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44 Wirtschaftspsychologie
Heft 2-2021
Zusammenfassung
Befragt wurden 669 Dozent*innen und 279 Student*innen zu ihrem Erleben der Hochschullehre in Zeiten der
Corona-Pandemie im Sommersemester 2020. Die Ergebnisse zeigen in beiden Gruppen, dass die Präsenz-
lehre mit einer höheren Zufriedenheit einhergeht und die Befragten auch nach der Pandemie mehrheitlich
eine Rückkehr zur Präsenzlehre präferieren. Unter Dozent*innen sind diese Präferenzen stärker ausgeprägt
als unter Student*innen. In Zeiten der Pandemie präferieren beide Gruppen die digitale Lehre. Im Bereich
der digitalen Lehre sind Formate, in denen Dozent*innen und Student*innen zeitgleich miteinander interagie-
ren (synchrone Lehre), gegenüber Formaten, in denen dies nicht möglich ist (asynchrone Lehre), in beiden
Gruppen mit größerer Zufriedenheit assoziiert. Die Vorerfahrung der Befragten mit digitaler Lehre sowie die
Informationspolitik der Hochschule im Sommersemester 2020 nehmen positiv Einfluss auf das Erleben sowie
die Präferenzen für digitale Lehre. Hingegen wirkt sich in beiden Gruppen der im Corona-Semester zu ver-
zeichnende Workload negativ aus.
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U. P. Kanning & M. Ohlms
Hochschullehre in Zeiten von Corona
in großen Gruppen und digitalen Chats, in denen in- sichtigung gefunden. Stattdessen steht entwe-
dividuelle Fragen oder Verständnisprobleme behan- der das Erleben oder der Lernerfolg auf Seiten der
delt werden (blendet learning; Schneider & Preckel, Student*innen im Fokus der Studien. Zudem ist bis-
2017). lang nichts darüber bekannt, wie verschiedene For-
Mehrere Studien beschäftigen sich mit der Fra- men der Lehre von beiden Seiten bewertet werden,
ge, welche Bedeutung der sozialen Präsenz der wenn die Betroffenen kurzfristig zu einer Verände-
Beteiligten in der digitalen Lehre zukommt. Unter rung bestehender Lehrkonzepte gezwungen wer-
dem Konstrukt der sozialen Präsenz wird dabei das den. An dieser Stelle setzt die vorliegende Studie an,
Ausmaß verstanden, in dem man sich mit einem indem sie versucht, Erkenntnislücken ein Stück weit
Gesprächspartner, der physisch nicht anwesend zu schließen. Sie berücksichtigt gleichermaßen die
ist, bei der Kommunikation über virtuelle Tools Perspektiven von Dozent*innen und Student*innen
verbunden fühlt (Mühlenfeld, 2004). Park und Kim und untersucht das Erleben verschiedener Formen
(2020) konnten zeigen, dass die soziale Präsenz in der Hochschulehre in Zeiten eines plötzlichen Um-
der digitalen Lehre mit einer größeren Zufriedenheit bruchs.
der Student*innen einhergeht. In einer Studie von
Gunawardena und Zittle (1997) erklärte die soziale
Präsenz 60 Prozent der Varianz der Zufriedenheit Hypothesen und Fragestellungen
der Student*innen. Die wahrgenommene soziale
Präsenz in der digitalen Lehre führt darüber hinaus • ypothese 1: Die Zufriedenheit mit der Präsenz-
H
zu einem größeren subjektiven Lerngewinn in den lehre ist höher ausgeprägt als die Zufriedenheit
Veranstaltungen (Richardson & Swan, 2003). Alles mit synchroner und asynchroner digitaler Lehre.
in allem wird daher nachfolgend erwartet, dass die • Hypothese 2: Die Zufriedenheit mit der synchro-
Präsenzlehre mit einer höher ausgeprägten Zufrie- nen digitalen Lehre ist höher ausgeprägt als die
denheit im Vergleich zur digitalen Lehre einhergeht Zufriedenheit mit der asynchronen digitalen
(Hypothese 1). Zudem wird erwartet, dass im Be- Lehre.
reich der digitalen Lehre die synchrone Lehre mit • Hypothese 3: Personen, welche über Vorerfah-
mehr Zufriedenheit einhergeht als die asynchrone rung mit digitalen Formen der Hochschullehre
Lehre (Hypothese 2). Darüber hinaus wird auch er- verfügen, sind zufriedener mit digitalen Formen
wartet, dass die Präsenzlehre in stärkerem Maße der Lehre als Personen ohne entsprechende
präferiert wird als die digitale Lehre (Hypothese 6). Vorerfahrung.
