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02
HOMEOFFICE
IM VERLAUF DER
CORONA-PANDEMIE
2 THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
AUSGABE JULI 2021
in Kooperation mit
Projekt: 7387
Bonn, Juli 2021
Version 1.0
Text: Jean-Victor Alipour, Oliver Falck, Robert Follmer, Reiner Gilberg, Beatrice Nolte
Layout und Grafik: Mischa Frank
Inhalt
STELLENWERT DES HOMEOFFICE tigten stand es hingegen weiterhin frei, ein entspre-
chendes Angebot zu nutzen. Mit dem Beschluss des
IN DER PANDEMIE deutschen Bundestags am 21. April 2021 zur vierten
Novelle des Infektionsschutzgesetzes, ist die Ver-
HOMEOFFICE IM KAMPF GEGEN DAS
pflichtung aus der Arbeitsschutzverordnung ins In-
INFEKTIONSGESCHEHEN
fektionsschutzgesetz gewandert. Neu ist auch, dass
die Arbeitnehmer ein Homeoffice-Angebot anneh-
Eine zunehmende Anzahl von Forschungsergeb-
men müssen, wenn ihrerseits keine Gründe dage-
nissen legt nahe, dass konsequentes Homeoffice
gensprechen. Gründe, die gegen die Annahme eines
einen wirksamen Hebel gegen die Pandemie bietet.
Homeoffice-Angebots angeführt werden können,
Simulationsstudien (Gabler et al. 2021; Kriegel und
wie räumliche Enge, Störungen durch Dritte oder
Hartmann 2021), empirische Evaluierungen (Alipour
eine unzureichende technische Ausstattung, werden
et al. 2021a; McLaren und Wang 2020) sowie Um-
gemeinhin aber als nicht ausreichend angesehen.
frageergebnisse (Kunze et al. 2021) liefern Evidenz
Die Homeoffice-Pflicht endet zum 30. Juni 2021.
dafür, dass die Heimarbeit das Infektionsrisiko deut-
lich senken kann. So berichten in der Umfrage von
Kunze et al. (2021) Beschäftigte mit Präsenzarbeit
vier bis acht Mal häufiger von einer Covid-19 Infekti- POTENZIALE FÜR DAS HOME-
on als Beschäftigte ohne Präsenzaktivitäten. Alipour OFFICE UND TATSÄCHLICHE
et al. (2021a) zeigen anhand einer Auswertung von AUSSCHÖPFUNG
Daten aus der ersten Corona-Welle, dass eine um
einen Prozentpunkt höhere regionale Homeoffice- 56 PROZENT DER JOBS KÖNNEN MINDESTENS
Quote mit einer um 4 bis 8% niedrigeren regionalen TEILWEISE IM HOMEOFFICE AUSGEFÜHRT
Infektionsrate verbunden ist. Der Zusammenhang WERDEN
ist besonders ausgeprägt vor dem ersten Lockdown
im Frühjahr 2020, was nahelegt, dass Homeoffice ein Um den theoretisch möglichen Spielraum für das
besonders wirksames Mittel zur Kontaktbeschrän- Homeoffice in Deutschland zu beurteilen, legten
kung in Abwesenheit von Politikmaßnahmen ist, Alipour et al. (2020) Berechnungen des deutschen
die auf die Reduktion von Kontaktbeschränkungen Homeoffice-Potenzials vor. Die Autoren stützen sich
abzielen. Obwohl diese Zusammenhänge in der dabei auf Umfrageergebnisse für mehr als 17.000
Regel noch keine Kausalität belegen und weitere Befragten aus der Erwerbstätigenbefragung (ETB)
Faktoren eine erhebliche Rolle spielen dürften, ist es des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und
vor diesem Hintergrund pandemiepolitisch durch- der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsme-
aus geboten, auf die Verlagerung aller Jobs, deren dizin (BAuA) aus dem Jahr 2018. Das Homeoffice-
Tätigkeitsprofile eine Ausführung im Homeoffice Potenzial eines Berufes wird demnach definiert als
erlauben, in die heimischen Büros abzuzielen. der Anteil der abhängig Beschäftigten, die nicht
ausschließen, dass Homeoffice in ihrem Job möglich
ist oder die selbst zumindest gelegentlich zu Hause
