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acatech BEZIEHT POSITION – Nr.

> LEITLINIEN FÜR EINE


DEUTSCHE RAUMFAHRTPOLITIK
Titel

acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (Hrsg.)

Geschäftsstelle Hauptstadtbüro
Residenz München Unter den Linden 14
Hofgartenstraße 2 10117 Berlin
80539 München

T +49(0)89/5203090 T +49(0)30/206309610
F +49(0)89/5203099 F +49(0)30/206309611

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Internet: www.acatech.de

ISSN 1863-1738/ISBN 978-3-642-18407-9/e-ISBN 978-3-642-18408-6

DOI 10.1007/978-3-642-18408-6

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011

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stimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbe-
zeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten
waren und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Koordination: Dr. Jens Pape, Dr. Andreas König


Layout-Konzeption: acatech
Konvertierung und Satz: Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS,
Sankt Augustin

Gedruckt auf säurefreiem Papier


springer.com
Inhalt

> INHALT

MITWIRKENDE AN DIESEM POSITIONSPAPIER 5

PRÄAMBEL 7

KURZFASSUNG – 10 LEITLINIEN FÜR EINE DEUTSCHE RAUMFAHRTPOLITIK 9

1 EINFÜHRUNG: MIT DER RAUMFAHRT ZU NEUEN HORIZONTEN 13


1.1 Aktionsfelder der Raumfahrt 13
1.2 Politische und gesellschaftliche Ziele der Raumfahrt 16
1.3 Ergebnisse der Raumfahrt 17

2 POLITISCHE LEITLINIEN 22
2.1 Neue Herausforderungen für die deutsche und die europäische Raumfahrt 22
2.2 Bedeutung des nationalen Raumfahrtprogramms 24
2.3 Integriertes Management der Raumfahrtaktivitäten 25
2.4 Rollenverteilung zwischen ESA und EU 26
2.5 Europäische und internationale Kooperationen 28

3 KRITISCHE ERFOLGSFAKTOREN 29
3.1 Ausbildung und universitäre Forschung 29
3.2 Finanzierung 31
3.3 Internationale Repräsentanz 34
3.4 Technologietransfer 35

4 PROGRAMMATISCHE LEITLINIEN 36
4.1 Zukünftige Schwerpunkte 36
4.2 Strategische Kernbereiche 37

ANHANG 40

LITERATURVERZEICHNIS 44
Mitwirkende und Projektverlauf

MITWIRKENDE AN DIESEM POSITIONS-


PAPIER

> AUTORENGRUPPE

— Prof. Dr.-Ing. Ernst Messerschmid, Universität Stuttgart/acatech (Leitung)


— Jörg Feustel-Büechl, ehem. ESA Programmdirektor für bemannte Raumfahrt und
Schwerelosigkeitsforschung
— Prof. Dr.-Ing. Stefan Levedag, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt
— Dr.-Ing. Michael Menking, EADS Astrium
— Prof. Dr.-Ing. Sigmar Wittig, Karlsruher Institut für Technologie/acatech

> WERTVOLLE INFORMATIONEN UND ANREGUNGEN HABEN DIE FOLGENDEN


PERSONEN BEIGETRAGEN:

— Dr. Hanna von Hoerner, von Hoerner & Sulger GmbH


— Dr. Fritz Merkle, OHB Technology AG (Orbitale Hochtechnologie Bremen)
— Prof. Dr. Gregor Morfill, Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik
— Dr.-Ing. Frank Pohlemann, EADS Astrium
— Prof. Dr. Sami Solanki, Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung

> WEITERE GEFÜHRTE GESPRÄCHE

Im Rahmen der Erstellung dieses Positionspapiers wurden Konsultationen mit Vertretern der
Wirtschaftsministerien der Länder Bayern, Baden-Württemberg und Bremen sowie mit dem
Vorstand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) durchgeführt.

> REVIEW-GRUPPE

— Prof. Dr. Berndt Feuerbacher, International Astronautical Federation (IAF)


— Prof. Dr.-Ing. Philipp Hartl, Universität Stuttgart/acatech
— Prof. Dr. Kai-Uwe Schrogl, European Space Policy Institute (ESPI)
— Prof. Dr.-Ing. Dieter Spath, Fraunhofer-Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation/
acatech

> DIE AUTORENGRUPPE WURDE VON FOLGENDEN MITARBEITERN BETREUT:

— Dr. Jens Pape, acatech Geschäftsstelle (Projektmanagement)


— Dr. Jochen Holzkamp, Hamburg
— Mathias Schneidereit, EADS Astrium

5
Raumfahrtpolitik

> UNTERSTÜTZER

Wir danken dem Wirtschaftsministerium des Landes Baden-Württemberg, der EADS Astrium
und dem acatech Förderverein für die freundliche Unterstützung bei der Erstellung bzw. beim
Druck dieses Positionspapiers.

> PROJEKTVERLAUF, SYNDIZIERUNG UND VERÖFFENTLICHUNG

Dieses Positionspapier wurde im Zeitraum Februar bis Oktober 2010 erarbeitet. Das acatech
Präsidium hat das Papier am 16. November 2010 syndiziert.

6
Präambel

PRÄAMBEL

Wissenschaft und Forschung in der Raumfahrt sind für Deutschland von großer strategischer
Bedeutung. Raumfahrt leistet für unsere Wissensgesellschaft wichtige Beiträge für eine nach-
haltige wissenschaftlich-kulturelle, technologische und wirtschaftliche Entwicklung sowie
für die Sicherheit. Die durch Raumfahrt bereitgestellten Infrastrukturen ermöglichen neue
Wertschöpfungsketten in anderen Wirtschaftssektoren, insbesondere bei nachgelagerten
Mehrwertdiensten wie der Erdbeobachtung, der Satellitenkommunikation oder der Satelli-
tennavigation und unterstreichen die signifikante wirtschaftliche Bedeutung der Raumfahrt.
Als Innovationsmotor gehen auf sie viele nachweisbare neuartige terrestrische Applikationen
beispielsweise in den Materialwissenschaften, der Energieerzeugung und -speicherung oder
in der Medizin zurück.

Deutschland ist eine führende Nation in der Raumfahrt und weltweit präsent. Die bisherige
Innovationsführerschaft Deutschlands in vielen Bereichen von Wissenschaft und Technologie
der Raumfahrt ist jedoch langfristig nicht gesichert.

Globale Veränderungsprozesse durch sogenannte Megatrends, neue Wettbewerber in der in-


ternationalen Raumfahrt, Ausweitungen neuer Dienstleistungen durch deutlich erweiterte
technische Möglichkeiten sowie veränderte politische Rahmenbedingungen insbesondere
auf europäischer Ebene stellen grundlegend neue Anforderungen an die deutsche Raum-
fahrt dar. Bereits bekannte Defizite wie der anhaltende Fachkräftemangel der Raumfahrtin-
dustrie, die unzureichende Repräsentanz Deutschlands in europäischen und internationalen
Gremien der Raumfahrt sowie das ungeachtet einer verstärkten Differenzierung der Raum-
fahrtanwendungen seit mehr als zwei Jahrzehnten real stagnierende öffentliche nationale
Raumfahrtbudget wirken sich in dieser Situation verschärfend aus und unterstreichen einmal
mehr die Notwendigkeit einer neuen kohärenten deutschen Raumfahrtstrategie. Diese muss
durch einen langfristigen, sich über Jahrzehnte erstreckenden politischen Gestaltungswillen
gekennzeichnet sein und den nationalen, europäischen und internationalen Aspekten der
Raumfahrt gleichermaßen Rechnung tragen.

Die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag zur Förderung neuer Technologi-
en und zum Industrieland Deutschland bekannt und die Entwicklung einer eigenständigen
Raumfahrtstrategie mit klaren Missions- und Technologiezielen bis zum Ende des Jahres 2010
angekündigt. Aus Sicht von acatech sollte eine nationale Raumfahrtstrategie sowohl die
Belange der Industrie als auch die von Wissenschaft und Hochschulen gleichermaßen be-
rücksichtigen. Wesentlich sind Aussagen zu Zeit- und Finanzierungsrahmen mit langfristigem
Planungshorizont sowie zur Koordination während der Implementierung mit den eingebunde-
nen Ressorts, den beteiligten Bundesländern, der Forschung und der Industrie. Des weiteren
muss die deutsche Position mit Hinblick auf die Rollenverteilung zwischen ESA und EU und
zur Problematik der unzureichenden deutschen Repräsentanz in den europäischen und inter-

7
Raumfahrtpolitik

nationalen Institutionen und Gremien geklärt und das Vorgehen Deutschlands zu Initiierung
und Aufbau strategischer Kooperationen mit neuen EU-Ländern und aufstrebenden Welt-
raumnationen benannt werden. Besondere Beachtung muss eine nationale Raumfahrtstrate-
gie der Stärkung von Ausbildung und Forschung an Hochschulen und anderen Forschungs-
einrichtungen widmen. Schließlich sollte eine nationale Raumfahrtstrategie Festlegungen
hinsichtlich der inhaltlichen Aspekte treffen und die deutschen Prioritätensetzungen klar
erkennen lassen.

Das vorliegende Positionspapier beschreibt Leitlinien für eine zukünftige deutsche Raum-
fahrtpolitik und ist das Ergebnis der Analyse einer Autorengruppe unter Federführung und
maßgeblicher Beteiligung von acatech Mitgliedern. Es soll in erster Linie der Bundesregie-
rung bei der anstehenden Entscheidung über eine nationale Raumfahrtstrategie als Orien-
tierungsrahmen dienen und kritische Erfolgsfaktoren zur weiteren Förderung der Raumfahrt
in Deutschland und international aufzeigen. acatech reiht sich mit ihrem Positionspapier
in die Expertisen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt vom März 2010 und
der Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern und Bremen vom Oktober 2010 ein. acatech
unterstreicht damit ihre Bereitschaft, sich aktiv in den weiteren Prozess der Erarbeitung einer
nationalen Raumfahrtstrategie einzubringen und die Bundesregierung bei ihrem Vorhaben
konstruktiv zu unterstützen.

8
Kurzfassung
Titel

KURZFASSUNG – 10 LEITLINIEN FÜR


EINE DEUTSCHE RAUMFAHRTPOLITIK

acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften scher stellen würde und bei Wirtschaft und Wissenschaft
formuliert die folgenden 10 Leitlinien für eine zukünftige antizyklische Effekte entstehen lassen könnte.
deutsche Raumfahrtpolitik:
2. BEDEUTUNG DES NATIONALEN RAUMFAHRT-
1. NEUE HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE DEUTSCHE PROGRAMMS
UND EUROPÄISCHE RAUMFAHRT
Die zunehmende Bedeutung der Raumfahrt für neue An-
Die deutsche sowie die europäische Raumfahrt stehen in wendungen bei Erdbeobachtung, Navigation und Telekom-
zweierlei Hinsicht vor Richtungsentscheidungen: In Zeiten munikation sowie offene Fragen beim Raumtransport und
einer globalen Wirtschafts- und Finanzkrise mit ihren Aus- der robotischen und bemannten Exploration erfordern eine
wirkungen auf die öffentlichen Budgets müssen für die klare Positionsbestimmung und Prioritätensetzung in der
deutsche Raumfahrt weit in die Zukunft reichende Ent- deutschen Raumfahrtpolitik und der daraus resultierenden
scheidungen zur Wahrung der Wachstums- und Wettbe- Programmatik. Das nationale Programm definiert dabei
werbschancen des Standorts Deutschland getroffen wer- maßgeblich die deutsche Rolle im europäischen und inter-
den. Gleichzeitig steht die europäische Raumfahrtpolitik nationalen Kontext und ist als Sprungbrett für europäische
nach dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages und den und internationale Beteiligungen unerlässlich.
erweiterten Funktionen bei ESA und EU vor einem Wende-
punkt. Nur wenn es gelingt, auf diese Herausforderungen > acatech empfiehlt
angemessen zu reagieren, werden wir uns in einem äußerst
kompetitiven Umfeld neue Möglichkeiten wissenschaftli- Das nationale Programm muss einerseits eigenständige
chen und wirtschaftlichen Fortschritts erschließen. Ziele verfolgen und zum anderen vorbereitende Aktivitäten
für europäische und internationale Programme umfassen.
> acatech empfiehlt Klare Prioritätensetzung bezüglich wissenschaftlicher und
technologischer Ziele und der angestrebten Missionsziele
Die neuen Herausforderungen und die damit veränder- einschließlich Budget- und Zeitrahmen sind notwendige
ten Rahmenbedingungen erfordern eine Anpassung der Voraussetzungen für eine erfolgreiche nationale Strategie.
deutschen Raumfahrtpolitik und eine kohärente deutsche Diese ist sowohl für Forschungseinrichtungen, Raumfahrt-
Raumfahrtstrategie, die nationalen, europäischen und in- systemfirmen wie auch für KMU von großer Bedeutung.
ternationalen Aspekten gleichermaßen Rechnung trägt.
Zudem sollte das nationale Programm erheblich zur in-
acatech appelliert nachhaltig an die Bundesregierung, ihre haltlichen Gestaltung langfristig angelegter strategischer
bestehenden Aktivitäten zur Förderung der Raumfahrt auch Allianzen mit europäischen Partnern beitragen. Neben den
im Falle wirtschaftlich schwieriger Zeiten fortzusetzen und bisherigen Partnern in der ESA sind die neuen osteuropä-
sogar auszuweiten. Ein heutiger Verzicht auf eine program- ischen Mitgliedsländer der EU als potenzielle zukünftige
matische Erneuerung würde außer Acht lassen, dass sich ESA-Mitgliedsländer von besonderer Bedeutung, um die
die Notwendigkeit einer Anpassung der deutschen Raum- deutsche Vernetzung zu verbessern. Ebenso sind Koopera-
fahrtpolitik in Zeiten besserer Konjunktur um so dramati- tionen mit aufstrebenden Raumfahrtnationen einzugehen.

9
Raumfahrtpolitik

3. INTEGRIERTES MANAGEMENT DER RAUMFAHRTAK- werden. Dabei muss ESA eine eigenständige Organisation
TIVITÄTEN bleiben, die für die Umsetzung aller EU- und ESA-Program-
me verantwortlich zeichnet.
Die Ausweitung der Raumfahrtaktivitäten insbesondere
im Hinblick auf anwendungsorientierte Programme hat in Der europäische Weltraumrat muss als wesentliches politi-
Deutschland zu einer Zunahme verantwortlicher Ministe- sches Entscheidungsgremium weiterentwickelt werden.
rien im Bund und in den Bundesländern geführt.
5. Europäische und internationale Kooperation
> acatech empfiehlt
Raumfahrtpolitik wird in den drei Ebenen nationales, euro-
Auf Bundesebene sowie zwischen Bund und Ländern sind päisches und internationales Programm durchgeführt und
Maßnahmen zur verbesserten Koordination und Abstim- setzt eine regelmäßige inhaltliche Abstimmung aller betei-
mung erforderlich, beispielsweise durch die Wiederbelebung ligten Partner voraus.
des Staatssekretärausschusses unter der Leitung des Bun-
deskanzleramts. Dieser Ausschuss sollte auch die grundsätz- > acatech empfiehlt
lichen Belange der Forschung, Ausbildung und der Industrie
in seine Arbeit einbeziehen und diese bündeln. Die langfristige Kontaktpflege und Kooperation mit traditi-
onellen europäischen (Frankreich und Italien) und interna-
Die Umsetzung der deutschen Raumfahrtstrategie sollte tionalen Partnern (USA, Russland, Japan) sollten weiterent-
einer einzigen Organisation mit gesamtverantwortlichem wickelt werden; mit aufstrebenden neuen Partnern (China,
Management und technisch-wissenschaftlicher Kompetenz Indien, Brasilien, Korea) sollten Beziehungen entwickelt
zur Implementierung aller nationalen, europäischen und und langfristig gestaltet werden - beides unter der Berück-
internationalen Raumfahrtaktivitäten Deutschlands über- sichtung nationaler Prioritäten.
tragen werden.
6. AUSBILDUNG UND UNIVERSITÄRE FORSCHUNG
4. ROLLENVERTEILUNG ZWISCHEN ESA UND EU
Universitäre und außeruniversitäre Raumfahrtforschung
Mit dem Vertrag von Lissabon wurde der EU erstmals eine sind in Deutschland äußerst leistungsfähig. Große Chancen
explizite Kompetenz in der Raumfahrt zugesprochen. Die für eine noch effizientere, zielorientierte und nachhaltige
Rahmenbedingungen, unter denen EU-finanzierte Raum- Raumfahrtforschung bestehen in einer stärker interdiszipli-
fahrtaktivitäten wie Galileo und GMES durchzuführen sind, när und enger vernetzten Weiterentwicklung der bestehen-
haben sich nur als bedingt geeignet erwiesen. den Forschungsstrukturen und einer verbesserten Koordina-
tion der Forschungsförderung.
> acatech empfiehlt
Das Studium der Luft- und Raumfahrttechnik hat in
Die zukünftigen ESA/EU Beziehungen müssen im Sinne Deutschland große Tradition. Ein Mangel an Absolven-
einer klaren Aufgabenteilung bei voller Berücksichtigung tinnen und Absolventen des Studiums der Luft- und Raum-
der jeweiligen Stärken der beiden Organisationen gestaltet fahrttechnik führt gegenwärtig jedoch dazu, dass nicht alle