Vor dem Hintergrund des Technologieakzeptanz- • Hypothese 4: Je positiver die Informationspolitik
modells nimmt die wahrgenommene Leichtigkeit der eigenen Hochschule bewertet wird, desto
der Nutzung positiven Einfluss auf die Einstellung größer ist die Zufriedenheit mit digitalen For-
der Nutzer*innen gegenüber der Technologie (Davis men der Lehre.
et al., 1989; Meisinger, 2016). Im Kontext der Hoch- • Hypothese 5: Je höher der Workload im laufen-
schullehre könnte die wahrgenommene Leichtigkeit den Semester ausfällt, desto geringer ist die Zu-
der Nutzung durch verschiedene Variablen geprägt friedenheit mit digitalen Formen der Lehre.
sein. So erscheint es plausibel, dass die eigene Vor- • Hypothese 6: Die Präsenzlehre wird stärker prä-
erfahrung mit der digitalen Lehre die Handhabung feriert als die digitale Lehre.
der Technologie erleichtert (Hypothese 3) und dies • Hypothese 7: Personen, die über Vorerfahrung
so zu einer positiveren Bewertung digitaler Lehr- mit digitalen Formen der Hochschullehre verfü-
formen führt (Hypothese 7). Die Informationspolitik gen, präferieren digitale Formen der Lehre stär-
der jeweiligen Hochschule zur digitalen Lehre kann ker als Personen ohne entsprechende Vorerfah-
in gleicher Weise wirken. Je besser die Hochschule rung.
über die Optionen der digitalen Lehre informiert und • Hypothese 8: Je positiver die Informationspolitik
die Umstellung begleitet, desto leichter dürfte es für der eigenen Hochschule bewertet wird, desto
Dozent*innen und Student*innen sein, die Techno- größer ist die Präferenz für digitale Formen der
logie zu nutzen und desto zufriedener sollten sie mit Lehre.
digitalen Formen der Hochschullehre sein bzw. des- • Hypothese 9: Je höher der Workload im laufen-
to größer sollte eine entsprechende Präferenz aus- den Semester ausfällt, desto geringer ist die Prä-
fallen (Hypothese 4 und 8). Ein hoher individueller ferenz für digitale Formen der Lehre.
Workload der Beteiligten im laufenden Semester –
gemeint ist hiermit der subjektiv erlebte Umfang der • F ragestellung 1: Inwieweit unterscheiden sich
Belastung durch die Lehre – mag darüber hinaus die Dozent*innen von Student*innen in ihrer Zu-
Nutzung einer neuen Technologie erschweren, denn friedenheit mit den verschiedenen Formen der
je höher der Workload ausfällt, desto weniger Zeit Hochschullehre?
bleibt, um sich professionell in eine neue Techno- • Fragestellung 2: Inwieweit unterscheiden sich
logie einzuarbeiten. Daher sollte ein höherer Wor- Dozent*innen von Student*innen in ihren Präfe-
kload auch mit einer geringeren Zufriedenheit sowie renzen für verschiedene Formen der Hochschul-
einer geringeren Präferenz für digitale Formen der lehre?
Hochschullehre einhergehen (Hypothese 5 und 9).
In der bisherigen Forschung hat die Perspektive
der Dozent*innen vergleichsweise wenig Berück-
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Hochschullehre in Zeiten von Corona
und Sozialwissenschaften, Lehramt, Geistes- und ner signifikant höheren Zufriedenheit einher als die
Kulturwissenschaften, Rechts- und Wirtschaftswis- asynchrone Digitallehre. Hypothese 1 und 2 können
senschaften, Medizin und Gesundheitswesen. somit für die Gruppe der Dozent*innen weitestge-
In einer abschließenden Frage konnten die Be- hend bestätigt werden.
fragten entscheiden, ob sie ihre Angaben zur Aus- Im zweiten Schritt wurde die Zufriedenheit in der
wertung freigeben oder nicht. Gruppe der Student*innen untersucht (Hypothese 1
und 2). Das methodische Vorgehen entspricht exakt
dem Vorgehen wie in der Gruppe der Dozent*innen.
