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THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM

AUSGABE JULI 2021

02
HOMEOFFICE
IM VERLAUF DER
CORONA-PANDEMIE
2 THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
AUSGABE JULI 2021

Corona Datenplattform im Auftrag


des Bundesministerium für
Wirtschaft und Energie, BMWi

in Kooperation mit

Projekt: 7387
Bonn, Juli 2021
Version 1.0

Text: Jean-Victor Alipour, Oliver Falck, Robert Follmer, Reiner Gilberg, Beatrice Nolte
Layout und Grafik: Mischa Frank

Folgende Zitierweisen werden empfohlen:


Langform:
Corona Datenplattform (2021): Themenreport 02, Homeoffice im Verlauf der Corona-Pandemie, Ausgabe Juli 2021, Bonn
3 THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
AUSGABE JULI 2021

Inhalt

04 STELLENWERT DES HOMEOFFICE IN DER PANDEMIE


Welche Bedeutung ist bisher erkennbar?

04 POTENZIALE FÜR DAS HOMEOFFICE UND TATSÄCHLICHE AUSSCHÖPFUNG


Welche Berechnungsverfahren wenden wir an und wie stellen sich die Ergebnisse
auf regionaler Ebene dar?

12 HOMEOFFICE AUS SICHT DER BESCHÄFTIGTEN


Wer ist im Homeoffice und wie bewerten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
die aktuelle Situation?

16 AUSBLICK – HOMEOFFICE NACH DER PANDEMIE


Was sehen wir in der mittelfristigen Perspektive? 

17 WAS UNS AUFFÄLLT


7 Punkte zum Homeoffice im Frühsommer 2021

Zur Entstehung des Papers:


In der Corona-Datenplattform ist das ifo Institut Mitglied des wissenschaftlichen
Projektboards. Aus den dort geführten Diskussionen heraus hat sich eine Zusammen­
arbeit zu dem Schwerpunktthema Homeoffice ergeben. Diese erfolgt aus gemeinsamen
Interesse und geht als Eigenvorhaben über den im Projekt beauftragten Rahmen hin-
aus. Dabei bringen sowohl ifo wie infas weitere eigene Arbeiten mit einem Bezug zum
Themenfeld Homeoffice ein. Auf diese Weise entsteht eine umfassende empirische
Bestandsaufnahme zum aktuellen Status der Homeoffice-Umsetzung in Deutschland.
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STELLENWERT DES HOMEOFFICE tigten stand es hingegen weiterhin frei, ein entspre-
chendes Angebot zu nutzen. Mit dem Beschluss des
IN DER PANDEMIE deutschen Bundestags am 21. April 2021 zur vierten
Novelle des Infektionsschutzgesetzes, ist die Ver-
HOMEOFFICE IM KAMPF GEGEN DAS
pflichtung aus der Arbeitsschutzverordnung ins In-
INFEKTIONSGESCHEHEN
fektionsschutzgesetz gewandert. Neu ist auch, dass
die Arbeitnehmer ein Homeoffice-Angebot anneh-
Eine zunehmende Anzahl von Forschungsergeb-
men müssen, wenn ihrerseits keine Gründe dage-
nissen legt nahe, dass konsequentes Homeoffice
gensprechen. Gründe, die gegen die Annahme eines
einen wirksamen Hebel gegen die Pandemie bietet.
Homeoffice-Angebots angeführt werden können,
Simulationsstudien (Gabler et al. 2021; Kriegel und
wie räumliche Enge, Störungen durch Dritte oder
Hartmann 2021), empirische Evaluierungen (Alipour
eine unzureichende technische Ausstattung, werden
et al. 2021a; McLaren und Wang 2020) sowie Um-
gemeinhin aber als nicht ausreichend angesehen.
frageergebnisse (Kunze et al. 2021) liefern Evidenz
Die Homeoffice-Pflicht endet zum 30. Juni 2021.
dafür, dass die Heimarbeit das Infektionsrisiko deut-
lich senken kann. So berichten in der Umfrage von
Kunze et al. (2021) Beschäftigte mit Präsenzarbeit
vier bis acht Mal häufiger von einer Covid-19 Infekti- POTENZIALE FÜR DAS HOME-
on als Beschäftigte ohne Präsenzaktivitäten. Alipour OFFICE UND TATSÄCHLICHE
et al. (2021a) zeigen anhand einer Auswertung von AUSSCHÖPFUNG
Daten aus der ersten Corona-Welle, dass eine um
einen Prozentpunkt höhere regionale Homeoffice- 56 PROZENT DER JOBS KÖNNEN MINDESTENS
Quote mit einer um 4 bis 8% niedrigeren regionalen TEILWEISE IM HOMEOFFICE AUSGEFÜHRT
Infektionsrate verbunden ist. Der Zusammenhang WERDEN
ist besonders ausgeprägt vor dem ersten Lockdown
im Frühjahr 2020, was nahelegt, dass Homeoffice ein Um den theoretisch möglichen Spielraum für das
besonders wirksames Mittel zur Kontaktbeschrän- Homeoffice in Deutschland zu beurteilen, legten
kung in Abwesenheit von Politikmaßnahmen ist, Alipour et al. (2020) Berechnungen des deutschen
die auf die Reduktion von Kontaktbeschränkungen Homeoffice-Potenzials vor. Die Autoren stützen sich
abzielen. Obwohl diese Zusammenhänge in der dabei auf Umfrageergebnisse für mehr als 17.000
Regel noch keine Kausalität belegen und weitere Befragten aus der Erwerbstätigenbefragung (ETB)
Faktoren eine erhebliche Rolle spielen dürften, ist es des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und
vor diesem Hintergrund pandemiepolitisch durch- der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsme-
aus geboten, auf die Verlagerung aller Jobs, deren dizin (BAuA) aus dem Jahr 2018. Das Homeoffice-
Tätigkeitsprofile eine Ausführung im Homeoffice Potenzial eines Berufes wird demnach definiert als
erlauben, in die heimischen Büros abzuzielen. der Anteil der abhängig Beschäftigten, die nicht
ausschließen, dass Homeoffice in ihrem Job möglich
ist oder die selbst zumindest gelegentlich zu Hause
So beschloss auch die Bund-Länder Konferenz arbeiten. Die berufsspezifischen Potenziale werden
am 19. Januar 2021 eine „Homeoffice-Pflicht“ für anschließend mit Beschäftigungsstatistiken der
Arbeitgeber. Die entsprechende Änderung der Bundesarbeitsagentur über die absolute Häufigkeit
Arbeitsschutzverordnung ist zum 27. Januar 2021 der einzelnen Berufe gewichtet. Demnach können
in Kraft getreten. Darin ist festgelegt, dass Arbeit- insgesamt 56 Prozent der Arbeitsplätze zumindest
geber verpflichtet sind, ihren Mitarbeiterinnen und teilweise ins Homeoffice verlagert werden. Diese
Mitarbeitern Homeoffice anzubieten, soweit keine Abschätzung von vor der Corona-Pandemie deckt
betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Beschäf- sich weitgehend mit dem Ergebnis aus der 4. Welle
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der Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler- Nutzung. Die Geodatenschwester infas 360 hat im
Stiftung vom Januar 2021, nach der zumindest Februar/März 2021 in ihrem CASA-Monitor, einer
53 Prozent der Beschäftigten ganz oder teilweise online-repräsentativen Befragung mit ca. 7.000
im Homeoffice arbeiten könnten. Erwerbstätigen, ebenso die Homeoffice-Nutzung
regionalspezifisch erhoben. In beiden Befragungen
Homeoffice-Potenzial nicht durch gesetzliche
werden die Erwerbstätigen identisch danach gefragt,
Pflicht ausgeschöpft
ob sie zurzeit ganz oder überwiegend im Homeoffice
Das ifo Institut befragt im Rahmen seiner monat- arbeiten.
lichen Konjunkturumfrage seit Februar 2021 rund
Im Vergleich zur ifo-Frage wird in den infas- und in-
7.800 Unternehmen der Realwirtschaft nach der
fas 360-Befragungen eine höhere Homeoffice-Inten-
Homeoffice-Nutzung ihrer Mitarbeiterinnen und
sität vorausgesetzt. Der Anteil der Beschäftigten im
Mitarbeiter (vgl. Alipour et al. 2021b). Die Führungs-
Homeoffice aus der ifo-Befragung umfasst dagegen
kräfte geben dabei den Prozentsatz der Mitarbeiten-
auch solche Beschäftige, die nur wenige Tage/Stun-
den an, die teilweise oder vollständig im Homeoffice
den pro Woche im Homeoffice arbeiten. Abbildung 1
arbeiten. Diese Unternehmen zählen insgesamt
zeigt den Anteil der Beschäftigten, der gemäß der
rund 2,6 Millionen Beschäftigte. Damit stehen sie
drei Befragungen zwischen Januar und Juni 2021
für knapp acht Prozent der abhängig Erwerbstätigen
im Homeoffice gearbeitet hat. Erwartungsgemäß
in Deutschland.
liegt daher die Homeoffice-Quote in den ifo Befra-
infas befragt im Rahmen seiner bevölkerungsreprä- gungen über den Ergebnissen der infas- und infas
sentativen Telefoninterviews mit Beginn der Coro- 360-Befragungen.
na-Pandemie monatlich (mit Ausnahme Dezember
2020) ca. 600 Erwerbstätige zu ihrer Homeoffice-