10
Kurzfassung

freiwerdenden Positionen in der Industrie adäquat wieder- vile staatliche Budget Deutschlands für Raumfahrt betrugt
besetzt werden können. im Jahr 2009 1.243 Mrd. €. Im internationalen Vergleich
der öffentlichen Raumfahrtbudgets, gemessen am Brutto-
> acatech empfiehlt inlandsprodukt, belegt Deutschland hinter den USA, Frank-
reich und Japan lediglich Platz vier.
Auch die universitäre Bildung und Forschung muss als
wichtiges Teilelement in die nationale Raumfahrtstrategie > acatech empfiehlt
mit einbezogen werden. Im Aufbau interdisziplinärer und
eng vernetzter Ausbildungsstrukturen liegt eine der größten Erst mit der Hightech-Initiative der Bundesregierung ist das
Chancen für eine effiziente, zielorientierte und nachhaltige Raumfahrtbudget seit 2007 wieder angestiegen - dies ist
Ausbildung und universitäre Raumfahrtforschung. Dazu der richtige Weg, um international wieder den Anschluss zu
sollten thematische Forschungsverbünde, Exzellenz-Cluster finden und die deutsche Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.
oder Kompetenzzentren mit gemeinsamen Infrastruktur- Dieser Trend muss langfristig inhaltlich und finanziell für
und finanziellen Ressourcen (Raumfahrtagentur, Industrie, strategische Teilbereiche verstetigt werden (z. B. Anwen-
DFG, MPG, FhG und Industrie) durch die mit dem Raum- dungen und Technologien), damit Deutschland in weiten
fahrtmanagement betraute Organisation eingerichtet und Bereichen in Forschung und Entwicklung zu vergleichbaren
in regelmäßigen Abständen evaluiert werden. Ländern aufschließen und hier die Raumfahrt ihr Potenzial
in Wirtschaft, Wissenschaft und Dienstleistungen für die
Die Lehre an den deutschen Hochschulen sollte stärker dem Gesellschaft voll ausschöpfen kann. Die Orientierung der
interdisziplinären und internationalen Charakter der Raum- deutschen Raumfahrtpolitik an einer schlüssigen, langfris-
fahrt gerecht werden (Erhöhung der Mobilität der Studieren- tigen Gesamtstrategie stellt gleichzeitig sicher, dass die
den, Ausbau der fächerübergreifenden Lehre, Einbeziehung aufgewendeten Mittel optimal eingesetzt werden können.
von Vertretern der Industrie in die Lehre, curriculare Ausrich-
tung und Akkreditierung im europäischen Kontext). 8. INTERNATIONALE REPRÄSENTANZ

7. FINANZIERUNG Deutschland muss als eine der führenden Raumfahrtnati-


onen in Europa seine Interessenlagen in Wirtschaft, For-
Aufstrebende Staaten wie China, Indien oder Brasilien schung und Politik in den europäischen Institutionen wie
erweitern signifikant ihre Raumfahrtaktivitäten und set- ESA und EU und anderen internationalen Einrichtungen
zen dabei auf neue Anwendungen bei Erdbeobachtung, angemessen durch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mit-
Navigation und Telekommunikation, die für ihre Bürge- arbeiter auf allen Ebenen, besonders jedoch in den Füh-
rinnen und Bürger und ihre politischen Ziele von großem rungsebenen, vertreten können. Dies ist gegenwärtig nicht
Wert sind. Demgegenüber war das Raumfahrtbudget des ausreichend der Fall.
Bundes bis zum Jahr 2006 unter Berücksichtigung der In-
flation stetig rückläufig und hat zu einer Schwächung der > acatech empfiehlt
deutschen Raumfahrt im internationalen wie europäischen
Kontext geführt. Erst seit dem Jahr 2007 ist ein leichter An- Zur Stärkung der internationalen Repräsentanz Deutsch-
stieg der öffentlichen Mittel zu verzeichnen, das gesamte zi- lands müssen vermehrte Anstrengungen zur gezielten

11
Raumfahrtpolitik

Auswahl und Durchsetzung deutscher Kandidatinnen und > acatech empfiehlt


Kandidaten getroffen werden. Dazu müssen neue Wege zur
Förderung von Nachwuchs und eines Pools von Führungs- Ziele, Chancen sowie Risiken zukünftiger Explorationspro-
kräften für europäische Einrichtungen und Industrien be- gramme der bemannten und robotischen Raumfahrt müs-
gangen werden. sen auf breiter nationaler und europäischer Ebene disku-
tiert werden. Zu klären ist auch die Zukunft der ISS und
9. ZUKÜNFTIGE SCHWERPUNKTE Möglichkeiten der internationalen Zusammenarbeit in der
bemannten Raumfahrt. Exploration darf weder vorschnell
Eine nationale Raumfahrtstrategie sollte auch Festle- und exklusiv auf eine Durchführung durch robotische Sys-
gungen hinsichtlich der inhaltlichen Aspekte treffen und teme verkürzt noch durch reine Technologiebeiträge zu
eine deutsche Prioritätensetzung klar erkennen lassen. Missionen von Drittländern aufgegeben werden, zumal
dadurch der Verlust langfristig aufgebauter Kompetenzen
> acatech empfiehlt einhergeht.

Wegen der zunehmenden Bedeutung der Raumfahrtan- 10. STRATEGISCHE KERNBEREICHE


wendungen müssen klare inhaltliche Zielsetzungen bei Te-
lekommunikation, Navigation und Erdbeobachtung sowie Das Beherrschen der Systemfähigkeit für Raumfahrtmissi-
bei den integrierten Anwendungen vorgenommen werden. onen, die Weltraumwissenschaften, einschließlich der For-
Ebenso muss eine Prioritätensetzung bei den Weltraumwis- schung unter Weltraumbedingungen sowie die Vorentwick-
senschaften getroffen werden. lung kritischer Technologien sind strategische Kernbereiche
für eine tragende Rolle Deutschlands in der europäischen
acatech empfiehlt, in einem breiten Diskurs aller Beteilig- und internationalen Raumfahrt.
ten zu den als vordringlich angesehenen Grundsatzfragen
der Bedeutung eines autonomen und garantierten Zugangs > acatech empfiehlt
zum Weltraum für Deutschland und der Entwicklung neu-
er Trägertechnologien eine Klärung herbeizuführen: Diese Die kritischen Kernbereiche Systemfähigkeit, Weltraumwis-
Klärung sollte auch die militärische Raumfahrt einschlie- senschaften und Vorentwicklung wesentlicher Technologi-
ßen, falls sie Teil einer integrierten deutschen oder europäi- en für Anwendungs- und Infrastrukturprogramme müssen
schen „dual-use“ Raumfahrtstrategie werden sollte. in einer nationalen Raumfahrtstrategie klar identifiziert
und langfristig angelegt sein - d. h. mindestens für einen
In Europa und vor allem in Deutschland herrscht Unent- Zeitraum von zehn Jahren, um Planungssicherheit und re-
schlossenheit über die Zukunft der bemannten Raumfahrt. elle Erfolgsaussichten für alle Beteiligten zu gewährleisten.
acatech unterstreicht dabei für die anstehende Klärung,
dass Exploration als gesellschaftlich-kulturelle Aufgabe
und europäisches Vermächtnis wichtiger Bestandteil der
Raumfahrt ist.

12
Einführung

1 EINFÜHRUNG: MIT DER RAUMFAHRT


ZU NEUEN HORIZONTEN

Raumfahrt ist getrieben von menschlicher Neugierde und kompetitiven Umfeld für uns neue Horizonte in Raum und
einzigartigem Pioniergeist. Sie ermöglicht uns, weit in die Zeit und auch neue Möglichkeiten zur Erweiterung unseres
dritte Dimension vorzudringen und neue Horizonte zu er- Wissens und neuer wirtschaftlicher Möglichkeiten erschlie-
öffnen. Als ein wesentlich gewordenes Element der Gesell- ßen. Mit Robotern sind alle Ziele innerhalb unseres Son-
schaft wird Raumfahrt mit öffentlichen Mitteln unterstützt, nensystems erreichbar; der Mensch wird dorthin folgen, wo
daher müssen Weltraummissionen sich dem Anspruch un- seine physischen Möglichkeiten dies zulassen und seine ko-
terwerfen, dass ihre Ziele dem Wohle der Gesellschaft dien- gnitiven Fähigkeiten unverzichtbar sind für die Erkundung
lich sind. Der Stand der Technik erlaubt inzwischen auch neuer Welten.
kommerzielle Vorhaben, die sich aus privaten Ressourcen
finanzieren. Wir betreiben Raumfahrt zur Raumfahrt erfordert visionäres und langfristiges Denken.
Nur so wird die Basis für neue wissenschaftliche Erkennt-
— Erweiterung unseres Wissens und unseres Lebensraums, nisse und zur Entstehung von Innovationen in ganz unter-
— Erhaltung unserer Umwelt, schiedlichen Bereichen geschaffen. Mit ihren Leitlinien für
— Erzielung eines technologischen Fortschritts und von eine deutsche Raumfahrtpolitik will acatech - die Deutsche
Innovationen, Akademie der Technikwissenschaften - die gute Position der
— Verbesserung unserer Lebensqualität und Raumfahrt in Deutschland in Wissenschaft und Industrie
— zum wirtschaftlichen Fortschritt der Menschheit und sowohl im nationalen als auch im internationalen Kontext
— zur Förderung eines hochqualifizierten wissenschaftli- weiter stärken und die Bundesregierung bei ihrer Entwick-
chen Nachwuchses. lung einer zukunftsfähigen Raumfahrtstrategie unterstüt-
zen.
Raumfahrt ist zuvorderst eine technische Herausforderung.
Ständig operiert sie an der Grenze des Machbaren. Alleine
zur Überwindung des Gravitationsfeldes der Erde zur Erkun- 1.1 AKTIONSFELDER DER RAUMFAHRT
dung des Mondes und anderer Planeten sind höchste Men-
gen an gerichteter Energie erforderlich, enorme Entfernun- Raumfahrt besteht aus einer Vielfalt von Disziplinen und
gen müssen unter schwierigen und extremen Bedingungen Aktivitäten. Die „Leistungen“ der Raumfahrt beschreiben
zurückgelegt werden. Alle Raumfahrtaktivitäten sind die- die Aktivitäten im Weltraum und werden auch in der Öf-
sen Bedingungen unterworfen, sowohl in relativ erdnahen fentlichkeit mit dem Begriff Raumfahrt und Raumnutzung
Umlaufbahnen (Raumstationen bei rd. 400 km Höhe oder besonders assoziiert. Verschiedene „Nutzer“ greifen auf die
- doppelt so weit entfernt - Erdbeobachtungssatelliten) als Leistungen der Raumfahrt zurück. Um die Leistungen er-
auch Kommunikations- oder Navigationssatelliten kommer- bringen zu können, müssen vielfältige technologische Vor-
zieller Dienste in erdferneren Bahnen. aussetzungen erfüllt sein („Säulen“).

Nur wenn wir bereit sind, noch größere Anstrengungen -


ob staatlich oder privatwirtschaftlich - in Forschung und
Entwicklung zu investieren, werden wir in einem äußerst

13
Raumfahrtpolitik

Bild 1: Aktionsfelder der Raumfahrt: Säulen, Leistungen und Nutzer1 teiligung sowohl der Universitäten als auch der außeruniver-
sitären Forschung (Deutsches Zentrum für Luft- und Raum-
Nutzer

Kommerzielle Öffentliche Wissenschaft & fahrt, Max-Planck-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft


Anwender Nutzer Forschung
Deutscher Forschungszentren, Fraunhofer-Gesellschaft u. a.
Institute), hohes Maß an internationaler Kooperation, gro-
Dienstleistungen, Innovation & Bildung für...
ßes Potenzial im Bereich Bildung und Nachwuchsförderung
Erdbeobachtung in den naturwissenschaftlich-technischen Disziplinen sowie
Leistungen

Kommunikation
Weltraumwissenschaften hohe Attraktivität und öffentliche Aufmerksamkeit.
Forschung unter
Navigation Weltraumbedinungen
Exploration
Die technischen Voraussetzungen für die erfolgreiche
Durchführung der genannten Raumfahrtaktivitäten sind
in den „Säulen“ der Raumfahrt strukturiert und wie folgt
Test- & Betriebs-
Raumfahrzeuge
Raumtransport-

definiert:
Nutzlasten
Systeme

zentren
Säulen

ISS

> Raumtransportsysteme

Raumtransportsysteme (Trägersysteme) ermöglichen


den Zugang zum Weltraum und sind eine grundlegen-
Die „Leistungen“ der Raumfahrt sind äußerst vielfältig. de Voraussetzung, um die Elemente der Raumfahrt
Kommerzielle Anwendungen sind vor allem mit überhaupt umsetzen zu können. Sie transportieren
Satelliten, Sonden und Raumfahrzeuge auf ihre Bahn
— der Erdbeobachtung, im Weltraum oder auf eine Transferbahn, von der aus
— der Satellitenkommunikation und das Raumfahrzeug durch eigene Antriebssysteme sei-
— der Satellitennavigation ne Zielbahn erreicht. Europa besitzt mit der Ariane 5
und deren Weiterentwicklung mit starker Beteiligung
verbunden. Die überwiegend der Grundlagenforschung zu- der deutschen Industrie eine leistungsfähige Rakete
zurechnenden „Leistungen“ der Raumfahrt wie und verfügt außerdem über kleinere Raketen durch
Zugriff auf bilaterale Kooperationen. Die dafür benö-
— Forschung unter Weltraumbedingungen, tigten Startplätze (Kourou im französischen Guyana für
— Weltraumwissenschaften (Fernerkundung des Welt- orbitale bzw. Kiruna in Schweden für suborbitale Flü-
raums) sowie ge) und Infrastrukturen sind vorhanden. Deutschland
— Exploration (In-situ Erkundung des Weltraums) hat besondere Expertise in der Systemauslegung, in
Entwicklung und Bau von Oberstufen, in der Techno-
zeichnen sich in Deutschland durch folgende grundlegen- logie von Triebwerkskomponenten und in Testständen.
de Gemeinsamkeiten aus: Hervorragende wissenschaftliche Europa verfügt über noch kein eigenes Trägersystem für
Expertise in der Projektführung und im Nutzlastbereich, Be- bemannte Missionen.

1 Die Weltraumaktivitäten, benötigte Raumfahrtsysteme, charakteristische Teilsysteme, Märkte, Akteure, deutsche Kompetenzen und Relevanz
aus nationaler Sicht sind in dem vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im März 2010 vorgelegten Konzept für eine deutsche
Raumfahrtstrategie von Experten aus Wissenschaft und Industrie detailliert und zutreffend beschrieben (DLR 2010). Auf das Konzept wird an
dieser Stelle ausdrücklich verwiesen, dessen wesentliche Aussagen hier in Kapitel 1 zusammengefasst werden.

14
Einführung
Titel

> Raumfahrzeuge Jedem der drei Felder der Raumfahrt (Säulen, Leistungen,
Nutzer) gebührt eine eigenständige Betrachtung, die Ent-
Bei Raumfahrzeugen (Satelliten, Sonden, Internationa- wicklung von Teilstrategien und gegebenenfalls eine ge-
le Raumstation ISS) ist System- und Subsystemkompe- sonderte programmatische Umsetzung. In Summe müssen
tenz in der deutschen Raumfahrtindustrie und Subsys- in diesen Feldern die Teilstrategien so formuliert werden,
tem- und Komponentenkompetenz in mittelständischen dass sie sich optimal zu einer nationalen Raumfahrtstrate-
und kleinen Unternehmen vorhanden. gie zusammenfügen.

> Nutzlasten und Instrumente Auch wenn das vom DLR vorgelegte Konzept für eine deut-
sche Raumfahrtstrategie keine strategischen Ziele in den
Die wissenschaftliche und kommerzielle Nutzung, die definierten Feldern einfordert, sondern diese lediglich zur
dafür vorgesehene Nutzlast und ihr Zielorbit bestimmen Diskussion stellt, so unterstreicht das Konzept doch die
den Entwurf eines Raumfahrtsystems und letztlich die Vielfalt und teilweise Spitzenstellung der Raumfahrtkompe-
Qualität der gesamten Mission. Hierzu ist in deutschen tenz, die sich Deutschland bereits erarbeitet hat. Einerseits
Forschungseinrichtungen und bei der deutschen Indus- gilt es, diese Kompetenz bewusst zu erhalten. Andererseits
trie eine hohe Kompetenz vorhanden. Das Feld der An- gilt es, vorhandene Kompetenz gezielt einzusetzen, um die
wendungen und Technologien ist breit, die Nachfrage übergeordneten strategischen Ziele Deutschlands zu errei-
deutscher Beiträge zu internationalen Projekten groß. chen.

> Test- und Betriebseinrichtungen Die Aufgabenstellungen der Raumfahrt sind sehr komplex,
so dass die Implementierung der Strategie langfristig ange-
Die Verfügbarkeit von Test- und Versuchseinrichtungen legte Forschungs-, Entwicklungs- und Nutzungsprogramme
ist Grundvoraussetzung für die Entwicklung von Raum- erfordert, welche sich in drei Ebenen darstellen lassen:
fahrttechnologien bis zur Einsatzreife. Betriebsein-
richtungen sind Voraussetzung für die Durchführung — ein nationales Programm zur Verwirklichung eigener
von Raumfahrtmissionen in Eigenverantwortung. In Ziele sowie zum Aufbau nationaler fachlicher Kompe-
Deutschland bestehen hierzu vielfältige Einrichtungen. tenz und Infrastruktur, um diese etwa im Rahmen von
Vorlaufforschung erfolgreich - dort, wo als notwendig
Die Kompetenz in den einzelnen „Säulen“ kann in Deutsch- erachtet - auf die nächsten Ebenen übertragen zu kön-
land, in Europa oder international vorgehalten werden. Die nen,
deutsche Raumfahrtstrategie muss festlegen, welche deut- — ein europäisches Programm im Rahmen der European
schen Kompetenzen erforderlich sind, um die übergeordne- Space Agency (ESA) oder der Europäischen Gemein-
ten politischen Ziele zu erreichen. schaft (EU) mit typisch europäischen Zielsetzungen, bei
denen die Ressourcen aller Mitgliedsländer benötigt
Die „Leistungen“ der Raumfahrt richten sich an unter- werden oder
schiedliche „Nutzergruppen“ (kommerzielle Anwender, öf- — ein internationales Programm, welches z. B. auf den Ge-
fentliche Nutzer, Wissenschaft und Forschung) mit ihren bieten wie Umweltforschung oder Exploration globalen
jeweils unterschiedlichen Interessen. Zielsetzungen dient und Ressourcen weltweit bündelt.

