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Rettungsmedizin
Konzepte – Stellungnahmen – Perspektiven
Notfall Rettungsmed 2022 · 25 (Suppl 1):S1–S14
https://doi.org/10.1007/s10049-022-00997-y
Angenommen: 18. Februar 2022
Versorgung kritisch kranker,
Online publiziert: 13. April 2022
© The Author(s), under exclusive licence to nicht-traumatologischer
Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von
Springer Nature 2022 Patienten im Schockraum
Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für
Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin zur
Strukturierung, Organisation und Ausstattung sowie
Förderung von Qualität, Dokumentation und Sicherheit in
der Versorgung kritisch kranker, nicht-traumatologischer
Patienten im Schockraum in der Bundesrepublik
Deutschland
Michael Bernhard1 · Bernhard Kumle2 · Christoph Dodt3 · Ingo Gräff4 · Mark Michael1 ·
Guido Michels5 · Ingmar Gröning6 · Martin Pin7 · Deutsche Gesellschaft für
Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) e. V.8
1
Zentrale Notaufnahme, Universitätsklinikum Düsseldorf, Heinrich-Heine Universität, Düsseldorf,
Deutschland; 2 Klinik für Akut- und Notfallmedizin, Schwarzwald-Baar Klinikum, Villingen-Schwenningen,
Deutschland; 3 Klinik für Akut- und Notfallmedizin, München Klinik Bogenhausen, München,
Deutschland; 4 Abteilung Klinische Akut- und Notfallmedizin, Universitätsklinikum Bonn, Bonn,
Deutschland; 5 Klinik für Akut- und Notfallmedizin, St. Antonius Hospital Eschweiler, Eschweiler,
Deutschland; 6 Klinik für Notfallmedizin, Krankenhaus Maria-Hilf, Krefeld, Deutschland; 7 Zentrale
Interdisziplinäre Notaufnahme und Akutstation, Florence-Nightingale-Krankenhaus der Kaiserwerther
Diakonie Düsseldorf, Düsseldorf, Deutschland; 8 Berlin, Deutschland
fordern. Ein Arzt-Notarzt-Gespräch kann Rettungsdienst direkt an das Kranken- behandlungsprozess gewährleisten. Nach
bei Bedarf vermittelt werden. Stellt sich hausinformationssystem zu übergeben. der Übergabe beginnt der innerklinische
bei der Anmeldung die Notwendigkeit Hier wäre zu fordern, dass bundesweit eine Behandlungsprozess.
der Aufnahme in den Schockraum her- einheitliche strukturierte Datenübergabe In der Regel existiert für die mündli-
aus, wird der Schockraum nach Standard definiert wäre. che/schriftliche Übergabe und die Über-
vorbereitet und das notwendige pflegeri- mittlung patientenrelevanter Informatio-
sche sowie ärztliche Personal informiert. Übergabe nen nur eine einmalige Möglichkeit [31].
Alternativ sind digitale Anmeldungen Der Übergabe kommt somit eine immense
mit einer automatisierten elektronischen Die Übergabe in der Medizin ist definiert Bedeutung zu.
Vorabanmeldung nach den Schockraum- als die Übertragung der Verantwortlich- Speziell in Zentralen Notaufnahmen
kriterien (s. unten) möglich [36]. Hier keit und Zuständigkeit für einige oder bzw. Kliniken/Zentren für Akut- und Not-
können inzwischen auch die Vitaldaten, alle Aspekte der Versorgung eines oder fallmedizin werden Übergaben als kom-
EKG, eine Fotodokumentation von z. B. mehrerer Patienten an eine andere Person plex beschrieben und sind mit einem
Auffindesituation, Medikamentenschach- oder Berufsgruppe für vorübergehende erhöhten Fehlerrisiko aufgrund des hohen
teln, -plänen, Behältnisse von ingestierten oder längere Zeit [1, 2]. Der Übergabepro- Stress- und Zeitdrucks bei der Versorgung
Substanzen, Patienten mit neurologischen zess bezieht sich hier ausschließlich auf der Patienten behaftet [19, 20]. Gleich-
Symptomen und Einsatzprotokolle vorab die direkte Übergabe und nicht auf den zeitig kommt erschwerend das differente
übermittelt werden. Ein entsprechendes Anmeldeprozess. Kompetenzspektrum der beteiligten Be-
Vorgehen ermöglicht es, die strukturel- Als Bestandteil eines Gesamtbehand- rufsgruppen hinzu.