Abb. 1: Homeoffice-Quote Januar bis Juni 2021 (gerundet)


Angaben in Prozent

100 % Homeoffice-Quote ifo


(teilweise und ganz im
75 % Homeoffice)**

Homeoffice-Quote infas
50 % (ganz od. überwiegend im
Homeoffice)***
25 % 30 32
29 27 31 31 Homeoffice-Quote infas 360
26 28
22 24 23
xx* (ganz oder überwiegend im
0% Homeoffice)***
Jan 21 Feb 21 Mär 21 Apr 21 Mai 21 Jun 21

* Werte folgen
** Frageformulierung ifo: Welcher Anteil Ihrer Beschäftigten arbeitet aktuell zumindest teilweise im Homeoffice?
*** Frageformulierung infas/infas 360: Wie hat sich aufgrund der Situation durch das Corona-Virus Ihre Arbeitssituation geändert?
Was trifft auf Sie zu? Ich arbeite ganz oder überwiegend von zu Hause aus (im Homeoffice).
Quelle: ifo Institut, infas, infas 360 (kalibriertes Gesamtsample, s.u.)
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Mit um die 30 Prozent der Beschäftigten, die in den Homeoffice-Quoten aus verschiedenen
letzten sechs Monaten teilweise oder vollständig Befra­gungen im Laufe der Corona Pandemie
im Homeoffice tätig waren, wurde trotz der Einfüh-
In der aktuellen Debatte kursieren verschiedene
rung und Verschärfung der Homeoffice-Pflicht das
Befragungsergebnisse zu den Homeoffice-Quoten
Homeoffice-Potenzial von 56 Prozent1 bei weitem
in der Corona-Pandemie. Während das ifo Institut
nicht ausgeschöpft. Auch zeigt die horizontale Ent-
Führungskräfte zur Homeoffice-Nutzung der Mit-
wicklung (und der leichte Abfall im Juni) in den ifo-
arbeiterinnen und Mitarbeiter im Unternehmen
Befragungen, dass die Verschärfung der Homeoffice-
befragt, basieren andere veröffentlichte Erhebungen
Pflicht mit der Novelle des Infektionsschutzgesetzes
in der Regel auf Befragungen von Erwerbstätigen:
zu keinem Anstieg der Homeoffice-Quote geführt
infas erhebt wie dargestellt monatlich (mit Ausnah-
hat. Der gleichzeitige Rückgang in der von infas
me von Dezember 2020) seit April 2020 die Home­
ermittelten Homeoffice-Quote ab März 2021 legt
office-Nutzung und bietet damit die längste Zeit-
sogar nahe, dass Beschäftigte zwar nicht vollständig,
reihe in der Corona-Pandemie. Mit der infas Frage
aber wieder häufiger im Betrieb arbeiten. Darauf
zum vollständigen bzw. überwiegenden Homeoffice
weisen auch bezogen auf den zeitlichen Homeoffice-
vergleichbare Fragen wurden zu verschiedenen
Tätigkeitsumfang differenziertere Zwischenergeb-
Zeitpunkten in Befragungen im Auftrag der Hans-
nisse aus einer weiteren infas-Befragung hin. Auf
Böckler-Stiftung (HBS), des Instituts der Zukunft für
diese wird im Ausblick am Ende dieses Papiers kurz
Arbeit (IZA) im Auftrag des Bundesministeriums für
eingegangen.
Arbeit und Soziales (BMAS) und der Corona-Bund-
Studie im Auftrag des Bundesgesundheitsminis­
1 Berücksichtigt man, dass in der ifo Konjunkturumfrage nicht alle
Branchen abgebildet werden, verändert sich das berechnete Homeoffice- teriums (BMG) gestellt.
Potenzial für die Teilstichprobe um weniger als einen Prozentpunkt und
liegt gerundet weiterhin bei 56 Prozent. In der Umfrage nicht abgebildet
sind insbesondere Banken, Krankenhäuser, Schulen und Kitas sowie der
Landwirtschaftssektor und der öffentliche Sektor.

Abb. 2: Homeoffice-Quote (überwiegend oder vollständig im Homeoffice) aus verschiedenen Befragungen

100 %
HBS/IZA/Corona-Bund
infas
75 %

50 %

25 %

0%
Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb Mrz Apr
20 20 20 20 20 20 20 20 20 21 21 21 21

Quelle: infas, IZA, HBS, Corona-Bund-Studie


Anmerkungen: Dezember 2020 Wert in der infas Zeitreihe linear interpoliert (ganz oder überwiegend im Homeoffice). Zusammengesetzte Zeitreihe: HBS (ausschließlich oder überwiegend im
Homeoffice): April, Juni, November, Dezember 2020, Januar 2021; IZA (mind. 80% der Arbeitszeit im Homeoffice): August 2020, Februar, März, April 2021; Corona-Bund-Studie (an fünf Tagen
pro Woche): Juni und Oktober 2020. Linear interpoliert: Mai, Juli, September 2020.
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Abbildung 2 stellt die Homeoffice-Befragungsergeb- in denen Google regelmäßig anonymisierte Daten