15
Raumfahrtpolitik

1.2 POLITISCHE UND GESELLSCHAFTLICHE ZIELE DER von Vorgängen im Orbit und einen wirksamen Schutz
RAUMFAHRT der Weltraumsysteme im Orbit
— europäisch: Zugang zum Weltraum, Erstellung aller
Eine innovative deutsche Raumfahrtpolitik orientiert sich in Europa strategisch wichtigen Raumfahrzeuge und
an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger, der Po- Nutzlasten, Koordination europäischer Beiträge für
litik und der Wissenschaft. Diese soll vor allem auch der globale Explorations-Programme, gezielte Beiträge zur
heutigen und den nachfolgenden Generationen eine Per- europäischen Integration
spektive für eine sichere, lebenswerte Welt bieten, die auf — international: Missionen zur Förderung einer weltwei-
nachhaltigem Wachstum und Fairness bei der Verteilung ten Kultur der Kooperation in Wissenschaft, Exploration
der natürlichen Ressourcen basiert - auch und gerade wegen und Anwendung
sich stark verändernder Rahmenbedingungen. Die gesell-
schaftliche Entwicklung in den nächsten zwei Jahrzehnten > Sicherheit der Bürger/Beiträge zur Friedenssicherung
wird geprägt sein durch eine Reihe globaler Veränderun- weltweit
gen (Megatrends), deren Auswirkungen auf Deutschland
teilweise bereits heute zu beobachten sind. Die Globalisie- — Lagebeurteilung internationaler Konflikt- und Krisenherde
rung, die Ausweitung der Dienstleistungswirtschaft und — Lagebeurteilung bei Naturkatastrophen
die fortschreitende Digitalisierung von Arbeitsprozessen — zuverlässige Kommunikation und Navigation im Kon-
sind schon heute Treiber von Wohlstand und Wachstum, flikt- und Krisenfall und bei Naturkatastrophen
sie begünstigen im gleichen Maße auch Wettbewerber. Mit
dem demografischen Wandel und dem verstärkten globa- > Schutz der Umwelt
len Wettbewerb um Ressourcen und Talente muss sich das
Land aber auch in verstärktem Maße internationaler Kon- — Beurteilung globaler und regionaler Veränderungspro-
kurrenz stellen. Die gestiegene ökologische Sensibilität in zesse in Klima und Umwelt, Beiträge zur Vorhersage
der Gesellschaft schließlich verlangt nach neuen Antworten von Naturkatastrophen
auf die Frage, wie Nachhaltigkeit und ökonomischer Erfolg — Beurteilung der Einhaltung internationaler Vereinba-
dauerhaft miteinander in Einklang gebracht werden kön- rungen
nen. Diese Trends sind Herausforderungen, die als Chancen — rasche Hilfe bei Umweltkatastrophen, Entwicklungshil-
wahrgenommen und gestaltet werden müssen. Die Raum- fe für nachhaltiges Ressourcen-Management, Identifi-
fahrt leistet dabei folgende wichtige Beiträge: kation von Umweltsündern

> Deutsche bzw. europäische Souveränität vor dem > Forschung und Exploration als kulturelle Aufgabe
Hintergrund der Globalisierung und europäisches Vermächtnis, Raumfahrt als kultu-
relles Element einer Hochtechnologienation
— national: schneller, unbeschränkter Zugang zu detail-
lierten Erdbeobachtungsdaten für jeden Ort der Erde, — Erforschung des Weltraumes, Exploration
Autonomie bei der Erstellung national strategisch wich- — grundlegende Experimente in den physikalischen und
tiger Satellitensysteme einschließlich Nutzlast technisch geprägten Wissenschaften
— national/europäisch: Die zunehmende Bedeutung von — Grundlagenforschung in Naturwissenschaften und Me-
raumfahrtbasierten Diensten erfordert die Kenntnis dizin

16
Einführung
Titel

> Raumfahrt als Träger der wirtschaftlichen Entwick- zu verdeutlichen und somit die gesellschaftliche Aufge-
lung Deutschlands schlossenheit und Akzeptanz gegenüber der Raumfahrt
weiter zu stärken.
— Dienstleistungen in der Satellitenkommunikation für
Fernsehen, Telefon, Internet etc.
— Dienstleistungen im Bereich von Navigation, Erdbeob- 1.3 ERGEBNISSE DER RAUMFAHRT
achtung, Wettervorhersage, auch kombiniert mit Kom-
munikationsdiensten Raketenstarts erfolgen heute ganz überwiegend für kom-
merzielle Kommunikationssatelliten, die Fernsehempfang
> Erhaltung der Lebensqualität zu Hause oder schnelle Internetverbindungen ermöglichen.
In der Erdbeobachtung sind ebenfalls Firmen am Markt ak-
— Sicherstellung von ziviler Sicherheit, Bildung, freier In- tiv, die hoch auflösende Kameras in die Umlaufbahn brin-
formationsaustausch, Kommunikation, Mobilität, Logis- gen und Bilder anbieten, die Details bis zur Größenauflö-
tik sung von einem halben Meter oder weniger zeigen. Derzeit
sind über 800 Satelliten für zivile und militärische Dienste
> Raumfahrt als Faktor für die Entwicklung hin zu im Einsatz. In Bereichen wie Wettervorhersage, Umwelt-
einer dynamischen, wissensbasierten und wettbe- schutz und Schadensbemessung bei Umweltkatastrophen
werbs-orientierten Gesellschaft zeichnet sich bereits ein Übergang von heute noch staatlich
finanzierten zu kommerziellen Dienstleistungen ab. Alle
— internationale Konkurrenzfähigkeit/Kooperationsfähig- diese Dienstleistungen stellen eine Grundlage für weitere
keit wirtschaftliche Tätigkeiten dar (z. B. Endgeräte-Hersteller,
— Erhöhung der Anzahl von Ingenieuren und Naturwis- Mehrwert-Dienstleistungen). Alle weiteren im vorigen Kapi-
senschaftlern durch Raumfahrt als Motivation tel aufgeführten politischen und gesellschaftlichen Zielset-
zungen sind vorrangig von staatlichen Leistungen abhän-
> Ausbau des Hochtechnologie-Standortes Deutsch- gig. Diese müssen von einer national geprägten und auf
land europäischer Ebene zu vermittelnden Raumfahrtstrategie
so entwickelt werden, dass ein langfristiger, sich über Jahr-
— Weiterentwicklung neuer Produkte und Verfahren in Ma- zehnte erstreckender politischer Gestaltungswille erkenn-
terialwissenschaften, Physik, Biologie und Medizin auf bar ist. Bisherige und zukünftig erwartbare Ergebnisse von
der Basis von Forschungsergebnissen aus der Raumfahrt Aktivitäten und Transferleistungen der Raumfahrt sind:
— Dienstleistungen zur Erhöhung der Lebensqualität äl-
terer Menschen, wie digitale Präsenz, Netzwerkbildung, > Satellitentelekommunikation
Telemedizin
Kommerzielle europäische Dienstleister wie z. B. Astra, In-
Bei der Umsetzung von Raumfahrtprojekten zu diesen marsat und andere setzen große Satelliten für Fernsehen,
Zielen ist es wichtig, durch eine offene und attraktive Ver- Telefonie und Internet ein und bieten auf einem etablier-
mittlung in Medien und Öffentlichkeit die Faszination der ten, aber immer noch stark wachsenden globalen Markt
Raumfahrt stets aufs Neue zu wecken, die bereits bestehen- ihre Leistungen an. Europäische Satellitenhersteller produ-
de Abhängigkeit der Gesellschaft von Raumfahrtnutzung zieren diese bis zu sechs Tonnen schweren Satelliten, wel-

17
Raumfahrtpolitik

che Satellitendaten von Ereignissen in Politik, Sport und im mosphäre ungestörten Beobachtung des Weltraums (Welt-
Krisenfall rasch verteilen. Die Raumfahrtindustrie weist der- raumwissenschaften). Die Erdbeobachtung umfasst die
zeit einen stetigen Zuwachs im zweistelligen Prozentbereich Abbildung der Erdoberfläche und der Atmosphäre in ver-
sowohl am kommerziellen wie auch institutionellen Markt schiedenen Spektralbereichen zur Bestimmung physikali-
auf. Stagnierte der Umsatz in den Kategorien Satelliten/ scher Eigenschaften und chemischer Zusammenhänge von
Nutzlasten und Raketen/Transport in den vergangenen Erde, Meeren und Atmosphäre. Die Vorhersage des Wetter-
Jahren eher, so stieg das Geschäftvolumen bei Betriebs- geschehens, von Umweltbedingungen und Trends durch
und Bodensegmenten und darauf basierten Dienstleis- Messung relevanter Parameter wie Schadstoffkonzentrati-
tungen stark an, wobei in den ersten beiden Kategorien onen, Anstieg der mittleren Temperaturen und von Meeres-
mit je etwa gleichen Anteilen an öffentlicher und privater höhen sowie das Erkennen des anthropogenen Einflusses
Finanzierung deutlich weniger Erlöse erzielt wurden als im zeigt bereits Wirkung auf politische und gesellschaftliche
Dienstleistungsgeschäft, das von privaten Investoren be- Entscheidungen und Präferenzen. Kommerzielle Möglich-
stimmt wird. keiten wie Google Earth und zukünftige Systeme mit dedi-
zierten Leistungen durch Fusion der Daten von Galileo und
> Satellitennavigation und -ortung von multispektralen Beobachtungssatelliten werden neue
Anwendungen ergeben.
Satellitenbasierte Navigations- und Ortungssysteme sind
heute fester Bestandteil des Alltags. Zukünftige GNSS > Beobachtende Weltraumwissenschaften
(Global Navigation Satellite System) wie Galileo werden
für kommerzielle Anwendungen wie den automatisier- Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen unser
ten Straßen- und Schienenverkehr zusätzliche Dienste mit Sonnensystem und seine Planeten, unsere Galaxie – die
hohen Anforderungen in punkto Genauigkeit, Integrität, Milchstraße mit ihren 100 Milliarden Sternen und die 100
Kontinuität, Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit anbieten. Milliarden anderen Galaxien. Die Beantwortung noch unge-
Intelligente Verkehrsleit- und Mautsysteme, letztere bereits löster Zusammenhänge zwischen Big Bang und kosmologi-
für Autobahnen demonstriert, werden zur Schonung von scher Entwicklung, der Bildung kompakter Sterne mit extre-
Umwelt, Ressourcen und zur Sicherheit eingesetzt werden. men Dichten und kosmischer, hochenergetischer Strahlung,
Fahrzeuge werden den Fahrbahn- und Verkehrsverhältnis- der Entwicklung von Galaxien und die Rolle der Dunklen
sen angepasst und durch Assistenzsysteme geleitet werden. Materie sowie der Dunklen Energie stehen im Vordergrund.
Die Verbindung mit terrestrischen und satellitengestützten Fragen zur Entstehung von Sternen, zu den Auswirkungen
Informations- und Kommunikationssystemen wird weltweit von Sternexplosionen und gar Galaxien-Kollisionen sind
das gegenwärtige Wachstum dieses Segmentes weiter ver- weitere Aspekte. Ein besseres Verständnis der Eigengravi-
stärken. Sie belegt auch, wie fließend die Übergänge zwi- tation und Kühlung interstellarer Gase, von Kernfusions-
schen raumfahrtgestützter Infrastruktur und terrestrischer Reaktionen und ihrer Bedingungen bzw. Wirkungen sowie
wirtschaftlicher Anwendung sein können. der Dynamik und Energieflüsse im Innern von Sternen und
Planeten kann zu einer Lösung führen.
> Erdbeobachtung
Wir wissen heute um mehrere Größenordnungen mehr als
Wissenschaft und Forschung nutzen den „Standortvorteil zu Beginn des Raumfahrtzeitalters, doch neue Fragestellun-
Weltraum“ für die Sicht auf die Erde und zur von der At- gen für Astro- und Elementarteilchenphysik tun sich auf.

18
Einführung

> Forschung unter Weltraumbedingungen > Exploration

Schwerelosigkeit, Vakuum und Weltraumstrahlung charakteri- Die Exploration des Weltraums umfasst alle Aktivitäten zur
sieren Eigenschaften, welche für die Forschung im Weltraum, Vorbereitung und Durchführung von zunächst robotischen
etwa an Bord der Internationalen Weltraumstation ISS, ge- und später bemannten Missionen, um Himmelskörper in
nutzt werden. Der Weltraum als Labor ermöglicht ein besseres unserem Sonnensystem in situ zu erkunden und zu erschlie-
Verständnis der Entstehung und Entwicklung von Leben, Er- ßen. Ziel ist es, den menschlichen Wirkungskreis über die
forschung grundlegender Naturgesetze in der Physik, geziel- Grenzen der Erde hinaus auszuweiten. Hierzu ist die Ent-
tes Materialdesign für innovative Herstellungsverfahren auf wicklung neuer Technologien und Infrastrukturen notwen-
der Erde und die Entwicklung innovativer Präventions-, Diag- dig. Aufgrund der physikalischen Gegebenheiten ist die
nose- und Rehabilitationsmethoden in der Medizin. Die „klas- bemannte Exploration auf absehbare Zeit auf wenige Ziele
sischen“ Bereiche Material- und Fluidphysik, die auf eine sehr in unserem Sonnensystem beschränkt, den Mond und Po-
erfolgreiche Forschungsgeschichte zurückblicken, sind über- sitionen in der Nähe des Erde-Mond-Systems, erdnahe und
raschend durch eine Reihe neuer Gebiete erweitert worden. potenziell gefährliche Asteroiden, Kometen und den Mars.
Diese befassen sich mit Themen, die sich vom Allerkleinsten
(Quantenphysik) bis zum Allergrößten (Relativitätstheorie) Die Erkundung des Weltraums weckt eine große Faszina-
erstrecken und könnten wegen ihrer grundlegenden Trag- tion in der Öffentlichkeit und insbesondere der Jugend,
weite unser Weltbild signifikant verändern. Bahnbrechende weil sie in besonderem Maße kulturelle, wissenschaftliche
Mikrogravitations-Experimente haben seitdem neue Erkennt- und politische Zielsetzungen miteinander vereint und den
nisse geliefert und bestehendes Fachbuchwissen revidiert. Die menschlichen Geist beflügelt. Dies gilt im besonderen Maß
Anwendung der Erkenntnisse auf terrestrische Prozesse und für bemannte Missionen.
Produkte spielt hierbei eine zentrale Rolle.
Die Internationale Raumstation ISS als der Erde naher
Neben der Analyse einzelner Gene oder Proteine geht es in Weltraumstützpunkt ist aus europäischer Sicht zunächst als
der Biologie um das Verständnis des gesamten lebenden Plattform für die Forschung unter Weltraumbedingungen
Systems (systembiologischer Ansatz). Auch in der Medizin vorgesehen worden. Deutschland hat die bemannte Raum-
und in der humanphysiologischen Forschung allgemein fahrt national und unter dem Dach der ESA aus einem his-
sind die letzten Jahrzehnte gekennzeichnet durch eine star- torischen Vermächtnis heraus implizit begründet (Hermann
ke Spezialisierung auf kleinste Fachbereiche und Fachfra- Oberth, Wernher von Braun, Eugen Sänger) und explizit mit
gen. In der Raumfahrt zwingen jedoch die Verfügbarkeit utilitaristischen d. h. forschungsspezifischen Argumenten
weniger Versuchspersonen und -objekte und die Beurtei- verantwortet. Trotz des relativ kleinen ESA-Anteils von 8%
lung und Behandlung aus der Ferne, sich auf den gesam- (davon Deutschland ca. 40%) für Aufbau, Betrieb und Nut-
ten Menschen als integratives System zu konzentrieren. Die zung der ISS sind daraus hinsichtlich der Ergebnisse weit
Raumfahrtmedizin nimmt eine VorreitersteIlung ein und sichtbare Erfolge in Wissenschaft und Entwicklung von
fördert ein Umdenken vor allem für Bereiche wie Evolution, Infrastrukturen (Europäisches Astronautenzentrum, Ent-
Alternsforschung, psychophysiologische Anpassung und Te- wicklung des Columbus-Labors und -Kontrollzentrums und
lemedizin, d. h. Ferndiagnose und -therapie. deren Betrieb), weltweit führende industrielle Kompeten-
zen bei Entwicklung und Bau von Mehrzweck-Laboranlagen
und mit zehn weltraumerfahrenen Astronauten Kompeten-