So beschloss auch die Bund-Länder Konferenz arbeiten. Die berufsspezifischen Potenziale werden
am 19. Januar 2021 eine „Homeoffice-Pflicht“ für anschließend mit Beschäftigungsstatistiken der
Arbeitgeber. Die entsprechende Änderung der Bundesarbeitsagentur über die absolute Häufigkeit
Arbeitsschutzverordnung ist zum 27. Januar 2021 der einzelnen Berufe gewichtet. Demnach können
in Kraft getreten. Darin ist festgelegt, dass Arbeit- insgesamt 56 Prozent der Arbeitsplätze zumindest
geber verpflichtet sind, ihren Mitarbeiterinnen und teilweise ins Homeoffice verlagert werden. Diese
Mitarbeitern Homeoffice anzubieten, soweit keine Abschätzung von vor der Corona-Pandemie deckt
betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Beschäf- sich weitgehend mit dem Ergebnis aus der 4. Welle
5 THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
AUSGABE JULI 2021
der Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler- Nutzung. Die Geodatenschwester infas 360 hat im
Stiftung vom Januar 2021, nach der zumindest Februar/März 2021 in ihrem CASA-Monitor, einer
53 Prozent der Beschäftigten ganz oder teilweise online-repräsentativen Befragung mit ca. 7.000
im Homeoffice arbeiten könnten. Erwerbstätigen, ebenso die Homeoffice-Nutzung
regionalspezifisch erhoben. In beiden Befragungen
Homeoffice-Potenzial nicht durch gesetzliche
werden die Erwerbstätigen identisch danach gefragt,
Pflicht ausgeschöpft
ob sie zurzeit ganz oder überwiegend im Homeoffice
Das ifo Institut befragt im Rahmen seiner monat- arbeiten.
lichen Konjunkturumfrage seit Februar 2021 rund
Im Vergleich zur ifo-Frage wird in den infas- und in-
7.800 Unternehmen der Realwirtschaft nach der
fas 360-Befragungen eine höhere Homeoffice-Inten-
Homeoffice-Nutzung ihrer Mitarbeiterinnen und
sität vorausgesetzt. Der Anteil der Beschäftigten im
Mitarbeiter (vgl. Alipour et al. 2021b). Die Führungs-
Homeoffice aus der ifo-Befragung umfasst dagegen
kräfte geben dabei den Prozentsatz der Mitarbeiten-
auch solche Beschäftige, die nur wenige Tage/Stun-
den an, die teilweise oder vollständig im Homeoffice
den pro Woche im Homeoffice arbeiten. Abbildung 1
arbeiten. Diese Unternehmen zählen insgesamt
zeigt den Anteil der Beschäftigten, der gemäß der
rund 2,6 Millionen Beschäftigte. Damit stehen sie
drei Befragungen zwischen Januar und Juni 2021
für knapp acht Prozent der abhängig Erwerbstätigen
im Homeoffice gearbeitet hat. Erwartungsgemäß
in Deutschland.
liegt daher die Homeoffice-Quote in den ifo Befra-
infas befragt im Rahmen seiner bevölkerungsreprä- gungen über den Ergebnissen der infas- und infas
sentativen Telefoninterviews mit Beginn der Coro- 360-Befragungen.
na-Pandemie monatlich (mit Ausnahme Dezember
2020) ca. 600 Erwerbstätige zu ihrer Homeoffice-
Homeoffice-Quote infas
50 % (ganz od. überwiegend im
Homeoffice)***
25 % 30 32
29 27 31 31 Homeoffice-Quote infas 360
26 28
22 24 23
xx* (ganz oder überwiegend im
0% Homeoffice)***
Jan 21 Feb 21 Mär 21 Apr 21 Mai 21 Jun 21
* Werte folgen
** Frageformulierung ifo: Welcher Anteil Ihrer Beschäftigten arbeitet aktuell zumindest teilweise im Homeoffice?
*** Frageformulierung infas/infas 360: Wie hat sich aufgrund der Situation durch das Corona-Virus Ihre Arbeitssituation geändert?
Was trifft auf Sie zu? Ich arbeite ganz oder überwiegend von zu Hause aus (im Homeoffice).
Quelle: ifo Institut, infas, infas 360 (kalibriertes Gesamtsample, s.u.)