Ergebnisse Bezogen auf alle Aspekte der Hochschullehre er-
gaben sich signifikante Effekte des Messwieder-
In einem ersten Schritt wurde die Zufriedenheit in holungsfaktors (Bedienungsfreundlichkeit: F172/1 =
der Gruppe der Dozent*innen mit verschiedenen 3.94, p ≤ .05; technisches Funktionieren: F172/1 = 5.47,
Formen der Hochschullehre untersucht (Hypothe- p ≤ .05; Interaktion zwischen Dozent*innen und
se 1 und 2). Zum Einsatz kamen unifaktorielle Va- Student*innen: F172/2 = 109.8, p ≤ .001; Interaktion
rianzanalysen mit Messwiederholung. Verglichen zwischen Student*innen: F172/2 = 185.63, p ≤ .001;
wurden drei Formen der Hochschullehre – Präsenz- Lehrinhalte verständlich vermitteln: F172/2 = 30.72,
lehre vor Corona, synchrone Digitallehre und asyn- p ≤ .001). In Tabelle 1 (untere Hälfte) finden sich die
chrone Digitallehre, jeweils in Zeiten von Corona – Ergebnisse für die einzelnen Stufen des Messwie-
und zwar jeweils bezogen auf die Zufriedenheit mit derholungsfaktors. Die signifikant höchsten Zufrie-
fünf Aspekten der Lehre: Bedienungsfreundlichkeit denheitswerte zeigten sich auch in der Gruppe der
und technisches Funktionieren (beides nur bezo- Student*innen bezogen auf die Präsenzlehre. Die
gen auf die digitale Lehre), Interaktion zwischen synchrone Digitallehre ging mit einer Ausnahme fast
Dozent*innen und Student*innen, Interaktion zwi- immer mit signifikant höheren Zufriedenheitswer-
schen den Student*innen sowie die Möglichkeit, ten einher. Die Ausnahme bildete die Möglichkeit,
Lehrinhalte verständlich zu vermitteln. Im Ergebnis Lehrinhalte verständlich wiederzugeben. Hier wie-
zeigte sich bezogen auf vier Aspekte multivariate sen die befragten Personen keine Unterschiede in
Effekte der Form der Hochschullehre (Bedienungs- der Zufriedenheit auf. Hypothese 1 und 2 konnten
freundlichkeit: F420/1 = 11.56, p ≤ .01; technisches Funk- somit auch für die Gruppe der Student*innen wei-
tionieren: F420/1 = 1.52, p > .05; Interaktion zwischen testgehend bestätigt werden.
Dozent*innen und Student*innen: F419/2 = 123.27, p Im dritten Schritt wurde untersucht, inwieweit
≤ .001; Interaktion zwischen Student*innen: F419/2 = signifikante Unterschiede in der Zufriedenheit bei-
167.16, p ≤ .001; Lehrinhalte verständlich vermitteln: der Gruppen mit den Lehrformen existieren (Fra-
F419/2 = 61.45, p ≤ .001). Tabelle 1 (obere Hälfte) gibt gestellung 1). Zum Einsatz kam eine unifaktoriel-
die Unterschiede zwischen den einzelnen Stufen le, multivariate Varianzanalyse. Die unabhängige
des Messwiederholungsfaktors wieder. Bezogen auf Variable war zweifach gestuft (Dozent*innen vs.
die verschiedenen Formen der Interaktion sowie die Student*innen). Als abhängige Variablen dienten die
Möglichkeit, Lehrinhalte verständlich zu vermitteln, Zufriedenheiten mit den verschiedenen Aspekten
erzielte die Präsenzlehre signifikant höhere Zufrie- der Hochschullehre jeweils bezogen auf die unter-
denheitswerte als beide Formen der digitalen Leh- schiedlichen Formen der Hochschullehre (Tabelle 2).
re. Bezogen auf zwei der fünf Aspekte (technisches Zunächst ergab sich ein signifikanter, multivariater
Funktionieren und verständliche Vermittlung von Effekt der unabhängigen Variable (F579/14 = 12.55, p ≤
Lehrinhalten) ging die synchrone Digitallehre mit ei- .001). Dozent*innen und Student*innen unterschie-
Tabelle 1 Digitallehre
Zufriedenheit mit Präsenzlehre
verschiedenen Formen synchron asynchron
der Lehre im Hinblick auf Dozent*innen
diverse Kriterien Bedienungsfreundlichkeit – 4.20a (0.84) 4.03b (0.96)
technisches Funktionieren – 4.14 (0.93) 4.08 (0.94)
Interaktion mit Student*innen 4.20a (1.09) 3.33b (1.18) 2.99c (1.18)
Interaktion zwischen Student*innen 4.09a (1.07) 2.95b (1.19) 2.72c (1.12)
Lehrinhalte verständlich vermitteln 4.34a (0.77) 3.72b (0.97) 3.80b (0.98)
Student*innen
Bedienungsfreundlichkeit – 4.07a (0.98) 3.94b (1.08)
technisches Funktionieren – 3.74 (0.09)
a
3.94b (1.11)
Interaktion mit Student*innen 4.37a (0.88) 3.56b (1.15) 2.67c (1.28)
Interaktion zwischen Student*innen 4.59 (0.93)
a
2.84 (1.35)
b
2.32c (1.28)
Lehrinhalte verständlich vermitteln 4.11a (0.85) 3.32b (1.18) 3.30b (1.25)
Erläuterungen: Arithmetisches Mittel und in Klammer Standardabweichung; fünfstufige Skala (1 = unzufrieden,
5 = zufrieden); Zeilenweise unterscheiden sich Mittelwerte, wenn sie unterschiedliche Indizes aufweisen, p ≤ .05.