19
Raumfahrtpolitik

zen entstanden, die im Moment für die Zeit nach Beendi- Energieerzeugung, -speicherung und -wandlung: Verbes-
gung der ISS zur Disposition gestellt werden. Exploration ist serte Werkstoffe und Technologien zu Photovoltaik und
ein globales und generationenübergreifendes Unterfangen, Solardynamik haben den Wirkungsgrad deutlich erhöht.
dessen nächste Etappen noch zu definieren sind. Wichtige grundlegende Forschung zu Brennstoffzellen und
Lithium-Ionen-Batterien wurden geleistet.
> Innovationen und Technologietransfer
Regenerative Stoffwirtschaft: Neue Entwicklungen von
Ein innovativer Bereich wie die Raumfahrt schafft für die Lebenserhaltungssystemen für die ISS und für Explorati-
Umsetzung seiner Missionen Technologien, die anschlie- onsmissionen durch eine effiziente Kreislaufwirtschaft, da-
ßend auch in anderen Bereichen Anwendung finden kön- durch auch neue Erkenntnisse und Techniken zu Ökologie
nen. Dieser Transfer ist weder planbar noch Hauptmotivati- und Nachhaltigkeit.
on für die einzelnen Missionen, liefert aber einen wichtigen
Beitrag zur gesellschaftlichen langfristigen Nutzung von Vielfältige klinisch-medizinische Anwendungen mit inno-
Raumfahrttechnologie. vativen Verfahren: Messung von Augeninnendruck, Kno-
chendichte, Zusammensetzung der Atemgase mit großer
Für den Technologietransfer aus der Raumfahrt in terrestri- zeitlicher Auflösung, Verteilung und Druck von Körper-
sche Applikationen, bei denen Deutschland Spitzenleistun- flüssigkeiten; Plasma-Medizin - eine neue Entwicklung mit
gen vorweisen kann, seien einige wenige Beispiele genannt: enormen Potenzialen im Bereich der persönlichen Hygiene,
der professionellen Hygiene, der Lebensmittelhygiene, der
Kristallzüchtung: Bei der Herstellung großer Einkristal- Haushaltshygiene, der Dermatologie und der medizini-
le erfolgte ein großer Schritt von Empirie zu Systematik. schen Wundbehandlung, die durch das erworbene Know-
Kristallzucht-Methoden und -Wissen wurden übernommen how mit kalten Plasmen (Plasma-Kristall-Experimente auf
und bilden die neue Basis für Kristallzuchtanlagen in der der Internationalen Raumstation) maßgeblich geprägt und
Industrie. Der Zusammenhang von Entstehung, Dichte und ermöglicht wurde.
Typ von Kristalldefekten sowie Stoff- und Wärmetransport
wurde verstanden. Magnetfelder und hochviskose Schmelz- Telekommunikation: Lasertechnologien sowie effiziente
abdeckungen sind heute Stand der Kristallzucht. Modulations- und Codierungsverfahren für höchst breit-
bandige, zuverlässige Datenkommunikation von und zum
Materialwissenschaften: Das Verständnis der physikali- Weltraum und für terrestrische Anwendungen.
schen und chemischen Prozesse von der atomaren Skala im
Nanometer-Bereich bis zu den Dimensionen des Werkstücks Zeitmessung: Höchstgenaue, globale Zeitübertragung und
und über den Zusammenhang von Werkstoffeigenschaften -Verteilung nicht nur für Navigationsaufgaben, sondern
und Prozessbedingungen ist entscheidend verbessert wor- auch für andere terrestrische Anwendungen, etwa zur Syn-
den; konvektive Einflüsse bei der Erstarrung von Metallen chronisation von Netzen für Datenkommunikation und für
auf Morphologie und die Herstellung von Verbundwerk- die Energieversorgung sowie zur Nutzung in den Grundla-
stoffen sind heute bekannt. Neue Grundlagen der Gießerei- genwissenschaften.
technik steigerten die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie.
Es entstanden Hochtemperatur-Werkstoffe mit neuartigen
Anwendungen, beispielsweise die Keramikbremse.

20
Einführung
Titel

Fernerkundung der Erde: Wetterunabhängige, satellitenge-


stützte Radartechnik sowie Radar-Interferometrie, mit bei-
spielhafter Anwendung der Public Private Partnership.

Geowissenschaften: Nationale und deutsch-amerikanische


Satellitenmissionen ermöglichen neue Entwicklungen für
die Grundlagenwissenschaften, den Katastrophendienst
und für neue, satellitengestützte Raumfahrtanwendungen.

21
Raumfahrtpolitik

2 POLITISCHE LEITLINIEN

2.1 NEUE HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE DEUTSCHE — Die erweiterten Funktionen bei ESA und EU erfordern
UND EUROPÄISCHE RAUMFAHRT eine aktive, gestaltende Rolle Deutschlands auch
innerhalb dieser Organisationen. Die Bereitstellung
Die europäische sowie die deutsche Raumfahrt stehen vor kompetenten und erfahrenen deutschen Personals, ins-
massiven Herausforderungen, die weitreichende Verände- besondere in Führungsfunktionen, ist von wesentlicher
rungen mit sich bringen. Die deutsche Raumfahrtpolitik Bedeutung und muss intensiviert werden.
und eine daraus abgeleitete umfassende und vernetzte — Die Europäisierung betrifft nicht nur die Institutionen
Raumfahrtstrategie müssen auf diese Herausforderungen von EU, ESA und EUMETSAT (European Organisati-
reagieren und Antworten auf allen wesentlichen Ebenen on for the Exploitation of Meteorological Satellites),
definieren: sondern auch die Industrie und die Ausbildung. Viele
Absolventinnen und Absolventen der deutschen Hoch-
— Die Anziehungskraft und die Erfolge der Raumfahrt schulen aus dem Bereich Luft- und Raumfahrttechnik
und ihrer Anwendungen machen diese zunehmend zu suchen ganz gezielt Arbeitsplätze bei europäischen
einer globalen Unternehmung. Aufstrebende Länder Unternehmen. Global agierende Firmen wie Astrium
wie China, Indien, Korea und Brasilien erweitern signi- (eine Tochter der EADS European Aeronautic Defence
fikant ihre Raumfahrtaktivitäten im zivilen und militä- and Space Company), Thales oder die Firma OHB (Orbi-
rischen Bereich. Insbesondere neue Anwendungen bei tale Hochtechnologie Bremen) mit ihren europäischen
Erdbeobachtung, Navigation und Telekommunikation Beteiligungen bieten attraktive Arbeitsplätze für die
finden zunehmend Interesse, da sie für ihre Bürger und Besten ihres Faches. Um die talentiertesten, an deut-
ihre politischen Ziele von großem Wert sind. Dies gilt schen Hochschulen qualifizierten Fachkräfte im Lande
zunehmend auch für Entwicklungsländer. Die deutsche zu halten oder an geeignete Stellen in europäischen
Raumfahrtpolitik muss dieser vielversprechenden glo- Institutionen und Firmen zu vermitteln, bedarf es eines
balen Entwicklung Rechnung tragen. attraktiven Lehr- und Forschungsprogramms an deut-
— Europa steht nach dem Inkrafttreten des Lissabon-Ver- schen Hochschulen, das dem internationalen Umfeld
trages1 vor einer weitgreifenden Veränderung der Rol- gerecht wird und die typischen Stärken der nationalen
lenverteilung zwischen EU und ESA. Diese neue Rollen- Ausbildung in klassischen Ingenieurdisziplinen und Sys-
verteilung wird auch wesentliche Auswirkungen auf die temtechnik durch eine kontinuierliche Förderung durch
nationalen Raumfahrtprogramme haben. Daher gilt es Bund und Länder ausschöpft.
in den kommenden Jahren, diese neuen Rollen - unter — Die Ausweitung der Raumfahrtaktivitäten insbesonde-
Einbindung aller beteiligten Partner - optimal zu gestal- re im Hinblick auf anwendungsorientierte Programme
ten und auszufüllen. Es wird erwartet, dass mittelfristig hat in Deutschland zu einer signifikanten Zunahme
die Anzahl der Mitgliedsländer in der ESA beträchtlich verantwortlicher Ministerien im Bund und in den Bun-
zunimmt. Um die europäische Kooperation effektiv zu desländern geführt. Dies erfordert neue Maßnahmen
gestalten, wird eine Anpassung der ESA-Konvention un- bei Koordination und Abstimmung bei der Implemen-
erlässlich. Weiterhin ergeben sich neue Möglichkeiten tierung der deutschen Raumfahrtstrategie.
für langfristig angelegte strategische Partnerschaften.

1 Der Lissabon-Vertrag, der am 1. Dezember 2009 in Kraft trat, eröffnet der Europäischen Union unabhängig von ihren Mitgliedsstaaten die
Möglichkeit, ein eigenes Raumfahrtprogramm ins Leben zu rufen und in Zusammenarbeit mit der Europäischen Weltraumorganisation (ESA)
eine europäische Raumfahrtpolitik auszuarbeiten (Art. 172a).

22
Politische Leitlinien

— Insbesondere neue Anwendungen auf den Sektoren Te- Im Kapitel 1.2 „Politische und gesellschaftliche Ziele der
lekommunikation, Erdbeobachtung, Navigation sowie Raumfahrt“ sind Forschung und Exploration als gesell-
deren Vernetzung eröffnen breite wirtschaftliche Mög- schaftlich-kulturelle Aufgabe und europäisches Vermächt-
lichkeiten. Weiterentwickelte partnerschaftliche Regel- nis angesprochen. Doch auf keinem der Aktionsfelder der
werke und Instrumente zwischen der öffentlichen Hand Raumfahrt besteht in Europa und vor allem in Deutschland
und der Industrie sind notwendige Voraussetzung für so viel Ungewissheit und Unentschlossenheit für eine ei-
eine erfolgreiche wirtschaftliche Umsetzung und soll- gene Position wie zur Zukunft der bemannten Raumfahrt.
ten entwickelt und eingesetzt werden.
— Die beträchtlichen neuen Herausforderungen müssen Dabei hat Deutschland, implizit durch historische Wurzeln
in Einklang gebracht werden mit den vorhandenen begründet, seit Mitte der 1970er Jahre in Europa die wich-
Stärken der deutschen Raumfahrtforschung und der tigsten Beiträge zur bemannten Raumfahrt geleistet. War
Raumfahrtindustrie. Die erreichten Spitzenpositionen dies zunächst die Beteiligung an Spacelab (mit ca. 50%
in der Weltraumwissenschaft, in der bemannten Raum- des ESA-Anteils), so setzte sich das deutsche Engagement
fahrt sowie bei Technologien für Anwendungs- und In- bei der Internationalen Weltraumstation ISS auf weiterhin
frastrukturprogramme müssen im nationalen Rahmen hohem Niveau fort (mit ca. 40% des ESA-Anteils).
weiter ausgebaut und bei europäischen und internatio-
nalen Kooperationen gezielt eingesetzt werden. Ungeachtet dessen zeichnet sich gegenwärtig keine ver-
antwortungsvolle Weiterentwicklung entsprechender Akti-
> acatech empfiehlt vitäten für die Zeit nach Beendigung der ISS ab. Erstmals
seit 30 Jahren wird auf europäischer Ebene kein entspre-
Die neuen Herausforderungen und die damit veränder- chendes, größeres Entwicklungsprojekt für die kommenden
ten Rahmenbedingungen erfordern eine Anpassung der Jahrzehnte und die Zeit nach Beendigung der ISS disku-
deutschen Raumfahrtpolitik und eine kohärente deutsche tiert noch strategisch geplant. Dies erfolgt im Gegensatz
Raumfahrtstrategie, die nationalen, europäischen und in- zum Strategiewechsel der neuen Administrationen in den
ternationalen Aspekten gleichermaßen Rechnung trägt. USA, welcher erhöhte Anstrengungen in Aussicht stellt in
Die deutsche Raumfahrtstrategie muss klare Ziele hinsicht- der Umsetzung des Augustine-Reports2 und der Direktive
lich der programmatischen Inhalte einschließlich Zeithori- des Präsidenten,3 nach welcher die bemannten Missionen
zont und Budgetrahmen festlegen. sich in den nächsten zwei Jahrzehnten in Richtung eines
„flexiblen Weges, verstärkter internationaler Zusammenar-
Ebenso müssen die deutschen Positionen bei übergreifen- beit und Entwicklung neuer Raumfahrttechnologien“ und
den Fragen wie die der zukünftigen Rollenverteilung ESA/ damit anspruchsvolleren Zielen in Richtung Asteroiden und
EU und der Ausbildung und Bereitstellung kompetenten Marsmissionen entwickeln sollen.
Personals klar definiert werden. Zwischen Bund und Län-
dern sind Maßnahmen zur verbesserten Koordination und
Abstimmung einer deutschen Raumfahrtstrategie erforder-
lich.

2 NASA 2009.
3 Obama 2010.

23
Raumfahrtpolitik

> acatech empfiehlt — Werden im Rahmen eines internationalen Programms


europäische Astronauten zum Mond, zum Mars oder zu
Das wichtigste europäische Programm unter Führung anderen Zielen fliegen?
Deutschlands, dem in nationalen wie europäischen Raum- — Wird Deutschland in solchen Programmen die europäi-
fahrtstrategien noch Visionen und Ziele für die Zeit nach sche Führungsposition erhalten wollen oder den Verlust
der ISS eingeräumt werden müssen, ist die bemannte langfristig aufgebauter Fähigkeiten in Kauf nehmen?
Raumfahrt. Exploration mit Astronauten ist ein Generati-
onen übergreifendes Unterfangen, das gerade in Deutsch-
land wegen seiner historischen Wurzeln auf breitester Basis 2.2 BEDEUTUNG DES NATIONALEN RAUMFAHRTPRO-
diskutiert und dessen Ziele unter Berücksichtigung gesell- GRAMMS
schaftlich-kultureller Argumente definiert und strategisch
durch entsprechende Technologieprogramme begonnen Raumfahrtpolitik und -strategie wird in den drei Ebenen na-
werden müssen. tionales, europäisches und internationales Programm um-
gesetzt und durch diese bestimmt. Das Raumfahrtmanage-
Je früher sich die ESA unter Fortsetzung der Federführung ment des DLR formuliert daraus konkrete Programme, die
Deutschlands darauf einstellt, desto eher kann erreicht wer- durch Wissenschaft und Industrie letztendlich umgesetzt
den, dass zukünftige Explorationsprogramme technisch-wis- und verwirklicht werden.
senschaftlich und gesellschaftlich-kulturell entsprechend
unserer Tradition mitbestimmt werden können. Daher er- Das nationale Programm definiert dabei maßgeblich die
scheint es vordringlich, die bisherige Unentschlossenheit deutsche Rolle im europäischen und internationalen Kon-
und Zurückhaltung Deutschlands abzulegen und coura- text und ist als Sprungbrett für europäische und internati-
giert Ziele, Chancen sowie Risiken zukünftiger Programme onale Beteiligungen unerlässlich. Insbesondere umfangrei-
der bemannten Raumfahrt auf breiter Ebene zu diskutie- chere Programme, z. B. bei Umwelt, Navigation, Sicherheit,
ren und die Exploration nicht vorschnell und exklusiv auf Raumtransport, Exploration und im wissenschaftlichen Be-
eine Durchführung durch robotische Systeme zu verkürzen reich erfordern häufig gezielte nationale Vorbereitung durch
oder sich auf Technologiebeiträge zu den Missionen von Vorentwicklung kritischer Technologien oder durch demons-
Drittländern zu beschränken. Für die bemannte Exploration trative Vorprojekte. Nationale Projekte können so als Leucht-
jenseits der nahen Erdumlaufbahn als globale Unterneh- türme im abgestimmten europäischen bzw. internationalen
mung sollte Deutschland in europäischer Zusammenarbeit Kontext definiert und erfolgreich umgesetzt werden.
frühzeitig politische Prioritäten setzen und technologische
Felder für eine robuste sichtbare Beteiligung als unverzicht- Dies macht deutlich, dass das nationale Programm in
barer Partner definieren. eine schlüssige langfristige Gesamtstrategie eingebettet
sein muss, die Schwerpunkte für nationale, europäische
Aus Sicht von acatech sind folgende drei Fragen vordring- und internationale Raumfahrtaktivitäten definiert und
lich zu beantworten: festschreibt. Nur so kann Deutschland strategische Einzel-
schwerpunkte für prioritäre Bereiche festlegen und lang-
— Welche Zukunft hat die Internationale Raumstation fristig konsolidiert umsetzen. Ein Mangel an langfristiger
ISS? nationaler Zielsetzung hat Deutschland in der Vergangen-

24
Politische Leitlinien

heit oft in schwierige Situationen im europäischen Rahmen den, um diese Aufgabenstellung in ähnlicher Weise wie
versetzt. Investitionen etwa auf den Feldern Automation bei vergleichbaren europäischen Ländern z. B. Frankreich
und Robotik haben weder in der Satellitentechnik (Repa- oder Italien zu erfüllen. Klare Prioritätensetzung bezüglich
ratur des deutschen TV-Satelliten TV-Sat1) noch in der technologischer Ziele und der angestrebten Missionsziele
bemannten Raumfahrt trotz Priorisierung bisher zu Erfol- einschließlich Budget- und Zeitrahmen sind notwendige
gen geführt, die mit Kanada beziehungsweise den USA Voraussetzungen für eine erfolgreiche nationale Strategie.
vergleichbar wären. Denkbare und viel diskutierte Spin-offs
etwa für die minimalinvasive Chirurgietechnik werden der- Zudem sollte das nationale Programm erheblich zur in-
zeit hauptsächlich von amerikanischen Firmen realisiert. haltlichen Gestaltung langfristig angelegter strategischer
Allianzen mit europäischen Partnern beitragen. Neben den
Die anhaltende Unentschlossenheit bei der Festlegung von bisherigen Partnern in der ESA sind die neuen osteuropä-
Zielen und Inhalten von Explorationsmissionen führte zu ischen Mitgliedsländer der EU als potenzielle zukünftige
einer Halbierung des entsprechenden Teils des ESA-Etats ESA-Mitgliedsländer von besonderer Bedeutung, um die
auf ca. 10% bis hin zur gänzlichen Beendigung größerer deutsche Vernetzung zu verbessern.
Entwicklungsaufgaben bei der Industrie und nun zur Ab-
schaffung des entsprechenden ESA-Direktorats.
2.3 INTEGRIERTES MANAGEMENT DER RAUMFAHRT-
Entscheidend für eine Verbesserung der Situation ist jedoch AKTIVITÄTEN
eine rechtzeitige Verständigung mit den anderen europä-
ischen Partnern. Insbesondere mit den Hauptakteuren in Die nationalen Raumfahrtaktivitäten werden vornehmlich
Agenturen und Industrie aus Frankreich und Italien ist ein durch den Bund getragen; in der Vergangenheit hat sich die
intensiver Austausch notwendig, um die jeweiligen natio- Anzahl der verantwortlichen Bundesministerien jedoch deut-
nalen Prioritäten und die arbeitsteilige Aufgabenverteilung lich erhöht (Bundesministerium für Wirtschaft und Techno-
in Europa frühzeitig abzustimmen. logie/BMWi, Bundesministerium der Verteidigung/BMVg,
Bundesministerium für Bildung und Forschung/BMBF,
Neue strategische Partnerschaften mit technologisch und Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung/
programmatisch interessierten ESA-Mitgliedsstaaten, insbe- BMVBS). Zudem steuern auch einzelne Bundesländer eigene
sondere potenziell neuen EU-Mitgliedsländern aus Osteu- Finanzmittel bei und prägen die jeweilige Projektausgestal-
ropa, könnten zudem genutzt werden, um die europäische tung zusätzlich. In zunehmendem Maß sind darüber hinaus
Vernetzung Deutschlands zu intensivieren und somit unsere auch Forschungsinstitutionen (z. B. DFG, HGF, MPG) sowie
Wettbewerbssituation zu verbessern. Hochschulen an Raumfahrtaktivitäten durch eigene Mittel
beteiligt. Es gilt, alle Beteiligten verbessert zu koordinieren
> acatech empfiehlt und sie in die Definition und Umsetzung der deutschen
Raumfahrtstrategie enger einzubinden.
Das nationale Programm muss einerseits eigenständige
Ziele verfolgen und zum anderen vorbereitende Aktivitäten Die Mitwirkung mehrerer Bundesministerien am nationa-
für europäische und internationale Programme umfassen. len und europäischen Raumfahrtprogramm erfordert eine
Das nationale Programm sollte daher weiter gestärkt wer- effektive nationale Koordination deren Fördermittel. Dies

