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44 Wirtschaftspsychologie
Heft 2-2021

Hochschullehre in Zeiten von Corona


Uwe Peter Kanning & Marie Ohlms
Hochschule Osnabrück

Zusammenfassung
Befragt wurden 669 Dozent*innen und 279 Student*innen zu ihrem Erleben der Hochschullehre in Zeiten der
Corona-Pandemie im Sommersemester 2020. Die Ergebnisse zeigen in beiden Gruppen, dass die Präsenz-
lehre mit einer höheren Zufriedenheit einhergeht und die Befragten auch nach der Pandemie mehrheitlich
eine Rückkehr zur Präsenzlehre präferieren. Unter Dozent*innen sind diese Präferenzen stärker ausgeprägt
als unter Student*innen. In Zeiten der Pandemie präferieren beide Gruppen die digitale Lehre. Im Bereich
der digitalen Lehre sind Formate, in denen Dozent*innen und Student*innen zeitgleich miteinander interagie-
ren (synchrone Lehre), gegenüber Formaten, in denen dies nicht möglich ist (asynchrone Lehre), in beiden
Gruppen mit größerer Zufriedenheit assoziiert. Die Vorerfahrung der Befragten mit digitaler Lehre sowie die
Informationspolitik der Hochschule im Sommersemester 2020 nehmen positiv Einfluss auf das Erleben sowie
die Präferenzen für digitale Lehre. Hingegen wirkt sich in beiden Gruppen der im Corona-Semester zu ver-
zeichnende Workload negativ aus.

Schlüsselwörter: Hochschule, digitale Lehre, Zufriedenheit, Corona

Academic teaching in times of COVID-19


Abstract
669 lecturers and 279 students were interviewed about their experience of university teaching during the
corona pandemic in the summer semester 2020. The results show in both groups that face-to-face teaching is
associated with higher satisfaction and that the majority of those interviewed prefer a return to face-to-face
teaching after the pandemic. These preferences are more pronounced among lecturers than among students.
In times of the pandemic, both groups prefer digital teaching. In the field of digital teaching, formats in which
lecturers and students interact with each other simultaneously (synchronous teaching) are associated with
greater satisfaction in both groups than formats in which this is not possible (asynchronous teaching). The
respondents’ previous experience with digital teaching and the university’s information policy in the summer
semester 2020 have a positive influence on their experience and preferences for digital teaching. In contrast,
the workload recorded in the Corona semester has a negative effect in both groups.

Keywords: university, digital teaching, satisfaction, coronavirus

Einführung öffentliche Leben der Bürger*innen, sondern auch


massiv die Wirtschaft und das Bildungswesen. Das
Als im Januar 2020 in Deutschland der erste Corona- Bruttoinlandsprodukt sank stärker als in der Zeit
Fall auftrat (Rothe et al., 2020) und im März die WHO der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise in den
von einer Pandemie sprach, dürften wohl die we- Jahren 2008/2009 (Statistisches Bundesamt, 2020).
nigsten damit gerechnet haben, wie stark sich schon Zudem ging die Erwerbstätigkeit so stark zurück wie
bald darauf für viele Menschen das Leben verändern zuletzt zu Zeiten der Wiedervereinigung (Statisti-
würde. Am 12. März 2020 beschloss die Bundesregie- sches Bundesamt, 2020). Innerhalb weniger Wochen
rung erstmals in der Geschichte des Landes weitge- stieg die Zahl der Kurzarbeiter um weit mehr als
hende Einschränkungen sozialer Kontakte (Bundes- das Doppelte (ZEIT ONLINE, 2020) und Hunderttau-
regierung, 2020). Im April konnten in Deutschland sende Arbeitnehmer*innen wurden ins Homeoffice
bereits mehr als 100 000 Menschen, die sich mit geschickt (Wolter, 2020). Schulen und Hochschulen
dem COVID-19-Virus infiziert hatten, verzeichnet stellten den Präsenzbetrieb weitestgehend ein. Für
werden (Südwestpresse, 2020). Die Folgen der Pan- die Hochschulen des Landes bedeutete dies, dass
demie betrafen nicht nur die Gesundheit und das sie in kürzester Zeit digitale Formen der Hochschul-
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Hochschullehre in Zeiten von Corona
Wirtschaftspsychologie
Heft 2-2021 45
lehre konzipieren mussten, mit denen die meisten Studierenden zunächst allein (asynchron) mit be-
Dozent*innen und Student*innen bis dahin nur we- reitgestellten Texten oder Aufgaben einen Lehrstoff,
nige Berührungspunkte hatten (Piorkowski, 2020). der dann später in einer synchronen Sitzung mit
Die vorliegende Studie geht der Frage nach, wie das Dozent*innen diskutiert, vertieft oder angewendet
erste „Corona-Semester“ – also das Sommersemes- wird. Die Bezeichnung Präsenzlehre wird im Folgen-
ter 2020 – von Dozent*innen und Student*innen er- den verwendet, um Lehrformen zu kennzeichnen,
lebt wurde. Im Zentrum steht dabei die Erfassung in denen sich Dozent*innen und Student*innen
der Zufriedenheit mit verschiedenen Formen der face-to-face begegnen, also klassische Vorlesungen,
Hochschullehre sowie die Präferenz für diese. In die- Seminare oder Übungen. Bei dieser Lehrform ist
sem Kontext interessieren neben dem Vergleich der ständig ein direkter Informationsfluss in beide Rich-
Perspektiven von Dozent*innen und Student*innen tungen gegeben.
auch Variablen, die sowohl die Zufriedenheit als Die digitale Lehre wird nicht selten als ein Ide-
auch die Präferenzen beeinflussen. al (zukünftiger) Hochschullehre verstanden (Bus-
se & Bargel, 2017). Student*innen sollen in dieser
Lehrform viel selbstbestimmter lernen können.
Hochschullehre Im Rahmen der asynchronen Lehre haben sie die
Möglichkeit, Ort, Zeit und Geschwindigkeit der Aus-
Die klassische Hochschullehre ist durch eine Vielfalt einandersetzung mit dem Lehrstoff entsprechend
unterschiedlicher Lehroptionen gekennzeichnet ihrer individuellen Bedürfnisse selbst festzulegen.
– Vorlesung, Seminar, Übung etc. – denen eines ge- Studien, die sich mit der Frage beschäftigen, wie
mein ist, sie finden üblicherweise in Präsenzveran- stark Student*innen aus eigenem Antrieb digitale
staltungen statt. Dozent*innen und Student*innen Lehrformate nutzen, kommen jedoch nicht selten zu
kommen in einem Raum zusammen und können einer kritischen Einschätzung (Kleimann et al., 2008;
hier direkt miteinander interagieren. Digitale For- Nagler & Ebner, 2009; Schulmeister, 2012; Schul-
men der Lehre-Veranstaltungen per Videoaufzeich- meister & Metzger, 2011). Digitale Optionen, die par-
nung, Online-Chats, PowerPoint-Präsentationen allel zur Präsenzlehre angeboten werden, weisen bei
mit Sprachnotation etc. – schränken diese Form Student*innen nur eine geringe Nutzungshäufigkeit
der sozialen Interaktion ein oder verändern sie. Im auf bzw. sind oft auch als solche nicht bekannt. Zu-
Rahmen der vorliegenden Studie wird von digitaler dem zeigen mehrere Studien, dass sich eine (asyn-
Lehre gesprochen, wenn die Lehrinhalte über eine chrone) digitale Lehre für bestimmte Personengrup-
Computersoftware vermittelt werden. Hierbei be- pen nachteilig auf den Lernerfolg auswirkt. Gemeint
finden sich Dozent*innen und Student*innen nicht sind hiermit Personen, die zu Aufschiebeverhalten
im selben Raum. Der Informationsaustausch muss (Prokrastination) neigen oder sich leicht ablenken
zudem nicht einmal synchron verlaufen. Bei einer lassen (Güntert & Schleider, 2011; Metzger et al.,
synchron verlaufenden Lehrveranstaltung kom- 2012). Die größeren Freiheiten, die mit bestimmten
munizieren beide Seiten zeitgleich miteinander, Formen der digitalen Lehre einhergehen, sind für
obwohl sie sich an unterschiedlichen Orten befin- diesen Personenkreis von Nachteil, weil die Betrof-
den. Dies ist beispielsweise bei Veranstaltungen, fenen von starken Lernstrukturen profitieren, die
die über Zoom oder Skype laufen, der Fall. Bei ei- insbesondere die Präsenzlehre bereitstellt. Zudem
ner asynchronen Lehrveranstaltung zeichnen die scheint bei vielen Student*innen keine stark aus-
Dozent*innen ihre Vorlesung unter anderem auf, so- geprägte intrinsische Lernmotivation für ihr Stu-
dass die Student*innen sich die Vorlesung zu einem dienfach vorzuliegen (Metzger et al., 2012). Auch in
beliebigen Zeitpunkt anschauen können (Kauffeld, diesen Fällen können verbindliche Strukturen, wie
2016). Eine weitere Alternative des asynchronen etwa der regelmäßige Besuch einer Veranstaltung,
Vorgehens sind PowerPoint-Präsentationen, die mit helfen, das Studium erfolgreich abzuschließen.
Sprachkommentaren versehen aus dem Intranet Weiterhin deuten Metaanalysen darauf hin, dass die
heruntergeladen werden können sowie die Nutzung digitale Lehre trotz der Potenziale, die in ihr liegen,
von Lehrplattformen auf denen Dozent*innen Texte keineswegs von allein positive Wirkung entfaltet
oder Aufgaben hochladen. Während sich beide Sei- (Schneider & Preckel, 2017). Ein Schlüssel erfolgrei-
ten bei der synchronen Lehre direkt mündlich oder cher Lehre scheint in der Interaktion zwischen den
schriftlich (per Chat) austauschen können, indem sie beteiligten Personen zu liegen (Schneider & Preckel,
wechselseitig Fragen stellen und Antworten formu- 2017; Schulmeister, 2012). Die Interaktion hilft bei-
lieren, ist dies bei asynchroner Lehre nur zeitversetzt spielsweise dabei, Schwächen im didaktischen Kon-
möglich. Asynchrone Lehrformate ermöglichen den zept zu erkennen und abzustellen. Direktes Nachfra-
Student*innen etwaige Fragen in einer Chatfunk- gen, Feedback und Erklärungen der Dozent*innen
tion aufzuschreiben, sodass diese später von den helfen den Student*innen den Lehrstoff besser zu
Dozent*innen beantwortet werden können. Dabei verstehen (Schneider & Preckel, 2017; Schulmeister,
schließen synchrone und asynchrone Formen der 2012). Dies gilt gleichermaßen für die Präsenzlehre
digitalen Lehre einander nicht aus, sondern können wie für die synchrone Digitallehre. Eine face-to-face
auch in einer Lehrveranstaltung miteinander kombi- Interaktion in kleinen Lerngruppen erweist sich da-
niert auftreten. Dies ist beispielsweise beim Konzept her auch als effektiver im Vergleich zur digitalen Leh-
des flipped oder inverted classroom (Abeysekera & re in großen Gruppen (Schneider & Preckel, 2017).
Dawson, 2015) der Fall. Hierbei erarbeiten sich die Gleiches gilt für die Kombination der Präsenzlehre
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Hochschullehre in Zeiten von Corona

