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Peter!Pörtner!

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Bienenschwärmereien!!
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Notizen!über!den!seltenen!Fall!eines!Mausoleums,!das!ein!Bienenhaus!war!
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Für!Li!
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I!Die!Bienen!und!der!Honig!
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Um! den! Kindern! das! Lesen! der! Heiligen! Schrift! zu! versüßen,! heißt! es,! hat! man! in! der!
jüdischen!Tradition!einen!Tropfen!Honigs!auf!die!erste!Seite!des!ersten!Buches!tropfen!
lassen,!mit!dem!das!Erlernen!der!Heiligen!Wahrheiten!begann.!
!
Die!Bienen,!das!wissen!wir!von!den!Alten!Ägyptern,!sind!aus!den!Tränen!des!SonnengotP
tes!entstanden.!Wie!können!wir!uns!das!vorstellen?!–!Auf!einem!Papyrus!aus!dem!zwölfP
ten!Jahrhundert!vor!der!Zeitenwende!heißt!es!knapp!und!schlicht:!„Die!Tränen!des!SonP
nengottes!Ra!fallen!auf!die!Erde!und!werden!zu!Bienen,!die!sich!Häuser!bauen!und!in!die!
Blüten!fliegen.!So!entstehen!Wachs!und!Honig“.!P!Die!Ägypter!glaubten!also,!dass!es!die!
Berührung!mit!der!Erde!war,!die!den!entscheidenden!Ausschlag!gab.!–!
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Wir!aber!denken!uns!diese!mysteriöse!Metamorphose!salziger!Tropfen!zu!HonigproduP
zenten! weniger! prosaisch:! Wir! sehen! lebhaft! vor! Augen,! wie! die! Tränen! des! Gottes! im!
Sturz!das!Fliegen!lernen!und!dank!dieses!poetischen!Zaubertricks!als!Bienen!überleben;!
bis!heute.!Und!hoffen!wir,!dass!sie!die!Gegenwart!auch!noch!überleben!werden.!!
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Vieles,! was! in! den! letzten! Jahrtausenden! den! Bienen! nachgesagt! und! angedichtet! und!
zugemutet! wurde,! ist! in! der! Wundergeschichte! ihrer! Entstehung! schon! angelegt.! BeP
schreibt! sie! doch! nichts! anderes! als! die! Verwandlung! von! Anorganischem! in! OrgaP
nisches,!die!Entstehung!von!Leben!aus!„toter“!Materie.!Daher!ist!es!auch!nicht!verwunP
derlich,!dass!die!Bienen!Sinnbilder!der!Auferstehung!Christi!wurden:!Weil!sie!aus!dem!
Grab!des!Winters!in!den!Frühling!wieder!auferstehen,!um!sich!emsig!ihrer!wohltätigen!
Arbeit!zu!widmen.!Wer!machte!sie!sich!da!nicht!gerne!zum!Symbol!!!
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Die!Pharaonen,!Childerich!I,!der!Merowinger,!in!dessen!Grab!mehr!als!dreihundert!golP
dene,! an! die! Sonne! gemahnende,! Bienen! gefunden! wurden,! Napoleon,! der! Kaiser! von!
eigenen!Gnaden,!der!sich!die!Biene!zum!Emblem!wählte.!P!Sie!hatten!zwar!nicht!alle!die!
gleichen!Gründe!und!dachten!sich!auch!nicht!dasselbe!dabei,!aber:!die!Biene!war!für!sie!
und! viele! andere! ein! Zeichen,! von! dessen! Ruf,! Reichtum! und! Würde! –! und! zweifellos!
auch!von!dessen!Ambivalenz!P!sie!zu!profitierten!hofften!und!versuchten.!
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Und!in!der!Tat,!schwerlich!findet!sich!eine!noch!mirakulösere!Kreatur.!Die!Biene!schenkt!
den! Honig,! der! nicht! nur! Inbegriff! des! Süßen,! sondern! auch! des! Heilsamen! ist,! und! sie!
schenkt!das!Wachs,!das!Bewahrende,!den!Balsam,!der!zumindest!den!Mumien,!eine!kleiP
ne!Ewigkeit!gewährt.!Die!Biene!nährt!sich!vom!Duft!der!Blüten,!!von!denen!sie!auch!P!die!
vorbildlich!Keusche!–!Nahrung!für!ihre!Brut!sammelt:!O(vere(beata(et(amabilis(apis,(cuius(
nec( sexum( masculi( violant,! meint! der! Heilige! Gregor.! Von! den! Bienen! ist! somit! festgeP

! 1!
stellt,!dass!jede!Empfängnis!so!unbefleckt!ist!wie!die!Mariens.!Weshalb!der!Heilige!AmP
brosius,!der!Bienenfreund,!von!der!Jungfräulichkeit!der!Mutter!Gottes!sagt:!digna(enim(
virginitas( quae( apibus( comparetur:( sic( laboriosa,( sic( pudica,( sic( continens.! –! Und! wenn!
Matthias! Grünewald! einen! Bienenstock! malt,! malt! und! meint! er! die! Madonna.! Und! der!
Bienenkenner! Wilhelm! Busch,! der! mit! 25! Jahren,! in! einer! äußerst! prekären! LebensP
situation,!beinahe!nach!Brasilien!ausgewandert!wäre,!um!dort!als!Imker!seinen!LebensP
unterhalt!zu!verdienen,!schrieb!in!einem!Brief!an!eine!von!ihm!verehrte!Dame!am!7.!Juli!
1875:!„Was!folgt!hieraus?!Antwort:!Hier!findet!Parthenogenesis!statt.!Ich!hoffe,!Sie!werP
den!daraus!auch!ohne!mich!eine!hübsche!Nutzanwendung!machen!in!Bezug!auf!die!WürP
de!der!Frauen!im!allgemeinen!und!die!unbefleckte!Empfängniß!in’s!besondere.“!–!WillP
helm!Busch!war!darüber!hinaus!davon!überzeugt,!dass!die!Liebe!der!Menschen!zu!den!
Bienen! nur! „in! einer! gemeinsamen! Wurzelverwandtschaft! aller! Dinge! ihren! letzten!
Grund! haben! kann.“! –! Aber! die! Biene! ist! stets! auch! doppeldeutig.! Stachel! und! Honig.!
Strenge!und!Milde.!Auch!die!Worte!des!Erlösers!sind!süß.!Als!Weltenrichter,!aber,!wird!
er!seinen!–!freilich!gerechten!P!Stachel!zeigen.!!
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Darüber! hinaus! ist! die! Biene! sehr! rätselhaft.! Und! stachelt! auch! die! Spekulation! an.! P!
Entsteht!sie!denn!nicht!doch!aus!Tierkadavern?!Stammt!sie!nicht!doch!aus!dem!Rachen!
eines!Löwen?!–!Noch!Francis!Bacon!versuchte,!um!1600,!dies!experimentell!zu!–!widerP
legen.! Das! war! kein! bienenunfreundlicher! Akt.! Es! sollte! vielmehr,! was! sich! für! die! GeP
schichte! der! Naturwissenschaft! als! höchst! bedeutsam! erwies,! Wert! und! Relevanz! des!
Experiments!–!an!sich!P!erweisen.!!
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Allegorische! Darstellungen! der! Hoffnung,! auch! sie,! tragen! bisweilen! Bienenkörbe! als!
Kopfbedeckung.!Weisheit,!Tugend,!Liebe,!Zusammenarbeit,!Mut.!Kurz:!Organisation!und!
Harmonie.!Alle!Ideale,!die!gleichsam!den!Kitt!der!Gemeinschaft!ausmachen,!werden!den!
Bienen!und!ihrem!Staat!zugeschrieben.!Das!Mittelalter!sah!im!Bienenstock!das!Ideal!der!
Kirche.! Die! Einheit! in! der! Vielheit,! den! mystischen! Leib! des! Herrn.! Und! in! „Brehms!
Tierleben“,!in!den!1860er!Jahren!erhält!die!Organisation!eines!Bienenvolks!und!Pstaats!
schließlich! eine! Art! sozialdarwinistischer! Weihe:! „Diese! Einrichtung! ist! darum! so! muP
sterhaft,!weil!jeder!Theil!an!seinem!Platze!seine!Schuldigkeit!im!vollsten!Maße!thut,!weil!
keiner! mehr! oder! weniger! sein! will! als! das,! wozu! ihn! seine! Leistungsfähigkeit! beP
stimmt.“!–!!
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Und!Ludwig!Büchner,!der!Bruder!des!Dichters!Georg!Büchner,!der!den!Krieg!in!die!PaP
läste! tragen! wollte,! rekapituliert! in! seinem! Buch! “Aus! dem! Geistesleben! der! Thiere“,!
Berlin,!1876:!„Man!hat!den!Bienenstaat!oft!als!das!Ideal!oder!Muster!eines!sog.!constitu:
tionell:monarchischen(Regierungssystems! hingestellt,! also! desjenigen! Systems,! welches!
gegenwärtig!in!den!meisten!europäischen!Staaten!herrschend!ist!und!von!den!Einen!als!
höchstes! politisches! Ideal,! von! den! anderen! dagegen! als! eine! große! politische! Lüge!
angesehen! wird.! Auch! hat! schon! im! Anfange! des! vorigen! Jahrhunderts! der! Franzose!
Mandeville!in!seiner!berühmten!oder!berüchtigten!„BienenPFabel“!die!StaatsPVerfassung!
der! Bienen! als! Vorbild! für! menschliche! StaatsPEinrichtungen! hinzustellen! versucht,!
wenn!auch!in!sehr!übertriebener!Weise.“!–!!
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Seien!wir!nicht!kleinlich;!und!lassen!wir!es!an!dieser!Stelle!dem!Dichterbruder!!Ludwig!
Büchner! durchgehen,! dass! Bernhard! Mandeville! (1670P1733)! kein! Franzose,! sondern!
ein! niederländischer! Arzt! war,! der! seine! Bienenfabel,! „The! Fable! of! the! Bees“,! 1705! in!
englischer! Sprache! geschrieben! und! zunächst! als! Flugblatt! verbreitet! hat.! Man! möchte!
fast! sagen:! nach! dem! Vorbild! eines! Bienenschwarms.! Büchners! Charakteristik! der! BieP

