachhaltige
tionssteigerung in ihrer Landwirtschaft. Ebenso wie in
Weise fortgeführt werden kann. "
allen anderen Wirtschaftsbereichen ist die notwen-
dige Entwicklung in den Entwicklungsländern nur Eine mittlere globale Erwärmung um etwa 0,1°C pro
dann global klimaverträglich möglich, wenn die Indu- Jahrzehnt wird unter diesen Umständen seitens der
strieländer ihre Emissionen deutlich absenken. Wissenschaft als noch verträglich angesehen. Progno-
stiziert wird derzeit jedoch eine Erwärmung um 0,3°C
Die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung in
pro Jahrzehnt.
den unterversorgten Regionen der Welt erfordert
zugleich eine standortgerechte und umweltverträgli- Die Konzentration der Spurengase in der Atmosphäre
che Produktionssteigerung in der dortigen Landwirt- hängt neben der Emissionsmenge und -art vor allem
schaft. Durch eine maßvolle und standortangepaßte von deren Verweilzeit in der Troposphäre (Lebens-
Erhöhung der Produktionsintensität könnten die dauer) ab. Aufgrund der langen Verweilzeit würde
Erträge erheblich gesteigert werden. Sofern gewähr daher selbst bei konstanter Emissionsrate die Konzen-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
tration in der Atmosphäre stetig weiter ansteigen. Das mit der nachhaltigen Pflanzenernährung zur Steige-
europäische Ziel, die CO 2 -Emissionen bis zum Jahr rung der Nahrungsmittelproduktion und mit der
2000 auf dem Stand von 1990 zu stabilisieren, führt Umstellung der ländlichen Energieversorgung zur
daher zu einer weiterhin deutlich steigenden CO 2 Steigerung der Produktivität.
-KonzetraidAmsphäe.urtikl2d
Die Notwendigkeit einer nachhaltigen und flächen-
Klimarahmenkonvention resultiert somit die Forde-
deckend umweltschonenden Landbewirtschaftung
rung, daß je nach atmosphärischer Verweilzeit der
findet auch zunehmend Eingang in die EU-Politik.
Spurengase die anthropogenen Spurengasemissio-
Hier sei auf das Landwirtschaftskapitel des 5. Umwelt-
nen bis zur Mitte des kommenden Jahrhunderts bei
aktionsprogramms der europäischen Gemeinschaften
CO2 um 60 bis 80 %, bei N 2 O um ca. 80 %, bei CH 4 um
1992 mit dem Titel: „Für eine dauerhafte und umwelt-
15 bis 20 % und bei FCKW um 60 bis 90 % reduziert
gerechte Entwicklung" verwiesen. Die Reform der
werden müssen. Die Landwirtschaft muß wie alle
gemeinsamen Agrarpolitik 1992 diente aber fast aus-
anderen Wirtschaftsbereiche ihren Beitrag zur Reduk-
schließlich der Marktentlastung des Agrarmarktes
tion der klimawirksamen Spurengase leisten — min-
und nicht der Neugestaltung einer umweltverträgli-
destens in dem Umfang, der ihrem Anteil an den
chen und nachhaltigen Landbewirtschaftung. Anfang
jeweiligen Emissionen entspricht.
Mai 1993 erklärte hierzu die 40. EU-Umweltminister-
Die Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt konferenz ausdrücklich, daß die nachteiligen Auswir-
verlangt, daß jede Nutzung biologischer Ressourcen kungen der Landwirtschaft auf die Umwelt durch die
nachhaltig zu erfolgen habe, und das Konzept der Reform der EG-Agrarpolitik nicht wesentlich vermin-
nachhaltigen Nutzung in die nationalen Entschei- dert werden. Die flankierenden Maßnahmen der EG-
dungsprozesse integriert werden muß. Die Rio-Dekla- Agrarreform unterstützen zwar umweltfreundliche
ration hebt hervor, daß die Zielsetzung einer nachhal- Produktionsverfahren in der Landwirtschaft, jedoch
tigen Entwicklung und höherer Lebensqualität für alle nicht in dem erforderlichen Ausmaß (Kap. 1.1.4)
Menschen es notwendig macht, nicht nachhaltige (BMU, 1993 b). Dies liegt vor allem an ihrer geringen
Konsum- und Produktionsweisen abzubauen (Grund- Gewichtung und einer demzufolge unbedeutenden
satz 5). In diesem Zusammenhang wird erstmals auf finanziellen Ausstattung. Insgesamt beinhalten die
globaler Ebene das Verursacherprinzip grundsätzlich aktuellen agrarpolitischen Beschlüsse keine klare und
anerkannt und zugleich gefordert, dieses mit Hilfe langfristige Perspektive für eine ökonomische und
eines verstärkten Einsatzes ökonomischer Instru- ökologische Konzeption zukünftiger Landbewirt-
mente sowie der Internalisierung externer Kosten schaftung. Die Maßnahmen zur Extensivierung wer-
durchzusetzen (Grundsatz 16). Die Walderklärung den weder ihrer marktentlastenden noch ihrer ökolo-
verlangt verbesserte gesellschaftliche Rahmenbedin- gischen Zielsetzung in einem Umfang gerecht, wie es
gungen, so u. a. nachhaltige Produktions- und Ver- der biotische und abiotische Ressourcenschutz erfor-
brauchsgewohnheiten, Armutsbekämpfung und Er- dert (SRU, 1994). Insgesamt ist eine grundsätzliche
nährungssicherung (BMU, 1992). Änderung der EU-Agrarpolitik aus betriebswirt-
schaftlicher, volkswirtschaftlicher und ökologischer
Besonders deutlich weist die Agenda 21 auf eine
Sicht weiterhin notwendig. So wie die Reform derzeit
nachhaltige Landbewirtschaftung hin. Die Umset-
umgesetzt wird, ist sie zu bürokratisch, in der Markt-
zung der Agenda 21 ist eine weltweite Aufgabe. Alle
entlastung wirkungslos, für die wettbewerbsfähigen
Regierungen sind angehalten, entsprechende natio-
Betriebsleiter und Hofnachfolger demotivierend und
nale Politiken, Strategien, Programme und Maßnah-
in den Verteilungswirkungen disparitätisch (Zeddies
men zu entwickeln und durchzuführen. Mehrere
u. a., 1994) (Kap. 1.1.4.2).
Kapitel der Agenda 21 befassen sich — mehr oder
weniger direkt — mit der Ausgestaltung einer nach-
haltigen Landbewirtschaftung und der nachhaltigen
4.1.8 Definition einer nachhaltigen
Nutzung von Landressourcen (Kap. 10 bis 16). Von
Landbewirtschaftung
entscheidender Bedeutung ist das Kapitel 14 mit dem
Titel: „Förderung der nachhaltigen Landwirtschaft
Die Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmo-
und der ländlichen Entwicklung" . Der erste Pro-
sphäre " empfiehlt daher als Leitbild für eine künftige,
grammbereich innerhalb dieses Kapitels lautet:
weltweit nachhaltige und damit auch gleichermaßen
„Überprüfung der Agrarpolitik, Planung und Ent-
klima- und umweltverträgliche Landbewirtschaftung
wicklung integrierter Programme unter Berücksichti-
die folgende Definition:
gung des multifunktionalen Aspekts der Landwirt-
schaft, insbesondere auf die Ernährungssicherheit Eine dauerhaft umweltverträgliche Landbewirt-
und eine nachhaltige Entwicklung". Begründet wird schaftung arbeitet weitgehend in Kreisläufen bei
die Notwendigkeit einer umweltverträglichen und Schonung und dauerhaftem Erhalt der natürlichen
nachhaltigen Entwicklung im ernährungs- und agrar- Lebensgrundlagen (Boden, Wasser, Luft, Arten-
politischen Bereich mit dem weitgehenden Fehlen vielfalt) und der knappen Ressourcen (fossile Ener-
einheitlicher nationaler Rahmenbedingungen für eine gieträger, mineralische Rohstoffe). Voraussetzung
nachhaltige Landwirtschaft und ländliche Entwick- hierfür ist die Wiederherstellung der natürlichen
lung. Dieser Mangel ist dabei keineswegs nur auf ökosystemaren Regelsysteme und Stoffkreisläufe
Entwicklungsländer beschränkt (BMU, 1992). Das und die Einbindung und Anpassung der Landbe-
Kapitel 14 enthält auch Programmpunkte mit direkter wirtschaftungsmethoden in den Naturhaushalt.
Bedeutung für eine klimaverträgliche Gestaltung der Der Energiebedarf in der Landwirtschaft und im
Landbewirtschaftung. So befassen sich Programm- ländlichen Raum ist weitgehend mit Hilfe regene-
punkte mit der Bodenerhaltung und -verbesserung, rativer Energiequellen zu decken. Ziele der Land-
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

bewirtschaftung sind sowohl eine auf die Region In den folgenden Kapiteln werden sowohl konkrete
ausgerichtete Versorgung der Bevölkerung mit technische und/oder politische Maßnahmen zur
gesunden Nahrungsmitteln und Rohstoffen als Reduzierung der Emission klimawirksamer Spuren-
auch gleichermaßen die Schaffung bzw. Wieder- gase aus der Landwirtschaft als auch politische Hand-
herstellung und der Erhalt einer abwechslungsrei- lungsempfehlungen zur Gestaltung einer künftigen
chen, vielfältig strukturierten, arten- und biotop- nachhaltigen und zugleich umwelt- und klimaver-
reichen Kulturlandschaft 1 ) und die Sicherung und träglichen Landbewirtschaftung diskutiert. Abschlie-
Entwicklung des ländlichen Raumes. Im Sinne ßend wird die Anpassungsfähigkeit der Landwirt-
einer Kreislaufwirtschaft ist außerdem die mög- schaft an die künftige Klimaänderung sowie weiterer
lichst vollständige Rückführung unbedenklicher Forschungsbedarf im Bereich Klimaänderung und
biogener Abfälle und Reststoffe und deren Verwer- Landwirtschaft dargestellt.
tung innerhalb der Landwirtschaft anzustreben.
Die Beeinträchtigung des globalen Klimas ist eine
wesentliche, aber dennoch nur eine weitere Facette 4.2 Handlungsoptionen auf nationaler
der ökonomischen und ökologischen Krise der Land- und europäischer Ebene
wirtschaft, vor allem in den Industrieländern. Mit
einer nachhaltigen und umweltverträglichen Landbe- Die in Kapitel 4.2 und 4.3 aufgeführten Maßnahmen
wirtschaftung könnten auf längere Sicht mehrere stellen Optionen zur Verringerung der Spurengas-
drängende Probleme gleichzeitig gelöst werden: emissionen aus der Landwirtschaft und zur Ausgestal-
tung der Rahmenbedingungen für eine nachhaltige
— Die unter ökonomischen und ökologischen Ge-
Landbewirtschaftung dar. Die aus diesen Optionen
sichtspunkten unerwünschten Agrarüberschüsse
resultierenden Handlungsempfehlungen der En-
werden abgebaut,
quete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre" sind
— die Überschußexporte und damit der Preisdruck Inhalt des Kapitels 4.4.
auf dem Weltmarkt wird verringert, woraus sich
Oberstes Ziel aller Maßnahmen sollte der dauerhafte
neuer Handlungsspielraum für künftige GATT-/
Erhalt einer weitgehend flächendeckenden Landbe-
WTO-Verhandlungen ergäbe,
wirtschaftung sein. Keinesfalls dürfte die Umsetzung
— landwirtschaftliche Arbeitsplätze und eine ländli- der Maßnahmen zu Lasten der Landwirtschaft erfol-
che Sozialstruktur bleiben erhalten oder werden gen. Die Umsetzung aller Maßnahmen sollte gleicher-
neu belebt, maßen auf nationaler Ebene wie auch auf europäi-
scher und globaler Ebene angestrebt werden. Gerade
— die Verschwendung knapper Ressourcen wird
im Bereich der europäischen Landwirtschaft liegt die
durch weitgehend geschlossene Kreisläufe verrin-
Rechtgebungskompetenz ohnehin häufig auf euro-
gert,
päischer Ebene. Liegen bereits EU-Richtlinien oder
— weniger belastete Nahrungsmittel werden um- Verordnungen vor, bedarf es der entsprechend kon-
weltverträglich und nachhaltig produziert, sequenten Umsetzung durch Bund und Länder (z. B.
Nitratrichtlinie, flankierende Maßnahmen). Teilweise
— regionale Umweltbelastungen aus dem Landwirt- ist jedoch unter dem Aspekt des Klimaschutzes eine
schaftssektor werden deutlich reduziert, Nachbesserung bestehender Richtlinien und Verord-
— die Kosten für die Umweltschäden 2 ) werden ent- nungen und deren stärkere Ausrichtung auf ökologi-
sprechend gesenkt, sche Ziele erforderlich. Soweit auf der Ebene der EU
rechtliche Grundlagen fehlen, sollte sich die Bundes-
— die klimawirksamen Spurengas-Emissionen wer- regierung für deren EU-weite Formulierung einset-
den vermindert. zen. In diesen Fällen könnte zunächst — soweit
möglich — ein beispielsetzender nationaler Allein-
gang erfolgen, in der Erwartung und mit dem Ziel, daß
1) Der Erhalt der Kulturlandschaft ist in aller Regel an die EU diesem folgen wird. Aus Gründen der Wettbe-
bestimmte Formen der Landnutzung gebunden. Daher sollte werbsfähigkeit erfordert dies meist eine zusätzliche
auf der gesamten Agrarfläche eine, den jeweiligen Standort-
staatliche Unterstützung der Landwirtschaft, um
gegebenheiten, den Belangen von Naturschutz und Land-
schaftspflege sowie dem ggf. kulturhistorisch geprägten höhere Produktionskosten oder geringere Einnahmen
Landschaftsbild entsprechende Bewirtschaftung aufrechter- der Landwirte auszugleichen, was aber durch die
halten oder wieder ermöglicht werden. Hierunter fallen sinkenden Agrarmarktausgaben und externe Um-
häufig auch sehr extensive, aber gleichwohl zum Erhalt der weltkosten gerechtfertigt wäre. Der Mechanismus der
Kulturlandschaft unabdingbar notwendige Formen der Finanzierung des EU-Agrarmarktes erschwert derzeit
Bewirtschaftung (Streuobstwiesen, Wanderschäferei etc.). einen nationalen Alleingang, da sich ein einseitiger
Pflegemaßnahmen zum Erhalt einer Kulturlandschaft sollten
Abbau der Überschußproduktion nicht bzw. kaum
daher die Ausnahme (z. B. bei Biotopen mit gefährdeten
Arten) sein bzw. nur eine Übergangslösung bis zur Wieder- mindernd auf die deutschen Zahlungspflichten in die
herstellung einer Kulturlandschaft und ihrer typischen EU-Kasse auswirken würde, die deutsche Landwirt-
Bewirtschaftung darstellen. schaft aber gleichzeitig wesentlich geringere Aus-
2) Die Kosten der Trink- und Brauchwasserversorgung wurden gleichszahlungen aus der EU-Kasse erhalten würde.
allein für das jahr 1983 auf etwa 810 Mio. DM geschätzt. Die Bundesregierung sollte sich daher auf EU-Ebene
Davon entfielen etwa zwei Drittel auf die Einhaltung des
dafür einsetzen, den Finanzierungsmechanismus da-
Nitratgrenzwertes (50 mg NO 3 -/l) und ein Drittel auf die
Entfernung von Pflanzenschutzmitteln (Becker u. Guyomard,
hin gehend zu ändern, daß ein nationaler Überschuß-
1992). Die Entfernung von einem kg Stickstoff aus Trinkwas- abbau — der auch im Interesse der Gemeinschaft liegt
ser kostet etwa 60,— DM. — belohnt und nicht benachteiligt würde.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Bei der Ausgestaltung von Maßnahmen ist generell Wirtschaftsweise (Kap. 4.1.6). Die Entscheidung zwi-
zwischen räumlich differenzierten und flächendek- schen regional differenzierter und flächendeckender
kenden Strategien zu unterscheiden. Beispiele für Vorgehensweise spielt eine gewisse Rolle bei der
räumlich differenzierte Instrumente — beispielsweise Diskussion und Bewertung der einzelnen, im folgen-
zum Schutz des Trinkwassers vor Nitrat- und Pestizid- den dargestellten Handlungsoptionen.
einträgen — sind die Ausweisung von Wasserschutz-
Ansatzpunkte für flächendeckende Strategien liegen
gebieten mit bestimmten Bewirtschaftungsauflagen
allgemein im Bereich der
oder regionale Kooperationen und Ausgleichszahlun-
gen zwischen Wasserwirtschaft und Landwirten. Je — Modifizierung ökonomischer Rahmenbedingun-
differenzierter ein Instrument gestaltet wird, um so gen durch
gezielter kann man sich der Ursache bestimmter
— Verteuerung umweltgefährdender Betriebs-
Umweltprobleme — hier v.a. des Nitrataustrags in das
mittel bzw. Produktionsverfahren durch Abga-
Grundwasser — annähern. Hiermit wäre das Verursa-
ben und/oder Steuern;
cherprinzip sehr gezielt umzusetzen, wobei zugleich
Anpassungsprobleme und Ungerechtigkeiten auf sei- — Förderung umweltgerechter Produktionsver-
ten der Adressaten vermieden würden. Andererseits fahren durch Ausgleichszahlungen, Steuerver-
führen Maßnahmen mit zunehmender Differenzie- günstigungen und Subventionen;
rung zu einem exponentiell ansteigenden Verwal-
— Inverkehrbringungsregelungen (derzeit erhebli-
tungs- und Kontrollaufwand mit entsprechend hohen
che Vollzugsdefizite)
Kosten bei dennoch erheblichen Kontrolldefiziten.
Gerade diese Kontrolldefizite waren und sind neben — Anwendungsverbot;
einer mangelnden Ausrichtung an Umweltzielen
— Zulassungs- oder Anmeldeverfahren;
einer der wesentlichen Kritikpunkte an der bisherigen
nationalen und EG-Agrarpolitik, sind einer der — Mitteilungs- und Kennzeichnungspflicht;
wesentlichen Schwachpunkte der EG-Agrarreform
und sollten daher künftig vermieden werden. Eine — Regelungen zur Verwendung von Stoffen und
weitere prinzipielle Beschränkung der regional diffe- Produkten durch
renzierten Vorgehensweise liegt darin begründet, daß — Produktbezogene Regelungen (z. B. Pflanzen-
großflächige und diffuse Schadstoffquellen — also die schutzmittel-Anwendungsverordnung) ;
Mehrzahl der in der Landwirtschaft freigesetzten
Emissionen — nur unzureichend erfaßt werden. Eben- — Verhaltensbezogene Regelungen (z. B. Dünge-
sowenig ist der großflächig wirkende Eintrag von verordnung, Gülleverordnung);
Luftschadstoffen aus Verkehr, Industrie etc. oder — Information, Aufklärung, Bildung etc. (TAB,
sogenannte Summations- und Distanzschäden, die die 1993 b).
Landwirtschaft beeinträchtigen, durch regional be-
Ein wesentliches und zugleich sehr effektives Instru-
grenzte Maßnahmen zu unterbinden. Die Grenzen
ment ist die Verteuerung von Produktionsmitteln
räumlich differenzierter und begrenzter Maßnahmen
(Mineraldünger, Importfuttermittel, Pflanzenschutz-
können nur durch einen flächendeckenden Ansatz
mittel, Treibstoffe etc.). Eine wirksame nationale Ver-
behoben werden. Zugleich wären übergeordnete
teuerung landwirtschaftlicher Betriebsmittel würde
Schutzziele und -güter festzulegen und mit Hilfe
die Einkommens- und Wettbewerbsverhältnisse mas-
integrierter Strategien umzusetzen. Bezogen auf das
siv beeinflussen. Deshalb wäre es agrarökonomisch
konkrete Beispiel des Trinkwasserschutzes (s.o.), folgt
günstiger, ein solches System auf EU-Ebene einzufüh-
daraus, daß es nicht ausreicht, einzelne Wasserschutz-
ren, wobei gleichzeitig ein Außenschutz denkbar und
gebiete auszuweisen und auf den nicht zu Wasser-
gerechtfertigt wäre, da die Konkurrenten auf dem
schutzgebieten erklärten Flächen weiterhin Schad-
Weltmarkt im Allgemeinen nicht unter vergleichbar
stoffeinträge zu dulden und damit eine generelle
umweltgerechten Rahmenbedingungen produzieren.
Verschlechterung des Grundwasserzustandes bewußt
Zudem ergäbe sich im Rahmen künftiger GATT-/
in Kauf zu nehmen. Die Ausweisung von wesentlich
WTO-Verhandlungen ein Verhandlungsspielraum
weiter gefaßten Wassereinzugsgebieten könnte ein
aufgrund des Abbau der subventionierten Überschuß-
erster Schritt in diese Richtung sein. Statt dessen sollte
exporte der EU.
das Grundwasser in seiner Gesamtheit als weitgehend
ungestörtes Ökosystem erhalten und unter Vorsorge- Solange eine EU-weite Durchsetzung einer Betriebs-
aspekten in allen Wirtschaftsbereichen vor Verminde- mittelverteuerung nicht durchsetzbar ist, wäre auch
rung und jeglicher Verunreinigung geschützt werden eine nationale Vorreiterrolle denkbar. Die Landwirte
(TAB, 1993 b). Diese Zielsetzung sollte auf den Schutz sollten dabei durch vorübergehende direkte Einkom-
der Erdatmosphäre und des globalen Klimasystems menstransfers unterstützt werden. Sobald der EU-
entsprechend angewandt werden. Finanzierungsmechanismus entsprechend geändert
würde (s.o.), stünden aufgrund sinkender Marktord-
Leitbild eines flächendeckenden, umfassenden Um- nungskosten und Exportsubventionen ausreichend
weltschutzes sollte daher nicht die oftmals anthropo- Finanzmittel zur Verfügung.
zentrische Ausrichtung auf den Erhalt bestimmter
ausgewählter Funktionen einzelner Ökosysteme sein, 4.2.1 Maßnahmen zur Reduzierung von
sondern eine Ausrichtung auf den Schutz und Erhalt Methanemissionen (CH 4)
des ganzen Naturhaushaltes. Dies ist insbesondere
von zentraler Bedeutung bei der Gestaltung und Die Tierhaltung ist für den größten Teil der Methan-
Umsetzung einer nachhaltigen Landwirtschaft bzw. emissionen aus der Landwirtschaft Mitteleuropas ver-
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

antwortlich. Methan wird in der Landwirtschaft vor führt. Die Ausgestaltung der Instrumente sollte so
allem bei der Verdauung durch die Wiederkäuer gewählt werden, daß die Zielerreichung gewährlei-
(Rinderhaltung) und bei der anaeroben Lagerung der stet ist. Erfahrungen in der Vergangenheit zeigten,
Wirtschaftdünger freigesetzt. Etwa drei Viertel der daß dies bisher nicht der Fall war.
Methanemissionen stammen allein aus der tierischen
Allgemein gültige Produktionsauflagen für eine
Verdauung. Die deutliche Zunahme der Methanemis-
umwelt- und klimaverträgliche sowie tiergerechtere
sionen und weiterer Umweltbelastungen ist daher vor
Produktionsweise, wie z. B. die Umstellung der Flüs-
allem auf den starken Anstieg der Tierzahlen und im
sigmist- auf die Festmistwirtschaft, böten einen ande-
weiteren auf die wachsende räumliche Konzentration
ren Ansatz, der auch zur Reduzierung der Tierbestän-
in der Tierhaltung und insbesondere die flächenunge-
den beitrüge. Sie steigern in der Tendenz die Ver-
bundene Massentierhaltung zurückzuführen. Mit
braucherpreise und senken die Nachfrage, was auf
hohem Energieaufwand werden zudem erhebliche
die Produktionsmenge und damit auf die Tierbe-
Mengen an Futtermitteln, zum Teil über große Entfer-
stände zurückwirkt.
nungen — auch aus Entwicklungsländern — zu den
Tieren transportiert. Gleichzeitig müssen die regional Durch die Einführung von Abgaben und Rückerstat-
im Übermaß anfallenden Exkremente mit hohem tungen, die nach dem Grad der Umweltbelastung des
Energieaufwand verteilt, anderweitig verwertet oder Produktionssystems zu differenzieren sind, wäre ein
entsprechend umweltbelastend auf den Flächen aus- für den Bereich Tierhaltung insgesamt relativ aufkom-
gebracht werden. mensneutrales Lenkungsinstrument verfügbar. Mög-
lich wäre auch innerhalb der vorhandenen Marktord-
Um eine wesentliche Reduzierung der Methanemis-
nung eine differenzierte Gestaltung des Einkommens-
sionen zu erreichen, sollten daher gleichermaßen die
ausgleichs. Erhielten beispielsweise Betriebe mit
absoluten Tierzahlen verringert und die Konzentra-
einer tiergerechten und umweltverträglichen Tierhal-
tion in der Tierhaltung beseitigt werden. Beides wäre
tung einen höheren bzw. einen alleinigen Einkom-
auch im Hinblick auf die derzeitigen Überschüsse auf
mensausgleich, würde hiermit eine Lenkungswir-
dem Milch- und Rindfleischmarkt der EG sinnvoll. Ein
kung ausgeübt (Burdick, 1994). Eine vergleichbare
höherer Anteil pflanzlicher Nahrungsmittel hätte
Differenzierung wäre auch denkbar, um extensive
zudem die positiven Nebeneffekte, daß die Energie-
Formen der Tierhaltung in Mittelgebirgsregionen und
bilanz der Ernährung 3 ) wesentlich verbessert würde
anderen benachteiligten Gebieten zu erhalten bzw.
und zugleich eine ausgewogenere und gesündere
verstärkt zu fördern. Erste Ansätze für solche Maßnah-
Ernährung der Bevölkerung möglich wäre (Kap.
men gibt es bereits auf nationaler und EU-Ebene (z. B.
4.2.3.1).
EG-Bergbauernprogramm). Sie müßten jedoch erheb-
lich ausgeweitet werden und konsequenter auf ökolo-
gische Belange ausgerichtet sein.
4.2.1.1 Reduzierung der Tierbestände

Ein Abbau der Überschüsse, vor allem auf dem Milch- 4.2.1.2 Bindung der Tierhaltung an die Fläche
und Rindfleischmarkt wäre am ehesten durch eine
deutliche Senkung der Tierzahlen erreichen. Die Bei einer Bestandsdichte von 1,5 GVE 4 )/ha ist die
zur Reduzierung der Tierbestände bisher ergriffenen Tierernährung auf betriebseigener Futtergrundlage
Maßnahmen, die Milchkontingentierung und die ohne zusätzlichen Zukauf/Import von Futtermitteln
Rindfleischpreissenkung, haben in der Vergangen- möglich. Gleichzeitig ist sichergestellt, daß die Wirt-
heit jedoch nur teilweise zur notwendigen Marktent- schaftsdünger sinnvoll verwertet werden können,
lastung geführt. Die Zahl der Milchkühe ist zwar ohne die Umwelt durch eine Gülleausbringung im
gesunken, dennoch gibt es — durch die Erhöhung der Stile einer „Abfallbeseitigung" zu belasten. Die
Produktionsintensität — nach wie vor deutliche Über- Umweltschäden würden bereits wesentlich verrin-
schüsse. Die im Rahmen der EG-Agrarreform gert, wenn die Konzentration aufgelöst, die Massen-
beschlossene Senkung der Rindfleischpreise wird tierhaltung abgebaut, die Güllewirtschaft zurückge-
wenig an der Überproduktion ändern können, da drängt und die Tierhaltung gleichmäßig auf die Flä-
diese durch Ausgleichszahlungen betriebswirtschaft- che verteilt würde, ohne daß die Tierzahlen absolut
lich kompensiert werden (BML u. BMU, 1993). sinken.

Eine Option wäre die striktere Anwendung der bishe- Es gibt bisher keine betrieblichen Obergrenzen für die
rigen Instrumente, also eine deutlichere Senkung der Gesamttierzahl oder die Tierbesatzdichte. Die vor-
Produktpreise und der Ausgleichszahlungen bzw. der handenen gesetzlichen Regelungen sehen ab be-
Produktkontingente. Die Instrumente weisen aber die stimmten Tierzahlen lediglich bestimmte Auflagen
Nachteile auf, daß sie zu Einkommenseinbußen bei oder Genehmigungspflichten vor. Seit der Novelle des
den Landwirten führen bzw. entsprechende Aus- Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) vom
gleichszahlungen notwendig machen. Zudem werden 23. März 1993 sind selbst Rinderstallungen mit mehr
freiwerdende Produktionskapazitäten möglicher- als 350 Rindern keine genehmigungsbedürftigen
weise zur Steigerung der Produktion in anderen Anlagen mehr. Aus Klimaschutzgründen sollte daher
Bereichen genutzt, was dort zu neuen Überschüssen die Wiedereinführung oder ggf. Verschärfung von
Genehmigungspflichten und Auflagen im Rahmen
3) In der Massentierhaltung müssen bis zu 35 Einheiten pflanz- einer erneuten Novelle des BImSchG erwogen wer-
licher Energie als Futter eingesetzt werden, um eine Einheit
tierischer Energie im Endprodukt zu erzeugen (Lünzer, 1992 4) Eine Großvieheinheit je Hektar (1 GVE/ha) entspricht einem
b). Tierbesatz von 500 kg Lebendgewicht.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
den. Innerhalb der Agrarreform sind die Tierbesatz 4. Leistungssteigerung durch Hormonzugabe (v.a.
dichten oder Bestandsobergrenzen keine Ausschluß Wachstumshormone);
grenzen, sondern lediglich Fördergrenzen.
— Rinder-Somatotropin (BST);
Die momentan diskutierte Aufhebung der Flächen- — Anabole Steroide;
bindung der Milchquoten und die Einführung der —
zumindest regional — freien Handelbarkeit der Quo- 5. Verbesserung der Reproduktionsleistung (Beein-
ten wirken hier kontraproduktiv. Die freie Handelbar- flussung der Fortpflanzung);
keit innerhalb von Regionen fördert die flächenunab- — Erzeugung von Zwillingsgeburten;
hängige Tierproduktion und die Konzentrationsten-
denzen in der Tierhaltung. Weiter ist mit einem — Embryo-Transplantation;
Abwandern der Quoten aus marginalen Grünlandge-
— Künstliche Besamung und Brunftsynchronisa-
bieten zu rechnen, die einzig sinnvoll durch eine
tion.
extensive Milchviehhaltung genutzt werden können
(Priebe, 1994; Burdick, 1994). Daher wäre auch die Die drei letztgenannten Maßnahmen sind wegen
Rückführung freiwerdender Quoten in Grönlandge- Gefahren für die menschliche Gesundheit verboten
biete zu fördern. bzw. nur in einigen Ländern zulässig (BST-Einsatz
derzeit in USA, Brasilien, Mexiko, Namibia, Zim-
babwe, Südafrika, Bulgarien, Tchechische Republik,
Slowakien und GUS erlaubt), andere haben techni-
4.2.1.3 Reduzierung der Methanemission sche Grenzen (Veränderung der Pansenmikroflora)
je Produkteinheit
oder sind relativ teuer. Von wenigen Ausnahmen
abgesehen sind die Reduktionspotentiale dieser Maß-
Ein Teil der aufgenommenen Futterenergie dient den nahmen zudem gering. Der entscheidende Fehler ist
Tieren zur Erhaltung ihrer Lebensfunktionen (Erhal aber, daß sie zwar allesamt geeignet sind, die Produk-
tungsbedarf), der Rest wird entweder in Gewichtszu- tivität und Leistung einzelner Tiere in der Tierhaltung
nahme (Fleischzunahme) oder direkt in Verkaufspro- zu erhöhen. Eine höhere Einzeltierleistung führt aber
dukte (Milch, Eier etc.) umgewandelt. In Abhängig- insgesamt nur zur Reduzierung der Methanemissio-
keit von der Verwertbarkeit des Futters geht ein nicht nen aus der Tierhaltung, wenn gleichzeitig die Anzahl
unerheblicher Teil der Energie ungenutzt verloren der Tiere entsprechend reduziert wird. Ohne eine
und wird überwiegend in Form von Methan abgege- deutliche Änderung der Rahmenbedingungen wer-
ben — bei Wiederkäuern bis zu zwölf Prozent der im den jedoch Produktivitätssteigerungen — wie bisher
Futter enthaltenen Energie. Eine höhere Futterver- auch — vor allem zur Steigerung der Produktion
wertung, v.a. durch eine verbesserte Futterqualität genutzt, aber weniger zur Abstockung (Verkleine-
und optimierte Zusammensetzung des Futters führt rung) der Tierbestände oder Extensivierung der Pro-
zwar bei höherer Futtermenge zu einer höheren duktion. Statt dessen ist zu befürchten, daß die Über-
Methanemission pro Tier, unter Umständen aber zu schüsse weiter anwachsen.
einer geringeren Methanproduktion je Produktein-
heit.
-
4.2.1.4 Verringerung der Methanemissionen
Neben in der Praxis leicht umsetzbaren Möglichkei-
aus den Exkrementen
ten zur Methanreduktion bieten sich verschiedene, im
Einzelfall sehr kritisch zu betrachtende Möglichkeiten Die Methanemissionen aus tierischen Exkrementen
an (EPA, 1992; In: Heyer, 1994): haben vor allem durch die Flüssigmistsysteme, infolge
anaerober Lagerungsbedingungen der Gülle (und
1. Verbesserung der Futterzusammensetzung und Jauche) zugenommen. Die Flüssigmistsysteme in
-verwertung Deutschland verursachen etwa 90 % der Methanemis-
— Erhöhung der Verdaulichkeit durch mechani- sionen aus Tierexkrementen (Heyer, 1994). Hier soll-
sche oder chemische Behandlung des Futters; ten daher die Maßnahmen zur Reduktion der Metha-
nemissionen ansetzen, insbesondere dort, wo durch
— Optimale Ausgewogenheit der Futterzusam- eine Konzentration der Tierbestände kontinuierlich
mensetzung durch Zugabe von limitierenden hohe Güllemengen anfallen. Neben der Reduktion
Nähr- und Wirkstoffen; der Tierbestände sind mögliche Handlungsoptionen
beispielsweise die Verkürzung der Lagerzeiten von
2. Leistungssteigerung durch Tierzüchtung;
Gülle. Durch entsprechende Technik und Fruchtfol-
— Steigerung der Produktionsleistung und gegestaltung (z. B. Ausbringung mit Schleppschläu-
Wachstumsrate; chen in den Bestand) könnten Ausbringungsintervalle
verkürzt werden. Die Belüftung der Gülle (z. B. durch
— Steigerung der Reproduktion;
ein Rührwerk) — wie sie auch der ökologische Land-
— Verbesserung der Krankheitsresistenz; bau befürwortet — verringert die Bildung von Me-
than. Gleichzeitig wird jedoch durch die Belüftung
3. Veränderung der Pansenmikroflora;
dieAmmoniakbildung angeregt, was zur verstärkten
— Gentechnologische Veränderung der Pansen- Ammoniakemission und damit auch zu Stickstoffver-
mikroorganismen; lusten (Düngerwert) in der Gülle führt (Kap. 4.2.3).
— Biotechnologische Beeinflussung durch Zugabe Nicht belüftete Güllelager und -behälter sollten unbe-
spezifischer Hemmstoffe oder Antibiotika; dingt abgedeckt werden. Das sich bildende Methan
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

sollte als Biogas aufgefangen und energetisch verwer- solchen Anlagen zur industriemäßigen Tierproduk-
tet werden. Mit relativ geringen Kosten und einer tion ist die anfallende Güllemenge so groß, daß eine
einfachen Technologie könnte die Methanemission umweltverträgliche Ausbringung auf die Felder nicht
aus den Lagunen und Güllelagern um bis zu 80 % mehr möglich ist. Die Probleme bei der Beseitigung
reduziert werden und dabei gleichzeitig Energie der Überschußgülle können mit einer Biogasanlage
gewonnen werden (Heyer, 1994; Döhler, 1992). Bei besser gelöst werden als mit Anlagen zur aeroben
der Verbrennung wird Methan zu Kohlendioxid oxi- „Entsorgung" . Es gibt heute eine Vielzahl von Biogas
diert, das jedoch ein erheblich geringeres Treibhaus- anlagen, die sich in Technologie und Kapazität
potential hat. Fallen kontinuierlich größere Gülle wesentlich voneinander unterscheiden. Welche An-
mengen an, kann die Güllevergasung in speziellen lage für einen bestimmten Ort geeignet ist, hängt von
Biogasanlagen (Biogasreaktoren) und die anschlie- den lokalen Bedingungen ab. Über die Größe der
ßende Energiegewinnung in dezentralen Anlagen mit Anlage entscheidet die Menge der täglich anfallen-
Kraft-Wärme-Kopplung sinnvoll sein. Hiermit könn- den Gülle.
ten einzelne Bauernhöfe oder sogar ländliche Streu-
Weniger als 1 % der Gülle wird derzeit in Deutschland
siedlungen — unabhängig von der öffentlichen Strom-
in Biogasanlagen behandelt. Durch eine weitere Ver-
versorgung ihren Strom- und Wärmebedarf mit Hilfe
breitung von Biogasanlagen könnte die Methanemis-
regenerativer Energiequellen decken.
sion aus den Tierexkrementen um 70 % vermindert
Der Nutzen der Biogastechnologie bei einer Behand- werden (Heyer, 1994). Zu bedenken ist jedoch, daß
lung der tierischen Exkremente besteht nicht nur in mit einem deutlichen Ausbau der Biogasanlagen
einer Reduktion der Methanemission und in der möglicherweise eine zukünftige Abhängigkeit von
Gewinnung von Biogas als Energieträger, sondern den, auch aus anderen Gründen problematischen,
auch in einer Reihe von weiteren Vorteilen (Heyer, Flüssigmistsystemen festgeschrieben wird. Es ist
1994): jedoch möglich, in Biogasanlagen auch andere Bio-
— Gewinnung eines organischen Düngers gene (Siedlungs-)Abfälle und Reststoffe zu verwerten.
Die Methanbildung entzieht den Wirtschaftsdüngern
Der nach Ablauf der anaeroben Fermentation (bzw. der organischen Substanz) den größten Teil des
verbleibende Rest enthält schwer abbaubare orga- organisch gebundenen Kohlenstoffs. Hierdurch ver-
nische Verbindungen mit Lignozellulose als ringert sich der Eintrag von Kohlenstoff bzw. organi-
Hauptbestandteil sowie Ammonium, Phosphat scher Substanz in die Böden, was langfristig negative
und anderen Mineralstoffe und kann damit ein Auswirkungen auf die Bodenfruchtbarkeit haben
we rt voller Dünger sein. könnte, da weniger Humus gebildet wird.
— Geruchsbeseitigung Auch wenn die Optimierungsmöglichkeiten bei
Die Ausbringung von unbehandelter Gülle führt zu Anfall, Lagerung und Ausbringung der Gülle ausge-
einer erheblichen Geruchsbelästigung der Um- schöpft würden, wäre es sinnvoll, die Güllewirtschaft
welt. Nach der Passage der Biogasanlage entste- generell einzuschränken, um eine Minderung der
hen fast geruchlose Produkte. Emissionen zu erreichen. Flüssigmistsysteme führen
bereits im Stallbereich zu höheren Methan- und
— Teilhygienisierung Ammoniakemissionen als Festmistsysteme. Festmist-
hat eine deutlich bessere Wirkung auf die Boden-
Während der Fermentation findet eine Abtötung
fruchtbarkeit als Gülle, die Nährstofffreisetzung
von pathogenen Bakterien, Viren und Wurmeiern
erfolgt langsamer und anhaltender und die Verluste
sowie die Verminderung der Keimfähigkeit von
sind daher geringer. Da Festmistsysteme mit Einstreu
Unkrautsamen in der Gülle statt.
zudem tiergerechter sind als Flüssigmist-Tierhal-
— Trennung von flüssiger und fester Phase tungssysteme mit Spaltenböden, sollte die techni-
schen Weiterentwicklung und Wiedereinführung
Zur Verregnung der flüssigen Phase ist eine
bzw. Beibehaltung der Festmistwirtschaft gefördert
Abtrennung der Festbestandteile notwendig. Bei
werden (Kap. 4.2.3).
Rindergülle macht dies den Einsatz von Separato-
ren notwendig. Nach Durchlaufen der Biogasan-
lage erfolgt die Trennung bereits durch Sedimen-
4.2.2 Maßnahmen zur Reduzierung von
tation.
Distickstoffoxidemissionen (N 20)
— Vermeidung von Umweltbelastungen
Distickstoffoxid-Moleküle haben eine lange Verweil-
Durch eine Behandlung der Gülle in abgeschlosse-
zeit in der Troposphäre und sind daher nicht nur über
nen Reaktoren können Umweltrisiken, die bei
lange Zeiträume treibhauswirksam, sondern gelan-
einer unkontrollierten Ausbringung und Lagerung
gen bis in die Stratosphäre, wo sie — bislang zu
von Überschußgülle auftreten, wie Ammoniakfrei-
wenigen Prozenten — am Abbau der Ozonschicht
setzung in die Atmosphäre, Trinkwasserverunrei-
beteiligt sind. Der Einsatz von mineralischem und —
nigung, Kontamination von Grund- und Oberflä-
zumindest regional — auch von organischem Stick-
chenwasser, Eutrophierung von aquatischen und
stoffdünger ist in den Industrieländern sehr stark
terrestrischen Ökosystemen, vermieden werden.
angestiegen. Dies führte zur Überdüngung der Öko-
Vor allem bei hoher Konzentration der Tierbestände, systeme, der Nitratbelastung der Nahrung und der
wo aus Rationalisierungsgründen die Flüssigmistsy- Grund- und Oberflächengewässer sowie zu steigen-
steme vorherrschen, wäre der Bau von Biogasanlagen den Distickstoffoxidemissionen. Aufgrund der be-
zumindest kurzfristig die zweckmäßigste Lösung. In kannten ökologischen Probleme, die eine Stickstoff-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
überversorgung mit sich bringt, dürfte Düngung nicht dungsverordnung), durch die die Nitratrichtlinie in
ausschließlich der vollständigen Ausschöpfung des nationales Recht umgesetzt werden soll. Hiernach
Ertragspotentiales dienen, sondern müßte verstärkt sollen alle in den Bet ri eb importierten und aus dem
Aspekte des Umwelt- und Klimaschutzes berücksich- Betrieb exportierten stickstoffhaltigen Güter (Mine-
tigen. Der Umwelt- und Klimaschutz sollte daher ral- und Wirtschaftsdüngung, Futtermittel, Verkaufs-
unbedingt in die allgemeinen Zielvorstellungen des produkte etc.) erfaßt werden. Mit Hilfe von Normwer-
Düngemitteleinsatzes, wie sie in § 1 a des Düngemit- ten für den Stickstoffgehalt dieser Güter soll eine
telgesetzes formuliert sind, integriert werden. Daher Stickstoffbilanz erstellt werden. Der so geschätzte
wäre nachdrücklich eine deutlich reduzierte und am einzelbetriebliche Stickstoffüberschuß wird auf die
zeitlichen Bedarf der Pflanzen orientierte Zufuhr bewirtschaftete Fläche umgerechnet. Die Stickstoff-
mineralischer und organischer Stickstoffdünger bei emissionen steigen mit der Höhe dieses Stickstoff-
weitgehend geschlossenen Nährstoffkreisläufen in bilanzüberschusses überproportional an. Die Bilan-
einer extensiven Landwirtschaft zu fordern. Notwen- zierung wäre daher ein sehr effektives Instrument, das
dige Voraussetzungen hierfür wären beispielsweise dem Verursacherprinzip gerecht würde und für das
die Verknappung und/oder Verteuerung minerali- darüber hinaus eine relativ hohe politische Akzeptanz
scher Stickstoffdünger, die gesetzlich verbindliche zu erwarten ist. Ein weiterer Vorteil wäre die Flexibi-
Regelung und Begrenzung des Düngemitteleinsatzes, lität dieses Instrumentes, da sich die Begrenzung je
aber auch die Flächenbindung der Tierhaltung (Kap. nach umweltpolitischen Erfordernissen für einzelne
4.2.1.2). Betriebe oder Regionen differenzieren ließe. Der ent-
scheidende Nachteil dieses Instrumentes ist aber der
Daneben gibt es zahlreiche Faktoren, die die N 20-
enorme nationale bzw. EU-weite Verwaltungs- und
Freisetzung (gemeinsam mit der NO X -Freisetzung)
Kontrollaufwand, der entsprechende Probleme und
aus Böden steuern (Kap. 2.2). Viele davon können
Kontrolldefizite nach sich zieht. Es sei hier erwähnt,
durch Bearbeitungsmaßnahmen beeinflußt werden.
daß die Mehrzahl der landwirtschaftlichen Betriebe in
Alle Maßnahmen, die den Nährstoff-, Luft-, Wasser-
Deutschland nach wie vor noch nicht buchführungs-
und Temperaturhaushalt der Böden verändern,
pflichtig ist. Daher empfiehlt auch der Wissenschaftli-
beeinflussen damit die Art und Intensität der bioti-
che Beirat des Bundeslandwirtschaftsministeriums
schen Zersetzungsprozesse, bei denen N 2 0 und NO X
dieses Konzept nicht weiter zu verfolgen (BML,
entshka.
1993 d).

4.2.2.1 Flächenbezogene Stickstoffbilanzierung


4.2.2.2 Verteuerung und Begrenzung des mineralischen
Die wichtigste Maßnahme zur Verringerung der dün- Stickstoffdüngers
gungsinduzierten N 2 O-Emission ist die Vermeidung
von Stickstoffüberschüssen, da hierdurch sowohl die Umweltverträgliche Landbewirtschaftung erfordert
Emissionen als auch die Stickstoffbelastung angren- eine wirksame Herabsetzung der Bewirtschaftungsin-
zender Systeme wesentlich verringert werden kön- tensität, insbesondere der speziellen Intensität (Be-
nen. Der Stickstoffeintrag hat sich daher nach dem triebsmitteleinsatz je Flächeneinheit bzw. je Tier). Der
Entzug der angebauten Kulturpflanze unter den gege- Stickstoffdüngung kommt hierbei eine Schlüsselrolle -
benen Standortbedingungen zu richten. Hierbei muß zu, da Stickstoff
die standorttypische Stickstoffnachlieferung (Minera- — die größte ertragssteigernde Wirkung hat;
lisierung) während der Vegetationsperiode und das
Ertragspotential der Kulturpflanze berücksichtigt — in großen Mengen, z. T. verschwenderisch und
werden. Ziel ist letztlich eine ausgeglichene Flächen- umweltschädigend eingesetzt wird;
bilanz zwischen den Stickstoffeinträgen und dem — in nahezu allen Kulturen angewandt wird;
Stickstoffentzug durch das Erntegut. Deshalb müßten
neben der Mineraldüngung auch alle weiteren Ein- — zusätzliche Pflanzenschutzmaßnahmen sowie eine
träge über organische Wirtschaftsdünger und über die höhere Versorgung mit anderen Nährstoffen nach
symbiotische N-Bindung (Leguminosenanbau), sowie sich zieht (Gesetz des Minimums);
der Stickstoffeintrag über die nasse und trockene
— unter hohem Energieverbrauch hergestellt wird
Deposition in die Bilanzierung eingehen. Diese Ein-
(Beese, 1994);
träge werden bisher nur unzureichend oder garnicht
in die Düngeplanung einbezogen (Beese, 1994). — nur mit hohem Aufwand und entsprechenden
Generell haben sich die Nährstoff-Bilanzüberschüsse Kosten (ca. 60,— DM/kg N) aus Trinkwasser ent-
in Deutschland seit Anfang der fünfziger Jahre beim fernt werden kann.
Stickstoff versechsfacht und beim Phosphor und
Der im Flächenmittel durch die Landwirtschaft verur-
Kalium verdoppelt.
sachte jährliche Stickstoffeintrag ist selbst für die
Eine Stickstoffbilanzierung kann auf der Ebene des Erzeugung von Maximalerträgen weit überhöht.
Einzelbetriebes oder der Einzelfläche erfolgen. Eine Durch Schließung der Stickstoffkreisläufe und durch
betriebliche Nährstoffbilanzierung wird auch im Rah- die Vermeidung unproduktiver Stickstoffverluste lie-
men der — noch ausstehenden — Umsetzung der ßen sich die Stickstoffemissionen mittelfristig deutlich
EG-Nitratrichtlinie (RL 91/676/EWG) gefordert. So ist vermindern. Solange der Stickstoffdünger so billig
die einzelbetriebliche Nährstoffbilanz auch Grund- bleibt wie heute und solange ein Zwang zum Maxi-
lage des derzeit vorliegenden BML-Entwurfes einer malertrag die Produktion beherrscht, ist mit einer
Düngeverordnung (vormals Düngemittelanwen drastischen Senkung der N-Düngung jedoch nicht zu
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rechnen. Hier müßten politische Entscheidungen Kaufnachweis zurückerstattet. Der über 80 kg N/ha
getroffen werden, um Landwirtschaft und Klima- hinausgehende Stickstoffeinsatz bleibt abgabenbela-
schutz miteinander zu vereinen. Eine staatliche Legi- stet.
timierung der Überdüngung kann nicht Sinn einer auf
In der zweiten Variante werden Wirtschaftsdünger
Nachhaltigkeit und Umweltschonung ausgerichteten
einbezogen, um reine Ackerbaubetriebe nicht gegen-
Gesetzgebung für die Landbewirtschaftung sein
über tierhaltenden Betrieben zu benachteiligen (Kap.
(Beese, 1994).
4.2.2.3). Die Rückerstattung der Abgabe erfolgt gegen
Die Instrumente einer Stickstoffabgabe, -besteuerung Verwendungs- bzw. Kaufnachweis bis zu einer abga-
oder -kontingentierung zielen auf eine deutliche Ver- befreien Höchstmenge, die in Abhängigkeit vom
teuerung bzw. Verknappung des Produktionsfaktors Viehbesatz gestaffelt wird.
Stickstoff. Zudem können die externen Kosten des
übermäßigen Düngemitteleinsatzes internalisiert Tabelle 4.1
werden. Düngemittelabgaben, -steuern oder -kontin-
gente stellen hierfür besonders effektive Instrumente Staffelung der abgabenfreien Höchstmenge
dar, da sie beim „Flaschenhals" Indust rie bzw. Handel an mineralischem Stickstoff (kg N/ha)
ansetzen und der Verwaltungsaufwand erheblich in Abhängigkeit vom Tierbesatz (DE 1 )/ha)
geringer ist, als bei der Durchsetzung und Kontrolle (Weinschenck, 1987; Gottlieb, 1992)
von Nährstoffbilanzen oder Bewirtschaftungsaufla-
gen auf einzelbetrieblicher Ebene (Kap. 4.2.2.1). Abgabefreie Höchstmenge
Tierbesatz (DE/ha)
(kg N/ha)
Die Umsetzung einer Stickstoffabgabe oder -steuer
sollte auch auf EU-Ebene und global angestrebt
0-1,0 80
werden. Die Verteuerung belastet generell alle Land-
1,0-1,5 60
wirte, die mineralischen Stickstoffdünger einsetzen
und trüge daher zur flächendeckenden Extensivie- 1,5-2,0 20
rung bei. Die Verteuerung der Mineraldünger würde 2,0-2,5 -20
gleichzeitig Anreize zum effizienteren und damit 2,5-3,0 -60
umweltverträglicheren Einsatz der Wirtschaftsdünger
1) Eine Dungeinheit (1 DE) entspricht einem Tierbesatz, bei
sowie zur Auflockerung der Fruchtfolge durch den
dem Wirtschaftdünger mit einem Nährstoffgehalt von 80 kg
Anbau von stickstoffixierenden Zwischen- und Gesamtstickstoff, 70 kg Gesamtphosphat und 100 kg Gesamt-
Hauptfrüchten schaffen (UBA, 1993 a). kali anfällt.

Stickstoffabgabe Der höhere Verwaltungsaufwand im Modell Wein-


schenck, insbesondere in der zweiten Va riante, ist
Bei der Stickstoffabgabe erfolgt im Gegensatz zur etwa vergleichbar mit dem Verwaltungsaufwand bei
Stickstoffsteuer ein direkter Ausgleich der landwirt- der Gasölverbilligung. Andererseits sind sowohl der
schaftlichen Einkommensverluste durch Einkom- Einkommensausfall als auch die Einkommensübertra-
mensübertragung aus den Abgabeeinnahmen. Es gibt gung niedriger. Außerdem erlaubt die Veränderung
verschiedene Vorschläge zur Ausgestaltung einer der Höchstgrenze eine flexible Anpassung an ver-
Stickstoffabgabe. schiedene regionale oder betriebliche Bedingungen
oder Anforderungen (Viehbesatzdichte, Wasser-
schutzgebiete, Sonderkulturen) (Weinschenck, 1987).
Je nach Grad der Differenzierung führt dies jedoch zu
1. Modell des Rates von Sachverständigen für
einer problematischen Erhöhung des Verwaltungs-
Umweltfragen (1985):
und Kontrollaufwandes.
Geplant ist hier die Erhebung einer Abgabe auf
mineralischen Stickstoffdünger. Gleichzeitig wird den
Landwirten eine Ausgleichszahlung in Form eines Stickstoffsteuer
Festbetrages je Hektar landwirtschaftlich genutzter
Fläche gewährt. Die Höhe des Festbetrages bemißt Für die Erhebung einer Stickstoffsteuer auf minerali-
sich nach der Abgabe, die auf den durchschnittlichen sche Stickstoffdünger bieten sich zwei grundsätzliche
Einsatz von mineralischen Stickstoff in Deutschland in Möglichkeiten an.
einem Referenzjahr zu zahlen wäre (SRU, 1985). 1. Besteuerung mit einem konstanten Betrag pro
Mengeneinheit des Stickstoffdüngers (z. B. DM/
kg N) .
2. Modell von Professor Weinschenck (Universität
Hohenheim): 2. Besteuerung mit einem festen oder progressiven
Prozentsatz vom Geldwert des Stickstoffdüngers
(z. B. Prozent/DM Aufwand).
Für dieses Modell gibt es zwei Varianten. Gemeinsam
ist diesen Varianten, daß bei der Erhebung einer Der zweite Ansatz hat den Vorteil, daß bei einer
Abgabe auf mineralischen N-Dünger jeweils eine inflationsbedingten Erhöhung der Düngemittelpreise
abgabefreie Grundmenge von etwa 80 kg N/ha zuge- die Steuer in einem konstanten Verhältnis mit
standen wird. In der ersten Va riante wird die Abgabe ansteigt, während bei dem ersten Ansatz — bei einer
für die ersten 80 kg N/ha gegen Verwendungs- bzw. Besteuerung mit festem Betrag pro Mengeneinheit —
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die Lenkungswirkung der Steuer abnimmt, wenn der Deshalb müßten auch außereuropäische Futtermittel-
Faktorpreis steigt. importe begrenzt bzw. verteuert werden (Ganzert,
1994) oder die Tierhaltung an die Fläche bzw. die
Die Stickstoffsteuer ist im Gegensatz zur Abgabe nicht betriebseigene Futtergrundlage gekoppelt werden
mit einer direkten Ausgleichszahlung verbunden. (Kap. 4.2.2.3).
Von Seiten der Landwirtschaft ist daher mit einer
geringeren Akzeptanz als bei einer Stickstoffabgabe
zu rechnen. Die Notwendigkeit der EU-weiten Ein-
Stickstoffkontingentierung
führung wäre bei der Stickstoffsteuer noch stärker
gegeben als bei der Stickstoffabgabe, die zunächst
Bei der Stickstoffkontingentierung wird durch die
auch national eingeführt werden könnte.
Vergabe von Lizenzen der Einsatz einer bestimmten
Düngemittelabgaben bzw. -steuern sind in Öster- Stickstoff-Gesamtmenge pro Betrieb oder Region
reich, Finnland, Norwegen und Schweden bereits zugelassen. Die Festlegung kann in Prozent der
eingeführt. Die Abgabesätze betrugen in Österreich ursprünglich ausgebrachten Menge oder als fester
1988 umgerechnet 0,70 DM/kg Stickstoff, 0,40 DM/kg Betrag pro Hektar — unabhängig von der bisherigen
Phosphor und 0,20 DM/kg Kali, was einer Verteue- Ausbringungsmenge — erfolgen (Kling u. Steinhau-
rung des Stickstoffs um über 40 % (20 % bei Phosphor, ser, 1986, In: Gottlieb, 1992). Auf EU-Ebene wäre die
30 % bei Kali) entsprach. Der Stickstoffverbrauch sank einsetzbare Stickstoffmenge je Mitgliedsstaat ein-
nach Einführung der Abgabe nur um 11 %, der schließlich der wirtschaftseigenen Düngemittel auf
gesamte Handelsdüngerabsatz ging um fast 20 % niedrigerem Niveau festzulegen. Bei der Umsetzung
zurück. In Schweden wurde im Wirtschaftsjahr 1988/ in den Mitgliedsstaaten könnten regionale oder ein-
89 ein kg Stickstoff mit 1,72 SKr Steuern und Abgaben zelbetriebliche Unterschiede berücksichtigt werden.
belastet. Dies entsprach etwa 30 % des Düngemittel Der Vorteil der Kontingentierung gegenüber steuer-
preises. Die Stickstoffnachfrage blieb — auch auf- und preispolitischen Maßnahmen läge da rin, daß man
grund sinkender Energiepreise und steigender Pro- das Reduktionsziel bzw. die nach ökologischen Krite-
duktpreise — konstant (UBA, 1994). Auch in der rien höchstens auszubringende Stickstoffmenge
Schweiz liegen Vorschläge für eine Stickstoffsteuer exakt festsetzen könnte. Die Festsetzung auf regiona-
vor. In England wird ebenfalls die Einführung einer ler oder bet rieblicher Ebene sollte nicht prozentual
Stickstoffsteuer diskutiert, um mit deren Einnahmen von der bisherigen Ausbringungsmenge bemessen
die Kosten der Wasseraufbereitung zu decken. In werden, da hiermit die bisherige Überdüngung „ho-
Frankreich sollen mit den Einnahmen aus der Stick-
noriert" würde. Ein fester Höchstbetrag unabhängig
stoffsteuer Ausgleichszahlungen finanziert werden, von der bisherigen Ausbringungsmenge je Hektar
die durch Auflagen in Wasserschutzgebieten entstan-
erscheint gerechter und ökologisch wirksamer. Einer
den sind (Gottlieb, 1992). Der Wissenschaftliche Beirat
Differenzierung der Kontingenierung nach standörtli-
des Bundeslandwirtschaftsministeriums empfiehlt die
chen und betrieblichen Gegebenheiten sind jedoch
EU-weite schrittweise Verteuerung des Mineralstick-
verwaltungs- und kontrolltechnische Grenzen gesetzt
stoffs, sobald sich abzeichnet, daß die Maßnahmen der
(Gottlieb, 1992). Eine Kontingentierung ertragsstei-
EG-Agrarreform nicht zu einer ausreichenden Verrin-
gernder Betriebsmittel wird als „der Gipfel des Inter-
gerung der Stickstoffbilanzüberschüsse führen (BML, ventionismus " angesehen und würde vermutlich an -
1993 d). Hiervon gehen derzeit zahlreiche Wissen-
der politischen Durchsetzbarkeit und dem hohen
schaftler aus (TAB, 1993 a; Henrichsmeyer, 1993, In: administrativen Aufwand scheitern (Köhne, 1989, In:
SRU, 1994) (Kap. 1.1.4.2). Gottlieb, 1992). Die Verteuerung ertragssteigernder
Nach Henrichsmeyer (1990, In: UBA, 1993 a) ergäbe Betriebsmittel durch Abgaben oder Steuern scheint
sich — ausgehend vom derzeitigen Stickstoffpreis von daher die praktikablere Lösung zu sein.
1,15 DM/kg N — bei einer Stickstoffabgabe von
2 DM/kg N ein durchschnittlicher Rückgang der Dün-
gungsintensität um 30 %. Um zu einer deutlichen
4.2.2.3 Bindung der Tierhaltung an die Fläche
Verringerung der Intensität, der Produktionsüber-
schüsse und damit auch der Umweltbelastungen und
Die Intensität und Konzentation in der Tierhaltung ist
Emissionen zu gelangen, wäre demzufolge eine
maßgeblich sowohl für die Höhe der Methanemissio-
wesentlich höhere Stickstoffverteuerung erforderlich.
nen sowie — zumindest regional — für den überhöh-
Weinschenck (1987) schlägt beispielsweise einen
ten Stickstoffeintrag auf landwirtschaftlich genutzten
viermal so hohen Stickstoffpreis (also 4 bis 5 DM/kg N)
Flächen verantwortlich. Die bisher vorgestellten Maß-
vor, um eine unter ökologischen Erfordernissen aus-
nahmen zur Reduzierung des Stickstoffeintrages
reichende Lenkungswirkung zu erzielen. Bei einer
wären daher nach Betriebsformen differenziert zu
Erhöhung des Stickstoffpreises um das Vier- bis
gestalten bzw. zu ergänzen.
Sechsfache würden sich die Stickstoffeinträge und
damit auch die Erträge so stark vermindern, daß Wie bereits bei den Maßnahmen zur Reduktion der
neben der Umweltentlastung auch ein Marktgleich- Methanemissionen dargestellt, sollte auch zur Redu-
gewicht für Agrarprodukte in Europa erreicht würde zierung der Distickstoffoxidemissionen sowie der
(Zeddies u. a., 1992; Gebhard, 1986, Beide in: Gan- Ammoniakemissionen (Kap. 4.2.3) die Bindung der
zert, 1994). Auf diese Weise könnte die Flächenstille- Tierhaltung an die Fläche erfolgen. Wie in Kap. 4.2.2.1
gung durch eine N-Abgabe ersetzt werden. Mit der genannt, müßte eine Nährstoffbilanzierung auf
Höhe der Abgabe wächst der Anreiz, die Stickstoffde- betrieblicher Ebene unbedingt den Gesamteintrag
fizite durch Futtermittelzukäufe zu kompensieren. aus allen Quellen berücksichtigen. Um bei einer
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Tabelle 4.2

Stickstoff-Feldbilanzen (kg N/ha LN) für jeweils drei repräsentative Betriebssysteme in Deutschland
(nach Bach, 1987) bzw. Baden-Württemberg (nach van der Ploeg u. a., 1991; Beide in: Isermann, 1994)

Deutschland Baden-Württemberg
Betriebssystem (DE 3 )/ha);
Tierart Futterb. Veredl.3,0; Futterb. 1,6; Veredl.3,2;
Marktfr. Marktfr.
Rind. Schw. Rind. Schw.

N-Zufuhr
— Mineraldünger 135 100 114 141 170 95
— Wirtschaftsdg.
nach Ausschdg. 1 ) — 180 300 — 160 320
nach Zufuhr 1 ) — 115 192 — 102 204
— Niederschlag 20 20 20 20 20 20
Gesamtzufuhr
nach 1 ) 155 300 434 161 350 435
nach 2) 155 235 326 161 292 319

N-Entzug durch
die Pflanzen -114 -135 -119 -118 -192 -111

N-Überschuß
nacht) + 41 +165 +315 + 43 +158 +324
nach 2) + 41 +100 +207 + 43 +100 +208

1) unter Anrechnung der N-Ausscheidung je Dungeinheit mit 100 kg N


2) unter Anrechnung der N-Zufuhr in den Boden je Dungeinheit mit 64 kg N 1 ) DE
3)DE = Dungeinheit; eine DE entspricht der Gülleproduktion der nach der jeweiligen Gülle-Verordnung festgelegten Tierzahlen.

Verteuerung mineralischer Stickstoffdünger tierhal- Der Sachverständigenrat empfahl daher als Ober-
tende Betriebe gegenüber reinen Ackerbaubetrieben grenze ebenfalls einen Wert von 1,5 bis 2 Dungeinhei-
nicht zu bevorzugen, wäre das Instrument einer Stick- ten/Hektar, wobei von einem Nährstoffgehalt von
stoffsteuer, -abgabe oder -kontingentierung entspre- nicht mehr als 80 kg Gesamtstickstoff und 70 kg
chend zu differenzieren. Die Unterschiede in den Gesamtphosphat je Dungeinheit (DE) ausgegangen
Stickstoffbilanzen einzelner Betriebssysteme gehen wurde (SRU, 1985).
aus Tab. 4.2 hervor.
Den Bilanzen in Tab. 4.2 ist zu entnehmen, daß — Tabelle 4.3
unter Vernachlässigung des relativ geringen Stick-
stoffentzuges durch die Tierhaltung — wachsende Maximaler Pflanzenbedarf und Nährstoffgaben
Stickstoffüberschüsse vom Marktfrucht- über den Fut- bei drei Dungeinheiten (DE) je Hektar
terbau- zum Veredlungsbetrieb zu verzeichnen sind. (in kg/Hektar und Jahr)
Selbst bei dem relativ geringen Tierbesatz in den nach der Gülleverordnung in NRW
Futterbaubetrieben (1,6 bzw. 1,8 DE/ha LN) ergibt (Böhnke, 1984; In: SRU, 1985)
sich ein N-Bilanzüberschuß mindestens in der Höhe
der zusätzlich ausgebrachten Mineraldüngermenge. Rinder- Schweine- Hühner-
maximaler
In den Veredlungsbetrieben mit einem durchschnitt- gülle gülle gülle
Nährstoff Bedarf der
4,5 21 300
lichen Tierbesatz von 3,0 bzw. 3,2 DE/ha LN über- Pflanzen
Rinder Schweine Hühner
steigt allein der N-Eintrag aus Wirtschaftsdüngern
den Pflanzenentzug um das zwei- bis dreifache. Ein
Stickstoff 160-240 423 252 252
Tierbesatz von 1,5 bis 2,0 DE/ha LN würde ohne
zusätzliche N-Mineraldüngung bereits eine ausrei- Phosphat 70— 90 216 189 201
chende bedarfsgerechte Stickstoffversorgung sicher-
stellen.
Bei der Umsetzung der EG-Nitratrichtlinie (RL 91/
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat 676/EWG) in nationales Recht wäre daher eine abso-
bereits in seinem Sondergutachten über Umweltpro- lute Düngungshöchstmenge (Summe aller Wi rt
bleme der Landwirtschaft (1985) ausgeführt, daß in -schaftdüngeruMil)vonrmae-
den vorliegenden Gülle-Verordnungen, insbesondere weise 120 kg N/ha (entspricht 1,5 DE/ha), bzw.
in Nordrhein-Westfalen, die Bestandsobergrenzen übergangsweise in Ausnahmefällen bis zu 170 kg
generell zu hoch bemessen wurden. Die tatsächlich N/ha zu fordern. Daneben müßte die Nährstoffmenge
zulässigen Nährstoffgaben übersteigen den Bedarf je Dungeinheit verbindlich definiert werden. Die
der Pflanzen wesentlich, teilweise um das Dreifache. Ausbringungszeiträume für Wirtschaftsdünger, ins-
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besondere für Gülle wären so festzulegen, daß gene- Ammonium enthalten oder dazu umgesetzt werden,
rell eine Ausbringung im Zeitraum von November bis zeigen in der Regel höhere N 2O-Verluste als reine
einschl. Februar untersagt werden sollte. Daneben Nitratdünger, da bei letzteren die N 2 O-Bildung auf die
sollten für die Lagerung und Ausbringung bestimmte Denitrifikation beschränkt ist. Bei Ammoniumdün-
Regelungen und Techniken verbindlich vorgeschrie gern kann N 2 0 sowohl während der Nitrifikation als
ben werden (Kap. 4.2.3). Voraussetzung für die Fest- auch bei der nachfolgenden Denitrifikation gebildet
legung von Düngungshöchstgrenzen im Rahmen werden. Der Einsatz von Nitrifikationshemmern kann
einer Düngeverordnung ist das Inkrafttreten des verhindern, daß der Stickstoff erst nitrifiziert wird,
Kreislaufwirtschaftsgesetzes. bevor er von den Pflanzen aufgenommen wird. Beim
Einsatz dieser Agrochemikalien ist allerdings auf
Nur durch eine strikte Bindung der Tierzahl an die mögliche negative Nebeneffekte zu achten (Beese,
Fläche könnte der Tierbestand von der betriebseige-
1994).
nen Futterfläche ernährt und ökonomisch sowie öko-
logisch schädliche Futtermittelimporte vermieden Auch organische Wirtschaftsdünger (z. B. Gülle oder
werden. Jährlich gelangen etwa 500 000 t Stickstoff Stallmist) können die Ursache für erhöhte N 2O
und 190 000 t Phosphat durch die Futtermittelimporte -Bildungse.DrEtaichzsebrogan-
in den Nährstoffkreislauf der alten Bundesländer scher Substanz begünstigt durch eine gesteigerte
(Leser, 1993). Um die relativen Preisvorteile der Mikrobenatmung das Entstehen von kleinräumigen
Importfuttermittel zu verringern, wäre daher in Kom- anaeroben Bereichen, in denen die Voraussetzung für
bination mit einer mengenmäßige Begrenzung und/ die Denitrifikation gegeben sind. Die Förderung
oder Verteuerung des Mineralstickstoffs auch eine anaerober Zersetzungsprozesse durch ein zu tiefes
mengenmäßige Begrenzung und/oder Verteuerung Einarbeiten der organischen Dünger muß deshalb
der Importfuttermittel einzuführen. Dies förderte speziell auf schweren und zur Staunässe neigenden
gleichzeitig die Verwertung von Getreideüberschüs- Böden vermieden werden (Beese, 1994).
sen auf dem Binnenmarkt, entlastete damit den Welt-
Die Reduktion der Stickstoffdüngung auf ein entzugs-
markt und verringerte die finanzielle Belastung der
orientiertes Niveau sollte mit der Steigerung der
Gemeinschaft durch die Exportsubventionen. Der
Düngeeffizienz verbunden werden. Anhand der
Ersatz der Importfuttermittel durch Eigenerzeugung
Ergebnisse zahlreicher Düngungsversuche läßt sich
würde zudem die angestrebte EU-weite Flächenstille-
für fast alle Kulturpflanzen der Stickstoffbedarf zu
gung von ca. 10 Mio. ha erübrigen (Scholz, 1990, In
bestimmten Entwicklungsstadien ableiten. Die men-
Isermann, 1994). Die Getreidepreissenkungen infolge
genmäßige und zeitliche Dosierung der Düngung
der EG-Agrarreform sowie die Gewährung von Aus-
sollte hierauf abgestimmt werden. Auch sind für
gleichszahlungen für Getreideflächen bei innerbe-
Gülle- und Mineraldüngung die Zeitspannen be-
trieblicher Verfütterung des Getreides wirken bereits
kannt, in denen die Ausbringung unterbleiben sollte,
in diese Richtung. In den Niederlanden wird derzeit
wenn keine entsprechende Stickstoffaufnahme durch
eine Futtermittelabgabe von 6 Mio. Gulden jährlich
die Kulturpflanzen stattfindet und die Denitrifika-
erhoben, die für die Forschung über umweltfreundli-
tions- und Auswaschungsgefahr hoch ist. Die Ermitt-
che Produktionsverfahren verwandt werden (UBA,
lung des Nitratvorrates im Boden zu Vegetationsbe-
1994).
ginn (z. B. Nmin-Methode) ermöglicht es, die erste
-
Stickstoffgabe gezielt auf die Ansprüche der Pflanze
4.2.2.4 Bewirtschaftungsmaßnahmen zur Beeinflussung sowie die Standortverhältnisse abzustimmen. Auch
der Distickstoffoxidemissionen
die Verbesserung der Verteilgenauigkeit bei der Dün-
Neben der absoluten Menge an zugeführtem Stick- gerausbringung, zum Beispiel durch den Einsatz flüs-
stoff in Wirtschafts- und/oder Mineraldüngern hängt siger Mineraldünger, die mit der Pflanzenschutz-
die Höhe der Distickstoffoxidemissionen auch von Art spritze ausgebracht werden können, steigert die Effi-
und Zeitpunkt der Düngung ab. Darüber hinaus zienz der Düngemaßnahme, da eine lokale Über- bzw.
beeinflussen Maßnahmen, die zu Veränderungen des Unterdüngung verringert wird. Die teilweise N-Ver-
Nährstoff- (Kohlenstoff-), Luft-, Wasser- und Tempe- sorgung der Pflanzen über das Blatt sollte stärker
raturhaushaltes der Böden führen, die Art und Inten- beachtet werden (Beese, 1994).
sität der biotischen Zersetzungsprozesse, bei denen
N2O und NOX entstehen kann. Erhöhte N 2O - und
NOX -Emissionen aus landwirtschaftlich genutzten Fruchtfolgegestaltung
Böden können im wesentlichen auf folgende Bewirt-
schaftungsmaßnahmen zurückzuführen sein: Pflanzenkulturen, bei denen aufgrund stickstoffrei-
cher Ernterückstände nach der Ernte größere Mengen
— Art und Zeitpunkt der Düngung an leicht verfügbarem Stickstoff auf dem Feld verblei-
— Fruchtfolgegestaltung ben (z. B. Leguminosen, Zuckerrüben, Raps), sind
hinsichtlich der N2O-Freisetzung „kritische Feld-
— Bodenbearbeitung früchte", da einerseits die Gefahr der N 2O-Produktion
— Be- und Entwässerung durch die Denitrifikation in den Wintermonaten
besteht und andererseits die Stickstoffauswaschungs-
gefahr sehr hoch ist. Dem hohen Stickstoffangebot
Art und Zeitpunkt der Düngung nach der Ernte wäre durch einen gezielten nachfol-
genden Anbau von überwinternden Pflanzen als Zwi-
Neben der Düngungshöhe beeinflußt auch die Dün- schen- oder Hauptfrucht Rechnung zu tragen, die
geart die N 2O-Emissionsraten. Stickstoffdünger, die noch im Herbst eine hohe Stickstoffaufnahme aufwei-
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sen. Dies sollte insbesondere beim Anbau von Legu- stoffbelastung angrenzender Ökosysteme. Auf die
minosen beachtet werden, die aufgrund der symbioti- zusätzliche Inkulturnahme von naturnahen Moorge-
schen Stickstoffbindung große Stickstoffmengen an bieten sollte deshalb auch hinsichtlich der Vermei-
reichern können. Das Einbringen von Untersaaten, dung zusätzlicher N 2O -Emissionen unbedingt ver-
der Zwischenfruchtbau oder der Anbau von Misch- zichtet werden. Da nach der vollständigen Wassersät-
kulturen ist ebenfalls eine effiziente Maßnahme, um tigung organischer Böden nahezu keine N2O-Freiset-
den Stickstoffüberschuß nach der Ernte der Legumi- zung mehr festzustellen ist, dürfte die Renaturierung
nosen zu verringern (Beese, 1994). entwässe rter Moorgebiete durch das Anheben des
Grundwasserspiegels zu einer deutlichen Reduzie-
Durch die Spezialisierung der landwirtschaftlichen
rung der N 2O -Emissionen führen (Beese, 1994).
Betriebe und den Import/Zukauf von Futtermitteln
sowie die Ausweitung des Maisanbaus (Abb. 2.14) hat Die Bewässerung von landwirtschaftlich genutzten
die Abfuhr und Nutzung nährstoffreicher Ernterück- Flächen sollte so gestaltet werden, daß die N-Auswa-
stände und Zwischenfrüchte als Tierfutter stark abge- schung gering ist und daß bei der Bewässerung keine
nommen. Hierdurch ist die Gefahr der N 2O -Bildung anoxischen Bedingungen in den Oberböden auftre-
speziell nach dem Einarbeiten der großen Mengen ten. Das notwendige „Durchwaschen" von Böden zur
organischer Substanz angestiegen. Eine Abnahme Entsalzung hat zu Zeiten geringer N-Gehalte und
und Verwertung der Ernterückstände (z. B. Zuckerrü- biotischer Aktivität in den Böden zu erfolgen (Beese,
benblatt) durch viehhaltende Betriebe verringert 1994).
diese Gefahr (Beese, 1994).

4.2.3 Maßnahmen zur Reduzierung von


Bodenbearbeitung Ammoniakemissionen (NH 3)

Sauerstoffmangel im Boden begünstigt die Denitrifi- Die Ammoniakemissionen sind nicht direkt klima-
kation und ist eine wichtige Ursache für erhöhte wirksam, tragen aber erheblich zur Eutrophierung
N2O-Emissionen. Der Erhalt einer günstigen Boden- natürlicher und naturnaher Ökosysteme bei und ver-
struktur ist eine Voraussetzung für die gute Durchlüf- stärken deren Freisetzung von Distickstoffoxid (N 2O )
tung des Bodens und den aeroben Abbau der organi- und anderen stickstoffhaltigen Spurengasen sowie die
schen Substanz. Bodenverdichtung durch den Einsatz Auswaschung von Nitrat. Daneben ist der Ammoniak
schwerer Maschinen sowie durch einen falschen eintrag wesentlich (zu etwa 25-30 %) an der Ver-
Bearbeitungszeitpunkt müssen deshalb vermieden sauerung der Böden und der daraus resultierenden
werden. Nach dem Einarbeiten von leicht verfügbarer Schädigung der Ökosysteme (z. B. Waldsterben)
organischer Substanz (Ernterückstände, organische beteiligt (Abschnitt C, Kap. 3.5.3). Für die Versaue-
Dünger) können durch den gesteigerten mikrobiellen rung sind des weiteren vor allem die Stickoxide und
Sauerstoffverbrauch auch bei geringeren Wasserge- Schwefeldioxid aus der Verbrennung fossiler Ener-
halten kleinräumig anaerobe Zonen entstehen, in gieträger, v.a. im Verkehrsbereich verantwortlich.
denen N20 gebildet wird. Um diese anaeroben Stoff-
National wie global sind Ammoniakemissionen fast
umsetzungen nicht zu fördern und eine gute Sauer-
ausschließlich der Landwirtschaft zuzuschreiben und-
stoffzufuhr zu gewährleisten, ist speziell auf schweren
hier zu etwa 90 % der Tierhaltung. Etwa die Hälfte der
Böden ein flaches Einarbeiten der organischen Rück-
Ammoniakemissionen stammt aus der Rinder- und
stände vorteilhaft. Soweit möglich, ist eine gleichmä-
Milchviehhaltung und etwa ein Drittel aus der
ßige Verteilung der organischen Dünger auch auf
Schweinehaltung. Ammoniak entsteht im Stallbe-
Viehweiden notwendig. Die ungleichmäßige Ablage
reich, bei der Lagerung und Ausbringung von Wirt-
des Harns und Kots der Weidetiere kann punktuell zu
schaftsdüngern (v.a. in der Güllewirtschaft) sowie bei
erheblichen gasförmigen N-Verlusten bzw. Nitrataus-
der Weidewirtschaft. Aus dem Harnstoff in den Tier-
waschungen führen (Beese, 1994).
fäkalien wird mikrobiell Ammonium (NH4+) gebildet,
das als Ammoniak gasförmig entweicht. Die restlichen
10 % der Ammoniakemissionen entstehen bei der
Be- und Entwässerung
Herstellung und Ausbringung mineralischer Stick-
stoffdünger (Kap. 2.4.1).
Die Wirkung von Be- und Entwässerung auf die
N2O -Freisetzung aus Mineralböden wird unterschied-
lich beschrieben. Drainierte organische Böden (An-
4.2.3.1 Reduzierung der Tierbestände/Bindung der
moore, Niedermoore) unter landwirtschaftlicher Nut-
Tierhaltung an die Fläche
zung zeigen fast immer extrem hohe N 2O -Emissions-
raten, die die N 2O -Freisetzung mineralischer Acker-
Da die Ammoniakemissionen nahezu ausschließlich
standorte um ein Vielfaches übersteigen. Im Gegen-
aus der Tierhaltung und hier v.a. aus der Güllewirt-
satz hierzu, sind naturnah belassene, wassergesättigte
schaft stammen, wäre eine Reduktion der Ammoni-
bzw. überstaute organische Böden, Hochmoore, sehr
akemissionen in erster Linie durch die Verringerung
geringe N2O -Quellen.
der Tierbestände und den Abbau der Konzentration in
Durch die Entwässerung und die damit verbundene der Tierhaltung zu erzielen. Die bereits zur Reduktion
Belüftung des Bodens setzt eine sehr intensive Stick- der Methanemissionen (Kap. 4.2.1.1, 4.2.1.2 und
stoffmineralisation ein, die den Bedarf der Pflanzen oft 4.2.1.4) bzw. der Distickstoffoxidemissionen (Kap.
bei weitem übersteigt. Dies führt zur Stickstoffauswa- 4.2.2.3) vorgeschlagenen Maßnahmen verringern
schung mit dem Drainagewasser und damit zur Stick daher gleichermaßen die Ammoniakemissionen. Wie
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
do rt bereits erwähnt, wäre die Reintegration von orientierte und ausgewogene Versorgung der einhei-
Tierhaltung und Pflanzenbau eine unerläßliche Vor- mischen Bevölkerung durch den Abbau der Eiweiß-
aussetzung für die Wiedereinführung einer tierartge- überversorgung in der Ernährung sowie die ausgewo-
rechten Festmistwirtschaft mit Stroheinstreu, die im gene Versorgung je zur Hälfte mit tierischem und
Vergleich zur Güllewirtschaft eine wesentlich gerin- pflanzlichem Eiweiß könnte die Tierbestände und die
gere Freisetzung von Ammoniak, aber auch von damit verbundenen Stickstoffbilanzüberschüsse so-
Methan aufweist (Isermann, 1994). wie die Ammoniakemissionen national um 40 bis 50 %
reduzieren (Isermann, 1994). Die Rückführung der
Zur Emissionsminderung sowie zur Durchsetzung der
Eiweißüberversorgung könnte durch die Internalisie-
Flächenbindung der Tierhaltung wäre die Einführung
rung der externen Kosten der Tierproduktion und der
einer Abgabe/Besteuerung der Nährstoffüberschüsse
Nährstoffüberschüsse (Abwasserreinigung, Sied-
in Wirtschaftsdüngern, insbesondere der Gülleüber-
lungsabfälle), beispielsweise durch deren Anlastung
schüsse geeignet. In den Niederlanden wird derzeit
an die Tierhaltung bzw. die Fleischproduktion erfol-
eine Überschußabgabe eingeführt, die hier jedoch auf
gen.
den — über den gesetzlichen Standard hinaus —
anfallenden organischen Phosphor erhoben wird.
Diese Abgabe wird voraussichtlich ein Volumen von 4.2.3.2 Reduzierung der Ammoniakemissionen
43,5 Mio. Gulden haben und soll vorrangig in die je Produkteinheit
Gülleaufbereitung investiert werden. Über Gülleban-
Maßnahmen zur Verbesserung der Produktivität des
ken und -aufbereitungsanlagen soll eine regionale
Einzeltieres (Tierernährung, -züchtung, -medizin),
Umverteilung zwischen Regionen mit Gülleüber-
die bereits im Zusammenhang mit der Reduktion der
schüssen und solchen mit Bedarf an organischen
Methanemissionen (Kap. 4.2.1.3) dargestellt wurden,
Nährstoffen erreicht werden. Die Kosten der Güllever-
gelten vergleichbar auch für die Verringerung der
arbeitung werden für das Jahr 2000 auf etwa 800 Mio.
Ammoniakemissionen. Von besonderer Bedeutung ist
DM geschätzt und wären somit bei weitem nicht
hierbei die Tierfütterung. Eine bedarfsgerechte und
gedeckt. Daher wird in den Niederlanden u. a. die
ausgewogene Ernährung, die sowohl Über- als auch
Einführung einer Abgabe auf Ammoniakemissionen
Unterversorgung mit einzelnen Nährelementen, Mi-
aus der Tierhaltung erwogen (UBA, 1994).
neralstoffen, Vitaminen, Aminosäuren etc. vermeidet,
Um die Flächenbindung und einen Rückgang der verhindert entsprechende unproduktive Verluste und
Güllewirtschaft zu erzielen, wäre die Einführung überhöhte Stickstoffgehalte in den Tierfäkalien.
einer Gülleabgabe bei Überschreiten von 1,5 DE/ha Ebenso wie für die pflanzliche Ernährung gilt auch für
LN möglich. In Abhängigkeit von der eintretenden die tierische (und menschliche) Ernährung das Gesetz
Lenkungswirkung sollte diese Abgabe ggf. in den des Minimums (Kap. 3.1.1.1). Die Futterration ist
Folgejahren weiter ansteigen. Ein Teil der Einnahmen daher in ihrer Zusammensetzung, Menge und Quali-
aus der Abgabe sollte kurzfristig für den Abbau der tät dem jeweiligen Bedarf der Tiere im Verlauf der
regionalen Überschüsse (regionale Umverteilung Mast (z. B. Zwei- bzw. Mehrphasenfütterung) bzw.
durch Güllebanken), für die Gülleaufbereitung und entsprechend der Einzeltierleistung (z. B. Tages-
-vergasung (Biogas) bzw. für die Verbesserung der milchleistung, Tageszunahme, Laktationsdauer) an-
Ausbringungstechnik eingesetzt werden. Der über- zupassen. In Bezug auf die Stickstoff- bzw. Eiweißzu-
-
wiegende Teil der Einnahmen sollte jedoch zur Finan- fuhr ist vor allem auf ein optimale Versorgung mit den
zierung einer Umstellung auf Festmisthaltungssy- ,notwenigen essentiellen Aminosäuren zu achten.
steme verwandt werden. Durch den gezielten Einsatz limitierender essentieller
Aminosäuren (ggf. durch die Zufütterung geschützter
Die Eiweißversorgung der Bevölkerung liegt in
Proteine) ist eine generelle Herabsetzung des Rohpro-
Deutschland etwa doppelt so hoch wie der Bedarf,
teingehaltes der Futterrationen und damit zugleich
wobei die Versorgung bereits zu zwei Dritteln durch
des Reststickstoffgehaltes in den Tierfäkalien mög-
tierisches und nur zu einem Drittel durch pflanzliches
lich. Analog sind vergleichbare Schritte (Futterkom-
Eiweiß erfolgt. Diese Eiweißüberversorgung verur-
ponenten mit hoher Phosphorverdaulichkeit; Zugabe
sacht im Bereich der Tierhaltung erhebliche Emissio-
mikrobieller Phytase im Futter) auch für die Optimie-
nen. Aber auch die der menschlichen Ernährung
rung der Phosphor-Versorgung der Tiere möglich.
nachgelagerten Bereiche (Abwasserreinigung, Sied-
Phosphate sind neben Ammoniak und anderen N
lungsabfälle) sind aufgrund des Eiweiß- und Stick-
Verbindungen maßgeblich an der Eutrophierung von
stoffüberschusses zu erheblichen Stickstoff-Emis-
Oberflächengewässern und anderen Okosystemen
sionsquellen geworden.
beteiligt. Zahlreiche Untersuchungen haben eine
Der Verzehr an Fett liegt etwa 80 % über dem Bedarf. Reduzierung der N- und P-Ausscheidungen von bis zu
Dies hat zur Folge, daß fast die Hälfte aller Deutschen 50 % infolge der beschriebenen Fütterungsmaßnah-
an Übergewicht und mehr als 10 % an Fettsucht men festgestellt (Spiekers, 1992; Pessara u. a., 1992;
leiden. Der vom Bundeslandwirtschaftsministerium Van Vuuven u. Meijs, 1987, In: Isermann, 1994;
mitherausgegebene Ernährungsbericht 1992 weist Spiekers, 1993; Schwarz, 1993, Beide in: Nischwitz,
darauf hin, daß zunehmender Fleischkonsum das 1994) .
Risiko von Darm- und Bauchspeicheldrüsenkrebs,
Gicht und Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems 4.2.3.3 Gewinnung, Lagerung, Aufbereitung und
erhöht. Auch eine nationale Verzehrsstudie (BMFT Ausbringung von Wirtschaftsdüngern
1991, In Isermann, 1994) kommt zu dem Ergebnis, daß
die Deutschen zu viel, zu fett und zu eiweißreich, Jeweils 15 % der Ammoniakemissionen entstehen im
insbesondere aber zu viel Fleisch essen. Eine bedarfs Stallbereich bzw. bei der Lagerung des Flüssig- und
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Festmistes. Weitere 25 % entgasen beim Weidegang emissionen in Abhängigkeit von Lagerungstempera-


der Tiere. 35 % der Verluste entstehen bei der tur und Durchlüftung mehr oder weniger deutlich an
Ausbringung der Wirtschaftsdünger, insbesondere und sind mit gasförmigen NH3-Stickstoffverlusten in
der Gülle (Döhler, 1991 b). Höhe von 10 bis 50 % des Gesamtstickstoffgehaltes
mit den Verlusten bzw. Emissionen der Güllelagerung
vergleichbar. Durch erhöhten Strohzusatz und damit
Stallbereich ein höheres C:N-Verhältnis oder eine dichte Lage-
rung (z. B. als Stapelmist auf einer von Mauern
Ammoniak hat einen hohen Dampfdruck. Je länger umgebenen Mistplatte) können die gasförmigen N-
die harnstoff- bzw. ammoniumhaltigen Fäkalien der Verluste beträchtlich vermindert werden (Isermann,
Luft ausgesetzt sind bzw. je größer die Oberfläche mit 1994).
Luftkontakt ist und je höher die Umgebungstempera-
Die Ammoniakemissionen aus offenen Güllebehäl
tur ist, desto mehr Ammoniak entweicht in die Luft.
tern werden von verschiedenen Faktoren beeinflußt:
Beim Flüssigmist treten die höchsten Emissionen auf,
v.a. abhängig von der Stalltemperatur, dem Quer- — Lagerungsdauer der Gülle;
schnitt der Güllekanäle und der allgemeinen Stallhy-
— Verhältnis von Volumen zu Oberfläche (Luftkon
giene (Nachspülen mit Wasser). Beim Rottemist sind
takt);
die Emissionen etwas geringer und hängen hier vor
allem vom Strohzusatz ab. Je mehr trockenes Stroh - Temperatur- und Windverhältnisse;
zugesetzt wird, desto höher sind die NH 3 -Emissionen.
— Ammonium- und Trockensubstanzgehalte der
Die geringsten Emissionen entstehen bei der Tiefstall-
Gülle;
mistwirtschaft (Kaltmist), da hier der Mist feucht und
fest gelagert wird. Hier bestätigt sich die alte Lehrmei- — Art der Gülle (Schwimmschichtbildung).
nung: „Halt' ihn feucht und tritt ihn feste, das ist für
den Mist das Allerbeste" (Kempkens, 1991; Isermann, Flüssigmist sollte daher möglichst kurz, kühl, aber
1994). Die Unterschiede zwischen den verschiedenen darüber hinaus unbedingt abgedeckt gelagert wer-
Aufstallungsverfahren bezüglich der Höhe der Am- den. Gülle sollte nicht gerührt oder belüftet werden,
moniak-Emissionen im Stallbereich sind jedoch nicht da dies die Stickstoffverluste durch Ammoniakemis-
so gravierend wie im Bereich der Lagerung und sionen drastisch erhöht. Statt dessen sollte Gülle —
Ausbringung. Die Ammoniakemissionen aus der soweit von der Lagerkapazität her möglich — mit
Hühnerhaltung sind besonders hoch, da die Tiere ein Wasser verdünnt werden. Daneben kann die pH-
Kot-Harn-Gemisch mit hohen Ammoniumgehalten Wert-abhängige Ammoniakbildung (Kap. 2.4.1)
ausscheiden. Die hohen Emissionen, insbesondere durch die Ansäuerung der Gülle mit Salpetersäure
aus der nicht tiergerechten Käfighaltung, können verringert werden.
durch möglichst raschen bzw. kontinuierlichen
Bei Rinder- und Hühnergülle bilden sich aus zellulo-
Abtransport der Fäkalien und deren Trocknung oder
sereichen Verdauungsresten natürliche Schwimm-
Verflüssigung (Aufschwemmen in Wasser) sehr deut-
schichten aus. Bereits die Ausbildung dieser
lich reduziert werden. Anzustreben ist aber auch hier
Schwimmdecke ggf. verstärkt durch die Zugabe von -
eine Umstellung auf emissionsarme und tiergerechte
Stroh (4 bis 5 kg Stroh pro m 2 Gülleoberfläche) oder
Haltungssysteme.
Rinder- und Schweinefestmist reduziert die Ammo-
Das Ausmaß der Ammoniakausgasung im Stallbe- niakemissionen deutlich. Daneben gibt es weitere
reich hängt wesentlich von der Luftgeschwindigkeit Möglichkeiten durch die Zugabe von Blähton- oder
und -temperatur ab. Im Stallbau, insbesondere für die Styroporkugeln oder das Abdecken mit Hartschaum
Schweinehaltung, sollte man daher auf Systeme platten, Schwimmfolien und — bei höherem Kapital-
zurückgreifen, bei denen sowohl die Zulufttempera- bedarf — mit Zeltdächern oder Betonplatten. Durch
tur als auch die Luftgeschwindigkeit niedrig gehalten eine Abdeckung können die Emissionen während der
werden kann. Des weiteren lassen sich die Emissionen Lagerung um 70 bis 90 % reduziert werden (Döhler,
aus dem Stallbereich durch eine Stalluftreinigung mit 1992).
Biofiltern und Biowäschern reduzieren, was jedoch
hohe Investitionen erfordert.
Ausbringung

Lagerung Die wirksamsten Sofortmaßnahmen zur Reduzierung


der Ammoniakemissionen sind durch die Abdeckung
Festmist sollte generell kühl und feucht gelagert der Güllebehälter sowie während und nach der Aus-
werden. Diese Bedingungen sind am ehesten bei der bringung der Gülle zu erreichen. Bei extremen Wet-
Lagerung des Tiefstallmistes im Stall gegeben. Bei terlagen können nach der Ausbringung 80 bis 90 %
Tiefstallmistwirtschaft erfolgt die Gewinnung und des in der Gülle enthaltenen Ammoniums verdamp-
Lagerung am gleichen Ort, im Stall. Daher müssen die fen (Döhler, 1991 a u. b). Dabei kommt der Gülleart
Emissionen im Tiefstall verglichen werden mit den und der Lufttemperatur die größte Bedeutung zu.
Emissionen aus der Rottemist- bzw. Flüssigmistge- Rindergülle ist im Vergleich zur Schweinegülle relativ
winnung im Stall zuzüglich der Emissionen bei der zähflüssig und dringt daher weniger schnell in den
Lagerung (Dunglege, Güllebehälter). Wird der Fest- Bestand (bzw. die Stoppeln) oder den Boden ein. Da
mist als Rottemist (Heißmist) außerhalb des Stalles sich NH 3 leicht in Wasser löst, sollte Gülle (v.a.
gelagert oder kompostiert, steigen die Ammoniak Rindergülle) ggf. mit Wasser verdünnt bei kühler,
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Tabelle 4.4
Ammoniakverluste bei verschiedenen Ausbringungstechniken von Gülle auf Grünland
(nach IMAG/NMI, 1989/1991, In: Krebbers, 1992)

Güllegabe NH3 -Verluste Verminderung der Verluste


Ausbringungstechnik
(m /ha) (in % ) (in A)

Breitverteilung 15 60 (20-100)
Verregnung verdünnter Gülle
(Gülle/Wasser-Verh. 1:3) 15 8— 34 44— 85
Gülleeinarbeitung 40 0— 5 95-100
Narbeneinarbeitung 20 0— 5 95-100
Narbendüngung 20 2— 15 84— 91
Schleppfußsystem 10-15 13— 27 33— 77

feuchter Witterung (nach leichtem Regen), Windstille zeitige Besteuerung/Abgabe sowohl des minerali-
und auf feuchten Boden ausgebracht werden. (Kap. schen Stickstoffs als auch der Importfuttermittel und
2.4.1; Abb. 2.25). der Wirtschaftsdüngerüberschüsse angegangen wer-
den.
Auf unbewachsenen Böden bzw. Stoppel/Stroh sollte
die Einarbeitung parallel zur bzw. sofort nach der
Ausbringung erfolgen, da die Ausgasungsverluste zu 4.2.3.4 Herstellung und Ausbringung von
Beginn am höchsten sind. In einem Planzenbestand stickstoffhaltigen Mineraldüngern
sollte die Ausbringung durch Schleppschläuche, auf
Grünland durch Bodeninjektion (Gülleeinarbeitung, Die Emissionen bei der Herstellung sind sehr gering,
Narbeneinarbeitung, Narbendüngung oder Schlepp- die Anwendung trägt hingegen in Deutschland mit
fußsystem) erfolgen. Die bisherigen Breitverteilungs- 10 %, weltweit mit etwa 15 % zu den anthropogenen
systeme sollten wegen der sehr hohen Emissionen Ammoniakemissionen bei. Zur Reduzierung dieser
generell nicht mehr eingesetzt werden (Tab. 4.4). Emissionen ergeben sich folgende Optionen (Iser-
mann, 1994):
Die Ammoniakausgasung beim Weidegang ist prak-
tisch nicht zu beeinflussen, es sei denn durch aus- — Keine Anwendung alkalisch wirkender Stickstoff-
schließliche Stallhaltung. dünger bzw. Ammoniumdünger (z. B. Harnstoff,
Die Anwendung emissionsarmer (und zugleich tier Diammonphosphat, AHL, Ammoniumsulfat, Kalk-
artgerechter) Stallhaltungssysteme sowie Lagerungs- stickstoff), insbesondere mit Zusatz von Nitrifika-
tionshemmstoffen auf Böden mit -
und Ausbringungstechniken für Wirtschaftsdünger
sollten in bestehende Verordnungen und Gesetze — hohem pH-Wert (>7,0)
(Dünge-Verordnung, Gülle-Verordnungen, Kreis-
laufwirtschaftsgesetz etc.) integ riert und damit recht- — hohem Anteil an freiem Kalk
lich verbindlich vorgeschrieben werden. Beim Ge- — geringem Nährstoffbindungsvermögen (v. a.
nehmigungsverfahren für den Bau/Umbau von Stal- niedriger Kationenaustauschkapazität bei ton-
lungen und bei Investitionsförderungen sollten die und humusarmen Sandböden).
genannten Maßnahmen ebenfalls berücksichtigt bzw.
gefördert werden. Durch eine Optimierung der — Bei Anwendung alkalisch wirkender Stickstoff-
Gewinnung, Lagerung und Ausbringung von Wirt- dünger bzw. Ammoniumdünger, insbesondere mit
schaftsdüngern lassen sich die Ammoniakemissionen Zusatz von Nitrifikationshemmstoffen sollte unver-
(sowie die Emissionen von anderen stickstoffhaltigen zügliche Einarbeitung erfolgen.
Spurengasen und von Methan) bereits mit vergleichs- — Bedarfsorientierte N-Düngung.
weise geringem Aufwand um mindestens 50 % sen-
ken. Die langfristige Ausnutzung des Wirtschaftsdün-
ger-Stickstoffs durch die Kulturpflanzen würde sich
4.2.4 Maßnahmen zur Reduzierung von
von derzeit höchstens 30 % auf etwa 60 % erhöhen.
Kohlendioxidemissionen (CO 2)
Die Ausbringung von Mineralstickstoffdüngern
könnte allein hierdurch um die Hälfte reduziert wer-
Die Landwirtschaft ist in vielfältiger Weise mit dem
den (Isermann, 1994). Wie bereits im Zusammenhang
Kohlenstoffkreislauf verbunden und dadurch an der
mit der Abgabe/Steuer auf mineralische Stickstoff-
Freisetzung bzw. Einbindung von Kohlendioxid betei-
dünger (Kap. 4.2.2.2) bzw. mit der Bindung der
ligt.
Tierhaltung an die Fläche (Kap. 4.2.2.3) angesprochen
wurde, wäre eine Reduzierung des überhöhten Stick- — Die kohlenstoffhaltige organische Substanz in den
stoffeintrages am ehesten durch die Kombination Böden stellt eine wesentliche Kohlenstoffsenke
verschiedener Maßnahmen zu erzielen. So sollten die dar, die u. a. durch die landwirtschaftliche Boden-
verschiedenen Eintragsursachen durch eine gleich- bearbeitung beeinflußt wird.
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— Bei der Herstellung und Verwendung aller Vorlei- Verkehrs- und Siedlungsflächen oder durch Schad-
stungen für die landwirtschaftliche Produktion, stoffe und Altlasten aus Industrie, Verkehr und Kom-
beim Bau von Maschinen, Anlagen und Stallungen munen. Die steigenden Bodenbelastungen und -schä-
und dem Einsatz von Geräten wird in der Land- den machen den gesetzlichen Schutz der begrenzten
wirtschaft Energie verbraucht, die im allgemeinen Ressource Boden notwendig. Ein Bundes-Boden-
durch die Verbrennung von fossilen Energieträ- schutzgesetz ist bereits seit Jahren in Vorbereitung.
gern mit entsprechender CO 2 -Freisetzung bereit- Der vorliegende Entwurf (vom 22. September 1993)
gestellt wird. hat einen Altlasten- und einen Bodenschutzteil, in
denen vor allem die Sanierung vorhandener Altlasten
— Zugleich ist die Landwirtschaft aber in der Lage,
(Dekontamination, Sicherung, Nutzungsbeschrän-
nachwachsende Rohstoffe und Energieträger be-
kungen) und der Schutz vor neuen Einträgen toxi-
reitzustellen. Durch deren Nutzung können fossile
scher Stoffe berücksichtigt wird. Der Entwurf bleibt
Rohstoffe und Energieträger ersetzt werden. Die
weit hinter der Bodenschutzkonzeption der Bundesre-
Menge an Kohlendioxid, die bei der Verbrennung
gierung von 1985 zurück, in der die ökologischen
von pflanzlicher Biomasse freigesetzt wird, wurde
Funktionen des Bodens vorrangiger Schutzgegen-
vorher von den Pflanzen mit Hilfe der Sonnenener-
stand waren.
gie (Photosynthese) in die Biomasse eingebun-
den. Das Bodenschutzgesetz soll nicht angewandt werden,
solange inhaltliche Regelungen anderer Gesetze oder
Verordnungen (z. B. Vorschriften des Abfallgesetzes
4.2.4.1 Bodenschutz und Humuswirtschaft über das Ausbringen von Abwasser, Klärschlamm,
Fäkalien, Jauche, Gülle, Stallmist oder ähnlichen
In Kapitel 2.3.3 wurde ausführlich dargestellt, wie die Stoffen und den hierzu ergangenen Rechtsverordnun-
Inkulturnahme und intensive Bearbeitung von Böden gen; Vorschriften des Dünge- und Pflanzenschutzmit-
zum Humusabbau führt. Beim Abbau von organischer telrechts) eingehalten sind. Des weiteren steht der
Substanz wird Kohlenstoff (v.a. als CO 2) an die Atmo- Schutz der Bodennutzung gleichrangig neben dem
sphäre abgegeben und die Stabilität des Bodengefü- Schutz der natürlichen Funktionen des Bodens.
ges verringert. Zusätzliche Bewirtschaftungs- und
Bearbeitungsfehler beschleunigen die Erosion der Mögliche Schäden durch die landwirtschaftliche
Bewi rt schaftung der Böden spielen hier nur eine
Böden. Das Bodenmaterial wird mit den enthaltenen
Nährstoffen oberflächlich abgeschwemmt oder ver- untergeordnete Rolle. So muß die Landwirtschaft zur
weht und u. a. in Oberflächengewässer eingetragen. Erfüllung ihrer Pflichten lediglich „nach guter fachli-
cher Praxis" wirtschaften und Bodenschädigungen
Da der Substanzverlust der Böden die Bodenneubil-
„so weit wie möglich" vermeiden, was aber auch hier
dung häufig übersteigt, degradieren die Böden bis
nicht näher präzisiert wird. Bodenbelastungen durch
keine weitere pflanzenbauliche Nutzung möglich
ist. Pflanzenschutzmittel, Düngemittel und organische
Abfälle klammert der Entwurf aus. Andererseits sind
Die Degradierung der Böden erfolgt in der Landwirt- Ausgleichszahlungen für Landwirte vorgesehen,
schaft auch durch wenn sie durch nicht von ihnen verschuldete Boden-
schäden (z. B. Schwermetallbelastung) Anbauein-
— die Versauerung durch Nährstoffeintrag und
schränkungen hinnehmen müssen 5). Ein Finanzie-
Deposition von Luftschadstoffen,
rungsmechanismus fehlt jedoch ebenso wie die
— den Eintrag von Schwermetallen und toxischen Berücksichtigung von Summations- und Distanzschä-
Stoffen durch Pestizide, überhöhte Düngung oder den (z. B. durch verkehrsbedingte Emissionen).
belastete Siedlungsabfälle,
Folgende Bodenschutzaspekte könnten zugunsten
— die Übernutzung bzw. Überweidung der Böden, einer nachhaltigen Bewi rt schaftung der Böden sowie
aus Gründen des Klima- und Umweltschutzes Ein-
— die Versalzung aufgrund unsachgemäßer Bewäs-
gang in das Bodenschutzgesetz, eine Erosionsschutz-
serung.
Verordnung oder in die entsprechenden Ausfüh-
Ein wichtiger Aspekt des Bodenschutzes ist der dau- rungsverordnungen der Länder finden (Burdick,
erhafte Schutz von Dauergrünlandflächen. In der 1994):
Vergangenheit kam es im Vorfeld von Stillegungs-
— Berücksichtigung diffuser Belastungen durch Ein-
und Extensivierungsprogrammen häufig zu einem
träge aus der Atmosphäre;
verstärkten Umbruch von Grünlandflächen, die
anschließend unter Mitnahme der Subventionen wie- — Reduzierung des Schadstoffeintrags in benach-
der stillgelegt oder begrünt wurden. Aufgrund der barte Ökosysteme (Böden/Grundwasser/Oberflä-
wesentlich höheren Humusgehalte in Grünlandböden chengewässer) durch Verringerung von Düngung
belastet der Umbruch den Naturhaushalt in zweierlei und Pflanzenschutzmitteleinsatz bzw. Auflagen
Hinsicht. Es kommt zu einem raschen und deutlichen zur emissionsarmen Ausbringung (in Abstimmung
Humusabbau mit entsprechender CO 2 -Freisetzung. mit entsprechenden Änderungen der/des Dünge-
Der Boden verliert an Stabilität und Nährstoffbin- verordnung (ehemals Düngemittelanwendungs-
dungsvermögen, so daß es zusätzlich zu teilweise Verordnung bzw. Gülle-Verordnungen), Wasser-
erheblichen Stickstoffverlagerungen (Nitratauswa-
schung ins Grundwasser) kommt. 5) Für mögliche Schäden durch die Anwendung von Klär-
schlämmen ist eine Entschädigungsregelung durch einen
Außerhalb der Landwirtschaft drohen den Böden Haftungsfonds seitens der Klärschlammproduzenten im
Gefahren durch die zunehmende Versiegelung mit Kreislaufwirtschaftsgesetz vorgesehen.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
haushaltsgesetzes, Kreislaufwirtschaftsgesetz, Ab- Haber-Bosch-Synthese je Tonne Stickstoff 4 t CO 2 in
fallgesetzes etc.); die Atmosphäre. Die Landwirtschaft ist in Deutsch-
land zu etwa 4 % am Energieverbrauch bzw. an der
— Bewirtschaftungsauflagen zur Verbesserung der
entsprechenden CO 2 -Freisetzung aus fossilen Ener-
Bodenstruktur und der Wasser-/Nährstoffkapazi-
gieträgern beteiligt (Kap. 2.3.4). Es sind daher auch im
tät durch Zufuhr an organischer Substanz (Grün- Bereich der Landwirtschaft alle Möglichkeiten zur
düngung, Stallmistdüngung, Feldfutterbau), Kal Einsparung fossiler Energieträger zu ergreifen. Die
kung und Vermeidung von Bodenverdichtungen; Verbrauchssenkung könnte erfolgen durch:
— Verbot der ackerbaulichen Nutzung von Hängen
— eine Verbesserung des Wirkungsgrades (Heizung,
über 12 % Gefälle (Grünlandnutzung bzw. Verbot
Verkehr, Maschineneinsatz, Herstellung der Be-
des Grönlandumbruchs);
triebsmittel) und/oder
— Pflicht zu ganzjähriger Bodenbedeckung, Unter-
— den Verzicht auf bestimmte Leistungen/Betriebs-
saaten, Mulchsaat, Direktsaat, Minimalbodenbe-
mittel.
arbeitung, pfluglose Bodenbearbeitung, Zwi-
schenfruchtbau, Reduzierung bzw. Verbot des Durch verschiedene nationale und EU-Strukturpro-
Anbaus von Mais, Zuckerrüben und Hopfen sowie gramme (z. B. Investitionsbeihilfen im Rahmen der
Einschränkung der Unkrautbekämpfung in er- Gemeinschaftsaufgabe) bzw. spezifische Energie-
osionsgefährdeten Lagen, Pflicht zur Begrünung sparförderprogramme (JOULE, THERMIE, SAVE)
von steilen Hängen im Weinbau; werden bereits Investitionen in den effizienteren
Energieeinsatz, in die Energieeinsparung sowie in die
— Hanglinienparalleler Streifenanbau, Einsaat von
Nutzung regenerativer Energien gefördert. Hierunter
Getreideeinzelreihen oder Getreidestreifen in
fallen beispielsweise Maßnahmen wie der Ersatz
erosionsgefährdeten Kulturen; Vorgeschriebene
veralteter Heizungssysteme, verbesserte Wärmedäm-
Bearbeitungsrichtung am Hang quer zum Gefälle
mung an Gebäuden im landwirtschaftlichen Bereich
(bis zu einer Hangneigung von höchstens 12 Pro-
oder der Aufbau von Biogasanlagen. Diese Maßnah-
zent);
men könnten verstärkt gefördert werden.
— Verkleinerung der Schläge, Anlage bzw. Erhalt
von Stufenrainen und Ackerterrassen bei der Flur- Durch eine generelle Extensivierung der landwirt-
bereinigung; schaftlichen Produktionsweise wäre vermutlich die
deutlichste Reduzierung des Energieeinsatzes in der
— Bearbeitungsrichtung quer zur Hauptwindrich- Landwirtschaft zu erreichen. Die verschiedenen Maß-
tung; nahmen zur Verringerung bzw. zum Verzicht des
— Aussaat und Anpflanzung von Grasstreifen und Betriebsmitteleinsatzes und zur Reduzierung der Pro-
Hecken als Windschutzstreifen alle 200 bis 300 m duktions- bzw. Bearbeitungsintensität wurden bereits
quer zur Hauptwindrichtung. ausführlich dargestellt. Im Falle einer flächendecken-
den Extensivierung durch weitgehende Reduzierung
Durch geeignete Bewirtschaftungsmaßnahmen wird des Mineraldünger- und Pflanzenschutzmitteleinsat-
die Bodenfruchtbarkeit dauerhaft erhalten. Zugleich zes und der Futtermittelimporte wäre die oben
kann die organische Substanz bzw. der Humusgehalt genannte CO 2 -Freisetzung aus der Landwirtschaft,
der Böden deutlich erhöht und dadurch zusätzliches selbst unter der Annahme eines erhöhten Aufwandes
Kohlendioxid aus der Atmosphäre dauerhaft in Böden für mechanische Pflegemaßnahmen, auch nach vor-
gebunden werden. Diese Möglichkeit ist zwar eindeu- sichtiger Schätzung um mindestens ein Drittel gerin-
tig gegeben, darf jedoch nicht überbewertet werden. ger (Smukalski u. a., 1992). Legt man die Ergebnisse
Die Erhaltung und Förderung möglichst hoher der aktuellen Studie von Haas und Köpke (1994)
Humusgehalte in den Böden ist weniger aus Klima- zugrunde, die im Auftrag der Enquete-Kommission
schutzgründen, als vielmehr wegen der zentralen erstellt wurde, so liegt der Energieverbrauch und
Bedeutung des Humus für die Bodenfruchtbarkeit, die damit die CO 2 -Emissionen je Flächeneinheit bei der
Bodenstabilität und das Nährstoff- und Wasserbin- Bewirtschaftung nach den Regeln des ökologischen
dungsvermögen der Böden anzustreben. Maßnah- Landbaus (6,6 GJ/ha bzw. 0,54 t CO 2/ha) sogar um
men, die auf eine reduzierte Bodenbearbeitung zie- zwei Drittel unter dem Energieverbrauch bzw. den
len, führen sowohl zu einer Stabilisierung des Boden CO2 -Emissionen bei konventioneller Bewirtschaftung
humusgehaltes als auch zu niedrigerem Treibstoffver- (19,4 GJ/ha bzw. 1,4 t CO 2/ha). Die Erträge des
brauch in der Landwirtschaft. ökologischen Landbaus liegen dabei im Mittel nur um
- 10 bis 30 % unter denen der konventionellen Wirt-
schaftsweise (Kap. 2.3.4) (Haas u. Köpke, 1994).
4.2.4.2 Senkung des Energieverbrauchs
in der Landwirtschaft In diesem Zusammenhang ist auch der Abbau/Umbau
der Subventionierung des Treibstoffeinsatzes im
Die Landwirtschaft verbraucht in wachsendem Maße Bereich der Landwirtschaft zu erwägen. Hierzu zäh-
fossile Energieträger direkt als Treibstoffe oder zur len vor allem die Gasölverbilligung (Subventionie-
Heizung und indirekt durch den Energieverbrauch rung des Dieseltreibstoffs) und die Steuerbefreiung
bei der Herstellung und Bereitstellung der Betriebs- landwirtschaftlicher Nutzfahrzeuge. Durch eine Steu-
mittel (Dünge- und Pflanzenschutzmittel, Futtermit- erbefreiung für Kraftstoffe aus nachwachsenden Roh-
telimport, Maschinen, Gebäude etc.). Beispielsweise stoffen und/oder eine entsprechende Umwidmung
gelangen bei der besonders energieintensiven Her- der Gasölverbilligung könnte der Treibstoffeinsatz in
stellung von mineralischen Stickstoffdüngern in der der Landwirtschaft u.U. weitgehend auf nachwach-
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sende Basis umgestellt werden. Im Jahr 1992 beliefen Rest- und Abfallstoffe, Leckagen etc. aus der Herstel-
sich die nationalen Ausgaben für die Gasölverbilli- lung und Anwendung nachwachsender Rohstoffe und
gung auf 877 Mio. DM und die steuerlichen Minder- Energieträger belasten den Naturhaushalt im Allge-
einnahmen aufgrund der Kfz-Steuerbefreiung auf meinen weit weniger. Zudem gibt es positive Wirkun-
etwa 680 Mio. DM. Im Hinblick auf den gemeinsamen gen (Fruchtfolgeauflockerung, Landschaftsbild, Ein-
Binnenmarkt wäre auch eine Harmonisierung des kommenssicherung etc.) durch die Einführung neuer
Steuersatzes für Dieselkraftstoff (Tab. 4.5) wün- Kulturarten, die als nachwachsende Rohstoffe und
schenswert, wobei dieser zur Internalisierung der Energieträger dienen. Hier bieten sich der Landwirt-
externen Kosten des Kraftstoffverbrauchs auf einem schaft mehrere Optionen (Schoedder, In: Sauerbeck u.
höherem Niveau liegen sollte (UBA, 1993). Brunnert, 1990):
— Anbau von Rohstoffpflanzen, deren komplexe
Tabelle 4.5 organische Wertstoffe bisher energieaufwendig
synthetisierte fossile Rohstoffe ersetzen können;
Einkaufspreise der Landwirtschaft
— direkte energetische Verwertung organischer
für Dieselkraftstoff in den
Reststoffe aus der Land- und Forstwirtschaft (Ver-
EU-Mitgliedstaaten (UBA, 1993)
brennung von Stroh und Abfallholz);

Preis in DM/Hektoliter — energetische Verwertung organischer Reststoffe


Land
(1991) der pflanzlichen und tierischen Produktion nach
Konversion (Biogas aus pflanzlichen Rest- und
Belgien 37,74 Abfallstoffen, Tierexkrementen und biogenen
Dänemark 46,42 Siedlungsabfällen);
Deutschland 53,72 — gezielter Anbau nachwachsender Energieträger
Griechenland 71,04
— zur direkten Verbrennung;
Frankreich 66,17
— zur Biogassynthese;
Italien 48,48
Luxemburg 44,97 — zur Gewinnung von Kraftstoffen (Pflanzenöl,
Ethanol, Methanol, Rapsmethylesther).
Niederlande 54,36
Großbritannien 52,08 Grundsätzlich unterscheidet sich der Anbau nach-
wachsender Rohstoffe und Energieträger nicht vom
Anbau anderer landwirtschaftlicher Kulturpflanzen.
Die Bewertung von nachwachsenden Rohstoffen
Erhebliche Energiesparpotentiale ergeben sich auch erfordert aber eine differenzierte Betrachtung und
durch Veränderungen in den Ernährungsgewohnhei- Abwägung ihrer Wirtschaftlichkeit und ihres Subven-
ten, insbesondere durch den Rückgang des teilweise tionsbedarfs, der Energiebilanzen und CO 2 -Minde-
überhöhten Fleischkonsums sowie durch die Berück- rungspotentiale und -kosten sowie weiterer Umwelt-
sichtigung der saisonalen und regionalen Produk- und Klimawirkungen. Daneben sind die mittel- und
tionsmöglichkeiten und den Verzicht auf extrem ener- längerfristigen Marktperspektiven und Flächenpo-
gieintensive Anbauverfahren (Gewächshausanbau) tentiale von Bedeutung.
oder weite Transportwege. Der Abschlußbericht der
Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre",
der im Spätsommer/Herbst 1994 erscheinen wird,
Nachwachsende Rohstoffe
wird in einem Kapitel zum Thema Landwirtschaft und
Ernährung auf die Einsparpotentiale im Ernährungs-
Derzeit werden in Deutschland (ABL+NBL) auf etwa
sektor näher eingehen.
210 000 ha LF nachwachsende Rohstoffe angebaut.
1990 wurden in Deutschland 440 000 t pflanzliche Öle
und Fette industriell weiterverarbeitet, vor allem für
4.2.4.3 Anbau nachwachsender Rohstoffe und
die Produktion von Waschrohstoffen. Aufgrund von
Energieträger
spezifischen Anforderungen (Länge der Fettsäureket-
ten) und von Preisvorteilen wurden 80 bis 90 %
Nachwachsende Rohstoffe und Energieträger können
importiert, v.a. Palmöl, Palmkernöl und Kokosöl. Die
einen positiven Beitrag auf dem Weg hin zu einer
züchterische Veränderung des Fettsäuregehaltes und
nachhaltigen Wirtschaftsweise leisten. Aus nach-
-musters in hiesigen Kulturpflanzen könnte in Verbin-
wachsenden Rohstoffen hergestellte Produkte und
dung mit der anschließenden chemischen Verände-
nachwachsende Energieträger ersetzen nicht-erneu-
rung der Substanzen neue Marktpotentiale erschlie-
erbare und damit nur begrenzt verfügbare fossile
ßen (Wintzer u. a., 1992).
Rohstoffe und Energieträger. Angesichts der Über-
schüsse auf dem Agrarmarkt wäre es mit dem Ziel der Von besonderem Interesse ist die technische Verwen-
Nachhaltigkeit weit eher zu vereinbaren, bei extensi- dung pflanzlicher Ole für Schmierstoffe und als
ver Bewirtschaftung nachwachsende Rohstoffe und Hydraulikflüssigkeiten, v.a. in umweltsensiblen Be-
Energieträger anzubauen als weiterhin intensiv Nah- reichen (z. B. Kettensägenschmierung, Treib- und
rungsmittelüberschüsse zu produzieren, die energie- Schmierstoffe für Bootsmotoren). Hierdurch könnten
aufwendig gelagert werden, den Weltmarkt belasten in Deutschland mittelfristig 80 000 bis 240 000 t Rapsöl
oder am Ende gar vernichtet werden. pro Jahr abgesetzt werden. Die Verwendung fossiler
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Tabelle 4.6

Mittelfristiges Verwendungspotential und Flächenbindung für nachwachsende Rohstoffe


zur chemisch-technischen Verwendung in Deutschland (Wintzer u. a., 1992)

Verwendungspotential 2005 (in 1 000 t)


Flächenbindung 2005
inländisch (in 1 000 ha)
insgesamt
angebaut

Stärke 900-1 700 900-1 700 180-340


Pflanzliche Öle 725— 910 275— 610 190-420
— technische Verwendung 80— 240 80— 240 50-150
— Oleochemie 615— 620 165— 320 100-200
— (erucasäurereiches Öl) (15— 20) (15— 20) (10)
— Leinöl 30— 50 30— 50 40— 70
Zucker 60— 100 60— 100 7— 12
Pflanzenfasern (Flachs) 85— 120 40— 60 20— 30
Arznei-/Gewürzpflanzen 10— 15
Lignocelluloseträger
1 000-7 000 1 ) —1)
(zusätzlicher Bedarf)

Summe Flächenbedarf 2 )
— bei intensiver Produktion 410-820
— bei extensiver Produktion 3 ) 480-960

1) Kann vermutlich überwiegend über die zusätzliche Nutzung von Industrierestholz und Waldrestholz gedeckt werden.
2) Derzeit werden in der BRD (inkl. NBL) bereits rd. 210 000 ha LF für den Anbau von Nachwachsenden Rohstoffen genutzt.
3) Ausgehend von eigenen Schätzungen wurde ein durchschnittlicher Ertragsrückgang von rd. 15 % und somit ein entsprechend
höherer Flächenbedarf unterstellt.