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Digitallehre
Tabelle 2
Präsenzlehre Zufriedenheit mit
synchron asynchron Lehrformen im Vergleich
Doz. Stud. Doz. Stud. Doz. Stud. zwischen Dozent*innen
und Student*innen
Bedienungsfreundlichkeit – – 4.20 (0.84) 4.07 (0.98) 4.03 (0.96) 3.94 (1.08)
technisches Funktionieren – – 4.14a (0.93) 3.74b (0.09) 4.08 (0.94) 3.94 (1.11)
Interaktion mit Student*innen 4.20a (1.09) 4.37b (0.88) 3.33a (1.18) 3.56b (1.15) 2.99a (1.18) 2.67b (1.28)
Interaktion zwischen Student*innen 4.09 (1.07) 4.59 (0.93) 2.95 (1.19) 2.84 (1.35) 2.72 (1.12)
a
2.32b (1.28)
Lehrinhalte verständlich vermitteln 4.34a (0.77) 4.11b (0.85) 3.72a (0.97) 3.32b (1.18) 3.80a (.98) 3.30b (1.25)
Doz. Stud.
Zufriedenheit mit digitaler Lehre insgesamt 3.71 (1.08) 3.60 (1.11)
Erläuterungen: Arithmetisches Mittel und in Klammer Standardabweichung; fünfstufige Skala (1 = unzufrieden,
5 = zufrieden); innerhalb einer Lehrform unterscheiden sich Mittelwerte, wenn sie unterschiedliche Indizes aufweisen,
p ≤ .05.
den sich nicht in ihrer Zufriedenheit mit der digitalen te Unterschiede vorlagen, gingen sie immer in die
Lehre insgesamt, wohl aber in spezifischen Aspek- gleiche Richtung. Dozent*innen, die vor dem ersten
ten. Sofern signifikante Unterschiede zu verzeich- Corona-Semester Erfahrungen mit digitaler Hoch-
nen waren, zeigten sich die Dozent*innen meist zu- schullehre sammeln konnten, waren zufriedener mit
friedener als die Studenten*innen. Entgegengesetzt verschiedenen Aspekten der digitalen Lehre als ihre
verhielt es sich nur in zwei Fällen. Demnach waren Kolleg*innen ohne entsprechende Vorerfahrung.
Student*innen zufriedener mit der Interaktion un- Dies galt auch für die Gesamtzufriedenheit mit der
tereinander und zwar bezogen auf die Präsenzlehre digitalen Lehre. Die Zufriedenheit mit der Präsenz-
sowie die synchrone Digitallehre. lehre wurde durch die Vorerfahrungen mit digitalen
In der weiteren Analyse ging es um die Frage, Lehrformaten nicht beeinflusst.
durch welche Variablen die Zufriedenheit beein- Eine Überprüfung des gleichen Effektes für die
flusst wurde (Hypothese 3, 4 und 5). Drei Variablen Gruppe der Student*innen war nicht möglich, weil
wurden dabei in den Blick genommen: die Vorer- sich in der Stichprobe nur 15 Personen befanden,
fahrung der Dozent*innen im Bereich der digitalen die Erfahrung mit digitaler Lehre aufwiesen. In der
Lehre, die wahrgenommene Qualität der Informati- Gruppe der Dozenten verfügten immerhin 135 Per-
onspolitik der eigenen Hochschule sowie der indivi- sonen über entsprechende Erfahrungen.
duelle Workload im Corona-Semester. Hypothese 3 konnte bezogen auf die Gruppe der
Die Ergebnisse in Tabelle 3 beziehen sich auf Dozent*innen überwiegend bestätigt werden. In der
die Bedeutung der individuellen Vorerfahrung der Gruppe der Student*innen konnten sie aufgrund der
Dozent*innen (Hypothese 3). Berechnet wurde er- geringen Stichprobengröße nicht überprüft werden.