! 2!
nenPFabel,!indes,!hat!durchaus!etwas!für!sich.!P!!Und!für!den!Rest!seines!Arguments!hätP
te!Büchner!auch!auf!Shakespeare!verweisen!können,!der!in!seinem!Henry!V!(Akt!1,!SzeP
ne!2)!schreibt:!„So!work!the!honeyPbees,!/!Creatures!that!by!a!rule!in!nature!teach!/!The!
art! of! order! to! a! peopled! kingdom.“! –! Behalten! wir! einfavh! auf! unserer! geistigen! HinP
terhand:!Die!Bienen,!!das!die!Lehrmeister(innen)!der!hohen!Kunst(der(Ordnung.!
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II!Die!Bienen,!der!Illuminat!Weishaupt!und!der!!
Eichstätter!Domprobst!Ludwig!Graf!Cobenzl!
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In! einem! Brief! vom! 31.! März! 1779! macht! Adam! Weishaupt,! genannt! Spartacus,! der!
Ingolstädter!Gründer!des!bayerischen!Illuminatenordens,!urspünglich!„Bund!der!PerfekP
tibilisten“!genannt,!zu!dessen!Mitgliedern!später!auch!der!Domkapitular!August!Clemens!
Ludwig! Maria! Graf! von! Hatzfeld! gehören! sollte,! seinen! IlluminatenPBrüdern! einen! inP
teressanten! Vorschlag.! Weishaupt! schreibt:! „Wenn! es! ihnen! beliebig,! und! nicht! zuviel!
Mühe! macht,! so! geben! sie! dem! (.)statt! Illuminaten! den! Namen! Bienenorden.! Oder! BieP
nengesellschaft.!Kleiden!sie!die!ganze!Statuten(in!diese!Allegorie!ein,!v.g.!daß!dieser!Grad!
die!Vorbereitungsschule!sey,!das!Honigsammeln,!um!auf!künftige!Zeiten!seine!Auskunft,!
Nahrung,!erforderlichen!Unterricht!und!Wissenschaft!zu!haben.!Daher!und!darunter!geP
hören!die!Regeln!von!Mäßigung,!Hauswirthschaft.!Unsere!Regierung!ist!gelind!und!sanft,!
wie!bey!Bienen,!bey!welchen!die!Königinn!die!Oberhand!hat.!Darunter!gehören!die!ArP
tikel!der!Statuten,!von!dem!Verfahren,!Nachsicht!und!Gelindigkeit!der!Obern.!Die!Bienen!
haben! auch! zugleich! ihre! Stachel! etc.! und! da! muß! wieder! etwas! anders,! darunter! verP
standen! werden.! –! Ueberhaupt! untersuchen! sie! die! Eigenschaften! der! Bienen! v.g.! arP
beitsam,! vorsichtig,! mäßig! etc.! Diese! müßten! unsre! Leute! auch! haben,! und! unter! diese!
Eigenschaften! theilen! sie! die! Passus( concernentes( Statuorum! ein.! Daher! wird! auch! die!
Terminologie!entstehen!v.g.!der!Bien![=Bienenstock]!hat!geschwärmt,!das!heißt,!er!hat!
aufgenommen,!oder!es!ist!eine!neue!Versammlung!durch!uns!an!diesem!Ort!entstanden.!
Buffon!und!Bonnets!Betrachtung!der!Natur!sollen!ihnen!dabey!gute!Dienste!thun.!Sapi:
enti(pauca.(Schicken!sie!mir!ihren!Aufsatz!zur(Revision.!Ich!bin!in!Eil.!!Ihr!Spartacus“!–!!
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Leider! ist! aus! Vorschlag! und! Auftrag! nichts! geworden.! Sonst! hätten! wir! leichtes! Spiel,!
das!Bienenhaus,!das!zum!Mausoleum!des!Grafen!Hatzfeld!wurde,!allegorisch!zu!deuten.!
Denn! schon! am! 1.! April! 1779! pfeift! Weishaupt! seine! Brüder! zurück;! mit! dem! eigenarP
tigen!Argument,!dass!die!Allegorie!des!Bienenstocks!sich!nicht!eigne,!die!Hierarchie!des!
IlluminatenPOrdens!angemessen!darzustellen.!Und!überhaupt!sei!ihm!das!Bild!des!BieP
nenschwarms! „zu! klein! und! nicht! erhaben! genug“.! –! „Wegen! meinem! gestrigen! VorP
schlag!wegen!der!Bienen=Republic![W.!meint!hier!die!„Klasse“!unmittelbar!vor!den!„MyP
sterien“]!habe!ich!weiter!nachgedacht!und!gefunden,!daß!es!aus!vielen!Ursachen!besser!
sey,!wenn!es!bey!dem!alten!verbleibt.!Unter!andern!haltet!es!uns!von!weitern!Arbeiten!
auf,!und!hindert!mich!für!mein!künftiges!System.![=an!der!Ausarbeitung!meiner!SchrifP
ten]!Ich!kann!auch!in!dieser!Allegorie!keine!Nämen![!]!für!die!Vorseher!finden,!und!überP
haupt!ist!sie!mir!zu!klein!und!nicht!erhaben!genug.“!–!
!
Der! Eichstätter! Domprobst! Cobenzl,! P! es! ist! reizvoll! sich! vorzustellen,! dass! er! in! der!
Höhle!oberhalb!seines!Gartens!als!ein!Eichstätter!Sarastro!haushielt!–!war!im!IlluminaP
tenPOrden! als! Arrian! bekannt.! In! ihm! sah! Adam! Weishaupt! offensichtlich! den! wichP
tigsten! Kontaktmann! zu! den! Wiener! Ordensbrüdern,! vor! allem! zu! seinem! älteren!
Bruder,! dem! Grafen! Philipp! Johann! Cobenzl! (Memerades! oder! Numa! Pompilius! RomaP
nus!genannt),!dem!Schriftsteller!!und!Geheimrat!Sonnenfels,!Fabius,!und!dem!Baron!von!
Schroeckenstein,!genannt!Mahomet.!–!!Philipp!Johann!Cobenzl!war!ein!enger!Vertrauter!!

! 3!
Jossephs! II,! den! er! auf! dessen! Reise! nach! Frankreich! begleitete,! auf! der! Joseph! am! 24.!
Mai!1777!den!Englischen!Garten!des!Marquis!de!Girardin!in!Ermenonville,!nördlich!von!
Paris,! besuchte.! Kaiser! Joseph! II! hatte! 1775! den! barocken! „Augarten“! in! Wien! umgeP
stalten!und!für!die!Bevölkerung!öffnen!lassen.!!
!
Der!Park!von!Ermenonville,!der!als!der!erste!„Englische!Garten“!in!Frankreich!gilt,!wurP
de! zur! Inspiration! und! zum! Vorbild! für! die! Neugestaltung! des! Laxenburger! Parks! bei!
Wien;!die!aber!erst!von!Josephs!Neffen,!Franz,!vollendet!werden!konnte.!–!Wichtiger!für!
unsere! Geschichte! aber! ist,! dass! der! Wiener! Cobenzl,! Graf! Philipp,! von! dem! wir! nicht!
wissen,! ob! er! Joseph! auch! bei! seinem! Besuch! in! Ermenonville! begleitet! hat,! schon! im!
Jahr! 1773,! nach! der! Auflösung! des! Jesuitenordens! dessen! Besitzungen! auf! dem! ReiP
senberg! (später! Cobenzl! genannt)! erworben! und! –! um! 1775! P! auf! den! Abhängen! des!
Hügels! ein! Schloss! mit! einen! weitläufigen! Park! hat! errichten! lassen.! Hier! genoss! auch!
Mozart! mehrmals! die! Gastfreundschaft! Philipps.! Und! das! hatte! musikgeschichtliche!
Konsequenzen:!!
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„Allegorisch! ist! auch! das! Bühnenbild! der! Zauberflöte,! einer! Märchenwelt! aus! Gärten,!
Tempeln,! Pyramiden! und! Kristallen,! die! jedoch! nicht! der! Fantasie! des! linksradikalen!
Theatermachers! Emanuel! Schikaneder! entsprungen! war! –! es! gab! sie! wirklich.! In! den!
Grinzinger!Weinbergen!hatte!der!Staatsbeamte!und!Illuminat!Graf!Philipp!von!Cobenzl!
einen!hieroglyphischen!Garten!mit!einer!künstlichen!Grotte!erbauen!lassen,!die!Mozart!
sehr!bewunderte.!Die!wunderschöne!Anlage!war!ein!Nachbau!des!Parks!von!Schloss!AiP
gen,! dem! Geheimtreff! der! Salzburger! Illuminaten.! Heilige! Schauer! verzückten! einen,!
wenn! man! sie! betrat:! Antike! Vasen,! ägyptische! Urnen,! bunte! Türmchen! und! Obelisken!
zierten!die!Grotte,!in!der!es!zu!geheimen!Riten!der!Wiener!Illuminaten!kam.!Die!Grotte!
am!Cobenzl!ist!heute!zugemauert!und!unzugänglich.!Im!Bühnenbild!der!Zauberflöte!tritt!
sie!als!„wasserspeiender!Berg“!in!Erscheinung.!Ob!Mozart!damit!das!Geheimversteck!der!
Illuminaten! preisgegeben! hat?! Zwei! Monate! nach! ihrer! Uraufführung! war! Mozart! tot.“!
(Jimmy!Deix,!Mozart!und!die!Illuminaten)!
!
Wolfgang! Amadeus! selbst! schrieb! über! einen! Aufenthalt! auf! dem! „Cobenzl“! in! einem!
Brief!an!den!Vater:!„Ich(war(schon(einmal(über(Nacht(hier(und(jetzt(bleibe(ich(etliche(Tage.(
Die( Gegend,( der( Wald,( worin( eine( Grotte( gebaut,( als( wenn( sie( von( Natur( wäre,( das( ist(
prächtig(und(sehr(angenehm.“(
(
Auch!ohne!Verschwörungstheorien!und!Mordkomplotte,!P!die!brauchen!wir!nicht,!sehen!
wir!die!ideellen!Beziehungen!zwischen!dem!CobenzlPPark!in!Eichstätt!und!dem!CobenzlP
Park! in! Wien,! gestiftet! durch! die! beiden! Grafen! Cobenzl! selbst,! durch! die! Illuminaten!
und!die!Freimaurer,!durch!Mozart!und!Hatzfeld,!durch!die!Gartenkunst,!durch!die!Musik,!
und! vielleicht! auch! ein! bisschen! durch! Magie.! –! Obgleich! Weishaupts! Hoffnungen! entP
täuscht!und!seine!Intrigen!keinen!Erfolg!zeitigten:!!
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Von!Arrian,!dem!Eichstätter!Cobenzl,!!hatte!Weishaupt!nicht!weniger!erwartet,!als!dass!
er! den! österreichischen! Kaiser! Joseph! II! zum! Eintritt! in! den! FreimaurerP! und! in! den!
IlluminatenPOrden!bewegt:!„:Nun!ist!es!die!grösste!Zeit,!dass!Arrian!sich!in!Rom![wo!sich!
der!russische!Großfürst!und!der!Kaiser!von!Österreich!gerade!befanden]!an!die!Sach!mit!
Muth!wagen!kann!und!soll.“!Das!schreibt!am!25.!Februar!1782!Hannibal,!Baron!Bassus,!
an!W.!P!Am!27.!November!1782!schreibt!W.!aber!enttäuscht,!oder!–!mittlerweile!P!eher!
ungehalten:! „...leider! ist! es! nur! zu! wahr,! dass! seine! [Arrians,! also! des! Eichstätter! CoP
benzls]!Direction!keinen!Teufel!taugt,!aber!in!Rom,!da!will!er!keinen!vorkommen!lassen,!