nisse von infas den genannten vergleichbaren Stu- seiner Nutzer über die Zahl der Besuche und die
dien gegenüber. Da die anderen drei Erhebungen zu Aufenthaltsdauer an bestimmten Orten auswertet.
unterschiedlichen Zeitpunkten stattgefunden haben, Damit lassen sich nicht zuletzt Veränderungen in
werden die dort ermittelten Homeoffice-Quoten zu der Frequentierung von Arbeitsstätten über die Zeit
einer Zeitreihe zusammengesetzt, wobei fehlende beobachten.
Werte linear interpoliert werden. Die Abbildung
Abbildung 3 zeigt mit Ausnahme der Weihnachts-
zeigt, dass die beiden Zeitreihen sehr ähnlich ver­
zeit, in der sich Familien im besonderen Maße
laufen, also vergleichbare Ergebnisse liefern.
isolierten, um gemeinsam feiern zu können, einen
Eine externe Validierung der Befragungsergebnisse Gleichlauf der Kurven. Dies bestätigt die Angemes-
erlaubt zudem der Vergleich mit Mobilitätsdaten. senheit der abgeschätzten Homeoffice-Quoten. Zu
Die Arbeitsmobilität wird in der Corona-Pandemie beachten ist zudem, dass infas im Dezember 2020
insbesondere durch Homeoffice und Kurzarbeit keine Befragung durchgeführt hat. Die Dezember-
reduziert. Abbildung 3 zeigt zum einen die Entwick- Homeoffice-Quote ist daher linear interpoliert.
lung des Anteils der Beschäftigten, die vollständig
bzw. überwiegend im Homeoffice arbeiten bzw. in
Kurzarbeit sind (Schätzung des ifo Instituts). Zum
anderen zeigt die Abbildung die den Reduktionsver-
lauf der Arbeitsmobilität im Vergleich zum Vor-
Corona-Niveau. Die Entwicklung der Arbeitsmobili-
tät stammt aus Googles Covid-19 Mobility Reports,

Abb. 3: Homeoffice-, Kurzarbeit- und Arbeitsmobilitätstrends in der Corona-Pandemie

60 % 45 %
Kurzarbeit ifo + Homeoffice-Quote infas

Reduktion Arbeitsmobilität

40 %
50 %
35 %

40 % 30 %

25 %
30 %
20 %

20 % 15 %

10 %
10 %
5%

0% 0%
Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb Mrz Apr Mai
20 20 20 20 20 20 20 20 20 21 21 21 21 21

Kurzarbeit ifo + Homeoffice-Quote infas Reduktion Arbeitsmobilität

Quelle: infas, ifo, Google LLC „Google Covid-19 Community Mobility Reports“
Linke Achse: Kurzarbeit- + Homeoffice-Quote. Rechte Achse: Arbeitsmobilitätsreduktion
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METHODENBOX 1 umfasst Daten zu allen 23 Mio. Adressen in Deutsch-


land und beinhaltet Informationen auf verschiede-
VORGEHEN BEI DER REGIONALISIE- nen räumlichen Ebenen, von der Adresse selbst, wie
RUNG DER BEFRAGUNGSERGEBNISSE z.B. dem Gebäudetypen oder der Wohnfläche, über
ZUR HOMEOFFICE-NUTZUNG den Siedlungsblock und den Ortsteil bis hin zu den
politisch-administrativen Ebenen der Gemeinden
Belastbare Daten zur Homeoffice-Nutzung für Land-
und Kreise mit Kennziffern aus überwiegend amtli-
kreise und kreisfreie Städte gab es bislang nicht. Auf
cher Quelle.
Basis ihrer gemeinsamen Befragungen aus Februar/
März 2021 haben infas und infas 360 nun den Anteil Über die angereicherten Merkmale wird für die aus
der erwerbstätigen Personen im Homeoffice auf der Frage „Ich arbeite ganz oder überwiegend von
Kreisebene regionalisiert. Möglich wird dies durch zu Hause aus (im Homeoffice) – ja/nein“ generierte
die innovative Kombination aus „Blended Calibrati- binäre Variable (6.379 Echtfälle) ein logistisches
on“ und der Einbindung von mikrogeographischen Regressionsmodell aufgestellt und anschließend
Merkmalen. bundesweit und flächendeckend auf alle 19 Mio.
Adressen mit Privathaushalten übertragen. In das
Da infas und infas 360 gleiche Fragen zum Er-
Modell eingeflossen sind neben soziodemografi-
werbsstatus und zur Homeoffice-Nutzung in ihren
schen Kennziffern und Siedlungsstrukturmerkmalen
Befragungen gestellt haben, lässt sich durch Zu-
insbesondere Informationen zur Wirtschafts- und
sammenführung und Kalibrierung der Samples
Arbeitsmarktstruktur mit primärem Fokus auf die
zunächst eine repräsentative Abschätzung der
regionale Verteilung von Unternehmen und Er-
Homeoffice-Quote auf Bundeslandebene erzielen.
werbstätigen nach Branchen. Einen signifikanten
Zur Generierung des Gesamtsamples wurden die
positiven Effekt auf Heimarbeit haben u.a. der Anteil
bevölkerungsrepräsentativen zufallsbasierten Febru-
einkommensstarker Haushalte und der Anteil Män-
ar- und März-Samples aus den Dual-Frame-Telefon-
ner im Siedlungsblock, der Bildungsabschluss und
interviews von infas mit jeweils 600 Erwerbstätigen
Haushalte mit Kindern im Ortsteil sowie Großstädte
sowie das Non-Probability-Sample aus der regional
und Pendler über Kreisgrenzen. Ein negativer Home-
quotierten Online-Befragung von infas 360 mit
office-Effekt ergibt sich mit dem Migrationsanteil im
7.000 Erwerbstätigen herangezogen. Durch die Ge-
Siedlungsblock und auf Kreisebene dem Anteil der
wichtung der Befragungsdaten über sozioökonomi-
Erwerbstätigen bzw. Unternehmen in den Branchen
sche und regionale Merkmale sowie über Nutzungs-
Handel, Landwirtschaft, Produzierendes Gewerbe
häufigkeiten von Telekommunikationsgeräten und
sowie (öffentliche) Dienstleistungen, Erziehung und
sozialen Medien erhält man ein „Blended Sample“
Gesundheit. Ebenfalls als unabhängige Variablen
mit Informationen zu rund 8.000 erwerbstätigen
eingeflossen sind die Baujahrsklasse eines Gebäudes
Personen ab 18 Jahren, das erwartungstreue Schät-
und als Zentralitätsmaß die Ortslage innerhalb einer
zer liefert. Im Ergebnis steht ein repräsentativer
Gemeinde. Das Resultat der kleinräumigen Schät-
Homeoffice-Anteil je Bundesland zur Verfügung, der
zung ist für jede Privatadresse eine Wahrscheinlich-
wiederum die Basis für eine weitere feinräumigere
keit, im Homeoffice zu arbeiten. Die Schätzwerte
Regionalisierung bildet.
werden anschließend über die von der Bundesagen-
Die Berechnung der Homeoffice-Nutzung auf Kreis­ tur für Arbeit veröffentlichten Zahlen der zivilen
ebene erfolgt über ein multivariates Schätzmodell. Erwerbstätigen auf die Zielebene der Kreise aggre-
Hierfür wird die Online-Stichprobe über die geo- giert und an der erhobenen Homeoffice-Quote je
codierten Wohnadressen der Befragten, die diese Bundesland geeicht. Damit liegen Schätzungen zum
im Rahmen der Befragung freiwillig angeben, mit aktuellen Homeoffice-Ist für alle 401 Landkreise und
mikrogeographischen Merkmalen aus der infas 360 kreisfreien Städte vor.
Datenbank angereichert. Das Portfolio von infas 360
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Regional starke Unterschiede in Homeoffice- Bislang gab es keine belastbaren Daten zur Home-
Potenzial und -nutzung office-Nutzung auf Landkreisebene. Da infas und
infas 360 in ihren Befragungen gleiche Fragen zur
Das von Alipour et al. (2020) ermittelte Homeoffice
Homeoffice-Nutzung gestellt haben, lässt sich mit
Potenzial lässt sich mit Hilfe von Daten zu sozialver-
Hilfe sogenannter Blended Calibration durch Kom-
sicherten Beschäftigten (hier am Wohnort gezählt)
bination der beiden Samples und unter Einbindung
der Bundesagentur für Arbeit auf Landkreise herun-
mikrogeographischer Merkmale eine repräsenta-
terbrechen. Unterschiede zwischen den Landkrei-
tive Abschätzung der Homeoffice-Quote – also des
sen ergeben sich dabei durch die unterschiedliche
Anteils der Erwerbstätigen, die überwiegend oder
räumliche Verteilung von Berufen bzw. Branchen.
vollständig im Homeoffice arbeiten – für alle 401
Die räumliche Analyse (vgl. linke Landkarte in
Landkreise und kreisfreien Städte durchführen.
Abb. 3) belegt deutliche Unterschiede zwischen
Ballungsräumen mit hohem Homeoffice-Potenzial Die Ergebnisse sind in der mittleren Landkarte von
und eher ländlichen Landkreisen mit vergleichswei- Abbildung 4 dargestellt. Die tatsächliche Nutzung
se niedrigem Homeoffice-Potenzial. Dieses Gefälle ist sehr stark mit dem berechneten Homeoffice-
ergibt sich insbesondere durch die unterschied- Potenzial korreliert. Abbildung 5 trägt die beschäfti-
liche Branchenstruktur. So ist beispielsweise die gungsgewichteten Homeoffice-Quoten im Februar/
Dienstleistungsbranche besonders in städtischen März 2021 gegen den theoretisch möglichen Anteil
Gebieten angesiedelt. Jobs in dieser Branche, etwa ab. Die Größe eines Kreises spiegelt dabei die Größe
im Versicherungs-und Bankensektor, verzeichnen der beschäftigten Bevölkerung wider. Die Abbildung
typischerweise hohe PC-Nutzungsraten und Tätig- verdeutlicht, dass besonders in den Landkreisen, in
keitsprofile mit eher kognitiven, wenig manuellen denen mehr Menschen prinzipiell zu Hause arbeiten
Arbeiten. Solche Tätigkeiten lassen sich grundsätz- können, auch die Homeoffice-Quote höher liegt. Die
lich einfacher ins Heimbüro verlagern. Zudem zeigt Landkarte veranschaulicht, dass diese in großen Tei-
sich ein deutliches West-Ost-Gefälle, mit einem ho- len Bayern hoch ist. Dagegen fällt sie im Nordwesten
hen Homeoffice-Potenzial in Westdeutschland und Deutschlands großflächig gering aus. In Ostdeutsch-
vergleichsweise niedrigem Homeoffice-Potenzial in land zeigt sich ein gemischteres Bild sowohl bei der
Ostdeutschland. Homeoffice-Quote wie beim Homeoffice-Potenzial.