6 THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
AUSGABE JULI 2021
Mit um die 30 Prozent der Beschäftigten, die in den Homeoffice-Quoten aus verschiedenen
letzten sechs Monaten teilweise oder vollständig Befragungen im Laufe der Corona Pandemie
im Homeoffice tätig waren, wurde trotz der Einfüh-
In der aktuellen Debatte kursieren verschiedene
rung und Verschärfung der Homeoffice-Pflicht das
Befragungsergebnisse zu den Homeoffice-Quoten
Homeoffice-Potenzial von 56 Prozent1 bei weitem
in der Corona-Pandemie. Während das ifo Institut
nicht ausgeschöpft. Auch zeigt die horizontale Ent-
Führungskräfte zur Homeoffice-Nutzung der Mit-
wicklung (und der leichte Abfall im Juni) in den ifo-
arbeiterinnen und Mitarbeiter im Unternehmen
Befragungen, dass die Verschärfung der Homeoffice-
befragt, basieren andere veröffentlichte Erhebungen
Pflicht mit der Novelle des Infektionsschutzgesetzes
in der Regel auf Befragungen von Erwerbstätigen:
zu keinem Anstieg der Homeoffice-Quote geführt
infas erhebt wie dargestellt monatlich (mit Ausnah-
hat. Der gleichzeitige Rückgang in der von infas
me von Dezember 2020) seit April 2020 die Home
ermittelten Homeoffice-Quote ab März 2021 legt
office-Nutzung und bietet damit die längste Zeit-
sogar nahe, dass Beschäftigte zwar nicht vollständig,
reihe in der Corona-Pandemie. Mit der infas Frage
aber wieder häufiger im Betrieb arbeiten. Darauf
zum vollständigen bzw. überwiegenden Homeoffice
weisen auch bezogen auf den zeitlichen Homeoffice-
vergleichbare Fragen wurden zu verschiedenen
Tätigkeitsumfang differenziertere Zwischenergeb-
Zeitpunkten in Befragungen im Auftrag der Hans-
nisse aus einer weiteren infas-Befragung hin. Auf
Böckler-Stiftung (HBS), des Instituts der Zukunft für
diese wird im Ausblick am Ende dieses Papiers kurz
Arbeit (IZA) im Auftrag des Bundesministeriums für
eingegangen.
Arbeit und Soziales (BMAS) und der Corona-Bund-
Studie im Auftrag des Bundesgesundheitsminis
1 Berücksichtigt man, dass in der ifo Konjunkturumfrage nicht alle
Branchen abgebildet werden, verändert sich das berechnete Homeoffice- teriums (BMG) gestellt.
Potenzial für die Teilstichprobe um weniger als einen Prozentpunkt und
liegt gerundet weiterhin bei 56 Prozent. In der Umfrage nicht abgebildet
sind insbesondere Banken, Krankenhäuser, Schulen und Kitas sowie der
Landwirtschaftssektor und der öffentliche Sektor.
100 %
HBS/IZA/Corona-Bund
infas
75 %
50 %
25 %
0%
Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb Mrz Apr
20 20 20 20 20 20 20 20 20 21 21 21 21
60 % 45 %
Kurzarbeit ifo + Homeoffice-Quote infas
Reduktion Arbeitsmobilität
40 %
50 %
35 %
40 % 30 %
25 %
30 %
20 %
20 % 15 %
10 %
10 %
5%
0% 0%
Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb Mrz Apr Mai
20 20 20 20 20 20 20 20 20 21 21 21 21 21
Quelle: infas, ifo, Google LLC „Google Covid-19 Community Mobility Reports“
Linke Achse: Kurzarbeit- + Homeoffice-Quote. Rechte Achse: Arbeitsmobilitätsreduktion
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AUSGABE JULI 2021
Regional starke Unterschiede in Homeoffice- Bislang gab es keine belastbaren Daten zur Home-
Potenzial und -nutzung office-Nutzung auf Landkreisebene. Da infas und
infas 360 in ihren Befragungen gleiche Fragen zur
Das von Alipour et al. (2020) ermittelte Homeoffice
Homeoffice-Nutzung gestellt haben, lässt sich mit
Potenzial lässt sich mit Hilfe von Daten zu sozialver-
Hilfe sogenannter Blended Calibration durch Kom-
sicherten Beschäftigten (hier am Wohnort gezählt)
bination der beiden Samples und unter Einbindung
der Bundesagentur für Arbeit auf Landkreise herun-
mikrogeographischer Merkmale eine repräsenta-
terbrechen. Unterschiede zwischen den Landkrei-
tive Abschätzung der Homeoffice-Quote – also des
sen ergeben sich dabei durch die unterschiedliche
Anteils der Erwerbstätigen, die überwiegend oder
räumliche Verteilung von Berufen bzw. Branchen.
vollständig im Homeoffice arbeiten – für alle 401
Die räumliche Analyse (vgl. linke Landkarte in
Landkreise und kreisfreien Städte durchführen.