in großen Gruppen und digitalen Chats, in denen in- sichtigung gefunden. Stattdessen steht entwe-
dividuelle Fragen oder Verständnisprobleme behan- der das Erleben oder der Lernerfolg auf Seiten der
delt werden (blendet learning; Schneider & Preckel, Student*innen im Fokus der Studien. Zudem ist bis-
2017). lang nichts darüber bekannt, wie verschiedene For-
Mehrere Studien beschäftigen sich mit der Fra- men der Lehre von beiden Seiten bewertet werden,
ge, welche Bedeutung der sozialen Präsenz der wenn die Betroffenen kurzfristig zu einer Verände-
Beteiligten in der digitalen Lehre zukommt. Unter rung bestehender Lehrkonzepte gezwungen wer-
dem Konstrukt der sozialen Präsenz wird dabei das den. An dieser Stelle setzt die vorliegende Studie an,
Ausmaß verstanden, in dem man sich mit einem indem sie versucht, Erkenntnislücken ein Stück weit
Gesprächspartner, der physisch nicht anwesend zu schließen. Sie berücksichtigt gleichermaßen die
ist, bei der Kommunikation über virtuelle Tools Perspektiven von Dozent*innen und Student*innen
verbunden fühlt (Mühlenfeld, 2004). Park und Kim und untersucht das Erleben verschiedener Formen
(2020) konnten zeigen, dass die soziale Präsenz in der Hochschulehre in Zeiten eines plötzlichen Um-
der digitalen Lehre mit einer größeren Zufriedenheit bruchs.
der Student*innen einhergeht. In einer Studie von
Gunawardena und Zittle (1997) erklärte die soziale
Präsenz 60 Prozent der Varianz der Zufriedenheit Hypothesen und Fragestellungen
der Student*innen. Die wahrgenommene soziale
Präsenz in der digitalen Lehre führt darüber hinaus •  ypothese 1: Die Zufriedenheit mit der Präsenz-
H
zu einem größeren subjektiven Lerngewinn in den lehre ist höher ausgeprägt als die Zufriedenheit
Veranstaltungen (Richardson & Swan, 2003). Alles mit synchroner und asynchroner digitaler Lehre.
in allem wird daher nachfolgend erwartet, dass die • Hypothese 2: Die Zufriedenheit mit der synchro-
Präsenzlehre mit einer höher ausgeprägten Zufrie- nen digitalen Lehre ist höher ausgeprägt als die
denheit im Vergleich zur digitalen Lehre einhergeht Zufriedenheit mit der asynchronen digitalen
(Hypothese 1). Zudem wird erwartet, dass im Be- Lehre.
reich der digitalen Lehre die synchrone Lehre mit • Hypothese 3: Personen, welche über Vorerfah-
mehr Zufriedenheit einhergeht als die asynchrone rung mit digitalen Formen der Hochschullehre
Lehre (Hypothese 2). Darüber hinaus wird auch er- verfügen, sind zufriedener mit digitalen Formen
wartet, dass die Präsenzlehre in stärkerem Maße der Lehre als Personen ohne entsprechende
präferiert wird als die digitale Lehre (Hypothese 6). Vorerfahrung.
Vor dem Hintergrund des Technologieakzeptanz- • Hypothese 4: Je positiver die Informationspolitik
modells nimmt die wahrgenommene Leichtigkeit der eigenen Hochschule bewertet wird, desto
der Nutzung positiven Einfluss auf die Einstellung größer ist die Zufriedenheit mit digitalen For-
der Nutzer*innen gegenüber der Technologie (Davis men der Lehre.
et al., 1989; Meisinger, 2016). Im Kontext der Hoch- • Hypothese 5: Je höher der Workload im laufen-
schullehre könnte die wahrgenommene Leichtigkeit den Semester ausfällt, desto geringer ist die Zu-
der Nutzung durch verschiedene Variablen geprägt friedenheit mit digitalen Formen der Lehre.
sein. So erscheint es plausibel, dass die eigene Vor- • Hypothese 6: Die Präsenzlehre wird stärker prä-
erfahrung mit der digitalen Lehre die Handhabung feriert als die digitale Lehre.
der Technologie erleichtert (Hypothese 3) und dies • Hypothese 7: Personen, die über Vorerfahrung
so zu einer positiveren Bewertung digitaler Lehr- mit digitalen Formen der Hochschullehre verfü-
formen führt (Hypothese 7). Die Informationspolitik gen, präferieren digitale Formen der Lehre stär-
der jeweiligen Hochschule zur digitalen Lehre kann ker als Personen ohne entsprechende Vorerfah-
in gleicher Weise wirken. Je besser die Hochschule rung.
über die Optionen der digitalen Lehre informiert und • Hypothese 8: Je positiver die Informationspolitik
die Umstellung begleitet, desto leichter dürfte es für der eigenen Hochschule bewertet wird, desto
Dozent*innen und Student*innen sein, die Techno- größer ist die Präferenz für digitale Formen der
logie zu nutzen und desto zufriedener sollten sie mit Lehre.
digitalen Formen der Hochschullehre sein bzw. des- • Hypothese 9: Je höher der Workload im laufen-
to größer sollte eine entsprechende Präferenz aus- den Semester ausfällt, desto geringer ist die Prä-
fallen (Hypothese 4 und 8). Ein hoher individueller ferenz für digitale Formen der Lehre.
Workload der Beteiligten im laufenden Semester –
gemeint ist hiermit der subjektiv erlebte Umfang der • F ragestellung 1: Inwieweit unterscheiden sich
Belastung durch die Lehre – mag darüber hinaus die Dozent*innen von Student*innen in ihrer Zu-
Nutzung einer neuen Technologie erschweren, denn friedenheit mit den verschiedenen Formen der
je höher der Workload ausfällt, desto weniger Zeit Hochschullehre?
bleibt, um sich professionell in eine neue Techno- • Fragestellung 2: Inwieweit unterscheiden sich
logie einzuarbeiten. Daher sollte ein höherer Wor- Dozent*innen von Student*innen in ihren Präfe-
kload auch mit einer geringeren Zufriedenheit sowie renzen für verschiedene Formen der Hochschul-
einer geringeren Präferenz für digitale Formen der lehre?
Hochschullehre einhergehen (Hypothese 5 und 9).
In der bisherigen Forschung hat die Perspektive
der Dozent*innen vergleichsweise wenig Berück-
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Wirtschaftspsychologie
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Methode Fragebogen gliederte sich in acht Bereiche (Tabelle
im Anhang).
Datenerhebung Im ersten Themenfeld wurde zunächst danach
gefragt, ob die betreffende Person im Sommerse-
Die Studie wurde in Form einer anonymen Online- mester 2020 als Dozent*in oder Student*in an einer
Befragung unter Dozent*innen und Student*innen deutschen Hochschule gelehrt bzw. studiert hat.
mittels der Umfragesoftware Unipark der Questback Personen, die diese Frage verneinten, wurden von
GmbH durchgeführt. Die Datenerhebung erfolgte der weiteren Befragung ausgeschlossen.
in Form eines Online-Fragebogens, der über einen Im zweiten Themenfeld ging es um die Informa-
Link aufgerufen und bearbeitet werden konnte. Die tionspolitik der eigenen Hochschule im Hinblick auf
Befragung war zwischen Mai und Oktober 2020 frei- das Sommersemester. Die Befragten mussten ange-
geschaltet. Der Link wurde nach dem Schneeball- ben, wie sie die Informationspolitik ihrer Hochschu-
Prinzip über soziale Netzwerke, darunter Xing und le bewerten (fünfstufige Skala von 1 = überhaupt
LinkedIn, verteilt und zusätzlich auf der zentralen nicht ausreichend bis 5 = vollkommen ausreichend).
Intranetseite einer Hochschule platziert. Darüber Im dritten Themenfeld ging es um die Zufrieden-
hinaus wurden Dozent*innen über einen Verteiler heit mit verschiedenen Formen der Hochschullehre.
des Hochschullehrerbundes und einen Link in der Unterschieden wurde dabei zwischen der Präsenz-
Deutschen Universitätszeitung rekrutiert1. Die Teil- lehre vor Corona sowie der synchronen und asyn-
nahme war freiwillig und anonym. Sie wurde weder chronen Lehre im Corona-Semester (fünfstufige
monetär noch anderweitig belohnt. Skala von 1 = unzufrieden bis 5 = zufrieden). Die Zu-
friedenheit wurde dabei im Hinblick auf fünf Aspek-
te erfragt: Einfachheit der Bedienungsfreundlichkeit
Stichprobe der Software, technisches Funktionieren der Soft-
ware (beides wurde nur bezogen auf synchrone und
Die Gesamtstichprobe bestand aus 948 Personen. asynchrone Lehre abgefragt), Interaktion zwischen
Die Gruppe der Dozent*innen umfasste 669 Perso- Dozent*innen und Student*innen, Interaktion zwi-
nen (28.1 % weiblich, 70.7 % männlich, 1.2 % divers) schen Student*innen sowie die Möglichkeit, Lehrin-
mit einem Durchschnittsalter von 51.33 Jahren (SD = halte verständlich zu vermitteln. Zusätzlich wurde
7.92 Jahre). Es handelte sich fast ausschließlich um mit einem weiteren Item die Zufriedenheit mit der
Dozent*innen, die an Fachhochschulen arbeiteten digitalen Lehre insgesamt erfasst.
(95.5 %; 16 % Mathematik/Naturwissenschaften, Im vierten Themenfeld ging es um die Einschät-
35.6 % Ingenieurwissenschaften, 13.3  % Gesell- zung des eigenen Workloads im Corona-Semester
schafts- und Sozialwissenschaften, 0.6 % Lehramt, verglichen zu vorherigen Semestern (fünfstufige
6.6 % Geistes- und Kulturwissenschaften, 25.4 % Skala von 1 = deutlich weniger Arbeitsaufwand bis
Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, 2.5 % Me- 5 = deutlich mehr Arbeitsaufwand).
dizin und Gesundheitswesen). Die Dozent*innen Das fünfte Themenfeld bezog sich auf den Um-
verteilten sich auf mehr als 100 verschiedene Hoch- fang der eigenen Vorerfahrungen mit der digitalen
schulen. Lehre. Die Befragten wurden dabei gebeten anzu-
Die Gruppe der Student*innen umfasste 279 geben, ob sie digitale Lehrveranstaltungen vor dem
Personen (65.6 % weiblich, 34.4 % männlich) mit Corona-Semester bereits besucht bzw. gegeben
einem Durchschnittsalter von 23.77 Jahren (SD = hatten (ja vs. nein).
3.85). Fast zwei Drittel (73.9 %) studierten an einer Im sechsten Themenfeld wurde die Präferenz für
Fachhochschule (10  % Mathematik/Naturwissen- verschiedene Lehr- und Prüfungsformen abgefragt.
schaften, 18.6 % Ingenieurwissenschaften, 14.7 % Die Befragten mussten angeben, ob sie bezogen auf
Gesellschafts- und Sozialwissenschaften, 6.1  % verschiedene Kriterien eher die Präsenzlehre oder
Lehramt, 7.5 % Geistes- und Kulturwissenschaften, eher die digitale Lehre bevorzugen. Zusätzlich gab
28 % Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, 5.7 % es die Möglichkeit, die Option weder/noch anzu-
Medizin und Gesundheitswesen, 9.4 % Sonstige). kreuzen. Die Kriterien, hinsichtlich derer die Präfe-
renzen geäußert wurden, waren die folgenden: Ver-
einbarkeit mit weiteren Verpflichtungen jenseits der
Untersuchungsdesign Lehre, Verständlichkeit der Lehrinhalte, Interaktion
und Messinstrument zwischen Dozent*innen und Student*innen, Inter-
aktion zwischen Student*innen, Spaß an der Lehre.
Der Fragebogen war für beide Gruppen weitestge- Zusätzlich wurden die Befragten gebeten, eine all-
hend identisch. Nur dort, wo dies notwendig war, gemeine Präferenz für Präsenzlehre vs. Digitalehre
wurden sprachliche Anpassungen für die jeweilige abzugeben und zwar einmal bezogen auf die Zeit der
Gruppe vorgenommen – beispielsweise bei der Fra- Corona-Pandemie und einmal bezogen auf die Zeit
ge, in welchem Studienfach die befragte Person un- nach der Pandemie.
terrichtet bzw. welches Studienfach sie studiert. Der Zum Abschluss wurden Fragen zur Demografie
gestellt (Alter, Geschlecht, Hochschultyp und Studi-
1
Wir danken an dieser Stelle dem Hochschullehrerbund enfach). Bezogen auf das Studienfach wurden acht
(hlb) sowie der Deutschen Universitätszeitung (DUZ) für die
Unterstützung bei der Datenerhebung der Stichprobe der Kategorien vorgegeben: Mathematik/Naturwissen-
Dozent*innen. schaften, Ingenieurwissenschaften, Gesellschafts-
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Hochschullehre in Zeiten von Corona