Abb. 4: Geographische Verteilung von Homeoffice-Potenzial, Homeoffice-Quote und Homeoffice-Lücke im Februar/März 2021

Quellen: Alipour et al. (2020), infas 360, infas


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METHODENBOX 2 – Es folgt die Hinzunahme der ungewichteten


Online-Fälle.
HINTERGRÜNDE ZUM VERFAHREN – Anschließend wird die Kalibrierung nach soziode-
DER „BLENDED CALIBARATION“ mografischen, sozioökonomischen und regionalen
Ein wesentlicher Nachteil von Online-Access-Panels Merkmalen erneut durchgeführt. Ausgangsge-
besteht darin, dass es sich um Nonprobability wicht sind beim Probability Sample die aus dem
Samples handelt. Dies bedeutet, dass keine Zufalls- ersten Schritt ermittelten finalen kalibrierten
stichproben vorliegen und es somit in der Regel Gewichte, beim Nonprobability Sample wird hier
nicht möglich ist, die Auswahlwahrscheinlichkeit konstant 1 gesetzt.
der Stichprobeneinheiten in der realisierten Stich- – Bei dem anschließenden Vergleich von zusätzli-
probe zu bestimmen. Um dennoch erwartungstreue chen Merkmalen für die Kalibrierung zwischen
Schätzungen zu ermöglichen, kann eine Zufallsstich- den beiden Samples nach Gewichtung sollten
probe (Probability Sample) verwendet werden, bei Merkmale gewählt werden, die zwischen den bei-
der die Auswahlwahrscheinlichkeit der Stichproben- den Samples erheblich variieren und idealerweise
einheiten bestimmt werden kann, die sogenannte die beiden Populationen differenzieren. infas ver-
„blended calibration“. Hierbei werden ein Non-Proba- wendet hierfür nach Prüfung die Nutzungshäufig-
bility-Sample und ein Probability Sample dergestalt keiten von Telekommunikationsgeräten und von
integriert, dass Verzerrungen möglichst minimiert sozialen Medien.
werden (vgl. DiSogra et al. 2011 sowie Robbins et – Die Kalibrierung wird so erweitert um die tren-
al. 2020). Der grundlegende Ansatz besteht also nenden Merkmale. Die Eckwerte (Soll-Verteilun-
in der Zusammenführung der beiden Stichproben, gen) stammen dabei vollständig aus dem Proba-
wobei das Probability Sample sehr viel weniger bility Sample, da davon auszugehen ist, dass die
Fälle enthalten kann als das Nonprobability Sample. Schätzungen dieser Verteilungen nicht verzerrt
Dabei lautet die wesentliche Frage, wie die beiden sind.
Stichproben zusammengeführt werden können, so Relevant sind bei diesem Vorgehen die Variablen, die
dass mit der gemeinsamen, integrierten Stichprobe zusätzlich zur Kalibrierung der klassischen soziode-
erwartungstreue Schätzungen möglich sind. infas mografischen Merkmale verwendet werden. Dieses
hat mit der „blended calibration“ unter Anwendung Verfahren ist geeignet, Probability Samples und
einer mehrstufigen Gewichtung sehr gute Erfah- Nonprobability Samples zusammenzuführen und
rungen gesammelt. Dies wird in mehreren Schritten passt die als relevant erachteten Verteilungen an.
umgesetzt: Ziel ist es, die Verteilungen aller in beiden Erhebun-
gen gleich erhobenen Merkmale im zusammen-
– Zunächst erfolgt eine Gewichtung des geführten Datensatz schätzen zu können und die
Probability Samples mittels Designgewicht Verzerrungen im Nonprobability Sample zumindest
(Auswahlwahrscheinlichkeit) und Kalibrierung deutlich zu reduzieren.
nach soziodemografischen, sozioökonomischen
und regionalen Merkmalen.
11 THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
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Die rechte Landkarte in Abbildung 4 zeigt schließlich infas 360) bzw. rund 40 Prozent gemessen an der
die Homeoffice-Lücke, also den Anteil des Home­ ermittelten Homeoffice-Quote des ifo Instituts.
office-Potenzials, der nicht ausgeschöpft wurde. Zu
Das Ergebnis deckt sich mit den Ergebnissen einer
beachten ist, dass die Lücke tendenziell zu hoch
Betriebsbefragung des Instituts für Arbeitsmarkt-
ausgewiesen wird, da sich das Potenzial auf teilwei-
und Berufsforschung (IAB).2 Danach benutzten
ses bzw. vollständiges Homeoffice bezieht, während
im März 22 Prozent der Beschäftigten mit einem
sich die Homeoffice-Nutzung auf überwiegendes
betrieblichen Angebot (und einem dafür geeigneten
bzw. vollständiges Homeoffice bezieht. Aber auch
Job) das Homeoffice nicht. Die Betriebe, die Home-
hier zeigen sich deutliche regionale Unterschiede.
office anbieten, vereinen auf sich 73 Prozent der
Besonders der Nordwesten verzeichnet ein hohes
Beschäftigten. Betriebe ohne Homeoffice-Angebot
Maß an unausgeschöpften Homeoffice-Möglichkei-
beschäftigen 27 Prozent der Beschäftigten; dort
ten. Gemessen an der theoretisch möglichen Kapazi-
ergibt sich per Definition eine Homeoffice-Lücke von
tät arbeiten hingegen Beschäftigte im Osten und in
100 Prozent. Im gewichteten Mittel zeigt sich daher
Bayern häufiger von zu Hause aus. Für die Gesamt-
eine Homeoffice-Lücke von 43 Prozent.
wirtschaft ergibt sich im März 2021 eine Home­
office-Lücke in Höhe von rund 50 Prozent1 Die regionalisierten Homeoffice-Quoten lassen
(bezogen auf die ermittelte Homeoffice-Quote von sich auch mit Infektionszahlen des Robert-Koch-

2 Vgl. Ergebnisse aus Welle 12 der IAB-Betriebsbefragung „Betriebe in der


1 [(Homeoffice-Potenzial – Homeoffice-Quote)/Homeoffice-Potenzial]*100 Covid-19-Krise“.