neut eine unifaktorielle, multivariate Varianzana- Der Einfluss der wahrgenommenen Informations-
lyse. Diesmal diente die Erfahrung mit der digita- politik der eigenen Hochschule auf die Zufriedenhei-
len Lehre als unabhängige Variable (Erfahrung vs. ten (Hypothese 4) wurde mithilfe von Korrelationen
keine Erfahrung). Die abhängigen Variablen waren nach Pearson berechnet (Tabelle 4, obere Hälfte). Es
identisch mit den zuvor durchgeführten Analysen. ergaben sich sowohl bei den Dozent*innen als auch
Der multivariate Effekt war nicht signifikant (F406/14 bei den Student*innen signifikant positive Zusam-
= 1.12, p > .05). In etwa der Hälfte der Fälle zeigten menhänge zwischen einer als positiv bewerteten
sich jedoch auf einzelnen abhängigen Variablen sig- Informationspolitik der eigenen Hochschule und
nifikante Einflüsse der Erfahrung. Sofern signifikan- der Zufriedenheit mit allen Aspekten der digitalen
Digitallehre Tabelle 3
Präsenzlehre Bedeutung der Vorerfahrung
synchron asynchron von Dozent*innen mit digi-
keine keine keine taler Lehre für die Zufrieden-
Erfahrung Erfahrung Erfahrung
Erfahrung Erfahrung Erfahrung heit mit diversen Lehrformen
Bedienungsfreundlichkeit – – 4.17 (0.83) 4.30 (0.88) 3.98 (0.99) 4.18 (0.86)
technisches Funktionieren – – 4.09 (0.95)
a
4.30 (0.86)
b
4.01 (0.97
a
4.29b (0.82)
Interaktion mit Student*innen 4.17 (1.13) 4.30 (.94) 3.27 (1.20) 3.50 (1.11) 2.91 (1.16)
a
3.24b (1.21)
Interaktion zwischen Student*innen 4.06 (1.01) 4.19 (1.03) 2.89 (1.18) 3.11 (1.21) 2.66a (1.08) 2.93b (1.17)
Lehrinhalte verständlich vermitteln 4.32 (0.80) 4.43 (0.66) 3.66 (0.98)
a
3.91 (.90)
b
3.74 (1.00)
a
3.99b (0.90)
keine Erfahrung Erfahrung
Zufriedenheit mit digitaler Lehre insgesamt 3.62a (1.07) 4.01b (1.04)
Erläuterungen: Arithmetisches Mittel und in Klammer Standardabweichung; fünfstufige Skala (1 = unzufrieden,
5 = zufrieden); innerhalb einer Lehrform unterscheiden sich Mittelwerte, wenn sie unterschiedliche Indizes aufweisen,
p ≤ .05.
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Hochschullehre in Zeiten von Corona
Tabelle 4 Digitallehre
Bedeutung der Präsenzlehre
synchron asynchron
Information durch
die Hochschule und Doz. Stud. Doz. Stud. Doz. Stud.
des Workloads Information durch die Hochschulen
für die Zufriedenheit mit
diversen Lehrformen Bedienungsfreundlichkeit – – .25*** .26*** .23*** .27***
technisches Funktionieren – – .27*** .32*** .22*** .36***
Interaktion mit Student*innen .02 .19** .25*** .35*** .23*** .36***
Interaktion zwischen Student*innen .05 .06 .18*** .26*** .20*** .30***
Lehrinhalte verständlich vermitteln .04 .11 .27*** .35*** .24*** .29***
Doz. Stud.
Zufriedenheit mit digitaler Lehre insgesamt .46*** .54***
Workload
Bedienungsfreundlichkeit – – –.06 –.27*** –.10* –.24***
technisches Funktionieren – – –.10* –.25*** –.12** –.27***
Interaktion mit Student*innen –.01 –.12* –.09* –.27*** –.07 –.34***
Interaktion zwischen Student*innen –.03 –.17** –.07 –.34*** –.13** –.39***
Lehrinhalte verständlich vermitteln –.00 .10 –.09* –.48*** –.03 –.27***
Doz. Stud.
Zufriedenheit mit digitaler Lehre insgesamt –.10* –.32***
Erläuterungen: Korrelationen nach Pearson; * p ≤ .05, ** p ≤. 01, *** p ≤. 001.