und Sozialwissenschaften, Lehramt, Geistes- und ner signifikant höheren Zufriedenheit einher als die
Kulturwissenschaften, Rechts- und Wirtschaftswis- asynchrone Digitallehre. Hypothese 1 und 2 können
senschaften, Medizin und Gesundheitswesen. somit für die Gruppe der Dozent*innen weitestge-
In einer abschließenden Frage konnten die Be- hend bestätigt werden.
fragten entscheiden, ob sie ihre Angaben zur Aus- Im zweiten Schritt wurde die Zufriedenheit in der
wertung freigeben oder nicht. Gruppe der Student*innen untersucht (Hypothese 1
und 2). Das methodische Vorgehen entspricht exakt
dem Vorgehen wie in der Gruppe der Dozent*innen.
Ergebnisse Bezogen auf alle Aspekte der Hochschullehre er-
gaben sich signifikante Effekte des Messwieder-
In einem ersten Schritt wurde die Zufriedenheit in holungsfaktors (Bedienungsfreundlichkeit: F172/1 =
der Gruppe der Dozent*innen mit verschiedenen 3.94, p ≤ .05; technisches Funktionieren: F172/1 = 5.47,
Formen der Hochschullehre untersucht (Hypothe- p ≤ .05; Interaktion zwischen Dozent*innen und
se 1 und 2). Zum Einsatz kamen unifaktorielle Va- Student*innen: F172/2 = 109.8, p ≤ .001; Interaktion
rianzanalysen mit Messwiederholung. Verglichen zwischen Student*innen: F172/2 = 185.63, p ≤ .001;
wurden drei Formen der Hochschullehre – Präsenz- Lehrinhalte verständlich vermitteln: F172/2 = 30.72,
lehre vor Corona, synchrone Digitallehre und asyn- p ≤ .001). In Tabelle 1 (untere Hälfte) finden sich die
chrone Digitallehre, jeweils in Zeiten von Corona – Ergebnisse für die einzelnen Stufen des Messwie-
und zwar jeweils bezogen auf die Zufriedenheit mit derholungsfaktors. Die signifikant höchsten Zufrie-
fünf Aspekten der Lehre: Bedienungsfreundlichkeit denheitswerte zeigten sich auch in der Gruppe der
und technisches Funktionieren (beides nur bezo- Student*innen bezogen auf die Präsenzlehre. Die
gen auf die digitale Lehre), Interaktion zwischen synchrone Digitallehre ging mit einer Ausnahme fast
Dozent*innen und Student*innen, Interaktion zwi- immer mit signifikant höheren Zufriedenheitswer-
schen den Student*innen sowie die Möglichkeit, ten einher. Die Ausnahme bildete die Möglichkeit,
Lehrinhalte verständlich zu vermitteln. Im Ergebnis Lehrinhalte verständlich wiederzugeben. Hier wie-
zeigte sich bezogen auf vier Aspekte multivariate sen die befragten Personen keine Unterschiede in
Effekte der Form der Hochschullehre (Bedienungs- der Zufriedenheit auf. Hypothese 1 und 2 konnten
freundlichkeit: F420/1 = 11.56, p ≤ .01; technisches Funk- somit auch für die Gruppe der Student*innen wei-
tionieren: F420/1 = 1.52, p > .05; Interaktion zwischen testgehend bestätigt werden.
Dozent*innen und Student*innen: F419/2 = 123.27, p Im dritten Schritt wurde untersucht, inwieweit
≤ .001; Interaktion zwischen Student*innen: F419/2 = signifikante Unterschiede in der Zufriedenheit bei-
167.16, p ≤ .001; Lehrinhalte verständlich vermitteln: der Gruppen mit den Lehrformen existieren (Fra-
F419/2 = 61.45, p ≤ .001). Tabelle 1 (obere Hälfte) gibt gestellung 1). Zum Einsatz kam eine unifaktoriel-
die Unterschiede zwischen den einzelnen Stufen le, multivariate Varianzanalyse. Die unabhängige
des Messwiederholungsfaktors wieder. Bezogen auf Variable war zweifach gestuft (Dozent*innen vs.
die verschiedenen Formen der Interaktion sowie die Student*innen). Als abhängige Variablen dienten die
Möglichkeit, Lehrinhalte verständlich zu vermitteln, Zufriedenheiten mit den verschiedenen Aspekten
erzielte die Präsenzlehre signifikant höhere Zufrie- der Hochschullehre jeweils bezogen auf die unter-
denheitswerte als beide Formen der digitalen Leh- schiedlichen Formen der Hochschullehre (Tabelle 2).
re. Bezogen auf zwei der fünf Aspekte (technisches Zunächst ergab sich ein signifikanter, multivariater
Funktionieren und verständliche Vermittlung von Effekt der unabhängigen Variable (F579/14 = 12.55, p ≤
Lehrinhalten) ging die synchrone Digitallehre mit ei- .001). Dozent*innen und Student*innen unterschie-