25
Raumfahrtpolitik

könnte z. B. durch die Wiederbelebung des Staatssekretär- Die Umsetzung der deutschen Raumfahrtstrategie sollte
ausschusses unter der Leitung des Bundeskanzleramts er- einer einzigen Organisation mit gesamtverantwortlichem
reicht werden, welcher Anfang bis Mitte der 1990er Jahre Management zur Implementierung aller nationalen, eu-
entsprechende Abstimmungen herbeiführte. ropäischen und internationalen Raumfahrtaktivitäten
Deutschlands übertragen werden.
Durch eine regelmäßige Einbeziehung und Abstimmung
der Interessen der Bundesländer können deren wichti-
ge Beiträge als zusätzliche Teilelemente einer deutschen 2.4 ROLLENVERTEILUNG ZWISCHEN ESA UND EU
Raumfahrtstrategie besser reflektiert und somit langfristig
zielführend berücksichtigt werden. Mit dem Vertrag von Lissabon wurde der EU erstmals eine
explizite Kompetenz in der Raumfahrt zugesprochen. Hier-
Auch die universitäre Bildung und Forschung muss als bei handelt es sich um eine „parallele“ Kompetenz, welche
wichtiges Teilelement in die deutsche Raumfahrtstrategie die Kompetenz der Mitgliedsstaaten und somit auch die
stärker als bislang einbezogen werden. Hierdurch wird ge- der ESA nicht einschränkt. Ein genereller Führungs- bzw.
währleistet, dass regionale, innovative Forschungs- und Ent- Koordinierungsanspruch der EU in der Raumfahrt folgt
wicklungsthemen der Hochschulen frühzeitig in den natio- somit nicht aus dem Lissabon-Vertrag, allerdings erlaubt
nalen und europäischen Kontext eingebunden und somit der Vertrag prinzipiell die fallweise und jeweils noch zu
optimal unterstützt werden können. entscheidende Wahrnehmung einer solchen Funktion über
die beiden von EU und ESA bislang gemeinsam durchge-
Die für das Raumfahrtmanagement verantwortliche Organi- führten Projekten Galileo (europäisches Satellitennavigati-
sation muss ein geeignetes Gremium zur regelmäßigen Ab- onssystem) und GMES (Global Monitoring for Environment
stimmung mit Forschungseinrichtungen und der Industrie and Security) hinaus.
etablieren. Effektive und kontinuierliche Beratung kann so auf
beiden Seiten erfolgskritische Informationslücken schlie- Nicht geändert wurden durch den Lissabon-Vertrag die ge-
ßen. nerellen Rahmenbedingungen beispielsweise für Beschaf-
fung/Industriepolitik sowie Finanzmanagement, unter de-
> acatech empfiehlt nen EU-finanzierte Raumfahrtaktivitäten wie Galileo und
GMES durchzuführen sind. Diese Rahmenbedingungen
Die Beteiligung mehrerer finanzierender Bundesministe- haben sich für die Raumfahrt in der EU nur als bedingt ge-
rien am Raumfahrtprogramm erfordert eine regelmäßige eignet erwiesen. So konnten die EU-Beschaffungsverfahren
Koordination und Abstimmung bei übergeordneten politi- weder eine weitere Konzentration der Industrie verhindern
schen und strategischen Maßnahmen beispielsweise durch noch eine ausgeglichene Beteiligung der Industrien der
die Wiederbelebung des Staatssekretärausschusses. Dieser Mitgliedsstaaten an Raumfahrtprogrammen sicherstellen.
Ausschuss sollte auch die übergeordnete Abstimmung mit Zudem eignen sich die Finanzinstrumente/-mechanismen
Länderinteressen sowie die grundsätzlichen Belange der der EU nicht dazu, um die in Hochtechnologieprojekten
Forschung, Ausbildung und der Industrie durch geeignete häufig auftretende Thematik von Eigenbeteiligung, Mehr-
Maßnahmen wahrnehmen. kosten und Langzeitverpflichtungen angemessen behan-
deln zu können. Vor diesem Hintergrund gilt es, bei EU und

26
Politische
Titel
Leitlinien

ESA zu einer klaren Aufgabenteilung zu kommen und die ganzheitliche europäische Raumfahrtstrategie sowie den
beiden Organisationen gemäß ihrer Stärken optimal für die darin enthaltenen Programmen ausgestattet werden.
europäische Raumfahrt einzusetzen.
Als wesentliche Elemente sollten dabei berücksichtigt wer-
Die EU wird jedoch bei der Formulierung rechtlicher Rah- den:
menbedingungen (insbesondere in den Anwendungsfel-
dern) eine wachsende Bedeutung einnehmen. Datenpolitik — ESA muss eine eigenständige Organisation bleiben.
für die Erdbeobachtung und Regulierungsfragen der Tele- — ESA setzt, im Auftrag der EU, beschlossene EU-Program-
kommunikation und Navigation werden bereits jetzt auf me gemäß EU-Regeln um.
europäischer Ebene bearbeitet und müssen von Deutsch- — ESA ist primär für die Finanzierung von Entwicklungs-
land aktiver mitgestaltet werden, um die Interessen der aktivitäten, EU ist primär für die Finanzierung von Be-
deutschen Betreiber und der deutschen Industrie zu berück- trieb, Nachkäufen und Diensten verantwortlich. Über-
sichtigen. lappungen müssen vermieden werden.
— ESA berücksichtigt alle Mitgliedsländer der EU (zusätz-
Dem Europäischen Weltraumrat (Space Council) kommen lich Schweiz und Norwegen) auf Grundlage eines ange-
in diesem Kontext wichtige zukünftige Aufgaben zu. In sei- passten ESA-Regelwerks (z. B. Beschaffungsordnung, In-
nen Verantwortungsbereich könnten dabei insbesondere dustriepolitik, Entscheidungen im administrativen und
die Definition und Entscheidung über europäische Raum- Programmbereich) für die Programme, die im Auftrag
fahrtprogramme von EU und ESA fallen, welche über alle der EU durchgeführt werden.
Programmphasen von der Forschung und Technologie bis — EU nimmt die direkte Verantwortung für nutzergetrie-
zur Markteinführung abzustimmen sind. bene Anwendungsbereiche wahr: Navigation, Erdbeob-
achtung, Sicherheit; die vertragliche Initialisierung wird
Diese Abstimmung und Koordination zwischen EU und ESA an ESA übertragen („Procurement Agent“).
darf jedoch nicht losgelöst von nationalen Programmen der — ESA trägt die direkte Verantwortung für „Schlüsselfunk-
ESA-Mitgliedsstaaten geschehen. Vielmehr müssen alle tionen“: Wissenschaft, Raumtransportsysteme, orbitale
nationalen Programme - durch stärkere und frühzeitigere Infrastrukturen, Exploration, Technologien - jedoch mit
Einbindung sowie offenere Informationspolitik - in der euro- Beiträgen der EU.
päischen Gesamtstrategie reflektiert und in diese integriert — EU trägt zusammen mit ESA und Mitgliedsländern Ver-
werden. antwortung für die europäische Raumfahrtpolitik und
-strategie.
> acatech empfiehlt

Die zukünftigen ESA/EU Beziehungen müssen im Sinne


einer klaren Aufgabenteilung bei voller Berücksichtigung
der jeweiligen Stärken der beiden Organisationen gestal-
tet werden. Der europäische Weltraumrat (Space Council)
muss als wesentliches politisches Entscheidungsgremium
weiterentwickelt und mit Entscheidungskompetenz für eine

27
Raumfahrtpolitik

2.5 EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE KOOPE- > acatech empfiehlt


RATIONEN
Die langfristige Kontaktpflege und Kooperation mit tradi-
Eine regelmäßige Abstimmung unter den europäischen tionellen internationalen Partnern (USA, Russland, Japan)
Partnern - insbesondere mit Frankreich und Italien - ist zwin- sollten weiterentwickelt werden; mit aufstrebenden neuen
gend notwendig, um frühzeitig bei der Vorbereitung neuer Partner (China, Indien, Brasilien, Korea) sowie mit ausge-
europäischer Projekte gemeinsam und zielorientiert agieren wählten Entwicklungsländern sollten Beziehungen entwi-
bzw. frühzeitig Technologieschwerpunkte und Investitionen ckelt und langfristig gestaltet werden.
festlegen zu können. In diesem Zusammenhang sollten
auch bi- oder multilaterale Projekte als Vorläufer für größe- Die Entwicklung der Raumfahrt auf nationaler, europäi-
re europäische Programme lanciert werden. Flankiert wer- scher und internationaler Ebene hängt auch von der Eta-
den sollten diese vorbereitenden Aktivitäten durch Bildung blierung und Gestaltung rechtlicher Rahmenbedingungen
strategischer Allianzen mit neuen oder potenziell neuen ab. Dies gilt insbesondere für die Ausprägung privatwirt-
ESA-Mitgliedsländern, um deren Forschung und Industrie schaftlichen Engagements in der Raumfahrt, der Nutzung
zu ertüchtigen und langfristige Partner für Deutschland zu von Raumfahrtdiensten sowie der Operations im Weltraum.
gewinnen. Auf globaler Ebene wurde bereits die Diskussion um die
Ausarbeitung von „Rules of the Road“/„Space Traffic Ma-
Auch die regelmäßige, institutionalisierte internationale nagement“/„Codes of Conduct“ angestoßen. Deutschland
Kontaktpflege zu traditionellen Partnern in den USA, Russ- muss sich hier aktiv einbringen, um seine Aktionsfreiheit im
land und Japan ist eine zwingende Notwendigkeit, um bei Weltraum sicherzustellen und gleichzeitig eine auf Sicher-
internationalen Projekten auf Augenhöhe mitagieren zu heit und Fairness bedachte Ordnung herzustellen.
können. Hinzu kommt, dass die Kontaktaufnahme mit auf-
strebenden Raumfahrtnationen wie China, Indien, Brasilien > acatech empfiehlt
oder Korea wichtige Elemente für Forschung und Technolo-
gie bereithalten, die strategische Impulse für die deutsche Deutschland muss ein Nationales Weltraumgesetz zur Au-
Raumfahrtpolitik mit sich bringen können. Das Potenzial, torisierung privatwirtschaftlicher Aktivitäten in der Raum-
deutsche Raumfahrtaktivitäten für entwicklungspolitische fahrt erarbeiten. Auf europäischer Ebene muss es eine
Aufgaben (z. B. mit dem Bundesministerium für wirtschaft- Führungsrolle bei der Ausarbeitung von Regulierungen zur
liche Zusammenarbeit und Entwicklung/BMZ) einzusetzen, Satellitennutzung einnehmen und auf internationaler Ebe-
ist bei weitem nicht ausgeschöpft. Die sich daraus ergeben- ne muss es zur Ausarbeitung von Standards und „Verkehrs-
den Möglichkeiten sollten aktiver verfolgt werden. regeln“ beitragen, die die Entfaltung deutscher Aktivitäten
und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie un-
Deutschland sollte bei allen internationalen Raumfahrt- terstützen.
projekten stets den Anspruch der Führungsübernahme
anstreben, zumindest aber die Technologieführung für
wesentliche Systemelemente. Diese Ambitionen sind von
strategischer Bedeutung, da internationale Projekte nicht
selten durch europäische Anstrengungen ergänzt werden.

28
Kritische Erfolgsfaktoren
Titel

3 KRITISCHE ERFOLGSFAKTOREN

Mit der Förderung der universitären Ausbildung und For- Lehre in der Art gelegt werden, dass dem interdisziplinä-
schung, einer nachhaltigen Finanzierung des nationalen ren und internationalen Charakter der Beschäftigung mit
Raumfahrtprogramms und der Beteiligung Deutschlands Raumfahrttechnik entsprochen wird. Im Aufbau interdiszip-
an den europäischen und internationalen Initiativen, einer linärer und eng vernetzter Strukturen liegt eine der größten
angemessenen personellen Vertretung Deutschlands in den Chancen für eine effiziente, zielorientierte und nachhaltige
wichtigen europäischen und internationalen Gremien der Raumfahrtforschung.
Raumfahrt sowie mit der Notwendigkeit eines erweiterten
Technologietransfers für neue Produkte und Dienstleistun- Das Studium der Luft- und Raumfahrttechnik wird gegen-
gen aus der Raumfahrt hat acatech vier besonders kritische wärtig an Universitäten und Fachhochschulen an den
Erfolgsfaktoren für die Zukunft der deutschen Raumfahrt Standorten Aachen, Braunschweig, Bremen, Dresden, Ham-
identifiziert. burg, München, Stuttgart und Würzburg angeboten. Im
Wintersemester 2009/2010 sind 4.730 Studierende in Stu-
Eine deutsche Raumfahrtstrategie kann jedoch nur dann diengängen der Luft- und Raumfahrttechnik eingeschrie-
erfolgreich sein und zu einem Bestehen Deutschlands im ben.1 Dies bedeutet einen leichten Anstieg gegenüber den
internationalen Wettbewerb führen, wenn sie sich auf eine Werten der Jahre 2006, 2007 und 2008 (ca. 4.500 Stu-
äußerst innovative und durch Technologieführerschaft ge- dierende). Die Anzahl der Absolventinnen und Absolventen
kennzeichnete Raumfahrtindustrie stützen kann. Die deut- liegt jedoch unverändert unter der der altersbedingt aus
sche Raumfahrtindustrie konnte ihre Leistungsfähigkeit in dem Erwerbsleben ausscheidenden Ingenieurinnen und In-
den vergangenen Jahren immer wieder unter Beweis stel- genieure. Ungeachtet dessen, dass international agierende
len, sie gilt als eine der innovativsten und dynamischsten Systemfirmen wie EADS Astrium, Thales Alenia oder OHB
Industrien in Deutschland. Sie wird auch in Zukunft in ganz attraktive Arbeitsplätze für die Absolventinnen und Absol-
besonderem Maße auf innovationsfördernde strukturelle venten der Luft- und Raumfahrttechnik bieten, können ge-
Bedingungen und Rahmenfaktoren eines nationalen Inno- genwärtig nicht nur die frei werdenden sondern noch weni-
vationssystems angewiesen sein. ger die neu geschaffenen Positionen adäquat wiederbesetzt
werden. Mehr als die Hälfte der Studierenden der Luft- und
Raumfahrttechnik wählen nach Abschluss ihres Studiums
3.1 AUSBILDUNG UND UNIVERSITÄRE FORSCHUNG zudem einen Berufseinstieg in einer anderen Branche und
wandern überwiegend unwiderruflich in diese ab. Diesem
Für eine kontinuierliche, interdisziplinäre und systemati- Trend entgegenzuwirken und sehr gute Absolventen von
sche Arbeit auf dem Feld der Raumfahrtforschung sind in MINT-Fächern zu gewinnen wird zunehmend notwendiger.
Deutschland die entstandenen Forschungsstrukturen wei-
ter zu entwickeln. Hierbei sollten alle Aspekte der Raum- Um die talentiertesten, an deutschen Hochschulen qualifi-
fahrtsysteme in Forschung, Entwicklung und Nutzung, von zierten Fachkräfte für die deutsche Raumfahrtindustrie zu
den Technikwissenschaften über die Naturwissenschaften gewinnen oder an geeignete Stellen in europäische Institu-
bis hin zu den Geistes- und Sozialwissenschaften betrach- tionen und Firmen zu vermitteln, bedarf es eines flexiblen
tet werden. Aufgrund der elementaren Bedeutung der wis- Lehr- und Forschungsprogramms an deutschen Hochschu-
senschaftlichen Ausbildung des Nachwuchses muss Wert len:
auf eine enge Anbindung an universitäre Forschung und

1 StaBu 2010.

29
Raumfahrtpolitik

— Die Ablösung der bisherigen Diplom-Studiengänge menspezifische Verbünde und andererseits interdisziplinäre
durch Studiengänge mit Master-Abschluss sollte den Exzellenz-Cluster oder Kompetenzzentren mit Beteiligung
Zwang der Umstellung als Chance nutzen und die In- der Industrie oder des DLR (Industry/Agency on Campus)
halte in Lehre und Forschung im Sinne eines European besonders förderlich.
Aerospace-Master, akkreditiert etwa durch den PEGA-
SUS-Verbund,2 ausrichten. Ein Blick auf die gegenwärtigen Kooperationen zwischen
— In der Lehre fehlt es im Bereich der Luft- und Raumfahrt Hochschulen, außeruniversitären Instituten und der Indus-
oft an fundiert, breit und fachübergreifend ausgebilde- trie zeigt, dass die Projektförderung in ihrer gegenwärtigen
tem Nachwuchs. Hier sollten vor dem Hintergrund des Struktur für die Raumfahrtforschung noch zu diskontinuier-
Querschnittscharakters enge Verknüpfungen zwischen lich, für Forscherinnen und Forscher an den Hochschulen
Disziplinen wie Maschinenbau, Material- und Werk- nach dem jeweiligen Abschluss oft wissenschaftlich nicht
stoffwissenschaften, Energietechnik, Physik, Chemie, attraktiv genug ausgestaltet und nicht in der Lage ist, lang-
Biologie und Volkswirtschaftslehre sowie auch den So- fristige Perspektiven aufzuzeigen. In der Vergangenheit
zialwissenschaften hergestellt werden. Die Einrichtung zeigten sich immer wieder Schwierigkeiten, Kooperations-
entsprechender Studiengänge sowie von Studien- und forschung zwischen Hochschulinstituten, DLR-F&E oder In-
Promotionskollegs mit einem derartigen fächerübergrei- stituten der FhG oder MPG aufgrund unterschiedlicher bis
fenden Lehr- und Forschungsansatz und unter Lehrbe- hin zu unvereinbarer Fördervorgaben aufzubauen. Zur Ver-
teiligung aus der Industrie3 oder von Agenturen sind besserung der Situation sollte die Förderung verstärkt auf
zur Attraktivitätssteigerung des Studiums besonders die genannten Verbünde, Cluster und Zentren konzentriert
geeignet. werden, um die bestmögliche Wirkung der Fördermittel zu
— Entsprechende Vorhaben sollten die Mobilität z. B. im erreichen. Dazu müssten unterschiedliche Verträge für Auf-
Rahmen eines europäischen Austauschprogramms för- trags- und Kooperationsforschung entwickelt werden, wel-
dern, vergleichbare Curricula an den beteiligten Part- che die Intellectual Property-Rechte sowie die finanziellen
nerhochschulen aufweisen und die Möglichkeit eines und operativen Modalitäten einheitlich für alle Beteiligten
Doppelabschlusses (dual degree) vorsehen (ohne sich klären. Trotz Verbundforschung sollten durchaus auch inno-
dabei studiendauerverlängernd auszuwirken). vative Einzelansätze verfolgt und gefördert werden.