Abb. 5: Homeoffice-Nutzung und -Potenzial nach Landkreisen (beschäftigungsgewichtet)


50

40
Homeoffice−Quote im Februar/März 2021

30

20

10

45 50 55 60 65
Homeoffice−Potenzial
Quellen: Alipour et al. (2020), infas 360, infas
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Instituts in Zusammenhang bringen. Die Korrelation einer Abhängigkeit vom Bildungsabschluss. Hier
zwischen der durchschnittlichen 7-Tage-Inzidenz ergibt sich eine Spannweite von acht Prozent bei
zwischen Mitte Februar bis Mitte März 2021 und der Befragten mit formal niedriger Bildung (in der Regel
Homeoffice-Nutzung ist in der Tat negativ und sta- ein Hauptschulabschluss) bis hin zu 42 Prozent
tistisch signifikant (r= – 0.21). Auf wenn der einfache in der Gruppe mit einem hohen Bildungsniveau
univariate Zusammenhang keinen kausalen Schluss (Abitur oder vergleichbar). Eine Entsprechung findet
zulässt, deckt sich der Befund mit den Ergebnissen dies in Unterschieden abhängig von der aktuellen
bestehender Studien, die zeigen, das Homeoffice ein Lebenslage. Dazu kann eine Eingruppierung nach
geeignetes Mittel ist, Kontakte und damit Infekti- dem infas-Lebenlagenindex herangezogen werden,
onsrisiken zu reduzieren. zur Definition siehe Methodenbox 3 „ilex – infas
Lebens­lagenindex“.
In einer niedrigen Lebenslage ergibt sich für 2021
HOMEOFFICE AUS SICHT DER bisher ein Homeoffice-Anteil von knapp einem Fünf-
BESCHÄFTIGTEN tel, in der höchsten Lebenslagengruppe dagegen von
gut einem Drittel. Bezogen auf weitere Merkmale
WER MACHT HOMEOFFICE UND WIE wie das Alter oder das Geschlecht zeigen sich dage-
KOMMEN BESCHÄFTIGTE DAMIT ZURECHT gen deutlich geringere Unterschiede. Zwar ist mit
dem Lebensalter ein Plus zu beobachten, aber auch
Die bisherigen Auswertungen haben gezeigt, dass in
in mittleren Altersgruppen sind erhöhte Anteile
der Pandemie bis zu einem Drittel der Erwerbstäti-
gen zumindest vorübergehend im Homeoffice tätig
Abb. 6: Homeoffice im Jahr 2021
war. Während der ersten Corona-Welle im Frühsom-
Angaben in Prozent
mer 2020 zeigten sich die höchsten Anteile. Im
Frühjahr 2021 ist das Niveau bereits etwas reduziert gesamt 25
und pendelt sich bei etwa einem Viertel ein. Doch
schlecht

männlich 24
wer steckt in dieser Situation? Und wie zufrieden ist
Ge-

weiblich 26
man damit? Zeichnet sich eine Homeoffice-Müdig-
keit ab und was kann daraus zum jetzigen Zeitpunkt 18 bis 24 Jahre 16
für die mittelfristige Perspektive gefolgert werden? 25 bis 34 Jahre 32
35 bis 44 Jahre 29
Alter

Werden die laufenden infas-Erhebungen zusam-


45 bis 54 Jahre 22
mengefasst, ergibt sich eine extrem solide Auswer-
55 bis 64 Jahre 18
tungsbasis. Insgesamt wurden 7.153 Erwerbstätige
65 Jahre und älter 34
befragt, davon knapp 2.773 erst im Jahr 2021 inner-
halb des zweiten Lockdowns und in der Phase der niedrig 8
Bildungs­
niveau

„Homeofficepflicht“. mittel 16
hoch 42
Eine erste Unterscheidung nach bestimmten Tätig-
keitsmerkmalen bestätigt oft formulierte Vermu- Arbeiter/-in 2
berufliche Stellung

tungen. Im bisherigen Verlauf des Jahres 2021 sind einfache Angestellte 21


Befragte mit einer formal höheren Verantwortung leitende Angestellte 32
öfter im Homeoffice tätig als andere. So liegt der An- gehobene/höhere 49
teil unter den leitenden Angestellten bei 32 Prozent, Beamte/-innen

unter den Beamten im gehobenen bzw. höheren anderes 38

Dienst beträgt er sogar 49 Prozent. In der Gruppe


der „Arbeiter“ sind dagegen kaum Beschäftige im Quelle: infas-Mehrthemenbefragungen Januar bis Mai 2021, 2.773 befragte Erwerbstätige,
Ja-Anteile zu „Ich arbeite ganz oder überwiegend von zu Hause aus (im Homeoffice).
Homeoffice anzutreffen. Dies korrespondiert mit
13 THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
AUSGABE JULI 2021

festzuhalten, vermutlich aufgrund höherer Anteile spezifischen Tätigkeitsprofil die Homeoffice-Mög-