Tabelle 1 Digitallehre
Zufriedenheit mit Präsenzlehre
verschiedenen Formen synchron asynchron
der Lehre im Hinblick auf Dozent*innen
diverse Kriterien Bedienungsfreundlichkeit – 4.20a (0.84) 4.03b (0.96)
technisches Funktionieren – 4.14 (0.93) 4.08 (0.94)
Interaktion mit Student*innen 4.20a (1.09) 3.33b (1.18) 2.99c (1.18)
Interaktion zwischen Student*innen 4.09a (1.07) 2.95b (1.19) 2.72c (1.12)
Lehrinhalte verständlich vermitteln 4.34a (0.77) 3.72b (0.97) 3.80b (0.98)
Student*innen
Bedienungsfreundlichkeit – 4.07a (0.98) 3.94b (1.08)
technisches Funktionieren – 3.74 (0.09)
a
3.94b (1.11)
Interaktion mit Student*innen 4.37a (0.88) 3.56b (1.15) 2.67c (1.28)
Interaktion zwischen Student*innen 4.59 (0.93)
a
2.84 (1.35)
b
2.32c (1.28)
Lehrinhalte verständlich vermitteln 4.11a (0.85) 3.32b (1.18) 3.30b (1.25)
Erläuterungen: Arithmetisches Mittel und in Klammer Standardabweichung; fünfstufige Skala (1 = unzufrieden,
5 = zufrieden); Zeilenweise unterscheiden sich Mittelwerte, wenn sie unterschiedliche Indizes aufweisen, p ≤ .05.
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Digitallehre
Tabelle 2
Präsenzlehre Zufriedenheit mit
synchron asynchron Lehrformen im Vergleich
Doz. Stud. Doz. Stud. Doz. Stud. zwischen Dozent*innen
und Student*innen
Bedienungsfreundlichkeit – – 4.20 (0.84) 4.07 (0.98) 4.03 (0.96) 3.94 (1.08)
technisches Funktionieren – – 4.14a (0.93) 3.74b (0.09) 4.08 (0.94) 3.94 (1.11)
Interaktion mit Student*innen 4.20a (1.09) 4.37b (0.88) 3.33a (1.18) 3.56b (1.15) 2.99a (1.18) 2.67b (1.28)
Interaktion zwischen Student*innen 4.09 (1.07) 4.59 (0.93) 2.95 (1.19) 2.84 (1.35) 2.72 (1.12)
a
2.32b (1.28)
Lehrinhalte verständlich vermitteln 4.34a (0.77) 4.11b (0.85) 3.72a (0.97) 3.32b (1.18) 3.80a (.98) 3.30b (1.25)
Doz. Stud.
Zufriedenheit mit digitaler Lehre insgesamt 3.71 (1.08) 3.60 (1.11)
Erläuterungen: Arithmetisches Mittel und in Klammer Standardabweichung; fünfstufige Skala (1 = unzufrieden,
5 = zufrieden); innerhalb einer Lehrform unterscheiden sich Mittelwerte, wenn sie unterschiedliche Indizes aufweisen,
p ≤ .05.