Abb. 3) belegt deutliche Unterschiede zwischen
Ballungsräumen mit hohem Homeoffice-Potenzial Die Ergebnisse sind in der mittleren Landkarte von
und eher ländlichen Landkreisen mit vergleichswei- Abbildung 4 dargestellt. Die tatsächliche Nutzung
se niedrigem Homeoffice-Potenzial. Dieses Gefälle ist sehr stark mit dem berechneten Homeoffice-
ergibt sich insbesondere durch die unterschied- Potenzial korreliert. Abbildung 5 trägt die beschäfti-
liche Branchenstruktur. So ist beispielsweise die gungsgewichteten Homeoffice-Quoten im Februar/
Dienstleistungsbranche besonders in städtischen März 2021 gegen den theoretisch möglichen Anteil
Gebieten angesiedelt. Jobs in dieser Branche, etwa ab. Die Größe eines Kreises spiegelt dabei die Größe
im Versicherungs-und Bankensektor, verzeichnen der beschäftigten Bevölkerung wider. Die Abbildung
typischerweise hohe PC-Nutzungsraten und Tätig- verdeutlicht, dass besonders in den Landkreisen, in
keitsprofile mit eher kognitiven, wenig manuellen denen mehr Menschen prinzipiell zu Hause arbeiten
Arbeiten. Solche Tätigkeiten lassen sich grundsätz- können, auch die Homeoffice-Quote höher liegt. Die
lich einfacher ins Heimbüro verlagern. Zudem zeigt Landkarte veranschaulicht, dass diese in großen Tei-
sich ein deutliches West-Ost-Gefälle, mit einem ho- len Bayern hoch ist. Dagegen fällt sie im Nordwesten
hen Homeoffice-Potenzial in Westdeutschland und Deutschlands großflächig gering aus. In Ostdeutsch-
vergleichsweise niedrigem Homeoffice-Potenzial in land zeigt sich ein gemischteres Bild sowohl bei der
Ostdeutschland. Homeoffice-Quote wie beim Homeoffice-Potenzial.
Abb. 4: Geographische Verteilung von Homeoffice-Potenzial, Homeoffice-Quote und Homeoffice-Lücke im Februar/März 2021
Die rechte Landkarte in Abbildung 4 zeigt schließlich infas 360) bzw. rund 40 Prozent gemessen an der
die Homeoffice-Lücke, also den Anteil des Home ermittelten Homeoffice-Quote des ifo Instituts.
office-Potenzials, der nicht ausgeschöpft wurde. Zu
Das Ergebnis deckt sich mit den Ergebnissen einer
beachten ist, dass die Lücke tendenziell zu hoch
Betriebsbefragung des Instituts für Arbeitsmarkt-
ausgewiesen wird, da sich das Potenzial auf teilwei-
und Berufsforschung (IAB).2 Danach benutzten
ses bzw. vollständiges Homeoffice bezieht, während
im März 22 Prozent der Beschäftigten mit einem
sich die Homeoffice-Nutzung auf überwiegendes
betrieblichen Angebot (und einem dafür geeigneten
bzw. vollständiges Homeoffice bezieht. Aber auch
Job) das Homeoffice nicht. Die Betriebe, die Home-
hier zeigen sich deutliche regionale Unterschiede.
office anbieten, vereinen auf sich 73 Prozent der
Besonders der Nordwesten verzeichnet ein hohes
Beschäftigten. Betriebe ohne Homeoffice-Angebot
Maß an unausgeschöpften Homeoffice-Möglichkei-
beschäftigen 27 Prozent der Beschäftigten; dort
ten. Gemessen an der theoretisch möglichen Kapazi-
ergibt sich per Definition eine Homeoffice-Lücke von
tät arbeiten hingegen Beschäftigte im Osten und in
100 Prozent. Im gewichteten Mittel zeigt sich daher
Bayern häufiger von zu Hause aus. Für die Gesamt-
eine Homeoffice-Lücke von 43 Prozent.