! 4!
er! thut! als! wenn! die! ganze! österreichische! Monarchie! zu! seinen! Befehlen! stünde,! ich!
habe!mich!erbothen,!ihm!alle!Briefe!aufzusetzen,!den!er!sodann!nur!zu!unterschreiben!
braucht,!wenn!er!doch!noch!fort!dirigiren!will.“!–!Nachdem!seine!hochgesteckten!HoffP
nungen!also!gründlich!und!!endgültig!enttäuscht!worden!waren,!schreibt!W.!am!1.!OktoP
ber! 1784:! „...:! gleichwie! in! des! hochweisen! Mahoments! [Baron! von! Schroeckensteins]!
Provinz!nichts!hinter!und!vor!sich!geht,!vor!allem!wegen!„A[rrian]s!fehlerhaft!getroffeP
nen!Einrichtungen.“!–!Spätestens!jetzt!hatte!W.!seine!Wiener!Ambitionen!und!Optionen!
aufgegeben.! Der! Eichstätter! Cobenzl! hatte! in! seinen! Augen! versagt.! Offensichtlich! verP
fügte!er!aber!über!keinen!Ersatz.!Vielleicht!wäre!die!Geschichte!des!IlluminatenPOrdens!
ander!gelaufen,!wenn!!Arrian!eine!„Einrichtungen“!anders!getroffen!hätte.!P!
!
III!Zurück:!Die!Biene!und!das!Süße!
!
Im!Hebräischen!hat!der!Name!Deborah,!der!Biene!bedeutet,!den!selben!Stamm!wie!das!
hebräische!Wort! für! Wort.! Und! das! rückt! die! Biene! ganz! nahe! an! das! Wort! Gottes,!das!
Wort!des!Schöpfers;!und!gibt!dem!jüdischen!Sprichwort:!„Das!Wort!ist!eine!Biene.!Es!hat!
Honig!und!Stachel“!eine!besondere!Pointe.!–!Es!gibt,!zudem,!christliche!Überlieferungen,!
die!es!für!möglich!halten,!dass!die!Biene!schon!vor!der!Schöpfung!existierte.!
!
Der!Honig!war!bis!zur!Entdeckung!der!Saccharose!in!der!Runkelrübe!im!Jahr!1747!das!
einziges! Süßungsmittel! für! alle;! und! –! lange! über! dieses! Datum! hinaus! –! blieb! es! das!
noch!für!die!ärmere!Bevölkerung.!Lange,!sehr!lange,!war!der!Honig!der!Inbegriff!des!SüP
ßen! überhaupt.! Der! ! Honig! war! der! Süßstoff! an! sich.! Ja,! das! Süße! an! sich.! Man! kann!
sagen,!dass!auch!die!Erlösung!durch!den!Tod!Christi!ihren!Geschmack!dem!Honig!verP
dankt.!Selbst!noch!die!Marterwerkzeuge,!die!„süßen!Nägel!der!Passion“.!–!!
!
Wir!können!uns!wohl!nicht!mehr!denken,!was!der!Honig!für!die!Zeiten!bedeutete,!als!er!
noch!nicht!an!den!Rand!gerückt!war.!!Wir!können!uns!natürlich!auch!nicht!denken,!was!
der!Honig!dem!Bären!bedeutete,!von!dem!die!Menschen!den!Honigraub,!im!Grunde!ein!
leckerliches! (eigentlich:! „nach! der! Art! eines! leckers,! eines! Schalks“,! wobei! lecker! urP
sprünglich!tatsächlich!ein!„leckendes,!naschendes!Kind“!bedeute)!und!schreckliches!VerP
gehen!an!den!vielgelobten!Bienenvölkern,!gelernt!haben!sollen.!–!!
!
Jedenfalls:!Der!Honig,!das!war!das!Süße.!Und!sonst!nichts:!Er!hat!den!Menschen!gelehrt,!
was!das!Süße!ist.!Und!das!hat!lange!den!Bezug!des!Menschen!zur!Biene!geprägt.!–!Wir,!
heute,!sind!späte,!erschöpfte!und!degenerierte!Honigdiebe,!Honigdiebe!an!der!ZeitperiP
pherie.!Vielleicht!nahe!beim!und!am!Ausgang!der!Zeit.!Das!Wissen!und!die!Dankbarkeit!
haben!uns!verlassen.!Die!Bienen!sind!denen!unter!uns,!die!keine!Imkerinnen!und!Imker!
sind,!kaum!noch!mehr!als!Stachelträger,!unter!anderen.!
!
In!Homers!Ilias!heißt!es!von!Nestor!sogar,!dass!seine!Rede!„süßer!als!Honig!von!seiner!
Zunge! strömte.“! –! Damit! ist! gemeint,! dass! er! überreden! konnte,! in! dem! Sinne,! in! dem!
auch!das!lateinische!Verb!persuadere,!zwar!„überreden“!meint,!ursprünglich!aber!soviel!
bedeutete! wie! „etwas! für! jemanden! süß! machen“;und! zwar! mit( Erfolg.! Und! schon! bei!
Pindar,!schreibt!der!Sprachforscher!Dornseiff,!klingt!der!Gleichklang!von!melos!–!μέλος!
„Weise“,!„Lied“,!„Melodie“!–!und!meli!!P!μέλι!„Honig“!„sehr!einleuchtend“.!Es!scheint!den!
Alten! Griechen! nicht! schwergefallen! zu! sein,! den! Gesang! als! etwas! Süßes! zu! erfahren;!
und!daran!zu!glauben,!dass!es!der!Genuss!von!Honig!war,!der!ihre!Seherinnen!und!Seher!
in!den!Stand!versetzte,!göttliche!Wahrheiten!zu!verkünden.!Im!Honig!also!gleichsam!ein!

! 5!
Gleitmittel! zu! erkennen,! göttliche! Wahrheiten! in! die! Menschenwelt! zu! transportieren.!
Und!den!Menschen!Mitwisserschaft!zu!ermöglichen.!!
!
Einen!Nachklang!finden!wir!bei!Origenes,!um!200,!der!die!Propheten!als!Bienen!und!ihre!
Prophezeiungen!als!Honig!verstand.!Bei!den!Griechen!und!den!frühen!Christen!war!die!
Vorstellung,! dass! der! Honig! eine! GötterPSpeise! sei,! deren! Genuss! dazu! befähigte,! die!
Wahrheit! zu! sagen! und! zu! verkünden,! offensichtlich! tief! verwurzelt.! Das! macht! auch!
verständlich,!warum!Pindar,!um!500!vor!Christus,!die!Pythia!als!„delphische!Biene“!beP
zeichnete,!eine!Biene,!eben,!die!göttliche!Wahrheiten!sammelte!–!und!–!wenn!auch!deuP
tungsbedürftig!–!weitergab.!!
!
Da!verwundert!es!auch!nicht,!dass!Dionysos,!von!dem!es!heißt,!dass!er!den!Himmel!auf!
die!Erde!herab!bringt,!in!seiner!Jugend!mit!Honig!genährt!worden!ist.!–!Vergessen!wir!
auch! nicht,! dass! Rhea! den! Zeus,! auch! ein! Sonnengott,! und! Gott! der! Wiedergeburt,! auf!
Kreta!in!einer!BienenPHöhle!geboren!hatte!!–!Je!mehr!die!Person!des!Dichters!als!„gottP
beseelter“!Kolporteur!übermenschlicher!Wahrheiten!gesehen!wurde,!verschob!sich!das!
Interesse! von! der! MittlerPSubstanz,! dem! Honig,! zum! Vermittler,! dem! Dichter,! der! bieP
nengleich! den,! diversen,! Honig! seiner! Wahrheiten! sammelt,! und! zu! Einem,! zu! etwas!
Eigenen!fermentiert,!und!im!Lied!wieder!verströmt.!!
!
Simonides!(557/556!–!468/467),!welcher!der!erste!gewesen!sein!soll,!der!die!Dichtung!
sprechende! Malerei! und! die! Malerei! stumme! Dichtung! nannte,! ! hat! diese,! mühselige,!
auch!Bitteres!in!Süßes!verwandelnde!Arbeit!des!Dichters!auf!eine!noch!immer!betörenP
de! Formel! gebracht:! „Nicht! aus! duftig! bunten! Blumen,! sondern! aus! bitterem! Thymian!
sauge!ich,!der!klugen!Biene!gleich,!den!süßen!Honig!meiner!Dichtung.“!!
!
Aber! dass! die! Biene! zu! einem! sozusagen! vollgültigen! Symbol! und! Inbild! des! Dichters!
werden!konnte,!bedurfte!es!noch!der!Dimension!des!Klangs.!Des!Auditiven.!Der!Stimme,!
der! Musik.! Spätestens! in! den! Liedern! des! Bakchylides! (520/516! –! um! 451),! der! sich!
selbst!„honigsüß!tönende“!„Biene!der!Insel!(Keos)“!nennt,!!ist!die!Biene!zum!Symbol!des!
Dichters!als!Sänger!geworden,!wenn!er!ihn!mit!der!„helltönenden!Biene“!vergleicht.!!
!
Der!Gesang!des!Dichters!und!das!helltönende!Summen!der!Bienen.!Hier!stehen!sie!füreiP
nander,!und!stehen!für!einander!ein.!Ja!mehr:!Wahr(reden!oder!singen!kann!der!Dichter!
nur,!wenn!er!außer!sich!ist,!auf!den!„Besitz“!des!Bewusstseins!und!der!Vernunft!verzichP
tet.! Das! ist! zumindest! die! Überzeugung! Platons,! wie! er! sie! uns! ins! überraschend! verP
trauten!Bildern!nahe!zu!bringen!versucht:!!
!
Die! „rechten“! Dichter! sprechen! „als! Begeisterte! und! Besessene! alle! diese! schönen! GeP
dichte,!und!ebenso!die!rechten!Liederdichter,!und!so!wenig!die,!welche!vom!tanzenden!
Wahnsinn! befangen! sind,! mit! vernünftigem! Bewußtsein! tanzen,! so! dichten! auch! die!
Liederdichter!nicht!bei!vernünftigem!Bewußtsein!diese!schönen!Lieder,!sondern!wenn!
sie!von!Harmonie!und!Rhythmus!erfüllt!sind,!dann!werden!sie!den!Bacchen!ähnlich,!und!
begeistert,! wie! diese! aus! den! Strömen! Milch! und! Honig! ! nur! wenn! sie! begeistert! sind!
schöpfen,! wenn! aber! ihres! Bewußtseins! mächtig,! dann! nicht,! so! bewirkt! auch! der! LieP
derdichter!Seele!dieses,!wie!sie!auch!selbst!sagen.!Es!sagen!uns!nämlich!die!Dichter,!daß!
sie!aus!honigströmenden!Quellen!aus!gewissen!Gärten!und!Hainen!der!Musen!pflückend!
diese! Gesänge! uns! bringen,! wie! die! Bienen,! auch! selbst! so! umherfliegend.! Und! wahr!
reden! sie.! Denn! ein! leichtes! Wesen! ist! ein! Dichter! und! geflügelt! und! heilig,! und! nicht!
eher! vermögend! zu! dichten,! bis! er! begeistert! worden! ist! und! bewußtlos! und! die! VerP