von Erbewerbstätigen in bestimmten Dienstleis- lichkeit für sich in Anspruch nehmen oder sie ihnen
tungsbereichen in dieser Altersspanne. Dies legen nahegelegt wird. Dass dabei ein wirkungsvoller
auch die ebenso verfügbaren branchenspezifischen struktureller Zusammenhang abhängig von den
Ergebnisse nahe. Hier ergibt sich ebenfalls eine Arbeitsplatzmerkmalen und weniger persönliche
große Spannweite. Sie reicht von Anteilen unter der Vorlieben im Vordergrund stehen, unterstreicht
10-Prozent-Marke etwa im produzierenden Nah- nicht zuletzt das Ergebnis, dass die individuelle
rungsmittelbereich bis zu rund 60 Prozent in stärker Wahrnehmung der Pandemie offenbar kaum einen
dienstleistungsorientierten oder von Aktivitätsein- Einfluss hat. Auch diese Dimension wurde in der
schränkungen betroffenen Wirtschaftssegmenten. Befragung thematisiert. Demnach befinden sich
Befragte, die selbst oder deren engeres Umfeld von
Jedoch verlangen diese bivariaten Zusammenhänge
einer Corona-Erkrankung betroffen waren, nicht
nach einer Absicherung durch eine multivariate
öfter im Homeoffice als Befragte, die die derartige
Analyse unter Kontrolle der wechselseitigen Ein-
Erfahrungen bisher nicht teilen mussten. Auch spielt
flüsse. Dies leistet ein logistisches Regressionsmo-
die Bewertung der aktuellen Corona-Maßnahmen
dell, dessen Ergebnisse in der Abbildung auf der
keine entscheidende Rolle. Die Eindämmungs-
nächsten Seite im Überblick dargestellt werden. Im
maßnahmen werden von einer großen Mehrheit
Resultat bestätigen sich auch kontrolliert die bereits
der Bevölkerung akzeptiert. Entsprechend fällt die
beschriebenen Effekte. Strukturell gilt dies etwa für
einzelne Branchen mit hohem Dienstleistungsan-
teil. Sie weisen höhere Homeoffice-Anteile als im
übrigen Branchenmix auf. Zusätzlich mit aufgenom- METHODENBOX 3
men wurden in dieser Analyse die Betriebsgröße INFAS-LEBENSLAGENINDEX ILEX
und die Wohnortkategorie der Befragten nach den
von Eurostat vorgegebenen Einstufungen städtisch, Der Lebenslagenindex ilex ist ein von infas
klein- bzw. halbstädtisch und ländlich.3 berechneter subjektiver Sozialindikator für die
Bundesrepublik Deutschland. Er stellt Infor-
Auch diese Merkmale beeinflussen die Homeoffice-
mationen zur gesellschaftlichen Ungleichheit
Anteile signifikant. Dies gilt besonders in Großun-
in Deutschland zur Verfügung. Die Trenderhe-
ternehmen ab einer Mitarbeiterzahl von mehr als
bungen zeigen im Zeitverlauf Fortschritte oder
2.000. Hier ist die Wahrscheinlichkeit eines Beschäf-
Rückschritte der Lebenslagen der Bürgerinnen
tigten, sich gegenwärtig im Homeoffice zu befinden,
und Bürger. Sie verweisen auf Prozesse sozialer
gegenüber einer kleinen Betriebsgröße von rund 20
Exklusion sowie auf gruppenspezifische Risiken.
Mitarbeiterinen und MItarbeitern fast vierfach er-
Der ilex erfasst dabei die Dimensionen „Lebens-
höht. Und auch der Stadt-Land-Effekt fällt mit einem
bedingungen“, „individuelle Lage“ und „Zukunfts-
Faktor von 1,6 für die städtischen gegenüber den
erwartung“. Er wird seit 2007 in bislang neun
ländlichen Räumen deutlich aus. Ebenso bestätigt
Wellen in bundesweit repräsentativen Bevölke-
das Regressionsmodell eine hohe soziale Schichtab-
rungsbefragungen mit jeweils unabhängigen
hängigkeit mit einem Fakor 3 in der höchsten gegen-
repräsentativen Stichproben und einem Umfang
über der niedrigsten Gruppe.
von 1.500 Interviews erhoben. Die Einstufung
Zugespitzt kann damit formuliert werden, dass vor zum ökonomischen Status (in fünf Kategorien
allem Beschäftige mit einem hohen sozio-ökono- von sehr niedrig bis sehr hoch) wurde anhand
mischen Status, bedingt durch ein formal hohes einer empirischen Matrix aus Haushaltsnetto-
Bildungsniveau und einem damit oft verbundenem einkommen und gewichteter Haushaltsgröße
vorgenommen.
3 Zur Definition siehe https://ec.europa.eu/eurostat/de/web/degree-of-
urbanisation/background
14 THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
AUSGABE JULI 2021

Abb. 7: Ergebnisse eines logistischen Regressionsmodell zur Erklärung der berichteten Homeofficequote
Dargestellt sind odds ratios

Die logistische Regression ermittelt für

Berufliche Stellung
Arbeiter
verschiedene Arbeitsplatz- bzw. Beschäf- einf. Angestellt 15,52*
leitend Angestellt 22,26*
tigtenmerkmale die Wahrscheinlichkeit,
Beamte 26,85*
im Homeoffice zu sein. In der vorliegen- Anderes 33,83*
den logistischen Regression werden als
unabhängige Variablen stets kategoriale niedrig
Bildungs-
niveau

mittel 2,05*
Merkmale verwendet, die Besonderheiten
hoch 4,47*
bei stetigen Merkmalen sind hier nicht rele-
vant. Deshalb wird in der Grafik jeweils ein Alle n.s
Wahrscheinlichkeitswert gegenüber einer Banken, Finanzen, 1,97*
Versicherungen
Branche

jeweiligen Referenzkategorie abgebildet.


Information und 4,14*
Kommunikation
Die exponierten Regressionskoeffizienten
Erziehung und Unterricht 1,62*
einer logistischen Regression lassen sich als Kunst, Kultur 1,57
sog. „odds ratios” interpretieren. Bei kate-
gorialen unabhängigen Variablen kann ein 18 bis 24 Jahre

odds ratio direkt als Wahrscheinlichkeits- 25 bis 34 Jahre 2,52*


35 bis 44 Jahre 2,08*
Alter

verhältnis der jeweiligen Ausprägungen


45 bis 54 Jahre 1,69*
dieser Variablen gegenüber einer Referenz- 55 bis 64 Jahre 1,85
kategorie interpretiert werden. So bedeutet 65 Jahre und älter 2,36*
beispielsweise ein odds ratio von 4,47 bei
schlecht

männlich
Personen mit einem hohen Schulabschluss,
Ge-

weiblich 0,89
dass die Wahrscheinlichkeit für Home
Office um den Faktor 4,47 höher ist im Ver- weniger als 5 Personen 1,27
gleich zur Referenzkategorie der Personen
mensgröße

5-19 Personen
Unterneh-

mit einem geringen Schulabschluss. Ein 20-199 Personen 1,21


200-1999 Personen 2,27*
odds ratio kleiner eins kann als negativer
2000 und mehr Personen 3,49*
Zusammenhang interpretiert werden, der
sich auch rechnerisch ermitteln lässt. So Städtisch 1,59*
Region

ist umgekehrt die Wahrscheinlichkeit für Halbstädtisch 1,20


Ländlich
Home Office für Personen mit einem gerin-
gen Schulabschluss gegenüber Personen migration 0,97
mit einem hohen Schulabschluss um den
Faktor 1/4,47 = 0,22 geringer. Unterschicht
liche Stellung
Gesellschaft­-

untere Mittelschicht 1,45


obere Mittelschicht 2,43*
Number of obs = 2,229
Oberschicht 2,46*
Log likelihood = -1194.7601
Betroffenheit

LR chi2(34) = 547.33 gar nicht


Corona-

Prob > chi2 = 0.0000 etwas 1,05


Pseudo R2 = 0.1864 deutlich 1,23

* statistische Signifikanz = p < 0,05


Referenzkategorie/Base kursiv dargestellt
Quelle: infas Mehrthemenfbefragung Januar - Mai 2021
15 THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
AUSGABE JULI 2021