Den Universitäten und ausseruniversitären Forschungsein- Die interdisziplinäre und systemische Betrachtungsweise
richtungen, insbesondere MPG und HGF, sollten aus den von Raumfahrt und Raumfahrtnutzung ist noch nicht weit
genannten Gründen in einer zukünftigen Raumfahrtstrate- genug verbreitet, was sich auch in der Fragmentierung der
gie eine besondere Bedeutung zukommen, da sie in vielen Zuständigkeiten der Forschungsförderung zeigt. Effiziente
Bereichen der Raumfahrtforschung und -nutzung Spitzen- Raumfahrtforschung bedarf klarer Zuständigkeiten. Wün-
leistungen erbringen. Zur Stärkung des systemischen Cha- schenswert wäre eine verbesserte Koordination der For-
rakters der Forschung sind an Universitäten einerseits the- schungsförderung unter gemeinsamen strategischen Zielen

2 PEGASUS - Partnership of a European Group of Aeronautics and Space Universities fasst Universitäten mit Studiengängen in Luft- und Raum-
fahrt aus EU-Ländern zusammen. Gegenwärtig sind 23 Hochschulen aus 9 Ländern Mitglied (www.pegasus-europe.org).
3 Nachahmenswert ist die in Baden-Württemberg mögliche Einstellung von Professorinnen und Professoren in einem befristeten privatrechtli-
chen Anstellungsverhältnis in einem Umfang von mindestens einem Fünftel und weniger als der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit einer
entsprechenden vollbeschäftigten Professorin bzw. Professors (sog. unterhälftige Beschäftigung, siehe Hochschulgesetz des Landes Baden-
Württemberg in der Fassung vom 15. Juni 2010, § 49 Abs. 2).

30
Kritische Erfolgsfaktoren

sowie eine Plattform für den wissenschaftlichen Austausch (darunter 54% für Telekommunikationsdienste und 13%
der Scientific Community und zu Fragen der Ausbildung. für Satelliten und benötigte Infrastruktur). Im Zeitraum von
Diese Aufgabe sollte die vorgeschlagene integrierte Orga- in etwa einer Dekade haben sich demnach die privat ein-
nisation für Raumfahrtmanagement übernehmen (siehe gesetzten globalen Raumfahrtmittel im Verhältnis zu den
Kapitel 2.3. „Integriertes Management der Raumfahrtakti- institutionellen Mitteln verdoppelt (ergänzende Angaben
vitäten“). finden sich im Anhang).

> acatech empfiehlt Von Interesse ist die Betrachtung der Veränderungen des
globalen Umsatzes der Satellitenindustrie in den Jahren
Im Aufbau interdisziplinärer und eng vernetzter Ausbil- 2005 bis 2009.4 Ungeachtet der weltweiten Wirtschaftskri-
dungsstrukturen liegt eine der größten Chancen für eine se im Jahr 2009 konnte die Raumfahrtindustrie in diesem
effiziente, zielorientierte und nachhaltige Raumfahrtfor- Zeitraum einen stetigen Zuwachs sowohl am kommerziel-
schung. Dazu sollten thematische Forschungsverbünde len wie auch institutionellen Markt von insgesamt 34%
mit gepoolten Infrastruktur- und finanziellen Ressourcen aufweisen. In den Kategorien Satelliten/Nutzlasten und
(Raumfahrtagentur, Industrie, DFG, MPG, FhG) durch die Raketen/Transport stagnierte der Umsatz weitestgehend,
mit dem Raumfahrtmanagement betraute Organisation wogegen die Bereiche Betriebs- und Bodensegmente und
eingerichtet und in regelmäßigen Abständen evaluiert wer- darauf basierende Dienstleistungen stark ansteigende
den. Umsatzwerte vorwiesen. In den ersten beiden Kategorien
mit je etwa gleichen Anteilen an öffentlicher und privater
Finanzierung fiel der Gewinn gegenüber dem Dienstleis-
3.2 FINANZIERUNG tungsgeschäft, welches von privaten Investoren bestimmt
wird, jedoch deutlich geringer aus. Hierin ist ein wesentli-
Das Jahr 1998 markierte den Zeitpunkt, ab dem die welt- cher Grund mit zu sehen, dass sich größere Raumfahrtfir-
weit privat in Raumfahrtaktivitäten investierten Mittel hö- men und neue Betreibergesellschaften zunehmend auf das
her ausfielen als die institutionellen, d. h. staatlichen Mit- Dienstleistungsgeschäft konzentrieren. Neben den bisheri-
tel. 1998 wurden insgesamt 66 Mrd. $ global umgesetzt, gen privaten Investoren beteiligen sich zunehmend auch
was einem Zuwachs gegenüber dem Vorjahr von ca. 15% Banken und Venture Capital Firmen.
bedeutete. Dieser jährliche Zuwachs blieb in den folgenden
Jahren nahezu stetig bis zum Jahr 2002 mit 106 Mrd. $ Das Bild 2 zeigt die Aufteilung des globalen Umsatzes der
Umsatz erhalten. Nach einer kurzen Stagnation aufgrund kommerziellen Satellitenindustrie im Jahr 2009. Die eigentli-
der weltweiten wirtschaftlichen Rezession stieg der Umsatz che Wertschöpfung wird durch die mit den Satelliten ermög-
in den Jahren 2005 bis 2009 auf ca. 262 Mrd. $ (ca. 187 lichten Dienstleistungen erzielt, die in derselben Größenor-
Mrd. € bei 1,4 $/€) an; davon 33% entfallend auf Regie- dung liegen wie die Summe aller „Infrastrukturanteile“.
rungen und 67% auf kommerziell orientierte Unternehmen

4 Space Foundation 2010.

31
Raumfahrtpolitik

Bild 2: Die Mehrwertpyramide zeigt die Aufteilung des globalen Um- BMWI) ist für den Zeitraum von 1991 bis inklusive 2006 zu
satzes der kommerziellen Satellitenindustrie im Jahr 2009. Dieser ver- konstatieren, dass dieses von 0,92 Mrd. € auf 0,896 Mrd. €
größerte sich gegenüber dem Vorjahr um 11% und im Zeitraum 2004
bis 2009 um durchschnittlich 11,7% pro Jahr.5
durchschnittlich um 0,15% pro Jahr abnahm. Im gleichen
Zeitraum betrug der durchschnittliche Inflationsanstieg
Raumfahrzeug 2,05% pro Jahr, was einer Verminderung der Wertstellung
und Nutzlast um 2,2% gleichkommt. Wäre in dieser Zeit zumindest ein
Startkampagne 13,5 Inflationsausgleich geschaffen worden, so hätte das Budget
Satellitenunterhalt 4,5 bis zum Jahr 2006 auf 1,3 Mrd. € ansteigen müssen.
Bodenausrüstung
93
Dem Trend abnehmender öffentlicher Mittel für die Raum-
49 fahrt wurde erst 2006 durch die Hightech-Initiative der
Bundesregierung entgegengewirkt mit der Folge, dass der
154
(geschätzt) nationale Anteil für Forschung, Entwicklung und Projekte
der Raumfahrt für das Jahr 2009 wieder auf 38% anstieg
(ohne EUMETSAT) (siehe Tabelle 1). Dabei gestaltet sich
Services
das zivile staatliche Budget für das Jahr 2009 wie folgt:

— Deutschland wendet insgesamt 727 Mio. € für seine


Gemessen an den gesamten Forschungs- und Entwicklungs- Beteiligung an europäischen Programmen auf, beste-
ausgaben (FuE) des Bundesministeriums für Bildung und hend aus dem ESA-Budget (648 Mio. €, davon 593
Forschung (BMBF) hatte die deutsche Raumfahrt in den Mio. € vom BMWi und 55 Mio. € vom Bundesministe-
1990er Jahren sehr an Schubkraft verloren. Machte einer rium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung/BMVBS),
DLR-Studie zufolge 1991 der Budget-Anteil noch 17,3% der den von Deutschland finanzierten europäischen Mit-
FuE-Ausgaben (1,8 Mrd. DM oder 0,92 Mrd. €) aus, so be- teln für Raumfahrtanwendungen der EUMETSAT (39
trug dieser im Jahr 2002 nur noch 12,8%. Im selben Zeit- Mio. €) und für die Finanzierung des 7. EU-Forschungs-
raum stiegen zwar die gesamten FuE-Aufwendungen des programms (geschätzt 40 Mio. €).
BMBF um 36%, für die Raumfahrt aber lediglich noch um — Dem gegenübergestellt sind für das nationale Pro-
0,5% (ohne Inflationsausgleich). Der Anteil für nationale gramm insgesamt 516 Mio. € verfügbar (229 Mio. €
Forschung, Entwicklung und Projekte sank dadurch von vom BMWi, institutionelle Förderung der Raumfahrtins-
40% auf ca. 25%, der überwiegende Anteil entfiel auf die titute des DLR inklusive der Beiträge von BMWi, BMVg
ESA. Dieser floss von dort größtenteils wieder an die deut- und Länderanteile von zusammen 167 Mio. € sowie die
sche Industrie zurück, unter Abzug der Verwaltungskosten von Bund und Ländern gemeinsam aufgewendeten Mit-
der ESA. tel für MPG, FhG, DFG sowie für die Hochschulen von
geschätzten 120 Mio. €).
Mit Blick auf das Raumfahrt-Budget des für die Raumfahrt
verantwortlichen Bundesministeriums (BMBF bis 2005, da-
nach Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie/

5 SIA 2010.

32
Kritische Erfolgsfaktoren
Titel

Hieraus ergibt sich ein Volumen von 1.243 Mrd. € für das zivile staatliche Budget. Unter Berücksichtigung der
geschätzten, über mehrere Jahre gemittelten Finanzierungen des BMVg von ca. 120 Mio. € pro Jahr beläuft sich
das staatliche Budget für die zivile und militärische Raumfahrt auf insgesamt 1.363 Mrd. €. Im Jahr 2009 erzielte
die deutsche Raumfahrtindustrie einen Jahresumsatz von ca. 2 Mrd. € (entspricht einer Steigerung in Relation zu
2008 um 14%, zugrunde gelegt sind 6.200 Beschäftigte).6 Hieraus ergeben sich 68% staatliche und 32% private
Mittel zur Finanzierung dieses Umsatzes.

Zum Vergleich: Das zivile Budget Frankreichs als Europas führender Raumfahrtnation betrug im Jahr 2009 1.459
Mrd. €, mit einem nationalen Anteil von 52%.

Die finanzielle Situation der Raumfahrt in Deutschland wird besonders deutlich im internationalen Vergleich der
öffentlichen Raumfahrtbudgets, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) (Bild 3). Die USA liegen weit vorne mit
über 150 US$ pro Einwohner (0,32% des BIP) vor Frankreich mit 44 US$ (0,1% des BIP). Japan und die meisten
ESA-Mitgliedsländer geben 24 bis 16 US$ pro Einwohner aus, entsprechend 0,06% (Japan) und 0,04% (Deutsch-
land) des BIP.

Analysen7 zeigen, dass im Raumfahrtbereich trotz zunehmender Kommerzialisierung der Staat seine fördernde
Hand nicht zurückziehen darf; die Dominanz der USA etwa in der kommerziellen Satellitentechnik ist zu einem
ganz erheblichen Teil auf Vorleistungen des Staates zurückzuführen. Diese zeigt sich am Verhältnis 33% zu 67%
der eingesetzten staatlichen zu privaten Mittel weltweit. In Deutschland beträgt dieses Verhältnis 68% zu 32%.
Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die staatliche Förderung im Vergleich zu den USA bisher unterkritisch war
(z. B. Telekommunikation).

Tabelle 1: Dargestellt ist das zivile deutsche Raumfahrtbudget im Zeitraum 2000 bis 2010 mit den Anteilen für das nationale Raum-
fahrtprogramm (inklusive DLR FuE Raumfahrt), ESA (BMWi und BMVBS) und EUMETSAT. Nach Schätzung der DLR-Raumfahrtagentur
kommen noch die Beiträge zum 7. EU-Forschungsprogramm (ca. 40 Mio. €) und national von Bund und Ländern aufgewendete Mittel
für MPG, FhG, DFG und Hochschulen von ca. 120 Mio. € hinzu.

(MIO. €) 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 (SOLL)
Nat.Raumfahrt 264 260 253 248 241 259 270 294 317 396 394
ESA 550 542 564 557 589 572 578 581 602 648 636
EUMETSAT 72 69 63 53 64 61 48 41 34 39 43
Gesamt 885 871 879 858 894 892 896 916 953 1.083 1.073

6 BDLI 2009.
7 Siehe die ergänzenden Ausführungen zur Finanzierung im Anhang.

33
Raumfahrtpolitik

Bild 3: Öffentliche Raumfahrtbudgets inklusive militärische Anwen- > acatech empfiehlt


dungen (Kreisfläche); pro Einwohner (Abszisse) und im Verhältnis zum
Bruttoinlandsprodukt BIP (Ordinate) im Jahr 2009.8
67% des globalen Weltraumgeschäfts wird inzwischen
mit privaten Mitteln finanziert. In Deutschland sind es nur
0,40% 32%, die zusammen mit den staatlichen Mitteln einen Um-
0,35% satz von ca. 2 Mrd. € ergeben. Das Raumfahrtbudget des
USA
Bundes war in den Jahren 1991 bis 2006 unter Berück-
Raumfahrtbudget in Prozent vom BIP

0,30%
sichtigung der Inflation stetig rückläufig. Erst mit der High-
0,25% tech-Initiative der Bundesregierung ist es seit 2007 wieder
Russia
0,20% angestiegen - dies ist der richtige Weg, um international
wieder den Anschluss zu finden. Dieser Trend muss lang-
0,15%
fristig inhaltlich und finanziell für strategische Teilbereiche
France
0,10%
India Italy
verstetigt werden (z. B. Anwendungen und Technologien),
China Japan damit Deutschland in weiten Bereichen in Forschung und
0,05%
Germany Entwicklung zu vergleichbaren Ländern aufschließen und
0,00% UK Canada
sein Potenzial in Wirtschaft, Wissenschaft und Dienstleis-
0 50 100 150
South Korea Spain Raumfahrtbudget per capita in $ tungen für die Gesellschaft voll ausschöpfen kann.