! 6!
nunft! nicht! mehr! in! ihm! wohnt.! Denn! solange! er! diesen! Besitz! noch! festhält,! ist! jeder!
Mensch!unfähig!zu!dichten!oder!Orakel!zu!sprechen.“!–!Die!honigberauschten!Bakchen!
treffen!und!vereinen!sich!im!enthusiastischen!Schwärmen!mit!den!Bienen;!und!mit!den!
Seligen!im!Elysium;!und!selbst!mit!den!summenden,!schwärmenden!Scharen!der!Toten!
in!ihrem!Reich.!Hier!überblenden!sich!radikal!verschiedene!Vorstellungen!zu!einem!Bild!
–!von!unverbrüchlicher!Prägnanz.!
!
IV!Hatzfeld!und!Mozart.!Die!Jahre!1786!und!1787!
!
Hatzfeld! hat! Mozart! im! Januar! 1786! während! einer! Pilgerreise! zur! Kirche! Mariahilf! in!
Wien!erstmals!getroffen.!!Im!März!1787,!kurz!vor!der!Vollendung!von!Figaros!Hochzeit,!
schrieb!Mozart!für!den!–!jetzt!von!ihm!so!genannten!P!geliebten!Freund!und!Virtuosen!
August!Clemens!von!Hatzfeld,!besser:!eigens!für!ihn!–!bei!Gelegenheit!einer!Aufführung!
des! Idomeneo! beim! Prinzen! Johann! Adam! von! Auersperg! P! eine! obligate! Violinstimme!
für! die! Arie! Non(temer,(amato(bene.(Schon! kurz! danach! kehrte! Hatzfeld! nach! Eichstätt!
zurück,!wo!er!nur!einige!Wochen!später!verstarb.!–!!
!
Hatzfeld! und! Mozart! blieb! für! ihre! besondere! KünstlerP! und! SeelenPFreundschaft! nur!
sehr! wenig! Zeit.! Wir! wissen,! dass! Hatzfeld! Mozarts! Kammermusikpartner! beim! so! geP
nannten! „Dissonanzenquartett“! war.! P! Und! als! bei! einer! Aufführung! des! Idomeneo! im!
Palais!Auersberg!Idamante!von!einem!Tenor,!!dem!Baron!Anton!Pulini,!gesungen!wurde,!
komponierte! Mozart! nicht! nur! ein! neues! Duett! (das! mit! Ilia,! im! 3.! Akt,! Spiegarti( non(
poss'io,!KV!489),!sondern!darüber!hinaus!auch!eine!neue!Arie!mit!Rezitativ!(ebenfalls!für!
Pulini),!eben!jenes!Non(temer,(amato(bene!(KV!490),!dessen!betörender!obligater!ViolinP
part!für!den!Grafen!Hatzfeld!geschrieben!–!und!von!ihm!gespielt!wurde.!!
!
Die!Jahre!1786!und!1787!gehören!zweifellos!zu!den!schicksalhaftesten!im!Leben!WolfP
ganz! Amadeus! Mozarts.! Am! 18.! Oktober! 1786,! mussten! Wolfgang! Amadeus! und! KonP
stanze! den! Tod! ihres! nach! dem! Großvater! benannten! Sohnes! Leopold! beklagen! und!
überstehen.!In!ihrer!Trauer!planten!sie,!Wien!zu!verlassen!und!nach!London!oder!Paris!
zu!gehen.!Die!Einladung,!in!Prag!zu!dirigieren,!erschien!wie!eine!Art!deus(aus(machina!–!
und!machte!alle!anderen!Pläne!obsolet.!!
!
Im!Dezember!1786!war!in!Prag,!im!NostitzPTheater,!Figaros(Hochzeit!mit!großem!Erfolg!
aufgeführt! worden.! Ohne! jeden! Vorbehalt! folgte! Mozart! der! Einladung,! seine! Oper! in!
Prag!selbst!zu!dirigieren.!Am!8.!Januar!brachen!die!Mozarts!auf,!trafen!am!11.!Januar!in!
Prag!ein!und!bezogen!den!Palast!Thun,!auf!der!so!genannten!Kleinseite.!Am!17.!und!am!
20.!Januar!dirigierte!Mozart!den!Figaro.!Am!19.!auch!seine!neue!DPdurPSymphonie,!die!
seither!unter!dem!Namen!„Prager!Symphonie“!bekannt!ist.!In!diesen!Tagen!lernte!MoP
zart,! was! es! heißt! umjubelt! zu! sein! –! und! fast! wie! ein! Held,! ja! ein! Halbgott! verehrt! zu!
werden.!Das!füllte!auch!die!Kassen;!mit!1000!Gulden,!wie!Vater!Leopold!notiert.!!
!
Wichtiger!aber!–!zumal!für!uns,!die!Nachwelt!–!ist!es,!dass!Wolfgang!aus!Prag!den!AufP
trag! für! eine! Oper! zum! Don! JuanPStoff! erhielt.! Schon! kurz! nach! seiner! Rückkehr! nach!
Wien!setzte!sich!Mozart!sofort!mit!Da!Ponte!in!Verbindung!–!und!sie!begannen!mit!ihrer!
Arbeit!am!Don(Giovanni.!–!!Das!Jahr!1787!war!für!Wolfgang!Amadeus!Mozart!zwar!auch!
ein!Jahr!beglückender!Erfolge.!Ja,!vielleicht!waren!die!kalten!Januartage!in!Prag,!und!die!
von!Mörike!mehrdeutig!und!tiefsinnig!verewigte!Reise!dorthin,!sogar!die!glücklichsten!
seines!Lebens.!Denn:!"hier(wird(von(nichts(gesprochen(als(von(:(Figaro;(nichts(gespielt,(ge:
blasen,(gesungen(und(gepfiffen(als(:(Figaro.(Keine(Oper(besucht(als(Figaro(und(ewig(Figaro;(

! 7!
gewiß(große(Ehre(für(mich(...",!wie!Mozart!selbst!berichtet.!!P!Und!ohne!Zweifel!war!das!
Jahr!1787,!eben!das!Jahr!des!Don(Giovanni,!eines!der!außerordentlichsten!und!kreativP
sten!Jahre!seines!Lebens,!in!dem!er!u.a.!auch!seine!bedeutendsten!Streichquintette!(KV!
515!und!KV!516)!schrieb.!–!!
!
Aber!zwischen!den!Quintetten!aus!dem!Frühling!1787!herrscht!ein!nicht!unerheblicher!
Kontrast.!Das!Werk!in!CPDur!(KV!515)!wirkt!fast!gelassen,!versöhnt,!während!sein!NachP
folger,! das! Streichquintett! in! gPMoll! (KV! 516),! durch! eine! pulsierende! Unruhe! geprägt!
ist,!sieht!man!vom!anscheinend!tröstlichen!Finale!einmal!ab.!Es!wundert!nicht,!dass!der!
„verzweifelte“!Ton!des!gPMoll!Quintetts!von!der!Forschung!mit!dem!Tod!des!Grafen!von!
Hatzfeld!und!der!letzten!Krankheit!Leopold!Mozarts!in!Verbindung!gebracht!wird.!AllerP
dings! lassen! die! Werke,! die! Mozart! im! Umkreis! der! beiden! Quartette! geschrieben! hat,!
keine! eindeutigen! Schlüsse! auf! seine! Gemütsverfassung! zu.! Vielleicht! nur! den,! dass! er!
wirklich!„zerrüttet“!war.!–!!
!
Grade!in!den!Werken!des!Jahres!1787!finden!sich!Trauer,!Schmerz,!Witz,!Ironie,!InnigP
keit,!Heiterkeit!und!Spott!auf!eine!verwirrende!und!erschütternde!Weise!beieinander.!–!
Die!Violinsonate!APDur!(KV!526)!sollte!hier!aber!herausgehoben!werden:!Sie!war!schon!
am!24.!August!1787!vollendet,!!wurde!im!September!veröffentlicht;!und!war,!nebenbei,!
ein! erstaunlicher! Verkaufserfolg.! Der! „intime“! Ton! des! Andante,! liest! man! in! der! ForP
schung,! soll! darauf! hinweisen,! dass! Mozart! in! diesem! Stück! sehr! persönliche! TrauerP
arbeit!leistete.!!
!
Der! Tod! seines! Vaters,! habe! Mozart! in! einer! Phase! getroffen,! die! ohnehin! von! den! GeP
danken!geprägt!gewesen!sei,!die!der!Tod!des!Grafen!von!Hatzfeld!hervorgerufen!hatte.!
Auch!die!Vermutung!wurde!geäußert,!Mozart!habe!das!Andante!der!Sonate!als!„DoppelP
epitaph“,! gleichsam! ein! musikalisches! Mausoleum! für! den! Vater! Leopold! und! den!
Freund!Hatzfeld!geschaffen.!Nicht!zuletzt,!weil!sich!im!Finale!ein!Themenzitat!aus!einem!
Trio! von! Carl! Friedrich! Abel! findet,! dem! frühen! Londoner! Mentor! des! kleinen! Mozart,!
der! ebenfalls! im! Juni! 1787! gestorben! war.! Auch! im! Don(Giovanni! und! den! Liedern! des!
Jahres! 1787! (vor! allem! in! Abendempfindung)! ist,! wie! in! der! APDurPSonate,! der! Tod! auf!
mannigfaltige!und!gleichsam!spürbare!Weise!präsent;!so!wie!er!in!diesem!Jahr!bei!MoP
zart!war,!wie!die!Sorge!bei!Faust,!P!„eben!da“.!–!!
!
In!das!Jahr!1787!fallen!aber!auch!Kompositionen!ganz!anderer!Art:!Nur!kurz!nach!dem!
Tode!des!Vaters!Ein(musikalischer(Spaß!(KV!522,!Juni!1787)!und!Eine(kleine(Nachtmusik(
(KV!525,!August!1787).!Die!Nummern!509!bis!531!des!Köchelverzeichnisses,!darunter!
zahlreiche!Lieder,!sind!alle!im!Jahr!1787!entstanden.!Daneben!noch!einige!weitere!WerP
ke,!wie!Zwei(deutsche(Kirchenlieder((KV!343!und!363c)!und!das!Musikalische(Würfelspiel(
in(C!(KV!516f),!für!das!leider!keine!Spielanweisung!für!die!Würfel!überliefert!ist. !
!
Das!Jahr!1787,!in!dem!Mozart!zwischen!dem!7.!Und!20,!April!auch!Beethoven!in!Wien!
unterrichtete,! war! bei! allem! vielleicht! das! innigste! Jahr! seines! Lebens.! P! Dem! Prager!
Glück,!dem!der!Tod!des!Sohnes!vorausgegangen!war,!folgten!höchst!schmerzliche!EreiP
gnisse:!der!Tod!seines!Vaters!Leopold,!Ende!Mai,!und,!zuvor,!Ende!März,!der!Tod!seines!
–!„besten!Freunds“,!des!Eichstätter!Grafen!Hatzfeld.1!P!!Mozarts!Seelenzustand!in!dieser!
!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
1!Wolfgang! Beitinger! fasst! die! Ereignisse! dieses! annus(horribilis! so! zusammen:! :„Unvorhersehbar! waren!
für! Mozart! freilich! auch! mehrere! Todesfälle,! die! ihn! nachhaltig! berührten! und! erschütterten.! Bereits! im!
November!86!war!ihm!sein!erst!1!Monat!altes!Söhnchen!Leopold!wieder!entrissen!worden.!Es!war!nach!
dem! Großvater! benannt! und! besonders! begrüßt! worden.! P! Ende! März! starb! der! von! Mozart! hochgeP