den sich nicht in ihrer Zufriedenheit mit der digitalen te Unterschiede vorlagen, gingen sie immer in die
Lehre insgesamt, wohl aber in spezifischen Aspek- gleiche Richtung. Dozent*innen, die vor dem ersten
ten. Sofern signifikante Unterschiede zu verzeich- Corona-Semester Erfahrungen mit digitaler Hoch-
nen waren, zeigten sich die Dozent*innen meist zu- schullehre sammeln konnten, waren zufriedener mit
friedener als die Studenten*innen. Entgegengesetzt verschiedenen Aspekten der digitalen Lehre als ihre
verhielt es sich nur in zwei Fällen. Demnach waren Kolleg*innen ohne entsprechende Vorerfahrung.
Student*innen zufriedener mit der Interaktion un- Dies galt auch für die Gesamtzufriedenheit mit der
tereinander und zwar bezogen auf die Präsenzlehre digitalen Lehre. Die Zufriedenheit mit der Präsenz-
sowie die synchrone Digitallehre. lehre wurde durch die Vorerfahrungen mit digitalen
In der weiteren Analyse ging es um die Frage, Lehrformaten nicht beeinflusst.
durch welche Variablen die Zufriedenheit beein- Eine Überprüfung des gleichen Effektes für die
flusst wurde (Hypothese 3, 4 und 5). Drei Variablen Gruppe der Student*innen war nicht möglich, weil
wurden dabei in den Blick genommen: die Vorer- sich in der Stichprobe nur 15 Personen befanden,
fahrung der Dozent*innen im Bereich der digitalen die Erfahrung mit digitaler Lehre aufwiesen. In der
Lehre, die wahrgenommene Qualität der Informati- Gruppe der Dozenten verfügten immerhin 135 Per-
onspolitik der eigenen Hochschule sowie der indivi- sonen über entsprechende Erfahrungen.
duelle Workload im Corona-Semester. Hypothese 3 konnte bezogen auf die Gruppe der
Die Ergebnisse in Tabelle 3 beziehen sich auf Dozent*innen überwiegend bestätigt werden. In der
die Bedeutung der individuellen Vorerfahrung der Gruppe der Student*innen konnten sie aufgrund der
Dozent*innen (Hypothese 3). Berechnet wurde er- geringen Stichprobengröße nicht überprüft werden.
neut eine unifaktorielle, multivariate Varianzana- Der Einfluss der wahrgenommenen Informations-
lyse. Diesmal diente die Erfahrung mit der digita- politik der eigenen Hochschule auf die Zufriedenhei-
len Lehre als unabhängige Variable (Erfahrung vs. ten (Hypothese 4) wurde mithilfe von Korrelationen
keine Erfahrung). Die abhängigen Variablen waren nach Pearson berechnet (Tabelle 4, obere Hälfte). Es
identisch mit den zuvor durchgeführten Analysen. ergaben sich sowohl bei den Dozent*innen als auch
Der multivariate Effekt war nicht signifikant (F406/14 bei den Student*innen signifikant positive Zusam-
= 1.12, p > .05). In etwa der Hälfte der Fälle zeigten menhänge zwischen einer als positiv bewerteten
sich jedoch auf einzelnen abhängigen Variablen sig- Informationspolitik der eigenen Hochschule und
nifikante Einflüsse der Erfahrung. Sofern signifikan- der Zufriedenheit mit allen Aspekten der digitalen

Digitallehre Tabelle 3
Präsenzlehre Bedeutung der Vorerfahrung
synchron asynchron von Dozent*innen mit digi-
keine keine keine taler Lehre für die Zufrieden-
Erfahrung Erfahrung Erfahrung
Erfahrung Erfahrung Erfahrung heit mit diversen Lehrformen
Bedienungsfreundlichkeit – – 4.17 (0.83) 4.30 (0.88) 3.98 (0.99) 4.18 (0.86)
technisches Funktionieren – – 4.09 (0.95)
a
4.30 (0.86)
b
4.01 (0.97
a
4.29b (0.82)
Interaktion mit Student*innen 4.17 (1.13) 4.30 (.94) 3.27 (1.20) 3.50 (1.11) 2.91 (1.16)
a
3.24b (1.21)
Interaktion zwischen Student*innen 4.06 (1.01) 4.19 (1.03) 2.89 (1.18) 3.11 (1.21) 2.66a (1.08) 2.93b (1.17)
Lehrinhalte verständlich vermitteln 4.32 (0.80) 4.43 (0.66) 3.66 (0.98)
a
3.91 (.90)
b
3.74 (1.00)
a
3.99b (0.90)
keine Erfahrung Erfahrung
Zufriedenheit mit digitaler Lehre insgesamt 3.62a (1.07) 4.01b (1.04)
Erläuterungen: Arithmetisches Mittel und in Klammer Standardabweichung; fünfstufige Skala (1 = unzufrieden,
5 = zufrieden); innerhalb einer Lehrform unterscheiden sich Mittelwerte, wenn sie unterschiedliche Indizes aufweisen,
p ≤ .05.
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50 Wirtschaftspsychologie
Heft 2-2021
U. P. Kanning & M. Ohlms
Hochschullehre in Zeiten von Corona

Tabelle 4 Digitallehre
Bedeutung der Präsenzlehre
synchron asynchron
Information durch
die Hochschule und Doz. Stud. Doz. Stud. Doz. Stud.
des Workloads Information durch die Hochschulen
für die Zufriedenheit mit
diversen Lehrformen Bedienungsfreundlichkeit – – .25*** .26*** .23*** .27***
technisches Funktionieren – – .27*** .32*** .22*** .36***
Interaktion mit Student*innen .02 .19** .25*** .35*** .23*** .36***
Interaktion zwischen Student*innen .05 .06 .18*** .26*** .20*** .30***
Lehrinhalte verständlich vermitteln .04 .11 .27*** .35*** .24*** .29***
Doz. Stud.
Zufriedenheit mit digitaler Lehre insgesamt .46*** .54***
Workload
Bedienungsfreundlichkeit – – –.06 –.27*** –.10* –.24***
technisches Funktionieren – – –.10* –.25*** –.12** –.27***
Interaktion mit Student*innen –.01 –.12* –.09* –.27*** –.07 –.34***
Interaktion zwischen Student*innen –.03 –.17** –.07 –.34*** –.13** –.39***
Lehrinhalte verständlich vermitteln –.00  .10 –.09* –.48*** –.03 –.27***
Doz. Stud.
Zufriedenheit mit digitaler Lehre insgesamt –.10* –.32***
Erläuterungen: Korrelationen nach Pearson; * p ≤ .05, ** p ≤. 01, *** p ≤. 001.