Rohstoffe und die mit dem Abbau bzw. der thermi- energieintensiven Verarbeitung der nachwachsen-
schen Entsorgung des Altöls verbundene CO 2 -Frei- den Rohstoffe berücksichtigt werden, zum anderen ist
setzung könnten entsprechend verringert werden. kompostierbare Biomasse im Überschuß vorhanden,
Pflanzliche Öle sind zudem besser biologisch abbau- so daß die Verwertung bereits ein Problem darstellt.
bar (geringere Boden- und Gewässerbelastung bei Es ist daher nicht sinnvoll, Massenkunststoffe durch
Leckagen, Verlustschmierung etc.). Zur Erschließung biologisch abbaubare zu ersetzen (Wintzer u. a.,
dieses Substitutionspotentials sollten die Kosten- und 1992). Der Einsatz sollte sich auf bestimmte Nischen
Wettbewerbsnachteile gegenüber fossilen Mineralöl- beschränken, die nach dem Einsatz von Mehrwegver-
produkten durch deren finanzielle Belastung, durch packungen und der Recyclierung sortenreiner Kunst-
die finanzielle Honorierung der Umweltvorteile nach- stoffverpackungen noch verbleiben.
wachsender Produkte und/oder durch entsprechende
Verwendungsgebote und -verbote gefördert bzw. Auf den Einsatz von Holz als nachwachsenden Roh-
erreicht werden (Wintzer u. a., 1992). stoff geht Kap. 7.4.2 (Abschnitt C) näher ein. Das
mittelfristige Verwendungspotential und die entspre-
Ein anderer wichtiger nachwachsender Rohstoff ist chende Flächenbindung nachwachsender Rohstoffe
die Stärke. 1990 wurden in Deutschland 530 000 t gehen aus Tab. 4.6 hervor.
Stärke und Folgeprodukte im chemisch-technischen
Bereich eingesetzt. Der wichtigste Verwendungsbe-
reich (350 000 t/Jahr) ist die Papier- und Pappeherstel-
lung. Mittelfristig kann für diesen Bereich von einem Nachwachsende Energieträger
Bedarf von 500 000 bis 700 000 t ausgegangen wer-
den. Neue Absatzchancen für Stärke eröffnen sich Derzeit trägt Biomasse weltweit mit 15 bis 20 % zur
durch die Herstellung biologisch abbaubarer Kunst- Primärenergieversorgung bei. In den Industrielän-
und Verpackungsstoffe. Der Vorteil der biologischen dern liegt der Anteil bei durchschnittlich 3 % (USA
Abbaubarkeit ist jedoch nur dann überzeugend, wenn 4 %, Schweden, 9 %, Österreich 15 %), in den Entwick-
eine Recyclierung oder eine thermische Nutzung lungsländern bei durchschnittlich 38 % — in Einzel-
bisheriger fossiler Produkte nicht oder nur unter fällen bis über 90 %. Der Anteil in Deutschland liegt
hohem Aufwand möglich ist. Zum einen müssen die bei nur 1 %, vorwiegend aus der Müll- und Klär-
ökologischen Belastungen aus dem Anbau und der schlammverbrennung (IMA-NR, 1993). Eine frühere
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Tabelle 4.7

Vergleich des Einsatzes von Rapsöl und Miscanthus als Energieträger (Wintzer u. a., 1992)

Rapsöl Miscanthus
(als Kraftstoff oder als Heizöl) (Pellets in 25 MW e -HKW-Anlage)

Gegenwart 2005 1 ) Gegenwart 2005 1 )

Energieertrag (H u) [MWh/ha] 10 — 14 14— 20 65-120 75-155


Prozeßenergiebedarf [% von H u ] 32 — 44 21 — 29 11 — 17 10 — 16
Netto CO 2 -Entlastung [t CO2/ha] 1,7— 2,7 3— 4 23— 43 29— 49
Schwellenpreis für Heizöl 2 ) . . [DM/MWh] 120 — 0 85-145 75 —100 54 — 78
Subventionsbedarf 2 ) 3 ) [DM/MWh] 50 — 0 25— 75 55— 85 10— 40
CO 2 -Minderungskosten 2 ) 3 ) .. [DM/t CO 2 ] 350 —450 185-285 150-240 30-120

Anmerkung: 1 MWh entspricht dem Heizwert (Hu) von 100 1 Heizöl


1) Projektionen unter Veranschlagung technischer Fortschritte und mäßiger Energiepreissteigerungen von 20 $ auf 30 $/barrel
Rohöl
2) HKW-Stromerlöse sind aus Importkohlepreisen (Gegenwart: 122,— DM/t SKE; 2005: 195,— DM/t SKE) abgeleitet; entfallene
EG-Marktordnungskosten wurden verrechnet (Gegenwart: 1500,— DM/ha; 2005: 1000,— DM/ha)
3) Ohne Veranschlagung von Steuern (MWSt, Energiesteuern) oder sonstigen Abgaben auf fossile Energieträger

Initiative der Enquete-Kommission „Schutz der Erdat- Aufwand) ohnehin höchstens ein bis wenige Prozent
mosphäre" zur verstärkten thermischen Nutzung von der fossilen Treibstoffe durch Rapsmethylesther
Biomasse wurde von der Bundesregierung positiv ersetzt werden. Das Treibhausgaspotential könnte
aufgenommen. bestenfalls um wenige Promille gesenkt werden.
Wesentlich günstiger wäre dagegen die Weiterent-
Mögliche CO 2 -Einsparpotentiale sind differenziert zu wicklung und Einführung von Motoren für landwirt-
betrachten. Die Nutzung nachwachsender Energie- schaftliche Maschinen und Traktoren, die direkt
träger führt nicht zu einem vollständig geschlossenen unverestertes Rapsöl nutzen können. Das Rapsöl
CO2 -Kreislauf, da bei festen Energieträgern (Stroh, könnte in kleinen dezentralen, überbetrieblich zu
Holz) 5 bis 15 %, bei flüssigen Energieträgern (z. B. nutzenden Anlagen gewonnen werden. Die Land-
Rapsöl) bereits 30 bis 50 %, bei einer aufwendigen wirte könnten „ihren Treibstoff auf dem eigenen
Nachbehandlung (Ethanol, Methanol, Rapsmethyl- Acker erzeugen".
esther) sogar noch höhere Anteile des Gesamtener-
gieertrages des Erntegutes bzw. Energieträgers als Wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll ist unter derzei-
Fremdenergie in Form von Betriebsmitteln für die tigen Rahmenbedingungen nur die direkte Verbren-
Produktion und Weiterverarbeitung eingesetzt wer- nung fester Energieträger, insbesondere ohnehin vor--
den müssen (Wintzer u. a., 1992). Dies zeigt beispiel- handener Rest- und Abfallstoffe (Stroh, Schwach-
haft der folgende Vergleich zwischen Rapsöl und bzw. Abfallholz etc.). Deren vergleichsweise geringe
Chinaschilf (Miscanthus). Wenn auch die CO 2 -Bilanz Energiedichte erfordert jedoch eine raumintensive
im Allgemeinen positiv ist, kann dieser Vorteil je nach Vorratshaltung oder eine kontinuierliche Nachliefe
Anbauintensität durch die zusätzliche Freisetzung rung. Der Transport darf dabei nur kleinräumig erfol-
u. a. von N2O -Emissionen als Folge der Stickstoffdün- gen, da sich sonst die Energiebilanz drastisch ver-
gung teilweise oder vollständig kompensiert wer- schlechtert. Die Verwertung erfolgt am sinnvollsten in
den. kleinen bis mittleren dezentralen Blockheizkraftwer-
ken im ländlichen Raum. Die Holzverfeuerung wird
Die Energiebilanz verschlechtert sich mit steigendem derzeit in Deutschland in mehreren Kleinanlagen (im
Aufwand für die Produktion bzw. den Anbau und die Hausbereich bzw. in holzverarbeitenden Betrieben)
nachfolgende Weiterverarbeitung sowie den Trans- sowie in acht größeren Kraftwerken mit einer Gesamt-
port. Dieser Aufwand ist bei der Herstellung von leistung von 75 MW durchgeführt. In Österreich gibt
Ethanol aus Zuckerrüben, Methanol aus stärkehalti- es z.Zt. 360 Anlagen im Megawatt-Bereich — in der
gen Pflanzen oder Rapsmethylester (RME) als Treib- Regel mit Hackschnitzelverfeuerung — mit einer
stoff besonders hoch, so daß deren Anbau, Herstellung Gesamtleistung von 1400 MW (IMA-NR, 1993). Im
und Verwendung weder ökonomisch noch ökologisch Bereich der Strohverfeuerung gibt es in Deutschland
tragbar sind. Die notwendigerweise hohe Subventio- einige Anlagen im KW-Bereich. In Thüringen wurde
nierung des Anbaus und der Verwendung dieser 1993 eine Anlage mit 3,15 MW in Betrieb genommen.
nachwachsenden Energieträger erscheint daher nicht In Dänemark dagegen gibt es mehr als 50 Anlagen mit
sinnvoll. Die Bereitstellungskosten liegen derzeit bei Strohverfeuerung im MW-Bereich. Ein wichtiger
etwa 2,— DM/1 RME bzw. 0,40 DM/1 Diesel (vor Grund hierfür ist der wesentlich höhere Heizölpreis in
Steuern). Selbst bei erheblicher — ökologisch Dänemark, der seit der zweiten Ölkrise zu Beginn der
bedenklicher — Erweiterung der Raps-Anbauflächen achtziger Jahre auf über einer DM je Liter gehalten
in Deutschland könnten (mit hohem logistischem wurde.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Tabelle 4.8

Vorschlag zu den Umsetzungsstrategien entweder als Brennstoffe


oder umgewandelt zu Biogas in relativ kleinen Heizkraftwerken

Potentiale in PJ
Material
e rw artet erwartet
Nutzart techn. 1990 genutzt
bis 2005 bis 2050

Holz-Abfälle Verbrennung 100 1 40 60


Überschuß-Stroh Verbrennung 100 1 20 100
Müll Verbrennung 75 9 10 10
Biogas — 20 40
Gülle, Mist Biogas 60 0,002 30 60
Grünabfälle Biogas 15 5 10
Klärschlämme Biogas 30 0,2 20 30

nachwachsende einjährige Pflanzen


(auf 4 % Landwirtschaftsfläche) Verbrennung 120 — 20 120
und Biogas
nachwachsendes Holz
(20 % jährlicher Einschlag) Verbrennung 40 — 10 40

Gesamt 540 11 175 470

Diese Potentiale könnten genutzt werden zur Erzeu- schlamm, Müllkompost etc.) sollte weitestgehend ver-
gung von elektrischer Energie und Heizwärme: mieden werden, um deren Rückführung in die land-
wirtschaftlichen Stoffkreisläufe im Sinne einer regio-
bis 2005 bis 2050 nalen Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen (Burdick,
1994). Hierzu wäre eine möglichst lückenlose Kon-
% % trolle der organischen Substanz, die Erfassung der
heutige heutige
PJ
Bedin-
PJ Schadstoffquellen sowie deren Beseitigung notwen-
Bedin-
gungen gungen dig.
Aufgrund der angestrebten Reduzierung des Mineral-
elektrische düngereinsatzes sollten Wirtschaftsdünger, aber auch
Energie .. 50 3 140 9 Siedlungsabfälle (Klärschlamm, Müllkompost etc.)
Heiz- künftig besser als organische Dünger eingesetzt wer--
wärme ... 100 3 260 8 den, statt sie zu verbrennen oder in Biogas umzuwan-
deln. Neben den logistischen Voraussetzungen (ge-
trennte Sammlung etc.) ist hierfür eine Haftungsrege-
Unter Abwägung der Vor- und Nachteile bzw. der
lung möglich, die die Landwirtschaft vor Folgeschä-
verschiedenen Umweltbelastungen ist unter derzeiti-
den (Bewirtschaftungsauflagen, -verbote) eines
gen Rahmenbedingungen der Vergasung der Gülle in
Schadstoffeintrages durch Siedlungsabfälle schützt.
Biogasreaktoren der Vorzug vor der häufigen Über-
Im Rahmen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes wurde
güllung mit entsprechenden Auswirkungen auf
ein solcher Haftungsfond, getragen von den Klär-
Böden, Klima und Grundwassers zu geben (Kap.
schlammproduzenten, zunächst für Klärschlamm be-
4.2.1.4). Sollte es zu einer konsequenten Flächenbin-
schlossen. Zusätzlich müssen aufgrund der TA Sied-
dung der Tierhaltung kommen, wird es keine regio-
lungsabfall künftig jährlich 8 bis 10 Mio. t organische
nalen Überschüsse an Wirtschaftsdüngern oder Gülle
Siedlungsabfälle (z.Zt. 1,2 Mio. t) kompostiert werden.
mehr geben. Der Erhalt der Bodenfruchtbarkeit erfor-
Die sich daraus ergebenden etwa 4 bis 5 Mio. t
dert zudem eine weitgehend verlustfreie Rückfüh-
Kompost wären wegen ihrer Düngewirkung am sinn-
rung der Nährstoffe und der organischen Substanz in
vollsten in der Landwirtschaft zu verwerten. Vorbe-
den tierischen Exkrementen und pflanzlichen Rest-
dingung wäre aber die weitgehende Vermeidung der
stoffen zurück in die Böden. Die Nachlieferung orga-
Schadstoff- und Schwermetallbelastungen in den
nischer Substanz in die Böden muß in Zukunft sogar
Siedlungsabfällen. Zusätzlich sollte analog auch ein
noch steigen, um bei höherer Temperatur und rasche-
Kompost-Haftungsfonds geschaffen werden.
rer Mineralisierung die Humusgehalte in den Böden
stabil halten zu können. Stroh ist zudem unabdingbar Der gezielte Anbau nachwachsender Energieträger
notwendig für die anzustrebende Stallmistwirtschaft ist derzeit weder ökonomisch noch ökologisch tragfä-
und kommt ebenfalls über die Wirtschaftsdünger hig, vor allem dann nicht, wenn sich eine Weiterver-
zurück in die Böden. Die unerwünschte Schadstoffbe- arbeitung (Biogassynthese, Gewinnung flüssiger
lastung der organischen Siedlungsabfälle (Klär Kraftstoffe) anschließt. Sinnvoll ist die Anwendung
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

nur in bestimmten Teilbereichen, beispielsweise die Die Land- und Forstwirte bearbeiten und gestalten
Verwendung solcher Treibstoffe in umweltsensiblen mehr als 80 der Landflächen in Deutschland. Die
Bereichen (z. B. Land- und Forstwirtschaft). Nach hierbei erbrachten positiven ökologischen Leistungen
derzeitigem Forschungsstand ist selbst der am ehe- (Kap. 1.2.2), so insbesondere
sten wirtschaftliche Anbau von Festbrennstoffen öko-
— der Beitrag zur Erhaltung der heutigen Arten- und
logisch bedenklich, da hohe Trockenmasseerträge
Biotopvielfalt,
(Miscanthus, schnellwachsende Baumarten) nur bei
ausreichend hoher und kontinuierlicher Wasser- und — die Schutz-, Filter- und Reinigungswirkungen für
Nährstoffversorgung auf guten bis sehr guten Acker- Wasser, Luft und Böden sowie
standorten gewährleistet sind. Die Flächen würden
— die Pflege und Erhaltung der landwirtschaftlich
aber bei derzeit nicht abschätzbarem Investitions- und
geprägten Kulturlandschaft 6 )
Ertragsrisiko für 10 bis 15 Jahre gebunden (Flaig u.
Mohr, 1993). wurden früher als kostenlose Koppelprodukte der
Bewirtschaftung erbracht. Im Zuge des massiven
Durch das Anfang 1991 in Kraft getretene Stromein-
Strukturwandels und der wirtschaftlichen Entwick-
speisungsgesetz wird für Strom, der aus regenerativen
lung hat sich zunehmend eine Konkurrenzsituation
Energieträgern erzeugt und in das öffentliche Netz
zwischen der Produktion marktgängiger, entlohnter
eingespeist wird, eine erhöhte Vergütung gewährt.
Agrarprodukte und nicht marktfähiger, ökologischer
Diese Vergütung beträgt bei der Nutzung land- und
Leistungen herausgebildet. Daher ging die „kosten-
forstwirtschaftlicher Biomasse mindestens 75 % und
lose" Bereitstellung dieser Leistungen in den letzten
bei der Nutzung von Sonnenenergie und Windkraft
Jahrzehnten deutlich zurück (Bauer, 1993 b). Unter
mindestens 90 % des durchschnittlichen Stromerlös
den ' derzeitigen agrarmarktpolitischen Rahmenbe-
preises. Der Anreiz für die Stromgewinnung aus
dingungen ist der zumeist intensiv geführten Land-
Biomasse könnte jedoch noch verbessert werden,
wirtschaft eine ökonomische Produktion unter Be-
indem die Vergütung für Biomasseenergie minde-
rücksichtigung ökologischer Belange kaum mehr
stens auf das Niveau der Vergütung für Strom aus
möglich. Gleichzeitig wachsen die Probleme der Poli-
Sonnen- und Windenergie angehoben würde (BML u.
tik, die Einkommenstransfers an die Landwirte gegen-
BMU, 1993).
über der Gesellschaft weiterhin zu rechtfertigen. Die
Die Wettbewerbsnachteile der nachwachsenden Roh- in der Agrarreform vereinbarten Ausgleichszahlun-
stoffe und Energieträger bzw. allgemein der regene- gen werden auch aus diesem Grund in derzeitigem
rativen Energien könnten durch die Einführung einer Umfang kaum langfristig aufrecht erhalten werden
CO 2 -/Energiesteuer ausgeglichen werden, von der — können.
je nach Ökobilanz — auch andere regenerative Ener-
Ein Lösungsweg eröffnet sich in einer extensiveren
gieträger auszunehmen sind. Die Verteuerung des
Bewirtschaftung, durch die sowohl die Umweltbela-
Verbrauchs fossiler Energieträger würde auch der
stungen und Treibhausgasemissionen aus der Land-
Internalisierung der externen Kosten und Umweltbe-
wirtschaft als auch die Erträge und damit die Über-
lastungen und damit der konsequenten Förderung
schußproduktion gesenkt werden könnten. Bei exten-
einer nachhaltigen Wirtschaftsweise dienen. Durch
siver Bewirtschaftung und gewolltermaßen sinken-
eine entsprechende Gestaltung der politischen und
den Erträgen entstehen den Landwirten entspre-
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen könnten mit-
chende Einkommensverluste. Die Landwirte dürfen
tel- bis langfristig deutlich höhere Anteile des Ener- -
jedoch nicht — wie bisher — dafür entschädigt wer-
giebedarfs allein aus der Biomassenutzung gedeckt
den, daß sie in ihren Rechten bzw. in ihrem Ertrags-
werden.
potential eingeschränkt wurden, vor allem nicht,
Gemeinsam mit dem konsequenten Ausbau aller wenn dabei große Teile der Landwirtschaft weiterhin
regenerativen Energien und der Energieeinsparung umweltbelastend produzieren. Statt dessen müssen
— auch durch einen effizienteren Einsatz in der die positiven ökologischen Leistungen umweltgerecht
Landwirtschaft — wäre langfristig ein vollständiger wirtschaftender Landwirte, die über die Produktion
Ersatz der fossilen Energieträger möglich. von Nahrungsmitteln weit hinausgehen, von der
Gesellschaft anerkannt und den Landwirten ange-
messen vergütet werden (Burdick, 1994). Diese Ver-
4.2.5 Rahmenbedingungen zur Gestaltung einer
gütung kann sowohl am (Binnen-)Markt über stei-
nachhaltigen Landbewirtschaftung

Keine der gegenwärtig in Deutschland bzw. Europa 6DerEhaltdKu)nscfialerRgn


vorliegenden Gesetze und Verordnungen (bzw. Ent- bestimmte Formen der Landnutzung gebunden. Daher sollte
auf der gesamten Agrarfläche eine, den jeweiligen Standort-
würfe) berücksichtigen die Anforderungen, welche
gegebenheiten, den Belangen von Naturschutz und Land-
sich aus der notwendigen Reduktion klimawirksamer
schaftspflege sowie dem ggf. kulturhistorisch geprägten
Spurengasemissionen im Landwirtschaftsbereich er- Landschaftsbild entsprechende Bewirtschaftung aufrechter-
geben. Sie verhindern allenfalls Exzesse und erlauben halten oder wieder ermöglicht werden. Hierunter fallen
im Rahmen einer „ordnungsgemäßen" und deshalb häufig auch sehr extensive, aber gleichwohl zum Erhalt der
wohl „guten fachlichen Praxis" weiterhin eine erheb- Kulturlandschaft unabdingbar notwendige Formen der
liche Belastung des Naturhaushaltes (Isermann, Bewirtschaftung (Streuobstwiesen, Wanderschäferei etc.).
Pflegemaßnahmen zum Erhalt einer Kulturlandschaft sollten
1994). Der Bereich der Landwirtschaft bedarf daher
daher die Ausnahme (z. B. bei Biotopen mit gefährdeten
zur Berücksichtigung von Klima- und Umweltschutz- Arten) sein bzw. nur eine Übergangslösung bis zur Wieder-
aspekten neuer gesetzlicher Grundlagen mit interna- herstellung einer Kulturlandschaft und ihrer typischen
tionaler Geltung (Kap. 4.1.7, letzter Absatz). Bewirtschaftung darstellen.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
gende Preise für umweltgerecht produzierte Nah- Extensivierung, sondern eine dauerhafte und nach-
rungsmittel, als auch über direkte Transferzahlungen haltige Landwirtschaft zu fördern und langfristig wirt-
erfolgen. Hierzu müßten die Vergabekriterien für den schaftlich abzusichern. Die z. Zt. diskutierten Vor-
Einkommensausgleichs in der EG-Agrarreform ent- schläge und Maßnahmen beziehen sich meist nur auf
sprechend geändert werden. Die Erhaltung und bestimmte „Nischen" und müßten — über zeitlich,
Pflege der Kulturlandschaft und der natürlichen räumlich und v.a. finanziell begrenzte Extensivie-
Lebensgrundlagen läßt sich langfristig nur sichern, rungsprogramme , den Vertragsnaturschutz oder Aus-
wenn sie zu einer echten Marktleistung wird (Kiechle, gleichszahlungen für Einzelprojekte im Rahmen der
1989). flankierenden Maßnahmen hinaus — eine dauerhafte
rechtliche Grundlage erhalten. Die Einstellung der
Zusätzliche Einkommensquellen können sich den
Gesellschaft und der Landwirte gegenüber den staat-
Landwirten künftig durch den verstärkten Anbau
lichen Transferzahlungen im Agrarbereich könnte
nachwachsender Rohstoffe und Energieträger sowie
sich infolge dessen grundlegend ändern. Eine dauer-
die stoffliche Verwertung von organischen Siedlungs-
hafte Entlohnung der Land- (und Forst-)wirte für ihre
abfällen erschließen. Beides sollte — unter Berück-
ökologischen Leistungen in einer umweltgerechten
sichtigung von Ökobilanzen — im Sinne einer nach-
Produktion, im Naturschutz und bei der Landschafts-
haltigen Kreislaufwirtschaft gefördert werden.
pflege, etc. wären der angemessene Preis, den die
Ein erster möglicher Schritt in diese Richtung wäre die Gesellschaft für diese Leistungen zu erbringen hat
Kopplung des Einkommenausgleichs an ökologische und kein Subventions- „Tropf ", der die Landwirtschaft
Kriterien und eine umweltschonende Bewirtschaftung am Leben erhält.
(„ cross-compliance" ). Derzeit ist der Einkommens-
ausgleich verbindlich lediglich an die ohnehin Die zweite Möglichkeit — die Vergütung der ökologi-
umstrittene Pflicht zur Stillegung von Teilflächen schen Leistungen über höhere Erzeugerpreise (im
gekoppelt, und auch erst ab einer bestimmten Binnenmarkt) — erfordert eine Beibehaltung des
Betriebsgröße (Kap. 1.1.4.1). Ein zweiter möglicher derzeitigen Außenschutzes — zumindest solange, bis
Schritt wäre die Schaffung von Anreizen zum Abbau langfristig weltweit sozial und ökologisch orientierte
der Agrarüberschußproduktion durch die Neufassung Produktionsstandards verbindlich vorgeschrieben
des Finanzierungsmechanismus des EU-Agrar- werden (Kap. 4.3). Durch den, bei flächendeckend
marktes. Unter derzeitigen Bedingungen würde ein umweltgerechter Bewirtschaftung eintretenden
einseitiger Überschußabbau (z. B. durch eine natio- Rückgang der Agrarüberschüsse würde eine entspre-
nale Vorreiterrolle) durch niedrigere Ausgleichszah- chende Reduzierung der europäischen Agrarmarkt-
lungen aus der EU-Kasse bei gleichbleibenden Zah- ausgaben möglich. Da somit die Steuerbelastung der
Verbraucher deutlich sinken könnte, wären die höhe-
lungspflichten bestraft statt belohnt. Ein dritter mög-
licher Schritt wäre die Streichung der Landwirtschaft- ren Preise der umweltgerecht produzierten Nah-
klauseln (§ 1, Abs. 3) im Rahmen einer Novelle des rungsmittel mindestens aufkommensneutral.
Bundesnaturschutzgesetzes, da die derzeitige „ord- In der Vergangenheit sind die Ausgaben für Nah-
nungsgemäße" Landwirtschaft keineswegs immer rungsmittel bereits deutlich gesunken. Ein Vier-
und überall den Zielen des Naturschutzes dient, Personen-Haushalt mit durchschnittlichem Einkom-
sondern zum Teil mit erheblichen Eingriffen in Natur men gab 1989 etwa 17 % der gesamten Ausgaben für
und Landschaft verbunden war und ist. Statt dessen Nahrungsmittel aus, 20 Jahre zuvor waren es noch
wären in den Bundes- und Landesnaturschutzgeset- mehr als 30 % und 40 Jahre zuvor etwa 50 %.
zen verbindliche umweltorientierte Auflagen für die
Landwirtschaft einzuführen. Die flächendeckende Umstellung auf ökologischen
Landbau wäre sowohl ökonomisch als auch sozial
Diese Regeln für eine umweltgerechte Landbewirt-
verträglich machbar. Die Ertragsrückgänge lägen bei
schaftung müssen eindeutig und im Sinne des Vorsor-
maximal 20 %, würden somit die heutige Flächenstill-
geprinzips über die bisherigen Formulierungen zu
legung entbehrlich machen. Der Anteil der Nahrungs-
einer „ordnungsgemäßen Landwirtschaft" hinausge-
mittel an den Ausgaben der Verbraucher stiege ledig-
hen (SRU, 1985). Das die praxisgerechte Ausgestal-
lich von derzeit 12,3 % auf 14,3 % (UBA, 1994).
tung eines solchen Regelwerkes möglich ist, zeigt der
Würden alle Landwirte flächendeckend ökologisch en
ökologische Landbau (Kap. 1.1.2), der den Ansprü-
Landbau betreiben und für ihre Produkte nur die
chen an eine umweltgerechte und nachhaltige Land-
heutigen konventionellen Erzeugerpreise erzielen,
bewirtschaftung (Kap. 4.1.8) am nächsten kommt. Da
hätte die Landwirtschaft in der Bundesrepublik jähr-
der ökologische Landbau damit gleichermaßen agrar-
liche Ertragseinbußen von ca. 10,2 Mrd. DM. Von den
politischen wie umweltpolitischen Zielen dient, emp-
gesamten jährlichen Agrarsubventionen könnte ein
fiehlt auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen
Teilbetrag in gleicher Höhe umgeschichtet werden,
die Förderung des ökologischen Landbaus und die
da diese Gelder derzeit in Beihilfen für die weiterver-
Vermarktung von Bio-Produkten im Rahmen der
arbeitende Industrie, Lagerhaltung, Transporte und
Gemeinschaftsaufgabe deutlich zu verstärken (SRU,
Exportsubventionen, also in die Verwaltung der
1994).
Agrarüberschüsse fließen und nicht in die direkte
Die direkte Vergütung ökologischer Leistungen sollte Einkommensstützung der Landwirte eingehen. Die
den Landwirten flächengebunden (ggf. nach der eingesparten Marktordnungskosten sollten daher als
Betriebsgröße gestaffelt) gewährt werden. Daneben direkter Einkommensausgleich an die Landwirte wei-
ist die Vergütung langfristig an verbindliche Regeln tergegeben werden (Bechmann u. a., 1992). Nach
und Auflagen für eine umweltgerechte Wirtschafts- Bechmann (1992) und SRU (1994) könnte somit eine
weise zu binden, um nicht nur eine vorübergehende flächendeckende Umstellung auf ökologischen Land-
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

bau in Deutschland finanzpolitisch neutral verwirk- Anstieg der Emissionen verbunden sein wird. Um aber
licht werden. Gleichzeitig würden Überschüsse abge- das Ziel der globalen Senkung der landwirtschaftli-
baut und externe Kosten durch Umwelt- und Gesund- chen Spurengasemissionen zu erreichen, müssen
heitsschäden in Milliardenhöhe vermieden. Bei flä- daher zuvor die Industrieländer ihre landwirtschaftli-
chendeckender Bewirtschaftung würden ländliche che Produktionsintensität senken, um den Entwick-
Räume gefördert und zugleich die Kulturlandschaft lungsländern einen Spielraum für eine global klima-
erhalten und verbessert. Arbeitsplätze wären gesi- verträgliche Entwicklung zu eröffnen. Dies gilt sowohl
chert und Futtermittelimporte, die die Agrarstruktur für den Bereich der Landwirtschaft als auch analog für
der Entwicklungsländer negativ beeinflussen, könn- den Energie- und Verkehrsbereich.
ten vermieden werden.
In den Entwicklungsländern werden die Emissionen
Hinsichtlich dei Interessenkonflikte zwischen der EU klimarelevanter Spurenstoffe insbesondere durch die
und den anderen Agrarexportländern (GATT/WTO) Landnutzungsänderungen, durch die Verbrennung
wäre nach Weinschenck (1991) folgende pragmati- von Biomasse sowie durch die Zunahme der Anbau-
sche Lösung denkbar: Die EU verzichtet auf die fläche von Naßreis verursacht. Die mit der Landnut-
Förderung von Agrarüberschüssen und auf Expo rt zungsänderung in engem Zusammenhang stehende
-subventio,dmchverpflit,Po- Rodung der Tropenwälder geht in der Regel auf die
duktion durch flächendeckende Einführung einer Armut der dort lebenden Bevölkerung sowie auf die
extensiven oder ökologischen Landwirtschaft dem national und/oder international verursachte generelle
Inlandsbedarf oder einem bestimmten Prozentsatz des Verschuldung der Entwicklungsländer und die z.Zt.
Inlandsbedarfs anzupassen. Dafür tauscht sie das herrschenden weltwirtschaftlichen Rahmenbedin-
Recht ein, dem Absatz der inländischen Produktion gungen zurück. Die Zunahme der Bevölkerung in
auf dem Binnenmarkt — wie bisher — Vorrang diesen Ländern, in Verbindung mit den Fehlentwick-
einzuräumen. Dies schließt das Recht ein, den Außen- lungen auf den internationalen Agarmärkten, hat zum
handelsschutz den höheren Kosten der ökologischen Entstehen bzw. zur Verschärfung der Nahrungsmit-
Landwirtschaft anzupassen. telknappheit und weiterhin wegen der nicht standort-
gerechten Bewirtschaftungsformen auch zu weiträu-
miger Degradation der Böden und Gewässer sowie
4.3 Handlungsoptionen auf internationaler zur Zerstörung von Lebensräumen wildlebender Tier-
Ebene und Pflanzenarten geführt.

Durch verschiedene landwirtschaftliche Aktivitäten Es ist deshalb notwendig, an den globalen ökonomi-
werden in zunehmendem Maße direkt klimarelevante schen und politischen Rahmenbedingungen anzuset-
Spurengase (wie z. B. CO 2 , CH4 , N2O ) sowie indirekt zen, wenn grundlegende Verbesserungen der derzei-
klimawirksame Spurenstoffe (wie z. B. NH 3 , VOC, tigen Situation erzielt werden sollen. Dieses ist inzwi-
COS) in die Atmosphäre emittiert und damit das schen auch von den Industrieländern erkannt worden,
Strahlungsgleichgewicht und das Klima der Erde die bisher weitgehend diese Rahmenbedingungen
nachhaltig verändert. Selbst wenn die durch die bestimmt haben und die jetzt die Entwicklungsländer
Weiterverarbeitung und den Transport landwirt- zu einem eigenverantwortlichen Handeln, u. a. zur
schaftlicher Erzeugnisse bedingte zusätzliche Emis- Entwicklung und Gestaltung einer nachhaltigen Wi rt
sion von Treibhasgasen nicht berücksichtigt wird, -schaftweiozurEnühgeilafst
beträgt der Anteil der Landwirtschaft am globalen tragfähigen, standortgerechten und weitgehend auf
anthropogenen Tribhauseffekt ca 15 %. Es ist davon Selbstversorgung ausgerichteten Landbewirtschaf-
auszugehen, daß der Beitrag der Landwirtschaft zum tung und damit zur Erhaltung der tropischen Wälder
Treibhauseffekt in absehbarer Zeit in Anbetracht der und zur Schonung der natürlichen Ressourcen, drän-
wachsenden Bevölkerung und des damit verbunde- gen.
nen zunehmenden Bedarfs an Nahrungsmitteln wei- Unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit ist es insbeson-
ter wachsen wird. dere notwendig, die Ausweitung der landwirtschaftli-
Unter diesen Umständen ist eine merkliche Reduktion chen Nutzflächen in den Entwicklungsländern zu
der Emission klimarelevanter Spurenstoffe aus der verringern. Möglich wird dies durch
Landwirtschaft unbedingt erforderlich, wenn die — die Beeinflussung der Konkurrenz um knappe
zukünftige Klimaänderung auf einen „tolerierbaren" Flächen zugunsten der Nahrungsmittelproduk-
Wert von 1 bis 2°C relativ zu den heutigen Verhältnis- tion, indem der Exportzwang durch Entschuldung
sen beschränkt werden soll. Dies betrifft insbesondere (Abschnitt C, Kap. 7.5.1.3) vermindert wird, der
die Landwirtschaft in den Industrieländern, in denen Zugang zu den Märkten für Veredelungsprodukte
die Emission von klimarelevanten Spurenstoffen aus verbessert wird und Bodenbesitzreformen auf
der Landwirtschaft u. a. durch den intensiven Einsatz nationaler Ebene durchgeführt werden;
von mineralischen Düngern sowie durch die Massen-
tierhaltung überproportional groß ist. Diese Emissio- — die Verringerung des Bevölkerungswachstums;
nen lassen sich in den Industrieländern durch eine — den Erhalt der bereits genutzten Flächen, indem
Senkung der landwirtschaftlichen Produktionsinten-
die Desertifikation und Degradation durch Boden-
sität und eine standort- und bedarfsgerechte Produk-
schutzmaßnahmen eingedämmt werden und res-
tion deutlich reduzieren.
sourcenschonende, nachhaltige Bewirtschaftungs-
Zur Eigenversorgung der Entwicklungsländer ist eine systeme (Agroforstwirtschaft, umweltgerechter
weitere Steigerung der dortigen landwirtschaftlichen Landbau etc.) eingeführt bzw. ausgeweitet wer-
Produktion erforderlich, die zwangsläufig mit einem den;
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
— verbesserte und standortgerechte Anbaumetho- — Die subventionierten Agrarexporte der EU müssen
den (Auswahl und Züchtung angepaßter Sorten, bis 2001 mengenmäßig um 21 % gegenüber dem
Dungwirtschaft etc.), die die landwirtschaftliche Durchschnitt der Jahre 1986 bis 1990 abgebaut
Produktivität erhöhen. werden. Die Haushaltsausgaben für Exportsub-
ventionen sollen innerhalb der nächsten sechs
Vor dem Hintergrund, daß vor allem die Landwirt-
Jahre um 36 % auf der Basis von 1986 bis 1990
schaft in den Tropen und Subtropen von der Klimaän-
verringert werden.
derung betroffen sein wird, verstärkt sich der Hand-
lungsdruck noch erheblich. Die Schere zwischen Nah- — Die EU gewährt Nicht-EU-Ländern einen Markt-
rungsmittelproduktion und Bevölkerungsentwick- zugang von mindestens 5 % bis 2001.
lung droht ansonsten immer weiter auseinanderzu-
klaffen. Mit diesen Ergebnissen wird der freie internationale
Handel mit Agrarprodukten gefördert, da sowohl die
subventionierten Agrarexporte verringert als auch der
4.3.1 Veränderungen der politischen europäische Markt stärker für außereuropäische
und ökonomischen Rahmenbedingungen Agrarprodukte geöffnet wird. Gleichzeitig wird die
des Welthandels und der wirtschaftlichen mit der europäischen Agrarreform erfolgte Umschich-
Zusammenarbeit tung der Agrarsubventionen von einer Preis- auf eine
direkte Einkommenstützung handelspolitisch abgesi-
Eine umweltverträgliche Neuordnung der Weltwirt- chert. Die internationalen Wettbewerbsverzerrungen
schaft verlangt zunächst vor allem den ökologischen zu Lasten vor allem der agrarexportierenden Entwick-
Umbau in den Industrieländern durch lungsländer bleiben jedoch weitgehend bestehen. Die
— eine deutliche Verringerung des Ressourcenver- angebliche Wettbewerbsneutralität der produktions-
brauchs in Produktion und Konsum und eine bezogenen Ausgleichszahlungen, die sich die USA
Internalisierung der externen Kosten in die Ener- und die EU im GATT-Kompromiß gegenseitig zu
giepreise, Lasten anderer Länder zugestanden haben, ist daher
in Frage zu stellen (Ganzert, 1994). Außerdem zeigt
— die Reduktion der landwirtschaftlichen Spuren-
das aktuelle Beispiel der EU-Bananenmarktordnung,
gasemissionen durch Hinführung der Produktions-
wie trotz des GATT-Beschlusses neue Handelshemm-
intensität auf standortgerechten Anbau und durch
nisse gegenüber agrarexportierenden Entwicklungs-
Anpassung an den Bedarf,
ländern eingeführt werden, um die Eigenproduktion
— die Erstellung und Umsetzung ökologischer Krite- einiger AKP-Staaten zu bevorzugen.
rien für die gesamte Wirtschafts- und Technikent-
wicklung, Ganzert (1994) bewe rt et: „Das Ziel einer nachhalti-
gen, umweltgerechten und damit auch klimaverträg-
— den Transfer umweltgerechter Technologien und lichen Landbewirtschaftung wurde beim GATT-Kom-
Verfahren in die Entwicklungsländer. promiß ebenso vernachlässigt wie in der EG-Agrarre-
form. Die Chance, die Überschuß- und Umweltpro-
4.3.1.1 Welthandel
bleme durch die Internalisierung der externen Kosten
gemeinsam zu lösen, wurde nicht genutzt. Auch die
Die internationalen Handelsvereinbarungen des Möglichkeit, die Futtermittelimporte aus umwelt-
GATT (Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen) politischen Gründen zu begrenzen, wurde vertan" .
bzw. WTO (World Trade Organisation) bilden den Neuere Entwicklungen zeigen jedoch, daß sich künf-
Rahmen für die künftige Gestaltung des Welthandels, tig auch GATT/WTO und EU stärker um die Integra-
der Weltwirtschaft und damit auch der Weltlandwirt- tion von Umweltschutzzielen in ihre Vereinbarungen
schaft. Der Abschluß der Uruguay-Runde im Dezem- und Politiken bemühen.
ber 1993 war in Anbetracht wachsender Überschüsse
Die Preise für umweltschonend und somit auch klima-
und sich international zuspitzender Handelskonflikte
verträglich hergestellte Nahrungsmittel werden auf
nur durch eine Reform der EG-Agrarpolitik möglich.
den Märkten durch Nahrungsmittel unterboten, die
Dieser GATT-Abschluß enthält folgende Auflagen für
unter Inkaufnahme von Umweltbelastungen erzeugt
die europäische Landwirtschaft (BML, 1994 a):
wurden. Der Anteil der europäische Agrarproduktion
— Die handelsverzerrende Agrarunterstützung der an diesem „Umweltdumping" könnte durch eine
EU muß bis 2001 pauschal um 20 % abgebaut umweltgerechtere Gestaltung der europäischen
werden. Die mit der Agrarreform verbundenen Landwirtschaft und den Abbau einseitiger Exportsub-
Mengenrückführungen und Preissenkungen wer- ventionen für Agrarprodukte verringert werden.
den dabei angerechnet. Unberührt davon bleiben Daher sollte zunächst der direkte Einkommensaus-
die direkten Einkommensbeihilfen. gleich an Umweltkriterien und Auflagen für eine
umweltschonende und nachhaltige Bewirtschaftung
— Alle Einfuhrabgaben und nichttarifären Handels- gekoppelt werden (Kap. 4.2.5).
hemmnisse, so auch die variablen Einfuhrabschöp-
fungen der EU, werden auf feste Zölle umgestellt Zur notwendigen Unterstützung der europäischen
und diese ebenso wie die bestehenden Zölle Landwirtschaft sind direkte finanzielle Förderungen
schrittweise bis 2001 um durchschnittlich 36 % und/oder die Beibehaltung eines Außenschutzes von-
abgebaut; das Einfuhrpreisniveau von Marktord- nöten. Die höheren Kosten für die Einführung und
nungsprodukten wird dennoch über den Preisen Erhaltung einer nachhaltigen und umweltgerechten
bleiben, die mit der Agrarreform festgelegt wur- Landbewirtschaftung müssen in Anbetracht der ver-
den. miedenen Umweltschäden und externen Kosten als
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

schutzbedürftiger Tatbestand berücksichtigt werden selbsttragenden Entwicklung eingeräumt werden.


und die Beibehaltung eines Außenschutzes erlau- Die Bemühungen zur Bildung größerer Wirtschaftszo-
ben. nen in Afrika, Asien und Lateinamerika zur Stärkung
der eigenen Wi rtschaftskraft und zur gemeinsamen
Darüber hinaus ist die gezielte Förderung der euro-
nachhaltigen Nutzung und Schonung von Ressourcen
päischen Landwirte durch die Einführung von nicht sind zu fördern. Gleichzeitig ist der Exportzwang der
produktionsgebundenen Vergütungen für ökologi- Entwicklungsländer auch durch eine weitergehende
sche und landschaftspflegerische Leistungen mög- Entschuldung zu vermindern (Abschnitt C, Kap.
lich. Dies wurde bereits im Rahmen der Uruguay- 7.5.1.3).
Runde diskutiert, ist jedoch nicht weiterverfolgt wor-
den. Diese Vergütungen können der sogenannten Gerade die subventionierten Agrarexporte Europas
„Green Box", also den nicht abzubauenden produk- und Nordamerikas haben zu dem Verfall der Welt-
tionsneutralen Zahlungen zugerechnet werden und marktpreise und damit zur Unterbewertung vieler
gelten als GATT-konform, solange sie keine Auswir- Agrarprodukte beigetragen. Dies schädigt direkt die
kungen auf die Ausfuhr der Waren (z. B. durch Expo rt Agrarstrukturen und Produzenten in den Entwick-
-subventio)hadrEnfugleichatr lungsländern. So führen beispielsweise subventio-
Waren nicht behindern (UBA, 1993; BML und BMU, nierte Rindfleischexporte der EU in einigen westafri-
1993). Offen bleibt hier jedoch die Frage, was unter kanischen Ländern zu einem Preisverfall auf den
lokalen Märkten, zu einer Verdrängung lokaler Pro-
gleichartigen Gütern zu verstehen ist. Gleiche Pro-
dukte sind nach Definition des GATT lediglich solche duzenten und zu einem sinkenden Selbstversor-
mit gleichen Eigenschaften. Unter welchen ökologi- gungsgrad (Deutscher Bundestag, 1994 a). Vergleich-
schen Bedingungen die Güter produziert wurden, bare Probleme ergeben sich aus den subventionierten
bleibt dabei jedoch unberücksichtigt. Getreideexporten und dem Verfall der Weltmarkt-
preise für Getreide. Der Abbau der Überschüsse und
Konsequenterweise, so eine weitere Anregung, sollte Exportsubventionen in den Industrieländern könnte
daher in einem weiteren Schritt die Einführung von dazu beitragen, daß weniger verbilligte Nahrungsmit-
international geltenden Umwelt- und Sozialstandards tel den Weltmarkt überschwemmen. Eine eigenstän-
in das Welthandelsabkommen angestrebt werden, um dige Ernährungssicherung der Entwicklungsländer
weltweit gleiche Bedingungen für eine nachhaltige würde gefördert und internationale Handelskonflikte
und umweltgerechte Landbewirtschaftung (Kap. mit anderen agrarexportierenden Ländern vermie-
4.1.8) zu definieren. Angesichts des unterschiedlich den.
ausgeprägten Umweltbewußtseins dürfte dies ein Eine Verringerung der Futtermittelimporte aus Ent-
schwierig zu lösendes Problem sein, das aber dennoch wicklungsländern könnte deren Bemühungen unter-
nicht dazu führen darf, daß man sich international im stützen, vorrangig Nahrungsmittel für die Eigenver-
Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit und zugun- sorgung und erst sekundär für den internationalen
sten kurzsichtiger wi rtschaftlicher Interessen auf dem Agrarhandel zu produzieren. Eine Verbesserung der
jeweils niedrigsten Niveau des Umweltbewußseins Eigenversorgung vermindert zugleich den Druck auf
einigt (Ganzert, 1994). Weltweit einheitliche Umwelt- die Tropenwälder. Die — auch durch niedrige Ener-
standards für die Agrarproduktion könnten zudem giekosten subventionierten — Futtermittelimporte
einen nationalen oder EU-weiten Außenschutz ent- sind ein dauerhafter Störfaktor der Nährstoffbilanzen.
behrlich machen. Die Bundesregierung sollte sich Jährlich gelangen durch Futtermittelimporte 500 000 t
daher gemeinsam mit der internationalen Staatenge- -
Stickstoff und 190 000 t Phospat in die Nährstoffkreis-
meinschaft für die Integration ökologischer Mindest- läufe der alten Bundesländer. Eine auf Nachhaltigkeit
standards im Rahmen des Welthandelsabkommens ausgerichtete Marktpolitik der kurzen Wege und
(WTO) einsetzen. weitgehend geschlossener Kreisläufe muß auch bei
den Agrarprodukten ansetzen. Dieser Aspekt muß
Des weiteren sind die handelspolitischen Restriktio-
künftig in der WTO berücksichtigt werden (Deutscher
nen und Benachteiligungen der Entwicklungsländer
Bauernverband, 1994).
weiter abzubauen. Um den Flächenanspruch der
exportorientierten Agrarproduktion vieler Entwick-
lungsländer zu verringern, muß den Entwicklungslän- 4.3.1.2 Wi rtschaftliche Zusammenarbeit
dern durch den Abbau von Handelshemmnissen der .

Zugang zu den Märkten für weiterverarbeitete Pro-


1990 entfielen lediglich 14 % der Gesamtausgaben
dukte erleichtert werden. Es sollte in der EU bzw. den
der weltweiten Entwicklungshilfe auf den Agrarsek-
Industrieländern vermieden werden, daß weiterverar-
tor. In der Bundesrepublik sind die Mittel für die
beitete Produkte aus tropischen Agrarerzeugnissen
technische Zusammenarbeit im Bereich der ländli-
(Konserven, löslicher Kaffee etc.) mit hohen Import-
chen Entwicklung von 1988 von 677,5 Mio. DM bis
zöllen belegt werden, um die einheimische Verarbei-
1991 auf 540,6 Mio. DM zurückgegangen, der Anteil
tungsindustrie zu schützen, während hingegen unver-
des Agrarsektors hieran sank von 293,6 Mio. DM
arbeitete Rohstoffe und Agrarprodukte zu niedrigen
(1988) auf 212,2 Mio. DM (1991). Insgesamt sind die
Preisen aus den Entwicklungsländern importiert wer-
finanziellen Aufwendungen für die Förderbereiche
den. Die Förderung höherwertiger Exporte würde die
Land- und Forstwirtschaft sowie ländliche Entwick-
einseitige Ausrichtung der Entwicklungsländer auf
lung seit 1989 um etwa 40 % gesunken (Deutscher
geringerwertige Agrar- und Rohstoffexporte verrin-
Bundestag, 1993 c).
gern. Den wirtschaftlich schwachen Ländern und
Regionen sollte außerdem das Recht auf einseitige Der Entwicklungshilfe-Etat ist seit 1982/83 rückläufig.
Schutzmaßnahmen bis zur Verwirklichung einer Der damalige Höchststand lag bei 0,48 % des Brutto-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
sozialproduktes und sank bis 1992 auf 0,39 % bzw. Die Globale Umweltfazilität (GEF) dient vor allem als
1993 0,34 % (Germanwatch, 1993). Wie von der Finanzierungsinstrument für die in Rio unterzeichne-
Bundesregierung bereits anläßlich der UNCED in Rio ten Konventionen (Klimarahmenkonvention, Konven-
bekräftigt, enthält auch die Agenda 21 die Forderung tion über die Biologische Vielfalt) sowie für die Umset-
an die Industrienationen, bis zum Jahr 2000 0,7 % zung der Agenda 21 (Kap. 4.1.7). Mit Hilfe der GEF
ihres Bruttosozialproduktes für die Entwicklungshilfe sollen die Industrieländer an den zusätzlichen Kosten
bereitzustellen. für den Umweltschutz in den Entwicklungsländern
beteiligt werden. Zwischen 1991 und 1994 verfügte
Durch eine intensivere wi rt schaftliche Zusammenar-
die GEF über etwa 1,13 Mrd. US-$. Die Mittel werden
beit und Hilfe sollte die eigenständige wirtschaftliche
von der Weltbank in Zusammenarbeit mit dem Ent-
Entwicklung der Entwicklungsländer gefördert wer-
wicklungs- und Umweltprogramm der Vereinten
den. Hierzu könnten die Industrieländer beitragen
Nationen (UNDP und UNEP) verwaltet (Abschnitt C,
durch:
Kap. 7.5.1.4). Bereits 1992 sprach sich die Bundesre-
— eine Erhöhung der staatlichen Mittel aller Indu- gierung in Rio dafür aus, das Volumen der GEF um
strieländer für die finanzielle und technische 3 Mrd. Sonderziehungsrechte (4,2 Mrd. US-$ bzw.
Zusammenarbeit auf 0,7 % des Bruttosozialpro- 6,7 Mrd. DM) aufzustocken und sich hieran mit
duktes; 780 Mio. DM zu beteiligen. Im März 1994 wurde
jedoch lediglich eine Aufstockung auf 2 Mrd. US-$ für
— einen Finanz- und Technologietransfer zu — für
den Zeitraum 1994 bis 1997 beschlossen.
die Entwicklungsländer — günstigen Bedingun-
gen; Die GEF-Mittel wurden bisher vorwiegend für den
Erhalt der Artenvielfalt, für den Klimaschutz und für
— einen Schuldenerlaß für Umweltschutzmaßnah-
den Gewässerschutz eingesetzt. Die erhebliche Aus-
men und Bodenreformen in den Entwicklungslän-
weitung der Aufgaben der GEF bei der Umsetzung
dern („Debt-for Nature-Swaps").
der Konventionen von Rio, der Agenda 21 und weite-
Große Bedeutung in der Entwicklungszusammenar- rer geplanter Konventionen (Waldkonvention, Wü-
beit kommt neben der bilateralen Entwicklungshilfe stenkonvention) machen jedoch eine erhebliche —
auch den multilateralen Finanzierungsinstitutionen hilfsweise auch schrittweise — Aufstockung der Mittel
(Weltbank, Internationaler Währungsfonds (IMF), des GEF notwendig, um eine weltweit nachhaltige
Entwicklungsbanken sowie der GEF (Globale Um- Entwicklung einzuleiten und umzusetzen. Zur Siche-
weltfazilität)) zu. Deren bisherige Aktivitäten haben rung der Ernährung und zum Schutz des Klimas und
die Zunahme der Armut, der Umweltzerstörung und der Tropenwälder ist eine weltweit nachhaltige Land-
der Unterversorgung in den Entwicklungsländern bewirtschaftung notwendig. Dies stellt auch eine
jedoch nicht verhindern können. Für große Teile der zentrale Forderung der Agenda 21 dar (Kap. 4.1.7).
Bevölkerung Lateinamerikas sank der Lebensstan- Daher sollte sich die Bundesregierung auf internatio-
dard (Pro-Kopf-Einkommen) seit Beginn der achtziger naler Ebene für eine weitere Aufstockung der GEF-
Jahre um 15 %, für Teile der afrikanischen Bevölke- Mittel auf mindestens 5 Mrd. US-$ und ein stärkere
rung südlich der Sahara sogar um 25 %. Die Struktur- Förderung nachhaltiger Landbewirtschaftungssy-
anpassungsprogramme von IMF und Weltbank haben sterne einsetzen (Abschnitt C, Kap. 7.5.2.1).
durch die Förderung von Großprojekten zur
Rohstofförderung oder die einseitige Förderung einer
-
exportorientierten Landwirtschaft die Probleme bis- 4.3.2 Verringerung des Bevölkerungswachstums
lang eher verschärft und zur Zerstörung der Umwelt
und der Tropenwälder beigetragen. Die Interessen Die künftige Entwicklung der landwirtschaftlichen
von IMF und Weltbank orientieren sich bislang vor- Flächennutzung in den verschiedenen Regionen der
wiegend an einer Exportsteigerung und der Verbes- Welt hängt wesentlich von der Bevölkerungsentwick-
serung der kurzfristigen Zahlungsfähigkeit der Ent- lung und der damit verbundenen Entwicklung des
wicklungsländer sowie eigenen Rentabilitätszielen Nahrungsmittelbedarfs ab (Kap. 3.3.2). 1992 lebten
(EK, 1990 a). 5,420 Mrd. Menschen auf der Erde, 1,2 Mrd. in den
Industrieländern und 4,2 Mrd. in den Entwicklungs-
Künftig sollten diese Institutionen eine ökologisch
ländern. Bis zum Jahr 2025 wird die Weltbevölkerung
verantwortbare, dauerhafte Entwicklung zum Maß-
auf 8,5 ± 0,9 Mrd. Menschen anwachsen. In jedem
stab ihrer Geschäftspolitik machen. Hierzu gehört vor
Jahr wächst die Weltbevölkerung derzeit um etwa
allem eine Änderung der Kriterien für die Vergabe der
95 Mio. Menschen. Über 80 % dieses Wachstums
Finanzmittel für Entwicklungsprojekte. Unabding-
findet in Afrika, Asien und Lateinamerika statt. Auf-
bare Voraussetzung für die Projektförderung ist die
grund der Altersstruktur in den Entwicklungsländern
Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfun-
wird das Wachstum nur sehr langsam reduziert wer-
gen, die dem Vorsorgeprinzip gerecht werden. Dar-
den können. Durch die große Zahl junger Menschen
über hinaus sind eine Prüfung der Sozialverträglich-
und Kinder ist bereits ein weiteres Bevölkerungs-
keit einzuführen und die regionale Bevölkerung und
wachstum für die nächsten Jahrzehnte vorprogram-
Nichtregierungsorganisationen in Planungs-, Durch
miert, selbst wenn es gelänge, die Geburtenrate
führungs- und Evakuierungsprozesse einzubinden.
langsam und allmählich zu senken (Schmid, 1993).
Die Finanzierung und Förderung bereits laufender
Projekte, die diese Kriterien nicht erfüllen, sollte Um eine Senkung der Geburtenrate zu erreichen, ist
schnellstmöglich beendet werden, um die Mittel für eine Intensivierung der Bevölkerungspolitik anzu-
neue umwelt- und sozialverträgliche Projekte einset- streben. Maßnahmen der Bevölkerungspolitik sind
zen zu können. (Schmid, 1993):
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

— die Verbesserung der Bildung und Ausbildung, Aus diesen Anforderungen heraus wurde aus einer
insbesondere für Frauen; Synthese traditioneller Anbausysteme und moderner
Agrarökologie ein System entwickelt, daß als Agro-
— die Verbesserung der allgemeinen Stellung der
forstwirtschaft bezeichnet wird. Diese Form eines
Frauen in der Gesellschaft;
angepaßten standortgerechten Landnutzungssystems
— die Verbreitung und Förderung von Methoden der erscheint zusammen mit der sehr dosierten Erhöhung
Familienplanung (z. B. Beratung zur Empfängnis- des Inputs in den meisten Entwicklungsländern unter
verhütung); den entsprechenden Standortbedingungen als die
einzige Möglichkeit zur dauerhaften Sicherung oder
— die Verbesserung der staatliche Alterssicherung; sogar Steigerung der Erträge. Hier müssen daher die
— die Senkung der „Vorsorgegeburten" durch eine Hauptansatzpunkte einer ökologisch und sozial ver-
Senkung der Kindersterblichkeit; träglichen Entwicklungshilfe liegen.

— die Anhebung des Lebensstandards.


4.3.3.1 Agroforstwirtschaft
Die Ausgaben für Bevölkerungspolitik sind derzeit
vergleichsweise bescheiden. Die zuständige UN- Das Hauptmerkmal ist die Integration von Bäumen in
Behörde (UNFPA) hatte 1990 einen Etat von 212 Mio. die Feldkultur. Pro Hektar können bis zu 300 Bäume
US-Dollar. Die Bundesregierung sollte sich auf inter- angepflanzt werden. Gemeinsam mit den Bäumen
nationaler Ebene für eine Aufstockung dieser Mittel werden Hecken und Feldfrüchte angebaut. Bei den
einsetzen. Bäumen und Sträuchern handelt es sich meist um
schnellwachsende Tiefwurzler, die möglichst symbio-
tische Stickstoffixierung betreiben, gleichzeitig bo-
denverbesserndes Laub und Astholz für Brennzwecke
sowie Stammholz für Bauzwecke liefern. Im hängigen
4.3.3 Technische Entwicklungszusammenarbeit Gelände werden die Bäume gemeinsam mit Hecken
entlang der hangparallelen Kanten der Terrassen
Angesichts fortschreitender Zerstörung der natürli- gepflanzt und dienen hier gleichzeitig als Erosions-
chen Ressourcen und der Degradation der Böden gilt schutz. Die Bäume werden maximal 9 bis 12 Jahre alt,
es, die einseitige Ausrichtung der Landwirtschaft auf so daß jährlich 20 bis 30 Bäume (je Hektar) eingeschla-
Ertragssteigerung und Ausbeutung der Naturressour- gen werden können. Bei entsprechender Neuanpflan-
cen weltweit zu beenden. An die Stelle der Anpassung zung ist eine gleichmäßige ökologische Wirkung des
der Landnutzung an die (welt-)wirtschaftlichen Rah- Baumbestandes gewährleistet. Die Feldkulturen im
menbedingungen muß eine Orientierung an den Mischanbau werden regelmäßig durch Gründüngung
jeweiligen standörtlichen Gegebenheiten erfolgen. und organische Ernteabfälle (Mulch, Kompost)
Die unterschiedlichen klimatischen und (land-)wirt- ergänzt. Ziegen, Schafe und/oder Rinder werden im
schaftlichen Voraussetzungen in den Industrielän- Stall gehalten und mit dem Schnitt der Hecken
dern des Nordens und den Entwicklungsländern des gefüttert. Der Stallmist liefert zusätzlichen Dünger für
Südens verlangen dabei unterschiedliche Entwick- die Feldkulturen. Auf organischer Basis werden damit
lungsansätze. Der Erhalt der Bodenfruchtbarkeit und gleichzeitig die Bodengesundheit, Humusanreiche-
der Ressourcen muß dabei gemeinsam mit der regio- rung und Stickstoffversorgung gewährleistet. -
nalen Emährungs- und Agrarrohstoffsicherung das
Das System ist der natürlichen Vegetationsform des
übergeordnete, vorrangige Ziel bleiben bzw. werden
jeweiligen Standortes „nachgebaut" . Die stufenför-
(Burdick, 1994).
mige Stockwerkarchitektur aus bodenbedeckender
Das Bevölkerungswachstum macht in vielen Regio- Krautzone, Sträuchern, kleineren und schließlich grö-
nen eine Steigerung der Produktivität notwendig, die ßeren Bäumen verbindet eine möglichst hohe Arten-
jedoch so bemessen sein muß, das sie dem Ziel ei- und Biotopvielfalt mit einer weitestgehenden Annä-
ner nachhaltigen, umweltgerechten Bewi rt schaftung herung an die geschlossenen Kreisläufe und ökologi-
nicht entgegen steht. Auf keinen Fall dürfen sich die schen Rückkopplungsmechanismen des natürlichen
Fehler der „Grünen Revolution" wiederholen. Die für Systems. Im agroforstwirtschaftlichen System sind
eine maßvolle Intensivierung notwendigen Rahmen- zudem alle Komponenten für den Menschen nutzbar:
bedingungen müssen geschaffen werden, indem über
— Krautzone (Buschbohnen, Erdnüsse, Süßkartof-
Landreformen der Zugang zu Anbauflächen sicherge-
feln),
stellt und endogene Ressourcen (traditionelles Wis-
sen, Arbeitkräfte) genutzt werden. Die Maßnahmen — Strauchzone (Maniok, Sorghum, Mais, Gründün
zur Produktionssteigerung müssen gleichberechtigt gungssträucher und Leguminosen, Tierfutter),
folgende Aspekte berücksichtigen (Egger u. Rudolph,
— Niedrige Baumschicht (Bananen, Papaya, Jung-
1992):
bäume),
— ökologische Erfordernisse der Vielfalt, der nach-
— Große Baumschicht (Schatten, Erosionsschutz,
haltigen Sicherung und der produktiven, ökologi-
Brenn- und Bauholz).
schen Vernetzung,
Diese vertikale Schichtung ermöglicht einen sehr
— Standortgerechtigkeit,
hohen Flächennutzungsgrad und eine erhebliche
— bessere Flächennutzung mit lokal verfügbaren Steigerung der Erträge. Durch eine flächendeckende
Mitteln („low external input"). Einführung könnten Agroforstwirtschaftsysteme
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
selbst in dichtbesiedelten Regionen Afrikas den — Verändertes Düngemanagement;
gesamten Grundnahrungsmittelbedarf decken. Der
— Verzicht auf Gründüngung/Strohdüngung (Die
weitgehende Rückfluß pflanzlicher Nährstoffe durch
Zugabe organischer Substanz in den Boden
Laubfall, die Kohlendioxidfestlegung durch die
erhöht deutlich die Methanemissionen);
Bäume und die hohe Vegetationsdichte, geringer
Schädlingsbefall durch Mischkulturen, Brennholzver- — Teilweiser Ersatz der organischen Düngung
sorgung und Viehhaltung, welche die Wald- und durch mineralische Düngung;
Weideressourcen schützen und erhalten, sind die
bewußt herbeigeführten Nebeneffekte der Agroforst- — Zugabe von kompostiertem organischem Mate-
systeme (Egger u. Rudolph, 1992). Die weiter auszu- rial, da hier die leicht mineralisierbare organi-
bauende Förderung der technischen Zusammenarbeit sche Substanz bereits abgebaut wurde.
im Agrarbereich sollte sich daher an diesem Leitbild Der von anderen Seiten empfohlene Einsatz von
orientieren. nitrifikationshemmenden Chemikalien (u. a. Calci-
umcarbid) zur Reduktion der Stickstoffverluste und
der Methanemissionen wird als problematisch erach-
tet, weil derzeit die Folgewirkungen dieses Chemika-
4.3.3.2 Methan Reduktion im Reisanbau
lieneinsatzes nicht absehbar sind. Es sind weitere
-

eingehende Untersuchungen notwendig, um die


Bereits heute ist der Naßreisanbau für etwa ein Viertel Unsicherheiten bei der Methanemission aus Reisfel-
der anthropogenen Methanemissionen verantwort- dern einzugrenzen und umsetzbare Reduktionsmaß-
lich. Durch das anhaltende Bevölkerungswachstum nahmen zu entwickeln.
werden in Zukunft die Anbauflächen für Reis ausge-
dehnt bzw. die bestehenden Flächen für mehrere
Ernten genutzt werden müssen („multiple cropping"), 4.4 Handlungsempfehlungen der
um die Erträge weiter steigern zu können. Ein wich- Enquete-Kommission
tiger Aspekt der technischen Entwicklungszusam-
menarbeit muß daher die Reduzierung der Methan-
Auf der Grundlage der bisher dargestellten Hand-
emissionen aus dem Naßreisanbau sein. Aus Gründen
lungsoptionen empfiehlt die Enquete-Kommission
der Sozialverträglichkeit müssen alle Maßnahmen
„Schutz der Erdatmosphäre" dem Deutschen Bundes-
unter den jeweiligen lokalen Bedingungen realisier-
tag und der Bundesregierung, sich auf nationaler und
bar sein, ohne die Ertragssicherheit zu gefährden.
europäischer Ebene für die Umsetzung der im folgen-
den aufgelisteten Maßnahmen einzusetzen, die auf
Auf diesem Gebiet sind durch deutsche Institute
eine Verringerung der klimawirksamen Emissionen
bereits intensive Forschungsarbeiten in Kooperation
aus der Landwirtschaft ausgerichtet sind. Dabei sollen
mit verschiedenen Entwicklungs- und Schwellenlän-
durch die Umstellung auf eine flächendeckend
dern (u. a. in China, Thailand, Philippinen) durchge-
umweltverträgliche Landbewirtschaftung gleichzei-
führt worden. Diese Aktivitäten werden in den kom-
tig mit der Emissionsminderung folgende Ziele
menden Jahren im Rahmen des BMFT-Klimafor-
erreicht werden:
schungsprogramms fortgesetzt und haben zum Ziel,
die Produktions- und Abbaumechanismen von Me- — die Schonung und der dauerhafte Erhalt der natür-
than in den Sedimenten der Naßreisfelder in Abhän- lichen Lebensgrundlagen Boden, Wasser und
gigkeit von den allgemein angewandten landwirt- Luft;
schaftlichen Praktiken quantitativ zu erfassen und
— der Schutz der Artenvielfalt und der Biotop-
daraus realistische, in die Praxis umsetzbare Maßnah-
schutz;
men zur Reduzierung der CH 4 -Emissionen aus dem
Naßreisanbau abzuleiten. — der Erhalt und die Pflege der Kulturlandschaft;

Aufgrund der bisher erzielten Ergebnisse (Wassmann — die Sicherung und Verbesserung des ländlichen
u. a., 1993; In: Heyer, 1994) ergeben sich folgende Lebensraumes, der ländlichen Sozialstruktur, der
Möglichkeiten: Arbeitsplätze und angemessener Einkommen der
Landwirte;
— Auswahl und Züchtung von Reispflanzen mit — die ausgewogene Versorgung der Bevölkerung
geringerer Methan-Emission, wobei eine ausrei- mit qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln;
chende Arten- bzw. Sortenvielfalt erhalten bleiben
muß; — die Rückführung der Überschußproduktion in den
Industrieländern.
— Verbessertes Wassermanagement;
Des weiteren schlägt die Enquete-Kommission der
— Förderung des oxidativen Methanabbaus Bundesregierung vor, sich auch im internationalen
durch kurzzeitige Unterbrechung der Überflu- Bereich, so insbesondere durch ihre bilaterale Ent-
tung (Problem: Die Durchlüftung der Böden wicklungszusammenarbeit sowie ihren Sitz und ihre
fördert die N 2 O-Bildung); Stimme in internationalen Organisationen (EU, UN,
IWF, Weltbank etc.) für die Gestaltung und Durchset-
— Erhöhung der Wasserdrainage (Wasseraus- zung einer weltweit dauerhaften, tragfähigen und
tausch); das Eindringen des sauerstoffhaltigen umweltverträglichen Form der Landbewirtschaftung
Flutwassers in die anaeroben Bodenschichten einzusetzen. Ziel muß die Erreichung und Sicherstel-
reduziert die Methanbildung. lung einer weitgehenden Selbstversorgung in allen
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Regionen der Erde, insbesondere auch in den Ent- (diese Unterscheidung gilt durchgängig für die
wicklungsländern, durch eine ressourcenschonende gesamten Handlungsempfehlungen); Schaffung
sowie umwelt- und klimaverträgliche Landschaftsbe- entsprechender Anreize durch die Neugestaltung
wirtschaftung sein. Soweit die regionale Selbstversor- der Finanzierungsmechanismen des EU-Agrar-
gung nicht mehr gewährleistet werden kann, ist das haushaltes;
Versorgungsdefizit durch eine verstärkte Entwick-
lungshilfe, ggf. durch Nahrungsmittelimporte, sicher- — Vergütung der ökologischen und landschaftspfle-
zustellen. gerischen Leistungen der Landwirtschaft durch
staatliche Transferleistungen;
— Streichung der Landwirtschaftsklauseln im Bun-
des-Naturschutzgesetz sowie in den Landes-
4.4.1 Handlungsempfehlungen auf nationaler und
Naturschutzgesetzen
europäischer Ebene

4.4.1.1 Veränderung der agrarpolitischen


Rahmenbedingungen im Hinblick auf die 4.4.1.2 Maßnahmen zur Reduzierung von
Umsetzung einer nachhaltigen Methanemissionen (CH 4)
umweltverträglichen Landbewirtschaftung
a) Reduzierung der Tierbestände/Bindung an die
Der ökologische Landbau kommt dem Ziel einer Fläche
nachhaltigen Landbewirtschaftung — entsprechend
— Künftig soll — mit der Möglichkeit zur Anpas-
der Definition in Kapitel 4.1.7 — am nächsten. Grund-
sung — der bisherig gewährte Einkommens-
sätzlich ist die umweltverträgliche Landbewirtschaf-
ausgleich nach dem Grad der Umwelt- und
tung voranzutreiben. Daher sollte diese Form der
Klimabelastung bzw. artgerechten Haltungssy-
Landbewirtschaftung vorrangig gefördert werden.
stemen gestaffelt werden. Bei Überschreitung
Anstelle einer umwelt- und klimabelastenden Inten-
der — nach der EG-Agrarreform — förderfähi-
sivlandwirtschaft ist möglichst umgehend eine flä-
gen Höchstbesatzdichte (GVE/ha Futterfläche)
chendeckend umweltverträgliche Landbewirtschaf-
(Kap.1.1.4.1; 1994: 3,0 GVE/ha; 1995: 2,5 GVE/
tung einzuführen. Aus betriebs- und volkswirtschaft-
ha; 1996: 2,0 GVE/ha) sollten die Betriebe von
licher Sicht sowie aufgrund ökologischer und klima-
der Förderung ausgeschlossen werden;
politischer Notwendigkeiten ist eine grundlegende
Neuorientierung der nationalen und europäischen — Durch eine Internalisierung der externen
Agrarpolitik unter den oben genannten Aspekten Kosten der Tierproduktion z. B. durch Einfüh-
unumgänglich. Hierzu werden folgende Maßnahmen rung einer Abgabe/Steuer auf Gülleüber-
empfohlen: schüsse — soweit ein vorab zu schaffendes
Förderprogramm zur Verringerung der Gülle-
— erhebliche Ausweitung der — an Selbsthilfe der
menge innerhalb von fünf Jahren keine ausrei-
Betroffenen anknüpfenden — finanziellen Förde-
chenden Erfolge bringt — und die Verringerung
rung des umweltverträglichen Landbaus durch die
der Importfuttermittelmenge, unter Berücksich-
Europäische Union, den Bund und die Länder über
tigung der Erfahrungen aus den WTO/GATT-
die Förderung der Vermarktung, insbesondere
Regelungen (siehe 4.4.1.3), sollte eine schritt-
durch Verbraucheraufklärung und allgemein der -
weise Umstellung auf umwelt-, klima- und
Markterweiterung für umweltverträglich erzeugte
tiergerechte Haltungsformen auf Stroheinstreu
Produkte;
durchgesetzt werden;
— indirekte Förderung des umweltverträglichen
— Die nach Ablauf der Förderprogramme einge-
Landbaus durch Internalisierung der externen
henden Einnahmen aus Abgaben/Steuern sind
Kosten der umweltbelastenden Überschußproduk-
dafür einzusetzen, die Landwirte bei der
tion durch eine Stickstoffabgabe/-steuer sowie
Umstellung finanziell zu unterstützen (siehe
eine Gülleabgabe, soweit ein vorab zu schaffendes
c));
Förderprogramm zur Verringerung der Gülle-
menge innerhalb von fünf Jahren keine ausrei- — Strikte Beibehaltung einer nur regionalen Han-
chenden Erfolge bringt, eine Verteuerung von delbarkeit der Milchquoten und Rückführung
Pestiziden etc. freiwerdender Milchquoten in reine Grünland
gebiete zur Sicherung der ökonomischen Basis
— künftig Kopplung des Einkommensausgleichs
der Grünlandbewirtschaftung bzw. in vorzugs-
innerhalb der EG-Agrarreform an strukturelle,
weise umweltverträglich wirtschaftende Be-
regional ausdifferenzierte (Subsidiaritätsprinzip)
triebe;
Kriterien und die Umweltverträglichkeit;
— Bindung der Tierhaltung an die Fläche auf
— Förderung der Ausbildung, Beratung und For-
weitgehend betriebseigener Futtergrundlage
schung im Bereich ökologischer und generell
bei einer Bestandsdichte von maximal 1,5 GVE/
umweltverträglicher Produktionsverfahren;
ha LN, ggf. zusätzlich nach boden-, klima- und
— Rückführung der Agrarüberschüsse; Ein Teil der hydrogeologischen Standortbedingungen; Eine
Enquete Kommission spricht sich dabei für eine
- Möglichkeit hierzu bietet die Änderung des
flächendeckend extensive Landbewirtschaftung, Bewertungsgesetzes im Rahmen des Steuer-
ein anderer Teil der Kommission für eine flächen- rechtes, mit der nicht umweltverträglich produ-
deckend extensivere Landbewirtschaftung aus zierende Betriebe von jeglicher Agrarförderung
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
und Privilegierung des Agrarbereichs ausge- tung von Gülleüberschüssen und organischen
schlossen werden können; Abfällen (siehe Kap. 4.4.1.5, c));
b) Reduzierung der Methanemission je Produktein-
heit
4.4.1.3 Maßnahmen zur Reduzierung von
— Förderung der Ausbildung und Beratung im Distickstoffoxidemissionen (N 20)
Bereich der Tierfütterung hinsichtlich Manage-
ment und Verbesserung der Nährstoffverwer- a) Begrenzung des mineralischen Stickstoffdünger-
tung durch optimierte Fütterung auf betriebsei- einsatzes
gener Futtergrundlage;
— Einführung einer Stickstoffabgabe mit einer
— Verbot der Leistungssteigerung durch Hormon- stufenweisen Anhebung des Preises für minera-
zugabe; lische Stickstoffdünger. Hierbei sollten die Mit-
telaufkommen in Form direkter Einkommens-
— Teile der Enquete Kommission sehen ein Ver-
-
übertragungen an die Landwirte zurückfließen,
bot der gentechnologischen Beeinflussung der
die sich an Extensivierungs- und Landschafts-
Pansenmikroflora bzw. der Fortpflanzung als
pflegemaßnahmen beteiligen. Zu Einkom-
notwendig an, andere Teile der Kommission
mensverlusten kommt es nur bei den Landwir-
sehen Lösungsansätze im Rahmen der beste-
ten, die mit hohem Mineraldüngereinsatz wirt-
henden Gesetze (z. B. Gentechnologie-Ge-
schaften, extensiv und umweltverträglich wirt-
setz).
schaftende Landwirte dagegen erzielen sogar
c) Verringerung der Methanemissionen aus den Einkommensverbesserungen;
Exkrementen
— Ein Teil der Enquete Kommission plädiert für
-

— Mittelfristig Rückführung der Güllewirtschaft eine stufenweise Anhebung der Stickstoffab-


durch Förderung der technischen Weiterent- gabe auf 4 bis 5 DM je kg N bis zum Jahr 2000;
wicklung und der Wiedereinführung bzw. Bei- ein Teil lehnt dies in dieser Höhe ab.
behaltung umwelt-, klima- und tiergerechter
— Konsequente Umsetzung der EG-Nitratrichtli-
Festmisthaltungssysteme;
nie durch eine Düngeverordnung. Darüber hin-
— Investitionsförderung sowie Förderung der aus sollte mittel- bis langfristig die Gesamt-
Ausbildung und Beratung zur Berücksichti- menge an ausgebrachtem Stickstoff (Mineral-
gung emissionsmindernder Maßnahmen im dünger und Wirtschaftsdünger) deutlich ver-
Bereich Stallbau/Stallhygiene/Wirtschaftsdün- mindert und die betrieblichen Kreisläufe
derlagerung etc.; geschlossen werden.
— Einführung einer Pflicht zur Abdeckung der b) Bindung der Tierhaltung an die Fläche (siehe
Güllelager (Dünge- bzw. Gülleverordnung, 4.4.1.1)
BImSchG);
c) Bewirtschaftungsmaßnahmen zur Beeinflussung
— Beibehaltung der Genehmigungspflicht von der Distickstoffoxidemissionen
Tierhaltungsanlagen mit mehr als 100 GVE 7 );
— Umbruch von Grünflächen nur in Ausnahmefäl-
— Genehmigungsauflagen (BImSchG) zur Ver- len;
minderung der Ausgasung durch stallbauliche
— Festschreibung emissionsmindernder Bewirt-
Maßnahmen (Verringerung der Emissionsober-
schaftungsmaßnahmen in der Düngeverord-
fläche durch Gestaltung der Güllekanäle, Teil-
nung; Förderung der Ausbildung und Bera-
statt Vollspaltenböden etc.);
tung;
— Einführung einer Gülleabgabe/-steuer, unter
Berücksichtigung der Erfahrungen aus einem
vorab zu schaffenden, fünf Jahre laufenden 4.4.1.4 Maßnahmen zur Reduzierung der
Ammoniakemissionen (NH 3)
Förderprogramm zur Verringerung der Gülle-
mengen, mittelfristig zur Finanzierung von Gül-
lebanken, Gülleverarbeitung, -vergasung bzw. a) Reduzierung der Tierbestände/Bindung der Tier-
-ausbringungstechnik und zur Finanzierung haltung an die Fläche (siehe 4.4.1.2,a))
einer Umstellung auf Festmisthaltungssysteme b) Reduzierung der Ammoniakemissionen je Pro-
(siehe 4.4.1.4, c)); dukteinheit
— weitere Förderung — unter Berücksichtigung — Internalisierung der externen Kosten der Tier-
der Erfahrungen mit den zur Zeit betriebenen produktion (siehe Kap. 4.4.1.1);
Pilotanlagen — von Biogasanlagen zur Verwer-
— Förderung der Ausbildung und Beratung im
Bereich der Tierfütterung hinsichtlich Manage-
7) Die Zahl von 100 GVE basiert auf der Verordnung für ment und Verbesserung der Nährstoffverwer-
genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV); Demnach
tung durch optimierte Fütterung (bedarfsorien-
sind Anlage zum Halten und zur Aufzucht von Geflügel oder
zum Halten von Schweinen mit mehr als 7 000 Hennen-,
tierte Phasenfütterung und gezielte Zugabe
14 000 Junghennen-, 14 000 Mastgeflügel-, 7 000 Truthüh- limitierender Nähr- und Wirkstoffe bei einer
ner-, 700 Mastschweine- oder 250 Sauenplätzen genehmi- Tierhaltung auf betriebseigener Futtergrund-
gungsbedürftig. lage);
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c) Lagerung, Aufbereitung und Ausbringung von ganische Düngung) von Müllkompost aus Sied-
Wirtschaftsdüngern lungsabfällen in der Landwirtschaft vor (analog
zum Klärschlamm-Haftungsfonds); dies führt
Verbesserung der Ausbildung und Beratung zur
gleichzeitig zur Verringerung der Methanemis-
Berücksichtigung emissionsmindernder Maßnah-
sionen aus der Deponierung bzw. der CO 2
men im Bereich Stallbau/Stallhygiene/Wirtschafts-
-EmisoneaudrVbgvonai-
düngerlagerung und Wirtschaftsdüngerausbrin-
schen Siedlungsabfällen. Voraussetzung hier-
gung etc.;
für ist eine weitgehende Vermeidung von
— Förderung der bodennahen Ausbringung Schadstoffbelastungen des Müllkomposts.
(Schleppschlauch, Injektion etc.) und der sof or- Hierzu gehören die möglichst lückenlose Erfas-
tigen Einarbeitung der Wirtschaftsdünger (vor sung von Schadstoffquellen und Maßnahmen
allem Gülle); zu ihrer Vermeidung.

— Investitionsförderung zur Berücksichtigung Ein Teil der Enquete-Kommission lehnt dies


emissionsmindernder Maßnahmen im Bereich ab.
Stallbau/Stallhygiene/Wirtschaftsdüngerlage-
b) Senkung des Energieverbrauchs in der Landwirt-
rung und Wirtschaftsdüngerausbringung etc.
schaft
— Genehmigungsauflagen 8) zur Berücksichti-
— Ausbau der Programme zur Energieeinsparung
gung emissionsmindernder Maßnahmen im
bei landwirtschaftlichen Maschinen, Anlagen
Bereich Stallbau/Stallhygiene/Wirtschaftsdün-
etc. und Förderung regenerativer Energien
gerlagerung etc.;
(siehe c));
— Partielle Umstellung der Güllewirtschaft durch
— Energieeinsparung durch flächendeckend ex-
Umbau auf Festmiststallhaltungssysteme (siehe
tensivere Landbewirtschaftung, vor allem
4.4.1.1)
durch Reduzierung des Einsatzes von Mineral-
— Einführung einer Gülleabgabe/-steuer in Höhe düngern (siehe 4.4.1.2), von Zukauf- sowie
von zunächst 2 DM/kg Gülle-N (bei Überschrei- Importfuttermitteln, von Treibstoffen und ande-
ten von 1,5 DE/ha LN), unter Berücksichtigung ren Energieträgern und von Bioziden;
der Erfahrungen aus einem vorab zu schaffen-
— Umwidmung der Gasölbeihilfe/Steuerbefrei-
den fünf Jahre laufenden Förderprogramm zur
ung in eine Förderung nachwachsender Roh-
Verringerung der Güllemengen, mittelfristig
stoffe und Energieträger im Bereich der Land-
zur Finanzierung von Güllebanken (regionale
wirtschaft (siehe c));
Umverteilung), Gülleverarbeitung, -vergasung
(Biogas) bzw. -ausbringungstechnik und zur — EU-weite Harmonisierung der Dieselbesteue-
Finanzierung einer Umstellung auf Festmisthal- rung auf höherem Niveau (Tab. 4.5);
tungssysteme (siehe 4.4.1.2, c));
— Einführung einer CO 2/Energiesteuer (Internali-
d) Verwendung von stickstoffhaltigen Mineraldün- sierung externer Kosten)
gern
Ein Teil der Enquete Kommission - schlägt
— Auflagen bzw. Einschränkungen (Abgabe/ zudem eine Erhöhung der Mineralölsteuer vor,
Steuer) der Anwendung alkalisch wirken- um damit lange Transportwege zu verteuern
der Stickstoffdünger bzw. Ammoniumdünger sowie insgesamt die saisonalen und regionalen
(Düngeverordnung) (Kap. 4.2.3.4) Aspekte bei der Nahrungsmittelversorgung zu
stärken und energieintensive Produktionsver-
fahren (Gewächshausanbau) zu verteuern; Ein
4.4.1.5 Maßnahmen zur Reduzierung von anderer Teil der Enquete-Kommission lehnt
Kohlendioxidemissionen (CO 2) dies ab.

a) Bodenschutz und Humuswirtschaft c) Nutzung der Biomasse aus Rest- und Abfallstoffen/
Anbau nachwachsender Rohstoffe und Energieträ-
— Umbruch von Grönlandflächen nur in Ausnah- ger
mefällen;
— Weitere Förderung (Anschub-Finanzierung)
— Einführung verbindlicher Auflagen für Boden- kleiner und mittlerer dezentraler Heizkraft-
schutzmaßnahmen (vgl. Kap. 4.2.4.1) mit dem werke (BHKW), unter Berücksichtigung der
Ziel des Erosionsschutzes und der Sicherstel- Erfahrungen aus den zur Zeit bestehenden
lung einer geregelten Humuswirtschaft (Bun- Pilotanlagen, zur Verfeuerung von Festbrenn-
des-Bodenschutzgesetz und dessen Ausfüh- stoffen und Biogas (vor allem aus Rest- und
rungsverordnungen); Abfallstoffen); Insbesondere in den neuen Län-
— Teile der Enquete Kommission schlagen die
-
dern ergeben sich durch die vorhandenen Fern-
Einrichtung eines Müllkompost-Haftungsfonds wärmenetze und die landwirtschaftliche Be-
zur Förderung der stofflichen Verwertung (or- triebsstruktur wesentliche Potentiale;

— Anhebung der Einspeisevergütung für Strom


8) Gemäß den Festschreibungen in der 4. BImSchV und der TA aus Biomasse auf das Niveau anderer regenera-
Luft sowie den entsprechenden Durchführungsverordnun- tiver Energiequellen (Stromeinspeisungsge-
gen auf Länderebene. setz);
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
— Einführung einer CO 2/Energiesteuer, von der — Berücksichtigung von Umweltkriterien (z. B.
regenerative Energiequellen ausgenommen UVP) sowie nationaler Entwicklungspläne bei
sind; Investitionen in Entwicklungsländern durch
supranationale Organisationen, Banken und
— Förderung des Einsatzes pflanzlicher Treib-
Konzerne, um eine/n unkontrollierten Nut-
und Schmierstoffe aus nachwachsenden Roh-
zung/Abbau von natürlichen Ressourcen und
stoffen/Energieträgern in der Forst- und Land-
Umweltzerstörung in den Entwicklungsländern
wirtschaft, sofern sie in Produktion und Ver-
zu verhindern;
brauch eindeutig ökologisch verträglich sind;
— verstärkte Kooperation mit der lokalen Bevöl-
— Förderung der Forschung vor allem im Bereich
kerung und NichtregierungsOrganisationen;
produktbezogener Öko- und Klimabilanzen.
— Erfassung der ökologischen, sozialen und öko-
Die konsequente Umsetzung der Empfehlungen ist
nomischen Folgekosten von Investitionen und
aus yolks- und landwirtschaftlicher Sicht sowie nach
deren Ausgleich (UVP);
derzeitigem Stand des Wissens und der Technik durch
eine Verringerung der bisherigen Überschüsse und — umfassende Regelung der Unternehmenshaft-
die Umverteilung der bisherigen Agrarmarktausga- pflicht;
ben ohne Einkommensverluste der Landwirte mög-
— Keine weitere Mit-/Finanzierung von nach-
lich. Die Maßnahmen führen — neben weiteren
weislich umweltschädigenden und sozial un-
Umweltentlastungen — mindestens zu einer Halbie-
verträglichen Projekten;
rung aller Treibhausgasemissionen aus dem Bereich
der nationalen und europäischen Landwirtschaft. Der — Erhöhung der Finanzmittel für die staatliche
Anteil der Landwirtschaft am nationalen Treibhaus- Entwicklungshilfe auf mindestens 0,7 % des
potential (Summe aller CO 2 -äquivalenten Treibhaus- Bruttosozialprodukts bis zum Jahr 2000, insbe-
gase) würde damit — bezogen auf die heutige Emis- sondere auch zur Aufstockung der Mittel im
sion — von etwa 15 % auf etwa die Hälfte davon Landwirtschaftsbereich (Agroforstwirtschaft);
gesenkt werden. Das von der Bundesregierung in
ihrem Nationalbericht formulierte Ziel einer Reduk- — ,,Dept-for-Nature-Swaps" (Schuldenerlaß bzw.
tion des Treibhauspotentials um 50 % bis zum Jahr Kompensationszahlungen für Umweltschutz-
2005 würde damit vom Landwirtschaftssektor erreicht maßnahmen);
(BMU 1993).
4.4.2.2 Maßnahmen zur Verringerung
des Bevölkerungswachstums

4.4.2 Handlungsempfehlungen auf internationaler — Finanzielle Förderung aller Maßnahmen zur Ver-
Ebene ringerung des Bevölkerungswachstums;
— Aufstockung der Finanzmittel der UNFPA;
4.4.2.1 Veränderungen der politischen und
ökonomischen Rahmenbedingungen des — Verbesserung des Lebensstandards, der Bildung
Welthandels und der wi rt schaftlichen und Ausbildung, der Stellung der Frauen in der
Zusammenarbeit Gesellschaft sowie der staatlichen Alterssiche-
rung;
a) Rahmenbedingungen des Welthandels
— Verbreitung und Förderung der Methoden der
— Verringerung der Überschußproduktion und Familienplanung.
der Exportsubventionen in den Industrielän-
dern;
4.4.2.3 Technische Entwicklungszusammenarbeit
— Verbesserung des Marktzugangs für die Ent-
im Agrarsektor
wicklungsländer durch den Abbau von Han-
delshemmnissen — insbesondere für weiterver-
— Ausweitung der technischen Zusammenarbeit und
arbeitete Produkte;
entsprechende Ausweitung der finanziellen För-
— Aufnahme verbindlicher Umweltstandards derung (vor allem auch für Ausbildung und Bera-
(auch für Agrarprodukte) in das Welthandels- tung) mit dem Ziel
abkommen;
— des Bodenschutzes,
— Transfer umweltschonender Technologien und
— der Eindämmung der Desertifikation,
Verfahren
— der Ausweitung ressourcenschonender und
b) Wirtschaftliche Zusammenarbeit
nachhaltiger umweltverträglicher Bewirtschaf-
— Schuldenerlaß für die ärmsten Entwicklungs- tungssysteme,
länder und Aussetzung der Schuldendienstzah-
— der Erhöhung der Produktivität durch ver-
lungen der armen Entwicklungsländer, fall-
besserte Anbaumethoden (Ecofarming/Agro-
weise auch Schuldenerlaß. Dabei ist auf Eigen-
forstwirtschaft) und
anstrengungen, wie etwa die drastische Redu-
zierung der Militärausgaben in den Schuldner- — der Sicherung der Ernährung und Selbstversor-
ländern hinzuwirken; gung in den Entwicklungsländern;
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

— Auswahl und Züchtung geeigneter Reispflanzen — Wahl geeigneter Arten und So rt en, die an eine
mit geringerem Methantransport durch die längere Vegetationsperiode angepaßt sind;
Pflanze, aber unter Berücksichtigung einer ausrei-
— Bedarfsweise Wiederbewirtschaftung stillgelegter
chenden Sortenvielfalt;
Flächen;
— Verändertes Bewässerungs- und Düngungsmana-
— Wiedereinführung und Weiterentwicklung was-
gement zur Senkung der Methanemissionen (Kap.
serschonender Fruchtfolgen und Anbautechni-
4.3.3.1); ken;
— Förderung der Ausbildung und Beratung in Reis- In Anbetracht der bereits heute weltweit wachsenden
anbaugebieten; Nutzungskonkurrenz bei rückläufiger Verfügbarkeit
— Koordination der Forschung zur Verbreitung und von Wasser in ausreichender Menge und Qualität
Umsetzung von Forschungsergebnissen. sowie aufgrund des hohen Kapitalbedarfs und der
zunehmenden Versalzung der Böden ist künftig mit
einem Rückgang des Bewässerungsfeldbaus zu rech-
nen.
4.5 Möglichkeiten der Anpassung der
Landwirtschaft an die Klimaänderung Zur Selektion der an künftige Umwelt- bzw. Anbau-
bedingungen besonders angepaßten Sorten ist ein
Das Klimasystem reagiert z. B. durch die Wärme- und systematisches Sorten-Screening durchzuführen. Da
Kohlenstoffspeicherung der Ozeane mit erheblicher es der Landwirtschaft bereits in der Vergangenheit
zeitlicher Verzögerung auf den steigenden Eintrag gelungen ist, sich — auch mit Hilfe der Pflanzenzüch-
klimawirksamer Spurengase. Die meisten Treibhaus- tung — den unterschiedlichsten Standortverhältnis-
gase haben eine Lebensdauer bzw. atmosphärische sen anzupassen, werden große Hoffnungen auch in
Verweilzeit von mehreren Jahrzehnten bis zu Jahr- die Pflanzenzüchtung gesetzt. Die Anpassung an die
hunderten. Außerdem gibt es zur Zeit international prognostizierten Umweltbedingungen erfordert die
kaum ernsthafte Initiativen zur Emissionsminderung Züchtung wärme- und trockenheitstoleranter Pflan-
oder sogar zur Stabilisierung bzw. Verringerung der zensorten sowie die Resistenzzüchtung auf neue bzw.
atmosphärischen Treibhausgaskonzentrationen. Es zunehmende Pflanzenkrankheiten. Sowohl bei dem
muß daher realistischerweise mit dem Voranschreiten Sorten-Screening als auch in der Züchtung darf
der Klimaänderung gerechnet werden. jedoch nicht wie bisher allein das physikalische Klima
berücksichtigt werden, sondern es muß auch der
Bei einem Temperaturanstieg von mehr als 0,1°C pro Anstieg von CO 2 , O3 und UV-B einbezogen werden
Jahrzehnt ist die Anpassungsfähigkeit natürlicher und (Kap. 4.6). Problematisch ist jedoch die Tatsache, daß
naturnaher Ökosysteme überfordert. Es kommt ver- man in Ermangelung präziser Prognosen der regiona-
mutlich zum Ausfall einzelner Arten und zur Destabi- len Klimaänderungen im Moment kaum klare Zucht-
lisierung der Ökosysteme (Abschnitt C). Agraröko- ziele festlegen kann. Falls aber die Klimaänderung so
systeme sind dagegen maßgeblich durch Bewirtschaf- rasch wie befürchtet eintreten sollte, wird die Pflan-
tungsmaßnahmen geprägt. Man kann daher anneh- zenzüchtung umso schwerer darauf reagieren kön-
men, daß je nach regionaler Ausprägung der Klima- nen, da die Züchtung einer neuen So rte häufig mehr
änderung und in Abhängigkeit von Know-how und als zehn Jahre dauert. Bei allen Hoffnungen, die die
Kapitalkraft Anpassungsmöglichkeiten an künftige Pflanzenzüchtung und der technische Fortschritt für
Anbaubedingungen gegeben sein werden, insbeson- die Zukunft der Landwirtschaft verheißen, ist daher
dere in der Landwirtschaft Europas bzw. der gemäßig- eine gesunde Skepsis angebracht. „Ob der Mensch
ten Breiten der Nordhemisphäre. Derzeit ist es jedoch die Natur überlisten, verbessern kann und dies auch
noch nicht möglich, zuverlässige Szenarien künftiger noch dauerhaft und langfristig umweltverträglich,
Klimabedingungen, d. h. der regionalen Temperatur- kann man zumindest in Frage stellen" (Heinloth,
und Niederschlagsverteilung sowie der CO 2 -, O3- und 1993).
UV-B-Änderungen darzustellen, die es erlauben wür-
den, entsprechende Anpassungsstrategien für die Die kommende Klimaänderung wird sich zudem nicht
landwirtschaftliche Forschung und Praxis zu entwik- geradlinig und berechenbar entwickeln, sie bedroht
keln. Eine Anpassung der Landwirtschaft an eine die Landwirtschaft ebenso wie die natürlichen Ökosy-
künftige Klimaänderung könnte — bereits mit dem steme vielmehr mit neuen Extremwerten und vermut-
vorhandenen Arten- und Sortenspektrum und heuti- lich einer Zunahme extremer Wetterereignisse. Je
ger Technik — durch folgende Maßnahmen erfolgen intensiver und spezialisierter die Landbewirtschaf-
(Sauerbeck, 1992): tung erfolgt, je höher die Erträge durch Einsatz
produktionssteigernder Betriebsmittel sind, desto
— Anpassung der Anbaustrukturen und -systeme an
anfälliger werden die Agrarökosysteme und desto
die veränderten klimatischen Bedingungen;
höher ist der Kontroll- und Regelaufwand seitens des
— Anbau von wärme- und trockenheitstoleranteren Menschen. Höchsterträge sind nur durch den Einsatz
Pflanzenarten bzw. -sorten; von Düngemitteln und Pestiziden zu erzielen. Die
Mischkultursysteme der Agroforstwirtschaft oder des
— Zeitliche Veränderung und Anpassung der Boden- ökologischen Landbaus fügen sich harmonischer in
bearbeitung, Aussaat, Düngung, Pflanzenschutz- die Umgebung und die ökosystemaren Verflechtun-
maßnahmen und Ernte; gen ein als die großflächigen Monokulturen der Inten-
— Wechsel von Sommer- zu Wintergetreide in bisher sivlandwirtschaft. Ohne ihre chemischen Hilfsmittel
dafür ungeeigneten Regionen; ist die konventionelle Landwirtschaft erheblich anfäl-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
liger als der ohne chemische Hilfsmittel wirtschaf- ten Spurenstoffen in die Atmosphäre definieren zu
tende ökologische Landbau, der auf der Förderung können);
der natürlichen Widerstandskräften im Agrarökosy-
— Untersuchungen über den Einfluß von Klimaände-
stem sowie dem Verbund mit Nachbarökosystemen
rungen auf die Emissions- und Depositionsraten
aufbaut. Eine nachhaltige Landbewirtschaftung stellt
von klimarelevanten Spurenstoffen in Agrarökosy-
damit das stabilere und anpassungsfähigere System
stemen;
für die kommende Klimaänderung dar. Dies gilt
weltweit, insbesondere aber in den derzeitigen bzw. — Entwicklung von numerischen Modellen zur Simu-
zukünftigen Problemgebieten in den Entwicklungs- lation der Emission und Deposition von Spuren-
ländern. stoffen durch landwirtschaftliche Aktivitäten.

Diese Informationen bzw. Instrumente sind notwen-


4.6 Forschungsbedarf dig, um quantitative und allgemein respektierte Aus-
sagen über den Beitrag landwirtschaftlicher Aktivitä-
ten zu den biogeochemischen Zyklen wichtiger
Es sind wesentliche und in vieler Hinsicht neue umweltrelevanter Spurenstoffe und deren zukünftige
Erkenntnisse über den Beitrag der Landwirtschaft zur Entwicklung (u. a. in Anbetracht einer wachsenden
Änderung der chemischen Zusammensetzung der Weltbevölkerung und der damit verbundenen höhe-
Atmosphäre, hier insbesondere der direkt und indi- ren landwirtschaftlichen Produktion sowie einer
rekt wirksamen Spurenstoffe, gewonnen worden. Die zukünftigen Klimaänderung) machen zu können.
Prozesse, die zur Bildung und zum Abbau von klima-
relevanten Spurenstoffen in der Landwirtschaft füh- Darüber hinaus besteht weiterer Forschungsbedarf
ren, sind zwar grundlegend verstanden, allerdings insbesondere zu den Problemkreisen der
bestehen erhebliche Kenntnisdefizite über die kom-
— Folgenabschätzung von Klimaänderungen und
plexen Wechselwirkungen zwischen den Bildungs-
einer Spurengaszunahme in Agrarökosystemen
und Abbauprozessen von Spurengasen in den ent-
und anderen terestrischen Ökosystemen und der
sprechenden landwirtschaftlich beeinflußten Ökosy-
stemen sowie über den Einfluß unterschiedlicher — Anpassungsstrategie der Landwirtschaft an verän-
landwirtschaftlicher Praktiken auf die Emissions- und derte Klimabedingungen.
Depositionsraten klimarelevanter Spurenstoffe. Des
weiteren sind wir weit davon entfernt, ausreichendes So wurden Wirkungen jeweils einzelner Faktoren, wie
Datenmaterial (z. B. durch Feldmessungen) zur Verfü- z. B. die physiologischen Wirkungen erhöhter atmo-
gung zu haben, um die Stoff-Flüsse der einzelnen sphärischer CO 2 -Konzentrationen auf einzelne Pflan-
klimarelevanten Spurenstoffe aufgrund landwirt- zenarten zwar vergleichsweise häufig untersucht,
schaftlicher Aktivitäten im globalen als auch regiona- doch können für den landwirtschaftlichen Pflanzen-
len Maßstab mit zufriedenstellender Sicherheit bau wichtige Fragen anhand der vorliegenden Ergeb-
abschätzen zu können. Völlig offen ist, wie sich die nisse nicht oder nur ungenügend beantwortet werden,
prognostizierten Klimaänderungen auf die Emissio- z. B.
nen und Depositionen klimarelevanter Spurenstoffe — wie reagieren Pflanzen auf erhöhte CO 2 -Konzen-
im Agrarökosystem auswirken werden und wie diese trationen unter Feldbedingungen (d. h. während
wiederum die chemische Zusammensetzung der des gesamten Entwicklungszyklus der Kultur- -
Atmosphäre, insbesondere die Oxidationskapazität pflanzen)?
der Troposphäre, verändern werden. Derartige Ver-
änderungen sind nicht nur deshalb zu erwarten, weil — Welche Wechselwirkungen sind zu erwarten,
die zur Bildung und zum Abbau von klimarelevanten wenn der CO 2 -Anstieg von einem Temperaturan-
Spurenstoffen verantwortlichen biologischen und stieg begleitet ist?
mikrobiologischen Prozesse stark von den Umge-
— Welche Wirkungen hat ein CO 2 -Anstieg auf den
bungsbedingungen abhängig sind, sondern weil die
pflanzlichen Wasserhaushalt (Wassernutzungsef-
prognostizierte Klimaänderung auch Einfluß auf die
fizienz) bzw. den Gebietswasserhaushalt?
Struktur der Landwirtschaft, d. h. der angebauten
Produkte, landwirtschaftlichen Praktiken etc., neh- — Welche Wirkungen auf Ertrag und Qualität land-
men wird. wirtschaftlicher Kulturen ergeben sich aus einer
CO2 -Zunahme bei unterschiedlicher Nährstoffver-
Um diese Kenntnisdefizite abzubauen, sind weitere
sorgung bzw. Düngung?
Forschungsarbeiten notwendig, die sich u. a. auf die
folgenden Schwerpunkte konzentrieren: — Wie wirkt sich ein CO 2 -Anstieg auf die pflanzliche
Entwicklung und Kohlenstoffverlagerung aus?
— Quantifizierung der regionalen und globalen
Quell- und Senkenstärken wichtiger direkt und — Welchen Einfluß hat ein CO 2 -Anstieg auf das
indirekt klimawirksamer Spurenstoffe (u. a. COS, Wurzelwachstum, die Rhizosphäre und bodenmi-
N20, CH4 , NH3 , NOR , VOC); krobiologische Prozesse?
— Durchführung von Prozeß-Studien zu Bildung und — In welchem Maße wird die CO 2 -Wirkung modifi-
Abbau von klimarelevanten Spurenstoffen sowie ziert durch
zum Transport dieser Substanzen aus dem System
— eine unterschiedliche Wasserversorgung?
in die Atmosphäre (diese Untersuchungen sind
wichtig, um geeignete und effiziente Maßnahmen — ein unterschiedliches Licht- bzw. Strahlungs-
zur Reduzierung der Emission von klimarelevan angebot?
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

— erhöhte 0 3 -Konzentration in der Tropo- sowie deren mögliche Wechselwirkungen mit bzw.
sphäre? Beeinflussung durch Kulturmaßnahmen (Düngung,
Pflanzenschutz, Bodenbearbeitung, Fruchtfolge,
— eine erhöhte UV-B-Strahlung? etc).

Ausgeprägte Wissensdefizite gibt es im Hinblick auf Um die Veränderungen der klimatischen Faktoren auf
mögliche Auswirkungen globaler und regionaler regionaler Ebene zu prognostizieren, müssen zu-
Umweltveränderungen auf die Struktur, Funktion nächst die Klimamodellrechnungen weiter verbessert
und Dynamik terrestrischer Ökosysteme. Welchsel- werden. Darüber hinaus bedarf es einer Verbesserung
wirkungen und Interaktionen der verschiedenen Fak- vorhandener bzw. einer Entwicklung neuer, regional
torenkomplexe lassen sich hier aufgrund fehlender angepaßter Wachstums- und Ertragsmodelle für ver-
systematischer Untersuchungen z.Zt. kaum abschät- schiedene Pflanzen und Pflanzengemeinschaften.
zen. Es erscheint daher dringlich, mit geeigneten,
Auf der Grundlage von Prognosen und Szenarien zur
freiland- und ökosystemorientierten Untersuchungs-
Veränderung des chemischen und physikalischen
ansätzen die Reaktionen und die dynamische Ent-
Klimas sowie den darauf aufbauenden Wirkungsab-
wicklung verschiedener Ökosysteme (intensiv, exten-
schätzungen (Versuchs- und Simulationsergebnisse)
siv bzw. ökologisch bewirtschaftete Agrarökosy-
können mögliche Anpassungsstrateigen entwickelt
steme , Dauergründlandsysteme, natürliche bzw. na-
werden (Kap. 4.5), die zum Erhalt der Lebensgrundla-
turnahe Ökosysteme) unter veränderten Umweltbe-
gen und zur Sicherung der Nahrungsmittelversor-
dingungen zu untersuchen. Von herausragendem
gung künftig notwendig werden. Ziel muß es daher
Interesse sind dabei die Auswirkungen von klimati-
sein, an der Praxis orientierte Empfehlungen zu erar-
schen Faktoren sowie eines CO 2-Anstieges, einer
beiten, die es erlauben, unter künftigen Klimabedin-
Zunahme des troposphärischen Ozons und der Inten-
gungen bei minimalem Einsatz an Dünge- und Pflan-
sität der UV-B-Strahlung auf
zenschutzmitteln optimale Erträge mit guter Qualität
— Artenzusammensetzung und -verteilung, zu erzielen. Notwendig ist hierzu vor allem ein syste-
matisches Sorten-Screening (Vergleichsuntersuchun-
— intra- und interspezifische Konkurrenz und Sym- gen) verschiedener landwirtschaftlicher Kulturarten
biose, bezüglich deren Reaktion gegenüber CO 2 , Tempera-
tur, Wasserversorgung, troposphärischem Ozon und
— Wirt/Parasit-Beziehungen,
UV-B-Strahlung. Auf der Grundlage von Wirkungs-
— Populationsdynamik, analysen ist weiterhin eine Analyse von Wechselwir-
kungen zwischen regionalen Umweltveränderungen
— Biomasseproduktion, -verteilung und -abbau,
und den Bewirtschaftungsmaßnahmen notwendig,
— Energieflüsse, um neben der Sorten- bzw. Artenwahl auch die
Kulturmaßnahmen (Düngung, Pflanzenschutz, Bo-
— Wasserhaushalt,
denberabeitung, Fruchtfolge etc.) an künftige Gege-
— Nährstoffkreisläufe und -bilanzen, benheiten anzupassen.

5. Literaturverzeichnis Abschnitt B

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-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

Abschnitt C — Klimaänderung und Wälder

Zusammenfassung und zentrale Empfehlungen

Situationsanalyse daher häufig mit hohem ökonomischen Risiko behaf-


tet sind.
Die Waldökosysteme sind Teil der gemeinsamen
unverzichtbaren Lebensgrundlage der Menschheit. Die Waldfläche in der gemäßigten Zone nimmt zur
Sie sind von unersetzlicher Bedeutung Zeit tendenziell zu. In vielen Regionen sind die
Waldökosysteme jedoch durch Stoffeinträge, insbe-
— für die Sicherung der natürlichen Lebensgrundla- sondere Schwefeldioxid SO 2 ), Stickstoffoxide (NO X),
gen, einschließlich Schutz des Klimas und Erhal- Ammoniak (NH3 ) und Ozon (O 3 ) belastet, die vor
tung der biologischen Vielfalt, allem aus dem Energiebereich, dem Verkehrssektor
— für die ökonomische, ökologische und soziale Ent- und der Intensivlandwirtschaft stammen. Im Zusam-
wicklung der Staaten, menspiel mit anderen Faktoren, zum Beispiel klimati-
schen Einflüssen, Schädlingskalamitäten und Krank-
— als potentiell unerschöpfliche Quelle lebenswichti- heitsbefall (oftmals aufgrund von Vorschädigungen),
ger Rohstoffe und genetischer Ressourcen für den schädigt der seit Jahrzehnten andauernde Stoffein-
menschlichen Bedarf, trag die Pflanzen und Böden. Im westlichen Europa
— als Lebensraum insbesondere für indigene Gesell- sind vor allem der hohe Stickstoffeintrag und die im
schaften, Sommer auftretenden hohen bodennahen Ozonkon-
zentrationen von Bedeutung. Im östlichen Europa
— für die Erhaltung der ländlichen Räume und die werden Waldschäden dagegen vor allem durch die
Sicherheit und Erweiterung der Erwerbsmöglich- Schwefeldioxidimmissionen hervorgerufen. In der
keiten ihrer Bevölkerung, Bundesrepublik Deutschland weisen 40 % der Wald-
— für die Befriedigung sozialer und kultureller flächen leichte und 24 % deutliche Schäden auf. In
Bedürfnisse der Menschen. den Staaten der Europäischen Union sind insgesamt
34 % der Waldflächen leicht und 24 % deutlich
Sie haben darüber hinaus einen hohen Eigenwert, den geschädigt (vgl. Kap. 3). Die vorgeschädigten Wald-
es zu respektieren und aus ethischen Gründen zu bestände fallen vermehrt klimatischen Extremereig-
erhalten gilt. nissen, vor allem Stürmen und Naßschneefall, zum
Opfer. Ein weiteres Problem für die Wälder sind in
Der vielfältige Nutzen, den der Mensch aus den
einigen Regionen Europas die starken Wildverbiß-
Wäldern zieht, wurde und wird häufig unterschätzt.
schäden, die die natürliche Verjüngung behin-
Diese Fehleinschätzung fördert die fortschreitende
dern.
Entwaldung sowie unangepaßte und daher degradie-
rende Nutzungsformen und andere Belastungen, die
zu einer Destabilisierung der Waldökosysteme füh-
ren. Ausmaß, Ursachen und Formen der Walddegra- Bestand und Gefährdung der Wälder
dation und -vernichtung hängen dabei von den regio- der kaltgemäßigten Breiten
nalspezifischen sozialen, wirtschaftlichen und ökolo-
gischen Rahmenbedingungen ab und sollen im fol- Die als boreal bezeichneten Wälder der kaltgemäßig-
genden entsprechend differenziert skizziert werden ten nördlichen Breiten (ca. 50 bis 70° nördliche Breite)
(vgl. Kap. 2 bis 4). unterliegen einem zunehmenden und häufig ineffi-
zienten Holzeinschlag, der regional erhebliche Über-
nutzungen und Degradationserscheinungen hervor-
Bestand und Gefährdung der Wälder ruft. Zudem nimmt die von Bränden befallene Wald-
in den gemäßigten Breiten fläche zu. Die aktuelle Entwicklung der Waldbe-
stände kann auf der verfügbaren Datenbasis nur mit
Die temperierten, sommergrünen Laub- und Laub- Unsicherheiten abgeschätzt werden. Die nichtbe-
mischwälder in den gemäßigten Breiten sind am stockte Waldfläche hat sich innerhalb der vergange-
stärksten vom Menschen geprägt. Natürliche Be- nen Jahrzehnte erheblich vergrößert und umfaßt
stände kommen nur noch vereinzelt auf kleinen heute etwa 150 Mio. ha. Nur etwa ein Viertel davon
Flächen vor. Jährlich werden etwa 2,5 % der Waldflä- sind vorübergehende Kahlflächen nach Holzein-
che eingeschlagen. Dies geschieht zumeist im Rah- schlag und Bränden. Der größte Teil wird, vor allem in
men einer geregelten Bewirtschaftung ohne Waldver- der ehemaligen Sowjetunion, mangels Wiederauffor-
luste. Der starke anthropogene Einfluß hat jedoch zur stung und aufgrund von Bodenschädigungen langfri-
großflächigen Ausbreitung von Altersklassenwäldern stig unbestockt bleiben. Darüber hinaus sind dort
und Reinbeständen geführt, die zwar vergleichsweise großflächige Degradationserscheinungen als Folge
rationell zu nutzen, jedoch ökologisch instabil und der immensen Schadstoffbelastung zu. beobachten.
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Ungeachtet dieser großflächigen Devastierungen Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission


wird geschätzt, daß die Wälder und Moore der borea-
len Zone zur Zeit netto eine Kohlenstoffsenke darstel-
Die Enquete-Kommission sieht in der globalen
len. In Anbetracht des schlechten Waldzustandes,
Gefährdung der Wälder ein Symptom für den nicht
insbesondere in der ehemaligen Sowjetunion, dürfte
nachhaltigen Umgang der Menschheit mit natürli-
die Nettoaufnahme 0,3 bis 0,5 Mrd. tC/Jahr nicht
chen Ressourcen. Der Schutz und die nachhaltige
überschreiten.
Bewirt schaftung der Wälder ist vor diesem Hinter-
grund nur durch eine weit über den Forstbereich
hinausgehende Strategie zu erreichen. Dabei sieht die
Bestand und Gefährdung der tropischen Wälder Kommission in den verschiedenen Kimazonen die
folgenden Handlungsfelder als vordringlich an.
In den Tropen führen in erster Linie die Ausweitung
landwirtschaftlicher Nutzflächen und der nicht nach-
haltige Holzeinschlag sowie des weiteren die industri-
elle Erschließung (z. B. Abbau von Bodenschätzen)
zur fortschreitenden Vernichtung von Primärwäldern. Temperierte Wälder
Der Verlust betrug in den 80er Jahren durchschnittlich
15,4 Mio. ha pro Jahr, das sind etwa 0,8 % der In den Ländern der gemäßigten Breiten ist die drasti-
Waldfläche in den Tropen. Hält diese Entwicklung an, sche Reduzierung des Stoffeintrags die wichtigste
so wird bis zur Mitte des nächsten Jahrhunderts die Aufgabe zum Schutz der Wälder. Auf der internatio-
Hälfte der heute vorhandenen Tropenwälder vernich- nalen Ebene mißt die Enquete-Kommission dabei der
tet sein. Degradation und Waldvernichtung rufen Verschärfung und Erweiterung der Protokolle der
gravierende ökologische Schäden hervor, zum Bei- Genfer Luftreinhaltekonvention eine zentrale Bedeu-
spiel die Ausrottung einer Vielzahl von Tier- und tung bei und schlägt die folgenden Maßnahmen
Pflanzenarten, Bodenerosion, regionale Klimaände- vor.
rungen etc. Diese Schäden verschlechtern die Le-
bensbedingungen der lokalen Bevölkerung und — Die vorhandenen Protokolle zur Verminderung
vermindern so den sozialen und wi rtschaftlichen der grenzüberschreitenden Schwefeldioxid- bzw.
Nutzen. Darüber hinaus führt die fortschreitende Ver- Stickstoffoxidemissionen sowie das Protokoll zur
nichtung tropischer Wälder zur Freisetzung von 1 bis Verminderung der Emission flüchtiger Kohlen-
2 Mrd. tC pro Jahr. Sie ist damit für etwa 10 bis 20 % wasserstoffverbindungen (VOC) sind möglichst
des anthropogenen Treibhauseffektes verantwort- umgehend zu verschärfen. Ziel muß dabei die
lich. flächendeckende Verminderung des Stoffeintrags
unter das Niveau der von den Wäldern verkraftba-
ren Mengen (kritische Belastung) sein. Besonders
Künftige Gefährdungspotentiale groß ist der Handlungsbedarf bei der Reduzierung
der Stickoxidemissionen. Diese müßten beispiels-
weise in der Bundesrepublik Deutschland inner-
Die wachsende Bevölkerung und die steigende Nach-
halb der kommenden 20 Jahre um etwa 55 bis
frage nach Holz und vor allem kurzlebigen Holzpro-
60 %, langfristig (20 bis 40 Jahre) um 80 % vermin-
dukten wird in absehbarer Zeit zu einer Ausweitung
dert werden, um die Wälder wirksam vor Schäden
der anthropogenen Eingriffe in die Wälder führen.
zu schützen. Die Freisetzung von VOC müßte bis
Das heutige Ausmaß der Waldvernichtung und -de-
zum Jahr 2005 gegenüber 1987 um 80 % vermin-
gradation droht sich entsprechend auszuweiten. Die-
dert werden.
ser direkte menschliche Einfluß wird vorerst die
weltweite Waldfläche und den Zustand der Wälder
— Zusätzlich zu den bereits bestehenden Vereinba-
bestimmen. Bei Anhalten des derzeitigen Trends
rungen ist ein Protokoll zur Verminderung der
werden sich zudem die anthropogen verursachten
Ammoniak-Emissionen zu verabschieden. Die
Klimaänderungen mehr und mehr auf den Zustand
anzustrebende Reduktionsrate sollte dabei zumin-
der Waldökosysteme auswirken. Aufgrund der
dest in der gleichen Größenordnung liegen wie bei
Schnelligkeit, mit der die prognostizierten Verände-
den Stickstoffoxiden.
rungen eintreten werden — sowie der voraussichtlich
wesentlich häufigeren klimatischen Extremereignisse
— ist damit zu rechnen, daß Wälder großflächig Auf der nationalen Ebene sind zur Verminderung
absterben bzw. degradieren. Gegenwärtig als CO 2 waldschädigender Stoffeinträge die Ammoniak-
Emissionen in der Landwirtschaft 1 ) und vor allem die
-SenkwirdWälohenmZugdrKlia-
NOX -Emissionen im Verkehrsbereich — über die
änderung zu Nettokohlenstoffquellen zu werden und
bereits beschlossen Ausstattung von Neuwagen mit
so den anthropogenen Treibhauseffekt zu verstärken.
Katalysatoren und die Verminderung des Gehaltes
Insgesamt ist damit zu rechnen, daß die heute bereits
von Kohlenwasserstoffen in Kraftstoffen hinaus —
durch Waldvernichtung freigesetzte biogene Kohlen-
abzusenken. Der Verkehrsbereich ist etwa für zwei
stoffmenge (1 bis 2 Mrd. tC pro Jahr) in Zukunft
Drittel der NOx-Emission verantwortlich. Dabei sind
erheblich ansteigen und sogar einen Wert annehmen
könnte, der mit den heutigen CO 2 -Emissionen durch 1) Die zur Senkung der Ammoniak-Emissionen (NH 3 ) notwen-
die Verbrennung fossiler Brennstoffe (6 bis 7 Mrd. tC digen Maßnahmen sind im Teil Landwirtschaft (Abschnitt B,
pro Jahr) vergleichbar ist. Kap. 4.4) beschrieben.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

kurzfristig die folgenden Maßnahmen von zentraler Darüber hinaus sind auch in Mitteleuropa, das nahezu
Bedeutung 2 ): keine Primärwälder mehr aufweist, der natürlichen
Entwicklung von Wäldern Möglichkeiten einzuräu-
— Maßnahmen zur Verkehrsvermeidung.
men. Auf den bewi rt schafteten Flächen sind die heute
— Verkehrsverlagerung von der Straße auf die vorherrschenden schlagreifen Alterklassenwälder in
Schiene Dauerwälder aus standortgerechten, einheimischen
Mischwälder umzugestalten. Eingriffe des Menschen
— Verbesserung der Verkehrstechnik (vor allem zur sollen durch die Bevorzugung von Einzelstammein-
Reduzierung des Treibstoffverbrauchs) schlag und Naturverjüngung sowie den Verzicht auf
Pestizide und Düngemittel auf ein notwendiges Mini-
— Konsequenter Ausbau des öffentlichen Verkehrs
mum beschränkt werden. Als eine der Voraussetzun-
— Erhöhung der Mineralölsteuer oder Einführung gen für eine naturgemäße Waldwirtschaft sind vor
einer emissionsbezogenen Kraftfahrzeugsteuer allem in Teilen der Bundesrepublik die überhöhten
oder die Umlegung der Kraftfahrzeugsteuer auf Wilddichten auf ein waldverträgliches Maß zurückzu-
die Mineralölsteuer, führen.

— verursachergerechte Anlastung der durch den


Verkehr entstehenden externen Kosten (Umwelt-
schäden, soziale Kosten, Wegekosten). Boreale Wälder

Langfristig, das heißt über Jahrzehnte, muß jedoch Im Zentrum der Initiativen zum Schutz der borealen
jeglicher motorisierte Verkehr auf Technologien Wälder muß eine erhebliche Intensivierung der
umgestellt werden, bei denen die Emission von direkt umweltpolitischen und forstpolitischen Zusammenar-
und indirekt klimawirksamen bzw. waldschädigen- beit der westlichen Industriestaaten mit den Staaten
den Gasen weitestgehend — nach Möglichkeit sogar der ehemaligen Sowjetunion stehen. Dabei ist vor
vollständig — vermieden werden kann. Dafür müssen allem die Verminderung der industriellen Emissionen
bereits jetzt die Weichen in der Verkehrs- und For- und die drastische Verringerung der Holzverluste
schungspolitik gestellt werden. beim Einschlag, beim Transport und bei der Verarbei-
Darüber hinaus sind auch im Energiebereich, der tung zu gewährleisten. Die Enquete-Kommission
etwa ein Drittel der NO X -Emissionen freisetzt, Maß- erwartet von der Bundesregierung, daß sie sich im
nahmen zu ergreifen, so vor allem Rahmen ihrer bilateralen Kooperation mit den Staaten
der GUS sowie in der KSZE für das Zustandekommen
— die rasche Umsetzung der Immissionsschutzrege- eines entsprechenden Kooperationsabkommen ein-
lungen in den neuen Ländern, setzt.
— die Einführung einer CO 2/Energiesteuer sowie Zum Schutz der nordamerikanischen borealen Wäl-
der sieht die Enquete-Kommission in der Anpassung
— Maßnahmen zur Effizienzsteigerung im Kraft-
bereits bestehender Einschlagskonzessionen an die in
werksbereich 3 ).
jüngster Zeit verabschiedeten Bestimmungen für
Durch die Resolutionen der Ministerkonferenz zum einen umweltschonenderen Holzeinschlag ein we-
Schutz der Wälder haben die Staaten Europas eine sentliches Instrument zum Schutz der Wälder. Dar-
Vorreiterrolle bei der Umsetzung von nachhaltigen über hinaus erachtet sie ein Konzept für den weitest-
Bewirtschaftungsmethoden auf der internationalen gehenden Schutz der noch bestehenden einzigartigen
Ebene übernommen und sind gehalten, die Be- Regenurwälder entlang der Pazifikküste sowie die
schlüsse zügig in die eigenen Forstgesetze und die Konzentration des Einschlags auf die Sekundärwald-
Forstpraxis umzusetzen. Die Bewirtschaftung der fläche für erforderlich. Soweit Einschläge in die Re-
Wälder sollte sich künftig am Leitbild der naturgemä- genurwälder erfolgen, müssen diese die Kriterien
ßen Waldwirtschaft orientieren und so durchgeführt einer nachhaltigen Bewi rt schaftung strikt beachten
werden, und umweltschonende Einschlagmethoden ange-
wendet werden.
— daß ihre ökologische Stabilität auch unter sich
verändernden Umweltbedingungen (z. B. Klima-
änderung) gewährleistet und
Tropenwälder
— die Erhaltung der biologischen Vielfalt sicherge-
stellt ist, Die Enquete-Kommission wertet die in den letzten
Jahren ergriffenen Intitiativen zum Schutz der Tro-
— daß sie einen hohen Gehalt an — in der Biomasse
penwälder als Ansätze, die in wesentlichen Teilen
und den Böden gespeicherten — Kohlenstoff dau-
Korrekturen und Ergänzungen bedürfen. Die Kom-
erhaft aufweisen.
mission fordert die Bundesregierung und die Europäi-
sche Union auf, sich auf internationaler Ebene dafür
2) Ein umfassendes Bündel von emissionsmindernden Maßnah-
men im Verkehrsbereich hat die Enquete-Kommission in
einzusetzen, daß
ihrem zweiten Bericht „Mobilität und Klima" vorgeschla-
— den Tropenwaldländern über den GEF wesentlich
gen.
3) Ein umfassendes Paket von emissionsmindernden Maßnah-
mehr Finanzmittel für den Schutz ihrer Wälder und
men im Energiebereich wird die Enquete-Kommission in zur drastischen Ausweitung von Aufforstungen —
ihrem in Kürze erscheinenden Bericht zum Thema „Energie auch zur Verbesserung der Brennholzversorgung
und Klima" vorlegen. — zur Verfügung gestellt werden; dabei sind
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Kontrollmöglichkeiten zu schaffen, die die sachge- nationalen Zellstoffproduktion mit hohen Umwelt-
rechte Verwendung der Finanzmittel sicherstel- standards auf der Basis von in der Region erzeugten
len; Hölzern aus nachhaltiger Bewirtschaftung vor. Außer-
dem sieht sie in einer Überprüfung baurechtlicher
— die im Rahmen des Tropenforstaktionsprogram- Bestimmungen hinsichtlich einer Ausweitung der
mes erstellten nationalen Pläne in Tropenwald- Verwendung von Holzbauteilen Möglichkeiten, die
schutzpläne umgewandelt werden. umwelt- und klimafreundliche Verwendung von Holz
Weitere wesentliche Punkte sind die Aufnahme ver- zu fördern.
bindlicher Maßnahmen zum Schutz und zur Förde- Die energetische Nutzung von Holz und Holzresten ist
rung nachhaltiger Bewirtschaftungsmethoden in das in einigen Industrieländern bereits seit längerem ein
neue Tropenholzabkommen. Die Enquete-Kommis- wichtiger Bestandteil der Energieversorgung. In
sion legt dem Deutschen Bundestag nahe, die Ratifi- Deutschland spielt Holz als Energiequelle praktisch
zierung des Abkommens von einer entsprechenden keine Rolle. Die Enquete-Kommission erachtet die
Erweiterung abhängig machen. In diesem Zusam- Substitution fossiler Energiequellen durch Holz als
menhang befürwortet die Enquete-Kommission nach- eine wichtige Aufgabe zur Verminderung der CO 2
drücklich die Einführung eines Labels für nachhaltig -Emisone.SchätzdargisePontlv
erzeugte Tropenhölzer. Diesem müssen jedoch ver- Holz und Holzabfällen in der Bundesrepublik auf
bindliche Kriterien und nachprüfbare Indikatoren insgesamt etwa 140 PJ (das entspricht rund 4,8 Mio. t
zugrunde liegen. Insbesondere muß die Einführung SKE). Davon könnten bis zum Jahr 2005 etwa 50 PJ
des Labels dazu dienen, die Einschläge in Primärwäl- (etwa 1,7 Mio. t SKE), bis Mitte des kommenden
der zu vermindern, den ökologischen Erfordernissen Jahrhunderts etwa 100 PJ (etwa 3,4 Mio. t SKE)
Rechnung zu tragen und die Bedürfnisse der lokalen erschlossen werden. Insbesondere die bereits heute
Bevölkerung bei der Waldnutzungsplanung voll zu wirt schaftliche energetische Nutzung von Holzresten
berücksichtigen. sollte gefördert werden und gleichzeitig die Wettbe-
werbsfähigkeit von Biomasse durch die Einführung
Zur Verbesserung der Rahmenbedingungen hält die
einer CO 2 -/Energiesteuer verbessert werden.
Enquete-Kommission Schuldenerlaß und -erleichte
rungen für Tropenwaldländer über das bisherige Maß
hinaus für erforderlich. Sie fordert die Bundesregie-
Internationale Konvention zum Schutz der Wälder
rung auf, sich auf internationaler Ebene für weiterge-
hende Schuldenerleichterungen einzusetzen und sel-
Die Enquete-Kommission fordert die Bundesregie-
ber weitere Entschuldungsmaßnahmen — insbeson-
rung auf, ihre bisherigen Initiativen für das Zustande-
dere für Länder, die den Schutz der Umwelt und
kommen einer Internationalen Konvention zum
speziell der Wälder zu einem Schwerpunkt ihrer
Schutz der Wälder zu verstärken und im Rahmen der
Politik gemacht haben — durchzuführen. Dabei sollen
Beratungen der UN-Kommission für nachhaltige Ent-
auch die im Rahmen von Hermes-Bürgschaften
wicklung (CSD) auf die Ausarbeitung eines Konven-
gewährten Kredite berücksichtigt werden. Daneben
tionstextes zu dringen. Mit der im Rahmen der UN
ist auf eine Verstärkung der Eigenleistung der Schuld-
Konferenz für Umwelt und Entwicklung verabschie-
nerländer hinzuwirken, zum Beispiel auf eine drasti-
deten Agenda 21 und der Walderklärung sind bereits
sche Reduzierung der Militärausgaben.
unverbindliche Ziele und Grundsätze für den Schutz
der Wälder in allen Klimazonen geschaffen worden, -
die nunmehr rasch zu konkreten Verpflichtungen für
Umwelt- und klimaverträgliche Holzverwendung die Vertragsstaaten einer Waldkonvention weiterent-
wickelt werden müssen. Zentrale Elemente der Kon-
Die Enquete-Kommission sieht in der sparsamen und vention müssen sein:
effizienten Holzverwendung eine bedeutende Aufga- — Die Einrichtung eines Wald-Sektors in der Globa-
ben der nationalen und internationalen Waldschutz len Umweltfaszilität (GEF) zur Finanzierung von
politik. Vor allem in den Industrieländer ist es erfor- Waldschutzprojekten in Entwicklungsländern und
derlich, die Verwendung von Holz stärker auf den Ländern im wirtschaftlichen Übergang. Die Aus-
Bereich der langlebigen Produkte (z. B. Möbel, Bau- stattung soll sich an der im Waldschutzkapitel
elemente) zu verlagern. Kurzlebige, häufig für den der Agenda 21 vorgesehenen Größenordnung von
einmaligen Gebrauch bestimmte Produkte aus Holz 7 Mrd. US-$ für den Zeitraum 1993 bis 2000
sollen dagegen soweit wie möglich und ökologisch orientieren. Bei der Mittelvergabe sind auch die
sinnvoll auf Recyclingbasis erzeugt werden. Für die auf der Grundlage der inzwischen als Entwurf
nationale Ebene empfiehlt die Enquete-Kommission vorliegenden Wüstenkonvention durchgeführten
eine Anhebung des Altpapiereinsatzes auf minde- Maßnahmen zur Bekämpfung der Desertifikation
stens 60 %. Dazu ist die Verabschiedung einer Altpa- zu berücksichtigen.
pierverordnung erforderlich, mit der die notwendigen
Rahmenbedingungen (z. B. an der Wiederverwertbar- — Die Erstellung von nationalen Waldschutzplänen.
keit orientierte Qualitätsstandards von Papierproduk- Diese sollten nicht verbindlich festgeschrieben,
ten, Maßnahmen zur Förderung des Marktes für sondern durch finanzielle Anreize gefördert wer-
Recyclingprodukte etc.) gesetzt werden. den. So ist Ländern mit einem verbindlichen Wald-
schutzplan der Zugang zu Finanzmitteln aus dem
Zur Förderung des Absatzes umweltfreundlicher Wald-Sektor des GEF sowie aus der bi- und multi-
Holzprodukte schlägt die Enquete-Kommission die lateralen Zusammenarbeit wesentlich zu erleich-
Einrichtung von Modellprojekten zur Erhöhung der tern.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
— Die Einrichtung eines Exekutiv-Kommitees, das fang nach den nationalen CO 2 -Emissionen und
paritätisch mit Vertretern der Geber- und Empfän- dem Anteil der realen Waldfläche an der poten-
gerländer sowie mit unabhängigen Fachexperten tiellen Waldfläche zu bestimmen ist. Darüber hin-
besetzt und für alle mit der Finanzierung, der aus ist festzulegen, ob und in welcher Form Ver-
Genehmigung von Waldschutzplänen und der tragsstaaten Teile ihre Aufforstungsverpflich-
erforderlichen Kontrolle zusammenhängeden tungen in anderen Ländern realisieren kön-
Maßnahmen zuständig ist. nen.
— Die Festlegung nachprüfbarer Kriterien und Indi-
Sollte die Verabschiedung einer Waldkonvention im
katoren für eine nachhaltige Waldbewirtschaf-
Rahmen der CSD-Verhandlungen nicht möglich sein,
tung. Dabei ist sowohl die bet ri ebliche Ebene
sieht die Enquete-Kommission es als Minimalziel an,
(Anwendung schonender Einschlagsmethoden,
ein Verhandlungsgremium zur Ausarbeitung der
ökologisch verträgliche Nutzungsintensität etc.)
Konvention einzusetzen, dem neben Regierungsver-
als auch die nationale Ebene (Waldflächenent-
tretern auch Vertreter von Nichtregierungsorganisa-
wicklung, Anteil von Waldreservaten an der Wald-
tionen angehören. Dazu sind von der CSD inhaltliche
fläche etc.) zu berücksichtigen.
und zeitliche Vorgaben zu machen, die eine Verab-
— Verpflichtungen zur Durchführung von Auffor- schiedung der Konvention spätestens im Jahre 1996
stungsmaßnahmen, wobei der jeweilige Um sicherstellen.