wirtschaft ergibt sich im März 2021 eine Home
office-Lücke in Höhe von rund 50 Prozent1 Die regionalisierten Homeoffice-Quoten lassen
(bezogen auf die ermittelte Homeoffice-Quote von sich auch mit Infektionszahlen des Robert-Koch-
40
Homeoffice−Quote im Februar/März 2021
30
20
10
45 50 55 60 65
Homeoffice−Potenzial
Quellen: Alipour et al. (2020), infas 360, infas
12 THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
AUSGABE JULI 2021
Instituts in Zusammenhang bringen. Die Korrelation einer Abhängigkeit vom Bildungsabschluss. Hier
zwischen der durchschnittlichen 7-Tage-Inzidenz ergibt sich eine Spannweite von acht Prozent bei
zwischen Mitte Februar bis Mitte März 2021 und der Befragten mit formal niedriger Bildung (in der Regel
Homeoffice-Nutzung ist in der Tat negativ und sta- ein Hauptschulabschluss) bis hin zu 42 Prozent
tistisch signifikant (r= – 0.21). Auf wenn der einfache in der Gruppe mit einem hohen Bildungsniveau
univariate Zusammenhang keinen kausalen Schluss (Abitur oder vergleichbar). Eine Entsprechung findet
zulässt, deckt sich der Befund mit den Ergebnissen dies in Unterschieden abhängig von der aktuellen
bestehender Studien, die zeigen, das Homeoffice ein Lebenslage. Dazu kann eine Eingruppierung nach
geeignetes Mittel ist, Kontakte und damit Infekti- dem infas-Lebenlagenindex herangezogen werden,
onsrisiken zu reduzieren. zur Definition siehe Methodenbox 3 „ilex – infas
Lebenslagenindex“.
In einer niedrigen Lebenslage ergibt sich für 2021
HOMEOFFICE AUS SICHT DER bisher ein Homeoffice-Anteil von knapp einem Fünf-
BESCHÄFTIGTEN tel, in der höchsten Lebenslagengruppe dagegen von
gut einem Drittel. Bezogen auf weitere Merkmale
WER MACHT HOMEOFFICE UND WIE wie das Alter oder das Geschlecht zeigen sich dage-
KOMMEN BESCHÄFTIGTE DAMIT ZURECHT gen deutlich geringere Unterschiede. Zwar ist mit
dem Lebensalter ein Plus zu beobachten, aber auch
Die bisherigen Auswertungen haben gezeigt, dass in
in mittleren Altersgruppen sind erhöhte Anteile
der Pandemie bis zu einem Drittel der Erwerbstäti-
gen zumindest vorübergehend im Homeoffice tätig
Abb. 6: Homeoffice im Jahr 2021
war. Während der ersten Corona-Welle im Frühsom-
Angaben in Prozent
mer 2020 zeigten sich die höchsten Anteile. Im
Frühjahr 2021 ist das Niveau bereits etwas reduziert gesamt 25
und pendelt sich bei etwa einem Viertel ein. Doch
schlecht
männlich 24
wer steckt in dieser Situation? Und wie zufrieden ist
Ge-
weiblich 26
man damit? Zeichnet sich eine Homeoffice-Müdig-
keit ab und was kann daraus zum jetzigen Zeitpunkt 18 bis 24 Jahre 16
für die mittelfristige Perspektive gefolgert werden? 25 bis 34 Jahre 32
35 bis 44 Jahre 29
Alter
„Homeofficepflicht“. mittel 16
hoch 42
Eine erste Unterscheidung nach bestimmten Tätig-
keitsmerkmalen bestätigt oft formulierte Vermu- Arbeiter/-in 2
berufliche Stellung
Abb. 7: Ergebnisse eines logistischen Regressionsmodell zur Erklärung der berichteten Homeofficequote
Dargestellt sind odds ratios
Berufliche Stellung
Arbeiter
verschiedene Arbeitsplatz- bzw. Beschäf- einf. Angestellt 15,52*
leitend Angestellt 22,26*
tigtenmerkmale die Wahrscheinlichkeit,
Beamte 26,85*
im Homeoffice zu sein. In der vorliegen- Anderes 33,83*
den logistischen Regression werden als
unabhängige Variablen stets kategoriale niedrig
Bildungs-
niveau
mittel 2,05*
Merkmale verwendet, die Besonderheiten
hoch 4,47*
bei stetigen Merkmalen sind hier nicht rele-
vant. Deshalb wird in der Grafik jeweils ein Alle n.s
Wahrscheinlichkeitswert gegenüber einer Banken, Finanzen, 1,97*
Versicherungen
Branche
männlich
Personen mit einem hohen Schulabschluss,
Ge-
weiblich 0,89
dass die Wahrscheinlichkeit für Home
Office um den Faktor 4,47 höher ist im Ver- weniger als 5 Personen 1,27
gleich zur Referenzkategorie der Personen
mensgröße
5-19 Personen
Unterneh-
Akzeptanz auch unter den Arbeitnehmerinnen und ihrer Unternehmensleitung oder ihrer Vorgesetzten
Arbeitnehmern hoch aus. So ergeben sich innerhalb angesichts der betrieblichen Anforderungen und
dieser Gruppe kaum Einflüsse auf die Entscheidung pandemiebedingten Regelungen gefragt werden.