Hochschullehre sowie der Zufriedenheit mit der di- die Digitallehre von signifikant mehr Menschen prä-
gitalen Hochschullehre insgesamt. Dies bestätigte feriert als die Präsenzlehre (Dozent*innen: 73.9 %
Hypothese 4. Beide Gruppen, Dozent*innen und vs. 26.1 %; Student*innen: 64.6 % vs. 35.4 %; p
Student*innen, unterschieden sich zudem nicht in ≤ .05). Grundsätzlich galt für die Lehre in Zeiten von
ihrer Bewertung der Informationspolitik der Hoch- Corona, dass die Digitallehre von mehr Menschen
schulen (MDoz. = 3.67, SD = 1.06 bzw. MStud. = 3.71, SD = präferiert wurde als die Präsenzlehre (Dozent*innen:
0.96; t = .52, p > .05). 83.4 % vs. 16.6 %; Student*innen: 62.5 % vs. 37.5 %;
Der Einfluss des individuellen Workloads (Hypo- p ≤ .05). Bei allen anderen Variablen bevorzugten
these 5) im ersten Corona-Semester auf die verschie- in beiden Gruppen signifikant mehr Menschen die
denen Facetten der Zufriedenheit wurde ebenfalls Präsenzlehre. So wurde die Präsenzlehre beispiels-
sowohl für Dozent*innen als auch für Student*innen weise gegenüber der Digitallehre von mehr Men-
mit Korrelationen überprüft (Tabelle 4, untere Hälf- schen präferiert, wenn es darum ging Lehrinhalte
te). In beiden Gruppen ging ein zunehmender Wor- verständlich zu vermitteln, zwischen Dozent*innen
kload mit einer abnehmenden Zufriedenheit mit der und Student*innen bzw. innerhalb der Gruppe der
digitalen Lehre insgesamt einher. Dies galt auch für Student*innen zu interagieren oder Spaß an der
fast alle spezifischen Zufriedenheiten sowie für die Lehre zu haben. Für die Zeit nach Corona wünschte
Gesamtzufriedenheit. Hypothese 5 konnte somit sich die überwiegende Mehrheit der Dozent*innen
weitestgehend bestätigt werden. Auffällig war, dass (85.7 %) als auch der Student*innen (79 %) eine
der Einfluss des Workloads bei den Student*innen Rückkehr zur Präsenzlehre. Hypothese 6 konnte da-
deutlich größer ausfiel als bei den Dozent*innen. her mit zwei Ausnahmen bestätigt werden. Grund-
Der Workload fiel absolut gesehen in der Gruppe der sätzlich wurde zwar die Präsenzlehre bevorzugt,
Student*innen jedoch niedriger aus als in der Grup- dies galt jedoch nicht in Zeiten von Corona und auch
pe der Dozent*innen (M = 4.16, SD = .99 bzw. M = 4.51, nicht im Hinblick auf die Vereinbarkeit der Lehre mit
SD = 0.84; t = 5.02 p ≤ .001). anderen Verpflichtungen.
Neben der Zufriedenheit steht die Präferenz für Auch wenn die Präferenz bei Dozent*innen und
die Präsenz- vs. Digitallehre im Zentrum der vorlie- Student*innen jeweils in die gleiche Richtung ging,
genden Studie. Zu diesem Themenfeld wurden zu- unterschieden sich beide Gruppen doch auch häufig
nächst Chi2-Tests berechnet, mit deren Hilfe über- signifikant in der Menge der Menschen mit entspre-
prüft wurde, ob sich ein höherer Prozentsatz der chender Präferenz. In der Gruppe der Dozent*innen
Befragten für Lehrveranstaltungen bzw. Prüfungen präferierte danach meist ein größerer Prozentsatz
im Präsenz- vs. Digitalformat aussprach (Hypothese der Befragten die Präsenzlehre als in der Gruppe
6). Dabei wurde zusätzlich zwischen Dozent*innen der Student*innen. Dies galt jedoch nicht durchgän-
und Student*innen unterschieden (Fragestellung gig. Zwei Punkte seien an dieser Stelle beispielhaft
2). Tabelle 5 stellt die Ergebnisse dar. In beiden herausgegriffen: In Zeiten von Corona bevorzugten
Gruppen zeigte sich das gleiche Ergebnismuster. Im nur 16.6 Prozent der Dozent*innen die Präsenz-
Hinblick auf die Vereinbarkeit der Lehre mit anderen lehre, während es 37.5 Prozent in der Gruppe der
beruflichen oder privaten Verpflichtungen wurde Student*innen waren. Für die Zeit nach Corona prä-
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Hochschullehre in Zeiten von Corona
Wirtschaftspsychologie
Heft 2-2021 51

Präsenzlehre Digitallehre Tabelle 5


Präferenz für verschiedene
Doz. Stud. Doz. Stud. Lehrformen im Hinblick auf
Vereinbarkeit mit anderen Verpflichtungen 26.1a 35.4b 73.9c 64.6d diverse Kriterien
Lehrinhalte verständlich vermitteln 86.2a 81.3a 13.8b 18.8b
Interaktion von Dozent*innen mit Student*innen 96.0 a
91.4 b
 4.0 c
 8.1d
Interaktion zwischen Student*innen 94.7a 96.3a  5.3b  3.7b
Spaß an der Lehre 94.9 a
90.3 b
 5.1 c
 9.7d
allgemeine Präferenz in Zeiten von Corona 16.6a 37.5b 83.4c 62.5d
allgemeine Präferenz nach Corona 85.7 a
79.0 b
14.3 c
21.0d
Erläuterungen: Prozentualer Anteil der Befragten der jeweiligen Teilstichprobe, die eine Lehrform gegenüber der anderen
präferieren; Zeilenweise unterscheiden sich Werte, wenn sie unterschiedliche Indizes aufweisen, p ≤ .05;

ferierten 85.7 Prozent der Dozent*innen eine Rück- gen befanden (s. o.). Fast alle Unterschiede waren
kehr zur Präsenzlehre im Vergleich zu 79 Prozent bei statistisch signifikant (p ≤ .05). In Übereinstimmung
den Student*innen. mit Hypothese 7 zeigte sich dabei, dass Menschen
In einem weiteren Schritt wurde überprüft, in- mit Vorerfahrung die digitale Lehre stärker präfe-
wieweit die Präferenzen in beiden Gruppen durch rierten als Menschen ohne Vorerfahrung.
die Vorerfahrung, die wahrgenommene Informati- Zur Überprüfung der Effekte der Informations-
onspolitik der eigenen Hochschule oder den eige- politik der Hochschulen (Hypothese 8) und des eige-
nen Workload beeinflusst wurden (Hypothese 7, 8 nen Workloads (Hypothese 9) wurden Korrelationen
und 9). nach Spearman berechnet (Tabelle 7). Signifikant
Bezüglich der Vorerfahrung mit digitaler Lehre positive Korrelationen sprechen dabei für eine Prä-
(Hypothese 7) wurden Chi2-Tests berechnet. Tabelle ferenz zugunsten der Digitallehre und signifikant
6 gibt den prozentualen Anteil derjenigen wieder, negative Korrelationen für eine Präferenz zuguns-
die digitale Lehrformen gegenüber der Präsenzlehre ten der Präsenzlehre. Die wahrgenommene Quali-
präferierten und zwar in Abhängigkeit von der Vorer- tät der Informationspolitik der eigenen Hochschule
fahrung mit der digitalen Lehre. Die Daten beziehen im Corona-Semester korrelierte ausschließlich in
sich ausschließlich auf die Gruppe der Dozent*innen, der Gruppe der Student*innen, und dann auch nur
weil sich in der Gruppe der Student*innen nicht ge- vereinzelt mit der Präferenz. Je besser die Informa-
nügend Personen mit entsprechenden Vorerfahrun- tionspolitik der Hochschulen in der Wahrnehmung

Vorerfahrung mit digitaler Lehre


Tabelle 6
Präferenz für digitale Lehre
nein ja in Abhängigkeit von der
Vereinbarkeit mit anderen Verpflichtungen 71.7 a
82.1b Vorerfahrung in der Gruppe
der Dozent*innen
Lehrinhalte verständlich vermitteln 12.1a 21.8b
Interaktion von Dozent*innen mit Student*innen  3a
 8b
Interaktion zwischen Student*innen  4.6  7.9
Spaß an der Lehre  3.6 a
12.8b
allgemeine Präferenz in Zeiten von Corona  9.9a 22.5b
allgemeine Präferenz nach Corona 15.3 a
25.6b
Erläuterungen: Prozentualer Anteil der Befragten, die eine digitale Lehre gegenüber der Präsenzlehre präferieren;
Zeilenweise unterscheiden sich Werte, wenn sie unterschiedliche Indizes aufweisen, p ≤ .05.