1. Die Wälder der Erde

1.1 Verbreitung und Gliederung Die Übergänge zwischen diese Hauptwaldtypen sind
fließend, so daß eine genaue Abgrenzung kaum
Wälder sind die dominierende Vegetationsform der möglich ist. Jeder dieser Waldtypen umfaßt eine Reihe
Biosphäre. Folgt man der FAO-Definition 1 ) bedecken verschiedener Waldformationen (Abb. 1.1), auf die in
sie mit rund 3,2 Mrd. ha etwa ein Viertel der Land- den folgenden Kapiteln eingegangen wird.
oberfläche. In etwa eine weitere Milliarde Hektar wird
von anderen gehölzbedeckten Flächen, zum Beispiel
Buschland, eingenommen, so daß insgesamt gut 1.2 Das Ökosystem Wald
4 Mrd. ha der Erdoberfläche mit Gehölzen bestockt
sind (UN-ECE/FAO 1992a). Ein Ökosystem ist nach Ellenberg (1973) „ein Wir-
Das Erscheinungsbild und die Artenzusammenset- kungsgefüge von Lebewesen und deren anorgani-
zung von Wäldern variieren in erster Linie in Abhän- scher Umwelt, das zwar offen, aber bis zu einem -
gigkeit vom Klima erheblich. Dabei sind grob drei gewissen Grade zur Selbstregulation befähigt ist."
große Waldökotypen voneinander zu unterscheiden Waldökosysteme sind durch die physiognomische
(Abb. 1.1): Dominanz der Bäume gekennzeichnet. Sie sind kom-
— Die borealen Wälder, d. h. die überwiegend aus plexe Lebensgemeinschaften, in denen die Lebewe-
Nadelbäumen bestehenden Wälder der kaltgemä- sen ständig Energie und Stoffe mit ihrer Umgebung
ßigten nördlichen Breiten. Sie nehmen zur Zeit austauschen und dabei annähernd im Gleichgewicht
etwa 1 400 2 ) Mio. ha ein. sind. Dabei wird von den Pflanzen bis zu 1 % der
Sonnenstrahlung für die Photosynthese, das heißt die
— Die tropischen Wälder, d. h. die immergrünen oder Umwandlung von Kohlendioxid und Wasser in Kohle-
regengrünen Laubwälder im Bereich der Tropen. hydrate, benötigt. Etwa ein Zehntel davon wird als
Diese nehmen insgesamt etwa 1 800 Mio. ha ein. kalorische Energie in der Biomasse gespeichert und
— Die Wälder der gemäßigten Zone, d. h. die im nach dem Absterben von den Mikroorganismen wie-
der freigesetzt. Die Umsetzungsraten variieren je
wesentlichen sommergrünen Laub- und Misch-
nach Klima- und Bodenverhältnissen stark. Die Stoff-
wälder im gemäßigten Klimabereich, die etwa 700
flüsse innerhalb eines Waldökosystems werden durch
Mio. ha bedecken.
Klima und Bodenbeschaffenheit gesteuert. Nährstoffe
aus dem Gestein, dem Boden und der Luft werden von
1) Die FAO versteht unter einem Wald eine von Bäumen
den Pflanzen aufgenommen und nach deren Abster-
dominierte Vegetationsform. Die Bäume müssen dabei im
Reifestadium eine Mindesthöhe von 7 m aufweisen und ihre
ben durch die Zersetzer (z. B. Mikroorganismen) wie-
Kronen mindestens 10 % der Bodenoberfläche überschir- der freigesetzt, um erneut von den Pflanzen aufge-
men. In kalten und trockenen Klimaten können auch 3 m nommen zu werden.
Höhe ausreichen.
2) Diese Zahl beruht auf nationalen Waldstatistiken und umfaßt Dieser Nährstoffkreislauf ist je nach Standort unter-
auch Mischwälder in den Übergangsbereichen zur gemäßig- schiedlich schnell. In den Tropenwäldern, die sich in
ten Zone. Jahrmillionen unter klimatisch besonders günstigen
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Bedingungen entwickelt haben, werden die Nähr- komplexer und vielfältiger werden die Lebensge-
stoffe nach dem Absterben der Biomasse sehr rasch meinschaften. Bekannte Beispiele für dera rt ige alte
wieder freigesetzt. In anderen Waldtypen, zum Bei- Waldbestände sind die tropischen Feuchtwälder und
spiel den borealen Wäldern, ist der Abbau langsamer, die Küstenregenwälder an der Ostküste Nordameri-
so daß sich Auflagen aus unzersetzter toter Biomasse kas.
sowie Humus bilden. Die Nährstoffe werden hier erst
durch natürliche Brände wieder freigesetzt. Der dynamische Gleichgewichtszustand wird jedoch
in vielen Gebieten auf natürliche Weise gestört. Dies
Waldökosysteme sind dynamische Systeme, die durch kann durch Waldbrand, Schädlingsbefall und ähnli-
systeminterne und äußere Prozesse gesteuert werden. ches hervorgerufen werden. Wie oben erwähnt
Zwischen Entstehung und Klimaxstadium durchlau- ermöglichen derartige Störungen erst die langfristige
fen sie mehrere Stadien. Dominieren zu Beginn Stabilität zum Beispiel von borealen Wäldern.
schnellkeimende und bei starkem Sonnenlicht
schnellwachsende Baumarten, so werden diese im Immer stärker tritt jedoch auch der Mensch als Stör-
Laufe der Zeit mehr und mehr von anderen, dann faktor in Wäldern auf. Durch Holzeinschlag, Brände,
durchsetzungsfähigeren Arten verdrängt. Die am Stoffeinträge und Klimaänderungen wirkt er auf die
besten an die spezifischen Standortbedingungen Wälder ein. Bis zu einem gewissen Grad sind die
angepaßten Baumarten bleiben am Ende übrig und Waldökosysteme in der Lage, sich an solche Verände-
bilden das sogenannte Klimaxstadium. Wird dieser rungen anzupassen. Dies hat zur Folge, daß anhal-
Wald nicht durch eine katastrophales Ereignis (z. B. tende Störungen, wie zum Beispiel wiederholter Holz-
Feuer) großflächig vernichtet, laufen in ihm kleinräu- einschlag und andauernder Stoffeintrag, zunächst nur
mige, mosaikartige Verjüngungszyklen ab (Remmert relativ geringe Auswirkungen zeigen, bis bei Über-
1993). Der gesamte Entwicklungszeitraum kann meh- schreiten eines Schwellenwertes eine abrupte und
rer Jahrhunderte in Anspruch nehmen. Der Klimax- katastrophale Destabilisierung einsetzt. Eine Regene-
wald befindet sich in einem dynamischen Gleichge- ration ist dann, wenn überhaupt, nur noch über lange
wicht, das heißt, daß in mittleren und größeren Zeit- Zeiträume möglich. Derartige Zusammenbrüche füh-
räumen nur noch soviel Biomasse gebildet wird, wie ren nicht nur zu einem Verlust an Pflanzen- und
im gleichen Zeitraum abstirbt bzw. mikrobiell umge- Tierarten, sie nehmen dem Menschen auch den viel-
wandelt wird. Je länger dieser Zustand dauert, um so fältigen Nutzen, den ihm die Wälder bieten.

Abbildung 1.1: Aktuelle Verteilung und Gliederung der Wälder


Quelle: EK 1990 a
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
1.3 Bedeutung der Wälder für den Menschen det auch die ökologische Stabilität. Zudem verringert
der Mensch dadurch das Potential, in den Wäldern
Die Wälder sind für den Naturhaushalt und den neue Kulturpflanzen sowie medizinisch nutzbare
Menschen von unersetzlichem Wert. Vor allem in den Stoffe zu entdecken.
Tropen sind sie der angestammte Lebensraum und Die Klimafunktion der Wälder ist erst in jüngster Zeit
Heimstatt vieler Völker, deren Lebensgrundlage ins Interesse von Wissenschaft und Öffentlichkeit
unmittelbar von einem stabilen Waldökosystem gerückt. Dabei steht im Vordergrund die von Wäldern
abhängt. Oft werden Wälder noch überwiegend als eingebundene Kohlenstoffmenge. Über den Prozeß
Holz- und Landreserve gesehen. Diese eindimensio- der Photosynthese entziehen Pflanzen beim Aufbau
nale Betrachtungsweise vernachlässigt die vielfälti- ihrer Biomasse der Atmosphäre Kohlendioxid, das
gen anderen Funktionen der Wälder für Klima, Schutz nach dem Absterben durch mikrobielle Umwandlung
vor Bodenerosion, Überschwemmungen und Lawi- wieder an die Atmosphäre abgegeben wird. Ein Teil
nen, für Abflußregulierung, Grundwasserneubildung wird dabei mitunter über lange Zeiträume im Boden
und die Filterung sowie für die Versorgung der „zwischengelagert" . Da bei Bäumen die Zeitspanne
Menschen mit Nahrungsmitteln und Rohstoffen (Abb. zwischen Biomasseaufbau und Absterben besonders
1.2). In vielen Regionen dienen sie zudem der Erho- lang ist (bis zu mehrere Jahrhunderte) und Waldbö-
lung. den der mittleren und nördlichen Breiten einen beson-
ders hohen Gehalt an organischer Substanz haben,
Kein anderes Ökosystem bietet so vielen Tier- und spielen Waldökosysteme im Kohlenstoffhaushalt der
Pflanzenarten Lebensraum wie die Wälder. Sie sind Erde als Speicher eine wesentliche Rolle. Die gesam-
zudem für die Entwicklung neuer Arten und damit für ten Kohlenstoffvorräte in der Biosphäre (nicht nur
die Evolution von unersetzlicher Bedeutung. Allein Wälder) werden auf etwa 1 800 Mrd. t geschätzt,
die Hälfte der auf der Erde lebenden Arten wird in den wovon der größte Teil mit etwa 1 200 Mrd. tC auf die
Wäldern der feuchten Tropen vermutet. Mit der Ver- Böden entfällt. Die Atmosphäre enthält dagegen zur
nichtung von Wäldern geht immer auch der unwieder- Zeit „nur" etwa 750 Mrd. tC. Jährlich nimmt die
bringliche Verlust von Tier- und Pflanzenarten einher. terrestrische Biosphäre davon etwa 60 Mrd. tC auf und
Dies ist nicht nur ethisch bedenklich, sondern gefähr setzt gleichzeitig eine in etwa gleiche Menge durch

Abbildung 1.2: Die Bedeutung des Ökosystems Wald


Quelle: EK 1990 a
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

die Verrottung der abgestorbenen organischen Sub- ist in vielen Ländern ein bedeutender Wirtschaftssek-
stanz wieder frei. tor und Devisenquelle.

Aufgrund dieser engen Austauschbeziehung muß Hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Bedeutung häufig
eine Verringerung der globalen Waldfläche zwangs- unterschätzt werden die vielfältigen Nichtholzpro-
läufig zu einer Erhöhung des CO 2 -Gehaltes in der dukte aus Wäldern. Zwar werden keine umfassenden
Atmosphäre und zu einer Verstärkung des Treibhaus- Statistiken über das Aufkommen derartiger Produkte
effektes führen. Die Eingriffe des Menschen in die geführt, doch verdeutlicht bereits die folgende unvoll-
Waldbestände haben zu einer deutlichen Verän- ständige Auflistung die Vielfalt dieser Waldpro-
derung der Kohlenstoffströme zwischen Biosphäre dukte.
und Atmosphäre geführt. Es wird geschätzt, daß
Kautschuk: Allein in Brasilien wurden jährlich zwi-
allein durch die Tropenwaldvernichtung pro Jahr
schen 13 000 (1975) und 42 000 t (1985) von wilden
1,6 ± 1,0 Mrd. t Kohlenstoff netto an die Atmosphäre
Hevea-Bäumen gesammelt; inzwischen sind erste
abgegeben werden. Wahrscheinlich wird ein Teil
sogenannte Sammelreservate ausgewiesen wor-
dieses Kohlenstoffs durch den Zuwachs in anderen
den, die ausschließlich den Kautschuksammlern
Wäldern wieder eingebunden. Dennoch trägt die
vorbehalten sind.
Vernichtung der Wälder zu etwa 10 bis 20 % zum
anthropogenen Treibhauseffekt bei. Wildfleisch: 62 Entwicklungsländer beziehen mehr
als 20 % ihrer Proteinversorgung, 19 sogar mehr als
Von erheblicher klimatischer Relevanz, vor allem auf
50 % über Wildfleisch von im Wald lebenden Wild-
der regionalen Ebene, ist die Rolle der Wälder im
tieren. Auch in Deutschland werden mehrere Mrd.
Wasserkreislauf. Wälder steigern die Verdunstung
DM jährlich durch Jagd umgesetzt.
und verstärken dadurch die Wolkenbildung und das
Entstehen von Niederschlägen. Sie sind damit ein Rattan: Über 1 Mrd. US-Dollar werden pro Jahr durch
wichtiger Regulator für das Feuchte- und Temperatur- den Handel mit Rattanprodukten umgesetzt.
regime und vermindern das Auftreten von Extrem-
Harze: Allein Thailand erzeugt jährlich Harze im Wert
ereignissen wie Dürren und Hitzeperioden.
von 400 000 DM.
Die hohen Verdunstungsraten in Waldgebieten und Nüsse: können in guten Jahren pro ha ähnliche
die hohe Infiltrationskapazität der Waldböden ver- Export- und Handelswerte erreichen wie Hölzer.
mindern den Oberflächenabfluß. Wälder schützen
daher den Boden vor Erosion. Ihr tiefreichendes und Dazu kommt noch eine Vielzahl von wichtigen Pro-
dichtes Wurzelwerk vermindert in Gebirgen zudem dukten, wie Früchte und Beeren, deren Marktwert
das Entstehen von Rutschungen. Sie wirken sich durchaus denjenigen des im Wald befindlichen Hol-
darüber hinaus ausgleichend auf den Abfluß aus und zes übertreffen kann. Dies gilt insbesondere für die
schwächen Hochwässer ab. extrem artenreichen Wälder der immerfeuchten Tro- -
pen.
Diese Schutzfunktionen sind für den Menschen von
unermeßlichem Wert und in einigen Regionen (z. B. in
Gebirgen) die Voraussetzung für eine dauerhafte
Besiedlung. Der Mensch profitiert indirekt jedoch 1.4 Historische Entwicklung und aktuelle
noch weit mehr von den Wäldern. So stellen sowohl Gefährdung der Wälder
die Bäume als auch die Waldböden wichtige Filter für
— in der Regel vom Menschen freigesetzte — Schad- Die Ausdehnung und der Zustand der Wälder wurden
stoffe dar. Ein beträchtlicher Teil der Schadstoffe und werden in starkem Maße vom Menschen
(Schwefeldioxid, Stickstoffverbindungen, Schwerme- bestimmt. Zu Beginn der ackerbaulichen Tätigkeit,
talle usw.) wird von den Bäumen aus der Luft und vom vor etwa 10 000 Jahren, waren schätzungsweise
Boden aus dem Sickerwasser gefiltert. Diese Funktion 6,2 Mrd. ha der Erdoberfläche mit Wäldern bedeckt.
wird den Wäldern vor allem in vielen industrialisierten Etwa ein Drittel davon sind inzwischen in Siedlungs-
Ländern mehr und mehr zum Verhängnis. Inzwischen und landwirtschaftliche Nutzflächen umgewandelt
sind die angesammelten Konzentrationen schädlicher worden. Von den verbliebenen Wäldern ist etwa die
Stoffe so hoch, daß sie zu einer Gefährdung für die Hälfte durch den Menschen verändert. Nur noch rund
Stabilität der Waldbestände geworden sind. 1,5 Mrd. ha Wald sind in natürlichem Zustand (Postel
und Ryan 1991) .
Wälder bieten dem Menschen schließlich ein breites
Angebot an Nahrungsmitteln und Rohstoffen. Im Regional treten erhebliche Differenzen hinsichtlich
Vordergrund steht dabei häufig die Holznutzung. des Ausmaßes der menschlichen Eingriffe auf. Wäh-
Allein in den wirtschaftlich nutzbaren Wäldern der rend in den nördlichen Breiten und Teilen der Tropen
gemäßigten und nördlichen Breiten dürften die Holz- bis heute etwa die Hälfte der Wälder vom Menschen
vorräte in etwa 100 Mrd. m 3 betragen (UN-ECE/FAO weitgehend unbeeinflußt sind, existieren im Bereich
1992 a). Der jährliche Holzeinschlag lag zu Beginn der der gemäßigten Zone kaum noch Naturwälder. Das
90er Jahre hier bei rund 1,7 Mrd. m 3 (davon ca. hier früh einsetzende Bevölkerungswachstum und die
0,4 Mrd. m3 Brennholz und Holzkohle), was in etwa wirtschaftliche Entwicklung haben bereits im Alter
der Hälfte des weltweiten Holzeinschlags entspricht. tum und Mittelalter zu großflächigen Rodungen der
Gut 0,6 Mrd. m3 davon entfielen auf die borealen Wälder in Europa und Ostasien geführt. Neben der
Wälder. In den Tropen wurden rund 1,6 Mrd. m 3 Holz Schaffung von Siedlungs-, Acker- und Weideland
(davon 1,3 Mrd. m 3 Brennholz und Holzkohle) einge- spielten auch die aufkommende Industrie (Erzverhüt-
schlagen (FAO 1993a). Die Forst- und Holzwirtschaft tung, Salzsiederei usw.), der Schiffbau und die Brenn-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
holznutzung eine wichtige Rolle. Aber auch die Nut- Beginn der 70er Jahre stellen zumindest bislang eine
zung der Streu für die Düngung der Felder sowie die erhebliche Belastung für die Wälder dar und führten
Waldweide haben große Waldgebiete geschädigt. In zum Beispiel zu einer weitgehenden Umwandlung
den USA wurden Wälder nach der Besiedlung durch der biomasse- und artenreichen Regenurwälder ent-
die Europäer ab dem 17. Jahrhundert in großem Maße lang der Pazifikküste in weniger reiche Sekundärwäl-
gerodet. der.
Nach Jahrhunderten der Mißwirtschaft waren weite In den Tropen sind nennenswerte Rodungen erst im
Teile der dicht besiedelten Regionen vor allem in Verlauf des letzten Jahrhunderts, vornehmlich im
Europa entwaldet. Der Holzmangel drohte die weitere Zusammenhang mit der Ausweitung von Plantagen,
wirtschaftliche Entwicklung maßgeblich zu beein- aufgetreten. Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg
trächtigen. Aus diesem Grund entwickelte sich ausge- steigerte sich die Waldvernichtung in den Tropen und
hend von Mitteleuropa eine geregelte Forstwirtschaft, erreichte Ende der 80er Jahren ein Rate von 17 Mio. ha
deren oberstes Ziel es war, nicht mehr Holz zu nutzen pro Jahr. Die wichtigsten Gründe dafür sind die
als nachwächst. Dieses holzertragsorientierte Nach- Ausweitung von Viehweiden und Anbauflächen für
haltigkeitsprinizip hat sich bis heute in den meisten Exportprodukte sowie der Zuzug von Kleinbauern in
Industrieländern erhalten und oftmals zur Auswei- die Regenwaldgebiete. Letzterer geht häufig zurück
tung der Waldflächen geführt. So blieb die Waldfläche auf die Verdrängung der Bauern von ihrem ange-
in der gemäßigten Zone, mit Ausnahme von China, im stammten Land bzw. auf gezielte Umsiedlungspro-
Verlaufe dieses Jahrhunderts relativ konstant, wenn- gramme. Zudem spielt die Ausweitung des Holzein-
gleich es sich häufig um künstlich geschaffene, öko- schlags sowie die Erschließung der Tropenwaldregio-
logisch instabile Reinbestände aus schnellwachsen- nen für Industrie und Energiewirtschaft eine wichtige
den Baumarten handelt. In vielen Ländern der gemä- Rolle. In den semi-ariden Tropen, vor allem im Umfeld
ßigten Breiten sind die Wälder jedoch durch die in größerer Städte, führt auch die starke Brennholznut-
großen Mengen an freigesetzten Schwefeldioxide, zung zur Waldvernichtung und -degradation.
Stickstoffoxide, Ammoniak und andere Emissionen
Etwa die Hälfte der Tropenwälder ist heute noch in
gefährdet. Der jahrzehntelange Eintrag dieser Stoffe
natürlichem Zustand. Geht die Vernichtung unge-
in die Waldökosysteme hat zu einer erheblichen
bremst weiter, werden jedoch bis zur Mitte des näch-
Veränderung der Standortbedingungen geführt, die
sten Jahrhunderts nur noch 600 von zur Zeit noch
in vielen Regionen zu einer besorgniserregenden
Destabilisierung bis hin zum Absterben der Wälder knapp 1 800 Mio. ha Tropenwald übrig sein. Weite
führt. Sichtbares Zeichen dafür sind die großflächigen Gebiete in den Tropen wären dann vollkommen
Waldschäden in Europa, die erstmals zu Beginn der entwaldet. Lediglich in schwer zugänglichen Regio-
80er Jahre in größerem Ausmaß beobachtet wurden. nen könnte sich der Wald halten.
Alarmierende Daten über das schadstoffbedingte
großflächige Absterben von Wäldern sind inzwischen 1.5 Die Zukunft der Wälder in einem
vor allem aus der ehemaligen Sowjetunion bekannt.
veränderten Klima
Die in großen Teilen schwer zugänglichen borealen
Die künftige Entwicklung der Wälder wird nicht nur
Wälder waren lange Zeit wenig vom Menschen beein-
von den direkten Einwirkungen des Menschen, son-
flußt. Vor dem 18. Jahrhundert beschränkten sich
dern in erheblichem Maße vom Ausmaß und der
großflächige Rodungen und Holzeinschläge auf Fen-
Geschwindigkeit der Klimaänderung sowie anderer
noskandien, den europäischen Teil der ehemaligen
Veränderungen in der Atmosphäre abhängen. Zwar
Sowjetunion und das südliche Kanada. Erst im ausge-
ist es bislang schwierig, regionale Prognosen zu
henden 19. Jahrhundert fand im Zusammenhang mit
den Goldfunden vor allem in Nordamerika eine wei- machen, doch ist mit folgenden Prozessen zu rech-
nen:
tergehende Erschließung der nördlichen Wälder statt.
Im Verlaufe des 20. Jahrhunderts setzte sich dieser — Die hohe Geschwindigkeit der anthropogenen
Prozeß fort und erfaßte auch die peripher gelegenen Klimaänderungen wird die Anpassungsfähigkeit
Regionen in Sibirien und Nordkanada. Als Folge vieler Waldökosysteme übersteigen und kann zu
nahmen der Holzeinschlag, die Ansiedlung von Indu- großflächigen Zusammenbrüchen führen.
strieanlagen und der Abbau von Bodenschätzen zu.
Insbesondere in der früheren Sowjetunion haben die — Die Temperaturerhöhung bewirkt eine Beschleu-
damit zusammenhängenden Emissionen sowie eine nigung der mikrobiellen Umsetzung der abgestor-
unpflegliche Bewirtschaftung der Wälder in weiten benen organischen Substanz und kann zu einer
Gebieten zu einer alarmierenden Destabilisierung der erhöhten CO 2 - und N2O -Freisetzung aus Wäldern
Ökosysteme geführt. In jüngster Zeit ist zudem die führen.
unplanmäßige Ausweitung des Holzeinschlags auch — Häufigere Wetterextreme wirken destablisierend
in entfernt gelegenen und ökologisch sensiblen auf die Waldökosyteme und vergrößern die Schä-
Regionen des russischen Fernen Ostens zu bekla- den.
gen.
— Der erhöhte CO 2 -Gehalt der Atmosphäre erhöht
Auch in Kanada wurden die Wälder in vielen Regio- bei ausreichender Versorgung mit Wasser und
nen übernutzt, was vor allem zu einer mangelhaften Nährstoffen den Biomassezuwachs, verändert
Verjüngung führte. Riesige Kahlschläge, der ver- gleichzeitig jedoch die Konkurrenzverhältnisse in
stärkte Einsatz schwerer Maschinen und das starke den Waldökosystemen und kann so destabilisie-
Wachstum des jährlichen Einschlagvolumens seit rend wirken.
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

— In den nördlichen Breiten sind Pflanzenschäden richt der Enquete-Kommission gemacht bzw. finden
durch erhöhte UV-B-Strahlung infolge eines fort- sich im Abschnitt B, Kap. 4.
schreitenden Ozonabbaus in der Stratosphäre zu
Um die Situation in den ehemaligen Ostblockstaaten
befürchten.
zu verbessern wird eine verstärkte finanzielle und
Das Gefährdungspotential wird noch dadurch gestei- technologische Kooperation zwischen Ost und West
gert, daß die Wälder in vielen Regionen der Erde sich vonnöten sein.
bereits heute aufgrund von Über- oder Fehlnutzung
Wesentlich komplexer sind die Probleme in vielen
bzw. Schadstoffbelastung und Überdüngung in einem
Entwicklungsländern. Hier ist Waldschutz auf Dauer
ökologisch instabilen Zustand befinden. Insgesamt ist
nur möglich, wenn dem Bevölkerungswachstum, feh-
zu befürchten, daß die Klimaänderung zu einer erheb-
lende Landreformen, der zum Teil riesigen — national
lichen Steigerung der CO 2 -Emission aus den Wäldern
bzw. durch die internationalen Austauschbeziehun-
führt wird, die ihrerseits den anthropogenen Treib-
gen bedingte — Verschuldung und den hohen Export-
hauseffekt weiter verstärken wird.
raten von Agrarprodukten und Rohstoffen gleicher-
maßen entgegengewirkt wird. Dies verlangt große
Eigenanstrengungen der betroffenen Länder. Gleich-
zeitig ist jedoch auch die industrialisierte Welt gefor-
1.6 Zeit zu Handeln dert, um durch partnerschaftliche Zusammenarbeit
zur Bewältigung dieser großen Herausforderung bei-
Das Problem der Waldvernichtung und -degradation zutragen. Erstens müssen Benachteiligungen der Ent-
wird sich in absehbarer Zeit weiter verstärken. Gleich- wicklungsländer auf dem Weltmarkt aufgehoben
zeitig beeinträchtigen die anthropogen ausgelösten werden, weil sie den Aufbau einer nachhaltigen
Klima- und Umweltveränderungen die weitere Ent- Wirtschaftweise behindern. Zweitens muß die bilate-
wicklung der Wälder in zunahmendem Maße. Diese rale und multilaterale Entwicklungszusammenarbeit
Entwicklungen können zu großflächigen Zusammen- wesentlich verändert werden. Dies betrifft sowohl die
brüchen von Waldökosystemen führen. Vor diesem finanzielle Kooperation (Schuldenerleichterungen
Hintergrund muß sofort gehandelt werden, um die bzw. -erlaß, Gewährung von Krediten etc) als auch die
Wälder und deren unersetzliche Funktionen für den technische (Einführung umwelterhaltender Techno-
Naturhaushalt und den Menschen auch in Zukunft zu logien möglichst auf der Basis traditioneller Systeme
erhalten. Dabei gilt es sowohl bei der Waldbewirt- in den betroffenen Ländern). Drittens müssen die
schaftung anzusetzen als auch die umweltpolitischen Industrieländer selbst ihre Wirtschaftsweise auf eine
Rahmenbedingungen zu verändern. nachhaltige Basis stellen, um glaubwürdige Wegbe-
reiter eines neuen nachhaltigen Wirtschaftsmodells zu
werden.
-
1.6.1 Maßnahmen außerhalb der Wald- und Neben diesen regionalspezifischen Anstrengungen
Holzwirtschaft gilt es weiterhin, in möglichst kurzer Zeit zu einer
drastischen Reduzierung der klimarelevanten Spu-
Der Zustand der Wälder ist in gewissem Maße Spie- rengasemissionen zu gelangen, um die zukünftigen
gelbild des Umgangs der Gesellschaft mit natürlichen Klimaänderungen abzumildern. Dabei sind vor allem
Ressourcen. Insofern würde eine insgesamt nachhal- die Industrieländer als Hauptverursacher gefordert.
tig wirtschaftende Gesellschaft auch zur Herausbil- Es müssen jedoch gleichzeitig in den heutigen Ent-
dung stabiler Wälder führen. Von diesem Ideal ist man wicklungs- und Schwellenländern Maßnahmen zur
jedoch noch weit entfernt. Zuwachsminderung klimawirksamer Emissionen ein-
geleitet werden, um möglichst rasch zu einer globalen
In den Industriestaaten liegen die Verbräuche von
Reduktion zu gelangen. Im Rahmen des vorliegenden
Rohstoffen und Energie weit über dem langfristig
Berichtes werden diese komplexen Handlungsfelder
tragfähigem Maße. Es entstehen trotz aller, vor allem
nur zum Teil behandelt (Kapitel 7). Es sei jedoch auf
in den Nestlichen Industriestaaten feststellbaren, Ver-
frühere Publikationen der Enquete-Kommission ver-
besserungen zu viele waldschädigende Emissionen.
wiesen (EK 1990a und 1990b).
In der westlichen Welt sind es vor allem die Stickstoff-
oxide aus dem Verkehrsbereich, inklusive der damit
zusammenhängenden Bildung des bodennahen 1.6.2 Herausforderung für die Wald- und
Ozons, sowie die Ammoniak-Emissionen aus der Holzwirtschaft
Landwirtschaft, die den Wäldern zusetzen. In Osteu-
ropa und den Staaten der ehemaligen Sowjetunion
Zur Erhaltung der biologischen Vielfalt und ökologi-
spielen Schwefeldioxid- und andere toxische Emissio-
schen Stabilität ist der Schutz vor allem von Primär-
nen aus der Industrie und der Energiewirtschaft die
waldgebieten erforderlich. Die heute ausgewiesenen
Hauptrolle bei der Waldschädigung. Nur eine mög-
Schutzgebiete sowie die Schutzkonzepte reichen
lichst rasche und drastische Minderung der Stoffein-
nicht aus, um das Überleben einer möglichst großen
träge in die Wälder kann einer weiteren Ausweitung
Anzahl von Waldökotypen, aber auch der in und
der Waldschäden entgegenwirken. Dazu gilt es dem
direkt von ihnen lebenden Völker, zu sichern.
wachsenden Verkehrsaufkommen in Europa entge-
genzuwirken und die verkehrsgebundenen Emissio- Eine Ausweitung wirksam geschützter Waldgebiete
nen zu verringern. Darüber hinaus sind emissionsmin- muß einhergehen mit einer nachhaltigen Nutzung der
dernde Auflagen für die Landwirtschaft erforderlich. Wirtschaftswälder. Unter diesem bislang nur ansatz-
Entsprechende Vorschläge werden im Verkehrsbe weise definierten Begriff sollte eine Waldbewirtschaf-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
tung verstanden werden, die den langfristigen Erhalt biger Produkte, zum Beispiel im Verpackungsbereich,
der vielfältigen Funktionen und Leistungen der Wäl- zu verringern und diese in Recycling-Verfahren her-
der gewährleisten und die ökologische Stabilität zum zustellen. Dies gilt um so mehr, da infolge der notwen-
obersten Ziel hat. digen Maßnahmen zum Schutz und zur nachhaltigen
Nutzung der Wälder das Holzangebot eher abnehmen
Die Entwicklung und Umsetzung nachhaltiger Be-
wird.
wirtschaftungsmethoden ist einer der zentralsten Auf-
gaben der Waldwirtschaft. Ungeachtet der in letzter Um die weltweite Waldfläche in etwa halten zu
Zeit erzielten Fortschritte fehlen bislang verbindliche, können bzw. sie möglicherweise sogar auszuweiten
an die spezifischen ökologischen und sozio-ökonomi- bedarf es dringend gezielter Neuaufforstungen. Die
schen Bedingungen angepaßte Kriterien für einen größten Potentiale dafür dürften in den tropischen
nachhaltige Nutzung von Wäldern, die auch den Ländern und den großflächigen Industriestaaten, vor
Nichtholzprodukten ausreichend Raum geben. allem den USA liegen. Alle Neuaufforstungen müssen
Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die unter ökologi- jedoch, um erfolgreich zu sein, den Lebensbedürfnis-
schen und klimatischen Gesichtspunkten optimale sen der betroffenen Bevölkerung entsprechen und in
Verwendung von Holz. Allein in der Bundesrepublik eine sozial- und umweltverträgliche sowie ökono-
Deutschland entfällt mehr als die Hälfte des Holzver- misch tragfähige Landnutzungsplanung eingebettet
brauches auf die Papier- und Zellstoffproduktion (Oll sein. In vielen Regionen der Erde fehlen bislang die
mann 1993a). In der nördlichen Zone, vor allem in dafür notwendigen administrativen und infrastruktu-
Kanada und Skandinavien, wurde innerhalb der ver- rellen Rahmenbedingungen. Hier liegt ein wichtiges
gangenen beiden Jahrzehnte die Papier- und Zell- Feld der internationalen forstpolitischen Koopera-
stoffproduktion erheblich vergrößert. In anderen Staa- tion.
ten, auch in den Tropen, ist eine ähnliche Tendenz zu
Alle oben geschilderten Maßnahmen müssen mit der
verzeichnen. Dieser Trend zur Produktion immer
Zielsetzung einer größtmöglichen Anpassungsfähig-
größerer Mengen kurzlebiger Produkte aus Holz
keit der Wälder an künftige Klimaänderungen erfol-
beeinträchtigt, neben anderen Umweltproblemen, die
gen. Aufgrund der Unsicherheit bisheriger Klimapro-
Kohlenstoffbilanz des Forst- und Holzsektors. Der in
gnosen und der langen Zeiträume bis zum Erreichen
Holzprodukten gespeicherte Kohlenstoff kann über
der Klimaxstadiums ist es schwierig, konkrete Vor-
längere Zeiträume eingebunden bleiben (z. B. in
schläge für die Praxis zu unterbreiten. Grundsätzlich
einem Möbelstück oder im Bauteilen). Dagegen wird
sind jedoch möglichst anpassungsfähige Waldökosy-
der in Papier- und Zellstoffprodukten gespeicherte
steme hoher biologischer Vielfalt — das heißt ökolo-
Kohlenstoff schnell in Form von Kohlendioxid oder
gische, genetische und artenbezogene Vielfalt —
Methan an die Atmosphäre abgegeben.
anzustreben. Zum Teil kann auch das gezielte
Es erscheint daher geboten, die Produktion langlebi Anpflanzen von Bäumen mit einer breiten Standort- -
ger Holzprodukte zu fördern, den Verbrauch kurzle- amplitude nützlich sein.

2. Die Wälder der borealen Zone

Unter borealen Wäldern werden die durch Nadel- Die N-S-Erstreckung variiert sehr stark zwischen nur
bäume dominierten Waldformationen der kaltgemä- 700 km in Nordeuropa und Teilen Westkanadas und
ßigten nördlichen Breiten verstanden. Häufig wird 2 000 km in Ostsibirien. Nach den Tropenwäldern
auch die Bezeichnung „Taiga" verwendet, die sich stellen die borealen Wälder die zweitgrößte Vegeta-
ursprünglich lediglich auf die borealen Wälder Ruß- tionszone der Erde dar. Die von ihnen eingenommene
lands bezog. Inzwischen wird der Begriff jedoch als Fläche kann zur Zeit nur geschätzt werden, da eine
Synonym für die „borealen Wälder" verstanden. In einheitliche globale Inventur fehlt. Bisherige Schät-
der älteren Literatur finden sich zudem andere zungen basieren auf unterschiedlichen Wald-Defini-
Bezeichnungen, wie z. B. „boreale Nadelwaldzone" tionen und weichen entsprechend voneinander ab.
oder „immergrüne Nadelwaldzone". Diese charakte- Zudem variieren sie hinsichtlich der Abgrenzung
risieren nur Teile der borealen Waldzone, da in dieser borealer Waldformationen gegenüber benachbarten
auch Laubholz- und Mischwälder sowie sommer- Vegetationsformen.
grüne Nadelbäume vorkommen.
Die FAO (1991) geht von einem geschlossenen Wald-
bestand von 920 Mio. ha in der borealen Zone aus.
Unter Einbeziehung von nicht geschlossenen Wäl-
2.1 Geographische Verbreitung dern, aktuell nicht bestockten Flächen (z. B. durch
Feuer, Einschlag u. ä. vorübergehend entwaldete
Die boreale Waldzone zieht sich als geschlossener Gebiete) sowie der Übergangszone zu den angren-
Gürtel etwa zwischen 50 °N und 70 °N durch das zenden sommergrünen Laubwälder schätzen Apps
nördliche Europa, Asien und Nordamerika (Abb. 2.1). u. a. (1993) die mögliche boreale Waldfläche auf
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

1 250 Mio. ha. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Etwa 90 % der borealen Waldzone entfallen auf
Kuusela (1992), der ausgehend von den nationalen Rußland (ca. 60 %) und Kanada (ca. 30 %). Fenno-
Waldstatistiken die von borealen Wäldern eingenom- skandien (Norwegen, Schweden und Finnland) und
mene Fläche auf 1 214 Mio. ha errechnete. Beide Alaska haben einen Anteil von 4 bzw. 3 %, die
Erhebungen beziehen sich jedoch nur auf Kanada, restliche Fläche verteilt sich auf einige Regionen
Alaska, die ehemalige Sowjetunion, Schweden, Finn- Nordostchinas, im Osten der Mongolei und Nord-
land und Norwegen. Summiert man die Ergebnisse Japans.
der nationalen Waldstatistiken aller Länder mit borea-
Die boreale Waldzone geht im Norden in einem
len Wäldern auf (inkl. Nordostchina, Nordjapan und
Mosaik aus Taiga und Waldtundra in die arktische
der Mongolei), so beläuft sich die Fläche auf etwa
baumlose Tundra über. Nach Süden schließt sich im
1 550 Mio. ha (Tab. 2.1). Da in den einzelnen Ländern
ozeanisch geprägten, humiden Klima der küstenna-
jedoch unterschiedliche Inventurmethoden und
hen Gebiete in Europa, Ostasien und dem östlichen
Walddefinitionen verwendet werden, ist auch diese
Nordamerika die Laubmischwaldzone an. Im konti-
Zahl mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Sie
nentalen Klima Zentralkanadas und Sibiriens bildet
umfaßt zudem auch Übergangsbereiche zu angren-
eine schmale Pappelwaldzone den Übergang zur
zenden Vegetationszonen und Laubmischwaldbe-
Prärie bzw. Steppe.
stände innerhalb der nationalen Grenzen. Etwa
150 Mio. ha dieser Fläche werden in den Waldstatisti- Eine vegetationsgeographische Sonderstellung neh-
ken als nicht bestockt ausgewiesen, d. h. sie sind men die biomasse- und artenreichen Wälder entlang
durch Feuer, Einschlag und andere Störungen vor- der Pazifikküste Kanadas und Alaskas ein. Sie werden
übergehend entwaldet oder weisen einen sehr lichten in der Regel nicht zu den borealen Wäldern gezählt,
Bestand auf. Die aktuell in der borealen Waldzone sind jedoch, wie auch die Übergangsbereiche zur
bestockte Fläche dürfte demnach eine Größenord- sommergrünen Laubwaldzone, in den hier verwende-
nung von 1 400 Mio. ha einnehmen. ten Waldstatistiken enthalten (ca. 1 % der Waldflä-
che) und sollen folglich in diesem Kapitel berücksich-
tigt werden.
Tabelle 2.1

Waldflächen und bestockte Waldflächen


2.2 Vegetationsgeographische Gliederung
in den Ländern der borealen Zone
Die räumliche Verteilung der verschiedenen borealen
bestockte
Waldfläche Waldformationen wird in erster Linie durch die klima-
Fläche
Nation tischen Bedingungen geprägt. Ferner spielen die
(Mio. ha) Bodenverhältnisse eine Rolle.
Das kaltgemäßigte boreale Klima ist durch lange kalte
Norwegen 9,6 8,1
Winter und kurze warme Sommer gekennzeichnet.
Schweden 28,0 23,1 Das regionale Klima variiert jedoch erheblich. Von
Finnland 23,4 20,1 Nord nach Süd nimmt die Länge der Vegetationspe-
ehemalige UdSSR 941,5 814,3 riode (Anzahl der Tage mit einer Mitteltemperatur von
mindestens 10 °C) von etwa 60 Tage an der nördlichen
Alaska 52,2 52,2+)
Waldgrenze auf bis zu 120 Tage zu. Die daraus
Kanada 453,3 436,6+) resultierende breitenabhängige Gliederung wird in
sehr starkem Maße von einem von West nach Ost
gesamt I 1500 1350 zunehmenden Grad der Kontinentalität überlagert.

Hokkaido 5,6 5,6* ) In Eurasien macht sich dabei an der West- und
Nordküste Skandinaviens der starke ozeanische Ein-
Mongolei 15 14
fluß bemerkbar. Der wärmste Monat im Gebiet der
Noraost-China 47,4*) 28,5* * ) borealen Wälder Skandinaviens weist im Mittel eine
Temperatur von 10° bis 15 °C auf. Die Winter sind mit
gesamt II 68 48 Monatsmitteln von -3 °C bis +2 °C außergewöhnlich
mild. Niederschläge fallen in allen Jahreszeiten,
Länder der borealen wobei Jahressummen von 400 bis über 800 mm
Zone insgesamt 1550 1400 erreicht werden. Nach Osten hin nimmt die Kontinen-
talität stetig zu und erreicht im russischen Fernen
*) keine näheren Angaben verfügbar
*) nur Provinz Heilongjiang
Osten ihre stärkste Ausprägung. Die Jahresmitteltem-
*

+) keine Angaben zur Bestockung; von der nutzbaren produk- peraturen sinken von +3,7 °C in St. Petersburg auf
tiven Waldfläche Kanadas sind 16,7 Mio. ha nicht bestockt -10,4 °C in Jakutsk, wo im Januar und Februar Mit-
(Forestry Canada, 1992 b) teltemperaturen von unter -50 °C herrschen und
Quellen: Norwegen und Schweden: (Länderberichte UN- Tagestiefsttemperaturen von unter -75 °C auftreten.
ECE/FAO, 1992), Finnland: (Länderbericht UN- Die Amplitude der Monatsmittelwerte steigt in Ruß-
ECE/FAO, 1992, Aarne, 1992), ehemalige Sowjet- land von gut 20 °C auf über 60 °C an, die Länge der
union: (Schwidenko u. a., 1990), Alaska: (Waddell
Winter nimmt dabei von 5 bis 6 auf 10 Monate zu. Die
u. a., 1989), Kanada: (Forestry Canada, 1992 b), Hok-
kaido: (Okada, 1992), Mongolei: (Richardson, 1987), Jahresniederschläge sinken von etwa 400 bis 600 mm
Nordost-China: (Becker, Huang, 1989, Burger, Zhao, in der kontinentalen auf unter 200 mm im extrem
1988) kontinentalen Osten, wo im Zusammenspiel mit den
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Tabelle 2.2

Klimaparameter der borealen kaltgemäßigten Zone

Jahresmittel Mittlere Temperatur Mittlere Temperatur Jahres


temperaturen wärmster Monat kältester Monat niederschlag

°C mm

ozeanische Subzone >4 +10 bis +15 - 3 bis + 2 > 400


kontinentale Subzone -5 bis 4 +10 bis +20 - 5 bis -20 400 bis 600
extrem kontinentale Subzone < -5 +10 bis +20 -20 bis -50 200 bis 400

Quelle: Poker 1994 a und Treter 1990a

hohen Sommertemperaturen (etwa 20 °C im Juli) der Pazifikküste bilden sich zumeist Ranker und saure
Trockenstreß für die Pflanzen auftreten kann. An der Braunerden (Treter 1990 a).
russischen Pazifikküste bewirkt der ozeanische Ein-
fluß wieder etwas mildere und feuchtere Witterungs- In Gebieten, in denen die Jahresmitteltemperatur
bedingungen. zumindest in zwei aufeinanderfolgenden Jahren
unter 0° C liegt, kommt es zur Ausbildung von Perma-
In Nordamerika sind die klimatischen Unterschiede frostböden. Dabei ist zu unterscheiden zwischen kon-
weniger stark ausgeprägt. Die boreale Zone befindet tinuierlichem Permafrost (Jahresmitteltemperatur im-
sich hier, mit Ausnahme eines sehr schmalen ozea- mer unter 0 °C) und diskontinuierlichem Permafrost
nisch beeinflußten Küstenstreifens am Fuß der nördli- (Jahresmitteltemperatur nur phasenweise unter 0 °C).
chen Rocky Mountains, vollständig in kontinentalem Die kontinuierliche Permafrostzone erstreckt sich vor
Klimabereich. Von West nach Ost steigen die Jahres- allem über Nord- und Ostsibirien und Teile der
mitteltemperaturen von etwa -5° C auf 1 bis 2 °C an. Waldtundra Nordkanadas und Alaskas. Innerhalb
Am östlichen Rand der Rocky Mountains fallen im dieser Zone kommen jedoch auch zahlreiche nicht
Jahresmittel weniger als 250 mm Niederschlag. Zur ständig gefrorene Bereiche vor. In der übrigen borea-
Ostküste steigt der Wert auf über 1000 mm an. In len Waldzone überwiegt der diskontinuierliche Per-
gleicher Richtung nehmen die Durchschnittstempera- mafrost. Zudem treten nach Süden hin immer mehr
turen im Winter zu, während die Sommertemperatu- permafrostfreie Flächen in Erscheinung. Deren räum- -
ren in den meisten Regionen mit 10 bis 15 °C im liche Verteilung ist von einer Vielzahl von Faktoren
Juli-Mittel relativ konstant sind. Extrem kontinentale abhängig — z. B. Klima, Exposition, Schneedecke,
Klimaverhältnisse wie im Osten Sibiriens treten in Hydrologie — und wechselt kleinräumig.
Nordamerika nicht auf (Treter 1990a).
Neben dem Klima üben die Böden maßgeblichen Im Sommer tauen die Permafrostböden bis in eine
Einfluß auf Bestandsdichte und Artenzusammenset- Tiefe von 20 cm bis maximal 100 cm auf. Je dünner die
zung der Wälder aus. Der für das kaltgemäßigte Klima auftauende Bodenschicht ist, desto lichter ist der
typische Boden ist der Podsol. Dieser ist gekennzeich- Waldbestand. Bäume mit einem flachen Wurzelsy-
net durch die Verlagerung von Eisen- und Alumini- stem — z. B. Fichten, Lärchen und Pappeln — sind hier
umoxiden in Verbindung mit Humussäuren in tiefere gegenüber Tiefwurzlern, wie z. B. der Kiefer, bevor-
Bodenzonen (Podsolierung). Die sauren und nähr teilt. Der auftauende Permafrostboden ermöglicht
stoffarmen Podsole bilden sich meist aus sandigem auch in trockenen Sommern eine ausreichende Was-
Ausgangsgestein. Die mikrobielle Aktivität ist gering serversorgung der Pflanzen.
und führt zusammen mit den niedrigen Temperaturen
Die klimatische und bodengeographische Differen-
zu einer gehemmten Umsetzung der abgestorbenen
zierung spiegelt sich wie folgt in den auftretenden
organischen Substanz, so daß zum Teil mächtige
natürlichen Waldformationen wider (Abb. 2.1). In
Humusauflagen entstehen.
Eurasien verschlechtern sich mit zunehmender klima-
Die geringe Verdunstung, das häufig vorherrschende tischer Kontinentalität die Wuchsbedingungen von
flache Relief sowie der Permafrost (s. u.) begünstigen West nach Ost. Im europäischen Teil der Taiga domi-
an vielen Stellen das Entstehen ausgedehnter Vernäs- nieren die relativ anspruchsvollen Fichtenwälder, die
sungszonen, in denen Sümpfe, Moorböden, Gleye und je nach Standortbedingungen mehr oder weniger
Gleypodsole vorherrschen. Häufig kommt es hier zur stark mit Kiefern oder Tannen durchsetzt sind. Der
Torfbildung. Allein in der ehemaligen Sowjetunion Anteil der Tannen ist insbesondere auf feuchten
werden 128 Mio. ha von baumlosen oder nur mit Standorten hoch, während Kiefern vornehmlich die
kleinwüchsigen Bäumen bestockten Torfmooren ein- trockenen Standorte einnehmen, auf denen sie die
genommen. Sie stellen einen wesentlichen Bestand- dominierende Baumart darstellen können. Die Fich-
teil der borealen Waldlandschaft dar und sind von ten-Kiefern-Tannenwälder setzen sich als breiter
erheblicher Bedeutung für den globalen Kohlenstoff- Streifen bis weit in den Osten hinein fort und sind hier
haushalt (vgl. Kap. 6.2). In den stärker ozeanisch mit einer Vielzahl großflächiger Moore und Sümpfe
beeinflußten Gebieten in Nordeuropa, Karelien und durchsetzt.
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Im stark und extrem kontinentalen Osten ist die auf, Kiefern kommen dagegen vornehmlich in Zen-
Lärche die dominierende Baumart. Auf den ständig tralkanada vor. Laubhölzer sind in der gesamten
gefrorenen Böden Mittel- und Ostsibiriens und des borealen Zone verbreitet. Am östlichen Fuß der Rocky
russischen Fernen Ostens bildet sie natürliche Rein- Mountains sowie in Alaska stellt die Pappel z. T. sogar
bestände (Lärchentaiga). Nach Süden nimmt der die dominierende Baumart dar; zum Teil treten hier
Anteil der Kiefern zu. An der Pazifikküste treten auch größere Birkenbestände auf. Ansonsten be-
vermehrt wieder andere Baumarten in Erscheinung. schränkt sich das Verbreitungsgebiet der Laubbäume
Bedeutend ist hier die Birke, die z. B. in Kamtschatka, im wesentlichen auf Sonderstandorte wie Flußufer
ähnlich wie in Nordeuropa, große Bestände bildet. und Niederungsmoore sowie als Pionierbestockung
auf Brandflächen (Walter und Breckle 1991).
Auch die breitenabhängigen klimatischen Verände-
rungen schlagen sich in der Bestockungsdichte und
Artenzusammensetzung nieder. Dabei läßt sich die
eurasische boreale Waldzone aufteilen in: 2.3 Evolution, Struktur und
Entwicklungsdynamik borealer
— die nördliche Taiga, die im wesentlichen die Wald-
Waldökosysteme
tundra und die offenen Waldländer umfaßt,

— die mittlere Taiga, die den eigentlichen Kernraum Die borealen Waldökosysteme haben sich seit dem
kennzeichnet, sowie Ende der letzten Eiszeit vor etwa 10 000 Jahren
entwickelt. Die wenigen, an die ungünstigen Wuchs-
— die südliche Taiga, zu der auch die Übergangszo-
bedingungen angepaßten Baumarten sind zu unter-
nen zu den Laubholzwäldern gezählt werden (Tre-
schiedlichen Zeiten in ihr jetziges Verbreitungsgebiet
ter 1990 a) .
eingewandert. Fennoskandien wurde zunächst von
Die nordamerikanische boreale Waldzone wird von Birken, Westsibirien von Lärchen und Birken und
Fichten (Schwarz- und Weißfichte) geprägt. Die rela- Westkanada von Pappeln besiedelt. Kiefern, Tannen
tiv anspruchslose Schwarzfichte nimmt zusammen mit und Fichten breiteten sich erst später in der heutigen
der Lärche vor allem die nördliche Zone ein, während borealen Zone aus (Mac Donald 1992). Die maximalen
nach Süden hin vorwiegend Weißfichten und Balsam Ausbreitungsgeschwindigkeiten in nördliche Rich-
tannen vorkommen. Die Tannen treten in den weniger tung werden im östlichen Nordamerika für die Fichte
kontinentalen östlichen Provinzen Kanadas verstärkt auf etwa 400 m/Jahr, für die Kiefer auf gut 600 m/Jahr

Abbildung 2.1 (a): Räumliche Verbreitung und vegetationsgeographische Gliederung der borealen Wälder in Eurasien
Quelle: Treter 1993
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

geschätzt (Delcourt und Delcourt 1987), in Nordwest- dominierten, altershomogenen Beständen in unter-
europa für die Fichte auf 500 m/Jahr und für die Kiefer schiedlichen Entwicklungsphasen gekennzeichnet.
auf 1 500 m/Jahr (Huntley und Birks 1983). Die Sie wird in erster Linie durch Brände hervorgerufen,
klimatischen Schwankungen innerhalb der letzten die den wichtigsten ökologischen Steuerungsprozeß
10 000 Jahre haben zu Verschiebungen der polaren in den borealen Waldökosystemen darstellen. Ihre
Waldgrenze geführt. Baumstümpfe in heute wald- Häufigkeit ist vor allem von den Feuchtigkeitsverhält-
freien Gebieten belegen auf allen Kontinenten, daß nissen abhängig und regional recht unterschiedlich.
die Waldgrenze während klimatisch günstiger Phasen Sie drückt sich in der sog. Feuerrotation aus. Diese gibt
deutlich weiter nördlich lag. Als Reaktion auf die an, wieviel Zeit durchschnittlich vergeht, bis die
Klimaschwankungen innerhalb der letzten Jahrhun- Summe der Brandflächen in einem Gebiet der
derte finden sich heute zumindest in Nordamerika Gesamtfläche des Gebietes entspricht. Dabei brennen
Waldflächen auf ehemaligen Tundrenstandorten (Si Teilflächen über lange Perioden gar nicht, andere
rois 1992). In anderen Regionen kann dagegen fest- mehrmals in einer Rotation. In den sommertrockenen
gestellt werden, daß sich die Waldgrenze aktuell nach Gebieten Zentralalaskas und Nordwestkanadas be-
Süden verschiebt. Da sich der Einfluß des Menschen trägt die Feuerrotation in etwa 50 bis 100 Jahre. In den
auf die nördlichen Wälder jedoch insgesamt erhöht feuchteren Ostprovinzen liegt sie in etwa bei 100 bis
hat, können die aktuellen Entwicklungen nicht aus- 300 Jahren (Heinselmann 1985).
schließlich auf die Schwankungen des Klimas zurück-
geführt werden. Es ist jedoch wahrscheinlich, daß sich
Die Brände bewirken, daß die Walderneuerung in der
die borealen Wälder auch aktuell in einem dynami-
borealen Waldzone gleichzeitig auf großen Flächen
schen Entwicklungsprozeß befinden, der auch durch
abläuft. Im Gegensatz dazu läuft in den feuchttropi-
Klimaschwankungen in der jüngeren Vergangenheit
schen Wäldern, in denen natürliche Brände kaum
ausgelöst wurde (Apps u. a. 1993).
vorkommen, die Walderneuerung kleinflächig in
Die Struktur der borealen Wälder ist durch ein Neben durch das Absterben von Bäumen entstehenden Lük-
einander von großflächigen, häufig von einer Baumart ken ab.

Abbildung 2.1 (b): Räumliche Verbreitung und vegetationsgeographische Gliederung der borealen Wälder in Nordamerika
Quelle: Treter 1993
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Feuer ist zudem ein wesentlicher Faktor in den bilden einschichtige Bestände, in denen Naturverjün-
Stoffkreisläufen borealer Wälder, da es die in der gung nur noch nach dem Absterben einzelner Indivi-
Humusauflage gespeicherten Nährstoffe freisetzt und duen stattfinden kann. Die Walderneuerung ist vom
dadurch die Keimungsbedingungen für die nachfol- erneuten Auftreten von Feuer oder anderen Störfak-
gende Baumgeneration entscheidend verbessert. toren abhängig.
Einen vergleichbaren Einfluß auf die Waldentwick-
Die Wachstumsraten borealer Wälder variieren regio-
lung haben auch großflächige Schädlingskalamitä-
nal erheblich, sind jedoch im Vergleich zu anderen
ten. Diese biotischen Faktoren werden in jüngster Zeit
Waldtypen gering. Der oberirdische Biomassen-
mehr und mehr durch anthropogen verursachte Stö-
zuwachs (Trockensubstanz) liegt etwa zwischen
rungen (Kahlschläge, vom Menschen verursachte
0,3 t/ha/Jahr im Bereich der Waldgrenze und 2 bis
Brände, industrielle Schadstoffbelastungen) überla-
4 t/ha/Jahr im relativ günstigen ozeanischen Klima
gert (vgl. Kap. 2.4).
(Brünig 1989). Die Nettoproduktion in borealen Wald-
Die ungestörte Waldentwicklung durchläuft in der ökosystemen nimmt zunächst mit zunehmendem Bau-
Regel zumindest drei Sukzessionsstadien (Kuusela malter zu und erreicht im Alter zwischen 35 (Laub-
1992). Je nach Art der Störung des Vorbestandes bäume) und 60 Jahren (Nadelbäume) ihren höchsten
(Feuer, Kahlschlag, Schädlingskalamität), Entfernung Wert. Danach sinkt sie rapide ab und wird im Alters-
zu samenproduzierenden Waldbeständen sowie den stadium (,,Old-Growth") negativ, d. h. es wird mehr
herrschenden Standortbedingungen beträgt der Zeit- Biomasse abgebaut als nachwächst (Kuusela 1990).
raum bis zur Wiederbewaldung wenige Jahre bis
Die insgesamt geringe Bestandsdynamik der borealen
einige Jahrzehnte. In der Regel stellen sich zunächst
Wäldern bewirkt, daß der gesamte ungestörte Ent-
lichtbedürftige Laubbäume ein (Birken, Weiden,
wicklungszyklus vom Primärwald bis zum Bestands-
Erlen bzw. Pappeln). Dies gilt insbesondere für Stand-
zerfall Zeiträume von 2000 Jahren und mehr einneh-
orte mit tonreichen Böden, an deren Oberflächen nach
men kann (Brünig 1987). Unter günstigen Bedingun-
einem Brand häufig alkalische Bedingungen herr-
gen läuft die Entwicklung innerhalb weniger Jahr-
schen. Unter den feuchten und nährstoffreichen Ver-
hunderte ab. Vor allem in Gebieten mit kurzer Feuer-
hältnissen wachsen die Pionierarten rasch heran und
rotation werden die Wälder immer wieder auf das
können sich gegen die sich ebenfalls ausbreitende
Ausgangsniveau der Sukzession zurückgeworfen.
Grasschicht durchsetzen. Ihre Streu ist relativ nähr-
Trotz dieser intensiven Störung der Waldentwicklung
stoffreich und wird nach dem Absterben rasch zer-
stellt die Regeneration der Bestände kein Problem dar,
setzt. Sie behindert ferner die Ausbreitung von Moo-
wenngleich bis zur Wiederbewaldung mehrere Jahr-
sen und Flechten.
zehnte vergehen können. Tatsächliche Waldverluste
Dem Pionierwald mischen sich im Verlauf der weite- treten nur als Folge einer unpfleglichen Bewirtschaf-
ren Sukzession zunächst Kiefern bei. Auf trockenen, tung oder durch Landnutzungswandel auf. Vor die-
sandigen Standorten, auf denen die durch Feuer sem Hintergrund kann der geringe jährliche Zuwachs
freigesetzten Nährstoffe rasch aus dem Boden ausge- in borealen Waldökosystemen nicht als Ausdruck
waschen werden, können Kiefern auch die Pionierbe- mangelnder Vitalität gewertet werden.
stockung darstellen. Ebenfalls können häufig auftre-
tende Brände die feueradaptierte Kiefer bevortei-
len. 2.4 Die Bedeutung der borealen Wälder
Nach dieser Übergangsphase geht der Bestand in
einen Hauptwald mit Kiefern, Fichten und Tannen Die nördlichen Wälder sind ein wesentlicher Faktor
über. Die Laubhölzer werden schließlich vollständig für das globale und regionale Klimageschehen und
verdrängt. Bei ungestörtem Sukzessionsverlauf wird auf vielfältige Weise in die Stoff- und Wasserkreis-
auch die Kiefer ausgedunkelt, so daß zumindest auf läufe eingebunden. Als Lebensraum für eine Vielzahl
günstigen Standorten ein Schlußwald mit Fichten und von Tierarten und spezifischen Pflanzengesellschaf-
Tannen entsteht. ten sind sie zudem für die Erhaltung der weltweiten
Artenvielfalt wichtig. Für den Menschen sind boreale
Auf ungünstigeren Standorten oder bei wiederholten Wälder mit ihrem breiten Angebot an Nahrungsmit-
Störungen behaupten sich Laubhölzer über Jahrhun- teln und Rohstoffen ein bedeutender ökonomischer
derte. Auch die Kiefer setzt sich bei hoher Feuerakti- Faktor. Sie prägen darüber hinaus die kulturelle
vität bzw. trockenen Standortbedingungen gegen- Identität vor allem der in ihnen lebenden Naturvölker.
über anderen Nadelbäumen durch und wird dann Diese vielfältigen Funktionen sollen im folgenden
häufig zur dominanten Baumart. beleuchtet werden.
Im extrem kontinentalen Mittel- und Ostsibirien sind
die Wuchsbedingungen so ungünstig, daß großflächig
2.4.1 Der Einfluß der borealen Wälder
nur noch die relativ anspruchslose Lärche in Reinbe-
auf das regionale und globale Klima
ständen auftritt. Sie stellt hier gleichermaßen die
Pionier- und Klimaxart dar.
Die regional- und globalklimatische Funktion der
Der Übergang von den Laubbäumen zu den Nadel- borealen Wälder ist erst seit kurzer Zeit Gegenstand
baumarten führt langfristig zu einer Versauerung des wissenschaftlicher Untersuchungen. Entsprechend
Standortes und zur Bildung von Rohhumusauflagen, bestehen in diesen Bereichen noch große Wissenslük-
in denen Nährstoffe wie auch Kohlenstoff über lange ken. Im folgenden kann deshalb nur ein grober Abriß
Zeiträume gespeichert werden. Die an diese Bedin- auf der Grundlage weniger wissenschaftlicher Unter-
gungen angepaßten Klimaxarten (Fichte und Tanne) suchungen erfolgen.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Die Klimafunktion borealer Wälder basiert im wesent- für die tropischen Wälder bereits relativ konkrete
lichen auf diesbezügliche Berechnungen vorliegen (EK 1990a),
fehlen diese für die Wälder der nördlichen Breiten. Es
- ihrem Einfluß auf die Energie- und Strahlungsbi-
ist jedoch davon auszugehen, daß auch in der borea-
lanz.
len Zone die tatsächliche Verdunstung von den
— ihrer Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf bewaldeten Flächen größer ist als von unbewaldeten.
sowie Grundsätzlich fördern die borealen Wälder dadurch
die Wolkenbildung und das Entstehen von Nieder-
— ihrer Bedeutung für den Wasserhaushalt. schlägen. Es ist jedoch zu bedenken, daß die Nieder-
Die Energie- und Strahlungsbilanz wird maßgeblich schläge in der borealen Zone vornehmlich durch
durch die einfallende Sonnenstrahlung (Globalstrah- advektive, d. h. horizontale, Bewegungen feuchter
lung), den Grad der Rückstreuung und die Wolkenbe- Meeresluft hervorgerufen werden. Die Evaporation
deckung beeinflußt. über den Kontinenten spielt dagegen eine unterge-
ordnete Rolle. Die Rolle der borealen Wälder im
Die Strahlungsverhältnisse in den nördlichen Breiten Wasserkreislauf dürfte entsprechend weniger ge-
sind durch eine relativ geringe Sonneneinstrahlung wichtig sein als die der Tropenwälder. Wichtiger ist
und eine hohe Rückstreuung (Albedo) vor allem durch ihre Wirkung gegen Versumpfung bzw. das weitere
die winterliche Schnee- und Eisdecke gekennzeich- Vordringen der Tundra.
net. Schreiber (1978) gibt an, daß Neuschneeflächen
81 bis 85 % der einfallenden Sonnenenergie zurück Neben der Strahlungsbilanz beeinflussen die borea-
streuen, dichte Nadelwälder dagegen nur 6 bis len Wälder über den Kohlenstoffhaushalt das Klima.
19 %. Dabei sind die bisher vorliegenden Schätzungen der
in den borealen Wäldern gespeicherte Kohlenstoff
Die borealen Wälder vermindern durch ihre dunkle menge höchst variabel (vgl. Kap. 6). Sie basieren nur
Farbe also die Strahlungsreflektion und erhöhen die zum Teil auf Biomasseinventuren, häufig werden die
vorherrschenden Temperaturen. Dies gilt insbeson- Ergebnisse der auf die Ermittlung des durchschnittli-
dere für die Zeit der Schneeschmelze im Frühjahr, chen Holzvorrates ausgerichteten Waldinventuren
während der die Differenz der Absorption der Son- herangezogen. Der auf dieser Grundlage geschätzte
nenstrahlung zwischen (mit immergrünen Nadelbäu- Kohlenstoffgehalt der lebenden Biomasse nimmt eine
men) bewaldeten und den meist noch schneebedeck- Größenordnung zwischen 25 (UN-ECE/FAO 1992 b)
ten waldlosen Flächen am größten ist. und 90 t/ha (Whittaker und Likens 1973) ein. Die
Gesamtmenge dürfte zwischen 45 und 119 Mrd. tC
Im Verlauf des Sommers begrünen sich die waldfreien
Flächen und die Lärchenwälder. Im Hinblick auf die liegen (Olson u. a. 1983). Die jüngste Schätzung (Apps
Strahlungsbilanz wirken sie dadurch ähnlich wie die u. a. 1993) beziffert die von der borealen Vegetation
übrigen bewaldeten Flächen. Entsprechend ist der (inklusive der kanadischen Regenwälder) gespeicher--
ten Kohlenstoffmenge auf 64 Mrd. tC. Dieser Wert
relative Einfluß der Waldflächen auf die sommerliche
Strahlungsbilanz deutlich geringer als im Frühjahr. basiert auf einer Reihe regionaler und nationaler
Ähnlich ist die Situation im Winter, wenn offene und Schätzungen (z. B. Kolchugina und Vinson 1993, Kurz
bewaldete Flächen von Schnee bedeckt sind und sich u. a. 1992, Birdsey 1992) und stellt wahrscheinlich die
ihre Albedo kaum unterscheidet. momentan beste Schätzung dar.

Bonan u. a. (1992) versuchten anhand numerischer Noch schwieriger ist die Ermittlung des in der toten
Klimamodellen den Einfluß der borealen Wälder auf Biomasse und der organischen Substanz im Boden
die Strahlungs- bzw. Temperaturverhältnisse zu gespeicherten Kohlenstoffmenge. Diese liegt in der
ermitteln. Dabei ergab sich unter der drastischen borealen Zone deutlich über der lebenden Biomasse
Annahme, daß alle heutigen Waldflächen nördlich und wird über die Hochrechnung von Einzeluntersu-
chungen ermittelt. Besonders problematisch sind
des 45. Breitengrades unbestockt sind, eine deutliche
dabei die ausgedehnten Moore, deren Ausdehnung
Absenkung der monatlichen Mitteltemperaturen zwi-
und jeweilige Tiefe kaum bekannt sind. Post u. a.
schen 12 °C im April und 5 °C im Juli und Oktober. Die
(1982) schätzen die im Boden gespeicherte Kohlen-
Hauptgründe für diese hypothetische Abkühlung
stoffmenge auf knapp 400 Mrd. tC, während Apps
waren
u. a. (1993) auf eine Summe von 200 Mrd. tC in den
— die erhöhte Albedo aufgrund der länger anhalten- Waldböden und weiteren rund 420 Mrd. tC in den
den Schneebedeckung sowie Moorböden kommen. Die Kohlenstoffmenge in der
toten Biomasse wird von ihnen auf etwa 30 Mrd. tC
— eine dadurch niedrigere Temperatur der Meeres-
geschätzt.
oberfläche in den angrenzenden nördlichen Brei-
ten. Faßt man die Ergebnisse von Apps u. a. (1993) zusam-
Die durch Entwaldung der nördlichen Breiten zu men, so dürfte die boreale Zone (ohne Tundra) mit
erwartende Veränderung der Albedo würde sich laut einer Menge von etwa 700 Mrd. t Kohlenstoff den
Bonan u. a. (1992) bis weit in die niederen Breiten größten, auf ein Biom konzentrierten biosphärischen
auswirken. Kohlenstoffspeicher darstellen. Die Autoren schätzen
außerdem ab, daß die borealen Waldökosysteme der
Neben der Albedo beeinflussen die Wälder die Ver- Atmosphäre zur Zeit netto etwa 0,7 Mrd. tC/Jahr
dunstung und die Wolkenbildung. Dies wirkt sich entziehen und damit dem anthropogenen Treibhaus-
einerseits auf die Strahlungsverhältnisse aus und effekt aktuell entgegenwirken. Kurz u. a. (1992)
andererseits auf den Wasserhaushalt. Während z. B. haben für Kanada (30 % der borealen Wälder) nur
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

eine Senkenstärke von 0,07 Mrd. tC/Jahr ermittelt. heimisch. Weitere typische Vertreter der borealen
Ausgehend von diesem Wert sollte die Netto-Kohlen- Fauna sind Schneehasen, Biber und eine Vielzahl
stoffeinbindung in der ehemaligen Sowjetunion (60 % weiterer Nagetiere, von denen die wichtigsten Eich-
der borealen Wälder) bei rund 0,15 Mrd. tC/Jahr hörnchen sind. Unter den Raubtieren sind Polarfuchs,
liegen, so daß die Senkenstärke insgesamt rund Luchs, Nerz sowie Wiesel und Marderartern am wei-
0,2 Mrd. tC/Jahr betragen, angesichts des zum Teil testen verbreitet (Walter und Breckle 1991).
katastrophalen Waldzustandes in der GUS aber eher
Die Umwandlung von Primärwäldern in Wirtschafts-
kleiner sein sollte.
wälder hat in der Vergangenheit in einigen Fällen zu
Eine weitere Zunahme der Waldbrände, der industri- einem Rückgang bestimmter Tierpopulationen ge-
ellen Schadstoffemissionen und die Ausweitung nicht führt, so z. B. für den Marder in Neufundland oder das
nachhaltiger Bewirtschaftungsmethoden könnten die Auerwild in Norwegen. In Finnland zählt die Gefähr-
borealen Wälder jedoch bereits in absehbarer Zukunft dung von Arten durch Einschlag der Primärwälder
in eine Netto-Quelle für Kohlenstoff umwandeln. Eine und deren Umwandlung in Monokulturen zu den
derartige Entwicklung würde zu einer noch nicht vorrangigen nationalen Problemen (UN-ECE/FAO
quantifizierbaren Erhöhung des CO 2 -Gehaltes der 1993). In Sibirien ist der Ussurische Tiger vom Aus-
Atmosphäre und damit zu einer Verstärkung des sterben bedroht (Ökologische Briefe 1992). Zudem
anthropogenen Treibhauseffektes führen. Es muß werden in Rußland immer noch die durch das Arten-
jedoch betont werden, daß bislang bei weitem nicht schutzabkommen CITES geschützten Bären massiv
alle Einflußfaktoren auf den Kohlenstoffhaushalt in gejagt. Die Bärengalle wird als Naturheilmittel nach
borealen Wäldern ausreichend bekannt sind. Entspre- Südostasien exportiert (Sangi 1992). Umgekehrt
chend unsicher sind die angegebenen Werte (vgl. haben sich einige bedrohte Populationen durch
Kap 6). Schutzmaßnahmen erheblich vergrößert, so z. B. der
Braunbärenbestand in Schweden (Natur 1992). Der
Es bleibt demnach festzuhalten, daß die aktuelle Rolle
Bestand an Elchen hat in Skandinavien und Nordruß
der borealen Wälder für den Kohlenstoffkreislauf und
land auch durch die erhöhte Holznutzung und nach-
die lokale Energiebilanz wenig gesichert ist. Ihr Ein-
folgende Verjüngung stark zugenommen und wirkt
fluß auf die Strahlungsbilanz erhöht die durchschnitt-
sich zum Teil extrem schädlich auf die natürliche
lichen Temperaturen vor allem in der Waldzone
Waldverjüngung aus.
selbst. Entsprechend würde eine deutliche Verringe-
rung der Waldfläche zu einer strahlungsbedingten
Temperaturabsenkung führen. Dagegen deuten ei-
nige Untersuchungen darauf hin, daß die borealen Die Regenwälder entlang der Pazifikküste Kanadas
Wälder als schwache Kohlenstoffsenke einer anthro- und Alaskas
pogenen Erwärmung der Erde etwas entgegenwir-
Hinsichtlich der Artenvielfalt und der Ausprägung -
ken. Nach Einschätzung von Bonan u. a. (1992) könn-
nehmen die extrem biomassereichen Küstenwälder in
ten beide Effekte eine vergleichbare Größenordnung
Kanada und Alaska eine herausragende Stellung in
einnehmen.
der kaltgemäßigten Zone ein. Sie werden zusammen
mit ähnlichen Beständen an den Westküsten von
2.4.2 Biodiversität Norwegen und Chile, auf Tasmanien und in Neusee-
land häufig als „temperierte Regenwälder" bezeich-
net (Kellog 1992). Dieser Vegetationstyp nimmt mit
Die Vielfältigkeit der Lebensformen und Lebensge-
meinschaften von Pflanzen und Tieren sind eine der etwa 30 bis 40 Mio. ha rund 0,2 % der gesamten
Landoberfläche der Erde ein, ist jedoch aufgrund der
grundlegenden Voraussetzungen für die Stabilität der
spezifischen ökologischen Bedingungen von erhebli-
Ökosysteme. Ihr Erhalt ist für die langfristige Siche-
cher Bedeutung für die Artenvielfalt dieser Regionen.
rung des vielfältigen Nutzens, den die Wälder dem
Menschen bieten, vor allem auf der lokalen und Dies gilt insbesondere für Nordamerika, wo etwa die
regionalen Ebene von herausragender Bedeutung. Hälfte dieser Wälder stockt. Die Küstenregenwälder
weisen zudem durchweg sehr hohe Biomassendichten
Vor diesem Hintergrund soll im folgenden auf die
auf und sind daher trotz der geringen Ausdehnung ein
spezifischen biologischen Eigenarten in den borealen
wichtiger Faktor im globalen Kohlenstoffkreislauf.
Wäldern eingegangen werden.
Etwa die Hälfte der temperierten Regenurwälder ist
Die spezifischen klimatischen und ökologischen durch Einschlag bereits in Sekundärwälder umge-
Bedingungen sowie das — bedingt durch großflächige wandelt worden, nur ein Sechstel ist unter Schutz
Brände und Schädlingsbefall — geringe Alter der gestellt. Rund zwei Drittel der noch nicht eingeschla-
borealen Wälder bedingen die bereits angesprochene genen Regenwälder befinden sich in Alaska, mit ca.
relative Artenarmut der Flora. Davon ausgenommen 5,5 Mio. ha bzw. 90 % der hier ursprünglich vorhan-
sind lediglich die Wälder entlang der Pazifikküste den Küstenwälder, und Britisch Kolumbien, mit ca.
Kanadas und Alaskas, auf die weiter unten eingegan- 2,5 Mio. ha bzw. 43 % der hier ursprünglich vorhan-
gen wird. denen Küstenwälder (Weigand 1990).
Die Fauna der borealen Waldökosysteme ist aufgrund Vor allem in Britisch Kolumbien ermöglichen hohe
der geringen Besiedlungsdichte in weiten Teilen noch Niederschläge von bis zu 4 400 mm/Jahr und milde
intakt. Neben einer Vielzahl von Vogelarten, die hier Temperaturen in dem schmalen Küstenstreifen auf
zum großen Teil in den Sommermonaten ihre Brutre- der Westseite der Rocky Mountains Biomassendichten
viere aufsuchen, sind in den borealen Wäldern einige von 1 100 t/ha und mehr (Sierra Club 1991). Die
Großtierarten, vor allem Elche, Rentiere und Bären Wälder setzen sich im wesentlichen aus Hemlock,
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

Thuja, Sitka-Fichte und Douglasie zusammen. Auf- Auch in Kanada, wo bislang die Landrechtsfrage zu
grund des bis vor kurzem geringen Einflusses des Lasten der Ureinwohner („First Nations") noch weit-
Menschen und der geringen Feueraktivität weisen gehend ungeklärt ist, fordern zahlreiche Stämme
viele Bäume ein Alter von 300 bis 800 Jahren, im Eigentumsrechte ein. Beispielsweise versuchen die
Einzelfall bis zu 2 000 Jahren auf. Die Wälder gehören Gitksan-Wet'suweten in Britisch Kolumbien, deren
damit zu den ältesten Beständen der Erde. Das gün- Existenzgrundlage durch die bereits vergebenen Ein-
stige Klima läßt Baumhöhen bis 100 m zu. Einige der schlagskonzessionen in ihrem Siedlungsgebiet be-
Baumarten sind endemisch, d. h. sie kommen nur in droht ist, das Eigentumsrecht an 10 Mio. ha Land
diesen Wäldern vor. einzuklagen (Gesellschaft für bedrohte Völker, 1992).
Auch die Lubicon Cree, deren Lebensraum im Norden
Die hohe Reliefenergie und die durch eine Vielzahl
Albertas durch bereits vergebene Einschlagskonzes-
von Flußmündungen und Buchten gekennzeichnete
sionen bedroht ist, versuchen das Nutzungsrecht
Küstenlinie charakterisieren diese einzigartige Land-
gerichtlich einzuklagen (BMAG 1992).
schaft, die einer Vielzahl von Tierarten als Lebens-
raum dient. Neben Elchen und Bären finden sich in
den bislang wenig erschlossenen Gebieten zahlreiche
z. T. bedrohte Vogelarten, z. B. Weißkopf-Seeadler
und Marmelalk (ein Verwandter des Pinguins, der 2.4.4 Wirtschaftliche Bedeutung
jedoch flugfähig ist und in Bäumen brütet). Allein in
den Regenwäldern auf der Vancouver-Insel brüten Die größte wirtschaftliche Bedeutung der borealen
130 Vogelarten. Ein großer Teil von ihnen ist als Wälder liegt bei der Holznutzung. Nach Angaben der
Höhlenbrüter auf das Vorhandensein abgestorbener FAO findet in ihnen mit über 500 Mio. m3/Jahr ein
Baumstämme angewiesen. Drittel des weltweiten Nutzholzeinschlages statt
(Tab. 2.3). Die Brennholznutzung spielt dagegen mit
Die Regenwälder sind maßgeblich dafür verantwort- etwa 100 Mio. m 3/Jahr eine geringere Rolle. Die
lich, daß 12 % der Reptilien, 27 % der Amphibien, 9 Ergebnisse einer Erhebung des jährlichen Einschlags-
der Brutvögel und 17 % der Säugetiere Kanadas volumens durch die UN-ECE deutet darauf hin, daß
ausschließlich in Britisch Kolumbien vorkommen der tatsächliche Einschlag in der borealen Zone sogar
(Fenger und Harcombe o.J.). Die Gewässer sind noch deutlich höher liegt als es die FAO-Angaben
äußerst fischreich. Allein in den Flüssen auf der widerspiegeln. In Kanada lag das Einschlagsvolumen
Vancouver-Insel befinden sich die Laichgebiete von in den Jahren 1987 bis 1989 bei jährlich 190 Mio. m 3
fünf Lachsarten (Sierra Club und Wilderness Society (ForestyCand192b).DrAteilamw n
1991, Kellog 1992). Die Bestände sind direkt vom Nutzholzeinschlag dürfte entsprechend bei über 40 %
Vorhandensein der Urwälder abhängig, da die abge- liegen.
storbenen Baumstämme als natürliche Dämme wirken
und das Abschwemmen des Laiches verhindern -
Das geerntete Holz eignet sich insbesondere zur
(Sierra Club o.J.). Produktion von Nadelschnittholz, Holzplattenwerk-
stoffen sowie Zellstoff und Papierprodukten. Entspre-
chend nimmt die Forst- und Holzwirtschaft in den
2.4.3 Lebensraum für die heutige Bevölkerung, Volkswirtschaften der Länder in der borealen Zone
speziell für indigene Völker eine bedeutende Stellung ein (in Finnland z. B. 8 %
am BSP).
Auf der nationalen und regionalen Ebene sind die
Im Vordergrund steht, angesichts geringer Bevölke-
borealen Wälder von zentraler wirtschaftlicher, ökolo-
rungszahlen und des großen Holzzuwachses in der
gischer und sozialer Bedeutung und unterliegen einer
borealen Zone, der Export von Nadelschnittholz und
Vielzahl zum Teil widersprüchlicher Nutzungsinter-
Produkten der Zellstoff- und Papierindustrie. Mit
essen. Besonders deutlich wird dies in den immer noch
einem Gesamtwert von knapp 40 Mrd. US-$ erzielten
bestehenden Konflikten zwischen den Nutzungsan-
die Exporte von Holz- und Papierprodukten aus den
sprüchen der industriellen Gesellschaft und den Inter-
fünf wichtigsten Ländern der borealen Zone rund
essen der in den Wäldern lebenden Ureinwohner.
40 % des weltweiten Wertes (vgl. Tab 2.3). Für Schwe
Sehr lange waren die nördlichen Wälder das Sied-
den macht dieser Sektor etwa 20 %, in Finnland
lungsgebiet indigener Völker, deren Existenzgrund-
knapp 40 % und in Kanada 17 % des Gesamtexport
lagen zum Teil durch die fortschreitende Erschließung
wertes aus. In den Staaten der ehemaligen Sowjet-
der Wälder für die Forst- und Holzwirtschaft sowie
union ist der Forst- und Holzsektor nur mit 3,7 % am
industrielle Komplexe bedroht sind. Allein in der
nationalen Export beteiligt (Min. f. Außenhandelsbe-
russischen Taiga leben 26 indigene Volksstämme,
ziehungen UdSSR 1991).
deren Siedlungsgebiete nicht unter Schutz gestellt
sind. Bergbau und Erdöl-/Erdgasgewinnung sowie
Der Wald dient neben der Holzgewinnung und den
der zunehmende Holzeinschlag bedrohen ihre
damit verbundenen Funktionen für Arbeit und Ein-
Lebensgrundlagen, zumeist die Waldweidewirtschaft
kommen auch als Quelle für andere Rohstoffe und
und der Fischfang (Ökologische Briefe 1992).
Nahrungsmittel. Da umfassende Statistiken darüber
In Lappland sind dagegen die Lebensräume der nicht geführt werden, können die folgenden Angaben
traditionell wirtschaftenden Lappen unter Schutz nur als Beispiele für die aktuellen jährlichen Ernte-
gestellt worden. In Alaska können die indianischen mengen betrachtet werden (zitiert in Poker 1994a). Sie
Völker auf 17,8 Mio. ha das Recht zur unabhängigen umfassen nicht den bedeutenden Verbrauch auf indi-
Bewirtschaftung einfordern. vidueller bzw. lokaler Ebene.
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Tabelle 2.3

Holzeinschlag und Holzprodukte sowie die Exporterlöse der Forst- und Holzwirtschaft im Jahr 1991
in den wichtigsten Ländern der borealen Waldzone

Exporterlöse
Gesamter Span- und Papier
Brennholz Nutzholz Schnittholz Zellstoff Holz und
Einschlag Faserplatten und Karton
Land Holzprodukte

in 1000 m3 in 1000t in 1000 US$

ehemalige
UdSSR 355 400 81 100 274 300 75 500 11 490 8 662 9 590 2 773 316
Kanada 162 084 6 773 155 304 52 040 5 555 23 308 16 559 16 930 896
Schweden . 51 724 4 424 47 300 11 536 1 125 9 885 8 355 9 872 643
Finnland 34 091 2 984 31 107 5 983 969 8 483 8 505 8 238 230
Norwegen 10 987 910 10 027 2 313 583 2 108 1 784 1 516 504

Total 614 286 96 191 518 038 147 372 19 722 52 446 44 793 39 330 589

Welt 3 429 426 1 830 153 1 599 272 457 477 122 425 154 691 243 472 98 050 112

Anteil
boreal 18 % 5% 32 % 32 % 16 % 34 % 18 % 40 %

Quellen: FAO (1993 b) und CCFM (1993)

Ehemalige Sowjetunion: 2.4.5 Schutz und Erholungsfunktion


-

209 900 Stück Wildgeflügel, 27 600 t Wildfleisch, Die wichtigsten ökologischen und sozialen Funktio-
120 000 t Früchte und Beeren, 20 000 t Pilze, 15 000 t nen der Wälder sind der Landschafts- und Boden-
Nüsse, 100 000 t Honig, 60 000 t medizinische schutz, der Schutz vor Witterungsextremen (z. B.
Pflanzen und 151 000 t Harz; darüber hinaus wur- Stürme, Extremtemperaturen), der Naturschutz, die
den auf 12 Mio. ha industriell Zirbelkiefernüsse und Regulation des Wasserhaushaltes und ihr Freizeit und
in erheblichem Umfang Öle aus Tannen-, Kiefern- Erholungswert. Zur Sicherung dieser Leistungen gel-
und Fichtennadeln gewonnen ten für Teile der borealen Wälder besondere Schutz-
maßnahmen. So sind beispielsweise in Kanada
Litauen: 27 Mio. ha Wald unter. Naturschutz gestellt, weiteren
24 Mio. ha kommt eine erhöhte Schutzfunktion zu.
1 kg Wild/ha Waldfläche, 35 200 ha produktive Diese Wälder sind nicht oder nur beschränkt nutzbar
Waldbeerenfläche mit Durchschnittserträgen von (Forestry Canada 1992b). In Alaska stehen 3,1 Mio. ha
100-200 kg/ha (Heidelbeere), 100-180 kg/ha Wald unter Naturschutz, 12,1 Mio. ha sind in privatem
(Preiselbeere), 130-320 kg/ha (Moosbeere) und Besitz, ein Großteil davon allerdings der unabhängi-
100-280 kg/ha (Himbeere) gen Nutzung durch Indianer vorbehalten. In Norwe-
gen weisen nach Angaben von Korsmo (1991) knapp
Schweden: 190 000 ha Wald eine erhöhte Schutzfunktion auf. In
der ehemaligen Sowjetunion waren laut Inventur im
80 Mio. 1 Beeren und 20 Mio. 1 Pilze Jahr 1988 insgesamt 298 Mio. ha des Waldfonds als
Wälder mit besonderen sozialen Funktionen und
ökologischen Schutzfunktionen ausgewiesen. Die
Finnland: industrielle Holznutzung ist in diesen Wäldern unter-
sagt, ein begrenzter Einschlag zum Teil jedoch
20-40 000t Wildbeeren, 10-20 000t Pilze, 83 300 t erlaubt. Weiteren 103 Mio. ha Wäldern wurde eine
Wildfleisch (davon 2/3 Elch) erhöhte Schutzfunktion zuerkannt. Eine Bewirtschaf-
tung ist hier unter Erhalt der Schutzfunktion mög-
Kanada: lich.

3,2 Mio. Wildtierpelze von Bisamratten, Biber, Eich- Die Schutzgebiete in der borealen Zone nehmen
hörnchen, Marder, Waschbär, Wildnerz u. a.; dar- oftmals unproduktive Waldflächen ein. Von den als
über hinaus wurden allein im kanadischen Privat- produktiv eingeschätzten Wäldern sind nur wenige
wald (ca. 9 % der Waldfläche) im Jahr 1986 2,5 Mio. Prozent unter Schutz gestellt, wie die Tabelle 2.5
Weihnachtsbäume geerntet. verdeutlicht.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Tabelle 2.4

Verbliebene Naturwaldflächen und geschützte produktive Wälder in den Ländern der borealen Zone

Anteil geschützter
Waldfläche Naturwälder Anteil Naturwälder Wälder an produk-
Land
in Mio. ha in Mio. ha in % tiver Waldfläche
in %

Kanada 453 247 60 3,0


Rußland 944 444 47 0,3
Finnland 20 0,4 2 1,5
Schweden 24 < 1,2 <5 2,6
Norwegen 8 k. A. k. A. 0,3

Quelle: TRN 1993

Tabelle 2.5

Bedeutung verschiedener Waldfunktionen innerhalb der nationalen Waldnutzungsplanungen


(in Prozent der Waldfläche)

Wald- Boden/Land-
Wasserschutz Naturschutz Erholung
fläche schaftsschutz
Land
h m g h m g h m g h m g
Mio.
ha

Norwegen 9,6 2 25 73 — 5 95 1 9 90 10 85 5
Schweden 24,4 — 1 99 — — 100 4 96 — 17 54 29
Finnland 20,1 — — 100 — — 100 3 1 96 — 2 98 -
ehemalige UdSSR 941,0 9 15 76 7 17 76 — 19 81 2 11 87

h: hohe Bedeutung, offiziell ausgewiesen oder starke Nutzung, starke Restriktionen für andere Funktionen
m: mittlere Bedeutung oder regelmäßige Nutzung, z. T. Restriktionen für andere Nutzungen
g: geringe Bedeutung, keine speziellen Vorschriften
Quelle: UN-ECE/FAO 1993

Eine Erhebung der UN-ECE/FAO belegte, daß die anthropogene Störungen der Waldökosysteme über-
Schutzfunktion der Wälder im Rahmen der nationalen lagert. In der vorindustriellen Zeit trat eine maßgebli-
Waldnutzungsplanung bislang eine untergeordnete che Beeinflussung der borealen Ökosysteme durch
Rolle spielt. Auf nur 2 % der norwegischen Waldflä- den Menschen nur entlang der Südgrenze, vor allem
che und 9 % der Waldfläche in der ehemaligen in Skandinavien, auf. Im Mittelalter steigerte sich hier
Sowjetunion wird dem Boden- und Landschaftsschutz die Nachfrage nach Brennholz für das Schmelzen von
oberste Priorität eingeräumt. Der Naturschutz hat in Sumpfeisenerz sowie die Salz- und Holzteergewin-
Norwegen auf 1 %, in Schweden und Finnland auf nung. Später bestand großer Bedarf an Qualitätsholz
4 bzw 3 % der Waldfläche eine hohe Bedeutung (Tab. für den Schiffsbau. Im 16. und 17. Jahrhundert führte
2.5). Die nicht monetarisierbaren Leistungen werden die Ausweitung des Grubenbaus (Silber und Kupfer)
jedoch mehr und mehr anerkannt und sollen in und der Eisenverhüttung zu einem weiteren Anstieg
Zukunft stärker berücksichtigt werden (UN-ECE/ des Holzbedarfs. In der Folgezeit kam es zur fort-
FAO 1993). schreitenden Zerstörung fennoskandischer Wälder,
die bis zur Mitte des 19. Jahrhundert stark reduziert
wurden. Aufgrund des weiterhin steigenden Holzbe-
darfs infolge der Industrialisierung ging man danach
2.5 Die Beeinflussung der borealen Wälder zu einer planmäßigen Waldbewirtschaftung über, die
durch den Menschen zu einer erneuten Ausdehnung der Waldflächen bis
heute geführt hat (Abb. 2.2).
Die im Kapitel 2.2 behandelten natürlichen Störfakto
ren Feuer und Schädlingsbefall werden seit dem In Sibirien, Alaska und Kanada setzte ein spürbarer
vergangenen Jahrhundert mehr und mehr durch Einfluß des Menschen erst im 18. Jahrhundert ein.
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Zunächst dehnte sich der kommerzielle Holzeinschlag einer massiven Schädigung der Wälder. Ferner wirkt
aus, zum Ende des letzten Jahrhunderts kam es in sich die fortschreitende Erschließung der borealen
Nordwestkanada und Alaska als Folge des Goldrau- Zone für die Gewinnung von Bodenschätzen, die
sches zur Nutzung der Wälder. In den schwer zugäng- Anlage von Industrieanlagen und Großstauseen
lichen Gebieten Sibiriens und Nordamerikas be- negativ auf die Waldbestände aus.
schränkt sich die Nutzung auf die Einzugsbereiche
der Flüsse und Eisenbahnen. Die riesigen natürlichen In der Summe bewirken diese vielfältigen Einflüsse
Holzvorräte in den Wäldern, die die Nachfrage bei eine erhebliche Gefährdung der borealen Wälder, vor
weitem übertrafen, vermittelten in Kanada und der allem in der ehemaligen Sowjetunion. Sie führen zu
früheren Sowjetunion die Vorstellung einer unbe- einer Verminderung der Bestockung, vermindern in
grenzt vorhandenen Ressource. Eine mit der europäi- einigen Regionen die ökologische Stabilität und ver-
schen vergleichbare nachhaltige Forstwirtschaft hat ringern die Kohlenstoffaufnahmekapazität der Wäl-
sich aus diesem Grunde erst in Teilen entwickelt. der. Die nichtbestockten Waldflächen haben sich laut
nationaler Forststatistiken mittlerweile auf 150 Mio.
Auch heute sind weite Teile der borealen Wälder in
ha ausgeweitet und nehmen trotz verstärkter Auffor-
Kanada und Sibirien vom Menschen unberührt.
stungsbemühungen zur Zeit nur sehr langsam ab
Andererseits treten z. B. in Rußland regional erhebli-
(Shubin 1992, Forestry Canada 1992b, Cayford 1990).
che Probleme bei der Versorgung mit Holz auf. Die
Inwieweit tatsächliche Waldverluste in der borealen
Grenze der nachhaltigen Nutzung ist dort überschrit-
Zone auftreten ist auf der Grundlage der vorhandenen
ten worden (Kuusela 1992).
Daten nur schwer abzuschätzen. Ein Großteil der nicht
Bis vor wenigen Jahrzehnten waren die menschlichen oder nicht ausreichend bestockten Waldfläche befin-
Eingriffe in die borealen Wälder und deren Folgen nur det sich zur Zeit in einem frühen Sukzessionsstadium
von lokalem und regionalem Interesse. Erst etwa ab und wird sich möglicherweise in absehbarer Zeit
1960 dehnen sich im Zuge der infrastrukturellen wieder vollständig bewalden. Kuusela (1992) schätzt,
Erschließung und der sich ausweitenden Forst- und daß derartige Sukzessionsflächen in der borealen
Holzwirtschaft die genutzten Flächen rapide aus. Waldzone rund 140 Mio. ha einnehmen. Andererseits
Neben dem Ausmaß und der Art der forstwirtschaftli- behindern in einigen Regionen nicht nachhaltige
chen Nutzung und einer Zunahme der Feuer führen Forstmethoden und eine Zunahme der Waldbrände
regional sehr starke Emissionen aus der Industrie zu die Wiederbewaldung.

Abbildung 2.2: Veränderung der Bewaldung in der Provinz Halland (Schweden) über einen Zeitraum von 300 Jahren
Quelle: Wastenson 1990
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
2.5.1 Holzeinschlag ursprünglichen Baumvegetation erhalten. Dies drückt
sich auch im Vergleich der Entwicklung des Kohlen-
Als Ernteverfahren hat sich in den borealen Wäldern
stoffpools nach einem Brand und nach dem Kahl-
der Kahlschlag durchgesetzt. Im Gegensatz zu einer
schlag aus. Eine computergestütze Ermittlung der
selektiven Erntemethode werden dabei alle Bäume
Entwicklung des Kohlenstoffpools nach Kahlschlag
der Hiebfläche eingeschlagen. Dieses Ernteverfahren
bzw. Feuer, die von Harmon u. a. (1990) für die
ist technisch einfach durchzuführen und zudem
nordamerikanischen Küstenwälder durchgeführt
kostengünstig. In der gesamten borealen Waldzone
wurden, zeigt, daß die in Biomasse und Böden gespei-
werden pro Jahr mindestens 3 Mio. ha durch Kahl-
cherte Kohlenstoffmenge durch Kahlschlag wesent-
schlag abgeholzt. Anhand des offiziellen Gesamtein-
lich stärker und nachhaltiger reduziert wird als durch
schlagsvolumen von jährlich 500 bis 600 Mio. m 3 läßt
Brände. Erst nach 100 bis 150 Jahren stellen sich die
sich jedoch ableiten, daß die tatsächliche Kahlschlag
gleichen Bedingungen ein, weitere 50 bis 100 Jahre
fläche über diesem Wert liegt.
später ist der Ursprungszustand wieder erreicht.
Bei einer an die ökologischen Bedingungen angepaß
ten Flächenbegrenzung und der Einhaltung ausrei- Die Ergebnisse von Harmon u. a. (1990) sind sicherlich
chender Regenerationszeiten sind die Wirkungen des nicht als repräsentativ für die gesamten borealen
Kahlschlags auf das Ökosystem denen von natürli- Wälder anzusehen, zeigen jedoch das Potential der
chen Bränden und Schädlingsbefall ähnlich. Aller- Kohlenstofffreisetzung durch Kahlschlag auf. Eine
dings verbleibt auf den abgeernteten Flächen im empirische Bestätigung dieser Modellrechnung steht
Gegensatz zu natürlich entstandenen Kahlflächen noch aus. Johnson (1992) kam bei seiner Auswertung
häufig kein hochwertiger Baumbewuchs mehr, was zu der bislang veröffentlichen Untersuchungen über die
einer Beeinträchtigung der Verjüngung führen kann. Veränderung des Bodenkohlenstoffs durch anthropo-
Nach Bränden bleiben in der Regel Teile der gene Eingriffe in den Wäldern zu dem Schluß, daß es

Abbildung 2.3: Entwicklung der Kohlenstoffspeicherung in Waldbiomasse und -böden nach


einem Brand und nach Kahlschlag
Die Abbildung zeigt die Ergebnisse einer Computer-Simulation für einen
natürlichen alten Wald mit Douglasie und Hemlocktanne. Es wurden zwei
Szenarien gerechnet: (A) Die Vernichtung des Baumbestandes führt zu einer
50 %igen Erhöhung des Humusabbaus; (B) Der Humusabbau bleibt unver-
ändert.
Quelle: Harmon u. a. 1990
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

keine eindeutigen Anhaltspunkte für eine Abnahme Kahlschlag kann auch das Vordringen von forstwirt-
des Kohlenstoffgehaltes durch Einschlag gibt. schaftlich wichtigen Klimaxarten begünstigen. So
wachsen auf den ehemaligen Kiefernflächen in West-
Durch Kahlschlagverfahren werden zudem die in den
norwegen und im europäischen Teil der ehemaligen
Bäumen gespeicherten Nährstoffmengen abtranspor-
UdSSR nach Kahlschlag vornehmlich Fichten.
tiert und die im Totholz und Humus gespeicherten
Nährstoffe nicht in gleichem Maße freigesetzt wie Regional treten jedoch im Zusammenhang mit einer
durch Brände. Dadurch sind die Keimungsbedingun- großmaßstäbig betriebenen Kahlschlagwirtschaft
gen schlechter. Der wesentlichste Unterschied sind eine Reihe von zum Teil schwerwiegenden ökologi-
die durch den Maschineneinsatz hervorgerufenen schen Schäden auf, die sich nicht nur landschaftsöko-
Bodenschäden, die regional zu einer erheblichen logisch, sondern auch forstwirtschaftlich negativ aus-
Verschlechterung der Standortbedingungen führen. wirken (Abb. 2.4.).
Die nachteiligen Auswirkungen der Kahlschläge
haben sich innerhalb der letzten beiden Jahrzehnte Durch die übliche Kahlschlagpraxis werden im
durch die zunehmende Maschinisierung und die wesentlichen die Bodenverhältnisse und das Mikro-
damit verbundene Vergrößerung der durchschnittli- klima verändert. So bewirkt der Einsatz der Erntema-
chen Kahlschlaggröße generell erhöht. Mittlerweile schinen eine Verdichtung und Störung der Boden-
sind jedoch in einigen Provinzen Kanadas maximale struktur. Darüber hinaus wird der Boden durch die
Kahlschlaggrößen gesetzlich vorgeschrieben worden. Entfernung der Vegetationsdecke wesentlich stärker
Dessenungeachtet stellt sich die Frage, ob und in vom Sonnenlicht beschienen, wodurch sich die som-
welcher Form der Kahlschlag generell als an die merliche Auftauzone in Permafrostgebieten vergrö-
natürlichen Bedingungen der borealen Zone ange- ßert. Die stärkere Erwärmung des Bodens hat auch
paßte Erntemethode gelten kann (Diem 1993). einen verstärkten Abbau der Humusauflage und die
Freisetzung der in ihr gespeicherten Nährstoffe zur
Das Ausmaß der ökologischen Folgen ist einerseits Folge. Umgekehrt erhöht sich jedoch auch die
von der Größe der kahlgeschlagenen Fläche sowie der Abstrahlung, so daß auf Kahlflächen nachts und im
Sorgfalt bei der Ernte und andererseits von den Winter kältere Temperaturen herrschen als im Wald.
naturräumlichen Bedingungen abhängig. Entspre- Im Sommer erhöht sich mit der Oberlflächentempera-
chend treten Zonen auf, in denen Kahlschläge bis zu tur die Verdunstungsrate, was in relativ trockenen
einer gewissen Größe relativ problemlos durchgeführt Gebieten die Wuchsbedingungen negativ beein-
werden können. Beispiel hierfür sind die ausgedehn- flußt.
ten Schwarzfichten-Reinbestände in Quebec. Das
ebene Gelände und die Fähigkeit der Schwarzfichte, Die Veränderung des Mikroklimas und der Bodenver
sich vegetativ zu vermehren, fördern eine Wiederbe- hältnisse wirkt sich direkt auf den Wasserhaushalt
waldung ohne Baumartenwechsel (Doucet 1992). aus. Die rasche Schneeschmelze und die Verringe--

Abb. 2.4: Schematische Darstellung der Eingriffe und der möglichen ökologischen Folgen der Kahlschlagwirtschaft
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
rung der Infiltrationsrate in die Böden erhöht den Das Ausmaß von durch Blitzschlag oder den Men-
Oberflächenabfluß. Diem (1993) beschreibt, daß 1 ha schen verursachten Waldbränden variiert in Abhän-
nackter Boden nach unpfleglichem Kahlschlag 62 5001 gigkeit von auftretenden Trockenzeiten von Jahr zu
Regenwasser aufnehmen kann, Boden mit Gras- oder Jahr erheblich. Ferner ist es gerade in den weitgehend
Buschvegetation fast 300 0001, ein Waldboden dage- unbesiedelten Gebieten Sibiriens und Nordamerikas
gen 1,1 Mio. 1. Die Folge ist eine drastische Erhöhung unmöglich, alle Brände zu erfassen. Unstrittig ist
der Versumpfung bzw. der Erosionsgefahr. Im jedoch die rapide Zunahme der Feuer innerhalb der
schlimmsten Fall kann es zu erheblichen Erdrutschun- letzten Jahrzehnte. Es wird geschätzt, daß in der
gen kommen, so daß Siedlungen und Infrastrukturein- ehemaligen Sowjetunion und Kanada jährlich im
richtung gefährdet werden. Verstärkt wird diese Durchschnitt bis zu 8,5 Mio. ha Wälder in Flammen
Gefahr durch den in hügeligen Regionen problemati- aufgehen. Das sind etwa 0,7 % des Bestandes (Poker
schen Bau der Erschließungswege. Die Bodenerosion 1994 a). Zudem verringert sich in den gut erschlosse-
nach einem Kahlschlag führt zumindest kurzzeitig zu nen Gebieten die Feuerrotation. Häufig wiederkeh-
einer Verschlämmung der Gewässer und beeinträch- rende Brände behindern eine Neubestockung der
tigt die Lebensbedingungen der Wasserlebewesen, Brandfläche in erheblichem Maße und sind inzwi-
z. B. Laichgebiete von Lachsen. schen in einigen Gebieten der borealen Zone zu einer
ernsthaften Bedrohung für die Wälder geworden (vgl.
Zur Kahlschlagwirtschaft gehören auch die Bemühun-
Kap. 2.6.2 und 2.7.2).
gen zur Wiederaufforstung, die häufig durch die
landschaftsökologischen Schäden erheblich er- Ähnlich verhält es sich mit der Ausbreitung von
schwert werden oder gar scheitern. Bei mangelnder Schädlingen und Krankheiten. Durch die einheitliche
Jungbestandspflege werden Aufforstungen durch die Bestockung wird die Massenvermehrung von Schäd-
sich rasch ausbreitenden Laubholzarten aus forstwirt- lingspopulationen in der borealen Zone gefördert.
schaftlicher Sicht entwertet. Um dies sowie den Großflächiger Schädlingsbefall gehört daher zu den
Schädlings- und Krankheitsbefall zu verhindern, wer- natürlichen Prozessen in borealen Waldökosystemen.
den in einigen Regionen Biozide eingesetzt, die zu Durch die forstwirtschaftlichen Eingriffe kann sich die
einer weiteren Belastung des Naturhaushaltes führen. Schädlingswirkung vergrößern. Im wesentlichen sind
Zudem liegen häufig die Erfolgsquoten der Auffor- dafür die Ausweitung von Reinbeständen bzw. die
stung bei unter 60 %, so daß eine nicht hinreichende direkte und indirekte Förderung leicht anfälliger
Neubestockung erfolgt bzw. die unbestockte Waldflä- Baumarten (z. B. Balsamtanne in Kanada) durch Kahl-
che zunimmt (Diem 1993, Maydell und Cejchan schlagwirtschaft, Feuerbekämpfung und Anpflan-
1991). zung verantwortlich (Blais 1983).
Angesichts der riesigen Ausdehnung der borealen Die von Schädlingen und Krankheiten heimgesuch-
Wäldern wurde bislang diesen ökologischen Folge- ten Waldflächen sind kaum zu erfassen. Im Durch-
wirkungen zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. schnitt dürften in der ehemaligen UdSSR rund
Inzwischen haben sie, wie im folgenden erläutert 5 Mio. ha von Schädlingen befallen sein. In Kanada
werden wird, ein Ausmaß angenommen, das nicht nur sind aktuell knapp 8 Mio. ha Wald vom Fichtentrieb-
aus ökologischer, sondern auch aus ökonomischer wickler, dem bedeutendsten Schädling in den kana-
Sicht ein Umdenken erforderlich macht. dischen Wäldern, befallen. Im Jahr 1970 lag dieser
Wert bei 55 Mio. ha. Die starke Reduktion ist auf den
Einsatz von Pestiziden (anfänglich DDT, inzwischen
biologische Pestizide) zurückzuführen. Analog zur
Unterdrückung von Bränden kann auch die Schäd-
2.5.2 Feuer und Schädlingsbefall
lingsbekämpfung zur Überalterung und Destabilisie-
rung von Beständen führen. Im Interesse der Erhal-
Die Eingriffe des Menschen in das Ökosystem der
tung von Waldbeständen kann aber weder auf die
borealen Wälder haben Rückwirkungen auf das für
Schädlingsbekämpfung noch auf die Verhinderung
diese Vegetationsform typische Auftreten von Brän-
von Waldbränden generell verzichtet werden.
den und Schädlingen. Durch die zunehmende
Erschließung der borealen Zone werden in bewirt-
schafteten Gebieten inzwischen die meisten regi-
strierten Brände durch menschliches Fehlverhalten
2.5.3 Erschließung und industrielle Entwicklung
ausgelöst (Poker 1994 a, Maydell und Cejchan 1991).
Dies bewirkt, daß Zeitpunkt, Häufigkeit und Ort von
Neben den immensen Holzvorräten befinden sich in
Waldbränden nicht mehr den natürlichen Bedingun-
der borealen Zone eine Vielzahl bedeutender Roh-
gen entsprechen und eine höhere Schadwirkung auf
stofflagerstätten. Zudem bietet sich hier ein erhebli-
die Vegetation bewirken.
ches Wasserkraftpotential. Im Zuge der Industrialisie-
Paradoxerweise haben teilweise auch die Brand- rung wuchs das Interesse an einer Erschließung dieser
schutzbemühungen der vergangenen Jahrzehnte zu Ressourcen. Es führte zum Bau von Verkehrslinien,
einer Zunahme vor allem der Brandintensität geführt, Industrieanlagen, Siedlungen und Wasserkraftwer-
da sich zum einen der Anteil an überreifen Wäldern ken. Im wesentlichen diente der natürliche Reichtum
erhöht und zum anderen in den Wäldern in großem der borealen Zone der Versorgung des rasch anstei-
Maße Totholz angesammelt hat. Dies führte dazu, daß genden Bedarfs an Rohstoffen und Energie in den
Waldbrände erheblich schwerer unter Kontrolle zu industriellen Zentren. Dabei wurden die peripher
bringen waren und daher größere Schäden anrichte- gelegenen Gebiete als „Warenlager" (Lenz 1990) für
ten. Pelze, Holz, Bodenschätze und Wasserkraft angese-
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

hen. In der ehemaligen Sowjetunion versuchte man negativen externen Effekte in Form von Umweltschä-
zwar, industrielle Produktionskomplexe in der Nähe den und sozialen Konflikten legen sich wie ein „Schat-
der Rohstofflagerstätten zu etablieren, doch führten ten" (MacNeill u. a. 1991) über die pe ri pheren Räume.
die erzielten Ergebnisse unter den gegebenen politi- Andererseits wird in Kanada der Norden mit seinen
schen und ökonomischen Zwängen zu großen ökolo- Wäldern, Gewässern und Felsen als bewahrenswerter
gischen Schäden. Deren in einigen Regionen kata- Teil der Nation immer mehr anerkannt. Darauf auf-
strophales Ausmaß wird erst jetzt überschaubar, ins- bauend kann sich ein umwelterhaltender Umgang mit
besondere nachdem der Zugang zu ehemaligen den natürlichen Ressourcen der borealen Zone ent-
Sperrgebieten möglich wurde. wickeln (Lenz 1990).

In Kanada dient das erhebliche Nutzpotential des


borealen Nordens der kanadischen und der lokalen
Bevölkerung sowie der Bedienung der Nachfrage in 2.6 Waldnutzung und -gefährdung
den Zentren Nordamerikas sowie auf dem Weltmarkt. in der ehemaligen Sowjetunion
Der Zwang, die Produktionskosten möglichst niedrig
zu halten, hat ökologische Gesichtspunkte häufig in Die Inventurergebnisse aus dem Jahr 1988 weisen
den Hintergrund treten lassen. für die damaligen Sowjetrepubliken insgesamt eine
Die industrielle Erschließung wirkt sich in vielfacher Waldfläche von 941 Mio. ha, davon 814 Mio. ha
Weise auf die Wälder aus. Zum einen finden Rodun- bestockt, aus. Alleine auf Rußland, dem mit etwa
gen zum Bau von Transportsystemen (Eisenbahnen, einem Viertel der globalen Holzvorräte waldreichsten
Straßen, Leitungsnetze), Industriebetrieben und Sied- Land der Erde, entfielen 771 Mio. ha, davon
lungen statt. Zum anderen erhöht sich entlang der 676 Mio. ha bestockt (Staatsforstkomitee der UdSSR
Erschließungsachsen und im Umland der industriel- 1990). Mit Ausnahme eines geringen Anteils an Wäl-
len Konzentrationspunkte die Nutzung der Wälder dern der gemäßigten Breiten, gehört der Waldbestand
und ihre Belastung mit Schadstoffen. Der Landnut- zur borealen Zone. Etwa die Hälfte sind Primärwälder.
zungswandel spielt eine untergeordnete Rolle in der Immer größer werden jedoch die Flächen, die direkt
borealen Waldzone. Die Größe der Waldfläche verän- und indirekt vom Menschen beeinflußt werden und
dert sich daher kaum. Die fortschreitende Ausbeutung auf denen der Wald in Mitleidenschaft gezogen oder
der Ressourcen führt jedoch in vielen Gebieten zu gar vernichtet wird. Einen Überblick über die räumli-
einer erheblichen qualitativen Verschlechterung des che Verteilung der wichtigsten Einschlagsgebiete
Waldzustandes. Besorgniserregend sind die erhebli- sowie die Regionen mit hohen Schadstoffemissionen
chen Schadstoffemissionen vor allem in der ehemali- vermittelt die Abbildung 2.5.
gen Sowjetunion. Darüber hinaus hat die weitge-
hende Erschließung des Wasserkraftpotentials zur
Anlage einer Vielzahl großer Stauseen und Überflu- 2.6.1 Forst- und Holzwirtschaft
tung von Waldflächen geführt. in der ehemaligen Sowjetunion
Wie groß die direkt und indirekt durch die Erschlie-
Über den Umfang der forstwirtschaftlichen Nutzung
ßung und industrielle Entwicklung betroffene Wald-
in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion liegen
fläche ist, kann nicht abgeschätzt werden. Sowohl in
z. T. widersprüchliche Daten vor (vgl. Kap. 2.4.3). Laut
Rußland als auch in Kanada ist jedoch von einem
FAO (1993b) sind die Staaten der ehemaligen Sowjet-
Fortschreiten der Erschließungsmaßnahmen auszu-
union mit einem Einschlagsvolumen von etwa
gehen, so daß die heutigen Anteile der weitgehend
350 Mio. m3 hinter den USA die zweitgrößten Holz-
vom Menschen unberührten Waldflächen von 50 % in
produzenten der Welt. Etwa ein Viertel des Holzes
Zukunft weiter sinken wird. Problematisch wird dies
wird als Brennstoff eingesetzt, der Rest überwiegend
insbesondere in den ökologisch sensiblen Bereichen
zu Schnittholz verarbeitet. Die Produktion von Zell-
der Gebirgsregionen und Übergangszonen zur Tun-
stoff und Papier/Karton nimmt mit jeweils etwa
dra bzw. Steppe.
9 Mio. t Jahresproduktion noch einen vergleichsweise
Die Erschließung der peripheren borealen Gebiete ist geringen Stellenwert ein. An der weltweiten Zellstoff-
mit gravierenden sozialen Problemen verbundenen. produktion ist die frühere UdSSR mit etwa 6 %, an der
Die in und von den Wäldern lebenden zumeist Papiererzeugung mit ca. 4 % beteiligt. Die Holzpro-
ursprünglichen Gesellschaften partizipieren nur zum dukte sind überwiegend zur eigenen Bedarfsdeckung
Teil an der wirtschaftlichen Entwicklung. Insbeson- bestimmt, nur wenige % werden exportiert. Die
dere Völker, die ihre traditionelle Lebensform beibe- Gesamtproduktion ist zwischen 1982 und 1991 in etwa
halten wollen, werden nicht selten ihres Lebens- konstant geblieben, in einigen Bereichen waren Pro-
raumes und ihrer Existenzgrundlagen beraubt. Diese duktionsrückgänge zu verzeichnen (Tab. 2.6).
Konflikte verschärfen sich vor dem Hintergrund eines
Die Bewirtschaftung und Verwaltung des sowjeti-
gestiegenen Selbstbewußtseins der Ureinwohner seit
schen Waldfonds (insgesamt etwa 1,2 Mrd. ha) oblag
geraumer Zeit sowohl in Kanada als auch in der
dem Staatskomitee für Wald („Goskomles"), das unter
ehemaligen Sowjetunion.
anderem die jährlichen Einschlagsquoten und die
Art und Weise der Erschließung der borealen Zone Holzpreise festsetzte. Ausnahmen dieses in hohem
haben in hohem Maße zu einem ausgeprägten Zen- Maße zentralistisch gesteuerten Systems bildeten die
trum-Peripherie-Gefälle geführt. Rohstoffe und Ener- knapp 90 Mio. ha, die zur langfristigen Nutzung an
gie werden weitgehend für die wirtschaftliche Ent- Dritte — meist landwirtschaftliche Betriebe — überge-
wicklung der industriellen Kernzonen verbraucht, die ben wurden.
Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

Abbildung 2.5: Abholzung und Schadstoffbelastung der Wälder in der ehemaligen Sowjetunion
Nach: Weißenburger 1990, Feshbach und Friendly 1992

Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion begann ausländische Investitionen geöffnet und der Holzpreis
auch für die Forst- und Holzwirtschaft eine Umbruch- an den Weltmarkt angepaßt. Die Folgen dieser Refor-
phase. Das Staatskomitee für Wald wurde am 1. Ja- men sind heute kaum abzuschätzen. Es ist jedoch-
nuar 1993 durch föderale Forstdienste bzw. Forstmini- anzunehmen, daß sie vor allem in Sibirien zu einer
sterien in den Nachfolgestaaten ersetzt (Cejchan erheblichen Ausweitung des Einschlags geführt
1993). Bereits zuvor waren Umstrukturierungen ein- haben (Petrof 1992). Diese relativ jungen Entwicklun-
geleitet worden (Issajew 1990). Oberstes Ziel war gen stellen zusammen mit der seit längerem bekann
dabei die Förderung einer nachhaltigen Bewirtschaf- ten ineffizienten und häufig unsachgemäßen Form der
tungsform durch eine stärkere Eigenverantwortung Forstwirtschaft in der ehemaligen Sowjetunion eine
der Forstbetriebe. Zudem wurde der Forstbereich für erhebliche Gefährdung vor allem der borealen Wäl-

Tabelle 2.6

Produktion und Export von Holz, Zellstoff, Papier und Karton in der ehemaligen Sowjetunion
im Zeitraum von 1982 bis 1991

1982 1985 1988 1991


Produkt
Prod. Export Prod. Export Prod. Export Prod. Export

Einschlag (Mio. m3 ) 355,9 - 368,0 - 385,4 - 355,4 -


Brennholz (Mio. m3 ) 83,3 - 86,8 - 81,1 - 81,1 -
Nutzholz (Mio. m3 ) 272,6 13,6 281,2 15,5 304,3 20,5 274,3 14,6
Säge- und Furnierholz
(Mio. m3 ) 149,4 6,2 154,1 7,8 167,3 8,8 137,3 5,8
Schnittholz (Mio. m3 ) 97,5 7,4 98,2 7,7 104,8 8,2 75,5 4,8
Faserholz (Mio. m3 ) 37,1 6,2 38,3 7,1 41,6 10,9 41,6 8,2
Zellstoff (Mio. t) 9,2 0,9 10,4 1,0 10,6 1,1 8,7 0,6
Papier und Karton (Mio. t) . 9,0 1,0 10,0 1,1 10,9 1,1 9,6 0,9

Quelle: FAO 1993 b.


Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

der dar, die im folgenden eingehender betrachtet gen Bedingungen in einen Klimaxwald mit Fichten,
werden soll. Kiefern und Tannen übergehen. Unter ungünstigen
natürlichen Bedingungen, wie sie in den Übergangs-
Die erschlossenen und nutzbaren Waldflächen in der
bereichen zur Tundra und Steppe sowie in weiten
ehemaligen Sowjetunion vergrößerten sich zwischen
Teilen Sibiriens herrschen, sowie bei unpfleglicher
1966 und 1987 von 343 auf 406 Mio. ha. Etwa die
Ausführung des Kahlschlages, treten jedoch erhebli-
Hälfte des sog. „Exploitationsfonds" entfällt auf die
che Probleme bei der Naturverjüngung auf. Große
fast vollständig erschlossenen Wälder im europäi-
Flächen bleiben daher für Jahrzehnte unbewaldet,
schen Teil und dem Ural, wo nur 28 % des Holzvorra-
und es ist häufig nicht abzuschätzen, ob auf ihnen
tes stocken, aber 60 % des Schnittholzes und 90 % der
überhaupt eine Neubegründung stattfinden wird. Ins-
Zellulose bzw. der Spanplatten produziert werden
besondere durch die „rücksichtslosen Einschlagprak-
(Bemmann 1990, Treter 1990b). Nach offiziellen
tiken" (Maydell 1990) der industriellen Holzein-
Angaben wurden 1990 zwar nur 37 % des Exploita-
schlagsbetriebe ( „Lespromchosen" ) werden oftmals
tionsfonds tatsächlich genutzt (Schwidenko u. a.
bis zu 80 % des Unterwuchses vernichtet, was die
1992); entsprechend bleibt das Einschlagsvolumen
Verjüngung maßgeblich erschwert.
theoretisch weit unter dem jährlichen Nettozuwachs
von etwa 1 Mrd. m 3 Holz. Diese Zahlen verschleiern Etwa 0,7 Mio. ha der mindestens 2 Mio. ha großen
jedoch die starken regionalen Unterschiede. Im west- Einschlagsfläche werden künstlich wiederaufgefor-
lichen Teil und in der Nähe zu wichtigen Verkehrsli- stet (Schwidenko 1993). Schlechtes Saatgut, man-
nien konzentriert sich der Einschlag, während weite gelnde Sorgfalt und die hohe Anfälligkeit der „Holz-
Teile der schlecht erschlossenen Wälder aus forstli- Zucht-Wälder" gegenüber Krankheiten und Schäd-
cher Sicht ungenügend eingeschlagen werden und lingen führen jedoch zu unbefriedigenden Ergebnis-
somit überaltern. sen. Backman und Waggener (1991) gehen davon aus,
Der jährliche Einschlag orientiert sich am zulässigen daß nur ein Drittel der künstlichen Aufforstungen
Hiebsatz für die Wirtschaftswälder. Dieser lag im Jahr erfolgreich ist. Auch auf den natürlichen Verjün-
1989 bei 625 Mio. m 3 . Im europäischen Teil und im gungsflächen (ca. 1,5 Mio. ha) lassen Qualität und
Uralgebiet wird der Hiebsatz fast vollständig genutzt, Anwuchsprozente deutlich zu wünschen übrig. Zwar
im Osten Rußlands werden dagegen nur 40 % der reduzierte sich die unbestockte Waldfläche in der
hiebreifen Bestände tatsächlich eingeschlagen. Die ehemaligen Sowjetunion seit Mitte der 60er Jahre um
offiziellen Einschlagsquoten in den staatlichen Wäl- ca. 200 000 ha/Jahr auf 106 Mio. ha, doch dürften
dern lagen für 1990 bei 400 Mio. m 3 und sanken laut dafür, neben einer Änderung der für die nationale
Auskunft von A. I. Pisarenko, Stellvertretender Vorsit- Inventur geltenden Wald-Definition, vor allem die
zender des Bundesdienstes für Waldwirtschaft der massiven Aufforstungen in den südlichen Staaten der
Russischen Föderation, auf heute 200 Mio m 3 . Zusätz- ehemaligen Sowjetunion verantwortlich sein.
lich werden erhebliche Holzmengen in den nicht -
Die Forst- und Holzwirtschaft in der ehemaligen
staatlichen Wäldern gewonnen. Im Jahr 1988 dürften
Sowjetunion ist durch einen hohen Grad an Ineffizienz
in den rund 65 Mio. ha nichtstaatlichen Waldes über
gekennzeichnet. Petrof (1992) schätzt, daß die Hälfte
150 Mio. m3 Holz eingeschlagen worden sein. Dies
der eingeschlagenen Bäume keiner Nutzung zuge-
läßt auf eine starke Übernutzung schließen (Backman
führt werden, sondern auf den Einschlagsflächen
und Waggener 1991).
verrotten bzw. während des Transports auf den Flüs-
Die Angaben über die Einschlagsfläche variieren sen verlorengehen. Dieser Umstand ist einer der
erheblich. Schwidenko (1993) schätzt sie auf etwa Gründe für den in einigen Regionen bereits seit
2 Mio. ha/Jahr, wobei 90 % des eingeschlagenen Jahren herrschenden Holzmangel im waldreichsten
Holzvolumens aus Kahlschlägen stammt. Barr und Land der Erde. Er bewirkt außerdem, daß unnötig
Braden (1988) beziffern sie auf 3,5 bis 4 Mio. ha/Jahr. viele neue Flächen in die Nutzung einbezogen wer-
Wegen der rapiden Veränderungen, vor allem in den. Zudem stören die in den Flüssen abgetriebenen
Sibirien, ist davon auszugehen, daß zur Zeit niemand, Baumstämme den Betrieb der Wasserkraftwerke und
auch nicht die zuständigen staatlichen Organe, eine belasten die Gewässer mit Phenolen, die bei der
Übersicht über die aktuelle Entwicklung der Ein- Lösung der Harze freigesetzt werden (Cejka 1992).
schlagsflächen hat (Filiptschuk, zit. in Poker 1994a).
Erhebliche Probleme resultieren auch aus der starken
Genutzt werden in allererster Linie Altbestände, d. h. Konzentration der Forst- und Holzwirtschaft im euro-
Primärwälder. Die übliche Form der Bewirtschaftung päischen Teil und im Uralgebiet. Der zulässige Hieb-
ist der Kahlschlag. Die durchschnittliche Kahlschlag- satz wird hier weitgehend ausgeschöpft. Bezogen auf
größe hat sich in den vergangenen Jahrzehnten auf- die Nadelwälder, auf die sich die Nutzung konzen-
grund des verstärkten Einsatzes von schweren triert, wird er weit überschritten. Diese Übernutzung
Maschinen erheblich erhöht. Sie lag 1976 in den hat z. B. im Uralgebiet dazu geführt, daß der durch-
sibirischen Wäldern bei 1 500 bis 2 000 ha. Kahl- schnittliche Vorrat der hiebreifen Bestände zwischen
schläge führen unter günstigen Wuchsbedingungen 1961 und 1983 von 210 m 3 auf 191 m 3 absank. Zudem
nach etwa 3 bis 5 Jahren zur Neuausbreitung von verringert sich der Anteil an exploitierbaren Wäldern
Pionierwäldern mit Pappeln, Erlen und Birken. In sehr schnell. Im Gebiet Jekaterinburg und Perm
Südkarelien nahm z. B. der Laubholzanteil zwischen waren 1961 noch 58 % der Waldfläche exploitierbar,
1847 und 1983 auf diese Weise um 156 % zu. Aus heute ist der Anteil nur noch halb so groß (Luganskij
forstlicher Sicht sind diese Jungbestände von gerin- u. a. 1992). In anderen Gebieten ist die Erschöpfung
gem We rt , sie stellen jedoch die erste Stufe der der hiebreifen Bestände bereits abzusehen. So dürften
natürlichen Sukzession dar und können unter günsti die Vorräte im Gebiet Archangelsk bei Fortführung
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der bisherigen Nutzungsweise in 15 Jahren ver- den Beständen ist der Umfang der Kahlschlagflächen
braucht sein (Orlov 1990). bis heute auf 25 bis 28 000 ha/Jahr angewachsen. Auf
den zum großen Teil versumpften Permafrostböden
Besonders drastisch wirkt sich die Holzgewinnung im
haben die Waldbestände ein äußerst geringes Rege-
Fernen Osten aus. Maydell und Cejchan (1991)
nerierungspotential. Die Verjüngung verläuft sehr
berichten von der hier üblichen waldvernichtenden
langsam. Drei Viertel der Waldfläche ist erosionsge-
Holzgewinnungspraxis, die in großen Gebieten zu
fährdet. An Gebirgshängen erfolgt aufgrund von
einem katastrophalen Zustand der Wälder geführt
Bodenrutschungen häufig keine Wiederbewaldung
hat. Da ein Großteil der Wälder aufgrund ihrer Schutz-
(Tschibisov u. a. 1992). Auch Versuche zur künstli-
funktion, der mangelnden Zugänglichkeit und gerin-
chen Wiederaufforstung mit Lärchen scheiterten auf-
gen Zuwachsleistung für eine forstwirtschaftliche
grund der schlechten Samenproduktion der Bäume
Nutzung nicht in Betracht kamen, wurden die restli-
(Bojcenko und Isaev 1992).
chen Wälder radikal ausgebeutet. Mindestens auf der
Hälfte der hier eingeschlagenen Flächen hat sich
keine Verjüngung eingestellt. Wo natürliche Verjün-
gung stattfindet, vergehen in der Regel 10 bis 30 Jahre Zusammenfassung
bis zur Wiederbestockung. Häufig auftretende Brände
erhöhen zudem die Gefahr für die Jungwälder. Ein Abschließend bleibt festzuhalten, daß sich die Wald-
großer Teil der exploitierbaren Holzvorräte im Süden fläche in der ehemaligen Sowjetunion laut offizieller
des Fernen Ostens ist heute stark verlichtet oder Waldstatistik zumindest im Zeitraum von 1966 bis
erschöpft. Die degradie rt en Gebiete werden von den 1988 stetig vergrößert, gleichzeitig die Qualität der
Einschlagsfirmen trotz der noch vorhandenen großen Wirtschaftswälder jedoch rapide abgenommen hat.
Holzvorräte verlassen. Als Ergebnis wird festgehal- Die wichtigsten Gründe dafür sind die unpfleglichen
ten, daß „der Zustand der Waldressourcen in der Forstpraktiken, der hohe Anteil nicht genutzten Ein-
Wirtschaftsregion Ferner Osten heute dermaßen schlagholzes und die veralteten Maschinen. Maßgeb-
schlecht ist, daß die Beibehaltung bestehender Ten- liche Gründe sind ferner: die geringen Investitionen
denzen und Methoden ihrer Nutzung unweigerlich der Forstverwaltung in forstwirtschaftliche Maßnah-
zur irreversiblen Schädigung des Waldfonds, und men (nur wenige Pfennige pro Hektar) sowie die
folglich auch zur Zerstörung der regionalen Ökosy- mangelnde Kontrolle und personelle Ausstattung der
steme führen muß" (Maydell und Cejchan 1991). Forstbehörden. Im Fernen Osten kamen auf einen
Bediensteten der Forstwirtschaft 34 100 ha Waldflä-
Zu einer Ausweitung der Waldnutzung haben die seit chen, im Durchschnitt der ehemaligen Sowjetunion
1987 erlaubten „Joint Ventures " zwischen ausländi- war das Verhältnis 1:1700 (Maydell und Cejchan
schen Firmen und russischen Vertragspartnern 1991, Cejka 1992).
geführt. Es besteht weitgehende Unkenntnis über
Zahl und Größe der von ausländischen Unternehmern Die Öffnung der russischen Forstwirtschaft für auslän-
gehaltenen Konzessionsflächen. Einige herausra- dische Unternehmen hat zudem zu einer besorgniser-
gende Beispiele sind jedoch bekannt. So hat ein regenden Ausweitung des Einschlags geführt, die
japanisches Firmenkonsortium im Jahr 1992 mit der heute noch nicht quantifiziert werden kann. Genauere
russischen Exportvereinigung einen Vertrag über die Aufschlüsse könnten durch die Auswertung der Satel-
Lieferung von Holzbearbeitungsmaschinen gegen liten- und Luftbilder aus den Jahren 1991 und 1992
6 Mio. m3 russischen Nutzholzes geschlossen. Diese erreicht werden. Diese soll etwa Mitte 1994 abge-
Menge entspricht in etwa einer Einschlagsfläche von schlossen sein (Filiptschuk, zit. in Poker 1994 a).
64 000 ha. Eine norwegische Firma hat in der Gegend
um Chabarowsk eine Konzession über eine Laufzeit
von 30 Jahren erworben und plant einen jährlichen 2.6.2 Gefährdung durch Feuer
Export von 3 000 bis 5 000 m 3 Holz nach Japan.
Ebenfalls in Chabarowsk hat die südkoreanische In den amtlichen Statistiken ist für die ehemalige
Firma Hyundai eine Nutzungskonzession für mittler- Sowjetunion eine jährliche Waldbrandfläche von
weile 440 000 ha erworben. Bereits seit 1967 läuft ein knapp 1 Mio. ha in den letzten fünf Jahren angegeben
Joint-Venture-Projekt mit Nord-Korea, das bis heute worden (Davidenko 1992). Dieser Wert dürfte jedoch
zur Abholzung von 1,5 Mio. ha Wald in Tschegdomyn weit unter der tatsächlichen Brandfläche liegen. Denn
im Fernen Osten geführt hat. Schwidenko u. a. (1990) schätzen die jährliche Brand-
fläche auf bis zu 2 Mio. ha, Krankina (1991) hält sogar
Vor Einführung des Weltmarktpreises für Holz
eine Größenordnung von 3 Mio. ha/Jahr für die 80er
beschränkten sich die Joint Ventures häufig auf eine
Jahre für realistisch. Neben der erheblichen jähr-
vergleichsweise geringe Investition ausländischer
lichen Schwankungen sind vor allem methodische
Betriebe. Diese erhielten dadurch das Recht zur selb-
Schwierigkeiten bei der Kontrolle des riesigen Wald-
ständigen Vermarktung eines Teils des eingeschlage-
nen Holzes. Dadurch konnten sie Holz sehr billig fonds für die ungenauen Abschätzungen verantwort-
einkaufen und auf dem Weltmarkt mit Gewinn ver- lich. Ein Drittel des ehemaligen sowjetischen Wald-
kaufen. Die Zahl derartiger Unternehmungen wird fonds wird nicht überwacht, auf den restlichen Flä-
auf etwa 3 000 geschätzt (Cejka 1992). chen reichen die angewandten Methoden nicht aus,
um ein realistisches Bild der Feueraktivität zu er-
Die ökologischen Folgen der Einschlagmethoden sind halten. Auswertungen von Satellitenbildern einer
besonders in den tundranahen Wäldern des Nordens 12,8 Mio. ha großen Waldfläche in der Region Chaba-
gravierend, die ein Drittel der borealen Wälder Ruß- rowsk im Fernen Osten belegten z. B., daß die Wald-
lands ausmachen. Trotz der geringen Holzvorräte in brandfläche nicht wie bislang geschätzt 22 800 ha,
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sondern 206 500 ha groß war (Maydell und Cejchan (BAM) im Jahr 1989. Diese sollte ursprünglich die
1991). Auch in den Erdöl- und Gasfördergebieten Grundlage für die großräumige Erschließung der sog.
Nordwestsibiriens und den neu erschlossenen Gebie- BAM-Region zwischen Bratsk und der pazifischen
ten Nordsibiriens wird eine erhebliche Zunahme der Küste darstellen. Finanzielle und organisatorische
Waldbrände registriert. Ende der 80er Jahre sind hier Mängel haben jedoch die ehrgeizigen Pläne der
insgesamt rund 1,5 Mio. ha Waldfläche von Feuern früheren Regierung weitgehend gestoppt (Knabe
heimgesucht worden. Auf der Basis dieser Abschät- 1988) . Die BAM sollte der wichtigste Transportweg für
zungen könnte die jährliche Waldbrandfläche in Ruß- die Holzindustrie im Fernen Osten werden. Auf ihr
land sogar bei etwa 6 Mio. ha liegen (Maydell könnten jährlich bis zu 1,4 Mrd. m 3 Holz aus den
1993). weitgehend unbesiedelten Einschlagsgebieten zu
den Häfen der Pazifikküste transportiert werden (Pe-
Nur etwa 50 % der Brände sind natürlichen Ursprungs
trof 1992).
und in der Regel durch Blitzschläge verursacht (May
dell und Cejchan 1991). In den dichter besiedelten Eine besorgniserregende Schädigung der Wälder
Gebieten werden die meisten Brände direkt oder geht von den Schadstoffemissionen der kaum oder gar
indirekt durch den Menschen hervorgerufen. Auslö- nicht mit Filtern ausgerüsteten Industriebetriebe und
sende Faktoren sind die Unachtsamkeit beim Ver- Kraftwerke aus. Im Jahr 1992 emittierte die russische
brennen von Holzresten auf Kahlschlagflächen, Industrie 8,2 Mio. t SO 2 , 6,8 Mio. t CO, 5,6 Mio. t
Lagerfeuer, aber auch technische Defekte an Strom- Schwebstoffe, 4,2 Mio. t Kohlenwasserstoffe und
leitungen u. ä. (Vogt 1991). 2,7 Mio. t Stickoxide (DIW 1994). Dazu kamen, bezo-
gen auf 1991, 16,8 Mio. t CO, 3,2 Mio. t Kohlenwas-
Die erhöhte Feueraktivität führt zum Beispiel im
serstoffe und 1 Mio. t Stickstoffoxide aus dem Ver-
russischen Fernen Osten dazu, daß etwa 30 % der
kehrsbereich (Weißenburger 1993) Die Abbildung 2.5
verjüngten Flächen durch Brände verlorengehen
spiegelt anhand der Sulfatniederschläge im Jahr 1988
(Maydell und Cejchan 1991). Dabei wird eine nicht
die hohe Konzentration der Industrie im europäischen
quantifizierbare Menge an Kohlenstoff freigesetzt
Teil der ehemaligen Sowjetunion wider. Sie zeigt
(vgl. Kap. 6).
zudem, daß auch weite Teile der sibirischen Wälder
durch hohe Schadstoffeinträge belastet werden.
2.6.3 Gefährdung durch die fortschreitende Grundsätzlich kann von einer deutlichen Schädigung
Erschließung Sibiriens und die Emissionen der Wälder im Umkreis aller Industrieregionen ausge-
aus der Industrie gangen werden. Da jedoch für die frühere Sowjet-
union nur wenige punktuelle Aufnahmen der Wald-
Der überwiegende Anteil der Industriestandorte der schäden vorliegen (UN-ECE 1991), ist eine genauere
ehemaligen Sowjetunion befindet sich im Bereich der
Abschätzung über die Ausdehnung geschädigter
borealen Wälder. Dabei liegt das Schwergewicht im Wälder nur schwer möglich. Über einige besonders -
europäischen Teil, wo 72 % der Bevölkerung leben
stark betroffene Regionen liegen jedoch inzwischen
und 80 % der industriellen Güter gefertigt werden. Im alarmierende Informationen vor. Vor diesem Hinter-
Verlaufe dieses Jahrhunderts hat jedoch auch die
grund ist zu befürchten, daß der Anteil der durch
Erschließung und industrielle Entwicklung Sibiriens Schadstoffeintrag geschädigten Waldflächen in der
stark zugenommen. Durch den Bau der Transsibiri-
ehemaligen Sowjetunion ähnlich hoch ist wie in
schen Eisenbahn (1896 bis 1905) erhielten zunächst
Westeuropa.
die Städte im Süden Sibiriens erhebliche Wachstums-
impulse. Unter Stalin wurden dann neue Produktions- Im Industriegebiet Norilsk, im Norden Sibiriens, wer-
zentren errichtet. Etwa ab 1955 begann die Sowjetre- den jährlich rund 2,5 Mio. t Schadstoffe —vorwiegend
gierung den Ausbau von sog. Territorialen Produk- Schwefeldioxid und Kohlenmonoxid — emittiert. Ins-
tionskomplexen (TPK), die neben den Produktions- gesamt galten laut Weißenburger (1990) in der unmit-
stätten auch den dazugehörigen Städtebau mit der telbaren Umgebung 545 000 ha Waldfläche als stark
Verkehrs- und Versorgungsinfrastruktur umfaßten. geschädigt. Inzwischen sind die Wälder in einem
Bekannte Beispiele für die bis zum Zusammenbruch Umkreis von etwa 300 km abgestorben oder sichtbar
der Sowjetunion praktizierte Erschließungsstrategie geschädigt. Die betroffene Fläche entspricht mit etwa
sind die Industrieregionen um Bratsk, Krasnojarsk 25 Mio. ha in etwa der Größe der früheren Bundesre-
und Surgut am mittleren Ob. In den TPK sind immense publik Deutschland (Maydell 1993). Hauptverursa-
Kapazitäten zumeist im Bereich der Aluminiumpro- cher dieser katastrophalen Schäden sind die Schwe-
duktion, Erdöl- und Erdgasförderung sowie der Holz- fel- und Schwermetallemissionen mehrerer Hütten-
verarbeitung geschaffen worden. Lange Zeit galten kombinate. Hinzu kommen radioaktive Belastun-
sie als „Paradepferde" der zentral gesteuerten Plan- gen.
wirtschaft. Seit Mitte der 80er Jahre stellt sich jedoch
Im Umkreis von Bratsk (Südsibirien) sind bis in eine
mehr und mehr heraus, daß sie in den betroffenen
Entfernung von mindestens 40 km starke Waldschä-
Regionen eine wesentliche soziale, ökonomische und
den festzustellen. In unmittelbarer Umgebung sind
ökologische Belastung darstellen (Klüter und Giese
die hier vorherrschenden Kiefernbestände abgestor-
1990). Das wenig effiziente technologische Niveau,
ben (Wein 1988). Auf der Halbinsel Kola, im europäi-
mangelnde Sorgfalt und die hohe räumliche Konzen-
schen Teil der ehemaligen Sowjetunion, sind vor
tration führte zu einer Übernutzung und einer wald-
allem zwei unmittelbar an der Grenze zu Finnland
vernichtenden Schadstoffbelastung (s. u.).
bzw. Norwegen errichtete Nickelkombinate für die
Einen potentiellen Einfluß auf die Waldnutzung hat Jahresemission von insgesamt 670 000 t SO 2 verant-
auch die Fertigstellung der Baikal-Amur-Magistrale wortlich. Im Radius von 50 km sind 12 000 ha Wald
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vollkommen abgestorben, weitere 45 000 ha geschä- werden lediglich das Ausmaß der Holzernte, die zu
digt (Weißenburger 1990). Auf den belasteten Stand- entrichtenden Gebühren und der Straßenbau gere-
orten breitet sich mehr und mehr Tundrenvegetation gelt. Seit 1987 können jedoch auch bestimmte Stan-
aus (Robin Wood 1993). Auch in Krasnojarsk haben dards für die Holzernte und andere waldbauliche
die Emissionen eines Kraftwerks und der chemischen Operationen festgelegt werden.
Industrie im Zusammenspiel mit den Winternebeln als
Folge des nahegelegenen Stausees zu großflächigen Der zulässige jährliche Hiebsatz liegt bei 204 Mio. m 3
Waldschäden geführt. Seitdem der Jenissej-Fluß im 3 Nadelhölzer und 38 Mio. m 3 Laubhölzer). (16Mio.m
Winter nicht mehr zufriert, ist die Region praktisch Er wird bei den Nadelhölzern voll ausgeschöpft,
den ganzen Winter lang in einen mit Schadstoffen während die Laubhölzer nur zu einem Drittel genutzt
angereicherten Nebel gehüllt (Cejka 1992). werden. Der Gesamteinschlag betrug laut Forestry
Canada (1992b) im Zeitraum 1987 bis 1989 jährlich
Enorme Landschaftsschäden werden auch durch die etwa 190 Mio. m 3 . Nach Angaben der FAO lag er im
Förderung von Erdöl und Erdgas zum Beispiel in der gleichen Zeitraum zwischen 177 und 180 Mio. m 3/Jahr
Region Tjumen und in Nordsibirien sowie die radio- und im Jahr 1991 bei 178 Mio. m3 . Die kanadische
aktive Verseuchung der Wälder um Tschernobyl und Forstminister-Konferenz beziffert den Einschlag im
vor allem um Tscheljabinsk hervorgerufen. Viele der Jahr 1990 auf 164 Mio. m 3 und 1991 auf 162 Mio. m3
betroffenen Flächen sind irreversibel geschädigt, eine (CFM193).DerGsamtinchlgfäzuas
Regeneration der Wälder ist hier bestenfalls in ferner 90 % auf Nadelbäume (Cayford 1993).
Zukunft möglich. Weitere extrem belastete und damit
geschädigte Gebiete befinden sich im Umland das Die gesamte jährliche Einschlagsfläche hat sich zwi-
südlichen Ural, im Großraum Moskau, im Fernen schen 1970 und 1989 auf etwa 1 Mio. ha verdoppelt
Osten und — außerhalb der Waldzone — auf der Insel und ist seitdem auf etwa 860 000 ha zurückgegangen
Nowaja Semlja. (Tab.2.9). Knapp 90 % davon werden durch Kahl-
schlag abgeholzt (CCFM 1993). Tabelle 2.7 zeigt, daß
die größten Anteile an der Einschlagsfläche auf die
Provinzen Quebec und Ontario entfallen, während die
2.7 Nutzung und Gefährdung der Wälder
geerntete Holzmenge pro Hektar in Britisch Kolum-
in Kanada
bien mit Abstand am größten ist. Diese Differenz ist
darauf zurückzuführen, daß hier im wesentlichen die
Ebenso wie Rußland verfügt Kanada über große
extrem biomassereichen Wälder an der Pazifikküste
Primärwaldgebiete. Fast die Hälfte der 453 Mio. ha
eingeschlagen werden. Ferner verdeutlicht die
großen Waldfläche ist in natürlichem Zustand. Im
Tabelle, daß Einschlagmenge und durchschnittliche
wesentlichen handelt es sich dabei um offene Wälder
Kahlschlaggröße in den verschiedenen Provinzen
in Sumpf- und Moorgebieten sowie besonders ausge-
deutlich voneinander abweichen.
wiesene Schutzwälder. Die kommerziell nutzbare -
produktive Waldfläche nimmt 209 Mio. ha ein, wovon Die kanadische Holzwirtschaft nimmt mit einem Bei-
112 Mio. ha in der Regel durch Kahlschlag genutzt trag von etwa 49 Mrd. can$ bzw. 3,5 % zum jährlichen
werden können (Forestry Canada 1992a). Der ge- Bruttosozialprodukt eine außerordentlich große Be-
samte Holzvorrat in den kanadischen Wäldern wird deutung ein. Kanada ist die weltweit größte Exportna-
auf 24,7 Mrd. m 3 geschätzt (CCFM 1993). Die wich- tion für Holzprodukte. Diese machten im Jahr 1989 mit
tigsten waldgefährdenden Faktoren sind die hohe einem Gesamtwert von 23 Mrd. can$ 17 % des gesam-
Waldbrandgefahr, der Schädlings- und Krankheitsbe- ten Exportvolumens aus (Statistisches Bundesamt
fall sowie in Teilgebieten eine nicht nachhaltige Forst- 1991). Im Jahr 1990 beschäftigten die Betriebe der
und Holzwirtschaft. Forst- und Holzindustrie nach eigenen Angaben
289 000 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Das
sind 2,3 % aller Erwerbstätigen in Kanada. Weitere
2.7.1 Die kanadische Forst- und Holzwirtschaft 440 000 Arbeitsplätze waren indirekt vom Forst- und
Holzsektor abhängig. Trotz des rapiden Anstiegs der
Rund 8 % der weltweit wirtschaftlich nutzbaren Wald- Holzproduktion hat sich die Beschäftigtenzahl seit
gebiete befinden sich in Kanada. Die Waldflächen den 70er Jahren tendenziell verringert und sank im
sind überwiegend in öffentlichem Besitz. Die Provin- Jahr 1991 auf 250 000 (Cayford 1993).
zen verfügen über 80 % der kanadischen Wälder,
Die Tabelle 2.8 zeigt auf der Grundlage der FAO
11 % sind im Besitz des Bundes und nur 9 % in
Angaben, daß das jährliche Einschlagsvolumen seit
privater Hand. Die Waldnutzung obliegt somit im
Beginn der 80er Jahre um etwa 50 % angestiegen ist.
wesentlichen den Provinzregierungen, die den zuläs-
Damit werden zur Zeit rund 5 % des weltweiten
sigen jährlichen Hiebsatz festlegen und Nutzungs-
Holzeinschlags in Kanada getätigt. Der überwiegende
konzessionen an Privatfirmen vergeben. Die einzel-
Teil der Ernte wird einer industriellen Verarbeitung
nen Konzessionsgebiete nehmen zum Teil riesige
zugeführt, weniger als 4 % des Holzes werden als
Flächen ein. So hat die Regierung der Provinz Mani-
Brennholz verwendet. Die kanadische Forstindustrie
toba die Nutzungskonzession für ein Fünftel der
erreicht damit einen Anteil von 10 % am weltweiten
Gesamtfläche an eine Firma vergeben. In Alberta
Nutzholzaufkommen.
erhielten zwei japanische Firmen die Nutzungskon-
zession über ein Gebiet, das 15 % der Fläche der Der Schwerpunkt der Holzverarbeitung liegt im
gesamten Provinz ausmacht. Die Konzessionsverträge Bereich des Schnittholzes, das überwiegend zu Bau-
sind in der Regel auf 15 bis 25 Jahre befristet und zwecken verwendet und zum großen Teil in die USA
müssen alle fünf bzw. 10 Jahre erneuert werden. Meist bzw. nach Japan exportiert wird. Traditionell werden
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Tabelle 2.7

Holzeinschlag in den Provinzen und Territorien Kanadas im Jahr 1989

Einschlag Einschlag Durchschnitt


Kahlschlag Einschlag Vorrat
fläche fläche in % liche Kahl
Provinz/Territorium fläche menge Altbestand
Gesamt Wirtschafts schlaggröße
in 1 000 ha in m 3/ha in m 3/ha
in 1 000 ha älder in ha

Neufundland 19,5 0,02 19,5 120 130 114


Pr. Edward In. 2,4 0,09 - 3 190 100
Neuschottland 37 1,0 36 50 115 104
Neubraunschweig 90 1,5 90 40-50 103 126
Quebec 342 0,07 252 - 116 96
Ontario 230 0,07 200 1-130 (60 %) 1 ) 129 135
131-260 (26 %)
260 (14 %)
Manitoba 12 0,01 12 10 (10 %) 151 117
10-49 (80 %)
50 (10 %)
Saskatshewan 22 0,02 22 30-40 W 165 134
60-70 H
Alberta 42 0,02 42 17 W 295 197
32 H
Britisch Kolumbien 218 0,05 199 40 400 255
Yukon 1,6 - 1,6 15-20 - -
NW-Territorien 0,5 - 0,5 21 - -

Gesamt 1 000 0,05 875 - 190 163

1 ) Ergebnisse einzelner Stichproben H = Harthölzer; W = Weichhölzer


Quellen: Forestry Canada (1992) und CCFM (1993)
--w

Tabelle 2.8

Die Produktion von Holz, Zellstoff, Papier und Karton in Kanada


im Zeitraum von 1982 bis 1991

1982 1985 1988 1991


Produkt
Prod. Export Prod. Export Prod. Export Prod. Export

Einschlag (Mio. m3 ) 129,7 - 168,7 - 180,1 - 178,0 -

Brennholz (Mio. m3 ) 5,7 - 6,7 - 6,8 - 6,8 -

Nutzholz (Mio. m3 ) 124,0 3,6 162,0 4,8 173,2 6,2 171,2 3,3
Säge- und Furnierholz
(Mio. m3 ) 88,9 1,2 119,3 2,5 125,4 3,0 123,4 0,7
Schnittholz (Mio. m3 ) 37,2 27,9 54,6 39,0 60,7 41,7 52,0 37,0
Faserholz (Mio. m3 ) 33,7 2,2 40,6 2,1 45,5 3,1 45,5 2,6
Zellstoff (Mio. t) 17,0 6,1 20,2 7,0 23,3 8,4 23,3 8,7
Papier und Karton (Mio. t) . 12,4 8,6 14,4 10,2 16,6 11,5 16,6 11,9

Quelle: FAO 1993 b


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die meisten Wohnhäuser in Nordamerika aus Holz vernachlässigten Regeneration in den leicht zugäng-
gebaut. Dies ermöglicht nicht nur eine gute lichen Gebieten deutlich vergrößert (Fox 1988). Bei
Wärmedämmung, sondern spart auch nicht erneuer- Andauer dieser Exploitationswirtschaft ohne ausrei-
bare Rohstoffe. Der Bedarf an Bauholz ist entspre- chende Regenerationsbemühungen wären die wirt-
chend groß. Von den im Jahr 1991 produzierten schaftlich nutzbaren Holzvorräte Kanadas in etwa
52 Mio. m3 Schnittholz wurden 37 Mio. m 3 exportiert. 40 bis 50 Jahren erschöpft (Treter 1990b).
Dies entspricht einem Anteil von über 40 % am
In der Folgezeit wurden daher die Anstrengungen zur
Weltexport.
Wiederbewaldung eingeschlagener Flächen ver-
Einen hohen Stellenwert nimmt die Produktion von stärkt. Es ist jedoch kaum möglich, sich anhand der
Papier und die Zellstoffherstellung ein. Mit einer vorliegenden Daten ein genaueres Bild über Ausmaß
Produktionsmenge von 16,6 Mio. t Papier, Pappe und und Erfolg der Regeneration zu machen. Nach An-
Karton (1991) und einem Anteil von etwa 15 % an gaben der Kanadischen Forstminister-Konferenz
der Weltproduktion nimmt Kanada hinter den USA (CCFM) steigerte sich die aufgeforstete Fläche (inklu
(72,7 Mio. t), Japan (29,1 Mio. t) und China (18,5 Mio. t) sive Erstaufforstungen) zwischen 1980 und 1991 von
den vierten Rang ein. Fast drei Viertel (12 Mio. t) der knapp 200 000 ha auf etwa 500 000 ha/Jahr (Saat und
Produktion werden exportiert. Mit einem Anteil von Pflanzung; Tab. 2.9). Dagegen geht Cayford (1990)
rund 20 % ist Kanada der größte Exporteur von davon aus, daß trotz aller Bemühungen zur Steigerung
Papierprodukten. der Sämlingsproduktion maximal 300 000 ha pro Jahr
bepflanzt werden können. Über die Erfolgsquoten der
Noch dominanter ist die Stellung Kanadas im weltwei- Wiederaufforstung liegen auf Bundesebene keine
ten Zellstoffhandel. Das Land exportierte im Jahr 1991 Daten vor. Hearnden u. a. (1992) berichten für Onta-
8,8 Mio. t Zellstoff, das ist ein Drittel des weltweiten rio, daß sich die Einschlagsflächen der Jahre 1970 bis
Exportvolumens. Hinter den USA mit fast 60 Mio. t 1985 zu 96 % wiederbewaldet haben. Hier waren
Jahresproduktion ist Kanada mit 23,3 Mio. t der 35 % der eingeschlagenen Flächen wiederaufgefor-
zweitgrößte Produzent. Nach Angaben der kanadi- stet worden. Diem (1993) schätzt die Ausfallquote für
schen Forstindustrie gingen in den Jahren 1990 und die im Jahr 1988 in Britisch Kolumbien gepflanzten
1991 jeweils etwa 20 % der eingeschlagenen Holz- 200 Mio. Sämlinge auf 40 %. In der Regel reicht jedoch
menge als Faserholz in die Papier- und Zellstoffpro- eine Erfolgsquote von 30 bis 50 % für eine ausrei-
duktion. chende Bestockung aus. Eine Abschätzung der erfolg-
Innerhalb der letzten Jahre wurden die Praktiken der reich wiederbestockten Flächen ist auf dieser Basis
kanadischen Forstindustrie mehr und mehr kritisiert. also nicht möglich.
Die Hauptgründe dafür waren
— eine drastische Zunahme der Kahlschlaggrößen, Tabelle 2.9
-
— die Beeinträchtigung der Umwelt und der Schön- Einschlag-, Pflege- und Aufforstungsflächen
heit der Wälder (Tourismus) durch die Holzernte- in Kanada (in 1 000 ha)
methoden,
— Mängel beim Bau von Transportwegen, vor allem Einschlag Bodenvor
Jahr Pflanzung Saat Pflege
flache bereitung
in Gebirgsregionen, sowie
— die Zerstörung von Urwäldern. 1990 926,1 408,8 472,9 37,5 371,1
Lange Zeit orientierte sich die Forstpraxis in Kanada 1991 859,4 435,4 461,4 43,7 365,5
nicht am Kriterium der Nachhaltigkeit, sondern
basierte auf der Vorstellung eines scheinbar uner- Quelle: CCFM (1993)
schöpflichen Reservoirs. Tatsächlich sind jedoch nur
30 % des verfügbaren Waldlandes in der borealen
Der größte Teil der Regeneration erfolgt jedoch über
Zone Nordamerikas unter den gegenwärtigen Bedin-
die natürliche Verjüngung. Allerdings kam es auf den
gungen zugänglich. Nur knapp die Hälfte dieser
sich selbst überlassenen Kahlschlagflächen häufig zu
Fläche ist mit von der Holzindustrie verwertbaren
einer fehlenden, unzureichenden oder zumindest ver-
Bäumen bestockt (Treter 1990b). Die wirtschaftlich
zögerten Bestandsregeneration. Trotz verstärkter
nutzbaren Holzvorräte sind daher wesentlich geringer
Aufforstungsbemühungen nahm die Fläche der be-
als es das große Potential von 209 Mio. ha produktiven
stockten Wirtschaftswälder daher im Zeitraum von
Waldes auszudrücken vermag.
1976 bis 1986 ab. In diesem Zeitraum sind insgesamt
Die kanadische Forstwirtschaft basierte lange Zeit 19,1 Mio. ha entwaldet worden. Zu 44 % ist dies auf
auf der Ausbeutung der natürlichen Wälder. Maßnah- die Holzernte und zu 56 % auf Waldbrände und
men zur Regeneration der eingeschlagenen Flächen Schädlings- bzw. Krankheitsbefall zurückzuführen.
sind aus Kostengründen in starkem Maße vernachläs- 14,3 Mio. ha davon sind durch Aufforstung und
sigt worden. Eine im Jahr 1977 durchgeführte Wald- Verjüngung wieder bestockt worden, rund 5 Mio. ha
erneuerungs-Konferenz kam zu dem Ergebnis, daß blieben unbestockt. Der aktuelle jährliche Nettover-
„die unzureichende Wiederbewaldung ein ernstzu- lust an produktiver bestockter Waldfläche wird auf
nehmendes und grundlegendes Problem für die kana- 474 000 ha geschätzt (Länderbericht Kanada; UN-
dische Forstwirtschaft geworden war" (Cayford 1993). ECE/FAO 1992b). Insgesamt gelten etwa 20 % der
Die Entfernungen zwischen den Beständen und den jährlich durch Kahlschlag, Feuer und Forstschädlinge
Holzverarbeitungsbetrieben hatten sich aufgrund der entwaldeten Flächen als nicht hinreichend bestockt
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

und gehen einer zukünftigen Nutzung verloren (Tre- andersetzung zwischen Umweltschützern und Forst-
ter 1990b und 1993). Der Bestand an unbestockten wirtschaft stehen die alten natürlichen Wälder („Old-
Waldflächen hat sich laut einer Schätzung von Her- Growth Forests") auf der Vancouver-Insel. Auf der
mann (1988) von 5 Mio. ha im Jahr 1960 auf 25 Mio. ha 3,2 Mio. ha großen Insel waren im Jahr 1954 noch
ausgeweitet. 1,69 Mio. ha mit Old-Growth-Wäldern bestockt. Diese
sind innerhalb der letzten Jahrzehnte vor allem im
Die Folgen der Einschlagspraxis sind vor allem in
Süden der Insel zum großen Teil eingeschlagen wor-
Britisch Kolumbien besorgniserregend. Hier hat sich
den. Im Jahr 1990 nahmen die Urwälder nur noch
die Holzproduktion innerhalb der letzten beiden Jahr-
829 000 ha ein. Hält die bisherige Einschlagrate an,
zehnte besonders stark erhöht. Die Hälfte des seit
werden die Regenurwälder auf der Vancouver-Insel
1911 in dieser Provinz eingeschlagenen Holzes wurde
im Jahr 2022 nur noch in den geschützten Gebieten
innerhalb der letzten 14 Jahre geerntet. Heute liegt
vorkommen (Sierra Club und Wilderness Society
die Holzproduktion mit etwa 90 Mio. m 3 (46 % der
1991).
gesamten kanadischen Holzproduktion) um ein Drit-
tel über der nachwachsenden Holzmenge (Postel und Eine Untersuchung über den Status der Urwälder auf
Ryan 1991). Es wird somit in erheblichem Maße gegen der Vancouver-Insel ermittelte, daß nur 2,5 bis 3,5
das Prinzip der Nachhaltigkeit verstoßen. in Parks und Reservaten geschützt si: id. Auf der
restlichen Fläche wurden 295 Wildnisgebiete abge-
Das gebirgige Relief und die im Küstenbereich hohen grenzt. Ein Vergleich mit den Erschließungs- und
Niederschläge bewirken in weiten Teilen Britisch Einschlagsplänen ergab, daß bis 1996 davon 215
Kolumbiens eine hohe Erosionsgefahr auf kahlge- erschlossen und genutzt werden sollen (Webb 1992).
schlagenen Flächen, zumindest in der Zeit bis zur Die Provinzregierung hat bereits Nutzungslizenzen
Wiederbewaldung. In einigen der tiefen Täler, die für knapp 1,3 Mio. ha Wald an Forstunternehmen
sich zum Pazifik hin öffnen, führten Kahlschläge und erteilt. Es ist vor diesem Hintergrund zu befürchten,
Wegebau zum Teil zu gravierenden Bodenabträgen, daß die Regenurwälder auf der Vancouver-Insel
die eine Verjüngung der Bestände erschwerten oder innerhalb der nächsten 15 Jahre weitgehend ver-
verhinderten. Hier wurden Siedlungen und Infra- schwunden sein werden.
struktureinrichtungen durch Erdrutsche, Lawinen
und Überschwemmungen gefährdet (Diem 1993). Besonders umstritten ist die im April 1993 getroffene
Entscheidung der Regierung, mit dem „Clayoquot
Von besonderer ökologischer Problematik ist der un Sound" eines der größten noch zusammenhängenden
wiederbringliche Verlust der einzigartigen Regen natürlichen Regenwaldgebiete auf der Vancouver-
urwälder an der Pazifikküste. Im Zentrum der Ausein Insel für den Einschlag freizugeben. Das Clayoquot

Abbildung 2.6: Abnahme der mit Regenurwäldern bedeckten Flächen auf der Vancouver-Insel im Zeitraum von 1954 und 1990
Quelle: Sierra Club und Wilderness Society 1991
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Sound Gebiet umfaßt zahlreiche natürliche Flußmün- Zudem werden Mindeststandards für die Aufforstung
dungen, tiefe, fjordartig eingeschnittene Buchten, vorgegeben.
dichten Urwald, Feuchtgebiete und alpine Bereiche.
Die Vorschriften variieren jedoch zwischen den Pro-
In den Gewässern leben, neben einer Vielzahl von
Muschel- und Fischarten , zwei Walarten und die vinzen. So liegt die in Ontario festgeschriebene
zweitgrößte Haiart der Erde. In den Wälder sind Höchstgrenze für Kahlschläge immer noch bei 260 ha.
Bären, Wölfe und Pumas noch in großer Zahl behei- In Alberta betragen die Höchstgrößen dagegen 60 ha
matet. in Kiefern- und 32 ha in Fichtenbeständen. Außerdem
muß hier die Folgegeneration von Nadelbäumen
Von der Gesamtfläche — 260 000 ha — sind durch den außer in Höhenlagen und Sümpfen 7 bzw. 14 Jahre
Beschluß der Provinzregierung 33 % unter Schutz nach der Ernte 0,5 bzw. 1,5 m Höhe erreicht haben. Im
gestellt, 45 % für den Kahlschlag und 17 % für einen übrigen dürfen nur standorttypische Baumarten ver-
eingeschränkten Einschlag freigegeben worden. wendet werden (Rothwell 1992).
Jährlich dürfen 1 000 ha in Kahlschlägen von maximal
Darüber hinaus wird auch die Rückführung der
40 ha Größe abgeholzt werden. Zwischen den einzel-
Höchsteinschlagsmengen in Erwägung gezogen. So
nen Kahlschlägen müssen Waldstreifen verbleiben,
teilte die Provinzregierung mit, daß in Britisch Kolum-
die jedoch nach einer erfolgreichen Wiederbewal-
bien zukünftig etwa 20 bis 30 % weniger Holz einge-
dung ebenfalls eingeschlagen werden können (Pro-
schlagen werden soll. Die Erfolge dieser neuen Stra-
vince of British Columbia 1993). Ein wesentlicher
tegie werden sich in den kommenden Jahren abzeich-
Faktor für diese Entscheidung waren nach Auskunft
nen.
des Forstministeriums Britisch Kolumbiens mögliche
Kompensationsforderungen der Unternehmen, die
alte Einschlagsrechte besitzen. Neben Umweltgrup-
2.7.2 Gefährdung durch Feuer und Insekten
pen wehren sich vor allem die im Clayoquot Sound
lebenden Nuu-chah-nulth Völker gegen Umfang und
Art des vorgesehenen Einschlags. Sie fordern die Die boreale Zone Nordamerikas zählt zu den Regio-
Kontrolle über ihr traditionelles Land. nen mit ausgedehnten, hochintensiven Feuern, die
sich rasend schnell ausbreiten und nicht selten Flä-
Die relativ restriktiven Nutzungseinschränkungen im chen von mehr als 400 ha Größe einnehmen. Beson-
Fall des Clayoquot-Sounds sind symptomatisch für ders häufig treten Feuer im relativ trockenen Nordwe-
den zur Zeit stattfindenden Umbruch in der gesamten sten Kanadas auf. Die Feuerrotation beträgt hier 50 bis
kanadischen Forstwirtschaft. Nicht zuletzt aufgrund 100 Jahre. Nach Osten nimmt diese Zeitspanne auf
des spürbaren Absatzrückganges für Holzprodukte ist 100 bis 300 Jahre in Ontario und Quebec und fast
auch die kanadische Forst- und Holzwirtschaft bereit, 500 Jahre in Südost-Labrador zu (Heinselmann
sich in Richtung einer nachhaltigen Bewirtschaftung 1985).
der Wälder zu bewegen. Es gelang daher, im Rahmen In den kaum besiedelten Gebieten der nördlichen
des 1990 von der Bundesregierung verabschiedeten borealen Zone ist das Feuerregime weitgehend natür-
Umwelt-Aktionsplans ( „ Greenplan" ) auch eine neue lich. Die Brände werden überwiegend durch Blitz-
nationale Waldstrategie („National Forest Strategy") schläge ausgelöst. Im dichter besiedelten Süden wer-
zu beschließen. Im sog. „Canada Forest Accord" den die Feuer zunehmend durch menschliches Fehl-
wurde diese von den Forstministern der Provinzen verhalten ausgelöst. Zeitpunkt, Häufigkeit und Ort
entwickelte Waldstrategie von den verschiedenen von Waldbränden entsprechen nicht mehr den natür-
betroffenen Interessengruppen, u. a. der Forst- und lichen Bedingungen und die Brände haben somit eine
Holzindustrie, bestätigt. Kernpunkte der neuen Stra- Schadwirkung, an die die Vegetation nicht angepaßt
tegie sind eine Verdopplung der Schutzgebiete auf ist. Besonders problematisch ist die starke Zunahme
12 % der Landesfläche, die Einführung nachhaltiger der Feueraktivität innerhalb der letzten Jahrzehnte.
Bewirtschaftungsmethoden durch eine' Erhöhung und Zwar variieren die Brandflächen von Jahr zu Jahr
qualitative Verbesserung der Aufforstungen sowie die erheblich, doch weist der zehnjährige Mittelwert
Ausweisung von 10 Modellwäldern, in denen auf 'einen deutlichen Anstieg von 875 000 ha in den 60er
insgesamt 7 Mio. ha neue, „sanfte" Bewirtschaftungs- Jahren auf 2,4 Mio. ha in den 80er Jahren auf. Im Jahr
methoden entwickelt werden sollen (Forestry Canada 1991 wurden insgesamt 10 336 Waldbrände regi-
1992c). Zudem sind Mittel zur Einrichtung derartiger striert, denen etwa 1,6 Mio. ha Wald zum Opfer fielen.
Modellwälder in weiteren drei Staaten zur Verfügung Zwar wurden knapp 60 % dieser Brände durch
gestellt worden. Des weiteren sind jährlich Berichte menschliche Aktivitäten ausgelöst. Der überwie-
über den Zustand der kanadischen Wälder dem Par- gende Teil der Brandflächen wurde mit etwa 80 %
lament vorzulegen (Minister of Supply and Services jedoch von natürlichen Feuern heimgesucht (Abb.
Canada 1993). 2.7).

Als Folge des Umdenkens sind die in jüngerer Zeit Neben der zunehmenden Erschließung der borealen
vergebenen Holzeinschlagskonzessionen mit einer Wälder für den Menschen sowie klimatischen Einflüs-
Reihe von Auflagen versehen worden, die zu einer sen sind paradoxerweise auch die Brandschutzmaß-
nachhaltigeren Wirtschaftsweise führen sollen. Es nahmen für die Erhöhung der Feueraktivität verant-
werden z. B. Höchstgrenzen für Kahlschlaggrößen wortlich. Die Unterdrückung von Bränden seit den
festgeschrieben, auf den Einschlagsflächen sollen 20er Jahren dieses Jahrhunderts, hat zu einer Überal-
Altholzinseln verbleiben, entlang der ökologisch terung großer Teile der Wälder und zu einem Über-
besonders empfindlichen Uferzonen von Bächen und schuß an abgestorbener Biomasse geführt. Beide
Seen müssen Randstreifen mit Wald erhalten bleiben. Faktoren begünstigen die Entstehung und Ausbrei-
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

tung von Feuern. Mittlerweile hat man die Brand- nimmt in Zukunft eher zu, da nunmehr der Anteil
schutzstrategie verändert. Brände werden nur noch in alter, besonders gefährdeter Waldbestände anwächst.
sog. Feuer-Aktionszonen bekämpft, bis sie gelöscht Für den Zeitraum zwischen 1982 und 1986 wird der
sind. Darüber hinaus werden die Brände nur beobach- durch Schädlingsbefall hervorgerufene Vorratsver-
tet und Löschmaßnahmen nur dann eingeleitet, wenn lust auf 110 Mio. m3 geschätzt; dies entspricht einer
Gebiete höherer Priorität bedroht sind (Johnston Fläche von über 1 Mio. ha. Zwischen 1987 und 1989 ist
1992). auf etwa 0,5 Mio. ha eine mäßige bis schwere Entna-
delung als Folge von Insektenbefall aufgetreten (Fo-
Die mit Schädlingen befallenen Waldflächen unterlie-
restry Canada 1992b).
gen großen jährlichen Schwankungen. Zwar ist der
Schädlingsbefall seit den 70er Jahren tendenziell Durch die forstwirtschaftliche Praxis wird die ohnehin
rückläufig, doch erscheint die Gefahr dennoch nicht vorhandene Gefahr des massiven Schädlingsbefalls
gebannt. So steigerte sich zum Beispiel die Waldflä- noch erhöht. Die Konzentration des Einschlags auf die
chen mit mittleren und starken schädlingsbedingten vitalsten Bestände sowie die Begünstigung einzelner
Schadsymptomen von 20,5 Mio. ha im Jahr 1990 auf Baumarten (z. B. Balsamtanne) haben die Ausbrei-
33,8 Mio. ha im Jahr 1991 (CCFM 1993). Das Risiko tung von Schädlingen begünstigt. Um die Ertragsver-

Abbildung 2.7: Waldbrände in Kanada im Jahr 1991


Quelle: CCFM 1993
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
luste zu reduzieren, werden seit Jahrzehnten Forst- Kanada die drittgrößte Menge an Bergbauerzeugnis-
chemikalien per Flugzeug ausgebracht. In den 50er sen (ohne Brennstoffe). Die Rohstoffquellen waren
Jahren wurde hauptsächlich DDT verwendet; seit den und sind die Triebfeder bei der Erschließung des
60er ist man auf weniger gefährliche Produkte umge- kanadischen Nordens.
stiegen. In jüngster Zeit wird überwiegend das biolo-
Landesweit werden mehr als 60 Mineralien gefördert.
gische Präparat Bacillus thuringiensis (B.t.) verwen-
Erschließung und Abbau werden in allen kanadischen
det. Doch auch dieses Mittel ist umstritten: Aufgrund
Regionen vorgenommen. Die wichtigsten Bergbaure-
seiner nicht selektiven Wirkungsweise tötet es eine
gionen im Bereich der borealen Waldzone liegen
Vielzahl von Insekten, unter ihnen auch Nützlinge.
südlich von Scheffersville in Labrador (Eisenerz),
Zudem sind die bei der Ausbringung beigemischten
beiderseits der Grenze zwischen Quebec und Ontario
Emulgatoren wegen ihrer Toxizität umstritten (Dun-
(Buntmetalle), bei Flin Flan in Nordmanitoba (Bunt-
ster 1987).
metalle, Gold), in der Region Fort McMurray in
Die Größe der behandelten Flächen variiert von Jahr Nordalberta (Erdöl, Ölsände) sowie im Yukon-Territo-
zu Jahr in starkem Maße. Im Jahr 1985 wurden auf rium, nahe der Grenze zu Alaska (Buntmetalle). Über
1,4 Mio. ha Waldfläche Maßnahmen zur Schädlings- den Umfang der Waldvernichtung durch die Gewin-
kontrolle durchgeführt (Forestry Canada 1992b), in nung liegen keine Daten vor, doch sind schwere
Ontario im Jahr 1986 über 730 000 ha Wald chemisch Umweltschäden durch den Abbau von Ölsänden im
behandelt (Dunster 1987). Norden Albertas bekannt (Lenz 1990). Schäden
bedingt auch der umfangreiche Uranerzabbau und
die damit verbundene radioaktive Belastung in der
Waldtundra Nordsaskatschewans. Hier werden jähr-
2.7.3 Industrielle Erschließung lich mit rund 8 000 t Uran 20 % der Weltförderung
gewonnen. Die industriell bedingten Waldschädigun-
Die nur dünn besiedelte boreale Zone Kanadas weist
gen sind insgesamt jedoch marginal und betreffen
eine Reihe bedeutender Rohstofflagerstätten auf, die
maximal 1 % der Waldfläche (Minister of Supply and
seit Beginn dieses Jahrhunderts genutzt werden. Der
Services Canada 1993).
Umfang der Rohstoffgewinnung ist abhängig von der
kanadischen Wirtschaft, der im Süden des Landes Auch die Nutzung des Wasserkraftpotentials wurde
konzentrierten Industrie bzw. vom Weltmarkt. Hinter seit den 60er Jahren drastisch verstärkt. Heute gehört
den USA und der ehemaligen Sowjetunion exportiert Kanada zu den größten Energieproduzenten der Welt.

Abbildung 2.8: Die größten Wasserkraftwerke in Kanada


(Installierte oder geplante Kapazität in MW)
Quelle: Minister of Energy, Mines and Resources 1990
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Gemessen an der Bevölkerungszahl und dem Brutto- lich bis die überflutete Biomasse anaerob mikrobiell
sozialprodukt weist das Land weltweit den höchsten abgebaut ist. Jede hydroelektrisch erzeugte Kilowatt-
Energieverbrauch auf, was nicht zuletzt auf den stunde würde in den kanadischen Stauseen je nach
hohen Heizenergiebedarf und die großen Transport- Verhältnis von installierter Wasserkraftleistung zu
distanzen zurückzuführen ist. Allein zwischen 1980 überstauter Fläche zu einer CO 2 -Emission von 0,04 bis
und 1987 ist der Verbrauch von elektrischer Energie 0,5 kg führen. In einem Kohlekraftwerk wird, zum
um 31 % auf 403,4 Mrd. kWh gestiegen (Statistisches Vergleich, bei einem Wirkungsgrad von 38 % pro
Bundesamt 1991). Zudem wurden 47,4 Mrd. kWh ex- erzeugter Kilowattstunde Strom etwa 1 kg CO 2 freige-
portiert. Der größte Teil der elektrischen Energie wird setzt. Umgerechnet auf die gesamte in Kanada instal-
in Wasserkraftwerken gewonnen. Der Anteil der Was- lierte Wasserkraftkapazität entspräche dies einer
serkraft an der Stromerzeugung stieg von 1960 bis jährlichen Emission von 12 bis 150 Mio. t CO 2 .
1990 von 106 Mrd. kWh auf 293 Mrd. kWh. Mit einer
Das größte und umstrittendste Projekt ist der Bau
installierten Gesamtkapazität von 53 381 MW ist
dreier Stauseenkomplexe im Bereich der Baie James
Kanada weltweit der drittgrößte Produzent von Was-
im Übergangsgebiet zwischen borealer Waldzone
serkraft. Wie die Abb. 2.8 zeigt, befindet sich ein
und Tundra im Norden der Provinz Quebec. Das
großer Teil der Stauseen in der borealen Waldzone.
staatliche Energieversorgungsunternehmen „Hydro
Für die Zukunft ist ein weiterer erheblicher Ausbau Quebec" will innerhalb der kommenden Jahrzehnte
der Stromerzeugungskapazität geplant, der auch eine im Baie James-Gebiet eine Kapazität von insgesamt
verstärkte Nutzung der Wasserkraft vorsieht. In einer 28 000 MW installieren. Dazu ist die Stauung und
Erhebung des nutzbaren Wasserkraftpotentials wur- Umleitung des weitverzweigten Flußnetzes notwen-
den 89 ökologisch akzeptable und ökonomisch trag- dig, was eine Veränderung der hydrologischen Ver-
fähige Projekte mit einer Gesamtkapazität von 43 573 hältnisse in einem Gebiet von 336 000 km 2 verursa-
MW ermittelt. Eine Übersicht über die Verteilung der chen wird. Mehr als 17 000 km 2 Land, ein Teil davon
bestehenden und zukünftig verfügbaren Wasserkraft- boreale Wälder, würden überflutet. Der hier produ-
kapazität auf die Provinzen vermittelt Tab. 2.10. zierte Strom soll zum einen die industriell-urbanen
Zentren Quebecs versorgen, zum anderen in die USA
Mit dem Bau von Stauseen geht nicht nur der Verlust
exportiert werden. Diskutiert wird zudem der Einsatz
von Wäldern einher. Eine Untersuchung von Rudd
der Wasserkraft zur Gewinnung von Wasserstoff, der
u. a. (1993) deutet darauf hin, daß auch aus den
nach Europa verschifft werden soll (Soyez 1992).
Stauseen der borealen Zone Kohlenstoffmengen — je
nach Größe, Pflanzenbedeckung und Bodenverhält- Neben den noch nicht abzuschätzenden ökologischen
nisse der überfluteten Fläche — in einer Größenord- Auswirkungen sind vor allem die sozialen und ökono-
nung von 430 bis 690 g CO 2 -Äquivalent/m 2/Jahr mischen Folgen des Projektes für die hier lebenden
freigesetzt werden. In natürlichen Seen schwankt 10 000 Cree-Indianer Gegenstand einer Auseinan-
dieser Wert zwischen 0 und 150 g/m 2/Jahr. Die dersetzung zwischen den Trägern und Befürwortern -
Freisetzung kann mehrere Jahrzehnte anhalten, näm sowie den Gegnern dieses „Mega-Projektes".

Tabelle 2.10

Installierte und zusätzlich verfügbare Wasserkraftkapazitäten


in den kanadischen Provinzen

Zusätzlich verfügbare
Installierte Kapazität
Provinz Kapazität Anzahl pot. Projekte
(MW) (MW)

Neufundland 6 656 2 395 5


Neuschottland 386 — 0
Neubraunschweig 903 440 2
Quebec 27 061 15 453 7
Ontario 7 796 4 024 19
Manitoba 4 025 5 090 12
Saskatschewan 836 870 4
Alberta 734 1 923 2
Britisch Kolumbien 10 849 10 555 18
Yukon 82 350 7
NW Territorium 53 2 473 13

Kanada 59 381 43 573 89

Quelle: Minister of Energy, Mines and Resources 1990.


Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
2.8 Waldnutzung und -gefährdung stisch zurückgegangen war, wurden große Anstren-
in Fennoskandien gungen zur Wiederbewaldung unternommen. Heute
beträgt die Waldfläche in Schweden 24,4 Mio. ha
(60 % der Landesfläche), in Finnland 20,1 Mio. ha
2.8.1 Der Einfluß der Forst- und Holzwirtschaft (66 % der Landesfläche) und in Norwegen 8,7 Mio. ha
(28 % der Landesfläche). Sie nimmt weiterhin zu.
Die Forst- und Holzwirtschaft ist in Schweden, Finn- Intensive Wiederaufforstungen und Pflegemaßnah-
land und Norwegen traditionell einer der wichtigsten men innerhalb der vergangenen Jahrzehnte haben
Wirtschaftsbereiche. Nachdem bis Mitte des letzten zudem in den drei Ländern die jährliche Zuwachsrate
Jahrhunderts die Waldfläche durch Rodungen dra an Holzvolumen im Verlaufe des Jahrhunderts auf

Tabelle 2.11

Produktion und Export von Holz, Zellstoff, Papier und Karton in Finnland, Norwegen und Schweden
im Zeitraum von 1982 bis 1991

1982 1985 1988 1991


Produkt
Prod. Export Prod. Export Prod. Export Prod. Export

Einschlag (Mio. m3 )
Finnland 37,7 - 41,7 - 44,9 34,1 -
Norwegen 9,5 - 9,5 - 11,0 - 11,0 -
Schweden 50,9 - 51,5 - 54,0 - 51,7 -

Brennholz (Mio. m3 )
Finnland 3,3 0,0 3,1 0,0 3,0 1,3 3,0 0,0
Norwegen 0,8 0,1 0,9 0,1 0,9 0,2 0,9 0,1
Schweden 4,4 0,8 4,4 0,3 4,4 0,6 4,4 0,6

Nutzholz (Mio. m 3 )
Finnland 34,4 1,1 38,6 1,2 42,0 1,0 31,1 0,4
-
Norwegen 8,7 0,8 8,7 0,6 10,1 1,0 10,1 1,1
Schweden 46,5 1,0 47,1 1,5 49,5 1,4 47,3 1,2

Säge- und Furnierholz (Mio. m 3 )


Finnland 15,8 0,3 18,1 0,5 19,2 0,3 14,3 0,1
Norwegen 4,7 0,2 4,4 0,2 4,8 0,2 5,7 0,2
Schweden 22,4 0,2 23,1 0,2 22,7 0,4 22,6 0,5

Schnittholz (Mio. m3 )
Finnland 7,3 4,6 7,3 4,9 7,8 5,1 6,0 4,3
Norwegen 2,3 0,4 2,2 0,3 2,4 0,4 2,3 0,6
Schweden 11,2 7,5 11,5 7,9 11,3 6,8 11,5 6,9

Faserholz (Mio. m 3 )
Finnland 17,2 0,5 19,0 0,4 22,2 0,6 16,1 0,3
Norwegen 3,8 0,6 4,0 0,5 5,1 0,7 4,6 0,9
Schweden 24,0 0,8 23,8 1,2 26,7 1,0 24,6 0,7

Zellstoff (Mio. t)
Finnland 6,7 1,5 8,0 1,5 9,0 1,7 8,5 1,3
Norwegen 1,5 0,5 2,0 0,6 2,0 0,6 2,1 0,6
Schweden 7,7 2,5 9,1 3,0 10,6 3,1 9,9 2,7

Papier und Karton (Mio. t )


Finnland 5,9 4,9 7,4 6,3 8,7 7,3 8,5 7,5
Norwegen 1,5 1,0 1,6 1,3 1,7 1,3 1,8 1,5
Schweden 5,9 4,5 7,0 5,3 8,2 6,4 8,4 6,1

Quelle: FAO 1993b


Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

2,7 m3/ha/Jahr (Norwegen), 3,6 m 3/ha/Jahr (Finn- gestellt werden müßten, um zumindest representative
land) bzw. 4,1 m 3/ha/Jahr (Schweden) gesteigert. naturnahe und natürliche Wälder langfristig erhalten
zu können.
Die Besitzverhältnisse in den drei skandinavischen
Staaten sind durch den hohen Anteil an Privatwäldern Die finnische Regierung hat kürzlich beschlossen,
gekennzeichnet. In Norwegen sind 77 % der Wälder 150 Gebiete mit einer Gesamtfläche von 17 000 ha
im Besitz von 125 000 privaten Eigentümern, jeweils unter Schutz zu stellen. Davon sind 60 jedoch noch
10 % werden vom Staat bzw. von Unternehmen und nicht eindeutig abgegrenzt (TRN 1993).
Gesellschaften, 3 % werden von den Gemeinden Die Artenvielfalt soll zumindest in Schweden darüber
verwaltet. In Schweden ist die Hälfte der Wälder in hinaus durch die Schaffung lebensraumverbindender
privater Hand, je ein Viertel gehört dem Staat bzw. ist Korridore, die Erhaltung von Ödflächen und Saumzo-
im Besitz der Forstindustrie. Die finnischen Wälder nen sowie die stärkere Berücksichtigung von Misch-
sind zu 30 % Staats- und Körperschaftswald, 65 % wäldern bei der Wiederaufforstung erhöht werden.
sind in Privatbesitz und 7 % im Besitz von Aktienge- Zudem soll ein Teil des Totholzes in den Wäldern
sellschaften. Die Maxime einer nachhaltigen Nutzung verbleiben (Thielbeer 1993).
gilt in gleicher Weise regional für alle Wirtschaftswäl-
der, wird aber auf der betrieblichen Ebene nicht Die geplanten Schutzmaßnahmen garantieren bis-
immer praktiziert. lang jedoch nicht, daß die verbliebenen Urwälder in
ausreichender Weise geschützt werden. So sind in
Die Einschlagsraten liegen in allen Ländern deutlich Norwegen die nur in einem etwa 100 km breiten und
unter dem jährlichen Nettozuwachs. In Schweden und 250 km langen Küstenstreifen nördlich von Trond-
Norwegen werden nur rund zwei Drittel des Zuwach- heim auftretenden artenreichen Urwälder durch den
ses eingeschlagen, in Finnland knapp 80 % (UN- zunehmenden Einschlag gefährdet. In Finnland sind
ECE/FAO 1992b). Mit einer Menge von knapp vor allem die etwa 70 000 bis 80 000 ha umfassenden
100 Mio. m3 Rundholz sind die fennoskandischen Urwälder in der Region Kainuu, nahe der russischen
Staaten zu etwa 2,7 % an der Weltproduktion betei- Grenze, vom Einschlag bedroht. In Schweden wurde
ligt. Wesentlich höher ist ihr Anteil bei den Holzpro- inzwischen durch die massive Einschränkung des
dukten, insbesondere der Zellstoff- (ca. 15 %), Papier Einschlags in den Gebirgsregionen ein wichtiger
und Kartonproduktion (ca. 7,5 %). Auffällig ist die Schritt zum Erhalt der letzten Naturwaldflächen
starke Exportorientierung der Holzindustrie. Weit getan. In Einzelfällen kommt es jedoch vor allem im
über die Hälfte der Schnittholzproduktion, etwa 30 % nordwestlichen Teil des Landes immer noch zur
der Zellstoff- und 78 % der Papierproduktion werden Abholzung von Urwaldflächen (TRN 1993).
exportiert (Tab. 2.11).

Die drei Länder vereinigen damit auf sich ein Fünftel


der weltweit erzielten Exporterlöse im Handel mit 2.8.2 Schadstoffeintrag in die Wälder
Holz und Holzprodukten (Tab. 2.3). In den nationalen
Exporteinnahmen nimmt die Ausfuhr von Holzpro- Durch die anhaltenden Einträge von luftgetragenen
dukten inklusive Papier und Pappe in Schweden Schadstoffen, vor allem Schwefel- und Stickstoffver-
einen Anteil von 20 % und in Finnland sogar von 40 % bindungen, werden auch die Wälder in Fennoskan-
ein. dien spürbar geschwächt. Dabei wirkt sich auch der
Ferntransport von Luftschadstoffen aus Mitteleuropa
In Fennoskandien ist es mittlerweile weitgehend aus. Im Einzelfall ist jedoch ein direkter Zusammen-
gelungen, durch eine gezielte Regelung der Waldnut- hang zwischen dem Auftreten von Krankheitssympto-
zung gravierende ökologische Schäden zu vermei- men und den Stoffeinträgen schwer nachweisbar.
den. Es ist jedoch zu bedenken, daß, wie in Mitteleu-
ropa, praktisch die gesamten Wälder in relativ einför-
Tabelle 2.12
mige Forstbestände umgewandelt worden sind.
Natürliche Wälder nehmen nur noch 1 bis 3 % der
Anteil der Bäume (in Prozent) mit einem
Waldfläche ein (Poker 1994 a). Die Umwandlung hat
Nadel- bzw. Blattverlust von mindestens 25 Prozent
massive Auswirkungen auf die Biodiversität. So sind
in den Wäldern Fennoskandiens im Jahr 1989
in Schweden etwa 1 000 Planzen- und Tierarten durch
die forstwirtschaftlichen Aktivitäten in ihrem Bestand
Finnland Norwegen Schweden
gefährdet. In Finnland sind 41 % der etwa 1 700
gefährdeten Arten durch die moderne Forstwirtschaft
Alle Baumarten . 18,0 — —
bedroht. Verschlimmert wird diese Situation durch
den geringen Anteil der geschützten Wälder. In Nadelbäume 18,7 14,8 12,9
Schweden sind 2,6 %, in Finnland 1,5 % und in Laubbäume 12,6 — —
Norwegen gar nur 0,6 % der Waldflächen unter
Fichten
Schutz gestellt (TRN 1993).
— bis 60 J. 10,1 2,7 3,5
Die Problematik wurde inzwischen auch von den — über 60 J. 48,5 33,0 25,3
zuständigen staatlichen Stellen erkannt und in allen
Kiefer
drei Ländern eine Ausweitung der Schutzflächen in
Angriff genommen. In Schweden soll ihr Anteil ver- — bis 60 J. 3,7 2,4 2,8
doppelt werden, in Norwegen weitere 0,6 % unter — über 60 J. 13,0 19,1 11,4
Schutz gestellt werden. Korsmo (1991) gibt jedoch an,
daß mindestens 2 bis 2,5 % der Flächen unter Schutz Quelle: UN-ECE 1991.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

Im Rahmen einer Aufnahme des Gesundheitszustan- Lappland auf. Als Gründe wurden Überalterung,
des der Wälder durch die UN/ECE (1991), wurden der ungünstige Klima- und Witterungsverhältnisse und
in Tab. 2.12 wiedergegebene Anteil an Bäumen mit Biotische Schäden angeführt (CEE-UN/ECE 1992a).
einem Blatt- bzw. Nadelverlust von 25 % und mehr Es wird geschätzt, daß sich der Zuwachs in den
ermittelt. Räumlich konzentrierten sich die Waldschä- finnischen Wäldern infolge der Nährstoffauswa-
den überwiegend in den südlichen Landesteilen. In schung in versauerten Böden um bis zu 10 % verrin-
Finnland traten die meisten geschädigten Bäume in gern könnte (Mälkönen u. a. 1992).

3. Die Wälder der gemäßigten Zone

3.1 Abgrenzung und geographische Verbreitung Wald bestockten Flächen in der gemäßigten Zone
werden von der FAO auf rund 770 Mio. ha geschätzt
Unter den Wäldern der gemäßigten Zone, häufig auch (zit. in IPCC 1992). Heath u. a. (1993) beziffern sie auf
als temperierte Wälder bezeichnet, werden die über- 600 Mio. ha. Rund 45 % davon entfallen auf Nordame-
wiegend sommergrünen Laubwälder verstanden, die rika, jeweils rund 17 % auf Europa und Rußland. Die
in Gebieten mit einer Vegetationszeit von vier bis verbleibenden 20 % verteilen sich auf Asien, Austra-
neun Monaten, kalten Wintern mit Schnee und milden lien, Neuseeland und Südamerika (Abb. 3.1).
bis warmen feuchten Sommern vorkommen. Eine
eindeutige Definition existiert jedoch nicht. So wer- In Tabelle 3.1 wurde versucht, auf der Basis aller
den häufig auch die Hartlaubgehölze bzw. subtropi- Länder, die ganz oder teilweise im gemäßigten Klima-
sche Waldformationen im sommertrockenen Mittel- bereich liegen, die heutige Fläche der Wälder der
meerraum, dem Westen der USA und in Australien/ gemäßigten Zone überschlägig abzuschätzen. Dies
Neuseeland zu den temperierten Wäldern gezählt. erfolgt jedoch nicht nach vegetationsgeographischen
Vor diesem Hintergrund sind quantitative Angaben Kriterien, sondern orientiert sich an nationalen Stati-
über das Verbreitungsgebiet der temperierten Wälder stiken. Dabei werden auch Wälder einbezogen, die
mit großen Unsicherheiten belastet. Die heute mit hinsichtlich ihrer Struktur und Artenzusammenset-

Abbildung 3.1: Geographische Verbreitung der temperierten Wälder


Quellen: EK 1990a, Heath u. a. 1993
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Tabelle 3.1
Landfläche, Gesamtwaldfläche und Anteil der temperierten Wälder in Ländern,
die ganz oder teilweise in der gemäßigten Zone liegen

Landfläche Waldfläche temperierte Wälder


Land/Region
in 1000 ha

Albanien 2 775 1 449 1 449


Belgien 3 025 620 620
Bulgarien 11 019 3 684 3 684
Dänemark 4 253 466 466
Bundesrepublik Deutschland 34 934 10 735 10 735
Finnland 30 462 23 373 500 2 )
Frankreich 54 325 14 548 14 548
Griechenland 12 926 6 032 6 032
Großbritannien 24 086 2 380 2 380
Irland 6 890 429 429
Italien 30 128 8 550 8 550
ehemaliges Jugoslawien 25 540 9 453 9 453
Luxemburg 257 88 88
Niederlande 3 392 334 334
Norwegen 30 688 9 565 1 700 2 )
Österreich 8 254 3 877 3 877
Polen 30 445 8 672 8 672
Po rt ugal 8 655 3 102 3 102
Rumänien 22 954 6 265 6 265
Spanien 49 937 25 622 25 622
Schweden 40 823 28 015 6 400 2 )
Schweiz 3 976 1 186 1 186
ehemalige CSFR 12 540 4 491 4 491
Ungarn 9 213 1 675 1 675
Zypern 916 280 280

Europa (ohne ehemalige UdSSR) 452 413 174 891 122 538

Estland 4 522 1 816 2 ) 1 816 1 )


Lettland 6 450 2 637 2 ) 2 637 1 )
Litauen 6 520 1 823 2 ) 1 823 1 )
Rußland 1 707 540 771 000 100 000 3 )
Ukraine 57 955 9 239 9 239
Weißrußland 20 700 6 256 6 256

Ehemalige UdSSR (42 700) 4 )

Argentinien 273 600 1 ) 61 600 1 ) 61 600


Chile 74 900 1 ) 16 900 1 ) 7 500 3 )
Kanada 921 500 453 300 26 800 5 )
USA 913 658 295 989 243 200 6)
Afghanistan 64 800 1 ) 1 900 1 ) 1 900
Volksrepublik China 932 600 1 ) 155 500 1 ) 45 000 3 )
Iran 163 600 1 ) 18 000 1 ) 18 000
Israel 2 031 1 ) 124 1 ) 124
Japan 36 460 24 718 ca. 8 200 3 )
Nordkorea 12 041 9 000 9 000 8)
Südkorea 9 873 6 515 6 515 8)
Pakistan 77 100 1 ) 3 700 1 ) 3 700
Türkei 77 079 20 199 20 199
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
noch Tabelle 3.1

Landfläche Waldfläche temperierte Wälder


Land/Region
in 1000 ha

Australien 754 402 145 613 39 500


Neuseeland 26 784 7 472 7 472

Gesamt 6 596 528 2 188 192 742 739


(663 668)

1) Maydell u. a. 1992
2) Kuusela 1992
3) Heath u. a. 1993
4) Nach UN-ECE/FAO (1992b); Diese Zahl deckt sich nicht mit den für die einzelnen Mitgliedstaaten der GUS angegebenen
Waldflächen und steht deshalb in Klammern. Sie wurde nur bei der ebenfalls in Klammern stehenden Gesamtfläche der
temperierten Wälder berücksichtigt.
5) Nur Ostkanada; Heath u. a. 1993
6) USA ohne Alaska und Hawaii; Birdsey 1992
7) Etwa ein Drittel der japanischen Wälder werden zu den temperierten Wäldern gezählt.
8) Die koreanischen Wälder liegen zum Großteil in der gemäßigten Zone; über den genauen Anteil liegen keine Daten vor.
Quelle: UN-ECE/FAO 1992b

zung nicht zu den eingangs beschriebenen sommer- sowie vor allem auf Aueböden und in mittleren
grünen Laubwäldern gehören (z. B. mediterrane Hanglagen eine Reihe verschiedener Laubholzarten.
Hartlaubgehölze, Wälder im Übergang zu den Subtro- Auf besonders trockenen Standorten stellt die Kiefer
pen sowie Gebirgswälder mit borealem Charakter). die dominierende Baumart dar. In den Hochlagen der
Die Auswahl der Länder basiert im wesentlichen auf Mittelgebirge und den Hochgebirgen überwiegen
der Erhebung der UN-ECE/FAO (1992b) und dem Nadelhölzer, vor allem die Fichte. Dazu kommen
Bericht des BML (1989) an das IPCC. Auf dieser Basis Weißtannen, Kiefern und Europäische Lärche.
ergibt sich in der gemäßigten Zone eine von verschie-
Die Wälder in Osteuropa und Vorderasien lassen sich
denen Waldökosystemen eingenommene Fläche von
in drei Wuchsgebiete unterteilen. Östlich des Bospo--
etwa 660 bis 740 Mio. ha.
rus' entlang der Küste des Schwarzen Meeres erstrek-
Auf der Nordhalbkugel gehen die temperierten Wäl- ken sich in einem schmalen Streifen vorwiegend
der im Norden in die boreale Zone und im Süden in die Buchen-, Eichen- und Nadelwälder bis zur Krim und
kontinentalen Steppen über. Auf der Südhalbkugel bilden nordöstlich des Schwarzen Meeres ein größe-
grenzen sie an die subtropischen Waldformationen. res Waldgebiet in den Kaukasus-Vorbergen, das bis in
den Iran reicht.
Die temperierten Wälder sind weitgehend vom Men-
schen gerodet worden. Heute sind nur selten mehr als Die osteuropäische Eichen- und Waldsteppenregion
40 % der Fläche in den Ländern der gemäßigten Zone zieht sich in einem Streifen von Brest über den
noch bewaldet. Lediglich in einigen Staaten der Zusammenfluß von Pripet und Dnjepr bis zum Südural
westlichen USA und in Japan sind aktuell 50 bis 70 hin. Diese sogenannte Waldsteppe ist durch ein
des Landes mit Wald bestockt (Heath u. a. 1993). Von Mosaik aus Grasländern mit Beständen aus Eichen,
wenigen Ausnahmen abgesehen sind die verbliebe- Kiefern und anderen Arten charakterisiert.
nen Wälder in starkem Maße anthropogen verändert. Die nordosteuropäische Nadel- und Laubmischwald
Entsprechend soll im folgenden Punkt nur ein kurzer region ist bereits durch ein kontinentales Klima
schematischer Abriß über die verschiedenen natürli- geprägt. Die Nordgrenze dieser Teilzone verläuft von
chen Waldtypen in der gemäßigten Zone erfolgen. Südskandinavien über das Baltikum zum Südural. In
der nördlichen Hälfte dieses Gebietes überwiegen
Fichten und Kiefern sowie Stieleichen, Birken, Ulmen,
3.2 Die Waldtypen in der gemäßigten Zone Linden und Schwarzerlen. Im südlichen Gebiet kom-
men bis zur Ostgrenze Weißrußlands zusätzlich Hain-
Die Standortbedingungen in der gemäßigten Zone buchen vor. Der Anteil der Laubbäume ist hier grö-
variieren relativ kleinräumig. Dies schlägt sich in ßer.
einem Mosaik aus verschiedenen (potentiell natürli-
Die temperierten Wälder Ostasiens erstrecken sich
chen) Waldformationen nieder.
über Teile Chinas, Koreas und Japans. Die Wälder
Die Wälder in West- und Mitteleuropa sind durch das sind hier wesentlich artenreicher als in den anderen
atlantisch bestimmte Klima mit Regen in allen Jahres- gemäßigten Gebieten, da die Verschiebung der Vege-
zeiten, milden bis warmen Sommern und relativ tationszonen während eines Eiszeit-Warmzeit-Zyklus
milden Wintern geprägt. Die natürlicherweise domi- gering blieb. Es finden sich unter anderem Relikte der
nierende Waldform sind Buchen-Mischwälder. Dazu Flora des Tertiärs. In der Mandschurei und der inne-
kommen je nach Standort Stiel- und Traubeneiche ren Mongolei befinden sich im Übergangsbereich von
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

der borealen zur gemäßigten Klimazone die größten und trockenen Bedingungen Eichen beimischten.
zusammenhängenden Wälder Chinas mit Eichen, Diese stellten für mehr als 3 000 Jahre die dominie-
Eschen, Ahorn, Pappeln, Birken, Tannen, Fichten, rende Baumart dar und drängten die vormals weitver-
Kiefern und Lärchen. Für die Wälder auf der japani- breitete Kiefer auf ärmere Standorte ab. Die Jahres-
schen Insel Honshu und im Süden Hokkaidos sind mitteltemperatur lag in dieser Zeit höher als heute.
zwei Buchenarten typisch. In Korea sind vor allem im Vor etwa 3 500 Jahren sanken die Temperaturen, und
nordwestlichen Bergland den chinesischen und japa- die Niederschläge nahmen zu. In der Folge fand die
nischen Wäldern sehr ähnliche Waldtypen erhalten. Buche günstigere Wuchsbedingungen und begann
Die ausgedehntesten Wälder der gemäßigten Zone sich von Süden her in Mitteleuropa auszubreiten. Sie
finden sich in den USA. Die Wälder erstrecken sich im benötigte etwa 3 000 Jahre, um zwischen den Alpen
wesentlichen zwischen dem 30. Breitengrad und der und Norddeutschland zur dominierenden Baumart zu
kanadischen Grenze. Die größte Ausdehnung weisen werden. Dieser sehr lange Zeitraum ist wahrschein-
aufgrund ihrer weitgefächerten Standortamplitude lich auf die vor 5 000 Jahren einsetzenden und vor
Eichen- und Eichen-Nußbaum-Wälder auf. Im einzel- 2 500 Jahren schon sehr intensiven Waldrodungen
nen lassen sich vier unterschiedliche Waldgebiete zurückzuführen, die die Wanderung der Arten erheb-
voneinander abgrenzen. lich behindert haben (Jahn 1991). Der Mensch trat also
vermutlich schon sehr früh als ein bestimmender
Die Laub- und Mischwälder im Nordosten der USA, Faktor für die temperierten Wälder in Erscheinung.
auch „Eastern Hardwoods" genannt, haben struktu- Belegt wird dies auch durch Heideflächen, die sich
relle Ähnlichkeit mit den Wäldern im atlantisch bereits in der Bronzezeit (vor etwa 3 500 Jahren) nach
geprägten Teil Europas. Charakteristische Baumarten wiederholter Brandrodung auf nährstoffarmen Stand-
sind Eiche und Nußbaum, die mit zahlreichen anderen orten in den sandigen Gebieten Norddeutschlands
Laubhölzern durchsetzt sind. Nadelbestände kom-
ausdehnten.
men nur begrenzt vor, meist mit Kiefern, Fichten,
Hemlock und Thuj a. Mit der zunehmenden Besiedlung Mitteleuropas
nahm die Waldfläche im Verlauf des Mittelalters
Die Wälder des Südens und Südostens der USA waren rapide ab. Der Wald wurde zunehmend in landwirt-
durch das Vorherrschen der Kiefer (Pinus palustris) schaftliche Nutzflächen umgewandelt bzw. als Quelle
gekennzeichnet. Durch die Aufforstung ehemaliger für Brenn- und Bauholz sowie Streu (Düngung und
Ackerflächen ist sie durch andere Kiefernarten stark Stallviehhaltung) genutzt. Er diente zudem der Vieh-
zurückgedrängt worden. weide. Als Folge dieser vielfältigen Nutzung lichteten
Die Laubwälder im Südosten („ Southern Hard- die Wälder immer stärker auf, da ihnen mit der Streu
woods") konzentrieren sich vor allem auf die Auebe- die Nährstoffe entzogen und die Verjüngung durch
reiche der weiten Flußtäler (z. B. Mississippi). Wich- Viehverbiß erheblich eingeschränkt wurde. Lediglich
tige Baumarten sind Eiche, Schwarznuß und Nuß- als Folge der durch Pestepidemien und Kriege verur-
baum. sachten Bevölkerungsabnahme in Mitteleuropa kam
An der Westküste haben sich Feuchtwälder entwik- es zwischenzeitlich zu einer leichten Ausdehnung der
kelt. Sie beginnen mit den Redwood-Beständen in Wälder zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert.
Nordwest-Kalifornien, umfassen die Wälder der In der Neuzeit erhöhte sich durch den ansteigenden
Sierra Nevada mit Kiefern und Mammutbäumen und Bedarf an Bauholz (Schiffbau) und die beginnende
die Douglasienwälder in Oregon und Washington. Die Industrialisierung (Bergbau und Energie) der Holz-
sehr feuchten Bedingungen (bis 4 000 mm/Jahr) las- verbrauch erheblich. Je nach Standortgüte wurden
sen hier mit über 100 m hohen Douglasien und die Wälder alle 10 bis 30 Jahre kahlgeschlagen.
Mammutbäumen die höchsten Bäume der Welt gedei- Zudem dehnte sich die Niederwaldwirtschaft aus, die
hen. Pro Hektar finden sich Holzvorräte von 1 500 bis in erster Linie der Holzkohlegewinnung diente.
maximal 10 000 m 3 . Dadurch wurden die wenig stockausschlagfreudigen
Buchen und die Nadelbäume aus weiten Gebieten
3.3 Die Entwicklung der Wälder der gemäßigten Mitteleuropas verdrängt. Im 18. Jahrhundert erreichte
Zone die Walddevastation ihren Höhepunkt. Der damit
verbundene akute Holzmangel behinderte die wei-
Der größte Teil der heutigen gemäßigten Zone war tere wirtschaftliche Entwicklung und führte nach und
während der letzten Eiszeit entwaldet. Mit der post- nach zum Umdenken in der Waldnutzung. Die Land-
glazialen Erwärmung konnten in Nordamerika und wirtschaft beanspruchte aufgrund der Intensivierung
Ostasien die nach Süden zurückgedrängten Baumar- und züchterischen Verbesserungen sowie der Verla-
ten wieder nach Norden wandern. In Europa hatten gerung der Viehwirtschaft auf Wiesen, Weiden und
dagegen die in West-Ost-Richtung streichenden Futteranbau den Wald nunmehr weit weniger. Der
Gebirge ein Ausweichen der Baumarten nach Süden Nutzungsdruck reduzierte sich des weiteren durch
verhindert. Dadurch starben viele der ursprünglich den Ersatz von Brennholz durch Kohle, später auch
hier beheimateten Arten aus, z. B. Nußbaum, Magno- Konstruktionsholz durch Stein und Stahl. Seit dem
lie, Sequoia und Douglasie. Die Artenzahl der euro- Beginn dieses Jahrhunderts wurde zudem die Streu-
päischen temperierten Wälder ist daher relativ nutzung immer mehr durch die Mineraldüngung
gering. ersetzt, was zu einer bis heute feststellbaren Verbes-
Die nacheiszeitliche Waldausbreitung ist am besten serung der Wuchsbedingungen in den Wäldern
für Europa belegt. Hier setzte sie vor etwa 10 000 führte.
Jahren mit dem Vorrücken von Birken, Kiefern und Etwa ab Mitte des 19. Jahrhunderts begann die
Haselnuß ein, denen sich unter zunehmend warmen Periode der Wiederaufforstung und die Einführung
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
eines nachhaltigen Bewirtschaftungssystems. In den In Nordamerika setzten tiefgreifende und großflä-
verbliebenen Wäldern erholte sich die Buche und chige Waldveränderungen erst mit der Kolonialisie-
nahm vielfach wieder ihre dominierende Stellung ein. rung vor etwa 400 Jahren ein. Das heutige Gebiet der
Die Kahlflächen wurden vielerorts mit relativ USA (inkl. Alaska) war damals zu mehr als der Hälfte
anspruchslosen Fichten, Kiefern und Lärchen be- mit Wald bedeckt. Der größte Teil der Wälder befand
pflanzt bzw. besät. Die nicht standortgerechte Förde- sich in einem breiten Streifen, der sich im Osten der
rung der Nadelbäume auf Laubwaldstandorten hat zu USA zwischen Maine und dem Mississippi ausdehnte.
vielen Fehlschlägen geführt und wurde inzwischen Vornehmlich in diesem Gebiet wurden bis zum
verringert (Jahn 1991). Anfang des 20. Jahrhunderts 150 Mio. ha Wald in
Siedlungen und landwirtschaftliche Nutzfläche um-
In Ostasien verlief die Entwicklung ähnlich wie in
gewandelt. Seit etwa 1920 hat sich die Größe der
Mitteleuropa. Auch hier kommen kaum noch unge-
Waldfläche stabilisiert und beträgt heute etwa ein
störte temperierte Wälder vor (Ching 1991). In ihrem
Drittel der Landfläche. Regional haben sich die Wald-
potentiellen Hauptverbreitungsgebiet in der Tief-
flächenanteile jedoch durch die Wiederbewaldung
ebene des östlichen Mittelchinas sind sie überwie-
aufgelassener landwirtschaftlicher Flächen im Osten
gend in Agrarland umgewandelt worden. Seit Anfang
und die Öffnung neuer landwirtschaftlicher Flächen
der 50er Jahre werden große Anstrengungen zur
im mittleren Westen verändert (MacCleery . 1992).
Wiederbewaldung unternommen. Der Waldanteil an
der Landesfläche stieg von 8,5 % auf nunmehr 12 %, Wie in Europa haben künstliche Bestandsbegründun-
angestrebt wird eine Bewaldung von 20 %. gen die Artenzusammensetzung stark beeinflußt.
Zudem haben massive Waldzerstörungen durch
Über die historische Entwicklung der japanischen
Brandrodung, Absenken des Grundwasserspiegels,
Wälder ist wenig bekannt. In den schwer zugängli-
Aufstauen der Flüsse und Übernutzung einzelner
chen Gebirgsregionen sind ausgedehnte Naturwälder
Baumarten zu tiefgreifenden Veränderungen geführt.
erhalten. Der größte Teil der Wälder ist durch lang-
Es kann heute nicht abgeschätzt werden, ob die
jährige Nutzung modifiziert, bereits ein Drittel des
Sukzession in einigen Generationen wieder zum
Waldes ist in Plantagen umgewandelt worden.
ursprünglichen Schlußwald führt oder ob sich neue
Die koreanischen Wälder sind infolge langjähriger Klimaxwaldtypen ausbilden werden (Barnes 1991).
Übernutzung stark degradie rt . Große Flächen, beson-
ders in Süd-Korea, wurden während des letzten Krie- 3.4 Die Bedeutung der Wälder der gemäßigten
ges entwaldet. Seit Anfang der 70er Jahre fanden
Zone
großflächige Aufforstungen statt. Daher sind in Süd-
Korea 80 % der Wälder jünger als 20 Jahre (Statisti- Die Wälder der gemäßigten Breiten erfüllen eine
sches Bundesamt 1992). Vielzahl von Funktionen und Leistungen. Neben der

Abbildung 3.2: Bedeutung der Waldfunktionen als Anteil an den Waldflächen in den europäischen Ländern
Quelle: UN-ECE/FAO 1992a
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Bereitstellung von Rohstoffen, vor allem Holz, kommt Heute wird vermutet, daß die Wälder der gemäßigten
ihnen eine erhebliche Bedeutung für den Schutz von Zone zur Zeit eine Kohlenstoffsenke darstellen und so
Böden und Grundwasser zu. Sie sind Lebensraum für dem anthropogen hervorgerufenen CO 2 -Anstieg in
zahlreiche Tier- und Pflanzenarten und dienen, insbe- der Atmosphäre entgegenwirken. Heath u. a. (1993)
sondere in dicht besiedelten Regionen, als Erholungs- beziffern den Kohlenstoffgehalt temperierter Wälder
raum. Sie sind darüber hinaus von landschaftsästheti- auf insgesamt etwa 100 Mrd. t, davon rund 34 Mrd. tC
schem Wert und Schützen den Mensch vor allem in in der lebenden Biomasse. Die jährliche Nettoauf-
Gebirgsregionen vor Überschwemmungen, Lawinen nahme schätzen sie auf 0,2 bis 0,5 Mrd. tC. Die
und Erdrutschen. In einigen Ländern, vor allem im Grundlage dieser Einschätzung ist die Differenz zwi-
Süden und Südosten Europas und in Asien, werden schen Biomassenzuwachs (205 Mrd. tC/Jahr) und
die Wälder zudem immer noch als Waldweide Holzentnahme (192 Mrd. tC/Jahr), die innerhalb der
genutzt. meisten Länder der gemäßigten Zone innerhalb der
letzten Jahrzehnte zu einem Anstieg der Waldbio-
Laut UN-ECE/FAO (1992a) dienen die Wälder in
masse geführt hat (vgl. Kap. 6). Andere Schätzung
Europa in erster Linie der Holznutzung, der Jagd und
belaufen sich auf ein Gesamtspeichermenge von
der Erholung. Jeweils weniger als 10 % der Waldflä-
25 Mrd. tC in der Biomasse (IPCC 1992). Die in IPCC
che sind in erster Linie als Schutzwälder ausgewiesen
(1990a) zitierte Schätzung von Atjay u. a. (1979), nach
oder dienen prioritär dem Wasser- und Naturschutz
der die temperierten Wälder 88 Mrd. tC in der
(Abb. 3.2). Allerdings sind die Kriterien für die Zuord-
Biomasse und weitere 72 Mrd. tC im Abfall und in
nung und die Bedeutsamkeit spezieller Waldfunktio-
Böden speichern, erscheint dagegen zu hoch ange-
nen von Land zu Land unterschiedlich.
setzt.
Die zu erwartenden Klimaänderungen stellen zusam-
men mit der destabilisierenden Wirkung des langan-
3.4.1 Bedeutung für das globale Klima haltenden Stoffeintrages in die Wälder eine ernste
Gefährdung für die Wälder der gemäßigten Breiten
Für den Einfluß der temperierten Wälder auf das dar, die in absehbarer Zeit zu einer erheblichen
globale Klimageschehen ist in erster Linie ihr Kohlen- Netto-Freisetzung von Kohlenstoff aus den Waldöko-
stoffhaushalt, ihre Rolle im Wasserkreislauf und die systemen der gemäßigten Zone führen kann (vgl.
Albedo ausschlaggebend. Die starken Eingriffe des Kap. 6).
Menschen haben diese Einflußfaktoren deutlich ver-
ändert. Die ausgedehnte Rodungstätigkeit hat einer-
seits zur Freisetzung von CO 2 in der Atmosphäre 3.4.2 Wirtschaftliche Bedeutung
geführt. Dieser Prozeß lief über relativ lange Zeit-
räume ab und war kaum klimarelevant. Im Vergleich Der Holzeinschlag in den Ländern der gemäßigten
dazu dürfte die Veränderung der Verdunstung (Wol- Zone erreicht weltweit eine Größenordnung von jähr-
kenbildung) und der Strahlungsverhältnisse das lich etwa 1 100 Mio. m 3 , die sich im Jahr 1991 wie folgt
Klima stärker beeinflußt haben. auf die verschiedenen Regionen verteilte.

Tabelle 3.2

Einschlagsvolumen, Nutzholz- und Brennholzaufkommen in der gemäßigten Zone im Jahr 1991

Einschlag Nutzholz Brennholz


Land/Region
in Mio. m3

Europa
(ohne ehemalige UdSSR, Finnland, Norwegen
und Schweden) 254,4 201,5 52,9

USA 495,8 409,9 85,9

Ostasien
(China, Nord- und Südkorea und Japan) 321,8 120,6 201,1

Sonstige
(Neuseeland, Chile, Australien) 52,1 26,0 6,9

Gesamt 1 124,1 758,0 346,8

Quelle: FAO 1993b


Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

Tabelle 3.3

Gesamtvorrat, jährlicher Vorratszuwachs, jährlicher Holzeinschlag Ende der 80er Jahre,


Biomassevorrat in m3 und in t Trockengewicht teils bezogen auf den Gesamtwald,
teils auf den Wirtschaftswald (UN-ECE/FAO, 1992 b)

Zuwachs im Einschlag im
Gesamtvorrat Biomassevorrat
Wirtschaftswald Wirtschaftswald
Land/Region
(Mio. m3 ) (Mio. m3/a) (Mio. m3 ) (Mio. t)

Europäische Länder
Albanien 83 1,39 2,06 - -
Belgien 92 4,60 3,43 118 55
Bulgarien 405 10,58 4,76 405 -
Dänemark 58 3,85 2,54 86 41
Bundesrepublik Deutschland 2 674 58,13e) 42,82 - -
Frankreich 1 875 68,86 48,00 2 503 1 311
Griechenland 169 3,65 3,38 169 92
Großbritannien 231 13,07 8,14 312 145
Irland 32 3,36 1,57 39 14
Italien 993 30,00 8,60 250 -

ehemaliges Jugoslawien 1 134 32,29 22,40 1 478 -


Luxemburg 20e) 0,36 - -

Niederlande 63 2,80 1,52 83


Österreich 998 24,00 17,40 1 070 485
Polen 1 432 32,12 28,58 2 063 939
Portugal 203 11,93 11,25 248 135
Rumänien 1 332 32,11 16,65 1 395 690
Spanien 540 33,49 18,53 748 640
Schweiz 423 6,67 5,76 428 229
ehemalige CSFR 996 31,2 20,20 1 199 -
Türkei 813 20,6e) 30,22 - -

Ungarn 305 10,47 7,79 305 197

Summe europäischer Länder+) 14 871 435,5 305,60

Nordamerika:
Vereinigte Staaten 28 522 1 ) 638,00 2 ) 619,60 39 048 22 329

Ostasien:
Volksrepublik China 3 ) 10 572 - 270,00 - -
Nordkorea 4 ) 158 - 4,60 - -
Südkorea 5 ) 201 13 6,8 - -
Japan 2 862 - 42,07 - -

1) Vorrat ohne Rinde


2) (Haynes, 1990)
3) (Dai, 1990), 65 % Brennholz, gibt jährliche Übernutzung von 170 Mio. m 3 an
4) (Müller, 1987), davon 4 Mio. m 3 Brennholz
5) (Office . . ., o. J.), (Statistisches Bundesamt, 1992c): 67 % Brennholz
+) Zu den europäischen Ländern sind ferner die baltischen Staaten zu zählen (FAZ, 1992):

Estland Lettland Litauen

Gesamtvorrat (Mio. m 3 ) 260 290 220


Zuwachs (Mio. m 3/a) 5,3 - 3,3
Einschlag (Mio. m3/a) 3,3 3,5 2,7

Quelle: UN-ECE/FAO 1992b


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Tabelle 3.4

Gesamtholzbilanz für die Bundesrepublik Deutschland (in Rohholzäquivalenten, RHÄ)

Aufkommen 1991 1992 Verbleib 1991 1992

Einschlag (KJ) 32,1 R 27,7 Lagerbestände, Zunahme ... 1,4 3 ) —


Altpapier,
Inlandsaufkommen 22,0 R 22,9 Ausfuhr 50,9 51,0
Altholz
zur stofflichen Verwertung . . 0,3 4 ) 0,4 4 ) Verbrauch 87,2 R 88,3
Einfuhr 77,3 80,3
Lagerbestände, Abnahme 7,7 1 ) 8,0 2 )

Gesamtaufkommen 139,5 139,3 Gesamtverbleib 139,5 139,3


1) Abnahme in Waldlager (geschätzt)
2) 7,0 'Mio. m3 (geschätzt) Abnahme in Waldlager; 1,0 Mio. m 3 (r) Abnahme in Industrielager
3) Aufbau in Industrielager
4) geschätzt; Altholz erstmals berücksichtigt
R = gegenüber Vorjahr geänderte Zahl
KJ = kalenderjahrbezogene Daten
Quelle: 011mann, 1993a

Bei dieser Abschätzung ist zu bedenken, daß große dest zu Beginn der 90er Jahre größere Holzmengen
Teile der Wälder Chinas, Japans, Nord- und Südko- aus den Lagerbeständen der Vorjahre in die Produk-
reas, Australiens sowie Chiles nicht zu den temperier- tion von Holzprodukten eingegangen (ca. 8 Mio. m 3
ten Wäldern gezählt werden. Andererseits fehlt in proJah).DsGemtufknaHolzbergi
dieser Auflistung der Einschlag in den temperierten der Bundesrepublik in etwa 140 Mio. m 3 (Tab. 3.4)
Wäldern der ehemaligen UdSSR und Fennoskan-
diens. In den Wirtschaftswäldern der europäischen Länder
werden durchschnittlich 70 % des jährlichen Volu-
menzuwachses genutzt, in den USA über 95 Prozent. -
Eine detaillie rt e Zusammenstellung des Einschlags-
volumens, des Zuwachses in den Wirtschaftswäldern In Albanien, der Türkei und der VR China fanden in
sowie der gesamten Holzvorräte in den Ländern der den letzten Jahren starke Übernutzungen statt. Allein
gemäßigten Breiten vermittelt die Tabelle 3.3, die sich in Tibet nahm die Waldfläche zwischen 1949 und 1985
auf die Situation Ende der 80er Jahre bezieht. von etwa 22 auf gut 13 Mio. ha ab. Maßgeblicher
Grund dafür war die massive Ausweitung von Kahl-
Die Bundeswaldinventur 1986-1990 ermittelte für schlägen (Norbu 1993). Umgekehrt wurden in China
die Wälder in den alten Bundesländern einen Gesamt- in den 80er Jahren etwa 6,5 Mio. ha aufgeforstet (FAO
holzvorrat von 2 200 Mio. m 3 (BML 1993b). Setzt man 1993c). Dabei handelte es sich im wesentlichen um
für die Wälder in den neuen Ländern ähnliche Vor- schnellwachsende plantagenartige Bestände. Für die
ratsdichten voraus, dürfte der Holzvorrat im heutigen kommenden 20 bis 30 Jahre sind weitere 70 Mio. ha
Bundesgebiet rund 3 100 Mio. m3 betragen. Der Aufforstungen geplant. Die Waldbedeckung soll sich
jährliche Zuwachs ist nicht erhoben worden. Die dadurch von heute 13 % auf 20 % erhöhen. In der
UN-ECE/FAO (1986, zitiert in Burschel u. a. 1993) Regel handelt es sich um Plantagenaufforstungen mit
schätzt ihn für die heutige Bundesrepublik auf knapp Pappeln, Eukalyptus und anderen schnellwachsen-
60 Mio. m3 pro Jahr. Dem steht in den Jahren 1991 und den Baumarten. Rund 70 % der Aufforstungen schla-
1992 ein Gesamholzverbrauch in der Bundesrepublik gen fehl, so daß das Erreichen des ehrgeizigen Zieles
Deutschland von jeweils knapp 140 Mio. m 3 gegen- äußerst fraglich ist (GTZ 1993, Fenner 1993).
über. Etwa 50 Mio. m 3 davon wurde für den Export
verwendet, knapp 90 Mio. m 3 wurden in der Bundes-
republik selbst verbraucht (Tab. 3.4). 3.5 Die neuartigen Waldschäden

Etwa 30 bis 35 Mio. m3 Holz werden jährlich in den Die Waldflächen in den Ländern der gemäßigten Zone
deutschen Wäldern eingeschlagen. Rund 80 Mio. m 3 haben sich in den vergangenen Jahrzehnten weitge-
(alsRohzäquiventHA)wrdFomvn hend stabilisiert und nehmen vor allem in den Indu-
Rohholz, Halbfertigprodukten (Schnittholz, Zellstoff strieländern tendenziell zu. Die Stabilität der Wälder
etc.) und Fertigprodukten (Möbel, Fenster u. ä.) ist jedoch durch anthropogene Einflüsse gefährdet. Im
importiert. Allein die jährlich nach Deutschland ein- Vordergrund steht dabei der Eintrag von luftgetrage-
geführten rund 3,5 Mio. t Zellstoff entsprechen einer nen Schadstoffen, der maßgeblich für die in Mitteleu-
äquivalenten Rohholzmenge von rund 20 Mio. m 3 . ropa und Nordamerika zu beobachtenden neuartigen
Ebenfalls etwa 20 Mio. m 3 Rohholz entspricht die Waldschäden verantwortlich ist. Unter diesem Begriff
eingesammelte Altpapiermenge. Ferner sind zumin werden die seit über 10 Jahren massiv auftretenden
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Krankheitssymptome an Bäumen zusammengefaßt. Vitalität des Baumes. Anhand dieser Schätzung wer-
Im wesentlichen handelt es sich dabei um den teilwei- den die Bäume in fünf Schadstufenklassen eingeteilt
sen bis völligen Verlust oder die Vergilbung der (BML 1993a).
Nadeln bzw. Blätter und die damit einhergehende
Verlichtung der Kronen. Derartige Symptome wurden Nadel-/Blattverluste
Schadstufe
zwar bereits im vergangenen Jahrhundert beobach- (%)
tet. Neuartig ist jedoch das großräumige Auftreten
und die Ausdehnung der Symptome auf praktisch alle 0: „ohne Schadmerkmale" . . bis 10
Baumarten. 1: „schwach geschädigt" 11-25
2: „mittelstark geschädigt" . . 26-60
3: „stark geschädigt 61-99
3.5.1 Inventurmethoden und beobachtetes
Ausmaß 4: „abgestorben" 100

3.5.1.1 Bundesrepublik Deutschland Die Schadstufe 1 gilt als Warnstufe, da auch nicht
erkrankte Bäume bis zu 25 % ihrer Blätter bzw.
Das Ausmaß der Waldschäden wird in der Bundesre- Nadeln zeitweise verlieren können. Treten an einem
publik Deutschland in den alten Bundesländern seit Probebaum zusätzlich mittlere oder starke Vergilbun-
1984, in den neuen Bundesländern seit 1990 jährlich gen auf, wird die Schadstufe erhöht. Dabei kommt
nach einer einheitlichen Inventurmethode erhoben. folgende Kreuztabelle zur Anwendung:
Dazu werden anhand der Schnittpunkte eines Gitter-
netzes mit einer Mindestdichte von 4 x 4 km Stichpro- Vergilbungsstufe
benpunkte festgelegt, an denen eine bestimmte Anteil der vergilbten Nadel-/Blattmasse
Einstufung
Anzahl von Probebäumen systematisch ausgewählt aufgrund
und sichtbar markiert wird. In bestimmten Jahren 1 2 3
Nadel-/
(11 bis 25 %) (26 bis 60 %) (61 bis 100 %)
wird auf Bundesebene nur ein Teil der Stichproben Blattverlust
erfaßt (Unterstichprobe). Die Probebäume werden Schadstufe
jährlich im Zeitraum von Juli bis September durch
Fachpersonal hinsichtlich ihres Zustandes begutach- 0 0 1 2
tet und die gewonnen Daten auf die gesamte Wald- 1 1 2 2
fläche hochgerechnet.
2 2 3 3
Entscheidendes Kriterium ist dabei der Kronenzu 3 3 3 3
stand bzw. der Nadel-/Blattverlust als Indikator für die
-

Abbildung 3.3: Die Entwicklung der Waldschäden in der Bundesrepublik Deutschland von 1984 bis 1992
Quelle: EK 1990a und BML 1993a
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Neben dem Nadel- bzw. Blattverlust und der Vergil- fen 2 bis 4), darüber hinaus traten auf 39 % der Flächen
bung werden weitere Merkmale, wie z. B. Insekten- leichte Schäden auf. Ein Jahr später hatte sich der
und Pilzbefall, erfaßt, aus denen sich Hinweise auf Anteil der deutlich geschädigten Wälder auf 27 %, der
konkrete Ursachen für den jeweiligen Kronenzustand der schwach geschädigten auf 41 Prozent erhöht, so
herleiten lassen. daß nur noch etwa ein Drittel der Waldflächen als
nicht sichtbar geschädigt eingestuft werden konnte. In
Die Ergebnisse der Waldschadenserhebungen zeigen der jüngsten Erhebung wurden 24 % der Wälder als
bis zur Mitte der 80er Jahre in der damaligen Bundes- deutlich geschädigt und 40 % als schwach geschädigt
republik Deutschland einen Anstieg der geschädigten eingestuft (BML 1993a).
Wälder auf 54 % der gesamten Wälder. In der Folge-
zeit nahm der Anteil geschädigter Bäume leicht ab, Das Ausmaß und die Entwicklung der Waldschäden
stieg im Jahr 1989 jedoch wieder an (Abb. 3.3). ist regional verschieden, wie die Tabelle 3.5 zeigt. In
den alten Bundesländern sind vor allem Hessen,
Die Daten für die 90er Jahre umfassen auch die Bayern und Baden-Württemberg betroffen, während
Waldzustandserhebungen in den neuen Ländern und die nordwestlichen Länder mit einem Anteil deutlich
sind daher nicht mit den vorherigen Aufnahmen zu geschädigter Bäume von 13 bis 16 % ein geringeres
vergleichen. Im Jahr 1990 konnte aufgrund erhebli- Schadmaß aufweisen. In den neuen Ländern sind mit
cher Sturmschäden in den südlichen Bundesländern Ausnahme von Brandenburg durchweg mehr als 20 %
keine Erhebung erfolgen. Im Jahr 1991 waren 25 Pro- der Bäume deutlich geschädigt, in Thüringen sogar
zent der Waldfläche deutlich geschädigt (Schadstu 50 %.

Tabelle 3.5

Die Entwicklung der Waldschäden in den Bundesländern in den Jahren 1991 bis 1993

Schadstufe 1 bis 4 Schadstufe 2 bis 4


Waldfläche
Bundesland 1991 1992 1993 1991 1992 1993

Anteil in

Bremen 0,01 52 41 41 13 10 13
Hamburg 0,03 74 52 45 17 17 14
Niedersachsen 9 44 52 51 10 13 16 -

Nordrhein-Westfalen 8 42 50 50 11 16 16
Schleswig-Holstein 1 47 40 43 15 13 16

Nordwestdeutsche Länder 1 ) 18 43 50 50 11 14 16

Berlin 0,2 77 65 69 29 14 25
Brandenburg 10 71 70 56 33 25 17
Mecklenburg-Vorpommern 4 81 89 87 49 43 30
Sachsen 5 63 61 59 27 21 24
Sachsen-Anhalt 5 72 69 71 34 32 33
Thüringen 5 81 84 83 50 54 50

Ostdeutsche Länder 2) 29 73 75 69 38 34 29

Baden-Württemberg 13 61 74 77 17 24 31
Bayern 23 73 77 64 30 32 22
Hessen 8 71 69 71 29 33 35
Rheinland-Pfalz 8 53 54 54 12 13 14
Saarland 1 44 45 49 17 18 21

Süddeutsche Länder 3 ) 53 66 71 67 24 27 25

Deutschland 4 ) 100 64 68 25 27 24

1) Gesamtfläche der nordwestdeutschen Länder: 9,8 Mio. ha, Waldfläche: 2,0 Mio. ha
2) Gesamtfläche der ostdeutschen Länder: 10,9 Mio. ha, Waldfläche: 3,0 Mio. ha
3) Gesamtfläche der süddeutschen Länder: 15,0 Mio. ha, Waldfläche: 5,4 Mio. ha
4) Gesamtfläche der Bundesrepublik Deutschland: 35,7 Mio. ha, Waldfläche 10,4 Mio. ha
Quelle: BML 1993a
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Tabelle 3.6 In Deutschland wurden im Jahr 1993 21 % der
Nadelbäume den Schadstufen 2 bis 4 zugeordnet,
Waldschäden nach Baumarten und Schadstufe 1993 weitere 39 % zeigten leichte Schäden. Der Anteil nicht
geschädigter Nadelbäume erhöhte sich im Vergleich
Schadstufe Schadstufe zum Vorjahr um 5 % auf 40 %. Zwischen 1985 und
Baumfläche 1 bis 4 2 bis 4 1989 hatte sich eine Erholungstendenz abgezeichnet,
Baumart
(in Mio. ha.) die sich jedoch in den 90er Jahren nicht fortsetzte.
in % der Fläche
Zwar liegt der Anteil deutlich geschädigter Fichten
und Kiefern in den nordwestdeutschen Ländern mit
Fichte 3,5 58 22
etwa 16 % bzw. 4 % auf relativ niedrigem Niveau. In
Kiefer 2,9 64 20 Süddeutschland stieg dagegen der Anteil deutlich
sonstige geschädigter Kiefern zwischen 1989 und 1993 um 8
Nadelbäume l) . 0,6 55 23 auf 22 %, der der Fichte um 7 % auf 21 %.
Der Anteil erkrankter Laubbäume stieg zwischen
Nadelbäume 1991 und 1992 von 67 % auf 75 % und sank 1993 auf
gesamt 7,1 60 21 71 %. Etwa ein Drittel aller Laubbäume zeigten
deutliche, 40 % wiesen schwache Schäden auf. Der
Buche 1,5 78 32 Anteil nicht sichtbar geschädigter Bäume beträgt bei
Eiche 0,9 81 45 den Buchen nur 22 %, bei den Eichen sogar nur 19 %.
sonstige Der Anteil deutlich geschädigter Laubbäume hat sich
Laubbäume 2 ) 1,2 53 16 dagegen erhöht. 32 % der Buchen und 45 % der
Eichen zeigen deutliche Schadsymptome.
Laubbäume
gesamt 3,7 71 30
3.5.1.2 Europa
alle Baumarten 10,8 64 24
Auf europäischer Ebene werden seit 1986 nach einem
1) z. B. Douglasie, Lärche und Tanne
einheitlichen Verfahren Waldschadenserhebungen
2) z. B. Ahorn, Linde, Roteiche, Pappel
durchgeführt und von der UN/ECE in einem Bericht
Quelle: BML 1993a
zusammengestellt. Grundlage sind die nationalen
Erhebungen, die nach einem einheitlichen Stichpro-
benverfahren in einer Netzdichte von mindestens
16 x 16 km durchgeführt werden. Inzwischen beteili-
Seit 1990 ist in Ostdeutschland der Anteil deutlich gen sich 33 europäische Staaten an dieser Erhebung.
-
geschädigter Bäume von 38 auf 29 % gesunken. Etwa 78 % der Waldfläche Europas wurden bislang
Ansonsten hat sich das Schadmaß insgesamt auf einbezogen.
hohem Niveau stabilisiert.
Zudem finden innerhalb der Mitgliedstaaten der
Entwicklung und Ausmaß der Waldschäden zeigen Europäischen Gemeinschaften jährlich eine grenz
deutliche baumartenspezifischen Differenzierungen. überschreitende Auswertung der Waldschadenserhe-
So waren zu Beginn der 80er Jahre vornehmlich die bungen statt, die von der EG-Kommission in einem
Nadelbäume betroffen. Diese zeigten gegen Ende des Waldzustandsbericht zusammengefaßt werden. Das
letzten Jahrzehnts eine deutliche Stagnation, seit 1991 Stichprobennetz wird anhand eines 16 x 16 km-
ist jedoch wieder ein Anstieg festzustellen. Bei den Rasters ausgewiesen. Das Aufnahmeverfahren ent-
Laubbäumen traten Schäden in größerem Maße erst spricht dem in Deutschland angewandten. Im Jahr
vor einigen Jahren auf. Insbesondere in der jüngsten 1992 wurde erstmals ein gemeinsamer Bericht der
Zeit stieg der Anteil der geschädigten Laubbäume UN-ECE und der EG herausgegeben (UN-ECE/CEE
jedoch rapide an und erreichte bei der Erhebung im 1992). Einen Überblick über die darin wiedergegebe-
Jahr 1992 mit 75 % den bisher größten Wert. Im Jahr nen Ergebnisse der letzten Erhebung aus dem Jahr
1993 ging der Anteil auf 71 % zurück (Tab. 3.6). 1991 gibt die folgende Tabelle (Tab. 3.7).
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Tabelle 3.7

Ergebnisse der UN-ECE-Waldschadenserhebung 1991

Anteil der Schadstufen (in %) Veränderung der


Land - Schadstufen 2 bis 4
0 1 2 bis 4 zu 1991 (in %)

Nordeuropa
Estland 40,8 30,7 28,5 •
Finnland 65,0 20,5 14,5 -1,5
Lettland 30,0 33,0 37,0 •
Litauen 16,3 66,2 17,5 -6,4
Norwegen 40,3 33,5 26,2 +6,5
Schweden 51,0 28,5 16,5 +4,5

Zentraleuropa
Deutschland 32,0 41,6 26,0 +0,8
Kroatien 56,9 27,5 15,6 •
Liechtenstein 52,0 32,0 16,0 -3,0
Österreich 56,4 36,7 6,9 -0,6
Schweiz 37,8 46,5 16,0 -3,0
Slowakei 23,0 41,0 36,0
Slowenien • • • •
Restjugoslawien •
Tschechien 8,7 34,8 56,4 •

Südeuropa
Griechenland 42,8 39,1 18,1 +1,2
Italien 57,0 24,8 18,2 +1,8
Po rt ugal 54,4 23,1 22,5 -7,1
Spanien 50,6 37,1 12,3 +5,0
Türkei •

Westeuropa
Belgien 36,7 46,4 16,9 -1,0
Dänemark 44,1 30,0 25,9 -4,0
Frankreich 75,1 16,9 8,0 +0,9
Großbritannien 5,0 36,7 58,3 +1,6
Irland 1 ) 49,2 35,1 15,7 +0,7
Luxemburg 48,7 30,9 20,4 -0,4
Niederlande 63,0 12,5 24,5 +7,3

Osteuropa
Bulgarien 42,8 34,1 23,1 +1,3
Polen 8,0 43,2 48,8 +3,8
Rumänien 48,9 34,4 16,7 +7,0
Russische Föderation 1 ) 2 ) 55,9 38,7 5,4 +1,0
Ukraine 40,8 42,9 16,3 •
Ungarn 42,4 36,1 21,5 +1,9
Weißrußland 26,4 44,4 19,2 •

*) = neueste verfügbare Daten


1) = nur für Nadelbäume erhoben
2) = Erhebung nur in Teilregionen
- = keine Angaben verfügbar
Quelle: UN-ECE/CEE 1992
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Die höchsten Anteile deutlich geschädigter Wälder Tabelle 3.8
(Schadstufe 2 bis 4) treten in Großbritannien (ca.
58 %), Tschechien (ca. 56 %) und Polen (ca. 50 %) auf. Die Emission von SO2 , NOx und NH3 in Deutschland
Relativ geringe Schäden treten mit '7 bzw. 8 % in (in 1000 t)
Österreich und Frankreich auf. Das geringste Schad-
maß wies mit rund 6 % die Russische Föderation auf, Alte Neue
für die allerdings nur teilweise Erhebungsdaten vor- Gesamt Bundes- Bundes-
liegen. In den Staaten der Europäischen Gemein- länder länder
schaften zeigten insgesamt 43 % der Bäume keine
sichtbaren Schäden (Schadstufe 0). In diese Schad- Schwefeldioxid (50 2 ) 1 )
stufe fielen 41 % der Nadel- und 47 % der Laubbäume. Gesamtemission 5 690 940 4 750
Etwa 34 % der Bäume zeigten leichte Schäden (35 Pro- Kraft- und Fernheiz-
zent Nadel-, 31 % Laubbäume) und 24 % waren werke 4 070 320 3 750
deutlich geschädigt (24 % Nadel-, 22 Prozent Laub-
Industrie 900 410 490
bäume). Die wichtigsten Baumarten zeigen seit Ende
der 80er Jahre eine Ausweitung der Schäden. Bei den Haushalte und
Fichten und Kiefern nahm der Anteil deutlich geschä- Kleinverbraucher . 590 130 460
digter Bäume zwischen 1988 und 1992 jeweils um Verkehr 130 80 50
etwa 8 % auf rund 25 bzw. 21 % zu. Bei den Buchen Emissionsdichte
und Stieleichen stieg der Anteil um jeweils 8 % auf 23 in kg S/ha • Jahr 80 19 219
bzw. 35 %, bei den Traubeneichen um 4 auf 17 %.
Stickstoffoxide (NO X) 1 )
3.5.2 Ursachen der Waldschäden Gesamtemission 3 230 2 600 630
Kraft- und
Seit Beginn der 80er Jahre wurden in der Wissenschaft Fernheizwerke 610 340 270
eine Reihe von Hypothesen zur Erklärung der Wald- 70
Industrie 320 250
schäden aufgestellt. In der Regel handelte es sich
dabei um monokausale Ansätze, die zum Teil inzwi- Haushalte und
schen widerlegt wurden. Die jüngere Waldschadens- Kleinverbraucher . 120 110 10
forschung verdeutlicht dagegen eindringlich, daß das Verkehr 2 170 1900 270
Auftreten sichtbarer und nicht sichtbarer Schäden in Emissionsdichte
den Waldökosystemen auf eine Vielzahl miteinander in kg N/ha • Jahr 28 32 18
verknüpfter Ursachenkomplexe zurückzuführen ist,
die zeitlich und räumlich erheblich voneinander Ammoniak (NH 3 ) -
abweichen. Im einzelnen sind, dem heutigen Wissens-
Gesamtemission 2 ) 660 530 130
stand entsprechend, die folgenden Einflußfaktoren
am Auftreten großflächiger Waldschäden beteiligt: Tierhaltung 570 460 110
Mineraldüngung 65 50 14
— die direkte Wirkung von Luftschadstoffen auf die
oberirdischen Pflanzenteile, Sonstige 27 20 7
Emissionsdichte
— die langfristige Zufuhr und Anreicherung von
in kg N/ha • Jahr 15 18 10
Schad- und Nährstoffen in den Böden,
— der Witterungsverlauf, insbesondere das Auftreten 1) Alle Emissionswerte für SO2 und NO X beziehen sich auf das
Jahr 1990 (nach BMU 1992)
von klimatischen Extremsituationen wie lang
2) Nach UBA 1993; diese Daten beziehen sich auf das Jahr 1991;
anhaltenden Trockenzeiten, Früh- und Spätfrö- ihnen liegt eine Emission von 37 kg NH 3/Jahr/Großviehein-
sten, Temperaturstürzen etc. sowie heit zugrunde

— das Auftreten von Schädlingen.


Es ist vor allem das komplexe Zusammenwirken hervorgerufen. Darüber hinaus spielt das photoche-
dieser Einflußfaktoren, das zur Entstehung von groß- misch gebildete bodennahe Ozon eine Rolle (vgl.
flächigen Waldschäden führt. Jeder der genannten Abschnitt A, Kap. 2). In der Tabelle 3.8 sind die
Faktoren kann dabei eine Erkrankung sowohl auslö- Emissionsdaten für SO 2 , NOX und NH3 wiedergege-
sen als auch verstärken. Die Schlüsselposition inner- ben. Abbildung 3.4 verdeutlicht die Entwicklung der
halb dieses Wirkungsgeflechtes nimmt jedoch der Emissionen in den alten und neuen Bundesländern
Eintrag von Stoffen in die Waldökosysteme ein. Er soll innerhalb der letzten Jahrzehnte.
daher im Zentrum der folgenden Ausführungen ste- Schwefeldioxid entsteht überwiegend bei der Ver-
hen. brennung fossiler Energieträger. Es hat in etwa eine
Verweilzeit von ein bis drei Tagen in der Atmosphäre
und wird zu Schwefelsäure (H 2 SO4 ) umgewandelt, die
3.5.3 Die Rolle des Eintrags von etwa 10 Tage in der Atmosphäre verweilen und über
Luftverunreinigungen in die Wälder
weite Strecken transportiert werden kann.

Vor allem der seit langem stattfindende Eintrag von In den alten Bundesländern sind die Emissionsmen
Schwefeldioxid (SO2 ), Stickoxiden (NO X) und Ammo gen seit Mitte der 70er Jahre von knapp 4 Mio. t/Jahr
niak (NH 3 ) in die Wälder hat großflächige Schäden auf 0,9 Mio. t im Jahr 1990 zurückgegangen. Dies ist
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im wesentlichen auf den Einbau von Entschwefe- Konzentration über die photochemische Oxidation
lungsanlagen in den Kraftwerken zurückzuführen. In von Kohlenwasserstoffen, die ebenfalls zu einem
den neuen Bundesländern wurden im Jahr 1990 beträchtlichen Teil dem Verkehrsbereich entstam-
dagegen immer noch über 4 Mio. t SO 2/Jahr emittiert. men. Je höher der NO X -Anteil in der Luft ist, desto
Der überwiegende Teil davon entstammt den Kraft- höher ist die Ozonbildungsrate. Das Reizgas Ozon
und Fernheizwerken. Für die kommenden Jahre ist wirkt äußerst phytotoxisch und bewirkt Schäden an
jedoch mit einer Angleichung der Emissionswerte an den obe rirdischen Pflanzenteilen (s. 3.5.3.1).
das westdeutsche Niveau zu rechnen.
Die Emissionsdaten für Ammoniak sind mit erhebli-
Die NO x-Emissionen entstammen überwiegend dem
chen Unsicherheiten belastet. Mit ihrer Erfassung
Verkehr. Der Anteil anderer Emittenten hat sich in
wurde erst in jüngster Vergangenheit begonnen.
den alten Bundesländern innerhalb der letzten Jahre
Dabei treten erhebliche Meßschwierigkeiten auf.
deutlich vermindert (Abb. 3.4). Dieser Rückgang
Etwa 80 bis 85 % der NH 3 -Emission wird durch die
wurde jedoch zum Teil durch den Anstieg im Ver-
Tierhaltung freigesetzt, weitere rund 10 % durch die
kehrsbereich kompensiert, so daß im Jahr 1990 immer
Anwendung von Düngemitteln. Nichtlandwirtschaft-
noch 2,6 Mio. t NOx freigesetzt wurden. Zwischen
liche Quellen sind für etwa 5 % der Emission verant-
1980 und 1990 stieg der NO x -Ausstoß im Verkehrsbe-
wortlich (Isermann 1994, UBA 1993). Die Gesamt-
reich in den alten Bundesländern von 1,4 auf 1,9 Mio. t
emission im heutigen Bundesgebiet lag seit 1970
(BMV 1992). In den neuen Bundesländern liegt die
relativ konstant zwischen 0,74 und 0,85 Mio. t NH 3/
NOx-Emission seit Mitte der 70er Jahre in etwa
Jahr und sank zwischen 1990 und 1991, vornehmlich
konstant bei 0,7 Mio. t/Jahr. Sie wird aufgrund des
aufgrund des rapiden Rückgangs des Tierbestandes in
rasch zunehmenden Verkehrsaufkommen in abseh-
der ehemaligen DDR, auf 0,66 Mio. t ab. Diesen
barer Zeit deutlich anwachsen. Stickoxide werden
Werten liegt eine NH 3 -Emission pro Großvieheinheit
überwiegend als Stickstoffmonoxid (NO) freigesetzt
von 37 kg/Jahr zugrunde. Andere Schätzungen gehen
und innerhalb von Stunden in Stickstoffdioxid (NO 2)
von 30 kg NH3/Jahr (Mitteilung des BML) bzw., unter
umgewandelt, das bis zu 20 Tage in der Atmosphäre
Einbeziehung der Emission aus dem Futtermittelan-
verweilen kann.
bau, 44 kg NH 3/Jahr (Isermann 1994) aus. NH 3 wird in
Der Anstieg der Stickoxidemissionen ist maßgeblich der Luft zu Ammonium (NH 4 +) umgewandelt und in
für die Zunahme der troposphärischen Ozonkonzen- dieser Form meist durch Reaktion mit H 2 SO4 zu
trationen verantwortlich (vgl. Abschnitt A, Kap. 2.4). Ammoniumsulfat ((NH 4 ) 2 SO4 ) und überwiegend mit
Bodennahes Ozon entsteht bei genügend hoher NO R dem Niederschlag deponiert.