len, organisatorischen und personellen lungsprozesses schließt die Übergabe ei- Im Jahr 2007 hat die Weltgesund-
Ressourcen einer Zentralen Notaufnahme nerseits die prähospitale Versorgung ab heitsorganisation (WHO) die Entwicklung
bzw. Klinik/Zentrum für Akut- und Not- und muss andererseits an der Transfer- von Standard Operating Procedures (SOP)
fallmedizin und eines Klinikums optimal stelle zur Zentralen Notaufnahme bzw. Kli- in der Kommunikation als eine der fünf
einzusetzen. Inzwischen stehen auch die nik/Zentrum für Akut- und Notfallmedizin Prioritäten im Bereich Patientensicherheit
ersten Systeme zur Verfügung, die es durch die Weitergabe der bisherigen Be- für Länder der ersten Welt formuliert
ermöglichen, sowohl die personenbezo- handlungs- und Patienteninformationen [60]. Kernbestandteil und somit essen-
genen Daten als auch EKG und Fotos vom die Kontinuität und Sicherheit im Gesamt- tieller Baustein zur Standardisierung ist
fallversorgung mindestens zwei Schock- chende Infrastruktur und die technischen Akut- und Notfallmedizin“ und mindes-
raumpatienten zeitgleich versorgen kön- Voraussetzungen an. Spezielle Vorhaltun- tens zwei Pflegekräften der Zentralen
nen, sofern auch eine überregionale Trau- gen sind darüber hinaus noch für Spe- Notaufnahme bzw. Klinik/Zentrum für
maversorgung gewährleistet sein muss, zialfunktionen (z. B. Cardiac Arrest Center) Akut- und Notfallmedizin zusammen.
dann muss die gleichzeitige Versorgung vorzuhalten (z. B. Extracorporaler Life Sup- Mindestens ein Arzt sollte aufgrund der
von mindestens 3 Schockräumen gleich port, ECLS). Zusatzbezeichnung „Klinische Akut- und
welcher Entität möglich sein. Die hierfür je- Notfallmedizin“ über fundierte Kenntnis-
weils benötigte Personalvorhaltung, räum- Schockraumteam se der notfall- und intensivmedizinischen
liche Kapazität und Infrastruktur sind zu Methoden zur Versorgung nicht-trauma-
schaffen. Während apparatetechnisch für Das „Basisschockraumteam“ für kritisch tologischer lebensbedrohlicher Notfälle
die unmittelbare „Vitalfunktionsmedizin“ kranke nicht-traumatologische Patien- verfügen. Prinzipiell ist eine notfall- sowie
eine in Abschnitt Ausstattungsmerkmale ten setzt sich aus mindestens einem intensivmedizinische Fort- und Weiterbil-
aufgezeigte Vorhaltung für ABCDE-Notfäl- Assistenz- und einem Fach-/Oberarzt dung sowohl des ärztlichen als auch des
le relevant ist, steigt auch mit höherer der Zentralen Notaufnahme bzw. Klinik/ Pflegepersonals (inkl. Fachweiterbildung
Versorgungstufe entsprechend der vorzu- Zentrum für Akut- und Notfallmedizin Notfallpflege) erforderlich (mind. 1 pro
haltenden Fachabteilungen die entspre- mit der Zusatzbezeichnung „Klinische Schicht). Dabei sind Kenntnisse zur Be-
tät kritisch kranker, nicht-traumatologi- Differenzialdiagnosen zum Leitsymptom und können darüber hinaus im Intranet
scher Patienten gerecht wird. Hierin liegt zu bedenken“ [29]. des Krankenhauses eingesehen werden.