pro oder contra Homeoffice. Ähnlich verhält es sich, Die Unternehmensleitungen erhalten hier zu gut 40
wenn die eigenen Corona-Betroffenheit mit heran- Prozent ein „sehr zufrieden“ und zu knapp 30 Pro-
gezogen wird. Hierzu wurde gefragt, ob man selber zent immerhin ein „zufrieden“. Noch besser schnei-
oder innerhalb der Familie von einer Infektion oder den mit knapp 50 bzw. rund 30 Prozent-Anteilen die
einer Quarantäneanordnung betroffen war. Unter unmittelbar Vorgesetzen ab. Mehr Zurückhaltung
denenjenigen, die über beides berichten (im Regres- ergibt sich allerdings bei der Frage nach der Unter-
sionsergebnis die Stufe „deutlich“) ist die Homeof- stützung hinsichtlich der Kinderbetreuung. Hier
ficequote etwas, aber nicht deutlich erhöht. Dies äußern sich von den Beschäftigten mit Kindern „nur“
spricht für eine leicht höhere Sensibilität und auch 32 Prozent „sehr zufrieden“ und 28 Prozent „zufrie-
den einen oder anderen situativen Sachzwang, sich den“. Explizit „(sehr) unzufrieden“ ist allerdings im-
in die Homeofficesituation zu begeben, doch nicht merhin rund ein Viertel. Wird dieser Blickwinkel auf
für einen gravierenden systematischen Einfluss an Familien mit Kindern bis 14 Jahren eingeschränkt,
dieser Stelle. Gleichzeitig dürfte ein (früher) Wechsel erhöht sich diese Unzufriedenheitsquote auf etwa
ins Homeoffice die Wahrscheinlichkeit einer hohen ein Drittel. Unabhängig davon kann jedoch festge-
Betroffenheit senken. Dieser umgekehrte Mecha- halten werden, dass diese Zufriedenheitswerte unter
nismus könnte den schwachen Zusammenhang denjenigen, die das Homeoffice nutzen (müssen),
zwischen diesen beiden Variablen ebenfalls erklären. durchweg etwas höher ausfallen, hier also gleich-
falls kein systematisches Problem zu erkennen ist
Mit Blick auf die weitere Entwicklung ist das Be-
und man sich mehrheitlich mit der Anforderung gut
finden in der Situation des Zuhause-Arbeitens
abgefunden hat, von sicher vorhandenen Einzelfäl-
von Bedeutung. Daher wurde ebenso gefragt, wie
len abgesehen.
zufrieden man mit der Homeoffice-Regelung durch
den eigenen Arbeitgeber ist. Hinzu kamen einige
weitere Nachfragen zu diesem Komplex. Vier von
fünf Befragten, die sich zum Befragungszeitpunkt Abb. 7: Zufriedenheit mit Corona-bezogenen
im Homeoffice befanden, äußern sich zufrieden. Aspekten am Arbeitsplatz
Auch diejenigen, die weiterhin vor Ort arbeiten,
Zufriedenheit mit …
hadern damit offenbar nicht oder nur zu kleinen
Anteilen. Einschränkungen im Qualitätsniveau der … Schutzmaßnahmen
55 31
gegen das Virus
verfügbaren Möglichkeiten führen demnach nicht
zu einer schlechteren Bewertung. Die in der „Not- … Informationsverhalten der
57 28
oder des Vorgesetzten
lage“ gegebene Situation wird offenbar ganz über-
wiegend akzeptiert. Auch die Perspektive auf die … Informationsverhalten
54 27
der Geschäftsführung
längerfristige wirtschaftliche Sicherheit des eigenen
beruflichen Umfelds unterscheidet sich nicht nach … der Home-
57 20
Office-Regelung
dem Merkmal „Homeoffice ja/nein“. Somit kann also
kein systematischer „vorausschauender Gehorsam“ … der Arbeitszeit-
55 20
regelung
zur Sicherung des eigenen Arbeitsplatzes konstatiert
werden. … Unterstützung bei
34 28
der Kinderbetreuung*
Etwas eingeschränkter, jedoch unter dem Strich
0% 40 % 80 %
ebenfalls positiv zu sehen, ist das Ergebnis, wenn
Quelle: infas-Mehrthemenbefragungen Januar bis Mai 2021, 2.773 befragte Erwerbstätige,
alle Beschäftigten nach dem Informationsverhalten * nur Befragte mit Kindern im Haushalt
16 THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
AUSGABE JULI 2021
AUSBLICK – HOMEOFFICE NACH Erhebung des Bunesamts für Sicherheit in der Infor-
mationstechnik (BSI) will eine Mehrheit der Firmen
DER PANDEMIE (54 bzw. 58 Prozent) mehr Homeoffice als vor der
Corona-Krise ermöglichen. Die Vorteile für Arbeitge-
WAS KOMMT NACH CORONA?