Abbildung 3.4(a): Die Entwicklung der Emissionen von SO 2 und NOx in der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen DDR
Quelle: BMU 1992
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Abbildung 3.4(b): Die Entwicklung der NH 3-Emissionen in der Bundesrepublik Deutschland


und der ehemaligen DDR
Quelle: UBA 1993

Die größten Emittenten von SO 2 in Europa sind, neben Seit 1980 sind die SO 2 -Emissionen im europäischen
der Bundesrepublik Deutschland, die europäischen Mittel um etwa 25 % zurückgegangen. Dabei wurden
Länder der ehmaligen Sowjetunion, Polen und Groß- die höchsten jährlichen Rückgänge zwischen 1980
britannien. Bezogen auf die Landesfläche weisen und 1985 erzielt, während die Emissionen seitdem nur
Belgien, die ehemalige Tschechoslowakai und die noch langsam abnahmen (UBA 1989, Sandnes und
neuen Länder der Bundesrepublik die höchsten Emis- Styve 1992). Die Stickoxidemissionen erhöhten sich
sionen auf; bei den Stickstoffoxiden sind es Belgien, im gleichen Zeitraum um etwa 5 %, während die
die alten Länder der Bundesrepublik und die Nieder- Ammoniakemissionen nahezu unverände rt blieben
lande. Das höchste absolute NO X -Emissionsniveau (Sandnes und Styve 1992).
weisen die Länder im europäischen Teil der ehemali-
gen Sowjetunion, Großbritannien und die Bundesre- Nur ein Teil der Emissionen geht in der weiteren
publik Deutschland auf. Beim Ammoniak gehört, Umgebung der Quelle wieder zu Boden; bei SO 2 etwa
neben diesen Staaten, auch Polen zu den Hauptemit- 30 bis 50 %, bei Ammoniak etwa 20 bis 40 %. Bei
tenten. Pro Flächeneinheit weisen Belgien, Dänemark Stickoxiden liegt dieser als Lokaldeposition bezeich-
und die Niederlande die höchsten Emissionsraten nete Anteil nur bei wenigen %en. Der größte Teil der
auf. Emission wird also in der Luft, zum Teil über Länder-
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Abbildung 3.5: Die Emission von SO2, NO„ und NH 3 in den Ländern Europas
Quelle: Krüger und Graßl 1993

grenzen hinweg, weitertransportiert und chemisch Schwefelverbindungen ergab sich in der Bundesrepu-
umgewandelt, bevor er über Niederschläge deponiert blik im Jahr 1990 insgesamt ein Exportüberschuß von
wird. über 800 Mio. t pro Jahr, bei Stickstoffverbindungen
von knapp 300 Mio. t pro Jahr (Abb. 3.6).
Am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland läßt
sich in etwa zeigen, welchen Umfang die Schadstoff Eine Untersuchung von Krüger und Graßl (1993)
importe und -exporte ausmachen (Abb. 3.6). Die hohe deutet darauf hin, daß die Lokaldeposition bei den
Gesamtemission auf relativ kleiner Fläche machen die bisherigen Berechnungen möglicherweise über-
Bundesrepublik Deutschland zu einem bedeutenden schätzt wurde. Unter Einbeziehung der tageszeitli-
„Nettoexporteur" von Schwefel- und Stickstoffoxi- chen und jahreszeitlichen Schwankungen der Depo-
den. Während größere Importe im wesentlichen aus sitionsbedingungen (Klima, Oberflächenzustand etc)
den westlich benachbarten Staaten sowie der ehema- zeigte sich, daß Schwefelemissionen unterhalb einer
ligen Tschechoslowakai kommen, werden die bun- Emissionshöhe von 100 m nur zu 11 % in der weiteren
desdeutschen Emissionen aufgrund der vorwiegend Umgebung deponie rt werden. Aus hohen Schornstei-
westlichen Windrichtungen vor allem nach Mittel- nen (über 100 m Höhe) sind es sogar nur 4 %.
und Osteuropa transportiert. Bei den oxidie rt en Entsprechend erhöht sich der Anteil der über die
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Abbildung 3.6: Atmosphärische Stofftransporte für das Jahr 1990 am Beispiel der Bundes-
republik Deutschland
Quelle: UBA 1991

Ländergrenzen hinweg transportieren Schadstoffan- men, sind als sogenannte „Rauchschäden" bereits seit
teils. Bei den Stickstoffverbindungen fielen die Diffe- dem letzten Jahrhundert bekannt. Sie treten im nähe-
renzen jedoch weit geringer aus (Krüger und Graßl ren Umkreis starker Emissionsquellen auf, sind jedoch
1993). zumindest in den alten Bundesländern in jüngerer
Zeit nicht mehr festzustellen. In den neuen Bundes-
ländern und in Osteuropa spielen zum Teil sehr hohe
5O2 -Konzentrationen in der Nähe von Kraftwerken
3.5.3.1 Direkte Wirkung von Schadgasen auf die
und anderen Emittenten dagegen auch heute noch
oberirdischen Pflanzenteile
eine Rolle.
Die Einwirkung der Schadgase auf die Wälder erfolgt Direkte Pflanzenschäden sind heute vorwiegend das
einerseits direkt über die obe rirdischen Pflanzenteile. Ergbebnis erhöhter bodennaher Ozonkonzentratio-
Aufgrund der großen Blatt- bzw. Nadeloberflächen nen. Als sehr phytotoxisches Gas schädigt es die
filtern Wälder weit mehr Schadstoffe aus der Luft als Zellmembranen und beeinträchtigt dadurch die Pho-
unbewaldete Flächen. Einige dieser Schadstoffe tosynthese der Pflanzen. Darüber hinaus ruft Ozon
— insbesondere SO 2 — wirken dabei in höheren latente Schwächungen hervor. So senkt es die Wider-
Konzentrationen phytotoxisch. Die durch sie hervor- standsfähigkeit der Bäume gegenüber Frösten, Trok-
gerufene Vergilbungen, vornehmlich bei Nadelbäu kenheit und anderen Streßfaktoren (BMFT 1993).
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Ozon und aus NOx und SO 2 entstehende Säuren die Pflanzen in zweifacher Weise. Zum einen vermin-
beschädigen darüber hinaus bei längerem Einwirken dert es die Aufnahme anderer positiv geladener Ionen
die schützende Wachsschicht der Blätter und Nadeln. (z. B. Ca, Mg) durch die Wurzeln und verstärkt damit
Dadurch wird die Nährstoffauswaschung aus den die Unterversorgung mit Nährstoffen. Zum anderen
oberirdischen Pflanzenteilen (,,Leaching") gefördert. wirkt Aluminium toxisch auf Pflanzen und Bodenor-
Die Wirkung dieses Nährstoffverlusts wird häufig ganismen und behindert das Wurzelwachstum. Es
durch ein verringertes Nährstoffangebot (Mg, Ca) im unterliegt darüber hinaus der Auswaschung und
Boden verstärkt, das seinerseits durch den Schadstoff- gefährdet als toxische Substanz in erheblichem Maße
eintrag in die Böden verursacht wird (s. u.). das Grund- und Quellwasser.
Je stärker die Bodenversauerung fortgeschritten ist,
um so geringer ist der Besatz mit Bodenorganismen.
3.5.3.2 Wirkungen langfristiger Stoffzufuhr und Dies hat weitreichende Konsequenzen für die natürli-
-anreicherung im Boden che Bodenfruchtbarkeit und den Nährstoffkreislauf.
Auf jedem Quadratmeter natürlichen Waldbodens
Schadstoffe aus der Luft wirken nicht nur direkt auf leben zum Beispiel etwa 250 Regenwürmer, die den
die Pflanzen ein, sie gelangen auch in die Böden, wo Boden durchwühlen und maßgeblich für eine stabile
sie sich zum Teil nach und nach anreichern und zu Bodenstruktur sorgen. Darüber hinaus sorgen Millio-
erheblichen Veränderungen der Standortbedingun- nen von Zersetzern für den Abbau der abgestorbenen
gen führen. Eine wesentliche Folge ist die Versaue- organischen Substanz und somit für die Schließung
rung der Böden. Schwefelsäure, Salpetersäure und der Nährstoffkreisläufe. Im saueren Milieu fehlen
Ammoniumsulfat, die sich aus SO 2 , NOx und NH3 viele dieser Lebewesen ganz oder teilweise, was zu
bilden,tragmßchzubei.InAägkt Veränderungen in der Bodenstruktur und der Nähr-
von den natürlichen Standortbedingungen ist inzwi- stoffversorgung sowie zum Entstehen von Humusauf-
schen in allen europäischen Ländern eine zuneh- lagen führt.
mende Bodenversauerung nachgewiesen worden. Zudem nimmt mit zunehmender Versauerung die
Die Folgen dieses Prozesses sind vielfältig Durchwurzelung der Böden ab. Die Baumwurzeln
(Abb. 3.7).
ziehen sich mehr und mehr aus den tieferen Boden-
Mit fortschreitender Versauerung eines Standortes schichten zurück, die Ausbildung von Feinwurzeln
werden zunächst Kalzium, Magnesium und Kalium, in kann beeinträchtigt sein. Dadurch verringert sich zum
fortgeschrittenem Stadium Mangan und Aluminium einen die Standfestigkeit der Bäume und damit ihre
aus den Bodenpartikeln gelöst und gehen in die Widerstandskraft gegenüber Stürmen. Zum anderen
Bodenlösung über. Dadurch unterliegen sie der Aus- verschlechtert sich die Nährstoffaufnahme und die
waschung und gehen dem Ökosystem über kurz oder Wasserversorgung. Mangelerscheinungen (z. B. Na-
lang verloren. Die Abfuhr von Kalzium, Magnesium delvergilbung) und trockenheitsbedingte Schäden
und Kalium verschlechtert die Nährstoffversorgung nehmen entsprechend zu.
und bewirkt, zum Teil verstärkt durch die Nährstoff- Lange Zeit unterschätzt wurde die Wirkung des
verluste durch „Leaching" (s. o.), eine Unterversor- anhaltenden Eintrags von Stickstoff in die Böden. Dies
gung der Pflanzen. Ein bekanntes sichtbares Sym- ist sicherlich unter anderem darauf zurückzuführen,
ptom für diese Wirkung ist zum Beispiel die Nadelver- daß die bis ins letzte Jahrhundert hinein anhaltende
gilbung in den Höhenlagen der Mittelgebirge, die auf lange Mißwirtschaft einen Mangel an Stickstoff her-
einen akuten Magnesiummangel zurückzuführen ist. vorgerufen hatte und der zusätzliche N-Eintrag über
Dagegen macht sich Kalziummangel hauptsächlich in die Luft als willkommene Düngung angesehen wurde.
den Wurzeln bemerkbar. Tatsächlich ist davon auszugehen, daß der in vielen
Wäldern festgestellte Anstieg der Zuwachsleistung in
Derartige Schäden werden sich in Zukunft weiter
erster Linie auf die Stickstoffeinträge zurückzuführen
ausweiten, darauf deuten die Ergebnisse der kürzlich
ist. Gleichsam verdeutlichen jüngere Forschungser-
in einigen Bundesländern durchgeführten Bodenzu-
gebnisse, daß der aktuelle Stickstoffeintrag bei wei-
standserhebung hin. Diese gibt Aufschluß über den
tem über der Verträglichkeitsgrenze der Waldökosy-
Stand der Nährstoffverluste in den Waldböden. In
steme liegt. Nur etwa 20 kg N/ha/Jahr können von
lehmigen Böden hoher Basensättigung sind die Mg-
den Pflanzen verwertet werden (BMFT 1993). Der
und Ca-Vorräte normalerweise mehr als 10 mal so
jährliche Eintrag liegt dagegen zwischen 20 und 80 kg
groß wie in der Pflanzendecke. Dem Aufbau neuer
N/ha/Jahr und erreicht in Extremfällen bis zu 200 kg
Bestandesbiomasse nach der Verjüngung sind von
N/ha/Jahr (Kreutzer 1993). Tabelle 3.9 zeigt beispiel-
daher keine Grenzen gesetzt. Dieser Zustand ist heute
hafte Messungen der Stickstoffeinträge mit dem
nur noch in etwa 15 % der Waldböden in der Bundes-
Bestandsniederschlag. Neben den absoluten Einträ-
republik Deutschland gegeben. Dagegen sind in 40 %
gen sind vor allem die jeweiligen Anteile des NH 4 +_
der Waldböden weniger als das Doppelte der im
Stickstoffs — aus der Landwirtschaft — bzw. des
Bestand gespeicherten Mg- und in 55 % weniger als
NO3 -Stickstoffs — aus Industrie und Verkehr — von
das Doppelte der im Bestand gespeicherten Ca-
Interesse. Zusätzlich zu den in der Tabelle angegebe-
Vorräte enthalten. Ohne die (künstliche) Zufuhr die-
nen Werten werden bis zu 10 kg N/ha/Jahr direkt von
ser Nährstoffe ist daher der Nährstoffbedarf der kom-
den Bäumen im Kronenbereich aufgenommen. Je
menden Baumgeneration nicht mehr durch den
nach Standort kann dadurch ein erheblicher Teil des
Boden abgedeckt (Ulrich und Puhe 1994).
Stickstoffbedarfs der Bäume bereits durch die direkte
Ein erhebliches Problem stellt auch das in versauerten Aufnahme von NOx und NH3 über die Blätter und
Böden freigesetzte Aluminium dar. Es beeinträchtigt Nadeln gedeckt werden.
Ab ildung 3.7FolgendsEitravSäuendticksof Böen
QuelEK190avrändt
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Tabelle 3.9

Stickstoffeinträge mit dem Bestandsniederschlag in Waldökosystemen


der früheren Bundesrepublik Deutschland

N-Deposition (kg/ha.a) 1 )
Land Jahr Baumart Autoren
NO3 --N NH4 +-N Gesamt

Nordrhein-Westfalen . . 1987 Fichte 10,4 —19,5 9,4 —40,4 — Hüser und


Rehfuess (1988)
Niedersachsen 1987 Fichte 8,1-15,7 10,2-15,5 — Hüser und
Rehfuess (1988)
Rheinland-Pfalz 1987 Fichte 10,9-18,8 6,7-12,0 — Hüser und
Rehfuess (1988)
Bayern 1987 Fichte 7,2-13,4 9,0-18,3 — Hüser und
Rehfuess (1988)
Baden-Württemberg . . 1987 Fichte 5,7-23,9 2,5-13,2 — Hüser und
Rehfuess (1988)
1988/1990 Fichte 5,4-31,8 2,0-18,9 Hochstein und
(Ø = 15,4) (Ø = 12,0) (Ø = 27,4) Hildebrand (1991)
1988/1990 Laubholz 5,2— 7,4 5,4-18,3 Hochstein und
(Ø = 6,7) (Ø = 10,0) (Ø = 16,7) Hildebrand (1991)
Hessen 1987 Fichte 8,6-20,9 5,0-17,5 Hüser und
Rehfuess (1988)
1983/1984 Fichte 6,2-24,9 4,1-18,8 Balázs (1991)
bis (Ø = 14,8) (Ø = 9,5) (Ø = 24,3)
1987/1988 Buche 6,1-16,6 3,6-17,2 Balázs (1991)
(Ø = 9,1) (Ø = 6,7) (Ø = 15,8)

1) a) zusätzliche ionogene und gasförmige (NH 3 , NON , HNO3 ) N-Aufnahme im Kronenbereich: 3-8 (10) kg/ha.a (Matzner 1989,
Eilers et al. [1991]; Brumme et al. 1992)
b) zusätzliche atmosphärische N-Deposition in Form von organischem N -
Quelle: Isermann 1994

Das Überangebot an Stickstoff ruft eine Vielzahl Der Eintrag von NH 4 + in die Böden fördert die Ver-
nachteiliger Effekte hervor, die eine weitere Destabi- sauerung. Bei der Aufnahme eines NH 4 +-Ions durch
lisierung der Waldökosysteme bewirken und darüber die Wurzeln wird jeweils ein Wasserstoffproton (H+)
hinaus weitreichende Konsequenzen für die Grund- freigesetzt, d. h. der Boden versauert. Auch bei der
wasserqualität und das Klima haben (Abb. 3.7). Nitrifikation von NH 4 + zu NO3- kann H+ freigesetzt
werden. Heute macht das aus der Landwirtschaft
So verursacht ein lang anhaltender hoher Stickstoff- stammende Ammonium in etwa die Hälfte des in die
eintrag zum Beispiel Nährelement-Ungleichge- Böden der alten Bundesländer eingetragenen Ver-
wichte. Dabei sind mehrere Prozesse wirksam. Zum sauerungspotentials aus (Isermann 1994).
einen konkurriert NH4+ mit anderen positiven Ionen
(z. B. K, Mg, Ca) um die Wurzelaufnahme und versau- Ein weiterer wesentlicher Effekt des erhöhten Stick-
ert den wurzelnahen Boden. Ein Überangebot an stoffeintrages in die Böden ist die Freisetzung von
NH4 + vermindert entsprechend die Aufnahme ande- Lachgas (N 2O ), das sowohl an der anthropogenen
rer Nährlemente durch die Wurzeln. Klimaänderung als auch beim stratosphärischen
Ozonabbau beteiligt ist. N 2O entsteht biogen haupt-
Nährelementverluste werden darüber hinaus durch sächlich durch die mikrobiell katalysierten Prozesse
hohe Nitratgehalte (NO 3 -) in den Böden bewirkt. Das der Nitrifikation und Denitrifikation. Bei der Nitrifika-
Anion NO3 -, das auch bei der Nitrifikation von NH 4 + tion, die unter aeroben Bedingungen verläuft, wird
entsteht, ist im Boden mobil und wird, sofern es nicht Ammonium (NH4 ) zu Nitrat (NO 3 ) oxidiert, das vor-
durch Denitrifikation oder Pflanzenaufnahme aus der nehmlich unter anaeroben Bedingungen durch
Bodenlösung verschwindet, ausgewaschen. Dabei den Prozeß der Denitrifikation zu N 2O bzw. N2 redu-
wird jeweils eine äquivalent Menge an Kationen (Ca, ziert werden kann (vgl. Abschnitt B, Kap. 2.2.2). Auf
Mg, K) mit verlagert und geht den Pflanzen verloren. versauerten Standort entfällt häufig der letzte chemi-
Neben diesem Nährelementverlust ist vor allem die sche Umwandlungsschritt, so daß N 2O als Endprodukt
Nitratanreicherung im Grund- und Quellwasser verstärkt anfällt und in die Atmosphäre entweicht. Es
äußerst problematisch. Im Sickerwasser stickstoffge- muß darüber hinaus auch mit einem erhöhten N 2O
sättigter Waldökosysteme können bis über 50 mg Produktionspotential durch heterotroph nitrifizie-
NO3 -/l auftreten. rende Mikroorganismen gerechnet werden.
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Es steht demnach zu befürchten, daß der lang anhal- schen direkt pflanzenschädlicher Luftverschmutzung
tende Stoffeintrag in die Wälder zur Entstehung einer und dem lang anhaltenden Stoffeintrag in die Wälder
neuen Quelle für klimarelevante Spurengase geführt auf der einen Seite sowie klimatischen und biologi-
hat, die zur Zeit allerdings nur schwer quantifiziert schen Störfaktoren auf der anderen. Die Wirkung von
werden kann. Ulrich und Puhe (1994) schätzen für Säuren- und Stickstoffeinträgen nimmt in diesem
Deutschland, daß sich die aus Wäldern entweichende Ursachenkomplex eine Schlüsselstellung ein. Dabei
N2O -Menge innerhalb der letzten Jahrzehnte von spielt die direkte Schädigung der Pflanzen durch hohe
etwa 1,6 kg N 2O/ha/Jahr auf bis zu 8 kg N 2O/ha/Jahr S02 -Konzentrationen praktisch nur noch im östlichen
erhöht hat. Da die spezifische N 2O -Emission von einer Europa und der ehemaligen DDR eine Rolle. In den
Vielzahl von Faktoren (z. B. Mikrobielle Prozesse der westeuropäischen Ländern sind vor allem die Nähr-
Nitrifikation und Denitrifikation, Grad der Stickstoff- stoffverluste infolge von Bodenversauerung für die
sättigung, pH-Wert des Bodens, Temperatur- und Destabilisierung der Waldökosysteme verantwortlich.
Feuchteverhältnisse etc.) abhängt, ist eine zuverläs- Besonders hervorzuheben sind die vielfältigen Beein-
sige Abschätzung der Gesamtemission von N 2O aus trächtigungen der Wälder durch die starke Immission
Waldböden zur Zeit nur schwer möglich. Eine grobe von Stickstoffverbindungen, die vor allem dem Ver-
Abschätzung auf der Basis des Anteils an stark ver- kehrsbereich und der Landwirtschaft entstammen.
sauerten Waldböden an der Gesamwaldfläche soll Dabei ist zu bedenken, daß das vornehmlich im
dennoch gegeben werden, um die potentielle Größen- Verkehr freigesetzte NOx neben den direkten Einwir-
ordnung veranschaulichen zu können: In der Bundes- kungen auf die Waldökosysteme entscheidend für die
republik Deutschland dürfte etwa ein Viertel der Entstehung hoher Ozonkonzentrationen verantwort-
Waldböden stark versauert sein (vgl. Ulrich 1993). Bei lich ist, die ihrerseits die Pflanzen massiv angreifen
einer Gesamtwaldfläche von knapp 11 Mio. ha ent- und in vielen Gebieten Europas zu erheblichen Schä-
spräche dies rund 2,7 Mio. ha. Bei einer Freisetzung den an der Vegetation führen.
von 8 kg N 2O pro Jahr und Hektar dürften hier über
20 000 t N2O entweichen. Diese Menge entspricht Ökosysteminterne Anpassungsmechanismen und das
etwa einem Zehntel der gesamten N 2O -Emission in Puffervermögen der Waldböden gegenüber Säuren
der Bundesrepublik Deutschland. haben rund ein Jahrhundert das großflächige Auftre-
Neben diesen bodengebundenen Prozessen lösen die ten von Schadsymptomen verhindert. Inzwischen sind
Stickstoffeinträge physiologische Reaktionen der jedoch bei einem Teil der Wälder — Ulrich (1993)
Bäume aus. So erhöht sich zum Beispiel die Frostemp- schätzt ihn für Westdeutschland etwa auf ein Viertel
findlichkeit, der Mykorrhiza-Besatz geht zurück und des Bestandes — die Filtermechanismen erschöpft.
das Verhältnis von Sproß- zu Wurzelbiomasse verengt Dies zeigt sich oberirdisch durch die zunehmende
sich. Letzteres kann sich nachteilig auf die Wasserver- Anfälligkeit der Bäume gegenüber sekundären Streß-
sorgung auswirken. faktoren wie Trockenheit, Stürme oder Schädlingska-
lamitäten. In den Böden ist das Absinken des pH- -
Der Stickstoffüberschuß und die Einträge aus der Luft Wertes und der Basensättigung (d. h. des Anteils von
verändern zudem die Qualität des anfallenden Kalzium-, Kalium- und Magnesiumionen an der effek-
Humus,. In ihm reichert sich mit der Zeit eine erheb- tiven Kationenaustauschkapazität) ein alarmierendes
liche Stickstoffmenge an, die durch einen plötzlichen Zeichenfür den labilen Zustand der Waldökosysteme.
Wechsel der Mineralisations- und Nitrifikationsbedin- Ohne die (künstliche) Zufuhr von Nährelementen (Ca,
gungen, z. B. nach Sturmwurf, rasch abgebaut wird, Mg, K) ist vielfach der Nährstoffbedarf der kom-
ohne daß die Pflanzendecke den N-Überschuß nutzen menden Baumgeneration nicht mehr durch den
könnte. Erhöhte Auswaschung von Nitrat ins Grund- Boden abgedeckt (Ulrich und Puhe 1994). Diese „nicht
wasser ist eine der Folgen. sichtbaren" Schäden werden in Zukunft in Form von
Zuwachsverminderungen in Kulturen, zusammenbre-
Außerdem bewirkt der Stickstoffeintrag eine Ver-
chenden Stangenhölzern, Baumsterben und einer
schiebung des Artenspektrums hin zu stickstofflie-
weiteren Zunahme der Empfindlichkeit gegenüber
benden Pflanzen. In Extremfällen entwickeln sich
sekundären Stressoren bemerkbar. Dies ist um so
dichte Bodendecken aus Gräsern, Brombeere, Kräu-
besorgniserregender, da die künftigen Klimaände-
tern oder Brennessel. Aufgrund ihres dichten Wurzel-
rungen in weiten Teilen Europas zum verstärkten
werks sind die Bodendecker bei der Wasseraufnahme
Auftreten trockener Sommer, starken Stürmen und
gegenüber den nachwachsenden Bäumen bevorteilt
Schädlingskalamitäten führen können (Kap. 5). Ent-
und können vornehmlich in trockeneren Gebieten
sprechend sind Maßnahmen zur Stabilisierung der
eine Auflichtung des Waldbestandes verursachen
Wälder dringend erforderlich und stellen eine große
(Hofmann u. a. 1990). Dies wiederum verringert die
Herausforderung dar. Um beispielsweise die kritische
Verdunstung und wirkt sich auf den gesamten Was-
Schadstoffbelastung der Wälder nicht zu überschrei-
serhaushalt eines Gebietes aus. Von Natur aus nähr
ten, müßte laut Ulrich (1991) innerhalb der nächsten
stoffarme Standorte werden durch die Stickstoffein-
10 bis 20 Jahre die Emission von NOx und NH3 um 55
träge stark verändert, was eine weitgehenden Ver-
bis 60 %, die von SO 2 um 25 % vermindert werden.
drängung der ursprünglichen Pflanzengesellschaften
Langfristig, d. h. in 20 bis 40 Jahren, sind bei den
zur Folge haben und sich massiv auf die biologische
Stickstoffverbindungen Emissionsminderungen um
Vielfalt auswirken kann.
80 %o, bei SO 2 um 50 %, jeweils auf das voraussichtli-
che Niveau von 1995 bezogen, erforderlich. Die Bun-
3.5.4 Fazit desrepublik Deutschland hat hier als einer der größten
Großflächig auftretende Waldschäden in Europa sind Schadstoffemittenten in Europa zwar eine besonder
das Resultat komplexer Kombinationswirkungen zwi Verantwortung. Anzustreben ist jedoch — vor allem
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

im Hinblick auf die grenzüberschreitenden Schad- wasser bis auf maximal 160 m Tiefe abgesenkt. Die
stofftransporte — eine Verminderung in allen europäi- Grundwasserentnahme übersteigt die Neubildungs-
schen Staaten. Die bereits bestehenden Vereinbarun- rate um etwa das Dreifache. Das dadurch entstandene
gen im Rahmen der Genfer Luftreinhaltekonvention Grundwasserdefizit wird auf über 8 000 Mio. m 3
sind vor diesem Hintergrund wesentlich zu verschär- 3 Wasser, die geschätz.Daukomnweir450
fen (vgl. Kap. 7.3.1). Dabei ist zu beachten, daß in Zukunft zum Auffüllen der Tagebaurestlöcher
zwischen der Reduktion der Schadstoffemission und benötigt werden.
spürbaren Verbesserungen in den Waldökosystemen
Die massive Beeinflussung des Wasserhaushaltes
Zeiträume von mehreren Jahren und mehr verge-
durch den Braunkohletagebau stellt vor allem die
hen.
Wasserversorgung vor erhebliche Probleme. Eine
direkte Auswirkung auf die Waldbestände dürfte
höchsten in Einzelfällen wirksam werden, da die
3.6 Sonstige Waldgefährdungen Wälder ihren Wasserbedarf in der Regel durch das
Niederschlagswasser abdecken, der Tagebau jedoch
Neben der Waldschädigung durch Luftverunreini- vor allem tiefliegende Grundwasserstockwerke be
gungen und deren Deposition treten eine Vielzahl von trifft. Indirekt können Waldbestände jedoch durchaus
Einflußfaktoren auf, die die Waldentwicklung nach- von den Auswirkungen des Braunkohleabbaus betrof-
teilig verändern. Im einzelnen sind in diesem Zusam- fen sein. So tragen zum Beispiel die vom Braunkohle-
menhang zu nennen: tagebau gehobenen Wässer in erheblichem Maße
— Waldbrand zum Erhalt des Spreewaldes bei. Will man das Grund-
wasserdefizit im Lausitzer Revier ausgleichen, so wird
— extreme Wetterereignisse sich der Pegel der Spree unweigerlich deutlich absen-
— biotische Schäden (Insekten, Pilze, Wild) ken. Die Konsequenzen für den Spreewald können
noch nicht abgesehen werden. Umgekehrt können in
— Erosion sensiblen Bereichen mit hohem Grundwasserstand
— Tagebau (zum Beispiel in Teilen des Naturparks Maas-
Schwalm-Nette) durch die Grundwasserabsenkung
— Landnutzungskonflikte (Waldweide, Jagd, Touris- Waldschäden entstehen. Durch gezieltes Einleiten
mus, illegale Nutzungen) und Verrieseln von Wasser können derartige Effekte
jedoch vermieden werden (TAB 1993).
— Probleme der Forstwirtschaft (keine standortge-
rechten Baumarten, ungünstige Altersklassenver- Insgesamt ist es nicht möglich, einen vollständigen
teilung, mangelnde Bestandspflege, Übernutzung, Überblick über Schadensflächen und Auswirkungen
hoher Anteil an Niederwald) der einzelnen oben genannten Problembereiche dar-
-
zulegen. Im folgenden sollen daher zwei wesentliche
Die Wirkungen dieser Faktoren sind in der Regel Schadfaktoren beispielhaft beleuchtet werden, die in
regional begrenzt und können nur Ansatzweise abge- einigen Regionen der gemäßigten Breiten erhebli-
schätzt werden. Als Beispiel für die zum Teil sehr chen Einfluß auf die Waldentwicklung haben: Wald-
komplexen Zusammenhänge kann der Einfluß des brände und Wildverbiß.
Braunkohleabbaus auf die Waldbestände herangezo-
gen werden. Im Zusammenhang mit dem Tagebau
sind insbesondere die zumindest zeitweise auf treten-
3.6.1 Waldbrände
den Waldverlusten im Bereich der Abbauflächen von
Bedeutung. Darüber hinaus kann sich der massive
Waldbrände in der gemäßigten Zone sind vor allem in
Einfluß des Braunkohleabbaus auf den Wasserhaus-
den USA und im Mittelmeerraum ein ernstes Problem.
halt indirekt auf die Wälder auswirken. Eine der
Zwar wurden in den USA große Erfolge im Kampf
Voraussetzungen für den bergmännischen Braunkoh-
gegen die Waldbrandentstehung erzielt. Seit Beginn
leabbau ist das Absenken des Grundwasserspiegels,
des Jahrhunderts sank die durchschnittliche Wald-
das Abfangen der in das Abbaugebiet strömenden
brandfläche von 12 bis 16 Mio. ha/Jahr auf 1 bis 2 Mio.
Grund- und Oberflächenwässer und das Ableiten der
ha/Jahr (Haynes 1990, MacCleery 1992). Dennoch
abgepumpten Wässer in die nahegelegenen Vorflu-
treten katastrophale Brände auch heute noch auf, wie
ter. Allein im rheinischen Braunkohlerevier werden in
die jüngsten Ereignisse in Kalifornien belegen. Die
den vier Abbaustellen jährlich knapp 800 Mio. m 3
Intensität der Brände nimmt dabei zu, da sich auf-
Waserbgpumt.IBichderEfsolt
grund der Brandschutzmaßnahmen die Menge an
Grundwasserpegel bis in eine Tiefe von 600 m abge-
Totholz und sonstiger leicht entzündlicher organi-
senkt worden, im Norden des Braunkohlereviers bis in
scher Substanz in den Wälder deutlich erhöht hat.
etwa 100 bis 120 m. Noch größer sind die Eingriffe im
Bereich des Lausitzer Braunkohlereviers. Hier werden In Europa haben Waldbrände vor allem im Mittel-
zur Zeit pro Jahr etwa 1 000 Mio. m 3 Wasser gehoben meerraum eine erhebliche Bedeutung. Hier brennen
und in die nahegelegenen Flüsse — vor allem die jährlich etwa 500 000 ha Wald- und Macchienflächen,
Spree — eingeleitet. Auf 2 117 km 2 wurde das Grund davon der größte Teil in Spanien (Tab. 3.10).
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Tabelle 3.10

Waldbrände im Mittelmeerraum

Land Brandfläche (ha/Jahr) Beobachtungszeitraum Quelle

Griechenland 52 400 1980-1989 Knopf (1991)


Italien ca. 50 000 1970-1986 Poker (1994 b)
Portugal ca. 75 000 1978-1981 UN-ECE/FAO (1984)
Spanien ca. 200 000 1972-1981 UN-ECE/FAO (1984)
Türkei 11 400 1982-1988 Canakcioglu (o. J.)
Sonstige ca. 100 000 — Poker (1994 b)

3.6.2 Wildschäden republik allein 2,1 Mio. Stück Rehwild, 165 000 Stück
Schwarzwild, 145 000 Stück Rotwild. Dazu kommen
Unter Wildschäden sind negative Einwirkungen des noch die Bestände der drei vom Menschen eingeführ-
im Wald lebenden Wildes auf das Pflanzenwachstum ten Schalenwildarten: 72 000 Stück Damwild, 20 000
zu verstehen, die in der Regel entweder durch Verbiß Stück Muffelwild und 1 500 Stück Sikawild.
oder das Abschälen der Rinde entstehen. Diese Schä-
In einem naturnahen Wald wird der Wildbestand von
den sind insofern klimarelevant, als daß sie zu einer
einer Vielzahl natürlicher Regelungsmechanismen
Destabilisierung der Waldökosysteme und damit
gesteuert (Abb. 3.8). Diese sind vom Menschen weit-
einer Verringerung der Anpassungsfähigkeit an künf-
gehend außer Kraft gesetzt worden. So sind die
tige Klimaänderungen führen. Besonders betroffen
Beutegreifer aus den Wäldern Mitteleuropas ver-
sind dabei die Bergwälder, die durch andere anthro-
drängt worden, und Krankheiten können durch Ver-
pogene Einwirkungen (z. B. Ski-Tourismus), ohnehin
abreichung von Medikamenten mit dem Futter
stark belastet sind.
behandelt oder verhindert werden. Besonders proble-
Die übliche Jagd- und Hegepraxis hat in der Bundes- matisch wirkt sich die zusätzliche Fütterung im Herbst
republik Deutschland in vielen Regionen zu überhöh- und Frühjahr aus, die Nahrungsengpässe vermeidet
ten Schalenwildbeständen und damit zur Ausweitung und die Fortpflanzung des Wildes begünstigt. Den
von Verbißschäden in den Wäldern geführt. Diese Jägern ist es aufgrund der rechtlichen Bestimmungen
sind zu einem wesentlichen Einflußfaktor für den je nach Bundesland erlaubt, die winterliche Fütterung
Zustand und die Entwicklung der Wälder geworden. auf bis zu acht Monate auszudehnen. Dadurch steigt
Im Rahmen der jüngsten Bundeswaldinventur wurde nicht nur der Wildbestand, sondern auch die Stärke
ermittelt, daß ein Drittel der Bäume mit einer Höhe der Trophäen.
von 20 bis 50 cm geschädigt sind. Darüber hinaus
Die Hegepraxis der Jäger hat innerhalb der vergan-
wiesen 25 % der Bäume über 10 cm Brusthöhendurch-
genen Jahrzehnte zu einer starken Zunahme der
messer (BHD) Stammschäden auf (BML 1993 b).
Wilddichte geführt, die sich deutlich auf den Zustand
Über den Wildbestand liegen nur Schätzungen vor der Waldökosysteme auswirken und im einzelnen
(Tab. 3.11). Danach leben in den Wäldern der Bundes- folgenden Schäden hervorrufen:
— Zuwachsverluste durch Wildverbiß,
— Beeinträchtigung der Verjüngung, insbesondere
Tabelle 3.11 bei Laubbäumen und Tannen, durch den massiven
Verbiß von Jungpflanzen,
Wildbestand in der Bundesrepublik Deutschland
— geschätzter Frühjahrs-Bestand ohne jährlichen Zuwachs — — Verlust von Arten in der Kraut- und Strauchschicht
durch Äsung,
— Bundesländer — — Verringerung der Anpassungsfähigkeit an künf-
Wildart
alt neu
tige Klimaänderungen aufgrund der einge-
schränkten Wanderfähigkeit der Bäume in Gebie-
Rohwild 85 000 60 000 ten mit hohen Wilddichten.
Damwild 32 000 40 000 Die Verbißschäden sind häufig so groß, daß eine
Sikawild 1 500 — Waldverjüngung nur noch in umzäunten Arealen
zufriedenstellend erreicht werden kann. So fallen zum
Rehwild 1 700 000 400 000
Beispiel in den Bergwäldern der Alpen die Jungpflan-
Muffelwild 8 000 12 000 zen der Tannen, Eiben, Ahorn, Eschen und anderen
Schwarzwild 85 000 80 000 Laubbaumarten dem Wildverbiß nahezu vollständig
Gamswild 10 000 — zum Opfer (Burschel u. a. 1990). Durch die notwendi-
gen Schutzmaßnahmen erhöht sich der Aufwand für
Quelle: DJV 1992 die Forstwirtschaft erheblich. Es wird geschätzt, daß
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Abbildung 3.8: Dichteunabhängige und -abhängige Faktoren für die natürliche Regulierung des Wildbestandes
Quelle: Oelke und Schulz-Kühnel 1986

zum Schutz von Aufforstungen vor Wildschäden Besonders problematisch ist, daß vor allem naturge-
durchschnittlich Kosten in Höhe von 20 bis 25 DM/ha mäße Waldbewirtschaftungsformen, die auf eine aus-
Holzbodenfläche (effektiv bewirtschaftete Waldflä- reichende Naturverjüngung angewiesen sind, stark
che ohne Wege u. ä.) entstehen. Dies würde einem unter Verbißschäden leiden. Dagegen sind Fichten-
Gesamtumfang von rund 250 Mio. DM pro Jahr reinbestände weniger gefährdet, da die Fichte nur in
entsprechen. In Jahren mit hohen Wiederauffor- Notzeiten verbissen wird. Hohe Wildbestände verhin-
stungsraten, zum Beispiel nach extremen Sturmereig- dern daher nicht selten die Umstellung der Bewirt-
nissen, erhöht sich dieser Wert erheblich. Berücksich- schaftung auf naturgemäße Verfahren.
tigt bei diesen Kosten sind nur die Material- und
Um der Gefährdung durch Wildverbiß wirkungsvoll
Arbeitskosten zur Anbringung von Zäunen, Man-
begegnen zu können, reichen die bisherigen rechtli-
schetten und anderen Schutzvorrichtungen (Mittei-
chen Bestimmungen nicht aus (vgl. Kap. 7.3.3.2).
lung BML).
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

4. Bestand und Gefährdung der tropischen Wälder

Vorbemerkung Temperaturschwankungen größer sind als die jahres-


zeitlichen. Der so definierte Raum erstreckt sich in
In ihrem zweiten Bericht hat die Enquete-Kommission etwa vom nördlichen zum südlichen Wendekreis und
„Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre " die Pro- umfaßt somit weite Teile Lateinamerikas, Afrikas,
blematik der Tropenwaldvernichtung ausführlich ganz Süd- und Südostasien sowie das nördliche
behandelt und umfangreiche Handlungsempfehlun- Australien (Abb. 4.1).
gen erarbeitet (EK 1990a). An dieser Stelle soll daher Für die vegetationsgeographische Gliederung der
lediglich eine kurze und aktualisierte Darstellung des Tropen ist die Höhe und zeitliche Verteilung der
Ausmaßes sowie der Ursachen und Folgen der unver- Niederschläge von maßgeblicher Bedeutung. Auf-
mindert fortschreitenden Tropenwaldvernichtung er- grund der ganzjährig hohen Temperaturen (mit Aus-
folgen. Sofern keine anderen Quellen angegeben nahme der tropischen Gebirgsregionen) sind die
sind, stützen sich die Aussagen auf den oben genann- Feuchtigkeitsverhältnisse der entscheidende Faktor
ten Kommissionsbericht. für die Pflanzenentwicklung. Für die Entstehung von
Wäldern sind dabei Jahresniederschläge von minde-
stens 500 bis 700 mm notwendig. In Teilen der Tropen
werden diese Werte nicht erreicht, sie sind daher
4.1 Geographische Verbreitung, Gliederung und natürlicherweise waldfrei. Die meisten tropischen
Ökologie der tropischen Waldökosysteme Gebiete sind jedoch mit Wald bestockt. Die Gesamt-
waldfläche betrug Anfang der 90er Jahre laut FAO
Die Abgrenzung der Tropen kann anhand verschie- (1993a) 1 710 Mio. ha. Dabei tritt eine erhebliche
dener klimatischer Kriterien erfolgen und ist nicht zonale und regionale Vielfalt verschiedener Waldöko-
einheitlich. Im folgenden soll unter den Tropen die systemtypen auf, die im folgenden grob charakteri-
Zone verstanden werden, in der die tageszeitlichen siert werden soll.

Abbildung 4.1: Grenzen der Tropen und Zonierung nach Temperatur und Feuchtigkeit (hygrothermische Zonierung)
Quelle: EK 1990a
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

4.1.1 Immergrüne tropische Feuchtwälder Mio. Tier- und Pflanzenarten wissenschaftlich erfaßt
und beschrieben. Davon sind 36 % der höheren Pflan-
Das Verbreitungsgebiet der immergrünen tropischen zen, mehr als 90 % der Farne, 75 % der Moose und
Feuchtwälder ist auf Regionen beschränkt, in denen mehr als 40 % der Arthropoden (Gliederfüßler, z. B.
ganzjährig ausreichend Feuchtigkeit für das Pflan- Insekten, Krebse und Spinnen) in den Tropen behei-
zenwachstum zur Verfügung steht. Im Durchschnitt matet. Über die tatsächlich vorhandene Artenzahl
liegen die Jahresniederschläge zwischen 2000 und bestehen nur sehr vage Vorstellungen. Konservative
3000 mm, in Extremfällen erreichen sie Höhen von Schätzungen gehen von drei bis zehn Mio. Arten aus.
über 12 000 mm. Die Trockenzeit dauert maximal zwei Einzelne Studien schätzen die Zahl auf dreißig bis
Monate. Im wesentlichen sind immergrüne tropische fünfzig Mio.. Da etwa 90 % der unbeschriebenen
Feuchtwälder in den inneren Tropen, etwa zwischen Arten in den Tropenwäldern beheimatet sein dürften,
10° Nord und 10° Süd, anzutreffen. nimmt man an, daß in den tropischen Feuchtwälder
50 bis 75 % aller auf der Erde vorkommenden Tier-
und Pflanzenarten leben. Einige Schätzungen gehen
Tropische Regenwälder sogar von 90 % aus. Ein typisches Merkmal für die
tropische Tier- und Pflanzenwelt ist der sehr große
Unterschied der Artenzusammensetzung an verschie-
Der überwiegende Teil der immergrünen Feuchtwäl-
denen Standorten, verbunden mit einem hohen Grad
der befindet sich in den tropischen Tieflandgebieten
von Endemismus (d. h. Begrenzung des Verbreitungs-
in Höhen bis etwa 800 m ü. NN. Dieser als Regenwald
gebietes einer Art auf einen sehr engen Bereich). Auf
bezeichnete Waldtypus beschränkt sich auf das Ama-
Madagaskar sind etwa 60 % der rund 12 000 hier
zonas-Orinoko-Becken in Südamerika, den Golf von
beheimateten Pflanzenarten Endemiten. Auch Indo-
Guinea und das Kongo-Becken in Afrika sowie Sri
nesien mit seinen 13 000 Inseln weist einen sehr hohen
Lanka, das westliche Indien, Thailand, Indochina, die
Endemismusgrad auf.
Philippinen, Malaysia, Neuguinea und Indonesien in
Asien. Das Verbreitungsgebiet umfaßt insgesamt Verbunden mit der großen Artenzahl in tropischen
etwa 700 Mio. ha (FAO 1993a). Feuchtwäldern ist eine geringe Zahl von Individuen
Die tropischen Regenwälder sind durch eine vielfäl- einer Art pro Flächeneinheit. Dies gilt insbesondere
tige physiognomische und ökologische Struktur für Bäume und Wirbeltiere. Auf einem Hektar tropi-
gekennzeichnet. In der Regel weisen sie drei bis vier schen Regenwaldes treten häufig über 100 verschie-
Vegetationsschichten auf. Die höchsten Bäume errei- dene Baumarten auf. Von den häufigsten Baumarten
chen Höhen von 45 bis 55 m, gelegentlich bis über finden sich oftmals nur zwei bis drei Exemplare auf
60 m. Sie stehen einzeln oder gruppenweise, bilden einem Hektar, viele Baumarten sind auf 10 ha nur mit
kein geschlossenes Dach und werden daher als Ober- einem fortpflanzungsfähigen Individuum vertreten.
ständer bezeichnet. Die darunter liegende, meist Die meisten Tierarten verteilen sich in jeweils relativ
geschlossene Kronenschicht wird von 30 bis 35 m kleinen Populationen auf eine Vielzahl einzelner
hohen Bäumen gebildet. Je nach einfallender Licht- ökologischer Nischen. Dabei handelt es sich im
menge befindet sich darunter eine dritte oder gar wesentlichen um pflanzenfressende (herbivore)
vierte Baumschicht. Jedes Stockwerk ist durch spezi- Ameisen und Insekten. Insbesondere Wirbeltiere sind
fische ökologische Bedingungen gekennzeichnet. So selten. Entsprechend ist die tierische Biomasse in
nimmt der Lichteinfall von oben nach unten rasch ab. tropischen Regenwäldern auffällig gering. Im amazo-
Die oberste Schicht läßt oftmals nur noch ein Viertel nischen Regenwald wurden pro Hektar lediglich
des Lichteinfalls in tiefere Schichten durchdringen. 30 kg pflanzenfressender (herbivore) und 15 kg
Nur 1 % und weniger des Lichtes dringt bis in Boden- fleischfressender (carnivore) Tiere ermittelt. Mit
nähe vor. Die im Tagesverlauf auftretenden Tempera- einem Verhältnis von pflanzlicher zu tierischer Bio-
turschwankungen nehmen wie die Verdunstungsrate masse von etwa 1: 2 500 dürften diese Wälder relativ
von oben nach unten ab. Relative Luftfeuchte und zur Phytomasse den geringsten Tierbesatz aller Öko-
CO2 -Gehalt der Luft liegen dagegen in den unteren systeme aufweisen.
Schichten deutlich höher als in den oberen Stockwer- Die Biomassendichte tropischer Regenwälder ist aus-
ken.
gesprochen hoch. Sie wird nur von den temperierten
Der limitierende Wachtumsfaktor in tropischen Regenwäldern entlang der pazifischen Küste Nord-
Regenwäldern ist das Licht. Das „ewige Dunkel" im amerikas übertroffen. Im Mittel beträgt die Phyto-
Innern dieser Wälder verhindert die Entstehung einer masse pro Hektar etwa 500 t Trockensubstanz. 75 bis
Strauch- und Krautschicht. Eine Regeneration tritt in 90 % davon sind oberirdisch und liegen zu über 90 %
der Regel nur in Lücken auf, die durch Baumfall, in Form von Holz lebender Bäume vor. Auf die
Erdrutsche, Sturm oder Feuer entstehen. Da diese Blattmasse entfallen nur 2 bis 3 %. Auch die Primär-
kleinräumig stets vorkommen, sind intakte tropische produktion ist mit einem jährlichen Zuwachs von
Regenwälder durch ein kleinräumiges Mosaik aus 20 bis 30 t/ha außerordentlich hoch. Eine genaue
unterschiedlich weit entwickelten Beständen gekenn- Quantifizierung ist allerings z. B. aufgrund der fehlen-
zeichnet. den Jahresringe und der auftretenden Formenfülle
schwierig.
Die horizontale und vertikale strukturelle Vielfalt hat
zusammen mit den seit Jahrmillionen relativ unge- Der Stoffumsatz in einem intakten tropischen Regen-
störten günstigen Wachstums- und Entwicklungsbe- wald ist in Abbildung 4.2 wiedergegeben. Die Nähr-
dingungen zur Entstehung einer unüberschaubaren stoffversorgung der üppigen Pflanzendecke basiert
Artenfülle geführt. Weltweit sind derzeit etwa 1,5 erstens auf einem äußerst effizienten Recycling der
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

Nährstoffe und zweitens auf relativ hohen Nährstoff anderen Ökosystemen. Ein direkter Zusammenhang
eintragen, insbesondere von Kalium und Magnesium, zwischen Biomassendichte und natürlicher Boden-
aus der Luft. Untersuchungen aus Neuguinea ermit- fruchtbarkeit ist in tropischen Regenwäldern nicht
telten für montane Regenwälder in Neuguinea und nachweisbar.
der Elfenbeinküste, daß etwa zwei Drittel des
Die Böden sind tiefgründig verwittert, durch einen
Kalium-Eintrags von ca. 100 kg/ha/Jahr und ein
sehr hohen Tonanteil und einen relativ niedrigen
Drittel des Magnesiumeintrags (ca. 30 kg/ha/Jahr)
Gehalt an organischer Substanz gekennzeichnet. Die
über die Niederschläge und die Kronenauswaschung
erfolgte. Der Rest wurde über die anfallende Streu in Tonfraktion besteht hauptsächlich aus freien Eisen-
den Boden eingebracht (Schultz 1988). Unter den und Aluminiumoxiden (Ferralite) und dem Mineral
feuchtwarmen Klimabedingungen werden die abge- Kaolinit. Die Nährstoffspeicherkapazität (Sorptions-
storbenen Pflanzenteile sehr rasch mineralisiert und vermögen) ist äußerst gering. Eine intensive Nähr-
die in ihnen gespeicherten Nährstoffe freigesetzt. stoffauswaschung wird jedoch aufgrund der raschen
Über ein sehr dichtes Netz aus Feinwurzeln, vor allem Aufnahme durch die Pflanzen weitgehend verhindert.
im Oberboden, werden die Nährstoffe unmittelbar Bis zu 90 % der Wurzeln befinden sich als dichtes
von den Pflanzen aufgenommen. Die Wurzeln vieler Geflecht in den obersten 20 bis 30 cm des Bodens und
Bäume leben zudem in einer Symbiose mit bestimm- sorgen zusammen mit der Mykorrhiza für eine opti-
ten Pilzen, der sogenannten Mykorrhiza, deren aus- male Nutzung des Nährstoffangebotes. Trotz allem
gedehntes Geflecht von Fäden (Hyphen) eine direkte auftretende Verluste werden durch den Eintrag aus
Verbindung zu den toten Pflanzenteilen der Streu der Luft ausgeglichen.
herstellen und die Nährstoffe sehr rasch pflanzenver-
Die nährstoffarmen Böden sind zwar typisch für tropi-
fügbar macht. Die Nährstoffe befinden sich also in
sche Regenwaldökosysteme, jedoch keineswegs
einem extrem kurzen Kreislauf zwischen Primärpro-
überall anzutreffen. Auf geologisch jungem Vulkan-
duzenten und Zersetzen. Entsprechend ist der größte
gestein sind auch in den Tropen nährstoffreiche
Teil der Nährstoffe in den Pflanzen und nicht im Boden
Böden entstanden, die nicht selten eine entschei-
gespeichert.
dende Rolle für die landwirtschaftliche Produktion der
Die Rolle des Bodens für die Nährstoffversorgung ist in entsprechenden Länder spielen. Beispiele dafür sind
feuchttropischen Wäldern weit weniger wichtig als in die Vulkangebiete auf den Inseln Java und Bali, in den

Abbildung 4.2: Nährstoff- und Wasserzyklus in einem intakten tropischen Regenwald


Quelle: EK 1990a
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Anden und in West- und Ostafrika (Kamerun, Ruanda wesentlich höherer Tierbesatz und von Zeit zu Zeit
und Burundi). Ähnlich günstige Bodenverhältnisse auftretende natürliche Brände. Die Böden in der
treten zudem im Überschwemmungsbereich tropi- sommerfeuchten Zone der Tropen sind im Durch-
scher Weißwasserflüsse auf, wo sich nährstoffreiche schnitt etwas nährstoffreicher als in den immerfeuch-
Sedimente aus den geologisch jungen Gebirgen (z. B. ten Tropen. Das Nährstoffangebot ist jedoch immer
Anden) ablagern. noch so gering, daß eine optimale Ausnutzung durch
die Pflanzen notwendig ist. Entsprechend spielen
auch hier Mykorrhizen eine wesentliche Rolle für die
Nährstoffversorgung der Bäume.
Sonstige immergrüne tropische Feuchtwälder
Das Verbreitungsgebiet der regengrünen Feuchtwäl-
In gebirgigen und damit kühleren Regionen gehen die der erstreckt sich im Anschluß an die immerfeuchten
Regenwälder des Tieflands in Bergregenwälder über. Regionen im Osten und Süden Afrikas, in Vorder- und
Diese werden unterschieden in Wolkenwälder, die in Hinterindien, an der australischen Nord- und Ostkü-
Höhen zwischen 800 und etwa 2 000 m ü. NN stocken, ste sowie südlich und nördlich des Amazonasregen-
und Nebelwälder, die oberhalb dieser Höhe auftreten waldes. Weltweit wird das Verbreitungsgebiet auf
und deren Wasserversorgung überwiegend durch die etwa 300 Mio. ha geschätzt (FAO 1993m.
sehr häufigen Nebel gesichert wird. Beide Ökosy-
stemtypen sind durch eine geringere Artenvielfalt,
Baumhöhe und Biomassendichte als die Tieflandwäl-
der gekennzeichnet. Zudem treten verstärkt Moose, 4.1.3 Regengrüne Trockenwälder
Farne und Flechten als Epiphyten auf. Dies gilt vor
allem für die Nebelwälder, die den mit Abstand Tropische Trockenwälder, auch Trockensavanne ge-
größten Epiphyten-Anteil an den vorkommenden nannt, treten in einem Klima mit einer fünf- bis
Pflanzenarten aufweisen. Zudem sind sie durch einen achtmonatigen Trockenzeit und Jahresniederschlä-
dichten Unterwuchs mit Stauden und Sträuchern gen von 700 bis 1 000 mm, bei erheblichen jährlichen
gekennzeichnet. Variabilitäten, auf. Sie schließen sich an die Zone der
Zu den immergrünen tropischen Feuchtwäldern wer- regengrünen Feuchtwälder an und sind während der
den auch die entlang einiger Gebirge an den Ostsei- Trockenzeit vollständig oder überwiegend laubfrei.
ten der Kontinente stockenden Waldtypen gezählt. Mit zunehmender Trockenheit lichtet der Baumbe-
Beipiele hierfür sind die Wälder an der Ostküste stand mehr und mehr auf. Gleichzeitig nimmt die
Brasiliens und Madagaskars. Die ganzjährigen Nie- Baumhöhe von etwa 12 auf 4 Meter ab. Der Unter-
derschläge werden hier im Winter durch die aufstei- wuchs wird von einer beinahe undurchdringlichen
genden Luftmassen im Luv der Küstengebirge hervor- Strauch- und Grasschicht gebildet. Die Trockenwäl-
-
gerufen. Im Sommer überwiegen die für die Tropen der sind wesentlich artenärmer als die anderen tropi-
charakteristischen konvektiven Niederschläge. schen Waldformationen.

Charakteristisch ist die starke Konkurrenz um Nähr-


stoffe und Wasser zwischen Gräsern und Bäumen.
4.1.2 Regengrüne tropische Feuchtwälder Durch ihr dichtes oberflächennahes Wurzelgeflecht
nehmen die Gräser einen Großteil des Wassers und
Unter dem Begriff regengrüne Feuchtwälder werden der freigesetzten Nährstoffe auf. Die Bäume beziehen
alle tropischen Wälder zusammengefaßt, die während Nährstoffe und Wasser daher aus tieferen, für die
einer deutlich ausgeprägten zwei- bis fünfmonatigen Gräser unerreichbaren Bodenzonen. Eine wichtige
Trockenzeit zumindest Teile ihres Laubs abwerfen. Rolle im Nährstoffkreislauf spielen die in den Trok-
Ihre Abgrenzung sowohl zu den immergrünen kenwäldern häufig auftretenden Brände. Sie führen
Feuchtwäldern als auch zu den Trockenwäldern ist zu einer vorübergehenden Anreicherung von Kal-
unscharf. Die Niederschläge fallen insbesondere wäh- zium, Kalium und Magnesium, gleichzeitig jedoch zu
rend der Sommermonate und liegen im Jahresmittel deutlichen Schwefel- und Stickstoffverlusten. Letz-
bei etwa 1 000 bis 1 500 mm. Die regengrünen Feucht- tere werden vor allem durch luftstickstoffixierende
wälder werden häufig als Feuchtsavanne bzw. Passat- Mikroorganismen und Blaualgen ausgeglichen. Dar-
und Monsunwälder bezeichnet. Ihre Bestockung ist über hinaus wird Stickstoff über das Regenwasser
weit weniger dicht und vielfältig als in den immergrü- eingetragen.
nen Wäldern, sie stellen jedoch geschlossene Waldfor-
mationen mit einem mehr oder weniger geschlosse- Tropische Trockenwaldformationen treten in Afrika
nen Unterwuchs aus Kräutern und Gräsern dar. vor allem südlich des Äquators in Kenia, Simbabwe,
Tansania und Westangola auf. Reste finden sich noch
Die biologischen und physiognomischen Unter- im westlichen Sahel. In Lateinamerika kommen Trok-
schiede der als regengrüne Feuchtwälder zusammen- kenwälder im Regenschatten der Kordillieren zwi-
gefaßten Waldökosysteme sind äußerst groß, so daß schen Mexiko und Costa Rica sowie in Nordost
eine einheitliche ökologische Charakterisierung Brasilien vor. Im tropischen Asien beschränkt sich das
kaum möglich ist. Wichtige Unterschiede zu den Verbreitungsgebiet auf die trockenen Beckenland-
immergrünen Tropenwäldern sind der niedrigere schaften Thailands und Oberburmas und die trocke-
Anteil der Holzpflanzen an der Phytomasse, das nen Monsunzonen Indiens und der Sundainseln. Die
zeitweise Entstehen einer Auflageschicht aus abge- weltweit von Trockenwäldern eingenommene Fläche
storbener Biomasse während der Trockenzeit, ein wird auf etwa 250 Mio. ha geschätzt (FAO 1993a).
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
4.1.4 Tropenwälder auf Sonderstandorten stuft. Sie könnten nicht nur die Ernährungssituation in
Zukunft verbessern, sondern auch zur landwirtschaft-
Zu den von der zonalen Klimaxvegetation abweichen- lichen Rohstofferzeugung (Öle, Rattan, Süßstoffe u. a.)
den Waldgesellschaften gehören Wälder auf Sonder- beitragen. Zudem bieten die bis heute nur teilweise
standorten, die gewöhnlich durch besondere Boden- bekannten genetischen Ressourcen der tropischen
und Wasserverhältnisse bestimmt werden. Zu ihnen Waldpflanzen ein unermeßliches Potential für die
gehören die Mangrovenwälder, die im Überschwem- Züchtung resistenter Nutzpflanzen. Durch die rasch
mungsbereich der Meere auftreten. Sie setzen sich voranschreitende Zerstörung der tropischen Primär-
aus Arten zusammen, die an die häufige Über- wälder werden zukünftige Nutzungsmöglichkeiten
schwemmung mit salzhaltigem Wasser angepaßt unwiederbringlich verspielt.
sind.
Die Tropenwälder stellen Heimstatt und kulturelle
Sonderstandorte stellen ebenso die Überschwem- Identität für eine Vielzahl von Naturvölkern und
mungs- und Uferbereiche der Flüsse dar. Beispiele für ethnischen Minderheiten dar. Verlieren diese Men-
die hier stockenden Wälder sind die „Igapó-Wälder" schen ihren Lebensraum, ist nicht nur ihre Identität,
entlang der nährstoffarmen Schwarzwasserflüsse sondern häufig auch ihr physisches Überleben gefähr-
bzw. die „Varzea-Wälder" im Überschwemmungsbe- det.
reich der nährstoffreichen Weißwasserflüsse im Ama-
Über die Schutz- und Versorgungsfunktion hinaus
zonas- Orinoko-Becken. Ähnliche Formationen kom-
sollte auch die Bedeutung immaterieller Werte nicht
men auch in Guayana, der Karibik und in Asien vor.
unbeachtet bleiben. Dazu gehören:
Des weiteren sind die Galeriewälder entlang der
Wasserläufe in Savannengebieten zu nennen. — der Existenzwert, der Wert, den ein Umweltgut
allein dadurch hat, daß man von seiner Existenz
Bei besonders ausgeprägter Armut der Böden an
weiß und der völlig von der Nutzung durch den
pflanzenverfügbaren Nährstoffen entwickeln sich
Menschen unabhängig ist. Ihn zu berücksichtigen
sogenannte Heidewälder. Beispiele für diese Waldty-
bedeutet, die Tropenwälder um ihrer Selbst willen
pen sind die durch lichten Baumbestand gekenn-
zu erhalten. Neben ihm gibt es den
zeichnete Caatinga in Brasilien und die Kerangas auf
Borneo. — Vermächtniswert, der dem Nutzungswert der tro-
pischen Wälder für zukünftige Generationen ent-
spricht und sich aus der Verantwortung diesen
gegenüber ergibt sowie den
4.2 Die Bedeutung der tropischen Wälder — Optionswert, der aus der Möglichkeit einer bisher
unbekannten zukünftigen Nutzung des Tropen-
4.2.1 Schutz und Versorgungsfunktion waldes erwächst. -

Weltweit finden 200 bis 300 Mio. Menschen in den Das Interesse an der Erhaltung solcher immaterieller
Tropenwäldern ein reichhaltiges Angebot an Nüssen, Werte liegt im langfristigen Eigeninteresse sowohl der
Beeren, Wild, Fisch, Honig und anderen Nahrungs- betroffenen Länder als auch der Industrieländer. Die-
mitteln. Der Wert dieser Produkte wird in der Regel ses beiderseitige Interesse, die wirtschaftliche Lage
deutlich unterschätzt. Untersuchungen in Peru bele- der meisten Tropenwaldländer und die direkte oder
gen, daß diese für den lokalen Markt bestimmten indirekte Verantwortung der wirtschaftlich stärkeren
Produkte zusammen einen weitaus höheren Wert als Industrieländer für die Gefährdung dieser Werte
das nutzbare Holz aufweisen -(Peters u. a. 1989). Im sowie die Verantwortung für zukünftige Generatio-
Zentrum des kommerziellen Interesses an den Tro- nen gebieten einen Beitrag der Industrieländer zum
penwäldern stehen, abgesehen vom Holz, verschie- Erhalt dieser Werte.
dene Rohstoffe, wie z. B. Kautschuk, Harze, Rattan
sowie eine Vielzahl möglicherweise medizinisch nutz-
barer Pflanzen. Allein 70 % der 3 000 am nationalen 4.2.2 Die Rolle für das regionale und globale Klima
Krebsforschungsinstitut der Vereinigten Staaten iden-
tifizierten Pflanzen mit möglicherweise krebsheilen- Die tropischen Wälder sind ein bestimmender Faktor
den Eigenschaften stammen aus tropischen Regen- für das regionale und globale Klimageschehen. Ihr
wäldern. Den im Tropenwald heimischen Amazonas- Einfluß basiert dabei auf
Indianern sind 1 300 von westlichen Wissenschaftlern
— dem direkten Einfluß auf die Strahlungsbilanz
weitgehend unerforschte Heilpflanzen bekannt. Kom-
durch die geringe Rückstrahlung (Albedo),
merziell verwertet werden bisher nur 90 Pflanzenar-
ten. Das Interesse an den medizinisch nutzbaren — dem indirekten Einfluß auf die Strahlungsbilanz
Ressourcen der Tropenwälder wächst jedoch rasch. durch die Wolkenbildung vor allem über den
Beleg dafür ist zum Beispiel der Erwerb der Nutzungs- geschlossenen Tropenwäldern,
rechte an einem unter Schutz gestellten Regenwald in
— ihre Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf,
Costa Rica durch einen US-amerikanischen Pharma-
konzern. — ihre Rolle im Wasserhaushalt.

Auch für die Landwirtschaft ist der biologische und Geschlossene tropische Wälder stellen die dunkelste
genetische Reichtum der Tropenwälder von großer natürliche Landoberfläche dar. Sie reflektieren nur
Bedeutung. Bereits heute werden 1650 Pflanzenarten etwa 13 % der einfallenden Sonnenstrahlung. 87 %
der Tropen als potentiell nutz- und kultivierbar einge der Sonnenstrahlung werden also absorbiert.
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Der größte Teil der absorbierten Energie wird für die det. Mit 72 Mio. m 3 werden etwa 28 % davon expor-
Verdunstung des Wassers verbraucht. Nicht zuletzt tiert (Tab. 4.2).
deswegen sind die Tropenwälder äußerst bedeutsam
für den Wasserkreislauf. Ein Teil der Niederschläge Der Anteil des Nutzholzes ist in Afrika mit 9 % am
geringsten und in Lateinamerika mit 25 % am höch-
verbleibt auf den Blättern der Bäume und verdunstet
von dort (Interzeption). Die auf diese Weise verdun- sten. Das höchste Gesamtaufkommen fällt mit
731 Mio. m3 in den tropischen Ländern Asiens an. Hier
stete Wassermenge erreicht z. B. in Amazonien ein
wird auch die größte Nutzholzmenge produziert
Viertel des Niederschlags. Weitere 50 % werden
(118 Mio. m3 ).
unmittelbar von den Pflanzen transpiriert. Rund ein
Viertel des Wassers fließt ober- und unterirdisch ab. Die in Tabelle 4.1 und 4.2 wiedergegebenen Daten
Besonders in den wenig ozeanisch beeinflußten entsprechen nicht dem tatsächlichen Einschlag. Zwar
Gebieten stellt die Interzeption und Transpiration der sind beim Brennholz im allgemeinen die eingeschla-
Regenwälder die wichtigste Feuchtigkeitsquelle für gene und die genutzte Menge annähernd identisch,
die Wolkenbildung dar. Die Wolkenbildung verrin- beim Nutzholz wird jedoch nur der verwendbare Teil
gert ihrerseits die Sonneneinstrahlung und ist die des Stammes statistisch erfaßt. Entsprechend liegt das
Grundlage für das Entstehen von Niederschlägen. Einschlagsvolumen hier deutlich höher als das Holz-
Die Tropenwälder spielen mit einer Speichermenge aufkommen.
von rund 375 Mrd. tC (davon 160 Mrd. t in der Die Verwendung des Holzes variiert regional erheb-
lebenden Biomasse und 215 Mrd. t in den Böden) eine lich. So ist das Sammeln und Einschlagen von Brenn-
wichtige Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf holz vor allem in den trockenen Tropen dominant. In
(Brown u. a. 1993). Durch die anthropogene Waldver- den immergrünen und regengrünen Waldzonen liegt
nichtung wird dieser Kohlenstoffpool jährlich um etwa der Nutzholzanteil am Gesamtholzaufkommen höher
1,6±1,0 Mrd. tC reduziert. Diese Emission ist zu etwa als in den tropischen Trockenräumen.
10 bis 20 % am zusätzlichen Treibhauseffekt beteiligt
(vgl. Kap 6). Es ist zudem festzustellen, daß in einigen tropischen
Ländern (vor allem Brasilien und Mexiko) in erhebli-
chem Maße Nadelholzpflanzungen zur Nutzholzge-
winnung beisteuern. Insgesamt machten Nadelhölzer
4.2.3 Brennholzgewinnung und Nutzholzeinschlag
im Jahr 1991 mit 46 Mrd. m 3 rund 18 % des Nutzholz-
vorkommens in den Tropen aus. Das Schwergewicht
Fast die Hälfte des weltweit genutzten Holzes ent-
des Holzeinschlags liegt jedoch weiterhin bei den
stammt den tropischen Wäldern (Tab. 4.1). Nach
Laubbäumen in Primärwäldern. Zwischen 1986 und
Angaben der FAO betrug das gesamte Aufkommen in
1990 entfielen von den jährlich eingeschlagenen
den tropischen Ländern im Jahr 1991 etwa
5,9 Mio. ha Waldfläche 4,9 Mio. ha auf Primärwälder.
1 600 Mio. m3 Holz. Rund 84 % (ca. 1 343 Mio. m 3 )
Auf etwa 1 Mio. ha wurden Sekundärwälder einge-
davon wurden als Brennholz 1 ) und 16 % (258 Mio. m 3 )
schlagen (FAO 1993c).
als Nutzholz zur industriellen Verarbeitung verwen-
Etwa drei Viertel des Nutzholzes werden in den
Herkunftsländern verbraucht, ein Viertel exportiert.
1) Unter dem Begriff Brennholz fällt hier und im folgenden
sämtliches Holz, das als Energieträger Verwendung findet, In Abbildung 4.3 sind die wichtigsten Ursprungs- und
einschließlich des Anteils, der zu Holzkohle umgewandelt Zielregionen für das Jahr 1990 wiedergegeben. Das
wird (nach FAO etwa 10 %). Ex- bzw. Importvolumen berücksichtigt nur die tat-

Tabelle 4.1

Gesamtaufkommen und Verwendung von Holz in 75 tropischen Ländern im Jahr 1991


im Vergleich zur Weltproduktion

Gesamtes
Brennholz Nutzholz
Aufkommen

Mio m3 Mio m3 in % Mio m3 in %

Trop. Afrika 495,2 450,7 91 44,4 (41,9) 9


Trop. Amerika 375,3 279,6 75 95,7 (56,2) 25
Trop. Asien 731,4 613,2 84 118,2 (114,2) 16

Gesamt 1601,9 1343,5 84 258,3 (212,3) 16

Welt 3 429,4 1 830,2 53 1 599,3 (524,4) 47

Anteil Tropen (%) 46,7 73,4 16,2 (40,5)

Die Zahlen in Klammern geben den Laubholzanteil an


Quelle: FAO 1993 b
Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Tabelle 4.2

Exporte der wichtigsten Holzlieferländer der Tropen an Rundholz, Furnieren und Sperrholz im Jahr 1991

Rundholz Schnittholz Furniere Sperrholz Summe

Land in Mio. m3

FM FM RHA FM RHA FM RHA RHA

Asien 22,82 7,50 13,65 0,58 1,10 10,65 24,50 52,07


Malaysia 19,46 4,98 9,06 0,48 0,91 1,19 2,74 32,17
Indonesien 1,43 0,79 1,44 0,04 0,04 8,20 18,86 21,77
Myanmar 0,70 0,04 0,07 - - - - 0,77
Singapur 0,37 0,71 1,29 0,03 0,06 0,66 1,52 3,24
Vietnam 0,42 0,51 0,93 - - - - 1,35
andere
asiatische Staaten 0,44 0,47 0,86 0,03 0,06 0,60 1,38 2,74

Afrika 4,07 1,20 2,18 0,18 0,34 0,04 0,09 6,68


Elfenbeinküste 0,40 0,60 1,09 0,06 0,11 0,01 0,02 1,62
Gabun 0,99 0,00 0,00 0,00 0,00 0,02 0,05 1,04
Ghana 0,22 0,16 0,29 0,02 0,04 0,00 0,00 0,55
Kamerun 0,73 0,25 0,46 0,02 0,04 0,00 0,00 1,23
Kongo 0,76 0,03 0,55 0,06 0,11 - - 1,42
Libe ria 0,70 0,03 0,55 0,00 0,00 0,00 0,00 1,25
Zaire 0,09 0,02 0,04 0,01 0,02 - - 0,15
andere
afrikanische Staaten 0,18 0,14 0,25 0,01 0,02 0,01 0,2 0,47

Lateinamerika 0,43 0,99 1,80 0,09 0,17 0,35 0,81 3,21


Brasilien 0,05 0,48 0,87 0,05 0,10 0,30 0,69 1,71
Nicaragua 0,25 - - - - 0,00 0,00 0,25
Paraguay - 0,22 0,40 0,03 0,06 0,01 0,02 0,48
andere latein-
amerikanische Staaten . 0,13 0,29 0,53 0,01 0,02 0,04 0,92 1,60

Asien, Afrika,
Lateinamerika 27,32 9,69 17,64 0,85 1,62 11,04 25,39 71,97

FM = Festmeter; RHA = Rohholzäquivalente


Umrechnungsfaktoren (nach ECE)
1 m3 Schnittholz = 1,82 m 3 Rundholz
1 m3 Furniere = 1,90 m 3 Rundholz
1 m3 Sperrholz = 2,30 m3 Rundholz
Quelle: FAO 1993b

sächlich transportierten Produkte, z. B. Furnier- und Aus den tropischen Regionen Afrikas und Lateiname-
Sperrholz. Dagegen sind in Tabelle 4.2 auch die rikas beziehen die ostasiatischen Staaten nur in gerin-
verarbeiteten Rohholzmengen aufgeführt. gem Umfang Holz und Holzprodukte. Für die afrika-
nischen Produzenten stellt die EG den größten
Die mit Abstand größte Exportregion für Tropenholz
Absatzmarkt dar. Mit knapp 4,5 Mio. m 3 nimmt sie
und Tropenholzprodukte sind die südostasiatischen
rund 90 % der afrikanischen Holzprodukte auf, davon
Staaten (vor allem Malaysia und Indonesien). Die
3,3 Mio. m3 als unverarbeitetes Rundholz.
Hauptabnehmer sind Japan, Südkorea und Taiwan.
Die beiden letztgenannten Staaten verarbeiten dabei Im tropischen Lateinamerika spielt der Tropenholzex-
einen großen Teil des Importholzes, um ihn in Form port mit 1,3 Mio. m 3 eine vergleichsweise geringe
von höherwertigen Produkten wieder zu exportie- Rolle. Drei Viertel davon gehen zu etwa gleichen
ren. Teilen in die USA und die Staaten der EG. Dabei
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

handelt es sich ganz überwiegend um Schnittholz, Staaten, z. B. den Philippinen, der Elfenbeinküste und
Furnier- und Sperrholz bzw. höherwertige Pro- Liberia deutliche Rückgänge um bis zu 80 % zu
dukte. verzeichnen. Diese wurden jedoch überkompensiert
durch große Exportsteigerungen vor allem in Malay-
Das Volumen des Tropenholzhandels hat sich zwi-
sia, Thailand, Brasilien, Mexiko und Vietnam.
schen 1986 und 1991 in Lateinamerika und Afrika
kaum verändert, während die Exporte in Südostasien Die Zuwächse bei den Exporterlösen gehen nur zum
von 34,5 auf 30,2 Mio. m 3 Holz zurückgegangen sind Teil einher mit der Entwicklung des Nutzholzaufkom-
(EK 1990a, Rice und Counsell 1993). Insgesamt lagen mens. So stieg zum Beispiel das Nutzholzaufkommen
die Exporterlöse aus der Holzwirtschaft in den tropi- in Mexiko seit 1980 um etwa 22 %, die Einnahmen aus
schen Ländern im Jahr 1991 bei 11,6 Mrd. US-$. dem Export von Holzprodukten stiegen dagegen auf
Davon entfielen etwa jeweils rund 30 % auf Indone- das Siebenfache an. In Thailand ging das Nutzholz-
sien und Malaysia sowie weitere 13 % auf Brasilien aufkommen, bei einem Anstieg der Exporterlöse um
(Tab. 4.3). Auffällig ist der hohe Anteil von Hong Kong 385 %, sogar um 39 % zurück. Demgegenüber war die
und Singapur, die im wesentlichen importiertes Holz Ausweitung des Nutzholzaufkommens in Liberia um
zu höherwertigen Produkten verarbeiten und wieder 36 % von einem Rückgang der Exporterlöse um 19
exportieren (vgl. Tab. 4.4). Die fünf größten Expor- begleitet. In diesen Zahlen drückt sich aus, daß einige
teure vereinigten im Jahr 1991 84 % der gesamten südostasiatische und lateinamerikanische Staaten
Exporterlöse aus dem Handel mit tropischem Holz auf immer mehr Holzfertigwaren exportieren, während in
sich. einigen afrikanischen Staaten die ökonomisch weni-
ger interessanten Rundholzexporte zugenommen
Der Gesamterlös aus dem Export von Holz und Holz-
haben.
produkten stieg in den Tropenländern während der
80er Jahre deutlich an. Im Jahr 1991 wurden weltweit Der Export von Holz und Holzprodukten ist vor allem
54 % mehr Gelder mit dem Export von Tropenholz in einigen kleinen, wenig industrialisierten Ländern
erwirtschaftet als 1980. Dennoch waren in einigen von erheblicher Bedeutung für die Außenhandelsbi-

Tabelle 4.3

Exporterlöse aus der Holzwirtschaft und Nutzholzaufkommen in den tropischen Ländern


1980 und 1991

Veränderung des
Exporterlöse Holz- Veränderung
Anteil Nutzholzaufkommens
Land und Holzprodukte 1980-1991
in % in % 1980-1991
in Mio US-$
in %

Indonesien 3 601 31,1 + 20 - 5


Malaysia 3 120 27,0 + 57 + 38
Brasilien 1 472 12,7 + 70 +21
Hong Kong 1 ) 861 7,4 +1 250 —
Singapur 1) 634 5,5 + 20 —
Elfenbeinküste 278 2,4 - 53 - 70
Gabun 226 2,0 + 39 + 21
Kamerun 201 1,7 + 20 +42
Myanmar 148 1,3 + 24 +43
Thailand 136 1,2 + 385 - 39
Mexiko 133 1,2 + 681 + 22
Kongo 129 1,1 + 52 + 97
Philippinen 94 0,8 - 81 - 5/
Vietnam 93 0,8 +3 0562) + 57
Ghana 93 0,8 + 140 +64
Liberia 78 0,7 - 19 + 36

Summe 11 164 96,5 + 57 + 30

Sonstige trop. Länder 399 3,5 + 3 -33

Tropen gesamt 11 563 100,0 + 54 + 15

1) Wichtige Transithandelsländer
2) Seit 1985
Quelle: FAO 1993b
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Tabelle 4.4

Beschäftigung und Wertschöpfung in der holzverarbeitenden Industrie


in den wichtigsten Tropenländern

Beschäftigte (in 1000) Wertschöpfung (Mio. US-$)


(in (Y0 der (in % der
Jahr Industrie) Industrie)
Holz- Möbel- Holz- Möbel-
Ingesamt Insgesamt
bearbeitung herstellung bearbeitung herstellung

Elfenbeinküste 1983 3,9 _1) 8,0 47,1 _1) 5,1


Ghana 1983 13,7 1,0 25,2 118,6 6,7 7,8
Kamerun 1990 6,7 _1) 13,3 n. v. n. v. n. v.
Kongo 1988 3,3 - 1) 26,5 9,4 _1) 11,4
Bolivien 1989 2,0 0,3 8,6 1,2 0,1 2,3
Brasilien 19882 ) 216,0 170,0 6,7 1220,3 1103,9 3,0
Costa Rica 1990 4,1 4,9 7,5 20,9 20,5 4,5
Ecuador 1989 3,3 3,2 5,9 14,5 11,6 3,1
Guatemala 1988 3,5 2,2 5,8 10,3 5,0 1,8
Kolumbien 1988 7,1 8,6 3,3 53,5 40,1 1,2
Mexiko 19903 ) 4,9 7,2 1,2 n. v. n. v. n. v.
Peru 1988 10,1 7,9 5,8 3,4 1,4 0,6
Venezuela 1990 7,0 12,3 4,1 36,2 64,8 0,8
Indonesien 1989 317,4 26,7 15,2 1223,2 43,5 13,3
Malaysia 1989 74,2 13,6 12,7 466,8 53,5 6,8
Philippinen 1988 56,4 41,2 11,4 178,3 78,9 4,1
Thailand 1984 43,5 12,5 4,3 n. v. n. v. n. v.

1) Enthalten in Holzbearbeitung.
2) Wertschöpfungsdaten für 1985.
3) Wertschöpfungsdaten für 1986.
Quellen: UN 1992, ILO 1992, IMF 1992

Tanz. Trotz des insgesamt relativ geringen Volumens Malaysia übersteigt der Holzsektor diesen Wert zum
war die Forst- und Holzwirtschaft im Jahr 1988 in Teil erheblich. Dabei treten zwischen diesen Ländern
Äquatorial Guinea mit 42,5 %, in Burma mit 30,0 % jedoch extreme Unterschiede hinsichtlich der absolu-
und in Liberia mit 21,6 % am Gesamtexport beteiligt. ten Wertschöpfung auf.
In den größten Exportnationen machte der Holzexport
12,3 % (Malaysia), 14,5 % (Indonesien) und 5,1 % Auch der Stellenwert der Forst- und Holzwirtschaft im
(Brasilien) des Gesamtexportes aus. In den meisten Arbeitsmarkt schwankt innerhalb der Tropenländer
Fällen liegt der Anteil am Gesamtexport unter 5 % erheblich (Tab. 4.4). In Ghana und im Kongo waren in
(Amelung und Diehl 1992). den 80er Jahren rund ein Viertel der in der Industrie
Beschäftigten im Holzsektor tätig. Hohe Anteile von
Den Anteil des Holzsektors an der gesamten Wert- über 10 % erreichten auch die großen Exportnationen
schöpfung in den wichtigsten Tropenländern verdeut- Malaysia und Indonesien. In den meisten Tropenlän-
licht Tabelle 4.4. Er liegt in der Regel unterhalb von dern lag der Anteil der Arbeiter im Holzsektor unter-
5 %. Lediglich in Ghana, dem Kongo, Indonesien und halb von 10 %.
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Die wichtigsten Exportmärkte für Tropenhölzer liegen Die Staaten der EG importierten 1991 etwa 8 Mio. m 3
in den fernöstlichen Ländern. Wie Abbildung 4.3 Tropenholz, davon rund 60 % als Schnittholz, Sperr-
zeigt, ist Japan mit einem Importvolumen von über holz und Furniere. Dies entspricht einer Rohholz
16 Mio. m3 Tropenholz der weltweit größte Abneh- menge von rund 12 Mio. m 3 (Tab. 4.5). Über die Hälfte
mer. Allein 11,2 Mio. m3 davon werden als unverar- der Importe stammten aus Afrika, von wo aus im
beitetes Rundholz eingeführt. Wichtige Absatzmärkte wesentlichen Rundhölzer eingeführt wurden. Die ver-
in Ostasien sind zudem Südkorea mit 5,3 Mio. m 3 und arbeiteten Holzprodukte stammen dagegen überwie-
Taiwan mit 4,6 Mio. m3 Importvolumen. Auch hier gend aus Südostasien. Die Hauptabnehmer für Tro-
überwiegt eindeutig die Einfuhr von Rundhölzern. penholz innerhalb der EG sind Frankreich, Italien und
Dagegen ist deren Anteil an den Tropenholzimporten das Vereinigte Königreich, auf die die Hälfte des
in die USA verschwindend gering. Die im Jahr 1991 gesamten Importvolumens von 8 Mio. m 3 entfällt.
importierten 2,3 Mio. m3 Tropenholz wurden vor allem Dabei führen Frankreich und Italien überwiegend
in Form von Furnierholz und höherwertigen Produk- Rundhölzer ein, während in das Vereinigte König-
ten insbesondere aus Südostasien und Lateinamerika reich ganz überwiegend Schnittholz sowie Sperrholz
eingeführt (Abb. 4.3). und Furniere importiert werden.

Abbildung 4.3: Mengen und Sortimentverteilung der Exportströme für Tropenholz im Jahr 1990 (in Mio. m 3 )

Quelle: Rice und Counsell 1993


Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Tabelle 4.5

Wichtige Käuferländer von Tropenholz und Tropenholzprodukten im Jahre 1991

Rundholz Schnittholz Furniere Sperrholz Summe

Land in Mio. m3

FM FM RHA FM RHA FM RHA RHA

Ostasien 18,94 2,38 4,33 0,16 0,30 3,93 9,04 32,61


Japan 11,25 1,38 2,51 0,12 0,23 2,87 6,60 20,59
Südkorea 2 ) 3,85 0,59 1,07 0,01 0,02 0,74 1,70 6,64
Taiwan 2 ) 3,84 0,41 0,75 0,03 0,06 0,32 0,74 5,39

USA 0,02 0,27 0,50 0,02 0,04 1,32 3,04 3,6

EG 3,29 2,97 5,41 0,23 0,44 1,29 2,97 12,11


Belgien/Luxemburg 0,06 0,25 0,46 0,02 0,04 0,17 0,39 0,95
Dänemark 0,00 0,03 0,05 0,01 0,02 0,03 0,07 0,14
Bundesrepublik
Deutschland 0,30 0,33 0,60 0,08 0,15 0,15 0,35 1,40
Frankreich 0,93 0,39 0,71 0,03 0,06 0,19 0,44 2,14
Griechenland 0,16 0,02 0,04 0,00 0,00 0,00 0,00 0,20
Irland - 0,07 0,13 - - 0,02 0,05 0,18
Italien 0,72 0,39 0,71 0,07 0,13 0,02 0,05 1,61
Niederlande 0,10 0,63 1,15 0,01 0,02 0,20 0,46 1,73
Portugal 0,48 0,05 0,09 0,00 0,00 - - 0,57
Spanien 0,54 0,32 0,58 0,00 0,00 0,00 0,00 1,12
Vereinigtes Königreich . 0,05 0,49 0,89 0,01 0,02 0,51 1,17 2,13

Ostasien, USA und EG 22,25 5,63 10,25 0,41 0,78 6,54 15,04 48,32

1) Ohne Holzfertigprodukte, wie z. B. Türen, Fenster, Möbel etc.


2) Wichtige Transithandelsländer
FM = Festmeter; RHA = Rohholzäquivalente
Umrechnungsfaktoren (nach ECE)
1 m3 Schnittholz = 1,82 m3 Rundholz
1 m3 Furniere = 1,90 m3 Rundholz
1 m3 Sperrholz = 2,30 m 3 Rundholz
Quelle: Rice und Counsell 1993

Der Import von Tropenholz und Tropenholzprodukten u. ä.) und Holzfertigwaren (z. B. Möbel) deutlich
in die Bundesrepublik Deutschland ist zwischen 1975 erhöht. Dadurch stieg die verwendete Rohholzmenge
und 1991 relativ konstant geblieben. Er lag im Jahr von 1,5 Mio. m 3 im Jahr 1975 auf 2,2 Mio. m 3 im Jahr
1991 bei knapp 1 Mio. m 3 . In den letzten 20 Jahren hat 1992 an (vgl. Abb. 4.4). Dies entspricht etwa 1,5 % des
sich jedoch der Anteil an weiterverarbeiteten Holz- Holzverbrauchs in Deutschland im Jahr 1992 (011-
produkten und vor allem an Holzhalbwaren (Zellstoff mann 1993a).
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Abbildung 4.4: Tropenholzimporte der Bundesrepublik Deutschland (in Rohholzäquivalenten)


Quelle: Oll mann 1993b

4.3 Ausmaß der Vernichtung und Degradierung weisen sie eine deutliche Verringerung der Artenzahl
tropischer Wälder auf (Skole und Tucker 1993). Die Verinselung ist in der
Regel eine Vorstufe der völligen Entwaldung. Ab
Die Nutzungsansprüche und Einwirkungen des Men- welcher Größenordnung Waldstücke als verinselt
schen auf die tropischen Waldökosysteme sind — wie betrachtet werden, ist nicht eindeutig festgelegt.
unter Punkt 4.4 weiter ausgeführt — vielfältig und Skole und Tucker (1993) bezeichnen bei ihrer Unter-
variieren in den verschiedenen tropischen Ökozonen. suchung für das Amazonasbecken alle Waldflächen
Die Umwandlung von Primärwaldflächen in Nutzflä- unter 10 000 ha, die von entwaldeten Flächen umge-
chen (Landnutzungswandel) hinterläßt ein Mosaik ben sind, als verinselt. Die FAO (1993a) setzt dagegen
aus landwirtschaftlichen Flächen, Wasserflächen, auf- keine maximale Größe fest, sondern spricht ab einem
gelichteten Waldbeständen, isolierten Primärwaldflä- bestimmten Verhältnis von Umfang, Fläche und
chen und Sukzessionsflächen, auf denen sich mehr Anzahl der Waldstücke in einem Gebiet von Verinse-
oder weniger dichte Sekundärwälder ausbreiten. Zum lung („ Fragmentation ") .
Teil sind diese Flächen stark degradiert und nicht
Das Ausmaß degradierter und verinselter Waldbe-
mehr nutzbar.
stände kann bislang nur grob abgeschätzt werden.
Die vom Landnutzungswandel betroffene Fläche ist Eine stichprobenhafte Analyse des Landnutzungs-
weitaus größer als es die Daten über die Waldverluste wandels in den 80er Jahren auf 72 Mio. ha Fläche im
widerspiegeln. Dabei ist zu unterscheiden zwischen tropischen Afrika (davon 30 Mio. ha bewaldet) zeigte,
entwaldeten, degradierten und verinselten Waldflä- daß zwischen 1981 und 1990 etwa 4 Mio. ha Waldflä-
chen. Unter Entwaldung wird entsprechend der FAO- chen degradiert bzw. verinselt wurden. Dies ent-
Definition die Verringerung des von Baumkronen spricht in etwa der gleichen Größenordnung wie die
überschirmten Bodenanteils auf unter 10 % verstan- gerodete Fläche. Für Lateinamerika und Asien wird
den. Degradation beschreibt die Verringerung der geschätzt, daß das Ausmaß der Rodungen die Degra-
Produktivität bzw. der Biomassendichte, die zu einer dierung bzw. Verinselung übersteigt. Weltweit dürf-
Auflichtung des Waldbestandes oberhalb eines zehn- ten laut FAO (1993a) zwischen 1981 und 1990 etwa 60
prozentigen Überschirmungsgrades führt. Unter Ver- bis 70 Mio. ha Wald degradiert bzw. verinselt worden
inselung ist die Zerstückelung von Primärwäldern in sein. Skole und Tucker (1993) ermitteln allein für das
isolierte kleinere Bestände, die von Rodungsflächen Amazonasbecken zwischen 1978 und 1988 einen
umgeben und durchsetzt sind, zu verstehen. Zwar Anstieg der verinselten Waldflächen von etwa 5 auf
sind diese Bestände strukturell unverändert, doch 16 Mio. ha. Gleichzeitig wuchs die Fläche der direkt
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
vom Menschen beeinflußten Waldränder von 12 auf Mittel wurden im letzten Jahrzehnt jährlich 15,4 Mio.
340 Mio. ha an. Dies wirkt sich insbesondere negativ ha Tropenwald vernichtet.
auf die biologische Vielfalt der tropischen Ökosy-
steme aus. Eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen sind In Abbildung 4.5 sind die jährlichen Waldvernich-
nicht in der Lage, unter den veränderten Bedingun- tungsraten in den Tropenländern, in Tabelle 4.6 die
gen in den Waldrandzonen bzw. in den zu klein regionalen Waldverluste in den verschiedenen tropi-
gewordenen Waldstücken zu überleben. Die tatsäch- schen Waldtypen wiedergegeben. Sie verdeutlichen,
liche Entwaldungsrate im Amazonasbecken wird für daß die Wälder in Südostasien sowie Mittelamerika
den Zeitraum 1978 bis 1988 von Skole und Tucker (inkl. Mexiko) mit einer jährlichen Bestandsverminde-
(1993) dagegen mit rund 1,5 Mio. ha pro Jahr relativ rung von 1,6 bzw. 1,5 % besonders stark gefährdet
niedrig eingeschätzt. Andere Erhebungen ermittelten sind. Die absoluten Waldverluste lagen in Lateiname-
für die späten 80er Jahre zwischen 5 und 8 Mio. ha pro rika und der Karibik mit 7,4 Mio. ha pro Jahr am
Jahr (Myers 1991, WRI 1990). Mögliche Gründe für höchsten. In Afrika betrug die Rate 4,1 Mio. ha, in
diese erheblichen Abweichungen sind die unter- Südostasien 3,9 Mio. ha pro Jahr.
schiedlichen Aufnahmeverfahren und -zeitpunkte. Das Ausmaß der Waldvernichtung differiert in den
Zudem haben Skole und Tucker im Unterschied zu verschiedenen tropischen Ökozonen. So sind in der
den anderen Arbeiten Cerradoflächen nicht mit in ihre immerfeuchten Tieflandzone mit einer G esamtwald-
Analyse einbezogen. fläche von 718 Mio. ha noch etwa drei Viertel der
Fläche bewaldet, von denen pro Jahr 0,6 % (4,6 Mio.
Laut FAO (1993a) sind weltweit zwischen 1981 und
ha) entwaldet werden. Fast die Hälfte der Rodungen
1990 rund 154 Mio. ha Tropenwald vernichtet worden.
finden in Asien statt, wo die jährliche Vernichtungs-
Die Gesamtfläche verringerte sich dadurch von
rate bei 1,2 % liegt. In Lateinamerika (0,4 % bzw.
1 910 Mio. ha auf 1 756 Mio. ha. Rund 920 Mio. ha
1,9 Mio. ha) und Afrika (0,5 % bzw. 0,5 Mio. ha) liegt
davon befinden sich in Lateinamerika und der Kari-
die Entwaldungsrate deutlich niedriger.
bik, 310 Mio. im tropischen Asien und etwa 530 Mio.
ha im tropischen Afrika. Die Vernichtungsrate Im Bereich der regengrünen Wälder ist die Gesamt-
erhöhte sich seit den 70er Jahren von jährlich knapp 7 fläche von rund 1 300 Mio. ha noch zu 46 % bewaldet.
Mio. ha auf etwa 17 Mio. ha Ende der 80er Jahre. Im Die Verlustrate lag hier im vergangenen Jahrzehnt bei

Abbildung 4.5: Ausmaß der jährlichen Waldvernichtung in den einzelnen Tropenländern im Zeitraum 1981 bis 1990
Quelle: FAO 1993a
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode

Tabelle 4.6

Waldflächenverluste und Entwaldungsraten in der tropischen Zone

Immergrüne Regengrüne Regengrüne Trocken- Gebirgs-


Summe
Regenwälder Feuchtwälder Trockenwälder wälder wälder
Region
1000 ha % 1000 ha % 1000 ha % 1000 ha % 1 000 ha % 1000 ha %

Westliche Sahelzone 0,0 - 135,8 0,94 91,0 0,70 68,5 0,52 0,0 - 295,3 0,72
Östliche Sahelzone 0,0 - 227,1 1,67 181,6 0,92 98,4 0,53 84,8 0,66 591,9 0,90
Westafrika 18,1 0,56 543,7 1,12 23,1 0,89 1,6 0,20 4,9 1,05 591,4 1,06
Zentralafrika 425,6 0,54 618,7 0,54 8,8 0,58 0,2 0,23 86,1 0,85 1139,4 0,56
Trop. Südliches Afrika 27,4 0,61 721,1 1,18 463,0 0,83 147,8 0,57 110,9 0,93 1 470,2 0,91

Afrika 471,1 0,54 2 246,0 0,89 767,5 0,83 316,5 0,54 288,9 0,82 4 088,2 0,77

Südasien 88,4 0,90 61,8 0,68 229,7 0,81 1,5 4,05 140,4 0,94 521,8 0,81
Südostasien (Kontinent) 418,0 1,76 502,9 1,85 236,0 1,75 0,0 - 156,4 1,45 1 313,3 1,75
Südostasien (Inseln) 1 655,7 1,15 91,8 1,67 2,0 0,41 0,0 - 287,2 1,34 2 036,7 1,19

Asien 2 162,1 1,22 656,5 1,57 467,7 1,14 1,5 4,05 583,7 1,24 3 871,8 1,25

Zentralamerika 240,3 1,93 247,3 1,88 29,5 1,86 16,3 2,15 544,0 1,42 1 077,5 1,58
Karibik 58,8 0,16 41,6 0,49 1,2 2,45 0,0 - 23,2 0,81 124,8 0,26
Südamerika 1 639,1 0,40 2 899,4 1,07 567,5 1,31 7,4 2,62 1 055,3 1,31 6 168,7 0,77

Amerika 1 938,1 0,43 3 188,3 1,08 598,3 1,33 23,7 2,27 1 622,5 1,33 7 371,0 0,80

Summe 4 571,3 0,64 6 090,8 1,04 1 833,5 1,03 341,7 0,57 2 495,1 1,22 15 331,0 0,87

Quelle: FAO 1993a

1 % bzw. 6,1 Mio. ha pro Jahr. Auch hier wiesen die 4.4 Ursachen der Tropenwaldvernichtung
Tropenländer in Asien, vor allem im kontinentalen und -degradation
Südostasien, die höchsten Raten auf.
Die Vernichtung und Degradation der Tropenwälder
In der tropischen Trockenzone sind nur noch 19 % der
wird durch eine Reihe von miteinander verknüpften
Fläche von 1 241 Mio. ha mit Wäldern bestockt. Fast
Einflußfaktoren hervorgerufen, die von Land zu Land
die Hälfte der Trockenwälder entfällt auf das tropi-
variieren. Dazu zählen im einzelnen:
sche Afrika (Sahelzone und südliches Afrika). Mit
einer Bevölkerungsdichte von 70 Einwohnern pro km 2 - der kleinbäuerliche Wanderfeldbau zur Erzeu-
sindeRgo amdichtesnbl gung von Nahrungsmitteln vorwiegend für den
den Tropen. Zwar treten hier auch natürlich waldfreie eigenen Gebrauch 2)
Gebiete auf, doch ist der größte Teil der waldfreien
Flächen auf anthropogene Einwirkungen zurückzu-
führen. Jährlich verschwinden 0,9 % der Trockenwäl- 2) Hierbei ist zu unterscheiden zwischen der traditionellen
der, die Hälfte davon in Afrika, vornehmlich im Shifting Cultivation der im Wald lebenden Völker, die
südlichen Teil. Die prozentuale Vernichtungsrate ursprünglich eine ökologische angepaßte Art der Landnut-
zung war und erst durch den Bevölkerungsdruck und die
liegt in Asien mit 0,9 % etwas höher als in den anderen
dadurch reduzierten Regenerationszeiten zum Problem
tropischen Kontinenten. wurde, und der sogenannten Shifted Cultivation der neu in
die Waldgebiete eingewanderten Kleinbauern. Diese auf
Auch die Gebirgsregionen sind in den Tropen weitge-
Armut, existentieller Not und Unkenntnis basierende Land-
hend entwaldet. Nur noch 29 % der Fläche (204 Mio. nutzungsform führt meist zur Bodendegradation und zur
ha) tragen Wälder. Mit 1,1 % liegt hier zudem die Aufgabe der ackerbaulichen Nutzung. Auf den degradie rt en
jährliche Waldverlustrate im Vergleich zu den ande- Standorten ist die Wiederbewaldung nur stark eingeschränkt
ren tropischen Waldökosystemen am höchsten. möglich.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
— die agroindustrielle Landnutzung zur Erzeugung Rodungen auf die seßhaft betriebene Landwirtschaft
für den Export bestimmter cash-crops wie Futter- zurückzuführen, während etwa 35 % innerhalb des
mittel (Soja, Mais) und Produkten aus Dauer- traditionellen Wanderfeldbaus erfolgten. Regional
kulturen (Kaffee, Kakao, Palmöl, Plantagenkau- treten jedoch erhebliche Differenzen auf. So war zum
tschuk), Beispiel in Brasilien die steuerlich begünstigte Aus-
weitung der Weideflächen zu mindestens 40 % für die
— die extensive Viehwirtschaft,
Regenwaldrodung verantwortlich, während diese
— die Brennholzgewinnung, Form in Asien und Afrika praktisch keine Bedeutung
hatte. Fearnside u. a. (1990) gehen sogar davon aus,
— der Nutzholzeinschlag,
daß über die Hälfte der Tropenwaldrodungen in
— die Rodung zur Nutzung energetischer und mine- Amazonien auf die Anlage von äußerst extensiv
ralischer Ressourcen (Erzbergbau, Stauseen) mit bewirtschafteten Viehweiden zurückzuführen ist. Die
den notwendigen Infrastrukturmaßnahmen. Streichung der Steuerbegünstigungen durch die bra-
silianische Regierung hat seit Ende der 80er Jahre
Bei dieser Auflistung muß betont werden, daß es sich auch in Brasilien die Ausweitung der Weideflächen zu
hierbei weniger um Ursachen als um Formen der Lasten des Tropenwaldes vermindert. In Afrika spielte
Waldzerstörung handelt. Es sind Symptome eines der Wanderfeldbau mit über 50 % der Rodungen eine
nicht an die ökologischen, sozialen und kulturellen weitaus gewichtigere Rolle als in Südamerika.
Bedingungen angepaßten Entwicklungsprozesses.
Eine der wichtigsten Einflußgrößen ist das hohe Der Anteil der direkt durch die industrielle Erschlie-
Bevölkerungswachstum in den meisten Tropenlän- ßung und den Bau von Staudämmen verursachten
dern. Dazu kommt die Armut weiter Bevölkerungs- Regenwaldverluste wird auf etwa 2 % geschätzt.
kreise, die zum Beispiel mit Mangel an Nahrung, Dabei ist nicht berücksichtigt, daß derartige Erschlie-
Bildung, Gesundheitsfürsorge und sozialer Absiche- ßungen oftmals großflächige Rodungen nach sich
rung verbunden ist, sowie eine oftmals ungerechte ziehen. So ruft zum Beispiel die Errichtung von
Landverteilung. Darüber hinaus sind die weltwirt- industriellen Anlagen Rodungen zur Schaffung von
schaftlichen Rahmenbedingungen und die Verschul- Siedlungsraum und zum Bau von Straßen sowie häu-
dungsprobleme vieler Länder weitere indirekte Ursa- fig eine große Nachfrage nach Holzkohle hervor. In
chen der Tropenwaldvernichtung. Diese Rahmenbe- der Regel führt dies zu weiteren großflächigen Wald-
dingungen hat die Enquete-Kommission „ Vorsorge vernichtungen, die als „sonstige Faktoren" etwa 2 %
zum Schutz der Erdatmosphäre" in ihrem zweiten der Entwaldung verursachen (Tab. 4.7a). Derartige
Bericht ausführlich beschrieben (EK 1990a). Sie sollen Infrastrukturmaßnahmen werden häufig im ange-
hier nicht vertiefend behandelt werden. stammten Lebensraum von Naturvölkern errichtet,
die dadurch ihre Lebensgrundlage verlieren. Auffal-
In welchem Maße die einzelnen Nutzungen für die
lend sind die erheblichen regionalen Unterschiede. So
Tropenwaldvernichtung verantwortlich sind, ist in
werden in Brasilien etwa 7 % der Waldvernichtung in
den Tabellen 4.7 a und b wiedergegeben. Dabei muß
den 80er Jahren auf die industrielle Erschließung, den
beachtet werden, daß die Aussagen nur großräumig
Straßenbau und den Abbau von Bodenschätzen
gelten. Regionalspezifische Analysen sind aufgrund
zurückgeführt, während dies in Kamerun keine Rolle
der mangelnden Datenlage schwierig. Zudem sind die
spielte.
Ursachen meist miteinander verknüpft und nur
schwer voneinander zu trennen. Ein weiteres Problem
Ähnliches gilt für die Holzwirtschaft, die nach Ame-
ist, daß nur die Entwaldung, nicht jedoch die Wald-
lung und Diehl (1992) für etwa 2 bis 10 % der
degradation betrachtet wird. Aus diesem Grund sind
Rodungen in den immerfeuchten Tropen direkt ver-
in Tabelle 4.7 b die verschiedenen Ursachen für die
antwortlich ist. Dieser Wert drückt jedoch nicht die
Biomassevernichtung in tropischen Wäldern zusam-
tatsächlich durch kommerziellen Einschlag verur-
mengetragen. Die Aussagen der Tabellen sollen im
sachten Waldschädigungen aus, weil die holzwirt-
folgenden näher erläutert werden.
schaftliche Nutzung in der Regel die Voraussetzung
Die Vernichtung der tropischen Wälder ist vor allem für eine spätere Brandrodung ist. Eine Verringerung
auf den steigenden Bedarf an landwirtschaftlichen des Einschlags in Primärwäldern könnte demnach die
Nutzflächen zurückzuführen. Dieser wiederum ist das Brandrodungstätigkeit der Kleinbauern beschränken.
Resultat des hohen Bevölkerungswachstums in den Zum anderen umfaßt dieser Wert nur Kahlschläge.
meisten Tropenländern, der häufig ungerechten Diese machen in den Tropen jedoch nur einen gerin-
Landbesitzverteilung sowie des Verlustes von Acker- gen Teil aus. Der weitaus größte Teil des Nutzholzein-
flächen durch Versalzung, Erosion u. a. infolge unan- schlags erfolgt selektiv und führt in der Regel nicht zur
gepaßter Nutzung. Entwaldung. In der Regel werden in tropischen Wäl-
dern nur die marktgängigen Holzarten eingeschla-
Diehl und Amelung (1992) schätzen auf der Grund- gen. Die Anzahl der Stämme ist dabei von der Arten-
lage offizieller Forststatistiken, daß im Zeitraum 1981 zusammensetzung des Waldes, der Holzqualität und
bis 1990 zwischen 86 und 94 % der Waldvernichtung der Transportentfernung abhängig. In den relativ
in den immerfeuchten Tropen auf die Ausweitung der schwer zugänglichen und durch geringe Holzqualität
Landwirtschaft zurückzuführen sind. Dabei teilt sich gekennzeichneten Regenwäldern Lateinamerikas
dieser Anteil zu etwa gleichen Teilen auf den Wan- werden pro eingeschlagenem Hektar im Durchschnitt
derfeldbau („Shifting Cultivation") und die seßhafte lediglich 8 m3 Holz entnommen. Im tropischen Afrika
Landwirtschaft (Weideland, Dauerkulturen und Ak- liegt dieser Wert bei 13 m 3 und in den hochwertigen
kerland) auf. Laut FAO (1993a) sind etwa 65 % der Wälder Südostasiens bei 33 m3 (FAO 1993a).
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Tabelle 4.7a und b

Ursachen für die Regenwaldvernichtung und -degradation in tropischen Ländern


1981 bis 1990 (in Prozent)
a) Ursachen der Entwaldung 1)

Alle wichtigen
Brasilien Indonesien Kamerun
Tropenwaldländer

Holzwirtschaft 2 9 0 2-10 2 )
Landwirtschaft 91 90 100 86-94
Wanderfeldbau 15 59 79 41-49
Seßhafte Landwirtschaft 76 31 21 45
davon: Weidewirtschaft 40 0 0 24
Dauerkulturen 4 3 3 3
Ackerbau 32 28 18 18
Abbau von Bodenschätzen
inklusive vor- und
nachgelagerter Industrien 3 0 0 1
Bau von Stauseen 2 0 0 1
Sonstige Ursachen 3 ) 2 1 0 2

1) Die Daten beziehen sich auf die Vernichtung geschlossener Wälder; die Auflichtung und Degradation von Wäldern ist nicht
berücksichtigt.
2) Der höhere Wert umfaßt auch die durch die Holzwirtschaft verursachten Biomasseverluste.
3) Straßenbau und vom Bergbau unabhängige Industrien.

b) Ursachen der Biomassevernichtung (Degradation)

Anteil an der Biomassevernichtung Anteil an Erschließung von Primärwäldern

Brasilien Indonesien Kamerun Gesamt 1 ) Brasilien Indonesien Kamerun Gesamt 1 )

Holzwirtschaft 6 44 10 10 (100) 2) (100) 2 ) 98 71


Landwirtschaft 87 55 90 85 0 0 2 26
Sonstige 7 1 0 4 0 0 0 4

1) Umfaßt alle wichtigen Tropenwaldländer.


2) Nach den FAO-Statistiken findet Brandrodung praktisch ausschließlich in zuvor von der Holzwirtschaft erschlossenen bzw.
eingeschlagenen Wäldern statt.
Quelle: Amelung und Diehl 1992

Die geringe Entnahmemenge ist jedoch keineswegs besonders interessant für nachfolgende Siedler und
gleichbedeutend mit einer umweltschonenden, nach- werden häufig völlig gerodet (Siegert u. a. 1993).
haltigen Bewirtschaftungsform. Bei einer selektiven Zudem vermindert der Einschlag die Zahl der Arten
Nutzung von ein bis zwei Stämmen pro Hektar und und die genetische Vielfalt in den Wäldern, beein-
einer sorgfältigen Vorgehensweise werden etwa 10 % trächtigt das Regenerationsvermögen der Vegetation
der Waldfläche durch die Anlage der notwendigen sowie die Böden und erhöht die Erosionsgefahr. Er ist
Infrastruktur bzw. Schäden beim Fällen und Rücken damit ein wesentlicher Faktor der Waldvernichtung
der Stämme geschädigt. In der Regel liegen die und -degradation in den Tropen.
Schädigungen jedoch weit höher. Laut FAO (1989)
werden im Durchschnitt etwa 30 bis 40 % der genutz- Um den Beitrag des Holzeinschlages zur Vernichtung
ten Fläche bei selektivem Einschlag geschädigt. In und Degradation der tropischen Wälder zu erfassen,
einigen Fällen erreicht dieser Wert 70 %. Gerade ist es notwendig, die Menge der entnommenen und
derart erschlossene und aufgelichtete Wälder sind vernichteten Biomasse abzuschätzen. Amelung und
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Diehl (1992) ermittelten dabei in Anlehnung an die 4.5 Folgen der Tropenwaldvernichtung
Aussagen der Enquete-Kommission, daß der Holzein-
schlag insgesamt für etwa 10 % der Biomassevernich- Mit der fortschreitenden Vernichtung der tropischen
tung in den tropischen Feuchtwäldern verantwortlich Wälder geht eine Vielzahl gravierender Folgewirkun-
ist (Tab. 4.7b). Dabei treten erhebliche regionale gen einher. Von diesen sind in erster Linie die
Schwankungen auf. So lag der Anteil in den 80er Tropenländer selbst betroffen. Einige der Folgewir-
Jahren in Afrika und Lateinamerika zwischen 6 und kungen sind direkt klimarelevant, wie etwa die Emis-
7 %, während in Asien der Holzeinschlag über 30 % sion von Spurengasen. Diese sollen im Zentrum der
der Biomassevernichtung, in Indonesien knapp 45 folgenden Ausführungen stehen. Darüber hinaus tritt
verursachte. Für Malaysia und Papua-Neuguinea eine Reihe von indirekt klimarelevanten Folgen auf.
ermittelten Diehl und Amelung (1992) Werte um So führt beispielsweise die durch nicht angepaßte
50 %. Nutzung hervorgerufene Degradation tropischer
Standorte zur Rodung immer neuer Flächen. Daher
Neben der Art des Einschlags ist auch die Vergabe
sollen auch diese Folgewirkungen behandelt werden.
von Einschlaglizenzen an die Holzunternehmen für
Mit der Vernichtung von tropischen Wäldern sind in
die Waldschäden bedeutsam. Detaillierte Auflagen
der Regel zudem gravierende soziale Probleme ver-
zur Vermeidung von Fäll- und Rückeschäden sind
bunden. So führt die zunehmende Erschließung und
ebenso wie Wiederaufforstungs- und waldbauliche
Nutzung der Wälder in den Tropen durch die Indu-
Pflegemaßnahmen nicht die Regel. Zudem sind die
striegesellschaften zu einer Verdrängung oder gar
Laufzeiten der Konzessionen in der Regel kürzer als
zum Aussterben von Naturvölkern, die zum Teil seit
25 Jahre, nicht selten weniger als 10 Jahre. Dadurch
Jahrtausenden in und von den Wäldern gelebt haben.
lohnen sich ein pfleglicher Umgang und Wiederauf-
Ihre Besitz- und Verfügungsrechte werden in vielen
forstungsmaßnahmen für die Holzbetriebe nicht (BFH
Fällen nicht anerkannt oder nicht hinreichend
1993a). Ferner stellen die völlig unzureichenden Kon-
geschützt, so daß sie in Streitfällen zumeist unterlie-
trollmöglichkeiten der staatlichen Stellen einen
gen.
Grund für die unpflegliche Nutzung dar. Die Vergabe
von Holzkonzessionen in unberührten Primärwaldge-
bieten ist häufig gebunden an den Aufbau von holz-
verarbeitenden Betrieben. Da dies mit zum Teil erheb-
lichem Kapitalbedarf einhergeht, werden in einigen 4.5.1 Auswirkungen auf das regionale
Ländern, vor allem in Afrika, Holzkonzessionen an und globale Klima
ausländische Investoren vergeben. So halten zum
Beispiel die inländischen Unternehmen in Kamerun Die Vernichtung und Degradation von tropischen
nur 23 von 150 vergebenen Einschlagskonzessionen. Wäldern verändert das regionale und globale Klima.
Insgesamt sind Unternehmen aus den EG-Staaten Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Veränderung
allein an etwa 130 afrikanischen Holzunternehmen der Strahlungsbilanz und den Veränderungen im
beteiligt und dürften für über 90 % des Einschlag Stoff- und Wasserkreislauf.
verantwortlich sein (Rice und Counsell 1993).
Die Vernichtung der tropischen Wälder führt jährlich
Neben den in Tabelle 4.7 aufgeführten Waldschädi- zu einer Freisetzung von 1,6 ± 1,0 Mrd. tC und ist damit
gungsformen spielt die Deckung des Brennholzbe- nach der Verbrennung fossiler Energieträger die
darfs in vielen Ländern der Tropen eine wesentliche wichtigste anthropogene Kohlenstoffquelle. Dabei
Rolle. Weltweit werden 14 % der Primärenergie durch wird der geringere Teil (etwa ein Drittel der in der
die Nutzung von Biomasse (Holz u. a. pflanzliche oberirdischen Biomasse gespeicherten Kohlenstoff-
Stoffe sowie tierische Ausscheidungen) abgedeckt, menge) unmittelbar durch das Abbrennen freigesetzt.
ein großer Teil davon durch Brennholz. In einigen Fast zwei Drittel der Kohlenstoffemission erfolgt erst
tropischen Ländern beträgt der Brennholzanteil am in der Zeit nach dem Brand durch den mikrobiellen
Energieverbrauch mehr als 90 % (z. B. Burkina Faso, Abbau der organischen Substanz.
Tansania, Malawi, Nepal). Zusammen mit dem erheb-
Zu Kohlenstofffreisetzungen führen auch Savannen-
lichen Bevölkerungswachstum sowie dem immensen
brände. Diese sind überwiegend anthropogen hervor-
Holzbedarf der rasch anwachsenden Städte ist in
gerufen und tragen zur Degradation der Vegetation
vielen Regionen eine Übernutzung der Holzreserven
und damit zur Netto-Freisetzung von Kohlenstoff bei.
zu beobachten. Etwa 1,3 Mrd. Menschen können
Das Abbrennen geschieht vor allem im Rahmen der
bereits heute nicht in ausreichendem Maße über
traditionellen Viehwirtschaft. Es fördert das Nach-
Brennholz verfügen, der größte Teil davon mit etwa
wachsen von jungen, höherwertigen Futtergräsern.
800 Mio. in Asien. Diese Zahl steigt nach Prognosen
Neben den Bränden führen auch der Brenn- und
der FAO bis zur Jahrtausendwende auf möglicher-
Nutzholzeinschlag sowie die Trockenlegung von
weise 2,7 Mrd. Menschen an. Besonders betroffen von
Sümpfen und Mooren direkt zur Emission von Kohlen-
der Brennholzkrise sind die Länder im Randbereich
stoff.
der feuchten bzw. in den wechselfeuchten und trok-
kenen Tropen (Indien, Nepal, Bangladesh, die Sahel- Diesen Quellen stehen als Speicher die auf gerodeten
staaten, Ostafrika, Nordostbrasilien und Teile der Flächen nachwachsende Biomasse, beim Brand ent-
Andenstaaten). Hier wirkt sich die Brennholzgewin- stehende Holzkohle sowie die in langlebigen Holzpro-
nung auch am stärksten auf die Waldbestände aus. In dukten gespeicherten Kohlenstoffmengen gegen-
den feuchten Tropen spielt der Brennholzeinschlag über. Ein aufgrund des erhöhten CO 2 -Gehaltes der
dagegen praktisch nur in der Nähe der großen Städte Atmosphäre hervorgerufener Düngeeffekt ist dage-
eine Rolle bei der Waldvernichtung. gen unwahrscheinlich (vgl. Kap 5).
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Die Erstellung einer genauen Kohlenstoffbilanz ist führen. Derartige Veränderungen beeinflussen den
aufgrund der Komplexität des Kohlenstoffhaushaltes restlichen Waldbestand in den Tropen. Dies gilt vor
und der unzureichenden Datenlage nach wie vor mit allem für das Amazonas-Orinoko-Becken, in dem die
großen Unsicherheiten behaftet (vgl. Kap. 6). So Verdunstung der Wälder maßgeblich für die Entste-
fehlen bislang weitgehend Angaben über die in hung von Niederschlag verantwortlich ist und die
langlebigen Holzprodukten gespeicherten Kohlen- Entwaldung sich am stärksten auf den Wasserdampf-
stoffmengen und die durch Degradation hervorgeru- gehalt der Luft auswirkt.
fene Kohlenstofffreisetzung. Zudem ist es schwierig,
die von der Folgenutzung ehemaliger Waldflächen
wesentlich bestimmten Kohlenstoffverluste abzu- 4.5.2 Ökologische Folgen
schätzen. Wächst auf der gerodeten Fläche ein Sekun-
därwald — etwa im Rahmen des traditionellen Wan- Die Vernichtung von Wäldern hat immer weitrei-
derfeldbaus —, sind die Kohlenstoffverluste relativ chende ökologische Folgen. Dies gilt insbesondere für
gering. Dagegen nehmen Weiden und Ackerflächen die einzigartig artenreichen und sensiblen Waldöko-
nur relativ wenig der freigesetzten Kohlenstoffmenge systeme der Tropen. In Abbildung 4.5 sind die ökolo-
wieder auf. Auch im Boden geht bei einer Umwand- gischen Folgen des Zusammenbruchs des Ökosy-
lung von Wald in Weide 20 % des Kohlenstoffs, bei der stems Tropenwald dargestellt. Sie sollen im folgenden
Umwandlung in permanente Ackerfläche sogar etwa erläutert werden.
40 % verloren.
4.5.2.1 Artenverluste
Durch Brandrodung sowie das Abbrennen von Savan-
nen und Ernterückständen werden zudem Stickoxide
freigesetzt, die zur Entstehung erhöhter Ozonkonzen- Wie unter 4.1.1 geschildert, sind die tropischen Wäl-
trationen in der Troposphäre führen und damit zum der, insbesondere im immerfeuchten Bereich, durch
anthropogenen Treibhauseffekt beitragen. Es wird eine einzigartig hohe Artenzahl, in der Regel geringe
geschätzt, daß das Verhältnis von Kohlendioxid- zu Individuenzahl innerhalb einer Population und einen
Stickoxidemission bei der Verbrennung von Biomasse hohen Grad an Endemismus gekennzeichnet. Die
in etwa 500 ;1 beträgt. Demnach dürften etwa 10 Mio. t Vernichtung und Degradation dieser Wälder führt
Stickoxide durch die Tropenwaldvernichtung freige- daher zwangsläufig zum Verlust einer Vielzahl von
setzt werden. Dies führt während der Trockenzeit Arten. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Ver-
regional zu erhöhten Ozonkonzentrationen. Bis zu drängung von Arten und dem Aussterben. Eine Inan-
36 Dobson-Einheiten Ozon in der Troposphäre wur- spruchnahme eines Primärwaldes durch den Men-
den über dem Atlantik zwischen Afrika und Südame- schen kann zum Beispiel dazu führen, daß einige
rika in der Abgasfahne der Biomasseverbrennung im mobile Arten aus diesem Wald in entlegenere Gebiete
südlichen Afrika beobachtet. Das sind etwa 10 % der verdrängt werden. Dies ist jedoch nur relativ wenigen
Gesamtozonsäulendichte über den Tropen. Arten möglich. In der Regel stirbt je nach Ausmaß der
Beeinträchtigung eine mehr oder weniger große Zahl
Die Entwaldung verändert die Rückstrahlung von der von Arten aus. Dies liegt unter anderem darin begrün-
Erdoberfläche und damit den Strahlungshaushalt. Die det, daß viele Pflanzen und Tiere endemisch, das heißt
Umwandlung von tropischen Primärwäldern in nur in einem einzigen Raum, vorkommen.
Sekundärwald oder Weide führt zu einer Erhöhung
Die Artenvernichtung ist auf verschiedene Mechanis-
der Rückstrahlung. Nach der Umwandlung in eine
men zurückzuführen. Dabei kann unterschieden wer-
Weide steigt sie von etwa 12 auf 18 bis 22 %. Dies
den zwischen
wirkt lokal der Treibhauswirkung der bei Waldver-
nichtung emittierten Spurengase entgegen. — dem flächendeckenden Auslöschen von Populatio-
nen durch die Vernichtung von Lebensräumen und
Die Strahlungsbilanz wird darüber hinaus mittelbar Lebensgrundlagen
durch die Veränderung des Wasserkreislaufes beein-
flußt. Über gerodeten Flächen nimmt die Verdunstung — der Verinselung von Lebensräumen
und damit der Wasserdampfgehalt der Luft ab. Dies — der Dezimierung und damit langfristigen geneti-
hat Rückwirkungen auf die Wolkenbedeckung und schen Verarmung von Populationen.
damit auf die Strahlungsbilanz. Es ist bisher jedoch
noch nicht hinreichend geklärt, ob sich dies auch auf Zum Artensterben trägt nicht nur die großflächige
das globale Klima auswirkt. Rodung von Wäldern bei, sondern auch geringere
Beeinträchtigungen, wie zum Beispiel der selektive
Gravierender ist die Wirkung der Entwaldung in den Holzeinschlag. Dieser konzentriert sich in der Regel
Tropen für das regionale Klima. In den Tropen werden auf wenige, wirtschaftlich interessante Baumarten
80 % der Energie der Sonnenstrahlung für die Ver- und kann so, selbst bei schonender Durchführung,
dunstung von Wasserdampf verbraucht und nur 20 zum Verschwinden einzelner Baumarten und damit
für die direkte Erhöhung der Temperatur. Eine Ver- der in und von ihnen lebenden Tier- und Pflanzenar-
änderung der Verdunstungsrate hat dementspre- ten auf lokaler und regionaler Ebene führen. So nahm
chend einen großen Einfluß auf den Energiehaushalt zum Beispiel in Westmalaysia in einem selektiv ein-
der Tropen. Die oben skizzierten Veränderungen der geschlagenen immergrünen Feuchtwald die Zahl der
Strahlungsbilanz durch veränderte Rückstrahlung Vogelarten im oberen Kronenbereich um 18 %, die
und Wolkenbedeckung können daher zu einer Zahl der insektenfressenden Bodentiere um über
Abschwächung der tropischen Zirkulation und damit 60 % und der fruchtfressenden Bodentiere sogar um
zu einer weiteren Verringerung der Niederschläge 80 % ab.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

Abbildung 4.6: Zusammenbruch des Ökosystems Tropenwald


Quelle: EK 1990a
-

Die Quantifizierung des gesamten durch die Vernich- nichtung der Vegetationsdecke steigt der Bodenab-
tung der Tropenwälder hervorgerufenen Artenver- trag stark an. In den feuchten Tropen spielt dabei nur
lusts ist bislang nur mit großen Unsicherheiten mög- die Wassererosion eine Rolle, in den Trockenräumen
lich, da die Zahl der in den Wäldern beheimateten auch die Winderosion.
Arten nicht genau bekannt ist. Schätzungen zufolge
Die Vegetationsdecke wirkt erosionshemmend, da sie
werden bis zum Jahr 2000 zwischen 20 und 50 % bzw.
zum einen die Zahl der auf den Boden fallenden
500 000 und mehreren Mio. Arten aussterben. Unbe-
Regentropfen und deren erosionsfördernde Energie
stritten ist jedoch, daß sich der Artenrückgang inner-
vermindert. Zum anderen erhöht die starke Durch-
halb der vergangenen Jahrzehnte erheblich verstärkt
wurzelung des Bodens dessen Infiltrationskapazität
hat. Myers (1989) ging für die 70er Jahre davon aus,
und verringert dadurch den Oberflächenabfluß. Fal-
daß pro Tag eine Art ausgestorben ist. Durch die
len die Regentropfen direkt auf den Boden, so löst
Ausweitung der Tropenwaldvernichtung ist zu
deren kinetische Energie den Zusammenhalt der
befürchten, daß die Aussterberate weiter stark zuge-
Bodenteilchen und erleichtert dadurch, bei Gefälle,
nommen hat.
deren Abtrag.
Aufgrund der häufig auftretenden Starkregen sind die
4.5.2.2 Bodenerosion und degradation
- Tropen in besonderem Maße erosionsgefährdet. Auf
sie entfällt der größte Teil der jährlich durch Erosion
Die Bodenerosion, das heißt die Abtragung lockerer verlorengehenden 60 000 km 2 Kulturland. Weltweit
Teilchen des fruchtbaren Oberbodens durch Wasser wird der Umfang des erodierten Bodens auf 75 Mrd. t
oder Wind, wird durch die Art und den Grad der pro Jahr geschätzt. Einen Überblick über die Boden-
Vegetationsbedeckung, den Niederschlag, den Bo- erosion unter verschiedenen Vegetationstypen und
dentyp und eine Reihe weiterer standortspezifischer Hangneigungen in den Tropen gibt die folgende
Faktoren bestimmt. Durch die Auflichtung bzw. Ver Abbildung.
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Abbildung 4.7: Abhängigkeit der Bodenerosion von Vegetationstyp und Hangneigung im Bereich
der feuchten Tropen
Quelle: EK 1990a

Doch nicht nur die starke Verminderung der Vegeta- Von dieser Bodendegradation sind nicht nur Ackerflä-
tionsüberdeckung fördert die Erosion. Auch die Ver- chen, sondern auch Weiden und Plantagen betroffen.
dichtung des Bodens, zum Beispiel durch Maschinen- Geradschnlw Hozpatgenwis
einsatz beim Einschlag oder Holztransport, erhöht das einen sehr hohen Nährstoffbedarf auf, der in der Regel
Erosionsrisiko, da sie die Infiltrationskapazität verrin- zu einer deutlichen Abnahme des Nährstoffvorrates
gert und den Oberflächenabfluß erhöht. führt (Abb. 4.8). Im Jari-Projekt am Unterlauf des
Amazonas betrugen die Nährstoffverluste gegenüber
Neben dem Abtrag des fruchtbaren, aber dünnen
dem gesamten ursprünglichen Nährstoffvorrat durch
Oberbodens ist in den meisten tropischen Böden der
Auswaschung und Stammholzernte nach Umwand-
starke Nährstoffverlust nach der Rodung äußerst pro-
lung des Primärwaldes in monokulturelle Holzplanta-
blematisch. Im Gegensatz zu Ökosystemen in anderen
gen 62 % bei Kalzium, 75 % bei Kalium, 30 % bei
Klimazonen befindet sich in den feuchten Tropen der
Phosphor und 50 % bei Stickstoff. Ohne Unterwuchs,
größte Teil der Nährstoffe in den Pflanzen. Werden
der für die Zufuhr organischer Substanz sorgt, würde
diese entfernt, geht dem System unweigerlich ein
der langfristige Erhalt produktiver Eukalyptus-Plan-
erheblicher Teil der Nährstoffe verloren. Die Böden
tagen jährliche Düngergaben von bis zu 400 kg/
sind dagegen nährstoffarm und verfügen nur über ein
ha/Jahr (vor allem Kalzium und Kalium) erfordern
geringes Potential, ihnen zugeführte Nährstoffe zu
(GTZ 1989). Günstiger zu beurteilen sind Holzplanta-
speichern. Die Folge sind erhebliche Nährstoffverlu-
gen mit Unterwuchs und naturnaher, waldähnlicher
ste durch Auswaschung, die kaum ausgeglichen wer-
Struktur. In ihnen sind die Nährstoffverluste und die
den können und eine längerfristige Nutzung der
Erosionsgefahr deutlich geringer.
Böden bzw. das Aufwachsen einer Sekundärvegeta-
tion behindern.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

Abbildung 4.8: Szenarien einer Kalium- und Kalziumverarmung in monokulturellen


Holzplantagen innerhalb von zwei Generationen bei verschiedenen
Bodenqualitäten
Quelle: EK 1990a

5. Auswirkungen künftiger Klimaänderungen auf die Wälder

Das Klima bestimmt in hohem Maße die standörtli- den Pflanzenzellen, die innerhalb von Sekunden
chen Bedingungen eines Waldökosystems. Dieser ablaufen können. Blätter und Früchte werden dage-
klimabedingten Umwelt passen sich die Organismen, gen, ausgelöst durch die saisonalen Witterungsbedin-
und damit das Ökosystem als Ganzes, an. Es ist daher gungen, innerhalb von Wochen und Monaten gebil-
grundsätzlich davon auszugehen, daß sich die zu det. Der Zuwachs an Biomasse und die Anreicherung
erwartenden Klimaänderungen auf die Wälder aus- von Humus in einem Waldbestand kann über Jahr-
wirken werden. Die Frage ist, ob und gegebenenfalls zehnte bis Jahrhunderte anhalten, Anpassungspro-
wann diese Veränderungen zum großflächigen zesse an natürliche Klimaschwankungen dauern
Zusammenbruch von Wäldern führen. Dies ist nicht Jahrtausende an.
nur vom Ausmaß der künftigen Klimaänderungen
Ökosysteme streben einem Fließgleichgewicht zu,
abhängig, sondern wird wesentlich auch von anderen
das heißt einem Zustand, in dem der Auf- und Abbau
Einflüssen einer veränderten Atmosphäre (CO 2
von Biomasse in etwa ausgeglichen ist und die Nähr-
Anstieg, UV-B-Strahlung, Schadstoffbelastung) sowie
stoffverluste durch optimales Recycling minimiert
vom aktuellen Zustand und der Anpassungsfähigkeit
sowie durch den Eintrag von außen wieder ausgegli-
der Waldökosysteme bestimmt (vgl. Bolle 1993, Ulrich
chen werden. Besonders beeindruckende Beispiele
und Puhe 1994).
für derartige Waldökosysteme sind die Primärwälder
in den immerfeuchten Tropen (Kap. 4.2).