Hochschullehre sowie der Zufriedenheit mit der di- die Digitallehre von signifikant mehr Menschen prä-
gitalen Hochschullehre insgesamt. Dies bestätigte feriert als die Präsenzlehre (Dozent*innen: 73.9 %
Hypothese 4. Beide Gruppen, Dozent*innen und vs. 26.1 %; Student*innen: 64.6 % vs. 35.4 %; p
Student*innen, unterschieden sich zudem nicht in ≤ .05). Grundsätzlich galt für die Lehre in Zeiten von
ihrer Bewertung der Informationspolitik der Hoch- Corona, dass die Digitallehre von mehr Menschen
schulen (MDoz. = 3.67, SD = 1.06 bzw. MStud. = 3.71, SD = präferiert wurde als die Präsenzlehre (Dozent*innen:
0.96; t = .52, p > .05). 83.4 % vs. 16.6 %; Student*innen: 62.5 % vs. 37.5 %;
Der Einfluss des individuellen Workloads (Hypo- p ≤ .05). Bei allen anderen Variablen bevorzugten
these 5) im ersten Corona-Semester auf die verschie- in beiden Gruppen signifikant mehr Menschen die
denen Facetten der Zufriedenheit wurde ebenfalls Präsenzlehre. So wurde die Präsenzlehre beispiels-
sowohl für Dozent*innen als auch für Student*innen weise gegenüber der Digitallehre von mehr Men-
mit Korrelationen überprüft (Tabelle 4, untere Hälf- schen präferiert, wenn es darum ging Lehrinhalte
te). In beiden Gruppen ging ein zunehmender Wor- verständlich zu vermitteln, zwischen Dozent*innen
kload mit einer abnehmenden Zufriedenheit mit der und Student*innen bzw. innerhalb der Gruppe der
digitalen Lehre insgesamt einher. Dies galt auch für Student*innen zu interagieren oder Spaß an der
fast alle spezifischen Zufriedenheiten sowie für die Lehre zu haben. Für die Zeit nach Corona wünschte
Gesamtzufriedenheit. Hypothese 5 konnte somit sich die überwiegende Mehrheit der Dozent*innen
weitestgehend bestätigt werden. Auffällig war, dass (85.7 %) als auch der Student*innen (79 %) eine
der Einfluss des Workloads bei den Student*innen Rückkehr zur Präsenzlehre. Hypothese 6 konnte da-
deutlich größer ausfiel als bei den Dozent*innen. her mit zwei Ausnahmen bestätigt werden. Grund-
Der Workload fiel absolut gesehen in der Gruppe der sätzlich wurde zwar die Präsenzlehre bevorzugt,
Student*innen jedoch niedriger aus als in der Grup- dies galt jedoch nicht in Zeiten von Corona und auch
pe der Dozent*innen (M = 4.16, SD = .99 bzw. M = 4.51, nicht im Hinblick auf die Vereinbarkeit der Lehre mit
SD = 0.84; t = 5.02 p ≤ .001). anderen Verpflichtungen.
Neben der Zufriedenheit steht die Präferenz für Auch wenn die Präferenz bei Dozent*innen und
die Präsenz- vs. Digitallehre im Zentrum der vorlie- Student*innen jeweils in die gleiche Richtung ging,
genden Studie. Zu diesem Themenfeld wurden zu- unterschieden sich beide Gruppen doch auch häufig
nächst Chi2-Tests berechnet, mit deren Hilfe über- signifikant in der Menge der Menschen mit entspre-
prüft wurde, ob sich ein höherer Prozentsatz der chender Präferenz. In der Gruppe der Dozent*innen
Befragten für Lehrveranstaltungen bzw. Prüfungen präferierte danach meist ein größerer Prozentsatz
im Präsenz- vs. Digitalformat aussprach (Hypothese der Befragten die Präsenzlehre als in der Gruppe
6). Dabei wurde zusätzlich zwischen Dozent*innen der Student*innen. Dies galt jedoch nicht durchgän-
und Student*innen unterschieden (Fragestellung gig. Zwei Punkte seien an dieser Stelle beispielhaft
2). Tabelle 5 stellt die Ergebnisse dar. In beiden herausgegriffen: In Zeiten von Corona bevorzugten
Gruppen zeigte sich das gleiche Ergebnismuster. Im nur 16.6 Prozent der Dozent*innen die Präsenz-
Hinblick auf die Vereinbarkeit der Lehre mit anderen lehre, während es 37.5 Prozent in der Gruppe der
beruflichen oder privaten Verpflichtungen wurde Student*innen waren. Für die Zeit nach Corona prä-
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ferierten 85.7 Prozent der Dozent*innen eine Rück- gen befanden (s. o.). Fast alle Unterschiede waren
kehr zur Präsenzlehre im Vergleich zu 79 Prozent bei statistisch signifikant (p ≤ .05). In Übereinstimmung
den Student*innen. mit Hypothese 7 zeigte sich dabei, dass Menschen
In einem weiteren Schritt wurde überprüft, in- mit Vorerfahrung die digitale Lehre stärker präfe-
wieweit die Präferenzen in beiden Gruppen durch rierten als Menschen ohne Vorerfahrung.