Info. durch die Hochschule Workload Tabelle 7


Bedeutung der Information
Doz. Stud. Doz. Stud.
durch die Hochschule und
Vereinbarkeit mit anderen Verpflichtungen .10* .19** –.06 –,14* des Workloads mit digitaler
Lehrinhalte verständlich vermitteln .00 .12 –,10* –.28** Lehre für die Präferenz mit
diversen Lehrformen
Interaktion von Dozent*innen mit Student*innen .04 .14* –.09* –.02
Interaktion zwischen Student*innen .05 .04 –.07 –,13*
Spaß an der Lehre –.03 .19** –.08 –.24**
allgemeine Präferenz in Zeiten von Corona .00 .10 –.11* –.36**
allgemeine Präferenz nach Corona .02 .16* –.09 –.31**
Erläuterungen: Korrelationen nach Spearman; positive Korrelationen sprechen für eine Präferenz zugunsten der
Digitallehre, negative für eine Präferenz der Präsenzlehre; * p ≤ .05, ** p ≤. 01, *** p ≤. 001
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Hochschullehre in Zeiten von Corona

der Student*innen ausfiel, desto mehr präferierten zwischen 3.2 Prozent und 13 Prozent überschaubar.
die Befragten die digitale Lehre. Allerdings sind die- Die Zukunft muss zeigen, ob intensive Trainings-
se Effektstärken sehr gering (2 % bis 3.6 % Varianz- maßnahmen, die im laufenden Corona-Semester
aufklärung). Hypothese 8 musste somit verworfen wahrscheinlich kaum zu realisieren waren, größeren
werden. Einfluss nehmen können. Die dritte Einflussvariable,
Der eigene Workload im Corona-Semester korre- die im Rahmen der vorliegenden Studie untersucht
lierte negativ mit der Präferenz der digitalen Lehre. wurde – der individuelle Workload im Corona-Se-
Je größer die Belastung ausfiel, desto mehr präfe- mester – geht durchgängig mit negativen Effekten
rierten die Befragten die klassische Präsenzlehre. In einher. Je größer der Workload, desto geringer die
der Gruppe der Dozent*innen war dies nur vereinzelt Zufriedenheit mit digitalen Formen der Lehre –
und auch nur mit äußerst geringen Effektstärken der insbesondere in der Gruppe der Student*innen.
Fall (0.8 % bis 1.2 % Varianzaufklärung). In der Grup- Auch hier muss sich zeigen, ob ein geübter Umgang
pe der Student*innen zeigte sich bei der Mehrheit mit digitalen Formen der Hochschullehre in den
der Variablen ein solcher Effekt. Zudem fiel er mit nachfolgenden Semestern zu einem reduzierten
bis zu 13 Prozent Varianzaufklärung vergleichsweise Workload führt oder ob der digitalen Lehre ein er-
groß aus. Die Hypothese 9 konnte somit bezogen auf höhter Workload dauerhaft zu eigen ist und daher
die Gruppe der Student*innen weitgehend bestätigt auch langfristig mit einer geringeren Zufriedenheit
werden. einhergeht. Sowohl die Dozent*innen als auch die
Student*innen berichten von einem sehr viel höhe-
ren Workload im Corona-Semester im Vergleich zu
Diskussion einem herkömmlichen Semester.
Bezogen auf die Präferenzen zeigt sich ein klares
Die Ergebnisse zeigen, dass die Präsenzlehre in Bild. In Bezug auf fast alle Kriterien präferierten sig-
beiden Gruppen mit einer signifikant höheren Zu- nifikant mehr Menschen aus beiden Untersuchungs-
friedenheit verbunden ist als die digitale Lehre. In- gruppen die Präsenzlehre. Solange Corona noch
nerhalb der digitalen Lehre sind synchrone Forma- eine akute Bedrohung darstellt, bevorzugt zwar
te wiederum mit mehr Zufriedenheit assoziiert als jeweils eine Mehrheit der Befragten in beiden Grup-
asynchrone Formate. Dies deckt sich mit den Ergeb- pen die digitale Lehre, mit Blick auf die Zeit nach
nissen von Gunawardena und Zittle (1997), Park und Corona kehrt sich die Präferenz jedoch wieder um.
Kim (2020) sowie Schneider und Preckel (2017). Die Offenkundig erkennen beide Seiten die Notwen-
digitale Lehre ist mit vielfältigen Einschränkungen digkeit, in Zeiten von Corona die Umstellung auf
verbunden. So sehen beide Gruppen einander nur digitale Lehre und den damit verbundenen Anstieg
teilweise. Entsprechend bekommen Dozent*innen des Workloads in Kauf zu nehmen. Zumindest nach
kein unmittelbares Feedback aus dem (nonverba- Abschluss des ersten Corona-Semesters sehen die
len) Verhalten der Lerngruppe. Zudem trauen sich Befragten dies mehrheitlich als eine unangeneh-
manche Student*innen nicht, sich mit Fragen zu me Ausnahmeerscheinung und nicht als attraktive
Wort zu melden, wenn alle den eigenen Namen auf Alternative zur klassischen Lehre. Eine Ausnahme
dem Bildschirm sehen. Wer überwiegend zu Hause ergibt sich im Hinblick auf die Möglichkeit, die Lehre
sitzt, reduziert seine Sozialkontakte, die eine wichti- mit sonstigen privaten oder beruflichen Verpflich-
ge Quelle der Zufriedenheit darstellen. tungen in Einklang zu bringen. In diesem Punkt fal-
Die eigene Erfahrung von Dozent*innen mit der len in beiden Gruppen die Präferenzen zum Vorteil
digitalen Lehre wirkt sich z. T. positiv auf deren Zu- der Digitallehre aus. Wahrscheinlich nehmen die
friedenheit mit diesem Lehrformat aus, insbeson- Befragten hierbei die Möglichkeit der Aufzeichnung
dere mit der asynchronen Digitallehre. Dies gilt vor digitaler Lehrformate in den Blick bzw. fokussieren
allem für die Zufriedenheit mit dem technischen asynchrone Formate. Diese unbestreitbaren Vor-
Funktionieren der Software und den Möglichkeiten, teile kippen jedoch nicht die insgesamt vorherr-
Lerninhalte auch digital verständlich zu vermitteln. schende Präferenz für Präsenzformate. Im Vergleich
Diese Ergebnisse stimmen mit den Annahmen des zwischen beiden Untersuchungsgruppen zeigt sich,
Technologieakzeptanzmodells (Davis et al., 1989; dass die Dozent*innen die Präsenzlehre stärker prä-
Meisinger, 2016) überein. Die größere Vertrautheit ferieren als Student*innen.
mit der digitalen Lehre erhöht die Leichtigkeit der Analog zur Zufriedenheit werden auch die Prä-
Nutzung und fördert dadurch positive Einstellungen ferenzurteile durch die eigene Vorerfahrung mit der
gegenüber der Technologie. Dies führt allerdings digitalen Lehre, die wahrgenommene Informations-
nicht dazu, dass die Zufriedenheitswerte so weit politik der Hochschule sowie durch den Workload
ansteigen, dass sie sich auf dem Niveau der Zufrie- der Befragten beeinflusst. Die eigene Erfahrung
denheit mit der Präsenzlehre bewegen. Gerade geht mit einer größeren Präferenz für die digitale
im Hinblick auf die Interaktion mit und zwischen Lehre einher. Derselbe Effekt findet sich in Bezug auf
Student*innen, aber auch bezogen auf die verständ- die Qualität der Informationspolitik der Hochschule.
liche Vermittlung von Lerninhalten, liegt die Prä- Die Effekte des Workloads gehen in die entgegenge-
senzlehre vor digitalen Lehrformen. Eine gute Infor- setzte Richtung und dies gilt für die Student*innen
mationspolitik der eigenen Hochschule verbessert in deutlich stärkerem Maße als für die Dozent*innen.
die Zufriedenheit mit digitalen Lernformen. Aller- Je größer der Workload ausfiel, der mit der digitalen
dings sind die Einflüsse mit einer Varianzaufklärung
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Hochschullehre in Zeiten von Corona
Wirtschaftspsychologie
Heft 2-2021 53
Lehre im Corona-Semester verbunden war, desto Für die Praxis lässt sich derzeit ein zweigeteiltes
weniger wurde die digitale Lehre präferiert. Fazit ziehen. Zum einen zeigen die Befunde, dass das
Eine Generalisierung der vorliegenden Befun- erste Corona-Semester durch beide Gruppen positiv
de ist aufgrund mehrerer Limitationen nur einge- bewältigt wurde, wenn als Indikator hierfür die Zu-
schränkt gegeben. Beide Stichproben können für friedenheit der Betroffenen herangezogen wird. Die
sich nicht in Anspruch nehmen, die jeweilige Popu- Zufriedenheit mit digitalen Formen der Hochschul-
lation repräsentativ abzubilden. In beiden Fällen lehre liegt meist in der oberen Hälfte der Zufrieden-
handelt es sich um Gelegenheitsstichproben. heitsskala oder nahe am neutralen Mittelpunkt der
Zudem sind in beiden Gruppen Vertreter*innen Skala. Gleichwohl schneidet die digitale Lehre so-
von Fachhochschulen massiv überrepräsentiert. Es wohl in der Zufriedenheit als auch in der Präferenz in
ist nicht unwahrscheinlich, dass Dozent*innen, die beiden Untersuchungsgruppen signifikant schlech-
an Universitäten lehren, einen anderen Blick auf die ter ab als die klassische Präsenzlehre. Nach der
Hochschullehre haben. Schließlich hat hier, dem Corona-Pandemie wünschen sich fast 86 Prozent
Selbstverständnis beider Hochschulformen fol- der Dozent*innen und 79 Prozent der Student*innen
gend, die Lehre einen geringeren Stellenwert als an eine Rückkehr zur Präsenzlehre. Die Informations-
Fachhochschulen. Zudem sind die Gruppengrößen politik der Hochschulen kann darauf geringfügig
in der Lehre an Universitäten oft sehr viel größer. Einfluss nehmen. Bedeutsam sind zudem die indi-
Vorlesungen mit mehreren Hundert Menschen in ei- viduellen Erfahrungen der Betroffenen und die wer-
nem Raum erschweren auch in der Präsenzlehre die den auf Dauer nicht nur positiv sein. Auf absehbare
direkte Interaktion. Zeit erscheint die digitale Lehre somit nicht als ein
Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus dem Ersatz, sondern bestenfalls als eine Ergänzung der
Zeitpunkt, zu dem der Fragebogen ausgefüllt wur- klassischen Hochschullehre. Ihre Funktion mag bei-
de. Ein Teil der Befragten bearbeitete den Online- spielsweise darin liegen, dass wichtige Lehrinhalte
Fragebogen noch im laufenden Corona-Semester. zusätzlich zur Präsenzveranstaltung digital abruf-
Während andere wiederum den Bogen zu Beginn bar sind oder dass in digitalen Tutorien spezifische
der Semesterferien ausfüllten. Es ist nicht klar, in- Fragen einzelner Student*innen behandelt werden.
wieweit beispielsweise die Erfahrung mit Prüfungen In Zeiten der Pandemie erscheint die digitale
im ersten Corona-Semester Einfluss auf das Ant- Lehre als eine sinnvolle Alternative und Ergänzung
wortverhalten genommen hat. zur Präsenzlehre. Wo immer letztere sich aber aus
Die Befragung bezieht sich in beiden Gruppen gesundheitlichen Gründen auch in Zeiten der Pan-
zwar auf die gleichen Varianten der Didaktik, nicht demie rechtfertigen lässt, sollten Hochschulen auch
aber auf identische Veranstaltungen. Daher ist nicht diese Option so weit wie möglich freigeben.
klar, wie groß der Einfluss der konkreten Lehrveran-
staltung, ihrer Inhalte, des didaktischen Geschicks
der lehrenden Person etc. war. Literatur
Aus den Ergebnissen lassen sich über die oben
bereits skizzierten Punkte hinaus Anregungen für Abeysekera, L. & Dawson, P. (2015). Motivation and
die zukünftige Forschung ableiten. Die vorliegende cognitive load in the flipped classroom: Definition,
Studie bezieht sich auf das Erleben der Befragten rationale and a call for research. Higher Education
vor dem Hintergrund des ersten Corona-Semesters, Research & Development, 34(1), 1–14. http://dx.doi.
das alle Beteiligten zur digitalen Lehre genötigt hat. org/10.1080/07294360.2014.934336
Mehr noch, fast alle von ihnen wurden im laufenden Bundesregierung (2020, 22. März). Besprechung der
Semester von der Notwendigkeit, bestehende Lehr- Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und
konzepte umzustellen, überrascht. Die zukünftige Regierungschefs der Länder. https://www.bun-
Forschung sollte der Frage nachgehen, inwieweit desregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/
sich die hier gefundenen Effekte generalisieren las- besprechung-der-bundeskanzlerin-mit-den-regie
sen, wenn die Umstellung nach mehr Vorbereitungs- rungschefinnen-und-regierungschefs-der-laen
zeit erfolgt, also etwa nach den Sommersemester- der-1733248
ferien. Zudem wäre es interessant, etwaige Effekte Busse, B. & Bargel, T. (2017). Befragungen zu E-Learning
einer mehrsemestrigen Umstellung zu untersuchen. an Hochschulen – Erfahrungen und Sicht der Stu-
Durch die größere Erfahrung könnte die digitale dierenden (Hefte zur Bildungs- und Hochschulfor-
Lehre positiver bewertet werden. Anderseits mag schung, 96). Universität Konstanz: Arbeitsgruppe
der routiniertere Einsatz der digitalen Lehre den Hochschulforschung. http://nbn-resolving.de/urn:
Beteiligten aber auch die Defizite dieses Ansatzes nbn:de:bsz:352-2-1fw5oorkn9h417
klarer vor Augen führen. Präsenzlehre und digitale Davis, F. D., Bagozzi, R. P. & Warshaw, P. R. (1989). User
Lehre schließen einander nicht aus, sondern können acceptance of computer technology: A comparison
sich sinnvoll ergänzen (Schneider & Preckel, 2017). of two theoretical models. Management Science,
Grundsätzlich wäre daher von Interesse zu klären, 35(8), 982–1003. https://doi.org/10.1287/mnsc.35.
wie ein optimales Verhältnis beider Ansätze ausse- 8.982
hen könnte bzw. für welche Zwecke sich eher eine Gunawardena, C. N. & Zittle, F. J. (1997). Social pres-
Präsenzlehre und für welche anderen Zwecke sich ence as a predictor of satisfaction within a comput-
eher eine digitale Lehre eignet. er-mediated conferencing environment. American
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54 Wirtschaftspsychologie
Heft 2-2021
U. P. Kanning & M. Ohlms
Hochschullehre in Zeiten von Corona