3.3 INTERNATIONALE REPRÄSENTANZ


0,10%
France Um sicherzustellen, dass Deutschland seine Rolle in Europa
Raumfahrtbudget in Prozent vom BIP

0,08% angemessen vertreten kann, muss sich Deutschland dafür


India
einsetzen, dass durch ein gestärktes nationales Programm –
0,06% Italy als profilierter Bestandteil einer gesamteuropäischen
China Japan
Raumfahrtpolitik – deutsche Interessenlagen in Wirtschaft,
0,04% Forschung und Politik nachhaltiger umgesetzt werden kön-
Germany
Canada nen.
0,02%
United Kingdom
Spain Dazu zählt auch, dass Deutschland in den europäischen
South Korea
0,00% Institutionen wie ESA und EU und anderen internationa-
0 10 20 30 40 50
len Einrichtungen durch qualifizierte Mitarbeiterinnen und
Raumfahrtbudget per capita in $
Mitarbeiter auf allen Ebenen, besonders jedoch in den Füh-
rungsebenen, angemessen vertreten und die notwendige
politische Unterstützung gewährleistet werden muss. Dazu
muss auch die Frage der Rückkehrmöglichkeit und Wieder-

8 ESPI 2010.

34
Kritische Erfolgsfaktoren
Titel

eingliederung von Mitarbeitern und Führungskräften aus Weiterentwicklung der Industrie- und Forschungsstrukturen
internationalen Positionen in das nationale Umfeld geklärt und der Kompetenz in Schrittmacher- und Schlüsseltechno-
werden. logien. Für den Technologietransfer aus der Raumfahrt in
terrestrische Applikationen gibt es hierfür zahlreiche Bei-
Eine gezielte Werbung an Universitäten, in Forschungsein- spiele (siehe Kapitel 1.3 „Ergebnisse der Raumfahrt“). Als
richtungen und Unternehmen kann dazu dienen, geeignete Schlüsseltechnologie hat Raumfahrt darüber hinaus aber
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu identifizieren und für auch signifikante wirtschaftliche Effekte. Sie stellt häufig
die Übernahme einer derartigen Tätigkeit zu gewinnen. Die Infrastrukturen bereit, die neue Wertschöpfungsketten in
Bewerberinnen und Bewerber müssen auf die zu überneh- anderen Wirtschaftssektoren, insbesondere bei nachgela-
menden Aufgaben durch systematische Schulung gezielt gerten Mehrwertdiensten, erst möglich machen.
vorbereitet werden. Hier kommt auch den Hochschulen und
ihren Möglichkeiten in integrierten, internationalen Studi- Entscheidend für die Realisierung innovativer Produkte und
engängen eine wichtige Rolle zu. Technologien ist der gezielte Transfer von Forschungsergeb-
nissen durch Partnerschaften zwischen öffentlicher Hand
> acatech empfiehlt und dem privaten Sektor (PPP). Auch müssen neue Modelle
der Finanzierung und des Betriebes von weltraumgestütz-
Zur Stärkung der internationalen Repräsentanz Deutschlands ter Infrastruktur erarbeitet und implementiert werden. Die
müssen vermehrte Anstrengungen zur gezielten Auswahl und deutsche Industrie steht hier vor der Herausforderung, sich
Durchsetzung deutscher Kandidatinnen und Kandidaten ge- mit kreativen und innovativen Ideen auch jenseits der ein-
troffen werden. Dazu müssen neue Wege zur Förderung von heimischen staatlichen Nachfrage neue Märkte zu erschlie-
Nachwuchs und eines Pools von Führungskräften für europäi- ßen.
sche Einrichtungen und Industrien begangen werden.
> acatech empfiehlt
3.4 TECHNOLOGIETRANSFER
Neue Produkte und Dienstleistungen aus der Raumfahrt
Wissen ist für ein rohstoffarmes Land wie Deutschland eine haben es wegen ihrer anfänglichen Kosten (kleine Stück-
strategische Ressource. Wissenschaft und Forschung sind zahlen) und ihres ausgeprägten Neuheitscharakters oft
Grundlage technischer Innovationen und damit auch eine schwer, ohne Brückenfinanzierung in den Markt zu kom-
Quelle wirtschaftlicher Wertschöpfung. Es ist ein entschei- men. Daher ist Technologietransfer eine wichtig Aufgabe
dender Vorteil, mit Innovation und Wissen immer einen der Raumfahrtagenturen. Neue Möglichkeiten der Finanzie-
Schritt voraus zu sein, um im Wettbewerb mit dem Rest der rung des Übergangs von prototypischen Anwendungen auf
Welt unsere Stellung behaupten zu können. den Markt durch PPP-Venture Capital Fonds sollten erprobt
werden.
Wissenschaftliche und anwendungsbezogene Raumfahrt
müssen dabei in einem ausgewogenen Verhältnis zuein-
ander stehen. Gemeinsam werden sie zum Motor für die

35
Raumfahrtpolitik

4 PROGRAMMATISCHE LEITLINIEN

4.1 ZUKÜNFTIGE SCHWERPUNKTE — Feldern, die keine eigenständigen nationalen oder


europäischen Missionen zulassen, jedoch im interna-
Aus Sicht von acatech muss eine nationale Raumfahrtstra- tionalen Rahmen besondere technologische Beiträge
tegie klare Festlegungen hinsichtlich der inhaltlichen As- Deutschlands ermöglichen (wie z. B. Weltraumwissen-
pekte treffen und eine deutsche Prioritätensetzung eindeu- schaft, Weltraumexploration).
tig erkennen lassen. Aus den Gesprächen in nationalen und
internationalen Foren zeichnen sich für acatech die folgen- In vielen der genannten zukünftigen Schwerpunkte kann
den zukünftigen Schwerpunkte der Raumfahrt ab: die deutsche Raumfahrt bereits heute außergewöhnliche
Leistungen vorweisen. Eine nationale Raumfahrtstrategie
— Hoheitliche Aufgaben, die zum Nutzen und zum Schutz muss hieran anknüpfen und klare Perspektiven aufzeigen,
der Bevölkerung wahrgenommen werden; hierzu gehö- wenn verhindert werden soll, dass wichtige Kernbereiche
ren zivile und militärische Anwendungen im Bereich der und -kompetenzen wegbrechen und unwiderruflich verloren
Erdbeobachtung, der Sicherheit, des Umweltmonitoring gehen, sollten diese nicht zeitnah mit entsprechenden The-
und der Satellitennavigation, menschwerpunkten neu besetzt werden. Daher müssen in
— Dienstleistungen wie Satellitentelekommunikation oder der deutschen Raumfahrtstrategie folgende Fragen gestellt
abgeleitete Dienste in Erdbeobachtung, Navigation und beantwortet werden:
oder Sicherheit,
— Weltraumwissenschaft (Astrophysik, Erforschung des — Zugang zum Weltraum: Ein sicherer, unabhängiger
Sonnensystems, Geowissenschaften, Schwerelosigkeits- und nachhaltiger Zugang zum Weltraum ist eine der
forschung), Grundvoraussetzungen für ein eigenständiges Handeln
— Weltraumexploration und der deutschen und europäischen Raumfahrt; dieser
— der Zugang zum Weltraum, sowohl als hoheitliche Auf- Grundgedanke wurde im EGAS-Programm (European
gabe (strategische Unabhängigkeit) sowie als Dienst- Guaranteed Access) der ESA verankert. Derzeit gibt es
leistung für Dritte. in Deutschland und Europa eine Debatte über die Un-
terschiede zwischen einem „autonomen“, „eigenständi-
Für Deutschland ist in der Gewichtung dieser Schwerpunkte gen“ oder „ungehinderten“ Zugang zum Weltraum. Eu-
zu unterscheiden zwischen ropas Zugang zum All sollte autonom und weitgehend
eigenständig sein.
— Feldern, die als hoheitliche Aufgabe nur gemeinschaft- — Trägertechnologien: In der Ariane 5 und ihrer derzeit
lich im europäischen Rahmen abgedeckt werden kön- begonnenen Weiterentwicklung liefern deutsche Fähig-
nen (wie z. B. Zugang zum Weltraum, Navigation, Si- keiten herausragende Beiträge (Oberstufentechnologie,
cherheit, etc.), Vinci-Triebwerk, Automated Transfer Vehicle/ATV) und
— Feldern, die auch sinnvolle eigenständige Missionen im machen Deutschland zu einem unverzichtbaren Partner
nationalen Rahmen ermöglichen (wie z. B. Missionen dieses europäischen Programms. Mit einer Diskussion
im Umweltmonitoring oder den Weltraumwissenschaf- um neue Träger nach der Ariane 5 werden auch alterna-
ten) und tive Technologien verknüpft, wie z. B. günstigere, aber
weniger flexible und weniger umweltfreundliche Fest-

36
Programmatische Leitlinien

stofftriebwerke. Welche Trägertechnologien knüpfen use“ Raumfahrtstrategie zur Erzielung institutioneller


an deutsches Know-how an, werden als besonders zu- und kommerzieller Synergismen? Für diesen Fall soll-
kunftsfähig angesehen und sollen besonders gefördert te auch dieser Bereich vom Koordinator für Luft- und
werden? Raumfahrt der Bundesregierung abgedeckt werden
— Bemannte und robotische Exploration: Hier sind die bei- und später in den vorgeschlagenen Staatssekretäraus-
den Bereiche „Infrastruktur für die Post-ISS-Phase für die schuss Eingang finden.
Forschung unter Weltraumbedingungen“ und „Explorati-
onsmissionen“ zu trennen. Im ersten Bereich geht es um > acatech empfiehlt
die maximal mögliche Verlängerung der ISS-Nutzung,
gefolgt von einer auf Kernmodule verkleinerten ISS (un- Die deutsche Raumfahrtstrategie muss klare Festlegungen
ter dem Vorbehalt einer technischen Realisierung) oder treffen hinsichtlich der inhaltlichen Aspekte zukünftiger
Entwicklung, Start und Betrieb einer autonomen klei- Schwerpunkte bei Anwendungen, Weltraumwissenschaf-
nen Station (Man Tended Freeflyer/MTFF). Im Bereich ten, Infrastrukturprogrammen und Technologien und eine
„Explorationsmissionen“ sind die neu zu entwickelnden deutsche Prioritätensetzung klar erkennen lassen. acatech
integrierten Zielsetzungen (sowohl wissenschaftlich- empfiehlt darüber hinaus, in einem breiten Diskurs aller Be-
technologische als auch gesellschaftlich-kulturelle) als teiligten zu folgenden als vordringlich angesehene Grund-
auch die erforderlichen Infrastrukturelemente und Sub- satzfragen eine Klärung herbeizuführen: Bedeutung eines
systeme (wie neue kryogene und elektrische Antriebs- autonomen und garantierten Zugangs zum Weltraum für
systeme, kryogene Tanklager, Geospace Exploration Ve- Deutschland, Fortführung bestehender oder Entwicklung
hicles/GEV, bemannte Advanced Re-entry Vehicle/ARV, neuer Trägertechnologien, Zukunft der bemannten und
robotische Systeme, geschlossene Lebenserhaltungssys- robotischen Exploration im Rahmen der ISS und darüber
teme und weitere) zu adressieren. hinaus und für weitere Ziele im Rahmen eines internatio-
Die Menschheit wird sich im Rahmen ihrer jeweiligen nalen Programms. Diese Klärung sollte auch die militäri-
Möglichkeiten immer in der Exploration des Weltraums sche Raumfahrt einschließen, falls sie Teil einer integrierten
engagieren - ob mit oder ohne Deutschland. Anstelle deutschen oder europäischen „dual-use“ Raumfahrtstrate-
einer Grundsatzdiskussion pro oder contra Weltraum- gie werden sollte.
exploration sollte die deutsche Raumfahrtstrategie die
Bereiche herausarbeiten, in denen Deutschland Beiträ-
ge mit Alleinstellungsmerkmalen liefern kann. 4.2 STRATEGISCHE KERNBEREICHE
— Militärische Raumfahrt: Im Jahr 2000 hat die Bundes-
regierung einen Einstieg in die militärische Nutzung Im Rahmen der deutschen Raumfahrtpolitik müssen die
des Weltraum beschlossen. Die Aktivitäten konzentrie- ausgewählten strategischen Kernbereiche im nationalen
ren sich bislang im Wesentlichen auf den Sektor der Strategieplan klar definiert und fest verankert sein. Ferner
hochauflösenden Radartechnologie, weiten sich aber müssen diese Kernbereiche langfristig angelegt sein - min-
zunehmend auf Telekommunikation und Erfassung der destens zehn Jahre -, um Planungssicherheit und reelle Er-
Weltraumlage aus. Wird die militärische Raumfahrt Teil folgsaussichten für alle Beteiligten zu gewährleisten.
einer integrierten deutschen oder europäischen „dual-

37
Raumfahrtpolitik

Die strategischen Kernbereiche müssen von allen Beteilig- nationaler Positionen und Prioritätensetzung im euro-
ten in Politik (Bund und Länder), Forschung und Industrie päischen und internationalen Rahmen sind dafür unab-
gemeinsam getragen, gestärkt und weiterentwickelt wer- dingbar. Ein langfristig angelegtes und ausreichend do-
den. Zudem sollten sie nach Möglichkeit mit ESA/EU und tiertes Systemstudienprogramm ist hierzu unerlässlich.
wesentlichen europäischen Partnern (Frankreich, Italien u. Vorbereitende Entwicklungsaktivitäten für zukünftig
a.) abgestimmt sein, um Doppelarbeit oder gar Technolo- erwartbare Missionen mit Priorität für Deutschland -
gielücken zu vermeiden. Ferner sollten sowohl die finanzi- insbesondere auf dem Gebiet der Anwendungen bei
elle Ausstattung als auch mögliche Förderbedingungen für Telekommunikation, Erdbeobachtung, Navigation so-
Forschung, Technologie und Anwendung für die Industrie wie Sicherheit (Definition, Technologieentwicklung,
transparent kommuniziert und langfristig vereinbart wer- Nutzungskonzepte) – sollten im Fokus einer deutschen
den. Raumfahrtpolitik stehen.
— Weltraumwissenschaften, einschließlich Forschung
Die strategischen Kernbereiche müssen die strategischen unter Weltraumbedingungen, sind von jeher ein
Ziele für das nationale Programm sowie die Beteiligungen Schwerpunkt des deutschen Raumfahrtprogramms und
am europäischen Programm und die internationalen Ko- der europäischen und internationalen Kooperation ge-
operationen unterstützen. Von besonderer Bedeutung sind wesen. Sie sollten in bisherigem Umfang gefördert und
hierbei insbesondere der Erhalt und weitere Ausbau von anbetracht der begrenzten Lebensdauer der ISS kurzfris-
Systemfähigkeiten der deutschen Raumfahrtakteure sowie tig eher verstärkt werden.
die rechtzeitige Bereitstellung kritischer Technologien in Bei Missionen der Weltraumwissenschaften ist auf-
ausgewählten Gebieten: grund der langen ESA-Zyklen von 20 Jahren und mehr
eine Beteiligung an Missionen anderer Nationen unter-
— Das Beherrschen der Systemfähigkeit für Raumfahrt- stützenswert.
missionen in allen Bereichen, wie Raumtransport, Sa- Gezielte Missionsvorbereitungen wie auch die Be-
tellitentechnik, orbitale Infrastruktur, Anwendungsmis- reitstellung von Nutzlasten im ESA-Wissenschafts-
sionen sowie die dazugehörenden Bodensegmente sind programm - für die Nutzung auf der ISS, aber auch für
notwendige Voraussetzung für Erfolge bei nationalen zukünftige Explorationsmissionen - müssen ein wesent-
Missionen sowie für hochklassige deutsche Beteiligung liches Element des nationalen Programms bleiben und
an europäischen und internationalen Missionen und weiter intensiviert werden.
deren Umsetzung. Offensichtlich ist aber auch, dass — Die Vorentwicklung kritischer Technologien auf den
Deutschland hier erheblichen Nachholbedarf hat und Sektoren Erdbeobachtung (Radartechnik), fortschrittli-
konzertierte Anstrengungen in Forschung (z. B. beim che Werkstoffe und Bauweisen (Faserverbund), Robo-
neugegründeten DLR-Institut für Raumfahrtsysteme) tik und Servicing, Antriebe, sowie sicherheitsrelevante
und Industrie unternehmen muss, um breite Systemfä- Technologien sind weitere mögliche nationale Schwer-
higkeit zu erhalten oder wiederzuerlangen. Die Über- punkte. Die offenen Fragen hinsichtlich der Zukunft der
nahme von Schlüsselaufgaben wie die Durchführung bemannten Raumfahrt nach der ISS müssen national,
von Systemanalysen/Systemstudien für potenzielle europäisch und international geklärt werden. Dazu wird
zukünftige Missionen zur frühzeitigen Vorbereitung eine breite gesellschaftliche Diskussion vorgeschlagen.

38
Programmatische
Titel Leitlinien

Parallel sollten Missions- und Systemstudien zur Ent-


wicklung der Explorationsziele und von kritischen Tech-
nologien durchgeführt werden, um mögliche Pfade und
europäische Interessen im Rahmen eines internationa-
len Programms zu identifizieren.

Eine endgültige Festlegung sollte anhand der gesetzten


strategischen Ziele erfolgen. Eine regelmäßige Überprüfung
der Technologieentwicklungen sowie eine breit angelegte
Analyse von Technologietrends erscheinen unverzichtbar.

> acatech empfiehlt

Das Beherrschen der Systemfähigkeit für Raumfahrtmissi-


onen, die Weltraumwissenschaften, einschließlich der For-
schung unter Weltraumbedingungen sowie die Vorentwick-
lung kritischer Technologien sind strategische Kernbereiche
für eine tragende Rolle Deutschlands in der europäischen
und internationalen Raumfahrt. Sie müssen in einer natio-
nalen Raumfahrtstrategie klar identifiziert und langfristig
angelegt sein - mindestens zehn Jahre -, um Planungssicher-
heit und reelle Erfolgsaussichten für alle Beteiligten zu ge-
währleisten. In welchem Umfang und mit welchen Inhalten
strategisch wichtige Kernbereiche der Exploration mit Ast-
ronauten weiterhin gefördert werden, ist eine offene Frage
und sollte im Rahmen der nationalen Raumfahrtstrategie
Beachtung finden.

39
Raumfahrtpolitik

ANHANG

ÖFFENTLICHE INVESTITIONEN IN DIE RAUMFAHRT: DEUTSCHLAND IM INTERNATIONA-


LEN VERGLEICH (ERGÄNZUNG ZUM KAPITEL 3.2 FINANZIERUNG)

Der Luft- und Raumfahrtbereich ist als Industriebranche relativ klein. Nach Angaben der
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erbringt sie in
den G7-Ländern weniger als 4% der Wertschöpfung im Produktionsbereich und weniger als
0,6% in der Gesamtwirtschaft. Die Dominanz der USA ist leicht rückläufig, aber immer noch
offensichtlich. Bezogen auf den gesamten Produktionsbereich entfielen auf die USA unter
den G7-Ländern 1991 ca. 70%, 1997 noch 61% und heute immer noch um die 50%.