! 8!
Zeit,! seine! hilflose! Verzweiflung! drückt! sich,! zugleich! deutlich! und! dunkel,! in! einem!
„merkwürdigen! Trostbrief“! (Beitinger)! aus,! den! Wolfgang! am! 4.! April! 1787! an! seinen!
todkranken! Vater! Leopold! sandte;! und! der! wohl! ganz! und! unmittelbar! von! der! Trauer!
um!Hatzfeld!geprägt!ist:!
(
„–!diesen!augenblick!höre!ich!eine!Nachricht,!die!mich!sehr!niederschlägt!–!um!so!mehr!
als!ich!aus!ihrem!lezten!vermuthen!konnte,!daß!sie!sich!gottlob!recht!wohl!befinden;!–!
Nun! höre! aber! daß! sie! wirklich! krank! seÿen!! wie! sehnlich! ich! einer! Tröstenden! NachP
richt!von!ihnen!selbst!entgegen!sehe,!brauche!ich!ihnen!doch!wohl!nicht!zu!sagen;!und!
ich!hoffe!es!auch!gewis!–!obwohlen!ich!es!mir!zur!gewohnheit!gemacht!habe!mir!immer!
in!allen!Dingen!das!schlimmste!vorzustellen!–!da!der!Tod!|:!genau!zu!nemmen!:|!der!waP
hre!Endzweck!unsers!Lebens!ist,!so!habe!ich!mich!seit!ein!Paar!Jahren!mit!diesem!wahP
ren,!besten!Freunde!des!Menschen!so!bekannt!gemacht,!daß!sein!Bild!nicht!allein!nichts!
schreckendes!mehr!für!mich!hat,!sondern!recht!viel!beruhigendes!und!tröstendes!!und!
ich! danke! meinem! gott,! daß! er! mir! das! glück! gegönnt! hat! mir! die! gelegenheit! |:! sie!
verstehen!mich!:|!zu!verschaffen,!ihn!als!den!schlüssel!zu!unserer!wahren!GlückseeligP
keit!kennen!zu!lernen.!–!ich!lege!mich!nie!zu!bette!ohne!zu!bedenken,!daß!ich!vielleicht!|:!
so! Jung! als! ich! bin! :|! den! andern! Tag! nicht! mehr! seÿn! werde! –! und! es! wird! doch! kein!
Mensch! von! allen! die! mich! kennen! sagn! können! daß! ich! im! Umgange! mürrisch! oder!
traurig! wäre! –! und! für! diese! glückseeligkeit! danke! ich! alle! Tage! meinem! Schöpfer! und!
wünsche!sie!vom!Herzen!Jedem!meiner!Mitmenschen.![...]!–!Ich!habe!ihnen!in!dem!briefe!
|:!so!die!storace!eingepackt!hat!:|!schon!über!diesen!Punkt;!|:!beÿ!gelegenheit!des!trauP
rigen!Todfalles!Meines!liebsten!besten!Freundes!grafen!von!Hatzfeld!:|!meine!DenkungsP
art!erklärt!–!er!war!eben!31!Jahre!alt;!wie!ich!–!ich!bedaure!ihn!nicht!–!aber!wohl!herzP
lich!mich!und!alle!die!welche!ihn!so!genau!kannten!wie!ich.!–!Ich!hoffe!und!wünsche!daß!
sie!sich!während!ich!dieses!schreibe!besser!befinden!werden;!sollten!sie!aber!wieder!alP
les!vermuthen!nicht!besser!seÿn,!so!bitte!ich!sie!beÿ!.!.!.!.!.!.!mir!es!nicht!zu!verhehlen,!
sondern!mir!die!reine!Wahrheit!zu!schreiben!oder!schreiben!zu!lassen,!damit!ich!so!geP
schwind! als! es! menschenmöglich! ist! in! ihren! Armen! seÿn! kann;! ich! beschwöre! sie! beÿ!
allem!was!–!uns!heilig!ist.!–!Doch!hoffe!ich!bald!einen!Trostreichen!brief!von!ihnen!zu!erP
!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
schätzte!und!geliebte!Graf!August!Hatzfeld,!den!Mozart!auch!als!den!besten!aller!Geiger!rühmte.!In!seinem!
letzten!Brief!an!den!Vater!bricht!Mozarts!tiefe!Trauer!über!diesen!Verlust!durch,!wenn!er!schreibt:!"...!er!
war!eben!31!Jahre!alt;!wie!ich!P!ich!bedaure!ihn!nicht!P!aber!wohl!herzlich!mich!und!alle!die,!welche!ihn!so!
genau!kannten!wie!ich."!Am!3.!September,!kurz!vor!Mozarts!2.!Reise!nach!Prag,!wurde!ihm!ein!weiterer!
sehr!enger!Freund!entrissen.!Es!war!der!erst!29jährige!Leibarzt!Mozarts!Siegmund!Barisani.!Im!Sommer!
noch! hatte! er! Mozart! von! einer! schmerzensreichen! Krankheit! geheilt.! In! Mozarts! Stammbuch! hatte! der!
große!Musikkenner!geschrieben,!nur!Bach!und!Haydn!könne!man!einen!ebenbürtigen!Platz!neben!Mozart!
einräumen;! und! dazu! die! Bemerkung:! "Als! Arzt! dir! zweymal! hat! gedient! und! dich! der! Welt! zur! Lust! erP
hielt."!P!Jetzt!schrieb!Mozart!auf!dasselbe!Albumblatt,!mit!dem!Verstorbenen!habe!er!"den!liebsten,!besten!
Freund! und! Erretter! meines! Lebens"! verloren.! "Ihm! ist! wohl!P! aber! mir! P! uns! P! und! Allen,! die! ihn! genau!
kannten!P!Uns!wird!nimmer!wohl!werden!P!bis!wir!so!glücklich!sind,!ihn!in!einer!beßren!Welt!–!wieder!P!
und!auf!nimmer!scheiden!zu!sehen."!Wie!im!Fall!des!Grafen!Hatzfeld!spricht!Mozart!also!auch!hier!eine!
metaphysische!Würdigung!des!Todes!aus,!die!nicht!nur!in!christlicher,!sondern!auch!in!antikPplatonischer!
Tradition!steht.!!Alle!diese!Todesfälle!aber!stellte!der!am!28.!Mai!erfolgte!Tod!seines!Vaters!Leopold!in!den!
Schatten.! Mozart! hatte! schon! Anfang! April! durch! die! Schwester! Nannerl! erfahren,! daß! es! um! den!
kränkelnden!Vater!nicht!gut!stehe.!Sie!können,!m.!D.!u.!H.,!sich!vorstellen,!was!gerade!dieser!Vater!seinem!
Sohn! seit! dessen! Kindheit! bedeutet! haben! muß.! Er! verstand! sich! ja! bis! zuletzt! als! sein! Erzieher! und!
Mentor.!Immer!handelte!es!sich!um!ein!zwar!bewegtes!und!nicht!spannungsfreies,!aber!von!hohem!gegenP
seitigem! Respekt! und! gegenseitiger! Liebe! getragenes! Verhältnis.! Am! 4.! April! sandte! nun! der! Sohn! dem!
todkranken! Vater! jenen! Brief,! der! als! einer! der! merkwürdigsten! Trostbriefe! in! die! Weltliteratur! eingeP
gangen!ist“.!
!
!
! 9!
halten,!und!in!dieser!angenemmen!Hoffnung!küße!ich!ihnen!sammt!meinem!Weibe!und!
dem!Carl!1000mal!die!Hände,!und!bin!Ewig...“!!
(
Mozart! kommt! im! Oktober! 1787! in! Prag! an,! um! die! Premiere! des! Don( Giovanni( überP
wachen!zu!können.!Er!wohnt!in!einem!Hotel!in!der!Nähe!des!NostitzPPalasts;!weilt!aber!
lieber! bei! dem! befreundeten! Ehepaar! Duschek,! in! der! Villa! Bartramka,! wo! er! auch!
(gleichsam!im!letzten!Augenblick)!Ruhe!und!Muße!finden!musste,!die!Ouvertüre!und!das!
Finale!P!zu!vollenden?!–!niederzuschreiben?!P!Oder!eher!aus!seinem!Kopfe!gleichsam!abP
zuschreiben.!–!Wenn!wir!einem!zeitgenössischen!Bericht!trauen!dürfen:!„Endlich!sagte!
einer!seiner!Vertrauten:!"Mozart,!und!Du!hast!die!Ouvertüre!noch!nicht!fertig".!Mozart!
stellte!sich,!als!würde!er!ein!wenig!verlegen,!ging!in!ein!Nebenzimmer,!wohin!man!ihm!
Notenpapier,!Feder!und!Tinte!geschafft!hatte,!fing!um!Mitternacht!an!zu!schreiben!und!
vollendete! bis! zum! frühen! Morgen! in! wenigen! Stunden! eine! der! vortrefflichsten! aller!
seiner!und!aller!anderen!Ouvertüren.!Um!7:00!Uhr!abends,!da!die!Oper!anfangen!sollte,!
waren!die!Kopisten!mit!den!Stimmen!noch!nicht!fertig,!man!musste!daher!warten.!Um!¼!
auf!8:00!Uhr!brachte!man!die!Orchesterstimmen!noch!voller!Streusand!in!das!Orchester;!
zur!gleichen!Zeit!betrat!auch!Mozart!den!Raum,!um!die!erste!Produktion!zu!dirigieren.!
Die!Ouvertüre,!die!vorher!also!gar!nicht!geprobt!werden!konnte,!begann!nun;!das!WohlP
gefallen,!das!sie!weckte,!wurde!immer!größer!und!größer!und!verwandelte!sich!schließP
lich!in!lauten!Jubel.!Nach!Aufgehen!des!Vorhangs!sagte!Mozart!zu!einigen!ihm!zunächst!
Sitzenden:! "Es! sind! zwar! viele! Noten! unter! die! Pulte! gefallen,! aber! im! Ganzen! ist! die!
Ouvertüre!doch!recht!gut!vonstatten!gegangen!“!P!“!
!
Auch! die! Konzertarie! „Bellemia( fiamme,( addio“! (KV! 528)! schrieb! er! –! für! Josepha! DuP
schek,! die! Hausherrin! –! in! diesen! Tagen,! wohl! am! 3.! November.! Die! Uraufführung! des!
Don( Giovanni! am! 29.! Oktober! 1787,! im! NostitzPTheater! P! in! Anwesenheit! Giacomo!
Casanovas!P!gehörte!zu!den!größten!und!sozusagen!herzerfreulichsten!Erfolgen,!die!MoP
zart! in! seinem! Leben! gegönnt! waren.! Auch! Mozarts! PragPReise! war! von! prominenten!
Prager!Freimaurern2!protegiert!wurde.!Mozart!war!bereits!am!14.!Dezember!1784!in!die!
Schwesterloge! „Zur! Wohltätigkeit“! in! Wien! aufgenommen! worden.! Auch! Mozarts! AufP
nahme! in! eine! Wiener! Loge! wurde! allen! acht! damals! existierenden! ! Wiener! Logen!
angezeigt.! Ab! 1786! waren! Bartsch! und! Mozart! Mitglieder! in! der! neuen! „Sammelloge“!
"Zur!neugekrönten!Hoffnung".!!
!
Es!deutet!viel!darauf!hin,!dass!Mozart!ein!engagierter!Freimaurer!war.!Er!widmete!dem!
Bund!mehrere!Werke.!Darunter!die!Kantate!"Maurerfreude"!(KV!471),!die!er!1785!anP
lässlich! einer! Feier! in! Bartschs! Loge! zu! Ehren! des! Mineralogen! und! einflussreichen!
Freimaurers! Ignaz! von! Born,! in! dem! auch! das! Vorbild! Sarastros! gesehen! wird,! komP
ponierte.!Wir!wolle!aber!auch!nicht!verschweigen,!dass!das!Mozartsche!Freimaurertum!
auch! einige! skurrile! Züge! aufwies:! So! soll! Mozart! am! 19.! Februar! 1786! an! einem!
Maskenball!in!Wien!teilgenommen!haben,!bei!dem!er!als!HinduPPhilosoph!–!mit!Turban!
und!in!Kaftan!P!aufgetreten!ist.!Bei!dieser!Gelegenheit!verteilte!er!Zettel,!auf!denen!esoP
terische! Rätsel! und! seltsame! Sprüche,! wie! es! heißt,! geschrieben! standen,! bei! denen! es!
sich!um!Fragmente!der!Schriften!des!Zoroaster!gehandelt!haben!soll.!Es!war!eine!Zeit,!in!
!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
2!! U.a.! vom! Grafen! Joseph! Anton! ThunPHohenstein,! Franz! Anton! Nostitz,! Kaspar! Hermann! von! Künigl,!
Emanuel! Canal! von! Malabayla! und! Pater! Karl! Raphael! Ungar.! Mozarts! Logenbruder! Bartsch,! wiederum,!!
hatte! wohl! nicht! nur! ein! freundschaftliches! Interesse! daran,! in! der! „Wiener! Zeitung“! den! überaus! posiP
tiven!PremierenPBericht!der!„Prager!Zeitung“!auch!dem!Wiener!Publikum!zu!bieten.!!
!
!