5.1 Ökosystemare Grundlagen Natürlich oder anthropogen verursachten Störungen


und Veränderungen der Randbedingungen können
Ökosysteme unterliegen einem ständigen Wandel. sich Ökosysteme bis zu einem gewissen Grad anpas-
Dieser ist das Resultat von zum Teil sehr rasch, teils sen. Sofern die Anpassungsfähigkeit (Elastizität) des
sehr langsam ablaufenden Prozessen innerhalb und Systems nicht überschritten wird, strebt es dem dyna-
außerhalb des Ökosystems. Beispielsweise führt die mischen Gleichgewichtszustand wieder zu. So wird
Durchfeuchtung des Bodens nach einem Nieder- sich zum Beispiel auf einem natürlichen Buchenstand-
schlag zu chemischen Reaktionen im Boden und in ort auch nach einem katastrophalen Ereignis langfri-
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

stig wieder ein Buchenwald entwickeln. Wird die Wanderungsraten von durchschnittlich 20 bis 500, in
Elastizität jedoch überschritten, strebt das System Extremfällen 1 500 m/Jahr erreicht wurden
einem neuen Fließgleichgewicht zu, es verliert seine (Tab. 5.1).
Stabilität und befindet sich in einer Übergangsphase,
in dem sich sein Zustand verändert. Als Beispiel sei
hier die schleichende Degradierung eines Waldes zur Tabelle 5.1
Heidevegetation angeführt.
Wanderungsgeschwindigkeiten
Die Anpassungsfähigkeit von Waldökosystemen der in Europa vorhandenen Baumarten
hängt unmittelbar von den Baumarten ab. Aufgrund verschiedener Gattungen in der Nacheiszeit
ihrer langen Regenerationsdauer sind die generativen
Anpassungsmöglichkeiten von Bäumen an sich ver- Wanderungsrate
Baumart
ändernde Umweltbedingungen relativ gering. So- m/Jahr
lange die Bäume aufgrund ihrer genetischen Ausstat-
tung die Klimaänderung verkraften, sind bereits Tanne 40— 300
ablaufende Veränderungen häufig nur schwer Erle 500-2 000
erkennbar. Zwar können in der Übergangsphase
Kastanie 200— 300
Vitalitätsminderungen auftreten, doch ändert sich der
Zustand des Waldökosystems erst bei der Verjüngung Buche 200— 300
grundlegend. Wird diese durch die veränderten Fichte 80— 500
Bedingungen entscheidend behindert, so wird sich Pistazie 200— 300
nach dem Absterben der alten Bäume der Systemzu-
stand relativ rasch verändern und die bisherige Wald- Linde 50— 500
gesellschaft in eine neue, möglicherweise baumlose Ahorn 500-1 000
Vegetationsform übergehen. Dieser Prozeß wird als Hainbuche 50-1 000
Sukzession bezeichnet.
Hasel 1 500
Es ist also davon auszugehen, daß die Anpassung der Esche 200— 500
Waldökosysteme an künftige Klimaänderungen we- Walnuß 400
niger als kontinuierlicher Prozeß, sondern eher in Kiefer 1 500
„Sprüngen" verlaufen wird (Smith und Shugart 1993).
Sie können großflächige Sukzessionen auslösen. Ob Eiche 75 — 500
und wann die Sukzession wieder in eine Waldgesell- Ulme 100-1 000
schaft mündet, hängt unter anderem davon ab, wie
Quellen: Huntley und Birks 1983; Shugart u. a. 1986
schnell an die veränderten Bedingungen angepaßte
Baumarten ihr Areal ausdehnen können. Da dieser
Prozeß sehr langsam verläuft, wird es Jahrhunderte
dauern, bis sich bei verändertem Klima wieder stabile Im Gegensatz zu Europa, wo zahlreiche Baumarten
Waldökosysteme entwickeln können (Prentice 1986, während der Eiszeit ausstarben, konnten sich in
Davis 1989, Overpeck u. a. 1990). Bei diesem Prozeß Nordamerika seit der letzten Eiszeit die Vegetations-
wirken sich nicht nur klimatische Einflußfaktoren, gürtel beinahe unverändert wieder nach Norden ver-
sondern auch die Bodenverhältnisse und die Eingriffe schieben. Dabei wanderten die an kühle Klimate
des Menschen aus. angepaßten Fichten-Tannenwälder mehr und mehr in
die heutige boreale Zone bzw. in höhere Gebirgsstu-
fen, während sich in der Übergangszone zur Prärie vor
allem Eichen und im Südosten Kiefern durchsetzten.
Mischwälder aus Eichen und Nußbäumen dehnten ihr
5.2 Nacheiszeitliche Entwicklung der Wälder
Verbreitungsgebiet vor allem im Osten und Nordosten
der USA aus (Delcourt und Delcourt 1981) (vgl.
Die Zeiträume, die Waldökosysteme zur Anpassung
Kap. 3).
an Klimaänderungen benötigen, können anhand der
nacheiszeitlichen Wiederbewaldung der gemäßigten Es ist jedoch nicht möglich, die für die Nacheiszeit
Zone verfolgt werden. Diese ist insbesondere für festgestellten Wanderungsgeschwindigkeiten auf die
Mitteleuropa durch Pollenanalysen recht gut belegt aktuelle Situation zu übertragen. Der gravierendste
worden (Huntley und Birks 1983). Die allmähliche Unterschied ist die hohe Geschwindigkeit der ablau-
Erwärmung führte ab etwa 12 000 BP zunächst zur fenden Klimaänderung. Die prognostizierten Klima-
Einwanderung von an kühle Klimate angepaßte Bir- änderungen werden die Anpassungsfähigkeit der
ken und Kiefern. Mit zunehmender Erwärmung und Wälder in den gemäßigten und nördlichen Breiten um
abnehmender Feuchte gingen diese Wälder mehr und ein Vielfaches überschreiten. Ein Temperaturanstieg
mehr in Eichenmischwälder über. Erst vor rund 4 000 von 1 °C dürfte in etwa einer Verlagerung der Vege-
Jahren, als es in Europa wieder etwas kühler und tationszonen um 100 km nach Norden entsprechen.
feuchter wurde, fand die Buche günstige Bedingun- Dies wird nach den derzeitigen Klimamodellen inner-
gen vor und breitete sich mehr und mehr aus (Ehren- halb einiger Jahrzehnte erreicht sein. Die Wälder
dorfer 1983). Derartige Schwankungen vollzogen sich geraten so vor allem in den gemäßigten und hohen
über Jahrtausende unter weitgehend natürlichen nördlichen Breiten mehr und mehr in klimatische
Bedingungen. Die Bäume wanderten den sich ver- Bedingungen, an die sie nicht angepaßt sind (Gates
schiebenden Klimazonen sozusagen hinterher, wobei 1990, Davis 1989, Musselman und Fox 1991).
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

Außerdem wirken die vom Menschen künstlich wald- die Trockenheit. Heute bereits unter Dürre leidende
frei gehaltenen Nutzflächen als Barrieren bei der Gebiete können dadurch in Zukunft noch mehr
Ausbreitung von Bäumen. Regional können darüber gefährdet sein. In großen Gebieten der gemäßigten
hinaus Beeinträchtigungen der Verjüngung, zum Bei- Breiten werden ausgedehnte Sommerdürren immer
spiel durch starken Wildverbiß, die Anpassungsfähig- häufiger auftreten (Rind u. a. 1990). Der Zusammen-
keit von Wäldern einschränken. Zudem unterschei- hang zwischen Vegetation und Verdunstung wird
den sich die Bodenverhältnisse heute wesentlich von bislang in den Klimamodellen noch nicht ausreichend
denen in der Nacheiszeit. Großflächige Versauerung berücksichtigt, spielt aber für die Zukunft der Wälder
und Nährstoffverluste behindern zum Beispiel die eine äußerst bedeutsame Rolle.
Ausbreitung anspruchsvoller Arten (Ulrich und Puhe Für die Zeit seit 1949 ist über dem Nordatlantik und
1994). Umgekehrt kann der Mensch zumindest in dem europäischen Festland ein Anstieg der Windge-
intensiv bewirtschafteten Wäldern durch die gezielte schwindigkeiten um 5 bis 10 % und der Windenergie
Anpflanzung klimavariabler Arten und die Verbreite- um 15 bis 30 % gemessen worden, der sich zukünftig
rung der genetischen Vielfalt die Anpassungsfähig- in einer Häufung von Stürmen äußern wird (EK 1992).
keit der Wälder erhöhen. Die Zahl der Tiefdruckwirbel (unter 900 hPa) über
dem Nordatlantik und Europa hat seit den 30er Jahren
um rund 50 % zugenommen und noch stärker die Zahl
der extremen Sturmtiefs (Schinke 1992). Wie weit die
dichter werdenden Beobachtungen zu diesem Trend
5.3 Die zukünftige Entwicklung der Wälder
beigetragen haben, ist leider noch nicht klar. Da sich
in einem sich verändernden Klima
gleichzeitig in den warmen und schneearmen Wintern
der vergangenen Jahre das kontinentale Kältehoch,
5.3.1 Ausmaß der zu erwartenden Klimaänderung das die nach Osten ziehenden Sturmtiefs nach Norden
und Süden ablenkt, nur schwach ausbildete, konnten
Die Klimamodelle sagen für den Fall fehlender Maß- die atlantischen Tiefs viel weiter nach Mittel- und
nahmen zur Eindämmung des zusätzlichen Treib- Osteuropa vorstoßen (Abb. 5.1). Bei steigenden Win-
hauseffekts eine durchschnittliche globale Erwär- tertemperaturen könnte diese Konstellation, die zu
mung um 2 bis 5 °C in den nächsten 100 Jahren einer Häufung von Orkanen führt, in Europa immer
voraus. Über den Kontinenten wird die Erwärmung mehr zum Normalfall werden (Berz 1994).
größer sein als über den Ozeanen. Die Maxima der
Erwärmung treten vor allem im Winterhalbjahr in den Auch andere extreme Wetterereignisse wie Hagel und
nördlichen Breiten auf. Manabe und Stouffer (1993) Starkregen, Wärmephasen im Winter, Spätfröste und
berechnen, daß sich bei weiter ansteigenden CO 2 die bereits oben angesprochenen Dürren werden in
-GehaltdrAmospäigbaleMtmpru einem sich zunehmend variabler gestaltenden Klima
innerhalb der kommenden 500 Jahre sogar um 3,5 bis häufiger vorkommen (Abschnitt A, Kap. 1). Aber ge- -
7 °C erhöhen könnte. Ein Gleichgewichtszustand rade die Häufigkeit und Intensität extremer Ereig-
dürfte demnach erst in Hunderten von Jahren erreicht nisse sind für die Entwicklung der Wälder von großer
werden. Bedeutung. Sie können der auslösende Faktor für
einen „plötzlichen" Wandel der Bestockung sein
Die Niederschläge über den Landflächen dürften sich (Ulrich und Puhe 1994).
nach den Modellrechnungen bei einer äquivalenten
CO 2 -Verdopplung in der Atmosphäre global um etwa
4 bis 8 % erhöhen (IPCC 1990). Regional treten jedoch
erhebliche Unterschiede auf. Während sich die Nie- 5.3.2 Auswirkungen auf Ökosystemprozesse
derschlagserhöhung in Teilen der Tropen und in den
hohen nördlichen Breiten über das ganze Jahr verteilt, Im folgenden sollen die potentiellen Auswirkungen
steigen sie in den mittleren Breiten vor allem im der mit Klimamodellen berechneten Klimaänderun-
Winter an, während im Sommer auch längere Trok- gen auf die in den Wäldern ablaufenden ökosystema-
kenzeiten auftreten können. Die Modelle zeigen ren Prozesse dargestellt werden. Wie eingangs
zudem nahezu übereinstimmend eine Tendenz zu erwähnt wird die Entwicklung der Wälder jedoch
mehr konvektiven und weniger großflächigen Nie- nicht ausschließlich vom Klima abhängen. Neben den
derschlagsereignissen (IPCC 1990). direkten Eingriffen des Menschen, die in absehbarer
Zeit das bestimmende Element für die Waldbestände
Bei einer äquivalenten CO 2 -Verdopplung in der der Erde sein werden, wird sich auf globaler Ebene
Atmosphäre wird neben den Niederschlägen auch die auch der ansteigende CO 2 -Gehalt in der Atmosphäre
Verdunstung größer als heute sein, so daß in einigen
auf die Waldentwicklung auswirken. In den mittleren
Regionen die Bodenfeuchte zurückgehen kann. Wäh- und polnahen Breiten stellt auf beiden Hemisphären
rend dies in den hohen nördlichen Breiten kaum zu die infolge des stratosphärischen Ozonabbaus erhöhte
befürchten ist — zumal hier mehr Niederschläge als
UV-B-Strahlung eine zunehmende Gefährdung für
Regen fallen und sich das pflanzenverfügbare Was-
die Ökosysteme dar. Weitere regional wirksame Fak-
serangebot insgesamt erhöht — können die Böden in
toren sind die erhöhten bodennahen Konzentrationen
den mittleren Breiten und den wechselfeuchten Tro-
des pflanzenschädlichen Ozons und die Versauerung
pen während des Sommers oder der Trockenzeit
und Kontamination der Böden. Diese wurden im
verstärkt austrocknen. Die dadurch geringere Ver-
Kapitel 3 bereits angesprochen.
dunstung vermindert die Bildung von Konvektions-
wolken und damit die Niederschlagstätigkeit. Eine Wenngleich die klimatischen Veränderungen zusam
derartige positive Rückkopplung verstärkt wiederum men mit den anderen oben genannten Faktoren zu
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Abbildung 5.1: Schematische Darstellung der Zugbahnen winterlicher Tiefs


Quelle: Dronia 1991

komplexen Wirkungsketten innerhalb der Ökosy- — Die Niederschläge werden tendenziell verstärkt in
steme führen werden (vgl. Punkt 5.1), soll zunächst auf kurzen, intensiven Schauern fallen. Dadurch wird
den Einfluß einzelner Parameter auf die Pflanzenent- der oberflächliche Abfluß zu Lasten des in den
wicklung eingegangen werden. Boden einsickernden Niederschlaganteils erhöht.
Die von den Pflanzen nutzbare Wassermenge
verringert sich dadurch.
5.3.2.1 Auswirkung einer Veränderung der Die Pflanzen reagieren auf Wassermangel mit einer
Temperatur- und Feuchteverhältnisse Verengung der Spaltöffnungen (Stomata) in den Blät-
tern, um die Verdunstung zu reduzieren. Gleichzeitig
Ein Ansteigen der durchschnittlichen Temperaturen wird dadurch jedoch die Aufnahme von CO 2 , die für
wirkt sich sowohl auf die Photosyntheseleistung als die Assimilation von grundlegender Bedeutung ist,
auch auf die Atmung von Pflanzen aus. Je nach Art der verringert. Länger anhaltende Trockenphasen führen
Erwärmung (Anstieg der Nachttemperaturen, Erwär- daher zu vermindertem Wachstum oder sogar zum
mung vor allem im Winterhalbjahr etc.) kann die Absterben der Pflanzen.
zusätzliche Atmung der Pflanzen die Erhöhung der
Photosyntheseleistung kompensieren oder sogar Diesem Effekt wirkt ein erhöhter CO 2 -Gehalt in der
übertreffen (Woodwell 1990, Schlesinger 1991, Krie- Luft entgegen. Er ermöglicht es der Pflanze, auch bei
bitzsch 1991). Insgesamt besteht jedoch eine tenden- einer verminderten Leitfähigkeit der Stomata noch zu
ziell positive Korrelation zwischen Temperaturerhö- assimilieren (Abb. 5.2). Es ist allerdings fraglich, ob
hung und dem Pflanzenwachstum. Dies setzt aller- die Erhöhung der Wassernutzungseffizienz wesent-
dings eine ausreichende Wasserversorgung voraus, lich ist. Modellberechnungen von Allen (1990) zeigen
die für viele Regionen aus folgenden Gründen fraglich zumindest für Wälder mit hohem Blattflächenindex
ist: und damit einem hohen Anteil an unproduktiver
Verdunstung von photosynthetisch wenig aktiven
— Ansteigende Temperaturen und gleichbleibende Schattenblättern, daß die Verringerung der stomatä-
Luftfeuchte steigern den Wasserbedarf der Pflan- ren Transpirationsverluste durch die erhöhte Blattem-
zen erheblich. peratur kompensiert wird. Die Datenbasis reicht nicht
— Für die mittleren Breiten im Sommer und die aus, um einen signifikanten wassersparenden Effekt
auf Ökosystemebene zu prognostizieren.
wechselfeuchten Tropen in der Trockenzeit wer-
den ausgedehntere Abschnitte mit geringen Nie- Es ist jedoch grundsätzlich zu bedenken, daß eine
derschlägen prognostiziert. mögliche CO 2 -induzierte Erhöhung der Wassernut-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
zungseffizienz in vielen Regionen weit geringer aus- dem ist damit zu rechnen, daß Insektenarten, die
fallen wird als der Anstieg des Wasserbedarfes. Bei- bislang nicht als Schädlinge aufgetreten sind, bei
spielsweise würde in Teilen Mitteleuropas eine einer Klimaänderung signifikante Schäden hervorru-
Abnahme der Niederschläge um durchschnittlich fen können (Hedden 1989), bzw. Schädlinge aus
2 mm pro Tag die Gesamtniederschläge während der anderen Klimazonen einwandern. Die Folgen können
Vegetationsperiode um 30 bis 60 % vermindern. Eine angesichts der durch Klimastress hervorgerufenen
höhere Wassernutzungseffizienz der Pflanzen dürfte Schwächung der Widerstandskräfte der Bäume dra-
sich angesichts derartiger Größenordnungen kaum stisch sein (Führer 1992).
spürbar auswirken (Ulrich und Puhe 1994). Es ist
demnach davon auszugehen, daß sich in Gebieten, die
in Zukunft verstärkt sommerliche Trockenperioden 5.3.2.2 Auswirkungen extremer Witterungsereignisse
aufweisen, innerhalb weniger Jahre bis Jahrzehnte
großflächige Waldschäden auftreten werden, die
Als extreme Witterungsereignisse werden für Wälder
einen Vegetationswandel hin zu baumlosen Pflanzen-
Spätfröste, sommerliche Dürren, Stürme, Naßschnee,
gesellschaften auslösen können.
aber auch das witterungsabhängige Auftreten von
Von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung Bränden und Insektenbefall verstanden. Generell ist
der Wälder sowie für mögliche Rückkopplungseffekte davon auszugehen, daß sich mindestens einige sol-
auf den Treibhauseffekt wird die Veränderung der cher Erscheinungen im Verlaufe einer Klimaände-
bodengebundenen Prozesse unter wärmeren Bedin- rung häufen.
gungen sein. Ein Temperaturanstieg bei gleichblei- Die Waldschäden durch Stürme sind in Mitteleuropa
bender oder erhöhter Bodenfeuchte erhöht die Mine- innerhalb dieses Jahrhunderts deutlich angestiegen.
ralisierung der abgestorbenen organischen Substanz Bis etwa 1950 waren Sturmkatastrophen regional
im Boden. Dadurch vergrößert sich die Menge an begrenzt, der Schadholzanfall lag jeweils zwischen 10
freigesetzten Nährstoffen. Eine Erhöhung der Jahres- und 17 Mio. m3 (Karius 1990). Die Stürme vom Februar
mitteltemperatur um 1 °C könnte in Europa zu einem 1990 erbrachten dagegen einen Schadholzanfall von
Anstieg der Stickstoffmineralisation im Boden um 60 Mio. m3 (Kronauer 1990). Diese Steigerung ist
etwa 15 % führen (Beese 1986). Zumindest vorüberge- außer auf die Zunahme der Windgeschwindigkeiten
hend wird dies — unter der Voraussetzung einer vor allem auf die Vorschädigung der fichtendominier-
ausreichenden Wasserversorgung — zu Wachstums- ten Bestände zurückzuführen (vgl. Kap. 3). Eine
steigerungen führen. Deren Ausmaß dürfte über dem mögliche weitere Zunahme der Windgeschwindigkeit
direkt temperaturbedingten Anstieg der Photosynthe- läßt vor diesem Hintergrund einen überproportiona-
seleistung liegen. Ob und wie lange derartige Wachs- len Anstieg des Schadholzanfalls erwarten (Ulrich und
tumssteigerungen anhalten können, hängt vom Puhe 1994).
Bestandsabfall ab. Nur wenn sich die Menge der -
absterbenden Biomasse und die mit ihr umlaufende Waldbrände spielen vor allem in der borealen Zone
Stickstoffmenge entsprechend der Mineralisierungs- und im Mittelmeerraum eine wichtige Rolle innerhalb
zunahme steigert, kann das hohe Wachstumsniveau der Ökosysteme. Die aktuell festzustellende Auswei-
beibehalten werden. Ansonsten wird die Mineralisie- tung der Brandflächen, vor allem durch menschliches
rung zum Vorratsabbau von Stickstoff und Humus im Fehlverhalten, wurde in den Kapiteln 2 und 3 bereits
Boden führen. Wo die Wintertemperatur über 5 °C angesprochen. In Kanada könnte sich nach Flannin-
liegen wird, ist damit zu rechnen, daß sich der gan und Wagner (1991) die Waldbrandgefahr durch
Humusvorrat auf einem niedrigeren Niveau einpen- die Klimaänderung bei äquivalenter CO 2 -Verdopp-
delt. In der Übergangsphase von einigen Jahrzehnten lung um die Hälfte erhöhen.
werden dann die Waldböden zu CO 2 -Quellen. Die Brände können jedoch auch in Mitteleuropa eine
Quellstärke wird von Ulrich und Puhe (1994) für wachsende Bedeutung erhalten. Auf den versauern-
Mitteleuropa auf 200 bis 500 kg C/ha/Jahr geschätzt, den Böden bilden sich mehr und mehr Humusaufla-
was 10 bis 25 % der Streuproduktion entspricht. Dar- gen, die — verstärkt durch ein künftige Zunahme
über hinaus kommt es zu erheblichen Stickstoffverlu- warm-trockener Wetterlagen — das Brandrisiko
sten in Form von Distickstoffoxid (N 2O), das in die
erheblich erhöhen werden. Dabei sind Kiefern-,
Atmosphäre entweicht, und Nitrat (NO 3 - ), das ins Douglasien- und Fichtenbestände besonders gefähr-
Grundwasser ausgewaschen wird. Letzteres wird det. Doch auch in Laubwäldern wird sich die Brand-
begleitet vom Verlust anderer Nährstoffe wie Kalzium gefahr erheblich erhöhen (Ulrich und Puhe 1994).
und Magnesium (Ulrich und Puhe 1994, Bouwman
1990) (vgl. Kap. 3).
Wärmere Winter in den mittleren und nördlichen 5.3.2.3 Auswirkungen eines erhöhten CO2-Gehaltes
Breiten können bei vielen Baumarten zu einer Vorver- in der Atmosphäre
legung von Blüte und Austrieb führen. Dadurch steigt
das Risiko von Spätfrostschäden (Hänninen 1991). Bei Die potentiellen Auswirkungen eines erhöhten CO 2
Tieren können milde Winter zum vorzeitigen Erwa- -GehaltsdrAmopäufiePlanzbw.Wä-
chen aus dem Winterschlaf mit all seinen nachteiligen der sind bislang nicht konkret vorherzusagen. Neben
Folgen führen (Kriebitzsch 1991). Von großer Bedeu- dem bereits geschilderten Einfluß auf die Wassernut-
tung wird die Temperaturerhöhung für die Ausbrei- zungseffizienz sind unter Laborbedingungen in Ver-
tung und das Fraßverhalten von Schädlingen sein. suchen mit erhöhten CO 2 -Gehalten eine erhöhte Pho-
Wärmere Winter verbessern die Überlebensbedin- tosyntheseleistung und ein verstärktes Pflanzen-
gungen vieler Schädlinge (Warrick u. a. 1986). Außer wachstum festgestellt worden (Strain und Thomas
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

1992, EPA 1992). Dies gilt vor allem bei Sämlingen, die "Häufig wurde in Versuchen jedoch festgestellt, daß
über kurze Zeitspannen (unter 1 Jahr) mit erhöhten die Steigerung der Photosyntheseleistung nur vor-
CO2 -Konzentrationen behandelt wurden. In CO 2 übergehend anhielt. Dies wird unter anderem darauf
-angerichtUmbuslfveringchd zurückgeführt, daß die Chloroplasten (Zellorgane, die
Atmungsverluste vor allem der C-3-Pflanzen, zu das für die Photosynthese notwendige Chlorophyll
denen praktisch alle Waldbaumarten gehören. Wie enthalten) aufgrund der gesteigerten Photosynthese
die Abbildung 5.2 zeigt, wird das über die Spaltöff- übermäßig viel Stärke anreichern, wodurch es zu
nungen aufgenommene CO 2 bei C-3-Pflanzen unmit- negativen Rückkopplungen auf die Photosynthese
telbar von einem Enzym (Ribulosediphosphat-Carbo- kommt.
xylase) fixiert. Dabei entsteht eine instabile Verbin-
Der experimentell — meist in Klimakammern —
dung mit sechs Kohlenstoffatomen, die rasch in zwei
nachgewiesene wachstumsteigernde Effekt erhöhter
Zuckerderivate aus je drei Kohlenstoffatomen zerfällt
CO 2 -Gehalte (CO 2 -Düngeeffekt) läßt sich jedoch auf-
— daher die Bezeichnung C-3-Pflanze. Diese Zucker-
grund der folgenden Einschränkungen nicht einfach
derivate durchlaufen im sogenannten Calvin-Zyklus
auf die Verhältnisse in der Natur übertragen.
verschiedene Reaktionen, in denen die schließlich
zum Wachsen benötigten Zucker gebildet werden. — Grundsätzlich wird die Produktivität eines terre-
strischen Ökosystems in erster Linie durch das
Um die Fixierung am Carboxylase-Enzym konkurriert Wasser- und Nährstoffangebot sowie die Lichtver-
Kohlendioxid mit Sauerstoff. Wird letzterer eingebun- hältnisse begrenzt. Nur bei guter Versorgung der
den (Lichtatmung), so wird Sauerstoff verbraucht und Pflanzen kann ein spürbarer CO 2 -Düngeeffekt
Kohlendioxid freigesetzt. eintreten. Dies ist in natürlichen und naturnahen
Ökosystemen, zu denen die meisten Wälder gehö-
Je größer diese Atmungsverluste sind, desto weniger
ren, oftmals nicht der Fall.
Energie bleibt der Pflanze zum Aufbau von Gewebe
zur Verfügung. Mit zunehmender CO 2 -Konzentration — Die Experimente konzentrieren sich lediglich auf
verringert sich die Lichtatmung. Die Lichtatmungs- die Effekte eines CO 2 -Anstiegs, ohne die Auswir-
verluste sinken entsprechend bei einem CO 2 -Gehalt kungen der damit einhergehenden Klimaänderun-
von 600 ppm um rund 50 % gegenüber dem heutigen gen (Temperaturanstieg, Niederschlagsverände-
CO 2 -Gehalt in der Luft (Oechel und Strain 1985). rung etc.) mit einzubeziehen.

Abbildung 5.2: Ablauf der Photosynthese bei C-3-Pflanzen unter aktuellem und erhöhtem CO 2-Gehalt der Umgebungsluft
Quelle: Bazzaz und Fajer 1992
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
— Veränderungen des CO 2 -Gehaltes verändern die 5.3.3 Fazit
Konkurrenzverhältnisse in naturnahen Ökosyste-
men. Einige Arten profitieren zu Lasten anderer Die prognostizierte Klimaänderung übersteigt die
Arten. Daraus ergibt sich trotz möglicher Wachs- Anpassungsfähigkeit der Waldökosysteme, so daß
tumssteigerung einzelner Pflanzen keine Erhö- diese mehr und mehr in Bedingungen geraten, an die
hung der Produktivität des Ökosystems. Im Gegen- sie nicht angepaßt sind (IPCC 1992). Ob und wann
teil: Die Verschiebungen der Konkurrenzverhält- besser angepaßte Baumarten in die bisherigen Wald-
nisse kann zu einer Destabilisierung der Ökosy- ökosysteme einwandern, ist in naturnahen Waldge-
steme und zur Verdrängung von Arten führen. bieten fraglich. In den Wirtschaftswäldern kann der
Mensch diesen Prozeß gezielt unterstützen.
— Eine verstärkte Aufnahme von CO 2 durch die
Pflanzen führt zu einer Erhöhung des Verhältnis- Der durch die Klimaänderung ausgelöste Wandel der
ses von Kohlenstoff zu Stickstoff (C : N-Verhältnis) Wälder wird nicht in einem kontinuierlichen Prozeß,
in der Biomasse. Dies verlangsamt die mikrobielle sondern wahrscheinlich in „Sprüngen" erfolgen.
Umwandlung der Streu und beeinträchtigt den Inwieweit dies zum Zusammenbruch von Wäldern
Nährstoffkreislauf. Darüber hinaus kann sich das und zur Entstehung baumarmer oder baumloser
Fraßverhalten und die Populationsgröße pflanzen- Pflanzengesellschaften führt, hängt nicht nur von der
fressender Insekten durch Verschiebungen im Geschwindigkeit und dem Ausmaß der veränderten
C:N-Verhältnis verändern (Bazzaz und Fajer Klimaparameter ab, sondern wird durch andere Fak-
1992).
toren mitbeeinflußt werden. Zu diesen gehört der
aktuelle Zustand der Waldökosysteme, der sich durch
Vor diesem Hintergrund erscheint es unwahrschein-
nicht nachhaltige Nutzungsformen und Stoffeinträge
lich, daß die Erhöhung des CO 2 -Mischungsverhältnis-
in vielen Regionen verschlechtert hat. Große Bedeu-
ses in der Atmosphäre sich wesentlich auf das Pflan-
tung wird in diesem Zusammenhang der Zustand der
zenwachstum auswirken wird. Dies gilt vor allem für
Waldböden haben. Insbesondere Waldgesellschaften,
natürliche und naturnahe Ökosysteme, in denen meist
die unter nicht optimalen natürlichen Bedingungen
nicht CO2 , sondern das Wasser- und Nährstoffangebot
stocken bzw. durch anthropogene Einwirkung bela-
die wachstumslimitierenden Faktoren darstellen.
stet werden, sind durch die Klimaänderung gefähr-
det.

5.3.2.4 Auswirkungen erhöhter UV B Strahlung


- -
Einfluß auf die Waldentwicklung wird zudem der
erhöhte CO 2 -Gehalt der Atmosphäre ausüben. Der
Im Zuge der auf absehbare Zeit fortschreitenden aktuelle Wissensstand läßt erwarten, daß sich eine
Ausdünnung der stratosphärischen Ozonschicht wird wachstumsteigernde Wirkung erhöhter CO 2 -Gehalte
sich die UV-Strahlung an der Erdoberfläche erhöhen im wesentlich auf Standorte beschränken wird, die
(Abschnitt A, Kap. 2). Messungen in der Antarktis eine gute Nährstoff- und Wasserversorgung aufwei-
sen.
ergaben in Jahren mit besonders starkem Ozonabbau
eine Erhöhung der UV-B-Strahlung um den Faktor
Darüber hinaus werden regional weitere Faktoren,
zwei bis drei. Auch in Melbourne konnte eine erhöhte
wie zum Beispiel erhöhte UV-B-Strahlung, eine Rolle
UV-B-Strahlung als Folge geringer Ozonsäulendichte
spielen. Insgesamt ist von komplexen Wirkungsketten
nachgewiesen werden (Roy u. a. 1990). Auf der Nord-
auszugehen, die zu regionsspezifischen Veränderun-
halbkugel sind derartige Effekte noch nicht nachge-
gen der Waldökosysteme führen werden. Ein Bestok-
wiesen worden, was neben meßtechnischen Proble-
kungswandel wird dabei häufig im Zusammenhang
men auf erhöhte troposphärische Ozonkonzentratio-
mit Schäden durch klimatische Extremereignisse auf-
nen zurückzuführen ist. Modellrechnungen ermitteln
treten.
für die mittleren Breiten eine Erhöhung der UV-
B-Strahlung um 20 % pro Jahrzehnt (Zellner 1993).
Die Wirkungen dieser Strahlungszunahmen auf die
Pflanzen sind im Abschnitt B, Kapitel 3.1.3 beschrie-
ben. Die dort gemachten Aussagen basieren im 5.4 Modellvorhersagen über die zukünftige
wesentlichen auf Untersuchungen mit Kulturpflan- Verteilung der Wälder
zen. Dagegen wurden, aufgrund der damit verbunden
technischen Probleme, nur wenige Untersuchungen In Anlehnung an die Klimamodelle wird seit einigen
mit Bäumen durchgeführt. Dabei handelte es sich um Jahren versucht, über Vegetationsmodelle die zu-
Sämlinge, über größere Bäume liegen keine Ergeb- künftige Verteilung der Vegetationsformen auf der
nisse vor (SCOPE/UNEP 1992). Wenngleich analog zu Erde zu simulieren. Dabei wurden drei unterschiedli-
den Kulturpflanzen auch bei Bäumen tendenziell mit che Klassen von Modellen entwickelt. Die erste
einer Beeinträchtigung der Photosynthese und des basiert auf der Korrelation zwischen dem Biom und
Zuwachses zu rechnen ist, kann auf der vorliegenden Klimavariablen, wie Temperatur und Niederschlag
Datenbasis keine quantitativen Abschätzung vorge- (Holdridge 1947 und 1967, Prentice 1990, Smith u. a.
nommen werden. Auch über weitere Auswirkungen, 1992). Eine zweite Klasse von Modellen fußt auf dem
zum Beispiel auf die Tierwelt — vor allem Insekten — Zusammenhang zwischen dem Jahresgang von Kli-
können keine Aussagen gemacht werden. In Anbe- mavariablen und den Pflanzen (Box 1981). Die jüng-
tracht der wichtigen Rolle von Tieren innerhalb von sten Modelle beachten vor allem diejenigen Klima-
Waldökosystemen könnten sich hier bisher unberück- faktoren, die offensichtlich die Verbreitung von Pflan-
sichtigte Gefährdungspotentiale auftun. zen begrenzen, zum Beispiel Temperatur oder Boden-
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wassergehalt. Beispiele hierfür sind das BIOME- tungsgebiet einer Pflanze abgrenzen, sondern ermit-
Modell (Prentice u. a. 1992) sowie die von Neilson telt eine standortspezifische Wasserbilanz. In diese
(1992) entwickelten Modelle CCVM (Canadian Cli- fließen neben den Klimavariablen (Temperatur und
mate Vegetation Model) und MAPSS (Mapped Atmo- Niederschlag) auch die Verdunstung von den Blatt-
sphere Plant Soil System). oberflächen (Interzeption) und vom Boden (Evapora-
tion) sowie die Transpiration der Pflanzen ein. All
Bevor auf die Ergebnisse der wichtigsten Modelle diese Einflußfaktoren können über die Blattfläche in
eingegangen wird, ist es notwendig, sich deren Aus- einem Ökosystem erfaßt werden. Daher wird zur
sagekraft vor Augen zu führen. Grundsätzlich handelt Berechnung der Wasserbilanz der sogenannte Blatt-
es sich bei allen Ansätzen um Gleichgewichtsmodelle, flächenindex (Leaf-Area-Index, LAI) herangezogen
das heißt, es wird ein zukünftiger Zustand dargestellt, (Neilson 1993).
in dem sich die Ökosysteme an die veränderten
Klimabedingungen angepaßt haben. Die Phase des Die starke Betonung des Wasserhaushalts als ent-
Übergangs, die unter Punkt 5.3 betrachtet wurde, wird scheidende Größe für die Pflanzenentwicklung führt
von den Modellen nicht wiedergegeben. Angesichts im Modell zu einer drastischen Reduzierung der
der eingeschränkten Wanderungsgeschwindigkeit Waldfläche um 50 %. Bei einer 50prozentigen Steige-
von Bäumen könnten Jahrhunderte bis Jahrtausende rung der Wassernutzungseffizienz der Pflanzen
vergehen bis der prognostizierte Gleichgewichtszu- — hervorgerufen durch einen höheren CO 2 -Gehalt —
stand erreicht wird. würde sich die Waldfläche kaum verändern (+4 %).

Darüber hinaus werden in den Modellen wesentliche Neilson (1992) hat das Modell für die USA weiter
Faktoren bislang nicht ausreichend berücksichtigt. verfeinert, indem eine mögliche Verdopplung der
Dazu gehören der Einfluß der Böden und der Nähr- Windintensität bei äquivalenter CO 2 -Verdopplung in
stoffversorgung auf die Pflanzenentwicklung und die der Atmosphäre mit einbezogen wurde. Ein Anstieg
direkten Effekte eines erhöhten CO 2 -Gehaltes in der der Windtätigkeit kann die Waldfläche durch eine
Atmosphäre (vgl. Punkt 5.3). Außerdem muß heraus- Erhöhung der Transpiration und der Wurfschäden
gestellt werden, daß die Prognosen über die Verschie- erheblich dezimieren. Je nach Windstärke, Wasser-
bung der Vegetationszonen direkt abhängig von der nutzungseffizienz und zugrundeliegendem Klimamo-
Qualität der Klimamodelle sind. Diese weisen jedoch dell bleiben im Modell 2 bis 98 % der Wälder erhalten.
auf der regionalen Ebene noch erhebliche Unsicher- Die riesige Bandbreite zeigt zwar die Unsicherheit der
heiten auf, die sich auf die Vegetationsmodelle über- Prognose, doch verdeutlicht sie zugleich, welches
tragen. Außerdem sind als Basis Gleichgewichtsmo- Gefahrenpotential die künftigen Klimaänderungen
delle verwendet worden, die lediglich die Anpassung für die Wälder darstellen.
an einen verdoppelten CO 2 -Gehalt berechnen und die
Ozeanströme nicht berücksichtigen. Das Gefährdungspotential auf der globalen Ebene -
drückt Abbildung 5.3 aus. Diese zeigt die modellierte
Ungeachtet dieser erheblichen Einschränkungen lie- Entwicklung des Blattflächenindex, das heißt der
fern Vegetationsmodelle einen Beitrag dazu, sich die Pflanzendichte. Mit Ausnahme eines schmalen Strei-
möglichen Folgen der Klimaänderung vor Augen zu fens im Bereich der nördlichen borealen Zone zeigt
führen. Im folgenden sollen daher vor diesem Hinter- die Modellrechnung für fast alle Gebiet der Erde ein
grund die wichtigsten Modellergebnisse dargestellt deutliche Abnahme der Vegetationsbedeckung.
werden.

Alle Modelle prognostizieren gravierende Verschie- Die Auswirkungen einer derartigen Vegetationsver-
bungen der Vegetationszonen in Richtung der Pole. schiebung auf den Kohlenstoffhaushalt der Erde
Hinsichtlich der Entwicklung der Waldflächen treten wären erheblich. Neilson (1993) schätzt sie anhand
zwischen den Vegetationsmodellen erhebliche Ab- der folgenden beiden Szenarien ab:
weichungen auf. Das BIOME-Modell zeigt das Vor-
dringen der borealen Wälder in die heutige Tundra 1) Unter der Voraussetzung, daß die Ausdehnung der
und der sommergrünen Laubwälder in die heutige Waldfläche nach Norden bereits vor einem großflä-
boreale Nadelwaldzone. Gleichzeitig dehnt sich das chigen Absterben der Wälder beginnt, würden
potentielle natürliche Verbreitungsgebiet der Tro- zunächst jährlich bis zu 1,6 Mrd. tC zusätzlich in die
penwälder aus (Prentice u. a. 1992). Dadurch könnte Wälder eingebunden. Sobald jedoch das Abster-
sich, in Abhängigkeit vom jeweils zugrundeliegenden ben der vorhandenen Wälder beginnt, würden die
Klimamodell, die globale Waldfläche bis zu einem Wälder zu einer CO 2 -Quelle. Das CO 2 -Emissions-
Viertel ausdehnen. Zieht man. die Aussagen des potential durch den Vegetationswandel schätzt
Holdridge-Life-Zone-Modells (Smith u. a. 1992) Neilson (1993) auf etwa 1 bis 5 Mrd. tC, die sich auf
heran, so dürfte sich die globale Waldfläche bei einer ungefähr 35 Jahre verteilen.
äquivalenten CO 2 -Verdopplung nicht wesentlich ver-
ändern (+1 bis -15 %). 2) Drastischer sind die Folgewirkungen des zweiten
Szenarios, in dem unterstellt wird, daß ein großflä-
Zu deutlich anderen Ergebnissen gelangen das chiges Absterben der Wälder bereits einsetzt,
CCVM und das MAPPS-Modell, die sich allerdings bevor sich die Wälder nach Norden hin ausdehnen.
nur auf Nordamerika beziehen. Letztgenanntes ist das Für diesen Fall errechnete Neilson (1993) eine
am weitesten ausdifferenzierte Vegetationsmodell. Es Freisetzung von 20 bis 160 Mrd. tC über 35 und
berücksichtigt nicht nur die klimatischen Schwellen- mehr Jahre (vgl. Kap. 6). Diese Größenordnung ist
werte (Temperatur, Niederschlag), die das Verbrei in etwa vergleichbar mit der heutigen CO2-Emis-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

Abbildung 5.3: Abnahme der Vegetationsdichte in einem Klima unter äquivalenter CO 2-Verdopplung in der Atmosphäre
Berechnet mit dem MAPSS-Modell als Durchschnitt aus fünf verschiedenen Klimamodellen
Quelle: Neilson 1993

sion durch die Verbrennung fossiler Energieträger. Es soll abschließend noch einmal betont werden, daß -
Sie dürfte entsprechend zu einer weiteren Forcie- es sich bei diesen Aussagen nur um mögliche Größen-
rung des anthropogenen Treibhauseffektes füh- ordnungen handelt. Die Vegetationsmodelle sind bis-
ren. her nur erste Ansätze, die es zu verbessern gilt.

6. Die Rolle der Biosphäre im globalen Kohlenstoffkreislauf


und der Einfluß des Menschen

6.1 Der globale Kohlenstoffkreislauf und anthropogene Einflüsse (Rodung, CO 2 -Düngeef-


und die Rolle der Biosphäre fekt, Klimaveränderungen etc.) andererseits sich
annähernd kompensieren. Eine Vielzahl von Untersu-
Die terrestrischen Ökosysteme sind auf vielfältige chungen unterstreicht jedoch, daß einzelne terrestri-
Weise in die globalen Stoffflüsse eingebunden und sche Ökosysteme häufig keine ausgeglichene Koh-
stehen in einem komplexen wechselseitigen Aus- lenstoffbilanz aufweisen, sondern je nach Einzelfall
tauschverhältnis mit der Atmosphäre (Mooney u. a. Kohlenstoffquellen oder -senken darstellen. Die
1987). Im Zusammenhang mit der Klimaproblematik modellgestützten Prognosen über die zukünftige Ent-
ist die Rolle der Biosphäre im globalen Kohlenstoff- wicklung des atmosphärischen CO 2 -Gehaltes sind
haushalt von zentralem Interesse und Gegenstand der daher mit erheblichen Unsicherheiten behaftet (IPCC
wissenschaftlichen Diskussion. In den computerge 1992, Lugo und Wisniewski 1992, Sampson u. a.
stützten Modellen des Kohlenstoffkreislaufes wird die 1993).
Landbiosphäre eher als „neutral" eingestuft, weil In Abb. 6.1 sind die Kohlenstoffreservoire und die
Kohlenstoffeinbindung und -freisetzung durch natür- jährlichen C-Austauschmengen zwischen ihnen nach
liche Prozesse (Photosynthese und Atmung) einerseits gegenwärtigem Wissensstand abgeschätzt.
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Abbildung 6.1: Der globale Kohlenstoffkreislauf (in Mrd. t/Jahr)


Quelle: Edmonds 1992

Die Werte verdeutlichen die intensiven Austauschbe- CO 2 ) niedriger. Analog zu den stark ansteigenden
ziehungen zwischen der Atmosphäre und der Bio- anthropogenen Kohlenstoffemissionen ist die jährli-
sphäre einerseits und der Atmosphäre und den Ozea- che Nettoaufnahme in der Atmosphäre seit Beginn der
nen andererseits. Dagegen ist der Kohlenstofffluß von Industrialisierung angestiegen und liegt heute bei 3,4
den Kontinenten in die Meere mit etwa 0,5 Mrd. tC/ Mrd. tC/Jahr. Dies entspricht knapp der Hälfte der
Jahr vergleichsweise gering. Die gleiche Menge wird vom Menschen verursachten Kohlenstoffemissionen
in den Sedimenten der Ozeane abgelagert und dann (ca. 6 bis 8 Mrd. tC/Jahr).
mit erheblicher zeitlicher Verzögerung über die Plat-
Die Meere stellen zwar mit rund 36 000 Mrd. tC das
tentektonik und der damit verbundenen CO 2 -Emis-
größte Kohlenstoffreservoir dar. Der überwiegende
sion durch Vulkane wieder in die Atmosphäre zurück-
Teil dieser Menge wird jedoch im Tiefenwasser unter-
geführt (geochemischer Kohlenstoffkreislauf).
halb von 1 000 m gespeichert. In der oberflächen-
Der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre liegt heute nahen Zone befinden sich lediglich rund 600 bis
bei 355 ppmv (IPCC 1992). Dies entspricht einer 900 Mrd. tC (Abb. 6.1). Das Tiefenwasser tauscht sich
Gesamtmenge von etwa 740 Mrd. tC. In vorindustriel- nur sehr langsam mit dem Oberflächenwasser (der so-
ler Zeit lag dieser Wert um 125, Mrd. tC (ca. 280 ppmv genannten Mischungsschicht) aus. Dementsprechend
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ist der Transport aus der Atmosphäre über die Da der größte Teil der CO 2 -Emissionen auf der Nord-
Mischungsschicht in das Tiefenwasser sehr langsam. halbkugel freigesetzt wird, müßte — unter Einbezie-
Dieser Prozeß bestimmt den Anteil des anthropogen hung der atmosphärischen Mischungsprozesse — der
emittie rt en CO 2 in der Atmosphäre. Dagegen erfolgt Kohlenstoffgehalt hier um etwa 5 ppmv höher liegen
der CO 2 -Austausch zwischen der Atmosphäre und der als auf der Südhalbkugel. Der in den 80er Jahren
Mischungsschicht sehr schnell, so daß generell von gemessene Gradient beträgt jedoch nur 3 ppmv. Als
einem Gleichgewicht zwischen dem in der Atmo- mögliche Erklärungen kommen die folgenden An-
sphäre vorhandenen und in der Mischungsschicht sätze in Betracht:
gelösten CO 2 ausgegangen werden kann. Der größte
— Die ozeanische Kohlenstoffsenke ist stärker als
Teil der hier gespeicherten Kohlenstoffmenge liegt als
bisher angenommen.
gelöster nichtorganischer Kohlenstoff vor. Deutlich
geringere Mengen sind in den marinen Lebewesen — Der „fehlende" Kohlenstoff ist das Resultat einer
gespeichert. Der CO 2 -Austausch zwischen Atmo- asymmetrischen natürlichen Verteilung der Sen-
sphäre und den Ozeanen wird durch eine Reihe von ken und Quellen auf der Nord- bzw. Südhalbku-
Faktoren beeinflußt, unter denen der CO 2 -Partial- gel.
druck, die Wassertemperatur, die Windgeschwindig-
— Es existiert eine starke biosphärische Senke.
keit und der pH-Wert des Meereswassers die wichtig-
sten sind. Die kühlen Meereszonen nehmen überwie- Eine verstärkte Kohlenstoffaufnahme durch die
gend mehr Kohlenstoff auf als sie an die Atmosphäre Meere erscheint unwahrscheinlich, da die Aufnahme-
abgeben, wogegen die wärmeren Meereszonen netto kapazität der oberen Wasserschichten durch verschie-
Kohlenstoffquellen darstellen. In der Bilanz ergibt sich dene Rückkopplungsmechnismen begrenzt ist. So
für die Ozeane eine jährliche Nettoaufnahme von wird die oberste Wasserschicht durch die Aufnahme
etwa 2 ± 0,8 Mrd. tC/Jahr (IPCC 1992). atmosphärischen Kohlendioxids leicht angesäuert,
Die terrestrische Biosphäre enthält insgesamt rund was die weitere CO 2 -Aufnahme verringert. Eine Ver-
1 800 Mrd. tC (Edmonds 1992, Downing und Cataldo dopplung des atmosphärischen CO 2 -Gehaltes würde
1992), wobei der größte Teil mit gut 1 200 Mrd. tC auf nur zum Teil durch eine Erhöhung der Kohlenstoffauf-
die abgestorbene Biomasse und den im Boden gespei- nahme durch die Ozeane kompensiert (Riebesell und
cherten Kohlenstoff entfällt (Zinke u. a. 1986). Die Wolf-Gladrow 1992). Auch einer verstärkten Einbin-
lebende Biomasse speichert etwa 550 Mrd. tC (Olson dung von Kohlenstoff durch Meeresalgen und Phyto-
u. a. 1985). plankton sind Grenzen gesetzt (Riebesell u. a. 1993,
Falkowski und Wilson 1992). Selbst unter Einsatz von
Setzt man die in Abb. 6.1 wiedergegebene ausgegli- Düngemitteln konnte der ma rine Biomassezuwachs
chene Kohlenstoffbilanz der Biosphäre voraus, dann nur in geringem Ausmaß verstärkt werden (Orr und
ergibt sich das in Tab. 6.1 angegebene Quellen/ Sarmiento 1992).
Senken-Verhältnis.
Untersuchungen von Keeling u. a. (1989b) deuten auf
Da die Emissionsraten und die Akkumulation von CO 2 eine asymmet ri sche natürliche Verteilung zwischen
inderAtmosphälavgubekntsid den Senken und Quellen auf der Nord- bzw. der
CO2 -Aufnahme durch die Ozeane auf lediglich etwa Südhalbkugel hin. Demnach würde der vom Ozean
2,0±0,8 Mrd. tC pro Jahr geschätzt wird, muß eine auf der Nordhalbkugel aufgenommene Kohlenstoff
weitere C-Senke in der Größenordnung von etwa durch die thermohaline Zirkulation in die Südhemi-
1,6±1,4 Mrd. tC pro Jahr existieren, die auf der sphäre transportiert, wo er den Ozean wieder verläßt
Nordhalbkugel vermutet wird. Diese Annahme wird und über die Atmosphäre auf die Nordhalbkugel
durch den Nord-Süd-Gradienten des CO 2 -Mi- gelangt. Ein Teil des nordhemisphärischen Kohlen-
schungsverhältnisses in der Atmosphäre begründet. dioxids würde folglich kontinuierlich über die Meere
auf die Südhalbkugel verlagert (Heimann 1993).
Gestützt wird diese Hypothese u. a. durch eine Unter-
Tabelle 6.1 suchung von Broecker und Peng (1992), die einen
derartigen meridionalen Kohlenstofftransport im
Abschätzung der jährlichen Kohlenstoffflüsse Ozean nachweisen konnten.
im Zeitraum von 1980 bis 1990
Eine Schlüsselstellung bei der Suche nach der „feh-
lenden Senke" nimmt die Landbiosphäre ein (Dow-
Quellen ning und Cataldo 1992). Tans u. a. (1990) ermittelten
über stichprobenhafte Messungen des CO 2 -Partial-
Verbrennung
drucks an der Meeresoberfläche, daß die Biosphäre
fossiler Energieträger 5,0 ± 0,5 GtC
jährlich netto bis zu 3 Mrd. tC aufnehmen müßte, um
Brandrodungen/ die globale Kohlenstoffbilanz auszugleichen. Dieses
Landnutzungsänderungen 1,6 ± 1,0 GtC Ergebnis harmoniert mit verschiedenen Untersuchun-
gen, die für Wälder in der gemäßigten und borealen
Senken Klimazone erhöhte jährliche Zuwachsraten an Bio-
Atmosphäre -3,4 ± 0,2 GtC masse vermuten (FAO 1992a, Kauppi u. a. 1992,
Ozeane -2,0 ± 0,8 GtC Huettl und Zoettl 1992, Apps u. a. 1993). Beide Sach-
verhalte sind jedoch mit großen Unsicherheiten
„Fehlende Senke" -1,6 ± 1,4 GtC behaftet. So variiert der CO 2 -Partialdruck an der
Meeresoberfläche und damit die Kohlenstoffauf-
Quelle: IPCC 1992 nahme lokal und regional sehr stark, so daß die
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Messungen von Tans u. a. (1990) als repräsentative Abschließend bleibt festzuhalten, daß der bisherige
Datenbasis nicht ausreichen. Zudem deutet eine Wissensstand die „fehlende Senke" weiterhin
Untersuchung von Sarmiento und Sundquist (1992) braucht. Dadurch wird eine Vorhersage der weiteren
darauf hin, daß die von Tans u. a. (1990) ermittelte Entwicklung des atmosphärischen Kohlenstoffgehal-
Aufnahmekapazität der Ozeane zu niedrig angesetzt tes erschwert. Sicher ist jedoch, daß die Rolle der
worden ist. Beispielsweise bewirkt die um etwa 0,3 °C Landbiosphäre im globalen Kohlenstoffkreislauf in
kühlere Haut des Ozeans (ca. 1 mm) eine zusätzliche stärkerem Maße berücksichtigt werden muß. Daher
Kohlenstoffaufnahme von insgesamt rund 0,7 Mrd. t soll der globale biosphärische Kohlenstoffhaushalt im
pro Jahr, die von Tans u. a. (1992) nicht berücksichtigt folgenden eingehender betrachtet werden.
worden ist (Robertson und Watson 1992).

Auch die Zuwachsraten in den Wäldern sind nur mit 6.2 Der Kohlenstoffhaushalt der Biosphäre
großen Unsicherheiten zu bestimmen. Bisherige
Untersuchungen zum Beispiel in den borealen Wäl- Die Rolle der Biomasse im Kohlenstoffkreislauf basiert
dern können zwar recht genau einen Zuwachs des auf dem Prozeß der Photosynthese, die vereinfacht in
Kohlenstoffpools in den kanadischen Wäldern um der folgenden Gleichung wiedergegeben wird, und
etwa 80 Mio. tC/Jahr ermitteln (Kurz u. a. 1992). Die der mikrobiellen Zersetzung toter Biomasse. Während
Angaben für die ehemalige Sowjetunion erscheinen durch die Photosynthese atmosphärisches CO 2 in der
dagegen äußerst unsicher und angesichts des in Biomasse fixiert wird, setzt die mikrobielle Zersetzung
einigen Regionen schlechten Waldzustands zu hoch den Kohlenstoff wieder in Form von CO 2 frei.
angesetzt (vgl. Tab. 6.4 und Kap. 2). Zudem ist unklar,
ob und wie lange die vermutete Senkenfunktion der
borealen Wälder in Zukunft noch anhält. Auch in den 6 CO 2 + 12 H20 + Licht(-Energie) = C6 H12 06 + 6 02 + 6 H202

Tropen, wo sich innerhalb der letzten Jahre die


CO 2 -Emissionen durch Rodung deutlich erhöht
Pro Jahr entzieht die terrestrische Biosphäre der
haben, kann die Kohlenstoffbilanz nur grob bestimmt
Atmosphäre rund 110 Mrd. tC. Etwa die Hälfte wird in
werden. der Biomasse akkumuliert, der Rest über die Atmung
wieder in Form von CO 2 an die Atmosphäre abgege-
Wesentliche Fortschritte bei der Ermittlung der „feh- ben. Rund 60 Mrd. tC werden durch den mikrobiellen
lenden Senke" können durch zwei neu entwickelte Abbau der abgestorbenen Biomasse freigesetzt. Der
Methoden erreicht werden, die in jüngster Zeit ange- gesamte Kohlenstoffpool der terrestrischen Biosphäre
wendet werden. Zum einen ermöglichen verglei- wird heute auf 450 bis 600 Mrd. tC in der lebenden
chende Messungen des 12C/ 13 C-Verhältnisses in der Biomasse und 1 200 bis 1 400 Mrd. tC in den Böden
Atmosphäre eine Unterscheidung von biosphärischer geschätzt. Dabei treten erhebliche räumliche Diffe-
und ozeanischer Senke. Bei der Aufnahme von CO 2 renzierungen zwischen den verschiedenen Vegeta-
durchiePflanz tmGgsurAfnahe tionszonen auf (Tab. 6.2).
durch den Ozean eine deutliche Isotopentrennung
statt. Daher müßte sich eine starke biosphärische Die terrestrische Biosphäre befindet sich nicht in
Senke im 12C/ 13 C-Verhältnis im atmosphärischen CO 2 einem Gleichgewichtszustand, sondern unterliegt
niedrschlag.E binzwarestg einem stetigen Wandel. Die heutigen borealen Wäl-
Messungen vor, erste Ergebnisse bestätigen eine der und ein Teil der temperierten Wälder entstanden
starke biosphärische Kohlenstoffsenke jedoch nicht zum Beispiel erst im Übergang zwischen der letzten
(Quay u. a. 1992, Levin 1993). Eiszeit und der heutigen Warmzeit vor 10 bis 15 000
Jahren. Starken Einfluß auf die Entwicklung der
Eine zweite Möglichkeit bieten präzise Messungen Biosphäre übt der Mensch aus. Innerhalb der letzten
des Sauerstoffgehaltes in der Luft, wie sie von Keeling 10 000 Jahre hat er etwa ein Drittel der ursprünglichen
und Shertz (1992) durchgeführt worden sind. Sauer- Waldflächen (ca. 6,2 Mrd. ha) gerodet und in Land-
stoff wird bei Verbrennungsprozessen verbraucht und wirtschafts-, Siedlungs- und sonstige Nutzflächen
durch Photosynthese freigesetzt, verhält sich also umgewandelt. Ein Großteil der heute verbliebenen
invers zu Kohlendioxid. Im Unterschied zum Kohlen- Waldfläche wurde zudem durch den Menschen ver-
dioxid wird er praktisch nicht wesentlich im Meerwas- ändert, so daß nur noch auf etwa einem Viertel der
ser gelöst. Keeling und Shertz (1992) konnten nach- ursprünglichen Waldflächen Primärwälder stocken
weisen, daß sich der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre (Postel und Ryan 1991). Dennoch blieb — wohl auf-
zwischen 1989 und 1992 konsistent zur Verbrennung grund der relativ langsam voranschreitenden Entwal--
fossiler Energieträger verringert hat. Die Biosphäre dung und der deshalb geringen jährlichen CO 2
hätte demnach keinen wesentlichen Einfluß auf die Emission — der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre
Entwicklung des Sauerstoffgehaltes in der Atmo- über Jahrtausende in etwa konstant. Erst mit Beginn
sphäre ausgeübt, sich also „neutral" verhalten. Dies der Industrialisierung setzte ein stetiger, rascher CO 2
würde analog auch für den Kohlenstoffgehalt der Anstieg ein. Dieser wurde zum einen verursacht durch
Atmosphäre gelten. Sollte sich dieser Trend in den den fortschreitenden Landnutzungswandel, der im
kommenden Jahren bestätigen, hieße das, daß der Zeitraum von 1860 bis 1985 etwa 117 ± 35 Mrd. t des
vermutete Biomassezuwachs in den terrestrischen biologisch gebundenen Kohlenstoffs freisetzte. Dazu
Ökosystemen zwar die Freisetzung biogenen Kohlen- kommen etwa 230 Mrd. tC aus der Verbrennung
stoffs durch Rodung u. ä. in etwa ausgleicht, jedoch fossiler Brennstoffe, die damit für etwa zwei Drittel der
keinen weiteren Kohlenstoff (aus der Verbrennung gesamten anthropogenen Kohlenstoffemission seit
fossiler Energieträger) einbindet. 1860 verantwortlich ist.
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Tabelle 6.2

Geographische Verbreitung, Kohlenstoffgehalt in der lebenden Biomasse und den Böden


sowie die Nettoprimärproduktion verschiedener Ökosysteme

tote Biomasse/
Fläche C in Pflanzen Primärproduktion
Böden
(10 12 m2 ) (10 15 g C) (10 15g C/Jahr)
(10 15g C)

(1,4) (2) (3) (1) (2) (3) (1) (2) (3) (2) (4)

1) Tropische Regenwälder 17,0 10,3 12,0 344 193 164 16,8 10,5 9,3 82
2) Regengrüne 288
tropische Wälder 7,5 4,5 6,0 117 51 38 5,4 3,2 3,3 41
3) Temperierte Wälder 12,0 7,0 8,2 174 88 65 6,7 4,6 4,9 72 161
4) Boreale Wälder 12,0 9,5 11,7 108 96 127 4,3 3,6 5,7 135 247
5) Buschland 8,5 4,5 12,8 23 24 57 2,7 2,2 4,6 72 59
6) Savanne 15,0 22,5 24,6 27 66 49 6,1 17,7 10,7 264 63
7) Temperierte Grasländer . . 9,0 12,5 6,7 6 9 11 2,4 4,4 2,6 295 170
8) Tundren und Hochgebirge 8,0 9,5 13,6 2 6 13 0,5 0,9 1,8 121 163
9) Wüsten und Halbwüsten . 42,0 45,5 33,4 6 8 5 0,7 1,4 1,4 191 108
10) Landwirtschaftliche
Flächen 14,0 16,0 15,9 6 3 22 4,1 6,8 12,1 128 111
11) Sümpfe, Marschen
und Küstenzonen 2,0 2,0 2,5 14 12 7 2,7 3,3 3,6 145
225
12) Moore und Torfböden - 1,5 0,4 - 3 1 - 0,7 0,2 -
13) Seen und Flüsse 2,0 2,0 3,2 0 0 1 0,4 0,4 0,4 0 0
14) Siedlungsflächen - 2,0 - - 1 - - 0,2 - 10 -

Gesamt 149,0 149,3 151,1 827 560 560 52,8 59,9 60,6 1636 1515

(1) Whittaker und Likens 1975


(2) Atjay u. a. 1979
(3) Olson u. a. 1983
(4) Schlesinger 1977
Quelle: Bolin u. a. 1986

Neben den direkten Eingriffen des Menschen in die 6.2.1 Wälder


Waldökosysteme wirken sich auch die innerhalb des
letzten Jahrhunderts stark angestiegenen Einträge Tropische Wälder
von Stickstoff, Schwefeldioxid und anderen luftgetra-
genen Schadstoffen sowie die erhöhten bodennahen Die in den Tropenwäldern gespeicherte Kohlenstoff-
Ozonkonzentrationen auf den Zustand der Wälder menge wird auf etwa 375 Mrd. tC geschätzt. Davon
aus. Auch die Zunahme anthropogen verursachter entfallen rund 160 Mrd. tC auf die lebende Biomasse
Waldbrände vor allem in den Subtropen (Savannen) und etwa 215 Mrd. tC auf die abgestorbene und im
und der borealen Zone wirkt sich zunehmend auf die Boden gebundene organische Substanz (Brown u. a.
Waldentwicklung aus. Ferner dürfte der anthropogen 1993). Die Rolle der Tropenwälder im globalen Koh-
erhöhte CO 2 -Gehalt der Atmosphäre und die im Zuge lenstoffkreislauf wird durch die seit der Mitte des
des stratosphärischen Ozonabbaus angestiegene UV letzten Jahrhunderts einsetzende großflächige Ro- -
Strahlung das Pflanzenwachstum spürbar beeinflus- dung wesentlich verändert. Diese bewirkte zunächst
sen. in Asien (etwa ab 1850), später auch in Lateinamerika
Die Vielzahl der sich überlagernden Einflußfaktoren (etwa ab 1880) und Afrika (etwa seit 1950) einen
erschwert es erheblich, das aktuelle Verhältnis sowie erheblichen Anstieg der Kohlenstoffemission
die geographische Verteilung der biosphärischen (Abb. 6.2) auf insgesamt 1,6±1,0 Mrd. tC/Jahr. Für
Kohlenstoffquellen und -senken zu ermitteln. Der den gesamten Zeitraum von 1850 bis 1990 ermittelte
Kenntnisstand über die aktuelle Entwicklungsten- Houghton (1992) die Freisetzung von 67,4 Mrd. t
denz der wichtigsten Ökosystemtypen sowie die vor- Kohlenstoff.
aussichtlichen Veränderungen durch zukünftige Kli- Regionalanalysen weisen für das tropische Latein-
maveränderungen und den Anstieg des CO 2 -Gehaltes amerika im Zeitraum von 1950 bis 1965 einen Anstieg
in der Atmosphäre soll im folgenden erläutert wer- der jährlichen Freisetzung biogenen Kohlenstoffs von
den. etwa 0,2-0,3 auf 0,6-0,7 Mrd. tC auf. Zwischen 1965
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Abbildung 6.2: Entwicklung der Netto-Kohlenstofffreisetzung in den tropischen Wäldern


Quelle: Brown u. a. 1993

und 1985 stieg dieser Wert auf rund 0,95 Mrd. tC/Jahr menge von 55 auf etwa 25 Mrd. tC (Flint und Richards
an. Die Kohlenstoffemission ist zu drei Viertel auf die 1993). Dabei ist die Veränderung des Bodenkohlen-
Landnutzungsänderung, vornehmlich durch Brandro- stoffs nicht berücksichtigt. Houghton und Hackler
dung, zurückzuführen. Über 40 % der CO 2 -Emission (1993) ermittelten über Modellrechnungen eine Frei- -
geht auf den zeitlich verzögerten Abbau der durch setzung von 19,2 bis 32,6 Mrd. tC im Zeitraum von
Brandrodung betroffenen oberirdischen Biomasse 1850 bis 1990, wovon etwa 4,5 Mrd. tC auf die
zurück. Etwa 13 % wird durch den mikrobiellen Emission aus den Böden zurückzuführen ist.
Humusabbau, der Rest unmittelbar durch Feuer bzw.
Die Bilanzierungen der biogenen Kohlenstoffemission
die Verrottung der dem Wald entnommenen Produkte
weisen zum Teil erhebliche Unsicherheiten auf. Zum
freigesetzt (Hougthon 1991).
einen steht den Emissionen eine schwer quantifizier
Für das tropische Asien ergab eine Inventarisierung bare Menge Kohlenstoff gegenüber, die durch nach-
des biogenen Kohlenstoffpools für den Zeitraum von wachsende Sekundärwälder auf ehemaligen Ro-
1880 bis 1980 eine Emission von 30 Mrd. tC als Folge dungsflächen aufgenommen wird. Houghton u. a.
von Walddegradation und -umwandlung. Zwischen (1991) schätzen diese für das tropischen Lateiname-
1880 und 1980 reduzierte sich dadurch die in den rika auf rund 250 Mio. t Kohlenstoff (rund ein Viertel
tropischen Wäldern Asiens gebundene Kohlenstoff der jährlichen Emission). Lugo und Brown (1992)
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machen zudem darauf aufmerksam, daß auch Wälder, lenstoffspeicher in Form von unzersetzten Pflanzen-
die sich im Reifestadium befinden und nicht durch den teilen, Auflagehumus, Bodenhumus sowie Torf
Menschen gestört werden, Biomasse akkumulieren. (Tab. 6.3).
Dies hätte ebenfalls eine Verringerung der jährlichen
Aktuelle Untersuchungen belegen für die borealen
Netto-Kohlenstoffemission zur Folge.
Ökosysteme ein unausgeglichenes Kohlenstoffaus-
Zum anderen ist bislang der Anstieg der jährlichen tauschverhältnis mit der Atmosphäre. Dies läßt auf
Rodungsraten im Zeitraum 1980-90 von 11 auf über eine dynamische Entwicklung der borealen Wälder
15 Mio. ha pro Jahr in den Kohlenstoffbilanzen noch und Moore schließen, die im wesentlichen auf fol-
nicht berücksichtigt. Darüber hinaus existieren wei- gende Einflußfaktoren zurückzuführen ist (Apps u. a.
tere Kohlenstoffquellen, die bislang nicht oder nicht 1993).
ausreichend berücksichtigt werden können, so etwa
die schleichende Degradation von Wäldern durch — Die Erwärmung seit der letzten Eiszeit
langanhaltende Entnahme von Holz und anderen — Postglaziale Klimaschwankungen, z. B. die sog.
Produkten. „kleine Eiszeit" (1250 bis 1850)
Vor diesem Hintergrund sind existierende Schätzun- — Signifikante Veränderungen von Häufigkeit und
gen der Netto-Kohlenstoffemission aus tropischen Intensität der Störfaktoren Feuer, Insektenbefall
Wäldern als sehr unsicher anzusehen. Sie dürften eine und Holzeinschlag
Größenordnung von 1,0 bis 1,3 Mrd. tC im Jahr 1980
und 1,2 bis 2,2 Mrd. tC im Jahr 1990 erreicht haben — Stoffeinträge im Zusammenhang mit der anthropo-
(Brown u. a. 1993). genen Luftverschmutzung (nur regional wirk-
sam)
Die vorhersehbare zukünftige Entwicklung des tropi-
schen Kohlenstoffpools wird vornehmlich von der Zur Zeit nehmen nach Schätzungen von Apps u. a.
Entwicklung der Rodungstätigkeit abhängen. Gelingt 1993, Kurz u. a. 1992 sowie Vinson und Kolchugina
es nicht, den aktuellen Trend umzukehren, so werden 1993 die borealen Ökosysteme mit 0,6 bis 0,7 Mrd.
bis zum Jahr 2050 rund 660 bis 1200 der im Jahr 1990 tC/Jahr mehr Kohlenstoff auf als sie an die Atmo-
noch vorhandenen 1 800 Mio. ha Tropenwälder ver- sphäre abgeben. Diese Senkenstärke beruht zum
nichtet. Die damit verbundene Abnahme des Kohlen- größten Teil auf dem vermuteten Zuwachs in den
stoffpools wird auf 40 bis 140 Mrd. tC geschätzt Wäldern der ehemaligen Sowjetunion (Tab. 6.4). Auf-
grund des katastrophalen Waldzustands in weiten
(Trexler und Haugen 1993 und EK 1990a) (vgl.
Kap. 4). Teilen der GUS-Staaten dürfte die Schätzung jedoch
zu hoch liegen (vgl. Kap. 2).
Im Vergleich zu den direkten menschlichen Eingriffen
wird die Veränderung des Klimas und der chemischen Diese aktuelle Senkenfunktion der borealen Ökosy-
Zusammensetzung der Atmosphäre zumindest in den steme wird sich deshalb voraussichtlich innerhalb der
feuchten Tropen einen geringeren Einfluß haben. nächsten Jahrzehnte deutlich verändern. Kurz und
Allgemein wird erwartet, daß sich hier der Kohlen- Apps (1993) gehen davon aus, daß die zu beobachten-
stoffumsatz in den Wäldern zwar beschleunigt, der den Änderungen des Störungsregimes (Brände,
Kohlenstoffpool jedoch weitgehend unverändert blei- Schädlingsbefall, Einschlag) und die Altersklassen
ben wird. Stärkere Auswirkungen der Klimaänderun- verteilung die Kohlenstoffemission so stark erhöhen
gen und des CO2 -Anstiegs sind dagegen für die können, daß die kanadischen Wälder zu einer Netto-
semiariden und ariden Tropen anzunehmen. Der quelle für Kohlenstoff werden. Dieser mögliche
teilweise relativ höhere Nährstoffgehalt der Böden Umschwung könnte durch die nachhaltige Nutzung
und die steigende Wassereffizienz insbesondere von der Wirtschaftswälder im Reife- oder Zerfallsstadium
C3-Pflanzen bei höheren CO 2 -Gehalten der Luft kön- bei anschließender Wiederaufforstung abgemildert
nen die Nettoprimärproduktion steigern, soweit nicht werden. Dabei wäre es gleichzeitig auch möglich,
andere Wachstumsfaktoren limitierend wirken. An- durch die Aufforstung mit geeigneten Arten die
dererseits reagieren die hier vorherrschenden Savan- Anpassungsfähigkeit der Wälder an die Klimaände-
nen und Trockenwälder äußerst empfindlich auf Ver- rung zu erhöhen. Dies gilt nur für die artenarmen und
änderungen des Niederschlagsregimes. Bereits eine einförmigen typischen borealen Waldbestände, nicht
geringe Ausdehnung der winterlichen Trockenzeit jedoch für die Küstenregenwälder, die sich strukturell
kann zum Zusammenbruch der Ökosysteme und und biologisch deutlich von den anderen Wäldern in
damit zur Freisetzung erheblicher CO 2 -Mengen füh- der borealen Zone unterscheiden. Es ist außerdem zu
ren. bedenken, daß der Einschlag sich nachteilig auf den -
im Boden gebundenen Kohlenstoffpool auswirken
kann. Die Kohlenstoffbilanz eines derartigen Vorge-
Wälder und Moore der borealen Zone hens ist daher ungewiß.
Die potentiell wachstumsteigernde Wirkung des
Mit einer Ausdehnung von etwa 1 500 Mio. ha und
anthropogenen Nährstoffeintrages (insbesondere
einer Kohlenstoffmenge von etwa 700 Mrd. t stellen
Stickstoff) wirkt eher kurzfristig und kann mittelfristig
die Ökosysteme der borealen Zone den größten bio-
zu Ungleichgewichten in der Nährstoffversorgung
sphärischen Kohlenstoffspeicher dar. Die niedrigen
und dadurch zur Degradierung von Wäldern führen
Temperaturen und die kurze Vegetationsperiode
(Kauppi u. a. 1992, Apps u. a. 1993).
schränken zwar das Pflanzenwachstum ein, vermin
dern aber auch die Zersetzung von abgestorbenem Es wird erwartet, daß die Wälder aufgrund der
Pflanzenmaterial. Dadurch bildet sich ein großer Koh Geschwindigkeit der klimatischen Veränderungen in
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Tabelle 6.3

Verbreitung und Kohlenstoffpools der borealen Wald- und Moorökosysteme

Fläche (Mio. ha) Kohlenstoffmenge (Mrd. t C)

Lebende Tote Wald


Wälder Moore Torf Total
Biomasse Biomasse öden produkte
Wald

Alaska 52 1 ) 11 6) 2 10 ) 1 10 17 17) <0,1 30


Kanada
(boreale Wälder) 304 2) 89 7 ) 8 11 ) N/A 14 ) 65 113 18) 0,2 21 ) 186
Kanada
(Küstenregenwälder) 72 3 ) 3 6 N/A 14 ) 16 4 18) 0,3 27
Rußland 760 4 ) 136 8 ) 46 12 ) 31 15 ) 100 16 ) 22 19) 2,9 22 ) 451
Skandinavien 61 5 ) 20 9) 2 13 ) 13 20) 15

Gesamt 1 249 260 64 32 199 419 3,4 709

1) Birdsey (1992)
2) Nur bislang inventarisierte Gebiete in der borealen, arktischen und subarktischen Klimagebieten Kanadas (Kurz u. a. 1992)
3) Werden vegetationsgeographisch nicht zu den borealen Wäldern gezählt
4) Etwa 95 Prozent der Waldfläche der ehemaligen Sowjetunion entfallen auf die Russische Föderation
5) Schätzung nach UN-ECE/FAO (1992)
6) Nur mächtige Moorböden; ohne 38 Mio. ha Moorböden in der Tundran (Kivinen und Pakarinen 1981)
7) Canadian Wetlands Working Group (1986) und Kurz u. a. (1992)
8) Nach Sowjetischem Waldkommittee (1990)
9) Kivinen und Pakarinen (1981)
10) Birdsey (1992), ober- und unterirdische lebende Biomasse
11) Kurz u. a. (1992), ober- und unterirdische lebende Biomasse
12) Kolchugina und Vinson (1993), ober- und unterirdische Phytomasse, Unterwuchs und Gras
13) Kauppi, persönliche Mitteilung (1993)
14) Abgestorbene Pflanzenmasse ist im Boden-C-Gehalt berücksichtigt
15) Kolchugina und Vinson, persönliche Mitteilung (1993); Abfall (10,6 Mrd. t) und Nekromasse (20,2 Mrd. t)
16) Kolchugina und Vinson (1993), nur Wälder, exklusive Moore
17) Nach Gorham (1991), mittlere Tiefe 2,5 m, mittlere Dichte 0,112 g/ccm, 51,7 % C-Gehalt
t 8 ) vgl. 17, mittlere Tiefe 2,2 m
19) Bei 2000 t C/ha (Kolchugina, persönliche Mitteilung)
20) vgl. 17, mittlere Tiefe 1,1, m
21) C-Gehalt organischer Abfälle beim Einschlag
22) Sinitsin (1990)
Quelle: Apps u. a. 1993

eine zunehmende Diskontinuität mit den sich ändern- Wälder der gemäßigten Breiten
den Umweltbedingungen geraten und als Folge ver-
stärkt Kohlenstoff aus den borealen Ökosystemen Der Kohlenstoffpool der Wälder in den gemäßigten
freigesetzt wird. Breiten ist in der Vergangenheit am stärksten redu-
Ein weiterer Streßfaktor bei Klimaänderungen ist eine ziert worden (vgl. Kap. 3). Die großflächigen Rodun-
Zunahme der Wahrscheinlichkeit für sehr hohe Wind- gen, zunächst in Europa, später auch in den USA,
geschwindigkeiten und damit erhöhte Waldschäden machten die temperierten Wälder bis zum Ende des
durch Windbruch. Rechnungen mit gekoppelten 19. Jahrhunderts zu einer bedeutenden Kohlenstoff
Ozean-Atmosphäre-Modellen deuten das für hohe quelle. Vor allem durch großflächige Aufforstungen
nördliche Breiten an. Aber auch Messungen über dem wandelte sich im Verlauf der letzten zwei Jahrhun-
Nordatlantik zeigen innerhalb der letzten drei Jahr- derte die Rolle dieser Wälder im globalen Kohlenstoff---b
zehnte eine Zunahme der Windenergie um 20 bis haushalt zu einer schwachen Senke von heute knapp
30 %. 0,2 Mrd. tC/Jahr. Das gesamte Speichervolumen
beträgt rund 70 Mrd. tC (Tab. 6.5).
Dagegen dürfte die wachstumsteigernde Wirkung
eines erhöhten CO 2 -Gehaltes der Luft kaum spürba- Die aktuelle Entwicklung ist zum einen durch stabile
ren Einfluß auf die weitere Waldentwicklung haben. Waldflächenanteile in den wichtigsten Verbreitungs-
Es wird erwartet, daß sich aufgrund der erhöhten gebieten gekennzeichnet. Im Durchschnitt nehmen
Wassernutzungseffizienz der Pflanzen bei zunehmen- die heutigen temperierten Wälder rund 40 % der
der Trockenheit die Wurzelmasse insbesondere auf ursprünglichen Fläche ein. Zum anderen ist in zahl-
nährstoffarmen Standorten erhöhen kann. Nachge- reichen Ländern eine Steigerung des jährlichen Bio-
wiesen wurde ein derartiger Effekt in den borealen massezuwachses nachgewiesen worden, die zwi-
Wäldern jedoch bislang noch nicht (vgl. Kap. 5). schen 1971 und 1990 zu einer Erhöhung der Biomas-
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Tabelle 6.4

Aktuelle Kohlenstoffflüsse in der borealen Zone


(+ = Nettoaufnahme; - = Nettofreisetzung)

Ökosystem 1 ) Moore Produkte Nettofluß

(Mio t C/Jahr)

Boreale Zone +605 +45 +57 +707


Alaska + 6 2) + 36) <+ 1 + 9
Kanada (boreale Wälder) + 62 3) +25 7 ) + 8 9) + 95
Kanada (Küstenregenwälder) + 1 3) + 1 7) +11 9) + 13
Rußland +493 4 ) +11 8) +26 10) +530
Skandinavien + 43 5) + 58) +12 11 ) + 60

1) Umfaßt Biomasse und Boden-C sowie alle C-Flüsse, die durch Störungen und Ernte ausgelöst werden. Sofern Berechnungen
verfügbar waren, wurden die C-Flüsse in Torfböden in Spalte 3 ausgewiesen
2) Schätzungen für Alaska gehen davon aus, daß die C-Flüsse pro Hektar in etwa denen im Yukon-Territorium in Kanada
entsprechen (Kurz u. a. 1992)
3) Nettoveränderung im C-Gehalt des Ökosystems (Biomasse und Boden)
4) Kolchugina und Vinson (1993); Nettoprimärproduktion (1,05 t C/ha/Jahr); C-Freisetzung durch Brände (199 Mio. t C/Jahr),
Ernte (152 Mio. t C/Jahr) und Torfbrände (100 Mio. t C/Jahr)
5) Kauppi, persönliche Mitteilung
6) Bei einer Nettosenkenstärke von 23 g C/qm/Jahr (Gorham 1991)
7) Bei einer Nettosenkenstärke von 28 g C/qm/Jahr (Kurz u. a. 1992, Gorham 1991, Zoltai persönliche Mitteilung)
8) Bei einer Nettosenkenstärke von 30 g C/qm/Jahr und einer Freisetzung von 30 Mio. t C/Jahr durch die Verbrennung von Torf
9) Nettobilanz der C-Freisetzung durch Verrottung von Holzprodukten, Emissionen im Produktionsprozeß und Input aus
Holzeinschlag
10) C-Menge in neu gefertigten Holzprodukten (72 Mio. t C/Jahr) abzüglich der jährlich durch Verrottung freigesetzten C-Menge
(46 Mio. t C/Jahr)
11) Jährlicher Einschlag (Kauppi, persönliche Mitteilung) bei Verbleib von 50 % des Kohlenstoffs im Wald
Quelle: Apps u. a. 1993

Tabelle 6.5

Kohlenstoffspeicherung und -flösse in den Wäldern der gemäßigten Breiten

Lebende Gesamter Nettoprimär Netto C-Entnahme


Waldfläche
Region Biomasse C-Pool produktion aufnahme in Nutzholz
(Mio. ha)
(Mrd. t C) (Mrd. t C) (Mio. t/Jahr) (Mio. t/Jahr) (Mio. t/Jahr)

Australien 39,8 2,3 6,9 60 12


Weißrußland 6,3 0,4 1,2 9 2 2
Kanada (Ost) 1 ) 26,8 1,0 3,9 10 2) 2 5
Chile 7,5 3 ) 0,4 1,2 11 2
China 45,0 3 ) 2,6 7,8 67 13
Europa 4 ) 90,0 3 ) 5,1 15,3 135 27 25
Japan 24,7 1,4 4,2 37 7
-
Neuseeland 7,5 0,4 1,2 11 2 3
Rußland 100,0 3 ) 5,7 17,1 150 30 14
Ukraine 9,2 0,5 1,5 14 3 3
USA5) 243,2 13,9 38,5 388 105 140

Total 600,0 33,7 98,8 892 205 192

1) Kurz u. a. (1992), ohne 130 Mio ha temperierter Wälder in Westkanada


2) Inklusive Störungen wie Waldbrände u. ä.
3) Kauppi, perönliche Mitteilung (1993)
4) Ohne temperierte Wälder in Skandinavien und in der ehemaligen Sowjetunion
5) Birdsey (1992), ohne Alaska und Hawaii
Quelle: Heath u. a. 1993
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seakkumulation um 25 % geführt hat (Kauppi u. a. tationsform. Insgesamt dürften etwa 600 bis 1 180
1992). Neben einer Änderung der Bewirtschaftungs- Mio. ha von Tundren eingenommen werden, in denen
form (produktivere Baumarten, intensivere Pflege zwischen 61 und 107 Mrd. tC überwiegend in Form
u. a.) ist dieser Trend vor allem auf den Eintrag von Bodenhumus gespeichert sind (Tab. 6.6).
luftgetragener Nährstoffe (vornehmlich Stickstoff und
Schwefel) in die Waldökosysteme zurückzuführen Untersuchungen von Oechel u. a. (1993) deuten dar-
(Kauppi u. a. 1992, Burschel u. a. 1993, Burschel auf hin, daß die Veränderungen der Temperatur und
1993). des Niederschlagsregimes bereits heute zu einer
Absenkung des Grundwasserspiegels und zu einer
Ein Anhalten dieser Zuwachssteigerungen ist mittel- verstärkten heterotrophen Respiration geführt haben.
fristig nicht zu erwarten, da der mit der Luftverschmut- Rechnet man die in Alaska ermittelte Kohlenstoffbi-
zung verbundene Stickstoffeintrag (in Mitteleuropa lanz hoch auf die gesamte Tundra, so ergibt sich netto
bis zu 80 kg N/ha/Jahr) mit der Zeit zu einem Mangel eine Freisetzung von 0,17 Mrd. tC/Jahr. Andere
an anderen Nährstoffen (z. B. Mg, Ca und Zn) führt. Autoren gehen dagegen von einer rezenten Senken-
Zudem werden die Pflanzen anfälliger für Trocken- funktion der Tundra aus, die sich im Zuge der Klima-
heit, Frost und Krankheiten (Heath u. a. 1993). Eine änderung in ein Quelle von 0,5 bis 0,7 Mrd. tC/Jahr
Schädigung der Wälder wird ferner durch andere (nur Rußland) wandeln kann (Vinson und Kolchugina
anthropogene Einflüsse, wie hohe bodennahe Ozon- 1993).
konzentration, fortschreitende Bodenversauerung
und Schwermetallbelastung, hervorgerufen. Die Erwärmung des Klimas hat nicht nur den erhöhten
mikrobiellen Abbau der organischen Substanz zur
Das zu erwartende Ausmaß und die Schnelligkeit der Folge, sondern führt zudem durch das tiefgründigere
zukünftigen Klimaänderung wird zu einer Verringe- Auftauen der Permafrostböden zu einer verstärkten
rung des Kohlenstoffpools in den Wäldern der gemä- Methanemission.
ßigten Breiten führen, da sie die natürlichen Anpas-
sungsmöglichkeiten der Ökosysteme übersteigen. Bis
zur Mitte des nächsten Jahrhunderts könnte die Steppen, Savannen und Wüsten
Netto-Kohlenstoffemission bis zu 2 Mrd. tC/Jahr
betragen (Heath u. a. 1993). Daß die Wälder der Charakteristisch für diese drei Ökosysteme ist die
gemäßigten Breiten ihre aktuelle Senkenfunktion unmittelbare Abhängigkeit der Kohlenstoffeinspei-
aufgrund eines starken CO 2 -Düngeeffektes auch in cherung vom Niederschlagsregime. Andere Einfluß
Zukunft beibehalten werden, erscheint dagegen faktoren wie die Temperatur und die chemische
unwahrscheinlich (vgl. Kap. 5). Zusammensetzung der Atmosphäre wirken sich nur
sekundär aus. Die im Boden gespeicherte Kohlenstoff-
menge überwiegt bei weitem die der oberirdischen
6.2.2 Ökozonen ohne Waldbedeckung Biomasse. Der gesamte Kohlenstoffpool wird auf 417
Mrd. tC geschätzt. Unter den heute herrschenden
Tundra Bedingungen nehmen die Steppen, Savannen und
Wüsten netto insgesamt etwa 0,6 Mrd. tC/Jahr auf. Die
Der fließende Übergang zwischen den borealen Wäl- Senkenstärke wird sich jedoch unter veränderten
dern und der Tundra erschwert eine genaue Abschät- Klimabedingungen reduzieren und kann zu einer
zung der geographischen Verbreitung dieser über- Netto-Emission von bis zu 0,3 Mrd. tC/Jahr innerhalb
wiegend durch Krautfluren gekennzeichneten Vege der kommenden 50 Jahre führen (Ojima u. a. 1993).

Tabelle 6.6

Geographische Verbreitung, Kohlenstoffspeicherung und -bilanz in der Tundra

Gebiet C-Pool C-Bilanz


(Mio. ha) (Mrd. t C) (Mrd. t C/Jahr)

Nordamerika 240 1 ) zu 420 2 ) 41 1 ) zu 22 3 ) -

Rußland 226 1 ) zu 624 2 ) 59 4 ) zu 32 3 )


Skandinavien 63 3 ) 3 3)
Andere 70 3 ) 4 3)

Gesamt 600 zu 1180 107 zu 61 —0,17 5 )

1) Kurz u. a. (1992)
2) Nach BIOME-Modell (Prentice u. a. 1993; Leemans, persönliche Mitteilung)
3) C-Dichte nach Shaver u. a. (1993), Fläche wie in 2 )
4) Kolchugina und Vinson (1993)
5) Oechel u. a. 1993; andere Autoren gehen von einer Senkenfunktion der Tundra aus (z. B. Kolchugina und Vinson)
Quelle: Apps u. a. 1993
Deutscher Bundestag 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Übergangsbereiche zwischen Wasser und Land untermauert die angegebene Größenordnung die
Annahme, daß die Biosphäre sich aktuell annähernd
Unter diesem Begriff werden verschiedene aquatische kohlenstoffneutral verhält, wahrscheinlich sogar netto
Ökosysteme wie Sümpfe, Ästuare und Marschen eine Quelle darstellt.
zusammengefaßt. Diese speichern zum Teil große
Die absehbaren ökologischen, ölwnomischen und
Mengen an Kohlenstoff und spielen daher trotz ihrer
demographischen Veränderungen im Verlaufe der
relativ geringen räumlichen Ausdehnung im globalen
kommenden Jahrzehnte werden aus der Biosphäre
Kohlenstoffhaushalt eine bedeutende Rolle. Ihre aktu-
eine eindeutige Kohlenstoffquelle machen, wenn
elle Senkenstärke wird auf 0,2 Mrd. tC/Jahr geschätzt.
keine einschneidenden Gegenmaßnahmen ergriffen
. Eine Prognose der zukünftigen Entwicklung ist auf-
werden. Auffällig ist, daß dabei den direkten anthro-
grund des geringen Kenntnisstandes über die Stoff-
pogenen Störungen (Brandrodung u. a. nicht nachhal-
ströme innerhalb dieser Ökosysteme bislang kaum
tige Wirtschaftsformen, Schadstoffeintrag, anthropo-
möglich (Downing u. a. 1993).
gene Erhöhung der Feuerintensität usw.) für die
meisten Biome eine größere Wirksamkeit eingeräumt
wird als den indirekten, wie der Veränderung des
6.2.3 Fazit Klimas und der Atmosphärenchemie (Sampson u. a.
1993). Insgesamt werden - wenn die Tropenwaldver-
Der bisherige Kenntnisstand über die Rolle der Bio- nichtung und die Emissionen klimarelevanter Spuren-
sphäre im globalen Kohlenstoffkreislauf spricht eher gase nicht drastisch eingedämmt werden - die bis zur
gegen eine starke aktuelle terrestrische Kohlenstoff- Mitte des nächsten Jahrhunderts aus der Biosphäre
senke. Zwar entziehen die meisten Landökosysteme freigesetzten Kohlenstoffmengen auf bis zu 4,2 Mrd.
der Atmosphäre mehr Kohlenstoff als sie über die tC/Jahr geschätzt. Dies wäre mehr als die Hälfte der
heterotrophe Respiration freisetzen, doch wird diese gesamten Kohlenstoffemission des Jahres 1992.
positive Bilanz überlagert von den negativen Folgen
des Landnutzungswandels in den Tropen. Die globale
biosphärische Kohlenstoffbilanz wird, vorbehaltlich
der immer noch großen Wissenslücken, auf -1,4 bis 6.3 Möglichkeiten zur zusätzlichen
+0,9 Mrd. tC/Jahr geschätzt (Sampson u. a. 1993). Die Kohlenstoffeinbindung im Bereich
obere Marge ist dabei aufgrund des schlechten der Forst- und Holzwirtschaft
Zustandes der Wälder in der ehemaligen Sowjet-
union, deren Senkenstärke mit 530 Mio. tC/Jahr wohl Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, daß der
zu hoch angesetzt ist, unwahrscheinlich. Insgesamt -
anthropogene Einfluß auf die Biosphäre einen maß

Tabelle 6.7

Aktuelle und zukünftige Kohlenstoffflüsse in der terrestrischen Biosphäre


bei einer CO 2 -Verdopplung unter verschiedenen Management-Szenarien

CO2-Reduktions-
Zukünftige
potential
Zukünftige C-Bilanz
Aktuelle durch energetische
C-Bilanz bei optimiertem
C-Bilanz Nutzung
bei 2 x CO2 Klima Management
von Biomasse
Ökosystem (2 x CO 2 Klima)
(2 x CO2 Klima)

(A) (B) (C) (D)

(Pg C yr-1)

Tundra/Boreale Wälder +0,5 bis +0,7 1 ) -1,0 bis -0,5 2 ) 0


Temperierte Wälder +0,2 bis +0,5 -2,0 bis +2,0 +0,3 bis +2,0 +0,1 bis +0,9
Tropische Wälder 3 ) -2,2 bis -1,2 -1,0 bis -0,5 -0,5 bis 0 0 bis +0,2
Steppen, Savannen und Wüsten 0 bis +0,6 -0,3 bis +0,1 +0,1 bis +0,5 +0 bis +0,3
Agrarökosysteme -0,1 bis +0,1 0,0 bis +0,1 0,0 bis +0,3 +0,4 bis +2,4
Feuchtgebiete +0,2 +0,1 +0,2

Gesamt -1,4 bis +0,9 -4,2 bis +1,3 -0,1 bis +3,0 +0,5 bis +3,8

+ = Senke; - = Quelle
1) Basiert auf der Annahme einer 530 Mio. t C/Jahr starken Senke in den Wäldern der ehemaligen Sowjetunion. Dies erscheint
aufgrund des dortigen, zum Teil katastrophalen Waldzustandes überhöht
2) Während der Übergangszeit (50 bis 100 Jahre). Langfristig (200 bis 1000 Jahre) kann sich wieder eine C-Senke bilden, sofern sich
das Klima stabilisiert
3) Nur durch Landnutzungswandel ausgelöste C-Flüsse
Quelle: Sampson u. a. 1993
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geblichen Faktor im globalen Kohlenstoffkreislauf Eine der Grundvoraussetzungen für erfolgreiche Auf-
darstellt und der Mensch durch Landnutzungswandel forstungsmaßnahmen ist die Verfügbarkeit geeigne-
und Waldnutzung den Kohlenstoffpool der Biosphäre ter Flächen. Darüber hinaus sind die sozialen, ökono-
erheblich reduziert hat. Vor dem Hintergrund der mischen und administrativen Rahmenbedingungen
Klimaproblematik gilt es, diesem Trend durch gezielte entscheidend, die in der Regel das realisierbare Auf-
Maßnahmen entgegenzuwirken. Erste Priorität müs- forstungspotential erheblich einschränken.
sen dabei alle Maßnahmen einnehmen, die zum
Schutz der bestehenden Wälder beitragen. Auf sie Zahlreiche Autoren haben versucht, die potentiell für
wird vor allem im Kapitel 7 ausführlich eingegangen. Aufforstungen zur Verfügung stehende Fläche abzu-
Ein weiteres Potential liegt in einer Erhöhung der schätzen (Tab. 6.8). Die großen Schwankungsbreiten
Kohlenstoffeinbindung in der Biosphäre bzw. der zwischen 150 und 1 200 Mio. ha verdeutlichen, daß es
Verbesserung der Kohlenstoffbilanz der Forst- und keine allgemein festgelegten Kriterien für die Flä-
Holzwirtschaft. Wie in Tabelle 6.7 wiedergegeben, chenermittlung gibt. In der Regel handelt es sich um
stellen das unter CO 2 -Gesichtspunkten optimierte grobe Schätzungen, die das theoretisches Potential
Ökosystemmanagement und die energetische Nut- ausweisen, ohne auf Einschränkungen, wie zum Bei-
zung von Biomasse global ein erhebliches CO 2 spiel mangelnde Standortqualität, fehlende admini-
Reduktionspotential dar. Inwieweit dieses Potential strative Voraussetzungen, wachsenden Bedarf an
umgesetzt werden kann, soll im folgenden genauer Ackerflächen etc., einzugehen. Lediglich Trexler
betrachtet werden. (1991) bzw. Bekkering (1992) weisen unter Berück-
sichtigung der sozialen, ökologischen und ökonomi-
Zur Verbesserung der Kohlenstoffbilanz bieten sich in schen Einschränkungen für die Tropen ein Flächen-
der Forst- und Holzwirtschaft grundsätzlich die fol- potential von etwa 384 Mio. ha bzw. 385 bis 553
genden Handlungsfelder: Mio. ha aus. Wichtig ist in diesem Zusammenhang
— Die Ausweitung der Waldflächen durch Auffor- ferner, daß zumeist nicht unterschieden wird zwi-
schen Wiederaufforstung (nach Ein- bzw. Kahlschlag)
stungsmaßnahmen
und Erstaufforstung (lange Zeit unbewaldeter Flä-
— Die Erhöhung der Biomassendichte in den Wäl- chen) (FAO 1993c). Nur letztere führt zu einer Aus-
dern weitung der Waldfläche.
— Eine Vergrößerung der in Holzprodukten gespei- Erhebliche Differenzen treten auch bei der Abschät-
cherten Kohlenstoffmenge sowie die Substitution zung der Kohlenstoff-Einbindungspotentiale auf.
energieintensiver Materialien durch Holz Diese sind im wesentlichen abhängig von der Baum-
— Ersatz fossiler Energieträger durch Holz und Holz- artenwahl, den Standortbedingungen sowie dem
Management. Besonders hohe Werte basieren auf den
abfälle
Erfahrungen mit intensiv bewirtschafteten Plantagen.
Darüber hinaus kann die Forstwirtschaft dazu beitra- Diese sind aus ökologischer Sicht kritisch zu beurtei-
gen, die Anpassungsmöglichkeiten der Waldöko- len, sofern sie nicht in dauerhafter und umweltver-
systeme an die klimatischen Veränderungen zu ver- träglicher Form bewirtschaftet werden. Zudem ist
bessern und damit das Auftreten klimabedingter hierbei zu beachten, daß oft ein nicht unbeträchtlicher
Waldschäden zu vermindern. Aufwand an Energie (Düngung, Maschineneinsatz
u. ä.) die Netto-C-Bilanz erheblich reduzieren kann.
Es ist jedoch zu bedenken, daß einige dieser Maßnah-
men — zum Beispiel die Verlängerung der Umtriebs-
Legt man die in Tab. 6.8 und 6.9 wiedergegebenen
zeiten oder die Erhöhung der Biomassendichte in den
Werte zugrunde, so ergibt sich ein maximales Kohlen-
Wirtschaftswäldern — das Holzangebot verringern
stoff-Einbindungspotential im Bereich von 1 bis
bzw. die Betriebssicherheit der Forstunternehmen
7,5 Mrd. tC/Jahr. Dieses zunächst theoretische Poten-
nachteilig beeinträchtigen können.
tial wird jedoch erheblich eingeschränkt durch eine
Reihe regionsspezifischer Hemmnisse. So zeigen bis-
herige Erfahrungen in den Tropen, daß dort zwar
6.3.1 Potentiale zur Kohlenstoffeinbindung durch große Flächenpotentiale zur Aufforstung existieren,
Aufforstung nichtbewaldeter Flächen diese allerdings aufgrund des hohen Bedarfs an land-
wirtschaftlichen Flächen, unklarer Besitz- und Nut-
zungsrechte, fehlender Infrastruktur sowie einem
Die aktuelle jährliche Aufforstungsrate beträgt welt-
starken Mangel an Fachpersonal kaum für Auffor-
weit maximal rund 2,6 Mio. ha und liegt damit weit
stungen genutzt werden können. Zudem fehlt in der-
unter der Vernichtungsrate von rund 15 Mio. ha/Jahr
Regel eine funktionierende Forstverwaltung, die eine
(FAO 1993b). Dies verdeutlicht, daß im Vordergrund
der Grundvoraussetzungen für die erfolgreiche Auf-
aller Überlegungen der Erhalt bestehender Waldflä-
forstung und Erhaltung von Wäldern darstellt (BFH
chen stehen muß. Darüber hinaus ist eine drastische
1993). Ein weiterer hemmender Faktor sind die mit-
Steigerung der Aufforstungsflächen anzustreben,
unter hohen Kosten, die nur zu einem Bruchteil durch
um
das Anpflanzen der Bäume verursacht werden (ca. 400
— die Netto-Waldverluste zu reduzieren, bis 500 US-$/ha). Ein fünf- bis zehnmal höherer Betrag
muß für die Pflege, den Schutz und die Überwachung
— den biosphärischen Kohlenstoffpool zu vergrößern
der Anpflanzungen veranschlagt werden. Dagegen ist
bzw. dessen Abnahme zu vermindern und dabei
es wesentlich günstiger und entwicklungs- wie auch
— die ökologischen und ökonomischen Bedingungen klimapolitisch wirkungsvoller, durch gezielte Pro-
für die lokale Bevölkerung zu verbessern. jekte, etwa zur nachhaltigen Bewirtschaftung der
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Tabelle 6.8

Abschätzungen der Flächenpotentiale für Aufforstungen in Mio. ha

Global Boreal Temperiert Tropen Sonstige Quelle

600-1200 100-200 200-400 300-600 Winjum u. a., 1992

150— 900 100-200 Hall, 1993

465 Sedjo/Solomon, 1989

110 Postel/Heise, 1988

100 Houghton, 1991


10791)
(Außertropen)

102 Krakina/Dixon, 1993

384 2 ) Trexler, 1991

26-81 Sampson/Hair, 1993


(nur USA)

385-553 3 ) Bekkering, 1992

500-1025 50-150 50-125 400-750 Houghton, 1992

65-85 Schwidenko, 1993


(nur GUS)

2— 4 Burschel, 1993
(nur BRD)

1) 579 Mio. ha degradie rte Flächen mit Aufforstungspotential für Plantage sowie 500 Mio. ha Flächen mit Aufforstungspotential im
Rahmen einer Agroforstwirtschaft
2) Unter Berücksichtigung sozialer, ökologischer und ökonomischer Einschränkungen
3) Nur tropische Länder, in denen nach Berechnung des zukünftigen Bedarfs an landwirtschaftlicher Nutzfläche mindestens
10 Mio. ha übrigbleiben

Randzonen tropischer Urwälder, deren fortschrei- Im britischen Hochland und in Frankreich belaufen
tende Zerstörung einzudämmen. sich die Kosten pro Hektar auf etwa 2 000 bis
2 500 US-$. In den USA müssen pro Hektar Auffor-
Auch in den gemäßigten und nördlichen Breiten sind
stung mit etwa 100 bis 400 US-$ vergleichsweise
die Möglichkeiten zur Ausdehnung der Waldfläche
geringe Beträge investiert werden (GTZ 1993). Eben-
beschränkt. Zwar stehen hier aufgrund der derzeiti-
falls muß in den gemäßigten Breiten, wo die subven-
gen Überproduktion in der Landwirtschaft erhebliche
tionierte Landwirtschaft zu hohen Bodenpreisen führt,
Flächenpotentiale zur Verfügung. Erfolgt jedoch im
mit einem erheblichen Mehr an Mittelaufwand
Sinne einer nachhaltig betriebenen Landbewirtschaf-
gerechnet werden, um Boden für Aufforstungszwecke
tung eine flächendeckende Extensivierung der Pro-
zu erwerben und finanzielle Anreize bieten zu kön-
duktion, dann wächst der Landbedarf, so daß entspre-
nen, die das Interesse an Aufforstungsmaßnahmen
chend weniger Flächen für die Aufforstung zur Verfü-
erhöhen.
gung stehen.
Außerdem sind Aufforstungen hier äußerst kostenin- In den borealen Wäldern Rußlands und Kanadas
tensiv. Für eine aus ökologischen Gründen erforder- werden die Flächenpotentiale für Aufforstungen
liche Aufforstung mit einheimischen standortgerech- sowohl durch den hohen Anteil von Moorflächen, die
ten Laubmischwäldern müssen beispielsweise in als wichtige Kohlenstoffsenke aus klimapolitischer
Deutschland bis zu 20 000 DM pro ha aufgewandt Sicht erhalten werden müssen, als auch durch die
werden. Reine Nadelwälder erfordern etwa die Hälfte mangelnde Infrastuktur und die erhöhte Feuergefahr
dieser Investition, sind jedoch aus ökologischen Grün- durch menschliches Fehlverhalten eingeschränkt.
den bedenklich (Hofmann 1993). Ökonomisch wie Vor allem der Brandschutz und die mangelnde Infra-
ökologisch am vorteilhaftesten sind Aufforstungen mit struktur sind hier ein erheblicher Kostenfaktor. Pro
möglichst geringem pflegerischem Aufwand, bei Hektar werden die notwendigen Investitionen auf
denen die natürlichen Sukzessionsprozesse so weit durchschnittlich 1 500 bis 2 000 US-$ geschätzt (BFH
wie möglich genutzt werden. 1993). Zudem wachsen die Wälder in dieser Klima-
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Tabelle 6.9

Kohlenstoff-Einbindungspotentiale in den verschiedenen Klimazonen in t C/ha x Jahr

Global Boreal Temperiert Tropen Sonstige Quelle

0,78 1,12 1,3 Winjum u. a., 1992

ca. 5 11-12 Hall, 1993

6,2 Sedjo/Solomon, 1989

6,8 Postel/Heise, 1988

max. 5-7,5 3,5-10 Andrasko, 1990

2-3 3-4 3— 7 Hofmann, 1993


+10-30 1 )

0,4-0,6 2,6-4 2— 5 2 ) GTZ, 1993


10-15 3 )
7— 8 4 )

3,12 Sampson/Hair, 1993


(nur USA)

0,25-0,8 0,7-4,0 1-12 BFH, 1993a

ca. 3 5 ) Schwidenko, 1993

2-4 1,0-4,8 Burschel, 1993

1) C-Einbindung nach 50 Jahren


2) Natürliches Potential
3) Potential in Plantagen (Maximalwerte)
4) Aktuelle Meßwerte auf Versuchsparzellen
5) Inklusive Humusakkumulation im Boden

Tabelle 6.10

Kohlenstoff-Einbindungspotentiale durch Aufforstung

Speicherpotential
Flächenpotential 1)
in Mio. ha
t C/ha/Jahr 2 ) Mrd. t C/Jahr Mrd. t C/50 Jahre

Boreale Wälder ca. 120 0,6 ± 0,2 0,07 ± 0,02 3,6 ± 1


Temperierte Wälder ca. 180 3,0 ± 1,0 0,54 ± 0,2 27 ± 10
Tropische Wälder ca. 430 3 ) 4,5 ± 2,0 2,0 ± 0,9 100 ± 45

Gesamt ca. 730 2,6 ± 1,1 130 ± 56

1) Als Größenordnung des zur Verfügung stehenden Flächenpotentials wurde der Mittelwert der in Tabelle 6.8 angegebenen
Schätzungen verwendet
2) Zur Ermittlung des Kohlenstoff-Einbindungspotentials pro Hektar und Jahr wurden die Mittelwerte der in Tabelle 6.9
angegebenen Schätzungen verwendet. Im Falle der Tropenwälder wurden dabei Werte über 10 t C/ha/Jahr, die lediglich relativ
kleinräumig in intensiv bewirtschafteten Plantagen erreicht werden, nicht berücksichtigt
3) Das in den Tropen für Aufforstungen zur Verfügung stehende Flächenpotential wird durch den wachsenden Landbedarf für
landwirtschaftliche Zwecke und andere Faktoren erheblich eingeschränkt und dürfte unterhalb des hier angegebenen Wertes
liegen
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
zone zumindest auf den in einigen Ländern häufig Einspeicherung jedoch aus CO 2 -ökologischen Ge-
degradierten, nicht ausreichend bestockten Waldflä- sichtspunkten optimiert werden, wenngleich die not-
chen sehr langsam, benötigen also lange Zeiträume, wendigen Maßnahmen in der Regel kostenintensiv
um größere Kohlenstoffmengen einzubinden. sind und die erzielbaren Erträge vermindern. Grund-
sätzlich bieten sich die folgenden Möglichkeiten.
Von entscheidender Bedeutung für den Erfolg von
Aufforstungen und deren CO 2 -Minderungseffekt — Eine Verlängerung der Umtriebszeiten.
werden Ausmaß und Geschwindigkeit zukünftiger
— Das Anpflanzen im Unterbau älterer Bestände.
Klimaänderungen sein (vgl. Kap. 5). Da regionalspe-
zifische Vorhersagen des zukünftigen Wettergesche- — Eine Veränderung der Baumartenzusammenset-
hens bislang kaum möglich sind, müssen bei der zung.
Anlage neuer Wälder genetische Vielfalt und ökolo-
gische Stabilität im Vordergrund stehen. Diese Krite- — Gezielte Bestandsbegründung und Durchfor-
rien werden am besten von naturnahen Mischwäldern stung.
aus einheimischen Baumarten erfüllt. Schnellwach- Der weitaus größte Effekt kann kurz bis mittelfristig
sende Reinbestände widersprechen dagegen dem durch eine Verlängerung der Umtriebszeiten erzielt
ökologischen Stabilitätsprinzip. werden. Im globalen Durchschnitt vergehen zwischen
Eine realistische Abschätzung des Kohlenstoff-Ein- der Begründung und der Ernte von Wirtschaftswäl-
bindungspotentials unter Einbeziehung ökologischer, dern meist 40 bis 100 Jahre. In Deutschland ist dieser
ökonomischer, organisatorischer und sozio-kulturel- Zeitraum mit etwa 100 Jahren bei den meisten Nadel-
ler Einschränkungen ist nach dem heutigen Wissens- hölzern und etwa 130 bis 170 Jahren bei den Laub-
stand mit großen Unsicherheiten belastet. In bäumen etwas länger. Ließe man die Wälder länger
Tabelle 6.10 wurde versucht, auf der Basis der in den stehen, so würden sie einmalig eine zusätzliche
Tab. 6.8 und 6.9 angegebenen Schätzungen die Koh- Menge an Kohlenstoff für einen bestimmten Zeitraum
lenstoff-Einbindungspotentiale grob abzuschätzen. einbinden. Dieser Effekt beruht auf dem dann höhe-
Ohne Berücksichtigung politischer, organisatorischer ren Anteil alter, biomassereicher Bestände.
und finanzieller Aspekte könnten demnach durch die
Schätzungen ergeben für Deutschland eine Erhöhung
Aufforstung der zur Verfügung stehenden Flächenpo-
der in Wäldern gespeicherten Kohlenstoffmenge um
tentiale etwa 2,6 ± 1,1 Mrd. tC pro Jahr eingebunden
40 bis 100 Mio. tC innerhalb der nächsten 20 Jahre.
werden. Dieses theoretische Potential verdeutlicht in
Netto reduziert sich dieser Wert jedoch auf 10 bis
etwa den Handlungsspielraum einer klimaorientier-
25 Mio. tC, da im gleichen Zeitraum weniger Holz zur
ten Aufforstungsstategie.
Verfügung stünde, das in Form langlebiger Produkte,
als Rohstoff oder als Energiequelle eine CO 2 -Minde-
rung bewirken kann (vgl. folgende Abschnitte). Da
6.3.2 Erhöhung der Biomassendichte in sich dieser „entgangene Nutzen" mit der Zeit auf ad-
bestehenden Wäldern diert und zugleich die jährliche Zuwachsleistung der
nun älteren Wälder zurückgeht, wären in 40 Jahren
Die Forstwirtschaft kann durch verschiedene Maß- netto nur noch 3 bis 19 Mio. t Kohlenstoff einzubinden.
nahmen zu einer Erhöhung der Biomassendichte in Zu diesem Zeitpunkt stünde ein großer Teil der
den bewirtschafteten Wäldern beitragen. Dies sollte Wirtschaftswälder zur Nutzung an, so daß sich die
unter der Voraussetzung einer größtmöglichen Natur- Nettobilanz des Waldes in der Folgezeit ins Negative
nähe geschehen und sich streng an den jeweiligen umkehren würde (-6 bis -45 Mio. tC) (Burschel u. a.
ökologischen Standortbedingungen orientieren. 1993). Eine Verlängerung der Umtriebszeiten bringt
also zumindest in Deutschland nur einen mittelfristi-
Die Kohlenstoffbilanz eines Waldes hängt direkt von gen Effekt. Diese Maßnahme kann jedoch unmittelbar
seinem Entwicklungsstadium ab. Die Entwicklung umgesetzt werden. In anderen Gebieten kann eine
eines natürlichen Waldes läßt sich in die Aufbau-, die Verlängerung der Umtriebszeit wesentlich größere
Übergangs- und die Gleichgewichtsphase untertei- Effekte bringen, zumal, wenn die Entwicklung des
len. Eine positive Kohlenstoffbilanz tritt nur in der Bodenkohlenstoffs mit in Rechnung gestellt wird.
Aufbauphase auf, in der die Nettoproduktion an
Biomasse deutlich über der Abbauaktivität der Zerset- Eine weitere Möglichkeit zur Erhöhung der Biomas-
zer liegt. Danach sinkt der Kohlenstoffgehalt leicht ab sendichte in Wäldern stellt die Unterpflanzung älterer
und geht in ein dynamisches Gleichgewicht über Bestände dar, sofern dies den natürlichen Bedingun-
(Abb.6.3), das im Verlaufe der natürlichen Sukzession gen angepaßt ist. Dies bietet sich vor allem an, wenn
von einem katastrophalen Ereignis (z. B. Feuer, z. B. ein Wechsel von Nadel- auf Laubhölzer geplant
Schädlingsbefall, Einschlag etc.) abrupt beendet wird. ist. Neben der zusätzlich Kohlenstoffspeicherung im
Innerhalb kurzer Zeit verliert der Wald seine lebende aufwachsenden Unterbau wirkt sich der verringerte
Biomasse und der Zyklus beginnt von neuem. Humusabbau nach der Ernte positiv auf den Humus-
gehalt der Böden aus.
Um diese Entwicklung unter ökonomischen Aspekten
optimal zu nutzen, werden forstwirtschaftlich ge- Einen weiteren Beitrag stellt eine gezielt Bestands-
nutzte Wälder vor dem Reifestadium geerntet. Sie begründung und eine weitreichende Durchforstung
weisen daher in aller Regel höhere Biomassenzu- von Jungbeständen dar. Dabei wirkt sich eine Verrin-
wächse, aber eine geringere Kohlenstoffspeicherung gerung der Pflanzenzahlen pro Hektar positiv auf die
als alte, natürliche Wälder auf. Durch eine Umstellung in Zukunft in langlebiger Biomasse gespeicherte Koh-
in der Bewirtschaftungsform kann die Kohlenstoff- lenstoffmenge aus. Eine starke Durchforstung ver-
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Abbildung 6.3: Entwicklungsphasen eines natürlichen Ökosystems, dargestellt an der


Akkumulation toter und lebender organischer Substanz
Quelle: Burschel 1993

stärkt diesen Trend und erhöht zudem die Menge langfristigen Erhalt des Kohlenstoffpools in den Wi rt
energetisch nutzbaren Schwachholzes. -schaftwäldernzui,mßasobertPinzp
eine möglichst naturnahe Bewi rt schaftung gelten. An
Insgesamt könnten in Deutschland durch ein Bündel
diesem müssen sich auch alle Maßnahmen zur Erhö-
aus diesen Maßnahmen bis zu 9 Mio. tC innerhalb der
hung der Biomassendichte orientieren.
kommenden 40 Jahre eingebunden werden (Burschel
u. a. 1993). Im Vergleich zur nationalen CO 2 -Emission
von etwa 1 Mrd. t CO 2 (ca. 250 Mio. tC) ist dieser
Beitrag gering. Vor diesem Hintergrund erscheint es 6.3.3. Erhöhung der Kohlenstoffspeicherung in
wichtiger, durch gezielte forstwirtschaftliche Maß- Holzprodukten und Ersatz energieintensiver
nahmen (z. B. Wechsel von Reinbeständen fremder Materialien durch Holz
Arten zu einheimischen Mischbeständen u. ä.) die
Anpassungsfähigkeit der Wälder an zukünftige Kli- Unter der Voraussetzung, daß die eingeschlagene
maänderungen zu erweitern und dadurch potentiel- Holzmenge die Zuwachsleistung nicht überschreitet,
len CO 2 -Emissionen durch eine Ausweitung klimabe- stellen die aus dem Ernteholz gefertigten Produkte
dingter Waldschäden entgegenzuwirken. Um diesen einen Kohlenstoffpool dar, der als Nettosenke fungie-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
ren kann. Grundsätzlich werden zwar auch Holzpro- Waldspeichers zu und die gesamte Kohlenstoffbilanz
dukte in Verlaufe der Zeit zersetzt und der in ihnen verschlechtert sich. Vor diesem Hintergrund ist es
gespeicherte Kohlenstoff wieder freigesetzt. Da dieser unter Klimagesichtspunkten von erheblicher Bedeu-
Prozeß jedoch bis zu mehrere Jahrhunderte in tung, die Abfallmenge der Holzprodukte möglichst
Anspruch nehmen kann, ist es möglich, den Kohlen- gering zu halten. Dies ist zum Beispiel durch die
stoffpool in Holzprodukten sukzessive zu vergrößern Recyclierung von Altpapier und die Vermeidung von
und dadurch eine Senke zu schaffen. Eine Vorausset- Einwegartikeln aus Papier, Pappe und Zellstoff mög-
zung dafür ist ein möglichst hoher Anteil von langle- lich. Zur Zeit wächst jedoch die Menge des Holzes, das
bigen Produkten (Möbel, Bauelemente usw.), die zur Produktion kurzlebiger Einwegprodukte verwen-
Jahrzehnte lang den in ihnen gespeicherten Kohlen- det wird, weltweit an.
stoff fixieren.
Außerdem wirken auch die Entwicklung des Holz-
Die Möglichkeiten zur Schaffung einer Produktsenke marktes und das Verbraucherverhalten auf die
werden wie folgt eingegrenzt. Geht pro Jahr genauso Menge der genutzten Holzprodukte ein, beeinflussen
viel Holz in Produkte ein, wie gleichzeitig als ausge- also direkt den Produktspeicher und machen die
diente Produktmenge verrottet, ist die Kohlenstoffbi- Ermittlung des Kohlenstoffeinbindungspotentials äu-
lanz ausgeglichen. Entsprechend entsteht eine Senke ßerst schwierig.
nur, wenn die jährliche Produktmenge tendenziell
ansteigt. Das heißt, daß die Holzentnahme aus den Daten über den aktuellen Produktspeicher liegen
Wäldern sich ebenfalls erhöht. Oberste Grenze ist bislang nur für wenige Länder vor. Als Beispiele sind
dann die jährliche Zuwachsleistung. Wird sie über- in der folgenden Auflistung die USA, Kanada und
schritten, nimmt der Produktspeicher zu Lasten des Deutschland aufgeführt.

Tabelle 6.11

Kohlenstoff in Holzprodukten und Veränderungen


in den USA, Kanada und der Bundesrepublik Deutschland

Produktspeicher Veränderung Beobachtungs


Land Quelle
(Mio. t C) (Mio. t C/yr) zeitraum

USA 1260 +36 1952-1987 Birdsey u. a. 1993


Kanada 600 +21 1986 Kurz u. a. 1992
Deutschland 128 +1 1963-1987 Burschel u. a. 1993

Besonders positiv auf die CO 2 -Bilanz wirkt es sich aus, Tabelle 6.12
wenn die Holzprodukte als Ersatz für energieintensiv
hergestellte Materialien (Stahl, Stahlbeton, Alumi- Energieaufwand für Herstellung, Betrieb und Abbau
nium etc.) eingesetzt werden. Hierbei ist jedoch nicht von Lagerhallen aus Holz, Stahl und Stahlbeton
nur die zur Herstellung der Baustoffe eingesetzte
Energiemenge zu betrachten, sondern auch der Ver- Energieaufwand (1000 kWh)
brauch — etwa in Form von Heizwärme — über die Verwendungsbereich -
Betriebsdauer hinweg sowie die Energie für den Holz Stahl Stahlbeton
Abbruch und die Entsorgung des Bauschutts. Die
folgende Tabelle zeigt am Beispiel einer Lagerhalle, Baustoffproduktion 330 630 826
daß durch den Einsatz von Holz erhebliche Energie- Transpo rt e 60 60 121
mengen eingespart werden können.
Betrieb (20 Jahre) 1 000 1 075 1 139 -
Die eingesparte CO 2 -Menge hängt vor allem davon Abbruch 90 62 137
ab, welcher fossile Energieträger ersetzt wurde. Sie
liegt bei Kohle am höchsten und bei Erdgas am Summe ca. 1 500 ca. 1 800 ca. 2 200
niedrigsten. Nimmt man für das oben genannte Bei-
spiel einen durchschnittlichen Wert von 0,11 kg C-Emission 1 ) (t) . . ca. 160 ca. 200 ca. 250
C/kWh an, so würden durch den Einsatz von Holz
1) Die durchschnittliche C-Emission liegt bei 0,11 kg C/kWh
rund 40 tC (gegenüber Stahl) und etwa 80 tC (gegen-
(EK 1990 b)
über Stahlbeton) eingespart (Tab. 6.12). Dies gilt
Quelle: Burschel 1993
jedoch nur für die Verwendung von Schnittholz. Die
häufig im Bauwesen eingesetzten Span- oder Faser-
platten weisen dagegen eine deutlich schlechtere
Energiebilanz auf (Burschel 1993).
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

6.3.4 Ersatz fossiler Energieträger durch Holz aus führt. Die Nettobilanz dürfte daher deutlich unter den
nachhaltiger Bewirtschaftung o. g. Werten liegen. Plantagen sind zudem mit erheb-
lichen ökologischen Risiken behaftet und werden den
Setzt man forstliche Biomasse als Energiequelle ein, multifunktionalen Ansprüchen an Wälder nicht
wird zwar der gesamte gespeicherte Kohlenstoff gerecht. Sie sollten daher nur kleinflächig angelegt
unmittelbar wieder freigesetzt. Im Rahmen einer werden. Anzustreben ist die energetische Nutzung
nachhaltig bet riebenen Forstwirtschaft wird diese von Holz und Holzabfällen auf der Basis einer nach-
CO2 -Menge jedoch von den nachwachsenden Wäl- haltigen und ökologisch verträglichen Waldbewirt-
dern aufgenommen und die Kohlenstoffbilanz wieder schaftung. Dadurch wird das Substitutionspotential
ausgeglichen. Ein positiver Effekt wird erreicht, wenn deutlich reduziert, eine genaue Quantifizierung ist
die Biomasse an Stelle fossiler Energieträger verwen- nicht möglich.
det wird. Noch günstiger wird dieser Effekt, wenn das
im Forstbetrieb anfallende Schwachholz und die Holz-
abfälle, die durch mikrobiellen Abbau ohnehin in
relativ kurzer Zeit in Kohlendioxid umgewandelt 6.3.5 Fazit
werden, ebenfalls energetisch genutzt werden.
Die Forst- und Holzwirtschaft kann dazu beitragen,
Diese Effekte können jedoch durch das Verhalten des den biosphärischen Kohlenstoffpool zu vergrößern
bodengebundenen Kohlenstoffs vermindert oder gar und die CO 2 -Emissionen zu verringern. Eine quanti-
kompensiert werden. Vor allem in den gemäßigten tative Abschätzung dieses Potentials ist auf der Basis
Breiten wurde festgestellt, daß sich nach einer Rodung des aktuellen Wissensstandes sehr unsicher. Der
über mehrere Jahrzehnte hinweg der Kohlenstoffge- größte Teil dürfte auf die Aufforstung seit langer Zeit
halt der Böden in einer wiederaufgeforsteten Fläche nicht bewaldeter Flächen enfallen (2,6 ± 1,1 Mrd. tC/
verringerte. Die C-Verluste im Boden überstiegen Jahr). Durch den Einsatz von Holz zur Energiegewin-
dabei die C-Einlagerung in der Phytomasse, so daß nung könnten weitere 0,1 bis 1,0 Mrd. tC eingespart
der Gesamtkohlenstoffgehalt im Ökosystem in den wèrden, sofern dies im Rahmen einer naturnahen,
ersten 50 Jahren nach dem Einschlag stetig abnahm nachhaltigen Forstwirtschaft geschähe.
(Kawaguchi und Yoda 1986). Die energetische Nut-
zung von Holz erscheint vor diesem Hintergrund nur Eine weitere Möglichkeit zur CO 2 -Reduktion ist,
bedingt kohlenstoffneutral. Am günstigsten ist nach neben einer veränderten Bewirtschaftungsform der
Berechnungen von Ahamer u. a. (1992) und Ahamer Wälder, der verstärkte Einsatz von Holz zur Herstel-
(1993) die Kohlenstoffbilanz bei der Nutzung von lung langlebiger Produkte und zur Substitution ener-
Abfallholz (Äste, Zweige, Rinde). gieintensiver Materialien (Aluminium, Stahlbeton
u. ä.). Es muß bedacht werden, daß der verstärkte
Bereits heute werden in verschiedenen Industrielän- Holzeinsatz in starkem Maße eingegrenzt wird durch
dern relevante Anteile des Energiebedarfs durch den die künftig anzustrebende umweltgerechte, nachhal-
Einsatz von Holz und Holzabfällen abgedeckt. In tige Bewirtschaftung aller Wälder. Diese könnte ten-
Finnland sind dies 17 % (Pelkonen 1993), in Schweden denziell zu einer Verknappung der zur Verfügung
16 %, in Österreich 10 % und in den USA 4 % (Hall stehenden Holzvorräte führen.
1993). Besonders effektiv ist es, wenn holzverarbei-
tende Bet riebe selbst ein Heizkraftwerk auf Biomas- Die Umsetzung der oben genannten CO 2 -Reduktions-
sebasis betreiben und die selber nicht verwendete potentiale unterliegt erheblichen Einschränkungen:
Energie in ein öffentliches Netz einspeisen. Mit Holz
und organischen Rückständen bet riebene dezentrale — Die momentane potentielle Senkenstärke der Bio-
Heizkraftwerke können auch von der öffentliche sphäre ist nicht genau zu bestimmen. Die jüngsten
Hand (insbesondere von Kommunen) betrieben wer- Schätzungen von Apps u. a. (1993) liegen wahr-
den. scheinlich zu hoch, da die Kohlenstoffaufnahme
der borealen Wälder aufgrund des katastrophalen
Die energetische Nutzung von Holz wird häufig als Waldzustandes in Teilen der ehemaligen Sowjet-
wirksamster forstwirtschaftlicher Beitrag zur Verrin- union unter den angenommenen 0,7 Mrd. tC/Jahr
gerung der CO 2 -Emissionen angesehen (Hall 1993). liegen dürfte. Damit würde sich die aktuelle Sen-
Bei der direkten Verbrennung können pro Hektar und kenstärke der gesamten Biosphäre deutlich ver-
Jahr bis zu 10 tC aus fossilen Energieträgern einge- mindern.
spart werden (Sampson und Hair 1993). Burschel
(1993) schätzt das Substitutionspotential auf 175 tC/ha — Gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der Koh-
in einem Zeitraum von 50 Jahren. lenstoffbilanz in der Forst- und Holzwirtschaft
erfordern die Schaffung geeigneter ökonomischer,
Derartig hohe Werte basieren auf der Anlage von sozio-kultureller, politischer und forstadministrati-
Plantagen aus schnellwachsenden Baumarten wie ver Rahmenbedingungen. Diese sind zur Zeit in
Weiden, Pappeln und Eukalyptus, die in kurzem weiten Teilen der Tropen und der borealen Zone
Umtrieb — drei bis zehn Jahre — geerntet werden. nicht gegeben.
Diese intensive Bewirtschaftungsform erfordert stand-
ortabhängig einen hohen Energieeinsatz in Form von — Forstwirtschaftliche Maßnahmen zur CO 2 -Reduk-
Düngemitteln, Transpo rt - und Verarbeitungsenergie. tion müssen der Multifunktionalität der Wälder
Zudem geht ein beträchtlicher Teil des Bodenhumus' Rechnung tragen und sich am Prinzip der ökologi-
verloren, was die Bodenfruchtbarkeit nachhaltig ver- schen Nachhaltigkeit orientieren. Dadurch redu-
ringert und zur Freisetzung erheblicher CO 2 -Mengen zieren sich die Möglichkeiten zur kurzfristigen
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Tabelle 6.13

Zusammenfassende Darstellung der aktuellen und möglichen Einflußnahme des Menschen


auf die Wälder und deren Kohlenstoffhaushalt

Anteil Mögliche
der Einschlag- Mögliche zusätzliche
Aktuelle Mögliche
Aktueller fläche/Jahr C-Einbindun g C-Reduktion
Bestands C-Emission2)
Einschlag an der Fläche durch durch
entwicklung bei 2 x CO2
der nutzbaren Aufforstung energetische
Wälder 1 ) Holznutzung 2 )

(Mio. m3/a) (in %) (Mio. ha/a) (Mrd. t C/a)

Boreale Wälder 630 ca. 0,5 - 0,7 3) 1 bis 0,5 0,07 ± 0,02 —
Temperierte Wälder 1 100 ca. 2,5 + 1,0 4 ) 2 bis -2 0,54 ± 0,2 0,1 bis 0,9
Tropische Wälder 1 600 ca. 0,5 -17,0 1 bis 0,5 2,0 ± 0,9 0 bis 0,2

Gesamt 3 330 ca. 0,8 -16,7 4 bis -1 2,6 ± 1,1 0,1 bis 1,1

1) Die Regenerationszeit der Wirtschaftswälder beträgt in den borealen Wälder unter günstigen Bedingungen etwa 150 Jahre, in
den temperierten Wäldern bei Nadelbäumen etwa 90 bis 120, bei Laubbäumen etwa 150 bis 220 Jahre und in den Tropen unter
günstigen Bedingungen mindestens 60 bis 90 Jahre
2) Sampson u. a, 1993
3) Heinloth 1993
4) Nur USA (-0,3 Mio. ha/a im Zeitraum 1980 bis 1990) und Europa (+1,3 Mio. ha/a im Zeitraum 1980 bis 1990); nach UN-ECE/FAO
1992 a

CO2 -Minderung etwa durch die großflächige Vor diesem Hintergrund wird deutlich, daß alle
Anlage intensiv bewirtschafteter Plantagen. Bestrebungen, die zur Erhaltung bestehender Wälder
beitragen, oberste Priorität haben müssen. Dazu
— Heutige Maßnahmen zur Vergrößerung des bio- gehören auch Aufforstungen und die Ausweitung
sphärischen Kohlenstoffpools können in ihrer agroforstwirtschaftlicher Nutzungssysteme in den
Wirksamkeit durch zukünftige politische, ökono- Tropen, vor allem zur verbesserten Versorgung der
mische und demographische Entwicklung sowie wachsenden Bevölkerung mit Nahrungsmitteln. Dar-
unter dem Einfluß des sich verändernden Klimas über hinaus sind dringend forstwirtschaftliche Strate-
beeinträchtigt oder gar aufgehoben werden. Es ist gien zu entwickeln und umzusetzen, die eine bessere
damit zu rechnen, daß sich die CO 2 -Emissionen Anpassung der Wälder an nicht mehr zu verhindernde
aus der Biosphäre von heute etwa 1,6± 1,0 Mrd. tC/ Klimaänderungen ermöglichen und zusätzliche CO 2
Jahr bis zur Mitte des kommenden Jahrhunderts Emissionen als Folge klimabedingter Waldschädigun-
auf bis zu 4 Mrd. tC/Jahr erhöhen. Diesem Trend gen vermindern. Hierin liegen die wichtigsten Aufga-
kann mit forstwirtschaftlichen Mitteln nur teil- ben einer internationalen Kooperation im Forstbe-
weise entgegengewirkt werden. reich.

7. Bisherige Maßnahmen, Handlungsmöglichkeiten und Empfehlungen


zum Schutz der Wälder
-

Vorbemerkung klärung und die Agenda 21 sowie die Resolutionen


der Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder Euro-
Die bisherigen Strategien zum Schutz der Wälder pas inzwischen eine Akzentverschiebung in der inter-
waren durch eine Fokussierung auf die Tropenwälder nationalen Waldschutzdiskussion andeuten. Aus
gekennzeichnet. Internationale Bemühungen zum Sicht der Enquete-Kommission ist damit ein Prozeß
Schutz der Wälder in den gemäßigten und nördlichen eingeleitet worden, der angesichts des drängenden
Breiten spielten lange Zeit eine marginale Rolle. Diese Waldproblems beschleunigt werden muß. Vor diesem
Gewichtung wird dem globalen Problem der Waldver- Hintergrund sowie angesichts der umfangreichen
nichtung und -degradation nicht gerecht. Daher ist es Handlungsempfehlungen, die die Enquete-Kommis-
zu begrüßen, daß die im Rahmen der UN-Konferenz sion in ihrem Bericht zum Thema „ Schutz der tropi-
für Umwelt und Entwicklung verabschiedete Walder schen Wälder" (EK 1990a) bereits vorgelegt hat, wird
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der Schwerpunkt im folgenden bei den Maßnahmen Waldökosysteme jedoch durch Stoffeinträge, insbe-
zum Schutz der Wälder in den gemäßigten und sondere Schwefeldioxid (SO 2 ), Stickstoffoxide (NO X),
nördlichen Breiten liegen. Die Enquete-Kommission Ammoniak (NH3 ) und Ozon (0 3) belastet, die vor
sieht vor allem in einer globalen pa rtnerschaftlichen allem aus dem Energiebereich, dem Verkehrssektor
Kooperation, die sowohl die wichtige Rolle der Wälder und der Intensivlandwirtschaft stammen. Im Zusam-
als Basis für die wi rtschaftliche und soziale Entwick- menspiel mit anderen Faktoren, zum Beispiel klimati-
lung in vielen Ländern als auch die nationale Souve- schen Einflüssen, Schädlingskalamitäten und Krank-
ränität in Fragen der Waldnutzung respektiert, die heitsbefall (oftmals aufgrund von Vorschädigungen),
Grundlage für eine wirksame Strategie zum Schutz schädigt der seit Jahrzehnten andauernde Stoffein-
der Wälder in allen Klimazonen. trag die Pflanzen und Böden. Im westlichen Europa
sind vor allem der hohe Stickstoffeintrag und die im
Sommer auftretenden hohen bodennahen Ozonkon-
7.1 Situationsanalyse zentrationen von Bedeutung. Im östlichen Europa
werden Waldschäden dagegen vor allem durch die
Die Waldökosysteme sind Teil der gemeinsamen Schwefeldioxidimmissionen hervorgerufen. In der
unverzichtbaren Lebensgrundlage der Menschheit. Bundesrepublik Deutschland weisen 40 % der Wald-
Sie sind von unersetzlicher Bedeutung flächen leichte und 24 % deutliche Schäden auf. In
den Staaten der Europäischen Union sind insgesamt
— für die Sicherung der natürlichen Lebensgrundla-
34 % der Waldflächen leicht und 24 % deutlich
gen, einschließlich dem Schutz des Klimas und der
geschädigt (vgl. Kap. 3). Die vorgeschädigten Wald-
Erhaltung der biologischen Vielfalt,
bestände fallen vermehrt klimatischen Extremereig-
— für die ökonomische, ökologische und soziale Ent- nissen, vor allem Stürmen und Naßschneefall, zum
wicklung der Staaten, Opfer. Ein weiteres Problem für die Wälder sind in
einigen Regionen Europas die starken Wildverbiß-
— als potentiell unerschöpfliche Quelle lebenswichti-
schäden, die die natürliche Verjüngung behindern.
ger Rohstoffe und genetischer Ressourcen für den
menschlichen Bedarf, Die Wälder in der nördlichen kaltgemäßigten, borea-
— als Lebensraum insbesondere für indigene Gesell- len Zone unterliegen einem zunehmenden und häufig
schaften, ineffizienten Holzeinschlag, der regional erhebliche
Übernutzungen und Degradationserscheinungen
— für die Erhaltung der ländlichen Räume und die hervorruft. Zudem nimmt die von Bränden befallene
Sicherheit und Erweiterung der Erwerbsmöglich- Waldfläche zu. Die aktuelle Entwicklung der Waldbe-
keiten ihrer Bevölkerung, stände kann auf der verfügbaren Datenbasis nur mit
— für die Bef riedigung sozialer und kultureller Unsicherheiten abgeschätzt werden. Die nichtbe-
Bedürfnisse der Menschen. stockte Waldfläche hat sich innerhalb der vergange-
nen Jahrzehnte erheblich vergrößert und umfaßt
Sie haben darüber hinaus einen hohen Eigenwert, den heute etwa 150 Mio. ha. Nur etwa ein Viertel davon
es zu respektieren und aus ethischen Gründen zu sind vorübergehende Kahlflächen nach Holzein-
erhalten gilt. schlag und Bränden. Der größte Teil wird, vor allem in
der ehemaligen Sowjetunion, mangels Wiederauffor-
Der vielfältige Nutzen, den der Mensch aus den
Wäldern zieht, wurde und wird häufig unterschätzt. stung und aufgrund von Bodenschädigungen langfri-
stig unbestockt bleiben. Darüber hinaus sind do rt
Diese Fehleinschätzung fördert die fortschreitende
großflächieDadtnsrugelFo
Entwaldung sowie unangepaßte und daher degradie-
rende Nutzungsformen und andere Belastungen, die der immensen Schadstoffbelastung zu beobachten.
Ungeachtet dieser großflächigen Devastierungen
zu einer Destabilisierung der Waldökosysteme füh-
ren. Ausmaß, Ursachen und Formen der Walddegra- wird geschätzt, daß die Wälder und Moore der borea-
len Zone zur Zeit netto eine Kohlenstoffsenke darstel-
dation und -vernichtung hängen dabei von den regio-
len. In Anbetracht des schlechten Waldzustandes,
nalspezifischen sozialen, wirtschaftlichen und ökolo-
insbesondere in der ehemaligen Sowjetunion, dürfte
gischen Rahmenbedingungen ab und sollen im fol-
die Nettoaufnahme 0,3 bis 0,5 Mrd: tC/Jahr nicht
genden entsprechend differenziert skizziert werden
überschreiten.
(vgl. Kap. 2 bis 4).
In den Tropen führen in erster Linie die Ausweitung
Die Wälder der gemäßigten Breiten sind am stärksten
landwirtschaftlicher Nutzflächen und der nicht nach-
vom Menschen geprägt. Natürliche Bestände kom-
haltige Holzeinschlag sowie des weiteren die industri--
men nur noch vereinzelt auf kleinen Flächen vor.
elle Erschließung (z. B. Abbau von Bodenschätzen)
Jährlich werden etwa 2,5 % der Waldfläche einge-
zur fortschreitenden Vernichtung von Primärwäldern.
schlagen. Dies geschieht zumeist im Rahmen einer
Der Verlust betrug in den 80er Jahren durchschnittlich
geregelten Bewi rtschaftung ohne Waldverluste. Der
15,4 Mio. ha pro Jahr, das sind etwa 0,8 % der
starke anthropogene Einfluß hat jedoch zur großflä-
Waldfläche in den Tropen. Hält diese Entwicklung an,
chigen Ausbreitung von Altersklassenwäldern und
so wird bis zur Mitte des nächsten Jahrhunderts die
Reinbeständen geführt, die zwar vergleichsweise
Hälfte der heute vorhandenen Tropenwälder vernich-
rationell zu nutzen, jedoch ökologisch instabil und
tet sein. Degradation und Waldvernichtung rufen
daher häufig mit hohem ökonomischem Risiko behaf-
gravierende ökologische Schäden hervor, zum Bei-
tet sind.
spiel die Ausrottung einer Vielzahl von Tier- und
Die Waldfläche in der gemäßigten Zone nimmt zur Pflanzenarten, Bodenerosion, regionale Klimaände
Zeit tendenziell zu. In vielen Regionen sind die rungen etc. Diese Schäden verschlechtern die Lebens-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
bedingungen der lokalen Bevölkerung und ver- Schutz und Erhalt von Primärwäldern sowie
mindern so den sozialen und wi rt schaftlichen Nut- Entwicklung und Einführung nachhaltiger
zen. Darüber hinaus führt die fortschreitende Ver- Bewirtschaftungssysteme
nichtung tropischer Wälder zur Freisetzung von 1 bis
2 Mrd. tC pro Jahr. Sie ist damit für etwa 10 bis Leitziele einer zukünftigen Waldschutzstrategie müs-
20 % des anthropogenen Treibhauseffektes verant- sen der Schutz der Waldökosysteme vor Vernichtung
wortlich. und Degradation, der Erhalt von Primärwäldern sowie
die Entwicklung und Umsetzung nachhaltiger Bewirt-
Die wachsende Bevölkerung und die steigende Nach- schaftungssysteme in allen Klimazonen der Erde sein.
frage nach Holz und vor allem kurzlebigen Holzpro- Um die fortschreitende Umwandlung von Primärwäl-
dukten wird in absehbarer Zeit zu einer Ausweitung dern in Sekundärwälder zu vermindern, ist in allen
der anthropogenen Eingriffe in die Wälder führen. Klimazonen eine „seßhafte" Forstwirtschaft anzustre-
Das heutige Ausmaß der Waldvernichtung und -de- ben, deren Produktion insbesondere auf der geregel-
gradation droht sich entsprechend auszuweiten. Die- ten und nachhaltigen Bewi rt schaftung von Sekundär-
ser direkte menschliche Einfluß wird vorerst die wäldern basiert. Die verbliebenen Urwälder sind in
weltiWadfächuneZstdrWäl wesentlich größerem Umfang als heute unter Schutz
bestimmen. Bei Anhalten des derzeitigen Trends zu stellen und von einer intensiven Bewi rt schaftung
werden sich zudem die anthropogenen Klimaände- auszuschließen. Dies gilt insbesondere für ökologisch
rungen mehr und mehr auf den Zustand der Waldöko- sensible Bereiche, wie Gebirgsregionen, Ü ber-
systeme auswirken. Aufgrund der Schnelligkeit, mit schwemmungsgebiete , Übergangsbereiche zu Step
der die prognostizie rt en Veränderungen eintreten pen, Tundren und anderen waldfreien Vegetationszo-
werden — sowie der voraussichtlich wesentlich häu- nen. Dazu sind auf der Basis der Bedürfnisse, Fähig-
figeren klimatischen Extremereignisse — ist damit keiten und Kenntnisse der lokalen Bevölkerung
zu rechnen, daß Wälder großflächig absterben bzw. geeignete Schutz- und Nutzungskonzepte zu entwik-
degradieren. Gegenwärtig als CO 2 -Senke wirkende keln.
Wälder drohen im Zuge der Klimaänderung zu Netto-
kohlenstoffquellen zu werden und so den anthropoge- Der Resolution der Ministerkonferenz zum Schutz der
nen Treibhauseffekt zu verstärken. Wälder in Europa vom Juni 1993 entsprechend, ist
unter einer nachhaltigen Bewi rt schaftung zu verste-
Insgesamt ist damit zu rechnen, daß die heute bereits hen:
durch Waldvernichtung freigesetzte biogene Kohlen-
„Die Betreuung von Waldflächen und ihre Nutzung
stoffmenge (1 bis 2 Mrd. tC pro Jahr) in Zukunft
in einer Art und Weise, daß die biologische Vielfalt,
erheblich ansteigen und sogar einen Wert annehmen
die Produktivität, die Verjüngungsfähigkeit, die
könnte, der mit den heutigen CO 2 -Emissionen durch
Vitalität und die Fähigkeit, gegenwärtig und in
die Verbrennung fossiler Brennstoffe (6 bis 7 Mrd. tC
Zukunft wichtige ökologische, wi rt schaftliche und
pro Jahr) vergleichbar ist.
soziale Funktionen auf lokaler, nationaler und glo-
baler Ebene zu erfüllen, erhält und anderen Ökosy-
stemen keinen Schaden zufügt. "

Damit wurde eine Grundlage für die Weiterentwick-


7.2 Allgemeine Zielsetzungen und lung einer an allen Waldfunktionen orientierten nach-
Handlungsfelder haltigen Nutzung in allen Klimazonen geschaffen. Zur
praktischen Umsetzung einer so definie rt en Nachhal-
Um die Wälder und ihre vielfältigen Funktionen auch tigkeit sind verbindliche und nachprüfbare Kriterien
für künftige Generationen zu erhalten, ist sofortiges festzulegen, die an die regional verschiedenen ökolo-
Handeln geboten. Dabei ist zu bedenken, daß auf- gischen, ökonomischen und sozialen Bedingungen
grund der langen Entwicklungszyklen im Waldbe- angepaßt und in enger Zusammenarbeit mit der
reich heute ergriffene Maßnahmen erst in Jahrzehn- lokalen Bevölkerung und den Nichtregierungsorgani-
ten wirksam werden und die Gefährdung der Wälder sationen zu erarbeiten sind.
in allen Klimazonen sich in Zukunft rapide erhöhen
Eine allein am Holzertrag orientierte Nachhaltigkeit
wird, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen wer- entspricht den Anforderungen nicht, da sie langfristig
den. zu einer Destabilisierung der Waldbestände führen
kann und die Bedeutung der Wälder für die Erhaltung
Die Vielfältigkeit der waldbelastenden Faktoren
der biologischen Vielfalt nicht adäquat berücksich- -
erfordert die Umsetzung verschiedener, aufeinander
tigt.
abgestimmter Maßnahmenbündel innerhalb und au-
ßerhalb des Waldsektors. Diese bedürfen einer inter-
nationalen Abstimmung und engen partnerschaftli-
chen Kooperation. Eine wirksame Waldschutzstrate- Klima- und umweltverträgliche Holzverwendung
gie muß daher durch eine verbindliche Internationale
Konvention zum Schutz der Wälder rechtlich abgesi- Durch die Bewi rt schaftung der Wälder und die Ver-
chert werden (vgl. Kap. 7.7). Die notwendigen Maß- wendung des eingeschlagenen Holzes beeinflußt der
nahmen sind zum großen Teil auf der nationalen Forst- und Holzsektor die in der Waldbiomasse und in
Ebene umzusetzen. Im einzelnen räumt die Enquete Holzprodukten gespeicherte Kohlenstoffmenge. Ent-
Kommission den folgenden Handlungsfeldern in allen sprechend ist es möglich, durch gezielte Maßnahmen
Klimazonen höchste Priorität ein. der Forst- und Holzwirtschaft die Kohlenstoffbilanz zu
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verbessern und dadurch einen Beitrag zur Entlastung 7.3 Handlungsoptionen, Instrumente und
der Atmosphäre zu leisten (vgl. Kap. 6). Dies ist Empfehlungen zum Schutz der temperierten
insbesondere durch eine Ausweitung von Neuauffor- Wälder
stungen und die verstärkte Verwendung langlebiger
Holzprodukte möglich. Dabei ist zu gewährleisten, Die Gefährdung der Wälder in der gemäßigten Zone
daß sämtliche Maßnahmen in sozial- und umweltver- geht im wesentlichen auf außerforstliche Einwirkun-
träglicher Form durchgeführt werden. gen zurück. Am problematischsten ist dabei die desta-
bilisierende Wirkung des seit Jahrzehnten anhalten-
den Stoffeintrags in die Wälder, der Ursache für die
Anpassung der Wälder an künftige großflächige Verbreitung von Waldschäden ist. Der
Klimaänderungen langfristige Erhalt der Wälder und ihrer Funktionen
erfordert daher eine drastische Reduzierung des
Die erheblichen Unsicherheiten über die regionale Schadstoffausstoßes insbesondere im Energie-, Ver-
Ausprägung künftiger Klimaänderungen erschweren kehrs- und Landwirtschaftsbereich. Ein weiterer
es, gezielte Maßnahmen zur Erweiterung der Anpas- Schwerpunkt bei den Bemühungen um den Schutz
sungsmöglichkeiten von Wäldern zu entwickeln. der Wälder in der gemäßigten Zone muß die Fortent-
Daher ist im Sinne des Vorsorgeprinzips eine breite wicklung und Umsetzung von Schutzkonzepten und
genetische Vielfalt, insbesondere auf der Basis einhei- nachhaltigen Bewirtschaftsmethoden sein. Dabei gilt
mischer Arten, sowie die ökologische Stabilität der es insbesondere, die im Rahmen der Ministerkonfe-
Wälder zu sichern. Auf diese Herausforderung muß renz zum Schutz der Wälder in Europa verabschiede-
sich die Waldwirtschaft einstellen. Darüber hinaus ist ten Vereinbarungen in die betriebliche Forstpraxis
nicht nachhaltigen Eingriffen und anderen anthropo- umzusetzen. Auf dieser Basis sind die internationalen
genen Störungen (z. B. Schadstoffeintrag) dringend Waldschutzbemühungen in Richtung einer verbindli-
entgegenzuwirken. chen globalen Konvention zum Schutz aller Wälder
weiterzuentwickeln.