ber können vielfältig sein. Sie versprechen sich eine
Wie stets liegt der Blick in die nähere oder fernere gesteigerte Attraktivität im Wettbewerb um geeig-
Zukunft nahe. Und wie stets, ist die Antwort mit Un- nete Fachkräfte, die Einsparung von Büroflächen
sicherheiten behaftet. Wenn zunächst die Empirie und zufriedenere Beschäftigte. Studien zeigen auch,
sprechen soll, können wir auf aktuelle Erhebungser- dass Beschäftigte nach dem Wechsel ins Homeoffice
gebnisse verweisen, die im Rahmen einer Befragung teilweise messbar produktiver arbeiten (Emanuel
entstehen, die zum Redaktionsschluss jedoch noch und Harrington, 2021; Bloom et al., 2015). Dies gilt
nicht abgeschlossen ist. Hierbei handelt es sich um vor allem für weniger komplexe und unabhängige
eine ebenfalls bevölkerungsrepräsentative Stich- Tätigkeiten, die zu Hause ausgeführt werden können.
probe von 1.500 telefonisch befragten Bürgerinnen
Für eine vermehrte Rückkehr zur Präsenzarbeit
und Bürgern in der dritten Welle eines Mobilitäts-
spricht hingegen das oben dargestellte Ergebnis,
panels mit der Bezeichnung MOBICOR, das infas
dass große Teile des aktuellen Homeofficegesche-
gemeinsam mit dem Wissenschaftszentrum Berlin
hens auf den Schultern der „höheren“ Berufsgruppen
(WZB) unter Förderung durch das BMBF im Frühjahr
liegen. Die damit verbundenen Tätigkeiten werden
2020 aufgesetzt hat. Diese dritte Welle beinhaltet
sich aller Voraussicht nach nicht auf längere Zeit in
auch einige Fragen nach der Perspektive, die sich an
dem jetzigen Umfang in das Homeoffice verlagern
diejenigen richten, die zum Befragungszeitpunkt vor
lassen. Führungsaufgaben, Innovationsentwicklun-
allem im Homeoffice tätig sind. Nur jeder Zehnte
gen und Kommunikationsbedürfnisse werden in ge-
möchte nach der Pandemie komplett in die Präsenz-
ringerem Ausmaß, aber im Ergebnis möglicherweise
arbeit zurückkehren. Die überwiegende Mehrheit
ähnlich häufig eine Rückkehr oder ein Verbleiben
(knapp 90 Prozent) wünscht hingegen, die Arbeit zu
am betrieblichen Arbeitsplatz verlangen wie in den
Hause im aktuellen oder im niedrigeren Umfang
Tätigkeitsbereichen, denen schon jetzt funktionell
beizubehalten. Rund 40% möchten die Häufigkeit
bedingt die Homeoffice-Tür nicht offen stand. Diese
von gegenwärtig vier bis fünf Homeoffice-Tagen in
Ambivalenz hat sich in entsprechenden Studien
der Woche auf einen bis zwei Tage reduzieren. Dies
bereits vor der Pandemie gezeigt. Dabei haben
deckt sich mit Ergebnissen anderer Erhebungen
sich – mit jeweils etwas anderer Auslegung, aber
wonach die Zufriedenheit mit dem Homeoffice
fast durchweg – immer zwei Homeoffice-Gesichter
während der Pandemie grundsätzlich sehr hoch ist
gezeigt. Der durch die Pandemie deutlich beschleu-
(Stürz et al., 2020; Bonin et al., 2020). Der Mangel an
nigte technische Fortschritt im Bereich digitaler
sozialen Kontakten und persönlichem Austausch
Kommunikations- und Management-Lösungen
sowie eine Entgrenzung von Arbeit und Privatem
könnte den Trend hingegen wieder mehr zugunsten
kann beim Vollzeit-Homeoffice auf Dauer jedoch
der mobilen Arbeit schwenken. So könnte die Heim-
zur Belastung werden (Ahlers et. al., 2021, Bonin et
arbeit perspektivisch auch für aktuell noch schwer
al., 2021). Viele wünschen sich daher einen gewis-
zu verlagernde Tätigkeiten deutlich vereinfacht und
sen Ausgleich zwischen Präsenz- und Heimarbeit.
effizienter gestaltet werden (Bloom et al., 2021).