die Vorerfahrung, die wahrgenommene Informati- Zur Überprüfung der Effekte der Informations-
onspolitik der eigenen Hochschule oder den eige- politik der Hochschulen (Hypothese 8) und des eige-
nen Workload beeinflusst wurden (Hypothese 7, 8 nen Workloads (Hypothese 9) wurden Korrelationen
und 9). nach Spearman berechnet (Tabelle 7). Signifikant
Bezüglich der Vorerfahrung mit digitaler Lehre positive Korrelationen sprechen dabei für eine Prä-
(Hypothese 7) wurden Chi2-Tests berechnet. Tabelle ferenz zugunsten der Digitallehre und signifikant
6 gibt den prozentualen Anteil derjenigen wieder, negative Korrelationen für eine Präferenz zuguns-
die digitale Lehrformen gegenüber der Präsenzlehre ten der Präsenzlehre. Die wahrgenommene Quali-
präferierten und zwar in Abhängigkeit von der Vorer- tät der Informationspolitik der eigenen Hochschule
fahrung mit der digitalen Lehre. Die Daten beziehen im Corona-Semester korrelierte ausschließlich in
sich ausschließlich auf die Gruppe der Dozent*innen, der Gruppe der Student*innen, und dann auch nur
weil sich in der Gruppe der Student*innen nicht ge- vereinzelt mit der Präferenz. Je besser die Informa-
nügend Personen mit entsprechenden Vorerfahrun- tionspolitik der Hochschulen in der Wahrnehmung
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Hochschullehre in Zeiten von Corona
der Student*innen ausfiel, desto mehr präferierten zwischen 3.2 Prozent und 13 Prozent überschaubar.
die Befragten die digitale Lehre. Allerdings sind die- Die Zukunft muss zeigen, ob intensive Trainings-
se Effektstärken sehr gering (2 % bis 3.6 % Varianz- maßnahmen, die im laufenden Corona-Semester
aufklärung). Hypothese 8 musste somit verworfen wahrscheinlich kaum zu realisieren waren, größeren
werden. Einfluss nehmen können. Die dritte Einflussvariable,
Der eigene Workload im Corona-Semester korre- die im Rahmen der vorliegenden Studie untersucht
lierte negativ mit der Präferenz der digitalen Lehre. wurde – der individuelle Workload im Corona-Se-
Je größer die Belastung ausfiel, desto mehr präfe- mester – geht durchgängig mit negativen Effekten
rierten die Befragten die klassische Präsenzlehre. In einher. Je größer der Workload, desto geringer die
der Gruppe der Dozent*innen war dies nur vereinzelt Zufriedenheit mit digitalen Formen der Lehre –
und auch nur mit äußerst geringen Effektstärken der insbesondere in der Gruppe der Student*innen.
Fall (0.8 % bis 1.2 % Varianzaufklärung). In der Grup- Auch hier muss sich zeigen, ob ein geübter Umgang
pe der Student*innen zeigte sich bei der Mehrheit mit digitalen Formen der Hochschullehre in den
der Variablen ein solcher Effekt. Zudem fiel er mit nachfolgenden Semestern zu einem reduzierten
bis zu 13 Prozent Varianzaufklärung vergleichsweise Workload führt oder ob der digitalen Lehre ein er-
groß aus. Die Hypothese 9 konnte somit bezogen auf höhter Workload dauerhaft zu eigen ist und daher
die Gruppe der Student*innen weitgehend bestätigt auch langfristig mit einer geringeren Zufriedenheit
werden. einhergeht. Sowohl die Dozent*innen als auch die
Student*innen berichten von einem sehr viel höhe-
ren Workload im Corona-Semester im Vergleich zu
Diskussion einem herkömmlichen Semester.