! 10!
der! „esoterische“! Lehren! in! Wien! florierten.! Und! die! Freimaurerei! war! nicht! minder!
populär!als!der!Orden!der!Illuminaten,!deren!dunkler!Reiz!nicht!zuletzt!in!der!Aura!poliP
tischer! Unberechenbarkeit! bestand.! So! erzählte! man! auch! vom! Baron! Swieten,! einem!
Freund! und! Patron! Mozarts! und! Beethovens! und! einem! Vertrauten! Haydns! (der! ja!
ebenfalls!Freimaurer!war),!er!sei!noch!1791,!im!Todesjahr!Mozarts!in!„Intrigen“!der!IlluP
minaten!verwickelt!gewesen.!Wir!dürfen!ohne!Vorbehalte!annahmen,!dass!Freunde!und!
Kollegen!Mozarts!Mitglieder!des!Illuminatenordens!waren.!Er!selbst!war!es!wohl!nicht.!
Es!ist!auch!schwer!vorstellbar,!dass!Mozart!die!in!einem!gewissen!Sinne!durchaus!egaP
litären!Lehren!Weishaupts!akzeptiert!oder!gar!weitergegeben!hätte.!!Auch!Sarastro!kann!
man!sich!Freimaurer!vorstellen,!als!Illuminaten!aber!eher!nicht.3!
!
Das!Freimaurertum!ist!ein!wesentliches!Moment!in!der!Musik!Mozarts.!Nicht!nur!in!den!
Werken,!die!explizit!für!Logen!geschrieben!sind,!wie!die!Trauermusik!(KV!477);!auch!die!
letzten!drei!Symphonien!sind!freimaurerisch!gedeutet!worden.!P!Mozarts!„freimaureriP
sches“! Meisterwerk! ist! und! bleibt! fraglos! die! so! eng! mit! dem! CobenzlPPark! in! Wien!
verbundene!Zauberflöte,!Mozarts!letzte!Oper!!P!Auch!und!obgleich!sie!in!einer!Zeit!entP
stand,!in!der!die!Freimaurer!–!wenn!auch!weniger!als!die!Illuminaten!–!in!arge!politische!
Bedrängnis! gerieten.! Vielleicht! erklär! sich! daraus! auch! die! märchenhafte! Verbrämung!
der!Zauberflöte.!P!
!
V!Noch!einmal:!Freimaurer!und!Illuminaten!
!
In!seinem!Nachruf,!der!im!Magazin(der(Musik!erschien,!hat!Christian!Gottlob!Neefe4!den!
Grafen! Hatzfeld! geradezu! jubilatorisch! gepriesen.! Neefe! war! einer! der! bekanntesten!
!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
3!Zu! Mozarts! Logenbrüdern! in! der! Freimaurerloge! „Zur! Wohltätigkeit“! gehörte! auch! der! Prinz! Nicolaus!
Esterhazy,! der! bekannte! Förderer! Haydns.! Und! der! Vollständigkeit! halber! sei! hier! ergänzt,! dass! auch!
Christoph!Willibald!Gluck,!der!auch!(in!Mozarts!SchicksalsPJahr)!1787!starb!und!zu!dessen!Nachfolger!als!
„Kaiserlicher! Kammerkomponist“! Mozart! ernannt! wurde,! ! ein! Freimaurer! war,! was! etwa! in! seinem! Or:
pheus(zu!spüren!ist.!Auch!seinem!großen!Vorgänger!Monteverdi!liest!man,!dass!er!praktizierender!AlchiP
mist!gewesen!sein.!!
!
!
4!Neefe!war!der!Lehrer!Beethovens.!Seinetwegen!wurde!auch!Beethoven!Freimaurer!und!kam!unter!den!
Einfluss! der! Illuminaten.! ! Er! lernte! auch! jenen! Gemmingen! kennen,! der! Mozart! in! Mannheim! geholfen!
hatte,!und!ihn!als!Mitglied!„Zur!Wohlfahrt“!gewann.!Mozart!war,!wohl!ohne!Details!zu!kennen,!!von!den!
Illuminaten!beeindruckt.!Es!war!auch!Neefe,!der!Ludwig!van!Beethoven!!auf!eine!Studienreise!nach!Wien!
geschickt! hat:! Ausgestattet! mit! einem! Empfehlungsschreiben! des! Kölner! Erzbischofs! Maximilian! Franz!
Xaver!Joseph!Johann!Anton!de!Paula!Wenzel!von!Österreich!sollte!Beethoven,!wenigstens!für!eine!kurze!
Zeit,!Schüler!von!Mozart!werden.!Beethoven!musste!aber!sehr!bald!nach!Bonn!zurückkehren,!!zu!seiner!
todkranken!Mutter.!–!Im!Zusammenhang!mit!Neefe!muss!noch!Nikolaus!Simrock!genannt!werden,!der!zu!
den!bekanntesten!Aufklärern!in!der!kurkölnischen!Residenzstadt!gehörte.!Er!war!wie!sChristian!Gottlob!
Neefe! Mitglied! der! Minervalkirche! Stagira! in! Bonn,! einem! Verein! des! Illuminatenordens.! Nach! dessen!
Auflösung!wurde!er!Gründungsmitglied!der!Bonner!Lesegesellschaft.!Außerdem!war!er!Mitglied!der!1805!
gegründeten! Bonner! Freimaurerloge! „Les! frères! courageux“.! Für! die! Hofkapelle! hatte! Simrock! die! AufP
gabe,! die! Musikalien! zu! beschaffen.! Diesen! Auftrag! verband! er! mit! dem! Aufbau! eines! eigenen! Vertriebs!
von!Musikalien!und!anderen!Artikeln!(z.!B.!auch!Wein),!wie!Anzeigen!im!„Bönnischen!Intelligenzblatt“!seit!
1785!zeigen.!P!Im!Jahre!1790!dann!wirbt!er!für!seine!„Papiere!aller!Art,!Couverts,!Tinten,!Farben,!BleiP!und!
Rothstifte,!Federmesser,!Papierscheren,!Stimmgabeln!und!Phammer,!alte!und!neue!Instrumente,!verschieP
dene!Sorten!Claviere,!ViolinP!und!Bassbogen,!ferner!Colophonium!und!alle!Arten!Musikalien![...]!von!bester!
Qualität!und!zu!den!billigsten!Preisen.“!P!Um!1783!nannte!er!sich!Commissionär!des!Verlags!Götz!in!MannP
heim,!Artaria!in!Wien!und!Keller!in!Kassel.!1787,!in!dem!Jahr,!dem!unsere!Eichstätter!Recherchen!gelten,!
wurde!er,!zusammen!mit!Neefe,!der!den!jubilatorischen!Nachruf!auf!Hatzfeld!schrieb,!Mitbegründer!der!
Bonner!Lesegesellschaft!und!bekleidete!während!der!napoleonischen!Zeit!mehrfach!städtische!Ämter.!
!
! 11!
Aufklärer!in!der!kurkölnischen!Residenzstadt.!In!Bonn!war!er!wie!sein!Kollege!Mitglied!
der! Minervalkirche! Stagira,! einer! IlluminatenPGründung.! Nach! deren! Auflösung! wurde!
er! wiederum! Gründungsmitglied! der! Bonner! Lesegesellschaft,! deren! aktives! Mitglied!
auch! Beethoven! war.! In! Neuwied! gehörte! Neefe! überdies! der! Freimaurerloge! Karoline(
zu(den(drei(Pfauen.!Viele!der!27!Musiker,!mit!denen!Beethoven!in!der!Bonner!Lesegesell:
schaft! musizierte,! waren! Freimaurer! oder! Illuminaten:! Neefe! hatte,! aus! Furcht! vor! eiP
nem! Verbot! des! Bonner! Illuminatenordens,! 1787! das! Forum! der! Lesegesellschaft( geP
gründet,!in!der!er!weiterhin,!sozusagen!„under!cover“,!die!Ideale!der!Illuminaten!lehren!
konnte.!Immerhin!gehörten!der!Gesellschaft!bald!100!Mitglieder!an,!darunter!auch!BeetP
hovens!Förderer!Graf!Waldstein,!P!der!übrigens!im!selben!Jahr!P!1787!P!auch!dem!DeuP
tschen!Orden!beitrat!
!
Über! die! Umwandlung! des! Bienenhauses! im! Eichstätter! CobenzlPGarten! in! ein! MausoP
leum!für!den!verstorbenen!Grafen!Hatzfeld!lesen!wir:!
!
„Dompropst!Graf!Cobenzl!hatte!an!der!Straße!nach!Ingolstadt!oberhalb!dem!Siechhaus!
einen!Englischen!Garten!anlegen!lassen.!Dort!hatte!er!ein!Monument,!bestehend!aus!eiP
nem!von!Holz!gebauten!Bienenhaus!und!einem!Lusthaus,!errichtet.!Auf!der!Mittagsseite!
ganz! oben! unter! dem! Dache! war! geschrieben:! Clementi! Augusto! comiti! ab! Hazfeld! in!
perpetuam! sui! memoriam.! Darunter! über! der! Türe:! oblit! Dusseldorpi! anno! MDCCP
LXXXVII! aetatis! XXXIII! ...! Innerhalb! des! Häuschens! steht! auf! einer! Tumba! ein! ovaler!
Schild!mit!dem!Portrait!des!Verstorbenen!in!ganzer!Figur,!unter!einem!Baume!sich!anP
lehnend.!An!der!Tumba!stehen!folgende!Verse,!die!Karl!von!Dalberg5,!der!1786!Domherr!
in!Mainz!geworden!war,!daher!wohl!halb!aus!(Amts)Pflicht!gedichtet!hat:!An!Seel´!und!
Körper!schön,!der!Freunde!Stolz,!/!Der!Welt!zu!früh!entfloh´n!!/!Sein!Leben!war!gleich!
seiner! Saiten! Silberschall! /! Ein! reiner! Ton.! //! Ein! Engel! schien,! wenn! uns! sein! Spiel!
entzückt´,! /! In! ihm! verklärt! zu! sein.! /! Nun! stimmet! er,! ein! Engel! selbst,! /! In! höh´rer!
Geister!Hymnen!ein.“!
!
Auch!Carl!von!Dalberg!war!Mitglied!des!IlluminatenPOrdens!gewesen;!unter!dem!Namen!
'Baco!di!Verulam'!und!'Präfekt'!der!Illuminaten!in!Erfurt.!P!!Dalberg!war!zwar!nie!Mitglied!
des! Freimaurerbundes,! diesem! aber! wohlgesinnt.! Der! in! seiner! Zeit! politisch! äußerst!
einflussreichen!Dalberg!soll!gesagt!haben:!Wer!als!Christ!Freimaurer!werden!wolle,!gleiP
che!einem!Reiter,!der!sein!Pferd!sucht,!obgleich!er!schon!auf!ihm!sitzt.!–!Damit!wollte!er,!
wie! es! scheint,! die! ethische! Vereinbarkeit! von! Christentum! und! Freimaurerei! betonen.!
Aber!die!Illuminaten!passen!vielleicht!besser!in!sein!politisches!Kalkül.!
!
Es! ist! nicht! übertrieben! zu! behaupten,! dass! die! Freimaurer! BienenPManiacs! waren.! Es!
vielleicht! auch! noch! sind.! Und! kaum! eine! der! zahllosen! Symbolbedeutungen! der! Biene!
hat!in!der!Geschichte!des!Freimaurertums!in!den!verschiedensten!Weltgegenden,!vor!alP
lem!aber!in!Amerika,!nicht!wenigstens!einmal!Momentum!gewonnen.!Durchgehend!war!
die!Biene!freilich!auch!im!Freimaurertum!das!Symbol!gelingender!Gemeinschaftsarbeit.!