Akzeptanz auch unter den Arbeitnehmerinnen und ihrer Unternehmensleitung oder ihrer Vorgesetzten
Arbeitnehmern hoch aus. So ergeben sich innerhalb angesichts der betrieblichen Anforderungen und
dieser Gruppe kaum Einflüsse auf die Entscheidung pandemiebedingten Regelungen gefragt werden.
pro oder contra Homeoffice. Ähnlich verhält es sich, Die Unternehmensleitungen erhalten hier zu gut 40
wenn die eigenen Corona-Betroffenheit mit heran- Prozent ein „sehr zufrieden“ und zu knapp 30 Pro-
gezogen wird. Hierzu wurde gefragt, ob man selber zent immerhin ein „zufrieden“. Noch besser schnei-
oder innerhalb der Familie von einer Infektion oder den mit knapp 50 bzw. rund 30 Prozent-Anteilen die
einer Quarantäneanordnung betroffen war. Unter unmittelbar Vorgesetzen ab. Mehr Zurückhaltung
denenjenigen, die über beides berichten (im Regres- ergibt sich allerdings bei der Frage nach der Unter-
sionsergebnis die Stufe „deutlich“) ist die Homeof- stützung hinsichtlich der Kinderbetreuung. Hier
ficequote etwas, aber nicht deutlich erhöht. Dies äußern sich von den Beschäftigten mit Kindern „nur“
spricht für eine leicht höhere Sensibilität und auch 32 Prozent „sehr zufrieden“ und 28 Prozent „zufrie-
den einen oder anderen situativen Sachzwang, sich den“. Explizit „(sehr) unzufrieden“ ist allerdings im-
in die Homeofficesituation zu begeben, doch nicht merhin rund ein Viertel. Wird dieser Blickwinkel auf
für einen gravierenden systematischen Einfluss an Familien mit Kindern bis 14 Jahren eingeschränkt,
dieser Stelle. Gleichzeitig dürfte ein (früher) Wechsel erhöht sich diese Unzufriedenheitsquote auf etwa
ins Homeoffice die Wahrscheinlichkeit einer hohen ein Drittel. Unabhängig davon kann jedoch festge-
Betroffenheit senken. Dieser umgekehrte Mecha- halten werden, dass diese Zufriedenheitswerte unter
nismus könnte den schwachen Zusammenhang denjenigen, die das Homeoffice nutzen (müssen),
zwischen diesen beiden Variablen ebenfalls erklären. durchweg etwas höher ausfallen, hier also gleich-
falls kein systematisches Problem zu erkennen ist
Mit Blick auf die weitere Entwicklung ist das Be-
und man sich mehrheitlich mit der Anforderung gut
finden in der Situation des Zuhause-Arbeitens
abgefunden hat, von sicher vorhandenen Einzelfäl-
von Bedeutung. Daher wurde ebenso gefragt, wie
len abgesehen.
zufrieden man mit der Homeoffice-Regelung durch
den eigenen Arbeitgeber ist. Hinzu kamen einige
weitere Nachfragen zu diesem Komplex. Vier von
fünf Befragten, die sich zum Befragungszeitpunkt Abb. 7: Zufriedenheit mit Corona-bezogenen
im Homeoffice befanden, äußern sich zufrieden. Aspekten am Arbeitsplatz
Auch diejenigen, die weiterhin vor Ort arbeiten,
Zufriedenheit mit …
hadern damit offenbar nicht oder nur zu kleinen
Anteilen. Einschränkungen im Qualitätsniveau der … Schutzmaßnahmen
55 31
gegen das Virus
verfügbaren Möglichkeiten führen demnach nicht
zu einer schlechteren Bewertung. Die in der „Not- … Informationsverhalten der
57 28
oder des Vorgesetzten
lage“ gegebene Situation wird offenbar ganz über-
wiegend akzeptiert. Auch die Perspektive auf die … Informationsverhalten
54 27
der Geschäftsführung
längerfristige wirtschaftliche Sicherheit des eigenen
beruflichen Umfelds unterscheidet sich nicht nach … der Home-
57 20
Office-Regelung
dem Merkmal „Homeoffice ja/nein“. Somit kann also
kein systematischer „vorausschauender Gehorsam“ … der Arbeitszeit-
55 20
regelung
zur Sicherung des eigenen Arbeitsplatzes konstatiert
werden. … Unterstützung bei
34 28
der Kinderbetreuung*
Etwas eingeschränkter, jedoch unter dem Strich
0% 40 % 80 %
ebenfalls positiv zu sehen, ist das Ergebnis, wenn
Quelle: infas-Mehrthemenbefragungen Januar bis Mai 2021, 2.773 befragte Erwerbstätige,
alle Beschäftigten nach dem Informationsverhalten * nur Befragte mit Kindern im Haushalt
16 THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
AUSGABE JULI 2021

AUSBLICK – HOMEOFFICE NACH Erhebung des Bunesamts für Sicherheit in der Infor-
mationstechnik (BSI) will eine Mehrheit der Firmen
DER PANDEMIE (54 bzw. 58 Prozent) mehr Homeoffice als vor der
Corona-Krise ermöglichen. Die Vorteile für Arbeitge-
WAS KOMMT NACH CORONA?
ber können vielfältig sein. Sie versprechen sich eine
Wie stets liegt der Blick in die nähere oder fernere gesteigerte Attraktivität im Wettbewerb um geeig-
Zukunft nahe. Und wie stets, ist die Antwort mit Un- nete Fachkräfte, die Einsparung von Büroflächen
sicherheiten behaftet. Wenn zunächst die Empirie und zufriedenere Beschäftigte. Studien zeigen auch,
sprechen soll, können wir auf aktuelle Erhebungser- dass Beschäftigte nach dem Wechsel ins Homeoffice
gebnisse verweisen, die im Rahmen einer Befragung teilweise messbar produktiver arbeiten (Emanuel
entstehen, die zum Redaktionsschluss jedoch noch und Harrington, 2021; Bloom et al., 2015). Dies gilt
nicht abgeschlossen ist. Hierbei handelt es sich um vor allem für weniger komplexe und unabhängige
eine ebenfalls bevölkerungsrepräsentative Stich- Tätigkeiten, die zu Hause ausgeführt werden können.
probe von 1.500 telefonisch befragten Bürgerinnen
Für eine vermehrte Rückkehr zur Präsenzarbeit
und Bürgern in der dritten Welle eines Mobilitäts-
spricht hingegen das oben dargestellte Ergebnis,
panels mit der Bezeichnung MOBICOR, das infas
dass große Teile des aktuellen Homeofficegesche-
gemeinsam mit dem Wissenschaftszentrum Berlin
hens auf den Schultern der „höheren“ Berufsgruppen
(WZB) unter Förderung durch das BMBF im Frühjahr
liegen. Die damit verbundenen Tätigkeiten werden
2020 aufgesetzt hat. Diese dritte Welle beinhaltet
sich aller Voraussicht nach nicht auf längere Zeit in
auch einige Fragen nach der Perspektive, die sich an
dem jetzigen Umfang in das Homeoffice verlagern
diejenigen richten, die zum Befragungszeitpunkt vor
lassen. Führungsaufgaben, Innovationsentwicklun-
allem im Homeoffice tätig sind. Nur jeder Zehnte
gen und Kommunikationsbedürfnisse werden in ge-
möchte nach der Pandemie komplett in die Präsenz-
ringerem Ausmaß, aber im Ergebnis möglicherweise
arbeit zurückkehren. Die überwiegende Mehrheit
ähnlich häufig eine Rückkehr oder ein Verbleiben
(knapp 90 Prozent) wünscht hingegen, die Arbeit zu
am betrieblichen Arbeitsplatz verlangen wie in den
Hause im aktuellen oder im niedrigeren Umfang
Tätigkeitsbereichen, denen schon jetzt funktionell
beizubehalten. Rund 40% möchten die Häufigkeit
bedingt die Homeoffice-Tür nicht offen stand. Diese
von gegenwärtig vier bis fünf Homeoffice-Tagen in
Ambivalenz hat sich in entsprechenden Studien
der Woche auf einen bis zwei Tage reduzieren. Dies
bereits vor der Pandemie gezeigt. Dabei haben
deckt sich mit Ergebnissen anderer Erhebungen
sich – mit jeweils etwas anderer Auslegung, aber
wonach die Zufriedenheit mit dem Homeoffice
fast durchweg – immer zwei Homeoffice-Gesichter
während der Pandemie grundsätzlich sehr hoch ist
gezeigt. Der durch die Pandemie deutlich beschleu-
(Stürz et al., 2020; Bonin et al., 2020). Der Mangel an
nigte technische Fortschritt im Bereich digitaler
sozialen Kontakten und persönlichem Austausch
Kommunikations- und Management-Lösungen
sowie eine Entgrenzung von Arbeit und Privatem
könnte den Trend hingegen wieder mehr zugunsten
kann beim Vollzeit-Homeoffice auf Dauer jedoch
der mobilen Arbeit schwenken. So könnte die Heim-
zur Belastung werden (Ahlers et. al., 2021, Bonin et
arbeit perspektivisch auch für aktuell noch schwer
al., 2021). Viele wünschen sich daher einen gewis-
zu verlagernde Tätigkeiten deutlich vereinfacht und
sen Ausgleich zwischen Präsenz- und Heimarbeit.
effizienter gestaltet werden (Bloom et al., 2021).
Demnach wird sich auf absehbare Zeit der Anteil der
Personen und noch mehr der Arbeitszeitanteil im Der Corona-Schock hat das Sozialleben und die
Homeoffice reduzieren. Arbeitswelt gleichermaßen erschüttert. Inwieweit
diese Zäsur den entscheidenden Impuls für eine
Auch auf Seiten der Unternehmen wurden die Er-
nachhaltige Transformation der traditionellen Ar-
wartungen ans Homeoffice von den Erfahrungen oft
beitsorganisation geliefert hat, wird jedoch noch zu
übertroffen – trotz der widrigen Umstände während
verfolgen sein.
der Pandemie. Laut einer ifo-Umfrage und einer
17 THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
AUSGABE JULI 2021