Bezogen auf die Präferenzen zeigt sich ein klares
Die Ergebnisse zeigen, dass die Präsenzlehre in Bild. In Bezug auf fast alle Kriterien präferierten sig-
beiden Gruppen mit einer signifikant höheren Zu- nifikant mehr Menschen aus beiden Untersuchungs-
friedenheit verbunden ist als die digitale Lehre. In- gruppen die Präsenzlehre. Solange Corona noch
nerhalb der digitalen Lehre sind synchrone Forma- eine akute Bedrohung darstellt, bevorzugt zwar
te wiederum mit mehr Zufriedenheit assoziiert als jeweils eine Mehrheit der Befragten in beiden Grup-
asynchrone Formate. Dies deckt sich mit den Ergeb- pen die digitale Lehre, mit Blick auf die Zeit nach
nissen von Gunawardena und Zittle (1997), Park und Corona kehrt sich die Präferenz jedoch wieder um.
Kim (2020) sowie Schneider und Preckel (2017). Die Offenkundig erkennen beide Seiten die Notwen-
digitale Lehre ist mit vielfältigen Einschränkungen digkeit, in Zeiten von Corona die Umstellung auf
verbunden. So sehen beide Gruppen einander nur digitale Lehre und den damit verbundenen Anstieg
teilweise. Entsprechend bekommen Dozent*innen des Workloads in Kauf zu nehmen. Zumindest nach
kein unmittelbares Feedback aus dem (nonverba- Abschluss des ersten Corona-Semesters sehen die
len) Verhalten der Lerngruppe. Zudem trauen sich Befragten dies mehrheitlich als eine unangeneh-
manche Student*innen nicht, sich mit Fragen zu me Ausnahmeerscheinung und nicht als attraktive
Wort zu melden, wenn alle den eigenen Namen auf Alternative zur klassischen Lehre. Eine Ausnahme
dem Bildschirm sehen. Wer überwiegend zu Hause ergibt sich im Hinblick auf die Möglichkeit, die Lehre
sitzt, reduziert seine Sozialkontakte, die eine wichti- mit sonstigen privaten oder beruflichen Verpflich-
ge Quelle der Zufriedenheit darstellen. tungen in Einklang zu bringen. In diesem Punkt fal-
Die eigene Erfahrung von Dozent*innen mit der len in beiden Gruppen die Präferenzen zum Vorteil
digitalen Lehre wirkt sich z. T. positiv auf deren Zu- der Digitallehre aus. Wahrscheinlich nehmen die
friedenheit mit diesem Lehrformat aus, insbeson- Befragten hierbei die Möglichkeit der Aufzeichnung
dere mit der asynchronen Digitallehre. Dies gilt vor digitaler Lehrformate in den Blick bzw. fokussieren
allem für die Zufriedenheit mit dem technischen asynchrone Formate. Diese unbestreitbaren Vor-
Funktionieren der Software und den Möglichkeiten, teile kippen jedoch nicht die insgesamt vorherr-
Lerninhalte auch digital verständlich zu vermitteln. schende Präferenz für Präsenzformate. Im Vergleich
Diese Ergebnisse stimmen mit den Annahmen des zwischen beiden Untersuchungsgruppen zeigt sich,
Technologieakzeptanzmodells (Davis et al., 1989; dass die Dozent*innen die Präsenzlehre stärker prä-
Meisinger, 2016) überein. Die größere Vertrautheit ferieren als Student*innen.
mit der digitalen Lehre erhöht die Leichtigkeit der Analog zur Zufriedenheit werden auch die Prä-
Nutzung und fördert dadurch positive Einstellungen ferenzurteile durch die eigene Vorerfahrung mit der
gegenüber der Technologie. Dies führt allerdings digitalen Lehre, die wahrgenommene Informations-
nicht dazu, dass die Zufriedenheitswerte so weit politik der Hochschule sowie durch den Workload
ansteigen, dass sie sich auf dem Niveau der Zufrie- der Befragten beeinflusst. Die eigene Erfahrung
denheit mit der Präsenzlehre bewegen. Gerade geht mit einer größeren Präferenz für die digitale
im Hinblick auf die Interaktion mit und zwischen Lehre einher. Derselbe Effekt findet sich in Bezug auf
Student*innen, aber auch bezogen auf die verständ- die Qualität der Informationspolitik der Hochschule.
liche Vermittlung von Lerninhalten, liegt die Prä- Die Effekte des Workloads gehen in die entgegenge-
senzlehre vor digitalen Lehrformen. Eine gute Infor- setzte Richtung und dies gilt für die Student*innen
mationspolitik der eigenen Hochschule verbessert in deutlich stärkerem Maße als für die Dozent*innen.
die Zufriedenheit mit digitalen Lernformen. Aller- Je größer der Workload ausfiel, der mit der digitalen
dings sind die Einflüsse mit einer Varianzaufklärung
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Heft 2-2021
U. P. Kanning & M. Ohlms
Hochschullehre in Zeiten von Corona