Verminderung der Emission klimawirksamer


Spurengase
7.3.1 Instrumente zur Verminderung
Die zukünftige Waldentwicklung wird entscheidend waldschädigender Emissionen
vom Ausmaß der Klimaänderung abhängen. Eine
deutliche Verminderung der klimawirksamen Spu- Die Genfer Luftreinhaltekonvention und die
rengasemissionen ist daher unerläßlich für den dauer- dazugehörigen Protokolle
haften Erhalt der Wälder. Die im Rahmen der UN
Konferenz für Umwelt und Entwicklung verabschie- Zur Verminderung des Schadstoffeintrags in die Wäl-
dete Klimarahmenkonvention greift die enge Verbin- der ist auf der internationalen Ebene das Abkommen
dung zwischen Klimaänderung und Waldentwick- über die Begrenzung grenzüberschreitender Luftver-
lung auf. In Artikel 2 der Konvention wird als klima- schmutzung in Europa von 1979 („Genfer Luftreinhal-
politische Zielsetzung formuliert, die Treibhausgas- tekonvention") das zentrale Instrument. Die wesent-
konzentration in der Atmosphäre auf einem Niveau zu lichsten Vereinbarung wurden dabei in den Protokol-
stabilisieren, len zur Verminderung der Emission von Schwefelver-
bindungen (1985), von Stickstoffoxiden (1988) und
„auf dem eine gefährliche anthropogene Störung
flüchtigen Kohlenwasserstoffverbindungen (VOC)
des Klimasystems verhindert wird. Ein solches
(1991) konkretisiert.
Niveau sollte innerhalb eines Zeitraums erreicht
werden, der ausreicht, damit sich die Ökosysteme Auf dieser Grundlage sanken in Europa die SO 2
auf natürliche Weise den Klimaänderungen anpas- Emissionen zwischen 1980 und 1993 um etwa 30 %.
sen können". Die NOX-Emissionen sollen in 25 Ländern bis zum
Jahr 1994 auf das Niveau von 1987 zurückgeführt
Wie in Kapitel 5 beschrieben, übersteigt jedoch die
werden. Elf Länder, unter ihnen die Bundesrepublik
Geschwindigkeit, mit der sich die prognostizie rt en
Deutschland, haben sich darüber hinaus verpflichtet,
Klimaänderungen innerhalb der kommenden Jahr-
ihre NO X-Emissionen bis 1998 um 30 % gegenüber
zehnte vollziehen werden, bei weitem die natürliche
1988 zu vermindern. In 21 Staaten sollen die VOC-
Anpassungsfähigkeit der Wälder. Um das Zusammen-
Emissionen bis 1999 um 30 % reduziert werden.
brechen von Ökosystemen zu verhindern, dürfte die -
Beides würde gleichermaßen zu einer Verminderung
Erwärmung der Erde — auf der Grundlage der heuti-
der bodennahen Ozonbelastung führen.
gen wissenschaftlichen Erkenntnis — 0,1°C pro Jahr-
zehnt nicht übersteigen. Zur Zeit ist für das kom- In allen Protokollen wurde die rechtzeitige Fortset-
mende Jahrhundert von einer durchschnittlichen zung des Verhandlungsprozesses festgeschrieben.
Erwärmungsrate von etwa 0,3 °C pro Jahrzehnt aus- Auf dieser Basis verabschiedeten die Signatarstaaten
zugehen. Um die in der Klimarahmenkonvention Anfang März 1994 ein verschärftes Schwefel-Proto-
festgelegten Zielsetzungen erreichen zu können, koll, das im Juni 1994 in Oslo unterzeichnet wurde.
müßten die CO 2 - und die N 20-Emissionen bis zum Die verschärfte Fassung sieht vor, bis zum Jahr 2000
Jahr 2050 weltweit um etwa 60 bis 80 % und die die in Europa freigesetzte SO 2 -Menge gegenüber
CH4 -Emissionen um 15 bis 20 % verringert werden. 1980 um knapp 60 % zu reduzieren. Die länderspezi-
Bei der weiteren Umsetzung der Klimarahmenkon- fischen Reduktionsziele sind in Tabelle 7.1 wiederge-
vention sind diese Vorgaben zu berücksichtigen. geben. In einigen Staaten, insbesondere in Osteuropa,
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sind die Reduktionsziele in mehrere Stufen (2000, Angesichts der Dringlichkeit des Problems grenz-
2005 und 2010) unterteilt. Anderen Ländern wurde — überschreitender Luftverschmutzungen und den rela-
trotz der deutlichen Absenkung der Gesamtemission tiv hohen Reduktionspotentialen, vor allem im SO 2
— eine Steigerung der heutigen SO 2 -Emission zuge- -Berich,gbtsjdoaukricheAspt.D
standen. wesentlichsten Punkte sind dabei:

Die Bundesrepublik Deutschland, die durch den Bei- Auch bei Erreichen der jetzigen Zielsetzung wer-
tritt der Neuen Länder wieder zum größten SO 2 den etwa 7 % der Ökosysteme in Europa weiterhin
-Emiten uropawd,htsicmRen zu hoch mit SO 2 belastet. In einigen Ländern, zu
Protokolls verpflichtet, die freigesetzte SO 2 -Menge denen auch die Bundesrepublik Deutschland
bis zum Jahr 2000 auf 1,3 Mio. t und bis 2005 auf zählt, werden diese Flächen sogar bis zu 20
0,9 Mio. t zu vermindern. Gegenüber 1980 wäre dies, ausmachen (Friends of the Ea rt h u. a. 1993).
unter Einbeziehung der damaligen DDR, eine Reduk-
tion um 83 bzw. 87 % (Tab. 7.1) (vgl. Kap. 3). Die neuen Reduktionsziele sind in der Regel
bereits in nationalen Programmen festgeschrie-
Die Umsetzung der eingegangenen Reduktionsver- ben. Die internationale Abstimmung bringt daher
pflichtungen wird mit Hilfe des Beobachtungsnetzes keine weitergehende Verbesserung.
EMEP von einem neu eingerichteten Ausschuß über-
wacht. Ferner soll bis zum Jahr 1997 überprüft wer- Bei der Ermittlung des Reduktionspotentials
den, ob die vereinbarten Reduktionsziele weiter zu wurde zu wenig Gewicht auf eine Steigerung der
verschärfen sind. Energieeffizienz — vor allem in Kraftwerken —
gelegt. Damit werden die Kostenvorteile von
Neben den Reduktionsverpflichtungen wurden im
Reduktionsmaßnahmen nicht ausreichend berück-
verschärften Schwefel-Protokoll verbindliche Emis-
sichtigt.
sionsgrenzwerte für Großfeuerungsanlagen aufge-
nommen. Diese entsprechen der EG-Richtlinie und Das Protokoll ist erst mit erheblicher zeitlicher
liegen bei Neuanlagen über 500 MW Leistung bei Verzögerung verabschiedet worden. Ursprünglich
400 mg SO 2/m3 . Kraft- und Heizwerke im Leistungs- sollte bereits im Jahr 1991 eine Fortschreibung des
bereich zwischen 50 und 100 MW bzw. 100 und 500 ersten Schwefel-Protokolls erfolgen.
MW, die mit Kohle befeue rt werden, dürfen maximal
2 000 bzw. zwischen 400 und 2 000 mg SO 2/m3 freiset-
zen. In ölbetriebenen Heizkraftwerken darf die 50 2
-EmisonberLtugzwischn50d3MW Instrumente auf nationaler und EG-Ebene
bis zu 1700 mg SO 2/m3 betragen. Zwischen 300 und
500 MW Leistung muß sie zwischen 1700 und 400 mg
Über die Protokolle der Genfer Luftreinhaltekonven-
SO 2/m3 liegen. Die SO 2 -Emissionen bereits bestehen-
tion hinaus sind vor dem Hintergrund sich rasch
der Anlagen sollen zwar bis zum 1. Juli 2004 ebenfalls
ausweitender Waldschäden auf nationaler und EG-
auf diese Niveaus reduziert werden. Dies wurde
Ebene eine Reihe von anlagenbezogenen Verordnun-
jedoch nicht verbindlich festgeschrieben und dürfte
gen und Maßnahmen zur Luftreinhaltung beschlossen
daher nicht den gewünschten Effekt haben.
und umgesetzt worden. Von besonderer Bedeutung
Ferner wurde die Höchstgrenze für den Schwefelge- sind dabei die auf der Grundlage des Bundes-Immis-
halt von Gasölen auf 0,05 % bei Diesel für Straßen- sionsschutzgesetzes (BImSchG) erlassene Großfeue-
fahrzeuge und auf 0,2 % bei anderen Fahrzeugen rungsanlagen-Verordnung, die Kleinfeuerungsanla-
festgeschrieben. gen-Verordnung sowie die Technische Anleitung zur
Reinhaltung der Luft. Auf dieser Basis konnte seit
Zu den grundsätzlichen Vorteilen des neuen Proto- Beginn der 80er Jahre in den alten Bundesländern die
kolls gehören: SO 2 -Emission um 71 % gesenkt werden. In den neuen
Bundesländern liegt die S0 2 -Emission nach wie vor
— Die kritische Belastung („C ri tical Loads"), d. h. die
auf sehr hohem Niveau (1990 etwa 4,7 Mio. t). Sie wird
maximalen für die Ökosysteme verträglichen
im Zuge der Umsetzung der für das frühere Bundes-
Stoffeinträge bzw. -konzentrationen, wurden erst-
gebiet geltenden Verordnungen in den neuen Län-
mals als Vereinbarungsgrundlage herangezogen.
dern in absehbarer Zeit deutlich zurückgehen. Dieser
Dadurch erfuhren ökologische Kriterien bei der
Prozeß muß — auch wegen der erheblichen SO 2
Festsetzung der vereinbarten Reduktionsziele ein
-ExporteindöslchNabrten—zügi
erheblich größeres Gewicht.
vorangebracht werden.
— Alle europäischen Staaten sowie Kanada wurden
in den verbindlichen Prozeß der SO 2 -Reduktion Im Verkehrsbereich ist in erster Linie die Einführung
einbezogen. Dadurch ist zum Beispiel die Gefahr des geregelten Dreiwege-Katalysators in Neuwagen
des Umweltdumpings durch einzelne Staaten ver- als wichtigste Maßnahmen zur Schadstoffreduktion
mindert worden. zu nennen. Aufgrund der rasanten Zunahme des
Pkw-Bestandes von 14 Mio. im Jahr 1970 auf 31 Mio.
— Ein Follow-Up-Prozeß ist bereits fest in das Proto- im Jahr 1990 und gleichzeitiger Verdopplung der
koll integriert und damit die Eigendynamik des Gesamtfahrleistung pro Pkw stiegen die NO X-Emis-
Reduktionsprozesses erhöht worden. Außerdem sionen im Verkehrssektor zwischen 1980 und 1990
wurde die regelmäßige Berichterstattung über die jedoch von 1,6 auf 1,9 Mio. t/Jahr an (alte Bundeslän-
Umsetzung der Maßnahmen auf nationaler Ebene der). Dagegen sank der Gesamtausstoß an NO X in
festgeschrieben. diesem Zeitraum um 11 %.
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Tabelle 7.1
Nationale Emissionen und Reduktionsziele für SO 2 in den ECE-Staaten
auf der Basis des verschärften Schwefelprotokolls

Emissionsminderung
Emission Emissionsgrenzwerte
(in % gegenüber dem
in 1 000 t S02/Jahr in 1000 t SO2/Jahr
Basisjahr 1980)

1980 1990 2000 2005 2010 2000 2005 2010

Belgien 828 443 248 232 215 70 72 74


Bulgarien 2 050 2 020 1 374 1 230 1 127 33 40 45
Dänemark 451 180 90 80
Deutschland 7 494 5 803 1 300 990 83 87
Finnland 584 260 116 80
Frankreich 3 348 1 202 868 770 737 74 77 78
Griechenland 400 510 595 580 570 0 3 4
Irland 222 168 155 30
Italien 3 800 1 330 1 042 65 73
Kanada 4 614 3 700 3 200 30
Kroatien 150 160 133 125 117 11 17 22
Liechtenstein 0,4 0,1 0,1 75
Luxemburg 24 10 58
Niederlande 466 207 106 77
Norwegen 142 54 34 76
Österreich 397 90 78 80
Polen 4 100 3 210 2 583 2 173 1 397 37 47 66
Portugal 266 284 304 294 0 3
Rußland 7 161 4 460 4 440 4 297 4 297 38 40 40
Schweden 507 130 100 80
Schweiz 126 62 60 52
Slowakien 843 539 337 295 240 60 65 72
Slowenien 235 195 130 94 71 45 60 70
Spanien 3 319 2 316 2 143 35
Tscheschien 2 257 1 876 1 128 902 632 50 60 72
Ukraine 3 850 2 310 2 118 1 696 40 45 56
Ungarn 1 632 1 010 898 816 653 45 50 60
Vereinigtes Königreich 4 898 3 780 2 449 1 470 980 50 70 80
Weißrußland 740 456 400 370 38 46 50

Europäische Gemeinschaft 25 513 9 598 62

Quelle: UN-ECE 1994


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Im Zuge der weiteren Umsetzung des Dreistufenplans Die Resolutionen stellen eine wesentlichen Fortschritt
der EG zur Schadstoffminderung im Straßenverkehr in Richtung einer ökologischen, am Erhalt der Wald-
wird für Pkw ab 1996 eine zweite Grenzwertstufe funktionen orientierten, nachhaltigen Waldbewirt-
eingeführt, die bei Benzinmotoren eine Reduzierung schaftung dar. Sie bieten zudem eine geeignete
der für die Ozonbildung verantwortlichen Stickoxide Grundlage für die im Rahmen einer Internationalen
und Kohlenwasserstoffe um 56 % und der aus Diesel Waldkonvention festzuschreibenden Zielsetzungen.
motoren entweichenden Rußpartikel um ebenfalls
56 % — jeweils bezogen auf die Emission pro Fahr-
zeug — vorsieht.
7.3.3 Empfehlungen der Enquete-Kommission
Die technischen Potentiale an den Fahrzeugen dürf- zum Schutz der temperierten Wälder
ten damit auf absehbare Zeit weitgehend ausge
schöpft sein. In welchem Umfang dadurch die Schad- 7.3.3.1 Empfehlungen für die internationale Ebene
stoffemission des Straßenverkehrs sowie die boden-
nahe Ozonbildung tatsächlich reduziert wird, ist ent-
scheidend von der Entwicklung der Verkehrsleistung Verschärfung und Ergänzung der Protokolle
abhängig. Steigt sie — den Prognosen entsprechend im Rahmen der Genfer Luftreinhaltekonvention
— in den kommenden Jahren drastisch an, wird ein
erheblicher Teil der Reduktion durch das Verkehrs- Mit dem verschärften Schwefel-Protokoll ist eine
wachstum kompensiert. Die zu erwartende Reduk- zweite Stufe der Schadstoffverminderung in Europa
tionsquote kann daher zum heutigen Zeitpunkt nur erreicht worden, die möglichst rasch auch für die
mit großen Unsicherheiten bestimmt werden. Sie wird anderen Protokolle im Rahmen der Luftreinhaltekon-
jedoch nicht ausreichen, um die NO X-Einträge in die vention anzustreben ist. Vor diesem Hintergrund sieht
Waldökosysteme unter die kritischen Belastungs- die Enquete-Kommission eine zügige Verschärfung
grenzen (C ri tical Loads) abzusenken. Ebenso werden der bereits bestehenden Protokolle sowie die Erstel-
auch in Zukunft, wenn keine weitergehenden Maß- lung eines neuen Ammoniak-Protokolls im Rahmen
nahmen ergriffen werden, die Ozonspitzenwerte der Luftreinhaltekonvention als eine vordringliche
deutlich oberhalb des verträglichen Maßes liegen. Um Aufgabe an. Mittelfristig sollte dabei erreicht werden,
in Deutschland die Ozonkonzentrationen auf ein ver- daß der Eintrag luftgetragener Schadstoffe flächen-
tretbares Niveau zu senken, sind Emissionsminderun- deckend das Niveau der kritischen Belastung nicht
gen bei den VOC und NO X um 70 bis 80 % erforderlich überschreitet. Neben sogenannter End-of -Pipe-Tech-
(Ozon-Symposium 1991). nologien ist vor allem eine Schadstoffreduktion durch
eine Effizienzsteigerung bzw. durch eine Verände-
-rung der Bedarfsstruktur (zum Beispiel im Energie
und Verkehrsbereich) dringend erforderlich. Dadurch
7.3.2 Schutz und nachhaltige Bewirtschaftung kann dem Reduktionsprozeß eine stärkere Dynamik
verliehen werden.
Der Erhalt der Wälder und die Fortentwicklung und
Das neu verhandelte Schwefel-Protokoll ist in diesem
Umsetzung nachhaltiger Bewirtschaftungsmethoden
Sinne als Zwischenstufe zu verstehen. Eine weitere
in den gemäßigten Breiten wurden im Rahmen der
Verschärfung sollte angestrebt werden. Aufgrund der
„Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in
zeitlichen Verzögerungen zwischen Verabschiedung
Europa" , die 1990 in Straßburg zum ersten Mal
und Inkrafttreten der Vereinbarung (etwa 2 Jahre)
zusammenkam und die Grundlagen für einen „ Fol-
sind dazu möglichst bald neue Verhandlungen zu
low-up-Prozeß " auf europäischer Ebene schuf, aufge-
beginnen, die bis 1996 abgeschlossen sein sollten. Als
griffen. Eine Konkretisierung der gemeinsamen Stra-
Zielsetzung ist dabei die Rückführung der SO 2 -Emis-
tegie erfolgte beim ersten Nachfolgetreffen im Juni
sionen auf ein Niveau, das den Eintrag in die Ökosy-
1993 in Helsinki. Dieses diente in erster Linie dazu, die
steme flächendeckend auf oder unter das Niveau der
von der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung
kritischen Belastungen vermindert.
beschlossenen Dokumente (Agenda 21, Klimarah-
menkonvention, Walderklärung und Konvention zum Um die im SO 2 -Bereich aufgetretenen Verzögerungen
Schutz der biologischen Vielfalt) im europäischen in anderen Protokollen zu verhindern, muß vor allem
Rahmen umzusetzen und weiterzuentwickeln. Die die Verschärfung des NO X -Protokolls umgehend ein-
Ministerkonferenz verabschiedete dazu eine Allge- geleitet werden. Die Stickstoffeinträge verursachen in
meine Erklärung und die folgenden vier Resolutio- den westeuropäischen Wäldern inzwischen wesent-
-
nen: lich größere Schäden als die Schwefelbelastung. Etwa
die Hälfte der Stickstoffemissionen wird in Form von
— Allgemeine Leitlinien für die nachhaltige Bewirt- NOx im Verkehrsbereich freigesetzt. Über die direk-
schaftung der Wälder in Europa ten Schäden hinaus ist NOx maßgeblich für die eben-
falls schädlichen hohen Ozonkonzentrationen in
— Allgemeine Leitlinien für die Erhaltung der biolo-
Bodennähe verantwortlich. Diesem Zusammenhang
gischen Vielfalt der Europäischen Wälder
ist eine größere Aufmerksamkeit zu widmen. Um die
— Forstliche Zusammenarbeit mit den Reformstaa- kritische Belastung zu unterschreiten, müßte die
ten Emission in der Bundesrepublik Deutschland inner-
halb der nächsten 10 bis 20 Jahre um 55 bis 60 %,
— Strategien für die langfristige Anpassung der Wäl- langfristig (20 bis 40 Jahre) um 80 % vermindert
der in Europa an die Klimaveränderung. werden (Ulrich und Puhe 1993).
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Auch das Protokoll zur Verminderung der VOC- Industrie:


Emissionen sollte möglichst rasch überprüft und ver-
schärft werden. Die international vereinbarte Reduk- — Entschwefelung und Entstickung von Hochtempe-
tion um 30 % entspricht nicht dem derzeitigen Stand raturanlagen (z. B. Hochöfen) und Einbau von
der Technik und sollte daher verschärft werden. In der Filteranlagen für Motoren,
Bundesrepublik Deutschland soll zum Beispiel die — Wiederverwertung von Altstoffen, z. B. Energie-
VOC-Freisetzung bis zum Jahr 1999 um mindestens einsparung durch Metallrecycling,
50 % vermindert werden (BMU 1991). Die Enquete
— Höhere Energieeffizienz und Anwendung von
Kommission empfiehlt eine Verminderung um 80 %
Kraftwärmekopplung,
bis zum Jahr 2005 (bezogen auf das Jahr 1987).

Angesichts der erheblichen Schadwirkung der Am- Verkehr:


moniak-Emissionen ist zudem die Ausarbeitung eines
NH3 -Protokolls im Rahmen der Genfer Luftreinhalte- Möglichst weitgehende Verlagerung des Straßen-
konvention dringend geboten. In der Bundesrepublik und Luftverkehrs auf die Schiene und die Binnen-
Deutschland gehen knapp 40 % des Stickstoffeintrags schiffahrt; dies gilt insbesondere für den Güterver-
in die Wälder auf die NH 3 -Emissionen aus der Land- kehr in Europa, der auf absehbare Zeit am stärk-
wirtschaft zurück. Diese sind maßgeblich an der sten wachsen wird,
Bodenversauerung und dem Entstehen von Nährstoff- Technische Maßnahmen zur Reduktion der Fahr-
ungleichgewichten beteiligt, rufen Waldschäden her- zeugemissionen (Katalysatoren, Verminderung
vor und erhöhen die Auswaschung von Nitrat ins des Treibstoffverbrauchs etc.)
Grundwasser bzw. die Freisetzung des klimawirksa-
Verkehrsvermeidung durch raumplanerische
men N20 in die Atmosphäre. Sie sind daher dringend
Maßnahmen und verstärkte Öffentlichkeitsar-
zu vermindern. Die anzustrebende Verminderung
beit,
sollte dabei zumindest in der gleichen Größenord-
nung liegen wie beim NOx (vgl. Abschnitt B, Maßnahmen zur Verminderung der Emission
Kap. 4). flüchtiger Kohlenwasserstoffe (VOC) (z. B. Kohle-
kanister, Gaspendelung).
Im Bereich des Monitoring und der Forschung sowohl
der Schadstoffbelastung als auch der Waldschadens- Landwirtschaft (vgl. Abschnitt B, Kap. 4):
entwicklung sieht die Enquete-Kommission es als
notwendig an, die internationale Kooperation weiter — Reduzierung des Tierbestandes und Bindung an
zu intensivieren. Die mittlerweile 34 Länder umfas- die Fläche,
sende europäische Waldschadensinventur und die
Abdecken von Güllelagern,
Fortentwicklung des Schadstoff-Monitoring-Systems
EMEP ist ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der — Emissionsarme Ausbringung von Gülle auf die
Datenlage und der Erkenntnisse über die Neuartigen Anbauflächen,
Waldschäden. Auf dieser Basis müssen möglichst — Förderung der Festmistwirtschaft,
umgehend von allen ECE-Staaten getragene Anstren- — Einbau von Filteranlagen für Stalluft.
gungen im Bereich der Waldökosystemforschung
sowie der Ursachen und Folgen der Waldschäden
unternommen werden. Dazu sind die bestehenden Fortentwicklung und Umsetzung nachhaltiger
Institutionen zu nutzen. Außerdem ist die Finanzie- Bewirtschaftungssysteme
rung sicherzustellen.
Die Enquete-Kommission we rt et die Resolutionen der
Um die oben genannten Zielsetzungen der Protokolle Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Europa
zu erreichen, sieht die Enquete-Kommission in den als we rt voll auch im Hinblick auf die Ausarbeitung
jeweiligen Verursacherbereichen die folgenden einer Internationalen Konvention zum Schutz der
Handlungsoptionen: Wälder. Sie sollten zügig in die forstliche und forstpo-
litische Praxis umgesetzt werden. Hierzu bedarf es
zunächst meßbarer Kriterien für nachhaltige Bewirt-
schaftungsmethoden. Darüber hinaus sind jedoch
Energiebereich: auch die finanziellen und rechtlichen Rahmenbedin-
gungen zu ändern. Die Enquete-Kommission forde rt
-
dieBunsrg,EopäicheUnud
— Einbau von Filteranlagen für SO 2 und NOx in UN-Kommission für wi rt schaftliche Zusammenarbeit
Kraftwerken, in Europa (UN-ECE) auf, sich nachdrücklich dafür
einzusetzen, daß die Helsinki-Beschlüsse auch von
— Steigerung der Effizienz der Kraftwerke,
anderen Staaten — insbesondere den USA und
Kanada — aufgenommen und umgesetzt werden.
— Einbau schadstoffarmer Heizungsanlagen in pri-
vaten Haushalten, Die forstwirtschaftliche Nutzung der temperierten
Wälder muß sich vor allem am Ziel der ökologischen
— Ausbau der Kraftwärmekopplung, Stabilität der Waldökosysteme orientieren. Dabei soll
die naturgemäße Waldbewirtschaftung als Leitziel
— Internalisierung externer Kosten, insbesondere gelten. Dies bedeutet zum Beispiel den Umbau der
durch die Einführung einer CO 2/Energiesteuer. Altersklassenwälder in Plenterwald, den Verzicht auf
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

Kahlschläge und die Verminderung der Eingriffe in — die Integration von Grundsätzen zur Verkehrsver-
die Waldökosysteme (Düngung, Pestizideinsatz, Ent- meidung in die Stadt- und Regionalplanung sowie
wässerung etc.). Gerade die Laub- und Mischwälder in Umweltfachplanungen,
der gemäßigten Breiten eignen sich für diese relativ — die Überprüfung bestehender Rechtsvorschriften,
extensive Nutzungsform, da sie ihrer natürlichen Planungen und Programme des Bundes, der Län-
Entwicklung am ehesten entspricht. der und der Kommunen auf unerwünschte ver-
Die Umstellung der Bewirtschaftung hin zu naturge- kehrserzeugende Effekte.
mäßen Methoden würde die ökologische Stabilität Weitere Möglichkeiten bieten ordnungspolitische
und damit die Bestandssicherheit vergrößern. Dies gilt Instrumente, wie etwa Fahrverbote für Pkw ohne
insbesondere vor dem Hintergrund der sich abzeich- Katalysator in Zeiten hoher Ozongefährdung. Wegen
nenden Klimaänderungen. Es ist jedoch dringend der relativ langen Verweildauer der Substanzen in der
erforderlich, die notwendigen ökonomischen und Atmosphäre sind derartige Maßnahmen sowohl natio-
ökologischen Rahmenbedingungen für eine derartige nal als europaweit durchzuführen.
Bewirt schaftung zu schaffen. Dazu gehört zum Bei-
spiel auch die Verminderung der Schalenwildbe- Langfristig, das heißt über Jahrzehnte, muß jedoch
stände auf ein Niveau, das die natürliche Verjüngung jeglicher motorisierte Verkehr auf Technologien
in allen Wäldern zuläßt. umgestellt werden, bei denen die Emission von direkt
und indirekt klimawirksamen bzw. waldschädigen-
Ein besonderer Schwerpunkt in den Wäldern der
den Gasen weitestgehend — nach Möglichkeit sogar
gemäßigten Breiten ist der absolute Schutz der ver-
vollständig — vermieden werden kann. Dafür müssen
bliebenen Primärwaldflächen sowie die Ausweisung
bereits jetzt die Weichen in der Verkehrs- und For-
von Waldgebieten, die einer natürlichen Entwicklung
schungspolitik gestellt werden.
überlassen werden. Die bislang nicht ausreichend
berücksichtigten Funktionen der Wälder (zum Bei- Im Energiebereich, der für rund ein Drittel der NO X
spiel biologische Vielfalt) sind durch die Ausweisung -Emisonveratwlch,idEnquet-Kom
von Schutzgebieten zu sichern, in denen der Holzein- mission ebenfalls Reduktionspotentiale, die durch
schlag eingeschränkt bzw. verboten ist. Als Größen- — den Einbau von Filteranlagen,
ordnung sollen in etwa 10 % der Landesfläche dem
Erhalt der biologischen Vielfalt oder anderen ökologi- — die Einführung einer CO 2/Energiesteuer sowie
schen Funktionen dienen und entsprechend unter — Maßnahmen zur Effizienzsteigerung im Kraft-
Schutz gestellt werden. Dabei sind insbesondere für werksbereich
die Randbereiche der Schutzgebiete umwelt- und
naturverträgliche Nutzungskonzepte zu entwickeln. erschlossen werden können. Darüber hinaus müssen
Gute Ansätze bietet hierzu das Konzept der Biosphä- die für die alten Bundesländer geltenden technischen
ren-Reservate. Die Schutzgebiete sollten möglichst Standards im Kraftwerks- und Wärmebereich umge-
hend auch in den neuen Ländern umgesetzt werden,
alle natürlich vorkommenden Waldökosystemtypen
um vor allem die immens hohe SO 2 -Emission drastisch
repräsentativ umfassen.
zu vermindern.

7.3.3.2 Empfehlungen für die nationale und die


EG-Ebene Verminderung der NH3-Emission

Verminderung der Emission von SO2, NOR, VOC Mit einem Anteil von knapp 40 % an den Stickstoff-
sowie der Ozonbildung emissionen ist die Landwirtschaft ein wesentlicher
Verursacher von Waldschäden. Diesem Zusammen-
Zur Reduzierung der waldschädigenden Emissionen hang wird bislang zu wenig Bedeutung beigemessen.
sowie der Ozonbildung auf ein verträgliches Niveau Die Enquete-Kommission sieht es daher als erforder-
sieht die Enquete-Kommission über die bereits lich an, die Freisetzung von Ammoniak deutlich zu
beschlossene Ausstattung von Neuwagen mit Kataly- vermindern. Sie hat dazu im Abschnitt B Handlungs-
satoren und die Verminderung des Gehaltes von empfehlungen formuliert (vgl. Abschnitt B, Kap.
Kohlenwasserstoffen in Kraftstoffen hinaus Reduk- 4.4.1.4), die an dieser Stelle nur stichwortartig
tionsmaßnahmen im Verkehrsbereich als dringend erwähnt werden sollen. Im einzelnen sieht sie es als
erforderlich an. Erhebliche Potentiale bestehen dabei vorrangig an,
im Bereich der Verkehrsvermeidung und -verlage- — die externen Kosten der Tierpoduktion zu interna-
rung. Diese sollen von der Bundesregierung und der lisieren, insbesondere durch die Einführung einer
Europäischen Union Gülleabgabe von zunächst 2,— DM/kg Gülle-N
durch einen konsequenten Ausbau des öffentli- (bei Überschreiten von 1,5 DE/ha LN), soweit ein
chen Verkehrs, zu schaffendes Förderprogramm zur Verringerung
über eine Erhöhung der Mineralölsteuer oder der Gülleproduktion nicht ausreichende Erfolge
Einführung einer emissionsbezogenen Kraftfahr- zeigt,
zeugsteuer oder die Umlegung der Kraftfahrzeug- die bodennahe Ausbringung (Schleppschlauch,
steuer auf die Mineralölsteuer, Injektion etc.) und die sofortige Einarbeitung der
durch die verursachergerechte Anlastung der Wirtschaftsdünger zu fördern,
durch den Verkehr entstehenden externen Kosten — Ausbildung und Beratung im Bereich der Tierfüt-
(Umweltschäden, soziale Kosten, Wegekosten), terung zu fördern,
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

— Investitionen zur Berücksichtigung emissionsmin- — daß sie einen hohen Gehalt an — in der Biomasse
dernder Maßnahmen im Stallbau, Stallhygiene und den Böden gespeicherten — Kohlenstoff dau-
sowie Wirtschaftsdüngerlagerung und -ausbrin- erhaft aufweisen.
gung zu fördern.
Um diese Zielsetzungen zu erreichen, sieht es die
Enquete-Kommission als notwendig an, die Eingriffe
Waldbewirtschaftung des Menschen in die Waldökosysteme zu vermindern
und der Nutzung natürlicher Prozesse Vorrang vor
Die Staaten Europas haben durch die Resolutionen anthropogen hervorgerufenen Prozessen einzuräu-
der Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in men. Dies setzt zum Beispiel eine konsequent an den
Europa eine Vorreiterrolle im internationalen Wald- Standortbedingungen orientierte Artenzusammen-
schutz übernommen und sind gehalten, die Be- setzung und Struktur der Wälder voraus. Darüber
schlüsse rasch in die eigenen Forstgesetze und die hinaus sind starke Eingriffe wie Kahlschläge, Dün-
Forstpraxis umsetzen. Der zumindest in der Bundes- gung, Pestizideinbringung und Aufforsten von Rein-
republik in den vergangenen Jahren einsetzende — beständen zu vermeiden. Dagegen ist die Naturver-
und von der Bundesregierung zum Teil geförderte — jüngung, der einzelstammweise Einschlag und die
Trend hin zu standortgerechten Mischwaldbeständen Anwendung umweltschonender Erntemethoden zu
ist dabei konsequent zu verstärken und in Richtung fördern.
einer ökologischen, nachhaltigen Waldbewirtschaf-
tung zu lenken. Dabei muß beachtet werden, daß die Die Struktur der Wirtschaftswälder muß sich in stär-
Waldwirtschaft in mehrfacher Hinsicht vor großen kerem Maße an den natürlichen Wäldern orientieren.
Herausforderungen steht. Sie muß zukünftig Hierbei ist zu bedenken, daß gerade in Mitteleuropa
keine größeren Naturwälder mehr bestehen und
— vor dem Hintergrund der bereits erfolgten Schädi-
daher der Kenntnisstand über Zusammensetzung,
gungen durch Stoffeinträge die vielfältigen Wald-
Struktur und die ökologischen Prozesse in von Men-
funktionen sicherstellen,
schen unbeeinflußten Wäldern lückenhaft ist. Umge-
— die Anpassungsfähigkeit der Wälder an künftige kehrt können die durch die praktizierte Bewirtschaf-
Klimaänderungen vergrößern sowie tungsform ausgelösten Veränderungen in den Wald-
— ihrerseits Maßnahmen umsetzen, die die Kohlen- ökosystemen nur schwer eingeschätzt werden. Das
stoffbilanz dauerhaft verbessern. Ausmaß der anthropogenen Veränderungen in natür-
lichen Wäldern ist jedoch der Maßstab, der in anderen
Dabei ist gleichzeitig ein Abbau erheblicher Holz- Klimazonen, in denen noch Primärwälder existieren,
überschüsse in der Forstwirtschaft notwendig, die als Grad für die Nachhaltigkeit diskutiert wird. Es
unter anderem auf das Aufwachsen holzreicher erscheint auch vor diesem Hintergrund notwendig, in
Bestände in den vergangenen Jahrzehnten sowie die Mitteleuropa der natürlichen Entwicklung von Wäl-
starken Sturmschäden, vor allem in vorgeschädigten dern Möglichkeiten einzuräumen. Dies kann in Form
und nicht standortgerechten Fichtenbeständen, zu- von Schutzgebieten geschehen, die von einer intensi-
rückzuführen sind. Die Bewirtschaftung der Wälder veren Nutzung ausgeschlossen sind und nicht bewirt-
bedarf vor diesem Hintergrund einer stärkeren öffent- schaftet werden. Derartige Gebiete sollten die heute
lichen und politischen Beachtung und Unterstützung. vorkommenden Waldgesellschaften repräsentativ
Sie muß sich zudem in erheblich stärkerem Maße an umfassen, miteinander vernetzt werden und in etwa
ökologischen Kriterien orientieren. 10 % der Waldfläche umfassen. Neben dem primären
Schutzziel (z. B. Erhalt der biologischen Vielfalt)
Die Vorschläge zur Bewältigung der oben genannten
könnten in solchen nicht bewi rt schafteten Wäldern
Aufgaben weisen grundsätzliche Differenzen auf. Sie
mittel- bis langfristig neue Forschungsergebnisse
reichen in einer breiten Palette von einer Intensivie-
über die natürlichen ökosystemaren Prozesse (Stoff-
rung des Managements (Durchforstungen, verstärkter
ströme, Konkurrenzsituation, Sukzession) gewonnen
Holzeinschlag und Aufforstung schnellwachsender
werden, die eine Überprüfung der Forstpraxis sowie
Baumarten) bis zur drastischen Reduzierung der
die stetige Fortentwicklung ökologisch orientierter
menschlichen Eingriffe in die Waldökosysteme auf ein
nachhaltiger Bewirtschaftungsmethoden ermögli-
unerläßliches Mindestmaß. Es kann zum heutigen
chen.
Zeitpunkt nicht endgültig entschieden werden, wel-
che Strategie innerhalb dieser Palette am ehesten
geeignet ist, den Fortbestand funktionsfähiger Wald- Die Bewi rt schaftung der übrigen Wälder sollte sich an
ökosysteme sicherzustellen. Im folgenden sollen den Prinzipien der naturgemäßen Waldwirtschaft
daher zunächst lediglich Leitlinien für eine zukünftige orientieren. Das bedeutet in erster Linie sogenannte
Waldbewirtschaftung vorgeschlagen werden, die auf Dauerwälder einzurichten, die einzelstammweise ein-
dem heutigen Wissensstand über die zukünftige Kli- geschlagen werden. Dies steht im Gegensatz zu der
maentwicklung basieren und als Vorsorgestrategie zu bis heute weitgehend üblichen Praxis des schlagwei-
verstehen sind. Demnach sollten die Wälder so bewirt- sen Hochwaldes, bei der altersgleiche Bestände mit
schaftet werden, relativ hohem Pflegeaufwand bewi rt schaftet werden.
Durch eine derartige Umgestaltung, die Jahrzehnte in
— daß ihre ökologische Stabilität auch unter sich Anspruch nimmt, könnte auch die für die Bewirtschaf-
verändernden Umweltbedingungen gewährleistet tung eingesetzte Zusatzenergie auf ein Mindestmaß
und reduziert und damit die Kohlenstoffbilanz des Forst-
— die Erhaltung der biologischen Vielfalt sicherge- sektors verbessert werden. Darüber hinaus verspricht
stellt ist, sie eine Verringerung des Betriebsrisikos, da alters-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
ungleiche Mischbestände zum Beispiel wesentlich Vor diesem Hintergrund sind eine Änderung der
resistenter gegen Stürme sind. bisherigen Jagd- und Hegepraxis in der Bundesrepu-
blik sowie gezielte Schutzmaßnahmen (z. B. Einzäu-
Ungeachtet der einzuführenden naturnahen Bewirt- nen) notwendig. Dadurch ist zu gewährleisten, daß die
schaftung werden in einigen Waldgebieten in den Schalenwildbestände auf ein ökologisch verträgliches
kommenden Jahren stabilisierende Maßnahmen not- Maß zurückgeführt werden, das die Fähigkeit der
wendig sein, um den Fortbestand der Wälder zu Wälder zur natürlichen Verjüngung erhält und der
sichern. Dies bet ri fft in erster Linie die Verbesserung Ausbreitung wildbedingter Waldschäden entgegen-
der Nährstoffversorgung extrem versauerter und ver- wirkt. Ein solches Vorgehen hätte auch den Vorteil,
armter Böden. Ein Teil der Waldböden weist nicht daß zusätzliche Kosten für die Forstwirtschaft für den
mehr genug Nährstoffe auf, um das Aufwachsen der Schutz vor Wildverbiß vermindert würden.
nächsten Baumgeneration zu gewährleisten. Daher ist
die Ausbringung von Kalk und die Zufuhr von Nähr- Im einzelnen ist es erforderlich, die Abschußzahlen
stoffen zur Bodenverbesserung hier erforderlich. Dies und die Abschußplanung nach ökologischen Kriterien
ist jedoch äußerst vorsichtig und nach genauer stand- festzulegen. Die Enquete-Kommisson schlägt daher
ortökologischer Aufnahme durchzuführen, da Kal- vor:
kungen die rasche Freisetzung des in großen Mengen — eine am Waldzustand orientierte Abschußplanung
in der Humusauflage gespeicherten Stickstoffs bewir- auf der Basis von Wildverbißgutachten einzufüh-
ken können. In der Folge bewirkt dies einen Versaue- ren,
rungsschub, die Verstärkung der Nährstoffungleich-
— eine rechtliche Einschränkung der Fütterung auf
gewichte und die Auswaschung von Nitrat ins Grund- tatsächliche, populationsgefährdende Notzeiten
wasser (vgl. Kap. 3.5). sowie
Darüber hinaus wird vor allem aufgrund der künftigen — die Abschaffung von trophäenorientierten Ab-
Klimaänderung nicht immer auf die Naturverjüngung schußkriterien, die den Abschuß aus ökologisch
und die Verwendung einheimischer Arten zurückge- ungerechtfertigten Gründen erschweren (z. B.
griffen werden können. Beispielsweise ist die anzu- Schonzeitenregelung für Rehböcke).
strebende Umwandlung der Fichtenbestände in den
Die Enquete-Kommission fordert die Bundesregie-
Mittelgebirgen in Buchenwälder häufig nur durch
rung und die Länder auf, ihre jagdrechtlichen Bestim-
künstliche Verjüngung zu erreichen. Darüber hinaus
mungen soweit erforderlich zu verändern.
kann in Einzelfällen die Anpflanzung besonders kli-
mavariabler nicht einheimischer Baumarten notwen-
dig sein. Derartige Eingriffe rufen jedoch eine erheb-
liche Veränderung der natürlichen Prozesse (z. B. der 7.4 Handlungsoptionen, Instrumente und
Konkurrenzverhältnisse) hervor und sollten daher nur Empfehlungen zum Schutz der borealen
ausnahmsweise angewendet werden. Wälder

Die boreale Zone ist gekennzeichnet durch einen


relativ hohen Anteil an Primärwäldern ( „ Old
Verminderung überhöhter Schalenwildbestände Growth" ). Die Besiedlungsdichte ist gering, große
Gebiete sind weitgehend unerschlossen. Etwa
In vielen Regionen der Bundesrepublik verursachen 500 Mio. ha, das sind knapp 50 % der bestockten
zu hohe Schalenwildbestände erhebliche Waldschä- Waldfläche, werden vom Menschen bewirtschaftet,
den. Das größte Problem stellt dabei der Verbiß von betreut bzw. überwacht. Auf der Vorstellung eines
Jungpflanzen dar, der — vor allem bei Laubbäumen unerschöpflichen Waldreichtums hat sich insbeson-
und Tannen — die Naturverjüngung häufig verhin- dere in den großen Flächenstaaten dieser Zone eine
dert. Darüber hinaus führt der selektive Verbiß einzel- exploitative Kahlschlagwirtschaft entwickelt. Pro Jahr
ner Krautpflanzen und Sträucher zur Veränderung werden etwa 10 Mio. ha Wälder direkt durch Holznut-
der Konkurrenzverhältnisse. Dadurch werden Arten zung, Aufforstungs- und Bestandspflegemaßnahmen
verdrängt, während sich andere stark ausbreiten kön- beeinflußt. Mindestens ein Drittel davon entfällt auf
nen. So konnte zum Beispiel von Bergmann (1993) Kahlschlagflächen. Dem gegenüber steht eine Wie-
nachgewiesen werden, daß die starke Ausbreitung derbewaldungsfläche (natürliche Verjüngung und
von Sandrohr in den Wäldern der östlichen Bundes- Aufforstung), die in den offiziellen Statistiken größer
länder auf den Verbiß anderer Krautpflanzen zurück- als die Kahlschlagfläche ist. Der langfristige Erfolg der
zuführen ist. Aufforstungsbemühungen kann dabei jedoch zur Zeit -
nicht eindeutig beziffert werden und muß daher
Hinsichtlich der Wechselwirkung zwischen Klimaän-
hinsichtlich des dargestellten Umfangs noch zweifel-
derung und Wäldern stellen überhöhte Schalenwild-
haft bleiben.
bestände insofern ein Problem dar, als daß sie den
Aufwuchs vieler Baumarten behindern und dadurch Beim Einschlag wurde und wird den ökologischen
die natürliche Anpassungsfähigkeit der Wälder an Belangen der mitunter sensiblen borealen Ökosy-
künftige Klimaänderungen einschränken. Darüber steme zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Der Ein-
hinaus sind sie ein grundlegendes Hemmnis für die satz schwerer Maschinen und zu große Kahlschlagflä-
Umsetzung einer naturgemäßen Waldbewirtschaf- chen führen nach dem Einschlag häufig zu einer
tung, da diese auf die Naturverjüngung angewiesen Verschlechterung der Wuchsbedingungen, so daß die
ist und zudem kaum Schutzmaßnahmen, wie etwa das Wiederbewaldung beeinträchtigt wird. Vor allem im
Einzäunen der Bestände, ergreifen kann (Kap. 3). europäischen Teil der ehemaligen Sowjetunion
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

kommt hinzu, daß die Regenerationsphasen zwischen Die Möglichkeiten zur Umsetzung einer nachhaltigen
zwei Einschlägen zu kurz sind. Außerdem treten hier Waldbewirtschaftung sind in der borealen Zone regio-
im Umkreis großer Industrie- und Rohstoffgewin- nal sehr unterschiedlich. So bestehen zum Beispiel in
nungsgebiete großflächige emissionsbedingte Wald- Nordamerika und Nordeuropa günstige forstrechtli-
schäden auf. che und administrative Rahmenbedingungen. Zudem
ermöglicht der vergleichsweise hohe Stand der Inven-
tarisierung und Überwachung der Wälder eine gere-
gelte und nachhaltige Bewirtschaftung. In der ehema-
7.4.1 Handlungsoptionen und Instrumente
ligen Sowjetunion besteht dagegen aufgrund der
politischen und wi rt schaftlichen Umbruchsituation
Die nicht nachhaltige Art der Bewirtschaftung hat in und der Jahrzehnte lang anhaltenden zentralen Plan-
Teilen der borealen Zone zu wirtschaft weitgehende Ungewißheit über den tat-
einer Beeinträchtigung der Waldfunktionen, sächlichen Waldbestand und dessen Nutzung. Eine
geregelte Bewi rt schaftung findet in vielen Gebieten
einer Abnahme der bestockten Waldfläche sowie
nicht statt. Es ist daher dringend eine grundsätzliche
einer Qualitätsverminderung der (Sekundär-)Wäl- Umstrukturierung und Stärkung der Forstwirtschaft
der geführt. notwendig, um zu einer nachhaltigen Bewirtschaf-
tung gelangen zu können. Darüber hinaus müssen die
Dabei ist zu bedenken, daß hierbei die produktivsten immensen Belastungen der Wälder durch Industrie-
Bestände betroffen sind, nicht nur bezüglich der emissionen — vor allem Schwefeldioxid, Schwerme-
Holzerzeugung, sondern auch in bezug auf andere talle, Erdöl- und Erdgasverluste — drastisch vermin-
Waldfunktionen. Eine Fortsetzung der exploitativen dert werden.
Kahlschlagwirtschaft droht den gesamtgesellschaftli-
chen Nutzen der Wälder vor allem in den betroffenen
Staaten langfristig zu vermindern.

Vor diesem Hintergrund liegt die Entwicklung und 7.4.2 Empfehlungen der Enquete-Kommission
Umsetzung nachhaltiger Bewirtschaftungsmethoden zum Schutz der borealen Wälder
im Eigeninteresse der betroffenen Länder. Auf dieser
Basis sollten möglichst rasch auf internationaler
Ebene verpflichtende Kriterien und meßbare Indika- 7.4.2.1 Verstärkung der internationalen Kooperation mit
toren für eine nachhaltige Bewirtschaftung unter den Nachfolgestaaten der ehemaligen
Berücksichtigung aller Waldnutzungen bzw. Bewirt- Sowjetunion
schaftungsziele vereinbart werden. Ansätze dazu bie-
ten die von der Ministerkonferenz der Europäischen
Die Enquete-Kommission schlägt vor, die umweltpo-
Union im Juni 1993 verabschiedeten Richtlinien für
litische und forstpolitische Zusammenarbeit zwischen
die nachhaltige Bewi rt schaftung der Wälder in
den westlichen Industriestaaten und den Nachfolge-
Europa (Helsinki-Abkommen; vgl. Kap. 7.2). Erste
staaten der ehemaligen Sowjetunion zu intensivieren
Versuche dera rt ige Strategien auch für die borealen
und notwendige fachliche, technologische und finan-
Wälder zu diskutieren fanden — ohne konkrete
zielle Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Dabei sind
Ergebnisse — im Rahmen einer KSZE-Konferenz im
als vorrangige Handlungsfelder anzusehen:
September 1993 in Montreal statt.
die drastische Verminderung der industriellen
Die Grundlage für eine nachhaltige Bewi rt schaftung
Emissionen,
stellen die spezifischen Standortbedingungen dar.
Diese werden neben dem Klima in erheblichem Maße die Verringerung der Holzverluste beim Ein-
durch die Böden bestimmt. Ein großer Teil der borea- schlag, beim Transport und bei der Verarbei-
len Wälder stockt auf Permafrostböden, ein anderer tung,
auf Moorböden und versumpften Flächen. Entspre-
chend unterschiedlich sind die Produktivität und die Maßnahmen zur Rehabilitation degradierter, un-
Regenerationsfähigkeit. Vor diesem Hintergrund ist bestockter bzw. ungenügend bewachsener Wald-
eine ökologisch orientierte Waldnutzungsplanung zu flächen,
etablieren, die
die forstpolitische Beratung, insbesondere hin-
ökologisch sensible Bereiche als Schutzgebiete sichtlich der Begründung bzw. Förderung kommu-
ausweist und vor Kahlschlägen schützt, naler Forstwirtschaft, der Forstgesetzgebung und-
der Überführung in eine soziale Marktwirtschaft
auf den Erhalt der vielfältigen Funktionen der
sowie
Wälder ausgerichtet und mit anderen Nutzungsan-
sprüchen abgestimmt ist, die Förderung der wissenschaftlichen Zusammen-
— verbindliche Vorgaben für die maximalen ökolo arbeit, insbesondere auf den Gebieten der forstli-
gisch verträgliche Kahlschlaggrößen macht, chen Klimawirkungsforschung, der Waldscha-
densforschung und der Harmonisierung von
ein ökologisch und ökonomisch hochwertige Wie-
Umweltschutz und sozio-ökonomischer bzw. ge-
derbewaldung (durch Aufforstung oder Unterstüt-
sellschaftlicher Entwicklung im Sinne der Be-
zung der natürlichen Verjüngung) verbindlich vor-
schlüsse der UN-Konferenz für Umwelt und Ent-
schreibt sowie
wicklung (1992) und der Ministerkonferenz in
ausreichende Kontrollmechanismen vorsieht. Helsinki (1993).
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

7.4.2.2 Entwicklung und Umsetzung von Schutz- und dene Instrumente zur Eindämmung der fortschreiten-
nachhaltigen Nutzungskonzepten in den den Tropenwaldvernichtung geschaffen worden, die
borealen Wäldern Nordamerikas im folgenden kurz dargestellt und hinsichtlich ihrer
Wirksamkeit beurteilt werden sollen.
In Nordamerika wurden Änderungen in der forstli-
chen Praxis und Gesetzgebung eingeführt, die einen
schonenderen Einschlag fördern und vor allem die 7.5.1.1 Tropenforst-Aktionsprogramm (TFAP)
Erfolge bei der Wiederbewaldung erheblich verbes-
sern sollen. Außerdem werden in Kanada — auf einer Das Tropenforst-Aktionsprogramm (TFAP) ist der bis-
Fläche von etwa 7 Mio. ha — in 10 Modellwäldern lang umfangreichste Versuch, die Vernichtung der
angepaßte Möglichkeiten für eine nachhaltige Be- Tropenwälder einzudämmen und eine geregelte Nut-
wirtschaftung der Wälder entwickelt und geprüft. Ein zung zu etablieren und gleichzeitig die Souveränität
großer Teil der künftigen Holzeinschläge basiert der Tropenländer zu berücksichtigen. Er wurde von
jedoch auf bereits vor Inkrafttreten der neuen Rege- der FAO unter Beteiligung der Weltbank und des
lungen abgeschlossenen Konzessionsverträgen. World Resources Institute (WRI) erarbeitet und 1985
Diese sollten den neuen Bestimmungen angepaßt vorgelegt. Er ist vom Ansatz her ein völkerrechtlich
werden. Bis dahin ist eine zurückhaltende Einschlags unverbindlicher Rahmenplan, der als Leitlinie zur
praxis, vor allem in sensiblen Bereichen, sinnvoll. Erarbeitung von Forstsektorstrategien in den einzel-
nen tropischen Ländern dienen soll. Er ist zudem ein
Ein besonderer Problembereich sind die Regenurwäl-
Instrument zur Koordinierung der internationalen
der an der nordamerikanischen Westküste. Diese
Entwicklungszusammenarbeit, insbesondere im
jahrhundertealten Urwaldbestände sind aufgrund
Forstsektor und der Entwicklung ländlicher Räume.
ihres Arten- und Biomassereichtums von herausra-
Das Ziel des TFAP ist es, in möglichst vielen Tropen-
gender Bedeutung für die biologische Vielfalt und den
ländern in einer konzertierten Aktion mit allen inter-
globalen Kohlenstoffhaushalt. Ihr hoher kommerziel-
essierten Staaten und Organisationen nationale Tro-
ler Wert hat dazu geführt, daß bis heute etwa die
pen-Forstwirtschafts-Aktionspläne (NFAP) zu ent-
Hälfte eingeschlagen wurden (vgl. Kap. 2). Für große
wickeln und umzusetzen. Auch bei diesen NFAPs
Teile der verbliebenen Urwaldflächen sind bereits
handelt es sich nicht um völkerrechtliche Überein-
Einschlagskonzessionen vergeben worden, so daß für
kommen, da die Pläne auf der nationalen Ebene
die kommenden Jahre mit einer fortschreitenden
verabschiedet werden.
Umwandlung der Old-Growth-Wälder in Sekundär-
wälder zu rechnen ist. Wegen der großen Bedeutung Im einzelnen sieht das TFAP-Konzept Maßnahmen in
der Wälder für die Artenvielfalt und das Klima und den folgenden fünf Schwerpunktbereichen vor:
ihrer Einmaligkeit erachtet die Enquete-Kommission
— Forstwirtschaft und Landnutzung
ein Konzept für den weitestgehenden Schutz der noch
bestehenden Primärwälder sowie die Konzentration — Entwicklung der Forst- und Holzwirtschaft
des Einschlags auf die Sekundärwaldfläche für erfor-
derlich. Soweit Einschläge in Regenwäldern erfolgen,
— Brennholz, und Energie
müssen — vor allem angesichts der spezifischen — Erhaltung der Ökosysteme der tropischen Wäl-
ökologischen Verhältnisse — die Kriterien einer nach- der
haltigen Bewi rt schaftung st ri kt beachtet und umwelt-
schonende Einschlagmethoden angewendet wer- Institutionen
den. Das Interesse der Tropenländer am TFAP ist ausge-
sprochen groß. Seit seiner Verabschiedung im Jahr
1985 haben über 90 Entwicklungsländer Interesse
bekundet. Im November 1993 waren 82 Staaten im
7.5 Handlungsoptionen, Instrumente und Planungs- bzw. Umsetzungsprozeß (FAO 1993 d).
Empfehlungen zum Schutz der Über 30 Staaten befinden sich in der Umsetzungs-
Tropenwälder 1 ) phase, wobei in vielen Ländern einzelne Projekte
bereits umgesetzt werden, ohne daß der NFAP verab-
schiedet bzw. inte rn ational abgestimmt ist.
7.5.1 Handlungsoptionen und Instrumente

Innerhalb der vergangenen Jahre sind auf internatio


7.5.1.2 Pilotprogramm zum Schutz der brasilianischen
naler Ebene sowie in Tropenwaldländern verschie- -
Regenwälder
1) In der 11. Wahlperiode hat die Enquete-Kommission einen
umfassenden Katalog von Handlungsempfehlungen ausge- Das Pilotprogramm zum Schutz der brasilianischen
arbeitet und in ihrem Bericht „Schutz der tropischen Wälder Regenwälder geht zurück auf ein im Sommer 1990 von
— Eine internationale Schwerpunktaufgabe" veröffentlicht. der Bundesregierung initiiertes Angebot der EG und
In diesem wurden ausdrücklich die Bereiche Veränderung der G-7-Staaten an Brasilien, Maßnahmen zum
der wirt schaftlichen Rahmenbedingungen, Armutsbekämp- Schutz der Regenwälder im Amazonasgebiet zu
fung, Eindämmung des Bevölkerungswachstums und Verän-
unterstützen. Die brasilianische Regierung griff das
derung der Entwicklungszusammenarbeit behandelt. Die
Kommission hält die vorgeschlagenen Maßnahmen nach wie
Angebot auf und entwickelte in Zusammenarbeit mit
vor für unverzichtbar, um die Tropenwaldzerstörung einzu- der EG-Kommission und der Weltbank einen umfang-
dämmen. Sie sollen jedoch an dieser Stelle nicht erneut reichen Programmentwurf. Die Finanzierung und die
ausgeführt werden. Umsetzungsmodalitäten wurden im Dezember 1991
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode

in Genf vereinbart, die Koordination des Programms bezogen sind. Insofern ist das Programm nicht sektor-
wurde der Weltbank übertragen. übergreifend, sondern zu einseitig auf den Umwelt-
schutzbereich ausgerichtet. Wesentliche Ursachen
Die Hauptzielsetzung des Programms ist es, die Ent- der Tropenwaldvernichtung bleiben so weitgehend
wicklungsziele Brasiliens mit dem Erhalt der Regen- unberücksichtigt. Doch auch das zurückhaltende
wälder in Einklang zu bringen, eine umfassende Interesse der meisten Geberländer und Vorbehalte
nachhaltige Entwicklung einzuführen und die Wald- der brasilianischen Regierung sind zu bemängeln.
vernichtungsrate kontinuierlich zu senken. Es sind im
einzelnen Maßnahmen in folgenden Bereichen vorge- In einer Bewe rtung des Pilotprogramms kommen die
sehen: Bewahrung und Einrichtung von Schutzgebie- Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenar-
ten (Indianergebiete, Wald- und sonstige Biotope), beit (GTZ) und die Kreditanstalt für Wiederaufbau
Ressourcenmanagement, Landnutzungsplanung, Kon- (KfW) insgesamt zu dem Schluß, daß die ursprünglich
trolle und Überwachung, Umweltmonitoring, Förde- hohen Erwartungen der Geberländer auf absehbare
rung von Landesumweltbehörden, Tropenwaldfor- Zeit nicht erfüllt werden. Es wird jedoch darauf
schung, Umwelterziehung und Förderung von De- hingewiesen, daß die brasilianische Regierung in den
monstrationsprojekten brasilianischer Nichtregie- letzten Jahren durch die Abschaffung von Steueran-
rungsorganisationen (NGO). reizen für Großprojekte und Rinderfarmen die Wald-
vernichtungsrate von jährlich etwa 2 100 Mio. ha
Für eine erste dreijährige Phase (1992 bis 1995) im Zeitraum 1978 bis 1989 um die Hälfte auf rund
wurden Finanzmittel in Höhe von etwa 290 Mio. US-$ 1 100 Mio. ha reduzieren konnte. Das konkrete Hilfs-
zugesagt, von denen 58 Mio. US-$ in einen von der angebot des Pilotprogramms hat diese Entwicklung
Weltbank verwalteten Regenwald-Treuhandfonds nach Ansicht der beiden Organisationen mit geför-
eingehen. Der restliche Betrag verteilt sich auf bilate- dert. Außerdem ist hervorzuheben, daß durch das
rale Kofinanzierungen einzelner Maßnahmen im Rah- Programm eine breite innerbrasilianische Diskussion
men des Pilotprogramms sowie sogenannte „bilate- über die Zukunft der Regenwälder angestoßen wurde.
rale assoziierte Projekte", das heißt Projekte, die nicht Insbesondere wurde die Organisation und Artikula-
innerhalb des Pilotprogramms entwickelt wurden, tionsfähigkeit von Kleinbauern, Gummizapfern, In-
jedoch mit seinen Zielen vereinbar sind und somit bei dianern und Umweltschützern durch das Programm
der Finanzierung angerechnet werden. Durch diese erheblich verbessert. Diese haben sich zusammen mit
Anrechnung sind für die eigentlichen Programmaß- anderen NGO zu einer Arbeitsgruppe (Grupo de
nahmen Finanzierungslücken von rund 100 Mio. US-$ Trabalho Amazonico - GTA) zusammengeschlossen,
aufgetreten, deren Schließung bislang noch offen ist. die in die Entwicklung und Umsetzung des Pro-
Die Bundesregierung steuert dem Programm insge- gramms einbezogen wird. Bereits die Bildung dieser
samt rund 175 Mio. US-$ (ca. 285 Mio. DM) bei und Arbeitsgruppe hat wesentlich zur Verbesserung der
trägt damit 60 % des Gesamtvolumens (Tab. 7.2). Beteiligung der betroffenen Bevölkerung an der Pla-
nung und Umsetzung des Programms beigetragen.
Die Umsetzung des Programms unterliegt erhebli-
chen zeitlichen Verzögerungen und wird von ver-
schiedener Seite kritisiert. Dabei ist besonders proble-
matisch, daß für die Entwicklung Amazoniens wich- 7.5.1.3 Schuldenerleichterungen und erlaß
-

tige Politikbereiche wie die umstrittene Siedlungspo-


litik, die Regionalentwicklung oder der Straßen- und Die weltweite Verschuldung der Entwicklungsländer
Bergbau, die teilweise mit erheblichen Eigenmitteln ist im Zeitraum von 1982 bis 1993 von 775 Mrd. auf
gefördert werden, nicht oder nicht ausreichend in die über 1400 Mrd. US-$ gestiegen. Öffentliche, das heißt
Zielsetzung und Umsetzung des Pilotprogramms ein staatliche, Kredite machen dabei etwa 600 Mio. US-$

Tabelle 7.2

Finanzierung des Pilotprogramms zum Schutz der brasilianischen Regenwälder (in Mio. US-$)

Geber Regenwaldfonds Kofinanzierung Bilat. assoz. Proj. Gesamt

Deutschland 20,0 79,5 75,5 175,0 -


Großbritannien 2,3 7,0 23,4 32,7
Japan 5,7 0,0 15,5 21,2
Kanada 0,8 0,0 8,5 9,3
Niederlande 5,1 0,0 0,0 5,1
USA 10,0 2,5 10,0 22,5
EG-Kommission 14,6 9,8 0,0 24,4

Gesamtsumme 58,5 98,8 132,9 289,4

Quelle: GTZ und KfW 1993


Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
aus, über 800 Mio. US-$ wurden von privaten tung. Erstere zielen in erster Linie auf die öffentlichen
Geschäftsbanken gewährt. Die — vornehmlich in den Schulden ab. Dabei gewährt der Pariser Club den
Tropen liegenden — Länder Afrikas (ohne Ägypten ärmsten Schuldnerländern — unter der Voraus-
und Lybien), Lateinamerikas und der Karibik sowie setzung, daß sie zusammen mit dem Interna-
Asiens wiesen mit etwa 1150 Mrd. US-$ rund 80 % der tionalen Währungsfonds (IWF) Strukturanpassungs-
gesamten Schuldenlast auf (Deutscher Bundestag programme erfolgreich durchführen — einen bis
1992). zu 50prozentigen Erlaß der Forderungen. Obwohl
72 Länder die notwendigen Kriterien erfüllen, haben
Für die meisten Entwicklungsländer stellt die Rück-
bislang nur wenige von diesem Angebot profitiert
zahlung der Kredite und Zinsen eine große Belastung
(z. B. Benin, Bolivien, Honduras, Nicaragua, Tansania
für die öffentlichen Haushalte dar. Vor allem in Afrika
und Uganda) (BMZ 1994a).
— südlich der Sahara — wird dadurch die wirtschaft-
liche und soziale Entwicklung gefährdet. Dies wird Die Brady-Initiative ist vor allem auf die Reduzierung
deutlich, wenn man die Schuldensumme in Bezie- der Schulden der Entwicklungsländer gegenüber den
hung zu den Exporterlösen bzw. den gesamten öffent- Geschäftsbanken ausgerichtet. Sie kombiniert Schul-
liche Ausgaben der Schuldnerländer setzt. So erreich- denstreichungen mit Neukrediten und verminderten
ten die Zins- und Tilgungszahlungen in den Staaten Zins- und Rückzahlungsverpflichtungen. Damit soll
Afrikas im Jahr 1991 ein Niveau von etwa 30 % der die Kreditfähigkeit vor allem der Staaten mit mittle-
Exporterlöse und knapp 60 % der öffentlichen Ausga- rem Einkommen wieder hergestellt werden. Bisher
ben. In den lateinamerikanischen Staaten mußten konnten nur wenige Länder von der Initiative profitie-
knapp 40 % der Exporterlöse bzw. 64 % der öffentli- ren. So verringerten sich die Gesamtschulden zum
chen Ausgaben für den Schuldendienst aufgewandt Beispiel der Philippinen um etwa 5 %, von Costa Rica
werden, während diese Anteile in Asien mit 7,5 bzw. und Uruguay um 25 %. Auch Mexiko, Venezuela und
35 % relativ niedrig lagen (Deutscher Bundestag Brasilien konnten ihre Bankenschulden reduzieren
1992). (German Watch 1993, Deutscher Bundestag 1993).
Wenngleich sich die außenwirtschaftliche Bilanz eini- Eine „Sonderform" der Schuldenerleichterung sind
ger großer Schuldnerländer in den letzten Jahren die sogenannten „Depts-for-Nature-Swaps" (Schul-
verbessert hat, stellt die Lösung der Verschuldungs- denerlaß gegen Naturschutz). Dabei werden Schuld-
krise weiterhin hohe Anforderungen an die interna- titel eines Landes in der Regel mit starken Abschlägen
tionale Wirtschafts- und Finanzpolitik. Mit ihr würde von privaten Organisationen unter der Bedingung
ein wesentliches Hemmnis für eine stärker an ökolo- aufgekauft, daß das Schuldnerland eine bestimmte
gischen und sozialen Erfordernissen orientierte wirt- Summe in einheimischer Währung zur Finanzierung
schaftliche Entwicklung überwunden. Unter Ver- von Umweltschutzprojekten zur Verfügung stellt. Bis
schuldung sollten dabei nicht nur die staatlichen und zum Jahr 1991 konnten auf diese Weise jedoch
privaten Kredite für Entwicklungsmaßnahmen, son- lediglich knapp 100 Mio. US-$ Schulden abgebaut
dern auch die von staatlicher Seite übernommenen werden. Die Wirksamkeit darf daher nicht überschätzt
Bürgschaften für Warenausfuhren, vor allem in beson- werden. Schuldenerlaß gegen Naturschutz bietet
ders arme Länder, verstanden werden. Können die jedoch in Einzelfällen eine erfolgversprechende Mög-
Entwicklungsländer die Waren nicht bezahlen, stellt lichkeit, den Schuldendruck zu verringern und Mittel
zum Beispiel die Bundesregierung die Mittel als für ökologische Belange freizusetzen (Gerster 1992).
Kredit zur Verfügung (Hermes-Bürgschaften). Diese
Kredite bleiben zur Zeit im Rahmen der Umschuldung
und dem Schuldenerlaß unberücksichtigt, stellen 7.5.1.4 Globale Umweltfazilität (GEF)
jedoch insbesondere für besonders arme Staaten eine
erhebliche Last dar.
Die GEF ist ein auf deutsch-französische Initiative
In den vergangenen Jahren wurden auf nationaler zurückgehender Finanzierungsmechanismus zur Un-
und internationaler Ebene Maßnahmen zum Erlaß terstützung von Maßnahmen zur Eindämmung des
von Schulden bzw. zur Schuldenerleichterung umge- Treibhauseffektes, zur Erhaltung der Artenvielfalt,
setzt. So hat die Bundesregierung seit 1978 den am zum Schutz der Ozonschicht und der internationalen
wenigsten entwickelten Ländern sowie weiteren Gewässer in Entwicklungsländern. Maßnahmen zum
besonders armen, hochverschuldeten Ländern Afri- Tropenwaldschutz sind in den ersten beiden Berei-
kas Schulden aus der Finanziellen Zusammenarbeit in chen enthalten. Die GEF soll das zentrale Finanzie-
Höhe von 9 Mrd. DM erlassen oder den Erlaß in runginstrument für die in Rio unterzeichneten Kon-
Aussicht gestellt. Der Erlaß ist dabei meist mit der ventionen sein und die zusätzlich entstehenden -
Maßgabe verbunden, die dadurch im Schuldnerland Kosten zum Nutzen der globalen Umwelt abdecken.
freiwerdenden Mittel zur Erhaltung der Umwelt ein- Sie wird von der Weltbank in Zusammenarbeit mit
zusetzen. Darüber hinaus gewährt die Bundesrepu- dem Entwicklungsprogramm und dem Umweltpro-
blik — analog zur Praxis in anderen Geberländern — gramm der Vereinten Nationen (UNDP und UNEP)
im Rahmen der Finanziellen Zusammenarbeit mit den verwaltet (BMZ 1994b).
am wenigsten entwickelten Ländern ausschließlich
Die GEF wurde 1990 für eine dreijährige Pilotphase
Zuschüsse statt Kredite (Deutscher Bundestag
(1991 — 1994) eingerichtet und sollte zunächst mit
1993).
rund 1,5 Mrd. US-$ ausgestattet werden. Die tatsäch-
Auf internationaler Ebene sind vor allem die Umschul lichen Beiträge beliefen sich auf 1,13 Mrd. US-$,
dungsverhandlungen im Pariser Club und die Umset wovon 322 Mio. US-$ in Form von Kofinanzierungen
zung der sogenannten Brady-Initiative von Bedeu aus der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

aufgebracht wurden. Der zentrale GEF-Fonds ver- produkte aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern
fügte lediglich über gut 800 Mio. US-$. Bis zum stammen sollen. Es wurde jedoch lediglich vereinbart,
Oktober 1993 wurden 113 Projekte im Wert von die Möglichkeiten der Erzeugerländer hinsichtlich
727 Mio. US-$ unterstützt. Etwa 42 % der Mittel des Expo rt s von Tropenholz und Tropenholzproduk-
wurden für den Erhalt der Artenvielfalt verwendet, ten aus nachhaltiger Bewi rt schaftung zu verbessern.
40 % für Maßnahmen gegen die Klimaänderung,
17 % für den Schutz internationaler Gewässer und
1 % für den Schutz der Ozonschicht (in Ländern, die 7.5.1.6 Einführung eines Labels für Tropenholz aus
durch das Montreal-Protokoll nicht erfaßt sind). nachhaltiger Bewi rt schaftung
Wegen der Ansiedlung der GEF bei der Weltbank und
der starken Position der Geberländer ist sie bei den Innerhalb der letzten Jahre wurde von verschiedener
meisten Entwicklungsländern auf Kritik gestoßen. Seite versucht, die Grundlagen zur Einführung eines
Diese hatten die Schaffung von konventionsspezifi- Tropenholzlabels für Hölzer und Produkte aus nach-
haltig bewi rt schafteten Tropenwäldern zu schaffen.
schen Einzelfonds gefordert.
Die Vergabe eines solchen Labels könnte sowohl an
Im März 1994 wurde eine Wiederauffüllung auf Länder als auch an Regionen oder Bet ri ebe erfolgen,
2 Mrd. US-$ für die Periode 1994 bis 1997 beschlossen. die sich zur nachhaltigen Bewirtschaftung verpflichtet
Kofinanzierungen aus der bilateralen Entwicklungs- haben. Bislang scheitert die Einführung insbesondere
zusammenarbeit werden nicht mehr angerechnet. Die an den weiterhin nicht festgelegten Kriterien für eine
Wiederauffüllung blieb erheblich unter der im Rah- nachhaltige Bewi rt schaftung und an der Frage der
men der UNCED in Aussicht gestellten Erhöhung des Kontrollmöglichkeiten. In einem neuen Vorstoß soll
ursprünglichen Volumens um das Zwei- bis Dreifa- der von der „Initiative Tropenwald" 2) entworfenen
che. Die Bundesregierung hatte sich damals für eine Kriterien- und Prüfkatalog in mehreren Modellprojek-
Aufstockung auf 3 Mrd. Sonderziehungsrechte (das ten in allen drei großen Tropenzonen hinsichtlich
sind etwa 4,2 Mrd. US-$) eingesetzt. seiner Vollständigkeit, Akzeptanz und Umsetzbarkeit
geprüft werden. Die Ergebnisse sollen 1995 vorliegen
Über die Wiederauffüllung hinaus verständigten sich und in den Prozeß in der Kommission für nachhaltige
die inzwischen über 70 Teilnehmerstaaten auf eine Entwicklung (CSD) eingespeist werden.
neue Entscheidungsstruktur, die unter anderem mit
dem „GEF-Rat" ein Entscheidungsgremium vorsieht,
dem je 16 Vertreter aus den Geber- und den Empfän-
gerländern angehören (je 6 aus Afrika und Asien, 7.5.2 Empfehlungen der Enquete-Kommission
4 aus Lateinamerika, 2 aus mittel- und osteuropäi- zum Schutz der Tropenwälder
schen Staaten und 14 aus den westlichen Industrielän-
dern). Entscheidungen im „GEF-Rat" sollen möglichst
7.5.2.1 Bewertung der bisherigen Bemühungen auf der
einvernehmlich erfolgen. Bei Mehrheitsentscheidun-
Basis der Empfehlungen der
gen wird ein zweitstufiges, gewichtetes Mehrheitssy- Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der
stem angewandt. Danach kommt eine Entscheidung Erdatmosphäre"
zustande, wenn 60 % der durch die im Rat vertretenen
Länder zustimmen und diese Mehrheit gleichzeitig Die Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der
60 % der Beiträge zum GEF-Treuhandfonds reprä- Erdatmosphäre" hat in ihrem Bericht „Schutz der
sentiert. Industrie- und Entwicklungsländer können tropischen Wälder" umfassende Handlungsempfeh-
sich dadurch gegenseitig nicht überstimmen (BMZ lungen erarbeitet, die zum Ziel hatten, die Tropen-
1994b). waldvernichtung bis zum Jahr 2000 zumindest unter
das Niveau von 1980 abzusenken und die Waldfläche
in den Tropen bis zum Jahr 2010 wieder auf das
7.5.1.5 Internationales Tropenholz-Übereinkommen Niveau von 1990 auszudehnen (EK 1990a). Auf dieser
(ITTA) und Internationale Grundlage sieht die Kommission in den bisherigen
Tropenholzorganisation (ITTO) Bemühungen zum Schutz der tropischen Wälder
lediglich Ansätze, die in wesentlichen Teilen Korrek-
Das ITTA ist ein Rohstoffabkommen, das 1983 von turen und Ergänzungen bedürfen.
36 Erzeugerländern und 34 Verbraucherländer von
Tropenholz verabschiedet wurde. Es dient im wesent- So wurde das von der Enquete-Kommission vorge-
lichen wi rt schaftspolitischen Zielsetzungen, wie etwa schlagene Sofort-Programm zum Schutz der Tropen-
der Stabilisierung der Tropenholzmärkte, weist wälder mit einem jährlichen Finanzvolumen von
750 Mio. DM nicht realisie rt . Die Entwicklung und-
jedoch als einziges Rohstoffabkommen auch ökologi-
Umsetzung eines solchen Programms sieht die
sche Aspekte auf. In ihm wurde zudem die Einrich-
Enquete-Kommission jedoch nach wie vor als notwen-
tung der Internationalen Tropenholz-Organisation
dig an. Ebenso wurde die Empfehlung zur Einrichtung
(ITTO) festgelegt, die als Forum für die Zusammenar-
eines Treuhandfonds zum Schutz der Tropenwälder
beit zwischen Erzeuger- und Verbraucherländern
nicht umgesetzt. Dieser sollte über ein jährliches
dienen soll. Die Laufzeit des ersten Abkommens war
Volumen von 10 Mrd. DM verfügen und vom Umwelt-
auf Ende Ap ri l 1994 begrenzt. Im Januar 1994 einigten
sich die Mitgliedsstaaten des Abkommens auf einen
2) Die „Initiative Tropenwald" (ITW) ist ein Zusammenschluß
neuen Vertragstext. Eines der Hauptziele der Ver-
der Gewerkschaft Holz und Kunststoff (GHK), des Vereins
braucherländer war es, im neuen ITTA das „Ziel Deutscher Holzeinfuhrhäuser (VDH) und des Hauptverban-
2000" der ITTO aufzunehmen, wonach bis zum Jahr des der Deutschen Holz- und Kunststoffe verarbeitende
2000 alle exportierten Tropenhölzer und Tropenholz Industrie (HDH).
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
programm der Vereinten Nationen (UNEP) verwaltet nahmen und Maßnahmen zur Förderung der nachhal-
werden. Zwar wurde mit der Globalen Umweltfazilität tigen Bewirtschaftung abhängig zu machen und for-
(GEF) ein Finanzierungsmechanismus auch zum dert die Bundesregierung auf, sich im Rahmen ihrer
Schutz der Tropenwälder geschaffen, doch blieb des- Mitarbeit in der ITTO für eine entsprechende Ände-
sen Ausstattung weit hinter dem erforderlichen Maß rung und Ergänzung des Abkommens einsetzen.
zurück. Ungeachtet der durch die Wiederauffüllung
In diesem Zusammenang mißt die Enquete-Kommis-
und Umstrukturierung erreichten Fortschritte ersucht
sion der Einführung eines Labels für Tropenholz und
die Enquete-Kommission die Bundesregierung, sich
Tropenholzprodukte aus nachhaltiger Bewirtschaf-
auf internationaler Ebene mit Nachdruck für eine
tung eine entscheidende Bedeutung bei. Eine solche
stufenweise Aufstockung der GEF auf mindestens
Kennzeichnung kann der besseren Information der
5 Mrd. US-$ und eine stärkere Berücksichtigung des
Konsumentinnen und Konsumenten dienen und
Tropenwaldschutzes einzusetzen (vgl. Kap. 7.7).
gleichzeitig als Anreiz zur Umstellung auf nachhaltige
Das Konzept des Tropenforst-Aktions-Programms Bewirtschaftungsformen in den Tropen wirken. Sie
wurde trotz schwerwiegender Einwände bislang nur erfüllt jedoch erst ihren Zweck, wenn man sich auf
unwesentlich verändert. Die Enquete-Kommission internationaler Ebene auf verbindliche und nachprüf-
hat das TFAP-Konzept in ihrem Tropenwaldbericht bare Kriterien für eine nachhaltige Bewi rt schaftung
kritisiert und die Geberorganisationen aufgefordert, verständigt 'und wirksame Kontroll- und Sanktions-
„stärker auf die nationalen Administrationen Einfluß mechanismen geschaffen hat. Diese Vereinbarungen
zu nehmen, damit die im Land existierenden NGOs müssen den ökologischen, sozialen und kulturellen
und die vor Ort betroffene Bevölkerung schon im Belangen Rechnung tragen und verbindlich festge-
Planungsstadium mit einbezogen und beteiligt wer- schrieben sein (vgl. Kap. 7.7). Von entscheidender
den" (EK 1990a, S. 604). Darüber hinaus war sie der Bedeutung ist die frühzeitige und umfassende
Ansicht, daß anstelle des TFAP und der bestehenden Berücksichtigung der Interessen und Bedürfnisse der
NFAPs dringend die Ausarbeitung von Tropenwald- lokalen Bevölkerung.
schutzplänen erforderlich sei. Diese sollten vorse-
Das Pilotprogramm zum Schutz der brasilianischen
hen,
Regenwälder ist nach Ansicht der Enquete-Kommis-
möglichst große Teile der tropischen Wälder als sion — trotz der bisherigen erheblichen Probleme bei
Primärwälder zu erhalten und in wesentlich größe- der Umsetzung — grundsätzlich geeignet, den Schutz
rem Umfang als bisher Schutzgebiete einzurich- und die nachhaltige Bewirtschaftung der Regenwäl-
ten, der in Brasilien und ein nachhaltiges Entwicklungs-
modell für Amazonien wesentlich zu fördern. Dies gilt
die Mitwirkung der lokalen Bevölkerung und auch insbesondere, weil darin die Bedürfnisse der Bevölke-
die Beteiligung indigener Gesellschaften an der rung (vor allem Kleinbauern, Indianer lind Gummi-
Entwicklung nationaler Tropenwaldschutzpläne zapfer) durch die intensive Zusammenarbeit mit den
zu gewährleisten, NGO berücksichtigt werden (Fatheuer 1993).
die frühzeitige und umfassende Einbeziehung der Die Enquete-Kommission erwartet von der Bundesre-
Nichtregierungsorganisationen gierung, daß sie sich verstärkt dafür einsetzt, daß die
— Aufforstungsmaßnahmen voranzutreiben und Finanzierung des Programms auch seitens der ande-
ren Geberländer sichergestellt wird. Darüber hinaus
ausschließlich nachhaltige Bewirtschaftungsme- sollte die Bundesregierung konkrete Vorschläge für
thoden einzusetzen. die weitere Umsetzung des Programms entwickeln
und mit den beteiligten Staaten abstimmen.
Trotz der erheblichen Einwände gegen das TFAP
blieb eine grundlegende Änderung der Zielsetzung Auf der Grundlage der Erfahrungen soll die Bundes-
aus. Zwar wurden in einigen Ländern stärker an regierung vergleichbare Schutzprogramme für an-
ökologischen und sozialen Kriterien ausgerichtete dere Tropenwaldländer bzw. -regionen anregen und
NFAP beschlossen (z. B. Kamerun), doch weist das ausarbeiten.
Gesamtprogramm weiterhin erhebliche Mängel auf
und trägt somit wenig zum Schutz und zur nachhalti- Die Initiativen zur Lösung des Verschuldungspro-
blems blieben hinter den Forderungen der Enquete-
gen Bewi rt schaftung der Wälder bei. Die Enquete-
Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmo-
Kommission fordert vor diesem Hintergrund die Bun-
sphäre" zurück. Zwar konnte durch Schuldenerlaß
desregierung und die Europäische Union auf, sich in
den zuständigen internationalen Gremien und Institu- und Umschuldungsverhandlungen die Kreditwürdig-
tionen für die Umsetzung der oben genannten keit vieler hochverschuldeter Staaten wieder herge-
stellt werden. Dennoch bleibt das Schuldenproblem in
Reformvorschläge einzusetzen.
weiten Teilen ungelöst und bedarf weitergehender
Auch das im April 1994 verabschiedete neue Tropen- Initiativen. Die Enquete-Kommission fordert die Bun-
holzabkommen weist erheblich Mängel auf und desregierung auf, sich auf der internationalen Ebene
bedarf dringend einer stärkeren ökologischen Orien- für weitergehende Schuldenstreichungen — insbe-
tierung. Das Abkommen fällt hinter die Beschlüsse der sondere in Ländern, die den Schutz der Umwelt und
UNCED zurück und rückt ab vom ITTO-Ziel, bis zum speziell der Wälder zu einem Schwerpunkt ihrer
Jahr 2000 nur noch Tropenholz aus nachhaltiger Politik gemacht haben — einzusetzen. Darüber hinaus
Waldbewirtschaftung zu handeln. Die Enquete-Kom- soll die Bundesregierung Entschuldungsmaßnahmen
mission empfiehlt, die Ratifizierung des Abkommens über das bisherige Maß hinaus durchführen. Dabei
von einer verbindlichen Aufnahme von Schutzmaß- sind auch die im Rahmen der Hermes-Bürgschaften
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

gewährten Kredite mit zu berücksichtigen. Des weite- gischen, sozialen, kulturellen und ökonomischen
ren ist auf Eigenanstrengungen der Schuldnerländer Situation unter umfangreicher und frühzeitiger Betei-
hinzuwirken, zum Beispiel auf die Reduzierung der ligung der betroffenen Bevölkerung erfolgen.
Militärausgaben.

Darüber hinaus empfahl die Enquete-Kommission


„Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" die Aus-
7.5.2.4 Entwicklung und Umsetzung tragfähiger
arbeitung und Verabschiedung einer Internationalen Schutzkonzepte
Konvention zum Schutz der Tropenwälder. Die Ent-
wicklung der internationalen Waldschutzpolitik
Die Einrichtung von Schutzzonen ist das effektivste
zeigte jedoch, daß nur eine Konvention zum Schutz
Instrument zur Erhaltung der biologischen Vielfalt
aller Wälder dem globalen Problem der Waldvernich-
(Vielfalt der Arten, der Okosysteme und genetische
tung und -degradation gerecht werden kann. Diese
Vielfalt) und anderer wichtiger Funktionen der Wäl-
Auffassung wird von der Enquete-Kommission geteilt
der in allen Klimazonen (z. B. Wasser- und Boden-
und nachdrücklich unterstützt (vgl. Kap. 7.7).
schutz). Etwa 5 % der tropischen Feuchtwälder besit-
Über diese Forderungen hinaus, sieht es die Enquete- zen einen Schutzstatus. Angesichts des Beitrags die-
Kommission als notwendig an, im Rahmen einer zu ser Wälder zur globalen biologischen Vielfalt ist der
erweiternden partnerschaftlichen globalen Koopera- Anteil wesentlich zu klein. Es sollte zunächst eine
tion die folgenden Maßnahmen umzusetzen. Verdopplung angestrebt werden. Dabei ist auf eine
ausreichende Größe und genaue Abgrenzung der
Schutzgebiete sowie deren Verbindung über soge-
nannte Korridore zu achten. Wegen der zu geringen
Fläche der bislang ausgewiesenen Schutzgebiete, ist
7.5.2.2 Globale Analyse und kritische Bewertung das langfristige Überleben vor allem der Säugetierpo-
der bi- und multilateralen Bemühungen zum pulationen gefährdet.
Tropenwaldschutz Die Ausweisung von Schutzgebieten dient nicht nur
ökologischen, sondern auch kulturellen, wissen-
Die Ergebnisse der internationalen Bemühungen zum schaftlichen, sozialen und ökonomischen Zwecken.
Schutz der Tropenwälder variieren von Fall zu Fall Dabei sind je nach prioritärem Schutzzweck mehr
und können in ihrer Gesamtheit bislang kaum abge- oder weniger intensive Eingriffe des Menschen mög-
schätzt werden. Vor diesem Hintergrund sieht es die lich. Oberstes Ziel muß dabei die Ausrichtung nach
Enquete-Kommission als unerläßlich an, möglichst den Bedürfnissen der im und vom Wald lebenden
rasch eine systematische Auswertung der vorliegen- Bevölkerung sein. Im einzelnen können Schutzge-
den Erfahrungen im Tropenwaldschutz durchzufüh- biete die folgenden Funktionen erfüllen:
ren. Diese sollte von einer kompetenten internationa-
Schutz der biologischen Vielfalt,
len Institution in Zusammenarbeit mit den nationalen
Regierungen und Nichtregierungsorganisationen Schutz der Böden,
durchgeführt werden und einer besseren Koordinie-
rung und Abstimmung der bi- und multilateralen — Schutz von Wassereinzugsgebieten und des Was-
Aktivitäten in diesem Bereich dienen. serkreislaufs,
Erhaltung erneuerbarer Ressourcen,
Förderung von Ausbildung, Erziehung und For-
schung,
7.5.2.3 Entwicklung und Umsetzung einer sozial-
Erhaltung einer lebenswerten Umwelt unter
und umweltverträglichen Landnutzungsplanung
in den Tropenwaldländern Bewahrung traditioneller und kultureller Werte
sowie von Naturdenkmälern sowie

Der wirksame Schutz und die nachhaltige Bewirt- — Förderung von wald- und naturverträglichem Tou-
schaftung tropischer Wälder ist aus Sicht der rismus und von Erholungsmöglichkeiten.
Enquete-Kommission am besten im Rahmen einer
Ausgewiesene Schutzgebiete können nur erhalten
umweltverträglichen und von der lokalen Bevölke-
werden, wenn sie von der betroffenen Bevölkerung
rung akzeptierten Landnutzungsplanung zu errei-
akzeptiert werden. Daher ist von Anfang an die -
chen. Die Kommission erkennt an, daß diese Planung
Einbindung der Bevölkerung in die Planung und
das souveräne Recht der tropischen Ländern selbst ist.
Umsetzung von Schutzgebieten sicherzustellen.
Sie ersucht jedoch die Bundesregierung, im Rahmen
Eventuelle Nutzungsverzichte sind zum Beispiel
der Entwicklungszusammenarbeit auf die Entwick-
durch alte rn ative Nutzungsmöglichkeiten zu kom-
lung und Umsetzung von Landnutzungplänen hinzu-
pensieren.
wirken. In den Plänen sollten nach Ansicht der Kom-
mission zumindest konkrete Festlegungen über die Schutzgebiete müssen durch einen auch im nationa-
Ausweisung von Schutzzonen sowie die Flächen, die len Recht gültigen rechtlichen Status abgesichert
für eine nachhaltige landwirtschaftliche bzw. eine werden (z. B. als Naturpark oder Biosphärenreservat)
waldwirtschaftliche (Holz- und Nicht-Holz-Produkte) und nach einem abgestuften Schutz- und Nutzungs-
Nutzung zu Verfügung stehen, gemacht werden. Dies konzept zoniert werden. Das streng geschützte Kern-
muß auf der Basis der lokalen und regionalen ökolo gebiet sollte dabei zusammen mit der umgebenden
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Pufferzone, in der umweltschonende Nutzungsformen Landnutzungsplänen weitestgehend auf eine nach-
(z. B. sanfter Tourismus) möglich sind, eine admini- haltige Bewirtschaftung von Sekundärwäldern zu
strative Einheit bilden. Diese sollte von einem Bereich reduzieren, während die verbliebenen Primärwälder
umgeben sein, der in erster Linie einer nachhaltigen so weit wie möglich (Bevölkerungsdruck) durch trag-
Bewirtschaftung unterliegt. Nur durch diese Kombi- fähige Schutzkonzepte (s. o.) langfristig zu erhalten
nation aus Schutz- und Nutzungsfunktionen kann sind.
sowohl den Bedürfnissen der Bevölkerung als auch
den ökologischen Notwendigkeiten Rechnung getra-
gen werden. Diese Zielsetzung gilt im übrigen nicht
allein für Tropenwälder, sondern sollte in allen Wäl- 7.5.2.6 Ausweitung von umweltverträglichen und von
dern angewandt werden. der Bevölkerung akzeptierten Aufforstungen
Darüber hinaus müssen die zuständigen Behörden für
ihre Aufgaben ausreichend vorbereitet und mit den Zur Zeit werden, laut FAO (1993c) pro Jahr lediglich
notwendigen finanziellen, technischen und personel- etwa 2,6 Mio. ha Wald neu aufgeforstet. Dabei handelt
len Ressourcen ausgestattet sein. In weiten Teilen der es sich im wesentlichen um Industrieholzplantagen.
Tropen ist diese Voraussetzung nicht erfüllt. Die Mindestens ein Drittel dieser Aufforstungen schlägt
Enquete-Kommission sieht daher im Aufbau einer fehl. Die Enquete-Kommission sieht in einer erhebli-
starken, funktionsfähigen und gut ausgebildeten chen Verstärkung der Aufforstungsmaßnahmen in
Waldadministration eine der wichtigsten Aufgaben- den Tropen eine der wichtigsten Aufgaben der inter-
felder der internationalen Kooperation. nationalen forstlichen Kooperation.
Unter der Voraussetzung, daß sie nach den Bedürfnis-
sen der lokalen Bevölkerung ausgerichtet sind und
den standortökologischen Erfordernissen entspre-
7.5.2.5 Entwicklung und Umsetzung nachhaltiger chen, weisen Neuaufforstungen die folgenden positi-
Bewirtschaftungsmethoden ven Effekte auf:

Gerade die äußerst artenreichen Wälder in den feuch- Verbesserung der Einkommensmöglichkeiten und
ten Tropen bieten eine Fülle von Nutzungsmöglich- der Versorgung (z. B. Brennholz) der Bevölke-
keiten. Dies reicht vom Sammeln bestimmter Früchte, rung,
der Gewinnung von Ölen, Kautschuk und anderen
ökologische Verbesserungen (Boden, Wasser- und
Rohstoffen bis hin zum Holzeinschlag. Dabei können
Naturschutz),
die Nichtholzprodukte den ökonomischen Wert der
Holzmenge deutlich übersteigen. Diese von zahlrei- — Verminderung des Nutzungsdrucks auf verblie-
chen, vor allem indigenen, Völkern seit langem prak- bene Primärwälder,
tizierten waldverträglichen Nutzungsformen sind zu
schützen und zu fördern. Dabei hat sich zum Beispiel Einbindung atmosphärischen Kohlendioxids in der
in Amazonien die Ausweisung von Gebieten, die dem Biomasse.
Sammeln von Kautschuk vorbehalten bleiben, be- Um diese Effekte zu erreichen und die Neuaufforstun-
währt. Sie dient gleichermaßen dem Schutz der Wäl- gen im notwendigen Maße auszudehnen, müssen die
der als auch der Verbesserung der ökonomischen und finanziellen, personellen und administrativen Rah-
sozialen Situation der Waldbevölkerung. Durch derar- menbedingungen erheblich verbessert werden. Dazu
tige Maßnahmen könnten auch für andere Nichtholz- bedarf es einer rechtlich abgesicherten engen globa-
produkte die Absatzchancen auf den regionalen und len Kooperation, die in eine Internationale Konvention
internationalen Märkten wesentlich erweitert wer- zum Schutz der Wälder aufgenommen werden soll
den. (Kap. 7.7). Dabei sind die folgenden Aktivitäten von
Ob eine nachhaltige Holznutzung der artenreichen höchster Priorität:
Primärwälder in den feuchten Tropen möglich ist, ist
— Ausbildung von Fachpersonal und Stärkung der
äußerst problematisch und kann nicht generell beant- Forstadministration,
wortet werden. In jedem Fall spielen nachhaltige
Methoden beim Holzeinschlag in tropischen Wälder Förderung und Erstellung von Landnutzungsplä-
bislang nur eine marginale Rolle. Es ist daher drin- nen,
gend erforderlich, diese weiterzuentwickeln und in
— Bereitstellung finanzieller Mittel, Technologie und
die Praxis umzusetzen. Dabei ist zu bedenken, daß
Know-how,
jede forstwirtschaftliche Nutzung tendenziell zum
Verlust von Arten führt. Eine biologische Nachhaltig- — Entwicklung und Umsetzung sozial- und umwelt-
keit im Sinne einer ungestörten Erhaltung der natür- verträglicher Aufforstungskonzepte,
lichen Ökosysteme mit der gesamten Artenvielfalt ist
nur über absolute Schutzgebiete zu erreichen. Forst- Überwachung und Erfolgskontrolle von Auffor-
wirtschaftliche Nachhaltigkeit sichert dagegen die stungsmaßnahmen,
Produktion von Holz und anderen Waldprodukten,
Bewußtseinsbildende Maßnahmen, die das Ver-
den Erhalt der Waldfläche und ihrer Funktion für den
ständnis für die Sinnhaftigkeit von Aufforstungen
Bodenschutz, den Wasserhaushalt und das globale
wecken,
Klima (Kohlenstoffeinbindung). Die Enquete-Kom-
mission sieht es vor diesem Hintergrund als dringend Sicherung einer genetisch vielfältigen und arten-
erforderlich an, den Holzeinschlag auf der Basis von reichen Saatgutproduktion.
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Zur Finanzierung dera rtiger Maßnahmen sind inner- holz (ITW), der Soil Association (SA) und der Rainfo-
halb der GEF Finanzmittel bereitzustellen. Als mögli- rest Allianz (RALL). Auf dieser Basis sollte sich die
che Finanzquellen bieten sich, neben zu erhöhenden Bundesregierung weiterhin auf internationaler Ebene
Länderbeiträgen, das Aufkommen aus einer einzu- dafür einsetzen, daß ein international anerkannter
führenden Abgabe auf nicht nachhaltig produzierte und in der Praxis geprüfter Kriterienkatalog für die
Hölzer und Holzprodukte sowie aus einer einzufüh- nachhaltige Holznutzung zustandekommt. Dieser
renden CO 2/Energiesteuer an. In den Nehmerländern sollte zumindest enthalten:
sollte in der Regel eine finanzielle Eigenbeteiligung
— Kriterien für die nachhaltige Bewirtschaftung und
an Aufforstungsprojekten gewährleistet sein. Als
die nachzuprüfenden Indikatoren,
Quelle kommen hier zum Beispiel die von den Forst-
betrieben zu erstattenden Konzessionsabgaben in — Festlegungen über die vorrangige Berücksichti-
Betracht. gung bestehender Nutzungsansprüche der lokalen
Bevölkerung sowie über deren Einbindung in die
Die Kosten für Aufforstungen machen im Mittel nähe-
Nutzungsplanung sowie
rungsweise 3 000 bis 5 000 US-$ pro Hektar aus (etwa
400 bis 500 US-$ reine Anpflanzungskosten, etwa — Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten.
2 000 bis 5 000 US-$ Pflege-, Kontroll- und Schutz-
maßnahmen, vgl. Kap. 6). Um eine nennenswerte Insbesondere muß der Katalog das Ziel verfolgen, die
Ausweitung der globalen Aufforstungsbemühungen Einschläge in Primärwälder zu vermindern, den öko-
zu erreichen, sind daher pro Jahr mindestens 2 Mrd. logischen Erfordernissen Rechnung zu tragen und die
US-$ aufzubringen. Ein Teil davon wird in Zukunft Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung voll zu berück-
über die Vermarktung der erzeugten Produkte wieder sichtigen. Diesen Punkten wird in den bisherigen
erwirtschaftet. Entwürfen zu wenig Bedeutung beigemessen.

Die Vergabe der Mittel muß nach sozialen und ökolo- Außerdem betont die Enquete-Kommission, daß der-
gischen Zielsetzungen und durch ein von allen betei- artige Kriterienkataloge für die nachhaltige Nutzung
ligten Staaten akzeptiertes Gremium erfolgen. Dabei von Wäldern gleichzeitig auch für die Wälder außer-
ist zu berücksichtigen, daß die notwendigen personel- halb der Tropen vereinbart werden müssen, um zu
len, rechtlichen und administrativen Voraussetzun- einem einheitlichen Standard der Holzgewinnung in
gen in der Regel noch zu schaffen sind. Entsprechend allen Waldökosystemen zu gelangen.
muß die Ausbildung von Fachkräften und die Stär-
kung der staatlichen Institutionen einen Schwerpunkt
darstellen. Als Vergabekriterien für Aufforstungspro-
jekte sollte das Vorhandensein verbindlicher Land- 7.6 Klima- und umweltverträgliche
nutzungspläne, die Verwendung einheimischer, Holzverwendung
standortgerechter Baumarten, die Einbeziehung der
lokalen Bevölkerung, ausreichende Kontrollmöglich-
Holz ist ein vielseitig einsetzbarer und hochwertiger
keiten sowie sozial- und ökologisch verträgliche
Rohstoff. Im Rahmen einer nachhaltigen Bewirtschaf-
Betriebsziele und Bewirtschaftungsmethoden (z. B.
tung ist er darüber hinaus umweltschonend und
Schutzpflanzungen, Agroforstwirtschaft, nachhaltige
CO2 -neutral zu erzeugen und zu entsorgen. Der
Rohstoffgewinnung) herangezogen werden. Grund-
bisherige Umgang mit dem Rohstoff Holz hat in vielen
sätzlich sind multifunktionale Aufforstungen mono-
Regionen zu erheblichen Umwelt- und Waldschäden
funktionalen, nur auf ein Ziel ausgerichteten Auffor-
sowie zur Ausbildung einer wenig effizienten und
stungen, vorzuziehen.
damit umwelt- und klimabelastenden Holzverwen-
dung geführt. In Zukunft gilt es, den auf der Basis
einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung gewonne-
nen Rohstoff Holz sparsam, effizient und umweltscho-
7.5.2.7 Festschreibung nachprüfbarer Kriterien für nend zu nutzen. Möglichkeiten dazu sollen im folgen-
nachhaltig erzeugte Holzprodukte und den vorgestellt werden.
Einführung eines Tropenholzlabels

Die Nachhaltigkeit der Tropenwaldbewirtschaftung


muß möglichst rasch durch die Festschreibung ver-
7.6.1 Handlungsoptionen und Rahmenbedingungen
bindlicher Kriterien und nachprüfbarer Indikatoren
konkretisiert werden. Da der Wissensstand über die
komplexen ökologischen Zusammenhänge insbeson- Das weltweite Holzaufkommen hat sich laut FAO
dere in den tropischen Wäldern sich ständig erweitert, (1993b) in den 80er Jahren von knapp 3 Mrd. m 3 auf
müssen diese Kriterien in Zukunft regelmäßig über- etwa 3,5 Mrd. m 3 erhöht. Davon entfallen etwa
prüft werden. 1,6 Mrd. m3 auf die Tropen, 0,6 Mrd. m 3 auf die boreale
und 1,1 Mrd. m 3 auf die gemäßigte Zone. Die tatsäch-
Die bisher vorliegenden Entwürfe für Kriterienkata- lich eingeschlagene Holzmenge kann jedoch kaum
loge erfüllen diese Anforderungen nur zum Teil. Sie beziffert werden, da in diesen Daten einerseits Holz-
benennen zumeist lediglich die Zielsetzungen und verluste (z. B. beim Einschlag und Transport) nicht
allgemeinen Anforderungen einer nachhaltigen Holz- berücksichtigt sind. Andererseits umfaßt das Holzauf-
nutzung. Nur selten werden konkret nachprüfbare kommen auch einen erheblichen Teil an Sammelholz,
Indikatoren genannt. Die detailliertesten Vorschläge das — vornehmlich in den Tropen — als Brennstoff
enthalten die Kriterienkataloge der Initiative Tropen- dient. Dieser Anteil macht fast die Hälfte des gesam-
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ten Holzaufkommens aus. Die andere Hälfte wird zu dienen, nach der bis zum Jahr 2010 bei einer Weltbe-
Fertigprodukten (z. B. Möbel, Fenster) und Halbfer- völkerung von vermutlich 7 Mrd. Menschen und unter
tigprodukten (z. B. Schnittholz, Zellstoff) weiter verar- der Voraussetzung, daß Primärwälder nicht einge-
beitet. Der größte Teil des Einschlags dürfte auf schlagen, Sekundärwälder nachhaltig bewirtschaftet
tropische und boreale Naturwälder entfallen. Es ist und der Holzbedarf gleichmäßig auf alle Länder
zu erwarten, daß der Holzbedarf bis zum Jahr 2000 verteilt ist, jedem Menschen statistisch 0,4 m 3 Holz
weit stärker anwächst als in den vergangenen Jahr- jährlich zur Verfügung stünden. Zur Zeit liegt der
zehnten. Pro-Kopf-Verbrauch an Holz in den Industrieländern
bei 1,1 m3 und in den Entwicklungsländern bei 0,8 m 3
Von der weltweiten Waldfläche (ca. 3,5 Mrd. ha) gilt 3 Brennholz) pro Jahr. (davon0,7m
etwa die Hälfte als wirtschaftlich nutzbar. Davon
entfallen etwa 1 Mrd. ha auf die Tropen und 0,9 Mrd. Vor diesem Hintergrund leitet sich, ungeachtet regio-
ha auf die außertropischen Wälder. Die übrigen Wald- naler Holzüberschüsse in den Wäldern, insgesamt die
flächen scheiden aufgrund ihrer physischen Ausstat- Notwendigkeit ab, den weltweiten Holzverbrauch auf
tung bzw. rechtlicher Vorschriften für eine holzwirt- ein ökologisch und sozial verträgliches Maß zu redu-
schaftliche Nutzung aus (UN-ECE/FAO 1992a, EK zieren und das eingeschlagene Holz einer klima- und
1990a). Der scheinbare Holzreichtum stellt die Basis umweltpolitisch sinnvollen und vor allem höchst effi-
für die in der Regel optimistische Einschätzung der zienten Nutzung zuzuführen. Dazu können effizien-
zukünftigen Versorgung dar. Im wesentlichen geht tere Einschlag-, Transpo rt - und Verarbeitungsmetho-
man dabei davon aus, daß das Holzangebot auch eine den einen erheblichen Beitrag leisten. Darüber hinaus
in Zukunft rasch wachsende Nachfrage decken kann. müssen an die Stelle der in den vergangenen Jahr-
Ökonomische und vor allem ökologische und soziale zehnten rapide angewachsenen Produktion kurzlebi-
Einschränkungen bleiben jedoch weitgehend unbe- ger, oftmals für den einmaligen Gebrauch bestimmter,
rücksichtigt. Diesen muß jedoch in Zukunft eine Holzprodukte in Zukunft verstärkt ökologisch vorteil-
prioritäre Rolle eingeräumt werden, da hafte, langlebige Produkte (Bauteile, Möbel, etc.)
treten. Außerdem bietet die energetische Nutzung,
der fortschreitende Verlust von Primärwäldern, in insbesondere von überschüssigem Schwachholz und
denen der größte Teil der Holzvorräte stockt, Produktionsrückständen, eine klimapolitisch und
unweigerlich gravierende ökologische, soziale ökonomisch sinnvolle Nutzungsmöglichkeit.
und klimatische Folgen hätte und daher einge-
dämmt werden muß,

mangelnde Aufforstungsmaßnahmen in den Tro-


pen und Teilen der borealen und gemäßigten
7.6.1.1 Effiziente Nutzung des eingeschlagenen Holzes
Breiten eine wesentliche Steigerung der weltweit
aus Sekundärwäldern gewonnenen Holzmenge
mittelfristig nicht ermöglichen, Der letzlich in die Produkte eingehende Anteil der
eingeschlagenen Holzmenge variiert regional erheb-
im Rahmen der Umsetzung nachhaltiger Bewirt- lich. Während in der ehemaligen Sowjetunion bis zu
schaftungsmethoden in vielen Regionen eine Ver- 50 % des Holzes bereits beim Transport in die holzver-
ringerung der Einschlagsintensität dringend erfor- arbeitenden Betriebe verloren geht, stellt in anderen
derlich ist, Regionen ein wenig effizienter Verarbeitungsprozeß
die Hauptverlustquelle dar. In Südostasien gehen zum
die erhebliche räumliche Konzentration des Ein- Beispiel bei der Produktion von Sperrholzplatten nur
schlags das Entstehen regionaler Holzdefizite för- 40 % des verarbeiteten Holzes in das Endprodukt ein,
dern wird (So kann sich die Zahl der holzexportie- während dieser Anteil in den westlichen Industrie-
renden Tropenländer bis zum Jahr 2000 von 33 auf staaten bis zu 70 % beträgt (Postel und Ryan 1991). Es
unter 10 vermindern [Postel und Ryan 1991]), existieren folglich erhebliche Einsparpotentiale, die
vor allem durch die Einführung verbesserter Techno-
die Holznachfrage, sofern keine Gegenmaßnah-
logien erschlossen werden können.
men ergriffen werden, in Zukunft nicht nur in den
Industrieländern, sondern auch in vielen Entwick- Auch im Baubereich liegen in vielen Ländern erheb-
lungsländern rasch ansteigen wird, liche Einsparpotentiale. So werden zum Beispiel in
Japan Holzverschalungen zum Betongießen (diese
die durch die Klimänderung sowie direkte anthro-
machen etwa ein Drittel des gesamten japanischen
pogene Eingriffe hervorgerufenen Waldschäden
Sperrholzverbrauchs aus) oftmals nur wenige Male
zunehmen werden sowie
benutzt, obwohl sie aus hochwertigem Tropenholz
künftig Teile der Wälder unter die Kontrolle der gefertigt werden. Außerdem kann die im Hausbau
traditionell dort lebenden, zumeist indigenen anfallende Holzabfallmenge verringert werden. Sie
Bevölkerung gestellt werden müssen. beträgt zum Beispiel in Kanada durchschnittlichen
rund 850 kg pro Einfamilienhaus (Postel und Ryan
Wenngleich auch in Zukunft nicht von einem globalen 1991). Daten über die möglichen Einsparungspoten-
Holzmangel auszugehen ist, so ist eine Einschrän- tiale für Holz liegen bislang lediglich für die Vereinig-
kung des Holzverbrauchs dringend geboten, um den ten Staaten vor, die den weltweit größen Pro-Kopf-
Erhalt der Waldfunktionen und den Schutz von Pri- Verbrauch an Holz aufweisen (Tab. 7.3). Demnach
märwäldern zu gewährleisten. Als Anhaltspunkt kann könnte der Holzverbrauch durch eine effiziente Nut-
dabei eine Studie von Friends of the Earth (1994) zung hier halbiert werden.
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Tabelle 7.3 Das enorme Wachstum im Papiermarkt hat zu einer


Einschlagserhöhung in den Wäldern geführt und bis
Einsparpotentiale für Holz durch Steuerung dahin wirtschaftlich wenig interessanten Schwach-
der Nachfrage holzbeständen einen lukrativen Markt verschafft. Ein
erheblicher Teil der Produkte aus Papier und Pappe ist
Einsparung in
Aktivitäten für einen einmaligen Gebrauch bestimmt. Die in
Mio. Festmetern
vielen Ländern wachsenden Bestrebungen, die Wie-
Verbesserte Effizienz bei der derverwertung von Altpapier auszuweiten, hat den
Verarbeitung Anteil von Recycling-Papieren am Gesamtverbrauch
auf durchschnittlich etwa 30 % erhöht. In Japan, der
— Sägewerke 114,3
Bundesrepublik Deutschland und einigen anderen
— Sperrholzfabriken 10,6
Industriestaaten liegt die Quote in etwa zwischen 40
Vermeidung der Verschwen- und 50 %. Die technisch maximal erreichbare Quote
dung beim Bauen 26,1 wird auf 75 bis 85 % geschätzt (Friends of the Earth
Verringerung von Einweg- 1994).
produkten (z. B. Verpackung) 68,5'
Darüber hinaus stellt eine Steigerung des Restholzein-
Verdoppelung des Papier-
12,5 satzes in der Papierproduktion eine umweltpolitisch
recyclings
sinnvolle Option dar. Bereits heute wird ein erhebli-
Einsparung insgesamt 232,0
cher Teil des Papiers aus den Abfällen der Sägewerke
US-Verbrauch gesamt 460,4
und Holzbetriebe gewonnen. Als Ausgangsstoff wird
Anteil des Einsparpotentials am jedoch, neben Schwachholz aus Durchforstungen,
Gesamtverbrauch 50,4 % auch Holz aus intensiv bewirtschafteten Plantagen
(Eukalyptus u. a.) sowie aus schwach bestockten
Quellen: Postel und Ryan 1991 Urwäldern verwendet. Die mangelhafte Datenlage
macht es unmöglich, den jeweiligen Anteil der Holz-
quellen an der Papierproduktion zu quantifizieren.
Für eine ökologische Bewertung wäre dies jedoch
7.6.1.2 Vermeidung und Wiederverwertung von dringend erforderlich.
Produkten aus Papier und Pappe
Ein großes Potential zur Holzeinsparung bietet die in
den vergangenen Jahrzehnten stark angewachsene
Zellstoffproduktion. Heute werden durchschnittlich
Seit den 50er Jahren hat sich der Verbrauch von
etwa 5 m3 Holz zur Produktion einer Tonne Zellstoffs
Papier und Pappe insbesondere in den Industrielän-
verbraucht. Die eingesetzte Holzmenge läßt sich
dern drastisch erhöht. In Europa steigerte sich der
jährliche Pro-Kopf-Verbrauch in diesem Zeitraum von durch die Umstellung auf umweltschonendere me-
chanisch-thermische Verfahren in etwa halbieren, bei
etwa 20 kg auf rund 130 kg. Wie Tabelle 7.4 verdeut-
licht, liegt der Verbrauch in vielen Regionen noch weit gleichzeitiger Entlastung der Gewässer.
über diesem Wert. Eine Erhöhung des Anteils von Recycling-Papier und
der sparsame Umgang mit Papierprodukten und
Pappe kann global zu einer Verminderung der Ein-
Tabelle 7.4 schlagstätigkeit vor allem in Wäldern mit geringem
Holzzuwachs führen. Sie stellt zudem einen Anreiz zu
Pro-Kopf-Verbrauch an Papier und Pappe
einer Effizienzsteigerung bei der Verarbeitung höher-
in ausgewählten Ländern
wertiger Hölzer dar, da sich der Absatzmarkt für
Abfallprodukte verringern würde. Einer logistischen,
Verbrauch 1 ) Recyclingrate 2 )
Land oder Region rechtlichen und technischen Verbesserung des Altpa-
Kilogramm/Jahr Prozent
piersektors und einer Verbesserung der Absatzchan-
Vereinigte Staaten . 317 . 29 cen für Recycling-Produkte ist daher ein hoher Stel-
Schweden 311 40 lenwert beizumessen. Dadurch würden gleichzeitig
247 20 die mit der Zellstoff- und Papierproduktion verbunde-
Kanada
nen erheblichen Gewässer- und Luftbelastungen
Bundesrepublik
reduziert.
Deutschland 200 40-50
Japan 204 50
Norwegen 151 27
7.6.1.3 Energetische Nutzung von Holz und
Sowjetunion 35 19 Holzabfällen
Lateinamerika 25 32
China 12 21 In vielen Ländern, vor allem im Bereich der Tropen, ist
Afrika 5 17 Holz der wichtigste Energieträger (vgl. Tab. 7.6). Doch
Indien 2 26 auch in einigen Industrieländern, zum Beispiel in den
USA, Finnland und Österreich, werden bedeutende
1) 1988. Energiemengen durch die Verbrennung von Holz und
2) Anteil des recycelten Altpapiers am Gesamtpapierverbrauch; Holzabfällen gewonnen (vgl. Kap. 6.3.4). Unter der
Daten von 1987. Voraussetzung einer nachhaltigen Bewirtschaftung
Quellen: FAO, EG-Kommission (zit. in Postel und Ryan 1991). der Wälder ist die Holzverbrennung CO 2 -neutral. Sie
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Tabelle 7.6 Um dem sich abzeichnenden gravierenden Brenn-


holzmangel entgegenzuwirken, bestehen folgende
Anteil von Brennholz am gesamten drei Handlungsoptionen, die sich gegenseitig ergän-
Energieverbrauch ausgesuchter Länder zen müssen:

Holzanteil in % — Effizientere Energieausnutzung und Brennholz-


Region Land am gesamten einsparung
Energieverbrauch
— Substitution von Brennholz durch andere Energie-
Afrika Burkina Faso . 96 träger
Kenia 71 — Verbesserung des Brennholzangebotes.
Malawi 93
Nigeria 82 Dabei ist hervorzuheben, daß dort, wo Menschen
bereits aufgrund einer nicht ausreichenden Energie-
Sudan 74
versorgung in ihren Lebens- und Ernährungsgewohn-
Tansania 92 heiten stark eingeschränkt sind, der Verbesserung des
Asien Indien 33 Lebensstandards Priorität gegenüber der Einsparung
Indonesien 50 von Brennholz einzuräumen ist.
Nepal 94
Eine effizientere Energieausnutzung und Brennholz-
Lateinamerika Brasilien 20 einsparung kann in erster Linie über die Einführung
Costa Rica 33 holzsparender Herde und Öfen erreicht werden. Die
Nicaragua 50 dadurch erzielbaren Einsparpotentiale werden auf 30
Paraguay 64 bis 50 % geschätzt. Die bisherigen Programme haben
gezeigt, daß als Voraussetzung für eine erforderliche
Quelle: EK 1990a großflächige Verbreitung effizienter Öfen und
Herde

— ein bereits spürbarer Holzmangel existieren


vermindert den Einsatz von fossilen Energieträgern muß,
und damit die CO 2 -Emission. Die energetische Nut-
zung von Holz muß vor dem Hintergrund großer — lange Sensibilisierungs-, Werbe- und Beratungs-
regionaler Unterschiede in der Holzverfügbarkeit dif- kampagnen durchgeführt werden müssen
ferenziert betrachtet werden. — die notwendige Kaufkraft in der Bevölkerung vor-
handen sein muß sowie
In den wechselfeuchten Tropen hat der große Bedarf
an Brennholz regional zur Entwaldung und Wald- — eine breite Akzeptanz der Benutzer erreicht wer-
degradation geführt. Bei in Zukunft weiter steigender den muß.
Nachfrage gilt es in diesen Mangelgebieten, Brenn-
holz soweit wie möglich zu ersetzen sowie effizient zu Zur Substitution von Brennholz stehen entweder fos-
nutzen und die dann noch erforderliche Menge durch sile Quellen oder solare Nutzungssysteme zur Verfü-
geeignete Aufforstungs- und Nutzungskonzepte be- gung. Grundsätzlich werden die Substitutionsmög-
reitzustellen. In Ländern mit Holzüberschüssen ist lichkeiten durch die geringe Kaufkraft der Benutzer,
dagegen eine verstärkte Holzverwendung im Ener- Devisenmangel der betroffenen Staaten sowie Akzep-
giebereich zur Substitution von fossilen Energieträ- tanzprobleme eingeschränkt. Eine wirksame Erhö-
gern anzustreben. hung des Anteils fossiler Energieträger erscheint nur
sinnvoll, wenn das betroffene Land selbst über nutz-
bare fossile Lagerstätten verfügt. In solchen fällen
liegt die Hauptaufgabe beim Aufbau geeigneter
Energieversorgung in den Holzmangelgebieten Transport-, Lager- und Verteilungssysteme. Solare
Systeme (z. B. Kochkisten) stoßen zum Teil auf kultu-
relle Schranken (z. B. werden warme Mahlzeiten
Für etwa 2 Mrd. Menschen ist Brennholz heute die
häufig abends eingenommen). Darüber hinaus bedür-
wichtigste Energiequelle. Davon können etwa
fen sie einer langen, an die kulturellen Bedingungen
100 Mio. Menschen ihren Bedarf nicht mehr ausrei-
angepaßten Werbe- und Aufklärungskampagne und
chend decken und weitere 1000 Mio. Menschen sind
sind in ihrer Herstellung und Handhabung stärker auf
auf die Verfeuerung von Ernterückständen angewie-
die spezifischen Bedürfnisse und Gegenheiten auszu-
sen. Es ist zu befürchten, daß bis zu 2 Mrd. Menschen
richten.
im Jahr 2000 unter akutem Brennholzmangel leiden
werden (Zech u. a. 1989). Neben regional stark ange- Einsparungs- und Substitutionsmaßnahmen können
stiegenen Bevölkerungszahlen ist vor allem die in absehbarer Zeit einen Anstieg des Brennholzbe-
äußerst geringe Aufforstungsrate einer der Haupt- darfs nicht verhindern. Daher sind dringend Maßnah-
gründe für den Brennholzmangel. Diese ist unter men zur Verbesserung der Brennholzversorgung
anderem auf die häufig niedrigen Brennholzpreise erforderlich. Die potentiell geeigneten Aufforstungs-
zurückzuführen, die eine Investition in Aufforstungs- flächen in den Tropen werden von Zech u. a. (1989)
maßnahmen unrentabel machen. Häufig sind Auffor- auf maximal rund 400 Mio. ha geschätzt. Diese befin-
stungen erst bei einem drastischen Rückgang des den sich jedoch häufig nicht in den Gebieten mit
natürlichen Holzvorrates im größerem Umfang durch- hohem Brennholzbedarf. Zudem werden sie in erheb-
setzbar. lichem Maße zur Steigerung der landwirtschaftlichen
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Produktion benötigt, so daß Aufforstungen hier in weltschäden — bei einem Ölpreis von 45 US-$ pro
besonderem Maße auf Akzeptanzprobleme stoßen. barrel. Demgegenüber kann nachhaltig erzeugtes
Brennholz aus bewi rt schafteten Aufforstungen ist dar- Waldholz bereits bei einem Ölpreis von 25 US-$ pro
über hinaus oftmals zu teuer für die lokale Bevölke- barrel rentabel genutzt werden. Bereits seit längerem
rung. Um die Akzeptanz und den Nutzen für die lokale wirtschaftlich ist der Einsatz von Abfall- und Industrie-
Bevölkerung zu erhöhen, bieten sich vor allem klein- restholz , insbesondere in holzverarbeitenden Betrie -
räumige, dörfliche Aufforstungsmaßnahmen sowie ben. Neben den geringen Brennstoffkosten ist dies auf
die Intensivierung von Baumkulturen im Rahmen die gleichzeitige Einsparung von Entsorgungskosten
agroforstwirtschaftlicher Nutzungssysteme an (vgl. zurückzuführen (IMA 1993).
Abschnitt B, Kap. 4.3). Darüber hinaus können Brenn-
holzdefizite durch Einfuhren aus Überschußgebieten Technologisch ausgereift und rentabel ist mittelfristig
bzw. aus holzverarbeitenden Betrieben ausgeglichen mir die Verbrennung von Holz. In Österreich werden
werden. Hierzu sind jedoch in der Regel die Trans- zum Beispiel 360 Anlagen im Megawattbereich mit
portmöglichkeiten erheblich zu verbessern. einer installierten Leistung von 1400 MW bet ri eben.
Neben Holz werden auch Rückstände aus der Papier-
und Zelluloseindustrie sowie Stroh verfeuert. Proble-
matisch können die Emissionen aus Holzverbren-
Energetische Holznutzung in den Industrieländern nungsanlagen sein. Der CO 2 -Neutralität und dem
Fehlen von SO 2 -Emissionen steht eine, gegenüber der
In den Industrieländern wird eine Ausweitung der Nutzung fossiler Energieträger, höhere Freisetzung
Energiegewinnung auf der Basis von Holz als eine von Staub, Kohlenmonoxid, PAK (polyzyklische aro-
Maßnahme zur Verminderung der CO 2 -Emissionen matische Kohlenwasserstoffe) sowie von extrem toxi-
diskutiert. Abschätzungen über die zu erreichenden schem Dioxin gegenüber. Insbesondere kann die
Potentiale variieren erheblich. In der Bundesrepublik Verbrennung von Alt- und Restholz aufgrund auftre-
Deutschland könnten mittelfristig zum Beispiel maxi- tender Verunreinigungen in Form von Kunststoffre-
mal etwa 3,5 % des Primärenergiebedarfes durch die sten, Lackierungen u. ä. erhöhte Emissionsrisiken
Biomassenutzung (davon über die Hälfte durch Holz) hervorrufen. Bei der Nutzung naturbelassenen Holzes
abgedeckt werden. Dabei sind ökonomische, soziale geht dagegen nach Messungen im Auftrag des
und ökologische Hemmnisse nicht berücksichtigt. Im Schweizer Bundesamtes für Umwelt, Wald und Land-
einzelnen schwankt das verwertbare Energiepoten- schaft die entstehende Dioxinmenge auf Werte um
tial von Holz in Abhängigkeit von den folgenden 0,1 ng/m3 zurück. Dessenungeachtet muß der Betrieb
Faktoren: von Holzverbrennungsanlagen immer an eine strenge
rechtlich vorgeschriebene Abluftreinigung gebunden
— Die Art der Holzerzeugung sein, um Umweltbelastungen zu verhindern.
Hierbei ist zu unterscheiden zwischen der Anlage
von Kurzumtriebsplantagen mit schnellwachsen-
den Baumarten (z. B. Eukalyptus, Pappel), der
Nutzung von Restholz aus Durchforstungs- oder 7.6.2 Nationale Rahmenbedingungen und
landschaftspflegerischen Maßnahmen und der Handlungsfelder
Verwertung von Holzabfällen bzw. Altholz.
Die wirtschaftliche Situation im Forstbereich der Bun-
— Die Art der energetischen Verwertung desrepublik Deutschland hat sich in den vergangenen
Holz kann direkt zur Erzeugung von Wärme und Jahren wesentlich verschlechtert. Dies ist im wesent-
Strom verfeuert oder indirekt über die Vergasung lichen auf die Entwicklung des Holzmarktes zurück-
oder Alkoholgewinnung genutzt werden. zuführen. Darüber hinaus haben jedoch auch Fehlent-
wicklungen im Forstbereich selbst mit dazu beigetra-
Bei der energetischen Nutzung von Holz müssen die gen. So ist ein wesentlicher Teil der Ertragseinbußen
ökonomischen und ökologischen Effekte gleicherma- darauf zurückzuführen, daß instabile Waldbestände
ßen berücksichtigt werden. Wenn Plantagen intensiv mit hohem Betriebsrisiko angelegt wurden. Gerade
bewirtschaftet werden und einen hohen Arbeits- und diese Bestände wurden in den vergangenen Jahren
Kapitalaufwand erfordern, können zum Beispiel besonders stark durch Stürme geschädigt.
wegen des notwendigen Pestizid- und Düngemittel-
einsatzes erhebliche Umweltschäden eintreten. Ihre Die Holzvorräte in den Wirtschaftswäldern der Bun-
Kohlenstoffbilanz kann bislang nicht abgeschätzt desrepublik Deutschland werden von Burschel u. a.
werden. Dem zeitweise eingebundenen Kohlenstoff (1993) auf der Basis der Bundeswaldinventur 1986 bis-
in der lebenden Biomasse steht auf Dauer zumeist ein 1990 und des Waldfonds der ehemaligen DDR (Stand
Verlust von Bodenkohlenstoff gegenüber. Außerdem 1985) auf rund 2,7 Mrd. m 3 geschätzt. Der jährliche
erfordert die Pflege einen hohen Energieeinsatz (Dün- Zuwachs kann wegen erheblicher methodischer Pro-
gemittel, Transpo rt etc.). Allein die Produktion von bleme nur mit Unsicherheiten beziffert werden. Er
einer Tonne Ammonium führt nach einer Berechnung dürfte in etwa 57 Mio. m 3 Holz betragen. Eine Analyse
von Sittig (1979) zur Freisetzung von etwa 4 t CO 2 . des Holzmarktes der Bundesrepublik Deutschland
Neben den ökologischen Risiken wird der Einsatz von (Ollmann 1993b) beziffert den nationalen Gesamtver-
Holz aus Schnellwuchsplantagen durch die man- brauch von Holz und Holzprodukten auf jährlich 88
gelnde ökonomische Wettbewerbsfähigkeit einge- Mio. m3 (RHA), so daß theoretisch etwa zwei Drittel
schränkt. Zur Zeit beginnt die Wirtschaftlichkeit der des Holzbedarfes aus eigenen Quellen abgedeckt
Wärmeenergiegewinnung auf der Basis von Planta- werden könnten. Die Studie zeigt im einzelnen die
genholz — ohne Berücksichtigung möglicher Um folgenden kennzeichnenden Tendenzen im deut-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

schen Holzmarkt (alle Mengenangaben in Rohholz Über die Aufteilung des Holzverbrauchs in anderen
äquivalenten — RHA): Bereichen bestehen weitgehende Wissensdefizite.
Burschel u. a. (1993) schätzen, daß in etwa jeweils
Der Holzverbrauch in der Bundesrepublik Deutsch- 30 % des in Deutschland eingeschlagenen Holzes im
land ist seit den 50er Jahren kontinuierlich von etwa Baubereich und zur Produktion von Papier und Pappe
40 Mio. m3/Jahr auf rund 88 Mio. m 3/Jahr3 ) angestie- verwendet werden. Rund 20 % gehen in die Herstel-
gen. Der Anstieg ist auf die rapide Steigerung des lung von Möbeln und anderen Holzprodukten ein. Ein
Verbrauchs von Papier-, Pappe- und Zellstoffprodukten Viertel des Holzes wird verfeuert, davon jedoch nur
zurückzuführen (von ca. 10 Mio. m 3 im Jahr 1955 auf ein verschwindend geringer Anteil in Form einer
rund 45 Mio. m3 im Jahr 1992). Seit 1985 geht der größte kommerziellen Energieerzeugung. Dieser ist nach
Teil der Holzmenge in den Papier-Sektor ein. Angaben der IMA (1993) so unbedeutend, daß er
bislang keinen Eingang in die offiziellen Energiesta-
Die Zunahme des Holzverbrauchs wirkte sich nicht tistiken gefunden hat.
auf die einheimische Holzproduktion aus. Der Ein-
schlag in den deutschen Wäldern liegt seit den 60er Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß sowohl
Jahren in etwa bei 30 Mio. m3/Jahr. Dagegen stieg die unter ökonomischen als auch unter klimapolitischen
importierte Holzmenge von etwa 20 Mio. m 3 im Jahr und ökologischen Gesichtpunkten eine Veränderung
1960 auf über 80 Mio. m3 in den 90er Jahren an. Die der Rahmenbedingungen des Holzmarktes dringend
Ausweitung des Altpapiereinsatzes in den letzten vier erforderlich ist. Dabei ist nicht die Steigerung der
bis fünf Jahrzehnten von etwa 5 auf rund 20 Mio. m 3 Holzverwendung, sondern die Beseitigung von
(berchntalsäquivHozmeng)splti Hemmnissen, die eine positive Rückwirkung der Ver-
Vergleich dazu eine geringere Rolle. brauchszunahme auf die Holzwirtschaft verhindert
haben, anzustreben. Im einzelnen sind die folgenden
Der Ausweitung der Holzeinfuhr stand eine gleichzei- Handlungsfelder von besonderer Bedeutung:
tige Steigerung der Ausfuhr von Holz- und Holzpro-
dukten von knapp 10 Mio. m3 auf rund 50 Mio. m 3 — Verminderung des Verbrauchs von kurzlebigen
genübr,sodaßimgeäAunhadls- Holzprodukten und Erhöhung der Wiederverwer-
bilanz sich lange Zeit nur langsam zugunsten der tungsquoten.
Importe verschob. Seit Beginn der 90er Jahre ist — Schaffung neuer, umweltverträglicher Absatz-
jedoch eine rapide Zunahme der Nettoeinfuhr auf märkte für die nationale Holzwirtschaft.
knapp 30 Mio. m3/Jahr zu verzeichnen. Auch die
Entwicklung der Ein- und Ausfuhren verlief im — Förderung der energetischen Nutzung von Rest-
Papier-Sektor wesentlich rasanter. Der Impo rt von holz und Holzabfällen sowie von Waldholz auf der
Papier, Pappe und Zellstoff belief sich in den 50er Basis einer nachhaltigen Bewi rtschaftung.
Jahren auf eine äquivalente Holzmenge von
5 Mio. m3 . Bis 1990 verzehnfachte er sich. Die jährliche
Ausfuhr wuchs im gleichen Zeitraum von etwa 7.6.3 Handlungsempfehlungen der
2 Mio. m3 auf rund 35 Mio. m3 . Enquete-Kommission im Bereich klima- und
umweltverträglicher Holzverwendung
Konkrete Angaben über die Aufteilung der verbrauch-
ten Holzmenge auf die verschiedenen Produkte sind
nur für den Papier-Sektor zu machen. Die deutsche 7.6.3.1 Maßnahmen auf der internationalen Ebene
Papierindustrie verbrauchte 1992 rund 3,7 Mio. t Zell-
stoff. Davon wurden 97 % importiert. Der größte Teil Internationale Kooperation zur Verminderung des
davon (26 %) stammte aus Schweden, etwa 23 % aus Verbrauchs und zur umweltschonenen Produktion
Kanada. (VDP 1993). Mit einem Verbrauch von rund 16 von kurzlebigen Holzprodukten
Mio. t Papier, Pappe und Karton — das entspricht einem
Pro-Kopf-Verbrauch von etwa 200 kg/Jahr — ist die Die Enquete-Komission sieht in der Schaffung ver-
Bundesrepublik weltweit der drittgrößte Konsument. gleichbarer ökologischer Standards für Produkte und
Der Importanteil beträgt knapp 50 %. Der Gesamtver- Halbfertigprodukte aus Holz eine wichtige Aufgabe
brauch verteilt sich wie folgt auf die verschiedenen für die internationale Staatengemeinschaft. Dies gilt
Produktgruppen (VDP 1993):
-insbesondere für die Bereiche Zellstoff-, Holzstoff
und Papierproduktion. Dabei sollen die Entwicklung
Pappe und Verpackungspapiere 40 % und Einführung effizienter und umweltschonender
-
Massendruckpapiere (ohne Zeitun- Technologien sowie Maßnahmen zur Verringerung
gen) 27 % des Frischholzbedarfes im Vordergrund stehen. Im
einzelnen sind die folgenden Vereinbarungen anzu-
Zeitungsdruckpapiere 14 %
streben:
Büropapiere 8 %
— Maßnahmen zur Verminderung des Verbrauchs
Spezialpapiere 6 %
kurzlebiger Produkte aus Holz sowie zur öffentli-
Hygienepapiere 5% chen Bewußtseinsbildung (in den Industrielän-
dern),

3) Die 40 Mio. m 3 beziehen sich nur auf das frühere Bundesge- — Förderung und Einführung emissionsarmer und
biet. Von den 88 Mio. m3 entfallen etwa 18 Mio. m3 auf die ressourcenschonender Produktionsverfahren im
neuen Länder. Bereich Zellstoff- und Papierherstellung,
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

— Förderung des Einsatzes von Altpapier und Holz- — vorbildliches Verhalten der öffentlichen Einrich-
resten, tungen und Verwaltungen (ausschließliche Ver-
wendung von Recyclingpapieren) sowie
— Angabe der für die Produktion verwendeten Roh-
stoffe (Altpapier, Holzreste, Durchforstungsholz,
Holz aus Primärwälder), die öffentliche Bewußtseinsbildung sein.