Demnach wird sich auf absehbare Zeit der Anteil der
Personen und noch mehr der Arbeitszeitanteil im Der Corona-Schock hat das Sozialleben und die
Homeoffice reduzieren. Arbeitswelt gleichermaßen erschüttert. Inwieweit
diese Zäsur den entscheidenden Impuls für eine
Auch auf Seiten der Unternehmen wurden die Er-
nachhaltige Transformation der traditionellen Ar-
wartungen ans Homeoffice von den Erfahrungen oft
beitsorganisation geliefert hat, wird jedoch noch zu
übertroffen – trotz der widrigen Umstände während
verfolgen sein.
der Pandemie. Laut einer ifo-Umfrage und einer
17 THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
AUSGABE JULI 2021
LITERATUR
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Methods: American Statistical Association
19 THEMENREPORT CORONA-DATENPLATTFORM
AUSGABE JULI 2021
DIE CORONA-DATENPLATTFORM
Seit dem Jahresende 2020 ist die Corona-Daten- Die erste Projektphase war auf vier Monate be-
plattform online. Sie trägt den Titel „Erfassung grenzt. Sie beinhaltete eine differenzierte regionale
regionaler Eindämmungsmaßnahmen, Aufbau einer Erfassung der im Verlauf der Corona-Pandemie er-
Corona-Datenplattform und (regionale) Analysen griffenen Maßnahmen, eine regionale Datensamm-
zur SARS-CoV-2-Epidemie in Deutschland“. Die lung, die Bewertung und erste Analysen der Daten.
Arbeiten wurden im September 2020 durch das Zur Maßnahmenerfassung wurde ausgehend von
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie internationalen Vorarbeiten ein eigenes Codesche-
(BMWi) beauftragt. Sie werden von einem wissen- ma entwickelt und der Situation in Deutschland an-
schaftlichen Board begleitet. Das interdisziplinäre gepasst. Darüber hinaus umfasst das Vorhaben die
Bearbeitungsteam besteht aus dem infas Institut für Auswertung der aufgenommen Wirtschaftsdaten.
angewandte Sozialwissenschaft, infas 360 und dem Hauptaufgabe war jedoch die Bereitstellung einer
IHPH Institut für Hygiene und Öffentliche Gesund- Datengrundlage für die Scientific Community mit
heit an der Universität Bonn. dem Aufruf, diese Datenbasis für weitere Analysen
zu nutzen.
Die Datensammlung und -bereitstellung erfolgt
regional auf der Ebene von 401 Landkreisen und Eine zweite Projektphase setzt das Vorhaben gegen-
kreisfreien Städten. Dies bietet für die Einschät- wärtig zunächst bis Mitte 2021 fort. Zurzeit reicht
zung der Situation in Deutschland entscheidende die Maßnahmenerfassung und Datenbereitstellung
Vorteile gegenüber bundesweiten Analysen oder bis Mitte April 2021. Der Zwischenbericht sowie
Betrachtungen auf Bundeslandebene. Sowohl die erste Analysen aus dem Kreis der rund 400 regist-
Eindämmungsmaßnahmen als auch das Infekti- rierten Nutzerinnen und Nutzer sind auf der Platt-
onsgeschehen und wirtschaftliche Veränderungen form unter www.corona-datenplattform.de online
weisen regional ein teilweise sehr unterschiedliches verfügbar. Für den Sommer 2021 wird die Übergabe
Erscheinungsbild auf. wesentlicher Bestandteile der Datensammlung an
Destatis vorbereitet, um dort ein entsprechendes
öffentliches Angebot zu schaffen.
Kontakt
Robert Follmer
Bereichsleiter Verkehrs- und Regionalforschung,
infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH
Tel. +49 (0)228 3822-419
Michael Herter
Geschäftsführer
Tel. +49 (0)228 74 887-361
E-Mail m.herter@infas360.de
Jean-Victor Alipour
Wiss. Mitarbeiter ifo Zentrum für Industrieökonomik
und neue Technologien
Tel. +49 (0)89 9224-1436
E-Mail alipour@ifo.de