!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
!
!
5!Auch!Carl!von!Dalberg!war!Mitglied!des!Illuminatenordens!gewesen;!unter!dem!Namen!'Baco!di!VeruP
lam'! und! 'Präfekt'! der! Illuminaten! in! Erfurt.!! Dalberg! war! zwar! nie! Mitglied! des! Freimaurerbundes,! ihm!
jedoch! wohlgesinnt.! Von! ihm! ist! das! Wort! überliefert,! wer! als! Christ! Freimaurer! werden! wolle,! gleiche!
einem! Reiter,! der! sein! Pferd! sucht,! obgleich! er! schon! auf! ihm! sitzt.! Womit! er! die! ethische! Vereinbarkeit!
von!Christentum!und!Freimaurerei!betonen!wollte.!
!

! 12!
Und!taucht!als!solche!auch!im!Wappen!des!so!genannten!Eklektischen(Bunds(in!Frankfurt!
auf.! Nach! dem! Vorbild! der! Essäer! sollen! die! Freimaurer! in! der! Biene! den! „Geist! in! der!
Materie,!mit!einer!ihnen!anhaftenden!Tendenz!nach(oben.!–!Was!bei!GeistPWesen!nicht!
überraschen!sollte.!Dabei!ist!es!allerdings!Jonathan!Swift,!der!in!einer!satirischen(Schrift,!
„Letter!from!the!Grand!Mistress!of!the!Female!Freemasons“!die!Biene!–!ausführlich!–!als!
eine!freimaurerisches!Symbol!erwähnt.!!P!Der!Entomologe,!vulgo!Insektenkundler,!!HenP
ry!Fabre!hat!der!Biene!auch!unter!dem!Aspekt!ihrer!quasiParchitektonischen!FähigkeiP
ten! eine! ganze! Abhandlung! gewidmet,! die! den! Titel! „The! Mason! Bee“,! aber! eben! nicht!
„The!Freemason!Bee“!trägt.!!
!
Im!„Taschenbuch!für!Freimaurerei“,!4.!Band,!1801,!wird!die!Biene!mit!dem!freimaureP
rischen!Verstand!gleichgesetzt,!weil!sie!selbst!aus!giftigen!Blüten!Honig!zu!saugen!verP
steht.!
!
!
VI!Saturn!und!die!Bienen!
!
!
In!Hatzfelds!Mausoleum!hielt!Saturn!ein!Portrait!des!Grafen!Hatzfeld!auf!seinen!Armen!
Saturn,!der!Sohn!von!Himmel!(caelus)!und!Erde!(tellus),!stand!zunächst,!in!bis!heute!unP
klarer!Personalunion!mit!Kronos,!als!Repräsentant!des!„Goldenen!Zeitalters“,!jener!vorP
technischen!Epoche,!der!die!Menschen!im!Einklang!mit!der!Natur!P!was!das!auch!immer!
gemeint!haben!mag!P,!überhaupt!im!Zustande!einer!Harmonie!lebten,!wie!sie!ein!BienenP
staat,! zumindest! dem! wohlwollenden! Blick,! bis! heute! noch! vorleben! mag:! „Ganz! nach!
Gefallen! /! Schufen! sie! [die! Menschen,! damals]! ruhig! ihr! Werk! und! waren! in! Fülle!
gesegnet,!/!...!und!ledig!jeglichen!Übels!/!Starben!Sie,!übermannt!vom!Schlaf.“!!Bei!Ovid!
stehen!Bienenwerk!und!Saturn!sich!so!nah,!wie!auch!im!Eichstätter!Mausoleum!wieder:!
„Ewiger!Frühling!war's,!mit!milden!Lüften!umspielte!/!lieblicher!Westwind!die!Blumen,!
die!ohne!Besamung!geboren.!/! Bald! auch! trug! die! Erde,! die! keiner! doch! pflügte,! schon!
Früchte,! /glänzte! der! Acker,! den! keiner! bebaute,! doch! von! schweren! Ähren;! /! quollen!
schon! Ströme! von! Milch,! schon! wälzten! sich! Ströme! von! Nektar,! /! rann! der! goldgelbe!
Honigsaft!von!der!grünenden!Eiche.“!
!
Wie! aber! im! Hellenismus! Saturn,! der! immerhin! der! Überlieferung! nach! seinen! Vater!
kastriert!und!seine!im!Inzest!gezeugten!Kinder!aufgefressen!hat,!zum!Planetengott!wurP
de,! das! ist! eine! lange! und! immer! noch! so! rätselhafte! Geschichte,! dass! sie! hier! nicht!
erzählt!werden!kann.!So!ist!auch!die!Sense!(oder!Sichel)!ein!Attribut,!das!ihn!einerseits!
mit!dem!Ackerbau!verbindet,!andererseits!aber!immer!auch!die!Assoziation!des!SensenP
Mannes!nahegelegt!hat.!Auch!die!Sanduhr,!!die!ihn!als!Vertrauten,!wenn!nicht!Herrn!der!
Zeit,!chronos,!mit!der!er!fast!den!Namen!teilt,!!ausweist,!darf!nicht!vergessen!werden.!P!
Nach! seinem! Sturz! muss! Saturn! im! Tartaros! hausen;! bis! er! von! Zeus! begnadigt! und! –!
eine! durchaus! eigentümliche! Karriere! P! zum! Herrscher! über! die! Insel! der! Seligen! geP
macht! wird.! Womit! er! gleichsam! zum! elysischen! Gastgeber! des! Grafen! Hatzfeld! dispoP
niert!wurde.!–!!
!
Es!muss!uns!hier!aber!genügen!zu!sehen,!dass!für!die!Erfinder!und!Erbauer!des!BienenP
hauses,!das!zu!einem!Mausoleum!wurde,!in!dem!ein!hölzerner!Saturn!den!Besuchern!ein!
–!quasi!als!memento(mori!–!ein!Bild!des!toten!Grafen!Hatzfeldt!zeigte,!vor!allem!die!VorP
stellungen!der!Sorge,!der!Trauer,!der!Schwermut,!der!Todesnähe!überhaupt!gleichsam!
die! Aura! Kronos/Saturns! prägten.! Das! Bild,! das! sie! von! Saturn! hatten,! war! mit! großer!
Wahrscheinlichkeit!das,!das!sich!in!der!Renaissance!auskristallisiert!hat:!Ficinus!(1433P
! 13!
1499)!wurde!im!dem!Zeichen!des!Saturn,!den!er!als!Unglücksstern!sah,!geboren;!er!litt!
darunter,!als!unter!etwas,!das!„außerst!bitter“!sei.!Aber!er!hielt!seine!Melancholie!auch!
für! eine! „einzigartige! und! göttliche! Gabe“.! Die! Melancholie! wurde! zu! einem! GemütsP
zustand!erhoben,!der!die!schöpferischen!Menschen!nicht!nur!auszeichnete,!sondern!geP
radezu!erkennbar!machte.!Mit!anderen!Worten:!In!der!Renaissance!wird!Saturn!zum!PaP
tron! der! Künstler! und! auch! der! Gelehrten.! Man! möchte! sagen:! zu! einem! Garanten! der!
Kreativität,!der!Einbildungskraft,!die!im!18.!Jahrhundert!zu!einem!main(item!der!philoP
sophischen! Diskussion! werden! sollte.! Mehr! als! nur! ein! Wermutstropfen! war! dabei:! Es!
gab! keine! Sicherheit! dafür,! dass! die! schöpferische! Schwermut! sich! nicht! in! einen! lähP
menden,!sterilen!Gemütszustand!verwandelte.!–!!
!
Einer!der!Namen!des!Saturn!!ist!„Herr!des!Schweigens“.!Aber!solange!die!Melancholie!als!
Taktgeber!der!Inspiration!fungiert,!gilt!Ficinos!Diktum!in!„De!Vita“!(1489):!Saturn!ist!der!
„Gott,!der!die!Forschenden!nach!oben!treibt,!deren!Sinn!ganz!von!äußeren!Erregungen!
und!ihren!eigenen!Körpern!abgezogen!und!so!sehr!dem!Übersinnlichen!zugewandt!ist,!
dass!sie!schließlich!zu!Instrumenten!des!Göttlichen!werden.“!–!Saturn!sorgt!also!dafür,!
dass!die!Künstler!in!jenen!Zustand!geraten,!der!die!Voraussetzung!wahrer!Kreativität!ist,!
die!mania,!das!radikale!AußerPsichPSein.!–!Bei!Dante!beherrschen!Schweigen!und!MediP
tation!die!Sphäre!des!Saturn,!in!der!sich!die!innere!Wandlung!durch!geistige!Arbeit!vollP
zieht,! die! in! Winkelmaß! und! Zirkel! ihre! Sinnbilder! fand.! Womit! sich! für! uns! der! Kreis!
zwischen!Saturn!und!Freimaurertum!schließt.!Und!dem!Standbild!im!Eichstätter!MausoP
leum,!das!ein!Porträt!des!Grafen!Hatzfeld!trug,!eine!große!Aura!verleiht.6!
!
Saturns!Farbe!aber!ist!die!Schwärze.!Sein!Element!die!Erde.!Sein!Metall!ist!das!Blei.!Sein!
Tier!das!in!der!Erde!wühlende!Schwein.!Seine!Jahreszeit!der!Herbst.!Kälte!und!TrockenP
heit! sind! seine! Qualitäten.! Auch! –! der! Salzburger! P! Georg! Trakl! stand! –! bisweilen! –! in!
seinem!Bann:!„Am!Abend!wieder!über!meinem!Haupt!/!Saturn!lenkt!stumm!ein!elendes!
Geschick.!/!Ein!Baum,!ein!Hund!tritt!hinter!sich!zurück!/!Und!schwarz!schwankt!Gottes!
Himmel!und!entlaubt.!//!Ein!Fischlein!gleitet!schnell!hinab!den!Bach;!/!Und!leise!rührt!
des! toten! Freundes! Hand! /! Und! glättet! liebend! Stirne! und! Gewand.! /! Ein! Licht! ruft!
Schatten!in!den!Zimmern!wach.“!
!
Erstaunlich!bleibt!indes,!dass!Saturn,!bei!seinem!ersten!Auftreten,!in!grauer!römischer!
Vorzeit,!ein!Gott!der!Aussaat!gewesen!sein!soll.!Sogar!sein!Name,!glaubte!man,!leite!sich!
von! der! Aussaat,! ab( satu,! ab.! ! Was! uns! zu! fragen! erlaubt,! ob! irgendwo! zwischen! den!
Wirkmächten! des! Saturn! ein! Residuum! verborgen! liegt,! das! einmal! mit! Fruchtbarkeit!
und!Wiedergeburt!zu!tun!gehabt!hat,!um!es!ganz!vorsichtig!zu!sagen.!!
!
Bei!H.C.!Artmann,!in!der!zweiten!Hälfte!des!20.!Jahrhunderts!scheint!Saturn!seinen!inspiP
rierenden!Hauch!endgültig!verloren!zu!haben:!„zerschneid!Saturn!mein!fleischern!herz!/!
und!richt!mein!sehnsucht!himmelwärts!/!all!lust!ist!mir!verstorben.“!P!Die!Umlaufbahn,!
lassum(trahens(vertigium,!des!Planeten!Saturn!war!–!mit!30!Jahren!–!der!langsamste!der!
im!Altertum!bekannten!Planetenumläufe.!Ob!sich!hierin!ein!Hinweis!auf!das!Sterbealter!
!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
6!Stefan!Busch!schreibt,!als!wollte!er!uns!bestätigen!und!überraschen:!„In!Mörikes!Novelle![Mozart!auf!der!
Reise!nach!Prag]!ist!Mozart!ein!Kind!Saturns,!jenes!Gestirns,!das!gemäß!astrologischer!und!humoralpathoP
logischer! Lehre! Melancholie! bewirkt! und! dem! alle! herausragenden! schöpferischen! Charaktere! unterP
stehen,!weil!nach!antiker!Überlieferung!alle!genialen!Menschen!Melancholiker!sind.!Der!Text!ist!nicht!nur,!
wie! die! Forschung! bis! vor! wenigen! Jahren! annahm,! von! einer! aus! Todesnähe! und! Pbewußtsein! erwachP
senden! Trauer! grundiert,! sondern! von! einem! dichten,! kunstvoll! geknüpften! Netz! saturnischPmelanchoP
lischer! Motivik! durchzogen.“! ! P! Dass! diese! Novelle! Mozart! auf! seiner! Reise! nach! Prag,! 1787,! nicht! lange!
nach!dem!Tod!Hatzfelds!so!„saturnisch“!schildert,!kann!freilich!nur!ein!Zufall!sein;!aber!ein!bedeutender.!