WAS UNS AUFFÄLLT 5. Ebenso kann gezeigt werden, dass Arbeitneh-


merinnen und Arbeitnehmer im Homeoffice
7 Punkte zum Homeoffice im Frühsommer 2021 deutlich öfter in formal gehobenen Verantwor-
tungsbereichen tätig sind als Befragte, die weiter-
1. Unsere Berechnungen zeigen, dass im Schnitt
hin vor Ort arbeiten. Damit korreliert dies auch
etwa jeder zweite Arbeitsplatz homeofficefähig
mit dem Einkommen und dem Bildungsniveau.
ist. Dies ist abhängig von der Branchenstruktur
und unterscheidet sich regional. Vor allem hohe 6. Allerdings möchte trotz überwiegend positiver
Dienstleistungsanteile und städtische Lagen Erfahrungen nur eine Minderheit die aktuellen
erhöhen das Potenzial. Regelungen vollständig beibehalten. Gegenüber
der Situation vor der Pandemie wird sich der
2. Die tatsächlich realisierte Homeoffice-Quote
Anteil der Beschäftigten mit zumindest tagewei-
erreicht dieses Niveau nicht. Sie liegt seit Februar
ser Homeoffice-Option erhöhen, doch deutlicher
2021 bei um die 30 Prozent aller Beschäftigten.
weniger Personen werden dies für ihre komplette
3. Damit ergibt sich eine Homeoffice Lücke von Arbeitszeit tun können oder wollen.
rund 40 Prozent.
7. Durch den Corona-bedingten technologischen
4. Die Realisierungsquote fällt regional unterschied- Wandel werden mehr Tätigkeiten Homeoffice-
lich aus. Werden die Befragungsergebnisse zum fähig sein, d.h. das Potenzial wird weiter steigen.
tatsächlichen Ist-Stand mittels eines statistischer Gleichzeitig ist schon jetzt erkennbar, dass sowohl
Verfahrens regionalisiert, ergibt sich vor allem in viele Arbeitgeber wie auch die Arbeitnehmerin-
Nord- und in Teilen Ostdeutschlands außerhalb nen und Arbeitnehmer die aktuellen Möglichkei-
des Berliner Einzugsgebiets eine größere Homeof- ten kompletter Homeoffice-Arbeitswochen- oder
fice-Lücke als etwa in Süddeutschland. Monate wieder auf ausgewählte Tage reduzieren.
18 THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
AUSGABE JULI 2021

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19 THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
AUSGABE JULI 2021

DIE CORONA-DATENPLATTFORM
Seit dem Jahresende 2020 ist die Corona-Daten- Die erste Projektphase war auf vier Monate be-
plattform online. Sie trägt den Titel „Erfassung grenzt. Sie beinhaltete eine differenzierte regionale
regionaler Eindämmungsmaßnahmen, Aufbau einer Erfassung der im Verlauf der Corona-Pandemie er-
Corona-Datenplattform und (regionale) Analysen griffenen Maßnahmen, eine regionale Datensamm-
zur SARS-CoV-2-Epidemie in Deutschland“. Die lung, die Bewertung und erste Analysen der Daten.
Arbeiten wurden im September 2020 durch das Zur Maßnahmenerfassung wurde ausgehend von
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie internationalen Vorarbeiten ein eigenes Codesche-
(BMWi) beauftragt. Sie werden von einem wissen- ma entwickelt und der Situation in Deutschland an-
schaftlichen Board begleitet. Das interdisziplinäre gepasst. Darüber hinaus umfasst das Vorhaben die
Bearbeitungsteam besteht aus dem infas Institut für Auswertung der aufgenommen Wirtschaftsdaten.
angewandte Sozialwissenschaft, infas 360 und dem Hauptaufgabe war jedoch die Bereitstellung einer
IHPH Institut für Hygiene und Öffentliche Gesund- Datengrundlage für die Scientific Community mit
heit an der Universität Bonn. dem Aufruf, diese Datenbasis für weitere Analysen
zu nutzen.
Die Datensammlung und -bereitstellung erfolgt
regional auf der Ebene von 401 Landkreisen und Eine zweite Projektphase setzt das Vorhaben gegen-
kreisfreien Städten. Dies bietet für die Einschät- wärtig zunächst bis Mitte 2021 fort. Zurzeit reicht
zung der Situation in Deutschland entscheidende die Maßnahmenerfassung und Datenbereitstellung
Vorteile gegenüber bundesweiten Analysen oder bis Mitte April 2021. Der Zwischenbericht sowie
Betrachtungen auf Bundeslandebene. Sowohl die erste Analysen aus dem Kreis der rund 400 regist-
Eindämmungsmaßnahmen als auch das Infekti- rierten Nutzerinnen und Nutzer sind auf der Platt-
onsgeschehen und wirtschaftliche Veränderungen form unter www.corona-datenplattform.de online
weisen regional ein teilweise sehr unterschiedliches verfügbar. Für den Sommer 2021 wird die Übergabe
Erscheinungsbild auf. wesentlicher Bestandteile der Datensammlung an
Destatis vorbereitet, um dort ein entsprechendes
öffentliches Angebot zu schaffen.
Kontakt

Robert Follmer
Bereichsleiter Verkehrs- und Regionalforschung,
infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH
Tel. +49 (0)228 3822-419

Michael Herter
Geschäftsführer
Tel. +49 (0)228 74 887-361
E-Mail m.herter@infas360.de

Dr. Barbara Wawrzyniak


Leiterin Daten und Analysen
Tel. +49 (0)228 74 887-369
E-Mail b.wawrzyniak@infas360.de

Prof. Dr. Oliver Falck


Leiter ifo Zentrum für Industrieökonomik
und neue Technologien
Tel. +49 (0)89 9224-1370
E-Mail falck@ifo.de

Jean-Victor Alipour
Wiss. Mitarbeiter ifo Zentrum für Industrieökonomik
und neue Technologien
Tel. +49 (0)89 9224-1436
E-Mail alipour@ifo.de

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