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U. P. Kanning & M. Ohlms


Hochschullehre in Zeiten von Corona
Wirtschaftspsychologie
Heft 2-2021 55
Anhang
Struktur des Messinstrumentes
Themenfeld (Anzahl der Items) (Beispiel–)Item Antwortskalierung
Mitgliedschaft in den Studieren Sie im Sommersemester 2020 an einer nein vs. ja
Zielgruppen der Befragung (1) deutschen Hochschule?
Informationspolitik der Inwieweit empfinden Sie die Informationen, welche Sie zum Ablauf der 1 = überhaupt nicht ausreichend
Hochschule (1) Lehrveranstaltung im Sommersemester erhalten haben, als ausreichend? 5 = vollkommen ausreichend
Zufriedenheit mit Facetten der • Einfachheit der Bedienungsfreundlichkeit der Software 1 = unzufrieden
Hochschullehre (5) • Technisches Funktionieren der Software 5 = zufrieden
• Interaktion zwischen Dozent*innen und Student*innen
• Interaktion zwischen Student*innen
• Möglichkeit, Lehrinhalte verständlich zu vermitteln
Workload (1) Wie empfinden Sie den Workload des Online-Semesters im Vergleich zur 1 = deutlich weniger Arbeitsaufwand
Präsenzlehre? 5 = deutlich mehr Arbeitsaufwand
Zusatzkategorie: nicht beurteilbar
Vorerfahrungen mit digitaler Haben Sie bereits in vorherigen Semestern Veranstaltungen in digitaler Form nein vs. ja
Lehre (1) belegt?
Präferenzen für verschiedene Welche Lehrformen bevorzugen Sie im Hinblick auf die folgenden Aspekte? Präsenzlehre, Onlinelehre,
Lehr– und Prüfungsformen (7) • Vereinbarkeit mit weiteren Verpflichtungen jenseits der Lehre weder/noch
• Verständlichkeit der Lehrinhalte
• Interaktion zwischen Dozent*innen und Student*innen
• Interaktion zwischen Student*innen
• Spaß an der Lehre
Allgemeine Präferenz in Zeiten von Corona und danach
Demografie (5) • Alte r
• Geschlecht
• Hochschultyp
• Studienfach
• Name der Hochschule

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