nach Sicht der Autoren die besondere Darüber hinaus kann – wie oben be- Die aktuellen Leitlinien sowie Emp-
Herausforderung des Schockraumma- reits dargestellt – je nach vorliegender fehlungen zur Behandlung unterschiedli-
nagements kritisch kranker, nicht-trau- Problemkonstellation ggf. die betreffende cher Krankheitsbilder müssen umgesetzt
matologischer Patienten. Die AG Schock- Fachexpertise des Hauses hinzugezogen werden (z. B. Sepsis, Schlaganfall, infarkt-
raum der DGINA hat sich deshalb zum werden. Hierbei helfen im Vorfeld mit bedingter Schock [45, 55, 56]). Nach
Ziel gesetzt, eine Gesamtstruktur für die den weiterversorgenden Kliniken abge- Durchführung der notwendigen diagnos-
Schockraumbehandlung dieser Notfall- stimmte und verbindliche Versorgungs- tischen und therapeutischen Maßnahmen
patienten zu erarbeiten, um eine Art konzepte (z. B. Postreanimationsphase, in der Zentralen Notaufnahme bzw. Kli-
kontinuierliches Rückgrat für die einzel- akutes Koronarsyndrom, Schlaganfall), die nik/Zentrum für Akut- und Notfallmedizin
nen bereits vorhandenen Konzepte und den entsprechenden aktuellen Leitlini- erfolgt zur weiteren innerklinischen Ver-
die verschiedenen existierenden Abläufe en Rechnung tragen. Für die Prozesse sorgung die Zuführung des Patienten
zu bilden und diese einzubinden. Mit dem innerhalb des Schockraumes sind be- entsprechend dem notwendigen Ver-
(PR_E-)AUD2IT-Schema wird ein solcher reits einige mögliche Abläufe nach dem sorgungsstruktur (z. B. Intensivstation,
Ansatz als ein einheitliches, trainierbares ABCDE-Prinzip entwickelt worden und be- Herzkatheterlabor, Angiographie, OP). Die
und vergleichbares didaktisches Konzept finden sich in stetiger Weiterentwicklung rasche sowie effektive Versorgung und
erstmalig vorgestellt [29]. [37, 43–45]. Auch bei prähospital bereits der zeitnahe innerklinische Transport un-
Das (PR_E-)AUD2IT-Schema beinhaltet gesicherter Diagnose (z. B. ST-Strecken- ter intensivmedizinischen Bedingungen
folgende Phasen: Hebungsinfarkt) kann die Weiterleitung sind dabei essenziell. Ziel muss es sein,
– P – Präparation an die weiterversorgende Struktur (z. B. den Patienten so rasch wie möglich der
– R – Ressourcen Herzkatheterlabor) initiiert und gesichert entsprechenden Intervention und/oder In-
– „_“ – Pause (Team-Timeout) zur struk- werden. In einem solchen Fall passiert der tensivtherapie zuzuführen; dafür müssen
turierten Übergabe Patient die Zentrale Notaufnahme bzw. entsprechende Intensivbehandlungska-
– E – Erstversorgung Klinik/Zentrum für Akut- und Notfallme- pazitäten jederzeit verfügbar sein. Die
– A – Anamnese dizin und wird gemäß interdisziplinären zeitnahe Übernahme des kritisch kran-
– U – Untersuchung Absprachen direkt in das Herzkatheter- ken Patienten in der weiterversorgenden
– D2 – Differenzialdiagnosen/apparative labor weitergeleitet. Ist die Ursache für Institution ist sowohl für den Patienten
Diagnostik den kritischen Zustand unklar (z. B. bei als auch für die erneute Bereitstellung
– I – Interpretation einer Reanimation) gibt es verschiede- der Schockraumversorgung besonders
– T – ToDo. ne Prozesswege für die Versorgung des wichtig. Die zeitnahe Übernahme ist im
Patienten [38]. Die Beschreibung dieser GBA-Beschluss zur Stufung der statio-
Die Phasen werden, auf der Grundlage kli- Prozesse müssen deshalb in Form einer nären Notfallversorgung [22] mit einer
nischer Erfahrung und bereits in etablier- interdisziplinär erarbeiteten SOP vorliegen Übernahmezeit auf die Intensivstation
ten Kurskonzepten verbreiteten Behand- und dem Rettungsdienst kommuniziert von max. 60 min definiert. Trotz dieser
lungsabfolgen, nacheinander abgearbei- sein. Regelung muss die Zentrale Notaufnahme
tet, um „einen nahtlosen Übergang von In der Zentralen Notaufnahme bzw. Kli- bzw. Klinik/Zentrum für Akut- und Not-
der prä- zur innerklinischen Versorgung zu nik/Zentrum für Akut- und Notfallmedi- fallmedizin auch eine länge Verweildauer
gewährleisten, eine Strukturierung der Be- zin der Autoren stehen diese interdiszi- eines kritisch kranken, interventionspflich-
handlung zu ermöglichen, möglichst rasch plinären Versorgungskonzepte als SOP in tigen oder intensivpflichtigen Patienten,
lebensbedrohliche Zustände zu erkennen der Notaufnahme bzw. Klinik/Zentrum für (z. B. bei Verlegungen durch den Ret-
und zu behandeln und die wesentlichen Akut- und Notfallmedizin zur Verfügung tungsdienst) auf intensivmedizinischem