— Festlegung verbindlicher und nachprüfbarer Stan- Gleichzeitig müssen die Anstrengungen zur Erhö-
dards als Grundlage für die Vergabe eine Labels hung des Einsatzes von Altpapier und Holzresten bei
für umweltverträgliche Produkte aus Holz, der Papierproduktion verstärkt werden. Ziel muß
dabei die Steigerung des Altpapiereinsatzes auf über
— Zusammenarbeit im Bereich der Forschung und 60 % sein. Dazu ist die seit längerem diskutierte
Einführung umweltschonender Technologien, Altpapierverordnung umgehend auszuarbeiten und
— Finanz- und Technologietransfer in betroffene Ent- umzusetzen. In dieser sollten folgende Punkte festge-
wicklungsländer im Rahmen abzuschließender legt werden:
Abkommen. — Priorität der stofflichen Wiederverwertung von
Altpapier, sofern die energetische Verwertung
Die Enquete-Kommission ersucht die Bundesregie-
durch Verbrennen nicht umweltverträglicher ist.
rung, sich für das Zustandekommen derartiger Ver-
einbarungen auf der internationalen Ebene mit Nach- Mindesteinsatzquoten von Altpapier in den ver-
druck einzusetzen. schiedenen Produktbereichen nach dem jeweili-
gen Stand der Technik,
— Festschreibung von Qualitätsstandards für Papier-
Verbesserung der Brennholzversorgung produkte, um deren Wiederverwertbarkeit sicher-
in Entwicklungsländern zustellen,
— Verpflichtung von Handel und Industrie zur Tren
Die Enquete-Kommission empfiehlt der Bundesregie- nung von Papieren unterschiedlicher Qualität,
rung, ihre bisherigen Initiativen zur Abmilderung der
Maßnahmen zur Vergrößerung des Absatzmarktes
Brennholzkrise in vielen Staaten vor allem der wech-
für Recycling-Produkte, zum Beispiel im öffentli-
selfeuchten Tropen zu verstärken und
chen Beschaffungswesen.
— an die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung ange-
Diese ordnungsrechtlichen Vorgaben sind durch eine
paßte Energiesysteme, insbesondere auf der Basis
verstärkte Förderung der Forschung und Entwicklung
von Solarenergie sowie
in folgenden Bereichen
— geeignete Strategien zur Erhöhung der Akzeptanz Qualitätserhöhung von Recycling-Papieren,
und der großflächigen Einführung dieser Systeme
fortzuentwickeln. Emissionsminderung und Ressourcenschonung
bei der Papier- und Zellstoffproduktion (z. B. Sul
Darüber hinaus sollte die Bundesregierung, auch im fid-Verfahren, Sauerstoffbleiche, energetische
Rahmen der Verhandlungen über eine Internationale Verwertung der Abfälle),
Konvention zum Schutz der Wälder, auf die Ausarbei-
Anpassung und Verbesserung der drucktechni-
tung, Finanzierung und Umsetzung eines internatio-
schen Möglichkeiten an die Erfordernisse einer an
nalen Aufforstungsprogrammes — wie es in Kapitel
der maximalen Wiederverwertung von Altpapier
7.5.2.6 skizziert ist — dringen. Im Zentrum müssen
orientierten Wirtschaftsweise,
dabei kleinräumige dörfliche Aufforstungen im Rah-
men von agroforstwirtschaftlichen Projekten stehen. Marktforschung,
Die eigenen Anstrengungen der Bundesregierung im zu ergänzen.
Rahmen der bilateralen Zusammenarbeit sind zu
verstärken.
Förderung der Herstellung umweltfreundlicher
Holzprodukte
7.6.3.2 Maßnahmen auf der nationalen Ebene
Im Rahmen einer nachhaltigen Bewirtschaftung
Verminderung des Papier-, Karton- und erzeugtes Holz ist ein vielfältig einsetzbarer, hoch-
-
Zellstoffverbrauchs und Erhöhung des wertiger und umweltfreundlicher Rohstoff. Die aktu-
Altpapiereinsatzes ellen Marktbedingungen stellen jedoch ein Hemmnis
für die ökonomisch und ökologisch sinnvolle Holzver-
Mit einem jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von über wendung dar, da sie die ökologischen und sozialen
200 kg Papier- und Kartonprodukten liegt die Bundes- Schäden durch die nicht nachhaltige Holzproduktion
republik Deutschland über einer nachhaltig zu erzeu- nicht berücksichtigen. Dadurch erlangen nicht nach-
genden Menge. Die Enquete-Kommission empfiehlt haltig erzeugte Hölzer Wettbewerbsvorteile. Die
der Bundesregierung vor diesem Hintergrund geeig- Enquete-Kommission fordert die Bundesregierung
nete Strategien zur Bedarfsminderung und zur Erhö- auf, sich mit Nachdruck für die Beseitigung derartiger
hung des Altpapiereinsatzes zu entwickelen. Wesent- Hemmnisse einzusetzen. Neben der Festlegung ver-
liche Punkte müssen dabei bindlicher und nachprüfbarer Kriterien für die nach-
haltige Bewirtschaftung der Wälder in allen Klima-
— die Reduzierung von Verpackungen, zonen (vgl. Kap. 7.2) sind dabei Maßnahmen auf
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
nationaler Ebene zu ergreifen. Diese sollen gleicher- Reststoffe zum Teil als hochwertiger Dünger, zum
maßen die Fortentwicklung der nachhaltigen Wald- Teil als Baustoffe.
bewirtschaftung sicherstellen und die Wettbewerbs-
— Die Förderung einzelner, beispielhafter Pilotanla-
fähigkeit und Absatzmöglichkeiten der nationalen
gen für die verschiedenen Techniken in Richtung
Forstbetriebe verbessern.
einer Markteinführung.
Die Enquete-Kommission sieht es in diesem Zusam- — Die förderliche Kooperation der regionalen Ener-
menhang als dringend erforderlich an, die vielfältigen gieversorgungsunternehmen mit den potentiellen
landschaftspflegerischen und sozialen Leistungen der Betreibern von Biomasse-Heizkraftwerken.
Waldwirtschaft anzuerkennen und angemessen zu
Die Nutzung von Holz und Holzabfällen war Bestand-
vergüten. Dazu sind Modelle zur Entschädigung der
teil dieses Vorschlages. Dabei wurde geschätzt, daß
Waldwirtschaft für die durch Industrie-, Verkehrs-
das energetische Potential in etwa 100 PJ (für Holzab-
und landwirtschaftliche Emissionen entstandenen
fälle) und etwa 40 PJ (für Holz) beträgt. Davon ist
Waldschäden zu entwickeln. Eine Voraussetzung
heute lediglich rund 1 PJ erschlossen. Durch geeig-
dafür ist die Monetarisierung der von der Waldwirt-
nete Maßnahmen könnte sich dieser Anteil bis zum
schaft erbrachten sozialen und ökologischen Leistun-
gen. Naturgemäße Bewirtschaftungsmethoden sollen Jahr 2005 auf 40 PJ (bei Holzabfällen) und 10 PJ (bei
dabei stärker begünstigt werden als konventionelle Holz) erhöhen und bis zur Mitte des kommenden
Jahrhunderts auf insgesamt 100 PJ ausgeweitet wer-
Methoden.
den.
Darüber hinaus ist von staatlicher Seite die Schaffung
Die Bundesregierung schätzt das Biomasse-Verbren-
neuer Absatzmärkte für umweltverträgliche Produkte
nungspotential aufgrund der erheblichen Schwach-
zu unterstützen. Die Enquete-Kommission schlägt
holzüberschüsse und der Möglichkeiten zum Anbau
dazu die folgenden Maßnahmen vor:
nachwachsender Energieträger auf stillgelegten
— Einrichtung von Modellprojekten zur Erhöhung Landwirtschaftsflächen höher ein. Sie verweist jedoch
der nationalen Zellstoffproduktion mit hohen angesichts der relativ hohen Kosten der energetischen
Umweltstandards auf der Basis von in der Region Biomassenutzung auf erhebliche Wettbewerbsnach-
erzeugten Hölzern aus nachhaltiger Bewirtschaf- teile (IMA 1993). Dessenungeachtet sieht die
tung. Enquete-Kommission Möglichkeiten, insbesondere
Holz und Holzabfälle einer energetischen Nutzung
— Herbeiführung von Selbstverpflichtungen von
zuzuführen. Dies ist wirtschaftlich und daher unmit-
holzverarbeitenden Betrieben zur vorrangigen
telbar anzustreben, wenn damit gleichzeitig Entsor-
Abnahme von Holz aus nationaler Produktion.
gungskosten entfallen. Die Kommission ersucht die
— Überprüfung der baurechtlichen Bestimmungen Bundesregierung daher, die oben genannten, zum
hinsichtlich einer Ausweitung der Verwendung Teil bereits aufgegriffenen, Maßnahmen zügig fortzu-
von Holzbauteilen. führen und die Wettbewerbsfähigkeit durch die Ein-
führung einer CO 2/Energiesteuer zu verbessern.

Förderung der energetischen Nutzung von Holz


und Holzresten 7.7 Internationale Konvention zum Schutz
der Wälder
Durch die energetische Nutzung von Holz aus nach-
haltiger Bewirtschaftung können sowohl die CO 2 Um den Schutz und die dauerhafte Erhaltung der
-EmisonevrdtaluchieAbszmög- Wälder und ihrer vielfältigen Funktionen gewährlei-
keiten der Forstwirtschaft verbreitert werden. sten zu können, bedarf es dringend einer besseren
internationalen Abstimmung und engen Zusammen-
Die Enquete-Kommission hat bereits 1993 eine Initia- arbeit. Dazu ist umgehend die Ausarbeitung einer
tive zur Erschließung des heute noch brachliegenden völkerrechtlich verbindlichen Internationalen Kon-
Potentials an energetisch nutzbarer Biomasse ange- vention zum Schutz der Wälder erforderlich. Diese
regt und die Bundesregierung um die Realisierung der muß sich auf alle Waldzonen beziehen und auf den im
folgenden Maßnahmen ersucht: Rahmen der UN-Konferenz für Umwelt und Entwick-
— Erfassung der diversen Einzelpotentiale hinsicht- lung (UNCED) verabschiedeten Abkommen und
lich ihrer regionalen Dichte und damit des Auf- Erklärungen basieren.
wandes zur Sammlung, um eine ausreichend kon-
zentrierte Nutzung und eine positive energeti-
schen Gesamtbilanz zu erreichen. 7.7.1 Rechtliche Grundlagen und Möglichkeiten
— Die Umweltverträglichkeitsprüfung der verschie-
Das von einigen Ländern gesteckte Ziel, bereits im
denen Arten der Nutzung von Biomasse und koh-
Rahmen der UNCED eine Internationale Waldkon-
lenstoffhaltigen Abfällen hinsichtlich der Auswir-
vention zu verabschieden, konnte nicht erreicht wer-
kung auf Luft, Wasser und Boden.
den. Dennoch spielte der Themenbereich Wälder bei
Die Sichtung, Bewe rtung und Bündelung der — der Konferenz ein Rolle. Die beiden verabschiedeten
auch in Nachbarländern — vorliegenden Erfah- Konventionen (Klimarahmenkonvention und Kon-
rungen mit den entsprechenden Technologien vention zur Erhaltung der biologischen Vielfalt) strei-
einschließlich der Verwertung der resultierenden fen wichtige Bereiche der Walderhaltung. Darüber
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

hinaus wurden Zielvorstellungen und Handlungsfel- sind dazu eine Reihe von Maßnahmen festgeschrie-
der in der „Nicht rechtsverbindlichen, maßgeblichen ben worden, so zum Beispiel
Darlegung von Grundsätzen eines weltweiten Kon-
die Ausweisung ausreichend großer Schutzge-
senses über Bewi rtschaftung, Erhaltung und nachhal-
biete,
tige Entwicklung aller Wälder" (Walderklärung)
sowie im Kapitel 11 der Agenda 21 vereinbart. Die die Förderung einer umweltverträglichen und
beiden letztgenannten Dokumente sind jedoch völ- nachhaltigen Entwicklung in den die Schutzge-
kerrechtlich nicht verbindlich. Die im einzelnen biete umgebenden Flächen,
erzielten Ergebnisse sowie die Möglichkeiten auf der
die Wiederherstellung von beeinträchtigten und
Basis der UNCED-Beschlüsse weitergehende Verein-
zerstörten Lebensräumen sowie
barungen im Waldbereich zu erreichen sollen im
folgenden erläutert werden. der Schutz und die Anwendung von traditionellen
Schutz- und Bewirtschaftungsformen.
Bezogen auf die Wälder ließen sich auf dieser Basis
Klimarahmenkonvention konkrete Maßnahmen zur Entwicklung und Umset-
zung geeigneter Schutz- und nachhaltiger Nutzungs-
Die Klimarahmenkonvention hebt insbesondere die formen ableiten. Diese sind in der Konvention jedoch
Funktion der Wälder als Kohlenstoffspeicher hervor. nicht verpflichtend formuliert worden und werden
Die Vertragsstaaten haben sich in der Konvention daher nur geringe Wirkung zeigen. Der eigentliche
verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz und zur Erwei- Kernpunkt der Konvention zum Schutz der biologi-
terung der Speicherfunktion zu ergreifen und darüber schen Vielfalt ist ohnehin die Regelung des Zugangs
im Rahmen ihrer — der Vertragsstaatenkonferenz zu genetischen Ressourcen sowie die Aufteilung des
vorzulegenden — nationalen Berichte Auskunft zu dadurch entstehenden Nutzens. Sie erscheint daher
geben. als völkerrechtlich verbindlicher Rahmen für eine
internationale Strategie zum Schutz der Wälder nicht
Es wäre demnach möglich, bei der Fortentwicklung geeignet.
der in der Konvention eingegangenen Verpflichtun-
gen auch Maßnahmen zum Schutz und zur nachhalti-
gen Bewirtschaftung der Wälder — etwa in einem Die Walderklärung
CO2 - oder Wald-Protokoll — festzuschreiben. Da der
institutionelle und vertragliche Rahmen eines solchen Die Walderklärung legt in nicht rechtsverbindlicher
Protokolls bereits existiert, könnte eine dera rtige Form allgemeine Grundsätze zur Bewirtschaftung,
Vereinbarung relativ schnell angegangen werden. Es zum Schutz und zur nachhaltigen Entwicklung der
ist allerdings einzuwenden, daß im Rahmen der Kli- Wälder aller Klimazonen fest. Dabei wurde erstmals
marahmenkonvention zunächst vor allem die Indu- die Bedeutung der Wälder als Grundlage für eine
striestaaten — als Hauptverursacher der Klimaände- nachhaltige Entwicklung der Länder einvernehmlich
rung — Maßnahmen ergreifen müssen. Schutzmaß- anerkannt. Im Vordergrund steht das souveräne Recht
nahmen in den Entwicklungs- und Schwellenländern der Staaten zur Nutzung ihrer Waldressourcen.
würden voraussichtlich erst mit erheblicher Verzöge-
rung durchsetzbar sein. Im übrigen muß die interna- Die formulierten Grundsätze gehen weit über den
tionale Klimapolitik vorrangig die Verminderung der Bereich der Waldnutzung hinaus und umfassen auch
klimawirksamen Spurengasemissionen zum Ziel ha- die Veränderung der wirtschaftlichen und sozialen
ben. Durch ein am Waldschutz orientiertes CO 2 Rahmenbedingungen (z. B. Veränderung der Produk-
-ProtkldeinWaolwürdesSch- tions- und Verbrauchsgewohnheiten, Armutsbe-
gewicht des Klimaschutzes zu sehr auf den Erhalt der kämpfung, Beseitigung waldschädigender Bestim-
biosphärischen Kohlenstoffsenke gelegt. mungen in der Steuer-, Handels-, Industrie- und
Verkehrspolitik).
Die Konzentration auf die Funktion der Wälder als
Kohlenstoffspeicher reicht darüber hinaus nicht aus, Als nicht rechtsverbindliches Dokument kann die
um ihren umfassenden Schutz zu gewährleisten. Walderklärung jedoch nur als ein erster, bescheidener
Waldschutz muß vielmehr alle Funktionen der Wälder Schritt in Richtung einer verpflichtenden Waldkon-
umfassen und ihre dauerhafte Erhaltung zum Ziel vention betrachtet werden und bedarf dringend der
haben (z. B. die biologische Vielfalt oder die Schutz- Fortentwicklung. Der Weg dazu wurde in der Präam-
und Nutzfunktionen). Vor diesem Hintergrund stellen bel der Erklärung, die eine Überprüfung und Verbes-
die Vereinbarungen der Klimarahmenkonvention serung der Wirksamkeit festschreibt, offengehalten.
keine ausreichende Basis für die Fortentwicklung
einer umfassenden international verbindlichen Wald-
schutzstrategie dar. Agenda 21

Das umfangreiche Aktionsprogramm Agenda 21 ent-


hält in Kapitel 11 einen breit angelegten Katalog von
Konvention zur Erhaltung der biologischen Vielfalt Handlungsfeldern gegen die fortschreitende Entwal-
dung und die Schädigung der Wälder. Dieser umfaßt
Ein Schwerpunkt der Konvention zur Erhaltung der sowohl Maßnahmen zur Entwicklung und Umsetzung
biologischen Vielfalt ist der Schutz natürlicher nachhaltiger Bewirtschaftungs- und Schutzkonzepte
Lebensräume. Hierunter fallen auch die Wälder. Es als auch zur effizienten und umweltverträglichen
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Verwendung von Holz und Nichtholzprodukten aus 7.7.2.1 Struktur der Konvention
Wäldern. Die Agenda 21 enthält darüber hinaus eine
überschlägige und ungeprüfte Ermittlung des Finanz- Im Bereich internationaler Abkommen im Umwelt-
bedarfs. Demnach werden die Kosten für die Umset- und Entwicklungsbereich wurde in den letzten Jahren
zung der Maßnahmen im Waldbereich im Zeitraum in wichtigen Bereichen ein zweistufiges Verfahren
1993 bis 2000 auf jährlich 2,5 Mrd. US-$, das heißt angewandt. In einem ersten Schritt erarbeitet man
insgesamt 20 Mrd. US-$, geschätzt. Ein Drittel davon eine Rahmenkonvention ohne länderspezifische Ver-
— also knapp 7 Mrd. US-$ — soll als Zuschüsse oder pflichtungen und in einem zweiten Schritt werden
Kredite von den Industrieländern aufgebracht wer- dann von den Vertragsstaaten konkrete Verpflichtun-
den. gen übernommen und in Protokollen verbindlich
festgeschrieben. Ein solcher Aufbau ist grundsätzlich
Die Agenda 21 ist kein völkerrechtliches Dokument.
auch für eine Internationale Waldkonvention denk-
Ihr Stellenwert wurde jedoch durch die Einrichtung
bar. Es ist jedoch zu bedenken, daß in vielen Regionen
der Kommission für nachhaltige Entwicklung („Com
die Waldvernichtung sehr bald zu einer dramatischen
mission on sustainable Development” — CSD), deren
Verringerung der Bestände führen wird. Außerdem
Aufgabe die Umsetzung und Fortentwicklung des
dauert es, aufgrund der langen Entwicklungszeit der
umfangreichen Handlungskatalogs ist, wesentlich
Wälder, oftmals Jahrzehnte, bis durchgeführte Maß-
erhöht. Inzwischen hat die CSD ein Arbeitsprogramm
nahmen im Waldbereich wirksam werden. Vor die-
verabschiedet, das für das Jahr 1995 eine Überprü-
sem Hintergrund ist die zügige Verabschiedung kon-
fung und Fortentwicklung der bisherigen Vereinba-
kreter Verpflichtungen dringend erforderlich. Sie
rung im Waldbereich vorsieht.
könnte durch das zweistufige Verfahren verzögert
werden.

Fazit Die Enquete-Kommission schlägt daher den Einstieg


in die Verhandlungen über eine Waldkonvention mit
Die UNCED hat lediglich Ansätze für eine internatio- hohen Anforderungen an die Vertragsstaaten vor.
nale Strategie zum Schutz der Wälder erbracht. In den Dies ist realistisch, da unverbindliche Grundlagen
völkerrechtlich verbindlichen Konventionen werden bereits in Form der Walderklärung und der Agenda 21
Maßnahmen zur Eindämmung der Entwaldung und vorliegen und sich zudem seit der Rio-Konferenz das
zum Schutz der Wälder nur am Rande behandelt. Die Interesse an einer Waldkonvention in einigen wichti-
Dokumente mit direktem Waldbezug (Agenda 21, gen Waldländern wesentlich vergrößert hat.
Kapitel 11 und Walderklärung) sind nicht rechtsver-
bindlich und weisen erhebliche Mängel auf. So fehlt
zum Beispiel eine Definition der nachhaltigen Wald- 7.7.2.2 Inhaltliche Eckpunkte
bewirtschaftung. Zudem steht der nationale Nut-
zungsanspruch gegenüber lokalen, regionalen und Eine Internationale Waldkonvention muß umfassend
globalen Schutzinteressen zu stark im Vordergrund. sein. Das heißt, sie muß den dauerhaften Erhalt aller
Nicht zuletzt sind auch die sehr vagen Aussagen über Waldfunktionen zum Ziel haben und Maßnahmen in
die gegenseitige finanzielle, technische und perso- den Bereichen Schutz und Bewirtschaftung der Wäl-
nelle Kooperation ein erheblicher Nachteil der Ver- der, Holzverwendung sowie Veränderung der wald-
einbarungen. Sie werden daher nicht zu einer spürba- schädigenden Rahmenbedingungen enthalten. Von
ren Entlastung der Wälder beitragen können. In ihnen entscheidender Bedeutung sind zudem verbindliche
ist jedoch die Überprüfung und Fortentwicklung der Festlegungen im Bereich der finanziellen, techni-
Vereinbarungen festgeschrieben. Auf dieser Basis schen und fachlichen Zusammenarbeit. Darüber hin-
kann eine verbindliche Waldkonvention ausgearbei- aus muß die Konvention die Bedürfnisse und Nut-
tet werden (Müller-Kraenner 1994). Als Verhand- zungsrechte der waldabhängigen lokalen Bevölke-
lungsgremium bietet sich zunächst die UN-Kommis- rung berücksichtigen und deren frühzeitige und mit-
sion für nachhaltige Entwicklung (CSD) an. entscheidende Beteiligung bei der Waldnutzungspla-
nung regeln.

7.7.2 Empfehlungen der Enquete-Kommission Aus dieser Aufgabenstellung heraus ergibt sich ein
zur Ausarbeitung und Verabschiedung breites Spektrum an allgemeinen Grundsätzen sowie
einer Internationalen Konvention zum Schutz konkreten Verpflichtungen der Vertragsstaaten, die
der Wälder im folgenden dargestellt werden sollen.
-

Die Enquete-Kommission forde rt die Bundesregie-


rung auf, sich auf der EU- und der internationalen Allgemeine Grundsätze und Ziele
Ebene mit Nachdruck für das Zustandekommen einer
völkerrechtlich verbindlichen Internationalen Kon- Die in der Agenda 21 und der Walderklärung verein-
vention zum Schutz der Wälder einzusetzen. Diese soll barten allgemeinen Ziele müssen in einer Internatio-
im Rahmen der Beratungen der CSD zum Themenbe- nalen Waldkonvention aufgegriffen und weiterent-
reich Wälder im Jahr 1995 ausgearbeitet werden. wickelt werden. Dabei ist die Anerkennung und die
Angesichts der Wahl von Bundesumweltminister Töp- Verpflichtung zum Schutz der vielfältigen Funktionen
fer zum Vorsitzenden der UN-Kommission ergeben und Leistungen der Wälder auf lokaler, regionaler und
sich hier erhebliche Einflußmöglichkeiten, die von der globaler Ebene als verbindliche Grundlage für alle
Bundesregierung zu nutzen sind. Vertragsstaaten der Konvention zu vereinbaren. Auf
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

dieser Basis sind folgenden allgemeinverbindliche Konkrete Verpflichtungen


Verpflichtungen für die Vertragsstaaten festzule-
gen: Die oben aufgeführten allgemeinen Grundsätze und
Ziele sind im Rahmen konkreter Verpflichtungen der
— Schutz von Primärwäldern und anderen ökolo- Vertragsstaaten fortzuentwickeln. Um möglichst vie-
gisch besonders wertvollen Gebieten durch Aus- len Ländern den Beitritt zur Konvention und damit die
weisung von Biosphären-Reservaten und Schutz- Übernahme von Verpflichtungen zu ermöglichen, ist
zonen sowie Anwendung besonders schonender ein System von Anreizen zu schaffen. Dazu sind
Nutzungsformen. verpflichtende Bestimmungen über die finanzielle
Unterstützung bei Projekten zum Schutz des Waldes
Sicherung der Lebensräume und Rechte der in den
erforderlich. Außerdem sind nachprüfbare und an den
und von den Wäldern lebenden Bevölkerung,
jeweiligen ökologischen, ökonomischen und sozialen
insbesondere der indigenen Gesellschaften.
Bedingungen angepaßte Kriterien und Indikatoren für
— Einführung und Fortentwicklung nachhaltiger die nachhaltige Waldbewirtschaftung festzuschrei-
Bewirtschaftungsmethoden auf der Basis der Defi- ben. Als dritter Punkt sind Festlegungen über zu
nition der Ministerkonferenz zum Schutz der Wäl- erstellende nationale Waldschutzberichte zu treffen.
der in Europa (Kap. 7.2). Die Nachhaltigkeit ist Einzelheiten sollen im folgenden vorgeschlagen wer-
dabei nicht nur bestandesweise, sondern anhand den.
der jeweiligen nationalen waldwirtschaftlichen
Verhältnisse zu beurteilen (z. B. Verhältnis ge-
schützter zu bewirtschafteter Fläche, Gesamtwald- Finanzierung
fläche, Vernichtungsraten, Aufforstungsraten).
Die Sicherung der Finanzierung von in einer Wald-
Durchführung von Maßnahmen zur Wiederauffor- konvention festgeschriebenen Maßnahmen ist über
stung und Neuaufforstung mit den Zielen, die die Globale Umweltfazilität (GEF) zu gewährleisten.
ökologischen und ökonomischen Lebensbedin- Dazu ist innerhalb der GEF, über die bisherigen
gungen der lokalen Bevölkerung zu verbessern, Sektoren Artenschutz und Klimaschutz hinaus, ein
die Waldfläche zumindest zu erhalten und die Wald-Sektor einzurichten, in den jene Vertragsstaa-
Einbindung atmosphärischen Kohlendioxids in der ten einzahlen, deren Bruttoinlandsprodukt je Einwoh-
Biosphäre zu erhöhen. ner und Jahr über 10 000 US-Dollar liegt. Dazu ist eine
Beseitigung waldgefährdender Rahmenbedin- feste Zahlungsverpflichtung in Höhe eines festzule-
gungen durch eine Wirtschafts-, Verkehrs- und genden Promille-Satzes des nationalen Bruttosozial-
produktes zu vereinbaren, der — entsprechend dem
Entwicklungspolitik, die Schadstoffeinträge mini-
miert und Raubbau verhindert und so dem Wald- Verursacherprinzip — je nach pro-Kopf-Verbrauch
(inklusive Importe) bzw. Exportmenge von Holz und
schutz Rechnung trägt.
Holzprodukten (in Rohholzäquivalenten) einen Zu-
Maßnahmen zur effizienten und umweltgerechten oder Abschlag erhält.
Holzverwendung und zum sparsamen Umgang vor
Leistungen der Geberländer im Rahmen der bilatera-
allem mit kurzlebigen Holzprodukten. Dabei ist
len Zusammenarbeit im Waldbereich sind, sofern sie
die Verarbeitung des Holzes in den Ursprungslän-
den Zielsetzungen der Waldkonvention entsprechen,
dern zu fördern; Zollschranken und Handels-
höchstens zu einem Drittel auf die Einzahlungen in
hemmnisse für höherwertige und nachhaltig
den Wald-Sektor anzurechnen.
erzeugte Forstprodukte sollen beseitigt werden.
Die absolute Höhe der nationalen Einzahlungen ist
— Im Zuge der engen internationalen Zusammenar- abhängig vom erforderlichen Gesamtvolumen des
beit muß der Zugang der Entwicklungsländer und Waldfonds. Dieses sollte sich zunächst nach dem in
der Länder im wirtschaftlichem Übergang zu der Agenda 21 ermittelten Finanzierungsbedarf rich-
zusätzlichen Finanzmitteln, ökologisch tragfähi- ten und entsprechend rund 7 Mrd. US-$ für den
gen Technologien und entsprechenden Fach- Zeitraum bis zum Jahr 2000 betragen. Die künftige
kenntnissen gewährleistet werden. Ausstattung des Wald-Sektors ist nach dieser ersten
Phase durch die Vertragsstaatenkonferenz zu prü-
Von allen Vertragsstaaten sind möglichst umge-
fen.
hend nationale Berichte über die Situation der
Wälder und der Waldbewirtschaftung sowie über Die Finanzmittel aus dem Wald-Sektor sollten allen
durchgeführte bzw. geplante Maßnahmen zur Teilnehmerstaaten zur Verfügung stehen, deren Brut-
Umsetzung der in der Waldkonvention veranker- toinlandsprodukt pro Einwohner und Jahr 4 000 US-$
ten Ziele und Verpflichtungen zu erstellen. Diese nicht überschreitet. Dabei sind auch Maßnahmen zur
Berichte sind der Vertragsstaatenkonferenz (bzw. Bekämpfung der Desertifikation zu berücksichtigen.
dem Exekutiv-Kommitee) vorzulegen und nach Der soeben fertiggestellte Entwurf einer Wüstenkon-
jeweils acht Jahren zu überarbeiten. Die methodi- vention (UN-Desertification Convention) sollte im
sche und inhaltliche Ausgestaltung der nationalen Zusammenhang mit einer Internationalen Waldkon-
Berichte sowie Möglichkeiten der internationalen vention verhandelt werden. Denn die Erhaltung einer
Kooperation bei ihrer Erstellung müssen in der möglichst geschlossenen Vegetation, das heißt auch
Waldkonvention klar geregelt werden, um eine und vor allem der Schutz der Wälder, stellt den besten
rasche Erarbeitung und die Vergleichbarkeit der Schutz gegen Wüstenausbreitung dar. Deshalb liegt
Berichte zu gewährleisten. es auf der Hand, daß eine Wüstenkonvention nicht
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
isoliert gesehen werden kann, sondern im Zusammen- Aufstellung von nationalen Waldschutzplänen
hang mit der Waldkonvention behandelt werden muß.
Dies umfaßt auch Fragen der Finanzierung. Waldschutzpläne müssen das zentrale Instrument zur
Umsetzung der Waldkonvention auf nationaler Ebene
Die Vergabe der Mittel soll nach drei Gesichtspunkten sein. Ihre Aufstellung ist dabei von den Regierungen
erfolgen: der Vertragsstaaten zu veranlassen. Inhalt und Aus-
gestaltung der Waldschutzpläne müssen jedoch in der
Grundsätzlich können nur Teilnehmerstaaten, die
Waldkonvention klar geregelt sein. Sie müssen dar-
sich zu einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung
über Aufschluß geben, wie die Grundsätze einer
durch Vorlage eines Waldschutzplanes und ent-
nachhaltigen Bewi rt schaftung der Wälder im betref-
sprechende Erklärungen verpflichtet haben, Fi-
fenden Land umgesetzt werden. Dabei sind insbeson-
nanzmittel erhalten.
dere die Flächenanteile festzulegen, die einerseits für
Voraussetzung für die Mittelvergabe an die Teil- die Einrichtung von Waldreservaten vorgesehen sind,
nehmerstaaten ist die Vorlage eines Projektes, das andererseits bei der Nutzung von Primärwäldern eine
den in der Konvention vereinbarten Zielsetzungen Rolle spielen. Insgesamt ist eine den Vereinbarungen
entspricht. der Konvention entsprechende waldbezogene Land-
nutzungsplanung aufzustellen, die auch Zielvorgaben
Neben der Umweltverträglichkeit muß auch die für die Eindämmung der Entwaldung enthalten muß.
Sozialverträglichkeit eines Projektes sichergestellt Darüber hinaus müssen Waldschutzpläne auch Maß-
sein, das heißt die Einbindung der einheimischen nahmen außerhalb des Forstsektors enthalten, die zu
Bevölkerung, für die der Wald die Existenzgrund- einer Verbesserung der Waldentwicklung und zur
lage ist. Absicherung der Nachhaltigkeit erforderlich sind
(z. B. Verminderung des Nutzungsdrucks auf Primär-
Dadurch würden finanzielle Anreize zur Aufstellung wälder, Reduzierung des Schadstoffeintrags). Ob-
von nationalen Waldschutzplänen geschaffen. Diese gleich mit der Erstellung von Waldschutzplänen aus-
Vorgehensweise wird der nationalen Souveränität der schließlich für die Empfängerländer durch Mittelver-
Staaten gerecht und dürft daher auf wesentlich brei- gabe aus dem einzurichtenden GEF-Wald-Sektor
tere Akzeptanz stoßen als eine Verpflichtung aller Vorteile verbunden sind, sollten auch die Geberlän-
Vertragsstaaten zur Aufstellung von Waldschutzplä- der sich ihrerseits verpflichten, Waldschutzpläne zu
nen. Ein bevorzugtes Finanzierungsverfahren für erstellen.
Länder mit einem anerkannten Waldschutzplan
kann durch folgende Merkmale gekennzeichnet Im einzelnen sollen Waldschutzpläne Maßnahmen
sein: nach folgenden Kategorien umfassen, wobei der
jeweilige Finanzbedarf zu ermitteln ist:
— Alle Projekte, die im Waldschutzplan enthalten
Maßnahmen zugunsten von Waldreservaten,
sind, werden prinzipiell als förderungswürdig ein-
gestuft. Maßnahmen zur Erhaltung und ökologisch ange-
paßten Nutzung von Primärwäldern,
Für Länder mit bevorzugtem Finanzierungsverfah-
ren wird auch die Ablösung internationaler Schul- sonstige Maßnahmen zur umweltschonenden
dentitel durchgeführt. Dabei können Schuldentitel Waldnutzung und Verbesserung der forstwirt-
kostenlos vom Wald-Sektor abgelöst werden, schaftlichen Methoden,
wenn sich das betreffende Land dazu verpflichtet, nichtforstliche Maßnahmen zur Verminderung des
einen bestimmten Prozentsatz des Schuldenbetra- Landnutzungsdruckes auf den Wald einschließlich
ges als Eigenmittel bei der Finanzierung von der Verbesserung der Energieversorgung,
Waldschutzprojekten im Rahmen des Waldschutz-
plans einzusetzen. Aufforstungsmaßnahmen, auch außerhalb der bis-
herigen Waldflächen.
Wenn die Mittel des Wald-Sektors nicht ausrei-
chen, um die vorgelegten und positiv begutachte- Des weiteren sollen die Waldschutzpläne Aussagen
ten Projekte zu finanzieren, sollen Länder mit über die für den Waldschutz und die Waldpflege
einem Waldschutzplan bevorzugt werden. notwendigen rechtlichen, politischen und infrastruk-
turellen Rahmenbedingungen enthalten und den
Es sollen über den Wald-Sektor hinaus Finanz- gegenwärtigen Stand skizzieren.
quellen für Länder mit einem Waldschutzplan
Die Waldschutzpläne sind unter frühzeitiger und -
eröffnet werden. Dies könnte zum Beispiel durch
umfassender Beteiligung der lokalen Bevölkerung
die Übernahme von Ausfallbürgschaften für Di-
und der Nichtregierungsorganisationen zu erstellen
rektinvestitionen in Entwicklungsländern erreicht
und müssen deren eigenständige und mitverantwort-
werden. Auch könnten Leistungen der Geberlän-
liche Position auch bei der Umsetzung der einzelnen
der im Rahmen der bilateralen Zusammenarbeit
Projekte sicherstellen.
mit Staaten, die über einen Waldschutzplan verfü-
gen, in stärkerem Maße auf den in den Wald In den Tropenwaldländern können Tropenforstak-
Sektor einzuzahlenden Betrag angerechnet wer- tionspläne nur dann die Grundlage zur Erstellung von
den (z. B. statt zu einem zu zwei Dritteln). Dadurch Waldschutzplänen darstellen, wenn sie in Tropen-
würde die bilaterale Zusammenarbeit mit die- waldschutzpläne umgewandelt worden sind (vgl.
sen Staaten für die Geberländer besonders attrak- Kap. 7.5.1.1). In den außertropischen Ländern sind
tiv. Waldschutzpläne neu zu erstellen. Es ist anzustreben,
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

die Waldschutzpläne alle acht Jahre zu überarbeiten die Berücksichtigung und Einbeziehung anderer
und parallel zu den im Rahmen der Konvention zu Nutzungsinteressen, insbesondere der lokalen
erarbeitenden nationalen Waldschutzberichten vor- Bevölkerung, in die Waldnutzungsplanung.
zulegen.
Diese Kriterien sind mit Mindestforderungen in Ver-
bindung zu bringen, um nachhaltige Waldbewirt-
schaftung konkret abgrenzen zu können. Es sollte
Einrichtung eines Exekutiv-Komitees zum Beispiel angestrebt werden, einen erheblichen
Teil der Primärwälder in einem Land als Waldreservat
Parallel zur Struktur der Organe in der Klimarahmen- auszuweisen. In Ländern mit nur noch geringen
konvention und der Konvention zum Schutz der Primärwaldgebieten und hohen Primärwaldvernich-
biologischen Vielfalt könnte auch im Rahmen der tungsraten sollte sich die Reservatsfläche deutlich —
Waldkonvention ein Exekutiv-Komitee eingesetzt bis hin zum vollständigen Schutz der Primärwaldreste
werden. Dieses soll für alle mit der Finanzierung, der — erhöhen. In Ländern ohne Primärwälder sind min-
Genehmigung von Waldschutzplänen und der erfor- destens 10 % der Waldfläche als Rese rv at auszuwei-
derlichen Kontrolle zusammenhängenden Maßnah- sen. Ferner ist als Zielvorstellung anzustreben, daß
men zuständig sein. Es soll paritätisch mit Vertretern Waldreservate und naturnahe Wälder zusammen den
der Geber- und Empfängerländer sowie mit unabhän- überwiegenden Teil der Waldfläche ausmachen.
gigen Fachexperten besetzt werden. Das Exekutiv
Komitee setzt für Ländergruppen oder Regionen
Regionale Waldkomitees ein, deren Mitglieder nach
den gleichen Grundsätzen und im Einvernehmen mit
den betroffenen Ländern bestellt werden. Aufgabe Förderung des Absatzes für Holz und Holzprodukte
der Regionalen Waldkomitees soll die Unterstützung aus nachhaltiger Erzeugung
und Begutachtung von Waldschutz- und Waldverbes-
serungsmaßnahmen sowie der Waldschutzpläne sein.
Dabei ist neben der Umwelt- und Waldverträglichkeit Wie in anderen Wirtschaftsbereichen spiegeln sich
vor allem die Akzeptanz der Maßnahmen in der auch im Forst- und Holzsektor die externen Kosten
lokalen Bevölkerung sowie deren Einbeziehung in die nicht im Preisniveau wider. So gewinnen nicht-nach-
Planung und Umsetzung der einzelnen Projekte zu haltig erzeugte Hölzer Marktvorteile gegenüber den
betrachten. nachhaltig gewonnenen und deshalb teureren Pro-
dukten. Dieser Sachverhalt ist mit dafür verantwort-
lich, daß einerseits immer größere Waldflächen auf
nicht-nachhaltige Weise eingeschlagen werden und
Festlegung nachprüfbarer Kriterien und Indikatoren daß nachhaltig wirtschaftende Betriebe häufig keine
für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung ausreichende Kostendeckung erreichen. Um dieser
Situation entgegenzuwirken, müssen in einer Wald-
Eine Waldkonvention muß den Begriff der Nachhalti- konvention Maßnahmen zur Stützung und Förderung
gen Waldbewirtschaftung auf der Basis der Resolutio- des Absatzes nachhaltig erzeugter Holzprodukte ent-
nen der Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in wickelt und festgeschrieben werden. Im einzelnen
Europa klar definieren und darüber hinaus praxis- sind die folgenden Vereinbarungen erforderlich:
orientierte und nachprüfbare Kriterien und Indikato-
ren für die nachhaltige Waldbewirtschaftung fest- — Kennzeichnung nachhaltig erzeugter Hölzer und
schreiben. Dies gilt zum Beispiel für Holzprodukte; dabei sind die oben genannten
Kriterien als Beurteilungsgrundlage heranzuzie-
— die Anwendung möglichst schonender Nutzungs- hen.
methoden in allen Klimazonen,
— Verteuerung nicht-nachhaltig erzeugter Hölzer
— eine ökologisch verträgliche Nutzungsintensität, und Holzprodukte durch Einführung einer Import-
— die Aufrechterhaltung der Nährstoffkreisläufe abgabe in Höhe von 20 % des Marktwertes. Das
sowie die Sicherung der Naturverjüngung und daraus resultierende Finanzaufkommen soll als
zusätzliche Einzahlung in den Internationalen
— die Erhaltung der Artenvielfalt und des spe- Wald-Sektor der GEF dem Aufbau einer nachhal-
zifischen Charakters der jeweiligen Waldöko- tigen Waldbewirtschaftung vor allem in den Tro--
systeme. penländern zugute kommen.

Es ist darüber hinaus jedoch dringend erforderlich, Über diese international zu vereinbarenden Regelun-
Kriterien zur Bewertung der nachhaltigen Waldbe- gen hinaus sollen die Vertragsstaaten sich verpflich-
handlung für die nationale Ebene festzulegen. Hier- ten, auf nationaler Ebene Maßnahmen zur Verbesse-
unter sind zum Beispiel zu verstehen: rung der Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig erzeugter
Holzprodukte durchzuführen.
das Ausmaß von Waldreservaten sowie Ausmaß
und Zustand von Wäldern, die eine besonders
pflegliche, bodenschonende und artenerhaltende Die Festschreibung ökologischen Produktionsstan-
Bewirtschaftung erfahren (naturnahe Wälder), dards in der Wald- und Holzwirtschaft kann wichtige
Impulse für die Weiterentwicklung der Vereinbarun-
— das Ausmaß von Waldverlusten, gen im Rahmen des GATT/WTO geben.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

Aufforstungsmaßnahmen 7.7.2.3 Zeitplan für die Verabschiedung einer


Internationalen Waldkonvention

Die Waldkonvention muß eine erhebliche Auswei- Auf der Basis der von der UNCED verabschiedeten
tung der weltweiten Aufforstungsbemühungen 4 ) ver- Dokumente muß die Ausarbeitung einer Internationa-
bindlich festschreiben. Diese müssen mit den Zielen len Waldkonvention umgehend erfolgen. Die En-
durchgeführt werden, die natürlichen Lebensbedin- quete-Kommission erwartet daher von der Bundesre-
gungen der lokalen Bevölkerung und ihre Versor- gierung eine entsprechende Initiative auf europäi-
gungs- (z. B. Brennholz, Nahrungsmittel) und Ein- scher und globaler Ebene. Sie soll im Rahmen des
kommensmöglichkeiten zu verbessern sowie die Ein- Follow-Up-Prozesses von Rio unmittelbar in vorberei-
bindung von atmosphärischem CO 2 in den Wäldern zu tende bilaterale Gespräche mit den Staaten der Euro-
erhöhen. Die Vertragsstaaten sollten sich zur Anlage päischen Union sowie anderen wichtigen Waldlän-
von Aufforstungen in einem Umfang verpflichten, der dern treten und auf dieser Basis einen Entwurf für
anhand der folgenden Indikatoren festzulegen ist: einen Vertragstext erarbeiten. Dieser ist möglichst
bereits in die Beratungen der CSD, die unter dem
— Nationale CO 2 -Emission Vorsitz von Bundesumweltminister Töpfer im kom-
menden Jahr über eine Fortentwicklung der bisheri-
— Anteil der Waldfläche an der jeweiligen Landesflä- gen Vereinbarungen im Waldbereich berät, einzu-
che, wobei natürlicherweise unbewaldete Gebiete bringen. Minimalziel der Beratungen muß, — sofern
(Wüsten, Steppen, Tundren, Hochgebirge, Was- die Konvention nicht im Rahmen der CSD-Beratung
serflächen etc.) abzuziehen sind. verabschiedet werden kann — die Einsetzung eines
Verhandlungsgremiums zur Ausarbeitung der Wald-
— Waldflächenentwicklung in den zurückliegenden konvention sein, dem neben Regierungsvertretern
20 Jahren auch Vertreter von Nichtregierungsorganisationen
angehören. Dazu sind von der CSD inhaltliche und
zeitliche Vorgaben zu machen, die eine Verabschie-
Zwar kann die grundsätzliche Verpflichtung zur
dung der Konvention spätestens im Jahr 1996 sicher-
Durchführung von Aufforstungen auch im Rahmen
stellen.
der Umsetzung der Klimarahmenkonvention in einem
CO 2 -Protokoll vereinbart werden. Die Umsetzung
dieser Verpflichtung sollte jedoch, da sie unmittelbar
mit den Fragen der Waldnutzung und des Waldschut- 7.8 Forschungsempfehlungen
zes in Zusammenhang steht, in einer Waldkonvention
festgelegt werden. Damit wäre gleichzeitig gewähr- Die Enquete-Kommission sieht in den folgenden
leistet, daß eine internationale Aufforstungsstrategie Bereichen offene Fragen, die durch nationale und
nicht zu einseitig auf die Kohlenstoffeinbindung in internationale Forschungsanstrengungen zu klären
Wäldern ausgerichtet wird, sondern den vielfältigen sind.
Funktionen und Leistungen der Wälder Rechnung
trägt. — Aktueller Waldbestand und globale Waldflächen
entwicklung in den verschiedenen Klimazonen

Wie in Kap. 7.5.2.6 näher erläutert, sind allein für die — Waldökologie und Stoffhaushalt der Wälder sowie
Aufforstungen in Tropenländern jährlich 2 Mrd. US-$ Auswirkungen künftiger Klimaänderungen
aufzubringen. Diese Finanzmittel sollen Bestandteil
des einzurichtenden GEF-Wald-Sektors sein und in — Waldwirtschaftliche Möglichkeiten zur Eindäm
Zusammenarbeit mit dem Exekutiv-Komitee der mung des anthropogenen Treibhauseffektes
Waldkonvention verwaltet werden. Über die bereitzu- — Ökonomische Bewertung der vielfältigen Leistun-
stellenden Finanzmittel hinaus sind in einer Waldkon- gen der Wälder
vention weitere grundsätzliche Fragen einer interna-
tionalen Aufforstungsstrategie zu klären. So ist vor — Effiziente und sparsame Holzverwendung.
allem festzulegen, ob und in welcher Form Vertrags-
staaten Teile ihre Aufforstungsverpflichtung in ande-
ren Ländern realisieren können und in wieweit 7.8.1 Aktueller Waldbestand und globale
Zuschüsse und Kredite der Geberländer zu Auffor- Waldflächenentwicklung in den verschiedenen
stungsmaßnahmen im Rahmen der bilateralen Zu- Klimazonen
sammenarbeit auf die Einzahlungen in den GEF- -
Wald-Sektor angerechnet werden. Darüber hinaus ist
Über die globale Waldfläche sowie die regionale
sicherzustellen, daß alle Aufforstungsmaßnahmen in
Verteilung der verschiedenen Waldtypen bestehen
umweltverträglicher Form, mit standortgerechten
bislang erhebliche Unsicherheiten. Fehlende oder
Baumarten und unter Einbeziehung der lokalen
lückenhafte Satellitendaten sowie unterschiedliche
Bevölkerung und der Nichtregierungsorganisationen
Wald-Definitionen und zum Teil gravierende Unsi-
durchgeführt werden.
cherheiten in den nationalen Waldstatistiken er-
schweren bislang eine systematische Aufnahme der
4) Unter Aufforstung wird im folgenden insbesondere die Neu-
Waldbestände sowie die Ermittlung der Waldflächen-
aufforstung lange Zeit unbestockter ehemaliger Waldflächen
verstanden. Die Wiederaufforstung der eingeschlagenen entwicklung. Vor diesem Hintergrund sind For-
Waldflächen ist dagegen über die Sicherung nachhaltiger schungsvorhaben in folgenden Bereichen durchzu-
Bewirtschaftungsmethoden zu gewährleisten. führen:
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Verbesserung der Methoden der Waldinventur mit Verbesserung von nationalen Landnutzungsmo-
Hilfe von Satellitenaufnahmen sowie methodische dellen unter Einbeziehung des voraussichtlichen
Angleichung der nationalen Waldflächenerhebun- Bedarfs an landwirtschaftlichen Flächen und der
gen; potentiell nutzbaren Landflächen. Insbesondere
muß der Einfluß der Randbedingungen (z. B.
Entwicklung von Verfahren zur Vegetationskartie-
Bevölkerungswachstum, landwirtschaftliche Pro-
rung und Erfassung von Landnutzungsänderun-
duktivität, Brennholzbedarf etc.) auf den Landnut-
gen durch Satellitenaufnahmen;
zungswandel in den Modellen berücksichtigt wer-
— Entwicklung von Methoden zur Überwachung von den, damit quantitative Aussagen über die Mög-
Aufforstungsbeständen und Naturverjüngungsflä- lichkeiten und Grenzen forstwirtschaftlicher CO 2
chen. -Minderugstamölichwerdn.

Ermittlung des heutigen und zukünftigen Poten-


tials geeigneter Aufforstungsflächen unter Berück-
7.8.2 Waldökologie und Stoffhaushalt der Wälder sichtigung der ökonomischen, sozialen und demo-
sowie Auswirkungen künftiger graphischen Entwicklung.
Klimaänderungen
Entwicklung von nachhaltigen Bewirtschaftungs-
Trotz erheblicher Fortschritte im Bereich der Wald- methoden, die die CO 2 -Einbindung in den Wirt-
ökosystemforschung bestehen noch weitreichende schaftswäldern erhöhen. Dabei ist sowohl der Koh-
Unsicherheiten über die in Wäldern ablaufenden, lenstoff in der lebenden Biomasse als auch der
ökologischen Prozesse. Eine Erweiterung des diesbe- Einfluß der Bewirtschaftung auf den bodengebun-
züglichen Wissensstandes ist dringend erforderlich, den Kohlenstoffpool zu betrachten.
um die komplexen Zusammenhänge zwischen den
Wäldern und dem Klima analysieren und Modelle zur
Prognose der Waldökosystem-Entwicklung entwik-
keln zu können. Darüber hinaus liefert die Waldöko- 7.8.4 Ökonomische Bewertung der vielfältigen
systemforschung die ökologischen Grundlagen zur Leistungen der Wälder
Fortentwicklung nachhaltiger Nutzungs- und wirksa-
mer Schutzkonzepte. Eine Vielzahl unersetzlicher Funktionen der Wälder
können bislang nicht monetär bewertet werden.
In diesem Bereich sieht die Enquete-Kommission die Nichtholzprodukte sowie die unersetzlichen Schutz-
folgenden Forschungsaufgaben als vorrangig an: funktionen der Wälder werden dadurch oftmals als
Erhebung von Basisdaten über den Biomassezu- nachrangig angesehen. Die Enquete-Kommission
wachs und Untersuchungen der Stoffkreisläufe sieht es als erforderlich an, die Bestrebungen zur
(insbesondere Kohlenstoff und Stickstoff) in Wald- ökonomischen Bewertung der sozialen und ökologi-
ökosystemen in allen Klimazonen, wobei vor allem schen Leistungen der Wälder zu verstärken. Dadurch
deren Senken- und Quellfunktion für klimarele- würde nicht nur dem Schutzgedanken Rechnung
vante Spurengase (insbesondere Kohlenstoff- und getragen, sondern gleichzeitig die Basis geschaffen,
Stickstoffverbindungen) sowie deren Stickstoff- die vielfältigen ökologischen und sozialen Leistungen
rückhaltekapazität (insbesondere Nitrat) zu be- der nachhaltigen Waldwirtschaft angemessen zu ver-
rücksichtigen sind. güten.

Entwicklung von Simulationsmodellen, die die


zukünftige Entwicklung von Waldökosystemen für
bestimmte Szenarien der Klimaveränderung, der 7.8.5 Effiziente und sparsame Holzverwendung
Stoffeinträge, des Waldzustands und der Standort-
bedingungen prognostizieren. Die Enquete-Kommission sieht in der Förderung einer
sparsamen und effizienten Holzverwendung eine vor-
Besonders wichtig ist dabei die Stärkung der For-
dringliche Aufgabe. Ein Ziel muß dabei die Vermin-
schung zur Ökologie tropischer Wälder durch Zusam-
derung des Einsatzes von Holz zur Fertigung kurzle-
menarbeit deutscher Forschungsinstitute mit denen
biger Produkte sein. Dazu bedarf es insbesondere
der tropischen Waldländer.
umweltschonender und effizienter Technologien im
Bereich der Papier- und Zellstoffherstellung und der
Wiederverwendung von Papier. Die Forschungsan- -
7.8.3 Waldwirtschaftliche Möglichkeiten zur strengungen auf diesem Gebiet sollten entsprechend
Eindämmung des anthropogenen verstärkt werden.
Treibhauseffektes
Darüber hinaus ist die Verminderung des Brennholz-
Die waldwirtschaftlichen Möglichkeiten zur Vermin- bedarfs in vielen Tropenregionen dringend erforder-
derung des CO 2 -Anstiegs in der Atmosphäre sind lich. Dazu sind an die Bedürfnisse der Benutzung
bislang nur mit großen Unsicherheiten zu quantifizie- angepaßte Herde — möglichst auf Basis von Solar-
ren. Um zu einer realistischen Einschätzung des energie — fortzuentwickeln. Parallel dazu müssen
möglichen Beitrags der Waldwirtschaft im Rahmen angepaßte Konzepte zur Erhöhung der Akzeptanz bei
einer sektorübergreifenden globalen Klimaschutz der betroffenen Bevölkerung entwickelt werden, um
strategie zu gelangen, sind die folgenden Forschungs- die Einführung der neuen Technologien großflächig
aufgaben anzugehen. zu ermöglichen.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

5. Literaturverzeichnis Abschnitt C

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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

Anhang

1. Glossar

abiogen; abiotisch Aminosäure


ohne Leben, leblos, aus unbelebten Material organische Säure, bei der ein Wasserstoffatom durch eine
Aminogruppe erstzt ist (wichtiger Baustein der Eiweißkör-
Absorption von Strahlung per).
Aufnahme von Strahlungsenergie durch einen festen Körper,
eine Flüssigkeit oder ein Gas; hierbei wird die Energie aufge- anaerob
nommen und in eine andere Energieform, meist in Wärme, Unter Luftabschluß, z. B. im Wasser.
umgewandelt
Anion
Acetat negativ geladenes —> Ion
Kurzbezeichnung für Celluloseacetat, Salz der Essigsäure,
-> Cellulose annuell
einjährig (bei Pflanzen)
Acetogenese
Acetatbildung (—.Acetat) anorganisch
(1) zum unbelebten Bereich der Natur gehörend, ihn betref-
Acetylen
fend
Säurerest der Essigsäure
(2) ohne Mitwirkung von Lebewesen entstanden
Advektion
in waagerechter Richtung erfolgende Zufuhr von Luftmassen anoxisch
bzw. von Wassermassen in den Weltmeeren; Gegensatz zu ohne Anwesenheit von Sauerstoff;
-> Konvektion
antagonistisch
advektiv gegensätzlich, in einem nicht auszugleichenden Widerspruch
durch Advektion herbeigeführt stehend

Aerenchym anthropogen
luftführender -> Interzellularraum bei Wasser- und Sumpfpflan- [griech. anthropos = Mensch und griech. genes = hervorbrin-
zen gend, hervorgebracht]; Durch menschliche Einwirkungen ver-
ursacht oder ausgelöst.
aerob
Sauerstoff zum Leben brauchend; bei Anwesenheit von Sauer- äquivalent
stoff gleichwertig

Aerosol Arid
Feste oder flüssige Teilchen in der Luft, außer Wasser- und Trockenes Klima mit weniger als drei feuchten Monaten pro
Eispartikeln, im Größenbereich zwischen 0,1 und 100 µm. Jahr.

Aggregatzustand, Aggregatstabilität Arthropoden


Erscheinungsform eines Stoffes (fest, flüssig, gasförmig) Gliederfüßler
Agrarökosystem
Assimilation
-> Ökosystem der Landwirtschaft
die Bildung von Kohlenhydraten aus dem CO2 der Luft und aus
Agroforstwirtschaft (Agroforestry) Wasser unter dem Einfluß des Lichtes, wobei Sauerstoff abge-
In ein landwirtschaftliches Betriebssystem integrierte Form des geben wird, -> Photosynthese.
plantagenmäßigen Anbaus von Bäumen zur Erzeugung von
Holz und anderen Walderzeugnissen bzw. ein Bet riebssystem Assimilatproduktion
mit ökologisch, technisch und ökonomisch nachhaltig integrier- —> Assimilation
tem Anbau von Bäumen gemeinsam mit landwirtschaftlichen
Astenosphäre
Nutzpflanzen oder Weiden.
Fließzone des oberen Erdmantels
Akkumulation
Anhäufung, Speicherung, Ansammlung Ästuar
Trichterförmige Flußmündung
Albedo
(Reflexionsvermögen), Verhältnis von reflektierter zu einfallen- asymbiontisch
der Strahlung in einem bestimmten Wellenlängenbereich, freilebend, nicht in -> Symbiose lebend
angegeben für eine bestimmte Oberfläche (z. B. Meeresoberflä-
che, Schnee oder das System Erde/Atmosphäre als Ganzes). Atmosphäre
[griech. atmos = Dunst, Dampf und , griech sphaira = (Erd)Ku-
alkalisch gel]
-> basisch; wäßrige Lösung mit pH -Wert > 7 Die gasförmige Hülle eines Himmelskörpers, speziell die Luft-
hülle der Erde, gegliedert in -Troposphäre, —Stratosphäre
Allokation und weitere höhere Atmosphärenschichten.
Zuweisung von Produktionsfaktoren, Rohstoffen und Zwischen-
erzeugnissen zu von Produzenten ausgeführten Produktions- autochthon
prozessen an Ort und Stelle entstanden
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Basen Bodenalbedo
anorg. oder org. Verbindungen, die in wäßriger Lösung Hy- —Albedo
droxyl-Ionen (OH-) erzeugen und den pH-Wert der Lösung
Bodenatmung
anheben (—alkalische Reaktion)
CO2- Bildung im Boden durch Atmungsvorgänge von Bodenle-
basisch bewesen, Pflanzenwurzeln etc.
wie eine —Base verhaltend
Bodenerosion
Bestandesabfallauflage die durch die Tätigkeit des Menschen über das natürliche Maß
auf dem Boden aufliegendes abgestorbenes organisches Mate- hinaus gesteigerte Abtragung v.a. des landwirtschaftlich
rial (Blätter, Pflanzenteile, tote Tiere etc.) genutzten Bodens durch Wasser und Wind. Hauptursache ist die
Beseitigung des natürl. Pflanzenkleides bei der Gewinnung
Bestockung neuer Ackerflächen; dadurch ist der Boden vor der Saat und
Ausbildung von Seitentrieben am unteren Ende des Sprosses, nach der Ernte ungeschützt Winden und Niederschlägen aus-
führt bei Gräsern (Getreide) zu zahlreichen Halmen (Bestok- gesetzt.
kungstrieben) aus einer Pflanze
Bodenfeuchte
Bewirtschaftungsbrand — Bodenwassergehalt
Abbrennen des (stark verholzten) Aufwuchses, um durch des-
sen Regeneration eine anschließende Nutzung als Weide oder Bodenwassergehalt
eine andere pflanzenbauliche Nutzung zu ermöglichen Anteil des Wassers an der gesamten Bodensubstanz.

Biodiversität boreal
biologische Vielfalt nördlich; dem nördlichen Klima Europas, Asiens und Amerikas
zugehörig.
Biogas, (Faulgas/Deponiegas)
brennbares Gasgemisch, das bei der Zersetzung von —Bio- Brachezeiten
masse (Fäkalien, Siedlungs- und Gartenabfällen etc.) durch vorübergehend (meist für eine Vegetationsperiode) ungenutz-
Bakterien unter Luftabschluß (—> anaerob) gebildet wird tes Ackerland

Biogasanlage Bündelscheidenzellen
Anlage zur Gewinnung von —> Biogas als regenerativen Ener- Pflanzenzellen, die bei —C4-Pflanzen die Gefäßbündel im Blatt
gieträger scheidenartig umkleiden

biogen C3-Pflanzen/C4-Pflanzen
durch die Tätigkeit von Lebewesen entstanden Pflanzenartabhängiger Unterschied in der Fixierung des CO2-
Moleküls. Bei C3-Pfl. wird CO 2 an ein Molekül mit 5 Kohlen-
Biom stoffatomen gebunden, bei dessen Spaltung sich zwei Moleküle
Lebensgemeinschaft von Tieren und Pflanzen in einem größe- mit 3 Kohlenstoffatomen bilden; Bei C4-Pfl. erfolgt die CO 2
ren geographischen Raum (tropischer Regenwald, Savanne -FixerungdchMolkümit4Kenwasrofm.
u. a.).
CAM-Pflanzen (—Crassulaceen Acid Metabolism)
Biomasse bei dieser Pflanzengruppe (vorwiegend Crassulaceen und
die gesamte Masse an lebenden Organismen einer A rt oder aller andere Sukkulenten) erfolgt die CO 2 -Fixierung nachts, um es
Arten in einer Gesellschaft, setzt sich zusammen aus der tagsüber freizusetzen und der —Photosynthese zuzuführen.
pflanzlichen (Phytomasse) und der tierischen (Zoomasse) Bio- Diese Pflanzen können daher tagsüber bei geschlossenen
masse. Die Masse toter und abgefallener Pflanzenteile wird oft — Stomata die Photosynthese aufrecht erhalten.
zusätzlich ermittelt und als „tote" Biomasse (—Bestandsabfall)
Carbonylverbindungen
angegeben.
Bezeichnung für die zweibindige funktionelle Gruppe C = O, die
Biosphäre unter anderem in Aldehyden, Ketonen, Carbonsäuren und
die mit Lebewesen besiedelten Schichten der Erde: die Atmo-, Chinonen enthalten ist.
Hydro- und Pedosphäre vom Leben erfüllte und diesem einem
Carboxylase (/Oxygenase)
Lebensraum bietende Hülle der Geosphäre (Erde) und die
Enzym, das die Übertragung von Kohlendioxid in Biomoleküle
untere Atmosphäre (Luft) mit allen Lebewesen.
katalysiert.
biotisch
cash crops
auf Lebewesen, auf Leben bezüglich
Landwirtschaftliche Produkte der Entwicklungsländer, die für
Biotop den Export in die Industrieländer angebaut werden (Kaffee,
durch bestimmte Pflanzen- und Tiergesellschaften gekenn- Bananen, Kakao, Futtermittel etc.)
zeichneter Lebensraum.
Cellulose
Bioturbation Polysaccharid, das als Gerüstsubstanz von Pflanzenzellen in der
Vermischen der Bodensubstanz durch die Wühltätigkeit im Natur weit verbreitet ist. Z.B. Baumwolle bis zu 95 %, Holz
Boden lebender Tiere 40-50 %.

Biozide Cerradofläche (port.)


chemische Mittel zur Abtötung von pflanzlichem und tierischem Dicht, geschlossen
Leben (—> Herbizide und —Pestizide), vorwiegend als Pflanzen- Waldartiger offener Vegetationstyp in Zentralbrasilien mit cha-
schutzmittel eingesetzt rarkteristischer Flora, und der durch bestimmte physionomische
Eigenschaften wie offenes niedriges Gehölzz oder Gebüsch,
Biozönose offene bis locker geschlossene Bodenvegetation, krüppelige, oft
Lebensgemeinschaft, Gesellschaft von Pflanzen und Tieren in buschige, an Trockenheit angepaßte Bäume gekennzeichnet
einem —Biotop ist.

Blattherbizide Chemo-Denitrifikation
—Herbizide, die auf den obe rirdischen Sproß der Pflanze — Denitrifikation
einwirken
Chlorophyll
Blütenendfäule ( „Blattgrün ") grüner Farbstoff in Pflanzenzellen, der die —As-
durch pilzliche Krankheitserreger verursachtes Schadbild similation ermöglicht
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Chloroplast El-Nino-Ereignis
Organ der Pflanzenzellen, die das -Chlorophyll enthält. Unregelmäßig im Abstand einiger Jahre auftretendes Phäno-
men, bei dem das Oberflächenwasser des Meeres vor der Küste
Chlorose Perus und entlang des äquatorialen Pazifiks wesentlich wärmer
Abbau von Chlorophyll als Symptom bei Nährstoffmangel, ist als im Jahresdurchschnitt.
Krankheiten und Einwirkung von Luftschadstoffen
Elektronenakzeptoren
Chromatophoren Moleküle, die die bei einer chemischen Reaktion (Redoxreak-
farbstofftragende —> Organelle der Pflanzenzelle. tion) freigesetzten Elektronen aufnehmen
Chromosom Emulgator
stäbchen- oder fadenförmige Trägersubstanz des Erbgutes im Mittel, das die Bildung einer —+Emulsion erleichtert.
Zellkern; Nukleinsäurenkette
Emulsion
CO2 -Düngeeffekt -> kolloide Verteilung zweier nicht miteinander mischbarer
Verstärkung des Pflanzenwachstums durch eine höhere CO2 Flüssigkeiten (z. B. Wasser in Öl)
Konzentration in der Atmosphäre.
Endemismus
Crassulaceen Vorkommen von Tieren und Pflanzen in einem bestimmten
-CAM-Pflanzen begrenzten Bezirk.
Cumestrol Endemiten
eine Substanz, die in ihrer Wirkung dem Schwangerschaftshor- Pflanzen- bzw. Tiergruppen, die in einem begrenzenten
mon Ostrogen vergleichbar ist Lebensraum vorkommen.
Degradierung/Degradation Enzym
Veränderung der natürlichen Vegetation oder des typischen ein der lebenden Zelle gebildete organische Verbindung, die
Profils eines Bodens durch menschliche Eingriffe, durch Ände- den Stoffwechsel des Organismus steuert
rung des Klimas, der Pflanzendecke oder der Bodenbesiedlung.
Die Degradierung ist oft mit einem Rückgang der Bodenfrucht- Epidermis
barkeit verbunden. Oberste Schutzschicht der Blätter und anderer Pflanzenteile

Denaturierung Epiphyt
irreversible Veränderung eines Stoffes (z. B. Eiweiß) durch Pflanze, die auf anderen Pflanzen wächst, sich aber selbständig
Erhitzung ernährt; Überpflanze

Denitrifikation Erdbahnparameter
Mikrobieller Stickstoffabbau, d. h. Reduktion von Nitrat (NO3) Parameter, die den Verlauf der Erdbahn bestimmen, wie die
zu atmosphärischem Stickstoff (N 2 ) oder zu Distickstoffoxid —*Präzession des sonnennächten Punktes der Erdbahn, die
(N20). —Inklination der Erdachse und die —*Exzentrizität.

Deposition Erosion
Ablagerung von Luftgetragenen Schadstoffen auf Oberflächen -> Bodenerosion.
(z. B. Pflanzen)
Essigsäure
Desertifikation wichtigste Carbonsäure
Verwüstung: Vordringen der Wüste in bisher noch von Men-
schen genutzte Räume auf Grund einer zu starken Nutzung der Ester
Wüstenrandgebiete durch den Menschen oder durch Verände- organische Verbindung aus der Vereinigung von Säuren mit
rung des Klimas. Alkoholen unter Abspaltung von Wasser.

Desintegration Eurasien
Spaltung, Auflösung eines Ganzen in seine Teile Festland von Europa und Asien, größte zusammenhängende
Landmasse der Erde.
Devastierung
Devastation Verwüstung, Verheerung Eutrophierung
Überdüngung, d. h. übermäßige Zufuhr von nitrat- und phos-
Diffusion phathaltigen Nährstoffen.
ohne äußere Einwirkung eintretender Ausgleich von Konzen-
trationsunterschieden (Chem.) Evaporation
Verdunstung von Wasser
Dikotyledone
zweikeimblättrige Pflanze Exkremente
Ausscheidung (Kot, Harn); hier E. der Haustiere
Dissimilation
Abbau und Verbrauch von Körpersubstanz unter Energiege- Exploitation
winnung; Gegensatz zu -> Assimilation Ausbeutung, Nutzbarmachung
-
dissimilatorisch externe Effekte
-> Dissimilation Auswirkungen des Handeln eines Wirtschaftssubjekts (Unter-
nehmen, Haushalte usw.) auf ein anderes, die nicht durch eine
Dissoziation Entschädigung/Vergütung über den Markt ausgeglichen
Spaltung chemischer Bindungen sind.

Dobson-Einheit Fäkalien
(Dobson Units, DU) Maß für die Ozongesamtmenge über einer die von Tieren ausgeschiedenen -'Exkremente (Kot und
bestimmten Stelle der Erdoberfläche. 100 DU entsprechen einer Harn)
Luftschicht von 1 mm Dicke bei Atmosphärendruck 1013 hPa
und einer Temperatur von 298 K. FAO (Food and Agricultural Organisation of the United
Nations)
Einkommensdisparitäten Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten
Einkommensungleichheit Nationen
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Fauna Halogene
Tierwelt. (griech. Salzbildner); Gruppe von Nichtmetallen, die aus den
Elementen Fluor (F), Chlor (Cl), Brom (Br), Jod (J) und Astat (At)
Fehlallokation besteht.
den Zweck verfehlende —Allokation
Halone
Feldfutterbau Halone sind bromierte -> Fluorchlorkohlenwasserstoffe und
Ackerbaulicher Anbau von Pflanzen zur Verfütterung an haben ein sehr hohes -> Ozonzerstörungspotential. Halone
Tiere werden vorwiegend zu Feuerlöschzwecken eingesetzt.
Fennoskandien Hemisphäre
zusammenfassende Bezeichnung für die Länder Norwegen, Halbkugel, Erdhälfte.
Schweden und Finnland.
herbivore
Fermentation pflanzenfressend
chemische Umwandlung von Stoffen durch Bakterien und
-Enzyme. Herbizid
chemische Mittel zur Abtötung von Pflanzen
Flavonoide
oder Flavone; Pflanzeninhaltsstoffe heterogen
uneinheitlich, aus Ungleicha rtigem zusammengesetzt.
Flora
Pflanzenwelt. heterotroph
auf organische Nahrung angewiesen.
Fluorchlorkohlenwasserstoff (FCKW)
Fluor-Chlor-Kohlen-Wasserstoffe; Industriell hergestellte orga- homogen
nische Halogenverbindungen gleichmäßig aufgebaut, einheitlich, aus Gleichartigem aufge-
baut.
Formiat Methanol
Formiate, Salze und Ester der Ameisensäure humides Klima
Methanol, einfachster Alkohol, der als Esterkomponente in Landstriche mit einer jährlichen Niederschlagsmenge von über
vielen Pflanzenstoffen (z. B. im Lignin) enthalten. ist. 600 1 pro m2 .
Fossile Energieträger Huminstoffe
In der erdgeschichtlichen Vergangenheit aus abgestorbenen bereits stärker abgebaute und umgewandelte, dunkel gefärbte
Pflanzen entstandene feste, flüssige und gasförmige Brennstoffe hochmolekulare Anteile der organischen Substanz eines
wie Kohle, Erdöl und Erdgas. Bodens
Fruchtfolge Humus
zeitliche Aufeinanderfolge der einzelnen Kulturarten auf einem
gesamte organische Substanz eines Bodens (abgestorbene
Feldstück (Schlag) pflanzliche und tierische Stoffe sowie deren -*mikrobielle
Fruchtfolgeverarmung Umwandlungsprodukte); z. T. werden auch nur die -> Humin-
Reduzierung des Fruchtwechsels innerhalb einer -> Frucht- stoffe als Humus bezeichnet
folge; führt im Extremfall zu einer Monokultur, dem alleinigen
Hydrologischer Zyklus
Anbau einer Nutzpflanzenart über mehrere Jahre hinweg.
Wasserkreislauf.
Frühneolithikum
Hydrolyse
Frühe Jungsteinzeit
Spaltung chemischer Verbindungen durch Wasser (meist unter
Fungizide Mitwirkung eines -*Enzyms oder -*Katalysators).
im Garten- und Weinbau verwendetes Mittel zur Bekämpfung
Hyphe
pflanzenschädigender Pilze.
Pilzfaden; fadenförmige, oft zellig gegliederte Grundstruktur
Futterleguminose der Pilze.
-> Leguminose
IBRD (International Bank for Reconstruction and Develop-
GATT (General Agreement on Tarifs and Trade) ment)
-> Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen. Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung

GEF (Global Environmental Facilities) IDA (Inte rn ational Development Association)


Globale Umweltfazilität Internationale Entwicklungsorganisation

generative Phase indigen


die geschlechtliche Fortpflanzung betreffende Phase eingeboren, einheimisch

Genfer Luftreinhaltekonvention Indolessigsäure


Phytohormon; von den Pflanzen gebildeter Wuchsstoff, der v.a.
Gleye, Gleyboden das Streckungswachstum der Pflanzen fördert
unter Stau- oder Grundwassereinfluß stehender Bodentyp
besonders in Niederungen mit einem rostfleckigem Oxidations- Infektiosität
horizont unter dem Oberboden und einem darunter folgenden Ansteckungsfähigkeit
grauen, grünen bis blauschwarzen Reduktionshorizont.
inferiore Verwertung
Gradient minderwertige Verwertung
Gefälle.
inhomogen
GTZ nicht gleicha rtig
Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ)
Inklination der Erdachse
halluzinogen Neigung der Rotationsachse der Erde zur Bahnebene um die
bewußtseinsverändernd, -trübend Sonne.
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Innertropische Konvergenzzone Klimaparameter
Zone aufsteigender Luftmassen zwischen den Passatwindsyste- (Interne) Klimaparameter sind die das Klima direkt charakteri-
men der beiden Hemisphären. In dieser Zone treten häufig sierenden, physikalischen Größen, wie z. B. Strahlung, Tempe-
Schauer und Gewitter auf. ratur, Niederschlag. Als externe Klimaparameter bezeichnet
man die Einflußfaktoren, die zwar das Klimasystem beeinflus-
Insektizide sen aber nicht mit dem Klimasystem wechselwirken (z. B.
insektentötende chemische Mittel Einstrahlung der Sonne, Vulkane, anthropogen bedingte Emis-
sion von Treibhausgasen).
Integrierter Pflanzenbau (IPB)
Der IPB hat zum Ziel, ein standortspezifisch ökonomisch opti- Klimarelevante Spurengase
males Ertrags- und Qualitätsniveau der landw. Produkte zu -> Treibhausgase.
erreichen und die Umwelt möglichst wenig zu belasten. Er
Klimavariation
beruht auf vielseitigen Verfahren der Ackernutzung, die die
Kurzzeitige Änderung des Klimas.
Bodenfruchtbarkeit fördern und Vorbeugemaßnahmen nicht
chemischer Art einbeziehen. Dabei haben ökonomische Erfor- Klimax
dernisse Vorrang vor ökologischen (Pommer, 1992). Endzustand der Boden- und Vegetationsentwicklung in einem
bestimmten Gebiet.
Interdependenz
gegenseitige Abhängigkeit. Kohlenhydrate
Wichtige pflanzliche Reservestoffe mit charakteristischen che-
Internalisierung externer Effekte mischen Eigenschaften. Zu den Kohlenhydraten gehören z. B.
Einbeziehen der externen Effekte in den Preismechanismus; Stärke, Trauben- und Fruchtzucker.
damit ist gewährleistet, daß das Wirtschaftssubjekt, das die
Kohlendioxid (CO2 )
externen Effekte verursacht, die vollen Konsequenzen seines
Farbloses, nicht brennbares schwachsäuerliches Gas. CO 2 wird
Handelns trägt.
von Pflanzen in der —Photosynthese unter Zurhilfenahme von
Wasser und Sonnenenergie zu Kohlenhydraten umgewandelt.
Ion
Bei der Verbrennung von Pflanzen oder der aus ihnen entstan-
Elektrisch positiv oder negativ geladene Moleküle oder
denen —fossilen Energieträger wird der enthaltene Kohlenstoff
Atome
wieder als CO 2 freigesetzt. CO 2 ist ein wichtiges —Treibhaus-
gas, seine gegenwärtige Konzentration in der Atmosphäre
interzellular
beträgt 355 ppm.
luftgefüllte Hohlräume zwischen den Zellen
Kohlenstoffkreislauf
Interzeption Kreislauf des Kohlenstoffs in seinen verschiedenen chemischen
Verdunstungsverlust bei Niederschlägen durch Abgabe von Verbindungen zwischen der -Atmosphäre, der —+Biosphäre,
Feuchtigkeit an die Außenluft, besonders im Wald. der Hydrosphäre und der —> Lithosphäre.

IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) Kohlenwasserstoffe


Von der UNEP und der WMO eingesetztes, zwischenstaatliches Organische Verbindungen, die aus Kohlenstoff und Wasserstoff
Gremium, das die anthropogene Einflußnahme auf das Klima bestehen. Kohlenwasserstoffe können durch den Zusatz weite-
der Erde und die damit verbundenen Folgen untersucht rer Elemente wie z. B. -Halogene in halogenierte Kohlenwas-
serstoffe verändert werden.
irreversibel
kolloid
unumkehrbar
feinzerteilt (von Stoffen)
ITTO (International Tropical Timber Organisation) Kondensation
Internationale Tropenholz Organisation Übergang von der Dampf- in die Flüssigphase. In der Meteoro-
logie: der Übergang des Wasserdampfes der Atmosphäre in den
Joint Ventures flüssigen Zustand durch Tröpfchenbildung (Wolken, Nebel,
vorübergehender oder dauernder Zusammenschluß von Unter- Tau).
nehmen zum Zweck der gemeinsamen Ausführung von Projek-
ten, die von einem Unternehmen allein nicht realisiert werden Kontamination
können. Verseuchung mit schädlichen, besonders mit radioaktiven Stof-
fen.
Katalysator
kontinentales Klima
Substanz, die eine chemische Reaktion beeinflußt, ohne selbst
Festlandklima, Binnenklima
dabei verändert zu werden. Chloratome und Chloroxid-Radi-
kale wirken bei der Ozonzerstörung in der —Stratosphäre als Konvektion
Katalysatoren, d. h. sie sind in der Lage, eine große Anzahl von Oft kleinräumiges Aufsteigen von Luftmassen.
Ozonmolekülen zu spalten, bevor sie selbst durch eine andere
Reaktion verbraucht werden. konventionelle Landwirtschaft
Unter der konventionellen Landwirtschaft wird die in Mitteleu-
Kation ropa vorherrschende intensiv betriebene Landwirtschaft ver-
positiv geladenes —+Ion standen, die von hohen Erträgen bei hoher spezieller Produk-
tionsintensität (Betriebsmitteleinsatz je Fläche bzw. je Tier)
kinetische Energie sowie starker Konzentration und Spezialisierung geprägt ist.
Bewegungsenergie
Konzentration von Spurengasen
Klima In diesem Bericht wird stets das Volumen -> Mischungsverhält-
Zustand der Atmosphäre über einem bestimmten O rt , charak- nis von Spurengasen — wie üblich in der Physik der Atmosphäre
teristisch für ein großes Zeitintervall von meist mehr als 30 Jah- — als Konzentration bezeichnet.
ren.
Kutikula
Äußere Schutzschicht von Pflanzen und Pflanzenteilen
Klimamodell
Beschreibung des —Klimas in einem mathematischen-physika- latent
lischen Computermodell. versteckt, verborgen, nicht offenkundig
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Leguminosen als das Verhältnis der Moleküle eines Gases zu der Gesamtzahl
Hülsenfrüchtler; Krautige Pflanzen oder Bäume mit Hülsen- aller Moleküle. Folgende Abkürzungen sind gebräuchlich:
früchten. Sie leben in —Symbiose mit stickstoffixierenden 1 ppm (1 part per million): 10 -6 (ein Teil auf eine Million)
Knöllchenbakterien. Zu den Leguminosen gehören wirtschaft- 1 ppb (1 part per billion): 10 -9 (ein Teil auf eine Milliarde)
lich bedeutende Kulturpflanzen wie z. B. Bohnen, Erbsen, Klee, 1 ppt (1 pa rt per trillion): 10 -3 (ein Teil auf eine Billion).
Luzerne, Erdnuß und Soja.
Modelle
Lichtatmung (Photorespiration) Eindimensionales (1-D) Modell — mit diesem Modell läßt sich
Innerhalb der Pflanzen bei Belichtung stattfindender Abbau von die Gesamtsäulendichte und die Vertikalverteilung eines Spu-
Kohlenhydraten, verbunden mit der Freisetzung von CO 2 und renstoffes berechnen.
dem Verbrauch von Sauerstoff. Zweidimensionales (2-D) Modell — neben der vertikalen Höhe
wird hier die geographische Breite als weitere Dimension
Lignine
benutzt, um der breitenabhängigen Solarstrahlung Rechnung
wasserunlösliche größere Moleküle, die die Verholzung von
zu tragen.
Pflanzenzellen bewirken
Dreidimensionales (3-D) Modell — hier wird zusätzlich die
Lithosphäre geographische Länge einbezogen; 3-D-Modelle befinden sich
Äußere Gesteinshülle des Erdkörpers. im Hinblick auf chemische Fragestellungen erst im Entwick-
lungsstadium.
Luftschadstoffe
In der Luft befindliche Stoffe, die sich direkt oder indirekt monegassische Haustiere
schädigend auf die Biosphäre auswirken, z. B. Stickoxide, Haustiere, die nur mit einem Pa rtner geschlechtlichen Verkehr
Schwefeldioxid, leichtflüchtige organische Verbindungen und haben.
Ozon.
Monokotyledonen
Luzerne einkeimblättrige Pflanzen, i.a. Gräser
zur Familie der Schmetterlingsblütler (-Leguminosen) zäh-
lende wichtige Futterpflanze mit meist blauen, violetten oder Monokultur
gelben traubenförmigen Blüten. durch ein bestimmtes Produktionsziel bedingte Form der land-
wirtschaftlichen Bodennutzung, bei der nur eine Nutzpflanze
Macchien angebaut wird.
charakteristischer immergrüner Buschwald des Mittelmeerge-
bietes. Montrealer Protokoll
Das Montrealer Protokoll vom 16. September 1987 über Stoffe,
Magnolie die zu einem Abbau der —Ozonschicht führen, ist am 1. Januar
frühblühender Zierbaum (aus Japan und China) mit tulpenför- 1989 in Kraft getreten. Das Montrealer Protokoll ist die erste
migen Blüten. Folgevereinbarung zum -Wiener Übereinkommen und bildet
einen wichtigen Grundstein in der Umweltpolitik. In dem
Mangrovenwälder
Protokoll werden die Produktion und der Verbrauch der wich-
immergrüne Laubwälder in Meeresbuchten und Flußmündun-
tigsten vollhalogenierten —> FCKW und bestimmter —> Halone
gen tropischer Gebiete.
geregelt. In der zweiten Vertragsstaatenkonferenz zum Mon-
marin trealer Protokoll im Juni 1990 in London wurde eine Verschär-
(1) zum Meer gehörend fung der Protokollregelung beschlossen.
(2) aus dem Meer stammend, im Meer lebend
Morphologie
Mesophyll äußeres Erscheinungsbild
Blattgewebe
Multilateral Fund (Multilateralfonds)
Methanogene (Archae-)Bakterien Bei der 2. Vertragsstaatenkonferenz zum Montrealer Protokoll
Bakterien, die sich in den Frühzeiten der Evolution entwickelt gegründeter Fonds, mit dem Ziel, den Entwicklungsländern
haben und in Abwesenheit von Luftsauerstoff Methan bilden durch finanzielle Hilfen den Ausstieg aus ozonschichtschädi-
können. genden Stoffen zu erleichtern.

Methanotrophe Bakterien mutagene Wirkung


Bakterien, die in der Lage sind, Methan für den eigenen Das Erbgut verändernde Wirkung
Stoffwechsel/Energieversorgung zu verwerten, indem sie es zu
CO2 umsetzen. Mutation
spontane oder künstlich erzeugte Veränderung im Erbgut
Mikrobengesellschaft
Gesamtheit der —> Mikroorganismen im Boden Mykorrhiza
—> Symbiose zwischen höheren Pflanzen und Pilzen. Die Wur-
mikrobielle Umwandlung
zelenden der Bäume sind von einem dichten Pilzgeflecht
biologischer Prozeß, der nur unter dem Mikroskop sichtbar ist
umgeben. Der Wirtspflanze werden Assimilate entzogen, wäh-
(-> Humus)
rend die Pilze die Wasser- und Ionenversorgung der Bäume
Mikroorganismen fördern -
meist einzellige, i.a. nur im Mikroskop sichtbare pflanzliche und
tierische Lebewesen; haben Bedeutung als Krankheitserreger, Nekrosen
als -> Symbionten (z. B. Knöllchenbakterien der —Legumino- örtliches Absterben von Zellen, Gewebe- oder Organteilen als
sen), im Stoffkreislauf der Natur und insbesondere im Boden Reaktion auf äußere Einwirkungen z. B. von Schadstoffen,
UV-B-Strahlung etc.
Mineraldünger
anorganische Dünger, die (im Gegensatz zu —+organischen Neolithikum
Wirtschaftsdüngern) industriell hergestellt oder bergmännisch Jungsteinzeit; Epoche des vorgeschichtlichen Menschen, deren
abgebaut werden Beginn meist mit dem Beginn produktiver Nahrungserzeugung
(Haustiere und Kulturpflanzen) gleichgesetzt wird
Mischungsverhältnis
In der Atmosphärenforschung hat sich eingebürgert, den Spu Nettoprimärproduktion
renstoffgehalt als Mischungsverhältnis (Molenbruch) anzuge Aufbau von pflanzlicher -+Biomasse durch die —Photosyn-
ben. Hierbei wird das Volumen-Mischungsverhältnis definie rt these
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Nichtregierungsorganisation (Non Governmental Organisa- Pedosphäre
tion, NGO) Bodenzone; Grenzbereich der Erdoberfläche, in dem sich
Sammelbegriff für nicht staatliche Organisationen, der aller- Gestein, Wasser, Luft und Lebewesen durchdringen und in der
dings zumeist in Bezug auf Gruppierungen der neuen sozialen die bodenbildenden Prozesse stattfinden.
Bewegungen (Ökologiebewegung, Friedensbewegung u. a.)
verwendet wird. Pestizid
Mittel zur Vernichtung von pflanzlichen und tierischen Schäd-
Nitrifikation lingen und Krankheitserregern aller A rt
Mikrobielle Stickstoffumwandlung, bei der aus Ammonium
(NH4) in zwei Stufen zunächst Nitrit (NO 2 ), dann Nitrat (NO3) pH-Wert
gebildet wird. Logarithmisches Maß für den Säuregehalt bzw. den Wasserstoff
(H+)-Ionen-Gehalt einer Flüssigkeit bzw. Lösung. Je niedriger
Nukleinsäure der pH-Wert ist, um so größer ist die Konzentration von
Hochmolekulare Stoffe, die in pflanzl. und tier. Zellen vor allem H+-Ionen oder um so saurer ist eine Lösung. Beträgt der
als DNA (Desoxiribonukleinsäure) oder RNA (Ribonuklein- pH-Wert 7, so ist eine Lösung chemisch neutral, ist er geringer,
säure) vorkommen und bei der Übertragung der Erbinformation so ist sie sauer, ist er höher, so ist sie basisch, bei pH = 6 ist die
eine entscheidende Rolle spielen Konzentration von H+-Ionen zehnmal höher als bei pH = 7.
OECD (Organization for Economic Cooperation and Develop-
Phenole
ment)
Oxybenzole, wichtige organische Verbindungen im Teer.
Organisation für Wirt schaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung Phosphoenolpyruvat
Kohlenhydrat mit vier Kohlenstoffatomen, an das bei -> C4
Ökosystem
Pflanzen das CO 2 angelagert wird, bevor es der —*Photosyn-
aus Organismen und unbelebter Umwelt bestehende natürliche
these zugeführt wird
Einheit, die durch deren Wechselwirkung ein gleichbleibendes
System bildet photochemisch
Organelle Unter Einwirkung von UV-Strahlung ablaufende chemische
Organ eines Einzellers Reaktion.

oxisch Photolyse
sauerstoffhaltig, unter Anwesenheit von Sauerstoff Zersetzung von Molekülen durch Absorption von elektroma-
gnetischer Strahlung.
Oxidation
chemische Reaktion eines Stoffes mit Sauerstoff Photooxidation
photochemische hervorgerufene -> Oxidation
Ozon
(griech. das Riechende). Aus drei Sauerstoffatomen bestehen- Photoperiodismus (photoperiodische Steuerungsvorgänge)
des Molekül; chemisches Zeichen O3. Die Hauptmenge des durch die Tageslänge bzw. den Wechsel von Licht- und Dun-
atmosphärischen Ozons befindet sich in der —>Stratosphäre kelphasen ausgelöste Reaktionen von Pflanzen, die deren
zwischen zwölf und vierzig Kilometer und wird hier durch Entwicklung steuern (v.a. den Übergang von der Wachstums-
photolytische Spaltung von Sauerstoff (02) gebildet. Die Ozon- phase zur Reifephase (Blütenbildung))
menge in der Troposphäre repräsentiert etwa ein Zehntel der
Ozongesamtsäule. Die Hauptquelle ist hier die photochemische Photorespiration
Bildung durch -Kohlenwasserstoffe und —> Stickoxide auf —>Lichtatmung
Grund der Smog-Mechanismen.
Photosmog
Während Ozon in der —+Troposphäre stark negative Auswir-
unter Einwirkung von Sonnenstrahlung ablaufende Bildung
kungen hat (giftig für Tiere, Menschen und Pflanzen; Verstär-
von Ozon und giftigen Stickstoffverbindungen aus verschiede-
kung des Treibhauseffektes), wirkt das Ozon in der —Strato-
nen Vorläufersubstanzen (v.a. Stickstoffoxiden)
sphäre als lebensnotwendiger UV-B-Filter.

Ozonloch Photosynthese
1985 wurde entdeckt, daß seit 1977 über der Antarktis während Der Aufbau von Kohlenhydraten durch grüne Pflanzen aus
der Monate September und Oktober drastische Abnahmen der Kohlendioxid und Wasser mit Hilfe des Sonnenlichts (—>Photo-
Ozonkonzentration stattfinden. Mittlerweile steht fest, daß das synthese).
jährlich wiederkehrende Ozonloch durch industriell herge- Physiognomie
stellte -> Fluorchlorkohlenwasserstoffe verursacht wird. die äußere Erscheinung eines Lebewesen.
Ozonschicht
Physiologie
Schicht in der —>Stratosphäre in der der größte Teil des
Wissenschaft von den Grundlagen des allgemeinen Lebensge-
atmosphärischen Ozons enthalten ist. Sie liegt etwa zwischen 15
schehens.
und 30 Kilometer Höhe.
In der Ozonschicht wird die energiereiche UV-B-Strahlung physiologisch
absorbiert und in Wärme umgewandelt. Verringerung der die ->Physiologie betreffend, die Lebensvorgänge im Organis-
Ozongesamtsäulendichte haben Intensitätszunahmen der zell- mus betreffend.
schädigenden UV-B-Strahlung am Erdboden zur Folge. Des -
weiteren kann die Änderung der Ozonschicht zu einer Beein- Phytohormone
flussung des —Klimas führen. Durch industriell hergestellte pflanzliches —+Hormon.
—> FCKW wird die Ozonschicht in zunehmendem Maße zer-
Phytomasse
stört.
—Biomasse lebender, im weiteren Sinne auch toter Pflanzen
Ozonzerstörungspotential
Maß für die relative Ozonwirksamkeit chlor- und bromhaltiger Phytotoxische Stoffe
Verbindungen. FCKW 11 ist dabei als Bezugsgröße gewählt und Stoffe, die giftig bzw. schädigend für Pflanzen sind.
mit dem Wert 1 festgesetzt.
Pigment
Pansen in Pflanzenzellen oder den Zellen der Haut eingelagerter, die
Teil des Wiederkäuermagens Färbung der Gewebe bestimmender Farbstoff.

Pathotypen Pilzsporen
verschiedene Typen (Varietäten) eines Krankheitserregers Fortpflanzungsorgane der Pilze
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag 12. Wahlperiode

Plastide Pyro-Denitrifikation
Gesamtheit der ->Chromatophoren und Leukoplasten der Denitrififikation
Pflanzenzelle.
radioaktiv
Plattentektonik durch Kernzerfall oder -umwandlung bestimmte Elementarteil-
auch Großschollentektonik, wissenschaftliche Hypothese zur chen aussendend.
Erklärung der Großtektonik, die vor allem auf geophysikali-
Redoxpotential
schen und geologischen Untersuchungen im ozeanischen
[Kurzwort aus: Reduktions-Qxydations-Potential] Potential, bei
Bereich fußt. Danach besteht die Litosphäre aus sechs großen
dem ein Stoff oxydiert (-Oxydation) und ein zweiter gleichzei-
mehr oder weniger starren Platten zwischen die kleinere Platten
tig reduziert (-Reduktion) wird.
eingeschaltet sind, die sich auf der Asthenosphäre (Fließzone
des oberen Erdmantels) bewegen. Wo diese Platten auseinan- Reduktion
derdriften, entstehen Dehnungsfugen, in denen aufsteigende Entzug von Sauerstoff aus einer chemischen Verbindung oder
vulkanische Schmelzen untermeerische Schwellen bilden, Einführung von Wasserstoff in eine chemische Verbindung.
deren Umgebung sich durch hohe Erdbebenaktivität (Seismizi-
Redwood
tät) und starke Wärmestrahlung auszeichnet. Zugleich wird
Rotholz eines kalifornischen Mammutbaumes.
ständig neue ozeanische Kruste gebildet, die sich symmetrisch
nach beiden Seiten ausbreitet. Do rt , wo sich die Platten aufein- Referenzmodell
ander zu bewegen, werden durch Unterschiebung der einen als Vergleichsmaßstab herangezogenes Modell.
unter die andere Platte die überlagernden Sedimente gestaucht
und zu Kettengebirgen oder Inselbögen aufgefaltet. Respiration (Atmung)
Vorgänge im Stoffwechsel von Pflanzen und Tieren, bei denen
Plenterwald zur Bereitstellung von Energie i.A. Kohlenhydrate unter Ver-
-> Dauerwald brauch von Sauerstoff oxidativ zu CO2 abgebaut werden.

Podsol Ressourcen
graue bis weiße Bleicherde (durch Mineralsalzverlust verarm- Ressourcen sind einer weiten Begriffsdefinition folgend alle
ter, holzaschefarbener, unter Nadel- und Mischwäldern vor- Bestände der Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital,
kommender Oberboden in feuchten Klimabereichen); typische die bei der Produktion von Gütern eingesetzt werden können.
Böden der kaltgemäßigten Klimate der nördlichen Breiten Im engeren Sinn werden unter Ressourcen Rohstoffe und
Energieträger verstanden, wobei zwischen regenerierbaren
Podsolierung und nichtregenerierbaren Ressourcen unterschieden wird. Dem
der Prozeß durch den ein ->Podsol entsteht. Bericht liegt die engere Begriffsbildung zugrunde.

Pollensterilität rezent
Unfruchtbarkeit der männlichen Samen bei Pflanzen gegenwärtig gebildet bzw. noch lebend (von Tier- und Pflan-
zenarten).
postglazial
nacheiszeitlich Rhizosphäre
die von Pflanzenwurzeln durchsetzte Bodenschicht.
Primärenergie
Ribulose-bi-Phosphat
Unter Primärenergie versteht man die Rohstoffe zur Energiege-
Kohlenhydrat mit fünf Kohlenstoffatomen, das in der Photosyn-
winnung, d. h. Primärenergieträger sind alle Energieträger, die
these (im Calvin-Zyklus) das CO 2 einbindet und dabei sofort in
natürlich vorkommen, z. B. die —fossilen Brennstoffe Stein-
zwei C3-Körper zerfällt.
kohle, Braunkohle, Erdöl, Erdgas, Ölschiefer, Teersande oder
die Kernbrennstoffe Uran, Torium oder die —erneuerbaren Rottemist
Energiequellen, z. B. Wasserkraft, Windkraft, Sonne, Erd- Stallmist, der während seiner Lagerung außerhalb des Stalles
wärme, Biomasse. einen mehrere Monate dauernden Rotteprozeß (mikrobielle
Umwandlung) mit einem Substanzverlust bzw. Kohlenstoffver-
Primärwald lust und der Bildung von Humusstoffen und anderen wertvollen
Urwald; im strengsten Sinne ein —autochthoner Waldbestand, Abbauprodukten erfährt
dessen Entwicklung nicht oder nur so wenig vom Menschen
beeinflußt wurde, daß seine Physiognomie von der natürlichen Salpetersäure
Umwelt geformt und bestimmt wird. wichtigste Sauerstoffsäure des Stickstoffs; in reinem Zustand
farblose, stechend riechende Flüssigkeit.
Propan
gesättigter Kohlenwasserstoff, der besonders als Brenngas ver- Säure
wendet wird. chemische Verbindung, die beim Lösen in Wasser infolge
Dissoziation als Kationen ausschließlich H+-Ionen bildet (Was-
Propen serstoffionenkonzentration). Die Lösungen schmecken sauer
= —> Propylen und verändern die Farbe von Indikatorfarbstoffen. Die Säure-
stärke ist abhängig von der Dissoziation der Verbindung. Zu den
Propionsäure stärksten Säuren mit Dissoziationsgraden von fast 100 % gehö-
Propansäure, stechend riechende Carbonsäure, die unter ande- ren die Mineralsäuren (Salz-, Salpeter- und Schwefelsäure).
rem im Pansen von Wiederkäuern vorkommt.
Savanne
Propylen Vegetationsform der - semi-ariden Tropen, bei der Grasfluren
gasförmiger, ungesättigter Kohlenwasserstoff, technisch wichti- von einzelnen Bäumen oder Bauminseln durchsetzt sind. Mit
ger Ausgangsstoff für andere Stoffe. zunehmender Feuchte verdichten sich die Gehölze und gehen
über in eine Waldformation.
Protein
nur aus —Aminosäuren aufgebauter einfacher Eiweißkörper Schädlingskalamitäten
durch vermehrt auftretende Schädlinge hervorgerufener
Protoplast schwerer Schaden an Pflanzen.
Zelleib der Pflanzenzelle mit Zellkern, Zellplasma und ->Plasti-
den (im Gegensatz zur unbelebten Zellwand). Schwefeldioxid (50 2 )
Farbloses, stechend riechendes Schadgas, das überwiegend bei
Pseudomonas der Verbrennung schwefelhaltiger Energieträger (Kohle, Erdöl)
Gattung geißeltragender Bakterien mit einigen Arten, die als und in geringerem Umfang bei industriellen Prozessen entsteht
Krankheitserreger in Fragen kommen. (-> Saurer Niederschlag).
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Sediment Stratosphäre
durch Sedimentation entstandenes Schicht- oder Absatzge- Schicht in der —> Atmosphäre, die oberhalb der Tropopause bzw.
stein. -Troposphäre beginnt und bis in etwa 50 km Höhe reicht. In
der Stratosphäre befindet sich die -> Ozonschicht.
Sedimentation
Ablagerung von Stoffen, die an anderen Stellen abgetragen subpolar
wurden. zwischen den Polen und den gemäßigten Breiten gelegen.

Sekundärenergie Subsistenzwirtschaft
Sekundärenergieträger sind alle Energieträger, die als Ergebnis vorwiegend auf Selbstversorgung ausgerichtete meist klein-
eines Umwandlungsprozesses (z. B. in Raffinerien oder Kraft- bäuerliche Landwirtschaft
werken) aus —Primärenergieträgern entstehen, z. B.: die Koh-
leprodukte Koks und Briketts, die Mineralölprodukte Benzin Subtropen
und Heizöl, die Gasprodukte Stadtgas und Raffineriegas sowie Gebiete des thermischen Übergangs von den Tropen zu den
elektrischer Strom und Fernwärme. gemäßigten Breiten.

Sekundärwald Sukzession
der aus dem ->Primärwald durch menschlichen Eingriff ent- Durch äußere Einflüsse verursachtes Übergehen einer Pflan-
standene Wald. zengesellschaft in eine andere am gleichen Standort.
Semi-arid Symbiose
Halbtrockenes Klima mit drei bis sechs feuchten Monaten. Zusammenleben von Lebewesen verschiedener Art zu gegen-
seitigen Nutzen.
Seneszenz
Alterungsprozeß und die dadurch bedingten —morphologi-
symbiotisch
schen Veränderungen; Hier: das teilweise Absterben von Pflan-
in —Symbiose lebend
zenteilen
Synergie
Sensitivitätsabschätzung
Hier: Abschätzung der Wirkungsweise verschiedener, das Zusammenwirken; „Das Gesamte hat eine andere Qualität als
die Summe der Einzelteile".
Klima beeinflussender Faktoren.

Shifting Cultivation synthetisch


->Wanderfeldbau Hier: industriell hergestellt im Gegensatz zu natürlich vorkom-
mend
Source-Sink-Mißverhältnis
Mißverhältnis im Assimilathaushalt der Pflanzen; Hier: Über- Szenario
höhte Bildung von —Assimilaten (Quelle=Source), die bei Ermittlung eines möglichen Zustandes unter der Annahme
gleichbleibendem oder sinkendem Verbrauch (Einbau/Umbau) bestimmter Bedingungen. Die Ergebnisse sind unabhängig von
von Assimilaten (Senke=Sink) zu einem Assimilatstau und zur den Randbedingungen der Szenarien und unterscheiden sich
Beeinträchtigung des Pflanzenwachstums bzw. der —>Photosyn- daher von Prognosen.
these führt
Technische Zusammenarbeit (TZ)
Sporen Die Technische Zusammenarbeit — auch Technische Hilfe
Fortpflanzungsorgane, v.a. bei Farnen und Pilzen genannt — zielt auf die Steigerung des Leistungsvermögen von
Menschen und Institutionen in den Entwicklungsländern ab. Im
Spurengase einzelnen geht es dabei um die Entsendung von Fachkräften,
Gase, die nur in Spuren in der Atmosphäre vorkommen, z. B. die Bereitstellung von Zuschüssen, Material und Ausbildungs-
CO2 , N20, CH4 , FCKW. möglichkeiten. Diese Leistungen werden in der Regel unent-
geltlich gewährt. Das Entwicklungsland übernimmt dabei aber
Stärke
meist die im Land selbst anfallenden laufenden Kosten.
im Pflanzenreich weitverbreitetes Kohlenhydrat, das durch
Photosynthese über Glucose gebildet wird. Die Hauptbestand-
Teilhalogenierte FCKW
teile sind die Polysaccaride Amylose (Mais: 23 %, Kartoffel:
-> Fluorchlorkohlenwasserstoff.
18 %) und Amylopektin (Mais 77 %, Kartoffel: 82 %). Beide
Hauptbestandteile können durch Enzyme, Säuren oder Wärme Terms of trade
abgebaut werden. Dieser Begriff bezeichnet das Verhältnis der Ausfuhrpreise zu
den Einfuhrpreisen jeweils in der Währung des betreffenden
Stickoxide
Landes ausgedrückt. Steigen die Ausfuhrpreise bei konstanten
NOx wird fast ausschließlich in Form von NO an die Atmosphäre
oder sinkenden Einfuhrpreisen oder sinken die Einfuhrpreise
abgegeben. Da sich sehr schnell ein photochemisches Gleich-
bei konstanten Ausfuhrpreisen, verbessern sich die Terms of
gewicht zwischen NO und NO 2 einstellt, spricht man im
Trade, weil für die gleiche Exportgütermenge mehr Importgüter
allgemeinen von NOx als der Summe von NO und NO 2 . NOx
eingeführt werden können.
entsteht bei Verbrennungsprozessen mit hohen Temperaturen
— vor allem durch Kraftfahrzeuge und Kraftwerke (— Saurer
Terpen
Niederschlag, —Ozon).
organische Verbindung (Hauptbestandteil der ätherischen
Stomata Öle).
Spaltöffnungen der Blätter, über die der Gasaustausch der
terrestrisch
Pflanzen mit der Umgebungsluft erfolgt
land-; an Land vorkommend.
Strahlungshaushalt
Differenz zwischen aufgenommener und abgegebener Strah- Tertiär
lung (z. B. Licht, Wärme). Erdzeitalter, das vor etwa 65 Mio. Jahren begann und vor etwa
1,8 Mio. Jahren endete
Stratifikation
Hier: Kältebehandlung von Saatgut zur Auslösung einer Keim- TFAP (Tropical Forestry Action Plan)
stimmung Tropenwald - Aktionsplan

Stratopause thermohalin
—Atmosphäre. Temperatur- und Salzgehalt von Meerwasser betreffend.
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Tiefstallhaltung Vergärung
Tierhaltungssystem, bei dem die Exkremente der Tiere zusam- Umbau/Abbau von Biomasse unter Abwesenheit von Sauerstoff
men mit der Stroheinstreu mehrere Monate im Stall verblei- (anaerob), wobei Methan (CH 4 ) statt
ben
Versauerung des Bodens
toxisch -> Bodenversauerung (-> pH-Wert)
giftig, auf einer Vergiftung beruhend.

Transpiration Verweilzeit
Hier: Verdunstung von Wasser aus den Spaltöffnungen der Mittlere Lebenszeit eines Gases in der Atmosphäre.
Pflanzen.
vollhalogenierte Kohlenwasserstoffe
Treibhauseffekt ->Fluorchlorkohlenwasserstoffe
Der Treibhauseffekt wird von Gasen in der Atmosphäre hervor-
gerufen, die die kurzwellige Sonnenstrahlung nahezu ungehin- Vulkaneruption
dert durch die Atmosphäre zur Erdoberfläche passieren lassen, Vulkanausbruch
die langweilige Wärmestrahlung der Erdoberfläche und der
Walddegradation
Atmosphäre hingegen stark absorbieren. Aufgrund der wärme-
Degradtion ->
isolierenden Wirkung dieser Spurengase ist die Temperatur in
Bodennähe um etwa 30 °C höher als die Strahlungstemperatur
Walddevastation
des Systems Erde- Atmosphäre ohne diese Gase (natürlicher
Devastation
->
Treibhauseffekt). Wegen des Anstiegs menschlich bedingter
Spurengase wird mit einer Verstärkung des Treibhauseffektes, Wanderfeldbau
die mit -*zusätzlicher Treibhauseffekt bezeichnet wird, und Form der Landwirtschaft, bei der in bestimmten Zeitabständen
einer Temperaturerhöhung gerechnet. ein neues Stück Wald gerodet/brandgerodet wird, um landwirt-
Treibhausgas schaftliche Nutzpflanzen anzupflanzen. Die ist erforderlich, da
Gas in der Atmosphäre, das am Treibhauseffekt beteiligt ist die Böden der neugewonnenen Nutzfläche sehr schnell verar-
(Wasserdampf, CO 2 , N2O, CH4 , O3, FCKW). men und die Erträge sinken. Diese A rt der Landbewirtschaftung
wird in den tropischen Wäldern häufig praktiziert. Dabei
Trockenstreß wachsen nach der landwirtschatlichen Nutzung auf den Feldern
vorübergehender oder anhaltender Wassermangel der Pflan- allgemein wieder (Sekundär-)Wälder nach, die nach mehreren
zen, der deren Wachstum, Ertrag und/oder Widerstandskraft (meist 12-20) Jahren wieder gerodet werden, um hier erneut
beeinträchtigt landwirtschaftliche Nutzpflanzen anzupflanzen.
Tropopause
Wassererosion
—Atmosphäre.
—> Bodenerosion durch Einwirkung von Wasser/Niederschlä-
Troposphäre gen
Unterste Schicht der —Atmosphäre bis zur Tropopause (Grenz-
schicht) in 8-17 km Höhe. In der Tropospäre finden alle Wellenlänge
wesentlichen Wettervorgänge statt. bei Wellen der Abstand zweier aufeinanderfolgender Orte
gleicher Phase auf derselben Wellennormalen. Bei konstander
Tundra Phasengeschwindigkeit Cph ist die Wellenlänge um so kleiner, je
baumlose Kältesteppe jenseits der arktischen Waldgrenze. höher die Frequenz der Welle ist.
Turgor
Weltbank
Druck des Zellsaftes auf die Pflanzenzellwand (Innendruck der
-> Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung
Pflanzenzellen).
(IBRD)
Ultraviolettstrahlung
Abkürzung „UV"; Elektromagnetische Energie mit höheren WMO (World Meteorological Organization)
Frequenzen bzw. kürzeren Wellenlängen (unter 400 m) als Weltorganisation für Meteorologie
sichtbares Licht; die UV-Strahlung unterteilt sich in drei Berei-
che: UV-A (320-400 µm), UV-B (280-320 m) und UV-C Winderosion
(40-290 µm). -> Bodenerosion

UNDP (United Nations Development Programme) Wirtschaftsdünger


Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen wirtschaftseigene organische Düngemittel, meist Tierexkre-
mente (Stallmist/Gülle/Jauche etc.), Pflanzenabfälle (Ernte-
UN-ECE (UN-Commission for Economic Cooperation in
rückstände, Stroh, Wurzeln etc.) oder Gründüngungspflanzen
Europe)
(die zur Düngung und Bodenverbesserung angebaut und in den
UN- Kommission für wi rt schaftliche Zusammmenarbeit in
Boden eingearbeitet werden)
Europa

UNEP (United Nations Environmental Programme) Wurzelexsudate


Umweltprogramm der Vereinten Nationen Ausscheidungen der Wurzeln

UN (United Nations) Zellmembran


Vereinte Nationen -> Protoplast einer Zelle
UV-B-Strahlung
Zellulose
— Ultraviolettstrahlung
-> Cellulose
Validation
Überprüfung der Gültigkeit (z. B. bei Klimamodellergebnis- Zoosporen
sen). bewegliche Fortpflanzungsorgane verschiedener Algen und
niederer Pilze
Veredelung
Fertigungstechnik: unscharfe Bezeichnung für die Wertmeh- Zwischenfruchtbau
rung eines Gegenstandes durch Überführung von einem Roh- i.a. Anbau von Gründüngungspflanzen (-> Wirtschaftsdünger)
oder Zwischenzustand in einen Fertigzustand durch eine relativ oder Futterpflanzen zwischen zwei Hauptfrüchten bzw. in dem
geringfügige Veränderung, die nicht zu einer völligen Stoffum- Zeitraum zwischen zwei Vegetationsperioden (über Winter), in
wandlung führt. dem der Acker sonst brach (ungenutzt) bleiben würde
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350

2. Einheiten und chemische Formeln

Chemische Formeln

Al2O3 Aluminiumoxid
CCl3F FCKW 11
CCl2F2 FCKW 12
CClF3 FCKW 13
C2 Cl2F4 FCKW 114
C2Cl3F3 FCKW 113
C2ClF5 FCKW 115
CHClF2 Chlordifluormethan (H-FCKW 22)
CF2BrCl Halon 1211
C2F4 Br2 Halon 1301
CBrF3 Halon 2402
CCl4 Tetrachlorkohlenstoff
CH3CCl3 Methylchloroform
CH3Cl Methylchlorid
CH3Br Methylbromid
ClO Chlormonoxid
BrO Bromoxid
HF Fluorwasserstoff
CO2 Kohlendioxid
CH4 Methan
N2O D istickstoffoxid
OH Hydroxylradikal
O* angeregtes Sauerstoffatom
CO Kohlenmonoxid
H2 SO4 Schwefelsäure
HNO3 Salpetersäure
HCl Salzsäure
SO2 Schwefeldioxid
SO4 -- Sulfat
NO Stickstoffmonoxid
NO 2 Stickstoffdioxid
NO2- Nitrit
NO3- Nitrat
NH3 Ammoniak
NH4 + Ammonium
CXHy Kohlenwasserstoff
16 0 bzw. 180 Sauerstoffisotop mit dem Molekulargewicht

Si2O2 Siliciumoxid
Mg Magnesium
MgO Magnesiumoxid
O atomarer Sauerstoff
O2 molekularer Sauerstoff
N atomarer Stickstoff
N2 molekularer Stickstoff
H Wasserstoff
Cl Chlor
Drucksache 12/8350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Cl2 molekulares Chlor


Br Brom
F Fluor
Ca Calcium
Zn Zink

Vorsätze und Vorsatzzeichen-Erklärungen

Piko p 10-12 Billionstel


Nano n 10-9 Milliardstel
Mikro µ 10-6 Millionstel
Milli m 10-3 Tausendstel
Kilo k 103 Tausend
Mega M 106 Million
Giga G 109 Milliarde
Tera T 10 12 Billion
Peta P 10 15 Billiarde
Exa E 10 18 Trillion

Maße und Einheiten

(a) basierend auf dem internationalen Einheitensystem SI-System International d'Unités (Auswahl)

Meter m für die Länge


Sekunde s für die Zeit
Kilogramm kg für die Masse
Kelvin K für die thermodynamische Temperatur
Hertz (1 Hz = 1s -1 ) für die Frequenz

abgeleitete Einheiten
Newton (1 N = 1kg ms-2 ) für die Kraft
Pascal (1 Pa = 1 N m-2 ) für den Druck 1) bzw. für die Spannung
Joule (1 J = 1 N m) für die Arbeit, die Energie und die Wärmemenge
Watt (1 W = 1 J s -1 ) für die Leistung

sowie:

1 m2 für die Flächeneinheit


1 m3 für die Raumeinheit Volumen)
1 ms-1 für die Geschwindigkeit
1 ms-2 für die Beschleunigung
1 kg m-3 für die Dichte
1 m3kg-1 für das spezifische Volumen

(b) Nicht-SI-Einheiten (Auswahl)

°C Grad Celsius (0°C entspricht ungefähr 273 K)


Temperaturdifferenzen werden z. T. auch in °C (=K) angegeben.
Die korrekte Angabe wäre „Grad Celsius"
ppm Mischungsverhältnis: 10-6 = 1 Teil auf eine Million
ppb Mischungsverhältnis: 10-9 = 1 Teil auf eine Milliarde
ppt Mischungsverhältnis: 10-12 = 1 Teil auf eine Billion
BP , (bp) englisch: years before present
tC Tonnen Kohlenstoff 1 t C = 3,7 t CO 2
tN Tonnen Stickstoff 1 t N = 3,14 t N 2O

1) Im Wetterdienst darf auch noch 1 mbar = 10 2 Pa als Druckeinheit Verwendung finden


Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/8350
Energieeinheiten, Vorsätze, Vorsatzzeichen und Umrechnungsfaktoren
verbindliche Einheit: Joule (J) 2) 1 Joule (J) = 1 Newtonmeter (Nm) = 1 Wattsekunde (Ws)
gebräuchliche Energieeinheiten:
1 Terawattstunde = 1 TWh = 1x109 kWh = 3,6 Pj
1 Terawattstunde = 1 TWh = 0,123 Mio. t SKE
1 Million Tonnen
Steinkohleneinheiten = 1 Mio. t SKE = 29,308 Pj
=8,15TWh
1 Exajoule = 1 EJ = 1000 PJ = 278 TWh

Vorsätze und Vorsatzzeichen


Kilo k 103 Tausend
Mega M 106 Million
Giga G 109 Milliarde
Tera T 10 12 Billion
Peta P 10 15 Billiarde
Exa E 10 18 Trillion

Umrechnungsfaktoren
Einheit kJ kWh kg SKE
1 kJ — 0,000278 0,000034
1 kWh 3600 — 0,123
1 kg SKE 29308 8,14 —

2) Für die Bunderepublik Deutschland gilt ab 1. Januar 1978 als gesetzliche Einheit für Energie verbindlich das Joule. Die Kalorie
(cal) und davon abgeleitete Einheiten wie Steinkohleeinheiten (SKE) und Rohöleinheiten (ROE) (1 SKE = 0,7 ROE) können für
eine Übergangszeit nur noch hilfsweise zusätzlich verwendet werden

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