Die Steigerung des globalen Umsatzes der Satellitenindustrie in den Jahren 2005 bis 2009
ist in Tabelle A.1 dargestellt. Trotz weltweiter Wirtschaftskrise im Jahr 2009 konnte die Raum-
fahrtindustrie einen stetigen Zuwachs sowohl am kommerziellen wie auch institutionellen
Markt aufweisen; dieser Zuwachs über die vorangehenden vier Jahre beläuft sich auf 34%. In
den Kategorien Satelliten/Nutzlasten und Raketen/Transport stagnierte der Umsatz weitge-
hend. Dafür stieg das Geschäft bei Betriebs- und Bodensegmenten und darauf basierenden
Dienstleistungen stark an, wobei in den ersten beiden Kategorien mit je etwa gleichen Antei-
len an öffentlicher und privater Finanzierung deutlich weniger verdient wird als im Dienstleis-
tungsgeschäft, das von privaten Investoren bestimmt wird.

Tabelle A.1: Globaler Umsatz der Raumfahrt im Vergleich (Angaben in Mrd. $). Trotz der Zunahme der staatli-
chen Mittel dominiert der Einsatz privater Mittel für kommerzielle Satelliten-Dienste (Space Foundation 2010)

2005 2006 2007 2008 2009


kommerzielle Infrastruktur 28,70 33,12 34,35 81,97 83,63
Infrastruktur-Industrie 1,04 1,02 0,70 1,14 1,15
kommerzielle Satellitendienste 95,91 117,26 138,83 91,00 90,58
kommerzielle Raumtransport-Dienste 0,03 0,03 0,03 0,04 0,08
U.S. staatl. Budget (zivil und mil.) 57,57 60,83 62,55 66,63 64,42
globales staatl. Budget ohne USA 12,39 13,15 14,70 16,44 21,75
Gesamt 195,64 225,41 251,16 257,22 261,61

40
Anhang

Aktuellen Analysen von Euroconsult, Paris, zufolge nahmen Bild A.1: Verfügbare staatliche Budgets in Relation zu den weltweiten
die Budgets der 55 zivilen Raumfahrtagenturen im Jahr staatlichen Raumfahrtausgaben (Angaben in Prozent)
2009 um 9% gegenüber dem Vorjahr zu und summierten
1,3 3,5
sich auf 36 Mrd. $. In derselben Zeit wuchsen die Mittel des 3
militärischen Raumfahrtsektors um 12% auf insgesamt 32 4,1

Mrd. $. Die Unterscheidung zwischen zivilen und militäri- 4,4


schen Aufwendungen ist vielfach jedoch nicht trennscharf;
dies gilt vor allem in Ländern, in denen militärisches Per-
sonal für zivile Aufgaben eingesetzt oder bei dualen An- 11,7
wendungen gleichzeitig ziviles und militärisches Personal
beschäftigt wird. Mit erheblichen Unsicherheiten ist zudem
die monetäre Bewertung der Arbeitsleistung einer Luft- und
Raumfahrt-Ingenieurin bzw. eines Ingenieurs z. B. in Euro-
72
pa, Russland, China oder Indien behaftet. Bei der Analyse
der weltweiten staatlichen Raumfahrtausgaben fällt das
Ergebnis jedoch eindeutig aus: Hier dominieren die USA
mit einem Gesamtbudget von 48,8 Mrd. $ im Jahr 2009, USA Europa Japan Russland China Indien Andere
dies entspricht (von Euroconsult) geschätzt etwa 72% der
weltweiten staatlichen Raumfahrtausgaben. Europa mit
ESA und seinen 18 Mitgliedsstaaten (7,9 Mrd. $), Japan Es ist nach wie vor schwierig, Zahlen der Föderalen Rus-
(3,0 Mrd. $), Russland (2,8 Mrd. $), China (2,0 Mrd. $) und sischen Raumfahrtbehörde FKA (bis 2004 Rosaviakosmos
Indien (0,96 Mrd. $) sowie übrige Staaten (mit zusammen genannt) vergleichenden ökonomischen Betrachtungen zu
2,4 Mrd. $) folgen.1 Bild A.1 stellt die prozentuale Vertei- unterziehen. Beträchtliche Einschnitte in den frühen 90er
lung des institutionellen Marktes von 68 Mrd. $ des Jahres Jahren stabilisierten das Budget erst ab 1995 auf einem
2009 dar. absoluten Minimum. Erst ab 2004 ist wieder eine deutliche
Zunahme zu verzeichnen, gemessen am westlichen Maß-
Bei den militärischen Aufwendungen konzentrierten sich stab auf ca. 2,8 Mrd. $. China und Indien sind aufstrebende
im Jahr 2008 95% des global verfügbaren Budgets auf die Raumfahrtmächte mit ehrgeizigen Programmen and stetig
USA, gefolgt von Frankreich mit 2,6% (601 Mio. €) und steigenden Budgets, die denjenigen von Europa und Japan
Deutschland mit geschätzten 120-150 Mio. €. Die gesam- immer näher kommen.
ten europäischen militärischen Aufwendungen umfassen
3,5% des global verfügbaren Budgets.

1 Geschätzte Budgets der verfügbaren staatlichen Mittel der 55 größten Raumfahrtagenturen im Jahr 2009 (Space News March 1,
2010). Der Unterschied zur Schätzung der US Space Foundation (mit total 86,17 Mrd. $ im Jahr 2009, s. Space Foundation 2009
und 2010) lässt sich dadurch erklären, dass hauptsächlich in den USA andere als die traditionellen Zuwendungsgeber (NASA, De-
partment of Defense) und deren Budgets addiert worden sind. So gaben allein das NRO (National Reconnaissance Office) und die
NGA (National Geospatial Intelligence Agency) im Jahr 2008 zusammen 13 Mrd. $ für Satellitendienste aus. Hinzu kommen noch
zivile Umwelt- und Verkehrsministerien sowie internationale und wissenschaftliche Organisationen.

41
Raumfahrtpolitik

Zum weiteren Vergleich sei erwähnt, dass nach einer Schät- Es besteht kein Zweifel, dass sich das gegenwärtige Ver-
zung der International Telecommunication Union2 auf dem hältnis von staatlichen zu industriellen Aufwendungen
Telekommunikationsmarkt weltweit etwa 1.400 Mrd. $ im aus Gründen des ständig steigenden Marktes und eines
Jahr 2003 umgesetzt wurden, 78% für Dienstleistungen enormen Wertschöpfungszuwachses bei Anwendungen wie
und 22% für Ausrüstung. Der Satellitenbereich im Telekom- Telekommunikation, Navigation, direkt verteilende Fernseh-
munikationsgeschäft machte damals 7% aus; heute wird Rundfunk-, Mobilfunk- und Umweltbeobachtungs-Satelliten
er auf ca. 10% geschätzt. Die Dynamik des kommerziellen sowie Raumtransportsystemen (zunächst noch ausschließ-
Raumfahrtgeschäfts für direkt verteilte Fernseh-Rundfunk- lich Raketen) zu Gunsten der marktwirtschaftlich motivier-
Programme, für Telekommunikation, Navigation und Erd- ten Zielsetzungen verschieben wird. Dies gilt auch für den
beobachtung nahm seither stark zu. Aktualisierte Daten Fall gleich bleibender oder abnehmender staatlicher Mittel,
liegen nicht vor. was in Deutschland bis zum Jahr 2007 der Fall war. Ins-
gesamt weisen die inflationsbereinigten Budgets auf eine
Entsprechend der Untersuchung der Euroconsult geben stete Abnahme der staatlichen Mittel für Raumfahrt hin.
die wichtigsten Raumfahrt betreibenden Staaten jährlich
ca. 30 Mrd. € allein für die Raumfahrt-Infrastruktur aus. Weltweit sind geschätzt 300.000 Menschen in der Raum-
Zu diesen staatlichen Mitteln kommen noch Aufwendun- fahrtindustrie tätig, davon die Hälfte in den USA und ca.
gen für Aufbau und Betrieb der Internationalen Raumsta- 33.000 in Europa. Ungefähr die Hälfte aller Beschäftigten
tion ISS (ca. 4 Mrd. $/Jahr plus 1 Mrd. $ pro Shuttleflug) arbeitet in der Produktion von Satelliten, ca. 90.000 Men-
und öffentliche Ausgaben für Forschungslaboratorien, Si- schen produzieren Raumtransportsysteme und Bodenaus-
mulations- und Kontrollzentren, Raumfahrtagenturen etc. rüstungen.
hinzu. Es handelt sich im Wesentlichen um „öffentliche“
Mittel, von denen der ganz überwiegende Anteil den USA Die deutsche Raumfahrtindustrie finanziert sich mit einer
zuzuordnen ist, gefolgt von Europa, Japan und Russland. vergleichsweise hohen Anzahl an kommerziell ausgerich-
Es zeichnen sich folgende Entwicklungen ab: Allen voran teten Projekten, welche einen Geschäftsanteil von knapp
wird Japan aufgrund der Empfehlung einer durch den 50% ausmachen. Insgesamt beschäftigte die Branche
Präsidenten geleiteten Kommission eine Verdoppelung 1999 zusammen 6.100 Personen, 2004 abnehmend noch
seiner staatlichen Mittel innerhalb der kommenden zehn 5.000 Personen und setzte etwa 1,5 Mrd. € um. Im Jahr
Jahre vornehmen. Länder wie China, Indien, Brasilien und 2009 waren es 6.200 Beschäftigte, der Umsatz belief sich
Südkorea haben eine Verstärkung ihrer Investitionen in auf 2,0 Mrd. €. Dies entspricht ca. einem Drittel des europä-
Raumfahrt angekündigt. Bei internationalen Forschungs-, ischen und 1,2% des globalen Umsatzes. Die Beschäftigen
Erdbeobachtungs- und Explorationsprogrammen werden in der deutschen Raumfahrtindustrie verteilen sich regio-
die Staaten zunehmend zusammenarbeiten; hierzu ist das nal wie folgt: 2.700 in Baden-Württemberg (z. B. Astrium,
ISS-Programm ein wichtiger Indikator. Bei kommerziellen Tesat, Thales, SpaceTech, vH&S, ND SatCom und zahlrei-
und sicherheitsrelevanten Unternehmungen ist jedoch von che KMU), 1.700 in Bayern (z. B. Astrium, MT Aerospace,
einer Intensivierung des Wettbewerbs der Staaten und In- Kayser-Threde und zahlreiche KMU) sowie1.500 in Bremen
dustrien untereinander auszugehen. (z. B. Astrium, OHB, KMU). Die Industriestruktur lässt sich

2 ITU (2004).

42
Anhang

wie folgt charakterisieren: Zwei großen Systemanbietern


(Astrium, OHB) stehen etwa 80 auf Raumfahrt konzent-
rierte KMU und etwa 200 bis 300 Firmen mit kleinem Ge-
schäftsfeld im Raumfahrtbereich gegenüber.

Nach der Euroconsult-Studie zeigt sich ferner, dass der


Staat seine fördernde Hand im Raumfahrtbereich trotz zu-
nehmender Kommerzialisierung nicht zurückziehen darf.
Die Dominanz der USA etwa in der Satellitentechnik ist
hauptsächlich auf Vorleistungen des Staates zurückzufüh-
ren. Setzt man die gesamten staatlichen (zivilen und mili-
tärischen) Raumfahrtausgaben ins Verhältnis zum Brutto-
inlandsprodukt (BIP), so ergeben sich die in Bild 3 (siehe
Kapitel 3.2 „Finanzierung“) dargestellten Verhältnisse.

Trotz der großen Differenz zwischen den in die Raumfahrt


investierten Prozentzahlen des BIP in den USA im Vergleich
zu Europa und Japan erkennen die Analysten, dass sich
diese Differenz vor allem im zivilen Raumfahrtgeschäft ten-
denziell verringert. Die staatlichen Raumfahrtzuwendun-
gen stehen offenbar weit weniger mit dem BIP-Potenzial im
Zusammenhang als um so mehr mit dem wirtschaftlichen
Erfolg und den entsprechenden Weltmarktanteilen. Dieses
macht vor allem eins deutlich: Technologien zum Aufbau
einer Raumfahrtinfrastruktur in Wirtschaft und Forschung
sowie in den entsprechenden Möglichkeiten der Nutzung
durch Staat und Wirtschaft sind wirtschaftlich äußerst loh-
nenswert.

43
Raumfahrtpolitik

LITERATURVERZEICHNIS

Datum des letzten Zugriffs aller aufgeführten Internetquellen: 20. Oktober 2010

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BDLI 2009
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Deutsche Luft- und Raumfahrt, August 2009, URL: http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/
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45
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Académie de l‘Air et de l‘Espace/National Air and Space Academy (Ed.): The Role of Europe in
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Obama, B.H. (US President): Remarks by the President on Space Exploration in the 21st Centu-
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Satellite Industry Association (Ed.): State of the Satellite Industry Report, June 2010, URL:
http://www.sia.org/news_events/pressreleases/2010StateofSatelliteIndustryReport%28Fin
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Space Foundation (Ed.): The Space Report 2010, The Authoritative Guide to Global Space
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Weltall. Spektrum custom publishing, 2010, Inhaltsverzeichnis unter URL: http://www.dlr.de/
rd/Portaldata/28/Resourcesvdokumente/Schwerelos_Summary.pdf.

StaBu 2008
Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Studierende an Hochschulen - Wintersemester 2009/2010 -
Fachserie 11 Reihe 4.1 - 2010, URL: https://www-ec.destatis.de/csp/shop/sfg/bpm.html.cms.
cBroker.cls?cmspath=struktur,vollanzeige.csp&ID=1026230

47
Raumfahrtpolitik

> BISHER SIND IN DER REIHE „acatech BEZIEHT POSITION“ FOLGENDE BÄNDE
ERSCHIENEN:

acatech (Hrsg.): Wie Deutschland zum Leitanbieter für Elektromobilität werden kann. Status Quo -
Herausforderungen – Offene Fragen. (acatech bezieht Position, Nr. 6), Heidelberg u. a.: Sprin-
ger Verlag 2010.

acatech (Hrsg.): Intelligente Objekte – klein, vernetzt, sensitiv (acatech bezieht Position, Nr. 5),
Heidelberg u. a.: Springer Verlag 2009.

acatech (Hrsg.): Strategie zur Förderung des Nachwuchses in Technik und Naturwissenschaft.
Handlungsempfehlungen für die Gegenwart, Forschungsbedarf für die Zukunft (acatech be-
zieht Position, Nr. 4), Heidelberg u. a.: Springer Verlag 2009.

acatech (Hrsg.): Materialwissenschaften und Werkstofftechnik in Deutschland. Empfehlungen


zu Profilbildung, Forschung und Lehre (acatech bezieht Position, Nr. 3), Stuttgart: Fraunhofer
IRB Verlag 2008.

acatech (Hrsg.): Innovationskraft der Gesundheitstechnologien (acatech bezieht Position,


Nr. 2), Stuttgart: Fraunhofer IRB Verlag 2007.

acatech (Hrsg.): RFID wird erwachsen. Deutschland sollte die Potenziale der elektronischen
Identifikation nutzen (acatech bezieht Position, Nr. 1), Stuttgart: Fraunhofer IRB Verlag 2006.

48
> acatech – DEUTSCHE AKADEMIE DER TECHNIKWISSENSCHAFTEN
acatech vertritt die Interessen der deutschen Technikwissenschaften im In- und
Ausland in selbstbestimmter, unabhängiger und gemeinwohlorientierter Weise.
Als Arbeitsakademie berät acatech Politik und Gesellschaft in technikwissen-
schaftlichen und technologiepolitischen Zukunftsfragen. Darüber hinaus hat
es sich acatech zum Ziel gesetzt, den Wissenstransfer zwischen Wissenschaft
und Wirtschaft zu erleichtern und den technikwissenschaftlichen Nachwuchs
zu fördern. Zu den Mitgliedern der Akademie zählen herausragende Wissen-
schaftler aus Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen. aca-
tech finanziert sich durch eine institutionelle Förderung von Bund und Ländern
sowie durch Spenden und projektbezogene Drittmittel. Um die Akzeptanz des
technischen Fortschritts in Deutschland zu fördern und das Potenzial zukunfts-
weisender Technologien für Wirtschaft und Gesellschaft deutlich zu machen,
veranstaltet acatech Symposien, Foren, Podiumsdiskussionen und Workshops.
Mit Studien, Empfehlungen und Stellungnahmen wendet sich acatech an die
Öffentlichkeit. acatech besteht aus drei Organen: Die Mitglieder der Akademie
sind in der Mitgliederversammlung organisiert; ein Senat mit namhaften Per-
sönlichkeiten aus Industrie, Wissenschaft und Politik berät acatech in Fragen
der strategischen Ausrichtung und sorgt für den Austausch mit der Wirtschaft
und anderen Wissenschaftsorganisationen in Deutschland; das Präsidium, das
von den Akademiemitgliedern und vom Senat bestimmt wird, lenkt die Arbeit.
Die Geschäftsstelle von acatech befindet sich in München; zudem ist acatech
mit einem Hauptstadtbüro in Berlin vertreten

Weitere Informationen unter www.acatech.de

> DIE REIHE „acatech BEZIEHT POSITION“


in der Reihe „acatech bezieht Position“ erscheinen Stellungnahmen der Deut-
schen Akademie der Technikwissenschaften zu aktuellen technikwissenschaft-
lichen und technologiepolitischen Themen. Die Veröffentlichungen enthalten
Empfehlungen für Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Die Stellungnahmen
werden von acatech Mitgliedern und weiteren Experten erarbeitet und dann
von acatech autorisiert und herausgegeben.

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