! 14!
Hatzfelds!verbirgt,!vermag!ich!nicht!zu!sagen.!Jedenfalls!wäre!es!ein!subtiler!Bezug,!die!
„Langsamkeit“! des! Planeten! gegen! die! kurze! Lebenszeit! des! Grafen! zu! setzen.! Fast! ein!
„concetto“.!
!
Bei!Rudolf!Steiner!finden!wir!folgende!Zeilen,!die!den!„Bien“,!die!Biene!und!Saturn!auf!
eine! verblüffende! Pointe! bringen,! als! hätte! Steiner! auch! vom! Eichstätter! Mausoleum!
gewusst;!und!als!wäre!er!–!freilich!sehr!spekulativ!P!dem!Seelenschicksal!Hatzfelds!nachP
gegangen:!„Die!einzelne!Biene!hat!in!der!Form!dasjenige!bewahrt,!was!der!Menschenleib!
auf! dem! Saturn! durchgemacht! hat.! Weil! sie! als! äußeres! Wesen! zurückgeblieben! ist,!
konnte!sie!sich!das!höhere!geistige!Bewußtsein!erkaufen.!Daher!der!wunderbare!soziale!
Aufbau!des!Bienenstockes.!Der!ganze!Bienenstock!muß!anders!betrachtet!werden!als!die!
einzelne.! Der! Bienenstock! –! nicht! die! einzelne! Biene! –! hat! ein! geistiges! Wesen,! das! in!
gewisser! Beziehung! übereinstimmt! mit! dem! Wesen! des! Menschen! auf! dem! einstigen!
Saturn!auf!niederer!Stufe,!das!der!Mensch!auf!höherer!Stufe!wiederum!erreichen!wird!
auf! der! Venus.! Der! Geist! des! Bienenstockes! steht! höher! als! der! Geist! des! einzelnen!
Menschen,! er! hat! heute! schon! ein! VenusPBewußtsein.! Die! Biene! ist! das! Symbolum! des!
Geistesmenschen,! Atma,! der! nichts! von! Sterblichkeit! weiß.! Die! Geistigkeit,! die! der!
Mensch! hatte,! als! der! Planet! sich! noch! im! feurigen! Zustande! befand! (also! auf! dem!
Saturn),! wird! er! auf! höherer! Stufe! wiederum! erreichen,! wenn! der! Planet! als! Venus!
wieder!feurig!sein!wird.“!
!
V!Coda!
!
Uns! bleibt! noch,! die! Frage! zu! beantworten,! warum! zur! Linken! und! zur! Rechten! des!
Saturn!im!Eichstätter!Mausoleum!jeweils!24!Bienenstöcke!gestanden!haben!sollen.!Das!
ist!schwer!zu!beantworten.!Es!scheint!nämlich,!dass!ausgerechnet!die!Zahlen!24!und!48!
im! Freimaurertum,! keine! bedeutendere! Rolle! gespielt! haben.! Zumindest! müsste! man!
sehr! gewagte! Rechenkünste! anwenden,! um! hier! einen! esoterischen! Sinn! ! zu! konstruie:
ren.!Ich!ende!daher!mit!einem!–!ebenfalls!sehr!spekulativen!–!Lösungsvorschlag.!–!Meine!
Deutung!ist!völlig!unbeweisbar.!Was!ihr!wiederum!einen!gewissen!Reiz!verleiht.!!
!
Es!war!viel!von!Bienen,!von!Honig!und!Saturn!die!Rede,!von!Freimaurern!und!IlluminaP
ten.!Aber!weniger!von!der!Musik,!dem!eigentlichen!Lebenselement!des!Grafen!Hatzfeld.!
Vielleicht!sollten!die!48!Bienenstöcke!mit!ihren!ungezählten!Bienen!gleichsam!das!ganze!
Universum!der!Musik!repräsentieren.!Natürlich!nicht!die!SphärenPHarmonie.!Aber!vielP
leicht! standen! die! Bienenstöcke! ja! für! die! standardisierten! Tonarten! der! abendländiP
schen!Tradition,!denen!Bach!ein!unübertreffliches!Denkmal!gesetzt!hat;!in!seinem!Wohl:
temperierten(Klavier,!denn:!„jeder!der!beiden!Teile!des!Wohltemperierten!Klaviers!entP
hält! 48! Stücke,! die! jeweils! paarweise! als! Präludium! mit! zugehöriger! Fuge! angeordnet!
sind.!Die!Reihenfolge!der!Satzpaare!richtet!sich!nach!der!Tonart!und!ist!vom!Grundton!C!
halbtonweise!aufsteigend,!wobei!jeder!DurPTonart!die!gleichnamige!MollPTonart!folgt.“!–!
!
Goethe!glaubte!in!diesen!Stücken!die!Harmonie!im!Busen!Gottes!zu!hören,!kurz!bevor!er!
–!ex(nihilo!–!die!Welt!kreierte:!„…!dort!war!mir!zuerst,!bey!vollkommener!Gemütsruhe!
und! ohne! äussere! Zerstreuung,! ein! Begriff! von! eurem! Grossmeister! geworden.! Ich!
sprach’s!mir!aus:!als!wenn!die!ewige!Harmonie!sich!mit!sich!selbst!unterhielte,!wie!sich’s!
etwa!in!Gottes!Busen,!kurz!vor!der!Weltschöpfung,!möchte!zugetragen!haben.!So!bewegP
te!sich’s!auch!in!meinem!Innern,!und!es!war!mir,!als!wenn!ich!weder!Ohren,!am!wenigP
sten!Augen,!und!weiter!keine!übrigen!Sinne!besäße!noch!brauchte.“!
!

! 15!

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